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Full text of "More Pauly"

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PAULYS 



REAL-ENCYCLOPADIE 



DER 



CLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFT 



NEUE BEARBEITUNG 



UNTER MITWIRKUNG ZAHLREICHER FACHGENOSSEN 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

GEORG WISSOWA 



SIEBENTER HALBBAND 

Claudius mons — Cornificius 




STUTTGART 

J. B. METZLERSCHER VERLAG 

1900. 



Claudius Dions, ein Berg- oder Hugelzug im durch ihren allgemein gefassten Inhalt eine Menge 

siidlichen Pannonien , zwischen der Drave und von Einzelbestimmungen ersparte. Vgl. Iulian. 

Save; zu einer festeren Localisierung reichen die Dig. XLV 1, 53: Stipulationes eomtnodius est 

unbestimmten Angaben bei Velleius II 112: pars ita componere, ut, quaeeunque speeialiter eom- 

exercitus eorum (der aufstandischen Pannonier prehendi possint, contineantur, doli autem dau- 

im J. 6 n. Chr.) occupato mante Claudio sula ad ea pertineat, quae in praesentia occmrere 

■munitione se defendit und Plin. n. h. HI 148 : non possint at ad incertos casus pertinent, vgl. 

morn Claudius, cuius in fronte Seordisei, in Dig. XLV 1, 119. 121 pr.; s. Cautio (Bd. Ill 

terqo Taurisci nicht aus. Vgl. Mommsen CIL S. 1816f. Litteratnr: Karlowa Rom. Rechtsge- 
III p 415 Kiepert Formae orbis antiqui XVII 10 schichte II 711 und die dort Anm. 3 Angefuhften. 

6 66 Mull enh off Deutsche Altertumskunde II Voigt Rom. Rechtsgesch. 611 § 54, 2 und die 

291 Abraham Zur Geschichte der germ, und dort Anm. 44 Angefiihrten. Leonhard Institu- 

pami. Kriege 17. H. Cons La province Rom. tionen 398 § 180 I. [Leonhard.] 

de Dalmatie 157. [Patsch.] Clautiburgum (Geogr. Rav. 220, 3) s. Teu- 

Clavenna, Ort in Raetien, an der Strasse tiburgium. 

Brigantia-Comum (Itin. Ant. 278. Tab. Pent). Clautonatii ( Mavrovanoi) , vindelicischer 

Heut Chiavenna. Mommsen CIL V p. 558. Stamm bei Strab. IV 206, sonst nicht bekannt. 

Holder Altkelt. Sprachschatz s. v. [Ihm.] Name verderbt? P? 1 ^,. 

Clausala (Liv. XLIV 31), Fluss in Dalmatien, Clavus. 1) Claims annahs. Der Braucn, 
der am Bertiscus (Kom und Durmitor) entspringt, 20 in die Wande der Heiligtiimer alljahrlich einen 

Scodra (Skutari) im Osten umfliesst und sich in Nagel einzuschlagen, woraus sich die Anzahl der 

die Barbanna (jetzt Bojana), den Abfluss des La- Jahre berechnen liess (Pest. ep. p. 56 = Ip..S9 

beates lacus (See von Scutari) ergiesst. Kiepert Thewr.), war schon bei den Etruskern m Ubung 

Formae orbis antiqui XVII. W. Tomasehek (Miiller-DeeckeDie Etrusker II 307rIV); im 

o. Bd. II S. 2855. [Patsch.] Tempel der Nortia zu Volsimi fand ein Zeitge- 

Clausentum, Stadt im belgisehen Britannien, nosse des Livius, der Antiquar L. Cincius (Liv. 

siidlich von Verita Belgarum, jetzt Bittern bei VII 3, 7) solche Jahresnagel vor. Sacral und 

Southampton (Itin. Ant. 478). Hubner CIL VII chronologisch besonders bedeutsam ist der clavus 

p, 15, [Dim.] annalis des capitolinischen Heiligtums. Nach 

Clausetia, Ort in Gallien, wahrscheinlich 30 der Hauptstelle bei Liv. VII 3, 5ff., der hier 

zwischen Toulouse und Clermont-Ferrand, Apoll. wohl auf Cincius (vgl. § 7) zuriickgeht, war bei 

Sidon. epist. V 13, 1 Ham Clametiam pergit der Dedication des Iuppitertempels die ehedem 

Euanthius). [Ihm.] durch eine Erztafel an der rechten Wand der 

Clausula heisst ein Abschnitt im Edicte (z. B. cdla Iovis festgehaltene sacrale Anordnnng (lex) 

die nova clausula Iuliani de eoniungendis cum getroffen worden, ut qui praetor maximus sit, 

emancipate liberis eius, Dig. XXXVII 8, 3 ; vgl. idibus Septembribus (d. i. am Dedicationstage 

Kipp Quellenkunde des rom. Rechts § 7 IV Anm. des Tempels) clavum pangat, und zwar an der 

17) oder in einem Rechtsgeschafte (Dig. XL VI 7, Wand derMinervacapelle, quia numerus Minervae 

6: iudiwtum solvi stipulatio tres clausulas in inventum sit. Der Wortlaut der Stelle zeigt, 
unumcollatashabet). ZudenwichtigstenVertrags-40 was Mommsen bestritten hat, eme alljahrhche 

clauseln gehort die clausula doli, eine Einfugung Vornahme der Nagelschlagung. Demgemass voU- 

in eine stipulatio des Inhaltes: Mum malum zog sie bei der Dedication im ersten Jahre der 

huie rei abesse abfuturumque esse. Dieser Zu- Republik (245 = 509) der Consul Horatius, und 

satz findet sich insbesondere bei den vom Prae- so auch fernerhin einer der Consuln, nacn Jiin- 

tor oder dem Richter auferlegten Stipulationen, fiihrung der Dictator (also seit J. 253 = 501) 

so auch als clausula novissima bei der cautio der Dictator, falls ein solcher im Amte war, so 

iudicatum solvi (vgl. hiezu Puchta-Kriiger z. B., wie schon die im J. 423 = 331 vorliegenden, 

Institutionen io II 168 § 232 c). Durch eine Annalen zu berichten wussten, mit besonders wun- 

solche Bestimmung wurde das strenge Recht der derbarem Erfolge in secessionibus qwmdam pkAu 
stipulationes, die negotia stricti iuris waren, 50 (Liv. VIII 18, 12). Spaterhin kam zwar nicht, 

einer freieren richterlichcn Bourteilung unter- wie man vielfach aus Livius herauslesen wollte, 

stellt und dadurch den Grundsatzen der bonac- die jahrliche Ceremonie der Nagelschlagung als 

/wfo'-Vertrage genahert. Die Entstehung der clau- solche, wohl aber nach Soltaus (Rom. Chron. 

sula doli wird daraus hergeleitet, dass man sich 392) richtiger Deutung, bei welcher die vonUnger 

Pauly-Wisaowa IV 



3 Clavus 

vorgescklagene Anderung intermisso dein tempore 
fur das uberlieferte intermisso deinde more iiber- 
fliissig erscheint, die Gewohnheit, einen Dictator 
als praetor maximus damit zu beauftragen, in 
Vergessenheit. Erst bei einer Pest im J. 391 = 
363 erinnerte man sich daran, dass einroal eine 
Seuche — das Jahr derselben wird nicht ange- 



geben — infolge der Nagelschlagung durch einen 

Dictator erlosch ; um also hinsichtlich des praetor _ „...,. , w - 

maximus ja nichts zu versehen, wurde damals 10 tberlieferung alles, was auf eme alljahrliche Wie- 
wieder ein Dictator und- z war ausschliesslich zur derkehr des Nageleinschlags hmweist, als em 



Clavus 4 

Die Bedeutung des Jahresnagels , der ja in 
der That nach Festus und Liviua in einem pri- 
mitiven Zeitalter zur Jahreszahlung verwendet 
werden moehte, fur die rOmische Chronologie ist 
seit Mommsens Ausfiihrungen ESm. Chron. 2 
176ff. (iberschatzt worden. Moramsen, dessen 
Ansicht sich — allerdings mit zum Teil noch 
weitergehenden Modifleationen — auch Matzat 
und Seeck angeeignet haben, verwirft in der 



■ Vornahme dieser Ceremonie ernannt. Ausser Li- 
Tius bezeugen auch die capitolinischen Fasten 
(OIL I « p. 20) zum J. 391 = 363 diesen dictator 
und den ihm beigegebenen mag(ister) eqfuitumj, 
beide elavi fig(endij eaussa bestellt. Mommsen 
stellt St.-R. lis I56f., 7 diese Function rait den 
zur Ausrichtung ausserordentlicher Festlichkeiten 
ernannten Dictatoren zusammen (vgl. auch Mad - 



Missverstandnis der Antiquare in augustischer 
Zeit ; er lasst ferner nur die Einschlagungen der 
Jabre 391 == 363 und 491 = 263 (in den capi- »., 
tolinischen Fasten) als gut bezeugt gelten und - 
nimmt ausserdem vor diesen eine angeblich zur 
Zeit der grossen Pest des Jahres 291 = 463 er- 
folgte Nagelschlagung an, welche letztere indessen 
in der Uberlieferung gar keinen Anhaltspunkt, 



vig Verf. und Verw. I 485f.)- Auch weiterhin 20 wohl aber, wie Unger dargelegt hat, mancherlei 
- -■* -- • • - ■- • t. ,-i..._ Widerspruch findet. Aus dieser Hypothese, welche 

in dem capitolinischen clavus einen Saecalarnagel 
sieht, ergeben sich dann fiir Mommsen tiefein- 
schneidende Folgerungen, insbesondere die, dass 
die 200 Auitsjabre von 291—491 vollen 200 Ka- 
lenderjahren gleichkominen , wahrend Anzeichen 
bedeutender Verkiirzungen vorhanden sind. So- 
viel nur scheint mit Soltau Rom. Chron. 391, 
der mit Recti t an der alljahrlichen Nagelschla- 



wurde diese Dictatur als Abwehr gegen Pestilenz 
und innere Unruhen von Zeit zu Zeit erneuert, 
so im J. 423 = 331 (Liv. VIII 18, 12f. ; vgl. 
VaL Max. II 5, 3. Oros. Ill 10, Iff. August, de 
civ. dei III 17, 2), vielleicht auch im J. 441 = 
313 (Liv. IX 28, 6 ; nacb den Fasten und anderen 
Berichten war dies allerdings eine Dictatur rei 
gerundae eausa) und auch sonst haufig (Liv. IX 
34, 12 zum J. 444 = 313), alles Falle, wo Mom m 



ohne ersichtlicben Grund die Glaubwiirdig- 30 gung festhalt, zuzugeben, dass die Dictatur dav. 



keit der Uberlieferung bestreitet (R. Chron. 2 176 
A. 342; St,-R. a. a. O. A. 5). Endlich verzeichnen 
— und dies ist der Angelpunkt der Mommsen - 
schen Hypothese — im J. 491 = 263, also genau 
hundert Jahre nach der Dictatur elavi figendi 
des Jahres 391 = 363, die capitolinischen Fasten 
(CIL I 2 p. 22) wiederum einen dictator und 
einen mag(ister) eqfuitum) dam fig(endi) eaussa. 
Es hindert nichts, anzunehmen, dass die Sitte 



figendi causa im J. 491 = 263 wohl durch die 
auch im sacralen Bereiche bedeutsame Erwagung 
veranlasst wiirde, dass seit der ersten Einsetzung 
im J. 391 = 363 gerade ein saeculum verflossen 
war; es ist demnach wahrscheinlich , dass zwi- 
schen 391 und 491 in der That 100 Amtsjahre 
lag en. 

Litteratur; Mommsen Rom. Chron. 2 176ff. 
G.F. Unger Philologiis XXXII 531-540. Lange 



des jahrlichen Nagelschlugs durch den jeweiligen 40 Jahresber. II 1873, 864f. Huschke Das alte 
hochsten Magistrat (Consul) noch zur Zeit des rfim. Jahr 71. 73. Preller- Jordan Ram. Myth. 
Livius selbst in Ubung war, wie ja auch das Prae- 



sens in VII 3, 5 (lex vetusta est u. s. w.) nabelegt. 
Im J. 752 = 2 verlieb Augustus dem neuen Tempel 
des Mars Ultor unter anderen Privilegien des 
capitolinischen Heiligtums auch das des Nagel- 
schlags, welcher hier jedoch nur am Schlusse des 
Lustrums von den abtretenden Censoren vorge- 
nommen werden sollte (Dio LV 10, 4 Jj/Jv xs avxto 



13 258f. H. Matzat Rom. Chron. I 236ff. 251fF., 
vgl. II 30. 116. 214. O. Seeck Die Kalender- 
tafel des Pontifices 163f. 167f. Soltau Die romi- 
schen Amtsjahre 49ff.; R5m. Chronologie 391f. 
Daremberg-Saglio Diet. I 1241. 

[A. v. Premerstein.] 
2) Clavus (an Gewandstiicken). Paul. p. 56 M. 
= 39, 20 Thewr.: clavata dicuntur aut vesti- 



vno xmv xiu.nxtvoa.vxmv agoozrj?i>va#ai), eine Ati- 50 menta elaris intertexta aid cakiamenta clavis 



ordnung, die wohl schon durch das Abkommen 
des Census seit Vespasian unpraktisch wurde. 

Die Ceremonie des clavus annalis ist zunachst 
eine sacrale Haudlung; eine etwaige Bedeutung 
f6r die Chronologie kann ihr nur mittelbar zu- 
kommen. Gesueht erscheint Prellers Deutung, 
wonach der dams annalis auf das Unerschiitter- 
liche der Beschliisse Iuppiters oder auf die lichte 
Jahresordnung der Idus hinweist u. a. Vielmehr 



eonfixa. Wenn das Wort wie clavus der Nagel 
auf die Wurzel sklu schliessen, einhaken (Vani- 
cek Etym. Wfirterb. d. lat. Sprache 1124) zu- 
riickgeht, so musste man bei Webestucken den 
C. zunachst dort voraussetzen, wo das Gewebe 
geschlossen wird. Die Sahlkante selbst oder der 
darauf ansebrachte Besatz (Blilmner Technologie 
I 199f.) "entsprachen dieser Vorstellung. Am 
Saume ist der C. jedenfalls anzunehmen bei den 



beruht dieses^ ' piaculum (Liv. VIII 18, 12), als 60 ma-ppae, die mit einem C. verziert sind: Petron. 

- ■ - ■- -■ - 32. Martial. IV 46, 17. Audi m der Festusstelle 

p. 274 M. = 378, 32f. Th. recinium . . . praetex- 
tum clam purpurea (nach Lipsius praetex- 
tam, auf togam zu beziehen) wird man an eine 
Saumverzierung denken. Wenn sich daraus er- 
giebt, dass der C. ein Streifen ist. so stimmen 
dazu auch andere Beobachtungen. Schon die 
Scheidung zmschen lafiis dams und augttstus 



dessen Zweck in der Cberlieferung die Abwehr 
von Krankheit und Unruhen klar hervortritt, wie 
die defixiones iiberhaupt (Preller-Jordan Rem. 
Myth. IS 260. Marquardt-Wissowa St.-V. 
Uj2 106f.), auf dem uralten Volksglauben, der 
durch Einschlagen von Nageln daemonische Ein- 
fliisse abzuwenden und anderswo zu fixieren ver- 
meinte. 



5 Clavus 

clavus weist darauf hin und Stellen wie Serv. 
Dan. Aen. II 616 alii ,nimbum' elavum trans- 
versum in veste existimant. Freilich ist dabei zu 
beachten, dass in der weiteren Entwicklung nicht 
bios S a um streifen darunter verstanden werden. 

Erhaltene Tuniken spjitantiker Zeit (Katalog 
der archaol. Ausstellung 1893 Wien Osterr. Mus. 
133f. [A.Riegl]) zeigen streifenartigeVerzierungen, 
die .rechts und links vom Halsschlitze in ununter- 
brochenem Flusse tiber Brust und Rucken laufen ; 10 
gegen die Enden hin erscheinen sie gewohnlich 
halbrund abgeschlossen, worauf sich noch mittelst 
eines mehr oder minder langen Stieles eine blatt- 
artige freie Endigung anschliesst.' Ahnlich sind 
die streifenartigen Verzierungen an den Tuniken 
agyptischer Wandgemalde der Kaiserzeit, soleher 
in den Katakomben und des vaticanischen Bilder- 
codex des Vergil. Auch an Bronzen hat Heuzey 
bei Daremberg-Saglio Dictionn. 1 1246 solche nach- 
gewiesen. In den zuletzt angefuhrten Beispielen 20 
aber reichen die Streifen bis an das Ende des 
Gewandes herab. So auch bei den Grafschen 
Tuniken, Karabacek Die Theod. Grafschen 
Funde 34. Vgl. Marquardt Pr.-L. 547, 5. 

Dass in den Zierstreifen der erhaltenen Tu- 
niken und der verwandten Darstellungen der C. 
wiederzuerkennen ist , beweist die tlbereinstim- 
mung mit der Vorstellung, die sich fiir den C. 
aus vielen Schriftstellen ergiebt. Die Mchrzahl 
derselben bezieht sich allerdings speciell auf den 30 
latus bezw. angmtus clavus, indes unterliegt es 
keinem Zweifel , das? diese beiden Arten des C. 
durch die Purpurfarbe, nicht durch die Form von 
anderen geschieden sind. Man kann also diese 
Stellen unbedenklicb verwenden, wo es gilt, die 
Form des C. uberhaupt zu ermitteln. Einerseits 
wird eine Mehr zahl von clavi bei einer Tunica 
erwahnt: Varro de 1. 1. IX 79 si quis tunicam in 
usu {usuni L . S p e n g e 1) ita (inusitate ita S c h u 1 z e 
Rh. Mus. XXX 120) eonsuit, id altera plagula 40 
sit angustis clavis. altera latis . . . .; anderer- 
seits werden Verba davon gebraucht wie descen- 
dere und demittere (Horat. sat. I 6, 28: latum 
demisit peetore elavum). Es ergiebt sich also 
Ubereinstimmung zwischen Bild- und Schriftquellen 
in zwei Punkten: 1) der clavi waren in der Regel 
zwei, 2) sie lief en von den Schultern nach vom 
abwarts. Dass sie 3) auch in den Rucken gingen, 
wie bei den erhaltenen Tuniken , folgert man 
mit Recbt aus Varro bei Nonius p. 536f. Merc. 50 
quorum vitreae togae ostentant tunieae claros. 
Aber auch die obige Varrostelle lehrt es uns; 
denn die beiden plagulae konnen doch wohl nur 
so verstanden werden, dass die eine der Vorder-, 
die andere der Riickseite angehort. Das Probianus- 
tiifelehen kann als Beweis nicht angefiihrt werden 
(E. Hula Die Toga der Kaiserzeit, Gymn. Pro^r. 
Brunn 2. St.-Gymu. 1895, 16f.). Der bre'ite Streifen, 
welcher daselbst in dem Riicken einer Figur sicht- 
bar wird, gehort zur Toga, Dagegen^wird die 60 
Verzieruug mit einem C. als fremde Sitte be- 
zeichnet von Herodian. V 5, 10 ai's^cootthoi [oi] 
/isv ynoivag nodijosiz yai yugidaxovz vouio <Poivi- 
xcov, f.v iiinm rj-foorxe; /'tar TogfVQar fvgl. u.). 
Vereinzelt (z. B.^Ann. d. Inst. 1872 tav. d'agg. 
D) finden sich auch auf rfimischen Darstellungen 
Tuniken mit einem C, der vom Halse tiber die 
Mitte der Brust herablauft. Daraus kann wohl 



Clavus 6 

gegen die allgeraeine Regel, namentlich aber im 
Hinblick auf den latus und angustus claims nichts 
gefolgert werden. 

Die Technik, in welcher die clavi der er- 
haltenen Tuniken ausgefuhrt sind, schildert A. 
Riegl in dem obenerwabnten Kataloge S. 134 
(vgl. auch Karabacek Die Theod. Grafschen 
Funde in Agypten 35) folgendermassen: ,Die Ver- 
zierungen werden nicht aufgenaht, sondem bei 
der Herstellung des Leinengewebes in dieses letz- 
tere hineingearbeitet. Es geschah .dies in der 
"Weise, dass der entsprechende Raum im Gewebe 
ausgespart, d h. die Kette an der betreffenden 
Stelle nicht durch den Einschlag gekreuzt, son- 
dem offen belassen wurde.' Die Bezeichnung hie- 
fur ist intcrtexire oder immittere. Im Edictum 
Diocl. flndet sich mehrmals der Ausdruck clavan- 
tium, von Mommsen Herm. XXV 20f. auf operae 
bezogen, so dass es clavis intertexentium gleich- 
kame, wahrend Bliimner Maximaltarif 176 (vgl. 
174) folgeude Deutung aufstellt: ,Es handelt sich 
um die Bedeutung von clavare. Ich halte dies 
fur einen Terminus technicus der Webereien, durch 
den man die Qualitat und Quantitat der zu den 
eingewebten Streifen verwandten Purpurwolle be- 
zeichnete. Man sagte also: haec tela clavat sex 
uncias blattae, d. h. zu den elavi dieser tela sind 
6 Unzen blatta verwandt. Dieser Sprachgebrauch 
lasst sich allerdings nicht erweiscn. scheint mir 
aber durchaus nichts Undenkbares zu haben.' 

Der C. konnte von verschiedener Farbe sein. 
Hist. Aug. Tac. 11,6 erwahnt z. B. auro davatis 
zestibus ; vgl. Nonius p. 540 M. : patagium aureus 
clavus, qui pretiosis mstibus immitti solet. tiber 
den purpurnen C. s. unten. 

Die Breite des C. ist nicht fixiert. Selbst 
angustus und latus clonus unterscheiden sich nur 
relativ (s. u.). Auf ein bestimmtes Mass weist 
Festus p. 209 M. = 252, 23 Th. tunica palmata 
a latitudine clavorum dicebatur, wobei allerdings 
der Zusatz nunc a genere pieturae dicitur sofort 
die Vermutung nahelegt, es handle sich hier um 
eine falscbe Etymologie. 

Latus und angustus clavus. Von jeher 
(die spatere Tradition kniipft auch hier an die 
Etrusker an: Plin. n. h. IX 136 toga praetexta 
et latiore clavo Tullum Hostilium e regibus pri- 
mum usuni Etruseis devidis satis constat) scheint 
der purpurne C. als Kennzeichen der Ritter ge- 
dient zu haben, wenn er ihnen auch nicht aus- 
schliesslich zugekommen ist, Plin. n. h. XXXIII 
29: anuli distinxere alterum ordinem a plebe, 
id semel coeperant esse celebres, sicut tunica ab 
anulis senatum, quamqtiam et hoc sero. volgo- 
que purpura latiore tunieae usos invenimus efiatn 
praecones sicut patrem Luci Aeli Stilonis Prae- 
eoiiini oh id eognominafi . sed anuli plane ter- 
tium ordinem mediumque ptebei et patribus 
inseruere. Der praeco sollte durch den breiten 
Purpurstreifen auffallig gemacht werden. Beim 
eques ist der Purpurstreifen wohl von dem roten 
Kriegskleide herzuleiten (Mommsen St.-R. I 410, 
5. Ill 513). Zum eigentlichen Standesabzeichen 
aber wurde der C. erst dann, als sich die Senatoren 
zum Unterschiede von den equites einen breiteren 
Streifen beilegten. ,Da die Senatoren bis auf die 
Gracchenzeit audi das Staatspferd besassen, war 
der Streifen das Abzeichen der beiden vornehm- 



Clavus 



Clavus 



8 



sten Stande. Als sie dann ira Laufe des 7. Jhdts. 
sich formell yon einander schieden, fand diese 
Scheidung ihren Ausdruck darin, dass seitdem 
die Senatoren einen breiteren, die Bitter einen 
schmaleren Purpurstreifen trugen' (Mo mm sen 
St.-E. Ill 513, vgl. 218). Dazu stinimt es, dass 
Stellen, welche auf eine directe Scheidung zwischen 
den beiden Clavus-Arten hinweisen, friihestens auf 
jene Zeit fuhren: So erzahlt Diod. XXXVI 7, 4 
zum J. 652 =102 vom aufstandischen Tryphon: 10 
Ttj^svvav rs TisginoQcpvoov sisQtsfSdV.sro xal nkarvov- 

fiov ivsdv xuwva. Plin. n. h. XXXIII 29 giebt 
eine indirecte Bestatigung. Bei Liv. XXX 17, 13 
znm J. 549 = 205 (vgl. Mommsen St.-E, III 513, 
4) : munera, quae legati fervent regi (Massini-ssae), 
deereverunt sagula purpurea duo cum fibulis 
singulis et lato clavo tunicis, equos duo phale- 
ratos, bina eqttestria arma, cum, lorieis et taber- 
nacula wird die Paradetracht eines eques ge- 
schildert, beweist also den Zusammenhang des 20 
Purpurstreifens mit dem Kriegskleide ohne Be- 
ziehung zum Senate. Liv. IX 7, 8 zum J. 433 
= 321 lati clavi, anuli aurei positi sehildert die 
Trauer dureh mutatio vestiu-m im Sinne der 
spateren Zeit. Dass hier ein Anachronismus vor- 
liegt, geht daraus hervor, dass Livius beziiglich 
der anuli aurei mit sich selbst in Widerspruch 
geriit XXIII 12, 2, wo er noch zum J. 538 = 216 
diese nicht als allgemeines Standeszeichen der 
equites anerkennt. 30 

Ob sich auch der Decurionenstand den latus 
clavus beigelegt , ist schwer zu entscheiden. 
Mommsen St.-R. Ill 887 leugnet dies, da in 
den municipalen Eiurichtungen zwar die Prae- 
texta vorkommt, der latus clavus aber nicht er- 
wahnt wird. Man kCnnte es allerdings folgern 
aus Horat. sat. I 5, 34: Fundos Aufidio Lusco 
praetore libenter linquimus, insani ridentes prae- 
mia seribae, praetextam et latum clavum pru- 
naeque batillum. Doch vgl. Mommsen St.- 40 
E. I 423, 4, wo dieser praetor als rOmischer Be- 
amter erklart wird. 

Schon in republicanischer Zeit trug der Knabe 
bei Anlegung der Toga virilis die tunica laticlavia, 
wenn er von senatorischen Eltern stammte (Suet. 
Aug. 94: sumenti [Augusto] virilem togam tu- 
nica lati clavi resuta ex utraque parte ad pedes 
decidit; vgl. Dio XLV 2, 5) oder senatorische 
Carriere einschlagen wollte, Ovid, trist. IV 10, 
28f.: Liberior fratri sumpta mikique toga est 50 
induiturque umeris cum lato purpura clavo. Vgl. 
fiir die Kaiserzeit auch noch Suet. Aug. 38: Li- 
beris senatorum, quo celerius rei publieae assue- 
scerent, protinus a virili toga latum clavum in- 
duere et curiae hiteresse permisit, um von anderen 
Belegen spaterer Zeit abzusehen. 

Die Verleihung des Senatorenstandes durch 
den Princeps wird bezeichnet durch Verleihung 
des latus clavus: Plin. ep. II 9 ego Sexto latum 
clavum a Caesare nostra impetrari. So wieder- 60 
holt; aus spater Zeit Cassiodor var. V 14 citi nos 
contulimus laticlaviam dignitatem. Im Hinblick 
auf den Stand der Frauen Cod. Theod. VI 4, 17 
etsi iniustum, enim atque dedecus videtur mu- 
lieres ad laticlavum atque insignia procedere. 
Digest. XXIV 1, 42 si uxor viro laticlavii gratia 
petenti donet .... 

Am scharfsten ist der Unterschied zwischen 



den beiden Clavi ausgepragt worden in der Tren- 
nung der tribuni laticiavii und angustielavii 
(irXarvorjfiog und arsvoonfiog), Suet. Aug. 38: ne 
qui {liberorum senatorum) expers castrorum 
esset, binos plerumque laticlavios praeposuit sin- 
gulis alts und Suet. Otho 10 : interfuit huic bello 
pater m.eus Suetonius Laetus XIII leg. trib. 
angusticlavius. So auch inschriftlich. 

In Zeiten offentlicher Trauer, wenn mutatio 
vestium eintrat, nahmen die Senatoren den angu- 
stus clavus an, vgl. o. S. 7. Liv. IX 7, 8 (Mar- 
quardt Pr.-L. 356). 

"Wir kCnnen die beiden Clavi nur relativ schei- 
den. tibrigens spricht auch die tfberlieferung da- 
fur, dass kein bestimmtes Mass fiir die Breite 
festgesetzt war (s. o.). Sueton erzahlt von Aug. 
73: usus est ... . togis neque restrictis neque 
fusis, clavo nee lato nee angusto. Dieses Mass- 
halten ware nicht moglich bei fester Kegelung. 
Ahnlich von Scptimius Severus Hist. Aug. Sev. 19, 7 
Me tarn exiguis vestibus usus est, ut vix et 
tunica eius aliquid purpurae kaberet. Doch 
wird dem Kaiser Alexander Severus eine festere 
Regelung zugesehiieben 27, 1: in a-nimo habuit 
omnibus offtciis genus vestium proprium dare 
et omnibus dignitatibus , ut a vestitu dinosee- 
rentur, et omnibus servis, ut in populo possent 
agnosci. sed hoe TJlpiano Pauloque displicuit. 
turn, satis esse constituit, ut equester Bomanus 
a senatoribus clavi qualitate diseernerentur ; 
vgl. 33, 4 purpurea non magna ad usum revocavit 
suum. Unsere Mittel reichen nicht aus, zu ergrun- 
den , worin diese Differenzierung bestanden hat. 
MOglicherweise bezweckte die gaoze Reform nur 
eine Verseharfung des schon bestehenden Ge- 
brauches. 

Eine Eigentumlichkeit der tunica laticlavia 
war, dass sie nicht gegiirtet wurde : Quint, inst. 
XI 3, 138 cui lati clavi ius non erit, ita cin- 
gatur , ut tunicac priori-bus oris infra genua 
paulum, posterioribus ad medios poplites usque 
perveniant .... latum habentium clavum modus 
est, ut sit paulum cinetis summissior. A. Mai- 
ler Philol. XXVIII 1869, 277 bestreitet dies mit 
Unrecht. Bei Suet. div. Iul. 45 mum enim (Caesa- 
rem) lato clavo ad manus fimbriate nee ut um- 
quam aliter quam super eum cingeretur bestatigt 
die Ausnahme die Eegel. Einen directen Beweis 
fiir das Fehlen des Gfirtels liefert das von Augu- 
stus erzahlte omen, dass die aufgetrennte Tunica 
zu den Fiissen herabglitt, s. o. S. 7. 

In abgekurzter Redeweise wird latus elarus 
= tunica laticlavia gebraucht, z. B. neben Suet, 
d. Iul. 45 Acta fratr. Arv. Henzen p. CCIX u. 
37 latum sumsit et ricinium. Hist. Aug. Get. 
6, 5 loricam sub lato habens clavo; Carac. 2, 9 
sub veste senatoria loricam habens. 

Auf sacralem Gebiete wird der latus clavus 
erwahnt bei den Arvalen, s. o. Sil. Ital. Pun. 
HI 26 sacrificam lato testem- dislinguere clavo 
bezieht sich auf einen auslandischen Cult, wozu 
man die oben citierte Stelle Herodian. V 5, 10 
vergleiche; vgl. Rubenius d. re vest. I c. 17. 

Auf militarischem Gebiete lasst sich der C, 
abgesehen davon, dass er ursprunglich den Rittern 
zugekommen zu sein scheint (a. o. , besonders 
Liv. XXX 17, 13), wie mir scheint, auch in der 
Zeit des Alexander Severus nachweisen. Die Hist. 



9 



Claxelus mons 



Clemens 



10 



Aug. Alex. 33 iiberliefert mililes quos ostensio- 
nales voeant non pretiosis sed speciosis Claris 
vestibus ornabat, wo offenbar speciosis clavis 
vestibus zu lesen ist. 

Vollig zu trennen von dem bisher besprochenen 
latus claims ist jener, welcher bei Lydus erwiihnt 
wird, de mag. p. 134, 5 Bonn. ^Aotjiwifo? a%Qt 
xvtjftaiv it; &>g,ayf Siijxovoai TtsQovmg xQvaaig dve- 
araX/iEvai to yjt&ita ^tjQapsishvoi " noQcpvQq xara 
fiioov Slaotjf^iot fiarixkafflas avrag wr6fia£ov . .). 
Die jiagaywdat dagegen werden Asvxqi dwXov ge- 
nannt. Uber die Tracht der Patricier vgl. W. 
Meyer Abh. Akad. Munch. XV 1881, 28ff. Die 
hier erwahnten Purpureinsatze gehoren zu den 
segmenta; vgl. auch Camille Jullian Le diptyque 
de Stilicon in Melanges d'arch. et d'hist. II 12. 
Hier dilrften wohl auch die Verzierungen einzu- 
reihen sein, in welchen Karabacek Die Theod. 
<jtrafschen Funde in Agypten 34f. den latus bezw. 
angustus clavus erkennen will. Mit dem latus 
clavus der friiheren Zeit haben diese ganz den 
segmenta entsprechenden Einsatze nichts zu thun. 
De mag. p. 144, 19 nennt Lydus bei der Tracht 
der Consuhi die xoXofloi xAaTvotj/toi. Diese scheinen 
der tunica laticlavia zu entsprechen, so dass 
dann der weitere Vermerk noQcpiiQa Sidatjfiog Q 
ixazigmv rwv <j)fxoiV rolg fj-iv <pairdXaig ngoo&sv, 
rots di xolofiolg xai s^omo&ev einen abermaligen 
Beleg dafiir bietet, dass der Purpurstreifen auch 
auf dem Riickenteile sichtbar war. tiber xolofiol 
vgl. GOll Der processus consularis, Philol. XIV 
1 859, 598f. So ist der C. auch iibergegangen in 
die priesterliche Tracht der Christen: Isid. orig. 
XIX 22, 9 Dalmatiea — tunica saeerdotalis Can- 
dida cum elaris ex purpura. Vgl. Marquardt 
Pr.-L. 545ff. 

NichtrOmischer Clavus. Bei den Griechen 
fallt der C. unter den Ausdruck onfietov (vgl. 
7c).azvor)fiog, arevoarfftog, aotjfiog). Auch der Aus- 
druck xagvrpri komint dafiir vor. Doch darf nicht 
ausser acht gelassen werden, dass die griechi- 
schen WOrter einen weitern Umfang haben. So 
wird in der Weihinschrift von Andania Z. 16 u. 
21 cassia von den fyidna gebraucht. Bei Lukian 
wird an verschiedenen Stellen evnaQvcpog synonym 
mit ,reich' gebraucht, z. B. Merc. cond. 9 sviza- 
joidaig t£ xai eixaqirpoi;; Alex. 26 rolg evxagv- 
tf-oig xal nlovaiaig y.al /J.eyaho8<b(>otg. Man er- 
innert sich an das patrimonium laticlavium bei 
Petron. 76. t'ber Streifen auf griechischen Ge- 
wandem s. Stephani Compte rendu 1878/9, 83, 
besond. 95ff., auf Tanagrafigilrchen Heuzey bei 
Daremberg-Saglio I 1242. Von den Einwoh- 
nern der Balearen erzahlt Strabon III 168, dass 
sie die yizaivas xXaivoi)fiovg erfunden hatten. In 
fremden Culten s. o. S. 8. In der Tracht des 
PerserkOnigs Curt. HI 3, 17 purpureae tunicae 
medium album intextum erat. Im Edict. Diocl. 
kommen die Ausdrucke dgdoanuog und xAazvon/j-o; 
vor, von Blii inner Maximal tarif 175 auf Langs- 
und Querstreifen bezogen. [Hula.] 

Claxelus mons, im ligurischen Appennin, 
nicht weit vom Flusse Porcobera (Polcevera), ge- 
nannt in der sententia Minucionim de agro Oe- 
nuate (CIL V 7749 Z. 21). Grassi Atti della 
Soc. Ligure III (1865) 449 und Desimoni 
ebd. 551 halteti ilm fiir den Monte Cia/.zo, dst- 
lich von Pontedecimo. [Hiilsen.] 



CledouiuSj nach der Inscriptio des cod. Ber- 
nensis Romanus senator, Gonstantinopolitanus 
grammatieus, ist der Verfasser einer noch er- 
haltenen ars oder richtiger eines Commentars zu 
den beiden artes des Donat, der aus Schulvor- 
tragen erwachsen ist (14, 4 dum ars in Gapi- 
tolio die competenti traetaretur, unus e floren- 
tibus discipulis Iohannes a grammatico venia 
postulata u. s. w.). Die Zeit dieses Grammatikers 

10 bestimmt sich aus seinem Verhaltnis zu Donat 
und dem Alter der einzigen Hs. (cod. Bern. 380), 
die dem 6. Jhdt. angehOrt. Der Commentar war 
ursprunglich dem Teste des Donat beigefiigt; 
spater wurde er davon getrennt und separat fort- 
gepflanzt, wodurch er vielfach in grosse Verwir- 
rung geriet, die H. Bertsch in seiner Neube- 
arbeitung (Diss, von Heidelberg 1889) zu be- 
seitigen bemiiht war. Trotz alledem glaubt Jeep 
(Redeteile 40), dass der uberlieferte Commentar 

20 in der vorliegenden Form mit dem des C. nicht 
identisch sei, sondern dass dieser ursprunglich 
knapper gehalten und fiir den Elementarunterricht 
berechnet gewesen sei, spater aber zahlreiche Zu- 
satze aufgenommen habe, die vor alien aus Pom- 
peius geflossen seien. Allein da der corrupte Zu- 
stand der Uberlieferung notorisch und die Be- 
nutzung anderer Arbeiten bezeugt ist (explanatio 
totius artis collecta ex diversis heisst es in der 
Inscriptio; vgl. 9, 11), so durfte diese Vermutung 

30 entbehrlich sein. Ausgabe bei Keil GL V 9ff. 
Bertsch a. a. O. Beitrage von Hagen GL V 
681ff. F. Reholl bei Bertsch. Tiber die Quellen 
vgl. ausser Keil 7 Bertsch IV. Jeep 41ff. 

[Goetz.] 
Clemens. 1) Sclave des Agrippa Postumus. 
Er versuchte zuerst, seinen Herren nach dem Tode 
des Augustus (14 n. Chr.) als Thronpratendenten 
aufzustellen. Nach dem gewaltsamen Ende des 
Agrippa gab er sich selbst fiir diesen aus und 

40 fand auch Anhang in Italien und Gallien, angeb- 
lich sogar im Hofstaat des Kaisers, unter den 
Senatoren und Rittern. Er hatte die Kiihnheit, 
sich nach Rom selbst zu begeben, wurde jedoch 
von Sallustius Crispus aufgegriffen und auf Tiberius 
Befehl getotet (16 n. Chr.). Tac. ann. II 39. 40 
(dazu ^Nipperdey-Andresen). Suet. Tib. 25. 
Dio LVII 16, 3. 4 = Zonar. XI 2. 

2) Clemens aus Ateste, an den und dessen 
Gemahlin Sabina Martial das Epigramm X 93 

50 richtete. 

3) Clemens, Dio LXXI 12, s. Sex. Cornelius 
Clemens. 

4) Clemens aus Byzanz, Tragoede zur Zeit 
des Septimius Severus, Philostr. v. soph. II 27, 2. 

[Groag.j 

5) S. Arrecinus Nr. 1. 2, Attius Nr. 13, 
Aurelius Nr. 86 und 183, Camurius Nr. 2, 
Cassius Nr. 38, Claudius Nr. 111—113, Coe- 
lius, Cominius, Cornasidius, Cornelius, 

60Flavius, Helvius, Herenuius, Iulius, Nae- 
vius.Pactumeius. Pin arius.Sali onus, Sue- 
dius, Terentius, Tineius, Truttedius, Va- 
rius, Volusenus. 

6) Cognomen folgender C!onsuln der Kaiser- 
zeit: a) M. Arrecinus Clemens cos. I suff. im 
J. 73, cos. II suff. in nnbekanntem Jahr mit L. 
Baebius Honoratus. b) Flavius Clemens cos. ord. 
95 mit Kaiser Domitian. c) P. Pactumeius Cle- 



11 



Clemens 



Clemens 



12 



mens cos. suff. 138 mit M. Vindius Verus. d) Q. 
Tineius Sacerdos Clemens cos. ord. 158 mit Sex. 
Sulpicius Tertullus. e) Tineius Clemens cos. ord. 
195 mit Scapula Tertullus. [Groag.] 

7) Helvius Clemens, Consul suffectus im J. 289. 
CIL X 4631. [Seeck.] 

8) Clemens (PHGr IV 364f.) wird yon Suidas 
loxogixog genannt und soil nach ihm geschrieben 
haben 'Poifiaicov fSaousig xal avzoxgdxopag xal 
Hgbg 'IsQUIVVflOV izegl xa>v 'Iooxgaxtx&v 0%r]/ldxCOV 

xal alXa. Den ersten Titel pflegt man mit dem 
von Ioannes Malalas Ofter citierten Kl^irjg 6 
XQovoyQoKpoe zusammenzubringen ; Mnter diesem 
steckt aber niemand anders als C. von Alexan- 
drien, dessen chronologische Tabellen im I. Buch 
der Stromateis, wie schon Eusebios Xgovixd be- 
weisen, sicb geniigenden Ansehens erfreuten, urn 
ihm den Ruf eines ,weisesten Cbronographen' 
einzutragen. Es ist zum mindesten sehr mdg- 
lich, dass auch bei Suidas nichts anderes gemeint 
ist, als die rOmische Kaiserliste strom. I 144 
p. 406 P. Umso ratselhafter ist der zweite Titel. 
Denn unter Hieronymos kann kaum ein anderer 
verstanden werden als der alte rhodische Peri- 
patetiker, der nach Philodem. de rhet. I p. 198 
Sudh. und Dionys. de Isocr. 13 gegen die iso- 
krateischen Figuren schrieb; es ist aber schwer 
glaublich, dass ein Rhetor der Kaiserzeit noch 
gegen ihn polemisiert hatte. So dfirfte der Titel 
wohl unter ein falsches Lemma geraten sein. 

[Schwartz.] 

9) C^meus AleYanrlrimis, christliohev Theolog 
und Schriftsteller um 200. Geboren wohl urn 
150 als Sohn begiiterter heidnischcr Eltern, mit 
vollem Namen Titus Flavius Clemens, scheint er 
von Athen aus — dies wegen Epiphan. Panar. 
h. 32, 6 — auf weiten Keisen sich eine unge- 
wohnliche Bildung und zugleich Liebe zur christ- 
lichen Religion erworben zu haben. In persfin- 
lichem Verkehr mit den GrOssen seiner Zeit wie 
durch eifriges Studium alterer Litteratur gewann 
er jene Fiille von Wissen und Anschauungen, die 
neben dem ausgepragten Kraftgefiihl eines freien 
Geistes seinen Werken einen eigenen Reiz ver- 
leiht. In Alexandria traf er als Lehrer an der 
bereits beriihmten Katechetenschule den Pantae- 
nus, der ihn dort fesselte, so dass er erst sein 
Gehfilfe, dann sein Nachfolger wurde, bis die Ver- 
folgung des Septimius Severus 202 ihn zur Flucht 
notigte. Er diirfte nicht wieder nach Alexandria 
zuriiekgekehrt sein, obwohl er noch iiber ein Jahr- 
zehnt lebte, in Antiochien und Kleinasien hat er 
sich in der Zwischenzeit , wohl wieder herum- 
wandernd, gelegentlich aufgehalten. In dem Briefe 
des Alexander an die Gemeinde zu Antiochien 
(Euseb. hist. eccl. VI 11, 6) ist der als Cber- 
bringer genannte K/.rjui}; 6 itaxdgiog .tofo/J/teooj 
naturlich der unsrige, und die dankbar rflhmen- 
den Predicate, mit denen seiner gedacht wird, 
brauchen nur mit dem Urteil iiber C. in einem 
anderen Briefe desselben Alexander (Euseb. hist. 
eccl VI 14, 8f.) zusammengehalten zu werden, 
um zu zeigen , mit welcher Verehrung Schiiler 
und Freunde an ihm hingen. Dass er die Presby- 
terwurde erlangt hat, macht Alexander zweifel- 
los, dazu stimmt des C. eigener Ausspruch Pae- 
dag. I 6, 37: stye noijiErzg lofiir ol xojv ixx/.ij- 
OiOjv 7igot\y(ji'fiEyoi. 



Von seinen Werken ist nur ein Teil erhalten. 
Schon Eusebios, der hist. eccl. VI 13f. iiber sie 
referiert, kannte nicht alle, noch weniger gewiss 
Hieronymus, wenngleich er de vir. ill. 38 die aus 
Eusebios geschOpften Kenntnisse nach anderen 
Quellen zu erganzen in der Lage ist. Sicher ist, 
dass nacheinander, indem der Plan sich dem Ver- 
fasser fortwahrend erweiterte, . aber die Absicht, 
eine zusammenhangende Unterweisung im Christen- 

10 turn zu liefern, fortbestand, die drei Hauptwerke 
entstanden sind: ngog "E/J.tjvas Adyog 6 jiqoxqe- 
nxixdg (1 Buch), dann xcudaywyds (3 Biicher), end- 
lich BTQCopa-ceTg oder axgcD/.iaxa, genauer nach 
Photios, der biblioth. c. 109—111 iiber die von 
ihm gelesenen C.-Werke Bericht erstattet, Tixov 
<Ma/5t'oir Kltf/xevxo; 7iQ£oflvTSQOv 'A/.E^av8gslag xwv 
xaxa xrjv dkrj&ij q>iXooocpiav yv(ooxixa>v VTiofivij- 
/j,dicov oxgw/taxsajv a u. s. w. bis *j . Das Ver- 
haltnis dieser drei eine Kette bildenden Werke 

20 ist noch nicht beschrieben mit der einfachen Er- 
klarung, das erste vertrete die christliche Wahr- 
heit gegeniiber Unglaubigen, das zweite gegen- 
iiber Neugetauften , das dritte gegeniiber Voll- 
kommenen, zur Einweihung in die letzten Ge- 
heimnisse Befahigten, daher trage 1 einen apolo- 
getischen, 2 einen ethischen, 3 einen theoretischen 
Charakter, vielmehr wechseln mindestens in den 
Stromateis exoterische und esoterische Abschnitte 
sichtlich ab: die hier verfolgte Idee ist besonders 

30feinsinnig entwickelt worden von F. Overbeck 
Uber d. Anfange d. patrist, Litt. in v. Sybels 
Hist. Ztschr. XII 1882. 454—468. wo auch die 
grundlegende Bedeutung des C. als Schopfers einer 
christlichen Litteratur in des Wortes Vollsinn zur 
Wiirdigung gelangt. Der achte Stromateus be- 
findet sich in einem neben den anderen sieben 
hCchst auffallenden Zustande. Schon die hand- 
schriftliche Uberlieferung ist da merkwurdig con- 
fus, s. Phot. cod. Ill, aber wie man den Anschluss 

40 an das Ende des siebenten Buches vermisst , so 
fehlt Ofters zwischen den einzelnen Abschnitten 
der Zusammenhang; auch der Umfang ist ein viel 
geringerer wie bei den andern Biichern, wahrend 
andrerseits von bios gelegentlichen Aufzeichnungen 
hier wie bei den wahrscheinlich eng damit zu- 
sainmengehorigen ejiiroftai in tu>v GsoSotov una 
den ix xwv 7iQoq>i]xixd>v ix/.oyai schon der sorg- 
faltigen Stilisierung halber kaum die Rede sein 
kann. Im Anfang des siebenten Stromateus hatte 

50 C. noch mehrere Bucher als Fortsetzung in Aus- 
sicht genommen; dass er das Werk nicht voll- 
endet hat, liegt auf der Hand, die Frage aber, 
ob diese drei Gruppen von Bestandteilen des 
achten Buchs in ihrem jetzigen Bestande von der 
Hand des C. , der dann eigentumlich gearbeitet 
haben wurde, oder von einem verstummelnden Ab- 
schreiber— so Th. Zahn — herruhren, mag un- 
entschieden bleiben. Das einzige Werk yon C., 
das wir sonst noch vollstandig besitzen, ist eine 

60 gewiss seiner letzten Lebenszeit angehorige Predigt 
fiber Marcus 10, 17—31 xig 6 oca':6uF.vog x'/.ov- 
aiog, eine Auslegung, die bei hochst bedenklicher 
Anwendung der allegorisierenden Methode doch 
feine Gedanken herausbringt. Von anderen Ar- 
beiten des C, z. B. xeol zov ^doya, ^cqi aQ/oip 
y.al deoi.oyiag, xtoi Jigovoiag sind nur wenige oder 
gar keine Fragmente erhalten ; umfangreiche t'ber- 
reste besitzen wir nur noch von Jen wohl ciner 



13 



Clemens 



Clemens 



14 



friiheren Periode augehOrigen vxoxvxwceig , die 
Photios cod. 109 beschreibt, und die eine dog- 
matisch orientierte Exegese biblischer Biicher^ (wie 
Genesis, Psalmen, paulinische und katholische 
Briefe) bieten; das Hauptstiick ist in einer la- 
teinischen Cbersetzung ex opere dementis Al. 
cuius titulus est jzeqi vnoxvjx<bo£<ov , de serip- 
tionibus adumbralis vorhanden. 

Die gediegenste Ausgabe der Werke des C. 



Das Schriftwerk, auf das sich sein Ruhm griindet, 
ist ein Brief, in dem sein Name gar nicht vor- 
kommt , es tragt die tiberschrift f\ sxxirjoi'a xov 
■dscv f) xaeoixovoa'Pwiuqv xfj txxXyoiu xov fcov 
xfj naqoMovaxt Kogiv&ov. ist also ein Schreiben, 
das die ro'mische Gemeinde an die korinthische 
erlasst und zwar um gegeniiber dort ausgebroche- 
nen Zwistigkeiten zu Frieden, Ordnung und Unter- 
werfung der Jungen unter die Alteren zu ermah- 



uie geaiegenste Ausgaue uer vyeiite ues \j. nuiuug ura <™pu ""■« ~*? —„„.._ — —--- 
■war die von J. Potter, Oxon. 1715, jetzt ist neben 10 nen und solche Pflicht aus Gottes Wort ausrunr 



ibrem Abdruck von R. Klotz, Lips. 1831-4, 4 Bde. 
am verbreitetsten die von W. Dindorf, Oxon. 
1869, 4 Bde.; aber auch diese ist so unzuver- 
lassig, dass eine Neuausgabe fast bei keinem 
Kirchenschriftsteller so notwendig wie bei C. ist. 
Tiichtige Vorarbeiten auf Grund der Hss. haben 
O. Stahlin und J. B. Mayor geliefert. Eine 
unentbehrliche Erganzung der Ausgaben, auch 
wertvolle Beitrage zu den litterargeschichtlichen 



lich zu erweisen. Aber naturlich hat es ein Mit- 
glied der rbmischen Gemeinde, ihr Vertrauens- 
mann verfasst, und da die einstimmige Uberliefe- 
rung als solchen C. nennt, haben wir keinen Grund, 
hier skeptisch zu verfahren, zumal schon Diony- 
sios von Korinth, um 170, der doch orientiert 
sein konnte, von der rOmischen. imoxoty 8ia Kifj- 
f.ievxog yQcupsToa redet (bei Euseb. hist. eccl. IV 
23, 11). Dort erfahren wir zugleich, dass man 



wertvolle ±seitrage zu aen iitterargescmcnmcneii nu, nj. jjuiu cmmui n« «,„ Bi ^^ , - m - —— 
Frasen enthaltend, ist Th. Zahn Forschungen z. 20 in Korinth jenen Brief regelmassig m gottesdienst 
o.-.i. j i-~i ir ttt T7«i iqqj . Sin, HoVion 'VprsHmTnliiTiffpn zur Frbauurifi' vorlas : den 



Gesch. d. neutest. Kanons III, Erlang. 1884 ; Sup 
plementum Clementinum und Gesch. d. neutest. 
Kanons II 2, Erlang. 1892, 961—964. Das Ma- 
terial der clementinischen Fragmente wird durch 
systematische Durchforschung von Florilegien und 
Catenen noch bedeutend anwachsen, wie sich schon 
aus Harnack Gesch. d. altchrist. Litt. I 317 
—327. 836—841. 926f. ergiebt. Die mit den 
philosophisehen, dogmatischen, ethischen Anschau 



lichen Versammlungen zur Erbauung vorlas ; dem 
entspricht der reichliche Gebrauch, den kirchliche 
Autoren des 2. und 3. Jhdts. mit und ohne Nen- 
nung der Quelle von ihm machen , so Polykarp, 
Irenaeus, Clemens Alexandrinus. Eusebios rcdet 
hist. eccl. Ill 16 (vgl. 38, 1 xov Klr^Evxog h> 
xfj avoofioloyrjiiEvrj TiaQa naaiv [scil. Zxtoxolij] t]V 
ex ngoocbnov xfjg 'FoJjialwv ly.y.'/.rjalag xfj Koqiv- 
ftiiov diETvxcboaxo) von dem Brief in Ausdriicken 



pmlosopmsenen, aogmatiscnen, etmscneu Aiiscnau- uiivv uui^iu/uumj y^n ^m ^>^ „. „.— — 

ungen des C. A. und mit seinen Werken sich be- 30 — xov KUmEvxog 0/j.oXoyov/xevt} /ua smaxoAt} 
s^af+.i ( TPTi(lp o-plphrfp T.it.t.p.vatnr ist nicht so be- weoExai ueydZri xs xal Vavuaoia . . . xavxrjv Oe 



sehaftigende gelehrte Litteratur ist nicht so be 
Iphrend wie umfangreich. Seine Abhiingigkeit 
von platonischen und stoischen Philosophen — 
neben der von Philon — , auch wenn er sie nicht 
nennt, ist btleuchtet worden von C. Merk CI. 
Al. in s. Abhangigkeit von d. gr. Phil., Diss. 
Lpz. 187S. Ch. Bigg The christian Platonists 
of Alexandria, Oxf. 1886. P. Wendland Quae- 
stiones llusonianae, Berl. 1886. E. Hiller Zur 



qiEQExai iiEydlxj xs xal ftavfiaoi'a . . . xavxrjv St 
xal h xMoxaig exxlrjaiaig i.il xov xotvov dsdrj- 
iioatEVLiEnjv jia/.ai xt f.ai xaW fjjiag avxovg iyvco- 
psv — t dass wir uns nicht wundern, ihn im Canon 
Apostolorum 85 (84) unter den neutestamentlichen 
Biichern aufgefuhrt zu flnden, wie er auch in 
griechischen und syrischen Bibel-Hss. uns iiber- 
liefert worden ist. Andrerseits versclruldete aber 
sein archaistisches Geprage, dass die nachnicae- 



stiones jViusomanae, iierl. leso. &. timer iur sem aiciJcu&LK»...ic= uc F » sl , ^^ „^_ „» — -- — 
Quellenkritik des C. AL, Hermes XXI 1886, 126ff.40 nischen Jahrhunderte, die fiir lhre Lieblmgsdog 

-r ■■■- .111 T _ 41 J ■ .-"U ™^-« ««<-. An-r*\ Ti.f\a(a T\l/i>lfu o-PWaTillATl Kl^ll VOI 



Im Morgenlande haben die Alexandriner, auch 
Eusebios, im Abendlande vielkichtHippolyt.jeden- 
falls Arnobius ihn vielfach benutzt, Aber wie 
ihm schliesslich die rOmische Kirche den Platz 
unter ihren Heiligen versagt hat. so hat die orien- 
talische der nachnicaenischen Zeit sich darauf 
beschrankt, ihn zu verehren und einzelne Stellen 
aus ihm zn benutzen: verstehen konnte sie ihn 
nicht mehr. Er war ein leiehter Schriftsteller 



men aus dem Briefe nichts gewannen, sich von 
ihm, dem der Platz im Keuen Testament doch 
nicht rechtzeitig gesichert worden war, abwandten, 
und die Bekanntschaft mit ihm seit dem Mittel- 
alter eine sehr mangelhafte wurde. Nur aus einer 
Bibel-Hs., dem Cod. Alexandrinus saec. V, konnte 
sein griechiseher Text ediert werden ; da ein Blatt 
in jenem Codex fehlte, war auch der Text des 
letzten Zehntels von unserem Briefe unbekannt, 



ment menr. h.r war ein leienter oenrutsreuer itL/.Lt;]i imncu wi. uu ^i^ w „■"*•"" — "- 

mit seinen langen und pointenreichen Satzcn nie 50 bis Bryennios 1875 eine vollstandige Us. vom 

n- »v„:.i.i „„-u,-;ii„„ „,„„i,+ ;t,t, ;., T in?iA \r, rW Pntrinrrlin+sbibliotliek ZU Jeru- 



geweseii; die Absicht, zu verhiillen, macht ihn in 
den Stromata zu einem der dtinkelsten. Er ist 
das Ideal eines kirchlichen Gnostikers auch in 
der Form seiner Schriften; vor einer ausdriick- 
lichen Verdammung durch die spatere Kirche, 
wie sie seinem Schiiler Origenes zu teil wurde, 
hat ihn nur die Huge Ratselhaftigkeit seiner Aus- 
drucksformen bewahrt. Eine alle Gesichtspunkte 
berflcksiehtigende Monographic iiber ihn ist noch 



J. 1056 in der Patriarchatsbibliothek zu Jeru- 
salem entdeckte und veroffentlichte; ein Autotyp 
dieses neuen Textes s. bei Lightfoot The 
Apost. Fathers p. I vol. I 1890, 425ff. Doch auch 
eine svrische Cbersetzung des Briefes ist in einer 
Bibel-Hs. vom J. 1170 vorhanden und sorgfaltigst 
von Lightfoot bei Herstcllung seiner Textrecen- 
sion a. a. O. vol. II 5—188 (vgl. die Beschreibung 
vol. I 12Pff.) benutzt worden. Dasselbe gilt von 



nicht geschrieben worden; die Biographie von 60 der Textausgabe bei F. X. Funk Opera patrum 



Fr. Bohringer Die Kirche Christi und ihre 
Zeugen V2, Stuttg. 1874 erwahnt den C. eigent- 
lich nur ein paarmal neben Origenes. 

10) Clemens Eomanus, seit man von patres 
apostolici redet, als einer von ihnen geachtet, 
d. h. als ein mit apostolischem Geist ausgestatte- 
ter, weil aus apostolischer Schule hervorgegangener 
Schriftsteller der zweiten christlichen Generation. 



apostol. 12 1887. 60—145; schon ihrer Anmer- 
kungen halber bleibt daneben unc ■ tbehrlich die 
vor Auffindung des Svrers erschienene Ausgabe 
von O. v. Gebhardt und A. Harnack in Fatr. 
Apostol. opp. I 12 1876, 2—111. Eine erfice^ 
licheErweiterung des textkritischen ApP 81 ^.^^* 
die altlateinische Cbersetzung dar. deren E"stCT» 
noch von Harnack 1893 bezweif.lt wurde, *** 



15 



Clemens 



Clemens 



16 



aber G. Morin Anecdota Maredsolana II 1, 1894 
aus einem Cod. Namurcensis saec. XI verftffent- 
lichen konnte. Sie ist sehr alt, wahrscheinlich 
noch aus dem 2. Jhdt., ausserst wOrtlich und im 
Vulgarlatein abgefasst, darum auch nach dieser 
Seite hin ein wichtiges Document. S. dariiber 
A. Harnack S.-Ber. Akad. Berlin 1894, 261—273. 
601—621. E. Wolfflin Archiv f. lat. Lexikogr. 
IX 1894, 81—100. Fur die litterargeschichtliche 
Wttrdigung des Briefes, der diireta eine recht naive 
Ausdeutung alttestamentlicher Stellen die Autori- 
t&ten fur die Entwicklung specifisch rOmischer 
Gedanken zu gewinnen weiss und trotz seiner 
ungemeinen, bei jedem Satz fiihlbaren Verschieden- 
heit etwa yon den in Kom geschriebenen Briefen 
des Paulus doeh das Pradicat einer originellen 
Erscheinung verdient, vgl. ausser den Prolego- 
mena der genannten Ausgaben R. A. Lipsius 
De dementis Rom. epist. ad Corinth, priore dis- 
quis., Lips. 1855. A. Briill Der 1. Brief des 
Clemens an d. Kor. u. s. gesch. Bdtg., Prbg. 1883. 
W. Wrede Untersuchungen z. 1. Clemensbriefe, 
Gfttt. 1891. J. Re>ille Les origines de l'epi- 
scopat, Paris 1894, 394—441. 

Past einstimmig werden seit langerem die letz- 
ten Regierungsjahre Domitiana, 95 oder 96 n. Chr., 
als Entsteliungszeit des Briefes angesehen. Auch 
ohne die Tradition wiirden innere Indicien dafiir 
entscheiden. Weiter als Lebenszeit und -Ort kennen 
wir aber vom Verfasser nichts. Dass seine ge- 
naue Vertrautheit mit dem Alten Testament kein 
Recht giebt, ihn als geborenen Juden zu betrach- 
ten, hat Wrede a. a. 0. 107—111 treffend aus- 
gefuhrt, eher mOchte er der erste heidenchrist- 
liche Schriftsteller sein, von dem wir wissen. Die 
Versuche, ihn mit anderswo genannten Mannern 
gleichen Namens zu identificieren, haben keinen 
Nutzen gebracht. Am wenigsten wahrscheinlich 
ist, dass in ihra der mit Domitian verwandte und 
auf dessen Befehl im J. 96 wegen Atheismus und 
Hinneigung zum Judentum (Suet. Domit. 15. Cass. 
Dio LXVII 14) hingerichtete Consul T. Flavins 
Clemens zu sehen ware, trotzdem der Clemens- 
roman auf die Verwandtschaft seines Helden mit 
der kaiserlichen Familie Wert legt — er lasst 
sie freilich durch die Mutter des C. , Mattidia, 
vermittelt sein — ; eher konnte man in ihm — 
mit Gaab und Zahn — den KXrjfit); erblicken, 
dem Hermas ein jiifllaQi&iov seiner Visionen iiber- 
senden soil, damit er es els xag ffw .toV.sjj, was 
ihm iibertragen sei, sehicke ; die Chronologie macht 
da indessen beinahe ebenso grosse Schwierigkeiten 
wie bei dem auch sonst abzuweisenden Gedanken 
an den von Paulus Philipp. 4, 3 als Mitarbeiter 
erwahnten K?.ijfi>j;. Der Name war damals durch- 
aus nicht selten. Wenn Origenes (bei Euseb. 
hist. eccl. VI 25, 14, vgl. Ill 38, 2) den Hebraer- 
brief nur dem Gedanken nach dem Apostel Pau- 
lus zuweist , als Schreiber aber nach ,einigen' 
unsern C. , wahrend andere Lucas bevorzugten, 
erwahnt, so ist dabei schon — im Blick auf die 
Philipperstelle — vorausgesetzt, dass C. von Rom 
dem Schiilerkreise des Paulus angehort habe, eine 
VoTstellung, die sein Brief nichts weniger als he- 
kraftigt. Petrus und Paulus sind fur den Ver- 
fasser Manner einer vergangenen grossen Zeit. Der 
Martyrertod des C, der der spateren Kirche fest- 
steht, ist noch fur Eusebios hist. eccl. Ill 34 eine 



unbekannte Thatsache; das fiaoxioiov xov ay. 
Kkr/ftsyxog nana "Pcbftijg (Funk Opp. Patr. apost. 
II 1881, 28—45) bietet in der Hauptsache wie 
in den Einzelheiten bios wertlose Legenden. 

Freilich scheint eine wichtige Qualitat unseres 
C. ausgezeichnet bezeugt: dass er Bischof von 
Rom gewesen ist. Im Liber Pontificalis ed. Du- 
chesne I 1886, 123f. (vgl. p. LXXIff.) figuriert 
er als vierter der Papste, der alteste Zeuge in- 

10 dessen ist Irenaeus adv. haer. Ill 3, 3 — citiert 
von Euseb. hist. eccl. V 6, 2 — , nach welchem 
C. xqIxco xotiw (vor ihm Petros, Linos, Anenkle- 
tos) omo xmv wnooxokmv xijv imaxoiiijv xlrjgovzai 
KkqfirjS o xal icooaxwg xoiig flax. ci.noox67.ovs xal 
ovftpefiktixob; avxoTg. Der Streit, ob C. der dritte 
Bischof nach Petrus gewesen ist, oder der zweite, 
wie Hieron. de vir. ill. 15 plerique Latinorum 
behaupten lasst, wenn nicht gar unmittelbar von 
Petrus ordiniert, ist ohne Bedeutung; noch viel 

20 weniger lassen sich die Regierungsjahre dieses C. 
festlegen, wie Eusebios es im Chronikon und in 
der Kirchengeschichte auf etwa 92—101 versucht: 
gerade der C.-Brief beweist , dass es zur Zeit 
seiner Abfassung in Rom einen monarchischen 
Episcopat noch gar nicht gegeben hat, sonach 
schon die Voraussetzung fur die Liste des Irenaeus 
hinfallig ist. 

Clemens Romanus ist der Trager einer Un- 
menge von pseudonymer Litteratur geworden. 

30 Schon Eusebios hist. eccl. Ill 38, 4 berichtet &g 
xal devxeoa xig slvcu Xsyexai xov KXr)fierxog Ssxt- 
axolrj, er halt sie aber nicht fur echt, weil er sie 
bei den aoyatoi nicht gebraucht findet. Hiero- 
nymos schopft sein Wissen de vir. ill. 15 in naeh- 
lassiger Weise aus Eusebios. In den griechischen 
Hss. (und beim Syrer) hat sich aber dieser zweite 
Brief durchweg neben dem ersten erhalten, daher 
auch die Canones Apostol. (vgl. Phot. bibl. c. 126, 
vgl. c. 1 1 2f.) Klrifisvxog ematolal 8vo kanonisieren ; 

40 in den Ausgaben stent er durchweg hinter dem 
ersten. Auch hier war der Text des Cod. Ale- 
sandrinus unvollstandig; fast die ganze zweite 
Halfte (cap. 12, 5 — 20, 5) ist erst aus dem Codex 
des Bryennios bekannt geworden. Seitdem kann 
auch nicht mehr zweifelhaft sein, dass hier nicht 
ein Brief , sondern eine Homilie vorliegt , mSg- 
licherweise zu Korinth gehalten und so in die 
enge Verbindung mit dem C.-Briefe geraten, aber 
spateren Ursprungs, etwa um 140 in einer vom 

50 Gnosticismus mehr erfullten Atmosphare entstan- 
den, auffallend reichlich apokryphe Schriften be- 
nutzend, sonst ohne speciellere Tendenz zu ernst 
sittlichem Wandel im Blick auf das Jenseits er- 
mahnend; vgl. A. Harnack tTber den sog. zweiten 
Brief d. CI. an d. Korinther, Ztschr. f. Kirchen- 
gesch. I 1876f., 264ff. 329ff. P. Kleinert Zur 
christl. Kultus- und Kulturgesch., Berlin 1889, 
1 —32 : Uber die Anfange der christl. Beredsamkeit . 
Hieronymus adv. Iovinian. I 12 nennt aber 

60 unsern C. auch als Verfasser von Briefen, in denen 
er omnem fere sermonem suum de virginitatis 
puritate contexit. Ebenso charakterisiert Epi- 
phanios im Panar. h. 30, 15 encyclische Briefe des 
C. al ev raff dytaig ixxXxjoiaig dvayivoaoxdftevai 
mit Ausdrikken, die auf die beiden besprochenen 
Briefe so wenig wie das Wort des Hieronymus 
passen. In Leiden gab 1752 J. J. Wetstein 
aus einer Hs. vom J. 1470 den syrischen Text 



17 



Clemens 



Clemens 



18 



zweier C.-Briefe de virginitate heraus; die beste 
syrische Ausgabe ist die von J. Th. B eel en, 
Lovan. 1856, die beste lateinische Ubersetzung 
die bei Funk Opp. patr. apost. II 1881, 1—27. 
Die Briefe, die fiber die Enthaltsamen unter 
Mannern und Frauen, eine Vorstufe des Monch- 
tums, Anweisungen gaben. sind zwar sicher ur- 
spriinglich griechisch niedergeschrieben worden 
— eine Anzahl von Citaten bei spateren griechi- 
schen Schriftstellern beweist es — , kflnnen aber 
nicht von dem rOmischen C. verfasst sein; schon 
der von ihnen vorausgesetzte Kanon nOtigt uns, 
ihre Abfassungszeit friihestens um 300 anzusetzen, 
und zu diesem Termin stimmt alles iibrige. Siid- 
syrien diirfte der Ort ihrer Entstehung sein ; dass 
der Verfasser selber sie als clementinische hat 
ausgeben wollen , ist nicht wahrscheinlich ; vgl. 
A. Harnack S.-Ber. Akad. Berlin 1891, 361-385: 
Die pseudoclem. Briefe de virginitate u. d. Ent- 
stehg. d. Monchtuins. Dass die Esistenz von zwei 
verschiedenen Paaren vermeintlicherC. -Briefe aller- 
lei Verwirrung in der Tradition anrichtete, liegt 
nahe, diese wurde aber vergrOssert durch weitere 
dem C. zugeschriebene Werke, in denen wiederum 
Briefe von ihm sich befanden. Ich erwahne nur 
im Vorubergehen die fiinf Briefe des hi. Clemens, 
mit denen Pseudoisidor (um 850) seine Sammlung 
gefalschter papstlicher Decretalen beginnt, sie sind 
in die clementinische Litteratur nicht ernsthaft 
hineingekommen. Dagegen sind unter dem ge- 
meinsamen Titel KlrjfiEvzia seit altesten Zeiten 
Biicher weit - verbreitet gewesen, von denen wir 
jetzt vier recht verschiedene Gestalten besitzen, 
ohne dass das Ratsel, wie diese Gestalten sich zu 
einander verhalten und wie die Urform ausge- 
sehen haben moehte, gelSst heissen kann. Diese 
Clementinen oder K).t][terxia bilden den altesten 
ehristlichen Roman; der hi. Clemens tritt darin 
als der Erzahler seiner eigenen Lebensgeschichte 
auf, wie er auf abenteuerlichen Fahrten fur das 
Christentum gewonnen wird und im Anschluss 
an den missionierenden Petros, dessen Kampfe 
mit dem haeretischen Magier Simon er mit an- 
hOrt, der Reihe nach alle seine verlorenen Fami- 
lienmitglieder wiederfindet. Unter den verschieden- 
sten Titeln wird dieses Werkes in der alteren 
Litteratur Erwahnung gethan: Itinerarium Petri, 
Clementis recognitiones (avayvioasig) , Kl^fierrog 
xov 'Poifialov dvayraygiofiog , hsqioSoi K}.rjfievrog 
oder Ilhoov, gesta Clementis, §iog xov ay. ttoo- 
fiaozvQog Kktjfievxog u. s. w. Wir besitzen heute 
zwei Auszilge aus dem nachher'Tils Homilien zu 
beschreibenden Werke unter der gleichen tber- 
schrift KktjfiEvxog xa>v Ilhoov ijitS/jfiicov xrjov- 
yfiazoiv sjitxofiij, die eine in 179, die andere in 
185 Capiteln, mit deutlicher Zuriicksetzung der 
lehrhaften Bestandteile ihrer Vorlage, fur uns 
ohne grossen Wert, da sie sehr spat ausgearbeitet 
zu sein scheinen und nur selten beitragen, den 
Text der Grutidschrift zu verbessern. Der grie- 
chische Text mit lateinischer Ubersetzung bei Alb. 
Dressel Clementrnorum epitomae duae (accedunt 
Fr. Wieseleri adnotationes criticae ad Clemen- 
tis Romani quae feruntur homilias), Lips. 1859. 
Fiir ihre Grundschrift bietet den besten Text mit 
wertvollen Einleitungen zu der ganzen Litteratur 
der C.-Romane P. de Lagarde Clementina, Lpz. 
1865. GewOhnlich nennt man sie die clementi- 



nischen Homilien, weil ihren Best and nach einem 
kurzen Briefe des Petrus an Jacobus und einer 
als Antwort auf diesen Brief sich gebenden Aia- 
fiagxvQia Jtsgi t&v xov $i$liov Xafi^avovxmv und 
einer Art von Widmungsschrift des angeblichen 
Verfassers smaxoXri KArj/tevzog agog 'I&xmfiov (ed. 
de Lag. p. 6—12) 20 Homilien (p. 12—199) bilden, 
in denen er, C, zwar fiber seine Erlebnisse refe- 
riert, damit aber doch nur einen Rahmen schaffen 

10 soil ftir die Predigten des Petrus, die dieser haupt- 
sachlich im Kampf mit den Ketzern Simon und 
Appion gehalten hat. 

Den Homilien gegeniiber stehen die Recogni- 
tionen, die wir aber nur noch in der lateinischen 
Ubersetzung, besser tlberarbeitung, besitzen, die 
Ruflnus vor 400 angefertigfc hat (S. Clem. Rom. 
recognit. ed. E. G. Gersdorf, Lips. 1838), ana 
zehn Buchern bestehend, mit einer Praefatio des 
Ubersetzers an den Bischof Gaudentius. tibrigens 

20 hat Rufln auch den vor den Homilien stehenden 
Brief des C. an Jacobus iibersetzt, dies Stuck 
fehlt in Gersdorfs Ausgabe, 0. F. Fritzsche 
hat es in einem Ztiricher Programm 1873 ediert : 
Epist. Clem, ad Iacobum ex Rufini interpretatione. 
Ein syrischer Text, von d e Lagarde 1861 heraus- 
gegeben (Clementis rom. recognitiones syriace), 
entha.lt eine Mischung von Bestandteilen der Ee- 
cognitionen und der Homilien und ist unvoli- 
standig erhalten. 

30 Fest steht aus den eigenen Ausserungen Ru- 
tins, dass er seine griechische Vorlage nicht buch- 
stablich, teilweise mit erheblichen Verkiiizungen 
flbertragen hat; ketzerisch Klingendes, was er 
ftir spater interpoliert hielt, da der heilige C. 
dergleichen doch nicht niedergeschrieben haben 
konnte, hat er mit voller Absicht ausgelassen. 
Von solchem Haeretischen enthalten nun die Ho- 
milien noch recht viel; so schillernd auch ihr 
Charakter ist, kann ein erheblicher Einschlag von 

40 gnostischen und judaisierenden, paulusfeindlichen 
Elementen in ihnen gar nicht geleugnet werden. 
Es liegt nahe, diese antikatholischen Elemente 
fur die altesten zu halten; die Accommodation 
an das grosskirchliche Bewusstsein ist das Spatere : 
Homilien und Recognitionen stellen nur verschie- 
dene Stadien in der Geschichte der Entwicklung 
des clementinischen Romanstoffes dar. Einheit- 
liche Werke sind sie beide nicht; der Redactor 
steht in beiden auf anderem Standpunkt als der 

50 Concipient , der der Recognitionen zweifellos von 
der Grundschrift weiter entfernt, als der der Ho- 
milien, aber folgt daraus, dass er spater gearbeitet 
hat, als dieser, oder gar die Homilien schon vor 
Augen gehabt hat? Das hier vorliegende litte- 
rarische Problem kann vielleicht nie mit Gewiss- 
heit, jedenfalls nicht vor Vermehrung des text- 
kritischen Apparates gelest werden. Uber die 
Entstehungszeit unserer Litteratur kennen wir 
nur sagen, das das Ende des 2. Jhdts. wohl an- 

60 genommen werden muss, weil Origenes mit dem 
Roman bekannt ist ; die uns vorliegenden Recen- 
sionen kSnnen nicht fiber das 3. Jhdt. hinauf- 
reichen; vgl. Harnack Gesch. d. altchristl. Litter. 
I 1893, 212—231; daneben A. Hilgenfeld D. 
clement. Recogn. u. Homilien, Jena 1848. G. Uhl- 
horn Die HomiL u. Recogn. d. Clem. Rom., Gott. 
1854. J. Lehmann Die clement. Schriften mit 
bsd. Rucksicht auf ihr litter. Verhaltnis, Gotha 



19 



Clemens 



dementia 



20 



1869. J. Langen Die C.-Romane, Gotha 1890. Canoncs urspriinglich das Sehlusscapitel unseres 

Eine niitzliche Vorarbeit fur eine neue Ausgabe Werkes bildeten, mag hier dahingestellt bleiben. 

des gesamten Materials ist neben Hamaoks Zu- Vgl. 0. Krabbe tber d. Ursprg. u. d. Inhalt 

samraenstellung der reichlichen Fragments aus d. apost. Const, d. Clem. Rom., Hamburg 1829. 

Clem. Rom. im Codex Rupefucaldinus (Berolin. H. Achelis in Harnack und v, Gebhardt 

Phillipps. 1450) Gesch. d. altchristl. Litt. 1322 Texte u. Untersuch. "VI 4, 1891: Die altesten 

— 326 W. Chawner Index of noteworthy words Quellen d. orient. Kirehenreehtes. Harnack 

and phrases found in the Clementine writings, Gesch. d. altchristl. Litter. I 542f. und Art. Ca- 

London 1893. nones Apostolorum. 

Zur pseudoclementinischen Litteratur muss 10 Die pseudoclementinische Litteratur ist mit 

noeh ein anderes, sehr wichtiges Werk gerechnet dem Erwahnten noeh bei weitem nieht erschfipft. 

werden , das in acht umfanglichen Biichern , oft Eine grosse Liturgie benennen die syrischen Mo- 

mit den ebenfalls auf das Zeugnis des C. ge- nophysiten nach C. — es ist damit keineswegs 

schrjebenen Canones Apostolorum verbunden, in die Messliturgie in Buch VIII der Constitutiones 

den orientalischen Kirchen grossen Einfluss er- Apostolorum gemeint — auch apokalyptische 

langt hat, at xmv ayiav cbtoaxolmv diazageig oder Werke gingen in der agyptischen und athiopi 

Siazayal x&v axoaroAcov , beste Ausgabe von P. schen Kirche unter seinem Namen ; wir iibergehen 

A. deL agar de Constitutiones Apostolorum, Lips. diese meist spaten und kaum weiter als dem 

1862. Es erscheint im Canon Apostolorum Namen nach bekannten Fictionen, von deren Um- 
85 (84) unter den kanonischen Schriften als ai 20 fang das Verzeichnis bei Harnack Gesch. d. alt- 

Siaxayai vpdv tots smoxojxoig 8t' 1/jov KXtjfisvrog christl. Litt. I 777 — 780 eine gute Vorstellung 

iv rf $i§Moiq jiQogjce<pwrtjnivm, allerdings mit giebt. Kein Schriftsteller der alten Kirche hat 

dem Zusatz as ov 8sT drjfiooisvsiv km Tiavtatv eine solche Fiille von untergeschobenen Werken 

Sia to. iv avxaTs /.ivaxtxa; das Concilium quini- des verschiedensten Characters zu tragen bekom- 

sextum vom J. 692 hat diese fwaxixa als haere- men; die Hauptfigur des ersten christlichen Reise- 

tische Interpolation en betrachtet und deshalb romans schien dazu bestimmt ruhelos schrift- 

lieber xas bib. KXtjuevtos Siata^eig verworfen. Dass stellernd durch die Jahrhunderte und alle Littera- 

die Verbindung des C. mit den Constitutionen, turgattungen zu wandern. [Jiilicher.] 

wie sie der spateren Litteratur feststeht, nicht Clemtntia. Die vielgepriesene Milde Cae- 
zufallig entstanden ist, ergiebt der Text VI 18 30 sars fand nach seiner Ermordung als Gfittin Auf- 

(ed. Lag. 180, 5ff.), wo die Apostel erklaren, dass nahme in den cffentlichen Cult, ihr und Caesar 

sie den XJisuhufeii und iibrigeii Priestem diese wurde ein gemeinsames Heiligtum gestiftet, in 

katholische Lehre hinterlassen dcanc/tiifdfievot diet dem beide, sich gegenseitig die Hande reichend, 

zov ov/J.euovQyov fjfiwv KXrj^svxos rod moxoxd- dafgestellt waren (Plut. Caes. 57. App. b, c. II 

zov xaX 6jA.oywyov zexvov fjfi&v. Die Bucher sind 106. Cass. Dio XLIV 6 ; vgl. die Munze des Se- 

zusammengestellt aus alteren Quellen, I— VI eine pullius Macer Cohen MM. imp. 2 C6sar 44 = 

Cberarbeitung, gelegentliche Erweiterung der Ai- Babelon Mon. de la rep. Piom. II 29 nr. 52 

davxatia (s. d.), und enthalten Anweisungen fur mit dem Bilde eines viersauligen Tempels und 

christliches Leben des Einzelnen und der Gemein- der Umschrift Clemmtiae Caesaris). Ein Senats- 
den, Buch VII paraphrasiert die Ai&ayji xmv ifi 40 beschluss bestimmte im J. 28 n. Chr. den Bau 

ajioaroloiv (s. d.) und bringt von c. 33 an litur- eines Altares fur die C. dea Tiberius (Tac. aim. 

gische Stucke, meist Gebete, die naturlieh auch IV 74; vgl. Cohen a. a. O. Tib. 4), im J. 39 

nicht erst von dem Sammler gebildet worden sind, n. Chr. die Darbringung eines jalirlichen Opfers 

aber auch ein wertvolles Glaubensbekenntnis in an die C, des Caligula (Cass. Dio LIX 16). Ob 

dem Abschnitt liber Behandlung der Katechumenen die gerade in dem Gotternamen unsichere pom- 

und die Taufe; Buch VIII hat uberwiegend kirchen- peiauische Inschrift (CIL IV 1180) zur Errich- 

rechtlichen Inhalt mit besonderer Berticksichti- tung eines Altars der C. und dem Kaiser Clau- 

gung der verschiedenen Stufen des Klerus. For- dius in Beziehung stent, muss dahingestellt bleiben 

mell hebt sich das letzte Buch von den ubrigen (Zangemeister Arch. Zeitg. XXVI 1868, 67). 
ab , indem erst hier die Apostel einzeln als Sia- 50 Unter Nero opfern im J. 66 n. Chr. die Arval- 

xaoodfteioi auftreten, trotzdem ist jetzt wohl all- briider bei aussergewOhnlichem Anlass neben an- 

gemein anerkannt, dass alle acht Bucher von einer dem Gottern der C. eine Kuh (Henzen Act. 

Hand compiliert sind, wenn auch vielleicht nicht fratr. Arv. LXXXII = CIL VI p. 490 nr. 2044 d 

in einem Zuge: gerade die Zusatze zu den alteren 17f.). Bei den spateren Kaisern begegnet uns 

Quellen, die wir als solche constatieren konnen, C. nur auf Miinzen, zuerst als C. Augusta a) sit- 

hahen durchweg das gleiche Geprage. Man glaubt zend, mit Zweig und Scepter, spateren Bildern 

den Compilator mit dem Fiilscher der ignatiani- der Iustitia gleichend (Cohen a. a. 0. Vitellius 

schen Briefe identificieren, dadurch in die semia- 7 — 11), b'l stehend, in der Rechten die patera, 

rianisehe oder die apollinaristische Bewegung die Linke stfitzt sich auf das Scepter oder hebt 
hineinsehieben und etwa urn 370 ansetzen zu 60 das Gewand (Cohen Adrien 212f. ; Antonin 122f.; 

sollen, nur F. X. Funk Die apostol. Constitutionen, M. Aurele 14f. ; Albin 6), spater als C. tem- 

Rottbg. 1891 ; Das 8. Buch der ap. Const, u. d. porum a) stehend mit einem Scepter auf eine 

verwandten Schriften, Tub. 1893, glaubt bis ins Saule gestiitzt (Cohen Gallien 101; Tacite 15-18; 

5. Jhdt. heruntergehen zu kOnnen. Sicher diirfte Florien 7. 8 ; Probus 84—86). b) mit symboli- 

sein. dass der Sammler ein syrischer Kleriker war; schen Darstellungen (Cohen Tacite 19. 20; Pro- 

ob im achten Buch hippolytische Schriften aus- bus 87f.; Carus 13; Numerien 8. 9; Carin 19-21; 

geschrieben worden oder nur Material aus dem Diocletian 18 — 20; Maximien Hercule 30 — 33). 

4. Jhdt. beniitzt wird, und ob die apostolischen tber einzelne Varianten vgl. R. Peter in Ro- 



21 



Clementiaaa 



Cliena 



22 



schers Mythol. Wflrterbuch I 91 If. und bes. F. die das Brot in der Pfanne (clibanm) backen 

Quilling Zeitschrift f. Numism. XX (1897) (vgl. Plin. n. h. XvTII 105). Inschriftlich er- 

210ff. Die Fiction des Statins (Theb. XII 482f.), wahnt CIL IV 611. Nach Galen VI 489 war 

C. habe zu Athen einen Gotteraltar errichtet, ihr Brot das beste. 

geht die CultgCttin ebensowenig an wie die 2) Militarisch die Panzerreiter. Das Wort in 

Stellen bei Claudian (de Manl. Theod. cons. 166; dieser Bedeutung stammt nicht aus dem Grie- 

in prim. cons. Stil. II 6)( wo C. als Schwester chischen oder Lateinischen, wie Salmasius (Not. 

der Iustitia bezw. Ordnerin des Chaos erscheint. in A el. Lampridium p. 234f.) meint, sondemnach 

[Aust.] dem Zeugnisse des Kaisers Alexander Severus 

Clementiana, 1) Tochter und Enkelin von 10 (Hist. Aug. 56, 5) eatafractarios quos illilfer- 

Consuln, die das Cognomen Arrianus ffihrten und sae) c. vacant (vgl. auch Ammian. Maxc. XYI 

oo<piu jiXovtov xal yevog fiylaioav (metrische In- 10, 8) aus dem Persischen (Burton Aeiwava yet. 

schrift aus Eleusis 'E mi i. &q X - 1883, 141 nr. 15). ling. Pers. 30f. Du Cange Glossar. n88% 

2) S. Antonius Nr. 118 und Claudius und wie die Perser verwendeten auch ArnMi* 
Nr - 414 - [Groag.] und Parther C. im Kampfe (Eutrop. VI 9, 1. Ba- 

Clementiaims s. Claudius Nr. 262. fus brev. 15). Bei den Romern kam die Beaaeh-, 

Clementina s. Catins Nr. 15. nung C. , die von clibanus, d. i. Panzer, abg^- 

Clementinus. 1) Cognomen des Sex. Cairns leitet wurde (vgl. Anonym, de re bellica. ' Leo 

Clementinus Priscillianus cos. 230 (s. o. Bd. Ill tact. VI 4. Lydus de mag. I 46) erst auf^jifc 

S. 1793 Nr. 7). [Groag.] 20 man C. nach persischem Muster formierte. Wjibr- 

_ 2) Orientalischer Consul des J. 513; vgl. Cas- scheinlich geschah dies durch Alexander SevefM, 

siod. Chron., Mar. Avent. , Marcell. com. zum der die Seinen mit den Riistungen der getOtetattG. 

J. 513 und Cod. lust. I 42, 2 mit der Haloander- versah (Hist. Aug. 56, 5) und iiberhaupt freaide 

schen Subscription nnd der Anmerkung von Krieger in rfimische Dienstc nahm (Herodian. YL 

Kruger in dessen Ausgabe. 7,8). Seitdem hiessen insbesondere die fremien 

3) ROmischer Patricier, der dem Totila ein Panzerreiter C, wahrend die heimischen als eatd- 
Castell bei Neapel ubergab , Prok. Goth. Ill 26 fraeti bezeichnet wurden. Neu organisiert, nicht 
P- 388 B - [Hartmann.] geschaflfen (trotz Mian. orat. I p. 37. LT p. 57) 

Clementins. 1) T. Ctementius Siivius, vfir) hat die C. (Ammian. Marc. XVI 12, 22: eliba- 
e(gregius) a(gem) v(iees) p(raesidis) in Pannonia 30 narius noster) Constantius, bei dessen Einzug in 

inferior im J. 267 n. Chr., CIL III 3424. 10424 Rom im J. 356 ihr Anblick — Ross und Reiter 

Aquincuni. [Givag.] In Eisen gehullt — Aufsehen erregte (Ammian. 

2) Gesandter des Magnentius an den Kaiser Marc. XVI 10 , 8). Sehr haufig werden in der 

Constantius. Athan. apol. ad Const. 9 = Migne Notitia Dignitaturn ausser den catafracti C. er- 

Gr. 25, 605. [Seeck.] wahnt (Bocking Not. dign. I 186, 9). Meist 

Cleniidiitm, Station an der karnischen Berg- sind es Reiterschareu aus Asien: (or. VI 32) per- 

strasse, zwischen Planta und Sedo, Geogr. Rav. sische, (or. V 40. VI 40. VH 31. 32) parthische 

P- 222, 3. [Tomaschek.] und (or. VII 34) palmyrenische. Gewiss gehorert 

Clennus, Fluss in Gallien, heut ,le Clain', hierher auch die comiles o. (or. V 29), die analog 
Nebenfluss der Vienne, Greg. Tur. hist. Fr. IX 41. 40 den comites sagittarii bei Ammian. Marc. XVHI 

Desjardins Geogi-. de la Gaule 1 144. Longnon 9, 4 eine fremde Truppe sein durften. Africa- 

Geogr. de la Gaule 161. Holder Altkelt. Sprach- nische C. begegnen occ. VI 67 und VII 185, und 

schatz s. v. [Ihm.] fiber C. der Alpenvolker siegte Constantin (Nazar. 

Cleoboles s. Claudius Nr. 114. paneg. Const. Aug. 22, 4). Auf Inschriften kom- 

Cleopatris insula, imroten Meere, zwischen men C. nicht vor. Die Hauptwaffe der C. war 

Marfix und Veneris insula , Geogr. Rav. p. 391,12. die Lanze (Ammian. Marc. XVI 12, 22), doch 

[Tomaschek.] kampften sie auch mit dem Bogen (Not. dign. 

Clesns (so Geogr. Rav. IV 36 p. 289P.;Ctei- occ. VI 67). Gegen Elefanten schwangen sie 

sw^Tab. Peut.), Nebenfluss des Ollius (Oglio), ent- vom Streitwagen aus ihre Sarissen (Veget. IH 24). 
springt auf dem Adamello, durchfliesst den See 50 Gepanzert und mit Schilden bewehTt (scutarii) 

von Idro und die Vallis Sabina (Val Sabbia) und erschcinen sie Cod. Theod. XIV 17, 9 und Not. 

mundet nach einem Laufe von 140 km. gegeniiber dign. or. XI 8, wo Seeek (Not. dign. p. 32 

von Betriacum in den Ollius. FiilscnTich identi- Anm. 1) unrichtig scutarii in sagittarii iindern 

fkiert man mit ihm den Clusius, s. d. [Hiilsen.] will. Zur Anfertigung der Panzer gab es beson- 

Clevora, Station der Donauuferstrasse in Moe- dere Fabriken: in Antiochia (Not. dign. or. XI 22), 

sia superior, siidlich von Egeta (Tab. Peut, ; Cle- Caesarea Cappadoeiae (or. XI 26), Nicomedia (or. 

bora Geogi-. Rav. 190, 10) , jetzt vielleicht die XI 28) und Augustodunum (occ. IX 33). 

romischen Cberreste am Kamenicabache bei Pra- Litteratur. Jacob Becker Die Panzerreiterei 

ovo, wenn nicht Praovo selbst, wo die rfimische in den Heeien der rom. Kaiserzeit, Xeujahrsblatt 
Hinterlassenschaft eine viel grossere ist: ein Ca- 60 1868 des Vereins f. Gesch. u. Altertumskunde 

stell mit der Bauinschrift des Kaisers Traian aus zu Frankfurt a. M. 20—34. [Fiebiger.] 

dem Jahre 99 (CIL III 1642), andere Steine CIL CHbanus, isaurische Stadt unbekannter Lage, 

m 8095. 8096. F. Kanitz Rom. Studien in Ser- Plin. n. h. V 94. [Ruge.f 

bien 54ff. Kiepert Formae orbis antiqui XVII. Gibes s. Cluviae. 

W. Tomaschek Die alten Thraker II 2. 87. Clicherius s. Glykerios. 

[Patsch.] Cliena, Station an der karnischen Strasse in 

Clevum s. Glevum. der Alpis Iulia, Geogr. Rav. p. 222, 24. 

Ciibanarii. 1) Im Privatleben die Backer, [Tomaschek.] 



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Clientes 



Clientes 



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Clientes. I. Terminologie und Verbrei- 
tung der Clientel, Das Yfoitclieiis — in alterer 
Latinitat cluens, wie Eitschl Plaut. Men. 576 
herstellt — wnrde von den Grammatikern (Serv. 
Aen. VI 609. Isidor. orig. X 53. Lydus de mag. 
I 20) mit Hinblick auf die dem Patron gebuh- 
rende Verehrung von colere abgeleitet. In Wirk- 
lichkeit ist es das Particip der Gegenwart des 
archaischen Verbums elttere (Vanicek Etymol. 
Worterbuch I 172. W. M. Lindsay Die lat. 
Sprache, fibers, von Nohl 1897, 33. Madvig 
193. Willems26f. HerzogI 12, 4. Corssen 
Ausspr. II 470 u. a.) und bedeutet soviel wie der 
,Gehorchende'. Langst abgethan ist die Deutung 
Oottlings Gesch. der rOm. Staatsverf. I 126, 6, 
die sich auf die von Plin. n. h. XV 119 iiber- 
lieferte Bedeutung cliiere gleich purgare stiitzt. 
Als Femininum findet sich clienta (Fest. ep. p. 61 
M.) ; ein Deminutiv ist clientulus bei Tac. dial. 37. 
Die griechischen Quellen, vor allem Dionys und 
Plutarch, setzen den aliens dem griechischen neka- 
ttjs gleich. Das Abhangigkeitsverhaltnis zwiscben 
dem Clienten und dem Patron heisst, von der 
passiven Seite betrachtet, clientela, von der acti- 
ven patronatus oder patrocinium (Etymologie 
Vanicek I 446. Lindsay 561). 

Der Begriff der Clientel wird in tmserer Uber- 
lieferung activ und passiv sowohl auf einzelne 
Individuen wie auf ganze Gemeinden angewendet. 
Icmmsen unterscheidet danach erne privatrecht- 
liche und eine effentlichrechtliche (publicistische) 
Clientel (z. B. Bom. Forsch. I 358. 361, 10. 363). 
Doch ist diese Art der Bezeichnung besser zu ver- 
meiden, insoferne, wie wir sehen werden, auch die 
Clientel einzelner Individuen nach Ursprung und 
Inhalt ausserhalb des altesten Privatrechtes steht 
(u. S. 26) und den Entstehungsgrund der Dedition 
mit der Gemeindeclientel gemeinsam haben dtirfte. 
Auf beide Arten der Clientel findet dieselbe Aus- 
drucksweise Anwendung; ausser patronatus, clien- 
tela, welch letzterer Terminus in der Begel ver- 
mieden wird, wenn der schiitzendeTeildie romische 
Gemeinde ist, dagegen von auswartigen Verhalt- 
nissen unbedenklich gesetzt wird (vgl. u. S. 20), 
kommen insbesondere die Wendungen mit fides 
(in fide esse u. a.) wiederholt vor, welche nach 
•der Darlegung von M. Voigt Das ius naturale 
IV 385ff. von einer ganzen Reihe mehr oder we- 
niger verwandter Schutzverhaltnisse gebraucht 
werden. In Bezug auf einzelne Personen findet 
sich dieser Terminus im Kepetundengesetz CIL 
I 178 Z. llf. (vgl. Z. 33) quota in fide is erit 
maioresve in maiorum fide fuerint , Terent. 
Eun. V 885f. 1039 (s. u. S. 32). Gell. V 18, 2 
clientes . . . qui sese . . . in /idem, patrocinium- 
qite nostrum, dediderttnt ; derselbe XX 1, 40 elien- 
tem in /idem acceptum ; ubertragen Cic. p. Rose. 
Am. 93 in fide esse et clientela. 106 se in fidem 
et elientelam eonferre u. a. (vgl. Voigt Ber. 
152, 19). Hinsichtlich der Gemeinde-Clientel sei 
verwiesen auf Cic. de off. I 35 ut ii, qui civi- 
tates out nationes derictas in fidem reeepissent, 
eorum patroni essent more maiorum, und auf 
die Patronatsurkunden, in welchen die Formel in 
fidem elientelamque reeipere stehend ist (Bruns 
Fontes I* p. 3431'.); ausserdem stellt Mommsen 
St.-R. Ill 651, 2 eine Reihe von Belegen fur den 
Gebrauch von in fidem venire, in fidem se tra- 



dere, in fide esse zusammen, welches regelmassig 
als eine Folge der Unterwerfung unter die r6- 
mische Herrschaft (dedere se) erscheint. Ebenso 
wie das durch die Dedition entstandene Verhalt- 
nis als dicio und potestas des rOmischen Volkes, 
bezw. seiner Vertreter, charakterisiert ist (Momm- 
sen E. F. I 356, 4; St.-R. Ill 723, 1), erscheint 
auch die Clientel einzelner als ein Herrenrecht 
(potestas); ihrem Bereiche ist ohne Zweifel ent- 

lOlehnt die Wendung bei Cic. pro Font. 40: frugi 
igitur kominem, ittdieeSj videtis positum in ve- 
stra fide et potestate atque ita, ut eommissus 
sit fidei, permissus sit potestati. 

Die gemeinsame Entstehung der beiden Gat- 
tungen der Clientel aus der Dedition (u. S. 26) 
schon hier vorausgesetzt, ergiebt sich aus Obigem 
fur die Begrifisbestimmung der Clientel soviel, dass 
sie ein durch das TreugelSbnis (fides) desHerrschen- 
den modificiertes Herrenrecht (potestas) vorstellt. 

20 Diese beiden charakteristischen Merkmale lassen 
sich unschwer bei alien Formen der Clientel con- 
statieren (u. S. 26. 30. 39). Treffend sagt Polyb. 
XX 9, 12 : .TOjja 'Pwfiaioig iaodvva/teT to xs sic ri/v 
TTiOTtv avrov iy%sioloai aai to rrjv iTrirooirrjV 
bovvai izeol avrov Tip xgarovvri. 

Von den beiden Arten der Clientel soil im 
folgenden die Clientel der Gemeinden nur inso- 
weit in den Kreis der Betrachtung gezogen wer- 
den, als zum allgemeinen Verstandnis der ge- 

SOsamten Institution erforderlich schien; eine aus- 
fiihrliche Behandlung des Gemeindepatronates 
liegt ausserhalb der Aufgabe dieses Artikels. 

Das von den EOmern als clientela bezeichnete 
Abhangigkeitsverhaltnis war in der Urzeit bei 
alien italischen Volkerschaften verbreitet, Voigt 
148, 9. Herzog I 12, 4. Karlowa I 37; wir 
finden es bei den Sabinern, von wo die unter Titus 
Tatius auswandernden Geschlechter (Dionys. II 
46, 3), wie auch Attus Clausus (Liv. II 16, 4. 

40 vgl. IV 3, 14. Dionys. V 40, 3. Suet. Tib. 1. 
Tac. ann. XI 24. Plut. Popl. 21; vgl. Dionys. 
X 14, 2) ihre Clientel nach Rom mitbrachten, 
ebenso bei den Etraskern (xeviarai bei Dionys. 
IX 5, 4; vgl. Miiller-Deecke Etrusker 12 
351ff. Cuno Vorgesch. Roms II 706). Ohne 
Zweifel liegen die Anfange dieser Institution, ja 
vielleicht sogar ihre Bliite der Grundung des rC- 
mischen Gemeinwesens weit voraus, wenngleich 
uns dieselbe nur bei den Romern einigermassen 

50 in ihren Grundziigen erkennbar wird. 

II. Ursprung der Clientel. Uber die Ent- 
stehung der Clientel und ihre rechtliche Stellung 
sind seit jeher die verschiedensten Hypothesen 
vorgetragen worden (Willems 28f. Herzog I 

12, 4). Nach fast alhjemeiner antiker Ansicht 
(Cic. de rep. II 16. Dionys. II 9, 2. Plut. Rom. 

13. Fest. s. patroeinia p. 233 M.) war es Ro- 
mulus, der bei der Grundung Roms zugleich mit 
der Ernennung der Patricier die bereits als vor- 

60 handen vorausgesetzten Plebeier als feste Clienten 
unter die Patricier verteilte ; nach Dionysios a. a. O. 
durfte sich jeder Plebeier selbst einen Patron wahlen 
(Madvig I 92). Inneuerer Zeit suchte Gottling 
Gesch. der r. Staatsverf. 127 den Ursprung der 
Clientel in der Einrichtung der Asyle. Nach Nie- 
buhr R. G. I 359 (ahnlich Schwegler I 640f. 
Lange I 239ff. Karlowa I 37) sind die Cli- 
enten aus unterjochten alteren Bewohnern hervor- 



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Clientes 



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gegangen, ahnlich den thessalischen Penesten und 
verwandten griechischen Institutionen , aber ver- 
edelt durch andere Sitten und besseren Sinn; in- 
dessen erscheint die Clientel, wie Herzog I 5 
bemerkt, durchaus nicht als ein Verhaltnis von 
Volk zu Volk und weist in nichts auf die Unter- 
driickung einer fremden Basse hin. Grundlos ist 
die Annahme Beckers Handb. II 1, 126 (eben- 
so G e n z 96), dass die Clientel — wie wir sahen, 



baren Eechtsgriinde der Horigkeit zur ErCrterung 
kommen, mit Ausschluss jener, die auf bios theo- 
retischer Construction (z. B. uneheliche Geburt 
nach Mommsen) beruhen. 

A. Eintritt in die Clientel durch Dedition 
mit anschliessendem Treuversprechen (w» fidem 
reeipere); vgl. Mommsen R. F. I 363; St.-R. 
Ill 55ff. 65f.; Abriss 15f. Herzog I 33. Kar- 
lowa I 37. O. Gilbert Gesch. u. Top. II 142£, 1. 



ein den Italikem gemeinsames Institut — erst 10 Wie heute wohl feststeht, wurde die altitalische 



durch die sabinische Einwanderung nach Latium 
gekommen sei. 

Bei der Lage der Uberlieferung iiber die alteste 
Clientel, die nicht nur sehr spater Zeit entstammt, 
sondern auch, wie Voigt (Abh. der sachs. Ges. 
der Wiss. XVII [phil.-hist. CI. VII] 1879, 682ff., 
bes. 742ff.) wohl richtig auseinandersetzt, nicht 
selten durch einseitige Parteinahme getriibt ist, 
erscheint es als aussichtslos , nach bestimmten 



Gemeinde iiberhaupt und die romische Drgemeinde 
im besonderen gebildet durch eine Verbindmig 
durchaus gleichberechtigter Geschlechter, deren 
jedes in genossenschaftlicher Organisation einen 
Teil der Gemeindeflur zu eigen hatte und bewirt- 
schaftete (Mommsen St.-R. Ill 24ffA Es leudit^; 
ein, dass ein Zustand geminderter Freiheit, -wie 
es die Clientel ist, innerhalb dieser Organisation 
nicht entstehen konnte, sondern erfahrungsgemSss 



einzelnen historischen Vorgangen zu forschen, 20 nur in der territorialen Expansion der rechtlicb. 



die den Anstoss zur Entstehung der Clientel oder 
einen Anlass zu ihrer Ausbreitung gegeben hatten. 
Wohl aber wird es mOglich sein, namentlich in 
Form von Euckschlussen aus den spateren besser 
beglaubigten Zustanden eine Anzahl von Ent- 
stehungsgrtlnden der Clientel zu finden und ein 
annahernd wahrscheinliches Bild ihrer altesten 
Gestaltung zu gewinnen. Eine allerdings mit 
Vorsicht zu benutzende MiSglichkeit der Controlle 



in sich geschlossenen Gemeinde nach aussen' — 
vor allem auf dem Wege kriegerischer Unter- 
werfung — seinen Ursprung nehmen konnte. 
a) Der Patronat des erobernden Feldherm. 
Nach der bei Liv. I 38, 2 mitgeteilten , sicher 
sehr alten Formel erscheint die Unterwerfung als 
ein zwischen dem Vertreter der obsiegenden und 
dem Vertreter der iiberwundenen Gemeinde ein- 
gegangener Vertrag, durch welchen die letztere 



durfte immerhin die rechtsvergleichende Heran- 30 alles in den Bereich ihrer Herrschaft fallende — ■ 



ziehung verwandter Institutionen bei anderen Vol- 
kern (Voigt Ber. 148), so der Horigkeit bei den 
germanischen und keltischen Stammen, welche die 
EQmer selbst als clientela bezeichneten, bieten; 
fiber die kretischen Hiiusler (foixesg) vgl. u. 
S. 41. 

Den eben beschriebenen Weg der Untersu- 
chung, der unseres Erachtens der methodisch 
einzig berechtigte ist, haben vor allem Momm- 



insbesondere den Grnnd und Boden und dessert 
Bewohner — dem Sieger zur freien Verfugung - 
(in dieionem) iibertragt: ,deditisne vos populum- 
que Conlatinum urbem agros aquam terminos 
delubra utensilia divinaque hutnanaque omnia 
in meam poptdiqtie Romani dieionem?' ,dedi- 
mus'. ,at ego reeipio' (vgl. Mommsen St.-R- 
III 56. 723, 1). Wahrend die in dieser Form ab- 
geschlossene Dedition den Siegern vollkommen 



sen und Lange eingeschlagen. Lange 13 243ff. 40 freie Hand lasst und selbst zur Sclaverei der 



vertritt die Ansicht, dass die Clientel entstanden 
sei aus dem infolge der communio hereditatis 
mehr und mehr sich abschwachenden Herrenrecht 
der Gentilen uber die Nachkommen der Sclaven 
ihres Ahns ; ausser dieser ursprunglichen Art der 
Clientel, fur welche sich allerdings keine plau- 
sibeln Analogien (Voigt 148,9), geschweige denn 
entscheidende Beweise beibringen lassen, nimmt 
Lange 246ff. noch positiven Vertrag mit Unter- 



Dedierten fiihren kann, tritt eine bedeutsame Mo- 
dification ders.elben dadurch ein, dass der Ver- 
treter der Sieger an Stelle des einfachen reeipere 
das in fidem reeipere (vgl. Mommsen R. F. I 363 ; 
St.-R. IH 723, 1; o. S. 23) ausspricbt; durch das 
darin liegende Treugelobnis wird er zwar nicht 
den Unterworfenen, die sich bedingungslos seiner 
Verfugung anheimgegeben haben, wohl aber den 
Gottern, welche die fides schiitzen, gegeniiber ztt 



jochten (ahnlich Karlowa 138), Aufhahme von 50 einer milderen Behandlung der Dedierten ver- 



Landfliichtigen, Manumission und freiwilligen Ein 
tritt als Entstehungsgrflnde an. Nach Momm- 
sen E. F. I358ff., dem auch Willems 29f. zu- 
stimmt, ist die Hauptquelle der Clientel die Manu- 
mission von Sclaven , deren Nachkommen die 
Clienten sind, daneben die Application Heimatloser 
und die Dedition. In den neueren Darstellungen 
(St.-R. m 55ff.; Abriss 15f.) fflbrt Mommsen 
als Rechtsgriinde der Horigkeit an die uneheliche 



Geburt von einer Romerin, die Dedition bisher60keit auch Plebeier). 



pflichtet (vgl. u. S. 39). Diese Unterwerfung in die 
durch die fides modificierte potestas des Siegers 
ist gleichbedeutend mit dem Eintritt in das 
Clientenverhaltnis, fiir welches diese beiden Merk- 
male schon oben S. 24 als wesentlich erkannt. 
wurden; als Patron erscheint der die Dedition 
entgegennehmende Vertreter der siegreichen Ge- 
meinde, also der KOnig oder — wie spater — 
der Feldherr (seit der Erlangung der Amterfahig- 



selbstandiger Gemeinden, welche auch Herzog 
I 33f. besonders hervorhebt, die Zuwanderung 
(namentlich von Latinern), die Freilassung des 
Sclaven , Emancipation des Haussohnes aus der 
vaterlichen Gewalt, Ubertritt aus dem Patriciat 
zur Plebs (vgl. ausserdem HerzogI 92. Voigt 
loOff.). 

Im folgenden sollen nun die fiir uns erkenn- 



In der alteren Zeit tritt diese primare Client 
tel, wie wir sofort sehen werden, nur als transi- 
torische Vorstufe einer defimtiven Ordnung der 
Dinge auf (Mommsen St.-R. Ill 58. 716); spater- 
hin indessen gelangte der durch die Dedition in 
fidem herbeigefuhrte Zustand — widerrufliche 
Freiheit der dediti und ihrer Nachkommen (de- 
diticii), Fortbestehen ihres Gemeindeverbandes- 



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Clientes 



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mit tolerierter Autonomie, Bodennutzung durch 
die Dedierten unter theoretischer Anerkennung des 
Bodeneigentums des populus Romanus — bei 
den civitates liberae wie bei den vonMommsen 
so genannten nichtautonoraen TJnterthanengemein- 
den zu factischer Dauer. Damit wurde denn 
auch die Schutzherrschaft desjenigen Romers, dem 
sich die unterliegende Gemeinde zu Handen des 
populus Romanus unterworfen hatte, zu einer per- 
manenten und in seiner Gens vererblichen ausge- 
staltet (u. S. 37) ; hierin ist einer der Entstehungs- 
griinde des Gemeindepatronates gegeben (betreffs 
des Pationates bei Colonien s. u, S. 34), Nach 
Cic. de off. I 35 war es hergebracht, ut ii qui 
civitates aut nationes demetas bello in fidem 
reeepissent, eorum patroni essent more maio- 
rum. Zafolge Dionys. II 11, 1 hatte ausser den 
Colonien und den verbiindeten Gemeinden iiber- 
haupt jede unterworfene eivitas ihre Patrone: 
x&v ix noXeuov XEXQarrjfiivmv (7t6).s(uv) sx&atrj 
ipvXaxas Eiys xai TiQooxaxas ovs ifiovXsro 'Potuaiav ; 
die Worte ovg ijiovXexo sind allerdings nur inso- 
weit richtig, als es in der spateren Zeit den Ge- 
meinden freistand, ausser der Gens des TJber- 
winders, deren Patronat obligatorisch war, noch 
andere Romer zu Patroneu zu roachen. Das Jlteste 
bekannte Beispiel ist der Patronat des C. Fabricius 
Consul 476 = 278 fiber ,ganz Samnium' (Val. 
Max. IV 8, 6 universos [Samnites] in elientela 
habebat); die zahlreichen Falle aus spiiterer Zeit 
stellt, Mommsen R, F. 1-361, 10 (vgl. St..-R. Til 
65, 1. 1203) zusammen. Der einmal entstandene 
Patronat wurde selbstdann aufrecht erhalten, wenn 
die Dedition zur Reconstituierung der dedierten 
Gemeinde in der Form des Bundesstaates fuhrte 
(Dionys, a, a, 0. tow snl avfi/Aayia xai <piUa 
jtQooeld'ovo&v. MommsenSt.-R.IIIti5). Indiesem 
Falle musste sich der nicht auf Vertrag beruhende 
Patronat als eine Nachwirkung der urspriinglichen, 
durch die Dedition herbeigefiihrten Abhangigkeit 
darstellen; in den Patronatsurkunden erscheint da- 
her mit dem in fidem clientelamque recipere fast 
regelmassig der Abschluss des auf Gleichberech- 
tigung sich grundenden Gastvertrages (hospitium) 
verbunden (s. u. S. 39. 53). 

Obgleich der die Dedition entgegennehmende 
Romer als Vertreter und Beauftragter des rbmi- 
schen Volkes handelt , erscheint die schutzherr- 
liche Befugnis doch zunachst mit seiner Person 
verknupft (vgl. auch Li v. XXXVII 45, 2: Asiae 
civitates in fidem consults dicionemque po- 
puli Romani se tradebant. Mommsen St.-R. Ill 
651, 2) und vererbt sich nach den allgemein fiir 
die Clientel geltenden Normen in seinem Ge- 
schlechte (s. u. S. 36). Dieser immer auf be- 
stimmte Person en gerichtete Charakter der Clien- 
tel erklart es , dass die in diesem Patronat 
sich auspragende Schutzherrschaft des populus 
Romanus zu anderen Gemeinden in officieller 
Ausdrueksweise niemals als patronatus oder elien- 
tela der rflmischen Gemeinde selbst bezeichnet 
wird (anders Mommsen R, F. I 355; St.-E. Ill 
665f., 2; R. G. 16 417, 1). Es ist daher termino- 
logisch ungenau, wenn auch sachlich zutreffend, 
wenn der Jurist Proculus Dig. XLIX 15, 7 § 1 
das Recht des romischen Staates fiber die popidi 
foederali el liberi mit dem Clientelverhaltnis ver- 
gleicht (vgL auch Cic. de off. II 27) und bei Liv. 



XXXVII 54, 17 die Rhodier von dem patrocinium 
recepfae in fidem et elientelam vestram universae 
gentis reden (ebenso die Syrakusaner Liv. XXVI 
32, 8. Mommsen St.-R. Ill 665, 2; vgl. 76, 3); 
ahnlich Polyb. XXX 19, 3. Liv. XLV 44, 19, 
wonach sich KOnig Prusias von Bithynien als 
libertus des romischen Volkes bezeichnete (Momm- 
sen St.-R. Ill 429, 1). Von auswartigen Ver- 
haltnissen, z. B. denen der gallischen Gemeinden 

10 untereinander, wird elientela ohne weiters gesetzt 
(Caes. b. G. I 31, 6. IV 6, 4. V 39, 3. VI 12, 4. 
Mommsen R. F. I 355, 2; R. G. 16 417, 1). 

b) Der Patronat des gentes vermOge ihres 
Bodeneigentums. Der in der spateren Zeit, wie 
eben dargestellt wurde, permanent gewordene Pa- 
tronat des erobernden Feldherrn liber die Dedier- 
ten stellte in der altesten Epoche nur ein Inte- 
rimisticum dar. Die durch die Dedition dem po- 
pulus fibereigneten Grundstucke wurden damals 

20 noch nicht in der factischen Nutzung der bis- 
herigen Besiedler, deren Gemeindeverband auf- 
recht blieb, belassen, sondern dadurch in den Ge- 
meindebereich des obsiegenden Stammes einbe- 
zogen , dass man sie mitsamt den darauf an- 
sassigen Dedierten zum grflssten Teile unter die 
einzelnen gentes aufteilte und, wenigstens von 
einem gewissen Zeitpunkt an, nur einen geringeren 
Teil als Gemeindeland (ager publieus) zuriickbe- 
hielt. Durch diese Organisation, die einzig mOg- 

301iche, welche die damalige politische und agra- 
rische Verfassung darhot (s. n. S. 26") , wurde 
selbstverstandlich die Geschlechts- und Gemeinde- 
zusammengehorigkeit des Dedierten vernichtet. 
Bei der Dedition unter den hartesten Bedingungen 
wurden sie mitunteT sogar Sclaven der betreffen- 
den gentes und kamen als solche, auch wenn sie 
auf ihrem Boden belassen wurden , fur die er- 
obemde Gemeinde rechtlich nicht mehr in Be- 
tracht. Bei der Dedition in fidem hingegen traten 

40 sie jedenfalls aus der Clientel des erobernden 
Feldherrn (KOnigs) in die der einzelnen gentes 
fiber; die Besiedler jener Grundstucke, die dem 
KCnige und seinem Geschlechte als Anteil an 
der Kriegsbeute dauernd uberwiesen wurden (qui 
essent regis colerenfi/rque sine regum opera et 
labors nach Cic. de rep. V 3; vgl. auch Dionys. 
Ill 1, 4 fiber das konigliche Tafelgut), ebenso 
die auf dem nunmehrigen ager publieus an- 
siissigen Dedierten verblieben in der bereits durch 

50 den Deditionsvertrag begrfindeten KOnigsclientel 
(Voigt 148f. mit Anm. 10; fiber die mutmass- 
tichen Schicksale derselben vgl, unten S. 48f.). 
Den Clienten wurde an dem Boden, den sie bis- 
her bewirtschaftet hatten, oder einem Teile des- 
selben eine rechtlich jederzeit widerruiliche, faetisch 
jedoeh erbliche Nutzung (precarium s. u. S. 44) 
eingeraumt: sie selbst wurden in den Sehutz der 
Gens aufgenommen, in deren Eigentum das Boden- 
stfick uberging; vgl. die Assignation von ager 

GO publieus an die gens Claudia und ihre Clienten 
u. S. 29. Als Entgelt dafur waren sie und ihre 
Nachkommen der Gens zu weitgehendem Gehor- 
sam. der bestimmte Dienste und auch Abgaben 
erheischte. und fur den insbesondere auch der 
Name cluentes spricht, verpflichtet. Diese mit der 
Bodenverteilung zusammenhangende Zuweisung 
der Clienten an die einzelnen gentes , welclie 
einerseits den Grand zu der ausserst zahlreichen 



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Clientel vieler patricischer Geschlechter legte (s. 
u, S. 36f.), andererseits es bewirkte, dass die 
grosse Menge der Clienten niemals als eine ge- 
schlossene Masse gegenttber den Gemeindegenossen 
aufgetreten ist, erscheint in unserer tberlieferung 
(so bei Cic. de rep. II 16 habuit plebem in elien- 
telas prineipum diseriptam, s. o. S. 24) wohl 
nicht mit Unrecht in das Licht einer bedeut- 
samen administrativen Massregel geruckt, indem 



Herzog I 989. 992f.;. dagegen KarlowaI40): 
Da die Sclaverei auf der altesten Stufe ihren TJr- 
sprung gleiehfalls in der kriegerischen Eroberung 
(Dionys. IV 22, 4. Mommsen St.-R. Ill 66, 2) und 
der daran sich knilpfend en Dedition hat, ist derEin- 
tritt in die Clientel durch Manumission von dem 
vorangehenden Falle kaum wesentlich verschieden. 
Noch in der augustischen Zeit (lex Aelia Sentia 
4 n. Chr.) hat sich vielleicht als Reminiscenz an 



. ~ — ..——.»...»»""'" ™«i».i;jci gciuujs.u, muem t ii, vui.j uai sicu vieiieicnT; ais nemmiscenz an 
die Gemeinde m der That durch Vermittlung der 10 eine altere Rechtsauffassung die Gleichstellung 



gentes und des gentilen Gerichts- und Heerbannes 
ihre Herrschaft fiber die Unterworfenen als Clienten 
ausubte, obgleich dieselben zunachst rechtlich aus- 
serhalb des Gemeinwesens standen (s. u. S. 36f. 48). 
"Wenn in der vorrOmischen und in der altesten 
romischen Epoche die Dedition in alter Regel 
entweder zur Sclaverei oder, wie eben dargelegt 
wurde, zur Clientel fuhrte, so hat die zunehmende 
Milderung des Kriegsrechtes im Vereine mit prak 



der mindestberechtigten Freigelassenenkategorie 
mit den Dedierten (deditieiorum numero) erhal- 
ten (Mommsen St.-R. Ill 141. 421, 3. Voigt 
205, 177). Immerhin schliesst hier nicht wie oben 
an die Dedition, welche den Besiegten und seine 
Nachkommen in die Hande des Siegers giebt, zeit- 
lich unmittelbar die Gewahrung einer wenigstens 
thatsachlich durch die fides geschiitzten Freiheit 
an, sondern es liegt zwischen diesen beiden Mo- 



~r - — -b -~ ""» 6 ».wu«, 8 uu icicmc mil, pia».- an, sviiuem es negi zwiscnen aiesen Deiaen M.o- 
tischen Erwagungen nach und nach dieses starre 20 menten ein langerer oder kurzerer Zeitraum, der 
Princip durchbrochen. In vielen Fallen fand, wie durch die Knechtschaft dns erstfln n«i«oi+.<.Ti *A ar 



die Uberlieferung iiber die KOnigszeit zeigt, eine 
Aufnahme wenigstens der vornehmsten Geschlech- 
ter in die vollberechtigte Burgerschaft, oder, wie 
die Quellen dies von ihrem Standpunkte aus- 
drucken, in den Patriciat statt, wobei ihnen ihr 
Grundeigentum wenigstens zum Teil belassen 
wurde; die Clienten derselben wurden allerdings 
in ihrer bisherigen Stellung in die r6mische Ge- 



durch die Knechtschaft des ersten Dedierten oder 
seiner Nachkommen ausgeflillt wird. Wahrend 
ferner die Clientel der Dedierten auf einen offent- 
lich-rechtlichen Act des Vertreters der romischen 
Gemeinde zuriickgeht, ist die fiir die altere Zeit 
vorauszusetzende formlose Freilassung eine rein 
private Handlung, bei welcher die offentliehe Ga- 
rantie der fides entfallt. 

Dass auch die Freilassung zur Clientel ffihrt, 



• i t. ~-™— e .« yxiv iuiiiiouic uc- j^asa autu uie rreiiassuug zur Clientel iunrt, 

meinde ubernommen. Dies zeigt insbesondere der 30 wird wiederholt unverdachtig bezeugt; so bei 



analoge Fall des claudischen Geschlechts, dessen 
Einwanderung- aus dem Sabinischen von Sueton 
Tib. 1 unter Romulus, gewOhnlicher aber ins 
J. 259 = 495 (Liv. II 16, 4, vgl. IV 4, 7. Dionys. 
V 40, 3) gesetzt wurde (Mommsen St.-R. Ill 
26, 1. 32, 2). Bei ihrer Aufnahme in die 
rOmische Gemeinde wurde dem Haupte der Gens 
Attus Clausus von staatswegen aus dem ager 
publieus eine Landstrecke jenseits des Anio (die 



Dionys. IV 23. 6: roii? in rcov axelF.vftmcov ypvn- 
uivovg TieXaxae rots iyyovoig xotq eavxeov (jxoxqi- 
xiav) y.arahmovxas. Liv. XLIII 16, 4 (zum J. 585 
;= 169) elientem libertinum parietem . . .demoliri 
iusserant (Voigt 153f.), wo der zu Livius' Zeit un- 
gewohnliche Ausdruck auf eine altere annalistische 
Quelle zuriickgehen dfirfte (Nissen Krit. Unters. 
257f. Voigt 200, 156). Auch in den XII Tafeln 
(Mommsen R. F. I 381, 50. Voigt 165, 71; 



spatere Inbus Claudia) zugewiesen, um daraus 40 s. u. S. 46), dann in der lex PiMicia (gegen 519 



seinen Clienten Ackerlose zuzuteilen (Liv. Dionys.) ; 
er fiihrte dies dergestalt aus, dass er fiir sich und 
seine Gentilen 25 iugera behielt, wahrend jedem 
seiner Clienten zwei iugera angewiesen wurden 
(Plut. Popl. 21 ; zu den Una iugera vgl. Momm- 
sen St.-R. HI 23f., 3. 25, 1). Aber auch dort, 
wo jene Gleichstellung der Geschlechter nicht statt- 
hatte, wurde die Aufteilung des eroberten Landes 
und seiner Besiedler unter die romischen gentes 



■= 235; Voigt 176), in der lex Cincia (vom J. 550 
= 204; Voigt 175), wo der servus, d, h. der 
Freigelassene (Mommsen St.-R. Ill 421. 1. 428, 
1), von den die librigen Clienten betreffenden Be- 
stimmungen exempt erscheint (s. u. S. 42. 52), 
diirften die Freigelassenen den Clienten zugezahlt 
worden sein. Nichtsdestoweniger werden sie in 
der Terminologie der spa ten Republik und der 
Kaiserzeit den e. im engeren Sinne coordiniert 



„„„„„ — uxuw ^^ ivuuoum yemra ^vaiociicii, ucu c. iui engeren omne coorainierx 

aus praktischen Griinden immer schwerer durch- 50 (s. u. S. 52), ohne Zweifel deshalb , weil damals 

ffihrbar. Das erobertp. Land hli^li ale tine** <™*hli' ^i^T.;^ n ^*-iT,,'4-o4- oll n ;« „«*■«- j^.. — v„ia n 



fuhrbar. Das eroberte Land blieb als ager publi- 
eus in der Verffigung der Gemeinde", seine Be- 
wohner wurden Clienten des Staates, bezw. des Ko- 
nigs (vgl. Voigt I48f.). Die weitere Entwicklung 
hat den Dedierten in der Regel unter Aufrechter- 
haltung ihres Genieindeverbandes den Besitz ihrer 
Landereienungeschmiilert belassen; immerhin aber 
haben sich bis in die Kaiserzeit hinein in dem 
theoretisch stets anerkannten Bodeneigentum des 



.^ . u ^„ „ L v^o niiv.n.».ii±^ji ajuucucipcinuui uca queiit ancu mer uie rjinraumung einer tnatsacn- 

Staates und der damit zusammenhangenden Wider- 60 lichen Freiheit war. Dieses Gelobnis, oder was ihm 



die Libertinitat allein unter den erhaltenen Formen 
der Clientel noch immer auf ursprtinglicher Un- 
freiheit beruhte und sich gerade dadurch aufs 
scharfste abhob. 

Wie bei der Dedition, beruhte auch bei der 
Manumission die Clientel urspriinglich wohl auf 
dem einseitigen Treugelobnis des Herrn zu Gunsten 
des bisherigen Sclaven, deren unmittelbare Conse- 
quenz auch hier die Einraumung einer thatsach- 



ruflichkeit der Bodennutzung, sowie der prekaren 
Freiheit der Unterthanengemeinden und in dem 
Patronat des erobernden Feldherrn und seiner 
Nachkommen (s. o. S. 26f.) die Grundziige des 
alten Rechtszustandes fast unverandert erhalten. 
B. Eintritt in die Clientel durch Freilassung 
(Mommsen R. F. I 355. 358—360: R. G. 16 
154; St.-R. in 58f. : Abriss 16. Voigt 149f. 153f, 



gleichstand, war, wie bei der Dedition. nur mora- 
lisch, nicht rechtlich bindend. Der Privatact der 
Freilassung, der trotz des Widerspraches von 
Karlowa I 40 in sehr alte Zeit zuriickreichen 
kann, wird daher in der altesten Zeit, wie Momm- 
sen (E. F. I 358ff.; R. G. 16 154; St.-R. Ill 
58f., besonders 59, 1) darlegt , keiue rechtliche 
Wirkung gehabt und den Herrn mid dessen Rechts- 



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Clientes 



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Clientes 



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nachfolger in der Geltendmachung ihres Eigen- 
tumsrechtes, die noch spater bei der strafweisen 
revocatio in servitutem mcglich war, nicht ge- 
hindert haben. Insbesondere verleiht die Frei- 
lassung niemals das ursprungliche Burgerrecht, 
d. h. den Patricia! Da Freiheit und Bttrgerrecht 
in der altesten Gemeinde zusammenfallen, ist der 
Freigelassene nur thatsachlich, nicht rechtlicb frei, 
er ist, nach einem technischen Ausdrucke des 
spateren Civilrechtes fiir den formlos Freigelasse- 10 
nen, ein servus qui in libertate moratur (Momm- 
sen B. F. I 357, 4; St.-E. Ill 723). Erst die 
spatere Rechtsbildung, die den Clienten iiberhaupt 
erst ein Burgerrecht verschaffte, hat nach und nach 
eine Eeihe von effentlichrechtlichen oder diesen 
gleichgesetzten Acten der Freilassung entwickelt, 
vermoge welcher der fruhere Sclave in die Biirger- 
schaft anfgenommen wurde (Mommsen St.-R. 
Ill 58f. 131; Abriss 16), und damit zugleich den 
Patron bis zu einem gewissen Grade an die Hal- 20 
tung seines Treuwortes gebunden. Aber noch in 
der letzten Zeit der Republik konnten sich stellen- 
weise zwischen rechtlicher Unfreiheit und that- 
sachlicher Freiheit schwankende Zustande dauernd 
und vererblich erhalten (vgl. u. S. 42 fiber die 
Martiales zu Larinum) , und in der Gesetz- 
gebung unter Augustus {lex Aelia Sentia vom 
J. 4 n. Chr.) wurde denjenigen Individuen, die 
als Sclaven ein Verbrechen begangen hatten, bei 
der Freilassung das Burgerrecht versagt und die- 30 
selben den deditieii gleichgestellt (s. o. ^ S. 30). 
Aber auch die Rechtsfahigkeit der als eives Eo- 
mani Freigelassenen und lange auch ihrer Kinder 
ersten Grades war nicht die voile der freigeborenen 
Burger. Der Umstand, dass die Libertinitat yon 
alien Arten der damaligen Clientel allein noch 
immer unmittelbar aus der Unfreiheit hervorging, 
der mit der fruheren Knechtschaft verbundene 
Makel sowie das Bestreben, den Patronen bei der 
lediglich auf ihrer freien Entschliessung beruhen- 40 
den Manumission moglichst viele Kechte zu wahren, 
brachten es mit sich, dass sich die fur die alteste 
Clientel allgemein gultigen, tiefeinschneidenden 
rechtlichen Beschrankungen bei der Libertinitat 
bis in die Kaiserzeit hinein am zahesten erhielten, 
wahrend sie die auf freier Wahl beruhende Clientel 
dieser Epoche langst abgestreift hatte. Es gehort 
dazu die revocatio in servitutem (u. S. 42), die 
Unterstellung unter die hausliche Gerichtsbarkeit 
(Mommsen R. F. I 369; St.-R. Ill 433f. Voigt 50 
201, 159) und das Ziichtigungsrecht des Patrons 
(Voigt 205 mit A. 174), das Verbot der gentis 
enuptio (u. S. 11), der Ausschluss der Ehegemein- 
schaft zwischen Freigeborenen und Libertinen (bis 
736 = 18; Mommsen St.-R. Ill 429f.), das Erb- 
recht des Patrons und seiner Kinder (Mommsen 
St.-R, HI 432 ; u. S. 45f .), die Exemption von den Be- 
stimmungen der lex, Cincla (u. S. 41. 52), dann auf 
offentliehrechtlichem Gebiete die Ausschliessung 
von den Amtern und Priestertumern der Gemeinde, 60 
vom Sitze im Senate und dem Ritterdienste u, a. 
(Mommsen St.-R. 13 459f. Ill 451); vgl. im all- 
gemeinen Mommsen St.-R. Ill 420ff.; Abriss 
52f. Gerade diese fortdauernde Minderberech- 
tigung der Freigelassenen ist ein wertvoller, wenn 
auch vorsichtig zu beniitzender Behelf fur die Be- 
urteilung der altesten Clientel. 

Ahnliche Wirkungen wie die Manumission, 



insbesondere patronatisches Erbrecht (Mommsen 
St.-R. Ill 421, 4), zog auch die bereits in den 
XII Tafeln als Rechtsact anerkannte Emancipa- 
tion eines mancipierten Freigeborenen nach sich, 
welche daher gleichfalls den Entstehungsgrunden 
der Clientel zuzuzahlen sein wird (Mommsen 
St.-R. Ill 59—61; Abriss 16f.). 

Zweifellos hat die Freilassung schon seit der 
altesten Zeit, insbesondere aber seitdem der Sclaven- 
besitz zunahm, ein grosses Contingent fur die 
Clientel und damit auch fiir die Plebs gestellt. 
In der Mekrzahl der Falle, wo patricisehe und 
plebeische Geschlechter denselben Gentilnamen 
fuhren, wird Abstammung der letzteren von LibeT- 
tinen oder Emancipierten patricischer gentes an- 
zunehmen sein (vgl. auch den Erbschaftsstreit der 
patricischen Claudier und der plebeischen Claudii 
Marcelli bei Cic. de orat. I 176 und dazu Momm- 
sen R. F. I 382f„ 51; St.-R. Ill 27, 2. 66, 1). 
Seitdem auch Plebeier Sclaven besitzen und rechts- 
giiltig freilassen konnten, wurde im Zusammen- 
hange mit der Bildung einer plebeischen Quasi- 
gentilitat das Recht des Patronates und der Clientel 
auch auf sie und ihre Manumittierten erstreckt 
(Voigt 154). 

C. Eintritt in die Clientel durch freiwilhge 
Hingabe (applieatio) des Clienten und Treuge- 
lobnis des Patrons (Mommsen R. F. I 361f.; 
St.-R. Ill 57f. 64; Abriss 16. Voigt 151f.). In 
einem weiteren Stadium der Entwicklung wurde 
die Eingehung des Clientelverhaltnisses von ihrer 
ursprunglichen vSlkerrechtlichen causa, der kriege- 
rischen Eroberung, abgelost. Wahrend bei der 
Dedition und der Manumission der Eintritt in 
die Clientel und die Person des Patrons von dem 
Belieben des Clienten unabhangig waren, hot sich 
nunmehr jedem thatsachlich freien, aber aus irgend 
einem Grunde nicht dem Gentilverbande und da- 
mit auch nicht der Vollburgerschaft angehOrigen 
Menschen die Moglichkeit, aus freier Wahl sich 
in die potestas und fides eines Vollbiirgers zu be- 
geben. Diese auf beiderseitige freie Abmachung 
gegrundete Herstellung der Clientel, welche Dionys. 
II 9, 2 (ijiiTQZtpas ixaarw z&v Ix rov siX^ovg 
Sv avros ifloviszo vi/isiv jiQOOTdttjv; Vgl. auch 
II 11. 1, o. S. 27), mit Unrecht fur die gesamte 
Clientel gelten lasst (vgl. aber Voigt 151), er- 
folgte mittels eines solennen Actes, der appli- 
eatio ad patronum (Cic. de orat. I 177, s. u. 
S. 34), wohl so genannt von einer begleitenden 
Geberde des se applicare (vgl. supplieare). Auf 
das Anerbieten des Clienten (Ter. Eun. 885 
ego me tuae commendo et eommitto fidei: te 
mihi patronum eapw. 1039 Thais patri se com- 
mendavit in elientelam et fidem: nobis dedit se. 
Gell. V 13, 2: clientes . . . qui sese . . . in fidem 
patrociniumque nostrum dediderunt), erfolgte 
wohl ahnlich wie bei der Dedition (o. S. 26), die 
formelle Zusage des Patrons, etwa in der Fassung: 
at ego in fidem recipio (suscipio) (vgl. Gell. XX 
1, 40 elientem in fidem suseeptum; Voigt 151, 
18ff. Patronatsurkunden). 

Wahrend an der obligatorischen Clientel der 
Freigelassenen der Makel ehemaligei Unfreiheit 
haften blieb, that die freiwillige Eingehung der 
Clientel unter Freien dem factischen Ansehen und 
der rechtlichen Stellung des Clienten keinen Ein- 
trag; es ist selbstverstandlich, dass durch private 



Abmachung ein staatsrechtlich relevantes Ver- 
haltnis nicht geschaffen werden konnte. Alle die 
unten S. 41ff. darzulegenden mannigfachen Ein- 
sehrtokungen der privaten und Offentlichen Rechts- 
fahigkeit, welche der altesten Clientel eigen sind 
und bei der Libertinitat zum Teile bis in die 
spate Kaiserzeit sich forterhalten (o. S. 31), exi- 
stieren fiir diese rein private Art der Clientel 
nicht, schon aus dem Grunde, weil dieselbe weder, 
wie die HCrigkeit der Dedierten, in den Bereich 
Offentlichrechtlicher Ordnung fiel, noch auch, wie 
die Manumission, ein neues Burgerrecht zu schaffen 
beabsichtigte. Insbesondere entfallt hier die An- 
nahme des Gentilnamens des Patrons, der Ersatz 
der patria, potestas durch den Patronat, die Be- 
schrankungen der Ehefahigkeit, in aller Regel auch 
die Erbberechtigung des Patrons (die nur vereinzelt 
suppletorisch eintritt; s. u. S. 34. 45f.) u. s. w. Die 
freiwillig eingegangene Clientel findet daher nicht 
nur zwischen Biirgern und Nichtbiirgern, sondern 
auch, seitdem die Plebs das Burgerrecht besitzt, 
unter Biirgern Anwendung, wobei der Patron nicht 
nur Patricier, sondern spaterhin auch Plebeier 
sein kann und nur der Client in aller Regel nicht 
Patricier gewesen sein wird (vgl. u. S. 48 uber 
die Nobilitierung als Auflosungsgrund der Clien- 
tel). Es ist selbstverstandlich, dass unter gleich- 
berechtigten Biirgern von einer consequenten Aus- 
(ibung der Herrenrechte (potestas) und dem ent- 
sprechenden Gehorsam nicht mehr die Rede sein 
kann und dafiir der moralische Gehalt des Ver- 
haltnisscs, die fid&>, audi auf Seite deo Clienten 
mehr und mehr in den Vordergrund tritt. Da- 
durch wird die freiwillige Clientel, die sich in 
ihrer Entwicklung immer mehr von der Liber- 
tinit&t scheidet, zu einer mehr oder minder frei 
zu handhabenden Form, die den Offentlichrecht- 
lichen Charaktcr ganz abgestreift hat, ohne aber 
damit fur das stricte ius civile fassbar zu werden, 
und allmahlich in ein wesentlich ethisches, jedes 
jurisiischen Inhaltes entkleidetes Verhfiltnis sich 
umsetzt (u. S. 39. 52). Seitdem die Nachkommen 
der Dedierten und der Libertinen voile birrger- 
liche Rechtsfahigkeit besassen, muss auch hier 
eine grundliche Umgestaltung und damit die 
schliessliche Ausgleichnng der auf verschiedenen 
Rechtsgrfinden beruhenden Clientelen eingetreten 
sein. 

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die 
freiwillige Clientel, obgleich in der Regel ver- 
erblich (u. S. 35) , durch freies Ubereinkommen 
zwischen Patron und Clienten loslich war (Her- 
zog I 33; vgl. auch unter Fall d), wahrend ein 
Verzicht des Patrons bei der mit der Offentlichen 
Rechtsordnung zusammenhangenden Clientel der 
Dedierten und Manumittierten wohl ebenso un- 
statthatt gewesen ware, wie etwa in der altesten 
Zeit das Aufgeben der patria potestas seitens 
des pater familias. Mit Hinblick auf die spatere 
Bildung spricht auch Dionys. II 10, 4 zugleich 
von der Bewahrung der Clientel durch das Wohl- 
wollen des Patrons und vom freien Anschlusse 
neuer Clienten (anders Voigt 151, 16). Die Frei- 
heit in der Eingehung und LOsung des Verhalt- 
nisses und in seiner individuellen Gestaltung, fiir 
welche die zu Grunde liegende fides weiten 
Spielraum gab, liess die freiwillige Clientel als eine 
geeignete Form zur Einkleidung verschiedenge- 

Pauly-Wissowa IV 



arteter rechtlicher und oekonomischer Verhaltnisse 
erscheinen , welche , ohne auf den Boden des 
stricten ius civile gestellt zu sein, dennoch eines 
rechtlichen Schutzes (der strafrechtlichen Sanc- 
tion der fraus patroni, s. u. S. 40) nicht ganz 
entraten sollten. Im folgenden sollen einige der- 
artige Zwecke der Clientel aufgezahlt werden. 

a) Rechtlicher Schutz des Nichtburgers durch 
den Vollbiirger liegt zu Grunde der Application 

10 des Auslanders, insbesondere des Latiners, welcher 
gemass dem zwischen seiner und der rSmischen 
Gemeinde bestehenden Vertrage (M o m m s e n St.-R. 
Ill 48ff. ; Abriss 26) unter Aufgabe seines Heimat- 
rechtes nach Rom iibersiedelt; vgl. Cic. de orat. 

I 177: quid quod . . . in centumvirali iudieio 
eertatum esse accepimus, qui Romam in exilium 
venisset, eui Romae exulare ius esset, si se ad 
aliquem quasi patronum applicavisset intestato- 
que esset mortuns, nonne in ea causa ius appli- 

20 cationis obscurum sane et ignotum patefaetum 
in iudiciis atque ilhistraium est a patrono? 
(Mommsen R. F. I 361, 9; St.-R. Ill 57, 2; 
Abriss 16. Voigt 152). 

b) Auch die rechtlich widerrufliche , factisch 
erbliche Bodennutzung (preearium u. S. 44) 
scheint, zunial in einer Zeit, wo es nur gentili- 
eisches Bodeneigentum gab und das Obligationen- 
recht noch keine Erbpacht entwickelt hatte, durch 
Eintritt in die Clientel des Grundherrn vermittelt 

30 worden zu sein ; vgl. insbesondere Fest. p. 246 a 
M. (vgl. epit. p. 247): atque [ii patres dieti sunt, 
quttij uy/ {/turn, put'les tit[ti ibu&nMtl IvhiMui t,- 
bus] perinde ae liberis, wo das durch Paulus ge- 
sicherte attribuerant eben auf widerruflichen Bitt- 
besitz hinweist (vgl. Mommsen St.-R. Ill 83, 2. 
Voigt 164 mit A. 69. Madvig I 94). Noch in 
spiiter Zeit stent der eolonus in einem clientel- 
artigen Schutzverhaltnisse zum Grundherrn; vgl. 
Hermog. Dig. XIX 1, 49 pr. colonum . . . in 

40 fidem suam, recipit. Zur Zeit , wo individuelles 
Bodeneigentum langst bestand, waren es zum 
grOssten Teile die des Grundbesitzes entbehrenden 
Elemente der Plebs, die auf dem Wege der Clientel 
zur Nutzurig fremden Bodens zu gelangen suchten 
(liber die lex Poblilia vom J. 283 = 471 s. u. 
S. 50). 

c) In ganz analoger Weise wurden wohl friih- 
zeitig schon Einwanderer aller Art oder ausser- 
halb der Geschlechterbflrgerschaft stehende Leute 

50 ohne Bodenbesitz — der Stamm der spateren Plebs 
— von den KOnigen , in deren Clientel sie da- 
durch eintraten, auf Staatslandereien als Colonen 
angesiedelt; die Uberlieferung dariiber stellt Voigt 
Abb. d. sachs. Ges. der Wiss. XVII (phil.-hist. 
CI. VII) 1879, 742ff. zusammen. Es ist dies vor- 
aussetzlich die alteste Form der colonia, die zu- 
nachst ,als Anomalie in die Flurteilung nach Ge- 
schlechtern hineingetreten sein muss' iMommsen 
St,-R. Ill 83, 2). Eine Sachwirkung ist der Pa- 

60 tronat des Deducenten und seiner Nachkommen- 
schaft uber die von ihm abgefiihrten Colonen 
(Mommsen St.-R. Ill 83, 2. 665f., 2. 776, 1; 
fur die latinischen Colonien vgl. lex col. Iul. 
Genetivae c. 97, Ephem. epigr. n p. 147 = CIL 

II Suppl. 5439; fiir die Biirgercolonien den Pa- 
tronat Sullas und seines Sohnes iiber Puteoli, Cic. 
pro Sulla 21. Mommsen St.-R, III 1203, 1. 
Marquardt St.-V. 12 188). 

2 



35 



Clientes 



Clientes 



36 



d) Aus dem patrooinium, dem Rechtsbeistande 
des Patrons zu Gunsten des Clienten in der aitesten 
Zeit (u. S. 41. 47), ist eine rein processuale An wen- 
dung derClientelentwickeltworden, welche den Ein- 
tritt eines Sachwalters in Civil- und Criminalpro- 
cesse ermoglichen sollte. Auch dieses in der Kegel 
ganz voriibergehend eingegangene Verhaltnis steht 
unter dem Schutze der fides (Cic. ad Att. XV 
14, 3 Buthrotiam . . . eausam . . . ve-lim reeeptam 



S. 38) — nur im Namen und zum Nutzen der Gen- 
tilen das Patronatsrecht ausiibt. Bei dem Clienten 
ist die Vererblichkeit niclit etwa, wie Mommsen 
annimmt, die Folge der Ehefahigkeit und der vater- 
lichen Gewalt, die bei dem Horigen .gerade durch 
den Patronat urspriinglich ausgeschlossen wurde 
(u. S. 44), sondern zweifelsohne ein Ansfluss des 
nur durch die fides determinierten Herrenrechtes 
(potestas), in welches ebenso die Nachkommen- 



in fidem tuam) ; es fallt, wie der Patronat iiber- 10 schaft des nur thatsachlich freien Clienten wie 



haupt, unter die Bestimmungen der lex Cinoia 
vom J. 550 = 204 (Liv. XXXIV 4, 9. Tac. ann. 
XI 5 ne quia ob eausam orandam peeuniam 
donumve aeeipiat). Auf die urspriingliche On- 
statthaftigkeit contractticher Verpflichtung zwi- 
schen Patron und Clienten mag es im letzten 
Grande zuriickgehen , wenn noch in der Kaiser- 
zeit filr die Honoraranspriiche des Sachwalters 
keine actio gewahrt wird. Inwieweit die Delicte 



die des Sclaven fallt. Gerade die Erblichkeit des 
Verhaltnisses schloss, wie Mommsen St.-E. Ill 
70 ausfiihrt, ,dessen Sprengung in sich : wenn die 
Abhangigkeit des Freigelassenen von dem Frei- 
lasser den regelmassigen thatsachlichen Verhalt- 
nissen entsprach, so wich dieser Boden nothwendig 
mit jedem weiteren Grade, den die Erbfolge er- 
gab', Dasselbe gilt fiir die Dedierten und ihre 
Nachkommen , die daditieii (o. S. 30) , wahrend 



der Sach waiter aus den Grundsatzen des Patro- 20 die freiwillig eingegangene Clientel, obgleich in 



nates entwickelt wurden (Urbanus bei Serv. Aen 
VI 609), kann hier nicht erOrtert werden. Auch 
der Patronat hervorragender Sachwalter, wie Ci- 
ceros (iiber Capua, vgl. pr. Sest. 9 ; in Pis. 25), 
iiber Gemeinden, wird in der Kegel dem Zweck 
des patrooinium vor Gericht gedient haben (vgl. 
Tac. dial. 3 : cum te tot amicorum causae , tot 
coloniarum et municipiorum clientelae in forum 
voeent). 



der Regel vererblich , von Anbeginn nur ein 
schwaches Abbild der altesten Horigkeit war (o. 
S. 33). So hat gerade die Vererbung sehr viel 
zur Abschwachung der alten Herrenrechte und 
zur allmahlichen Umwandlung des Gewaltverhalt- 
nisses in ein Pietatsverhaltnis beigetragen. Selbst 
bei der unmittelbar aus der Unfreiheit sich stetig 
erneuernden Libertinitat erstreckten sich die dar- 
aus sich ergebenden Rechtsnachteile (o. S. 31) 



D. Eintritt in die Clientel durch Geburt 30 zum Teil noch (bis etwa 565 — 189) auf die gleich- 



(Mommsen St.-R, III 55. 70; Abriss 17. Mad 
vig 1 93. Herzog 1 92,1. Karlowa 1 39. Voigt 
155ff.). Die bisher aufgefiihrten Entstehungs- 
griinde der Clientel wirken regelmassig auch auf 
die agnatische Descendenz des Clienten wie des 
Patrons. Diese Vererblichkeit der Horigkeit, die 
selbst bei der freiwilligen Clientel wenigstens im 
Princip bestehen bleibt, bekundet Dionys. II 10, 4: 
die/jscvav iv zxoliaZ; yevsuXz order Siatpegovacu avy 



falls als libertini bezeichneten Kinder ersten Gra- 
des, aber nicht mehr auf die Enkei des gewesenen 
Sclaven (Mommsen St.-R. Ill 72ff. 422f. 436f. 
Voigt 180ff.). 

III. Verhaltnis der Clienten zur Gens. 
Die Einbeziehung neuen Gebietes und die Auf- 
nahme neuer Unterthanen , soweit sie nicht als 
vollberechtigte Geschlechtsgenossen in die Biirger- 
schaft Zutritt erlangten, war, wie oben S. 28f. 



ysvtx&v avayxawTrjxcov at t&v 7te).aT<bv re xal jtqo- 40 dargelegt wurde, in der altesten Gemeinde nur 



aratojv ovCvyiat natoi xaidojv avvioxaiisvai; vgl. 
desgleichen fiir die Descendenz der Freigelassenen 
IV 23, 6 (o. S. 30) und ebd. : rue re xooyovixd; 
(pvldrrovai. fiiaboya; r<7w jraTQtovstwv (vgl. den 
eliens libertinus Liv. XLIII 16, 4, o. S. 30). 
Audi in vielen einzeliiKii Fallen ist uns die Ver- 
erbung der Clientel bezeugt; vgl. Dionys. XI 36 
(Clientel des Decemvir Appius Claudius). Plut. 
Mar. 5 (zum J. 638 =116, Clientel der Herennier 



auf dem Wege der Aufteilung und Zuweisung an 
die bisherigen gentex moglich, die zu jener Zeit 
in der Gesehlossenheit ihres Territoriums und 
ihrer Mitglieder als die untersten wirtschaft- 
lichen, politischen, militarischen und sacralen Ein- 
heiten des Staates sich darstclltcn. Diesc Function 
iibt die Gens durch ihr Oberhaupt . den pater 
(patronus), auch gegeniiber den ihr zugeteilten 
Clienten aus und ersetzt dadjjrch ein unmittel- 



und Marier, u. S. 48). Fiir die Clientel der 50 bares Eingreifrn der Gemeinde, zu welcher die 



Gemeinden geniige es, auf die von Mommsen 
R. F. I 361, 10 gegebene Zusammenstellung, dann 
auf Marquardt St.-V. I 2 188, 4 und die in- 
schriftlichen Fatronatsurkunden (Bruns-Momm- 
sen Fontt-s I* p. 343f.,i hinzuweisen. Aus der 
Vererbung der Clientel erklart sich auch das Fehlen 
einer Disposition uber die legit ima taiela bei 
Clientenkindern in den XII Tafeln (u. S. 44), das 
Verbot der gentis enuptio |'u. S. 43) und das noch 



Clienten als Nichtbiirger zunaehst in einer rein 
iiusserlichen Beziehung stehen lu. S. 48). Noch 
sei bemerkt, dass auch das Clientelverhaltnis von 
Gemeinden zu vornehmen Romeni auf eine Gens 
bezogen ersclieint , vgl. den Patronat der Gens 
Fabia iiber die Allobroger (Appian. bell. civ. II 4) 
und jenen der plebeischen Quasi-Gens der Claudii 
Marcelli iiber die Sicilier i Liv. XXVI 32, 8. Cic. 
Verr. II 122. Genz 19f. i. Bei den grossen patri- 



im Repetuiidengesi'tze ausgesprochene Verbot der 60 cischen geales war die Anzahl der zugeteilten 



Klageunterstiitzung seitens des Clienten des Be- 
schuldigten oder desseu Nachkommen [quota in 
fide is erit maioresve in maioritiit fide fuerint, 
o. S. 23. Voigt 179, 116). 

Auf Seite des Patrons erklart sich die Ver- 
erbung wesentlich aus der gentilen Organisation 
der Clientel. wobei der Einzelpatron — in iiltester 
Zeit in der Regel das Gescblechtshaupt (pater, u. 



Clienten eine sehr bedeutende, welche die der Gen- 
tilen weit iiberstieg und den Oberhiiuptern der Ge- 
schlechter eine Machtstellung nach Art der grossen 
mittelalterlichen Lehensherrn verschaffte (Momm- 
sen St.-R. in 70. 1. Madvig I 78. 2. 93, 2. 
Voigt 168,86. Gilbert II 143). Wie die Alten 
sich das numerische Verhaltnis der Clienten vor- 
stellten, zeigen die Erzahlungen von den 5000 



37 



Clientes 



Clientes 



38 



waffenfahigen Gentilen und Clienten des Attus 
Clausus (Dioiys. V 40, 3; vgl. Liv. II 16, 4), so- 
wie von der Clientel des fabischen Geschlechtes 
im J. 277 = 477 in der Starke von 5000 Mann 
(Fest. p. 334M. ; 4000 Mann nach Dionys. IX 15, 3), 
denen nur 306 (Liv. II 49, 4. Dionys. Fest. aa. OO.) 
Gentilen gegenuberstehen. Von 4000 Freunden, 
Clienten und Sclaven des Ap. Herdonius berichtet 
Dionys. X 14, 2; vgl. noch Dionys. II 10, 4. Ly- 
dus de mag. I 20, fiir die spatere Zeit Liv. V 32, 
8 (u. S. 50f.). Dionys. IX 41, 5. Plant. Men. 
574ff. 

Der enge Zusammenhang der altesten Clientel 
und der auf dem Gentilverbande beruhenden agra- 
rischen Verfassung der Urgemeinde wurde bereits 
oben S. 28 beruhrt; der Client ist, wie insbe- 
sondere die tlberlieferung iiber die Ansiedlung 
des Attus Clausus (o. S. 29) zeigt, auf dem im 
Gesamteigentum der Gentilen stehenden Grund- 
stiicke angesiedelt, welches er im Auftrage und 
zum Nutzen der Gens bebaut. Mit der Gens ver- 
lasaen , wie das Beispiel der Claudier zeigt, auch 
die Clienten das gentile Territorium, um sich neue 
Wohnsitze zu suchen (Mommsen R. F. I 368, 22. 
Dionys. II 4, 3). 

In der Zeit, wo der Gens selbst das Fehde- 
recht zustand, und noch s pater, solange die Heeres- 
organisation auf den geMtes beruhte , zogen die 
Clienten mit der Gesammtheit der waffenfahigen 
Gentilen gleich Gefolgsleuten und Dienstmannen 
in den Krieg (u. S. 49). Aber auch noch spater 
kam es vereinzelt vor, dass bei Unwillfahrigkeit 
der Plebs die Patricier mit ihren Clienten zu 
Felde zogen (Dionys. VI 47, 1. VII 19, 2. X 43. 
Mommsen E, F. I 368, 23. Madvig 193, 1. 
Herzog I 92, 5). und im J. 277 = 477 unternahm 
angeblich eine einzelne Gens, die Fabia, mit ihren 
Horigen einen Sonderfeldzug. Noch Seipio hot 
im J. 620 = 134 seine Clienten fiir den nuinau- 
tinischen Krieg auf (App. Hisp. 84. Voigt 164, 16). 

Die Teilnalnne der Clienten an den sacra der 
Gens behauptet Mommsen E. F. I 371f. viel- 
leicht mit Recht (vgl. Voigt 163); selbstver- 
standlich ist dieselbe rein passiv zu denken. Noch 
in der Folgezeit, wo mit dem Verfall der alten 
Gentilitiit "die Person des einzelnen Patrons in 
den Vordergrund tritt, gemahnt an das urspriing- 
liche Verhaltnis das Verbot der gentis enuptio fur 
ilie weibliclien Clienten (u. S. 43) und die Erbbe- 
rechtigung der Gentilen des Patrons an dem Nach- 
lasse des Clienten iu. S. 46). 

Dass diese mannigfachen Beziehungen, welche 
die Clienten an die Gens kivupften (vgl. Diony; 



II 10. ' 



>; tov; vtVf'i .-rgoaijaorra;). auch ausser- 



lich in der Namengebung der Clienten zum Aus 
drucke kamen . ersclieint beinahe selbstvei'stiind- 
lich (Mommsen E, F. I 368f. mit A. 25. 372; 
St.-R. Ill 64, 1. Voigt 163. Genz3f. 19). Der 
Client fflgte wahrscheinlich seinem Individualnamen 
den adjeetivisch gebildeten Gentilnamcn bei; we- 
nigstens konnte der Name des M. Claudius, eines 
Clienten des Decemvirn Appius Claudius, bei Liv. 
Ill 44, 5ff. Dionys. XI 28ff. darauf hinweisen. In 
der spateren Zeit erhalt sich dieser Grundsatz nur 
fiir jene Clienten , die unmittelbar aus der Un- 
freiheit in die Clientel treten, d. h. fur die Frei- 
gelassenen (Mommsen St.-E.' Ill 424ff.j, wahrend 
der Eintritt eines freien Burgers in das Clientel- 



verhaltnis keine Namensanderung nach sich zieht 
(Salonius als Client des M. Porcius Cato u. S. 43f/; 
das Haus der Marier in der Clientel der Herennier 
S. 48; Mucius als Client des Ti. Gracchus S. 51). 
IV. Verhaltnis der Clienten zum Pa- 
tron. "Wenngleich das Herrschafts- und Schutz- 
recht iiber den Clienten der gesamten Gens ebenso 
zusteht, wie etwa das Bodeneigentum an dem 
ager gentilicius, ist dasselbe doch so geartet, dass 

10 es jeweilig nur von einem einzigen ausgeiibt werden 
kann. So hat denn der Client auch zur Bliitc- 
zeit der Gentilitat nur einen Patron gehabt ; erst 
nach Wegfall oder in Verhinderung desselben 
kamen die ubrigen Gentilen in Betracht. Als 
Trager des gentilen Patronates muss der jeweilige 
Geschlechtsalteste, der prineeps gentis (Jhering 
1 5 260. Genz 23f.) gedacht werden , der als 
pater die gens im Rate vertrat (vgl. Fest. p. 246 a, 
o. S. 34). Der patronus ist also offenbar eine 

20 Modification des pater. Diese Einheit des Patro- 
nates, der zu einer Zeit, wo der gentile Verband 
mehr und mehr sich lockerte, auf die einzelnen 
Familienhaupter sich iibertrug, blieb der Clien- 
tel in alien ihren alteren Formen gewahrt (vgl. 
aber Voigt 159). Erst in der spateren Zeit, 
wo die Jurisprudenz den Patronat iiber den 
Freigelassenen unmittelbar an das Eigentum des 
Sclaven ankniipfte, wurde auf Grund des Gesamt- 
eigentums auch ein Patronat mehrerer iiber den 

30 Freigelassenen construiert; vgl. iibrigens Momm- 
sen R. F. I 371 mit A. 31. Die spater haufige 
Concurrenz in den Gemeindepatronaten (u. S. 53) 
erklart sich wohl, wie Mommsen a. a. O. ver- 
mutet, aus dem halb gastrechtlichen und fruh 
entarteten Charakter dieses Verhaltnisses; zu dem 
obligatorischen patrooinium des erobernden Feld- 
herrn (o. S. 26), benw. des Deducenten (o. S. 34) 
und seiner Nachkommen traten durch freie adoptio, 
spater cooptatio (Marquardt St.-V. 12 189, 3) 

40 weitere Patrenate , iiisbesondere hervorragender 
Sachwalter (o. S. 35) und anderer um die Ge- 
meinde verdienter Manner hinzu. Die rechtliche 
Bedeutungslosigkeit der sog. Clientel zu Ende der 
Republik und in der Kaiserzeit zeigt sich auch in 
der Mehrheit der patron i , welch en die Hoflich- 
keitsdienste eines gewerbsmassigen satutator ge- 
widmet waren (u. S. 53). 

Da das iilteste Recht ein civilrechtliches com- 
mereium nur zwischen den AngehOrigen der gentes 

50 als Gemeindegenossen anerkannte, sind auch die 
Pflichten und Rechte der altesten Clientel privat- 
rechtlich nicht fassbar und haben als solche auch 
in spaterer Zeit, wo die Clienten die voile Eechts- 
fahigkeit crlangt hatten , niemals eine Sanction 
im ius civile gefunden , wenn wir von den Be- 
stimmungen iiber das Erbrecht des Patrons in 
den XII Tafeln (u. S. 46) absehen ; nur fiir die 
Classe der Libertinen hat das spatere Privatrecht 
eine Reihe den Patronat betreffender Rechtssatze 

60 fixiert (vgl. o. S. 31 1. Die Clientel der TJrzeit, deren 
hauptsachlichen Entstehungsgrund wir in der 
Dedition in fidem kennen lernten (o. S. 26), be- 
ruht vielmehr auf volkerrechtlicher Grundlage, 
auf der in eine Vertvagsformel eingekleideten Hin- 
gabe in die Gewalt (potestas oder dicio) des 
Siegers als kiinftigen Patrons, der seinerseits mit 
der Annahme dieser Unterwerfung ein Treuge- 
lebnis (fides) verbindet lo. ;i. 30; vgl. S. 23). 



39 



Clientes 



Clientes 



40 



Die Internationale fides (vgl. Voigt 166), das ein- Beistandschaft , vor alters die Alters- mid Ge- 

zige zwischen Burgern und. Mchtbiirgern megliche schlechts-Tutel sowie das Hos'pitium der Clientel ■ 

Band, halt ebenso, wie das hospitium (u. S. 41), vor; dagegen berichtet Gellius, dass zu seiner 

auch das Schutzverhaltnis zwischen Patron nnd Zeit bei einer Verhandlung in Bom dem Clienten 

Clienten zusammen. Die Pflicht zur fides besteht der Vorzug vor dem Gast zugestanden wurde 

indessen genau genominen nur auf Seite des Pa- (vgl. Mommsen R. F. I 378ff. Voigt 166). 

trons, wo sie das Correetiv der durch die De- In der altesten Epoche durfte der patronus 

dition gegebenen, rechtlich unbeschriinkten Ver- wohl in gewissem Sinne das vollstreckende Organ 

fiigungsgewalt (potestas) iiber Person und Giiter der Gentilen gegeniiber den Clienten gewesen sein. 
des Dedierten ist; sie bildet nicht etwa einelOEr war es, der im Namen der Gens eine Art 

rechthch erzwingbare Obligation den Gewaltunter- hauslicher Gerichtsbarkeit iiber die Clienten aus- 

thamgen gegeniiber, die durch die Natur der Sache iibte, welche sieh fur die Freigelassenen bis in die 

ausgeschlossen ist, sondern stellt ein Gelobnis an caesarische Zeit hinein erhiclt . und dabei selbst 

die Gotter dar, unter deren besonderem Schutze Todesstrafe verhangen durfte (Mommsen E F I 

die fides steht (vgl. o. S. 26). Eine Verletzung 369; St.-R. Ill 4331 Voigt 163, 63. 201, 159. 

dieser fides seitons des Patrons ist daher zuniichst Herzog I 72, 1; vgl. Jhering 15 194) ; all ch 

auch den Gottern zur Ahndung iiberlassen. Dies die Gepflogenheit der republicanischen Zeit, ' Strei- 

besagt eigentlich die lex Bomuli bei Dionys. II 10, tigkeiten der Gemeinden untoreinander durch deren 

3 (daraus wohl Plut. Rom. 13), wonach der gegen palroni austragen zu lassen (Mommsen R F 
seine Obliegenheiten sieh vergehendo Patron wg 20 I 3531, 54; St.-E. Ill 1203, 1), mag damit zu- 

■ffvua rov xarax&ovtov Aid? sein solle , welche in sammenhangen. Der pater als Haupt des Ge- 

einer Bestimmung dor XII Tafeln (Serv. Aen. VI schlechtes weist dem Clienten den von ihm zu 

609) sieh forterhielt : patronus, si clienti frautkm bewirtschaftenden Teil des Gentilackers zu (Attus 

fecerit,sacer esto (vgl. Mommsen E, F. I 383ff. Clausus o. S. 29); er bietet die Clienten zum 

¥•' Y nl gt Ath ' der sachs - Ges - der Wiss "' P niL " Krie ge auf (o. S. 37); er ist das unmittelbare 

hist. CI. 1879, 573ff.; Bcr. 161. Jhering is 237, Subject der maniiigi'achen Verbindlichkeiten und 

131a; vgl. 284,190). Auf Grand dieser zu- Bereehtigungen im Verhaltnisse zwischen der Gens 

nachst rein sacralen Bestimmung hat spaterhin und den Clienten. 

criminelle Verfolgung Platz gegriffen. Dagegen Urspriinglich war der Patron durch seine po- 
mangelte es, was allerdmgs von Voigt be- 30 testas berechtigt, von dem Clienten allea zu ver- 

stritten wird, wahrscheinlich an einer entspre- langen, was mit der fides vereinbar war, vor 

chenden Bestimmung fiir der. Clienten, der ja alleui uiibecLiiig-tcu puiMinlkheu Gehorsam, derm 

urspriinglich an den sacra der Gemeinde keinen dem Namen e'Hens zum Ausdrucke gelangt und 

Anteil hatte und schon vermoge der potestas des in der That dem Bestrifre der ,H0rigkeit< sehr 

Patrons fiir etwaige Vergehen von diesem selbst nahe gekommen sein durfte. und er besass auch, 

an Leib und Leben geziichtigt werden konnte wie wir sahen, die Mittel, diesen Gehorsam zu 

( ll - °- ^O). _ erzwingen. Der Client dagegen hatte keine irgend- 

Das durch die fides determinierte Gewaltver- wie rechtlich erzwingbaren Forderungen; er war 

haltnis (potestas) und namentlich auch die Ver- lediglich auf die fides des Patrons angewiesen, 
tretung des Clienten durch den Patron bei Kechts- 40 deren Gegenteil, die fraus, allerdings unter straf- 

geschaften und Processen, welche mehrfach mit rechtlicher Sanction stand. Je m'ehr nun mit 

dem Eintreten des paterfamilias fiir den Haussohn der Entwicklung der Clicntel (u. S. 51f.) das alte 

verglichen wird (u. S. 43. 47), lasst den Clienten Herrenrecht zuriick und die fides in den Vorder- 

schon in der altesten Zeit gleich einem Familien- grund trat, desto mehr wurde die Peststellung 

angehorigen des Patrons erscheinen ; vgl. Fest, der beiderseitigen Pflichten, die immer entschie- 

p. 253 M. pair [onus a pafre cur ah antiques doner oinen ethischen Charakter annahmen. auf 

dietus] sit, manifestum : quia fut liber i sie das Gebiet der bout mores iibertragen , wobei nur 

etiam clientes] mimerari inter dofmesticos quo- die Libertinitat in gevisser Beziehung eine Aus- 

dammodo possunt (Mommsen B. F. I 368, 24). nahme macht. Naheres dariiber u. S. 5 If. 
In der historischen Zeit, wo die Clientel mehr 50 Hier seien nur noch in allcr Kiirze die wesent- 

und mehr ein rem ethisches Verhaltnis wurde lichen Pflichten mid Piechte zusammengefasst, 

(o. S. 33; u. S. 52), ging in Collision mit an- die zwischen Patron und Clienten bestanden und 

deren Pietatsverhaltnissen die Clientel , gleich die wir hauptsachlich aus Dionvs. II 9, Iff. kennen 

dem Gastrecht, sogar der Blutsvenvandtschaft lerneu (Mommsen E. F. I 366ff. Voigt 164. 167. 

und der Affinitat vor. So ist es z. B. gestattet, Willems 27f. Madvig I 94). Der" Client ist 

gegen einen Cognaten zu zeugen, wenn das Zeug- dem Patron gegeniiber verpflichtet zu ehrerbietigem 

ms fur einen Clienten abgelegt wird (Cato bei Entgegenkommen (sakdatores der Kaiserzeit, u. 

Gell. V 13, 4 adversus cognatos pro cliente te- S. 53), zu Gefolgschaftsdiensten im Kriege (o. 

start, cum testimonium adversus clientem nemo S. 37), zu Reitragsleistungen in Geld (Dionys. II 
dteit; Caesar ebd. : quibtis (clientibus) etiam a 60 10), welche Mommsen E. F. I 369 wohl mit 

propinquis nostris opem ferre instituimns; vgl. Eecht mit dem Anspruche des Herrn an Aempe- 

Sabmus bei Gell. a. a. O. und Gell. XX 1, 40). culium des Sclaven vergleicht (u. S. 43); die 

Dagegen muss die Clientel hintei der Alters- Anlasse dieser Beitriige, Dotierung der Tochter 

und Geschlechts-Tutel zuriickstehen (Cato bei des Patrons, AuslOsung des kriegsgefangenen Pa- 

Gell. a. a. O. : mat ores sanetius habuere defewli trons oder seiner SOhne, Zahlung auferlegter Geld- 

pupillos quam clientem non fallere). Auch nach strafen (Liv. V 32, 8, vgl. Dionys. XIII 5; Liv. 

Masurius Sabinus bei Gell. V 13, 5 ging in XXXVIII 60,9 zum J. 567 = 187.. Verurteilung 

officvis, d. h. zuniichst bei dor gerichtlichen in Civilprocessen , Auslagen bei der tbernahme 



41 



Clientes 



Clientes 



42 



von Magistraturen und Offentlichen munera, sind die in spaterer Zeit vielfach in einander verschwim- 

zum Teile solche, bei wekhen auch die Gentilen men, legt Mommsen R. F. I 355ff. (vgl. 329, 5. 

zur Unterstiitzung eines Geschlechtsgenossen ver- 335, 15) schOn dar. Schon die wesentliche Vor- 

hunden sind (vgl. Dionys. II 10, 2 c5? xovg yivei bedingung aller privaten und Offentlichen Eechts- 

stQoarjxovtar, Mommsen St.-E. Ill 18, 2; vgl. fahigkeit, die Vollfreiheit , mangelt den Clienten, 

Jhering 1 5 188, 84). Dazu kommt noch das die ja mit Leib und Gut in die potestas des Pa- 

patronatische Erbrecht an dem Kachlasse des trons anheimgegeben sind. Die ihnen gewahrte 

Clienten (u. 8. 46). . persOnliche Freiheit ist anfangs eine widerruf- 

Abgesehen von diesen pflichtniassigen Lei- liche gewesen, sowie noch spater die Freiheit der 
stungen gait es als unanstandig, von den Clienten 10 in die Clientel Eoms aufgenommenen dedierten 

Geldgeschenke anzunehmen; vgl. Dionys. II 10, 4 Gemeinden gleich alien ubrigen ihnen zugestan- 

(daraus Plut. Eom. 13) : xS>v xazqiyjov . . . xqtj- denen Begiinstigungen precar-ia ist (Liv. XXXIX 

patittijv ovSe/uav dogear nQooufihw. Gell. XX 37, 13; dazu Mommsen R. F. 1363, 13). Fiir 

1, 40: neque peius ullum f acinus existimatitm die Clienten bezeugt dies die noch in spater Zeit 

est quam, si eui probarefur clientem divisui ha- mogliche Revocation des Freigelassenen in servi- 

buisse (vgl. Mommsen St.-R. Ill 432, 1). Dieser tutem (o. S. 31). Der technische Ausdruck des spa- 

Grundsatz, _ gegen den die Folgezeit vielfach ver- teren Civilrechts fiir den formlos Freigelassenen 

stiess, erhielt dann im J. 550 = 204 durch die servus qui in Ubertate moratur ist auch fiir die 

lex Cincia- de donis et muneribus eine gesetz- alteste Clientel zutreffend (Mommsen E. F. I 
liche Stiitze; vgl. Liv. XXXIV 4, 9: quid legem 20 356f., 4). Mit der schrittweisen Erlangung biir- 

Cineiam de donis et muneribus (excitavit), nisi gerlicher Reehte seitens der Plebs wurde auch 

quia vecfiffalis iam et stipend! aria plebes esse die Freiheit der Clienten nach und nach zu einer 

senatui eocperat? (vgl. Mommsen R. F. I 367; rechtlich anerkannten, fiir deren Schutz durch 

St.-E. Ill 428, 1. Voigt 175). Doch blieben, die Magistratur die spatere Jurisprudenz besondere 

wie Mommsen (E,F. 1368; St.-R, III 428, 1) be- Formen ausgebildet hat (Mommsen St.-E. Ill 

merkt, Geschenke der Freigelassenen [servi) an 801). Ausdriicklich hebt die Freiheit der Clienten 

den Patron nach wie vor in beliebiger Hohe ge- Proculus Dig. XLIX 15, 7 § 1 hervor: clientes 

stattet (vgl. auch u. S. 53). uostros intellegimus liberos esse, etiamsi neque 

Die Filrsorge des Patrons fiir den Clienten auctoritate neque dignitate neque viribus nobis 
sollte sieh nach Dionysios auf alle Lebenslagen er- 30 pares sunt. Die nachmals iiblich gewordene frei- 

strpckpn; insbesondpre batto er«terer spinfin Clipn- willig? Eingehung der Clicntel seitens freier 

tenpraktischenRatundjuristischeBelchrung(Hor. Burger schliesst selbstredend jede rechtlich wirk- 

epist. II 1,104 clienti pro mere iura; vgl. Cic. same Einschrankung der Freiheit aus (o. S. 321). 

de or. Ill 33. Mommsen R. F. I 373, 36. Voigt Dass sieh aber selbst spiiter noch unter besonderen 

165, 73) zu gewiihren, dann bei Eechtsgeschaften Verhaltnissen ein zwischen Knechtschaft und Frei- 

aller Art und vor Gericht ihm Rechtsbeistand (pa- heit in der Mitte liegender Zustand dauernd und 

trocinium) zu leisten (o. S. 35, u. S. 47). vererblich erhalten konnte, zeigt vielleicht die Er- 

Ausgeschlossen ist ferner auf der einen wie zahlung bei Cic. pro A. Cluent. (vom J. 668 = 

auf der anderen Seite jede Art von Klageerhebung 86) 43 : Martiales quidam Larini appellabantur, 
und Klageunterstutzung zu Ungunsten des Patrons 40 ministri publici Martis atque ei deo veteribus 

oder des Clienten (vgl. o. S. 39 u. S. 47). institutis rcligionibusque Larinatium consecrati. 

V. Eechtliche Stellung der Clienten. Quorum cum satis magnus Humerus esset, eum- 

Der Eechtszustand der HOrigen innerhalb des Ge- que item, ut in Sioilia permulti Venerii sunt, 

schlechterstaates lasst sieh mit Hiilfe der triimmer- sic illi Larini in Martis familia numerarenlur, 

haften Uberreste, die in die historische Zeit hinein- repent e Oppianicus eos omnes liberos esse cives- 

ragen, wenigstens _ vermutmigsweise ermitteln. que Romanes coepit defendere. Grariter id de- 

Bedeutende Analogien — namentlich in boden- curioites Larinatium eunetique munieipes tule- 

rechtlicher Hinsicht — zeigt, wie hier nur an- runt. Wahrscheinlich handelte es sieh in diesem 

gedeutet werden soil, die Institution der Mnoiten zu Eom (a. a. O. 44) anhangig gemaehten Freiheits- 
und Aphainioten ( foiyJse) auf Kreta, deren Kennt- 50 processe um die Nachkommen ehemaliger Sclaven, 

nis uns durch das Eecht von Gortyn naher geriickt die etwa durch mannmissio sacrorum causa dem 

worden ist. Wenn die oben gebotene Darstellung Gotterdienste gewidmet und damit nur thatsach- 

der Entstehung der Clientel das Eiehtige trifft. lich, nicht rechtlich frei geworden waren (Mom m- 

waren die spater rechtlich ausgestalteten Ver- sen St.-E. Ill 421, 2) ; wahrend dieselben nach der 

Mltnisse der Clienten, vom Standpunkte des alte- Ansicht der Decurionen von Larinum Sclaven der 

st en Gemeinderecntes betrachtet, rein factischer, Gemeinde waren, behauptete Oppianicus fiir sie 

nicht juristischer Natur und lediglich durch die wohl ein bios clientelahnliches Abhangigkeitsver- 

gelobte fides der Gemeinde, bezw. der herrschen- haltnis. welches damals mit der Civitat vertrag- 

den Gens garantiert. lich war. Die private und Sffentliche Eechts- 

Von dem Gastrecht (hospitium), welches eben- 60 fahigkeit der Clienten ist nicht mit einem Schlage 

falls auf der fides beruht und wie die Clientel zur Anerkennung gelangt, sondern stiickweise er- 

nicht innerhalb des Kreises der vollberechtigten rungen worden ; es bedurfte dazu einer langen, 

Gemeindegenossen bestehen kann, unterscheidet an Kampfen reichen Entwicklung, die im wesent- 

sich die Clientel wesentlich durch die Eechtsun- lichen init der Sprengung der alten Gentilver- 

gleichheit der beiden Teile und die dadurch be- fassung Hand in Hand geht, deren einzelne Phasen 

dingte Beschrankung der moralischen Treupflicht aber nicht immer chronologisch festzustellen sind. 

auf den Patron (o. S. 39); die Beruhrungspunkte A. Privatrechtliche Stellung (Momm- 

wie Verschiedenheiten dieser beiden Bildungen, sen St.-E. Ill 78ff.; Abriss 181 Voigt 162. 



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Karlowa I 39f.). Im Gegensatze zu seinen 
friiheren Darstellungen in den Romischen For- 
schungen und der Romischen Geschichte neigt 
sich Mommsen im Abriss a. a. 0. neuer- 
dings der Anschauung zu, dass den Clienten von 
Anbeginn an die voile private Rechtsfahigkeit 
in gleicher Weise wie den Vollbiirgern zukam. 
Doch sprechen die starre Exclusivitat des alte- 
sten Rechtes gegenilber den Nichtbiirgem und 



angehorte (vgl. S. 48), die Tochter seines Clienten 
Salonius (Gell. XIII 20, 8. Plut. Cat. mai. 24. 
Plin. n. h. VII 61. Solin. I 59. Sen. contr. VII 
6, 17), was allerdings bei seinen Standesgenossen 
Anstoss erregte (Plut. comp. Arist. 6; vgl. Momm- 
sen St.-R. Ill 431, 1. Voigt 177, 111. 112. 
H e r z o g I 989, 1). Nur bei der libertinen Clientel 
blieb das alte Recht in Geltung; erst durch die 
lex lulia vom J. 736 = 18 wurden die Eben 



zablreiche Anzeichen , die in der folgenden Dar- 10 zwisehen Freigelassenen und ingenui gestattet ; 



stellung hervorgeboben werden, fiir die gegen 
teilige Annahme, dass aucb auf privatrechtlichem 
Gebiete von der urspriingliehen Rechtlosigkeit der 
Clienten auszugehen ist (vgl. Herzog I 92). 
Schon die antike Auffassung'hat die Stellung des 
absolut rechtsunfiihigen, der potestas des Patrons 
anbeimgegebenen Clienten in Parallele gesetzt 
mit jener des Haussohnes (vgl. Jhering 15 236f. 
243), dessen Rechtsfahigkeit — allerdings nur 



den Angehorigen des Senatorenstandes blieben 
sie jederzeit untersagt (Mommsen St.-R. Ill 
429f., anders Herzog I 990). 

Wie die Begrfindung der Ehegewalt, so wurde 
auch die Entstehung der patria potestas in der 
Person des Clienten anfanglich durch das Herren- 
recbt der Gens, welches sofort das neugeborene 
Kind des Clienten ergriff, gehemmt. Die Clienten 
haben daher im Gegensatze zu den patrieii im 



die private — durch die patria potestas suspen- 20 Rechtssinne keinen pater, nur » einen patronus, 



diert erscheint (vgl. o. S. 39); so Fest. p. 246 a M. 
{o. S. 34) beziiglich der Bodennutzung (perinde ae 
liberis propriis) und Dionys. II 10, 1 hinsicht- 
licb des peculium (u. S. 45). Wenn die Stellung 
des Clienten im ganzen factisch, wenn auch nicbt 
rechtlich selbstandiger erscheint, als die des Haus- 
sohnes , so liegt dies ohne Zweifel an der be- 
deutenden sittlichen Kraft der von dem Patron 
zugesagten fides. Wir gehen nunmehr zur Er- 



Consequenterweise ersetzte der Patronat auch 
die Vormundscbaft. Daher enthielten noch die 
XII Tafeln keine Bestimmung iiber die tutela 
legitima bei Clienten (Gai. I 165. Veigt 154f. 
156), und noch in spaterer Zeit fand die gesetz- 
liche Tutel der Gentilen iiber Kinder und Frauen 
als urspriinglich patricisch-gentile Institution in 
einzelnen plebeischen Hausern keine Anwendung 
(Mommsen St.-R. in 28, 1. 75, 2). Doch stand 



Orterung der einzelnen Rechtsverhaltnisse iiber. 30 dem Clienten vermCge der ihm schon damals ge- 



Die von Clienten verschiedenen Geschlechtes 
eingegangene Lebensgemeinschaft entbehrte, da 
dieselben an den sacra der Gemeinde keinen An- 
teil hatten, der solennen Form der patricischen 
confarreatio und stellte zunachst ein rechtlich 
irrelevantes, nur durch die fides des Patrons ge- 
schutztes Zusammenleben dar, bei welchem die 
Entstehung einer eheherrlichen Gewalt durch das 
patronatische Herrenrecht ausgeschlossen wurde 



wahrten testamenti factio die letztwillige tutor™ 
datio frei; es ist natiirlich, dass auch als tutor 
datus zumeist der Patron fungierte (Dionys. XI 36). 
Auf vermogensrechtlichem Gebiete ist die 
Gleichstellung von Altbiirgern und Clienten eben- 
falls erst allmahlich durchgedrungen. Vor allem 
war der Client, wie schon o. S. 28 erortert wurde, 
in der alten gentilicischen Agrarverfassung vom 
Bodeneigentume ausgeschlossen (Mommsen Ab- 



Anfanglich war dazu wahrscheinlich der Con- 40 riss 18, anders Karlowa I 39); ein Grundsatz 



sens des Patrons erforderlich ; wenigstens gait 
es noch in spaterer Zeit als unziemlich, wenn 
der abhangige Mann seine Tochter verheiratete, 
ohne den Patron befragt und dessen Zustimmung 
erlangt zu haben (Plut. Cat. mai. 24). Den Clienten 
weiblichen Geschlechtes war es verboten, aus der 
Gens herauszuheiraten , offenbar wegen des Inte- 
resses der letzteren, die Clientin und deren Nach- 
kommenschaft in ihrer eigenen HOrigkeit zu er- 



der in der Clientel des effentlichen Rechtes, bei 
den dedierten Peregrinengemeinden, deren Boden 
im Eigentum des populus Bomanus stand, bis 
in die Kaiserzeit hinein sich behauptete (o. S. 28). 
Der Anteil des Gentilackers , bezw. des ager pu- 
blieus , den der Client bewirtschaftete, war ihm 
zu widermflicher , wenn auch factisch erblicher 
Nutzung gegen Fronarbeit oder Ablieferung einer 
Ertragsquote von dem Geschlechtshaupte odcr 



halten (Voigt 156. 167. 82. Jheringl* 197, 90) ; 50 von dem Konige zugewiesen (vgl. Fest. p. 246aM. 



bei den Freigelassenen hielt man noch im J. 568 
= 186 daran fest, wie das der Fecenia Hispala 
erteilte Privileg der gentis enuptio (Liv. XXXIX 
19, 5) zeigt (Mommsen St.-R. Ill 430, 2. Voigt 
160). Die weitere Entwicklung f'uhrte zur reeht- 
lichen Anerkennung der formlosen Consensualehe 
und zur Beseitigung der eben angefiihrten Be- 
schrankungen. Die Erlangung der Ehegewalt wurde 
zwar nicht an die formlose Ehe gekniipft, aber 



o. S. 34 , wo der Ausdruck attribuere und die 
Gleichstellung mit den HaussOhnen zu beachten 
ist; vgl. o. S. 43). Nach einer ansprechenden 
Vcrmutung (Savignv Recht des Besitzes? 202. 
464. Mommsen ROin, Gesch. I« 190; R. F. I 
366: St.-R, III 83 mit A. 2. 87, 1; Abriss 18f. 
Jhering 15 239JT. Karlowa 1 39, 1) ist aus 
diesem Vorhaltnis das sehr alte Rechtsinstitut 
des Bittbesitzes (precarium) hervorgegangen. 



in den Formen des Eigentumserwerbes auch den 60 Auch an beweglichen Sachen , insbesondere an 



HOrigen ermSglicht (Mommsen St.-R. Ill 79f.; 
Abriss 18). Doch ist die Ehegemeinechaft zwi- 
sehen einem Vollburger und einer HOrigen noch 
im ZwOlftafelrechte ausgeschlossen und erst durch 
die lex Canideia vom J. 309 = 445 zugelassen 
worden (Mommsen St.-R. Ill 80). Im J. 599 
= 155 ehelichte der altere Cato, der zwar ple- 
beischer Abstammung war, aber der Nobilitat 



den zur Bodenbewirtschaftung gehorigen Gegen- 
standen, wie Vieh und Sclaven, fiir die, wie 
fur die Grundstucke, noch im spateren Rechte 
der nur Biirgern zugangliche Erwerb durch Man- 
cipation besteht {res mancipi), wird ein Eigentum 
des Clienten zunachst nicht anerkannt worden 
sein; vielleicht hat Jhering a. a. 0. recht, wenn 
er das pecidium, des Haussohnes und Sclaven auf 



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das juristisch dem Patron, factisch dem Clienten 
gehttrige Inventar und Vieh der Clientenwirtschaft 
zurii ckfflhrt ; anderer Meinung Karlowal 39. Die 
sittliche VeTpflichtung des Patrons, dem Clienten 
ein peculium, einzuraumen, scheint auch Dionys. 

II 10, 1 zu meinen: anavra jtQazrovras , ooa izsqi 
jiaidcov Jtoaxxovat jiaTSQsg slg %Qti[AaTwv , . . loyov 
(vgl. u. S. 46). Noch in spaterer Zeit war der 
Patron bei alien grOsseren ausserordentlichen Aus- 
gaben berechtigt, von den Clienten Beitrage ein- 
zuheben (Mommsen R. F. I 369f., o. S. 40). 
Die Anweisungen von Teilen des ager publieus 
an die Konigsclienten . deren rechtliche Qualitat 
nicht ilberliefert ist (o. S. 34), werden kaum 
etwas anderes bewirkt haben, als precarischen 
Besitz. Als dann an Stelle des Gesamteigentums 
der Gens das individuelle Bodeneigentum trat 
(Mommsen St.-R. Ill 22ff.), wurde es viel- 
leicht gleich von Anfang an auch bei den Clienten 
zugelassen, jedenfalls aber friihzeitig auf dieselben 
erstreckt (Mommsen Abriss 19); die servianische 
Verfassung setzt es bereits fiir alle Gemeinde- 
angehOrigen voraus (Herzog I 38). Damit war 
eine der wichtigsten Vorbedingungen fiir die Bil- 
dung einer wirtschaftlich und politisch unab- 
hangigen Plebs gegeben {u. S. 49f.). 

Von den nutzbaren Rechten der Burger, ins- 
besondere von der unentgeltlichen Nutzung des 
ager publieus, dem Verkauf oder der Verschen- 
kung des Gemeindelandes (Mommsen St.-R. Ill 
84 — 88: Abriss 19). war der Hfirige als Nicht- 
biirger anfanglich ausgeschlossen. Bekanntlich 
haben sich die Patricier das Reclit auf den ager 
publieus bis zur Zeit der licinischen Gesetze aus- 
schliesslich vindiciert (vgl. aber Mommsen St.-R. 

III 84f., 2). Juristisch davon verschieden ist die 
den Unterworfoncn belassene Kutzung der ihnen 
vorher gehftrigen Grundstiickc, welche durch die 
Dedition romisches Gemeindegut geworden waren, 
und die analoge Beteilung von Clienten mit Ge- 
meindeland (o. S. 29. 34) ; beides geschieht urspriing- 
lich wohl in den Formen des Bittbesitzes gegen 
einen Bodenzins. Allerdings war in diesen beiden 
Formen der Vergebung von Gemeindeland die 
Moglichkeit geboten, den HOrigen wenigstens that- 
sachlich — wenn zunachst auch nicht rechtlich — 
betrachtliche Okonomische Vorteile zu sichem, die 
namentlich bei der Konigsclientel — dem Grund- 
stock der spateren unabhangigen Plebs — schon 
friihzeitig zu relativer wirtschaftlicher Selbstandig- 
keit fiihren mussten und die rechtliche Anerken- 
nung der Eigentumsfahigkeit des Clienten vor- 
bereiteten (vgl. auch Herzog I 990 mit A. 3). 

Auch die Fahigkeit zn erben und beerbt zu 
werden (Mommsen R. F. I 379—383; St.-R. 
HI 84, vgl. 74f.; Abriss 19. V o i g t 165) kommt 
nach altestem Rechte dem Clienten nicht zu, dem 
es mangels der eheherrlichen und vaterlichen Ge- 
walt lo. S. 42) an rechten Erben und wegen seiner 
vermogensrechtlichen Unfahigkeit an einem Nach- 
lasse und der Moglichkeit, einen solchen recht- 
lich zu erwerben , gebricht. Alles , was der 
Client besass, flel schon zu seinen Lebzeiten 
nnter die potestas des Patrons; lediglich Sache 
der tides war es, wenn letztercr den Nachlass 
des Clienten dessen leiblichen Nachkommen, die 
ja gleiehfalls seine Schutzbefohlencn waren (o. 
S. 35), iiberliess oder irgend welche letztwillige 



Verfugungen des Clienten beriieksiehtigte. In 
Ermanglung eines oder des an deren stand es dem 
Schutzherrn und nach ihm seinen Agnaten und 
Geschlechtsgenossen frei, vermOge Herrenrechtes 
— also nicht eigentlich als Erben — den Nach- 
lass des Clienten an sich zu nehmen. Das Recht 
der XII Tafeln beruft fur den Fall, dass es an 
naherberechtigten Erbnehmern fehlt, den patronus, 
worunter nicht nur der des Freigelassenen, son- 

10 dern der des Clienten uberhaupt gemeint sein 
muss (Mommsen R. F. I 381, 50), und demnachst 
dessen Verwandte und Gentilen (Vat. fr. § 308), 
als Intestaterben ; vgl. auch Cato bei Gell. V 13, 
4 patrem primum, postea patronum proximum 
nomen habere. Mit der Zeit wurde das als Erb- 
recht ausgedeutete patronatische Heimfallsrecht 
auf den Nachlass der Freigelassenen und ihrer un- 
mittelbaren Nachkommen eingeschrankt (Momm- 
sen St.-R. Ill 432). In einem vereinzelten Falle 

20 aus der Praxis des Centumviralgerichts (Cic. de 
off. I 177, s. o. S. 34) suchte man dieses langst 
veraltete Recht auch auf die Erbschaft eines ohne 
leibliche Nachkommen und ab intestato verstor- 
benen exid anzuwenden. Im ubrigen wurde das 
Intestaterbrecht der Clienten, seitdem sie die voile 
biirgerliche Rechtsfahigkeit besassen, mit Ent- 
wicklung der plebeischen Quasi-Gentilitat (Momm- 
sen St,-R, TIT 74 f.) nach Analogie des gentili- 
cischen Erbrechts der Patricier beurteilt. Mit 

30 der Zulassung der Clienten zu den Curiatcomitien 
war ihnen ferner auch die Moglichkeit eroff'net, 
ein giiltiges Testament zu errichten (vgl. aber 
Mommsen Abriss 19); die XII Tafeln haben 
diese Testierfreiheit bestatigt, durch welche das 
alte patronatische Erbrecht mehr und mehr ein- 
geschrankt wurde. 

Zwisehen Burgeni und Clienten gab es nach 
altem ius civile kein cmnrnercium , d. h. keine 
Moglichkeit, sich gegenseitig durch gttltige Ver- 

40 trage zu verpfiichten. Zunachst war eine civil- 
rechtliche Obligation zwisehen Patron und Clien- 
ten — abgesehen von der allgemeinen Rechts- 
unfahigkeit des letzteren — schon durch das Ge- 
waltverhaltnis ausgeschlossen ; das precarium und 
peculium (s. o. S. 44f.) stehen, wie Jhering I 5 
24 If. darlegt, ausserhalb des Obligationenrechtes. 
Wenn dennoch thatsachliche Abmachungen zwi- 
sehen beiden Teilen getroffen wurden, so standen 
dieselben, soweit der Patron verpfiichtet war,'unter 

50 dem Schutze der fides, deren Verletzung (fraus) 
die Sacertat nach sich zog (vgl. S. 39), wiihrend 
der Client durch die aus der potestas abgeleitete 
hausliehe Gerichtsbarkeit zur Erfullung ubernom- 
mener Verbindlichkeiten angehalten werden konnte 
(o. S. 40). Bei den Freigelassenen war noch 
spater die Verpflichtung zu Dienstleistungen gegen- 
ilber deru Patron nicht anders moglich, als durch 
einen zunachst nur moralisch verpflichtenden Act, 
die iurata operarum protnissio (Mommsen R. 

60 F. 1370; St.-R. Ill 432, 3. Voigt 197f.). Auch 
mit dritten war urspriinglich der Abschluss von 
Rechtsgeschaften unmiiglich ; im Notfalle trat der 
Patron an Stelle des Clienten als civilrechtlich 
allein verpflichteter Contrahent ein (Voigt 164); 
daher sagt Dionys. II 10, 1, es sei Pfiicht des 
Patrons gewesen, fiir den Clienten alles zu thun, 
ooa -T£g( aal8u>r tiq&xtovoi xcltsqss stg yj>>]/tdTar 
te (vielleicht peculium , vgl. o. S. 45) xal rtbv 



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uieqI xgrjuaza. ovpfSolalmv Xoyov. Auch auf dem 
Gebiete des Vertragsrechtes hat die wirtschaftliche 
und rechtliche Emancipation die Clienten den Alt- 
biirgern gleichgestellt. 

Processuale Stellung der Clienten 
(Mommsen R. P. I 374—385; St,-R. Ill 81—83; 
Abriss 19. Voigt 164. Jhering 15 23 7f. 244. 
Karlowa I 39). Die allgemeine Rechtsunfahig- 
keit der altesten Clientel aussert sich ganz be- 



herr zum blossen Rechtsbeistand herabsank und 
auch diese Beistandschaft schliesslich formell und 
iiberflussig ward. Die spatere Zeit hat die ein- 
mal recipierte civilprocessuale Institution des pw- 
trocinium als Sehablone fiir die berufsmassige 
Sachwalterschaft benutzt (s. o. S. 35). Zum ersten- 
male erscheint ein Client ohne den Patron vor 
Gericht in dem wahrscheinlieh erfundenen Vindi- 
cationsproeesse der Verginia bei Liv. Ill 44, 4. 



sonders darin, dass ihr urspriinglich auch der 10 8ff. Dionys. XI 30ff. (J. 304 = 450) 



Schutz der Gemeindegerichte versagt blieb. Eine 
Folge des patronatischen Gewaltverhaltnisses, die 
erst spater zu einer Pflicht der Pietat umgedeutet 
wurde (Mommsen E. F. I 378 mit A. 43), ist 
es, wenn die Klage zwischen Clienten und Patron 
ausgeschlossen war; vgl. Dionys. II 10, 3: xoivfj 
d'a/ifporegoig o##' oawv ovze ftefiig f)v xazrjyoQslv 
alXrjloyv sm Siaais. tiber den strafrechtlichen 
Schutz der Verletzung der fides von seiten des 



B. Politische Stellung der Horigen 
(Mommsen St.-R. Ill 66ff.; Abriss 20f. Voigt 
147ff. 16lff. 168ff. Herzog I 988ff. Willems 
69f.). Im Wesen des Geschlechterstaates liegt es, 
dass nur der vollberechtigte Angehflrige einer Gens 
Burger sein kann; der Client ist daher Mcht- 
biirgcr und hat im Gegensatze zu den Patriciern, 
den Vollbiirgcrn der altesten Gemeinde, urspriing- 
lich keinen Anteil an burgerlichen Rechten und 



Patrons s. oben S. 40 und 46. Noch in spaterer 20 Pflichten. Seine Beziehung zur Gemeinde ist zu 



Zeit konnte der Freigelassene gegen den Patron 
infamierende Civilklagcn gar nicht, andere nur 
nach besonders erteilter Bewilligung des Magi- 
strats anstellen. Ebenso erscheint (nach Dionys. 
a. a. O.; vgl. Plut. Rom. 13) die Ablegung un- 
giinstigen Zeugnisses bei beiden Teilen ausge- 
schlossen, beim Patron durch die gelobte fides, 
wahrend der Client anfanglich iiberhaupt nicht zur 
Zeugenschaft fahig gewesen sein wird (Belege bei 



nachst eine rein ausserliche, indem er, obgleich 
auf dem Staatsgebiete ansassig und ein integrie- 
rendes Glied der Staatsbevolkerung , nach Recht 
wie Pflicht in keinerlei directer Beziehung zum 
Staatswesen steht, sondern nur mittelbar durch 
die patronatische Gens mit demselben verknupft 
ist (Voigt 161f., o. S. 29. 86f.; vgl. die Application 
Gemeindefremder noch in historischer Zeit o. S. 32). 
In dieser Hinsicht ist nun wohl schon im Laufe der 



Mommsen R. F.I377, 41. Voigtl65, 74. Mad-30K0nigszeit insofern eine Wendung eingetreten 



vig I 94). Auch die Bestimmting der Lex colon 
Genet, c. 130, dass zum Patron nur wahlbar ist, 
qui, cum ea res ageretur, in Italia sine imperio 
privatus erit (dazu Marquardt St.-V. 12 189, 
1), soil eine etwaige Collision des Patronates mit 
den Klagen, die sich a lis der Verwaltung eines 
Provinzstatthalters ergeben konnten (insbesondere 
der Repetundenklage), verhindern. Auch im Ver- 
haltnisse zu dritten war dem Clienten als solchem 



als nntpr formeller Aufreehterh altung des gcntili 
cischen Princips eine zahlreiche Classe von Schutz- 
unterthanigen des Kfinigs und seiner Gens — der 
Kern der spateren unabhangigen Plebs — sich 
gebildet zu haben scheint, welche ohne Vermitt- 
lung eines anderen Patrons der hOchstcn staat- 
lichen Gewalt unterstanden und seitens der Konige, 
die ja mitunter ihre Schutzbefohlenen gegen die 
Patricier ausspielcn mochten, wenn auch nur fac- 



ursprunglich kein processualer Schutz gewiihrt; 40 tisch, nicht rechtlich mancherlei Ferderung und 



der Client konnte weder wirksam klagen noch 
geklagt werden (M o m m s e n R. F. I 376. J h e r i n g 
I 237; anders jetzt Mommsen Abriss 19). Eine 
der wichtigsten Pflichten des Patrons ist, wie 
schon oben S. 35. 41 erwiihnt wurde, die spccifisch 
als patroeinium. bezeichnete Vertretung des Clien- 
ten vor Gericht. Bei Immobilienklagen war der 
Patron als Grundherr ohneliin activ und passiv 
zur Klage legitimiert; aber auch sonst war es 
nach Dionys. II 10, 1 seine Sache , Sixa : 



Vorteile erlangen konnten (vgl. S. 34. 45). Immer- 
hin ist fiir diese alteste Periode unzweifelhaft. 
dass die Clienten samt und sonders keinen Zii- 
tritt zu den Amtern und Priestertumern der Ge- 
meinde hatten. Daher bildete noch in der spateren 
Zeit die Bekleidung eines Gemeindeamtes uber- 
haupt, oder nach abweichender Ansicht wenigstens 
die eines cumlischen , d. h. ehedem den Patri- 
ciern vorbehaltenen Amtes einen Auf losungsgrund 
vxig bOicr Clientel. In einem Processe wegen Ambi- 



tcov as/.uTOof abixov jisvmv /.ay/avtiv , ei zig p/.a- 
xioizo xsqI zd ovfifiokata, xai zoTg lyxa/.ovoiv vxe- 
yuv; vgl. C. Caesar bei Gellius V 13, 6. Da der 
Patron bei den fur den rechtsunfahigen Clienten 
abgeschlossenen Geschaften als eigentlicher Con- 
trahent gait (s. o. S. 46), so trat er — gleich 
dem Vater und dem Herrn in den Processen der 
Hauskinder und Sclaven — in den daraus sich 
ergebenden Rechtsstreitigkeiten urspriinglioh selbst 



tus gegen C. Marius weigerte sich der Senator 
C. Herennius gegen diesen Zeugnis abzulegen, 
weil das Haus der Herennier das der Marier in 
Clientel habe, worauf Marius erwiderte, dass durch 
die von ihm bekleidete (plebeischc) Aedilitat die 
Clientel gelflst sei ; Plutarch, der dies beriehtet 
(Mar. 5), widerspricht dieser Auffassung; doyjj 
yag ov rraoa zov veueiv xQOozdxtjv a^ai./.dooEi zov; 
zvyovzng ai'TOr; y.ai yevo;, d/.V ?; tor dyxv/.o- 



als Klager und Geklagter auf; seine Haftung im 60 nola Siwoov 6 vouo; SiSmoiv (Mommsen R. F. 



letzteren Falle wird nach .(hering nach Analogie 
der Peculien- und der Noxalklage zu beurteilen 
sein. Wahrscheinlieh wurden diese Clientelprocesse 
anfangs vom Patron unter factischer Zuziehung 
des Clienten gefuhrt, bis dann mit der allmah- 
lichen Anerkennung der Rechtsfahigkeit des letz- 
teren diese thatsachliche Teilnahine nach und nach 
eine rechtliclie wurde, der urspriingliche Process- 



I 365 mit Anm. 15; St.-R. Ill 69f. mit Anm. 2. 
465. Herzog I 991f.). 

Am fruhesten wurden wohl die Horigen fiir 
das Steuerwesen mit herangezogen; dies gilt zu- 
nachst von den KOnigsdienten , deren Abgaben 
fiir Bodennutzung unmittelbar in den Staatsschatz 
Helen, wahrend die den iibrigen gentcs zugewiesenen 
Clienten ihre Abgaben an ihre Patrone abfiihrten. 



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Mit dem Aufkommen selbstandigen Bodeneigen- 
tums der Clienten (o. S. 45) wurde die auf 
der Bodenschatzung beruhende Vermogensabgabe 
(tributum) ohne Zweifol auch auf diese erstreckt 
(vgl. auch Voigt 170, 93). In weiterer Folge 
traten dann noch hinzu die Wehrpflicht _ und 
das Stimmrecht, welche beide in Rom von jeher 
zusainmenfielen. Urspriinglich, solangc noch die 
Heeresverfassung gleich der Agrarverfassung eine 
gentilicische war, traf die Heercsfolge allein die 
Patricier als unmittelbare staatliche Auflage ; die 
mitunter sehr zahlreichen waffenfahigen Clien- 
ten der gentes folgten nicht dem Staatsaufgebote, 
sondern gleich mittelalterlichen Dienstmannen dem 
Gebote der Patrone; so wohl auch noch spater, 
wenn die Plebs den Kriegsdienst verweigerte 
(o. S. 37). Indem nun einerseits an Stelle des 
gentilen Wehrsystems die Legion trat, anderer- 
scits als logische Consequenz der Umwandlung 
des gentilen Bodeneigentums in individuelles die 
Wehrpflicht an den Grundbesitz der einzelnen ge- 
kniipft wurde, war nunmehr jeder Bodeneigen- 
tiimer, also auch der Client, in die Wehr- und 
Steuerabteilungen eingereiht — eine Reform, 
welche die Tjberlieferung mit dem Namen des 
Servius Tullius in Verbindung bringt (vgl. auch 
Mommsen Abriss 21). Damit ist der princi- 
pielle Wandel eingetreten ; die bisherigen Horigen 
werden zu Gemeindeburgern ; die Altbiirgerschaft 
wird allmiihlich zum bevorrechteten Adel, der 
allerdinf Tinch lange ein bevorzugtes Stimmrecht 
sowie die ausschliessliche Bekleidung der Amter 
und Priesterwiirden fiir sich in Anspruch nahm. 
Dicjenigen Schichten der bisherigen Clienten, bei 
denen die personale Abhaugigkeit zuriickgetrcten 
war, stellen sieh nunmehr als plebe.% pkbeii neb en 
die patrieii. 

In diesem Zusammenhangc muss in aller Kurze 
die Frage gestreift werden, wie sich der wesent- 
lich politische Begriff der Plebitat zu dem der 
Clientel verhalt (Schwegler R. Gesch. I 6S8f. 
Mommsen R. F. I 387f. , vgl. 365; St.-R. Ill 63. 
66—69. 71; Abriss 50f. Voigt 147f. Genz 114f. 
MadvigI92f. Willems 31ff. Herzog I 32ff. 
O. Gilbert Gesch. u. Top. Roms II 141, 2; 
vgl. auch A. Meitzen Wanderungen 1 1, 261f.). 
In der Uberlieferung, die in diesen Dingen aller- 
dings nur den Wert einer Hypotheac hat, wird 
die alteste Clientel iibcreinstimmend mit der 
spateren Plebs identificiert; so Cic. de rep. II 16: 
J/abuif plebem in clienteles principum iliscrip- 
tam. Fest. p. 233 M. s. patrocinia, Dionys. II 
9 12. Plut. Rom. 13 und die iibrigen hoi Momm- 
sen St.-E. Ill 63f. , 4 (Schwegler I 628ff. 
Madvig I73ff.) angefiihrten Belegstellen. Mehr 
als dies spricht fiir die von Mommsen gegen 
Niebuhr, dem Schwegler, Lange I* 238f., 
Madvig foltren. vertretene Annahme eines wesent- 
lich identischen Ursprnngs die erfahrungsgemas.se 
Thatsache. dass in einem auf der Basis geschlechts- 
genossenschaftlicher Gleichberechtigung aufgebau- 
ten Staatswesen eine rechtlich zuruckgesetzte 
Biirgerclasse, wie es die Plebeier sind. uubedingt 
eine Vorstufe der Unfreiheit oder Halbfreiheit 
voraussetzt. Wenn trotz der Identitat von Clientel 
und Plebitat in der Uberlieferung fiber die Epoche 
des Standekampfes bei Livius und Dionysio= 
(Schwegler I 643. Mommsen St.-R. Ill 71. 1. 



Madvig I 93, 1) die von den Patriciern abhangi- 
gen Clienten den freien Plebeiern gegeniiberge- 
stellt werden, so erklart sich dies daraus, dass die 
Clientel boi einer grossen Anzahl von urspriing- 
lich Horigen thatsachlich weggefallen und unter 
den hen-schenden politischen Verhaltnissen nicht 
wieder erneuert worden war. Als Ursachen da- 
fur (Mommsen St.-R. Ill 69ff. Herzog 1988) 
lassen sich unter anderem denken das Aussterben 
lOvieler patricischer Geschlechter, die wesentliche 
Abschwachung der Abhangigkeit durch die Ver- 
erbung, die bereits vorhandene Fahigkeit der Clien- 
ten, Grundeigentum zu erwerben (o. S. 45), und 
namentlich auch die Abschaffung des Konigtums, 
durch welche die jedenfalls schon vorher ziemlich 
unabhangigen unter dem KSnigsschutze stehenden 
Ausiedler auf dem Gemeindelande (s. o. S. 28. 34. 
45. 48) vom Patronate frei wurden. Diese mehr oder 
minder wirtschaftlich und politisch selbstandig ge- 
20 wordenen, grossenteils grundbesitzenden Elemente ■ 
nahmen mit Erfolg den welthistorischen Kampf 
gegen die Patricier auf, dessen Errungenschaften 
auch den im Clieutetverhaltnisse verbliebenen, 
meist besitzlosen Schichten, obschon dieselben 
lange auf Seite der Patricier standen, zugute 
kamen (vgl. auch Lange I 3 248f.). 

Hier soil die weitere staatsrechtliche Entwick- 
lung nur insoweit beriihrt werden, als sie speciell 
fiir die Clientel in Betracht kommt. Ea ist mOg- 
30 lich , dass die Clienten , wie die Plebeier iiber- 
haupt, ihr Stimmrecht anfanglich nur in den auf 
dem Wehrverbande beruhenden Centurienversamm- 
lungen austtbten (z. B. Liv. II 64, 2 zum J. 284 
= 470: irata plebs interesse considari-bus eomitiis 
noluit; per patres dientesque consules creati. Dio- 
nys. TV 23, 6. Voigt 171f. Herzog I 938. 990f.), 
wahrend sich ihnen die ehedem nur der Geschlechts- 
burgersehaft zuganglichen Curiatcomitien erst 
spater eroffneten (Plut. Popl. 7 zum J. 245 - 509: 
40 Zulassung des Freigelassenen Vindicius in die Biir- 
gerschaft: yeveodai nolhtjr xai qrsosw yrfjqpoi', fj 
fiovloizo <pQat(iia ^Qoaveurj&svra. Gilbert II 382, 
1). An der Wahl der Volkstribunen, die sich nach 
vermutlich irrtiimlicher antiker Auffassung in 
den patricisch-plebeischen Curiatcomitien (nach 
Mommsen wahrscheiulich in einem eumdiuM 
plebis euriatum; vgl. Madvig I 222. Herzog 
I 158f.) vollzog (Mommsen St.-R. Ill 151, 3), 
nahmen die Clienten selbstverstandlich teil; um 
50 diese von den Patriciern beeinflussten, besitzlosen 
Elemente unschadlich zu machen, wurde im J. 283 
= 471 auf Antrag des Volkstribunen Volero Pub- 
lilius anstatt der Abstimmung nach Curien die 
nach den Bodenbezirken (Tribus) eingefiihrt und 
damit die Entscheidung den Grundbesitzern ple- 
beischen Standes zugeschoben ; vgl. Liv. II 56, 3: 
haud porta res . . . quae patrieiis omnem pote- 
statem per client turn stiff rag i a ereandi , quos 
vellenf . tribunes an ferret (vgl. Dionys. IX 41). 
60 Wahrend es lange als pflichtwidrig gait, anders 
als der Patron oder gegen ihn zu stimmen (Di- 
onvs. II 10, 3 yiij<pov havziar i.rt(f£Qeiv) , setzte 
sich nach und nach auch bei den Clienten der 
Grundsatz durch, dass die Ausiibung der Biirger- 
rechte von dem Clientelverhaltnisse nicht beein- 
flusst werden solle; so erklarten nach Liv. V 32, 
8 im J. 363 = 391 die Clienten der Gens Furia, 
bei den Tribntcomitien gegen ein Mitglied der 



51 



Clientes 



Clientes 



Gens, M. Furius Camillus, stimmen zu wollen 
(eum accitis domum tribulibus et clientibus, 
quae magna pars plebis erat , . . . responsum 
tulisset: se conlaturos, quanti damnatus esset, 
absolvere eum nan posse, in exilium abiit, vgl 
Zon. VII 22. Dionys. XIII 5). Seit der Aner- 
kennung der plebeischen Imterfahigkeit bildet 
die Clientel kein Hindernis zur Erlangung nicht 
irar der plebeischen Magistraturen (Tribunat : Plut. 
Ti. Gracchus IS zum J. 620 = 134 Movhiov 
nva, nsMrnv avrov ; plebeische Aedilitat: Plut. 
Mar. 5), sondem auch der eurulischen Amter (z. 
B. Plut. Mar. 5 zum J. 638 = 116; s. o S 48 
Herzog 19911'.); allerdings bildet dann die da- 
durch eintretende Gleichstellung mit dem alten 
Patriciat, die Nobilitierung, einen Grund fur den 
Wegfall der bisherigen Clientel. Inmitten der 
wesenthchen Gleichberechtigung samtlieher Biir- 
gerelassen nimmt nur die unmittelbar aus der 
Unfreiheit hervorgegangene Clientel der Freige- 
lassenen noch immer bis in die Kaiserzeit eine 
politisch ungiinstige Ausnahmestellung ein , die 
im Ausschluss von Gemeindeamtem und Priester- 
tiimern, vom Sitz im Senate und vom Reiter- 
dienste, sowie in der Zurucksetzung im Heeres- 
dienst und im Stimmrechte zum Ausdrucke kommt 
(Mommsen St.-B, III 420ff. ; Abriss 52f Her- 
zog I 992ff., o. S. 31). 

V. Schwinden der Horigkeit (Momm- 
sen St. E, III 69ff.; Abriss 21. Voigt 174— 
180.213—219. MadvigI95. HerzogI989f) 
Die Clientel der Kaiserzeit. Ein " Verzicht 
auf die Clientelbefugiiisse, etwa auf Grund eines 
Ubereinkommens zwischen Patron und Clienten. 
scheint, wie schon angedeutet wurde (oben S. 331 
bei der mit der staatlkhen Ordnung verknupften 
Horigkeit der Dedierten und der Libertinen recht- 
lich unwirksam gewesen zu sein. Die Offentlich- 
rechthche Stellung des Clienten wurde daher nur 
durch die Verwandlung der Clientel in Knecht- 
schaft (revoeatio in servitutem, s. o. S. 31. 42 1 oder 
durch die Aufnahme in die Geschlechterburger- 
schaft (Patriciat, gleichgestellt die Nobilitierung, 
oben S. 48) beendigt (Mommsen E. P. I 3631T.). 
Dagegen sind andere Losungsgrunde eines be- 
stehenden Clientelverhaltnisses (s. o. S 49f) Zu - 
Mchst nur factischer Art und bewirken bio's, so- 
fern nicht ein neuer Patronat eintrat, dass zabl- 
reiche Clienten — der Grundstock der spateren 
Plebs — ohne Patron lebten. 

Ebensowenig ist die Institution der Clientel, 
welche die romische Gemeinde schon bei ihrer Be- 
grtindung fertig iibernommen haben wird, als solche 
jernals gesetzlich abgeschafft worden ; sie blieb viel- 
mehr formell bis in spate Zeit in Kraft (Voigt 179 1 
Eechtsanschauungen der alten Clientel wirken 
noch in der Zeit des Marius fort (s. o S 48) 

*w •• a ^ r , hat sich das Geltungsgebiet und der 
thatsachhche Inhalt dieses Verhaltmsses unter 
dem Einfiusse der privat- und staatsrechtlichen 
Entwickhmg wesentlich geandert. Ursprunglich 
gedacht als ein durch die fides modificiertes 
Herrenrecht (potestas) der durch den Patron ver- 
tretenen Gens fiber den rechtsunfahigen Horigen, 
welches mittelbar die Herrschaft des Staates er- 
setzte, musste die Clientel diesen Charakter ab- 
legen , seitdem die Clienten Stuck fur Stiick die 
voile private und offentliche Eechtsfahigkeit er- 



52 



53 



Clientes 



Clientes 



54 



langten und die alte Geschlechterordnung neuen 
Bildungen und Gliederungen Platz maehte. Durch 
diese Vorgange horte die Clientel allmahlich auf, 
fur alle Nichtpatricier obligatorisch zu sein; der 
Plebeier konntc aucb fiirderhin, aber er musste 
nicht einen Patron haben (s. S. 50). Wahrend 
nun einerseits zahlreiche Clientelen sich lOsten 
und eine unabhangige Plebs sich bildete, waren 
andererseits fur die Eingehung neuer Clientelver- 
lOhaltnisse (abgesehen von der Libertinitat) nicht 
mehr die rechtliche Notwendigkeit, sondern rein 
persfinliche Interessen okonomischer und anderer 
Art massgebend (s. o. S. 33f.). Dort, wo die Clientel 
noch fortbestand, konntc, seitdem der Patron und 
dor Client sich wenigstens in der Hauptsache 
burgerlich gleichberechtigt gegeniiberstanden, an 
sich von einer consequenten Chung des Herren- 
rechtes nicht mehr die Eede sein. Mit dem Schwin- 
den _ der potestas bleibt als Eesiduum die fides 
20 (Voigt 166) iibrig, welche nunmehr auch auf 
Seite des Clienten an die Stelle der unbedingten 
Abhangigkeit tritt; aus der Gewaltunterthanig- 
keit wird ein Pietatsverhaltnis, fur welches nach 
Dionys. II 9, 3 das 6'aiov und die -fidfiig bestim- 
mend sind, bestehend aus einem mehr und mehr 
zusammenschrumpfenden Complexe wesentlich mo- 
ralischer, durch keine rechtliche Gewalt erzwing- 
barer Verpflichtungen (o. S. 33. 39). Zuerst setzt 
sich auf dem politischen Gebiete die Cberzeugung 
30 fest, dass die Clientel die Ausubung der Btirger- 
pffichten nicht schmalem darf (s. o. S. 50); spater 
erl'ahien dann auch die okonomischen Leistungen 
an die Patrone gesetzliche Einschriinkungen (ins- 
besondere durch die lex Cincia vom J. 550 = 204; 
s. o. S. 41). So wird die Clientel im allgemeinen 
nach und nach alles juristischen Gehaltes ent- 
klenlet und legt seit dem Ende der Eepublik den 
Beteiligten lediglich gesellsehaftliche Obliegen- 
heiten auf. Nur in dem einzigen Falle, wo die 
40 Clientel noch immer unmittelbar an die Unfreiheit 
anknupft und folgerichtig ihren obligatorischen 
Charakter bewahrt hat, bei der Libertinitat, hat 
sick wie schon wiederholt her^orgelioben wurde, 
in einer Eeihe wesentlicher rechtlicher Beschran- 
kungen ein gutes Stiick alten Clientenrechtes bis 
in die spatcste Kaiserzeit hinein whalten (s. o. 
S. 31. 33). Mit gutem Grund scheidet daher die 
spatere Terniinologie den juristisch indifferenten 
dims von dem rechtlich zuruckgesetzten liberti- 
50 mis; z. B. Cic. de in v. I 109 (nach 673 = 81) ser- 
vis. libertis, dientibus, siipp/icibus (andere Belege 
bei Voigt 200, 157; vgl. auch Mommsen R. f . 
I 355). 

Als Xaehwirkung der alteren Verhiiltiiisse hat 
sich noch in der jungeren Clientel der Gmndsatz 
erhalten. dass der Patricier und der Mann sena- 
torischen Stan des uberhaupt nur Patron, niemals 
Client sein kann. Dagegen hat seit dem letzten 
Jahrhundert der Kaiserzeit die ausschliessliche 
CO Abhangigkeit von einem Patron aufgehort; der 
CUent insbesondere der Kaiserzeit, der von den 
sportuiae der vornehmen Hauser lebte, hattt; in 
der Eegel mehrere Patrone. Selbst dem libertns 
stand es frei. sofern er nur den Obliegenheiten 
gcgennber dem Manumissor nachkam, daneben 
noch der Client eines anderen zu sein; vgl. Cic. 
pro Sex. Rose. 19 Mullius Glaucia quidam, homo 
tenuis, libcrtinus (offenbar eines Mailing), el tens 



et familiaris istius T. Roseii; ad Att. I 12, 2 
u. a. Auch der Gemeindepatronat verlor den 
Charakter der Ausschliesslichkeit. Schon in den 
altesten uns erhaltenen Patronatsurkunden (Bruns 
Pontes 16 343f.) erscheinen die friiheren Grenzen 
zwischen hospitium und Clientel verwischt; wie 
der einzelne, kann sowohl die Gemeinde, als auch 
jede andere juristische Person (iiber die Collegien 
vgl. J. P. Waltzing Etude hist, sur les corpor. 



vornehmen Hausern bei den Empfangen sowohl 
wie insbesondere bei Bewirtungen (Friedlaender 
a. a. 0. 385ff.) sehr verleidet werden mochten, 
bezogen die Clienten zur Zeit Martials eine recht 
geringfiigige Entschadigung , die zumeist in Na- 
turalspeisung oder in einem entsprechenden Kost- 
gelde (sporttda) im Betrage von gewShnlich 6V4 
Sesterzen bestand (Friedlaender a. a. 0. 380f, 
438 — 442); gelegentlich fiel auch ein Platz an 



I 425—446. II 367—371) nunmehr mehrere Pa- 10 der Tafel des Patrons, ein Kleidungsstuck oder 



trone haben (Marquardt St.-V. 1 2 188, 3; s. o 
S. 38). 

Fiir die sittengeschichtliche Seite der Clientel 
in der Kaiserzeit ist im allgemeinen auf Fried- 
laenders Darstellung S.-G. Is 379—891 zu ver- 
weisen. Der grossen Masse der Clienten in der 
Hauptstadt, mit welchen sich nicht nur durch 
Reichtum and Ansehen hervorragende Manner, 
sondern selbst minder Begiiterte umgaben, war 



ein Geldgesehenk fiir sie ab. Ziemlich selten 
waren die Patrone, die ihren Clienten nach altem 
Brauche durch Darlehen, Burgschaft, Eechtsbei- 
stand (wie Thrasea Paetus , Tac. ann. XVI 22), 
durch Schenkungen von Landgiitern oder Gewah- 
rung freier Wohnung (Dig. VII 8, 2 § 1. 3. IX 
3, 5 § 1) unter die Arm e griffen (Friedlaender 
381f.). Im allgemeinen wnrde die Clientel nicht 
nur von den Leuten von Bildung, die wie Martial 



ein keineswegs beneidenswertes Los zu teil ge- 20 auf sie angewiesen waren, sondern auch von den 

worden. Die Satiriker, wie Martial, der trotz "" " ' ^ """ ' ^ j-— j— /-n_.„j 

seines Eittercensus gleieh anderen minder bemit- 

telten Dichtern (Friedlaender III6 439ff. 44 5f.) 

selbst als Client vornehmer Hauser sein Leben 

fristete, Iuvenal, Lukian (insbesondere im Krono- 

solon), dann Epiktet sind. voll Klagen uber die 

unwurdige Stellung der Clienten, die freilich auch 

ihrerseits durch ihr Betragen haufig Grund zu 

Beschwerden gaben. Ihre Dienste waren zeit- 



Patronen selbst als eine Last empfunden (Fried- 
laender a. a. 0. 390f.). 

Nichtsdestoweniger i'and die hauptstadtische 
Clientel auch in Kleinstadten Italiens wie in Pompei 
(s. 0.) Nachahmung und war die Clientel auch in 
den Provinzen (CIL III 6126), insbesondere in 
Gallien, verbreitet, wo sic vielleicht in der alten 
keltischen Gefolgschaft — clientele/, bei Caesar — 
Anlehnung fand und bis in spate Zeit sich erhielt. 



raubend und demutigend. Am beschwerlichsten 30 Die Inschrift bei Allmer-Dis sard Muse'ede Lyon 

" ' " " V p. 28 (urn das J. 238) nemit einen Einheimischen 

als amicus et eliens zweier aufeinanderfolgender 
Provinzstatthalter , vgl. auch Eobert Epigr. de 
la Moselle I 21 mit pi. I 8; der Schulmeister und 
spatere Praetendent Eugenius war nach Claud, 
paneg. de III consulatu Honorii 67 ein deieetus 
eliens und noch Paulinus von Pctricordia (ran 
470) erwiihnt III 30f. die foeda elienlum ambitio 
ad nutum tumidi deiecta patroni. 

In der Kaiserzeit bezeichnen sich als clientes 



war die tasrliche Morgenaufwartung (meritoria 
salutatio bei" Seneca de brev. v. 14, 6) in der 
ersten oder zweiten Tagesstunde, die sich aus 
dem schon lange ublichen Morgenempfange der 
Eechtsbelehrung und Ratschlag suchenden Clien- 
ten (Mommsen R. F. I 373, 36) in der alteren 
Zeit entwickelt hatte. Bei Martial und Iuvenal 
finden sich haufige Klagen fiber die darnit verbun- 
denen Unzukommlichkeiten, das friihzeitige Auf- 
stehen, den Togazwaug, die Wanderungen im 40 
schlechten Wetter u. ii. (Friedlaender 382ff.). 
Abgesehen von dieser wichtigsten Obliegenheit, 
nach welcher die Clienten als saluta/oies und — 
wegen derdabei etikettemassigen Staatskleidung — 
als togati bezeichnet werden, wurden viele Clienten 
einen grossen Teil des Tages durch Begleitung 
ihrer Gebieter in der Offentlichkeit, auf Besuchen, 
Eeisen . als Claqueurs bei Declamationen in An- 
spruch genommen (Friedlaender a. a. 0. 384), 



auch die Abteilungen der hauptstadtischen plebs 
frumentaria , so die tribus Claudia patrum et 
liberorum (CIL IX 5823 vom .T. 159; vgl. Momm- 
sen St.-B. Ill 441, 1. 447, 1. CIL XIV 374), 
die tribus Palatina corporis seniontm (CIL VI 
10215), die tribus Palatina corporis ianionan 
(CIL VI 1104, vgl. p. 844); auch die elieiUes. 
welche Plinius paneg. 23 neben Senat und Ritter- 

.. r o v ___ 7 . schaft nennt, sind sicher die Tribus der Getreide- 

In Pompei agitierten Clienten fiir die Wahl ihrer 50 empfanger (Mommsen St.-B. a. a. 0. 444f., A). 



Patrone zu municipalen Amtern (CIL IV 593. 
822. 933. 1011. 1016). An den Satumalien, wo 
die Clienten bewirtet zu werden pflegten , am 
Xeujahrs- und am Geburtstage waren kleine Ge- 
schenke der Clienten an ihren Patron ublich, wie 
sie die lex Cincia (s. 0. S. 41) gestattete, fiir 
welche wertvollere Gegengeschenke erwartet war- 
den (Friedlaender 3901). Mitunter vereinig- 
ten sich die Clienten, urn den Patron durch Er- 



Litteratur. a) Allgemeine Litteratur. Al- 
tere Schriften bei Lange 13 238, 1. Willems 
26, 3. L. 0. BrOcker Dntersuchungen iiber die 
Glaubwiirdigkeit der altromischen Verfassungsge- 
schichte (Hamburg 1858; 2. Aufl. 1873) 1-22. 
Fustel de Coulanges La cite antique (Paris 
1864| 291-304. 331-338. 344—349 u. s. w. 
Mommsen R. G. I 7 82ff.; R6m. Forschungen 
I 355-390; St.-E. Ill 54—88, vgl. 152; Ab- 



richtung einer Statue zu ehren (CIL VI 1390 = 60 riss 15—21. Em. Hoffmann Das Gesetz der 



Dessau 920; vgl. Plin. n. h, XXXIV 17). Als 
Anrede des Patrons war schon in der ersten Kaiser- 
zeit dominus und rex gebriiuchlich (schon bei 
Horat. epist. I 7, 37 re-xque pattrqac; vgl. Fried- 
laender a. a. 0. 385f. 446). 

Als Entgelt fiir ihre verschiedenen Dienstlei- 
stungen, die ihnen zuweilen durch Zuriicksetzungen 
seitens des Gebieters und der Dienerschaft in den 



Zwolf-Tafeln von den Forcten und Sanaten, 
Wien 1866 (= Zeitschr. fur die Ost. Gynm. 
1866, 547ff.). Lange Rom. Alt. 13 237—252 
(vgl. 415ff.). J. E. Kuntze Cursus des rem. 
Eechts 2 29. 44f. 68. 562 ; Excurse uber rom. Eecht2 
62—65. H. "Genz Das patricische Rom (Berlin 
1878) 15—20. M. Voigt Cher die Clientel 
und Libertinitat, Ber. iiber die Verh. der sachs. 



55 



Clima 



Clitorius lacus 



56 



Ges. d. Wiss., philol.-hist. CI. XXX (1878), I 147 
—220 (citiert: Voigt). B. W. L eist in Gliick- 
L e i s t Ausfiihrl. Erlauterung der Pandecten, Serie 
<Jer Bucher 87 und 38, IV 301—627. Y 1—566 ; 
aueh separat u. d. Titel : Das rem. Patronatsreeht, 
Erlangen 1879, 2 Tie. Marquardt-Mau Privat- 
leben P 200-208. Madvig Verf. u. Verw. I 92 
— 95. P. Willems Le droit public remain* 
(1880) 26-33. 69f. Hcrzog Gesch.. u. System 



Classe (Liv. I 43, 2. Dion. Hal. ant. IV 16, 2). 
Doch wurde er bereits zur Zeit des ersten Sam- 
niterkrieges durch das besser deckende (Liv. IX 
19, 7) langliche Scutum verdrangt (Liv. VIII 8, 
3). Vgl. Bernd Das Wappenwesen der Grieehen 
und Romer 11. Baumeister Denkmaler III 2070. 
Marquardt St.-V. 112 333,3. Lindenschmit 
Tracht und Bewaffnung des rom. Heeres 15. Ab- 
bildungen des C. sielie Mon. d. Inst. X 60. Lit- 



der rom. St.- Verf. I 5. 12. 33, 91ff. 769. 988 10 teratur: Maurice Albert bei Daremberg et 
nnn t,-..., ._.. t,.... T , , , , T „„ ,„ Saglio Diet. 1 1248ff. Rich WOrterb. d. rom. 

Altert. 165f. [Fiebiger.] 

Clisius lacus, auf der Tab. Peut. als ein 
Alpenscc gezeichuet, aus dem ein Pluss entspringt, 
der, die Strasse zwischen Eporedia (Ivrea) und 
Vitricium (Verres) schneidend, zum Po geht. Will 
man auf die Zeiehnung (was bei dem zerriitteten 
Zustand derselben freilich schwer ist) und die 
Namensahnliehkeit etwas geben , so entsprache 



-990. Karlowa Rem. Rechtsgesch. I 37—40 
0. Gilbert Gescb. u. Topogr. der Stadt Rom II 
(1885) 140—143. 382—385. G. Humbert in 
Daremberg- Saglio Diet. I 1246-1248. J. G. 
C u n o Vorgeschichte Roms II 342—348. A. 
.Meitzen Wanderungen I 1, 26 Iff. G. Melin 
Essai sur la clientele rom., Nancy 1889. B. 
Niese in Iwan Miillers Handbuch III2 5, 26f. 
H. Schiller ebd. IV 2, 61 3f. Voigt ebd. 781ff. 



786. Jhering Geist des rem. Rechts 15 (1891) 20 der vom Monte Rosa kommende, bei Pont S. Mar- 



236—245. Lewis H. Morgan Die Urgesellschaft 
(deutsch von W. Eichhoff u. K. Kautsky) 
Stuttgart 1891, 275f. M. Zoeller Rem. Staats- 
und Rechtsalt.a 17-19. 22f. — b) Litteratur 
iiber den Gemeinde-Patronat: E. Philippi Zur 
Geschichte des Patronats iiber juristische Per- 
sonal, Bh. Mus. N. P. VIII (1853) 497ff. Dirk- 
*en Cfvilist. Abhandlungen II 61ff. Mo mm sen 
Ephem. epigr. II p. 146ff. Marquardt St.-V. V 



tin in die Dora Baltea mundende Torrent Lys 
(ital. Lesa), der vielleicht im oberen Gressoncy- 
thal sich frfiher zu einem See staute. Bedenk- 
lich ist jedenfalls die Identification des 1. C. mit 
dem bis ins Mittelalter sudlich von Eporedia in 
der Ebene existierenden , von der Dora Baltea 
durchflossenen grossen See, dessen Reste der Lago 
di Viverone und Lago di Candia bilden (Nissen 
Ital. Landesk. 182); unmOglich die von Cluver 



187—189. Em. _ Sebastian De patronis colo-30 (Ital. ant, 102. 410, dem Mommsen CIL V p. 559 



liiarum et muTiicipiorum, Halle 1884. tTber den 
Patronat der Collegien vgl. (ausser E. Philippi 
a. a, 0.) J. P. Waltzing Etude hist, sur les 
corporations prof. I 425—446. II 367—371, dazu 
Index II 539. — c) Litteratur iiber die private 
Clientel der Kaiserzeit: Altere Schriften bei Wil- 
lems* 70, 2. Heuermann liber die Clienten 
unter den ersten rSm. Kaisern , Programm des 
Gymn. Burgsteinfurt 1856. Becker Galhis II 3 



mid KiepertA.Geogr.391 folgen) ausgesprochene 
Vermutung, es sei der Lago di Lugano gemeint. 

[Hiilsen.] 

Clitellae liiessen nacb Festus epit. 59 M. 
locus Romae propter similitudinem , et in via 
Flaminta loca quaedam devexa subincte et ao- 
cliva. Nieht genauer nachzuweisen. [Hiilsen.] 

Cliternia. 1) KUixeqvov (Ptol. Ill 106, Ein- 
wobner Cliternini Ptol. Ill 106; auch Cliternini 



157ff. (iiber die Sportula 164ff.). Synnerberg 40 bei Cic. ad fam. IX 22, 4 wohl auf dies C. be- 



l)e clientelae apud Romanos sub Caesaribus ra- 
tione, Helsingfors 1865. Voigt a. a. 0. 180, 217ff. 
Marquardt-Mau a. a. 0. 203—208. Fried- 
1 aen der S.-G. I« 379—391. 438—442. Ills 
439ff. 445f. [A. v. Premerstein.] 

Clima, nach Colum. de r. r. V 1 (Script, me- 
trol. II 53, 13) ein Ackermass von 60 Fuss ins 
Gevierte = 3600 Q Fuss. Da der actus (s. Bd. I 
8. 335) 120 Fuss ins Gevierte hielt, war das C. 



ziiglich), Ort iin Gebiete der Aequiculcr, unweit 
des heutigen Capradosso, wo eine Inschrift cines 
aedilis Reate. quaestor IV, duumvir Cliterniae, 
gefundeu ist ' (CIL IX 4769). Mommsen CIL 
IX p. 394 in-. 4166—4176. 6351. Buns en Ann. 
d. Inst. 1834, 113. 

2) Stadt im Gebiete der Daunier in Apulien, 
Mela II 65. Plin. Ill 103, unweit Larinum; die 
Localisierung bei Campomarino oder S. Martino 



1/4 aetus — 315 qm. Die von Columella ge- 50 in Pensilis (unweit der Kiiste, zwischen den Mtin 



gebene Bestimmung kehrt wieder in den Exc. de 
mens. Gromat. I 372. 15 uud bei Isid. etymol. XV 
15 (Metrol. script. II 137. 6. 108. 1). Hultsch 
Metrologies 85. 702. [Hultsch.] 

Climberruin s. Ausci. 

Clipeus oder clipeum — beide Formen finden 
-ich bei Livius (vgl. IX 19, 7. I 43. 2i und Ver- 
gil (vgl. Aen. II 734. IX 709) — hiess der der 
argolischen dam; (s. 0. Bd. II S. 1735f.) ent 



dungen des Fortore und Biferno) beruht nur auf 
dem sehr unzuverliissigen P. Polidoro (bei Tria 
Storia di Larino. Rom 1743, 15. 356) und einer 
wahrscheinlich falschen Inschrift (CIL IX 137*, 
vgl. Polidoro Vita e Monum. di S. Pardo app. 
5). [Hiilsen.] 

Clitis, Fluss in Gallien, von Sidon. Apoll. 
carm. V 209 genannt neben Rhenus, Arar, Rho- 
damis, Mosa. Mat-rona, Sequana, Ledus, Elaris, 



sprechende romische Schild. Wie diese war er 60 Atax. Vacalis. Desjardins Geogr. de la Gaule 
™pd (Verg. Aen. II 227. X 546. Fest. ep. 56 I 144 (ob Oltisl). [Thm.] 

Clitorius lacus, in Umbrien, nur genannt 



Muller), gewolbt (Varro de 1. 1. V 19), von Erz 
(Liv. I 43, 2. Diod. XXIII 3 Dindf. Verg. Aen. 
II 734) und deckte die linke Seite der Kampfer 
(Verg. Aen. II 444. 671). Nach Diodor XXIII 
3 entlehnten die Homer den C. von den Etruskern. 
Der servianischen Wehrordnung zufolge gehorte 
er zu den Schutzwaffen der Burger der ersten 



von Paul. Diac. de gestis Longob. II 16 (Isidor. 
orig. XIII 13, 2 ist confus, und auf Confusion 
mit der Quelle bei Kleitor in Arkadien zuriick- 
zufuhren; ebd. XIII 13, 6 Clitumnus lacus schwer- 
lich in G. I. zu emendieren); wie Nissen Rh. 
Mus. XX (1865) 223 (vgl. Ital. Laudesk. 310) zu 



57 



Clitumnus 



Cloaca 



58 



beweiseu sucht, ein vom Clitumnus durchflossener 
See, an dessen Stelle ein erst 1563 ausgetrock- 
neter Sumpf zwischen Foligno, Trevi und Monte- 
falco lag. [Hiilsen.] 

Clitumnus. 1) Pluss in Umbrien , bei Spo- 
leto aus einer sehr starken Quelle (anschauliche 
Schilderung bei Plin. ep. VHI 8; besucht von 
Caligula, Suet. Gal. 43, und Honorius, Claud, de 
VI cons. Honor. 506) entspringend, vcreinigt sich 
nach kur/.em Laufe durch das Stadtgebiet von 
Trebiae (daher Schol. Iuven. XH 13 fluvius qui 
Trevis civitatem Flaminiae interfluit) bei Me- 
vania in den Tinia. An seiner unweit des moder- 
nen Ortchens Campello gelegenen Quelle lagen, 
ausser einem Tempel des C, nocli andere kleine 
Heiligtiimer (daher die Station Saeraria im Itin. 
Hierosol. 613, 4 mp. von Trevi, 8 mp. von Spo- 
letium ; nach Plin. ep. VIII 8 gehSrte der Ort 
durch Schenkung des Augustus den Hispellaten); 
der jetzt sog. Tempio di Clitunno zwischen Cam- 
pello und Trevi ist der im friihen Mittelalter zur 
christlichen Kirche umgebaute Rest eines antiken 
Grabes (s. CIL XI 4817. 4846. 4904. 4920. Holt- 
zingerin Lutzows Ztschr. f. bild. Kunst 1881, 
313 — 318. Pila-Carocci Del tempio e fiunie C., 
Rom 1895. Grisar Nuovo bull, di arch, cristiana 
I 127 — 146). Hiiufig geriilimt werden die weisscn 
Stiere, die auf den Weiden des f'ruchtbaren T hales 
geziichtet wurden, V r erg. Georg. II 146 mit den 
Scholien des Serv. und Philarg. Propert. II 19, 
25. Sil. Ital. VIII 450. Iuven. XII 13. Stat, 
silv. I 4, 12y. Vib. Bequest, p. y-Burs. Ciau- 
dian. de VI cons. Honorii 507. Der Clitumnus 
lacus bei Isid. orig. XIII 13, 6 ist vielleicht 
eber uiigenauer Ausdruck, als Verwechslung mit 
dem Clitorius lacus. Vgl. Nissen Rh. Mus. 
XX 223; Ital. Landesk. 310. [Hiilsen.] 

2) Gottliche Personification des wcgen seines 
frischen, klaren Wassers und seiner herrlichen 
landschaftlichen Umgebung vielgeruhmten um- 
brischen Flusses C. (s. Nr. 1). Nahe der Quelle 
lag unweit der Stadt Mevania in einem Haine 
sein alter hochheiliger Tempel mit einem Cult- 
bilde, das ihn stehend und mit der Toga prae- 
texta bekleidet zur Darstellung brachte". Den 
Tempel umgaben die saeella geringerer Cott- 
heiten, von denen ein jeder unter besonderem 
Namen Verehrung genoss, darunter Getter klei- 
nerer Quellen, die in den C. miinden. Eine Briicke 
iiber den Fluss schicd den heiligen Teil von dem 
profanen, der Benutzung freigegebenen. Durch 
Loosorakel, die auf Blatter oder Stabe geschrie- 
ben waren \sortes), enthiillte C, ahnlich wie bei 
Tibur Albunea uud Fortuua zu Praeneste, den 
Menschen die Zukunft. Sein Ruf zog viele Be- 
sucher herbei; mit ihreu Bitt- und Dankinsehriften 
bedeckten sich die Saulen nnd Wandc des Tem- 
pels (Plin. ep. VIII 8. Suet. Calig. 43). Geopfert 
wurden dem Gotte die weissen Rinder, die auf 
den benachbarten Triften in seltener Schonheit 
gediehen (s. 0.). Vibius Sequester (de flam. 5 
= Geogr. niin. p. 148 Riese) spricht von einem 
Iuppiter C. Wahrend Jordan bei Preller Rom. 
Myth. II 3 140, 3 die Richtigkeit dieser verein- 
zelten Notiz anzweifelt, erklart Reifferscheid 
Ann. d. Inst. 1866, 215 und Wissowa in Roschcrs 
Mythol. Wiirterbuch I 912 den Gott als Iuppiter 
in seiner Individualisierung als C. besonders mit 



Berufung auf das von der gewohnlichen gelager- 
ten Stellung dor FlussgOtter abweichende Cult- 
bild. [Aust.] 

Cliyana ist bei Holder Altkelt. Sprachschatz 
s. v. irrtiimlieh als Beiname der Gettin Iuno ver- 
zeichnet auf Grund der Inschrift CIL V 7593, 
wo von der Iuno einer Frau die Rede ist. S. 
Roschers Lcxikon II 616. [Ibm.] 

Clivicola, rOmischer Gott der Indigitamenta, 

10 der iiber die vielen , die Hiigel hinanfiihrenden 
Aufstiege (clu-i) Roms Wache halt und darum 
zusammen mit dem Gott der Bodenerhebungen, 
Ascensus, angerufen wird, Tertull. ad nat. II 15. 

[Aust.] 
Cloaca, auch cluaca und clovaca, angeblich 
von cluere — purgare, Plin. n.h. XV 119; vgl. zur 
Wortform und Ableitung F. Solmsen Studien zur 
laj;em. Lautgeschichte 141 (clovaca jetzt auch in 
der Les municipalis von Tarent, Monum. ined. dei 

20 Lincei VI 1895, 411 Z.39) und Strab. V 235 vjiovo- 
fj.a>v xk>v 8vva/,iEvo}v ixxKv'Quv xa Ivftara rijs Jtolecos 
sig rov TiftsQir. Das Wort bezeichnet zunachst die 
vielgepriesenen, in Rom angeblich schon von den 
Tarquiniern gebauten, spiiter weiter ausgedehnten 
Canale zur Entwasserung der tiefer gelegenen 
Stadtteile um das Forum und zur Ableitung des 
von den Strassen und aus den Hausern zusam- 
menfliessendeu, spiiterhin auch aus den Wasser- 
leitungen der Stadt stammenden und daher stark 

30 strflmenden Abwassers, s. Cloa ca maxim a. Auf 
die vonVitruv. I 1, 10 nur angedeuteten Rechtsver- 
haltnisse bei den offentlichen wie bei den privaWn. 
Cloaken beziebt sich Digest. XLIII 22. Auch in 
anderen italisclien and romischen Stadten werden 
die ahnlichen Anlagen, sci es dass sie dem ganzen 
Gemeinwesen dienen, sei es dass sie nur auf ein- 
zelne Gebiiude bereennet sind (z. B. Vitruv. V 9, 
7), C. genannt, von ihrer Gestalt bisweilen auch 
cwiiculi (Plin. n. h. II 197 von Neapel, Cassiod. 

40 var. VIII 29 von Parma). Wir sind leider iiber 
ihr Alter, ihre Technik und ihre Verbreitung nur 
mangelhaft unterrichtet. Die Canale waren nur 
selten offen (wie in Soluntum; in Amastris ver- 
anlasste Plinius ep. X 99. 100 die IJberdeckung 
eines langs der Hauptstrasse fliessenden und als 
Cloake diener.dcn Wassers) , moistens , mit Aus- 
nahme der erforderlichen ZunussOffnungen und 
Einsteigschacbte , verdeckt und unterirdisch ; die 
Ausflussmiindungen lagen oft in der Stadtmauer 

50 (z. B. Faesulae und Volaterrae [Durm Die Bau- 
stile II 2, 24] und Athen). In Pompeii, dessen 
ausgedehntes und gewiss gut erhaltenes Canali- 
sationsnetz noch nicht untersucht ist, befinden 
sich die Canale im allgemeinen unter den Trot- 
toirs, doch giebt es auch solche, die unter den 
Hauservierteln durchfiihren ; wichtig ist, dass die 
Abtritte siimtlicb mit den Abzugscanalen in Ver- 
bindung standen (A. Mau Fiihrer d. Pomp. 10. 
Overbeck-Mau Pomp. 60. 296). In den Site- 

60 ren griechischen Stadten war Canalisation (b.io- 
vo/ioi) nicht die Regel (vgl. Strab. V 235). An 
Smyrna z. B. wird der Mangel von vTiooQvaeig 
unter den Strassen getadelt (Strab. XIV 646). 
Dagegen waren in Alexandrien die Hauptstrassen- 
ziige von Wasserleitungen und Cloaken begleitet 
(Ps.-Callisth. Tind Iul. Valer. I 31, wo ihr legen- 
darischer Architect 'Ynovofiog heisst. Mahmoud 
Mem. sur Tantique Alex. 23), ahnlich in dem voti 



59 



Cloaca maxima 



Cloacina 



60 



Herodes erbauten Caesarea (Srgareovog Jlbftyoi, 
Joseph, ant. Iud. XV 340). In Athen hatte man 
wie in Amastris einen alten Wasserlauf, den Eri- 
danos, zur Anlage einer Cloake beniitzt; sie rmin- 
dete beim Dipylon und diente zur Berieselung 
der Felder (Ziller Athen. Mitt. II 1877, 17. 
Darpfeld ebd. XIII 1888, 211). [Puchstein.] 

Cloaca maxima in Rom, der bedeutendste 
und alteste der Abzugscanale, durch welche die 
in der Urzeit sumpfigen Niederungen zwischen 10 
den sieben Hiigeln erst bewohnbar gemacht wur- 
den. Die Tradition schreibt den Bau der D\ r nastie 
den Tarquiuier zu (Liv. I 38. 6. 56, 2. Dionys. 
Til 67, 5. IV 44, 1. Plin. XXXVI 106), und ohne 
Zweifel gehcirt die erste Anlage noch in vorrepu- 
blicanische Zeit ; aber man muss sich hiiten, den 
gesamten Bau, wie er jetzt ist, in eine so friihe 
Epoche zu datieren , und namentlich die Ein- 
wolbung ohne weiteres als ein Werk des 6. Jhdts. 
v. Chr. zu betrachten. Vielraehr ist ohne Zweifel 20 
auch liier die Entwicklung eine ahnliche gewesen, 
•wie beim Eridanos in Athen (Dorpfeld. Athen. 
Mitt, 1888, 213—220): man hat einen natiirlichen 
Wasserlauf reguliert und zur Abfiihruug der Ab- 
wasser hi den Fluss beniitzt , indem man zuerst 
die Ufer mit Holz- oder Steinwerk befestigte, 
dann zum Teil ttberbruckte , endlich vollstandig 
eindeckte. Noch im 6. Jhdt. der Stadt muss 
der eanalis auf dem forum medium wenigstens 
teilweise sichtbar gewesen sein (Plaut. Curcul. 30 
476. Fest. ep. 45 s. canaliaolae). Wann die 
•tlberwOlbnng hergestellt ist , wird nirgcnds bo- 
zeugt ; dass sie alter ist als das Ende der Rc- 
publik, ist an sich unzweifelhaft und wird be- 
zeugt durch den baulichen Zustand an der Ost- 
ecke der Basilica Iulia, wo infolge des Bans der 
Basilica das GewoTbe abgenommen und durch eine 
Eindeckung mit grossen Platten ersetzt ist. Ob 
die Einwiilbnng zusammenhiingt mit der grossen 
Wiedcrherstellung derCloaken in der Censur von 40 
184 v. Chr. . wahrscheinlich derselben , welche 
nach C. Aeilius 24000000 Sesterzen kostete (Liv. 
XXXIX 44, 5. Dionys. Ill 67, 5. vgl. Mom ri- 
sen KG. I* 808)? Die C. m. hatte ihren Ur- 
sprung in der Niedei-nng zwischen Oppius und 
Cispius bezw. Quirinai (vgl. luven. sat. Y 105 
angtiilla . . . rernula riparum, pinguis torrenti 
cloaca p.t solitus mediae rrgptam penetrare Su- 
blime), floss dann uuter dem Argiletum hin (Stiick 
unter dem Minervatcmpel auf dem Forum Xervae, 50 
1889 aufgedeckt, Laneiani Bull. eom. 1890. 
95—102. Hulsen Rf.m. Mitt. 1891, 86—88), trat 
siidlieh vom Gomitium ins Forum ein (hier das 
Heiligtuiii der Cloacina [s.d.] I, durchkreuzte dessen 
Arme in mehrfacli gebroehener Linie , ging so- 
dann durch das Velabnim und Forum Boarium 
(aueh in diesem Teile des Laufes zwei scharfe 
fast rechtwinkelige Biegungen, zuerst fast genau 
unterhalb der kleinen Kirche S. Eligio, unweit 
der Consolazione, dann siidlieh von dem sog. la- 60 
nus quadrifrons) und mu'ndete, sich mit dem das 
Circusthal entwassernden Canal (Marrana di S. 
Giorgio) vereinigend, in den Tiber zwischen dem 
Pons Aemiliu-; nnd dem kleinen , wahrscheinlich 
dem Portuuus geweihten Rundtempel (Aufnahme 
des Miindungsstucks mit seinem dreifaehen Quader- 
bogen hauflg, am besten jetzt von Furstenau 
Alte Denkmaler I Text 27. 28). Das Material 



ist Tuff und Sperone (lapis Gabinus), in spater 
ausgebesserten Teilen findet sich auch Ziegel- 
werk; die Sohle des Canals meist mit grossen 
Basaltblocken gepflastert. Die C. m. wurde, wie 
alle ubrigen, unter der Aedilitat des M. Agrippa 
33 v. Chr. repariert (Plin. n. h. XXXVI 104. 
Cass. Dio XLIX 43) und functionierte ohne Zweifel 
bis ins spateste Altertum (zwar nennen die Zeug- 
nisse aus dem 6. Jhdt. , Procop. b. Goth. I 20. 
Cassiod. var. Ill 30 die C. m. nicht ausdriick- 
lich, aber der Name ist noch spateren Martyrer- 
acten, so den Acta S. Sebastiani, Act, SS. Jan. II 
642f. bekannt); erst nach dem 11. Jhdt. scheint 
z. B. das Augustusforum durch Unterbrechung der 
Entwasserung in einen Sumpf (pantano) verwandelt 
zu sein. Der unterste Strang, durch das Vela- 
brum bis zur Miindung, scheint immer in Thatig- 
keit geblieben zu sein; der Teil weiter aufwarts 
bis zum Forum ist erst nach 1872 wieder acti- 
viert, das oberste Stuck unter clem Nervaforuni 
1889 freigelegt und gleichfalls wieder der moder- 
nen Stadtentwasserung dienstbar gemaeht. Als 
Ortsangabe faber lectarius de e. M. , CIL VI 
7882. Vgl. Jordan Topogr. I 1, 441—443. 447 
—452. I 2, 172. Richter Antike Denkmaler I 
Taf. 37. Narducci Fognatura di Roma 39 — 49. 
Gilbert Topogr. II 410—415. Laneiani Ruins 
and excavations of A. R. 29f. [Hulsen.] 

Cloacarium. Das C. wird in zwei Prag- 
menten Ulpians (Dig. VII 1, 27 § 3. XXX 39 § 5), 
das einemal unter den vom Eigentiimer, bezw. IJsu- 
fructuar eines Grundstvickes zu leistenden Abgaben, 
beidemale neben dem Entgelt fur die Benutzung 
eines offentlichen Aquaeductes erwahnt und wurde 
nach Marquardt St.-V. II 2 151, 2 wahrschein- 
lich fur die Einleitung von Privateloaken in die 
offentlichen erhoben. Vgl. auch G. Humbert 
in Daremberg-Saglio Diet. I 1264. 

[A. v. Premerstein.] 

Cloacina, die Gottin der rOmischen cloaca, 
maxima (s. d.i. Diese Bedeutung ergicbt sich mit 
voller Sicherheit aus dem Namen, der durchweg 
Gloacina lautet (GLOAG1X auch auf der Milnze 
des L. Mussidius Longus, Babelon Monn. consul. 
II 241);. nur Plin. n. h. XV 119 schreibt Cluacina 
der Etymologie zu Liebe (due-re e.nim antiqni 
purgare dieebant, woraus Serv. Aen. 1 720 macht: 
Gloacina quia ee.le.re-s cloare pure/are dixerunt ; 
vgl. F. Solmsen Stud. z. latein. Lautgesch. 142), 
und bei August, c. d. IV 8 p. 172, 3 Hoffm. 
spricht die bessere Uberliefcrung fur Cluacina, 
wahrend an drei anderen Stellen derselben Schrift 
(IV 23 p. 191, 19. 192, 5. VI 10 p. 295, 1) die 
Form mit u gesichert ist. Der Bedeutung der 
Gottin entspricht die Lage ihres Heiligtnms (Clo- 
acinae. sacrum Plaut. Cure. 471 : prope Cloaciitae 
Liv. Ill 48. 5; vgl. Plin. n. h. XV 119 in eo 
lorn, qui mine signa Veneris Cluacinae habet], 
an der Nordseite des Forums nahe dem Comitium 
an der Stelle, wo die Cloaca maxima ins Forum 
eintrat (vgl. H. Jordan Herm. XV 116ff. ; Topogr. 
I 2. 398. Hulsen Rflm. Mitt. VIII 1893, 283f.); 
auf eine Reinigung der Cloaca bezieht Jordan 
Topogr. a, a. O. mit Recht das oben angefuhrte 
Munzbild aus der Zeit des zweiten Triumvirats, 
das zwei Personen auf einem Kahne zeigt. Die 
Anlage der Cloaca giebt mithin einen Terminus 
ante qnem fur die Einfiihrung des Cultes, und 



61 



Cloanthus 



Clodianns 



62 



die Nachricht, dass Titus Tatius sein Begriinder 
gewesen sei, weil er das Bild der Gottiii in der 
Cloaca maxima gefunden habe (Lact. inst. I 20, 

II Gloacinae simulacrum in cloaca maxima 
repertum Tatius conseeravit et quia cuius effi- 
gies esset ignorabat, e,x loco Mi nomen imposuit ; 
Vgl. Minuc. Fel. 25, 8 = Cypr. quod idola dii non 
sint 4. August, c. d. IV 23. VI 10), richtet sich 
selbst. Wenn Plinius a. a. O. (daraus Serv. a. 

a. O.) den Namen C. als eine Imxlrjaig der Venus 10 
auffasst, so ist das ebenso willkiirlich, wie das 
gleiche Verfahren bei Murcia und Libitina (s. 
Wissowa in Roschers Mythol. Lexik. II 2035. 
3232L), und die Topograpben (vgl. Gilbert To- 
pogr. I 338, wo an die vermeintliche Venus Clo- 
acina allerlei wilde Combinationen geknupft wer- 
den) hatten sich dadurch nicht dazu verleiten lassen 
sollen, die Worte des Obsequ. 8 [62] ineeudio 
circa, forum cum plurima essent deusta, aedes 
Veneris sine ullo vestigio cremata auf das sa- 20 
cellum der C. zu beziehen. Der christliche Glau- 
benseifer hat sich iibei diese Cloakengottin (Ter- 
tull. de pall. 4 nennt die Cloake geradezu adyta 
Cloacinarum) arg scandalisiert und fiihrt C. hauflg 
zusammen mit Stercutius, Pavor und Pallor, Febris 
u. a. unter den lacherlichsten und verwerftichsten 
Missbildungen heidnischer Religionsanschauung 
an (Prud. apoth. 197. Aug. c. d. IV 8. 23 ; epist. 
17, 2 = Migne lat. 33, 84. Acta SS. Iul. V 145). 

[Wissowa.] 30 
Cloanthus, ein Gefahrte des Aeneas, welchem 
Vergil das stehende Beiwort fortis beilegt und 
der in dem Wcttfahren der Schiffe bei den Lei- 
chenspielen des Anchises siegt, Aen. I 222. 510. 
612. IV 288 (nach der Lesart des Ti. Donatus). 

III 122ff., vgl. Hyg. fab. 273. Da Vergil ihn 
selbst als Ahnherrn der gens Gluentia bezeichnet 
(Aen. V 123, vgl. Serv. Aen. V 117), so wird 
er ihn der Schrift des C. Iulius Hyginus de fa- 
miliis Troiaiiis entlehnt haben. [O. Rossbaeh.j 40 

Cloatilla, die Gemahlin eines Teilnehmers 
an einer Verschworung gegen Kaiser Claudius. 
Da sie die Leiche ihres Gatten bestattet hatte, 
wurde sie von ihren eigenen Suhnen, ihrem Bruder 
nnd den Freunden ihres Vaters angeklagt, aber 
nach einer wirksamen Verteidigung durch (Cn.) 
Domitius Afer von dem Kaiser freigesprochen, 
Quintil. inst. VIII 5, 16. IX 2, 20. 3, 66. 4, 31. 

[Stein.] 

Cloatius (ClovaHus), oskischer Gentilname 50 
(vgl. Mommsen Unterital. Dial. 270). 

1) Cloatius, Architckt, von Cicero (ad Att. 
XII 18. 1. 36, 2) im J. 709 = 45 erwahnt. 

[Miinzer.] 

2) Cloatius, Gewahrsmann des Verrius Flaccus 
an sechs Stellen (Fest. 141a. 25. 189 a, 25. 193a. 4. 
213a, 29. 309a, 26. 318a, 24 [(Clo)alius]), von 
Verrius wohl directbenutzt (309a, 26 : vgl. R e i t z e n- 
stein Verr. Forsch. 92). An alien diesen Stellen 
handelt es sich am sacrale Ausdriicke, die nach 60 
der Art der gelehrten Glossographen erlautert 
werden. Mit diesem C. identificiert man gewohn- 
lich den bei Gellius und Macrobius angefiihrten 
Cloatius Veras (vgl. jedoch Lcrsch Sprachphilos. 
Ill 167, der den Cloatius Verus zwischen Plinius 
und Gellius ansetzti, von dem zwei Werke er- 
wahnt werden : 1) (libri) verbortim a Graeeis 
tractorum (so Gell. XVI 12, 1; in libra a Graecis 



tractorum Macrob. Ill 18,4; es handelt sich 
um lateinische Worter, die aus dem Griechischen 
abgeleitet werden; bei Gell. XVI 12, 5 wird zu 
fenerator ein viertes Buch erwahnt und auf Hy- 
psicrates hingewiesen, der ein Werk super his quae 
a Graecis aecepta sunt verfasst hat) ; 2) libri 
Ordinatorum Graecorum (so Macrob. Ill 18, 8 
und III 19, 2, wo ein viertes Buch citiert wird ; 
Macrob. Ill 6, 2 heisst es Ordinatorum libra 
seeundo ohne Graeeorum), wofiir Scriverius 
unniitzerweise Originationum Graecarum vor- 
geschlagen hat. Ordinata ist dem sonst haufigen 
Titel ataxia gegeniibergestellt ; Graeca erklart 
Schoenemann (De lexicographis antiquis 54) 
damit, dass ein griechisches Weik die Grundlage 
bildete (von der Art des Ast/xtov betitelten Werkes 
des Pamphilus ; vgl. auch Re itzen stein Arriani 
tw jiST^ 'AXs^avSgov libri septimi fragments. 
Sentent. contr. 5). Buch II enthielt gottesdienst- 
liche Dinge (Apollonaltar auf Delos : Macrob. Ill 
6, 2); Buch IV handelte fiber Niisse (Macrob. Ill 
18, 8), Apfel (III 19, 2), Birnen III 19, 6) und 
Feigen (III 20, 1). Auf diese beiden Werke passen 
die Citate des Verrius nicht besonders ; man wird 
also — die Identitat des C. und Cloatius Verus 
vorausgesetzt — drei verschiedene Werke anzu- 
nehmen haben. Vgl. noch Lersch Sprachphilos. 
Ill 167f. [Goetz.] 

3) M. und Num. Cloatii, Sonne eines Num., 
lebten als Kaufleute urns J. 660 = 94 in Gythion 
und kamen in einen Rechtsstreit mit der Ge- 
meinde. Sie gewannen den Process, aber ver- 
wendeten sich fur die Stadt, so dass dieser die 
Kosten erlassen wurden; zum Dank setzte man 
ihnen als tiqo&voi, und svegyhae eine Ehrenin- 
schrift, die den Sachverhalt ausfiihrlich darlegt 
(Ditteuberger Syll. 255). [Miinzer.] 

4) Cloatius Verus s. o. Nr. 2. 

Clodiae liorti in Rom, am Tiber, verrautlich 
dem Marsfeld gegeniiber und nicht weit von der 
Stadt (Cic. pro Cael. 36: hortos ad Tiberim 
diligeiifer eo loco parasti , quo omnis inventus 
natandi causa, venit). [Hulsen.] 

Clodiana, in Makedonien im Land der Tau- 
lantier am Genusus (jetzt Skumbi) zwischen Dyr- 
rhachion und Skampia, vieileicht genannt nach 
Ap. Claudius Centho (s. Claudius Nr. 103), Tab. 
Peut. segm. VII. Sie lag an der Via Egnatia 
(Thessalonike-Dyrrhachion) und wahrscheinlich an 
der Kreuzung dieser mit der Strasse nach Apol- 
lonia und Aulon , H. Kiepert Formae orb. an- 
tiqui XVII H g. Der Entfernungszahl 26 m. p. 
von Dyrrhachion (Vyrratio) der Tabula nach ist 
die Statte von C. beim Ort Pekinje (Petschim). 
nicht bei Grosa (Goas) zu suchen. [Biirchner.] 

Clodianns. 1) Fluss aus den Pyrenaeen, dessen 
Miindung den Hafen von Ernporiae bildet, an der 
Grenze von Hispanien und Gallien, zuerst in der 
genauen Beschreibung von Emporiae (s. d.), die 
auf Poseidonios zuriickgeht, aber ohne Namen, bei 
Strabon erwahnt (HI 160 gel Se xal -Torauo; 
nl.r\oiov in rij; llvqip'rjs eyoiv rag ag/dg , rj de 
ixfiolri i.iuijv sgti zoi; 'Efixogiratg), dann bei Mela 
aus Varros Kiistenbeschreibung (II 89 Clodianum 
ad Emporias, bei Plinius in dem entsprechenden 
Abschnitt Ilf 22 iibergangen). Ptolemaios nennt 
die KXoibiavov xoiafiov iy.jlo/.al bei den Indiketen 
(II 6, 19); jetzt heisst das fast versandete Fluss- 



63 



Clodia via 



Clodius 



64 



chen Muga oder Llobregat menor. Der anschei- 
nend lateinische Name C. hat entweder einen 
alteren einheimischen verdrangt oder ist volks- 
etymologische Umformung eines solchen (vgl. Ru- 
hr i cat us). [Hubner.] 

2) Clodianus, cornicularius, einer der MOrder 
Domitians , Suet. Dom. 1 7 (fltichtig excerpiert 
von Aur. Vict. Epit. 11). 

3) Clodianus s. Aemilius Nr. 40, Annaeus 
Nr. 15, Maesius, Titinius. [Groag.] 10 

Clodia via (so die Insehriften und Itinerarien 
durchweg, Claudia nur Verrius Flaccus in den 
Fasti Praen. z. 25. April), Landstrasse von Rom 
durch Etrurien, mit der Cassia in Lauf und Ver- 
waltung so verflochten, dass eine genaue Schei- 
dung, namentlich da Meilensteine bisher nicht 
bekannt sind, ausserst schwierig ist. Klar liegt 
nur ihr Lauf unmittelbar bei Rom: bei Ponte 
Molle schieden sich die Flaminia, welche rechts 
im Tibeithal , und die verbundene Clodia und 20 
Cassia, welche links fiber die Hohen lief (Ovid, 
ex P. I 8, 43). Am elften Meilenstein, bei La 
Storta, trennten sich auch die C. und Cassia; die 
letztere (s. o. Bd. Ill S. 1670) fuhrte an der ost- 
lichen, die letztere an der westlichen Seite des Lacus 
Sabatinus entlang. Stationen sind Roma VI — 
ad Sextum-- Villi- Careias— VIII ( Villi iiber- 
liefert) — ad Novas — VIII — Sabate — Foro Clodi 
— Blera (so die Tab. Peut. ; das Itin. Ant. 286 
hat nur Roma— XXXII— Foro Clodi, der Geogr. 30 
Rav. IV 36 p. 285 P. nur Roma— Nova— Sab- 
batis — Foro Glodi). Jenscits Blera muss sich die 
C. wieder mit der Cassia vcreinigt haben, wahr- 
scheinlich unweit Forum Cassii, und beide sind 
dann eine lange Strecke, durch das ganze siid- 
liche und mittlerc Etrurien, auf derselben Trace 
(Volsinii-Clusmm-Arrctium-Florentia) gegangen. 
JenseitsFlorentia treiFcn wir dann wieder, zwischen 
Luca und Luna , einen Ort Forum Clodii (Tab. 
Peut.) , und das Itin. Ant. 284 giebt der Route 40 
Luca— Pistoriae — Florentia u. s. w. die Uberschrift 
a Luca Romam per Clodiam mp. CCXXXVIIII 
sic. Uber den Erbauer der C. haben wir eben- 
sowenig eine positive Angabe, wie iiber den der 
Cassia ; die Erwahnungen der letzteren gehen nicht 
"iibeT Cicero, die der C. nicht ubcr Ovid hinaus. 
Sehr ansprechend ist die Vermutung Bormanns 
(CIL XI p. 502), der Grander von Forum Clodii 
und Erbauer der Strasse sei derselbe C. Clodius 
Vestalis (s. d.), der als Triumvir monetalis im J. 43 50 
v. Chr. vorkommt und von den Claudienses cxprae- 
fectura Claudia durch eine Statue in Forum Clodii 
geehrt wurde (CIL XI 8310a; vgl. Forum Clo- 
dii). Wahrscheinlich verbesserte er die bereits be- 
stehende Via Cassia, verlangerte sie im Norden (von 
Pistoriae iiber Luca bis Luna ?) und regulierte ins- 
besondere den sudlichen, der Hauptstadt znnachst 
liegenden Teil, wobei er dem ostlich vom Lacus 
Sabatinus verlaufenden Tract Veii — Forum Cassii 
einen denselbeu See ostlich umgehenden iiber Sa- 60 
bate und Forum Clodii hinzufiigte. Infolge da- 
von scheint in der Nomenclatur der Name der 
C. dem der Cassia vorausgegangen zu sein. Wir 
haben kein sieheres Beispiel eines curator viae 
Cassiae allein ; wohl aber kommt vor ein curator 
viae Clodiae (CIL VIII 2392. XIV 2164), ein 
anderer riae Clodiae et cohaerentium (CIL XI 
6338 = Orelli 3143); und wenn, wie gewohn- 



lich, die Strassen mit ihren Einzelnamen aufge- 
fiihrt werden, steht meistens die C. voran (our. 
viar. Clodiae Cassiae Giminae CIL X 6006; 
Clodiae Anniae Cassiae Ciminiae CIL III 1458; 
Clodiae Cassiae Giminae trium Traianarum 
CIL III Suppl. 7394 ; Clodiae Anniae Cassiae Ci- 
miniae et novae Traianae CIL VI 1356; Clodiae 
Cassiae Anniae Ciminiae Traianae Novae CIL 
III Suppl. 6813; Clodiae Anniae Cassiae, Ci- 
miniae trium Traianarum et Amerinae CIL IX 
5833; nur CIL V 877 cur. viar. Cassiae Clodiae 
Ciminiae novae Traianae; unsicher die fragrnen- 
tierten oder schlecht uberlieferten CIL II 1532. 
IX 5155. XI 3008). Audi im mittelalterlichen 
Gebrauch behauptet sich der Name der C. (vieus 
Baccanensis via Claudia Acta S. Alexandri 30.. 
Sept. p. 230; vgl. de Rossi Bull. arch, crist. 
1875, 149. Tomassetti Arch. d. soc. Rom. di 
stor. patr. IV 1881, 358—386. V 1882, 67-156. 
590 — 653). Erwahnt wird die v. C. auch von 
Verrius Flaccus im Hemerol. Praenestinum zum 
25. April (Hain mid Opfer an den Robigus via 
Claudia ad miliarium V; s. Mommsen CIL 
12 p. 316); ferner Hist. Aug. Ver. 8 (Villa des 
Verus an dor v. C, wahrscheinlich nicht weit von 
der Stadt, vielleicht bei Acqua Traversa; Tomas- 
setti Arch d. soc. Rom. di stor. patr. IV 1881, 
378ff.), sowie im Anhang der Notitia urbis Romae 
(Jordan Topogr. II 570). Vgl. Nibby Dintorni 
di Roma IIP 570 — 578. Garrucci Dissertazioni 
1 10-52. Cantarelli Bull. com. 1891, 100-107. 

[ilulseii.] 
Clodius, Nebenform des Familiennamens Clau- 
dius, seit spatrepublicanischer Zeit (s. u. Nr. 48) 
von einzelnen Claudiern regelmassig gefiihrt und 
so zum selbstandigen Namen geworden (s. o. Bd. Ill 
S. 2662f.). 

1) Clodius, Urheber der lex Clodia de victoriatis 
(Plin. n. h. XXXIII 46), vgl. M. Claudius Mar- 
cellus Nr. 226. 

2) Clodius, wurde 711 =43 von den Soldaten 
des Lepidus an Antonius mit der Botschaft ge- 
schickt, sie wiirden im Falle eines Angriffs auf 
Lepidus zu ihm flbergehen (Plut. Ant. 18, 2). 

3) Clodius, ging vor der Schlacht bei Phi- 
lippi 712 = 42 zu M. Brutus iiber und brachte 
ihm die Nachricht von dem Siege seiner Flotte, 
ohne Glauben zu linden (Plut. Brut. 47, 3). Viel- 
leicht derselbe C. wurde damals von Brutus mit 
dreizehn Schiffen nach Rhodos gesandt und ver- 
einigte sich nach dem Untergange seines Feld- 
herrn mit dem Geschwader des Cassius Parmensis 
(Appian. bell. civ. V 2). [Munzer.] 

4) Clodius (TGI 993) s. Clodius Pompeianus 
Nr. 45. 

5) A. Clodius, gemeinsamer Freund des Caesar 
und des Metellus Scipio, wurde von jenem wahrend 
seiner Bedrangnis bei Dyrrhachion 706 = 48 an 
diesen als Unterhandler geschiekt (Caes. bell. civ. 
Ill 57, Iff., vgl. 90, 2, wo der Vornanie-feb.lt). 

6) A. Clodius vgl. Apollonios Nr. 59, Bd. II 
S. 124. 

7) C. Clodius, Begleiter des P. Clodius Nr. 48 
bei seinem letzten Zusammentreffen mit Milo 
702 = 52 , wohl Nachkomme eines claudischen 
Freigelassenen (Cic. Mil. 46. Ascon. Mil, p. 27). 

8) C. Clodius, erhielt 711 = 43 von M. Brutus 
den Auftrag, den C. Antonius in Apollonia zu 



65 



Clodius 



Clodius 



66 



bewachen, und ermordete seinen Gefangenen, als 
dessen Bruder M. Antonius ihn zu befreien ver- 
suchte (Dio XL VII 24, 2 und 4; vgl. o. Bd. I 
S. 2584). Borghesi Oeuvres II 181 halt ihn 
fur den C. bei Appian. bell. civ. V 2, iiber 'den 
unter Nr, 3 gesprochen wurde. 

9) L. Clodius, Praefectus fabrum des Ap. 
Claudius Pulcher wahrend seiner Statthalterschaft 
in Kilikien 703 = 51 (vgl. Claudius Nr. 297), 
traf damals mit Cicero auf Korkyra zusammen 
(Cic. fam. Ill 4, If. 5, 3. 6, 2. 8, 5 nnd 7). Im 
J, 711 = 43 hatte er sich ilhnlich wie Ap. Clau- 
dius Pulcher Nr. 298 an Antonius angeschlossen 
und war mit dessen Unterstiitzung zum Volks- 
tribunen designiert worden; durch Ciceros Ver- 
mittlung suchte er aber gleichzeitig sich mit 
den Gegnern des Antonius gut zu stellen (Cic. 
ad Brut. I 1, If.); er ist wohl auch der Ende 
October 710 = 44 mit einigem Misstrauen von 
Cicero (ad Att. XV 13, 3) erwahnte C. Vgl. auch 
Nr. 18. 

10) P. Clodius M. f., Miinzmeister 716 = 38 
(Ztschr. f. Numism. V 238. X 18). [Munzer.] 

11) Ser. Clodius (Claudius), rftmischer Ritter 
(Plin. n. h. XXV 24), Schwiegersohn des L. Aeliua 
Stilo, gegen den er sich eine litterarische Unehr- 
lichkeit zu Schulden kommen liess, die ihm den 
Aufenthalt in Rom unmoglich machte (eum librum 
soeeri nondum edilum fraude intercepisset Suet. 
de gramm. 3). Er ist nach Gell. Ill 3, 1 der 
Verfasser eines index comoediarum Plautinarum 
(Citate aus Cas., True, Astraba und Siteilitergus 
erwahnt Varro); Cicero schreibt ep. IX 16, 4 
an seinen Halb bruder Paetus: Servius, frater 
tuus, quern litteratissimum fiiisse iudico, facile 
diceret : ,hic versus Plauti non est, hie est', quod 
tritas aures haberet notandis generibus poetarum 
et consuetudine legendi. Vgl. Ritschl Parerg. 
242. 365. Nach drei Stellen des Varro (de 1. 1. 
VII 66. 70. 106) scheint es, als ob er ein glosso- 
graphisches Wcrk verfasst habe ; an den beiden 
letzten Stellen nennt ihn Varro mit Aurelius Opi- 
lius zusammen. Wie sich dazu die eommentarii 
verhalten, deren Spuren bei Gellius XIII 23, 19 
(eommentario quodam) und Servius Aen. I 52. 
II 229 sich finden und von denen Servius plcnior zu 
I 176 ein viertes Buch erwahnt (wenn es wirk- 
lich derselbe ist), ist nicht ersichtlich; glosso- 
graphisch sind auch diese Citate. Seine hinter- 
lassenen Schriften schenkte Paetus dem Cicero 
(ad Att. I 20. II 1, 12). [Goetz.] 

12) Sex. Clodius, stammte wahrscheinlich von 
einem Freigelassenen des claudischen Hauses ab 
und wird daher von Cicero mit den veriichtlich- 
sten Ausdriicken bezeichnet. Am 1. Januar 696 
= 58 veranstaltete er die seit einem Jahrzehnt 
unterbliebene Feier der compitalicischen Spiele, 
um im Interesse des P. Clodius die Wiederher- 
stellung der aufgehobenen collegia vorzubereiten 
i Cic. Pis. 8. Ascon. z. d. St. p. 7). Seitdem er- 
scheint er als der wichtigste und vertrauteste Ge- 
nosse des P. Clodius (Ascon. Mil. p. 42), besorgte 
u. a. die schriftliche Formulierung seiner Gesetz- 
antrage (Cic. de domo 47. 83. 129; liar. resp. 11 ; 
Sest. 133), wurde mit der Vollziehung seines Ge- 
treidegesetzes beauftragt (de domo 25f.), half bei 
der ZerstOrung von Ciceros Hans und bei alien 
anderen Gewaltthaten in und nach dem Tribu- 

Pauly-Wissowa IV 



nate des P. Clodius, so dass Cicero eine ganzc Liste 
seiner Verbrechen giebt (Ca'el. 78). Trotzdem 
wurde er, als ihn Milo deswegen 698 = 56 vor 
Gericht zog, freigesprochen, weil es Verstimmung 
erzeugt hatte, dass Milo selbst kurz vorher durch 
Pompeius geschutzt worden war (Cic. a. O. ; ad Q. 
fr. II 4, 6). Aber nachdem Sextus nach der Ermor- 
drmg des P. Clodius Anfang 702 = 52 den Pobel 
bei der Verbrennung des Leichnams und der Curie 

10 angeiiihrt hatte (Cic. Mil. 33 [lumen curiae]. 90. 
Ascon. Mil. 29. 40), wurde er auf Grund einer 
Anklage des C. Caesennius Philo und M. Alfidius 
unter allgemeiner Billigung verurteilt (Ascon. 
Mil. p. 49). Die Riickkehr aus der Verbannung 
erlaubte ihm erst M. Antonius 710 = 44, angeb- 
lich gemass einer Verfiigung Caesars (Cic. ad Att. 
XIV 13 A, 2. 14, 2. 19, 2). Zu den Beschuldi- 
gungen, die Cicero in den Jahren seiner erbitterten 
Feindschaft mit P. Clodius und dessen Anhang 

20 gegen Sextus erhob, gehOrt auch die, dass er in 
einem schandlichen Verhaltnis zu Clodia gestanden 
habe (de domo 28. 83; Cael. 78, vgl. Nr. 66). 

[Miinzer.] 
13) Sex. Clodius, Rhetor (Suet, de gramm. 
et rhet. Ind. rhet. p. 99 Rffsch. ; gramm. 29 = 
rhet. 5) e Sieilia, Lehrer des nachmaligen Tri- 
umvirn M. Antonius, bei dem er wegen seiner 
launigen Einfalle und trotz seines freimutigen, 
oft beissenden Witzes, vor dem auch des Antonius 

30 Gattin Fulvia nicht verschont blieb , in hohem 
Grade beliebt war (Suet. a. O. Cic. Phil. H 42). 
Von ihm erhielt er im J. 44 ein ittgens congia- 
rium (Suet. a. O.), genauer duo milia iugerum 
campi Leontini et quidem immunia (Cic. Phil. 
LT 43. 101. Ill 22). Cicero hat eine nicht eben 
hohe Meinung von dem Ko'nnen des Rhetors (Phil. 
II 43: ut populi Rornani tanta mereede nihil 
sapere disceres; II 101: quid, si te disertum 
facere potuisset ; III 22 : ut hominem stupidum 

40 magis etiam infatuet mereede publico). Doch 
kaiin er dem Siculer Witz und Humor nicht ab- 
sprechen ; Phil. II 42 nennt er ihn salsum om- 
nino hominem, und in einem Briefc an Atticus 
vom J. 54 (IV 15, 2), wo ihn Parteileidenschaft 
noch nicht erbitterte, spricht er seine Besorgnis 
aus, der Rhetor C. konnte Atticus durch seinen 
lepos nur zu lange fesseln (wofern die Lesart rhetor 
statt praetor richtig und C. unser Sextus ist). 
Wenn man vom Sehiiler auf den Lehrer schliessen 

50 darf , so huldigte C. der asianischen Redeweise. 
Bei Sueton wird er Latinae simul Graecaeque 
eloquentiae professor genannt ; danach konnte er 
identisch sein mit dem Declamator (vgl. auch 
Cic. Phil. II 42, wo von Declamationsiibungen 
des Antonius in Gegenwart des C. die Rede ist) 
Sabinus [Sextus? Teuff el - Schwabe R5m. 
Litt. * 433] Clodius beim Rhetor Seneca (Kiess- 
ling Praef. XIV), von dem berichtet wird, 
dass er uno die et Latine et Graece declamierte 

60(contr. IX 3, 13); s. unten Nr. 55. Chrono- 
logische Bedenken stehen der Identiflcierung 
nicht im Wege. Wegen seiner (damals also wohl 
ungebrauchlichen) Manier, an einem Tage latei- 
nisch und griechisch zu declamieren, vrurden allerlei 
Witze iiber ihn gemacht, so von Haterius, von 
Maecenas, von Cassius Severus, der scharf und 
schlagend, wie gewohnlich, auf die Frage, wie 
C. declamiert habe, ebenfalls in zwei Sprachen 

3 



67 



Clodius 



Clodius 



68 



antwortete: male xai xux<bg (Sen. a. 0. 14; in 
contr. IX 4, 17 wurde fiir iiberliefertes ab tullio 
et Sabino gewOhnlich ab Iulio Sabino gelesen; 
Schott schlug Glodio Sabino vor, Kiessling 
A&ilio Sabino). Ein Sextus C. schrieb in grie- 
chischer Sprache ein Werk fiber die Gotter in 
mindestens sechs Biichern, das von Arnob. adv. 
nat. V 18 und Lactant. inst. I 22, 11 citiert wird. 
Unserm C. teilt Bernays Theophrastos' Schrift 
fiber die Fromrnigkeit , Berlin 1866, lOff. 141 f. 
die im ersten Bache von Porphyrias' Schrift 
uber Enthaltsamkeit von Fleischnahrung bezeugte 
Schrift eines KXmdiog tig NsaTioXixrjg itgog rovg 
asiexofisvovg zcov aagxmv (p. 87, 10 Nauck) zu 
mit dem Bemerken, dass die abweichenden An- 
gaben uber die Herkunft kein entscheidender 
Grand gegen die Identificierung seien. Der Gram- 
matiker Clodius bei Serv. Aen. I 52. 176. II 229 
hat mit unserem Rhetor wohl nichts zu thnn; 
mit Clodius Tuscus (Nr. 61) wird er bei Teuffel- 
Schwabe 433. 620, mit Ser. Clodius (s. Nr. 11) 
anderweitig gleichgesetzt. Tiber Sex. Clodius vgl. 
Schanz Rom. Litt. 13 385. [Brzoska.] 

14) Sextus Clodius niamis , Proconsul 

von Cypern (griechische Ehreninschrift' der Iulia 
Domna(?), Le Bas-Waddington 2728 Citium). 
Vielleicht ist [Qrajnianus als zweites Cognomen 
zu erganzen, C. demnach ein Nachkomme des 
Clodius Granianus Nr, 32. 

£15) C. Clodius C. f. QuAr(ina) Adiutor, quae- 
stor, tribunus plebis, praetor, vermachte gemein- 
sam mit [Clodius Capjito. (Nr. 20), vernratlich 
seinem Tetter, der res publico, Campanorum 
eine Summe zur Instandhaltung einer Strasse, CIL 
X 3851, vgl. 3852 Capua. [Groag.] 

16) Clodius Aesopus, beriihmter tragischer 
Schauspieler in der Zeit Ciceros, wird von diesem, 
zu dem er in persOnlichen Beziehungen stand, 
after erwahnt (z. B. de div. I 80 ; Tusc. II 39. IV 
55; off. I 114; fam. VII 1, 2; ad Q. fr. I 2, 14; 
Sest. 120 mit Schol. Bob. z. d. St. p. 305 Or.). 
Den Gentilnamen fiihrt er noch nicht, sondern 
nur sein Sohn M. Clodius Aesopus in der ersten 
augustischen Zeit, der sich damals durch seine 
masslose Schwelgerei und Uppigkeit bekannt machte 
und ein Liebpsverhaltnis mit einer Caecilia Me- 
tella hatte {Cic. ad Att. XI 15, 3. Hot. sat. II 
3, 239f. Porphyr. z. d. St. Val. Max. IX 1, 2. 
Plin. n. h. IX 122. X 141. XXXV 163). [Miinzer.] 

17) D. Clodius Albinus = Imp. Caes. D. Clodius 
Septimius Albinus Aug., Gegenkaiser des L. Sep- 
timius Severus, 196—19. Februar 197 n. Chr. 

I. Quell en. a) Vor allem die rOmischen und 
griechischen Schriftsteller, die die Regierung des 
Kaisers Severus behandeln; zunachst die Scriptores 
historiae Augustae, unter denen sich der Uberliefe- 
rung zufolge sowohl Spartian in der Vita des Se- 
verus und der des Pescennius Niger als auch Capi- 
tolinus in einer eigenen Lebensbeschreibung vita 
Alhini mit ihm beschiiftigen. Quellen hiezu, die 
uns nicht erhalten sind, waren die Autobiographie 
des Severus (vgl. Sev. 3, 2. 18, 6; Niger 4, 7. 5, 1; 
Alb. 7, 1. 10, 1. 11, 5. Dio epit. LXXV 7, 3. 
Herod. II 9. Vict. Caes. 20, 22), das Geschichts- 
werk des Marius Maximus , zu dem eine vita 
Severi gehfirte (vgl. Sev. 15, 6; Alb. 3, 4. 9, 2. 
9, 5. 12, 4; Geta 2, 1), Aelius Maurus, der eben- 
falls eine Geschichte des Kaisers Severus schrieb 



(Sev. 20, 1), Aelius Iunius Cordus (Alb. 5, 10. 7, 3. 
11, 2) u. a. Weiters Dio LXXII 8, 1. LXXIII 14. 
15. LXXV 5—8 und Herod. II 15. Ill 5-9; 
beide kennen Severus Selbstbiographie. Herodian 
war auch Quelle fiir die Hist. Aug. Dio ist die 
wichtigste Quelle fur Zonar. XII 7—9, wahrend 
Johannes Antiochenus (FHG IV 588) und Suidas 
(s. SeprjQo?) dem Herodian folgen (vgl. Hofner 
Untersuchungen z. Gesch. des Kaisers Sev. 210ff.). 
10 Aurelius Victor Caes. 20, 8 ; epit. 22, 2. Eutrop. 
VIII 18, 4. Zosim. I 8. Eusebios (ed. Schone) 
zum J. 2221. G. Synkellos ed. Dindorf I 671. 
Oros. VII 17, 5—7. Malalas ed. Dindorf 291. 

b) Inschriften. Vgl. die Indices des CIL. 
Besonders zu bemerken: CIL II 4114 (dazu v. Do- 
maszewski Westd. Korr.-Bl. XE 37). 1120. 2015. 
CIL III 3706. 3733. 4037 (= Suppl. 10868; dazu 
v. Premerstein Arch.-epigr. Mitt. XII 131f.). 
5910. VI 1450. VIII 1549. 2786. 7062; Suppl. 

2017726. XI 6053. XIII 1753. 1754. 1673. XIV 6. 
Dessau Inscr. lat. sel. nr. 419 (= "Westd. Korr.- 
Bl. V 93. 97). Falsch: Orelli 900. 901. 

c) Mtinzen: Cohen III a 415-424 (im folgenden 
die betreffenden Nummern angegeben). Eckhel 
VII 161 — 166. Froehner Les me'daillons de 
Fempire Bom. 150ff. Kolb Numism. Ztschr. IX 
323. Sammlung des Vicomte de Quelen nr. 1297 
(Hirschfeld Histor. Ztschr. LXXIX463). Mion- 
net III 237f. nr. 1335. 1336; Suppl. VI 352 

30 nr. 1752—1754. VII 69 nr. 204. 205. 

d) Biisten und Statuen: J. J. Bernoulli 
RSmischc Ikonographic II 3, 17ff. (Sicheres ist 
nach ihm nicht erhalten; der Kopf der vaticani- 
schen Statue, Statuengallerie nr. 248, ist mdglicher- 
weise auf ,C. zu beziehen; noch weniger sicher 
einige andere). 

II. Neuere Litteratur. O. Hirschfeld 
Histor. Ztschr. LXXIX 452— 484. Schiller Ge- 
schichte d.rom.Kaiserz. 12,665.705-718. Hofner 

40 Untersuchungen zur Gesch. des Kaisers L. Sep- 
timius Severus 185 — 217. De Ceuleneer Essai 
sur la vie et le regne de Septime Severe 55 — 60. 
91 — 112. C. Fuchs Geschichte des Kaisers L. 
Septimius Severus 17—21. 60—72. V. Duruy 
Rev. hist. VII 256—266; Histoire des Romains VI 
56 — 69, Herzog Geschichte. u. System der rfimi- 
scben Staatsverfassung H 421. 450 — 452. 

III, Leben vor der Erhebung. Unter den 
Beweisgrunden, mit denen Dessau (Herm. XXIV 

50 353ff.) seine Hypothese uber die Hist. Aug. stiitzt, 
befindet sich auch die Thatsache, dass zahlreiche 
hervorragende Namen des 4. Jhdts. in frfihere 
Zeiten ubertragen werden, und darunter zahlt er 
auch die im 4. Jhdt. bluhenden Ceionii Albini 
(so Ceionius Rufius Albinus 335 praef. urbis, C. 
Ceionius Rufius Albinus Volusianus 365 und 373 
praef. urbisj. Capitolinus bringt sie mit Clodius 
Albinus in Verbindung (Alb. 4, 2); er berichtet, C. 
habe seine Herkunft von den vornehmen Postumii, 

60 Albini und Ceionii abgeleitet (Alb. 4, 1), und 
nennt als seinen Vater einen Ceionius Postumus 
(Alb. 4, 3). So wird das einflussreiche Geschlecht 
des 4. Jhdts. uber den Kaiser C. liinweg mit den 
beriihmten Postumii Albini der republicanischen 
Zeit (Sp. Postumius Albinus cos. 644 = 110 u. s. w.) 
verkniipft. Gleich hierin vcrriit sich die Willkiir- 
lichkeit der Combination: Postumi und Postumii 
werden verwechselt, die Albini als eigenes Ge- 



69 



Clodius 



Clodius 



70 



schlecht genannt, Gentilname und Cognomen nicht 
unterschieden. Der Abstammnng von den Albini 
steht auch die Behauptung gegen uber, er habe 
den Namen Albinus von der glanzend weissen 
Hautfarbe erhalten (Alb. 4, 4. 6). So miissen 
wir denn C.s Stammbaum, wie inn uns Capito- 
linus mitteilt, fur falsch halten; gleichwobl wird 
die Nachricht, er gehorte einer vornehmen Familie 
an, richtig sein, wie uns die Quellen version ern 
(Alb. 7, 5. 1, 3. Dio epit. LXXV 6, 2. Herod. 
II 15, 1) und wofiir auch seine Verbindungen 
mit dem Senate sprechen. Als seine Mutter wird 
Aurelia Messalina genannt (Alb. 4, 3); sein Ge- 
burtsort ist Hadrumetum in Africa (Alb. 1, 3. 
4, 1). Diese Angabe wird einerseits durch die 
Nachricht bestatigt, dass sein Verwandter Clodius 
Celsinus ehenfalls aus Hadrumetum sei (Sev. 11,3), 
anderseits durch eine Goldmiinze und ein Me- 
daillon C.s als Caesar mit der Aufscbrift Saeculo 
frugifero cos. II und einer Darstellung Saturns 
als phoinikischen Baal, wie sie sich in gleicher 
Weise auf Bronzemiinzen der Colonie Hadrumetum 
aus der Zeit des Augustus vorfindet (Cohen 68. 
Froehner a. a. O. 150ff.). Ob der Tag seiner 
Geburt richtig VII leal. Deeembres angegeben ist 
(Alb. 4, 6), vermogen wir nicht festzustellen ; sein 
Geburtsjahr ist ganzlich unbekannt. Proconsul 
von Africa sei (Alb. 4, 5) damals Aelius Bassia- 
nus, ein Verwandter von C.s Vater, gewescn. Ist 
C. bald nach dem Aufstande des Avidius Cassius 
(175) Consul geworden (Alb. 10, 11), so wird er 
nicht viel spaier als urn 140 geboion oeiu , uud 
iiberdies wird iiberliefert, dass er schon ziemlich be- 
tagt zur Herrschaft gelangte (Alb. 7, 1). Auch die 
Nachricht, dass er in hoherem Alter als Pescennius 
Niger zur Herrschaft gelangte, kann nicht verwertet 
werden (a. a. O.). Er war das alteste Kind (Alb. 
4, 3), ein Bruder wird erwahnt (Alb. 9, 6. 12, 
9. 11). Uber die Vermogensverhaltnisse seiner 
Familie finden wir widersprechende Angaben. 
Nach der Hist. Aug, waren seine hauslichen Ver- 
h&ltnisse beschrankt, sein Erbe schmal (Alb. 4, 3), 
nach Herodian ist er in Reichtum erzogen (II 
15, 1). Von Verwandten werden genannt: der 
schon oben erwahnte Clodius Celsinus , durch 
dessen Bclobung der Senat Severus Zorn auf sich 
lud (Sev. 11, 3) und der vielleicht mit C.s Bruder 
identisch ist; Lollius Serenus und Ceionius Postu- 
mianus (Alb. 6, 1) ; ein Baebius Maecianus (a. a. O.), 
vielleicht identisch mit dem Legaten von Pan- 
nonia inferior L. Baebius Caecilianus im J. 199 (CIL 
HI 3706. 3733); der Feldherr des Niger, Asellius 
Aemilianus (Dio epit. LXXIV 6, 2; vgl. Le Bas- 
Waddington 2213); der schon erwahnte Aelius 
Bassianus. Vielleicht war C. mit Didius Iulianus 
verwandt, dessen Bruder Nummius Albinus war, 
und deren miitterlicher Grossvater aus Hadrumetum 
stammte (Iul. 1, 2). Seine Knabenzeit verbrachte 
C. in Afriea , seine Ausbildung war sehr mittel- 
Miissig (Alb. 5, 1 — 2). Seine Amterlaufbahn ist 
ganz unklar bei Capitolinus iiberliefert. Nach- 
dem er unter Marcus und Verus (161 — 169) in 
Militardienste getreten war (Alb. 6, 1), avancierte 
er rasch. Er erhielt zunachst die Fiihrung von 
zwei Auxiliarcohorten (Alb. 10, 6), wurde dann 
Tribun bei den dalmatischen HQlfstruppen (equiles 
Alb. 6, 2); ohne Quaestor gewesen zu sein, stieg er 
zum Aedilen auf, blieb es aber nur 10 Tage, um 



dann ein Commando zu iibernehmen (Alb. 6, 6), 
wohl das der leg. IV Flavin in Moesia superior, 
bald darauf audi das der leg. I Hal. in Moesia 
inferior (Alb. 6, 2). Zwisehen oder nach diesen 
beiden Commanden (vgl. Roulez Mein. de l'acad. 
de Belgique XLI 43) bekleidete er die Praetur 
(Alb. 6, 7). Wahrend des Aufstandes des Avi- 
dius Cassius (175) befehligte er, wohl als leg. pr. 
pr., das bithynische Heer, das sich durch sein 

10 Verdienst treu verhielt (Alb. 6, 2. 10, 10). Des- 
halb wurde er bald darauf Consul suffectus (an 
Stelle des Cassius Papirius? Alb. 10, 11), also 
wohl 176 (vgl. Klein Fasti consulares 86; Klebs 
Prosop. I 422 halt das Consulat unter Commodus 
fiir wahrscheinlich). Hierauf focht er gemeinsam 
mit Pescennius Niger siegreich in den dakischen 
Kampfen um 182—184 (Dio epit. LXXH 8, Zonar. 
XII 4 und Commod. 13, 5—6; vgl. Schiller a. 
a. 0. 663). Es ist nicht notwendig, mitWieters- 

20heim-Dahn Geschichte der Volkerwanderung I 
153 bei Dio an dieser Stelle eine Ungenauigkeit 
anzunehmen. Commodus sendete ihn dann ,nach 
Gallien' (als Legaten von Germania inferior? vgl. 
Ceuleneer a. a. 0. 57), wo er sich im Kampfe 
mit den uberrheinischen Volkerschaften, ,Friesen 
und andern deutschen Stammen' sehr auszeichnete 
(Alb. 6, 3. 5, 5). Auf diese Ereignisse mag sich 
CIL XI 6053 beziehen. Hierauf wurde er Statfc- 
halter in Britannien, und dieses Amt bekleidete 

30 er noch bei dem Tode des Commodus und der Er- 
hebung des Severus; denn die Nachricht (Alb. 14, 
1), dass or wcgen cincr scnatsfrcundlich.cn Rede 
abgesetzt worden sei, die er vor den Truppen bei 
einem Geriichte von Commodus Tod gehalten 
haben soil, ist augenscheinlich ebenso unrichtig 
(Sev. 6, 10. Herod. II 15, 1. in 7, 1. Dio epit. 
LXXIII 14, 3), wie der Inhalt der Rede (Alb. 
13, 3 — 10) selbst unmOglich. Wahrend dieser 
Statthalterschaft oder wahrscheinlich schon friiher 

40 soil C. von Commodus den Caesartitel angeboten 
bekommen , aber ausgeschlagen haben , weil er 
sein Schicksal nicht an das des verhassten Kaisers 
gekniipft sehen wollte (Alb. 2, 2—5. 3, 1. 23. 
6, 4 — 5). Diese Erzahlung, die in Zusammen- 
hang mit C.s Senatsfreundlichkeit gebracht ist 
(die Ablehnung des Caesartitels wird auch in der 
oben erwahnten Rede hervorgehoben), muss sehr 
bezweifelt werden, zumal sie nur von der unver- 
lasslichsten Quelle, Capitolinus, gebracht wird. 

50 Herodian (III 7, 1) berichtet bestimmt, dass C. 
erst unmittelbar vor dem Feldzug gegen Severus, 
also erst 196, von Britannien nach Gallien iiber- 
setzte, und so hat er allem Anscheine nach seine 
Statthalterschaft seit ihrer trbernahme nicht ver- 
lassen; schon deshalb scheint auch die Nachricht, 
C. habe zu jenen gehort, die Iulianus zur Er- 
mordung des Pertinax veranlassten, unwahr. Sie 
wird Alb. 1, 1. 14, 2. 6 und in einigen spateren 
Quellen (Eutrop. VIII 18, 4. Vict. Caes. 20, 8. 

60 Oros. VTI 17, 5) gebracht, wahrend Dio und Hero- 
dian dariiber schweigen. 

IV. C. als Caesar und Augustus. Nach- 
dem Pertinax am 28. Marz 193 ermordet worden 
war (Dio epit. LXXHI 10, 3), hatte die Garde in 
Rom Didius Iulianus zum Kaiser erhohen ; doeh 
wurde dersefte von den Provincialheeren nicht 
anerkannt. In Pannonia superior wurde L. Sep- 
timius Severus, in Syrien Pescennius Niger aus- 



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Clodius 



Clodius 



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Clodius 



Clodius 



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gerufen. ,Zu ungefahr derselben Zeit' (uno eodem- gewesen sei, wird zwar von der Hist. Aug. (Alb. 3, 
que prope tempore post Pertinaeem) sei auch C. 4 — 5. 10, 3; Niger 4, 7) versichert, scheint aber 
von seinen Trappen ,in Gallien' als Imperator dennoch sehr unwahrscheinlich, worm Herod. II 15 
begriisst worden, erz&hlt Capitolinus (Alb. 1, 1; von bestarkt. Es wurde ganz gegen Severus politi- 
derselben Voraussetzung ausgehend Niger 2, 1, sclien Blick sprechen, wenn er ein Biindnis mit 
8, 1). Auch ohne in diesem Bahmen die chrono- dem vornehmen, in entfernter Provinz von einem 
logische Aufeinanderfolge und Verkniipfung von besonders tiichtigen Heere (Herod. II 15, 1) um- 
Severus und Nigers Erhebung hier priifen zu gebenen Caesar fur dauernd gehalten hatte. Es 
miissen , kann man die Lnhaltbarkeit dieser An- war ihm vielmehr nur daran gelegen, einen seiner 
gabe feststellen. C. ist sicher 193 noch nicht 10 gefahrlichen Rivalen vorderliand zu befriedigen, 
von seinen Truppen in Britannien (nicht Gallien) nm desto energischer gegen die beiden anderen, 
zum Imperator ausgerufen worden; zunachst lautet Iulian und Niger, auftreten zu kflnnen. C.s poli- 
Spartians ausdruckliche Meldung: redeunti sane tische Kurzsichtigkeit beweisen diese Nachrichten 
Romam post helium civile N-igri (also 196) aliud hingegen klar ; denn 196 sah er sich dcnnoch ver- 
bellum civile Clodi Albini nuntiatum est (Sev. anlasst den Augustustitel anzunehmen (Dio epit. 
10, 1); ferner berichtet Dio (epit. LXXIII 15, 1), LXXV 4, 1. Herod. HI 5, 2 paodixcbreeor hngv- 
dass Severus beschlossen hatte, sich mit C. als <p&vxa r<p xov Kaiaaqos ovo/uari u. a. Cohen 
dem naheren ins Einvernehmen zu setzen, und ihm a. a. 0.) , nunmehr aber stand er als einziger 
durch einen Vertrauten einen Brief zusandte, in Gegner Severus sieggewohntem Heere gegenuber. 
dem er ihm den Caesartitel antrug; ebenso LXXV 20 Ob C. freiwillig oder gedrangt durch Severus 
4, 1, dass C. nicht mehr zufrieden mit der iiber- Massnahmen sich erhob, ist angesichts der wider- 
tragenen Caesarwiirde kaiserliche Ehren anstrebte. sprechenden Angaben nicht zu entscheiden (Alb. 
Herodian (n 15) legt ausfiihrlich dar, wie C. von 1, 2. Dio epit. LXXV 4, 1. Herod. Ill 5, 2 — 
Severus durch die Caesarenwiirde und die Hoff- 6, 1). Die Erzahlung, dass Severus zunachst ver- 
nung auf Nachfolge gelockt wurde, sich wahrend sucht habe , seinen Gegner durch Meuchelmord 
des folgendenKampfesruhigzuverhalten. Mehrere aus dem Wege zu schaffen (Alb. 8, 1 — 3. Herod. 
Inschriften sind vorhanden, auf denen C. Caesar III 5, 3 — 8), wird zwar durch das Schweigen Dios 
genannt wird (CIL VHI 1549; Suppl. 17726. XIII anzweifelbar, aber nicht unglaublich; in diesem 
1753. XIV 6), ebenso zahlreiche Miinzen (Cohen Falle wiirde der erste Anstoss zum Ausbmche 
a. a. 0.). Auf den Namen Caesar und die Aus- 30 der Feindseligkeiten vom Kaiser ausgegangen sein. 
sicht auf Nachfolge hatte doeh C. unmOglich dann Die allgemeine Bemerkung cum alter alterium 
noch eingehen kimnen, wenn er bereits zum Im- indignaretur imperare . . . (Alb. 1, 2) giebt die 
perator ausgerufen gewesen ware. Severus trat Situation am besten wieder. C. begann Miinzen 
also nach seiner Erhebung aus Vorsicht mit C. mit dem Augustustitel zu schlagen (Cohen a. 
in Unterhandlungen — er bcdiente sich dabei a. 0.); aber nur langsam und schoinbar schwer- 
wahrscheinlich eines Heraelitus (diese freilich bei fallig riistete er sich zu dem bevorstehenden 
dem Ausdrucke ad optinendas Brittanias nicht Kampfe, so langsam, dass ihn sogar, wenn wir 
ganz einwandfreie Deutung von Sev. 6, 10 und Herodian (III 7, 1) glauben durfen, noch der end- 
Niger 5, 2 muss der von Hiibner versuchten Er- liche Anmarsch des Severus in Verlcgenheit setzte. 
klarung Eh. Mus. XII 64 vorgezogen werden) — 40 Bis dahin hatte der Kaiser die Zeit damit zu- 
und sie endeten damit, dass C. Caesar wurdo und gebracht, den Orient sich und dem Reiche wieder 
so die Nachfolge zugesichert bekam (vgl. Mom m- zu sichern. Nach dem Falle von Byzanz (Friih- 
sen St.-E. lis 1141), ferner das Recht der Miinz- jahr oder Sommer 196; vgl. Hofner a. a. 0. 173f. 
pragung und Statuenaufstellung erhielt (Alb. 1, 2. Hirschfeld a. a. 0. 475) liess er C. von seinen 
3, 6. 7, 2. Dio epit, LXXIII 15, 1—2. Herod. Truppen zum hostis erklaren (Sev. 10, 2. Herod. Ill 
TL 15, 5. Zonar. XII 7), Sehr wahrscheinlich ist, 6, 8), wozu spater zu Rom die Bestatigung des 
dass C. bei dieser Gelegenheit von Severus auch Senates kommen sollte (Alb. 9, 1), und fuhrte sein 
adoptiert wurde; dafiir spricht ebenso, dass auf Heer von Mesopotamien (Dio epit. LXXIV 14, 2) 
den meisten Miinzen C. den Namen Septimius iiber Kleinasien und den Balkan in forcierten 
tragt, wie dass in Mherer Zeit die Erhebung zum 50 Marschen bei ungiinstigster Witterung (Herod. 
Caesar ohne Adoption nie stattgefunden hat (vgl. Ill 6, 10) nach Obermoesien. Hier, in Virnina- 
Mommsen a. a. 0. 1140). Es ware ein auf- cium, dem Lager der legio VII Claud, erhob er 
fallendes Zusammentreffen , das unsere Quellen seinen alteren Sohn Bassianus als Aurelius Anto- 
sicher erwahnt hatten, wenn das Gentile des Se- ninus (Sev. 10, 3 — 5) zum Caesar. Damit hatte er 
verus auch C. als ererbt im Namen gefiihrt hatte endgiiltig alle Aussichten C.s auf den Thron' be- 
(vgl. Hirschfeld a. a. 0. 460. Schiller a. a. 0. seitigt. Was C. wahrend fast voller zwei Jahre 
708. Ceuleneer a. a. 0. 95). Vielleicht hat bis dahin gethan hatte, dariiber erfahren wir 
C. auch die tribunicische Gewalt erhalten (vgl. nirgends etwas; wahrscheinlich hatte er mit un- 
Mommsen a. a. 0. II 3 1153). Sind auch die botmassigen Stammen Britanniens zu schaffen. 
darauf beziiglichen Miinzen bei Eckhel VH 164 60 Auf die Nachricht von Severus Anmarsch setzte 
und Cohen 19 falsch, so erscheint doch Co- er von Britannien nach Gallien iiber und sandte 
hen 35 bisher unverdachtig. In diesen Verein- an alle benachbarten Stamme; den Unterworfenen 
harungen wurde C. auch zum Consul fur das befahl er die Lieferung von Proviant und Geld 
kommende Jahr bestimmt, under trat am l.Januar (Herod. Ill 7, 1). Die Streitkrafte , die C. zur 
194 sein zweites Consulat zusammen mit Severus Verfiigung standen, hatten ihren Kern in den 
an (Alb. 6, 8. 3, 6. Cohen a. a. 0.; vgl. Clin- drei Legionen Britanniens, der leg. II Aug., leg. IV 
ton Fasti Rom. ad 194). Dass Severus Gesin- vietr.. leg. XX Vol. vietr., und den britannischen 
nung bei Abschluss des Pactes mit C. aufriehtig Auxiliartruppen (Ceuleneer a. a. 0. 94); diesen 



schlossen sich die Legionen Galliens, Spanicns marschierte. Sehon vor der Ankunft des rOmi- 

(leg. VII gem., vgl. Hefner a. a. 0. 209) und eines schen Heeres hatte Numerianus, ein Schulmeister 

Tc'iles von Noricum (CIL II 4114: ganz Noricum aus Eom, in Gallien grosse Scharen irregularer 

nicht: Cohen 31 nr. 261. 262; vgl. Hirschfeld Truppen und Geld fiir Severus gesammelt, so auch 

a. a. 0. 469), ferner der gallische Landsturm an. C.s Rciterei beunruhigt (Dio epit. LXXV 5, 1—3. 

Gallien war der natiirliche geographische Mittel- Zonar. XII 9). Dass dies geschehen konnte, be- 

punkt und ethnographiseh empfanglichste Boden weist, dass C. in den in seiner Hand befmdlichen 

fur centrifugale Bestrebungen zu Gunsten eigener Landern Opposition hatte. Ebenso beweist dies 

nationaler Organisationen , die sicber nicht die die Inschrift CIL XLTI 1673, nach der T. Plavius 
Absicht. aber die Folge eines Gelingens von C.s 10 Secundus Philippianus, der oflenbar zur Zeit der 

Planen gewesen waren. Er scheint Lugdunum Erhebung C.s Statthalter der Gallia Lugdunensis 

(Ijyon) zur Hauptstadt seines Reiches in Aus sicht war, sich weigerte, sich C. anzuschliessen , und 

genommen zu haben, wie die Miinz e mit der Um- deshalb von diesem verjagt, von Severus nachher 

schrift genfioj Lugdfunensi) (Cohen 40) an- wieder eingesetzt worden ist. Es ist ferner sehr 

deutet. Dass er in diese Stadt auch einen Gegen- wahrscheinlich, dass wahrend des Bilrgerkrieges 

senat einberufen hat, wie man vielfach, gestiitzt die Kampfe mit den germanischen Stammen an- 

auf die Miiiize: S. P. Q.B. P.P. ob C.S. (Cohen dauerten; ihre Angriffe hatten sich vielleicht in- 

78) annimmt '(vgl. Schiller a. a. 0. 1 2, 714), ist folge der Schwachung der Grenzbesatzungen ver- 

sicheT unrichtig; die Miinze ist falsch, wie man starkt, Auf diese Ereignisse wird die Inschrift 
auch im Wiener Miinzkabinet bestatigt. Es ist 20 Dessau 419 (vgl. Westd. Korr.-Bl. V 93. 97) zu 

nicht anzunehmen, dass sich ausserhalb derMacht- beziehen sein. Trier wird von den Germanen be- 

sphareC.sbedeutenderePactoren fiir ihn einsetzten; lagert und nach der Entscheidungsschlacht durch 

nach den sparlichen Zeugnissen lasst sich ver- die XXII. Legion entsetzt worden sein. Severus 

muten , dass einige Stadte des Orients fur ihn sah sich gezwungen, personlich in Germanien ein- 

Partei nahmen; von Smvrna und Side (in Pam- zugreifen, bevor er sich von Gallien nach Rom 

phylien) sind Kaisermiinzen C.s iiberliefert. Dazu begab (CIL VIII 7062, s. dariiber unten; vgl. CIG 

Zosimus Worte (I 8) noXeis . . . ai fikv r&55«, 3407, wo Severus rsQimvixog genannt ist; am 

at Sk rmbs nQog&i/Mrai. Es durfte ein Teil der 4. Mai weilt er in Lugdunum nach CIL XIII 1754). 

Stadte gewesen sein, die auf Seite Pescennius Ehe es zur Entscheidung kam, fanden mehrere 
Nigers gestanden hatten (vgl. Alb. 11, 1). Ferner 30 Gefechte statt, in denen C.s Trupen Sieger blieben 

ist die Legion in Arabien (leg. Ill Gyrmaw/i) (Sev. 10, 7. 11. 1 ; Alb. 9. 1. Dio epit. LXXV 

(Sev. 12, 6° zu C. iibergegangen, allerdings als 6, 2. Herod. Ill 7, 2); nach diesen Gefechten 

bereits alles verloren war. In Rom wurde die sind die Miinzen Iovi victori und Iovis vietoriae, 

Entscheidung, dass ein neuer Feldzug bevorstehe, Viet. Aug. (Cohen 42. 43. 44. 79—83) gepragt. 

um die Zeit der Saturnalien (Mitte December) be- Insbesondere hat Severus Peldherr Lupus erne 

kaivnt (Dio epit. LXXV 4 , 2—7). Die Gaining, grossere Niederlage erlitten (Dio epit. LXXV 

die diese Nachricht in Rom verarsachte (a. a. 6, 2). Die Hauptschlacht wurde bei Lugdunum 

0.), die schwankende Haltung des Senates, das geschlagen (Sev. 11, 1 apvd Tinurtium. Dio epit. 

Interesse, C. durch diesen achten zu lassen: all' LXXV 6, 1: nQog rm Aovydovvco. 7, 2: to alpa 
dies machte dringend Severus Anwesenheit in 40 xolv eqqvv, mats xai & zovg jiorafj.oi>s irnieaeTv. 

der Stadt notwendig; sie wird uns auch be- Herod. IH 7 , 2 stsqI AovySovvov; Lugdunum 

richtet (Sev. 10, 1; Alb. 9, 1) und durch Miinzen Vict. Eutrop. Oros. Euseb. Syncell.). Die genaue 

(Cohen rV2nr. 5— 9. 578. 581. Eckhel VII 175) Lage dieses Schlachtfeldes bildete den Gegen- 

bestatigt. Hirschfeld (a. a. 0. 477f.) bestreitet stand wiederholter Untersuchungen (Litteratur 

diesen romischenAufenthalt des Severus ; gleichwohl dariiber bei Ceuleneer a. a. 0. 101, 2); es ist 

wachen folgende zwei Momente noch die bisherige die Ebene nordlich von Lyon, in dem Dreiecke, 

Annahme miiidcstens sehr wahrscheinlich. Nach das Rhone und SaOne bei ihrem Zusammenfluss 

CIL HI 4037 (= Suppl. 10868) weiht ein Tribun bilden. Der Kainpf war anscheinend sehr er- 

der zehnten Cohorte der Praetorianer (wahrschein- bittert und blutig (Dio epit. LXXV 7, 1 — 2. Zonar. 
lich C. Fulvius Plautiauus; vgl. v. Premerstein 50 XII 9); nach Dio (LXXV 6, 1) sollen auf jeder 

Areh.-epigr. Mitt. XII 131ff.) als Fiihrer des romi- Seite 150000 Mann gestanden haben, doch ist 

schen Heeres. das gegen C. zog (proficiseem ad diese Angabe ganz unsicher. tlber die Einzel- 

oppritnendamfactiommGallicanam),iussuprin- heiten der Schlacht sehwanken die Nachrichten 

cipis dem Iuppiter praestes einen Altar; der Kaiser sehr; so viel ist sicher: der Sieg wurde nur mit 

war also nicht beim Heere. Er hatte also wohl der grossten Anstrenguug von Severus errungen. 

zwischeu Viminacium und Poetovio, dem Pundorte Sein rechter Flugel drang gegen die Albinianer 

der Widmung, das Heer verlassen, sehr wahr- siegreich vor, dagegen war der andere Flugel in 

scheinlich um nach Rom zu eilen. Weiter sthn- einen Hinterhalt gefallen und in starker Bedriing- 

inen alle Bericbte (Sev. 10, 7; Alb. 9, 1. Dio nis. Severus, der hier selbst fuhrte, musste den 
epit, LXXV 6, 2. Herod. Ill 7,' 2) uberein, dass 60 bereits Pluchtigen mit dem Schwerte entgegen- 

in Gallien anfangs eine Reihe von Gefechten unter treten und geriet dabei in die grOsste Gefahr. 

Puhrung der Feldherrn des Kaisers stattfand; der Iulius Laetus, der bisher seine Eeiterei ausserhalb 

Kaiser kam spater als seine Truppen dahin. Aus des Gefechtes gehalten hatte , entschied dann 

der Nachricht, dass Severus eine Abteilung zur vollends den Sieg (Dio epit. LXXV 6, 7—8). 

Besetzung der Alpenubergiinge nach Italien abzwei- Nach Dios ajisdriicklichcin Zeugnis (LXXV 6, 1) 

gen liess'(Herod. Ill 6, 10), ist zu schliessen, dass war C. in der Schlacht anwesend, nach Herodian 

das Gros langs des Nordrandes der Alpen ge- (III 7, 2) hielt er sich wahrend derselben in Lyon 

fiihrt wurde und vom Rhein aus in Gallien ein- eingeschlossen auf, was bei der sonst an C. ge- 



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Clodius 



Clodius 



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riihmten militarischen Tiichtigkeit wenig glaub- 
haft erscheint. Die Schlacht land am 19. Februar 
197 (Sev. 11, 7) statt; es ist auch C.s Todestag. 
Die Ait, wie C. runs Leben kaiu, wird sehr ver- 
schieden berichtet; Alb. 9, 3 — 4: ,or durchstiess 
sich selbst, wie viele behaupten, andere, er sei 
von seinem Sclaven durchstossen halblebend vor 
Severus gebracht worden'; ahnlich Sev. 11, 6. 
Dio LXXY 7, 3 und Zonar. XII 9 : er totet sich 



13, 7), nach seinem Tode gewaltsam unterdriicken. 
Ob sich die Inschriften CIL H 1120. 2015. VIII 
2786 auf ahnliche Kampfe in der Baetica und 
Tingitana bezieben (wie Schiller a. a. 0. 716. 
Wilmanns zu CIL VIH 2786) oder in die Zeit 
des Kaisers Marcus fallen (wie Hubner zu CIL II 
1120 will), wage ich nicht zu entscheiden. In- 
folge der albinianisclien Erhebung wurde die 
Statthalterschaft Britamiien von Severus in zwei 



selbst. Herod. Ill 7, 7: C. gefangen und ent- 10 Provinzen geteilt (Dio epit. LV 23. Herod. HI 8, 2). 



hauptet. Danach ist es sehr wahrschemlich, dass 
er sich selbst getOtet hat, Sein Leichnam fiel 
in Severus Hande, der dem Toten gegeniiber seinem 
Hasse freien lauf gelassen haben soil (Sev. 11, 9; 
Alb. 9, 7. Zonar. XII 9) und den Kopf nach Bom 
sandte (Sev. 11, 6. Dio epit. LXXY 7, 3. Herod. 
Ill 8, 1). C.s Frau und Kinder liess der Kaiser 
toten (Sev. 11, 9). Nach einer Nachricht hat C. 
einen, nach einer anderen des Marius Maiimus 



V. Charakter. Die Quelle™ berichten ganz 
widersprechend dariibcr; in Severus angeblicher 
Rede, Alb, 10, 1, wird er in heftigen Schmah- 
worten auf jede Weise herabgesetzt; Arglist, Gier, 
Schwelgerei werden ihm vorgeworfen. Ahnliches 
flndet sich bei Herodian (II 15, 3. Ill 6, 6—7. 
7, 1); anderseits wird ihm in einem angeblichen 
Briefe des Kaisers Marcus ernste Lebenshaltung 
und Tiichtigkeit bezeugt ; er sei zwar Afer, habe 



zwei Sonne hinterlassen (Alb. 9, 5) , von denen 20 aber nichts von den Eigenschaften eines sokhen 



der erne Pescemiius Princus geheissen haben soil 
(Alb. 7, 5) ; vielleicht liegt da eine Yerwechslung 
mit Pescennius Nigers Sohn vor. Die Pliinde- 
rung und die teilweise erfolgte Einascherung 
Lyons scheint mir nicht geniigend bezeugt (Herod. 
in 7, 7, vgl. dagegen Hirschfeld CIL XLTI 
p. 252. Schiller a. a. 0. 717). tFber die An- 
nanger C.s erging ein furchterliches Strafgericht, 
insbesondere der Senat bekam Severus Hand zu 



(Alb. 10, 6f.). Endhch riihmt ihn Dio (epit. LXXV 
6, 2) als kriegstuchtig und militarisch gewandt. 
Der Verfasser der Vita fiihrt noch eine Eeihe von 
Charakterziigen C.s an (Alb. 10, 10—11, 8). Als 
rlchtig diirfen wir wohl vor allem Dios Urteil an- 
nehmen; die vielfache Verwendung, die C. in seiner 
Carriere als Truppenfiihrer in den Grenzprovinzen 
gefunden hat (s. o,), bestatigt es. Als SprOss- 
ling einer vornehmen Familie mag er auch Weich- 



ffihlen (Alb. 12). Im Lager waren nach der 30 lichkeit und Luxus allzusehr geliebt haben. Sein 



Schlacht die Papicre C.s aufgegriffen worden; sic 
wurden das Anklagematerial (Herod. Ill 8, 6. 
Alb. 12, 3 — 4). Es war Severus genau bekannt 
gewesen, wie sehr im Geheimen die Sympathien 
des Senates auf Seite seines Gegners waren (Alb. 
9, 6. 12, 1—11. 13, 3ff. Herod, in 5, 2), mochte 
er auch angstvoll jede officielle Parteinahme zu- 
riickgehalten haben (Dio epit. LXXV 4, 2). Ein 
Teil von C.s Anhiingern wurde noch in Gallien 



Ausscrcs beschrcibt die Yita (13, 1) als schlankc 
Gestalt mit langen, krausen Haaren, breiter Stirne, 
weisscr Haut (vielleicht nur des Namens wegen 
angefiihrt), weibischer Stimine. ,Auf den Munzen 
hat er eine randliche Kopfform, dichtes, gebuschel- 
tes, die Stirn im Winkel begrenzendes Haar und 
einen kurzen Vollbart, eine vorgewolbte Stirn und 
eine niedrige, an der Wurzel stark eingezogene, 
stumpfe Nase. Hauflg ist dieselbe geradezu auf- 



hingerichtet (Herod. HI 8, 2. Sev. 12, 1), nament- 40 gestiilpt, niemals gebogen. Seine Bildnisse sind 



lich die spanischen und gallischen Edlen, die 
meisten aber nach Severus Ankunft in Bom (2. Juni, 
vgl. Ceuleneer a. a. 0. Ill); nach Dio (epit. 
LXXV 8, 3 — 4) wurden dort 29 Senatoren zum 
Tode verurteilt, 35 freigesprochen. Sev. 13 fiihrt 
41 Namen an, darunter aber augenscheinlich auch 
Pescennianer. Es ist trotz der bisherigen Hal- 
tung des Senates nichts Auffalliges, dass er nach 
der Niederlage an Severus und Caracalla eine Ge- 



sandtschaft mit Gluckwiinschen zum Siege ent- 50 des Antonius stand. 



denen des Severus vervvandt' (J. J. Bernoulli a. 
a. 0. II 3, 18). Litteratur s. o. II. 

[v. Wotawa.] 
18) Clodius Bithynicus, als Anhiinger des An- 
tonius im perusiniscben Kriege 714 — 40 gefangen 
und von Octavian auf das Drangen seines Heeres 
hin getOtet (Appian, bell. civ. V 49). Borghesi 
Oeuvres II 72f. vermutet, dass er mit L. Clodius 
(Nr. 9) identisch ist, der 711 = 43 auf Seiten 



sendet hat. Fiihrer derselben war P. Porcius 
Optatus Flamma (CLL YIH 7062; die haufige 
Deutung, so Henzen Bull. d. Inst. 1856, 88ff. 
Hofner a. a. 0. 190f. Ceuleneer a. a. 0. 97, 
es handle sich bei dieser Inschrift um Gesandte 
mit Gluckwunschen anlasslich der ErhebuDg Bas- 
sians zum Caesar, ist unrichtig, weil erstens der 
Senat vor der Entscheidung eine spontane Partei- 
nahme sicher unterlassen hat , zweitens Severus 



[Munzer.] 



19) Q. Clodius Calvisius Hotioratus, c(la- 
rissimus) pfuerj, CIL VI 1380. Ein Clodius 
Honoratus, Praefect der Legio III Augusta in 
Africa unter Diocletian, wird CIL VIII 2572 (Lam- 
baesis) genannt. 

20) [Clodius] P. f. [Cap] Ho .... nus, [tri- 
u]nwir capitalis, quaest(or) , [ad cemu]s pro- 
vine. [Pannjoniae, prfaetorj, vermutlich Yetter 
des C. Clodius Adiutor Nr. 15, s. bei diesem. 



vor der Schlacht bei Lyon nicht in Gennanien 60 CIL X 3852 Capua. 



war; von Pannonien war er nach Rom, von da 
iiber die Alpen nach Gallien gegangen). C.s An- 
hanger in den Provinzen blieben zum Teile noch 
unter Waffen (Sev. 12, 5). In Gallien musste 
Marius Maximus (CIL VI 1450. Borghesi Oeuvr. 
V 457) und in Spanien (CLL II 4114) Ti. Clau- 
dius Candidus den Widerstand der Anhanger C.s, 
gefiihrt von L. Novius Eufus (CIL LT 4125. Sev. 



[Groag.] 



21) Clodius Catullus, prfacfectus) vig(ilum) 
im J. 191 n. Chr., CIL VI 414b. [Stein.] 

22) Clodius Celsinus, Adrumetinus et ad- 
finis Albini (des Clodius Albinus Nr. 17), wurde 
angeblich wahrend des Krieges zwischen Severus 
und Albinus (196/197 n. Chr.) vom Senate ausge- 
zeichnet (Hist. Aug. Sev. 11, 3; die Vita Albini 
macht ihn zum Bruder des Albinus [9, 6. 12, 9. 11], 



77 



Clodius 



Clodius 



78 






was natiirlich Eiflndung ist). Als Severus nach 
dem Siege die Familie des Albinus ausrottete (Sev. 
12, 7), wild auch C. sein Ende gefunden haben. 
Allerdings ist auffallend, dass er in dem Ver- 
zeichnis der vornehmen Manner, die damals von 
Severus getOtet wurden (Sev. 13), fehlt, wahrend 
doch des Pescennius Niger Verwandte genannt 
werden. Vielleicht ist die Yernratung gestattet, 
dass er mit dem in dieser Liste erwahnten Clo- 
dius Rufinus (Nr, 53) identisch ist, so dass dieser 
mit vollem Namen Q. Clodius Eufinus Celsinus 
geheissen hatte. Wohl mit Unrecht halt Dessau 
Herm. XXIV 1889, 358f. den Namen des C. ffiT 
erfunden. 

23) Clodius Cels[inus] oder Cels[us], 6 xgd- 
noxog [av&vjiaros?] von Asia im 2. oder 3. Jhdt. 
n. Chr., Meilenstein aus Karien, Bull. hell. XIV 
1890, 615. 

24) Clodius Celsinus, Gemahl der Fabm Fu- 
scimlld,{elarissima..femina), die ihm drei Kinder 
gebar und im Alter von 24 Jahren starb. Ihr 
Gatte setzte ihr die zum Teil metrische Grab- 
schrift CIL VI Add. 31711 = Biicheler Anth. 
Lat. epigr. nr. 1306. [Groag.] 

25) Clodius Celsinus s. Celsinus Bd. Ill 
S. 1881 Nr. 4, 

26) Clodius Celsinus Adelphius s. Bd. I S. 356 

Nr. 1. 

27) Clodius Celsus aus Antiochia, ein treuer 
Freund des Nymphidius Tigellinus ; ari/g e[i<po<ov, 
als welcher er sich envies, indem er diesem von 
seinen ehrgeizigen Planen, freilich vergebens , ab- 
riet, Plut. Galba 13, 3. [Stein.] 

28) C. Clodius Crispinus, Consul ordinarius 
im J. 113 n. Chr. mit L. Publilius Celsus (der 
ganze Name CIL VI 221. XI 3614; irrig Clo- 
dius Crispus XIV 4089, 6 = XV 2157). Die 
Identificierung mit dem von Statius (silv. V 2) be- 
sungenen (Vettius) Crispinus (Teuffel-Schwabe 
R, Litt.-Gesch. 115 £06) ist zum mindesten sehr 
zweifelhaft. 

29) T. Clodius Eprius Marcellus, Consul 1 
suffectus unter Nero, Consul II suffectus im J. 74 
mit Q. Petillius Cerialis Caesius Rufus II, s. 
Eprius. 

30) C. Clodius Fabricius Numisius Victorinus 
(CIL VI 1381) s. Numisius. [Groag.] 

31) L. Clodius Fronto, wird in Rom von der 
Gemeinde der Veliocassen geehrt. CIL VI 1382. 

[Stein.] 

32) Clodius Granianus, Proconsul von Achaia 
im J. 118 r. Chr., Nachfolger des Valerius Se- 
verus, CIG I 1732 = IGS III 61 (Daulis, vom 
24. October 118). Vgl. Nr. 14. [Groag.] 

33) Clodius Hermogenianus Caesarius s. Bd. I 
S. 2204 Nr. 43. 

34) Q. Clodius Hermogenianus Olybrius s. 
Bd. I S. 2203 Nr. 40. 

35) (C.) Clodius Licinus, rdmischcr Historiker, 
uber dessen Person und Werk nur wenig Sicherts 
bekannt ist. Sueton. de giamm. 20 p. 115 Rff. 
erzahlt von Hygin, dieser sei eng befreundet ge- 
wesen mit Ovid und mit Clodius Licinus consu- 
lari, historico, qui turn admodum paupe-rem 
decessit-se tradit et liberalilate sua, quoad vixe- 
rit, sttstentatum. Da Hygin wanrscheinlich ebenso 
wie Ovid in den ersten Jahren des Tiberius ge- 
storben ist, muss dieser Clodius licinus in die 



spatere Zeit des Augustus und in die des Tiberius 
angesetzt werden, und dann kann es wohl nicht 
zweifelhaft sein, dass er mit dem Consul suffectus 
des J. 4 n. Chr., C. Clodius C. f. C. n. Licinus 
(so die Fasti Cap. CIL YI 1263. 1264; C. Clo- 
dius Liein[us] Fast. Arval. CIL I a p. 70, C. 
Clodius Fast. min. ebd. p. 68) identisch ist, 
umsoweniger, als dies der einzige bekannte Con- 
sul des Namens ist und der Name Licinus sonst 
lOiiberhaupt bei keinem anderen Clodius wieder- 
kehrt. Aus demselben Grunde werden wir auch 
bei Liv. XXIX 22, 10, wo ein Historiker Clo- 
dius Licinus in libro tertio rerum Rornanarwm ci- 
tiert wird, den von Sueton erwahnten eonsularis 
Imtoricus des Namens wiederzuerkennen haben. 
Eine Schwierigkeit liegt scheinbar darin, dass Li- 
vius sein 29. Buch sicher schon mehrere Jahrzehnte 
vor der Zeit verfasst hat , in der jener Consular 
geschrieben haben muss. Allein die schon durch 
20 ihre bei Livius ganz ungewohnlich genaue Citie- 
rung auffallende Stelle, in der zudem Scipio ganz 
gegen die Gewohnheit des Livius (vgl. WodTig 
Jahrb. f. Philol. 1881, 197. Holzapfel 62) 
bereits vor 201 Africanus heisst und die einen 
Bericht vorweg giebt, den Livius selbst dann unter 
dem betreffenden Jahre gar nicht kennt, steht in 
einer Anzahl guter Hss. des Livius (vgl. Holz- 
apfel 61) uberhaupt nicht und ist deshalb zweifel- 
los einfach die Randbemerkung eines spateren 
30Lesers, der sich zu dem Namen des bei Livius 
erwahnten Pleminius die auf diesen beziigliche 
Stelle aus Licinus notierte. Ihr Wert wird durch 
diese Feststellung aber in nichts gemindert. Da- 
nach trug das Werk des Clodius Licinus also den 
Titel rerum Rornanarwm libri, und mit vollem 
Rechte hat dann Hertz De hist. Rom. rel. 3f. 
diesem Werke zwei bei Nonius erhaltene Frag- 
mente einer gleichbetitelten Schrift zugewiesen. 
Zwar citiert Nonius das einemal p. 221 Licinius 
40 rerum Bomanarum libro XXI und das andere- 
mal p. 535 Claudius rerum Bomanarum libro 
XII, allein die leichte Anderung m Licinus xm& 
Clodius ist bei deT trbereinstimmung des Titels 
ganz unbedenklich. Aus dem ersten der beiden 
Fragmente lernen wir, dass das Werk zum min- 
desten 21 Bticher umfasstc. Uber seinen Aus- 
gangspunkt herrscht wohl allgemein Einigkeit. 
Da namlich die ins J. 194 fallende Geschichte 
des Pleminius im 3. Buche behandelt war (s. Liv. 
50 a. a. 0.) , wird C. seine Darstellung mit dem 
Ende des 2. pumschen Krieges begonnen haben; 
wie weit er sie dagegen herabgeiuhrt hat, ist 
umstritten. Meist glaubt man wegen der von 
Sueton erwahnten Stelle iiber Hygins Tod an- 
nebmen zu mussen, dass es bis in die spate Zeit 
des Augustus gereicht habe. Allein bei seiner 
grossen Ausfiihrliehkeit , die diei Bflcher fur die 
sieben Jahre 201—194 gebraucht hatte, wurde das 
Werk dann einen ganz riesigen Umfang gehabt • 
60 und notwendig mehr Spuren hinterlassen haben. 
Deshalb haben einzelne die Notiz auf ein anderes, 
neben den libri rerum Bomanarum anzunehmen- 
des Werk des Licinus beziehen wollen. Dies ist je- 
doch gar nicht nCtig. Jene Angabe konnte nam- 
lich meiner Ansicht nach z. B. auch in der Prae- 
fatio oder 3er Widmung des Geschichtswerkes ge- 
standen haben, falls diese etwa an einen gemein- 
samen Freund des Licinus und Hygin gerichtet 



79 



Clodius 



Clodius 



80 



war und ersterer etwa darin erwahnte, dass er von 
Hygin in die historisohen Studien eingefiihrt oder 
zu ihnen angeregt war. Die Wahl des ganz singu- 
laren Titels rerum Romanarum libri , der an 
Hygins de vita rebusque ittustrium virorum libri 
anklingt, wurde dazu gut stimmen. Eine Herab- 
fiihrung des Werkes bis auf die eigene Zeit des 
Yerfassers brauchen wir also nicht anzunehmen, 
aber zu einer Bestimmung seiner Ausdehnung 



C. fur den Senat, als dessen Statthalter in Africa 
er auftrat (er besass auch Karthago, vgl. Muller 
nr. 381. Cohen nr. 10f,; den Proconsul von Africa 
wird C. gewaltsam aus seiner Stellung verdrangt 
haben) ; dass er ernstlich an Wiederherstellung 
der Republik gedacht habe, ist kaum anzunehmen. 
Auf fast alien Miinzen des C. findet sich neben 
dessen Namen der Vermerk sfenatus) cfonsulto); 
auf den beiden, die sein eigenes Bild tragen 



durfte es doch wohl an geniigenden Anhaltspunkten 10 (Muller nr. 380. Cohen nr. 12. 13), bezeichnet 

fehlen. Holzapfel(s. u.) hat zwar in sehr scharf- '' ' " 

sinniger und auf den ersten Blick bestechender 
Weise eine solche Bestimmung zu unternehmen 
versucht. Er bezieht das Fragment aus Buch XII 
quinque pristis auf das J. 168, unter welchem 
Livius XLIV 28 von quinque pristis des Perseus 
spricht. Es ist. zuzugeben, dass nach der Buch- 
zahl das Fragment sich sehr wohl auf das von 
Livius erwahnte Ereignis beziehen kann, um so 



er sich nach republicanischer Art als pro prae- 
(tore) Africae. Neben dem Bilde der personifi- 
cierten Provinz Africa liest man libera oder libe- 
ratrix (Muller nr. 384—387. Cohen nr. 3. 
6 — 8). Der Legio III Augusta gab C. den Bei- 
namen Liberatrix (leg. Ill Lib. Aug. Muller 
nr. 385—392. Cohen nr. 3—7). Er selbst bil- 
dete durch Aushebungen mehrere Cohorten und 
eine neue Legion, die er legio I Liberatrix Ma- 



mehr, als die Ubereinstimmung gerade der Zahl F20 criana nannte (Muller nr. 383f. Cohen nr. 1 



bei dem seltenen Worte pristis sonst sehr auffallig 
ware. Dagegen erscheint mir die Beziehung des 
Fragments aus Buch XXI deligata ad patibulum 
auf den Sclavenkrieg von 133, aus dem Orosius V 9 
Ahnliches erzahlt, ganz unsicher. Denn von einer 
solchen Bestraftmg der Sclaven konnte auch an 
vielen anderon Stellen die Eede gewesen sein. 
Dass tibrigens das Werk des Licinus auf die 
spatere historische Tradition irgend welchen Ein- 
fluss geiibt hat, ist kaum anzunehmen. 

Litteratur: Peter Hist. Rom. frg. p. 271. 
Teuffel-Schwabe E. Litt.-Gesch. § 259, 6. 
Hertz De histor. Rom. rel., Breslau 1871. Holz- 
apfel Rivista di Storia antica 1895, 6 If. 

[Cichorius.] 

36) M. Clodius Lunensis,. Consul (suffectus) 
am 18. September eines unbekannten Jahres kurz 
nach 105 n. Chr. mit P. Licinius Crassus (CIL 
XIV 4057 Fidenae; vgl. D ess aus Anm.) 



2. 8 ; vgl. Tac. hist. II 97 legio cohortesque de- 
lectae a Clodio Maero; nach Momrasen CIL 
VIII p. XX. Fie gel Hist. leg. HI Aug. Diss. 
1882, 16 und Klebs Prosopogr. I 417 nr. 922 
hatte C. nur die legio III Aug. reconstituiert 
und ihr den Namen legio I Lib. Maor. gegeben ; 
Schiller Gesch. d. rom. Kaiserzeit I 367 nimmt 
an, dass C. die legio III Aug. aufgelost und 
durch zwei neue Legionen, die I und III Lib. 
30 Maer., ersetzt habe ; die hier vertretene Meinung 
haben Cantarelli Bull. com. XIV 1886, 117ff. 
Cagnat L'armccRom. d'Afrique 149ff. uudPallu 
de Lessert Fastes des prov. Afr. I 320f. mit 
iiberzeugenden Griinden als die wahrscheinlich 
richtige erwiesen, vgl. Vaglieri bei Ruggiero 
Dizion. epigr. I 816). Auch nach Neros Tode 
(9. Juni 68), als Galba iiberall — auch vom Se- 
nate — als Zaiser anerkannt worden war, beharrte 
C. in seiner bisherigen Haltung; er hatte sich 



37) Clodius Macer und dessen Vater werden 40 durch Grausamkeit und Habgier derart conipro- 



in einem Rescript des Kaisers Hadrian an Vi 
trasius Pollio, Legaten von Gallia Lugdunensis, 
genannt (Modestin. Dig. XXVII 1, 15, 7). Da 
es sich nicht um Senatoren handelt, wird man 
wohl auch kaum an Nachkommen des L. Clodius 
Macer (Nr. 38) denken diirfen. 

38) L. Clodius Macer (der ganze Name findet 
sich auf den Miinzen), Legat des Heeres in Africa 
im J. 68 n, Chr. (als legatus wird C. bezeichnet 



mittiert, dass ihm jeder Riickzug abgeschnitten 
war, wahrend er andererseits doch nicht den ent- 
scheidendenSchrittwagte, sich von seinen Truppen 
zum Kaiser ausrufen zu lassen (vgl. Plut. Galba 
6). Vielleicht dachte er an die Griindung eines 
selbstandigen nationalen Staates in Africa, wie 
ihn Vindex in Gallien geplant hatte (iihnliche 
Tendenzen wurden im folgenden Jahre dem Pro- 
curator der beiden Mauretanien, Lucceius Albinus, 



von Tac. hist. IV 49 und Suet. Galba 11; dass 50 zugeschrieben, vgl. Tac. hist. II 58). Zuin Uber- 
er Legat des Proconsuls gewesen sei, ist ganz un- 
wahrscheinlich ; sein Titel mag, wie der seines 
Naehfolgers C. Calpetanus Rantius Quirinalis Va- 
lerius Festus [s. o. Bd. Ill S. 1363], legatus 
(Augusli) pro praetore exercitus Africae gelautet 
haben). Er commandierte demnach die Legio III 
Augusta und die zu ihr gehfirigen Auriliartruppen. 
Als im Fruhjahr 68 Vindex und Galba sich gegen 
Nero erhoben, fiel auch C. von ihm ah (dass sich 



fluss fand sich noch die unter Nero einflussreiche 
Calvia Crispinilla (s. o. Bd. Ill S. 1413f.) bei 
ihm ein , um ihn zu offensivem Vorgehen gegen 
Galba zu veranlassen (Tac. hist. I 73; ob man 
aus der Reverslegende zweier Miinzen des C. Si- 
cilia [Muller nr. 331. Cohen nr. 10. 11| den 
Schluss Ziehen darf, dass C- in Sicilien festen 
Fuss gefasst habe, schcint zweifelhaft). Auf An- 
stiften derselben Dame versuchte C. durch Zu- 



C. erst nach Neros Tode zu selbstandigem Han- 60 riickhalten der africanischen Kornscbiffe die Haupt 

deln entschlossen habe, wird wohl durch Plut, "' " '" ~" 

Galba 6 widerlegt, ist auch an und fur sich un- 

wahrscheinlich). Ober seine ephemerc Wirksam- 

keit geben hauptsachlich die auf seinen Befehl 

gepragten (Silber-)Miinzen Aufschluss (sie sind 

gesammelt bei L. Muller Numism. de l'anc. 

Afrique II 170f. nr. 380—392. Cohen I« 316ff.). 

Nach dem Zeugnis dieser Miinzen erklarte sich 



stadt auszuhungem (Tac. hist. I 73. Plut. Galba 
13). Wie er sich jedoch in seinem eigeuen Herr- 
schaftsbereich verhasst gemacht hatte (Plut. Galba 
6), so biisste er, wie es scheint, endlich auch die 
Anhanglichkeit seiner Trappen ein (vgl. Tac. hist. 
I 11). Daher konnte es dem Procurator Tre- 
bonius Garutianus, der hiezu von Galba den Be- 
fehl erhalten hatte, wohl ohne grosse Schwierig- 



81 



Clodius 



Clodius 



82 






keit gelingen, dem unhaltbar gewordenen Zustande 
durch Beseitigung des C. ein Ende zu machen 
(Tac. hist, 1. 37. Suet. Galba 11. Plut. Galba 
15; einer der MOrder des C. war der Centurio 
Papiriua, Tac. hist. IV 49). C.s Ende fallt noch 
in das J. 68 vor Galbas Eintreffen in Rom (vgl. 
Tac. hist. I 7. 37. Plut. Galba 15). Die In- 
schrift CIL VIII 8036 (M. Clodius Macer an- 
nforum) XX iugulatus [h(iej] 's(itus) e(stj. Pater 
f>li(o) fecit) gehOrt wohl in spatere Zeit; vgl. 10 
Nr. 37 und 71. Litteratur: Mommsen Herm. 
XIII 1878, 96ff. Cagnat 30ff. Pallu deLessert 
318ff. Herzog St.-Verf. II 239, 2. Klebs a. 
a. O. 

39) Q. Clodius Marcellinus , im J. 169 oder 
204 n. Chr. in ein unbekanntes Priestercolleg 
hOheren Ranges aufgenommen (CIL VI 2003 , vgl. 
32320). Der zweite Zeitansatz ware gesichert, 
wenn C. mit dem in den Acta ludorum saecu- 
larium des J. 204 genannten Clodius Mar ... 20 
(Ephem. epigr. VIII p. 291 = CIL VI Add. 32334) 
identisch ware. C.s Nachfolger wurde entweder 
im J. 204 oder 212 cooptiert. [Groag.] 

40) '(Clodius?) Maximus, Vater des Kaisers M. 
Clodius Pupienus Maximus (Nr. 50; vgl. nament- 
lich S. 89), Schmied oder Wagenbauer, vermahlt mit 
Prima (nach einer ansprechenden Conjectur Peters 
■/.. St. mit Pinaria in erster Ehe). Er hatte ausser 
dem Sohn, der Kaiser wurde, noch vier Sonne 
und Vier Tflchter, die samtlich in der friihesten30 
Jugend starben, Hist. Aug. Max. et Balb. 5, 1. 2. 

[Stein.] 

41) C. Clodius G. f. Maeefia) Nummus, tri- 
bfunus) legfionisj XIII GemfinaeJ, Xvir stlfiti- 
bus) iudficari'Ms), [qufaestorj] provineiae Asiae, 
Vater (wahrscheinlich durch Adoption) des Fol- 
genden. CIL III 429, vgl. Athen. Mitt. VI 1881, 
140 Ephesus, von seinem Sohne gesetzte Inschrift. 

42) L. Stertinius C. f. Maeefia) Quinfti- 
lianus] Aoilius Strabo C. Guriatfius Majternus 40 
Clodius Nummus (lo lautet der Name CIL X 
1486 Neapel(?); in der Inschrift CIL III 429 
nennt er sich [Stejrtinius Quintilianus [Cu- 
r]iatius Maternus [Clo]dius Nummus Aeilius 
Sfrabo), Sohn des Vorausgehenden und zwar wahr- 
scheinlich Adoptivsohn, da sein Vater, als ihm 

C. die Inschrift III 429 in Ephesus setzte, erst 
Quaestor von Asia, also wohl noch sehr jung war. 
Vermutlich Mess C. vor der Adoption L. Ster- 
tinius Quintilianus Aeilius Strabo (C. Curia- 50 
tins Maternus) und war vielleicht der leibliche 
Bruder des L. Stertinius Quintilianus Aeilius Strabo 
Q. Cornelius Rusticus Apronius Senecio Proculus, 
der wiederum von einem Cornelier adoptiert wor- 
den sein durfte. Seine Zeit wiirde sich dann auf 
die Mitte des 2. Jhdts. n. Chr. bestimmen lassen 
(s. u. Cornelius Proculus). Von seinen Namen 
gehen Aeilius Strabo auf L. Aeilius Strabo unter 
Claudius zuriick (s. o. Bd. I S. 259 Nr. 57. Klebs 
Prosopogr. I 9 nr. 67 : vgl. Bull. arch, du comite" 60 
des tr. hist. 1896, 276 L. Aeilius Strabo Gellius 
Nummus), Curiatius Maternus auf den durch den 
Dialogus de oratoribus bekannten Redner und 
Dichter. [Groag.] 

43) Sex. Clodius Phormio, Zeuge im Process 
des Caecina 6S5 = 69 (Cic. Caec-27 ; vgl. Quintil. 
VI 3, 56). [Miinzer.] 

4t) Clodius Pollio, praetorius vir, gegen wel- 



chen Kaiser Nero ein satirisches Gedicht mit dem 
Titel Luseio schrieb. C. stand auch mit dem 
jungen T. Flavius Domitianus, dem spateren Kaiser 
(geboren 51 n. Chr.), in Verbindung. Suet. Dom. 1. 

45) Clodius Pompeianus, vnaxixog em fmv 
va&v {consularis aedium sacrarum) im J. 244 
n. Chr. (4. Juni), IGI 1045 Rom. Wohl der nam- 
liche ist der IGI 993 genaimte KXmScoe . . . vna- 
rtKoe tcov Ieqcov va&[v], vgl. Mommsens Be- 
merkung zu dieser allerdings erst im J. 280 ge- 
setzten Inschrift. Da es sich um griechische In- 
schriften handelt, wird man um so eher vermuten 
diirfen, dass der richtige Name des Mannes Clau- 
dius lautete, dass Pompeianus demnach der im 
2. und 3. Jhdt. nach Chr. bliihendcn Familie der 
Claudii Pompeiani angehOrte, s. o. Bd. HI S. 2843 
Nr. 281. ' _ [Groag.] 

46) M. Clodius Postumus, Epistrateg der The- 
bais im J. 1 n. Chr., CIG III 4715 (Tentyris). 

[Stein.] 

47) P. Clodius Proculus, Fabrikant arretinischer 
Reliefvasen. G amurrini Att. de Lincei 1890, 35. 
Dragendorff Terra sigillata 28. [C.Robert.] 

48) P. Clodius Pulcher, Bruder der Claudier 
Nr. 297 und 303, der beriichtigte Volkstribun aus 
der Zeit des ersten Triumvirats. "Ober die Form 
seines Namens vgl. im Gegensatz zuDrumann 
II 200 Lindsay D. lat, Sprache (Leipzig 1897) 
46: .Ciceros Nebenbuhler C. war der erste der 
gens, der, jedenfalls um dadurch den Pobel zu 
gewinnen, den Namen Claudius in die plebeische 
Fonn Clodius abaiiderte'. 

Sein Kriegsdienst im Osten. Eine ungeziigelte 
Neigung zu aufreizendem Thun verriet er schon 
in jungen Jahren, als er gleich seinem Bruder 
Appius im dritten mithridatischen Kriege unter 
Lucullus diente. Da er in diesem Kriege die 
Auszeichnung, die er als Schwager des Lucullus 
beanspruchte, nicht fand, so scheute er sich nicht, 
durch hetzerische Reden das Heer gegen Lucullus 
in Aufruhr zu bringen (Plut. Luc. 34. Dio XXXVI 
14. Cic. de har. resp. 42). Er begab sich sofort 
zu dem vom Senat gegen Lucullus aufgestellten 
Statthalter von Kilikien, Q. Marcius Rex, der 
ebenfalls sein Schwager war, und wurde von ihm 
mit der Fiihrung der Flottc betraut; zwar nahmen 
ihn die Seerauber gefangen, doch entliessen sie 
ihn wieder aus Furcht vor Pompeius (Dio XXXVI 
17. XXXVIII 30. Appian. bell. civ. II 23. Strab. 
XIV 684, vgl. Cic a. O.). Hierauf begab er sich 
nach Antiochien, um mit den Syrern gegen die 
Araber zu feehten; aber auch hier fing er Un- 
ruhen an und hatte beinahe sein Leben verloren 
(Dio a. O. 19). 

Sein erstes Auftreten in Rom. Nach der Haupt- 
stadt zuriickgekehrt, begann er nach rSmischer 
Sitte seine offentliche Laufbahn mit einer An- 
klage, indem er Catilina wegen Erpressung vor 
Gericbt zog; die Anklage war aber derart, dass 
Catilina freigesprochen wurde fCic. a. O. und in 
Pis. 23. Ascon. p. 8, 24. 58, 18ff. 76, 8._ 78, 7ff.: 
ita quidem iudicio est absolutus Catilina, ut 
Clodius infamis fuerit praevaricatus esse). Im 
folgenden Jahre (690 = 64) ging er mit dem Pro- 
praetor L. Murena in das transalpinische Gallien 
und suchte sich dort durch Erpressungen zu be- 
reichern. Auch nach seiner Riickkehr trieb ihn 
seine Gewinnsucht zur Unterschlagung ihm an- 



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Clodius 



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Clodius 



Clodius 



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vertrauter Gelder, wie ihm Cicero vorwirft (a. 

0.). 

Sein Verhaltnis zur catilinarischen VerschwG- 
rung. Nach einer Angabe deg Asconius bestand 
der Verdacht, er habe an der catilinarisclien Ver- 
schwSrung teilgenommen (p. 44, 20 — zu Milon. 
55 - — , wo er sich noch auf andere Stellen Ciceros 
"beraft, vgl. de har. resp. 5; pro Mil. 37), glaub- 
wiirdiger aber ist die Nachricht Plutarchs (Cic. 



Pint. Cat. 83. Dio XXXVII 51. XXXVIII 12 u. a. St., 
dazu Moromscn K. P. I 124. 397). 

Tribunus plelns im J. 696 — 58. Das bald 
danach auftauchende Geriicht, er solle eine Ge- 
sandtschaft an den Konig Tigranes iibernehmen, 
bestatigte sich ebensowenig, wie Ciceros Hoffnung, 
er werde mit den Triumvirn zerfallen, in Erftil- 
lung ging (ad Att. II 7, 2. 3. 12, 1); unter dem 
Einfluss der Triumvini wurde C. wirklich zum 



29), er sei damals noch Ciceros Preund gewesen 10 Volkstribunen gewahlt (Dio XXXVIII 12. Pint. 



und habe zu denen gehort, die ihn mit ihren 
Waffen geschiitzt hatten. 

Sein Vergehen gegen die Bona Dca. Erst 
sein Frevel gegen die Gute Gettin flihrte eine 
vollige Scheidung zwischen ihm nnd Cicero herbei. 
Im December des J. 692 = 62, als er bereits zum 
Quaestor fiir das folgende Jahr ernannt war (Cic. 
de har. resp. 43), schlich er sich zu der Fest- 
feier im Hause des Caesar in weiblicher Kleidung 



Cat. 33; Caes. 14; Cic. 30. Appian. bell. civ. II 14. 
Veil. Pat. II 45). 

Seine revolutionare Gesetzgebung. Ehe er 
als Caesars Handlanger den grossen Schlag gegen 
Cicero und Cato that, suchte er durch eine Peine 
von Gesetzen das Volk auf seine Seite zu bringen, 
um sich so die Durchfuhrang seiner Absichten zu 
sichern (Dio XXXVIII 13. 14. Ascon. p. 7, 22ff.). 

1) Das erste Gesetz verordnete unentgeltliche 



ein, um sich Caesars Gemablin Pompeia zu nahern 20 Getreideausteilung an das Yolk (Ascon. a. 0. Dio 



(Cic. ad Att. I 12, 3; in Clod, et Cur. c. 5 und 
dazu Schol. Bob. p. 336 Orelli; de har. resp. 37. 
44; pro Mil. 72; Paradox. IV 2 u. a. St. Plut. 
Caes. 10; Cic. 28. App. Sic. 7. Dio XXXVII 45). 
Wegen dieses Prevels wurde er im folgenden Jahre 
(693 = 61) auf Grund eines Senatsbeschlusses an- 
geklagt, aber von Bichtern, die fiir Geld und 
zweifelhafte Gunstbezeugungen erkauft waren, frei- 
gesprochen (Cic. ad Att. I 13. 14. 16. 18, 3; ad 
fam. I 9, 15; in Pis. 95; pro Mil. 86. Liv. per. CIII. 30 
Dio XXXVII 46. Plat, Caes. 10: Ci<\ 29. Val. 
Max. IX 1, 7. Senec. ep. 97). 

Seine Verfeindung mit Cicero. Cicero, von 
C. durch eine spottische Bemerkung gereizt, hatte 
ihn und seine Preunde schon vor der ErCfftrang 
des Processes angegriffen (ad Att. I 16, 1); in 
dem Processe selbst hatte er gegen ihn gezeugt 
(ad Att. I 16, 2. 4 und dazu Schol. Bob. p. 330. 
Plut. Cic. 29. Val. Mas. VIII 5, 5), und nachdem 



XXXVIII 13. Cic. pro Sest. 55 und dazu Schol. 
Bob. p. 300). 

2) Das zweite verbot mit der Aufhebung der 
Lex Aelia Fufia die Befragung von Auspicien an 
Comitialtagen und liinderte damit den Aufschub 
einer Beratung oder die Einsprache gegen ein 
Gesetz (nicht gegen eine Wahl), vgl. Cic. post 
red. in sen. 11; pro Sest, 56; Phil. II 81; ad Att. 
IV 16, 5. Dio a, 0.). 

3) Das dritte stellte die im J. 690 = 64 auf- 
gehobenen Strassenelubs (cnUegia oompitalicia) 
wieder her und beseitigte die Schranken, die man 
damals zvveeks Verhutung von Wiihlereien der 
Bildung politischer Verbande gezogen hatte (pro 
Sest. 33. 55; post red. in sen. 33. Dio a. 0. Plut. 
Cic. 30). 

4) Das vierte und letzte verbot den Censoren, 
jemand aus seinem Stande zu stossen und zu ent- 
ehren, wenn er nicht bei ihnen formlich ange- 



ihn die Bichter freigesprochen hatten, trat er mit40klagt und von beiden fiir schuldig befunden ware 



alien Waffen der Beredsamkeit geriistet im Senat 
gegen ihn auf (ad Att. 1 16, 8ff. ; or. in Clod, et 
Cur.), tjber den Verlauf des ganzen Handels be- 
richtet in hflchst anziehender Weise der schon 
mehrfach genannte beriihmte Brief Ciceros an 
Atticus I 16. 

Quaestor im J. 693 = 61. Die Polge dieser 
Auseinandersetzung war eine totliche Peindschaft 
zwischen beiden. Ftirs erste begab sich C. zwar 



als Quaestor nach Sicilien (in Clod, et Cur. c. 50 und Cato. 



(Cic. u. Ascon. a. 0. pro Sest. 55. Dio a. 0. und 
XL 57). 

Die Consuln des Jahres, Gabinius und Piso, 
gewann C. durch einen Vertrag, wonach sie die 
ihnen genehmen Provinzen durch ihn erhalten 
sollten (pro Sest. 24). Erst nach dieser vorbe- 
reitenden Thatigkeit schritt er auf seine eigent- 
liche Aufgabe los, die Entfernung der beiden 
Manner, die Caesar unbequem waren. des Cicero 



■ 3, 2) und erklarte dort, er werde sich nach dies-em 
Amt um die Aedilitat bewerben (ad Att. II 1, 5); 
nach seiner Eiickkehr aber gestand er offen seine 
Absicht, Volkstribun zu werden (ad Att. a. 0.). 
So sehr Cicero gefahrdet war, wenn die Absicht 
seines Feindes in Erfullung ging, so horte er 
doch nicht auf, ihn durch spOttische Bemerkungen 
zu reizen (ad Att. II 1, 5. 6), bis endlich die 
Unfiigsamkeit , die er den Triumvirn gegeniiber 
bewies, sein Verderben entschied. 

Sein tfbertritt in den Biirgerstand. Im J. 695 
= 59, an eben dem Tage, an dem Cicero um 
12 Uhr mittags in einer Bede den Zustand der 
Kepublik beklagt hatte , . beantragte Caesar um 
3 "Uhr nachmittags ein Curiatgesetz , durch das 
C. von einem Plebeier an Kindesstatt angenom- 
men wurde (Cic. pro domo 77; pro Sest. 16; ad 
Att. II 12, 1. VIII 3, 3. Suet. Caes. 20; Tib. 2. 



1) Gegen Cicero liess er in Ansehung seines 
Verfahrens gegen die Genossen des Catilinafolgen- 
des Gesetz ergehen: Vfer einen lomischen Burger 
ohne Urteil und Eecht getotet babe, der solle vcr- 
bannt werden (Veil. Pat. LT 45. Dio XXXVIII 14. 
Plut. Cic. 30. Liv. CIII. App. II 15). Cicero war 
in dem Antrag nicht mit Namen genannt, aber 
es war niemandem zweifelhalt, dass der Antrag 
gegen ihn geiichtet war. Er legte Trauerkleidung 
60 an und wandte sich hiilfesuchend an das Volk, 
aber wo er erschien, hshnte und misshandelte ihn 
C. mit seiner Bande (Plut. a, 0. Appian. II 15). 
Tausende legten mit Cicero Trauerkleidung an, 
und der Senat selbst beschloss, das Trauergewand 
anzulegen ; aber die Consuln untersagten die Aus- 
fuhrung des Beschlusses und sahen es ruhig mit 
an, wie C. gegen Ciceros Preunde Waffengewalt 
gebrauchte (Plut. Cic 31. Cic. post red. ad Qnir. 



13; pro domo 54; pro Sest. 25—29. 32—33; pro 
Mil. 37). Um seinem Thun einen gesetzlichen 
Schein zu geben, berief C. eine Volksversammlung 
und fragte darin Caesar nach seiner Meinung iiber 
das Gesetz; sie fiel so aus, wie man es erwarten 
musste (Dio XXXVIII 17). Als Cicero, von alien 
verlassen, dem Kate seiner Preunde folgend aus 
der Stadt entwichen war, setzte C. noch an dem- 
selben Tage in den Tribus die Annahme eines 



de har. resp. 27; pro Sest. 56. 64 — 66; pro Mil. 
87). Im allgemeinen lernen wir sein Treiben als 
Tribun aus folgenden Schriften Ciceros kennen: 
den Reden post red., pro domo, de har. resp., pro 
Sest., in Pis., pro Mil. und seinen Briefen. 

Seine Angriffe auf Pompeius. In seiner Dreistig- 
keit ging er soweit, dass er sogar den Triumvir 
Pompeius beleidigte, indem er dem jungen Ti- 
granes vor Armenien, den Pompeius als Gefangenen 



Gesetzes durch, wonach ihm Erde und Wasser 1 nach Eom gebracht hatte, zur Plucht verhalf (ad 



untersagt sein sollte, weil er auf Grund eines 
untergeschobenen Senatsbeschlusses rBmische Bur- 
ger gesetzwidrig getotet habe ; die gleiche Strafe 
sollte den treffen, der ihn aufnehmen wiirde (Cic. 
pro Sest. 53; pro domo 43. 47. 50. 51. 85, vgl. 
Dio XXXVIII 17; post red. in sen, 4; ad Att. 
Ill 15, 6). Das Gesetz wurde indessen dahin ge- 
mildert, dass die Verbannung auf 400 Meilen be- 
schrankt wurde (ad Att. Ill 4, vgl. Dio XXXVIII 



Att. Ill 8, 3). In kurzem trat er offen als Peind 
des Pompeius auf. Der Consul Gabinius, der auf 
die Seite des Pompeius trat, wurde bei einem 
Auflauf verwundet , und Pompeius selbst durch 
andauernde Belastigungen endlich genotigt, sich 
von Porum und Curie zuriickzuziehen und die 
ganze Zeit, da C. noch im Amt war, in sein Haus 
einzuschliessen (post red. in sen. 4; post red. ad 
Quir. 14; pro domo 64—67; de har. resp. 48—49; 



17. Plut. Cic. 32). An eben dem Tage und in 20 pro Sest. 69; in Pis. 27—28, vgl. pro domo 122 



eben der Stunde , in der Ciceros Verderben be- 
schlossen wurde , erhielten die Consuln Gabinius 
und Piso die Provinzen Syrien und Makedonien 
mit ausserordentlicher Vollmacht (pro Sest. 53, 
vgl. 55; ad Att. Ill 1; de prov. eons. 3, 7; pro 
domo 23. 24. 55. 61. Plut. Cic. 30). 

2) Nach Cicero wurde auch Cato aus Kom 
entfernt und zwar unter ehrenvollem Scheine ; er 
erhielt durch einen Antrag des C. den Auftrag, 



—126; pro Mil. 18ff. 37 und dazu Ascon. p. 41, 
24ff. Dio XXXVIII 30. Plut. Cic. 33; Pomp. 
48. 49). Ja selbst gegen Caesar erhob sich C. 
gegen Ende seines Tribunats, indem er die 
Giiltigkeit seiner Gesetze bestritt (pro domo 39 
-41). 

Der Streit um Ciceros Zuriickberufung. Diese 
herausfordernde Haltung des C. hatte dann frei- 
lich die Eiickwirkung, dass die Machthaber Cicero 



das Konigreich Cypern einzuziehen , den Kron-30 zuriickzukehren erlaubten (Dio XXXVILT 30). Im 
' - " _ " " " '" folgenden Jahre (697 = 57), als das Amt des C. 

abgelaufen war, wagte es der Tribun Q. Fabricius, 
nachdem die ersten Verhandlungen ergebnislos ver- 
laufen waren, am 25. Januar Ciceros Zuriickberufung 
beim Volke zu beantragen, aber C, der sich jetzt 
nur noch ungehinderter bewegte, stOrte ihn durch 
Anwendung von Waffengewalt. Uber die Gladia- 
torenbande, die er dazu gebrauchte, vgl. o. Bd. I 
S. 2271. Bald darauf uberflel er den Tribunen 



schatz nach Eom zu bringen , und die byzanti 
nischen Verbannten zuruckzufuhen (Cic. pro domo 
65. 52. 53; pro Sest. 56—57. 60—63. Veil. II 
45. Liv. CIV. Plut. Cat. 34. Dio XXXVIII 30, 
in den beiden letzten Stellen ist die Angabe iiber 
die Zeit nach Cicero zu berichtigen). 

Seine Schreckensherrschaft in der Hauptstadt. 
Unmittelbar nach der Vertreibung Ciceros hatte 
C. dessen Haus auf dem Palatin in Brand gc 



steckt, seine Landhauser in der Nahe der Stadt 40 P. Sestius, als dieser den Consul Metellus Nepos 



zerstort und den Eaub den Consuln iiberliefert 
(Cic. pro domo 59—64. 142—143; pro Sest. 54; 
post red. in sen. 18; in Pis. 26; pro Mil. 87; 
ad Att. IV 2, 5. 7. Plut. Cic. 33. Appian. II 15. 
Dio XXXVIII 17). Den Platz, auf dem das Haus 
gestanden hatte, hot er sofort zum Verkauf aus, 
und da sich kein Kaufer fand, so liess er es fiir 
sich selbst durch einen Dritten kaufen (Cic. pro 
domo 116, vgl. 108. Plut. 33). Kurz zuvor hatte 



bei einer Verhandlung unterbrach, und misshandelte 
ihn so, dass er kaum mit dem Leben davonkam 
(pro Sest. 79ff.; post red. in sen. 7. 30; pro Mil. 
38). Einen andern Tribunen desselben Jahres, 
T. Annius Milo, der das Beste fiir Ciceros Zuriick- 
berufung that, belagerte er in seinem Hause und 
bedrohte ihn, wo er offentlich erschien (pro Sest. 
85. 88. 90; pro Mil, 38). Er verbrannte den 
Tempel der Nymphen, in dem die censorischen TJr- 



er das Haus des Q. Seius Postumus auf dem 50 kunden aufbewahrt waren (pro Sest. 84; pro Mil. 



Palatin, nachdem er den Besitzer, der den Ver- 
kauf verweigerte, durch Gift aus dem "Wege ge- 
riiumt, in der Absicht an sich gebracht, es mit 
einem andern Hause, das er von friiher her besass, 
zu einer grossartigen Wohnung zu vereinigen. 
Daneben sollte sich eine Halle von entsprechender 
Pracht und GrOsse erheben. Daher zersterte er 
die Halle des Q. Catulus, die daneben stand, 
erbaute eine andere mit der Inschrift seines Na- 



73; p. red. ad Quir. 14; de har. resp. 27. 57; 
pTO Coel. 78); er stOrte ferner die apollinarischen 
Spiele des Praetors L. Caecilius und belagerte 
diesen in seinem Hause (pro Mil. 38 und dazu 
Ascon. p. 43, 3ff.). Preilich konnte C. auf die 
Dauer Ciceros Zuriickberufung nicht hintertreiben, 
da Milo im Interesse der Senatspartei selber eine 
Bande gegen ihn aufstellte (Bd. I S. 2271), doch 
nach seiner Eiickkehr setzte er ihm wenigstens 



mens, und vereinigte mit ihr einen Teil von Ci- 60 auf jede Weise zu (ad Att. IV 3 ; pro Sest. 
ceros Hause, den er durch einen Oberpriester der 88) 
Gottin der Preiheit weihen liess, deren Bild darin 



aufgestellt wurde (pro domo 51. 100 — 116. 137; 
de har. resp. 30. 33; ad Att. VI 2, 3. 5; de leg. 
II 42. Plut. 33. Dio XXXIX 11). Er schien 
sich als den Herren Boms zu fiihlen und be- 
gegnete jedem, der ihm entgegentrat , mit un- 
ertraglicher Gewaltthatigkeit (pro domo 81. 129; 



Weitere Strassenkampfe. Die damals herr- 
schende Teucrung gab er Cicero Schuld, um Auf- 
ruhr zu errcgen (pro domo 3. 7), und als Cicero, 
um die Not_zu lindern, den Eat gab, dem Pom- 
peius die Oberaufsicht iiber die Zufuhr mit ausser- 
ordentlicher Vollmacht zu iibertragen, beschul- 
digte er ihn, er habe den Staat verraten (pro 



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Clodius 



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domo 2). Cicero erhielt durch Senatsbeschluss 
den Platz seines Hauses zurtick, die Halle des C. 
wurde niedergerissen ; als aber Cicero seinen Neu- 
bau begarni, vertrieb er die Arbeiter und steckte 
von dem Bauplatz aus das Haus des Q. Cicero in 
Brand (ad Att. IV 3, 2). Wenige Tage spater 
iiberfiel er Cicero auf offener Strasse, den Tag 
darauf bestilnnte er das Hans des Milo auf dem 
Germalus, wurde aber zuriickgeschlagen (ad Att. 
IV 3, 3). 

Aedilis curulis im J. 698 = 56. Als C. sich 
fiir das folgende Jahr (698 = 56) um das Aedilen- 
amt bewarb, suchte ihn Milo durch einen Process 
zu vernichten; aber C. wurde gewahlt und zog 
nun den Milo selbst vor Gerictat. Als in dem 
zweiten Termin, am 7. Pebruar, Pompeius auftrat, 
um Milo zu verteidigen, griff er ihn in seiner 
rohen Weise an, wurde aber schliesslich zur Flucht 
gezwungen (eine genaue Darstellung der Geschichte 



spielt hatte; er dachte daran, den Freigelassenen 
gleiche politische Eechte mit den Freigeborenen 
zu geben (pro Mil. 87, dazu Ascon. p. 46, 20; 
vgl. Mommsen E. G. Ill 308; St.-E. Ill 440, 2). 
Aber das J. 702 = 52 begann, ohne dass Consuln 
und Praetoren gewahlt worden wilren; der Streit 
um die Wahlen war also nocli nicht. beendet, da 
wurde C. eines Tages auf der Landstrasso in einer 
plotzlich ausbrechenden Priigelei zwischen den 
10 beiden Banden erst verwundet und dann auf Milos 
ausdrucklichen Befehl getotet. Das Genauere 
ilber seine Ermordung sowie iiber seine Bestattung 
s. Bd. I S. 2273—74. C. war zweimal verheiratet, 
mit Pinaria und Fulvia (s. d.). [FrOhlich.] 

49) P. Clodius Pulcher, Sohn des P. Clodius 
Nr. 48 und der Fulvia, war "beim Tode seines Vaters 
noch ein Kind and wurde durch einen treuen 
Sclaven vor den Nachstellungen Milos gerettet 
(Ascon. Milon. p. 30). Sein Stiefvater M. An- 



seiner Wahl und des Processes gegen Milo s. Bd. I20tonius bezcichncte ihn im J. 710 = 44 als einen 



S. 2272). Im Anfange des April gab er als Aedil 

die megalesischen Spiele; er entweihte sie dadurch, 

dass er eine zahllose Menge von Sclaven zuliess, so 

dass ihnen die Freien weichen mussten (de har. 

resp. 22—26). Bald darauf wurde auf Veran- 

lassung des Senats von den Haruspices ein Gut- 

achten iiber gewisse Wahrzeichen abgegeben, die 

in diesem Jahre vorgefallen waren. Die Erklii- 

rung der Haruspices , heilige Platze seien ent- 

weiht worden, bezog C. auf das Haus Ciceros; 30 augur (CIL VI 1282 

dieser verteidigte sich in der Rede de haruspicum lectae I 882). 

responsis, vgl. Dio XXXIX 20. Als C. auf Ciceros 

Haus einen neuen Angriff unternahm, trat ihm 

Milo erfolgreich entgegen (Dio a. O.). Mit des 

letztgenannten Hiilfe versuchte nun Cicero die 

Gesetzestafeln des C. vom Capitol hinwegzuneh- 

men; der erste Versuch misslang zwar, spater 

aber, wahrend der Abwesenheit des C. , erreichte 

er seine Absicht (Dio XXXIX 21). Nach Plutarch 



hofi'nungsvollen Knaben (bei Cic. ad Att. XIV 
13 A, 2f., vgl. 13 B, 4f.), doch ergab er sich nach 
Val. Max. Ill 5, 3 der argsten SchwelgeTei und 
Ausschweifung, so dass ihm seine Unmassigkeit 
schliesslich den Tod brachte. Auf einer in Paris 
beflndlichen agyptischen Alabastervase ist sein 
Name als der des Besitzers und seine Amterlauf- 
bahn verzeichnet : P. Claudius P. f. Ap. n. Ap. 
pron. Puleher qfuaestor) , quaesitor, prfaetor), 
Dessau Inscr. Lat. se- 
[Munzer.l 

50) M. Clodius Pupien(i)us Maximus, ronli- 
scher Kaiser im J. 238 n. Chr., zugleich mit D. 
Caelius Calvinus Balbinus. 

I. Quellen. a) Fiir die schriftstellerischen 
Quellen gilt das, was daruber bei Balbinus (Cae- 
lius Nr. 20 Bd. Ill S. 1258) gesagt wurde. Im 
folgenden sind die Vitae in der Historia Augusta, 
die hier citiert werden, die des Maximin, der Gor- 



(Cic. 34; Cato 40) nahm Cicero die Tafeln schon 40 diane und des Maximus und Balbinus, samtlich von 



friiher fort, bald nach seiner Biickkehr aus der 
Verbannung. 

Sein Verhalten nach den Verabredungen von 
Lucca (698 = 56). Als Cicero die Eede iiber die 
Ausspriiche der Haruspices hielt, hatte sich C. 
dem L J ompeius bereits wieder gefugt (de har. resp. 
5 If.); dafur hatte Caesar in den Verabredungen 
von Lucca gesorgt. Er unterstutzte den Pompeius, 
als dieser sich mit Crassus um das Consulat be 



Capitolinus — ein Autorname, den anzuzweifeln wir 
keinen Grund haben — mit den Abkiirzungen Max. 
Gord. und Balb. bezeichnet. Was von der Glaub- 
wiirdigkeit der einzelnen AutoTen zu halten ist, da- 
von ist bei den entsprechenden Gelegenheiten die 
Eede. Betont muss werden, dass Herodian trotz 
seiner bisweilen verdachtigen Breitspurigkeit und 
trotz vielfach nachgewiesener Mangel und Irrtiimer 
fiir den richtigen Zusammenhang der Ereignisse 



warb, und hatte bei dieser Gelegenheit beinahe 50 verlasslicher und weit weniger entbehrlich ist als 



sein Leben verloren (Dio XXXIX 29). Ihn leitete 
die Hoffnung, durch Pompeius und Crassus, wenn 
sie Con suln ge worden seien, eine eintragliche ausser- 
ordentliche Gesandtschaft zu erhalten (Cic. ad Q. 
fr. n 9, 2) ; indessen wird eine solche nicht weiter 
erwahnt, und wie es scheint, blieb C. in Bom. 
In den nachsten Jahren verhielt er sich ruhig; 
wir erfahren nur, dass er im J. 700 = 54 als An- 
klager des gewesenen Tribunen Procilius. sowie 



der Biograph, der iibrigens zum grossen Teil He- 
rodian selbst beniitzt hat ; vgl. namentlich Balb. 
15, 3. Herodian ist ausgeschrieben von Ioannes 
Antiochenus (Mendelssohns Ausgabe des Hero- 
dian p. 249 — 251), excerpiert von Photios bibl. 99. 
Dexippus wird von Capitolinus, aber nicht von 
Zosimus als Quelle beniitzt (vgl. Mendelssohn 
a. a. O. p. XXXIIIff. ; dagegen Klebs Prosopogr. 
imp. Eom. I 418 nr. 929); bei diesem und noch 



als Verteidiger des M. Aemilius Scaurus (unter 60 mehr bei Zonaras ist die Erzahlung so unheilbar 



anderen zugleich mit Cicero) auftrat (ad Att. IV 
15, 4. Ascon. p. 18, 9. 10). Fur Cicero freilich 
war er nach wie vor das bestandige Schreckbild 
(ad Q. fr. II 15 b 2. Ill 1, 11. 4, 2). 

Candidat fiir die Praetur des J. 702 = 52. 
Erst im J. 701 = 53, als er sich selbst um die 
Praetur und sein Feind Milo um das Consulat 
bewarb, erneuerte er die Eolle, die er friiher ge- 



verwirrt, dass sie so gut wie gar nicht zu ge- 
brauchen sind. VgL H. Peter Die Scriptores 
Historiae Augiistae (Leipz. 1892) 49—76. b) Voll- 
stiindig erlialtene Inschriften mit dem Naraen des 
C. sind bis jetzt nur in Africa gefunden worden, 
CIL VIII 10342. 10343. 10365. Ephem. epigr. 
VII 660. 673. Eine Papyrusurkunde ist auch 
von dieser kurzen Eegierunsr erhalten, Mitt, aus 






der Sammlung des Pap. Erzh. Bainer II/III 23 
= Fiihrer durch die Ausstellung, Wien 1894, 79 
nr. 265. Miinzen bei Eckhel IV 88. VII 305 
—307. Cohen V* p. 13—19 (im folgenden nach 
den Nummern citiert). Mionnet III 173. 545f. 
642f. VI 407f.; Suppl. II 434. VI 280. VII 278f. 
611. Poole Catalogue of Greek coins in the 
British museum. Alexandria. London 1892, 237f. 
Vgl. O. Voetter Numism. Ztschr. XXV 385-394. 
Kubitschek Kundschau iiber ein Quinquennium 
der antiken Numismatik, Wien 1896, 76 — 78. 
Die Biisten des Kaisers besprochen von Bernoulli 
BOm. Ikonographie II 3, 124—127. 

II. Pupienus als Privatmann. C. war nach 
der Angabe des Capitolinus der Sohn eines ein- 
fachen Schmicdes oder Wagners, der gleichfalls 
das Cognomen Maximus fiihrte und mit Prima 
vermahlt war (Balb. 5, 1. 2; oder vielmehr in 
erster Ehe Pinaria geheiratet hatte? vgl. 5, 5 
und Peter z. St.). Dementsprechend wird auch 
seine niedrige Abstammung hervorgehoben, Max. 
20, 1 ; Balb. 14, 1. 16, 2; vgl. 2, 7. Das Gleiche 
behauptet Eutrop. IX 2, 1, aber irrtumlich auch 
von C.s Mitkaiser Balbinus. Im Gegensatz dazu 
erwahnt Herodian wiederholt, dass C. von vor- 
nehmer Geburt, ja Patricier gewesen sei (VIII 
7, 4 in einer Eede des Kaisers; 8, 1. 4. 8); diese 
Nachricht scheint dadurch ihre Bestatigung zu 
finden, dass wir auch in dem Cursus honorum 
des T. Clodius Pupienus Pulcher M[aximus] 
(CIL XIV 3593 = Dessau 1185), der fast mit 
tjewissheit als der Sohn des spateren Kaisera 
gelten kann (vgl. Borghesi Oeuvres VIII 40f.), 
den eines Patriciers erkennen (vgl. E. Groag 
Arch.-epigr. Mitt. XIX 145f.). Aber die beiden 
widersprechenden Uberlieferungen lassen sich ver- 
einigen, wenn man annimnit, dass C. so wie viele 
andere von Septimius Severus unter die Patricier 
adlegiert wurde; dazu passt dann auch ganz gut, 
dass Herod. VIII 8, 4 zwar beide Kaiser als Pa- 
tricier bezeichnet, aber doch so, dass sich Bal- 
binus als der Vornehmere fdhlt, und vor allem, 
dass Balb. 5, 11 von der nova familia des C. 
die Eede ist. Vielleicht erklart sich auch so das 
zweite Gentile des Kaisers, Pupienus, indem er 
elwa zugleich mit der Erwerbung des Patriciats 
in eine vornehme (patricische ?) Familie, die der 
Pupieni, adoptiert wurde. Seine acht Geschwister, 
vier Bruder und vier Sch western, starben samt- 
lich im Kindesalter (der absurde Irrtum bei Oros. 
Vn 19, 3, dass C. der Bruder des Balbinus ge- 
wesen sei, ist vielleicht nur durch buchstabliche 
Aufi'assung eines iihnlichen Ausdruckes in seiner 
Quelle entstanden), er selbst verbrachte seine 
Knabenzeit im Hause seines Verwandten Pinarius, 
gegen den er sich, als er Kaiser wurde, dankbar 
erwies (Balb. 5, 5. 4, 4; er ernannte ihn /.um 
Praefectus praetorio; da aber C. zu dieser Zeit 
selbst schon 75 Jahre alt war, so ist unmoglich 
damit sein Pilegevater gemeint; wahrscbeinlich 
hat er einem von dessen Sohnen den dem Vater 
schuldigen Dank abgestattet) ; spater nahm sich 
seiner Pescennia Marcellina an, die ihm erst durch 
ihren Eeichtum die senatorische Carriere eroffnete 
iBalb. 5, 2. 7 ;, hier ist die Praetur als erstes von 
diesen Amtern erwahnt, wahrseheinlich wurde er 
gleich inter trfbwticios oder aedilieios adlegiert, 
und vielleicht erfolgte zugleich damit seine mut- 



massliche Aufnahme unter die Patricier ; als solcher 
war er ohnedies von der Aedilitat befreit). 

In grammatischen und rhetorischen Studien 
strebte er nicht nach Vervollkommnung, umsomehr 
eiferte er danach, ein tiichtiger Kriegsmann zu 
werden, ein Ziel, das er im Laufe einer langen 
militarischen Dienstzeit durchaus erreichte, in 
welcher er es wohl von der Pike an und auf dem 
Wege des Primipilats bis zum Militiirtribunen 

10 brachte. So war ihm der Eintritt in die sena- 
torische Rangclasse schon erleichtert, durch Mar- 
cellina aber ermOglicht, indem sie ihm ein dem 
senatorischen Census entsprechendes VermOgen 
verschaffte (Balb. 5, 7. Herod. VII 10, 4). Nach 
der Praetur bekleidete er mehrere Proconsulate, 
in Bithynien, dann in Achaia, endlich in der Nar- 
bonensis. Als Legat von Dalmatien (vorher muss 
er Consul, und zwar suffectus gewesen sein) be- 
siegte er die in die Provinz eingefallenen Sar- 

20maten und wurde dann Befehlshaber am Ehein, 
wo er ebenfalls mit Erfolg gegen die Germanen 
kampfte (Balb. 5, 7—9. Herod. VIII 6, 6. 7, 8). 
Hierauf wurde er Consul II (CIL VI 1087 a. VIII 
10343. 10365. Ephem. epigr. VII 660. 673. 
Eckhel VII 307. Cohen 26—31 ; als Consular 
bezeichnet Gord. 22, 1; Balb. 1, 2; dass er, wie 
aus den gefalschten Senatsacten Max. 26, 4 her- 
vorzugehen scheint, als Kaiser — nach der Be- 
siegung Maximins — mit Balbinus zum Consul 

30 noch fiir das laufende Jahr 238 designiert worden 
sei, ist allem Anschein nach ein Irrtum; mit Un- 
recht ferner hebt Heiod. VIII 8, 4 deli zwoifachen 
Consulat des Balbinus gegen C. hervor ; eine ahn- 
liche Onrichtigkeit flndet sich Balb. 15, 2) und 
endlich Stadtpraefect (Max. 20, 1; Balb. 5, 10. 
6, 5. Herod. VII 10, 4. VIII 8, 4), doch ist die 
Eeihenfolge dieseT beiden Amter mOglicherweise 
auch die umgekehrte (vgl. Vigneaux Essai sur 
l'histoire de la praefectura urbis, Paris 1896, 81 

40 und 4, 3, wo ohne Begriindung fiir C.s Praefectur 
das J. 236 angegeben ist; ferner Borghesi 
Oeuvres V 496f. VIII 41, der annimmt, dass C. 
im J. 234 Consul II ordinarius zugleich mit Agri- 
cola [?] Urbanus war). Namentlich als Stadt- 
praefect zeichnete er sich durch kluge Umsicht 
und strcngc Amtsfuhrung aus (Herod. VII 10, 4-6. 
Balb. a. a. O. ; seine Amterlaufbahn im allgemeinen 
auch erwahnt Herod. VIII 7, 4. Max. 20, 1). 
Als der Senat die Erhebung der beiden Gor- 

50 diane anerkannte und zugleich 20 Consulare zur 
Verteidigung Italiens gegen Maximin wahlte, da 
waren in dieser Commission, die officiell XXviri 
ex senattts consulto rei publieae curandae hiess 
(CIL XIV 3902 = Dessau 1186; auch L. Lo- 
renius Crispinus und Tullius Menophilus scheinen 
dieser Commission angehort zu haben, vgl. Herod. 
VIII 2, 5), auch D. Caelius Calvinus Balbinus 
und C. (Gord. 10, 1. 2. 22, 1 : Max. 32, 3. Zosim. 
I 14, 2; vgl. Gord. 14, 3. 4; gegeniiber der auf 

60 Dexippus zumekgehendeu Behauptung Max. 32, 
3, dass diese Wahl erst nach dem Tode der Gor- 
diane geschah, kann die andere Annahme als besser 
beglaubigt und wahrscheinlicher gelten). Bald 
danach wurden diese beiden Manner zu Kaisern 
gewahlt. Damals' war C. 74 Jahre alt (Zonar. 
XII 17 p. 127 Dindf.), demnach noch alter als 
Balbinus (Zonar. a. a. O. Balb. 2, 1 ; vgl. 15, 2. 
Herod. VII 10, 3. VIII 8, 3. 6, 8). 



91 



Clodius 



Clodius 



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93 



Clodius 



Clodius 



94 



Omina imperii werden verzeichnet Balb. 5, 
3. 4, Mitteilungen iiber sein Privatleben Balb. 
6, 1. tJber seine Ehe erfahren wir nichts; sein 
Sohn ist, wie erwahnt, T. Clodius Pupienus Pul- 
cher M[aximus]; dieser diirfte, wie Borghesi 
VIII 37 wohl richtig vermutet, nicht der alteste 
gewesen sein ; Spuren von dem Namen eines seiner 
Sohne CIL VI 1087; ebendort flndet sich auch 
der Name seiner Tochter, Pupienia Sextia Pau- 
[lina] Cethegilla, die Tins auch aus andern In- 10 dem spateren Praetorianeraufstand bringt, Balb, 



Senatssitzung [VIII 5, 5 erwahnt er, dass man 
sich bemiihte, die Vorgange in Kom vor Maximin 
geheim zu halten] spricht, was vielleicht eine 
Verwechslung mit der vorhergehenden Sitzung ist, 
vgl. Gord. 12, 1; im iibrigen ist der Gang der 
Ereignisse im wesentlichen doch nur aus ihm zu 
ersehen, Capitolinus irrt in mehrfacher Hinsicht; 
so, wenn er die Scene, wie der junge Gordian 
dem Volke gezeigt wird, in Zusammenhang mit 



schriften bekannt ist (CIL VI Suppl. 26529. IX 
1740. XV 7537) ; vielleicht ist auch die Pupienia 
Rufina, deren Grabschrift (VI 25224) von Pu- 
pienfits) Maximus gesetzt ist, seine Tochter. Der 
Consul ordinarius des J. 236, M. Pupienius Afri- 
canus, konnte sein altester Sohn sein. Oh und 
inwieweit die Ulpii Pupieni (CIA III 688. 690f. 
CIL X 682) mit ihm verwandt sind. mag unent- 
schieden bleiben. Der CIL IX 5765 genannte 



9, 4, vgl. 15, 6; ebenso, dass schon bei der Er- 
hehung der alteren Gordiane von dem Enkel die 
Rede gewesen sei, Mas. 16, 7; dagegen wider- 
spricht ausdriieklich Max. 20, 2; Balb. 3, 3—5. 
8, 3. 16, 6; ausserdem vgl. Max. 20, 8; Gord. 
19, 9. 20, 2. 3. 5; Balb. 3, 2. 8, 2). So trug diese 
Volksbewegung einen dem Hause der Gordiane 
freundlichen Charakter (Herod. VII 10, 51); aber 
es ist sehr wahrscheinlich, dass auch die Hab- 



[M.J Clodius Pup. I. Ballaeus scheint einer von 20 sucht der Menge einen wesentlichen Anteil daran 
semen Preigelassenen zu sein. nahm (Vict. Caes.jJ6, 6; vgl. Lshrer 21. Miil- 

III. Als Kaiser, a) Kaiserwahl. Da die Er- 



hebung und gemeinsame Regierung der beiden 
Kaiser bei Balbinus (Bd. in S. 1261ff.) erziihlt 
ist, so geniigt es, flir einzelne Details darauf zu 
verweisen. 

Drei Wochen nach der Erhebung der Gordiane 
«rfolgte die Gegenbewegung unter Capelianus, 
die mit dem Sturz und Tod der beiden Gordiane 



ler 6. Schiller I 792). 

b) Name und Titel. Als Kaiser heisst C. 
Imp. Caes. M. Clodius Pupienus Maximus pius 
felix Augustus auf Inschriften und Milnzen. Wahr- 
scheinlich (s. o.) ist Clodius sein ursprllnglich.es 
Gentile und Pupienus das erst infolge Adoption 
angenommene. In betreff der Nebenform Pu- 
pienius (ausschliesslich auf Inschriften) urteilt 



endete. Die Nachricht davon erregte in Rom30Klebs Prosopogr. a. a. O. gewiss richtig, wenn 



grossen Schrecken vor der Rache Maximins, und 
der Senat wahlte, um gegen ihn geschiitzt zu 
sein, wieder zwei Kaiser, C. und den D. Caelius 
Calvinus Balbinus (Herod. VII 10, 1—3. 5. Max. 
20, 1—3; Gord. 10, 1. 22, 1; Balb. 1—3, 1. 15, 5. 
Vict. Caes. 26, 7. Oros. VII 19, 3). Die Einzel- 
heiten der Sitzung bei Capitolinus; auf den An- 
trag des Princeps senatus (P. Licinius) Valerianus, 
des spateren Kaisers (Balb. 1, 2 , vgl. 9, 7 ; miss 



er annimmt, dass der Gentilname Pupienus (aus- 
schliesslich auf Miinzeu) in dieser spiiten Zeit 
von den meisten nicht mehr als soldier empfun- 
den und daher entsprechend umgeandert wurde. 
Im iibrigen ist gerade dieser Teil des Namens 
am haufigsten verdorben iiberliefert, so Pupenius 
(Chronogr. 354, Mommsen Chron. min. I 147; 
auf grieehischen Miinzen, Mionnet HI 545; 
andere Pornien dieses und des ersten Gentils III 



verstanden bei Zosim. I 14, 1), wird von der an- 40 642f. ; Suppl. VII 278f.), Publius (Chron. pasch. 



gesetzen Tagesordnung ahgewichen und die Kaiser- 
wahl in Angriff genommen; C. beantragt, neuer- 
lich zwei Kaiser zu wahlen (Balb. 2, 1), und Vet- 
tius Sabinus, der dann Stadtpraefect wurde, lenkt 
die Aufmerksamkeit der Senatoren auf die zwei 
Manner, welche daraufhin auch wirklich gewahlt 
werden (Balb. 2). 

Nach dieser Sitzung, die im Tempel der Con- 
cordia stattfand, begaben sich die neuen KaiseT 



I 501), Pulpius (Latere, imp. Malal. Chron. min. 
Ill 436), die Hss. der Hist. Aug. uherliefern regel- 
massig die Schreibung Puppienus (vgl. lord. Got. 
XV 88; Rom. 281); ebenso Mionnet Suppl. VII 
611; vgl. Mommsen Ztschr. f. Numism. VIII 
26f. Ein arges Stuck von Nachlassigkeit Capi- 
tolins ist sein fortwahrendes Schwankeu und 
Zweifeln, ob die Namen Pupienus und Maximus 
einem und demselben Triiger zukommen (Max. 



™r Opferung in den Iuppitertempel auf dem Ca- 50 24, 5. 33, 3. 4; Balb. 1, 2. 15, 4. 5; vgl. Gord. 



pitol, wurden aber, als sie in ihren Palast zu- 
ruckkehren wollten, durch aufriihrerische Volks- 
massen daran verhindert; man war namen tlich 
mit der Person des C. nicht einverstanden , der 
noch aus der Zeit seiner Stadtpraefectur wegen 
seiner Strenge in keineswegs angenehmer Erinne- 
rung stand. Der Aufstand konnte erst dadurch 
gedlmpft werden, dass man, der Stimmung und 
dem Wunsch des Volkes Rechnung tragend, der 
Menge den jungen Gordian zeigte, worauf der 60 21. 24. 32. 40. Poole 238, 1836. Mionnet VI 



10, 1. 19, 9. 22, 1; Balb. 11, 1. 15, 1. 16, 1; end- 
licli glaubt er die LSsung gefunden zu haben, 
17. 2. 18, 1. 2; das scheint allerdings richtig zu 
sein, Balb. 16, 7. 18, 2, dass die lateinischen 
Autoren den Kaiser nur Pupienus, die grieehi- 
schen ihn nur Maximus nannten; so wird er 
z. B. ausschliesslich bei Herodian und Zosimus 
genannt ; auf Miinzen flndet sich der Name Ma- 
ximus seltener, Eckhel VH 306ff. Cohen 2. 



Senat in einer noch am selben Tag zum zweiten- 
mal einberufenen Sitzung die Wahl des noch nicht 
14jahrigen Knaben (Herod. VIII 8, 8. Balb. 3, 4; 
Gord. 22, 2 ; Met auch die abweiehenden Angaben) 
zum Caesar vollzog (Herod. VTI 10, 6—9 ist in 
dem Punkt ungenau, dass nach ihm auch die 
Sitzung im Iuppitertempel stattfand, vgl. Dan d- 
liker 260, sowie, dass er von einer gehcimen 



408; Suppl. VII 611; bios Pupienus wird er ge- 
nannt bei Vict. Caes. 27, 4. Epit. de Caes. 26. 
Eutr. IX 1. 2, 1. 2 und in den davon abhiingigen 
Quellen ; bios Clodius bei Vict. Caes. 27 , 6 ; 
Clodius Pupienus 26, 7). 

Die in alien Punkten durchgefiihrte Teilung 
der Gewalten driickt sich auch in den Titehi 
beider Kaiser aus (Balb. 8, 1). Beide sind, was 



bis dahin nicht msglich gewesen war, Pontiflces 
maximi (Eckhel VII 307. Cohen 26— 31. CIL 
VIII 10342. 10 343. 10 365. Ephem. epigr. VII 
660. 673), beide heissen patres senatus (Eckhel 
VII 306. Cohen V p. 10 nr. 14; 16 nr 19). Der 
Titel proconsul kommt nur auf Inschriften vor, 
pater patriae auf Miinzen und Inschriften. Nur 
durch ein in diesem Jahre der Thronstreitigkeiten 
allerdings begreifliches Versehen ist der Name 
der beiden Senatskaisor eradiert (CIL III Suppl. 10 
6953). Zu bemerken ist, dass iiberall, wo die 
beiden Kaiser nebeneinander genannt werden, C.s 
Name vorangestellt ist. 

c) Regierung. a) Die beiden Herrscher teilten 
ihre Thatigkeit in dem Sinne, wie es bei ihrer 
Wahl auch beabsichtigt war (Balb. 2, 5); C. zog 
gegen Maximin zu Pelde, Balbinus blieb in Rom, 
um dort die Ordnung aufrecht zu erhalten (Balb. 
8, 4; Max. 20, 5. 6. Herod. VII 12, 1). Aber 
Balbinus war dazu nicht der geeignete Mann ; in 20 
dem nach C.s Ahzug entstehenden Praetorianer- 
aufstand bewies er zur Geniige seine klagliche 
Schwache. Die Praetorianer (grosstcnteils Ve- 
teranen), welehe von Maximin und dann auch von 
C. in Rom zuriickgelassen worden waren (Herod. 
VII 11, 2. Balb. 8, 4. 9, 1), erhobeii sich gegen 
den Senat und dessen Anhiinger. Den Anlass 
dazu gab die Gewaltthatigkeit zweier Senatoren 
(Max. 20, 6; Gord. 22, 8f.), die Ursachen waren 
aber wohl tiefergehende und in der natiirlichen 30 
Anhanglichkeit der Praetorianer an den Soldaten- 
kaiscr Maximin 'zu suclien; vielleicht tiug auch 
die Ermordung ihres Praefecten Vitalianus dazu 
bei (Max. 14, 4; Gord. 10, 5. 8. Herod. VII 6, 
4 — 9, 8, 6). Dieser Kampf wurde von beiden 
Seiten mit ausserordentlicher Heftigkeit gefiihrt 
und konnte erst nach vielem Blutvergiessen und, 
uachdem ein grosser Teil von Rom eingeaschert 
war, beigelegt werden, Herod.. VII 11—12, 7. 
Balb. 9 (schon erwahnt wurde , dass Balb. 9, 4 40 
die Scene der Erhebung des jungen Gordian irr- 
tiimlich erst in diesem Zusammenhang erziihlt 
wird ; so ist bei Capitolin auch der Irrtum ent- 
standen, dass er dann Balb. 10, 4 — 8 von einem 
zweiten Aufstand spricht ; vgl. Dan dliker 267ff. ; 
ebenso fehlerhaft ist, dass Gord. 22, 8. 23, 1 
dieser Aufstand auf den Anfang von Gordians 
Alleinherrschaft verlegt wird). Vict. Caes. 27, 2. 
Chronogr. 354, Mommsen Chron. min. I 147. 

/?) Mittlerweile war der gefilrchtetste Feind, 50 
Maximin, vor Aquileia gefallen, ohne dass C. in 
die Lage gekommen war, sich mit ihm zu messen. 
Maximin, der von Sirmium aus einen Kriegszug 
gegen die Germanen geplant hatte, war schon 
auf die Kunde von der Erhebung der Gordiane 
gegen Italien aufgebrochen und hatte, als ihm 
die Nachricht zukam, dass die Gordiane zwar ge- 
stiirzt, aber neue Gegenkaiser vom Senat gewahlt 
worden seien, seinen Weg nur mit umso grSsserer 
Eile und Entschlossenheit fortgesetzt (Herod. VII 60 
2, 9. Max. 13, 3. 21, 1). Er marschierte iiber 
Emona nach Aquileia (wahrscheinlich ist diese 
Stadt auch mit dem Archimea Max, 31, 3 ge- 
meint), und begann die Stadt zu belagern. Der 
Senat aber hatte sich schon auf einen Kampf 
rait dem barbarischen Kaiser vorbereitet, dessen 
Rache man fiirchten musste. Wie erwahnt, waren 
schon nach der Anerkennung der Gordiane durch 



den Senat 20 Consulare damit betraut worden, 
Italien in Verteidigungszustand zu setzen. Zwei 
davon (L. Lorenius) Crispinus und (Tullius) Me- 
nophilus , hattcn Aquileia zu schiitzen und fur 
eine lange Belagerung entsprechend in Stand zu 
setzen, um hier den Marsch des Barbaren durch 
Italien aufzuhalten. Noch nach dem Aufbruch 
C.s wurden die Massnahmen zur Verteidigung 
Italiens vermehrt , alle Communicationen und 
Kiistenplatze stark besetzt, weitere Senatoren aus- 
geschickt, Mannschaften ausgehoben, iiberall fur 
hinreichende Bewaffnung und Verpfiegung gesorgt 
und die Provinzen zum Abfall von Maximin auf- 
gefordert oder ermutigt (Max. 23, 2. 3; Balb. 10. 
1—3. Herod. VIH 5, 4-5. VII 12, 1). So fand 
Maximin auf seinem Vormarsch Schwierigkeiten, 
die er sich nach seinen ersten Erfolgen nicht vor- 
gestellt hatte. Aquileia widerstand ihm, und hier 
brach sich endlich nach langerer heisser Belage- 
rung (vgl. Lohrer 37f.) seine Macht; er selbst 
wurde samt seinem Sohne Maximus durch seine 
eigenen Truppen getStet (Herod. VIII 1 — 5. Max. 
21-23. 31, 1. 33, 1; Balb. 11, 2. 3. 12, 2. Epit. 
de Caes. 25, 2. Chronogr. 354, Chron. min. 1 147. 
Pol. Silv. ebd. 521. Cassiod. Chron. ebd. II 146. 
Zosim. I 15. Synkell. I 680. Nikeph. Chron. 11. 
Chron. Pasch. I 501), sein Heer auf die neuen 
Herrscher vereidigt (Herod. VIII 6, 2. 3. Max. 
24, 2. 3). Die Nachricht davon traf C. in Ra- 
venna, von wo er mit der neu ausgehobenen Mann- 
schaft und mit germanischen Hiilfstruppen , die 
ihm noch aua der Zeit seiner Statthalterschaft 
in Germanien treu zugethan waren , den Krieg 
vorbereitet hatte (Herod. VIII 6, 5. 6. Max. 24, 
5. 25, 2. 33, 3; Balb. 11, 1. 12, 5; obwohl er per- 
sSnlich keinen Anteil an dem Siege hatte, wurde 
er doch als der Uberwinder Maximins bezeichnet, 
Balb. 15, 4. 5. 16, 6- Vict. Caes. 27, 4. Euseb.- 
Hieron. chron. ad a. Abr. 2254 [arm. 2255]. Eutrop. 
IX 1. Oros. VH 19. 2. 3. lord. Get. XV 88; 
Rom. 281. Chron. min. I 438. Ill 421; vgl. Ke- 
dren. I 450). Um vollig sicher zu gehen, riickte 
er noch bis Aquileia vor und trat dann den Riick- 
marsch an, nachdem er den grossten Teil des 
Heeres entlassen hatte (Herod. VIH 7, 1. Max. 
33, 3; Balb. 12, 3; nicht richtig ist Max. 24, 6, 
dass er die germanischen Hiilfstruppen entliess; 
denn Herod. VIII 7, 8 sagt ausdriieklich das 
Gegenteil, und thatsachlich finden wir die Ger- 
manen spater in Rom, vgl. Herod. VIII 8, 2 ; auch 
Balb. 12, 1. 3 widerspricht dem). In Rom war 
man von dem Vorgefallenen durch Eilboten unter- 
richtet, die als Siegestrophaen das Haupt Maxi- 
mins und das seines Sohnes mitbrachten (Herod. 
VIII 5, 9. 6, 5. 7. Max. 24. 4. 31. 1. 25; Balb. 
11, 2. Zosim. I 15, 2. Zonar. XH 16); begreif- 
lich, dass dieser unerhofft giinstige Ausgang des 
Krieges unbeschreibliehen Jubel entfesselte und 
die Stellung der Senatskaiser befestigte (Herod. 
VIII 6, 7—9. Max. 24, 6. 25; Balb. 11, 4—7). 
Namentlich C. wurde, obwohl er dies seinem Ver- 
halten nach vielleicht nicht verdiente (Balb. 11, 
1), auf seinem Zug nach Rom iiberall mit En- 
thusiasmus begriisst; Abordnungen von Stiidten 
begliickwunschten ihn auf seinem Wege, sein Mit- 
kaiser und der junge Caesar Gordianus gingen 
ihm entgegen, und ausserordentliche Ehren wur- 
den den Herrschern vom Senat zuerkannt (Herod. 



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VIII 7 1 2. 8. Max. 24, 8. 26; Balb. 12, 1. 3. den, obwohl er sich doch selbst daran beteiligt 

4 9 13 1 2 3 Zonar. XII 17; Munzen mit hatte (Balb. 12, 5. 14, 1. Herod. \ 111 7 7). 

dem'Eevers victoria Augg. Cohen 37-45; vgl. Diese Wahmehmung nun bestarkte sie in . ihiem 

12 -, ■ Entschluss, der bevorstehende Abmarsch dei bei- 

y) Die iimere Regierung der beiden Kaiser ist den Kaiser zur Bekriegung auswartiger Feinde 

nichts anderes als die freilich nur voriibergehend beschleunigte dessen Ausfuhrung (Balb id. J*), 

wiederhergestellte Herrschaft des Senates. In Die Perser hatten schon unter ^r Eegierung 

diesem Sinne erfolgte gleich nach der Thronbe- Maximins Nisibis und Carrhae erobert .(Zonar. Xll 

staZg X Consecration der beiden Gordiane 18 p. 129 Dind.; aus Herod. VH 8, 4 iolgt, dass 
f Herod Vin 6 3. Max. 24, 2. 3. 26, 2. 6; Gord. 10 dieser Eroberungszug der Perser erst gegen das 

16 4- Balb 4, 1—3; sicher ergiebt sich daraus, Ende der Eegierung Maximinserfolgt sein kann); 

dass 'sie zur Zeit der Belagerung Aquileias schon gegen sie sollte C. zu Felde Ziehen Balb. Id, S); 

vollzogenwar;ygl.auchInschriftenGordiansni., Balbinus hatte zunachst in Bom bleiben sollen 

b namentlich Index zu CIL VIII). Dann wurde (a. a. 0.), aber ein Gothenemfall zwang ihn sich 

(Vettius) Sabinus, dem die Kaiser ihre Wahl ver- fur diesen Krieg m Aussicht zu nehmen Balb. 

aankten Stadtpraefect, und zum Praefectus prae- 16, 3) Die Gothen fatten Istros ^epMert (Balb. 

torio erhob C. seinen Verwandten Pinarius Valens. a. a.O.; vgl. B. Pick Die antiken Munzen Ton 

Balb 4 4 5 5- dass der lunge Gordian Praefec- Moesien und Dacien I 147) und belagerten dann 

tus praetorio wurde, ist, wie Capitolin selbst her- hartnackig, abei f erfobglos Markianopolis , Desipp 
vorhebt (Balb. 15, 6), erne grobe Unrichtigkeit; 20fragm. 18, FHG III 675. lord Get. XVI 92; 

2 ist ; yielleicht entstanden durch die Verwechs- vgl. Pick a. a. 0. 195. 187, 2. Dem Abmarsch 

lung mit seinem Oheim Gordian II, der Legat der Kaiser kamen aber die Praetorianer zuvor 

seines Vaters war - eine Verwechslung, die wir Sie drangen zu emer Zeit als der grOsste leil 

thatsachlich bei Vict. Caes. 27, 1 flnden. des Hofstaates scemschen Spielen (dem capitoli- 

Die gemeinsame Eegierung der beiden Kaiser nischen Agon) beiwohnte, in den Palast ein una 

-war anfanglich eine wohl geordnete, solange die bemachtigten sich der beiden Kaiser Dies ge- 

beiden Manner elntrachtig zusammenwirkten (He- lang ihnen, da Balbmus in verblendeter Eiier- 

rod VIII 8 1 Balb. 13, 4. Zonar. XII 17 p. 126 sucht seinem Mitkaiser die Germanen merit recnt- 

Dind • Ygl. die Miinzdarsteilungen und -Aufschrif- zeitig zu Hiilfe schickte, aber dann auch selbst 
ten amormutuus, caritas mutua, eoncordiaAvgg., 30 nicht mehr von ihnen gerettet werden konnte 

fides mutua, pietas mutua Augg., Eckhel VII Mit Spott und Hohn wurden die Herrscher durch > die 

305f Cohen p. 8. 11. 14 nr. 1. 3; 15 nr. 5—8. Strassen getneben uud unter grassUclien Jiartern 

11- 17 nr. 25). Auch fiir die Ausrichtung von getetet (Herod. VIII 8, 3-7. Balb. 14. 15,4; Gord 

Spielen wurde freigebig gesorgt, und an reich- 22, 5. Vict. Caes 27 6 E pl t. 26. Eutrop. IX 2,_2 

lichen Spenden an das Volk liessen es die Kaiser = Hieron. a. Abr. 2256 = Oros VU 19, 6 - 

nicht fehlen (Zosim. 1 16. Cnronogr. 354, Chron. Chronogr 354 [Chron. mm. I 147] Polem Silv. 

min I 147; Munzen mit liber ■alitas Augastorum, ebd. I 521]. Cassiod. [ebd. II 146] Zonar. All 

Eckhel VII 306. Cohen 14-18). 17 p. 127 Dind.; Zosim. I 16, 2 und lord. Eom. 

6) Freilich machte sich schon von Anfang an 282 haben eine ganz merkwiirdige Version , wo- 
als ein hochst bedrohlicher Umstand die Ab-40nach die beiden Kaiser auf Veranlassung des 

neigung der Soldaten gegen die Herrschaft der jungen Gordian wegen emer gegen inn gencft- 

Senatskaiser geltend. Wohl waren die Truppen teten Verschworung getotet worden seienj. 

Maximins, die nur gezwungen den neuen Kaisern e) G. und Balbinus regierten 99 lage (Cnro- 

die Treue geschworen und ihre Gluckwiinsche an nogr. 354 a. a. O.; rund mit 100 lagen ange- 

C erheuchelt hatten, bei denen vielmehr der Hass geben Chron. Pasch. I 501, mit drei Monaten be! 

tief eingewurzelt war und daher weder durch C.s Zonar. a. a. 0., mit dessen sonstigen Ai^ahen 

Amnestieversprecbungen, noch durch die Aussicht selbstverstandlich nichts anzufangeii ist, ebenso- 

auf ein ergiebiges Donativum beschworen werden wenig wie mit denen bei Glyk. 453; ganz un- 

konnte (Hirod. VIU 7, 2-7; vgl. 6, 1. Balb. 12, genau Gord. 22, 5; Balb. 15 7 Vict. Caes 27 
7—9 13 1—3), schon entlassen worden; von50 5f.; vgl. Chron. mm. Ill 4db. Kedren. i 4Wt.). 

ihnen drohte also keine Gefahr mehr. Aber der Das Ende ihrer Eegierung faUtvor den 29. August 

Ingrimm der Praetorianer war seit dem letzten des J. 238, da die alexandrimschen Munzen Gor- 

blutigen Aufstand nur noch gluhender geworden ; dians m. die Eegierungszahlen bis zu 7 aut- 

und als sie dann noch durch die ilbermutige Freude weisen (Poole 241. S allet Die Daten der alex 

uber das Ende der Soldatenkaiser gereizt wurden Kaisermfinzen 59f.), ihre Thronbesteigurg somit 

(Max 26 3- Balb 12,9. 13, 2. 3) und die ger- vor den 21. Mai, wahrschemlieh aber betracnt- 

maniche Le'ibwache, welche C. aus dem Feldzug lich fruher. Die Termini dieser Eegierung ge- 

mitbrachte (so), ihre Eifersucht aufs hftchste nauer zu bestimmen, ist trotz wiederholter Ver- 

erregte da lauerten sie nur mehr mit Ungeduld suche, die mannigfachen Widerspriiche zu losen, 
auf die Gelegenheit, ihren Feinden auf dem Throne 60 die sich in der tberlieferung darbicten, und die 

ein Ende zu machen (Herod. VIH 8, 1. 2. 5. schwachen Anhaltspunkte bei den Autoren und 

Balb. 13,5). Bald ruckte die Stunde der Ver- auf Inschriften zu verwerten, nicht mit Sicher- 

geltung heran. Den wachsamen Augen der Prae- heit gelungen. Am meisten hat noch die Berech- 

torianer entging es nicht, dass Misshelligkeiten nung v. Eohdens (Bd. I S. 2621ff.) fiir sich, der 

zwischen den Kaisern zu Tage traten: Balbinus, auch die Eesultate der andern ubersichtlich nnt- 

der sich vomehmerer Abkunft ruhmte, war ge- teilt mid die Angaben, die fur diese Zeitbestim- 

krankt durch die, wieermeinte, unverdienten mung in Betracht kommen, zusammenstellt. J^ach 

Ehren, die dem heimkehrenden C. erwiesen wur- ihm ist die Erhebung des C. und Balbmus nn 



Marz, ihr Tod um die Mitte Juni 238 erfolgt. Kaiserzeit I 2, 790—796. E. Herzog Gesch. u. 

0. Voetters Bemiihung, neue Geaichtspunkte fiir System, d. rOm. Staatsverfassung II 1, 508—512. 

die Chronologie dieser Ereignisse aus den Miin- Borghesi Oeuvres V 485 — 506. C. Mancini 

zen zu gewinnen, Numism. Ztschr. XXV (1894), Eendiconti dell' Accad. Pontaniana XVI (1868) 

385—394, ist unbrauchbar; vgl. auch Kubit- 37—73. Dandliker in Biidingers Unters. zur 

schek Eundschau 76—78. rom. Kaisergesch. Ill (Leipz. 1870) 257—281. 

IV. PersOnlicb.es. UbeT C.s Ausseres in Ranke Weltgesch. Ill 1 (Leipz. 1883)403—405. 

der Zeit, als er Kaiser war, geben Miinzbilder Job.. Miiller De M. Antonio Gordiano, Diss, 

und Biisten genfigenden Aufschluss. Auf den Minister 1883, 6—13. Lohrer De C. Julio Vero 
Munzen sind seine Ziige sehr scharf ausgepragt 10 Maximino. Diss. Munster 1883, 20 — 27. O. Seeck 

und weisen einen schSn geformten Greisenkopf Preuss. Jahrb. LVI (1885) 267 — 300; Eh. Mus. 

auf, dessen Physiognomie vOllig mit der auf den XLI (1886) 161—169. A. Sommer Die Ereig- 

PortratkOpfen iibereinstimmt, Sein Gesicht ist nisse des J. 238 n. Chr. und ihre Chronologie, 

von einem welligen Vollbart beschattet, und die Gflrlitz Progr. 1888, 21—32. E. Sad^e De im- 

iurzen Haare wachsen bis tief in die Stirne hinab. peratorum Romanorum tertii p. Chr. n. saeculi 

Auffallend ist das starke, riickwarts ausbiegende temporibus constituendis , Diss. Bonn. 1891, 8 

Hinterhaupt. Das kurzgeschorene Haar und die — 28. H.Peter Sechs litterargeschichtl. Unters. 

tiefgeschnittenen charakteristischen Falten im Ge- fiber die Script. Hist. Aug. (Leipz. 1892) 49 — 76. 

sicht verleihen seinem Aussehen etwas Strenges, E. Klebs Prosopogr. imp. Eom. I 418 nr. 929. 
Markiges. Auch Capitolin sagt von ihm, dass 20 51) T. Clodius M. f. Pupienus Puleher M[a- 

er einen strengen, ja abschreckenden Blick hatte, ximus], cflarissimusj vfirj ; die Amter der sen a- 

sowie dass er sich einer stattlichen Gestalt und torischen Laufbahn, die er, nachdem er triumvir 

einer sehr gesunden Korperbeschaffenheit erfreute monetalis gewesen war, bekleidete, sind in zeit- 

(Balb. 6, 2). Vgl. Bernoulli a. a. 0. licher Reihenfolge das eines qfuaestor) k(andi- 

Auch seinem Wesen nach wird er als ein datus), pr(aetor) urbfanusj, proeo(n)s(ul) pro- 
Mann geschildert, der Klugheit und Tugendhaftig- vfinciae) Maeedoniae, vice operfumj publfieorum), 
keit (Herod. VII 10, 4) , kriegerische Erfahrung eleetus iudficio} saoro ad [census] acceptfandosj 
und Tapferkeit (Max. 20, 1; Balb. 15, 1) mit un- per provfinciant] Vdgicam (= Gallia Belgica), 
beugsamer Strenge verband (Max. 20, 4; Balb. curator aedfium) saerfarum) et operum p[u- 
1, 2. 2, 1. 5, 6. 8, 2), und der seine Festigkeit 30 blieforum)] , co(n)s(ul); gleich bei Beginn der 
besonders in der Zeit seiner Stadtpraefectur be- senatorischen Carriere trat er in das Priester- 
wahrtc (s. o.). Im iibrigen aber scheint es, dass colleg der XVviri sfacrisj ffaoimulis) ein; in 
gerade diese Seite seines Charakters von dem Bio- der Zeit zwischen den einzelnen Amtern war er 
graphen zu stark hervorgehoben wird, um ihn curator verschiedener Stadte, von Leptis magna 
entschiedener seinem Mitkaiser Balbinus gegen- und Tripolis, von Beneventum und von Catina, 
uberzustellen (Balb. 7, 7. 15, 1), der sich aller- CIL XIV 3593 = Dessau 1185. Von dem De- 
dings namentlich in dem Praetorianeraufstand in curionensenat zu Tribur, dessen patronus er war, 
Eom als Memme erwiesen und sich so die ge- ist ihm die Statue errichtet worden. Er ist wahr- 
rechte Verachtung seines Collegen zugezogen hatte scheinlich ein Sohn des Kaisers M. Clodius Pu- 
(Balb. 14, 2). So ist es wohl ubertrieben, wenn40pienus Maximus (Nr. 50, s. o. S. 89); vgl. Bor- 
behauptet wird, dass sich C. durch seine Strenge ghesi Oeuvres VIII 36 — 41. [Stein.] 
den Beinamen tristis erworben habe (Balb. 6, 1); 52) P. Clodius Quirinalis, aus Aries, war um 
man wird vielmehr annehmen miissen, dass ihm 47 n. Chr. in Eom als Lehrer der Beredsamkeit 
Capitolinus eher im folgenden gerecht wird, wenn hervorragend thatig (Suet, de gramm. et rhet. 
er ihn so schildert, dass wir den Eindruck em- Ind. rhet. p. 99; frg. 97* Effsch. = Hieron. a. 
pfangen, C. sei nicht von kalter Grausamkeit Abr. 2063). An eine Identification mit dem un- 
gewesen, sondern habe immer nur die strengste gefahr gleichzeitig lebenden Flottenpraefecten P. 
Gerechtigkeit als sein Ziel vor Augen gehabt Palpellius Clodius Quirinalis, der aus Tergeste 
und sei auch Bitten um Verzeihung, niemals aber stammt (CIL V 533. Pais Suppl. Ital. 474. Tac. 
einer Parteilichkeit zuganglich gewesen , Eigen- 50 ann. XIII 30), ist nicht zu denken. [Brzoska.1 
schaften, die ihn trotz seines starken Selbstbe- 58) Q. Clodius Eufinus, Legat von Numidien 
wusstseins bei den meisten beliebt und nur in unter Commodus, im J. 191 oder 192 n. Chr., 
jenen Kreisen gefurchtet machten, welche sich da Commodus in der Inschrift bereits den Namen 
keines reinen Gewissens zu erfreuen hatten (vgl. L. Aelius Aurelius Commodus fuhrt, vgl. o. Bd. 
Balb. 6, 2-4. 8, 2. 15,2). Sein Feldherrntalent II S. 2470 (CIL VIII 4211 Vereeunda; wie den 
war es, das ihn, wie erwahnt, schliesslich auf den Namen des Kaisers hat man auch den des C. 
Thron brachte, und vor dem alle Bedenken und eradiert, wohl nach dessen Tode, s. u.). Im J. 193, 
Vorurteile hinsichtlich seiner niedrigen Abstain- unter der Eegierung des Pertinax (1. Januar bis 
mung weichen mussten (Balb. 2, 7. 5, 11. 16, 2). 28. Marz), war C. Magister der Fratres Arvales 

Im allgemeinen wird sein Charakter geriihmt 60 (CIL VI 2102 Acta Arv.). Als Septimius Severus 

(Herod. VIH 8, 8. Balb. 15, 1). Dexippus aber nach dem Siege fiber Clodius Albinus (197) das 

soil in seinem Urteil uber ihn mit den fibrigen Strafgericht uber die Anhanger der Gegenkaiser 

griechischen Schriftstellern nicht ubereingestimmt Niger und Albinus abhielt, fand auch C. sein 

liaben, Balb. 16, 4. Jedenfalla gehorte zu den Ende (Hist. Aug. Sev. 13, 5). Ob C, wie oben 

Schattenseiten seines Wesens, dass er uber der zu Nr. 22 vennutet wurde, eine Person mit Clo- 

Ausbildung zu einem tuchtigen Krieger alle gei- dins Celsinus-war, muss natiirlich dahingestellt 

stigen Bestrebungen vernachlassigte , Balb. 5, 6. bleiben. Vgl. Pallu de Lessert Fastes des 

V. Litteratur. H. Schiller Gesch. d. rom. prov. Afr. I 402f. 

Pauly-Wiseowa IV 4 



99 



Clodius 



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Clodius 



Clodius 



102 



54) L. Clodius Rufus, als Proconsul von Si- 
cilien unter Augustus auf Mflnzen von Agngent 
genaimt (Salinas Monete delle antiche eitta di 
Sieilia 35 nr. 342-349, vgl. tav. XIII 25—32. 
Fiorelli Catal. delmuseo di Napoli, medaghere 
I nr. 4066. Greek coins in the Brit. Mas., Sicily 
22 nr. 160—164). Da Augustus auf den Munzen 
bereits den Titel pfaterj pfatriaej fiihrt, den er 
am 5. Februar 752 = 2 v. Chr. annahm, fallt 
C.s Proconsulat in die Zeit zwischen diesem Jahre 10 
und dem Todesjahre des Augustus, 14 n, Chr. 
Ob C. mit dem P. Clodius C. f. Kufus Latro, 
der dem Kaiser Tiberius die Inschrift Ephem. 
epigr VIII 708 (Naso in Sicilien) setzte, verwandt 
war, ist ungewiss; der CIL X 7346 [Thermae 
IJimeraeae) genannte Ritter Clodius Eufus ge- 
hert in weit spatere Zeit. Vgl. Klein Verw.-Be- 
amten, Sicilien 99. Klebs Prosopogr. I 420 nr. 
933. [Groag.] 

55) Clodius Sabinus, Rhetor im augusteisehen 20 
Zeitalter, der die lateinisehe und griechische Sp'rache 
mit gleicher Virtuositat handhabte, Senec. controv. 
9, 3, 13. 14. Klebs Prosopogr. I 420 nr. 934 
hat ihn mit Recht von dem Rhetor Sex, Clodius 
(Nr. 13), dem Zeitgenossen des M. Antonius, unter- 
schieden. [Stein.] 

56) Clodius Saturninus, Statthalter von Kappa- 
dokien unter einem Kaiser des 2. Jhdts. n. Chr. 
(CIL III Suppl. 12213 Meilenstein). Ein T{% 
Clodius Saturninus c(larissimm) v(ir) wird auf 30 
einem in Sicilien g-efundenen Bronzesiegel ge- 
nannt (CIL X 8059,120, vgl. Borghesi Oeuvres 
III 121). S. o. Bd. Ill S. 2866 Nr. 335. 

[Groag.] 

57) D. Clodius Septimius Albinus Caesar s. 
Nr. 17. 

58) P. Clodius Thrasea Paetus. 1) Name. 
Den Geschlechtsnamen lehrten uns erst die pom- 
peianisehen Quittungen CIL IV Suppl. nr. XXII. 
XXIV— XXVII. XXXII = De Petra Le tavo- 40 
lette cerate di Pompei nr. 13— 17.26 ([P. CJlodio 

Thrasea XXV 24 = De Petra 15; [P. Clod] to 
Thrasia (sic) XXVI 24 = De Petra 16; sonst 
wie in der schon friiher bekannten pompeiani- 
sehen Inschrift CIL X 826 = IRN 2224 bios 
P. Clodio). Der durch die angefiihrten Stellen 
bezeugte Vorname P. wird auch von Dio LXI 15 
iiberliefert (Ilovxkios Gpaotas IJalxos), wahrend 
sonst bei den Schriftstellern Nomen und Prae- 
nomen stets fehlen. 50 

2) Leben. Wie alle bedeutenderen Manner der 
Kaiserzeit war Thrasea nicht in Rom geboren, 
sondern stammte aus Patavium (Tac. ann. XVI 
21. Dio LXII 26) aus vornehmer und reicher 
Familie (Dio ebd.). Aus der Zeit seines patavi- 
nischen Aufenthaltes ist nur seine Beteiligung an 
den alle 30 Jahre daselbst gefeierten ludi eetani 
bekannt (Tac. a. a. O. PatavL wide ortus erat. 
Ivdis cetariis [Hs. unsinnig cetastis] a Troiatw 
Antenore iiistilutis habiiu trayico eecinerat. 60 
Dio a. a. O.; vgl. Nipperdey-Andresen 115 
303f. und die von 0. J a h n Proleg. ad Persium p. XL 
adn. 1 herangezogene dunkle patavinische Inschrift 
CIL V 2787). Im J. 42 n. Chr. finden wir Thrasea 
als Schwiegersohn der beruhmten Arria, die er 
von ihrem Entschluss. zu sterben, abzubringen 
suchte, in Rom (Plin. ep. Ill 16, 10). Trotzdem 
er somit hier mitten im Kreise der stoischen Op- 



position gegen die kaiserliche Regierung stand, 
gelangte er zum Consulat (bezeugt durch Tac. 
ann. XVI 27. 28), nach dem Zeugnis der pom- 
peianischen Quittungen (s. o.) zugleich mit L. 
Duvius Avitus als Consul suffectus im November 
und December, und zwar nach der oben ange- 
fiihrten Inschrift (X 826) gleichzeitig mit den 
porapeianischen duoviri iure dicundo Q. Postu- 
mius Modestus und C. Vibius Secundus (nach der 
Urkunde nr. CXLV lOf. 28 = De Petra 121 vom 
1. Juli 56 bis 30. Juni 57 im Amte, vgl. CIL X 
p. 91) = im J. 56 n. Chr. (Mommsen Herm. 
XII 1877, 128), im dritten Regierungsjahre Neros, 
dessen stoischem Minister (Consul suffectus des- 
selben Jahres, vgl. De Petra Atti della accad. 
dei Lincei ser. 2 mem. stor. t. EI 3 p. 168) er 
vrohl ebenso, wie sein Schwiegersohn HeMdius 
das Volkstribunat desselben Jahres (Tac. ami. XLTI 
28), diese erst zehn Jahre vor seinem acta aetate 
erfolgten Tode (s. u.) stattgefundene Wahl ver- 
dankte. Wohl ebenfalls durch Seneeas Einfluss 
auf den jugendlichen Princeps erlangte er die 
Wurde eines XVvir s. f. (Tac. ann. XVI 22, vgl. 
27. 28). Nach dem Consulate war Thrasea bis 
63 n. Chr. im Senat thatig: 57 teat er in dem 
vor dieser KOrperschaft (vgl. Schiller Gesch. d. 
rom. Kaiserr. u. Nero 107, .3) gefuhrten Repe- 
tundenprocess gegen den von den Ciliciern ange- 
klagten Cossutianus Capito auf und fiihrte_ durch 
seine auctoritas dessen Verurteilung herbei (Tac. 
ann. XVI 21 , vgl. XIII 33). 58 bekampfte er 
gegenilber der Senatsmajoritat. das Ansuchen der 
Syrakusaner, die gesetzliche Zahl der Gladiatoren 
iiberschreiten zu diirfen (Tac. ann. XIII 49). 59 
verliess er, wahrend er bisher die Schmeicheleien 
gegen Nero schweigend hingenommen oder kurz 
seine Zustimmung zu denselben gegeben hatte, 
bei der Verhandlung iiber die anlasslich Agrip- 
pinas Ermordung vom Kaiser an den Senat ge- 
richtete Botschaft noch vor der Abstimmung die 
Sitzung (Tac. ann. XIV 12. XVI 21. Dio LXI 15. 
Schol. Iuv. 5, 36) und machte so zum erstenmal 
dem Kaiser Opposition. 62 sprach er im ersten 
unter Nero gefuhrten Majestatsprocess gegen den 
Antrag auf Todesstrafe und stellte den nach Tac. 
ann. XVI 21 dem Kaiser nicht genchmen Gcgcn- 
antrag auf Verbannung und Vermogensconfiscation, 
der vom Senate angenommen und vom Kaiser be- 
statigt wurde (Tac. ann. XIV 48. 49). Hiebei ist 
das Strafausmass als Praecedenz insoferne be- 
merkenswert , als fur alle kimftigen Falle von 
Schriftvergehen die Todesstrafe aufgehoben blieb. 
In demselben Jahre hielt Thrasea bei der Ver- 
handlung fiber die Anklage gegen den Kreter 
Claudius Timarchus, der sich geruhint hatte, in 
seiner Hand liege die Entscheidung, ob den Pro- 
consuln von Kreta der Dank der Provinz vom 
Landtage votiert werde, eine Rede fur die Ab- 
schaffung derartiger Danksagungen. welche durch 
einen Erlass Neros wirklich erfolgte (Tac. ann. 
XV 20 — 22;. Entgegen dieser Thatigkeit (Tac. 
aim. XVI 22, vgl. hist. II 91) blieb Thrasea 
wahrend seiner letzten drei Lebensjahre (63—66) 
dem Senat fern (Tae. ann. XVI 22. Dio LXII 
26 1. Den Grand hievon berichtet unsere Uber- 
lieferung nicht, wohl aber, dass Thrasea im J. 63 
bei der anlasslich der Geburt einer Prinzessin in 
Antium stattfindenden Aufwartung des Senates 



von Nero zuruckgewiesen wurde (Tac. ann. XV 23). 
Da nun nicht ersichtlich ist, warum Thrasea selbst 
plctzlich seine trotz des Vorfalles im J. 59 fortge- 
setzte und gerade im J. 62 erfolgreiche Wirksam- 
keit im Senat hatte aufgeben sollen (Schiller a. a. 
0. 677), ist wohl in dieser Abweisung der nachate 
Anlass zur Abstinenz zu suehen. Den Kaiser aber 
veranlasste zu solcher Ausserung seiner Dngnade 
sicherlich nicht die senatorische Thatigkeit Thra- 
seas , sondern vielmehr die rege Wirksamkeit, 
welche dieser als das Haupt der aristokratisch- 
republicaniachen Opposition, der seit Cato be- 
stehenden Tradition folgend, 1) auf schriftstelle- 
rischem Gebiete, 2) dureh persOnliche Einwirkung 
auf seinen Anhang behufs Bekampfung des Prin- 
cipates entfaltete. So schrieb Thrasea selbst im 
Anschlusse an Munatius Rufus eine Lebensbe- 
schreibung des Cato Uticensis (Plut. Cato min. 
25. 37), welche panegyrisch gehalten und gegen 
Caesar polemisierend, von Plutarch in Catos Bio- 
graphie als Hauptquelle beniitzt wurde (H. Peter 
Die Quellen Plutarchs in den Biogr. der ROmer 
65ff.; Die geschichl. Litter, fiber die r(Sm. Kaiserz. 
I 166, 1; die von Nissen im Marburger Ind. 
lect. Mb. 1875 heransgegebenen Vitae Catonis 
fragmenta Marburgensia sind nicht der romischen 
Quelle Plutarchs, sondern einer dem Lapo von 
Florenz zugeschriebenen Plutarchtibersetzung ent- 
nommen; vgl. v. Gutschmid Lit. Centralbl. 
1875 nr. 35 = Kl. Schrift. V 359ff. Teuffel 
Wiirttemb. Staatsanzeiger 1875 Beilage nr. 22. 
Krause Philol. Versamml., Rostock 1875, 44. 
Nissen selbst, Jenaer Litteraturztg. 1875, 728). 
Dass Thraseas Haus der Mittelpunkt eines ver- 
trauten Zirkels war, beweist Tac. ann. XVI 34 
(illiistrium virorum feminarumque coetus fre- 
quentes egerat) ; vgl. ebd. 22. 25. XIII 49. Aus 
diesem Kreise, in dem die Geburtstage Brutorum 
et Cassi gefeiert wurden (Iuv. 5, 36), werden 
ausser Thraseas Schwiegersohne Manner wie Iunius 
Arulenus Rusticus (Tac. ann. XVI 26), Demetrius 
Cynicus (Tac. ann. XVI 34), Domitius Caecilianus 
(ebd.), T. Avidius Quietus (Plin. ep. VI 29, 1) 
genannt. Der jungen Generation, die hier, er- 
fiillt von stoisch-republicanischen Ideen, heran- 
wuchs, gehorte auch Persius an, der mit Thra- 
sea an die zehn Jahre (52—62) verkehrte und 
ihn auf einer Reise begleitete, welche er nach des 
Lucilius und Horatius Vorbild dichterisch behan- 
delte (Suet. p. 74 Reiff. Persius ed. Passow p. 85. 
Jahn Proleg. ad Persium p. XLII). Mehr litte- 
rarischen Charakter tragt Thraseas Bekanntschaft 
mit dem Tragiker P. Pomponius Secundus an sich, 
der an ihn Briefe richtete {Pomponius Secundus 
"d Thraseam bei Charis. I 125, 23. Diom. I 371, 
18. Priscian. II 538, 29), in welchen er merk- 
wiirdigerweise gerade fiber jene patavinischen ce- 
taria (s. o.) schrieb. Dass er hiebei die Form 
cetariis statt eetaribus anwandte, keineswegs aber 
fiber diese sprachlichen Formen handelte, wie 
Teuffel-Schwabe (Rom. Litt.-Gesch. » S. 685) 
und Schanz (Gesch. d. rom. Litt. II 275) meinen, 
lehrt der "Wortlaut der angefuhrten Stellen. Mit 
der Abweisung Thraseas im J. 63 hatte Nero die 
von Seneca und Burrus befolgte Politik plan- 
inassiger Schonung der Opposition sehr bald nach 
dem Rficktritt bezw. Tod dieser beiden Manner 
geandert. Hatte er sich aber damals noch mit 



der blossen Abweisung begniigt, so liess er drei 
Jahre spater (66) einer neuerlichen Abweisung 
(Tac. ann. XVI 24) gelegentlich seines Einzuges 
mit Tiridates den Process gegen Thrasea auf 
dem Fusse folgen. Thrasea scheint urn Neros 
Absicht, gegen ihn vorzugehen, schon vor dieser 
Abweisung gewusst zu haben, da er nach der- 
selben ein Schreiben an den Kaiser richtete, in 
dem er Mitteilung der gegen ihn erhobenen An- 

10 schuldigungen und Gelegenheit zur Rechtferti- 
gung verlangte (Tac. a. a, 0.), die er vielleieht 
schon beim Empfange des Tiridates zu erlangen 
gehofft hatte. Nachdem Nero das Schreiben er- 
halten hatte, liess er fur den folgenden Tag den 
Senat berufen, in dem auf sein Betreiben Capito 
Cossutianus, Thraseas persSnlicher Feind (s. o.), 
und der redegewandte T. Clodius Eprius Marcellus 
gegen Thrasea als Anklager auftraten. Eine be- 
stimmt formulierte Anklage linden wir im Bericht 

20 fiber den Process (Tac. ann. XVI 21—35) nicht. 
Aus der Rede des Marcellus (c. 28), der nach 
Cossutianus sprach, ersieht man, dass die passive 
Opposition, die Thrasea als Senator, Priester und 
Burger machte (vgl. c. 21. 22. Dio LXII 26) 
dazu beniitzt wurde, ihn als Feind des Fiirsten 
und des Staates und seiner Einrichtungen fiber- 
haupt hinzustellen, fur den der Senat, die Ma- 
gistrate, Rom selbst nicht vorhanden seien, 'dessen 
Schritte in den Provinzen und im Heere genau 

30 verfolgt wurden , der von den Unzufriedenen wie 
einst Cato dem Caesar, so jetzt dem Nero gegen- 
iiber gestellt werde und eininal an ihre Spitze 
treten kflnnte. Diese iibertriebene Darstellung 
geniigte, um in Nero, zumal nach der pisonischen 
Verschworung, den Entschluss wachzurufen, den 
verdachtigen Gegner zu beseitigen. Auch das 
militarische Aufgebot am Tage der Verurteilung 
zeigt, dass Nero Thrasea fiirchtete oder wenig- 
stens den Anschein erwecken wollte, als sei von 

40 Thrasea etwas zu beffirchten. Danach also ohne 
Zweifel des Hochverrates angeklagt (vgl. Schol. 
Iuven. 5, 36), wurde Thrasea in seiner Abwesen- 
heit von seinen eingeschiichterten Collegen ver- 
urteilt und ihm die Wahl der Todesart freige- 
stellt (Tac. a. a. 0. 33). In stoischer Ruhe liess 
er sich die Adern Offnen, wobei er zum Quaestor, 
der ihm sein Urteil verkiindet hatte, die Worte 
sprach : Libamus Iori liberatori (Tac. a. a. 0. 
35. Dio a. a. 0. Schol. Iuven. a. a. 0.). Das 

50 Mannesalter hatte er schon hinter sich (Tac. a. 
a. 0. 26, vgl. 29). 

3) Charakter. Durch seinen Freimut (vgl. 
Tac. hist. IV 5. Dio LXVI 12), welcher jedoch 
bei seiner milden und nachsichtigen Denkart (Plin. 
ep. VIII 22, 3) nicht masslos wurde (Dio a. 
a. 0.), durch seine Ruhe und Standhaftigkeit (Tac. 
ann. XIV 49. XVI 25), welche sogar sprichwortlich 
wurde (Mart. IV 54. 7), sowie durch seine strenge 
Rechtsehaffenheit, die selbst Nero anerkannt haben 

60 soil (Plut. pr. ger. reipubl. 14 p. 810 B), ist Thrasea 
ein Hauptvertreter der stoischen virtus (Tac. ann. 
XVI 21. Dio LXII 26). Dass er nicht ganz frei 
von Ruhmsucht und Eitelkeit war (vgl. Tac. ann. 
XIV 49. XVI 26. 22. Suet. Nero 37), hat er mit 
der Stoa seiner Zeit iibcrhaupt gemein. Erschien 
Thrasea schon bei Lebzeit.cn seinen Anhangern 
gleichsam als mtmen (Tac. aim. XVI 25), so wurde 
er um so mehr nach seinem gefeierten Tode bei 



103 



Clodius 



Clodius 



104 



105 



Clodius 



Clodius 



106 



den spateren Generation ebenso wie Cato Ideal- halb oft in Streit geriet, nie ; sagte ^dieser mrta 

gestalt und neben diesen gestellt (Plin. a a. 0. se non persuadere mdiei %?"f^J^ t& ™ 

Mart I 8, 1 Iuven. 5, 36. Tae. ann. XVI 21. es C. als Norm fur seme Eeden aul nihil pro 

xv w n n M Antonin comm I 14; vel. auch bare nisitutum; non quia imbee%llus erat, tugt 

IJeSs b 1 ?ac ht? £' 9lT Der oben JLnnto Seneca a. 0. 16 hinzu, sed quia eircurnspectus 

AruleX Eu^icuVveifasste eine laudatio des Bedachtigkeit und Grtindlichkeit wen die Haupt- 

ThrSea fTac li 2 : Suet. Domit. 10. Dio eigentumlichkeiten seiner Kede: eausas nsmo 

LXVII 131 aus der wohl Tacitus bei seiner Dar- diligentius proposuit, nemo responds . paratius, 

stellune welche den eigentlichen Processgang zu- und von seinem Sohne heisst es: habet m di- 
r™d' a ffir aber die Person des Thrasea fervor- 10 eehdo patemam diligentwm qua vires mgenn 

Sen list schopfte (Schiller a. a. 0. 18). Von sui ex industriardundit. Auch dieser war em 

Thraseas Arisehen zeugen auch die Dicta, welche sehr befahigter Eedner, der es leicht zum H6ch- 

S seTn EgeXn imUmlauf waren .(Plin. ep. sten hatte bringen konnen, wenn er .sich nicht 

VT 29 1 VIII 22 3 wl Dio LXI 15. Epict. mangels hoheren Strebens mit bescheidenen Er- 

Lert ab Arriano dig. I 1 26) M %™ ^^ Mtte ^ °" ^ ^ F ^t ^^ 

4) Farnii: Thrasfa war vermahlt mit der aus Schulreden des Vater* C. hat nn 8 Seneca im 

itageren Arria (s. Bd. II S. 1259 Nr. 40), der mit X Buche seiner Controversiae uberliefert s die 

Persius verwandten Tochter des Caecina Partus und Ind,ces bei Kiesshng 537 Muller 598) dar^ 

der alteren Arria (Plin. ep. Ill 16, 10. Tac. ann. unter die langste contr. X 2, 5f. In der Uiction 
XVlSTvtrihr hatte er eine (Tac, ebd., fiber 20 ist trotz ApoUodoros der Einfluss des Asiamsmus 

XVI 26 vffl Nipperdey-Andresen II s 307) unverkennbar. „,,•„■ \ ? L n 

Tochter Namens Fannia (PUn. ep. VII 19, 3. IX 60) Clodius Turrmus, Sohn desVorhergehenden, 

L 3 y/ HI 16 2^! welche er dem Helvidius war mit den Sflhnen des alteren Seneca mmgbe- 

Priscus ?nach Tac h st. IV 5 quaestorius adhuo freundet. Gleich seinem Vater strebte auch er 

a fZ Thrasea gener deleetJ d. h.) vor dessen nach dem Euhme der Berefeamkei , wozu er ge- 

v-ovrfriKnnai- r^fi narh Tac ann XIII 28) zur niigend veranlagt war, hatte aber von diesem die 

SS^fS^Vvn 19 3, vgL TafanJxVI an^Hche Sorgfalt geerbt, die ihn abhie t .seine 

28 35 Dio LXVI 12). Kraft an GrOsserem zu exproben, Senec. contr X 

Litteratur: W. Adolf Schmidt Gesch. d. praef. 14. 16. . L b ™ m ;J 
Denk u. Glaubensfreiheit im ersten Jahrh. der 30 61) Clodius Tuscus, Verfasser eines Bauem- 

Kaiserherrsch u. d Christenth.. Berlin 1847. 352 kalenders, von dem uns bei Lydus de ost. c 59 

-877 A S Hoit sem a Disputatio histor. de P. -70 p. 117-158 Wachsm. * unter der Lberschrift 

Thrasea Paeto, Diss. Groningae 1852. G.Joachim hf« m k ™v xavroseviavtov at rcov f±«*<>< ov 

P Paeti Thraseae vita, Lahr 1858. Mommsen (aber spater p. 157, 18 xm xavxa /tsvoKlwdtos 

Ind Plin p 410 Schiller Gesch. d.rSm. Kaiser- in %wv naga Oovoxms tegmv jiqoq /.s§ir) itov ww- 

reichs unter d. Eeg. des Nero, Berlin 1872, 228ff. o«ov X aV J e ^«ov wof i«fiv erne vielfach inter- 

666ff Eanke Wdtgesch. Ill 1, 123. Duruy- polierte und entstellte gnechische Redaction er- 

Hertzberg Gesch. d. r6m. Kaiserreiches I 738f. halten ist. DaflB_ er der augusteischen Zeit an- 

Boissier L'opposition sous les Ce^sars « 99ff. gehort, ergiebt sich darans , dass Gell. V 20, 2 
Teuffel-Schwabe Gesch. d. EOm. Litt. 11*40 eine Defimtion des Soloecismus aniuhrt aus 8m- 

S 728 Klebs Prosopogr. imp. Eom. I 423. As- nius Capita in Utteri* quasad ClodwmTusmm 

bachEom.Kaisertumu.VerfassungbisaufTraian dedit; denn diesen Clodius Tuscus ml t den. Vei 

« [Kunnert] fasser des Kalenders zu identincieren, ist ebenso 

'591 Clodius Turrinus, Rhetor aus der Zeit natiirlich, wie den bei Serv. Aen. XU 657 citierten 

des Augustus ( Sen. contr! X 3, 12), geburtig aus Schriftsteller Clodzus Tusms: mussare est ex 

Spanien, von vornehmer Herkunft, patre splen- graeco, comprimereocuhs ; Grae* ^°«' ™- 

didissimo, avo divi Mi hospite (Sen. contr. praef. Das letztgenannte Citat weist auf «n f^^^t 

X 16). Als in den Stiirmen der Burgerkriege die sches Werk hm; trotzdem ist es bedenklich, den 

FamilieihrVermOgenundAnsehenverloren hatte, Verfasser mit dem in denselben Vergilscholien 
gelang es C. venrfoge seiner Beredsamkeit, den 50 (es handelt sich iiberall **&*»& ^Sw 

flten Ruf des Hauses wiederherzustellen und sich nior) dreimal (Aen I 52. 176. II 229) erwahnten 

die geachtetste Stellung in der ganzen Provinz Clodius, dem Verfasser grammatischer eomnm- 

m erringen. Mit ihm und seinem Sohne unter- tarii (s. o. Nr. 11), gleichzusetzen dadieser me 

Melt del Khetor Seneca, der bekanntlich auch das Cognomen Tuscus fflhrt, und bei Clodius Tuscus 

Spanier von Geburt war, die engsten Beziehungen ; yon commentary keine Rede ist ^ e.mE M erlel 

des C. Sohn nennt er geradezu seinen Sohn, dieser (Proleg. ad Ovid fast. p. LXVI) den bei Ovid 

seinerseite war mit Senecas S6hnen fraterno amore ex Ponto IV 6 , 20 quique munomen PhylMe 

ctniunctm (a. O. 16. 14). In Rom horte C. nach Tuscus habet erwahnten Dl chter Tuscus fur unsern 

43 derEbetor ApoUodoros von Pergamon (s. Bd. I Clodius Tuscus halt und daran die Vermutung 
S 2887f) EingeengtindieSchrankendesapol-60kntipft, dieser habe sem Calendanum Ovid zu 

lodoreischen Systems, verlor er viel von seiner Liebe zusammengesteUt und ihm so eine wichtige 

natXhen Kraft; gleichwohl waren seine sen- Hauptquelle fur den astronomaschen Teil seiner 

tentiae nach dem Urteile Senecas (a. O. 15), das Fasti S^oten so schwebt das vollstandig m der 

die iiberUeferten Proben bestatigen, exeUatae, Luft; vgl W. A. B. Hertzberg Ztscbr f Altert- 

imidiosae, aliquid petentes. Auf die actio als Wissensch. 1846 241f. Im a lgememen s. C 

Mittel, eolores prima facie duros, asperos pro- Wachsmuth Ausg. von Lydus ^ ostentis^ 

babel zu machen, verliess er sich im Gegensatze p. XLU— A1.V1. ,i"™.i J „ 

zu seinem Landsmanne Latro, mit deiner des- 62) C. Clodius C. f. Vestahs. Gold- und Bitter- 



miinzen, die wahrscheinlich zwischen 717 = 37 mit alien Eeizen und Vorziigen des Korpers und 

und 738 = 16 v. Chr. gepragt sird, tragen auf Geistes begabt gewesen sein muss, lasst sich nur 

der Vorderseite neben dem Kopfe der Flora die aus dem Zauber erschliessen, den sie als gereifte 

Aufschrift C. Clodius C. f., auf der Eiickseite Frau auf die Manner ausiibte. Zwar ist es nur 

die Legende Vestalis neben der Darstellung einer thorichter Stadtklatsch, dass sie Cicero angelockt 

sitzenden Frau (Vestalin ?) mit der Opferschale und an eine eheliche Verbindung mit ihm gedacht 

in derHand(BabelonMonn. de la re'publ. Rom. I habe, und dass die Eifersucht Terentias darauf 

354 [die Bemerkungen Babelons p. 352f. sind die erbitterte Feindschaft zwischen dem grossen 

irrig]. Mommsen Berl. Ztschr. f. Numism. XV Eedner und Clodia sowie deren Bruder hervor- 

1887,202ff.,wodiefriiheren AufstellungenMomm- 10 gerufen haben soil (Plut. Cic. 29, 1; vgl. Har- 

sens Rom. Miinzwesen 659. 741 berichtigt sind). necker Berl. philol. Wochenschr. IV 226). Aber 

Dass C. diese Miinzen als IlTvir monetalis pragte, zwei der talentvollsten und bedeutendsten Manner 

ist wenig wahrscheinlich , da dieser Titel nicht der jiingeren Generation haben langere Zeit in 

fehlen diirfte. Vielleicht hatte, wie Bormann ihren Fesseln geschmachtet, und diesem Umstande 

vermutet, C. das Recht der Miinzpragung in einer danken wir das Bild, das Liebe und Hass von 

anderen Stellung, die uns die Inschriften CIL Clodia gezeichnet haben. Es ist jetzt ziemlich 

XI 3310 a. 3311 (Forum Clodi) kennen lehren. allgemein zugegeben, dass sie es ist, deren Liebe 

Die erstere lautct: G. Clodio C. f. Vestali pro- den grOssten lyrischen Dichter der RtSmer be- 

co(n)s(uli) Claudienses ex praefectura Claudia geistert hat. Dass Catull seine Geliebte Lesbia 
ttrbani patrono ; in der anderen Inschrift (s. Nr. 20 mit einem erdichteten Namen benannte, sagt Ovid. 

63) war C. wohl gleichfalls als [projeos. genannt, trist. II 427, dass sie Clodia hiess, Apul. apol. 

Welcher Art der Proconsulat des C. war, ist un- 10. Bare Identitat mit dieser Schwester des Tri- 

bekannt; Mommsen (a. a. O. 205) erinnert an bunen C. ist schon von einzelnen Humanisten 

den ungefahr gleichzeitigen Proconsulat des L. behauptet, dann besonders von Schwabe (Quaest. 

Piso pontifex in der Transpadana (s. o. Bd. Ill Catull. 53 — 135) eingehender begriindet, spater 

S. 1396). Die Inschrift XI 3310 a filhrt Bor- auch gegen wiederholte Angriffe verteidigt worden, 

inann (XI p. 502) zu dem Schlusse, dass ent- so dasssieals gesichert angesehenwerdendarf(vgl. 

weder C. selbst in seinem Proconsulat oder einer liber die Geschichte der Frage Teuffel-Schwabe 5 

von dessen Vorfahren die Via Clodia in Etrurien I 444 § 214, 3. Fenner Quaestiones Catullianae 
angelegt und Forum Clodii {praefectura ClaudiaSO [Barmen 1896] 5f.). Der Beweis liegt darin, dass 

Foroclodi) gegrtindet habe, Der patricischen die wesentlichen Ztige in dem von Catull ent- 

Gens Claudia hat C. kaum angehOrt; Claudia worfenen Bilde seiner Lesbia mit denen des Zerr- 

Quinta, an die Mommsen (a. a. O.) wegen des bildes ubereinstimmen, das uns Cicero von der 

oben erwahnten Miinzbildes dachte, erscheint erst geschichtlichen Clodia hinterlassen hat. Noch 

bei spaten Schriftstellern als Vestalin (vgl. o. wahrend sie die Huldigungen Catulls empfing, 

Bd. Ill S. 2899 Nr. 435). C. war der Vater des warf sie ihre Netze nach dem hochbegabten, lei- 

Folgenden. denschaftlichen M. Caelius Eufus aus; nachdem 

63) [G. Clodiujs C. f. Vestalis fciliusj, [de- dieser mit ihr gebrochen hatte, verfolgte sie ihn 
cemjvir stlfitibusj iudficandis) wird in einem mit unversohnlichem Hass und liess ihn sogar vor 
Inschriftfragment aus Forum Clodi (CIL XI 3311)40 Gericht ziehen. Die Verteidigungsrede, die Cicero 
genannt, in welchem vorher wahrscheinlich sein in diesem Process fur Caelius Welt, ist fast nur 
Vater (Nr. 62) erwiihnt war; f(ilius) ist seinem eine von gluhendem Hass und beissendem Hohn 
Namen zur Unterseheidung von dem gleichnamigen erfullte Anklage gegen Clodia. Sie tritt den Ge- 
Vater hinzugefiigt (Klebs Prosopogr. I 424 nr. dichten Catulls als Quelle fur unsere Kenntnis 
942). der merkwiirdigen Frau zur Seite. Von Clodias 

64) T. Clodius Vibius Varus, Consul ord. im hochgepriesener Schonheit (Catull. 86, 5f. u. o.) 
J. 160 mit Appius Annius Atilius Bradua, s. werden nur die strahlenden Augen besonders er- 
Vibius. [Groag.] wahnt (Cic. har. resp. 38), die im Verein mit der 

65) Clodia, nach Cic. ad Att. XII 22, 2 Mutter angeblichen Neigung fur ihren Bruder ihr den 
eines Dec. Iunius Brutus, der Consul gewesen 50 Beinamen der Hera §oa>mg eintrugen (Cic. ad 
war, vermutlich des Consuls von 677 = 77 und Att. II 9, 1. 12, 2. 14, 1. 22, 5. 23, 3); dass 
demnach Gemahlin des D. Iunius Brutus Callaicus. sie gern und anmutig tanzte, erwahnt Schol. Bob. 

66) Clodia, die zweite Tochter von Claudius p. 304 Or. zu Cic. Sest. 116. Hatte sie nicht 
Nr. 296, alter als ihr Bruder Publius Nr. 48 (Cic. einen feingebildeten Geschmack in litterarischen 
Cael. 36), also etwa 660 = 94 geboren. Beim Dingen besessen, so wiirde sie nicht den Funken 
Tode ihres Vaters noch unvennahlt (678 = 76, des Genius in Catull zur Flamme entfacht haben 
vgl. Varro r. r. Ill 16, 2), wird sie zuerst im (vgl. Catull. 36, 1 fiber ihre Abneigung gegen 
J. 691 = 63 als Gemahlin des Q. Metellus Celer die schlechten Dichter; die Liebe beider gefeiert 
erwahnt (Cic. ad fam. V 2, 6; vgl. Plut. Cic. schon von Proper! Ill 34, 87 und noch von Sidon. 
29, 2). Dass sie ihm untreu war und in bestan- 60 Apoll. ep. II 10); ihr Einfluss in politischen Fragen 
digem Unfrieden mit ihm lebte, wusste alle Welt, bhebe unverstandlich, wenn sie nicht eine geistig 
aber nur die Gegner deuteten an, dass sie den bedeutende Frau gewesen ware. Aber alle Vor- 
im J. 695 = 59 plOtzlich erfolgten Tod ihres ziige warden aufgewogen durch ihre ungeztigelte 
Mamies durch Gift herbeigefuhrt hatte (Cic. Cael. Sinnlichkeit und Zuchtlosigkeit. Sie hiess allge- 
34. 60. Cael. bei Quintil. inst. or. VITI 6, 53: mein Quadrantaria , und wenn auch schon Plu- 
Clyta-emnestra). Unter den verfuhrerischen, sitten- tarch (Cic. "29, 2) diesen Beinamen nicht mehr 
losen , beruchtigten Frauen des damaligen Rom zu erklaren wusste, der dem Caelius (bei Quintil. 
hatte Clodia nicht ihresgleichen. Wie reich sie inst. or. VIII 6, 53) und Cicero (Anspielungen 



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Clodius 



Cloelius 



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Gael. 62. 69) gelaufig war, so 1st wohlDrumanns Suppl. 12058 Muzuc) Es scMnt nicht to. do 

can TT SRI Sx\ Deutune zutreffend, dass so die zur Nachkommenschaft des L Clodius Macer (m. 

S bSfS, die fur einen Qua- 38) gehort, D W™ *"> eine x Insert 

a.„ „ a i, tiw a™ o-prinp-^en Preis edem are- aus demselben Orte (Ylll l^iuooj genaninen i«. 

Sr'war ffit S Lto^Vorlifbe Ult Cicfro M^» &"tf«*»7, *« * einem ™ d / 

lalug war. Mit oesonaer er YU v di Germanen Auszeichnungen erhielt, 

slnde Stanftr^ m£^T (SS. unl *G V*»7 **«*. Iucundi,nus e^ues) 

W Sfi SB 78 Seft 16 39; de domo 92 liar. Bfomwms) wohl mit C. verwandt. [GrcaS-] 

osVti ^1 AH TT 1 5- ad fern I 9, 72) Clodia Tertia, offenbar die alteste von 
tf P 'ad ft H 3 2 vgl V U II 45,1 Pint 10 den drei Tflchtern des Ap. Claudius Pulcher Nr 

C c. 29, V unl a«!h Itdeutungen Catulls (72, 296 , Gemahlin des Q Marcius Ee, Con S , s 6£6 

2 79 1) sind hierauf (oder auf das Verhaltnis = 68 (Plut Cic. 29 2. Dio XXXVI 17, 2). hie 

t Sex Clodius Nr 12) bezogen worden. Wie heiratete ihn noch ta L*Mtm ihres Vateis, 

as sl^tefts s k^H "S- HE 

wurde friiher beruhrt (vgl. B&. Ill b. l^b/i.j. <su », 10. *""••*• "•' „ „ n „„. .„ -S„ mm _ 

Beide wandten schliesslich mit tiefer Entriistung wird). Vgl. D run. ann G. R. II 374, i-l^m 

der Geliebten den Riicken, die zur Geliebten aller sen zu CIL I ■ «W- daWCfo*- 

herabgesunken war (etwa aus derselben Zeit Cic. , Cloelras, ^umltorm ^*«' d " a ™ "?" 

Gael L «.*» J*g ^l^Catuf H 5 £C "ode^S^ ^STt 

^Na'ch tnf Prc!cE 'des' Cai^si ^ Ssche PatriciergcscMecht, das diesen Namen 

I! d Clodia nicht mehr genannt. Im J. 709 = ffihrte, lcitete seine ^ Ursprung von eir n Gefehr- 

4-5 wollte Cicero von einer Clodia ein Grundstiick ten des Aeneas ab (Paul p. 55) und wuicle stets 

hatte. Auch ihre Identitat mit der ad Att. IX (vgl. Dionys. X 41 42) 

6, 3 erwahnten Clodia, der Schwiegerm utter des 1) Cluilius Feldherr der JoUer m j. 311 

I MeWlue Volkstribuns 705 = 49, 1st wen* = ^J^^lt %^ Sf£ 

fill Clodia' die dritte und jiingste Techier Heimatsbezeichnung 1st; erbelagerte Ardea wurde 

von 6 cLSiusV le 296 St L. L^ius Lucullus von den ^^.^^ZmSI^W 
nach dem Tode ihres Vatexs und vor deni ^■^e^^^^ r ^^ 1 ^S^-Z 

SnaSwvSo^ tlM. e ptt 67 LuZ S i°ne 4 Do 7 nblSt e e SeV enter N, f gegebenen 

vermamt arro 1. 1. J.11 1°, EacVVelir 2) C Cluilins Vorname nur bei Liv. I 22, 3), 

L^^da^i^n S ^nte^er war ur Zeit des Tullu ; , Hosgius das Oberbaupt 

Gemabl von lr *e«u Unfe«» (^ L^» 8. - A ga Long ^^.^-^J^ ^tiflll 

1) und bezeugte im J. 693 = ol sogar vor uencni,, 1 > B i- ^, -> ' la „. „„.,' fv(T i p au i „ 5R. 

dass sie mit ihrem Bruder Publius Blutschande Jord. (aus Pest j ^ 1 82) praetor (TgL 1 anl p. J. 

getrieben habe (Cic. Mil. 73; har. resp. 42. 59; dux; ebenso Anct.de praw. 1 ^. 9^ «* L«. 

ad fam T 9 15 Pint Luc 34, 1. 38, 1; Cic. Varrone] dissenhunt LVernub.'J mum . . . . 

<»'•» Clodia Gemahlin eines Aufilius, jeden- Agrippam Silrium, postenoresque duces Methum 

fallsln tefete? ^Hcanischen Zeit, ubekbte Fufetiunt et morern [nur berj Cloe ftj». ,^- 

ihre 15 Kinder und wurde 115 Jahre alt (Val. tos } Dionya. UI 2, 1: ^"/^; ^ ^ ^ 

Ma, VIE IB, 6, daraus Plin. „. h. VII 158, ^mft. ^^^ ^— -^ 

^ (Ciocja) F« Tocbter^A. C Jus die Alba^ £ ^^^^ L ^S 

Thr S a SSl2ra, ^tali^uX^egen an- scblage, Der Graber ^de. s^ urn feLa^ 

geblichen Keuschheitsverbrechens von Antonys zogen, wurde nach r ^J™™™ »£** ™£ 

des Apollo Augustus in dieser Stadt (CIL VIII ler R. G. I 5851.). 



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Cloelius 



Cloelius 



110 



3) P. Cloelius patrieius primus adversus vir eine Colonie nach Ardea (Liv. IV 11,5: T. 
veterem morem intra septimum cognationis gra- Cluilius Sieulus). 

dum dnxit uxorem, was zu TJnruhen fiihrte. Die 13) Cloelia , wurde mit anderen vornehmen 

Notiz ist ein Fragment (12 Weissenb.) aus Liv. XX. rOmischen Jungfrauen dem Porsena als Geisel 

Das Ereignis fallt demnach zwischen 513 = 241 ubergeben, entfloh der Haft, durchschwamm den 

und 535 = 219; P. Cloelius kann der Vater oder Tiber und rettete sich nach Rom. Der Konig 

Grossvater von Nr. 9 sein (Mo mm sen Herm. IV forderte und erlangte ihre Auslieferung, aber aus 

373f.). Bewunderang ihres Heldenmutes liess er sie dann 

4) Q. Cloelius M. f. Quirina (tribu), Senator von selbst frei und gestattete ihr einen Teil der 
715 = 39 (SC de Panamar. Viereck Sermo 10 Geiseln mitzunehmen. Sie wahlte Jungfrauen und 
Graecus 41 nr. 20). Kinder. Die ROmer ehrten ihre That durch Er- 

5) T. Cluilius , Munzmeister im 660 = 94 richtung eines Reiterstandbildes auf der Hohe 
(Mommsen Milnzw. 562 nr. 179; Tr. Blacas der Sacra via. Diese Erzahlung ist in verschie- 
II 374 nr. 183), vielleicht der Fuhrer der dener Ausfiihrlichkeit und mit mancherlei Ab- 
Marianer 671 = 82 (KXoikwg Plut. Pomp. weiehungen im einzelncn von zahlreichen Autoren 
7, 1). iiberliefert (Liv. II 13, 6. Flor I 10, 7. Oros. II 

6) Tullus Cloelius, mit anderen rSmischen Ge- 5, 3. Val. Mai. Ill 2, 2. Auct. de vir. ill. 13. 
sandten im J. 316 = 438 an den VejenterkOnig Sen. cons, ad Marc. 16, 2. Verg. Aen. VIII 651. 
Lars Tolumnius geschickt und auf dessen Geheiss Serv. Aen. VIII 646. Sil. It. X 492. XIII 828. 
ermordet (Cic. Phil. IX 5. Liv. IV 17, 2. Plin. 20 Iuv. VIII 265 mit Schol. Dionys. V 32, 3-35, 2. 
n. h. XXXIV 23). Plut. Popl. 19, 2; de mul. virt. 14 [in drei Ver- 

7) Cloelius Gracchus, Fuhrer der Aequer im sionen, vgl. P e t e r Quellen Plutarchs in den Bio- 
J. 296 = 458 , fiel in das romische Gebiet ein graphien der Romer 49f.]. Dio frg. 14, 4. XLV 
und schlug sein Lager auf dem Algidus auf. Er 31, 1. Polyaen. VIII 31). Sie gehOrt zu den Sagen, 
verweigerte den Romern hohnisch die Genug- durch die die Schmach der Unterjochung Roms 
thuung fur diesen Friedensbruch (vgl. Dio frg. durch die Etrusker vcrdeckt werden sollte. und 
22, 1) und schloss den gegen ihn gesandten Con- setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: der 
sul Minucius mit seinem Heere ein, Darauf wurde eine ist eine Tradition, dass sich die rOmischen 
in Bom L. Cincinnatus vom Pfluge geholt, zum Geiseln samtlich der Gefangenschaft entzogen 
Dictator ernannt und ausgesandt, um Minucius 30 batten (Rede des Samniten Pontius bei Liv. IX 
zu entsetzen; es gelang ihm, denn die Aequer 11,6: obsides Porsinae dedistis: furto eas sub' 
wurden zur-Ergebung und zur Auslieferung ihres duxistis); der zweite eine aetiologische Sage, C. 
Feldherrn gezwungen, der den Triumph des Siegers allein habe zu Ross den Tiber durchschwommen. 
verherrlichte (Liv. Ill 25, 5ff. 28, 10. 29, 4. In dieser Form ist letztere bei Val. Max., Flor., 
Dionys. X 22—25. Auct. de vir. ill. 17, 1—3). Auct. de vir. ill. und den svioi Plutarchs erhalten, 
Das Ganze ist reine Sage (vgl. zur Kritik der- in der abgeschwachten Fassung, C. sei mit den 
selben Schwcgler R. G. II 726ff. Ihne R. G.« iibrigen Jungfrauen zusammen, aber allein zu 
I154f. und untenL. Quinctius Cincinnatus), und Pferd geflohen, bei Plut. Auch Serv. und Sil. 
wenn auch der Name des AequerfeldheTrn nicht It. spreclien nur von C, doch ohne das Pferd zu 
erfunden ist, so bleibt seine PersOnlichkeit den- 40 erwahnen. Erst jiingeTe Annalisten berichteten 
noch in Dunkel gehiillt. von ein em Hinterhalte, den Tarquinius den Jung- 

8) P. Cloelius Sieulus, Kriegstribun mit con- frauen gelegt hatte, und iibertrugen die Bolle der 
sularischcr Gewalt 376 = 378 (P. Cloelius Liv. C. teilweise auf eine Valeria (Dionys. Plut. Plin. 
VI 31, 1; nonhog Koihog Diod. XV 57, 1; Si- n. h. XXXIV 28f. , vgl. Peter a. O. Bocksch 
culo Chronogr). Leipz. Stud. XVII 192. Mtinzer Quellenkntik 

9) P. Cloelius Sieulus, Opferkonig scit 574 d. Naturgesch. d. Plinius 167ff.) mid erzahltm 
= 180 (Liv. XL 42, 11). Wohl derselbe ist der ferner, Porsena habe sie wegen ihres mannhchen 
P. Cloelius Sieulus, der nach Val. Mas. I 1, 4 Mutes mit einem Streitross beschenkt (zufallig 
wegen eines Versehens seine Priesterwiirde nieder- nur von alien griechischen Autoren iiberliefert). 
legen musste, obwohl dort, wo drei ahnliche Falle 50 Eine Sonderstellung nehtnen vielleicht noch die 
kurz zusammengefasst werden, von der Wurde Angabe des Annius Fetialis aber den Tod der 
eines Flamen die Rede ist. anderen Geiseln (bei Plin.) und die Notiz Dios 

10) Q. Cloelius Sieulus, Consul mit T. Larcius XLV 31, 1 ein. Die eigentliche Cloelia^age knnpft 
Flavus 256 = 498 (Koivtoq KXoihoe ZixeUg Dio- offenbar an das oben erwabnte Denkmal an, das 
nys. V 59, 1: Q. Cloelius Liv. II 21, 1. Cassiod.: auf Staatskosten oder von den iibrigen Jungfrauen 
Sifulo Idat. Chron. pasch. ; Vocida [?] Chronogr.). (Piso bei Plin.) oder dercn Vatem (Dionys.), nach 
Nach Dionysios (V 71. 72. 75. 76) ernannte er Servius auf Antrag Porsenas errichtet sem soil, 
seinen Amtsgenossen zum ersten Dictator und Es ist in der letzten Zeit der Republik zu Grande 
war spiiter dessen Unterfcldherr. gegangen und von unseren Gewahrsmannern nicht 

11) Q. Cloelius Sieulus, Censor 376 = 378 60 mehr gesthen worden (Gilbert Gesch. u.Topogr. 
(Liv. VI 31, 2). I 226, 1). Schwegler (B. G. II 186) halt es 

12) T. Cloelius Sieulus, Kriegstribun mit con- fur ein Gotterbild ; es sei die in den Gewassern 
sularischer Gewalt im J. 310 - 444 (Tiro; K).v- waltende und auf einem Rosse reitende Venus 
/.(Of ZixeXos Dionys. XI 41; Siculo Chronogr.; Equesiris (Preller-Jordan R. Myth. I 447), 
offenbar verderbt, weil einem plebeischen Ge- diese sei identisch mit der Venus Clutha oder 
schlecht angehOrig, das erst spiiter auftritt, T. Cloacina. -Die Ableitung des Namens und des 
Caecilius bei Liv. IV 7,1; dagegen Tiros Koiv- Mythus ist bei dieser Auffassung ziemhch nahe- 
roff Diod. XII 32, 1), ftthrte 312 = 442 als Trium- liegend. Wcniger wahrscheinlich ist die neuer- 



■Ill 



Cloio 



Oluentius 



112 



113 



Cluiliae fossae 



Clusinius 



114 



dings geausserte Vermutung, es sei erne griechische, 3) A.. Cluentius Habitus, angesehener und vor- 

naeh Eom geratene Amazonenstatue gewesen nehmer Mann aus Larinum in Sammum, wo erne 

(Eoscher Ber. d. sachs. Gesellsch. 1891, 107). Preigelassene der Familie noch spater naehweis- 

14) Cloelia, dritte Gemahlin Sullas, der sich bar ist (CIL IX 742). Er starb mi J. 666 = 88 

von ihr angeblich wegen ihrer Unfruchtbarkeit, und hinterliess aus seiner Ehe mit Sassia zwei 

in Wahrheit aber aus Liebe-zu Caecilia Metella, Kinder, Nr. 4 und 6 (Cic. Cluent. 11). 
scMed (Plut. Sulla 6, 16). [Miinzer.] 4) A. Cluentius Habitus, Sohn .des Vorigen 

Cloio s Chlogio. und der Sassia, geboren 651 = 103 (tie. tiuent. 

Clondicus, Hauptling der Bastarner, erwahnt 11), rSmischer Ritter (ebd. 156). Seine Mutter 
575 =179 (Liv XL 58, 8) und 586 = 168 (Liv. lObeiratete in dritter Ehe den Statins Albius Op- 

XLIV 26, 11. 27, 2. App. Mac. 18, 2f. nennt pianicus (o. Bd. I S. 1317 Nr. 10), mit dem C. 

ihn KXolkos), s. Bd. Ill S. 111. [Miinzer.] zunachst iiber municipale Angelegenheiten in 

Clonius. Q. Atrius Clonius s. Bd. II S. 2148 Streit geriet (Cic. Cluent. 43f.). Dann fasste der 

jj r 5 Stiefvater den Plan, C. zu vergiften, damit sein 

Clostra Komana (Plin. Ill 57), Ort in La- VermOgen an Sassia flele, und snehte seinen Plan 

tium, an der pontinischen Kiiste, 15 mp. von Cir- mit Hiilfe des C. Fabricius und eines Freige- 

cei 9 mp. von Astura (Tab. Peut. ; vgl. Geogr. lassenen desselben, Scamander, zur Ausfiihrung 

Eav. IV 32 p. 266. V 2 p. 334 P., wo plostris zu bringen (ebd. 46—48), Der Anschlag wurde 

bezw. oolostris uberliefert ist), also in der Nahe entdeckt . C. erhob der Eeihe nach gegen Sca- 
des Lao-o di FogUano und der ,Archi di S. Do 20 mander, Fabricius und Oppianicus Anklage, alle 

nato ; genannten Ruinen. Vgl. Elter Bull. d. Inst. drei wurden im J. 680 = 74 verurteilt, und Op- 

1884, 73ff. [Hiilsen.] pianicus starb einige Jahre spater im Enl (ebd. 

Clota, Bxicht (aestuarium) a.ut derWestkiiste 49—61). Indess bei diesem Process waren Be- 

Britanniens, wo das Vallum Antonini endigte, jetzt stechungen vorgekommen, die die offenthche Mei- 

Firth of Clyde, zuerst genannt im Agricola des nung aufs hOchste erregten und die Unparteilich- 

Tacitus (23 Clota el Bodoeria [s. Bd. Ill S. 591] keit des Urteils in Zweifel ziehen liessen ; mehrere 

diversi maris aestibus per immemum revectae Richter wurden deshalb verurteilt und C. selbst 

angusto terrarum spatio dirimuntur und 24 in im J. 684 = 70 mit einer censonschen Euge be- 

Clotae proximo, transgressus), dann bei Ptolemaios legt (ebd. 13Sf.). Im J. 688 = 66 veranlasste 
(II 3, 1 Kkmza etaxvais). Denselben Namen fuhrte, 30 Sassia ihren Stiefsohn Oppianicus, gegen C. die 

wie es scheint. die davor liegende grosse Insel Anklage zu erbeben, er habe den alteren Oppiam- 

Arran, insula Clota in *Hiverione (Ribernieo cus in der Verbannung durch Gift urns Leben 

maril) nach Itin. marit. 509, 1. [Hiibner.] gebracht, nachdem sie bereits fruher diese Be- 

Cluana, Stadt in Picenum (Mittelitalien), an schuldigiing gegen ihn erhoben und zwei Sclaven 

der Ktiste nur genannt von Mela II 66 und Plin. peinlich aber erfolglos dariiber befragt hatte (ebd. 

Ill 111; vermutlich hangt sowohl der Name des 169ff.). Den Klager vertrat in diesem Process 

Clumtensis vicus wie des Flnsses Chienti (fur T. Accius Pisaurensis (vgl. noch Cic Brat. 271), 

den eine antike Form nicht uberliefert ist) damit den Beklagten Cicero. Dessen erhaltene Rede, 

zusammen. Vgl lommsen CIL IX p. 554. die in der Buchausgabe vielleicht verkiirzt wurde 

[Hiilsen.] 40 (Plin. ep. I 20, 8) und von Quintilian ofter als jede 

Ciudrus, Fluss in Phrvgien bei Eumeneia, andere angefiihrt wird, entschied das Urteil der , 

Plin. V 108, vielleicht identisch mit dem Clurda Eichter zu Gunsten des C, obwohl seine Sache nicht 
bei Sail. frg. II 84 (Maurenbr.), das ist aber nicht zum Besten stand. Cicero rtihmte sich spater, se te- 

sicher, Kiepert Forma orbis IX. Entweder das nebras offudisse iudicibus in causa Cluentiana 
Ischekli-WasseroderderKufutschai,rechterNeben- (Quintil. inst. or. II 17, 21), und es lasst sich 
fluss desMaeander, Ramsay Cities and bishop- noch deutlich erkemieu, dass er sich ziemlich 
rics of Phrygia 354, 2. [Ruge.] arge Verdunklungen und Entstellungen zu Schul- 

Cluentensis vicus, nur genannt auf der bei den kornmen liess. Das Hauptgewicht liegt auf 
Civitanuova (4 km. nordlich der Mtindung des dem Naehweis, dass jene Verurteilung des Op- 
Chienti) gefundenen Inschrift CIL IX 5804 50 pianicus im J. 680 = 74 gerecht gewesen und 
(spatere Kaiserzeit). Ob identisch mit Cluana? nicht durch Bestechung der Richter von C. her- 

[Hiilsen.] beigefuhrt sei; nur etwa das letzte Funftel des 

Cluentius. 1) L. Cluentius (Vorname L. bei Ganzen beschaftigt sich mit der eigentlichen An- 
App., A. bei Eutrop.), einer der Fuhrer der Ita- klage. Es ist daher wahrscheinlich , dass C. in 
liker im Bundesgenossenkriege , suchte das be- erster Linie auf Grand der Lex Cornelia wegen 
lagerte Pompeii zu entsetzen , wurde von Sulla Richterbestechung belangt wurde, und schwerlich 
geschlagen, wagte einen neuen Entsatzversuch, ganz mit Unrecht. Die altere Litteratur (iber 
nachdem er Zuzug von Galliern erhalten hatte, diese Frage s. bei Teuffel-Schwabe I 324 
und erlitt nun 665 = 89 eine so vollstiindige § 179, 15; dazu Stocklein und Boll Commen- 
Niederlage, dass er selbst mit fast seinem ganzen 60 tationes philologicae (des Munchener philol. Se- 
Heere den Tod fand (Appian. b. c. I 50 , vgl. minars zur Philologenversammlg. Munehen 1891) 
Eutrop. V 3, 2f. und unten L. Cornelius Sulla). 196—209, von denen sich Boll im Anschluss an 
Er gehort wohl zu derselben Familie, wie die Drumann V 360ff. u. a. wieder im obigen Smne 
Folgenden. entscheidet. 

2) Num. Cluentius, Sohn der Cluentia Nr. 6, 5) Cluentia, Schwester des alteren A. Cluen- 

wohl aus einer zweiten Ehe mit einem Verwand- tius Habitus, verheiratet mit Statius Albius Op- 
ten, rOmischer Ritter, im J. 688 = 66 als Jung- pianicus und von diesem durch Gift aus der Welt 
ling in Rom (Cic. Cluent. 165). geschafft (Cic. Cluent. 30, vgl. 125). 



6) Cluentia, Tochter von Nr. 3, bei dessen aus C. Gebiirtigen , die auf Inschriften anderer 

Tode 666 = 88 sehon erwachsen und heiratsfahig, Stadte Hispaniens (CIL II Index p. 1142) und 

vermahlte sich bald darauf mit ihrem Verwand- sonst (CIL III 1158. VIII 2807) vorkommen. I m 

ten A. Aurius Melinus (Cic. Cluent. 11), aber J. 222 n. Chr. wahlte das concilium corwentus 

schied sich nach zwei Jahren von ihm, weil ihre Cluniensis den Legaten der Legio VH C. Marius 

eigene Mutter Sassia in Neigung zu ihm ent- Pudens Gornelianus zum Patron (CIL VI 1454). C. 

brannte und ihn heiraten wollte (ebd. 14). war Station an der Strasse von Asturica nach . 

[Miinzer.] Caesaraugusta (Itin. Ant. 441, 1. Geogr. Rav. 

Cluiliae fossae (KXodlai rd<pQoi), Wasserlauf 311, 5). [Hiibner.] 

in der Campagna zwischen Rom und Albano, ftinf 10 Clunimn [EXovviov) , Stadt an der Ostkuste 

Miglien von der Stadt, angeblich genannt nach von Corsica, unweit der nordlichen Spitze, Ptol. 

dem Lager des Albanerkonigs Cluilius (Liv. I III 2, 5; der Position nach wurde sie nahe dem 

23, 3. Dionys. in 4, 1, s. o. Cloelius Nr. 2), er- modemen Marina di Pietra, 5 km. nordlich vom 

wahnt noch in der Geschichte des Coriolan (Liv. H Capo Sagros, fallen; s. C. Muller z. d. St. 

39, 5. Dionys. VIII 22, 1. Plut. Coriol. 30), sowie von [Hiilsen.] 

Fest. ep. 56 M. (wo Cloelia fossa). Schon Livius (I Clupea s. Aspis Nr. 11. 

23) sagt: cum re namen quoquevestutate abolevit; Clusinae aquae weiden nach Horat. epist. 

die neueren Ansetzungen (in der Nahe von Sette I 15, 9 {qui caput et stomachurn supponere fon- 

Bassi, am fiinften Steine der Via Latina; Nie- tibus audent Chtsmis) gewohnlich mit den Ba- 
buhr Rom. Geseh. I 225, 572. Bormann Alt-20gni di S. Casciano identificiert; neuerdings suchfc 

latin. Chorographie 68. Gilbert Topogr. II 52) sie Gamurrini (Not. d. scavi 1892, 307) in der 

sind nur Vermutung. [Hiilsen.] Nahe von Sarteano, wo Reste romiseher Thermen 

Cluilius s. Cloelius. erhalten sind. [Hiilsen.] 

Clunia. 1) Ort in Eaetien auf der Tab. Peut. L. Clusinas, von Caesar im J. 708 = 46 als 

Beim heutigen Feldkirch, siidlich von Bregenz. Eadelsfuhrer bei einer Militarrevolte aus der Armee 

[Ihm.] ausgestossen und aus Africa verwiesen (b. Afr. 

•2) Stadt in Hispania Citerior, in hoher, natur- 54, 5f.). [Munzer.] 

lich fester Lage zwischen dem jetzigen Corufia Clusinius. 1) Clusinius Figulus, Sohn der 

del Conde, Hinojar, Quintanarraya und Penalva Urbinia, urn deren Besitz sich der bekannte Erb- 

de Castro am Fluss Arandilla, mit Resten der 30 schaftsprocess drehte, in welchem (T.) Labienus 

Mauern und Thore, des Theaters u. s. w.; wohl die Vertretung des C. fiihrte gegen den beriihmten 

keltische Griindung (CIL II p. 382. 928). Sie Redner uiid Schriftsteller (C.) Asinius Pollio, der 

wird zuerst im Krieg des Sertorius erwahnt, der fur die iibrigen Erben eintrat (Quintil. inst. IV 

darin belagert wurde, aber den Belagerern durch 1, 11. IX 3, 13; zu VIII 3, 32 vgl. Harder 

Ausfalle vielen Schaden that (Liv. epit. XCII; Jahrb. f. Philol. CXXXVII 370, 3. Charisius G. L. 

bei Plut. Sertor. 19 wird die Stadt nicht ge- I 77, 15f.). Pollio behauptete, der vermeintliche 

nannt). Im J. 698 = 56 v. Chr. belagerte sie C. sei ein Sclave, namens Sosipater, der zu Pi- 

Q. Metellus Nepos (Dio XXXIX 54, 2). EinPriester saurum zwei Herren als Apotheker gedient habe, 

des Iuppiter in C. weissagte dem dort weilenden dann freigelassen, aber auf seinen eigenen Wunsch 

Galba (Plut. Galb. 6) die kunftige Kaiserwiirde 40 wieder von Pollio selbst als Sclave gekauft worden 

(Suet. Galb. 9); von Galba, der Patron der Stadt sei, Dem gegenuber machte Labienus geltend, 

blieb (CIL II 2779) , fuhrte die Stadt den Bei- dass vor Gericht der echte C. stehe, der allerdings 

namen Sulpicia , wie die von ihm geschlagenen hochst wechselvolle Schicksale durchgemacht habe. 

Miiozen zeigen (Eckhel I 46. VI 294. Cohen Er sei nach einer Niederlage des Heeres, in dem 

Monn. imp. 2 I 324, 86). Auf den autonomen er gedient hatte, gefiohen, aber dann doch in die 

Miinzcn der rcpublicanischen Zeit steht die Auf- Kriegsgefangenschaft des feindlichen Kfinigs ge- 

schrift mit iberischer Endung ClounioqfumJ ; auf raten (es lasst sich natiirlich nicht feststellen, 

den seit Tiberius geschlagenen Clunia (Mon. ling. welcher Konig das war), spater aber wieder nach 

Iber. nr. 77). In den Listen des Agrippa und Italien in seine Heimat, im Gebiet der Marruciner 
Augustus ist C. Hauptstadt eines der sieben Ge-50 (diese Conjectur Bonnells gegenuber dem hsl. 

richtsbezirke der Citerior (Plin. Ill 18. 26); sie iiberlieferten in Marginos hat sehr viel Wahr- 

gehorte zu den Arevakern (so auch Ptolem. II 6, scheinlichkeit), gelangt, wo er als Sohn der Ur- 

55) und wird als Ceitiberiae finis bezeichnet (III binia erkannt worden sei (Quintil. inst. VII 2, 

27) , was nicht leicht zu erklaren ist. Nur bei 4. 5. 26). Die Zeit dieses Processes ergiebt sich 

Ptolemaios wird die Stadt xoXcovla genannt; zu aiis den Worten niediis dici Augusti temporibus 

den zwolf Colonien der Citerior (Plin. Ill 18) ge- (Tac. dial. 38); er fand jedenfalls vor dem J. 5 

hort sie jedoeh nicht. Die Munzen zeigen nur n. Chr. statt, dem Todesjahre des Asinius Pollio 

die Munieipalbeamten (Quattuorvini und Aedilen) ; (vgl. Bd. II S. 1592). Cber den Ausgang des 

auch in dem Patronatsdecret fur den Praefecten Processes ist nichts bekannt. 

der Ala Augusta C. Terentius Bassus aus Mefana 60 2) Clusinius Gallus. An ihn richtet Plinius 

in Etrurien vom J. 40 n. Chr. heissen die Burger der Jiingere einen Brief, epist. IV 17. Wahrend 

n ur Clunienses , nicht coloni coloniae (CIL II die meisten Hss. den Adressaten bios als Gallus 

5 '92). Erst auf einer Inschrift fur den Kaiser bezeichnen, uberliefert der Cod. Florentinus 

Hadrian begegnen coloni Clunienses (CIL II ... sinius Ca . . . ., was bisher allgemein zu Asi- 

2780), sowie die ublichen Magistrate und Priester- nius Gallus erganzt worden ist. Den vollen rich- 

tfimer nebst der Vertretung der Gemeinde in dem tigen Namen -hat erst die neuerdings aus dem 

"oneilium der Provinz zu Tarraco (CIL II 4198. Nachlass Ashburnhams bekannt gewordene Hs. 

4233. 6093). Auffallend gross ist die Zahl der uberliefert, Rev. crit. XVI (1883) 253, 2; vgl. 



115 



Clusiolum 



Clusium 



116 



117 



Clusius 



Glutorius 



US 



Th. Stangl Philol.XLV (1886) 655f. und Klebs 
Prosopogr. imp. Eom. I 425 nr. 949. [Stein,] 

Clngiolum, untergegangene Stadt in Umbrien 
(supra Interamnam), nur genannt bei Plin. Ill 
114. [Hiilsen.] 

Clusium (Elovaiov, Einwohner Clttsinus, KXov- 
otvog) , eine der etruskischen ZwOlfstadte , jetzt 
CMusi, auf einem isolierten Htigel am Siidende 
des Val di Chiana, Wenn die Verknupfung des 
angeblichen Urnamens Camars (s. o. Bd. Ill S. 1425) 
mit den Camertes Umbri das Bichtige trifft, 
durfte die Grtindung der Stadt in die voretrus- 
kische Zeit und auf Ansiedler umbrischen Stam- 
mes zuriickgehen; jedenfalls erschien der romi- 
schen Tradition C. als eine der altesten Stadte 
von Etrurien und ganz Mittelitalien (Verg. Aen. 
X 167 und Servias z. d. St.). Bauliche Reste aus 
vorrOmischer Zeit sind sparlich, nicht einmal der 
Lauf der Stadtmauern, die ihrer Construction nach 
denen yon Perugia und Todi nahestehen, sicher 
zu bestimmen (Dennis Etruria II 2 2951). Be- 
deutend sind die unterirdischen ewiictdi, welche 
den ganzen Stadthiigel, wahrscheinlich zum Zwecke 
der Entwasserung, durchziehen (Bull. d. Inst. 1831, 
99. 1868, 133. Dennis a. a. 0. 297). Zeugnis 
von der Bedeutung und Grosse der Stadt giebt 
aber vor allem die ausgedehnte Nekropole, welche 
den Stadthiigel auf alien Seiten umgiebt. Die 
altesten Graber derselben, tombe a pozzo, reichen 
ttber den Beginn des griechisch- etruskischen Han- 
dels, also fiber das Ende des 8. Jhdts. binauf: 
die tombe a fossa fehlen ganzlich, statt dessen ent- 
wickelt sich aus der tomba a pozzo die tomba a 
ziro, wo die Aschenurnen (meist mit mensch- 
lichem Kopf, Canopi) in umfangreichen thonemen 
Behaltern (dolia) geborgen werden : als Beigaben 
treten griechische Importartikel, ,protokoTinthische' 
und streng korinthische Vasen auf, die diese 
Grabergattung ins 7. Jhdt. verweisen. Auf die 
tombe a ziro folgen sofort die zum Teil reich aus- 
gestatteten tombe a camera, die sich bis jetzt bis 
gegen Anfang des 6. Jhdts, hinauf verfolgen lassen. 
Cber Ausgrabungen in der Nekropole von C. ent- 
halten die meisten Jahrgange der Annali und des 
Bull, dell Instituto sowie neuerdings deT Notizie 
degli scavi Nachrichten ; genannt werden mfigen 
die tomba Francois (eine der altesten tombe a 
camera, mit der beriihmten Vase, einem attischen 
Prachtgeiass etwa aus solonischer Zeit, Ann. 1848, 
299. 1850, 251-280. Monum. V 14-16), die tomba 
Casuccini (Ann. 1851, 255—267. Monum. "V 32 
— 34) und das hocharchaische von Poggio Eenzo mit 
Wandgemiilden , ahnlich sehr alten Gaeretanern 
(Bull. d. Inst. 1874, 225-228) ; vgl. die Ubersicht bei 
Dennis 320 — 344. Durch Grosse und eigentum- 
liche Bauart zeiehnet sich die Nekropole in dem 
Hugel Poggio Gaiella, 5 km. nOrdlich von C, aus; 
in mehreren Stockwerken iibereinander grOssere 
und kleinere Grabkammern. zum Teil verbunden 
durch ein System vielgewundener Gauge ; die 
Basis des Ganzen von einer Quadermauer mit um- 
laufendem Graben gestutzt. 1st auch die Gleich- 
setzung mit dem von Plinius nach Varro beschrie- 
benen Grabe des Porsena (n. h. XXXVI 91: mo- 
numentum lapide qvadrato, singula latera pedum 
lata tricenum, alia quinquagenum : inque basi 
quadrata intus labyrintham inextrieabilem . . . 
supra id quadratum pyramides stant quinqm, 



quattuor in angulis, in medio una u. s. w.) schon' 
deshalb unmOglich, weil die Basis von Poggi* 
Gaiella rund und nicht quadratisch ist, so mag" 
doch ein analoges Denkmal der varronischen Be- 
schreibung zu Grunde liegen. Vgl. E. Braunj 
II labirinto di Porsena comparato coi sepolcri di 
Poggio Gaiella. Eom 1840, Fol. Abeken Ann. 
d. Inst. 1841, 30—36; Mittelitalien 243f. Den- 
n i s Etruria 112 345-356 . Von der Grosse der Nekro- 

10 pole und der Bedeutung der Stadt fiir Etrurien: 
giebt das Factum Zeugnis, daas aus Clusium und 
seinem Gebiete gegen 3000 etruskische Inschriften 
bekannt sind (CIE 475 — 3306), wahrend das ge- 
samte Gebiet nordlich bis zum Arno (Volterra, 
Siena, Arezzo, Fiesole u. s. w.) kaum 500 geliefert 
hat. Mit den Eomern tritt, nach den annalistischen! 
Quellen, C. zuerst in Beziehung um die Wende 
des 7. und 6. Jhdts. v. Chr., wo es mit Arretram< 
Volaterrae Busellae und Vetulonia ein Bundnis 

20 gegen Tarquinius Priscus eingeht (Dionys. ITI 
51); am Ende des 6. Jhdts, steht C. unter seinera 
Konig Porsena an der Spitze der zur Behabili- 
tierung der Tarquinier gegen Eom geffihrten Un- 
ternehmung (Liv. II 9ff. Dionys. V 21. Plut. 
Popl. 16. Flor. I 10. Sil. Ital. VIII 478. X 
483), welche mit der zeitweisen Unterwerfung 
Boms unter etruskische Macht endigt. Zur Zeit 
des Galliereinfalls 391 erscheint C. mit Eom be- 
freundet: romische Gesandte, welche zu Gunsten 

30 der belagerten Clusiner intervenieren, veranlassen 
durch ihre volkerrechtswidrige Teilnahme am 
Kampfe den Zug der Gallier gegen Eom (Diodor, 
XIV 113. Liv. V 33. 35. 36. Dionys. XIII 11. 
12. Plut. Camill. 15—17. Appian. Celt. 2). Ein 
Treffen zwischen Eomern und Samniern im J. 296 
fand nach Livius X 25f. in der Nahe von C. 
(nach Polyb. II 19, 5 cv if) KajxiQiicov xdoga) 
statt ; um dieselbe Zeit werden die vereinigten Clu- 
siner und Perusiner von den Eomern besiegt (Liv. 

40 X 30, 2). Wann C. unter romische Oberhoheit 
gekommen ist, wild nicht ausdriicklich flberliefert ; 
jedenfalls steht es zur Zeit des grossen Gallier- 
krieges (Polyb. II 25) und des zweiten punischen 
Krieges (Liv. XXVLTI 45, 18 z. J. 205: Pe.ru- 
sini Ghisini Rusellani abietes in fabriecmdas 
naves et frumenti magnum numerum promisere, 
vgl. Sil. Ital. V 124) unter Eom. Im ersten Biir- 
gerkriege sind in der Nahe von C. zwei Schlachten 
geliefert worden (Veil. Paterc. 1128. Appian. bell. 

50 civ. I 87. Liv. epit. 88, vgl. Plin. n. h. VIII 221. 
Obseq. 118); Sulla scheint die Zahl der Colonisten 
vermehrt zu haben. weshalb Plin. Ill 52 von Clasini 
reteres et novi spricht (Basis einer Ehrenstatue 
fiir Sulla in C. CIL XI 2102). In der Kaiserzeit 
wird C, ausser von den Geographen und Itinera- 
ren (Strab. V 226. 235. Ptol. Ill 5, 8. Tab. 
Peut. Geogr. Eav. IV 36 p. 286 P. Itin. Ant, 
285) seiten genannt. Die Produkte seines frucht- 
baren Gebiets werden geruhmt {far C. Columella 

60 II 6, 3. Plin. XVni 66; siligo C. Plin. XV11I 
87 , vgl. puis C. Martial. XIII 8 ; uvae C. Plin. 
XIV 38). Aus den Inschriften ersieht man. dass 
die Stadt znr Tribus Aniensis gehfirte (K u bi- 
ts chek Imp. Bom. tributim discr. 83); als Ma- 
gistrate werden in iilterer Zeit IVriri, in spa- 
terer llviri, ferner aediles und quaestores ge- 
nannt. Noch im J. 540 wird C. als fester Platz 
genannt, wohin Vitiges eine Besatzung von 1000 



Goten legte (Procop. bell. Goth. II 11). Das Chri- 
sten turn fand fruh in C. Eingang; der Grabstein 
eines Bischofs L. Petronius Dexter (CIL XI 2548) 
tragt das Datum 322 n. Chr.; an einen Bisehof 
Ecclesius hat Gregor d. Gr. zwei Briefe (X 34. 
45, torn. II p. 1063. 1075 ed. Bened.) gerichtet 
(aber in der Subscription des rOm. Con oils von 465 
liest Thiel epist. pontif. I 159 jetzt episc. Te- 
lesirms [die Hs. Taksinus], vgl. Mommsen Cas 



gereiht worden seicn, ist wenigstens vorlaufig nicht 
sicher zu stellen. 

Die von Crustumeria abgeleitete Form des 
Tribusnamens Crustumina (mit r) ist in den uns 
vorliegenden Zeugnissen weit seltener vertreten 
als Clustivmina (mit secundarem I). Ormtumina 
hat die Livius-Hs. XLII 34, 2 und eine Inschrift 
aus Apulum CIL III 7797, bei Paul. p. 55 ist 
Orustumerina zu lesen; Kgooio/tdva bietet das. 



siodor. p. 509). Von den zwei unterirdischen Coe- 10 sog. Senatusconsultum Adramittenum Ephem. epigr, 
meterien, die in der Nahe von C. gefunden sind, TTr " 1 ' " JA v '■" T —"^ "^ YTV 0QQ 

geht das Coem. S. Mustiolae ins 4., das von 
S. Caterina sogar ins 3. Jhdt. zuruck. Vgl. Bar- 
tolini Le nuove catacombe di Chiusi (Atti dell' 
ace. pontificia XIII 1855, 1—60). Cavcdoni 
Bagguaglio di due antichi cimiteri eristiani, Mo- 
dena 1853. Liverani Le catacombe ed anti- 
chita cristiane di Chiusi, Siena 1872. Die In- 
schriften auch CIL XI 2533— 2582a. Vgl. iiber 



IV 214 Z, 40, Kgoarofiiva Joseph, ant. XIV 229, 
238; abgekiirzt ist geschrieben Crust. CIL VI 
2712 und einigemale auch On*., z. B. 213. 221. 
2381. 2382. Glustumina ist litterarisch bios dureh 
die Cicero-Hss. pro Plane. 38; pro Balb. 57 be- 
zeugt, sonst durch Inschriften aus Amelia ; ffloti- 
arovftelva lesen wir auf den Inschriften Eevue 
arch. XXVIII 1871, 8. Le Bas-Waddington 
1212 (sichergestellt durch die Nachvergleiehung 



C Dennis Cities and cemeteries of Etruria 112 20 von Heberdey und Petersen-Luschan Eeisen 

— - im siidwestl. Kleinasien 186). Der Steinmetz, der 

das S.C. Oropianum einmeisselte, hat das Wort zu 
Klvto/iLva verstiimmelt, IGS I 413. Die gewOhn- 
liche Abkiirzung der Form Clustumina ist die 
dreibuchstabige Clu., nur vereinzelt flnden sich 
Glust. Wilmanns 694, Glus. CIL V 5841 und 
CI. VI 2384 und Bull. d. Inst. 1856, 141, 3. 

[Kubitschek.] 
Clntoida, gallische Gottin, vielleicht Quell- 
30 gottin. Die in die erste Kaiserzeit gehorige (H ii b 



290—359. Bormann CIL XI p. 370, wo nr. 2090 
—2532 die heidnischen Inschriften von C. Neuere 
Funde in Chiusi und Umgegend s. Not. d. scavi 
1891, 87. 1892, 304. 1895, 100. 1897, 100. 249. 
333. 451. [Hiilsen.] 

Clusius (KXovmog), Grenzfluss zwischen den 
Cenomanen und Insubrem (in Gallia Cisalpina), 
nach Polyb. II 32 gewiss nicht der Clesus, son- 
dern eher der Ollius selbst, S. Mommsen CIL 
V p. 413. [Hulsen.] 

f histumina. Diese Tribus war schon in uer 
Zahl jener 21' Tribus enthalten, von denen Liv. 
II 21, 7 (zum J. 495 v. Chr.) spricht: Eomae 
tribus una et viginii faetae. Da sie unter den 
landlichen Tribus damals die einzige war, deren 
Xiamen nicht die gentilicische Bildung zeigte, wird 
man, zumal sie auch an der Grenze des damaligen 
rOmischen Gebietes lag, zur Vermutung berechtigt 
sein, dass sie der jungsten, eben'der von Liv. a. _0. 



ner Exempla nr. 195) Inschrift von Mesves-sur- 
Loire (dep. Mevre, das alte Masava der Tab. Peut.) 
lautet: Attg(ustq) saerfumj. Deae Chdo [ijdae et_ 
vicanis Masavensibufs] Medius Sacer Medianni 
f(ilivs) murnm inter arms duos e[um] suis 
ornamentis d(e) s(uo) dfmiumj d(adit), L. Eenier 
Eev. archeol. XII 1865, 386ff. DesjaTdins Geogr. 
de la Gaule II 472 (vgl. Bulliot Eev. celtique 

™. u , „^n w ^ „.. e „vw., -■ I 319). Friiher las man Cluto[n]dae. Die Auf- 

erwahnten Erganzungsschicht angehorte ; sie wird 40 schrift einer Patera aus Etang-sur-Arroux (dep. 



wohl zugleiclfmit der Claudia (s. d.) geschaffen 
worden sein. Ihre Lage wird durch den Zusammen- 
hang mit dem von Eomulus zerstorten Crustume- 
rium bestimmt ; vgl. Paul. p. 55 Crt^stumina tribus 
a Tuscorum urbe Crustumeria. Das Gebiet von 
L'rustumerium wurde durch die Via Salaria (Varro 
r. r. I 14, 3) geschnitten und lag am linken Tiber- 
ufer jenseits von Fidenae; Crustuminis montibus 
(Liv. V 37, 7) entspringt die Allia, welche un 



Seine-et-Loirc, arrond. Autun) bietet dagegen La- 
tussio dea Clutoi&ae, Holder Altkelt. Sprach- 
schatz s. v. (aus G. Bulliot und F. Thiollier 
La mission et le culte de saint Martin , Paris 
1892, 290). [Inm.] 

Clutorius. 1) Glutorius Priscus, roiuischei 
Eitter und Dichter. Er hatte ein Gedicht auf 
den Tod des Germanicus verfasst, wofiir ihn Ti- 
berius durch ein reiches Geldgeschenk belohnte. 



gefiihr am 'elften Stein von der Stadt aus in den 50 Als nun Drusus, der Sohn des Kaisers, krank 
- -- - - • wurde, riihmte er sich in einer Gesellschaft bei 

P. Petronius, fur den Fall, dass jener sterben 
wurde, auch schon ein Gedicht bereit zu haben, 
das ihm noch mehr eintragen wurde. Wegen 
dieser Ausserung angeklagt, wurde er, obwohl Pe- 
tronius Schwiegemiutter Yitellia zu seinen Gunsten 
aussagte, gemass dem Antrag des Consul desig- 
natus (D.) Haterius (Agrippa) vom Senat in Ab- 
wesenheit de.s Kaisers zum Tode verurteilt und so- 



Tiber fallt. Aus dieser Mark oder aus einem 
Teile derselben ist die Tribus gebildet worden, 
nach der traditionellen Vorstellung also auf sabini- 
sehem Boden (s. Mommsen Hermes XXI 1S86, 
576); dem entspricht wahrscheinlich , dass der 
Tribunus militum Sp. Ligustinus bei Liv. XLII 
34. '2 sagt: tribus Crustuminae ex Sabinis sum 
orimuhis. In der Folgezeit ist vielleicht nur ein 
eiiuisjesmal eine territoriale Ausdehnung des 



Trimisgebietes der C. erfolat: durch den" Bun- 60 gleich hingerichtet, 21 n.Chr., Tac. ann. Ill 49-51 
- - •—--'■ -westliche, Dio LVn 20, 3. Die bei Dio iiberlieferte ftp™"-" 



des<renossenkrieg ist namlich die ganze ' 
am Tinkcn Tiberufer gelegene Halite Umbriens 
(Ameria, Arna, Carsulae, Iguvium, Interamna 
^ahars, Pitinum Mergrens, Sestinum, Tifernum 
Mataurense, Tifernum Tiberinum, Tuder und Yet- 
tona) der C. angegliedert worden. Dass auch 
ausserhalb dieses Gebietes Larinum (CLL IX 737) 
und Forum Novum (4789. 4808) in die C. ein- 



form r&iog AovxdiQtog IIqioxo<; bernht wohl auf 
einem Versehen ; dass Clutorius die richtige Form 
ist, ergiebt sich aus der Uberlieferung im Medi- 
ceus I mit Beriicksichtigung von Tacitus Sprach- 
gebrauch hinsichtlic'h der Eigennaraen; auch ist 
das Gentile Clutorius inschriftlich mehrfaeh be- 
zeugt. vgl. K. Keil Eh. Mus. XVI 291—293. 



119 



Cluturnum 



Cluvius 



120 



121 



Cluvius 



Cluvius 



122 



Die Beziehung des bei Ovid, ex Pont. IV 16, 10 
unter den zeitgenossischen Dichtern erwahnten 
Priscus auf C. (Teuff el-Schwab e L. G.« 
-§ 252, 11) ist vOllig ungewiss. Vgl. den Nach- 
folgenden. 

2) Der bei Plin. n. h. VII 129 genannte Clu- 
torius (Hss. Sutorius und Utorius) Priscus, der 
«inen Eunuchen Seians, Namens Paezon, um 500 000 
Sesterzen kauft, scheint in der Zeit nach Seians 



4) C. Cluvius, Wahrend des spanischen Krieges 
708/9 = 46/5 pragte C. ClovifusJ praeffectus) 
(fabrum ?) im Auftrag Caesars in Spanien Kupfer- 
miinzen (Mommsen Munzwesen 654 A. 552). 
Identisch ist jedenfalls der Cluvius (Praenoraen 
C. wohl ausgefallen), dem Caesar im Herbst 709 
= 45 gewisse Geschafte (bei der Acker verteilung?) 
in Gallia Cisalpina iibertragen hatte, und dem 
Cicero (ad fam. XIII 7, Iff.) damals die dortigen 



Tod (31 n. Chr.) noch gelebt zu haben, demnach 10 Besitzungen seiner Clienten, der Einwohner von 



mit dem Vorhergehenden nicht identisch zu sein, 
Tgl. Klebs Prosopogr. imp. Eom. 1425 nr. 951. 
S [Stein.] 

Cluturnum, Ort in Sanmium, in der Nahe 
von Aesernia (Tab. Peut. Geogr. Eav. IV 34, 
281 P., wo Cleturnon ; Cleturcium Guido 484 P.). 
Die genane Lage nicht zu bestimmen. 

[Hiilsen.] 
Cluviae, Stadt im Gebiete der Samniter in 



Atella, empfahl. Bin vermutlich mit diesen beiden 
gleichfalls identischer C. Cluvius wird ferner als 
Gemahl der Schwester der Verstorbenen in der 
beriihmten Grabrede genannt, die ein ehemaliger 
Proscribierter des J. 711 = 43 seiner treuen Gattin 
gehalten hat (CIL VI 1527 a 5. 16. 47. b9). Seit 
Mommsen (Abh. Akad. Berl. 1863,455) ist all- 
gemein angenommen worden, dass diese Laudatio 
die des Q. Lucretius Vespillo auf seine Gemahlin 



Mittelitalien , erwahnt von Livius IX 31, 2. 3 20Turia sei, aber ein ktlrzlich gefundenes neues 



(wo die codd. Cluvia oder Cluviwnum. bieten) ; 
von Tacitus hist. IV 5: Helvidius Priscus re- 
gions Italian Carecina e municipio Gluvio (so 
die Hss.); auf der Inschrift von Anxanum CIL 
IX 2999: O. Attio C. f. Am. Crescenti cmdfili) 
Anxani et Cluviis; im Liber coloniarum 260 
Clibes; ager eius lege lulia est adsignatus; fi,- 
nitur sicut ager Bobianus. Die Familie der 
Helvidii Prisci ist nachzuweisen in Histonium 



Bruehstuck notigt dazu, diese Ansicht fallen zu 
lassen (vgl. Vaglieri Notizie degli scavi 1898, 
413ff. ; das Fragment auch Eevue archeologique 
1899, 188). Die Prage nach der PersOnlichkeit 
des C. Cluvius wird davon iibrigens nicht beriihrt. 
Nach Dio XLIX 44, 3 hat Antonius im J. 721 
= 33 einen Aovxtov Xkavovwv zum Consul ge- 
macht und bald darauf wieder abgesetzt, und nach 
Dio LII 42, 4 hat Augustus Paiov KXovovtov, der 



(CIL IX 2827 , C. Helvidius Priscus , vielleicht 30 zum Consul designiert war, aber die Fasces nicht 



der Praetor selbst: IX 2883 zwei Freigelassene 
Helvidiae) und Teate (CIL IX 3019: 'Helvidia 
C. f. Priscilla, Gattin des procurator Augusto- 
rum Vettim Mareellus aus neronischer Zeit); 
der Stein des Attius Crescens lasst auf Lage in 
der Nahe von Anxanum schliessen; die Schilde- 
rung der Kriegsereignisse bei Livius auf eine sehr 
feste Position. Die genaue Lage ist bisher nicht 
ermittelt; ob die bedeutenden Euinen von Be- 



gefiihrt hatte. im J. 725 = 29 unter die Consu- 
lare aufgenommen. Zuerst hatBorghesi (Oeuvres 
V 151) diese beiden von Dio genannten PersOn- 
lichkciten mit einander identificiert, indem er an 
der ersten Stelle C. Cluvius verbesserte , sowie 
mit dem Kalovws, der nach Plut. Ant, 58, 3. 59, 
1 im J. 722 -- 32 den Antonius im Senat angriff 
(vgl. o. Bd. Ill S. 1412 Z. 29, wo Clunius in 
Cluvius zu verbessern). Dann hat Mommsen 



festigungen auf dem Monte Pallano im Sagrus- 40 (a. O. 466f.) die Stellen des Dio gleichfalls auf 
'" ' ,_ "' * x '" ' *— - denselben C. Cluvius bezogen und diesen mit dem 

auf den spanischen Miinzen, bei Cicero und in 
der Laudatio erwahnten gleichgesetzt (vgl. auch 
Kloevekorn De proscriptionibus a triumviris 
factis [Diss. Konigsberg 1891] 107). Indes sind 
zwei Moglichkeiten noch zu bedenken: erstens 
kann das Praenomen auch an der zweiten Stelle 
des Dio verderbt sein, so dass es sich bei diesem' 
stets um einen L. Cluvius handeln wiirde (vgl. 



thale, nordostlich von Iuvanuin (Caraba Ann. 
d. Inst. 1854, 27) damit zu thun haben? 

[Hiilsen.] 

Cluvidienus. Cluvidienus Quietus, wird wegen 
Teilnahme an der pisonischen Verschworung im 
J. 65 n. Chr. auf eine Insel des aegaeischen Mecres 
verbannt, Tac. ann. XV 71. [Stein.] 

Cluvienus, satirischer Dichter zur Zeit luve- 
nals, sat. I 80. Der Scholiast z. St. bezeichnet ihn 



als erbarmlichen Dichterling, und in dem gleichen 50 K 1 e b s Prosopogr. imp. Rom. 1426 nr. 955); 



Sinne wird seiner bei Ennod. epist. V 8 und carm. I 
7 praef. (iiberliefert beidemal Gluvidienus) ge- 
dacht; so scheint es, dass auch Iuvenal ihn nur 
zum Spott erwahnt; vgl. Eibbeck Eh. Mus. 
XXXIX 315 und Sehneidewin Philol. Ill 131, 
deT auch Mart. VII 90, 3 semen Namen einsetzen 
will. ' [Stein.] 

Cluvius. 1) C. Cluvius, Legat des L. Aemi- 
lius Paullus im Kriege gegen Perseus 586 = 168 
(Liv. XLIV 40, 6). 60 

2) C Cluvius L. f. , Praetor und Statthalter 
von Macedonia und Achaia vor der sullanischen 
Zeit, etwa zwischen 620 = 134 und 650 - 104 
(Delische Ehreninschrift Bull. hell. VIII 119. XI 
271. Eevue de philologie XXIII 260). 

3) C. Cluvius , rSmischer Bitter , Eichter in 
cinem Process urns J. 684 = 70 (Cic. Bosc. com. 
42ff. 48ff.). 



zweitens kann an der ersten Stelle das Praenomen 
richtig und das Nomen nicht aus Klovovtog, son- 
dem aus <P).aoviog entstellt sein, da nach den 
Fasti Venusini (CIL 12 p. 66) ein L. Flavius im 
J. 721 ;= 23 zwei Monate lang Consul suffectus 
war (vgl. Melber und Boissevain in den Aus- 
gaben des Dio). Eine sichere Entscheidung, wie 
weit Identificationen aller hier betrachteten Manner 
moglich sind, ist demnach nicht zu treffen. 

5) L. Cluvius vgl. Nr. 4. 

6) M. Cluvius (Vorname Cic. ad Att. VI 2, 
3) aus Puteoli, ein reicher Bankier, stand in ge- 
schaftlichem und freundschaftlichem Verkehr mit 
Cicero (a. O.) und Cn. Pompeius (fam. XLTI 56, 
3). Im J. 703 = 51 gab ihm Cicero ein Em- 
pfehlungsschreiben an Q. Minucius Thermus, den 
Statthalter von Asien, mit, da C. in dessen Pro- 
vinz verschiedene Schuldforderun gen von Gemeinden 



und Privaten eintreiben wollte (fam. XIII 56). 
Bei seinem Tode im J. 709 = 45 setzte C. den 
Bedner zum Miterben ein (ad Att. XIII 46, 3. 
XIV 9, 1). Vgl. Nr. 7. 

7) Num. Cluvius M. 1 f. , wie Nr. 6 aus Pu- 
teoli und wohl ein Verwandter und Geschafts- 
teilhaber von ihm. Denn es ist offenbar derselbe 
Mann, der nacb zwei Inschriften aus Puteoli in 
republicanischer Zeit die hOchsten Municipalamter 
in campanischen Stadten bekleidete (CIL I 1235. 
1236 = X 1572. 1573) und der nach einer Ehren- 
inschrift aus Magnesia am Maeander dort ver- 
schiedene Auszeichmvngen empflng (Bull. hell. XV 
539). In Puteoli finden sich auch noch spatere 
Nachkommen von Freigelassenen dieser Cluvii 
(CIL X 1570. 2305—2307. 2511). 

8) Sp. Cluvius. Praetor und Statthalter von 
Sardinien 582 = 172 (Liv. XLII 9, 8. 10, 4). 

[Miinzer.] 

9) Cluvius (?) Fuscus s. Claudius Fuscus 
o. Bd. Ill S. 2723 Nr. 159. 

10) P. Cluvius (? iiberliefert Kkovmos) P. f. 
Veturia (tribu) Gallus, Anhanger des Pompeius 
705 = 49 in Asien (Joseph, ant. Iud. XIV 229. 
238), 

11) P. Cluvius Maximus Paulinus, im J. 181 
n. Chr. in das Collegium der Salii Palatini co- 
optiert (CIL VI 1979), demnach Patricier. Viel- 
leicht der Namliche ist der in der Inschrift VI 
31338 a genannte Max[imus] Paulinus cflarissi- 
mus) v(ir), cur(ator) aed(ium) sacr(arum) im 
J. 214 n. Chr., wenn namlich daselbst Max[i- 
nius] und nicht, wie Hiilsen erganzt, M. Ax[ius] 
zu lesen ist; Mommsens Erganzung (St.-E. II 3 
1051, 3) entbehrt der Wahrscheinlichkeit. C. ge- 
horte vielleicht der Nachkommenschaft des Clu- 
vius Eufus (Nr. 12) an. 

12) Cluvius Eufus. a) Name. An den meisten 
Stellen finden sich beide Namen des C. ; nur Clu- 
vius wird er genannt bei Tac. ann. XIII 20. XIV 
2. Plin. epist. IX 19, 5; Kioviog (in den Hss. 
KXovnoe) bei Joseph, ant. XIX 91. 92. Nach 
Analogie von Nr. 11 und Nr. 13 lasst sicht viel- 
leicht vermuten, dass sein Praenomen Publius 
lautete ; der Vorname Marcus, der ihm von Neueren 
after beigelegt wird, beruht nicht auf antikcr 
tberlieferung. 

b) Leben. C. war Senator (vielleicht ent- 
stammte er dem plebeischen Geschlechte der Clu- 
vii, o. Nr. If.) und gelangte schon vor dem J. 41 
zum Consulat; derm bereits als Consular befand 
er sich am Tage von Caligulas Ermordung (24. Ja- 
nuar 41) im Theater und empflng Kunde von dem 
geplanten Mordveisuch, ohne doch zum Verrater 
an den Verschworenen zu werden (Joseph, ant. 
XIX 91. 92; allerdings ist aulfallig, dass C, 
dessen politische Wirksamkeit in weit spatere Zeit 
fallt, den Consulat so friih erlangt habe ; moglicher- 
weise ist die Angabe des Josephus irrig, obwohl 
oder vielleicht gerade weil er hier aus C. selbst 
schopfte, vgl. auch o. Bd. Ill S. 1384 zu Tac. hist 
II 37 ; die Erganzung der Inschrift CIL X 826 
[Cljuvio P. Clodio cos. — noch bei Fabia Les 
sources de Tacite 376 — ist unrichtig, vgl.Momm- 
sen zu der Inschrift), Wir begegnen dem C. 
wieder im J. 65 ; damals diente der Consular dem 
Kaiser als Herold bei den zweiten Neronien, als 
Nero das erstemal in Eom Offentlich auftrat (Suet. 



Nero 21; vgl. Schiller Nero 198L). Dasselbe 
Amt iibte C. bei Neros Kflnstlerreise durch Grie- 
chenland (im J. 66/67) aus (Dio LXIII 14, 3; 
vgl. Schiller 245ff.). Eeich und durch Bered- 
samkeit beriibmt, gait er viel in Neros Kreise> 
hat aber seinen Einfluss nie zum Verderben seiner 
Standcsgenossen ausgenutzt (Tac. hist. IV 43). 
Seine Stellung mag der Petrons ahnlieh gewesen 
sein, nur dass C. es verstanden hat, auch Nero 

10 zu iiberdauern. Zu Anfang des J. 69 erscheint 
C. als Galbas Nachfolger in der Verwaltung von 
Hispania Tarraconensis (Tac. hist. I 8 ; vielleicht 
unterstanden ihm provisorisch auch Baetica und 
Lusitanien, vgl. Tac. hist. II 58. 65 und E. Wolff 
zu Tac. hist. I 8) ; vermutlich ist er von Nero nach 
Galbas Erhebung zum Statthalter ernannt, von 
Galba, als er sich diesem zuwendete, in seiner 
Stellung bestatigt worden (vgl. Gercke Jahrb. 
f. Philol. Suppl.-Bd. XXII 256). Nach dem Ende 

20 Galbas (15. Januar 69) neigte er anfangs zu Otho- 
und wurde dafiir von diesem in einem Edict be- 
lobt (Tac. hist. I 76, vgl. I 62. Plut. Otho 3), 
schloss sich jedoch bald der Partei des Vitellius 
an (Tac. I 76). In dieser Zeit des Schwankens 
liess C. in amtlichen Schriftstucken keinen Kaiser- 
namen nennen (Tac. hist. II 65, vielleicht enthalt 
Plut. Otho 3 seine Eechtfertigung), was ihm nachher 
die Beschuldigung zuzog, mit dem Plane der eigenen 
Erhebung umgegangen zu sein (Tac. a. a. O.). 

30 Doch zeigte er seinen Eifer fiir die Sache des 
Vitellius, indem er den Procurator der beiden Mau- 
retanien, Lucceius Albinus, der zu Otho hielt, 
unschadlich machte und dadurch dessen Provinzen 
fiir Vitellius gewann (Tac. hist. II 58. 59). Trotz 
dieses Verdienstes entging C. nicht der Anklage 
wegen seines Mheren zweideutigen Verhaltens, 
die der kaiserliche Freigelassene Hilarius gegen 
ihn erhob. Zu seiner Verantwortung fand sich 
C. bei Vitellius, der eben von Lugudunum auf- 

40gebrochen war, ein; er erlangte die Bestrafung 
seines Anklagers und behielt die Stellung des 
Statthalters in Spanien, das er allerdings fortan 
abwesend verwaltete (Tac. II 65). Der Umgebung 
des Kaisers zugeteilt, nahm er, wie es scheint, 
von nun an eine Vertrauensstellung bei Vitellius 
ein. Als dieser mit Flavius Sabinus die^ fiir sein 
Schicksal entscheidende Zusammenkunft im Apol- 
lontempel hatte (Mitte December 69), waren C. und 
Silius Italicus die einzigen Zeugen (Tac. IH 65), 

50 C wohl von Seiten des Vitellius, Silius von Seiten 
des Sabinus. Unmittelbar nach dem Siege der 
Flavianer scheint C. seine Statthalterwiirde nieder- 
gelegt zu haben; um den 1. Januar 70 war Hi- 
spania citerior ohne Legaten (Tac. IV 39, doch 
kann discessu Cluvii Rufi vacua auch nur besagen, 
dass C. nicht selbst in der Provinz weilte, Fabia 
377; die Conjectur Nipperdeys Einl. 19 27, 
deeessu statt discessu [wiederholt von Baier Tac. 
und Plut. Pr. 1893, 8f.], ist von Mommsen 

60 Herm. IV 319 mit Eecht zuruckgewiesen worden). 
Dass C. wohl noch geraume Zeit unter Vespasiau 
lebte, wird durch seine schriftstellerische Thatig- 
keit (s. u.) und durch das Gesprach mit Vcrgi- 
nius Eufus, das Plinius (epist. IX 19, 5) iiber- 
liefert, wahrscheinlich gemacht. Ein Tochter- 
enkel des C. -war vielleicht C. Marius Mareellus 
Octavius P. Cluvius Eufus (Nr. 13, vgl. Mommsen 
318, 1). Als vir facundtis et pads artibus, bellis 



123 



Cluvius 



Cluvius 



124 



125 



Cnabetius 



Coactor 



126 



inexpertus wird C. von Tacitus (hist. I 8) be- 
zeichnet, seine Rednergabe und Ehrenhaftigkeit 
riihmte Helvidius Priscus im Senate (Tac. IV 43). 
c) Schriftstellerische Thatigkeit. Durch Plut. 
Otho 8 wird erwiesen, dass der Historiker C. mit 
dem Senator identisch ist (vgl. ilberdies die Cha- 
Takterisierung bei Tae. I 8). C.s Geschichtswerk 
fuhrte den Titel historiae (Plin. epist. IX 19, 5 ; 
die Fragmente s. bei Peter Hist. Rom. fragm. 



eher beweisen, dass C. dem Tacitus, Sueton und 
Plutarch nicht selbst vorlag, sondern ein Autor 
{nach Nissen, Pabia und Gercke Plinius, nach 
Baier Vipstanus Messala, nach Groag vielleicht 
Fabius Rusticus), der den C. schon benutzt hatte 
(Nissen Rh. Mus. XXVI 1871, 507ff., dagegen 
Beckurts Zur Quellenkritik des Tac. Suet, und 
Dio, 1880, 67 ; vgl. zu Plut. Otho 3 Fabia 173f. 
Groag 775, zu Tac. hist. I 76 Groag 764, 1; 



U13f.), war demnach in lateinischer Sprache ge- lObemerkenswert ist eine gewisse Abneigung des 



schrieben und wurde wohl unter Vespasians Regie 
rung verfasst, kaurn gleich im Beginne derselben, 
•wie Gercke (a. a. 0. 253) annimmt (vgl. Groag 
Jahrb. f. Philol. Suppl.-Bd. XXIII 776, 3). Es 
•wird von Tacitus in den Annalen zweimal citiert, 
das eitiemal (XIII 20) neben dem alteren Plinius 
fur Vorgtage am Hofe Neros aus dem J. 55, 
das anderemal (XIV 2) zum J. 59 fur den an- 
geblichen Incest Agrippinas und Neros, beidemal 



Autors der gemeinsamen Quelle gegen C, vgl. Tac. 
II 58. 65). Pabia (176ff.) hat wabrscheinlich 
gemacht, dass C.s Werk gar nicht so weit reichte ; 
Gercke (237ff.) polemisiert zwar dagegen und 
weist dem C. auch hier die Rolle einer Secundar- 
quelle nach Plmms- zu, doch ist gewiss, dass C. 
wenigstens die Vorgange vor dem TJntergang des 
Vitellius nicht mehr dargestellt hat (vgl. zu Tac. 
HI 65 Wolff in seiner coramentierten Ausgabe. 



im Gegensatz zu Pabins Rusticus. Wie aus Plin. 20 Pabia 176. 179f. Groag 776, 3). DieBeniitzung 



epist. IX 19, 5 hervorgeht, war auch die Thatig- 
ieit des Verginius Rufus im J. 68 zur Zeit von 
Neros Untergang in den Historien des C. be- 
handelt. Endiich diirfte, wieMommsen (Herm. 
IV 320, dagegen Clason Tac. und Suet. 38f.) 
und Gutschmid (Kl. Schr. IV 351) wohl mit 
Recht vermuten, auch die Erzahlung von Cali- 
gulas Ende (ant. XIX 17 — 200) und der eng an- 
schliessende Bericht iiber Claudius Erhebung (XIX 



des C. in der Tragoedie Octavia behauptet Nord- 
meyer (Jahrb. f. Philol. Suppl. XIX 280f.), be- 
streitet Gercke (196f.). Endlich war C. ver- 
mutlich der rOmische Gewahrsmann des Josephus 
(Mommsen 322. Gercke 253. 258f.), wenngleich 
dieser fur neronische Zeit auch aus eigener Kunde 
schopfen konnte. 

Des C. Werk war eine Zeitgeschichte, der die 
hohe Stellung des Verfassers, seine Erfahrung, 



•212 — 273) bei Josephus dem C, dessen darin fur 30 seine bei aller Geschmeidigkeit vornehme Art, seine 



ein geringfiigiges Pactum Erw&hnung geschieht 
^XIX 91. 92), entnommen sein (abweichend H e r- 
zog Staats-Verf. II 263, 2). Dagegen enthalt 
die Angabe einer Thatsache aus der Regierungs- 
zeit Othos, die den C. selbst betraf (Plut. Otho 
3, s. o.), kaum den Beweis, dass er auch Othos 
(und Galbas) Principal erzahlte, vielmehr wird 
er in der Geschichte Neros davon gesprochen 
haben (Pabia 181. Groag 775; Baier 7 denkt 



Eloquenz vorziiglichen Wert verleihen mussten. 
Den Mittelpunkt der Schrift bildete wohl die Hof- 
geschichte (vgl. Tac. ann. XIII 20. XIV 2). Die 
Untersuchung ihrer Eigenart hatte auszugehen 
von dem Stuck aus C, das wir wabrscheinlich 
bei Josephus (s. o.) erhalten haben. Hier finden 
wir eine ausserst detaillierte Erzahlung, in welche 
Reden verflochten sind (vgl. ant. XIX 38ff. 54ff. 
78ff. 167ff. 242ff.), eine ausgepragt monarchische 



an eine miindliche Ausserung des C). Demnach 40 Gesinnung, bei welcher die senatorischen Standes- 



begannen C.s Historien mutmasslich mit Cali- 
gulas Erhebung oder einem noch frtiheren Zeit- 
punkte und schlossen mit dem Ende des J. 68 
<s. u.), so dass Tacitus Historien ihre unmittel- 
bare Fortsetzung gebildet hatten (Baier 9). 

Die Untersuchung der Spuren, die das Werk 
des C. hinterlassen hat, ist oft und in verschie- 
denem Sinne gefuhrt worden. Wahrend Clason 
<5ff.) und Fabia (402ff.) in ihm die Hauptquelle 



genossen keineswegs gut wegkommen (vgl. XIX 
162. 224. 250. 228: 6 . . Sfjfi.oe . . . xwv nUovz- 
ftcuv avrijs [rfjg fiov?.ijs] ijciato/xto/ia rovg avzo- 
xq&toqos dddis). Trotz solcher Denkungsart wird 
Cassius Chaerea mit warmer Anteilnahine, Cali- 
gula als Despot, Claudius als Suhwachling dar- 
gestellt. Dass das Urteil iiber Nero, dem C. per- 
sOnlich am nachsten stand, giinstiger ausfiel, ver- 
mutet Gercke (200ff. 254ff.) vielleicht mit Recht, 



des Tacitus fur den zweiten Teil der Annalen 50 wenngleich die auszeichnende Art, in der Helvi- 



sehen, weist ihm Gercke (230ff.) nur eine secun- 
dare Rolle neben Plinius zu. Thatsachlich gab 
es kerne Hauptquelle der Annalen; dass aber 
unter den Vorlagen des Tacitus C. einen her- 
vorragenden Rang einnahm, beweist schon die 
Art, wie er citiert wird. Nach Mommsens (322f.) 
•and Schillers Meinung (Nero 23) war C. auch 
die Primarquelle der suetonischen Biographien 
des Claudius und Nero (abweichend Clason 27. 
51) und eventuell der entsprechenden Partien des 60 
dionischen Geschichtswerkes. Man hat ihn ferner 
fur den Historiker gehalten. den Tacitus in den 
ersten Buehern der Historien. Plutarch im Galba 
und Otho und Sueton im Galba, Otho, Vitellius 
gemeinsam benutzten (Peter Quellen Plutarchs 
40f. Mommsen 318ff.); doch diirfte die Stelle, 
auf die sich diese Annahme stiitzt, Plut. Otho 3, 
mit Suet. Otho 7 und Tac. hist I 78 verglichen. 



dius Priscus des C. gedachte (Tac. IV 43), nicht 
dafiir zu sprechen scheint (vgl. Schiller Nero 11; 
iiber die angebliche Animositat des C. gegen die 
Plavier [Gercke 244ff.] vgl. Groag 776, 3). Dass 
sich C. in seiner geschichtlichen Auffassung durch 
persOnliche Beziehungen nicht beirren liess und 
die Fides historica betonte, zeigt sein Gesprach 
mit Verginius Rufus (Plin. epist. IX 19, 5, vgl. 
Gercke 240ff. Groag 780, 1). 

Plutarch citiert den C. auch fiir die Ent- 
stehung des Wortes kistrio (quaest, Rom. 107); 
man fuhrt dieses Citat auf die Historien des C. 
zuriick und sieht darin ein Zeugnis fiir die Neigung 
des Historikers zu antiquarischen Riickblicken 
(Mommsen 320, 1). Denkbar ware jedoch auch, 
dass dieses Citat einer eigenen Schrift des C. 
tiber Theaterwesen entnommen ist; es wurde sich 
dann vielleicht erklaren, weshalb Nero bei seinem 



Auftreten im Theater gerade den C. zum Inter- 
preten seiner kimstlerischen Absicht wahlte. 

Litteratur: Mommsen Herm. IV 318ff. Nip- 
perdey-Andresen Tac. ann. Eml.9 27. Teuf- 
fel-Schwabe R. Litt.-Geseh. II« 764f. Schanz 
R. Litt.-Gesch. II 382. Biidinger Universal- 
historie 199, 2. 201, 1. Wachsmuth EM. in 
das Stud. d. alt. Gesch. 446. 680. Peter Ge- 
schichtl. Litt. II 41f. Fabia 376ff. Gercke 
252ff. Klebs Prosopogr. I 426 nr. 958. 

13) C. Marius Marcellus Octavius Publius Clu- 
vius Rufus, Consul suffectus im J. 80 mit L. Aelius 
Plautius Lamia Aelianus, s. Marius. [Groag.] 

14) C. Cluvius Saxula, Praetor peregrinus 581 
= 173 (Liv. XL1 28, 5. XLII 1, 5). Da er das 
Amt damals zum zweitenmal bekleidete, gehOrt 
seine erste Praetur in eines der Jahre, deren Ge- 
schichte bei Livius teilweise ausgefallen ist, wahr- 
scheinlich 579 = 175. [Miinzer.] 

15) Cluvia, als Beispiel einer unkeuschen 
Frauensperson angefuhrt, Iuven. II 49. [Stein.] 

16) Cluvia Pacula (Liv. XXVI 33, 8; Cluvia 
■Faeula Val. Max. V 2, 1), eine ehemalige Buh- 
lerin in Capua , versorgte wahrend des zweiten 
punischen Krieges die dort gefangen gehaltenen 
ROmer heimlich mit Speise und behielt deshalb 
nach der Zuriicieroberung ihrer Vaterstadt durch 
die Romer 544 = 210 laut Volks- und Senats- 
beschluss Preiheit und VermOgen (Liv. XXVI 33, 
8. 34, 1, daraus Val. Max. a. O.). [Miinzer.] 

Cnabetius, Beiname des Mars auf einem im 
Castell Osterburken gefundeuen Bronsetiifelchen, 
welches an einem Weihgeschenk befestigt war: 
Paterio eomicefn) Marfti) Cnabetio vot(um) Red- 
didit) Ifuhens) IfaetusJ mferito). Der oberger- 
maniseh-raetische Limes IV Abteil. B nr. 40 p. 31 
(mit Abbildung). Danach scheint zu verbessern 
die Inschrift von Erbstetten (Wurttemberg) bei 
Br am bach CIRh 1598 In honfbrem) [dftmius) 
d(winae)] Marti C[n]abetio simu[l]ac[r]um u. s. w. 
Vgl. J. B e cker Bonn. Jahrb. L 162ff. [Ihm.] 

Cneins s. Gnaeus. 

Ooabis (Tab. Peut.), Ort in Palaestina, an der 
Strasse von Jericho nach Skythopolis, 12 Millien 
von letzterem entfernt. Da der Ort sonst ganz 
unbekannt ist, dagegen der Marsch des Pom- 
peius von Skythopohs nach Jericho (Joseph, ant. 
Iud. XIV 49 = bell. Iud. I 134 ; ant. Iud. XIV 
54) und des Vespasian von Neapolis nach Jericho 
(Joseph, bell. Iud, IV 449) beweist, dass beide 
Strassen iiber Koreai liefen, so erscheint es wahr- 
scheinlich, dass in Tab. Peut. C. ein Schreib- 
fehler fiir Coreais ist, s. Koreai. Ritter Erd- 
kunde XV 473. [Benzinger.] 

Coactilia, Ttllog , Filz. Dig. XXXIV 2. 25, 
4. Poll. VII 171. Das Handwerk der Pilzberei- 
tung, jidtjTiy.rj, erwahnt Plat, polit. 280 c; lana- 
rius eoactiliarius CIL VI 9494, lanarii eoae- 
tores V 4504. 4505. Eine Pilzfabrik besass der 
Kaiser Pertinax, Hist. Aug. 3, 3. Man machte 
aus Filz Hiite, tiiXos, pilleus, Schuhe, und zwar 
sowohl grobe {udoiies) als feine. So die Purpur- 
schuhe des Demetrios Poliorketes, Athen. XII 535 f ; 
vgl. fiir Ahnliches aus byzantinischer Zeit Casau- 
bonus ad Hist. Aug. Claud. 17. Prauensandalen 
aus Filz, Mysterieninschr. von Andania (Ditten- 
berger SylL 388) 23; aus Buchs und Filz, in 
Praeneste gefunden, Helbig Bull. d. Inst. 1866, 



16f. Ferner < Socken , impilia; solche sind auch 
wohl die mXoi Plat. symp. 220 b. Auch Kleider, 
Plin. n. h. VIII 192. XIX 32. Pferdedecken, 
Ed. Diod. VII 52 : centunelum equestre quoactile. 
Bliimner Technol. I 212. Marquardt Privatl.2 
502. [Mau.] 

Coactor. Im allgemeinen ist coaetor jeder 
Geschaftsmann, der gewerbsmassig fiir andere ein 
Incasso (peeunias eogere Aero zu Hor. sat. I 6, 

10 86; s. u.) besorgt. Insbesondere fallt darunter 
derjenige, der bei Offentlichen Versteigerungen den 
bei grOsseren Objecten zumeist creditierten JKauf- 
preis eincassiert, zunachst also der argentarius 
selbst (Cat. de agric. 150, 2. Cic. pro Cluent. 180; 
pro Rab. Post. 30. Porphyrio zu fior. sat. 16, 86: 
argentarius, scilicet coaetor. Aero ebd.: eoaetores 
dieuntur argentarii in auetionitfus, qui peeunias 
cogant; ipsi sunt eolhetarii. Gloss. Philox. Corp. 
gloss. II 19, 22: argentarius xopaxzatQ; ebd. II 

20102, 23: coaetor xmfiaxtfOQ); dann aber auch der 
Gehilfe des argentarius bei der Eintreibung der 
Gelder (Aero a. a. O. eoaetores . . . mereenarii 
eorum, qui habebant argentariam). Bei der Wich- 
tigkeit und Haufigkeit der Auctionen im romi- 
schen Verkehrsleben gab es eine eigene Kategorie 
von Bankiers, die sich, wie der freigelassene Vater 
des Horaz (eoactor nach Hor. sat. 16, 86 ; ex- 
actionum eoactor nach Suet. vit. Hor. z. A., wo 
Reifferscheid ohne zwingenden Grand auetio- 

30 num e. schreibt) und der ehemalige Centurio T. 
Plavius Petro, Vespasians Grossvater (Suet. Vesp. 1 : 
coactiones argentarias factitavit), ausschliesslich 
dem eintraglichen , wenn auch wenig geachteten 
Auction sgeschafte (Porphyr. a. a. 0.: humile et 
turpissimum genus quaestm) widmeten; die tech- 
nische Bezeichnung dafiir ist eoactor argentarius; 
vgl. CIL VI 1923. 8728 (coaetor argentarius 
Gaesaris n(ostri), ein Preigelassener Traians, der 
vermutlich die aus den fiscalischen Auctionen er- 

40 wachsenen Porderungen eincassierte). V 8212. XI 
3156. 3820. 5285. XIV 470; daneben findet sich 
argentarius coactor bei Scaev. Dig. XL 7, 40 § 8. 
Porphyr. a. a. O. CIL XIV 2886 und coaetor 
schleehthin in CIL VI 1860 (vgl. 1859). 1936. 
9186—9190 (vom J. 68). II 2239 (?). XIV 2744 (?). 
Past durchaus sind es Freigelassene. Nach stadt- 
rOmischen Inschriften war der Sitz der C. haupt- 
sachlich das forum vinarium und der portus vi- 
narius(CIL VI9189. 9190; vgl. Mommsen Herm. 

50X11 97, 1. Gilbert Gesch. u. Topogr. der Stadt 
Rom HI 239, 4. 242f., 3). Nach der Lage des 
Geschaftslocales seheinen sich auch zu bezeichnen 
der dunkle coaetor inter aerarios (CIL VI 9186; 
nach Ruggiero Charge in einer Corporation von 
fabri aerarii) und der a VII Cassares argen- 
tarfius) eoactor (CIL XIV 2886). Die in Inschrif- 
ten haufigen quaglalores (von coagidare) der Col- 
legien, welche nach Mommsen (zu CIL X 3910) 
ahnlich den eoaetores die Mitgliederbeitrage ein- 

60zutreiben hatten, gehOren wohl kaum hierher; sie 
diirften vielmehr als Friedensrichter fungiert haben 
(J. P. Waltzing Etude hist, sur les corpor. I 396. 
424). Fiir die an die Auction ankuiipfenden Rechts- 
verhaltnisse vgl. o. Bd. H S. 708f. 2271f. 

Litteratur: Mommsen Herm. XH 94. 96ff. 
11 2f. Caillemer Nouvelle Revue hist, du droit 
franc, et e"tr. I 1877, 399. 401. E. Saglio in 
Daremberg-Saglio Diet. I 1265. M. Voigt 



127 



Coactor lanarius 



Coboris 



128 



129 



Cobotes 



Cocceius 



130 



Abh. der sikhs. Ges. der Wiss. 1888, 528, 54, 
vgl. 526, 49. Ruggiero Dizion. epigr. II 314, 
vgl. I 659f. [A. v. Premerstein.] 

Coactor lanarius s. Coactilia. 

Coadulfareris s. Carvo und Castra, Ca- 
strum Nr. 23. 

Coa Testis, ein Gewand axis ganz feinem Ge- 
webe, das den Kfirper wie nackt durch scheinen 
liess (Tibull. II 3, 53 und Propert. I 2, 2 = Y 5, 
56: tmues. Hor. sat. I 2, 101: Cois tibi paene 
videre est ut nudam ; die Scholien zu dieser Stelle : 
perlueida veste . . . per cuius nimiam subtili- 
tatem, quae intra sunt, translucent; subtilissima). 
Es hat seinen Namen daher, dass es auf der Insel 
Kos gewebt wurde, und zwar soil eine Pamphile, 
Tochter des Plates, diese Kunstfertigkeit auf Kos 
zuerst ausgetibt haben (Arist. hist, an. V 19. Plin. 
n. h. XI 76f. Tibull. a. a. 0. Isid. orig. XIX 
22, 13). Wahrscheinlich sind hierher auch zu be- 
ziehen Plin. n. h. IV 62 und Lucret. IV 1130 
(s. Lachmanns Note zu diesem Vers und neuer- 
dings Munro*), obwohl an diesen Stellen von 
der Insel Keos die Kede ist, was auf einen 
Irrtum des Varro zuriickgehen wird. Das Ge- 
webe wurde aus den Faden eines wildlebenden 
Seidenwurms, des Bombyx, hergestellt. Die ersten 
Gewebe dieser Art warden aus Assyrien impor- 
tiert, dann aber auch in Kos selbst fabriciert, 
wo nach Plin. XI 77 auch derartige Seidenwiir- 
mer lebten. Die koisehen Nachahmungen scheinen 
die assyrischen Originalgewebe an Feinheit nicht 
erreicht zu haben (Plin. XI 77). Siehe iiber 
all die Fragen, die sich an die Fabrication 
dieser Stoffe kntipfen, den Artikel Bombys. 
Gelegentlich wird von dem Glanz dieser Gewan- 
der gesprochen (Propert. II 1, 5: Site Mam Cois 
fulgentem incedere cogis), seiner Verzierung mit 
Goldfaden (Tibull. a. a. 0.) und seiner Purpur- 
farbung (Hor. od. IV 13, 13: purpurae. Iuven. 
VTJI 101: conchylia Coa). Dass diese Farbung 
ebenfalls auf Kos besonders gut hergestellt wurde, 
zeigt uns Lyd. de magistr. II 13 p. 178: fiav- 
■&vtjv . . . neQiefidlfoxo KqiGV ' in' ixsirrjg xfjg vr\- 
aov xal uovtjg fj padvrega fiaqiij xov qsoivixov 
XgcbfiaTOs to jiqiv snyvuTO xaxaaxev,at,ojAivi]. Vgl. 
hiezu Hayet Memoire sur Tile de Cos, Archives 
des miss, scient. 3. se'r. Ill 87, wo auf einer 
koisehen Inschrift (CIG 2519) ein Purpurhandler 
nachgewiesen wird, dessen Tochter demselben 
Handel oblag, und wo darauf hingewiesen wird, 
dass die Pnrpurmuschel sich nocb heutzutage 
haufig in dem Meere zwischen Samos und Kos 
findet. Die Kos nahegelegene Insel Nisyros wurde 
wegen ihres Purpurreichtums auch Porphyris ge- 
nannt (Steph. Byz. s. v.). Aus alledem geht schon 
hervor, dass die C. v. ein Luxusgewand war (s. auch 
Propert. V 5, 23) ; es wurde teuer bezahlt (Propert. 

V 5, 57), und wir finden es nur in der Garderobe 
von Courtisanen Oder Damen ahnlicher Eichtung 
(Hor. sat. I 2, 101. Ovid, ars amat. II 298. Tibull. 
a. a. 0. und II 4, 29. Propert. a. a. 0. und V 2, 23. 
Hor. od. IV 13, 13). Doch sind nach Plin. XI 77 
gelegentlich auch koische Gewander von Mannern 
als Sommerkleidung getragen worden. Die fibliche 
Form der C. v. muss (s. bes. Propert. I 2, 2 = 

V 5, 56: sinus) der Chiton gewesen sein. Dass 
man in demselben Stoff auch Umwurfe hergestellt 
habe, ist von vornherein voiauszusetzen , scheint 



aber auch bestatigt zu werden durch Excerpt. Con- 
stant, de nat. anim. I 36 (Suppl. Aristot. I p. 9) 
oxwXrj!-, s£ ov at yvvaixeg xa fiofiftvxiva iixifjo- 
laia vcpaivovotv. Tiber den Zeitpunkt der Ein- 
fiihrung der C. v. kOnnen wir nur sagen, dass er 
vor der Zeit liegt, in der Aristoteles schrieb. Im 
kaiserlichen Eom ist sie dann augenscheinlich in 
den angedeuteten Kreisen besonders Mode ge- 
wesen. Auf Kunstwerken lasst sich die C. v. mit 
10 Sicherheit nicht nachweisen, da es durchscheinende 
Gewander auch aus chinesischer Seide (s. o. Bd. Ill 
S. 679, 10 und u. Serica) und aus anderen Ge- 
weben (s. unter Apooyiva) gab. Auch aus der 
Anekdote von der bekleideten Aphrodite des Pra- 
xiteles auf Kos (Plin. n. h. XXXVI 20) ist nichts 
Sicheres zu entnehmen; denn wenn wir auch die 
Anekdote fur Erfindung halten, die sich daran 
angescblossen habe, dass auf Kos eine bekleidete, 
auf Knidos eine unbekleidete Aphrodite des Meisters 
20 stand, so ist doch noch nicht gesagt, dass Praxi- 
teles jene Aphrodite in der C. v. dargestellt habe 
(Plinius sagt nur allgemein velata specif). Furt- 
wangler (Meisterwerke 552f. Fig. 104) hat eine 
bekleidete, inschriftlich beglaubigte Aphrodite des 
Praxiteles nachgewiesen; die Gottin tragt in der 
That einen durchscheinenden Chiton. Angenom- 
men aber, dass diese Figur jene koische Aphrodite 
wiedergiebt, wie Furtwangler zu vermuten ge- 
neigt ist, so wissen wir noch nicht, ob Praxiteles 
30 wirklich eine C. v. als Modell benutzt hat, und 
es ergiebt demnach diese Statue fur die Frage 
nach dem Aussehen dieses Gewandes aui k einen 
Fall etwas Sicheres. 

Litteratur: Pardessus Le commerce de la 
soie chez les anciens, Mem. de l'instit. royal de 
France XV 8f. 17 f. Pariset Histoire de la soie 
63ff. 129ff. Rayet a. a. 0. 84ff. Bliimner Ge- 
werbl. Thatigkeit 48ff. ; Technol. u. Terminol. der 
Gew. u. Kttnste 1191. Marquardt Privatleben 
40 derRomerS 493f. Daremberget SaglioDiction- 
naire I 1264. [Amelung.] 

Coarmio heisst bei den Gladiatoren der Ka- 
merad von derselben Waffe. CIL X 7297 wird 
dem Secutor Flamma von seinem C. Delicatus 
eine Grabschrift gesetzt, Friedlander S.-G. IB> 
381. [Pollack.] 

Coba s. Choba Nr. 1. 

Cobandi (KopavSoi), Volk in Germania Magna 
auf der kimbrischen Halbinsel (Ptolem. II 11, 7). 
50Zeuss Die Deutschen 151f. identificiert sie mit 
den Aviones (= Chaibones). Dagegen C. Muller 
Ausg. des Ptol. I 1, 257. Vgl. Much Deutsche 
Stammsitze 200. [Ihm.] 

Cobeia, Gottin, genannt in der Aufschrift. 
einer Patera von Mandeure, Mowat Notice e"pigr. 
123 Cobeie vfotumj sfolrit) Ifibens) m(erito) De- 
cantilta. [Ihm.] 

Cobiomagns (= Cobii campus, ir. cob = sieg- 
reich, Glflck Kelt. Namen 45), vious inter To- 
60 losam et Narbonem, in weinreicher Gegend, Cic. 
pro Font. 19 (iiberliefert Cobiomacko, Mommsen 
Ebromago). Holder Altkelt. Sprachschatz s. v. 
Herzog Gallia Narb. 128. Desjardins Geogr. 
de la Gaule II 221. 345. [Bam.] 

Coboea, Hafen an der mittleren "Westkiiste 
Arabiens (Plin. VI 150). [D. H. Muller.] 

Coboris, Insel an der mittleren Westkiiste 
Arabiens (Plin. VI 151). p. H, Muller.] 



Cobotes (richtiger Saboces) s. Sabokoi. 

Cobulatns s. Kolobatos. 

Cocceianns s. Cassius Nr. 40, Dion und 
Salvius. 

Cocceius. 1) Sex. Cocceius Anicius Faustus 
Paulinus, s. o. Bd. I S. 2199 Nr. 22; dieser C. 
ist iibrigens wahrscheinlich zu identificieren mit 
dem Statthalter von Moesia inferior im J. 230, 
Anicius Faustus Paulinus (CIL III 74731; vd 
Nr. 22. ■ .- ■" -B 

2) L. Cocceius Auctus. 
Ingenieur, welcher unter M. Agrippa bei Ausfiih 
rung der grossen Arbeiten in der Gegend von Pu- 
teoli thatig war und besonders den Strassen- 
tunnel zwischen dem Lacus Avemus und Cumae, 
die ca. 1000 m. lange Grotta della Pace, er- 
baute, nennt Strab. V 245 Cocceius; ob er auch 
als Erbauer des Tunnels zwischen Puteoli und 
Neapel, der 689 m. langen Grotta vecchia di Po- 



9) . . Laberius In . . . [CJoeceius Lepidus 
Proe[uhts?J (CIL VI 1440) s. Laberius. 

[GroagJ 

10) Cocceius Minic [tonus], ratianalis, CIL 
VI 9031; vgl. Hiils en Kom. Mitt. Ill 231f. 

[Stein.] 

11) M. Cocceius M. [f.] Pol(lia) Nepos, Xvir 
sftlitibusj [iCudicandis)] , sevir eq(uitwm) B(o- 
manorum), tribfunusj milfitum) legfionisj XI 

[Groag.] 10 Glfaudiae) , quaes [tforj] , legfatusj pr(o) pr(ae- 
Den Architekten und tore) provin[cfiae)] Siciliae (Legat des Procon- 
suls), tribftmus) pleb(is) dmi[g(natus}], CIL XI 
13 Ravenna (von dem Freigelassenen Primitivus 
dem C. gesetzte Inschrift, die im 16. Jhdt. resti- 
tuiert wurde). Vgl. Klein Verw. Beamten 143f. 

12) L. Cocceius Nerva. a) Name. L. Coc- 
ceius Nerva Porphyr, zu Hor. sat. I 5, 27 ; Aev- 
xiog Koxxrjtog Appian. bell. civ. V 60; . . Coc- 
ceius CIL 12 p. 65 Fasti min. VIII; Cocceius 



silipo, anzusehen ist, hangt von der Anslegung der 20 Hor. sat. I 5, 32. 50. — b) C. stammte vielleicht 



vielumstrittenen "Worte a. a. O, aoiijoavxog xtjv 
duboyya exsirrjv re xal fail Mar uoltv ix Aixai- 
aoxeiaig em xaT? Baiaig ab. Vgl. Kramer zu 
dieser Stelle und Be loch Campanien 83f, Die 
Worte riihren schwerlich von Strabon selbst her, 
der erst 246 von dem Napolitaner Tunnel spricht 
und zwar in einer Weise. die eine vorhergehende 
Erwahmmg ausschliesst. Den vollen Namen L. 
Cocceius L. C. Postumi I. Auctus arcitectfus) 



aus Narnia in Umbrien , da sein Urgrossneffe, 
Kaiser Nerva , als Narniensis bezeichnet wird 
(Aur. Vict. Caes. 12 [in den Hss. allerdings 
Gretmsis]; Epit. 12; irrig nennt Porphyr. a. a. 
O. den C. Grossvater des Kaisers). Er war mit 
Caesar , dem spateren Augustus , und mit M. 
Antonius gleich befreundet und wurde daher im 
Sommer 713 = 41 v. Chr. kurz vor dem Aus- 
bruch des perusinischen Burgerkrieges zusammen 



giebt die Puteolaner Inschrift CIL X 1614 (wahr- 30 mit Caecina von Caesar an Antonius gesendet, 



scheinlich zum Tempel des Augustus gehflrend; 
vgl. die Inschrift eines grossen Architravfragmentes 
aus Cumae ebd. 3707 L. Coco . . . redem ....), 
wonach er Freigelassener zweier Herren. des L. 
Cocceius (vielleicht von Nr. 12) und des C. Po- 
stumius (vermutlich des Architekten C. Postu- 
mius Pollio der Inschrift aus Tarracina CIL X 
6339) war. [Fabricius und Stein.] 

3) C. Cocceius Balbus, avxoxgdTojQ (imperator). 



den er in Phoinikien traf und nach Italien be- 
gleitete. Hier bahnte er im J. 40 die Verstan- 
digung zwischen Caesar und Antonius an und 
vereinbarte mit Maecenas und Asinius Pollio in 
Brundisium die Bedingungen fur die erneuerte 
Einigung der Triumvirn (Appian. bell. civ. V 60 
—64. Hor. sat. I 5. 29; vgl. Schiller Gesch. 
d. r. Kaiserz. I 92. Gardthausen Augustus I 
1, 199. 216. Drumann-Groebe Gesch. Roms 



yon den Athenern durch eine Statue geehrt (CIA 40 I 2 294, 1. 308; der Abschluss des Vertrags 



Ill 571). Der Mann ist ebenso wie seine Familie 
sonst unbekannt; wahrscheinlich gehort er der 
Zeit des zweiten Triumvirats (zwischen 709 = 45 
und 727 = 27 v. Chr.) an und empfing gleich P. 
Ventidius und C. Sosius den Imperatortitel als 
Legat des M. Antonius (Ditteuberger zu CIA 
III 571. Mommsen St.-R. is 125, 4), worauf 
auch seine Verbindung mit Athen hinweist. 
4) Cocceius Campamis, an den ein Rescript 



von Brundisium gehort in den Herbst 40, vgl. 
Kromayer Herm. XXIX 1894, 556f.). Im J. 719 
= 39 bekleidete C. den Consulat als Suffectus mit 
P. Alfenus Varus (CIL 12 a. a. O.). Als sich 
Antonius im Fruhjabr 37 wieder nach Italien be- 
gab, wurde C. mit Maecenas und Fonteius Ca- 
pita von Caesar abermals zu Verhandlungen mit 
Antonius ausersehen; die Reise der Gesandten 
Caesars von Tarracina nach Brundisium hat Horaz, 



f. v K .?i?er ? 6VCrUS " nd Caracalla > Inst - n 17. 3- 50 der sich mit Vergil, Varius und anderen in ihrem 



Dig. XXXVI 1, 30 

5) Cocceius Cassianus , Senator zur Zeit des 
Severus und Caracalla, lebte im Concubinat mit 
einer freigeborenen Frau Namens Rufina, deren 
Tochter er in seinem Testamente zur Miterbin 
winer Enkelin einsetzte, Papinian. Dig. XXXIV 
9. 16, 1. [Groag.] 

6) M. Coe.c(eiusJ Genialis. e(ir) e(gregius), 
procurator) Augfyistorum) von Dacia Porolis 



Gefolge befand, dichterisch dargestellt. Sie berei- 
teten damals den Vertrag von Tarent vor, der im 
Herbst 37 abgeschlossen wurde (Hor. sat. I 5, 
dazu Porphyrio, der sich auf Livius [CXXVII 
wohl irrig statt CXXVIH, vgl. Klebs Prosopogr. 
1427 nr. 970] beraft; vgl. Gardthausen I 1, 
253. Kromayer Rechtl. Begriindung des Princi- 
pals 51f. Drumann-Groebe 308, 5. 327. Kiess- 
ling Einl. zu Hor. sat. I 5). C. war, wie es 



-ensis, CIL III Suppl. 7662. Gehort dem 3. Jhdt. 60 scheint, der Bruder des M. CocceiusNerva (Nr. 13), 
n. t hr. an. fe r se j n Lg^gu fe m Ansehen zu verdanken hatte, 



7) Cocceius Iulianus Synesius aus Antiochia am 
"rentes, xoaxtoxog dovxrjvdqiog, IGI 1347. [Stein.] 

8) Cocceius [I]ustus, Proconsul (von Makedo- 
nien). Am Olymp gefundene griechisehe Ehren- 
innchrift seiner Gemahlin, von deren Namen nur 
■ . tav(t'<)a>a erhalten ist. Heuzey Le mont 
Olympe et l'Acarnanie, Paris 1860, 487 nr. 49. 

Pauly-Wiesowa IV 



das C. bei Caesar genoss (Appian. V 61). Eine 
Villa des C. bei Caudium erwahnt Horaz (sat. I 
o, 50f.). Dem Gesinde des L. Cocceius, wohl des 
unseren, ist die_ Inschrift CIL I 1044 = VI 9320 
von dem Dispensator Dasius gesetzt. Ein Frei- 
gelassener des C. und gleichzeitig des C. Postu- 
mius (wohl des Architekten C. Postumius Pollio, 



131 



Gocceius 



Cocceius 



132 



CIL X 6339) durfte L. Cocceius Auctus Nr. 2 
gewesen sein (CIL X 1614 Puteoli), vgl. auch 
X 3707. 

13) M. Cocceius Nerva. a) Name. M. Kox- 
xrtios Meovas Dio ind. XLIX; M. Cocceius CIL 
VI 32323, 151. Cassiod.; M. Coecius CIL I 795 
= XI 6673, 19; M. Nerva Mflnzen; Koxxrjiog 
Ns S ovag Dio XLIX 1,1; . . Goeeeius CIL 1 2 
p. 65. — b) C. pragte Silbermunzen mit Namen 
und Bild der Triumvirn M. Antonius und Caesar, 
auf welchen er sich als qfuaestorj p. bezeichnet 
(Babelon I 367 nr. 3 = 176 nr. 52); die Be- 
deutung dieses p. ist unklar, vermutlich trifft 
Eekhels Ergiinzung (IV 248) pfropraetorej trotz 
der ungewOhnlichen Abkurzung das Richtige (Ba- 
belon erganzt pfrovineialisj , nur dem Sirme 
naeh richtig). Als proq(uaestore) p(ropraetore?J 
pTagte C. Gold- und Silbermunzen mit den Por- 
trats des M. Antonius und des L. Antonius 
(Babelon I 367 nr. 1. 2 = 174 nr. 47. 48); 
da letzterer als co(n)s(ul) bezeichnet wird, ge- 
hflren diese Munzen in das J. 713 = 41 v. Chr., 
die oben erwahnten mit dem Bilde Caesars in 
das vorhergehende Jahr. Wahrscheinlich nahm 
C. im J. 41 auf Seiten des L. Antonius am peru- 
sinischen Kriege gegen Caesar teil. Er wird da- 
her der Bruder des L. Cocceius Nerva (Nr. 12) 
sein, der von Caesar mit Rucksicht auf Lucius 
Verzeihung erhielt (Appian. bell. civ. V 61); an 
C. ist auch bei den Worten Senecas zu denken 
(Augustus) 8alk(f>tmm rt Commas ft Dellios et 
Mam eohortem primae admissionis ex adver- 
sariorum castris eonscripsit (de clem. I 10, 1). 
Im J. 718 = 36 bekleidete C. den Consulat als 
Ordinarius mit L. Gellius Publicola (CIL 12 p. 65 
Fasti min. VDX I 795 = XI 6673, 19. Dio ind. 
XLIX und XLIX 1, 1. Cassiod. Chronogr. a. 354 
u. s. w.; vgl. CIL 12 p. 160f.). Er ist wohl der 
M. Cocceius, der als XVvir saoris faciundis an 
dem Saecularfeste des J. 737 = 17 teilnahm (CIL 
VI 32323, 151 Acta lud. saec). Sein Sohn ist der 
Polgende. Vgl. BorghesiOeuvresI433ff. Klebs 
Prosopogr. I 428 nr. 971. [Groag.] 

14) M. Cocceius M. f. Nerva (den vollen Namen 
sreben die Inschriften) , Sohn des Consuls von 718 
= 36 v. Chr. (Nr. 13), Vater von Nr. 15, Gross- 
vater des Kaisers Nerva (Nr. 16, Frontin. de aquis 
II 102; vgl. im allgemeinen Borghesi Oeuvr. 
I 433ff.). Er war Consul suffectus (vgl. CIL VI 
1539. 9005) eines unbekannten Jahres, aber vor 
24 n. Chr., und Curator aquarum 24—33 (Fron- 
tin. a. a. O., vgl. liber dies Amt, das nur an 
Consulare verliehen wurde, Mommsen St.-R. II 3 
1044ff.). Er stand in besonders nahen Beziehungen 
zu Kaiser Tiberius (Tac. ann. IV 58. VI 26. Pomp. 
Dig. I 2, 2, 44. Dio LVffl 21|, den er als der 
einzige Senator bei seinem dauernden Aufbrucb 
aus Kom (26 n. Chr.) begleiten durfte (Tac. IV 
58). Er starb im J. 33 n. Chr. durch Selbst- 
mord. In Tacitus Bericht tiber seinen Tod (VI 
26) bleiben die Beweggrfinde dunkel, nach Dio 
(a. a. 0.) will es scheinen, als habe inn der Ver- 
such des Tiberius, das in Vergessenheit geratene 
iulische Wuchergesetz wieder zur Geltung zu 
bringen, durch welchen die Senatoren in hohem 
Masse blossgestellt wurden (Tac. VI 16 neque 
erwm quisquam tali culpa vacuus), in den Tod 
getrieben. Als Jurist stand er in hohem Ansehen 



(Tac. IV 58 legum peritia. VI 26 omnis divitii 

humanique iuris sewns. Frontin. a. a. 0. sdentia 

iuris irdustris). Pomponius (48) nennt ihn als 

Nachfolger Labeos in der von letzterem ausgehen- 

den, spater als proculianischen bezeichneten Recbts- 

schule (vgl. den Art. Cassiani). Sein Gegner 

war Masurius Sabinus; beide sollen die von ihren 

Vorgangern ubernoinmenen Streitfragen noch be- 

trachtlich vermehrt haben (ebd.). Er ist als Re- 

10 spondent (frg. 8. 17. 20) und Schriftsteller {frg. 4. 

29. 30. 31. 32) hervorgetreten. Titel seiner Werke 

sind nicht erhalten; die Bruchstflcke aus Citaten 

anderer Juristen s. bei Lenel Paling. I 787ff. 

(35 Fragmente). Haufig wird er mit andern 

Hauptern der proculianischen Rechtsschule zu- 

sammen (frg. 3. 6. 9. 16. 26), namentlich auch, 

wenn Streitfragen der Schulen erwahnt werden 

(frg. 12. 14. 22. 29 [Dig. XLI 1, 7, 7]. 33 [Gai. 

II 15]. 34 [Gai. II 195]. 35 [Gai. Ill 133]), ge- 

20nannt. Aber auch abweichende Ansichten von 

den Lehrmeinungen seiner Schule (frg. 2. 10. 30) 

und den Gegnern zustiminende Ausserungen (frg. 4. 

13. 21. 28; vgl. auch 20, wenn hier Capito statt 

Cato zu lesen ist) finden sich. Den Juristen unter 

den Severen scheinen seine Schriften noch bekannt 

gewesen zu sein, obwohl in deren "Werken manches 

Citat aus zweiter Hand stammen mag; so mogen 

mehrere derselben, namentlich bei Paulus ad Plau- 

tium auf Atilicinus zuriickgehen (vgl. frg. 5 [Dig. 

30 X 3, 6, 3-4]. 8. 11. 23. 27. 28. 32). Spater 

aber werden seine Werke bald verloren gegangen 

sein. ' 

Neuere Litteratur: Zimmern Gesch. d. E. 
Priv.-E. I 315. Rudorf f E. K.-G. 1 180. Teuff el 
K. Litt.-Gescl). § 281, 2. Karlowa E. E.-G. I 
686. Kriiger Quell, u. Litt. d. B, B, 152f. Lan- 
ducci Stor. d. dir. E, I* 196. 

15) M. Cocceius M. f. M. n. Nerva, Sohn von 

Nr. 14, also Vater des Kaisers Nerva (Nr. 16). Nicht 

40 er ist der bei Tac. ami. XV 72 im J. 65 erwahnte 

Praetor designatus Cocceius Nerva (so Zimmern, 

Rudorff, Karlowa, Lenel, Kriiger), sondern 

sein Sohn, der spatere Kaiser (get. 32, Consul I 

71); unser Nerva war vielmehr schon im J. 40 

Consul suffectus (Klein Fasti cons. z. d. J.; vgl. 

Henzen Bull. d. Inst. 1870, 134). Schon urn 

sein 17. Lebensjahr soil er uber Eechtsfragen 

respondiert haben (Ulp. Dig. Ill 1, 1, 3; Eespon- 

sen s. frg. 2. 4). Er gehorte wie sein Vater der 

50 proculianischen Eechtsschule an, war aber nicht 

Schulhaupt, da auf den alteren Nerva unmittelbar 

Proculus folgte (Pomp. Dig. I 2, 2, 52). Von seinen 

Schriften sind nur geringe Bruchstflcke durch 

Citate der spateren Juristen erhalten (Lenel 

Paling. I 791f. 8 Fragmente); freilich pflegt man 

ihm gegeniiber seinem Vater nur die Stellen zu- 

zusprechen, welche ausdrflcklich auf Nerva filius 

zuruckgefiihrt werden; ob diese Scheidung uberall 

zutrifft, muss dahingestellt bleiben. Papinian 

60 (Dig. LXI 2, 47 = frg. 3) erwahnt von ihm eine 

Schrift de umcapionibus; mit Becht hat Lenel 

auch die beiden andern den Besitz behandelnden 

Stucke (frg. 1. 2) hierhergezogen. Diese Stellen 

sind namentlich deswegen von Bedeutung, weil 

sie das Bestreben erkennen lassen, allgemeine 

Grundsatze uber Erwerb, Behauptung und Verlust 

des Besitzes zu gewinnen. Sonstige Schriften 

Nervas sind nicht bekannt. 



133 



Cocceius 



Cocceius 



134 



Neuere Litteratur: Zimmern Gesch. d. E. 
Priv.-E. I 318f. Eudorff E. R.-G.1 180. Teuffel 
R. Litt.-Gesch. § 298, 2. Karlowa R. R.-G. I 
692. Kriiger Quell, u. Litt. d. R. E. 153. Lan- 
dueci Stor. d. dir. R. 12 197. [Jers.] 

16) M. Cocceius Nerva = Imperator Nerva 
Caesar Augustus, rOmischer Kaiser vom 18. Sep- 
tember 96 bis 25. Januar 98 n. Chr. 

I. Quellen. a) Von dem Gescbichtswerk Dios 
liegt fur diese Zeit nur die Epitome Xiphilins 
vor (LXVII 15 bis LXVI1I 3), daneben der Aus- 
zug bei Zonaras und einzelne Excerpte bei den 
byzantinischen Chronographen, die nur ausnahms- 
weise citiert zu werden verdienen. Eine knappe 
Ubersieht giebt Eutrop. VIII 1. 2 und nach ihm 
Oros. VII 11, zum Teil auch Eieron. ad a. Abr. 
2112 — 2114. Eingehendere und, wie es scheint, 
bessere Nachrichten liefert die Epitome de Cae- 
saribus, die besonders fiber Nerva sehr gut unter- 
richtet ist (c. 12; schon der aussere Umfang des 
Capitels ist im Vergleich mit denen fiber alle andern 
Kaiser, Titus c. 10 ausgenommen, unverhaltnis- 
massig stark angewachsen). Weit durftiger und 
minder verlasslich ist Vict. Caes. 12. Eine er- 
giebige Quelle fur die Kenntnis der Persflnlich- 
keiten der Zeit, aber auch fur die verschiedensten 
Verhaltnisse und Zustande bilden die damals ent- 
standenen Briefe des jungeren Plinius und seine 
Dankrede an Traian. Auch bei Martial finden 
wir mannigfache Anspielungen auf Zeitverhalt- 
nisse. Philostratos Lebensgeschichte des Apol- 
lonius von Tyana und Biographien der Sophisten 
geben Einzelheiten aus dem Leben Nervas, ebenso 
die Reden von Nervas Freund Dio von Prusa. 
Unter der Regierung Nervas ist auch eine Schrift 
«ntstanden, die freilich nur fiir einen Zweig der 
Verwaltung, die Wasserleitungen , vollen Auf- 
schluss bietet, die zwei Biicber De aquis von Frontin, 
dem Nerva im J. 97 das Amt eines curator aqua- 
rum iibertragen hatte, was fiir jenen der Anlass 
zur Abfassung des Buches war (praef. 1. 2), das 
aber erst nach dem Tode Nervas veroffentlicht 
wurde (vgl. II 93. 102. 118). 

Der Chronograph von 354, Polemius Silvius 
und Cassiodors chronicon sind nach Mommsen 
Chron. min. I bezw. II citiert. Die ubrigen ver- 
cinzelten Notizen sind bei den entsprechenden 
Gelegenheiten angegeben. Tacitus hatte den Plan, 
nach Abfassung der Historien gleich die Fort- 
.setzung, eine Geschichte Nervas und Traians, zu 
schreiben (hist. I 1); aber er wandte sich dann 
frtther der Zeit von Augustus Tod bis zu dem 
Zeitpunkt zu, wo die Historien einsetzen, und ist 
nicht mehr zur Ausfuhrung seines fruheren Planes 
gekommen. In gewissem Sinn als sein Fortsetzer 
ist Ammianus Marcellinus zu betrachten , der die 
rOmische Geschichte von Nerva an verfasste (XXXI 
16, 9), aber in diesen Teilen nicht erhalten ist. 
Auch das Werk des Marius Maximus, der als Nach- 
folger Suetons die Biographien der Kaiser von 
Nerva bis Elagabal schrieb, ist verloren gegangen. 

b) Von Inschriften Nervas ist die gehaltvollste 
CIL X[ 5743, aus der wir seine Laufbahn bis 
zum ersten Consulat kennen lernen. Recht zahl- 
reich im Verhaltnis zur Dauer seiner Regierung 
sind die Inschriften, die seinen Namen als Kaiser 
nennen, darunter namentlich viele Meilensteine ; 
vgl. die Indices zum CIL und CIG. Dessau 



Inscriptiones Latinae selectae I 273 — 281. Stadt- 
romische Inschriften : CIL VI 950—954 ; Suppl. 
31213. Militardiplom CIL X 7890 = III p. 861 
dipl. XVIII, vgl. p. 1967 dipl. XXVI. Andere 
Inschriften sind bei Gelegenheit erwahnt. Die 
Papyri aus der Zeit Nervas haben weder fiir die 
Geschichte noch fiir die Zeitbestimmung Bedeu- 
tung. Die wichtigsten Mflnzen bei Eckhel VI 
403—411. Cohen lie p . 1 — 15 (dieCitate im 

10 Text geben die Nummern an). Griechische Miin- 
zen bei Mionnet und in den englischen Mtnz- 
katalogen zu den einzelnen Stadten. 

II. Nervas Lebensgang bis zur Kaiserwahl. 
M. Cocceius Nerva wurde am 8. November (CIL 
12 p. 255. 276f. VI 10050) urn das J. 35 (s. Ab- 
schnitt ILTf) in der umbrischen Stadt Narnia ge- 
boren (Vict, Caes. 12, 1. Epit. de Caes. 12, 1). 
Er stammte aus einer senatorischen und neupatri- 
cischen Familie (Dio ep. LXVII 15, 5. 6; letz- 

20 teres ergiebt sich auch daraus, dass er nach CIL 
XI 5743 salius Palatinus war; kaum richtig ist 
daher die Bemerkung bei Eutrop. VIII 1,1, dass 
er nobilitatis mediae gewesen sei); sein Stamm- 
baum lasst sich drei Generationen weit zurftck- 
verfolgen. Sicher bezeugt ist, dass der Jurist 
M. Cocceius Nerva Nr. 14, der von 24 — 33 n. Chr. 
curator aquarum war, sein Grossvater war (Frontin. 
de aqu. II 102); danach war wohl M. Cocceius 
Nerva, der Consul des Jahres 718 = 36 (Nr. 13), 

30 sein Urgrossvater und der von den Juristen als 
Nerva filius bezeichnete (Nr. 15) sein Vater. Auch 
seine Mutter Sergia Plautilla (CIL VI 31297) 
gehorte einer senatorischen Familie, den Octavii 
Laenates, an. Falschlich wird L. Cocceius Nerva 
(Nr. 12) als sein Grossvater bezeichnet, Porphyr. 
ad Hor. sat. I 5, 27 p. 256 ed. Holder. 

C.s Laufbahn erfahren wir aus der Inschrift 
CIL XI 5743 (aus Sassoferrato). Nerva trat zu- 
erst in das Priestercolleg der salii Palatini ein, 

40 war VIvir turmafe eqfuitwm) R(omanorum)] 
und dann [quaestor] urbanus. Die Angabe der 
Inschrift triumphalib(usj [ornamentis] liowratus 
wird durch Tac. ann. XV 72 bestatigt und naher 
erklart. Nach der Unterdriickung der pisonischen 
VerschwOrung im J. 65 liess namlich Nero wie 
nach einem siegreich beendeten Krieg die Trium- 
phalornamente an (P.) Petronius Turpilianus, an 
Ofonius Tigellinus und an C. erteilen ; jedoch 
wurde diesem und Tigellinus noch die Auszeich- 

50 nung zuteil, dass ihnen ausser der ublichen Trium- 
phalstatue am Forum noch je eine zweite im Kai- 
serpalast errichtet wurde. Damals war C. Praetor 
designatus, er hat sonach im J. 66 die Praetur 
bekleidet. Er wurde dann noch sodalis [Augu- 
stalis] und augur; auch war er patronus einer 
Stadt, vielleicht von Sentinum. Zweimal vor seiner 
Thronbesteigang ist Nerva zum Consulat gelangt, 
jedesmal als Consul ordinarius; zum erstenmal 
im J. 71 mit Kaiser Vespasian cos. Ill (s. die 

60 Consularfasten ; ausserdem Frontin. de aq. II 102 
und z. B. CIL VI 1984. X 4734. 5405. Ephem. 
epigr. I 161 nr. 177), als consul iterum im J. 90 
mit Domitianus cos. XV (ebd., ferner CIL VI 
621. 2067. Xn 2602= Dessau 2118 [nach seiner 
Thronbesteigung gesetzt]; vgl. Plin. paneg. 90, 
der wahrscheinlich darauf anspielt : habuerat htmc 
honorem perioulis nostri-s divus Nerva). 

So sehen wir Nerva erst als Freund Neros, 



135 



Cocceius 



Cocceius 



136 



137 



dann auch von den Flaviern entschieden begun- Nachfolgers schliissig geworden sew ; ihre Wahl flel 

stigt da ihm die Ehie zuteil wurde, beidemal auf Nerva erst dann, als die Unterhandlungen 

mit dem jeweiligen Kaiser zugleich den Consulat mit mehreren anderen Mannern geseheitert waren. 

bekleiden zu durfen. Urn so liberraschender ist Sehon daraus ergiebt sich das Zufalhge, das in 

es dass er sehon drei Jahre nach seinem zweiten der Wahl dieser PersCnlichkeit liegt, und es kann 

Consulat yon Domitian, dem er, wenn wir Apol- demnach nicht behauptet werden, dass Nerva m 

lonius von Tyana bei Philostr. vit. Ap. VII 33, den Atigen der Verschworenen in jeder Hinsicnt 

146 glauben durfen, treu ergeben war, in die Ver- die geeignetste PersOnlichkeit far den Kaisertnron 

bannung nach Tarent geschickt wurde, ja nur war. 

mit knapper Not dem Schicksal so vieler vor- 10 Die Seele der Versehworang gegen Domitian 

nehmer Manner unter Domitian entging, hinge- nnd zugleich der Brhebung Nervas zum Kaiser 

richtet zu werden (Dio ep. LXVII 15, 5f. Philostr. waren der Gardepraefect T. Petromus Secundus 

vit Ap VII 8, 182 ; die Zeit ergiebt sich aus VIII und Domitians Kammerer und Giinstling (Si. Llau- 

7 160- 38 Jahre nach Neros Eegierungsantritt ; dins) Parthenius ; unter ibren Helfern werden ge- 

d'amit stimmt annahemd, dass Apollonius nach nannt der kaiserliche Freigelassene Stephanus, 

seinem Verhor vor Domitian und nach einer lange- der den ersten Streich gegen den Kaiser tunrte, 

ren Eeise iiber Sicilien im Sommer 93 ^ 01. 218 Parthenins Freigelassener Maximus, dann feigerms 

bei den olympischen Spielen erscheint, Philostr. (identisch mit Saturim beiSuet. Dom. 17 ?), der 

a a VIII 16, 167 ; da Domitian aber nach gleichfalls Kammerer war, der Cormculanus Uo- 
achtmonatlicher Abwesenheit erst im Januar 93 20dianus und der Freigelassene ahbelhs Entellus; 

aus dem Sarmatenkriege nach Rom zuriickgekehrt aber selbst des Kaisers Gemanlm Domitia Lon- 

war [vgl. Gsell 226f.], so war das VerhSr mit gina und der zweite Gardepraefect Norbanus waren 

Apollonius und die kurz zuvor erfolgte Verbannung in das Complot verwickelt. Die That gelang ; Domi- 

Nervas in der ersten Halfte des J. 93; fur dieses tian wurde am 18. September 96 n. Ghr. ermordet 

Jahr flnden wir auch bei Hieron. a. Abr. 2109 (Suet. Dom. 16. 17. Dio ep. LXVII 15 17 Plin. 

= 93 die Notiz rmbilium .... quosdam .... in paneg. 92. Eutrop. VIII 11 = Euseb Hieron. 

exilium misit). Die Ursache der Verbannung chron. ad a. Abr. 2112 = Oros. VII 10, 7. 11, 1; 

erfahren wir aus Philostr. a. a. 0. VII 8, 132. vgl. Eutrop. VII 23, 6. Vict. Caes. 11, 7. Epit. de 

11133. Er und zwei andere Manner, (Ser. Come- Caes. 11, llf. Tertull. apolog. 3o. Zosim. 1 o, 7. 
lius Scipio Salvidienus) Orfitus und (M. Mettius?)30 Suid.s. Aopeziareg ; das genaue Datum ist aus buet. 

Eufus wurden als der Herrschaft wiirdig bezeich- Dom. 17 und Philocal. CIL 12 25o 272, neuer- 

jiet und waren daher Domitian verdiichtig, der dings auch aus Not. d. scavi 1894, 96 vgl. mit 

alle drei unteT der Anklage der Versehworang Plin. paneg. 92 bekannt; vgl. auch OIL V147.J; 

verbannte, Orfitus spiiter sogar totete (Suet. Dom. eine besonders reiche Legende bildete sich uber 

10); ein ahnlicher Grund ist bei Syncell. I 649 den Tod Domitians hinsichtlich der vorausver- 

und Suid. s. AofiinavSg angegeben; vgl. auch ktindigung des Tages, ja derStunde undder Art 

Mart. XII 6, llf. tu sub prineipe duro Tempori- seines, Todes; Dio ep. LXVII 18, 1. £ teilt eme 

busque malts avsus es esse bonus. Es ist fast darauf beziighche Vision des Apollonius von lyana 

selbstverstandlieh, dass man spiiter mit beliebter mit, die ausfuhrlich bei Philostr. vit Apoll. Vm 
Vaticinatio ex eventu zu berichten wusste, eine 40 26f. vgl. VII 9, erzahlt ist, citiert bei Zonar. Al 

Weissagung der Astrologen, die dem Nerva die 19 p. 61 Dind.; Syncell. I 655 und Kedren . I 

Herrschaft voraussagte, sei daran schuld gewesen, 431 berichten, dass Apollonius auch das Jinae 

und diese Version findet sich bei Dio. Das eine Nervas vorausesagt habe ; ahnlicn ncnnt Kedren. 

aber kann wahr sein, dass Nerva nur der Prophe- I 430 den bei Dio ep. LXVII 16, 3 ungenannteii 

zeiung eines andern ihm wohlwollend gesinnten Astrologen Askletano [Suet. Dom. 1 5 j , der tur 

oder von ihm bpstochenen Astrologen das Leben die Vorausverkiindigung von Zeit und Art seines 

vcrdankte, dass er ohnedies in wenigen Tagen Todes von Domitian bestraft worden sei, durch 

sterben wurde (Dio a. a. 0.), und vielleicht hat Missverstandnis Nerva; eine andere Weissagung 

gerade dies zu der Bildung der Legende Anlass von Seiten des Larginus Proculus bei Dio ep. 
gegeben. Sehon nach ganz kurzer Zeit aber scheint 50 LXVII 16, 2. Kedren. a. a. 0. Jo. Antiocn. FHG 

er wieder die Verzeihung Domitians erlangt zu IV 5791, 107. Georg. Monach. Ill 134, vgl. Bois- 

haben; denn sonst kOnnte Martial nicht im J. 94 sevain Herm. XXII 162f.; ferner Suet. Dom. 14). 

in so schmeichelhafter Weise von ihm sprechen Wohl wurde im ersten Augenblick, als die Wache, 

(IX 26; hingegen erscheint VIE 70 unmittel- von der Schreckensbotschaft alarmiert, herbeilief, 

bar vor der Verbannung geschrieben zu sein). der MSrdcr Stephanus niedergemacht ; aber da 

Jedenfalls finden wir ihn zur Zeit der Ermordung die beiden Gardepraefecten (Norbanus schloss sich 

Domitians wieder in Eom (Dio LXVII 15 ; dass seinem Collegen an) die Verschworung begunstigt 

hier die Thronerhebung Nervas unmittelbar mit hatten, so beruhigten sich die Iruppen, wenn 

seiner Gefahrdung durch Domitian in Zusammen- auch nur allmahlieh (Suet. Dom. 23. \ict Caes. 
hang gebracht wird, ist nur eine Folge der sehon 60 11, 9—11; Malal. 267 und Chron. Pasch. I468f. 

erwahnten tendenziosen Version; die fabulose bringen die eTfnndene Nachncht, dass em Volks- 

Nachricht bei Vict. Caes. 12, 2, dass er zu den aufstand deshalb ausgehrochen sei, well Domitian 

Sequanern geflohen und dort von den Legionen im Inppitertempel ermordet worden sei) mit dem 

zum Kaiser ausgerufen worden sei, kann nur det neuen Zustand der Dinge. C. war dadurch Kaiser 

■Merkwurdigkeit halber hier Erwahnung finden). geworden. 

Die Verschworer, die dem Leben des grausamen IH. Die Kegierung Nervas. a) Name und 

und allgemein verhassten Monarchen ein Ende Titel. Sein Name als Privatmaun lantet Ji. Coe- 

machten, mussten vorher iiber die Person seines eeius Xerva (CIL XI 5743; bei Angabe seines 



Cocceius 



Cocceius 



138 



ersten und seines zweiten Consulats CIL VI 621. licher Eaehsucht diente (Plin. epist. IX 13, 4), 

1984. X 4734. 5405 ; nur auf einer Inschrift, die forderte seine Opfer ; mehrere Delatoren , darunter 

semen zweiten Consulat angiebt, aber offenbar (M.) Palfurius Sura (Schol. Iuven. IV 53) und der 

nach seiner Thronbesteigung gesetzt ist, CIL XLT Philosoph Seras, wurden getetet (Nerva griff hierin 

2602 = Dessau 2118, wird cr imperator Nerva auf Verfiigungen des Kaisers Titus zuriick, Plin. 

genannt und allein als Consul angefuhrt). Als paneg. 85), aber schliesslich obsiegte Nervas ver- 

Kaiser heisst er Imperator Nerva Caesar Augu- sShnlichcr Charakter und zugleich seine kluge 

stus (auf Inschriften und Miinzen), seltener Im- Erwagung; auch die Vorstellungen des Consuls 

perator Caesar Nerva Augustus (z. B. CIL III (suffectus Ti. Catius Caesius) Fronto blieben nicht 
216. 3006. X 6820. 6824. 6826). Nachdem er 10 ohne Wirkung auf ihn (Dio ep. LXVIH 1—3). 

im J. 97 den Ehrenbeinamen Qermanicus erhalten So horte die Verfolgung der Anhanger Domitians 

hatte und zum Imperator acclamiert worden war auf, und es konnte sogar geschehen, dass wir 

(s.u.), hicss er gegen Ende seiner Kegierung mit Manner, die unter Domitian die beriichtigtesten 

vollem Namen und Titel Imp. Nerva Goes. Aug., Angeber gewesen waren, wie (A. Didius Gallus 

Germanicus, pontifex maximus , tribuniciae po- Fabricius) Veiento, unter den intimeren Gasten 

testatis II, imp. II, cos. IV, pater patriae, vgl. des Kaisers sehen (Plin. epist. IV 22, 4—6. Epit. 

CIL V 4314 und Cohen 85—98. Als Anomalie de Caes. 12, 5) und den verachtlichen M. Aquilius 

muss es betrachtet werden, dass er auf einer un- Kegulus, der unter Nerva, wenn auch nicht ge- 

edierten Inschrift aus Lagina als Kaiser noch mit ehrt, so doch geduldet wurde, noch im J. 100 im 
seinem Vor- und Geschlechtsnamen genannt ist. 20Senat finden (Plin. epist. I 5. II 11, 22). Ander- 

Pro6(bnsulj in CIL II 4724 ist nur Abschreibe- seits hatte die Eescission der Acte Domitians die 

fehler; diesen Titel hat sich Nerva, der Italien erfreuliche Wirkung, dass viele unschuldig Ver- 

wahrend seiner Eegierung nicht verliess, nirgends bannte zuriickgerufen und ungerecht confiscierte 

beigelegt. Bei Schriftstellem wird er gewohnlich Gtiter zuruckerstattet wurden (Dio epist. LXVHI 

Nerva, auch Cocceius Nerva (z. B. Hist. Aug. 1, 2. 2, 1. Euseb. Hieron. a. a. 0. Oros. VII 

Aurel. 14, 6. 42, 4) oder divus Nerva, zu Leb- 11, 2; Beispiele dafur sind C. lulius Bassus, Plin. 

zeiten Nerva imperator und Nerva Augustus epist. IV 9, 2, Iunius Mauricus, ebd. I 5, 10. 15. 

(Frontin. de aqu. pr. 1) genannt. 16. Ill 11. 3; vgl. Tac. Agr. 45, Valerius Lici- 

b) ErsteEegierungsmassnahmen. Nerva konnte nianus, ebd. IV 11, 14; vgl. Suet. 8 [sein Exil 
sich gleich anfangs nicht des ungetriibten Besitzes 30 wurde , da er nicht ganz unschuldig gewesen zu 

seiner Herrschaft erfreuen. Kaum war er zum Kaiser sein scheint, nur gemildert), Arria und Fannia 

ausgerufen, so erscholl das unbegrundete Gerucht, [Plin. epist. Ill 11, 3. VII 19, 6. 10. IX IS, 

Domitian lebe und werde sogleich herbeikommen. 5] , vielleicht auch Mettius Modestus [Plin, a. 

Nur der kraftigen Einwirkung des Parthenius a. 0. I 5, 5; vgl. Dessau Prosopogr. II 373 

gelang es, den alten Mann, der deutliche Spuren nr. 404] , ferner der Ehetor Dio Cocceianus aus 

des heftigsten Schreckens zcigte, zu ermutigen, Prusa, vgl. Dessau Prosopogr. imp. Eom. II 

so dass er aisbald seine Zuversicht wieder ge- 13 nr. 78 und H. v. Arnim Leben und Werke 

wann (Epit. de Caes. 12, 2). Als er zum ersten- des Dio von Prusa, 305ff.; eine spatere Version 

mal in den Senat kam, wurde er durch laute erst meldet, dass auch der Apostel Johannes aus 
freudige Kundgebungen begrilsst. Das Gefiihl 40 seiner Verbannung in Patruos, wohin er angeblich 

der Erleichterung, der Befreiung von einer unauf- unter Domitian habe gehen miissen , damals be- 

horlich schwebenden Gefahr, der jedermann zum freit worden sei und sich nach Ephesus begeben 

Opfer fallen konnte, das war die allgemeine Stim- habe , Euseb. Hieron. a. a. 0. Euseb. hist. eccl. 

iming, die Domitians Ermordung zuniichsterzeugte; III 20, 8 = Kedren. I 434f. = Georg. Monach. 

wer immer sein Nachfolger sein mochte, war sicher, III 134 = Malal. 268 = Chron. Pasch. I 469. 

Anklang zu finden; umsomelii Nerva, von dem Hieron, de vir. ill. 9. Suid. s, Ao/isnavos und 

man Milde hoffte, ja vielleicht nur Sch wache er- Mgflag; Clem. Alex, quis div. salv. 42 ist kein 

wartete. Wie sehr dies aber anderseits seine Stel- directer Beweis dafur, vgl. H. Ziegler bei Keim 

lung erschwerte, das erkannte am besten sein treuer Eom und das Christentum 194—196). Im Grande 
Freund Arrius Antoninus, der inmitten des all- 50 genommen derselbe Gedankc leitete den Kaiser, 

gemeinen Jubels den Staat -m seinem neuem Herr- wenn er Manner, die sich unter Domitian hatten 

scher begliickwunschte, diesen selbst aber wegen verborgen halten miissen, wieder zum Betreten 

der tibernahme einer so schweren Biirde bedauerte der politischen Laufbahn veranlasste. So zog er 

(Epit. de Caes. 12, 3. Hist. Aug. Pius 1, 4). seinen personlichen Freund, den ehrwiirdigen, iiber 

Noch in derselben Senatssitzung wurde Domitian 80 Jahre alten L. Verginius Eufus, der nach einer 

geaohtet. die Damnatio memoriae in vollem Dm- ruhmvollen Vergangenheit ein Menschenalter in 

fang gegen ihn znr Anwendung gebracht (Plin. stiller Zuriickgezogenheit gelebt hatte, aus der 

paneg. 52, Suet. Dom. 23. Dio ep. LXVIII 1, Vergessenheit hervor und liess ihn seinen dritten 

1. 2. Lactant. de mort. pers. 3. Macrob. I 12, Consulat als Consul ordinarius im J. 97 zugleich 
37. Euseb.-Hieron. Chron. a. 2113. Euseb. hist. 60 mit dem Kaiser selbst antreten, der gleichfalls 

eccl. in 20, 8. Hieron. de vir. illustr. 9. Procop. cos III wurde (Plin. epist. II 1. Dio ep. LXVIII 

anecd. 8. Syncell. I 653; auf Inschriften ist Do- % 4. Frontin. de aq. II 102. Mart. XI 4). Aller- 

lnitians Name fast ausnahmslos eradiert). Wie dings hat Eufus diese Auszeichnung nicht lange 

es fast jedesmal bei solchen Gelegenheiten zu ge- iiberlebt, da er noch im selben Jahre starb, wor- 

schehen pflegte, so wurde auch dies zum Ausgangs- auf Nerva das Andenken des Toten durch ein 

punkt massloser Verfolgungen genommen. Der funus publicum ehrte (die Leichenrede hielt der 

Sturm der Leidenschaften, der da entfesselt war, damalige Consul Cornelius Tacitus, Plin. a. a. 0. ; 

und der raanchem auch zur Befriedigung person- uber das Jahr hat zuletzt Hirschfeld Eh. Mus. 



139 



Cocceius 



Cocceius 



140 



1896, 474f. geschrieben; vgl. auch J. Asbach 
Rem Kaisertum und Verfassung bis auf Traian, 
Kohi 1896, 127. 191). 

Bios die Privilegien und wohlthatigen btu- 
tungen die von Domitian herstammten, warden 
yon der Damnation nicht beriihrt, sondern sogar 
ausdriicklich als zu Recht bestehend erklart, Plin 
ad Trai. 58 Beil., vgl. Mommsen St.-B. lis 
1130f. 



9—11. Epit. de Caes. 12, 6; vgl. Plm. paneg 
5 6 Suet. Dom. 23). Das konnte Nerva nicht 
so leicht verwinden; immer deutlicher ward ihm, 
dass seine eigene Kraft nicht ausreiche, die Herr- 
schaft zu fuhren. So entschloss er sich zu dem 
bedeutsamen, aber in seiner Lage begreiihchen 
und gerechtfertigten Schritt, einen Teil der Ke- 
gierungsgewalt auf jiingere, kraftigere Schultern 
abzuwalzen. Piir den Geeignetsten dazu hielt er 



? «. Aa.p«» u. _*. ~v *«*« i« fr -s-fesrs: rjssr as 



erwahnt, von Anfang an einer schweren Auigabe 
gegenubergestellt. Dazu kamen noch emzelne 
Unruhen und VerschwSrungen gegen ihn. Die 
Nachricht von Domitians Tode gab dem Statt- 
halter von Syrien Anlass zu einem EmpOrungs- 
versuch (Plin. ep. IX 13, 11), der aber jedenfalls 
niedergeschlagen wurde, wir wissen nicht, wann 
und auf welche Weise. Ebenso fand an der Donau 
eine Erhebung statt, die durch das Emgreifen 



den uamaiigcu ui««u""^ ■-" „_-.-—-- ^ 
M Ulpius Traianus, den er adoptierte una zum 
Mitregenten ernannte. Um die Adoption mog- 
lichst feierlich zu gestalten, vollzog er sie vor 
dem Altar des Iuppitertempels auf dem Capitol 
(Dio LXVni 3, 4. Plin. paneg. 1. o. 7— 10. £6. 
47 88f. 94. Eutrop. VIII 1, 2. Vict. Caes. 13, 1. 
Epit, de Caes. 12, 9; iiber die Analogie dieser 
Adoption mit der Pisos durch Galba vgl Die- 
rauer 23, 1. Mommsen St.-B. US 1138,/, 



eine Erhebung statt, die durch das iingreiien^u-^,^^ Germania superior 

des Redners Dio von Prusa im Keime . erstickt 20 dass Traian ™s ^egax j? ^ 



■wurde (Philoatr. vit. soph. I 7; v. Arnim a. a. 
0. vermutet, dass sich die Scene in Vimmacium 
abgespielt habe, das ware also im lager der 
legio VII Claudia). Auch in Rom bildete sich 
im J. 97 eine Verschworung gegen sein Leben, 
die aber gleichfalls fehlging. (C.) Calpurnius Cras- 
sus (Frugi Licinianus) wagte den Versuch, Nerva 
zu stiirzen , indem er die Soldaten durch unge 



wax, folgt aus Hist. Aug. Hadr 2 5; pr Zeit 
von Nervas Tode befand er sich freilich in Koln, 
Eutrop. Vin 2, 1. Epit. de Caes 13, 3, da hatte 
er aber als Mitregent eben schon em hiSheres 
proconsularisches Imperium liber ganz Germanien, 
Ihnlich wie z. B. Tiberius unter Augustus oder 
Germanicus in Syrien, vgl. Hen* en Ann. d Inst. 
1862, 1461 Dierauer 30, 4. Herzog 339, *•> 
es hat daher auchkaum, wie Mommsen St--K, 



heJe Te^prechungcn fur sich gewann; seine Urn- es hat daher ^^^^^^^ 
triebe wur^en jedoch aufgedeckt und Nerva 3 H 1U , 1 l , a ^™M™ ^ nd der des L . Aelius 



schuchterte die Verschworenen duruh die nur bei 
dieser Gelegenheit bewiesene Unerschrockenheit 
vollig ein. Er begniigte sich damit, Crassus samt 
seiner Gattin (Agedia Quintina, CIL VI Suppl. 
31724) nach Tarent zu verbannen (Dio ep. LXV111 
3, 2; vgl. 2, 3. Epit. de Caes. 12, 6), wo er 
selbst unter Domitian eine Zeit lang hatte leben 
mussen ; der Senat tadelte seine allzugrosse Milde, 
obwohl Nerva hierin nur den zu Beginn. seiner 



seiner Gewalt in Germanien und der des L. Aelius 
inPannonien bestanden; iibrigens war in dieser Zeit 
sicher schon L. Iulius Ursus Servianus Statthalter 
von Obergermanien, Hist. Aug Hadr 2, 6. Fbn. 
VIII 23, 5, vgl. dagegen Th. Bergk Zur Gesch 
u Todoot d Rheinl. 44-48 und ihm folgend 
Asbach'Westd. Ztschr. HI 13; dass Traian erst 
von Nerva Ende 96 oder Anfang 97 nach Ger- 
manien geschickt wurde, zeigen M o mm s e n Herm. 



obwohl Nerva hierin nur den zu Beginn seiner mane, | *™"— •„ r^sb ach a. a. 0. 24f. 
Eegierung geleisteten Eid befolgte wonach er 40 II 40 ,2. J^"""^' 464 mit ffinweis aui 



Senatoren auf keinen Fall toten zu lassen ver 
sprach (Dio ep. LXVIH 2, 3; vgl. Giesen 11) 
Gefahrlicher war ein anderer Aufstand, der in 
offener Auflehnung gegen die Autoritat des Kai- 
sers bestand. Casperius Aclianus, der schon unter 
Domitian Gardepraefect gewesen war, wurde es 
unter Nerva nochmals, als Nachfolger des Nor- 
banus. Der nun schQrte, kaum zur Macht ge- 
langt, den niemals ganz zuriickgedriingten Un- 



Dessau Prosopogr. in 464 mit Hmweis auf 
Plin paneg. 5. 9. 44. 94, noch sicherer wird dies 
aus c 23 dimismis oseulo fueras, was in diesem 
Zusammenhang sicher nicht von Traians Ver- 
haltnis zu Domitian gesagt werden konnte). Die 
Adoption fand im Spatherbst des J. 9. stait 
(Epit. de Caes. 12, 9; vgl. Phn. paneg 10; s. u. ). 
Naturgemass nicht gleichzcitig, aber wohl unmittel- 
bar danach erfolgte die Erhebung Traians zum 



langt, den niemals gan Z ^ckgedrangten i jn- ™£™£ ( p^ Dio Epit. de Caes. a. a. 0.; 
mut der Praetorianer gegen die MOrder Domitians, 50 ^g,^ 11 , $T .enrart die Erzahlung dahin, 



dessen Tod thre Hoffnungen auf ein ausgiebiges 
Donativum zu nichte gemacht hatte. In ent- 
schiedenem Aufruhr verlangten die Garden die 
TOtung aller Schuldigen. Nerva war wohl durch- 
aus nicht gewillt, die Manner, denen er seme 
Herrschaft verdankte, der Wut der Praetorianer zu 
opfern, aber die drohende Haltung der zum Ausser- 
sten entschlossenen Soldaten flOsste ihm Schrecken 
ein, der ihn wieder ganzlich iibermannte. Auch 



Vict Caes. 12, 2 verwirrt die Erzahlung dahin, 
dass er dies Ereignis fur eine Abdankung Nem* 
halt: derselbe Irrtum Lactant. de mort. pers 18). 
Obwohl PUnius Worte (paneg. 8 strmtl fUtus, 
simid Caesar, mox imperator et consors tribu- 
niciae potestatis et omnia partter et stahm foe- 
tus es) nach dem Sprachgebranch seiner Zeit der 
Annahme einer mit der Adoption ziemhch gleieh- 
zeitig erfolgten Erhebung zum Mitregenten eimge 



ein, der ihn wieder ganzlich iibermannte. Ancn z^ - ^ '^gegenseteen, so kOnnen sie doch 
als er sich dann gewaltsam bezwang, hatten weder 60 ^.™ShunI Ton Dio ep. LXVIH 3, 4 und 
die wurdigen Worte, die er an die Meuternden mit Herbeiziehung vo P ^^ 



richtete, noch die auf Erregung von Mitleid scnlecht 
berechnete Selbstpreisgebung irgend eineWirkung; 
die Hauptanstifter der Ermordung Domitians, Se- 
cundus und Parthenius, mussten fallen. Nicht 
genug damit, zwang Aelianus den Kaiser noch 
zu der Demiitigung, den Soldaten dafur Offentlich 
zu danken (Dio ep. LXVIH 3, 3. Vict, Caes. 11, 



4 1 nicht anders gedeutet werden, als dass nach 
der von Nerva aus eigener Machtvollkommenheit 
ausgesprochenen Adoption die Erteilung der pro- 
consularischen Gewalt im Senat erfolgte, da sie 
nur durch Senatsbeschluss , wenn auch aut Ini- 
tiative des Kaisers, in Kraft treten konnte, vgl. 
Mommsen St.-R.s 1153. Durch diese Acte 



141 



Cocceius 



Cocceius 



142 



wurde also Traian Nervas rechtlicher Nachfolger, 
er nahm jetzt das Cognomen Nerva an mit gleich- 
zeitiger Abwerfung seines Vor- und Gentilnamens 
(Dios Bericht ep. LXVIH 3, 4, dass C. bei der 
Adoption den Namen M. Dlpius Nerva Traianus 
ausgesprochen habe, ist nicht als Document zu 
nehmen; diese Namensform ist nicht gut denk- 
bar und ware iiberdies in dem vorliegenden Pall 
eine eigentiimliche Prolepsis) und erhielt den dem 
kaiserliehen Prinzen zukommenden Caesar-, aber 
nicht den Augustustitel, das Imperium maius oder 
die hohere proconsularische Gewalt mit dem Wir- 
kungskreis in Germanien , wo er sich eben be- 
fand, und das er wahrend der Eegierung Nervas 
nicht verliess (s. o.) , und endlich Anteil an der 
tribunicischen Gewalt, wie ja die Inschriften 
Traians zeigen, dass seine tribunicische Gewalt 
von dieser Zeit an gerechnet wird (z. B. CIL III 
Suppl. p. 1970, dipl. XXX; CIL VI 451 beweist 
nichts dagegen). Da zur selben Zeit die Nach- 
richt von einem in Pannonien iiber die Sueben 
erfochtenen Sieg eintraf, nahm Nerva den Sieger- 
beinamen Qermanieus an, den auch Traian erhielt. 
Auch wurde dieser wie iiblich zum Consul ordi- 
narius zugleich mit Nerva fur das J. 98 designiert. 

Die Umstande, unter denen Nerva auf die 
Adoption und Annahme zur Mitregentschaft ver- 
flel, zeigen deutlich, dass er sich bei seiner Wahl 
in erster Linie von der Wiirdigung personlicher 
Tlichtigkeit leiten liess, unbekiimmert darum, 
dass es auffallen musste, wenn zum erstenmal ein 
Nichtitaliker zur Herrschaft berufen wurde (Dio 
LXVin 4, 1. 2). Ausdriicklich wird betont, dass 
Traian mit dem Kaiser nicht verwandt war (Plin. 
paneg. 7. Dio ep. LXVIH 4, 1 ; hier ist auch 
gesagt, dass Verwandte Nervas vorhanden waren), 
und was von sonstigen freundschaftlichen Be- 
ziehungen Traians zu Nerva mitgeteilt wird, kann 
nicht zuviel Anspruch auf Glaubwiirdigkeit er- 
heben (nach Lyd. de mens. IV 23 p. 81f. Wiinsch 
ware Traian zum erstenmal dadurch in ein giin- 
stiges Verhaltnis zu Nerva getreten, dass er ihm 
sein Vorstadthaus zum Geschenk anbot; eber 
mOchte man annehmen, dass Nerva, wie aus Plin. 
paneg. 89 hervorzugehen scheint, mit Traians 
Vater M. Ulpius Traianns befreundet war, der 
aber wahrscheinlich schon vor der Adoption seines 
Sohnes gestorben war). Das allerdings mag rich- 
tig sein , dass L. Licinius Sura, ein Landsmann 
Traians, den Kaiser auf dessen hervorragende 
Eigenschaften aufmerksam maehte (Epit, de Caes. 
13. 6). 

Da Traian zur Zeit seiner Adoption in Ger- 
manien war, musste er dnrch eine Botschaft des 
Kaisers verstandigt werden (Dio ep. LXVHI 3, 4 ; 
dass Nerva hiebei das homerische Wort Tioetav 
Aavaoi tub. Sdxova ooloi fielsaoiv gebraucht habe, 
ist wohl Ausschmiickung , bezeichnet aber die 
Stimmung ganz treffend ; Dessau Prosopogr. HI 
109 nr. 308 vermutet ansprechend. dass sich Ve- 
stricius Spurinna unter den Abgesandten befun- 
den habe). Wahrscheinlich bei dieser Gelegen- 
heit erhielt er von seinem Adoptivvater eine kost- 
bare geschnittene Gemme ; wenigstens hat spater 
Hadrian, als sie ihm wieder von Traian geschenkt 
wurde, aus diesem Umstand Hoffnung auf die 
Thronfolge geschCpft (Hist. Aug. Hadr. 3, 7). 
Damals nun war sein Vetter Hadrian unter den- 



jenigen , welche die Gliickwiinsche der verschie- 
denen Truppen und Provinzen an den neuen Mit- 
regenten zu iiberbringen hatten; er wurde als 
Tribun der legio V Macedonica in Moesia in- 
ferior deren Abgesandter zu Traian und blieb dann 
gleich in Germanien als Tribun der in Mainz 
stationierten legio XXII Primigenia p. f. (Hadr. 
2, 5 ; vgl. 2, 3 und CIL III 550 = D e s s au 308. 
Henzen a. a. O.); in dieser Stellung konnte 

10 er bald danach den Tod Nervas und die Thron- 
erhebung Traians diesem trotz der Ranke seines 
Schwagers (L. Iulius Ursus) Servianus als erster 
melden (Hadr. 2, 6). 

Die Thatsache der Adoption ist auf Miinzen 
nicht eigens erwahnt, kommt aber auf den In- 
schriften Traians und der Mgenden Kaiser bis 
Caracalla zum Ausdmck, die eine nur voriiber- 
gehend unterbrochene , aber von Septimius Se- 
verus an Active Descendenzreihe bildeten, und in 

20 deren Genealogie Nerva als Ahnherr erscheint. 
Nerva hat so durch sein Vorgehen nicht nur un- 
mittelbar Gutes gestiftet, sondern auch fur die 
Folgezeit durch sein Beispiel ein Princip inaugu- 
riert, das filr den Bestand und die Eegierung des 
Keiches von der grOssten Bedeutung war. That- 
sachlich linden wir sowohl bei den Zeitgenossen 
als auch in den spateren Quellen diese Adoption 
vom Standpunkt der Staatsnotwendigkeit beurteilt 
(Dio a. a. 0. Hist. Aug. Aur. 14, 6. Eutrop. 

30VHI 1, 2), vor allem aber von Plinius in einer 
dem Zwecke des Panegyricus entsprechenden Weise 
iiber Gebiihr hervorgehoben (paneg. 6. 7. 11). 

d) Germanenkriege. Uber einen unter Nervas 
RegieruDg geftihrten Krieg liegen drei ganz ver- 
schiedenartige Zeugnisse vor. Plinius erwahnt 
Siegesnachrichten aus Pannonien, die an dem Tage 
von Traians Adoption in Rom einlangten (Plin. 
paneg. 8. 16. Kedren. I 4331 = Georg. Monach. 
HI 134), auf einer Inschrift wird ein bellum Sue- 

40 bicum unter Nerva genannt (CIL V 7425 == D e s- 
sau2720), und endlich steht durch Miinzen und 
Inschriften fest, dass Nerva und Traian seit Ende 
97 den Beinamen Germanicus fiihren (CIL V 
4314. VI 952. X 6651. 6820. 6824. 6826. Eckhel 
VI 408. C oh en 11. 53. 82—98), und dass Nerva 
schon damals auch zum Imperator acclamiert 
wurde, daher imp. II heisst (CIL VI 952 ; Suppl. 
31213. Eckhel a. a. 0. Cohen 82— 84;_die 
Verleihung des Imperatortitels an Traian bezeich- 

50 net nur das proconsularische Imperium, hat aber 
nichts mit der Ausmfung zum Imperator zu thun ; 
daraus ergiebt sich , dass die Vorgange in Ger- 
manien, von denen Plin. paneg. 56 spricht, und 
die zu einer Imperatorenacclamation Traians wah- 
rend seines zweiten Consulats im J. 98 ffihrten, 
erst in die Zeit von Traians Alleinherrschaft fallen). 
Diese in keinem ausseren Zusammenhang stehen- 
den Nachrichten sind am wahrscheinlichsten in 
der Weise zu verbinden, dass wir annehmen, der 

60 Sieg in Pannonien sei iiber die Germanen , und 
zwar iiber die Sueben erfochten worden , gegen 
die auch unter Domitian an der Donau gekampft 
worden war (vgl. dazu und zum folgenden Momm- 
sen Herm. Ill 116ff.). Einzelheiten aus diesem 
Kriege sind uns nicht bekannt (J. A s b a ch Westd. 
Ztschr. in 2j) bezieht willkurlich die Stelle bei 
Tac. Germ. 41 auf diesen Krieg; dass die c. 38 
— 45 der bald danach entstandenen taciteischen 



143 



Cocceius 



Cocceius 



144 



Schrift von Anspielungen auf die Zeitereignisse 
nicht frei sind, vgl. Hirschfeld Ztschr. f. d. 
Osterr. Gymn. XXVIII 1877, 815f., wird aller- 
dings nicht bestritten werden kflnnen). In diesen 
fiahmen passt aber weniger hinein der milita- 
rische und politisehe Erfolg, den Vestricius Spu- 
rinna am Ehein errungen hat (Plin. ep. II 7, 1. 
2), und den Dessau a. a. 0. schon mit Kuck- 
sicht auf das hohe Alter Spurinnas der flavischen 
Zeit zuweist (vgl. uber die Kriege gegen die Ger- 10 
manen in den J. 97 und 98 Mommsen Henn. 
HI 39f. Asbach Bonn. Jahrb. LXIX 3-6; 
Westd. Ztschr. Ill 12—15. H. Schiller Jahrcs- 
ber. XXVHI 354f., deren Ausftihrungen mir nach 
dem oben Erklarten zum Teil unrichtig erschei- 
nen). Dass an dem Siege uber die Germanen 
Traian einen Anteil hatte, ist trotz Kedren. I 
43Sf. kaum anzunehmen (vgl. Dierauer 25), 
da sonst Plinius im Panegyricus ein sole-lies Er- 
eignis mit Nachdruck verwertet hatte , statt nur 20 
eine fliichtige Anspielung zu machen (paneg. 9), 
aus der wir vermuten kOnnten, Traian habe den 
Siegemamen Germanieus sichselbstzuverdanken. 

e) Innere Eegierung. Nerva machte es sich 
zum Princip , seine Herrschaft auf den Senat zn 
stiitzen ; nicht nur , weil er sich dessen bewusst 
war, dass er anders den unter so grossen Ge- 
fahren errungenen Purpur kaum behaupten und 
nur so das Dankenswerte des neuen Eegierungs- 
systems im Vergleich zum alten eindringlich vor 30 
Augen fiihren konnte, sondern auch, weil dieser 
Grundsatz durchaus in den Traditionen seiner 
Familie begrundet war. Als eine der wesentlichen 
Errungenschaften des Senats muss man den Schwnr 
Nervas betrachten, keinen Senator toten zu lassen 
(Dio ep. LXVIII 2, 3, s. S. 139). Dies hat hauflg 
einen der leitenden Punkte in dem Bingen des 
Senats mit dem Princeps gebildet: von Titus 
wurde geruhmt, dass unter ihm thatsachlich kein 
Mitglied des Senats hingerichtet wurde; aber schon 40 
Domitian hat ein darauf beziigliches Versprechen 
abzugeben ausdriieklich verweigert (Dio ep. LXVII 
2, 4); erst Traian (Dio ep. LXVIII 5, 1. 2) und 
Hadrian sind dem Beispiel Nervas gefolgt (Dio 
ep. LXIX 2, 4. Hist. Aug. Hadr. 7, 4; vgl. Die- 
rauer 30. Hnmtnuen St.-E. TT 3 %lf.). 

Die Staatsfinanzen waren beim Tode Domi- 
tians in arg zerrttttetem Zustand ; es kostete viel 
Muhe und aussergewohnliche Mittel der Sparsam- 
keit, sowie persSnliche niaterielle Opfer des Kaisers 50 
(Dio ep. LXVIII 2, 2. Plin. paneg. 51 iisibus 
suis detrahebat, quae fortuiia imperii dederat), 
Tim den Staatshaushalt wieder ins Gleichgewicht 
zu bringen, und Nerva besass genug Erfahrung 
in alien Fragen der Staatsverwaltung, um dieser 
Aufgabe vollig gewaehsen zu sein. Seine Finanz- 
verwaltung war mustergiltig ; er brachte es za- 
wege, gleich nachdem die ersten Schwierigkeiten 
uberwunden waren. eine Verminderung der Steuer- 
lasten eintreten zu lassen , er konnte unbesorgt 60 
alle ungesetzlichen Abgaben beseitigen. ja er hat 
schliesslich — und das war der grOsste Segen 
seiner Eegierung — eine Eeibe von wirtschaft- 
lichen Eeformen durchfuhren konnen, die auf das 
Wohl der armen BevOlkerungsschiehten abzielten. 
Um den Senatoren moglichst viel Anteil an der 
Eegierung zu gewahren , und um in seinen Be- 
strebungen eine entsprechende Stiitze zu flnden, 



setzte er mehrere vom Senate ad hoc gewahlte 
Commissionen ein. Zuerst hatten die Vviri mi- 
nuendis publieis stwnptibus (Plin. paneg. 62; epist. 
II 1, 9; hier wird L. Verginius Eufus als ein 
Mitglied der Commission erwahnt) in dem vom 
Kaiser angedeuteten Sinne ihres Amtes zu walten. 
Man griff bei diesen Bestrebungen selbst zur Ein- 
sehrankung der Spiele und des Aufwands bei 
Opfern (Dio 2,3; die Massregel kann nicht lange 
bestanden haben, denn nach Plin. paneg, 46 sah 
sich Nerva sogar genotigt, die Pantomimen, die 
Domitian abgescharTt hatte, wieder einzufuhren; 
nach Malal, 268 = Chron. Pasch. I 469 wurden 
Tierhetzen neu eingefiihrt ; bei andern spaten Ex- 
cerpten wie Zonar. Ill 64 Dind. ist angegeben, 
dass Nerva die Gladiatorenspiele ganzlieh ab- 
schaffte, was kaum richtig ist, vgl.Friedlander 
Sittengesch. Tie 298, 7. Giesen 12 bringt 
damit auch die Legende Neptuno Oireens, cvn- 
stitut. einer nicht unverd&chtigen Mtinze, Eckhel 
VI 406, in Verbindung). Aber der Erfolg ihrer 
Wirksamkeit zeigte sich auch bald darin, dass 
Nerva, wie gesagt, Erleichterungen in den Steuer- 
leistungen eintreten lassen und selbst humanitare 
Acte vollziehen konnte. Ausser der Herabminde- 
rung der regelmassigen Steuern ordnete er eine 
beschranktere Anwendung der funfprozentigen 
Erbschaftssteuer an (Plin. paneg. 37— 39 ; einige 
Clauseln , die diesen Bestimmungen anbafteten, 
hat erst Traian beseitigt), er gab nicht zu, dass 
die Zuerkennung von Geldstrafen der Bereiehe- 
rung des Fiscus dienen sollte und erliess sie da - 
her meistens (Epit. de Caes. 12, 4); auch ver- 
dankte ihm Italien die Abschaffung einer grossen 
materiellen Last, der Vehiculatio, die darin be- 
stand, dass jede Gemeinde der kaiserlichen Post, 
die an dem Orte vorheikam, im Bedarfsfalle Ge- 
spann beizustellen verpflichtet war (Eckhel VI 
408. Cohen 143f., J. 97: vehiculatione Italiae 
remissa). In dieselbe Eichtung fallt auch eine 
Neuerung, die er in Ansehung der Steuerprocesse 
vornahm, indem er zu der bisherigen Zahl (17) 
der Praetoren einen hinzufugte, qui inter Hscum 
et privatos ius dieeret (Dig. I 2, 2, 32, dazu die 
Worte bei Plin. paneg. 36 sors et urna fisco 
mdif-Am adsignnt .... saepius rincitur futcus. 
die er freilich als Lob Traians ausspricht; vgl. 
Mommsen St.-E. 11*226. 1023). Damit hatte 
Nerva mit all den kleinen und ungerechten Mit- 
teln einer habsuchtigen Finanzpolitik entschieden 
gebrochen. Er schritt auf dieser Bahn nur nodi 
weiter durch Einsetzung wohlthatiger Stiftungen. 
Dahin gehort vor allem die Alimentarinstitution, 
deren Keime vielleicht schon auf Domitian zu- 
rilckgingen (vgl. Asbach Kaisertum und Verf. 
189f. ; das Edict, das Nerva erliess, um alle Wohl- 
thatigkeitsacte Domitians zu legalisieren , Plin. 
ad Trai. 58, spricht auch zu Guasten dieser An- 
sieht), und die unter Nerva auch noch nicht voll- 
standig ausgebildet wurde , aber seiner kurzen 
Eegierung ein bestimmtes Geprage giebt. Die 
Einrichtung bestand darin, dass er in den meisten 
Stadten Italiens fur die Erziehung der freige- 
borenen (vgl. M o m m s e d St -R. Ill 447f.) Kinder 
unbemittelter Eltern Beitrage aus der kaiserlichen 
Kasse aussetzte (Epit. de Caes. 12, 4; Miinzen 
mit der Umschrift tutda Italiae Eckhel VI 
408. Cohen 142, aus dem J. 97). Die Kosten 



145 



Cocceius 



Cocceius 



146 



fur diese Anstalt brachte er in der Weise auf, 
dass er ein fiir allemal eine bestimmte Somme 
auswarf und fiir die einzelnen Stadte bei ver- 
schiedenen Grundbesitzern hypothekarisch sicher- 
stellen liess, d. h. die Grundbesitzer erhielten ein 
Kapital, das wahrscheinlich nnkiindbar war, und 
von dem sie nur die Zinsen aus dem Ertragnis 
des Bodens, auf dem die Hypothek lastete, jahr- 
lich an den Fiscus zu zahlen hatten. Die Hohe 
des Fonds war so berechnet, dass die von den 
Grundbesitzern zu entrichtenden Zinsen auch bei 
einem niedrigen Zinssatz ausreichten, um die Er- 
fordernisse dieser Stiftung zu decken (diese Art 
der Anlegung des Stiftungskapitals lasst sich bei 
Nerva allerdings nicht direct nachweisen, sondern 
nur durch Analogieschluss nach dem uns genau 
bekannten Vorgang Traians ermitteln ; auch Plin. 
epist. VII 18 berichtet genau, wie er bei seiner 
Alimentarstjftung zu Werke ging; vgl. Momm- 
sen Herm. Ill 101), und so bedeutete diese Mass- 
i regel zugleich auch eine Unterstiitzung der kleinen 
Grundbesitzer. Schliesslich hatte Nerva dabei 
wohl auch noch den Zweck im Auge, der iiber- 
handnehmenden Ehelosigkeit und der dadurch 
verursachten fortschreitenden Entvdlkerung Ita- 
liens vorzubeugen. Dieser Zweck wurde mit der 
Zeit auch erreicht, weil die folgenden Kaiser diese 
Verfiigungen weiter aufgriffen, und weil das Bei- 
spiel der Kaiser lebhaften Wiederhall bei Priva- 
ten fand (Plinius that dasselbe nicht nur fiir seine 
Person, epist. I 8. II 5 ; vgl. CIL V 5262, son- 
dern empfahl es anch andern zur Nachahmung, 
VII 18; andere Beispiele privater Muniflcenz in 
dieser Form mehrfach auf Inschriften erwahnt, 
Euggicro Diz. epigr. I 408f. ; vgl. Hirsch- 
feld Verw.-G. I 114—122. Mommsen St.-E. 
II s 1079f. Marquardt-Dessau St.-V. 112 
141—147. Herzog 337. Kubitschek in Bd. I 
S. 1484ff. und die ubrige dort verzeichnete Lit- 
teratur). Ein anderes Mittel zur Hebung der 
Landwirtschaft suehte und fand Nerva darin, dass 
er die alten Landverteilungsgesetze von neuem 
ins Leben rief (Dig. XL VII 21, 3, 1 ist von einer 
lex agraria Nervas die Rede; Ear Iowa Eom. 
Eechtsgesch. I 624 weist darauf hin, dass dieses 
Gesetz keine lex data, sondern formell ein Co- 
mitialgesetz ist ; vgl. auch Mommsen St.-E. II 3 
883. 995, wo er seine fruhere Ansicht [Abh. d. 
siichs. Ges. d. Wiss. 1857, 391] andert, der sich 
Kuntze Cursus d. rom. Eechts I 188 ange- 
schlossen hatte). Er erwarb umfangreiche Lan- 
dereien und liess sie, wieder durch eine senato- 
rische Commission , den Armen in entsprechend 
vielen kleineren Teilen anweisen (Dio 2, 1 ; vgl. 
Lachmann Eom. Feldmesser 133; die Com- 
mission wird auf der Inschrift eines ihrer Mit- 
glieder. CIL VI 1548, ad agros dividendos ge- 
nannt: Plin. epist. VII 31. 4 gebraucht den Aus- 
druck e?nendi.v diruleiidisque agris : aus dieser 
Stelle erfahren wir auch, dass Q. Corellius Eufus 
in der Commission war, wiihrend der dem Eitter- 
stand angehorige Claudius Pollio :mr als Bei- 
helfer des Corellius erwahnt wird). Vielleicht 
hangt damit zusammen die Verstarkung einiger 
italischer Colonien wie Verulae (EOm. Feldmesser 
239) , Scyllacium (CIL X 103 rolonia Miner eia 
Nervia Augusta Soolaaium) ; aber auch in andern 
Teilen des Eeiches nahm er Neugrtindungen von 



Colonien vor (z. B. Sitifls in Mauretanien , das 

■ vollstandig colowia Nerviana, Augusta Martialis 
veteranorum Sitifetisium heisst, vgl. CIL VHI 
p, 722), und mehrere Stadte, namentlich im 
griechischen Osten, verdankten ihm materielle oder 
politisehe Vorteile (Epit. de Caes. 12, 4; Zeugnis 
dafur legen auch die erhaltenen Ehrungen fiir 
den Kaiser in den betreffenden Stadten ab; da- 
zu gehoren unter anderen, soweit wir wissen, Ci- 

lOtium in Cypern, CIL III 216 [vgl. 12103]. S.- 
Ber. Akad. Munch. 1883, 309, Beroea in Make- 
donien, der er den Namen einer Metropolis ver- 
lieh, vgl. Marquardt St.-V. 12 319, 16, und 
Lagina in Carien, zufolge der schon erwahnten 
unedierten Inschrift; was uber Anazarba bei Ma- 
lal. 267f. und Suid. s. 'Aval;d(>f)as steht, scheint 
ein so confuses Gemenge nicht zusammengehoriger 
Dinge zu sein , dass diese Notiz nicht zu ver- 
werten ist). Unverkennbar ist gleichwohl als ein 

20 durehgangiger Zug aller dieser Massnahmen die 
besondere Fiirsorge fur Italien und die moglichst 
starke Herbeiziehnng des Senats zu ausserordent- 
lichen Eegierungsgeschaften (vgl. Miinzen mit dem 
Eevers providentia senatus , Cohen 129). In 
gleicher Weise wie fur die avrae Landbevolkerung 
Ttaliens sorgte Nerva auch fiir den hauptstSdti- 
schen Pobel durch Frumentationen (plebei urbamaa 
frumento constitute Eckhel VT 406f. Cohen 
127 aus dem J. 97 ; dass die Frumentationen 

30 zugleich mit den Spielen [s. o.] anfangs abge- 
schafft und erst spater wieder eingefiihrt wurden, 
glaubt Mommsen Eom. Tribns 193) und dur^h 
ein Congiarium, wahrscheinlich aus Anlass seiner 
Thronbesteigung (congiarium populi Bomani 
Eckhel VI 404. Cohen 37—39, Ende 96. 
Chronogr. v. J, 354). Die Freigebigkeit des Kaisers 
im allgemeinen ruhmt Plin. paneg. 43. Vermut- 
lich um auch Gememden zu wohlthatigen Stif- 
tungen zu veranlassen, gestattete er ihnen, Legate 

40 anzunehmen, Ulpian. frg. 24, 28. Dig. XXX 122 
pr.; 117. 

Auch von andern Seiten des affentlichen Lebens, 
denen Nerva seine Aufmerksamkeit zuwendete, 
wird mehreres iiberliefert. Wie so viele, musste 
auch er gegen den Luxus cinschreiten (Dio 1, 1. 
2, 1; vgl. Plin. paneg. 51; fraglich ist, ob sich 
Martial. XII 15 auf inn oder Traian bezieht, vgl. 
Friedlander z. St.); auch erliess er ein Verbot, 
Sclaven zu Eunuchen zu machen (Dio 2, 4; ein 

50 ahnliches Gesetz war schon von Domitian ausge- 
gangen , Suet. Dom. 7. Dio ep. LXVII 2, 3. 
Philostr. vit. Apoll. VI 42, 252. Mart. VI 2, 5f. 
IX 6, 4f. 8, 7f. Amrnian. Marc. XVIII 4, 5. Cassiod. 
n 139. Dig. XLVIII 8, 6 datiert nach einem Con- 
sulnpaar in einem nicht bekannten Jahr unter Do- 
mitian), und beschrankte die Heirat unter Yerwand- 
ten (Dio a. a. O.). Anklagen wegeu Gottlosigkeit 
liess er nicht zu, wie er ja uherhaupt die Delatoren 
verfolgte (Dio 1, 2; s. o.), namentlich aber verbot 

60 er die Verleumdungen wegen Bekenntnisses des 
judischen Glaubens, die unter Domitian sehr in 
Schwung gewesen waren, und beschrankte die 
Judensteuer ausschliesslich auf diejenigen, welche 
sich offentlich zum Jndentum bekannten (Munzen 
mit der Legende fisci Rtdaici calumnia sublata, 
Eckhel VI 401. Cohen 54— 57, aus den J. 96 
und 97: uber die Verfolgungen unter Domitian 
vgl. Suet. Dom. 12). Vgl. die Zusammenstellung 



147 



Cocceius 



Cocceius 



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Cocceius 



Cocceius 



150 



bei Han el Corp. leg. 67—69; hinzuzufugen ware 
Dig. XH5, 4 (Verfugung uber Erbschaftsprocesse). 
In jener Zeit war die Entfaltung reger Bau- 
thatigkeit ein so gewichtiger Factor derBegierungs- 
thatigkeit des Kaisers geworden, dass sich ihr auch 
Nerva nicht entziehen konnte, obwohl sein spar- 
samer Sinn ihm hierin gewisse Grenzen auferlegte. 
Dem entsprach es wohl, dass er die Aufforderung 
ergehen liess, Din auch in diesem Bestreben zu 
unterstiitzen (Plin. ad Traian. 8, 1; dass muni- 
ficentia sich hier nur auf Bauthatigkeit bezieht, 
geht aus dem Zusanimenhang der Stelle selhst 
hervor und wird auch durch den Gebrauch Plin. 
paneg. 51 bewiesen; vgl. auch Martial, ep. 2, 7 
und die von Friedlander z. St. angefiihrten Be- 
lege, sowie Sittengesch. Ill© 206 gegen Momm- 
sen Herm. Ill 101, 4). So bildete seine Massi- 
gung einen wohlthuenden Gegensatz zu der von 
wahnsinniger Eitelkeit dictierten Bauwut Domi- 
tians. Vor allem verdankte Bom dem Kaiser 
Nerva den Ausbau eines neuen Forums, dessen 
Mittelpunkt der Tempel der Minerva bildete. Die 
Anlage des Forums geht freilich schon auf Do- 
mitian zuriick, worauf auch die Widmung des 
Tempels an Minerva, die besondere SchutzgOttin 
Domitians, hinweist; aber Nerva erst hat den Bau 
vollendet (Suet. Dom. 5. Vict. Caes. 12, 2. Eutrop. 
Vn 23, 5. Vict. Caes. 9, 7; vgl. dazu Jordan 
Topogr. I 2, 449, 17. Hieronym. a. 2105; hier 
ist im Katalog der Bauten Domitians auch das 
foritm Vraiani angefuhrt , ebenso verwechselt 
dieses rait dem Nervaforum Vict. Caes. 13, 7; 
auch im Mittelalter wurde das Nervaforum forum 
Traiani genannt, vgl. Duchesne Melanges d'arch. 
et d'hist. IX 346—355; Mart, I 2, 8 nach dem 
Tempel auch forum Palladium genannt; die Er- 
wahnung im ersten Buch Martials zeigt auch, dass 
der Bau des Forums spatestens 86 begonnen wurde ; 
seine Vollendung fallt zufolge der Dedications- 
inschrift CIL VI 953 und p. 841 = Ephem. epigr. 
IV 779 a, verbessert CIL VI Suppl. 31213, in das 
J. 97 oder Anfang 98, s. S. 150); der Minervatempel 
und der anstossende Teil des Nervaforums sind dar- 
gestellt auf frg. 116 der Forma urbis Bomae; vgl, 
Jordan Topogr. I 2, 449—452; Herm. IV 240 
-247. 263-265; Forma urb. E. 27f. t XVII. 
Gsell Essai sur le regne de Domitien 105 — 107). 
In der Anlage dieses Fornms bewies der Archi- 
tekt grosse Geschicklichkeit, indem er den ganz 
schmalen Baum zwischen dem Augustus- und dem 
Vespasiansforum vortrefflich auszuniitzen verstand. 
Mitten durch fuhrte eine Strasse, weshalb das 
forum Nervae auch den Namen forum transi- 
torium erhielt (Hist. Aug. Alex. 28, 6. 36, 2. 
Macrob. I 9, 13. Serv. Aen. VII 607. Not. region. 
IV, Jordan Topogr. II 547; reg. VIII p. 552 
forum Nereae; Pol. Silv. I 545 in seiner ver- 
wirrten Aufzahlung glaubt, dass forum transi- 
torium verschieden sei von dem forum Nervae ; 
bei Vict. a. a, O. ist die Lesart forum .... per- 
vium = transitorium schon von Arntzen z. St. 
gegen die Emendation Nervhim verteidigt worden 
mit Berufung auf Martial. X 28, 3f., wo der Aus- 
druck in derselben Bedeutung allerdings nicht 
vom Forum, sondern vom Ianustempel gebraucht 
ist). Hier wurde auch ein Heiligtum des Ianus 
quadrifrons errichtet, dessen Bild angeblich schon 
nach der Eroberung von Falerii nach Bom ge- 



bracht worden war, (Io. Lyd. de mens. IV 1. 
Martial. X 28. Stat. Silv. IV 3, 9f. Serv. a. a. O. ; 
vgl. Macrob. a. a. 0.). 

Es ist anzunebmen, dass Nerva bei einer der 
haufigen Tiberuberschwemmungen, die sich auch 
unter seiner Begierung ereignete (Epit. de Caes. 
13, 12), kraftig unterstiitzend eingriff. Zu den 
Strassenbauten, die auf Nerva zuriickgehen, ge- 
horen u. a. die via Tiburtina et Valeria (CIL 

10 IX 5963. 59681'.), die Ausbesserung der Via Appia, 
und zwar namentlich Trockenlegung des sog. De- 
cennovium (CIL X 6813. 6818. 6820. 6822. 6824 
—6826. 6828f. 6832. 6859. 6861. 6871—73; vgl. 
Barnabei Not. d. scavi 1895, 29f.), und die 
Strasse von Puteoli nach Neapel (CIL X 6926— 
6928); die Strasse im Bheinthal wurde von ihm 
begonnen, von Traian vollendet (Korr.-Bl. d. westd. 
Ztschr. 1899, 52f.). Von ihm erst wurde, viel- 
leicht im Zusammenhang mit dem Sieg in Pan- 

20nonien, die Strasse zwischen Save und Drau an- 
gelegt (CIL III 3700); ebenso wurden von ihm 
"Wegbauten in Kleinasien (CIL III 6896f. 6899. 
7192. 12158f. CIG II 3482 = Bull. hell. X 403) 
und Spanien ausgefiihrt (CIL II 4724) und solche 
in Afrika in Verbindung mit der Militarposten- 
anlage zum Schutze der Grenzen, Comptes rendus 
de l'acad. des inscr. 1891, 293. CIL VIII 10016, 
vgl. p. 859. 

Seine Ffirsorge fur Wasserleitungen erfahren 

30wir aus verschiedeneu Stellen in der Schrift de 
aquis von Frontin (vgl. namentlich II 87 — 89), 
den Nerva als Curator aquarum eingesetzt hattc. 
f) Tod. Bald nach dem Antritt seines IV. Con- 
sulats, den er im J. 98 zugleich mit Traian Con- 
sul H bekleidete (Plin. paneg. 56. 57. 59), starb 
Nerva, der bereits alt und leidend war, in Bom 
in seiner Villa in den sallustianischen Garten, am 
25. Januar 98 (Dio 4, 2. Euseb. Hieron. a. Abr. 
2113. Epit. de Caes. 12, 11. Eutrop. VILT 1, 2). 

40 Dass er schon zu Zeit seiner Thronbesteigung im 
Greisenalter stand, wird iibereinstimmend berichtet 
(Dio 1, 3. Eutrop. VIII 1, 1. Vict. Caes. 12, 2. 3); 
aber die Angaben iiber sein Lebensalter gehen 
stark auseinander. Nach Epit. de Caes. 12, 11 
starb er im 63., nach Eutrop. VIII 1,2 = Hieron. 
a. Abr. 2113 im 72. Jahr seines Lebens. Dies 
scheinbar genaue Bestimmung seiner Lebenszeit: 
65 Jahre 10 Monate 10 Tage (4, 2 = Kedren. I 
433; nach Malal. 268: 71 Jahre) ist abzulehnen, 

50 weil sie mit dem Geburts- und Todesdatum Nervas, 
das wir sichcr kennen, im Widerspruch stent; so- 
mit hatte man sich nur zwischen der Angabe der 
Epitome und der Eutrops zu entscheiden. Von 
diesen beiden ist aber jene vorzuziehen, weil es 
dazu am besten passt, dass Nerva im J. 66 Praetor 
war; denn es ist bei ihm, der in der Gunst Neros 
stand, anzunehmeii, dass er sobald als gesetzlich 
mOglich, das ist im 30. Lebensjahr, oder wenig 
spater zur Praetur zugelassen wurde (vgl. Klebs 

60Prosopogr. I 430); thatsachlich war er damals 
knapp 30 Jahre alt, wenn wir die Annahme der 
Epitome gelten lassen , dass er zur Zeit seines 
Todes im 63. Lebensjahr stand; er war demge- 
mass am 8. November 35 geboren. Als sein Todes- 
tag wird der 25. Januar 98 angegeben Chron. 
pasch. I 469; auf genau dasselbe Datum kommt 
man, wenn man zum Tage seiner Thronbesteigung, 
dem 18. September 96, die bei Eutrop. VIII 1, 2 



mit 1 Jahr 4 Monaten 8 Tagen bestimmte Dauer 
seiner Begierung hinzurechnet. Freilich geben 
Clemens Alex, strom. I 21, 144, dessen Zahlen- 
angaben sonst zuverlassig sind, und Epit. de Caes. 
12, 1, die speciell iiber Nerva gut unterrichtet 
ist (aber hier auch die falsche Nachricht von einer 
gleichzeitig stattgehabten Sonnenflnsternis giebt, 
vgl. Oppolz er Kanon d. Finsternisse 126), iiberein- 
stimmend 10 anstatt 8 Tage an, was zum 27. Januar 



97 cos III und 98 cos IF ist. Das, worauf es an- 
kommt, ist nun die Frage, ob die dritte tribunieia 
potestas Nervas noch bei seinen Lebzeiten bezeugt 
ist. Es muss zugegeben werden, dass dies der 
Fall ist; denn CIL III Suppl. 8703 (Salonae) giebt 
sieher trib. pot. Ill, und zwar schon fur das J. 97 
an; aber dieser einen Provincialinschrift (dasFehlen 
des Beinamens Germanicus kann nicht Bedenken 
erregen, Siegerbeinamen werden ja oft ausgelassen r 



stunmena ivansiaMoiageaii, waB^um ai.«<»...«^ c "^"> ~~ft~^'-™"~-- ■■"--- j"--__ ° aRQ • 
fiihren wurde; aber das ersterwahnte Datum diirfte 10 bei Nerva z. B. CIG I 1733. CIL 1A. &yo» aus 



doch den Vorzug verdienen, da es in dieser Form 
die Gewahr einer von den andem Quellen, deren 
Spuren sich in unserer tjberlieferung finden, un- 
abhangigen Nachricht bietet, die wahrscheinlich 
auf eine sehr gute officielle Angabe zuriickgeht 
(vgl. auch Gelzer Sex. Iulius Africanus II 156). 
Der Ansatz Dios (4, 2 = Kedren. I 433) von 9 
Tagen passt zu keinem der beiden Daten (Die- 
rauer 28, 3 irrt); die Zahlen des Chronogr. v. J 



dem J. 98) steht gegeniiber das unmderlegliche 
Zeugnis zahlreicher Miinzen aus dem J. 98 (Eckhel 
VI 409. Cohen 85—98) und Ende 97 (Eckhel 
VI 408. Cohen 82—84) und ebenso mehrere In- 
schriften aus derselben Zeit (CIL V 4314 aus dem 
J 98 VI 952 Ende 97; in VI 953 [vgl. Ephem. 
epigr. IV 779a] hat Httlsen CIL VI Suppl. 31213 
unzweifelhaft richtig wieder trib. pot. II einge- 
setzt, ob aber die Inschrift aus dem J. 97 oder 98 



354 die hier verderbt iiberliefert sind, lassen uns 20 ist, d. h. ob dort cos III oder cos IIII gestanden 



bei der Entscheidung dieser Frage im Stich, die 
iibrigen teils ungenauen, teils willkurlichen An- 
gaben kann man ebenfalls ruhig beiseite lassen. 
Zur Zeit von Nervas Tod war Traian in Germa- 
nien (s. o. S. 140; vgl. auch Plin. paneg. 9); sein 
Verwandter P. Aelius Hadrianus, der spatere Kaiser, 
uberbrachte ihm, wie erwahnt, als erster die Bot- 
schaft. Traian liess es an der geziemenden Pietat 
gegeniiber seinem verstorbenen Adoptivvater nicht 



hat, ist weniger sieher; auf einigen Inschriften 
aus dem J. 98 und Ende 97 ist die Zahl der trib. 
pot. wie haufig ausgelassen, so CIG I 1733. CIL 
IX 5969 und II 956) , die alle die II. trib. pot. 
zahlen. Die zwei einzigen Inschriften, wo ausser- 
dem trib. pot. Ill sieher iiberliefert ist (selbst- 
verstandlich kennen hier alle die Inschriften nicht 
herangezogen werden, die gerade in der Tjberliefe ; 
rung der Zahlen Unsicherheit aufweisen), CIL X 



fefien; er ordnete an, dass der Leichnam auf den 30 6820. 6824, sind Meuensteme , die unter Traian 



Schultern von Senatoren zum Mausoleum des 
Augustus getragen wurde, wo die Beisetznng er- 
folgte (Epit. de Caes. 12, 12; die angebliche Grab- 
schrift beim Mirabilienschreiber Urlichs Codex 
urbis Bomae topographicus 107; vgl. Jordan 
Topogr. II 436. De Eos si Inscr. Christ, urb. 
Bomae II 1 p. 303; iiber das Geschenk, das Nerva 
testamentarisch dem hauptstadtischen Pobel zur 
Verteilung an seiner Leichenfeier vermachte, Chro 



im J. 100 gesetzt sind, wo also hOchst wahr- 
sclieiulich das damals angenommene System in 
der Zahlung der Begierungsjahre hinterher auch 
auf Nerva angewendet worden ist (das Sehwanken 
in der Zahlung auch unter Traian, Mommsen 
St.-E. 113 800, 1, zeigt auch, dass diese Ande- 
rung erst unter ihm eingetreten ist, und dazu 
passt es, dass die Provincialmunzen von Syrien, 
Kappadokien und Cypern seit Traian die neue 



verteilung an seiner iieicnemeier veiuiacuuc, vjiiiu- am^c™.^^. -«- „ J± ,„.. r --- — - . 
nogr. v, J. 354 funeratieium plebi urbanae instituit 40 Zahlung nach dem tribumcischen Neujanr _ b> 



SLXIIS, s.H en z en Ann. d. Inst. 1844, 11. Mom m 
sen Abh. d. sachs. Ges. d. Wiss. 1850, 653, 62), 
und veranlasste sogleich dessen Divinisierung (Plin. 
paneg. 11. Eutrop. VIII 1, 2; er wird dann allent- 
halben bei Schriftstellern und auf Miinzen, wie auf 
Olfentlichen und privateu Denkmalern divus Nerva 
genannt; Consecrationsmiinzen Eckhel VI 409. 
Cohen 150—153. 160— 1C5; Tesseren aus Anlass 
der Consecration Bostowzew Bev. numisra. 1898, 



folgen, EckhellV 418. B. Pick Ztschr. f.Numism. 
XIV 314. 337; der von Mommsen vermutete 
sehr plausible Beweggrund Nervas kann ebenso 
fur Traian gelten). Es kann demnach als ziem- 
lich gut beglaubigt angesehen werden, dass Nervas 
erstc tribunieia potestas vom 18. September 96 bis 
17. September 97, die zweite trib. pot. vom 18. Sep- 
tember 97 bis zu seinem Tode (25. Januar 98} 
reichte. Dass auf keinen Fall schon mit dem 



ACT VJonseciauon nusiowauw »ev. uuuiiBiu. j.<->./i', >"™^- * — - „.\T -l v * 

472f ) Die Erwahnung seines natalis bei Philo- 50 10. December 96 die neue Zahlung begonnen hat 



calus und Polemius Silvius (CIL 12 255. 276f.. 
beweist, dass er gefeiert wurde, solange der Kaiser- 
cult iiberhaupt bestand (vgl. Beurlier Le culte 
imperial 75); ein Zeugnis fur diese Feier in den 
J 115 und 124 bietet die Inschrift des Wagen- 
lenkers Crescens, CIL VI 10050. 

g) Die Zahlung der tribunicischen Gewalten. 
In der Zahlung der Kaiserjahre unter Nerva zeigen 
die Inschriften ein Schwanken, welches sichtlich 



wird noch weiter bestatigt durch die Masse der 
Inschriften und Miinzen, wo die einfache trib. pot. 
auch noch im J. 97 erscbeint, sowie durch den 
Umstand, dass andererseits nur eine Inschrift aus 
dem J. 97 vor der Designierung zum vierten Con- 
sulat die Angabe der zweiten trib. pot. enthalt (CIL 
II 4724; dagegen freilich eine stattliche Anzahl 
von Miinzen, Eckhel VI 408. Cohen 8—10. 22. 
33_36 50f 70 - 74. 81. 1021 117—120. 124. 



me lnscnrnien em ocnwaniieu, weituco »iuiou^ uu — -^. «-•--. • -■ ■-■ --■ -- ■ 

einer Anderung in der Zahlweise zuzuschreiben 60 126, die also zwischen dem 18. September 97 und 



ist; aber es ist durch nichts bewiesen, dass diese 
Anderung schon unter Nerva stattfand; wahr- 
scheinlicher ist \ielmehr, dass dies in den ersten 
Jahren von Traians Alleinherrschaft geschah nnd 
dann auf die Datierungen von Nervas Begierung 
Evickwirkung hatte, die unter Traian verfasst 
wurden. Das feststehende in der Datierung Nervas 
ist die Angabe des Consulats, da er 96 noch cos II, 



der Designierung zum nachsten Consulat gepragt 
sein miissen); vgl. zur ganzen Frage auch Momm- 
sen St,-B. ns 799f. 

h) Personlicnkeit. a) Ausseres. Die Schilde- 
rungen, die wir uber Nervas Korperbeschaffenheit 
besitzen, gelten fast nur fur die Zeit seiner Regie- 
rung, also in seinem Greisenalter. Zur Zeit seiner 
Thronbesteigung war er freilich iiber sein Alter 



151 



Cocceius 



Cocceius 



152 



hinaus schwach und kranklich. Wie sehr die 
physische Schwache nachteilig auf seine Regie- 
rungsthatigkeit wirkte und Mangel an Energie, 
sowie Untiichtigkeit zur Folge hatte, geht schon 
aus dcr Geschichte seiner Kegierung hervor. Dio 
1, 3 und Epit. de Caes. 12, 6 berichten im Ein- 
klang miteinander, wie oft starke Gemutserregungen 
l)ei ihm arge tlbelkeiten im Gefolge batten ; auch 
nach Philostr. vit. Apoll. VIII 7, 160 war sein 



von jener Sorgfalt und Angstlichkeit, die inn in 
allem beherrschte. Schon als Senator trat er 
immer nur zaghaft das angebotene Amt an; er 
furchtete, den Anforderungen desselben nicht ent- 
aprechen zu konnen (Philostr. vit. Ap. VII 33, 
146. VIII 7, 160. 27; freilich aussert hier Apol- 
lonius sein Urteil vor Domitian nicbt ohne Neben- 
absicht; moderattts Eutrop. VIII 1, 1. Viet. Caes. 
12, 1. Epit. de Caes. 11, 5, vgl. Suet. Dom. 23; 



KOrper von Krankheiten zcrriittet , unter denen 10 gravitas Hist. Aug. tyr. trig. 6, 6). Auch Un 



auch sein Gremiit litt. Moglicherweise fand des 
lialb der Astrolog, der ihm unter Domitian durch 
Prophezeiung seines angeblich unmittelbar bevor- 
stehenden Todes das Leben rettete (Dio LXVII 
15, 6), leichter Glauben. Die Mtinzbilder zeigen 
Nerva naturlich auch nur als Kaiser. Sie bilden 
die zuverl&ssigste Quelle fur die Kenntnis seiner 
Gesichtsziige ; ihnen zufolge hat er einen ganz 
charaktcristischen Ausdruck : einen langlichen Kopf, 



eigenniitzigkeit zeichnete ihn in hohem Masse aus, 
wie sein Verhalten gegeniiber (Ti. Claudius) Atti- 
cus (Herodes) beweist, dem er einen von diesem 
gefundenen ungeheuren Schatz uberliess, eine im 
Vergleich zu dem Verfahren der vorhergehenden 
Kaiser geradezu unerhflrte Freigebigkeit (Philostr. 
v. sophist. II 1, 2 = Zonar. XI 20; vgl. Martial. 
XI 5 recti reverentia .... et aequi). Dass dieser 
Mann von nuchterner, einfacher Denkart sich auch 



eine iibermasssig lange, gebogene Nase, dichtge- 20 dichterische Lorbeeren zu erwerben bemuht hat, 



loektes langes , in den Nacken herabreichendes 
Haar; sein Gcsicht ist bartlos und schmal, mit 
moroser Miene; die ganze Physiognomie macht 
auch hier den Eindruck der Kranklichkeit. Von 
zwei Statuen , die ihm in der Zeit seines kraf- 
tigsten Mannesalters errichtet wurden, ist bei Ta- 
citus die Rede (s. 0. S. 134); als Kaiser beschrankte 
er die Aufstellung seiner Statuen, indem er ver- 
bot, ihn durch goldene oder silberne Bildnisse zu 



wurden wir nicht vermuten, wenn es nicht zu- 
fallig uberliefert ware. Nero, dem er sich durch 
diese Seite seiner Thatigkeit empfahl, nannte ihn 
den Tibull seiner Zeit, allerdings ein Vergleich, 
der, wenn iiberhaupt ernst zu nehmen, auf bios 
stofflicher Gemeinschaft zu beruhen scheint, wie 
denn thatsachlieh die stillen Freuden des Land- 
lebens durchaus seinen Neigungen entsprachen. 
Auch in seinen Dichtungen konnte er seine an- 



ehren (Dio 2, 1). Erhalten sind nur memere sehr 30 geborne Bescheidenheit nicht verleugnen, die ihn 



gute Btisten; doch ist nicht bei alien die Echt- 
heit festzustellen , vgl. J. J. Bernoulli Rom. 
Ikonographie II 2 (1891), 67—73; die schone, 
sitzende Colossalstatue im Vatican (Bernoulli 
69 nr. 4, der Kopf T. XXIII abgebildet) wird 
mit Unrecht fur Nerva in Anspruch genommen. 
Bei Malal. 267 fehlt auch von Nerva nicht die 
iibliche Korperbeschreibung, die aber, ebenfalls 
wie iiblich, grfisstenteils erfunden ist (er lasst z. B. 
Nerva bartig sein), 

/?) Character und Fahigkeiten. Sein wenigstens 
im Greisenalter schwachliches Wesen ist im Vor- 
stehenden gekennzeichnet worden; doch kann man 
nicht behaupten , dass wir im iibrigen von ihm 
ein geniigend klares Charakterbild gewinnen. So- 
wohl die t'iiizeliien tiberlieferten Ziige als audi 
was iiber seinen Charakter unmittelbar geurteilt 
wird, tragt ein zu einseitiges Geprage. Seine 
Schwache erscheint in freundlicherem Licht, wenn 



verhinderte, hoheren Schwung zu erreichen (Martial. 
VIII 70; vgl. IX 26. Plin. epist. V 3, 5; ad 
Traian. 8 wird eine oratio pulcherrima des Kaisers 
erwahnt). Seine Freundschaft mit Mannern, wie 
Apollonius von Tyana und Dio von Prusa beweist, 
dass er auch griechischer Bildung nicht abhold war. 
y) Sonstiges. Die wenigen verstreuten Notizen, 
die sich iiber Nervas Privatleben erhalten haben, 
sprechen nicht sehr zu seinen Gunsten, sind aber 
40 durchaus nicht ganz unverdachtig. So wird Vict. 
Caes. 13, 10 ihm gleich Traian Tranksucht vor- 
geworfen; doch ist der Text an dieser Stelle cor- 
rumpiert. Dass Suet. Dom. 1 ihn als Knaben- 
schander hinstellt, diirfte auf Schmahschriften 
gegen Domitian zuruckgehen. Der Freundeskreis, 
in dem sich Nerva als Privatmann hewegte, setzte 
sich aus Personen der verschiedensten Stande zu- 
sammen, denen er auch als Kaiser die Freund- 
schaft bewahrtc. Eine grosse Zahl davon kennen 



man seine vielfach erprobtc Mildc und Nachsicht 50 wir. Als sich Apollonius von Tyana vor Do- 



darauf zuruckfuhrt ; sie artete aber auch, wie ge 
zeigt wurde, bisweilen in Feigheit aus und brachte 
ihn in unwiirdige Situationen (vgl. Plin. paneg. 8 
imperator qui recerentiam amiserat). Um so 
grosser musste seine Selbstbeherrschung sein, wenn 
er in Augenblicken, wo Rettung nur durch Stand- 
haftigkeit zu erreichen war, Mut an den Tag legte, 
wie er dies liach der Aufdeckung von Crassus 
Verschworung that. Dass Leutseligkeit und Be 



mitian zu rechtfertigen hatte, da bildete die 
Freundschaft mit dem kurz zuvor verbannten C. 
und mit Orfitus und Rufus (s. S. 135) den wesent- 
lichsten Anklagepunkt, Philostr. v. Apoll. VIII 7, 
160; vgl. VII 8, 132. 32, 145. VIIl 27f. Der jiingere 
Plinius erfreute sich der Zuneigung Nervas (Plin. 
epist. VII 33, 9 wird ein Gliickwunschschreiben 
C.s an Plinius aus dem J. 93 erwahnt), der ihn 
nach seiner Thronbesteigung zum Praefectus aerari 



:beidenheitseinemsanften Wesen (Martial. XII 6, 1 60 Saturni machte (vgl. Mommsen Herm. Ill 89f.) 



mitissimus [dasselbe von Traian. 9, 1]. Plin. 
paneg. 6; lenis lordan. Rom, 266) nicht fern 
lagen, lasst sich leicht denken. Zutritt hatte zu 
ihm jeder, seinen Kaiserpalast bezeichnete er 
selbst pvhlicarum aedium nomine (Plin, paneg. 
47). Einmiitig hervorgehoben wird seine Ruhe 
(Martial. V 28. VIII 70, I) und sein verniinftiges, 
masavolles Wesen, das aber auch nicht frei war 



und ihm auch sonst eine Reihe von Gunstbezeu- 
gungen erwies (Plin. epist. H 13, 8; vgl. ad Trai. 
4, 2). Noch als Privatmann scheint er auch ein 
entschiedener GOnner Martials gewesen zu sein 
(Martial. VIDI 70. IX 26); als er Kaiser geworden 
war, liess ihm Martial eine Auswahl aus dem 
X. und XI. Buch seiner Gedichte durch Parthenius 
iiberreichen , der ebenso Giinstling Nervas blieb, 



153 



Cocceius 



Cocceius 



154 



wie er der Domitians gewesen war (Martial. XII 5 
[und Friedlander z. St. und Sittengesch. Ills 
413]. 6. 11). Sein langjahriger Freund Dio von 
Prusa war, wie erwahnt, in der Lage, ihm in ge- 
fahrvollem Augenblick einen wichtigen Dienst zu 
leisten; aber auch fur ihn selbst bedeutete die 
Thronbesteigung Nervas das Ende eines lang- 
jahrigen schmerzlichen und entbehrungsreichen 
Exils. Den in seiner Heimat so gefeierten Rhetor 
ehrte nun auch sein kaiserlicher Freund (Dio 
Chrysost. orat. 44, 6. 45, 2; v. Arnim a. a. O. 
315 vermutet, Dio habe damals den Beinamen 
Cocceianus annehmen diirfen). Wie er bisweilen 
neben den wurdigsten und verdientesten Mannern 
der Zeit, L. Verginius Rufus, Q. Corellius Rufus 
(Plin. epist. IV 17, 8), Iunius Mauricus, Arrius 
Antoninus auch bedenkliche Leute bei sich auf- 
nahm, ist schon erwahnt worden (das Witzwort 
des Iunius Mauricus fiber dieses Verhaltnis Plin. 
epist. IV 22, 4. Epit. de Caes. 12, 5). 

Dass Nerva nicht verheiratet war, lasst sich 
mit einem Argumentum ex silentio wahrscheinlich 
genug machen; wenigstens dass er keine directen 
Nachkommen hatte, wird ausdrucklich zwar nur 
von Auson. XXI 2, 54 berichtet, ist aber auch 
nach dem , was wir iiber die Adoption Traians 
wissen, vollkommen sicher; Dio 4, 1 spricht von 
Verwandten, die er dabei uberging. 

Ob Coeceia Felicula (GIL VI 15923) seine 
oder eines andern M. Cocceius Nerva Freigelassene 
ist, sei dahingestellt : sichere Freigelassene von 
ihm finden wir (um beispielshalber nur stadt- 
rornische Grabschriften zu beriicksichtigen) CIL 

VI 15890 (Plutina). 15893. 15895. 15918 (Chry- 
sippus). 15929 (Carpus). 15936 (Eucolpius). 

Wie sehr mit der Thronbesteigung Nervas der 
Anbruch einer neuen, freiheitlichen Zeit begmsst 
wurde (Tac. Agr. 3 primo .... beatissimi sae- 
culi ortu; ebd. feliaitatem temporum u. Hist. I 1 
ram temporum felicitate), geht aus gleichzeiti- 
gen Kundgebungen hervor. Ahnlich wie nach 
dem Sturz Nervas wm - de auch jetzt der Libertas 
ab imp. Nerva Caesare Aug. restituta ein Tempel 
errichtet (CIL VI 472; vgl. die Miinzlegenden 
libertas, libertas publiea, Roma renaseens, Cohen 
104—121. 130f.) . und unter diesem Eindruck 
spricht wohl Plin. epist. IX 13, 4 von den primi 
dies redditae libertatis und schreibt Tac. Agr. 3 
das beruhmt gewordene Wort quamquam . . . . 
Nerva Caesar res olim dissoeiabiles miseuerit, 
principatum or libertatem . So wird zur Charak- 
terisierung seiner volksfreundlichenRegierung auch 
ein Ausspruch von ihm mitgeteilt, dass er seine 
Regierung so eingerichtet habe, dass er jederzeit 
ungefahrdet ins Privatleben treten konnte (Dio 
3, 1). 

Immer mehr gewobnte man sich in der Folge- 
zeit daran. Nervas Herrschaft als das Beispiel 
einer gemassigten , milden und guten Regierung 
anzusehen und ihn in der Reihe der guten Kaiser 
zu nennen (Hist. Aug. Aur. 42, 4; Tac. 6, 9; 
Car. 3, 3. Eutrop. VIII 1,1. Zosim. I 7, 1. 
Lactant. de mort. pers. 3 ; vgl. Philostr. vit. Ap. 

VII 8, 132. Synkell. 1 654; weniger hoch anzu- 
schlagen sind die Urteile Frontins de aq. 64. 
praef. 1 , der ihm dankbar zu sein alien Grand 
hatte, des Plinius im Panegyricus an sehr vielen 
Stellen und Martials XII 6). So erklart es sich, 



dass Septimius Severus ein Interesse daran hatte, 
durch fingierte Adoption von Seite des Kaisers 
Marcus seine Dynastie bis auf Nerva zuriickzu- 
leiten (die Widmung in CIL VI 954 richtet Sep- 
timius Severus an den divus Nerva, seinen ata- 

t'us ; vgl. Claudian. XXVIII 420 atavum Ner- 

vam), so dass noch in der Filiation Caracallas der 
Name Nervas vorkommt : aber noch Severus Ale- 
xander liess sich als den Sohn Caracallas und 

lOEnkel des Septhmus Severus bezeichnen, fuhrte 
also gleichfalls seinen Stammbaum auf Nerva 
zurilck. Man kann daher am besten schon mit 
seiner Regierung das glucklichste Zeitalter der 
rOmischen Kaisergeschichte, das der Antonine, be- 
ginnen lassen. 

IV. Litteratur. Dierauer in Biidingers 
Untersuchungen zur rOm. Kaisergesch. I 19 — 28. 
Mommsen Herm. in 36—40. 89. 101. 116-118. 
1201 Giesen De M. Coccei Nervae vita, Progr. 

20 Bonn 1864. C. De laBerge Essai sur le risgne 
de Traian (Paris 1877) 14—22. S. Gs ell Essai 
sur le regne de Domitien, Paris 1894, 317—337. 
Champagny-Doehler Die Antonine I (Halle 
1876) 38—46. J. Asbach ROmisches Kaisertum 
und Verfassung bis auf Traian (Koln 1896) 114 
—127. Schiller Gesch. d. r6m. Kaiserzeit I 538 
— 543. Herzog Gesch. u. System d. rOm. Staats- 
verfassung II 308. 334—340. 422f. Ranke 
Weltgeschichte III 1, 264-271. Klebs Proso- 

30pogr. I 429f. 

17) M. Cocceius Nigrinus, Procurator des Kai- 
sers Caracalla (211—217) von Britannia inferior. 
CIL VII 875. 

18) Cocceius Proculus, speculator in einer 
Praetorianercohorte, Anfang 69 n. Chr.. Tac. hist. 
I 24. [Stein.] 

19) Coc(ceius ?) Rufl[nus], Legat von Arabien, 
Le Bas-Waddington 2070e Adraa. [Groag.] 

20) Cocceius Vennianus, hqoitiotos, Sohn des 
40 Cocceius Iulianus Synesius (Nr. 7), IGI 1347. 

[Stein.] 
•21) Cocceius Verus, von Septimius Severus 
im J. 197 oder bald nachher getotet (Hist. Aug. 
Sev. 13, 4). 

22) Sex. Cocceius Vibianus, XVvrr sacris fa- 
ciundis (Ephem. epigr. VIII p. 293. CIL Yl Add. 
p. 3261 und Auctar. Add., irrig Bull. com. I 1872, 
71, Inschrift aus Rom) im J. 204 n. Chr. zur 
Zeit der Saecularspiele (Ephem, epigr. VIII p. 282f. 

50=' CIL VI 32327, 9. 14 Acta hid. saec), Pro- 
consul von Africa (vgl. die stadtrBmische Inschrift 
und die Inschrift aus Turris Tamalleni, dessen 
Patron C. war, CIL VUI 84, s. Pallu de Le ssert 
Fastes des prov. Afr. 205f., wo die zeitliche An- 
setzung zu berichtigen ist). Die seltene Verbin- 
dung des Praenomens Seitus mit dem Gentile 
Cocceius lasst denkbar erscheinen, dass C. der 
Vater des Sex. Cocceius Anicius Faustus Paulinus 
(o. Nr. 1) und demnach mit einer Anicia Fausta, 

60etwa der Tochter des Q. Anicius Faustus (Bd. I 
S. 2197 Nr, 10), vermahlt gewesen sei. 

23) Cocceia Bassula Numisia Procula, Ge- 
mahlin des M. Munatius Popilianus (Ehrenin- 
schrift der C, CIL VIII 626 Mactar), nach Bor- 
ghesis Vermutung (Oeuvres VII 513) Tochter 
des Q. Camuruis Numisius Iunior (o. Bd. Ill 
S. 1451 Nr. 3) und der Stertinia Cocceia Bassula 
Venecia Aeliana (den Namen der C. erganzte Bor- 



155 



Coccium 



Cochlear 



156 



ghesi in der Inschrift dea Numisius, CIL XI 
5670 Attidium). Vermutlich dieselbe ist Nu- 
■misia Q. f. Procula, deren Namen auf bei Rom 
gefundenen Wasserleitungsrohren erscheint (Lan- 
ciani Syll. aq. nr. 233 = CIL XV 7459), viel- 
leicht ihre Tochter die auf BleirOhren und In- 
schriften des gleichen Fundortes genannte Mu- 
natia M. fil. Procula (Lanciani nr. 232 = CIL 
TV 7498. CIL VI 1465 = 31661 [aus dem J. 165?]. 



schraube dieselbe Richtung gegeben wie der Hy- 
potenuse des sog. pythagoreischen Dreieckes (s. o. 
Bd. II S. 1087), dessen Basis 4 und dessen 
andere am rechten Winkel anliegende Kathete 
3 Langeneinheiten betragt. Bei dieser Lage der 
Maschine Mite sich mit der ersten Umdrehung 
der unterste Teil der Schraube. mit Wasser; mit 
der zweiten Umdrehung wurde gleichzeitig dieses 
Wasservolumen ein Stiick weiter gehoben und der 



Bull. arch, crist. 1882, 163; ein Verwandter der 10 unterste Teil der Schraube neu gefiillt, Vorgange, 

i^, • i ■% t TX—i^± n : \T«™; n i„r, "D<i Aln wiH- Arm ■nn-di-ffiTjaTi TTrnrJ-rolmnfPPn sifMl SA OTTi 



C. wird auch L. Fulvius Gavius Numisius Pe- 
tronius Aemilianus gewesen sein, vgl. Dress el 
zu CIL XV 7459). 

24) Stertinia Cocceia Bassula Venecia Aeliana 
s. Stertinius. 

25) Claudia Sestia Cocceia Sev[e]riana s. 
Claudius Nr. 441. [Groag.] 

Coccium , Station der romischen Strasse an 
der Westkflste Britanniens zwischen Mancunium 



die mit den weiteren Umdrehungen sich so oft 
wiederholten , bis alle Schraubengange gefallt 
waren und sodann das "Wasser, wie es stetig von 
unten aufstieg, so auch stetig oben abfloss. Einen 
Reconstructionsversuch der ganzen Maschinerie 
bietet nach Newton Stratico zu Vitr. architec- 
ture (Utini 1825—29) Bd. IV Taf. XV 1, wo auch 
ein Tretrad eingeftigt ist, auf dessen Anwendung 
man nach Vitruvs Worten ita cocleae hominibus 



(s. d.) und Bremetennacum (s. d.) nach dem Itin. 20 calcantibus faciunt versationes geschlossen hat. 



Ant. 482 , 1 , jetzt Ribchester (fruher Kibble- 
Chester), mit erheblichen tfberresten der Mauern 
und militarischen Bauten an der Miindung des 
Flusses Ribble (zwischen Manchester und Lan- 
chester), die seit dem 16. Jhdt. bekannt sind (CIL 
VII p. 58); Castell der ala, Sarmatarum (CIL 
VII 218. 229. 230) und anderer Truppenteile (ebd. 
■222. 225. 227. 228). [Hiibner.] 

Cocconae, Station der langs der Drau rah- 



Weiteres ilber den Lauf der vom unteren Ende 
des Balkens aufsteigenden Schraubengange und 
die iibrige Einrichtung der Maschine s. bei Blfim- 
ner Technologie IV 123ff. Da einerseits die oben 
bereehnete schiefe Lage der Schraube unumgang- 
lich notwendig war, um das Wasser heben zu 
konnen, andererseits die Speichen, welche Vitruv 
ausdriicklich als Mittel zum Drehen erwahnt, erne 
horizontale Richtung haben mussten, damit zwei 



renden Strasse Poetovio-Mursa in Pannonia su- 30 oder mehrere Arheiter durch Drehung derselben 



perior (Itin. Hieros. 562, 4: mtttatio Cocconis; 
Geogr. Rav. 215, 11: Gaocimis) und Heiniat eiiies 
eques singularis und seines ebenfalls in Rom 
lebenden Bruders, CIL VI 3297: Ulpius Cocceius 
eq. s. d. »., eastris not;., t. Kasti, ex Pan, sup. 
natus ad Aquas Balizas, pago Iovista , vic(o) 
Coc[con]eiibus .... [VJietor frater et Jul. 
Proc .... feeeru[nt] ; sQdostlich von Pitomaca- 
Carrodunum. Mommsen CIL III p. 507 und 



auch die Schraube in Bewegung setzen konnten, 
uberdies abei auch die Schraube, um wirksam zu 
sein, mit einer gewissen Geschwindigkeit umlaufen 
musste, so ist anzunehmen, dass durch ein Zahn- 
radgetriebe die von den Arbeitern hervorgebrachte 
Drehung um eine verticale Achse umgesetzt wurde 
zur Drehung des schief liegenden Schraubenganges, 
wobei zugleich durch Einwirkung eines grosseren 
Triebrades auf ein Meineres eine schnellere Dreh- 



Ephem. epigr. V p. 182. Kiepert Ponnae orbis40ung der Schraube erreicht werden konnte 



antiqui XVII. Holder Altkeltischer Sprach- 
schatz s. Coeeo. W. Tomaschek o. Bd. Ill 
S 296f. Nr. 18. Ruggiero Dizion. epigr. I 574. 

[Patsch.] 
Cochlea. 1) Cochlea, xoyJ.iag oder ft.il;, die 
von Archimedes (s. Bd. I S. 5381) erfundene, zur 
Hebung des Wassers dienende Schraube. Aus der 
Beschreibung bei Vitruv X 6 (11) geht hervor, dass 
biegsame Holzleisten auf einem cylinderformig ab 



[Hultsch.] 

2) Ein niedriges, enges Thor in den Arenen, 
in denen Stierkampfe abgehalten wurden. Varro 
de r. r. Ill 5 ostium habere debet humile et 
angustum et potissimum. eius generis, qimd co- 
cMexi.m appellant, ttt solet esse in eavea, in qua 
tauri pugnare solent. So hiess auch ein Thor 
im Hippodrom zu Constantinopel von seiner kreis- 
runden Form 6 xoyUag. Procop. de bello Pers. 



gerundeten Balken in einer raassig aufsteigenden 50 1 24 ex <5e nalaxiov Mcmvbo;/jh> Sta ni)lr\; sfjjsf, 
S/.Viranhmlinie befestirt wurden. Die Dicke des erfter dri 6 xoyllag <bro * ioda; xa&olov xvxXo- 



Schraubenlinie befestigt wurden. Die Dicke des 
Kernes, um welchen diese Schraube gewunden 
wurde, betrug l/ t6 und der Normalsehnitt der 
Schraube samt dem Kerne Vs der Lange des 
Balkens, welcheT den Kern bildete. Nachdem die 
Schraube und ihr Kern durch Pichen wasserdicht 
gemacht waren, wurden sie in ein Gehause von 
dunnen Brettern, das die Schraube cylinderformig 
umschloss und ebenfalls wasserdicht, ausserdem 



erftev di] 6 xoyXla; ano tfj; i 

zsgovg ovotjs mvofiamat. [Pollack.] 

Cochlear. 1) Firr Loffel sind zwei Namen 
uberliefert , c. und ligula, und zwar ist C. der 
kleinere Loffel, Martial. VIII 33, 23. 71, 10, wo 
es als Saturnaliengeschenk vorkommt; als Mass 
Plin. n. h. XXIII 76 u. a., s. u. Nr. 2. Dem- 
entsprechend sind auch die mehrfaeh, nament- 
lich in Pompeii, gefundenen Loffel, aus Knochen, 



auch durch eiserne Reifen gefestigt- war, einge- 60 Bronze und Silber, zweierlei Art: grSssere, mit 



fugt. Am obern Ende des ein wenig uber das 
Gehause hervorragenden Balkens wurden Speichen 
durchgesteckt, damit die Schraube von Arbeitern 
gedreht werden konnte. Zuletzt wurde das Ge- 
hause, nachdem die untere Mflndung ins Wasser 
getaucht war, in einer Neigung von 36° 52' zum 
Horizonte auf einem Balkengestelle befestigt oder, 
-wie Vitruv es ausdriickt, es wurde der Wasser- 



langlichem Behalter, deren Stiel in einen Tier- 
fuss oder in ein ornamentales Motiv auslauft, und 
kleinere, mit flachem, kreisrundem Behalter und 
geradem, in eine Spitze auslaufenden Stiel. TJn- 
zweifelhaft ist letztere Form das C, welches nach 
Martial. XIV 121 zum Essen von Eiern und 
Schnecken diente. Entscheidend ist das pompe- 
ianische Bild Helbig 1668: zwei Eier, daruber 



157 



Cochlearium 



Coculnius 



158 






der Eierbecher und iiber diesem gekreuzt zwei 
Lo'ffel dieser Form. Wegen der Eier vgl. noch 
Petron. 33. Plin. n. h. XXVIII 19. Die Schnecken 
ass man wohl mit der Spitze; ohne Zweifel mit 
Recht leitet Martial a. O. von diesem Gebrauch 
den Namen ab. Abbildungen von C. in der sonst 
unbrauchbaren Schrift Pagano La ligula, Napoli 
1830. Mus. Borb. X 46, danach Marquardt 
Privatl. 3 314. Emele Beschreibung rom. und 
deutscher Altert. aus Rheinhessen, Mainz 1833. 
Erster Bericht iiber die vom Altertumsverein 
Kempten vorgenommenen Ausgrabungen, Kempten 
1888. Vgl. noch Becker-Go 11 Gallus III 392. 

[Mau.] 

2) Als Mass diente das C. besonders fur 
Arzneien und war als solches = '/^ he- 
mina (xotvb)) = 1/4 eyathus = 1,14 Centiliter, 
Colum. de r. r. XII 21. Auch Plinius meint 
wahrscheinlich, wo er das C. als Arzneimass er- 
wahnt (z. B. n. h. XX 45. XXI 172), denselben 
Betrag. In der Masstafel des Dioskorides , die 
im wesentlichen die romisehe Einteilung der Hohl- 
masse giebt, heisst dasselbe Mass eheme (s. Xrj fi rf), 
im Carmen de pond. 771 aber mystrum, und erst 
das Sechstel des Mystrum = 0,19 cl erscheint 
hier als C. Ebd. 79ff. wird das S}'stera der klein- 
sten Fliissigkeitsmasse als Duodecimalteilung des 
Sextarius bis auf das seripulum. = 1/333 darge- 
stellt. So wird der Cyathus zur uneia, sein Viertel, 
das Mystrum, zum sioilious, endlich das C. als 
Sechstel des Mystrum zum seripulum. Bei Isid. 
ctymol. XVI 25 (Mctrol. script. II 116, 8- -12, 
vgl. ebd. 140, 10—17) wird ein C. im Betrage 
von 1/20 Cyathus = 0,23 cl erwahnt, Hultsch 
Metrologie 2 116, 2. 1181 Von den griechisch 
schreibenden Metrologen der Kaiserzeit wurde das 
C. als xoxXuxqiov in ihre Masstafeln aufgenommen 
und verschiedentlich bestimmt. Hultsch Metro- 
logie 635ff. ( s. das Nahere unter Eo/J-iolqiov. 

|Hultsch.] 

Cochlearium, ein Ort zum Ziichten essbarer 
Schnecken. liber die Einrichtung eines solchen 
s. Varro r. r. Ill 14; es ist ein von einem Wasser- 
graben umschlossener, schattiger und feuchter 
Platz. Ebenda auch iiber die Arten so gezflch- 
teter Schnecken: vgl. hieriiber Rueh Plin. n. h. 
IX 173. XXX 45. [Mau.] 

Cocidi fanum, nur beim Geogr. Rav. (433, 
4) erwahnte Station der riimischen Strasse von 
Brocavum (s. Brovonacae) nach Maiae (s. d.) im 
nordwestlichen Britannien. Mars Cocidius ist in 
Britannien vielfach verehrt worden (CIL VII In- 
dex p. 330, s. Art. Cocidius). [Hiibner.] 

Cocidius, Beiname des Mars auf zahlreichen 
in verschiedenen Gegenden Britanniens gefundenen 
Inschriften, die vollstandig verzeichnet sind bei 
Holder Altkelt. Sprachschatz s. v. Der Haupt- 
cultort war vielleicht in der Gegend von Ambo- 
glanna (Birdoswald) CIL VII 800—804. 827 (?), 
wo das Fanum Cocidi des Geogr. Eav. V 31 p. 433 
(Pinder und Parthey lesen Fanocodi, wahrend 
der Cod. Vat. Urb. und der Basiliensis Fanoco- 
cidi bieten) anzusetzen ware (Hiibner CIL VII 
p. 141). Die Dedicanten fast aller Inschriften ge- 
horen dem Soldatenstande an. Die Inschriften 
CIL VII 286. 335 (= Ephem. epigr. Ill p. 128. 
Bruce Lapidar. septentrionale 421 nr. 826, Lesart 
unsicher). 643. 886. 914 (= Ephem. epigr. Ill 



p. 136). 977 sind geweiht Marti Gocidio (deo 
smoto Marti Gocidio VII 286), in CIL VII 642 
ist C. identificiert mit Silvanus (deo Silvano Go- 
cidio), auf den ubrigen heisst der Gott bios Coci- 
dius (deus Cocidius VII 701. 800—804. 876, deus 
sanctus Coc. 953 und Ephem. epigr. Ill 137 nr. 113 
= Bruce Lapid. sept. 380 nr. 735 , sancto 
Cocideo VII 974). Als Genius valli wird er bc- 
zeichnet VII 886 (vielleicht auch 644 Gocidio 

10 Genio prfaejsidi v[alli]). Der Name bedeutet 
nach G 1 ii c k R6nos 6 fiellator'. Steuding 
Roschers Lex. I 913. [Ihm.] 

Cocintum promunturium, K6xw&og axqw- 
rrjQwv, Vorgebirge an der Ostkuste der brutti- 
schen Halbinsel, zwischen Caulonia und dem sinus 
Saylacius, jetzt Capo di Stil6. Polybios II 14, 
5 bezeichnet es irrtiimlich als die sudlichste Spitze 
Italiens und die Grenze zwischen ionischem und 
sikelischem Meere ; Plinius (der III 95 auch jene 

20irrige Annahme beriihrt: Gocinthum quod esse 
longissimum Italiae promoniurium aliqui ea/i- 
stumant) beschreibt III 43 die bruttische Halb- 
insel: amazonieae figura desinens parmae, ubi 
a medio exeursu Coeynthus vocatur, per sinus 
lunatos duo eornua emittens, Leucopetram dextra, 
Lacinium sinistra. Eine Station Coeinto (Itin. 
Ant. 114) 22 mp. siidlich von Scylacium war 
jedenfalls ohne Stadtrecht; das Itin. marit. 490 
nennt an entsprechender Stelle Stilida, wohl eine 

30 Landmarke, die dem Cap seinen modernen Namen 
gegeben hat. [Hiilsen.] 

Coclcaria, Ort im nordostlichen Teil von Sar 
dinien, 15 mp. von Olbia, Itin. Ant. 81. 

[Hiilsen.] 

Cocleo, Tab. Peut. IX 3 (Miller) zwischen 

Dorylaion und Philadelphia, Geogr. Rav. 111,11 

(Colhon). Nach Ramsays richtiger Vermutung 

(Asia Minor 168*) = Kotiaion. [Ruge.] 

Cocliensis, Beiname des Liber pater, wahr- 

40scheinlich localer oder individualer Natur, auf 
einer helvetischen Weihinschrift Libero patri \ 
Gooliensi \ P. Severius \ Lucanus v. s. I. m., 
Mommsen Inscr. Helv. 329. [Aust.] 

Cocondae, ein Aboriginervolk am unteren 
Indus , gegen die Wiiste hin , neben Nobundae, 
Megasth. bei Plin. VI 76; etwa skr. Kukunda; 
bezeugt ist jedoch nur kukundha ,ein sich blahendes 
Gespenst, Kobold' neben kunda ,rundes Gefass'. 
Unpassend vergleicht Lassen Ztschr. f. d. K. d. 

50Morgenl. 1839 II 45, die im Mahabharata neben 
Darva und Abhisara erwahnten K6kanada. 

[Tomaschek.] 
Cocosates, Volk in Aquitanien, das sich mit 
den Tarbelli, Vocates, Elusates, Bigerriones u. a. 
dem Crassus ergab (Caes. b. G. Ill 27, var. cos- 
sates, vgl. den Ortsnamen Cosa). Plin. n. h. IV 
108 nennt sie Coeosates Sexsignani. Hire Wohn- 
sitze scheinen bei der Stadt Cocquosa (Comsat 
Holder Altkelt. Sprachschatz I 1059) zu suchen 

60 zu sein, welche das Itin. Ant. 456 zwischen Aquae 
Terebellicae und Burdigala ansetzt (de'p. Landesj. 
Desjardins Ge'ogr. de la Gaule II 363. O. 
Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1896, 433. 

[Ihm.] 

Coculnius. M. Coculnius Sex. fil. Quirina 

Quintilianus (so CIL V1I1 7042. 19508; Quin- 

tillianus 7041) aus Cirta in Numidien, bekleidete 

die Municipal- und Priesteramter seiner Vater- 



159 



Codani 



stadt (VIII 7041 flat/ionium, et honores omnes, 
quibus in eolonia . . Cirta patria sua functus 
est; als Hlvir setzte er dem Kaiser Commodns 
die Inschrift VHI 6993 = 19417). Yon seinem 
Landsmann Septimius Severus erhielt er den lotus 
ciavus und wurde wohl im J. 195 (wie die Sieger- 
beinamen des Severus beweisen , vgl. VIII 306) 
zum Quaestor designiert (VHI 7041 = 19423. 
7042 dem C. errichtete Inacliriften). Die Ge- 



Codex accepti et expensi 160 

eontinet in seriem eonsutas. In spaterer Zeit 
stellte man solche Biichlein nicht nur aus Holz, 
sondem auch aus anderem Material her ; eine Auf- 
zahlung giebt Ulpian in den Digesten XXXII 52 : 
quodsi [libri] in codieibus sint memhraneis vel 
eliartaeeis vel etiam eboreis vel alterius materiae, 
vel in ceratis codieUlis, an debeantur videwmus. 
Wir sehen hieraus deutlich, daas C. hier nicht 
mehr das Material bezeichnet, sondem das Format: 



mahlin des C. hiess Vitruvia Maxima (VIII 19508, 10 es ist das fertige Buch, wie es durch das Zusam- 



C. setzte ihr diese Inschrift noch vor der Auf- 
nahme in den Senat , da der Titel v. c. fehlt ; 
auch die Inschrift VIII 6955 = 19416 wird dem 
C. zugehoren). Die Grabschrift eines Q. Cueul- 
nius [F]or[t]unatus VIII 7322 Cirta. [Groag.] 

Codani, Volk im gllicklichen Arabien, yon 
Plin. VI 151 neben den Arsi und Vadaei erwahnt. 
Die Lage desselben ist schwer zu bestimmen, 
nach Sprenger (Alte Geogr. Arab. 52) in der 



menheften tafelfflrmiger Lagen entstanden ist; 
das Buchformat, das bestimmt war, im ausgehen- 
den Altertum die Eolle aus dem Gebrauche zu 
verdrangen. Die Hss. des Mittelalters sind dem 
Aussehen nach alle codices, dem Stoffe nach zu- 
nachst hauptsachlich membranei (s.Pergament). 
Nach seinem Inhalte hat der C. eine wichtige Be- 
deutung erlangt, einmal als Buch im kaufman- 
nischen Sinne (s. Codex accepti et expensi), 



Nahe der Bueht von Abu 'Aris zu suchen. Vgl. 20 Soil und Haben; und dann als Sammelwerk reeht- 



Glaser (Skizze 99ff.). [D. H. Muller.]' 

Codanus sinus nennt Mela III 31. 54 einen 
grossen Meerbusen an der Nordkiiste Germaniens 
(super Albim), in dem er die Insel Seadinavia 
(so Mullenhoff, iiberliefert Codannovia) ansetzt. 
Vgl. Plin. n. h. IV 96 mom Saevo ibi immmsus 
nee Riphaeis iugis minor vmmanem ad Gimbro- 
rum usque promunturium efficit sinum, qui Go- 
dcmus vocatttr refertus insulis, quorum claris- 



licher Bestimmungen, benannt nach den Kaisern, 
von denen die Herausgabe veranlasst war, C- Theo- 
dosii, Iustiniani (s. d.). Litteratur: Th. Birt 
Antikes Buchwesen 95ff. Fr. Blass Palaeographie, 
Buchwesen und Handschriftenkunde, Iw. v. M til- 
lers Handbuch V 336ff. [Wttnsch.] 

Codex accept! et expensi heisst das Schuld- 
buch, das jeder RCmer fuhrte und dessen richtige 
Fiihrung als Ehrensache gait, Cic. pro Rose, com. 2 ; 



sima est Seadinavia (var. Seatinavia) incom- 30 in Verr. I 60. Zweifelhaft ist der Umfang der 



pertae magnitudmis (aus Mela). Mullenhoff 
Deutsche Altertumskunde I 489f. II 284. 359f. 
Georg Holz Beitrage zur deutschen Altertums- 
kunde I 1894, 24f. [Ihm.] 

Codeta, nach Paul. p. 58 ein Stuck Land bei 
Rom im transtiberinischen Gebiet, so benannt 
quod in eo virgulta nascuntur ad caudarum 
equinarum similitudinem ; noch die constanti- 
nische Stadtbeschreibung (Jordan Top. II 564. 



hineingehorigen Eintragungen; jedenfalls unter- 
sohiud es sich von dem codex ratkmum (Dig. II 
13, 10, 2) und den besondern rationes, in die 
man die VermOgensstflcke gruppenweise eintrug 
(Dig. XXXIII 10, 7, 2), auch von dem kalen- 
darium, dem Hauptbuche der Kapitalisten (vgl. 
Kiibler Ztschr. der Savignystiftung XIII 156ff.). 
Gewiss ist, dass den Eintragungen in den codex 
accepti et expensi vorlaufige Vermerke voran- 



567) nennt einen Campus Codetanus in der vier- 40 gingen, die man in die adversaria (Hulfsbiicher, 



zehnten Region (vgl. auch Polem. Silv. 545) 
Dagegen lag die Godeta minor, wo nach Suet. 
Caes. 39 Caesar eine Naumachie gab, dem Zeug- 
nisse des Cass. Dio XLIII 23 zufolge er 'Agslco 
neditp. Die Lage beider ist nicht naher zu be- 
stimmen. [Hiilsen.] 

Codex bedeutet ebenso wie die daneben vor- 
kommende lautliche Variante caudex zunachst 
einen Klotz vom Baumstamme, ein Scheit Holz 



s. d.) machte. Sicher ist ferner, dass sich an die 
Eintragungen in den codex accepti et expensi eine 
Schuld anschloss, die ohne Riicksicht auf ihren 
Grand durch den blossen Vermerk im Buche ver- 
pflichtete, s. Litterarum obligatio. Gai. Ill 
128 — 133. Die Eintragung des Glaubigers hiess 
expensum ferre (d. h. als Schuldsumme, gleich- 
sam als ausgezahlte Darlehenssumme einen Be- 
trag vermerken), s. Expensilatio. Ob die ac- 



(Lyd. de mens. p. 14, 6: xd>8i£ . . . 6 <pttQoe nag' 50 ceptifationes Quittungsvermerke waren oder Ein- 
..=„-- r„.:i __-_ *r>_. .._/___! _, ,_ a j „ tragungen im Buche des Schuldners, durch die 

eine im Buche des Glaubigers geschehene expensi- 
latio bestatigt wurde, ist bestritten (s. Niemey er 
Ztschr. der Savignystiftung XI 31 2ff.). Nach den 
Ausfiihrungen bei Cicero pro Rose. com. Iff. scheint 
der Klager durch VoTlegung seiner Bucher den 
Gegner dazu genOtigt zu haben, gleichfalls seine 
Bucher vorzulegen. Insoweit beide Biichcr iiber- 
einstimmten, war der Inhalt rechtsgultig (anderer 



ixvxoig [scil. ToTg 'Poofiaiot;] naXstzat), dann alles, 
was aus Holzbrettern gefertigt ist. So sagt Se- 
neca (de brev. vitae 13, 4): Claudius is fuit, 
Caudex ob hoe ipsum adpellatus, quia plurium 
tabellarum contexius caudex apud antiquos vo- 
catur, unde pleblicae tabulae codices dieuntur et 
naves . . . codicariae vocantur. Im besonderen 
heisst C. die Schreibtafel, die aus einem mit Wachs 
iiberzogenen Holzbrettchen bestand; Cato bei 



Fronto ep. ad Antoninum imp. I 2 p, 99 N. : iussi 60 Meinung, jedoch ohne Grand C u q Les institutions 



ca.ud.icem proferri, ubi mea oratio scripta est. 
"Wenn mehrere solcher Holzbrettchen durch einen 
Bindfaden zusammengebunden warden, dann ent- 
stand das Notizbuch, das gleichfalls C, oder in 
der Deminutivform codieilli (s. d.) genannt wird; 
Catull im 42. Gedicht identifieiert die codieilli mit 
den pugillaria : das ist der pugillus, den Charisius 
p. 97 K. definiert pugillus, qui plures tabellas 



juridiques des Remains, Paris 1891, 671, 7). Nach 
Theophilus zu Inst. Ill 21 stutzte sich freilich 
nach der von Fabrot angenommenen und von 
Reitz verworfenen Lesart der Glaubiger ledig- 
lich auf die expemilatio in seinem Buche (cen- 
tum aureos, quos mihi ex causa loeationis debes, 
expensos ttbi ttdi) und auf eine Erklarung des 
Schuldners , die diese expensilatio als richtig be- 



161 



Codex Grregorianus 



Codex Gregoriamis 



162 



statigte (expensos mihi tulisti). Der Bericht des 
Tbeophihis erfreut sich freilich nur geringen An- 
sehens (vgl. z. B. Mitteis Reichsrecht und Volks- 
recht 495), doch ist ihm nicht jede Glaubwiirdig- 
keit abzusprechen (so mit Recht Cuq a. a. O. 
671, 2, der sich jedoch ohne Grand auf Cic. Verr. 
II 1, 60 beruft). Wahrscheinlich schCpfte Theo- 
pbilus aus einer Darstellung der trbergangszeit, 
in der nur noch ein Teil der rOmischen BiirgeT 
den eodex accepti et expensi besass. Der Glaubiger, 
der seine Forderung in sein Buch eintrug, mag sich 
damals gegeniiber eiuem Schuldner, der kein Buch 
fiihrte, durch eine blosse Bestatigung der Richtig- 
keit seiner Eintragung haben sicherstellen lassen. 
Spaterhin kam die Fuhrung des C. a. et e. ganz- 
lich ab, nach einem Berichte des Ps.-Asconius (in 
Verr. p. 175 Or.) deshalb , weil man Beschlag- 
nahme der Bucher durch die Behorden furchtete 
(vgl. hiezu Keller Institutionen 107). Im iusti- 
nianischen Rechte ist jedenfalls die litterarum 
obligatio zugleich mit dem eodex expensi et ac- 
cepti verschwunden, Inst. LTI 21 pr. 
^ Litteratur. S. die unter Acceptilatio Ge- 
nannten und ausserdem zu M. Voigt tiber die 
Bankiers, die Buchffthrung und die Literalobli- 
gation der Romer, Leipzig 1887 (Abhaiidlungen 
sachs. Gesellsch. der Wiss. nr. VII) Niemeyer 
Ztschr. d. Savigny-Stftg. rom. Abt. XI 312ff., ferner 
L. Goldschmidt ebd. X367ff. Mitteis Reichsr. 
u. Volksrecht 459—498. Voigt Rom. Rechtsg. I 
594ff. § 53 II. Cuq Les institutions juridiques 
des Romains, Paris 1891, 670ff. Leonhard In- 
stitutionen 415ff. § 134. [Leonhard.] 

Codex Gregorianus. Im 2. und 3. Jhdt. 
n, Chr. war eine ungeheure Menge allgemein- 
verbindlicher kaiserlicher Constitutionen, nament- 
lich Rescripte, ergangen. Viele derselben waren 
zwar in die Schriften des Juristen eingeflochten, 
unendlich viel mehr aber waren in den Archiven 
begraben und hier natiirlich nicht sachlich, son- 
dem zeitlich. nach ihrem Erlass geordnet. Zum 
grossen Teil waren sie auch durch spatere Ver- 
fugungen oder sonstige Rechtsquellen iiberholt, 
so dass sie keine Geltung mehr beanspruchen 
konnten (Modest. Dig. I 4, 4). Das Bediirfnis 
nach einer Sammlung, Sichtung und Ordnung 
des genannten Materials war immer unabweis- 
barer fur die gerichtliche Praxis geworden. Diesen 
Zustanden suchte am Ende des 3. Jhdts. eine 
Privatarbeit , der C. G. , abzuhelfen , indem sie 
die fur ihre Zeit wichtigsten kaiserlichen Erlasse 
nach sachlichen Gesichtspunkten zusammenstellte. 
Das umfangreiche Werk ist uns nicbt im Urtexte 
erhalten, wir kennen aber eine grosse Menge der 
darin aufgenommenen Constitutionen aus den spa- 
teren Sammlungen und Codificationen , namlich 
den Fragmenta Vaticana, der Collatio, der Con- 
sultatio, der Lex Romana Wisigothorum und ihren 
Anhangen, der Lex Romana Burgundionum, den 
Sinai-Scholien zu Ulpian und namentlich aus dem 
Codex Iustinianus (vgl. die betreffenden Artikel) ; 
auch sonst begegnen verstreut nocb einzelne Stucke. 

Fur die Abfassungszeit kommen folgendePunkte 
in Betracht: 1) Diocletian und Maximian werden 
(Coll. 1, 10) als domini nostri bezeichnet; also 
ist die Sammlung unter ihrer Regierung (285 — 
305) entstanden. 2) Kaiser Iustinian bestimmte 
(Const. Haee pr. und Summa 1), dass die Com- 

Pauly-Wissowa IV 



pilatoren seines Codex ihr Material fttr die fruhere 
Zeit aus den Codices Gregorianus, Hermogenianus 
und Theodosianus entnehmen sollten. Da nun 
der letztere erst mit dem J. 312 anhebt, so ist 
klar, dass alle alteren Constitutionen aus dem C. 
G. oder Hermogenianus stammen. Die alteste 
derselben (Cod. lust. VI 23, 1 ohne Datum) ruhrt 
von Hadrian her, die jiingste (ebd. IV 42, 5) 1st 
vom 22. December 305. Es bleibt die Frage ubrig, 

10 wie dies Material auf den C. G. und Hermogenianus 
zu verteilen ist (vgl. dazu Art. Codex Hermoge- 
nianus). 3) Die sicher datierbaren Constitutionen 
ausserhalb des Codex Iustinianus (der seine Quellen 
im einzelnen nicht angiebt) reichen vom 1. Juli 196 
(Cons. 1, 6) bis zum 1. Mai 295 (Coll. 6, 4). 
Von den aus dem Codex Hermogenianus stammen- 
den Constitutionen gehOrt die frtlheste dem J. 291, 
eine grosse Anzahl (22) den J. 293—296 an, die 
ubrigen sind jtinger und kommen hier nicht in 

20 Betracht. Die beiden Codices treffen also haup^ 
sachlich fur die drei Jahre 293—295 zusammen; 
fur die fruhere Zeit hat der Codex Hermogenianus 
wohl einzelne Constitutionen geliefert, die grosse 
Masse der Gesetze aus dieser Zeit jedoch und 
zwar jedenfalls die vordiocletianischen, stammen 
aus dem C. G. Wenn man nun in Betracht zieht, 
dass aus dem J. 295 nur noch eine Constitution 
des C. G. bekannt ist (Coll. 6, 4), so ist wakr- 
scheinlich, dass das Werk in diesem Jahre seinen 

30 Abschluss fand. Allerdings wird in der Coll. 15, 3 
unter der Uberschrift Gregorianus libro VII stib 
titido dc malcficis ct Manichaeis ein Gesetz an- 
gefuhrt, das die Inscriptio fuhrt: Impp. Diocle- 
tianus et Maximianus AA. [et Constantius ] 
et Maximianus [CO.] luliano proconsuli Africae 
und dessen Subscriptio lautet Datfa) prid. K. 
April. Alexandride (ohne Jahr und Tag). Dio- 
cletian ist unseres Wissens zweimal in Alexan- 
drien gewesen, im J. 297 nach der Eroberung 

40 der Stadt und sodann im J. 302. Von diesen 
beiden Jahren hat das letztere die grOssere Wahr- 
scheinlichkeit fur sich (Mommsen z. d. St.). In- 
dessen wird man doch, da fur ein Werk wie der 
C. G. die neuesten Constitutionen gerade die 
wichtigsten waren, aus derErwahnung eines solchen 
vereinzelten spateren Gesetzes nur den Schluss 
ziehen kfinnen, dass es sich am einen, vielleicht 
gar nicht vom Verfasser selbst herruhrenden Nach- 
trag handelt. 

50 Uber die PersSnlichkeit des Verfassers ist nichts 
bekannt. Jedenfalls hat er nicht Gregorianus (so 
Zimmern 162f. Huschke 280ff. Karlowa 941), 
sondern Gregorius geheissen (Mommsen Ztschr. 
d. Sav.-Stiftg. X 347f.). Sein Material hat er 
wenigstens in der Hauptsache aus den Archiven 
geschSpft, denn nur hier waren ihm die Consti- 
tutionen in dem Masse, wie er sie benutzt hat, 
zuganglich (Naheres s. bei Kriiger 280). 

Man hat aus der Thatsache, dass die weitaus 

60 meisten, wenn nicht alle Constitutionen des C. G. 
aus der Zeit des Diocletian im Orient ergangen 
sind, geschlossen, dass die Sammlung auch dort 
entstanden sei (Mommsen Abh. Akad. Berl. 1859, 
397f. 1860, 419. Huschke 307. Kruger 282f. 
Kipp Krit. Viertelj.-Schr. XXX1I29; anders Kar- 
lowa 943). Es wird richtig sein, dass sie dort 
ihren Abschluss erreichte und veroffentlicht wurde; 
indessen muss doch in Betracht gezogen werden, 

6 



163 



Codex Gregorianus 



dass der Verfasser filr die alteren Constitutionen, 
welche in ihrer Gesamtheit die diocletianischen 
iibersteigen, doch auf die rOmischen Archive an- 
gewiesen war. Er muss also in Rom Vorstudien 
gemacht haben oder von anderen unbekannten 
Mitarbeitern haben machen lassen. 

Per C. G. war in Buchform auf Pergament 
veroffentlicht (Kruger Ztschr. d. Sav.-Stiftg. VIII 
81f.;vgl. Mommsen ebd. X 349f.). Er zerfiel 
in mindestens 19 Biicher (Coll. S, 4 Gregorianus 
libro XVIIH sub titulo de aecusationibus; da 
aber das 14. Buch das Strafrecht behandelte nnd 
diese Materie in den Eechtsbtichern sonst immer 
im Zusammenhang mit dem Strafprocess behandelt 
wird, auch im iibrigen Citate aus spateren Buchern 
als dem 14. fehlen, so ist fraglich, ob die Zahl 
XVIIII richtig iiberliefert ist). Die einzelnen 
Biicher zerfallen in Titel mit sachlichen Rubriken. 
Massgebend war in Buch I bis XIII im allge- 
meinen die Ordnung des Edicts, doch waren die 
gregorianischen Titel ungleich mannigfaltiger als 
in diesem Vorbilde (Kriiger 281); das 14. Buch 
enthielt, wie gesagt, das Strafrecht. Innerhalb 
der Titel waren die einzelnen Constitutionen (wie 
man aus dem Cod. lust, erkennen kann) in zeit- 
licher Reihenfolge mit Inscriptio (Kaiser und 
Adressat) nnd Subscriptio (Ort nnd Zeit des Er- 
lasses) , soweit diese festzustellen waren , sonst 
sine die et eonsule aufgefiihrt. 

Huschke (294ff.) hat die Vermutung ausge- 
sprochen, der C. G. sei anf Anregung des Kaisers 
Diocletian (namentlich damit die Rechtseinheit 
gegenuber der Reichsteilung gewahrt bleibe) ab- 
gefasst; auch sei ihm von vornherein durch deD 
Kaiser ein solches Ansehen beigelegt, dass Con- 
stitutionen aus der von der Sammlung umspann- 
ten Zeit mit selbstandiger Geltung nicht mehr 
citiert werden durften, die von ihr aufgenommenen 
aber die Geltung beglaubigter Abschriften der 
Originale batten (S. 298). Die Sammlung sei 
also zwar kein formell kaiserliches, aber doch ein 
vom Kaiser angeregtes und in gewisser Weise 
auch bestatigtestJnternehmen nach Art der iuliani- 
schen Edictsredaction gewesen (S. 299). Beweisen 
lasst sich diese Ansicht nicht. Aber auch wenn 
man ihr nicht beipflichten will (was bei unserer 
Kenntnis der Oberlieferung jedenfalls das sichere 
ist) und dabei stehen bleibt, dass es sich um eine 
blosse, dem Bedurfnis der Praxis entsprungene 
Privatarbeit handelt, so steht doch andrerseits 
fest, dass der C. G. sich thatsachlich schon im 
4. Jhdt. das Ansehen eines Gesetzbuches in der 
vonHuschke angegebenen Weise errungen hat. 
Jedenfalls hat die Verordnung des Arcadius und 
Honorius (Cod. Theod. I 2, 11 vom J. 398), welcher 
alle kaiserlichen Rescripte, bereits ergangene wie 
zukiinftige , auf den Pall , fiir den sie erlassen 
waren , beschrankte , die im C. G. gesammelten 
nicht betroffen. Denn der Codex Theodosianus (I 
1, 5; vgl. die westgothische Interpretatio zu I 4, 3) 
setzt im J. 438 seine Geltung in der Praxis vor- 
aus. Diese hat bis zum 16. April 529 fortge- 
dauert und erst durch den Codex Iustinianus ihr 
Ende gefunden (Const. Summa 1. 3. 5; vgl. den 
Art. Codex Iustinianus). 

Dass der C. G. auch in den Rechtsschulen 
Berucksiehtigung fand, zeigen die Sinai-Scholien 
(3. 9. 10). Auch Theodoros (unter Iustinian) hat 



Codex Hermogenianus 164 

ihn noch bei der Interpretation des Codex Iusti- 
nianus (II 4, 18. 43. Basil, z. d. St. I p. 704. 
726 Heimbach) herangezogen. 

Ausgaben: G. Haenel im Corpus iuris Ro- 
mani anteiustiniani consilio professorum Bonnen- 
sium (sog. Bonner Corp. iuris) II 3ff. (1837); sie 
enthalt das Material aus den damals bekannten 
voriustinianischen Rechtsquellen nach Buchern und 
Titeln geordnet. In der Vorrede p. Vf. flndet 

10 sich eine Cbersicht fiber die alteren Ausgaben. 
Die neueste Ausgabe ist die von P. Kriiger in 
der von ihm, Mommsen und Studemund be- 
sorgten Collectio librorum iuris anteiustiniani III 
22lff.; der Herausgeber hat, weil die Ordnung 
der Reste des C. G. nicht ohne eine gewisse Will- 
kiir mdglich ist, auf eine solche verzichtet und 
zunachst (p. 224ff.) nur den in der Lex Romana 
Wisigothorum enthaltenen Auszug gegeben und 
sodann (p. 236ff.) eine Ubersicht samtlicher ausser- 

20 halb des Codex IustiniamiB erhaltenen Fragmente 
in der mutmasslichen Ordnung des C. G. hinzu- 
gefiigt, bei welcher aber nur diejenigen Stellen 
ihrem Wortlaute nach angefuhrt werden, welche 
nicht schon in anderen Teilen der Collectio (Col- 
latio, Consultatio u. s. w.) zum Abdruck gekom- 
men sind. So sehr Kriigers Ausgabe der von 
Haenel in kritischer Hinsicht iiberlegen ist, so 
ist doch zu bedauern, dass man sich das Material 
erst durch Nachschlagen zusammensuchen muss. 

30 Neuere Litteratur: Z immer n Gesch. d. R. 
Priv.-R. 1 157ff. Puchta Inst.io I § 135. Heim- 
bach Leipz. Repertorium IX llff. 55ff. (1815, 1). 
Rudorff R. R.-G. I 274ff. Teuffel R. Litt.- 
Gesch. § 393. Huschke Ztschr. f. R.-G. V. VI 
279ff. KarlowaR. R.-G. I 941ff. 951f. Kruger 
Quell, u. Litt. d. R, R. 278ff. Landucci Stor. 
d. dir. R. 12 248ff. Kipp Quellenkunde 53ff. 

[Jfirs.] 
Codex Hermogenianus ist eine Sammlung 

40 kaiserlicher Constitutionen, wie der Codex Grego- 
rianus. Auch er ist uns nicht erhalten, aber Reste 
von ihm begegnen in denselben Quellen (ausser 
den Appendices zur Lex Romana Wisigothorum), 
aus denen wir unsere Kenntnis vom Codex Grego- 
rianus (s. d.) schCpfen. 

Das Material von datierbaren Constitutionen, 
das wir auf den C. H. zuruckfiihren kSnnen, setzt 
sich folgendermassen zusammen: 
1. J. 291: 1 Const. (Coll. 6, 5). 

50 2. J. 293—294: 22 Const. (Vat. frg. 270. Coll. 
10, 3—6. Cons. 4, 9—11. 5, 6. 6, 10—19. L. R. 
Wisig. 1. 2 [Kruger Collect, in 234f.]. L. R. 
Burg. 14, 1—3 [Kruger ebd. 244; vgl. Cod. lust. 
VIII 24, 2]). Fiir diese 22 Constitutionen wird 
uns der C. H. als Quelle genannt. Hierzu kommt 
aber noch eine grosse Zahl der aus jenen Jahren im 
Codex Iustinianus erhaltenen Stiicke (nach meiner 
Zahlung im ganzen ungefahr 440). Dieses Gesetz- 
buch giebt seine Quelle nicht an, so dass die Ver- 

60 teilung auf die beiden genanuten Codices — eine 
andere Quelle kommt hier nicht in Betracht — 
zweifelhaft bleibt. Aber jedenfalls wachst da- 
durch jene Zahl von 22 Constitutionen des C. H. 
noch um ein sehr betrachtliches. 

3. J. 295: 1 Const. (Cons. 5, 7). Der Codei 
Iustinianus hat aus diesem Jahre im ganzen nur 
liint iT^^pf 7(* 

4. J. 299—305: Die 20 Const., welche der 



165 Codex Hermogenianus 

Codex Iustinianus aus diesen Jahren anfiihrt (zu- 
sammengestellt am Schlusse der Ausgaben dieses 
Gesetzbuches von Kruger; allerdings stehen die 
Subscriptionen nicht liber all fest). Da Iustinians 
Compilatoren fiir die fruhere Zeit nur die Codices 
Gregorianus, Hermogenianus und Theodosianus als 
Quelle benutzt haben, da ferner der Codex Gre- 
gorianus nur bis zum J. 295 reichte und der Codex 
Theodosianus erst mit dem J. 312 anhob, so er- 
giebt sich, dass samtliche aus der Zwischenzeit 10 
stammenden Stiicke des Codex Iustinianus — von 
296—298 und von 306—312 enthalt dieser flber- 
haupt keine Gesetze — nur aus dem C. H. stam- 
men kOnnen. Hochstens kOnnten vereinzelte Extra- 
vaganten des Codex Gregorianus, wie Coll. 15, 3, 
concurrierend in Betracht kommen. 

5. J. 312—324: 3 Const. (Cod. lust. HI 1, 8 
[314]. VII 16, 41 [undatiert]. VII 22, 3 [314]). 
Diese Stiicke werden auf Constantin und Licinius 
als Augusti zuruckgefiihrt. Da nun aber fest- 20 
steht, dass im Codex Theodosianus Licinius uberall 
(als Mitregent getilgt ist, so bleibt fur diese Ge- 
setze, welche ihn als solchen benennen, keine 
andere Quelle als der C. H. ubrig (Mommsen 
Herm. XVII 532. Kruger 281f.). 

6. J. 364—365: 7 Const. (Cons. 9, 1—7). 
Sehr bestritten ist die Frage nach der Zeit 

der Abfassung des C. H. Eine weit verbreitete 
Meinung setzt ihn — was ja auf den ersten Blick 
das nachstliegende zu sein scheint — wegen der 30 
vorstehend unter Ziffer 6 erwahnten Constitutionen 
nach 365 (so Puchta § 135. Rudorff 276. 
Heimbach 50f. Huschke 289ff. Karlowa 
941f.). Indessen ist hierbei unerklarlich, wie aus 
dem 40jahrigen Zeitraum zwischen den iibrigen 
datierten Constitutionen (bis um 324; das letzte 
sichere Jahr ist sogar 314) und diesen von 364 
und 365 nicht eine einzige in den voriustiniani- 
schen Sammlungen auf uns gekommen sein sollte. 
Es kann kein Zufall sein, dass uns aus der friiheren 40 
Zeit nach der obigen Aufstellung ungefahr 47 
Stiicke erhalten sind, aus der spateren bis 364 
gar keins, wahrend fiir den Verfasser, der fiir die 
Praxis arbeitete, doch gerade die jiingeren Con- 
stitutionen die wichtigsten sein mussten. Meines 
Erachtens folgt hieraus mit Notwendigkeit, dass 
wir in den sieben Gesetzen der J. 364 und 365 
einen, vielleicht nicht einmal vom Verfasser selbst 
gefertigten Nachtrag zu erblicken haben (ebenso 
Kruger 282. Teuffel § 393, 3). Neuerdings 50 
haben Mommsen und Kruger a. a. O. auf Grand 
der unter Ziffer 5 angefiihrten Thatsachen die Ent- 
stehung des C. H. in die Zeit von 314—324 ge- 
setzt, da bei einer Herausgabe nach der Rescission 
der Acta des Licinius auch im C. H. die Tilgung 
seines Namens hatte erfolgt sein miissen. Mir 
scheint auch diese Annahme nur unter Einschran- 
kungen zuzutreffen. Auszugehen ist meines Er- 
achtens von einer Notiz bei dem christlichen 
Dichter Sedulius, der um die Mitte des 5. Jhdts. 60 
(Teuffel § 473) die biblische Geschichte zuerst 
in Versen (paschale earmen), dann in Prosa (pa- 
schale opus) bearbeitete. Wegen der zweiten 
Herausgabe seines Werkes glaubte er sich gegen 
missgiinstige Kritiker vcrteidigen zu miissen und 
weist in deren Vorrede (Ep. ad Macedonium p. 172 
Huemer, Corp. SS. eccl. lat. Vind. X) darauf hin, 
dass auch andere heidnische wie christliche Schrift- 



Codex Hermogenianus 



166 



stellerderartigeUmarbeitungenundErweiterungen 
ihrer Werke vorgenommen hatten. Hierbei heisst 
es: Gognoscant Hermogeniamim , doetissimum 
iuris latorum, tres editiones sui operis eonfe- 
eisse. Die frtther oft versuchte , neuerdings von 
Karlowa (942) wieder aufgenommene Beziehung 
dieser Worte auf die libri iuris epitomarum des 
Hermogenian (vgl. u.) ist im hOchsten Grade un- 
wahrscheinlich, da dieses Werk vor Iustinian nie- 
mals erwahnt wird, wahrend der C. H. im 4. und 
5. Jhdt. zu den bekanntesten Buchern zahlte. 

Wenn sich aber die Worte des Sedulius auf 
den C. H. beziehen, so fragt sich, ob dessen drei 
Recensionen nicht aus unserer Oberlieferung er- 
kennbar sind. Und mit einer gewissen Wahr- 
scheinlichkeit wird man das wenigstens fiir die 
erste behaupten kSnnen. Wenn man das be- 
stimmbare und datierbare Material des C. H., das 
uns erhalten ist, iiberblickt, so fallt die grosse 
Zahl der aus den J. 293 und 294 stammenden 
Constitutionen auf. Aus dem J. 295 besitzen 
wir nur ein sicher dem C. H. angehSriges Gesetz 
(fiinf im Cod. lust, sind unbestimmbar), aus den 
nachsten drei Jahren 296 — 298 iiberhaupt keine 
Constitutionen und aus den dann folgenden (299ff.) 
auch nur vereinzelte im Codex Iustinianus, die 
auf den C. H. zuriickgehen. Da nun zweifellos 
fiir die Praxis die neueren Gesetze von besonderer 
Wichtigkeit waren, so spricht die Wahrscheinlich- 
keit dafiir, dass auch der C. H. (ebenso wie der 
Codex Gregorianus) zuerst im J. 295 oder kurz 
darauf veroffentlicht ist (so neuerdings auch Kipp 
54). Mittelst dieser Annahme wird auch nocn 
eine andere Erscheinung erklarlieh. Der Verfasser 
des C. H. (und ebenso der des Codex Gregorianus) 
bezeichnet namlich das J. 293 schlechthin durch 
Augustis eonsulibus und das J. 294 durch Cae- 
saribus eonsulibus (ohne Iterationsziffer); Diocle- 
tian und Maximian sind vorher (287. 290) und 
nachher (299. 303. 304) zusammen Consuln ge- 
wesen; Constantius und Galerius haben ebenfalls 
wiederholt mit einander die Fasces gefuhrt (300. 
302. 305). Wenn der C. H. erst zwischen 314 
und 324 oder gar erst nach 365 entstanden ware, 
so ware es im hocnsten Grade auffallend, wie der 
Verfasser fiir die gar nicht mehr regierenden 
Kaiser die doch in den Archiven gewiss nicht 
iibliche, abgekiirzte und keine genaue Datierung 
zulassende Bezeichnnng gerade fiir diese Jahre 
gewahlt hatte. Sie ist doch nur dann erklarlieh, 
wenn damit die beiden letzten Jahre gemeint 
waren. Wir sind demnach zu der Annahme be- 
rechtigt, dass die aus dem C. H. stammenden 
Gesetze von 296 — 324 erst bei einer spateren Re- 
cension aufgenommen sind, und diese muss man 
allerdings mit Mommsen und Kruger (s. o.) 
vor die Unterwerfung des Licinius setzen. Ob 
man noch einen Schritt weiter gehen und die 
Gesetze von 296—305 der zweiten, die von 312 
— 324 der dritten Recension zuschreiben darf, 
muss dahingestellt bleiben. Zuruckzuweisen da- 
gegen ist die Ansicht, welche die sieben Consti- 
tutionen aus den J. 364 und 365 (o. Ziffer 6) 
durch die Worte des Sedulius zu erklaren sucht, 
also in ihnen einen Rest der dritten Ausgabe 
erblickt. Dagegen spricht der Wortlaut jener 
Stelle, wonach die drei Recensionen vom Verfasser 
selbst besorgt sein sollen (das ist von Bedeutung, 



167 



Codex Iustinianus 



Codex Iustinianus 



168 



denn geiade der Vorwurf der Umarbeitung des 
eigenen Werkes ist es, wogegen Sedulius sich ver- 
teidigt); wemi wir die erste Ausgabe richtig in 
das J. 295 gesetzt haben, so kann der Verfasser 
im J. 365 kaum noch gelebt haben. Wir miissen 
also dabei stehen bleiben, dass diese Constitutionen 
einen spateren nach den drei Ausgaben des Ver- 
fassers (wahrscheinlich von anderer Hand) hinzu- 
geftgten Nachtrag darstellen. 

Dass im Verhaltnisse zum Codes Gregorianus 10 
der C. H. das jungere Werk war, geht daraus 
hervor, dass er bei Aufzahlungen (Cod. Theod. I 
1, 5; Interpr. zu ebd. I 4, 3. lust. C. Eaec. pr. ; 
Summa 1) regelmassig nach jenem genannt wird. 
Nach unserer obigen Darstellung aber mass er 
sehr nahe an den Codes Gregorianus herangeruckt 
werden. Wie diese VerOffentlichung der beiden 
Sammlungen so schnell nach einander zu erklaren 
ist, daruber sind nach Lage unserer Quellen nur 
Vermutungen mSglich. Auf eines mag hinge- 20 
wiesen werden : in den voriustinianischen Quellen 
— die iustinianischen entziehen sich einei Con- 
trolle — finden sich fur die J. 298 und 294 nur 
vier Constitutionen aus dem Codex Gregorianus 
(Cons. 1, 9. 9, 9. 9, 18. 19), dagegen, wie -wir 
sahen (oben bei Ziffer 2), 22 aus dem Codex Her- 
mogenianus. Dieses Verhaltnis kann kaum auf 
Zufall beruhen. Man kann annehmen, dass der 
Codex Gregorianus jene Jahre mit den fruheren 
im ganzen gleichmassig berucksiehtigte, der C. H.30 
dagegen wegen des besonderen Interesses der Praxis 
an den neuesten CunstitutioiiBn gerade innerhalb 
dieser eine Nachlese veranstaltete. 

Der C. H. war nicht wie der Codex Grego- 
rianus in Biicher, sondern nur in Titel (und zwar 
mindestens 69; vgl. Schol. Sin. 5 Kriiger) ein- 
geteilt. Wenn er also auch den Codex Gregorianus 
an Umfang bei weitera nicht erreichte, so darf 
man sich diesen doch auch nicht zu gering vor- 
stellen ; aus dem genannten Titel wird die 120. Con- 40 
stitution erwahnt, 

t)ber den Urheber des Werkes, Hermogenianus 
(nicht Hermogenes; vgl. Mommsen Ztschr. d. 
Sav.-Stiftg. X 348f.) ist nichts bekannt. Dass er 
eine Person mit dem gleichnamigen Verfasser der 
libri iuris epitomarum war, ist, da die Zeitver- 
haltnisse im ganzen stimmen, mOglich, aber nicht 
beweisbar (ygl. den Art. Hermogenianus). 

Ober Entstehungsort, Quellen, Benutzung, ge- 
setzliche Geltung gilt das gleiche wie beim Codex 50 
Gregorianus. Auch die Ausgaben sind immer 
gemeinschaftlich erfolgt und in der Litteratur 
beide Sammlungen stets nebeneinander behandelt, 
so dass wegen aller dieser Punkte auf den Artikel 
Codex Gregorianus verwiesen werden kann. 

[Jars.] 

Codex Instiuianns. Schon im ersten Jahre 
seiner Regierung, am 13. Februar 528 (Const. Haec), 
begann Kaiser Iustinian das grosse Werk seiner 
Gesetzgebung damit, dass er die Abfassung einer 60 
neuen Sammlung der kaiserlichen Constitutionen 
anbefahl. Die Arbeit wurde einer Commission 
von zehnMannerniibertragen.unterwelchen bereits 
Tribonian, der in den spateren Stadien der Gesetz- 
gebung eine so hervorragende Rolle spielte, ge- 
nannt wird, Dieser Commission wurde (anders 
als der von Theodosius n. im J. 435 eingesctzten) 
der Auftrag zu teil, nicht nur die neueren Ge- 



setze (seit 439), sondern alle Constitutionen, so 
weit sie praktisch geltendes Recht enthielten, in 
die Form eines Gesetzbuches zu bringen. Aus 
den Codices Gregorianus, Hermogenianus, Theo- 
dosianus und den seit 439 ergangenen Novellen 
sollte das Material entnommen und ihm die bereits 
ergangenen Erlasse Iustinians hinzugeftigt werden. 
Die Commission erhielt die Freiheit, die sachlich un- 
erheblichen Einleitungen der Gesetze zu streichen, 
Constitutionen veralteten Inhalts, sowie solche, die 
sich mit fruheren deckten oder anderen (aufge- 
nommenen) widersprachen, wegzulassen, auch nach 
Bedttrfnis Zusatze und Anderungen an dem Wort- 
laute vorzunehmen, namentlich auch mehrere ihrem 
Inhalte nach zusammentreffende Constitutionen in 
eine zusammenzuziehen. Eine Beschrankung auf 
leges generales (wie beim Codex Theodosianus) war 
der Commission nicht auferlegt; was aufgenommen 
wurde, sollte, auch wenn es urspriinglich perso- 
nalen Charakter gehabt hatte, damit zum allge- 
meinen Gesetz werden. Die Commission hat ihre 
Arbeit schnell genug beendet; am 7. April 529 
konnte der Kaiser den neuen Codex Iustinianus 
verSffentlichen, und ihm vom 16. April ah Gesetzes- 
kraft verleihen (C. Summa). Mit diesem Tage 
verloren alle in das neue Werk nicht aufgenom- 
menen Constitutionen, sowie deren bisherige Samm- 
lungen, also die Codices Gregorianus, Hermoge- 
nianus, Theodosianus ihre Geltung. Nur solche 
Sanetiones pragmaticae (vgl. d. Artikel), welche 
personale Verleihungen an Gemeinden, Vereine, 
BehOrden oder Sonderbestuumungen in Offentlichen 
Angelegenheiten enthielten, sollten, soweit sie dem 
neuen Codex nicht widersprachen , aufrecht er- 
halten bleiben (C. Summa 4). 

Die nachsten Jahre nach dem Erlasse des Co- 
dex Iustinianus waren der Bearbeitung des Juristen- 
rechts gewidmet. Sie erfolgte einerseits durch 
selbstandige kaiserliche Constitutionen — die zum 
Teil in einer Sammlung, den sog. quinquaginta de- 
cisiones, zusammengefasst wuTden — • andrerseits 
durch die Abfassung der Digesten (530 — 533; s. 
den Artikel). Dem gegeniiber musste der Codex, 
der noch auf der Grundlage der Geltung der 
Juristenscliriften nach den Vorschriften des sog. 
Citiergesetzes von 426 erwachsen war und die 
wichtigen das bisherige Recht umgestaltenden und 
das Digestenrecht erganzenden Constitutionen von 
529 bis 533 nicht enthielt, schon bald nach seinem 
Erlasse als veraltet und einer Umarbeitung dringend 
bedurftig erscheinen. Iustinian setzte deshalb eine 
neue Commission, diesmal wie bei den Digesten 
unterLeitungdes Tribonian, ein, der ausserdem noch 
drei Advocaten aus Constantinopel und der Rechts- 
lehrerDorotheos aus Berytos angehOrten. Ihr wurde 
der Auftrag zu teil, den Codex von 529 im Sinne 
der neueren Gesetzgebung umzuarbeiten. Sie 
sollte vor allem jene neueren Constitutionen, so- 
weit es ihr angebracht schien, in den Codex auf- 
nehmen und erhielt wie die fruhere die Befugnis 
durch Streichungen und Anderungen das Werk 
einheitlich zu gestalten und mit dem Digestenrecht 
in Einklang zu bringen. Die Arbeit kam wahrend 
des J. 534 zu stande und konnte am 16. Novem- 
ber (C. Cordi) als Codex repetitae praetectionis 
mit Gesetzeskraft vom 29. December ab veroffent- 
licht werden. Zugleich wurde das bisherige Con- 
stitution srecht, ^nsbesondere der Codex von 529 



169 



Codex Iustinianus 



Codex Theodosianus 



170 



und die seither ergangenen Erlasse Iustinians aus- 
driicklich ausser Kraft gesetzt. 

Erhalten ist uns nur der jungere Codex von 
534 (fiber die Frage einer Beniitzung des alteren 
Codex in der spateren Litteratur s. Krftger in 
der Vorrede zu seiner grossen Ansgabe p. XIHIif., 
der sie gegen Zachariae [Ztschr. f. R.-G. X 62ff.; 
Krit. Viertelj.-Schr. XVI 221ff.] verneint hat). 
Cber die Geschichte seiner tTberlieferung s. Kr ti- 
ger a. a. O. p. Vff. ; vgl. von demselben Verfasser 
Kritik des iustinianischen Codex (1867); Ztschr. 
f. R. G. VIII Iff.; dazu neuerdings Fitting Ztschr. 
d.Sav.-Stiftg. X 139f. Mommsen ebd. XII 149ff. 
Gundermann Rh. Mus. XLV 361ff. Patetta 
Bull. d. Ist. di dir. R. IV 249. Eine Nachbildung 
der leider nur sehr bruchstfickweise als Palim- 
psest erhaltenen altesten Hs. (6. — 7. Jhdt.) giebt 
Kriiger Codicis Iustiniani fragmenta Yeronensia 
(1874). Das Material ist, wie die obigen Aus- 
fiihrungen zeigen, fiir die alteren Constitutionen 
bis auf Constantin den Codices Gregorianus und 
Hermogenianus, fiir die Gesetze von Constantin 
bis auf Theodosius II. (438) dem Codex Theodosia- 
nus entnommmen; sodann sind die posttheodosia- 
nischen Novellen und nur fiir die jiingsten Consti- 
tutionen die Archive unmittelbar benutzt. 

Der Codex zerfallt in 12 Bucher. Die An- 
ordnung des Stoffes scheint aus dem alteren Codex 
von 529 iibemommen zu sein, fiir welchen im 
allgemeinen der Codex Theodosianus als Muster 
diente. Indessen finden sich diesem gegeniiber 
(vgl. o d e x T h e o d o s i a n u s) doch mancherlei Ab- 
weichungen; der C. I. ist im ganzen ubersicht- 
licher und einheitlicher disponiert als der Codex 
Theodosianus. Den Gedanken einer Umarbeitung 
des neuen C. I. gegeniiber dem alten nach Mass- 
gabe des Systems der inzwischen verCffentlichten 
Digesten (Karl owa 1017) muss man mit Kriiger 
{342) zuriickweisen. Buch I beginnt mit dem 
Kirchenrecht (1 — 13), behandelt sodann die Rechts- 
ouellen (14 — 23) und schliesslich (von vereinzelten 
Einschiebungen abgesehen) die Beamten (24 — 57). 
Buch H his VIII geben das Privatrecht und 
schliessen sich im ganzen der Ordnung des Edicts 
an; die im Codex Theodosianus (V. VIII 12—19) 
extravagierenden Materien sind zum Teil einge- 
reiht, zum Teil an den Schluss des, Privatrechts 
gestellt. Auch das Recht der Appellationen (Cod. 
Theod. XI 29 — 38) hat hier in passender Weise 
in Verbindung mit der Behandlung des richter- 
lichen Urteils in Buch VII 61—75 einen Platz 
gefunden. Buch IX betrifft das Strafrecht und 
den Strafproeess , Buch X — XII behandeln das 
•effentliche Recht (insbesondere Fiscalrecht und 
Steuern, Gemeinden, Beamte) soweit es nicht schon 
im ersten Buch zur Darstellung gelangt ist. 

Die einzelnen Bucher zerfallen in sachlichc 
Titel, denen die einzelnen Constitutionen grund- 
satzlich chronologisch eingereiht sind. Die Con- 
stitutionen benennen gerade wie in den fruheren 
Sammlungen regelmassig zu Anfang den Kaiser 
und Adressaten {Inscriptio) und geben am Schlusse 
Ort und Zeit ihres Erlasses an {Subscriptio). Doch 
ist gerade in dieser Hinsicht die Uberlieferung 
keineswegs imnier zuvcrlassig; vgl. Mommsen 
Abh. Akad. Berl. 1860, 349ff. Kriiger Vorr. z. 
grossen Ausg. p. XXIIIff. XXVIIff.; Ztsch. f. R.-G. 
VIII Iff. XI 166ff.; Ztschr. d. Sav.-Stiftg. XTII 



287ff. Soweit die Compilatoren von der ihnen 
gewahrten Erlaubnis, Constitutionen zusammen- 
zuziehen, Gebrauch gemacht haben (die Stellen 
sind im kritischen Apparat der Ausgaben von 
K r ii g e r kenntlich gem acht), wurde solchen Stiicken 
regelmassig Inscriptio und Subscriptio derjenigen 
von ihnen gegeben, aus welcher der Anfang ent- 
nommen war. Die Constitutionen sind grOssten- 
teils in lateinischer Sprache . abgefasst, die ja bis 

10 auf Iustinian im allgemeinen als die offlcielle der 
Gesetze festgehalten wurde. Doch finden sich 
auch schon einige griechische von diesem Kaiser 
und seinen nachsten Vorgangern. Eine Anzahl 
von Constitutionen flndet sich mehrfach (sog. Ge- 
minationen); sie sind bei Biener Beitr. z. Revi- 
sion d. iust. Codex 192ff. bes. 203ff. zusammen- 
gestellt. Die alteste Constitution rflhrt als die 
einzige dieses Kaisers von Hadrian her (VI 23, 1 
sine die et eonsidibus). Auch die folgenden Kaiser 

20 sind nur mit wenigen Stellen vertreten; grosser 
ist das Material, das wir von Severus und seinen 
Nachfolgern erhalten haben; die meisten Consti- 
tutionen stammen — was der Anlage der Codices 
Gregorianus und Hermogenianus entspricht — von 
Diocletian und Maximian. Ihre Nachfolger sind 
wieder in geringerem Masse vertreten; die Gesetze 
von Iustinian werden mit sehr viel geringeren 
Yerkurzungen gegeben als die fruheren. Das jiingste 
von ihnen (I 4, 34) ist erst kuiz vor dem Ab- 

30 schluss des Werkes am 4. November 534 ergangen. 
Eine chronologische Zusammenstellung aller Con- 
stitutionen flndet sich am Schlusse der beiden 
Ausgaben Kriigers, ferner in Verbindung mit 
den aus den iibrigen Codices bekannten Gesetzen 
bei Ha en el Corpus legum Index p. 3ff. (dazu 
Mommsen Abh. Akad. Berl. 1860, 421). Vgl. 
insbesondere fiir die Constitutionen des Diocletian 
Mommsen a. a. O. 349ff., fiir die des Constantin 
Seeck Ztschr. d. Sav.-Stiftg. X Iff. 177ff., fiir 

40 die Iustinians Kriiger Ztschr. f. R.-G. XI 166ff. 
Von den Ausgaben entsprechen den Anforde- 
rungen heutiger Textkritik nur die von Kriiger: 
1) Codex Iustinianus rec. P. Kriiger (1877, sog. 
grosse Ausgabe, mit ausfuhrlichem kritischen Com- 
mentar). 2) Im Corpus iuris civilis ed. stereotypa 
(ed. Mommsen, Kriiger, Scholl) Vol. n (1877; 
sog. kleine Ausgabe: Abdruck des Testes mit dem 
wichtigsten kritischen Apparat). tiber die alteren 
Ausgaben s. Kriiger Vorr. z. grossen Ausgabe 

50 p. Xlff.; Quell, u. Litt. 386ff. 

Neuere Litteratur: Zimmern Gesch. d. R. 
Priv.-R. I 172f. 176ff. Puchta Inst. I to 390. 
398f. Rudorff R. R.-G. I 295ff. 314ff. Teuffel 
R. Litt.-Gesch. § 488, 4. 5. Karlowa R. R.-G. 
I 1005. 1016ff. Kriiger Quell, u. Litt. d. R. R. 
322ff. 342ff. Landucci Stor. d. dir. R. I* 283ff. 
298ff. Kipp Quellenkunde 102f. 109ff. [JOrs.] 

Codex Theodosianus. Der ostromische Kaiser 
Theodosius H. (402—450) trug sich mit weitgehen- 

60 den gesetzgeberischen Pliinen. Durch Erlass vom 
26. Marz 429 (Cod. Theod. 11,5) setzte er eine 
Commission von neun Mannern ein (darunter die 
beiden Antiochos Quaestores sacri palatii von 427 
und 429; s. Bd. I S. 2492 Nr. 53. 54), welche zu- 
nachst nach dem Vorbilde der Codices Gregorianus 
und Hermogenianus alle von Constantin bis auf 
die regierenden Kaiser ergangenen leges generates 
(iiber diesen Begriff vgl. Kriiger 264ff. Kipp 



171 



Codex Theodosianus 



Codex Theodosianus 



172 



48f.) sammeln , auf sachliche Titel verteilen und 
miter diesen der Zeitfolge nach ordnen sollte. 
Das Recht, veraltete oder fiberholte Constitutionen 
auszuscheiden, war der Commission abgesprochen ; 
die Sammlung sollte das vorhandene Material 
seinem sacHichen Inhalte nach vollstandig ent- 
halten. Dieser neue Codex sollte jedoch ebenso 
wie fortan die Codices Gregoriamis und Herrao- 
genianus lediglich der wissenschaftlichen For- 



Gericht verwendet werden. Die Codices Grego- 
rianus und Hermogenianus jedoch wurden dadurch 
nicht beriihrt, sondern behielten ihre Geltung, 
und hinsichtlich der Juristenschriften blieb es bei 
dem Citiergesetz. 

Von diesem C. Th. sind betrachtliche Stiicke 
auf uns gekommen, und zwar einerseits durch 
spatere Privatarbeiten (vgl. den Art. Consul- 
tatio) und Gesetze, welcbe ihn als QuelleJ>e- 



schung (seholustieae intcntioni) dienen. Darauf 10 nutzten, vor allem durch die Lex Eomana Wisi- 
aber sollte aus diesen drei Werken nnd aus —"- ~~" =i ~ 

den Schriften der Juristen (ex his tribus 
eod/wibus et per singulas titulas coiiaerentibus 
prttdentium tractatibus et respotisis) ein zweiter 
Codex hergestellt werden; in ihm sollten alle 
Widersprtiche und Wiederholungen beseitigt wer- 
den, er allein sollte als Gesetzbuch gelten (magi- 
sterium vitae suscipiet). Das Ziel war also eine 
Sammlnng des gesamten vorhandenen Materials 



gothorum, andrerseits durch direete hsl. tJber- 
lieferung, welche i'reilich immer nur Bruchstiicke 
bietet. Ygl. dariiber Haenel in der Vorr. z. s. 
Ausg. p. Iff. Heimbach 89ff. Teuffel § 461, 
3. 4. Karlowa 961ff. Kriiger 290f. Patetta 
Bull. d. 1st. d. dir. R. VIII 30ff. Eine Nachbil- 
dung des Turiner (Peyronschen) Palimpsestes bietet 
Kriiger Abh. Akad. Berl. 1879. 

Das Gesetzbuch zerfallt in 16 Biicher, diese 



der Leges und des Ius; man wollte in einem20in sachliche Titel. Die zierolich willkurliche An 



Gesetzbuche Ahnliches sehaffen, wie es bisher nur 
private Sammlungen, z. B. die sog. vaticanischen 
Fragmente, geliefert batten. Der Kaiser und seine 
Rate mochten fiihlen , wie wenig der Praxis mit 
dem drei Jahre vorher ergangenen Citiergesetz 
geholfen war. 

Jedoch sind die Plane des Kaisers in diesem 
Omfange nicht zur Durchfuhrung gelangt. Sechs 
Jahre spater erging dann eine andere Verordnnng 



ordnung des Stoffes ist im allgemeinen folgende: 
Buch I Rechtsquellen (1—4), hehere kaiserhche 
Beamte (5—22); Buch II— IV Privatrecht nach 
der Ordnung des Edicts; Buch V einzelnc Gegen- 
stande des Privatrechts z. B. gesetzliches Erbrecht, 
Postliminium, Gewohnheitsrecht; Buch VI wieder 
Beamte, darunter die republicanischen , auch die 
Senatoren; Buch VII Militarwesen ; Buch VLTI 
Unterbeamte (1—11), dann noch einmal Privat- 



(Cod. Theod. II, 6) vom 21. December 435, welche 30 recht (12— 19: Schenkungen, Caelibat, Orbitat 

tind Ius liberorum, Bona materna); Buch IX Straf- 

recht und Strafprocess; Buch X -XI 28 Fiscal- 
recht und Steuern, XI 29—38 Appellation, 39 Be- 
weiskraft von Zeugen und Urkunden; Buch XII 
— XV Reehtsverhaltnisse der Gemeinden insbe- 
sondere Decurionen, Stande, Vereine, offentliche 
Lasten; Buch XVI Kirchenrecht. Den einzelnen 
Titeln sind die Constitutionen grundsatzlich in 
zeitlicher Reihenfolge untergeordnet. In den In- 



eine neue Commission, diesmal von 16 Mannern, 
einsetzte. An der Spitze wird der schon bei der 
ersten Arbeit thatige Antiochos, Quaestor von 
429, genannt. Des allgemeinen aus Constitu- 
tionen- und Juristenrecht zusammengesetzten C. 
Th., welcher fruher das eigentliche Ziel war, wird 
hier nicht mehr gedacht; statt dessen sollte die 
Sammlung der Leges generates von Constantin 
bis auf Theodosius , welche damals nur als Vor- 



arbeit angesehen wurde, jetzt als Gesetzbuch in An- 40 scriptionen und Subscriptionen finden sich mancher- 



griff genommen werden. Es scheint also, als ob die 
Commission von 429 gar nicht iiber die Anfange 
der Arbeit hinausgekommen, jedenfalls nicht bis 
zu dem schwierigsten Punkt ihrer Aufgabe, der 
Bearbeitung des Ius, vorgedrungen sei. Auch 
fur den neuen C. Th. wurde der Plan ciner voll- 
standigen Sammlung festgehalten , eine Auswahl 
unter den Constitutionen sollte auch die zweite 
Commission nicht treffen, doch wurde ihr hin 



lei Unrichtigkeiten und Willkiirlichkeiten , die 
jedenfalls zum Teil schon auf die Commission 
selbst zuriickzufiihren sind. Naheres s. bei Krii- 
ger Comm. in hon. Mommseni 75ff. Mommsen 
N. Arch. f. iilt. deutsche Gescb. XIV 4ff., vgl. 
Ztschr. d. Sav.-Stiftg. X 351. Seeek ebd. Iff. 
177ff. Kiirzungen und Anderungen der Texte hat 
die Commission der ihr zu teil gewordenen Er- 
laubnis entsprechend nicht selten vorgenommen, 



sichtlich der Behandlung der einzelnen Gesetze 50 auch Redactionsversehen linden sich mehrfach 



grOssere Freiheit gelassen , was ja fur die ein- 
heitliche Gestaltung des neuen Gesetzbuches not- 
wendig war (demendi mpervacanea verba et adi- 
ciettdi neeessaria et mutandi ambigua et emen- 
dandi ineongrua tribirimus potestatem). In wenig 
mehr als zwei Jahren war die Arbeit beendet; 
am 15. Februar 438 wurde der neue C. Th. vom 
Kaiser vollzogen (C. de Th. C. auct. p. 90ff. in 
Haenels Ausgabe), darauf nach Westrom iiber 



(Kriiger 289). Eine chronologiscbe Zusammen- 
stellung giebt Haenel am Schlusse seiner Aus- 
gabe p. 1631ff., s. auch Corp. legum Index p. 3ff. 
(vgl. d. Art. Codex Iustinianus S. 170). 

Der C. Th. ist, wie schon erwahnt, sowohl 
von den spateren Gesetzgebungen (den germani- 
schen Leges Romanae und dem Codex Iustinianus), 
als auch in der Litteratur (vgl. d. Art. Consul- 
tatio; iiber Isidor s. Dirksen Hinterl. Schr. 



sandt und von Valentinian III. bestatigt. Die 60 1 185ff. 198) viel benutzt worden. Die vatica- 



in unseren Hss. erhaltenen Verhandlungen des 
romischen Senats de reeipiendo Codice Theodo- 
siano vom 25. December 438 (p. 81ff. Haenel) be- 
riehen sich auf die Aufbewahrung und Verbrei- 
tung des Gesetzbuches. Seine Geltung begann 
mit dem 1. Januar 439. Seitdem durften die 
Kaisergesetze nur aus dem C. Th. und nur in 
der Form, in der sie aufgenommen waren, vor 



nische Hs. von Buch IX — XVI enthalt Scholien,. 
welche in der Hauptsache aus kurzen Anszugen 
der einzelnen Constitutionen bestehen, aber auch 
einige selbstandige Erklarungen bieten. Vgl. 
Haenel Antiqua Summaria C. Theodosiani (1834 
mit Abdruck der Scholien). Heimbach Leipz. 
Repert. IX 177ff. Fitting Ztschr. f. R.-G. X 
317f. Karlowa 963f. Kriiger 297f. und Ztschr. 



173 



Codicarii 



Codicilli 



174 



d. Sav.-Stiftg. VH 1, 138ff. Manenti Stnd. Se- 
nesi in 259fT. Seine Geltung verlor das Gesetz- 
buch (zunachst im ostrCmiscben Reiche) mit dem 
ersten Codex Iustinianus am 16. April 529. tlber 
Benutzung im Mittelalter vgl. Conrat Gesch. d. 
QueU. u. Litt. d. R. R. im Mittelalter I 91f. 3i2f. 

tlber die Ausgaben s. Haenel Praefat. Xlff. 
Rudorff 279f. Teuffel § 461, 4. Karlowa 
961ff. Kruger291. Unter ihnen ragt aucli noch 
jetzt die von Jacobus Gothofredus (1665) ,ein 10 
Muster philologisch-historischer Arbeit' (Usener 
Philol. n. Geschichtswiss. 37) durch ihren mit 
staunenswerter Beherrschung der Quellen geschrie- 
benen Commentar hervor. Seitdem ist aber nnsere 
Kenntnis des hsl. Materials (Nachweise s . .) 
wesentlich erweitert und vertieft worden. Die voll- 
standigste Ausgabe ist heute die von G. Haenel 
im Bonner Corp. iur. anteiust. II (1842), aber den 
Anforderungen , die wir heute an eine kritische 
Ansgestaltung eines Testes zu stellen gewohnt20 
sind, entspricht sie nicht: ,Haenel scheint ge- 
glaubt zu haben, dass es fur einen kritischen 
Apparat nur darauf ankomme, alle irgendwo vor- 
kommenden Varianten aufzuspiiren, so dass der 
TJmfang des Materials die Genauigkeit in den An- 
gaben iiber die einzelnen Hss. ersetzen konnte' 
(Kriiger Ztschr. d. Sav.-Stiftg. VII 1, I38f.). 
Wegen dieser Mangel, sowie urn der Beriicksich- 
tigung des seit Haenel bekannt gewordenen 
Materials willen, ist eine neue Ausgabe heute ein 30 
dringendes Bediirfnis. Eine Prosopographie und 
Topographie bietet die Ausgabe von Gothofre- 
dus am Schlusse. 

Neuere Litteratur: Zimmern Gesch. d. R. 
Priv.-R. 1 165ff. Puchta Inst, iw> § 136. Heim- 
bach Leipz. Repertorium IX 89ff. 177ff. (1845. 1). 
Rudorff R. R.-G. I 277ff. Teuffel R. Litt.- 
Gesch. §461. Karlowa R. R.-G. I 943ff. 960ff. 
Kriiger Quell, u. Litt. d. R. R. 285ff. Landucci 
Stor. d. dir. R, 12 250ff. Kipp Quellenkunde 55ff. 40 

[J«rs.l 

Codicarii oder, wie sie sich auch nennen, 
codiearii navicularii (CBL XIV 106. 131. 170. 
185) heissen die Kahnschiffer des Tiber (Varro 
bei Non. 535. Senec. de brev. vit. 13, 4). Sie 
zerfallen in zwei Abteilungen, je nachdem sie 
oberhalb oder unterhalb der Holzbriicke bei £om 
ihr Gewerbe betreiben. Die codicarii navieularii 
infra pontem sublieium (CIL XIV 185) oder 
infernates (CIL XIV 131) sind natiirlich von viel 50 
grosserer Bedeutung, weil sie den Verkehr der 
Hauptstadt mit dem Meere vermitteln. Von den 
Schiffen, die an der Tibermundung landen, ne h- 
men sie die Ladung in ihre Kahne auf (Strab. 
V 232) und lassen diese dann durch Ochsen den 
Strom hinaufziehen (Procop. bell. Goth. 1 26). 
Sie haben daher ihr Standquartier in Ostia , wo 
fast alle ihre Inschriften zu Tage gekommen sind 
(CIL XIV 309: codicariorwm curator Ostis im 
Gegensatz zu denjenigen, die in Rom statiorieTen), 60 
spater, als hier der Hafen verschlammt war, in 
dem gegeniiberliegenden Portus (Procop. a. O.), 
weshalb sie auch im 4. Jhdt. meist im engsten 
Zusammenhange mit den memores Portuenses ge- 
nannt werden (Cod. Theod. XIV 4, 9. 15,1. Dessau 
1272 = CIL VI 1759). Denn ihre Hauptbeschaf- 
tigung ist der Kornhandel (codicarius item trier - 
cator frtvmentarius CIL XIV 4234. Cod. Theod. 



XIV 4, 9. 15, 1) ; darum ist auch ihr Vorgesetzter 
der Praefectus Annonae (CIL XIV 106. 131), 
dessen Gerichtsbarkeit sie unterstehen (Dessau 
1272. Cod. Theod. XIV 4, 9). Sie bilden ein 
corpus (CIL XIV 170. 4144. Dessau 1272. 
Cod. Theod. XIV 3, 2. 4, 9), d. h. eine staatlich 
anerkannte Genossenschaft , die unter den qum- 
que corpora lenuneulariorum Ostiensium die 
erste Stelle einnimmt. Denn wo diese gemein- 
sam eine Statue weihen, werden entweder die C. 
an der Spitze noch gesondert genannt (CDL XIV 
170) , oder ihre Vorstande besorgen die Anferti- 
gung derselben (CIL XIV 4144, wo am Schlusse 
zu erganzen ist : [cur(dntibus) quinjqfusnnalibusj 
corporis splendedissimi eodiear(iorum)). Der 
Verein besitzt naturlich seine Patrone (CDL XIV 
4144. Cod. Theod. XIV 3, 2. 4, 9); seine Lei- 
tung steht neben verschiedenen Honorati einem 
oder mehreren Curatoren zu (CIL XIV 309), die 
in bestimmten Zeitabstanden durch Quinquennalen 
ersetzt werden (CIL XIV 4144). 

Im 4. Jhdt. sind die C. zu einer Zwangsin- 
nung geworden, der die Verpflichtung obliegt, im 
Verein mit den Mensores den rCmischen Backern 
das Korn zu einem staatlich vorgeschriebenen 
Preise zu liefern (Cod. Theod. XIV 15, 1). Dies 
hatte naturlich zur Folge, dass die Lieferungen 
sehr schlecht waTen. Daher wurden die Patrone 
zur Aufsichtsbehorde gemacht, und, um Durch- 
stechereien zu verhiiten, verbot Constantius II., 
dass derselbe Mann das Patronat der Backer und 
der C. iibernehnie (Cod. Theod. XIV 3, 2). Va- 
lentinian I. beschrankte die Zahl der Modii, bei 
denen die C. nicht tlber den Zwangspreis hinaus- 
gehen durften, auf 200 000, verlangte aber dafur, 
dass wenigstens diese verminderte Menge in an- 
standiger Qualitat gestellt werde (Cod. Theod. 
XIV 15, 1), was er freilich nicht erreichte. Ho- 
norius verordnete, die C. und Mensores sollten 
aus ihren Patronen einen fur je funf Jahre als 
Oberaufseher der Getreidevorrate von Portus wah- 
len. Dieser sollte bei seinen Collegen Getreide- 
proben niederlegen , die sorgfaltig geheim zu 
halten seien, damit sie niemand verfalsche und 
sie als sicherer Massstab fur die Lieferungen nach 
Rom dienen kCnnten. Hattcn die betreffenden 
Patrone ihre Amtsfuhrung pflichttreu beendet, 
so sollten sie die Wurde von Comites tertii or- 
dinis geniessen; wurden sie auf Betrug ertappt, 
so war ihnen Verurteilung zur Arbeit in den 
Biickereien angedroht. Dem Praefectus Annonae 
sollte gegen die drei ersten Patrone des Corpus 
keine korperliche Zuchtigung gestattet sein, son- 
dern nur dem Praefectus Urbis (Cod. Theod. XIV 
4, 9). Nach dem J. 417 werden die C. nicht 
mehr erwahnt; wahrscheinlich sind die funf ver- 
schiedenen Schiffergilden des Tiber spater zu dem 
einen Corpus der navicularii amniei vereinigt 
worden, das im J. 450 nachweisbar ist (Nov. Val. 
28). Henzen Ann. d. Inst. 1851, 160. E. Geb- 
hardt Studien fiber das Verpflegungswesen von 
Rom und Constantinopel, Dorpat 1881, 18. 

[Seeck.] 

Codicilli, regelmassig in pluralischer Form 
gebraucht (Dig. L 16, 148), bezeichnet einen 
kleinen Coder, d. h. eine Verbindung weniger 
Wachstafeln oder Pergamentblatter zu einem 
diinnen Biichlein, mitunter wohl nur ein Dipt)- 



175 



Codicilli 



Codicilli 



176 



chon oder Triptychon (Birt Das antike Buchwesen 
95). Derartige C. wurden gebraucht: 

1) Als Notizbticher, Senec. contr. II 2, 12. 
Cic. Phil. VIII 28. Plin. epist. VI 16 , 8. 
Solche pugillaria, wie sie auch genannt werden, 
benutzte Catull zur ersten Niederschrift seiner 
kurzen Gedichtchen (Cat. 42; vgl. Birt a. 0.), 
Cicero, urn die Concepte Ton Briefen zu ent- 
werfen (ad fam. EX 26, 1), und bei einem Familien- 



und nachtraglich durch dieses bestatigt wurden, 
■war der seltenere Fall (Dig. XXIX 7, 5. 8. 18. 
L 16, 123). Gewohnlich verfasste man sie als 
Erganzung zu einem schon vorhandenen Testa- 
ment; doch mussten sie in diesem vorgesehep 
sein, etwa durch folgende Formel: quod incodi- 
eillis seriptum erit, valere nolo oder si quid ta- 
bulis aliove quo genere ad hoc testamentum per- 
tinms reliquero, ita valere volo (Dig. XXIX 7, 



gericht, wo geheime Abstimmung besehlossen 10 18. XL 5, 56. L 16, 123). Eine solche Bestati- 



wurde, erfolgte sie in der Weise, dass jeder sein 
Urteil in seine C. schrieb und sie dann verschlossen 
ablieferte, Senec. de clem. I 15, 4. 

2) Zu kurzen brieflichen Mitteilungen (Suet. 
Otho 10. Cic. ad fam. IV 12, 2. VI 18, 1). In 
diesem Sinne stehen die C. im Gegensatze zur 
eigentlichen epistula, die auf Papyros geschrieben 
und meist von grosserem Umfang ist, Plin. n. h. 
XIII 88. XXXIII 12. Senec. epist. 55, 11. Cic. 
ad Q. fx. II 11, 1. 

3) Zu Eingaben an den Kaiser, mochten es 
Gesuche (Tac. ann. IV 39. VI 9) oder Denuntia- 
tionen (Tac. ann. XI 34) sein. Zu diesem Zwecke 
wahlte man wohl die Form der C, well sich zu- 
sammengelegte Tafeln leichter und sicherer ver- 
schliessen und versiegeln liessen, als ein gerollter 
Papyrosbrief. 

4) Aus demselben Grande batten auch die 
Testamente die gleiche Form ; doch nannte man 



gung, ob sie voranging oder nacMolgte, hatte 
immer die Wirkung, dass der Inhalt der C. die 
gleiche Eechtskraft gewann, als wenn er einen 
Teil des Testamentes selbst gebildet hatte (Dig. 
XXIX 7, 14: codicilli pro parte testamenti ha- 
bentur; vgl. XXIX 7, 2 § 2. 10. 16). Freilich 
galten sie nur als untergeordneter Teil, der den 
wesentlichen Inhalt nicht beriihren diirfe. Sie 
konnten daher weder fiber Erbeinsetzung oder 
20Enterbung verfugen (Gai. II 273. Ulp. 25, 11. 
Dig. XXIX 7, 10. 13 § 1. XXXVI 1, 78. lust, 
hist. II 25, 2. Cod. lust. VI 23, 14. 36, 2. 7) 
noch eines von diesen beiden an nachtragliche 
Bedingungen knupfen (Dig. XXVIII 7, 27 § 1. 
XXIX 7, 6), wohl aber Tutoren bestellen (Dig. 
XXVI 3, 1 § 1. 10), fiber das Begrabnis Anord- 
nungen treffen (Tac. ann. XV 64. CIL III 653. 
VIII 7074) und Freilassungen (Dig. XXIX 7, 2 
§ 2. 4. 8 § 5. 11), Legate (Plin. ep. II 16. 20, 5. 



die Urkunde tabulae testamenti, nicht C. Wohl 30 Tac. ann. XVI 17. Gai. II 270 a. Ulp. 24, 29) 



aber bezeichnete man mit diesem Namen eine 
andere Art letztwilliger Verfiigungen, die gleich 
den Soldatentestainenten an keine gesetzlich vor- 
geschriebenen Formalitaten gebunden waren (Dig. 
XXIX 7, 6 § 1. 2). Gewohnlich hatten sie, wie 
das erhaltene Exemplar CIL X 7457, die Form 
eines Briefes an den Erben, woher sie auch den 
Namen C. fiihrten. Doch konnten sie auch miind- 
lich getroffen werden (Cod. lust. VI 4, 3; vgl. 
Cod. Theod. IV 4, 7), ja selbst durch einen ver- 40 
standlichen Wink (Cod. lust. VI 42, 22. Dig. 
XXXII 21 pr. 39 § 1. Ulp. 25, 3). Sie bedurften 
daher zu ihrer Gultigkeit auch nicht der lateini- 
schen Kechtssprache, sondern konnten griechisch 
oder in beliebigen Baibarensprachen abgefasst 
werden (M. Voigt Das Ins naturale III 336). 
Die C. zerfallen in zwei Klassen, die anfangs 
von sehr verschiedener Eechtskraft sind, sich aber 
im Laufe der Zeit einander immer mehr nahern, 



oder sonstige Stiftungen begriinden (CIL III 5202. 
Vffl 17479. XIV 2795 Z. 9). Wird das Testa- 
ment nichtig oder anfechtbar, so tritt die gleiche 
Folge auch fur die C. als Teil desselben ein (Dig. 
XXIX 7, 3 § 2. 8 § 3. 10. 16. XXXIV 9, 5 § 4), 
doch hat man spater diese Consequenz vermieden, 
indem man die e. testamento confirmati nach 
Analogic der non confirmati behandelte (Dig. 
XXIX 7, 2 § 4. 3 § 1. 8 § 3. 11. 19). 

Nach der Construction der classischen Juristen 
sollen auch diese letzteren als Teil des Testa- 
mentes gelten (Dig. XXIX 7, 3 § 2), ja selbst 
wenn ein solches gar nicht vorhanden ist, argu- 
mentieren sie, der Erblasser habe gewollt, dass 
die Intestatfolge eintrete, und zu diesem letzten 
Willen seien die C. als Erganzung zu betrachten 
(Dig. XXIX 7, 3. 8 § 1). Doch haben sie selbst 
die Unrichtigkeit dieser Auffassung stillschweigend 
anerkannt, indem sie die Wirkung der C. in den 



die e testamerdo confirmati und non con firmati 50 meisten Fallen bestehen liessen, auch wenn das 

— ■ ~-~ - • — ~~ Testament hinfallig wurde. Ubrigens ist diese 

auch eine ganz andere, als bei den c. testamento 
confirmati. Noch um das J. 100 n. Chr. waren 
die non confirmati rechtlich Null (pro non scrip- 
Us Plin. epist. II 16, 1); aber gewissenhafte Erben 
betrachteten sie trotzdem als Willensausdruck des 
Erblassers und hielten es fur eine Pflicht der 
Pietat, ihre Forderungen zu erfullen (Plin. a. O.). 
Aus dieser Ubung entwickelt sich dann bald ein 



Tlust. inst. II 25. Plin. epist. II 16. Gai. II 270 a. 
Ulp. 24, 29. 25, 11. Dig. XXIX 7, 3 § 2. 6 § 4. 
7 pr. u. sonst). Der Unterschied, den die romi- 
schen Juristen an die Spitze stellen, zwischen e. 
ad testamentum facti und c. ah intestato (Dig. 
II 15, 8 § 2. XXIX 7, 16. XXXIV 9, 5 § 14 u. 
sonst) war, wie wir sehen werden, viel minder 
wesentlich. 

Die c. testamento confirmati sollen in Augu- 



steischer Zeit aufgekommen sein und z war durch 60 Gewohnheitsreeht. Dasselbe hat also einen ganz = 



einen Mann, der in der Provinz starb und des- 
halb ausser stande war, sein fruheres Testament 
durch ein neues zu ersetzen (lust. inst. II 25). 
Denn nicht iiberall fanden sich die sieben er- 
wachsenen romischen Burger, deren Unterschrift 
und Siegel flir ein rechtsgultiges Testament ge- 
fordert wurde (vgl. Dig. XXIX 7, 8 § 2). Dass 
die C. schon vor dem Testament niedergeschrieben 



ahnlichen Ursprung, wie bei den Fideicommissen, 
die ja ursprunglich auch auf den guten Willen 
des Erben gestellt waren und daher regelmassig 
den Inhalt der c. non confirmati bilden. Legate, 
die schon durch den Tod des Erblassers ohne 
weitere Fbrmlichkeit Eigentum des Legatars wer- 
den, konnen nur durch Testament oder bestatigte 
C. bestellt werden; unbestatigte kOnnen an den. 



177 



Codicilli 



Codicilli 



178 



Erben nur die fideicommissarische Bitte richten, 
irgend ein Besitztum an einen Dritten abzutreten, 
wobei dann erst durch die tfbergabe Eigentums- 
erwerb eintritt (Gai. II 270 a. Ulp. 24, 29. 25, 
11. Consult. 6, 12. Dig. XXIX 7, 3 § 2). In 
Testamenten und bestatigten C. kann man fol- 
gendermassen freilassen: Stiehum servum meum 
liberum esse iubeo; in unbestatigten lautet die 
Formel : a te peto, Eutyehianum alumnum meum 
manu/mittas vindictaque liberes (CIL X 7457) ; 
in jenem Falle wird der Sclave libertus orcinus 
des Erblassers, in diesem Freigelassener des Erben. 
Doch wenn man sich in der Formel vergriff, kam 
darauf auch nichts an, da ja bei den C. nur dar- 
auf gesehen wurde , ob der Wille des Erblassers 
deutlich erkennbar sei, nicht ob er die gesetz- 
lichen Worte gebraucht habe (Dig. XXLX 7, 13). 

Aber so wichtig der Unterschied auch juristisch 
ist, dass die Bestimmungeu der bestatigten C. 
directo iure, die der unbestatigten nur auf dem 
Umwege des Fideicommisses wirksam -werden, 
praktisch s<Jhrumpfte er sehr zusammen, da ja 
auch die Fideicommisse voile Rechtskraft erlang- 
ten. Es ist daher wohl begreiflich, dass fur die 
Juristen des 3. Jhdts. die beiden Arten von C. 
fast zusammenfallen. Denn auch darin, dass sie 
keine Erbeinsetzung verfugen konnten, stimmten 
sie tiberein, weil ja auch das Fideicommissum 
das Vorhandensein eines gesetzlichen Erben, an 
den die betreffende Bitte gerichtet werden kann, 
notwendig voraussetzt. Desto bedeutungsvoller 
trat der Unterschied der c. ad testamentum faeti 
und der e. ab intestato hervor, insofern jene das 
Testament nur erganzten, diese es ersetzten (Dig. 
II 15, 8 § 2. XXIX 7, 3. 8 § 1. 16. lust. inst. 
II 25, 1. Cod. lust. VI 36, 4). Ja die letzteren 
konnten sogar etwas verfugen, was einer Erbein- 
setzung sehr nahe kam; wenn sie namlich den 
gesetzlichen Erben fldeicommissarisch aufforder- 
ten, das ganze hinterlassene VermOgen einem Drit- 
ten zu iibertragen (Dig. XXIX 7. 2 § 4. lust. 
inst. II 25, 2. Gai. II 273. Ulp. 25, 11. Cod. 
lust. VI 36, 2). Selbst wenn in den C. die an 
sich unzulassige Formel gebraucht wurde : Titiuwi 
heredem esse volo, konnte man sie so deuten, dass 
nicht eine directe Erbeinsetzung, sondern eine 
fideicommissarische gemeint sei, und demgemass 
verfahren (Dig. XXIX 7, 13 § 1), weil es ja nur 
auf die Interpretation der Willensausserung, nicht 
auf die Form derselben ankam. 

Wie im rOmischen Eeich auf alien Gebieten 
die formlosen Kechtsgeschafte die streng for- 
mellen zuriickdrangten, so gewannen auch die C. 
den Testamenten gegeniiber immer mehr Boden, 
namentlich da sie auch sonst dem letzten Willen 
grOssere Sicherheit gewahrten. Denn die meisten 
Griinde, die ein Testament ungiiltig machen konn- 
ten, waren fur sie nicht vorhanden. Der Eintritt 
eines neucn si/us heres in die Familie vernichtete 
das Yorher geinachte Testament, nicht aber die 
C. (Dig. XXIX 7. 2 § 4. 3 § 1. 8 § 3. 11. 16. 
19). Auch wurde jedes Testament durch ein 
spateres ungiiltig, wahrend die C. ihre Rechts- 
kraft bewahrten, falls nur das nachfolgende Te- 
stament nicht zu ihnen in Widerspruch stand 
(lust. inst. II 25, 1. Dig. XXIX 7, 5. 18). Alle 
diese Vorteile fiihrten dazu, dass man sich der 
sogenannten Codicillarclausel bediente, die zu- 



erst im Anfang des 3, Jhdts. erwahnt wird (Dig. 
XXVIII 6, 41 § 3. XXIX 1, 3. 7, 1. Cod. lust. 
VII 2, 11. Cod. Theod. IV 4, 7. Nov. Theod. 16, 
7). Sie bestand in einem Zusatz zum Testament, 
der bestimmte, dass, falls dieses aus irgend einem 
Grande als Testament nicht giiltig sei, es recht- 
lich als C. behandelt werden solle. In einem 
Testament vom J. 479 n. Chr. lautet sie: quod 
testamentum meum, si quo casu vel civili vel 

Upraetorio vel alia qualibet iuris rations valere 
non potuerit, etiam ab intestato vice codicillorum 
meorum valere Mud voleo (Bruns Pontes' 210). 
Doch waren auch andere Formeln zulassig, z. B. 
ravtr/v xi\v bia$i]xr\v f!ov?.ofiai sivai xvgiav sm 
naOTjs il-ovolae (Dig. XXVIII 1, 29) in griechi- 
scher Sprache, da ja bei den C. auf die Forma- 
litaten, zu denen audi die lateiniache Kechts- 
sprache gehorte, nichts ankam. Demgemass wurde 
beim Testament jede Erklarung, dass es ganz oder 

20 teilweise, auch abgesehen von seiner Eigenschaft 
als Testament, giiltig sein solle, als Codicillar- 
clausel betrachtet (Dig. V 2, 13. XXXI 77 §23. 
88 § 17). Diese wurde namentlich mit Vorliebe 
von Landleuten angewandt (Dig. XXIX 1, 3), die 
ihrer eigenen Rechtskunde misstrauten und keinen 
juristischen Beirat zur Hand hatten (Dig. XXXI 
88 § 17). 

Mit der steigenden Bedeutung der C. stellte 
sich das Bedttrfnis ein, fur eine sichere Beglau- 

30 bigung derselben Sorge zu tragen und ihre Form 
wenigstens soweit auszupragen, dass sich ein fest 
bestimmter letzter Wille von einer blossen, nicht 
rechtsverbindlichen Absicht unterscheiden lasse 
(Dig. XXIX 7, 17). Daher verordnete Constan- 
tius II. im J. 354, dass C, die nicht nur Ver- 
vollstandigungen eines vorausgegangenen Testa- 
ments enthielten, sondern selbstandig waren, um 
Gultigkeit zu erlangen, vor sieben Zeugen, gleich 
den Testamenten selbst, oder mindestens vor fiinf 

40 gemacht werden mussten, mochte dies nun miind- 
lich oder schriftlich geschehen (Cod. Theod. IV 
4, 1. 3 § 1). Die Zahl der Zeugen wurde spater 
auf drei herabgesetzt, aber 424 wieder auf fiinf 
erhoht und zugleich diese Art von Beglaubigung 
fur alle Arten von C. obligatorisch gemacht (Cod. 
Theod. IV 4, 7 § 2. Cod. lust. VI 36, 8 § 3. 
42, 22). Werden sie schriftlich abgefasst, so miissen 
sie, falls der Erblasser uberhaupt schreiben kann, 
entweder ganz von seiner Hand sein oder doch 

50 seine eigenhandige Unterschrift tragen, der die 
Zeugen dann auch die ihrige hinzufiigen sollen 
(Cod. lust. VI 23, 28 § 6. 36, 8 § 3). Unterlasst 
man diese Fcirmlichkeiten, so werden die C. zur 
blossen epistula fideieommissaria, die zwar an 
sich nicht wirkungslos ist, fur deren Echtheit 
aber ein ausdrlicklicher Beweis gefordert wird 
(Cod. Theod. IV 4, 2; vgl. Cod. lust. VI 22, 7. 
Isid. orig. V 24, 14. Dig. XXXII 37, 3). 

Im J. 389 verfiigte Theodosius der Grosse, 

60 dass der Kaiser und seine Familie nur solche 
Legate und Erbschaften annehmen diirften, die 
ihnen durch feierliches Testament hinterlassen 
seien, nicht auch durch C. oder epistulae (Cod. 
Theod. IV 4, 2. Symm. epist. II 13, vgl. rel. 7, 
1). Dieses Gesetz, das iibrigens in den justinia- 
nischen Codex aicht mehr aufgenommen ist, also 
wohl bald seine Geltung verlor, beruhte auf einer 
etwas iibertriebenen Durchfiihrung des Grund- 



179 



Codicilli 



Codicilli 



180 



181 



Codicilli 



Codicilli 



182 



satzes: ex imperfeeto testammto legato, vel fidei- 
eommissa imperatorem vindicare inverecundum 
est: deeet enim tantae maiestati eas servare leges, 
(juibus ipse solvtus esse videtur (Dig. XXXII 23; 
Tgl. XXVIH 1, 31. Cod. lust. VI 23, 3); denn 
in jener Zeit konnten die C. durchaus nicht mehr 
far ein imperfeetum testamentum gelten, wohl 
aber im 2. Jhdt. n. Chr. Denn damals batten 
wenigstens die c. testammto non confirmati noch 



waren sie wohl, gleich den Militardiplomen (CIL 
III p. 903), verschlossen und versiegelt, so dass 
man gewohnlich nur die aussere Aufschrift las 
und einzigzum Zwecke wichtiger Beurkundungen 
das Innere erofthete. Die Illustration dazu bieten 
die Insignienbilder der Notitia dignitatum. Hier 
zeigen die C. der vornehmsten Beamten, namlich 
aller viri inlustres und unter den spectabiles der 
Procohsuln, des Comes (Mentis und des Praefec- 



keine unbedingteRechtskraft, uDdebendiesscheint lOtus Augustalis, auf dem Deckel keine Schrift, 



der Grand gewesen zu sein, warum von Traian 
bis auf Antoninus Pius neben der procuratio here- 
ditatium noch ein besonderes kaiserKcbes Haus- 
amt a eodicillis bestand (Dessau 1529. 1530. CIL 
VI 6190. 8441), dem zeitweilig auch ein adiutor 
a eodicillis an die Seite trat (D e s s a u 1531). Beide 
Amter warden von Freigelassenen verwaltet. Wahr- 
scbeinlich war ihre Aufgabc, die C. daraufhin zu 
prflfen, ob der Kaiser die Vermachtnisse, die ihm 



sondem nur Verzierungen , bei denen die Mitte 
in der Regel von einem Kopfe oder zwei Kb'pfen 
(Or. V; Occ. IX) eingenommen ist, ohne Zweifel 
den Bildnissen des Kaisers oder der Kaiser. Bei 
den niedrigeren Amtern fehlt die superna codi- 
cillorwn impressio zwar mitunter, aber wohl nur 
durch Schuld der Abschreiber. Sie beginnt, wo 
sie erhalten ist, immer mit FL, was wohl feli- 
citer bedeutet. Dann folgt bei einigen C, die 



darin zugedacht waren, annehmen oder zuriick- 20 wahrscheinlich auf die Consulares zu beziehen 



weisen solle. Denn dass sie nicht mit den Be 
stallungsdecreten (s. u.), sondem mit den Erb- 
scbaften zu thun batten, ergiebt sich mit Sicher- 
heit aus Pronto ep. ad M. Caes. II 16 p. 37. 
Hier heisst es in Bezug auf die Hinterlassenschaft 
einer kaiserlichen Verwandten: urnde nihil Ega- 
tkeus aeceperit, und derselbe Egatheus ist uns 
als Preigelassener a eodicillis iiberliefert (Dessau 
1529. O. Hirschfeld Untersuchungen auf dem 



sind: Vol. costr. iussi. d. (Or. XLV 6. 8. 13. 
14. 22), bei dem Corrector (Occ. XLTV ; vgl. Or. 
XLV 30): Vele eorr. iussu d., bei dem Praeses 
(Occ. XLV; vgl. Or. XLV 31): Vm. prr. iussu 
dd., bei den Magistri Scriniorum: Valet, mag. 
epis. inss. dd. (Occ. XVII) und Vale mag. me. 
iussi d. (Or. XLV 24). Diese mannigfach cor- 
rumpierten Aufschriften sind wohl folgendermassen 
zn lesen : Vale consularis (bezw. corrector, praeses, 



Gebiete der rCmischen Verwaltungsgeschichte 60). 30 magister epistularum, magister memoriae) i; 

M. S. Mayer Die Lehre vor den Legaten und * ~" 

Fideicommissen I 59. F. H. Vering Romisches 
Erbrecht 697. Max Vincent Des Codicilles et 
des dispositions qui en font partie en droit Ro- 
main, Paris 1886. Paul Vincent Des h.r_dit_s 
fid&commissaires, Tours 1890. 

5) Wie der Kaiser ttberhaupt schriftliche Be- 
fehle in der kurzen Form der C. zu erteilen pflegte 
(Suet. Tib. 22; Cal. 55), so verlieh er auch Amter 



domini oder dominorum. Sie geben also an, 
welchen Amtstitel die Inhaber der C. auf Befehl 
des Kaisers oder der Kaiser erhalten haben. Die 
Magistri Scriniorum besitzen doppelte C. Das 
eine Exemplar zeigt die Inschrift, welche auch 
bei den meisten indices spectabiles, aber hier als 
einzige, wiederkehrt: Fl. \ intall \ comord\pr., das 
heisst: Feliciter! inter allectos comes ordinis 
primi. Hier ist also nicht der eigentliche Amts- 



und Wiirden durch ahnliche Urkunden (Tac. dial. 40 titel genannt, sondem nur angegeben, dass diese 



7), und zwar nicht nur die neuen kaiserlichen 
Amter (Suet. Claud. 29. Dig. XXVII 1, 41. Epict. 
IH 7, 30. CIG III 4033. 4034) , sondem auch 
die alten republicanischen, z. B. die Praetur (Suet. 
Cal. 18), bei welchen letzteren wohl diejenigen, 
die C. empfingen, als Candidati principis galten. 
Diese Schriftstiicke wurden auch von den Griechen 
meist HcodixMoi (CIG III 4033. 4034. Epict. Ill 
7, 30), nur wenn sie puristisch sehrieben, yoa/A- 



Beamten den Bang der comites ordinis primi 
besitzen und dass sie Senatoren inter allectos 
sind, d. h. solche, die den munera der Quaestur 
und Praetur nicht unterliegen (Gothofredus zu 
Cod. Theod. VI 4, 10). Wie die scriptura in- 
terior, also die eigentliche Urkunde, beschaffen 
war, zeigen die Formulare, die Cassiodor (var. 
VI. VII) fiir Ernennungsdecrete aller Art ent- 
worfen hat. Es waren wortreiche Prunkstucke, 



liazeia (Liban. orat. I 174. II 249) oder diXzoi 50 in denen die sogen. eloquentia der kaiserlichen 



genannt (Themist. XVIII 224 b. XXIII 292b. 293b. 
Liban. epist. 84. Ioh. Chrysost. in illud, vidi 
dominum horn. II 2 = Migne Gr. 56, 1 10). Uber 
ihre Form und Wirkung besitzen wir erst seit 
dem 4. Jhdt. genauere Nachrichten. Damals er- 
Melten die- hOchsten Wurden trager , namentlich 
die Praefecten , C. aus Gold und Elfenbein (The- 
mist. a. O. Ioh. Chrys. a. O.); die niedrigeren 
Beamten wahrscheinlich bronzene und holzerne. 



Kanzleibeamten sich breitmachte. Iustinian licss 
bei den Provincialheamten den C. noch mandata 
principis hinzufiigen, die nicht etwa specielle 
Anweisungen , sondem nur wertlose allgemeine 
Ermahnungen cnthielten, also die Schreiberei bei 
den Anstellungen ganz uberflfissigerweise ver- 
mehrten (lust. Nov. XVII. XXV 6. XXVI 5 

xxvii i. xxvni 7. xxix 5, 1. xxx 9, i). 

Die Ausfertigung der C. lag dem primicerius 



in emem Gesetze Constantins (Cod. Theod. VI 22, 60 notariorum ob (Claud, epith. Pall. 85. Nov. lust. 



1) heisst es: si quis iudieio nostro se adeptum 
eodicillos adstruxerit et idem vel superna eodi- 
tiUorum impressio vel scriptura adstipidetur 
interior. Die eigentliche geschriebene Urkunde 
befand sich danach im Innern der zugeklappten 
Tafeln , doch trugen sie teilweise auch auf der 
Aussenseite eingravierte Schrift (impressio), die 
von dem Inhalt Kunde gab. In diesem Falle 



XXV. XXVI. XXVII fin.), dem zu diesem Zweck 
das laterculum ubergeben war, d. h. ein Ver- 
zeichnis samtlicher Amter des Reiches, aus dem 
die erhaltene Notitia dignitatum geflossen ist (Not. 
dign. Or. XVHI; Occ. XVI; vgl. Nov. lust. XVII 
pr.). Spater wurden die Praeposituren einer An- 
zahl Cohorten und Alen als minus laterculum 
abge-weigt (Not. dign. Or. XXVUI 23. XXXI 42. 



XXXII 32. XXXIII 29. XXXIV 31. XXXV 26. 
XXXVI 31. XXXVH 24. XXXVIII 20. XL 44) 

und dem Quaestor sacri Palatii unterstellt, der 
ihre Ernennungsdecrete mit Hillfe des Scrinium 
memoriae ausstellen sollte, eine Competenz, die 
durch wiederholte Gesetze gegen die tJbergriffe 
der Magistri militum geschutzt werden musste 
(Cod. Theod. I 8, 1—3). Im 6. Jhdt. sind die 
beiden latercula wieder vereinigt und dem Pri- 
micerius, der von den Laterculenses unterstiitzt 
wird, ubergeben (Nov. lust. XXV. XXVI. XXVII 
fin.), wahrscheinlich aber unter Oberaufsicht des 
Quaestors gestellt (Nov. lust. XVII pr.), weshalb 
die Quaestur auch von Cassiodor (var. VI 5, 5) 
genetrix omnium dignitatum genannt wird. Doch 
ist spater im italischen Ostgothenreiche der 
Primkeriatus sacrarum largitionum vereinigt, wo- 
durch auf diese die Ausstellung des C. ubergeht 
(Cassiod. var. VI 7, 4, 5). Seeck Herm, XI 71. 

C. kommen in der Regel nur bei Einzelbeamten 
vor, nicht bei denjenigen, die man technisch mi- 
litantes nennt, d. h. den Mitgliedern der Beamten- 
corpora, wie es die Notarii, die verschiedenen 
Palatini, die Officiales waren. Diese erhalten ihr 
Amt nicht durch eine besondere Urkunde, sondern 
durch Eintragung in die matricula des Corpus 
(s. Matricula). Ist dazu personliche Erlaubnis 
des Kaisers erforderlich, wie das bei einigen hoch 
geachteten Militiae vorkommt, so erfolgt sie nicht 
in der Form der C, sondem der adnotatio (Cod. 
Theod. VI 30, 18. Cod. lust. XII 59, 10) oder 
probatoria sacra (Cod. Theod. VHI 7, 21—23. 
Cod. lust. I 31, 5. XII 20, 3 § 2. 57, 2. 59, 9. 10. 
Ioh. Lyd. de mag. Ill 2. Cassiod. var. VII 43). 
Nur mit den Notarii, als den Vornehmsten unter 
den Militantes, scheint man im 6. Jhdt. eine Aus- 
nahme gemacht zu haben, da die Formel ihrer 
Ernennung bei Cassiodor (var. VI 16) mitten 
unter den Formeln der C. steht. 

Eine besondere Stellung nahmen die c. kono- 
rarii ein, durch die nicht das Amt selbst, son- 
dem nur Titel, Ehren und Privilegien desselben 
in der Weise veTliehen werden, als wenn man es 
vorher bekleidet hatte. Der so Begiinstigte wird 
also, um Beispiele anzufiihren, ex praefectis prae- 
torio oder ex comitibus , ohne vorher Praefect 
oder Comes gewesen zu sein. Solche Schein- 
wtirden nannte man dignitates codieillariae (Cod. 
Theod. VI 22, 7) oder eodieillares (Hist. Aug. 
Alex. Sev. 49, 2). Das alteste Beispiel, das bis 
in den Anfang der Kaiserzeit zuriickgeht, ist die 
adleetio in den Senat, wobei man entweder inter 
quaestorios oder inter aedilieios oder inter prae- 
torios, seit dem 3. Jhdt. auch inter consulares 
in die Senatsliste eingetragen wurde und damit 
ganz dieselben Rechte erlangte, als oh man vor- 
her Quaestor, Aedil, Praetor oder Consul gewesen 
ware (s. Bd. I S. 367). Die consulares ae praetorii 
codicilli (Cod. Theod. VI 4, 23) befreiten also 
von der Praetur und alien niedrigeren Amtern 
nebst den Leistungen, mit denen ihre Bekleidung 
verbunden war. 

Bei Lactam (div. inst. V 14, 18; de mort. 
pers. 21, 3) linden wir dann die fruheste Erwah- 
nnng, dass man angesehenen Decurionen die ima- 
ginaren. Wurden eines Praeses mit dem Titel vir 
perfectissimus oder eines rationalis mit dem 
Titel vir egregius verlieh (Wurden : Cod. Theod. 



VI 22, 3. VIII 5, 23; vgl. VII 23. XII 1, 14. 26. 
Titel: Lact. a. O. Cod. Theod. VI 22, 1. 37, 1. VIII 
4, 3. X 7, 1. 20, 1. XII 1, 5; beide verbunden Cod, 
Theod. XII 1, 26. 42 ; die eentena und ducena sind 
hehere Grade des Egregiats). Diese Chung muss 
also noch auf Diocletian zuruckgehen. Constantin, 
der in seiner Gutmiltigkeit mit Gunstbezeugungen 
aller Art sehr freigiebig war, verwandte in dem 
gleichen Sinne auch die dritte hohere Wurde des 

10 Comes (Euseb. vit. Const. IV 1). Dadurch wurde 
der Egregiat bald so gemein, dass er alien Wert 
verlor und man ihn zu verleihen aufhOrte (letzte 
Erwahnung vom J. 365, Cod. Theod. Vffl 5, 23), 
wodurch die Comitiva und der Praesidat oder 
Perfectissimat zu den niedrigsten Titularehren 
wurden (Cod. Theod. VII 23. XII 1 , 36. 42). 
Doch schlossen sich hohere an, und seit Valen- 
tinian I. wurden auch die allerhochsten Amts- 
titel in dieser Form verliehen: Praefectura prae- 

20 torio und urbis, Cod. Theod. VI 22, 7. Nov. lust. 
70 (der Vater des Ausonius wurde in diesem 
Sinne Praefeetus Illyrici, Auson. epiced. in patr. 
52), Magisterium militum, Cod. Theod. VI 22, 4, 
Magisterium officiorum, Cod. Theod. VI 10, 4, 
Proconsulat, Vicariat, Consularitas, Cod. Theod. 
VI 22, 5. 7 u. s. w. 

Die Gelegenheiten fiir die Verleihung von ko- 
norarii c. pflegten folgende zu sein: Wer ein 
niedrigeres Amt bekleidet hatte, erhielt nach 

30seinem Riicktritt die C. eines hoheren, wie bei 
uns die Hauptleute mit dem Charakter als Major 
entlassen werden. So gab es friihere Vicare, die 
den Titel ex praefectis praetorio fuhrten, friihere 
Praesides mit C. von ex vicariis, ex proconsuli- 
bus , ja sogar ex praefectis , bis Theodosius im 
J. 383 verordnete, dass bei Strafe von 20 Pfund 
Gold keiner um einen hoheren Titel petitionieren 
dflrfe, als der in der Rangfolge unmittelbar iiber 
dem thatsachlich von ihm bekleideten Amte stand 

40 (Cod. Theod. VI 22, 7; vgl. 5). 

Wenn die Militantes aus ihrem Corpus aus- 
treten , empfangen sie oft bei der Entlassung c. 
honorarii (Cod. Theod. VI 22, 1. 5. 6. Vffi 5, 
23. XIII, 5. Cassiod. var. VI 13). So konnen aus- 
gediente Caesariani und Primipilares zu viri egregii 
oder viri perfedissimi werden (Cod. Theod. VIII 
4, 3. X 7, 1), scriniarii zu ex comitibus consisto- 
rianis (Cod. Theod. VI 22, 8 § 1), notarii zu ex 
magwtris officiorum (Cod. Theod. VI 10, 4. Cod. 

50 lust. XII 7, 2 § 5. Cassiod. var. VI 16, 4) u. s. w. 
Ubrigens konnte man auch wahrend des Amtes oder 
Dienstes durch C. die comitiva primi, secundi oder 
tertii ordinis erhalten, die dann als leerer Titel 
neben den des eigentlichen Amtes trat, dessen 
Pflichten in keiner Weise veranderte, wohl aber 
seinen Rang etwas steigerte (s. Comites). 

Der Decurione, der als Gesandter seiner Vater- 
stadt oder Provinz an den Hof gekommen war. 
wurde oft durch honorarii c. geehrt (Cod. Theod. 

60 VI 22, 1. Vin 5, 23. XII 1, 25. 36). 

Ausserdem wurden sie durch Fiirsprache aus 
der Umgebung des Kaisers, die oft mit Geld oder 
Versprechungen erkauft war, auch ohne besonderen 
Anlass verliehen fCod. Theod. VI 18, 1. 22, 1. 
2. XII 1, 5. 25. 26. 27). 

Ubrigens bedeuteten die honorarii c. ur- 
spriinglich keine blosse Spielerei mit leeren Titeln, 
sondern sie hatten auch einen praktischen Wert. 



183 



Codrio 



Coelius 



184 



Demi wie die adlectio inter consitlares oder inter man lhn dem Chrysondyon (X^vaovdvatv) des Pol. 

praetorios von den senatorischen Leistungen ent- V 108, 2 gleichstellen darf, wie Palmerius Graec. 

band, so der Egregiatus und die hcheren Titular- ant. 209 und Leake a. a. 0. vermuteten, iat 

■wflrden von den Munera der municipalen Curien fraglich, obwohl dort offenbar auf dieselbe Gegend 

■(Cod. Tbeod. VI 22, 2. VIII 5, 23). Dies fuhrte Bezug genommen ist; vgl. Dimitsas 'Aqz- ysarrs- 

dazn, dass viele Decurionen sich honorarii o. er- ifjg Maxed. U 629ff. [Oberhummer.] 

schlichen oder erkauften, wodurch die Verwaltung Codrus. 1) Als Typus eines mittellosen Pri- 

der Stadte ernstlich geschadigt wurde. Diesem vatgelehrten , der dann vollends an den Bettel- 

Missbrauch traten die Kaiser schon seit Constantin stab gebracht wird, angeffihrt bei Iuven. Ill 208 
■entgegen. Znerst wird die befreiende Wirkung 10 —211. 

der honorarii e. beschrankt (Cod. Theod. VI 22, 2) Dichtereiner Theseis, Iuven. 12, s. Cordus. 

1), dann die Bewerbung leistungspflichtiger De- Sonst s. Kodros. 

-curionen unter Strafe gestellt (Cod. Theod. XII Coduzabala, Ort in Kappadokien, zwischen 

1, 24. VI 22, 2) und ihre erschlichenen Ehren Arasaxa und Komana Cappadociae, Itin. Ant. 180. 

vernichtet (Cod. Theod. XII 1, 25. 26. 27. 36); 181. 210. 213, von Ramsay Asia Minor 272 bei 

«ndlich wird verfiigt, dass sie die Titel ganz Keui Yere am Seihun (Saros) angesetzt ; richtiger 

oder teilweise behalten sollen, aber ohne dadurch vielleicbt ist es dort zu suchen, wo sich der Weg 

von den Munera befreit zu werden (Cod. Theod. fiber den Tedioluk-Pass nach Kaisarieh und nach 

XII 1, 42. Nov. lust. 70). Zuletzt setzte sich Azizie gabelt, Ruge Philol. hist. Beitr. C. Wachs- 
der Brauch fest, den Decurionen, wenn sie alle 20 ninth fiberreicht 27. [Kuge.] 

ihre Leistungen erfiillt hatten , gewissermassen Coeciva. Appifa] Veturia Airula Coeeiva 

als Quittung den Titel ex eomitibus zu gewahren Sabinilla s. Appius Nr. 22. 
und sie in dieser Form von weitcren Pflichten Coedamnsii (Koidauovmoi ; auch Krj6au., Ki- 

gegen ihre Curien freizusprechen (s. Comites). dau. flndet sich in Hss.), Volkerschaft im Ost- 

Als Valentinian I. die Rangklassen schuf, lichsten Teile von Mauretania Caesariensis (der 

scheint er sogleich verfttgt zu haben, dass die- spateren Sitifensis), PtoL IV 2, 21. Hierher ge- 

jenigen, welche nur eine Titularwiirde besassen, hOrt auch ohne Zweifel der in der Vandalenzeit 

im Vortritt und den sonstigen Ehrenrechten hinter unter den Bischofen von Mauretania Sitifensis 

denen zuruckstehen sollten , die das betreffende erwahnte episcoptis Cedamusensis (Not. ep. Maur. 
Amt thatsachlich bekleidet hatten (Cod. Theod. 30 Sitif. 29 in Halms Victor Vitensis p. 70). 
VI 22, 4). Dies Princip ist denn auch von den [Dessau.] 

spateren Kaisern beibehalten, aber zugleich die Coedes, wird unter den liberti improbi des 

Stellung der einzelnen Titel in der Rangordnung Kaisers Verus genannt, Hist. Aug. Ver. 9, 5. 
genauer fixiert worden (Cod. Theod. VI 22, 5 — 8. [Stein.] 

Cassiod. var. VI 10,4. Cod. lust. Xn 8, 2). Seit Coelerni, eine kallaekische Volkerschaft in 

dem Anfang des 5. Jhdts. werden dann die di- Hispania Citerior, in den Listen des Agrippa und 

gnifates vacantes als die hOher geehrten und pri- Augustus eine von den oivitates des Bezirks von 

vilegierten von den dignitaies konorariae unter- Bracara (Plin. in 28 Coelerni) ; sie trug im J. 79 

schieden. Beide werden durch C. ohne das ent- mit anderen zum Bau einer der Strassen von Bra- 
sprechende Amt verliehen, aber die ersteren 40 cara nach Asturica bei (CIL II 2477 = 5616 

schliessen sich an ein thatsachlich bekleidetes, Coelerni). Ptolemaios nennt KodeQivwv Kotho- 

wenn auch niedrigeres Amt oder an den Austritt pQiya (II 6, 41); es ist nicht nOtig, dafiir Koi- 

aus einem Beamtencorpus an, wahrend die letz- XeQivofaiya. zu schreiben (mit K. M filler zu 

teren keine solche Voraussetzung haben (Cod. Ptolem.); vgl. Caelobriga. Die Wohnsitze der 

Theod. VI 18. Cod. lust. XII 7, 2 § 5). Spater Coelerner werden am oberen Durius zu suchen 

werden fur Rangordnung und Privilegien noch sein. [Hiibner.] 

die feineren Unterschiede gemacht, ob man die Coeletae s. Koiletai. 

€. mit dem Cingulum, d. h. mit der Amtstracht, Coelianus. 1) Einer mangelhaft liberlieferten 

oder ohne dieselbe erhalten, ob sie vom Kaiser Inschrift zufolge Statthalter von Lusitanien unter 
persiinlieh iibergeben oder dem Abwesenden zu- 50 Severus und Caracalla (CIL H 259, vgl. p. 693 

geschickt sind (Nov. Theod. XXV 4ff. Cod. lust. Olisipo ; als Praenomen und Gentilnamen vermutet 

XII 8,2). Doch scheinen diese Unterscheidungen Hubner D. Iulfiusl]). [Groag.] 

sich nur im Orient behauptet zu haben ; im Oc- 2) T. Flavius Coelianus, Consul suffectus im 

ddent fliessen schon seit der Mitte des 5. Jhdts. J. 289 n. Chr., CIL X 3698. 4631. [Seeck.] 
die vacantes dignitates schon wieder mit den ho- Coelius, plebeische Familie, zur Tribus Aerailia 

norariae zusammen, Nov. Val. VI 3 § 1. Cas- gehflrig (Viereck Sermo Graecus 23 nr. 15, 16) 
siod. var. VI 16, 4. n 15, 2. 16, 2. VI 10—12. 1) L. Coelius, befehligte im J. 585 = 169 als 

Gothofredus ad Cod. Theod. VI 22. Mommsen Legat in Illyricmn, wurde bei einem Angriffe auf 

Neues Archiv XIV 509. [Seeck.] Uskana im Gebiet der Penesten von der makedo- 

Codrio (?, Hss. Codrionem, vgl. Weissen- 60 nischen Besatzung zuriickgeschlagen und konnte 

born z. St.), heisst bei Liv. XXXI 27, 5 eine sich nur der den ROmern treu gebliebenen Stadte 

feste Stadt im sudlichen Illyrien, unweit Anti- versichern (Liv. XLLTI 21, 1 — 3). Vermutlich 

patria (s. d.), welche im J. 200 durch L. Apustius, ist mit ihm der Munzmeister L. Cotifius) aus 

den Legaten des Consuls P. Sulpicins Galba, be- derselben Periode identisch (Mommsen Miinz- 

setzt wurde. Nach Leake North. Greece HI wesen 509 nr. 65). 

326ff. und Desdevices-du-Dezert Geogr, anc. 2) P. Coelius, Praetor urbanus mit Verres 

de la Maced. 231f. ware der Ort in der Gegend 680 = 74 (Cic. Verr. I 130). [Miinzer.] 

von Tomor (Ostlich von Berat) zu suchen. Ob 3) Q. Coelius L. f., qfuaestor), pro pr(aetore) 



185 



Coelius 



Coelius 



186 



tx sfematus) ctonsuUo) [vgl. Mommsen St.-R. den Africaumsegler, welchen C. nach Pirn. n. h. 

is 676, 5 IIS 674, 2], aedfilisj V l(ebis) Cer(ia- H 169 gesehen hat (frg. 56), mit Eudoxus von 

lis) vr(aetor), brachte der Concordia ein Weih- KyTene identificiert, dessen Expedition nach Le- 

geschenk dar pro incolumitate K. Caesaris . . tronne (Recueil des inscriptions grecques et la- 

Atujusti, wahrscheinlich im J. 16 n. Chr., als tines de TEgypte I 58ff.) eimge Jahre nach 117 

wegen der Entdeckung der VerschwOrung Libos anzusetzen ist. C. kOnnte also jene JNotiz aucft 

von Senatswegen Weihgeschenke an luppiter, erst friihestens einige Jahre nach 117, vielleicnt 

Mars und Concordia beschlossen worden waren aber erst erheblich spater niedergeschneben haben, 

(Tac ann II 32) CIL VI 91 (dazuHenzens vorausgesetzt, dass Neumanns Annahme ncntig 
Anm • die Amterlaufbahn ist in der Inschrift in 10 ist. Aber eben dies scheint trotz H. Peters Zu- 

absteigender Reihenfolge angegeben). stimmung ( Jahresber LXXVI 111) doch recht zwei- 

41 Roscius Coelius s. unter Roscius (M. Ro- felhaft. Sicher ist dagegen, dass C. die gracchi- 

scius Coelius, cos. 81) und unter Pompeius (Q. schen Unruhen und den /Tod des C. Gracchus er- 

Roscius Coelius Murena . . . Pompeius Falco, cos. lebt hat (vgl. Cic. de div. I 56 und Val. Max. 

um 109; Q. Pompeius Senecio Roscius Murena I 7, 6). 

Coelius . . Sosius Priscus, cos. 169). Die Hypothese Meursius-Pluss-Sieglin. 

51 Coelius Amarantus, an den ein Rescript Unter dem Namen des C. sind uns bei Nonius,, 

des Kaisers Antoninus Pius, Callistr. Dig. XLIX Charisius, Priscian u. a Grammatikern femer 

u i 2 [Groag.] bei Livius, Cicero, Quintilian u. a. eimge 60 J! rag- 
' 6) C" (Coelius) Antipater. P. Albinovanus er- 20 mente erhalten. Wo der Titel des Werkes ge- 

mordete im Blirgerkriege 672 = 82 unter anderen nannt wird, lautet er histortae, nur Nonius ge- 

Unterfeldherrn des Norbanus auch r<xiov Avxi- braucbt constant den Namen annates, Ucero ci- 

xaxoov (Appian. bell. civ. I 91), der wohl ein Ver- tiert einmal (orat. 230) das helium Pumcum. 

wandter des Historikers Nr. 7 sein muss, da sein Es lag nahe, diese Titel demselben Werke zuzu- 

Cognomen sonst in republicanischer Zeit nicht weisen, zumal unter alien drei Bezeichnungen 1* rag- 

begegnet [Munzer.] mente iiberliefert sind, die auf das helium Manm- 

7) L." Coelius Antipater, der Annalist, Be- balwum zu beziehen sind. In der That sind. 

CTflnder der historischen Monographie in Rom. schon Antonius Augustinus (Coll. fragm. rlist. 

Sein Geburtsjahr ist nicht iiberliefert. Doch haben Lat., Antv. 1595 , 32) und P o p m a (Fragm. 
wir neben der allgemeinen Notiz bei Veil. II 9, 30 Hist. vet. Lat., Amstelod 1620, 44) dieser Mei- 

6, dass C. alter als Sisenna (geb. ca. 119) war, nung gefolgt und haben hierbei die Zustimmung 

noch Anhaltspunkte an Cic. Brut. 102, wonach der meisten Gelehrten gefunden Nur Meursms 

C. Lehrer des L. Crassus (geb. ca. 140) in der (Macrobii opera cum notis Pontam etc. , Lugd. 

Rechtswissenschaft war, und an Cic. de leg. I 6, Batav. 1670, 202) stellte die Hypothese auf, dass 

wo C. ein Altersgenosse des Fannius (cos. 122) C. zwei Werke, em helium Pumcum sweanruites 

genannt wird, so dass wir zu der Annahme be- und Historien fiber die ganze Geschichte Roms 

rechtigt sind, dass C. zwischen 180 und 170 ge- verfasst habe. Langeblieb diese Ansicht unbe- 

boren ist (Meltzer De L. Coelio Antipatro belli achtet, bis Pluss sie in der sechsten These seiner 

Punici secundi scriptore, Lps. 1867, 6 und H. Bonner Dissertation De Cincus, 1865, wieder zur 
Peter Veterum historicorum Romanorum reli- 40 Geltung zu bnngen suchte. Eingehende Begrun- 

quiae, Lps. 1870, CCXIV befurworten 174 als dimgundVerteidigungfandsiedanndurch fcieglin 

Geburtsjahr). Aus seinem Beinamen Antipater (Jahrb. f. Philol. Suppl. B. XI Iff.). In das Hi- 

hat man geschlossen, dass C. griechischer Abkunft storien betitelte Werk verweist Sieglin alleFrag- 

und Freigelassener eines C. gewesen sei. Dem mente des C, welche antiquarisch-historischen In- 

widerspricht aber Suet. rhet. 3, wo berichtet wird, halts sind und sich auf Sagengeschichte, Volker- 

dass nach Nepos Voltacilius. der Lehrer des Pom- kunde, Wortforschung und dergl. beziehen Das- 

peius, der erste Freigelassene war, welcher sich selbe soil ,mit der wesenthchen Tendenz, nebenbei 

der Geschichtsschreibung widmete (vgl. H. Peter Griechenland mit Rom in Verbmdung zu bnngen, 

Rell CCXV). Auch hat schon F. Lachmann (De in den italischen Stadten das Werk griechischer 
fontibus historiarum Titi Livii commentatio duplex 50 Ansiedler zu suchen und zu erbheken' (b. 78) , ein 

Gott 1822 1828 II 19) mit Recht darauf auf- Seitenstuck zu des Cato Ongines gewesen sein 

merksam gemacht, dass ein Freigelassener in jenen und die Geschichte Roms bis mmdestens zum 

ZeitenkaumdieRechtskenntnisundRedegewandt- Standekampf herabgefuhrt haben. Beendet sei 

heit besessen haben kann, die Cic. Brut. 102 und das Werk wegen des von C. erwaluiten lodes 

Pomp Digest. I 2, 2, 40 dem C. nachruhmen; des C. Gracchus (vgl. Cic. de div. I 56) nach lil, 

denn diese beiden Eigenschaften weisen zwingend wahrend das helium Pumcum wegen der _ von 

auf eine Offentliche Thatigkeit des C. als Advoeat Sieglin vertretenen Benutzung des C. durchPo- 

hin (vgl. Cic. de orat. II 55). Vielleicht war er lybios mindestens vor 144 geschneben sei. ljotz 

aber der Sohn eines Freigelassenen (Lachmann der Einwande. welche namenthch Unger, txil- 
a O H 19). Seine Lebensschicksale sind uns60bert und Pohlmann im Philol Anzeiger A 

sanz unbekannt. Im Staatsdienste scheint er nie 384ff. erhohen, und denen auch K. J. Neumann 

thatig gewesen zu sein, deimoch aber muss er (a. O. 388) beipflichtete, hielt Sieglin m der 

eingrossesAnsehengenossenhaben. Dafiir spricht, Berl. philol. Wochenschr. 1883, 1451ff. an seiner 

dass viele, darunter auch L. Crassus, seine Schuler Meinung fest und fand Unterstutzung an Z arnc k e, 

waren, vor allem aber. dass ihn L. Crassus seiner welcher Sieglins Hypothese in der Wochenschr. 

vertrauten Freundschaft wurdigte (Cic. de orat. f. klass. Philol.-1888, 515 noch weiter zu be- 

n 54) Wann C. gestorben ist, wissen wir auch grunden suchte. Aber wirklich uberzeugende Be- 

nicht K. J. Neumann (Philol. XLV 385ff.) hat weise haben weder Sieglin noch Zarncke bei- 



187 



Coelius 



Coelius 



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Coelius 



Coelius 



190 



zubringen vermocht, dagegen muss es auffallen, 
<lass schon Gellius, welcher nach Sieglins An- 
sicht wie die andern Grammatiker das helium 
Punicwn als das altere coelianische Werk zur 
€harakterisierung seiner Schreibweise verwendet, 
<lafur den Titel des angeblichen antiquarischen 
Werkes Historien anfiihrt, wahrend dieses nach 
Sieglin doch noch Jahrhunderte lang bekannt 
gewesen sein muas, da es noch v<m Servius ein 



Composition. Wie C. seinen Stoff, die 18 Jahre 
des hannibalischen Krieges, auf die sieben Biicher 
seines Werkes verteilte, vermogen wir niir mit 
Hiilfe der Fragmente zu beurteilen. Von diesen 
aus versuchten einen Einblick in die Composition 
zuerst Nauta (Ann. acad. Lugd. Batav. 1820/21) 
und Groen van Prinsterer (ebd.) zu gewinnen. 
Es folgten spaterMeltzer (a. 0.), H. Peter (Rell. 
und Fragm.), Gilbert (Jahrb. f Philol. Suppl. 



gesehen sein soil. Wir miissen daher wohl mit 10 B. X 365ff.), Sieglin (ebd. XI Iff.) und Unger 



Recht alle diese antiquarischen Fragmente Di- 
gressionen zuweisen und ihre recht betrachtliche 
Anzahl aus der noch zu behandelnden eigentiim- 
lichen Schreibweise und Tendenz des C. erklaren. 
Bedeutung und Umfang des coelianischen Wer- 
kes. Das Werk des C. bedeutet einen wichtigen 
Wendepunkt in der Geschichte der romischen 
Historiographie. Denn C. ist der erste RSmer, 
welcher mit der alten Weise der Annalisten, die 



(Philol. XL 183ff ,.). Da jedoch die geringen Eeste 
teils ganz allgemeinen Inhalts sind, teils eine 
ganz verschiedene Deutung zulassen, und nur ver- 
haltnismassig wenige auf ganz bestimmte Ereig- 
nisse zu beziehen sind, so weichen die Ergebnisse 
dieser TJntersuchungen sehr von einander ab. 
Ganz eigenartig ist das Resultat, za welchem 
Gilbert kommt. Indem er namlich von der 
Annahme ausgeht, dass C. vorzugsweise die Thaten 



Gescbicke Roms von den sagenhaften Anfangen 20 des Scipio habe schildern wollen, weist er den 



an zu berichten, bricht und sich auf die Dar- 
stellung eines kurzen Zeitabschnittes , des zweiten 
punischen Krieges, beschrankt. Dass C. mit diesem 
Kriege begann, beweist Cic. or. 229 = frg. 1 
(vgl. H. Peter Rell. CCXV); auch ftihrte das 
erste Buch schon bis 217, vielleicht sogar bis 
216. K r a u s e s (Vitae et fragmenta veterum histo- 
ricorum Romanorum, Berol. 1833, 184) Vermutung, 
dass C. schon betm ersten punischen Kriege ein 



eTsten beiden Biichern, die danach gewissermassen 
nur eine ausfuhrlichere Einleitung bilden, nicht 
weniger als 8 1/2 Kriegsjahre zu. wahrend sich 
,die ubrigen 9 ] / 2 Kriegsjahre auf funf Biicher 
verteilen. 

Quellen des C. und Art ihrer Benutzung. An 
Quellen hatte C. keinen Mangel. Die hohe Be- 
deutung des Entscheidungskampfes zwischen Rom 
und Karthago und das grosse Interesse, -welches 



setzte , entbehrt also der Begrundurig. Dafiir, 30 demselben fortdauernd entgegengebracht wurde. 



dass das Werk nicht liber den zweiten punischen 
Krieg hinausreichte , spricht der Umstand, dass 
im siebenten Buche ein Gefecht geschildert war, 
welches im J. 203, also ziemlich am Ende des 
Krieges, geliefert wurde. Mehr als sieben Biicher 
werden aber nirgends citiert, auch sind nur zwei 
Fragmente erhalten, welche Thatsachen aus spa- 
terer Zeit berichten. Da nun diese beiden Frag- 
mente, die Erwahnung eines von C. persbnlich 



Hess eine verhaltnismassig umfangreiche Litte- 
ratur emporbliihen, die sich mit den Ereignissen 
und den Mannern jener grossen Zeit beschaftigte. 
Gilbert (a. O.) nimmt als unzweifelhaft an, dass 
C. alles gekannt habe, was iiber den hannibali- 
schen Krieg geschrieben war. Ob dem so ist, 
lasst sich kaum entscheiden. Doch haben die zahl- 
reichen Untersuchungen , welche im Anschlusse 
an die Frage iiber das Verhaltnis zwischen Li- 



gekannten Africaumseglers und eines Traumes des 40 vius und C. auch die Quellen des C. behandelten, 



C. Gracchus, leicht ihren Platz in Digressionen 
gehabt haben konnen, so ist es zum mindesten 
unwahrscheinlich, dass C, wie Lachmann (a. 0. 
II 20) und Krause (a. 0. 184) vorschlugen, die 
Geschichte Roms bis auf seine Tage herabgefuhrt 
habe. 

Widmung. C. widmete sein Werk nach der 
hsl. Uberlieferung von Cic. orat. 230 dem Laelias. 
Damit lasst sich aber kaum vereinigen, dass C. 



namentlich die von Bottcher (Jahrb. f. Philol. 
Suppl. B. V 353ff.), Gilbert (a. 0.) und Sieglin 
(a. 0.) dargethan, dass C. das sich ihm bietende 
Quellenmaterial nach Kraften ausgenutzt hat. 
Dass er sehr viel aus den Annalen des Q. Fabius 
Pictor schopfte, ist bei der grossen Bedeutung, 
welche dieses Werk eines hervorragenden Zeit- 
genossen des zweiten punischen Krieges natur- 
gemass hatte, begreiflich und auch allgemein an- 



in seiner Schrift den Tod des C. Gracchus er- 50 erkannt worden. Auch Catos Origines hat C. 



zahlte (frg. 50), den Laelius schwerlich noch er- 
lebt hat. Daher hat schon Pop ma (a. 0.) L. 
Aelius fur Laelius vermutet; diese Conjectur 
erhielt nicht nur den Beifall vieler Gelehrten, 
sondern fand auch Unterstfltzung durch eine Ent- 
■deckung von Marx (Studia Luciliana, Diss. Bonn. 
1882, 96), welcher an der Hand der besten Codices 
zu dem Schlusse kam, dass die an L. Aelius ge- 
richteten Worte bei Cornif. ad Her. IV 18 gar 



oft und gem herangezogen. Zweifelhaft bleibt 
die Benutzung des L. Cincius Alimentus, welche 
Betteher (a. 0.) annahm; dagegen folgte er 
sicher dem Ennius (vgl. Fronto ad M. CaesaTem 
IV 3 Ennius eumque studiose aemttlatus L. Coe- 
lius). Ferner ist von Keller (Der zweite puni- 
sche Krieg und seine Quellen, Marburg 1875) 
ausgefuhrt und von Sieglin (a. 0. 54) nachdruck- 
lich gebilligt worden, dass C. auch Memoiren des 



nicht dem Lucilius, sondern dem C. angehoren. 60 Scipio ausgebeutet hat; derselben Meinung ist 



Hierdurch sab. sich sogar H. Peter, welcher vor- 
her (Rell. CCXVII adn, 1) fur die Widmung an 
Laelius eingetreten war, veranlasst, an Stelle des 
Laelius den L. Aelius zu setzen (Historicorum Ro- 
manorum fragmenta, Lps. 1883 p. XIII). Indessen 
sind damit noch nicht alle Zweifel gehoben, wie 
Peter selbst zugiebt, eingehender aber Sieglin 
<Berl. Philol. Wochenschr. 1883, 1450f.) begriindet. 



Gilbert(a.O.). Selbst an untergeordneten Quellen, 
wie an der laudatio des Marcellus durch seinen 
Sohn, ging C. nicht voruber (vgl. Liv. XXVn 
27, 13 = frg. 29). Einen ganz besonderen Wert 
erlangte die Schrift des C. aber dadurch, dass 
in derselben zuerst von alien historischen Dar- 
stellungen der ROmer auch gegnerische Quellen 
verwertet wurden. Aus Cic. de div. I 49 erfahren 



wir namlich, dass C. den Begleiter und Geschichts- 
schreiber des Hannibal, Silen, benutzt hat. Dass 
dies aber nicht nur gelegentlich geschah, dass 
Silen vielmehr haufig die Hauptquelle des C. war, 
hat Bujak (De Sileno scriptore Hannibalis, Diss. 
KOnigsb. 1859) iiberzeugend dargethan. Gilbert 
{a. 0.) denkt auch an Philinus, kann aber keine 
stichhaltigen Griinde dafiir beibringen. Schliess- 
lich beriicksichtigte C. auch die miindliche Tra- 
dition, ja er legte ihr sogar einen so hohen Wert 10 
bei, dass er sich nicht scheute, ihr zu folgen, 
wenn sie den schriftlichen Berichten widersprach. 

Diese Fiille von Quellen, vor allem aber die 
Heranziehung gegnerischer Autoren macht es von 
vornherein wahrscheinlich, dass das Urteil des 
Val. Max. I 7, 6, C. sei ein eertus kistoriae Ro- 
manae atietor, nicht unberechtigt war, dass C. 
vielmehr wenigstens den Willen hatte, Kritik zu 
iiben und die Wahrheit zu berichten. Dafiir haben 
wir aber auch noch andere Anzeichen : seine eigenen 20 
Worte ex scriptis eorum, qui veri arbitrantur 
{frg. 2), ferner den Wert, weichen Livius seinen 
Berichten beilegt (vgl. H. Peter Rell. CCXXVI), 
schliesslich sein offenknndiges Streben, unter 
den verschiedenen Versionen fiber den Tod des 
Marcellus die richtige herauszufinden (vgl. Liv. 
XXVII 27, 13). Schon Nauta (a. 0. 16f.) hat 
daher dem C. Wahrheitsliebe und Gewissenhaftig- 
keit in der Benutzung der Quellen nachgeriihmt, 
und zu demselben Schlusse kommen B0ttcher30 
(a. 0.), Gilbert (a. 0.), Sieglin (a. 0.), Voll- 
mer (Die Quellen der dritten Decade des Livius, 
Progr. Diiren 1881) und Soltau (Livius' Quellen 
in der dritten Decade, Berl. 1894). Auf der andern 
Seite ist C. aber auch heftig angegriffen worden, 
namentlich von Wolfflin (Antiochus von Syracus 
und Coelius Antipater, Winterthur 1872) und von 
Hermann Haupt, der in einer Recension der 
Vollmerschen Abhandlung im Philol. Anzeiger 
XII 96f. C. einen der gewissenlosesten aller romi- 40 
schen Annalisten nennt. Auch Zielinski (Die 
letzten Jahre des zweiten punischen Krieges, Leipz. 
1880) hatte sich zu einer ahnlichen Ansicht be- 
kannt, trat aber spater (Litter. Centralbl. 1895, 
658ff.) den Ausfiihrungen Soltaus bei. 

Tendenz. Die Erklarung fur diese ausser- 
ordentlich widerspruchsvollen Beurteilungen des 
C. liegt in der natiirlichen Begabung desselben 
und in der daraus entspringenden Tendenz seines 
Werkes. C. ist in erster Linie Rhetor und erst 50 
in zweiter Historiker; er will daher nicht nur 
ein narrator, sondern vor allem ein exornator 
rerum sein (Cic. de orat. II 54). Trockene Daten, 
eine schmucklose Aneinanderreihung von That- 
sachen meidet er, wo es irgend angeht. Dafiir 
nimmt er alles auf, was die Darstellung belebter 
und fesselndeT gestalten kann. Prodigien, Anek- 
doten, bemerkenswerte Einzelheiten, Digressionen 
aetiologischen und antiquarischen Inhalts, beson- 
ders iiber Stadtegriindungen , heilige Orte und 60 
Culte fiicht er allenthalben ein, auch ist er der 
erste Romer, der selbstverfasste Reden einlegt. 
C. will also vor allem interessant sein; wenn er 
in diesem Streben Erfundenes berichtet, so macht 
er nach den Anschauungen seiner Zeit nur von 
einem Reehte Gebrauch, welches auch der Histo- 
riker far sich in Anspruch nehmen darf (vgl. Cic. 
Brut. 42. Quint. X 1, 31). Ebenso ist es be- 



greiflich, wenn er trotz aller Wahrheitsliebe doch 
alles mOglichst fern halt, was die Romer und 
namentlich die Scipionen, denen er offenbar sehr 
freundlich gesinnt war, in ungiinstigem Lichte 
erscheinen liesse. Bedenklich ware es dagegen, 
wenn nachgewiesen werden kOnnte, dass C. auch 
vor absichtlichen Verdrehungen und Entstellungen 
nicht zuruckgeschreckt sei. Indessen ist dieser 
Nachweis zwar oft versucht, aber bisher keines- 
wegs erbracht worden. 

Stil. Mit der rhetorischen Tendenz des coe- 
lianischen Werkes harmoniert sein Stil, auf den 
der Verfasser eine ganz besondere Sorgfalt ver- 
wandt hat, wie Cicero mehrfach ruhmend her- 
vorhebt (de leg. I 6 paulo inflavit vehementius 

admonere reliquos potuit, ut aeouratius seri- 

berent ; de orat. II 54 pauttulum se erexit et ad- 
didit historiae maiorem sonum vocis). Seine 
Sprache war im Gegensatz zu Cato schlicht und 
einfach (Fronto ad Verum 1 historiam quoque 

soripsere verbis Cato muttiiugis , Coelius 

singulis), wohlbedacht in der Wahl der Worte 
(nach Fronto ad M. Caesarem IV 3 gehort C. zu 
denen, die in laborem studiumque et perimdum 
verba industriosius quaerendi sese commisere), 
knapp und lebhaft im Ausdruck. Letzteres er- 
Teichte er namentlich durch asyndetisch aneinan- 
dergereihte Satze und durch den haufigen Ge- 
brauch des Pracsens historicum. Manchmal nahm 
die Sprache auch einen hoheren Flug und zeigte, 
offenbar in Anlehnung an Ennius, der nach Fronto 
ad M. Caesarem IV 3 des C. Vorbild war, eine 
poetische Farbung (vgl. Liv. XXIX 27, 14 = 
frg. 40 und vielleicht auch Liv. XXIX 25, 1 = 
frg. 39, das H. Peter Rell. CCXXII aber aus 
Silen herleitet; auch eine gewis.se Freiheit in der 
Wortstcllung gehort hierher , vgl. Cic. orat. 229 
und Cornif. ad Her. IV 18). Nach Sieglin (a. 0. 
55f.) hat sich C. auch an Thukydides angeschlossen 
und diesen ofter stilistisch und auch inhaltlich 
nachgeahmt. Zarncke (Commentat. philol. in 
hon. 0. Ribbecki, Lps. 1888, 268ff.) stimmt Sieglin 
bei; er halt es filr wahrscheinlich, dass C. wenn 
nicht der Bahnbrecher, so doch wenigstens einer 
der Hauptbeteiligten bei den zahlreichen Ent- 
lehmmgen sei, welche die romischen Historiker 
der Gracchenzeit bei Thukydides, bei Herodot, 
Xenophon und auch bei den spateren griechischen 
Historikem gemacht hatten. Auch Zielinski 
(a. 0. 149) und Soltau (a. 0. 88) sind der An- 
sicht, dass C. griechischen Mustern gefolgt sei, 
wahrend Hesselbarth (Historisch-kritische Unter- 
suchungen zur dritten Dekade des Livius, Halle 
1889, 658) eine derartige Beeinflussung in Abrede 
stellt ; desgleichen weist die Recension der Ab- 
handlung von Sieglin im Litter. Centralbl. 1880, 
946 darauf hin, dass diese Anklange an Thuky- 
dides eben so gut auch erst Livius zugeschrieben 
werden konnen, der sicher mit dem griechischen 
Historiker hinlanglich vertraut gewesen sei, uni 
die Vermittlung des C. uberflussig zu machen, 

C. bei den Spateren. Das Werk des C. fand 
allgemein grossen Beifall. M. Brutus machte 
einen Auszng daraus (Cic. ad Att. XIII 8), Cicero 
spendete ihm reichliches Lob (de leg. 16; de orat. 
II 54; Brut. 102), das freilich zum guten Teile 
dem exornator rerum gait. Fronto (ad M. Cae- 
sarem IV 3) gedachte seiner voller Anerkennung, 



191 



Coelius 



Coelius 



192 



und Hadrian (Hist. Aug. Hadr. 16, 6) stellte C. 
in seiner Yorliebe fur das Altertttmliche noch 
fiber Sallust. Auch einen Commentator fand C. 
nach Charisius (p. 127. 143. 217 K.) in Paulus, 
der vielleicht identisch mit dem Freunde des Gel- 
lins, Iulius Paulus, war. Ob der Commentar des 
Paulus sich nur auf des C. erstes Buch erstreekte, 
wie H. Peter (Eell. CCXXXI) vermutete, lasst 
sich kaum ausmachen. 

Naturlich wurde ein so angesehenes Werk 
auch vielfach benutzt. Einerseits bot sein Wort- 
schatz den Grammatikern, wie Gellius, Charisius, 
Priscian, Nonius, bezw. deren Gewahrsmannern, 
eine reiche Fundgrube fiir ihre archaistiscben 
Forsehungen, andererseits wurde es auch inhalt- 
lich oft und gern zu Rate gezogen. Schon Nauta 
hat (a. 0. 13) nachgewiesen, dass C. in der Folge- 
zeit vorzugsweise als der Geschichtsschreiber des 
zweiten punischen Krieges angesehen wurde, und 
dass seine Darstellung jenes Entscheidirngskampfes 
die massgebende wurde. Er wurde dadurch eine 
Hauptquelle fur alle Schriftsteller, welche sich 
mit den Ereignissen des hannibalischen Krieges 
beschaftigten. Ob und in welchem Umfange C. 
yon den einzelnen benutzt worden ist, ist der 
Gegenstand mancher Untersuchung geworden. 

Besonders oft ist in den letzten Jahrzehnten 
die Frage, ob Livius den C. in der dritten De- 
iade starker berangezogen bat, in Verbindung 
mit der bekannten Controverse fiber das Verhaltnis 
zwischen Polybios und Livius bei der Schilderung 
des zweiten punischen Krieges behandelt worden. 
Der Umstand, dass C. die einzige Specialgeschichte 
dieses Krieges geschrieben hat, Tor allem aber 
die Hochachtung , welche Livius dem von ihm 
elfmal citierten Autor offenbar entgegenbringt 
(vgl. H. Peter Kell. CCXXVI), machen es von 
vomherein sehr wahrscheinlich , dass Livius bei 
der Wiedergabe jenes Krieges C. oft und ein- 
gehend zu Rate gezogen hat. Diese Meinung, 
welche zuerst C. Peter (Tiber die Quellen des 
21. und 22. Buches des Livius, Progr. Schulpforta 
1863) nachdriicklicher geltend gemacht hat, hat 
denn auch nur bei wenigen Gelehrten Widerspruch 
erfahren. Am weitesten geht Sturm (Quae ratio 
inter tertiam T. Livi decadem et L. Coeli Anti- 
patri historias intercedat, Diss. Wiirzb. 1883), 
welcher behauptet, Livius habe in der dritten 
Dekade den C. tiberhaupt nicht gekannt. Spater 
allerdings sei er auf das Werk desselben gestossen 
und habe nun aus demselben die ihm beachtens- 
wert erscheinenden Angaben in die bereits ab- 
geschlossene dritte Dekade eingeschoben. Die 
Besprechungen in der Wochenschr. f. klass. Philol. 
I 667f. durch Egelhaaf. in der Philol. Rund- 
schau IV 1578ff. durch L. Bauer, im Philol. An- 
zeiger XV 335ff. durch L. Cohn und im Jahres- 
ber. LXXVI 112 durch H. Peter haben das Halt- 
lose dieser Hypothese zurGenugedargethan. Eben- 
sowenig fand Keller (a. 0.) Beifall, als er den 
Nachweis versuchte, dass C. von Livius nur sehr 
wenig beachtet worden sei, dass wir vielmehT in 
Piso die Hauptquelle des Livius wie des Polybios 
erblicken miissten. Kessler namentlich (Secun- 
dum quos auctores Livius res a Scipione maiore 
in Africa gestas narraverit, Diss. Kil. 1877, 11), 
aber auch Luterbacher (Philol. Anzeiger VII 
58) traten ihm mit treffenden Grunden entgegen. 



Dasselbe Schicksal hatte endlich auch Gilbert 
(a. 0.), der eine weitergehende Benutzung des 
C. durch Livius wenigstens fiir die Kriegsereig- 
nisse der ersten Halfte des hannibalischen Krieges 
deshalb bestritt, weil C. wegen der Durftigkeit 
des Inhalts hier gar nicht hatte Hauptquelle sein 
konnen. Auch diese Abhandlung rief lebhaften 
Widerspruch hervor, so im Litter. Centralbl. 1880, 
466f., am eingehendsten aber begriindete sein ab- 

lOlehnendes Urteil Sieglin (a. 0.). 

Viel weniger einig als fiber die Benutzung des 
C. durch Livius iiberhaupt sind die Gelehrten 
fiber das Mass dieser Benutzung. Naehdem schon 
K. W. Nitzsch in Sybels histor. Zeitschr. 1864, 
20 dieselbe Ansicht mit kurzen Worten ausge- 
sprochen hatte, ftihrte BOttcher (a. 0.) in einer 
eingehenden ErSrterung aus, dass die gesamte 
Darstellung des Livius im 21. und 22, Buche ganz 
coelianisch sei, und dass auf Rechnung des Livius 

20 kaum einige stilistische Anderungen kamen. Pos- 
ner (Quibus auctoribus in bello Hannibalico enar- 
rando usus sit Dio Cassius, Diss. Bonn. 1874, 78) 
stimmte ihm bei, und Nitzsch (Die rCmische 
Annalistik, Berl. 1873, ISff.) dehnte Bottchers- 
Satz auf die ganze erste Halfte der dritten De- 
kade aus; fur die zweite Halfte dagegen nahm 
er Valerius Antias als Hauptquelle in Anspruch, 
wahrendFriedersdorff (Das 26.Buch des Livius, 
Progr. Marienburg 1874) den grossten Teil des 

30 26. Buchs ebenfalls fiir coelianisch hielt. Kessler 
(a. 0.) endlich fand die Ansicht Bottchers auch 
fiir Buch 30 und 29 bestatigt und constatierte 
nun von diesen Biichern ausgehend, dass die ganze 
dritte Dekade, wenige Zusatze aus Valerius Antias 
abgerechnet, ganz auf C. beruhe. Im Gegensatz 
hierzu behauptete eine Anzahl von Gelehrten, dass 
Livius nicht ausschliesslich oder fast ausschliess- 
lich den C. ausgeschrieben habe, sondern auch 
einem oder einigen andern Autoren gefolgt sei, 

40 ja, manche glaubten sogar, dass C. hinter diesen 
Quellen erst in zweiter Linie in Betracht gekom- 
men sei. Dies geschah vor allem von seiten der 
Gelehrten, welche in Polybios eine Hauptquelle 
des Livius erblickten. Auf Polybios und C. fuhrten 
die livianische Darstellung zurtick C. Peter (a. 0.), 
H. Peter (Rell. CCXXVI), Wolfflin (a. 0.), 
dessen Ausfuhrungen von Gutschmid (Litter. 
Centralbl. 1872, 1133f.) und Budinger (Jahres- 
ber. 1873, 1188f.) gebilligt wurden. Vollmer 

50 (Quaeritur unde belli Punici eecundi scriptores 
sua hauserint, Diss. Gott. 1872) dagegen legte 
in weiterer Ausfiihrung eines Gedankens, dem 
A. Schafer (in einer Recension der Bottcher- 
schen Arbeit in Sybels histor. Zeitschr. XXIII 
436ff.) Ausdruck gegeben hatte, dar, dass Livius 
auf C. und Valerius Antias zuruckgehe. Dasselbe 
suchte er in einer spateren Abhandlung: Die 
Quellen der dritten Dekade des Livius, Progr. 
Dtiren 1881, zu erweisen. Dass Livius nicht nur 

60 auf C. fusse, war auch das Ergebnis einer Unter- 
suchung, welche v. Breska veroffentlichte (Quel- 
lenuntersuchungen im 21. bis 23. Buche des Li- 
vius, Progr. Berl 1889); nur liess er es unent- 
schieden, wem die nichtcoelianischen Partien zu- 
zuweisen seien. Nicht nur zwei, sondern drei 
Hauptquellen, namlich Polybios, C. und Valerius 
Antias fanden Luterbacher (De fontibus libro- 
rum XXI et XXII Titi Livi, 'Diss. Argent. 1875) 



193 



Coelius 



Coelius 



194 



fiir die ersten nnd Zielinski (a. 0.) fiir die 
letzten Biicher der dritten Dekade, und zu einem 
ahnlichen Resultate gelangte Hesselbarth, 
dessen Historisch-kritische Untersuchungen zur 
dritten Dekade des Livius, Halle 1889, auf Grand 
yon Vorarbeiten, die unter demselben Titel 1882 
im Programm der Realschule zu Lippstadt er- 
schienen, die Frage nach den Quellen des Livius 
in der_ dritten Dekade abermals zum Gegenstande 
sehr eingehender Forsehungen machten. Danach 
hat Livius von Hannibals Auf bruch aus Spanien 
an in erster Linie nach Polybios, in zweiter nach 
C. gearbeitet, beide aber im Verlaufe des Krieges 
immer mehr zu Gunsten des Valerius Antias ver- 
nachlassigt. In den letzten Jahren hat Soltau 
eine ganze Reihe von Abhandlungen erscheinen 
lassen (Herm. XXVI 408ff.; Philol. Suppl. B. VI 
699ff.; Die Quellen des Livius im 21. und 22. 
Buch, Progr. Zabern 1894. ; Philol. LIII 588ff. 
und zusammenfassend:Livius' Quellen in der dritten 
Dekade, Berlin 1894), welche darthun sollen, dass 
neben Claudius, welcher dem Livius den Polybios 
vermittelt habe, am Anfange der Dekade C, spater 
auch Valerius Antias die wichtigste Quelle des 
Livius gewesen sei. 

Hinter diesen zahlreichen und eingehenden 
Erorterungen iiber das Verhaltnis zwischen Livius 
und C. treten die Forsehungen iiber die Benutzung 
des C. von seiten andereT Autoren weit zuriick. 
Dass Polybios aus dem viel jiingeren C. geschopft 
haben sollte, wie Sieglin (a. 0.) zu erhiirten 
versucht hat, .ist ilberall auf Widerspruch ge- 
stossen ; mehr Anklang fand die Vermutung, dass 
sich C. auf Polybios stiitze, so bei Kessler (a. 
0.) und Hesselbarth (a. 0.). Doch haben sich 
in letzter Zeit die Gelehrten mehr und mehr der 
Ansicht H. Peters (Rell. CCXXIV) angeschlossen, 
dass C. den Polybios kaum gelesen habe, vgl. 
z. B. Bauer Zeitschr. f. d. osterr. Gymn. XLI 
349. Zielinskia. 0.122. Soltau Livius' Quellen 
in der dritten Dekade 17. 

In bedeutendem Umfange dagegen ist C. von 
Cassius Dio herangezogen worden, wie Posner 
(a. 0.) fur den Anfang, Zielinski (a. 0. 136ff.) 
fiir den Schluss des Krieges nachgewiesen hat. 
Den Ausfuhrungen dieser Gelehrten stimmten zu 
Hesselbarth (a. 0. 266ff.) und v. Breska 
(Wochenschr. f. klass. Philol. 1891, 327ff.), wel- 
che eine zweite Quelle in Livius sahen, ferner 
Vollmer (Progr. Diiren 36ff.), der ausser C. den 
Fabius als Gewahrsmann des Cassius Dio vor- 
schlug, und Soltau (Livius' Quellen in der dritten 
Dekade 110f.), nach welchem Cassius Dio aus C. 
neben Valerius Antias nur indirect geschopft hat. 
Nur Unger (Philol. Anzeiger VIII 554. X 386 
und Philol. XL 184) hielt daran fest, dass dem 
Cassius Dio eine Benutzung des C. gar nicht 
nachzuweisen sei; s. auch E. Schwartz oben 
Bd. Ill S. 16941 

Eng verbunden mit Cassius Dio ist in der 
Quellenfrage Appian. Wahrend C. Peter fa. 0. 
77), Kessler (a. 0.) und Keller (a. 0.) fiir die 
bei Appian aufbewahrte Tradition libyschen Ur- 
sprung vermuteten, hat zuerst Zielinski (a. 0. 
136ff.) darauf aufmerksam gemacht, dass fiir den 
africanischen Krieg vielfach C. die gemeinsame 
Quelle fiir Livius, Appian und Dio-Zonaras sei. 
Widerspruch fand dieser Satz bei V o 1 1 m e r (Progr. 

Pauly-Wissowa IV 



Diiren), dagegen Anerkennung bei Hesselbarth 
(a. 0.), der als Zwischenglied zwischen Dio und 
Appian einerseits und C. andererseits den Vale- 
rius Antias einfiihrte (vgl. oben Bd. II S. 218) ; 
Soltau wiederurn (Livius' Quellen in der dritten 
Dekade 9 Iff.) nahm statt des Valerius eine epi- 
tome Coeliana an. Fiir eine indirecte Benutzung 
des C. sprach sich auch die Recension zu Soltau 
im Litter. Centralbl. 1895, 659 aus, ohne ent- 

10 scheiden zu wollen, ob das Mittelglied in einer Epi- 
tome oder in einem andern Historiker zu suchen ist. 
Auch Diodors 27. Buch ist nach Soltau (Li- 
vius' Quellen in der dritten Dekade 58) wohl coe- 
lianisch. Dagegen lassen sich fiir die Vermutung 
Wolfflins (a. 0. 28. 50), dass sogar Ammian 
auf die epitome Goeliana des Brutus zuriickge- 
gangen sei, keine zwingenden Grunde anfiihren 
(vgl. Litter. Centralbl. 1872, 1133). Ebensowenig 
haben wir Gewissheit dariiber, ob Florus und 

20 Aurelius Victor (so Soltau De fontibus Plutarchi 
in secundo bello Punico enarrando, Diss. Bonn 
1870), Eutrop (so Wolfflin a. 0. 36), Orosius 
(so Wolfflin a. 0. 40) u. a. Epitomatoren von 
C. abhangen. Dagegen hat Cicero dem C. vieles 
entnommen, namentlich in de divinatione (I 48. 
49. 55. 56. 77), vgl. v. Breska Untersuchungen 
iiber die Quellen des Polybios im dritten Buche, 
Diss. Berol. 1880, 97 ; auch Vergil zog ihn nach 
Serv. Aen. VI 9 zu Rate, und ebenso war sein 

30 helium Punicum den Verfassern von Sammel- 
werken eine willkommene Fundgrube, so dem Va- 
lerius Maximus (vgl. H. Peter Rell. CCXXIV. 
Wolfflin a. 0. 77 und Kranz Beitrage znr 
Quellenkritik des Valerius Maximus , Progr. Posen 
1874, 24), dem Frontin (Wolfflin a. 0. 67) und 
dem Plinius, der ihn fiir Buch II, III, XXXI und 
XXXVI unter seinen Gewahrsmannern nennt. 

Schliesslich ist auch nach dem Vorgange H. 
Peters (Die Quellen Plutarchs in den Biogra- 

40phien der Romer, Halle 1865, 56 und 80) Plu- 
tarchs Vita des Fabius Maximus fast ganz und 
die Vita des Marcellus wenigstens zum Teil in 
eingehender ErOrterung auf C. zuruckgefuhrt wor- 
den von Soltau (De fontibus Plutarchi und Li- 
vius' Quellen in der dritten Dekade 85). Seiner 
Ansicht pflichteten bei Bottcher (a. 0.), K. W. 
Nitzsch (a. 0.) u. a. Zwar versuchte Vollmer 
(Progr. Diiren) Livius und Valerius Antias, Hessel- 
barth (a. 0.) Livius und Polybios als Quellen 

50 Plutarchs zu erweisen, aber ohne Erfolg, so dass 
v. Breska sich in der Wochenschr. f. klass. Philol. 
1891, 327ff. abermals entschieden fiir Soltau aus- 
sprechen konnte. 

Sammlungen der Fragmente des C: Nauta 
De L. Coelio Antipatro historico belli Punici se- 
cundi. Ann. acad. Lugd. Batav. 1820/21. Groen 
van Prinsterer Disputatio de L. Coelio Anti- 
patro historico belli Punici secundi. Ann. acad. 
Lugd. Batav. 1820/21. Krause Vitae et frag- 

60 menta veterum historicorum Romanorum. Berol. 
1833. Both Historicorum veterum Romanorum 
reliquiae in Gerlachs Ausgabe des Sallust, Basel 
1852. Meltzer De L. Coelio Antipatro belli 
Punici secundi scriptore, Diss. Lps. 1867. H. Peter 
Historicorum Romanorum reliquiae I, Lps. 1870; 
Historicorum Romanorum fragmenta. Lps. 1883 
Sieglin Jahrb. f. Philol. Suppl. B. XI 80—92. 

[Gensel.] 



195 



Coelius 



Coelius 



196 



8) P. Coelius Apollinaris , Consul ordinarius 
des J. 169 n. Chr. mit Q. Pompeius Senecio So- 
sius Priscus (CIL VI 1984. 2003. XI 405 P. 
Coelim Apollinaris; XIV 2408 Coelius Apolli- 
naris; sonst nur Apollinaris), vielleicht Sokn des 
P. Coelius Balbinus (Nr. 9). 

9) P. Coelius P. f. Ser(gia) Balbitius Vi- 
bullius Pius, Xvir stlitibfus) iudic(andis), VIvir 
equit(um) Romanfortcmj turm(ae) quint/ae), tr(i- 
burms) mil(itum) leg(ionis) XXII Primig(eniae) 
pfiaej f(idelis) [in Obergermanien], adlectus inter 
patriefios) ab im,p(eratore) Caes(are) Traiano 
Hadriano Aug(mto) [117—138 n. Chr.], salius 
Collinus, quaestfor) Augfusti), flamen Ulpialis, 
prfaetorj de fidei eommi-ssfisj , eo(n)s(ul) desig- 
natus (CIL VI 1383 = Dessau 1063, dem C. 
ira J. 136 errichtete Inschrift). Consul ordinarius 
des J. 137 mit L. Aelius Caesar cos. II (CIL HI 
1933 P. Coelius Balbinus Vibullius Pius; XIV 
2390 . . . [Vibujllius Balbinus; IX 5839. XV 
1057 P. Coelius Balbinus; sonst Balbinus). Nach 
dieser Amterlaufbahn scheint es, als ob sich C. 
der Gunst des Kaisers Hadrian erfreut hatte. Den 
Namen Vibullius Pius teilt C. mit Q. Pompeius 
Palco (Consul um 109) und Q. Pompeius Senecio 
Sosius Priscus (Consul 169, bei diesem L. Vibul- 
lius Pius), wahrscheinlich geht derselbe auf eine 
PersCnliclikeit dcr flavischen Zeit zuriick. Sclaven 
eines P. Coelius Balbinus, wohl des unseren, wer- 
den CIL III 2295 (Salonae) genannt. Vgl. Nr. 8. 

10) C. Coelius Balbus (T. Koijhog Bdlfio? 
Mionnet Suppl. V 81 nr. 408 = 172 nr. 995, 
P KoUwe Balfioz 171 nr. 994. 996), auf Miinzen 
aus der Zeit des Claudius als Proconsul von Bi- 
thynien genannt, wahrscheinlich falsch gelesen 
statt L. Mindius Balbus; vgl. Klebs Prosopogr. 
I 431 nr. 991. [Groag.] 

11) Coelius Caldus, aduleseens vetustate fami- 
liae suae dignissimus, Veil. II 120, 6; er geho'rte 
demnach den plebejischen Coelii Caldi an, von 
denen C. Coelius Caldus (Nr. 12) hn J. 660 = 94 
zum Consulat gelangte ; da dessen Name inschrift- 
lich sicher bezeugt ist (CIL 12 p. 152. X 3772), 
so ist die Lesart in Amerbachs Abschrif't an- 
zunehmen, wahrend meist mit der Editio princeps 
unrichtig Caelius ediert wird. Er wurde in der 
Varusschlacht (9 n. Chr.) gefangen und tOtete sich 
selbst mit den Ketten, die ihn fesselten, Veil, a. 
a. O. [Stein.] 

12) C. Coelius Caldus C. f. C. n. hatte als 
homo novus (Cic. de or. I 117) viel Missgunst 
und Widerstand zu tiberwinden , ehe er zu den 
hOchsten Ehrenstellen gelangte (Cic. Verr. V 181; 
JIur. 17). Deshalb war er der Stolz der Fainilie, 
und die Miinzen seines Enkels Nr. 14 verherr- 
lichen seine und seiner Sohne Thaten, sodass sie 
eine wichtige Quelle fur die Familiengeschichte 
bilden (eingehend behandelt von B or gh e s i Oeuvres 
I 819—325; vgl. Mo mm sen Munzwesen 636 
nr. 280. B a b e 1 o n Monnaies de la rep. rom. I 
368). Bei der Bewerbung am die Quaestur fiel 
C. durch (Cic. Plane. 52) und gelangte zunachst 
zum Volkstribunat. In dieser Stellung zog er 
den C. Popillius vor Gericht, der 647 — 107 nacli 
der Niederlage seines Obcrbefehlshabers, des Con- 
suls L. Cassius (Bd. Ill S. 1738 Nr. 62), mit den 
siegreichen Tigurinern einen sehimpflichen Vertrag 
geschlossen hatte, um wenigstens das Heerzu retten ; 



damit die Verurteilung gesichert wurde, brachte C. 
die nach ihm benannte lex tabellaria ein, wodurch 
die Abstimmung mit Stimmtafelchen auch fiir Per- 
duellionsprocesse angeordnet wurde, in denen allein 
sie bis dahin nicht zulassig gewesen war (Cic. 
leg. Ill 36. Oros. V 15, 24 und die Miinzen; vgl. 
Cic. de inv. II 72f. Ehet. ad Herenn. I 25. IV 
34). Vor 651 = 103 sprach er in einem Processe 
jemand frei, der den Dichter C. Lucilius auf der 

lOBuhne mit Namen genannt und beleidigt hatte 
(Rbet. ad Herenn. II 19); O. Hirschfeld (Herm. 
VTII 468f.) vermutet daher, dass er der von Lu- 
cilius (frg. 1098 Lachm. aus Pest. p. 210) ver- 
spottete Senator pedarius Gaius sei. Die Praetur 
bekleidete er 655 — 99 und verwaltete damals 
Hispania citerior (vgl. die Miinzen, dazu Wils- 
dorf Leipz. Stud. I 110). Ob er oder sein gleich- 
namiger Sohn Nr. 13 der im SC. de Adramytt. 
genannte Senator von praetorischem Range C. 

20 Coelius ist, kann zweifelhaft scheinen (Vie reck 
Sermo Graecus 23 nr. 15, 16, vgl. Mommsen 
St.-R. Ill 968 Anm.). Zum Consulat wurde er, 
obgleich ihm die eifersiichtige Nobilitat zwei ihrer 
hervorrageiidsten Manner als Mitbewerber ent- 
gegenstellte ([Q. Cic] pet. eons. 11), im J. 660 
= 94 befordert (Fasti Cap. Capuan. Inschrift CIL 
1 571, 16 = X 3772. Foedus Thyrraeum Viereck 
a. O. 45 nr. 22 = IGS III 483 = Dittenberger 
Syll. 2 327. Chronogr. Idat. Chron. pasch. Cassiod. 

SOObsequ. 51. Ascon. Cornel, p. 51). Sein Portrat 
bieten die Miinzen seines Enkels (abgebildet a. O. 
vgl. auch Bernoulli R0m. Ikonographie 1 85) ; iiber 
seine ganze Personlichkeit aussert sich Cicero (Brut. 
165; de or. I 117) so, dass man sieht, C. ist kein 
irgend wie bedeutender Mann gewesen, aber als 
Staatsmann und als Redner ganz tiichtig und 
achtungswert. 

13) C. Coelius Caldus, wahrscheinlich alterer 
Sohn von Nr. 12, war Miinzmeister gegen 670 

40 = 84 (Mommsen Munzwesen 563 nr. 180 mit 
der Anm. von Blacas Tr. Bl. II 389 nr. 195. 
Babelon Monnaies de la rep. rom. I 368) und 
spater, wie aus den Denaren seines Neffen Nr. 14 
hervorgeht, Augur, Decemvir sacris faciundis und 
um 685 = 69 Statthalter einer orientalischen 
Provinz , wo er den Imperatortitel erwarb ( vgl. 
die bei Nr. 12 angefuhrte Litteratur). 

14) C- Coelius Caldus, Sohn von Nr. 15 (Auf- 
schrift von Cic. fam. II 19), war Munzmeister 

50 gegen 700=54 (Mommsen Munzwesen 636 
nr. 280) und Quaestor 704 = 50. Als solchem 
wurde ihm die Provinz Kilikien zugewiesen (Cic. ad 
Att. VI 2, 10), deren damaliger Statthalter Cicero 
voll Begier, recht bald heimzukehren, ihn in einem 
freundlichen Briefe (ad fam. II 19) einlud, schnell 
zn kommen, und sein Eintreffen ungeduldig er- 
wartete (ad Att. VI 4, 1. 5, 3). Bald nachdem C. 
angelangt war, ubergab ihm Cicero die Provinz 
und reiste eilig ab; er fuhlte sich verpflichtet, 

60 seinen Freunden gegeniiber dieses Verhalten zu 
rechtfertigen, da der Quaestor eigentlich viel zu 
jung und unerfahren fiir eine solche Stellung war 
(ad fam. II 15, 4; ad Att. VI 6, 3f., vgl. VII 1, 6). 

15) L. Coelius Caldus. wahrscheinlich jiingerer 
Sohn von Nr. 12 und Vater von Nr. 14, dessen 
Miinzen ihn als Septemvir epulonum bezeichnen 
(vgl. die bei Nr. 12 angefuhrte Litteratur). 

16) P. Coelius Caldus. P. Coelius war nach 



197 



Coelius 



Coemptio 



198 



Val. Max. IV 7, 5 im J. 667 = 87 Commandant 
von Placentia und liess sich nach Einnahme der 
Stadt durch die Marianer, da er schon alt und 
trank war, von L. Petronius den Tod geben. 
Plin. n. h. VIII 144 erzahlt: canis defendit Cae- 
lium senatorem aegrum Placentiae ab armatis 
oppressum nee prius ille vulneratus est quam 
catve interempto , wahrend Plut. sollert. anim. 
13, 7 und Aelian. h. a. VII 10 von einem ROmer 
Kalflos oder KdXdog berichten, er sei in einem 
Biirgerkriege umgekommen, aber der Leichnam 
vou seinem Hunde verteidigt worden, sodass man 
ihm erst nach Totung des Hundes den Kopf ab- 
schneiden konnte. Die beiden griechischen Be- 
richte (aus Juba?) sind mit dem des Val. Max. leicht 
zu combinieren, und die Version des Plinius weicht 
nur unbedeuteud davon ab. [Miinzer.] 

17) Coelius Clemens, Verwandter von Plinius 
des Jiingeren Schwiegermutter, wird von Traian zu 
•einem Amt in Bithynien befordert, Plin. ad Traian. 
51. [Stein.] 

18) L. Coelius Festus, adlectfus ijnter tri- 
bimieios, praetor (die Praetur stent zwar ausser- 
halb der absteigend geordneten Amterreihe gleich 
nach dem Consulat, ist aber wegen der folgenden 
praetorischen Amter hier einzureihen) , praeffee- 
tus) fr[u]menti dandi ex s(enatus) efonsulto), 
legfatus) [i]mp(eratoris) Antonini Augfusti) [138 
— 161 n. Chr.] Astu[ri]ae et Callaeeiae (C. war 
legatus iuridious, und zwar nicht unter Caracalla, 
wie bei Marquardt St.-Verw. I 2 255,* 3 ange- 
nommen wird, vgl. Dessau Inscr. lat. zu nr. 1079. 
Brandis Herm. XXXI 1896, 164. Klebs Pro- 
sopogr. I 432 nr. 994) , praef(ectus) aerari Sa- 
tumi, proeo(n)s(ul) provincial Ponti et Bithy- 
nfiaej, Consul (suffectus in unbekanntem Jahre), 
Patron von Veleia (dem C. von der res publica 
Velleiatfium) gesetzte Inschrift, CIL XI 1183 
= Dessau 1079). Borghesi (Oeuvres Vill 329) 
bezog auf C. auch das Inschriftfragment CIL XIV 
2941 (Praeneste), kaum mit Recht, da in dem 
Cursus honorum dieser Inschrift die Praefectur 
des Staatsschatzes nicht vorkam. 

19) Q. Coelius Honoratus, praefectus frumenti 
dandi, legatus Siciliae, legatus Ponti et Bithy- 
niae, proconsul Cypri (griechische Ehreninschrift 
aus Cypern, Le Bas-Waddington 2814; nach 
Waddingtons Urteil fiihren die Buchstaben- 
formen auf die Wende des 1. Jhdts. n. Chr.). 
Vgl. Klein Verw.-Beamten 140. [Groag.] 

20) Q. Coelius Latiniensis, Volkstribun und 
im folgenden Jahre Legat kurze Zeit vor 688 = 
66 (Cic. imp. Cn. Pomp. 58), wohl identisch mit 
dem Aedilen von Tusculum Q. Coelius Q. f. Latin. 
(CIL I 1125 = XIV 2626). [Munzer.] 

21) Coelius Martialis, c(larissimus) v(ir), 
Sohn der . . lia (Aelia oder Iulia) Honorata cfla- 
rissima) f(emina), Bruder des Coelius Senecio 
und des On. Coelius Seneca. Inschrift aus Maure- 
tania Sitifensis, Ephem. epigr. V 1297 = CIL 
Vni Suppl. 20449 (nach Klebs Prosopogr. I 432 
nr. 996). Ein T. Coel(ius) Mart(ialis) e(gregius) 
v(ir) , entweder der Vater des C. oder dieser 
selbst vor seiner Aufnahme in den Senat, wird in 
einer Inschrift derselben Gegend aus dem J. 244 
n. Chr. genannt, Ephem. VII 461 = CIL VIII 
10907 = Suppl. 20429 (nach Klebs a. a. O.). 

22) Coelius Probatus s. Probatus. 



23) Coelius Sedulius s. Sedulias. 

24) Cn. Coelius Seneca s. Nr. 21. 

25) Coelius Senecio, eflarissimus) vfirj, Bruder 
des Coelius Martialis (Nr. 21), s. daselbst. 

26) L. Coelius Tarphinus (? das Cognomen 
ist unsicher, vielleicht Ta/mphilus) , Proconsul von 
Cypem, griechische Inschrift aus Cypern, Journ. 
of hell. stud. IX 1888, 243 nr. 68. [Groag.] 

27) M. Coelius Vinicianus M. f., bekleidete zu- 
10 erst die Quaestur (Grabschrift) , darauf im J. 701 

= 53 das Volkstribunat (ebd.) und suchte damals 
mit seinem Collegen C. Lucilius Hirrus die trbertra- 
gung der Dictatur an Pompeius zu veranlassen, was 
die Folge hatte, dass er 703 = 51 bei der Be- 
werbung um die Aedilitat durchfiel (Cic. ad fam. 
VIII 4, 3). Im Biirgerkriege stand er auf Cae- 
sars Seite und wurde von diesem nach dem Siege 
iiber Pharnakes mit zwei Legionen in Pontus zu- 
riickgelassen (bell. Alex. 77, 2). Vermutlich dankt 
20 er dem Dictator die BefOrderung zur Praetur und 
zu einer Provincialstatthalterschaft, die der ihm 
von seiner Gattin Opsilia in Tusculum gesetzte 
Grabstein verzeichnet (CIL I 641 = XIV 2602 = 
Dessau Inscr. Lat. selectae 883). [Miinzer.] 

28) Coelia Claudiana, e(larissima) f(emina), 
setzte ihrer Schwester, der Obervestalin Coelia 
Claudiana (Nr. 29) die Inschrift CIL VI 2140 
zusammen mit (ihrem Gerrjahl) , . . Nieomedes 
Ve . . . (kaum v(ir) efyregius) , wie im CIL ge- 

301esen wird). 

29) Coelia Claudiana, v(irgo) V(estalis) ma- 
xima im J. 286 n. Chr. (CIL VI 2136. 2137). 
Sie bekleidete das Amt einer Obervestalin durch 
mehr als 20 Jahre (VI add. 32420) und ist durch 
mehrere Ehreninschriften (auf Statuenbasen) be- 
kannt, in denen ihre sanctitas gepriesen wird (VI 
2136—2140. 32420. 32421). Zwei von diesen In- 
schriften (VI 2139. 2140) sind ihr von ihren Schwe- 
stern Coelia Nerviana (Nr. 31) und Coelia Clau- 

40diana (Nr. 28) errichtet. Vielleicht zollte auch 
der Senat ihrer priesterlichen Amtsfuhrung seine 
Ancrkennung (vgl. Mommsens Lesung von VI 
2138 cuius . . administrationem urbs aeterna 
laude de sfenatus) s{ententia) comproba[vit]). . 

[Groag.] 

30) Coelia Concordia s. Concordia. 

31) Coelia Nerviana, Schwester der Virgo Ve- 
stalis maxima Coelia Claudiana (Nr. 28), der sie 
und ihr Gatte Pierius nebst ihren Kindern CIL 

50 VI 2139 setzt. [Stein.] 

Coemptio ist eine eheliche Verbindung durch 
Kauf, mit Begriindung der eheherrlichen Gewalt 
des Mannes iiber die Frau (s. Man us). Eine 
solche konnte ausser durch C. auch noch durch 
urns (s. d.) und durch confarrmtio (s. d.) er- 
worben werden. Die C. war eine Abart der man- 
cipatio mit einem besondem Formulare, das von 
dem gewShnlichen abwich, Gai. I 113 (eine nicht 
vollstandig erhaltene Stelle). Es kamen dabei 

60 gegenseitige Fragen und Antworten vor. Die 
Braut bejahte, dass sie dem BTautigam mater- 
familias sein wolle, d. i. eine in der eheherr- 
lichen Gewalt (manus) befindliche Frau. Cic. top. 
14. Desgleichen versicherte der Brautigain, dass 
er ihr paterfamilias sein wolle, Boethius ad 
Cic. top. 14." Bruns Fontes^ p. 76. Im ubrigen 
ist das Formular unbekannt. Es stent nur fest. 
dass bei einer Haustochter der Vater, bei einer 



199 



Coemptio 



Coeranus 



200 



gewaltfreien Braut der Vormund das Geschaft 
durch ein Vollwort (auctoritas) bekraftigen musste, 
Collat. IV 2. 3. IV 7. Gai. I 195 a, auch dass 
der Name Oaia in der Formel vorkam, Cic. 
pro Murena 27. Plut. quaest. Bom. 30. Bs 
ist hiernach zweifelhaft, wer bei diesem Schein- 
kaufe als Verkaufer auftrat. Veraltet ist die 
Meinung, dass das VermCgen der Prau Verkaufs- 
gegenstand war (vgl. dagegen Rossbach Unter- 



namentlich in Griechenland vor und erhielt sich 
dort in der Form einer Gewahrung von Braut- 
geschenken. Mitteis Reiehsrccht und Volksrecht 
1891, 97; vgl. aber auch Hruza Beitrage zur 
Geschichte des griechischen und rOmischen Fami- 
lienrechts 1 ; Die Ehebegriindung nach attischem 
Rechte, 1892 und die zustimmenden Bemerkungen 
von Kubler Ztschr. d. SavignyrStiftung XV 394. 
Trotzdem wird die Entwieklung der C. aus einem 



suchungen liber die rSm. Ehe 1853, 72. Karlowa 10 ernstlichen Kaufe mit Becht bezweifelt, vgl. da- 



Die Form der rom. Ehe und manus 1868, 56), 
Zweifelhaft ist dagegen, ob die Haustochter als 
Braut vom Vater verkauft wurde oder sich selbst 
mit dessen Zustimmung verausserte. Das Erstere 
erscheint deshalb als das Wahrscheinliche, weil 
der Hausvater bei diesem Geschafte seine Gewalt 
preisgab. Seine auctoritas, von der ohne Grund 
behanptet ist, dass sie erst im spateren Rechte 
notig wurde (Czyhlarz Inst.s 239), musste er 



gegen Bechmann Der Kauf 1876, 167. Es lasst 
sich namentlich dawider anfiihren, dass ein ernst- 
licher Kauf einer gewaltfreien Braut bei der Manus- 
ehe sinnlos gewesen ware, weil der Kaufpreis hier 
mit dem Vermogen der Gattin dem Kaufer zu- 
gefallen, also gewissermassen von ihm an sich 
selbst gezahlt worden ware (Holder a. a. 0. 20). 
Die C. kara aber, soviel wir wissen, in gleicher 
Weise bei gewaltfreien Brauten wie bei Haus- 



wahrscheinlich noch zu dem erwahnten Ausspruche 20 tOchtern vor. Dass die Vormiinder urspriinglich 



der Tochter, dass sie materfamilias sein wolle, 
erteilen, der ebenso wie die Gegenerklarung des 
Brautigams als Nebenabrede zu dem Scheinkaufe 
hinzutrat (Rossbach Untersuchungen iiber d. 
rOm. Ehe 71. Czyhlarz a. a. 0.). Diese gegen- 
seitigen Fragen, deren Uberlieferung von Baron 
Inst. 60 § 30, 10 fur unzweifelhaft falsch an- 
gesehen wird, werden in ungenauer Redeweise 
mehrfach als ein wechselseitiger Kauf von Mann 



ein Verkaufsrecht hatten (Czyhlarz a. a. 0.) r 
lasst sich nicht erweisen. 

Die C. wurde auch zur Eingehung von Schein- 
ehen verwendet, offenbar urn den Frauen gewisse 
Vorteile einer solchen Verheiratung zuzuwenden 
(sog. coemptio cum extraneo). Es -geschah dies, 
um gewisse Abgaben religioser Art (sacra) zu 
venneiden, zuweilen auch um sich von einem 
lastigen Vormunde zu befreien, eine Abschwachung 



and Frau bezeichnet, vgl. Serv. Aen. IV 103: 30 der Geschlechtsvormundschaft (Karlowa ROm. 



mulier atque vir inter se quasi emptumem fa- 
ciunt (Brun s Fontesfi p. 79). Ahnlich Serv. Georg. 
I 31 (Bruns p. 81) und Isid. orig. V 26: quod 
se maritus et uxor invicem emebant, ne videreiur 
uxor ancilla. Es ist daher auch behauptet wor- 
den, dass die coemptio ein gegenseitiger Schein- 
kauf war, namentlich neuerdings von Bourcart 
in einer hierin zustimmenden Anmerkung zu James 
Muirhead (Introduction historique au droit prive" 



R.-G. II "299), endlich auch um die Fahigkeit zur 
Testamentserrichtung zu erlangen, die urspriing- 
lich den in ihrer vaterlichen Farailie gebliebenen 
Madchen oder Frauen versagt war (vgl. hierzu 
Hoffmann und von Savigny Ztschr. f. gesch. 
Rechtswissenschaft III 309ff. 328ff.). Zu solchen 
Geschiiften verwendeten die Frauen Greise, denen 
sie die eheherrliehe Gewalt zum Scheine anver- 
trauten (series ad coemptiones faciendas reperti), 



de Rome traduit et annote" avec l'autorisation de40Cic. pro Flacc. 84; pro Murena 27; top. 18. Gai. 



l'auteur, Paris 1889, 556ff.). Altere Vertreter dieser 
Ansicht s. bei Rossbach a. a. 0. 73, 259. Es 
ist sogar die Ansicht aufgestellt worden, dass 
nur die Frau als Kauferin des Mannes aufgetreten 
sei (Holder Die rem. Ehe, Zurich 1874 ; 20), vgl. 
dagegen Bourcart a. a. 0., auch Pillon La 
celebration du mariage a Rome, Paris 1890, 25, 1 : 
11 est impossible que I'homme soil achete par la 
femme qui tombe en sa possession. Nach Gai. 



Inst. I 114. 115. 115 a. Mit dem Absterben der 
manus verschwand auch die C. in der Kaiserzeit. 
Litteratur ausserden oben erwahnten Schriften: 
Huschke Studien des rOmischen Rechts I 1830, 
201; D&sRecht des Nexuni 1846, 102. Rudorff 
Anm. f zu Puchta-Kriiger Institutionen 1° II 
392 § 285. v. Jhering Geist des rom. R.4 IE 1 
S. 282ff. § 58. Kun tze Cursus des rflm. R.2 1879, 
555ff. §§ 792. 793. Pernice M. Antistius Labeo 



1 133 wird man vielmehr in dem Manne den Kaufer 50 I 193ff. C uq Les institutions juridiques des Ro- 



sehen miissen, in der gewaltfreien Braut die Ver- 
kauferin der manus, an deren Stelle bei der Haus- 
tochter der Vater trat. Auffallend ist freilich, 
dass nach Nonius p. 363 s. nubentes (Bruns 
Pontes 6 p. 67) die Braut dem Gatten nach alt- 
rOvnischer Regel eine Scheinzahlung als Kaufpreis 
iibergab (Holder a. a. 0. 21), doch that sie dies 
ad maritum veniens, also erst bei dem Eintritte 
in sein Haus, nicht bei dem Abschlusse der wahr- 
scheinlkh vorher zu eriedigenden C. 

Mit der Frage nach dem Formular hangt die 
andere zusammen, ob die C. von Anfang an ein 
blosses Scheingeschiift war . das die Folgen der 
den Patriciern vorbehaltenen eonfarreatio den Ple- 
bejern zuganglich machte, was als wahrscheinlich 
anzusehen ist, oder oh sie aus einem ernstlichen 
Brautkaufe sich entwickelt hat (daf'iir u. a. Czyh- 
larz a. a. 0. 239). Ein solcher Brautkauf kam 



mains 1891, 221, 2. Leonhard Institutionen 196. 
197. 206. 223. [Leonhard.] 

Coemus s. Koinos. 

Coenicnin, Ort auf Corsica. Geogr. Rav. V 
27 p. 413, ungewisser Lage; wohl identisch mit 
Kivzorov bei Ptolem. Ill 2, 8. [Hiilsen.J 

Coenoenuni (Koivor/vov) , Ort im nordlichen 
Germanien, Ptol. II 11, 12. Lage unbestimmt. 

[Ihm.J 
60 Coenon Gallicanoil, Station in Bithynien an 
der galatischen Grenze, zwischen Dablai und Da- 
dastana (s. d.), Ammian. Marc. XIV 11, 6. Itin. 
Ant. 141. [Ruge.] 

Coenophrurium s. Koinophrurion. 

Coenus s. Koinos. 

Coeqnosa s. Coco sates. 

Coeranus. 1) Kappadokischer Fluss , Plin. 
VI 9. [Ruge.] 



201 



Coercitio 



Coercitio 



202 



2) s. Aelius Nr. 39 und Koiranos. 

3) Griechischer Philosoph, Freund des Rubel- 
lius Plautus, bei dem er sich zur Zeit der Totung 
desselben in Asia befand, im J. 62 n. Chr., Tac. 
ann. XIV 59. Er wird von Plinius unter den 
griechischen Quellen zum II. Buch der nat. hist, 
genannt. [Stein.] 

Coercitio, das Zwangsrecht, die Disciplinie- 
rung 1. vor und neben der strafrechtlichen Judi- 
cation, und 2. als historische Grundlage dieser Judi- 10 
cation und ihren Charakter zum grossen Teil be- 
stimmend. 

1. Wahrend den Privatdelieten gegeniiber der 
Civilprocess fungiert, tritt das Amtsverfahren bei 
Verletzungen des Staates ein. Die Administratis 
jurisdiction schfitzt die vermSgensrechtlichen Fest- 
setzungen des Staates bei seiner Schadigung, wah- 
rend die sittlich-politischen Delicte gegen den 
Staat entweder der Coercition oder der Judication 
anheimfallen. Die Judication bestraft den Ver- 20 
brecher, die Coercition geht darauf aus, den Un- 
gehorsamen zu beugen und seinen Gehorsam zu 
erzwingen. Es sind zum Teil dieselben libel, 
welche den von derCoercitionodervon der Judication 
Betroffenen zugefiigt werden konnen, aber in dem 
einen Falle sind es Coercitionsmittel, und nur bei 
der Judication sind es Strafen. Coercitio und 
iuris dietio stehen nehen einander bei Hygin. de 
condicionibus agrorum (Gromat. p. 118, 13Lachm.) 
iuris dietio coherritwque. 30 

Tiber das Coercitionsrecht des romischen Kflnigs 
giebt es keiherlei llberlieferung, aber es versteht 
sich von selbst, dass es mindestens ebenso frei 
gewesen sein muss, wie das der Consuln anfangs 
war. In der Republik steht das Coercitionsrecht 
bei den Magistraten bis auf die Quaestoren ex- 
clusive, welche dieses Recht nicht besitzen. Voiles 
Coercitionsrecht haben die Magistrate mit impe- 
rium, also auch die Provineialstatthalter , und 
ausserdem die Volkstribunen; die Coercitionsgewalt 40 
des Princeps ruht auf seinem proconsularischen 
imperium und auf seiner tribunieia potestas. 
Minderes Coercitionsrecht steht von den Magistra- 
ten ohne imperium den Censoren und Aedilen zu, 
und ebenso den mit Ackerassignation beauftrag- 
ten Beamten ; auch der Pontifex maximus besitzt 
dies Recht gegeniiber den Pontifices. Diese min- 
dere Coercition beschrankt sich auf das Recht zu 
biissen und zu pfanden, wahrend das Coercitions- 
recht der Magistrate mit imperium und das der 50 
Volkstribunen daruber hinausgeht. Mandierung 
dieses Rechtes an einen Gehilfen ist im Gebiete 
des imperium domi ausgeschlossen, innerhalb des 
imperium militiae aber zulassig. Die patrici- 
schen Magistrate konnen die Coercition auch durch 
Gehilfen und Diener vollstrecken, die plebeischen 
aber konnen das nur persOnlich thun. Als Coer- 
citionsmittel finden wir 1. die Totung, 2. den 
Verkauf in die Sclaverei, 3. die Verhaftung und 
Einsperrung, 4. die kflrperliche Zuchtigung, 5. die 60 
Einziehung des VermOgens, die conseeratio bono- 
rum, 6. die VermOgensbusse, 7. die Pfandung. 

Unbeschrankt ist die C- geblieben gegen- 
uber Frauen und Fremden, sowie ausserhalb der 
Stadt, im Gebiete des imperium domi aber ist 
sie seit der Einfiihrung der Provocation beschrankt. 
Seitdem darf hier die C. kein Ubel mehr zu- 
filgen, das, als Strafe verhangt, Provocation zu- 



lasst, d. h. Berufung von dem Spruche des Ma- 
gistrates an die Volksversammlung und Cas- 
sierung dieses Spruches durch diese. Die Pro- 
vocation ruht auf der lex Valeria de provocations, 
die im Gebiete des imperium domi dem Magi- 
strate die endgultige Entscheidung fiber das Leben 
des rOmischen Burgers entzieht. Diese lex Va- 
leria, welche die Provocation begriindete, ist nieht 
etwa eine Zuriickspiegelung der lex Valeria de 
provocations des M. Valerius Corvus, Consuls im 
J. 454 = 300 v. Chr. , sondern sie ist alter als 
die lex Aternia Tarpeia vom J. 300 = 454 v. Chr., 
welche fiir die VermOgensbusse eine Maximalgrenze 
feststellte. Zu einer Begrenzung der VermOgens- 
busse kann man nicht gesehritten sein, ehe man 
das Wichtigere und Notwendigere, die Sicherung 
des Lebens, gewahrleistet hatte. Andererseits 
fallt aber die lex Valeria auch nicht in das 
J. 245 = 509 v. Chr. oder iiberhaupt in das erste 
Jahr der Republik, in dem nach der altesten Uber- 
lieferung kein Valerius Consul war. Dass der 
Anfang der annalistischen Consulnliste einschliess- 
lich der Fasti Capitolini gefalscht ist, bis zu 
welchem Jahre die Falschung reicht und aus wel- 
chem Motive sie erfolgte, wird an anderem Orte 
eingehend zu zeigen sein. Die Entscheidung iiber 
die Zeit des grundlegenden valerisehen Provoca- 
tionsgesetzes hangt ab von dem Urteil fiber die 
Entstehungszeit der servianischen Centurienver- 
fassung, und dies Urteil ruht wieder auf der Be- 
antwortung der Frage nach dem Verhaltnis dieser 
Verfassung zur Tribusordnung. Das Bewusstsein 
davon, dass die servianische Centurienverfassung 
auf der Tribusordnung ruht, ist auch der rOmi- 
schen Annalistik nicht ganz geschwunden. Es 
hat urspriinglich vier und spater zehn Volks- 
tribunen gegeben. niemals fiinf. Die irrige An- 
gabe der Annalen von .der zeitweiligen Fiinfzahl 
der Tribunen aber geht von den vermeintlichen 
fiinf Classen der servianischen Centurienordnung 
aus und ist eine falsche Combination auf Grund 
der vorhandenen richtigen Kenntnis davon, dass 
die Tribusordnung die Grundlage der urspriing- 
lichen servianischen Centurienverfassung gebildet 
hat. Doch hac de re alio die. Der Dictator war 
lange Zeit provoeationsfrei, bis auch er der Provo- 
cation unterworfeu wurde , vielleicht durch die 
Lex Valeria des Valerius Corvus vom J. 454 = 300 
v. Chr. Ob der Decemvirat wirklich provoeations- 
frei war, wird weiterer Priifung noch bediirfen; 
die constituierende sullanische Dictatur war es 
ohne Zweifel. Urspriinglich schiitzte die Provo- 
cation nur das Leben, nicht den Riicken des ro- 
mischen Burgers; diesen, aber nicht den von 
Schauspielern , hat , nach einem Ansatze in der 
Les Aes Valerius Corvus, erst ein Gesetz des alten 
Cato geschutzt. 

Wo der Ungehorsam notorisch ist, bedarf es 
nicht erst seiner Feststellung durch eine eigent- 
liche magistratische Cognition, und wo eine solche 
zur Ermittelung des Thatbestandes eintritt, ist 
sie an keine festen Formen gebunden. Auch die 
"Wahl der C.-Mittel steht im Belieben des Magi- 
strates, soweit nicht Provocationsgesetz und Fest- 
stellung einer- Maximalgrenze fiir die Multa zu 
berucksichtigen sind. Den Tribunen gegeniiber 
scheint ein rechtlich bindender Provocationszwang 
nicht bestanden zu haben; vollziehen aberkonnten 



203 



Coercitio 



Copmatio 



204 



die Tribunen oder plebeischen Aedilen die Totung 
nur persOnlich und vollzogen sie durch das Herab- 
stiirzen vom tarpeischen Felsen. Die VermOgens- 
busse, die Multa, wird auf'erlegt entweder zu 
Gunsten der Gemeinde (multam dicere, inrogare) 
oder zu Gunsten einer Tempelcasse (in sacrum 
iudicare), wie des pleboischen Cerestempels. Friih 
verschollen, aber gegen Ausgang der Republik 
wieder ausgegraben ist die Einziehung des Yer- 
mogens, die conseeratio bonorum, mit der der 
Tribun das Vermogen des Schuldigen einer Gott- 
heit weiht. Auch die plebeische Mult wurde wohl 
zu Gunsten einer Gottheit auferlegt; dem aera- 
rium populi Romani konnten plebeische Multen 
erst zugewandt werden, seitdem die Volkstribunen 
Magistrate der Gemeinde geworden sind, was nicht 
vor der Lex Hortensia vom J. 467 = 287 v. Chr. 
geschehen sein kann. Mit der Mult verbunden 
ist die Pfandung, die pigrmris eap'io. Das Recht 
zur Verhaftung (prensio) und Einsperrung (ab- 
ductio in careerem, in vinculo) haben nur die 
Magistrate mit imperium und die Volkstribunen, 
diese selbst gegenuber den Magistraten mit impe- 
rium. Der Verkauf in die Sclaverei hat beim 
Ausbleiben bei der Schatzung und der Aushebung 
Consuln und Censoren zugestanden, ist aber zeitig 
abgekommen. So lange ein Recht zur kerper- 
lichen Ziichtigung (iberhaupt besteht, haben es 
auch die Aedilen; yon kOrperlicher Ziichtigung 
seitens der Volkstribunen ist nie die Eede. 

In der Kaiserzeit kommt praktisch das auf dem 
proeonsularischen imperium und auf der tribu- 
nicia potestas ruhende Coercitionsrecht des Prin- 
ceps, sowie das der Provincialstatthalter in Be- 
tracht; diese haben von diesem ihrein Rechte auch 
den Christen gegen fiber gelegentlich Gebrauch 
gemacht. 

2. Wie M o m m s e n s Staatsroclit Wesen und In- 
halt der Coercition klargelegt hat, so hat sein 
Strafrecht das Verhaltnis der Judication zur Coer- 
cition und den Einfluss der Coercition auf die 
Judication erkennen lassen. Dieses grandiose Werk 
hat Strafrecht und Strafprocess der Romer zum 
erstenmal aus den romischen Grundanschauungen 
selber entwickelt und hat in der Coercition das 
Riickgrat der romischen Strafordnung erkannt. 
Aus der Coercition ist der magistratisch-comitiale 
Strafprocess der Republik erwachsen, der auf der 
Provocation ruht und mit ihr gleichalterig ist. Vor 
der grundlegenden lex Valeria de provoeatione 
miissen Coercition und Judication im wesentlichen 
zusammengefallen sein. Dem Einfluss der Coercition 
entzogen ist die civilprocessualische Behandlung der 
Privatdelicte, sowie der Quaestionenprocess, das Ge- 
schworenengericht unter magistratischem Vorsitz, 
das durch Sulla seine voile Ausbildmig erh,alten 
hat und unter Augustus noch Erganzungen erfuhr. 
Piir die Strafgewalt der Provincialstatthalter aber 
bildet das Coercitionsrecht die Grundlage. 

Der ordo iudieiorum publieorum des Sulla und 
Augustus wird durch den auf bestimmten Ge- 
setzen ruhenden und an bestimmte Gesetze gebun- 
denen Quaestionenprocess reprasentiert ; er ist der 
legitimus ordo iudieiorum. Das Verfahren der 
ausserhalb dieses ordo stehenden befreiten Ge- 
richte ist das ausserordentliche Verfahren, das 
an die Gesetze nicht strict gehundene Verfahren 
extra ordinem. Wer die sullanischen quaestiones 



perpetuae mit dem den Quellen nicht entsprechenden 
Namen von quaestiones extraordinariaebezeichnet, 
stiftet Unklarheit und Verwirrung. Die befreiten 
Gerichte sind einmal das consularisch-senatori- 
sche Gericht, sodann die Kaisergerichte und die 
wenigstens bei den kaiserlichen Statthaltern auf 
kaiserlich er Mandierun g der St rafge w alt beruhenden 
Gerichte der Provincialstatthalter. Auf die Ju- 
dication dieser befreiten Gerichte iibt die alte Coer- 

10 cition den starksten Einfluss. Diese Judication 
teilt mit der Coercition die Ungebundenheit in 
Form und Sache. Weder die Feststellung des 
delictischen Thatbestandes , noch die Strafe ist 
hier an bestimmte Normen gebunden. Das Ver- 
fahren dieser Gerichte kann zwar auch in der 
Form des Aecusationsprocesses stattfinden, die 
Regel aber bildet die reine magistratische Cog- 
nition, die wohl einen Denuncianten kennt, aber 
keinen Anklager, und auch des Denuncianten nicht 

20 unbedingt bedarf. Das Verfahren dieser befreiten 
Gerichte, denen die gesetzliche Bindung fehlt f 
kann zur reinen Willkur werden, aber braucht 
nicht notwendig dazu zu fiihren. Wo die stricte 
gesetzliche Bindung fehlt, da wird zwar nicht 
auf Grund des Gesetzes, aber doch der Regel nach 
ad exemplum legis verfahren. Und erne ruhige 
Beurteilung der Sachlage wird die grosse Piille 
normierender kaiserlicher Bestimmungen nicht 
unterschatzen. Auch fur unsere Einsicht in die 

30 Form der Christenprocesse ist die Wiirdigung der 
befreiten Gerichte von grOsster Bedeutung. Die 
Form dieser Processe ist nicht der Accusations- 
process, sondern die Cognition gewesen ; und wenn 
die Thatigkeit dieser Gerichte auch Judication 
ist, so ist doch diese Judication in ihrem Cha- 
rakter durch die Coercition auf das starkste be- 
stimmt. Ad exemplum legis ist man aber auch 
hier verfahren. Und fiir die Erklarung der Zu- 
falligkeiten, von denen es abhangt, ob ein Christ 

40 aus der unbehelligten christlichen Menge heraus- 
gegriffen und zur Verantwortung gezogen wird, 
verschlagt es wenig, wenn man den Anklager durch 
den Angeber, den Denuncianten ersetzt. Dass das 
Verfahren des Magistrates aber auch oline jede 
Anregung von aussen beginnen konnte. stand 
bereits fest. Abgesehen von der coercitionsartigeu 
Judication der befreiten Gerichte ist aber, wie 
bereits am Schluss von Abschnitt 1 bemerkt 
wurde, auch reine Coercition den Christen gegen- 

50 iiber vorgekommen. 

Litteratnr: Mommsen R. St.-R. bes. 13 136 
—161, vgl. III 1279; Der Religionsfrevel nach 
rfimischem Recht, Historische Zeitsehrift XXVIII 
1890, 389—429; Rom. Strafrecht, Leipzig 1899, 
zunachst S. 35 — 54 und sodann an unzahligen 
einzelnen Stellen des gewaltigen Werkes. Um 
von dem Studium dieser Meisterwerke in keiner 
Weise abzulenken, habe ieh mit Bedacht Quellen- 
citate nicht gegeben. [Neumann.] 

60 Coetum s. Koiton. 

Cofna (Tab. Pent.; Geogr. Rav. II 14 = 84. 
2 Pind. Caput) in Palaestina, s. Gofna. 

[Benzinger.] 

Cog-idmunus s. Claudius Nr. 117. 

Cognatio ist der Zusammenhang durch Ge- 

burt (Dig. XXXVIII 8, 1 pr. cognati appellate 

sunt quasi ex uno nati), genauer die gemeinsame 

Abstammung durch Geburt oder eheliche Zeugung 



205 



Cognatio 



Cognitio 



206 



(Blutsverwandtschaft). Die uneheliehe Zeugung 
bringt das Kind nicht in die Familie des Vaters, 
sondern in die der Mutter, Gai. I 64. Dig. I 5, 23. 
XXXVIII 8, 4. Der Zeugung wird die adoptio 
(s. d.) rechtlich gleichgestellt, Dig. XXXVIII 8, 
1, 4. Man kann die cognatio daher nicht als die 
Gesamtheit der ,naturlichen Verwandten' (Dig. L 
16, 195, 4. Puchta-Kruger Institutionen™ II 
14 § 195) bezeichnen, sondern nur als die vom 
Recht anerkannte Blutsgemeinschaft (Leonhard 
Institutionen 211 § 55). Immerhin erscheint diese 
Gemeinschaft als die natiirlichcre (naturalia iura) 
im Gegensatze zu der agnatio oder civilis cognatio 
(s. Agnatio), Gai. I 158. Ulp. XXVIII 9. Dig. 
L 17, 8. Die rOmische Entwicklung ging dahin, 
die agnatio mehr und mehr zuriickzudrangen und 
die Bedeutung der cognatio zu steigern, nament- 
lich im Erbrechte, in dem diese Entwicklung in 
Iustinians nov. 118 ihren Abschluss fand. Dass 
aber auch schon im alteren romischen Rechte die 
C. von grosser Bedeutung war, hat mit grosser, 
vielleicht zu grosser (so Puchta-Kriiger Inst. 1° 
18 § 195 w) Bestimmtheit Klenze ausgefuhrt 
(Ztschr. f. gesch. Rechtsw. VI 1 — 114). Hier aber 
bedeutet cognati nicht den vollen Kreis der recht- 
lich anerkannten Blutsverwandten, wie ilm nov. 118 
in das Auge fasst, sondern eine engere Gruppe, die 
nahen Verwandten (propinqui, Gai. II 182. Inst. 
II 16, 4), die durch das Sittengebot gezwungen 
sind zusammenzuhalten (necessarii , Gell. XIII 
3. 1 : neeessitudo ius quoddam et vinculum reli- 
giosae coniimctionis. Dig. I 1, 12). Eine ein- 
heitliche Abgrenzung dieses Kreises fiir alle Falle, 
in denen es auf ihn ankam, ist jedoch (abweichend 
von Klenze) nicht anzunehmen, vielmehr ist sie 
entweder in einzelnen dieser Falle zwar in ahn- 
licher, aber nicht durchweg gleicher Weise ge- 
setzlich geregelt (z. B. bei dem parricidium, Dig. 
XLIX 8, 1, und anderseits bei der praetorischen 
Erbfolge der cognati, Dig. XXXVIII 8, 1, 3) oder 
jedesmal nach freiem Ermessen bestimmt worden. 
Der religiose Zusammenhalfc der niichsten Ver- 
wandten bei den Caristia, dem gemeinsamen Fest- 
mahle (Ovid. fast. II 617—638. Val. Max. II 1, 8, 
worauf K 1 e n z e 16 die bei Festns p. 245 s. publica 
sacra erwahnten -privata sacra, bezieht.) mid das 
ius oseidi , das Recht und die Pfiicht zum Ver- 
wandtschaftskusse (Serv. Aen. I 256. D'onat. in 
Ter. Eun. DI 2, 3. Bruns Fontes6 p. 78) inOgen 
hierbei von Einfluss gewesen sein. ebenso die 
Trauerpflieht (Paul. I 21, 13) und die Eheverbote, 
Inst. I 10, Iff. Coll. leg. VI 2ff. 

Die nahe Verwandtschaft gewahrte teils Vor- 
rechte, die sich auf die gegenseitige Zuneigung 
der AngehOrigen griindeten, teils Zuriicksetzungen, 
die der Furcht der Parteilichkeit gegenuber den 
nahen Verbundenen entstammten. Zu den Ver- 
wandtschaftsrechten gehOrte die Mitgliedschaft 
am indicium domestieum, dem Hausgerichte des 
paterfamilias (s. d.), die Freiheit von gesetzlichen 
Schranken unentgeltlicher Zuwendungen, frg. Vat. 
158. 298. 301. Ulp. XVI 1; eine Bevorzugung 
kauflustiger Verwandter bei der bonorum emptio 
(s. d.|. Dig. XLII 5, 16, sowie das Vorrecht der 
Angehorigen zu der adsertio in libertatem (s. Ad- 
sertor) und zur Klage wegen Totung eines Ver- 
wandten, Dig. IX 3, 5, 5. Hierher gehOrt auch 
die strengere Bestrafung des Verwandtenmordes 



XLIX 8, 1, die Befreiung von der Zeugenaussage 
gegen Verwandte, Dig. XXXVIII 10, 10 pr., vor 
allem aber das Recht zur Erbfolge nach dem 
praetorischen ordo unde cognati, Dig. XXXVIII 8. 
Inst. Ill 5, 5 (4), das den Verwandten bis zum 
sechsten Grade und vom siebenten dem Kinde 
des einen zweier Gesch wisterenkel (sobrinus) gegen- 
uber dem andern Gesch wisterenkel (und umgekehrt) 
zustand. Eine Zurucksetzung von Verwandten 

10 wegen Verdachtes der Parteilichkeit erwahnt Cic. 
de leg. agr. II 21; vgl. auch Leist in der Fort- 
setzung von Gliicks Commentar V 50 n. 56. 70 
n. 75. 85 n. 86. Karlowa Rom. R.-G. II 1, 62. 
Die Heraushebung eines engern Kreises aus der 
Verwandtschaftsmasse findet ihr Seitenstflck in den 
Rechten anderer Volker, Klenze a. a. O. 120ff. 
Leist Graeco-italische Rechtsgeschichte 1884, 
2 Iff. Dass aber der Zusammenhalt unter den 
romischen Blutsverwandten besonders stark war, 

20 ergiebt sich aus dem weiten Umfang der besondern 
Bezeichnungen fiir Verwandtschaftsgrade in der 
geraden Linie wie in der Seitenverwandtschaft, 
Dig. XXXVIII 10. Inst. Ill 6, eingehend erortert 
von Schilling Lehrbuch fiir Institutionen und 
Geschichte des romischen Privatrechts II 160 — 191 . 
Litteratur. Klenze a. a. O. Puchta-Kriiger 
Institutionen 10 14 § 195 und iiber die Geltung 
des Mutterreehts (d. h. der rechtlichen Zusammen- 
gehOrigkeit der von der Mutterseite her Verwand- 

30 ten) fiir altrttmische Familien Bernhoft Ztschr. f. 
vergleichende Rechtswissenschaft VIII 401. Cuq 
Les institutions juridiques des Romains 1891, 69ff., 
eine Geltung, die wohl richtiger zu verneinen ist. 
Vgl. ferner Voigt Rom. Rechtsgeschichte I 113ff. 
§12. Leonhard Institutionen 211. 212. 376. 

[Leonhard.] 
Cogni s. Cotini. 

Cognitio. 1) Cognitio (notio) in der Ci- 
vilrechtspflege. 

40 I. Allgemeines. Die cognoscierenden 
Personen. 

Ein Untersuchen und Erkennen (cognoscere) 
schreiben die Romer alien richterlichen Organen 
zu: einmal den Beamten, m6gen sie eine Rechts- 
sache selbst erledigen oder nur mitwirken bei der 
Vnrbereitung und Begrundung des Processes; so- 
dann auch den Privatgeschworenen (Belege bei 
Wlassak Rom. Processgesetze I 217. II 65, 
12) und den Unterrichtern (Ulp. Dig. IV 4, 18, 

50 4. Iul. Victor 24; s. Bd. II S. 410f. Bd. Ill 
S. 2102). Vom Schiedsrichter ist derselbe Aus- 
druck gebraucht CIL I 199 = V 7749; vgl. 
Plin. ep. V 1, 4. Fiir die Entscheidung, die der 
,Untersuchung' folgt und auf ihr beruht, begegnet 
in den Quellen decernere, statuere, pronutUiare, 
eondenmare und Ahnliches ; doch wird das Wort 
C. nicht selten so gesetzt, dass es den abschliessen- 
den Bescheid mitbefasst, Iul. Dig. XXI 2, 39 pr. 
Ulp. Dig. IV 4, 13, 1. In diesem Sinn stent audi 

60 in kaiserlichen Rescripten haufig is cuius de ea 
re notio est, womit der zum Urteilen Berufene 
bezeichnet ist. Besonderer Erorterung bedarf hier 
nur die C. der Beamten, vor allem die der stadt- 
romischen Magistrate. Man hat gefragt, ob die 
iurisdietio dieser Beamten oder, was nach rich- 
tiger Ansicht- dasselbe ist, ob ihr imperium, so 
weit es der Rechtspflege zugewandt ist, die C. 
miteinschliesse ? Die Bedenken gegen die be- 



207 



Cognitio 



Cognitio 



208 



jahende Antwort griinden sich auf Ausserungen 1): si de his rebus alia actio non erit Diesen 

yie Snet. Nero 15. Ulp. Dig. XLII 1, 5 pr. L Umstand, dass kein anderes wirksames Rechts- 

lo, 99 pr. Allan bei Sueton macht das eogno- mittel zur Verfiigung steht, erforscht der Praetor 

scere nicht den Gegensatz zur iurisdictio, sondern selbat , bevor er die Actio doli zulasst , ebenso 

zur Erledigung von Postulationen per libellos (vgl. wie er nach dera Edicte in Dig. XL VII 10, 17, 

Ulp. Dig. I 16, 9, 1) , und von den ulpianischen 10 die Abwesenheit des Gewalthabers und' den 

Fragmenten bcweist das erste geradezu (etiam\ Mangel eines Procurators selbst untersucht (s 

alia^ durfte zu tilgen sein), dass die C. in der Lenel Edictum 324; Ulpians Erlauterung des 

iurisdictio enthalten ist. Andrerseits aetzen aller- edictalen ,causa oognita' Dig. XLVH 10, 17, 17 
dings beide Fragmente gewisse Personen voraus, 10 ist meines Erachteiis in den Basiliken und in' der 

quae ius habent eognoscendi (Ulp. Dig. L 16, Glosse missverstanden). Haufiger ist in den Edic- 

46 pr.), wahrend sie der iurisdictio entbehren. ten der unbeschrankte Vorbehalt der C. und zwar 

Giebt es solche? Gedacht ist sicher — vielleicht in folgender Passung: eausa eoynita (Prob. 5, 12) 

ausschliesslich — an die indices oder arbitri iudicium (actionem) dabo (permittam)- z B Ulp 

pedanei (,TJntenichter>); ihreStellung weist genau Dig. IV 2, 14, 1. 2. XIV 5, 2 pr. XLII 8 10 pr 

die von Ulpiaii hervorgehobenen Merkmale auf XL VII 10, 15, 34. Pomp Dig XLII 1 '22 1 

(s. Iustinian Cod. II 47 [46], 3 pr.). oder weitlaufiger (vgl. Ulp. Dig' XXIX 4, 6, '3): 

II. Gebiet der amtlichen causae co- si iusta causa, esse videbitur (so im Dolusedict 

8 nit , 10 - TT , , neben dem oben mitgeteilten Satze; vgl. Prob. 

a) Das Vorverfahren im ordentlichen 20 S, 10). Nocb weiter sind die Grenzen des prae- 

Process. Zeugmsse fiir die C. der Magistrate torischen Ermessens gezogen in den mit uti 

m Bom, der Statthalter , des Kaisers und seiner quaeque res erit, animadvertam abschliessenden 

Beamten liegen aus der Zeit der classischen Ju- Edicten (Dig. IV 4, 1, 1. XL VII 10, 15, 25), in- 

nsten in grosser Menge vor. Dagegen fehlen uns sofern hier selbst die Art der versproch'enen RecW 

Nachnchten tlber die Thatigkeit des Consuls und httlfe (ob durch indicium dare oder andere Mittel) 

des Praetors in dem alten Verfahren mit Legis im Ungewissen bleibt. Zu erkliiren ist dieses 

actio. Nach einer heute gangbaren Ansicht ware Vorgehen des Praetors, wodurch nicht festes son- 

der Magistrat m jener Zeit nur eine Art Urkunds- dem bewegliches Eecht entsteht, wesentlich aus 

person, nicht selbstandiger Leiter der Verhand- der Schwierigkeit, das zu regelnde Gebiet vollig 
lung m iure gewesen. Indes ist damit das nach- 30 zu iiberblicken und den vorschwebenden o-esetz 

weisbare Beamtenrecht , die Legis actio zu ver- geberischen Gedanken in ganz zutreffenden Worten 

weigern, schlechthin unvereinbar. Der Magistrat auszupragen. Immerhin bilden die Edicte, welche 

rnusste zu alien Zeiten befugt sein, das Dasein die Gewahrung eines 'Indiciums oder eine andere 

der 1 rocessvoraussetzungen zu priifen und min- Massregel mm simpliciter, non destricte, non 

destens im Streitfall iiber die Angemessenheit der temere (,nicht ohne weiteres'). non semper son- 

gewahlten Spruchformel zu befinden (s. Wlas- dern causa eognita oder ex causa in Aussicht 

q^ a iir ' rl 336; Litiskorltestation stellen, eine ziemlich kleine Minderheit. In der 

84). War sonach die Beamtencognition niemals Kegel ist der Praetor vielmehr in der Lage — 

ausgeschlossen, so darf doch die Ausiibung dieses wie es die Juristen ausdrucken — passim, stai-im 
Prutungsrechts im ordentlichen Process keines- 40 omni modo (Ulp. Dig. XXXVI 4, 5. 5) dem auf 

wegs als das thatsachlich Kegelmiissige gedacht ein Edict gestutzten Parteibegehren zu willfahren 

werden. Par die Legisactionen waren im Voraus Indes ist damit nicht gesagt, dass in den Fallen 

Schemata von den Juristen entworfen ; Pormulare des schlichten iudicium dabo keine C. in iure statt- 

iur die Streiturkunden des spateren Processes finden konnte. tberall hatte der Prator zu erwagen 

e Va o^,] m P raetorischen Album kundgemacht (Bd. I ob die vom Klager vorlaufig ediertc Formel den in! 

, • „ - , 1333 )- Wo lm einzelnen Fall das Schema Album gestellten Anforderungen entsprach. Meist 

der Genclitslafel nur der Ausi'iillung, nicht der wird hie zu erne blosse Vergleichung mit dem Muster 

Abanderung (vgl. Cic. pro Tull. 38) bedurfte, auf der Tafel geniigt haben. Doch konnte die 

natte der Praetor gewOhnlich keinen Anlass, unter- Vergleichung leicht in eine Untersuchung uber- 
suchend emzugreifen, sofern nicht vom Beklagten 50 gehen, z. B. in Injuriensachen. Hier verlano-te 

begriindeter Widerspruch erhoben ist gegen die ein Edict (Ulp. Dig. XL VII 10, 7 pr. Paul Coll 

Formelfassung, wie sie der Klager beantragt. Da- II 6, 1. 3) vom Klager, dass er die Iniurie in 

gegen war eine mehr oder minder eindringende der Formel bestimmt bezeichne (certum dicat ■ 

O. geboten, wenn die postulierte Processformel ahnlich Paul. Dig. IV 3, 16); Paulus aber be- 

keinVorbild im Album hatte noch auf alter lehrt uns: certum an incer him dicat, cognitio 

rpj X f „ bernhte ' oder wenn ZUI actio vulgaris ipsius praetoris est. Allerdings ist nach dem In- 

(Bd. I S. 313. 322) neue, nicht edictsmassige Zu- halt gerade dieses Edyites die magistratische C 

satze, etwa bisher nicht ubliche Exceptionen er- selbstverstandlich. Umdarzuthun. dass sie nirgend* 

beten wnrden (Gai. IV 118). Endlieh weist das ausgeschlossen war, anch wo der Text des Album* 
Album eine Anzahl von iudicium [actionem] ver- 60 nicht den geringsten Anhalt bot, maw auf die 

neissenden Edicten auf, welche die Bewilligung Bemerkungen der commentierenden Junsten (Die 

der Formel oder einzelner Formelstucke vom Da- III 3, 8, 3. frg. 9—15) zum Edict Di<*. ni 3, 8. 3 

sein gewisser in iure zu prtifenden Voraussetzungen und auf die ebenso freie Behandlung"(Labeo'-Uip 

oder ganz unbestimmt davon abhangig machen, Dig. IV 8, 15) der Edictsnorm : (arbitrum) sen- 

aass sich die Bewilligung des Indiciums in einer tentiam dicere coyam (Bd. II S. 409) verwiesen 

praetorischen causae cognitio als billig heraus- werden. Zudem ist die dem Praetor im Formular- 

stellen werde. Fur das erstere bietet ein Bei- verfahren fraglos zustehende denegatio actionis 

spiel der featz des Dolusedictes (Dig. IV 3, 1, (s. d.) nur begreiflkh, wenn Verhandlung und C 



209 



Cognitio 



Cognitio 



210 






sei es auch in engen Grenzen, bald fiber die Voraus- im Album aufgestellt waren. Erhebt sich aber 

setzungen des Processes bald iiber die Sache selbst Streit iiber die Pflicht zu cavieren , so soil nach 

statthaft war. Ulpian (Dig. XLVI 5, 1, 9; dazu XXXVI 4, 3, 1) 

b) In integrum restitutio. Das bisher der Praetor selbst summatim cognoscieren. Doch 
erOrterte Verfahren zur Vorbereitung des ordent- zeigt der Rechtshandel des von Cicero (p. Quinct. 
lichen Processes in Privatsachen ist nicht das einzige 30) verteidigten P. Quinctius, dass jene Frage 
Gebiet, auf dem magistratische Cognitionen statt- durch Vermittlung einer Praejudicialsponsion auch 
finden. DanebenkommenhauptsachlichinBetracht zum Gegenstand eines durch Geschworcnenspruch 
die in integrum restitutio, die missiones (in bona, zu erledigenden Privatprocesses werden konnte. 
in rem), die Auflegung von Cautionen (stipula- 10 Die Entscheidung iiber die Tauglichkeit der an- 
tiones praetoriae), die Zulassung zur bonorum gebotenen Biirgen pflegte der Magistrat durch 
possessio, die Ernennung von Tutoren und Cura- Bestellung eines Gehiilfen (arbiter datus, Bd. II 
toren und sonstige Verfugungen in Vormund- S. 411. 414) von sich abzuwalzen. tbrigens fehlt 
schaftsangelegenheiten. Minder Wichtiges bleibt es keineswegsanBeispielenfiireingenendereeigene 
unerwahnt; wegen des duci iubere s. Bd. I S. 352 C. des Praetors. Nach einem Edict (Gai. IV 102) 
unddieArtikelDuctio,Manus iniectio,Noxa. muss der von einem Erbschaftsglaubiger zu yer- 
Die umfanglichsten Ermittlungen mochten den klagende Erbe auf dessen Begebr cautio iudica- 
Beamten in manchen Kestitutionssachen obliegen; turn solvi leisten, wenn ihn der Beamte fiir ,un- 
passim zu erteilende Bescheide waren hier regel- sicber erachtet' (suspeetum aestimaverif). Das 
massig ausgeschlossen. Modestin behauptet sogar 20 erforderliche Ermittlungsverfahren legt Ulp. Dig. 
(Dig. IV 1, 3): Omnes in integrum restitutiones XLII 5, 31 pr. dem Praetor selbst auf, indem er 
causa eognita a praetore promittuntur; allein beifiigt, die Caution diirfe nicht sofort (statim) 
er beachtet dabei nicht eine fur die classische sondern nur causa eognita angeordnet werden. 
Zeit durch das Edict in Dig. IV 5, 2, 1 ausser Einen anderen Fall, wo die amtliche Untersuchung 
ZweifelgesetzteAusnahme: die Restitution aus dem nicht wie im vorigen einen bestimmten, im Edict 
Grande der stahts permutatio. bezeichneten Punkt betrifft, sondern iiberhaupt 

c) Vormundschaftssachen. Mit der Ver- die Angemessenheit (si iusta causa esse vide- 
waltung der die Tutel und Cura betreffenden Ge- bitur) der Cautionsauflage feststellen soil, ent- 
richtsbarkeit ist insgemein Eecht und Pflicht der halt Paul. Dig. XXXV 3, 4pi\; vgl. auch Ulp. 
C. verbunden. Ob die obrigkeitliche Ernennung 30 Paul. Dig. II 8, 7, 1. II 8, 8, 4—6. Lenel Edic- 
idatio) der Vormiinder und Pfleger vom Anfang turn 419f. 106. Aus dem Edict de damno in- 
an und unter alien Umstanden causa eognita ge- feeto (Dig. XXXIX 2, 7 pr.) gehOrt der Eingangs- 
schah (so Rudorff), das ist allerdings keineswegs satz hieher, der im wesentlichen so lautet: dwrnmi 
sicher (vgl. Ulp. Dig. XXVI 5, 18. Schol. Sinait. infecti , . promitti . . iubeho ei, qui iuraverit 
XIV. XVII. lust. Inst. I 20, 3); doch muss die non calumniae causa id se postutare . . . in 
Frage des Bediirfnisses wohl immer und grund- earn diem, quant causa eognita statuero. Darnach 
satzlich auch die Tauglichkeit des zu Ernennen- bewilligte der Magistrat die verlangte Stipulation 
den gepriift worden sein. Die Bestatigung (con- ohne nahere Prufung, wenn nur der Postulant be- 
firmatio, Dig. XXVI 3) der Vormiinder erfolgt reit ist, zu beschwOren, dass er seinen Antrag 
nach fester Norm bald omni modo (Modest, ajrf.ws), 40 in redlichem Bewusstsein stelle. So ersetzt der 
bald ex inquisitione (dies ist der iibliche Ausdruck, Calumnieneid die C. Dagegen behalt sich der 
auch bei der datio; vgl. aber Lex Salp. c. 29, Praetor ausdriicklich causae cognitio vor iiber 
CLL II 1963. Ulp. Dig. XXVII 10, 6). Die Rechts- die Bestimmungen des der Stipulation einzufugen- 
mittel der Excusation und der Nomination eines den Endtermins, der aus nahe liegenden Griinden 
Besseren verlangen ihrer Natur nach eine C, (s. Ulp. Paul. Dig. XXXIX 2, 13, 15. frg. 14. 
ebenso die Entmiindigung der Verschwender und 15 pr. § 1) im Schema des Albums nicht festge- 
die suspceti (tutoris, 'euratoris) postulatio. Viel- legt war. Wie hier zur Erganzung, so tritt alle- 
fach bezeugt ist die Notwendigkeit eindringen- mal amtliche C. oder, wie sich Ulp. Dig. XLVI 
der Prufung behufs obrigkeitlicher Genehmigung 5, 1, 10 ausdrflckt, die praetoria iurisdictio ein, 
der Verausserung von Miindelgut. In einem spaten 50 wo im einzelnen Fall eine Abanderung des zum 
Kaisererlass (Valent, Theod. Cod. Theod. Ill 17, Muster dienenden Cautionsformulars wunschens- 
3pr. — Cod. lust. V 33, 1 pr.) heisst der Praetor wert erscheint. 

tutelarius, dem sonst iurisdieti-o ebenso zugeschrie- e) Bonorum possessio. Missionen. Ver- 

ben wird wie die Obervormundschaftsgeschafte des wandt mit dem erorterten Gegensatz der passim 

Stadtpraetors auf iwisdietio (trotz Dig. XXVI und der causa eognita ergehenden Bescheide ist 

1, 6, 2) beruhen, praetor qui tutelaribus eogni- die bei den Missionen und bei der Bonorum pos- 

tionibus praesidet. sessio auftretende Unterscheidung dessen, was der 

d) Cautionen. Unter den Cautionen (meist Magistrat ex edieto (daher bonorum possessio 
mit Biirgschaft) sind manche, so die usufractua- edictalis Dip. Dig. XXXVIII 6, 1, 4) und was er 
rische (Dig. V1T 9). die cautio legatorum sertan- QOdecreto (bon. p. decretaUs Ulp. Dig. XXXVIII 9, 
dorum (Dig. XXXVI 3j, die mit dem dinglichen 1, 7) verfugt. Wie u. a. Cic. ad Att. VI 1, 15 
Process (Gai. IV 88—94) und mit der Process- zeigt, ist hier, bei der Regulierung der Erbschaften 
stellvertretung (Gai. IV 98. 101) verbundenen, an und bei der Beschlagnahme, die Erledigung ex 
Voraussetzungen gekniipft, deren Dasein leicht edieto das gewOhnliche ;. Cicero zahlt beide Sachen 
erkennbar und haufig unbestritten ist, so dass 'zu denjenigen, die ex edieto et postulari et fieri 
der Praetor gewOhnlich den Befehl zum Abschluss solent. Auch aus der Quinctiana 25. 30 ersehen 
des Vertrags ,ohne weiteres' erteilen mochte, zu- wir, dass Naevius vom Praetor P. Burrienus Mission 
mal da Formulare fiir die fraglichen Stipulationen in die bona des Quinctius erbeten und erhalten 



211 



Cognitio 



Cognitio 



212 



hatte ex edieto eben dieses Praetors, Eine Be- 
merkung Ciceros in derselben Rede 60 darf man 
vielleicht dahiii verstehen , dass die gewahrende 
praetorische Verfiigung ausdrficklich den Zusatz: 
ex edicto enthielt. Was aber ist der Sinn dieser 
Worte? Sicher geniigt nicht die nachstliegende 
Deutung, wonaoh alles ex edieto geschieht, was 
der Magistrat seinera edictalen Versprechen gemass 
anordnet. Dem widersprieht Ulp. Dig. XXXVIII 6, 
1, 4, der die (decretale) carbonianische bonorum 
possessio, mag sie auch, wie er selbst sagt, ex 
edicto Cwrbonis verliehen sein, in Gegensatz bringt 
zur edietalis. Vielmehr kommt jenem Zusatz 
hier der besondere Sinn zu, dass der bewilligende 
praetorische Bescheid, dem Antrag entsprechend, 
nur gelten soil, wenn die fur inn in dem berufe- 
nen Edict anfgestellten Erfordernisse , die vom 
Postulanten zwar behauptet, doch nicht bewiesen 
sind, wirklich vorliegen. Folgeweise musste fiber 
die EecMfertigkeit des ex edieto, d. h. unter Vor- 
behalt Gewahrten ein gerichtliches Nachverfahren 
offen stehen. Ein Process dieser Art ist der unter 
Ciceros Beistand von P. Quinctius als Klager wider 
S. Naevius durchgefiihrte (Bd. I S. 120); der 
Streit betraf die Giiltigkeit der ex edieto ge- 
statteten Beschlagnahme der Giiter des ersteren. 
Die Frage des Rechtsbestands einer ex edieto ge- 
wahrten bonorum possessio kann zur Entschei- 
dung kommen im Process mit dem Interdictum 
quorum bonorum (Dig. XLIII 2, 1 pr.) oder mit 
einer der ficticischen Einzelactionen des wahren 
oder vermeintlichen praetorischen Erben (s. Lenel 
a. 0. 143). Wie sehr nun Sachen, die ein prae- 
torischer Bescheid ex edicto erledigte, sich dazu 
eigneten , passim ohne C. behandelt zu werden, 
das ist ohne weiteres klar. Doch ware es auch 
hier falsch, den Beamten als eine bios zum Ja- 
sagen bestellte Solennitatsperson anfzufassen; ohne 
Zweifel war er befugt, ein Begehren abzuweisen, 
das auf Behauptungen beruhte, deren Unwahrheit 
sich ihm sofort oder, wenn er Verdacht schopfte, 
nach gepflogener Untersuchung ergab (vgl. Cic. 
pro Quinct. 51). Gegeniibergestellt sind den ex 
edicto erlassenen Verfiigungen die decreta (s. d.). 
Mit diesem letzteren Ausdruck, der eigentlich 
alle Beschliisse befasst, bezeichnen die Romer 
technisch und im engeren Sinn nur die in be- 
stimmter Form ergehenden Bescheide der Beamten. 
Da in genauer Rede die auf die Eingabe (libellus) 
selbst geschriebene Erledigung (subscripts und 
wiederum libellus) den Gegensatz zum decretum 
macht, so war fur das letztere neben der Verkun- 
dung pro tribunal* wohl die Ausfertigung einer be- 
sonderen amtlichen Urkunde erforderlich. Den 
Zusammenhang mit der Lehre von der C. vermittelt 
uns der Ausspruch Ulpians Dig. 1 16, 9, 1 . L 17, 71 : 
Ubi decretum necessarium est, per libellum, id 
expedire proconsul non poterit : omnia enim 
quaeeumque causae cognitionem desiderant, per 
libellum non possunt expediri. Darnach war flber- 
all, wo das Edict oder eine andere Rechtsquelle 
eine amtliche causae cognitio vorschreibt, ein 
decretum notwendig und die Ausfertigung des Be- 
schlusses per libellum ausgeschlossen , z. B. bei 
der Zulassung der Actio doli (Ulp. Dig. IV 3, 1, 
1. 4), bei der Gewahrung der carbonianischen 
bonorum possessio (Ulp. Dig. XXX VH 10, 1 pr. 
frg. 3, 4f. Iul. frg. 7, 4—6). Dagegen litest Ulpian 



213 



a. 0. sowohl die Annahme ungebotener C. zu 
ohne Abschluss durch ein fflrmliches Decret, wie 
auch die Moglichkeit der Erledigung gewisser 
Sachen per decretum, wo keinerlei causae cognitio 
voraufging. Das erstere ist deutlieh bestatigt durch 
Ulp. Dig. XXXVII 1, 3, 8: durch die Sonderung 
der bonorum possessio deereto data(~ decretalis) 
von der bonorum, possessio (edietalis) eausa . co- 
gnita data (s. Huschke Krit. JahrMcher v. 
10 Richter-Schneider V 27f.; bei Ulp. Dig. XXXVIII 
15, 2, 1 schlagt Noodt vor, die Worte: vel 
quae decretum exposcit als altes Glossem zu 
streichen); das andere, Decret ohne C, lasst sich 
ziemlich sicher belegen bei der Confirmation von 
Vormundern (vgl. Mod. Dig. XXVI 3, 1. 2 mit 
Ulp. Paul. Vat. Fr. 159. 246) und beim Auflegen 
von Cautionen (Ed. Dig. XXXIX 2, 7 pr.: ex de- 
ereto meo). Dass auch die Zulassung zur Klage 
durchaus deereto erfolgte, wird wohl allgemein 
20 gelehrt (s. Art. D a r e a c t i o n e m) ; dasselbe nehmen 
die meisten (s. aber Seller Rem. Civilprocesse 
§ 85 S. 438) stillschweigend hinsichtlich aller 
Missionsbescheide an (arg. Ulp. Dig. XXXIX 2, 
15, 16, wo ein primumi decretum voraus^esetzt 
ist; Ulp. Dig. XLIII 4, 3 pr. diirfte interpoliert 
sein; vgl. noch Maec. Dig. XXXVI 4, 12), ohne 
jedoch den Gegengrund im Cod. lust. VII 57, 5 
(Gordian) zu beachten. Beispiele von Missionen, 
die der Beamte ausnahrnsweise nur causa cognita 
30 bewilligt , finden sich im Edict Dig. XXXIX 2, 
7 pr. (die sog. missio ex secundo deereto), bei 
Iul. Dig. VIII. 5, 18. Ulp. Dig. XXXVI 4, 5, 5. 
XXXVII 9, 7, 1. XLII 4, 8. 

Viel enger begrenzt als die Cognitionsthatig- 
keit der stadtrOmischen Beamten und der Pro- 
vincialregenten ist die der Municipalmagistrate 
unter den Kaisern , vennutlich seit Augustus 
(Wlassak R8m. Processgesetze I 193 — 200). Zu 
den leitenden Gedanken der Gerichtsverfassung 
40jener Zeit geho'rt auch der, den landstadtischen 
Magistraten alle Sachen zu entziehen , die nicht 
wohl anders als nach freiem Ermessen des Be- 
amten zu regeln waren. In diesem Sinne iiussert 
sich Paulus, offenbar im Hinblick auf die Vor- 
steher der Municipien, Dig. L 17, 105 (Lenel 
Paling. I 967): Ubieumque causae mgm'Ho est, 
ibi praetor desideratur. Natiirlich geht der 
Jurist nicht davon aus, dass die Inhaber der 
Medergerichtsbarkeit im Gegensatz zum Praetor 
50iiberhaupt des Prufungsrechtes entbehren. Der 
naehste Anlass fur seine Bemerkung war der Aus- 
schluss der Municipalbehorden von dem nur causa 
cognita ergehenden decretum secundum wegen 
verweigerter cautio damni infeeti (s. Ulp Dig 
XXXIX 2, 4, 3f. Rudorff Edietum perp. 27. 
29, 3). Indes haben seine Worte doch auch all- 
gem einere Bedeutung, insofern die Versagung des 
Rechtes in integrum zu restituieren (Paul. Dig. 
L 1, 26, 1) und wohl noch andere Beschrankungen 
60 der landstadtischen Gerichte auf den von Paulus 
angedeuteten Gedanken zuriickzufuhren sind. 

in. Formen und Gang des Verfahrens. 
Das summatim eognoscere. 

Das Verfahren, welches die cognoscierenden 
Beamten in den vorerwahnten Sachen einhielten, 
ist wenig bekannt. Hier sind nur die allgemeinen 
Formen ins Auge zu fas sen , nicht die Eigen- 
tumlichkeiten, die sich aus der besonderen Natur 



Cognitio 



Cognitio 



214 



des verhandelten Gegenstands ergaben, so sehr 
durch sie die Gestaltung des Verfahrens bestimmt 
sein mochte. Dass die Bewegungsfreiheit des Be- 
amten in erheblichem Masse weder durch legale 
noch durch edictale Vorschriften eingeengt war, 
darf far nahezu sicher gelten. Wenn man ge- 
neigt ist, die heute sog. Verhandlungsmaxime 
als etwas mit der privaten Natur des Gegen- 
standes der C. von selbst Gegebenes anzusehen, so 
sind jedenfalls Abweichungen von jenem Grund- 
satz fur die causae cognitio der romischen Be- 
amten, auch nach Ausscheidung der Vormund- 
schaftssachen, anzuerkennen. Besonders im Inte- 
resse schutzbediirftiger Personen entfaltet der 
Praetor gelegentlich aus eigenem Antrieb, ohne 
hierauf gerichtete Postulation, eine inquisitorische 
Thatigkeit, wobei er selbst von seiner Evoeations- 
befugnis Gebrauch macht. Zum Beleg diene Ulp. 
Dig. XLII 4, 5, 1, wo es sich urn die causa 
cognita zu gewahrende Mission in die bona eines 
Pupillen oder Wahnsinnigcn handelt. Wie aus 
dieser und deutlicher aus anderen Pandekten- 
stellen erhellt, gehort Zweiseitigkeit der Verhand- 
lung (eine ,contradictorische' Verhandlung) nicht 
schlechthin zum Wesen der magistratischen C, 
weder der oben (II) besprochenen noch der extra- 
ordinaren C. Die melirfach (z. B. Rudorff 
Rem. Rechtsgeschichte II 201, 3. Bethmann- 
Hollweg Civilprocess d. gem. Rechts 11758,4. 
Ill 252) begegnende Behauptung des Gegenteils 
ist anscheinend hervorgerufen durch einen spaten, 
zuverlassig bei Justinian (Cod. lust. VII 63, 5, 4 : 
sive ex una parte sive eognitionaliter) nachweis- 
baren Sprachgebrauch , der falschlich schon den 
classischen Juristen zugeschrieben wurde. Dass 
der Beamte im Extraordinarprocess, auch wenn 
der peremptorisch geladene Beklagte ausbleibt, 
.cognosciert', sagt ausdrucklich Ulp. Dig. V 1, 71 ; 
Falle einseitiger causae cognitio iiber Missions- 
gesuche bieten Iul. Dig. VIII 5, 18. Pomp. Dig. 
XXVIII 5, 23, 4. Ulp. Dig. XLII 4, 8 (s. Lenel 
Edietum 336), aber den Antrag, Actio doli zu- 
zulassen, Constantin Cod. Theod. II 15 ; 1; be- 
treffs der eaqnitio suspecti tutoris vgl. Ulp. Dig. 
XXVI 10, 3', 4. Iul. Aquila Dig. XXVI 10, 12. 
Ein wesentliches Stuck der C. ist das Einfordern 
von Beweisen und deren WiiTdigung. Bindende 
Regeln hinsichtlich der Beweismittel wie der ihnen 
zukommenden Beweiskraft kennt die alte und die 
classische Zeit weder fur die Privatrichter noch 
fiir die Beamten. Auf eine Besonderheit desBe- 
weisrechtes weisen nach der herrschenden Ansicht 
die Quellen hin, wo sie fiir die Untersuchung die 
Wendung summatim eognoscere {aestimare und 
ahnliches) gebrauchen. In Iustinians Compilation 
steht dieser Ausdruck zwolfmal (eine Aufzahlung 
der Stellen bei Briegleb Summarische Processe 
239f-j; doch ist in einem Fragment lPaul ; Dig. 
IX 2. 40) das summatim nur auf die Thatigkeit 
der Partei (rem exponere) bezogen. Von den Sum- 
matimstellen handeln sechs von der praetorischen 
causae cognitio, drei vom classischen Estraordinar- 
verfahren (IV), die constantinische Constitution 
Cod. lust. Ill 19, 2, 1 vom nachclassisehen Pro- 
cess; bei Ulp. Dig. X 4, 3, 9 und Paul. Dig. IX 2, 
40 ware ein Privatrichter der summatim prufende, 
wenn diese Fragments nicht justinianisiert sind 
(so Pern ice Ztschr. f. Rechtsgesch. Rom. Abt. 



XXVII 169, 1. Briegleb a. O. 271). Darnach 
erscheint es gewagt, ohne weiteres denselben 
Begriff der ,oberflachlichen Untersuchung' in alien 
Fallen vorauszusetzen, und nach dem Inhaltder Stel- 
len ziemlich aussichtslos, eine bestimmte scharfe- 
Auspragung des Begriffs als rfimisch erweisen zu 
wollen. Der gemeinen Meinung nach (Savigny,. 
Wctzell, Bethmann-Hollweg) begnugt sich 
das Summarverfahren mit der blossen .Bescheini- 
10 gung', statt einen den Richter vdlig iiberzeugen- 
den Beweis zu verlangen ; ,das Gericht greift nur 
nach den zunachst sich darbietenden Beweisgriin- 
den und lasst die tiefer steckenden unbeachtet' 
(Schrutka). Dagegen findet Briegleb (a. 0. 
171) das Wesen der Summarcognition in der Be- 
schrankung der Untersuchung ,auf die nachsten 
und unerlasslichsten Voraussetzu'ngen' des erho- 
benen Anspruchs mit Ausschluss der ,Verteidigung 
durch Gegenbeweis und Einreden', es miissten 
20denn ,unverzuglich evidente Defensionen' zu Ge- 
bote stehen. Werden gerichtliche Entscheidungen 
zugelassen auf Grund einer bios .oberfliichlichen 1 
Untersuchung, so scheint es gerechtfertigt , ein 
Verfahren offen zu halten, in dem die namliche 
Frage nach griindlicher Priifung vom Gerichte 
nochmal und jetzt endgilltig zu beantworten ist. 
Dies wird denn auch mit gutem Grund fiir alle- 
Falle der praetorischen, sunnnarisch gestalteten 
causae cognitio angenommen. Dagegen diirfte in 
30 Dig. IX 2, 40 und Cod. lust, III 19, 2 trotz der 
•Summarietat der Untersuchung an Entscheidungen 
uber solche Punkte gedacht sein, die im zweiten 
Process, der andere mit jenen nur zusammen- 
hangende Fragen betrifft, nicht weiter Gegenstand 
der C. sind. Diese Erwagnng und eine neuer- 
dings erst bekannt gewordene Ausserung des Sinai- 
Scholiasten (XIV) zu Ulpian ad Sabimmi (Col- 
lects libr. iur. Anteiustiniani III 278: r) avvcouo; 
Sidyvmcig in eincm Fall der tutoris datio) machen 
40 es sehr unsicher, ob die ROmer nureinen, und 
zwar einen genau bestimmten Begriff der Sum- 
marcognition hatten. In welchem Verhaltnis die 
em«.sa«oo9«^wzumf6'rmlichen deeretumstani, das 
ist oben (S. 211) schon gesagt. So wie die Unter- 
scheidung des Decrets im technischen Sinn von den 
anderen obrigkeitlichen Verfiigungen in unseren 
Quellen erscheint, hat sie deren schriftliche Aus- 
fertigung zur Voraussetzung. Doch folgt daraus 
nicht, dass sie erst aufkam, als die Magistrate an- 
50 fingen, sich deT Schrift zu dem gedachten Zwecke 
zu bedienen. Noch engere Beziehungen als zum De- 
cret hat die causae cognitio zum Tribunal (Gegen- 
satz: Verftigung de piano; s. Art. Tribunal], 
das Raum bietet wie fur den Beamten, der sitzend 
Recht spricht, so fiir seine Gehiilfen, unter denen 
auch protocollierende Schreiber sind (Cic. Brut. 
290). Nach unseren Zeugniesen ist es kaum zu 
bezweifeln, dass im Gebiete der Rechtspflege alle 
amtlichen Cognitionen, die diesen Namen verdienen, 
60 mit Einschluss der extraordtnaren (IV) an das Tri- 
bunal gebunden waren; vgl. besonders Ulp. Dig. 
XXXVII 1, 3, 8. XXXVIII 15, 2, 1. 2 und die 
Belege bei Pernice Ztschr. f. Rechtsgesch. Rom. 
Abt, XXVII 153f. Nicht widerlegt ist dieser Satz 
durch den Sinai-ScholLasten (a. O.) aus dem 5. 
oder 6. Jhdt. n.'Chr., der eine ovvro/io; Stdyvcooit 
kennt, die in piano stattfinde. Wie eine Be 
merkung des sog. Enantiophanes (zu Bas. XLV 



215 



Cognitio 



% 29, 1, Heimb. IV 516) zeigt, der die Falle der 
decretalen bonorum possessio als solche bezeichnet, 
welche diayvwoEcag jtol.kfjg XQn£°voiv , unter- 
schieden die Juristen der christlichen Zeit je nach 
der Ausdehnung zwei Arten der ,Untersuchung', 
wiihrend nach dem Sprachgebrauch der Classiker 
dort, wo die Griecken eine ,kurze' Sidyvaaie an- 
nehmen, iiberhaupt fceine causae cognitio vorliegt. 
Wie sich mit dem Tribunal und mittelbar mit 
der C. die Vorstellung der .Sitztmg' verbindet, 
zeigt Gai. Dig. XL 2, 7 (vgl. Gai. I 20). Ulp. 
Dig. XXXVIII 15, 2, 1. 2. (Want. Cod. lust. 
Ill 11, 4. Der pro tribunali cognoscierende Be- 
amte sitzt auf dem curulischen oder einem Stuhl 
tiiedercr Art (sessio); gewisse Verfiigungen aber 
{nicht ,Decrete') sind ohne Untersnchung und dem- 
nach m transitu mOglich, sie kSnnen erbeten 
werden vom proeedens iudex. Wegen des Zu- 
sammenhangs der Verhandlung Tor der Gerichts- 
Mhne mit der Protocollierung ist zu verweisen 
auf Cic. Brut. 290. Cams Cod. lust. V 71, 6; 
vgl. indes auch Paul. Fragm. Vat. 112, der fiber 
eine sog. sessio de piano (s. Pernice a. 0. 154f.) 
benchtet. Welche Folgen es hatte, wenn der 
Beamte das Gebot missachtet, pro tribunali die 
C. vorzunehmen und vom Tribunal aus das Decret 
zu erlassen , auf diese Frage geben die Quellen 
kerne allgemeine und keine ganz deutliche Ant- 
wort. Mommsen (St.-R. IS 400, 1; dazu 397, 5) 
vermutet Nichtigkeit der vorschriftswidrig de piano 
erlassenen Verfiigung, jedoch nur fur die .alteste 
Zeit'. Wenn aber selbst ein spatclassischer Jurist 
wie Ulp. Dig. XXXVII 1, 3, 8 von der bonorum 
possessio, quae, causae cognitionem desiderat sagt : 
■alibi quam pro tribunali dari n on potest, so 
deuten diese Worte doch eher auf Nichtigkeit als 
auf eine rechtlich unerhebliche Ordmingsvorschrift 
Noch weniger zweifelhaft diirfte es sein, mindestens 
fur emzelne Falle, dass wie die Unterlassung der 
gebotenen C, so die Erledigung einer Sache per 
hbelhim statt in geheriger Weise per dec-return 
die Unwirksamkeit des fraglichen Bescheides nach 
sich zieht; vgl. Ulp. Dig. I 16, 9, 1. Cams und 
Diocl. Cod. lust. V 71, 6. 12, auch Alex. Cod. 
lust. VII 57, 3. 

IV. Die Cognition extra ordinem. Der 
Civilprocess des Kaiserrechts der christ- 
lichen Zeit. 

_ Die Beamtencognition ist, wie sich gezeigt hat, 
mit dem ordentlichen Civilprocess keineswegs un- 
vertraglich. Sie beherrscht hiiuflg das auf die 
Begriindung solcher Processe gerichtete Vorver- 
fahren und ist iiberdies verbunden mit verschie- 
denen anderen Verfahrensarten, die — mit Aus- 
nahme der Gerichtsbarkeit in Vormundschafts- 
sachen — mehr oder minder den Zwecken des 
Ordinarprocesses zu dienen bestimmt sind. Nun 
kommt aber schon in friihclassischer Zeit auch 
eine Beamtencognition vor, die in Gegensatz 
tritt zum ordentlichen Civilprocess. Dies erklart 
sich daraus, dass in den einschliigigen Fallen etwas 
Gegenstand der obrigkeitlichen Untersuchung wird, 
was regelmiissig nicht den Beamten beschaftigt, 
sondern dem Bereich der Geschworenentharigkeit 
angehOrt. Wenn also die Juristen der e. consults, 
praetoris oder praetoria den ordentlichen Rechts- 
gang mit Formeln eutgegenstellen, so wird diesem 
merit etwa die Beamtencognition uberall abge- 



Cognitio 216 

sprochen, vielmehr soil damit nur gesagt sein, 
dass in jenem Verfahren die magistratische Unter- 
suchung viel weiter greift, da sie die Erledi- 
gung der Streitsache durch Endurteil oder sonst 
durch abschliessenden Bescheid zum Ziele hat. 
Auf das Regelwidrige der so gearteten Gerichts- 
Mlfe weisen die juristischen Classiker hin mit 
den Worten extra ordinem (s. die Belege bei 
Wlassak a. O. n 66, 15); iihnlich unterscheidet 

10 Suet. Claud. 15 die ,Cognitionssache' von den res 
ordinari iuris (vgl. Ulp. Dig. L 16, 178, 2). Die 
heute gangbare Benennung des ausserordentlichen 
Processes: extraordmaria cognitio ist der Di- 
gestenrubrik L 13 entnommen. Bine Ubersicht 
der extra ordinem behandelten Rechtssaehen giebt 
E. I. Bekker Die Aktionen II 194—199; andere 
Processe ohne Privatgericht s. bei Bethmann- 
Hollweg a. 0. n 762. 767. Wegen der Ab- 
weichungen des schwerlich fur alle FiiUe gleich- 

20geformten Extraordinarverfahrens vom ordent- 
lichen Process vgl. Art. Ordo. Nach dem Unter- 
gang der Privatgerichte kommt die zur Sach- 
entscheidung fiihrende C, soweit der Kaiser nicht 
selbst eingreift, lediglich den kaiserlichen Be- 
amten (iudiees ordinarii und vice sacra iudi- 
cantes) und den zu ihrer Vertretung bestellten 
Unterrichtern (Bd, II S. 41 Of. Ill S. 2102) zu. 
Hatte die classische Zeit fur den Process im 
ganzen den Ausdruck cognitio nur gebraucht, wo 
30 extra ordinem verfahren wurde, so stand jetzt 
nichts im Wege, darunter auch andere Processe 
zu begreifen und den richterlichen Beamten all- 
gemein den Namen cognitores beizulegeu (so im 
Cod. Theod. Grat. IX 27, 5: privatarum Utium 
cognitor_ und otter eognitor ordinarius = iudex 
ordinarius = rector provinciae). Indessen be- 
zeichnet C. haufig auch in spaten Kaisererlassen 
nicht das Verfahren vom Anfang bis zum Ende, 
sondern die einzelne amtliche Untersuchung und 
40 den diesem Zwecke gewidmeten .Gcrichtstermin' 
(Belege bei Bethmann-Hollweg a. III 252 
2; vgl. Paul. Dig. I 22, 1). Jedenfalls ist die 
AnnahmeBethmann-Hollwegs(a.O. Ill S.VII 
32. 252) mit den Quellen vollig unvereinbar,'dass 
das Wort C. in der Epoche der absoluten Mo- 
narchic als Kunstausdruck den Begriff .Civil- 
process' vertrete an Stelle von indicium und actio 
(s. Wlassak a. 0. LT 67—69). Mit dem alten 
Sprachgebrauch diirfte sich trotz Wegfalls der 
50 Privatrichter auch die Unterscheidung des Ordi- 
nar- und Extraordinarverfahrens zunachst erhalten 
haben. Weder ist in der Zeit Diocletians — wie 
Keller Rom. Civilprocess 6 § 81 a. E. behauptet 
— ,die bisherige extraordinaria e. zum Typus 
des neuen ordentlichen Processes erhoben', noch 
bedeutet die spatere Ausgleichung der beiden 
Systeme, wie sie abgeschlossen bei Iustinian vor- 
liegt, auf alien Punkten ein Zuriickweichen des 
reich entwickelten alteren Rechts gesreniiber der 
60 jiingeren C. Vgl. wider Keller, der durch Iusti- 
nian Inst, m 12 pr. IV 15, 8 beeinflusst ist, Zim- 
mern Rem. Civilprocess § 89f. Bekker a 

11 212—243 und o. Bd. I S. 306. ' ' 
V. C. und postulatio (simplex) haben 

nebeneinander gestellt bei Paul Dig I 22 l' 
Ulp. Dig. XXXVin 15, 2, 2 (wo aller'dings der 
Test nicht heil ist), in Diocletians Maximal- 
tanf 7, 72f. (CIL III Suppl. p. 1936) und in 



217 



Cognitio 



Cognitio 



218 



■jiingeren Kaisererlassen eine eigentiimliche Be- 
deutung, die der Erlauterung bedarf. ,Postuliert' 
(statt dessen steht haufig petitio) wird von der 
Partei vor einer Behorde durch Stellung eines 
Antrags (Ulp. Dig. Ill 1, 1, 2), ,cognosciert' wird 
von der Obrigkeit. Nicht selten ist die Postu- 
lation dahin gerichtet, dass der Beamte eine Ver- 
handlung und Untersuchung erfiffhe (Ulp. Dig. 
Ill 3, 39, 6 : postulata est cognitio) ; giebt er dem 



Litteratur. Eine zusanimenfassende Dar- 
stellung des hier behandelten Gegenstandes giebt 
es meines Wissens nicht. Einzelne Punkte er- 
Ortern Keller Semestria ad Ciceronem I 79 — 89;. 
Rom. CivilprocessS § 85, 1051. Rudorff Rom. 
Rechtsgeschichte II 201—203; Recht der Vor- 
mundschaft I 438—441. Bethmann-Hollweg 
Civilprocess d. gemeinen Rechts II S. XIII. 217. 758 
—763. Ill 32. 252. E. I. Bekker Die Aktionen 



Begehren statt, so heisst es von ihm cognitionem 10 II 28f. 101, 38. 149, 28. 268. 273. H. Burck 



suscipit, auch wohl c. datur. In einem beson- 
deren Sinne gebrauchen die spateren Quellen postu- 
latio, bald schlechtweg, bald deutlicher mit dem 
Beiwort simplex (vgl. hiezu das vermutlich inter- 
polierte simplici iussione et non cognitiotie liabita 
bei Ulp. Dig. IV 2, 23, 3), wo der Parteiantrag 
vorerst oder iiberhaupt keine Verhandlung, min- 
destens keine genauere Untersuchung hervor- 
ruft, wo sich die Behorde also wesentlich receptiv 



hard in Gliicks Pandekten Ser. d. Biicher 37. 
38 11484—495. Eisele Zur Geschichte der pro- 
cessualen Behandlung der Exceptionen 12 — 17. 
Wlassak Kritische Studien 81 — 94. Pernice in 
Juristische Abhandlungen. Festgabe f. Beseler 51 
—78 (tibersetzt im Archivio giuridico XXXVI 116^ 
—148); Ztschr. f. Rechtgeschichte Rom. Abt. 
XVIII 30. XXVII 143-146. Ubbelohde in 
Gliicks Pandekten Serie d. Btlcher 43. 44 II 



verhalt, ohne weiteres genehmigt oder nur proto- 20 53 — 59. [J. C. Naber Mnemosyne N. F. XXV 



colliert, z. B. bei der Zulassung zur bonorum 
possessio , zumal seit Constantin (Cod. lust. VI 
9, 9. 8), oder seit derselben Zeit (Constant. Cod. 
Theod. II 4, 2) bei der litis denurdiatio (s. d.). 
Der so gefassten postulatio konnte man fiiglich 
die C, d. h. den Gerichtstermin mit Verhand- 
lung vor dem untersuchenden Beamten, entgegen- 
s tell en. Freilich musste zu diesem Behuf wie 
bei der Postulation die Behorde, so umgekehrt 



(1897) 288. 290. 293f. 302. 304. 307f.]. Uber 
die C. im Kaisergericht s. Mommsen Rom. St.- 
R.3 II 964—988; dazu die Sammlung inschrift 
richer Zeugnisse fiber die durch kaiserliche De- 
legation zur C. Berufenen bei Ruggiero Dizion. 
ep. II 322 — 324. Betreffs der Summarcognition 
vgl. Savigny Vermisehte Schriften II 242 — 
253. H. K. Briegleb Summatim cognoscere 
(Erlangae 1843); Einleitung in die Theorie der 



bei der C. die Partei und ihr Anwalt als mit- 30 summarischen Processe 239—302 (1859). Wet 



handelnd gedacht werden. Dem gemass zahlt 
Paulus a. O. zu den Pflichten des Adsessors (Bd. I 
S. 423), der dem Beamten zur Seite steht, die 
Mitwirkung bei Cognitionen und Postulationen, 
andererseits spricht Diocletian a. O. im J. 301 dem 
Parteianwalt firr die C, d. h. fur jeden einzelnen 
Verhandlungstermin, eine Summe (1000 Denare) 
zu, die das Vierfache des fiir die Postulation be- 
willigten Honorars darstellt. Ahnlich setzt die 



zell in Kritische Jahrbucher fiir Rechtswissen- 
schaft von Richter- Schneider XXIV 774—776 
(1848); System des CivilprocessesS 302f. Beth- 
mann-Hollweg a. O. II 779. Ill 343-345. 
E. v. Schrutka-Rechtenstamm Zur Dogmen- 
geschichte mid Dogmatik der Freigebung fremder 
Sachen I 25—48 (1889). — Von der Postulation 
und C handeln H. F. Hitzig Die Assessoren der 
rOm. Magistrate u. Richter 100—106 (1893) und 



twa 60 Jahre jiingere Sportelordnung des Ulp. 40 aus Anlass der Inschrift von Timghad (CIL VIII 



Mariscianus CIL VIII Suppl. 17896 Z. 26—39 als 
Anwaltshonorar in postulatione simplici 5 Modien 
Getreide fest, in contradictione das Doppelte, 
als Vergfitung fflr die Exceptoren in postulatiotie 
ebenfalls 5 Modien, in contradictione 12. Die 
von den meisten Gelehrten (Pernice, Kipp, 
Mitteis u. a.) angenommene Deutung iercontra- 
dietio, fiir die nach Z. 42 — 44 viermal so viel 
Papier zur Verfiigung steht als fiir die postulatio. 



Suppl. 17896): Mommsen Ephem. epigr. Vp. 640 
— 642. Pernice Ztschr. f. Rechtsgeschichte Rom. 
Abt. XX2 124, 2. 129—134. Kipp Die Litis- 
denuntiation 204. 206f. 218. 222. Baron Abhand- 
lungen aus dem rom. Civilprocess III 230f. 235. 
Joh. Merkel Abhandlungen aus dem Gebiete d. 
rom. Rechts III 133— 139. Mitteis Reichsrecht 
u. Volksrecht 519; Corpus papyrorum Raineri I 
85. 98. I. C . N a b e r Mnemosyne N. F. XXII 260f. 



lasst manche Zweifel iibrig (vgl. Kipp selbst 50 S. auch Bliimner Maximaltarif d. Diocletian 120. 



Litisdemintiation 222). Dagegen wird der hohere 
Preis und die viel grOssere Menge Papiers be- 
greiflich, wenn man das fragliche Wort mit der 
(J. Diocletians gleichsetzt und von der ,contra- 
dietorischen Verhandlung' versteht (so Momm- 
sen). SchliesslichmaghiernochdeskaiserlichenBu- 
reaus a cognitwnifms (s. d. und vgl. O.Hirschfeld 
Rom. Verwaltungsgeschichte 1 208—210. Momm- 
sen St.-R. 3 H 965, 2. Ruggiero Dizion. epigr 



[M. Wlassak. 1 
2) Cognitio im Strafprocess bezeichnet seit 
Mitte des 1. Jhdts. n. Chr. das ganze ETkennt- 
nisverfahren , d. h. Untersuchung mit Entschei- 
dung; der Unterschied zwischen Verfahren in 
inre und in iudicio ist verschwunden : Geschwo- 
rene wurden nicht zugezogen; ausnahmsweise be- 
zeichnet C. nur VerhOr, z. B. Digest. I 16, 6 pr. : 
custodiarum cognitio. Dieses Verfahren bestaml 



II 320f.) gedacht werden, welches in den ersten 60 ursprunglich neben den quaestiow^ perpctuac. 



drei Jahrhunderten der Kaiserherrschaft neben 
einem Aint a libcllis steht. Fiir die Sonderung 
der Geschaftskreise dieser Amter ist vermutlich 
der Gedanke, auf dem der Gegensatz von C. und 
Postulation, Decret und Subscription (libellus, s. o. 
S. 211) beruht, mit von Einfluss gewesen. Dass 
er gerade ausschlaggebende Bedeutung hatte. soil 
nicht behauptet werden (s.Hirschfelda.O.1 207f.). 



richtiger quaestiones publicae oder indicia pu- 
blica genannt, ist aber spiiter an deren Stelle 
getreten, indem immer hiiufiger von dem ausser- 
ordentlichen Verfahren durch C. Gebrauch ge- 
macht und so das Quaestionenverfahren verdrangt 
wurde, Digest. XL VIII 1, 8: sein Anwendungs- 
gebiet beschrankte sich jedoch nicht auf die in 
den leges iudic-iorum publicnrum bedrohten Ver- 



219 



Cognitio 



a cognitionibus 



220 



brechen, Digest. L 13, 5. Cod. IX 1, 7. 22, 20. mische Rechtsgeschichte I, Leipzig 1885, 519. 

Im einzelnen werden erwahnt: c. falsi, Digest. 520. Mommsen Rom. St.-E. II llliF. 259ff. 

XLIV 4, 17 § 2. Suet. Claud. 9. Plin. ep. VI 920ff. Heumann Handlexikon z. d. Quellen d. 

31; e. repetundarum , Plin. ep. II 11; e. adul- rOm. Eechts, Jena 1895 s. cognoscere und cognitio. 

terii, Plin. ep. VI 31; e. de. Christianis, Plin. ' [Kleinfeller.] 

ep. X 97; c. de famosis libellis, Tac. ann. I 72; a cognitionibus. Mit diesem Beisatze wurden 

legis Fabiae c. (betreffend Verbrechen gegen die in den ersten drei Jahrhunderten der Kaiserzeit 

Ereiheit), Mosaic, et Rom. leg. coll. XIV 3; e. die AngehorigenjenesHofamtesbezeichnet, welches 

■wegen praevaricatio, Plin. ep. Ill 29ff.; wegenstel- den Kaiser in der Ausiibung seiner ausserordent- 
lionatus, Digest, XL VII 20, 3 pr. Die Zustandig- 10 lichen Gerichtsbarkeit {cognitio) zu unterstiitzen 

keit des Kaisers war allgemem und nicht an hatte. Bis etwa zur Zeit des Septimius Scverus 

einen Ort gebanden. In Untersuchungen wegen waren die einfach a cognitionibus benanntenAmts- 

Staatsverbrechen und gegen AngehSrige des Se- leiter kaiserliche Freigelassene; vgl. CIL VI 8628 

natorenstandes bestand eine eoncurrierende Zu- (= Dessau 1679). 8629. 8630 (samtlich Libertini 

standigkeit des Kaisers und des Senats, Plin. ep. des flavischen Hauses). 8632 (nicht vor 161). 8633; 

II 9. HI 9. V 20. VI 5. 11. 12. Tac. ann. II Suppl. Ital. I 179; desgleichen die Hiilfsbearaten, 

28. 29. 50. in 10. Quintil. inst. orat. VII 2, welche CIL VI 8634 (2¥. Claudi Aug. lib. Av-iti 

20. Der Kaiser konnte die beim Senat bean- imhitatoris et T. Aeli Aug. lib. Thedoti adiu- 

tragte Untersuchung an sich ziehen und umge- tor is a eognitfionibusj) erwahnt werden und, wie 
kehrt die Durchfiihrung einer von ihm angeord- 20 Cuq 89ff. gegen Hirschfeld 275f., 10 nachweist, 

neten Untersuchung dem Senat iibertragen : pre-- Freigelassene des claudischen Hauses sind, sowie 

ces audit integramque causam ad senatum re- der adiutfor) a cognitionibus in CIL VIII Suppl. 

mittit, Tac. ann. HI 10. Im iibrigen besassen 12613 (= Dessau 1680). Ein Sclave begegnet 

Zustandigkeit der Praefectus urbi und der Prae- in letzterer Stellung CIL VI 8635 (= Dessau 

fectus praetorio, Mos. et Eom. leg. coll. XIV 2, 3, 1681): Delieatus Aug(iistorum duorum) adiut(or) 

der Praefectus annonae (s. Cognitor Nr. 2), sowie a cognitionibfusj domnieis, obiit in expedition? 

der praeses provinciae; ebd. und Digest. XL VII Oermanica (im 19. Lebensjahre), wohl aus der 

20, 3 pr. XL VIII 18, 18 § 9. Cod. IX 1, 7. Das Zeit des M. Aurel und Verus. Untergeordnete 

Verfahren wurde durch einen Antrag auf Eroffnung Dienste versah jedenfalls auch der CIL VI 8631 

der Untersuchung (cognitionem petere, poseere, 30 (nicht vor Hadrian) genannte Cafesaris] vern(a) a 

poshdare) eingeleitet; die Untersuchung durch eogniftionibus] , verstorben im Alter von 18 Jahren. 

den Senat konnte sowohl beim Senate selbst als Ais soldier Hiilfssclave wird auch bei Senec. apo- 

bei den Consuln bcantragt werden. Auf den An- col. 15 Claudius, dessen Lieblingsbeschaftigung 

trag ergieng ein Beschluss, durch welchen die im Leben das Eechtsprechen gewesen war, dem 

Anklage angenommen (cognitionem exeipere, re- Freigelassenen des Aeacus Menander zugeteilt, lit 

■cipere, suscipere ; auch reus reeeptus est) oder a cognitionibus esset, wobei Aeacus als die cognitio 

verworfen wurde. Nicht selten wurden mehrere zu- in der Unterwelt ausiibend , Menander als sein 

sammenhangende Sachen verbunden, Quintil. inst. Bureauvorstand a cognitionibus gedacht ist (vgl. 

orat. Ill 10, 1. Dem Angeklagten gewahrte man Mommsen 965, 2. Karlowa 545, 6; anders 

auf seine Bitte regelniassig Frist zur Vorberei- 40 Hirschfeld 208, 4). 

tung seiner Verteidigung und zur Herbeischaffung Seit Septimius Severus, also spat im Vergleich 

von Beweisen, insbesondere zur Ladung von Zeu- zu den ungleich angeseheneren und einflussreiche- 

gen; nur ausnahmsweise erfolgte die Verwerfung ren Chefs a libellis und ab epistulis, waren die 

eines solchen Gesuchs. Die Hauptverhandlung Amtsvorsteher a cognitionibus romische Eitter 

begann mit der Vorfuhrung des Angeklagten (in- (vgl. auch Dio LII 33, 5 ex zmv ihjiscov) mit dem 

ducere)-. hierauf trug der Klager dip Anklage, Titel eines vir per fectissimus, im Range vor den 

•der Beklagte die Verteidigung vor, und nach diesen kaiserlichen Proeuratoren: vgl. CIL II 1085 aus 

Vortragen folgte die Beweisaufnahme. Der Ver- severischer Zeit. VIII 9360 (nach 209/211). VIII 

letzte und der Thater konnten ihre Sache selbst 9002 T. Fl(ario) Sereno [a cojgnitionibfus Au- 
fuhren oder die Vortrage durch andere halten 50 gfusti)] utrubique p[raesi]di optimo paftrono], 

lassen. An die Beweisaufnahme schloss sich die wo Cuq 133 utrubique auf die Dienstleistung bei 

Urteilsfaltung an. Die Consuln hatten fur den zwei mit einander regierenden Augusti deutet, wah- 

Vollzug der Urteile des Senats zu sorgen, konnten rend Mommsen a. a. O. dasselbe wohl richtig 

aber den Vollzug dadurch hemmen, dass sie die zu p[raesi]di optimo zieht. Ein ehemaliger Sclave. 

Zustimmung des Kaisers zum Vollzug einholten ; aber sicher mit dem Ritterringe begabt, ist der 

nach einem Gesetze des Tiberius sollten Urteile spater inter praetorios adlegierte Marcius Agrippa 

des Senats erst nach Ablauf einer zehntagigen (Prosopogr. II 335f. nr. 158) unter Caracalla. nach 

Frist vollstreckt werden, Tac. ann. Ill 51. Dar- Dio LXXVIII 13, 4 rets re oiayvmoei; aviov xai 

ans ist zu schliessen, dass dem Princeps die An- rag e.-riarokag Swixijaag. 

ordnung des Vollzugs seiner eigenen Entschei- 60 Das kaiserliche Bureau a cognitionibus wurde 

dungen zustand; ebenso hatten wohl die mit der wohl kaum, wie Hirschfeld 208 und nach ihm 

C. betrauten Magistrate zugleich die Vollstreckur.g andere (Cuq 127. Th^denat 1285) annehmen. 

zu veranlassen und zu iiberwachen, Digest. XL VIII erst von Claudius, in dessen Zeit es zuerst be : 

18, 1 § 14. 18 § 9. Plin. ep. II 9ff. Ill 9ff. Seneca und in CIL VI 8634 (s. o.) erwahnt wird. 

^ 20. VI 20. Tac. ann. II 28. 50. HI 10. XP7 eingerichtet ; nach Mommsen a. a. O. ist es 

49. Suet. Claud. 9. wohl so alt wie das Kaisergericht selbst. Dio 

Litteratur. G.Geib Geschichte desrom. Crimi- LII 33, 5 lasst den Maecenas im Anschluss an 

nalprocesses, Leipzig 1842, 393ff. Karlowa Bo- die Falie, die vor den Staatsrat gebracht werden 



221 



a cognitionibus 



Cognitor 



222 



sollten, dem Augustus den Eat erteilen, filr die derselbe besorgt bei der Verhandlung den Aufruf 

coynitioms (ngog rag dixag) wie fur die epi- der Sache (Philostrat. a. a. O. II 32 :^ 6 rag dixag 

stulae, libelli und die rnemoria eigene Beamte, loxal&v . . . naqiyfaysv avrov sig rb. dixam^gia 

allerdings ritterlichen Standes (awegyovg re nvag axovta; vgl. vita Apoll. VII 29. 31 und Hirsch- 

xal vnnoirag) sich beizugeben (vgl. Hirschfeld feld 209f., 3). Der Beamte a c. leitet ferner 

210,1). Da das Kaisergericht nicht an Eom ge- die Protokollfuhrung (Lukian a. a. O.); zum Zwecke 

bunden war (Mommsen St.-E, lis 966), folgte derselben und sonstiger schriftlicher Ausferti- 

zwar nicht das Consilium, wohl aber das Bureau gungen sind ihm Schreiber (yoaniiarF,vs vita Apoll. 

a cognitionibus dem Kaiser in der Eegel auf a. a. O.) beigegeben. Er fertigt ferner das Urteil 
langer dauernden Eeisen ; dies zeigt CIL VI 8635 10 aus und iibergiebt dasselbe saint den Acten der 

{s. o.) und die Episode des Heliodoros bei Philo- Registratur (commentarii; vgl. Lukian). Dagegen 

strat. vit. soph. II 32, die sich in Gallien im Lager hat die schriftliche Hinausgabeder kaiserlichen 

ereignet (Hirschfeld 210, 1. Cuq 115). Die Urteile an Ortsabwesende vielleicht durch das 

von Friedlander Sittengesch. 16 189f. angenom- Bureau ab epistulis stattgefunden ; vgl. Phryn. 

mene zeitweilige Vereinigung mit der Function epit. p. 379 ed. Lobeck, von dem das Amt ab 

ab epistulis bei dem Rhetor Cornelianus und Mar- epistulis graecis versehenden Ehetor Cornelianus : 

cius Agrippa (s. o.) ist keineswegs sicher. Uber s^sXXtjvi^wv xal arnxi^wv to paodixov btxaarrj- 

ersteren vgl. das unten Gesagte; bei letzterem qiov (a. M. Friedlander a. a. 0. 16 188f. Cuq 

denken Mommsen und Hirschfeld 209, 1 mit 114). Ob sich diese Thatigkeit nur auf die Ci- 
ebensoviel Recht an eine successive Bekleidung 20 vilprocesse , oder, was im vorhinein wahrschein- 

<ler Amter. licher ist, auch auf Criminalsachen erstreckte, 

Sehr strittig ist die Competenz dieses Hof- lasst sich aus der unzuliinglichen Uberlieferung 

amtes. Nach Hirschfeld 209f. hatte der Be- kaum entscheiden; jedenfalls war es dabei ganz 

amte a c. wahrscheinlich ,das Referat aus den irrelevant, ob das Consilium zugezogen wurde oder 

Acten dem Kaiser vorzutragen, urn demselben nicht, 

alle notigen Informationen zu verschaffen; seit In der diocletianischen Ordnung wurde aus 

Einsetzung des Staatsrates mag sich jedoch seine dem ritterlichen a c. ein magister sacrarum 

Thatigkeit auf diejenigen Falle beschrankt haben, mgnitionum (CIL V 8972; vgl. Cuq 77f.) mit 

die ohne Zuziehung des Consiliums vom Kaiser dem Titel eines vir per fectissimus. Spaterhin 
■entschieden wurden'. Ahulich Karlowa 545, 30 wurde, vermutlich weil die Zahl der in erster In- 

der jedoch den Beirat des a c. auf Civilprocess- stanz vor dem Kaiser verhandelten Processe ab- 

sachen eingeschrankt wissen will; vgl. auch Mi- nahm (Cuq 138), das Ressort a cognitionibus 

spoulet 281. Nach Cuq 124. 126f. hat da- mit dem vielfach juristisch thatigen Bittschriften- 

gegen der Beamte a c. als Leiter der Vor- amte vereinigt; vgl. CIL VI 510 vom J. 376: 

erhebungen (oommissaire enqueteur) bei der eo- magister libellor(um) et cognitionfumj sacrarum. 

(/nitio fungiert. Die letztere Auffassung scheint Not. dign. or. 19, lOff. (occ. 17, 13): magister 

mir schon aus dem Grunde zuruckzuweisen, weil libellorum cognitiones et preces tra-ctat. Dig. 

seine Function durchaus an das Hof lager gebunden proem. § 9 (vgl. Hirschfeld 208,3. Cuq 78). 

•erscheint, wahrencl die kaiserliche cognitio eine Seitdem hatte der magister libellorum mit seinem 
ortlich unbeschriinkte Competenz hatte. Die In- 40 Amtspersonal die kaiserlichen Entscheidungen vor- 

struction des Processes erfolgte vielmehr auch zubereiten, sowie bei den Processen vor dem Kaiser, 

hier durch den Richter, d. i. den Kaiser selbst, bezw. dem von ihm ernannten Delegierten (co- 

und zwar entweder auf Grund miindlicher Ver- gnoscens vice sacra) eine Hfilfsthatigkeit zu ent- 

nehmung oder erforderlichenfalls protokollierter fatten (Cod. lust. III 24, 3 pr. VII 62, 32 § 4. 

Zeugenaussagen . welche die Magistrate in den Nov. 20,9. Karlowa 835). 

Provinzen aufzunehmen berufen waren. Uberhaupt Litteratur: H irsclif eld Verw.-Gesch. I 208fi\ 

war das anfanglich mit Freigelassenen besetzte Mispoulet Les institutions politiques des Ro- 

Anvt a c. , so bedeutend sein factischer Einfluss mains I 279ff. Madvig Verf. u. Verw. I559f. 

sein mochte, kaum berechtigt, irgendwie merito- Ed. C uq De quelques inscriptions relatives a l'ad- 
risch in die kaiserliche Eechtspflege einzugreifen. 50 ministration de DioclCtien (Bibliotheque des e"coles 

Seine Thatigkeit wird lediglich die eines gericht- franc. d'Athenes et de Rome XXI), Paris 1881. 

lichen Hulfsamtes gewesen sein, welches, ahnlich 75ff. Karlowa Eom. Rechtsgesch. I 545. 835. 

der bei Lukian apolog. 12 geschilderten Function Mommsen St,-R. II 3 965, 2. H. Th^denat in 

beim praefectus Aegijpti (Hirschfeld 209, 3; Daremberg-Saglio Diet. 1 1285ff. Ruggiero 

anders Cuq 95f.), nur die ausseren Veranstal- Diz. epigr. II 320f. [A. v. Premerstem.] 

tungen fiir die Ausiibung der Eechtspflege zu Cognitor. 1) Rechtsgeschichtlich bedeutsam 

treffen hatte. Der Funetionar a c. nimmt die als Processvertreter im Formularprocess neben pro- 

eingereichten Klagen entgegen und stellt (wahr- curator, tutor, curator (actor) Gai. IV 82. Die 

scheinlich auf Grund der Prioritat) die Reihen- Competenz des C. ist derjenigen eines modernen 
folge derselben fur die Verhandlungen fest (vgl. 60 Processbevollmachtigten ahnlich , nicht aber ver- 

'Lukian a. a. O.) ; er teilt den Parteien die process- wandt. Im Gegensatz zur Processfuhrung des 

leitenden Verfugungen des Kaisers mit, (Philostr. procurator der klassiscben Zeit aussert die Pro- 

vit. soph. II 30 von Caracalla: xtltvn xov l-itrtra- cessfuhrung des C. ihre Wirkungen mcht fur lhn. 

yfiirov rats Siy.atg xqoscxsZv ot ro fi>) Si' erioov, sondern fiir seine Partei (dominm). So wird. 

<V tai-Tov di ayomaaoffat). Eines seiner Organe wenn der C, des Beklagten unterliegt oder der 

(vielleicht der CIL VI 8634 genannte invitator) hat C. des KlageTS siegt, die actio ntdica-h im er- 

die Streitteile vorzuladen und erforderlichenfalls steren Fall nur gegen den Beklagten, im letzteren 

mit Gewaltanwendung vor Gericht zubringen; eben- Fall nur dem Klager selbst gewahrt. Vat. frg. 



223 



Cognitor 



317. Paul. sent. I 2, 4. Dig. Ill 4, 6, 3 (Paul.). 
XLVI 3, 86 (Paul.), auch III 3, 28 (Ulp.). XXIV 
3, 31, 2 (Iulian.). Cic. Rose. com. 53. Da der 
Beklagte bei Verurteilung grundsatzlich selbst 
haftet, hat er, nicht (wie ein Procurator) sein C. 
die satisdatio iudicatum solvi zu leisten, Gai. 
IV 101. Dig. XLVI 7 , 10 (Modest.). Tritt fiir 
den Klager ein C. ein, so bedarf es nicht der 

von einem Procurator geforderten satisdalio ra- „ _ 

tarn rem dominuin habiturum zum Schutz desl0 3, 16 (Paul.), vgl. Dig"." XLVI ~"l T'fGatT" und 



Cognitor 224 

tiber, ob die Bestellung gegen diese Bestiminungen 
verstflsst, so stent der Gegenpartei eine exeeptio 
eognitoria zu, Lenel Ed. perp, 401. Auctor 
ad Herenn. II 20 scheint eine Verpflichtung 
greiser und kranker Personen, sich durch C. ver- 
treten zu lassen, zu bezeugen. Damit, dass der 
C. domini loco habetur, Gai. IV 97, vertragt sich, 
dass der Partei die Abset2ung und Ersetzung des 
C. vor der Litiscontestation freisteht, Digest. Ill 



Beklagten gegen wiederholte Klagerhebung, quia 
de qua re quisque per cognitor em egerit, de ea 
non niagis amplius actionem habet quam si ipse 
cgisset, Gai. IV 98. Dig. XLVI 8, 22, 8. Trotz- 
dem wird das Urteil nicht auf die Partei , son- 
dern auf den C. abgestellt, entsprechend der Klag- 
formel, deren Condemnation in gleicher Weise 
wie auf einen Procurator auf den 5. gewandt ist, 
Gai. IV 86. Dadurch dass die Formel den Pro- 



nach der Litiscontestation causa eognita ge- 
stattet wird, Lenel Ed. perp. 77. tiber die 
Wirkung des Todes des C. Cod. Theod. II 12, 7. 
Die Cognitur trotz Gai. IV 82 fur ein altciviles, 
dem Legisactionenprocess entstammendes Institut 
zu halten, haben insbesondere die carta verba und 
der Ausschluss von Bedingungen bei der Bestel- 
lung des C. verleitet, obwohl beides aus prak- 
tischen Bedfirfnissen im Formularprocess erklart 



cess als eigenen des C. darsteilt und erst durch 20 werden kann. Nach einer von C. A. Schmid 



Abwendung der actio iudicati das Urteil fiir die 
Partei wirksam gemacht wird, erzielt man im 
Interesse des Processgegners die gleiche Unab- 
hangigkeit des Processfiihrers wie durch eine (den 
romischen Anschauungen frerade) unbeschrankte 
und unbeschrankbare Processvollmacht. Dazu be- 
treffend Ausschluss jeglicher Bedingungen bei der 
Bestellung eines C, Vat. frg. 329; betreffend Un- 
abhangigkeit der Processfiihrung des C. von Leben 



Cic. p. Rose, com. (Inaug.-Diss. 1839) 29f. ver- 
mutungsweise geausserten, neuerdings von E is el e 
(Cognitur u. Procuratur 1-53; Beitrage [s. u.] 91- 
159)begriindeten Ansicht hat der C. nach der L egis- 
actio in iudiei-o fungiert (darauf beziehensichCie, 
Rose. com. 54, vgl. auch Eisele Sav.-Zeitschr. f. 
R.-G. V 195, dagegen Wlassak Festgabe 53f.). 
W 1 a s s a k vermutet Heriibernahme der Cognitur in 
den Biirgerprocess mit Schriftformeln aus dem In- 



und Tod der Partei und betreffend Substitutions- 30 ternationalprocess. Nachdem in der spateren Kai 



befugnis des C, Dig. m 3, 15. 17, 1. Cod. Theod. 
II 12, 1 = Cod. lust. II 12, 23. Andererseits 
handelt es sich nur um Ubertragung der Process- 
fiihrung ; der C. ist weder zum Zahlungsempfang 
noch zum Abschluss eines Vergleiches befugt, 
Vat. frg. 335. Dig. XLVI 3. 86 (Paul.). II 14, 
13 pr. (Paul.). Ill 3, 73 (Paul.), auch Isid. Hisp. 
differ. I 123. Die Ableitung der Urteilswirkungen 
auf die Partei fiillt ausnahmsweise fort bei dem 



serzeit, insbesondere durch die Constitution von 
382, Cod. Theod. II 12, 3, die Procuratur der mo- 
dernen Processbevollmachtigung genahert und da- 
mit die Competenzen des C. und des Procurator 
nahezu ausgeglichen waren, ist die Verschmel- 
zung beider Vertretungsarten in der iustinia- 
nischen Codification in der Weise vollendet, dass 



die vom C. handelnden Stellen unter Verdrangung 
des Wortes C. durch procurator aufgenommen 

c. in rem suam, der auf Seiten des Klagers wie 40 sind. So sind namentlich die aus Paulus VIII 

des Beklagten vorkommt, Gai. II 39. 252. Vat, IX und Ulpian VIII— X ad edichnn entnomme- 

frg. 260. 317. Digest. Ill 3. 25. 42, 1-4. 55. -*'...-. 

Ill 4, 6, 3, auch in 3, 29. Der C. wird bestellt 

durch bestimmte, von der Partei gegeniiber der 

anderen Partei mundlich ausgesprochene Worte, 

Gai. IV 83. 97; dazu Vat. frg. 318 (Ulp.). 319 

(Paul.). Gegenwart des C. bei seiner Bestellung 

scheint erforderlich nach Festus p. 57 Miill. und 

Isid. Hisp. differ. I 123, dagegen Gai. IV 83. 



nen Fragmente interpoliert , Lenel Palingen. I 
977f. II 447, ebenso samtliche oben angefiihrte 
Digestenstellen. 

Litteratur. Bethmann-Hollweg Rom. Ci- 
vilproc. I 417f. Keller-Wach Bom. Civilproc. 
II 52. 53. 61. Eisele Cognitur u. Procuratur 
(1881). M. Riimelin Zur Geschichte der Stell- 
vertretung im rom. Civilprocess (1886). Wlas- 



Digest. Ill 3, 15. Dass die Processfiihrung des50sak Zur Geschichte der Cognitur in Breslauer 



C. fortdauemde Gegenwart der Partei voraussetze, 
Ps.-Ascon. in Cic. div. 11 p. 104 Orelli, ist sicher 
irrig, Digest. LU 3, 10 (Ulp.). Die Bestellung 
erfolgt zur Zeit der klassischen Juristen durch- 
weg vor der Litiscontestation und wohl meist in 
iure, derart, dass der C. nun schon das Verfahren 
in iure zu betreiben und die Litiscontestation 
vorzunehmen hat. Dass die Bestellung bei der 
lurch die Partei vollzogenen Litiscontestation zum 



Festgabe zum Doctor-Jubilaeum von R. v. Jhe- 
ring (1892). Eisele Die Civilitat der Cognitur 
in Beitragen zur rom. Bechtsgescliichte 91—159 
(1896;. [Leist.] 

2) Cognitor im Strafprocess ist derjenige. wel- 
chem die cognitio zusteht. Cod. Theod. X 10, 20. 
Cic. in Cat. IV 9. Die iustinianischen Quellen 
gebrauchen die Verbalformen cognoseem und eo- 
gniturus. Digest. XLVIII 16. 1 § 3 u. 10. 18, 



Zweck der Vertretung in indicia daneben und in 60 1 § 17. 18 §9. Cod. IX 1. 7: c-bensoPUn. ev. 

ril+^rpr 7.01+ all-in r^vlmmmn ^flU-+ W 1 ^ -. r, r. 1- TTT n t^-_ /-> _ .t rni n -c--ttt ^ ^^ ., ■* 



iilterer Zeit allein vorkomme, fuhrt Wlassak 
Festgabe (s. u.) aus. Gegen den c. ad litem 
suscipiendam datum Vat. frg. 341 verheisst das 
praetorische Edict Zwang zur Litiscontestation, 
Leu el Ed. perp. 77. Gewisse Personen konnen 
nach dem Edict Cognitoren nicht bestellen, ge- 
wisse Personen nicht als Cognitoren bestellt wer- 
den, Lenel Ed. perp. 73f. Entsteht Streit dar- 



in 9. Der Cod. Theod. XIII 5, 38 erwahnt 
einen c. anmnarius, welcher identisch ist mit 
dem Praefectus annonae ; dieser war sowohl in der 
Zeit vor dem citierten Gesetz als spiiter Bichter 
in den die annonae betreffenden Strafsachen. 
Digest. XLVIII 2, 13. 12. 13. Cod. Theod. IX 
40, 6. XIII 5, 36. Litteratur s. Cognitio Er. 2. 

[Kleinfeller.j 



225 



Cognitus 



Cognomen 



226 



Cognitus s. Atilius Nr. 37. 

Cognomen, das dritte der tria nomitia des 
rOmischen Burgers, musste im mundlichen Ver- 
kehr friih ilblich werden, da bei der geringen 
Zahl der Vornamen, und namentlich der inner- 
halb der einzelnen Familien ublichen, diese zur 
Unterscheidung nicht ausreichten. Doch ist es 
dem schriftlichen und namentlich dem offlciellen 
Gebrauch lange fremd geblieben; es kann, da 
es seinen Platz nach der Tribus hat, erst nach 
der seivianischen Verfassung in denselben einge- 
drungen sein. Es ist auch erweislieh, dass die 
alteste historische Uberlieferung mit wenig Aus- 
nahmen keine C. kannte. Wo die Historiker auf 
Grund von ihnen gesehener alter Inschriften be- 
richten, ist stets klar, dass diese nur Vor- und 
Gentilnamen enthielten ; das jtogste Beispiel der 
Art ist die Inschrift des Dictators T. Qninctius 
380 v. Chr., Liv. VI 29, 9. Fest. 363 a 28; die 
Namen der Priester sind aus alterer Zeit stets 
ohne C. iiherliefert, erst seit 304 v. Chr. (Liv. 
IX 46, 6) mit denselben, mit einer einzigen Aus- 
nahme 463 v. Chr., Liv. Ill 7, 6. Auch die Con- 
suln waren bis 350 v. Chr., mit Ausnahme einiger 
beruhmten Namen (Brutus, Poplicola, Camillus, 
Cincinnatus), von den alteren Historikern durch- 
aus ohne C. iiherliefert; erst Licinius Macer (ge- 
storben 66 v. Chr.) hat sie mit denselben versehen. 
Wenn also in den Consularfasten von Anfang an 
C. erscheinen, so geht dies auf eine spatere Be- 
arbeitung derselben zuriick ; erst etwa von 350 
an konnen sie als in der vorliegenden Form auf 
gleichzeitiger Aufzeichnung beruhend, also als 
Quelle auch fiir die C. gelten. Das C. erscheint 
schon friih, voin zweiten punischen Krieg an, auf 
den Miinzen, die den gemeinen hiirgerlichen Sprach- 
gebrauch zum Ausdruek bringen; noch friiner in 
Ehren- und Grabinschriften (Scipioneninschriften, 
Scipio Barbatus Consul 32S v. Chr.); fiir Offent- 
liehe Richterverzeichnisse schreibt es das Repe- 
tundengesetz (123 oder 122 v. Chr.) vor. Da- 
gegen die officielle Nomenclatur der Gesetze und 
Senatsbeschlusse (auch in Municipien, CIL I 577 
= X 1781) beschrankt sich bis Sulla auf Nomen 
und Praenomen ; die ersten Beispiele von C. sind 
hier das SC de Asclepiade und die Lex Antonia 
de Termessibus, 78 und 72 v. Chr. 

Das C. ist hergenommen am haufigsten von 
korperlichen , erst am erwachsenen Manne her- 
vortretenden Eigenschaften (Barbatus, Cincinnatus, 
Volso, Longus, Crassus, Capito, Naso, Flavus, 
Eufus), demniichst von der Herkunft (Sabinus, 
Tuscus, Maluginensis, Medullinus), auch wohl von 
einer volkstumlichen Bezeichnung (Spinther, Cor- 
culum, Scipio, Serapio), und erweist durch diese 
seine Bedeutung, dass es urspriinglich dem er- 
wachsenen Manne gegeben (dadurch vom Vor- 
namen verschieden) und durchaus personlich war. 
Manche C. sind auch spater rein persSnlich ge- 
wesen, andere aber wurden friihzeitig erblich und 
dienten innerhalb des Geschlechts zur Unter- 
scheidung der stirpes. So die zahlreichen Stirpes 
• ler Cornelier: die Maluginenses, Cossi, Scipiones, 
Rufini, Lentuli, Dolabellae, Blasiones, Cethegi, 
Merulae. Und bei weiterer Verzweigung der Stirpes 
fuhrte wieder jeder Zweig sein besonderes erb- 
liches C. ; so die von den Scipionen abgezweigten 
Nasicae. Doch war es statthaft. das erbliche 

Pauly-Wissowa IV 



Haus-C. zu wechseln; so nannten sich die Cor- 
nelii Cossi auch Arvinae, die Cornelii Rufini spater 
Sullae. Aber auch Geschlechter , die sich nicht 
in Stirpes teilten, fiihrten ihre erb lichen C. und 
unterschieden sich durch sie von den dasselbe 
Gentil fuhrenden Clienten und Freigelassenen. 

Einige Spuren fQhren darauf, dass urspriing- 
lich das erbliche C. ein Vorrecht der Patricier 
war. In historischer Zeit fubren es alle patrici- 

lOschen Geschlechter, mit Ausnahme derjenigen 
Claudier, bei denen der nur von ihnen gefiihrte 
Vorname Appius als hinlanglich.es Distinctiv gait. 
Dagegen haben eine Reihe plebeischer Geschlechter 
auch zur Nobilitat gelangt sich doch Generationen 
hindurch des C. enthalten. So die Duilii, Maenii, 
Genucii, Antonii, Didii, Gabinii, Hortensii, Marii, 
Pompeii. Ferner der auffallende Ausschluss des 
C. aus Gesetzen und Senatsbeschliissen bis auf 
Sulla scheint sich am besten so zu erklaren. 

20 dass hier der Patricier vom Plebeier nicht unter- 
schieden werden sollte. Sicher zu erweisen ist 
dies jedoch nicht, und zweifellos ist das erbliche 
C. schon friihzeitig auch von Plebeiern gefuhrt 
worden, zunachst von den zur Nobilitat gelangten, 
dann auch von anderen. Wichtig war hier wohl 
der Einfluss der mit den italischen Blirgerschaften 
in die rOmische gelangten, C. fuhrenden Muni- 
cipalnobilitat. So fuhrte schon Ciceros Gross- 
vater, zur Zeit der Gracchen, dies C. In In- 

30schriften aus der Zeit vor dem zweiten puni- 
schen Kriege erscheint das C. nur bei Vorneh- 
men ; in der Kaiserzeit ist sein Gebrauch fiir Frei- 
gelassene regelmassig, fiir freigeborene Nicht- 
adelige uberwiegend. Die datierten Inschriften 
der Pagi von Capua filhren darauf, dass der Uber- 
gang um 100 v. Chr. stattfand; hier fiihren von 
den der niederen Plebs angehOrigen Magistri aus 
den Jahren 112—104 nur wenige (von Freige- 
borenen 3 unter 50, von Freigelassenen 8 unter 

40 26) ein C, und zwar in verstohlener Weise, an- 
gedeutet durch nicht ohne weiteres verstandliche 
Abkiirzungen; dagegen 94—71 herrscht wesent- 
lich die spatere Nomenclatur, und namentlich die 
Freigelassenen haben durchweg das C. Dement- 
sprechend haben auf den Aschengefassen von S. 
Ce«ario in Rom, ('IL I 822ff. 1539ff., um 100 
v. Chr., die meisten, namentlich auch die meisten 
Freigelassenen, kein C, ein Freigelassener (840) 
fiihrt seinen Sclavennamen als Vornamen, einige 

50 aber, 12 unter 182, daruntcr sieben Freigelassene, 
folgen der spateren Nomenclatur, z. B. 929 O. 
Pacci C. I. Salvi. Es scheint danach, dass zwi- 
schen 104 und 94 der schriftliche Gebrauch des 
C. Nichtadeligen durch ein Gesetz gestattet wor- 
den ist, Doch war in republicanischer Zeit der 
Gebrauch des C. keineswegs allgemein, und in 
den Municipien begegnen bis in die Kaiserzeit 
hinein vielfach reiche und angesehene Leute ohne 
C. In Pompeii z. B. sind aus sullanischer Zeit 

60 sieben Duumvirn und Aedilen bekannt, von denen 
nur einer, Q. Valgius Rufus, ein C. fuhrt; in 
noch weseDtlich spaterer, nicht genau zu bestim- 
mender Zeit sind die den Altar des Apollotem- 
pels stiftenden Quattuorvirn (CIL X 800) alle 
vier ohne C; ebenso in der chronologisch nicht 
flxierten Inschrift a. 0. 803. 804; und noch in 
der Kaiserzeit begegnen angesehene Manner, M. 
Tullius, A. Veius, L. Saginius, ohne C. 

8 



227 



Cognomen 



Cognomen 



228 



Eine besondere Stellung haben unter den C. 
der vornehmen Familien die von besicgten Lan- 
dern und Stadten abgeleiteten, wie Messalla, Afri- 
canus, Asiaticus, Creticus. Es ist nicht iiber- 
liefert, ob zur Annahme eines solchen C. staat- 
liche Ermachtigung erforderlich war. Doch scheint 
dies der Pall gewesen zu sein ; wenigstens wird 
von lommsen (zuletzt St.-E. Ill 213, 3) mit 
Wahrscheinlichkeit auf dicse Beinamen die Nach- 
richt Dio frg. 44 bezogen, dass nach einem Senats- 
beschluss 240 v. Chr. die sjtmvvjiia des Vaters 
nur auf den altesten Sohn ttbergehen sollte. Dieser 
Regel widersprechenderFalle sind nieht bekannt; 
es stimmt mit ibr, dass der Kaiser Claudius das 
C. Germanicus annahm , nachdem sein alterer 
Bruder von Tiberius adoptiert war. 

Ein C. besonderer Art ist fcrner das durch 
Adoption entstandene. Nach alterer Sitte nimmt 
der Adoptierte die zwei oder drei Namen des 
Adoptivvaters an und fiigt ein von seinem eigenen 
Gentil durch das Suffix -anus abgeleitetes C. 
hinzu : P. Cornelius Scipio Aemilianus. Ausnahms- 
weise Cn. Cornelius Lentulus Marcellinus, von 
C. Marcellus; Orelli Onomast. Tull. 177. Diese 

C. werden nicht vererbt. Seit Sulla wird es iiblich, 
statt dessen einen der ursprttnglichen Namen, 
und zwar zunachst ein C, unverandert denen des 
Adoptivvaters beizuffigen : M. Terentius Varro 
Lucullus, Consul 73 v. Chr.; Q. Marcius Eex 
Vatia, Consul 68. Sehr gewtfhnlich ist es seit 
Beginn der Kaiserzeit, dass der Adoptierte sein 
altes Gentil (und C.) behiilt und ihnen Praenomen 
und Gentil des Adoptivvaters vorsetzt. So wohl 
schon P. Sulpicius Quirinius, Consul 12 v. Chr.; 
der jiingere Plinius hiess vor der Adoption C. Cae- 
cilius Secundus, nach derselben C. Plinius Cae- 
cilius Secundus. Haufig sind solche Namen in 
der pompeianischen Municipalnobilitat, wo frei- 
lich die Entstehung durch Adoption in keinem 
Palle controlliert werden kann, aber doch, bei 
der Haufigkeit namentlich der testamentarischen 
Adoption, wohl sicher anzunehmen ist : N. Curtius 
Vibius Salassus, CIL IV 1886 vor 14 n. Chr. In 
zwei Fallen ist ein Sohn des Betreffenden bekannt, 
auf den das zweite, also das urspriingliche Gentil 
nicht iibergeht: CIL X 1036 M. Alleius Luecius 
Libella (Duumvir 26 n. Chr., wohl adoptiert von 
dem Vater seiner Frau Alleia Decimilla), der Sohn 
M. Alleius Libella f. , und Not d. Scavi 1880, 299 

D. Lucretius Satrius Valens (zwischen 50 und 54 
n. Chr.), der Sohn D. Lucretius Valens f. Spiiter, 
als raehr und mehr die Vielnamigkeit zum Zeichen 
des vornehmen Standes wurde, vererbte man auc-h 
diese Namen und ubernahm auch die C. des Adop- 
tivvaters. So brachte es der Consul 169 auf 38 
Xamen (CIL XIV 3609), darunter samtliche Namen 
seines Vaters. Davon, dass man auch Vornamen 
unter die C. aufnahm, ist die erste Spur der 
Consul 13 n. Chr., der in den Fasten von Antium 
C, Silius P. f. P. it. A. Caeeina Largus heisst; 
in deii capitolinischen Fasten fehlt A. und ist 
Caeeina Largus getilgt; es scheint also, dass 
diese Nomenclatur damals nicht zulassig schien, 
Ublich scheint es erst seit Vespasian geworden 
zu sein ; L. Pompeius Vopiscus C. Arruntius Ca- 
tellius Celer heisst in den Arvalacten der Consul 
69; sodann der Consul 80: C. Marius Marcellus 
Publius Cluvius Rufus. Bei vielnamigen Indi- 



viduen gelten drei oder vier Namen als die Haupt- 
namen, die bei officieller Bezeichnung allein be- 
rucksichtigt werden ; sie stehen im vollen Namen 
am Anfang oder am Schluss, oder einer am An- 
fang, einer am Schluss. 

Das C. der Freigelassenen ist der Sclaven- 
name, gleichviel ob derselbe fremden oder (wie 
Felix, Faustus, Gratus, Primus, Clarus, Lucifer) 
romischen Ursprunges ist. Sclavenbezeichnungen 

10 wie Olipor (CIL I 1034), Marpor (a. O. 1076} 
kommen als C. noch 205 n. Chr. (CIL VI 1057 
Aulupor) vor. Das C. der Freigelassenen ist nicht 
erblich, sondern den Nachkommen werden belie- 
bige C. beigelegt. In alterer Zeit, wo die nie- 
deren Stande kein C. ftihren, fuhrt der Freige- 
lassene seinen Sclavennamen als Praenomen : Cle- 
sipus Geganius, -Cratea Caecilius, CIL I 805. 840. 
Wahrend in alterer Zeit der eigentliche Indi- 
vidualname das Praenomen ist, zu dem dann con- 

20 currierend das C. hinzutritt, erhalten in der Kaiser- 
zeit die Sflhne eines Vaters durchweg (freilich 
nicht ausnahmslos : Q. S. Gaeeili lueundi, Bull. 
d. Inst. 1876, 24) dasselbe Praenomen und unter- 
scheiden sich durch das C. Es fehlt noch an 
einer Untersuchung fiber die Art, wie dies ge- 
wahlt wurde. Es wurde meist irgendwie der Ver- 
wandtschaft entnommen, haufig so, dass der alteste 
Sohn das des Vaters, der jiingere ein durch das 
Suffix -anus oder sonst von dem Gentil der Mutter 

30 abgeleitetes erhielt; so hiessen die Sfihne des 
Flavius Sabinus und der Vespasia Polla Sabinus 
und VespasianHs. Ein viel alteres Beispiel sol- 
cher Ableitungen vom Mutternamen sind die von 
dem alteren Cato stammenden Liciniani und Sa- 
loniani, Plin. n. h. VII 61. Auch von dem C. 
der Mutter (Pudens von Pudentilla, Apul. de magia 
68) und von dem des Vaters (Priscianus von Priscus. 
CIL IX 506) werden C. abgeleitet, auch das C. 
der Mutter in mannlicher Form geftihrt: Mar- 

40cellinus, Sohn einer Marcellina, CIL III 2875. 
Beispiele von Brudern, die sich durch das C. unter- 
scheiden, in den Indices CIL III. V. VIII. IX. 
Bei Weglassung des Praenomen wird nach 
alterem Gebraueh das C. vor das Gentil gesetzt. 
So Pulcher Claudius et Rex Martins in der In- 
schrift CIL I 619 = III 547 und rcgclmiissig 
bei Cicero: Balbus Cornelius, ad Att. VIII 15. 
3, Ahala Servilius pro Mil. 8. Die umgekehrte 
Stellung consequent beiCaesarundbei dem jttngereu 

50 Plinius ; Horaz, Livius, Tacitus schwanken. 

Im Anschluss an jene altere Weise ist von 
sullanischer Zeit an bei einigen vornehmen Fa- 
milien die Sitte aufgekommen, auch in officieller 
Nomenclatur statt des alten Praenomen ein C. 
vor dem Gentil zu fiihren, das nun als Vorname 
gait und auch als Vatername gefiihrt wurde : 
Paullus Aemilins Patdli f. Pal. Regillus CIL 
II 3837. So Faustus Cornelius Sulla, der Sohn 
des Dictators, und weitere Fausti Comelii Sullae 

60 Consuln 31 und 52 ; Cossus Cornelius Lent.ulut 
Consul 753 ; Iullus Antonius, der Sohn des Trium- 
virn (Hiilsen Berl. philol. Wochenschr. 1888, 
667); in der Kaiserfamilie Nero, Drusus, Ger- 
manicus, Agrippa. Diese Namen werden insofern 
als C. behandelt, als sie nu- auf die Freigelassenen 
iibergehen. 

Es kommt vereinzelt vor, dass ein C. zum 
Gentil wird: Brutus, der Mtfrder Caesars, von 



229 



Cognomen 



Coheres 



230 



<i. Servilius Caepio adoptiert, hiess Q. Caepio 
Brutus, so dass hier das C. nominis locum ob- 
tinuit (de praen. 2) und auch auf Freigelassene 
ubergeht, CIL VI 9357. Ein zum Nomen ge- 
wordenes C. ist auch Verres. 

Bei den Frauen kann nicht so scharf wie bei 
■den Mannern zwischen dem alteren und jiingeren 
Individualnamen, Praenomen und C., unterschieden 
werden. Die Frauen haben von alters her einen 



Personennamen. Zurich 1874. Michel Du droit 
de cite romaine I, Paris 1885, 205ff. Willems 
Les elections municipales a Pompei, Paris 1887, 
136ff. Cichorius De fastis consularibus anti- 
quissimis, Leipz. Stud. IX 177ff. [Mau.] 

Coheres, der Miterbe, ist der neben einem 
oder mehreren andern mit einem Bruchteile der 
Erbschaft Bedachte, s. He res. Die Klage, die 
zur Auseinandersetzung unter mehreren eoheredes 



Individualnamen; so in der altesten tberlieferung 10 dient, heisst actio familiae ereiseundae, s. Fa- 



Acca Larentia, Gaia Caecilia, Quarta Hostilia, 
Quinta Claudia, in den sehr alten Inschriften des 
heiligen Hains von Pisaurum CIL I 167ff. (z. B. 
Cesula Atilia) und anderen alten Inschriften 
(Dindia Macolnia auf der ficoronischen Ciste); 
s. das Verzeichnis CIL I p. 641. Derselbe ist 
Vorname, insofern er vor dem Gentil steht; 
auch sind die erblichen Haus-C. als Frauen- 
namen in republicanischer Zeit ausgeschlossen ; 



milia. Karlowa E. Eechtsg. II 913. Zur Be- 
zeichnung der Anteile, die den verschiedenen Mit- 
erben am Nachlasse zukommen, der Erbquoten, 
verwendeten die EOmer (ebenso, wie bei der Be- 
zeichnung des Zinssatzes, s. Usurae) dieselben 
Ausdriicke, welche die Bruchteile des osbenannten, 
Heres ex asse war hiernach der Alleinerbe, heres 
ex semisse der Miterbe zur Halfte u. s. w. Inst. 
II 14, 5: Hereditas plerumque dividitur in duo- 



vereinzelt Metella bei Cic. ad Att. XI 23, 3. 20 deeim uneias, quae assis appellatione eontinm- 
XIII 7, 1. Dennochnahert er sich in mehrfacher tur. habent autem et hae partes propria nomina 

ab uneia usque ad assem, ut puta fiaee : sextans, 



Beziehung dem C. Denn erstens wird er in offi- 
cieller Nomenclatur ausgelassen und ist tiberhaupt 
in alterer Zeit (alte Grabschriften von Praeneste 
CIL I 74ff.) fur die Frau das Gentil der Haupt- 
name, in der letzen Zeit der Eepublik der Ge- 
braueh des blossen Gentils die Eegel; zweitens 
wird er nicht abgekiirzt, drittens ist die Auswahl 
nicht, wie fiir den mannlichen Vornamen, be- 



quadrans, triens, quincunx, semis, septunx, bes, 
dodrans, dextans, deunx, as. Hierbei konnte der 
Testator die Bedeutung des Wortes uncia dadurch 
umgestalten , dass er weniger als zwClf uneiae 
verteilte. Der unverteilte Best fiel dann im Ver- 
haltnisse zu den verteilten Quoten an die genann- 
ten Erben; durch eine verhaltnismassige VergrOsse- 



schrimkt, und es begegnen mehrfach Namen, wie 30 rung der uneiae wurde also der Nachlass erschopft, 



sie bei Mannern nur als C. vorkommen: Max- 
suma, Eutila, Paulla u. a. Nachstellung des In- 
dividualnamens begegnet schon einzeln auf den 
Aschenurnen von S. Cesario, CIL I 953. 965. 
981, und wird mit Ende der Republik allgemein 
iiblich, so dass nun der weibliche Individualname 
ganz mit dem C. zusammenfiiesst. Auch die erb- 
lichen Haus-C. gehen jetzt auf die Frauen fiber : 
Aemilia Lepida, Caecilia Metella, Iunia Torquata 



Es hing dies damit zusammen, dass der unver- 
teilte Rest nicht an die gesetzlichen Erben fallen 
durfte, sondern den Eingesetzten zu ihrem Teile 
hinzugelegt wurde, nach der Regel: nemo pro 
parte testatus pro parte mtestatus decedere po- 
test, d. h. niemand kann durch seinen Tod sein 
Vermogen zugleich an Testamentserben und an 
gesetzliche Erben bringen, nur die ersteren er- 
halten den Nachlass, Inst. a. a. O. Dieses Ver- 



(CILVI 2127f.), und die Auswahl des C. folgt40bot, einen Teil des Nachlasses den gesetzlichen 

Erben zuzuwenden, deren Person erst bei dem 
Tode und nicht schon bei der Errichtung des 
letzten Willens feststeht, mag mit dem erst von 
Iustinian beseitigten Verbote, personae incertae 
einzusetzen (Gai. II 238. TTlp. XXIT 4. Tnst. II 20, 
25), zusammengehangen haben und fiir die Rechts- 
sicherheit bei der Nachlassteilung, sowie fur eine 
griindliche Erwagung der Testamentserrichtungs- 
plane fSrderlich gewesen sein. Im iibrigen herrscht 



ziemlich denselben Eegeln wie bei den Mannern 
es wird entweder einfach ein C. , auch wohl das 
Gentil, eines der'Eltern als C. ubernommen, oder 
es werden von demselben oder von einem Gentil 
oder C. anderer Verwandten Ableitungen gebildet 
auf -ina, -ilia, -utta, in Africa -osa, seltener 
-itta: Iulia Agrippina, Livia Drusilla, Terentia 
Terentulla (CIL II 3645), Crepereia Proculosa 
(CIL VIII 3556). Fullonia Pollitta CIL X 8071, 



7. Auch der Vorname des Vaters wird in weib- 50 fiber die Bedeutung dieses Satzes viel Streit; vgl. d, 



licher Form als C. gefiihrt (Cornelia L. f, Lucia 
CIL II 3896) oder von ihm ein C. abgeleitet: 
Iunia L. f. Lucilla a. O. 245. 1342. Vielnamig- 
keit wie bei Mannern ist bei Frauen nie iiblich 
geworden, doch kommen namentlich in spaterer 
Zeit zwei C. vor: Livia Medullina cui et cog- 
nomen Camillae crat, Suet. Claud. 26, doch 
scheint Sueton anzudeuten, dass der zweite Zu- 
name nicht in offentlichem Gebraueh war. Viel 



Litteratur bei Windscheid Pandekten? Ill 23 
§ 537, 2, insbesondere v. Jhering Geist d. r. E.4 
III 149ff. Holder Beitrage zur Gescb. d. rom. 
Erbrechts 1881, 151ff. und neuerdings Carpen- 
tier in der Nouvelle revue historique X 1886 
nr. 11, 449ff., bes. 470. Dernburg Pand.5 103 
§57. Karlowa Rom. Rechtsgesch. II 844. Scia- 
loja Bulletino dell' istituto di diritto romano III 
176. 177 und Bonfante ebd. IV 97ff. Aus der 



spater Funa Sabina Tranquillma, die Gemahlin 60 erwahnten Regel ergab sich auch das An wachsungs 

des dritten Gordian; Otacilia Apollonia Marcella ' ' " ~ " ' ' "' ' " ' ' 

CIL X 2815. 

Mommsen Rom. Forschungen I 32ff. ; Herm. 
Ill 1869, 62ff.; Ephem. epigr. IV 1881 p. 520; 
St.-R. ni 208. Marquardt Privatl.2 13ff. 
Ellendt De cognomine et agnomine Romano, 
Begimontii 1853. Lahmeyer Philol. XXII 1865, 
469ff. A. Schneider Beitr. zur Kenntn. d. rom. 



recht, das Recht der Miterben auf eine verhaltnis 
massige VergrOsserung ihrer Anteile, falls einer 
oder mehrere von ihnen vor dem Erwerbe der 
Portion wegfallen, s. Adcresendi ius. Dies 
Recht beruht-jedoch nicht bios auf der vorher 
erorterten Eegel, da es nicht nur fiir Testaments- 
erben gilt, sondern auch bei gesetzlichen Erben. 
Es gewahrt insbesondere den Nachlassglaubigern 



231 



Cohibus 



Cohors 



232 



einen sofortigen Ersatz fur den Wegfall eines 
ihrer Mitschuldner. Hofmann (Krit. Studien 93) 
bemerkt treffend: ,Die Accrescenz ist nur der 
juristische Ausdruck far den hfichst einfachen Ge- 
danken, dass der Nachlass ganz verteilt werden 
rnttsse'. 

Litteratur. S. Adcrescendi ius und dazu 
Franz Hofmann Kritische Studien im rem. Recht 
1885 HI: (Tber den Grand des Anwachsungs- 
rechts unter Miterben S. 57ff. 179ff. Karlowa 
Rom. Rechtsgeschichte II 188. 867. 913. Leon- 
hard Institutionen III 341ff. § 103, III. 

[Leonhard.] 

Cohibns ftumen, an der pontischen Kiiste der 
sindischen Sedochezi (s. d.), Tac. hist. Ill 48. 
Bios wegen der Namensahnlichkeit denken die 
Erklarer an den kolchischen Fluss Chohus (s. d.). 

[Tomaschek.] 

Cohors*). Militarisch. a) C. als Unterab- 
teilung der Legion, 8. Legio. 

b) Cohors sociorum der republicanischen Zeit, 
s. Socii. 

c) C. als Truppenabteilung der Garde, s. Prae- 
tor iaecohortes,Urb anaecohortes,Vigiles. 

d) C. als selbstandige taktische Formation, 
der TruppenkOrper der regularen Auxiliarinfan- 
terie im rOniischen Kaiserheere (griechisch rsnsiQa 
oder *&>£??), im Gegensatz zu den Cohorten der 
Legion eine in sich geschlossene Einheit. Ebenso 
wie die alae, die Cavallerie der Auxilien , sind 
die Cohorten teils den einzelnen Legionen als Hillfs- 
truppen attachiert, deren jeder ca. 5—7 beige- 
geben sind, teils bilden sie, vor allem in den pro- 
curatorischen Provinzen, zusammen mit den alae 
die ansschliessliche Besatzung. 

Die Gesamtzahl der Auxiliarcohorten ist 
nicht bekannt und lasst sich nicht einmal auch 
nnr annahernd genan vermuten. Wir kennen, 
und zwar iiberwiegend durch Inschriften, vor 
allem die Militardiplome , — von Schriftstellern 
wird nur ganz vereinzelt einmal eine Cohorte er- 
wahnt — noch etwa 450 solche Cohorten , zu 
denen noch gegen 100 weitere hinzutreten, die, 
wenn auch nicht direct bezeugt, doch mit Sicher- 
heit daraus zu erschliessen sind, dass gleiehnamige 
Abteilungen mit hoherer Eegimentsnummer vor- 
kommen. Wir kOnnen also z. B , weil die coh. II 
Gantabrontm bekannt ist, auch die Existenz einer 
coh. I Cantabrorum als bestinimt annehmen, ob- 
gleich diese Truppe nirgends erwahnt wird. Da 



*) Bei der Sammlung des Materials fur den 
vorstehenden Artikel, fur den im ganzen kaum 
zehn Monate zur Verfiigung standen, hat mich 
mein Schiiler, Dr. Paul Trommsdorff, in der 
aufopferndsten und dankenswertesten Weise unter- 
stutzt. So hat er fur die in den Provinzen Agypten, 
Africa, Nmnidien und Mauretanien stehenden Co- 
horten den gesainten Stoff excerpiert, und vor 
allem auch samtliche noch nicht ausgegebenen 
Druckbogen des Corpus Inscriptionum Latinarum 
durchgesehen ; fur die Erlaubnis zu deren Be- 
nutzung bin ich den Herausgebern . Mommsen, 
Hirschfeld, v. Domaszewski, Hiilsen, Des- 
sau, Bormann und Zangemeister zu grossem 
Dank verpflichtet , Zangemeister ausserdem 
noch dafiir, dass er gestattet hat, in die Scheden 
der germanisehen Ziegel Einsicht zu nehmen. 



fast alljahrlich neue Namen zu den bekannten 
dazukommen und wir die Besatzungstruppen einer 
ganzen Reihe von Provinzen noch sehr wenig 
kennen, darf mit Bestimmtheit ausgesprochen 
werden, dass die Gesamtzahl der Auxiliarcohorten, 
die es in dem fiir uns in Betracht kommenden 
Zeitraum, von Augustus bis Diocletian, gegeben 
hat, eine noch sehr viel grOssere als die obige 
gewesen ist und wohl zwischen 600 und 700 be- 

lOtragen haben wird. Allerdings haben diese Ab- 
teilungen nicht aile gleichzeitig nebeneinander 
bestanden, da viele von itanen erst von den spateren 
Kaisern, zumal den Flaviern, sowie Traian und 
Hadrian, errichtet worden sind, wahrend nianche 
andere schon vorher zu bestehen aufgehort hatten, 
sei es, dass sie vom Feinde vernichtet, sei es, 
dass sie, wie z. B. zahlreiche Abteilungen des 
niedergermanischen Heeres durch Vespasian, von 
der kaiserlichen Regierung selbst aufgelOst worden 

20 waren. 

Die Bezifferung der Cohorten ist ebenso- 
wenig wie die der Legionen oder der Alen eine- 
durchgehende gewesen, nicht einmal bei den nach 
ein und demselben Volksstamm benannten Ab- 
teilungen war dies der Fall. Fortlaufend gezahlt 
werden, abgesehen von besonderen Kategorien, 
wie z. B. den eohortes Voluntariorum, immer 
nur diejenigen Cohorten , die zu ein und dem- 
selben Zeitpunkt aus einem bestimmten Volke for- 

30 miert worden waren. Bei jeder Neuerrichtung 
wciterer Cohorten aus dem betreffenden Stamme 
beginnt aber die Zahlung wieder mit I, und so 
kommt es , dass eine ganze Anzahl von Abtei- 
lungen mit genau demselben Namen und derselben 
Numiner nebeneinander, oft sogar in ein und der- 
selben Provinz bestanden haben. So hat es z. B. je 
drei eohortes II und IIII Oaltorum und gar je 
sieben verschiedene eohortes 1 Hispanorum und 
I Ihracum gegeben. Naturgemass ist dies am 

40 haufigsten bei TruppenkOrpern mit der Nummer / 
der Fall. 

Die Benennung der Cohorten ist im wesent- 
lichen der der alae gleichartig und nicht weniger 
bunt als diese. 

1. Die grosse Mehrzahl der Abteilungen ist 
auch hier nach den Volksstiimmen benannt, 
aus denen sie ursprtaglich gebildet waren und 
aus denen sie sich zunachst auch noch rekrutiert 
hatten. Als solche Volkernamen begegnen uns 

50 die von eohortes Afrorum, Alpinorum , Antio- 
ehensium, Apamenorum, Aquitanorum , Asca- 
lonitanorum, Asturum, Ausetanorum, Bactasio- 
rum, [Baeticae], Batavorum, Belgarum, Besso- 
rum, Biturigum, Bosporanorum, Bramraugusta- 
norum, Breueorum, Britannicae, Brittonum, Cal- 
laecorum, Canatkenorum, Cannimfatium. Can- 
tabrorum. Carietum, Celtiberorwn , Chalcideno- 
rum,Oilieum, Cirtensium,Cisipadensium, Coll{7\. 
Commagenorum, Cornoviorum, Corsorum, Cre- 

60 turn. Ougeriwrum, [Gypriae], [Cyrenaicae], Da- 
corum, Damascenorum, Dardanorum, Delmata- 
rum, Dongonum, Frisiavomirn. Gaetulorum, Ga- 
latarum, GaHorum, Germanorum, Hamiorum, 
Helretiorum , Hemesenorum. Hispanorum, Itu- 
raeorum, Latabiensium , Ligurum, Lingonum, 
Lueensium, Lusitanorum, [Maeedonieae], Mattia- 
eorum, Maurorum, Menapiorum, Montanwum, 
Morinorum, Musulamiomm, Nemefwn, Ncrvto- 



233 



Cohors 



Cohors 



234 



rum, Nbrieorum, Numidarum, Nurritanorum, 
Pannoniorum, Paphlagonum, Petraeorum, Bae- 
torwm. Bauraeorum, Sardorum, Sebastenorum, 
Sequanorum, Silawniensium (?), Sugambrorum, 
Sumieorum, Syrorum, Tkebaeorum, Thracum, 
Treverorum, TrumpUnorum, Tungrorum, Tyrio- 
rum, Ubiorum, Zlsiporum, Vangionum, Var- 
cianorum, Vardullormn, Vasconum, Veniaesum, 
Yindelicorum. Einzelne der betreffenden Cohorten 



als selbstandige Hauptnamen gefuhrt werden und 
die den gleichartigen bei den alae (s, d.) erschei- 
nenden vollig entsprechen. Auch hier sind die 
alteren, vor allem Augusta und Claudia, als Aus- 
zeichnungen verliehen, wahrend die jiingeren, Ma- 
ma, Nerviana, Vlpia, Aelia, Aurelia, Septimia, 
einfach die Errichtung der Abteilung durch den 
petreffenden Kaiser andeuten. Eine besondere 
Stellung nimmt der Ehrenbeiname Domitiana ein, 



sind nach zwei verschiedenen Stammen benannt, 10 den einige Cohorten des niedergermanischen Heeres 



hatten also anfanglich Leute aus zwei verschie- 
denen Volkern umfasst. Es sind dies die eohortes 
Asturum et Cattaeeorum, Aquitanorum Bituri- 
gum, Callaeeorum Lueensium, Carietum et Ve- 
niaesum, Ligurum et Corsorum, Ligurum et 
Hispatwrum, [Maurorum et Afrorum], Panno- 
niorum et Delmatarum, Baetorum et Vindeli- 
eorum, Sardorum et Corsorum, Sequanorum et 
Bauraeorum. Wie ein Blick auf diese Reihe 



als ausserordentliche Auszeichnung unter Domi- 
tian erhalten, aber nur hei dessen Lebzeiten ge- 
fuhrt haben. 

Ganz verschieden hiervon und nicht im min- 
desten individuell ist der Kaiserbeiname, den im 
3. Jhdt. wie alle TruppenkOrper des Reichsheeres, 
so auch die Cohorten nach dem jeweils regieren- 
den Herrscher annehmen (z. B. Antoniniana, 
Severiana, Maximiniana, Gordiana, Philip- 



zeigt handelt es sich dabei regelmassig um zwei 20 piana , Valeriana u. a. m.) und der dann mit 
- -■ n " ' "'" dem Regierungsantrittjedesneuen Kaisers wechselt. 

5. Benennung nach besonderer Bewaffnung 
oder Ausriistung flndet sich bei den Cohorten 
sowohl als Haupt- wie als Beiname, jedoch nicht 
sehr hauflg. Es sind hier anzufuhren die Namen 
Gaesatorum, Sagittariorum, Smtala und viel- 
leicht auch Expedita. 

6. Von taktischen Verhaltnissen der ver- 
schiedensten Art sind eine grosse Zahl von Co- 



nahe verwandte oder benachbarte Stamme. 

Die im allgemeinen iiberwiegende Form ist 
hei den Stammesnamen die, dass der Name des 
betreffenden Stammes im Genitiv Pluralis gesetzt 
wird, doch findet er sich auch nicht selten als 
Adjectivform im Nominativ. So steht Alpina 
neben Alpinorum, Apamena, Hispana, Lueen- 
sis, Sugambra, Voluntaria u. a. neben Apame- 
norum, Hispanorum, Lueensium, Sugambrorum. 



Voluntariorum. Da' diese verschiedenen Formen 30 hortennamen oder Beinamen entlehnt. So heissen 



oft bei ein und derselben Cohorte gebraucht wer- 
den, bezeichnen sie nicht etwa jedesmal verschie- 
dene Abteilungen, sondern sind, wie dies auch 
Taei den alae (s. d.) vorkommt, nur eine bequemere, 
wohl vulgare Umgestaltung der officiellen Namens- 
form. Nicht anders ist es, wenn z. B. Arrian in 
-der Ektaxis von einer eohors Italica bald als von 
-der oTieTQa'haXtitr), bald als von oi ' haioi spricht. 
Unter dieser ersten Namensclasse sind auch 



die Truppen nach ihrer Zusammensetzung eqm- 
tatae oder peditatae, nach ihrer Starke miliariae 
oder quingenariae , nach ihrem Alter veteranae, 
bezw. veteranorum, oder novae; nach der Ent- 
stehung geminae bezw. gemellae, falls sie durch 
Vereinigung zweier alterer Cohorten gebildet waren. 
Nach den besonderen Mannschaften , aus denen 
sie formiert waren, sind die eohortes Classicae, 
Singularium, Voluntariorum benannt. Auch Bei- 



die ursprunglich aus rOmischen Bttrgem formier- 40 namen wie Praetoria und Campestris bezw. Cam- 



ten eohortes Civium Romanoruin, Ingenuorum 
Italieae und die eohortes Voluntariorum einzu 
reihen. 

2. Nicht zu verwechseln mit den unter 1. be- 
sprochenen Stammesnamen sind einige nur als 
Zusatz zu einem anderen Hauptnamen tretende 
geographische Beinamen wie Daciea, Ger- 
maniea, Maeedoniea, Malvensis, Syriaea. Diese 
sind jeweils von einer Provinz hergenommen , in 



pana oder Campanorum werden hierher gehOren. 
7. Erne ganze Reihe von Ehrenbeinamen, 
die aber immer nur als Zusatz zu dem Haupt- 
namen hinzutreten und die auf den Inschriften 
nicht selten weggelassen werden, sind einzelnen 
Abteilungen fur hervorragende Tapferkeit oder 
bewiesene Treue erteilt worden. Am haufigsten 
findet sich der Beiname civium Bomanorum (c. 
R.), der auf eine fruher einmal erfolgte Verleihung 



der die betreffende Truppe lag oder fruher lange 50 des rOmischen Biirgerrechts an samtliche Soldaten 



gelegen hatte, und dienen meist zur Unterschei 
dung von einer anderen gleichnamigen Abteilung; 
iunerhalb der Provinz, von der der Name her- 
geleitet ist, werden sie fast nie gebraucht. Bei 
mehreren Cohorten, so der Baetiea, den Cypriac, 
Cyrenaicae und der / Maeedoniea ist nicht ohne 
weiteres zu entscheiden, welche der beiden Namens- 
arten (ob 1. oder 2.) vorliegt. 

3. Eine Benennung, die bei den Alen nicht 
selten ist, namlich die nach irgend einem mann- 60 
lichen Eigennamen, vermutlich dem eines 
Offlciers, der die Abteilung errichtet oder zuerst 
commandiert hatte, findet sich bei den Cohorten 
nur ganz vereinzelt, namlich bei den eoh. Apu- 
leia, Flaviana und Lepidiana. 

4. Sehr zahlreich sind Namen, die, nach dem 
eines Kaisers gebildet, teils als Beinamen zu 
dem eigentlichen Namen der Truppe treten, teils 



der betreffenden Cohorte hinweist, wahrend der 
gleichartige civium Latinorum (e. L.) nur bei der 
einzigen coh. II Tungrorum begegnet, weiter 
pia fidelis (p. /".), der zumal hei niedergermani- 
schen Abteilungen — von Domitian verliehen — 
vorkommt, ferner fida, pia eonstans [p. e.), victrix. 
relox, sowie endlich torquata der coh. I Breueo- 
rum, die sich auf Inschriften ausdrucklich als bis 
torquata ob virtutem appellata bezeichnet. 

8. Mehrere Namen gestatten eine bestimmte 
Erklarung uberhaupt nicht, so die der eoh. Mari- 
tima. Naut., Pilatorum, Servia luvenalis, nova 
Tirmum, doch handelt es sich hier um lauter 
Abteilungen, von denen es sehr zweifelhaft ist, 
ob sie uberhaupt regulare Auxiliarcohorten ge- 
wesen sind. 

Starke der Cohorten. Von den uns be- 
kannten Cohorten ist der bei weitem grOsste Teil, 



235 



Cohors 



Cohors 



236 



beinahe dreiviertel aller, als eohortes quingena- 
riae zu nominell 500 Mann formiert gewesen, 
welche Zahl aber factisch natiirlich nicht iramer 
genau einzuhalten war; so zahlte die coh. I Au- 
gusta Lusitanontm (s. d.) im J. 156 n. Chr. 505 
Leute. Der Rest sind oohortes miliarias zu no- 
minell 1000 Mann, damnter die Mehrzahl der seit 
Beginn des 2. Jhdts. neu errichteten Abteilungen. 
Die Zusammensetzung der Cohorten ist 



Danach werden die oohortes quingenariae von Prae- 
fecten, die miliariae von Tribunen befehligt. Die 
sich findenden Ausnahmen sind nicht zahlreich ; viel- 
fach beruhen sic nur auf ungenauer Anwendung von 
£na.Qx°s und xdiaQxog, zuweilen ist aber auch der 
Pall eingetreten, dass ein Praefect einer cohors 
quingenaria unter Belassung in diesem Com- 
mando den Titel tribunus erhielt, vgl. z. B. den. 
militans tribunus inpraefeeto dono principis CIL 



eine verschiedene._ Die eohortes _ peditatae be- 10 VII 759. Dass umgekehrt eine cohors miliaria von 



stehen ausschliesslich aus Infanteristen, die equi 
tatae dagegen sind combinierte Regimenter, die 
sowohl Fussgiinger, als Reiter umfassten und so- 
mit als in sich geschlossene Detachements von 
beiden Waffengattungen eine besonders fiir selb- 
standige Meinere Unternehmungen hervorragend 
branehbare und schlagfertige Truppe darstellten. 
Wir kflnnen noch gegen 120 der uns bekannten 
Abteilungen als equitatae nachweisen, abei deren 



einem Praefecten comniandiert wird, kommt ganz 
selten eimnal vor; nur die eohortes I und 
// Tungrorum miliariae nehmen eine Sonder- 
stellung ein, insofern sie stets unter Praefecten 
stehen, Die Stellung als praefectus cohortis ist 
die unterste Stufe in der ritterlichen Officiers- 
carriere, die als tribunus cohortis dagegen ent- 
spricht als gleichwertig der nachsthoheren, nam- 
lieh dem Legionstribunat und wird nicht selten 



Zahl ist zweifellos noch sehr viel grosser gewesen. 20 an dessen Stelle bekleidet. Etwa von der Mitte 



Nach Hygin de castr. mun. 27 zahlte die cohors 
miliaria equitata 760 pedites und 240 Reiter, 
die cohors quingenaria equitata dagegen 380 pe- 
dites und 120 Reiter. Genauer sind wir ilber 
die Zusammensetzung einer solchen cohors quin- 
genaria equitata jetzt durch die Stammrolle der 
oben erwahnten coh. I Augusta Lusitanorum 
(BGU 696, vgl. Mommsen Ephem. epigr. VII 
p. 456f.) unterrichtet. Diese Truppe zahlte im 



J. 156 n. Chr. ohne die Centurionen und Decu- 30 danten. 



des 3. Jhdts. an ist dann insofern eine inderuug 
eingetreten, als die Befehlshaber aller Cohorten, 
auch die der quingenariae, den Bang eines tri- 
bunus bekommen haben. Zuweilen flnden wir 
als Befehlshaber von eohortes quingenariae altere 
Legionscenturionen oder Decurionen abcomman- 
diert, die dann aber meist nur den Titel praepo- 
situs fiihren. Der curator pro praefecto und der 
subpraefeetus sind wohl stellvertretende Comnian- 



rionen 363 pedites, 114 Reiter und 19 dromedarii. 
Die letzteren, die wir erst aus der genannten 
Stammrolle als Bestandteil einer Cohorte kennen 
gelernt haben, konnen selbstverstandlich nur in 
Abteilungen vorhanden gewesen sein, die im Orient 
stationiert waren. 

Die Einteilung der Cohorten ist, je nach- 
dem sie peditatae oder equitatae warcn, verschie- 
den. Die ersteren zerfallen wie die Legionscohor 



Die einzelnen Centurien unterstehen je einem 
centurio, die turmae je einem decurio. An sonsti- 
gen Charge'n (vgl. die betreffenden Artikel bei 
Ruggi ero Dizionario epigrafico, sowie die Zusam- 
menstellung von Vaglieri ebd. II 335f.) begegnen 
signifer, imaginifer, mxillarius bezw. vexillarius 
equitum; bucinator, cornieen, tubicen, diese letz- 
teren drei auch zusammengefasst als aeneatores (s. 
coh. I Sequanorum et Bauracorum); ferner optio, 



ten ™ 9 enturien > mld zwar zahlte nach llyg'm- AOtesserarius, comicularius, beneficia'rim praefecti 

, 98 rli* ™W* m .,.r.~A„ „„^„^ J „....„ lft ,:- ^ tribuni primepg (s cok Thmmm) odflr 



c. 28 die cohors miliaria peditata deren 10, die 
quingenaria peditata dagegen 6. Bei den colwrtes 
equitatae sind nur die Infanteristen in Centurien 
eingeteilt, wahrend die Reiter, wie die Cavallerie 
iiberhaupt, in turmae formiert waren. Hygin giebt 
fiir die cohors miliaria equitata je 10 Centurien, 
fiir die quingenaria equitata je 6 an. Als Zahl 
der turmae, die bei ihm ausgefallen ist, vermutet 
Mommsen Ephem. epigr. V p. 31 je 8, v. Do 



prineeps equitum (s. coh. Ligurum), duplicarius. 
aetarius, librarius, mensor, magister (? s coh. I 
mil. Hemesenorum) und quaestionarius (".' s. coh. I 
Belgarum). Schliesslich wird, wie jede ala. so 
auch jede Cohorte ihren Arzt gehabt haben; denn 
es kommen medici und medici ordinarii cohortis 
vor. Als singulares consulares und stratores con- 
sulares flnden wir Soldaten der Cohorten zum Stab 



maszewski in seiner Ausgabe des Hygin p. 50 50 der Statthalter abcommandiert. Die Gemeinen 



je 10 fiir die miliariae und je die Halfte fur 
die quingenariae. Allein wenigstens die coh. I 
Augusta Lusitanorum equitata hat, wie die Zahl 
der Centurionen und Decurionen in ihrer Stamm- 
rolle beweist, zwar die 6 Centurien, die Hygin 
angiebt, dagegen nur 3 turmae gehabt, und da- 
nach wiirde fur die cohors quingenaria equitata 
eine Zahl von 3, fur die miliaria equitata also 
eine solehe von 6 turmae anzunehmen sein 



werden, je nachdem sie Dienst zu Fuss oder zu 
Pferde thun , als milites (in den Diplomen auch 
als pedites) oder als equites coiwrtis bezeichnet. 
Dabei gilt die Stellung des eques als die bevor- 
zugtere, und nach Tacitus hist. IV 19 haben 69 n. 
Chr. die revoltierenden batavischen Cohorten u. a. 
verlangt augeri equitum numerum. Eine Aus- 
zeichnung bedeutet naturlich fiir den Soldaten 
oder Unterofficier einer Cohorte die Versetzung 



Befehlshaber einer Cohorte ist entweder 60 in eine Legion, wahrend umgekehrt, wie die mehr- 



ein praefectus cohortis, grieehisch l-ragxos | seltener 
TQaupixTos) oxetpus, oder ein tribunus, grieehisch 
zuiapzog oder Tgifiovros, wofiir aber auf den In- 
schriften auch nicht selten ungenau smoyos ge- 
braucht wird. Was den Unterschied dieser beiden 
Chargen anlangt, so bleibt die seinerzeit von Gro- 
tef en d Bonn. Jahrb. XXXII 61f. aufgestellte Regel 
im wesentlichen auch heute noch zu Recht bestehen. 



facli erwahnte Stammrolle der coh. I Augusta 
Lttsitanorum beweist, Legionare oder Reiter einer 
ala strafweise in Auxiliarcohorten versetzt werden 
konnten. 

Uber Rekmtierung , Dienst, Bewaffnung der 
Cohorten s. Auxilia. 

Litter at ur. Eine Geschichte samtlicher 
Auxiliarcohorten giebt es bis jetzt nicht. Die 



237 



Cohors 



Cohors 



238 



Dissertation von R. Hassen camp De cohortibus 
Romanorum auxiliariis, Gottingen 1869, behandelt 
nur die Cohorten von Afrormn bis mit Lusita- 
norum und die sie fortsetzende gleichbetitelte 
Dissertation von O. Schiinemann, Halle 1883, 
reicht nur bis zu den eohortes Tgriorum; beide 
Arbeiten sind zudem langst veraltet. Ein Ver- 
zeichnis der Cohortennamen geben Mommsen 
Ephem. epigr. V p. 164ff. und Vaglieri bei Rug- 
gi ero Dizionario epigrafico II 325ff. ; fiir die mit 10 
den Buchstaben A — O beginnenden Cohorten sind 
die inschriftlichen Zeuguisse bei Rnggiero unter 
den betreffenden Stichworten zusammengestellt. 
Fur die eohortes Thracum haben wir eine Speeial- 
untersucbung von E. Keil De Thracum auxiliis, 
Berlin 1885. Die nachstehende tlbersicht Tiber 
die romischen Auxiliarcohorten bis auf Diocletian 
beruht auf dem epigraphischen Material, in dem 
Umfange wie es zu Beginn des J. 1898 vorliegt. 
Sie muss sich selbstverstandlich darauf beschran- 20 
ken, die Geschichte der einzelnen Abteilungen zu 
geben, wahrend fiir die Erklarung der Namen, 
zumal der von Volksstammen hergeleiteten , auf 
die betreffenden Artikel zu verweisen ist. 

cohors Aelia : vgl. coh. I Brittonum, I Glas- 
sica, I Dacorum, Expedita, (I) Gaesatorum, [I 
Gallorum], I Hispanorum, 1 Sagittariorum, 
I Singularium. 

cohors J Afrorum c. It. equitata wird nur 
ein einzigesmal, im Cursus honorum des L. Prae- 30 
sentius Paetus CIL IX 5841, genannt. Denkbar 
ware es, dass sie identisch ist mit, der 

cohors Afrorum in Dacia(my, von der ein 
Praefect in dem stadtrOmischen Cursus honorum 
CIL VI 3529 erscheint. 

cohors I Ulpia Afrorum equitata. Ausdriick- 
lich bezeugt ist sie zwar nur durch den griechischen 
Cursus honorum aus Nicaea, Bull. d. Inst. 1848, 
74, wonach sie equitata gewesen ist und in Alexan- 
dria in Garnison gelegen hat. Allein ihr Name darf 40 
jetzt wohl auch noch in einer Papyrusurkunde aus 
dem Faijum BGU 241 vom J. 177 n. Chr. erganzt 
werden, dem Schreiben eines ^sozo,uatp6gov (d. i. 
imaginiferi) ojiuor\s . . . s 'AyQ&v. Die von den 
Herausgebern gebotene Erklarung (devzioa}; ist, 
da eine cohors II Ulpia Afrorum iiberhaupt nicht 
bekannt ist, durchaus unbegriindet. Es ist viel- 
mehr, da ja die / Ulpia Afrorum gerade in 
Unteragypten bezeugt ist, {jip<oti])s zu lesen. 

[cohors II Ulpia Afrorum]. tlber diese ver- 50 
meintliche Cohorte s. coh. I Ulpia Afrorum und 
coh. II Ulpia equitata. 

eoliors [III] Flavia Afrorum erschliesst 
Mommsen zu CIL V 6584 vgl. add. p. 1087 
aus einer Inschrift von Novaria, auf der er miss. 
cenft. coh.] ill • Fl. Afr. liest. Allein wenigstens 
die Ziffer durfte dabei nicht unbedingt sicher sein, 
da die beiden ersten Hasten auch zu H von COH 
gehOren konnen und also audi /oder II Fl. Afr. 
dagestanden haben kann. 60 

cohors Afrorum : vgl. aueh cok. Maurorum 
et Afrorum. 

cohors I Alpinorum. Hier ist die Schwierig- 
keit deshalb gross, weil lange Zeit hindurch zwei 
coh. I Alpinorum in ein und derselben Provinz, 
anscheinend sogar an zwei ganz nahe bei einander 
liegenden Orten gestanden haben ; sie werden 
officiell durch die Beinamen peditata und equitata 



unterschieden. Die eine von ihnen ist bereits in 
Diplom II unter dem J. 60 in Illyricum, d. h. in 
Pannonien, aufgefiihrt. Dann kehren in einer 
Reihe von pannonischen Diplomen regelmassig 
beide Cohorten nebeneinander wieder, so in Diplom 
XIII (80 n. Chr.), XVI (84 n. Chr.), XVII (85 n. 
Chr.) in der noch ungeteilten Provinz, und in 
Diplom XXXIX (114 n. Chr.) in Pannonia inferior. 
Auch das unvollstandig erhaltene Diplom LVIII 
(zwischen 138 und 146) hatte neben der Z. 2 ge- 
nannten coh. I Alpinorum vielleicht noch den 
Namen der anderen geboten. Erst in der spa- 
teren Zeit lassen sich dann die beiden Cohorten 
scheiden : 

a) cohors I Alpinorum peditata steht mit 
diesem Zusatz in den Diplomen LXXIV vom J. 167 
und XC (zwischen 216 und 247Y), beidemal wieder 
in Pannonia inferior, verzeichnet. Dazu stimmt 
die unterpannonische Inschrift III 3318 aus Bolcske 
bei Lussonium, die im J. 163 von der coh. I 
Alpinor. ped. zu Ehren des Kaisers Marcus er- 
richtet ist. 

b) cohors I Alpinorum equitata erscheint mit 
diesem Beinamen in Diplomen zwar nur in dem 
einem ihrer Reiter, einem geborenen Eravisker, 
erteilten LXVIII (zwischen 145 bezw. 154 und 
160) von Pannonia inferior, ist dafiir aber durch 
eine grossere Anzahl von Inschriften aus der 
Provinz bezeugt. Noch dem ersten Jahrhundert 
gehfirt der bekannte Stein des T. Calidius CIL 
III 11213 an, der zuerst als eques und decurio 
in einer coh. I Alpin. (also der equitata) gedient 
hatte. Im 2. Jhdt. muss die Donaufestung Lus- 
sonium Standlager der Truppe gewesen sein, wo 
zwei Inschriften sie ausdriicklich nennen, die eine 
CIL III 3316/17, die Weihung eines Centurionen, 
die andere, ebd. 3315, eine officielle Inschrift der 
Cohorte und ihres Praefecten aus einem Jahre duo- 
bus Augg. dd. nn. cos., also wohl 161 oder eher 
202. Vielleicht ist auch die Weihung eines praef. 
CIL III 10297' des Fundorts Lussonium wegen 
der Cohorte zuzuweisen. Sonst haben wir noch 
aus Stuhlweissenburg in Pannonia inferior den 
von einem eq. hue. der Cohorte einem optio der- 
selben Truppe gesetzten Grabstein, CIL III 3352. 
Bei der Dedicationsinschrift eines [praef. eo]h. I 
A[l]p. aus Belye bei Mursa zu Ehren des Septi- 
mius Severus und seiner SOhne, CIL III 10269, ist 
dagegen nicht zu entscheiden, welche der beiden 
pannonischen Cohorten gemeint ist, und bei anderen 
gleichfalls niederpannonischen Steinen, z. B. dem 
spaten aus Kernye, CIL m 10967 = 4284, ferner 
ebd. 3406 und 3552 ist es iiberhaupt ungewiss, 
ob sie sich auf eine coh. Alpinorum beziehen. Da- 
gegen mCchte ich in dem dalmatischen Cursus 
honorum (ebd. 8762) eines Soldaten, der zuerst 
als eques coh. I. . Ip. gedient hatte, unsere Cohorte 
wiedererkennen und I [A]lp., nicht wieHirsch- 
feld I [U]lp., erganzen. 

cohors I Alpinorum equitata (so ausdriick- 
lich CIL III 1183 genannt) stand im dstlichen 
Dacien und zwar im Castell von Sovarod , wo 
Ziegel von ihr (CIL III 1633, 23 und Suppl. 8074, 8, 
vgl. Arch. -epigr. Mitt. Ill 11 6) gefunden sind und wo 
auf der verstiimmelten Inschrift CEL IH 6256 
aus dem ersten Drittel des 3. Jhdts. mit der 
[oojhor . . [A]n[tonini] ana wohl nur sie gemeint 
sein kann. Andere Ziegel sind in dem benach- 



239 



Cohors 



Coliors 



240 



barten Castell von Mikhaza zu Tage getreten. Auf 
der Weihinschrift dacischer Auxilien von Veczel, 
CIL HI 1348, erscheint die Cohorte an dritter 
Stelle. Sonst haben wir nur noch den Grabstein 
eines ihrer Veteranen aus Apulum, ebd. 1183. 
Dass sie mit der gleichnamigen pannonischen 
identisch ist, ist nicht ausgeschlossen, aber nicht 
gerade wahrscheinlich. 

cohors I Alpinorum. Von den pannonischen 



1. Jhdts. erwiesen wird. Die betrachtliche Zahl 
ihrer Inschriften aus Dalmatien verteilt sich auf 
nicht weniger als neun verschiedene Fundorte, so 
dass es schwer ist, fiber ihre Dislocation mnerhalb 
der Provinz ein sicheres Urteil zu gewinnen. Die 
meisten stammen aus der Hauptstadt Salonae, 
wo ausser dem erwahnten fiir einen Soldaten der 
Cohorte, einen geborenen Daverser, ausgestellten 
Diplom Grabsteine eines dec. equit. CIL III 8739 



Cohorten gleichen Namens muss ferner verschie- 10(hier als III Alpina bezeichnet), eines vexil. equi. 

den sein die eoh. I Alpinorum, die in Diplom ebd. 2012, eines eques ebd. 2058, eines eq. ex sing. 

XXXII unter dem J. 103 als Teil des britanni- ebd. 13906 (= 8725 + 8755), eines ?re$. Arch.-epigr. 

schen Eeeres erscheint. Jene sind namlich beide Mitt. XVI 148 und eines Veteranen, CEL III 2003, 

sowohl 85 _ als 114 in Pannonien nachzuweisen, gefunden sind und wo die Truppe demnach gewiss 

und an eine zeitweilige Abcommandierung von zeitweilig gelegen hat. Vereinzelte Funde sindge- 

der Donau nach Britannien, die an sich schon macht im.Norden der Provinz zu Andetrium (Grab- 

wenig wahrscheinlich ware , ist gerade wahrend stein eines eenturio CIL III 2746), Verlicca (Grab- 

der dacischen Kriege nicht zu denken. Welche stein eines mil. eoh. II[I] Alpinor. ebd. 2748), 

coli. I Alpinorum der im Cursus honorum CIL XI im nahen Kadina (Weihung eines dec. eq. ebd! 

4748 genannte Praefect commandiert hat, lasst 20 2759) und zu Burnum (Grabstein eines Soldaten 

sich nicht entscheiden. ebd. 9907 = 14321 5, von Hirschfeld mit Sicher- 

cohors I Alpinorum miliaria. Eine solche heit auf die Truppe bezogen). Aus dem Siiden 

wiirde neben den ubrigen eoh. I Alpinorum, die, haben wir zwei fruhe Grabsteine, den eines tubicen- 

von Praefecten befehligt, sicher quingenariae aus Kutac, ebd. 6366 = 8491, und den eines eqttes, 

waren, anzunehmen sein, wenn in der Inschrift ebd. 8495 vgl. p. 2322, aus dem nahen Humac; 

CIL XIII 922 = Mem. des antiq. II p. 379 aus die Cohorte wird also im 1. Jhdt. wohl in jener 

Aquitanien, dem Grabstein eines miles ex eohor. Gegend gelegen haben. Auch der Stein von Na- 

c*> Alpinor. I i&sZeichenvor Alpinor. als miliaria rona ebd. 1810, auf dem ein 7 cohortis III ge- 

aufzulOsen ist. Vgl. librigens auch CIL III 10967 nannt wird, bezieht sich, wie Mommsen erkannt 

= 4284. _ 30 hat, auf die eoh. Ill Alp.; bei 9886 aus Scardona 

cohors II Alpinorum equitata (CIL III 3646. scheint mir dies dagegen sehr unsicher. Einen 
3647) hat, soviel wir sehen konnen, den grOssten praef. nennt in ublicher Weise das Diplom XXIII. 
Teil der Kaiserzeit in Pannonien gelegen. In der In spaterer Zeit muss die Cohorte von Dalmatien 
noch ungeteilten Provinz verzeichnensie die Diplome nach Pannonien verlegt worden sein, wo sie die 
II (Illyricum) und XVI fur die J. 60 und 84, dann Not. dign. Occ. XXXII 57 zu Siscia verzeichnet 
in der oberen Provinz die Diplome XL VII, LX, und wo mehrere Inschriften von ihr gefunden sind. 
LXI und LXV fur die J. 133, 148, 149 und 154. Da sie aber in all den pannonischen Diplomen 
Die frflheste Inschrift von ihr ist der Soldaten- des 2. Jhdts. noch fehlt und auch der eine dal- 
grabstein CIL III 3261 aus Cserevich in Pannonia matische Stein CIL HI 2748 friihestens erst Ende 
inferior, wo sie vielleicht im 1. Jhdt. gestanden 40 dieses Jhdts. gesetzt ist, kann die Verlegung erst 
hat; da der Mann geborener Dalniater ist, kOnnte im 3. Jhdt. erfolgt sein. Die urspriingliche pan- 
die Cohorte vorher ebenso wie die eoh. Ill Alpi- nonische Garnison der Cohorte lasst sich mit 
norum in Dalmatien stationiert gewesen sein. In Sicherheit nicht feststellen; Ziegel von ihr sind 
Pannonia superior scheint ihre Garnison dann namlich nicht nur an mehreren Orten von Pan- 
Cirpi am Donauknie gewesen zu sein, da wir von nonia inferior (Ban und Bellye ebd. 3759), sondern 
dort die officielle Weihung der Cohorte und ihrcs auch in der oberen Provinz in der Gegend von 
Praefecten CIL III 3646 und die Inschrift eines Arrabona (zu Baratfold und Assonyfa ebd. 46651 
eqfuesj tub(itxn) von ihr ebd. 3647 = 10589 zu Tage getreten, und ebenso haben wir je eine 
haben. Einen Soldaten von ihr nennt ein Pamilien- Inschrift von ihr aus Niederpannonien (BaTacska: 
grabstein aus Acsa bei Stuhlweissenburg, ebd. 50 Grabstein eines m.cho.t[ert.] Alpinoru ebd. 10371) 
10349 = 6454, und in derselben Gegend ist bei und aus Oberpannonien (ebd. 4374), auf der des 
EskO das einem ihrer Veteranen erteilte Diplom Fundorts Arrabona wegen in der eoh. . .] Alp. equ. 
LXV gefunden worden. Auf dem italischen Steine wohl die III erblickt werden muss. Bezuglich 
CIL XIV 3903, wo ein ("praef. eoh.) II Alpinor. er- des Steines aus der Nahe von Tibur CIL XIV 3903 
scheint, ist es, da der Bruch gerade durch die Zahl s. eoh. II Alp. 

geht, ungewiss, ob die eoh. Iloder III Alpinor. ge- cohors III Alpinorum. Neben der vorigen 

meint ist. Dass auch in dem kaiserlichen Rescript fiihrt die Not. dign. Or. XXXVII 35 noch eine 

vom 1. Nov. 197 (Cod. lust. II 50, 1), das einen een- andere eoh. Ill Alpinorum unter der Besatzung 

turio cohort is XII Alpinorumbetriftb, die II Alpin. von Arabien apud Arnona auf, die also von jener 

gemeint und diese somit fiir jenes Jahr in Pan- 60 verschieden war und vermutlich stets im Orient 

nonia superior bezeugt ist. hat Eitterling gelegen hatte. 

Arch.-epigr. Mitt. XX 34f. gezeigt. cohors III Alpinorum Dardanorum ist gleich- 

cohors HI Alpinorum (equitata vgl. CIL III falls nur aus der Notitia dignitatum bekannt. 

2012. 2058. 2759. 8495. 8739. 13906) hat lange die sie Occ. XXXII 53 in Pannonia secunda ver- 

Zeit zur Besatzung von Dalmatien gehort, unter der zeichnet, aber nach ihrem Namen zu schliessen 

sie Diplom XXHI im J. 93 verzeichnet, wo sie aber eine alte Truppe. Von den beiden anderen in der 

vielleicht durch die Inschrift eines Praefecten aus Notitia dignitatum genannten eolwrtes III Alpim- 

Bovianum CIL IX 2564 schon fiir die Mitte des rum ist sie sicher verschieden. 



241 



Cohors 



Cohors 



242 



eohories Alpinae oder Alpinorum werden mehr- Diplom XXI vgl. CIL X 5831) ist in nicht weniger 

fach ohne Ziffer genannt. Ein cent. eoh. Alpinae als fQnf Diplomen (XI, XIV [hier ohne den Bei- 

erscheint z. B. auf der friihen Inschrift CIL V namen], XXI, XL, L) teils von Germania, teils 

4951 ; da diese aber aus dem ursprunglichen Eecru- von Germania superior fiir die J. 74, 82, 90, 

tierungsbezirk der eolwrtes Alpinorum stammt, 116, 134 bezeugt. Von diesen ist XIV emem 

lasst sich nicht bestimmen, welcher von ihnen der pedes, XXI einem eques der Cohorte verliehen, 

betreffende Mann angehort hatte. Dagegen wird und da letzterer ein geborener Thraker ist, Diplom 

der Stein CIL XII 15 aus Vintium in den See- XIV aber bei Nikopolis ad Istrum in Moesien ge- 

alpen eines mil. chor. (. . Aljpmorum wegen der funden wurde, schliesstRitterlingKorr.d.Westd. 
Worte qui [occidi- (so ich), militant- (Hirsch- 10 Ztschr. XVI 236 wohl richtig, dass die Truppe, 

feld)/ t in Pannunia auf eine der pannonischen bevor sie nach Germanien kam, in Moesien ge- 

coh. Alpinorum zu beziehen sein. Bezuglich des legen hatte. Ob die Heimat Ancyra des in XIV 

Valerianus eenturio cohortis XII Alpinorum aus genannten Soldaten nicht noch weitere Folge- 

dem J. 197, der sich Cod. lust. II 50, 1 flndet, rungen gestattet und etwa eine Teilnahme der 

hat Eitterling Arch.-epigr. Mitt. XX 34f. nach- Cohorte an den Partherkriegen unter Nero nahe 

gewiesen, dass die pannonische eoh. II Alpinorum legt, verdient wenigstens in Erwagung gezogen 

gemeint ist. zu werden. Dber die germanischen Garnisonen 

cohors Amiorum: vgl. eoh. Hamiorum. der Truppe ist es schwer ein Urteil zu fallen, da 

cohors I Antiochensium ist erst durch das neue in der Provinz nur Ziegel von ihr, diese aber an 
Diplom aus Bulgarien (vgl. Bormann Jahresh. 20 einer ganzen Eeihe von Orten gefunden worden 

d. Ost. arch. Inst. 1 170f.) bekannt geworden, das sind. Allerdings liegen letztere fast alle m nur 

sie im J. 93 unter den Auxilien von Moesia superior geringer Entfernung von einander, in dem nach 

auffuhrt. Norden vorspringenden Winkel des Limes, nord- 

[colwrs AntonimanaC?) vgl. eoh. Treverorum]. lich von Frankfurt. Die Fundorte sind die Ca- 

coliors lApamenorum sagitiariorum equitata. stelle von Arnsburg (CIEh 1422 b), Alteburg bei 

Alle sicheren Spuren der Cohorte weisen nach Arnsburg (Bonn. Jahrb. 95, 201. Limesbl. 9, 

Agypten. Zunachst linden wir sie mehrfach in 269), Friedberg (Limesbl. 12, 357. CIEh 1417 d), 

iigyptischen Papyrusurkunden erwahnt, so BGU Kleestadt (nach Mitteilung von Zangemeister), 

462 dem Schreiben eines ihrer Soldaten an und auch die Ziegel aus dem nahe gelegenen 
einen Epistrategen, dann Brit. Mus. Greek Papyr. 30 Butzbach mit QV+A sind mit Recht auf die 

CLXXVIII, einer Quittung an denselben Soldaten eoh. I Aquitanorum bezogen worden. Die eoh. I 

vom J. 145, -und BGU 423, einem Brief des Aquitanor. equit. , von der ein Praefect im Cursus 

2 Jhdts., dessen Adresse lautet axoSos ik im- honorum aus Ferentinum, CIL X 5831, begegnet, 

zrjv .toifiav 'Ajzaurjv&v. Der Garnisonort scheint ist wohl die obige; zwei andere Praefecten nennen 

also, wie es auch sonst im Reiche ofters vorkommt, die Diplome XIV und XXI. 

den Namen von der dort liegenden Truppe er- cohors I Aquitanorum. Schon die Thatsache, 

halten zu haben. Noch in der Not. dign. Or. dass die eben besprochene eoh. I Aquitanorum 

XXXI 60 erscheint die eoh. I Apamenorum in den Beinamen veterana tragt, notigt zu der An- 

igypten mit der Garnisonangabe SUM. Von nahme, dass neben ihr noch eine andere, jungere 
Agypten aus wird auch ihr Praefect M. Valerius 40 eoh. I Aquitanorum bestanden hat, und zwar, 

Lollianus sein aus Reitern verschiedener orien- da jener Beiname bereits 74 n. Chr. in Diplom 

talischer aloe und cohortes equitatae zusammen- XI erscheint, zum mindesten seit dem genannten 

gesetztes Cavalleriecorps (s. CIL III 600) in Jahre. Wir werden diese dann wohl in einer Cohorte 

Traians Partherkrieg gefuhrt haben. Die eoh. I des Namens zu erkennen haben , die gerade im 

Apamena im Cursus honorum CIL XIV 171 ist 2. Jhdt, mehrfach in Britannien bezeugt ist. Di- 

trotz der verschiedencn Form des Namens von der plom XLIII nennt sie dort im J. 124, und zwei 

iigyptischen eoh. I Apamenorum gewiss nicht Inschriften von ihr sind, die eine CIL VII176, 

verschieden. eine Weihung eines Praefecten an Mars, zu Had- 

cohors Apuleia c. B. Die Not. dign. Or. XXXVIII don, siidostlich von Manchester, die andere ebd. 
34 nennt als Besatzung von Hyssiportus (unweit von 50 620 a, das Fragment anseheinend einer Bauinschnft 

Trapezunt) in Armenia, d. h. in der alten Provinz der Cohorte , zu Procolitia am Hadnanswall ge- 

Cappadocien eine cohors Apule[i]a[co&A. Apuleta] funden worden. Endlich muss die Cohorte noch 

civium Romanorum, die sich schon durch ihren gemeint sein auf einem meines Wissens unpubli- 

Namen als eine alte Truppe kennzeichnet. Eine cierten Steine aus Viminacium, von dem ich durch 

o-ewisse Bestatigun" hierfur lasst sich aus Arrians die Freundlichkeit des Herrn Weiffert in Belgrad 

Ektaxis gewinnen,°wo § 7 und 14 unter Arrians eine Photographie besitze. Es ist der Grabstem ernes 

Truppen im Alanenkriege eine Hoplitenabteilung ehemaligen Veteranen der legio VII Claudia, der. 

(also regulare Auxiliarinfanterie) von 'Axlavoi .-zz£oi nachdem er bereits decurio von Viminacium ge- 

unter einem romischen Officier 'EaxovXlvog ooxeo wesen war, als praef. eoh. I Aquet. in das Heer 
x&v 'A,-t).av(bv iiyeizai erscheint. Der verderbte 60 zurucktrat. Da er namlich, wie die Inschnft aus- 

Name fur den Grotefend Philol. XXVI 26 As- drucklich sagt, in Britt(annia) den Tod gefunden 

xt&iavoi (s. eoh. I Lepidiana c. B.) lesen wollte, hat, kann er nur die bntaiunsche mcht die ger- 

ist bereits von Seeck und von Mommsen Epheui. manische Cohorte des Namens befehligt haben^ 

epi<T V v 248 richtig mit der eoh. Apideia in cohors I Aquitanica nennt die stadtromische 

Verbindung gebracht worden, und es wird bei Inschrift CIL VI 2131 vom J. 240, die zu Ehren 

Arrian UDbedenklich •Ax(w)l(n<)™<>i corrigiert einer Vestalin- als Dank pro eonlatts in sebene- 

werden diirfen. fidis equestr. ord. item secundae nnhhae Aemi- 

cohors I Aquitanorum veterana {equitata litis Pardalas trib. eoh. I Aquitanieae petito 



243 



Cohors 



Cohors 



244 



eius ornatus errichtet hat. Zwar ktinnte man 
in dem Commando durch einen Tribunen ein frilhes 
Beispiel von der Verleihung dcs Tribunentitels an 
alle Cohortenpraefecten erkennen und in der Co- 
horte dann eine der beiden obigen eoh. I Aqui- 
tanorum erblicken wollen, allein die ausdriickliche 
Bezeichnung der Charge als secwida militia,, die 
in dem Legionstribunat oder dem Tribunat einer 
cohors miliaria besteht, legt doch wohl die Er- 
wagung nahe, ob bier nicht eine weitere, von den 10 
beiden anderen verschiedene cohors I Aquitanica 
miliaria gemeint sein kOnnte. 

cohors II Aquitanorum (equitata, s. Diplom 
LXXIII; der Beiname p. f., den Zangemeister 
nach Diplom XL fur sie annimmt, bezieht sich 
dort vielmehr auf die eoh, II Ilispanorum). Die 
Truppe hat zunachst in Germania superior ge- 
standen, wo sie in den Diplomen XIV unter 
82 n. Chr. und XXI unter 90 n. Chr. erscheint. 



vgl. Suchier Westd. Ztsclir. Ill 175. Der eoh. Ill 
Aquitanorum mOehte ich schliesslich eine In- 
schrift aus Zellhausen bei Seligenstadt (CIRh 1408 
= Korr. d. "Westd. Ztschr. XVI 172f.) vom J. 219 
zuweisen, die Weihung eines praef. eoh. . . Aquit. 
eastris E ... id.; wenigstens ist in dem nahen 
Stockstadt eben die III Aquitanorum bezeugt, 
wahrend von den iibrigen aquitanischen Cohorten 
keine in jener Gegend vorkommt. 

cohors nil Aquitanorum equitata e. R. Auch 
sie hat in Germania superior gelegen, wo wir sie 
durch die Diplome XI, XIV, XXI, XL, L in den 
J. 74, 82, 90, 116, 134 nachweisen kfinnen. Die 
Mehrzahl der inschriftlichen Punde von ihr stammt 
aus dem Castell Obernburg am Main. Dorther 
besitzen wir die von einein Arzt der Cohorte zu 
Ehren des Praefecten L. Petronius Florentinus 
gesetzte Weihinschrift CIEh 1747, ferner eine 
Weihinschrift eben dieses Praefecten selbst, ebd. 



Aus dieser germanischen Zeit haben wir Ziegel 20 1748, sowie Ziegel mit ...L4Q,dieZaneemeister 



von ihr aus den benachbarten Castellen Alteburg 
(Limesbl. 9, 269) und Arnsburg (unpubliciert, 
nach Mitteilung von Zangemeister), also von 
zwei Orten, an denen auch Ziegel der eoh. I 
Aquitanorum vorkommen. Zwischen 90 und 166 
ist die Cohorte dann nach Raetien verlegt wor- 
den, wo sie fur letzteres Jahr Diplom LXXIII 
nennt. Dass sie zeitweilig in Regensburg statio- 
niert gewesen ist. mochte man aus den dortigen 



des Pundorts wegen mit vollem Recht auf die 
Cohorte bezieht. Auch die CIRh 1750 verSffent- 
lichten Obernburger Ziegel mit COH 1111 VO 
gehOren nicht, wie bisher angenommen wurde, 
der eoh. IIII Vo[luntariorum] an, sondern sind, 
wie J. Gohler treffend bemerkt, ruckwarts zu 
lesenals.pk //// HOD = eoh. IIII Aq.- andere 
Ziegel aus Priedberg s. Korr. d. Westd, Zeitschr. II 5. 
Aus Mainz endlich stammt die Weihung eines An- 



Ziegeln vou ihr CIL III 6537 und wegen der dort 30 gehorigen der Cohorte vom J. 210, CIRh 1284 
erfolgten Aufflndung des einem ihrer Reiter ge- Da durch diese die Anwesenheit der Truppe am 
l.!.*™^ tw„™. Twin „v,:...„ Rhein noch ffir den Anfang des g Jh £ ge _ 

sichert ist , kann die zu Latobici in Pannonien 
204 n. Chr. zu Ehren eines pfraef.J eoh. IIII Aqu. 
gesetzte Inschrift CIL III 3913 zu Schliissen fur 
den Standort der Cohorte nicht verwendct werden. 
Dasselbe gilt von der friihen Inschrift aus Aqui- 
tanien CIL XIII 17 = Bull, des antiq. 1884 
p. 151, die auf Grand des Testamentes eines Cen- 



horenden Diploms LXXIII schliessen, 

cohors III Aquitanorum equitata (vgl. CIRh 
1728. ORL 40, 37. 3. Limesbl. 3, 68) c. R. 
gehart zusammen mit den iibrigen aquitanischen 
Cohorten zum obergermanischen Heere. Die Di- 
plome der Provinz verzeichnen sie in den J. 74 
i XI), 82 (XIV), 90 (XXI). 134 (L), und auch in 
Diplom XL von 116 darf ihr Name mit Bestimmt- 



heiterganzt ; werden, s. Mommsen CIL III Suppl. 40 turionen chort. Aquit. quart, offenbar in seinem 



p. 1976. Als Standlager der Truppe enveisen 
wenigstens fur das 3. Jhdt. die Punde das Ca- 
stell von Osterburken in Baden. Dort hat sie, 
wie die beiden Votivaltare ORL 40, 37, 2 u. 1 
zeigen, sowohl unter Septimius Severus wie auch 
noch unter Philippus gestanden. und dort wird 
sie ausserdem durch die Weihinschrift eines [rex. 
e.]qui[tum ebd. 37, 3 bezeugt. Auch die Oster- 
burkener Weihinschrift ohne den Namen der 



Heimatsort errichtet worden war. 

cohors Aquitanorum. Ausser den obigen be- 
zifferten Cohorten nennen eine Anzahl Inschriften 
eohortes Aquitanorum ohne Nummer. Unter 
diesen heben sioh zwei Soldatengrabsteine aus 
Dalmatien hervor, der eine aus Salonae, CIL III 
2053, der andere ebd. 9760 aus Aequum, die. 
beide der friiheren Kaiserzeit angehorend, erkennen 



m j. . , lassen, dass die betreffende Cohorte einmal in 

Iruppe, die em decurio dem Genius seiner Turma 50 der Provinz Dalmatien gelegen hat. Die germa- 
emchtet, ebd. 4, hat Schumacher mit Recht auf nische Heimat des einen der beiden Soldaten l™* 



dieja als equitata bekannte eoh. HI Aquitanorum 
bezogen, und vielleicht gehoren dieser dann auch 
die drei Bronzetafelchen (ebd. p. 31, 1 u. 3. 32, 4) 
aus demselben Castell an, die einen comicefn] und 
zwei Centurien nennen. Aus dem westlich von 
Osterburken in der zweiten C'astelllinie gelegenen 
Neckarburken besitzen wir zwei Inschriften mit 
dem gleichen Wortlaut eoh. Ill Aquit. eq. c. R,, 



nische Heimat des einen der beiden Soldaten legt 
die Vermutung nahe, dass die Truppe vorher in 
Germanien gewesen war. Es konnte also eine 
der vier in Germanien stehenden aquitanischen 
Cohorten gemeint sein, die dann zeitweilig nach 
Dalmatien verlegt gewesen ware. Ferner hat im 
1. Jhdt. eine coltors Aquitanorum auf der Insel 
Sardinien gestanden, wo zu Carales ein Soldaten- 
grabstein von ihr, CIL X 7596. gefunden ist. Auch 



CIRh 1728 und Limesbl. 3, 68, aus denen auf 60 hier kann eine der spater am Rhein nachweisbaren 



Anwesenheit der Truppe daselbst zu schliessen 
ist. Sonst sind nur noch zu Stockstadt am Main 
Ziegel der Cohorte zu Tage getreten, CIRh 1761b, 
vgl. Conrady Westd. Ztschr. V 352, die des Bei- 
namens Ant(oniniana) wegen in die Regierung des 
Oaracalla oder Elagabal gehoren; dagegen sind 
die fruher angenommenen Ziegel aus Riickingen, 
CIRh 1436 b, irrtumlich auf sie bezogen worden, 



aquitanischen Abteilungen gemeint sein. Da- 
gegen lasst sich liber den in einem kleinasiati- 
schen Cursus honorum (Wolfe- Sterret nr. 440) 
erwahnten Praefecten nichts Naheres vermuten. 
Uber_ den praef. eoh. Aquit. CIRh 1408 s. eoh. III 
Aquitanorum. Allgemeines fiber die eohortes 
Aquitanorum giebt Ritterling Korr. d. Westd. 
Ztschr. XVI 236f. 



245 



Cohors 



Cohors 



246- 



cohors Aquitanorum, vgl. auch eoh. I Bitu- 
rigum. 

cohors I Asealonitanorum felix (equitata) er- 
scheint in der Inschrift aus Byllis CIL III 600 
unter den Truppenabteilungen, die Reiter zu dem 
combinierten Cavalleriecorps des Valerius Lollia- 
nus — wahrscbeinlich fur Traians Partherkrieg 
— stellten, und wird dann wie alle diese Regi- 
menter im Orient, etwa in Syrien, stationiert 
gewesen sein. 10 

cohors I Asturum (equitata, vgl. CIRh 1231) 
hat lange Zeit in Germanien gestanden. Im dor- 
tigen Heere nennen sie Diplom XI fur 74 und 
XIV fur 82, dann fur Germania superior XXI 
und L aus den J. 90 und 134; aber auch in 
dem unvollstandig erhaltenen Diplom XL von 116 
n. Chr. muss , wie Mommsen CIL III Suppl. 
p. 1976 bemerkt, ihr Name gestanden haben. Das 
alteste ihrer Denkmaler in Germanien dflrfte der 
Grabstein zweier ihrer Leute , eines mensor. und 20 
eines optio, aus Mainhardt in Wiirttemberg sein, 
CIRh 1621, vgl. CIL III Suppl. p. 1617. Dar- 
aus, dass beide Soldaten geborene Dalmater sind, 
darf wohl der Schluss gezogen werden, dass die 
Truppe vorher in Dalmatien gestanden hatte und 
von dort nach Germanien verlegt worden war. 
Von Mainhardt wird die Cohorte dann an den 
Rhein vorgeschoben worden sein. Zeitweilig wird 
sie Mainz als Garnison gehabt haben , da dort 
der Grabstein eines Reiters CIRh 1231 gefunden 30 
ist; dieser muss, da es sieh bereits um einen 
in Germanien geborenen Soldaten handelt, jtinger 
sein als jener wurttembergische. Zahlreich sind 
die Ziegel der Cohorte in der Provinz; solche sind 
nachgewiesen zu Gernsheim (siidlich von Darm- 
stadt) Korr. d. Westd. Ztschr. V 75 (vgl. auch 
IV 70), zu Heddernheim Lim.-Bl. 28, 782 und 
Arch. Anz. 1898, 22, und vor allem in den an- 
tiken Ziegeleien von Nied-HOchst, iiber die aus- 
i'iihrlich G. Wolff Archiv fur Frankf. Gesch. 40 
u. Kunst III. Polge, III 212f. handelt. Uber 
die spateren Schicksale der Truppe sei wenigstens 
eine Vermutung geaussert. Wir finden seit dem 
3. Jhdt. in Britannien eine eoh. I Asturum, die 
in samtlichen Diplomen dieser Provinz noch fehlt 
und offenbar erst spat dorthin gekommen ist. Die 
Not. dign. Occ. XL 42 setzt sie zu Aesica an und 
die Zahl / darf keinesfalls, weil zu Aesica auch 
Inschriften der britannischen coll. II Asturum 
gefunden seien, zu // geiindert werden. Vielmehr 50 
sichert der der Mitte des 3. Jhdts. angehorende 
Cursus honorum des Gargilius Martialis CIL 
VIII 9047 (vgl. Cichorius Leipziger Stud. X 
31 9f.) , in welchem ausdrticklich praef. eoh. I 
Asturum pr. Brittaniae steht, die uberlieferte 
Ziffer. Da nun andererseits kein Denkmal der 
germanischen eoh. I Asturum fiber das J. 134 
n. Chr. hinabreicht, so ist diese wohl spater nach 
Britannien verlegt worden. Ich wurde es dabei 
fur moglich halten, dass die Cohorte dazwischen 60 
noch eine Zeit lang dem niedergermanischen Heere 
angehort hatte, wenigstens wiirden sich dann die 
Ziegel aus Xanten mit CHO I ASTVR (Bonn. 
Jahrb. 87, 95. vgl. Westd. Ztschr. IV 222) , die 
Ritterling Westd. Ztschr. XII 214 auf die 
eoh. II Asturum beziehen will, einfach erklaren. 

cohors I Asturum. Von der germanisch-bri- 
tannischen Cohorte dieses Namens wird notwendig 



eine gleichnamige andere unterschieden werden- 
mussen, die, soviel sich erkennen lasst, dauernd 
in Noricum gestanden hat*). Wenigstens sind alle- 
Inschriften , die sie nennen , in dieser Provinz 
gefunden, so zu Virunum die eines Soldaten CIL 
III 4839 sowie der Grabstein ebd. 4842 = 11508 
und bei Celeia, die anscheinend dem 3. Jhdt. an- 
gehorende Grabschrift ebd. 5292 = 11708. Aucb 
der Grabstein eines 7 eh. AsturufmJ aus Iuvavum 
ebd. 5539, ist, ebenso wie der 7 eoh. I A . . . auf 
einer Inschrift aus Solva ebd. 5330, wohl auf diese 
eoh. I Asturum zu beziehen. In ihr wird ferner 
noch der auf dem stadtromischen Grabstein CIL 
VI 3588 genannte Soldat, da er aus Noricum 
selbst gebiirtig ist, gedient haben. Bei welchem 
Anlass er nach Rom gekommen war (ob etwa in 
den J. 69/70?), ist nicht zu entscheiden. Auch. 
den auf einer Familieninschrift aus Aquincum r 
CIL III 10507, vorkommenden Mann qui milit.. 
in eoh. I Astor. wird man eher der norischen 
Cohorte dieses Namens zuweisen wollen, als der 
germanischen. Endlich hat vielleicht die in der 
Not. dign. occ. XXXIV 45 als Cohortenlager ver- 
zeichnete norische Station Astura (so ist nach. 
Eugippius vita S. Sever. I 1 und I 5 das uber- 
lieferte Austtira. zu verbessern) ihren Namen von 
der dort liegenden cohors I Asturum in ahnlicher 
Weise erhalten, wie dies bei den nach ihrer Be- 
satzung benannten Stationen Commagena, Batava,,. 
Petrianae u. a. der Fall ist. In welcher der bei- 
den eoh. I Asturum der Cagnat L'ann. epigr. 
1895, 36 = Arch. Triest. 1894/95 p. 189 genannte 
curat, pro praef. chor. I Astur. gedient hat, ist 
ungewiss. 

cohors II Asturum stand im 1. Jhdt. in Ger- 
manien, da ein Cursus honorum der flavischen Zeit 
aus Tarraco CIL II 4251 einen praef. cohor. seeund. 
Astur. in Germ, nennt und wir thatsachlich aus 
Brohl in dieser Provinz die Weihinschrift einer 
tcxelatio cortes II Astur. CIRh 666 (vielleicht auch 
Bonn. Jahrb. 81, 115) besitzen. Noch vor dem 
Ausgang des 1. Jhdts. muss die Truppe dann 
nach Britannien verlegt worden sein, wo sie die 
Diplome XXXIV (die Zahl hier sicher erganzt} 
fur 105, XL1II fur 124 und LV (ihr Name steckt 
hier wie ich glaube in dem II A . . .) vor 138 ver-- 
zeichnen. Zunachst scheint sie im Suden der Pro- 
vinz stationiert gewesen zu sein, da wir aus Llanio- 
in Wales zwei Inschriften von ihr Ephem. epigr. VII 
859 (= CIL VII 150) und 860 (diese richtig von- 
Watkin auf sie bezogen) besitzen. Spater ist sie 
dann weiter nach Norden vorgeschoben worden, 
denn der africanische Cursus honorum CIL VIII 
2766 — 18131 bietet ausdrucklich praef. eoh. II 
Astu, pro!:. Britt. infer. Ihr Standort war dort 
Aesica, die zehnte Station am Hadrianswall (vgl. 
oben eoh. I Asturum), wo nicht nur Ziegel. CIL 
VII 1228, sondern vor alien) auch eine Bauinschrift 
von ihr aus dem J. 225 ebd. 732 gefunden sind. 
In Britannien wird der CIL XIV 3955 genannte 
Praefect die Cohorte befehligt haben, da er un- 



*) Durch das soeben von Novotny (Benn- 
dorf-Festschrift 267f.) veroffentlichte Diplom vom. 
J. 106, das fur einen Soldaten einer eoh. I Astu- 
[rum] ausgestellt ist, ist jetzt ein Aufenthalt der 
Cohorte in Noricum fur die Zeit Traians aus- 
drucklich bezeugt. 



247 



Cohors 



Cohors 



248 



wittelbar darauf censitor civium Romanorum der 
britannischen Colonie Camulodunum war. Dagegen 
lasst sich von den Praefeeten der Cursus honorum 
•CIL V 539. VI 1850 und XI 1437 nicht entschei- 
den, in welcher der beiden coh. II Asturum sie 
gedient haben. 

cohors II Asturum. Neben der britannischen 
cohors II Asturum haben wir oine andere in 
Agypten anzunehmen, wo die Not. dign. Or. XXVIII 
36 zu Busiris coh. II Astarum nennt; Astarum 10 
wird hier fur Asturum ebenso verschrieben sein, 
wie wir anderwarts dafiir Astorum, Astirum und 
Astyrum finden. 

cohors III Asturum equitata e. R. begegnet 
im Cursus bonorum des Sex. Ticiasenus Allianus 
■CIL XI 4371 (= Or elli 2211) aus Ameria. Man 
■darf die Truppe wohl in der coh. Ill Asturum 
wiedererkennen, die die Not. dign. Occ. XXVI 19 
2U Tabernae in Mauretania Tingitana verzeicbnet. 
Auf letztere Abteilung mOchte ich iibrigens auch 20 
eine Inschrift aus Teos (Le Bas-Wadding- 
ton IH 104) beziehen, auf der em exaozog axel- 
oijs TQiztjs sv MavQrjTaviq genannt ist; wenig- 
stens kennen wir in beiden mauretanischen Pro- 
vinzen keine einzige andere Cohorte mit der Num- 
m er III. 

[cohors IIII Asturum] ist zwar nicht aus- 
driicklich bezeugt, muss aber allein sehon wegen 
■des Vorkommens je einer cohors V und VI Astu- 
rum mit Bestimmtheit angenommen werden. Zu 30 
■erwagen ware, ob sie nicht etwa auf dem Steine 
aus Andernach CIRh 678 gemeint sein konnte, 
-der Weihung eines imaginif. coh. II II Asturum 
p. f. DfomitianaeJ (so lautet der Text nach Z an ge- 
meister, vgl. Westd. Ztschr. XII 206; Ritter- 
ling bezieht dies zwar auf die cohors II Asturum, 
allein ganz abgesehen davon, dass letztere auf 
ieinem ihrer vielen Denkmaler p. f. heisst, wurde 
IIII dem verfiigbaren Raum besser entsprechen. 
Auf jeden Fall hat aber die betreffende Truppe 40 
unter Domitian in Germania inferior gelegen. 

cohors V Asturum muss zeitweilig gleichfalls 
in Germania inferior gestanden haben. Dies be- 
weisen der Bonner Grabstein eines signifer der 
•Cohorte CIRh 478, der etwa der Mitte des 
1. Jhdts. angehort, sowie aus Grimlinghausen 
stammende Ziegel des Bonner Provincialumseums 
mit XVOD.dieZangemeister sehr ansprechend 
als co(h.) V A(st.) erklart. Sonst erscheint die 
Truppe nur noch in der Weihung eines Praefec- 50 
ten vom Grossen St. Bernhard CIL V 6874 = 
Mommsen Inscr. Helv. 35. 

cohors VI Asturum ist einzig bezeugt durch 
den aus der Zeit der Flavier stammenden Cursus 
honorum eines Praefeeten aus Asturica CIL II 
2637. 

cohors Asturum. Nicht zu entscheiden ist 
es, welehe der verschiedenen cohortes Asturum 
der CIL XI 6337 (= Henzen 6519) erwahnte 
Praefect befehligt hat; die von den Herausgebern 60 
rorgeschlagene Erganzung I ist ganz unsicher, 

cohortes Asturum et Callaecorum. Ausser den 
«infach als cohortes Asturum bezeichneten finden 
sich mehrere coh. Asturum et Callaecorum, die 
sich urspriinglich aus diesen beiden Stammen ge- 
meinsam rekrutierten, bei denen aber eine klare 
Scheidung nicht ganz leicht ist. 

cohors I Asturum et Callaecorum wird nur 



ein einzigesmal in Diplom II genannt, wonach 
sie 60 n. Chr. in Illyricum, d. h. in Pannonien 
gestanden hat. 

cohors II Asturum et GaUaecorum ist in den 
pannonischen Diplomen XIII und XVII der noch 
ungeteilten Provinz unter den J. 80 und 85, dann 
in den Diplomen LXVIII/LXIX und LXXIV von 
Pannonia inferior aus der Zeit zwischen 145 (bezw. 
154) und 160 sowie unter 167 verzeichnet. Wir 
durfen auf sie vielleicht die Ziegel CIL III 10674 
aus Batina in dieser Provinz beziehen, obwohl 
sie nur coh. II Ast. und [cohjort-is II Hash: 
bieten. 

cohors Asturum et Callaecorum. Eine solche, 
deren Nummer (...I Astur. et Call.) nicht mehr 
zu bestimmen ist, hat zu den noch wenig bekannten 
Auxilien der Provinz Mauretania Tingitana gehCrt. 
Ihr Standquartier scheint sie in der Gegend von Vo- 
lubilis, westlich vonFds, gehabt zu haben, da sie dort 
unter ihrem Praefeeten ein Praetorium gebaut hat, 
Bull. com. 1891, 136 — Cagnat L'annee e'pigr. 
1891, 115. Die weiteren Zeugnisse fur den Auf- 
enthalt der Cohorte in Mauretanien hat bereits 
Cagnat L'arm. Rom. d'Afr. p. 320 beigebracht 
und richtig erklart. Es sind einmal das Frag- 
ment eines Cursus honorum aus Rom, CIL VI 
3654, in dem ein [praef. coh. . Ast. et] Qallaee. 
in Maur. erscheint. Ferner ist die Cohorte 
zweifellos in dem nur handsehriftlich iiberliefer- 
ten Texte eines Cursus honorum aus Tarraco, 
CIL II 4211, gemeint, wo die verderbten Worte 
cohort. Astur. Qallaeciae et Mauretan. Tingit. 
von Hiibner treffend zu cohort. Astur. et Gal- 
laec. Mauretan. Tingit. verbessert sind. Cagnat 
a. a. O. halt die Cohorte fur die friiher in Illy- 
ricum stehende colt. I Asturum et Callaecorum; 
wenn dies richtig ist, miisste letztere, da das 
Commando des erwahnten Officiers in Maureta- 
nien in die Zeit Traians anzusetzen ist, noch zu 
Ende des 1. Jhdts. dorthin verlegt worden sein. 

cohors Asturum et Callaecorum. Vollig un- 
klar ist das Verhaltnis, in dem eine am Rhein 
nachweisbare Cohorte dieses Namens zu den 
iibrigen coh. Ast. et Call, gestanden hat. Be- 
zeugt ist sie einzig durch den der friihen Kaiser- 
zeit angehflrenden Grabstein CIRh 1232 aus Mainz, 
der einem Soldaten ex cohorte Aestureru et Cal- 
laecoru gesetzt ist und aus dem sich eine zeit- 
weilige Anwesenheit der Cohorte in Germanien 
ergiebt. Die Truppe kann ebensowohl mit einer 
der beiden pannonischen coh. I oder // Ast. et 
Call, identisch sein , als auch mit der maureta- 
nischen , falls diese von jenen verschieden sein 
sollte. Ungewiss ist es endlich auch, welehe von 
all diesen Abteilungen der im Cursus honorum 
aus Ephesus CIL ffi 6065 genannte Praefect be- 
fehligt hat. 

cohors I Augusta wird als coh. Aug. 1 in dem 
Cursus honorum des Q. Aemilius Secundus (CIL 
IH Suppl. 6687 = Pais CIL Suppl. Ital. 475) 
erwahnt, der sie als Praefect unter Augustus be- 
fehligt hatte ; sie muss damals in Syrien gestanden 
haben, da der Officier dem Statthalter dieser Pro- 
vinz P. Sulpicius Quirinius unterstellt gewesen war. 
Dann wird sie aber gewiss nicht verschieden sein 
von der oxeToa Avfyovaztjj, von der ein Praefect auf 
der griechischenlnschrift ausEitha in derBatanaea, 
Lebas-Waddington 2112, vorkommt. Letztere 



249 



Cohors 



Cohors 



250 



Truppe hat bereits Waddington a. a. O. in der 
ojiuQa Seflaazri wiedererkannt , welcher der den 
Apostel Paulus nach Rom geleitende Centurio lu- 
lius Act. apost. 27, 1 angehGrte, und die, da die 
Entsendung des Paulus von Cacsarea aus erfolgte, 
zweifellos dort oder in deT Nahe gestanden haben 



muss. 



[cohors II Augusta] haben wir wegen des 
Vorkommens einer coh. Ill Augusta anzunehmen. 



als diu Germanicis bellis exerciti. Sie wurden spa- 
ter nach Britannien verlegt, wo sie sich von neuem 
auszeichneten (ebd. IV 12), und zwar sind sie dann, 
wohl die octo auxiliarium cohortes, die nach Tac. 
aim. XIV 38 im J. 61 aus Germanien nach Bri- 
tannien gesandt waren, wenigstens treten sie 
uns weiterhin stets als eine geschlossene Masse von 
gerade acht Cohorten entgegen. Als Auxilien 
der legio XIV Gemina wurden sie von Nero fur 



cohors III Augusta wird in der stadtrOmi- 10 seinen geplanten Albanerkrieg aus Britannien 



schen Inschrift CIL VI 3508, einem Cursus ho- 
norum der friihen Kaiserzeit, genannt. Da dort 
kein Buchstabe weiter fehlt, hat die Cohorte wie 
die / Augusta nur diesen einen Namen gefuhrt. 

cohors Augusta: vgl. auch coh. II Nervia 
Paeensis miliaria Brittonum, II. Cyrenaica, III 
Cyrenaica, II Dacorum p. f. miliaria, I Ituraeo- 
rum, I Praetoria Lusitanorum, I Nervia velox, 
I Nerv[ia] , I Pannoniorum, I Thracum, II 
Tkraeum, III Thracum. 

cohors Aurelia: vgl. coh. I Dardatiorum. 

cohors I Ausetanorum. So wird von den 
Herausgebern in dem Cursus honorum aus Hi- 
spalis CIL II 1181 das erhaltene praef. cohort, 
primae Ause . . . zweifellos richtig erganzt. 

cohors I Baetasiorum c. R. hat anscheinend 
die ganze Kaiserzeit hindurch in Britannien ge- 
standen. Dort nennen sie wenigstens Diplom 
XXXII im J. 103, Diplom XLIII im J. 124 und 



herangezogen, scheinen sich aber fiir Galba er- 
klart und ihre Legion an einem Eintreten fiir 
Nero verhindert zu haben, denn Tacitus hist. II 
27 lasst sie sich riihmen coercitos a se quarta- 
deeumanos, ablatam Neroni Italiam. Sie trennen 
sich dann von der Legion und treten den Rflck- 
marsch nach Britannien an, schliessen sich aber 
noch unterwegs auf die Nachricht von Galbas 
Tod in der Civitas Lingonum, wo sie sich gerade- 
20 befanden, dem Heere des Fabius Valens an. Schon 
hier beginnen Reibereien zwischen ihnen und den 
Legionaren des Armeecorps, Tac. hist. I 59. Als 
Avantgarde der Vitellianer riicken sie im Friih- 
jahr 69 in Oberitalien ein, iiberschreiten als erste 
den Po und verbreiten iiberall Sehrecken unter 
den Othonianern, ebd. II 17. Unter den cohor- 
tes Germanorum, die sich dann beim Sturme- 
auf Placentia inibmlich hervorthun, ebd. II 22, 
werden wieder die Bataver zu verstehen sein. 



noch die Not. dign. Occ. XXVIII 18, die als ihren 30 Freilich machen sie sich auch hier wieder durch 
Standort Regulbium am Litus Saxonicmn angiebt. -1 TT1 A " " J ~ u i----'"-'-'--*- *- — 

Zuvor muss die Cohorte aber langere Zeit in 
Uxellodunum gelegen haben, woher wir nicht 
veniger als funf Weihinschriften von ihr besitzen, 



zwei, CIL VII 391 und 395, unter dem Praefeeten 
Ulpius Titianus (fruhestens 2. Jhdt.), drei, ebd. 
386. 390. 394, unter dem Praefeeten Attius Tu- 
tor, dessen Commando auch in seinem Cursus 
honorum aus Solva in Noricum, CIL III 5331, 
erwahnt ist. 

cohors Baetica. Ausdriicklich bezeugt nur 
durch die Bronzctafel von Bergomum, CIL V 
5127 u. add. p. 1082, die das Ehrendecret einer 
unbekannten Colonie fiir M. Sempronius Fuscus 
itraefectus cohortis BaeAicae enthalt. Dieses ist 
beschlossen worden bei Gelegenheit der AblOsung 
des Officiers durch seinen Nachfolger , und der 
u-anze Inhalt zeigt klar, dass die Cohorte als 
dauernde Besatzung in der betreffenden Gegend 



ihren Ubermut und ihre absichtlich herbeigeftihr- 
ten Streitigkeiteu mit den Legionaren lastig, so- 
dass Valens den Entschluss fasst, durch Ent- 
sendung eines Teils der Cohorten nach Gallia 
Narbonensis Ruhe zu schaffen ; dies fiihrt jedoch 
zu neuem Tumult und Aufruhr, ebd. 27—29. Die 
Bataver nehmen dann unter Alfenus Varus an 
der ersten Schlacht bei Bedriacum teil, ebd. 43, 
und erhalten nach der Schlacht den Auftrag. 
40 ihre alte, bisher auf Othos Seite beimdliche Le- 
gio XIV Gemina nach Britannien zu escortieren. 
Allein schon in Turin kommt es zwischen beiden 
zu ernstem Streit, so dass schliesslich die Bataver 
allein nach Germanien zuriickgesendet werden, 
ebd. 66 und 69; sie befanden sich bereits in 
Mainz, als Civilis die ersten Schritte zu seiner Er- 
hebung unternahm, ebd. IV 15. Von Vitellius nach 
Italien zuruckbeordert, treten sie den Marsch dort- 
hin an , werden aber unterwegs von Boten des 



refegen" haben muss. Vielleicht ist der Name 50 Civilis eingeholt und fur diesen gewonnen. Sie 
Icr Abteilung auch in dem Cursus honorum CIL marschieren nun nach Niedergermanien , liefe 



der 

X 1493 zu erganzen. wo nur praef. coh. 
erhalten ist. Denn da nicht mehr als vier Buch- 
staben fehlen, ist /"/oder II Class] 'icae ausge- 
schlossen, und da [Italjicae schon wegen des 
praef. statt trih. unmuglich ist. verbleibt als ein- 
ziger passender Name eben [Baetjicae. Dagegen 
darf CIL TI 2552 mit der Truppe nicht in Be- 
ziehung gebracht werden 



bei Bonn der dortigen Legion ein siegreiches Ge- 
fecht und vereinigen sich mit Civilis, ebd. IV 
19 —21 , von dessen Heere sie von nun an den 
Kern bilden. Was das spatere Schicksal der 
Cohorten war. wird in dem erhaltenen Teil der 
Historien nicht mehr berichtet, allein dass von 
diesen acht Cohorten, die die allerschwerste Schuld 
auf sich geladen hatten, Vespasian, als er die 
cohortes ' Baiavorum bildeten in der ersten 60 vielen am Aufstand beteiligten Truppenteile cas- 



Kaiserzeit eine der Kerntruppen unter den Auxi- 
lien des germanischen Heeres. Noch zu Neros 
Zeit aus nationaler Rekrutierung hervorgehend 
und von einheimischen Offlcieren befehligt, waren 
sie, wie aus Tacitus hist. IV 19 hervorgeht, als 
cquitatae formiert. Schon in den Feldzugen des 
Germanicus begegnen sie uns, vgl. Tac. ann. II 8, 
und hist. IV 12 bezeichnet sie Tacitus ausdriicklich 



sierte, auch nur eine geschont haben sollte, ist 
v6llig undenkbar. Deshalb halte ich es auch fur 
ganz ausgeschlossen, dass die spater bei Schrift- 
stellera und auf Inschriften erscheinenden cohor- 
tes Batavorum jnit welchen von jenen acht iden- 
tisch sind. Dies gilt zunachst von den (drei, 
wenn man die schon von Rhenanus gegebene, 
mir ab?olut geboten scheinende Lesung cohortes 



251 



Cohors 



Cohors 



252 



(tres) annimmt) batavischen Cohorten, die Agri- 
-cola 84 n. Chr. in Britannien in seinem Heere 
hatte und die sich in der Schlacht am Berge 
-Graupius auszeichneten, Tac. Agric. 36. Bs wer- 
-den dies neu gebildete Abteilungen mit neuer 
von / an beginnender Zahlung sein, wahrend 
■von der urspriinglichen Eeihe nur die wohl immer 
-von den anderen getrennt gewesene coh. IX Bata- 
vorum, bestehen geblieben war. 

cohors I Batavorum miliaria p. f. wird zu-10 
•erst in Diplom XXVII von Pannonien genannt, 
wonach sie 98 n. Chr. in dieser Provinz gestan- 
•den hat. In keinem der ubrigen pannonischen 
Diplome, deren wir gerade aus flavischer Zeit 
mehrere besitzen, kommt die Truppe vor, und es 
liegt daher die Vermutung nahe, dass sie erst 
kurz vor dem J. 98 von auswarts in die Pro- 
vinz verlegt worden ist. Da nun noch im J. 83 
batavische Cohorten im britannischen Heere nach- 



und eines unbestimmbarcn Angehorigen der Co- 
horte, ebd. 107. Bei anderen dortigen Steinen (z. B. 
Eph. ep. Ill 105. 187. 201) ist eine Beziehung 
die Cohorte zu unsicher. Sonst findet sich ihr 
Name mir nocb auf einem bestimmt (CIL VII 777) 
und auf einem wahrscheinlich (Eph. ep. VII 1065) 
aus Magnae am Hadriansvvall stammenden Steine, 
wahrend sie auf dem schottischen CIL VII 1101, 
wie schon Hvibn er bemerkt, schwerlich gemeint ist. 
cohors II Batavorum miliaria erscheint zu- 
sammen mit der coh. I Batavorum miliaria in 
dem pannonischen Diplom XXVII vom J. 98, 
kehrt aber wie jene in keinem der alteren und 
jiingeren Diplome der Provinz wieder. Sie wird 
also wie die I Batavorum erst kurz vor 98 und 
z war vielleicht . gleichfalls aus Britannien nach 
Pannonien gekommen und dann anlasslich Traians 
Dakerkrieges wieder von dort abgezogen sein. 
Ausser in dem Diplom wird sie nur noch einmal 



weisbar waren , die dann ausser einer einzigen 20 genannt und zvvar auf dem neugefundenen Grab- 



•dort verschwinden , und eben zwischen 83 und 
98 die legio II Adiutrix aus Britannien nach 
Pannonien verlegt worden war , ware es denk- 
bar, dass mit deren Auxilien auch die coh. I Ba- 
tavorum an die Donau gekommen ware (vgl. 
coh. II Batavorum). Keinesfalls aber hat ihr 
Aufenthalt dort lange gewahrt, denn keines der 
pannonischen Diplome des 2. Jhdts. fiihrt sie auf. 
Da dagegen mehrere Inschriften von ihr in Da- 
cien zu Tage getreten sind, wird man annehmen 30 
diirfen, dass die Cohorte fur den Dakerkrieg 
Traians aus Pannonien abberufen worden und dann 
in der neu eroberten Provinz als Besatzung verblie- 
ben ist. Vielleicht hat sie in der Gegend von Romlot 
im aussersten Nordwesten des Landes ihr Stand- 
quartier gehabt, wenigstens ist dort der Grab- 
stein eines activen Centurionen coh. I Bat. CO 
CIL HI 839 gefunden worden. Aus Potaissa 
stammen der Grabstein der Frau eines sig. coh 



altar von Adamklissi, dessen eine Columne unter 
der trberschrift coh. II Bat. eine Eeihe von Namen 
gefallener Soldaten der Cohorte verzeichnet, CEL 
III 14214. Da die Bestimmuug der Schlacht oder 
des Krieges, auf den sich das Denkmal bezieht, 
erst durch die noch im Gange befindlichen Aus- 
grabungen ermSglicht werden wird, muss eine 
Vermutung hieriiber vorlauflg noch zuruckgehalten 
werden. 

cohors III Batavorum miliaria (equitata 1 ?, 
vgl. CIL LH 3676) ist zwar zunachst durch das 
Diplom XXXV fur 107 n. Chr. in Eaetien bezeugt, 
kann aber schwerlich noch lange in dieser Pro- 
vinz verblieben sein; in den spateren raetischen 
Diplomen fehlt sie namlich, dafiir taucht in Pan- 
nonia inferior eine fruher dort nicht nachweis- 
bare coh. Ill Batavorum auf, die — von Tri- 
bunen befehligt — genau wie die raetische cine 
miliaria war. Es ist also wohl eimmddieselbe 



I Bat., ebd. 13 760 = Arch.-epigr. Mitt. XVII 17, 40 Truppe zu erkennen, die dann unter Traian oder 



und ein Fragment, ebd. 13766 — Arch.-epigr 
Mitt. XVII 20, in dem HTBAD von Cumont 
richtig als [co]h. I Bat. gelesen wird. Ob ein 
Stein aus Magyar Egregy ebd. 841 mit Momm- 
sen auf die Cohorte bezogen werden darf, er- 
scheint fraglich , da hier auch die ala I Bata- 
■ vorum (s. Bd. I S. 1234) gemeint sein konnte. 

cohors I Batavorum. Von der vorigen Truppe 
muss verschieden sein eine anscheinend dauernd 



Hadrian von Raetien nach Pannonia inferior ver- 
legt worden ist. In letzterer Provinz nennt sie das 
zwischen 138 und 146 anzusetzende Diplom LVIII, 
und auch in Diplom LXIX (zwischen 145 bezw. 
154 und 160) ist fiir die coh . . Batavorum, wohl 
die Nummer III zu erganzen, da eine andere bata- 
vische Cohorte im 2. Jhdt. in Pannonien nicht vor- 
kommt. Als Garnison lasst sich mit Sicherheit 
Adony an der Donau, siidlich von Pest, feststellen. 



in Britannien verbliebene coh. I Batavorum, und 50 Dort sind ausser zahlreichen Ziegeln mit coh. Ill B., 



zwar schon deshalb, weil sie von Praefecten be 
fehligt wurde und also eine quirujenaria gewesen 
ist. Sie erscheint zuerst in Diplom XLIII vom 
J. 124 in der Provinz, kann aber doch vielleicht 
schon an den Kriegen des Agricola teilgenommen 
haben und in den von Tacitus erwahnten eohortes 
Batarorum inbegriffen gewesen sein. Noch in der 
Not. dign. Occ. XL 39 finden wir die Cohorte unter 
dem Besatzungscorps des Hadrianswalles , und 



coh. Ill Bata. und coh. Ill B. AnftoninianaJ, CIL 
III 3760 und 10 671, der Grabstein eines Tri- 
bunen der Cohorte ebd. 10 329 und eine von 
Domaszewski richtig auf sie bezogene Soldaten- 
inschrift ebd. 10330 gefunden worden. Auch der 
auf einer aus Stuhlweissenburg, westlich vonAdonv, 
stammenden Inschrift genannte [mi]}, coh. Ill B. 
vom J. 211, ebd. 3345, wird zweifellos der Cohorte 
angehoren, wahrend mir die Beziehung eines Frag- 



zwar mit der Garnison Procolitia, der siebenten 60 ments von der Insel Szalk, ebd. 10322, zu un 



Wallstation. Dort muss sie aber schon lange 
Zeit vorher ihr Standquartier gehabt haben, denn 
wir haben dorther eine ganze Keihe von Denk- 
inalern der Truppe, darunter eine datierte Bau- 
inschrift aus dem J. 237, CIL VII 621. Weih- 
inschriften der Cohorte mit ihrem Praefecten ebd. 
617 und eines Praefecten allein Eph. ep. Ill 185, 
■sowie Grabsteine eines signifer Eph. ep. Ill 106 



sicher erscheint. Auf unsere Cohorte mochte ich 
endlich die interessante, in Pannonia inferior an un- 
bekanntem Orte gefundene metrische Grabschrift 
CIL III 3676 beziehen. Der Verstorbene nennt 
sich Pannomis quondam notissimus oris inter 
milk viros fortis primusque Batavos Hadricmo 
potui qui iudice vasta profundi aequora Danu- 
rii cunctis transnare sub armis u. s. w. Es ist 



253 



Cohors 



Cohors 



254 



langst erkannt, dass hier auf den von Dio LXIX 
9 erzahlten Vorgang, die Durchschwimmung der 

Donau durch to Izwimov z<ov xalovfi&voov Ba- 
raovcov bei Anwesenheit Hadrians, Bezug genom- 
men wird; auch dass eine coh. miliaria Bata- 
vonwi gemeint ist, hat schon Mommsen ge- 
sehen. Es kann dies dann aber meiner Ansicht 
nach nur die III Batavorum miliaria sein , als 
die einzige in jener Zeit in Pannonien nachweis- 
bare coh. Batavorum. umsomehr als sie gerade 
schon in den ersten Jahren des Pius dort erscheint. 
Auch ihre Garnison, das an der Donau gelegene 
Adony, wurde gut zu der Annahme passen. 

[eohortes IIII. V. YI. VII. VIII Batarorum] 
werden einzeln nicht erwahnt; vgl. fiber sie oben 
unter eohortes Batavorum. 

cohors VTT7T Batavorum miliaria equitata 
{CIL III 11918) wird, wie ihre Nummer schliessen 
lasst, zu der Eeihe der oben erwahnten acht 
eohortes Batavorum gehort haben, mit denen sie 
dann gleichzeitig formiert sein muss. Ihre Spuren 
weisen alle nach Eaetien. Dort nennt sie Di- 
plom LXXILT im J. 166, und noch die Not. dign. 
Occ. XXXV 24 verzeichnet trib. coh. nonae (so 
ist mit Mommsen das iiberlieferte novae zu ver- 
bessern) Batavorum Batavis. Danach war also 
Passau Garnison der Cohorte und verdankt dieser 
seinen Namen. Eiuen Votivaltar der coh. IX Ba[t.] 
eq. CO EXPB (nach Mommsen ex provineia 
Belgica'?), CIL III 11918, haben wir aus Weissen- 
burg, wohl Hirer friiheren Garnison; ein Tribun 
erscheint in dem griechischen Cursus honorum 
aus Massilia, IGI 2433. 

eohortes Belgarum haben wir fiir das J. 68 
n. Chr. im Heere von Germania superior anzu- 
nehmen nach Tac. hist. IV 17, wo dem Civilis 
die Worte in den Mund gelegt werden: fuisse 
inter Verginii auxilia Belyas ; diese Cohorten 
(oder Cohorte) waren also an dem Feldzuge gegen 
Vindex beteiligt. Vielleicht darf auf eine von 
ihnen der nur handschriftlich iiberlieferte , an- 
scheinend friihe Grabstein CIEh 1101 aus Mainz, 
dem Hauptquartier eben des obergermanischen 
Heeres, bezogen werden, der einen Aprilis Sol. 
f. (*7?) cho. I Bdfjica natione Lig. Austr. nennt. 
Dagegen sind die Ziegel aus Langenhain , die 
Zangemeister als coh. I Bfejl. lesen mochte, 
wohl eher der I BifturigumJ (s. d.) zuzuweisen. 
Nicht unmoglich ware es, dass die germanische 
coh. Belgarum identisch gewesen ist mit der 

cohors I Belgarum (equitata, s. CIL III 2744. 
8762. 9739), die durch zahlreiche Inschriften in 
Daltnatien bezeugt ist. Freilieh verteilen sich 
diese auf so viele verschiedene Fundorte, dass es 
schwer ist, sich uber die Garnisonen der Truppe 
in der Provinz ein bestimmtes Urteil zu bilden. 
Dass sie zeitweilig in der Gegend von Humac 
{zwischen Novae und Narona) gelegen hat , be- 
weist die Thatsache. dass sie dort 173 n. Chr. 
einen Libertempel neu aufgebaut hat (CIL III 
8484 = 6362 = 1790j. Aber auch in jenen beiden 
benachbarten Stationen nennen Inschriften die 
Cohorte, in Narona der Grabstein eines tubicen, 
ebd. 8437, bei Novae die Weihinschrift eines Cen- 
turionen leg. I Mfin.J praepositus cho. IBclg. hoc 
in loco . . . servatus. Ferner lassen die Grab- 
steine eines vexill. equit. aus dem alten Militar- 
orte Delminium, ebd. 9739, und die Weihung eines 



anderen vexil., ebd. 2744 (der Name der Cohorte 
ist von Mommsen richtig hergestellt) aus An- 
detrium einen Aufenthalt der Truppe dort als 
mOglich erscheinen, wahrend das Vorkommen von 
Inschriften der Cohorte (Grabstein einer Soldaten- 
frau ebd. 2067, einer Centurionengattin ebd. 8756, 
bei Lebzeiten gesetztes Grabdenkmal eines de- 
eurio ebd. 8762) in der Provincialhauptstadt Sa- 
lonae nicht unbedingt zu der Annahme nCtigt, 

10 die Abteilung habe dort in Garnison gelegen. 
Sonst haben wir noch die Weihinschrift eines 
Centurio von der Insel Brattia, ebd. 3096, den 
Grabstein eines Veteranen aus Duboj im Binnen- 
lande der Provinz, ebd. 8376 b, vgl. Arch.-epigr. 
Mitt. XVI 79, and endlich wird die Cohorte auf 
einer dalmatischen Inschrift unhekannten Fund- 
orts, ebd. 3162 b, genannt. Auch auf den Steinen 
aus Mediolanum Santonum in Aquitanien, CIL 
XHI 1042—1045, will Hirschfeld im Cursus 

20 honorum cohort. [1 Belg]arum erganzen. 

eohors I Septimia Bel[garum] oder Belfgica] 
wird einzig auf einer dem 3. Jhdt. angehOrenden 
Inschrift aus Mainz, CIRh 1030, erwahnt, die in 
hfon.J d(om.) d(iv.) genio chor. I Septimie Bel[g.] 
A(hxandrianasJ oder Afntoninianae) von einer 
Anzahl Leute gesetzt ist. Selbst wenn diese Co- 
horte nicht, wie man aus dem Namen schliessen 
muss , von Septimius Severus neu errichtet sein 
sollte, wird sie doch mit der im 1. Jhdt. in Mainz 

30 nachweisbaren coh. I Belg. (s. d.) schwerlich iden- 
tisch sein. 

[cohors I (Flavia 9) Bessorum] kann vorlauflg 
nur aus der folgenden Truppe erschlossen werden. 
eohors II Flaria Bessorum. Dem Namen 
nach von einem der flavischen Kaiser errichtet. 
Diplom XXXIII nennt sie 105 n. Chr. in Moesia 
inierior, Diplom XL VI dagegen im J. 129 in 
Dacia inferior, wohin sie also in der Zwischen- 
zeit verlegt worden war. Sonst wird nur noch 

40 in einem dem 2. Jhdt. angehOrenden Cursus ho- 
norum aus Thyatira, CIG 3497, ein Commandeur 
von ihr genannt. 

eohors I (AquitatKrrum) Biturigum. In Di- 
plom XI kommt unter dem J. 74 n. Chr. in Ger- 
manien eine coh. I Aquitanorum Biturigum vor. 
Spater kehrt diese nie wieder; dafiir begegnet 
uns aber eben in Gernianien eine coh. I Bituri- 
aum. und es ist langst erkannt, dass beidemal 
einunddieselbe Truppe gemeint sein muss, die nur, 

50 ahnlich wie z. B. die coh. V Callaecorum Lucen- 
sium (s. d.), spater den einen Namen abgeworfen 
hat. Als coh. I Biturigum ist sie in den Diplomen 
XXI und L von 90 'und 134 n. Chr. fur Ger- 
mania superior bezeugt und auch in Diplom XL 
vom J. 116 mit Bestimmtheit zu erganzen. In 
dem Limescastell Langenhain ist ein Bronzeplatt- 
chen der coh. I Bit. vom J. 177 (ORL 13, 8 
= Limesbl. 1, 23) gefunden, und danach durf- 
ten wohl auch die dort zu Tage getretenen 

60 Ziegelstempel COH- 1BL eher mit Kofler I Bi- 
[tur.] als mit Zangemeister I B[e]l. gelesen 
werden. Andere Ziegel der Cohorte stammen aug 
der Gegend von Eottweil in Wurttemberg, Li- 
mesbl. 18, 515, Bonn. Jahrb. 102, 90, vgl. Hau.e 
D. rem. Inschr. u. Bildw. Wurtemb. 58; ein 
Praefect erscheint im Cursus honorum CIL II 
4203. 

cohors II Biturigum. Einzig aus einem Main- 



255 



Cohors 



Cohors 



256 



zer Cursus honorum des 1. Jhdts., CIRh 1120, 
bekannt. 

cohortes Bosporanorum. Urspriinglich wohl 
die Landestruppen der bosporanischen KOnige, 
aber schon als solche romisch bewaflnet, denn 
Tacitus ami. XII 16 zahlt miter dem J. 49 bei 
einem Gefecht in der Krira als Centrum der rO- 
mischen Schlachtordnung auf cohortes et Bospo- 
rani .... nostris in armis. Diese Truppen sind 
dann wohl als regulare Auxilien in das rOmische 
Hcer aufgenommen worden, und aus ihnen werden 
die folgenden Cohorten hervorgegangen sein. 

cohors miliaria Bosporiana wird in der Not. 
dign. Or. XXXVIII 29 als Besatzung von Arau- 
raca in Armenien verzeicb.net. Es darf wohl als 
sicher angesehen werden , dass dies dieselbe 
Trnppe ist, die Arrian in der Ektaxis § 3 und 
18 als BoejtoQavol its^oi und als ol nsZol to^otcu 
o! teov .... BoojioQtavcov unter den Auxilien seines 
cappadocischen Heeres auffuhrt. 

cohors I Bosporiana ist erst ganz kurzlich 
durch das neu gefundene Diplom von 116 (Arch.- 
epigr. Mitt. XX 157) als TruppenkOrper des ober- 
pannonischen Heeres bekannt geworden und muss 
von der cappadocischen Cohorte notwendig ver- 
schieden sein. Ihr mo'chte ich die beiden Prae- 
fecten zuweisen, die als tbzaoxos ansiQtjQ nomrr\g 
BcoojioQiavijg Inschr. v. Olympia nr. 447 S. 538 
— Arch. Zeit. XXXVII 136 und als snoQiog onei- 
orjs BoonoQiarri; xgwrng Bull. hell. XVII 35 in 
griechischen Cursus honorum vorkommen. Die in 
Cappadocien stehende coh. miliaria Bosporiana, 
auf die Ritterling beide bezieht, kann nicht in 
Betracht kommen , denn da beide Offlciere das 
Commando als erstes fiihren und erst nachher 
Legionstribunen werden, miissen sie eine cohors 
quingenaria befehligt haben. Ich erganze daher 
iiuch in dem neuen Diplom Bosfporiana] und 
nicht, wie Eitterling, Bos [poranorum] . 

cohors II Bosporanorum. In dem Cursus 
honorum aus Misenum CIL X 270* eines Ti. 
Claudius Ilus* wird dieser u. a. praef. coh. II 
Bosforanorum genannt. Die Inschrift ist zwar 
sicher teilweise interpoliert (vgl. Hirschfeld R. 
Verw. I 180), doch sind die beiden in ihr ge- 
nannten Truppennamen dtrrehaus unverdachtig. 

cohors I Braearaugustanorum. Eine solche 
wird zuerst auf einem Steine der friihen Kaiser- 
zeit aus Narona CIL III 1773 erwiihnt. der Wei- 
hung des Praefecten Ti. Claudius Claudianus (der- 
selbe Mann ist, wie die Herausgeber vermuten, viel- 
leicht auch mit dem CIL II Suppl. 5613 genannten 
Ti. Clan . .[.praef.] cho. Bra[car.] gemeint. Aus 
spaterer Zeit findet sich in Dalmatien keine Spur 
der Cohorte mehr, und sie wird daher wohl bei 
der Eeducierung der dortigen Armee wegverlegt 
worden sein. Wahrscheinlich kam sie nach Moesia 
inferior, wo eine coh. I Braearaugustanorum in 
den Diplomen von 99 (XXXI), c. 112 (XXXVIII) 
und 134 (XLYlll) erscheint. Diese moesische 
Cohorte wird CIL XII 1358 gemeint sein in dem 
Cursus honorum eines Unbekannten . der pra[ef. 
coh. . . Braejarum Augustanorum und praepo- 
situs vexillationi exereitus 31... gewesen ist; 
wenigstens ist, soweit wir zu erkennen vermCgen, 
Mfoesia inferior] die einzige mit -1/ beginnende 
Provinz, in der eine cohors Braearaugustanorum 
gestanden hat. 



collars I Braearaugustanorum. Ziegel von 
einer Cohorte dieses Namens haben sich in 
dem wichtigen, den Ojtoz-Pass deckenden Castell 
von Berezk in Dakien gefunden, CIL Til Suppl. 
8074, 9. Wemv nun auch die oben besprochene 
moesische Cohorte etwa wahrend Traians Daker- 
kriegen dort gebaut haben kcnnte, ist es doch 
schon in Anbetracht dessen, dass wegen der zwei 
verschiedenen coh. Ill Braearaugustanorum auch 

10 zwei coh. I Braearaugustanorum angenommen 
werden miissen, vielleicht richtiger, hierin eine 
von der moesischen verschiedene Truppe zu er- 
kennen. Der einen dieser beiden Cohorten ge- 
hOrte dann der Praefect auf dem spaten Cursus 
honorum aus Caesarea CIL VIII 9358 an, wo 
der Name als coh. I Augusta Bracarum wieder- 
gegeben wird. 

cohors II Braearaugustanorum wird nur ein 
einziges Mai, namlich in dem stadtromischen Cursus 

20 honorum des A. Atinius Paternus CIL VI 1838 
erwahnt, der sie unter Traian befehligt hatte. 

cohors III Braearaugustanorum. ist im 2. Jhdt. 
in Raetien nachweisbar, wo sie nach Diplom XXXV 
im J. 107 und nach Diplom LXXTJI im J. 166 
gelegen hat. Auch ein stadtrttmischer Cursus 
honorum CIL VI 1822 nennt einen praef. coh. 
Ill Braear. August, ausdriicklich mit dem Zusatz 
q(uae) e(st) in Raetia. Desgleichen wird der 
mil. oho. Ill Braca[r]u[m] ', der seinem in der kai- 

30 serlichen Leibwache der equites singulares die- 
nenden Preunde, einem geborenen Raeter, zu Rom 
den Grabstein CIL VI 3228 gesetzt hat, gewiss 
in der raetischen coh. Ill Braearaugustanorum 
gedient haben. 

cohors III Braearaugustanorum. Von der 
vorigen unbedingt verschieden ist die britannische 
Cohorte gleichen Namens. Dies ergiebt sich schon 
daraus, dass die britannischen Diplome XXXII, 
XLIII und LVII (die Zahl ist hier aus der Reihen- 

40 folge sicher zu erganzen) sie gerade fur die Zeit, 
wo jeue andere in den raetischen Diplomen er- 
scheint, im britannischen Heere auffuhren, nam- 
lich fur die Jahre 103, 124, 146. Inschriften 
der Cohorte sind in Britannien bis jetzt noch 
nicht gefunden, aber ich mOchte die zu Castle- 
field bei Manchester gefnndenen Ziegel mit C III 
BR (CIL VII 1230) auf sie beziehen und nicht 
mit Hiibner auf eine in Britannien gar nicht 
nachweisbare coh. Ill Brittonum. Auch die In- 

50 schrift aus Braga bei Bellino Inscrip. Rom. de 
Braga p. LXII. in der ein 1 coh. Bracarum in 
Britannia erscheint, muss sich auf unsere coh. 
beziehen, da eine andere Bracarercohorte in Bri- 
tannien nicht vorkommt. In mehreren Fallen, wo 
im Cursus honorum je ein praef. (bezw. ce.ntu.rio) 
coh. UI Brae, genannt wird, ist die Entschei- 
dung, ob die raetische oder die britannische Truppe 
gemeint ist, unmOglich ; es sind dies CEL VI 3536. 
XII 672. VIII 3005 und ev. Pais 189, wo aber 

60 auch III Brfeuc.] oder Brfitt.] erganzt werden 
kann. 

cohors III Braearaugustanorum. Eine solche 
fiihrt endlich noch das neue Diplom vom J. 13$ 
(Cagnat l'ann. epigr. 1897, 106) unter den Trup- 
pen von Syria Palaestina auf. Es kann dies sehr 
wohl eine der beiden obigen, etwa die raetische Co- 
horte des Namens sein, die dann von Hadrian zum 
judischen Kriege zeitweilig nach dem Orient ver- 



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Cohors 



Cohors 



258 






legt und zunachst auch nach dessen Beendigung 
im Lande verblieben ware. Ebenso mSglich ist aber 
auch, dass hier eine dritte, von jenen verschiedene, 
dauernd im Orient stehende coh. Ill Braear- 
augustanorum zu erkennen ist. 

[cohors III Valeria Bracarum.] Ober diese 
in der Not. dign. Or. XL 49 zu Drasdea in der 
Provinz Thracia verzeichnete Cohorte ist das TJr- 
teil ganz unsicher, und es lasst sich nicht einmal 
feststellen, ob sie iiberhaupt eine alte Truppe ge- 
wesen ist. 

cohors Oil Braearaugustanorum hat in Judaea 
gestanden, wie der Cursus hono rum des C. Au- 
fidius Maximus aus Cirta CIL VOT 7079 aus- 
drflcklich besagt (praef. cohort. HIT Bracarum 
in Iudaea). Eine Bestatigung bietet das neue 
Diplom vom J. 139 (Cagnat L'ann. epigr. 1897, 
106) , das sie unter den Auxilien der Provinz Syria 
Palaestina aufzahlt. 

cohors V Braearaugustanorum. Sie findet 
sich genau wie die III Braearaugustanorum in 
den raetischen Diplomen XXXV von 107 n. Chr. 
und LXXIII von 166. Sonst nennt nur noch 
der stadtrOmische Cursus honorum CIL VI 3539 
einen praef. coh. V Braear. Augustdnorum in 
Oermania. Obgleich auch hier die Meglichkeit 
besteht, dass sowohl in Germanien wie in Rae- 
tien je eine coh. V Braearaugustanorum gleich- 
zeitig gewesen ist, ist doch — zumal bei den viel- 
fachen Truppenverschiebungen gerade zwischen 
den Provinzen Raetien und Germanien — die 
grCssere Wahrscheinlichkeit die, dass beidemal ein 
und dieselbe Abteilung gemeint ist, die dann erst 
in Germanien gestanden haben und spater von dort 
nach Raetien verlegt worden sein wird. Denkbar 
ware, dass die raetische Donaustation Quintana 
Not. dign. Occ. XXXV 23 ihren Namen von der 
coh. V Braearaugustanorum als der einzigen 
mit der Ziffer V in Raetien nachweisbaren Truppe 
in derselben Weise bekommen hatte, wie gerade 
in Raetien und Norieum die Stationen Batava, 
Astura, Commagena u. a. nach den dort liegenden 
Auxiliarregimentern benannt worden sind. 

cohors I Breueorum D f— quingenaria) Va- 
leria) Yi(ctrix) his torquat(a) ob v(irtutem) ap- 
pella(ta) {equiiata[T\, vgl. CIL III 5918 = 11929). 
Die nicht wenigen Denkmaler von ihr weisen alle 
nach Raetien. Dort stand sie nach Diplom XXXV 
im J. 107 und nach Diplom LXXIII im J. 166. 
Meniere Inschriften aus dem Castell von Pfiinz 
beweisen, dass sie zeitweilig daselbst ihr Standlager 
gebabt hat. Es sind dies eine Reihe von Dedi- 
cationen, an Pius CIL III 11930 und 11931 = 
5918 a. an Commodus vom J. 183 184 ebd. 11933, 
an Caracallavom J. 211 ebd. 11934 = 6530, event, 
auch 11935, endlich die undatierten Steine 5918 
= 11929 und wohl auch 5918b = 11936, wo 
Mommsen Korr. d. Westd. Zeitschr. VI 161 
zweifellos richtig den Namen der Cohorte einge- 
setzt hat. Bei welchen Gelegenheiten die Truppe 
ihren Ehrenbeinamen Valeria Victrix, den sie mit 
der legio XX Vol. Vict, teilt, und den zweimaligen 
Titel torquata (vgl. ala torquata Bd. I S. 1267) 
envorben hat, lasst sich nicht erweisen. 

cohors I Breueorum equitata c. B., die in 
dem aquilejischen Cursus honorum des C. Minicius 
Italus CIL V 875 vorkommt (in der schlecht copier- 
ten alexandrinischen Inschrift desselben Mannes 

Pauly-Wiesowa IV 



Cagnat L'ann. epigr. 1893, 91 ist eoh. I Brit. 
verlesen), muss von der raetischen coh. I Breue. 
doch wohl unterschieden werden. Diese namlich, 
die in den beiden besprochenen , sicher jiingeren 
Pfiinzer Inschriften offenbar ihre samtlichen Namen 
auffuhrt, wurde den besonders ehrenvollen Bei- 
namen cvoium Rorrumorum gewiss nicht wegge- 
lassen haben. Die coh. I Breuc, eq. e. R. kOnnte 
dann diejenige Truppe des Namens sein, von der 

10 ein Officier aus der ersten Halfte des 1. Jhdts. zu 
Tarsus begraben liegt (CIL III 13622 = He- 
berdey-Wilhelm Reisen in Kilikien S. 4) und 
die dann auch im Orient gestanden haben wird, 
denn an die raetische wird man hier nicht denken 
wollen. Bei anderen Officieren einer coh. I Breue. 
(CIL II 4136. X 4619. V 6478) ist eine Entschei- 
dung zu treffen unmSglich. 

cohors II Breueorum hat zum mindesten wah- 
rend des 2. und 3. Jhdts. zur Besatzung von Mau- 

20 retania Caesariensis gehCrt; unter dieser zahlt 
sie 107 n. Chr. Diplom XXXVI auf, und als 
ihre Garnison erweisen die Inschriften das Castell 
von Hr. Suik (Tagremaret) im Sudwesten der Pro- 
vinz. Dort muss sie lange Zeit gelegen haben, 
da der Ort selbst schliesslich officiell cohors Breu- 
eorum heisst. Er war von grosser militarischer 
Bedeutung (vgl. Cagnat L'arm. rom. d'Afr. 649f.) 
als der Ausgangs- und Knotenpunkt verschiedener 
Strassen. Meilensteine mit a coh. Breue. sind 

30 aus den Jahren 270 und 282/83 erhalten, s. Ephem. 
epigr. VII 670 und 671 (vgl. auch 672). An In- 
schriften der Cohorte haben wir aus dem Castell 
die im J. 243 gesetzte Weihung (Ephem. epigr. 
V 1047 = CIL VIII 21560) eines dee. praepo- 
situs eoh. IIBreueoru[m] Gordiane, den Grabstein 
eines signifer (Ephem. epigr. V 1048 = CIL VIII 
21561) und endlich eine metrische Grabschrift 
(Ephem. epigr. V 1049 = CIL VIII 21562) an- 
scheinend eines im Kampfe gefallenen Centurio, 

40 die des Fundorts wegen gewiss auf die eoh. II 
Breueorum zu beziehen ist. Aus der Provinzial- 
hauptstadt Caesarea stammt der Grabstein eines 
Soldaten, der translatus in prastorio (ex) coh. II 
Breueorum genannt wird, CIL VIII 9391. Einem 
Praefecten begegnen wir im Cursus honorum CIL 
IX 5066, einem anderen vielleicht ebd. VII 1054, 
wo freilich die Zahl nicht ganz sicher ist. 

cohors III Breueorum ist nur durch mehrere 
ihrer Praefecten bekannt aus den Cursus honorum 

50 CIL X 3847. IX 4753 und III 731 = Suppl. 
7395, wo Mommsen den schlecht ilberlieferten 
Text zu III Breueorum verbessert hat. 

cohors IIII Breueorum wird auf mehreren 
Inschriften aus Britannien genannt, aus denen her- 
vorgeht, dass sie im 3. Jhdt. dort gelegen hat. 
Zu Ebchester sind die Weihung eines actar. coh. 
IIII Br. aus der Zeit des Caracalla. CIL VII 
458, und Ziegel mit .HIBR ebd. 1229 gefunden 
worden, die wohl nicht mit Hubner als [eo]h. I 

60 Brfitt.]. sondern des Fundorts wegen als eoh. I] 
III Brfeuc.] aufzulOsen sind. Noch klarer ist 
dies bei den Ziegeln aus Slack mit eoh. IIII BRE. 
ebd. 1231 = Ephem. epigr. VII 1127, bei denen 
Hubners Erklarung Brifttonum] vfillig unver- 
standlich ist. Endlich ist der Name der Cohorte 
schon von H ass en camp richtig auf einer In- 
schrift aus Hopton bei Manchester. CIL VLT 177, 
hergestellt worden. 



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Cohors 



Cohors 



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cohors V Breueorum. Diplom XIII zahlt sie 
80 n. Chr. unter den pannonischen Besatzungs- 
truppen auf, und dazu wiirden die Ziegel aus Bri- 
getio Arch.-epigr. Mitt. Ill 147 stimmen, falls 
auf diesen thatsachlich COH V BR steht. In- 
schriften der Cohorte sind aber nur aus Nori- 
cum bekannt, sodass — zumal sie in all den 
zahlreichen pannonischen Diplomen der Polgezeit 
fehlt — die Annahme berechtigt erscheint, sie 
sei schon bald nach dem J. 80 von Pannonien 
nach Noricum verlegt worden. Die dortigen In- 
schriften von ihr sind der Stein eines Soldaten 
aus dem Thai Lavantina, GIL III 5086, und der 
Grabstein eines Veteranen aus dem Thai der Mur, 
ebd. 5472. Auch der Angehorige einer eo[h. . .] 
Breuc., der zu Weihmorting in Noricum eine In- 
schrift, ebd. 5613, geweiht hat, hat wohl eben 
in der coh. V Breueorum. gedient. Ein Praefect 
von dieser erscheint auf einem Steine aus Formiae, 
OIL X 6102. 

cohors VI Breueorum muss, da sich noch je 
eine coh. VII und VIII Breueorum nachweisen 
lassen, notwendig bestanden haben. Ich mochte 
auf sie die Bonn. Jahrb. 87, 95 veroffentlichten 
Ziegel aus Xanten mit . . H VI BR beziehen. Von 
den beiden hier mOglichen AuflOsungen als [eo]h. 
VI Br[eueorum] oder [co]h. VI Br[ittonum] 
scheint mir namlich die erstere aus dem Grunde 
vorzuziehen zu sein, weil durch die Xantener Ziegel 
mit coh. Breueorum CIRh 223 p erwiesen ist, dass 
dort thatsachlich eine coh. Breueorum gestanden 
hat, deren Nummer wir nur bisher nicht kannten. 

cohors VII Breueorum c. R. equitata (CIL 
III 10278, vgl. ebd. 215) ist nach Diplom XVII 
im J. 85 in Pannonien, nach Diplom LXXIV 
im J. 167 in Pannonia inferior gewesen. Ihren 
Namen werden wir aber fur letztere Provinz wohl 
auch in Diplom LXVIII (zwischen 145 oder 154 
und 160) zu erganzen haben, wo coh. VII weder 
mit Mommsen zu III geandert werden , noch 
auf die VII Lusitanorum bezogen werden darf. 
Aus der in fiinf auf einander folgenden Namen 
genau mit Diplom LXXIV ubereinstimmenden 
Reihenfolge der Truppen ergiebt sich vielmehr, 
dass an dieser Stelle eben die VII Breueorum 
zu erwarten ist. Vom J. 201 besitzen wir eine 
Inschrift der Cohorte zu Ehren des Septimius 
Severus aus dem romischen Castell auf der Donau- 
insel von Mohacs, CIL III 10278, die den Schluss 
nahe legt, dass die Truppe damals dort in Gar- 
nison gelegen hat. Uberaus zahlreich sind die 
Ziegel der Cohorte, die an den verschiedensten 
Punkten der Provinz zu Tage getreten sind und 
vennuten lassen, dass die coh. VII Breueorum 
in Pannonia inferior eine ahnliche Rolle gespielt 
hat, wie die coh. IIII Vindelieorum in Germania 
superior. Solche Ziegel — zum Teil durch die 
beigesetzten Kaisernamen nach den Eegierungen 
von Caracalla bis Gordian datiert — haben wir 
aus Aquincum, Bellye, Ban, Batina, Baracs, Mitro- 
vic, Esseg, Szeks6, Paks, Duna-Pentele und aus 
dem damals bereits zu Pannonia inferior gehoren- 
den Brigetio CIL HI 3757. 6472. 10668. Ein 
friiherer Praefect der Cohorte begegnet auf einer 
Inschrift aus Worms CIRh 897, ein anderer, der 
unmittelbar im Anschluss an das Commando ein 
Detachement von Auxilien der Provinz Pannonia 
inferior zu irgend welchem auswartigen Kriege 



fiihrt, erscheint im Cursus honorum, CIL III 1464, 
Ein ahnlicher Anlass mag eine zeitweilige An- 
wesenheit der ganzen Cohorte auf der Insel Cypern 
verursacht haben, die durch die Inschrift aus Kno- 
dara ebd. 215 bewiesen wird. Dass hier nicht 
etwa eine andere gleichnamige Truppe gemeint 
sein kann, zeigt schon die tTbereinstimmung der 
Beinamen e. R. equitata. Vielleicht ist die Cohorte 
wahrend des grossen jtidischen Aufstandes von 

10117 dorthin geschickt worden und konnte dann vor- 
her schon mit einer der pannonischen Legionen 
an Traians Partherkrieg beteiligt gewesen sein. 
cohors VIII Breueorum ist bis jetzt nur durch 
zwei rheinische Soldatengrabsteine bekannt, einen 
aus Birten CHth 159 und einen aus Koln ebd. 
232, die den Beweis daffir Hefern, dass die Co- 
horte im 1. Jhdt. zu den Auxilien von Germania 
inferior gehort hat. 

cohors Breueorum ohne Ziffer findet sich ausser 

20 auf den nnter coh. VI Breueorum angefuhrten 
rheinischen Ziegeln auch in einem Cursus honorum 
traianischer Zeit aus Piemont CTL V 7153; eine 
Beziehung auf eine der verschiedenen bekannten 
cohortes Breueorum ist unmoglich. 

cohors I Britannica miliaria c. R. (mit letz- 
terem Beinamen nur in den Diplomen von 105 
und 110, als OO nur in denen von 85 und 105) 
kehrt zunachst in den pannonischen Diplomen 
XIII, XVI, XVII und XCVIII aus den Jahren 80, 

30 84, 85 und 105 wieder. Ob der ziemlich alte Grab- 
stein eines eq. imag. coh. I Brit., eines geborenen 
Britanniers, aus Titel in Pannonia inferior CLL III 
3256 ihr oder der pannonischen coh. I Brittonum 
miliaria zugehOrt, lasst sich nicht entscheiden. 
Im Januar 105 ist die Cohorte, wie das einem 
ihrer Soldaten erteilte Diplom XCVTII schliessen 
lasst, noch in Pannonien gewesen, noch in dem- 
selben Jahre wird sie aber bei Ausbruch des zweiten 
dakischen Krieges nach dem Kriegsschauplatze 

40 abgegangen sein, denn den Krieg hat sie offenbar 
mitgemacht, da wir sie 110 n. Chr. in dem die 
Occupationstruppen der neuen Provinz aufzahlen- 
den Diplom XXXVH wiederfinden. In Dacien 
ist sie dann aber auch weiterhin verblieben und 
hat im Szamosthale in dem Castell von Alsti-Ko- 
saly in Garnison gelegen. Von dort besitzen wir 
namlich eine officielle Weihung der ch.prima Brit- 
taniea CO fur zwei unbekannte Kaiser CIL III 
821, und auch von den ubrigen dortigen Soldaten- 

50 inschriften ohne Angabe der Truppe mag die eine 
oder die andere, z. B. ebd. 830, ihr angehoren; 
ihren Namen findet Mommsen ferner auf dem 
Fragment aus Als6-Kosaly ebd. 829 wieder. Dass 
der Soldat einer (coh.) IBritta . . , dessen Grabstein, 
CIL UI Suppl. 7634, in dem unweit von Also- 
Kosaly gelegenen Vad gefunden ist, in derselben 
Truppe gedient hat, ist wohl nicht zu bezweifeln. 
Endlich wird der tribun. coh. I Britt., der als 
solcher Verillationen dacischer Truppen zu einem 

60 Partherkriege fiihrt und dessen Cursus honorum, 
CIL III 1193, in dem dacischen Apnlum zu 
Tage getreten ist, wohl eben die dacische cohors 
1 Britannica befehligt haben. Nicht unerwahnt 
mochte ich lassen, dass deren Name meiner Ansicht 
nach auch in dem Diplom LXX (aus der Zeit zwi- 
schen 145 und 161) zu stehen scheint, wo ich die 
im Subscript genannte coh. I Lip. Brittonum 00 
in der ersten Cohorte der Liste, der I Vlp 



261 



Cohors 



Cohors 



262 



wiedererkennen und das an siebenter (?) Stelle 
stehende / BRITT 00, zumal es nicht wie dort 
Britton. abgekiirzt ist , als coh. I Britt [annica] 
CO erganzen mOchte. Tiber das verlesene coh. I 
Britarm. auf einer alexandrinischen Inschrift s. 
coh. I Breueorum e. R. 

editors II Britannfiea] oder Britannforum] 
miliaria equitata ist bis jetzt nur aus Ziegeln zu er- 
schliessen. In Dacien sind solche mit dem Stempel 



Catavigni Ivomagi f. (also eines geborenen Kelten) 

milit. eoh. Ill Britannorum exercitus Raetici, 

CIL V 7717. Die Cohorte muss sich also zeitweilig 
einmal in Oberitalien befunden haben. Den Zeit- 
punkt glaube ich wenigstens als moglich nach- 
weisen zu konnen. Im Anfang 69 hatte sich das 
raetische Heer dem Vitellius angeschlossen (Tac. 
hist. I 59) und gleichzeitig mit Caecina den com- 
binierten Angriff gegen die Helvetier unternommen 



COH II B R CO und C O H M B R + A/ N, CIL 10 (ebd. I 67 und 68). Caecina schickt dann nach 



in 1633, 2 = Suppl. 8074, 11, im Cast'eli von Rom 
lot und in dem von Als6 Ilosva gefunden worden, 
die gewiss ein und derselben Truppe angehoren. 
Wo diese vor der Eroberung Dakiens gestanden 
hatte, ist zunachst ungewiss. Allein wenn wir aus 



Germania inferior Ziegel mit GjOHIIBRME 

(aus Vechten, im Leidener Museum, nach freund- 
licher Mitteilung von Zangemeister) besitzen, 



Italien als Avantgarde Qallorum iMsitanorumque 
et Britannorum cohortes voran und folgt diesen 
selbst iiber die poeninischen Alpen, um Ober- 
italien zu besetzen (ebd. I 70). Damals mag auch 
die raetische coh. Ill Britannorum den Zug mit- 
gemacht und der Soldat dabei 69 zu Augusta Ba- 
giennorum den Tod gefunden haben. Ja, es ist 
nicht unmoglich, dass Tacitus mit Britannorum 
coh. eben sie meint. fiber zwei altere eventuell 



die meiner Ansicht nach nur als II Brfit.) m(il.J 20 auf die Cohorte zu beziehende Grabsteine 



e(qu.) gelesen werden konnen, so liegt die Ver- 
mutung nahe, dass diese von derselben Cohorte 
herriihren, die dann zunachst in Germanien ge- 
standen hatte und spater, etwa mit der nieder- 
germanischen legio I Minervia, nach Dakien ge- 
kommen ware. 

cohors Britannica ohne Nummer findet sich 
in dem griechischen Cursus honorum aus Atta- 
leiaCIG 4340b (= Le Bas-Waddington 1364 



Oberitalien s. coh. Ill PR, In dem Cursus ho- 
norum Pais 189 ist bei eoh. Ill BI ebenso gut 
Brit, als Breuc. oder Brae, zu erganzen moglich. 
cohors I Brittonum miliaria steht 85 n. Chr. in 
Diplom XVII neben der I Britannica miliaria ver- 
zeichnet und muss demnach von dieser verschieden 
sein. Dei oben citierte Grabstein aus Titel kann 
sich ebensogut auf sie beziehen wie auf jene. Von 
den weiteren Schicksalen der Truppe lasst sich 



Lanckororiski IS. 158,9) erwahnt (exaeyov 30 nichts sagen; es ist aber von vom herein wahr- 



o7te[iQag] Bf)mavvt>cijg). 

cohors III Britannorum. Diese ungewOhn- 
liche Form des Namens statt des nach Analogie 
der ubrigen Cohorten zu erwartenden Britannica 
oder Brittonum ergiebt sich aus der Vergleichung 
der Stellen, wo der Stammesname vollstandig 
ausgeschrieben ist: Britamwrum und Brittan(i)- 
norum in Diplom XXXV, Britann. in Diplom 
LXXIX, Britannorum CIL V 7717 und Brittorum 



scheinlich, dass sie mit einer der verschiedenen 
coh. I Brittonum miliarias identisch ist, die uns 
spater in anderen Provinzen begegnen. Am ehesten 
kame da meiner Ansicht nach in Betracht die 
cohors I Brittonum miliaria (equitata?), die 
an verschiedenen Stellen der Wallachei, also in 
der Provinz Dacia Malvensis, erscheint. Zunachst 
nennt sie eine noch unpublicierte Bauinschrift 
aus dem den Vulcanpass von Suden her sperrenden 



Not. dign. Occ. XXXV 25. Die Cohorte hat an- 40 Castell von Bumbesti am Schyl (vgl. daruber 



scheinend die ganze Kaiserzeit zum raetischen 
Heere gehOrt. Nicht nur zahlen sie in diesem die 
Diplome XXXV im J. 107, LXXHI im J. 166 
und LXXIX nach 145 (in letzteren beiden ist die 
Zahl mit Sicherheit zu erganzen) auf, sondern 
sie heisst auch in der Inschrift CIL V 7717 aus- 
drucklich exercitus Raetici, und noch die Not. 
dign. Occ. XXXV 25 verzeichnet sie als Be- 
satzung von Abusina in Raetien. Hier in Abu- 



Cichorius Reliefs d. Traianss. II S. 239f.), von 
der ich eine freilich wohl hier und da der Be- 
richtigung bedurftige Copie der Freundlichkeit 
des Herrn Director Al. Stefulescu in Targu Jiu 
in Rumanien verdankc. Sie ist im J. 201 er- 
richtet und betrifft die Neuerbauung der Castell- 
mauern PER • I- COH- BRITTORVM CO EOS, 
was wohl zu lesen ist per coh. I Brittofnjum 
(miliariam) eqfuitatamj. Auf dieselbe Cohorte, 



sina, dem heutigen Eining, sind nun auch that- 50 die also damals zu Bumbesti gestanden zu haben 



sachlich Inschriften der Cohorte zu Tage ge 
treten, namlich Ziegel mit eho. Ill Br., CIL LTI 
11996, und die Weihung eines praef. vom J. 211, 
ebd. 5935 ; die Truppe muss also dort schon lange 
vorher gelegen haben. Ob auch das zu Eining ge- 
fundene Diplom LXXIX, das einem Soldaten einer 
[coh. . J Brittonum erteilt ist, auf die dortige 
IB: Britannorum bezogen werden darf oder ob 
eine von &er III BritamiorumxerschieAeiic, gleich- 



scheint, werden dann die Ziegel mit COH- 1- 
BR- 00 aus Orsova, CIL III Suppl. 8074, 10, 
zu beziehen sein und ebenso die bei Boroneasa 
am Alt gefundenen mit CORS M B, Arch.-epigr. 
Mitt. XIX 84, die schon von den Herausgebern 
richtig als eo[ho]rs m[U.] B[ritt.] erklart sind. 
Eine gewisse Schwierigkeit bereitet die Inschrift 
aus Thessalonike ebd. XVII 117, die zu Ehren 
eines Praeses der Provinz Dacia Malvensis ge- 



falls in Raetien liegende aber sonst unbekannte 60 setzt ist von seinen Sohnen Philippus und Cas 

coh. Brittonum gemeint ist, bleibt ungewiss. ' ' " ■■■■■■- "— - - -- - 

Ziegel der Cohorte sind neuerdings auch in dem 

raetischen Castell Theilenhofen zu Tage getreten, 

vgl. Hettner Arch. Anz. 1893, 177. Ausser- 

halb Raetiens ist noch ein interessantes Denkmal 

der Cohorte gefunden, namlich der aus Augusta Ba- 

giennorum im westlichen Oberitalien stammende, 

sicher noch dem 1. Jhdt. angehOrendc Grabstein 



sianus trih. coh. I F. M[iL] Bryttonum Mal- 
vensis. Damit soil offenbar eine in Dacia Mal- 
vensis stehende eoh. I mil. Brittonum naher ge- 
kennzeichnet werden, und dies wiirde auf die vor- 
stehende ja trefflich passen, wenn nicht der als 
Fflavia] zu deutende Beiname, der auf der offi- 
ciellen Inschrift aus Bumbesti keinesfalls hatte 
fehlen diirfen, sich damit schwer vereinigen liesse. 



263 



Cohors 



Cohors 



264 



Aussct jenei aber noch eine weitere von ihr verschie- 
dene coh. I Flavia Brittonum miliaria in der Pro- 
vinz anzunehmen, wird man sich nur schwer ent- 
schliessen (vgl. ubrigens noch coh. I Flavia Brit- 
tonum). 1st auf dem Stein von Bumbesti EO wirk- 
lieh als EQ aufzufassen, so diirfte ihr vielleicht 
nicht nur der mehrerwahnte Stein eines Keiters aus 
Titel, CIL HI 3256, zuzuweisen sein, sondern auch 
der trib. coh. I Br. CO eq. im Cursus honorum 
aus Turin, ebd. V 6995; hier ist namlich eherlO 
an eine coh. Br[ittonum] zu denken, wie an eine 
eoh. Br [eueorum] , die M o m m s e n erganzen wollte, 
denn nur von Brittones, nieht aber von Breuci 
sind eohortes miliariae naehweisbar. 

cohors I Aelia Brittonum (miliaria). Schon 
durch den Beinamen von den ubrigen eoh. I Brit- 
tonum, verschieden und als Aelia wohl von Ha- 
drian errichtet. Sie wird nur auf zwei Inschriften 
erwahnt, der Weihung eines s. o. vom J. 238 aus 
Virunum, CIL III 4812, die vermuten lasst, dass 20 
sie zur Besatzung von Noricum gehort hat, und 
einem Cursus honorum aus Firmum Picenum, 
CIL IX 5357, der einen Tribunen der Cohorte 
nennt; da der Offlcier das Commando an Stelle 
des Legionstribunats fiihrt, muss die / Aelia Brit- 
tonum, eine cohors miliaria gewesen sein; vgl. 
auch coh. I Flavia Brittonum,. 

cohors I Flavia Brittonum begegnet uns zu- 
nachst in Dalmatien, wo zu Salonae der anschei- 
nend friihe Grabstein eines als Activen verstor- 30 
benen Soldaten, CIL III 2024, gefunden ist. Dass 
sie zeitweilig in dem Castell von Crkvenica bei 
Doboj gelegen hat, hat Patsch Arch.-epigr. Mitt. 
XVI 78 und 79 wahrscheinlich gemacht, indem er 
zwei dort gefundene Inschriftenfragmente, das eine 

/• /• FL \M zu coh.] I Ft. [Brittonjum, 

das andere COH MILIAR — freilich nicht 

so iiberzeugend — zu coh. [I FL Brittonum] 
miliar, erganzt. Die Cohorte diirfte dann aber 
aus Dalmatien wegverlegt worden sein und zwar 40 
wohl nach Noricum, wo wir in der spateren 
Kaiserzeit gleichfalls eine coh. I Flavia Brit- 
tonum linden. Ein Officier dieser {trib. oltor. I 
FL Brit.) hat 267 n. Chr. zu Virunum anlasslich 
eines Sieges die Weihinschrift CIL III 4811 = 
11504 errichtet, und der miles clwr. I FL BT, 
dessen Grabstein aus Melk ebd. 5668 publieiert 
ist, hat gewiss in derselben Truppe gedient. Da- 
gegen ist es bei einem Familiengrabsfein aus 
dem Murthal, ebd. 5455, auf dem ein mil. chor[ti]s 50 
/ Brit, erscheint, nicht ohne weiteres zu ent- 
scheiden, ob darunter die I Flavia Brittonum 
oder die gleichfalls in Noricum stationierte / Aelia 
Brittonum zu verstehen ist. Ein trib. coh. I FL 
Britton. wird endlich in dem dem 3. Jhdt. an- 
gehOrenden Cursus honorum aus Pisaurum, CIL 
XI 6337 = Henzen 6519, erwahnt. Vgl. auch 
coh. I Brittonum miliaria. 

cohors I Ulpia Brittonum miliaria hat unter 
Pius zur Besatzung von Dacia superior gehOrt, 60 
wie das in den Jahren 145/161 anzusetzende Di- 
plom LXX biSpeist, das einem ihrer Leute, einem 
geborenen Brittonen, erteilt ist und als damaligen 
Befehlshaber den L. Nonius Bassus nennt. Wenn 
man aus dem Namen Ulpia den Sehluss Ziehen 
darf, den die ubrigen coh. Llpiae nahe legen. so 
vmrde die Cohorte iiberhaupt erst von Traian for- 
miert worden sein. 



cohors II Augusta Nervia Pacensis miliaria 
Brittonum- erscheint ein einziges Mai und zwar 
in dem Diplom XXXIX vom J. 114 unter den 
Truppen von Pannonia inferior; fur ihren unge- 
wdhnliehen Namen ist eine befriedigende Erkla- 
rung noch nicht gefunden. 

cohors II Flavia Brittonum equitata (CIL XI 
5632) ist schon durch ihren Namen, dann aber 
dadurch, dass sie, von Praefecten befehligt, als 
quingmcvria erkennbar ist, von der vorigen ver- 
schieden. Sie gehorte nach Diplom XXX im J. 99 
znm Heere von Moesia inferior und ist wohl auch 
in der Folgezeit dauernd in dieser Provinz ver- 
blieben. Wenigstens haben wir noch aus dem 
J. 230 eine Inschrift aus Bustschuk (Sexanta 
Prista) CIL III Suppl. 7473, die den "Wiederaufban 
der balnea ooh. II Fl. Britt. Alexandrianae, betrifft 
und dieEustschukals damaligeGarnison der Truppe 
erweist. Aus dem nahen Durostorum haben wir 
den Grabstein eines ihrer Centurionen ebd. 7478, 
und auch die Inschrift unbekannten Fundorts aus 
Moesia inferior ebd. 7594 = 6227, die einen prae- 
posit. [eoh. ... Brit]tonum nennt, wird. auf sie 
zu beziehen sein. Endlich kennen wir einen Prae- 
fecten der Cohorte aus hadrianischer Zeit durch 
den Cursus honorum CIL XI 5632. 

cohors II Brittonum, ohne jeden Zunamen, 
ist in Diplom XXXVI vom J. 107 in Mauretania 
Caesariensis verzeichnet. Sie kann mit der vorigen 
keinesfalls identiflciert werden, da sonst eine Ver- 
legung der 99 in Moesia inferior stehenden Co- 
horte von der Donau nach dem friedlichen Mau- 
retanien gerade wahrend des dakischen Krieges 
stattgefunden haben musste, wo umgekehrt aus 
alien Gegenden Verstarkungen an die Donau ge- 
zogen wurden. Dagegen ist die Cohorte vielleicht 
in dem Cursus honorum CIL V 6995 des L. Alfius 
Bestitutus gemeint, der praef. coh. II Br. eq. 
trib. coh. I Br. CO eq. heisst. Br. muss beide- 
mal denselben Volksstamm bezeichnen, und da 
an der zweiten Stelle wegen des CO nur an eine 
cohors Brittonum gedacht werden kann, muss 
eine solche auch an der ersten Stelle gemeint 
sein, die Erganzungen Breueorum (so Mommsenj 
oder Bracaravgustanorum sind demnach ausge- 
schlossen. 

cohors UI Brittonum Veteranorum equitata 
ist nur aus einer Inschrift von Ariminum CIL 
XI 393 bekannt, die einen ihrer Praefecten nennt. 
Wie aus dem Namen geschlossen werden dart', 
hat sich die Cohorte durch den Zusatz Vetera- 
norum von einer gleichnamigen jfingeren Truppe 
unterscheiden wollen. Diese ist vielleicht die 

cohors HI Brit [tonum] . die seit Traian in den 
unteren Donaulandern naehweisbar ist. Zunachsl 
sind Ziegel von ihr in den Pfeilern von Traians 103 
bis 105 erbauter steinerner Donaubriicke bei Turn 
Severin gefunden worden, CIL III 1703, und die 
Cohorte wiirde also damals zum Heere von Moesia 
superior gehSrt haben. Nach den dakischen Kriegen 
wird sie in die neu eroberte Provinz Dacia vor- 
geschoben worden sein. aus der wir Ziegel mit 
COH IH BRIT (im Bukarester Museum, unbe- 
kannten Pundorts, aber gewiss aus der Wallachei i 
und mit C III B aus dem Castell von Klein - 
schenk im Altthal, CIL III Suppl. 8074, 12, be- 
sitzen. Ebenso moglich ist freilich, dass diese 
Donaucohorte die cohors III Brittonum Vetera- 



265 



Cohors 



Cohors 



266 



novum ist und eine andere, unbekannte coh. UI 
Brittonum Veranlassung zu dem Namenszusatz 
gewesen ist. 

[eohortes IIH und V Brittonum] sind vorlaufig 
noch nicht direct bezeugt (fiber eine vermeint- 
liche eoh. HH Brittonum s. unter eoh. IIII Breu- 
corum), aber bestimmt zu erschliessen aus der 
Existenz der 

cohors VI Brittonum. Diese ist durch die 
Inschriften zweier ihrer Praefecten gesichert, eine 10 
africanische, CIL VIII 5363, und eine spanische, 
ebd. II 2424 aus der Zeit Traians. Die Xautener 
Ziegel mit [co]h. VI Br. beziehen sich wohl nicht 
auf sie, sondern auf die eoh. VI Br [eueorum] 

(s. d.). 

cohors Brittonum. Eine solche ohne erhaltene 
Nummer betrifft Diplom LXXIX von Baetien 
(nach 145), falls dort nicht etwa die coh. HI Bri- 
tannorum (s. d.) gemeint ist. Perner kOnnte eine 
coh. Brittonum auch in dem Fragment eines Cursus 20 
honorum, CIKh 1394, erwahnt gewesen sein. 

eoh. Goes, s. coh. I Ael. Mfaur.J Sag. bezw. 
coh. I Aelia miliaria Saqittariorum. 

cohors I Gallaeeorum ist bisher nur in Spanien 
naehgewiesen worden. Dort haben sich in dem 
gallaecischen Castell von San Cristobal (vgl. coh. 
I Celtiberorum) auch Mannschaften der eoh. I Gal- 
laeeorum als abcommandiert befunden und zu 
Ehren der Kaiser Marcus und Verus die Inschriften 
CIL II 2555 und 2556 errichtet. Der auf letzterer 30 
.genannte Centurio Valerius Flavus kehrt auch 
in der dortigen Weihung ebd. 2553 vom J. 167 
wieder als Befehlshaber einer ve/xdllatio der coh. 
Ill Celtiberorum. Nach alledem gehorte die Co- 
horte im 2. Jhdt. zur Besatzung von Hispania 
Tarraconensis. 

[eohortes H. III. IIII Gallaeeorum] sind bis 
jetzt inschriftlich noch nicht bezeugt. HOchstens 
ware auf einem Steine aus Viseu in Lusitanien, 
CIL II 403, eines imaginifer chor. in. . AL die 40 
Erganzung [C]al[laee.] neben der von Hiibner 
gewahlten [G]al[lor.] denkbar. 

eohors V Gallaeeorum Lucensium (equitata 
Diplom LIX). Der Name wird verschieden wie- 
dergegeben, die Diploree haben meist Gallae- 
eorum Lucensium, zweimal aber Lucensium et 
Gallaeeorum, die Inschriften Gallaeeorum Lu- 
censium oder einfach Lucensium. Die Cohorte 
ist durch mehrere Jahrhunderte hindurch in Pan- 
nonien bezeugt. Schon 60 n. Chr. nennt sie Di- 50 
plom II in IUyricum, dann 84 und 85 n. Chr. 
die Diplome XVI und XVII in Pannonia, endlich 
im 2. Jhdt. nach der Teilung der Provinz meh- 
rere Diplome in Pannonia superior, so XL VII 
und das neugefundene Arch.-epigr. Mitt. XX 156 
fiir 133, LIX zwischen 138 und 146, LX fur 
148, LXI fur 149, LXV fur 154. Zwei dieser 
Diplome (LIX und LXI) sind fur einen Beiter 
und einen pedes der Cohorte ausgestellt und 
nennen in ublicher Weise ausser diesen Vete- 60 
ranen noch die betreffenden Praefecten der Truppe. 
Der Standort der Cohorte wird Crumerum an 
der Grenze der beiden pannonischen Provinzen 
gewesen sein, woher die beiden einzigen Inschriften 
von ihr stammen, CIL III 3664 = 10602, eine 
Dedication der Truppe fiir Septimius Severus vom 
J. 198, und ebd. 3662, die Weihung ihres Prae- 
fecten fiir Caracalla oder Elagabal. 



cohors Callaeeorum s. auch coh. Asturum et 
Gallaeeorum. 

cohors Oampana (bezw. I Camp[estris]). Eine 
Truppe dieses Namens ohne Ziffer wird durch 
zwei Steine aus Dalmatien als zeitweilig dort sta- 
tioniert erwiesen, und zwar scheint die Haupt- 
stadt Salonae selbst ihr Standort gewesen zu sein. 
Dort ist der Grabstein eines Soldaten Cagnat 
L'ann. epigr. 1897, 104 = CIL III 142461 ge- 
funden, und von dort aus war wohl auch der CIL 
III 8693 als custos Traguri bezeichnete Soldat 
zum Wachdienst nach dem nahen Trau comman- 
diert wordftn. Dass beidemal nicht der voile Name 
der Cohorte wiedergegeben ist, darf als gewiss 
gelten, und da Gampestris bezw. Campana bis 
jetzt nur als Beiname einer Voluntariercohorte (s. 
coh. I Gamp. Vol.) bekannt ist, wird wohl an eine 
solche zu denken sein. Mo mm sen wollte darin 
die dalmatische eoh. VHI Voluntariorum wieder- 
erkennen, allein diese fiihrt auf all den vielen 
Inschriften, die wir von ihr aus der Provinz be- 
sitzen, nie diesen Beinamen. Ich mochte meiner- 
seits den Stein eher auf eine eoh. I Gamp, be- 
ziehen, die eben in Dalmatien bezeugt ist durch 
den Grabstein eines Centurionen, CIL III 8438, 
aus Narona. Wenn auch der Mann, der vorher 
als mil. leg. XLU in einem unbekannten Kriege 
decoriert worden war, bei seinem im 60. Jahre 
erfolgten Tode nicht mehr activ gewesen sein wird, 
so hat doch seine Truppe wohl in der Provinz 
gestanden. Diese coh. I Gamp, wird dann nicht 
verschieden sein von der genannten eoh. I Gam- 
pestris Voluniarwrum c. R. (s. d.), die uns spater 
in Pannonia inferior begegnet, und ist also wohl 
von Dalmatien nach Pannonien verlegt worden. 

cohors IH Gampestris e. R. erscheint in Di- 
plom XXXVII, das 110 n. Chr. fur die nach Be- 
endigung der dakischen Kriege in der neuen Pro- 
vinz Dacia verbleibenden Occupationstruppen aus- 
gestellt ist, hat also den Krieg selbst zweifellos 
mitgemacht. Spater wird die Cohorte dann die 
Besatzung von Drobetae gebildet und die dortige 
grosse Donaubriicke gedeckt haben, Wenigstens 
haben wir dorther zwei Inschriften von ihr, den 
Grabstein der Prau eines Centurionen, CLL ITI 
14216W = Arch.-epigr. Mitt. XIX 217, und den 
eines Soldaten, CIL IH 142168 = Arch.-epigr. 
Mitt. XIX 215, der bf. trib. gewesen ist. Man hatte 
aus letzterer Inschrift also wohl zu schliessen, dass 
die Cohorte, ebenso wie dies bei der I Campestris 
Voluntariorum e. R. der Fall ist, eine miliaria 
war, Sonst ist nur noch zu Athen der Grabstein 
eines ihrer Soldaten, CIL III 7289, zu Tage ge- 
treten; der Mann war aus Scupi in Moesia su- 
perior gebiirtig und vielleicht nur von dem moe- 
sischen Heere naeh Athen abcommandiert gewesen. 

cohors VII Campestris p. f. So Best Momm- 
sen flberzeugend die nur durch eine ungenu- 
gende Copie bekannte Inschrift CIL III 132 
(coh. VII CAIW) aus Hatne zwischen Damascus 
und Palmyra, eine Dedication der offenbar dort 
in Garnison liegenden Cohorte an die Kaiserin 
Sabinia Tranquillina. Die Truppe wflrde an jener 
Stelle schon ein voiles Jahrhundert fruher be- 
zeugt sein, wenn sich auf sie — was mir nahe- 
zu sicher scheint — die in Hatne gefundene De- 
dication an Pius ebd. 131 vom J. 138 beziehen 
liesse . die ebenfalls von einer coh. VII . . er- 



<ao / uonors 

richtet ist. Wenn die durch die eoh. I Campe- 
stris Voluntariorum e. B. nahe gelegte Gleich- 
setzung der eoh. Gampestres mit den eoh. Volun- 
tariorum wirklich bereohtigt ist, ware es iibrigens 
nicht unmCglich, dass auch der Offlcier, der in 
dem numidischen Cursus honorum (MeL d'arch. 
XIII 1893, 509 vgl. Bphem. epigr. VTT 740) [trib.J 
co[h. . . civijum Bo[mano]rum Volunftajrior. 
piae [fid.] heisst und dessen weitere militarische 



(Johors 



268 



und LVII unter den Auxilien von Britannien, docb 
haben sich in dieser Provinz keine Inschriften 
der Cohorte erhalten. HOchstens konnte man 
vielleicht zweifelnd die Ziegel aus Caersws mit 
dem Stempel CICT, OIL VII 1243c, auf sie be- 
ziehen und als c(oh.) I C(el)t, lesen. 

cohors I GeUiberorum (equitata CII II 2552). 

Mit der vorigen schwerlieh zu identiflcieren ist 

- ,f. ... eine eoh. I GeUiberorum, die uns im 2. Jhdt., 

Carnere sich ausschhesslich im Orient abgespielt 10 ganz kurz nach der Zeit, wahrend der die anden 



zu haben scheint, in der eoh. VII Campestris 
als der einzigen mit dem Beinamen p. f. bekannten 
gedient hatte. 

cohors Campestris vgl. auch eoh. I Volunta- 
riorum e. B. 

cohors IFlavia Canathenorum miliaria. Voll- 
standig ausgeschrieben erscheint ihr Name nur 
in den den Cursus honorum des Sertius M. Plotius 
Faustus aufzablenden Inschriften aus Thamugadi, 



in Britannien nachweisbar ist, unter den Auxilien 
von Hispania Tarraconensis begegnet. Denn dass 
von dem im Laufe der Kaiserzeit immer mehr 
verstarkten britannischen Besatzungsheere eine 
Abteilung naeh dem vCllig pacificierten Spanien 
verlegt sein sollte, dessen Besatzung umgekehrt 
stetig vermindert wurde, erscheint ganz ausge- 
schlossen. Eine Inschrift dieser spanischen Cohorte, 
CIL II 2552 , stammt aus dem Castrum San Cri- 



CIL VIH 2394. 2395. 17904. Danach kann er20stobal in Ga'llaecia, wo ein anscheinend jahrlich 
aber mit Sicherheit auch in dem raetischen Di- abwechselnd von den verschiedenen Besatzungs- 



plom LXXIH vora J. 166 als [I Fl. Gajnath. er- 
ganzt werden. Dass die Truppe wirklich in Rae- 
tien gestanden hat, bestatigen zahlreiche Ziegel 
mit dem Stempel COS I CAN oder CIF C 
(eoh. I Flav. Canath.), CIL III 6001 und 11992, 
die an verschiedenen Orten der Provinz, zu Strau- 
bing, Eegensburg, Eining, Biburg, KBsching ge- 
fnnden sind. Auch die Weihung eines vete . . 



truppen der Provinz Hispania Tarraconensis ge- 
stelltes Commando in (Jamison lag. Der Stein 
entha.lt eine Weihung vom 10. Juni 163 fur die 
Kaiser Marcus und Verus durch eine vexillatio 
der leg. VII Gemma unter verschiedenen Offl- 
cieren, darunter einem Lucretius Paternus dee. eoh. 
I Cel[tiberorum] (so liestMommsen den nur hsl. 
und sehr verderbt iiberlieferten Text). Derselbe 



[coh.]ICa[n]a. aus Straubing, ebd. 5973 = 11976, 30 Officier erscheint ebendort auch CLL H 2555 i 



ist von Ohlenschlager richtig auf die I Ca- 
nathenorum bezogen worden, wahrend mir M o m m- 
sens gleiche Vermutung beziiglich des Steines 
ebd. 5911 zweifelhaft erscheint. 

cohors Canninefatium. Tacitus berichtet hist. 
IV 19 aus dem J. 69, dass zusammen mit den 
batavischen auch Canninefatium cohortes auf Be- 
fehl des Vitellius den Marsch von Mainz nach 
Italien angetreten hatten. Durch Sendboten des 
Civilis eingeholt und zum Abfall verleitet, kehrten 40 



sie jedoch um und ruckten nach Germania inferior, 
um sich dem Civilis anzuschliessen. Es miissen 
damals also eine, vielleicht aber auch mehrere 
eoh. Canninefatium bestanden haben, die jedoch 
dann nach Niederwerfung des Bataveraufstandes 
als Hauptschuldige wohl zu den in erster Lime 
cassierten Begimentern gehnrt haben werden. We- 
nigstens fehlt in der Folgezeit jede weitere Spur 
von ihnen. Insebriftlich glaubte man zwar bisher 
eine 

[eohors I Canninefatium] durch Diplom LI 
bezeugt als im J. 138 zur Besatzung von Pan- 
nonia superior gehOrend, allein jetzt ist durch 
Bormann Arch.-epigr. Mitt. XX 161 nachge- 
wiesen, dass an der betreffenden Stelle vielmehr 
die in jener Provinz liegende ala I Canninefatium 
(s. Bd. I S. 1236) gemeint ist. 

[eohors I Cantabrorum] fehlt Doch. 

cohors II Cantabrorum wird ausser in Diplom 



einer Weihung fur Marcus und Verus, und der Co- 
horte wird dann wohl auch der tesserar. c.I- C. auf 
der dortigen Inschrift ebd. 2553 zugehoren. Weiter 
besitzen wir aus Tarraco den Grabstein eines praef. 
eoh. I Celtiberor., CIL II 4141, womit hier in ihrer 
Garnisonprovinz gewiss die spanische, nicht die 
britannische eoh. I Celtiberorum gemeint ist. 

[eohors II GeUiberorum] ist bis jetzt noch 
nicht nachgewiesen. 

eohors III Celtiberorum hat ebenso wie die 



/ Celtiberorum im 2. Jhdt. in Hispania Tarra- 
conensis gestanden. Auch sie kennen wir nur 
aus einer einzigen Inschrift von jenem Castell 
San Cristobal in Gallaecien, CIL II 2553, einer 
Weihung, die ein von ihr dorthin gestelltes Com- 
mando (vexillarior. eoh. Ill Celtib.) am 15. Oc- 
tober 167 fur die Kaiser Marcus und Verus dar- 
gebracht bat. 

eohors CeUibera. Eine eoh. Celtibera, Brigan- 
hQtiae, nunc Iuliobriga fuhrt die Not. dign. Occ. 
XLII 30 in Callaecia auf. Da aber gerade aus dieser 
Gegend die Inschriften der eoh. I und III Celti- 
berorum, stammen, ist damit gewiss eine dieser 
beiden gemeint, wenn sich auch nicht entscheiden 
lasst, welche von ihnen. 

eohors I Chalcidenorum equitata (CIL VLTI 
17588 = 10658) ist durch eine Eeihe von In- 
schriften als Besatzungstruppe der Provinz Nu- 
midien gesichert, und zwar mass sie, da diese 



XIX, das sie 86 n. Chr. unter den Besatzungs- 60 bis auf eine samtlich zu Bir um Ali be'i Theueste 



truppen von Judaea aufzahlt, nirgends erwahnt 
cohors Carietum et Veniaesum errichtete zu 
Brixia die in der fruhen Kaiserzeit anzusetzende 
Ehreninschrift CIL V 4373 fur einen offenbar 
dorther stammenden Officier, ohne dass sich irgend 
etvjas Naheres fiber die Truppe vermuten liesse. 
cohors I Celtiberorum finden wir in den 105 
und 146 n. Chr. ausgestellten Diplomen XXXIV 



gefunden sind, an jenem Platze in Garnison ge- 
legen haben. Zwei davon sind Ehreninschriften fiir 
die Kaiser Marcus und Verus, im J. 164 von der eoh. 
I Clialcidenorum equitata errichtet, CLL VLTI 
17587 mid 17588 = 10658, eine dritte ebd. 17589 = 
2090 ist der Grabstein der Fran eines ihrer Prae- 
fecten. Weiter hat Dessau mit vollem Becht 
die am gleichen Orte entdeckte metrische Weih- 



269 



Cohors 



Cohors 



270 



10 



inschrift, ebd. 1 7S86 > em es praefotus cohortis auf 
die J Chaleid0^Z um bez °g m - Ein aus der syri- 
scben eoh. Ill Tkraeum in die I Ohalcidmorum 
versetzter Palrf>J ren e r erscheint auf einem Steine 
aus El-Kantar^ ™ I urns, Cagnat L'ann. epigr. 
1896,35, und «<* d « ?"*[■ eoh. Chalciaen.in 
Africa, CIL VI ?538, hat wohl e b en & ese Cohorte 
befehligt. Scfr^lich durfte sich wohl auch der 
nur hsl. uberli« e ™ Cursus honoru m aus Urgavo 
in Baetica, O^ lx 21 °3. auf die africanische 
cohors I «^««» beziehen, wo allerdings 
praef. eoh. 1 0halcedonen. uberlief er t, aber wohl 
Ghaleiden. zu Jesen ist. 

cohors I Fl*™* Chalcidenorum equitata sa- 
gittariorum. f*™ aus der Inschrift CIL III 129 = 
Suppl. 6658 befcannt, die sie im J. i 62 im Castell 
von Admedera, Sstl L c ^ ™n D ainastllSj ff en har 
ihrer Garnison , zu ^ r ? n des Kaisers Verus ge- 
setzt hat. VoU der afneamschen M ft. j Chalci- 
denorum ist s^ notwendig T er 8(! l, ieden da ^^ 2Q 
um dieselbe Ze" (!«* n - Chr.) i n ihrer p rovinz 
bezeugt ist un* . eme Verlegung einer Truppe von 
Syrien nach A& lca gerade wahrend des Parther- 
krieges vOllig ausgeschlossen ist. 

eoAorsi/ OMfc^o^hatiiachdenDiplomen 
XXX und XLVIII in den Jahren 99 und 134 in 
Moesia inferior gestanden, ohne dass bisher dort 
irgend welche Inschrift von ihr zu Tage getreten 
ware. 

[eohors III w& eohors mi Chaleidmorum] 30 
werden zwar nirgends erwahnt, sind aber aus der 
Existenz der V Cluitetdenorum bestimmt zu er- 

eohors V GlMUi^rwrum {equitata) muss im 
Orient gelegen ba Den > da sie Beiter zu dem mehr- 
fach erwahnteu. f us . onentalischen Abteilungen 
combinierten CavaUeriedetachement des Lollianus, 
CIL III 600, gestellt hat. 

cohors IFlaV MGaiem n equitata (CIL III 6025 
14147 a. 4. ci<J , 4713 f - Corp. Pa p : Ra i n . XVIH) 40 
lasst sich durch eme ganze Anzahl datierter Zeug- 
nisse beinahe ein Jahrhnndert hmdurch in Agypten 
verfolgen. Unter . den MaTiorn errichtet, wie ihr 
Name zeigt, ist sie wohl aus dera Contingent der 
74 von Vespasian eingezogenen Gilicia Trachaea 
hervorgegangen. Jeaenialls tallt ihre Formienmg 
vor das J. 83, *osie berats in Di p i om X V unter 
den Auxilien der Provinz Agypten erscheint. Da- 
mals wird ihr »t anaort bei Harnamat gewesen 
sein, wo die Insd 111 " ernes Soldaten CIG 4716 d» 50 
= Lepsius 10ft 568, aus der Regierung Domi- 
tians, sowie ein« weitere vielleicht auch auf die 
Cohorte beziigbcle. Lepsius 100, 583, gefunden 
sind. Am 23. April 118 ist em Centurio von ihr 
in die von dort » lcht allzu entfernten soya des 
Mons Clau&anus f mmandiert, der z u Moevua T e a- 
tavov die Inschrifl ^ 4/l«J f setzt, und aus dem 
J. 124 haben ** einen Auszug ix z6/lov ij[0 . 
/j-yrjfiazio/xwv etn es "aetecten von ihr aus dem 
Faijum, Corp. W- Eain. nr. XVirj. All dies be- 60 
weist, dass die Troppe damals noch i n der nSr dli c hen 
Halfte der Prod" 2 gelegen hat, ^enn wir ihr 
dann schon 140 in i aussersten Siiden derselben be- 
gegnen, so ist nitMommsen (Ztschr. d. Savigny- 
stift. 1892, 28* anzunehmen, dass Hadrian sie 
um 130 nach Oberfigypten verlegt hat Dort 
muss sie in Syeiie m Garnison gestanden haben, 
wo sie bereits W n - ^h r - anlasslich der Erbau- 



ung einer Basilika zu Ehren des Pius die Inschrift 
CIL HI 6025 setzt und wo noch eine zweite Ehren- 
inschrift von ihr fur denselben Kaiser etwa aus 
dem J. 155, Cagnat L'ann. epigr. 1896, 41 = 
CIL III Suppl. 141473, gefunden ist. Gleichfalls 
aus Syene stammt dann noch eine Kaiserinschrift 
der Cohorte vom J. 162, Cagnat ebd. 42 = CIL 

III Suppl. 14147*. In alien drei Inschriften unter- 
steht die Truppe jedesmal einem Centurio der 
legio II Traiana. Sonst finden wir noch in der 
dem J. 156 angehcrenden Stammrolle der eoh. 
I Aug. Praet. Lusitanorum einen in diese Cohorte 
versetzten Soldaten der J Fl. Oil. eingetragen, 
und ihr Name wird endlich wohl auch noch auf 
der Inschrift aus Hiera Sykaminos an der Siid- 
grenze der Provinz, CIG 5110, erganzt werden 
dttrfen, auf der ein AngehOriger (ojcslgng) a <PXa . . . 
genannt wird. 

eohors I Cilicum, von der / Flavia Oilieum 
sicher verschieden, stand zu Ende des 1. Jhdts. 
in Moesia superior, wo das neue Diplom aus Bul- 
garien (vgl. Jahresh. d. Osterr. arch. Instit. I 
170f.) sie 93 n. Chr. ansetzt und wo zu Naissus 
der Grabstein eines Soldaten von ihr CIL III 
Suppl. 8250 gefunden ist. Wahrscheinlich von 
Hadrian ist sie nach Moesia inferior verlegt worden, 
unter dessen Auxilien sie 134 in Diplom XLVIII 
erscheint. In die Zeit ihres dortigen Aufenthalts 
wurde dann der Grabstein zweier Soldaten fallen, 
der aus Chersonesos in der Krim stammt, S.-Ber. 
Akad. Berl. 1895, 522 = CIL III 13751b, denn 
so gut Legionare des niedermoesischen Heeres 
nach der Krim detachiert wurden, kOnnte dies 
auch mit einer Auxiliarcohorte der Fall gewesen 
sein. Den praef. eohor. Oil. in dem spanischen 
Cursus honorum, Ephem. epigr. VIII p. 415, wird 
man lieber auf die moesische Cohorte beziehen 
wollen, als auf die agyptische / Flavia Cilicum. 

[eohors I Cilicum miliaria?]. Ob neben den 
beiden besprochenen Cohorten nicht noch eine eoh. 
I Cilicum miliaria anzunehmen ware, verdient 
wenigstens in Erwagung gezogen zu werden. Wir 
kennen namlich aus einem Cursus honorum des 
2. Jhdts. CIG 3497 einen xdlaQ%og ajieigag xq<o- 
t-qg Kdixoov, und dass hier nicht etwa aft/Uae/os 
falschlieh fur Ijoti^oj gebraueht ist, geht daraus 
hervor, dass der betreffende Officier das Com- 
mando zwischen Cohorten- und Alenpraefectur, 
also an Stelle des Legionstribunats, bekleidet hat, 
die Truppe also eine eoh. miliaria gewesen sein 
muss. Diirfte man die Ziegel aus Szerb Poszeszena 
am linken Donauufer — noch im Militarbezirk von 
Obermoesien — mit C/8C/C (Arch. -epigr. Mitt. 

IV 178) als c<oh.) I co Gi{li)e. lesen, so wurde 
man sie auf dieselbe Truppe zu beziehen haben. 
Ob diese dann aber von der bekannten obermoe- 
sischen eoh. I Cilicum verschieden gewesen ist 
oder etwa letztere eine miliaria war, wurde sich 
mit dem jetzt vorliegenden Material nicht ent- 
scheiden lassen. 

[eohors IOirtensium] kann zunachst nur wegen 
der folgenden Cohorte vermutet werden. 

cohors H Oirtensium ist bisher nur ein ein- 
ziges Mai in einer Inschrift aus Zuccabar in Mau- 
retania Caesariensis, CIL VIII 9631, genannt, wo 
COH II GIR-T)VI wohl richtig als eoh. II Oir- 
tfensiumj 7 VI gelesen ist und wonach sie dann 
in jener Provinz gestanden haben muss. 



271 



Cohors 



Cohors 



272 



cohors I Gisipadensium. Ihr Name ist erst in 
dem neu gefundenen Diplom ron Moesia superior 
(Jahresh. d. 8st. arch. Inst. I 1701) vollstandig 
uberliefert. Danach stand die Cohorte 93 n. Chr. 
in dieser Provinz; das Diplom ist einem ihrer 
Soldaten ausgestellt und nennt ausser diesem, 
einem geborenen Larisener, noch, wie ublich, den 
Praefecten. Sonst flnden wir nur noch einmal einen 
(s)ignifer 1 cko. (. CJisipadensium auf einer In- 
schrift aus Rovigno in Istrien, CIL V 8185. 10 

cohors efiviumj LfatinorumJ s. eoh. II Tung- 
rorum miliaria. 

cohors I Civium Romanorum equitata, (CIL 
VI 8520) p. f, ist im 2. Jhdt. in Germania su- 
perior nachweisbar, wo sie die Diplome XL und 
L fur 116 und 134 bezeugen. Aus ihrem Fehlen 
in den obergermanischen Diplomen des 1. Jhdts. 
(von 74. 82. 90) schliesst Ritterling Westd. 
Ztschr. XII 214 mit Recht, dass sie damals noch 
nicht in der Provinz gewesen war und erst unter 20 
Traian dorthin verlegt worden ist. Sie ist dann 
gewiss identisch mit der coli. primae equitatae 
Civae (!) Roman, in Germ, inferior., von der 
ein Praefect CIL VI 3520 genannt wird. Auf 
eine urspriinglich niedergermanische Truppe passt 
auch der Beiname p. f gut, den sie auf der In- 
schrift aus Grosskrotzenburg fiihrt, vgl. Ritter- 
ling a. a. O. Aus dieser fruheren Periode iviirdo 
dann die Weihung einer vexillatio der Cohorte 
an den Hercules Saxanus aus Burgbrohl stammen, 30 
CIRh 670, wo eohortis TCR als IC(iv.) R(om.) 
aufzulosen ist. Friiher hatte man wegen der in 
Traians Donaubriieke gefundenen Ziegel mit colt. 
I ORE, CIL III 1703, 2, die man aXsICfiv.) R(om.J 
cfqu.J las, eine Anwesenheit der Cohorte an der 
unteren Donau unter Traian und eine Teilnahme 
an dessen dakischen Kriegen annehmen zu miissen 
geglaubt, allein seit wir durch das neue Diplom 
von 93 n. Chr. (Jahresh. der est. arch. Inst. 1 
170f.) eine noli. I Gretwn im Heere von Moesia 40 
superior kennen gelernt haben, sind jene Ziegel 
natttrlich dieser zuzuweisen. In Germania su- 
perior ist das Castell von Grosskrotzenburg das 
Standlager der Cohorte gewesen, wie die Doli- 
ehenusweihung eines Praefecten (Wo If fD. ROmer- 
castell zu Grosskrotzenburg 1882, 53) und dort ge- 
fundene Ziegel von ihr beweiscn. Auch in der Nahe 
von Grosskrotzenburg sind Ziegel mitihrem Stempel 
zu Seligenstadt, CIRh 1407 b, zu Kesselstadt, ORL 
'24, 10 , und auf dem Salisberg bei Kesselstadt. 50 
Westd. Ztschr. VII 288, zu Tage getreten. Aus 
anderen Gegenden der Provinz besitzen wir solche 
Ziegel aus Kins, Bonn. Jahrb. 88, 111, und dem 
nahen Arzbach, CIRh 1542 c, dann aber aus dem 
Limescastell Alteburg, Limesbl. 9, 269 , und — 
von Zangemeister allerdings bezweifelt — von 
der Saalburg, CIRh 1431 c. 

cohors II Civium Romanorum equitata fCIL 
Vni 18097. 18217) p. f. hat, wie die Weihung 
aus Andernaeh CIRh 676 beweist, zu Ende des 60 
1. Jhdts. in Germanien gestanden. Nach den 
Ausfuhrungen von Ritterling Westd. Ztschr. 
XII 207f. wird ihr der Name DfomitianaJ, den sie 
nur in der genannten Inschrift fiihrt, sowie der 
Ehrentitel p. f. von Domitian anlasslich des Sa- 
turnniusauistandes verliehen worden sein. Da- 
nach' erganzt Ritterling auch in dem Cursus 
honorum eines Unbekannten aus Iuvanum, CIL 



IX 2958 [praefejcto eoh. II Civiu[m Romjano- 
rum Oerm[aniae infejrioris. Allein, da in- 
zwischen auch in Obergermanien, in der Gegend 
von Butzbach , Ziegel der Cohorte zu Tage ge- 
treten sind (vgl. Limesbl. 4, 111), ist [supejrioris 
ebenso mOglich. Zwei weitere Praefecten der Co- 
horte werden genannt, der eine CIL VIII 18217 
und 2623 = 18097 , der andere CIL II 4114, 
ein eenturio cndlich auf einem Stein aus Ter- 
geste CIL V 522. 

[cohors III Civium Romanorum] soil auf 
Ziegeln von Seligenstadt CIRh 1407 c {COH- 
III- C-R) genannt sein, allein diese Angabe er- 
scheint sehr bedenklich, und schon langst hat man 
an eine Verwechselung mit der eben in Seligen 
stadt liegenden coh. I Ci-vium Romanorum, ge- 
dacht, vgl. Suchier und Ritterling Westd. 
Ztschr. XII 239. 

Die beiden Tribunen einer coh. . . . Civium 
Romanorum, CIL XI 392 und 709, kOnnen auf 
die von Praefecten befehligten coh. I und II Ci- 
vium Romanorum, nicht bezogen werden und 
haben wohl vielmehr den coh. Tbluntariorum 
(s. d.) angehert. 

cohors efiviumj R(omanorum) : c. R. als Ehren- 
beinamen s. unter coh. I Afrorum, Apuhia, 111 
Aquitanorum, II1I Aquitanorum, III Asturum, 
I Baetasiorum, I Breur-orurn, VII Brmcorum, 
I Britannica, III Gampestris, I Gorsorum, I Ul- 
pia Traiana Cugernorum, IIII Cypria, III Del- 
matarum p. /., I F/avia, I (tallica, V Gemma, 

I Germanorum, I Hemesenorum. I F/avia Ulpia 
Hispanorum, II Hispanorum, I Italica, I Iuge- 
nuorum, VI Ingenuorum, ILejiidiana, ILigurum 
el Hispanorum, I Montanorum, III Xerviorum, 1 
Pannoniorum et Dalmatarum, II Raetoruw, nil 
Raetorum, Scutata, I Thracum Germanic.a. Ill 
Thracum, II Ulp. equit. (?), / Fida Vardullorum, 

II Vasconum, I Gampestris Voluntariorum. IIII. 
VIII. XVIII. XXIIII. XXV XXVI. XXXII. 
[XXXIII] Voluntariorum. 

cohortes Glassicae sind, wie ich glaube, aus den 
Flottenmannschaften formiert, die zeitweilig der 
Landarmee fur den schweren Dienst. Wegbahnen 
u. s. w. zugeteilt waren, Hygin de mun. castr. 24. 
vgl. Cichorius Die Reliefs der Traianssaulr 

III Bild XCII und XCVII. Es sind mehrere der- 
artige Abteilungen nachweisbar. 

cohors I Classica. Wie zwei ziemlich frtiho 
Grabsteine von Soldaten, CIL XIII 923 und 921 
= Hen/en 5225, aus dem Gebiete der Nitio- 
broges beweisen, hat sie zeitweilig in Aquitanien 
in Garnison gelegen. Ein Veteran von ihr war 
als solcher nach Antium deduciert, wo sein Grab- 
stein, CIL X 6672, erhalten ist. Einen praef. 
sem. coh. I Classical nennt der Cursus hono- 
rum aus Trebula CIL IX 4885 und 4886. 

cohors I Aelia Classica ist, wie ihr Name 
Aelia beweist, erst von Hadrian errichtet und 
also schon deshalb von der vorigen verschieden. 
Sie wird flberhaupt nur zweimal erwahnt, zunachst 
in Diplom LVII vom J. 146 unter den britanni- 
schen Auxilien und dann in der Not. dign. Occ. 
XL 51 alsBesatzungvonTunnocelumamHadrians- 
walle. Demnach darf angenommen werden , dass 
sie seit ihrer Errichtung dauernd in Britannien 
gelegen hat. 

cohors II Classica wird zunachst in der In- 



273 



Cohors 



Cohors 



274 



schrift des Q. Aemilius Secundus, CIL III Suppl. 
6687, genannt, der sie unteT dem syrischen Legaten 
P. Sulpicius Quirinius in den letzten Jahren des 
Augustus befehligt hat. Sie muss damals also 
in Syrien gelegen haben, und vielleieht hat Se- 
cundus seinen in der Inschrift genannten Peldzug 
gegen die Ituraeer im Libanon eben als Befehls- 
haber der Cohorte gefiihrt. Spater erscheint nur 
noch einmal ein Praefect der Truppe in einem Cur- 



die zusammen mit denen der drei niedermoesisehen 
Legionen I Italica, V Maeecfonica, XI Claudia 
in Draschna de sus in der grossen Wallachei, 
also innerhalb der militarischen Zone des nieder- 
moesisehen Heeres gefunden sind und ihr zweifellos 
angehbren. Bei ihren Ziegeln aus Slaveni am Alt, 
CIL in 1421626 = Arch.-epigr. Mitt XIX 83, 
ist dagegen eine Entscheidung , ob sie in die 
moesisclie oder in die dacischc Zeit anzusetzen 



honorum aus Forum Novum CIL IX 4855a. 10 sind, zweifelhaft. In Dacien selbst ist die Truppe 



Welche der drei cohortes Glassicae in dem un- 
vollstandigen raetischen Cursus honorum, CIL III 
5775, bei [praef. coh. . . Clajssicae zu erganzen 
ist, lasst sich nicht mehr entscheiden. 

cohors I Claudia equitata {miliaria*?) wird in 
der Not. dign. Or. XXXVIE 36 zu Sebastopolis 
in Armenien, d. h. im alten Cappadocien, ver- 
zeichnet. Mit Hfilfe dieser Notiz lasst sich meiner 
Ansicht nach nun auch in einem Cursus honorum 



aus Iuvanum, CIL IX 2958, tribuno ... udiae 20 verstehen ist. 



nicht direct bezeugt, doch ist vielleieht in der 
Weihung der oberdacischen Auxilien von Veczel, 
CIL III 1343, wo wir als letzte Truppe eine 

COH I G flnden, ihr Name einzusetzen, 

wenigstens wiirde er genau den sieben ausge- 
fallenen Bnchstaben entsprechen. Sonst begegnen 
noch Praefecten von ihr im Cursus honorum CIL 
IX 1132 und wohl auch VI 3504 , wo trotz des 
Fehlens von Flavia gewiss die obige Cohorte zu 



equitate . . . docia mit Sicherheit erganzen zu 
tribuno [coh. I Clajudiae equitatae [in Cap- 
pa]docia, und es wiirde damit erwiesen sein, dass 
die Truppe die gauze spatere Kaiserzeit hindurch 
im Cstlichen Kleinasien gelegen hat. Da der be- 
treffende Offlcier vorher schon eine cohors quin- 
f/enaria als Praefect befehligt hatte, muss die 
I Claudia eine cohors miliaria gewesen sein. 
cohors II Claudia ist vorlaufig nur aus einer 



cohors II Flavia Commagenormn (equitata 
CIL III 1355) hat in Dacien. wohl solange die 
Provinz flberhaupt existiert hat, gelegen und dort 
den wichtigen Posten Micia -Veczel im Marosch- 
thal, an der Einfallspforte von der ungarischen 
Tiefebene her, innegehabt. Ausser Ziegeln (CIL 
III Suppl. 8074, 14) sind nicht weniger als fiinf- 
zehn Inschriften der Cohorte in Veczel oder in 
dessen unmittelbarer Umgebung zu Herepe, Maros- 



Inschrift aus Temenothyrai, dem Cursus honorum 30 Nejneti , Cetatje gefunden worden. Zunachst ist 
„;™ a.r;™Y, a -n KoL-mnt der n a }'™ n -,nc mrF.inac die Truiroe in der jremeinsainen Weihung ver- 



die Truppe in der gemeinsainen Weihung 
schiedener dacischer Auxiliarabteilungen aus Vec- 
zel, CIL III 1343, genannt. Allein hat sie Kaiser- 
inschriften fiir Hadrian (ebd. 1371), fur Marcus 
(1372) und Verus (1373), beide im J. 164, und fur 
Philippus (1379) im J. 245 n. Chr. gesetzt. Den 
Wiederaufbau eines Bades im J. 193 betrifft 1374. 
Andere der Inschriften sind Weihungen teils der 
Cohorte mit ihrem Praefecten (CIL III Suppl. 7848. 
auch coh. I Sugambro- 40 [7M9]. 7854), teils einzelner Offlciere, so eines 

Praefecten (7855), eines Centurio (1347 = 7850) und 



eines Griechen, bekannt, der u. a. exag-/_og ojieioag 
/)'' K/Mv&ias gewesen war, s. Bull. hell. XIX 
557. 

cohors Claudia miliarensis. So erkliirtil o nnu- 
sen die sehr unsichere Lesung auf dem Grab- 
stein aus Aquileia, CIL V 898, eines Soldaten, 
der militant in GLND MILIARENSE. Bei 
4ieser Annahme konnte dann vielleieht die / Clau- 
dia equitata miliaria gemeint sein. 

cohors Claudia 
rum vetcrana. 

cohors III Coll .... muss im 3. Jhdt. in der 
Gegend von Kutlovica in Moesia inferior in Gar- 
nison gestanden haben, wo 258 n. Chr. ihr Be- 
fehlshaber die Porta praetoria ihres Lagers nebst 
Turm erbaut hat, CIL III Suppl. 7450. Die Le- 
sung ist ganz sicher. und man darf daher — falls 
man nicht einen Irrtum des Steinmetzen annehmen 
•will — nicht etwa zu Callaec., Gallor., Gommag. 
oder dgl. andern. 

cohors I Flavia Commagenorum. Wie der 
Name beweist, von einem der flavischen Kaiser er- 
richtet, ebenso wie die II Flavia Commagenorum. 
Da uns 70 n. Chr. im Heere des Titus in Judaea 
auxilia regis Antiochi (von Commagene) begegnen 
(Tac. hist. V 1), diirften diese wohl bei der im 
J. 71 erfolgten Einziehung des commagenischen 
Reiches von Vespasian als regulare rOmische Au- 
xiliarcohorten formiert worden sein. Die / Fla- 



eines Decurio (1355). Zwei weitere der Denkmaler 
sind Grabsteine. 6267 eines Veteranen und 7873 der 
Familie eines Centurionen ; vvenn auch auf beiden 
die Nummer nicht erhalten ist, diirfen sie ^ doch 
des Fumlorts wegen bestimmt auf die // Flavia 
Commagenm-um bezogen werden. Ausserlialb von 
Veczel sind — abgesehen von einem Fragment 
unbekannten dacischen Fundorts (ebd. 1619) , das 
50 aber sehr wohl gleichfalls aus Veczel stammen 
kann (vgl. ebd. 7854) — nur noch an zwei Stellen 
der Wallachei, zu Pini bei Recka und zu Pi- 
atra bei Slatina. Ziegel mit dem Stempel COH II 
COW zu Tage getreten, CIL III 8074, 14, die 
gewiss derselben Cohorte angehSren. Bemerkens- 
wert ist der Cult des Dem Commagenus oder 
I.O.M. Commagenorum (CIL III 7832. 7834. 7835 1 
in dem unweit von Veczel gelegenen Ampehiffi. 
der doch wohl auf unsere coh. Commagenorum 



via Commagenorum finden wir 105 n. Chr. in 60 zuriickzufuhren sein wird 

. »•* • ..t-.- i wttitt, j -lew :„ r__i rnA..„„,/,^.i 



Moesia inferior (Diplom XXXIII), dann 157 in 
Dacia superior nach Diplom LXVI, wo in dem 
nach den Ntimmerii geordneten Verzeichnisse mit 
Sicherheit [I FlavJ , nicht wie Ritterling 
vorschlagt [II Flat.], zu erganzen ist. In die 
moesische Zeit werden die aus der Regierung 
des Hadrian oder Pius stammenden Ziegel mit 
COH. COMA, Arch.-epigr. Mitt. XIV 15, fallen, 



[cohors III Commagenorum] ist zwar so nicht 
ausdrucklich bezeugt, hat aber, da es eine co- 
hors VI Commagenorum gegeben hat, zweifellos 
existiert. Vielleieht hat auch sie, wie die 7 und 
ZT Commagenorum , in Dacien gestanden, wenig- 
stens lasst sich eine Inschrift aus Heviz am oberen 
Alt, CIL III 955 = Suppl. 7721, auf der nach 
der einen Abschrift praeff.] coh. Ill Cll'l/I, 



275 



Conors 



Cohors 



276 



nach der anderen III CjOM gestanden hat, am 
ehesten als HI Commagenorum auflosen. 

[cohors TJTT und cohors V Commagenorum]. 
Von beiden Cohorten fehlen noch jegliche Zeug- 
nisse. 

cohors VI Commagenorum equitata (CIL VIII ' 
2532 = 18042 und Ephem. epigr. V 1043) zahlte 
zmn numidischen Heere. Ihre Garnison war zu- 
nachst wohl der Strassenknotenpunkt Zarai nahe 
der mauretanisehen Grenze. Dort ist der Grab- 10 
stein eines ihrer Soldaten, CIL VHI 4526, ge- 
funden und dort wohl hat Hadrian am 15. Juli 
des J, 128 die Cohorte inspiciert. In seinem be- 
rthmten Tagesbefehl, ehd. 2532 = 18042, sind 
hieriiber zwar zunachst nach den Eingangsworten 
Nan. lul. Zarai eok, [VI Gomm.] nur wenige 
Worte erhalten, dafur aber fast vollstandig der 
Passus, der an die Reiter der Cohorte gerichtet 
ist und deren Leistungen die grOsste Anerkennung 
zollt. Spater ist die Cohorte von Zarai weg- 20 
verlegt worden, wo an ihre Stelle die eoh. I 
Flavia equitata getreten zu sein seheint. Auf 
diese und nicht auf die VI Commagenorum wer- 
den sich dann auch die Worte post diseessum 
cohortis in der Zollliste vom J. 202, ebd. 4508, 
beziehen. Der spatere Standort der Truppe muss 
die Oase Mesarfelta (El Utha'ia) am Westabhang 
des Auresgebirges gewesen sein, wo sie zwi- 
schen 177 und 180 unter ihrem Praefecten Aelius 
Serenus ein Amphitheater wiederaufbaut, ebd. 30 
2488; von dort aus hat sie sich auch wohl an 
der Expedition beteiligt, die 174 n. Chr. ein aus 
verschiedenen numidischen Truppenteilen zusam- 
mengesetztes Detachement nach dem Stiden von 
Mauretania Caesariensis unternommen hat (vgl. 
Bd. I S. 1242 s. ala Flavia), denn auf der 
von einem Officier dieses Detachements zu Aflu 
bei Ge"ryville gesetzten Inschrift, Ephem. epigr. 
V 1043, ist auch ein dec. eoh. VI Cfomm.J ge- 
nannt. Fur die Geschichte und Dislocation der 40 
Cohorte ist ohne Bedeutung der aus Batna bei 
Lambaesis stammende Grabstein eines Officiers 
der teg. Ill Aug., den T. Atilius Iuvenalis praef. 
eok. VI Comm. amico et munioipi gesetzt bat. 
[cohors Commagenorum]. Eine weitere co- 
llars Commagenorum dfirfte aus dem Fragment 
eines stadtrBmischen Cursus honorum, CIL VI 
3654, zu erschliessen sein. Dieser bietet u. a. 
[praef. eoh. . . .] ag. in Cappad. Da der be- 
stimmt zu berechnende Ausfall zu Beginn der 50 
Zeilen je vierzehn Buchstaben betriigt, ist die 
wohl einzig mOgliche Erganzung, die schon Hen- 
zen vorschmg, [praef. eoh. . . Commjag. in Cap- 
pad(ocia); wir batten dann anzunehmen, dass 
ausser den bekannten cohortes I. II. III. VI Com- 
magenorum noch eine weitere im cappadocischen 
Heere existiert hatte, und es liegt nahe. in dieser 
dann eine der noch nicht nachgewiesenen eoh. 
1HI oder V Commagenorum zu vermuten. 

cohors I Cornoviontm. Die Not. dign. Occ. 60 
XL 34 fuhrt, in einer Reihe von lauter alten 
Cohorten, zu Pons Aelius am Hadrianswalle eine 
eoh. I Gornoviorum auf, und da ein Volksstamm 
dieses Namens thatBiichlich in Britannien bezeugt 
ist (Eph. ep. Vn 922 efivisj Cornovia; vgL auch 
die x Stadt Durocornovium im Suden der Provinz), 
wird man auch sie als eine alte Truppe anzusehen 
haben, von der nur zufallig kein inschriftliches 



Zeugnis erhalten ist. In dem in geringer Ent- 
fernung ntsrdlich von Pons Aelius gelegenen Bin- 
chester ist iibrigens eine nur in ungeniigender 
Copie erhaltene Inschrift, CIL VII 425, gefun- 
den, deren Text einen trib. OI . . . . CABTOV 
nennt. Mcht unmoglich ware es, dass hierin 
trib. c]OH- T- CoRnOV. versteckt ist. 

cohors [If Corsorum. Auf einer der ersten 
Halfte des 1. Jhdts. angehOrenden Inschrift aus 
Praeneste, CIL XIV 2954, kommt ein praefeetus 
T cohortis Corsorum et civitatum Barbarian in 
Sardinia vor. Daraus ergiebt sich als sicher, 
dass eine cohors Corsorum damals in Sardinien 
gestanden hat und zwar wohl eine I Corsorum, 
denn 7 kann nur als primae aufgelOst werden. 
Da wir nun Ende des 1. Jhdts. auf der Insel 
eine eoh. I Gemma Sardorum et Corsorum finden, 
die nach ihrem Namen zu schliessen durch Ver- 
einigung einer eok. Corsorum und einer eoh. Sar- 
dorum entstanden war, durfen wir wohl die eine 
ihrer beiden Stammtruppen in jener eoh. [Tj Cor- 
sorum wiedererkennen. 

cohors I Corsorum c. B. wird, da sie 107 
n. Chr. in Diplom XXXVI unter den Auxilien von 
Mauretania Caesariensis aufgefuhrt ist, von der 
vorigen Cohorte wohl verschieden sein. Sie diirfte 
auch in dem Cursus honorum CIL IX 2853 gemeint 
sein, wo bereits Mommsen, noch ehe jenes Di- 
plom bekannt war, das uberlieferte . . . ORSOB 
C- richtig als eoh. . .] Corsor. e. [R. erklart 
hatte. 

cohors Corsorum s. auch eok. II Gemina Li- 
gurum et Corsorum und eoh. I Gemina Sardo- 
rum et Corsorum. 

cohors ICretum ist jetzt durch das neue Di- 
plom von Obermoesien (Jahresh. d. Ost. arch. 
Inst. I I70f.), nach dem sie 93 n. Chr. in dieser 
Provinz gestanden hat, gesichert. Dadurch sind 
wir auch in den Stand gesetzt, die Ziegel mit 
(eo)H. JCRE, CIL III 1703, 2. Arch.-epigr. 
Mitt. XIX 219, die sich zu Turn Severin, sowie 
in Traians dortiger steinerner Donaubriicke, also 
gerade in Moesia superior, finden und die man 
bisher auf die germanische eoh. I Givium Ro- 
manorum equitata bezogen hatte, richtig zu er- 
klaren. Ich glaube sie mit Sicherbeit als I Cre- 
(tum) lesen zu durfen. Auch die Inschrift aus 
Apulum, CIL III 1163, wo im Cursus honorum 
ein PR. . . . 1 CRETV vorkommt , braucht nun 
nicht mehr corrigiert zu werden. Es ist ganz 
einfach ein pr[aef. eok.] I Cretu[m] gemeint. 

cohors II Cretensis wird Not. dign. Or. XXXIV 
47 als in Palaestina, am Jordan, in Garnison 
liegend aufgefuhrt. Seit die eoh. I Cretum be- 
glaubigt ist, darf wohl auch diese II Cretensis 
(oder Cretum'*) als eine alte Truppe angesehen 
werden. 

cohors I Vlpia Traiana Ougernorum c. B. 
(so mit vollem Naraen nur in Diplom XLIII ge- 
nannt) ist durch die Diplome XXXII und XLIII 
fur die Jahre 103 und 124 als Besatzungstruppe 
von Britannien bezeugt. Zu Beginn des 3. Jhdts. 
seheint ihr Standquartier in Schottland gewesen 
zu sein, wo in Inglistown eine Dedicationsin- 
schrift von ihr, CIL VLT 1085, gefunden ist. Ob 
aus der spaten Weihinschrift der -Cohorte -aus 
Procolitia, Eph. ep. Ill 186 {eoh. I Cubernorum), 
geschlossen werden darf, dass sie spater dort ge- 



277 



Cohors 



Cohors 



278: 



legen hat, bleibe dahingestellt. Die Ziegel aus 
Caersws mit CICT, CIL VII 1243 c, bei denen 
man auch an c(bh.) I G(ugernorwm) TfraianaJ 
denken kOnnte, sind vielleicht eher der eoh. I 
Celtiberorum (s. d.) zuzuweisen. 

[cohors I Cypria] ist zwar wegen der eoh. IIII 
Cypria bestimmt anzunehmen, aber noch nicht 
direct bezeugt. MOglicherweise gehOren ihr Ziegel 
aus Tiho in Dacien, CIL III 1633, 4 = Suppl. 
8074, 13, deren Stempel GIGY ebenso c(oh.) 
I Oyfpria) wie e(oh.) I CyfrenaicaJ bedeuten 
kann. 

[cohors II. Ill Cypria] vgl. eoh. Cypria. 

cohors IIII Cypria c. R. erscheint in dem fur 
die dacische Occupationsarmee ausgestellten Di- 
plom XXXVII vom J. 110, war also wohl vor- 
her schon an der Eroberung des Landes beteiligt. 
Auch spater noch seheint sie in der Provinz ver- 
blieben zu sein und zeitweilig in der kleinen 
Wallaehei im Castell von Bumbesti am Slidaus- 
gang des Vulcanpasses gelegeu zu haben. Wenig- 
stens hat die von mir seiner Zeit vorgeschlagene 
Erklarung der dort gefundenen Ziegel (Arch.-ep. 
Mitt. XIX 85 = CIL III 1421627) m it GIVC als 
c(oh.) IV Cfypria), soviel ich sehe, tlberall Auf- 
nahme gefunden. 

cohors Cypria. Auf die vorige Cohorte hat 
man auch • eine Inschrift aus Pantikapaion in 
der Erim, Latyschew LT 293, beziehen wollen, 
die einen rdiog Mi/tiuog oTteiQtjs Kvjigtag nennt. 
Allein in Moesia inferior, von wo aus die Be- 
satzung der Krim nach der herrschenden An- 
schauung detachiert wurde , ist die IV Cypria 
iiberhaupt gar nicht nacbweisbar. Es liegt daher, 
wie ich glaube, viel naher, an eine der cohortes I. 
II. IIIGypriae zu denken, deren Existenz ja aus 
dem Vorkommen der IV Cypria zu erschliessen 
ist; ich mOchte diese dann aber liebei fur eine 
standig im bosporanischen Reiche liegende Truppe 
halten. 

cohors I Oyrenaiea wird nur auf dem dem 
1. Jhdt. angehOrenden Cursus honorum des C. An- 
testius Severus aus Mainz, CIEh 1120, erwahnt. 
Vielleicht mit Eecht bezieht v. Domaszewskidie 
Ziegel mit C I GY aus dem dacischen Castell Tih6, 
CIL m 1633, 4 = Suppl. 8074, 13, auf sie, wenn 
er auch selbst daneben die Erklarung als I Cy- 
fpria) fur moglich halt. 

cohors II Augusta Cyrenaiea equitata (CIEh 
1708) gehort zu den obergermanischen Auxilien, 
unter denen sie in den Diplomen der Provinz aus 
den J. 74 (XI), 90 (XXI), 116 (XL) und 134 (L) er- 
scheint. Ihre Garnison ist zeitweilig sicher das 
Castell von Neuenheim-Heidelberg gewesen (vgl. 
Schumacher Neue Heid. Jahrb. VIII 110), wo 
Ziegel mit COH- II- CYB (citiert OEL 14, 26, vgl. 
Arch. Anz. 1898, 22), eine verstummelte Inschrift 
(CTRli 1708) mit eoh. II Aug.Girm. eq. nnd vor 
allem ein Beil der Cohorte mit ihrem Namen, 
Westd. Ztschr. XII 303, gefunden sind. Sonst sind 
Ziegel von ilrr (COH- II- A und H-AV-CYR. .) 
noch zu Butzbach zu Tage getreten (OEL 14, 26, 
vgl. Limesbl. 4, 111), und auch die Weihinschrift 
aus Heddernheim, CIEh 1456, eines Soldaten ex 
eoh. II Aug. Q oder QV wird ihr angehtiren. 
Dagegen seheint mir die von Zangemeister 
Westd. Ztschr. XI 303 vorgeschlagene Beziehung 
eines eiserneu Brennstempels mit CC aus Castell 



Alteburg, auf die eoh. II Augusta Oyrenaiea 
zweifelhaft. 

cohors HI Oyrenaiea sagittariorum, mit letz- 
terem Beinamen zwar nur im Cursus honorum 
des Publilius Memorialis (Not. d. Scav. 1895 r 
342 = Cagnat L'ann. epigr. 1896, 10) ge- 
nannt, aber gewiss auch in dem Cursus honorum 
aus Philippi, CIL M 647, gemeint, wo ein praeff.} 
eoh. HI Cyrenei. erscheint. 

10 cohors III Augusta Oyrenaiea ist in dem Cur- 
sus honorum des C. Aelius Domitianus Gaurus,. 
Rom. Mitt. Ill 77, aufgefuhrt, der sie in der Zeit 
Marc Aurels als Praefect befehligt hatte. Ob sie 
mit der vorigen Cohorte identisch gewesen ist,. 
wage ich nicht zu entscheiden; der doch wohl 
unterscheidende Beiname sagittariorum, den jene* 
fuhrt, seheint dagegen zu sprechen. 

cohors Oyrenaiea (equitata). In Arrians Armee 
gegen die Alanen befanden sich auch Ev^vaTot r 

20 und zwar sowohl Eeiter (ect. § 1), als auch Hopli- 
ten (ebd. 3 u. 14), d. h. regulare Auxiliarinfanterie. 
Es handelt sich also offenbar um eine eoh. Oyre- 
naiea equitata, die aber, wie die Worte Kvorjvaiwv- 
oi xapovreg zeigen, nicht vollzahlig zugegen war r 
sondern nur eine Vexillation zum Expeditions- 
corps gestellt hatte. Dass unter Hadrian erne- 
eoh. Oyrenaiea in der Provinz Cappadocien ge- 
standen hat, darf damit als gesichert gelten, es 
kann dies aber sehr wohl irgend eine der oben 

30 aufgezahlten eok. Oyrenaicae sein, nur nicht die- 
gerade 134 in Germanien nachweisbare II Augusta 
Oyrenaiea, mit der Hassencamp a. a. O. 41 
sie identificieren will. 

cohors Cyrenaiea, vgl. auch eoh. II Hispa- 

norum scutata und eoh. I Lusitanorum. 

cohors Dacica, s. eoh. I Gallorum. 

cohors I Aelia Dacorum (miliaria). Die, wie 

der Name beweist, von Hadrian errichtete Ab- 

teilung ist ausschliesslich in Britannien nach- 

40weisbar, wo sie bereits 146 n. Chr. in Diplom 
LVH erscheint und noch in der Not. dign. Occ. 
XL 44 zu Amboglanna verzeichnet steht. Dass 
diese am Hadrianswall gelegene Station schon 
seit dem 2. Jhdt. die Garnison der Cohorte ge- 
wesen ist, beweisen nicht weniger als dreissig In- 
schriften von ihr, die dort gefunden sind und die 
uns die Namen von nicht weniger als siebzehn ihrer 
Tribunen nennen. Damit diirfte dann aber zugleicb 
erwiesen sein, dass die Cohorte eine miliaria ge- 

50 wesen ist. Die Mehrzahl jener Inschriften sind 
offlcielle Weihungen der Cohorte oder einzelner 
Tribunen und zum Teil durch die Kaiserbeinamen 
datiert auf die Zeit des Caracalla CIL VII 837. 
[818], Elagabal ebd. 838 verglichen mit 964, 
Maximums, v. 237 n. Chr., ebd. 808, Gordian 819, 
Postumus 820. 822 [vgl. 821], Tetricus 823. Un- 
datierte Weihinschriften sind CIL VII 803. 806. 
[807]. 809. 810. 811. 812. 813. 814. 815 816. 817. 
[824?]. 826. [829]. Eph. ep. VII 1071. Den Grab- 

60 stein eines ihrer AngehOrigen dorther siehe CIL 
VII 867, ein unbestimmbares Fragment ebd. 868. 
Einige Inschriften aus Amboglanna nennen zwar 
nicht ausdrucklich die Cohorte, kOnnen aber doch, 
da bis jetzt noch keine andere Truppe dort nach- 
gewiesen ist, mit grosser Wahrscheinlichkeit auf 
sie bezogen werden, so der Grabstein des Kindes 
eines Tribunen "(865), der eines Soldaten (866), 
der schon, wie Hiibner sah, durch seinen Namen 






279 



Cohors 



Cohors 



280 



Decibalus als geborener Dakererwiesen wird ;ferner CIRh 914, und die Weihung an Mars und Vic- 
€31, wo vielleicht ein bereits aus 826 bekannter toria aus Strassheim, ebd. 1412, eines cornicu- 
Tribuii der Cohorte (das verkehrte praef. ist wohl larius, wie sein Name Soemus beweist, eines ge- 
auf Kechnung der schlechten Abschrift zu setzen) borenen Orientalen. Ziegel der Cohorte sind im 
wiederkehrt. Der einzige Stein, der aus einer Castell Friedberg, CIEh 1417 e und Limesbl. 12, 
anderen Gegend Britanniens der Cohorte zuge- 357 , aber auch auf der Saalburg gefunden wor- 
wiesen werden kann, ist eine Weihuug der coh. I den. Bei dem Inschriftfragment aus Rottweil 
Dae. aus Bewcastle (ebd. 975, ob auch 974?), CIEh 1645, vgl. Korr. d. Westd. Ztschr. VII 1 
bei der aber das Fehlen von Ad. sehr auffallig und Till 36, ist es ganz unsicher, ob iiberhaupt 
ist. Zwei andere Inschriften, ebd. 886 aus Pe- 10 eine eoh. Flavia gemeint ist. 
trianae und 1055 aus Bremenium, auf denen nur cohors I Damascenorum. Neben der I Flavia 
-coh. I Da dasteht, mochte ich beide, nicht nur Damascenorum, muss noeh eine einfach I Da- 
die zweite, wie Hfibner thut, lieber auf die mascenorum benannte Cohorte existiert haben, 
/ Da(lm.) beziehen. w j e mehrere Inschriften von Praefecten einer sol- 
colors I Vlpia Dacorum stand zur Zeit der chen beweisen, die auf jene von Tribunen befehligte 
Notitia dignitatum_(s. Or. XXXIII 33) zu Clau- cohors miliaria nicht bezogen werden konnen. 
diana in Syrien , ist aber , wie aus ihrem Bei- Dazu kommt , dass, wahrend die I Flavia Da- 
namen Vlpia hervorgeht , schon von Traian er- mascenorum noch 134 in Germanien bezeugt ist, 
richtet worden. wir im J. 139 in Syria Palaestina eine coh. I 
cohors II Augusta Dacorum p. f. miliaria 20 Damascenorum ohne Beinamen finden (vgl. das 
equitata wird nur auf der Weihinschrift eines neue Diplom aus Nazareth, Cagnat L'ann. 
Tribunen aus Teutoburgium in Pannonia inferior epigr. 1897 , 106). Diese im Orient stehende 
(OIL III 6450 = 10 255) genannt, nach der sie Truppe ist es dann wohl, von der ein friiherer 
dort in G-arnison gelegen zu haben scheint. tlber Praefect in- zwei iigyptischen Papyrusurkunden 
den Anlass, aus dem sie den Beinamen p. f. er- BGU 78 und 136 erwahnt wird und die zu 
halten hat, lasst sieh nichts mehr vermuten. Beginn des 2. Jhdts. der Preund des jiingeren 
eoliors III Dacorum (equitata) ist in der Plinius , C. Cornelius Minicianus, nach seinem 
Inschrift des Valerius Lollianus aus Byllis, CIL Cursus honorum aus Bergomum, CIL V 5126, be- 
lli 600, unter den Abteilungen aufgezahlt, die fehligt hatte. Auch in dem tusculanischen Cur- 
Beiter zu dem von Lollianus, wahrscheinlich in 30 sus honorum, CIL XIV 2618, wo Dessau praef. 
Traians Partherkrieg, befehligten Cavalleriecorps coh. I Dafcorum] erganzt, mochte ich eher Da- 
gestellt hatten, und hat daher wohl, wie alle [mascenorum] einsetzen, da bisher zwar je eine 
diese, im Orient gestanden. e oh. I Aelia Dacorium und I Vlpia Dacomm, 

cohors Qemina Dacorum ist erst neuerdings aber keine I Dacorum nachweisbar ist, 
durch eine Inschrift aus dem romischen Castell cohors I Aurelia Dardanorum , die einzige 

hei Belimel in Bulgarien (Rev. arch. 1896 II 258 Truppe mit dem Kaiserbeinamen Aurelia und also 

= Cagnat L'ann, epigr. 1896, 116) bekannt ge- von Pius oder von Marcus errichtet. Da nun 

worden, eine "Weihung der Cohorte zu Ehren der aber gerade von letzterem vit. 21 berichtet wird, 

Kaiserin Sabinia Tranquillina, der Gemahlin Gor- dass er latrones etiam Dalmatian atque Darda- 
dians. Sie scheint demnach im 3. Jhdt. in jenem 40 niae milites fecit, so mochte ich eher ihn fur den 

Castell gelegen und also zur Besatzung der Pro- Begriinder der Truppe ansehen und jene Notiz 

vmz Moesia inferior gehort zu haben. Wenn sie, eben auf die Pormierung unserer Cohorte beziehen. 

wie dies fur die iibrigen cohortes und legiones Wir haben von ihr den Grabstein eines Soldaten 

yeminae anzunehmen ist, durch Vereinigungzweier aus Naissus in Moesia superior, CIL III Suppl. 

ursprunglicher Cohorten hervorgegangen ist, so 8251, und diirfen danach wohl annehmen, dass 

wiirden dies wohl zwei altere cohortes Dacorum sie in dieser Provinz in Garnison gestanden hat. 

gewesen sein. Identisch mit ihr wird die oxEiga Aaqbavrnv sein, 

Eine cohors Dacorum ist auf einer Inschrift von der ein Praefect in dem griechischen Cursus 

aus Caesena (CIL XI 558) zu erganzen, wo ein honorum IGI 2433 aus Massilia genannt wird. 
[praef] . . Dacor. genannt wird; denn da dies 50 cohors Dardanorum s. auch coh. Ill Alpi- 

die einzige militarische Wiirde des Mannes ist, norum. 

kann an eine ala Dacorum nicht gedacht werden. cohors IDelmatarum nennt das Diplom XLIII 
Welche der obigen dakischen Cohorten gemeint vom J. 124 unter den Auxilien von Britannien. 
ist, lasst sich naturlich nicht entscheiden. Aus dieser Provinz stammt auch die Mehrzahl 
cohortes Dabnatarums. cohortes Delmatarum. der Inschriften, die die Truppe nennen, und da 
cohors I Flavia Damascenorum miliaria nicht weniger als sechs davon zu Uxellodunum 
equitata sagittariorum (so vollstandig nur CIEh oder in dessen Nahe gefunden sind, kann es wohl 
1412) ist von einem der flavischen Kaiser er- als sicher gelten, dass sie langere Zeit dort in 
richtet und anscheinend sofort nach Germania Garnison gestanden hat. Fiinf dieser Inschriften, 
superior verlegt worden , wo sie seit 90 in den 60 CIL Vn 367. [388]. 387. 400 und Eph. ep. LTI 93. 
Diplomen erscheint (90 n. Chr. in Diplom XXI, sind Weihungen der Cohorte oder einzelner Prae- 
116 in XL und XLI und 134 in L). Da sie fecten , darunter zwei pro salute des Pius, die 
aber andererseits in den Diplomen von 74 und sechste Eph. ep. VII 976 ist ein Fragment, das 
82 noch fehlt, darf ihr Eintreffen in der Provinz einen Praefecten nennt. Noch zwei weitere Steine, 
wohl in die J. 82 bis 90 angesetzt werden. In- einen aus Petrianae, CIL MI 886 (Off- 1- DA). 
«-briften von ihr sind in Germanien nur zwei er- und den Grabstein eines imfagin.) ex eoh. I Da 
halten, der Grabstein eines zum Stabe des Statt- aus Bremenium, ebd. 1055, mochte ich mit Hub- 
halters abcommandierten Soldaten aus Alsheim, ner auf die I Dalmatarum, nicht etwa auf die/ 



281 



Cohors 



Cohors 



282. 



Aelia Dacorum (s. d.) beziehen. Im Cursus hono- Diplom XL und 134 in Diplom LXX wiederkehrt. 

rum werden Praefecten der Truppe nocli CLL IX Am haufigsten ist sie in der Provinz bezeugt im 

1618 und VI 1607 genannt. Nicht weniger als Castell Rfickingen an der Kinzig, wo von ihr 

achtmal also sind durch die angefuhrten Inschrif- zahlreiche Ziegel mit verschiedenen Typen (CIRh 

ten fur die Cohorte Praefecten bezeugt, und es 1436 c. Limesbl. 8, 243. Mitt. d. Han. Bez.-Ver. 

darf deshalb wohl als sicher gelten, dass sie eine X 256 , vgl. Westd. Ztschr. XLT 215 und IV 

quinqenaria war und demnach nicht identisch sein 407. Korr. d. Westd. Ztschr. II 71), sowie eine 

kann mit der Inschrift, Westd. Ztschr. Ill 174 und Taf. 4, 17, 

cohors I miliaria Delmatarum, die durch eine gefunden sind. Sonst haben wir noch Ziegel von 
Beihe von Steinen in Dalmatien selbst beglaubigt 10 ihr aus dem Wiesbadener Castell, CIRh 1537 h, 

ist. Diese hat im J. 170 n. Chr. zusammen mit sowie aus dem von Oberscheidenthal an der Mum- 

der U miliaria Delmatarum die Mauern von Sa- lingslinie, OEL 52, 13, zu Tage getreten. Dass 

lonae gebaut, CLL III 1979, vielleicht anlasslich sie quingenaria war, diirfen wit aus der Erwah- 

des Marcomannenkrieges. Die Weihung eines nung jenes Praefecten schliessen. 

Tribunen pro salute eines Kaisers, dessen Name cohors III Delmatarum miliaria equitata c. i?- 

eradiert ist, haben wir aus Uzace in der Provinz, p. f. Wie neben der coh. I und II Delmatarum, 

ebd. 8353, die eines anderen Tribunen, CIL V 707, quingenaria, je eine gleichnamige miliaria bestan- 

aus der Gegend von Tergeste, unweit der Grenze den hat, ist das gleiche anscheinend auch bei der 

von Dalmatien. Dieser coh. I miliaria Delma- coh. Ill Delmatarum der Fall gewesen. Wir finderr 
tarum mochte ich ferner mehrere Inschriften aus 20 naralich ausser der germanischen quingenaria im 

Dalmatien zuweisen, wo Soldaten einer coh. I 3. Jhdt. in Dacien eine HI Delmatarum miliaria r 

miliaria genannt werden ; wenigstens hat eine die in dem Castell von Plugowa bei Mehadia ge- 

andere solche in der Provinz nicht gestanden, legen und den wichtigen Pass daselbst gedeckt hat. 

und der heimische Name Delmatarum, der gerade Auf einer dort gefundenen Inschrift, CIL III 1577 

innerhalb Dalmatiens entbehrlich war, konnte in = Suppl. 8010, zu Ehren Galliens aus den 

diesen Privatinschriften — denn urn solche handelt J. 257/260, nennt sie sich Valerian. OaUiena CO 

es sich — urn so leichter ausgelassen werden, als eqq. c. R. p. f. Sie kann also wohl nicht mit 

der Name miliaria bei unserer Cohorte regel- der germanischen Cohorte identisch sein, ohwohl 

massig vor Delmatarum steht. Es sind zwei beide denselben Beinamen p. f. fiihren. Ihr ge- 
spate Grabsteine, der eines Centurionen deffunc- 30 horen dann auch die Ziegel mit C(H I 'J DEI an 

tus) Sirmi, CIL III 2006, und der eines Vete- (CIL HI Suppl. 8074, 15 = 1633, 24), die bei 

ranen, ebd. 8731, beide gerade aus Salonae, und Mehadia una auf der Donauinsel Alt-Moldava 

eine Weihinschrift eines Centurionen , ebd. 9829, gefunden sind und die auf ZugehOrigkeit der Co- 

aus Teplju pro salute eines Kaisers (des Septimius horte zum obermoesischen Heere schliessen lassen. 

Severus?). tlber die vermeintlich von Iuvenal be- cohors HII Delmatarum ist zunachst durch 

fehligte coh. IDelmatarum s. u. coh. Delmatarum. mehrere Soldatengrabsteine , die noch geborene 

cohors II Delmatarum nennt die Not. dign. Dalmater betreffen, fur das 1. Jhdt. in Germanien 

Occ. XL 43 in Britannien zu Magnae am Hadrians- bezeugt, und zwar muss sie dort zu Bingerbriick 

wall, und thatsachlich besitzen wir von dort die gestanden haben, wo zwei der Steine, CIRh 741 
Inschrift eines imag. coh. II Delmat., CIL VII 40 und 742, gefunden sind. Auch der Grabstein aus 

760. Vielleicht darf dann ihr Name auch in dem Bingen, ehd. 869, eines mil. eoh. IHI I A" 

britannischen Diplom XXXIV vom J. 105 erganzt ist schon seit Hassencamp richtig auf die Co- 

werden, wo eine coh. . . Delmatarum erscheint, horte bezogen worden. zumal es sich wieder um 

die ihrer Stelle nach nur die Nummer II oder einen Mann dalrnatischer Herkunft handelt. In 

eine hohere gehabt haben kann, also entweder die den germanischen Diplomen der flavischen und 

bntmnische II o&ex IIII Delmatarum gewesen sein traianisehen Zeit fehlt die Cohorte dann; dies 

muss. Letztere kann aber hier kaum in Betracht wiirde sich einfach erklaren , wenn wir sie in 

kommen . da sie in dem fur die Auxilien einer derjenigen coh. IIII Delm. wiedererkennen diirf- 

anderen britannischen Legion ausgestellten Di- ten, die in Diplom XXXII unter 103 n. Chr. im 
plom XXXII unter 103 erscheint, und so bleibt 50 britannischen Heere erscheint. Freilich miisste- 

einzig die U Delmatarum iibrig. Von dieser bis sie dann spater wieder nach Germanien zuruck- 

in die spate Kaiserzeit in Britannien verbliebenen verlegt. worden sein, denn 134 n. Chr. finden wir 

Cohorte muss dann verschieden sein die wieder eine coh. IIII Delm. in dem obergerma- 

coJtors II miliaria Delmatarum, die im J. 170 nischen Diplom L erwahnt; gerade damals wiirde 

in Dalmatien gelegen hat und, wie die Inschrift aber die Verlegung einer Truppe von Britannien 

CIL III 8655 = 6374 beweist, damals zusammen an den Rhein sehr auffallig erscheinen. Auf die 

mit der I miliaria Delmatarum an den Mauern Cohorte wird endlich der praef. eohortis IHI Dal - 

und Turrnen von Salonae gebaut hat, matarum zu beziehen sein, den wir aus dem Cur- 

cohors III Delmatfinrm p. f hat zunachst in sus honorum CIL n_3583 kennen. Dagegen 
Germania inferior gestanden , wie die Inschrift 60 wird das Fragment eines africanischen Cursus 

eines Praefecten aus Koln, Korr. d. Westd. Ztschr. honorum, CIL VIII 4678 = 16 870, wo der Heraus- 

XV 129 , beweist , und im niedergermanischen geber den Namen einer coh. IV Delm. herstellen 

Heere wird sie sich auch den Ehrenbeinamen p. f. will, kaum eine solche angehen. 

erworben haben, wie bereits Ritterling, noch cohors IHI ' Delmataruot miliaria. Dass eine 

ohne Kenntnis der obigen Inschrift, vermutet hatte; solche neben der durch den Praefecten bezeugten 

von dort muss sie dann nach Germania superior quingenaria des Namens bestanden haben konnte, 

verlegt worden sein. wo sie zuerst in dem Diplom ware denkbar, da in dem Cursus honorum CIL 

XXI von 90 n. Chr. erscheint und noch 116 in HI 1474 ein trib. cofh.J HII De(l)ma(t)arum 



283 



Cohors 



Cohors 



284 



genannt ist. AUerdings konnte hier ja auch ein 
fruhes Beispiel der spateren Kangordnung vor- 
liegen, nach der alle Cohortencommandeure den 
Tribunentitel filhren , allein das Vorkommen je 
•einer coh. I. IT. Ill Delmatarum miliaria neben 
den betreffenden quingenariae lasst jene Annahme 
doch zum mindesten als erwagenswert ersfcheinen. 
eokors V Delmatarum ist aussehliesslich in 
-Germanien nachweisbar, wo sie Diplom XI im J. 74 



mil., Ill Delm. mil., IIII Delm. mil.), und auf 
eine von diesen wird man dann folgerichtig die 
Inschrift von Aquinum zu beziehen haben. Der 
Dichter Iuvenal kann immerhin darin gemeint 
sein, aber zu den bisher daraus gezogenen Schhissen 
auf sein Leben und specie!! auf seinen Aufenthalt 
in Britannien darf der Stein meiner Ansicht nach 
nicht mehr verwendet werden. 

cohors Domitiana s. coh. [IIII] Asturum, 



in der ungeteilten Provinz, Diplom XXI fur 90, 10 II Oivium Bomanorum p. f. 



XL fur 116 und L fur 134 in der Provincia su- 
perior nennen. Dazu stimmen die inschriftlichen 
Funde, Ziegel mit COH T DEL aus-BOckingen, 
OKL 56, 17. Arch. Anz. 1898, 20, und je ein Sol- 
datengrabstein aus Mainz, CIEh 1069, und Wies- 
baden, ebd. 1518; letztere beiden gehOren, wie schon 
■die dalmatische Heimat der Soldaten beweist, noch 
der Mhen Kaiserzeit an. Steimle bezieht auf 
■die Coborte auch noch den Stein eines prfaef.J 
•oder pr(aep.) aus Bockingen, ORL 56, 14. 

cohors VI Delmatarum (equitata) , bis jetzt 
nur durch den Mhen Grabstein eines Reiters, 
noch eines geborenen Dalmaters, aus Caesarea, 
CIL VIII 9377 , bekannt, der beweist, dass die 
Truppe im 1. Jhdt. in Mauretania Caesariensis 
gestanden hat. 

cohors VII Delmatarum war wie die VI Del- 
matarum eine equitata und hat wie sie im 1 . Jhdt. 
in Mauretanien in (Jamison gestanden. Die beiden 



[cohors I Dongonum] ist zwar nicht bezeugt, 
aber durch die Esistenz der eoh. II Dongonum 
erwiesen. 

eokors II Dongonum wird nur ein einziges- 
mal in Diplom XLIII genannt, wonach sie 124 
n. Chr. in Britannien gestanden hat. 

cohors I equitata wird in der Not. dign. Or. 
XXXIV 43 zu Calamona in Palaestina verzeich- 
net. Nach Analogie der coh. II equitum und 
20 der VI equestris durfen wir eine alte Truppe 
annehmen. Sie konnte flbrigens auch in der Pa- 
pyrusurkunde BGrU 447 = 26 gemeint sein, einer 
y.an? olxiav aitoyoayTJ vom J. 175 , worin die 
Preigelassene eines otq. ajtslotjs a' [mjmfxrjs] 
vorkommt. 

cohors II equitum. So heisst CIL III 600 
eine der — durchweg im Orient stehenden — Ab- 
teilungen, die zu einem combinierten Cavallerie- 
corps, wohl fur Traians Partherkrieg, Mannschaf- 



■Grrabsteine von Reitern , auf denen sie genannt 30 ten detachiert hatten. Dieselbe Truppe wird auch 



wird, CIL VIII 9384 und 21040 (= Eph. ep 
VII 516), stammen gleichfalls, wie der der VI 
Delmatarum, aus Caesarea; sie betreffen eben- 
falls geborene Dalmater und sind wohl mit jenem 
ungefahrgleichzeitig. Auf eine der beiden Cohorten 
ist vielleicht auch noch ein Inschriftfragment aus 
Caesarea, ebd. 21058, zu beziehen, wo . . . ATA- 
RVM in Anbetracht des Fundorts wohl sicher zu 
[coh. . Delmjatarum zu erganzen ist. 



in dem Cursus honorum aus Patavium, CIL V 
2841, gemeint sein, wo ein praef. coh. secundae 
equit(at)uni erscheint. 

[cohortes III. IIII. V equitatae bezw. equi- 
tum oder equestres] mussen notwendig als Voraus- 
setzung fur die Zahlung der coh. VI equestris 
angenommen werden und sind dann vielleicht auch 
wie die/. II und VI im Orient stationiert gewesen. 

cohors VI equestris. Plinius empfiehlt ep. ad 



cohors Delmatarum. Eine solche wird ohne40Trai. 106 von Bithynien aus dem Traian den 



Ziffer in der Weihung an Ceres aus Aquinum, 
CIL X 5382 , genannt , die von einem . . nius 
Iuvenalis trib. coh. Delmatarum, nach der herr- 
schenden Ansicht von dem Dichter Iuvenal, gesetzt 
ist. Mommsen u. a. erganzen. da die Nummer 
nicht fehlen diirfe, vor Delmatarum die Ziffer I, weil 
die coh. I Delmatarum, in der Iuvenal aus eigener 
Anschauung bekannten Provinz Britannien ge- 
standen habe. Aber ganz abgesehen davon, das. 



nach dem Beispiel nicht weniger Inschriften (ein 50 legen hat 



P. Accius Aquila centurio cohortis sextae equestris, 
der eine Bittschrift an den Kaiser richtet, und 
Traians Antwortschreiben 107 enthalt dann die 
Bewilligung dieses Gesuchs. Da sich nun mit 
einer solchen Bitte an den Statt.halter einer Pro- 
vinz doch nur ein Soldat einer in eben dieser 
Provinz stehenden Truppe wenden kann , darf 
wohl geschlossen werden, dass die Cohorte zu 
Beginn des 2. Jhdts. in Bithynia-Pontus ge- 



besonders eclatantes, CIL XI 6009, verglichen 
mit Diplom II, siehe unter coh. II Hisp. sent. 
Cyr.) die Zahl durchaus nicht unbedingt bei- 
geffigt gewesen sein muss, wiirde die Erganzung 
von 7" doch schon deshalb sehr unsicher sein, weil 
in Britannien nicht nur jene I Delmatarum ge- 
standen hat, sondern auch noch die coh. iZ und IIII 
Delmatarum und diese dann mit ebenso grossem 
Recht in Betracht kamen. Allein ein anderes 
Bedenken spricht, wie mir scheint, uberhaupt60 
gegen eine Beziehung auf eine der britannischen 
coh. Delmatarum, das ist der Rang des Officiers 
als tribunus, der auf eine eohors miliaria 
deutet. wahrend die genannten Truppen (s. d.j 
von Praefecten befehligt worden sind. Dagegen 
kennen wir in anderen Provinzen thatsachlich ver- 
schiedene coh. Delmatarum miliarias, die unter 
Tribunen standen (s. eoh. I Delm. mil, II Delm. 



editors Aelia expedita. Ein Tribun dieser 
ihrem Namen nach von Hadrian formierten Co- 
horte begegnet uns in einem dem 3. Jhdt. ange- 
horenden Cursus honorum , CIL VHI 9358 , aus 
dem mauretanischen Caesarea. Vielleicht ist die- 
selbe Truppe auf einem unvollstandig erhaltenen 
Stein aus Safar in Mauretanien (Bull. trim. VIII 
p. 92 = IX p. 275) gemeint, wo COH- EXP 
steht. 

cohors Felix s. coh. I Ascalonitatwmm. 

[cohors VUI Fida]. Zu Talalati in Africa 
ist kiirzlich eine Inscbrift vom J. 295 gefunden 
worden, Compt. rend. 1894, 472 — Cagnat L'ann. 
epigr. 1895, 17, in der es heisst eastra eoh. VIII 
Fidae opportuno loco a solo instituit operanti- 
bus fortissimis militibus suis ex limite Tripo- 
litano. Eine Cohorte der legio III Augusta, an 
die C agnat (a. a. O. im Index) zu denken scheint, 



285 



Cohors 



Cohors 



286 



ist scbwerlich darin zu erkennen; vielleicht ist es 
eine von Diocletian neu formierte Abteilung. 

cohors Fida s. coh. I Vardullorum. 

eohors I Flavia equitata wird so ausdriick- 
lich bezeichnet sowohl in dem stadtromischen Cur- 
sus honorum des L. Doraitius Rogatus, CIL VI 
1607, der sie unter Hadrian befehligt hatte, als 
auch auf zwei africanischen Inschriften. Die eine 
von letzteren, CDL VIII 2844 aus Lambaesis, der 
Grabstein einer Prau, unter deren Sohnen sich ein 10 
~eoh. IFl. eq. nennt, ist fur die Garnison der Truppe 
belanglos. Der andere dagegen, ebd. 4527, der 
Grabstein eines imaginifer von ihr aus Zarai in 
Numidien, durfte wohl beweisen, dass die Cohorte 
zeitweilig dort in Garnison gelegen hat. Sie wird 
dann an Stelle der coh. VI Commagenorum 
(s, 4.) dorthin gekommen sein, und vielleicht be- 
ziehen sich auf ihre eigene Wegverlegung von 
Zarai die Worte in der dortigen Lex portus vom 
J. 202, ebd. 4508, die post discessum cohortis 20 
instituta war. 

cohors I Flavia {equitata CIRh 645). Eine 
coh. I Flavia hat auch in Niedergennanien ge- 
standen, denn wir besitzen von dort zahlreiche 
Ziegel einer solchen mit dem Stempel COH I FLA 
(im Leidener und Utrechter Museum, vgl. CIRh 
60 d). Diese ist dann zweifellos auch gemeint auf 
einer im J. 250 von einem sacerdos Dolicheni den 
equitibus eohortis I F. gesetzten Inschrift aus 
Remagen, ebd. 645. Danach muss also auch sie 30 
equitata gewesen sein, und dann liegt die Ver- 
mutung nahe, dass diese in alterer Zeit in Ger- 
manien nicht nachweisbare coh. I Flavia equitata 
von der africanischen gleichen Namens nicht ver- 
schieden ist. Diese konnte etwa gegen Ende des 
2. Jhdts. von Africa nach dem Rhein verlegt 
worden sein , und es kflnnte sich eventuell sogar 
darauf jener diseessus cohortis von Zarai beziehen. 

colwrs I Flavia c. R. (equitata CIL III 600). 
Neben der (bezw. den beiden) im Westen des 40 
Reichs stehenden coh. 1 Flac. equ. hat eine weitere 
solche, die sich von jener schon durch ihren Bei- 
namen c. R. unterscheidet , offenbar die ganze 
Kaiserzeit hindurch im Orient gestanden. Zu- 
nachst finden wir CIL III 600 in dem Verzeichnis 
der orientalischen Truppen, aus deren Reitern sich 
das Cavalleriedetachement des Valerius Lollianus 
in Traians Partherkrieg zusammensetzte, eine coh. 
IFLOR. Mommsens Erklarung Fl(av.) c. R. ist 
glanzend bestatigt worden durch das neugefun- 50 
dene Diplom von Syria Palaestina, Cagnat L'ann. 
epigr. 1897, 106, das im J. 139 thatsachlich 
unter den Auxilien dieser Provinz die coh. I Flavia 
c. R. auffnhrt. Endlich nennt auch noch die Not. 
dign. Or. XXXIV 45 als Besatzung von Molmtlia 
in Palaestina eine coh. I Flavia, worn it gewiss 
die obige gemeint ist. Diese orientalische Cohorte 
und nicht die africanische bezw. germanische 
mOcbte ich in einer griechischen Inschrift aus 
Alexandria wiedererkennen, einer Weihung an Isis 60 
vom 26. August 158 (Neroutsos 'Emyq. rfjg 
^A).^., Athen 1875 nr. 36), wo ein Agypter als 
gewesener cxagxos ajieiQtjs a' <&kaovLag erscheint. 

cohors Flatia : s. auch coh. Ill Afrontm, 
II Bessorum, I Brittonum, II Brittonu?n, I Ca- 
nathenorum miliaria, I Chaleidenorum sagitta- 
riorum, I Oilicum, I Commagenorum, II Com- 
magwwriim , I Damascenorum , I Hispanorum 



miliaria, I Hispanorum, I Ulpia Hispanorum 
miliaria e. R., I Mustdamiorum, I Numidarum, 
II Numidarum. 

cohors Flaviana. Wie es sich mit dieser 
Truppe verhalt, die nur aus vier zu Ehren ein- 
unddesselben Mannes gesetzten Inschriften von 
Ilium (CIG 3615. 3616. 3617 [vgl. 3618]. Le- 
bas-Waddington III 1040) bekannt ist, lasst 
sich nicht sagen. 

cohors I Frisiavonum ist zum mindesten seit 
Traian bis in die spateste Zeit, und zwar an- 
scheinend ununterbrochen, in Britannien gewesen. 
Dort stand sie nach Diplom XXXTV im J. 105, 
nach Diplom XLIII im J. 124 und noch zur Zeit 
der Notitia dignitatum (Occ. XL 36). Die weni- 
gen sicheren Inschriften der Cohorte, vier Cen- 
turiensteine, CIL VII 178. 213. 214 (ob auch 
215?) und Ephem. epigr. IV 674, stammen aus 
Manchester und dessen nachster Umgebung, sodass 
die Truppe wohl in jener Gegend zeitweilig ge- 
legen haben wird. Als ihre spatere Garnison giebt 
die Not. dign. Vindobala am Hadrianswall an; 
es ware mOglich, dass auch die beiden dort 
gefundenen Weihungen von Praefecten ungenann- 
ter Truppen, CIL VII 541 und 542, sich auf die 
1 Frisiavonum beziehen, wenigstens ist eine 
andere Cohorte dort bis jetzt noch nicht nachge- 
wiesen. Ob die Ziegel aus Caersws in Wales, 
ebd. 1243 a, mit C I F a\s c(oh.) I FfrisiovonumJ 
gelesen werden durfen, ist nicht zu entscheiden. 

cohors I [Aelia] Gaesa[torum] miliaria. Das 
auf Dacien beziigliche, aus der Zeit zwischen 145 
und 161 stammende Diplom LXX (vgl. CIL III 
Suppl. p. 1990) nennt unter den Cohorten , die 
die Nummer I fuhren, eine eoh. . . Oaesa[torum] 
miliaria. Auf diese Cohorte mochte ich nun die 
bisher als coh. prima Gall, gelesenen Ziegel mit 
CI GST, CIL III Suppl. 8074, 26 aus dem romi- 
schen Castell von Sebesvaralja beziehen und sie 
als e(oh.) pfrim.) G(ae)s(a)t auflOsen. Aus dem- 
selben Castell besitzen wir aber noch andere Ziegel 
mit dem retrograden Stempel Q3AIH0 (also 
CHIAEG), ebd. 8074, 16; man hielt das friiher fur 
coh. I Aegfyptiorum), wahrend v. Domaszewski 
coh. I Aeflia) G(allorum) vermutete. Allein es 
scheint mir unzweifelhaft , dass dainit dieselbe 
Truppe gemeint ist, die im Castell schon bezeugt 
ist und dass man also c(o)h. I Ae(lia) Gfaesato- 
rum) aufzulOsen hat. Genau so ist der Sachver- 
halt bei dem Inschriftfragment aus Sebesvaralja, 
CIL III Suppl. 7648, wo von einer coh..AcirAl 
die Rede ist und ich gleichfalls [I] AEL • GAEsat. 
lese. Vgl. flbrigens auch coh. 1 Ael. Sagitt. miliaria. 

cohors Gaetulorum. Eine solche ohne Nummer 
wird zunachtit auf einem pompeianischen Cursus 
honorum, CIL X 797, aus der Zeit des Claudius 
genannt. Dann haben wir den Grabstein eines 
lhrer Leute (coh. Gaet ....), CIL V 7895, aus 
Cemenelum in den Seealpen, wo sie also zeitweilig 
in Garnison gelegen haben muss und zwar, da 
der Mann noch geborener Africaner ist, nicht spater 
als im 1. Jhdt. n. Chr. Auch eine andere Sol- 
dateninschrift aus Cemenelum, ebd. 7898, deren 
sicher verderbte Abschrift m]il. CCXLTVL bietet, 
wird einfach zujnil. C(oh.) GAETVL zu ver- 
bessern sein, ebenso ist vielleicht ebd. 7820 (aus 
dem nahen Tropaea Augusti) mi[L] cohortis 
[G]ae[t.] zu lesen. 



287 



Cohors 



Cohors 



288 



cohors I Gaetulorum. Neben der vorigen, 
stets ohne Nummer genannten cohors Gaetulo- 
rwm finden wir eine eoh. I Gaetulorum , die 
iibrigens von jener nicht notwendig verschieden 
zu sein braucht. Sie erscheint zweimal im Curstis 
honorum (CIL VIII 7039 und CIG 3497) und ist 
wohl dieselbe, die die Not. dign. Or. XXXV 32 
zu Thilla(z)amana in Osrhoene auffuhrt. 

cohors I Ulpia Oalatarum wird mit ihrem 
Kaiserbeinamen zwar nur auf der griecbischen Li-10 
schrift eines Praefecten aus KMnasien (CIG 39531, 
wohl identisch mit Pap. of the Amer. school II 
nr. 33) genannt, ist aber gewiss auch mit der 
cok. I Oalatarum gemeint, die das neu gefundene 
Diplom (Cagnat L'ann. epigr. 1897, 106) im 
J. 139 in Syria Palaestina verzeicb.net. Wenigstens 
heisst in diesem auch die coh. II Ulpia Oalatarum 
zwar im Subscript so, im Texte aber nur coh. II 
Oalatarum. 

cohors II Ulpia Oalatarum erscheint neben 20 
der I Oalatarum im Diplom von 139 (s. o.) und 
stand danaeh damals in Syria Palaestina. Das bei 
Nazareth gefundene Diplom ist einem Soldaten 
der Truppe, der aus Nicaea geburtig ist, erteilt 
und nennt infolgedessen auch noch den betreffen- 
den Praefecten. Noch in der Not. dign. or. XXXIV 
44 finden wir sie in Palaestina mit der Garnison 
Arieldela (d. h. Irindela) vermerkt. 

cohors III Oalatarum hat nach den coh. /und 
II Ulpia Oalatarum zu schliessen, vielleicht auch 30 
den Beinamen Ulpia getragen. Sie wird nur in 
der Not. dign. Or. XXVLU 35 und zwar als Be- 
satzungstruppe von Agypten mit der Garnison- 
angabe Cefro genannt, ist aber sicher eine alte 
Truppe. 

cohors GaUaecorum: s. coh. Callaecorum. 

cohors I Gallica c. R. equitata lasst sich 
durch Combinieren mehrerer Inschriften erschlies- 
sen. Zuniichst lesen wir in einem Cursus honorum 
aus Sagunt, CIL II 3851 . . . cohort. I GalHeae 40 
[cjivium Romanorum . . . Diesen Namen mOchte 
ich dann auch in der Inschrift eines Cornelianus, 
ebd. 291 3, aus der Gegend von Tarraco, einsetzen, der 
praefectus C. P. G. E. C. R. heisst. Hiibner liest 
dies zwar als c(oh.) p(rim.) G (allaecorum) e(qui- 
tatae) c(ivium) R(o>nanorumJ; aber da eine solche 
Truppe nicht bekannt ist, dtirfte es wohl naher 
liegen, nach obigem Stein c(oh.) p(rim.) G/alli- 
cae) efquitataej c(ivium) R(omanorum) aufzu- 
tosen. Die Truppe wilrde dann in Hispania Tarra- 50 
conensis gestanden haben und ist dann gewiss 
dieselbe cohors prima Gallica, die die Not. dign. 
Occ. XLII 32 zu Veleia in der Provincia Tarraco- 
nensis verzeichnet und die in dem Lyoner Cur- 
>us honorum (CIL XIII 1807 = Boissieu Inscr. 
d. Lyon p. 241) des Timesitheus (praef. coh. I 
Gallic, in Ilispan.) erscheint. Die obige Com- 
bination findet eine voile Bestatigung durch die 
>oeben von Hflbner Ephem. epigr. VIII p. 398 
verSffentlichte Weihinschrift der mil(ites) c(ojh. 760 
GaUicae eq. c. R. aus Villa Pouca d'Aguiar, wo- 
nach die Cohorte zeitweilig an diesem Platze ge- 
standen haben muss. 

cohors II O allien. In der Not dign. Occ. 
XLII 28 steht in einer Berne von lauter alten 
Truppen unter Callaecia verzeichnet: tribunus eo- 
hortis secundae Gallicae ad cohortem Gallicam. 
Sowohl der Name selbst als auch die Bezeichnung 



des Standorts nach dem Cohortennamen lassen auf 
eine alte, seit langer Zeit an dem betreffenden 
Platze liegende Truppe schliessen. 

cohortes I Oallorum. Es muss, da nicht weniger 
als je drei verschiedene cohortes 77 und IIII Oallo- 
rum gleichzeitig neben einander bestanden haben, 
auchmehreie, mindestens drei cohortes I Oallorum 
gegeben haben, doch ist, da gerade von ihnen 
nur sehr wenige Inschriften erhalten sind, eine- 
Scheidung hier besonders schwierig. Eine 

cohors I Oal(lorum) wiirde im 1. Jhdt. in 
Aquitanien anzunehmen sein, wenn der Grabstein 
eines 1 K. I Gal. aus der Gegend von Aulnay 
de Saintonge, Bull. com. 1888, 417 = Espe- 
randieu Epigr. rom. du Poit. et de la Saint, 
nr. 76, den allerdings Hirschfeld CIL XIII 
119* fur verdachtig halt, echt sein sollte. 

cohors [I] Oallorum Dacica hat nach Diplom 
LXVI im J. 157 in Dacia superior gestanden; die 
Zahl ist im Diplom zwar ausgefallen, aber mit 
Bestimmtheit zu erganzen. Die Cohorte will sich 
durch ihren Beinamen von den anderen coh. I 
Oallorum unterscheiden , kann dabei aber sehr 
wohl z. B. mit der vorigen identisch sein. 

cohors I Qai(lorum . . miliaria?) scheint 
auf der nur hsl. erhaltenen Inschrift aus Nyon 
(Mommsen Inscr. Helv. 116 = CIL Xffl 5007) 
genannt zu sein, die ein Vater zu Ehren seines 
Sohnes, eines trib. mil. coh. I GALIIflBSP (oder 
OP) setzt. Mommsens Erklarung I Gall. I 
Hisp. vermag ich nicht anzunehmen, aber auch 
selbst keine befriedigende zu geben. Vielleicht 
konnte entweder ein Beiname darin stecken, der, 
wie oben bei der I Oallorum Dacica , die Garni- 
sonprovinz der Truppe nennt, oder aber der Name 
gab, wie mehrfach bei anderen Cohorten, zwei 
Volksstamme an, etwa I Oallorum et Hispano- 
rum oder I Oallorum et Bosporanorum, ahnlich 
wie wir z. B. eine ala Gallorum et Bospora- 
norum (s. Bd. I S, 1245) kennen. 

[cohors I Aelia Gallorum] wollte v. Doma- 
szewski aus den dacischen Ziegeln mit Q3A1HJ 
(CIL III 1633, 7 vgl. Suppl. 8074, 16) erschliessen, 
allein diese beziehen sich wohl eher auf eine coh. 

I Aelia Gaesatorum (s. d.). 

Ein praef. cohort. I Gallor, im Cursus honorum 
aus Bologna, CIL XI 709, kann einer bestimmten 
Cohorte des Namens nicht zugewiesen werden. 

cohors II Gallorum nennen drei Diplome 
(XXXI. XXXm. XXXVIII) in den J. 99. 105 
und c. 112 in Moesia inferior; sie hat also wah- 
rend Traians ganzer Regierung in dieser Provinz 
gelegen und kann dieselbe hochstens behufs Teil- 
nahme an den dacischen Kriegen zeitweilig verlassen 
haben. Aber auch schon geraume Zeit vor Traian 
muss sie sich dort befunden haben, denn das aus 
dem J. 99 stammende, zu Oltina in der Provinz 
gefundene Diplom XXXI ist einem ihrer Soldaten 
erteilt, der bereits aus Moesia inferior geburtig 
uud also daselbst in die Truppe eingetreten war. 
Als Praefecten nennt das Diplom fiir 99 den Visu- 
lanius Crescens. Sicher von dieser Cohorte ver- 
schieden ist die zu derselben Zeit in den Naeh- 
barprovinzen vorkommendp 

cohors II Gallorum Mace'lonica equitata (CIL 

II 3230), die ihrem Beinamen nach zu schliessen 
urspriinglich in Macedonian gestanden hatte. Sie 
hat 93 n. Chr. in Moesia superior gelegen (s. das 



289 



Cohors 



Cohors 



290 



neue Diplom aus Bulgarien, Jahresh. d. ost. arch. 
Inst. 1 170f.) und dann offenbar Traians dacische 
Kriege mitgemacht, denn im J. 110 finden wir 
sie in dem fiir die Occupationstruppen der neuen 
Provinz ausgestellten Diplom XXXVII genannt. 
Dass sie aber auch spiiter noch in Dacien ver- 
blieben ist, gent aus dem Cursus honorum des 
P. Licinius Maximus, CIL II 3230, her vor, der 
praef. cokortis II Gallorum equitatae in Dacia 
heisst. Ein anderer Praefect T. Varius Clemens 
wird in mehreren Inschriften aus Celeia, CIL 
IH 5211. 5212. 5214. 5215, und in einer aus 
Trier, Bonn. Jahrb. 50/51, 218, erwahnt. 

cohors II Gallorum. Keinesfalls darf mit 
einer der beiden vorigen coh. H Gallorum die 
gleichnamige Abteilung identificiert werden, die 
107 n. Chr. in Diplom XXXVI unter den Auxi- 
lien von Mauretania Caesariensis erscheint. Denn 
dass von der Donaugrenze, die im Laufe der 
Kaiserzeit militarisch immer mehr verstarkt wurde, 
gerade in der kritischen Zeit der Dakerkriege, 
an denen eben die moesischen Truppen in erster 
Linie beteiligt waren, eine Cohorte nach dem 
damals vollstandig paciflcierten Mauretanien ge- 
schickt sein sollte, ist unbedingt ausgeschlossen. 
Endlich finden wir eine 

cohors II Gallorum equitata (CIL VII 317. 
XI 1303) in'Britannien. Sie wird in dieser Pro- 
vinz unter 146 n. Chr. in Diplom LVII aufge- 
fiihrt und hat nach Ausweis ihrer Inschriften 
zu Plumptonwall in Garnison gelegen. Dorther 
Ktammen eine Weihung von ihr und ihrem Praer 
fecten, CIL VII 317, und eine Bauinschrift ebd. 
324, aber auch auf mehreren anderen dortigen 
Steinen ist ihr Name mit Sicherheit wiederherzu- 
stellen, so auf deT Bauinschrift ebd. 316 (. . oh. 
II . .) und der Weihung 315 (coh. . . Gallo.), durch 
die dann erwiesen wird , dass die Truppe sich noch 
unter Philippus, also um die Mitte des 3. Jhdts., 
in Britannien befunden hat. Zwei weitere Soldaten- 
steine aus Plumptonwall, eine Weihung eines 
actor praefecti und den Grabstein der Tochter 
eines imaainifer, wird man, so lange andere Co- 
horten auf jener Militiirstation nicht nachgewiesen 
werden konnen , wohl gleichfalls auf obige be- 
ziehen durfen. Sicher diese britannische Abtei- 
lung hat L. Naevius Verus Eoscianus befehligt, 
der bei Placentia den Stein CIL XI 1303 weiht 
mit den Worten praef. coh. II Gall. eq. votum 
ex Britannia reilulit. Eine der moesischen Co- 
horten kann man in der britannischen II Gal- 
lorum keinesfalls wiedererkennen, dagegen ware es 
meglich, dass sic mit der maurctanischen identisch 
ist und etwa Hadrian sie nach den schweren 
Verlusten in Britannien dorthin verlegt hat. 

Nicht zu entscheiden ist, auf welche der drei 
bczw. vier obigen Cohorten die Praefecten zu be- 
ziehen sind, die als Commandeure einer cok. II 
Gallorum in den Cursus honorum CIL XI 4084. 
X 270* (interpoliert, doch sind die Truppennamen 
ganz unverdachtig, vgl. coh. II Bosporanorum) 
und auf dem Grabstein einer Frau aus Capua, CIL 

X 3889, genannt werden. 

cohors III Gallorum hat urspriinglich zuiu 
germanischen Heere gehflrt, in dem sie in Diplom 

XI unter dem J. 74 n. Chr. erscheint. Nach 74 
(wegen der germanischen Heimat des im J. 105 
entlassenen Soldaten von Diplom XXXIII viel- 

Fauly-Wissowa IV 



leicht sogar erst nach 79), aber vor 82 ist sie zu- 
sammen mit der coh. VHispanorum und der ala 
Claudia nova (s. Bd. I S. 1238) nach Moesien ab- 
commandiert worden, und als abcommandiert wird 
sie daher in dem germanischen Diplom XIV vom 
J. 82 aufgefuhrt. Allein aus der zeitweiligen 
Detachierung wurde, anscheinend noch unter Do- 
mitian, ein vollstandiger Ubertritt zur niedermoe- 
sischen Armee, denn in dieser nennen die Cohorte 

10 dann die Diplome XXX. XXXIII und XXXVIH in 
den J. 99. 105 und c. 112. Endlich wird Hadrian 
sie dann uber die Donau nach Dacia inferior vor- 
geschoben haben, wo sie nach Diplom XL VI im 
J. 129 n. Chr. stand. In keinem von all diesen 
Landern sind Inschriften der Truppe erhalten, 
nur ein Praefect erscheint im Cursus honorum 
CIL II 1180. Denn da der betreffende Offlcier 
in unmittelbarem Anschluss an die praefeetura 
noch zwei weitere Commandos in Dacia inferior 

20gefuhrt hat, ist hier gewiss die unterdacische 
Truppe gemeint. Einen Praefecten nennt ausser- 
dem noch das fiir einen Soldaten der Cohorte aus- 
gestellte Diplom XXXHI. 

cohors III Gallorum. Dass neben der vorigen 
noch andere cohortes III Gallorum bestanden 
haben, ist wegen der sicher erwiesenen Existenz vou 
mindestens je drei cohortes 77" und 7777" Gallorum 
unbedingt vorauszusetzen. Die eine von ihnen 
diirfte in Spanien gestanden haben. Wenigstens be- 

30 sitzen wir aus Italica iii der Baetica einen dem 
1 . Jhdt. angehSrenden Grabstein eines activen Sol- 
daten . . . cohor]tis III Gallorum, CIL II 1127. 
Ob auf der nur hsl. iiberlieferten Weihinschrift aus 
Viseu in Lusitanien, CIL II 403, die von einem 
m]il. imayinife/r clior. Ill . al . gesetzt ist, mit 
Hiibner [G]al[lorumJ zu erganzen ist oder nicht 
eher [CJalflaecorum], lasst sich nicht entschei- 
den. Auf eine eoh. Ill Gallorum ktfnnto sich 
endlich noch ein Inschriftfragment aus Ostia Not. 

40 d. scav. 1897, 528 beziehen, auf dem wir [co]h. 
Ill Gfallorum?] lesen. 

cohors IIII Gallorum. Eine Cohorte dieses 
Namens hat zum mindesten seit Traian bis hinab 
in die spate Kaiserzeit zum Heere von Moesia 
inferior gehort. Unter diesem verzeichnet sie 
Diplnm XXXTTT im J. 105 und zahlt sie noch 
die Not. dign. Or. XL 46 auf, die als ihre Gar- 
nison Ulucitra angiebt. 

cohors IIII Gallorum. Von der vorigen ist 

50 unbedingt zu scheiden die eoh. IIII Gallorum, 
die sowohl 107 wie 166 n. Chr. in den raetischen 
Diplomen XXXV und LXXIII (vielleicht auch in 
LXXIX) erscheint und die im Cursus honorum 
eines Praefecten aus Caesarea, CIL VIII 9374, 
ausdriicklich als coh. IIII Gallor. in Raetia be- 
zeichnet wird. Denn dass etwa die moesische 
Cohorte zwischen 105 und 107, gerade wahrend 
des zweiten dacischen Krieges, von dem Kriegs- 
schauplatze weg nach dem friedlichen Eaetien 

60 verlegt worden sein sollte, ist ganz ausgeschlossen. 
cohors IIII Gallorum equitata (CLL VII 877. 
1001). Eine dritte eoh. IIII Gallorum hat in Bri- 
tannien gestanden; von der moesischen ist sie 
verschieden, weil die Not. dign. Occ. XL 41 sie neben 
jener auffuhrt, und von der raetischen, weil sie ge- 
rade zu der Zeit, wo diese in Eaetien war, selbst in 
Britannien nachzuweisen ist. Sie begegnet uns in 
der Provinz zuerst 146 n. Chr. in Diplom LVH und 

10 



291 



Cohors 



Cohors 



292 



ist dann in ihr bis zti der in der Notitia dignitatum 
behandelten spaten Zeit verblieben. Da sie in 
alien fruheren Diplomen der Provinz noch fehlt, 
ist sie wohl uberhaupt erst im 2. Jhdt. dorthin 
verlegt worden, etwa bei der Verstarkung der 
britannischen Besatzung unter Hadrian. Bine 
Vermutung iiber ihre friihere Garnisonprovinz ge- 
stattet jetzt eine soeben you Hiibner Ephem. 
epigr. VIII p. 408 verfiffentlichte Inschrift aus 
Spanien, der Gren zstein prat orum coh. IIII Gail., 
aus dem sich als sicher ergiebt, dass eine coh. 
UII Gallorum im 1. Jhdt. zu den Besatzungs- 
truppen von Hispania Tarraconensis gehort hat; 
diese ist dann spater dort nicht mehr nachweisbar 
und kann also sehr wohl im 2. Jhdt. nach Bri- 
tannien verlegt worden sein, genau in derselben 
Weise, wie die ihr in Spanien unmittelbar benach- 
barte (Ephem. epigr. a. a. 0.) ala Sabiniana (s. Bd. I 
S. 1259) spater gleichfalls im britannischen Heere 
erscheint. Nach Ausweis der Inschriften hat die 
Cohorte in Britannien nacheinander in einer 
ganzen Reihe von Garnisonen gelegen. Die fruheste 
nachweisbare dilrfte das Castell von Templebury 
in Yorkshire sein, wo Ziegel von ihr (G-IH! G), 
Ephem. epigr. IV 697, zu Tage getreten sind, 
Spater dilrfte sie an den Hadrianswall verlegt 
worden sein und, wie ich glaube, zunachst Pe- 
trianae als Station erhalten haben. Dorther 
haben wir zwei offlcielle Weihungen der Cohorte, 
OIL VII 877 und 878, wahrend bei anderendortigen 
Inschriften (z. B. ebd. 885. 887. 888. 889) nicht zn 
bestimmen ist, ob sie der coh. IIII Gallorum oder 
der gleichfalls dort liegenden coh. II Tungro- 
rum angehoren. Noch spater muss die Truppe 
nach Schottland vorgeschoben worden sein und 
dort zeitweilig in Habitancium gelegen haben, 
woher eine dem 3. Jhdt. angehorende Weihin- 
schrift von ihr, ebd. 1001, stammt. Zeitweilig wird 
sie auch die Station Castlehill am Piuswall besetzt 
gehalten haben, da dort eine Weihung eines ihrer 
Praefecten, ebd. 1129, gefunden ist. Als spa- 
teste ihrer britannischen Garnisonen werden wir 
Vindolana am Hadrianswall anzusehen haben, wo 
sie die Notitia dignitatum ansetzt, und wo that- 
sachlich die Weihungen zweier ihrer Praefecten, 
ebd. 703 und 704, gefunden sind ; auch die dortige 
Kaiserinschrift einer .... Gallor., ebd. 715, ist 
ihr wohl sicher zuzuweisen. 

Verschiedene Praefecten einer coh. IIII Gal- 
lorum, die in den Cursus honorum CIL IX 5357. 
X 4873 (coh. IUI Gall, equitat). IGI 2433 und 
vielleicht Cagnat L'ann. epigr. 1893, 54 vor- 
kommen, lassen sich auf keinen bestimmten unter 
den obigen drei TruppenkOrpern beziehen. 

cohors V Gallorum hat zunachst in Pannonien 
gestanden, wie die Diplome XVI und XVII fur 
84 und 85 n. Chr. bezeugen. Noch unter Do- 
mitian muss sie dann nach Moesia superior ver- 
legt worden sein, wo sie schon 93 in dem neuen 
Diplom, Jahresh. d. Ost. arch. Inst. I 170f., er- 
scheint; derm dass hier beidemal dieselbe Truppe 
zu erkennen ist, geht schon daraus hervor, dass 
die coh. V Gallm-um in samtlichen pannoni- 
schen Diplomen nach 85 fehlt. In Moesia su- 
perior iat die Cohorte anscheinend auch fernerhin 
verblieben, denn wir haben den Grabstein eines 
Veteranen von ihr aus Drobetae, Arch.-epigr. Mitt. 
XIX 213 = CIL III 14216 *, und Ziegel mit 



GOHVGI aus Szerb-Pozsezsena am linken ober- 
moesischen DonauufeT, Arch.-epigr. Mitt. XIV 111 
= CIL HI 12436; bei den Ziegeln aus Golu- 
batz dagegen mit COH V, CIL III 1702, mochte 
ich lieber an die cohors Ubiorum denken. 

cohors V Gallorum. Schwerlich ist mit der 
moesischen Cohorte dieses Namens diejenige iden- 
tisch, die wahrend der spateren Kaiserzeit in 
Britannien nachweisbar ist und dort in South 
10 Shields am Ostlichen Ende des Hadrianswalles 
gelegen hat. Letzteres ergiebt sich vor allem 
aus der an diesem Platze gefundenen Bauinschrift 
des Alexander Severus (C agnat L'ann. e'pigr. 1893, 
97), der aquam usibus mil. coh. V Gallo. induxit, 
dann aber auch aus zahlreichen Ziegeln, Ephem. 
epigr. HI 122. IV p. 207. VII 1003. Bonn. Jahrb. 
64, 81. Zeitweilig war die Truppe auch nach 
Schottland vorgeschoben, da wir eine offlcielle 
Weihung von ihr, CIL VII 1083, aus Cramond 
20 besitzen. Wenn man den Ziegel aus Kohi, Bonn. 
Jahrb. 82, 20, mit dem Stempel CVG als c(oh.) 
V Gfallorum) lesen durfte, wurde die Cohorte, 
bevor sie nach Britannien kam, in Germania in- 
ferior gestanden haben. 

Als Praefect einer coh. V Gall, equitfataj, doch 
ungewiss welcher der beiden obigen, wird C. Mi- 
nicius Italus im Cursus honorum CIL V 875 und 
Cagnat L'ann. epigr. 1893, 91 genannt. 

cohors VI Gallorwm wird nur einmal im Cursus 
30 honorum des M. Macrinius Avitus Catonius Vindex, 
CIL VI 1449, erwahnt. 

cohors VII Gallorum hat wahrend der Regie- 
rung Traians in Moesia inferior gestanden. Dort 
nennt sie Diplom XXX fur 99 und Diplom XXXVIII 
c. 112 n. Chr., und von dort haben wir auch aus 
Tomi die Grabschrift eines ihrer Soldaten, CIL 
III Suppl. 7548, wahrend ein Praefect im Cursus 
honorum ebd. Ill 1193 erscheint. 

[cohortes VIII. IX. X Gallorum] fehlen noch. 
40 cohors XI Gallorum (equitala) muss zeit- 
weilig in Dalmatien gelegen haben, da zu Narona 
in dieser Provinz der Grabstein eines dfec.J eho. 
XI Gall, domo Patavi, CIL III 8439, gefunden 
worden ist. Die friiher vielfach angezweifelte Zahl 
ist ganz sicher. 

cohors Gemella: s. coh. II Thracum. 

cohors V Gemina c. R. ist erst durch das 
neue Diplom von Syria Palaestina, CagnatL'ann. 
e'pigr. 1897, 106, bekannt geworden, demzufolge 
50 sie 139 n. Chr. in dieser Provinz gelegen hat. 
Es wiire iibrigens nicht unmoglich, dass wir in 
ihr eine Voluntariercohorte zu erkennen hatten. 

cohors Gemina: s. auch coh. Daeorum, II Li- 
yuruni et Corsorum, I Sardorum ef Corsorum. 

cohors I Germanica. Auf einem dem 3. Jhdt. 
angehftrenden Grabstein aus Lugdunum, CIL XIII 
1892 = Allmer Rev. epigr. ll 220. erscheint 
unter verschiedenen Verwandten, die inn gemein- 
sara errichten, ein M. Valer. Silvanus 1 coh. I 
60 Germanicae [in] Ger. inf. Damit ist eine Co- 
horte dieses Namens als Bestandteil des nieder- 
germanischen Heeres in der spateren Kaiserzeit 
gesichert. Hirschfeld mfichte darin die ober- 
germanische coh. I Germanorum wiedererkennen ; 
unmOglich ist dies natiirlich nicht, all ein abge- 
sehen von der verschiedenen Namensform spricht 
dagegen doch wohl, dass jene gerade im 3. Jhdt. 
in Germania superior bezeugt ist, und die Fas- 



293 



Cohors 



Cohors 



294 



sung seheint durch den Zusatz in Ger. inf. sie 
eher eben von der obergermanischen J Germa- 
norum unterscheiden zu wollen. 

cohors I Nervana Germanorum miliaria 
equitala (CIL VII 937. 1063. 1066) ist anschei- 
nend unter Nerva errichtet und nach ihm be- 
nannt. Wir kennen sie nur aus britannischen 
Inschriften, deren verschiedene Fundorte einen 
mehrmaligen Garnisonwechsel innerhalb der Pro- 



ausserdem eine cohors quingenaria des Namens 
gegeben hat. Jene Cursus honorum sind CIL 
XI 5745 aus Sentinum, XIV 2960 aus Praeneste, 
ferner Arch.-epigr. Mitt. VIII 21 aus der Do- 
brudscha, wo mit . . . otisiq^s a Zepftavai/rJ 
als erstem Amt der ritterlichen Officierscarri&re 
nur das Commando einer cohors quingenaria ge- 
meint sein kann, und endlich das Fragment aus 
Brixia, CIL V 8884, wo ich praef. [coh. I] Ger- 



vinz vermuten lassen. So muss die Cohorte eine 10 ma[nor.J erganzen mfichte, 



Zeit lang zu Gabrosentum am Hadrianswall ge 
standen haben, von wo wir eine offlcielle Weih- 
inschrift von ihr, CIL VII 937 (ob auch 936?), 
besitzen. Spater wird sie nach Schottland vor- 
geschoben worden sein, wo Blatum Bulgium ihr 
Standort wurde. Wenigstens haben wir von dort 
zwei Weihinschriften der Truppe, ebd. 1063 und 
1066. Die weitere eines Tribunen, ebd. 953, ist 
zu Netherby nordlich vom Hadrianswall gefunden, 



cohors I Hamiorum sagiitariorum ist nur in 
Britannien nachweisbar. Dort wird sie in Diplom 
XLEH vom J. 124 aufgefiihrt, und dort sind 
mehrere Inschriften von ihr gefunden, aus denen 
sich Magnae am Hadrianswall als ihr Standort 
ergiebt. Die fruheste davon. ist die Weihung 
eines Praefecten fur L. Aelius Caesar aus den 
J. 136—138, CIL VII 748, and ere Weihungen 
von Praefecten sind ebd. 758. 773 und ein unbe- 



wahrend es bei dem Stein aus Magnae, ebd. 796, 20 stimmbares Fragment 774. Auch der Altar fur 



nicht ohne weiteres sicher ist, ob die Cohorte ge- 
meint ist. 

cohors Imiliaria Germanorum. Eine Cohorte 
dieses Namens haben wir neben der / Nervana 
Oermanorum miliaria im Orient anzunehmen. 
Sie wird als coh. miliaria Germanorum in der 
Not. dign. Or. XXXVHI 30 zu. Sisila in Armenia, 
d. h. im alten Cappadocien, aufgefiihrt; dass sie 
aber schon viel friiher in jenen Gegenden gestanden 



die dea Bammi(a) aus Magnae 750 und ebenso 
die metrische Inschrift ebendaher 759 werden mit 
Becht auf sie bezogen. Endlich wird der Stein 
eines Ft. Seeund. . . pref. unbekannten Fundorts 
im Museum von Newcastle, ebd. 502 c, gleichfalls 
aus Magnae stammen und der coh. I Hamiorum 
angehOren, denn der Offlcier ist offenbar derselbe, 
der auf 748 als ihr Praefect genannt ist, und ge- 
rade letztere Inschrift befindet sich ebenfalls im 



hat, darf meiner Ansicht naeh aus einem in der 30 Museum von Newcastle. Sonst haben wir noch 



Dobrudscha gefundenen griechischen Cursus hono 
rum des 3. Jhdts. (Arch.-epigr. Mitt. Vm 22) ge- 
folgert werden. Der betreffende Offlcier heisst 
TQifiovvos xwQirjg a rsofiav&v (also einer coh. mi- 
liaria) und unmittelbar im Anschluss daran $*/*)- 
odfievog ozQarimzixov ev Jiagard^ei 'AQfirjviaxfj otQa- 
no)T(ov sjiagxsia; Kazuiadoxcov. Danach kann also 
die britannische Cohorte kaum gemeint sein, zumal 
deren Beiname nicht gefehlt hatte. Aus letzterem 



aus Schottland zwei Inschriften von Praefecten 
der Cohorte vom Piuswall, die eine, ebd. 1110, 
ein Grabstein, die andere, Cagnat L'ann. e'pigr. 
1898, 152, eine Weihung an Silvan. Es kann 
darnach wohl nicht bezweifelt werden, dass die 
Truppe zeitweilig auch am Piuswalle gelegen hat. 
cohors II CHJamiorum. Auf dem Grabstein 
einer Frau aus der Gegend von Theueste in Nu- 
midien, CIL VIII 10654, wird deren Sohn Iulius 



Grunde wird man auch den im Cursus honorum CIL 40 Sccurus mil. eoh. II Amiorum genannt. Ein 



XIV 160 erscheinenden trib. coh. I Germanor, 
lieber auf die orientalische als auf die britanni- 
sche Cohorte beziehen. 

cohors I Germanorum c. R. nennen die Diplome 
XIV fiir 82 in Germanien , XL und L fiir 116 
und 134 in Germania superior; den Beinamen c. 
R. giebt nur Diplom XL. Alle directen Denk- 
maler der Cohorte stammen aus dem wurttem- 
bergischen Neckarkreis, wo zu Olnhausen die 



sicherer Schluss kann daraus fflr die Garnison 
der Cohorte nicht gefolgert werden, wenn es auch 
wahrscheinlich ist, dass sie eben in Numidien 
gelegen hat. 

cohors I Helvetiorum hat in Germania superior 
gestanden und dort nach Ausweis der Funde nach- 
einander zwei verschiedene Garnisonen gehabt. 
Zunachst wird sie im Castell BOckingen am Neckar 
gelegen haben, wo sie fiir das J. 148 durch die 



Weihinschrift eines Centurionen, CIRh 1616, ge- 50 Weihinschrifl an Fortuna eines sie als praepo 



funden ist, wahrend wir aus Jagsthausen, das im 
3. Jhdt. bestimmt Standquartier der Cohorte ge- 
wesen ist, mehrere Inschriften von ihr haben, so 
die Weihung eines Tribunen an die Fortuna Ba- 
linearis aus dem J. 248 (Korr. d. Westd. Ztschr. 
V 227, vgl. Westd. Ztschr. VI 76), ein Fragment 
aus der Kegierung des Alexander Severus, ebd. 
77, vgl. Korr. d Westd. Ztschr. VI 194, und eine 
gleichfalls in das 3. Jhdt. zu setzende Bauinschrift 



situs befehligenden Centurionen der legio VIII 
Augusta, CIRh 1583 = OEL 56, 13, bezeugt 
ist und von wo wir noch eine weitere undatierte 
Weihinschrift (CIRh 1586, vgl. Ihm Bonn. Jahrb. 
83, 131. ORL 56, 14) besitzen. Spater wird 
sie dann nach Osten vorgeschoben worden sein 
und von da ab zusammen mit einem numerus 
Brittonum die Besatzung des Limescastells 6h- 
ringen gebildet haben. Aus diesem stammen vor 



des balneum eoh. I Germ . . ., CIRh 1608, auf 60 allem zahlreiche Ziegel der Cohorte, teils diese 



der ein Tribun genannt wird. Das Vorkommen 
von Tribunen beweist in jener spaten Zeit natiir- 
lich noch nicht, dass die Cohorte eine miliaria 
gewesen ist, und es konnen sich daher immerhin 
mehrere altere Cursus honorum, in denen prae- 
fecti einer coh. I Germ. bezw. einer coh. German. 
erscheinen, auf sie beziehen, wenn auch freilich 
daneben noch die Moglichkeit besteht, dass es 



allein, teils mit ihr die Brittones nennend, CIRh 
1563 e. d und wohl auch 2002. ORL 42 und 
421 p. 20 und 23 (iiber andere angeblich in 
dem Nachbarcastell Jagsthausen gefundene Ziegel 
s. Nass. Ann. II 3, 264). Dann aber nennen dort 
die Cohorte auch noch zwei Inschriften, anschei- 
nend des 3. Jhdts., CIRh 1559 und 1560 = 
ORL 42/421 p. 27. 



295 



Cohors 



Cohors 



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eohors I miliaria Eemesenorum sagittario- e. B. erst nach 93 erworben worden ware, wiirde 

rum equitata (OIL III 3328 - 10303. 3331) e. sein Fehlen in dem Diploro dieses Jahres (s. o.) 

B. begegnet uns erst seit der Mitte des 2. Jhdts., nicM auffallen nnd eine Gleichsetzung beider 

dann aber sogleich hauflger und zwar ausschliess- Truppen als ganz unbedenklich erscheinen. Fur 

lich in Pannonia inferior. Yon den Diplomen dieser eine solche spricht mm alles, was wir Ton den 

Provinz nennen die Cohorte das einem Ihrer Sol- Schicksalen der I Flavia Ulpia Hispanorum 

daten, einem geborenen Syrer, erteilte LVIII zwi- wissen. Sie muss unter Traian dessen dacische 

schen 138 und 146 und XC zwischen 216 und 247 Kriege mitgemacht haben , da sie in Diplom 

(?). Samtliche neun Inschriften, die wir Ton ihr XXXVII Tom 17. Pebruar 110 unter den noch 
besitzen, sind zu Duna-Pentele an der Donau, dem 10 in der neuen Provinz stehenden Occupationstruppen 

alten Intereisa, gefunden, das damit als Garnison verzeichnet ist. Dasu stimmt der Meilenstein aus 

der Truppe, zum mindesten fur das 3. Jhdt., er- Ajton zwischen Potaissa und Napoca, CIL III 

wiesen ist. Es sind Weihungen teils der ganzen 1627, der im J. 109/110 gesetzt ist und sich auf 

Cohorte, so die im J. 240 zu Ehren des Kaisers den Bau der betreffenden Strasse per coh. I Fl. 

Gordian, CIL III 3331, teils der Veteranen, so Ulp. Hisp. mil. e. B. eq. bezieht. Noch unter 

ebd. 10304 zu Ehren des Alexander SeTerus, aber Pius ist dann die Cohorte in Diplom LXX (zwi- 

auch solche einzelner Soldaten, so 10306 eines bf. schen 145 und 161) unter den dacischen Auxilien 

cos. vom J. 213 n. Chr. pro salute des Caracalla aufgefuhrt. 

und Genio eoh. <X> Bern. Antoninianae, femer cohors I Flavia Hispanorum — als quin- 
3328= 10303 eines eques, 10307 eines mag. coh. 20 genaria Ton der vorigen Cohorte verschieden — 

An Grabsteinen sind in Intereisa gefunden solche gehOrte nach Diplom XXXVI im J. 107 zu den 

von Veteranen ebd. 3334 = 10316 und 10318, von Auxilien von Mauretania Caesariensis. Das einzige 

einem signifer 10315, und auch der Tribun, dessen sichere Denkmal von ihr aus dieser Provinz ist 

Frau zu Intereisa gestorben war, 10321, darf unbe- eine Inschrift aus Caesarea, CIL VIII 9360, die 

denklich der co/*. ITemeseraoritfH zugewiesen werden. zu Ehren eines Statthalters von Tib. Gl. Licinius 

Den Meilenstein ebendaher aus den J. 235/238 ex [p]raef. coh. I Fl. Hisp. gesetzt ist. Viel- 

einer eoh. <X> ■ ■ - • Maximiniana, ebd. 10636 = leicht darf aber auch auf dem Fragment aus dem 

3728, hat schon v. Domaszewski richtig auf unweit von Caesarea gelegenen Manliana, ebd. 

sie bezogen. Die auf den verschiedenen Inschrif- 9612, COH- I . . . VN . . HISP zu coh. I 
ten erhaltenen Namen der Soldaten beweisen klar, 30 [Fla]vi[ae] Hisp. erganzt und auf obige Cohorte 

dass die Cohorte sich auch im 3. Jhdt. noch aus ge- bezogen werden. Sicher ist diese gemeint in dem 

borenen Orientalen rekrutiert hat. Eiu Tribun stadtrOmischen €ursus honorum CIL VI 3506, 

von ihr wird in einem Cursus honorum aus Capua, wo wegen des praef. nur die mauretanische coh. 

CIL X 3847, genannt. Der Stein aus Burdigala I Fl. Hisp., nicht aber die miliaria dieses Namens 

CIL XIDI 595 darf kaum auf eine coh. Hemese- vcrstanden werden kann. Moglicherweise konnte 

riorum bezogen werden, vgl. Momresen Eph. auch der CIL VIII 853 = 12370 genannte friihere 

ep. V p. 194. Centurio einer coh. I Hisp., desseu Dienstzeit in 

cohors Hispana: s. coh. 11 Vasconum e. R. die Eegierung Hadrians fallt, ihr angehdren, da 

cohors I Aelia Hispanorum miliaria equitata er ausserdem noch in der mauretanischen coh. 
(CIL VII 954. 964. 965) ist nach ihrem Namen 40 IIU Sugambrorum gedient hatte. 

zu schliessen erst von Hadrian errichiet und that- cohors I Flavia Hispanorum equitata p. f. 

sachlich auch nicht vor dem Ende des 2. Jhdts. wird in einem Cursus honorum unbekannten Fund- 

nachweisbar. Die vier Inschriften, die sie nennen, orts (Bull. d. Inst. 1868, 60) genannt, aus dem 

stammen samtlich aus Britannien und zwar aus klar herrorgeht, dass sie eine quingenaria ge- 

Netherby nOrdlich Tom Hadrianswall und beweisen, wesen ist. Die Mogliehkeit, sie mit der vorigen 

dass die Cohorte dort bis m indt-stens auf Alexander zu ideutificieren , besteht zweifellos, wahrschein- 

Severus hinunter in Gamison gelegen hat. Es sind licher durfte es aber doch sein , dass hier eine 

die Weihung eines Tribunen, CIL VII 954, je eine von jener verschiedene, sonst unbekannte Truppen- 

Dedication fur die Kaiserin Iulia und fur ihren abteilung zu erkennen ist. 

Sohn Caracalla, ebd. 963 und 964, und endlich 50 [cohors I Hispanorum c. B.] hatte Momm- 

eine Bauinschrift vom J. 222, die sich auf die sen aus dem oberpannonischen Diplom LI vom 

Herstellung einer basilica equestris eocercitatoria J. 138 erscblossen, wo er I HIS . . . E auf eine 

bezieht, ebd. 965. Cohorte beziehen zu mussen glaubte. Allein in- 

cohors I Flavia Hispanorum miliaria equitata zwischen hatBormann Arch.-epigr. Mitt. XX 161 

erscheint 93 n. Chr. unter den Auxilien von Moesia gezeigt, dass darin der Name einer ala und zwar 

superior in dem neugefundenen Diplom dieser der bekannten oberpannonischen I Hispanorum 

Provinz, Jahresh. d. ost. arch. Inst. I 170f. Dann Artacorum (s. d. Bd. I S. 1229) enthalten ist. 

wird noch ein Tribun von ihr in einem Cursus Die Cohorte scheidet also aus der Reihe der Auxi- 

honorum aus Circeii, CIL X 6426, genannt, der lien aus. 

wegen der darin vorkommenden ala I Ulpia Sin- 60 cohors I Hispanorum p. f. begegnet uns aus- 

</idarium sicher der nachtraianischen Zeit ange- schliesslich in Dacien. Dort wird sie bereits 

hOrt. Trotz scheinbarer Namensverschiedenheit unter 110 n. Chr. in Diplom XXXVII aufgefuhrt, 

halte ich die Cohorte fur identisch mit der hatte also sicher schon an der Unterwerfung des 

cohors I Flavia Ulpia Hispanorum miliaria Landes mit teilgenommen. Aber auch mit der coh. I 

e. B. equitata, in der ohne weiteres eine ursprung- Hispan .... die in dem dacischen Diplom LXX 

liche coh. I Flavia Hispanorum zu erkennen ist, aus der Zeit des Pius erscheint, wird sie ge- 

die dann unter Traian noch den weiteren Beinamen meint sein, ebenso wie auf den Ziegeln mit G(oh.) 

Ulpia erhalten hat. Falls auch der Ehrenbeiname / HISP B (= quingenaria) TPf (p. f?) I Be, 



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Cohors 



Cohors 



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CIL LTI 6283 = Suppl. 8074, 18, die zu Magyar oben erwahnten Weihung von Uxellodunum 379 

Egregy im aussersten Nordwesten der Provinz bekannten M. Maenius Agrippa in seinem Cursus 

Dacien zu Tage getreten sind, denn die dacische honorum aus Camerinum, CIL XI 5632 = Orelli 

coh. I Flavia Ulpia Hispanorum miliaria ist 804, heisst : electo a dim Hadriano et misso in 

durch den ausdrucklichen Zusatz B ausgeschlossen, expeditionem Britannioam trzh. coh. I Hispan. 

der vielleicht gerade deshalb zugefugt ist, urn equit. Auffallig erscheint es, dass dieser Offi- 

die Truppe von jener anderen zu unterscheiden. cier und ebenso noch der CIL VII 374. 375. 376 

cohors I Hispanorum veterana (equitata, vgl. vorkommende C. CaballiusPriscusfr-itemheissen, 

Arch.-epigr. Mitt. XIV 14) war in den unteren wahrend die Cohorte sonst — abgesehen von dem 
Donauprovinzen stationiert und hat sich durch 10 als praepositus eoh. fungierenden Legionscentu- 

den Beinamen veterana ~wohl von einer jungeren, rionen CIL VII 371 — stets von Praefecten (ebd. 

vermutlich gleiehfalls in jenen Gegenden stehen- 373. 377. 378. 383. 384. 385. 398) befehligt wird. 

den eoh. I Hispanorum unterscheiden wollen. Bei Maenius, der bereits praef. coh. gewesen war 

Wir finden sie mit diesem Namen 99 n. Chr. in und der als hospes des Kaisers diesem persfinlich 

Diplom XXXI von Moesia inferior; bald darauf nahe stand, liesse sich allerdings, zumal wahrend 

muss sie — zweifellos anlasslich Traians daci- des Krieges, die Verleihung des hoheren Ranges 

schen Kriegen — fiber die Donau verlegt worden auch bei dem Commando einer cohors quingena- 

sein, wenigstens fehlt sie in alien niedermoesi- ria erkliiren. 

schen Diplomen der traianisehen Zeit, begegnet eohors I Hispanorum equitata. Von den samt- 
nns dafiir aber 129 n. Chr. in Diplom XL VI in 20 lichen bisher besprochenen cohortes I Hispanorum 

Dacia inferior. Ihr moehte ich dann das Silber- ist diejenige verschieden, die wir in den Jahren 83 

plattchen zuweisen, das in dieser Provinz im Ca- und 98 in Agypten finden; denn wahrend sich 

stell von Bivolari am Alt gefunden ist, Arch.- die Mehrzahl der anderen von ihr schon durch 

epigr. Mitt. XIV 14 und das einen eq. lib. char. I ihre Zunamen unterscheidet, sind die beiden ein- 

Hisp. nennt. Hier mit den Herausgebern an die zigen, die mit ihr im Namen I Hispanorum equi- 

britannische oder an die agyptische coh. I Hi- tata ubereinstimmen, die eine gerade 98 in Bri- 

spanorum zu denken, geht nicht an. Endlich. tannien, die andere 99 in Moesien, bezeugt, also 

halte ich es fur nicht unmOglich, dass die Ziegel mit ihr unmoglich identisch. Unter den agyp- 

mit dem Stempel COH- HIS ... aus dem-Castell tischen Auxilien fuhrt sie Diplom XV vom J. 83 
von Bereczk in der Haromszek, CIL III Suppl. 30 auf, das einem ihrer Centurionen erteilt ist und 

8074, 17, von ihr herruhren , da die betreffende den damaligen Praefecten M. Sabinius Fuscus 

Gegend noch zu Dacia inferior gehert zu haben nennt. Ihr Standort muss im aussersten Suden 

scheint; vgl. auch coh. I Hispanorum. der Provinz gewesen sein, da sie zu Syene mit 

cohors I Hispanorum equitata (CIL VII 373. den beiden dort liegenden coh. H Buraeorum 

377. 383. 384. 385. XI 5632) ist bis jetzt nur und I Thebaeorum gemeinsam 99 n. Chr. eine 

in Britannien nachzuweisen, wo sie die Diplome Inschrift zu Ehren Traians, CIL IH 14147 2 , setzte ; 

XXIX. XXXII. XXXIV. XLIII. LVII fur die Jahre als ihr Befehlshaber erscheint dabei der Praefect 

98. 103. 105. 124. 146 nennen und wo sie noch Ti. Claudius Africanus. Auf diese coh. I Hispa- 

die Not. dign. Occ. XL 49 zu Uxellodunum ver- norum werden nun mit Sicherheit die verschie- 
zeichnet. Diese Garnison hatte die Cohorte iibrigens 40 denen oberagyptischen Inschriften einer coh. Hi- 

bereits unter Hadrian innegehabt, und einen sehr s^ffiwomw ob.De Zifferangabe bezogen werden diirf en, 

langen Aufenthalt daselbstbeweist schon die grosse umsomehr als die Erwahnung von Keitern und 

Zahl ihrer Inschriften von dort. Wir besitzen aus turmae die betreffende Cohorte als equitata er- 

Uxellodunum ausser Ziegeln, CIL VII 1232, weist. Diese Inschriften, von denen die eine auf 

nicht weniger als funfzehn Weihungen an Iuppiter, das J. 84 datiert ist (CIG 5043 = Lepsius97, 

teils von der Cohorte mit ihren Commandeuren, 436; ebd. 5047 = Lepsius 97, 454; ebd. 5046 

teils von letzteren allein dargebracht. Es sind und Lepsius 97, 460) stammen samtlich aus dem 

dies CIL VTI 371—385, wobei freilich auf meh- alten Talmis, wo die Truppe also gestanden haben 

reren Steinen die Truppe selbst nicht genannt muss. Moglich ist es, dass auch von den sonstigen 
ist, aber durch die anderweit bezeugten Namen 50 ohne Angabe der Truppe zu Talmis vorkommenden 

der weihenden Ofnciere gesichert wird; so ist Soldaten einzelne der eoh. I Hispanorum ange- 

z. B. die Weihinschrift an Vulcan, ebd. 398, von hOrt haben. Im Norden von Agypten ist der 

demselben Praefecten gesetzt wie 378. Auch den Grabstein eines Soldaten , CIL III Suppl. 6590, 

Grabstein aus Uxellodunum, ebd. 406 = 919, aus Alexandria auf die Cohorte bezogen worden, 

dessen Relief einen romischen Reiter zeigt, wird auf dem allerdings die Ziffer erganzt ist. Dagegen 

man vielleicht auf die einzige dort nachweisbare wird ihr, wie ich glaube, eine Inschrift auf der 

eoh. equitata, eben die 7 Hispanorum, beziehen Memnonssaule, CIL HI 50, zugehOren, die bisher 

diirfen, ebenso wie das Fragment 402. Sonst auf eine coh. II oder III Hispanorum bezogen 

besitzen wir nur noch von einem einzigen Punkte wurde. Sielautet Sabinius Fuscus praef. eoh. 1I(?) 
der Provinz eine Inschrift der Cohorte, namlich 60 Hisp. eq. audi VH idus Mart, anno HI HI 

aus Ardoch in Schottland den Grabstein eines S(?) imp. Aug. h. H bis und wird von Momm- 

ihrer Leute, die nOrdlichste rOmische Inschrift, sen ins J. 195 gesetzt. Allein der Praefect ist 

die uberhaupt bis jetzt gefunden ist. Die Truppe eben derselbe Sabinius Fuscus , den das oben er- 

niag bei Gelegenheit eines Krieges so weit nach wahnte Diplom als Praefecten der eoh. I Hispa- 

Norden gekommen sein und der Mann dann dort norum equitata im J. 83 nennt. Das dritte Jahr 

den Tod gefunden haben. Sicher ist die Cohorte ist dann alio nicht das des Septimius Severus, 

an dem britannischen Kriege unter Hadrian be- sondern das Domitians, d. h. eben das J. 83, fur 

teiligt gewesen, da es von dem auch aus der das Sabinius Fuscus bereits in Agypten nachge- 



299 



Cohors 



Cohors 



300 



wiesen ist, Er hat die Memnonssaule offenbar 
auf der Hinreise zu seiner Cohorte, die ja gerade 
84 n. Chr. in Talmis bezeugt ist, am 9. Marz 83 
besucht und bald darauf das Commando ilber- 
nommen, das er am 9. Juni dieses Jahres im Di- 
plom bereits fuhrt. 

cohors I Hispanorum. Mehrfach werden auf 
Inschriften Cohorten dieses Namens erwahnt, ohne 
dass eine Beziehung auf eine der oben behandelten 
Truppen mSglich ware; so erscheinen Praefecten 
im Cursus honorum CIL V 7425 und III 6450 = 
10255 (coh. IHispan. eqq.) und ein verabschiedeter 
Centurio in der africanischen Inschrift CIL VIII 
853 = 12370 (s. unter coh. I Flav. Hisp.). Auch 
die in Diplom II unter 60 n. Chr. in Illyricum, 
d. h. in Pannonien, verzeichnete eoh. I Hispa- 
norum lasst sich nicht ohne weiteres mit einer 
der sonst bekannten identificieren ; am nachsten 
lage es vielleicht, in ihr die moesische eoh. I 
Hispanorum veterana zu erkennen. Ob bei dem 
Steine aus Nyon, Inscr. Helv. 116, mit Momm- 
sen fiberhaupt an eine eoh. I Hispanorum zu 
denken ist, scheint mir fraglich, vgl. coh. I Gal- 
lorum. 

eohors II Hispanorum scutata Oyrenaiea (equi- 
tata CIL III 843) erscheint mit diesen Beinamen 
irai in dem dacischen Diplom LXX aus der Zeit 
des Pius. Sie wird damals ihr Standlager in 
Sebesvaralja im Nordwesten der Provinz gehabt 
haben. Wenigstens sind dort der Grabstein eines 
dee. eoh. H His., CIL IE 843, und Ziegel mit 
eoh. U His. (ebd. Ill 1633, 8 und 9 = Suppl. 
8074, 19) bezw. eoh. His. (Arch.-epigr. Mitt. Ill 
115) gefunden worden. Die fruhere Geschichte 
der Truppe lasst sich nur vermutungsweise re- 
coostruieren. Sie wird wohl die eoh. H Hispa- 
norum equitata sein, die von "Nero bis Domitian 
(60. 80. 84. 85 n. Chr.) in Pannonien bezw. 
Illyricum bezeugt ist durch die Diplome II. XIII. 
XVI und XVII. Diplom II ist fiir einen Reiter der 
Cohorte, einen geborenen Varcianer, ausgestellt 
(ein weiteres, gleichfalls einem Reiter der Cohorte 
erteiltes und den damaligen Praefecten nennendes 
Diplom hat soeben Borm a nn Jahresh. d. ost. arch. 
Instit. I 162f. verOffentlicht ; wie er vermutet, 
gehOrt dassclbe in die Zeit vor 60 n. Chr. und 
bezieht sich gleichfalls auf die Provinz Pannonien), 
und nennt neben diesem noch den Praefecten 
C. Caesius Aper, den schon Borghesi in dem 
praef. coh. Hispanor. equitatae gleichen Namens 
auf einer Inschrift aus Sestinum , CIL XI 6009 
= Borghesi Oeuvr. VIII 542, wiedererkannt 
hat. Bald nach 85 wird die Cohorte aus Pan- 
nonien wegverlegt worden sein und zwar an- 
scheinend nach Moesia superior, wo zu Uj Pa- 
lanka, der tTbcrgangsstelle Traians fiber die Do- 
nau zu Beginn des ersten dacischen Krieges, 
Ziegel mit COH II HISP, CIL III Suppl. 8074, 
20, gefunden sind. An diesem Kriege hat die 
Cohorte gewiss teilgenommen, und mit dem ein- 
zigen Auxiliaren, der auf der Traianssaule statt 
des Rundschildes das senium der Legionare tragt 
iBild XXXVITI), ist, wie ich P.eliefs d. Traianss. 
II 191f. zu zeigen versucht habe, ein Soldat eben 
der coh. II Hispanorum scutata Oyrenaiea, dar- 
gestellt. In den Jahren 103 — 105 hat die Cohorte 
dann an der steinernen Donaubrticke Traians bei 
Turn Severin mitgebaut, wie die in den Briicken- 



pfeilern gefundenen Ziegel mit eoh. II Hisp., CIL 
III 1703, l.beweisen; siegehorte also auch damals 
noch znm obermoesischen Heere. Den zweiten 
dacischen Krieg wird sie gleichfalls mitgemacht 
haben, und 108 n. Chr. finden wir sie dann als vor- 
geschobenen Posten gegen das eben noch bekampfte 
Jazygenland zu "Werschetz im Banat, wo sie eine 
Weihung an Mars, ebd. 6273, darbringt ; von da 
aus wird in der ersten Halfte des 2. Jhdts. ihre 

10 Verlegung nach Sebesvaralja erfolgt sein. 

cohors II Hispanorum equitata p. f. Zu der- 
selben Zeit, wo die // Hispanorum Oyrenaiea 
an der unteren Donau stand, ist in Germanien 
gleichfalls eine coh. II Hispanorum bezeugt, die 
also von jener notwendig verschieden ist. In dem 
der Zeit Traians zuzuweisenden Cursus honorum 
aus Dyrrhachium, CIL m 607, heisst namlich ein 
Officier praef. eoh. H equitat. Hisp. Germ. sup. 
Dieser Truppe dtlrften dann die Ziegel aus Oed- 

20heim bei Neckarsulm, CIRh 1615 = Haug D. 
roin. Inschr. in Wurtt. Prank, p. 20, mit COH- 
II' IS und die von Zangemeister und Schu- 
macher mit Eecht auf sie bezogenen Ziegel aus 
dem nahen Wimpfen (Limesbl. 31, 854) angehOren. 
Ihr Name ist ferner, meiner Ansicht nach un- 
bedingt richtig, von Mommsen in dem oberger- 
manischen Diplom XL des J. 116 hergestellt 
worden, wo wir [eoh. II . . .]nor. p. f. lesen. 
Gegen das von Zangemeister CIL III Suppl. 

30 p. 1976 dafur vorgeschlagene [II Aquita]nor(um) 
p. f. spricht der Umstand, dass die coh. II Aqui- 
tanorum nie mit dem Beinamen p. f. vorkommt, 
wahrend dieser sich gerade bei einer eoh. II Hi- 
spanorum findet. In dem Cursus honorum aus 
Nicaea (Bull. d. Inst. 1848, 74) wird namlich ein 
f'xapxojs osiEiQtjs $ Sjravaiv evosfiovg Tiiorfjs er- 
wahnt. Ritterling Westd. Ztschr. XII 215 hat 
nun, wie mir scheint durchaus zutreffend, auf die 
germanische coh. II Hispanorum p. f. auch noch 

40 eine Inschrift vom J. 158 aus Remagen bezogen 
(vgl. Elein Bonn. Jahrb. 93, 219f.), auf der eine 
eohors . . Hisp. equitata p. f. genannt ist ; wir 
durfen hier gewiss die Nummer II erganzen und 
danach annehmen, dass die Cohorte unter Hadrian 
oder Pius von der oberen Provinz nach der unteren 
verlegt worden ist. Neuerdings sind zu Heddes- 
dorf Bruchstficke von Cohortenstempeln gefunden 
worden (vgl. Limesblatt 31, 840), die nach Eit- 
terling auf die coh. II Hispanorum equ. p. f. 

50hinzudeuten scheinen. 

cohors II Hispanorum (equitata CIL VITI 
2787). Wahrend die beiden eben besprochenen 
Cohorten unter Traian in Dacien und Germanien 
nachweisbar waren, finden wir unter Hadrian in 
Numidien eine coh. II Hispanorum equitata, die 
von jenen deshalb notwendig verschieden sein 
muss, weil eine Verlegung einer Cohorte von der 
Donau oder dem Rhein nach Numidien in da- 
maliger Zeit ganz ausgeschlossen ist. Hadrian 

60 hat sie im Juli 128 inspiciert and riihmt in seinem 
bekannten Tagesbefehl CIL VIE 2532 = 18042 
— falls sich dort B b auf die Cohorte bezieht — 
besonders ihre Schnelligkeit und Sorgfalt im Lager- 
bau. Dessau vermutet, dass sie in der Haupt- 
stadt Lainbaesis selbst gelegen habe, und in der 
That stammt dorther der Grabstein eines deeurio 
der Truppe, ebd. 2787, der, sicher der nachhadria- 
nischen Zeit angehorend, den Beweis dafur liefert, 



301 



Cohors 



Cohors 



302 



dass die Cohorte auch spater noch in der Provinz 
verblieben ist. Zuzuweisen sein durfte ihr endlich 
noch die Weihinschrift eines dec. eoh. Hispanor. 
(also gerade einer equitata) aus Vazaivi,_ ebd. 2226 
= 17619, denn eine andere eoh. Hispanorum 
kommt sonst in Numidien nicht vor. 

cohors II Hispanorum. Aus Ancyra, also aus 
dem Militarbereich der Provinz Cappadocien, haben 
wir den Teil eines Verzeichnisses, das (Centurionen 



und Vindonissa (Mommsen Inscr. Helv. 344, 12, 
vgl. CIRh p. 306 Anm., sowie neuerdings bei den 
dortigen Ausgrabungen gefundene laut Meldung 
derTageszeitungen), aus der Gegend von Geislingen 
(unpubliciert, nach freundlicher Mitteihmg von 
Zangemeister). Wahrscheinlich geh8rt ihr auch 
der Grabstein eines Soldaten aus Stockstadt am 
Main, CIRh 1759, an, der einen mil. coh. II... 
ZSPnennt. Da namlich nach Zangemeister nur 



und) Decurionen anscheinend mehrerer cohortes 10 III oder IIII dagestanden haben kann und die 



equitatae nennt, OIL III Suppl. 6760. Darin findet 
sich als tjberschrift auch der Name einer [eo]h. 
II Hispanor., und eine solche muss also zeitweilig 
in der Provinz gelegen haben. Thatsachlich be- 
gegnet uns nun in einem Cursus honoTum aus 
Aesernia, CIL IX 2649, ein praef. coh. .. Hi- 
spanor. in CappadocfiaJ. Da nur etwa zwei Buch- 
staben ausgefallen sein konnen, und eine andere 
eoh. Hispanorum in Cappadocien nicht vorkommt. 



IIII Hispanorum fur Germanien nicht in Betracht 
kommt, verbleibt nur die eben in der Provinz be- 
zeugte coh. Ill Hispanorum. 

cohors IIII Hispanorum equitata (CIL III 946 
und 6257) hat im 2. Jhdt. in Dacia superior ge- 
legen, wo sie Diplom LXVII unter 158 n. Chr. 
aufzahlt und wohl auch in Diplom LXVI fiir 
das J. 157 an letzter Stelle ihr Name erganzt 
werden darf. Ihr Standort war das im Osten 



durfen wir darin wohl jene II Hispanorum wieder-20der Provinz liegende Castell von Enlaka, woher 
erkennen. Es ist iibrigens nicht ausgeschlossen, drei Inschriften von ihr stammen, wahrend eine 



dass diese mit einer der anderen bekannten Co- 
horten gleichen Namens identisch ist. 

eohors II Hispanorum equitata e. B. (mi- 
liaria). Eine solche ergiebt sich aus dem Cursus 
honorum des T. Statius Praetuttianus , CIL IX 
5066, der, nachdem er praefeetus eohortis ge- 
wesen war, als tribu. eoh. II Hispanorum eq. e. 
R. bezeichnet wird und also allem Anschein nach 



vierte in unmittelbarer Nahe des Ortes, in Szent- 
Mihaly, gefunden ist. Es sind Weihungen, teils 
von Praefecten der Cohorte, CIL III 948 = Suppl. 
7718. 945 und 946, teils von der Cohorte selbst 
mit Nennung des Praefecten, ebd. 6257. 

eohors V Hispanorum equitata (CIL XI 1597 
= VI 3519.. VIII 4416) gehorte unter Vespasian 
zum germanischen Heere, in dem sie Diplom XI 



eine cohors miliaria befehligt hat. Auf dieselbe 30 im J. 74 nennt. Schon bald nachher, vermut- 



Cohorte mochte ich einen Cursus honorum aus 
Corduba, CIL II 2213 = Eph. ep. VIII p. 395, 
beziehen, in dem ein p]raef. cohort. II Ilifsp. 
mjiliar. [eqjuit. PR ■ IMP ■ ET • LEG ■ XII- 
fJYLM erwahnt ist. Das unverstandliche PR 
ist vielleicht ein Fehler des Steinmetzen statt GR 
und dann ware die obige Cohorte zu erkennen, vgl. 
auch coh. Hisp. mil. 

eohors II Hispanorum ist in der Not. dign. 



lich zwischen 79 und 82 (s. eoh. Ill Gallorum), 
ist sie dann, zunachst nur als abcommandiert, 
nach Moesien verlegt worden (vgl. Diplom XIV), 
aber noch unter Domitian yollstandig in den Ver- 
band der dortigen Besatzungsarmee ubergetreten. 
Denn schon 93 erscheint sie in dem neuen Diplom 
von Moesia superior (Jahresh. d. ost. arch. Inst. 
I 1701'.), und noch in der spaten numidischen 
Grabschrift CIL VIH 4416, die ein Bruder dem 



Occ. XXVI 14 zu Duga in Mauretania Tingitana 40 anderen, einem im Kriege gefallenen deeurio der 



verzeichnet, Es ist sehr wahrscheinlich, dass da 
mit eine der bereits behandelten Cohorten ge 
meint ist. Am ehesten wiirde die II Hispanorum 
miliaria c. R. passen, deren Provinz bis jetzt 
unbekannt ist, oder etwa die frtiher numidische 
eoh. II Hispannrum equitata. 

cohors II Hispanorum bezw. Hispana. Welche 
von all den verschiedenen coh. II Hispanorum 
die beiden im Cursus honorum genannten Prae- 



Cohorte, sotzt, wird diese durch den Zusatz pro- 
vinciae Moesiae sup. bezeichnet. Ihr Comman- 
deur wird der im Cursus honorum, CIL XI 
1597 = VI 3519 genannte praef. coh. Veq. Spanor. 
sein, und einen weiteren mOchte ich in dem grie- 
chischen Cursus honorum aus der Dobrudscha 
Arch.-epigr. Mitt. VIII 22 erkennen, wo magxov 
yworrig EL II A A'^iV uborliefert ist. Ich lese 
dies namlich nicht mit den Herausgebern als 



fecten Tib. Claudius (Bull. hell. XIX 113) und 50 'Eaxav&r, was ganz ungewohnlich ware, sondem 



Tib. Antistius Marcianus (Boissieu Inscr. d. Lyon 
269 = CIL XIII 1680) befehligt haben, muss 
dahingestellt bleiben. 

[eohors II oder IH Hispanorum equitata] 
wurde bisher irrtiimlich aus einer Inschrift von 
der Memnonssaule , CIL HI 50, fur die Provinz 
Agypten erschlossen ; allem es ist dort, wie oben 
gezeigt wurde, vielmehr die agyptische I H'spa- 
norunt equitata (s. d.) gemeint 



eoi 
einer 



als n' Zxavtiv , genau wie gerade tmsere Cohorte 
auf der vorher genannten Inschrift aus Florenz 
V Spanorum heisst oder wie wir oben ff Xnavdy 
fanden. 

cohors VI Hispanorum diirfte durch Combi- 
nieren zweier Cursus honorum gesichert sein, eines 
griechischen aus Eumenia, CIG 3902 c, in dem 
[Ixapjyov xm[QTtjs] sy-trji; 'Ia[xa.vtir] erhalten 
ist, und eines lateinischen aus Ameria, CDL XI 
auf dem iiberliefert ist 



<hors III Hispanorum wird zwar nur auf 60 4376 — Grut ; 1104, 3, auf d 
einzigen Inschrift aus Mevania, einem dem praef. coh. VI Hispan{iae). 

T " T " cohors Hispanorum miliaria. Eine cohors 

Hispanorum miliaria endlich haben wir im 3. Jhdt. 
in der Provinz Mauretania Caesariensis anzunehmen 
auf Grund des 260 n. Chr. gesetzten Cursus ho- 
norum aus Auzia des Q. Gargilius Martialis, CIL 
Vm 9047 (vgl. Cichorius Leipz. Stud. X 319f.). 
Dieser war, nachdem er vorher praef. eoh. I Astu- 



1. Jhdt. angehBrenden Cursus honorum (CIL XI 
5028 = Orelli 3839; vgl. Bormann Arch.-epigr. 
Mitt. XV 29), genannt, doch wird durch eine ganze 
Reihe von Ziegelfunden Germania superior als 
ihre Garnisonprovinz erwiesen ; dort scheint sie 
am oberen Rhein gestanden zu haben, denn Ziegel 
mit C(oh.) IH- HI(sp.) haben wir aus Thingen 



303 



Cohors 



Cohors 



304 



rum in Britannien gewesen war, also an Stelle diese wegen der coh. VI Ingenuorum- anzunehmen 

des Legionstribunats, trib.co(li).Hisp.pr(ovineiae) sind, oder mit anderen, etwa Voluntariercohorten 

Maw(etaniae) CaefsariensisJ ; es kann also nicht oder eohortes ewium Romanorum, zusammen- 

etwa ein friih.es Beispiel des Tribunentitels bei fallen, ist zirr Zeit nicht zu beantworten. 

Praefecten sein, sondern sich wirklich nur auf eine cohors VI Ingenuorum, Givium Romanorum. 

coh. miliaria beziehen. Praglieh ist nur, ob dies Durch zwei zu Kcln gefundene Soldatengrabsteine, 

dann eine der sonst bekannten coh. Hispanorum CIEh 2033 und 2034 ist sie fur das 1. Jhdt. 

miliariae ist oder ob neben ihnen eine weitere zu als zur Besatzung von Germania inferior gehOrend 

constatieren sein wird. Die dacische coh. I Flavia erwiesen. Ob der Stein aus Heddesdorf mit COH ■ 
Ulpia Hispanorum miliaria c. R. und die britan- 10 VI, ebd. 704 b, sich auf sie oder etwa auf die 

niscbe I Aelia Hispanorum miliaria kiinnen nicht VI Breucorum beziebt, ist nicht zu entscheiden. 

iu Betracbt kommen, wohl aber ko'nnte die II Hi- cohors I Italica civium Romatwrum Volun- 

spanorum miliaria c. R. gemeint sein. Von der tariorwn wird nur einmal im Cursus honorum 

in Mauretania Caesariensis stehenden I Flavia eines Tribunen, des C. Nasennius Marcellus Senior, 

Hispanorum, die von Praefecten befehligt war, CIL XIV 171, genannt. Mit der I Gampestris 

ist die Truppe sicher verschieden. Ob der Sol- civium Romanorum, Voluntariorum ist sie keines- 

datengrabstein aus Auzia, CIL VIII 20754, auf falls identiscb, und die Beinamen Italica und 

dem miles c[ohor]tis . . . an doch wohl nur zu Gampestris sollen wohl flberhaupt zwei verschie- 

[Hispjan. erganzt werden kann, der Hispanorum dene Eeihen von Voluntariercohorten unterscheiden. 
miliaria oder der I Flavia Hispanorum zugehort, 20 cohors II Italica civium Romanorum Volun- 

ist nicht zu entscheiden. tariorum miliaria. Eine solche Cohorte lasst 

eohortes Hispanorum ohne Numrner begegnen sich durch Combinierung verschiedener Inschriften 

auf Inschriften ofters, doch lasst sich eine Be- gewinnen. Zunachst haben wir aus Carnuntum 

ziehung auf eine bestimmte Truppe meist nicht den interessanten Grabstein, Arch.-epigr. Mitt. 

vorschlagen. Ein silbernes Gefass im Belgrader XVHI 218 = CIL HI 13483 a, eines Proculus 

Museum, CIL EI Suppl. 8278, tragt den Namen Rabili f. Gol. Philadel. mil. optio coh. H Italic. 

eines prfaef.J corftis) Ei(spawrrum), gewiss von c. R. 7 F[aus]tini ex vexil. sagit. exer. Syrioxi. 

einer der vielen in den unteren Donaulandern Danach hat also eine coh. II Italica c. R. im 

stationierten spanischen Abteilungen. Eine von 1. Jhdt. in Syricn gestanden und zu einer nach 
diesen mochte ich auch auf dem macedonischen 30 demWestenentsendetenVexillationBogenschutzen 

Soldatengrabstein Bull. hell. IV 103 erkennen, wo — deren sie demnach eine Anzahl umfasste — ge- 

ich das iiberlieferte PANQTOY ojzuipns IE.ANHC stellt. Bormann vermutet sehr ansprechend, dass 

als [ox]pa[zt]<bxov anelorjg ' lo [jt] 'avfjs auflose. der Soldat zu der von Tacitus hist. II 83 erwahn- 

Glxorte H[ispana] erganzt ferner Hiibner in ten orientalischen Veiillation von 13000 Mann ge- 

einer metrischen Inschrift aus Lusitanien CIL IT horte, die Mucianus 69 n. Chr. mit an die Donau 

Suppl. 6333, wahrend auf dem Grabstein eines brachte, und dass er damals zu Carnuntum seinen 

miles . . . Hisp., CIL III 1316 aus Ampehim in Tod gefunden hat. Auch die weitere Vcrmutung 

Daeien, meiner Ansicht nach eher der in Ampelum Bormanns, dass die hier erscheinende coh. II 

auch sonst nachzuweisende Humerus Hispanorum Italica die aus der . Apostelgeschichte 10, 1 be- 
gemeint ist. In der griechischen Inschrift aus40kannte oxeToa 'ImXixrj sei, die zu Caesarea lag 

.Neapel IGI 752, vgl. p. 735, bezieht sich dagegen und in der der vom Apostel Petrus getaufte Cen- 

'Io[n]av(ov iiberhaupt kaum auf eine militarische turio Cornelius diente, scheint mir sehr beachtens- 

Abteilung. WC rt. Als ganz unzweifelhaft betrachte ich es 

cohors Hispanorum s. auch coh. ILigurum et nun aber auch, dass dieselbe syrische coh. Illta- 

Ihspanorum e. R. und coll. I Lucensium. Ilea in einem von Bormann nicht herangezogenen 

eohisrs IC(loiam) Rftmtunorum) Ingenuorum. Cursus honorum aus Forum Sempronii (CIL XI 

Eine Inschrift aus dem Pagus Arusnatium, CIL 6117 = Mur. 701, 4) gemeint ist, wo ein trib. 

V 3936, anscheinend der Zeit des Claudius an- coh. mil. Italic. Volunt. , quae est in Syria er- 

gehOrend , ist zu Ehren eines Statthalters von scheint. Damit wiirde der vollstiindige Name der 
Eaetien errichtet von C. Ligurius L. f. Vol. Asper 50 Truppe gewonnen sein. Auch der von Bormann 

" coh. I C. R, Ingenuor. Es kann sich dabei, iibersehene trib. milit. coh. II Italicae C. Paccius 

zumal so dicht an der raetischen Grenze, doch nur Firmus, dessen Grabstein wir aus Kom, CIL VI 

urn eine eben in Raetien stehende Truppe handeln, 3528, besitzen, ist ihr bestimmt zuzuweisen. 

und da ware dann wohl in Erwagung zu ziehen, cohors Italica. Eine coh. Italica, die ubrigens 

ob hier nicht etwa die im Cursus honorum eines von der I Italica (s. d.) nicht verschieden zu sein 

Unbekannten (CIL IX 5362 aus Firmum Picenum), braucht, muss ferner unter Hadrian in der Pro- 

eines praef. cofh. . . Cjivium Romajw[rum i]n vinz Cappadocien gestanden haben. Arrian nennt 

Raetia, erwahnte Cohorte gemeint sein kOnnte. namlich ect. 13 in seinem gegen die Alanen mar- 

Daruber, ob diese dann mit der germanischen schierenden Heere oi zijs oxelgijs zfjs 'hahxfj; 
coh. I Civium Romanorum, in Verbindung zu 60 net,oi sowie einen novlyzo Sou; xal zrjg oxelgi); 

setzen ist, wage ich keine Vennutung. Hirsch- zfj$ 'Izahxfjg aoyei. Auch § 3 meint er dieselbe 

feld mCchte den Namen der coh. I Ingenuorum Cohorte, wo er von oi zs 'Ixa/.oi und von novk/csg 

auch in einer Inschrift aus Nemausus, CIL XII ooxep agxsi zois 'hakot; spricht Wenn die co- 

3177, wiederfinden, auf der or tribuno cohort. [I hortes Italicae, wie nach dem Beispiel der /und i7 

ci]v. [Rom.] Ingenuorum erganzt; allein meiner Italica c. R. Voluntariorum zu schliessen scheint, 

Ansicht nach ist wenigstens die Zahl hierbei un- wklich Voluntarierabteilungen waren , werden 

sicner - wir die cappadocische cohors Italica vielleicht 

[eohortes II. III. IIII. V Ingenuorum], Ob auch in dem stadtromischen Cursus honorum, CIL 



305 



Cohors 



Cohors 



306 



VI 3654, wiederfinden diirfen, in dem ich [trib. 
coh. . . Volunjt. c(iv.) R(om.) in Gappad. erganzen 
mochte. Dagegen ist auf dem unvollstandig er- 
haltenen Cursus honorum aus Samos, Athen. Mitt. 
LX 262, wo der Herausgeber x^^i[ a QX ^ ajisior/Jg 
'Izahxfjg liest, wohl iiberhaupt an keine cohors 
Italica zu denken, sondern einfach ein Tribun der 
legio I Italica zu erkennen. 

cohors I Augusta Ituraeorum sagittariorum 



habt. Das friiheste auf sie zu beziehende Zeugnis 
ist eine Inschrift aus Syene, zu Ehren des Kaisers 
Gaius am 28. April 39 gesetzt von einer coh. 
Ituraeor. cui prae(e)st L. Edenus L. f. Fal. Sa- 
tuminus, CIL III 141471 = Cagnat L'ann. 
epigr. 1896, 39; zwar ist keine Nummer angegeben, 
aber v. Domaszewski bemerkt richtig, dass 
die zu Syene liegende ZT Ituraeorum zu versteben 
ist, zumal von dieser auf demselben Stein noch 



(so nur in Diplom XXXVII) wird zuerst in den 10 eine weitere Inschrift steht. Dann erscheiivt die 



beiden pannonischen Diplomen XIII und XXVII 
von 80 und 98 n. Chr. aufgefiihrt, von denen das 
zweite einem ihrer Soldaten erteilt ist und neben 
diesem, der aus Cyrrhus stammt, den damaligen 
Praefecten L. Callidius Camidienus nennt. Dann 
hat die Cohorte ofrenbar Traians Dakerkriege mit- 
gemacht, da sie 110 n. Chr. in Diplom XXXVII 
unter den in der neuen Provinz stehenden Au- 
xilien erscheint. Sie ist aber auch femerhin dort 



Cohorte 83 in Diplom XV unter den agyptischen 
Auxilien, und im J. 98 hat sie wieder zu Syene 
auf dem gleichen Stein, der die Inschrift vom 
J. 39 tragt, unter ihrem Praefecten Ti. Claudius 
Berenicianus gemeinsam mit der I Hispanorum 
equitata und der I Thebaeorum equitata eine In- 
schrift zu Ehren Traians, CIL ILT 141472 = 
Cagnat L'ann. epigr. 1896, 40, geweiht. Die 
nachsten datierten Zeugnissc von ihr sind die 



verblieben , denn noch 158 kehrt sie in Diplom 20 Inschriften eines ihrer Soldaten vom J. 136 aus 



LXVLT von Dacia superior wieder, und auch in 
Diplom LXVI von 157 diirfte ihr Name mit Sicher- 
heit zu erganzen sein. Die einzige Inschrift, auf 
der die Cohorte sonst noch erwahnt wird, ist ein 
Cursus honorum aus Mainz, CrRh 1099. 

cohors I Ituraeorum. Dass die einfach I Itu- 
raeorum benannte Cohorte von der I Augusta 
Ituraeorum verschieden ist, beweist schon die That- 
sache, dass Diplom XXXVII sie neben dieser ver 



Pselkis (CIG 5081 und Add. p. 1240 = Lepsius 
95, 386) und die eines andern Soldaten vom J. 147 
aus Talmis (CIG 5050 = Lepsius 97, 437), 
wahTend sich von dem Grabstein eines decurio aus 
Pselkis (CIL in 14147 7) und einer Weihinschrift 
aus Hiera Sykaminos (Lepsius 96, 418 = CIG 
5110), alles Posten im aussersten Siiden der Pro- 
vinz, die Zeit nicht bestimmen lasst. Dass die 
Cohorte aber noch bis in die spate Kaiserzeit in 



zeichnet. Die Truppe hat zunachst in Germania 30 Agypten verblieben ist, beweist die Notitia dig- 

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superior gelegen, wo zu Mainz drei Soldatengrab- 
steine von ihr,CIKh 1233. 1234. 1289, gefun- 
den sind, die noch lauter geborene Orientalen be- 
treffen. Der eine lasst durch die Keliefdarstel- 
lung eines Bogenschiitzen darauf schliessen, dass 
auch sie aus sagittarii bestanden hat. Dagegen 
gehOren die friiher auf sie bezogenen Ziegel aus 
Eottweil mit CO . . ITVR (Korr. d. Westd. Ztschr. 
VII 2) nicht ihr , sondern der coh. I Bihirigum 



nitatum, die sie Or. XXVIII 44 zu Alyi in Agyp- 
ten nennt. Ein Praefect von ihr begegnet uns 
in dem Cursus honorum CIL XI 3101. 

cohors III Ituraeorum stand wie die 77 Itu- 
raeorum nach Diplom XV im J. 83 in Agypten. 
Inschriften von ihr sind dort gleiehfalls zu Talmis 
im Siiden der Provinz zu Tage getreten, s. Lep- 
sius 97, 439 und 445. Dass sie zeitweilig den 
"Wachdienst in den Steinbruchen am Nil bei Pto- 



an, vgl. Heizog Bonn. Jahrb. 102,90. Die Co-401emais Hermiu zu leisten hatte, beweist die dor- 
" - - ■ - ..... . tige inschrift Ephem. epigr. VLT p. 427, nach der 

sie die coh. Scutata Cirium Romanorum (s. d.) 
dort abgelOst zu haben scheint. Sonst wird sie 
nur noch in einem Cursus honorum hadrianischer 
Zeit aus Benevent, CIL IX 1619, sowie auf den 
drei ein und denselbeii Mann betreffeiiden Steinen 
aus Thamugadi, ebd. VIII 2394. 2395 und 17904, 
erwahnt. 

[eohortes IIII. V. VI Ituraeorum]. Von alien 
50 drei Cohorten , deren Existenz aus der der VII 
Ituraeorum gefolgert werden muss, fehlt noch 
jedes directe Zeugnis. 

cohors VII Ituraeorum. Auch sie wird durch 
die Inschrift eines ihrer Praefecten von der Mem- 
nonssiiule, CIL III 59, als eine zur Besatzung 
Agyptens gehorende Truppe erwiesen, ohne dass 
jedoch iiber ihre Ganrison innerhalb der Provinz 
etwas zu vermuten moglich ware. 

cohors Ituraeorum {sagittariorum) equitata. 



horte hat dann wie die 7 Augusta Ituraeorum 
unter Traian in Dakien mitgefochten und befindet 
sich 110 unter den in Diplom XXXVII aufgezahl- 
ten, im Lande verbleibenden Occupationstruppen. 
Spater verschwindet sie vollstandig. Eine in der 
Not. dign. Or. XXVIII 42 zu Castra Judaeorum 
in Agypten verzeichnete coh. I Epiraeorum ist 
schwerlich mit ihr identisch , zumal dort die 
Anderung Seecks zu Ituraeorum, durchaus nicht 
sicher ist. 

cohors I Ituraeorum. In der Not. dign. Occ. 
XXVI 16 lesen wir unter Mauretania Tingitana 
trib. eoh. primae Ityraeorum Castrabariensi (?). 
Dass eine Truppe dieses Namens in spaterer Zeit 
in der Provinz gelegen hat, darf danach nicht 
bezweifelt werden. Denkbar ware ubrigens, dass 
diese mit der vorigen Cohorte identisch ist, die 
dann etwa im 2. Jhdt. nach Mauretanien verlegt 
worden sein konnte. Wenigstens anfflhren mochte 



ich hier eine Inschrift aus der Byzacena, CO, VIII 60 Neben den bisher besprochenen eohortes Ituraeo 



11176, die einen [prjaefectus coh. 1 1 . . . [pro]- 
vineiae Ting(itanae) nennt, und wo Ituraeorum 
und Ingenuorum die einzigen in Betraeht kommen - 
den Namen sein wiirden. 

cohors H Ituraeorum equitata (CIL III 14147 2 
und 14147 7 ) lasst sich mehr als drei Jahrhun- 
derte hindurch in Agypten verfolgen und hat 
dort an der Siidgrenze ihre Standquartiere ge- 



rum haben wir eine weitere in der Provinz Cap- 
padocien anzunehmen, denn Arrian erwahnt ect. 
18 in seinem gegen die Alanen aufgestellteri 
Heere irs£o< xo^ozai oi rrov . . . 'Itovgalow und 
ebd. 1 ituraeische Reiter. Damit kann nur eine 
coh. Ituraeorum sagittariorum equitata gemeint 
sein, die dann unter Hadrian in jener Provinz 
gestanden haben muss und die eine der sonst 



307 



Cohors 



Cohors 



308 



noch nicht nachgewiesenencoA. 1III. V. Vllturaeo- scheinen zwei Inschriften zu fiihren, in denen je 

rum gewesen sein konnte. Ob sie auch auf dem ein trib, eoh. fri(m.) Ligurum (bezw. Liguri- 

Stein aus Clusium, CIL XI 2113, eines [praef. (?) [cm]) genannt werden. Die eine ist ein Cursus 

eoh. . .] Ituraeorum sagittarior., qui in bello eecidit honorum axis Mutina, CIL XI 838, die andere der 

gemeint ist, bleibt fraglich, obwohl die Moglich- zu Ephesus gefandene Grabstein eines aus Rom ge- 

keit zuzugeben ist. Mrtigen, als Activen gestorbenen dreiundzwanzig- 

cohors Ituraeorum. Bine coh. Ituraeorum ohne jahrigen Officiers (CIL III 435 = Suppl. 7131), 

Ziffer wird im Cursus honorum aus Pessinus, der einzig auf der Reise nach seiner Garnison zu 

Athen. Mitt. XXII 38, genannt, wahrend sich die Ephesus gestorben sein kann. Danach wiirde an- 
bei Le Bas-Waddington 2120 veroffentlichte 10 zunehmen sein, dass die Cohorte in einer der 

Inschrift aus E'itha schwerlich auf eine regulare oiientalischen Provinzen gestanden hat. Dass sie 

eoh. Ituraeorum des romischen Heeres beziebt. mit der vorigen identisch ist, von der nicht aus- 

[eohors Iuvenalis s. cohors Servia.] drucklich hezeugt ist, ob sie miliaria oder quin- 

eohors Latabi(ensium , so erganzt Zange- gmaria war, ist zwar moglich, aber nicht wahr- 

meister Westd. Ztschr. XI 272 den Namen) ist scheinlich. 

erst dvirch den zu Koln gefundenen Grabstein, cohors I Ligurum et Hispanorum e. R. stand 

Bonn. Jahrb. 82, 23, eines ihrer Soldaten, eines 116 und 134 n. Chr. in Germania superior, wo 

geborenen Cannanefaten (mil. cho. T Latabi.) be- sie dieDiplomeXL (undXLI?)sowieLverzeichnen. 

kannt geworden, aus dem hervorgeht, dass die Aus der Thatsache, dass zwei Grabsteine, der 
Abteilung im 1. Jhdt. in Germania inferior ge- 20 eines veodllarius und der eines miles der Cohorte 

legen hat. (CIL V 7896 und 7900), aus dem lange Zeit mit 

cohors I Lepidiana equitata c. B. hatte 80 Auxiliarbesatzung belegten Cemenelum in den 

n. Chr. in Pannonien gestanden (Diplom XIII), Seealpen stammen, darf doch wohl geschlossen 

ist dann aber offenbar noch unter Domitian nach werden, dass die Truppe fruher dort ihre Garnison 

Moesia inferior verlegt worden, wo wir sie im gehabt hatte; es miisste denn sein, dass beide 

J. 99 (Diplom XXX) und gegen 112 (Diplom Soldaten wahrend des J. 69 mit ihrer Truppe an 

XXXVIII) fmden. Aueh dort kann sie aber nicht die Riviera gekommen und dort gestorben waren. 

sehr lange geblieben sein, sondern muss — etwa cohors II Gemina Ligurum et Corsorum er- 

anlasslich Traians Partherkrieg — nach dem Orient scheint 88 und 96 n. Chr. in den die Provinz 
abgezogen sein. Wenigstens verzeichnet sie die 30 Sardinien betreffenden Diplomen XX und XXVI ; 

Not. dign. Or. XXXVIII 35 zu Caene-Parembole das letztere ist einem ihrer Soldaten erteilt und 

in Armenien , d. h. im alten Cappadocien , und nennt ausser diesem noch den damaligen Prae- 

aus dieser Provinz wird auch der ohne Angabe fecten. Wie der Name Gemina zeigt, ist die 

des Pundorts von Leemans (Griek. Opschr. uit Cohorte durch Verschmelzung zweier alterer Ab- 

Klein-Azie, Amst. 1890 nr. XX p. 21 = Cagnat teilungen, vermutlich einer eoh. Ligurum und 

L'ann. epigr. 1890, 159) publicierte kleinasiatische einer coh, Corsorum gebildet worden; die eine 

Grabstein des L. Calpurnius Valens optio coh. I dieser Stammtrnppen wird die sardinische coh. 

Lepid. eq. c. B. tfurmaj Pontici stammen. Grote- Ligurum equitata (s. d.) gewesen sein, die andere 

fends Versuch, den Namen der Cohorte bei Arrian vielleicht die sardinische I Corsorum (s. d.), die 
ect. 7 u. 14 aus dem iiberlieferten 'Aniavoi herzu- 40 eventuell zur Bildung zweier neuer eohortes Ge- 

stellen, ist verungliickt, s. coh. Apuleia c. B. minae geteilt worden ist. 

cohors I Ligurum bildete im 1. Jhdt. die cohors Ligurum equitata. Eine eoh. Ligurum 
Besatzung der Provinz Alpes maritimae mit dem equitata haben wir im 1. Jhdt. als Besatzung 
Standort Cemenelum. Dort nennt sie mit der von Sardinien anzunehmen auf Grund eines In- 
Ziffer I der Grabstein eines Soldaten, CIL V 7899, schriftsteines aus Olbia (Not. d. scav. 1892, 105 
sowie eine g'anze Rcihc weitercr Grabsteine (cbd. = Cagnat L'ann. epigr. 1892, 137), der einen 
7889. 7890. 7891. 7897) einfach als coh. Ligu- C, Cassius Blaesianus dec. coh. Ligurum, pi-in- 
rum, ohne dass an der Identitat beider gezweifelt ceps equitum u. s. w. nennt. Wir haben in ihr 
werden konnte. Unbedingt von derselben Cohorte vielleicht die eine der beiden Cohorten zu erkennen, 
spricht ferner auch Tacitus hist. II 14, wo er er- 50 durch deren Vereinigung die sardinische coh. II 
zahlt, es sei den Truppen, die zum Schutze der Gemina Ligurum et Corsorum (s. d.) entstanden 
von Othos Flotte bedrohten Provincia Narbonensis ist. Auf der nur in einer ungeniigenden Copie 
69 n. Chr. von Pabius Valens abgeschickt wur- erhaltenen Grabschrift aus Rom (CIL VI 3925) 
den , auch adiuncta Ligurum cohors, retus loci eines mil. coh. ... V ■ LIG VI, worin man eine 
auxilium. Da es sich eben um die Kiistenstreeke coh. Ligurum erkennen wollte, ist eine solche 
der Alpes maritimae handelt, wird damit erwiesen, wohl uberhaupt nicht gemeint, sondern einfach 
dass jene Cohorte damals schon seit langer Zeit coh... V(ijGILVt y '\ verlesen. 
dort gelegen hatte. Ausser in Cemenelum sind cohors I Lingonum equitata (CIL VII 1041. 
noch zwei Inschriften der Truppe gefunden, die XI 6033) gehorte zum britannischen Heere, in 
fine, CIL V 7822, eines missicius der coh. I Lig., 60 dem sie Diplom XXXIV unter dem J. 105 ver- 
aus dem nahen Monoecus, die andere, ebd. 7426, zeichnet. Die alteste ihrer erhaltenen Inschriften, 
der Grabstein einer Frau, den ein Centurio eoh. CIL VH 1041, stammt aus Bremenium, nOrdlich 
Lig. zu Libarna in Ligurien gesetzt hat. Ob mit vom Hadrianswall; sie ist unter Pius (kurz vor 
dieser spater verschwindenden coh, I Ligurum die dem J. 143) gesetzt und beweist, dass die Cohorte 
dann an ihrer Stelle in Cemenelum sich findende damals zeitweilig dort in Garnison gelegen hat. 
eoh. I Ligurum et Hispanorum c. B, (s. d.) zu- Auffallenderweise sind dagegen alle jfingeren Steine 
sammenhangt, ist nicht zu entscheiden. der Truppe sudlich vom Walle gefunden und zwar 
cohors I Ligurum (miliaria^). Auf eine solche der Mehrzahl nach zu Lanchester, wo fruher die 



309 



Cohors 



Cohors 



310 



coh. I Vardtdlorum miliaria gelegen hatte. Meiner bei dem heutigen Wallsend, ist eine Weihung der 

Ansicht nach erklart sich dies so, dass im 3. Jhdt., Cohorte an den Iuppiter O. M. gefunden (Korr. d- 

wo die Garnisonen im Norden der Provinz ver- Westd. Ztschr. XI 82), wahrend eine andere eines 

starkt werden mussten, die coh. I Lingonum mit Praefecten von ihr aus dem unweit gelegenen 

der doppelt so starken coh. I Vardullorum mi- Tynemouth stammt (CIL VII 493). Ferner be- 

liaria, die wir dann an ihrer Stelle in Bremenium gegnet uns noch ein Praefect in dem stadtromi- 

fmden, die Garnison getauscht hatte. Zu Lan- schen Cursus honorum CIL VI 1523. 
Chester ist die Cohorte in der Zeit des Gordian cohors V Lingonum ist neuerdings durch den 

durch mehrere Steine eines und desselben Prae- Cursus honorum des P. Cominius Clemens (Not. 
fecten M. Aurelius Quirinus bezeugt; es sind dies 10 d. scav. 1890, 173 = Cagnat L'ann. epigr. 1890, 

zwei Bauinschriften, eines Bades, CIL VII 445, 151) bezeugt und damit ist auch die Oberliefe- 

und der prineipia et armamentaria, ebd. 446, rung auf dem Steine aus Porolissum in Dacien 

sowie eine Weihung an Silvan aus dem nahen CIL III Suppl. 7638 gesichert, auf dem Z. 3 

Eastgate 450, letztere wohl wie die gleichartige zweifelnd COH V LING gelesen war. Dieser ist 

451 (vgl. ala II Gallorum Sebossiana Bd. I eine unter der Regierung des Caracalla oder Ela- 

S. 1-246) anlasslich eines Jagdausflugs errichtet. gabal gesetzte Weihinschrift eines Praefecten der 

Auch die Weihung eines Praefecten ohne Angabe Cohorte und beweist, dass diese damals zum Heere 

der Truppe aus Lanchester (ebd. 433) wird der von Dacien gehort hat. 

Cohorte zuzuweisen sein, da die von Tribunen be- cohors I Lueensium equitata (CIL III 600. 

fehligte I Vardtdlorum nicht in Betracht kommen 20 8486. 6320 = 8335). Die altesten von ihren. 

kann. Die spateste Erwahnung der Cohorte findet Inschriften stammen aus Dalmatien und zwar aus 

sich in der ebendorther stammenden Weihung dem immer mit Militar besetzten Humac, west- 

eines Tribunen an den genius praetori, ebd. 432, lich von Narona, wo die Cohorte also im 1. Jhdt. 

also aus der Zeit, wo auch den Befehlshabera der gestanden haben muss. Dort sind die Grabsteine 

eohortes quingenariae bereits der Titel tribunus eines Reiters, CIL III 8486, und eines Soldaten, 

verliehen war. Sonst ist nur noch ein Cursus ebd. 8492, gefunden worden, wahrend mir die Er- 

honorum aus Pitinum Pisaurense, CIL XI 6033 ganzung eines Steines aus Kutac (8494) als eq. 

= Fabretti 486, 164, anzufuhren, der einen coh, I [Luc.] zu unsicher erscheint. Aus dem 

praef. eoh. I Lingonum equitat. nennt. Norden der Provinz haben wir den sehr alten 

colwrs II Lingonum equitata (CIL XI 6123) 30 Grabstein eines Soldaten , noch eines geborenen 

hat gleichfalls in Britannien gestanden; sie ist Lucensis, aus Teplju, dem alten Promona (9834), 

dort fur 98 n. Chr. durch Diplom XXIX, fur 124 und auch der Grabstein aus Salonae (8736) mit 

durch Diplom XLIII und noch fur die spateste dem Cursus honorum eines offenbar in diesem 

Zeit dnrch die Not. dign. Occ. XL 48 bezeugt, Commando dort gestorbenen praefect. [coh. . J 

die als ihren Standort das seiner Lage nach un- L[u]cen. ist vonHirschfeld mit Recht auf obige 

bekannte Congavata angiebt. Inschriften von ihr Cohorte bezogen worden. Endlich mochte ich 

sind in zwei verschiedenen Gegenden der Provinz noch die nur handschriftlich ilberlieferte Weih- 

gefimden; zu Ilkley, wohl dem alten Olicana, ist inschrift aus dem Castell bei Cacak im dalma- 

die Weihung eines Praefecten Clodius Fronto, tischen Binnenlande, CIL III 6320 = 8335, eines 
CIL VII 208, zuTage getreten, aus der auf zeit- 40 dee. eq. CO HORFISIL, die v.Domaszewski auf 

weilige Anwesenheit der Cohorte daselbst zu die eohor. I Del. bezieht, lieber der / Lueensium 

schliessen ist, und auch die dortige Weihinschrift zuweisen und COHOBTIS ■ I- Lfue.J lesen; jeden- 

eines praef. coh., ebd. 209, ist von Hiibner mit falls passt auf diese Abteilung, die als equitata be- 

Recht auf sie bezogen worden. Der zweite Fund- kannt ist, der decurio besser als auf die / Delma- 

ort ist das Kustencastell von Moresby in Cumber- tarum miliaria. Wenn aus spaterer Zeit Denk- 

land; dorther stammt die officielle Weihung der maler von ihr aus Dalmatien fehlen, so liegt dies 

Cohorte mit ihrem Praefecten, ebd. 359, und aus offenbar daran, dass die Cohorte noch im 1. Jhdt. 

dem nahe gelegenen Harrington die zerstOrte In- nach Pannonien verlegt worden ist, wo sie Diplom 

sehrift eines Praefecten, Ephem. epigr. VII 969. XIII bereits fur das J. 80 nennt. Auch dort aber 
Hiibner halt Moresby for das alte Congavata, 50 kann sie nicht lange verblieben sein, da sie in 

wohin die Cohorte spater von Olicana verlegt keinem der iibrigen pannonisehen Diplome wieder- 

seinwiirde. Einen pra ef. coh, II Ling. eq. kennen kehrt. Vielleicht ist sie von Traian zusammen 

wir endlich noch aus dem Cursus honorum CIL mit der legio X V Apollinaris nach dem Orient 

XI 6123 = Orelli 4039. geschickt worden, wo wir sie jedenfalls wahrend 

cohors III Lingonum equitata. Die Abteilung des Partherkrieges bereits vorfinden, denn sie hat 

wird nur ein einzigesmal in einem Cursus bono- damals Eeiter zu dem unter dem Commando des 

rum aus Pitinum Mergense, CIL XI 5959 (=Mu- Valerius Lollianus stehenden combinierten Ca- 

ratori 1122, 4) erwahnt; iiber ihren Standort valleriecorps gestellt, CIL III 600. Ein Praefect 

ist nichts bekannt. von ihr begegnet in dem Cursus honorum ebd. 

cohors 1111 Lingonum equitata (Korr. d. Westd. 60 VI 31863 = Not. d. scav. 1893, 197. 
Ztschr. XI 82). Auch sie hat wie die I und II cohors I Lueensium Hispanorum (p. /.), von 

Lingwium in Britannien gelegen und zwar bereits der vorigen notwendig verschieden, ist zuniichst 

im J. 103 nach Diplom XXXII (von den Varian- nur durch den dem 1. Jhdt. angehorenden Maimer 

ten HI und IM ist jetzt die letztere Ziffer als Grabstein, CTBh 1235, bekannt, Mommsen 

richtig gesichert) , dann 146 nach Diplom LVLT, mochte sie wiedererkennen in einer [coh. . .] 1m- 

und noch in der Notitia dignitatum erscheint sie censium p. f., die in den J. 104 — 111 zu Roomburg 

(Occ. XL 33) mit der Garnison Segedunum, der in Holland gestanden und damals zu Ehren Traians 

ostlichen Endstation des Hadrianswalles. Dort, die Inschrift ebd. 6 b gesetzt hat. Dies ist umso- 



311 



Cohors 



Cohors 



312 



■wahrscheinlicher , als nach der Zahl der ausge- 
fallenen Buchstaben dort wirklich nur 1 erganzt 
werden kann. Die Cohorte ware dann also noch im 
1. Jhdt. von Obergermanien nach Germania in- 
ferior verlegt worden und wiirde sich, wie so viele 
andere Truppenkorper dieser Provinz, unter Do- 
mitian den Bhrennamen p. f erworben haben. 
Dass sie dann noch im Laufe des 2. Jhdts. Eoom- 
hurg wieder verlassen hat, diirfen wir aus dem 
Umstande schliessen, dass in den J, 196 — 198 die 
damals in Eoomburg liegende coh. XV Volunta- 
riorum die Eiiekseite des ohen erwahnten Steines 
der Cohorte fur eine eigene Inschrift (ehd. 6 a) 
verwendete, was doch nur geschehen konnte, wenn 
die altere Truppe damals nicht mehr dort weilte. 

cohors II Lucensium nennen die Diplome 
XXXIII und XXXV 111 in Moesia inferior unter 
105 und gegen 112 n. Chr. Spater hat die Truppe 
in der zur Proyinz Thracia gehfirenden Gegend 
■von Duhnica gelegen, wo zu Banja eine Inschrift 
von ihr aus dem J. 199, CIL III Suppl. 7418, 
«rhalten ist und wohl auch die Cohorteninschrift 
Arch.-epigr. Mitt. XVII 216 nr. 117 sich auf sie 
bezieht, wahrend aus dem nahen Musibeg ein 
Stein von ihr aus den J. 217 — 218, Arch.-epigr. 
Mitt. XV 95 = XVII 216 nr. 118, stammt. 

cohors III Lucensium. Zu Lucus Augusti in 
Callaecia ist der spate Grabstein , CIL II 2584, 
■ernes mili. corti tertia Luces., also anscheinend 
von einer dort in Garnison liegenden Truppe, ge- 
funden. Nun verzeichnet die Not. dign. Oec. 
XLII 29 eben in Lucus eine coh. Lucensis als 
Besatzung, und wir werden darin dann unbedingt 
jene coh. Ill Liicmsium wiedererkennen diirfen. 
Dieselbe Abteilung scheint auch in dem Cursus 
honorum aus Tarraco, CIL II 4132, gemeint zu sein, 
wo das fiberlieferte praef. .... Ill LVG wohl 
als praef. [coh.] Ill Ijucfensium) zu lesen ist. 

cohors IIII Lucensium equitata ist uns, wie 
so viele orientalische Auxilien, nur durch den zu- 
falligen Umstand bekannt, dass sie fur einen 
Partherkrieg Leute zu dem combinierten Reiter- 
corps des Valerius Lollianus abgegeben hat und 
deshalb in dessen Ehreninschrift aus Byllis, CIL 
III 600, mit erwahnt wird. 

cohors Lucensium; vgl. auch coh. V Ca/lac- 
eorum. 

cohors I Augusta Praetoria Lusitanorum 
equitata (so vollstandig genannt BGU 696) hat 
nach Diplom XIX im J. 86 in Judaea gestanden, 
ist aber spater von dort nach Agypten verlegt 
worden, wo wir sie bereits 156 und zwar mit 
dem Standquartier Contrapollonopolis maior in 
der Thebais durch den interessanten Papyrus 
BGU 696 (behandelt von Mo mm sen Ephein. 
epigr. VII p. 456f.) bezeugt finden. Es ist dies 
eine Stammrolle der Cohorte vom J. 156, in der 
ausser dem Praefecten und seinem Vorganger so- 
wohl ihr damaliger Bestand an Mannschaften, als 
auch der Zugang von Leuten verzeichnet ist. Da- 
nach zahlte die Truppe damals 505 Mann, namlieh 
6 Centurionen, 3 Decurionen. 114 Keiter, 19 Dro- 
medarii und 363 Pedites. Sie war also nicht nur 
equitata , sondern umfasste auch noch ein De- 
tachement Kamelreiter. Der Zugang besteht in 
9 freiwillig eintretenden Rekruten (darunter 1 Reiter 
und 1 Dromedarius) , sowie in mehreren aus 
anderen Cohorten oder der legio II Traiana Ver- 



setzten, endlich in einem strafweise zum Infante- 
risten degradierten Eeiter einer ala. Das naehste 
Zeugnis der Cohorte ist die Bauinschrift ihres 
Lagers zu Hierakonpolis vom J. 288, CIL HI 22 ; 
wie Mommsen vermutet, war die Truppe gerade 
damals aus ihrer fruheren Garnison dorthin ver- 
legt worden. Zu Hierakonpolis verzeichnet sie 
noch die Not. dign. Or. XXXI 58 {cohors prima 
Lusitanorum Tkeraco). Sonst wird nur noch ein- 

lOmal auf einer britannischen Inschrift, CLL VLT 
1054, im Cursus honorum ein [praef. coh. I] Aug. 
Lusitanor. genannt. 

cohors I Lusitanorum lasst sich ein voiles 
Jahrhundert lang in Pannonien verfolgen. Die 
Diplome der ungeteilten Provinz II. XVI. XVII. 
XXVII nennen sie in den J. 60, 84, 85 und 98, 
ferner die Diplome von Pannonia inferior XXXIX. 
LXXIV und LXIX in den J. 114, 167 und 145 
— 160; in letzterem fehlt zwar die Zahl, ist aber. 

20 da zwei cohortes Lusitanorum im Diplom auf- 
gefuhrt sind, mit Sicherheit zu erg&nzen, schon 
wegen der tTbereinstimmung der Eeihenfolge mit 
Diplom LXXIV. Auffallenderweise ist bis jetzt 
keine einzige Inschrift und kein Ziegel der Co- 
horte in Pannonien gefunden worden. Nur ein 
Praefect und ein aus Iasus in Karien geburtiger 
Soldat von ihr werden in dem fur letzteren aus- 
gestellten Diplom XVII genannt. Vgl. coh. I 
Imsitanorum Cyrenaica. 

30 cohors I Lusitanorum Cyrenaica ist, ganz ab- 
gesehen von ihrem Beinamen, der sie von andern 
gleichnamigen Cohorten unterscheiden soil, schon 
deshalb von der vorigen coh. I Lusitanorum ver- 
schieden, weil diese sowohl 98 als 114 n. Chr. in 
Pannonien nachweisbar ist, wahrend sie selbst in 
den J. 99 und 105 durch die Diplome XXX und 
XXXILT in Moesia inferior beglaubigt ist. Bisher 
unpublicierte Ziegel mit [c]oh. I Lus. (CIL III 
13616) aus Moesia superior konnten ihr, ebenso 

40 gut aber auch der niederpannonischen coh. I Lusi- 
tanorum angehfiren, und auch bei dem Praefecten 
im Cursus honorum aus Libarna (ebd. V 7425) ist 
eine Entscheidung, ob die pannonische oder die 
moesische Cohorte gemeint ist, unmOglich. Das 
gleiche diirfte von der Inschrift zu Ehren des 
[ Gn. TJarutius Celer [pra]ef. coh. [ . Lujsitano- 
rum aus Genf gelten (Mommsen Inscr. Helv. 
79 = CIL XII 2603), wo bei dem sicheren Aus- 
fall von je drei Buchstaben mit Wahrscheinlich- 

50 keit I erganzt werden darf. 

cohors II Lusitanorum (equitata 1 } s. CIL III 
8733) hat 107 n. Chr. in Oberagypten gestanden, 
wie eine vorlaufig noch unvollstandig publicierte 
Inschrift aus Talmis zu Ehren des M. Horatius 
Numisianus mil. coh. II Lusitan. (CIL III 13582) 
zeigt. 

cohors II Lusitanorum (equitata ? s. CIL III 
8733). Eine Cohorte dieses Namens finden wir 
auch auf einer Weihinschrift aus der Civitas 

60 Igaeditanorum in Lusitanien (C a gnat L'ann. 
epigr. 1896, 1 = Ephem. epigr. VIII p. 360) 
genannt, die von einem dorther gebiirtigen (vgl. 
Cagnat a. a. O. 2) miles signifer coh. II Lus. 
der Victoria errichtet ist. Eine Beziehung auf 
die agyptische Cohorte dieses Namens ist natur- 
lich nicht unmoglich, doch mftchte ich eher an 
eine von ihr verschiedene , in Lusitanien selbst 
liegende Truppe denken, umsomehr als es ja 



313 



Cohors 



Cohors 



314 



z. B. sicher auch mehrere cohortes I Lusitano- 
rum. gegeben hat. Dass iibrigens eine coh. Lu- 
sitanorum wirklich zeitweilig in jener Provinz ge- 
standen hat, diirfte ein Grabstein militi eortis 
Lusitanorum aus Porto de M6s, CIL II Suppl. 
5238 beweisen. Welcbe von beiden Abteilungen 
dann der praefect. cohort. II Lusitanor. equitatae 
befehligt hat, der in einem Cursus honorum aus 
Salonae CIL III 8733 genannt wird, ist ungewiss. 



107 und 166 eine eohors VII Lusitanorum finden, 
werden wir schwerlich neben der numidischen noch 
eine andere mit dieser hohen Nummer statuieren 
diirfen, sondern beide fur identisch halten miissei). 
cohors Lusitanorum. Ausser den beiden ohne 
Ziffer iiberlieferten Zeugnissen einer coh. Lusi- 
tanorum aus Genf und aus Portugal, die unter 
J und II Lusitanorum besprochen sind , haben 
wir noch zwei gleiche Steine, bei denen sich eine 



cohors III Lusitanorum equitata erscheint in 10 Beziehung auf eine bestimmte Truppe nicht vor 



den beiden niederpannonischen DiplomeB-XXXLX 
und LXXIV unter 114 und 167 n. Chr., aber 
auch in dem zwischen 145 und 160 anzusetzen- 
den Diplom LXIX dieser Provinz ist, wie die 
genau ubereinstimmende Eeihenfolge in Diplom 
LXXIV mit Bestimmtheit erkennen lasst, an erster 
Stelle coh. [Ill] Lusitanorum zu erganzen. In- 
schriften der Truppe sind bis jetzt in Pannonien 
noch nicht gefunden. Da sie iibrigens in alien 



sehlagen lasst. Der eine, CIL X 7884, bei Austis 
im inneren Berglande Sardiniens gefunden, ist der 
der friihen Kaiserzeit angehorende Grabstein des 
Ubasus Chilonis f. Nielinus tubicen ex coho. Lu- 
sitan. Der Mann ist als activer Soldat dort ge- 
storben; sein Truppenteil muss also damals auf 
der Insel gelegen haben, und es ware gar nicht 
unmOglich, dass es eine der noch nicht nachge- 
wiesenen cohortes IV. V. VI Lusitanorum gewesen 



paimonischen Diplomen des 1. Jhdts. noch fehlt, 20 ist. Die zweite Inschrift, aus Stratonicea in Ka- 

r . i i i t-» ■ i i _ .!• ttt_.j-i m__ -i-„ • T>._n v-u vnr coi :~*. ~i~:,.t.*'..ti~ rt ;« flunk 



wird sie, wie schon Eitterling Westd. Ztschr. 
XII 240 vermutet, erst spater, etwa unter Traian 
dahin verlegt worden sein und ist dann wohl — 
dies hat bereits Hassencamp a. a. O. 68 er- 
kannt — identisch mit einer coh. Ill Lusitanorum, 
die im 1. Jhdt. in Germania inferior gelegen 
hatte und von der wir einen Soldatengrabstein 
aus Koln (CIEh 312) besitzen. Hassencamp 
veTmutet dabci sehr ansprechend, dass die Co- 



rien, Bull. hell. XIV 624, ist gleichfalls ein Grab- 
stein eines Soldaten (militi c[o]hortis Imsitano- 
rum), der ebenfalls bei seinem Tode noch im 
Dienste stand und dessen Cohorte sich also da- 
mals in Karien befunden haben muss. Da der 
Stein wegen des Namens Flavius des Mannes 
fruhestens dem letzten Drittel des 1. Jhdts. zu- 
gewiesen werden kann, ist es wenig wahrschein- 
lich, dass darin eine der uns aus anderen Provinzen 



horte eine von jenen Gallorum Lusitanorumque 30 bekannten cohortes Lusitanorum zu erkennen ist, 



et Britannorum cohortibus des germanischen 
Heeres gewesen -sei , die Caecina im J. 69 nach 
Italien vorausgeschickt hatte (Tac. hist. I 70). 
Ein subprae[f] coh. Ill Lusitanorum wird in 
einem Cursus honorum aus Aquileia (Pais CIL 
suppl. Ital. I 185) erwahnt, ein [praef.] elwr. Ill 
Lusit. auf einem anderen, gleichfalls aus Aquileia 
stammenden (Cagnat L'ann. Cpigr. 1895, 36). 
cohors III Lusitanorum equitata. Von einem 



doch sei darauf hingewiesen, dass auch bei der 
I Lusitanorum die Heimat Iasus eines Soldaten auf 
Beziehungen zu Karien schliessen lasst. Wegen 
der bei Tacitus hist. I 70 erwahnten cohortes 
Lusitanorum des germanischen Heeres s, coh. 
Ill Lusitanorum. 

cohors I Macedonica wird nur einmal auf einer 
Inschrift aus Tarraco, CIL II 4232, erwahnt, die 
zu Ehren eines aus der Stadt gebiirtigen L. Nu- 



eques chor. Ill Ijusitaimrum besitzen wir eine 40 misius Ovinianus tribuno ehort. I Macedanieae. 
friihe Weihinschrift aus Preixo in Portugal, CIL gesetzt ist. 



II 432, ohne dass man entscheiden konnte , ob 
damit die germanisch-pannonische Cohorte oder 
eine von ihr verschiedene im Lande selbst liegende 
(vgl. oben coh. II Lusitanorum) gemeint ist. 

[cohortes IIII. V. VI Lusitanorum] sind bis 
jetzt noch nicht direct bezeugt. 

collars VII Lusitanorum (equitata CIL VIII 
3147 = 2887) finden wir im 1. Jhdt. in Numi 



cohors Macedonica: s. coh. II Gallorum equi- 
tata. 

collars Malvensis: s. coh. I Flavia Britto- 
nurtt miliaria. 

cohors Maritime. Eine Inschrift aus Cor- 
duba, CIL II 2224, ist zu Ehren eines L. Iulius 
Gallus Mummianus trib. militum coh. Marilimae 
gesetzt. Mommsen Ephem. epigr. V p. 249 halt 



dien. Dort hatte etwa unter Nero L. Calpurnius 50 dies fiir keine rOmische Auxiliartruppe, allein ich 

T' v~i — J~~ 11ft ,* HU* ;.! lirtkr.Tn Al + oi. ttut_ wii-ri^o ^t- i R niVht fnr HTlTTlncrl 1 p)l lialteil. (\ 3.S^ 



Fabatus, der 112 n. Chr. in hohem Alter ver 
storbene Grossvater von des jungeren Plinius Ge 
mahlin als pr]aef. cohoriis VII Lusitan. [et] 
nation. Gaetulicar. sex quae sunt in Xumidia 
(CIL V 5267) gedient, und Inschriftcn von ihr sind 
an verschiedenen Stellen der Provinz zu Tage ge- 
treten, so zu Lambaesis die Grabsteine eines miles 
iCIL VIH 3101) und eines eques (3147 = 2887), 
zu Mascula eine Weihinschrift eines Centurionen 



wiirde es z. B. nicht fur unmoglich halten, dass 
der Name irgendwie mit der Provinz der Alpes 
maritimae zusammenhinge. Eine Beziehung zum 
praef. orae Maritimac, an die Hiibner denkt. 
scheint mir dagegen ausgeschlossen. 

[cohors I Mattiaeoruni] ist vorlaufig nur aus 
der folgenden Truppe zu erschliessen. 

coliors II Malt iaeorum. Alle Zeugnisse, die 
wir von dieser Cohorte besitzen, weisen nach 



(17631 = 10721) und in dem unweit von dort 60 der Provinz Moesia inferior. Unter deren Auxi- 



gelegenen Vazaivi das Stuck einer grossen In- 
schrift, derzufolge ein leg. Aug. pr. pr. irgend- 
welchen Bau (per t) coh. VII Lusita[nor]um . . . 
restituit (10733 = 17673). Vor dem Ende des 
Jahrhunderts wird die Truppe aber aus Numidien 
nach Eaetien verlegt worden sein, denn wenn wir 
in den raetischen DiplomeD XXXV und LXXffl 
(die Zahl ist hier mit Sicherheit erganzt) von 



lien fiihren sie zunachst die Diplome XXXI und 
XL VIII aus den J. 99 und 134 auf, und Ziegel 
von ihr aus dem bei Gertina an der Miindung 
des Sereth in die Donau gelegenen romischen 
Castell (CIL III Suppl. 7620 = 785,2) beweisen 
ihre Anwe.scnheit dort. Auch zwei Grabsteine 
von Angehorigen der Truppe sind in Moesia in- 
ferior, der eine zu Rustschuk, Arch.-epigr. Mitt. 



315 



Cohors 



Cohors 



316 



XV 221 , der andere zu Tenca im Bezirk von 
Tirnowa, ebd. 212, gefunden worden; denn trotz 
der fehlenden Ziffer darf audi der letztere auf 
die coh. II Mattiacorum bezogen werden. 

cohors miliaria Maurorum {equitata CLL III 
3444) hat in Pannonia inferior und zwar wohl 
im CasteU von Batta sudlich von Pest gelegen, 
wo ausser Ziegeln von ihr (CIL III 10673) auch 
eine aus den J. 235 — 238 stammende Dedications- 
insehrift der Cohorte zu Ehren des Maximums 
gefunden ist (ebd. 10375). Weitere Inschriften 
sind in der nahen Provincialhanptstadt Aquincum 
zu Tage getreten, namlich die Weihung eines 
eques (ebd. 3444) und die Grabsteine eines Ve- 
teranen (3545), sowie der I"rau eines Soldaten 
^3542). Auch die nur handschriftlich uberlieferte 
Inschrift aus dem dicht bei Batta gelegenen Te'- 
teny (3398), auf der angeblich mil. coh. CO N 
gestanden bat, mochte ich eher auf die eoh. CO 
M(aurorum) als auf die INorieorum (s, d.) be- 
riehen. Der Hist. Aug. trig. tyr. 32 erwahnte tri- 
bunus Maurorum hat schwerlich die pannonische 
-Cohorte befehligt. Eigentfimlich ist bei der Truppe 
die constante Yoranstellung von miliaria vor den 
Stammesnamen. 

cohors miliaria Maurorum ist nach neuerer 
Lesung des Steines CIL VIII 4323 aus Casae 
in Numidien gesichert, der 208 n. Chr. zu Ehren 
der Familie des Septimius Severus gesetzt ist, 
und auf dem ein Centurio coh. mfil.J Maur. 
{nicht II Maur. , s. d.) genannt wird. Die Co- 
horte hat also damals in Numidien gestanden und 
ist vielleicht nicht verschieden von der dortigen 
■eoh. -miliaria (s. d.). 

cohors quingenaria Maurorum (equitata- CIL 
III 3668). Neben der eoh. miliaria Maurorum 
hat in Pannonia inferior noch eine weitere nur 
500 Mann zahlende eoh. Maurorum gestanden, 
die sich zum Unterschied von jener ungewohn- 
licherweise coh. quingenaria Maurorum nennt, 
und zwar mit derselben charakteristischen Vor- 
anstellung der Ziffer vor den Stammesnamen. 
Direct bezeugt ist sie zunachst durch den Grab- 
stein eines vet. eh. B Maur. d(omo) Africa aus 
GyorkOny im Binnenlande der Provinz (CIL III 
3824), der von einem anderen Veteranen derselben 
Cohorte gesetzt ist. Danach scheint mir in der 
an unbekanntem Orte der Provinz gefundenen 
Weihung ebd. 3668 EQ C O MB A A . . . mit Sicher- 
heit als cq. coh. (quingenariae) Ma[ut\] gelesen 
werden zu kOnnen. Ebenso ist der Cohorte dann 
wohl auch die gleichfalls von unbekanntem Orte 
aus Pannonia inferior stammende Inschrift zu 
Ehren des Alexander Severus vom J. 225, ebd. 3675, 
zuzuweisen, die von einer coh. IIIIIBEQ AL, 
also M[aur. ?] (quingenaria) eqfuitataj Alfexand- 
riana) gesetzt ist. 

[cohors Maurorum et Afrorum 1 }]. In einer 
Inschrift aus Carales in Sardinien , CIL X 7600, 
dem Cursus bonorum eines Sex. Iulius , heisst 

dieser praef. cohor. Maur. et ^^QQRVfll ■ Da 

die aus zwei verschiedenen Stammen fonnierten 
Cohorten regelmassig wenigstens einander nahe 
verwandte oder benachbarte Velker umfassen, 
wiirde AJFRORVM, worauf die erhaltenen Buch- 
staben meiner Ansicht nach zu fuhren scheinen, auch 
sachlich alle Wahrscheinlichkeit fur sich haben. 



[co/wrs I Ad(ia) Cues. Mfaurorum) Sag(it- 
tariorumj] las man bisher nach Mommsens 
Vorgang den Namen einer in dem pannonischen 
Diplom XLVII vom J. 133 vorkommenden, aber 
in keinem der vielen anderen Diplome der Provinz 
wiederkehrenden Cohorte. Allein jetzt hat Bor- 
mann Arch.-epigr. Mitt. XX 161 gezeigt, dass 
das betreffende Zeichen nicht M, sondern ou, d. h. 
miliaria, zu lesen ist und also die pannonische 

10 coh. I Aelia miliaria Sagittariorum (s. d.) ge- 
meint ist. 

[cohors II Maurorum] beruht nur auf falscher 
Lesung (COH II MAVR) des numidischen Steines 
CLL Vni 4323, auf dem vielmehr OOH M MA, 
also mfiliaria) Ma[urorum], steht (vgl. coh. mi- 
liaria Maurorum und coh. miliaria). 

cohors I Menapiorum. Die einzige Erwah- 
nung dieser Cohorte flndet sich in Diplom XLIII, 
wonach sie 124 n. Chr. zu den Aurihen des bri- 

20tannischen Heeres gehort hat. 

cohors miliaria (equitata CIL VIH 17 980). 
Eine coh. miliaria ohne jeden weiteren Zusatz 
— analog den verschiedenen aloe miliarias — 
hat es anscheinend im numidischen Heere ge- 
geben. Aus Gemellae in dieser Provinz, sudlich 
vom Auresgebirge, haben wir namlich den Grab- 
stein eines dee. eoh. mil. (CIL VIII 17980) und 
auch auf dem Inschriftfragment aus Vazaivi (ebd. 
17640), wo wir I- COH- MILI lesen, konnte ihr 

30 Name enthalten sein. Ob diese Cohorte nicht 
etwa mit der in Numidien einmal vorkommenden 
coh. m(iliaria) Maurorum (s. d.) zusammenhangt 
und ob sie nicht vielleicht nur als einzige miliaria 
der Provinz, ahnlich wie z. B. in Dalmatien die / 
miliaria Delmatarum (s. d.), im Lande selbst 
kurz miliaria genannt wurde, verdient wohl in 
Erwagung gezogen zu werden. Auf dem Steine 
von Vazaivi kftnnte iibrigens ebensogut eoh. milifar. 
Maur.] erganzt werden (vgl. eoh. II Maurorum). 

40 cohors miliaria. Eine weitere derartige Truppe 
ohne Stammesnamen muss in Syrien angenommen 
werden, wo zu Tell ech-Chehab die Inschrift eines 
axgar. £<M(?r. /nhfaQiae), Bull. hell. XXI 45, ge- 
funden ist. Diese Cohorte ist dann mOglicher- 
weise auch auf dem nur handschriftlich erhaltenen 
spaten Grabstein aus Trier, CIRh 787, gemeint, 
der fur einen Centurio . . cjhortis Bhumae mil- 
liariae in Syria errichtet ist. Ich mOchte in 
Ehamae nicht einen Namen der betreffenden Co- 

50horte, sondern — wie mehrfach gerade bei syri- 
schen Truppen deren Standort zugefugt wird — 
ihre Garnison Rhama erkennen, die nur der Stein- 
metz an die falsche Stelle gesetzt hatte. 

cohors I Montanorum. Unter den Cohorten 
dieses Namens hebt sich zunachst eine heraus. 
die im 1. Jhdt. n. Chr. in Noricum. und zwar 
offenbar in der Hauptstadt Virunurn selbst ge- 
legen hat. Von dort haben wir namlich mehrere 
wohl noch der ersten Halfte des Jahrhunderts 

60 angehorende Soldatengrabsteine, deren Mehrzahl 
(CIL IH 4844. 4846. 4847. 4849) den Namen 
ubereinstimmend in der ungewohnlichen Folge 
coh. Montanorum yyri(ma) bietet. Dass auch auf 
dem der gleichen Periode angehorenden dortigen 
Grabstein eines miles coh. Montan. ebd. 11 554 
die coh. I Montanorum gemeint ist, kann als 
sicher gelten, und vielleicht darf auch noch CIL 
ITI 4838, der friihe Grabstein eines mil. coh. I. . . 



317 



Cohors 



Cohors 



318 



aus Virunum, auf sie bezogen werden. Spater 
findet sich in Noricum keine Spur der Truppe 
mehr, und es darf daher wohl angenommen werden, 
dass sie aus der Provinz wegverlegt worden ist. 
Unzweifelhaft ist sie dann die eine der beiden 
eoh. Montanorum, die zu Ende des 1. Jhdts. in 
der Nachbarprovinz Pannonien gleichzeitig nach- 
weisbar sind. 

cohors I Montanorum c. R. (mit diesem Bei- 



cohors Naut[. . .]. Vier Inschriften aus Ce- 
menelum an der Eiviera nennen Soldaten einer 
coh. Naut. (CIL V 7887. 7888. 7892) bezw. 
eoh. Na. (ebd. 7884). Die Steine geheren samt- 
lich der fruhen Kaiserzeit an und beweisen, dass 
die betreffende Cohorte damals zeitweilig dort 
gestanden hat. Da sie vollstandig militarisch 
organisiert ist, Centurien und Centurionen, dupli- 
carii und tubieines besitzt,. werden wir doch wohl 



namen nur in Diplom XXVLT) verzeichnen die 10 eine regulare Ausiliartruppe darin zu erkennen 



Diplome XH.L XVI. XVII. XXVII fur die J. 807 
84, 85, 98 in der noch ungeteilten Provinz Pan- 
nonien, dann XXXIX und LXXIV fur 114 und 
167 in Pannonia inferior. Die Diplome XHI und 
XVI sind fiir AngehOrige der Cohorte selbst aus- 
gestellt nnd nennen daher auch deren damalige 
Praefecten. Die Heimat der betreffenden Solda- 
ten, eines geborenen Bessers und eines Dalmaters, 
lasst auf einen fruheren Aufenthalt der Truppe 
in den Landern der Balkanhalbinsel schliessen. 

eokors I Montanorum wird neben der vorigen 
als gleichfalls 85 n. Chr. in Pannonien stehend 
in Diplom XVII genannt. Da sie in alien ubrigen 
pannonischen Diplomen fehlt, hat sie offenbar nur 
kurze Zeit dort gelegen nnd konnte sehr wohl 
mit der fruher in Noricum nachzuweisenden gleich- 
namigen Truppe identisch sein. Anscheinend ist 
sie spater nach Dacien verlegt worden, wo zu Muhl- 
bach Ziegel mit dem Stempel IIIMO (CIL III 



haben. Ob aber die naheliegende Auf lSsung Nau- 
tarum richtig ist, oder ob in Naut. der Name eines 
unbekannten Volksstammes steckt — wie solche 
ja gerade bei den Auxilien mehrfach vorkommen 
— , ist nicht ohne weiteres zu entscheiden. 

cohors Nemetum. Aus dem im J. 50 n. Chr. 
gegen die Chatten gefiihrten Kriege berichtet 
Tacitus ann. XII 27 : P. Pomponius legatus auxi- 
liares Vangionas ac Nemetas addito equite aiario 
20 immittit. "Wie zuraal das Wort aiario beweist, 
konnen damit nur regulare eohortes Vangionum 
und Nemetum gemeint sein, und da eine coh. I 
Vangionum thatsachlich bekannt ist, werden wir 
aus der Stelle mit Sicherheit auch mindestens 
eine coh. Nemetum zu erschliessen haben. 

cohors Nervana: s. coh. I Germanorum. 

cohors Nervia : s. eoh. II Augusta Pacensis 
miliaria Brittonum. 

cohors I Augusta Nerriana velox hat 107 



Suppl. 8074, 21) gefunden sind, die bereits Gooss 30 n. Chr. zur Besatzung von Mauretania Caesariensis 
Archiv d. Vereins f. Siebenburg. Landesk. XII 172 gehOrt, vgl. Diplom XXXVI. 



richtig als eo]H- I-MO[nt.] erklart hat. Auch 
in der Weihinschrift aus Veczel in Dacien (CIL 
III 1343), die eine Reihe von daeischen Auxiliar- 
regimentern aufzahlt, konnte in den Buchstaben 
.MO.. I der Name der coh. B Mo[n]t. stecken 
eohars I Montanorum findet sich endlich auch 
in dem neuen Diplom von Syria Palaestina aus 
dem J. 139, vgl. Cagnat L'ann. epigr. 1897, 



cohors I Aug. Nerv. ... ist in dem zwischen 
145 und 161 erteilten, auf Dacia superior beziig- 
lichen Diplom LXX genannt, ohne dass ihr Name 
sich mit Sicherheit herstellen liesse. Mo mm sen 
Ephem. epigr. V p. 178 denkt wegen der II Augusta 
Nervia Pacensis ■miliaria Brittonum (s. d.) an 
eine coh. Brittonum, doch ware auch eine Iden- 
tiflcierung mit der mauretanischen I Augusta 



106. Ob hier eine der oben besprochenen gleich- 40 Nerriana velox durchaus nicht ausgeschlossen 



namigen Cohorten, etwa die pannonische, zu 
erkennen ist, die dann fur den judischen Krieg 
von Hadrian zeitweilig nach dem Orient abcom- 
mandiert sein musste, oder ob daneben noch eine 
weitere im Orient stehende Cohorte des Namens 
angenommen werdi'ii muss, lasst sich nicht ent- 
scheiden. Ungewiss bleibt auch, welche coh. I 
Montanorum die in verschiedenen Cursus honorum, 
CIL V 7425. X 6426. 1X5439, vorkommenden 



cohors I Nemiorum stand nach Diplom XXXIV 
im J. 105 in Britannien und ist dort auch durch 
die Inschrift eines ihrer Soldaten aus CaeT-gai in 
Wales (Ephem. epigr. VII 863) bezeugt. 

cohors II Nerviorum kehrt in den drei bri- 
tannischen Diplomen XXIX. XLIII. LVII aus 
den J. 98, 124, 146 wieder. Ihre Garnison scheint 
Vindolana am Hadrianswall gewesen zu sein, wo- 
her wir die Weihung eines ihrer Praefecten (CIL 



Praefecten befehligt haben. Die letztgenannte 50 VII 701) haben. Spater muss sie allerdings^ von 
Inschrift ist dadurch interessant, dass sie noch ' ' ' -'-----■-- j- *-•- vr.i 

den Zusatz P. C. (d. i. pia eonstans) zum Namen 
der Cohorte giebt. 

cohors I Mwinorum hat, soweit wir erkennen 
konnen, wohl die ganze Kaiserzeit hindurch in 
Britannien gestanden; 103 n. Chr. findet sie sich 
in dem britannischen Diplom XXXII, und noch 
die Notitia dignitatum nennt sie Occ. XL 52 
und giebt als ihre Garnison Glannibanta am Ha- 



dort wegverlegt worden sein, da die Not. dign. 
Occ. XL 41 an ihrer Stelle zu Vindolana die 
coh. IV flallorum nennt. Eine Weihinschrift 
der Texandfri) et Suniefi) rex. cohor. II Ner- 
viorum (Ephem. epigr. ni 103) ist in dem un- 
weit von Vindolana gelegenen Procolitia gefun- 
den. Ausserdem haben wir noch eine Anzahl 
Bleitesserae mit der Aufschrift C-II-NEIi (CIL 
VII 1269. 1269 add.), nach Hubners uberzeugen- 



drianswall an. Ein Praefect der Cohorte wird in 60 der Erklarung Erkennungsmarken der Soldaten. 



einer Inschrift aus Salonae CLL HI 2049 erwahnt. 
cohors I Flavia Musulamiorum. Diese Co- 
horte ist zweimal ausdriicklich fur Mauretanien 
bezeugt, zunachst durch Diplom XXXVI vom J. 107 
fur Mauretania Caesariensis, dann durch einen 
Grabstein aus Thubursicnm in Numidien (CIL 
VIII 4879), auf dem C. Cornelius Flaccus praef. 
cohor. I Musulam. in Maur. heisst. 



cohors IH Nerviorum c. B. hat gleichfalls 
zum britannischen Heere gehOrt. In diesem er- 
scheint sie 124 n. Chr. in Diplom XLIII und 
noch in der Not. dign. Occ. XL 53, wo als ihr 
Standort Alio angegeben wird. Von den drei 
bezw. vier Inschriften der Cohorte stammen zwei 
bezw. drei aus Whitleyeastle , sudlich vom Ha- 
drianswall, das wohl eben jenes Alio gewesen ist. 



319 



Cohors 



Cohors 



320 



Die eine dieser Inschriften (CIL VII 310) ist von 
der Cohorte in den J. 213 — 217 zu Ehren des 
Caracalla gesetzt, die andere (Ephem. epigr. Ill 
p. 128 = CIL VII 309) ist die Weihung eines 
ihrer Angeh&rigen an Apollo, wahrend in der 
dritten, die anscheinend gleichfalls zu Ehren Ca- 
racallas gesetzt ist (CIL VII 311), Hiibner den 
Namen der Abteilung mit grosser Wahrscheinlich- 
keit hergestellt hat. Sonst besitzen wir rnir aus 
Vindolana am Hadrianswall eine Weihinschriffc der 10 
Cohorte und ihres Praefecten an Mars Victor (CIL 
VII 706), die abeT auch anlasslich eines Krieges 
errichtet sein kann und nicht notwendig die An- 
nahme erfordert, dass die Cohorte zeitweilig dort 
in Garnison gelegen hatte. 

[eohortes IIH \mi V Nerviorum] kommen ein- 
zeln nirgends vor, vgl. unten coh. Nerviorum. 

cohors I 7 ! Nerviorum. Auch sie hat wie die 
I. II. ID. Nerviorum, in Britannien gelegen, wo 
sie die Diplome XLIH und LVII fur 124 und 20 
146 aufffihren und wo die Not. dign. Oec. XL 
56 als ihren Garnisonsart Virosidum nennt. Viel- 
leicht lag dieses bei dem heutigen Bainbridge, 
wenigstens ist dort eine aus den letzten Jahren 
des Septinrius Severus stammende Bauinschrift 
der Cohorte gefunden worden (CIL VII 269). 
Zwei Weihungen von ihr, die eine an die Vic- 
toria (ebd. 1092) aus Schottland, vom Piuswall, 
die andere an die Victoria Augusta (726) aus 
Aesica am Hadrian swall, konnen wiederum wah- 30 
rend gelegentlicher Anwesenheit der Truppe dort 
in einem Kriege errichtet sein und durfen fur An- 
setzung ihrer Garnisonen nicht verwertet werden. 

eohortes Nerviorum. Nach Tac. hist. IV 33 
waren unter den Truppen des Vocula, die dieser 
in der Schlacht gegen Civilis befehligte, auch 
Nerviorum eohortes, die aber metu seu perfidia 
latera nostrorum nudavere und dadurch beinahe 
die Niederlage der Romer verursacht hatten. Es 
miissen demnach 69 u. Chr. mehrere eohortes Ner- 40 
viorum zum Heere von Germania inferior gehort 
haben. Dies konnen ja freilich auch die spater in 
Britannien erscheinenden eohortes I. II. III. VI 
Nerviorum gewesen sein, aber naher liegt doch 
wohl die schon von Hartung vertretene An- 
nahme, dass es die sonst nicht naehweisbaren 
eohortes IIII\m& V Nerviorum gewesen seien, die 
dann zu den von Vespasian cassierten Abteilungen 
gehOrt haben wiirden. 

cohors I Noricorum (equitata'i CIL III 10279)50 
ist bis j etzt nur in Pannonien nachzuweisen. In der 
noch ungeteilten Provinz nennen sie die Diplome 
Xm. XVI. XVII fur die J. 80. 84, 85, in Pan- 
nonia inferior Diplom LXXIV fur das J. 167 und 
vielleicht schon LVLTI aus der Zeit zwischen 138 
und 146. Ausserdem heisst L. Volcacius Primus 
in seinem Cursus honorum CIL IX 5363 und 5364 
praef. coh. I Norieor. in Pann(onia). Mehrere 
[nschriften aus Niederpannonien lassen sich viel- 
leicht — allerdings keine einzige mit ganz un- 60 
bedingter Gewissheit — auf die Cohorte beziehen. 
Am gesichertsten erscheint mir noch die Dedi- 
cation fur Caracalla aus dem rOmischen Castell 
auf der Donauinsel von Mohacs, CIL III 10279, 
die von der coh. I h, O R Antoniniana eq. gesetzt 
ist. Ferner mOchte ich auf dem fur die Garnison 
der Truppe freilich belanglosen Pamiliengrabstein 
aus Aquineum, CIL III 3545, mil. eoh. Nfori- 



eor.) erganzen, wahrend bei der Weihinschrift ebd. 
3616 eine Beziehung auf die Cohorte zu proble- 
matisch ist. Endlich konnte man noch den 
Pamiliengrabstein aus TSte'ny, ebd. 3398, auf dem 
ein mil. coh. CO N. erscheint, auf die Cohorte be- 
ziehen wollen. Allein ganz abgesehen davon, dass 
die coh. I Noricorum ja bestimmt eine quingena- 
ria war, spricht neben dem Fehlen der Ziffer vor 
allem die ungewOhnliche Voranstellung von 00 
vor den Namen eher dafur, dass in dem nur hsl. 
iiberlieferten Text N statt M verlesen worden und 
die pannonische coh. miliaria Maurorum (s. d.) 
gemeint ist, bei der jene Voranstellung der Zahl 
die Eegel ist. 

cohors Nova: s. eoh. I miliaria Surorum 
sagittariorum, coh. Tirormm. 

cohors IFlavia Numidarum (equitata Diplom 
LXXVI) bildete zum mindesten 178 n. Chr. die 
Besatzung der Provinz Lycia Pamphylia. Aus 
diesem Jahre besitzen wir das fur einen ihrer 
Leute ausgestellte Diplom LXXVI, das aber auf- 
fallenderweise in Bulgarien gefunden worden ist. 
Oh aus der Thatsache, dass im Diplom als Be- 
fehlshaber ein Tribun genannt wird, zu schliessen 
ist, dass die Cohorte eine miliaria gewesen ist, 
oder ob hier besondere Verhaltnisse vorliegen, sei 
dahingestellt. Sonst kehrt die Truppe nur noch 
in dem griechischen Cursus honorum aus Brun- 
disium, CIG 5783 c, wieder, wo die Erganzung 
Xo>q. a [0).. N]ovuid&r durch die folgenden Worte 
il&eyOls) T ys [IIa/j,](pvXiag gesichert wird. Ob 
der in einem Cursus honorum aus Samos (Athen. 
Mitt. IX 262) genannte sjzagxo; oTtsions jtQoiin; 
NovfitSmv auf die IFlavia Numidarum oder auf 
eine neben dieser anzunehmende I Numidarum zu 
beziehen ist, lasst sich zur Zeit nicht entscheiden. 

cohors II Flavia Numidarum. Zweifellos 
gleichzeitig mit der I Flavia Numidarum von 
einem der flavischen Kaiser errichtet, hat sie im 
2. Jhdt. in Dacien gestanden. Diplom XLVI 
nennt sie 129 unter den Truppen von Dacia in- 
ferior ; Ziegel von ihr sind dagegen in der oberen 
Provinz zu Marosporto am Marosch und im Castell 
von VarmezC im aussersten Nordwesten des Landes 
gefunden worden (CIL HI 1633, 5 = Suppl. 8074, 
22. Arch.-epigr. Mitt. XVI 256). Ein Praefect. 
der Cohorte erscheint in dem griechischen Cursus 
honorum aus Thyatira, CIG 3497. 

r cohors III Numidarum] ergiebt sich aus dem 
Vorkommen einer coh. IIII Numidarum. 

cohors IIII Numidarum wird zwar nur in der 
Not. dign. Or. XXVIII 46 als Besatzung von 
Narmunthi in Agypten genannt, ist aber doch 
allem Anschein nach eine alte Truppe. 

cohors Numidarum. Eine solche darf fur die 
Regierungszeit Hadrians in Cappadocien ange- 
nommen werden. Arrian hatte namlich in seinem 
gegen die Alanen aufgestellten Heere unter den 
o.-T/Jzai , d. h. der regularen Auxiliarinfauterie, 
auch NoudSeg . . vxoTeiayiievoi Br/ocp iqj o(fe- 
i£0(j) ao%ovzi (ect. 3), also ganz deutlich eine coh. 
Numidarum, die dann, wie die Worte oi -isfoi 
ro^otat oi tOov Noftddcov ebd. 18 zeigen , zum 
mindesten teilweise aus Bogenschutzen bestand. 
Es ware nicht unmoglich, dass diese Cohorte etwa 
mit der I Numidarum (s. d.i oder aber mit der bis 
jetzt noch nicht nachgewiesenen III Numidarum 
identisch ist. 



321 



Cohors 



Cohors 



322 



cohors I Nurritanorum zahlte nach Diplom 
XXXVI im J. 107 zur Besatzung von Mauretania 
Caesariensis, ist aber sonst nur durch den Cursus 
honorum zweier ihrer Praefecten, CIL XI 6010 
= Muratori 677, 1 und VIII 4292, bekannt. 

cohors I P. P. Ein spater Grabstein aus Po- 
taissa in Dacien, CIL III 908, ist von einem mil. 
ch. I P. P. seinen Angehftrigen gesetzt, doch ist 
es bis jetzt noch nicht gelungen, den Namen der 
Cohorte sicher festzustellen. Dass diese mit dem 
schon von Mommsen herangezogenen gleichfalls 
in Dacien stehenden nfumerusj P. P. (ebd. 803) 
in Zusammenhang steht und vielleicht aus ihm her- 
vorgegangen ist, durfte wohl nicht unmOglich sein ; 
dagegen kann die Inschrift Arch.-epigr. Mitt. XVII 
19 (= CIL III 13764) nicht, wie Cumont thut, 
herangezogen werden. Das zweite P halt Bor- 
mann (zu letzterer Stelle) fur Abkiirzung von 
P(hilippiana) . Mir wurde immer noch am wahr- 
scheinlichsten die Erklarung als eoh. I Pfalmy- 
renorumj erscheinen, da ja ein numerus Palmy- 
renorum in Dacien wirkhch vorkommt. 

cohors Paeensis : s. coh. II Augusta Nervia 
miliaria Brittonum. 

cohors I JJlpia Pannoniorum miliaria, equi- 
tata, (CTL III 6302 = Suppl. 8162. 3350). Ihrem 
Namen nach ist sie von Traian errichtet und wird 
durch eine Beihe von Diplomen fur Pannonia 
superior bezeugt. Dort lag sie 133 (Diplom XLVII), 
138 (Diplom LI), 148 (Diplom LX), 149 (Diplom 
LXI), 154 (Diplom LXV), ferner in einem nicht 
genau festzustellenden Jahre, wahrscheinlich 133, 
nach dem neuen Diplom Arch.-epigr. Mitt. XX 
156, und auch in dem weiteren, ebd. 158 ver- 
offentlichten Diplom jener Provinz von 116 mCSchte 
ich in der coh. . . . miliaria eq. nicht mit Rit- 
t erl in g die damals wohl schon in Dacien stehende 
/ Britanniea, sondern die / JJlpia Pannoniorum 
erkennen. Diplom LX ist fur einen Soldaten 
der Cohorte, einen geborenen Azaler, ausgestellt 
und nennt ausser diesem noch den damaligen 
Commandeur. In Pannonia superior setzt die 
Truppe endlich auch eine Inschrift aus Brixia, 
CIL V 4343, voraus, da sie ein trib. coh. prim. 
Pann. einem Statthalter von Pannonia superior 
als seinem praesidi optima errichtet. An Dcnk- 
inalern der Cohorte haben wir aus Pannonia supe- 
rior einen Grabstein aus Carnuntum, CIL III 11227, 
wo . . elm. I Ulp . . doch nur auf sie als die 
einzige den Beinamen JJlpia tragende Cohorte in 
der Provinz bezogen werden kann, ferner Ziegel 
aus Gran (ebd. 3756) und einen Soldatengrabstein 
aus Acsa an der Grenze beider Pannonien (6454 
:= 10349). Aus Pannonia inferior stammen Ziegel 
aus Aquineum (3756, vgl. 10667) und der spate 
Grabstein eines deeurio aus Stuhlweissenburg 
(3350). Die Weihinschrift eines aus der coh. 
NVlll Voluntariorum in die / I'lpia Panno- 
niorum. versetzten Tribunen aus Moesia superior 
i CIL III 6302 = Suppl. 8162) ist fur die Garnison 
der Truppe ohne Belang. Ein anderer Tribun 
erscheint in dem stadtromischen Cursus honorum 
Not. degli scav. 1887, 537 = CIL VI 31856. 

cohors I Panwmiorum. ist flir das 1. Jhdt. 
durch mehrere sehr alte Grabsteine in der Provinz 
Germanien bezeugt. Drei von diesen, CIRh 740. 
743. 744, stammen aus Bingerbriick, wo demnach 
die Cohorte zeitweilig ihr Standquartier gehabt 

Pauly-Wissowa IV 



haben muss. Ein weiterer, ebd. 1519, ist zu Wies- 
baden gefunden, und auch auf einem unvollstandigen 
Stein aus der Nahe von Mainz mit miles .... nioru. 
(ebd. 1368) ist, wie bereits Schunemann a. a. O. 
21 gesehen hat, wohl [coh. I Panno] 'nioru [m] 
zu erganzen. Wohin die Cohorte von Germanien 
aus gekommen ist, lasst sich zunachst nicht bestim- 
men. Wohl aber durfen wir annehrnen, dass sie 
einmal, und zwar anscheinend im 1. Jhdt., vor- 

10 (Ibergehend in Oberitalien geweilt hat. Aus Aqui- 
leia haben wir namlich den Grabstein eines mil. 
coho. I Pannoniorum (CIL V 885), und dass dies 
die germanische Cohorte des Namens ist, durfte 
die germanische Heimat des erst elf Jahre zuvor 
in den Dienst getretenen Soldaten beweisen. Nun 
wissen wir aber thatsachlich von einer coh. Pan- 
noniorum, die einmal in Oberitalien gewesen ist ; 
Tacitus erzahlt namlich hist. II 17 aus dem J. 69, 
dass eine zu Othos Heere gehorende Pannonio- 

20 rum cohors bei Cremona von den vorausgesandten 
Truppen des Vitellius gefangen genommen worden 
sei. Auf Grund jenes Grabsteines liegt dann die 
Vermutung nahe genug, dass dies eben unsere IPan- 
noniorum gewesen ist. Nach Germanien ist die 
Cohorte dann gewiss nicht wieder zuruckgekehrt, 
dagegen konnte sie nach Britannien verlegt wor- 
den sein, wo nach dem Cursus honorum CIL IX 
2649 {praef. coh. I Pannonifor.J in Britannia), 
im 2. oder 3. Jhdt. eine Cohorte des Namens ge- 

30 legen hat. Ob der stadtrCmische Cursus hono- 
rum eines praef. coh. I Pan. (CIL VI 35401 
diese oder eine andere gleichnamige Cohorte meint, 
ist ungewiss. 

cohors I Pannoniorum. Von der vorigen Co- 
horte zweifellos verschieden ist eine coh. I Pan- 
noniorum, die nach Diplom XXXVI im J. 107 
in Mauretania Caesariensis gestanden hat und 
dort auch durch mehrere Inschriften bezeugt ist. 
Zunachst sind es zwei Steine aus der Zeit des 

40 Septimius Severus und seiner Sohne (Cagnat 
L'ann. <5pigr. 1892, 116 und 1893, 105), die die 
Aufstellung neuer Meilensteine an der Strasse von 
Timziouine nach dem Westen der Provinz durch 
die coh. I Pannoniorum betreffen , sodann ein 
Grabstein (CIL VIII 21033 = Ephem. epigr. V 
991), den ein Vatcr zu Cacsarca seinem Sohne, 
einem AngehOrigen . . . coh. I Pann. setzt. Auch 
der fruhe Grabstein eines geborenen Pannoniers 
aus Caesarea, ebd. 21041 = Cagnat L'ann. epigr. 

50 1894, 42, wird, obwohl hier coh. Panwmior. ohne 
Nummer steht, ihr als der einzigen pannonischen 
Cohorte in der Provinz angeheren; die Truppe 
wurde in diesem Palle schon im 1. Jhdt. in Maure- 
tanien nachgewiesen sein. 

eohors I Pannoniorum. Einem Soldaten einer 
coh. I Pannoniorum Valeria Valeri f. Volenti 
Ratiar(ia) ist das auf eine unbekannte Provinz 
bezugliche Diplom LXXII vom 18. Februar 165 
erteilt, das neben diesem noch den betreffenden 

60 Praefecten nennt. Welche der verschiedenen eo- 
hortes I Pannoniorum hier gemeint ist, bleibt 
— zumal nicht einmal der Fundort des Diploms 
feststeht — ganz unsicher. Wenn die Heimat de> 
Soldaten einen Anhalt gewahren konnte , wurde 
Moesien in erster Lime in Betracht kommen. 

cohors I Jniqusta Pannoniorum ist in der 
Notitia dignitatum (Or. XXVIII 41) zu Tohu (oder 
Thou) in Agvpten angesetzt. Sie wird dann iden- 

11 



323 



Cohors 



Cohors 



324 



tisch sein mit der eoh. I Pawnonioritm, die schon 
83 n. Chr. in dem agyptischen Diplom XV ge- 
nannt ist, und hat also wohl die ganze Kaiserzeit 
hindurch in Agypten gestanden. Eine Erwahnung 
der Cohorte mochte ich noch in einer aus Cuicul 
in Numidien stammenden Inschrift des J. 160 
n. Chr. (Ephem. epigr. VII 798), dem Cursus 
honorum des L. Claudius Honoratus, finden, der 
u. a. trib. mfil.J . . ., ... I Aug. Pan. (Variante 
P ■ AN) equo publ. exam, ab imp. Antoninfo heisst. 1 
Da die Aufzahlung der Amter in absteigender 
Folge gegeben ist, war das Commando der Truppe 
das erste, das der Mann nach Verleihung des 
Ritterpferdes innehatte, und demnach kann nicht, 
wie die Herausgeber glanben, eine ala, sondern 
unbedingt nur eine Cohorte gemeint sein ; in dieser 
ist dann aber naturlich eben die agyptische zu 
erkennen. 

cohors I Pannoniorum et Dalmatarwm equi- 
tata o. R. ist vorlanfig nur durch den Cursus hono- 20 
rum des T. Pontius Sabinus, CIL X 5829. be- 
zeugt, der sie unter Traian befehligt hatte. 

cohors II Pannoniorum wird ausser in einem 
Cursus honorum hadrianischer Zeit aus Benevent, 
CIL IX 1619, ausdriicklieh genannt nur auf einem 
Steine aus dem rOmischen Castell von Malbray 
in Britannien, CIL VII 417 = Ephem. epigr. VII 
978 (. . praef. eoJi. II Pannon. fecit); danach 
diirfte die Cohorte zeitweilig dort gelegen haben. 
Vielleicht ist ihr Name aber auch in dem britan- 30 
nischen Diplom XXXIV vom J. 105 einzusetzen, 
wo eine coh. . . Pannoniorum zwischen der eoh. II 
Asturum und einer coh. . . . Delmatarum steht. 
Mit letzterer kann , wie unter // Delmatarum 
gezeigt ist, nur die coh. II Delmatarum gemeint 
sein, und damit ware dann auch fur die coh. Pan- 
wm'oraradieZiffergesichert; zwischen zwei eokor- 
tes i/stehend muss namlich auch sie diese Nummer 
getragen haben. Dagegen ist auf dem Stein von 
Borcovicium CIL VII 692, der Grabschrift eines 40 
mifles coh . .] PAN, nicht zu entscheiden, ob 
die Zahl I, II oder III dagestanden hat. Vgl. 
auch coh. II Veterana . . . iorum. 

cohors III Pannoniorum mochte ich aus dem 
britannischen Diplom LV (unbestimmter Zeit, aber 
vor 138) erschliessen, wo eine coh. Ill P . . . er- 
scheint und P[annouiorum] die einzig mfigliche 
Erganzung sein diirfte (vgl. ubrigens coh. IlPann.). 
Die von Schunemann a. a. O. 23 (vgl. Momm- 
sen im Index von CIL III) auf eine coh. Ill Pan- 50 
noniorum bezogenen Ziegel aus Adony in Pan- 
nonia inferior mit HtllPA (CIL III 3752) konnen 
derselben Truppe angehoren, dagegen wird die 
in der Not. dign. Oca XXXV 30 in Kaetien ver- 
zeichnete coh. Ill Hereulea Pamwniorum mit 
der alteren coh. Ill Pannoniorum wohl schwer- 
lich zusaramenhangen. 

cohors IIII Pannoniorum war bisher nur aus 
einer schlecht uberlieferten Inschrift aus Alba 
Fucens (CIL IX 3924) bekannt gewesen. Neuer- 60 
dings sind nun zu Apulum Ziegel mit dem Stempel 
COtf////P(Arch.-epigr. Mitt, XVI 255) gefunden, 
die meiner Ansicht nach einzig als coh. IIII P(an- 
nwiiorum) aufgelOst werden konnen und also die 
Zugehorigkeit der Cohorte zum dacischen Heere 
erweisen. 

cohors Pannonun'um. Ausser von der auf 
Scite Othos stehenden cohors Pannonioruv> . in 



der wir die germanische I Pannoniorum (s. d.) 
zu erkennen haben werden, spricht Tacitus hist. 

II 14 zu Beginn der Feindseligkeiten des J. 69 
noch von quingenti Pannonii nondum sub signis, 
die, unter den Truppen des Vitellius befindlich, 
an dem Kttstenschutz der Provincia Narbonensis 
und an dem Gefecht gegen die Flottenmannschaf- 
ten Othos beteiligt sind. Damit scheint doch 
wohl eine neu zu bildende eoh. Pannoniorum 
quingenaria gemeint zu sein, die dann mit einer 
der iibrigen uns bekannten cohortes Pannoniorum 
identisch sein kOnnte. 

[cohors I Ulpia Paphlagonum] darf nach den 
cohortes II und HI Ulpiae Paphlagonum mit 
Bestimmtheit angenommen werden. 

cohors II Ulpia Paphlagonum (equitata). Nach 
dem Namen zu schliessen von Traian errichtet, 
stellt sie zu dem, wahrseheinlich fur den Parther- 
krieg dieses Kaisers formierten, combinierteh Ca- 
valleriecorps, dessen Bestandteile die Inschrift CIL 

III 600 aufzahlt, eine Anzahl Reiter. 
cohors III Ulpia, Paphlagonum {equitata) ist 

wie die vorige und zwar gewiss gleichzeitig mit 
ihr von Traian formiert worden und hat wie jene 
Mannschaften fur das Corps des Valerius Lollia- 
nus abgegeben (CIL III 600). Ein Praefect von 
ihr begegnet im Cursus honorum CIL VIII 21037 
= Ephem. epigr. V 994. 

cohors I Ulpia Petraeorum (equitata) war von 
Traian aus der neuen Provinz Arabien ausgehoben 
und wie die beiden eben behandelten Cohorten 
durch eine Vexillation von Reitem am Parther- 
kriege des Kaisers beteiligt (CIL III 600). Ver- 
mutlich war sie wie die coh. II und III Ulpia 
Petraeorum eine coh. miliaria. 

cohors II Ulpia. Petraeorum miliaria^ equitata 
wird nur in dem Cursus honorum des C. Camurius 
Clemens, CIL XI 5669 = Orelli 516, erwahnt, 
der als einer ihrer ersten Commandeure noch 
unter Traian Tribun der Cohorte war. 

cohors III Ulpia Petraeorum miliaria equi- 
tata (s. u.) steht in der Not. dign. Or. XXXVIII 
27 in Armenien (d. h. Cappadocien) zu Metita 
verzeichnet. Es liegt dann nahe, auf sie die 
anoxo^otag xovg nsxgaiovs zu beziehen, die sich 
in Arrians Heer gegen die Alanen befanden, ect. I. 
Da diese namlich unter SexaSaQxai, d. h. Decurionen. 
und nicht unter einem Praefecten stehen, wird 
es sich um die Vexillation einer coh. equitata 
handeln. Die Truppe hat dann also wohl die 
ganze Kaiserzeit hindurch in Cappadocien ge- 
standen. Einen Tribunen von ihr nennt ein Cursus 
honorum aus Sestinum, CIL XI 6010 = Mura- 
tori 677, 1. 

cohors IIH [Ulpia?] Petraeorum ist erst 
durch das neue Diplom von Syria Palaestina. 
Cagnat L'ann. epigr. 1897, 106, bekannt ge- 
worden , das fiir das J. 139 ihre Zugehorigkeit 
zum Heere dieser Provinz bezeugt. Der Name 
Ulpia darf nach Analogie der cohortes I. II 
III. V Ulpia Petraeorum fiir sie und die coh. 
VI Petraeorum vermutet werden, obgleich er im 
Diplom fehlt, aber dieses giebt. wie das Beispiel 
der II Ulpia, Galatarum beweist, im Teite die 
Beinamen derTruppenabteilungen uberhaupt nicht 
vollstandig an. 

cohors V Ulpia Petraeorum equitata. Sie 
hat gleichfalls wie die I Petraeorum Mannschaften 



325 



Cohors 



Cohors 



326 



zur Bildung eines Reitercorps fiir Traians Parther- 
krieg abgegeben (CIL III 600). Den Grabstein 
eines erst 21jahrigen Praefecten von ihr haben 
wir aus Ostia, CIL XIV 162 ; ob dies die Heimat 
4es Offleiers war oder ob er auf der Ausreise naeh 
seiner Garnison dort gestorben ist, bleibt ungewiss. 

cohors VI [Ulpial] Petraeorum. Nach dem 
neu gefundenen Diplom, Cagnat L'ann. epigr. 
1897, 106, hat sie im J. 139 zusammen mit 
der IIII Petraeorum, in Syria Palaestina gestanden. 10 
Den Namen Ulpia wird sie ebenso gefuhrt haben 
wie die iibrigen fiinf cohortes Ulpiae Petraeo- 
rum, mit denen sie offenbar gleichzeitig von 
Traian errichtet worden war. 

eohors p(ia) c(onstans): s. coh. I Montanorum. 

cohors p(ia) f(iM.is) : s. coh . I Batavorum 
miliaria, VII Campestris, I und II Civium Ro- 
manorum, II Augusta Dacorum miliaria, III 
Delmatarum, III Delmatarum miliaria, I Hispa- 
norum, I Flavia Hispanorum, II Hispanorum, 20 
[I] Lueemium. 

cohors Pilatofrum). Aus Tarraco besitzen wir 
eine Inschrift (CIL II 4240) zu Ehren eines Q. 
Porcius Vetustinus aus Iuliobriga, der praef ec. 
chor. Pilatofrum] genannt wird. M o m m s e n 
Ephem. epigr. V p. 249 bezweifelt mit Recht, 
dass dies eine Truppe des rOmischen Kaiserheeres 
gewesen ist. 

cohors II Pr. . . . Die Veroneser Inschrift 
CIL V 3356 zu Ehren des Ti. Claudius Alpinus 80 
(des spateren Bellicius Sollers) nennt diesen praef. 
alae Gallic, trib. leg. II Aug. praef. coh. II Pr. 
don. don. bello Germ. Hier kann, ganz abge- 
' sehen von dem praefectus statt tribunus, an eine 
der stadtromischen colwrtes praetoriae keinesfalls 
gedacht werden. Da das Commando als erstes 
in einem ganz normalen ritterlichen Cursus hono- 
rum aufgefuhrt ist, haben wir darin vielmehr 
— falls nicht etwa ein Versehen des Steinmetzen 
vorliegt — eine coh. quingenaria zu erwarten, 40 
und es wird daher eine unbekaunte Auxiliarco- 
horte II Pr . . . anzunehmen sein, deren Name 
allerdings vorlaufig nicht erklart zu werden ver- 
mag. 

[cohors III Pr . . . .]. In einem Londoner 
Codex des 16. Jhdts. sind zwei Grabsteine aus 
Vicetia in Oberitalien erhalten (Pais CIL Suppl. 
Ital. 610 und 611), die beide je einen mil. eoh. Ill 
Pr betrefFen und bisher auf cohortes praetoriae be- 
zogen wurden. Davon erweckt vor allem der zweite 50 
die allerschwersten, auch schon von Mommsen 
betonten Bedenken. Der betreffende Mann wiirde 
namlich unter vielen Hunderten von bekannten Prae- 
torianem das einzige Beispiel peregriner Herkunft 
bieten (in dem unerklarten Namen der Heimat 
TENS steckt wohl der Volksstamm der Denselatae), 
und ebensowenig stimmt zur Garde die 20jahrige 
Dienstzeit des Soldaten. Da nun die ganze Inschrift 
durchaus fehlerhaft abgeschrieben ist, erscheint 
mir als einfachste Losung die Annahme, dass der 60 
Anonymus in beiden Inschriften sich verlesen hat 
und in dem Pr. der Name irgend einer Auxiliar- 
cohorte steckt. Denkbar ware es z. B., dass die 
ganz in der Nahe liegende raetische eoh. Ill Br(i- 
tannorum) gemeint ist, von der wir schon einen 
Soldatengrabstein aus Oberitalien besitzen und 
die also erwiesenermassen einmal diesseits der 
Alpen geweilt hat. 



cohors Praetoria: s. eoh. I Augusta Lusita- 
norum. 

cohors IRaetorum hat in der Provinz Raetien 
selbst, zum mindesten wahrend des 2. Jhdts., ge- 
standen, da sie in den raetischen Diplomen XXXV 
vom J. 107 und LXXIII vom J. 166 genannt 
wird. Ob die in der Not. dign. Occ. XXXV 28 
zu Parrodunum in Raetien verzeichnete coh, I 
Hereulea Raetorum mit ihr irgendwie zusammen- 
hangt, ist ungewiss; die von Mommsen Ephem. 
epigr. V p. 179 verglichene 1 Flavia Raetorum 
(Not. dign. Occ. XXXV 23) ist eine Ala, keine 
Cohorte. 

eohors I Raetorum (equitata). Neben der 
raetischen Abteilung dieses Namens scheint mir 
notwendig eine weitere im Orient anzunehmen zu 
sein. Arrian ect. 1 zahlt namlich unter den Truppen 
seines gegen die Alanen mobilgemachten Heeres 
ausdriicklieh iiatsig ... oi duo zrjs jigwrns 'Pamxfjg- 
auf. Es muss demnach unter Hadrian eine 
coh. IRaetorum equitata in der Provinz Cappa 
docien gelegen haben , die ihre Reiter fur jenen 
Feldzug abgab. Mit der in der Heimatprovinz 
stehenden kann sie nicht identisch sein, da diese 
vor und nach Hadrian im Westen nachweisbar 
ist und zu einer zeitweiligen Verlegung nach dem 
Euphrat in der hadrianischen Zeit kein Anlass 
denkbar ist. Dazu kommt, dass allein schon durch 
die Existenz von je zwei verschiedenen coh. //und 
IIII Raetorum auch die von zwei coh. I Raetorum 
gesichert ist. Welche der beiden Cohorten dann die 
Praefecten C. Cassius Primus (CIL XII 4232), 
P. Besius Betuinianus (ebd. VIII 9990) und M. 
Petronius Honoratus (ebd. VI 1625 a und 1625 b) 
befehligt haben, lasst sich nicht entscheiden. 

cohors II Raetorum e. R. gehOrte zum ober- 
germanischen Heere und hat vielleicht schon unter 
Germanicus an der Schlacht bei Idistaviso teil- 
genommen (vgl. Tac. ann. II 17). Diplom XIV 
nennt sie fiir 82 in Germanien, ebenso die aus- 
drfleklich Germania superior angebenden Diplome 
XXI. XL. L fur 90. 116. 134. Zwei Garnisonorte 
lassen sich fur sie in der Provinz mit Sicherheit 
nachweisen , als alterer Wiesbaden , woher wir 
Grabsteine eines Centurio, CIRh 1520, und eines 
Soldaten, ebd. 1521 (und wohl auch 1522), haben 
und wo das einem Manne der Cohorte erteilte, den 
damaligen Praefecten nennende Diplom von 116 
gefunden wurde. Spater ist die Tmppe dann 
nach der Saalburg verlegt worden, deren Besatzung 
sie schon um die Mitte des 2. Jhdts. bildete. 
Ausser Ziegeln von ihr, CIRh 1431 d, sind da- 
selbst die Weihungen der Cohorte fur Pius vom 
J. 139/140, Korr. der Westd. Ztschr. IV 131, und 
fur einen unbekannten Kaiser, ebd. 130, sowie die 
eines Praefecten, ebd. 1427, und eine andere der 
Cohorte selbst mit dem Praefecten, Westd. Ztschr. 
XIV 156, zu Tage getreten, und auch in der dortigen 
Weihung fiir Caracalla von 212 n. Chr. einer eoh. 
. . . Antoniniana, CIRh 1424, hat Hammeran 
Westd. Ztschr. IV 388 den Namen der Cohorte mit 
Recht eingesetzt, wahrend mir der gleiche Versuch 
bei dem Inschriftfragment CIRh 1429, 1 (Westd. 
Ztschr. IV 396) zu unsicher erscheint. Ziegel von 
ihr von verschiedenen Typen sind dann noch zu 
Butzbach gefunden, ORL 14, 26. Limesbl. 4, 
111. Fiir die Geschichte der Truppe belanglos 
ist der Grabstein eines Veteranen aus Lauben- 



327 



Cohors 



Coliors 



328 



heim (CIEh 935). Von den in Obergermanien der Grabstein eines Praefecten (CIL XIII 53b2 

vorkommenden Inschriften von eohortes Raetorum = Eev. arch. 1861, 391). Einen anderen Prae- 

onne Angabe einer Nummer wird man vielleicht fecten nennt dann noch eiu Cursus honorum traia- 

den Mainzer Soldatengrabstein CIRh 1128 und nischer Zeit aus Celeia (CIL III 5202). Ubrigens 

den gleichen aus Worms ebd. 892 des Fundorts verzeichnet auch die Not. dign. Occ. XXXV 27 

wegen auf die Wiesbadener eoh. II Raetorum be- noch eine eoh. VI Valeria Ilaetorum in Raetien 

Ziehen diirfen. selbst, von der es nicht ausgeschlossen ist, dass 

cohors II Raetorum. Zu derselben Zeit, wah- sie mit der obigen zusammenhangt. 

rend der die eoh. II Raetorum e. R. in Gennanien cohors VII Raetorum equitata (CIL XI 5669. 
gelegen hat, ist eine coh. II Raetorum, die also 10 II 3237. Bonn. Jahrb. 101, 183) ist yoih 1. bis- 

von ihr notwendig verschieden sein muss (vgl. zum 3. Jhdt. anschoinend ununterbrochen in Ger- 

Hammeran Westd. Ztschr. IV 402), in Raetien mania superior gewesen. Von Diplomen nennen 

selbst bezeugt. Sie findet sich im J. 107 in sie dort, bezw. in Germania XI. XIV. XXI. XL. 

Diplom XXXV, 166 in Diplom LXXIII und ist L in den J. 74. 82. 90. 116. 134 n. Chr., sowie em 

dem Platze nach auch mit der (eoh.) . . R[ae]torum Cursus honorum aus Spanien (CIL II 3237 prae- 

in dem nach 145 anzusetzenden Diplom LXXIX feeto eohortis VII [Rjaetorum equitatae m Ger- 

gemeint. Die einzige Spur von ihr, die sich in ■mania). In der Provinz sind aber bis jetzt erst 

der Provinz selbst erhalten hat, sind Ziegel mit wenige Denkmaler der Cohorte zu Tage getreten. 

ZTiZAETausStraubing, CIL III 11997. Ob der EssmddieszunachstZiegelausVindonissa(Momm- 
praef. coh. II Raetorum auf einer Inschrift aus 20 sen Inscr. Helv. 344, 10), die auf einen Aufenthalt 

Verona, CIL V 3358, in dieser raetischen oder in der Truppe am Oberrhein schliessen lassen. Spater 

der germanischen Cohorte gedient hat, ist un- hatte sie ihr Standquartier in der Gegend von 

bekannt. Coblenz, wo in dem Castell Niederberg bei Ehren- 

[eohors III Raetorum] ist bis jetzt nicht nach- breitstein Ziegel (vgl. Mo mm sen a. a. 0.) und 

weisbar. neuerdings auch eine aus der Zeit Caracallas oder 

oohors 1111 Raetorum {equitata) hat unter Elagabals stammende Inschrift (Bonn. Jahrb. 101, 

Hadrian zusammen mit der I Raetorum (s. d.) in 183) gefunden sind. Die in dem nab e gelegenen 

Cappadocien gestanden. Arrian nennt namlich Zwischencastell am Fehrbach bei HOhr gefundene 

ect. 1 unter semen Truppen im Alanenkriege in Sigillatascherbe (Limesbl. 11, 317) mit der Ein- 
der Avantgarde liuisTg . . . zrjg ensigns zrjg retag- 30 ritzung coh. Vll wird ebenso wie die Ziegel dort- 

rrjg xmv 'Pai(z)wv, fjg agymv Aaipvrjg Kogiv&tog. her vonDahm mit Recht auf die coh. VII Raetorum 

Die Cohorte, die Aevma,ch equitata gewesen sein als die einzige uns bekannte siebente im obergerma- 

muss, hat anscheinend nur ihre Reiter an das nischen Heere bezogen. Auch der Grabstein eines 

Expeditionscorps abgegeben, da mt,oi von ihr dann miles ex eoh. Raetorum (Bonn. Jahrb. 77, 25 = 

nicht erscheinen. Noch die Notitia dignitatum 73, 156) aus Andernach wiirde des Fundorts wegen 

(Or. XXXVIII 28) verzeichnet die Cohorte in Ar- eher auf die VII Raetorum als auf die gleich- 

menien, d. h. eben in Cappadocien, und giebt als falls obergermanische coh. 11 Raetorum passen. 

ihre Garnison Analiba an. Sie hat also wohl die Ein Praefect der Cohorte begegnet in dem Cursus 

o-anze spatere Kaiserzeit hindurch in der Provinz honorum aus Attidium CIL XI 5669 = Orelli 516. 
Selegen. 40 cohors VIII Raetorum c. R. (so nur in Diplom 

cohors IIII Raetorum. Mit der vorigen ist XXXVII) hat nach den Diplomen XIII. XVI und 

keinesfalls zu identificieren eine coh. IIII Raeto- XVII in den J. 80. 84 und 85 in Pannonien 

rum, die 93 n. Chr. in Moesia superior gelegen gestanden, ist dann aber wohl aus Anlass von 

(vgl. das neue Diplom aus Bulgarien. Jahresh. Traians Dakerkrieg wegverlegt worden und, nach- 

d. Ost. arch. Inst. I 170f.) und dann unter Mar- dem sie an diesem teilgenommen und sich m ihm 

cus und Commodus am Germanenkriege teilge- den Ehrennamen civium Romano-rum erworben 

nommen hat; denn der Officier, der als Praefect hatte, in der neuen Provinz verbheben; wenigstens 

einer coh. IIII Raetorum damals decoriert worden verzeichnet sie unter deren Auxihen das dem J. 110 

ist (CIL VIII 17900), kann sich seine Auszeich- angehorende Diplom XXXVII. Von da an Ter- 
ming als Commandeur der orientalisshen Cohorte 50 schwindet die Cohorte vollstandig. 

gewiss nicht erworben haben. Die Annahme cohors Raetorum et Vindelicorum ist nur mi 

zweier eohortes IIII Raetorum erweckt aber nicht 1. Jhdt. n. Chr. und zwar ausschliesslieh in Ger- 

das mindeste Bedenken, da ja schon zwei a- mania superior nachweisbar, wo je em Soldaten- 

Itortes II Raetorum sicher nachgewiesen sind. grabstein von ihr zu Mainz, CIRh 1236, und zu 

Ein Praefect, ungewiss wekher der beiden eoh. Worms, ebd. 895, gefunden ist. Bereits Momm- 

HII Raetorum, erscheint im Cursus honorum nus sen Ephem. epigr. V p. 179 hat eine S telle aus 

Messana, CIL X 6976. Tacitus (ann. II 17) herangezogen , wonach sich 

cohors V Raetorum. Nur durch einen Prae- in der Schlaeht bei Idistaviso 16 n. Chr. vom 

fecten aus der Zeit Traians oder Hadrians (CIL Heere des Germanicus besonders Raetorum Vin- 
VIII 8934) bekannt, ohne dass sich iiber die Pro- 60 delicorumque et Gallieae eohortes hervorgethan 

vinz, in der sie gestanden hat, etwas vermuten haben. Freilich kann es hochstens als moglich 

Hesse. bezeichnet werden, dass damit obige Cohorte ge- 

eohors VI Raetorum muss in Germania superior meint ist. 

und zwar in dessen an Militardenkmalern anneren eohortes Raetorum ohne Ziffer finden sich mehr- 

siidwestlichen Teile gestanden haben. Dort sind fach, besonders in Obergermanien. wo damit erne 

wenigstens bis jetzt allein directe Spuren von ihr der dort stehenden eoh. II und Vll (eventuell 

zu Tage getreten, namlich zu Vindonissa Ziegel auch VI) Raetorum gemeint sein werden, und 

(Mommsen Inscr. Helv. 344, 8. 9) und zu Vesontio zwar wird man CIRh 1128 und 892 wohl der 



329 



Cohors 



Cohors 



330 



II Raetorum, den Grabstein aus Andernach (Bonn. J. 133 erkennen, da dort nicht, wie bisher ge- 
Jahrb. 77, 25 = 73, 156, vgl. Korr. d. Westd. lesen war, / Ael. Goes. Mfauror.J Sag., sondern 
Ztschr. Ill 122) lieber der VII Raetorum zu- <s> { = miliaria) Sag. zu lesen ist. Allerdings 
weisen (s. d.). Bei dem von Zangemeister bleibt dann der bei der Truppe sonst nie wieder- 
richtig erganzten Inschriftfragment vom Castell kehrende Name Goes, unerklart. Wenigstens hin- 
Schierenhof (ORL 64, 7) mit [Fjidelis li[bra- weisen mOchte ich auf die auffallende Ahnlichkeit 
rius eoh.] Raet. (vgl. auch den ratselhaften Ziegel des Namens mit dem der I Aelia Oaes(atorum) 
ebendaher, a, a, O, 8) wage ich eine bestimmte miliaria (s. d.). 

Beziehmig nicht vorzuschlagen. Ganz unmOglich cohors I Ulpia Sagittariorum {equitata) ist, 
ist eine solche bei den beiden Praefecten im 10 wie ihr Name beweist, von Traian errichtet wor- 

Cursus honorum CIL XI 3101 und 5387 = Grut. den, und zwar wohl im Orient, da sie Reiter fiir 

463, 6. Bei der Inschrift aus Holland, CIRh 3 das aus syrischen, agyptischen und anderen orien- 

(GOHBAETORVPE), und bei der aus Aesica talischen Truppenabteilungen combinierte Detache- 

am Hadrianswall , CIL VII 731 {IRAETORV), ment des Lollianus zu einem Partherkrieg abge- 

ist es iiberhaupt nicht sicher, ob eohortes Rae- geben hat (CIL III 600). Ich mochte sie wieder- 

iorum gemeint sind. erkennen in der eoh. I Sagittariorum, die die 

cohors Rauraeorum: s. coh. I Sequanorum Not. dign. Or. XXVIII 40 zu Naithu in Agyp- 

et Rauraeorum. ten nennt; das Fehlen des Beinamens Ulpm be- 

[eohors Rhamae miliaria] : s. eoh. miliaria. weist nichts dagegen, da er in der Notitia digni- 

eohors I Sagittariorum. Eine Cohorte dieses 20 tatum z. B. genau so bei der eoh. II Ulpia Gala- 

Namens hat in der friihen Kaiserzeit in Germania tarum fehlt. 

superior gestanden und dort zeitweilig bestimmt [cohors II Sagittariorum] haben wir wegen 

das Castell von Bingerbriick als Garnison gehabt, des Vorkommens einer eoh. Ill Sagittariorum 

wo zwei Grabsteine von Soldaten von ihr zu Tage anzunehmen. 

getreten sind (CIRh 738. 739). Auch aus dem cohors III Sagittariorum ist vorlauflg nur 

gegeniiberliegenden Bingen stammen zwei Grab- durch den Cursua honorum zweier Praefecten be- 

steine, der eine, wenn auch ohne Ziffer, eines mis- zeugt (CIL III 335. XIV 3955) , von denen der 

sicius (Westd. Ztschr. XI 300), der andere (Korr. eine die Truppe unter Claudius oder Nero, der 

d. Westd. Ztschr. XVI 37) eines nicht bestimm- andere dagegen im 3. Jhdt. befehligt zu haben 
baren AngehOrigen der Truppe. Von den betref- 30 scheint. 

fenden Soldaten ist einer ein geborener Kreter, cohors Sagittariorum: s. eoh. I Apamenorum, 

ein anderer ein Phoinikier. Die von einem Trup- I Flavia Chaleidenorum, III Gyrenaica, 1 Flavin 

penteile . . . \ SAGTm Ehren eines unbekannten Damaseenor-um miliaria, I Hamiorum, Imilia- 

Kaisers gesetzte Mainzer Inschrift CIRh 1005 ria Hemesetwrum, I Aug. Ituraeoru/m, Ituraeo- 

wird kaum auf die coh. I Sagittariorum bezogen rum , I miliaria nova Surorum, I Thraewm, I 

werden diirfen. Tyriorum. 

cohors I Sagittariorum miliaria. Zwei Jahr- cohors I Sanlorum hat in Sardinien selbst in 

hunderte nach den rheinischen Denkmalern der Garnison gestanden. Wir haben aus der Provin- 

vorigen Cohorte taucht eine coh. I Sagittariorum cialhauptstadt Carales zwei friihe Grabsteine von 
miliaria in Dacien auf, die schwerlich mit jener40 Soldaten der Truppe (CIL X 7594. 7591, letzterer 

friiheren ideutisch gewesen ist. Dass sic unter allerdings ohne die Nummer) und ausserdem aus 

Gordian in Drobetae, dem heutigen Turn Severin, Oristano und aus Oschiri, im Innern der Insel, 

ihren Standort hatte, geht aus der Weihinschrift Ziegel mit dem Stempel COHR P S (ebd. 8046, 1 

CIL III 6279 hervor, die sie dem Mars Gradivus vgl. add.), die Mommsen zweifellos richtig als 

dort errichtet hat. Ausserdem sind daselbst Ziegel eoh(o)r. p(rima) SfardorumJ erklart. Endlich 

von ihr, CIL III Suppl. 8074, 23, vgl. u. 2318 scheint die Cohorte auch in der vorlaufig nach 

= Arch. - epigr. Mitt. XIX 219, gefunden und ungeniigender Copie veroffentlichten und daher 

wird auf einem Familien grabstein ebendaher (CIL noch unverstandlichen Inschrift von der Westkiiste 

III 1583 = Suppl. 8018^ ein imnginifer der Co- Sardiniens, ebd. 8321, gemeint zu sein. -Vgl. auch 
liort-e genannt. 50 coh. I Gemma Sardorum et Gorsorum. 

cohors I Aelia Sagittariorum miliaria equi- cohors I Gemina Sardorum et Gorsorum 

tata (CIL III 5645. 5647). Sie wird in den ober- finden wir in den Diplomen XX und XXVI unter 

pannonischen Diplomen LX und LXI aus den den J. 88 und 96 in der Provinz Sardinien ver- 

J. 148 und 149 genannt. Garnison der Cohorte zeichnet. Wie der Name Gemi?m beweist, handelt 

ist Klosterneuburg an der Grenze von Pannonia es sich um eine durch Vereinigung zweier alterer 

superior und Noricum gewesen, wo auf drei zum Cohorten, und zwar dem Naraen nach zu schliessen 

Teil officiellen Weihinschriften (CIL III 5645. wohl durch die einer coh. Sardorum und einer 

5646. 5647) der Name der Truppe entweder direct coh. Gorsorum, entstandene Abteilung. _ Da wir 

genannt ist oder doch mit Sicherheit wiederher- nun auf der Insel thatsachlich sowohl eine coh. I 
gestellt werden kann. Die einzige datierbare von 60 Sardorum als eine coh. I Gorsorum kennen, die 

diesen (5647), wo sie aber nur I Ael. Severiana spater beide verschwinden , so diirfen wir wohl 

eq. heisst, stammt aus dem J. 230. Ziegel von in ihnen die Stammtruppen der coh. I Gemina 

ihr mit verschiedenen Typen sind liings der ganzen Sardorum et Gorsorum vermuten. 

Donaugrenze der Provinz zu Tage getreten, zu cohors II Sardorum ist nur in den africanischen 

Wien, Grossschwechat, Carnuntum, Brigetio, s. CTL Provinzen nachweisbar. Vielleicht hat sie urspriing- 

III 4664. 11371. 11373. Bormann Arch.-epigr. lich in der Provincia Proconsularis gestanden, wo 

Mitt. XX 161 will die Cohorte auch in dem Pan- zu Calama der friihe Grabstein eines ihrer Soldaten 

nonia superior betreffenden Diplom XLV1T vom (CIL VIII 17537 , identisch mit 5364 , worin 



331 



Cohors 



Cohors 



332: 



nur eine schlechte Copie desselben Steines zu dass daraus fiir die Provinz, in der die Truppe 

erkennen ist) gefunden wurde. In der spateren gestanden hat, ein Schluss gestattet ware. Wenn 

Kaiserzeit hat sie dann zum Heere von Maure- sie, wie man wegen des Praefecten annehmen 

tania Caesariensis gehOrt, wo sie aber 107 n. Chr. miisste, eine quingenaria gewesen ist, wurde sie 

in Diplom XXXVI noch fehlt. Ihre erste Garnison von der vorigen als einer miliaria zu unter- 

in der neuen Provinz wird das Castell von Stir scheiden sein. 

Djuab (das antike Eapidum?) gewesen sein, woher eohors Septimia: s. coh. I Belgarum. 

wir nicht weniger als vier Grabsteine von Soldaten cohors I Sequanorum et Rauraeorum equitata 

der Truppe besitzen (CIL Vin 9198. 9200. 9202. (CIKh 1738. Korr. d. Westd. Ztsehr. Ill 85). 
9207). Spater ist die Cohorte dann nach demlOZum obergermanischen Heere gehorend, hat sie 

Westen der Provinz verlegt worden und zwar znm mindesten zu Ende des 2. Jhdts. in dem 

naeh Altava, wo sie unter Septimius Severus be- Limescastell MiltenbeTg gelegen, wie die 191 n. 

reits gewesen ist. Dies beweist die dorther stam- Chr: gesetzte Weihinschrift eines Centurionen, CIEh 

mende Weihung eines dec. al. Thr. praepositus 1740, beweist und ein Ziegel mit dem Stempel 

coh. II Sardor. vom J. 208 (ebd. 10949) , die der Cohorte (Westd. Ztsehr. II 209) sowie das In- 

Weihung eines andereu praepositus (C a gnat schriftfragment CIRh 1744 bestatigen; auch der 

L'ann. epigr. 1891, 5) und eine Ehreninsehrifl der Stein ebd. 1742 mit eques (?) signifr darf des 

Truppe selbst fur Geta (CIL VIII 9838). Un- Fundorts wegen vielleicht anf sie bezogen werden. 

datiert ist die Weihinschrift eines praefeetus oo- Eine zeitweilig abcommandierte Vexillation der 
hortis II Sardorum aus Altava, ebd. 9831. An 20 Truppe hat im nahe gelegenen Castell Schlossau- 

anderen Orten der Provinz sind noch ein Stein unter einem Legionscenturionen gebaut und dann 

eines v&cillarius (Bull. trim. 1893, 115 = Cagnat die Weihung Korr. d. Westd. Ztsehr. Ill 85 gesetzt. 

L'ann. e'pigr. 1893, 67) zu Albulae und eine Wei- Zwei andere Steine der Cohorte, sicher versehleppt, 

hung eines p(raep. al. expl.) Pom. et (eoh. II) sind, der eine in Frankfurt (Bonn. Jahrb. 53/54, 

Sard. (Bull. trim. 1888, 299= Cagnat a. a. O. 154), eine sehr zerstorte Weihung vom J. 193, 

1889, 54) zu Ain Khial gefunden. der andere zu Steinbach (CIRh 1738), die inte- 

colwrs Sardorum. In dem aus der Zeit nach ressante Weihung an Minerva der aeneatores eoh. 

Hadrian stammenden griechischen Cursus honorum I Seq. et Raur. eq.; v. Domaszewski Westd. 

aus Sultanhissar in Lydien (Bull. hell. VII 275) Ztsehr. XIV 29 glaubt , dass letzterer Stein 
wird ein exaoxog ajtslgae Saoomv genannt, ohne30aus Miltenberg stammt, wahrend Schumacher 

dass sich eine Vermutung dariiber aufstellen liesse, ORLj>2, 9 das Castell von Oberscheidenthal als 

welche der obigen eohortes Sardorum damit ge- den Fundort ansieht und vermutet, dass die 

meint ist. Truppe in diesem ihr Standquartier gehabt habe, 

eohors Scutata eivium Romanorum hat ihren bevor sie nach Miltenberg verlegt wurde. 

Namen, ebenso wie die II Hispanorum Scutata, eohors Servia luvenalis. In der Inschrift aus- 

Gyrenaica (s. d.), daher , dass sie statt des von Castulo, CIL II 3272, des Q. Cornelius Valerianus, 

den Auxilien sonst allgemein getragenen Rund- der unter Claudius verschiedene Truppenabtei- 

schildes den viereckigen Schild der Legionare, das lungen in Thrakien befehligt hatte, wird als letzter 

scutum fiihrte. Sie ist bisher nur in Agypten nach- Titel im Cursus honorum aufgefiihrt . . . lonen. 
zuweisen. Dort giebt die Not. dign. Or. XXXI 40 et ehortis Serviae luvenalis. Man wird Momm- 

59 als ihre Garnison Mutheos (Muthi) am Nil in sen beistimmen roiissen, wenn er bezweifelt, dass 

der nOrdlichen Thebais an, und dazu stimmt gut, dies eine Truppe des Reichsheeres gewesen ist. 

dass die Cohorte Wachmannschaften fiir die von eohors Silau.nensium (?). Dieser ratselhafte 

Muthi nicht sehr weit entfernten Steinbruche am Name findet sich auf einem aus Asciburgium in 

Nil bei Ptolemais Hermiu stellte. Eine Inschrift Germania inferior stammenden Grabstein des Bon- 

aus rtieiwn (Ephpm. epigr, VII p. 427) bezieht ner Museums (CIRh 230). Der Verstorbene heisst 

sich anscheinend auf die AblOsung eines derartigen darauf Tib. ltd. Garetis (= Charetis) f. S(e)debdas 

Waehcommandos der eoh. Scutata durch Mann- domo Turo missieius ex coh . SILAVw NENSIV 

schaften der coh. Ill Ituraeorum. Sonst ist in (so steht nach Hettner Katal. d. Bonn. Mas. 
der Provinz nur noch ein Soldatengrabstein von 50 nr. 101, vgl. Bonn. Jahrb. 59, 155, auf dem Steine). 

ihr zu Alexandria gefunden (CIL III Suppl. 6610). Von den verschiedenen bisher gemachten Erklii- 

Ein Cursus honorum der ersten Kaiserzeit aus rungsversuchen befriedigt kein einziger. Jeden- 

Veii (CIL XI 3801 = Ore Hi 3448) nennt endlich falls wird man wegen des seinitischen Namens und 

noch einen praef. cohort. Scutatae; dass damit die der Heimat Tyrus des Soldaten an eine orienta- 

iigyptische gemeint ist, durfte um so wahrschein- lische Truppe zu denken haben. 

licher sein. als der Officier auch seine ubrigen mi- cohors I Aelia Singuiarium ist, nach dem 

litarischen Wiirden in Agypten bekleidet hat. Namen zu schliessen, wohl von Hadrian , etwa aus 

cohors Scutata: s. coh. II Hispanorum Gyre- den Singulares des mauretanischen Heeres, for- 

naica. miert worden und hat zweifello* zu Auzia in Mau- 

eohors I Sebastenorum miliaria ist erst durch 60 retania Caesariensis gelegen, woher ihre samt- 

das neue Diplom von Syria Palaestina. Cagnat lichen Inschriften stammen. E.s sind mit einer 

L'ann. epigr. 1897, 10&. bekannt geworden, das Ausnahme lauter Grabsteine von Soldaten oder 

ihre Anwesenheit in dieser Provinz fiir das J. 139 von deren Angehdrigen, s. CIL VIII 9054. 9055. 

bezeugt. 9058. 20753 und wohl auch 9056. Unter Kaiser 

cohors I Sebastenorum. Eine Inschrift aus Gallienus war die Cohorte zusammen mit einer 

Iader (CIL III 2916 vgl. 9984) ist von einem Privat- vexillatio equitumMaurorum zu einem gemischten 

mann zu Ehren seines Freundes L. Geminius Detacheinent unter dem Befehl des Gargilius Mar- 

Montanus pra;/". cho. I Sebastenorum gesetzt, ohne tialis (ebd. 9047) vereinigt, um gegen die auf- 



333 



Cohors 



Cohors 



334 



ruhrerischen Wiistenstamme die Wacht zu halten, Cohorte erhalten. Das einzige Denkmal, das eine 

vgl. dariiber Cichorius Leipz. Stud. X 319ff. Anwesenheit der Truppe selbst an der betreffenden 

eohors I Sugambrorum veterana. Das nieder- Stelle voraussetzen lasst, ist das aus St. Denis 

moesische Diplom XXXI nennt unter dem J. 99 du Sig im Westen von Mauretania Caesariensis 

eine coh. I Sugambrorum veterana, die sich also (Ephem. epigr.. V 1051), das sich auf irgend- 

von einer jiingeren gleichnamigen Abteilung durch welche durch die Truppe vorgenommene Bau- 

den Beinamen unterscheiden will. Die Cohorte arbeit bezieht. In dem mauretanischen Cursus 

hatte zweifellos schon lange Zeit in Moesien ge- honorum des P. Aelius Primianus vom J. 255 

legen und ist gewiss dieselbe, von der Tacitus (CIL VIII 9045) heisst dieser trib.coh. IlllSyngb.; 
ann. IV 47 spricht. Dort wird aus dem thraki- 10 ein Centurio der Cohorte, der unter Hadrian ver- 

schen Kriege des J. 26 n. Chr., den moesische abschiedet wurde, erscheint in einem Cursus ho- 

Truppen fiihrten, berichtet, die Thraker seien norum aus Thuburbo Mains (CIL VIII 853 = 

turbati receptique subsidio Sugambrae eohortis, 12370). Endlich wird die Truppe noch in der 

quam Romanus promptam ad pericida nee minus Inschrift Rev. arch. XVII 1891, 13f. 129f. genannt. 

eantuum et armorum tumultu trueem hattd proeul eohors I Sunucorum ist vorlauflg nur in Bri- 

instruxerat. Ziegel der Truppe mit eoh. I Sug. tannien bezeugt und zwar durch Diplom XLIII 

ve(t.) besitzen wir aus Gornja Kutlowica in Bui- fiir das J. 124 und durch die Bauinschrift eines 

garien, Arch.-epigr. Mitt. XVIII 106. Aquaeducts aus der Zeit des Severus und Cara- 

eohors I Claudia Sugambrorum findet sich calla (CIL VII 142). Der Pundort der letzteren, 
in dem Diplom XL VIII der Provinz Moesia in- 20 Caer Seiont in Wales, an der Kiiste gegeniiber 

ferior vom J. 134, in dem aber dafiir die J Su- der Insel Anglesey, durfte das Standquartier der 

gambrorum veterana aus Diplom XXXI fehlt. So Truppe gewesen sein. Ob die Ziegel aus Ashtead 

nahe der Gedanke auch liegen mag, dass beide- in Surrey mit C.I.S.C (ebd. 1244) und aus Chelms- 

mal ein und dieselbe Truppe gemeint ist, so spricht ford in Essex mit C-PS (Ephem. epigr. Ill 124) 

dagegen doch, abgesehen von der Namensver- irgendwie mit der e(oh.) I Sfunueorum) zusammen- 

schiedenheit, der Umstand, dass der Beiname ve- hangen, wissen wir nicht. Das einem Soldaten 

terana regelmassig zur Unterscheidung von einer der Cohorte erteilte Diplom XLIII, das ausser 

in derselben oder einer benachbarten Provinz diesem, einem geborenen Sunucer, noch den Prae- 

stehenden Truppe desselben Namens angenommen fecten nennt , ist zu Stannington , Ostlich von 
wird und demnaeh schon deshalb die Anwesen- 30 Manchester, gefunden worden, 

heit einer weiteren coh. I Sugambrorum an der cohors Syriaca s. coh. I. II. [Ill] 1III Thra- 

unterenDonaudurchauswahrscheinlich sein wurde. cum. 

Das Diplom ist fur einen aus Stobi gebiirtigen cohors [I] Syrorum. Ein Grabstein aus Cae- 

Soldaten der / Claudia Sugambrorum und dessen sarea in Mauretanien, CIL VIII 21038 = Ephem. 

Kinder ausgestellt und nennt als damaligen Prae- epigr. V 995 nennt einen verabschiedeten Soldaten 

fecten den M. Acilius Alexander aus Palmyra. aus einer ehorte Surorum. Ob das dieselbe Co- 

cohors I Sygambr(or)um (equitata) muss unter horte ist, von der auf einer Familieninschrift aus 

Traian im Orient gelegen haben, da sie zusammen der Gegend von Lambaesis (Bull. arch. 1891, 

mit einer ganzen Reihe sicher orientalischer Au- 203) ein trib. eohor. I Syrorum genannt wird, 
xilien zu dem fur einen Partherkrieg formierten 40 ist nicht zu entscheiden. Wahrscheinlich ist es 

Cavalleriecorps des Valerius Lollianus Reiter ab- aber, dass die betreffende Cohorte in Mauretanien 

giebt (CIL III 600), Falls die beiden moesischen gelegen hatte, und dass sie dann aus dem friiheren 

eohortes 1 Sugambrorum wirklich verschieden dort stehenden numerus Syrorum hervorgegangen 

sind, ware es nicht unmoglich, dass darin die / Su- ist, halte ich ftir sehr moglich. 

gambrorum veterana zu erkennen ist, die von cohors I miliar ianova, Surorum sagittariorum 

Traian nach dem Orient verleet worden sein konnte. ist, wie schon ihr Name beweist, eine spatere 

[cohors II. Ill Sugambrorum]. Von beiden Formation, die sich von einer alteren coh. I Su- 

Abteilungen fehlen bis jetzt noch jegliche Zeug- rorum (wohl der mauretanischen) durch den Zu- 

„j sse , satz nova unterscheiden will. Die Truppe ist 

eohors I III Sugambrorum gehort zu den Be- 50 nur in Pannonien nachweisbar, wo sie im 3. Jhdt. 

satzungstruppen von Mauretania Caesariensis. in Ulcisia im Norden der provincia inferior ihr 

Unter diesen verzeichnet sie fur 107 n. Chr. Di- Standquartier gehabt haben muss. Dort sind eine 

plom XXXVI, das fiir einen Soldaten von ihr, Dedication an Alexander Severus vom J. 230 (CIL 

einen geborenen Bracarer, ausgestellt ist und wie III 3638) und eine gleiche an Mammaea (ebd. 

iiblich neben diesem dann noch den damaligen 3639) sowie die Weihung eines ihrer Leute (ebd. 

Praefecten angiebt. In der Provincialhauptstadt 3640)gefunden,undauchdasFragment3641konnte 

Caesarea selbst ist die Mehrzahl der Inschriften, sich auf sie beziehen. Zwei weitere Inschriften 

die die Cohorte nennen. gefunden, darunter das sind in dem von Ulcisia nicht weit entfernten 

erwahnte Diplom; gleichwohl braucht Caesarea Cirpi zu Tage getreten; es sind die Weihung 
deshalb nicht notwendig das Standquartier der 60 eines signifer aus der Zeit des Severus (ebd. 

Truppe gewesen zu sein, da jene Inschriften teils 10581) und ein unbestimnibares Fragment (ebd. 

fiir Provincialstatthalter gesetzt sind (CIL Vin 10587), das die eoh. I nor a . . . nennt. 

9363 von einem praef. coh. Sigambrorum prae- cohors I Thebaeorum equitata (CIL III 141472 

positus classibus und ebd. 20999), teils abcom- und die unten aufgefuhrten griechischen Inschnf- 

mandierte Soldaten betreffen (ebd. 9393 Grab- ten). Wie sie ursprunglich in Agypten formiert 

stein eines miles ehfojrtis quarte Sueambrorum worden ist, ist sie auch spater dauernd m dieser 

pedis sing.) ; auf dem Fragment Me"l. de l'ecole Provinz verblieben. Sie wird zuerst mit lhrem 

de Rome 1890, 408 ist nur noch der Name der Praefecten Sex. Pompeius Merula auf der grossen 



335 



Cohors 



Cohors 



336 



aus dem 1, Jhdt. stammenden Strassenbauinschrift 
von Koptos, CIL III Suppl. 6627, genannt, wonach 
u. a, diei ihrer Centurionen zu diesem Werke com- 
mandiert waren. Dann erscheint sie 83 n. Chr. in 
dem agyptischen Diplom XV und hat 98 n. Chr. 
zu Syene zusammen mit der coh. I Hispanorum 
und der II Ituraeorum die Inschrift zu Ehren 
Traians, CIL III 14147 2 = C a gnat L'ann. epigr. 
1896, 40, gesetzt ; ihr Praefect P. Claudius Iustus 
heisst darin gleichzeitig curator derheiden anderen 
Cohorten. Auf jeden Pall wird die Truppe da- 
mals zu Syene ihr Standquartier gehabt haben. 
Aber auch noch weiter im Siiden des Landes, zu 
Talmis, sind eine Anzahl Inschriften von ihr (CIG 
5053 = Lepsius 97, 438. 5054 = Lepsius 97, 
452. 5052. Lepsius 97, 443 und 448) gefunden, 
merkwiirdigerweise alle ausser einer von Eeitern 
gesetzt; es sind Weihungen der Leute fur sich 
bezw. fur ihr Pferd mit jeweiliger Angabe der 
Turma oder Centurie. 

cohors II Thebaeorum wird neben der I The- 
baeorum in Diplom XV von 83 unter den agyp- 
tischen Auxilien verzeiehnet. Die einzige Inschrift, 
die sie nennt, ist ein anlasslich des Besuches des 
Praefectus Aegypti am 14. Marz 95 auf der Mem- 
nonssaule eingehauener Vermerk, CIL III 37. 
Daraus, dass der Praefect der Cohorte T. Attins 
Musa die Ausfiihrung dieser Inschrift ubernimmt, 
darf wohl geschlossen werden, dass die Truppe 
damals in nachster Nahe der Memnonssanle ihr 
Standlager gehabt hat. 

eohortes I Thraeum begegnen in Inschriften 
und Diplomen besonders hauflg, und es haben 
offenbar eine ganze Anzahl von Cohorten mit 
dieser Nummer gleichzeitig nebeneinander be- 
standen. Die Scheidung zwischen denselben ist 
nicht immer ganz leicht, und E. Keil De Thra- 
eum auxiliis, Berl. 1885, hat in seiner sonst tiich- 
tigen Arbeit meiner Ansicht nach hier nicht immer 
das Richtige getroffen. 

cohors I Augusta Thraeum equitata (CIL III 
109). Ihre Geschichte ist deshalb schwierig zu 
reconstruieren, weil sie uns in zwei weit von ein- 
ander entfernten Provinzen entgegentritt und wir 
nicht wissen, in welcher von beiden sie zuerst 
gestanden hatt-p. Diplom LXXIV nennt sie unter 
dem 5. Mai 167 in Pannonia inferior, da sie je- 
doch in alien fruheren Diplomen der Provinz fehlt, 
kann sie erst kurz zuvor dorthin gekommen sein. 
Nun beweisen aber die beiden Inschriften CIL 
III 109 und 110 aus Motha im aussersten Osten 
der Provinz Arabia, dass die Truppe zeitweilig 
auch dort gewesen ist. Sind diese Steine, wie 
ich glaube, jiinger als das Diplom, so musste die 
Cohorte nach 167 von Pannonien in den Orient 
verlegt worden sein, und man wiirde dann wohl 
auch die in der Not. dign. Or. XXXVII 32 zu 
Asabaia in Arabien verzeichnete coh. I Thraeum 
in ihr wiedererkennen dtirfen. Falls dagegen die 
Inschriften das altere Zeugnis sind, konnte die 
Cohorte etwa fur den Partherkrieg des Verus nach 
dem Orient gekommen und nach dessen Beendi- 
gung 166 nach Pannonien dislociert worden sein. 

cohors I Thraeum c. R. Germanica (equi- 
tata Diplom LI). Die Cohorte. iiber die Ritter- 
ling Limesbl. 21, 579 handelt (vgl. auch Keil 
a. a. O. 43f.), lasst sich genauer als viele andere 
in ihren Schicksalen verfolgen. Schon ihr Name 



Germanica lasst erkennen, dass sie langere Zeit 
in Germanien gelegen hat, und in der That nennen 
sie dort die Diplome XL XIV. XXI. XL (letztere 
beide in Germania superior) unter den J. 74. 82. 
90. 116. Entweder sie oder die coh. IIII bezw. 
VI Thraeum ist bei Tacitus hist. I 68 gemeint, 
wonach eine zum germanischen Heere gehOrende 
eohors Thraeum 69 n. Chr. den Zug des Caecina 
gegen die Helvetier mitgemacht hat. Als Stand- 

lOort der Abteilung wird durch zahlreiche Ziegel- 
funde die Gegend von Neuwied, speciell das Ca- 
stell Bendorf, erwiesen (Korr. d. Westd. Ztschr. 
IX 33. Limesbl. 21, 573 und 577. Bonn. Jahrb. 
72, 122 und 88, 111), wahrend der Grabstein 
eines 1 oho. I Trltacufm (so steht nach Zange- 
meister Westd. Ztschr. Ill 250 da) aus Offen- 
burg, CIRh 1684, fur die Garnison der Truppe 
meiner Ansicht nach deshalb nichts beweisen 
kann, weil der im Alter von liber 60 Jahren 

20 Verstorbene bei seinem Tode gewiss nicht mehr 
activ war. Eine Weihung eines Praefecten der 
Cohorte besitzen wir endlich noch aus Worms, 
CIRh 897. Den Beinamen c. R. giebt zuerst das 
Diplom von 116, und wir werden dann nicht 
fehlgehen, wenn wir die coh. I Thraeum c. R... 
die in Diplom XXXVII vom J. 110 n. Chr. 
unter den Occupationstruppen von Dakien er- 
scheint, in ihr wiedererkennen. Dann wiirde die 
Truppe im J. 100 oder 101, etwa mit der legio 

30 / Adiutrix zum Dakerkriege an die Donau ab- 
gegangen sein, vielleicht sich wahrend des Krieges 
den Ehrenbeinamen erworben haben und auch 
nach der Einrichtung der neuen Provinz noch 
inehrere Jahre dort verblieben sein. Zwischen 
110 und 116 ware sie dann an den Rhein zurikk- 
gekehrt, freilich nur fiir kurze Zeit. Schon 133 
flnden wir die Cohorte namlich nach Diplom 
XL VII in Pannonia superior, wahrend sie in dem 
obergermanischen Diplom L von 134 fehlt. Denn 

40 dass diese pannonische coh, I Thraeum c. R. 
wirklich jene germanische ist, hat bereits Ritter- 
ling aus der germanischen Heimat des Reiters 
erschlossen, dem das ins J. 138 gehOrende Di- 
plom LI von Pannonia superior erteilt ist. Ausser 
diesen beiden Diplomen fuhren die Cohorte in 
der Provinz noch LX, LXI, LXV fiir die Jahre 
148, 149, 154 an und ebenso wohl auch das neu 
gefundene von 133 (?) Arch.-epigr. Mitt. XX 156. 
Einen Praefecten aus dieser Zeit nennt Diplom 

50 LI. Noch vor dem Markomannenkriege ist die 
Truppe dann von Oberpannonien nach Pannonia 
inferior verlegt worden , in dessen Heer sie Di- 
plom LXXIV zu Anfang des J. 167 auffiihrt. 
Dass aber diese Verlegung noch unter Pius er- 
folgt ist, mOchte ich daraus schhesseu, dass das 
zwischen 145 und 160 anzusetzende Diplom LXIX 
bereits zwei coh. 1 Thraeum in der unteren Pro- 
vinz nennt; es musste die Dislocation also zwi- 
schen 154 und 160 fallen. Erst hier in Nieder- 

60 pannonien flnden wir die Cohorte als Germanica 
bezeichnet ; dies erklart sich einfach dadurch, dass 
hier uoch eine weitere gleichnamige Cohorte lag, 
von der sie notwendig unterschieden werden musste, 
wahrend sie in Pannonia superior die einzige 
coh. I Thraeum gewesen war. Gewahlt wurde 
der Beiname dann von ihrem fruheren langen Auf- 
enthalt in Germanien. Vielleicht ist sie fur Pan- 
nonia inferior auch noch in dem zwischen 216 und 



337 



Cohors 



Cohors 



338 



247 fallenden Diplom XC genannt; jedenfalls war 
sie damals noch in der Provinz, in der sie 237 
bei Puszta Baracs den Meilenstein CIL III 10639 
setzte. Ebendort gefundene Ziegel mit CHO 
ITC (ebd. 10672) hat v. Domaszewski richtig 
auf sie bezogen, und wir diirfen dann wohl an- 
nehmen, dass das Standlager der Cohorte zeit- 
weilig in jener Gegend gewesen ist. Auch der 
Familiengrabstein aus Bolcske, ebd. 10299 



der Cohorte nach Moesien von Syrien her, wo sie, 
ihrem Namen nach zu schliessen, vorher gelegen 
hatte. Sie wird dann von derjenigen coh. 1 Thra- 
eum. nicht verschieden sein, die nach Diplom XIX 
im J. 86 in Judaea gestanden und nach CIL III 
600 zu dem Cavalleriedetachement des Valerius 
Lollianus fiir einen Partherkrieg Reiter gestellt 
hatte. Dass hier beidemal der Beiname Syriaea 
fehlt, ist nicht auffallig, da die Cohorte in der 



3319, auf dem ein Veteran und ein Soldat der 10 Provinz selbst dieses unterscheidenden Zusatzes 
Truppe erscheinen, ist unweit von dort gefunden. nicht bedurfte. 



In Pannonia secunda verzeiehnet schliesslich noch 
die Not. dign. Occ. XXXII 59 die coh. I Thraeum 
eivium Romanorum mit der Garnison Caput Ba- 
santis. 

cohors I Thraeum miliaria nennt das neue 
Diplom von Syria Palaestina (C a gnat L'ann. 
<5pigr. 1897, 106) im J. 139 unter den Auxilien 
dieser Provinz. Mit der gleichfalls orientalischen 



eohors I Thraeum. Eine solche ohne jeden 
Beinamen, selbst ohne den Zusatz equitata, be- 
gegnet uns in Niedergermanien und Britannien. 
Aus dem 1. Jhdt. haben wir zwei Grabsteine von 
Soldaten der Cohorte aus Koln (CIRh 310) und 
aus Remagen (Zangemeister Westd. Ztschr. 
XII 281), aber auch die beiden Grabsteine CIRh 
414 und 489 aus Koln bezw. Bonn, auf denen 



1 Thraeum Syriaea kann die Cohorte aber nicht 20 Soldaten einer unbezifferten coh. Traecerum bezw, 



identisch sein, weil letztere, die zudem quinge- 
naria war, spater nach Moesien verlegt wurde, 
wahrend die cohors prima miliaria Thraeum 
noch in der Not. dign. Or. XXXVII 31 zu Adittha 
in Arabien erscheint. Sonst wird noch auf einer 
Ehreninschrift aus Sevrihissar in Kleinasien (CIG 
3132) ein ejiagxos cjisiotje JtQtoTtj? uetfooQias &oa- 
xiov erwahnt, und auch in dem Fragment eines 
Cursus honorum CIL XII 2535 wird der tribun. 



Thraecum genannt werden, diirfen ihr wohl mit 
gutem Recht zugewiesen werden. Leicht mOglich 
ist es, dass die nach CIG 4536 f (vgl. Momm- 
sen Herm. XIX 644f.) vom alteren Plinius be- 
fehligte eoh. I Thraeum eben diese niederger- 
manische gewesen ist, zumal wir wissen, dass 
Plinius thatsachlich ein militarisches Commando 
in Germanien und zwar wahrscheinlich in Ger- 
mania inferior bekleidet hat. Im 2. Jhdt. flnden 



eoh. . . . ae Thrac . . . . auf sie als die einzige 30 wir dann eine coh. I Thraeum, gleichfalls ohne 



thrakische eoh. miliaria zu beziehen und [Imi- 
liarijae Ihracfimt] zu erganzen sein. 

cohors I Thraeum sagittariorum ist bis jetzt 
nur aus den beiden Diplomen LXVI und LXVII 
von Dacia superior bekannt, nach denen sie in 
den Jahren 157 und 158 in dieser Provinz ge- 
standen hatte. 

eohors I Thraeum equitata nennt Diplom 
LXIX zwischen 145 und 160 neben einer anderen 



jeden Beinamen, in Britannien, und bei der so 
haufigen Verlegung gerade niedergermanischer 
Truppen nach Britannien werden wir darin wohl 
jene K6mer Abteilung wiedererkennen diirfen. Ihr 
Standlager wird langere Zeit das Castell von Bowes, 
siidlich vom Hadrianswall, gewesen sein, wo sie zwi- 
schen 193 und 197 n. Chr. ein abgebranntes Bad 
neu aufgebaut hat (CIL VII 273) und wo sie noch 
auf einer zweiten Inschrift (ebd. 274) genannt wird. 



coh. I Thraeum (vermutlich der Germanica c. R.) 40 Ihren Namen mOchte ich aber auch auf zwei wei- 



in Pannonia inferior, und das in einem Diplom 
ganzausnahmsweise beigefiigte equitata zeigt, dass 
dies hier als unterscheidender Zusatz gegen jene 
andere Cohorte gebraucht ist. Welche von beiden 
in dem gleichfalls niederpannonischen Diplom 
XC (zwischen 216 und 247) mit eoh. . . T]hra[e.] 
gemeint ist, lasst sich nicht entscheiden. Da- 
gegen bezieht sich meiner Ansicht nach gewiss 
auf sie der Grabstein eines eq. coh. 1 Thrac, 



teren dortigen Steinen wiederherstellen , namlieh 
auf der nur hsl. iiberlieferten Inschrift zu Ehren 

Hadrians, ebd. 275, wo in dem COH II II "/ 

doch wohl COHJTHR ae. stecken durfte, und 

in dem Fragment Ephem. epigr. VII 941, wo Z. 2 
// TIH wohl gleichfalls [co]h. I Thfrac.] be- 
deutet. Sonst ist in der Provinz nur noch zu 



(also eben einer coh. equitata) aus Brigetio, CIL 50 Pons Aelius am Hadrianswall ein Stein mit dem 



in 4316, der aus einer Zeit stammt, wo Brigetio 
bereits zu Pannonia inferior, der Provinz eben 
unserer Cohorte, geschlagen war. Ferner darf 
ihr wohl der praef. coh. I Thrac. equit. im Cursus 
honorum, CIL V 4957, zugewiesen werden und 
ebenso die Weihung eines dec. eoh. I Thrac. (also 
wieder einer equitata) aus Virunum in Noricum, 
CIL III 4851 = 11541. 

cohors I Thraeum Syriaea equitata (CIL III 



Namen der Cohorte (CIL VII 501) gefunden worden ; 
dagegen nennt ein friihestens dem 2. Jhdt. an- 
gehorender Cursus honorum aus Tibur (ebd. XIV 
3625) einen praef. coh. J Thrac. in Brittann. 
cohors II Augusta Thraeum hat nach Diplom 
LXXIV im J. 167 in Pannonia inferior gestanden 
und wird auch in Diplom LXIX dieser Provinz 

(zwischen 145 und 160) mit der coh. II Aug 

gemeint sein, die in der Namensreihe genau die- 



Suppl. 8261. 8262. 600?) muss zeitweilig in dem60selbe Stelle einnimmt wie in Diplom LXXIV die 
Castell von Ravna in Moesia superior ihre Gar- II Augusta Thraeum. Da die Truppe in alien 



nison gehabt haben, da dort ausser dem Grab- 
stein eines Veteranen, CIL III Suppl. 8262, eine 
officielle Weihung von ihr fiir ihren Praefecten 
L. Vecilius Modestus, ebd. 8261, erhalten ist, der 
darauf als praef. coh. I Thrac. Syr. in Moesia eq. 
bezeichnet wird; v. Domaszewski bezieht dies 
richtig auf eine gerade damals erfolgte Verlegung 



fruheren Diplomen von Pannonien fehlt, kann sie 
erst im 2. Jhdt. dorthin verlegt worden sein. 

cohors II Gemella Thraeum (equitata CIL VIII 
2251. 5885?). Wie bereits Schiinemann a. a. O. 
51 mit Recht aus dem Namen geschlossen hat, 
muss sie durch Vereinigung zweier verscbiedener 
(vermutlich beides thrakischer) Cohorten gebildet 



339 



Cohors 



Cohort 



340 



sein. Sie hat in Numidien gelegen und zwar wohl 
zu Mascula am Nordabbang des Aures, wenigstens 
sind dort der aus dem Ende des 1. Jhdts. stam- 
mende Grabstein eines Beiters (CIL VIII 2251) 
und die Inschrift eines Praefecten (Mel. d'arch. 
XIII 510 = Cagnat L'ann. epigr. 1894, 87) ge- 
funden worden. Einen weiteren Soldatengrabstein 
(CIL VIII 5885), vielleicht auch eines eques, 
haben wir aus Sila in Numidien, wahrend es bei 



und LXXIII und ist dem Platz in der Nameiisfolge 
nach auch mit der (eoh.) Ill Tkrfacum] in dem 
nach 145 anzusetzenden dortigen Diplom LXXIX 
gemeint. Ihren Namen veterana tragt sie wie 
iiblich als die altere zur Unterscheidung von einer 
gleichnamigen jilngeren Cohorte, und zwar zweifel- 
los von der gleichfalls in Eaetien stehenden III 
Thracum c. R. 

cohors III Thracum a. B. ist neben der vorigen 



der Inschrift eities veteranus chorftis] Traec. 10 in den Diplomen XXXV und LXXIII (hier ist e. 



aus Karthago (ebd. 14281) nur als mOglich be 
zeichnet werden kann, dass die II Geniella ge- 
meint ist. 

cohors II Thracum Syriaca wird nur einmal 
im Cursus honorum des C. Valerius Florinus aus 
Praeneste, CIL XIV 2957, erwahnt. Sie muss, 
wie ihr Name beweist, in der Provinz Syrien ge- 
legen haben. Keil a. a. 0. 56 identificiert sie, 
gewiss richtig, mit der spater in Agypten nach- 
weisbaren coh. II Thracum equitata (s. A.), 

cohors II Thracum equitata (Epbem. epigr. 
VII 967) scheint die ganzo Kaiserzeit bindureh 
in Britannien gelegen zu haben. Diplom XXXII 
nennt sie dort fur 103, und noch in der Not. 
dign. Occ. XL 50 ist sie zu Gabrosentum am Ha- 
drianswall verzeichnet. Ehe sie letztere Garnison 
erhielt, muss sie langere Zeit ihr Standquartier 
zu Moresby an der Westkiiste von Cumberland 
gehabt haben, wo eine Weihung von ihr mit Angabe 



JR. zu erganzen) von 107 und 166 verzeichnet und 
auch in Diplom LXXIX in der eoh. Ill . . . zu 
erkennen. Dass sie erst spater errichtet worden 
ist als die III Thracum veterana, beweist deren 
Beiname. Ob ihr oder jener die Inschrift aus 
der Gegend von Lauingen in Raetien, CIL III 
5880, der Grabstein der Frau eines praef. coh. [Ill] 
Thracum, angehort, muss unentschieden bleiben. 
cohors III Thracum. Eine solche wird 80 und 
20 84 nach Chr. in Pannonien genannt (Diplom XIII 
und XVI), da sie aber in alien spateren Di- 
plomen der Provinz fehlt, muss sie bald nach- 
her von dort wegverlegt worden sein. Es liegt 
dann sehr nahe, sie in einer der beiden raetischen 
coh. Ill Thracum wiederzufinden, aber in welcher 
von beiden, ist ganz ungewiss. Jedenfalls wiirde 
die Verlegung nach Raetien dann vor 107 anzu- 
setzen sein, wo Diplom XXXV bereits beide Co- 
horten in der Provinz verzeichnet. UnmOglich ist 



des Praefecten (Ephem. epigr. VII 967), ferner eine 30 eine Entscheidung dariiber, welche der verschie- 



Bauinschrift (CIL VII 363) und endlich ein Grab 
stein (ebd. 364) gefunden sind, den Hiibner 
richtig zu in fit J coh. I [I Tjhrae. [e]q. (nicht 
quingeitariae, wie K e i 1 a. a. 0. 53 will) erganzt. 
Der Grabstein eines Soldaten, eines geborenen 
Briganten, aus Mumerills am Piuswall (ebd, 1091) 
kann aus der Zeit einer voriibergehenden An- 
wesenheit der Cohorte im Norden, etwa anlasslich 
eines Krieges, stammen. 

cohors II Thracum (equita-ta Diplom XIX). 40 
Dass ausser der vorigen noch eine zweite coh. 
II Thracum (equitata) bestanden hat , gelit aus 
der Notitia dignitatum hervor, die Or. XX VIII 
45 neben der britannischen eine solche in Agypten 
zu Muson auffuhrt. Diese Cohorte hatte wohl im 
1. Jhdt. in Judaea gestanden, wo Diplom XIX 
unter dem J. 86 eine coh. II Thracum verzeichnet, 
und ist erst spater nach Agypten verlegt worden ; 
von dort haben wir die Inschrift eines mfilesj henef. 



denen coh. Ill Thracum der in einem Cursus 
honorum aus Patayium (CIL V 2841) genannte 
Praefect befehligt hat. 

cohors III Augusta Thracum equitata (CIL 
X 6100) ist nur aus den Cursus honorum zweier 
ihrer Praefecten, CIL X 6100 und VI 31856 = 
C agn at L'ann. epigr. 1888, dd (Zeit Marc Aurels), 
bekannt, ohne dass sich etwas iiber die Garnison- 
provinz der Truppe vermuten liesse. 

cohors III Thracum (Syriaca 1 }) (equitata'}). 
Zu El-Kantara in Tunis ist der Grabstein eines 
Soldaten der in der Provinz Africa stehenden 
coh. 1 Clialcidenorum gefunden worden (Bull, 
arch. 1895, 74= Cagnat L'ann. epigr. 1896, 
35) ; der Mann, ein geborener Palmyrener, heisst 
darauf q . fob eq ?) coh. Ill Thrafcjum Syri ten II If 
translatus in coh. I Chalci. Dem ganzen Zu- 
sammenhange nach ist klar, dass der Soldat zu- 
erst in eine in Syrien liegende coh. Ill Thracum 



der Truppe (Cagnat L'ann. epigr. 1893, 12). Ein 50 eingetreten war, und fraglich bleibt es nur, ob 



von Wilcken Bonn. Jahrb. 86, 262 = Griech. 
Ostrak. 927 veroffentlichtes Ostrakon aus Theben 
enthalt die Quittung fur gelieferte Spreu eines 
Claudius Posidonius cxarovtaQ/o; (so, nicht yii.i- 
aayog mocbte ich die Sigle auflesen) a^stotjs (f 
Ggaxatv aus dem J. 167 und beweist, dass die 
Cohorte clamals in Oberagypten gestanden hat. 
Dass sie dann noch bis in die spateste Zeit 
in der Provinz verblieben ist, ersehen wir aus 



auf dem Stein (in) Syrifa) fenfiientisj oder Sy- 
riaeae anzunehmen ist. In jedem Falle aber 
diirfen wir dann die Existenz einer coh. Ill Thra- 
cum Syriaca vermuten, die neben den coh. I. IL 
IIII Thracum Syriacae an sich schon zu er- 
warten sein wiirde. 

cohors IIII Thracum equitata (CIRh 1290. 
1523. CIL II 4212. XIV 3548) stand im 1. Jhdt. 
in Obergermanien , wo zu Mainz und zu Wies- 



der Notitia dignitatum. Einen Praefecten nennt 60 baden der Grabstein je eines Eeiters von ihr, 



in iiblicher Weise das einem Eeiter der Cohorte 
erteilte Diplom von 86; der Fundort desselben, 
im aussersten Nordwesten der Provinz Dacia, lasst 
vermuten, dass der Inhaber spater zu den von 
Traian nach Dakien verpfianzten Colonisten ge- 
hort hat. Vgl. auch cohors II Thraetim Syriaca. 
cohors III Thracum veterana begegnet uns 107 
und 166 n. Chr. in den raetischen Diplomen XXXV 



eines Dans . . . und eines Bessus (CIRh 1290 
und 1523) gefunden sind. Ein anderer Mainzer 
Grabstein (ebd. 980) nennt zwar nur einen mil. 
ex coh. Thracum , so dass eine Entscheidung 
zwischen den zu Mainz nachweisbaren coh. I. IIII. 
VI Thracum nicht ohne weiteres moglich ist, 
allein ich fuhre ihn deshalb unter coh. IIII Thra- 
cum an , weil der Mann genau wie der obige 






341 



Cohors 



Cohors 



342 






Eeiter der IIII Thracum aus Mainz ein geborener 
Dansala ist. Praefecten der Cohorte begegnen 
mehrfach im Cursus honorum (CIL II 4138. 4212. 
XIV 3548). 

cohors IIII Thracum Syriaca wird von der 
vorigen durch den Beinamen unterschieden und 
muss ebenso wie die cohortes I. II. [Ill] Thra- 
cum Syriacae in Syrien gestanden haben. Ge- 
nannt wird sie nur in den Cursus honorum zweier 
Praefecten, dem einen aus Pola (Pais CIL Suppl, 
Ital. 1 10), dem anderen aus Malaca (CIL II 1970). 

[cohors V Thracum] ist bis jetzt nur wegen 
der coh. VI Thracum zu vermuten. 

cohors VI Thracum (equitata, CIEh 990. CIL 
VII 67. 158 [?]) kSnnen wir nacheinander in vier 
verschiedenen Provinzen nachweisen. Zuerst hat 
sie in Germanien gelegen, wo zu Mainz der Grab- 
stein eines Eeiters (CIRh 990) gefunden ist (vgl. 
auch IIII Thracum). Dann muss die Cohorte, wie 
so viele rheinische Auxilien, nach Britannien ver- 
legt worden sein, da uns dort ein dem 1. Jhdt. 
angehOrender Grabstein eines Eeiters, CIL VII 67, 
aus Durocornovium und Bleitesserae (Erkennungs- 
zeichen der Soldaten) mit GVITB (ebd. 1269 und 
Ephem. epigr. Ill p. 144) erhalten sind. Auch den 
Grabstein eines Eeiters, CIL VII 158, aus Viro- 
conium, nOrdlich von Durocornovium, auf dem die 
Nummer der Cohorte nicht mehr erhalten ist, 
wird man mit Hiibner des Fundorts wegen auf 
die ja gerade als equitata bezeugte coh. VI Thra- 
cum beziehen diirfen. Schon aus dem Fehlen der 
Truppe in alien britannischen Diplomen wiirde 
man zu schliessen haben , dass sie die Provinz 
bald wieder verlassen hat; wenn wir daher 84 
und 85 n. Chr. in den pannonischen Diplomen 
XVI und XVII eine coh. VI Thracum finden, so 
darf darin wohl bestimmt die britannische wieder- 
erkannt werden, die etwa in den J. 68/69 oder 
aber nach den Feldziigen des Agricola nach 
Pannonien verlegt sein konnte. Aber auch hier 
war ihr Bleiben nur ein kurzes; die Truppe wird 
Traians Dakerkriege mitgemacht haben und dann 
zur Besatzung der neuen Provinz verwendet wor- 
den sein. Wenigstens fehlt sie in alien spateren 
pannonischen Diplomen und begegnet uns dafiir 
zwischen 145 und 161 in Diplom LXX in Dacien. 

Ziegel mit COHVITjf '(ob T[hracumJ E[qui- 

tata]?) bestatigen ihre Anwesenheit dort zu Ma- 
gyar Egregv (CIL III Suppl. 8074, 24) Je ein 
Praefect von ihr wird CIL X 1777 und CIRh 
1099 im Cursus honorum genannt. 

cohors Thracum. Eine coh. Thracum, die 
mit keiner der bisher behandelten identisch zu 
sein scheint, begegnet uns in einer griechischen 
Inschrift aus Pantikapaion in der Krim (Laty- 
schew H 290). Es ist der Grabstein eines ge- 
borenen Thrakers, der xevivgioiv 6 xai Tioivxiy.' 
Ortegas Goaxwv heisst. Mogen nun die romischen 
Besatzungstruppen des bosporanischen Eeichs, wie 
zumeist angenommen wird und wie es auch fur 
die Legionare feststeht, vom niedermoesischen 
Heere dorthin abcommandiert worden sein, oder 
mogen, wie ich eher glaube, bestimmte Auxiliar- 
regimenter standig dort stationiert gewesen sein, 
so ist doch die vorstehende Cohorte schon des- 
halb von den oben besprochenen zu unterscheiden, 
weil eine coh. Thracum unter den Auxilien von 



Moesia inferior iiberhaupt nicht vorkommt. Es 
kOnnte die Cohorte z. B, sehr wohl die bisher 
noch fehlende coh. V Thracum sein. 

cohortes Thracum. Mehrfach werden, zumal 
auf unvollstandig erhaltenen Inschriften, cohortes 
Thracum erwahnt, ohne dass es bei dem Fehlen 
der Ziffer mOglich ware, eine Beziehung auf eine 
bestimmte der bekannten vorzuschlagen. Es ist dies 
der Fall bei dem Fragment ernes Cursus honorum 
10 aus Apulum (CIL III 1163), bei dem Grabstein 

eines imag. . . . ^HTHrAC aus Aquileia (ebd. 

V 953), sowie bei einem Mainzer Grabstein (Kor- 
ber Inschr. d. Mainz. Mus. Ill 46), auf dem aber 
auch ala erganzt werden kann. tfber zwei weitere 
germanische Grabsteine s. unter / Thracum und 
IIII Thracum. 

cohors nova Tironum ist eine nur auf spani- 
schen Inschriften erwahnte und anscheinend nicht 

20 zum Eeichsheer gehCrende provinciale Truppe, die, 
weil sie nur zu Tarraco vorkommt, vielleicht dort 
gelegen hat. So ehrt CIL II 4138 der Conventus 
Tarraconensis einen praef. ohor. novae Tironum r 
praef. orae maritumae, wahrend ebd. 4224 ein 
anderer praef. chor. novae Tironum orae mari- 
tumae heisst. Dieselbe Abteilung scheint auch 
ebd. 4264 und 4266 gemeint zu sein, wo ein 
praef. eho&rt. I et orae marit. und ein praef. orae 
maritumae cohortis 1 et 11 erscheinen. Bei den 

30 von Mommsen Ephem. epigr. V p. 249 noch 
herangezogenen Inschriften 4213 und 4189 diirfte 
dagegen die Beziehung zu wenig sicher sein. 

cohors Torquata: s. coh. 1 Breucorum his 
Torquata ob V(irtutem) appell(ata). 

cohors Traiana: s. coh. I Vlpia Ougernorum 
c. B. 

cohors Treverorum equitata (CIRh 1549). Aus 
dem Limescastell Zugmantel stammt die interes- 
sante Bauinschrift vom J. 223 (CIRh 1549), die 

40 von einer Truppe: . . Treve.rorfum Alexandriana 
Severiana) ISO derofa gesetzt ist. Wenn hier, 
wie doch wohl nicht bezweifelt werden kann, EO 
als EQfuitata) zu lesen ist, kommt einzig eine Co- 
horte in Betracht (vgl. Schiinemann a.a.O. 55), 
und ich kann Zangemeister (Limesbl. 16, 432) 
nur zustimmen, wenn er auf diese dann den frei- 
lich nicht mehr vorhandenen, vom Zugmantel 
stammenden Ziegel mit angeblich COH- III' TE 
(CIRh 1550 c) bezieht. Ebenso wird der Cohorte 

50 der dortige Stein ebd. 1548 angehOren. Nun sind 
neuerdings auch in dem nahe gelegenen Castell 
Holzhausen zwei Inschriften einer Treverercohorte- 
gefunden worden, die H ettn e r (Arch. Anz. 1898, 
26) iiberzeugend auf dieselbe Truppe bezieht. Die 
eine ist eine Weihung der c , . . Treverorum an 
Mars, die andere ist von ihr im J. 213 zu Ehren 
Caracallas gesetzt. Wenn auf dieser die Cohorte 
eo[h. A]ntoti[i?i]iana Tre(verorum) heisst, so 
kann der in so ungewOhnlicher Weise vorange- 

60 stellte Beiname Anioniniana gewiss, wie Hett- 
ner es erklart, auf eine Errichtung der Truppe 
durch einen Kaiser Antoninus und zwar dann 
doch wohl nur durch Caracalla hindeuten sollen. 
Einen bleibenden Beinamen mOchte ich jedoch 
darin nicht erkennen, denn auf der nur 10 Jahre 
jiingeren Inschrift vom Zugmantel (s. o.), auf der 
offenbar alle Namen der Cohorte verzeichnet waren, 
kann er, wie die Raumverhaltnisse lehren, nicht 



343 



Cohors 



Cohors 



344 



mit dagestanden haben. Dagegen haben Hett- 
ner und Zangemeister rait ihrer Vermutung, 
dass der oben erwahnte Ziegel nicht III TR son- 
dem A/T TR geboten haben wird, sicher das 
Eichtige getroffen. 

[eohors Trimov . . oder Trimach . . wurde 
friiher aus dem schwer lesbaren Offenburger Grab- 
stein CIRh 1684 erschlossen , allein dort steht 
vielmehr, wie Zangemeister (vgl, Ephem. epigr. 
V p. 244) zeigt, I TRHACVm (s. I Thracum 
■Oermanica)]. 

cohors Trumplinorum wird nur em einziges- 
mal in der frllhen Inschrift CIL V 4910 aus dem 
in den Alpen liegenden Gebiete der Trumpliner 
selbst genannt, die einem principi Trumplino- 
rum praef. [cjohort. TrumpUnoruin [s]ub G. 
Vibio Pansa legato — wie Mommsen ausfiihrt, 
■schwerlich dem Consul von 43 — gesetzt ist. 

cohors 1 Tungrorum miliaria. Bei Tacitus ist 
seit dem J. 69 mehrfach von zwei cohortes Tun- 
grorum die Rede, die stets miteinander operierend 
gewiss nicht verschieden sind von den beiden durch 
viele Inschriften spater in Britannien bezeugten co- 
Jiortes I und II Tungrorum miliarias. Tacitus er- 
wahnt sie zuerst hist. II 14, wonach Pabius Valens 
heide im Frilhjahr 69 zum Schutze der von Othos 
Flotte bedrohten Gallia Narbonensis dorthin sandte. 
Wir werden daraus schliessen dtirfen , dass die 
Cohorten bis dahin zum germanischen Heerc ge- 
hOrt batten. Schon an dem ersten fur die Vitel- 
iianer ungiinstigen Gefecht (ebd. 14) waren aus- 
■erlesene Mannschaften von ihnen beteiligt, an dem 
iweiten unmittelbar darauf erfolgenden nehmen 
sie vollzahlig teil, verlieren beide den Praefecten 
iin Kampf'e und ziehen sich dann mit den iibrigeu 
Truppen nach Antipolis zuriick, ebd. 15 und 28. 
Der Schauplatz dieser Gefechte war, wie II 15 
*zeigt, die Kiistenstrecke zwischen Antipolis und 
Albigaunum. Gerade auf dieser Strecke ist nun 
2U Vintium das der friihereu Kaiserzeit angeho'rende 
{s. Mommsen Ephem. epigr. V p. 175) Frag- 
ment anscheinend eines Soldatengrabsteines ge- 
funden, das die cohofrs) pr(ima) T . . . nenut 
{CIL XII 16). Blanc und Hirschfeld haben 
dies gewiss richtig auf die ja gerade in jener 
Gegend nachgewiesene coh. I 'Ihugrorumhezacscii, 
und die Inschrift wird dann ebon aus der Zeit 
ihres dortigen Aufenthaltes stammen. In der 
Folgezeit sind beide Cohorten nach Britannien 
verlegt worden, wo sie schon 83 n. Chr. zum 
Heere des Agricola gehoren und sich in derSchlacht 
am Berge Graupius besonders auszeichnen (Tac. 
Agr. 36). Weiterhin lasst sich nun an der Hand 
der Inschriften die Geschichte jeder der beiden 
Abteilungen fur sich verfolgen. Die coh. I Tun- 
-grorttm nenuen die Diplome XXXII und XLIII 
fur 103 und 1*24 unter den Auxilien der Provinz, 
Tind dass sie noch bis in die spate Kaiserzeit 
dort verblieben ist, zeigt die Notitia dignitatum, 
die sie Occ. XL 40 zu Borcovicium am Hadrians- 
wall verzeichnet. Diese Garnison hatte die Truppe 
•offenbar schon seit langer Zeit innegehabt , da 
alle ihre Inschriften mit Ausnahme von zweien 
dort gefunden sind. Der Mehrzahl nach sind es 
Weihungen teils der Cohorte mit oder ohne An- 
gabe des Praefecten (CIL VII 633. 635. 638. 639. 
€40. 653), teils von Praefecten allein (642. 651), 
femer die Grabsteine eines medicus ordinarivs 



(690) und eines mil. bf. praef. (691). Vielleicht 
gehoren der Truppe auch die beiden Weihinsehrif- 
ten von Praefecten ohne Namen der Truppe aus 
Borcovicium (641 und 655) an , ebenso wie die 
dortigen Ziegel mit CO HI 7 1 Orfi. (ebd. 1227), 
die eventuell I T(ungr.) gelesen werden kOnnten. 
Zwei Inschriften der Cohorte sind dann weiter im 
Norden in Schottland gefunden worden ; die eine 
(ebd. 1099) aus Castlecary am Piuswall beweist, 

10 dass die Truppe unter Kaiser Pius am Bau dieses 
Walles mit gearbeitet hat , die andere (1084) 
aus Cramond bei Edinburg ist eine Weihung der 
Cohorte; es darf bier die iiberlieferte Ziffer / 
keinesfalls mit Hiibner zu II geandert werden. 
Auffallig ist, dass die Cohorte ebenso wie die 
II Tungrorum als miliaria statt unter Tribunen 
unter Praefecten steht. 

eohors II Tungrorum. miliaria equitata c. L. 
Die einzige nachweisbare Truppe, die den Bei- 

20 namen eivium Latinwum fiihrt. tTber ihre fruhe- 
ren Schicksale in Italien und Britannien s. unter I 
Tungrorum. In letzterer Provinz ist die Cohorte 
dann, wie zahlreiche Inschriften von ihr beweisen, 
bis ins 3. Jhdt. geblieben. Die meisten von diesen 
sind zu Blatum Bulgium nOrdlich vom Hadrians- 
wall gefunden, wo demnach langere Zeit das Stand- 
quartier der Truppe gewesen sein muss; dass das 
bereits unter Pius der Fall war, zeigt eine In- 
schrift von ihr zu Ehren dieses Kaisers vom J. 153 

30 (C a gn a t L'ann. 6pigr. 1897, 59). Die iibrigen dorti- 
gen Steine sind Weihungen teils der Cohorte selbst 
(CIL VII 1071. C a gnat a. a. O. 1897, 60), teils 
der in ihr dienenden eives Raeti (CIL VII 1068), 
sowie pagi Vellaus (ebd. 1072) und Condrustis 
(1073), endlich eines Soldaten (1074) und eines 
Freigelassenen fur seinen Herrn, einen praef. 
co[h. II] Tun. (1064 — die Ziffer ist Her mit 
Sicherheit zu erganzen); schliesslich ist noch der 
Grabstein eines Tribunen von ihr (ebd. 1078) dort 

40 erhalten. Vier weitere Inschriften der Truppe 
sind zu Petrianae am Hadrianswall gefunden, da- 
runter drei offlcielle Weihungen der Cohorte (ebd. 
879. 880. 882) und das Fragment 894; 882 stammt 
aus dem J. 241, und wir haben daher wohl an- 
zunehmen, dass die Abteilung, nachdem sie zuerst 
in Blatum Bulgium gestanden hatte. spater von 
dort nach Petrianae verlegt worden ist. Auch 
sie ist, obwohl miliaria, ebenso wie ihre Schwester- 
Truppe, die I Tungrorum, von Praefecten befehligt 

50 worden; Tribunen nennt nur der spate Stein 1078, 
der aus einer Zeit stammt, wo bereits alien Co- 
hortenbefehlshabern der Tribunentitel verliehen 
war. 

cohors Tungrorum. Ausser den beiden stets 
miteinander genannten cohortes Tungrorum er- 
wahnt Tacitus noch einmal eine einzelne coh. 
Tungrorum (hist. IV 16). Danach war der erste 
grosse Sieg des Civilis auf dem Rhein (etwa Juni 
69) hauptsachlich dadurch herbeigefuhrt worden, 

60 dass eine coh. Tungrorum zu Civilis (iberging. 
Die eben noch im Fruhjahr 69 in Oberitalien bei 
der Armee des Vitellius befindlichen beiden coh. 
Tungrorum konnen schwerlich jetzt schon wieder 
am Niederrhein angenommen werden. Ausserdem 
darf doch wohl als sicher gelten , dass , als Ve- 
spasian nach Beendigung des Krieges eine grosse 
Anzahl der am Aufstand beteiligten Truppenteile 
cassierte, er diese mit besonders schwerer Schuld 



34E 



Cohors 



Cohors 



346 



belastete Cohorte in allererster Linie aufgelost 
haben wird. Da jene anderen beiden aber spater 
noch in Britannien nachweisbar sind, werden wir 
neben ihnen eine weitere tungrische Cohorte an- 
nehmen miissen. 

eohors I Tyriorum sagittariorum gehOrte 99 
n. Chr., wie Diplom XXX zeigt, zum Heere von 
Moesia inferior. Ein Praefect von ihr begegnet 
in dem Cursus honorum aus Salonae, CIL LU 



superior der Truppe angehiiren, dagegen scheint 
mir eine Beziehung der Inschrift ebd. 1187 auf 
sie, die Mommsen annimmt, sehr unsicher. Auf- 
fallig ist, dass die Cohorte mit einziger Ausnahme 
des Steines CIL III 1571 und der Ziegel stets ohne- 
Nummer genannt wird. 

[cohors I Ulpiat]. Eine solche muss schon 
wegen des Vorkommens einer II Vlpia ange- 
nommen werden, wenn auch kera directes Zeugnis 



8716, wo coh. ITYR, wie mir sicher scheint, nicht 10 sie nennt. HOchstens konnte vielleicht eine ka 



als coh. Ityr., sondern nur als coh. I Tyr. gelesen 
werden darf. Die coh. Tyriorum sagittariorum, 
von der ein Praefect auf einem Steine aus Perusia 
(ebd. XI 1934) genannt wird, wird von der moesi- 
schen coh. I Tyriorum wohl nicht verschieden sein. 
cohortes Ubiorum. Solche miissen sich im 
J. 69 im untergermanischen Heere befunden haben. 
Tacitus berichtet namlich hist. IV 28, es seien, 
als Civilis das Land der Ubier wegen ihrer Treue 



rische Inschrift vom J. 129 (Bull. hell. IX 341) 
auf sie bezogen werden, die ein eiia(>x(os . . . ./ 
AOYATIIA . . . zu Ehren Hadrians gesetzt hat. 
Neben der von den Herausgebern gebotenen Er- 
ganzung Xeyicovog X' ', die mir wegen des eaaQxo? 
weniger- wahrscheinlich ist, ware namlich auch 
noch die zu cxetgtjs a' OvXmas denkbar. Preilich 
konnte damit dann auch eine der verschiedenen 
cohortes I Ulpiae Afrorum, Galatarum u. s. w.. 



gegen die RSmer verwusten liess, mesae cohortes 20 gemeint sein, soweit diese nicht miliariae waren, 



eoruni in vico Marcoduro ineuriosius agentes, 
quia procul ripa aberant. Mit der spater in den 
Donauprovinzen nachweisbaren ubischen Cohorte 
konnen diese, wenn sie damals wirklich nieder- 
gehauen worden sind, nicht identisch sein, wohl 
aber ware es mOglich, dass zwei Praefecten, die 
auf Inschriften des 1. Jhdts. begegnen, je eine 
dieser germanischen Cohorten befehligt haben. 
Dies gilt besonders von dem praef. cohort. Ubio 



Dass auf dem Steine aus Salonae CIL III SuppL 
8762 nicht mit Hirschfeld coh. I [U]lp., son- 
dern wohl eher I [AJlp. herzustellen ist, ist 
unter coh. I Alpinorum dargelegt worden. 

cohors II Ulpia equitata c. R. (?) liest Momm- 
sen in der schlecht tiberlieferten Inschrift aus- 
Byllis, CIL III 600, wo verschiedene orientalische 
TruppenkOrper aufgezablt werden, aus deren Rei- 
tern sich das fur einen Partherkrieg formierte 



rum peditum et equitum im Cursus honorum CIL 30 Cavalleriecorps des Valerius Lollianus zusammen 



X 4862, der, anscheinend eben in diesem Com- 
mando, von Augustus und Tiberius decoriert worden 
ist; wenigstens wurde letzteres auf eine am Rhein 
stehende Cohorte am ehesten passen. Dieselbe 
Truppe ist dann wohl auch in dem Cursus ho- 
norum aus Aquileia (Pais CIL Suppl. Ital. I 
185) gemeint, wo sie coh. JJbior. equitata heisst. 
cohors [I] Ubiorum hat nach dem Cursus 
honorum CIL X 6015 {praef. coh. Ubior. Moes. 



setzte. Wiedererkennen mOchte ich die Truppe 
in einer Papyrusurkunde vom 10. October 159 
(BGU 142), einer Epikrisis des praef. classic Ale- 
xandrinae, in der ein Mann ix ojzeiQrjg ft OvXxiaf?) 
iTuievfs] Tvg{ir]s'Axo[X]fovaQiov erscheint. Es han- 
delt sich also um eine in Agypten stehende Cohorte 
und zwar gleichfalls um eine equitata; man wird 
dann einfach die obige anzunehmen haben, und 
nicht wie die Herausgeber eine bisher iiberhaupt 



infer.) in Niedermoesien gestanden, wo sie auch 40 gar nicht nachzuweisende coh. II Vlpia- Afrorum, 



Diplom XXXI im J. 99 verzeichnet. In alien 
weiteren Diplomen der Provinz fehlt sie, da aber 
daftir im 2. Jhdt. eine gleichnamige Truppe in 
Dacien erscheint, werden wir annehmen dtirfen, 
dass die Cohorte erst Traians Dakerkriege mit- 
geuiacht hatte uod dann in der neuen Provinz 
als Besatzung verblieben war. Diplom LXVI 
nennt offenbar sie (fIJVLBIOIl.) 157 n. Chr. 
unter den Auxilien von Dacia superior, und zu- 



Was fur eine Truppe in dem verlorenen, un- 
geniigend copierten Cursus honorum aus Mas- 
silia (IGI 2433) gemeint ist, wo ein -iQcurpsr.. 
(j^xip. ft OvXk. YPIA genannt ist, ist bisher noch 
nicht gelungen festzustellen. 

cohors Ulpia: s. coh. I Afrorum. I Brittotmm 
miliaria . I Traiana Ougernorum c. It. , I Da- 
corum, I. II. [Ill] Galatarum, I Flavia Hispa- 
norum miliaria c. R.. I Pannmiiorum e. R. mi- 



sammen mit einer Anzahl von diesen scheint 50 liaria, [I]. II. Ill Paphlagonum, I. II. III. [IIII\. 



sic auch die Kaiserinschrift zu Veczel CIL III 
1343 gesetzt zu haben , denn die Varianten der 
beiden Abschriften von Z. 8 (coh.) VE (so Momm- 
sen) oder VS Cso Torma) fiihren doch wohl auf 
eine (coh.) VB. Ziegel der Cohorte mit CIVB- 
sind im Osten der Provinz zu Tage getreten zu 
Szekelv-Udvarhelv. zu Dicso-Szent-Marton und zu 
Burghallen (CIL III Suppl. 8074, 25); die im Sud- 
westen von Dacien . zu Zsuppa , Sarmizegetusa, 



V. [IT] Pdraeorum. I Sagittariorum. 

cohors Usiporum. Von dieser Abteilung, die 
anscheinend uberhaupt nur wenige Monate be- 
standen hat, orfahren wir einzig durch Tacitus. 
Er erzahlt Agr. 28, dass sie im Sommer 83 aus 
GeTmanien, wo sie neu formiert worden war, nach 
Britannien iibergesetzt werden sollte, dass aber 
unterwegs die Rekruten revoltierten. den sie be- 
fehligendeu Oi'ficier und die eingestellten alten 



Szent-GyorgyValyas gefundenen Ziegel mit CIV 60 Mannschaften niedermachten und auf den Trans 



iniichte ich dagegen lieber auf die coh. I Vin 
delicorum miliaria (s. &.) beziehen. Die Weih- 
inschrift an Hercules, CIL in 1571, die ein 
praef. coh. I Ubior. zu Herkulesbad gesetzt hat, 
wird naturlich bei einem nur voriibergehenden 
Badeaufenthalt daselbst errichtet sein. Denkbar 
ware es endlich, dass die Ziegel mit COH V (CIL 
III 1702) aus dem Donaucastell Golubatz in Moesia 



portschiffeii fliichteten; ausfuhrlich berichtet er 
dann ihre weiteren Schicksale. Dasselbe erzahlt 
ganz entstellt und ohne den Namen der Cohorte 
Dio LXVI 20, 2. 

cohors Valeria: s. coh. I Breucorum, [III Bra- 
ccirum]. 

cohors I Vangionum miliaria equitata (CIL. 
VII 1003) ist zwar direct nur in Britannien be- 



347 



Cohors 



Cohors 



348 



zeugt, doch darf aus Tac, ann. XII 27 wohl ge- 
schlossen werden, dass sie vorher in Germauia 
-superior gestanden hattc. Bei dem Chattenkriege 
-des J. 50 n. Chr. lasst namlich der Legat dieser 
Provinz auxiliares Vangionas ac Nemetas ad- 
dito equite alario einen Angriff auf den Feind 
machen. Die ganze Darstellung beweist, dass es 
sich hier um Auxiliarcohorten handelt, und da 
eine andere vangionische Cohorte nicht bekannt 
ist, wird man an die spatere britannische I Van- 
gionum zu denken haben. Auf der Insel ist 
diese zunachst durch die beiden Diplome XXXII 
und XLIII fur die Jahre 103 und 124 nachge- 
wiesen, dann aber durch eine grosse Anzahl von 
Inschriften des 2. mid 3. Jhdts.. die uns vor 
allem eine ganze Eeihe von Tribunen kennen 
lehren. Mit zwei Ausnahmen sind diese samtlich 
zu Habitancium gefunden, dem einen der nord- 
warts vor den Hadrianswall vorgeschobenen star- 
ken Auxiliarposten . und schon hierdureb allein 
ist der Platz als langjahriges Standquartier der 
Cohorte erwiesen ; eine directe Bestatigung bioten 
noch die Bauinschriften CIL VII 1003 (aus der 
Eegierung des Septimius Sevems). 1007 und 1010. 
Bine Weihung fiir Caracalla, ebd. 1002, ist von 
-der Cohorte gemeinsam mit den Raeti Gaesati 
und den exploratores gesetzt, die, gleichfalls 
zu Habitancium stationiert, wie 987 und 988 
schliessen lasSen , dem Tribunen der coh. I Van- 
gionum unterstanden zu haben scheinen. Die 
iibrigen Inschriften sind Weihungen von Tribunen, 
so 986 (derselbe Officier wie 1003). 980 und 994 
(beidemal derselbe Tribun wie 988], Eine weitere 
Anzahl von Weihinschriften aus Habitancium, die 
einen Tribunen ohne Angabe seiner Truppe nennen 
(982. 984. 985. 991. 992. 993. 1005), hat bereits 
Hiibner mit Becht auf die I Vangionum als die 
einzige dort nachweisbare eoh. miliaria bezogen ; 
bei dem 985 genannten ist der Beweis dafiir 
direct zu erbringen , da derselbe Mann 1007 als 
Tribun der Vangionen bezeichnet wird. Wieder- 
herstellen mochte ich den Namen der Truppe 
auch in dem Fragment einer Bauinschrift (1009) 
als [coh. I Vang.] mil. e(ui) praeest M. Pere- 
griniits Super trib. Aus der nahen Wallstation 
Cilurmun haben wir endlich den Grabstein der 
Toehter des Fabius Honoratus trib. eoh. I Vau- 
gion. (588) , aus dem aber auf Anwesenheit der 
Truppe selbst dort nicht geschlossen werden darf. 
Ob Ephem. epigr. VII 845 auf dem Grabstein 
aus Camulodtmum [coh.] I Vafngumum] oder / 
Vafrdullorum] zu erganzen ist. bleibe dahinge- 
stellt. 

[cohors I Vareianorum] muss aus der // 
Vareianorum gefolgert werden. 

cohors II Vareianorum equitata (CIL V 875). 
C. Minieius Italus heisst in seinem Cursus ho- 
norum aus Aquileia, CIL V 875, praef. coh. 11 
Vare. eq., wahrend in der neu gefundenen, den- 
selben Mann betreffenden Inschrift aus Alexan- 
dria (Cagnat L'ann. epigr. 1893, 91) von der 
betreffenden Charge nur noch (praef. coh.) . . . or. 
erhalten ist. Dies fiihrt auf die von Mom m sen 
fur die erste Inschrift zwar hingeworfene , aber 
ausdrucklich nicht von ihm vertretene Erganzung 
coh. II Vareianorum. und an dieser wird nicht 
roehr gezweifelt werden durfen, seit in den Bonner 
Jahrbuchern 81, 112 der vorher CIRh 664 unvoll- 



standig und ungeniigend wiedergegebene Brohler 
Stein von K 1 e i n in besserer Abschrift verOffentlicht 
ist. Es ist dies eine Weihung an den Hercules Sa- 
xanus eines 1 coh. II I VA EC ■ A N, und es hat dem- 
nach wirklich eine eoh. Vareianorum bestanden 
und zwar im niedergermanisehen Heere. Dass die 
Ziffer aber thatsachlich zu II erganzt werden rauss, 
lehrt uns eine gleichfalls untergermanische Weih- 
inschrift aus K6ln, CIRh 315, die von einem mil. 

1 coh. II Var. sing. cos. gesetzt ist. B r a m b a c h s Er- 
ganzung dieser als 77 Var(dullorum) ist, ganz ab- 
gesehen davon, dass eine solche Cohorte nicht nach- 
weisbar ist, zu verwerfen und auch hier vielmehr 
die in der Provinz nunmehr nachgewiesene II Var- 
eianorum einzusetzen. Endlich mochte ich eine 
eoh. Vareianorum auch noch in dem unvollstandig 
erhaltenen Cursus honorum aus Bovianum CIL IX 
2564 erkennen, in dem em [praef. eoh. . . Jianorwn 
vorkommt. Da namlich der einzige Cohorten- 

20 name mit dieser Endung eben Vareianorum ist, 
wflrde nur an unsere II Vareianorum oder an 
die noch nicht nachgewiesene I Vareianorum zu 
denken sein. 

cohors I Fida VardnUorum e. R. equitata 
miliaria ist eine der am haufigsten auf Inschrif- 
ten genannten Cohorten des britannischen Heeres. 
Sie erscheint in den Diplomen der Provinz aus 
den J. 98 (XXIX), 105 (XXXIV), 124 (XLIII), 146 
(LVII) und hat ibr Standquartier zunachst wohl 

30 in Lanchester sudlich vom Hadrianswall gehabt, 
wo zwei Weihungen von ihr (CIL VII 440 und 
435) sowie die eines ihrer Tribunen (431, vgl. 440) 
gefunden sind. Die Mehrzahl ihrer Inschriften 
stammt aber aus Bremenium, dem nordlich vor 
den Wall vorgeschobenen Posten, wo fruher die eoh. 
I Lingonum gelegen hatte : da nun letztere Cohorte 
(s. d.) spater gerade in Lanchester nachweisbar ist. 
haben wohl, als im Laufe der Zeit eine starkere 
Besetzung der Festungen im Norden notwendig 

40 wurde, beide Abteilungen ihre Garnisonen unter 
einander getauscht, und ist die eoh. miliaria zu 
Bremenium an die Stelle der quingenaria getreten. 
In Bremenium wird die Cohorte als bleibende Be- 
satzung vor allem durch die Bauinschriften CIL VII 
1045 und 1046 erwiesen, die sich auf einen in den 
Jahren 219/223 erfolgten Wiederaufbau eines Balli- 
starium durch die Truppe beziehen ; eine andere Bau- 
inschrift s. ebd. 1051. Ausserdembesitzen wir dort- 
her eine grOssere Anzahl von Weihungen teils von 

50 der Cohorte , teils von ihren Tribunen fiir die 
Kaiser Caracalla von 215 n. Chr. (ebd. 1043), 
fiir Elagabal (1039), fiir Gordian (1030), fur einen 
unbestimmbaren Kaiser (1044), fur genius und 
signa der Cohorte (1031) von einem Tribunen. 
Auch die mehrfaeh auf Inschriften von Bremenium 
ohne Angabe ihrer Tmppe genannten Tribunen 
(vgl. 1034. 1035. 1037. 1038. 1052. 1056) werden 
der I Vardidlorum als der einzigen dort nachweis- 
baren von Tribunen befehligten Cohorte angehoren : 

60 fur den 1035 begegnenden Caecilius Optatus lasst 
sich dies aus 1039 beweisen; der Eufinus 1038 
ist, nach dem Namen seiner Gemahlin Lucilla zu 
schliessen, vielleicht derselbe Officier, fur den 1054 
gesetzt ist. Endlich ist noch ein Stein aus Castle- 
cary am Piuswall (ebd. 1096) anzufuhren. eine 
Weihung der Cohorte an Silvan unter dem Praefec- 
ten Trebius Verus (derselbe Mann wohl auch ebd. 
1124 aus Stirling gemeint). Dass hier im Gegen. 



349 



Cohors 



Cohors 



350 



satz zu den zahlreichen uns bekannten Tribunen der 
Cohorte ein Praefect erscheint, ist auffallig, findet 
aber eine Parallele in dem auf einer africanischen 
Inschrift, CIL VIII 5532, erwahnten prae [f]. eoh. 
primae fidae Vardulorum, die sich zweifellos auf 
die britannische Abteilung bezieht, wahrend in 
dem Fragment aus Mevania, ebd. XI 5038, das 
Mom m sen allerdings richtig auf die Cohorte be- 
zieht, praef. nicht auf diese, sondern auf eine 
andere Truppe geht. Schliesslich mOchte ich noch 10 
auf Ziegel aus Germania inferior mit COH- 7 -FID 
liinweisen (CIRh 60 d). Brambach glaubt zwar, 
•es sei dies verlesen statt COH -T • FLA, allein 
als ebenso mCglich ist es doch zu bezeichnen, 
dass die 7 FID Vard. gemeint ist; sie wiirde 
dann aus Germania inferior nach Britannien ge- 
kommen sein. 

[cohors I Vasconum]. Tacitus erzahlt hist. 
IV 33, wie unter eoh. II Vasconum naher dar- 
gelegt ist, von dem tapferen Verhalten, das 69 20 
n. Chr. im Kriege gegen Civilis Vasconum lee~ 
toe a Oalba eohortes bewiesen hatten. Es miissen 
also damals zum mindesten zwei eohortes Vas- 
conum beteiligt gewesen sein, und man wird da- 
her neben der inschriftlich bezeugten eoh. II Vas- 
conum eine schon durch die Ziffer der letzteren 
erforderte eoh. I Vasconum anzunehmen haben. 
Diese war dann gleichfalls 68 von Galba in Spa- 
nien formiert, spater an den Rhein geschickt und 
hatte sich dann dort ausgezeichnet. Von ihren 30 
weiteren Schicksalen wissen wir jedoch nichts. 

cohors II Hispana Vasconum c. R. equitata 
{CIL II 1086) ist als einzige inschriftlich vorkom- 
mende coh. Vasconum zweifellos eine der von 
Galba 68 n. Chr. in Spanien ausgehobenen (s. 
unter I Vasconum). die dann im folgenden Jahre 
zum Kriege gegen Civilis nach Germanien dirigiert 
worden waren und gerade im rechten Moment ein- 
trafen, um dem in schwierigem Gefecht gegen die 
Bataver kampfenden Heere des Vocula durch einen 40 
energischen Ruckenaugriff Luft zu verschaffen und 
den Sieg zu entscheiden. Ihren Ehrenbeinamen e. 
R. wird sie wohl eben fiir jene Heldenthat erhalten 
haben. Noch im letzten Drittel des 1 . Jhdts. ist die 
Truppe dann nach Britannien verlegt worden, wo 
sie uns 105 inDiplom XXXIV begegnet und wo sie 
der Cursus honorum eines Unbekannten CIL II 1086 
aus Ilipa ausdrucklich nennt {in Britan[nia praef. 
coh.] II Vasconum equit). Ein auderer Praefect 
erscheint im Cursus honorum CIL XII 3183, wo 50 
die Cohorte II Hispana Vasconum civium Ro- 
manorum heisst. Endlich ist meiner Ansicht nach 
ihr Name auch in dem Veroneser Cursus hono- 
rum CIL V 3376/3377 zu erganzen. wo nur noch 
. . . CON CIVIVM ROM . . . TANNIA AXN 
VII erhalten ist. Mommse n dachte an einen 
curator eon(ventus) civium RomfanorumJ und 
wollte danach ein Legionstribunat einsetzen. allein 
dies ist schon des Eaumes wegen unmoglich. Es 
ist wohl einfach zu erganzen [praef. coh. II Vas]- 60 
con. civium Ronifanorum in Bri]tannia ann(is) 
VII. Inschriften der Truppe sind in Britannien 
selbst bis jetzt noch nicht zu Tage getreten. 

eohors velox s. eoh. I Augusta Xerv-iana. 

cohors Veniaestnn s. coh. Carietum et Ve- 



maesvm. 



eohors Veterana s. eoh. I Aquitanorum, I 
Eispanorum, I Sugamhrorum, III Thracum. 



colwrs II Veterana . . ■ iorum. In seinem 
nur hsl. iiberlieferten, dem 1. Jhdt. angehorenden 
Cursus honorum aus Hasta, CIL V 7567, heisst 
P. Vergilius Paullinus : praef. chortis II VFERA 
. . . iorum exercitus ... Moramsen hat darin 
richtig VETERAfnae erkannt, erganzt dann 
aber weiter prasposito vexillar] 'iorum exereitus . . . 
Dafiir reicht jedoch der Eaum nicht aus, und es 
wird vielmehr in . . iorum der Name eines Volks- 
stammes stecken. Die Auswahl ist dann nicht 
gross, da es sich nur um ein Volk handeln kann. 
das eohortes II stellte und fur dessen Namen nur 
sechs Buchstaben fehlen wiirden. Die einzige. 
die diese Bedingungen erfullte, durfte eine eoh. 
II Pannoniorum sein. Bei dem Stein aus Thugga. 
CIL VIII 15529 (praefecto ... [vetejranae in 
Syria), ist es unsicher. ob uberhaupt eine eohors 
und nicht etwa eine ala, z. B. die / Gaetidorum 
veterana gemeint ist. 
-" eohors Veteranorttm s. eoh. Ill Brittonum. 

cohors Victria, s. eoh: I Breucorum Valeria 
Vietrix. 

cohors I Vindelicorum miliaria ist in dem 
fiir einen ihrer Soldaten erteilten Diploni LXVI 
vom J. 157 unter den Auxilien von Dacia superior 
verzeichnet. Thatsachlich ist dieses Diploni in 
der Provinz zu Zsuppa gefunden worden, und 
auch auf der gemeinsamen Inschrift einer Reihe 
dacischer Cohorten aus Veczel CIL LU 1343 steht 
als erster Name der der eoh. I Vindelicorum. 
Lhr mflchte ich ferner die bisher auf die coh. I 
Uhiorum bezogenen Ziegel mit O- 1- V zuweisen, 
die im siidwestlkhen Dacien, zu Sarmizegetusa 
(Arch.-epigr. Mitt. I 124. VI 142), Szent-Gyorgy 
Valyas (ebd. IX 243) und vor allem zu Zsuppa 
(CIL III 8074, 25) zu Tage getreten sind, dem- 
selben Orte, woher ja auch das Diplom der Cohorte 
stammt, Fiir die friihere Gcschichte der Truppe 
gestatten vielleicht Name und Hehnat des im 
Diplom genannten Soldaten, des Bar Simsofn) 
Callistenis f. aus Caesarea, einen Schluss. Da 
dieser Israelii schwerlieh in eine im femen Sieben- 
biirgen stehende Truppe eingestellt sein wird. 
weTden wir eine zeitweilige Anwesenheit deT Co- 
horte in Palaestina anzunehmen haben, und da der 
Diensteintritt des Mannes gerade in der Zeii \uii 
Hadrians Judenkrieg fallen muss, ware es denkbar. 
dass die eoh. I Vindelicorum entweder damals uber- 
haupt im Orient gestanden hat , oder aber fur 
den jiidisehen Kricg zeitweilig dorthin geschickt 
worden war. Einen Tribunen von ihr ausser dem 
im Diplom vermerkten nennt noch der Cursus ho- 
norum aus Venafram CIL X 4873. Ob sich der 
Grabstein eines Angehftrigen der coh] I Vind. 
(ebd. ni 3562) aus Aquincum auf unsere Cohorte 
bezieht. die dann auch einmal in Pannonien ge- 
standen haben konnte. oder etwa auf eine unbe- 
kannte coh. I Vindelicorum quingenaria. bleibt 
ungewiss. Noch unsicherer ist die Zugehorigkeit 
des Veteranen einer unbezifferten vindelicischen 
Cohorte . auf dessen in der Nahe von Ingolstadt 
gefundenem Grabstein Mom m sen den Namen der 
Truppe erkannt hat (CTL III 5905 = 11906). 

[collars II und III Vindelicorum] fehlen vor- 
liiuflg noch. 

eohirrs 1III Vindelicorum ist eine der am hau- 
figsten bezeugten Cohorten des obergermanischen 
Heeres. In diesem (bezw. im germanischen) nennen 



351 



Cohors 



Cohors 



352 



353 



Cohors 



Cohors 



354 



sie die Diplome XI, XXI, L fttr 74, 90 mid 184, und 
auch in Diplom XL von 116 wird ihr Name mit 
Sicherheit erganzt. Die einzigen Inschriften von 
ihr sind der Frankfurter Votivstein unbekannten 
Fundorts, CIRh 1439, den einer ihrer Soldaten er- 
richtet hat, und drei aus dem Standlager der Truppe 
Grosskrotzenburg stammende kleinere StOcke, nam- 
lich ein Bronzetafelchen mit der Weihung eines 
Centurio (Limesbl. 16, 440), ein anderes solches 
Tafelchen (ebd. 441) und ein Fragment, CIEb 
1434, auf dem ich in Finn VI eo]h. Ill Vi[nd.J 
wiedererkennen mochte. Dm so grosser ist die 
Zahl von Ziegeln mit dem Stempel der Cohorte, 
die an den verschiedensten Stellen der Provinz 
— ich ziihle deren mehr als 20 — zu Tage ge- 
treten sind. Es erklart sich dies nach Wolff 
damit, dass die Ziegeleien von Grosskrotzenburg, 
in denen die Cohorte mit ihrem Stempel brannte, 
auch noch andere Castelle mit Baumaterial ver- 
sorgten. Die Fundstatten verteilen sich auf die 
ganze Linie von Niederbieber bis nach Miltenberg, 
und es sind darunter u. a. die Limescastelle von 
Heddesdorf, Niederbieber, Augst, Ems, Holzhausen, 
Saalburg, Langenhain, (Alteburg, Arzbach), Ech- 
zell, Rukkingen, Grosskrotzenburg, Stockstadt, 
Niedemberg, Obernburg, Miltenberg. Von Orten, 
die riickwarts des Limes liegen, seien (Altwied), 
Wiesbaden, Mainz und Friedberg genannt. Die 
angeblich auf raetisehem Boden zu Salzbrunn bei 
Kempten gefundenen Ziegel der Cohorte (Ephem. 
epigr. IV 636) sind, wie Haug Bonn. Jahrb. 69, 
144 nachgewiesen hat, aus Obergermanien dort- 
hin verschleppt. 

collars Vindelieorum s. coh. Raetorum et Vin- 
delieorum. 

[cohors Vocontiorum konnt-e man friiher wohl 
(vgl. z. B. Bd. I S. 1270) aus Hist. Aug. trig, 
tyr. 3 erschliessen , wo in einem Sehreiben des 
Valerianus ein tribunatus Vocontiorum genannt 
wird. Allein nachdem die in die Kaiserbiographien 
eingelegten Urkunden als gefalscht erwiesen sind, 
fallt das Zeugnis mid damit die coh. Vocontiorum 
iiberhaupt weg.] 

eohors I Campestris Volmitaria (oder Volun- 
tariorum) c. B. (nut vollem Namen nur CIL III 
3237 genannt) hat im 2. mid 3. Jhdt. in Panno- 
nia inferior gelegen. Zuerst nennt sie dort das 
in die Zeit zwischen 145 und 160 fallende Di- 
plom LXIX , wo zwar nur . . . P VOL CB er- 
halten . aber der Name sicher zu erganzen ist. 
Dann begegnet uns im stadtrOmischen Cursus ho- 
norum CIL VI 3520 ein trib. colt, primae Vo- 
luniariae Campanorum in Pan(it)onia inferiore, 
und aus der Provinz selbst haben wir eine offi- 
cielle Weihung der Cohorte vom J. 212 aus Sir- 
mium (ebd. Ill 3237), die gesetzt ist our. ag. P. 
Ael. Valeria, trib. ex vet. Dass die Truppe wahr- 
scheinlich mit der friiher in Dalmatien nachweia- 
baren coh. I Camp, identiseh ist, wurde bereits 
unter dieser ausgefuhrt. 

collars I Italica c. K. Voluntariorum s. coh. 
I Italiea. 

[coltors 11 Voluntariorum] s. coh. 11 Italica 
c. B. Voluntariorum. 

[eohors III Voluntariorum] . ob in der coh. 
Ill Camp. (s. d.) zu erkennen'? 

cohors IIII Voluntariorum c. R. Ausdrikk- 
lkh bezeugt ausser durch den Cursus honorum 



eines Tribunen CIL ILT Suppl. 8737 nur durch die 
beiden Diplome von Pannonia superior LX und 
LXI, wonach sie 148 und 149 in dieser Provinz 
gestanden hat; Bormann Arch.-ep. Mitt. XX 
161 will ihren Namcn freilich auch noch in Di- 
plom LI von 138 erganzen, doch ist dies sehr 
nnsicher. Die vonBrambach auf die Cohorte 
bezogenen Ziegel aus Gennanien, CIRh 1750, ge- 
hOren vielmehr der HII Aquitanorum (s. d.) an. 

10 [eohors V Voluntariorum] fehlt; vgl. iibrigens 
ooh. V Gemma o. R. 

[cohors VI Voluntariorum] fohlt gleiehfalls 
noch, wenn sie nicht etwa mit der coh. VI Ingenuo- 
rum (s. d.) zusammenhangt. Hirschfeld mochte 
zwar in einem Inschriftitagmeut aus Salonae, CIL 
HI 8747 = 2069, 7 ooh. VI V[ol.J erganzen, allein 
v. Domaszewski hat darin wohl richtiger die 
coh. VI Vfiffilum] erkannt. tlber einen Stein aus 
Heddesdorf mit COH- Vis. coh. VI Ingenuorum. 

20 [cohors VII Voluntariorum], ob = coh. VII 
Campestris (s. d.)? Vgl. auch CIL XI 4749 
unter coh. VIII Voluntariorum. 

cohors VIII Voluntariorum konnen wir vom 
1. bis ins 3. Jhdt. in Dalmatien nachweisen, unter 
dessen Auxilien sie schon 93 n. Chr. in Diplom 
XXIII erscheint. Zahlreiche Inschriften von ihr 
sind in der Provinz vorhandcn, da diese sich aber 
auf nicht weniger als zehn verschiedene Fundorte 
verteilen, ist es schwierig, iiber Geschichte und 

30 Dislocation der Truppe ein klares Bild zu ge- 
winnen. Die altesten Steine diirften die aus An- 
detrium sein, -zwei wohl noch dem 1. Jhdt. an- 
gehorende Soldatengrabschriften (CIL LTI 2745 
[hier nur coh. VIII genannt] und 9782); von 
dort haben wir auch allein Ziegel der Cohorte 
(ebd. 10182). Dann fiihrt eine Gruppe von Deuk- 
malern in den aussersten Siiden von Dalmatien, 
wo zu Doclea die Weihung (ebd. 12679 — es 
steht zwar nur coh. Vol. da, doch ist sicher 

40 die VIII gemeint) und zu Epidaurum der 
Grabstein ernes Soldaten (ebd. 1743) sowie der 
der Freigelassenen eines Centurio (1742) gefun- 
den sind. Weiter nach Norden zu folgt Narona 
mit dem Grabstein eines beneficiarius (1808) 
und Kutac mit dem eines Soldaten (6365 = 8490). 
Beinahe die Hiilfte aller Denkmaler der Truppe 
stammt aus der Hauptstadt Salonae oder deren 
alleruachster Umgebung, so dass ein langerer 
Aufenthalt der Cohorte dort und zwar, nach den 

50 Namen der Sohlaten zu schliessen, im 2. und 
3. Jhdt. unbedingt angenommen werden muss. 
Es sind zuniichst eine Reihe von Grabstcinen, teils 
von Soldaten (2002. 2045. 2052. 8728. 8751. 
8757), teils von deren Angehiirigen (2039. 8729. 
8775), dann zwei mit Sicherheit auf die Co- 
horte zu beziehende Fragmente (8776 und 8777). 
Aus der unmittelbaren Naebbarschaft von Sa- 
lonae besitzen wir den Grabstein eines Veteranen 
und seiner Frau (9708) aus Tragurium und den 

60 eines bucinator (8522) aus der Gegend von Epe- 
tium. Endlich ist auch Delininium als zeit- 
weiliger Standort der Cohorte anzunehmen , da 
dort die Weihung eines Centurio vom J. 245 
(2706 = 9724), der Grabstein, den ein Soldat 
unter Caracalla oder Elagabal seinem Kinde setzte 
(9732), ein Soldatengrabstein (Cagnat L'ann. 
epigr. 1895, 14) und ein unbestiinmbares Frag- 
ment (ebd. 18S5, 15) gefunden sind. Aus der 



Gegend von Cacak im Binnenlande besitzen wir 
weiter die Weihinschrift eines Centurionen vom 
J. 197 (8336 = 6321) und von unbekanntem dal- 
matischen Fundort den Stein 3163, Moglicher- 
weise konnte der Cohorte auch die Inschrift aus 
Vicus Martis Tudertis (CIL XI 4749) angehoren, 
wo mil. coh. VII . . R Volunt. erhalten ist; da 
namlich der Bruch durch die Zahl geht, kann 
ebensowohl VIII wie VII oder Villi dagestanden 
haben. Dagegen bezieht sich der Stein eines miles 10 
cho. Campanae (CIL III 8693) aus Salonae wohl 
nicht, wie Mommsen glaubt, auf die VIII Vo- 
luntariorum, sondern auf die dalmatische coh. I 
Camp. (s. d.). In der Notitia dignitatum ist 
Or. XXXVII 33 zu Valtha in Arahien eine coh. 
VIII Voluntariu verzeichnet. Dass dies eine alte 
Truppe ist, kann nicht bezweifelt werden; da 
aber die Annahme zweier verschiedener coh. VIII 
Voluntariorum ausgeschlossen sein diirfte, muss 



Moesien stationiert gewesen. Angeblich findet sich 
ihr Name noch in einer gallischen Inschrift CIL 
XIII 1159 = Esperandieu Poitou p. 185f. u. 
396, dem Grabstein eines mil. coh. XVIII Vol. 
Allein da der Text zweifellos interpoliert ist, 
diirfte hier wohl eher an die Lyoner coh. XVIII 
(urb.) (vgl. Tac. hist. 164. Mommsen Hermes 
XVI 643f. Hirschfeld CIL XIII p. 250) zu 
denken sein. 

eohors XVIIII Voluntariorum best Hflbner 
auf dem Stein aus Uxellodunum CIL VII 383, 
wahrend Mommsen Ephem. epigr. V p. 249 dafiir 
XVIII giebt. Eine Entscheidung ist sehwer zu 
treffen, denn dem Augenschein nach (XVI II) sind 
beide Erklarungen zulassig; ich neige aber ' deshalb 
mchr zu XVIIII, weil sonst das untere Zeichen 
vollig unverstandlich ware. Es handelt sich in 
der Inschrift um einen in dieser Eigenschaft auch 
aus den dortigen Weihungen ebd. 384 und 385 



die dalmatische Cohorte in der spateren Kaiser- 20 bekannten Praefecten der zu Uxellodunum stehen- 



zeit nach dem Orient verlegt worden sein, jedoch 
nicht vor 245, in welchem Jahre sie noch in Dal- 
matien nachzuweisen ist. 

[cohortes Villi. X. XL XII Voluntariorum] 
sind aus dem Vorkommen von Voluntariercohor- 
ten mit hoheren Ntunmern mit Sicherheit zu er- 
schliessen, doch besitzen wir vorlauflg noch keiner- 
lei Denkmaler von ihnen. 



den coh. I Hispanorutn, der den Stein wohl an- 
lasslich seines Avancements zum Tribunen der 
betreffenden Voluntariercohorte errichtet hat. 

[coliors XX Voluntariorum] ist bisher noch 
nicht bezeugt. 

eohors XXI [Voluntariorum^]. Zu Heddes- 
dorf in Germania inferior ist ein Stein mit COH • 
XXI gefunden worden. Die MOglichkeit, hierin 
eine coh. Voluntariorum zu erkennen, scheint mir 



[cohors XIII Voluntariorum]. Auf eine solche 
bezieht Mommsen zweifelnd die nur in unge- 30 um so naher zu liegen, als auch die germanischen 
Come vorlieeende Weihinschrift aus cohortes XXIIII und XXVI Voluntariorum sich 

J ,,„ „"» „. , t nnnr,\ ■ o -n r7;.„.l_ «2L /nClIT WTTTT ,,,..1 



niigender 

Moesia superior, CIL III 6321 (vom J. 267?), in 

der COL XIII VOT ttberliefert ist. 

[cohors XIIII Voluntariorum] ist anzuneh- 
men, wenn auch bis jetzt noch keine Inschriften 
von ihr gefunden sind. 

cohors XV Voluntariorum gehorte zum nie- 
dergermanischen Heere und hat unter Septimius 
Severus zu Roomburg in Holland gelegen, als 



auf ihren Ziegeln efters nur COH XXIIII und 
COH XXVI nennen, und Mommsen z. B. die 
gleichartigen pannonischen Ziegel (s. coh. XXIII 
Vol.) ebenfalls auf eine Voluntariercohorte bezieht. 
Dann konnte der neuerdings zu Heddesdorf go- 
fundene Grabstein eines trib. mil. coh. . . . (Bonn. 
Jahrb. 102, 187), der den Beweis dafiir liefert, 
dass wirklich eine von Tribunen befehligte Auxi- 



— ungewiss ob unmittelbare — Nachfolgerin der 40 liarcohorte zu Heddesdorf gelegen hat, von einem 
- - " ' '" n "' ' Commandeur eben der coh. XXI Voluntariorum 

herruhren. Endlich ware vielleicht noch in Er- 
wagung zu Ziehen, ob nicht auch die soeben von 
Bode wig Limesbl. 31, 839 verOffentlichte In- 
schrift aus Heddesdorf der Cohorte zuzuweisen 
ist, die meiner Ansicht nach etwa [in honorejm 
aYommJ d(ivinac) et co[h. XXI] Vo[l. ... J 
M. AUrinius Auli fi[l. C]lassicmn[us *7 c]oh. 
sfupra) s(criptae) gelesen werden konnte. 

[eohors XXII Voluntariorum] ist bis jetzt 
noch nicht nachgewiesen. 

cohors XXIII [Voluntariorum] erschliesst 
Mommsen Ephem. epigr. IV 547 p. 158 mit 
Recht aus Ziegeln von Savaria in Pannonia supe- 
rior, die C XXIII, also co(h.) XX11I, bieten. 

cohors XXIIII Voluntariorum c. R. hat lange 
Zeit iu Obergermanien gestanden, wo Ziegel und 
Inschriften von ihr an einer ganzen Reihe von 
Orten zu Tage getreten sind. Zunachst scheint 



dortigen coh. Lucensium (s. d.), deren Stein aus 
traianischer Zeit CIRh 6 a sie in den J. 196/198 
fur ihrc Bauinschrift eines armamentarium ebd. 
6 b benutzte. Auch Ziegel (ebd. 140 h) bezeugen 
ihre Anwcsenheit am Niederrhein, wahrend ihr die 
Weihung aus Brohl, in der Klein Bonn. Jahrb. 
81, 115 ihren Namen erganzen will, schwerlieh ge- 
hort. Ebensowenig dfirfen die beiden stadtromi- 
schen Grabsteine von milites coh. XV, Leuten itali- 
scher Herkunft (CIL VI 3641. 3642), mit Hen- 50 
z e n auf die X V Voluntariorum, sondern, wie be- 
reits Mommsen Ephem. epigr. V p. 245 erkannt 
hat, nur auf die stadtromische coh. XV (bez. X) 
urbana bezogen werden. Ein Tribun der Cohorte 
begegnet in dem Cursus honorum CIL X 4579. 

[collars XVI und cohors XVII Voluntario- 
rum] fehlen. 

cohors XVIII Voluntariorum c. B. ist in den 
oberpannonischen Diplomen LI. LX. LXI. LXV 



fur die Jahre 138. 148. 149. 154 verzeichnet, 60 sie in der Gegend von Heidelberg in Gamison ge- 



ohne dass bis jetzt eine Inschrift von ihr in der 
Provinz gefunden ware. Einzig auf einer Weihung 
aus Moesia superior, CIL III Suppl. 8162 = 6302, 
nennt sich ein Officier trib. coh. XIIX Vol. c. R. 
et translat. . . . in coh. I Lip. Pan. CO eq. ; ein 
ganz sicherer Schluss fur die Geschichte der Truppe 
lasst sich daraus nicht gewinnen, wenn es auch 
den Anschein hat, als ware die Cohorte damals in 

Pauly-Wiasowa IV 



legen zu haben, wo im Castell Heidelberg-Neuen- 
heim und zu Ladenburg Ziegel mit COH XXIIII 
(CIRh 1708 add. p. XXXI. Bonn. Jahrb. 79, 30. 
Arch. Anz. 1898, 22. Baumann Rem. Denkst. i. 
Mannh. nr. 130) und zu St. Leon die Weihinschrift 
eines Centurionen der Cohorte (CIRhl700) gefunden 
sind. Spater muss die Truppe dann nach Wiirttein- 
berg verlegt worden sein, wo sie in dem Limes - 

12 



355 



Cohors 



Cohors amicorum 



356 



castell Murrhardt noch im S. Jhdt. gestanden hat. 
Dies beweisen die Inschriften , die sie dort zu 
Ehren der Mia Augusta (OBL 44, 9) und des 
Alexander Severas (ebd. 10) gesetzt hat, ferner 
die Tempelbauinschrift ernes Tribunen (CIEh 1568), 
der Grabstein eines Soldaten (ebd. 1570) und die mit 
Recht auf sie bezogenen Ziegel (ORL 44,18), Auch 
aus dem mit Murrhardt correspondierenden Ca- 
stell der zweiten Castelllinie, dem von Benningen, 



cohors XXXII Voluntariorum c. R. Aucli 
sie hat zum germanischen Heere gehort mid zwar 
zu dem der oberen Provinz. Ihre Garnison ist 
Heddernheim gewesen, wie der von Brambach 
richtig auf sie bezogene Grabstein eines Soldaten 
(CIEh 1480) und die Inschrift eines Centurionen 
(ebd. 1467) beweisen ; in niichster Nahe von Hed- 
dernheim sind zu Praunheim gleichfalls ein Sol- 
datengrabstein (Korr. d. Westd. Ztschr. I 2) und 



J 1 ^ ™ r die^ Weihung^ eines Tribunen (CIEh 10 die Grabschrift CIEh 1496 gefunden, die ein 

,-, AngehOriger der Cohorte seinem Kinde gesetzt 

hat. Ziegel der Truppe besitzen wir aus dem 
Limescastell Ober-Florstadt (Limesbl. 8, 241). 
Die Thatsache endlich, dass wir zwei Inschriften 
von ihr, die eines neunzigjahrigen Veteranen (CIL 
III 4006) und den Grabstein eines medicus eoh. 
(ebd. 10854) aus der Gegend von Siscia haben, 
kann auf keinem Zufall beruhen und notigt zu 
der Annahme, dass die Cohorte zeitweilig aucli 



1596). Dazu treten noch vereinzelt als Fund- 
statten von Ziegeln der Truppe die Castelle 
von Oberscheidenthal (OEL 52, 13), Wiirzberg 
(ORL 49, 9. CIRh 1893, vgl. Westd. Ztschr. 
VIII 63) und Heddernheim (Baumann a. a. O. 
130). 

cohors XXV Voluntariorum c. R. Westd. 
Ztschr. I 257 und 383 wird eine Inschrift der 
eoh. XXV Vol. o. R. aus Baden-Baden erwahnt. 



Wenn der Text sicher ist, wilrde die Cohorte also 20 in Pannonia superior gelegen hatte. Tribunen 



zusammen mit der eoh. XXVI Vol. c. R. dort 
gestanden haben. Eine Erwahnung der Truppe 
kfinnte eventuell noch in einer Inschrift aus Tar- 
raco CIL n 4258 gefunden werden, woHubner 
Suppl. p. 1124, zweifelnd aber gewiss richtig, 
eoh. XXV [Vol]unt[a]riae erganzt, nur darf man 
nicht mit ihm an eine Abteilung der Provincialmiliz 
denken. 

cohors XX VI Voluntariorum c. R. Alle ihre 



von ihr begegnen mehrfach in Cursus honorum, 
so CIL III 386. IX 5835. 5836. XI 1937, da- 
gegen bezieht sich CIL HI 320 wohl nicht auf 
sie (s. eoh. XXXIII Vol.). 

cohors XXXIII Voluntariorum c. R. mochte 
ich aus dem Cursus honorum aus Amastris (CIL 
III 320) erschliessen. Mommsen liest zwar dort 
XXXII, jedoch der Text der drei allein erhaltenen 
Abschriften des Steines giebt XXXIII, XXXII, 



Denkmalcr dcuten auf Germania superior als Stand- 30 XXX ..., und dies ftthrt doch wohl vielmehr auf 



ort der Truppe. Dort sind zunachst im Gebiet 
des Oberrheins mehrfach Ziegel von ihr zu Vin- 
donissa, bei Zurzach, zu Schaffhausen und in 
dem nahe gelcgenen Beringen zu Tage getreten 
(Mommsenlnscr. Helv. 344, 11. Korr. d. Westd. 
Ztschr. VI 1) , wahrend andere neuerdings zu 
Bechtersbohl entdeckt wurden (Schumacher N. 
Heidelb. Jahrb. VIII 103). Als sichere Garnison der 
Cohorte wird dann aber Baden-Baden erwiesen, wo 



eine eoh. XXXIII Voluntariorum, die zwar ander- 
weit nicht bezeugt ist, aber nicht das mindeste Be- 
denken erwecken kann. Auffallend ist nur, dass 
in der Inschrift das Commando als erstes vor 
dem Legionstribunat, also an Stelle der Cohorten- 
praefectur steht. 

cohors Voluntariorum. Mehrfach erseheinen 
auf unvollstandig erhaltenen Inschriften cohortes 
Voluntariorum oder civium Romanorum, ohue 



ausser Ziegeln (CIEh 1673 c) auch mehrere Inschrif- 40 dass es mCglieh ware, eine bestimmte von diesen 



ten von ihr gefunden sind, namlich der Grabstein 
eines Soldaten (ebd. 1659), die Weihung eines Cen- 
turionen (1667), ein Brunnenstein mit der Aufschrift 
eoh. XXVI Vol. e. R. (1662) und eine Platte mit 
dem gleichen Texte (Nass. Ann. XHI 230). Unbe- 
kannten Fundorts aber gleichfalls aus dem Gross- 
herzogtum Baden sind die CIRh 2062 erwahnten 
Ziegel. Endlich haben wir die Grabschrift eines 
Tribunen aus Patrae, CIL III 506, und den von 



wiederzuerkennen. So finden wir Tribunen auf 
dem Steine aus der Gegend von Cedia in Numidien 
(Cagnat L'ann. epigr. 1889, 91) und dem aus Bo- 
logna (CIL XI 709) ; eine eoh. . . . c. R. Volunt. 
p. f. s. unter VII Campestris. Wie es mit den 
praef. cohortium civium Romanorum quattvor 
in Hispania (ebd. 6344) steht, ist unklar. 

[Cichorius.] 
Cohors amicorum, auch cohors praetoria, 



einem Soldaten der Cohorte seinem als Praeto- 50 cohors, griechisch yilwv T\r\ (Appian. Hisp. 84). 



rianer verstorbenen Bruder gesetzten Grabstein 
aus Praeneste. CIL XIV 2952. 

[eoliortes XXVII. XXVIII. XX Villi Volun- 
tariorum] fehlen vorlaufig noch. 

cohors XXX Voluntariorum stand in Ger- 
mania superior, wie der Cursus honorum eines 
Tribunen von ihr (CIL III Suppl. 6758) aus An- 
cyra ausdrucklich besagt. Die einzige Inschrift, 
die die Cohorte ausserdem noch nennt. ist die 



bezeichnet in der republicanischen Zeit das Ge- 
folge des Oberbeamten in der Provinz, das sich 
aus Leuten verschiedener Stellung zusammensetzte. 
Cic. Verr. I 36. II 2, 66. Caes. b. G. I 39, 2. 
40, 15. 42, 6. Hor. ep. I 3, 6 mit Porphyr. co- 
hors nunc amici. I 7, 23. 8, 14. Tib. 18, 2. 
Appian. Hisp. 84 und Festus p. 223 M. berichten, 
dass zuerst Scipio Africanus minor sich 620 = 
134 v. Chr. mit einem aus Freunden und Cli- 



Weihung eines ihrcr Angehorigen (wohl eines 60 enten zusammengesetzten Gefolge umgab, das be 



Tribunen) [eoh.] trieensimae [Vojluntariorum 
vom Grossen St. Benihard (CIL V6891 = Momm- 
sen Inscr. Helv. 37). Auf dem nioesisrhen Stein 
CIL HI 6302, wo friiher trib. eoh. XXX Vol. e. 
R. gelesen wurde, steht vielmehr XIIX Vol., vgl. 
ebd. Suppl. 8162. 

[cohors XXXI Voluntariorum] crgiebt sich 
aus der folgenden Truppe. 



zeichnet wird als cohors praetor ia oder vollstan- 
diger (Mommsen Herm. XIV 25f.) als cohors 
amicorum praetoria. In der Folgezeit erhielten 
die Feldherrn die Erlaubnis, ein Gefolge von vcr- 
schiedenen Leuten, die ohine amtliche Stellung 
und nicht fur die kriegerischen Operationen be- 
stimmt waren, mit sich zu nehmen; diese Be- 
gleiter hatten keinen Anspruch auf Besoldung. 



357 



Cohortales 



Cohortales 



358 



Allmahlich aber erhielten sie Tagegelder (eibaria) 
und in ciceronischer Zeit ein sogenanntes Wein- 
(congiariwm) oder Salzgeld (solarium), Cic. ad 
Att. VII 1, 6. Nach der Schlacht bei Philippi 
trat die Spaltung der cohors amworum praetoria 
ein; die praetoriae cohortes wurden besonders 
organisiert, die cohors amicorum ganz ihres mi- 
litarischen Charakters entkleidet, an den nur mehr 
der Name erinnerte. In der Kaiserzeit umfasste 
sie das Gefolge der Statthalter, welche Leute zur 
Unterstiitzung in der Fiihrung der Administration 
und Gerichtsbarkeit notig hatten; daher setzte 
sich dieses als cohors amicorum bezeichnete Ge- 
folge zusammen aus jungen, Techtskundigen und 
in der Verwaltnng geubten Leuten, die eine Mit- 
telstellung zwischen Offentlicher und Privatstel- 
lung einnahmen und vom Statthalter selbst naeh 
gewissen Kriterien ausgewahlt wurden : vgl. Dig. 
I 22, 1. L 13, 4. Aus der republicanischen co- 
hors amicorum hatte sich auch die kaiserliche 
cohors amicorum entwickelt; sie bezeichnet die 
zum Reisegefolge des Kaisers constituierten amici 
und ist identisch mit den eomites cuiusdam eoc- 
peditionis (Mommsen Herm. IV 130), Suet. 
Cal. 19; Nero 5; Galba 7. CIL V 7165: ..ex 
cohjorte amicorum. Gewfihnlicher wird das Reise- 
gefolge des Kaisers bezeichnet als co-mites (s. d.), 
der Ausdruck cohors amicorum wird haufiger ge- 
braucht fiir das Gefolge der kaiserlichen Prinzen, 
wofiir auch cohors und amici: Tacit, ann. I 29 
Aponius, eques R. ex cohorte Drusi. VI 9 ; amici 
ann. I 27. 35: 37 u. 0. Im eigentlichen Sinne 
konnte der Kaiser nur ausserhalb Italiens eine 
cohors amicorum haben, doch erscheint sie 
auch innerhalb Italiens, Suet. Cal. 19. Da nur 
wenige Personen des Eitterstandes in der C. a. 
oder unter den eomites der Kaiser erwahnt wer- 
den, ist es wahrscheinlich, dass in der Regel nur 
Leute senatorischen Eanges als eomites Augusti 
auserwahlt wurden, die ohne festbestimmte Com- 
petenz dem Kaiser als consilium zu dienen be- 
rufen waren und bestimmte Auftrage erhielten, 
wie z. B. Iulius Planta, amicus et comes des 
Claudius, von diesem 46 n. Chr. mit der Ordnung 
der Verhaltnisse der Anauner beauftragt wurde, 
CIL V 5050. Die Rangstellung der Mitglieder 
der C. a. der Kaiser war eine hohere als die der 
C. a. der Statthalter; sie wurden fur die Dauer 
der Eeise besoldet, doch lasst sich nicht bestim- 
men, ob die bei Suet. Tib. 46 berichtete Ein- 
teilung und Besoldung in zwei Classen (600000 
fur die erste, 400 000 fiir die zweite Classe) eine 
bleibende Einrichtung war (s. Amici und Co- 
mites). 

Litteratur. Mommsen Hermes IV 120f. XIV 
25—35; St.-R. I s 298f. IP 836. Ill 542. Hum- 
bert bei Daremberg et Saglio Diet. 1 1372f. 
Friedliinder S.-Gesch. 16 133f. Ciccotti bei 
Ruggiero Dizion. I 447f. [Oehler.] 

Cohortales. Die cohors als Benennung des 
einem hcheren Verwaltungsbeamten untergeord- 
neten OfficiantenkOrpers kommt zuerst m einer 
Constitution Diocletians (Cod. lust. X 55, 3) vor, 
wonach die Befreiung von onera und munera per- 
sonalia, auf welche zwanzigjahrige Dienstzeit in 
der Legion oder Vexillatio Anspruch giebt, dem 
in der cohors Gedienten nicht zukommt (vgl. Cod. 
Theod. XII 1, 10 vom J. 325, und ebd. 1. 13. 



KuhnI 149f.). Der da von abgeleitete Ausdruck 
cohortales bezeichnet in der diocletianisch-con- 
stantinischen Bureaukratie die officiates der hohe- 
ren Civiladministrationen iiberhaupt, die officiates 
praesidum mit inbegriffen (Cod. Theod. VTII 4, 
1 vom J. 315; ebd. 1. 11 = Cod. lust. XII 57, 
3) ; so noch in Constitutionen des Constantin und 
Constantius (z. B. Cod. Theod. VIH 7, 4 vom 
J. 354; vgl. Gothofreds Anm. Kuhn I 151, 

101170). 

In der spateren Zeit dagegen erseheinen die 
Benennungen coliors (Cod. Theod. VLTI 4, 12 vom 
J. 372. VIII 4, 30 vom J. 436. XII 1 , 79 = 
Cod. lust. XII 57, 5 vom J. 375), offieium co- 
horts (Cod. Theod. XII 1, 83 vom J. 380), co- 
hortalis (Cod. Theod. VIII 4, 20 vom J. 407. 
VIII 5, 66 § 2 vom J. 407. XI 5, 3 vom J. 436), 
cohortalis apparitor (Cod. Theod. VIII 4, 30 vom 
J. 436), cohortalis militia (Cod. Theod. XVI 5, 

20 48) , cohortalinus (Cod. Theod. VI 35, 14 § 1. 
Vni 4, 26. 28. XII 1, 184. XVI 5, 61), cohor- 
talinum offieium (Cod. Theod. I 10, 5 vom J. 400. 
VIII 5, 66 § 1), cohortalina militia (Cod. Theod. 
XVI 5, 48. 65 § 3) und ahnliche (vgl. Dirksen 
156. Gothofredus a. a. O.) auf die den Pro- 
vinzstatthaltern (praesides) gewesenen Officialen 
(Sozom. hist. eccl. V 4 ol vno rov agx ovTa T °v 
e&vovg axQan&xai) beschrankt, wahrend die Hiilfs- 
organe der hoherstehenden Beamten zumeist appa- 

30 ritorcs heissen. Synonym mit c. werden Aus- 
driicke wie provinciale offieium , apparitio pro- 
mnciaUs, praesidialis apparitor u. a. (Kuhn 
I 152, 1172—1176) gebraucht. 

Wahrend die officia der Statthalter friiher 
durchweg mit Soldaten beset zt waren, wurden 
seit der Trennung der Civil- und Militarverwal- 
tung unter Diocletian nur die Officialen der mili- 
tarischen Commanden den TruppenkOrpern ent- 
nommen. Dagegen hat die Stellung der den Ci- 

40 vilverwaltungen zugeteilten cohortales, die mit- 
unter als militia cohortalis der armata oder 
legionaria militia gegenubergestellt wird (vgl. 
Cod. Theod, XVI 5, 65 § 3 cohortalina und ca- 
strensis militia. Kuhn I 155, 1218. Beth- 
mann-Hollweg III 135, 18), mit dem Sol- 
datenstande nicht viel mehr als den Xamen ge- 
mein (Ps.-Ascon. in Verr. I 28 p. 179 Or.), wie 
auch die angefuhrte Constitution Diocletians (Cod. 
lust. X 55, 3) beweist (Kuhn I 154f.). Mheres 

50 fiber die Organisation dere. sieh unter Offieium; 
hier sollen nur noch ihre besonderen Eechts- und 
Standesverhaltnisse , die der Cod. Theod. VTII 
4 und der Cod. lust. XII 57 in je einem be- 
sonderen Titel behandelt, kurz erortert werden. 
Ausfuhrliche Details und Quellennachweise bietet 
Kuhn I 149ff. 

Innerhalb der einzelnen Provinzen waren die 
Kamen samtlicher C. in matriculae (Cod. Theod. 
VIII 4, 20 vom J. 407 ; nazd/.oyog x<ov vjiq w 

60 aoxovra zov e&vovg azQauanwv Sozom. hist. eccl. 
V 4) eingetragen. Wie in den iibrigen officia, 
hingen auch in der cohors die Ernennungen und 
Vorriickungen nicht ganz vom Belieben des Praeses, 
sondern auch vom Kaiser ab (K uhn I 158). Als 
nicderste Stufe der Beamtenschaft , zu welcher 
selbst Haeretiker Zutritt hatten (Cod. Theod. XVI 
5, 48. 61. 65 § 3), standen die C. in sehr ge- 
ringem Ansehen (Cod. Theod. VI 35, 14 § 1 



359 



Cohortandus 



Coinquenda 



360 



cohortalini . . . inferioris sortis homines, ebd. 
XII 1, 184. Sozom. a. a. 0.; vgl. Kuhn I 163, 
1285) und waren in jeder Hinsicht zuruckgesetzt, 
so z. B. durch das Verbot der Benutzung des 
eur&us publieus (Cod. Theod. VIII 5, 66 § 1 vom 
J. 407). Die C. jeder Provinz bildeten eine Art 
Zwangscorporation (corpus; vgl. "Waltzing II 
140f. 264); gleich den Curialen waren sie samt 
ihrer mannlichen Nacbkommenscliaft an den Stand 



Kaerst Beitr. z. Quellenkrit. d. Curtius Rufus 30. 
Andrerseits ist es klar, dass die Erzahlung wirk- 
lich urspriinglich auf Oxyartes sich bezieht, nicht 
bios wegen der Erwahnung der Roxane, die auch 
bei Curtius selbst spater als Tochter des Oxyartes 
oder Oxartes vorkommt, sondern vor allem wegen 
der parallelen Stelle bei Diodor (vgl. Inhaltsver- 
zeichnis zu XVII X). Diodors und Curtius Quelle 
erwahnte die fjbergabe des Oxyartes, abweichend 



gebunden (Cod. Theod. I 10, 5. VTTT 4, 4 vom 10 von Arrian, erst an dieser Stelle, nach der Ein- 



J. 349. VIII 4, 28. 30 = Cod. lust. XH 57, 12. 
Cod. lust. XII 22, 7. Serrigny H 379f. Kuhn 
I 161, 1263. 173f., bes. A. 1367. Karlowa I 
879). Insbesondere war es ihnen nicht gestattet 
ad alia/m transire militiam sine adnotatione 
clementiae principalis (also nur im Gnadenwege; 
Not. dign. Or. XL 2. XLII.2; Occ. XLI 2. XLLTI 2. 
XLV 2). Nach dem Beispiel der Curialen sollte 
ein C. , welcher dem Verbot zuwider zu einer 



nahme des Sisimithresfelsens, Arrian dagegen be- 
richtet sie schon bei Gelegenheit der Eroberung 
des sogdianischen Felsens (vgl. II 828) und nennt 
Oxyartes als Unterhandler bei der ITbergabe des 
Chorienes. Diesen Zug hat sich Curtius nicht ent- 
gehen lassen, der bei Gelegenheit der Capitula- 
tion des Sisimithres einen Oxartes als Unterhandler 
einfuhrt, der sich schon vorher, also der arria- 
nischen Tradition entsprechend, dem Alexander 



anderen Beschaftigung iiberging, zwei Drittcile 20 unterworfen hat (Curt. VIII 2, 25ff.) ; es sind 



seines VermOgens an die Sohne abgeben (Cod. 
Theod. VIII 4, 8 a. E. Kuhn 1 174, 1371). Die 
Befreiung von den Lasten der curia erlangten die 
C. erst durch die honesta missio nach 25 Dienst- 
jahren (Cod. Theod. VI 35, 14 § 1. VIE 4, 11. 
Kuhn I 169). Nach Ablauf dieser Zeit konn- 
ten verdiente C. zum s. g. pastus primipili (Ver- 
teilung der annona unter die Sol da ten; Cod. 
Theod. VIII 4, 16. Cod. lust. XII 57, 7) oder zu 



also hier beide, einander widersprechende, Tiber - 
lieferungen in einer zum Teil unkenntlich ge- 
wordenen Form vereinigt (vgl. auch Kaerst Beitr. 
z. Quellenkr. d. Curtius 19). Ob nun Curtius 
VIII 5, 21 wirklicb, um die Zerlegung des Oxy- 
artes in zwei Personen zu verdecken, einen andern 
Namen eingefuhrt, oder Oxyartes nach Diodor a. 0. 
herzustellen ist, wird sich schwer entscheiden 
lassen, jedenfalls ist der Versuch Wesselings 



Verwaltern des cursus publieus vorriickcn (Kuhn 30 zu Diod. XVIII 3, 3 bei Plut. Alex. 47 auf Grund 



I 171f. Karlowa I 880). Wie bei anderen Cor- 
porationen flel bei unbeerbtem Tode eines C. 
dessen Nachlass nach cinem Privileg vom J. 349 
(Cod. lust. VI 62, 3) nicht an den Piscus, sondern 
ad ceteros eohortales eiusdem provineiae (Walt- 
zing II 457 mit A. 3). 

Litteratur: Gothofredus zum Cod. Theod. 
VIII 4 (vgl. zu XVI 5, 48). Dirksen Manuale 
latinitatis font. iur. civ. 156. Becking Notitia 



der hsl. Lesart sv Xocxdvov = in aedibus Cohor- 
tani herzustellen, abzuweisen. [Kaerst.] 

Coicdins. L. Goiedius L. f. Ani(emis) Gan- 
didus, trfibunus) mil(itum) lefffionis) VIII 
Aug(ustae), nahm als solcher an einem Feldzuge 
teil, wohl an der Occupation Britanniens (vgl. 
Hubner Herm. XVI 1881, 521) und zwar, wie 
es scheint, bereits im ersten Jahre derselben (43 
n. Chr.). Nach der Rfickkehr wurde er vom Kaiser 



dign. I p. 514. II p. 124ff. D. Serrigny Droit 40 Claudius mit militarischen Decorationen (corfotmj 



public et administratif romain I 168 — 177. II 
379f. E. Kuhn Stadt. u. burgerl. Verf. I 148. 
149 — 174. Bethmann-HollwegCivilprocessITI 
135. 137. P. Willems Le droit public romain* 
558 — 560. E. Cuq Memoires pre'sentes par di- 
vers savans a 1'acad. des inscr. I. Sene IX 2 (1884) 
472. Madvig Verf. u. Verw. II 143, 2. H. Schil- 
ler Gesch. d. rom. K.-Z. II 112. Mommsen Eph. 
epigr. V p. 625ff. Karlowa Rom. Rechtsgesch 



aur(ea) mur(ali) val(lari) hasta pura) ausge- 
zeichnet, bekleidete das Amt eines Illvfir) capi- 
talfisj und wurde hierauf quaestfor) des Kaisers 
und von diesem im gleichen Jahre auch zum quae- 
s(tor) aer(arii) Saturfni) ernannt (vermutlich im 
J. 47, in dem die Amtszeit der beiden ersten 
quaestores aerarii Satumi ablief, vgl. Momm- 
sen St.-R. lis 559 und o. Bd. Ill S. 2798); das 
Amt eines cur(ator) tab(ulariorum) pfubliwrum) 



I 875ff. , bes. 876f. 879. 881f. , 7. 882. J. P. 50 verwaltete er vielleicht gleichzeitig mit der drei 



Waltzing Etude hist, sur les corporations II 
140f. 264. 457. [A. v. Premerstein.] 

Cohortandus wird in der hsl. Uberlieferimg 
von Curt. Ruf. VIII 4, 21 ein nobilis sat rapes 
genannt, der sieh im Anfang 327 v. Chr. Ale- 
xander dem Grossen unterwirft. Geiger Alex, 
d. Gr. Feldziige in Sogdiane 37, meint, dass Co- 
hortanus derselbe Name wie Chorienes sei, und 
dass Curtius aus einem Ereignis. der Expedition 



jahrigen Quaestur des Staatsschatzes. CIL XI 
6163 = Dessau 967, von der Stadt Suasa in 
Umbrien dem C. gesetzte Ehreninsehrift. Der 
Gentilname Coiedius findet sich meines Wissens 
nur in Umbrien (XI 5737. 5774). [Groag.] 

Coinqnenda , rOmisehe Gottin der Indigita- 
menta, der im Verein mit Addenda im J. 224 
n. Chr. von den Arvalbrudern am Tempel der Dea 
Dia beim Zerhacken (eoinquere) einiger vom Blitz 



gegen Chorienes oder Sisimithres, deren zwei ge- 60 getroffenen Baume im Haine der Gottin ein Opfer 



macht habe, eine Vermutung, fur die darin eine 
Verstarkung gefunden werden k5nnte, dass Roxane, 
die damals nach Curt. VIII 4, 23 dem Alexander 
ubergeben wurde, nach Strab. XI 517 sich auf 
dem Felsen des Sisimithres befand. Auch finden 
sich anscheinend Ziige einer Verdoppelung, z. B. 
in dem, was fiber die SOhne des betreffenden Haupt- 
lings gesagt wird; vgl. Curt. VIII 4, 21 mit 2, 33. 



(oves ill dargebracht wurde (Henzen Acta fratr. 
Arval. p. CCXinf. = CIL VI 2107 p. 574). Zu den 
vonWeisweiler(Jahrb. f.Philol. CXXXIX 1889. 
37ff.) geausserten Bedenken gegen die Annahme 
einer Gottin C. (Marin i Atti e monum. dei frat. 
Arv. 381ff. Henzen a. a. O. 147ff. Olden- 
berg De sacris fratr. Arv., Diss. Berol. 1875, 45ff. 
Peter in Roschers Mythol. Worterbnch II 188, 



361 



Coissa 



Colebae 



362 



40ff.) vgl. zur Form Jordan Krit. Beitr. 279ff., 
zur Sache Wissowa oben Bd. I S. 1480, 43ff. 
1482, 47ff. [Aust.] 

€olssa, Station in Armenia auf dem Wege 
von Melitene nach Amida, XIV m. p. slidlich von 
Arsinia (d. i. Arlinia, s. Corvilu) und XL m. p. 
nSrdlich von Amida ad Tigrim, Tab. Peut. Wenn 
man von Diyar-Bekr gegen Arghny hinauf zieht, 
•erreicht man hinter Serbetyn-cban und den Ruinen 
der im Mittelalter vielgenannten Feste Tell-chum 
die Bergklause Dewe-boyuny ,Kamelhals', wo der 
Aufstieg beginnt; hier muss C. gesucht werden, 
abzuleiten von armen. kois ,Seite, Abhang' (z. B. 
in ain-kois lerin ,jenseitig des Gebirges'). 

[Tomaschek.] 
Coitae, Volk im westlichen Teil des Kaukasos, 
neben Cizi und anderen Abteilungen derKerketai; 
Plin. VI 19. Vgl. auch Chamaikoitai. 

[Tomaschek.] 
Coitio im technischen Sinn ist eine Art des 
ambitus (s. d.), ein Wahlmanover, bei dem sich 
Candidaten zur Verdrangung von Mitbewerbern 
vereinigen; dies kann namentlich dadurch ge- 
schehen, dass die zur coitio zusammentretenden 
Candidaten sich gegenseitig StimmkOrper zuweisen 
{tribivm eonferre, comedere), d. h. ein giinstiges 
Abstimmungsergebnis in diesen zusichern. Vgl. 
namentlich Cic. pro Plane, 22. 54. 53, ausser- 
dem Cic. ad Att. IV 15, 7; ad Quint, fratr. Ill 1. 
II 15. Ascon. ad or. in tog. cand. arg. p. 83 und 
dazu Wunder Ausgabe von Cic. pro Plane, 
p. LXXIVff. 147ff. Mommsen De coll. et sodal. 
Rom. 53 — 55. Rein Criminalrecht d. Rom. 704. 
705. Coire ist uberdies techniseher Ausdruck 
fiir die Vereinsbildung (collegium ooit), s. Ulp. 
Dig. I 12, 1, 14. Marcian. Dig. XLVII 22, 1; 
vgl. dazu Art. Collegium. Auf dem Gebiet des 
Strafrechts kommt das coire (coitio Cic. pro Cluent. 
148) zum Zweck gemeinsamer Begehung eines 
Verbrechens uberdies insofern in Betracht, als 
schon die Complottbildung als solche gelegentlich 
unter Strafe gestellt wird, vgl. z. B. Ulp. Dig. 
XLVIII 12, 2 pr. Marcian. Dig. XL VIII 10, 1, 1. 
Macer Dig. XLVII 13, 2. Cic. pro Cluent. 144. 
148. [Hitzig.] 

Colancorum (Kolayxoeor), Stadt im inneren 
Germanien, Pt-ol. II 11, 13. Beim heutigen Zfil- 
lichau? [Ihm.] 

Colaniea. Stadt der Damnonii im nordlichen 
Britannien, am Wall des Antoninus unweit des 
Clota nach Ptolem. II 3, 7 (danach Geogr. Rav. 
435, 7). Die Lage ist nicht naher zu bestimmen, 
man sucht es bei Auchindavy. [Hubner.] 

Colapiani, ein Volksstamm in Pannonia su- 
perior (Ptolem. IT 14 , 2 : Botol . . . . , xal vjt' 

avzove Kokcu-iiaroi, 'Idaowt ) an der Save (Plin. 

n. h. Ill 147 : Saw per Colapianos Breueosqw) 
und wohl zu beiden Seiten der Kulpa-Colapis. 
Angehorige dieses Gaues dienten bei den Auxiliar- 

truppen, CIL III 11 227 (Carnuntum) Li]c- 

cai [fil.] Colapfianus) [milfi] cho.I Ulp. [Pan-- 
(noniwum)] ■■■■ Kiepert Formae orbis anti- 
qui XVII 6. W. Tomaschek Mitt, der geogr. 
-Gesellsch. in Wien 1880, 501. O. Kummel Die 
Anfange deutschen Lebens in Osterrcich 308. 
A. von Domaszewski Arch.-epigr. Mitt. XI 10. 
A Holder Altkeltischer Sprachschatz s. v. 

[Patsch.] 



Colapls, rechter befahrbarer Nebenfluss der 
Save, den sie bei Siscia (Sissek) aufnimmt (Plin. 
n. h. Ill 148: Golapis in Saum inflmns iwxta 
Siseiam gemino alveo insulam ibi efficit quae 
SegesHea appellatur. Strab. IV 207: ovpftdMei 
<5' sis rov Sdov xata rtjv Jiohv (Ssyeanxijv) ttai 
o KokoMii • aftfpoTSQoi d' siol nlwtoi, qsovol 8' 
auto r&v "Afaeiov , vgl. VLT 314. Dio XLIX 37, 

3 — 5 : 'O yo.Q Koloyj dvofta&fievos TiaQ avtov tor 
10 nsQifiolov siaQOQQswv rig ibv Saovov oliyov ane- 
yovxa avtov sfifSdlhi xai vvv xaoav xryv aohv 
iyxsy.vtckcoTm, Tifieqiov tcupQm xivi /^ydktj eg tovto 
avror xazaoTr/oavTog, do' rjs e$ to agialov aMig 
§ei&qov snaveQx Eral - ™ r£ & z fl- f* v z °v K6!.ojiog 
naQ 1 a^ra xd xsixn Jtaoe^iovtog, xfj dk vov Zaovoy 
oliyov dnm&Ev jiaoaQQsovxog did xevov xi xaxsXs- 

Isurio 'O ovv KaTaao nkoVa Jiagd xmv xavxrj 

avfindxotv stotry&tvza. la§<bv, xai did ts xov "Iotqov 
eg xov 2aovov xai Si' sxsivov eg xov KoXotio. 
20a«ra dyaymv), jetzt Kulpa (kroat. Kupa), die bis 
Karlstadt mit kleineren , seicht gehenden Dam- 
p|ern im Friihjahr und Herbst bei Hochwasser 
befahren wird. Ihr Gebiet ist reich an Eisen. 
Es ist moglich, dass auch Kdoms bei Herodot IV 
49 denselben Fluss bezeichnet. Mommsen CIL 
III p. 501. Kiepert Lehrbuch der alten Geo- 
graphie 354 und Formae orbis antiqui XVII 6. 
Tomasckek Mitt, der geogr. Gesellschaft in 
Wien 1880, 501; Die alten Thraker II 2, 100. 
30 A. Holder Altkelt. Sprachschatz s. v. H. Cons 
La province Rom. de Dalmatie 28. 185. 197. 

[Patsch.] 
Colarni, Volk in Lusitanien, nach den Listen 
des Agrippa und Augustus eine der ewitates sti- 
pendiariae wahrscheinlich des Bezirks von Eme- 
rita (Plin. IV 118 Colarni). Sie trugen mit anderen 
zum Bau der Briicke fiber den Tagus bei Alcan- 
tara im J. 105 bei (CLL II 760 Z. 10 Colarni). 
Ptolemaios setzt einen Ort Kolaovov — entweder 
40 Missverstandnis aus Koldovow oder es gab spater 
ein oppidum Colarnum — in die Gegend von 
Caurium (s. d.) am Tagus (E 5, 6). Dort also 
etwa sind ihre Wohnsitze zu suchen. [Hubner.] 

Colatio, Ort in Noricum auf der Tab. Peut. 
(Colatione) zwischen Virunum und Celeia; beim 
heutigen Windiscbgratz? Mommsen CIL HI 
p. 623. 625. Von einem Volke Colletiani ist nichts 
iiberliefert. U^ m -\ 

Colchana, Station XV m. p. von Tigranocerta 
50 fiber Nararra nach Sardeva, Tab. Peut. ; Colcana. 
Geogr. Rav. p. 50, 8. 65, 14. [Tomaschek.] 

Colchion, Ort Armenieus, auf der Strasse von 
Artaxata nach Satala, Tab. Pent. XI 3 Mill. Viel- 
leicht = Kotyk iu der Thospitis bei Ptolem. V 
13 19. [Baumgartner.] 

'Coldas, ein von Ermanerich unterworfenes 
Volk in Skythia, lord. Get. 28. In den ugrisch- 
finmschen Sprachen bedeutet Jcol ,Fisch' (daher 
Kol-de ,Fischfluss', Bezeichnung des Ob und des 
60 Jenisei bei den Ostjaken) ; ein Sstlicher Zufrass 
des Dniepr heisst in den russischen Jahrbuchern 
Goltwa. Th. von Grienberger sieht in got. 
*ubegena-scoldas ,mindere Heerespflichtige, Tross- 
knechte', s. Bubegenas. [Tomaschek.] 

Colebae (cod. R Colobae), vorderindisches Volk 
am Sudabhang des Imavos; Megasth. bei Plin. 
VI 67. Lassen Ind. Alt.-K. 70 u. a. O. erkennt 
darin die Kaulubha, welche in einem spateren 



363 



Colenda 



Collatina via 



364 



indischen Drama neben Malaya erwiihnt werden ; r. r. II 9, 15. Als Bestandteil der Fesseln eines 

doch stent diese Lesart mcht fest. Dagegen werden fluchtverdachtigen Sclaven Plaut. Capt. 367 Lucil 

m indischen Schriften hauflg erwahnt die Kau- XXIX 100 M. Man nimrat an, dass mehrfach 

Mta oder Kuluta, em Bergvolkimheutigen Canton gefundene Bronzetafeln rait Inschrift enthaltend 

Jiulla im CJuellgebiet des Bias und der Yamuna; die Aufforderung, den Entlaufenen dem Herren 

bei ihnen herrschte, wie Hyuan-Thsang berichtet deasen Wohnung angegeben wird, zuruckzubringen, 

die Kropfkrankheit. Vielleicht gab es auch ein von C.fluchtverdachtiger Sclaven stammen. Orelli 

kolansches Abongmervolk Kolabha (von skr. WU 2830-33. De Kossi Bull, crist. 1874, 49, auch. 

.Druse, Frucht von zyzyphug iuiuba' und suff. in Bull. d. Inst. 1874, 85. So z. B. (Orelli 2832): 
& i j 5 , J(J , [Tomaschek.] 10 tene me ne fugiam et revoea me in foro Traiani 

toienaa, btadt der Arevaker m Hispania Ci- in purpuretiea ad Paseasium dominum meum. 

q°q' nU ™ m ^v"? de -! T - ? Wius im J - 656 Doch konnten sie au <* ^ Hundehalsb&ndern be- 
- 98 lv. Uir. erwahnt, mit anderen Stadten der festigt sein, wie in der That ein silbernes Hunde- 
Keltiberer, wie Termes (s. d.), der nach Einnahme halsband mit ahnlicher Inschrift gefunden ist, 
und ZerstOrang ihrer Stadt die Bewohner (Ko- Orelli 4319. Deutlich auf einen Sclaven be- 
^fcs) mit treuloser Hmterlist tstete (Appian. zfiglich Orelli-Henzen 6264: iussione ddd. 
T S % u-; 1 . 00 )5. wor ^ f er im J - 661 = 93 v. Chr. mm. ne quis sermm alienum suscipeat. Skelett 
S V s t num P nlerte (Fasti triumph. OIL 12 mit eisernem Halsring, unkenntlich, ob mit In- 
p. 49). Die Lage ist mcht zu ennitteln. schrift, gefunden bei Brindisi, Not d scav 1879 

„, . .,,... v [Hubner.] 20 49. Marquardt Privatl.* 182, 7. 184, 5. Bek- 

tolcntum, dalmatimsche, zum Convent von ker-Gell Gallus II 174 [Maul 

balona gehOrige Insel (Plin. n. h. Ill 140: rursus Collatia (KoUarla; Einwohner Collatinus, 

m ecntmente coloma Iader quae a Polu CLX KoUarTvog), alte Stadt in Latium, nach Livius 
■m.pass. abest, mde XXX m. Golentum insula. I 38 eine sabinische Niederlassung, wosregen sie 
142: Petunt in earn [Salonam] iura et ex in- Vergil Aen. VI 774 unter den Tochterstadten 
suhslssaet Cokntun, Separi Epetini. Geogr. von Alba Longa, Dionys. EI 50 unter den lati- 
-7- 77 I : C i entum )' bei Ptolem - II 16, 13 nischen Orten anffihrt. Den Namen leitet Paulus 
wrtumlich JSxaodwva ■ vfjaog , hv f, n6lm Mo, p. 37 ab quod ibi opes aliarum civitatum 

A Q §a *« Koklevtov, Mommsen OIL III p. 397. fuerint collatae; Serv. Aen. VI 772 er, collates 
™ &C } ,t pe i rt . P °™ ae ° rbls antl 1ii XVII jetitSO jMxwma. Ihre Unterwerfung unter Rom erzahlen 
Murter (Mortano). F Bulid Bull. Dalm. VIII die Annalisten unter Tarquinius Prisons (Liv. 

145. A. Holder Altkeltischer Sprachschatz Dionys. a. a. O.); sodann wird sie gelegentlich 

v' J* a- W. Kubitschek Imperium Rom. tri- der Frevelthat des Tarquinius gegen die Lucretia 

butim discnptum 231. [Patsch.] erwahnt(Liv. I 57. Dionys. IV 64. Ovid. fast. II 733 

Colors insula, im Cstlichen Ocean, neben den 785. Mythogr. Vat. I 74). In republicanism 

bindannseln und Agathodaemon ; Geogr. Eav. Zeit hatte C. seine Selbstiindigkeit als Gemeinde 

p. 4,40 l Der indische Seespiegel Mohit hat im verloren, wird aber von Cicero de lege a S r II 

Bemch des Mergmarchipels die Insel Kalari, viel- 96 und Strab. V 230 noch als existierend ge- 

leicht Uha Clara der portugiesischen Seekarten. nannt; dagegen sagt Plin. in 68 interiit sine 
l,egt man auf die Reihenfolge beim Ravennaten 40 vestigiis. Gelegentlich erwahnt noch von Silius 

kein Gewicht so vergleicht sich Zik m a, hundert Ital. VIII 361. Aur. Vict, de vir. ill. 9 Fur die 

6tadien von der gedrosischen Kfiste, Philostrat. Lage ist entscheidend der Lauf der Via Colla- 

V ' n P i« ■ r, [ Tomaschek '] ti'»a (s. d.); die Stadt muss demnach siidlich vom 

toittarumseon patrta, Canton in Armenia, Anio und jenseits des achten Meilensteins der Via 

Geogr. Rav. p 69 9; vgl. Ko+bo-phor, Ko+b-a- Praenestina gelegen haben. Strabons Entfernungs- 

phor in Gugarkh. In -seon kOnnte Siunikh stecken. angabe V 230: KoUarla 8k jjv xai 'Avzifivai xai 

„.. „ , ., 3 _, , [Tomaschek.] &i8fjvai xal Aafitxov xai alia roiavra Tore uhv jio- 

tolias, i eldherr der Gothen, als sie im J. 376 li X vm, vvv 8's x&fuu xr^oetg I8 la >rmv and mmxwxa. 

auf rcmisches Gebiet ubertraten, Ammian. XXXI rj ixtx Q $ xXuovav z^ Ta>fi V g ovadiov ist jeden- 
* .< « ox x. j „ [Seeck.] 50 falls, wie fflrLabici, erheblich zu niedrig gegriffen. 

tolicaria, fetation der Strasse von Verona Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit setzt man daher 

nach Bononia, 25 mp. von Hostilia und ebenso- C. auf den Hiigel von Castelluccio siidlich Lun- 

weit yon Mutuia (Itm Ant. 282), vielleicht S. Pos- ghezza, wo Reste einer alten Eingmauer aus Qua- 

sidomo unweit des modernen Mirandola; vgl. Ca- dern vorhanden sind. Vgl. Gel 1 Topography I 

vedoni Dell antica via da Modena ad Ostiglia 305. Nibby Dintorni I 475— 482 Nicolai 

(Indicatore Modenese II 1859) und CIL XI p. 170 Dissert, dell' Ace. Pontificia V (1832) Bormann 

und nr._ 6650. [Hulsen.] Altlatin. Chorographie 186. IHiilsenl 

LoliChas (Koh X a S Polyb., Cukhas Liv.j, ein Collatina, rOmische Gottin der Indigitamenta 

angesehener spanischer Hauptlmg, kampfte 548 der die Obhut fiber die Hugel icolles) zufallt 
= Mb im bunde mit den ROmern gegen die 60 Aug. c. d. IV 8. rAnst 1 ' 

l^^r (Polyb XT 20 3. 5 XXI .11, 7 Liv. Collatina porta, nurgenannt bei Paulus p.'k: 

IpT^L 1 4 IT abeF 55 ,'- = ^ 7 . aUC i an GolMici mMum ...a quo Romae porta Colla- 

d er Spite dw^ebnngg^en die romische Heir- Una; keinenfalla ein selbstandiges Thor in der 

scnait (Liv. AiAlll il, 7f.) [Miinzer.] Semusmauer, aus deren Porta Esquilina der Weg 

Colins, galhseher Vasenfabrikant der Kaiser- nach Collatia herausfuhrte. S. Becker De Romae 

zeit. Dragendorff Terra sigillata 93. veteris muris atquae portis 179 Jordan Topo« 

[C- Robert.] I 1, 245. [Hulsen 1 " 

Collare, ein Halsring. Hundehalsband Varro Collatina via, Vicinalstrasse bei Rom nur 



365 



Collatini 



Collatio glebalis 



366 



genannt bei Frontin. aq. 5: (aqua Appia) via, hinzu, deren Steuer nur 7 Solidi (= 89 Mark) 

Praenestina ad miliarium VI, diverticulo sini- betragen sollte (Cod. Theod. VI 2, 10. 18. 26, 

strorsus passuvm DCGCLXXX, promme viam 12). Zugleich scheint er angeordnet zu haben, 

C. aecipit fontem — und c. 10: (aqua Virgo) dass kiinftig die Abgahe nicht mehr in Weiss- 

eoncipitur via C. ad miliarium octavum palustri- kupfergeld, sondern in Gold zu erheben sei, wo- 

bus loeis. Da die Quellen der Appia mit grosser bei die 8 Folks des hOchsten Satzes einem Pfunde 

Wahrscheinlichkeit beim Casale della Rustica, die Gold (= 913,6 Mark) gleichgesetzt wurden (Seeck 

der Virgo sicner bei der Tenuta di Salone liegen, a. O.). Jedenfalls kommt schon seit 398 der 

folgt daraus, dass die v. C. nOrdlich dieser beiden, Name glebale aurum fur die Steuer vor (Cod. 
nahe am Sudufer des Teverone verlaufen sein muss. 10 Theod. VI 2, 16. 17. 26, 14), der freilich die alte 

Sie kann also nicht identisch sein mit der Strasse, Benennung Follis nicht ganz verdrSngt, obgleich 

die (freilich auch wohl auf antiken Spuren ; vgl. diese jetzt sinnlos geworden war, Um das J. 450 

Lanciani Acqne 122) jenseits Tor degli Schiavi wurde die C. g. ganz aufgehoben (Cod. lust. XII 

von der Via Praenestina abzweigend, nach Castel- 2, 2), mit gutem Grunde, denn da die Giiter der 

luccio fiihrt ; denn diese wurde sowohl Von dem Senatoren der Indiction ganz ebenso unterlagen, 

divertietdum Frontins als von dem bei Plinius wie jederanderelandlicheGrundbesitz (Cod. Theod. 

gelegentlich der Aqua Virgo erwahnten (XXXI V 14, 4. VI 3), so war diese Zuschlagsteuer, die 

42 : Agrippa Virgvnem adduxit ab oetavi lapidis ihren Stand noch ausserdem tiaf, sehr driickend. 

diverticulo dtwbus millibus pass. Praenestina Die Einordnung in die verschiedenen Stufen 
via) geschnitten werden. Sie scheint eine Seiten- 20 wurde durch Wert und Umfang des landlichen 

strasse der Via Tiburtina gewesen zu sein, die Grandbesitzes bestimmt, woraus sich auch das 

sich vor Ponte Mammolo von der Hauptstrasse Beiwort ^glebalis erklart. Wer in den Senat ein- 

trennte, auf dem linken Ufer des Anio bleibend. trat, hatte sogleich eine Steuererklarung abzu- 

Vgl. Lanciani Acque 35 (verfehlte Erklarung geben, welche Giiter er in den verschiedenen Pro- 

der Frontinstelle). 121. [Hulsen.] vinzen besitze (Cod. Theod. VI 2, 8), und wurde 

Collatini, erwahnt unter den Gemeinden der danach in die Steuerliste (glebae senatorial breves) 

zweiten Region Italiens bei Plin. Ill 105 ; vgl. den eingetragen (Cod. Theod. XII 1, 74 § 1), was die 

ager Collatinus in Apulien Lib. colon. I 210. II Pflicht der Censuales war. Auf Grund dieser Liste 

261 (Conlatinus ager qui et Carnieianus, et qui hatten sie alle Vierteljahr ein Verzeichnis dariiber 
cirea montem Garganum sunt). Lage nicht 30 zu fertigen , welche Veranderungen im Personal- 

naher zu bestimmen. [Hiilsen.] bestande des Senats und zugleich im voraussicht- 

Collatinus s. Tarquinius. lichen Ertrage der C. g. eingetreten waren, und 

Collatio bonorum s. Bonorum collatio. diese trimenstris instruetio wurde dann durch 

Collatio frumenti s. Frumentum. den Stadtpraefecten dem Xaiser iibersandt (Symm. 

CoUatio glebalis (so Cod. Theod. XIII 3, 19), rel. 46. Cod. Theod. VI 2, 8 § 1). Jene Ein- 

vollstandiger glebalis follium septemve solidorwm schatzung heisst deseriptio glebalis (Cod. Theod. 

collatio (Cod. Theod. VI 2 Uberschrift), audi gleba VI 23, 1. XIII 3, 16) oder senatoria (Cod. Theod. 

senatoria (Cod. Theod. VI 2, 19. XII 1, 74 § 1. XIII 3, 15. 16), mitunter auch schlechtweg de- 

138; vgl. V 14, 4. Symm. epist. IV 61, 2) oder seriptio (Cod. Theod. VI 2,21) oder scriptio (Cod. 
follis senatoriius (Nov. Mart. II 4) oder kurzweg 40 Theod. VI 26, 12). Verheimlichung irgend eines 

cjleba (Cod. lust. XII 2 Uberschrift. XII 2, 2. Grundstiickes wird nach einem Gesetz vom J. 383 

Cod. Theod. VI 2, 12. 16. Symm. rel. 46) oder mit der Confiscation desselben bestraft (Cod. Theod. 

follis genannt (Cod. lust, XII 2 tiberschrift. XII VI 2, 8). Ubrigens liess man es nicht bei der Selbst- 

2, 2. Zosim. II 38,4), eine Steuer, die von einschatzung bewenden , sondern mitunter wurden 

Constantin dem Grossen (Zosim. LI 38, 4) den quaesitores glebae senatoriae aus Rom in die Pro- 

Senatoren als solchen aufgelegt wurde, und zwar vinzen geschickt, um sich durch den Augenschein 

sowohl denen von Rom (Cod. Theod. VI 2, 8. 12. 1 6. iiber die Verhaltnisse der Steuerpflichtigen zu unter- 

17. 19. Symm. ep. IV 61) als auch denen von Con- richten (Symm. ep. IV 61, 2). Die Eintreibung der 

stantinopel (Cod. Theod. VI 2,9. 10. 14.18.21. Steuer war anfangs Sache der Censuales; doch 
XII 1, 74. XIII 3, 19. Nov. Mart. II 4). Wahr- 50 wurde sie ihnen im J. 397 im Occident abgenommen 

scheinlich wurde sie zuerst im Winter 312/13 und wahrscheinlich den Praesides iibertragen (Cod. 

nach dem Siege an der Milvischen Brttcke erhoben, Theod. VI 2, 12; vgl. Censuales). 

um die Kriegskosten zu decken (s. Censuales), Die C. g. wird ausdrucklich als Reallast be- 

blieb aber auch spater bestehen , da der allezeit zeichnet, die an den Giitern der Senatoren haften 

geldbediirftige Kaiser ihrer nicht entbehren konnte. blieb, auch wenn diese in nicht senatorische Hande 

Der Name follis zeigt, dass sie im Gegensatze iibergingen (Cod. Theod. VT 2, 16. 19. XIV 3, 

zu den Neturalsteuern Diocletians (s. Capita tio) 10). Andererseits kann sie aber auch eine reine 

in Geld bezahlt wurde, und zwar in jenen grossen Personallast sein, die den Stand als solchen trifft; 

Saeken voll Weisskupfermiinze, deren jeder den denn auch diejenigen Senatoren, welche gar keinen 
Wert von 100000 Nummi oder 6250 Denaren 60 landlichen Grundbesitz nachweisen konnten, wur- 

(= 114,2 Mark) enthielt (Seeck Ztschr. f. Nu- den zu der niedrigsten Stufe der Steuer heran- 

mismatik XVII 83). Urspriinglich gab es drei gezogen (Cod. Theod. VI 2, 8 § 2). So konnte 

Steuerstufen (Liban. epist. 255): die iirmsten Se- es vorkommen, dass jemand doppelt damit be- 

natoren gaben 2 Folles jahrlich (Cod. Theod. VI lastet wurde, indem er einerseits als Erbe eines 

2, 8 § 2), die zweite Klasse 4 Folles (Cod. Theod. Senators Guter besass, die der C. g. unterlagen, 

VI 4, 21 §6), die dritte und hochste 8 (Seeck andererseits durch die Bekleidung eines senato- 

Ztschr. f. Numism. XVn 86). Theodosius der rischen Amtes selber in den Senat eintrat. Frei- 

Grosse fugte im J. 393 noch eine niedrigste Stufe lich scheint eine solche Doppelbesteuerung nicht 



36 7 Collatio legum Mosaicarum etc. 



Collatio legum Mosaicarum etc. 368 



gesetzlich gewesen , sondern nur durch Versehen ster Ausdrack ihm das mosaische Gesetz erscheint 
oder Boswilligkeit der Censuales eingetreten zu (lex divina 6, 7, 1), hergeleitet ist, ein Gedanke, 
sein (Synes. epist. 38). den vor ihm schon Tertullian ausgesprochen hatte 

Befreit von der Steuer waren die Arzte und (Apol. 45: seiatis ipsas leges vestras, quae vi- 
Lehrer, wenn sie den Rang yon comites primi dmtur ad innocentiam pergere, ate divina lege 
oder seeundi ordmts erhalten hatten (Cod. Theod. ut antiquiore forma nintuatas esse; vgl. audi 
Xin 3, 15—19), die decuriones saeri palatii die Ausfiihrungen von Karlowa I 967f.). Diesen 

(God. Theod. VI 23, 1), die Sacerdotalen in Spanien Plan fuhrt der Verfasaer in der Weise durch, 
(Symm. ep. IV 61, 1), doch wurde das Privileg dass er zu Anfang jedes Titels zuerst die cin- 
der letzteren spater aufgehoben (Cod. Theod. VI lOschliigige Stelle aus dem Pentateuch anfiihrt 

2, 16). Denjenigen, welche durch den Dienst in (Moyses dieit) und ihr dann die Bxcerpte aus 

den kaiserhchen Scrinia zur senatorischen Wtirde dem romischen Becht anfugt. Eigene Bemer- 

aufgestiegen waren, wurde in Constantinopel 401 kungen des Verfassers sind ausserst sparlich und 

das Privileg gewahrt, dass sie ohne Riicksicht sie beziehen sich immer auf die mitgeteilten 

auf die GrCsse ihres Grundbesitzes immer den Texte. 

niedrigsten Steuersatz von 7 Solidi zahlen sollten Von den in der C. verarbeiteten Quellen kommen 
(God. Theod. VI 26, 12), in Ravenna wurden sie 407, zunachst die Stellen aus dem Pentateuch in Be- 
in Constantinopel 414 ganz von der C. g. befreit tracht. Jedenfalls war dem Verfasser die Bibel- 
(Cod. Theod. VI 26, 14. 2, 18). Im J. 384 wur- iibersetzung des Hieronymus (383—405) noch un- 
den die constantinopolitanischen Senatoren aus20bekannt; die betreffenden Citate erweisen sich 
Makedonien fur immun erklart, nachdem schon vielmehr als eine tlbersetzung aus der Septua- 
vorher die aus Thrakien dasselbe Privileg erhalten ginta, deren Urtext in Mom m sens Ausgabe an 
hatten, wahrscheinlichweil durch die Verwiistungen den betreffenden Stellen beigefiigt ist. Doch ist 
des grossenGothenkriegesderGrundbesitz in diesen nicht anzunehmen, dass der Verfasser die tjber- 
Diocesen fast wertlos geworden war (Cod. Theod. tragung selbst angefertigt hat, sondern er scheint, 
{\r\\- [Seeck.] wie die Vergleichungen Mommsens ergeben 
Lollatio legum Mosaicarum et Roma- haben, ein Exemplar der unter dem Namen Itala 
narum ist der zuerst von L. Charondas in der (Teuffel § 373, 9) bekannten lateinischen tfter- 
Vorrede zu seiner Ausgabe der Digesten (1572) setzung benutzt zu haben (so Mommsen 130ff.) 
gebrauchte und seitdem allgemein ubliche Titel 30 Seine Rechtsquellen erstrecken sich auf die 
emer Sammlung von Rechtsquellen, welche in Leges wie auf das Ius. Erstere sind vertreten 
den Hss. wemg zutreffend als Lex Dei quam durch den Cod: Gregorianus (B. IV: 1, 8—10- 
praeeepit Dominus ad May sen bezeichnet wird 10, 8. B. V: 6, 4. 6 B VII- 15 3 B XIX- 
(Mommsen 112. 118f. 128f.). Der Name des 3, 4), Cod. Hermogenianus (6, 5; 10, 3—6) und 
Verfassers ist nicht iiberliefert. Die im 16. Jhdt. Novellae Constitutiones , d. h. Kaisergesetze die 
(Nachweise bei Blume Vorr. z. s. Ausg. p. Vff. nach dem Cod. Hermogenianus ergangen waren. 
Mommsen 113) umlaufende Nachricht, dass das Sie werden einmal im allgemeinen erwahnt (14 
Werk von dem in Iustinians Digesten excerpierten 3, 6) , ausserdem begegnet (5, 3) ein zu ihnen 
Licmms Rufinus (Lenel Paling. I 559ff.) her- gehoriges Gesetz aus dem J. 390 (vgl. unten . 
ruhre, ist durch die Zeitverhaltnisse leicht wider- 40 Von den Juristenschriften sind benutzt: von Gaius 
legt, da dieser Jurist ungefahr 200 Jahre alter B. Ill (Iff.) der Institutionen : 16, 2; von Pa- 
ist als unser Werk. Wenn Huschke24ff. (Iurispr. pinian : responsa B. XV: 4. 5, definitions B. II: 
antemst.5 645f.) wenigstens den zweiten Namen 2, 3, de adulteriis lib, sing.: 4. 7—11 ; 6 6- 
zu retten audit und die Schrift dem im J. 410 von Paulus : sententiae B. I: 18, 2 b' II'- 4 
verstorbenen Presbyter Rufinus von Aquileia zu- 12; 5, 2; 6, 3; 10, 7. B. IV: 16, 3. B V- l' 
weist, so spricht dagegen, dass sie in dem Ver- 2. 4. 7. 13; 2, 7 ; 3, 2; 7, 2. 5; 8, 3—6- 9 3- 
zeichms der litterarischen Arbeiten dieses Mannes 11, 2—5; 12, 2—4; 14, 2, responsa B V-'lo' 
von Gennadius (de vir. ill. 17) nicht genannt 9, de iniuriis I. s. : 2, 5. 6, de adulteriis I. s. \ 
wird. Und wenn man in dieser Thatsache keinen 4, 2—4. 6, de poenis omnium legum I, s ■ 8 
vollgiiltigen Gegenbeweis sehen will, so ist doch 50 2, de poenis paganorum I. s.: 11, 6; 12, 6- von 
wenigstens die Vermutung durch nichts glaub- Ulpian : institutiones (Buchzahl ausgefallen)'- 16 
haft gemacht. Als unbewiesen muss ferner auch 5—9, ad edietum B. VUI: 7,3. B XVIII- 12 
die Ansicht von Rudorff (Abh. Akad. Berl. 1868, 7. B. XIX: 2, 4, regulae I. s. 2, 2; 6 2-' ie' 
276ff.) bezeichnet werden, wonach der bekannte 4, de officio proconsulis B. VII- 1 3 6' 11- 
Bischof Ambrosius von Mailand (gest. 397) der 15, 2. B. VTII: 3, 3; 7, 4; 8, 8- 11 7 8- 12' 
Verfasser gewesen sein soil (vgl. Mommsen 127f.). 5: 13, 3. B. IX: 9, 2; 14, 9; von 'Modestin-' 
Wenn wir nun auch auf einen bestimmten Namen differentiae B. II: 10, 2. B. VI: 1, 19 Dem 
verzichten miissen, so kann doch kaum zweifel- Verfasser standen also gute und umfassende litte- 
haft sein, dass der Verfasser Christ und zwar rarische Hulfsmittel zu Gebote, die er wie e< 
wahrscheinlich Kleriker war. Aus seiner weit- 60 scheint, wortgetreu und namentlich auch unter 
gehenden Kenntnis der Rechtsbucher (vgl. unten) genauer Angabe von Buch und Titel wiedergiebt 
mOchte man schliessen, dass er selbst (vielleicht (die Stellen aus dem Pentateuch sind nicht naher 
in friiherem Lebensalter wie so mancher andere bezeichnet). 

Kirchenvater) sich einmal berufsmassig mit dieser Erhalten sind uns 16 Titel grOsstenteils straf- 

Wissenschaftbefassthat. Der Zweck seines Werkes rechtlichen Inhalts. Audi Titel VTII : de furious 

ist, den Junsten nachzuweisen (7, 7, 1: scitote IX: de familiaris testimonio ivm admittendo 

*wr*s conmdti), dass ihr vielgepriesenes romisches X : de deposito gehoren, wie die vorausgeschickten 

Kecht aus dem gotthchen Recht, als dessen alte- Stellen des mosaischen Rechts und die Auswahl 



369 Collatio legum Mosaicarum etc. 



Collatio lustralis 



370 



der Excerpte aus den Rechtsbuchern zeigen, im die alteren s. Blume a. a. O. p. XLIff. Kriiger 

Sinne des Verfassers hierher. Erst der letzte 305. Mommsen 135. 

Titel (16) de legitima sueeessione ist rein privat- Neuere Litteratur: Puchta Inst. 11° §104. 

rechtlichen Inhalts. Da wir nun in einer im Heimbach Leipz. Repertorium III 148ff. (1843. 

J. 860 geschriebenen Abhandlung des Bischofs 1). Rudorff R. R.-G. I 284ff. ; Ahh. Akad. Berl. 

Hinkmar von Rheims de divortio Lotharii et 1868, 265ff. Huschke Ztschr. f. gesch. R.-W. 

Tetbergae (die Mheste nachweisbare Erwahnung XIII Iff. Dirks en Hinterl. Sehr. IT lOOff. Teuffel 

der C.j unser Werk folgendermassen citiert finden : R. Litt.-Gesch. §438. Mommsen Vorr. z. s. 

sieut in primo libro legis Romanae eapitulo Ausgabe (s. o.). Karlowa R. R.-G. I 967ff. 
sexto (heute 5) de stupratoribus et in eapitulo 10 Kriiger Quell, u. Litt. d. R. R. 302ff. Lan- 

septipio (heute 6) de incestis et turpibus nup- ducci Stor. d. dir. R. 12 268f. Kipp Quellen- 

tiis prascijritiir (Savigny Gesch. d. R. R. im kunde 98. [Jots.] 

Mittelalter II 2 282, der allerdings das erste Buch Collatio lustralis, vollstandiger lustralis auri 

bei Hinkmar anders auffasst. Dirksen 105. 130ff. argentive collatio (Cod. Theod. I 5, 14) oder lu- 

Mommsen 112), so ergiebt sich daraus, dass straits auri collatio (Cod. Theod. XIII 1, 20), 

uns nur ein Teil der C. (Buch I und auch dieses auch auraria functio (Cod. Theod. XIII 1, 11. 

vielleicht nicht vollstandig) vorliegt, sowie ferner, 13. 18. 19. XII 6, 29), auraria pensio (Cod. 

dass der Verfasser seine Vergleichung des mosai- Theod. VII 21, 3. XVI 2, 36) , aurum negotia- 

schen und rOmischen Rechts mit dem Strafrecht torium (Hist. Aug. Ales. 32, 5), griechisch slotpoga 
begonnen und wahrscheinlich auf das ganze Ge- 20 xqvoov xal aqyvQov (Zosim. II 38, 2. Liban. or. 

biet des Rechts ausgedehnt hat. II 477), jtoayfiazevuxor xqvoiov (Basil, epist. 88 

Entstanden ist die C. wahrscheinlich in lta- = Migne G. 32, 469), spater kurzweg xovodg- 

lien, vielleicht in Rom selbst (Mommsen 128). yvQov genannt. (Zosim. n 38, 3. Zonar. XIV 3 

Fiir die Abfassungszeit ist die oben erwahnte p. 54 B. Euagr, III 39. Georg. Cedren. 627 

Constitution 5, 3 massgebend. Sie ist ein von = Migne G. 86, 2677. 121, 681), war eine Steuer, 

den Kaisern Valentinian II. , Theodosius I. und welcher der Handelsstand als soldier unterlag (Cod. 

Arcadius an den Vicarius urbis Romae Orientius Theod, XIII 1, 1—21. 4, 4. XII 1, 72. XVI 2, 10. 15. 

gerichteter Erlass , welcher bier die Subscriptio Liban. or. II 477). Doch dehnte man im fiscali- 

propfosita) pr. id. Maias Romae in atrio Mi- schen Interesse den Begriff desselben so weit aus, 
nervae tragt, wahrend sie im Cod. Theod. IX 30 dass nicht nur die Geschaftc des Gastwirts und 

7, 6 als p(ro)p(osita) in foro Traiani VIII id. Bordellhalters (Liban. a. O. Nov. Theod. 18 pr.), 

Aug. Valentihiano Afugusto) IIII et Nestorio sondern selbst der einzelu lebenden Dime und 

co(n)s(ulibus) [= 390] wiederkehrt. Die Abwei- des Lustknaben (Zosim. II 38, 2. Zonar. XIV 3 p. 

chungen hinsichtlich Ort und Datum, sowie die 54 C. Euagr. Ill 39. Georg. Cedren. 627 = Migne 

Thatsache, dass der Text hier vollstandiger wieder- G. 86, 2677. 121, 681. Hist. Aug. Alex. 24, 3), 

gegeben wird als im Cod. Theod., zeigen, dass also fast jede Leistung, fiir die man gewohnheits- 

der Verfasser die Constitution nicht aus dem miissig Geld empflng, mit damnter Men. Valen- 

letzteren entnommen hat , und dass die in der tinian I. befreite die landlichen Handwerker (Cod. 

Einleitung der Stelle beigefugten Worte der Ber- Theod. XIII 1, 10) und die freigeborenen Maler, 
liner Hs. item Tlieodosianus, die auch sprachlich40 soweit sie nur die Werke ihres eigenen Pinsels 

aus dem Satz herausf alien, ein spateres Glossem verkauften (Cod. Theod. XIII 4,4); sonst blieben 

sind. Da dem Verfasser auch sonst der Cod. in den Stadten selbst die Plickschuster nicht ver- 

Theod. unbekannt ist, so ist sicher, dass die C. schont (Liban. or. II 478), Auch die Bettler soil 

vor dessen Erlass, also zwischen 390 und 438, man zu der C. 1. herangezogen haben (Zonar. a. 

entstanden ist. Mommsen 127 will deswegen, O. Euagr. a. O. Georg. Cedren. a. O.); doch 

weil das fragliche Gesetz in der vom Verfasser diirften damit wohl jene diirftigen Hausierer ge- 

herrschenden Einfassung speciell als durch Kaiser meint sein , wie wir sie noch heute kennen , die 

Theodosius veranlasst bezeichnet wird, die Grenze sich kaum weniger durch Bettel , als durch den 

auf die Zeit nach dem Wegfall seiner westromi- Verkauf ihrer elenden Waren ernahren. Fiir den 
schen Mitkaiser (6. Sept. 394) verengern. Die 50 Zweck der Steuererhebung waren alle, die als 

Ansicht, dass die C, weil die im Citiergesetz Handeltreibendc galten, in eine besondere Liste, 

(s. d. Art.) an erster Stelle als massgebend hin- die negotiatorum matrictda , eingetragen (Cod. 

gestellten Juristen hier allein Berncksichtigung Theod. XVI 2, 15 § 1. XI 5, 1. XIII 1, 3), die 

gefunden haben, .spater sei als jenes (Haenel zu Anastasius bei der Aufliebung der Steuer ver- 

Cod. Theod, IX 7, 6. Heimbach Jen. Litt. Zeitg. brennen liess (Euagr. a. O. Zonar. a. 0. Georg. 

1843, 719), hat Huschke 9fiF. zutreffend durch die Cedren. a. 0.). 

Bemerkung zuriickgewiesen, dass die ffinf ,Kory- tlber ihre Verteilung giebt nur folgende Stelle 

phaeen' auch schon vorher in der Praxis vorzugs- (Cod. Theod. XII 1 , 72) Aufschluss : pecunia, 

weise benutzt wurden und dieses Gesetz hut die quam liabent in conversations, mercatoribus in- 
schon bestehenden Verhaltnisse legalisierte. 60 dictum aurum argentumque agnoscit. Danach 

Uber die Uberlieferung s. Blume Vorr. z. s. erscheint das Geld als der eigentliche Steuer- 

Ausgabe p. XlVff. Karlowa 969. Kriiger 305. trager, d. h. die Hohe der Leistung wurde nach 

Mommsen 109ff. Lenel Ztschr. d. Savigny- dem im Handel angelegten Capital bemessen. Wer 

Stiftung VTTT 195ff. Vgl. auch Conrat Gesch. nichts oder sehr wenig besass, wie die armsten 

d. Quell, u. Litt. des R. R. im friiheren Mittel- Handwerker, Dirneu, Lustknaben und bettelhafte 

alter I 87f. 312f. Von den Ausgaben kommt Hausierer, musste ira 5. Jhdt. ein Silberstiick ent- 

heute nur die von Mommsen in der Collectio richten. Auch fur ein Pferd, ein Maultier oder 

libr. iuris anteiust. Ill 109ff. in Betracht; iiber ein Rind war dasselbe Silberstiick zu bezahlen, 



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Collatio lustralis 



Collatio lustralis 



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fur einen Esel oder einen Hnnd 6 Folles. Man er die Quinquennalien (Seeck Herm. XVIII 150), 

scheint danach die Tiere als einen Teil des Han- und am 26. April 368 findet eine neue Indiction 

delscapitals betrachtet zu haben, wahrscheinlich statt (Cod. Theod. XIII 1, 8, liber die Datierung 

weil sie zum Transport der Waren benutzt wur- s. Krflger Commentationes Mommsenianae 11; 

den (Georg. Cedren. a. 0. Zonar. a. 0.). Jene vgl. XIII 1 , 7). Ins J. 374 miissen seine De- 

Silbermunzewarjedenfalls die Siliqua (= 53Pfen- cennalien gefallen sein, und vom 5. Februar 374 

nig) , da diese gerade den doppelten Wert von ist ein Gesetz fiber die C. 1. datiert (Cod. Theod. 

6 Folles hatte (Mommsen Die Follarmttnzen bei XIII 1, 10). 

Finder und Friedlander Beitrage zur antiken Gratian wird den 25. August 367 zum Augustus 

Mfinzkunde 128). lOausgerufen (Mommsen 1241). wonach er wahr- 

Abgesehen von jenen 6 Folles , die nur in scheinlich 372 seine Quinqnennalien gefeiert hat. 

Kupfergeld gezahlt werden konnten, wurde die Schon einige Zeit tot dem 30. Juni 372 war eine 

Steuer immer in Gold und Silber erhoben (Cod. C. 1. ausgeschrieben (Cod. Theoh. XIII 1, 9). 
Theod. V 14, 4. VII 20, 9. XII 1, 72. XIII 1, 1. Valentinian H. wurde am 22. November 375 

4. 6. 8. CIL X 3732. 5349. Zosim. II 38, 2. Augustus und feierte seine Quinquennalien wahr- 

Liban. or. II 477), woher sie anch den Namen scheinlich im J. 380, die Decennalien 385 (Seeck 

xevodeyveov erhielt. Wenn in vielen Gesetzen Herm. XVIII 152). Am 5. Juli 379 (Cod. Theod. 

das Gold allein genannt wird (Cod. Theod. XIII XIII 1, 11) und am 13. Marz 384 (Cod. Theod. 

1, 9. 11. 15. 17. 20. 21) und danach der Name XIII 1, 12; Nachtrage zu dem Gesetz XIII 1, 
auraria functio oder pernio sogar zur techni- 2013. 14) werden Handelssteuern ausgeschrieben. 
sehen Bezeichnung der Steuer wurde, so hegt Arcadius feierte die Qinquennalien am 16. Ja- 

dies vielleicht daran, dass alle Betrage, die nicht nuar 387 (Mommsen I 244. II 62), die Vicen- 

zu klein waren, urn sich in Goldmiinze ausdriicken nalien wahrscheinlich 402. Am 14. April 386 

zu lassen, in diesem Metall entrichtet werden (Cod. Theod. XIII 1, 15) war eine C. 1. ausge- 

mussten. Daher erfinden auch die Falscher der schrieben. Ein Gesetz entsprechenden Inhalts 

Historia Augusta, dass Alexander Severas bei (Cod. Theod. XIII 1, 16) ist falsch datiert, aber 

jeder Herabsetzung der Steuer die Goldstflcke an den Pracfectus urbi Clearehus gerichtet , der 

habe leichter ausmiinzen lassen (39, 6. 7). dies Amt 401 und 402 bekleidete (Seeck Philol. 

Der Name zeigt, dass die C. 1. nicht jahrlich LII 448). 
erhoben made, sondeni an die Lustra anknfipfte 30 Honoring war am 23. Januar 393 auf den 

(Liban. or. II 477: 6 acpoQijroe <poqos, agyvgog xai Thron erhoben (Mommsen I 298). Seine De- 

XQvcog, <fQhTeiv jigoatovaae noiwv rag deiva; ner- cennalien diirfte er 402 gefeiert haben; denn die 

tertiQidas). Trotzdem ist es nicht ganz unrichtig, Vicennalien beschleunigte er wieder urn ein Jahr, 

wenn andere Quellen die Steuer vierjahrig nennen da sie 411 stattfanden (Mommsen II 70). Eine 

(Zosim. II 38, 2. Euagr. a. O. Georg. Cedr. a. 0.; C. 1. war von ihm vor dem 81. December 400 

wenn Zonaras XIV 3 p. 54 C von einem riXos ausgeschrieben (Cod. Theod. XIII 1, 18, iiber die 

hrjotov spricht, kann dies nur Missverstandnis Datierung s. Seeck Symmachus p. CLX; Nach- 

sein, da er aus derselben Quelle geschftpft hat, trage dazu Cod. Theod. XII 6, 29. XIII 1, 19. 

wie die beiden vorgenannten). Denn diese Lustra XVI 2, 36). 

traten nicht selten schon naeh vier Jahren ein, 40 Theodosius II. beging seine Decennalien am 

da bei ihrer Bestimmung eine grosse Willkur 10. Januar 411 (Mommsen II 70; vgl. I 299). 

herrschte. Es sind niimlich die Feste des Ee- Vom 24. Juni 410 ist ein Gesetz fiber die C. 1. 

gierungsantritts und die ihnen entsprechenden (Cod. Theod. XIII 1, 20). Ein anderes nennt 

qwinqtiennalia, (koermalia, quindecennalia u. s. w. zwar in der Uberschrift den 21. August 418 iCod. 

gemeint, die man oft mit dem Namen der lustra Theod. XIII 1, 21), aber da die Kaiserconsulate 

bezeichnet (Symm. rel. 13, 2; or. I 16. Eumen. in den Eechtsbfichern sehr oft verwechselt werden 

paneg. VIII 13. Apoll. Sid. carm. XIII 28. Cod. (Kriiger Comment. Mommsen. 75. Seeck Ztschr. 

Theod. XVI 2, 5). Dies ergiebt sich aus den d. Savigny-Stiftg. f. Bechtsgesch., Kom. Abt. X 

folgenden Nachrichten fiber die Jahre, in denen 31), wird man es wohl auf das J. 415 beziehen 
die C. 1. erhoben wurde: 50 diirfen, wozu die Quindecennalien von 416 passen 

Constantius feierte am 9. September 357 seine wurden. 
Vicennalien als Augustus (MommsenChron. min. Die C. 1. knflpft also an die funfjahrigen Be- 

I 239; vgl. 235), und am 2. December 356 wird gierungsjubilaen an, wiederholt sich aber doch 

eine eilige {protinus) Erhebung der C. 1. verfugt viel haufiger, als alle funf Jahre. Denn erstens 

(Cod. Theod. XIII 1, ]). ist in der Kegel mehr als ein Kaiser zu bertick- 

Iulianus wurde am 6. November 355 zum sichtigen, zweitens konnen die Feiern beschleunigt 

Caesar erhoben (Mommsen I 238. Amm. XV und ihr Zwischenraum auf vier Jahre herabgesetzt 

8, 17). Danach ist wahrscheinlich, dass er seine werden (Honorius) , drittens kann man nicht nur 

Quinquennalien am gleichen Datum 360 gefeiert die Annahme des Purpurs, sondeni auch die Er- 
hat. In einem Gesetz vom 30. Juni 360 ist die 60 hebung zum Augustus feiern (Constantiusj. Auf 

Bede davon, dass die Steuer kurzlich erhoben ist, diese Weise mttssen in dem Jahrzehnt von 351 

aber noch Efiekstande dazu entrichtet werden —360 nicht weniger als funf C. 1. beigetrieben 

miissen (Cod. Theod. XVI 2, 15 § 1; vgl. XIII sein: die erste beirn Regierungsantritt des Caesar 

*■ 2 )- Gallus (351), die zweite bei den Tricennalien des 

Valentinian I. bestieg am 25. Februar 364 den Constantius (353), die dritte beim Eegierungs- 

Thron (Mommsen I 240. Amm. XXVI 1, 7) antritt Lilians (355), die vierte bei den Vicen- 

nnd schrieb schon vor dem 17. April eine C. 1. nalien der Augustuswiirde des Constantius (357) 

aus (Cod. Theod. XLH 1, 5. 6). Im J. 369 feierte die funfte bei den Quinquennalien des Mian 360) 



373 



Collatio lustralis 



Collatio lustralis 



374 



Bei dieser Unregelm&ssigkeit ihrer Erhebung, gends die Smnme von 15 Solidi iiberstieg (Cod. 
deren Termine vielfach von Willkur und Geld- Theod. XDJ 1, 11); doch hatte dies nur im Oc- 
bediirfnis abhingen, versteht es sich von selbst, cident Bestand (Cod. Theod. XVI 2, 36), im Orient 
dass sie jedesmal indiciert werden musste (CIL wurde es 399 wieder aufgehoben (Cod. Theod. 
X 5349. Cod. Theod. XII 1, 72. XIII 1, 1. 4. 6. XIII 1, 16). Auch die Befreiung der Schiffer- 
9). Doch scheint mit der Indiction nicht auch gilde, die 380 und 386 nachweisbar ist (Cod- 
eine wechselnde Fixierung ihrer Hohe verbunden Theod. XIII 5, 16 § 2. 17), wird kaum gedauert 
gewesen zu sein, sondern diese ein- fur allemal haben. 

festgestanden zu haben. Denn im J. 408 wird Nur eine Immunitat hat sich dauernd erhalteiv 
einem Burger von Interamna Lirinas nachge- 10 die der landlichen Grundbesitzer, weil diese schon 

riihmt : populum suum pro sua benwolentia ab durch die Capitatio schwer genug gedruckt waren. 

indietione auri argentique liberum reddidit (CIL Anfangs wurden auch sie, falls sie ihre Producte- 

5349). Dies ist kaum anders moglich, als durch nicht an Zwischenhiindler verkauften , sondern 

Stiftung eines Capitals , aus dessen Zinsen die selbst auf den Markt brachten, mit der Handels- 

Steuer bezahlt wurde (vgl. CIG II 2336, 27—32. steuer belegt. Iulian nahm die Colonen der Se- 

CIL II 3664); zu diesem Zwecke aber musste natoren von dieser Bestimmung aus und erteilte 

sie, dem festen Zinseinkommen entsprechend, bald die gleiche Begiinstigung auch den Decu- 

gleichfalls fest sein. Jeder Stadt scheint eine rionen (Cod. Theod. XLTI 1. 3. 4 = XII 1, 50). 

bestimmte Anzahl von Pfunden Gold und Silbcr Erst Valentinian dehnte sie auf die gesamte Land- 

aufgelegt gewesen zu sein, die man, falls sie 20 bevOlkerung, die Dorfhandwerker mit eingeschlos- 

von den pflichtigen Kaufleuten nicht voll einlief, sen (Cod. Theod. XIII 1, 10), in dem Sinne aus, 

mitunter durch (jffentliche Sammlung freiwilliger dass nur der Verkauf ihrer selbst erzeugten Pro- 

Gaben auf die vorgeschriebene Hohe brachte ducte frei bleiben solle, und dies behielten aucb 

(Basil, epist. 88 = Migne G. 32, 469). die folgenden Kaiser bei (Cod. Theod. XILT 1, 6. 

Dass die Steuer nicht jahrlich war, sondern 8. 12. 13). 

in ganz unregelmassigen Zwischenraumen , bei Die eigentiimliche Verbindang, in der die C. 

Begiertmgswechseln auch meist unerwartet auf- 1. mit dem Eegierungsantritt der Kaiser und dessen 

gelegt wurde, diirfte der wichtigste Grund ge- firntjahriger Feier steht, erklart sich aus deft 

wesen sein, warum sie drlickender erschien, als ausserordentlichen Bediirfnissen, die dieser Anlass 

alle anderen Auflagen. Bei der grossen Harte, 30 jedesmal hervorrief. Nicht, so sehr die Schau- 

mit der sie beigetrieben wurde, soil sie in der spiele, Tierhetzen und Circusrennen kommen hier 

Eegel dazu gefuhrt haben, dass Eltern ihre Kinder in Betracht, obgleich auch diese Kosten genug- 

in die Sclaverei verkauften oder ihre Tochter der verursachten, sondern nainentlich die grossen Ge- 

Prostitution preisgaben, nur urn die Steuerforde- schenke an das Heer. Iulian, der durchaus kein 

rungen befriedigen zu konnen (Zosim. II 38, 3. Soldatenkaiser war, vcrsprach bei seiner Erhebung 

Liban. or. II 478). zum Augustus jedem Mamie 5 Solidi und ein 

Denn wiihrend man sonst in dieser Zeit mit Pfund Silber (Amm. XX 4, 18), was zusammen. 

Privilegien und Immunitaten sehr freigiebig ist, 127 Mark entspricht. Da die Gcsamtmasse des ro- 

treten sie bei der C. 1. nur ausserst sparlich auf mischen Heeres damals gewiss nicht hinter 400000 

und pfiegen bald widerrufen zu werden. Con- 40 zuriickblieb, muss ein Donativ dieser Art zwischen 

stantin befreite den Handel tier Veteranen bis zu 50 und 60 Millionen gekostet haben (vgl. Amm.. 

einem Capital von 100000 Folles, was damals XX 11,5). Nun waren die Soldaten zum grossen 

nicht ganz 3000 Mark entsprochen haben diirfte Teil Barbaren, die von jenseit der Eeichsgrenzen 

(Cod. Theod. VII 20, 3), und dies Privileg be- gekommen waren, um sich anwerben zu lassen,. 

stand auch unter seinen Sohnen fort (Cod. Theod. und naeh ihrer Verabschiedung in ihre Heimat 

XIII 1, 2). Valentinian I. gewahrte ihnen 366 zuriickkehren wollten. Sie verlangten daher Geld, 

voile Steuerfreiheit (Cod. Theod. VII 20, 9) ; aber das auch im Auslande Curs hatte, also nicht die- 

schon drei Jahre spater wurde dieser Vorzug auf schlechte Weisskupfermlinze, sondern Edelmetall. 

diejenigen besehrankt, die es im Dienste bis zum Wie Iulians Donativ zur Halfte aus Gold , zur 

Eange eines Protector gebracht hatten, und auch 50 Halfte aus Silber bestand (Mommsen Gesch. cL 

bei diesen nur bis zu einer gewissen Maximal- ro'm. Munzwesens 834) , so wird dies die allge- 

summe (Cod. Theod. XIII 1, 71. Im J. 385 wurde meine Eegel gewesen sein (vgl. Hist, Aug. Alex, 

diese im Occident auf 15 Solidi (= 190 Mark) 32, 4). Daher musste auch die C. 1. in diesen 

herabgesetzt (Cod. Theod. XIII 1, 14); im Orient beiden Metallen bezahlt werden. 

war das Privileg schon 384 ganz aufgehoben (Cod. Diocletian hatte das Finanzwesen des Seiches 

Theod. XIII 1, 13), und dasselbe geschah 396 im fast ganz auf eine Naturalsteuer gegrundet is. 

Occident (Cod. Theod. VII 21, 3). Constantius Capitatio), mit der sich zwar der Unterhalt des 

befreite 343 die Kleriker (Cod. Theod. XVI 2, 8. Heeres bestreiten Hess, die aber fur Geldgeschenke- 

14. XIII 1, 1), aber er selbst beschrankte dies schon dieser Art nichts hergab. Trotzdem fehlten ihm 
360 auf diejenigen , welehe durch ihren Handel 60 die Mittel dazu nicht ganz; sie ergaben sich 

nicht mehr als den diirftigsten Lebensunterhalt nainentlich aus folgenden Quellen: 

gewannen (Cod. Theod. XVI 2, 15 § 1). Selbst 1) Aus den Confiscationen, die Diocletian sehr 

diese geringe Bevorzugung wird die heidnische in diesem Sinne ausntitzte (Lact. de mort. per*. 

Eeaction Iulians nicht iiberdauert haben, und seine 7, 11). 

Nachfolger beeilten sich nicht, sie wiederherzu- 2) Aus Erbschaften, mochten sie nun dem 

stellen (Cod. Theod. XIII 1, 5. 6). Erst 879 Kaiser hinterlassen oder als vacantes vel cadiieae 

wurde der Clerus fur ein Capital befreit, das je naeh eingezogen sein. Bei diesen beiden Einnahme- 

den Diocesen verschieden bemessen war, aber nir- quellen wares iiblich, dass, wenn auch die con- 



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Collatio lustralis 



Collectarii 



376 



iiscierten Giiter an Gimstlinge verschleudert 
wurden, man das Gold und Silber , dessen man 
am meisten bedurfte, von der Schenkung ausnahm 
<Cod. Theod. X 9, 2. 10,21. Hist. Aug. Alex. 
46, 4). 

3) Aus dem aurum coronarium (s. Bd. II 
8. 2552) , das seit Diocletian in grosserem Um- 
fange als je zuvor gefordert und geleistet wurdo. 
Nieht nur Siege (Cod. Theod. XII 13, 4. Liban. 
•epist. 797 a), sondern auch der Regierungsantritt 
(Amm. XXV 9, 4. XXVHI 6, 7. Eunap. frg. 15. 
129), die Verkiindigung eines Steuererlasses (Cod. 
Theod. XII 13,4), kurz jedes freudige Ereignis 
(Hist. Aug. Pius 4, 10) wurde von den Gemeinden 
beniitzt, urn ihre Ergebenheit durch ein kostbares 
Geschenk darzuthun. Zog der Herrscher in cine 
Stadt ein, so wurde ihm ein goldener Kranz ent- 
gegengetragen (Zosim. ni 12, 2. Mommsen 
Chron. min. II 73); ging eine Gesandtschaft an 
ihn ab, um ihm die Bitten einer Stadt oder Pro- 
vinz vorzutragen , so fiihrte sie sich mit einem 
■Geldgeschenk in Form eines Kranzes oder einer 
Statuette bei ihm ein (Synes. de regno 3. Cod. 
Theod. XH 12, 15. 13, 4. Amm. XXVTH 6, 7. 
Liban. epist. 766). Auch abhangige Fiirsten hul- 
digten dem Kaiser mit solchen Gaben (Ammian. 
XXIII 3, 8. Cod. Theod. XTI 13, 6), ja mitunter 
nahmen diese vollig den Charakter eines Tributes 
an. So verpflichtete sich der GothenkOnig Theo- 
dahad. dem Tustinian einen Kranz von 300 Pftmd 
•Gold (= 184 000 ML) jahrlich darzubringen (Procop. 
bell. Goth. I 6 p. 321 A). Die Stadte des Beiches 
aber meinten die Huld des allmachtigen Gebieters 
zu gewinnen, indem sie sich in ihren Geschenken 
gegenseitig iiberboten ; um die Mitte des 4. Jhdts. 
waren Kranze von 25000 Mark Goldwert noch 
mcht einmal die griissten. Auch als Iulian das 
Maximalgewieht auf ein Pfund Gold (=913 Mark) 
herabsctzte (Liban. or. I 586 ; vgl. Ammian. XXV 
4, 15), muss bei der Grosse des Reiches die Ge- 
samtsumme noch sehr bcdeutend gewesen sein, 
da bei Regierungswechseln, grossen Siegen und 
ahnlichen Gelegenheiten selbst ganz arme Stadte 
sich nicht auszuschliessen wagten (Liban. epist. 
766). Das aurum eoranarium gait als freiwillige 
<3abe (Cod. Theod. XII 13, 1. 4) und war dies 
wohl auch in den meisten Fallen , soweit man 
•eben die ErfUllung der Gebote, welche die Sitte 
vorsehreibt, freiwillig nennen kann. Aber war 
der Kaiser in Geldverlegenheit und fand sich ein 
passender Anlass, so wurden die Stadte oft genug 
auch zwangsweise dazu angehalten (Cod. Theod. 
XLT 13, 1—3. 5. 6). Das Geld wurde von den 
Decurionen zusammengeschossen (Cod. Theod. XLT 
12, 15. 13, 2 — 4); doch mitunter zog man auch 
die iibrigen Grundbesitzer der Stadtgebiete, mit 
einziger Ausnahme der Senatoren, heran (Cod. 
Theod. Xn 13. 2). 

4) Durch das aurimi oblaticium, ein Geld- 
geschenk, das der Senat beim Regierungsantritt 
<Cod. Theod. VI 2, 20) und bei den Lustralfesten 
der Kaiser darzubringen pflegte. Cher die Hohe 
beschloss man frei; aber da man furchtete , den 
Herrscher zu verletzen, wenn man sich ihm gegen- 
iiber minder freigiebig zeigte , als gegen seine 
Vorganger, so bewirkte die Kriecherei des haupt- 
stadtischen Adels, dass die Last sich immer 
steigerte (Symm. rel. 13, 2). Bei den Decennalien 



Valentinians II. (385) erreichte die Summe, die 
der Senat von Rom bewilligte, 1600 Pfund Gold 
(= 1,700,000 Mark). Diese Oblationes waren fiir 
die Donative von besonderem Wert, weil sie mit 
ihnen zeitlich zusammenfielen, also praktisch der 
C. 1. ziemlich gleich standen, Cod. Theod. VI 2, 
11. 15. 20. 26, 12. 4, 17. Symmach. rel. 13. 23, 
12; or. in 1. 

Aus diesen Quellen bezogen die Kaiser Edel- 

10 metall genug , um bei so sparsamer Finanzver- 
waltung , wie Diocletian sie iibte , die Habgier 
ihrer Soldner leidlich befriedigen zu konnen. Erst 
die Verschwendung seiner Nachfolger machte die 
Einfuhrung besonderer Gold- und Silbersteuern 
notig. Maxentius gab ihnen die Form freiwilliger 
Gabon, die aber zwangsweise beigetrieben wurden 
(Mommsen Chron. min. I 148. Vict. Caes. 40, 
24). Galerius liess sie fur seine Vicennalien auf 
die Iuga und Capita umlegen, schrieb sie also in 

20 der gewcvhnlichen Weise der Indiction aus (Lact. 
de mort. pers. 31, 2. 5. 6). Den Vorwurf, den man 
ihm mit Recht machte, dass man von den Bauern, 
die schon durch die Naturalsteuern gedriickt seien, 
nicht auch noch bares Geld verlangen diirfe, 
vermied Constantin, indem er die C. 1. schuf und 
demjenigen Stande auflegte, fur den die Be- 
schaffung von Gold und Silber am wenigsten 
Schwierigkeiten hatte (Zosim. II 38, 2). Das erste 
Beispiel ist uns durch Dessau 1216 iiberliefert, 

30 wo ein comes domini nostri Gonstantini maximi 
Augusti et exaetor auri et argenti provineiarum 
trium genannt wird. Denn da diese Form des 
Comestitels schon mit dem J. 314 verschwindet 
(s. Comites unter F), diirfte diese Beitreibung der 
C. 1. fiir die Decennalien des J. 315 stattgefunden 
haben (vgl. Cod. Theod. VII 20, 3). Die C. 1. 
ist also gleichzeitig mit der collatio glebalis ein- 
gefiihrt; wie diese das Kupfergeld fur die regel- 
massige Lohnung, so lieferte jene das Gold und 

40 Silber fiir die ausserordentlichen Geschenke an 
die Soldaten. Erst Anastasius (491 — 518) schaffte 
sie wieder ab (Zonar. XIV 3 p. 54 C. Euagr. Ill 
39. Georg. Cedren. 627 = Migne G. 86, 2677. 
121, 681. Priscian. paneg. in Anast. 149ff.), 

[Seeck.] 

Collectarii. Zu Beginn des 4. Jhdts., wahr- 

scheinlich im Zasammenhange mit der Miinzreforin 

Constantins, wurden diebisherigen argentarii {% A.) 

und nummularii unter der Benennung collectarii 

50 neu organisiert; dieselbe, nach Mommsen Ber. 
sachs. Gesellsch. 1851, 302, 2 a eolligeiidis num- 
mis minutulis abzuleiten, erscheint bei Rufinus 
versio lat. Eusebii hist. eccl. V 28 (fur das 
griech. rpajrefinjff). Augustinus de civ. dei XXII 
8. Symmachus epist. X 42 (49) = relat. 29, 1 vom 
J. 384/5 (ebd. synonym nummidarii). Cod. lust. 
IV 2, 16 vom J. 408. Nov. Valent. HI 14, 1, 1 
vom J. 445. CIL HI 405. Suid. s. agyvga/ioi^os 
und xoXXtxraQiog. Aero zu Hor. sat. I 6 , 86. 

60 Gloss, nom. bei Hultsch Metrol. scr. p. 307, 14 
u. a. (vgl. Voigt 522, 28); daneben erhielt sich 
auch die Bezeichnung nummularius (Voigt a. 
a. O.) und argmtarius (Cod. Theod. XLT 1, 37 
vom J. 344). Sie bildeteii in den grosseren Stad- 
ten zum ausschliesslichen Betriebe ihres Geschaf- 
tes privilegierte Corporationen, so in Rom (Sym- 
mach. a. a. O.: corpus eollectariorum) , wo sie 
dem praefectus urbi unterstanden (W a 1 1 z i n g 



377 



Collega 



Collega 



378 



232, 3), in Constantinopel, wo sie als to xaiv aQyvgo- 
jiQaraiv acoftdtstov oder ovotrjfia (Edict. lust. 
Vn. IX pr. Nov. lust. 136 pr.) zu einer Zwangs- 
corporation mit sich vererbender Mitgliedschaft 
vereinigt waren (Cod. Theod. XVI 4, 5 § 1 vom 
J. 404: in nummulwriis eeterisque hums almae 
urbis corporibus. Cod. Inst. I 2, 9 = XI 17 (18), 

I vom J. 439. Waltzing 232, 5), ebenso wohl 
auch zu Thyateira in Lydien, wo nach CIL HI 
405 einem verstorbenen Exarchus colleeta[r]ii 
titulum eonseriptum ex bonis eius posuerunt. 
Nach dieser Inschrift (vgl. Mommsens Note) und 
Aero zu Hor. sat. I 6, 86 (coaetores dicuntur 
argentarii in auctionibus, quipeeunias eogant; 
ipsi sunt collectarii, dazu Mommsen Herm. XII 
97, 3 und oben Art. Coactor) lag den C. neben 
anderen Geschaften der argentarii auch die Ver- 
anstaltung von Auctionen ob. Ihre von den alten 
nummularii iibernommene Function als Offent- 
liche Miinzwardeine und Miinzprobierer, wobei es 
namentlich auf die Bewertung nicht vollwichtiger 
Solidi ankam, wurde 363 von Iulian (Cod. Theod. 
XIII 7, 2) auf eigene, fiir jede ewitas hestellte 
zygostatae (Cvyoozaxai) iibertragen, so dass die 
C. nunmehr in die Stellung der einfachen Bankiers 
eintreten und als solche in der spateren Gesetz- 
gebung auch trapexitae (Cod. lust. XII 57, 12 
§ 3 vom J. 436) und argentarii heissen (Voigt 
523, 30). Die C. waren verpfiichtet , Goldstiicke 
zu einem staatlich festgesetzten Preise itaxatio) 
gegen Kupfer zu verkaufen. Gegen Ende des 
4. Jhdts. erlitten die stadtromischen C. infolge 
des stetig steigenden Curses des Solidus, den sie 
selbst in foro rerum venalium zum Marktpreise 
kaufen mussten, bedeutende Verluste, trotz eines 
Zuschusses, den sie fiir jeden nach Taxe verkauf- 
ten Solidus von der area vinaria ansprechen 
durften. Eine Erhohung dieses Zuschusses durch 
Gratian schaffte nur vorubergehend Abhiilfe; im 
J. 384/5 wurde neuerdings eine Beschwerde der 
C. durch ihren Vorgesetzten, den Stadtpraefecten 
Symmachus (epist. a. a. O.), an Valentinian II. 
geleitet, deren Resultat unbekannt ist. Nach einer 
Verordnung Valentinians III. vom J. 445 (Nov. 
a. a. O.) erscheinen einerseits die C. verpfiichtet, 
den Solidus gegen 7200 nummi hochstens abzu- 
geben, anderseits jedermann gehalten, den also 
vom C. gekauften Solidus fiir mindestens 7000 
nummi anzunehmen (vgl. auch Kubitschek 
Wiener numism. Ztschr. XXIX 179f.). Mit Be- 
triigereien, die von und an den C. veriibt wurden, 
beschaftigen sich zahlreiche Verordnungen der 
spateren Zeit (Waltzing 232, 2). 

Litteratur: Gothofredus zum Cod. Theod. 
IX 22, 1. Xlb 6, 13. XII 7, 2. W Th. Kraut 
De argentariis et nummulariis, Gottingen 1826, 
33. Mommsen Ber. sachs. Ges. der Wiss. 1851, 
302ff.; Rom. Mfinzwesen 845f. (Ill 151 der fran- 
zos. Ubers.). L. Bouchard Etudes sur les finances 
de 1' empire romain, Paris 1871, 289. Marquardt 
St.-V. II z 45, 10. 64ff. G. Humbert in Darem- 
berg-Saglio Dictionnaire I 1291f. M. Voigt 
Abh. sachs. Ges. der Wiss. 1888, 522f. Rug- 
giero Dizionario epigr. II 339f. J. P. Waltzing 
Etude hist, sur les corporations professionnelles 

II 115, 1. 231f. [A. v. Premerstein.] 
Collega. 1) Pompeius Collega, Cos. ord. 93 

n. Chr., s. Pompeius. 



2) Collega, conlega, der Amtsgenosseimgleichen 
Amte, von lex abgeleitet, nach Mommsen in 
activer Bedeutung der Mitsetzer, Mitmachthaber, 
nach Vaniceks weniger wahrscheinlicher Auf- 
fassunginpassiverderMitbeauftragte. Dem Konig- 
tum liegt die Collegialitat fern und ebenso den- 
jenigen republicanischen Einrichtungen, welche an 
das Konigtum ankniipfen, der Stellung des Inter- 
res, des Dictators, des Praefectus urbi. Aber die 

10 Collegialitat ist einer der Grundgedanken der 
republicanischen Ordnung und ist im System der 
republicanischen Magistratur durchgeftihrt; beab- 
sichtigt ist dabei eine Schwachung der Gewalt 
durch das auf der par potestas der Collegen ruhende- 
Einspruehsrecht, das Intercessionsrecht. Die Col 
legialitat ist namlich nicht so aufzufassen, als ob 
giiltige Amtshandlungen nur von den Collegen 
gemeinsam ausgefiihrt werden ktonten, vielmehr 
ist innerhalb der Zustandigkeit des Amtes iiber- 

20haupt jeder C. fiir sich allein zu jeder Amts- 
handlung befahigt und befugt; diesem Rechte 
aber steht das Einspruehsrecht des Collegen oder 
der Collegen gegeniiber. Die Collegialitat ist zu- 
nachst von der Zweizahl ausgegangen, beim Con- 
sulate, und der Satz tres faeiunt collegium (Dig. 
L 16, 85) sonach nicht ursprunglich ; diese Zwei- 
zahl begegnet auch bei den Quaestoren, den ple- 
beischen und den curulischen Aedilen, den Cen- 
soren, nicht bei den Volkstribunen, die vielmehr 

30 mit der der Zahl der stadtischen Tribus ent- 
sprechenden Vierzahl beginnen , um zu der dem 
DecemviratenachgebildetenZehnzahliiberzugehen. 
Bei den Consulartribunen begegnet ausser der 
Vierzahl die Zahl sechs als Maximalzahl, die 
Zahl drei als Minimalzahl; fasst man den mit 
den J. 388 = 366 v. Chr. eintretenden civiliuris- 
dictionellen Praetor als Collegen der zwei Consul- 
praetoren, so ist auch nach 366 v. Chr. das Ober- 
amt dreistellig geblieben, bis zur Begriindung der 

40 Peregrinenpraetur. Eine zeitweilige Fiinfzahl der 
Volkstribunen ist unhistorisch. 

Im Kreise des imperium domi ist in republi- 
canischer Zeit die Collegialitat strict durchgefuhrt 
mit Ausnahme der Civiliurisdiction, bei der eine 
collegiale Cooperation den RSmern immer unmOg- 
lich schien. und bei der 366 v. Chr. die Collegia- 
litat iiberhaupt aufgegeben wird, um der Special- 
competenz zu weichen. An sich kennt die Col- 
legialitat keine Competenzentcilung, und eine 

50 thatsachliche Teilung der Geschafte unter den 
Collegen hat nur den Wert einer privaten Ver- 
abredung; die Concurrenz der Collegen wird viel- 
mehr geregelt durch den Turnus, durch das Los 
oder durch gemeinschaftliches Handeln. durch die 
Cooperation. Diese ist den altesten rOmischen Ge- 
meinwesen offeubar fremd. wurde aber durch die 
Rucksicht auf die sonst bestehende Moglichkeit 
collegialer Intercession begiinstigt. Vor allem bei 
Antragen an Senat oder Volk wird die Cooperation 

60 Regel, nur mit Ausschluss der Wahlrogationen. Die 
Losung tritt ein fur ausserordentliche Falle und 
besonders fiir solche Falle, die sich in der Amts- 
zeitvoraussichtlich nur einmal ereignen. Siekommt 
in Betracht fiir die Abhaltung der Wahlen und 
fiir die Ernennung des Dictators; ferner fiir das 
den Census abschliessende Lustrum, sowie fur die 
Tempelweihung ; die Dedication gent immer nur 
von einem Magistrate aus. In alien diesen Fallen 



379 



Collega 



Collegium 



380 



konnen die Beamten aber auch vom Lose absehen 
und sich unter einander vergleichen. In alterer 
Zeit war dcr Turnus Kegel, der in historischer 
Zeit bei den Oberbeamten mehr und mehr schwindet. 
Die Frist des Turnus war ursprunglich wohl die 
-achttagige Woche, das Nundinum ; bei den Con- 
suln und wohl auch bei den Consulartribunen war 
es der Monat. Die Fasces fanden sich ursprung- 
lich nur bei dem gerierenden Magistrate, aber 
-dieser Weehsel der Fasces ist friih geschwunden, 
und jeder Oberbeamte fiihrt seine Fasces die ganze 
Amtszeit hindurch; Caesar liess 59 v. Chr. als 
-nicht gerierender Consul die Fasces hinter sich 
-gehen. In der augusteischen Zeit gilt fur die 
Consuln wieder monatlicher Weehsel der Fasces. 
Ausnahmen von der Collegialitat begegnen im 
stadtischen Eegimente einmal auf sacralem Ge- 
"biete, beim Pontifex maximus, sodann beim Interrex, 
Dictator und Praefectus urbi, sowie den civil- 
iurisdictionellen Praetoren mit ihren Specialcom- 
petenzen, nur dass auch diesen Praetoren gegen- 
iiber das Intercessionsrecht wie der Consuln so 
■der Praetoren untereinander gilt. Auch die Thatig- 
keit der vier Aedilen war local geschieden. 

Im Gebiete des imperium militias fehlt die 
Intercession, selbst des nicht gerierenden Collegen, 
-da hier jede Intercession die Lahmlegung des Regi- 
mentes Tor dem Feinde bedeutet hatte ; auch gegen 
•die Ernennung eines Dictators giebt es kein Inter 
-cessionsrecht des anderen Consuls. Aber Collegia- 
litat giebt es auch im nichtstadtischen Regimente. 
Auch im Oberbefehl waltet der Tumus, und der 
■Oberbefehl kann im Felde von Tag zu Tag wechseln, 
falls keine Vereinbarung eintritt, wie sie aber auf 
diesem Gebiete in weitestem Umfange flblich ist. 
Auf militarischem Gebiete fehlt die Cooperation 
und wird durch die Competenzentscheidung er- 
setzt, einmal in dem Commando iiber die Reiterei 
und das Fussvolk und sodann durch die Compe- 
tenzenscheidung nach Operationsgebieten , durch 
die consularischen provinciae und die nichtstadti- 
schen Specialcompetenzen. Die ausserhalb Roms 
^omicilierten Beamten, die 487 = 267 v. Chr. ein- 
gesetzten vier italisehen Quaestoren, die Provin- 
eialstatthalter und Provincialquaestoren unter- 
liegen thatsachlieh der Collegialitat nicht. Wohl 
-aber hat man hier formell die Collegialitat in- 
sofern festgehalten, als nicht unmittelbar die Wahl 
zu dieser oder jener civiliurisdictionellen Praetur 
■oder einer bestimmten Provineialpraetur berief, 
man hat vielmehr durch Wahl die jeweilige Ge- 
samtzahl von Praetoren bezw. Quaestoren bestellt 
und den einzelnen dann durchs Los ihr Gebiet 
angewiesen. Schon bei der Zweiteilung der con- 
sularischen Heere war die Losung der Consuln 
durchgehender Branch; die Operationsfelder wer- 
-den dann durch Vereinbarung oder wieder durchs 
Los geschieden. In die Regelung der ausser- 
stadtischen Thatigkeit der Consuln greift der 
Senat ein, gesetzlich normiert hat aber erst ein 
sempronisches Gesetz von 12S v. Chr. die jahr- 
liche Feststellung der senatorischen Provinzen 
durch den Senat. Eingeschrankt war die Allge- 
meinheit des consularischen Commandos bereits 
227 v. Chr. durch die festen (iberseeischen Spe- 
dalcommandos der Provincialstatthalter. Ausser- 
ordentlicher Weise gehen freilieh immer noch ge- 
legentlich Consuln in die Provinzen, aber wie die 



uberseeische Kriegfiihrung der Consuln iiberhaupt 
erfolgt dies nur auf Geheiss des Senates. In die 
Verteilung der Provinzen einzugreifen versuchen 
die Volksversammlungen zuerst beim alteren Scipio 
205 v. Chr.; sie thun es wirklich 147 v. Chr. bei 
dem jtingeren Africanus. Oft genug geschieht es, 
seit mit den Gracchen der Kampf der Volksver- 
sammlungen gegen den Senat, d. h. der Legis- 
lative gegen die Verwaltung, acut geworden ist; 

10 es geniigt , an Pompeius und an Caesar zu er- 
innern. Mommsen R. St.-K. 13 27—61. 

[Neumann.] 
Collegataris s. Legatum. 
Collegium (conlegium bis zum Ende der Ee- 
gierung des Augustus oder etwas langer [vgl. CIL 
VI 243 aus dem J. 19 n. Chr.] und kurze Zeit 
unter Claudius und Nero; andere Varianten: col- 
legius [dariiber Gatti Bull. com. d. Roma 1890, 
45], collignium, eolleeium, colligeus u. s. w.) ist 

20 die Bezeichnung fur erne Vereinigung von Per- 
sonen zu einem gemeinsamen, dauernden Zweck; 
das Wort schliesst zwar die Offentlichen Gemein- 
wesen aus, entbehrt aber im iibrigen jeder festen 
positiven Bestimmtheit. Gleichwie der Begriff 
der ,Gemeinde' im romischen Recht als Gattungs- 
begriff nicht fixiert und in einem technischen 
Namen ausgepragt ist , ebensowenig der Begriff 
des Vereins, der Corporation, insofern es bei c. 
gleichgultig ist, ob die Gesamtheit eine Mehrheit 

30 von Beamten, eine staatliche oder freiwillige Ver- 
einigung ist, und gleichwie die Juristen fur den 
fehlenden Gattungsbegriff der Gemeinde eine Auf- 
zahlung aller Arten derselben setzen (z. B. Lex 
Iulia munic. vom J. 709 = 45 Z. 82f M Brans 
Fontcs 5 p. 106. Lex agraria vom J. 643 = 111 
Z. 31, Bruns p. 78), so auch fttr den Begriff 
des ,Vereins' (Gaius Dig. Ill 4, 1 neque sooietas 
[Cohn sodalicium] neque collegium neque huius- 
modi corpus, ebd. corpus habere eollegii socie- 

40 tatisfve] (sodalieii) sive cuiusque alterius eorum 
■nomine). Abgesehen aber von der juristisch 
scharferen Terminologie ist c. in speciellerem Sinn 
die allgemeinste Bezeichnung fur Verein und in 
diesem Sinne auch im Griechischen (xoU.rjyiov) 
gebraucht. Von seinen Synonyma kommt ihm 
am nachsten corpus (griechisch dafttr gewOhn- 
lich ovozr/fia), welches zunachst eine weitere Be- 
deutung hat ,K0rper', ,K6rperschaft' , eine Art 
Oberbegriff ftr alle verbandlichen Organisationen, 

50 die offentlichen Gemeinwesen mit eingeschlossen 
(Marcian. Dig. XL VII 22, 3 collegium rel quod- 
cumqtce tale corpus und in der oben angefiihrten 
Stelle des Gaius neque huiusmodi corpus. Dig. 
II 4, 10, 4 a corpore aliquo vei collegio rel civi- 
tate. X 4, 7, 3 in collegiis ceterisque corporibus. 
Nov. Maior. tit. 7 § 18 [458]), in der spateren 
Zeit fur eine Classe von Menschen, einen Stand im 
Staat gebraucht (dariiber Waltzing Etude II 139 
— 142). In engerer, eigentlich technischer Bedeu- 

60 tung stent corpus fur die rechtlich als offentlicher 
Organismus anerkannte , mit den Rechten einer 
juristischen Person beliehene Genossenschaft, wo- 
fiir auch universitas ,die Gesamtheit, im Rechts- 
sinn die als Einheit anerkannte Gesamtheit' 
(Gierke Geoossenschaftsrecht III 66, 114) ge- 
braucht wird, z. B. beide Ausdrucke abwechselnd 
Dig. Ill 4, 1, 1 {corpus) und 3 (universitas), vgl. 
P e r n i c e Labeo 1 289. Gradenwitz Zeitschr. der 



381 



Collegium 



Collegium 



382 



Savignystiftung XII (1892) 145. Je mehr dies 
bei alien Vereinen die Eegel wurde, desto mehr 
wurde der Unterschied zwischen c. und corpus 
hinfallig, und beide Worte wurden schliesslich 
ganz gleichwertig angewandt (Dig. L 6, 5 , 12 
collegia pel corpora. XXXVI 1, 1 , 16 colle- 
gium vel corpus. IV 2 , 9 , 1 vel popuhm vel 
curia vel collegium vel corpus) und dementspre- 
chend auf die davon abgeleiteten Adjectiva colle- 
ffiatiuni corporati (iiber diese vgl.W altzinga,a.O. 
II 140f. 162 — 164, nach dessen Ansicht entweder 
corporati = collegiati oder das erstere etwas um- 
fassender ist, ebenso wie corpus im ersten oben 
angedeuteten Sinn umfassender ist als e.). Recht- 
lich ist allerdings fur die staatlichen Zwangs- 
verbande der spateren Zeit corpus die richtige 
Bezeichnung, und dieses heTrscht auch z. B. im 
Codex Theodosianus vor, wahrend c. in der republi- 
canischen Zeit und der ersten Kaiserzeit das 
haufigere ist. Sodalitas (s. d.) bedeutet ursprung- 
lich die Tischgenossenschaft mit sacraler Umhul- 
lung und wurde die teehnische Bezeichnung fur 
sacrale Bruderschaften (Cic. Cat. mai. 45. Fest. 
p. 296. Savigny System II 256), ahnlicb wie das 
griechische Wort sgavog (Z i e b a r t h Griech, 
Vereinsw. 135) , abusiv auch fur politische, 
staatsgefahrliche Vereine (Cic. ad Quint, fr. II 
3, 5). Das Adjectivum sodales hat eine weitere 
Bedeutung und wird von den Mitgliedern eines 
jeden C. gebraucht, Gaius Dig. XL VII 22, 4 
sodales sunt, qui eiusdem eollegii sunt. Einen 
ganz ahnlichen Bedeutungswandel wie sodalitas 
hat das synon3 r me sodalicium, wofiir oft e. soda- 
licium. sich findet, durchgemacht. Ursprilnglich 
ganz harmlos und abwechselnd teilweise mit c. 
— so immer auf den Inschriften — teilweise mit 
sodalitas f iir religiose, speciell fur Begrabnisvereine 
gebraucht, wird es ebenfalls die Bezeichnung fur 
politische Vereine im sehlechten Sinne (lex Li- 
cinia de sodalieiis) und bleibt in der juristischen 
Litteratur der Kaiserzeit der Ausdruck fur staats- 
gefahrliche, unerlaubte Vereinigungen (Marcian. 
Dig. XLVII 22, 1), entsprechend dem griechi- 
schen exatota. Auchordo, eigentlich die geschlossene 
Korperschaft (Mommsen St.-R. Ill 459, 1), wird 
manchmal synonvm mit e. gebraucht (CIL X 1746. 
1747. 3483. 6094. Cic. in Verr. II 137 ordo ali- 
qui censorum est ? collegium ? genus aliquod 
hominum ?) -, soeietas (s. d.), griechisch xoivcovia, 
ist ein privatrechtlicher Terminus technicus fur 
Contractgesellschaft , d. h. eine Vereinigung der 
socii in jedweder Hinsicht auf bestimmte Zeit; 
socii aber wird auch vereinzelt fur die Mitglieder 
eines C. gebraucht (CIL LX 1642. 1643. 1647. 
VI 4414. IX 5461). 

I. Einteilung und Zweck der Collegien. 
Die Mindestzahl, die zur Bildung eines C. er- 
fordert wird, ist drei: Neratius Priscus (Dig. L 
16, 85) tres facere existimat collegium. Wo da- 
her das Wort c. von den in der Zweizahl seit 
Einfuhrung der Republik in Rom herrschenden 
Magistraten (s. Collega Nr. 2) gebraucht wird, 
bezeichnet es nicht collectiv die Gesamtheit der 
Mitglieder, sondern ,das Yerhaltnis eines Collegen 
zu dem anderen' (Mommsen St.-R. 12 32; so 
von den Consuln, Liv. X 13, 13. 22, 3. 24, 6. 
26, 2. Tac. ann. m 31; hist. I 52; in anderem 
Sinn nur Plin. n. h. VII 54). Dagegen spricht 



man richtig von c. tribumrum (z. B. Cic. Verr. 
II 41. Liv. IV 26, 9. 30, 33. 53, 7. XLII 32, 7. 
Cic. pro domo 47. Val. Max VI 3, 4. Suet. Caes. 
23. 78), auch von collegium tribunorum militwm 
cos. pot. (Liv. IV 17, 9. V 18, 2) , viel seltener 
aber von c. praetorum (Cic. de off. Ill 80) und 

c. quaestorum (Suet. Claud. 24), ,da durch die 
Competenzteilung die Collegialitat hier im allge- 
meinen beseitigt ist' (Mommsen St.-E. a. a. O.). 

10 Dagcgeu gab es seit alter Zeit fur die Verwaltung 
der staatlichen Priestertiinier diejenige Art der 
Amtsgemeinschaft, ,bei welcher erne Gesamtheit 
als solche zur Tragerin der Amtsbefugnisse berufen 
war. Hier war die Gesamtheit ein c. und als 
solches eine Verbandseinheit des ius publicum, 

d. h. sie kam in geordneter und mit Majoritat 
beschliessender Versammlung zu sichtbarer Er- 
scheinung, bildete ein dauerndes und im Weehsel 
der Glieder identisches corpus' (Gierke Genossen- 

20 schaftsrecht III 77ff.). 

1. Unter diesen amtlichen Collegien sind 
bei weitem die bedeutendsten die vier sog. grossen 
Priestercollegien, saeerdotum quattuor amplissima 
(oder summa) collegia (Suet. Aug. 100. Mon. 
Ancyr. 2, 16; vgl. Bardt Die Priester der vier 
grossen Collegien aus rOmisch-republicanischer 
Zeit, Berlin 1871) und unter diesen wiederum das 
c.pontificum (Liv. XXXI 9, 8. XXXIV 44, 2. CIL 
X 1125 u. s. w.), das der Tradition nach dem KOnig 

30Numa seinen Ursprung verdankte (Liv. IV 4, 2. 
Dionys. II 73. Cic. de or. IH 73. Plut. Numa 9. 
Flor. I 2), anfanga aus ftinf (Cic. de rep. II 26), 
seit der Lex Ogulnia aus acht (Liv. X 6, 6), 
oder neun, seit Sulla aus fiinfzehn Mitgliedern be- 
stand, welcher Zahl die Kaiser noch Mitglieder 
supra numernm hinzufiigten (Cass. Dio XLII 51. 
LI 20), dessen Vorsteher der Pontifex maximus, 
nicht wie bei den iibrigen Priestercollegien ein 
magister, war, wofiir jedoch, seit die Kaiser den 

40 Oberpontiflcat inne hatten, auch ein promagister 
eintritt (CIL VI 1422. 1700. X 1125 in collegio 
pontifieum promagister. VI 2158, vgl. im iibrigen 
Art. Pont if ices). Von diesem C. abgezweigt 
wurde 558 = 196 zur Besorgung der vielen den 
Pontifices obliegenden Opferhandlungen des c. 
Illvirorum , dann Vllrirorum epulonum (Liv. 
XXXIII 42, 1), seit Caesar 10 (Cass. Dio XLIH 51 ; 
vgl. unter Epulones). Eine weitere Erganzung 
erhielten die Pontifices durch das e. Ilvir., dann 

50 Xvir., endlich XVvirorum sacris faciundis, dem 
neben jenen, den Vorstehem der rGmischen sacra, 
die Oberaufsicht tiber die fremden Culte. die staat- 
lich recipierten rfw peregrini iibertragen wurde (Liv. 
VI 37, 12 Xmri), wahrscheinlich seit Sulla erst ffinf- 
zehn (Tac. ann. ILT 64), s. Quindecimviri sacris 
faciundis. Das vierte dieser grossen Priestercol- 
legien endlich ist das c. attgurum, ebenfalls der Tra- 
dition nach von Numa gegrundet (Liv. IV 4, 2), ur- 
sprilnglich aus drei, seit der Lex Ogulnia aus neun 

60 (Liv. X 9, 21), seit Sulla aus fiinfzehn (Liv. ep. 89), 
seit Caesar aus sechszehn Mitgliedern (Cass. Dio 
XLII 51) bestehend, ein C. von Sachverstandigen 
fur die Beobachtung der Auspicien (vgl. u. Augu- 
res). Zu diesen vier grossen kommen dann die 
iibrigen ebenfalls staatlichen Priestergenossen- 
scbaften: das c. fetialium (Liv. XXXVI 3, 7; 
vgl. XXXI 8, 3. XXXVIII 46, 12. Cic. de leg. 
II 21. Tac. ann. Ill 64), aus zwanzig Mitgliedern 



383 



Collegium 



Collegium 



384 



bestehend (Varro bei Nonius p. 529, 29; vgl. u. 
Fetiales); das der Salii (Liv. I 20, 4. Dionys. 
II 70. Cic. de rep. II 26. Val. Max. I 1, 9 e. 
Saliorum) und zwar der zwClf Salii Palatini 
(Dionys. II 70, Fasti dieses C. aus den J. 170 
—202 n. Chr, OIL VI 1977—1983) und der zwolf 
Salii Agonales, Agorienses oder Collini (Liv. I 
27, 7), vgl. Art. Salii; die Luperci, organisiert 
als zwei collegia gentilicia (daruber S. 384), die 
luperci Fabmni und die luperci Quintiales (Fest. 
ep. p. 87. Festus p. 267 b. CIL VI 1933; das 
Hervorgehen des Dienstes aus Gentilculten be- 
streitet Unger Eh. Mus. XXXVI 1881, 54ff., 
dessen Meinung etwas modificiert 0. Crusius 
ebd. XXXIX 1884, 164ff. angenommen hat), 
wozu als drittes C. das der luperci lulii kam, 
zu Ehren Caesars eingesetzt im J. 710 = 44 
(Cass. Dio XLIV 6. XLV 30. Suet. Caes. 76). 
Bei alien dreien lCste sich der gentilicische Ver- 
band der Mitglieder und es wurden reine sodali- 
tates (im fibrigen s. unter Luperci); das C. der 
zwolf Arvalbriider (fratres Arvales Gell. VII 7, 8. 
Plin. n. h. XVILT 6, s. Arvales), das der Sodales 
Titii, der Sage nacb von Titus Tatius zur Er- 
haltung des sabinischen Cultes in Rom eingesetzt 
(Tac. ann. I 54, anders hist. II 95; vgl. Dionys. 
II 52), anfanglich offenbar ein Gentilcult, in der 
Kaiserzeit eine besonders vornehme sodalitas, in 
der die Kaiser und Mitglieder des kaiserlichen 
Hauses vertreten sind. Nach ihrem Muster wurden 
im J. 14 n. Chr. fur den Cult des Augustus inner- 
halb der Gens Iulia ein Priestercolleg, die sodales 
A-ugustales, gebildet (Tac. hist. II 95 ; ann. I 54. 
Suet. Claud. 6), anfangs aus einundzwanzig, spater 
aus mehr Mitgliedern unter drei magistri (CIL VI 
1987) bestehend, von Anfang an den grossen 
Priestertiimern gleichgestellt (Cass. Dio till 1. 
LVI1I 12. Tac. ann. Ill 64) , seit dem Tod des 
Claudius erweitert zu sodales Aug. Claudiales. Ent- 
sprechend wurde nach dem Tod des Vespasian fur 
die Gens Flavia das C. der sodales Flaviales 
gebildet, nach dem Tod des Hadrian die sodales 
Hadrianales. 161 die sodales Antoniniani u. s. w. 
I vgl. Art. Sodales). tlber andere Priestersodali- 
taten fur vorn Staat iibernommene kleinere muni- 
cipale Culte vgl. Marquardt St.-V. Ill 475 
—481. 

2) Den betrachteten collegialisch geeinigten 
Staatspriestertumeru {collegia sacerdotum), die an 
der Spitze des gesamten Staatscultes oder be- 
stimmter Zweige desselben stehen , lassen wir 
folgen die staatlieh eingesetzten Cultgenos- 
senschaften (sodalitates sacrae) . eugeren Ge- 
meinden von Glaubigen (cultores) , zur Vereh- 
rung einzelner vom Staate recipierter Gottheiten 
bezw. zur Ubernahme gewisser Functionen in 
deren Cult . etwa zur Feier eines Festes , von 
Spielen oder zur Unterhaltung eines Tempels der- 
selben [collegia femplorum Dig. XXXII 1, 38 § 6). 
Diese Genossenschaften haben mit den unter 1) 
genannten gemein, dass sie vom Staate begriindet 
sind, unterscheiden sich aber von jenen dadurch, 
da.-s sie keine sacerdotes , sondern nur cultores 
der betreffenden Gottheiten enthalten. Im alt- 
rSmischen Geschleehterstaat war. wie Momrnsen 
zuerst nachgewiesen hat (de coll. 1 — 27), die Be- 
sorgung gewisser Staatsculte (sacra publico, d. h. 
sacra pro populo Cic. ad Att. I 12, 3. 13, 3), 



Sache einzelner gentes, die sie fur die Gesamtheit 
zu bewahren hatten (Labeo bei Fest. p. 253). 
Dieselbe Gepflogenheit wurde in der altesten Zeit 
auch bei Aufnahme auswartiger gentes mitsamt 
ihren sacra beibehalten. Der sabinischen Gens 
Aurelia verblieb der Cult des Sol im Namen des 
rOmischen Volkes (Fest. ep. p. 23), den Cult der 
albanischen in Eom recipierten Minerva behielt 
das albanische Geschlecht der Nautier (Serv. Aen. 

10 LT 166. V 704), das troisch-albanische Geschlecht 
der Iulier den Apolloncult (ebd. X 316; andere 
Beispiele bei Marquardt St.-V. Ill 131). Aus 
Mitgliedern der Gens Iulia bestand auch anfangs 
noch das von Caesar fur die zu Ehren der Venus 
Genitrix gefeierten Spiele eingesetzte c. (Plin. n. 
h. II 93. Iul. Obsequens 68 [118]. Cass. Dio 
XLV 6. Symm. laud, in Valent. sen. II 32). Aber 
dies war, wie so vieles andere, einc kiinstliche Er- 
neuerung uralterGepfiogenheiten seitens der Kaiser. 

20 An Stelle der gentilicischen Cultverbande waren 
in der republicanisch.en Zeit schon lange religiose 
Sodalitaten getreten, indem auch NichtangehOrige 
der betreffenden gens in jene eingetreten waren. 
Neue Genossenschaften bildete der Staat nicht 
mehr aus gentilicisch verbundenen, sondern durch 
ihren Beruf oder durch Ortliches Zusammenwohnen 
mit einander vertraut gewordenen Individuen. Fiir 
den ersteren Fall haben wir das bekannte Bei- 
spiel des c. mercatorum oder Mercurialium, das 

30 nach der Tradition fiir den im J. 259 = 495 v. 
Chr. am Fusse des Aventin geweihten Tempel 
des Mercur gegriindet wurde (Liv. II 27, 5. Fest. 
ep. p. 148. Ovid. fast. V 669ff. Cic. ad Quint, 
fr. II 5, 2. Mommsen CIL 11 p. 186. 206. Bor- 
ghesi Oeuvres IV 407ff.), offenbar ursprtinglich 
bestehend aus den mercatores des pagus Aven- 
tinensis , wahrend daneben die sacrale Gemein- 
schaft der ilbrigen oder samtlicher pagani sich 
erhielt (vgl. CIL XIV 2105 magfister) coll(egii) 

40 Tjupercorfum) et Capilolinorfum) et Mercuria- 
l(ium) et paganorfnmj AventinfensiumJ ; genau 
ebenso haben wir in Capua neben paganen sa- 
cralen Genossenschaften ein c. mercatorum [CIL 
X 3773]), weiter das wahrscheinlich aus Kiinstlern 
(artifices) zusammeDgesetzte c. Minervae des Do- 
mitian (Suet. Dom. 4). Fiir den zweiten oben er- 
wahnten Fall ist anzufuhren das fur die Feier der 
capitolinischen Spiele 367 — 387 v. Chr. gegrundete 
c. Capitolinorum (Liv. V 50, 4. 52, 11. Cic. a. 

50 a. O. Mommsen CIL a. a. 0. CIL XIV 2105), wel- 
ches gebildet wurde ex its, qui in Capitolio atque 
arm habitarent(LW. a. a. 0.), worin Mommsen 
(St.-B. Ill 115, 2) einen pagus Capitolinus ent- 
sprechend dem erwahnten pagus Aventinensis 
vermutet. Nicht genau genug unterrichtet sind 
wir fiber die Zusammensetzung der sodalitates. die 
zur Zeit von Catos Quaestur (550 = 204 v. Chr.) 
sacris Idaeis Magnae Main's accept is errichtet 
wurden (Cic. Cat. mai. 45). Auf einen quasigen- 

60 tilicischen Charakter derselben lasst die Ausse- 
mng bei Symmachus (laudat. in Valent. sen. II 
32) schliessen: Ipsas nobilium divisere (sc. del) 
'/entes. Pinarios Hercules occupavit, Idaea mater 
legit huspites Scipiones u. s. w. 

Das Band, das die Mitglieder aller dieser Ge- 
nossenschaften. sodales, umgab, war ein sehr enges, 
offenbar infolge des urspriinglich vorhandenen gen- 
tilicischen Zusammenhangs. Sodales standen, wenn 



385 



Collegium 



Collegium 



386 



auch nicht durch Bande des Blutes, so doch durch 
eine Art geistiger Verwandtschaft in einer ge- 
setztlicb anerkannten necessitudo, wie cognati 
und affines (Fest. ep. p. 296. 297 b. Qu. Cic. de 
petit, cons. 5, 16. Cic. Brut. 166: [X. Pkilip- 
pum\ , gumma nobilitate homincm, cognations, 
sodalitate, collegio, summa etiam eloquentia), 
keiner konnte gegen den andern in einer Criminal- 
sache klagen (Cic. pro Cael. 26; vgl. auch Lex 
repetund. CIL I 198 Z. 9. 10. 20. 22), vgl. u. 
Sodalitas. 

Als eine Gruppe dieser religiosen Genossen- 
schaften fiir 6ffentliche Culte hat man die ver- 
bandlichenOrganisationen der Stadtteile, der mon- 
ies und pagi, aufgefasst (vgl. z. B. die oben an- 
gefflhrte Inschrift CIL XIV 2105). Aber die Art 
und Weise, wie dieselben neben den collegia (Cic. 
pro domo 74. Qu. Cic. de petit, cons. 8, 30) er- 
wahnt werden, zeigt, dass sie nur eine quasicol- 
legiale Organisation gehabt haben. Waltzing 
Etude I 101 nennt sie associations religieuses 
com/parables a nos paroisses. Controvers ist die 
Esistenz der collegia compitalicia, welche Momm- 
sen auf Grand der bei Asconius in Pison. p. 6f. 
K.-S. erwahnten magistri collegiorwm, welche die 
compitalicisohen Spiele zu besorgen pflegten, fiir 
die republicanische Zeit als erwiesen betrachtet 
(De coll. 74ff.), eine Ansicht, die von Max Cohn 
(Zum rOm, Vereinsrecht 42ff.) und "Waltzing 
(Etude I 98—111) mit Erfolg bekampft worden 
ist (dariiber unten S. 406f.). Das einzige inschrift- 
lich bezeugte Beispiel eines c. compitalicium 
stammt aus Faesulae und zeitlich aus der Kaiser- 
zeit, vielleicht aus dem 3. Jhdt. (CIL XI 1550), 
beweist also nichts fiir Rom and die republica- 
nische Zeit, Waltzing vermutet darin einen pri- 
vaten Sterbeverein, ein c. Larum. Entsprechend 
waren wohl auch die bei den Italikern in Delos 
erwahnten Ko^utetahaoTal auf einer Inschrift aus 
dem J. 96 oder 97 v. Chr. ministri von culto- 
res Larum compitalium (vgl. Schulten De con- 
ventibus civ. Eom. 55. Waltzing I 100, 1 und 
den Art. Conventus). 

3) Wir koinmen endlich zu den privaten, 
spontan gebildeten Collegien, zu dem, was wir 
,Vereine' nennen. Diese lassen sich, je nachdem 
sie die Religion und rcligiSse Handlungen, wie 
das Begrabnis, oder die Forderung gemeinsamer 
Interessen mehr in den Vordergrund stellen, in 
zwei grosse Gruppen teilen : 1) die rein religiosen 
und Sterbevereine , 2) die Verbande von Berufs- 
genossen der verschiedensten Art. Doch sind dies 
keine fest gegen einander abgeschlossenen Gruppen. 
Das starke tberwiegen des religiosen Zweckes, 
der sich zunachst in der Wahl eines gemeinsamen 
Schutzgottes durch fast alle Collegien, dann mehr 
praktisch in der Fursorge fiir ein dem religiosen 
Bedurfnis entsprechendes Begrabnis der Mitglieder 
aussert, verwischt sehr die scheinbar vorhandenen 
Unterschiede ; andererseits ist alien rOmischen Col- 
legien gemeinsam das Ziel, den Mitgliedern Er- 
holung und Aufheiterung zu bringen und Ge- 
selligkeit zn pflegen, so dass man alle als Ver- 
gnugungsclubs bezeichnen konnte, wie es von 
G. Boissier (La religion romaine d'Auguste aux 
Antonins II 2601) geschehen ist. Reine Vergnii- 
gungsvereine kennen wir sehr wenige (vielleicht 
sind solche die pilicrepi CIL IV 1147 und die 

Pauly-Wissowa IV 



drei Vereine mit scherzhaften Namen CIL IV 
581. 576. 575; anders Waltzing I 51). Nur 
eine voriibergehende Erscheinung sind die poli- 
tischen Vereine, gewissermassen eine Ausartung 
der unter 1) und 2) genannten, vornehmlich der 
religiosen. 

a) Die religiosen Vereine (Waltzing 
I 42ff.) verwalteten im Gegensatz zu den oben 
erwahnten staatlieh fiir sacra publica eingerich- 

10 teten Sodalitaten sacra privata. Wahrend fiir 
die staatlichen Cultvereine sodalitas offenbar die 
technische Bezeichhung ist, tritt uns fiir die pri- 
vaten fast immer c. oder sodalieium , in den 
griechischen Teilen des Reichs thiasus, entgegen. 
Die Mitglieder sind meist aus der Fremde ein- 
gewandert und haben den betreffenden Cult mit- 
gebracht, es sind oft in der Form von Cultvereinen 
geeinigte Landsmannschaften. Hierher gehOren die 
Verbande der Bacchusverehrer, die im J. 568 = 

20186 v. Chr. vom Senat verboten wurden (Liv. 
XXXIX 8—19. Cic. de leg. LT 37. SC de Bacchan. 
CIL II 196 p. 44 = X 104 p. 13. Bruns Fontes* 
p. 151), dann die Verehrer der agyptischen Gott- 
heiten Isis, Serapis, Osiris und Anubis, die trotz 
mehrfacher Verbote seitens des Senates schon zu 
Sullas Zeit Collegien bildeten (Apul. metam. XI 
30. Marquardt St.-V. Ilia 77, 7) , die Juden- 
gemeinden in Rom und anderswo, die sich von 
seiten Caesars grosser Toleranz zu erfreuen hatten 

30 (Joseph, ant. Iud. XIV 213ff.; vgl. E. Schurer 
Die Gemeindeverfassung der Juden in Rom in 
der Kaiserzeit, Leipzig 1879. Ziebarth Griech. 
Vereinsw. 128ff.). In der Kaiserzeit war man zu- 
nachst den fremden Cnlten gegentiber zuruck- 
haltend. Collegia Isidis, collegia pastophororv/ni 
fiir Osiris (CIL V 2806. 7468) kommen vor, weil 
diese Culte im Beginn der Kaiserzeit recipiert 
wurden, ebenso wie collegia dendrophororum und 
cannoplwrorum im Dienste des Cybele (iiber diese 

40 unten S. 396). Unter den Antoninen strOmten 
dann in Masse die syrischen und persischen Gott- 
heiten ins Eeich (Marquardt St-V. Ill 2 83ff. 
Waltzing I 44). Private Collegien des Mithras, 
Bull. com. 1884, 869, Sol invictus, Iuppiter Helio- 
politanus. CIL VI 422. X 1579. 1634. CIG 5853, 
Iuppiter Dolichenus, CIL VI 406. 409. 413 u. s. w. 
bildeten sich iiberall. 

Aber auch die Verehrer der alten griechisch- 
rfimischen Gottheiten vereinigten sich privatim, 

50 z. B. die des Iuppiter, Vater Liber, der Ceres, 
des Mars und mit besonderer Vorliebe aus den 
unteren Standen die des Hercules und Silvanus, 
in griechischen Stadten des Bacchus (in Puteoli 
CIL X 1583—1585; in Antiochia CIL HI 291, 
in Philippi CIL LTI 703f., in Nicopolis in Moesien 
CIL III 6150); dann aber tauchten iiberall in 
Masse die Genossenschaften fur den Cult regieren- 
der (CIL X 1238) oder gestorbener Kaiser, zur 
Ehre des kaiserlichen Hauses (domus dirina), der 

60 kaiserlichen Laren, derjenigen an den compita, 
der Stadt oder eines reichen Privatmannes auf. 
Charakteristisch fur alle diese privaten Cultvereine 
ist die Zahlung eines bestimmten Beitrags seitens 
der Mitglieder, stips {menstrua), znr Bestreitung 
der Unkosten des Cultes, Unterhaltung des gemein- 
samen Tempels. u. s. w. Falls sie gruppiert sind 
urn einen bestimmten eigenen Tempel, sind sie 
manchmal geradeso wie die staatlichen Cnltge- 

13 



387 



Collegium 



Collegium 



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nossenschaften bezeichnet als collegia templi, eul- 
tores templi (Dig. XXXII 1, 38, 6. Orelli5910. 
CIL VI 405-413. XIV 246). 

Was die Zusammensetzung dieser Vereine be- 
trifffc, so rekrutierten sie sich meist aus den arme- 
ren Volksschichten , aus Clienten, Preigelassenen 
und Sclaven, die zum Teil mit der Verehrung 
ihres Schutzgottes noch einen anderen religiosen 
Zweck, das Begriibnis ihrer Mitglieder, verbanden, 
als solche collegia tenuiorum in den Rechts- 
quellen genannt (Martian. Dig. XL VII 22, 1). Wie 
die AngehOrigen einer Gens im Tode vereint ruhen, 
so gehoren auch die Mitglieder ernes Cultvereins, 
der sacralrechtlich der Gens gleich zu achten ist, 
im Tode zusammen (M a ue' Vereine 39). Ein Gegen- 
stand lebhafter Discussion ist die Frage, wieweit 
sich ausserdem die gegenseitige Unterstutzung der 
Mitglieder bei diesen Vereinen erstreckte. Durch 
die Vergleichung der erwahnten Marcianstelle mit 
der statutarischen Bestimmung des collegium salu- 
tare eultorum Dianae et Antinoi zu Lanuvium 
(CIL XIV 2112 Z. 11), wonach der monatliche 
Beitrag in die Vereincasse fur das Begrabnis ver- 
storbener Mitglieder verwendet werden soil, ist 
Mommsen (De coll. 91) dazu gekommen, in diesen 
collegia tenuiorum Sterbevereine oder Sterbe- 
cassen {collegia funeraticia) zu sehen. Doch ist 
er selbst schon weitergegangen und hat die Ver- 
mutung ausgesprochen, dass diese Collegien, ob- 
wohl sie gesetzlich nur zu diesem Zweck con- 
cessioniert waren, factisch nachher nebenbei auch 
andere Zwecke der gegenseitigen Unterstutzung 
verfolgt hatten (a. a. 0.). Diese Ansicht ist dann 
von den meisten nachfolgenden Forschern auf- 
genommen und zu stiitzen gesucht, teilweise so- 
gar allmahlich dahin umgemodelt worden, als 
seien die collegia funeraticia nur eine Species der 
collegid tenuiorum gewesen und als hatte es 
neben den Sterbevereinen Unterstiitzungscassen 
gegen Unfall, Krankheit u. s. w. gegeben (E. 
Loening Gesch. d. deutsch. Kirchenrechts I 204f. 
H. Schiller Gesch. d. rOm. Kaiserzeit 1 423 mit 
Anra. 6 und 7. Mau6 Vereine 3, 2; Praef. fabr. 
29ff. SchiessDie coll. funeraticia 8. Liebenam 
Vereinswesen40). Waltzing(EtudeI145ff.301ff.) 
weist aber nach. dass diese Ansicht jeglichen lit- 
terarischen und inschriftlichen Belegs entbehrt. 
Die Worte des Plinius (ep. ad Traian. 93) ad 
smtinendam tenuiorum, inopiam beziehen sich 
auf griechische e'oavoi, und das waren gar nicht 
Vereine zur Selbsthiilfe, wie man sich die collegia 
tenuiorum vorstellt, sondern Genossenschaften, die 
Geld zu einem einmaligen Zweck fur riickzahl- 
bareDarlehen zusammenschossen (Poucart Asso- 
ciat. relig. chez les Grecs 142f. Th. Keinach 
bei Daremberg-Saglio Diet. II 807f. Zie- 
bart a. a. 0. 15; jetzt auch Liebenam 
Ztschr. f. Culturgesch. I 128 m. A. 2). Eine 
andere Stelle (Tertnll. apolog. 39) beweist so- 
gar das Gegenteil von dem, was sie beweisen soil, 
insofern sie die beste Stiitze ist fur Waltzings 
Auffassung, dass alle collegia tenuiorum nur col- 
legia funeraticia waren. Von den Statuten einiger 
militarischer Vereine in Lambaesis endlich, die 
neben der Auszahlung des funeraticiiun noch 
andere Unterstutzungsgelder in ihren Statuten auf- 
fiihren, lasst sich nachweisen. dass sie, durch die 
eigentumlichen unsichern Verhaltnisse der mili- 



tarischen Carriere hervorgerufen , eine singulare 
Erscheinung bilden, die man nicht ohne weiteres 
verallgemeinern darf (G. Boissier Rev. arch. 
XXIII 1872, 91ff. R. Cagnat L'arme'e Eomaine 
474ff. "Waltzing Etude I 308ff., dariiber s. u. 
S. 402). 

Eie Annahme, dass die Christen der collegia 
tenuiorum, sich bedient hatten, um dadurch quasi- 
gemeindlich organisiert ihre religiosen Pflichten 

10 zu erfullen (De Rossi Roma sott. Ill 512. G. 
Boissier La relig. rom. H 299ff. E. Loening 
a. a. 0. 207ff. W. Liebenam 268ff. Waltzing 
I 150f. 314ff. , bes. 319fT.) hat man neuerdings 
ganzlich fallen gelassen (R. Sohm Kirchenrecht 
I 8fl. 104fF.). 

Sehr mannigfach sind die Bezeichnungen, unter 
denen die Sterbevereine auf den Inschriften sich 
verbergen. Nach den grundlegenden Untersu- 
chungen Ton Mommsen, die Schiess (Die coll. 

20 funeraticia , 1888) erganzt und durch weitere 
Belege gestutzt hat , sind als Sterbevereine 
zu betrachten: 1) Alle die erwahnten Colle- 
gien, welche sich nach einer Gottheit nennen, 
sei es dass sie cultores oder c. derselben heissen. 
Das Wort cultor kommt geradezu zu der Bedeu- 
tung: Mitglied eines Sterbevereins; vgl, cultores 
fabrorum und darttber Mommsen Ztschr. f . 
gesch. Rechtswiss. XV 360. Es ist die Vermu- 
tung ausgesprochen worden (Marquardt St.-V. 

30 III 142. Waltzing 1263), dass die ersten cid- 
tores bezw. collegia deorum nur oder wenigstens 
in erster Linie der Verehrung des betreffenden 
Gottes dienten, und dass die Sorge fur die Toten, 
eventuell urspriinglich die Nebensache, schliess- 
lich die Hauptsache wurde. So erklare sich der 
religiose Charakter der Sterbevereine und die 
Zahlung des monatlichen Beitrags (stips men- 
strua), die einen religiosen Ursprung habe. 2) Je- 
des C. mit dem Epitheton salutare. 3) Alle col- 

40 legia domestica, bestehend aus Sclaven und Frei- 
gelassenen a) des Kaiserhauses, b) anderer Hauser. 
4) Die collegia familiae publieae. 5) Sog, Fanri- 
liencollegien , behandelt von D e Rossi in dem 
Aufsatz / eollegii futieratieii famigliari e pri- 
vati e le loro denominazioni in den Commen- 
tationes Mommsen. 705ff. (vgl. Hen z en zu CIL 
VI 1367f. und Visconti Bull. com. 1881, 5f.). 
benannt mit Namen guter Vorbedeutung z. B. Syn- 
cratii, Pancratii u. s. w. 6) Eine Masse aller der 

50 Vereine die unter dem Absehnitt Verbande von 
Berufsgenossen besprochen werden. 7) Vielleicht 
auch die sehr verschieden erklarten collegia itwe- 
num (vgl. H. Demoulin Les collegia invenum 
dans l'empire Rom. Le Muse"e Beige I 1897, 
114—136. 200—117. A. Floss De collegiis iuv. 
Diss. Erlang. 1897 Iwertlos]). Auf alle Falle 
hatten dieselben einen religiOsen Charakter wegen 
der sacerdotes an ihrer Spitze (CIL V 4416. 
4459. X 5919. G. Boissier La rel. rom. II 267. 

60 Waltzing I 390). Mommsen glaubt , dass 
sie neben ihren religiosen Pflichten auch die Rolle 
einer Municipalgarde hatten. L. Renier und 
andere (Liebenam 34f.) bringen ihre Entstehung 
mit der Einrichtung der ludi iuvenales durch 
Nero (Tac. ann. XIV 15) zusammen. Doch scheinen 
sie schon vor diesem Kaiser existiert zu haben 
(CIL XIV 2592). Sparer sind sie politisch — 
offenbar im Theater (Waltzing I 48) — unan- 



389 



Collegium 



Collegium 



390 



genehm zu Tage getreten und gesetzlich infolge- 
dessen in ihrer Bewegungsfreiheit gehindert wor- 
den, Dig. XLVm 19. 28, 3 (Callistratus). Die 
vsaviaxoi in Thyatira, dieser in Bezug auf das 
Vereinswesen so ganz romanisierten Stadt des 
Ostens (s. M. Clerc De rebus Thyatir. 49, 4), 
welche an der Veranstaltung der stadtischen Spiele 
teilnahrnen, scheinen den iuvenes des Westens zu 
entsprechen; uber die Vereine der vsoi im Osten 
dagegen vgl. S. 390. 

Wetter kann man die collegia funeraticia ein- 
teilen nach der verschiedenen Art, wie sie ihre 
Bestimmung bei einem Todesfall erfullten: 1) in 
solche, die nur einen monatlichen Beitrag in die 
Casse zahlten und die dann beim Tode eines Mit- 
gliedes eine bestimmte Summe, funeratieium, ftir 
die gesamten oder (bei armeren Vereinen) far einen 
Teil der Begrabniskosten erstatteten: reine Sterbe- 
cassen, Beispicl : cultores Dianae et Antinoi (CIL 
XIV 2112); 2) solche mit einem eigenen Monu- 
ment oder einer eigenen Begrabnisstatte, wo die 
Genossen selbst das Begrabnis auf gemeinsamem 
Grund und Boden besorgten. Vereine mit ge- 
meinsamem Monument huldigten nur der Feuer- 
bestattung, wahrend solche mit einem Begrabnis- 
platz Beerdigung oder Verbrennung, nicht nur das 
erstere, wie Schiess meint, zuliessen (Waltzing 
I 286ff.). 

Bei den meisten Sterbevereinen war aber mit 
dem Begrabnis noch nicht die Aufgabe deT Uber- 
lebenden erfiillt, vielmehr wurde bei ihnen, wie 
in jeder Familie, der Totencult gepflegt. Man 
ehrte jedes Jahr durch Leichenfeste die Erinne- 
rung an die hcimgegangenen Mitglieder (Mar- 
quardt St.-V. Ill 31ff. Preller Rom. Myth. II 
93ff. Waltzing 1 293ff.). Namentlich die reiche- 
ren unter den Mitgliedern vermachten dem Colleg 
Legate, um nach dem Tode regelmassige Toten- 
ehren zu erfahren, teils durch Schmiickung der 
Graber, teils durch gemeinsame Mahlzeiten der 
t)berlebenden zur Erinnerung an die Erblasser. 
So wurde schon hierdurch jedes c. funeratieium, 
wie jeder religiose Verband iiberhaupt, eine Ver- 
einigung auch zur Pftege der Geselligkeit, wie 
wir noch heute zahllose Sterbecassen in eiiier mit 
ihrem ernsten Zweck seltsam contrastierenden 
Weise den gemeinsamen Vergniigungen huldigen 
sehen. Bezeichnend ftir diese Seite des Vereins- 
lebens sind Ausdrticke wie comestores (CIL IX 
3693. 3815), eonvictores (CIL III 1825. LX 5383), 
convictores qui una epulo vesci solent (XI 6244), 
conbivi (Arch.-epigr. Mitt. 1884, 127 nr. 99), 
sodales ex symposio (CIL V 6492), compotores 
(C. Jull i an Inscript. de Bordeaux I nr. 84 p. 207ff.), 
welche gerade fur die Mitglieder von Sacral- und 
Sterbevereinen sich finden. Falsch ist die An- 
sicht von Duruy (Hist, des Rom. V 152, 1), 
der hierin reine Vergmigungsvereine sieht. Wir 
haben schon angedeutet, dass wir von Vereinen, 
die ausschliesslich dem Vergniigen und der Ge- 
selligkeit huldigten, nur wenige kennen. Abge- 
sehen von den oben S. 385f. erwahnten macht 
Waltzing (I 51) noch auf ein Distichon auf- 
merfcsam, in dem sich ein Bewohner von Pu- 
teoli nennt ex Epicureo gaitdivigente ehoro (CIL 
X 2971, vgl. auch Hor. sat. I 2. 1 ambubaiarum 
collegia. Apul. met. VII 7 Eaemi latronis colle- 
gium). Sehr controvers ist der Zweck der Vereine 



der vkoi in den gieehischen Stadten des Ostens 
(vgl. dariiber Mommsen zu CIL III 7060. M. 
Collignon Ann. de la fac. des lettres de Bor- 
deaux II 1890, 135—151. 0. Liermann Diss, 
philol. Hal. LX 69. E. Ziebarth Griech. Ve- 
reinsw. lllff.) , sowie der neben diesen sich fln- 
denden Collegien der yiqavteg, ysQovala (eine Zu- 
sammenstellung des inschriftlichen Materials und 
eine Kritik der verschiedenen Ansichten uber diese 

lObeiJ. Menadier Qua condicione Ephesii usi sint 
inde ab Asia in formam prov. redacta 48 — 63, 
Litteratur bei Le>y Rev. d. Et. Gr. 1895, 231ff., 
vgl. Ziebartha. a. 0.115f.). Wirhabeneshier mit 
specifisch griechischen Erscheinungen zu thun. Die 
Vereine der vsoi sind nach Collignon eine Fort- 
fiihrung der Ephebenvereinigungen halbstaatlicher 
Natur, indem sie auch unter dem stadtischen Gym- 
nasiarchen stehen, zur kOrperlichen und daneben 
auch geistigen Weiterbildung der jungen Burger, 

20 zugleich mit Anteilnahme an dem religiosen Leben 
der Stadt. Am ersten kOnnten wir sie staatlich be- 
aufsichtigte Turn- oder Sportvereine nennen. 
Die ysoovug bildeten nach Menadier ein Sffent 
liches C. sacraler Natur. Nach Mommsen sind 
es wohl richtiger nicht eigentlich politische Cor- 
porationen, sondem ,Biirgercasinos', woftir F. Cu- 
mont neuerdings einen weiteren Beleg beige- 
bracht hat (Note sur un passage des actes de 
St. Mari, Rev. inst. publ. de Belgique XXXVI 

30 1894, 373ff.). 

Die politischen Vereine der republicanischen 
Zeit sind eine Ausartung vornehmlich der reli- 
giosen. Das ergiebt sich aus dem Bedeutungs- 
wandel von sodalitas und sodalicium. Das religiose 
Aushangeschild (sub praetextu religionis vel sub 
specie solvendi voti Dig. XL VII 11, 2 [Ulpian], 
vgl. auch Cass. Dio LII 36 die Worte in der Rede 
des Maecenas) verdeckte wohl am bequemsten 
staatsfeindliche und sonstige das Licht scheuende 

40 Bestrebungen. Damit soil aber nicht geleugnet 
werden, dass dann in den politisch unruhigsten 
Zeiten sich auch ausschliesslich politische Vereine 
bildeten, die unter den Bezeichnungen sodalitates 
(Qu. Cic. de petit, cons. 5, 19. Cic. ad Qu. fr. II 
3, 5; pro Plane. 37 conseusionem , quae magis 
honeste, quant vere sodalitas nominaretur) , so- 
dalicia (Ascon. in Milon p. 34. Cic. pro Plane. 
36. 47 ; frg. pro Vatin. ed. Miiller IV 3 p. 285), 
collegia sodalieia (Dig. XLVII 22, 1). faetiones 

50 (Liv. VII 32, 12. Cic. ad Qu. fr. Ill 1, 5. 15. 
Fest. p. 86), coetus factiosorum liominum (Ascon. 
p. 67. Suet. Aug. 32), griechisch haiaixd se. ovozri- 
fiaza (Cass. Dio XXXVII 57. Bas. lib. LX 32) 
oder hatoiat (Plin. ep. ad Trai. 34) uns entgegen- 
treten. Ein Beispiel ist das c. Corneliorum, 
zusarnmengesetzt aus Freigelassenen des Sulla, 
worauf Cicero pro Cornelio bei Ascon. p. 66 an- 
spielt mit den Worten Cornelios vero ita multos, 
ut iam etiam collegium constitutum sit, im An- 

60 schluss woran Asconius a, a. 0. von den coetus 
factiosorum liominum der darcaligen Zeit spricht. 
Es handelt sich hier also mehr um quasi-collegiale 
Organisationen , denen man den (Ehren-)Namen 
eines c. nicht zugestehen wollte (Cic. post red. 
in senat. 33 simulations collegiorum. Cic. pro 
Plane, s. o.- Suet. Aug. 32 titulo eollegii novi), 
ja auf den sie teilweise selbst keinen Anspruch 
geraacht zu haben scheinen (CIL II 585). In 



391 



Collegium 



Collegium 



392 



diese Kategorie fallen vor allem die von Clodius 
im J. 696 = 58 eingerichteten, militarisch organi- 
sierten Banden, gegen die sich das SC vom J. 698 
= 56 ut sodalitates decuriatique discederent (Cic. 
ad Qu. fr. II 3, 5)' und die lex Licinia de soda- 
Kciis vom J. 699 = 55 richteten. Mit der Kaiser 
zeit versehwanden sie infolge der Verfassungs- 
anderung von selbst in Rom, treten uns aber noch 
manchmal in den Municipien und Provincialstadten 
besonders des unruhigen Ostens entgegen (Plin. ep. 
34; vgl. Ziebarth Griech Vereinsw. 94f.). 

b) Die nun zu betrachtenden Vereine von 
Lenten desselben Berufes charakterisiert im 
Gegensatz zu alien seither betrachteten mit un- 
bestimmter Terminologie die stete Bezeichnnng a. 
Wir gruppieren sie so, dass wir zunachst (a) die 
gewerblichen Vereine, d. h. die Vereine von Hand- 
werkern, Kunstlern, sonstigen Gewerbetreibenden, 
Kaufleuten u. s. w. (collegia opificum, artifieum, 
mercatorum, negotiatorum), dann (/?) die Vereine 
der ,gedienten' Staatsbiirger, die ihr einstraaliges 
gemeinsames militarisches Dienstverhaltnis znm 
Motiv der Association auch im burgerlichen Leben 
raachten (eoUegia veteranorum) , darauf (y) die 
Vereine subalterner Militars (collegia militum), 
endlich (8) die Collegien der .civilen Subaltern- 
beamten (collegia, wpparitorum; fiber dscuriae 
apparitorum s. d. Art. De curia) betrachten. 

a) Collegia opificum, artificum, mercatorum, 
negotiatorum hat es sowohl in der republicani- 
schen, wie in der Kaiserzeit in grosser Anzahl 
gegeben, in der Kaiserzeit wohl nocb zahlreicher, 
je mehr die Teilung der Arbeit mit fortschreiten- 
der Cultur zunahm (hierliber FriedlandeT Sitten- 
gesch. 18 300ff.), aber doch auch wieder gehemmt 
durch die in dieser Zeit beschrankte Freiheit der 
Vereinsbildung. Fiir uns ist eine zeitliche Grup- 
pierung unmOglich oder wtirde znm mindesten 
leicht ein falsches Bild erzeugen, da von den Col- 
legien dieser Art aus republicanischer Zeit bei 
der geringen Beriicksichtigung des mdgus opi- 
ficum u. s. w. durch die Schriftsteller (Liv. VIII 
20, 4) verschwindend wenige — meist durch In- 
schriften — uns bekann t sind (vgl. L i e b e n a m Ver- 
einswesen 63ff. Waltzing I 87f.), wahrend die 
massenhaften epigraphischen Zeugnisse fiir die 
Kaiserzeit sehr viel Stoff darbieten. Besser ist 
daher eine Gruppierung nach den erwahnten vier 
grossen Gruppen von Berufen. 

1. Die collegia opificum sind offenbar die 
altesten. Die Bildung der ersten Handwerker- 
ziinfte fuhrt die Tradition sogar auf Nuina (Plut. 
Num. 17, vielleicht auf Varro zuruckgehend) oder 
Servius Tullius (Flor. I 6, 3) zuruck, was ebenso 
sehr der Beweise entbehrt, wie die modemen Ver- 
suche der Herleitung dieser Znnfte von anderen 
Volkern, etwa den Etniskern, Sabinern oder Grie- 
chen (Dirksen CiviL Abhandlungen II 7. A. 
Ge'rard Etude sur les corporations ouvrieres a 
Rome 1884, 4. Muiler-Deecke Etrusker II 260, 
dagegenMommsen De coll. 27). Die Stelle bei 
Plutarch beweist nnr, dass den RCmern als die 
altesten von der Hausindustrie losgelOsten und 
corporativ geeinigten Handwerke folgende galten : 
die Musikanten besonders bei Opfem (tilricines, 
avlfjrai), die Goldschmiede (auriftces, yavooxooi), 
die Bauhandwerker (fabri. fabri tignuarii, zixxo- 
ves), die Farber oder Tiincher (tinctures, ^a<piiq), 



die Schuster oder Riemer (sutorcs, oxvzozopoc), die 
Gerber (eoriarii, oxvxoMipa.i), die Kupferschmiede 
(fabri aerarii, ^aAxerj), die Tfipfer (figuli, xeqo.- 
fisig). Es ist glaublich zu machen versucht wor- 
den, dass diese Gewerbe zu den Culturzustanden 
der Konigszeit wohl passen (E. W e z e 1 De opi- 
ficio opificibusque apud veteres Romanos, Berl. 
1881), zugleich sind aber auch noch andere Hand- 
werke genannt worden, die in derselben Zeit scho-n 

lObestanden haben mflssten (Wezel a. a. 0. Nie- 
buhr R. G. Ills 349, darflber Liebenam 5f. 
Waltzing I 66f.). Auf alle Falle haben wir es 
hier mit einer der vielen Traditionen zu thun, 
die die Resultate einer langen Entwicklung einem 
einzelnen Gesetzgeber beilegen moehten. Ebenso- 
wenig wie die LoslOsung der genannten Hand- 
werke von der Hausindustrie mit einem Schlage 
geschah, ebensowenig haben sich alle diese Hand- 
werke zu gleicher Zeit corporativ geeinigt bezw. 

20 sind sogar auf einmal geeinigt worden. Auf eine 
Entstehung nach einander deutet auch die Rang- 
ordnung, die sich unter diesen acht altesten Ziinf- 
ten und zwar offenbar nach der Anciennetat ge- 
bildet hat; das c. der fabri aerarii rangierte an 
dritter Stelle (Plin. n. h. XXXIV 1), dasjenige der 
figuli an siebenter (Plin. XXXV 159). Zum Bau 
des Iuppitertempels soil Tarquinius Superbus noch 
Bauhandwerker (fabri) aus Etrurien haben kom- 
men lassen (Liv. I 56 fabris imdique ex Etruria 

SOaeeitis). Diese Nachricht allein steht schon in 
unlOsbarem Widerspruch zu der Griindung des C. 
der fabri unter Numa. Denn Tarquinius hatte 
bei dem Bau des Nationalheiligtums das ein- 
heimische Handwerk nicht unberiicksichtigt ge- 
lassen. Auch die Ausfiihrungen He 1 bigs (Die 
Italiker in der Poebene 77if.) beweisen, ,wie ge- 
ring wir uns nach den Funden die Entfaltung 
des Handwerks in der Konigszeit vorstellen mttssen' 
(vgl. Liebenam 5). Nur langsam scheinen sich 

40 bei den conservativen Romern die Gewerbe von 
dem Hauswesen gelost zu haben, Backer gab es 
bis zum Krieg gegen Perseus nicht in Rom (Gell. 
XV 19. Aur. Vict. ill. 13, 5. Plin. n. h. XVIII 
107), Arzte seit 535 = 219 (Plin. n. h. XXIX 
12), tonsores seit 454 = 300 und zwar aus Sici- 
lien importiert (Varro de r. r. II 11, vgl. Plin. 
n. h. VII 59. Liebenam 8, 2. 9). Vergleichen 
wir diese Thatsachen aus der alteren republica- 
nischen Zeit mit dem, was uns fiir die Konigszeit 

50 iiberliefert ist, .so miissen unsere Bedenken gegen 
jene Tradition erst recht steigen. Die Scheide 
zwischen der alten und neuen Zeit wiTd wohl, 
wie in so vieler Hinsicht, auch hier der zweite 
punische Krieg bedeuten. Hatte die romische Ge- 
meinde vorher eine Vereinsbildung unter den 
Handwerkern wie jede andere grOssere italische 
oder griechische Stadt der Halbinsel, so gab der 
jetzt entstehende Charakter Roms als Weltstadt 
mit der in einer solchen heimischen Luxusindustrie 

60ganz neuen Bildungen das Leben (CIL II 1107 
collegium anularium [= anulariorum]. 1108 
cordegium seetor(um) serrarium = Steinsager) 
und brachte weiter andere fiir den Romer von 
jeher aufs engste mit dem Einzelhaushalte ver- 
bundene Hantierungen, wie das Backen, zur Sonder- 
existenz als Handwerk, weshalb man aber noch 
nicht gleich an die Grfindung eines c. pistorum 
(wie Pernice Labeo Ii 291, 5 thut) denken darf. 



393 



Collegium 



Collegium 



394 



Dagegen bezieht sich auf fullones = Walkergilde 
schon die lex Metilia vom J. 220 v. Chr. (Plin. 
n. h. XXXV 197); eine Fleischergilde, cordegium 
laniorum, wird erwahnt CIL VI 167 (zusammen- 
gestellt sind die Vereine der republicanischen Zeit 
aus Rom und Italien bei Waltzing I 87ff ; sin- 
gular ist ein Colleg faliskischer Koche in Sardinien 
schon aus dem 2. Jhdt. v. Chr., CIL XI 3078). 
Eine grfissere Masse von Collegien dieser Art muss 
im letzten Jahrhundert der Republik bestanden 10 
haben. HCren wir aus der Zeit des Standekampfes 
zwischen Patriciern und Plebejern bei den Schrift- 
stellern von dem Eingreifen der Handwerkerzunfte 
nichts (nur Liv. VIII 20, 4 quia opificum quo- 
que mdgus et sellularii, mmime militiae ido- 
neum genus, exciti dieuntur a. d, J, 424 — 426 = 
330 — 328), so sind es gerade die socialen Kampfe 
des letzten republicanischen Jahrhunderts, welche 
uns die erste grOssere Kunde von den Handwerker- 
ziinften im allgemeinen bringen, ohne dass einzelne, 20 
ausser den fabri, namhaft gemacht werden. ■ Es 
hangt das ja allerdings mit dem Charakter unserer 
tiberlieferung und mit der unterdessen durch die 
Centurienreform und die militarischen Reformen 
des Marius gestiegenen Bedeutung der capite censi 
fur den Staat zusammen, aber zu denken giebt 
es doch auch immerhin. 

In den Inschriften aus der Kaiserzeit begegnet 
uns dann eine grosse Masse von Handwerkerver- 
banden im ganzen Reich, die uns eine Arbeits-30 
teilung bis ins kleinste erkennen lasst (Fried- 
lander Sittengesch. 16 300ff.). Eine Ausnahme 
macht nur Africa, wo man die geringe Vereins- 
bildung verschieden zu erklaren gesucht hat, O. 
Hirschfeld sogar durch die Annahme eines 
heheren Verbots fiir diese Provinz (S.-Ber. Akad. 
Wien CVII 249); die eigentliche Ursache wird 
wohl in der geringen Anpassung der africanischen 
Gemeinden an die romischen liegen. J. Schmidt 
(Rh. Mus. XLV 1891, 609f.) meint, dass die AM- 40 
caner den Ersatz fiir die Collegien in den Curien 
fanden, ,die bei ihnen eine ganz andere Gestal- 
tung und Bedeutung gewannen, als in den iibrigen 
westlichen Provinzen'; municipals Curien begeg- 
nen uns im romischen Africa in ca. 50 Inschriften, 
in den ausserafricanischen Reichsteilen in zwci. 
Das grosse Inschriftenmaterial fur die Handwerkcr- 
collegien haben Liebenam Vereinswesen 97 — 121 
und Waltzing im Index collegiorum (Bd. Ill) zu- 
sammengestellt. Die bedeutendste Gruppe unter 50 
denselbeu ist die der fabri, bezuglich deren auch 
die meisten Controversen bestehen (vgl. darflber 
den Artikel Fabri). Herausgehoben sei hier nur : 
faber ist ein Sammelname und bedeutet allgemein 
denjenigen, der einen harten Gegenstand bearbeitet 
(Holz, Metall, Elfenbein, Stein); vgl. Blumner 
Terminologie II llf. 164f. Jullian bei Darem- 
berg-SaglioH947f. Liebenam bei Ruggiero 
Diz. epigr. HI 4ff. Daher ist gewohnlieh noch 
«ine nahere Bestimmung dabei gegeben, entweder 60 
um das Material anzudeuten, in dem der faber 
arbeitet, wie faber tigiiarius oder tignuarius fir 
Bauhandwerker oder Zimmermann (Dig. L 16, 
235 fabros tignuarios dicimus non eos dum- 
taxat , qui tigna dolarent, sed omnes qui aedifl- 
carent), seltener faber lignarius (nur Isid. orig. XIX 
6 ; denn Dig. a. a. 0. ist zu lesen fabros tignua- 
rios), faber materiarius fiir Brettschneider, faber 



aerarius u. s. w., oder eine nahere Bestimmung 
nach der Art der verfertigten Gegenstande wie 
faber navalis, bcdneator, lectarius u. 3. w. Cor- 
porativ geeinigt erscheinen aus der ersten Gruppe 
am haufigsten die fabri tignarii (Liebenam 
Vereinsw. 98 — 102; Diz. epigr. 7. 8; auch tignarii 
allein kommt vor), aus der zweiten die fabri na- 
vales (Liebenam Vereinsw. 97f.; Diz. 7). Da- 
neben aber flnden sich zahlreiche Inschriften, die 
einfach collegia, fabrorum bieten (zusammenge- 
stellt von Liebenam z. B. Diz. epigr. HI 4 — 7). 
Waltzing (Rev. de l'instr. publ. en Belgique 
XXXI 1888, 156. XXXIV 1891, 14) und ihm 
folgend Jullian (a. a. 0. 952) behaupten, dass hier 
fabri = fabri tignuarii gebraucht sei, wahrend 
Liebe nam (Vereinsw. 98) und offenbar auchMomm- 
sen (St.-R. IH 287, 2) dies bestreiten. Die col- 
legia der fabri tignarii erscbienen immer selb- 
standig und nicht, wie die der fabri, mit denen 
der centonarii und dendrophori vereinigt. Dass 
aber auch die collegia fabrorum selbst noch in 
spaterer Zeit aus Lenten eines bestimmten Hand- 
werks zusammengesetzt sind, dass also nicht etwa 
faber die allgemeine Bedeutung von Handwerker 
hier hat, beweist deutlich Dig. L 6, 6 § 12, wo 
das corpus fabrorum als Beispiel fiir collegia vel 
corpora, in quibus artifieii sui causa unusquis- 
que adsumitur, angefuhrt wird. Die Gleichsetzung 
dieser collegia mit denen der fabri tignarii aber 
ist notwendig, wenn wir sehen, dass in derselben 
Stadt bald ein e. fabrorum, bald ein c. fabro- 
rum tignariorum erwahnt wird , worunter nur 
Bezeichnungen desselben C. zu verstehen sind 
(Waltzing Etude II 193ff. bes. Anm. 3), so in 
Praeneste, CIL XIV 3003 quinq. perp. datus ab 
imp. Hadr. Aug. collegio fabrfum) tign. 3109 
magister quinq. eolhgii fabrorum tign. lustri 
XIII, aber 2981 quinq/uennali) perpetuo eollegfij 
fahr(um) Praenestinorjuni), in Lugudunum fabri 
tign. Lug. eonsistentes, Orelli-Henzen 7260 
= Boissieu Inscr. d. Lyon p. 203. 204. Rev. 
arch. XXI 389. Allmer Muse'e de Lyon U 185; 
Bull. ep. de la Gaule 1885, 113, aber fabri Lu- 
guduni eonsistentes Boissieu a. a. 0. p. 209. 
vgl. p. 398. 212. 411; fur Nemausus vgl. CIL XH 
3335. 3165 b mit 3187. Die fabri im engeren 
Sinn decken sich also offenbar mit der nach der 
oben angefuhrten Digestenstelle gegebenen weite- 
ren Bedeutung von fabri tignuarii = Hausbau- 
leute, Bauhandwerker. Die Vereine dieser Leute 
wurden bekanntlich in den Municipalstadten als 
Feuerwehr benutzt (dariiber O. Hirschfeld Der 
praefectus vigilum von Nemausus und die Feuer- 
wehr in den romischen Municipalstadten, S.-Ber. 
Akad. Wien CVH 239ff. und den Art. Fabri). 
Je mehr nun dieser stadtische Dienst gegenuber 
der privaten Handwerksthatigkeit in den Vorder- 
grund trat, mag allerdings die Zusammensetzung 
aus lauter Berufsgenossen manehmal auch aus 
dem Auge gelassen (vgl. Plin. ep. ad Traian. 33 
ego attendant ne quis nisi faber reeipiatur) und 
dann die farblosere Bezeichnnng als c. fabrorum 
bevorzugt worden sein. Damit hangt es wohl 
auch zusammen, dass in Rom selbst, wo der 
Feuerwehrdianst seit Augustus in den Handen 
der militarisch organisierten vigiles lag, nur die 
Bezeichnung collegia fob?: tign. vorkommt (die 
einzige scheinbar dem entgegenstehende Inschrift 



395 



Collegium 



Collegium 



396 



OIL VI 3678 lasst auch die Erganzung in fa- 
[brum tig.] zu, vgl. Waltzing Rev. de l'inst. publ. 
en Belgique XXXIV 1891, 14). Aber wenn man 
bedenkt, dass die Vereine von Berufsgenossen bei 
den ROmern uberhaupt nicht atreng exclusir waren 
(s. u. S. 417), und dasa die Nichtbauhandwerker 
in diesen Collegien sicher nnr einen verschwindend 
geringen Procentsatz ausmachten (vgl. Boissieu 
Inscr. de Lyon 203 ein negotiator murarius — 



dien 7, 3) und Waltzing (Eev. de 1'instr. publ. 
en Belgique XXXV 1892, 221ff.) handelt es sich 
an jener Stelle um die mancipes thermarum. 
Aber auch nach Ansicht dieser Gelehrten waren 
die dendrophori Leute, die irgendwie mit Holz 
zu thun hatten, etwa Holzhauer oder Holzhandler 
mit ursprunglich lateiniscbem Namen, wahrschein- 
lich lignarii (auch dieses Wort = Holzhauer oder 
Holzhandler, vgl. Blumner Technol. II 240. Liv. 



Salbenhandler unter den fabri tign. Lugud. eon- 10 XXXV 14. OIL IV 951. 952. 960. 485), und als 

- - - ■■ "" "" - - - - - solche sind sie bereits zum Dienste im staitischen 

FeuerlOschwesen herangezogen worden. Den grie- 
chischen Namen tragen sie, seitdem sie bei dem 
Peste der Cybele, deren Cult von Claudius durch 
Einfuhrung dieses neuen grossen Festes erweitert 
und den Eflmern zuganglich gemacht wurde (Lydus 
de mens. IV 41), mit dem Tragen der heiligen 
Fichte beauftragt worden waren. Denn seit der 
grundlegenden Untersuchung von J. Rabanis 



sistemtes und CIL VII 11 [eollejgium fahror(um) 
et qui in eo [sunt?] axis Regni in Britannien, 
eine Inschrift, die allerdings vielfach falschlich 
als auf militarische fabri beziiglich gefasst wird), 
so bleibt unsere zuerst geausserte Ansicht davon 
unberuhrt. 

Mit den collegia fabrorum sind fur den muni- 
cipalen Feuerwehrdienst eng verbunden die col- 
legia centonariorum und dendrophororum: col 



legia tria CIL V 7881. 7905. XI 541, tria coll. 20 (Recherches sur les dendrophores et sur les cor 



principalis, XI 5749. Die ersteren fasst Maue" 
(Vereine 8ff.) als Vereinigungen von Handwerkern, 
welche Centonen, d. h. Filzstoffe und Decken aus 
Wollabfallen, verfertigten und als solche fur den 
Feuerwehrdienst organisiert waren , w&hrend O. 
Hirschfeld in ihnen uberhaupt keine Hand- 
werkergilde, sondern nur eine freiwillige Feuer- 
wehr sieht, die nach dein Gebrauch der centones 
als Feuerlfischmittel benannt sei. Fur Hirsch- 



porations romaines en general, Bordeaux 1841) ist 
festzuhalten, dass die Cultgenossenschaft und das 
gewerbliche C. ein und derselbe Verband sind 
(vgl. Waltzing 1 245ff.). Als Holzhandler hatten 
sie zunachst den Silvanus als Schutzgott (CIL 
641. 642. Gatti Bull. com. 1890, 21ff.). Seit 
der Einrichtung des grossen Cybelefestes durch 
Claudius lieferten sie vielleicht die notwendigen 
Baume fur die Dendrophorie und nahmen die- 



feld sprechen die Inschriften CIL V 5446 mit 30 phrygische Gottin als Patronin, ohne allerdings 



einer centuria centonarfiorum) dolabrarfiorum) 
scalar (i) or (um), also einer nach den wichtigsten 
LOschrequisiten benannten Unterabteilung der 
Feuerwehr von Comum, und CIL IH 4496 a aus 
Cainuntum mit einem collegium) net(erJanorum 
centonarior(um) . Das schliesst aber immerhin 
nicht aus, dass ursprilnglich die collegia cento- 
nariorum, so gut wie die beiden anderen damit 
verbundenen Vereine ziinftige Verbindungen von 



Silvanus ganz fallen zu lassen (vgl. CIL XIV 53) ; 
dann wurden sie, vielleicht fur die staatliche Ge- 
nehmigung (CIL VI 29691 coll. dendroph. Rotna- 
nor., quibits ex SC. coire licet), zuerst in Rom, 
dann auch sonst mit dem Tragen der heiligen 
Fichte beauftragt (CIL X 7 aus Regium Iulium 
aus dem J. 79. VH 642 aus dem J. 97 n. Chr.). 
So wurden sie also, betraut mit einer Offentlichen 
Culthandlung, ein halbamtlicher Sacralverein, am 



Berufsgenossen gewesen sind — der beste Beweis 40 besten zu vergleichen mit dem oben behandelten 
hierfur ist wohl das in Rom selbst existierende c. mercatorum im offentlichen Dienst des Mercur 

oder den Cannophoren ebenfalls im Dienst der 



e. centonariorum (CIL VI 7861. 7863. 7864. Bull. 
com. 1884, 398 nr. 3, alle aus dem 1. Jhdt. n. 
Chr. kuTZ nach Augustus) , wo doch der Feuer- 
loschdienst anders organisiert war — , dass aber 
andererseits spater collegia centonariorum auch 
direct zu FeuerlOschzwecken organisiert sind, ge- 
radeso wie das von Plinius beabsichtigte c. fabro- 
rum in Nicomedien (vgl. die interessante neue 



Kybele , den Cistophoren im Dienst der Bellona 
fOrelli 2318), den Pastophoren im Dienst der 
Isis (CIL V 7468. XII 714, lOf. Apul. met. XI 30. 
G. Boissier La relig. rom. I 372f.). In Cumae 
begegnen uns dendrophori, die durch ein Decret 
der dortigen Curie im J. 251 n. Chr. ernannt 
sind und unter der Aufsicht der XVvir. s. f. stehen 



Inschrift Arch.-epigr. Mitt. XVII 1894, 164 far- 50 (CIL X 3699, vgl. auch 3764). Waltzing (I 

,• _. .!.,._ .'-..'in..- --.-•! i.-. r ..i-s 253,1) erscheint es fraglich, ob die Collegien der 

Dendrophori ausser ihrer burgerlichen Organisa- 
tion nicht noch eine specielle fur ihren Colt hatten. 
Man begegnet z. B. einem archidendrophorus (CIL 
DTI 763) und einem apparator (XIV 53). Momm- 
sen bringt die dendroplwri auch noch mit den 
hastiferi zusammen, denen man in Vienna (CIL 
XII 1814 zusammen mit den dendroph. 1917) in 
Koln (Korr.-Bl. Westd. Ztschr. XII 36) nnd in 



cendis subitis igni?]um casibiis excuba[nt? 
. . . coUeg]ium eentonari[orum . . .]). Die Frage 
ist hier deshalb complicierter , weil centones so- 
wohl Handwerksmaterial als auch das wichtigste 
LOschrequisit sein kann, wahrend bei den fairri 
und dendrophori die Beziehungen zu dem LOsch- 
wesen sich nicht schon aus dem Namen derselben 
ergeben. 

Bei den dendrophori streitet man daniber, 



welches Gewerbe sie betrieben. Rodbertus 60 der Civitas Mattiacoram (ebd. VI 189. VHI 



(Hildebrands Jahrb. f. NationalSk. u. Statistik 
VIH 421, 62), Maue (Vereine 19ff.), Hirschfeld 
(a. a. O. 249) und Liebenam (Vereinsw. 105) 
glauben, gestutzt auf eine Stelle des Symmachus 
(relat. 14, epist. X 27, 3), dass sie Holzlieferungen 
der verschiedensten Art besonders fur die Offent- 
lichen Bader ubernahmen, also etwa = Holztrans- 
porteure zu fassen seien. Nach Gebhardt (Stu- 



23. 27. 50) begegnet, und vermutet, dass letztere 
ebenso wie ein religiOses C, auch eine Muru- 
cipalgarde bildeten (Korr.-Bl. Westd. Ztschr. VLTI 
26. 52). Maue" verteidigt die altere Ansicht (von 
Henzen, Becker und auch Mommsen friiher 
[Herm. VTI 325, 4]j, dass hastiferi eine tiber- 
setzung von dendrophori sei, es sich also um 
ein rein saerales C. handele, unausgesetzt weiter 



397 



Collegium 



Collegium 



398 






(Philol. 1888,487ff., zuletzt Korr.-Bl. Westd. Ztschr. 
XIV 6 — 8), wahrend Liebenam (Vereinsw. 
302ff.) sich mit beachtenswerten Grfinden zu der 
Ansicht bekannt hat, dass die hastiferi fur eine 
stadtische Miliz aus Hirten bestehend zu halten 
seien, ein Zusammenhang mit den dendrophori 
aber nicht zu erweisen sei. 

2. Im Gegensatz zum Griechen, dem jedes 
Handwerk eine Kunst ist, ist dem praktischen 
ROmer auch die Kunst ein Handwerk. Daher 
hiingen eng zusammen mit den collegia opifiewn 
die collegia artifieum. Das alteste unter diesen ist 
wohl das e. scribarum histrionumque, welchem im 
J. 547 = 207 (Liv. XXVII 37, 7. Fest. p. 333 M.) 
der Tempel der Minerva auf dem Aventin als Ver- 
sammlungsort und Cultstatte vom Staate einge- 
raumt wurde, identisch jedenfalls mit dem von 
Valerius Maximus aus dem J. 90 v. Chr. erwahn- 
ten e. poetarum (III 7. 11, dariiber O. Jahn Ber. 
der sachs. Gesellschaft 1856, 293ff.; zu verglei- 
chen der ovvodos der <pt26Xoyoi im Museum zu 
Alexandria, Strab. XVII 794). Collegia medieorum 
begegnen uns in Benevent (CIL IX 1618) und wohl 
auch in Rom (CIL VI 9566. Marquardt Privat- 
leben 771ff.). Schauspielervereine stellt Liebe- 
nam Vereinsw. 123f. zusammen. Ferner er- 
hielten sich die Corporationen der dionysischen 
Kiinstler in Gestalt einer allgemeinen Reichs- 
avvodos mit Zweigvereinen bis nach Gallien hin 
(z. B. in Nemausus CIL XII 3232; vgl. Ltiders 
Die dionysischen Kunstler 33ff. 73ff. Foucart 
De coll. scaenicorum artifieum apud Graecos, 
Paris 1873. Fried] ander Sittengesch. 116 87f. 
Foucart bei Daremberg-Saglio II 246. Fr. 
Poland De collegiis artifieum Dionysiacorum, 
Dresden 1895. Ziebarth Griech. Vereinsw. 74ff.). 
Dem veranderten Geschmack der Kaiserzeit ver- 
danken die vielen Gladiatorenvereine (Liebe- 
nam 121ff.) und die Athletenvereine (Liebenam 
124) ihre Entstehung, dem Kaiserkult die Vereine 
der ifiva/Sol, , stadtische Musikkapellen' (so Zie- 
barth a. a. O. 90ff.). 

3. Unter collegia mercatorum fassen wir zu- 
sammen die grosse Masse der Vereine von kleinen 
Kaufleuten, KrarnerD und Handlem , welche L i e b e - 
nam 114ff. zusammenstellt. 

4. Als tlbergang zu den collegia negotiatorum, 
den Vereinen unter dem Grosskaufmannsstand, 
ist eine besonders starke Gruppe von Vereinen 
herauszuheben , bestehend aus Leuten , die dem 
entwickelten Verkehr im R«iche dienten. Eine 
Anzahl Collegien, deren Mitglieder sich dem Fuhr- 
und Transportwesen zu Lande widmeten, stellt 
Liebenam 107f. zusammen. Viel zahlreicher 
aber sind die, welche sich auf den Verkehr zu 
Wasser beziehen. Die grosse Masse der Schiffer- 
gilden und deren Abarten setzen die hohe Be- 
deutung der Wasserstrassen und der Binnenschiff- 
fahrt in der Kaiserzeit in helles Licht, vgl. die 
Zusammenstellung bei Liebenam 81 — 89, aus 
der namentlich der bedeutende Binnenverkehr in 
Sfidgallien auf der Rhone, Saone und Durance, 
weiter die Masse von Collegien aus Leuten, die 
mit der Schiffahrt oder dem Fahrwesen auf dem 
Tiber zu thun hatten, erhellt. 

Ein soleher Verkehr im Binnenlande setzt 
auch eine Menge von Reedern und Grosskauf- 
leuten voraus, die dem Import und Export im 



grossen dienten. Das Gegenstiick zu den collegia 
nautarum sind die Vereine der grossen Reeder 
(navicularii). In der republicanischen und der 
ersten Kaiserzeit sind in den Handelsemporien 
der Provincialen die Reeder (namcularii, griechisch 
vavxlr/goi) meist mit den Grosskaufieuten {nego- 
tiatores) vereinigt (Cic. pro leg. Man. 11 ; in Verr. 
II 137. V 169. 153), aber nicht in Collegien, son- 
dern in den Conventus der rOmischen Burger (s. d.). 

10 In Rom, Italien uberhaupt, Lugudunum dagegen, 
d. h. in rein rOmischen Gemeinden, begegnen uns 
Collegien von Grosshandlern fur den Im- bezw. 
Export von Getreide, 01, Wein u. s. w., unter- 
schieden nach den Einkauf- bezw. Absatzgebieten 
ihres Landes (in Rom: CIL VI 1620 mercatores 
frumentari et oleari Afrari unter Hadrian. 1625 b 
negotiatores ole(ari) ex Baetica. 1035 negotian- 
tes boari. 8826. 1101 negotiantes vini Superna- 
t(es) et Ariminfenses) aus dem J. 251 [dariiber 

20Waltzing H 97], vgl. CIL VI 9679-9682; 
Ostia: XIV 430. 153. 409. 318: corpora vinfario- 
rwm) urb(anorurn) [et] Osfliensium) , ttber die 
Weinhiindler von Lugudunum vgl. Wilmanns 
2238. 2506 = relli 4077. 7017; ebendaselbst 
ein corpus splendidissimum cisalpinorum et 
transalpinorum [ein Mitglied negotiator genannt] : 
Bull. ep. de la Gaule 1885, 113. Liebenam 
Epigr. Anhang nr. 66). 

Erwahnt seien hier auch die Colonistenvereine 

30 in Dacien (Eutrop. VHI 3), allerdings mehr kiinst- 
liche Bildungen infolge der Besiedlung Daciens 
durch die Kaiser, anfangs von mehr landsmann- 
schaftlichem Charakter, wie die Vereinigungen 
romischer Burger (conventus) in den Provinzen 
(CIL m 1394 coll. Oalatarum. 860 Oalatae eon- 
sistentes municipio in Napoca unter Ant. Pius. 
870 coll. Asianorum aus dem J. 285; etwas ahn- 
liches ist wohl das c. peregrinorum in Voorburg 
[Brambach CIRh 11] und in Marbach [ebd. 

401602. 1603], anders Liebenam 301 nach Hen- 
zen Bull. d. Inst. 1851, llSff. 1884, 21ff.). In 
spaterer Zeit tritt auch hier an die Stelle die Ver- 
einigung nach Berufen ohne Unterschied der Her- 
kunft (CIL III 1500 negotiatores provincial Apu- 
lensis mit einem defensor ; Ahnliches anderwarts, 
in Aquincum c. negotiantium Arch.-epigr. Mitt. 
VII 85, vgl. CIL III 1851; in der civitas Mattia- 
corum negotiatores c(ivitati$J M(att.J , qui sibi 
seholam de suo fecerunt vom J. 212, Korr.-Bl. der 

50 West. Ztschr. IX 186). 

Behauptet worden ist, dass auch die publieani 
neben ihren Erwerbsgesellschaften (societates) col- 
legia zur Erreichung socialer und ethischer Zwecke 
gebildet hatten (Roesler Goldschmidts Ztschr. 
f. Handelsrecht IV 1861, 293. M. Cohn Zum 
r6m. Vereinsrecht 158ff.). Nach Cohn ist Gains 
Dig. ni 4, 1 statt societas aller Wahrscheinlich- 
keit nach sodalicium und § 1 statt societcUis 
sodalicii (doch interpretiert Cohn hier die dann 

60folgenden Worte sive euiusque alterius eorum 
falsch, richtiger F. Kniep Societas publicano- 
rum I 242) zu lesen: im griechischen Text der 
Basiliken (VLTI 2) und in den griechischen Glossen 
dazu stent hatgsia und nicht xoivtovia, hinzu- 
kommt, dass. neque societas .... habere conce- 
ding sprachlich falsch ist (fiber letzteren Grund 
s. F. Kniep Societas I 241), und es sind dar- 
nach unter den an derselben Stelle erwahnten 



399 



Collegium 



Collegium 



400 



corpora der verschiedenen Arten von publioani 
Vereine (collegia) von Berufsgenossen zu verstehen, 
eine Ansicht, die durch eine Anzahl inschrift- 
licher Zeugnisse von Publicanencollegien gestiitzt 
werde (a. a. 0. 182). Angenommen haben diese 
Erklarung Gierke Deutsches Genossenschaftsr. 
Ill 42, 22. Dietrich Die rechtl. Natur der Pu- 
blik.-Societiiten 8f. M. Voigt Rom. Rechtsgesch. 
1808. Neuerdings hat F. Kniep (a. a. 0. 241ff.) 
wohl die Conjectur Cohns gutgeheissen , aber 
die daraus gezogenen Schlusse fiber die Existenz 
von Publicanencollegien neben den Societaten ab- 
gelehnt, da das von Cohn beigebrachte inschrift- 
liche Material gar nichts beweise (245ffA Aim 
lich ist die Stefiungnahme Walt zings (II 224ff.) 
zu dieser Hypothese, namentlieh beziiglich der epi- 
graphischen Beweismittel. Doch will er unter 
Hinweis auf 0. Hirschfeld (S.-Ber. Akad. Wien 
1874, 369; Verwalt.-Gesch. 77, 4; vgl. J.Jung 
Fasten der Provinz Dacien 160. Liebenam 116) 
wenigstens die Erklarung des e. aurariarum (CIL 
III 941) als eines Verbandes von Pachtem daki- 
scher Goldbergwerke gelten lassen. Er lehnt da- 
her Cohns Aufstellung nicht so vollkommen ab 
wie Kniep (248 ,die von Cohn unternommene 
Beweisfuhrung stellt sich demnach in jeder Be- 
ziehung heraus als ein Versuch mit untauglichen 
Mitteln'), sondern nennt die These wohl mit Eecht 
,tres vraisemblable d'ailleurs' , aber noch iiber- 
zeugenderer Beweise bediirfend. 

(S) Collegia veteranorum (vgl. dariiber L. Hal- 
kin Les colleges de v6te"rans, Revue de l'instruct. 
publ. en Belgique XXXVIII 1895, 367ff. XXXIX 
1896, 1 — 15, auch separat Gand 1896) waren erst 
moglich seit der Reform des Marius, durch die 
jene Berufssoldateska aus unbemittelten Menschen 
grossgezogen wurde, die nach langjahrigem Kriegs- 
dienst von ihrem Feldherrn, spater dern Kaiser 
eine hinreichendeCivilversorgungverlangten. Diese 
Versorgung in Gestalt von Landanweisungen konnte 
nur so lange stattfinden, als Acker zur Verteilung 
vorhanden waren. Mit dem Ende des 1. Jhdts. 
n. Chr. hat dieselbe im Innern des Reiches, beson- 
ders in Italien, schon meist ganz aufgehOrt und die 
Veteranen siedelten sich dann in den Provinzen 
in der Nahe ihrer Standlager an (Tac. ann. XIV 
27 ; vgl. Art. C a n a b a e). Hieraus ergiebt sich 
zweierlei: 1) dass zeitlich fast alle Veteranencol- 
legien im Reichsinnern, vor allem in Italien, ihrer 
Entstehung nach ins 1. Jhdt. n. Chr. gehfiren, 
was natiirlich nicht ausschliesst, dass wir sie auch 
in den folgenden Jahrhunderten noch antreffen 
(CIL X 1881 aus Puteoli aus dem J. 165 n. Chr. 
CIL V 2475 aus Ateste coll[eg]ius Vetera ftiorumj 
Augfustorum duorum), demnach friihestens aus 
dem J. 162. CIL XIV 409 aus Ostia aus dem 
2. Jhdt. u. s. w.), und 2) dass in den spateren 
Jahrhunderten Veteranenvereine in den Grenz- 
provinzen, meist in den aus den canabae der 
castra entstandenen romischen Stadten, sich finden 
(Carnuntum: CIL in 4496 a. 11097. 11189, Lam- 
baesis: VIII 2618; vgl. im iibrigen die Zusammen- 
stellung des Materials bei Liebenam 298. L.Hal- 
kin Rev. XXXVHI 368ff. Waltzing Diz. epigr. 
II 851). In Aquincum waren die Veteranen Mit- 
glieder der Feuerwehr (CIL III 3554. 3569, andere 
Beispiele einzelner Veteranen als Mitglieder von 
collegia fabrum oder centonariorum s. bei Hal- 



kin Revue XXXIX 7f.), in Carnuntum bildeten 
sie dieselbe ausschliesslich (s. o.), das Veteranen- 
colleg von Lambaesis (cultores veterani, vgl. R, 
Cagnat L'arme"e rom. 487ff.) ist wie die meisten 
inliindischen (CLL XI 136. V 884. 4001) ein Sterbe- 
verein. Aus der Bezeichnung eines Veteranen- 
collegs in Benevent als collegium veteranorum 
sive Martensium (CIL XI 136) darf man nicht 
schlieesen, dass alle nach Mars benannten Col- 

10 legien = Martenses oder Martiales (Zusammen- 
stellung bei Halkin Revue XXXIX 12—14) aus 
Veteranen bestanden. Vielmehr waren das Sterbe- 
veTeine, in denen sich wohl ab und zu auch ge- 
diente Soldaten fanden (vgl. Halkin a. a. 0.). 
In alien Veteranenvereinen waren einstmalige ge- 
meine Soldaten mit ihren Chargen, wie in unseren 
Kriegervereinen , vereinigt (vgl. CIL VIII 2618. 
2626. Halkin XXXVHI 374); anders war es bei 
y) den Vereinen unter Militarpersonen. 

20 Fur das active Militar war die Vereinsbildung 
lange Zeit untersagt (Marcian. Dig. XLvTL 22, 1). 
Hier war seitens des Staates die verbandliche 
Organisation durch Errichtung zweier Cassen, die 
Vegetius II 20 beschreibt, unnfltig gemacht ; die 
eine von diesen, zusammengesetzt aus kleinen Bei- 
tragen der Soldaten, kann man als eine staatlich 
eingeriehtete und beaufsichtigte Sterbecasse be- 
zeichnen. Beide Cassen hatten die signiferi zu 
verwalten, die daher zuverlassige und schreibge- 

30 wandte Leute sein mussten , qui et servare de- 
posita sdrent et singulis reddere rationem. Ob 
und wie weit an diesen Cassen ausser den Ge- 
meinen auch die Soldaten niederer Chargen be- 

• teiligt waren, lasst Vegetius nicht erkennnen (vgl. 
Cagnat L'arme'e rom. 457ff, besonders 461, 2). 
Durch die Inschriften wird aber erwiesen, dass 
schon seit Hadrian den dem Heere zugeteilten 
Handwerkern und Technikern , sowie den Sub- 
alternen der hoheren Officiere, ahnlich wie den 

40 apparitores der Civilmagistrate (von D o m a s - 
zewski Westd. Ztschr. XIV 32. 84, 341. CIL X 
3344 aus dem J. 159 n. Chr., vgl. CIL III 10435), 
dann seit Septimius Severus wohl in gr6sserem 
Urnfang alien Chargierten zu Vereinen sich zu- 
sammenzuschliessen gestattet wurde, wahrend fiir 
die Gcmcinen . das Verbot weiter bestanden haben 
muss, da die oben erwahnte Marcianstelle , die 
noch von dem Verbot spricht, friihestens unter Cara- 
calla geschrieben ist. Es ist wahrscheinlich, dass 

50 auch fiir die Chargierten urspriinglich betreffs des 
Begrabnisses u. s. w. staatlich gesorgt wurde, von 
jetzt ab aber die freie Association dies zu besorgen 
hatte. Zusammenstellungen dieser Militarvereine 
haben wir bei Liebenam SOOff. v. Domas- 
zewski Die Religion des rem. Heeres, Westd. 
Ztschr. XIV 1895 [auch separat] 29—33 und 78 
—95. Waltzing Diz. epigr. II 349— 351. Das 
schon vor Septimins bestehende c. Germanorum 
(CIL VI 8809. 8806. 8802ff.), welches Cohn 

60(113f.) und Waltzing (Diz. epigr. n 351) unter 
die militarischen Vereine rechnen, gehOrt nach 
Liebenam (Vereinswesen 1 33) und G a r d t - 
hausen (Augustus I 2, 640) richtiger unter die 
Collegien des kaiserlichen Gesindes. dem es ge- 
stattet war, Vereinigungen zu bilden. Ebenso- 
wenig ist das [collejgium fabrorfum) et qui in ' 
eo [sunt?] aus Regni in Britannien (CIL VTJ llj, 
wie schon angedeutet. ein militarisches. An dieser 



401 



Collegium 



Collegium 



402 



Stelle sind fiberhaupt keine militarischen Inschrif- 
ten gefunden worden, wohl aber sind sichere An- 
zeichen vorhanden, dass hier eine nicht kleine 
Stadt gestanden hat (CIL VH p. 17; vgl. auch die 
Bemerkung v. Domaszewskis Westd. Ztschr. 
XIV 87, 351). 

8) Die Vereine der Subaltembeamten. 
Nach Mommsen (St.-R. I 2 325ff.) ist fiir die 
Vereinigungen der apparitores (s. d.) der Civil 



neuerliche eingehendeUntersuchung in dieset Rich- 
tung wieder bewiesen hat (Etude 1 161 — 333). Im 
Mittelpunkt steht auch bei diesen Vereinigungen. 
das religiose Bediirfnis; mit der Errichtung je- 
des C. geht Hand in Hand die Annahme eines 
Schutzgottes — zu vergleichen mit dem Heiligen 
der mittelalterlichen Innung — , zu dessen Ver- 
ehrung man gemeinsame Opfer und Feste abhalt, 
ja sogar eigene Tempel erbaut (eine Zusammen- 



beamten decuria (s. d.), fiir die der sacralen Unter- 10 stellung der hauptsachlichsten Schutzgottheiten 



beamten c. die technische Bezeichnung. Doch ist 
er zugleich gezwungen, eine Anzahl Ausnahmen 
zu statuieren (327, 5). C. findet sich zunachst 
in collegium apparatorum annalium, (CIL VI 
9861 — 9863), dessen Bedeutung unklar ist (die 
Inschrift bei Muratori 2015, 6, die falschlich 
eollegfrum) ap(paritorum) giebt. steht richtig 
CIL VI 1948) ; dann kommt vor eonlegium via- 
torum (CIL VI 1920-1942 = 7446 aus dem Ende 



der Collegien bei Liebenam 285ff.). Bei den 
Opfermahlzeiten aber wurden Freundschaft undGe- 
selligkeit gepflegt (die Mitglieder heissen amid, 
sodales, eomestores, eonvietores, consacram, eon- 
latores, amatores regionis macelli, eommorientes; 
fiber die Ausartung der collegialischen Gastereien 
vgl. Tertull. apol. 39. Philo in Flacc. 17). So- 
mit war auch jeder Verein von Berufsgenossen 
vornehmlich eine Cultgenossenschaft und zugleich 



der Republik oder dem Anfang der Kaiserzeit), c. 20 ein Geselligkeits- und Freundschaftsclub, gewisser 



victimarwrum (CIL VI 971 aus dem J. 129) und 
das alte c. tibioinimi (Plut. Num. 17. Liv. IX 
30, 5. Censorin. de die natal. 12. CIL VI 3877 a 
aus der Zeit des Sulla. 3696). Die beiden zu- 
letzt genannten sind keine Collegien nur von 
UnterbeamtenderPriester, sondern umfassen civile 
und sacrale Subalterne, vgl. beziiglich der victi- 
marii CIL VI 971 die Worte qui ipsi (Hadriano) 
et saeerdotitots et magistfratibus) et seiiatui ap- 



massen eine Familie im grossen (vgl. die Aus- 
drucke pater, mater, / 'rater , fratres carissimi, 
fratres et sorores, einmal fabri fratres, CIL V 
7487, vgl. auch lex coll. Dian. et Ant. CLL XIV 
2112 n 34 [a n(ostro) eojlkgio dolus malus 
abesto). Aus der gemeinsamen Pflege eines Cultes 
entwickelte sich die gemeinsame Sorge fttr_ das 
Begrabnis der Mitglieder, so dass die meisten 
collegia, wenn nicht alle in erster Linie, so doch 



parent und das e. tibicinum mag wohl auch die 30 nebenbei Sterbecassen waren. Zu weiterer, gegen 

t ~ " ■ ' ' " ' ■— -!--i-..- S eitiger Unterstiitzung sind nur die militarischen 

Collegien mit Riicksicht auf die Unsicherheit der 
militarischen Carriere fortgeschritten. Hier ist 
das Ausscheiden mit dem Tod nicht die Regel, 
viel haufiger vielmehr infolge Avancement oder 
Verabschiedung. In diesem Fall erhielt der Be- 
treffende fur die von ihm fur den Todesfall ein- 
gezahlten Betrage eine bestimmte Summe, das 
sog. anularium zuriick (CIL Vin 2557. Bruns 



FlOtenblaser umfasst haben, die den romischen 
Magistrates gleichwie den municipalen Beamten, 
zukamen. Ja Waltzing (Et. I 55), vermutet, 
dass die Mitglieder dieses Collegs auch dem Privat- 
erwerbe nachgingen, indem sie bei Begrabnissen 
und Hochzeiten u. s. w. spielten. Das wiirde 
wenigstens die Erwahnung der tibicines unter 
den collegia opificum (Plut. Num. 17) rechtferti- 
gen. Ist dies richtig, so hatten wir in den ge 



nannten collegia apparitorum auch rein private 40 Fontes& p. 323 § 3^ 4. Liebenam 306ff.).^ Dies 

Personenvereinigungen zu erblicken, eine Ansicht, ' ' TT 1 " 1 *~" '" ~* "' 

die eine besondere Stutze erhalt, wenn wir einen 
Verein derart, das c. symplwmiaeorum (CIL VI 
2193=4416), in der Kaiserzeit die staatlich e Geneh- 
migung nachsuchen und erhalten sehen (vgl. dar- 
uber unten S. 408). Dieses unter Augustus genannte 
collegium symphoniacorum , qui saeri* publicis 
praesto sunt, hat man mit dem c. tibicinum so- 
gar fur identisch erkliirt (Mommsen Ztschr. ^f. 



war also ein im Voraus gezahltes funeraticium 
fiir denjenigen, der nicht an Ort und Stelle oder 
infolge seiner BefCrderung nicht im Verein bleiben 
konnte. Daneben unterstiitzten diese Vereine ihre 
Mitglieder bei grossen Ausgaben, die die mili- 
tarische Carriore erforderte, fiir eine Eeise nach 
Rom in Sachen des Avancements oder beim Cber- 
gang in ein anderes Corps (§ 2 und § 6). 

- Neben den religiOsen Motiven und denen der 

|esch"Rechtswi8s. XV 354. Waltzing Rev. de SO Geselligkeit und gegenseitigen Unterstiitzung spielt 
Hnstr. publ. en Belg. 1888, 158; Etude I 117), bei der Vereinsbildung wohl auch das Streben der 
wahrendLiebenam(Vereinsw.31)diesbestreitet. Schwacheren und Armeren mit, durchdie \er- 
Es ist zu beachten, dass uns die Vereine der 
tibicines als solche in der nachaugusteischen 



Zeit noch begegnen, im J. 102 vereinigt mit den 

fidieities (CIL VI 2191: collegium tibicinum 

et fidicinum Romanorum , qui s. p. p. s., aber 

2192: coll. fidicinum Rtomanorumj)^ im J. 200 

wieder allein: tibicines Ttomani, qui s. p. p. s. _ 

(CIL VI 1054, vgl. 240. 2584), und dann, was soil 60 Vereinigung. am der Sclaven-Concurrenz zu 

der griechische Name eine Zeit lang fur das alt- -™""™ »" w " aT ™" Monnnoliaipninor o-ew 

romische C? (im ubrigen vgl. Liebenam a. a. O. 

gegen Waltzing). 

Alle betrachteten Vereine von Berufsgenossen, 
mOgen es Handwerker- oder Veteranencollegien, 
Vereine von militarischen oder civilen Subalternen 
sein, weisen eine ungemein starke Gleichartigkeit 
in ihren Zielen oder Zwecken auf, wie Waltzings 



einigung starker zu werden und mehr zu bedeuten, 
als dies in der Isolierung moglich war. Allerdings 
liegt dieser Wunsch, was die gewerblichen Vereine 
angeht, weniger auf wirtschaftlicheni Gebiet; denn 
alle die geausserten Vermutungen in dieser Be- 
ziehung, von gemeinsamer Betreibung des Hand- 
werks oder Gewerbes durch die Mitglieder, von 

be- 
gegnen7 wohl gar von Monopolisierang gewisser 
Gewerbe innerhalb eines C. entbehren jeglicher 
Unterlage. In dieser Richtung erfahren wir fast 
nichts von den romischen Collegien, und das 
wenige, was wir hOren. wie z. B. die Zulas- 
sung auch von NichtangehSrigen des betreffen- 
den Berufc in einem C. von Berufsgenossen (CIL 
VII 11 coll. fabrum et qui in eo [sunt?]. XII 



403 



Collegium 



Collegium 



404 



405 



1'929 icaenici Asiaticiani et qui in eodem eorpore 
swd) lasst eher Schliisse im gegenteiligen Sinne 
?fl. Jener Wunsch, mehr zu bedeuten durch die 
Vereinigung, bezog sich eher auf das politische, 
in der Kaiserzeit das munieipale Leben. Die Aus- 
artung der €ollegien zu politischen Clubs in Eom 
in der republicanischen Zeit hat dann dem haupt- 
stadtischen Vereinsleben fur lange den Todesstoss 
gegeben. Fiir die Beteiligung der Collegien an 
den stadtischen Angelegenheiten, vornehmlieh den 
Wahlen, liefert uns das ausgegrabene Pompei mit 
seinen Maueranschlagen ein typisches Beispiel. 
Die Sucht in der Offentlichkeit als Gesamtheit 
eine Eolle zu spielen, zeigt sich auch in der ,Denk- 
malswut' fur hohe Gonner, munieipale oder Reichs- 
beamte, Tor allem aber die Kaiser und ihr Haus, 
deren Piirsorge fur die niederen Classen eine grosse 
Loyalitat daselbst erzeugt hatte. 

In mancher Beziehung abweichend ist die Ent- 
wicklung im Orient. Hier begegnen uns Erschei- 
nungen, die schon mehr an raittelalterliche und 
moderne Verhaltnisse erinnern. Nirgends giebt 
es soviel reine Handwerkervereine wie in Thyatira 
(vgl. M. Clerc De rebus Thyat. 1893, 89ff.). 
Oehler sagt gelegentlich einer Zusammenstel- 
hmg kleinasiatischer Vereine (Eranos Vindobonen- 
sis 281): ,In jeder Genossenschaft bildeten sich ge- 
wisse Satzungen fiir die Ubernahme und Ausfiih- 
rung der Arbeiten', (vgl. CIG 3467. LeBasIII 
628). ^ In Hierapolis in Phrygien findet man eine 
sgyam'a dQefifianxy bei einem C. von Purpur- 
farbern (Kamsay Rev. Arch. 1887, 354. LeBas 
1687), vielleicht eine Einrichtung der Wohlthatig- 
keit (Bekleidung von armen Kindern). Aber der- 
artiges darf man nicht verallgemeinern (Waltzing 
Etude I 184, 5); hier sind noch Nachwirkungen 
des grieehischen Yereinslebens zu erkennen , das 
nur ausserlich vielfach die Formen der romischen 
collegia angenommen hatte (neuerdings hieruber 
E. Ziebarth Griech. Vereinsw. lOlff.). 

II. Der Staat und die Vereine. Vereins- 
recht. Die Tradition verlegt, wie schon erwahnt, 
entsprechend ihrer sonstigen Gepflogenheit, auch 
die Entstehung der Ziinfte in die Konigszeit, in 
die Regienmg des Numa (Plut. Num. 17) oder 
des Servius Tullius (Flor. I 6, 3). Durch diesc 
deutlich als rohe Combinationen greifbaren Nach- 
richten hat man sich seltsamerweise zu zwei un- 
berechtigten Schliissen bewegen lassen: 1) dass 
die Handwerkervereine aus uralten sacralen Ver- 
bindungen hervorgegangen seien, bezw. diese sich 
zum Vorbild genommen hatten (Maui* Die Vereine 
5. Jullian Diet. II 950), eine Ansicht, die schon 
vonMommsen aufs entschiedenste bekarapft wor- 
den ist (De coll. 27) ; 2) dass dieselben von oben 
und aussen, nicht durch den Willen der Verbun- 
denen gestiftet und gestaltet worden seien, also 
staatliche Institutionen, nicht in unserem heutigen 
Sinne Vereine privater Natur oder freie Zunfte 
seien (Mommsen De coll. 31, anders B. G. 18 
191f. ,Die Sachverstandigen thaten sich zusam- 
men'. Gierke Genoss.-Recht III 67. Pernice 
Labeo II 290f. Karlowa Rechtsgesch. II 63f. 
Herzog R, St.-Y. I 94f. mit Anm. 3. Jullian 
a. a. 0.). Diese zweite, weit verbreitete, erst 
neuerdings von Liebenam (9) und Waltzing 
(I 69ff.) bekampfte Ansicht ist durch Plutarch 
(a. a. 0.) veTschuldet, welcher jene Nachricht in 



Collegium 



Collegium 



40$ 



Zusammenhang bringt mit einer politischen Ein- 
teilung des rflmischen Volkes durch Numa, um 
den Gegensatz zwischen Romern und Sabinern 
durch gemeinsame Ausiibung ihrer Berufe zu 
beseitigen. Aber die ganze Unsinnigkeit der 
Stelle geht schon aus der Behauptung hervor, 
Numa habe das ganze Volk (16 av/unav nkij- 
#os) in mehrere Collegien eingeteilt, von denen 
acht aufgezahlt werden, wahrendeinneuntesgrosse- 
10 res alle Iibrigen Handwerke umfasst haben soil. 
Ebensowenig wir in der republicanischen Zeit von 
der Begrundung von Vereinen durch den Staat 
(abgesehen von den amtlichen Collegien und den 
officiellen Cultgenossenschaften fur sacra publico} 
etwas horen, ebensowenig ist das fur die Konigs- 
zeit anzunehmen. Hatte der Staat mitgewirkt, 
so hatten unsere annalistischen Quellen sicher 
eine Nachricht von den einzelnen Griindungen ge- 
wcrblicher Collegien gebracht, geradeso gut wie 
20 die Errichtung des c. Mereurialium und des o. 
Capitolinorum in den Jahrbiichern wohl vermerkt 
worden ist. Wie die Dinge aber liegen, linden 
wir gegen Ende der republicanischen Zeit Er- 
wahnungen von vielen collegia alten und neuen 
Datums (praeter antiquitus constituta Suet. Caes. 
42. Ascon. p. 6f. 8. 67. Cic. pro Sestio 55; in 
Pison. 9), ohne fiber deren successives Entstehen 
im einzelnen unterrichtet zu sein. Die Grundung 
derselben muss aus der Masse der Berufsgenossen, 
30 nach dem Grundsatz, dass erlaubt, was nicht ver- 
boten sei, ohne eine Beschrankung seitens der Re- 
gierung, hervorgegangen sein, d. h. es muss freies 
Vereinsrecht in der republicanischeu Zeit bestan- 
den haben und ebenso wohl auch in der Konigs- 
zeit, ohne dass wir in letzterer Beziehung mehr 
als eine Vermutung aussern mochten. Porderlich 
wirkte bei der spontanen Vereinsbildung, dass die 
Angehorigen eines Berufes dieselben Quartiere 
und Strassen der Stadt bewohnten (Liebenam 
40 9f.), und dass sie ein Beispiel hatten an den ur- 
alten localen Vereinigungen der landlichen oder 
stadtischen Bezirke (monies, pagi, vieij, an deren 
religiOsen Feiern sie auch teilnahmen. In einer 
Epoche, wo der religiose Geist alles durchdrang, 
waren sie selbst auch gehalten, sich zu der Feier 
eines gemeinsamen Schutzgottes zu vereinigen und 
dieser religiose Charakter hat ihnen sicher Dul- 
dung seitens des Staates gebracht (vgl. W a 1 1 z i n s 
Etude I 69ff.). 
50 Spuren einer Prohibitivgesetzgebung, die man 
hat flnden wollen, existieren nicht. Das Verbot 
des Tarquinius Superbus (Dionys. IV 43) bezieht 
sich nicht auf Collegien, sondern auf Vereine von 
Leuten derselben Bezirke, Verbote von nachtlichen 
(durch die 12 Tafeln) oder heimlichen (durch eine 
lex Gabinia) Versammlungen ([Fortius Latro] decl. 
in Catil. 19; vgl. dazu Liv. II 28. 32, 1. 54, 7), 
sind keine Vereinsverbote. Auf Versammlungen 
bezieht sich auch die von Co hn (Zum r. Vereins- 
60 recht 35) hierher gezogene Stelle bei Liv. XXXIX 
15, 11. 12 (vgl. auch XXXIX 16). Die Stelle aus 
den zwolf Tafeln, die Gaius (Dig. XL VII 22, 4) 
citiert, ist eher ein Beweis von Vereinsfreiheit. 
Sie bestimmt, dass den Collegien gestattet sei 
paetionem, quam velint, sibi ferre dum ne quid 
ex publico, lege eorrumpant, gewahrt also voile 
Autonomie im Inneren, die sich documentiert in 
der Moglichkeit , sich selbst Statuten zu geben 



unter der Voraussetzung, dass die Staatsgesetze 
nicht verletzt werden (falsch ist die Interpreta- 
tion von P. Kayser Abhandlungen aus dem Pro- 
cess und Strafrecht, II. Die Strafgesetzgebung der 
ROmer gegen Vereine und Versammlungen 139ff.). 
Endlich die bei Plinius (n. h. XXXV 197) er- 
wahnte lex Metilia de. fullonibus dicta vom J. 220 
v. Chr. ist kein Eingriff in das Vereinswesen, son- 
dern eine — offenbar alte — gewerbepolizeiliche 



auctoritate (diese Worte sind eine Ubertragung 
der Verhaltnisse der Kaiserzeit auf die republi- 
canische) malo publico fiebant: propter quod 
postea collegia et senatus consulto et pluribufr 
legibus sunt sublata praeter pauea atque eerta 
(ahnlich p. 6f.). Das Jahr dieses Senatsbeschlusses 
ist controvers (ob 686 = 68 oder 690 = 64), weil 
die Namen der Consuln ungenau uberliefert sind 
(Ascon. p. 6f.). Doch ist wohl mit Recht das 



Vorschrift fiir dieses Handwerk, das eine Art 10 J. 690 = 64 jetzt fast allgemein als das richtige- 



officieller Stellung einnahm (so Liebenam 14). 
Nicht von einem Prohibitivsystem , sondern 
eher von einer Begunstigmig der Collegien in 
republicanischer Zeit kann man reden. Hierher 
recline ich die tberlassung von offentlichen Tem- 
peln an Vereine fiir ihre Versammlungen und 
Opferschmause, wie des Iuppitertempels auf dem 
Capitol an die Musikantengilde (Censorin. de die 
natal. 12), des Minervatempels auf dem Aventin 



anerkannt wegen der geringen Anderung der 
Uberlieferung in diesem Fall (Marcio fiir iiber- 
liefertes Mario und post Vla/nnos statt post JTX 
annos) und andererseits wegen des Umstandes,. 
dass offenbar im J. 689 = 65 die Collegien noch 
bestanden (Ascon. p. 67). 

Eine zweite Controverse kniipft sich an die- 
Frage, welche Collegien damals aufgelost wurden. 
Als gesichert ist in dieser Beziehung zu betrach- 



m das ver'einigte Dichter- und Schauspielercolleg, 20 ten: 1) Die beiden Stellen des Asconius beziehen 



ilessen Mitglied Livius Andronicus ein Festgedicht 
im J. 207 zur Verherrlichung der rOmischen Waf- 
fen genefert hatte (Liv. XXVII 37, 7). Bezeich- 
nend ist auch die Erzahlung von der Auswande- 
vung der tibicines nach Tibur bei der Wegnahme 
ienes alten Privilegs durch die Censoren des J. 312 
V. Chr. (Liv. IX 30. Val. Max. I 5, 4. Ovid. fast. 
VI 651ff. Plut. quaest. rom. 55) und der Wieder- 
herstellung und Erweiterung der alten Vorrechte, 



sich auf dieselbe Massregel vom J. 690 = 64 
(falsch daher die Ausfuhrung von Kayser Ab- 
handlungen II 160ff.). 2) Diese Massregel richtete- 
sich gegen alle Vereine: religiose, neugebildete 
rein politische (vgl. Asconius coetus faatiosorum 
hominum im Anschluss an das von Cicero er- 
wahnte c. Oorneliorum), auf alle Falle aber auch 
gegen dieHandwerkerzunfte, da unter den wenigen,- 
bestimmt namhaft gemachten Ausnahmen (prae- 



auch wenn sie in den Einzelheiten oder iiberhaupt 30 ter pauca atque eerta quae tdUitas civitatis (fo- 



ment geschichtlich ist (vgl. Zeller Vortrage und 
Abhandl. II 136ff.). 

Ein Grund zum hemmenden Einschreiten sei- 
tens des Staates lag nur dann vor, wenn die 
oben erwahnte Clausel bei Gestattung der inneren 
Autonomie verletzt wurde, wenn die Statuten 
des C. gegen die allgemeinen Staatsgesetze ver- 
stiessen oder in einer das Staatswohl gefahrden- 
den Weise angewendet wurden. Dieses Einschrei- 



siderasset) sicher ein (fabri), vielleicht auch zwei 
Handwerkervereine (der Name der zweiten geschon- 
ten Innnng ist verderbt in littorumque, wofiir 
man allerlei Emendationsversuche vorgebracht hat, 
zusammengestellt bei Waltzing I 91, 1) _er- 
scheinen, wodurch der directe Beweis geliefert ist, 
dass auch die Mehrzahl dieser aufgelost wurde. 
Die Schriftsteller sprechen iiberhaupt nur allge- 
mein von aufgelosten collegia und niemals von 



ten geschah dann durch den Senat auf dem Ver- 40 einer bestimmten Gruppe derselben; wenn sie 



waltungswege wie im J. 186 v. Chr. gegeniiber 
den Bacchusvereinen, deren Mitglieder durch ihr 
Verhalten die offentliche Moral und Ruhe in grober 
Weise verletzt hatten (Liv. XXXIX 8—19. SC de 
Bacchanalibus Bruns Fontes^ 151ff.). Ihre col- 
legia wurden aufgelost in der Weise, dass den- 
selben verboten wurde, eine gemeinsame Casse zu 
haben und Priester und Beamte an der Spitze. 
Dieses Vorgehen hat aber die Bildung von der- 



einen Zusatz machen, so driiekt er die Staats- 
gefahrlichkeit der betreffenden aus (Ascon: quae 
adversus rempublieam videltantur esse. Cass. Dio- 
LVIII 13 za hai.gi.xa. xoU^yia). Als staatsgefahr- 
lich aber werden in der damaligen unruhigen Zeit 
auch die proletarisierten Handwerker und Kramer 
vielfach geschildert (Sail. lug. 73, 6 ; Catil. 50, 1- 
Cic. pro Flacc. 17. 18: de domo 13. Ascon. p. 35. 
Cic. Catil. IV 17; Acad, quaest. II 47; Liebe- 



gleichen und anderen sacralen Genossenschaften 50 nams Behauptung, dass mit diesen unruhigen, 



zur Verehrung auslandiseher, besonders orienta 
lischer Getter (s. o. S. 386), nicht gehindert — 
ein deutlicher Beweis. dass dem Senat kein Ge- 
setz zu Gebote stand, um das Vereinsleben iiber- 
haupt in Fesseln zu schlagen. 

Hatte der Senat hier die offentliche Moral 
gegeniiber den Vereinen in Schutz nehmen miissen, 
so stand bei den seit dem Auftreten der Gracchen 
fast unausgesetzt anarchischen Zustanden in der 



revolutionaren Elementen unter den Handwerkern 
nicht die in den Vereinen Incorporierten gemeint 
seien, bedarf wohl kaum der Widerlegung). 3) Mit 
der Aufhebung der Collegien stand die Suspen- 
sion der ludi eompitaUcii in Verbindung (Ascon. 
a. a. O. compitalicios . . ., qui ludi sublatis col- 
legiis diseussi sunt), oder genauer, der Senat ver- 
bot zugleich die hidi cvmpitalicii in demselben 
enatus coimdtwm (Cic. in Pis. 8. Mommsen 



Hauptstadtinfolge des Eingreifens fast alter Arten 60 St.-R, HI 1181, 1. Waltzing I 93, 3); diesen 
von Collegien in das politische Getriebe, besonders Spielen prasidierten die magutn collegtorum 
bei den Wahlen, die Existenz des Staates uber- gleichwie die magistri tieorum (Ascon. a. a. O.-, 

iiher verschiedene Interpunction an dieser dunklen 
Stelle vgl. Waltzing I 102, 2). Dies ist die 
Nachricht, derentwegen Mommsen unter den 



haupt auf dem Spiele, und dies verschlimmerte 
sich allmahlich so, dass der Senat zum zweiten- 
male gegen die Collegien vorzugehen sich ge- 
zwungen sah, aber diesmal gegen fast alle und 
desto radicaler, Ascon. p. 67: freqiientes turn 
etiam coetus factiosorum hominum sine publico. 



aufgehobenen Collegien allein die collegia compi- 
talicia verstanden wissen wollte, denn deren ma- 
gistri kOnnten allein die ludi compitalieii feiern. 



407 



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Collegium 



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Andere dagegen, zuletzt Waltzing in ausfiihr- 
licher ErOrterung (I 98ff.), sind mit Eecht aus- 
gehend von dem unter 2) ttber die Ausdehnung 
des Vereinsverbots auf alle eollegia praeter pauea 
■et carta Gesagten folgerichtig zu der Annahme 
gekommen, dass die magistri der collegia von 
Berufsgenossen, welche, wie wir sahen, gewdhn- 
lich in gewissen Stadtrierteln zusammen wohnten, 
mit den /magistri vieorwm in der Ausrichtung 
■der ludi eompitalieii concurrierten, ja dass viel- 10 
leicht dieses Amt bereits von den Bezirksvor- 
stehern an die Collegialmagister iibergegangen 
war. Wir Mtten dann einen analogen Pall zu 
der Verdrangung der stadtischen pagi und der 
paganen Sacralgenossenschaften durch collegia von 
Leuten der in den betreffenden Bezirken localisier- 
ten Berufe (s. o. S.404). Bei den wahrend der Zeit 
des Vereinsverbots verschiedentlich gemachten Ver- 
suchen , die ludi eompitalieii entgegen dem SC. 
vom J. 690 = 64 doch zu feiern (Cic. in Pis 8. 20 
Ascon. 6f.), wird auch von magistri, an die man sich 
wegen der Peier wandte, gesprochen, doch sind 
dies natiirlich die magistri vieorwm, unter deren 
Leitung allein dann spater Augustus wohlweis- 
lich die reorganisierten .Gassenspiele' gestellt hat 
(dariiber Gardthausen Augustus I 2, 927). Die 
Massregel des Senates war also eine ausserst radi- 
cale, nur zu erklaren durch die furchtbare Gefahr, 
in der sich ira J. 64 der Staat befand. Es handelte 
sich um die Consulwahlen fur 691 = 63, durch 30 
die, im Falle Catilina und Antonius ans Ruder 
kamen, der Ausbruch der Revolution unvermeid- 
lich gewesen ware. 

Aus dem einen Extrem verflel man im J. 696 — 
58, wie das in politisch so furchthar aufgeregter 
Zeit natiirlich war, in das andere: der fast vollkom- 
menen Beseitigung der Collegien durch den Senat 
Mgte im genannten Jahre durch Clodius nicht nur 
die Wiederherstellung der aufgehobenen Vereine, 
sondern auch die Neuerriehtung einer ganzen Masse 40 
von politischenVereinen der niedrigsten Sorte (Ascon. 
p. 9 lex de eoUegiis restituendis ivwisque insti- 
tuendis. Cic. in Pison. 9 ex omni faeee urbis ae 
servitio ; vgl. Cic. pro Seatio 55. Cass. Dio XXXVIII 
13; letzterer ungenau, weil er nur von der Wieder- 
herstelluug der alten Vereine spricht). Der radi- 
cale Tribun hediente sich auf diesem Gebiete zum 
erstenmale der Gesetzgebungsmaschine (lege lata 
Ascon. p. 6f.), indem er eine lex de eollegiis mit 
Umgehung des Senates (Cic. pro Sest. 55), dem 50 
die Popularpartei die Competenz zu jener weit- 
gehenden Verwaltungsmassregel im J. 64 ab- 
sprach (Cic. in Pis. 8), beim Volke zu stande 
brachte. Die unter dem Namen collegia geschaffe- 
nen Banden im Dienste des Clodius beherrscbten 
-die Stadt, und die dadurch hervorgemfene allge- 
meine Unsicherheit erzeugte bei den wiederher- 
gestellten alten Collegien eine Reaction zum besse- 
ren; wenigstens riihmt Cicero in der im Septem- 
ber 697 = 57 gehaltenen Rede de domo sua ad 60 
pontifices 74 die Unterstutzung, welche ihin von 
diesen Vereinen zu teil wurde (vgl. in Pis. 41). 
Der Wiederherstellung besserer Zustande diente 
auch der wohlweislieh weniger radicale Senats- 
beschluss vom 10. Februar 698 = 56 (Cic. ad 
Quint, fr. II 3, 5), der nur gegen die wirklich 
politischen Vereine (sodalitates), insonderheit gegen 
<lie von Clodius in Decurien organisierten Banden, 



sich richtete (P. Kayser a. a. O. 166f.). Um 
dem Beschluss Nachdruck zu verleihen, wurde ein 
Gesetz gegen derartige Ausschreitungen in Aus- 
sicht gestellt. Es ist strittig, ob dies die im 
nachsten Jahre (699 — 55) erlassene lex Lieinia 
de sodalieiis ist (Cic. pro Plane. 36. Schol. Bob. 
p. 253 Orelli). In erster Linie war dieses Gesetz 
eine lex de ambitu (so richtig Mommsen De 
coll. 61ff. und P. Kayser Abhandlungen 168ff., 
der die falsche Ansicht von Zumpt Criminal- 
recht der Romer H2 367— 404 widerlegt), aber 
in der damaligen Zeit muss ein solches Gesetz 
auch ein Vereinsgesetz gewesen sein. Doch war 
der Erfolg offenbar gering. Denn Caesar sehen 
wir wiederum so radical eingreifen, wie einst den 
Senat (Suet. Caes. 42 euneta eollegia propter 
antiquitus constituta distraxit), und zwar durch 
eine lex Iulia (vgl. Aseon. p. 67 plwibus hgibus. 
Mommsen St.-R. HI 1181, 2, anders Cohn 71. 
Liebenam27. Karlowa II 67). Geschont hat 
Caesar offenbar dieselben alten Collegien, wie im 
J. 64 der Senat, ausserdem unter den religiOsen 
Genossenschaften die hauptstadtische Judenge- 
meinde (Joseph, ant. Iud. XIV 215). 

Die unruhigen Zeiten nach Caesars Ermordung 
haben aber das alte Coteriewesen wieder aufleben 
lassen (Suet. Aug. 32: plurimae factiones titulo 
collegii novi ad nidlius non faeinoris soeietatem 
coibant). Augustus griff daher wiederum zu dem 
alten Mittel und lOste alle Collegien praeter an- 
tiqua et legitima (nach Liebenam30 ,zu Recht 
bestehende') auf (Suet. a. a. O.). Dass die Rege- 
lung des Vereinswesens diesmal sicher durch eine 
lex lulia de eollegiis stattfand, beweist CIL VI 
2193: D. M. eollegio symphoniacorum, qui s. p. 
p. s., quibus senatus c(oire) e(onvoeari) cfogi) 
permisit e lege Iulia ex auctoritate .... Awg(usti) 
ludorum eausa. Weil das stadtromische collegium 
fabrum tignariorum seine Aera vom J. 747 = 7 
v. Chr. datiert (CIL VI 10299), halt Waltzing 
dieses fur das Entstehungsjahr der lex Iulia. Die 
Inschrift der symphoniaei lehrt uns einmal, dass 
von jetzt die Concession des Senats einzuholen 
war und dass das Motiv, weshalb die Genehmigung 
eTfolgte, angegeben wurde (hier ludorum causa, 
vgl. Plin. ep. ad Trai. 34 ex quacunque causa. 
Gai. Dig. Ill 4, 1 pr. paueis admodum in causis 
concessa sunt . . .), womit Augustus an den vom 
Senat im J, 64 aufgestellten Grundsatz ankniipfte, 
dass nur dem Staate nutzliche Vereine zu belassen 
bezw. neu zu genehmigen seien (s. o. bei Asconius 
quae utilitas civitatis desiderasset) , zweitens, 
dass die jedesmalige Genehmigung vom Senate 
einzeln erteilt wurde auf Grand der lex Iulia, und 
drittens, dass der Senat die Concession nicht selb- 
standig erteilte, sondern nach eingeholtem kaiser- 
lichem Consense (ex auctoritate Augusti, Momm- 
sen Ztschr. f. gesch. Rechtswiss, XV 355). Die 
lex Iulia ist also das Fundamentalgesetz fur die 
Regelung des Vereinswesens der Kaiserzeit, aus- 
gehend von dem Grundsatz: kein Verein fortan 
ohne Genehmigung des Staates, d. h. des Kaisers 
und des Senates, und keiner, der dem Staat nicht 
einen Nutzen bringt. Die lex Iulia, ursprtng- 
lich nur fur Rom selbst erlassen (Joseph, ant. Iud. 
XIV 215), muss bald auch auf Italien (Tac. 
ann. XIV 17: Verbot von Collegien dutch den 
Senat in Pompei im J. 59 n. Chr.; Inschriften 



von italischen Collegien mit der stehenden Con- 
cessionsformel quibus ex S. C. coire licet bei 
Waltzing I 125) und die Provinzen (vgl. den 
Briefwechsel zwischen Plinius und Traian) aus- 
gedehnt worden sein. Augustus hat hier dem 
Senat eine wichtige Verwaltungscompetenz ein- 
geraumt (Plin. paneg. 54), wovon derselbe an- 
fangs sogar in den kaiserlichen Provinzen Ge- 
brauch machte (CIL V 7881 aus Cemenelum, der 
Hauptstadt der provincia Alpium Maritimarum), 
doch ist offenbar allmahlich dessen Competenz 
auf Italien und die senatorischen Provinzen be- 
schrankt worden CIL III Suppl. 7060 aus Ky- 
zikos), ja im 2. Jhdt. hat sich mit der steigenden 
Macht des Princeps umgekehrt dessen Befugnis 
einzugreifen auch auf die senatorischen Provinzen 
(CLL II 1167) und auf Italien (CIL V 4428) er- 
streckt. Doch sind wir in dieser wie in anderer 
Beziehung ttber die Prage nach der Competenz 
des Senates und der kaiserlichen Regierung gegen- 
iiber den Vereinen ungenugend unterrichtet (vgl. 
Liebenam 229). Marcian (Dig. XLVII 22, 2) 
spricht von einer Genehmigung der Vereine ent- 
weder durch SC. oder durch kaiserliche Verfiigung 
(in summa autem, nisi ex senatus eonsulto aucto- 
ritateve Caesaris [so Mommsen fur senatus eon- 
sulti auctoritate vel Caesaris St.-R. II 3 887, 3] 
collegiurh vel quodcunque tale corpus coierit, 
contra senatus consultum et mandata et consti* 
tutvmes collegium celebrat). Schon Gaius (Dig. 
Ill 4, 1 pr.) sagt sogar von stadtrfimischen Collegien 
quorum corpus senatus consultis atque eonstitu- 
tionibus principalibus confirmatum est (doch 
hier ist auch noch eine andere Erklarung moglich, 
s. u. S. 448f-). In der Praxis scheint die Sache so 
geworden zu sein, dass der Kaiser vermOge seines 
allgemeinen, im ganzen Reiche ihm zustehenden 
Oberaufsichtsrechts tiberall bei der Concessionie- 
rung eingriff. Daher die vielen mandata, con- 
stitidiones derselben in Bezug auf diese Materie. 
Die polizeiliche Uberwachung hatte ohne Zweifel 
in Italien der Senat, in den Provinzen die Statt- 
halter (Plin. ep. ad Trai. 33. 34. 93. 97. Bull, 
hell. 1883, 504), die ihre Instructionen vom Kaiser 
empflngen (Philo in Place, p. 965 D. 984 Turneb. 
Plin. ep. ad Trai. 96. Dig. XLVTI 22, 1). 

Allgemein durchgesetzt hat sich nach mannig- 
fachen Schwankungen der kaiserlichen Politik 
gegeniiber den Vereinen im Anfang (dariiberL i e b e- 
nam 53) das dauernde Vereinsverbot gegeniiber 
politischen Vereinen (collegia sodalieia) und gegen- 
iiber den militarischen (Marcian. Dig. XLVII 22, 1). 
Besonders streng war das Vorgehen aller Kaiser 
gegeniiber der ersten Gruppe. Traian schlug das 
ganze Vereinswesen in Bithynien in Fesseln und 
genehmigte auf Antrag seines Statthalters nicht 
einmal eine im offentlichen Interesse unbedingt 
notwendige und von jenem warm befflrwortete 
Peuerwehr von 150 Mann in Nicomedien, weil er 
die Beobachtung gemacht hatte, dass alle Vereine 
dort zu politischen Clubs (hetaeriae) ausarteten 
(Plin. ep. 34). Derartige Vereine, die eine staats- 
gefahrliche Gestalt annahmen, hiessen collegia 
illicita. Doch gilt dieselbe Bezeichnung auch fur 
solche Vereine , die , ohne die gesetzliche Ge- 
nehmigung nachzusuchen, eine factische Existenz 
fuhrten ; dergleichen gab es sicher viele im Reiche, 
da man in der Praxis Vereine auch ohne staat- 



liche Genehmigung so lange gewahren liess, als 
sie die Gesetze nicht verletzten. Beim Einschrei- 
ten hat man gegen solche auch ein mildere§ Ver- 
fahren angewendet, indem man ilvnen bei der Auf- 
losung die Teilung des vorhandenen Cassenbe- 
standes gestattete (Marc. Dig. XLVII 22, 3). Die 
Teilnehmer der anderen, weit gefahrlicheren col- 
legia illicita dagegen, die am liebsten unter dem 
Schutz einer sacralen Vereinigung ibr Spiel trieben 

10 (TJlp. Dig. XLVII 11, 2 sub praetextu religionis. 
Philo p. 996 A im jiQotpdoet {hat&v), bestrafte man 
wie Aufruhrer (Ulp. Dig. XLVII 22, 2) oder Leute, 
welche sich des Majestatsverbrechens schuldig ge- 
macht hatten (Dig. XL VIII 4, 1, 1). Es bestand 
ein Senatsbeschluss, quo illicita eollegia areentur 
(Marc. Dig. XLVII 22, 1). In Rom unterwarf 
Septimius Severus die Mitglieder von unerlaubten 
Vereinen der Jurisdiction des Praefectus urbi, der 
das ius gladii besass (Ulp. Dig. I 12, 1. 14). 

20 Derselbe Kaiser hat aber das Verbot gegen die 
militarischen Vereine, wie wir schon sahen, teil- 
weise fallen lassen, indem er wenigstens Vereine 
der Chargierten in eastris zuliess. 

Diesen Gruppen von Collegien, welche immer 
oder eine Zeit lang insgesamt verboten waren, 
stehen die eollegia tenuiorum gegeniiber, die 
generell erlaubt waren und zwar durch einen 
Senatsbeschluss, der vor Hadrian und nach der 
lex Iulia, vielleicht schon unter Augustus, erlassen 

30 worden war, der denselben aber eine Beschrankung 
des Versammlungsrechtes zu Vereinszwecken (nur 
einmal im Monat) auferlegte (Marc. Dig. XLVII 
22, 1. CIL XIV 2112 1 10—13; aus der Combina- 
tion dieser beiden Stellen hat Mommsen [De 
coll. I7ff.] seine Ansicht von der generellen Con- 
cession der c. tenuiorum gebildet, bekampft wird 
dieselbe von P. Kayser Abhandlungen II 187ff., 
bestatigt von Liebenam 39ff. Waltzing Etude 
I 141 — 153). Diese generelle Concession wurde 

40 nach Marcian (a. a. O.) von Septimius Severus 
auch auf Italien und die Provinzen ausgedehnt, 
nach den Inschriften dagegen schon frurier, so 
dass in Wirklichkeit Septimius Severus nur eine 
altere Verordnung von neuem wieder einscharfte 
oder einen factisch gewordenen Zustand rechtlich 
flxierte. Jenes SC. war offenbar ein Ausnuss der 
kaiserlichen Politik, die sich auf die niederen 
Classen zu stiitzen suchte. Wahrend man den 
oberen Classen und dem Mittelstand das Vereins- 

50 recht entzog, gab man es den untersten Schichten 
auf diese Weise zuriick, schuf sich dadurch eine 
loyale niedere BevOlkerung (Belege daftir s. u. 
S. 426) und entlastete den Staat von der Sorge 
fur das BegTabnis des armsten Teils der arbeiten- 
den Classen. Aber der Schritt hatte unvorher- 
gesehene Folgen. Viele religiose und gewerbliche 
Collegien nahmen als Nebenzweck die Sorge fur 
das Begrabnis ihrer Mitglieder an und enthoben 
sich unter der Firma eines c. tenuiorum der 

60 Regierung gegeniiber der Verpflichtung, um Con- 
cession nachsuchen zu milssen. 

Dass religiose Genossenschaften zur Pflege 
privater Sacra iiberhaupt der Singularconcession 
nicht bedurft hatten, hat man aus Marc. Dig. 
XLVII 22. 1: sed religionis causa coire non 
prohibentur, duan tameii per hoe non fiat contra 
senattis consultum, quo illicita eollegia areentur, 
schliessen wollen. Aber dieser Satz bezieht sich 



411 



Collegium 



Collegium 



412 



413 



Collegium 



Collegium 



414 



Mos auf die collegia tenuiorum, von denen an der 
Stelle kurz vorher die Rede ist (vgl. Mommsens 
Vorschlag zur Umstellung). Insohriften von rein re- 
ligiosen Vereinen mit der Concessionsformel quibus 
■ex SG coire licet sind zufallig noch nicht zu Tage 
gekommen. Doch haben wir achon gehOrt, dass 
der Judengemeinde in der Hauptstadt die Ge- 
nehmigung Caesars und Augustus' zu teil wurde, 
-dasselbe hOren wir von den socii Augustales in 
Briiia unter Antoninus Pius (OIL V 4428), dem 
■carpus vimv in Kyzikos (CIL III Suppl. 7065). 
Religiose Genossenschaften , besonders solche ftir 
den Cult freradeT Gottheiten, hat man in der Kaiser- 
zeit sogar sehr scharf iiberwacht (Liebenam 33), 
weil unter diesem Deckmantel zu leicht staats- 
•gefahrliche Clubs sich verbargen (Plin. ep. ad 
Trai. 34. 93 Amisenos si legifnis istorum .... 
. . eoneessum est eranum habere, posswnus 
■quominus habeant rum impedire eo facilius, si 
tali conlatione non ad turbos et ad inlicitos 
-coetus . . . utuntur. Dip. Dig. XL VII 11, 2, wo- 
nacb auch den Veteranen verboten war sub prae- 
textu religionis vel sub specie sohendi voti coetus 
illicitos zu bilden). 

Beziiglich der Veteranencollegien bat man auch 
an den Ausnahmezustand einer generellen Con- 
cession gedacht (Cohn 109), ohne wirkliche Be- 
weise dafiir bringen zu konnen. Allein der Um- 
stand, dass an der eben betrachteten Digesten- 
stelle das Verbot, keine collegia ittieita zu bilden, 
auch fur sie eingescharft wird, zeigt unumstoss- 
lich, dass sie nicht besser gestellt waren, als die 
blirgerlichen Vereine im Reich (vgl. Halkin Revue 
de Tinstr. publ. en Belgique XXXVHI 371f.). 

Wir haben also in der Kaiserzeit im Gegen- 
satz zur Repnblik eine ausgedehnte Vereinsgesetz- 
gebung, die nach den persOnlichen Anschauungen 
der einzelnen Kaiser und nach den localen Ver- 
haltnissen mehr oder weniger rigoros gehandhabt 
wurde, von mancben Kaisern und in manchen Lan- 
dern. wie in Bithynien, nach 0. Hirscbfeld auch 
in Africa (s. o. S. 393), so rigoros, dass das ganze 
Vereinswesen niedergehalten wurde — und trotz- 
dem begegnen wir auf den Inscbriften einer ganz 
erstaunlichen Menge von Vereinen (am vereins- 
reiehsten sind Rom . Ostia , Lyon und uberhaupt 
die grossen Handelsstadte der Narbonensis, sowie 
auch von Gallia cisalpina, vgl. Waltzing II 158f.) 
gerade aus der Kaiserzeit, die uns, wenn wir die 
juristischen Quellen nicht hatten, keineswegs eine 
solche ins Einzelnste gehende Vereinsbeschriin- 
kung von oben vermuten liesse. Am argsten aber 
steht zu unserem Jnschriftenmaterial in Wider- 
spruch eine Stelle des Gaius (Dig. Ill 4, 1), wo 
von der stark vereinsbeschrankenden Gesetzgebung 
die Rede ist und nur corpora der publicani (liber 
diese s. o. S. 398f.) und von stadtromischen Collegien 
die der Backer. Reeder und einiger anderer als be- 
stehend erwahnt werden. Cohn (160f.) hat dar- 
zuthun gesucht, dass die Stelle in verkurzter 
Form aus justinianischer Zeit uns vorliege, dass 
Gaius eine grosse Aufzahlung von Collegien ge- 
geben habe, aus der die Compilatoren der Digesten 
nur die wichtigsten ihrer Zeit, die der Backer 
und Reeder heraasgegriffen hatten, eine Ansicht. 
der mit Recht Mane" Praef. fabr. 40 und Liebe- 
nam 45 gefolgt sind. Nach Waltzing (Etude 
I 129f.) sagt Gaius nicht, dass es nur wenige 



erlaubte Collegien, sondern dass es nur wenige 
Motive (causae) fur die Concessionierung von 
Vereinen gegeben habe (paucis admodum in 
eausis concessa sunt kuiusmodi corpora). Aber 
dieser Interpretation widerspricht der mit id ecce . . 
angeschlossene Satz, der, hatte Waltzing recht, 
die Andeutung eines oder des anderen Motives als 
Beispiel geben miisste. Ebenso passt nicht der 
der dann folgende Satz item collegia Romae certa 

10 sunt . . . , in dem von den Motiven zur Vereinsbil- 
dung nicht mehr gesprochen wird. Man wird sich 
wohl vorlaufig bei Cohns Aufstellung beruhigen 
oder eine noch starkere Verderbnis der Stelle an- 
nehmen mtissen (vgl. Gradenwitz Ztschr. d. 
Savignystiftung XII 1892, 144). trber die schwie- 
rige Stelle vgl. auch unten S. 498f. 

tTberblicken wir abschliessend den Entwick- 
lungsgang des rSmischen Vereinswesens. Die Zeit 
der Konigsherrschaft und der aristokratischen Re- 

20 publik war die Zeit einer in den Grenzen des ge- 
meinen Rechts sich haltenden Vereinsfreiheit. Die 
Zeit des tiberganges im 7. Jhdt., die Periode, in 
der Oligarchie, Ochlokratie und Militartyrannis 
sich schnell nach einander ablfisten, war die Zeit 
der Extreme , der radicalen Unterdriickung der 
Vereine und der schrankenlosen Vereinsfreiheit, 
der Vereinsanarchie, zngleich die Zeit der politi- 
schen und politisierenden Vereine. Die Epoche 
der Dyarchie war die Zeit der staatlich beschrank- 

30 ten Vereinsfreiheit nach dem Princip der Niitz- 
lichkeit fur den Staat, wahrend die dann folgende 
Zeit der absoluten Monarchic und des omnipo- 
tenten Staates die Vereinsfreiheit vollkoromen 
aufhob und Zwangsvereine durch den Staat selbst 
mit vollkommener Unfreiheit der Mitglieder ent- 
stehen liess, wovon noch zu handeln sein wird. 

III. Die Stadtgemeinde und die Vereine. 
Der Fundamentalsatz lautet (abgesehen von den 
Kiinstler vereinen, die als Wandergesellschaften sich 

40 ausdriicklich an olxovfisvr/s bezeichnen und deren 
Ursprung auf griechischem Boden zu suchen ist, 
[Liebenam 231]): Jedes C. gehort rechtlich 
einer bestimmten Stadtgemeinde an, bezw. einer 
der italischen Stadt gleichgestellten Gemeinde- 
organisation, z. B. der keltischen civitas (Korr.- 
Bl. Westd. Ztschr. IX nr. 98). Der Stadtname 
wird im Genitiv, Locativ oder im Adjeetiv zu c. 
hinzugesetzt. Wo dagegen keine Stadt ist, ist 
auch rechtlich kein Platz fur Collegien. Es ist 

50 daher incorrect und deshalb singular , wenn in 
dem des Stadtrechtes entkleideten Capua neben 
den pagi, die naturlich als Kberreste aus der vor- 
stadtischen Periode bestehen blieben , auch ein 
c. mercatorum sich findet. Schulten (De con- 
ventibus civ. Rom. 117f.) sucht mit Unrecht auch 
in dem canabensischen content us von Mainz — also 
auf ausserstadtischem Territorium — eine Kauf- 
mannsgilde nachzuweisen (vgl. Artikel Conven- 
tus). Bei der Ausdehnung des Stadtgebietes der 

60 antiken Stadtstaaten kam es allerdings vor, dass 
ein C. nicht nnr in dem stiidtischen Centrum (vgl. 
CIL XIV 2793 aus Gabii tabernarii intra mu- 
rum negotiantes) bezw. im Mittelpunkt der ci- 
vitas seinen Sitz und Wirkungskreis hatte, sondern 
auch auf andere Punkte des Stadtgebietes wie 
einen vicus. ein forum oder caslellum desselben 
sich erstreckte und deshalb sozusagen seine Fi- 
lialen hatte, ja dass hier irregular auch selb- 



standige Collegien auftraten. Bei solchen abge- 
zweigten oder vielleicht auch selbstandigen Col- 
legien an nichtstadtisehen Punkten erscheint regel- 
massig das Wort consistere (CIL V 7357 heisst eine 
im vicus Clastidium detachierte Abteilung der 
Placentiner Feuerwehr collegium centona(riorum) 
Placentfinorum) consistent(ium) Glasttdi; ebd, 
4017 die im vicus Arilica stationierte Veronenser 
Schiffergilde : collegium nautarum Veronensium 



Ztschr. VIII 23) und ihm folgend Waltzing (II 
179) ganz richtig zu der Ansicht gekommen, dass 
in einem Handelsemporium wie Lyon die Collegien 
zum Teil ganz, zum Teil in ihrer Mehrheit aus 
Fremden, die nur in der Stadt consistierten (in 
diesem Falle ware Luguduni consistentes eine 
Abkiirzung ftir Lugudunenses et Luguduni con- 
sistentes) bestanden hatten, was durch Inscbriften 
einzelner Mitglieder jener Collegien auf denen 



ArUicae consistentium, ungenau collegium navi- 10 deren Heimat angegeben ist, bestatigt wird (Bei 



mlariorum oder nautarum Arelicensium V 4015. 
4016; vgl. V5446. 5447 und p. 565; hastiferii 
[sic !] sive pastures consistentes Kastello Mattia- 
vorum ist eine Abteilung der liastiferi civitatis 
Mattiacorum [Brambach CIRh 1336. Momm- 
sen Korr.-Bl. Westd. Zeitschr. VHI 1889, 24ff.], 
vgl. auch Henzen 5216 fabri tignuarfi), qui 
foro 8egus(iavorwm) cmsistunt und Rev. Arch. 
XXXVIII 1877, 199, wo es von den in einem 



spiele bei Waltzing a. a. O. 181f.). Ausser 
in Lyon tritt uns diese Bezeichnungsweise verein- 
zelt bei Collegien in Coin (Br am bach CIRh 2041). 
Trier (ebd. 770) und Hispalis (CIL II 1180. 
1183. 1168. 1169 seapharii Romuiae consistentes, 
seaph. qui Romuiae negotiantnr , ungenau sea- 
pharii Hispalenses) entgegen, laruter Stadten an 
bedeutenden Wasserstrassen, also mit ausgedehn- 
tem Handel und Verkehr. Wenig wahrschein- 



Dorfe der civitas Aeduorum ihren Sitz habenden 20 lich ist die Erganzung von CIL XI 3209 : coll. 



opifieii loricarii etwas seltsam heisst: qui in 
Aeduis consistunt et vico Brivae Suguntiae re- 
spondent). 

Consistere namlich ist, sowohl von einzelnen 
Individuen wie von Collegien gebraucht , der tech- 
nische Ausdruck fur diejenigen, die nicht recht- 
lich an dem betreffenden Ort ihren Sitz haben, 
sondern nur vorubergehend oder langer daselbst 
sich aufhalten und den ortlichen Gerichtsstand 



li(n)tionfum quod consistit] Fale[riisJ. 

Die Rolle, die die Collegien innerhalb der 
Stadtgemeinden spielten, war keine unbedeutende, 
da die Mittelclassen und die niederen Schichten 
der Bevfilkerung durch sie zu einer Bedeutung 
gelangten, die sie in der Isolierung nie gehabt 
hatten. Die incorporierten Burger folgten im 
Range unmittelbar der Libertinenaristokratie der 
Augustalen und standen hoher als die nicht in- 



geniessen. Das kann sowohl ftir Personen wie 30 corporierten (plebs urbana), so dass sich folgende 



Personenvereinigungen Bezug haben 1) auf einen 
Ort, wo eine rechtliche Existenz nicht mOglich 
ist, also entweder einen nichtstadtisehen Wohnort 
— diesen Fall hatten wir ftir Collegien in den 
eben aufgezahlten Beispielen — oder eine be- 
stimmte Localitat innerhalb einer Stadt zur Be- 
zeichnung des Sitzes des C, der schola oder eines 
sonstigen Vereinigungsortes, in dieser Beziehung 
wechselnd mit esse (vgl. CIL VI 404 collegium 



Rangordnung ergab : decuriofies, Angustales, eol- 
legiati, plebs urbana (CIL IX 3842. X 451. 5796. 
1881. XIV 4014. Mau<5 Vereine 50. Waltzing 
II 183ff.). Ahnlich wie wir bei den altesten stadt- 
romischen Hand werkerziinf ten von einer bestimmten 
Rangordnung hOrten, so gab es auch in den Land- 
stadten offenbar eine Abstufung im Rang inner- 
halb der incorporierten Bvirgerschaft. Am hoch- 
sten standen nach den Augustalen die im stadti- 



sanetissimum, quod consistit in pracdifijs Larci 40 schen Feuerl6schdienst thatigen Gilden der fabri. 



Maeedonis in curia. 7458 collegium eocorum 
Awg(usti) nfostrij , quod consistit in Palatio, 
aber auch ebd. corpori qui sunt in hae stationem. 
XII 4449 [coll. sajlutare [f]amilia[e] tabel- 
larior(um) Gaesaris nfostri) quae sunt A'oj-- 
hnne in dnmv. VI 9148. 9149. 10260—10264: 
collegium quod est in domu Sergiae L. f. Paul- 
linae. Festus p. 333M. in Aventino aedis Mi- 
ner me, in qua liceret scribis histrionibusque 
consistere ae dona, ponere. CIL VI 9404 coll. 50 
fabrnm . . . qui consistunt in scola sub tlieatro 
Aug. Pompeiano. Allmer Musde de Lyon II 
nr. 171 : negotiatores vinari [Lug.] in Kanabis 
consistentes, vgl. Waltzing I 215 mit A. 1 und 
2. 218, 3). 2) Auf Personen , die in einer Stadt 
oder einem der Stadt gleichstehenden Gemein- 
wesen nicht heimatberechtigt sind. Auf diese 
Bedeutung von consistere wird im Artikel Con- 
ventus zuruckzukommen sein. In solcher An- 



centonarii und dendrophori, welche oft kurz als 
tria collegia der Stadt (CIL V 7881. 7905. 7920. 
XI 5416), ja direct als tria collegia principalia 
(CIL XI 5749 = Wilmanns 2858) bezeichnet 
werden. In Sudfrankreich hatten in manchen 
Stadten die Schiffergilden eisrene Platze im 
Theater (CIL XII 3316. 3318 c. 714. Korr.-Bl. 
Westd. Ztschr. II nr. 104f.; vgl. CIL XIV 40. 
Liebenam 284). 

Haufig traten alle Collegien einer Stadt in 
Gemeinsamkeit auf (collegia omnia CIL V 4449. 
4484. 7375. XI 6033. 6070. 6071. XII 4255. 
IX 2998. XI 4589. Allm er Muse"e de Lyon II 144 
omnia corpora Luguduni licite eoeuntia) oder 
haben einen gemeinsamen Patron (CIL XI 5054. 
Wilmanns 2226. 2638. CIL V 4484). Bei Fest- 
zugen zu Ehren der Kaiser oder municipaler 
Grossen erscheinen sie, wie die mittelalterlichen 
Innungen, mit den Zunftbannern (ein vex(illifer) 



wendung bei Collegien in stadtischen Gemein- 60 [coll]e falwofr.) in Samiizegetusa CIL III Suppl. 



wesen hat das Wort verschiedene Erklarung her- 
vorgerufen. In Lugudunum haben z. B. die Mit- 
glieder fast aller Vereine die nahere Bestimmung 
consistentes bei sich. Dies hat Mane" (Philologus 
1888, 495) zu der Annahme bewogen, dass con- 
sistere hier die Bedeutung habe ,als Colleg mit 
staatlicher Genehmigung seinen Sitz an einem Ort 
haben'. Dagegen sind Momms en (Korr.-Bl. Westd. 



7900 ; vexillarii desselben C. CIL HI 1583. AtcL- 
epigr. Mitt. XH 34), so im Trauerzug fur Per- 
tinax (Cass. Dio LXXIV 4), bei den Triumph- 
zugen des Gallienus (Hist. Aug. Gall. 8, 6), des 
Aurelian (Hist. Aug. Aurel. 34), des Constantin 
(Panegyric! lat^VUI 8 p. 187 Baehr. ; vgl. uber die 
DarsteUung eines solchen Festzuges auf einem 
Wandgemalde N i s s e n Pomp. Studien 349ff. 



415 



Collegium 



Collegium 



416 



417 



Collegium 



Archaeol. Zeitung XVII 1850, 177). Vereinigungen 
von Collegien verschiedener Stadte kommen nicht 
vor. Vielmehr blieben sie durchaus auf eine Wirk- 
samkeit innerhalb localer Grenzenbeschrankt. Eire 
hervorragende Beteiligung an den Municipalwahlen 
zeigen die Graffiti in Pompeii (einiges daraus bei 
Liebenam 35f.). Das nahe Verhaltnis zu den 
stadtischen Beamten illustriert die Thatsache, 
dass viele von letzteren als Patrone, ja sogar als 



Collegium 



418 



I. Die Fragmente der Statuten zweier gewerb- 
licher Collegien: 

1) einer Walkerinnung (e. aquae) aus der spat- 
republicanischen oder friihaugusteischen Zeit : CIL 
VI 10298. Bruns Fontes& 320ff. Rudorff 
Zeitschr. f. gescb. Rechtswissenschaft XV 203ff. 
(nach ihln eine sacrale Brunnengenossenschaft). 
Mommsen ebd. 326ff. 348ff. ; 

2) eines Vereins der Elfenarbeiter und Kunst- 



Beamte der Collegien uns entgegentreten, (vgl. 10 tischler uirter Hadrian: Htil sen R6m. Mitt. 1890, 



z. B. CIL IX 3923. XIV 314. 372. 409. 2809. 
Orelli 2675. CIL m 1051; vgl. 1082. 1083. 
1424 u. s. w.), wahrend umgekehrt die Vereine 
bffentlich verdienten Mannern der Stadt Ehren- 
bezeugungen zu teil werden liessen (CIL XIV 
3643. XII 3165 b, IX 5835. 5836). Die enge 
ZusammengehOrigkeit von Stadt und stadtischen 
Collegien tritt endlich zu Tage in dem Umstande, 
dass der Stadtpatron oft zugleioh der der Col- 
legien ist (vgl. z. B. CIL XI 5054. 6070), und 20 
in mancher Unterstiitzurg und Ehrung verdienter 
Collegien duroh die Stadt bezw. die stadtische 
Curie (z. B. CIL XII 1182. X 1786). 

In Kleinasien waren in vielen Stadten die 
Beschliisse von Vereinen der Bestatigung von 
ftovAr/ und dfj/iog unterworfen (Ziebartb Griech 
Vereinsw. 109. 113). Eine ganz singulare Er 
soheinung begegnet uns in Philadelphia, wo das 
Volk nach Handwerkerziinften eingeteilt war (L e 



287ff. ; vgl. 0. Gradenwitz (mit Bemerkungen 
von Mommsen) Ztschr. der Savigny-Stiftung E.A. 
XI (1890) 72— S3. Xn (1892) 138—145. 

II. Die Statuten mehrerer militarischer Col- 
legien aus Lambaesis, der eornicines: CIL VIII 
2557. Bruns FontesS 323. Liebenam 806ff., 
der optiones, und Fragmente von drei anderen 
(vgl. CIL VIII 2552. 2553. 2554. 2556), alle aus 
der Zeit des Septimius Severus. 

III. Zwei Statuten von collegia tenuiorum 

1) kx eollegii Dianae et Anti-noi zu Lanu- 
vium aus dem J. 136, CIL XIV 2112. Bruns 
Fontes5 315ff. Mommsen De coll. 98ff. ; Ztschr. 
f. gesch, Rechtswiss. XV 357ff. ; 

2) lex eollegii Aesetdapi et Hygiae zu Rom 
aus dem J. 153. CIL VI 10234. Huschke Ztschr. 
f. gesch. Rechtswiss. XII 185ff. Bruns 318f. 

Endlich ist noch hieher zu Ziehen 

3) die lex der euria lovis von Simitthus, 



Bas 648 [= CIG 3422]. 656; vgl. dariiber A.SOwelche in Form eines e. funerat ieium organisiert 



Wagener Rev. de l'instr. publ. en Belgique 
1868, lOf. Bull, de l'Acad. royale LIX 1 [1889] 
413. Waltzing I 173f.) ; anders Ziebarth 
a. a. 0. 108. 

IV. Grundziige der Organisation der 
Collegien (vgl. Schiess 4lf. Liebenam 
159ff. Waltzing I 334ff.). Auch in der inne- 
ren Organisation ist das C. die Gemeinde im 
kleinen, d. h. die collegiale Organisation ist im 



war, aus dem J. 185 n. Chr. : CIL VIII 14683. 
J. Schmidt Rh. Mus. XLV (1890) 599ff. 

Auf die selbst gegebenen Statuten grimdete 
sich die innere Autonomie der Collegien, die nur 
bei den collegia tenuiorum infolge der schon er- 
wahnten Beschrankung des Versammlungsrechtes 
keine vollstandige war. 

Auf diesen Statuten, die nach unseren Be- 
griffen eigentlich recht unvollstandig sind (daruber 



allgemeinen ein getreues Abbild der stadtischen. 40 Waltzing I 372f.) ruhte unter anderem die 



Mit Bezug auf die rechtlichen Verhaltnisse spricht 
das deutlich Gaius aus (Dig. Ill 4, 1 quibus 
autem permissum est corpus habere eollegii so- 
cietatisfve) [Cohn wohl richtiger sodaliciive] sive 
cuntsqtie alterius coram nomine proprium est 
ad exemplum, rei pnblieae hahe're res com- 
munes, aream communem et actorem sive syn- 
dicum, per quern tamquam in republica, 
quod commuuiter agi fierique oporteat, agatur 



Strafgewalt des C. gegen seine Mitglieder; da- 
her iiber der lex des lanuvinischen C. die be- 
herzigenswerten Worte stehen : Tu qui novos in 
hoe collegio intrare vole[s pr]ius legem perlege 
et sic intra, ne postmodum queraris aut he- 
redi ttw con-trover fsi') 'am rebnqu-os. 

Die Begriindung eines C. geschah wohl im 
allgemeinen durch den freien Willen der Betei- 
ligten. Der Ausspruch des Neratius: tres facere 



fiat). Aber die Ahnlichkeit erstreckt sich auch 50 collegium (Dig. L 16, 85) will nur besagen, dass 



auf die ausseren Formen der Organisation, womit 
wir zunachst beginnen. 

Die Grundlage der collegialen Verfassung wie 
der Stadtverfassung bildet ein Statut, der lex 
municipalis entspricht die kx ( auch paetio 
oder eonventio) eollegii. Schon durch die zwolf 
Tafeln war den Collegien das Recht verliehen, 
sich selbst Statuten zu geben, wofern nur nicht 
die Staatsgesetze dadurch verletzt wurden (Dig. 



die Minimalzahl drei sei, weil anderenfalls die 
Moglichkeit einer Mehrheit ausgeschlossen ist (vgl. 
Per nice Labeo II 292). Zuweilen horen wir 
von einem constitutor eollegii, worunter offenbar 
derjenige zu verstehen ist, dem man die Anregung 
zur Grundung des C. verdankte (CIL VI 10251 a. 
XIV 3659). 

Die AuflOsung der Vereine war im allgemeinen 
eine freiwillige, eine gezwungenc nur, wenn der 



XLVII 22, 4 his [i. e. sodalibus, qui eiusdem 60 Verein staatsgefahrliche Tendenzenverfolgte, iiber- 



collegii sunt] potestatem facit lex, pactionem, 
quam velinl, sibi ferre, dum ne quid ex pu- 
blico, lege eorrumpant , denn nach Dig. II 14, 
38 ius publicum privatorum pactis mutari non 
potest). 

Von leges coltegioriim sind uns erhalten (vgl. 
Karlowa Rechtsgesch. 1 813ff. Liebenam 181f. 
Waltzing I 371): 



haupt wenn er ein c. illkitum war. Eine frei- 
willige AuflCsung musste Offentlich erklart werden, 
da im anderen Falle mit dem Namen die Ge- 
nossenschaft als bestehend erachtet wurde, selbst 
wenn nur ein Mitglied noch vorhanden war (Ulp. 
Dig. m 4, 7, 2). Eine solche effentliche Er- 
klarung einer beabsichtigten AuflOsung ist uns 
erhalten von seiten des magister und der Quae- 



storen eines Sterbevereins von Alburnus maior 
in Dakien aus dem J. 167 n. Chr. (CIL III p. 924. 
Bruns Fontes 5 319f.), und zwar hier wegenMangels 
an Mitgliedern. 

Was die Zusammensetzung der Collegien be- 
trifft, so ist schon darauf Mngewiesen, dass bei 
den Handwerkerziinften keineswegs ausschliess- 
lich AngehOrige des betreffenden Berufes aufge- 
nommen wurden, besonders bei den collegia fabro- 
rum (s. o. S. 395. CIL VII 11 eoll. fabror(wm), et 
qui in eo [sunt]; vgl. Plin. ep. ad Trai. 33 
ego attendam ne qms nisi faber recipiatur ; vgl. 
M a u e Vereine 5, 7), aber auch bei anderen (CIL 
XII 1929 scaeniei Asiatieiani et qui in eodem 
corpore sunt), am auffallendsten in Lugudunum 
(vgl. Liebenam 258f. WaltzingI341ff ; ).Haufig 
gehOren Beamte eines Collegs einem anderen Be- 
ruf an, als die Mitglieder selbst. Erwahnenswert 
sind auch die Doppelcollegien , zusammengesetzt 
aus Leuten von zwei ahnlichen Gewerben, wie 
das C. der Elfenbeinarbeiter (eborarii) und Kunst- 
tischler (citriarii), Rom. Mitt. 1890, 287ff. Doch 
verbot dasselbe C. seinen Curatoren ausdriick- 
lich die Aufhahme irgend eines anderen Hand- 
werkers, der nicht den beiden genannten ange- 
horte (vgl. Gradenwitz Zeitschr. der Savigny- 
stiftung XI 76f. XII 140). Die Vereinigung der 
fabri und eentonarii zu einem einzigen C, wie 
sie feststeht fur Mailand (CIL V 5761. 5738), 
Trea (IX 5653) und Regium Lepidum (XI 970), be- 
ruht wohl auf dem gemeinsamen Feuerloschdienst. 

Wie weit ein gewisses Alter fur den Ein- 
tritt in das C. vorgeschrieben war, wissen wir 
nicht. Wir kennen aber Collegien, die auch 
Kinder aufnahmen (Waltzing I 348), besonders 
religiose Collegien (ebd. 245). Frauen waren in 
Collegien von Mannem offenbar nicht zugelassen, 
wiihrend Berufe, die den Frauen allein reserviert 
waren, sich ebenfalls in Collegien organisierten 
(CIL VI 10109 sociae mimas. EX 2480 coll. 
cannoforarum u. s. w.). Bei dem conlegium aquae, 
das, wie wir gesehen haben, aus fidlones zusam- 
mengesetzt war, musste jeder, der Mitglied sein 
wollte, zwei staatliche fullonicae gemietet haben 
(CIL VI 10298 Z. 14f.). Die Beteiligung von 
Sclaven an Handwerkercollegien , die Dirks en 
(Civil. Abhandl. II 81f.) und Mommsen (De coll. 
77f.) noch leugneten, hat Waltzing (I 346f.) 
an der Hand des erweiterten Inschriftenmaterials 
nachgewiesen. 

Vielfreier in ihren Aufnahmebedingungen waren 
die collegia tenuiorum. In ihnen flnden sich 
Frauen und Sclaven, letztere sogar in grosser 
Menge, weil sie nur hier auf ein anstandiges Be- 
grabnis rechnen konnten, ja es gab Sterbevereine 
aus lauter Sclaven (Schiess 39). Aber gesetz- 
lich wurde gefordert, dass die Aufhahme von 
Sclaven in ein C. nur mit Zustimmung ihres Herrn 
erfolgen durfte (Marcian. Dig. XLVII 22, 3, 2). 

Uber die Zusammensetzung der militarischen 
und der Veteranenvereine ist schon gehandelt. 

Die Mitgliederzahl war offenbar sehr verschie- 
den; die uns erhaltenen schwanken zwischen 16 
(CIL XIV 252) und ca. 1500 Personen (CIL VI 
1060. 9405. 10300); vgl. die Zusammenstellung 
bei Waltzing I 350f. Plinius (ep. ad Trai. 
33) bezeichnet fiir ein coll. fair. 150 Mitglieder 
als eine kleine Zahl. 

Pauly-TViBSOwa TV 



Die Gesamtheit der Mitglieder heisst in Nach- 
ahmung des stadtischen Vorbildes populus oder 
plebs eollegii, letztere Bezeichnung im Gegensatz 
zu den Beamten. tTber die Abstufung innerhalb 
des Mitgliederbestandes und die Mitgliederzahl 
geben uns die erhaltenen Mitgliederverzeichnisse 
(alba) Aufschluss. Dieselben wurden, wie die 
stadtischen alba deourionum, bekannt gemacht, 
damit nicht Fremde sich die durch die Mitglied- 

10 schaft gebotenen Vorteile zu Nutzen inachen 
konnten (CIL VI 10407 qui Irnee nomina soci- 
orum aboleverit, ut is neque apud deos superos 
nee inferos accept(us) sit). Die erhaltenen sind 
zusammengestellt beiLiebenaml87. Waltzing 
I 364f. : die meisten von den grossen Collegien 
in Ostia, von einem sogar zwei, eines aus dem 
J. 152 n. Chr. (CIL XIV 250) und ein zweites 
aus dem J. 192 (ebd. 251), woran wir die Ver- 
anderungen in der Genossenschaft innerhalb 40 

20 Jahren studieren konnen. Die Anordnung ist 
nach der Anciennetat gemacht, die plebs eollegii 
ist von 125 auf 258 gestiegen. Meist sind die alba 
ein treues Abbild der Hierarchie und ist folgende 
Reihenfolge die Regel: patroni, Beamte (quin- 
quennales perpetui, quinquennales oder magistri, 
euratores, quaestores, saeerdotes u. s. w.), gewesene 
Beamte wie quinquennalieii (XIV 246), allgemein 
lionorati, dann (falls das C. solche hatte) de- 
curiones, allenfalls immunes oder immunes re- 

SOcepti, darnach die gewohnlichen Mitglieder, ge- 
ordnet nach Decurien (CIL XI 1449. VI 647. 
631. X 1403, Curien III 4150), nach dem Alphabet 
(XIV 3951—3954) oder viel hauflger nach dei 
Anciennetat (XIV 250. 251 s. o.), zum Schluss 
die Bediensteten der Corporation wie scribae, via- 
tores u. s. w. Uber die Ereignisse in den Collegien 
wurden Jahrbiicher (fasti) gefiihrt, von denen 
allerdings nur eine geringe Anzahl und diese 
meist fragmentarisch erhalten sind (CIL XIV 258 

40 bei Waltzing I 364. VI 10299. 10395. 8639 =- 
X 6637. 6638 = I p. 327. VI 10286f. 10288. 
10289. Bull. d. Inst. 1871, 150; vgl. Liebe- 
nam 190f. Waltzing I 362ff.). Jedes C. hatte 
seine Aera, indem man vom Grtmdungsiahr ab 
nach Lustren (CIL VI 384. XIV 2630) oder nach 
einzelnen Jahren (V 5578. 5612. 5738. 5878. M o m ra- 
se n CIL V p. 635) rechnete. Die Fasten gaben zu 
den einzelnen Jahren die Namen der Consuln und 
die magistri des Jahres bezw. des Lustrum, matich- 

50 mal auch die neu aufgenommenen Mitglieder = 
adlecti (so CIL XIV 258). Mit Hiilfe hiervon 
kann man bei einigen Collegien das Grundungs- 
jahr ausrechnen, so fiir das c. fabrum tign. in 
Rom das Jahr 747 = 7 v. Chr. (CIL VI 10299 ; 
vgl. Liebenam 196f.). 

Wie die Stadte zerfallen die grOsseren Vereine 
in Unterabteilungen, entweder Decurien oder Cen- 
turien , die manchmal wieder ihrerseits aus De- 
curien sich zusammensetzen, ohne dass damit 

60 immer genau Abteilungen von 10 oder 100 ge- 
meint sind (wie CIL VI 631), Speciell von den 
von Clodius organisierten quasicollegialen Banden 
wird uns dies mehrfach berichtet (Cic. post redit. 
ad Quirit. 13; pro Sestio 34; de domo 13; ad 
Quint, fr. II 3,_5 decuriati; vgl. Art. De curia). 
Die Einteilung in Centurien scheint besonders 
beliebt gewesen zu sein bei den collegia der fabri 
und eentonarii, deren Beruf als Feuerwehr die 

14 



419 



Collegium 



Collegium 



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Collegium 



Collegium 



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Annaherung an mehr militarisehe Organisation lien in den collegia domestica : decuriones et fa- 

begreiflich macht (CIL V 5892 ausComum: een- milia: CIL VI 10352. 10357. 10045, decuriones 

turia eentonar(iorum) dolabrarfiorum) scalar(i)- et plebs VI 10353). Bei den Collegien der grie- 

or(um), dariiber Hirschfeld S.-Ber. Akad. chischen Stadte des Ostens steht sehr selten ein 

Wien C VII 246); das vereinigte C. der fabri und derartiger VerwaltungskOrper an der Spitze, so 

eentonarii in Mailand zerflel in 12 Centurien, bei den Purpurfarbern in Hierapolis eine oeftvo- 

die ihrerseits eine Anzahl Decurien umfassten rdrn siQoedoia (Le Bas 1687b. Rev. arch. 1887, 

(CIL V 5612. 5701. 5738. 5869. 5888, tiber 5892 354. Americ. Journal of Arch, in 848), bei dem 

und 5847 vgl. Mommsen p. 635. 1191. 1199). usya oweQyiov von Side unter dem Namen ye- 
An der Spitze der Centurien atehen cmturiones 10 Qovoia (CIG4346. Le Bas 1385, vgl. Waltzing 

und optiones (vgl. CIL V 5738. 5701) in vSlliger I 383. Ziebarth Gr. Vereinsw. 149). 

Nachahmung militarischer Verhaltnisse, wozu es Neben bezw. fiber den Decuriones stand die 

gut stimmt, wenn bei deu fabri tignuarii in Beamtenschaft der Collegien, deren einzelne 

Ostia die gewohnlichen Mitglieder als caligati Stellen in einem regelrechten Cursus honorum 

oder Humerus militum caligatorum (CIL XIV zu durehlaufen waren, so dass uns, wie in den 

128. 160. 374, numerus bei eentonarii auch XII Stadten, omnibus honoribus funoti begegnen (CIL 

526) bezeiebnet werden (vgl. auch seqtiella eollegii XI 2643. XIV 352. Inscr. helvet. 212 u. s. w.), 

centonariorum CIL XI 5749), wenn wir oben Leute, die dann schliesslich noch die Ehrenstel- 

gesehen haben, dass in diesen Vereinen Vetera- lung eines patronus in ihrem C. einnehmen. 
nen als Mitglieder auftreten und wenn in Ne- 20 Die Zahl der Beamten wechselt nach der Be- 

mausus an der Spitze der fabri als Feuerwehr deutung und GrOsse des C. Es waren Ehren- 

der praefectus vigilum et armorum steht, wie amter, zu denen man durch Wahl der Mitglieder 

Hirschfeld nachgewiesen hat (a. a. O. 240f.). gelangte, gewohnlich auf ein Jahr oder auf ein 

Die Einteilung der Collegien in Decurien ist weit lustrum, ohne dass Wiederwahl oder dauernde 

haufiger (eine Aufzahlung solcher Collegien bei (j'bertragung eines Amtes ausgeschlossen war. 

Liebenam 191f. Waltzing I 359f., einmal Anch war es gestattet, derselben Personlichkeit 

auch Curien CIL III 4150), besonders beliebt in mehrere Amter zu tibertragen, selbst in versehie- 

Sterbevereinen und ganz allgemein bei den Scla- denen Vereinen (vgl. CIL XIV 430. 309. IX 5450. 

venvereinen im kaiserlichen Palast. An der Spitze V 4449 : in omnibus eollegiis magisterio per- 
der Decurie steht ein Decurio, nach dem die De- 30 functus). Wahrend der Amtsdauer genossen die 

curie manchmal ihren Namen hat (aber auch Beamten (auch die subalternen, von denen noch 

andere Arten von Benennung z. B. decuria Apol- zu reden sein wird) Immunitat, die zuweilen 

linaris bei den c. fabrum von Aquileia, H. Pais auch in perpetuum'bemlligtwur&e (CIL VI 10332). 

CIL V Suppl. ital. I 181). Die Mitglieder solcher ferner grOssere Sportelanteile (die magistri nach 

Collegien nennen sich auch Decuriales, die Ge- der lex coll. Dianae et Ant. duplas partes, nach 

samtheit der Decurien wird manchmal zur Be- der lex Aescul. et Hygiae das Dreifache, die cu- 

zeichnung des ganzen C. gebraueht (CIL XIV ra fores das Doppclte; vgl. CIL VI 10302 quin- 

160 numerus caligatorum decuriarfum) XVI quennalis immunis triplicarius. 10295 ma- 

colleg(ii) fabrum tignuarfioruni) Ostis. TLl 1043 gistri sesquiplicares). Die obersten Beamten 
ex decfuriisj (oder decuria?) XI). Die einzelnen 40sind eponym, also namentlich magistri oder quin- 

Decurien wie die Centurien hatten ilire eigene quennales, oder diese und curatores bezw. letztere 

Verwaltung, in Salona hatte jede Decurie der allein (so bei zahlreichen Begrabnisvereinen, was 

fabri ihre eigene Casse (CIL III 2107), in Sar- die Curatoren als die hochsten Beamten hier er- 

mizegetusa die erste Decurie derselben Kflrper- weist). 

schaft ihren eigenen Patron (CIL III 7960) u. s. w. Die Beamten sind oft mit stolzen Titeln ge- 
Die Gesamtheit der Dneurienvorsteher = de- schmuekt. Neben den in der Kegel auftretenden 
euriones bildeten in manchen Collegien, die gleich magistri oder quinquennahs , curatores , quae- 
den Stadten der Kaiserzeit die alte demokratische stores kommen auch Titel vor wie tribunus (CIL 
Organisation verlassen hatten, einen eigenen A'er- XIV 169. Ill 4038), aedilis (III 5678. XIV 2636. 
waltungskcrper des Gesamtcollegs . entsprechend 50 3864. VI 9288. 9289. Ill 633), ja sogar praetor 
dem stadtischen ordo decurionum, eine Benen- (XI 3215. 3256j, duumviri (VI 9144 = Ii 1107), 
nung, die auch bei den Collegien vorkommt (CIL triumriri (VI 9290a und b. 9291) u. s. w. 
VI 148 = XIV 5. VI 807. 10333). Viel hau- Magistri begegnen uns an der Spitze der 
figer ist jedoch die einfache Ausdrucksweise de- meisten sacralen und gewerblichen Collegien, wenn 
euriones (schwer zu erklaren ist ein collegium sie auf die Dauer von fiinf Jahren, ein lustrum, 
decurionum CIL III 6077, dariiber Waltzing gewahlt sind, quinquemwles genannt (einmal auch 
I 382, 6) oder bios ordo (wohl zu unterscheiden ein auf zehn Jahre gewahlter Vorsteher = ma- 
yon ordo als Bezeichnung des Gesamtcollegs, s. o. gister decefmjannalis CIL VI 543). Dass quin- 
S. 381). Die Beschliisse tragen in der Regel die quennalis spater die Bedeutung des fur ein Lu- 
Bezeichnung decreta decurionum , nicht deereta 60 strum gewahlten Magister verloren hat, zeigt das 
ordinis decurionum, wie in den Stadten. In den nicht seltene Vorkommen von quinquennahs per- 
gewerblichen Collegien und in den Sterbevereinen petui = VoTsteher auf Lebenszeit. Im Pall, dass 
sind die decuriones mit den honorati zusammen- ein und dasselbe C. quinquemwles und quin- 
genannt (= honorati et decuriones) und bilden quennales perpetui hat, ist letzteres wohl ein Ehren- 
einen von der plebs eollegii streng geschiedenen titel. Die magistri treten meist in der Mehrzahl 
Stand, wie die Decurionen gegenfiber der Plebs der uns entgegeii, meist 2. 3, 6 oder 10. Schiess 
Stadte (vgl. CLL XIV 128 = VI 1116: honorati et (43) glaubt die Beobachtung gemacht zu haben. 
decuriones et nUmerus militum caligatorum, ahn- dass, wenn es mehr als zwei Magistri gab , andere 



Beamte selten vorkommen, dass vielmehr wohl vereinen der eultores sowie in anderen collegia 
in diesem Falle die magistri wie die IV viri funeraticia (vgl. Schiess 51) und in den col- 
der Municipien ein C. bildeten, das sich in die legia iuvenum (CIL V 4416. 4459. X 5919), deren 
verschiedenen Functionen teilte. Die Thatig- religioser Charakter dadurch erwiesen wird (s. o. 
keit der Magistri hat man friiher falschlich als S. 388). Hier sind saeerdotes die obersten Beamten 
eine rein sacrale aufgefasst (Cohn 14, 31. Mau£ und als solche eponym. An der Seite der magistri 
Praef. fabr. 62; vgl. Mommsen St.-E. 18 8). treten saeerdotes (aQX'^e^s) auf bei den Kauf- 
Sie hatten allerdings die Leitung des Cultes mannscollegien in Delos und den Vereinen scae- 
im C., gerade so wie die Vorsteher des Hauses, nischer Kiinstler, bei letzteren auch in den west- 
der gens, des Staates den Cult in dem ihnen 10 lichen Teilen des Eeiches (Waltzing I 390). 
unterstehenden Kreise zu leiten hatten. Aber An der Spitze der curia lovis von Simitthus (CIL 
es war das nur eine ihrer vielen Functionen, VIII 14683) steht ein flamen. 
die in sacrale und civile sich scheiden lassen. Fast in alien Genossenschaften finden sich ein 
Zu jenen gehorte die Ausrichtung des gemein- oder mehrere Curat or en, besonders in den Sterbe- 
samen Opfers , die Herrichtung und Leitung des vereinen, wo sogar manchmal Curatoren an Stelle 
OpferschmausesundsonstigerreligiGserFestmahler der magistri die leitenden Beamten und daher 
(vgl. lex coll. Lanuv. CIL XIV 2112 ii 29—30. eponym sind (CIL VI 4418. 4419 [vgl. Schiess 
X 444. V 4489. XI 126), die Abhaltung von Spielen 59f. uber curator quinquennalis in der ersten 
(X 6679. IV 3424. Ascon. in Pison. 6f. s. o.) u. s. w., Inschrift und VI 10334—10336]. 4470. 4480. 4481. 
wobei der Magister die weisse Toga, das Priester- 20 4692. 4711. 9322. 10100. 631. 10231: immunes 
gewand. trug (Ascon. a. a. 0. lex von Lanuv. et curator et pleps universa eollegii). In der 
CIL XIV 2112. II 27—30), zu diesen die Ein- Eegel aber ist es eine dem Amt des magister oder 
berufung und Leitung der Versammlungen des quinquennalis untergeordnete Function (CIL XIV 
C, die Oberaufsicht uber die Beobachtung der 316 huic (sexjviri AugfustalesJ post curam quin- 
Statuten , Handhabung der Disciplin im Inneren quennalitatem optulerunt. VI 1872 patroni, quin- 
(Geldstrafen, multae dictio CIL VI 10298), Aus- quennales perpetui, magistri, curatores, Auf- 
fiihrung neuer Beschliisse des C, die Oberauf- zahlung in absteigender Reihenfolge und so after), 
sicht uber die Casse und das Vermogen der Das Amt (curatura oder curd) ist jahrig^ (nur 
Genossenschaft, Herstellung der Festmahlzeiten selten curatores quinquennahs, s. o.), aber Wieder- 
und Verteilung der Sporteln dabei (dafiir manch- 30 wahl ist gestattet. Die Zahl ist verschieden (1, 
mal besondere magistri cenarum, lex Lanuv. 2, 3, 4 bis zu 5 Curatoren). Die Functionen 
CIL XIV 2112. ii 15ff.), bei den Sterbevereinen sind nicht subaltern. Wir finden reiche und ein- 
Anweisung der ollae und Auszahlung der fune- flussreiche Leute in diesem Amte, welche in der 
raticia. Die Nachahmung des hochsten Amtes Stadt Ilvir waren oder gar alle municipalen Ehren 
in den Municipien zeigt sich in der Bezeichnung durchgemacht hatten (CIL V 4333. Allmer Muse'e 
magistri designati vor dem Amtsantritt am 1. d. Lyon II 180), in den Sterbevereinen aber auch 
Januar (CIL VI 10319. 10333 cur. desig.), der Fra-uen. Die Competenz dieser Beamten lasst 
Zahlung einer summa honoraria bcim Antritt des sich schwer im allgemeinen feststellen, ,da natur- 
Amtes (H. Pais CIL V Suppl. ital. I 669), gemass in jedem Verein die Verteilung der Ge- 
dem Zuerkennen eines Ehrensitzes (bisellium) an 40 schafte von der Anzahl der Beamten abhing' (Lie- 
die magistri, woher sie den Titel bisdlarii be- benam 207). Bei zwei ihrem Zweck nach so 
kamen, in der Wahl von Suffecti fur im Amt ge- verschiedenen Gruppen von Collegien, wie den 
storbene Magistri. Nach Ablauf des Amtes mussten Sterbevereinen und den Feuerwehren , sehen wir 
die magistri Rechenschaft ablegen, woruber die sie jedoch in derselben Richtung thatig, namlich 
Statuten des c. aquae sehr eingehende Bestim- fur die Beschaffung und Instandhaltung des zur 
mungen haben. Audi bei der AufiOsung des c. Erreichung des Vereinszwecks notwendigen Ma- 
lovis Cerneni in Alburnus maior legt einer der terials und der dem Vereine gehOrigen linmobi- 
beiden magistri Rechenschaft ab (CIL III p. 924). lien. Bei den collegia funeraticia leiteten sie 

Strittig ist die Deutung der neben oder fur die Errichtung und Besorgung der Grabmonu- 
die magistri in Brixia eintretenden officiates (CIL 50 mente (Schiess 59f.), bei der Bestattung selbst 

V 4488. 4449). Nach Schiess (50) ist es eine hatten sie die Verteilung der ollae in der Hand, 

BehOrde, auf die der sacrale Teil des Magister- was die Feuerwehren betrifft, so begegnet uns 

amtes iibergegangen war, nach Liebenam (287) ein curator instrumenti Vermiaes(ium) ex nu- 

die Diener der Magistri. nach Waltzing die fac- mero colleg. fabrforumj (CIL V 3387), also ein 

tischen Vorsteher, welche das officium der ma- Geratewart. Der Dmstand, dass ihr Name mit oder 

gistri ausfullten, wahrend der Titel reichen, ein- ohne die der Magistri auf den von den Collegien 

flussreichen Lenten iibertragen war, die sich urn errichteten Statuen bezw. an deren Scholae steht, 

die Geschafte nicht kiimmerten. Doch ist bei weist darauf bin, dass sie die Errichtung bezw. 

der letzteren Erklarung auffallend, dass an Stelle Reparatur dieser Bauten leiteten (Nachweise bei 
von drei seviri Augustales in Brixia, die ma- 60 Waltzing I 410, 2). Dass sie dadurch Bezie- 

gistri in omnibus eollegiis der Stadt waren, fiint hungen zur Finanzverwaltung des C. bekamen, 

Manner es sind. qui magister (io) eor(um) officfioj ist natiirlich, daher anzunehmen ist, dass Cura- 

funeti sunt (CIL V 4449). toren in Collegien, die keine Quaestoren hatten. 

Fur magistri finden wir saeerdotes bei den auch die Cassengeschafte und alles, was damit 

religiOsen Vereinen, z. B. fur orientalische Gott- zusammenhing, besorgten, vgl. die 4 curatores 

heiten (Isis CIL VI 355, Mithra Bull. com. d. arcae bei ieoLcolleghim fabrum et centonario- 

Roma 1884 nr. 869, Iuppiter Heliopolit. CIL VI rum in Mailand und dem coll. fabrum in Antium 

422, Dolichenus VI 406. 409. 413). bei den Sterbe- (CIL V 5612. 5738. 5869. X 6675; vgl. ausser- 



4^3 



Collegium 



Collegium 



424 



dem ebd. 6677 und das Statut der eborarii et bach CIEh 1049) gehort nicht hierher (dariiber 
citrwrn, Gradenwitz Zeitschr. der Savigny- vgl. Kornemann De civ. Rom. in imp. consist. 
Strftung E. A. XII 1892, 140f.). In anderen Col- 82f.). Beztiglich der defensors macht Waltzing 
legien sind Curatur mid Quaestur cumuliert (CIL rait Kecht einen Unterschicd zwischen denen vor 
VI 10333. Allmer Musee de Lyon II 189). Alexander Severus und denen, die dieser Kaiser 
Neben diesen Competenzen mehr finanzieller Natur aus der Mitte der Collegien als Rechtsbeistand fiir 
finden wir die Curatoren auch betraut mit der dieselben emannte (Hist. Aug. Alex. Sev. 33, dariiber 
adlectw, der Prufung der Zulassttng neuer Mit- unten S. 451). Die vorseverischen scheinen ihm 
glieder (am deuthchsten wieder das erwahnte Leute zu sein, die ihrer socialen Stellung nacb 
Statut der eborarii, Gradenwitz a. a. 0. 138 10 liber und daher auch ausserhalb der Collegien 

L. 4—7), wofur bei anderen Collegien besondere stehen, etwa wie die Patrone , also = Beschiitzer, 
Jrfotr % lketores collegii bestanden (CIL VI Protectoren der Collegien (vgl. CIL XIV 4144 
355. 950. 3756; vgl. Waltzing I 356. Rug- aus dem J. 147 n. Chr.: ein romischer Bitter 

giero Diz. epigr. I 422). patronus et defensor der V corpora lenuneula- 

iiinen quaestor (arcarius bei religiflsen Col- riorum Ostiensium; vgl. CIL VI 1649. Ill 
legien und Sterbevereinen, griech. rauias) oder, 1438. 1500). Sie batten die Interessen des C. za 

was haufiger ist, zwei (auch drei kommen vor; schiitzen (vgl. die erwahnte Inschrift aus Ostia). 

uber die Zahl vgl. S chiess 61, 166) hatten nicht Eine Anzahl Collegien hatten neben Magistri auch 

alle Ullegien. Ausser den Curatoren haben oft noch ministri, meist Sclaven, die Bedienten jener. 
die Vorsteher der Collegien die Cassengeschafte 20 Uber den Praefectus collegii bei den fabri een- 

mit den ihrigen vereinigt (daher die Bezeich- tonarii u. s. w. vgl. unten S. 476. 
nungen: magister et qitaestor, quaestor et quin- Wie die Stadt hatte endlich fast jedes C. 

quermatis, curator et quaestor; Nachweise bei seinen patronus. Wenigstens 200 Inschriften be- 

Waltzing I 413). Neben der Verwaltung der sitzen wir mitpatroni collegiorum, d. h. Mannern, 

Casse hatten die Quaestoren auch noch andere die mit diesem Bhrentitel beschenkt worden waren, 

Geschafte, wie die Ausfiihrung oder Uberwachung weil sie dureh ihre sociale Stellung (Leute sena- 

beschlossener Arbeiten , deren Kosten die Casse torischen, ritterlichen Standes, reiche Freigelassene- 

zutragen hatte (CIL VI 868. 1002. 1022. Ill u. s. w. vgl. Liebenam 215f.) der Genossenschaft 

7807) in der curia Iovis von Simitthus die An- Vorteile bringen konnten (Listen bei Maud PraeL 
sage der Versammlungen und Leichenbegangnisse. 30 fabr. 67ff. Schiess 69ff. und am vollstandig- 

Waltzing (I 414) hat nachgewiesen , dass das sten bei Waltzing in den Indices). Erhalten 

Amt schwankte zwischen einem subalternen und sind uns auch einige Beispiele von Patronats- 

emem Ehrenamt. Auffallend ist, dass bei den iibertragungeh (CIL XI 970. 1354. 5748 5749 

eentonarn _ von Comum ein quaestor eponym, also CIL II 2211, tessera patronatus aus dem 

offenbar der Vereinsvorstand ist (CIL V 5446. J. 348 n. Chr.). Auch patronae gab es, ent- 

5447; vgl. Mommsen ebd. p. 565). Vergleichen weder Prauen verdienter Patrone (CIL XI 2702, 

lasst sich damit nur, dass auch die militarischen tabula patroeinalis fiir eine solche von seiten des 

Collegien von Lambaesis niemals andere Beamte collegium fabrum zu Volsinii) oder (iberhaupt 

als Quaestoren nennen und zwar mit ahnlichen reiche Matronen, ohne dass der Gemahl patronus 
Obhegenheiten , wie sonst die magistri (Walt- 40 des C. war (CIL IX 1578. 5368. V 4432. Hen- 

Z1 "tW \ m{ t{\ 2) - ' ien 7415 )- 0ft war der Patronat in einem 
Unter den bubalternbeamten sind die wich- Hause erblich, woraus es sich erklart, dass auch 
tigsten die scribae {tabularii, notarii) = Vereins- ganz junge Leute oder Kinder Patrone waren 
schreiber oder -Secretaire. In manchem C. erfiillte (CIL IX 1684. XI 5748. 5749. 5750. Notizie degli 
der Vorsteher selbst die Functionen eines Secretars scavi 1880, 260. CIL XIV 341. V 5275. X 1697). 
(daher seriba et magister, magister quinquemmlis, Manche bedeutendere Vereine begniigten sich nicht 
item scrtba CIL XIV 2299. 418. 419). Aber die mit einem Patron, sondern hatten deren mehrere 
Menrzahl besass einen oder mehrere Secretare, das (CIL IX 1681. VI 1872. V 7469 7470 VI 868 
TiU'I^" 1 t f. na I { P rum z - B - ^ren sechs (CIL VI XIV 246—256. 281), wahrend umgekehrt die sel- 
1U6U). Wie alle Subalternbeamte bei den ROmern 50 tene Erwahnung von patroni bei den collegia 
waren auch die scribae der Vereine furs Leben er- tenuiorum offenbar wegen ihres geringen Ansehens 
nannt (vgl. lex Lanuvina CIL XIV 2112 n 19-20). hervorzuheben ist (vgl. Boissier La religion rom 
Dasselbe ist der Pall mit einem zweiten Subal- II 285f.). Es kam auch vor, dass die Patrone 
temen bei manchen Collegien, dem viator (beim aus dem C. selbst, aus gewesenen verdienten 
m,S /M f rwn "* m Kom deren zwei : CIL Beamten, genommen wurden, dies vornehmlich in 
VI 7861 , bei Sterbevereinen auch noch mehr grossen Handelsstadten wie Lugudunum, wo die 
y - -a \ B - CIL VI 647). Scribae und viatores Collegien selbst genug reiche Leute besassen (Wil- 
smd aber keme Diener (ministri); denn nach der manns 2233. 2227). Derselbe Mann ist oft Pa- 
lex Lanuvina (a. a. O.) erhalten sie das li/ 2 fache tron siimtlicher oder mehrerer Collegien einer 
(partes sesquiplas) bei der Sportelverteilung. 60 Stadt (Val. Max. IX 15, 1. CIL XIV 409. Wil- 
hm Verzeichnis seiten vorkommender Beamten manns 2112. 2226. 2638 CIL V 4484 5375 
bei Collegien giebt Waltzing I 416—425; vgl. und cfter; vgl die Zusamnienstellung bei Walt- 
Liebenam 208—210. 211f. Der von Gaius (Dig. zing I 444 mit Anmerkungen). Das Ganze war 
i u j erwa bnte actor collegii (ein Sclave), eine Speculation auf die Freigebigkeit reicher 
welcher das C. vor Gericht zu vertreten hatte, Gonner. Ob honorem patronatus wurde tfichtig 
nndet sich mschnftlich nur bei dem collegium gezahlt. Gar oft erhielt das C. ein neues Vereins- 
magjmm LarfumJ et Imagftnum) . . . Antonini haus {sehola) oder wenigstens Schenkungcn fiu- 
fiiiLlL VI 671). Der actor veteranorum (Bram- dasselbe u. s. w. Stiftungen seitens reicher Pa- 



425 



Collegium 



Collegium 



426 






trone brachten den Vereinsmitgliedern Vergnii- mit A. 5—7). Die .Denkmalswut' concentnerte 

gungen und materielle Unterstutzungen aller Art; sich vor allem auf die Kaiser und das kaiserhche 

vgl. daruber Waltzing I 431—440. Am inte- Haus. Statuen auf Platzen, die oft von der Stadt 

ressantesten ist der Brief des Sextus Fadius Se- oder deren Gemeinderat den Collegien fur den 

cundus Musa vom 1. October 149, der dem C. Zweck zum Geschenk gemacht wurden {locus datus 

der fabri subaediani in Narbo ein Capital von deereto decurionum), oder auf dem Eigentum 

16000 Sesterzen iiberwies mit der Auflage, sich des C, am haufigsten in der sehola oder dem 

jahrlich einmal zur Feier seines Geburtstages zu Vereinstempel , ferner Altare wurden den regie- 

einem Festmahl zu versammeln und die Zinsen renden Kaisern und ihren AngehOrigen in Masse 
jenes Capitals dann unter die Teilnehmer zu ver- 10 errichtet; vgl. die lange Liste dieser von Collegien 

teilen, wofur ihm die Mitglieder des C. eine Statue geehrten Kaiser (Augustus— Constans) mit den 

widmeten (CIL XII 4393). Gegen Boissiers Belegen bei Waltzing I 502ff. Das bedeutendste 

Behauptung (La rel. rom. II 284), dass auf der noch erhaltene Denkmal dieser Art ist der Triumph - 

Bethiitigung dieser Freigebigkeit der einzige Zweck bogen, der von den argentarii und negotiates 

der Patrone beruhe, macht aber Waltzing (I boari auf dem Forum boarium dem Septimius 

437") mit Kecht Front unter Hinweis auf In- Severus und seiner ganzen Familie im J. 204 er- 

schriften wie CIL VI 1673. 1639 = XIV 185. XII richtet wurde (CIL VI 1035). Der Geburtstag 

1877, welche beweisen, dass die Patrone die Col- und der Tag der Thronbesteigung der regierenden 

legien auch zu verteidigen und zu schiitzen hatten. Kaiser wurde in den Collegien ganz besonders 
Bezuglich der Titel pater, mater collegii ist 20 festlich begangen (CIL VI 9254. 10234 1. 9—10. 

Liebenam (218, 2) der Ansicht, dass sie sich X 444. VII 530. Rom. Mitt. 1890,288 Z. 17-18). 

mit patronus und patrona vollkommen deeken. Auch an dem Cult der verstorbenen Kaiser be- 

Dagegen macht Waltzing (I 446ff.) nach sorg- teiligten sich die Collegien, wenngleich Dedica- 

faltisrer Unteisuchung des Materials im Anschluss tionen fiir Divi viel seltener sind, als fiir lebende 

an Stevenson (Ann. d. Inst. 1882, 168ff.) einen Kaiser (vgl. CIL VI 1152. V 6970). Die hohe 

Unterschied. Bei den religiOsen Collegien, die Verehrung fiir die Gottlichkeit des Kaisers und 

orientalischen Culten sich widmen , heisst pater der Ausdruck der Loyalitat dieser Collegien gegen- 

der Vorsteher der Corporation, ebenso scheint in fiber der hochsten weltlichen Obrigkeit im Reich 

den gewerblichen Collegien und Sterbevereinen lag auch in der Beilegung des Titels Augustus 
der Vorsteher auch manchmal den Namen pater 30 oder Augusta an den Schutzgott des Collegs -, 

oder parens collegii getragen zu haben (CIL XI vgl. z. B. die mensores frumentam Cereris 

5749. V 784/ III 4045). Indessen gewShnlich Augus(tae)_ in Ostia (CIL XIV 409; daruber 

bezeichnen die Titel pater und mater collegii, G. Boissier Journal des Savants 1887, 272. 

die man bei alien Arten von Collegien flndet, Preller Rom. Myth. II 441. Maue" Vereine 28, 

weder einen Beamten noch einen gewohnlich so 10. 53. Bo is sie u Inscr. de Lyon p. 201 nr. 30, 

o-enannten Patron, sondern es sind reine Ehren- anders L. Eenier Comptes rendus de 1 Acad, des 

titel, verliehen ohne tabula patronatus (Patronats- Inscr. 1872, 410) oder an Gegenstande, die dem 

diplom), bestimmt fiir Leute von der gleichen Verein gehOrten, z. B. sein Veremslocal sckola 

oder sogar geringeren socialen Stellung, wie die Augusta (CIL IX.5568). Dazu beacbte man die 
Mitglieder des C. (CIL VI 10234. XIV 37. IX40vielen Begrabnisvereine oder collegia domestic^ 

2687. VI 8796. UI 7505. IX 5450. XIV 2408). im kaiserlichen Palast oder in reicheren Hausern 

In ahnlichem Sinne ist vielleicht der Titel ftiia mit Namen wie cvltores Augusti (Tac. ann. 

zu fassen, welcher zwei Frauen vom coll, fabr. I 73 cultores Augusti, qui per omms domus 

tig. in Luna verliehen ist (CIL XI 1355 A), viel- in modum collegiorum habebantur), cultores ima- 

leicht auch die Bezeichnung matrona collegii ginum Caesaris nostri, cultores Lamm et inia- 

fabrum in Aquileia (H. Pais CIL V Suppl. ital. ginum domus Augustas, cultores domus dimiiae 

I 181). Doch schliesst das alles nicht aus, dass u. s. w., weiter gewerbliche Vereine mit ahnlichen 

manchmal auch pater und mater fiir patronus Beiffigungen wie sagari tfhealtn Mar cell fi) cut- 

und patrona gesetzt sind (CIL XI 5748. Ill 1207. tores domus AugfustacJ aus dem J. 104 (OIL VI 

XIV 256) 50 956) oder Veteranencollegien mit Namen wie Ve- 

Aus diesem letzten Capitel fiber die patroni terani Augusti (CIL XIV 409), coUegiusvetera- 

vornehmlich ergiebt sich, dass selbst die Aus- norum Augustorum duorum (CIL V 2475). Bei 

artungen des landstadtisehen Kleinlebens der Kair anderen Collegien ist der Kaisercultus dem eines 

serzeit, die sich ausserten in einer fabelhaften anderen Schutzgottes noch hinzugesellt, me bei 

,Titelsucht und Denkmalswut^ (Liebenam 179), den dendroplwri Augustales von Lyon und Am- 

indenVeremenNachahmungfanden. Manbraucht soldingen (Allmer Mus£e de Lyon H 102. 167. 

also nur — wie eingangs dieses Capitels erwiihnt 169. Mowat Bull, epigr. de la Gaule 1885, 

wur a e — das Bild der Municipalverfassung und 319; vgl. Waltzing I 252, 3. 501f.). 

des Municipallebens mit seinen schonen und un- V. Die Verwaltung der Collegien Auch 

schonen Seiten ins Kleine zu iibertragen, und man 60 in der Verwaltung sind die Collegien das Abbild 

hat das C die Vereinsorganisation und das Vereins- der Stadte, allerdings hier in der Mehrzahlnur 

leben. Zur Charakteristik der Titelsucht sei noch der mehr demokratischen Form des Municipal- 

erwahnt dass sich in der spiiteren Zeit die Vereine, regiments aus der ersten Kaiserzeit, d. h. die 

gerade wie die Stadte, selbst ehrende Epitheta Collegien sind nur zum Teil der allgememen Stadt- 

wie svlendidissimus, lionestissimus, dignissimus entwicklung im Romerreich zu mehr anstokra- 

u s w beilegen (CIL XI 5748. XIV 44. 4144. XI tischen Formen durch Beseitigung des Volkes aus 

1230 Allmer Musee d. Lyon LT 127. 185. 188. der Verwaltung gefolgt; sie smd in der Mehrzahl 

CIL VI 22 III 10430; vgl. Waltzing II 191 kleine Republiken geblieben, in denen die be- 



427 



Collegium 



Collegium 



428 



schliessende Gewalt bei der allgemeinen Vereins- 
versammlung, die Ausfiihrung bei den Beamten 
lag. Zwischen beide Gewalten hat sich nur bei 
einer Minderzahl ein engerer Ausschuss (ordo oder 
deewiones) aus den Vereinsmitgliedern , entspre- 
chend dem ordo decurionum der Stadte, geschoben, 
der die heschliessende Gewalt mit der Zeit, wie 
bei dem stadtischen Vorbild, ganz an sich riss. 
,Der Zeitpunkt, wann dieser Ausschuss an die 
Stelle des populus eollegii als beschliessende Kflr- 
perschaft getreten ist, lasst sich allerdings nicht 
bestimmen ; immerhin ist die Entwicklung der 
demokratischen Verfassung einiger Vereine zu einer 
mehr oder minder aristokratischen beaehtenswert' 
(Liebenam 194). 

Die Vereinsversammlung (conventus, aber nur 
die zu geschaftlichen Zwecken, im Gegensatz zu 
den Zusammenkiinften, die religiOsen oder Ver- 
gniigungszwecken dienten) fand statt im Vereins- 
haus (sehola) oder im Vereinstempel, bezw. einem 
vom Staat angewiesenen offentlichen Tempel. Die 
Zeit der ordentlichen Versammlungen war fest- 
gesetzt durch die Statuten (CIL III p. 924), z. B. 
an den Kalenden und Iden (CIL LT 4468); die 
Zahl der monatlichen Versammlungen war nur 
in den collegia tenuiorum staatlich heschrankt (s. o. 
S. 410). Die beschliessende Competenz der Vereins- 
versammlung erstreckte sich auf die Gesetzge- 
bung im C, die Wahl der Beamten und auf ein 
Stuck richterlicher Thatigkeit. An der Spitze der 
ersten der drei genannten Punctionen stent die 
Aufstellung der gemeinsamen Statuten (lex, pactio, 
ausdriicklich bezeichnet als ab ipsis constituta: 
CIL XIV 2112 i Z. 6 — 7, oder in eonventu plena 
beschlossen: VI 10234 Z. 8. 16. 20. VIII 16683 
a Z. 6). Erganzt wurden die Bestimmungen der- 
selben durch weitere Entscheidungen oder Be- 
schliisse des Collegs: deereta eollegii, nachgebildet 
den decreta deeurionum der St»dte. Gegenstand 
dieser deoreta waren ausser der Erganzung und 
Modification der lex: Bestimmungen liber den Cult 
wie Regeluug der Opfer, der gemeinscliaftlicheu 
Mahlzeiten, der Ehren fiir die Toten, weiter be- 
ztiglich der Finanzen: Aufstellung des Budgets, 
Kontrolle iiber die Verwaltune des eollegialen Be- 
sitzes, Verausserung des Vereinsvermiigens (vgl. 
loco dato decreto eollegii CIL V 5272. 5287 5446 
5447. 5773. 5888. XII 1815. Allmer Musee de 
Lyon II 177), Beschltisse iiber Errichtung neuer 
Bauten oder Reparaturen derselben, Aufstellung 
von Statuen, Altaren, Vereidigung der Beamten, 
Abnahme von deren Bechenschaftsablage, Beloh- 
nungen fiir verdiente Beamte u. s. w. (vgl Walt- 
zing I 375f.). 

Die Wahl der Beamten gehorte fast immer zu 
den Functionen der Versammlung (A 11m er Musee 
de Lyon II 169. CIL VI 10333; vgl. auch I 1492). 
Singular ist die Ernennung der Beamten durch 
einen elisor, offenbar ein bedeutenderes Mitglied, 
dem die Versammlung ihre Function iibertrug 
(CIL XIV 2630). In der spateren Zeit finden 
wir Andeutangen von Beamtenernennungen fur 
Vereine durch den Staat; vgl. unter Hadrian in 
Praeneste ein quinquennalis perpetuus dolus ab 
imp(eratore) Hadriano Aug(usto) collegia fa- 
b/rumj tign(ariorum) (CIL XIV 3003), wekhen 
Waltzing (I 378, anders LT 356) als einen Ehren- 
praesidenten . fiir das C. zum Ausdruck der kai- 



serlichen Gunst ernannt, auffassen mOchte. Ver- 
schieden ist die Erklarung der decuriones a co(hJ- 
s(ulihus) CIL VI 10300 (vgl. Mommsen zu der 
Inschrift. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Wien CVII 
261. Waltzing I 378, 2). 

Die richterliche Thatigkeit der Vereinsver- 
sammlung bezog sich wohl auf die Auflage von 
Strafen, die nicht in den Statuten vorgesehen 
waren — doch bei manchen Collegien stand die 
10 mtdtae dietio auch den Beamten zu, z. B. dem 
magister im conlegium aquae (CLL VI 10298. 4) — 
dann auch Ausschliessung unwurdiger Mitglieder 
oder solcher, die sich vergangen hatten, so im 
Statut der eborarii (Ram. Mitt. 1890, 287 uti 
euratores . . . etc albo raderentur ab ordine [ordo 
= collegium; vgl. Mommsen und Gradenwitz 
Zeitschr. der Savignystiftung XII 1892, 140]) und 
bei Cic. ad Quint, fr, LT 5, 2 M. Furium Floe- 
cum, equitem Romanwm, hominem nequam, Ca- 
20 pitoliniet Mereuriales de collegia eieeerunt, prae- 
sentem, ad pedes uwius cuiusque iacentem. 

In Collegien, die einen ordo oder decuriones 
(strittig ist, ob decuriones immer nur die Ge- 
samtheit der Decurienvorsteher sind [so W a It z i n g 
I 379. 380, 21 oder auch ein aus dem C. ge- 
wahlter Ausschuss [Schiess 64; ganz falsch ist 
die Ansicht von Maud Praef. 57f.]) hatten, iiber- 
nahmen diese die Functionen der allgemeinen 
Vereinsversammlung, wie das natiirlich war bei 
30 so grossen Collegien, wie das stadtromische coll. 
fabrum tignuariorum, welches aus 60 Decurien 
zusammengesetzt war und ca. 1500 Mitglieder 
zahlte (CIL VI 1060. 9405. 10300). Decreta de- 
curionum sind haufig auf Inschriften, beteiligt 
sind manchmal die honorati = die gewesenen Be- 
amten (decreta honoraiorum et decurionum CIL 
VI 3678). Vor allem in den Sterbevereinen und 
gewissen religiOsen Collegien spielten die decu- 
riones eine wichtige Rolle (Schiess 65. Walt- 
40 zing I 380f.). Doch blieb bei manchen oder 
wohl den meisten Collegien die allgemeine Vereins- 
versammlung neben den Decurionen in Thatigkeit, 
aber die Beschltisse des Ausschusses werden immer 
zuerst genannt, offenbar weil sie den Ausschlag 
gaben, CTL VI 10351 : ex deereto decurionum 
et populi. 8744 : ex deereto decurionum et plebis. 
XIV 3659. VI 9288 : decurio adlectus ex con- 
sensu decurionum et familiae voluntate. 

Wie die ausfuhrende Gewalt unter die eiu- 
50zelnen Beamten verteilt war, ist schon oben bei 
Betrachtung der verschiedenen Beamtenkategorien 
beriihrt worden. 

VI. Die Collegien als Vermogenssub- 
jecte. Die von Mommsen schon 1843 richtig 
gezogenen Grundlinien fiir diesen schwierigsten 
Teil der Materie sind von den Xachfolgenden, 
namentlich den Juristen, nicht hinreichend be- 
riicksichtigt worden, erst der neueste Bearbeiter 
auch dieses Abschnittes, Waltzing (II 431-475) 
60geht erfreulicherweise wieder vollkommen aui 
Mommsen zuriick. 

Alle Vereinigungen oder Corporationen mit be- 
stimmten Zwecken haben zur Erreichung ihres 
Zweckes Vermogen ncitig; das wenigste ist also, 
dass eine Vereinscasse vorhanden ist. 

Aber gerade als VermOgenssubjecte schieden 
sich die staatlichen Collegien scharf von den 
privaten, spontan gebildeten. Die staatlichen 



429 



Collegium 



Collegium 



430 



Priestercollegien z. B. empfingen vom Staat Lan- 
dereien und Sclaven fiir den Dienst, den ihnen 
der Staat im Interesse des Gesamtwohls anver- 
traut hatte. Jedes dieser Collegien hatte seine 
eigene Casse, aber diese Casse war nur ein Teil 
der offentlichen Casse, jene vom Staate iiberlassenen 
Landereien blieben Teile des offentlichen Grund 
undBodens, die Sclaven servi publici, also dieses 
for Cultzwecke bestimmte YermOgen war ,nur 
factisch von dem sonstigen StaatsvermOgen sepa- 
riertes Gemeingut' (Mommsen De coll. 38f.; 
St-E. 112 61ff. De Euggi ero Diz. epigr. 1 161ff. 
Waltzing II 432f.; dagegen Karlowa Kechts- 
gesch. I 278f. II 60f. halt diese staatlichen Col- 
legien fur selbstandige Vermogenssuojecte). 

Gerade diametral entgegengesetzt in dieser 
Beziehung war die Lage der privaten Collegien, 
besonders in der republicanischen Zeit, da der 
Staat mit denselben kaum in Beruhrung kam. 

In der genannten Zeit war nach Mommsen 
(De coll. 117ff.) das e. ein Mittelding zwischen 
soeietas und eivitas , wie die soeietas eine auf 
Grund privater Statuten zur Erreichung bestimm- 
ter Zwecke gegriindete Personenvereinigung, aber 
unterschieden von ihr durch den dauernden, nicht 
allein auf die augenblicklichen Mitglieder be- 
schiankten Zweck (Dig. XVII 2, 1. 70); und zu- 
gleich war im Gegensatz zu der vorubergehenden 
soeietas das fiir die Dauer geschaffene c. mit 
seiner der lex municipalis nachgebildeten lex 
eollegii eine respublica in Naehahmung der Stadt- 
gemeinde. Die letztere aber ist nicht denkbar 
ohne PersOnlichkeit; denn was der eivitas gehOrt, 
gehort ihr nicht pro parte civium, sondern der 
Gemeinsamkeit als solcher. Wie nun die eivitas 
von den ewes rechtlich fiir eine persona gehalten 
wird, so auch das e. von seinen Mitgliedern. Da- 
gegen konnten alle, die ausserhalb standen, das- 
selbe als eine soeietas betrachten. Infolge dessen 
unterschieden sich c. und soeietas anfangs nicht 
rechtlich, sondern nur durch die Art und Weise 
wie die soeii und coUegiati ihre Gemeinsamkeit 
betrachteten. Die area societatis war nichts als 
eine Verbindung von arcae privatae der einzelnen 
socii. die area eollegii dagegen ist eine einzige, 
von den Mitgliedern als unteilbar angesehene, 
wenn sie auch rechtlich teilbar war. Fiir die Mit- 
glieder allein hat also zunachst das e. die Eigen- 
schaft der PersOnlichkeit und nicht nachaussen, 
da ihre lex gegeniiber Aussenstehenden keine bin- 
dende Kraft hat, wie die lex municipalis. Nach 
aussen hin konnten die Mitglieder in alien recht- 
lichen Fragen nur als einzelne Individuen. nicht 
als Gesamtheit operieren, und das blieb der Zu- 
stand der mchtautorisierten Collegien (collegia 
illicita) auch in der Kaiserzeit. Wie das Staats- 
recht nach dem oben Ausgefiihrten sie verbot oder 
ihnen hochstens provisorische Duldung gewahrte, 
betrathtete das Privatrecht die Mitglieder solcher 
Vereine als Samteigentiimer ihrer Casse, woran 
ieder seinen Teil hatte (singulorum pro parte 
Dig. I 8, 6, 1), und dem entsprechend wurde im 
Falle einer von der Regierung verfiigten Auf- 
lOsung die Casse unter die Mitglieder verteilt 
iDig. XLVII 22, 3). Das Privatrecht erblickte 
also in ihnen nicht ein C, sondern nur be- 
stimmte Personen (certi homines), und ein Ver- 
machtnis an ein nichtautorisiertes C. war nich- 



tig , wahrend , wenn es den einzelnen Mitglie- 
dern vermacht war, jeder von ihnen seinen Teil 
empfing (Dig. XXXIV 5, 20: nulla dubitatio est, 
quod, si eorpori eui licet eoire, legatum sit, de- 
beatur; cui autem rum Meet si kgetur, non vale-^ 
bit, nisi singulis legetur: hi enim non quasi 
collegium sed quasi eerti homines admitten- 
tur ad legatum). 

Rechtlich aher kamen die Collegien auf eine 

10 ganz andere Stufe mit oder infolge der Lei Iulia 
des Augustus, seit deren Erlass gewisse Collegien 
unter Anerkennung und Hervorhebung ihres offent- 
lichen Nutzens zu Offentlieh anerkannten KOrper- 
schaften (corpora) wurden. Die natiirlicheFolge 
dieser Massregel war, dass man ihnen, wie den 
Stadten, unter sachgemasser Weiterbildung des 
nur auf physische Personen herechneten rOmischen 
Rechtsverfahrens eine eigene flngierte Persfinlich- 
keit, welche bis zu einem gewissen Grade juristi- 

20scher Eechte und Handlungen fahig war, zueT- 
kannte. Aber festzuhalten ist, dass alles, was 
die Collegien in dieser Hinsicht erlangt hahen, 
ihnen zu teil wurde unter Vorausgang und unter 
Nachahmung der Stadte, an denen sich der Be- 
griff der juristischen PersOnlichkeit ausgebildet 
hat, und weiter, dass die Rechte,_ die man unter 
diesen Namen zusammenfasst, nicht auf einmal 
weder den Stadten noch den Collegien verliehen 
wurden, sondern dass wir eine langere Entwick- 

30 lung vor uns haben, fiir die man den ersten Spuren 
nachgehen und dann die nach und nach verliehe- 
nen Eechte zu bestimmen suchen muss (Waltzing 

11 443 )- -, x J 

In eine allgemeine Bewegung zu Gunsten der 

italischen und provincialen Stadte, die seit Kaiser 

Nerva zu beobachten ist, und die nicht dem 

Wohlthatigkeitssinn der Kaiser oder dem Be- 

streben, fiir die Wehrkraft des Reiches zu sorgen, 

sondern in der Hauptsache dem Bestreben, die 

40 Stadte fiir die immer druckender werdenden Steuer- 
lasten und Leistungen zu lebenskraftigen Orga- 
nismen der Centralregierung zu machen, ihrEnt- 
stehen verdankt, werden die Collegien hineinge- 
zogen. Die Kaiser des 2. Jhdts. (Hadrian, Pius, 
Marcus) haben die von Nerva, Traian (auch Ha- 
drian) zu Gunsten der Stadte ncugeschaffenen 
Rechtsverhaltnisse (Pernice Labeo It 283ff.) auf 
die Collegien ubertragen (Ulp. Dig. IV 2, 9, 1 
sive siwjularis sit persona, quae metum intulit, 

50 vel populus vel curia vel collegium vel corpus), 
und ihr Zeitgenosse Gaius sagt daher mit vollem 
Recht (Dig. Ill 4, 1), dass die staatliche Ge- 
nehmigung den Besitz jener Rechte, die die juri- 
stische PersOnlichkeit ausmachten, fur die Col- 
legien, auch in dieser Beziehung jetzt das Ahbild 
der Stadte, mit sich brachte: quibus autem per- 
missum est corpus habere eollegii societatis 
(Mommsen soeietatisve , Cohn sodaheii) sive 
cuiusque alierius eorum nomine , proprhtm est 

mad exemplum reipublicae habere res com- 
munes, arcam communem et actorem sive syn- 
dicum, per quern tamquam in republica, 
quod communiter agi fierique oporteat , agatur, 

a In formaler Hinsicht lehrt die Stelle , dass 
sich bei den Collegien so wenig wie bei den 
Stadten der B<?griff der juristischen PersOnlich- 
keit als fingierter oder idealer PersOnlichkeit scharf, 



431 



Collegium 



etwa im Shine vieler unserer heutigen Rechts- 
lehrer (darliber sehr fein Kniep Societas I 258ff ) 
herausgebildet hat. Das zeigen schon die er- 
wahnten Ausdriicke res communis, area commu- 
nis, ebenso wie auoh arm nostra im Statut der 
Elfenbeinarbeiter (daruberO. Gradenwitz Ztschr 
der Savignystiftung XII 143f., vgl. auch ratio 
communis Dig. XL VII 22, 1, 2; peeunia corn- 
mums Dig. XL VII 22, 3. GIL I 196 Z 11 VI 
10237 XIV 3659), welche noch nicht das 'eine 
unteilbare VermOgen der juristischen Person kenn- 
zeicnnen, sondern von einem Miteigentum der 
Mitglieder nacb Art der Gemeinde, d. h. mit aus- 
gescnlossener Teilungsklage, einer sog. ,teillosen 
Gememschaft' (Brinz Pandekten I» 477 § 131) 
reden (s. Kniep Societas I 269ff.). ,Es ist das ' 
sagt Gradenwitz (a. a. 0. 143), ,die alte An- 
scnauung, die auch in der technischen Bezeich- 
nung mumeipes (vgl. Bruns Fontes5 192 nr 6 
8. Dig. XLVIII 18, 1, 7) zum Ausdruek kommt 
und in der juristiscben Person nicht die Einheit 
sondern die Vielheit erblickt'. Bei den Collegien 
ist eine solche Ausdrucksweise besonders hauflg 
auf den Inschriften (CIL VI 7006. 1947. 10296); 
juristisch am genanesten sind noch diejenigen' 
welche nicht nur schlechthin die Mitglieder, son- 
dern die gegenwartigen wie die zuktinftigen als 
Rechtssubjecte bezeichnen: CIL X 444 its, qui 
m collegio Silvani Itodie essent quique postea 
sulnssent. X 1579: qui in coetu corporis Helw- 
pohtanorum sunt eruntve. II 2102 eollegas sufc- 
cjedentes deineepsqfue) successores. Hier schwebt 
schon der Begriff der Gesamtheit vor, welcher 
unabhangig ist von dem Wechsel der Mitglieder 
(vgl. CIL VI 10 231 quamdiu is colJegius stete- 
rit) der sogar bestehen bleibt, selbst wenn die 
Mitgliederzahl bis auf eins heruntergegangen ist, 
insofern dann das Recht aller auf den einen trbrig- 
bleibenden iibergeht und die universitas noch 
dem Namen nach besteht (Dip. Dig. Ill 4, 7, 2). 
In den Begriffen universitas (Ulp. Dig. Ill 4, 7, 
1 : si quid unirersitati debetwr, singulis nan afe- 
betut • u. s. w. m 4, 2: hie enim \actor] pro 
republiea vel universitate intervenit, non pro 
SM&ulis^ Marcian. Dig. I 8, 6, 1) und corpus 
(Uaius Dig. Ill 4, 1, von wo der wir ausffefan^en 
sind. Ulp. Dig. XL VIII 18. 1, 7 nee enim plu- 
rmm servus videtur, sed corporis) ist in der 
Eechtssprache die Einheit der juristischen Person 
gegenuber der Vielheit zum Ausdruek gekommen 
Doch stehen beide Anschauungsweisen oft neben 
einander (Dig. Ill 4, 2 si munieipes vel aliqua 
unwersitas. Marcian. a. a. O.), woraus man er- 
sieht, dass die moderne Anschauung von der Ein- 
heit der juristischen Person bei den Eomern nicht 
zum Durchbruch gelangt ist. vgl. Knier. Socie- 
tas I 272f. ' 

Materiell ergiebt darnach die oben angezogene 
Uamsstelle, dass fur die Collegien genau wie fur 
die Stiidte die fundamentalen Rechte der Korper- 
schaften sind; 1) eine Casse = area, und unbe- 
wegliches VermOgen, wie Grundbesitz, Liegen- 
schaften, Hauser, Sclaven (Dig. XXIX 2. 25 8 1 
XLVin 18, 1 § 7) = res (Liebenam 244 L 
Waltzing I449f.) zu haben, welches gesondert 
ist von dem VermOgen der einzelnen Mitglieder 
i^inguli), daher das Zugestandnis oder das Ver- 
bot, eine "Vereinscasse zu haben, gleichbedeutend 



Collegium 



432 



ist mit der Concession bezw. dor Aufhebung eiues 
C. (CIL V 4428. SC de Bacchan. Bruns 
FontesS p. 151 Z. 11); 2) einen actor oder syn- 
dicus zn haben zur Vertretung vor Gericht und 
bei alien Rechtshandlungen , da die Gesamtheit 
selbst als abstractes Wesen ohne Korper und Wille 
nicht handeln kann (Dig. XLI 2, 1, 22. XXXVIII 
3, 1, 1). 

Die erwahnte, in corpus oder universitas zu 
10 Tage tretende Einheitlichkeit ,beruht also nicht 
in den Personen, sondern ist in der einheitlichen 
Vermogensverwaltung zu suchen' (Kniep a. a. 0. 
I 279). ,Zu dem einheitlichen VermOgen konnen 
die einzelnen Mitglieder daher selber in rechtJiche 
Beziehung treten", Ulp. Dig. XXXVI 1, 1, f5: 
si autem collegium vel corpus sit, quod rogatum 
est restituere decreto eorum [cui] , qui sunt in 
collegio vel corpore, in singulis inspecta eorum 
persona restitutionem valere: nee enim ipse sibi 
w videtur quis horum restituere. 

Da aber das Recht, ein corporatives Vermogen 
zu haben, das Recht, es zu erwerben, zu vermehren 
und zu verteidigen, voraussetzt oder mit sichbringt, 
so mussten auch die Bestimmungen des Privat- 
rechts uber Eigentumserwerb , Eigentumsschutz 
u. s. w. in sachgemasser Weise auf die mit juri- 
stischer Person beliehenen Kcrperschaffcen , d. h 
wie auf die Stadte, so auch auf unsere Collegien 
flbertragen werden (Waltzing II 447). 
30 So erlangten dieselben das zunachst nur den 
Stadten verliehene Recht der Erwerbung von Be- 
sitz (possessio) und von Eigentum an res nee 
tnancipi durch usucapio oder traditio vermittels 
eines ihnen gehorigen Sclaven oder eines freien 
Mandatars (Paulus Dig. XLI 2, 1, 22. Ulp. ebd. 
2. L 12, 3, 1) offenbar im Laufe des 2. Jhdts. 
(Ulp. Dig. X 4, 7, 3: nam et possidere et usu- 
capereeos [munieipes] posse constat, idem et in 
collegiis ceterisque corporibus dicendum erit) 
40nachdem das Bedenken der Juristen des 1. Jhdts! 
gegen den Circulus vitiosus, dass die Corporationen 
lhrerseits den servus actor (CIL VI 671), der er- 
werben sollte, selbst erwerben mussten (Dig. XLI 
2, 1, 22). iiberwunden war. Allerdings ist an der 
erwahnten Ulpianstelle (Dig. X 4, 7, 3) von der 
Ubertragung der Eigentumserwerbung durch tra- 
ditio (fur die munieipes, vgl. Dig. L 12 3 1) 
auf die Collegien nicht die Rede. Doch ist auch 
diese Form wohl ebenfalls fiir die Vereine als zu 
50 Recht bestehend anzunehmen , weil auf den In- 
schriften so oft Schenkungen von Geldsummen 
erwahnt werden, die von Hand zu Hand gemacht 
wurden (CIL XII 4393 heisst es in dem Brief 
des Fadius Secundus: impensae [= areae] vestrae 
inferam , vgl. dazu die oft auf den Inschriften 
wiederkehrenden Ausdriicke arcne dedit , arcue 
intulit. oder einfach dedit, don/wit, virus dedit), 
Schenkungen, die meist unter bestimmten Be- 
dingungen, bei Androhung von Strafen oder der 
60 Zuriicknahme der Schenkung oder der Substitutio 
durch einen andern gemacht wurden (CIL XI 132 
V 5134. IX 1618. XI 4391. Eph. epigr. VIII 
210, vgL Waltzing II 449f.). In gleicher 
Weise wurden Schenkungen von Mobiliar und 
Gegenstanden zur Ausschmiickung des Vereins- 
hauses, des Tempels oder zum Gebrauch in der 
Gemeinschaft. ebenso an Grund und Boden ge- 
macht, sehr oft in der Form, dass die Schenkuno- 



433 



Collegium 



Collegium 



434 






-/sngleich dem Schutzgotte des C. (deo . . . et 
eollegio) oder dem erstern zur Ehre des C. (in 
honorem eollegii) gemacht wurde, indem diese 
Consecration, wenn auch nicht rechtlich. so doch 
thatsachlich, den betreffenden Objecten einen sa- 
•cralen Charakter verlieh, der sie gegen profanen 
Missbrauch und Riickforderung schiitzte (so richtig 
Waltzing II 436ff.) . Bei italischen Landstucken 
(res mancipi) kommt auch die maneipatio vor 
und zwar maneipatio nummo una donation-is 
causa, jedoch nur auf drei Inschriften, CIL V 
4489. VI 10231. 10302. Mommsen ist aber bei 
Besprechung von VI 10231 der Ansicht, dass es 
sich hier gar nicht urn maneipatio handle, son- 
dern ran eine Formel, die in spaterer Zeit immer 
bei Schenkungen angewandt wurde, weil der Akt 
der Mancipation alien Mitgliedem des C. gegen- 
uber stattfindet, nicht vor dem Vertreter desselben 
(vgl. De coll. 123, dazu Waltzing II 450f.). 

Die Collegien , welche frei uber ihr Ver- 
mOgen verfugten, konnten wie die Einzelpersonen 
active und passive Verpflichtungen eingehen, 
konnten Schuldner und Glaubiger werden (Bei- 
spiele bei Waltzing II 452f.). Bei einer sti- 
pidatio liess sich das C. durch einen Sclaven 
vertreten (Dig. Ill 4, 10. XLV 3, 3. Ulp. frg. 
19, 18). Auch hier begegnet uns eine Inschrift 
(CIL VI 10 296), wo der populus eollegii direct 
die Verpflichtung eingeht (Mommsen De coll. 
123. v. Lyskowski Die collegia tenuionim 30. 
Waltzing II 453). Es kommt auch das ein- 
fache Versprechen zu schenken (pollicitatio) ohne 
stipulatio und traditio vor, ein Beispiel ist der 
Brief des Q. Fadius Musa an die fabri subaediani 
in Narbo (CIL XII 4393). Er verspricht 16000 
Sesterzen in ihre Casse zu zahlen zur jahrlichen 
Feier seinen Geburtstags, indem er unter ande- 
rem hinzufiigt: epistulam pro perfeeto instru- 
ments retinebUis. Andere Beispiele solcher Ver- 
sprechungen s. bei Waltzing II 454, 2. 

Was die Erwerbuugen im Todesfall angeht, so 
konnten die Collegien wie alle juristischen Per- 
sonen nicht erben ab intestato, ausser von ihren 
Freigelassenen, nachdern von Marc Aurel den Col- 
legien die Freilassung von Sclaven gesetzlich zu- 
gestanden worden war (Ulp. Dig. XL 3, 1 u. 2: 
Dirus Marcus omnibus collegiis, quibus eoeun- 
di ius est, manumittendi potestatem dedit. 
Quare hi quoque legitimam hereditatem liberti 
vindicabunt , vgl. Dig. II 4, 10. 4 ; doch kormnen 
Freilassungen von Sclaven durch Collegien auch 
schon vor Marcus vor; die zahlreichen Freige- 
lassenen von Collegien auf Inschriften sind er- 
kennbar an ihren von den Namen der Corpora- 
tionen abgeleiteten Gentilnamen, wie Fabricius, 
Centonius, Navicularius. Svmphonius u. s. w., vgl. 
Waltzing I 455f.). 

Seitdem konnten die Collegien audi die bo- 
norum possessio mtestati fordern von Freige- 
lassenen, die keine legitimen Erben hatten, und 
zwar durch Vennittlung des actor oder irgend 
eines Mandatars (Ulp. Dig. XXXVII 1, 3, 4; 
denn dass es sich hier nur urn Erbschaften von 
Freigelassenen handeln kann, haben Mommsen 
De coll. 125f. und Waltzing n 456, 3 darge- 
than). 

Von seinen Mitgliedern selbst konnte das C. 
nicht erben ab intestato, da kein Band zwischen 



der juristischen Person und ihren Mitgliedern be- 
stand. Erst im 4. Jhdt. haben hier Specialprivi- 
legien eine Anderung geschaffen; vgl. dartlber 
S. 477. 

Testamentarisch konnte ein C. wohl ebenso- 
wenig, wie die mehrberechtigte Stadtgemeinde, 
von der es ausdrucklich bezeugt ist (Ulp. frg. 22, 
5. Plin. epist. V 7), zum Erben eingesetzt wer- 
den, weil es eine persona ineerta oder ein cor- 

\§pus ineertum war (Gaius II 238. Ulp. fig. 24, 
18. lust. Inst. II 20 , 25. Ulp. frg. 22, 4. 5). 
Ein Erlass des Diocletian und Maximian aus 
dem J. 290 scharfte diesen Satz fur die Col- 
legien insbesondere nochmals ein, wies aber zu- 
gleich daTauf hin, dass durch Specialprivileg die 
allgemeine Kegel im einzelnen -Fall beseitigt wer- 
den konnte, Cod. lust. VI 24, 8 (290). Eine sehr 
wahrscheinliche Vermutung Mommsen s (De coll. 
125) und Waltzings (II 460) ist es wohl, dass 

20 das Recht, sich von ihren Freigelassenen als Erben 
einsetzen zu lassen, wie den Stadten (Ulp. frg. 22, 
5), so auch den Collegien, vielleicht zugleich mit 
dem Recht der Freilassung und dem ius patro- 
natus — also unter Marcus — verliehen wurde. 
Ferner kam man auf einem Umweg zum Ge- 
nuss von Erbschaften seitens der Collegien, seit- 
dem die Erbeinsetzung gewisser, besonders aus- 
landischer Gottheiten vom Staat gestattet war 
(Ulp. frg. 22 , 6). Denn dieses Privileg niitzte 

30 dann auch den Tempeln und den religiosen Col- 
legien, welche an diese angegliedert waren; vgl. 
die Formel Deo et collegio eius, uber die oben 
S. 433 gesprochen worden ist. 

Zu voller Erbfahigkeit sind die Collegien im 
Gegensatz zu den Stadten (Cod. lust. VI 24, 12 
(469) nicht gekommen (vgl. lust. Inst, II 20, 27. 
Cod. lust. VI 48, 1), wie unten S. 477 gezeigt wird. 
Eine Zeit lang hat wenigstens das Fideicom- 
miss die Unfahigkeit der Collegien auf diesem Ge- 

40 biet wett gemacht , insofern bis Hadrian naeh 
Gaius II 287 personae incertae wenigstens Fi- 
deicommisse erwerben konnten. Aber durch ein 
SC, auf Anregung desselben Kaisers, wurde dieses 
Recht beseitigt (Gaius a. a. O.) mit einer Aus- 
nahme allerdings zu Gunsten der Stadte (Ulp. 
frg. 22, 5. Dig. XXXVI 1, 26. 27. XXXVI 4, 12. 
xxxvm 3, 1, 1). 

Inschriftlkhe Zeugnisse von Erbschaften ganzer 
VermOgen seitens gewisser Collegien (CIL V 4122. 

50 4391. 4433. X 3483) oder Stellen in Rechtsquellen, 
die Ahnliches andeuten (Dig. XXXVI 1, 1, 15. 
1, 6, 4), glauben Mommsen (De coll. 126) 
und Waltzing (II 462) unter dem einen oder 
anderen dieser Ausnahmefalle subsumieren zu 
miissen: es handle sich da wohl um die Be- 
erbung eines Freigelassenen des betreffenden C. 
oder um eine privilegierte Corporation oder um 
ein Ficleicommiss (vgl. Mommsen De coll. 125f.). 
Das Recht zur Annahme von Legaten, welches 

60 Nerva den Stadten verliehen und Hadrian be- 
statigt hatte (Ulp. frg. 24. 28), dehnte Marcus 
auch auf die (staatlich genehmigten) Collegien 
aus, Dig. XXXIV 5, 20 (Paulus). Man findet 
aber Beispiele von Legaten an Collegien schon 
aus der Zeit nor Marcus, z. B. auf der Inschrift 
CIL V 6970, wo aber das Legat verraacht ist 
medicis Taurin(isj cultoribus Aselepi et Hygiae 
und nicht dem C. als solchem. Das e. selbst 



435 



Collegium 



Collegium 



436 



dagegen wird als empfangend genannt bei Orelli 
4412 aus dem J. 107 mid CIL VI 978 aus Ha- 
drians Zeit, Hier handelt es sich nach Waltzing 
(II 464) entweder um falsche Redaction der In- 
schrift oder um ein Fideicommiss. Seit Marcus 
zogen dann die Collegien reichen Nutzen aus dieser 
Vergfinstigung, wie die zahlreichen, besonders in- 
schnftlichen, Beispiele dieser Art beweisen (Scae- 
vola Dig. XXXII 93, 4. CIL V 4488. Bormann 
Inscr. Sass. 24 u. s. w., vgl. Waltzing II 465,10 



3). Die Legate sind meist unter bestimmten Be- 
dingungen verniaeht, die meisten empfangen die 
fabri, centonarii und dendrophori. Das Recht, 
Legate zu empfangen, gab dann den Collegien 
auch wieder das ihnen von Hadrian entzogene 
Recht. zur Annahme von Fideicommissen; denn 
Tllpian sagt ausdriicklich (frg. 25, 6): fideicom- 
missa dari possunt his, quibus legari potest (Bei- 
spiele Dig. XXXII 38, 6, vgl. XXXIV 2. XXXVIII 
2. CIL VI 9626). 

Ein durch alle diese Rechte als VermCgens- 
subject selbstandig gewordenes C. konnte natiir- 
lieh, um seine Rechte zu schutzen, klagen, oder 
um Ubergriffe desselben abzuwehren, verklagt 
werden. Nachdem einmal bei den legis aetimtes 
die StellvertretuDg zugelassen war, wurde davon 
auch bei unseren Corporationen Gebrauch gemacht, 
wenigstens horen wir zur Zeit des Gaius, wie her- 
vorgehoben, von adores oder syndiei mit der Auf- 



noch controvers ist (vgl. Rudorff Ztsch. f. gesch. 
Reehtswissensch. XV 213ff. Mommsen ebd. 
345ff. Bruns FontesS 322. Waltzing H 470). 
Wenn auch nicht auf Grand seiner Statuten, so 
konnte gegen Aussenstehende ein C. als juristische 
PersOnlichkeit doch klagen nach denBestimmungen 
des gemeinen Rechts, z. B. gegen seine Schuldner 
(Dig. Ill 4, 7, 1 , F&lle von mfiglichen aetiones 
s. Waltzing I 469). 

Belangt werden konnte das C. seitens seiner 



Mitglieder oder deren Rechtsnachfolger auf Grand 
der Statuten oder des Privatrechts (Dig, XL VII 
22, 1, 2), z. B. seitens des ETben eines Vereins- 
mitglieds auf Zahlung des funeraticmm (CIL 
XIV 2112 i Z, 24 und Z. 19. CIL IH p. 925: 
testantur, ut si qui defunetus fuerit, ne putet 
se collegium (hjabere out ah eis aliquam petitio- 
nem funeris (h)abiturum. CIL XTV 2212 I 
Z. 30ff.). Dagegen darf der GlaubigeT eines Mit- 
20 glieds an den dem Mitgliede gegen das C. zu- 
stehenden Ansprttch sich nicht halten, ausser wenn 
das Mitglied seinen Anspruch durch Erbschaft ver- 
geben hat (CIL XIV 2112 n Z. If.). Doch nimmt 
man an, dass dieser fur Aussenstehende verbind- 
liche Satz der Statuten auf Grand speciellen Pri- 
vilegs fur die collegia tenuiorum, vielleicht durch 
das generelle SC. zu ihren Gunsten, sich erklart 
(v. Lyskowski Die coll. tenuiorum 35f. Walt- 
zing I 471). Die von Leuten, die einem C, 



gabe, im Namen des C. zu handeln. Neben 30 Schenkung gemacht hatten, vorgesehenen Straf- 



Sclaven , die den Namen actor fuhrten (servus 
actor), gab es freie Mandatare, als welche wohl 
in den Collegien die Beamten (magistri oder cu- 
ratores) fungierteu (Dig. XLVI 8, 9: actor civi- 
tatis nee ipse cavet, nee magister universitatis). 
Ober den Unterschied von actor (= Stellvertreter 
fur einen einzelnen Fall) und syndicus (= Gene- 
ralbevollmachtigter; ein griechischer Ausdruck fiir 
defensor, vgl. Dig. L 4, 18, 13), s. Waltzing II 
468 und (besser) Kniep Societas publican. I 355ff. 40 

Gegenfiber den eigenen Mitgliedern hatten die 
Collegien offenbar kein Klagerecht vor Gericht, 
vielmehr waren die einzigen Zwangsmittel gegen 
widerspenstige Mitglieder solche gesellschaftlicher 
Natur: Beraubung der Rechte (CIL XIV 2112 I 
Z. 22 — 23: Verweigerung des funeratieium bei 
solchen Mitgliedern , die seit sechs oder mehr 
Monaten ihren Monatsbeitrag nicht gezahlt hatten, 
vgl. CIL X 1579) oder sehliesslich Exclusion (dar- 



gelder fiir den Fall , dass die vorgeschriebene 
Verwendung mit der Schenkung nicht gemacht 
wurde, waren sicher einklagbar (CIL VI 1925. 
10297). Das C. ist als juristische Person auch 
eines Delictes fahig , in welchem Falle dem 
Opfer die Klage zusteht, Dig. IV 2, 9, 1: Sire 
singularis sit persona, quae metum mtulit, vel 
populus vel curia vel collegium vel corpus, huie 
edicto locus wit; vgl. CIL VI 10296. 

Viel behandelt ist der lange Process, der gegen 
die stadtrOmische Walkergilde seitens des Fiscus 
oder des Aerarium, vertreten durch einen kaiser- 
lichen Beamten, wegen der Zahlung von Grund- 
zinsen fiir einen Offentlichen Platz , von dem die 
fiillones den Genuss hatten, trefiinrt wurde: lis 
fullonum de penswne sohenda (CIL VI 266—268. 
Btuiis Fontes5 328f.). In dem Process, der 
von 226 — 244 n. Chr. dauerte, wurden drei Ur- 
teilsspruche — jedesmal durch einen praefectus 



iiber oben S. 428). Bei einer grossen Anzahl nach- ^vigilum. — gefallt, und zwar immer zu Gunsten 



lassiger Mitglieder war das C. genotigt, sich auf- 
zulosen, z. B. das c. lovis Cerneni in Alburnus 
Maior (CIL III p. 924. Bruns Pontes^ 319). 
Um dem vorzubeugen, verpflichtete man die Mit- 
glieder auf die Statuten, vgl. die Mahnung in der 
Lex Lanuvina CIL XIV 2112 i Z. 18f.: hi qui 
nmos in hoc collegia intrare role[s, pjriii-s legem 
perlege et sic intra, ne postmodum queraris aid 
luredi tuo controeer [si]am relinquas. Die Sta- 



der Beklagten. Infolge mehrfacher controverser 
Punkte ist daruber eine ganze Littcratur ent- 
standen (Rudorff Ztschr. f. gesch. Rechtsw. XV 
(1850) 254ff.; ROmische Rechtsgesch. II § 59. 
Mommsen Ztschr. f. g. E. XV 326ff.; St.-R. 113 
1058m. A. 3; CIL VI p. 51. Br erne r Eh. Mus. XXI 
(1866) 1—49. Karlowa Rechtsgeschichte I 559. 
816ff. Liebenam Vereinswesen 239ff. E.Jacob 
bei Daremberg Diet. II 1351. Waltzing bei 



tuten waren also durch das C. und fiir dasselbe qq Ruggiero Diz. ep, II 405f. ; Etude H 472f.) 



bestimmt (Dig. XLVII 22, 4). Fiir dritte konn- 
t-en sie das gemeine Recht nicht andern, hOch- 
stens war das anders bei dem c. aquae in Rom 
(lex coll. aquae Bruns Fontes 5 321 c. 3 ex liac 
lege actio esto, v. Lyskowski Die coll. tenuio- 
rum 39. I), das vielleicht ein specielles staat- 
liches Privileg besass, dessen Statuten aber so 
fragmentarisch erhalten sind, dass vieles darin 



Als VermOgenssubjecte angesehen fanden also 
die Collegien in der staatlichen Beschrankung des 
Vereinsrechts ihren Vorteil: sie wurden nach ihrem 
Vorbild, den Stadten, rechtlich anerkannte Oflfent- 
liche Institutionen, ausgestattet in immer grOsse- 
rem Umfang mit den Rechten einer juristischen 
PersOnlichkeit. Das trug sicher mit bei zu der 
hohen Bliite der Corporationen im 2. und teil- 



437. 



Collegium 



Collegium 



43S 



weise noch im 3. Jhdt. und erleichterte, wie wir 
sehen werden, etwas die schweren Lasten, die 
auf den Zwangsinnungen der spateren Zeit ruhten 
(Waltzing II 474f.). 

Zusammenstellungen der Einnahmen und Aus- 
gaben der staatlich genehmigten Collegien der 
Kaiserzeit sind mehrfach gemacht worden, so 
von Schiess Die coll. funerat. 51ff. Liebenam 
Vereinswesen 243ff. Waltzing bei Ruggiero 
Diz. epigr. II 382ff.; Etude I 449—515, woraus 
wir das Folgende entnehmen: 

A. Einnahmen. 

Ordentliche Einnahmen waren: 

1) Das Eintrittsgeld , bei den e. tenuiorum 

— kapitularium, bei den militarischen Vereinen 
von Lambaesis = scamnarium. Beim C. Dianae 
et Antinoi betrug dasselbe eine Amphora guten 
Weines und 100 Sesterzen, also ein Drittel des 
Betrages, den das C. beim Tode des Mitgliedes 
als funeratieium zahlte (CIL XTV 2112 i Z. 20f.), 
bei dem mil itaris chen C. der cornicines in Lam- 
baesis (CIL VEn 2557) 750 Denare (wegen dieser 
hohen Summe hat C o h n Vereinsrecht 133f. 
scamnarium anders erklaren wollen, vgl. dagegen 
Liebenam 307 und die sehr annehmbare Auf- 
stellung von Cagnat L]arme"e rom. en Afr. 470, 
der meint, dass nur ein Teil beim Eintritt be- 
zahlt worden sei, das iibrige dagegen in monat- 
lichen Beitragen, vgl. CIL VIII 2557 qui area, 
soluti sunt). Auf das Eintrittsgeld scheinen bei 
Collegien von Sclaven .und kaiserlichen Freige- 
lassenen Ausdrflcke wie deeuriam emit, bezw. 
emerunt sich zu beziehen (vgl. Schiess 72. 82). 
Von gewerblichen Vereinen erwahnen die Elfen- 
beinarbeiter und Kunsttischler in ihren Statuten 
das Eintrittsgeld (Rom. Mitt. 1890, 287 Z. 25f.). 
Es trat aber auch Befreiung vom Eintrittsgeld 
ein: gratis adleetus inter navimlarios (CIL V 
4048), immunss reeepti in collegium) fabrfiim) 
(CIL XIV 409). 

2) Der monatliche Beitrag der Mitglieder = 
slips, stips menstrua, auch sigillum (vgl. Momm- 
sen De coll. 106f. Waltzing Et. I 416, 3) so- 
gar einmal funeratieium (CIL III p. 924 con- 
fer re funeraticia), beim C. Dianae ct Antinoi 
monatlich 5 Ass, also iahrlich 60 = 15 Sesterzen 
(CIL XIV 2112 l Z. 20f.), bei den Sterbevereinen 
mitsamt dem Eintrittsgeld bestimmt fiir die Be- 
streitung des Bestattungsgeldes , funeratieium 

— 300 Sesterzen beim C. Dianae, so dass hier 
in 13-14 Jahren die ganze Summe, abgesehen von 
den Zinsen, erreicht wurde. Unter den gewerb- 
lichen Vereinen hatten diejenigen, welche zugleich 
Sterbevereine waren, sicher auch die monatliche 
Beitragspflicht, von den iibrigen ist es wohl auch 
anzunehmen. 

3) Die summa honoraria der Beamten, welche 
.lurch die Statuten oder die Gewohnheit festge- 
setzt war (die von der Stadt iibernommene Be- 
zeichniing summa honoraria findet sich von Col- 
legien bei Tertullian. apol. 39 und bei H. Pais 
CIL V Suppl. ital. I 669). Sie wurde geleistet 
in Geld oder in natura (Beispiele bei Waltzing 
I 453, 4 — 6); statt der fixierten Summe konnte 
das C. auch eine Statue oder sonst ein fiir die 
Allgemeinheit bestimmtes Werk verlangen (Walt- 
zing I 454, 1). 

4) Regelmassige Leistungen von Mitgliedern 



z. B. von Beamten, wie den magistri cenarunt 
im C. von Lanuvium, den curatores bei den Elfen- 
beinarbeitern fiir die gemeinsamen Mahlzeiten, 
oder von gewfihnlichen Mitgliedern, z. B. den- 
neueingetretenen (vgl. die Statuten des letzter- 
wahnten Collegs Z. 24), bezw. denselben insge- 
samt, vgl. die munera der Angehorigen des C. 
Iovis Cerneni, CIL III p. 924. 

5) In Ausnahmsfallen: Untersttltzungen aus- 
10 der Gemeindecasse. Eine solche bildete wohl die 

Befreiung der Walkergilde von den Grundzinsen 
(solarium) fiir den Genuss eines offentlichen Platzes 
in Rom (CIL VI 266). Eine wirkliche pecu- 
niare Untersttitzung aus der Stadtcasse nimmt 
Mommsen an fiir das c. fabrum et cetttonario- 
rum in Mailand wegen der Benennung collegium 
aerarfiiy colmiiae Mediolanensis , die nur auf 
dasselbe C. sich beziehen lasst (CIL V 5847. 
5892 u. p. 635. 1191; Hirschfeld nimmt das- 

20 selbe an fiir die fabri tignuarii in Rom, da er 
CIL VI 10300 liest deeuriones a co(nJs(ulibusJ [ad 
aerarium delati], S.-Ber. Akad. Wien CVII 255,. 
2). Vgl. auch die Schenkungen von stadtischem 
oder staatlichem Grundeigentum an Collegien, 
z. B. in Ostia (CIL VI 814), in Tusculum (CIL 
XIV 2634), in Caere (XI 3614, vgl. VI 9404. 
10251a). Die in Puteoli wohnende Corporation 
tyrischer Kaufleute bittet ihre Mutterstadt um eine 
Unterstiitzung (CIG 5853 = Kaibel IGI 830. 

30 Mommsen Ber. d. sachs. Ges. 1850, 57ff.). 

6) Die Arbeit der dem C. gehorigen Sclaven, 
die in mancherlei Weise verwendet wurden, z. B.. 
als scriba, custos monumenti, actor u. s. w. 

7) Standiges Einkommen aus Schenkungen oder 
Legaten (seit Marcus, s. o. S. 434), die fiir einen- 
bestimmten Zweck (sub modo), i. B. fiir die Ge- 
burtstagsfeier des Spenders oder des Kaisers u. s.w.,. 
fiir Totenfeiern an bestimmten Tagen, fiir Be- 
kranzung der Graber, fiir Abhaltung von religiO- 

40 sen Opfermahlzeiten, fur Unterhaltung einer Statue, 
Bau eines Grabmonuments , eines Vereinshauses 
u. s. w. unter Androhung von Strafen u. s. w. 
gemacht waren. Diese Stiftungen konnten aus 
Geld oder aus Immobilien bestehen ; Vereine mit 
gestifteten Capitalien stellt Waltzing bei Rug- 
giero II 384; Etude I 457ff., solche mit gestif- 
teten Immobilien derselbe bei Ruggiero 384f. ; 
Etude I 4601, Vereine beider Art Schiess 82ff. 
Liebenam 246ff. zusaminen. Am meisten sehen 

50 wir die drei vornehmsten Collegien, die der Fabri, 
Centonarii und Dendrophori, local am haufigsten' 
die Collegien in Italien und im diesseitigen Gal- 
lien (falsch Liebenam 249) bedacht. 

8) Einkiinfte aus anderen Capitalien und Im- 
mobilien, die gegeben oder vermacht waren. ohne- 
irgend eine Bedingung daran zu knupfen. Capi- 
talien: coll. fabrorum in Brixia CIL V 4122. 4391. 
4433. dendrophori in Bergomum V 5135, Grand- 
stiicke: iuvenes Fificulani IX 3578. 

60 Ausserordentliche Einnahmen: 

1) Unregehnassige Leistungen der Mitglieder 
in Geld oder Naturalien , die nach den Statuten 
oder freiwillig gegeben wurden. Im lanuvinischen 
C. musste der Sclave bei der Freilassung eine 
Amphora guten Weines zahlen , in dem coll. 
Aeseulapi et Hygiae musste der, welcher seinen 
Platz an seinen Sohn, Bruder oder Freigelassenen 
vermachen wollte, die Halfte des funeratieium, 



439 



Collegium 



Collegium 



440 



in die Casse zahlen (CIL VI 10234 Z. 6—7). 
Man vergleiche auch die von gewissen Mitgliedem 
-des c. Sifoam zu Philippi zur Erbauung uiid 
Ausschmiickung des Vereinstempels geleisteten 
mtmera (CIL III 633). Vom c. Fortunae reda- 
■cis in Asculum lesen wir CIL IX 5177: si qui 
■clupeum ponere volat (sc. in templo eollegii), 
dabit arcfaje (sestertios) II nfummum). 

2) Ausserordentliche Beitrage der Mitglieder 



4) Bei collegia tenuiorum : ErlOs aus dem Ver- 
kauf von Platzen (loci, ottae, columbaria) im Grab- 
monument an Nichtmitglieder (vgl. CIL VI 7803. 
Schiess 85). 

5) Intestaterbschaften von Freigelassenen seit 
Marcus (s. o. S. 433). 

6) Einmalige freiwillige Gaben von seiten der 
Patrone, Beamten, reicher Mitglieder oder son- 
stiger Wohlthater in der Stadt, z. B. Gastmahler 



fur ausserordentliche Aufwendungen, z. B. fiir den 10 fiir das C. zur Feier eines fiir die Genannten 



Bail eines Vereinshauses oder eines Vereinstem- 
pels, eines gemeinsamen Giabmonuments, fur die 
feierliche Bestattung eines verdienten Mitglieds, 
zur Weihung einer Statue fur eine Gottheit oder 
hauiiger noch fur einen Patron oder einen Be- 
amten des Vereines, der Stadt oder sonst ir- 
gend einen Wohlthater, vgl. Ausdrucke wie aere 
■conlato, eorporatis eonferentibus u. a. auf den 
Inschriften, die Waltzing I 464, 2—7 zusam 



freudigen oder ehrenden Ereignisses, oft verbunden 
mit Sportelverteilungen (Belege bei Waltzing 
I 470, 1—7. 471, 1—3) oder Gaben fur die Er- 
bauung, Ausschmiickung, Wiederherstellung oder 
Erweiterung des Vereinshauses (schola) oder Ver- 
einstempels (Waltzing I 471, 4. 472ff. mit An- 
merkungen) — grossartige Anlagen mit gepflaster- 
tem Hof, mit Hallen, Saulengangen, Garten u. s. w. 
mussen so urn die soJiola und den Vereinstempel 



mengestellt hat. Die geehrten Personlichkeiten 20 entstanden sein (vgl. Art. Schola) — oder solche 



iahlten auch manchmal selbst die Kosten, dann 
ieisst es honore contentus oder honore accepto 
impensam remisit. 

3) Der Ertrag aus den Strafen (multae), meist 
■Oeldstrafen, doch daneben auch solche in natura, 
besonders Weinmulten (vgl. die von den mittel- 
alterlichen Ziinften verhangten Strafen in Wein, 
Bier und Wachs, Gierke D. Genossenschaftsrecht 
I 398), welche festgesetzt waren in den Statuten 



fiir Anlage oder VergrOsserung eines Grabmonu- 
ments oder eines gemeinsamen Begrabnisplatzes 
mit allem, was dazu gehorte (locus ustrinae, Ein- 
friedigung = tnaceries, puteus oder puteal, la- 
brum, tricla own columnis et mensis, porticus 
cum mensis, vigilwm locus u. s. w. Waltzing I 
474ff. mit Anm.), endlicK fiir Statuen oder Altare 
zum Schmuck der schola oder des Tempels oder 
auf einem geweihten Platz (eine Liste solcher 



oder im einzelnen Pall durch Beschluss der 30 Geschenke an gewerbliche Collegien bei Waltz in °- 
■Generalversammlung verhangt werden konnten. I 477f.). = 



Dieselben waren manchmal , besonders bei Be 
amten, sehr hoch (vgl. die Statuten eollegii 
Aescidapi et Ilygiae CIL VI 10 234 Z. 19—22, 
lex coll. eborariorum Z. 23. 24, Lex Lanuvina 
CIL XIV 2112 i Z. 26—29. n Z. 8—10). Die 
lanuvinische Lex enthalt auch eine ganze Samm- 
lung kleinerer Strafen fiir die Mitglieder, die bei 
der gemeinsamen Mahlzeit gegen die gute Sitte 



B. Ausgaben. 

Ordentliche Ausgaben: 

1) Pur das Vereinshaus (schola). Viele Col- 
legien waren reieh genug, sich selbst em gemein- 
sames Haus zu bauen, z. B. das c. cmlonariorum 
in Apulum (CIL III 1174, ahnlich VIII 2551 
—2555. XIV 45. 424. IX 5568. Mommsen Inscr. 
conf. Helv. 182. Korr.-Bl. Westd. Ztschr. IX 



yerstiessen (ebd. n Z. 25—28). Bei demselben 40 nr. 98 u. s. w., vgl. Waltzing I 480). Die Kosten 

€. verfielen die funeraticia von Mitgliedern, die ' . . . . * . ...___ 

fiber ein halbes Jahr zahlungssaumig gewesen 

waren, und solchen, die durch Selbstmord ge- 

«ndet hatten, der Casse (ebd. i Z. 22. n 5—6). 

Eingehende Strafbestimmunsen enthalt auch das 

Statut der curia Iovis von "Simitthus (CIL VIII 

14 683) und des conlegium aquae in Rom (CIL 

VI 10298). Grossere testamentarisch festgesetzte 

Conventionalstrafen konnten einem C. zufallen 



wurden aufgebracht durch ausserordentliche Bei- 
trage. 

2) Fiir den Cult, und zwar fur Opfer, Fest- 
mahlzeiten und die damit verbundenen Vertei- 
lungen, Spielp, Leichenbegiingnisse und Dedica- 
tionen an die Gfitter. Opfer und Mahlzeiten wur- 
den gewohnlich durch Einkiinfte ans einer Stif- 
tung oder durch gelegentliche Freigebigkeit ge- 
deckt, hOchstens musste die Casse das Fehlende 



•wenn ein anderes die fiir ein Vermachtnis seitens 50 erganzen. Reiche Vereine machten diese Festlich- 



■des Erblassers auferlegten Verpflichtungen nicht 
erfullte, z. B. den fabri tigmiarii in Pisa infolge 
stiptdatio eines Soldaten, der den fabri itavales 
von Pisa 4000 Sesterzen vermacht hatte unter 
der Bedingung, fur sein Begrabnis zu sorgen, bei 
yichterfullung der Auflage aber die Summe an 
die fabri tigmiarii zu zahlen, wodurch naturlich 
auf diese auch jenes munus iiberging (CIL XI 
1436 ; vgl. VI 9626). Strafen fiir Entweihung 



keiten ganz auf Kosten der Casse, z. B. die Cor- 
poration der Elfenbeinarbeiter (ROm. Mitt. 1890, 
287 Z. 12). CIL m p. 953 haben wir eine Ab- 
rechnung uber ein Festessen am letzten April. 
Xach CIG 5153 = IGI 830 (Mommsen Berichte 
der sachs. Ges. 1850, 57ff.) bittet die Corporation 
tyrischer Kaufleute in Puteoli ihre Mutterstadt um 
eine Unterstntzung (s. o. S. 438), weil sie bei ihrer 
geringen Mitgliederzahl nicht mehr im stande ist, 



der Graber, die auf Grabsteinen von fraheren 60 die Kosten fur den Cult ihrer nationalen Getter 
VeremsrmtgUedernangedroht werden. verfallen der u. s. w. zu tragen. Reiche Collegien bauen so 

gar auf eigene Kosten Tempel ihrem Schutzgort 



Vereinscasse (CIL III 2107. 9450. 9672. VI 7458 
= 8750. 9485. XI 136. CIG 3639 add. Ann. d. 
Inst. 1868, 142 oder Dumont Inscr. et mon. fig. 
•de la Thrace 1876 nr. 65 u. s. w.). Sie waren aber 
manchmal so hoch, dass sie nur zur Abschreckung 
■dienten und wohl kaum jemals gezahlt wurden 
<50 000 Sesterzen, CIL VI 7458. 8750. 9485). 



(Liste derselben bei Waltzing I 484f.), bezw. 
Altare oder Statuen (ebd. 485ff.). 

Dazu kommen bei Vereinen , die fiir das Be- 
grabnis ihrer Mitglieder sorgen, zwei weitere be- 
deutende Ausgabeposten : 

31 Fiir das Grabmonument oder den Begrabnis- 



441 



Collegium 



Collegium 



442 



platz des Vereins. Auch hier kommt die Her- 
stellung aus eigenen Mitteln vor, vgl. CIL XII 
1929. XI 1449. Ore Hi 4097. Auch collegia do- 
mesiica kaufen ein Monument (z. B. CIL VI 
23 328) oder sammeln Beitrage , um ein solches 
zu bauen (z. B. VI 5818). 

4) Fiir das Begrabnis und die Totenehren der 
Mitglieder. Die H6he des Bestattungsgeldes = 
funeraticium war wohl in der Eegel durch die 
Statuten festgesetzt (fiber die sehr verschie- 
dene Hohe der Summen, vgl. die Zusammen- 
stellung bei Waltzing I 487). Manche Colle- 
gien trugen nur einen Teil der Kosten. Das 
lanuvinische C. gab auch eine Reiseentschadi- 
gung von 20 Sesterzen, viaticum, fur denjenigen, 
der mit der Besorgung des Begrabnisses eines in 
einer Entfernung von uber 20 Meilen gestorbenen 
Vereinsmitgliedes betraut war. Die Summe von 
50 Sesterzen wurde verteilt von dem namlichen 
C. an diejenigen, welche an dem Leichenbegang- 
nis verstorbener Mitglieder teilnahmen (= exe- 
quarium oder sportula exequaria ad rogum). 
Doch wurde dies von dem funeraticium abge- 
zogen, so dass dadurch dem C. keine neuen 
Kosten entstanden. Wohl aber erforderte der 
Totencult, der in Opfern und Mahlzeiten, Be- 
kranzung der Graber, Unterhaltung einer brennen- 
den Lampe auf dem Grabe oder im Monument 
(CIL II 2102) u. s. w. bestand, Ausgaben der 
Casse, wenn hiefur nicht eine Schenkung des Ge- 
storbenen gemacht war. 

5) Materielle Zuwendungen an bestimmte Mit- 
glieder, zunachst in Form grdsserer Anteile an 
den Sporteln fur die Beamten und Bediensteten. 
Die Hohe dieser grOsseren Anteile schwankt zwi- 
schen ll/ 2 -, 2-, 3fach, daher die Bezeichnungen 
sesquipliearii, duplicarii, tripliearii fiir die ver- 
schiedenen Beamtenkategorien. Einige Inschrif- 
ten sprechen auch von eommoia der Beamten. CIL 
VI 3678 handelt es sich nach Waltzing I 490 
bei commoda um Sporteln. Die Curatoren der 
Elfenbeinarbeitergilde , von denen es heisst u]t 
sui anni eommoda cuncta acciperent (Statut 
derselben Z. 19 — 21, Gradenwitz a. a. O. 
141), empfingen vielleicht eine Entschadigung fiir 
die Herrichtung der Gastmahler, die sie bei dicscm 
C. zu besorgen hatten. Wenn es in der lanuvi- 
nischen Lex bei Auszahlung des fimeraticium 
heisst deduetis cnmmodis et exequario (I Z. 33), 
so vermutet Mommsen (De coll. 104) wohl mit 
Recht, dass es sich hier um eine an Beamte ge- 
zahlte Entschadigung fiir die Cassenverwaltung 
handle. Immunitat, d. h. Befreiung von den 
monatlichen Beitragen (etwas anders Liebenam 
186), stand in gewissen Collegien den Beamten 
und Subalternen zu. Aber auch sonstige Mit- 
glieder haben dieselbe, wahrscheinlich fiir grosse 
Verdienste um das C, entweder fiir ein oder 
mehrere Jahre oder fiir immer (Belege Waltzing 
I 490f.). CIL III 4048 ist die Rede von immu- 
nes reeepti in collegium fabrum. zwei reichen 
Freigelassenen, die nach Waltzing als Eh- 
renmitglieder aufzufassen sind; das waren wohl 
Leute, die ohne Zwang, um der Ehre willen (im 
Album oder sonst auf Inschriften stehen die im- 
tnuttes neben oder gleich nach den Beamten, auf 
alle Falle vor den iibrigen Mitgliedern, vgl. CIL 
VI 10231. 10234 u. s. w.) erheblich mehr zahlten. 



6) Fiir . Ehrenbezeugungen , die das C. be- 
schloss. Neben den wenig oder nichts kostendei* 
Ehrenbezeugungen, wie Ehrendecrete, Ehrentitel, 
Verleihung des bisdlium, gab es solche, wie Wid- 
mungen von Statuen und Monutnenten, die Aus- 
gaben dem C. brachten, wenn nicht, wie es oft 
geschah, der Geehrte auch hier honore eonten- 
tus die Kosten auf sich nahm. Von der ,Denk- 
malswut' der Collegien namentlich in Bezug auf 

10 die Person des Kaisers ist oben S. 426 schon 
gesprochen. 

VII. Die Umwandlung der freien Ver- 
eine in Zwangsverbande des Staats und 
der Stadte (corporati and collegiati). Bei der 
Macht des Staatsgedankens bei den ROmern ist. 
es nicht verwunderlich, dass auch die Vereins- 
hildung in ein staatliches Fahrwasser gelangt ist. 
Allerdings ist wohl die Centurienbildung aus den 
handwerktreibenden, nicht ansassigen Burgen, so- 

20weit sie fiir den Kriegsdienst notwendige Bernfe- 
reprasentieren, durch Konig Servius keine staat- 
liche Indienststellung gewisser Handwerkercolle- 
gien, wie Mommsen anzunehmen geneigt ist 
(St.-R. Ill 287), vielmehr entstand unserer An- 
sicht nach jene servianische Massregel in einer 
Zeit, da vielleicht eine freie private corporative 
Einigung jener Berufe der Werk- und Spielleute 
noch nicht stattgefunden hatte (s. o. S. 391), und 
blieb unverandert bestehen, als sich der private Zu- 

30 sammenschluss der Berufsgenossen in Collegien 
der fabri tigmiarii, fabri aerarii, tibicines voll- 
zog, ja als nach den veranderten Culturverhalt- 
nissen und Bediirfnissen der Bevfilkerung (z. B. 
Eisen an Stelle von Erz) alte Vereinsbildungen 
untergingen (collegium fabr. aerar. 1 }) und neue 
entstanden, wie das conlegium fabrum ferrarium 
(CIL VI 1892). 

Wenn aber auch nicht in dieser, so sind doch 
in anderer Beziehung die collegia fabrum [tign.]' 

40 die ersten gewesen , die zum Staate , bezw. der 
Stadt in ein bestimmtes Verhaltnis getreten sind 
und sich der Fiirsorge seitens des Staates zuerst zu 
erfreuen gehabt haben : namlich wegen der Hfllfe- 
leistung beim stadtischen Feuerloschwesen. Wir 
sind allerdings Tiber diese Thatigkeit der Bau- 
handwerkcrvereine nur durch epigraphisehe Zeug- 
nisse aus den Municipalstadten der Kaiserzeit 
unterrichtet (vgl. O. Hirschfeld Gallische Stu- 
dien III, S.-Ber. Akad. Wien CVII 1884, 239ff.). 

50 Aber warum sollen die Municipien der Kaiser- 
zeit, die uns in so vieler sonstiger Beziehung 
ein Abbild des republicanischen Rom darstellen, 
es in dieser Hinsicht nicht sein? Welcher Nutzen 
fur den Staat (utilitas civitatis) soil es anders 
gewesen sein , der den Bauhandwerkem neben 
wenigen andern Vereinen von Gewerbetreibenden 
im J. 690 = 64 v. Chr. die fernere Existenz- 
berechtigung zu belassen net (Asconius in Cor- 
nel. 75, s. oben S. 406)9 Unsere Nachrichton 

60 uber die republicanischen Einrichtungen im stadt- 
romischen Feuerloschwesen sind minimal. Wir 
horen nur von einer familia publico circa por- 
tam et muros disposita, welche notigenfalls an die 
bedrohte Stelle gerufen wurde i Paulus Dig. I 1 5, 
1), und von gelegentlichem Eingreifen privater 
Sclavenseharerr (Cass. Dio LIII 24). Die letztere 
Stelle spricht dann neben Sclaven auch noch von 
.anderen gednngenen Leuten'. Das werden wohl 



443 



Collegium 



Collegium 



444 



Handwerker gewesen sein, die ihr Beruf far das 
LOschgeschaft geeignet machte. Subsidiar sind 
wohl die Bauhandwerker, centonarii u. s. w. auch 
schon im republicanischen Eom im Feuerwehr- 
dienst in Betracht gekoramen, wenn auch viel- 
leicht anfangs freiwillig oder einzeln vom Staate 
und reichen Privaten gedungen. Und das war 
wohl der effentliche Nutzen, von dem im J. 64 
•die Eede war. Den eigentlichen Entwicklungs- 
process der Indienststellung der eoUegia fabrum 
•u. s. w. im stadtischen Interesse konnen wir erst 
in der Kaiserzeit verfolgen. Sie bleiben Vereine, 
die aus privater Initiative hervoigegangen sind, 
die daher staatlicher Concession bei ihrer Griin- 
dung bediirfen, aber neben dem Privatberuf der 
Mitglieder tritt der stSdtische Dienst, die Be- 
sorgung des Sffentlichen LOschwesens, immer mehr 
in den Vordergrund, Das zeigt sieh sehr bald 
in einer doppelten Organisation, wie sie wenig- 
stens sicher bis jetzt in Nemausus nachgewiesen 
ist (Hirschfeld a. a. 0.): als private Vereine 
Iiaben diese Collegien ihre collegialen Beamte, 
wie alle andern, als stadtische Feuerwehr sind 
sie dem praefectus vigilum et armorum — an 
.anderen Orten wohl dem praefectus collegii, fiber 
diesen vgl. unten S. 476 — unterstellt. Wenn 
Plinius (ep. ad Trai. 33) von instituere collegium 
fabrum in Mcomedien spricht , so ist dabei 
wohl allerdings noch nicht von einer Grim- 
dung der Feuerwehr durch die Eegierung zu 
denken (vgl. Plin. paneg. 54 fiber eine Senats- 
sitzung unter Domitian : de ampliando numero 
gladiatorum aut de instituendo collegio fabrorum 
consulebamus), vielmehr ist damit die Brteilung 
der staatlichen Concession gemeint (vgl. Plin. ad 
Trai. 33 die Worte iure concesso). Aber bemerkens- 
wert ist, dass in jener Zeit die Eegierung schon 
die Mitgliederzahl aus eigenem Ermessen fixierte 
(150 in unserem Palle, analog CIL II 1167 bei 
einem e. eentonariorum unter Antoninus Pius), auf 
die Zusammensetzung des C. einen Einfluss auszu- 
iiben suchte (Plin. a. a. 0. ego attendant, ne quis 
nisi faber rccipiatur), und die Erfiillung des einen 
Zweckes, dessentwegen die Concession gegeben 
war, d. h. des Feuerwehrdienstes, iibervvachte 
(neve iure concesso in aliud utantur). Dies scharfe 
Yerfehren hangt allerdings mit den localen Ver- 
hiiltnissen in Bithynien zusammen, und war man 
vielleicht anderswo noch nicht so weit vorgeschrit- 
ten, aber dieEntwicklung verlauft so, dass der staat- 
liche Zweck immer mehr uberwiegt, und die pri- 
vate Initiative und damit auch der private Zweck 
des Vereins immer mehr beschrankt wird. An 
einer Stelle des Callistratus (Dig. L 6, 6 (5) § 12) 
aus der Zeit des Septimius Severus heisst es schon 
von dem e. fabrorum und anderen, die einer ahn- 
lichen Ursache ihre Entstehung verdanken , id- 
circo instituta sunt, id nccessariam operant pu- 
blicis utilitatibus exliiberent. Doch sind dieselben 
in jener Zeit noch nicht, wie man nach diesen 
Worten annehmen ko'nnte , rein staatliche Insti- 
tutionen ffir effentliche Zwecke, sondern es sind 
noch private Vereine , quibus ius coeundi l^ge 
permissum est (a. a. 0.), deren Mitglieder — und 
zwar nur die Angehorigen des Berufs = arti- 
fices — nebenbei dem Staate diencn, wofur den 
Betreffenden, nicht dem garizen C., immunitas 
gewahrt wird, d. h. Befreiung von gewissen 



staatlichen munera, weil sie selbst ein munus 
publicum im Dienste der Gesamtheit erfiillen 
(hieruber und die Widerspriiche der Stelle iiber- 
haupt vgl. unten S. 447). 

Hatten wir in diesen collegia fabrum, private 
Vereine zu halbstaatlichen Institutionen infolge 
einer ausserhalb ihres eigenen Berufes liegenden 
Offentlichen Dienstleistung sich entwickeln sehen, 
so ist es bei einer andern Gruppe der Beruf der 

10 Mitglieder selbst, welcher eine Fesselung der- 
selben nnd spater der gesamten Collegien an den 
Staat hervorbracbte. 

Trotz der von Augustus im grossartigsten 
Massstab eingerichteten staatlichen Lebensmittel- 
versorgung der Stadt Eom, die die Herbeischaffung 
grosser Massen von Naturalien aus den Provinzen 
notwendig machte, hatte man im Verlauf der 
ersten Kaiserzeit bekanntlich das Institut der 
Publicanen, welche die von den Provincialen ge- 

20 lieferten Naturalsteuern auf den stadtrflmischen 
Markt warfen, nach und nach zu beseitigen ge- 
sucht (dariiber 0. Hirschfeld Philol. XXIX 69, 
106. Tac. ton. IV 6. XIII SI). Wollte man 
nicht einen ungewohnlich grossen Beamtenapparat 
schaffen, so musste man Ersatz fiir die Publica- 
nen in anderer Weise suchen, um auch fernerhin 
die von den Provinzen gelieferten Producte fiir 
die Speisung der hungernden grossstadtischen Pro- 
letariermassen nutzbar zu machen. Man wandte 

30 sich an den Privathandel, d. h. an die Massen 
von Grosskaufleuten (negotiatores) und Eeedern 
(navicularii), die schon in der republicanischen 
Zeit die Provinzen und besonders die Ausfuhr- 
hafen daselbst uberschwemmt hatten (vgl. Art. 
Conventus), aber nicht an Genossenschaften der- 
selben (wie in der republicanischen Zeit, vgl. Liv. 
XXni 48f. : tres societates hominum undeviginti 
ad vestimenta ac frumentum Hispaniensi exer- 
citui praebenda), sondern an einzelne Vertreter 

40 dieser Berufe , die fur den Transport und den 
Verkauf von Getreide nach der Hauptstadt be- 
sonderer staatlicher Beaufsichtiguug und staat- 
lichen Schutzes sich erfreuten (lex Julia de an- 
nona, Suet. Aug. 42. Ulp. Dig. XLVIII 12, 2). 
Aber infolge zu starker Berucksichtigung des con- 
sumierenden Teils der BevOlkerung und einer zu 
niedrigen staatlichen Fixierung der Getreidepreisc 
fTac. ann. II 87) muss der Privathandel sich der 
wenig Gewinn bringenden Thatigkeit mehr und 

50 mehr entzogen haben , so dass Hungersnote und 
infolge dessen Aufstande in Eom ausbrachen. Da> 
veranlasste Claudius zu bedeutenderen Concessio- 
nen an die negotiatores und navicularii: er uber- 
nahm das Eisico der Getreidetransporte im Winter 
auf die Staatscasse, wie das schon in den sebweren 
Zeiten des zweiten punischen Kriegs gegenuber 
jenen erwahnten Genossenschaften seitens des 
Staates geschehen war (Liv. XXIII 49), also eine 
Art staatlicher Unfallversicherung ; Schiffseigen- 

SOtiimern, welche Schiffe von 10000 Modii Trag- 
fahigkeit bauten und sie sechs Jabre lang in den 
Dienst der stadtromischen Getreide- Verwaltung 
stellten, gab er Privilegien, namlich Latinern 
das rOmische Burgerrecht (Gai. I 32 c. Ulpian. 
frg. 3, 6), rOmischen Bitrgern Befreiung von der 
Lex Papia Poppaea, Frauen das ins trium libe- 
rorum (Suet. Claud. 18. 19), wie einst jene socie- 
tates der republicanischen Zeit fur ihre Dienste 



445 



Collegium 



Collegium 



446 



far das spanische Heer die vaaatio militiae er- 
halten hatten. In der Kaiserzeit handelt es sich 
aber zunachst deutlich um rein persfmliche Con- 
tractverhaltnisse des Staates mit einzelnen Indi- 
viduen unter festgesetzten Bedingungen auf ganz 
bestimmte Zeit gegen Gewahrung eines bestimm- 
ten Entgeltes in Gestalt von VorrecMen. Dass 
daneben der Staat — im 2. Jhdt. wenigstens — 
auch noch in Gestalt von Frachtgeldern (vecturae) 



temptant: idgue ita observandum epistula divi 
Badriani seripta [scriptumf] est, vgl. Scaevola 
Dig. L 4, 5). Seit Antoninus Pius begegnen 
uns dann in diesem Zusammenhang auch Col- 
legien der naviendarii und negotiatores. Auf 
zwei Inschriften, die eine aus Hispalis = Sevilla in 
Baetica (CDL II 1180, s. o. S. 445), die andere aus 
Aries in der Narbonensis (CIL XII 672), werden 
Unterbeamte des praefectus anmmae von den 



pecuniare Entschadigungen zahlte, beweist eine 10 Collegien der scapharii Hispalenses, bezw. der 



Inschrift aus der Zeit des Antoninus Pius, CIL 
II 1180, welche neben ttavieularii auch scapharii 
(Flussschiffer) im Staatsdienste zeigt. Die fiir 
den Staat zu leistende Lieferung schloss sicher 
Privathandel und Privattransporte der Betreffen- 
den nicht aus. Aber das letztere nahm immer 
mehr ab, da der Staat wieder preisregulierend 
in den Giiteraustausch eingriff (Tac. ann. XV 39, 
vgl. dagegen ebd. XIII 51 und die Versuche 



navicularii niarim Arelatenses — bei letzteren 
ist der Betreffende sogar patronus optimus et in- 
nocentissimus — geehrt, woraus man schliessen 
kOnnte, dass diese Collegien geschlossen im Dienste 
der anmona gestanden hatten. Dass dieser Schluss 
nicht ganz richtig ware, zeigen die Eescripte des 
Antoninus Pius und seiner beiden Nachfolger 
(Dig. L 6, 6 [5] § 9. 12. 6), die allerdings auch 
von den Collegien der Eeeder und Handler reden, 



Traians, den Privathandel zu heben und das staat- 20 aber zugleich beweisen, dass 1) auch jetzt noch 



liche Eingreifen auf diesem Gebiete zuriickzu- 
dammen, Plin. paneg. 29). An alien erwahnten 
Stellen ist von Collegien der navicularii oder 
negotiatores nicht die Eede ; dass solche auch in 
Eom bestanden, ist anzunehmen, da sie in alien 
grOsseren Stadten besonders an der See teilweise 
schon in der republicanischen Zeit sich finden 
(CIL XIV 3603 Ostienses nat-iculariei gehort nach 
Dessau in die augusteische Zeit, CIL VI 814 



die tTbernahme von Leistungen fiir die annona 
und die Gewahrung von Entschadigungen in Pri- 
vilegien und Geld dafiir personlich durch bezw. 
an einzelne unter den erwahnten Bedingungen 
geschah, 2) dass diese einzelnen Personen, mit 
denen der Staat in ein Contractverhaltnis trat, 
Mitglieder von Collegien waren, 3) dass aber einzig 
und allein diese, welche jene Bedingungen er- 
fiillten und wirklich selbst den betreffenden Be- 



ein stadtrCmisches collegium negotiatorum fru- 30ruf personlich ausiibten, im Genusse der staat 



mentariorum aus der Zeit der Flavier), aber auf 
keinen Fall hing die Erlangung der erwahnten 
staatlichen Privilegien von der ZugehOrigkeit zu 
dem C. ab, und keineswegs sind die Massregeln 
des Claudius nur denkbar im Zusammenhang 
mit der Griindung von Eeeder- und Getreide- 
handlercollegien, wie man uns glauben zu machen 
versucht hat (Marquardt Privatl. 2 424, 3. Lie- 
benam 34. B. Matthiass Zur Geschichte 



lichen Vergiinstigungen sich befanden, wahrend 
man solche , die sich nur auf diese Weise den 
stadtischen Lasten zu entziehen suchten (a. a. 0. 
§ 9) und Grosscapitalisten. welche sich auf diesem 
Wege bereichern wollten, bezw. die ein solches 
VermOgen besassen, dass sie die iibrigen munera 
zugleich mittrageu konnten (§ 12, vgl. besonders 
die interessanten Worte: quae teimioribus per 
collegia distributis concessa sunt), auch zu alte 



und Organisation der rOmischen Zwangsverbande 40 und zu junge Angehorige des betreffenden Berufs 



28f.). Auch im Anfang des 2. Jhdts. geschieht 
die staatliche Privilegienverleihung (jetzt ist die 
Eede von immunitas, immunitas a muneribus 
publicis, mutter is publiei vacatio) noch an ein- 
zelne Individual und wird abhangig gemacht von 
dem Besitz von Seeschiffen im Dienste der an- 
nona (so handelt von Traian Dig. XXVII 1, 17, 
6 ; von Hadrian ebd. L 6, 6 [5] § 5 , vgl. Scae- 
vola Dig. L 5, 3 ob iwvem) mit genauer Be 



(§ 12), aufs strengste zwar nicht von den Col- 
legien der betreffenden Berufsgenossen, wohl aber 
von dem Genusse der staatlichen Vergiinstigungen 
ausschloss, so dass also die Collegien damals 
neben den im Staatsdienste stehenden, privilegier- 
ten Mitgliedern auch privatim arbeitende, nichr- 
privilegierte umschlossen. Das ganze Verfahren 
aber, besonders das gegenuber den reichen Leuten. 
denen man , trotzdem sie alle Bedingungen fur 



schrankung auf die Zeit der wirklichen Dienst- 50 den Dienst bei der Annona erfiillten, die Be 



leistung (Dig. L 6, 6 [5] § 3 quamdiu in eius 
modi actu sunt) und — seit Hadrian wenigstens 
— von der Bedingung, dass immer der grossere 
Teil des jeweiligen VermOgens der Betreffenden 
dem Staatsdienst gewidmet wird, bei Vermehrung 
des Capitals also mit steigendem Betrage. weil 
reiche Leute durch die Beteiligung an der gross- 
stadtischen Lebensmittelversorgung mit einem 



freiung von den iibrigen munera nicht gewahrte, 
zeigt, dass jetzt allein das nackte Staatsinteresse 
massgebend war, und das passt so recht in die 
Anschauungen vom Staate bei den gewissenhaften 
Antoninen, von denen Pius den Ausspruch gethan 
hat: nihil esse sordidiu-s, immo emdeliiis. quam 
si rempublicam is adroderet, qui nihil in earn 
suo labor e cmiferret (Hist. Aug. Ant. Pius 7), 



kleinen Bruchteil ihres Vermegens sich den immer womit der spateren Auffassung von dem nach dem 
lastiger werdenden munera publim oder muni- 60 Willen des allmachtigen Staates arbeitenden Bur 
cipalia zu entziehen suchten (Dig. L 6, 6 [5] § 8: ger jchon stark vorgearbeitet ist. 



negotiatio pro ineremento facultaiium exercenda 
est. Alioquin si quis [qui!] maiore pecuniae 
suae parte negotiationem exercebit [exercebat^] 
rursus locuples factus in eadem quantitate ne- 
gotiationis perseteracerit , tenebitur muneribus, 
sicuti loeupletes. qui tnodica pecunid eompara- 
tis navibus muneribus se publicis subtrahere 



Es war nur ein Schritt weiter auf dem ein- 
geschlagenen Wege, wenn der omnipotente Staat 
nicht nur einzelne Personen, sondern die ganzen 
Collegien in seinen Dienst stellte; das begann 
mit dem Augenblick, da das staatliche Eingreifen 
auch auf die Corporationen als solche sich bezog. 
In diesen Zusammenhang gehort wohl die Be- 



447 



Collegium 



Collegium 



448- 



stimrnung des Kaisers Marcus, dass niemand zwei 
Collegien zugleich angehcren diirfe (Dig. XL VII 
22, 1, 2), wodurch man einen scharfen Abschluss 
der Collegien von einander zu erreichen hoffbe 
und die einzelnen Burger ftir bestimmte munera 
und zwar mit ihrer ganzen Capitalkraft auszu- 
mrbzen suchte. 

Aber selbst zur Zeit des ■ Septimius Seve- 
ras waren noch nicht die samtlichen Mitglieder 
der Collegien im staatlichen Dienst thatig und 
dafiir durch immunitas entschadigt, vielmehr 
wurden auch jetzt noch die staatlichen Vergiin- 
stigungen personlich und temporar, nicht erblich 
verliehen, wie der in dieser Zeit lebende Calli- 
sfcratus uns sagt (Dig. L 6, 6 [5] § 3. 4. 12, an 
der letzteren Stelle : nee omnibus promiscue, qui 
adsumpti sunt in his collegiis, immunitas datur, 
sed artifieibus dumtaxat). AbeT die Zahl der 
privilegierten Vereinsmitglieder muss so iiber- 
wiegend gewesen sein, dass die iibrigen dabei ganz 
zuriicktraten, bezw. nur noch in der Theorie be- 
standen ; denn nur so erklart sich die andere Aus- 
drucksweise desselben Callistratus, wie collegium, 
quod immunitatem pariat (ebd. § 7), oder cor- 
pora, quae immunitatem praebent (ut) navicu- 
lariorum, eine ganz offenbar juristisch ungenaue, 
aber den factischen Verhaltnissen meist ent- 
sprechende Redeweise, insofern alle Vereinsmit- 
glieder in damaliger Zeit die Bedingungen des 
Staatsdienstes erfiillten und dafiir Immunitat ge- 
nossen , so dass far den Fernerstehenden die 
ZugebOrigkeit zum C. den Genuss der staat- 
lichen Vergiinstigungen brachte. Die doppelte 
Ausdrucksweise tritt gleich im Anfang von § 12 
scharf zu Tage in den Worten: quibusdam col- 
legiis vel corporibits, quibus , immunitas 

tribuitur, wozu dann berichtigend und einschran- 
kend nachher hinzugefiigt wird: nee omnibus 
promiscue, qui adsumpti sunt in Ms collegiis, 
immunitas datur, sed artifieibus dumtaxat. Die 
ungenaue Ausdrucksweise bei demselben Jnristen 
auch Dig. XXVII 1, 17, 3: non omnia tamen 
corpora vel collegia vacationem tutelarum ha- 
l/ent . . . ., nisi nominatim id privilegium eis in- 
dultum sit. Neben diesein einen neuen Gedanken, 
uass das C. als solches die immunitas gewiihre, 
treten bei demselben Callistratus noch zwei an- 
dere uns zum erstenmal entgegen: 1) Dass das, 
was die Mitglieder fur die staatliche Privilegie- 
ruDg leisteten, ein munus publicum sei. welches 
die Befreiung von den (ibrigen munera erheisehe, 
denn es handle sich bei den fur die annona Thati- 
gen um absentia reipublicac causa. Dig. L 6, 
6 (5) § 3. Damit war die juristische Formel ge- 
funden , um die Befreiung gewisser Burger von 
den immer lastiger werdenden Municipallasten 
zu erklaren; aber zugleich war das offenbar ur- 
sprfmglich rein privatrechtliche Contractverhaltnis 
staatsrechtlich aufgefasst und diese Auffassung 
blieb in der Folgezeit, gerade wie in der Ge- 
schichte des Colonats, wo eine analoge Erschei- 
nung zu Tage tritt (vgl. Art. Colonatus). Ver- 
kehrt aber ist es, wenn neuerdings Matthiass 
! Zu Gesch. u. Organisation der rSmischen Zwangs- 
verb.) mit seinen romischen Collegen in der Auf- 
erlegung eines Offentlichen munus auf einzelne 
Burger, die dafiir von anderen befreit werden, 
ilen Ausgangspunkt der ganzen Entwicklung sieht, 



indem er die vorzuglichen Ausfiihrungen von Rod- 
bertus (Zur Gesch. der romischen Tributsteuem 
seit Augustus, Hildebr. Jahrb. f. Nat.-Okon. 1867, 
418ff.), der die Entwicklung der Vereine zu Z wangs- 
innungen in letzter Linie ganz richtig als Folge- 
erscheinung des antiken Naturalsteuers}'stems und 
der damit verbundenen Leistungen (munera) der 
Burger betraehtet, falsch angewendet hat. 2) Ist 
bei Callistratus neu die Behauptung, dass die 

10 Collegien gegrflndet seien fiir den Bffentlichen 
Dienst und nicht urn eines privaten Zweckes willen, 
ideirco instituta sunt, id necessariam operant 
publicis utilitatibus exhiberent, ebd. § 12, also 
auch hier der Fehler, dass das historische Werden 
nicht beriicksichtigt wird; etwas, was im Laufe 
der Entwicklung zu dem ursprunglichen Zweck 
der Collegien hinzugekommen war, erschien jetzt 
als Zweck der Griindung dieser Collegien. 

Wir haben also um die Wende des 2. zurn 

20 3. Jbdt. zwei Kategorien von zu Recht bestehen- 
den Collegien nebeneinander : neben den concessio- 
nierten die privilegierten oder juristisch genau 
Collegien mit grCsstenteils privilegierten und da- 
fiir dem Staate dienenden Mitgliedern. "Welche 
gehOrten zu den privilegierten Collegien? Calli- 
stratus spricht an der oft citierten Digestenstelle 
(L 6, 6 [5] § 12) von quibusdam collegiis vel 
corporibus und bestimmt sie genauer dadurch, 
dass dieselben 1) staatliche Concession haben, 

30 2) aus Leuten eines und desselben Berufes zu- 
sammengesetzt sein, 3) dem Cffentlichen Interesse 
dienen (oder wie Callistratus fiilschlich behauptet, 
dafiir gegriindet sein) miissen. Als Beispiel giebt 
er das corpus fabrorum (ebenso Dig. XXVII 1, 
17 § 2). Hinzufiigen kCimen wir die seither be- 
trachteten Collegien der navicularii und nego- 
tiators frumentarii (Dig. L 5, 9, 1), der mer- 
catores olearii (Dig. L 4, 5, vgl. CIL VI 1620), 
weiter das C. der stadtrSmischen Backer (pistores), 

40 dessen Mitglieder seit Traian schon (Aurel. Vict, 
de Caes. 13, 5 annonae perpetuus mire consultum 
reperto [dafiir Borghesi Oeuvr. Ill 134 reeepto, 
Hirschfeld Philol. XXIX 44 reparato] firma- 
foque pistorum collegio) unter bestimmten Be- 
dingungen (persflnliche Ausiibung des Berufs, Nach- 
weis eines bestimmten Masses von Arbeitsleistung 
tiiglich, Verpflichtung auf drei Jahre, Ulp. frg. Vat. 
233. 234. Gai. 1 34) ahnliche, ja noch grossere (frg. 
Vat. 235. 237. Dig. XXVII 1, 46) staatliche Ver- 

50 giinstigungen wie die Reeder u. s. w. genossen, da- 
fiir aber Brot zu billigen Preisen an die Verwaltung 
der Annona zu liefern batten (die Beziehungen 
des Vereins zum praefeotus annonae deutet auch 
der im J. 144 von dem c. pistorum dem Anto- 
ninus Pius gesetzte Stein an , CIL VI 1002, wo 
auf der rechten Seite steht praef/eetura) L. Yakri 
Proculi), ferner die mensores frumentarii (Dig. 
XXVn 1, 26. L 5, 10 § 1; vgl. das corpus men- 
sorum machinariorum frumeiiti publici CIL VI 

60 85 aus dem J. 198, mit der Concessionsformel 
quibus ex SC. coire lieett , die suarii (Ulp. frg. 
Vat. § 236). Hiermit ist natiirlich nur unsere 
Kenntnis, nicht aber die Liste erschopft. Ver- 
mutungsweise mOchte ich nocb anfiigen, ob nicht 
an der viel behandelten Gaiusstelle Dig. Ill 4, 1 in 
dem Satz: Ite-m collegia Ronute eerta (vgl. qui- 
busdam bei Callistratus] sunt, quorum corpus et 
senatus consultis atque const Hut ionibus principa- 



449 



Collegium 



Collegium 



450 



libus eonfirmatum est (vgl. firmato vom corpus 
pistorum gebraucht bei Aurel. Vict, de Caes. 13, 
5) veluti pistorum et quorundam aliorum et 
navieulariorum, qui et in prcrvinciis sunt, die 
privilegierten Collegien den gewohnliehen , bios 
concessionierten gegeniibergcstellt sind. Abge- 
sehen von dem Worte eonfirmatum est gegeniiber 
dem an dieser Stelle sonst gebrauchten permis- 
sum est, bestimmt mich dazu einmal die Erwah- 
nung der constituiiones prineipales, da doch die 
Concession der Vereine in Bom wie in ganz Italien 
vom Senate ausging, wahrend diese kaiserlichen 
Erlasse bei unserer Annahme auf die Zuerkennnug 
bestimmter Privilegien sich bezOgen , dann der 
eigentiimliche Bau des Satzes, indem zunachst 
von collegia Bomae certa gesprochen wird und 
dann bei den navicularii hinzugefiigt wird qui 
et in provineiis sunt. Wir wissen aber, dass die 
privilegierten Collegien, wenigstens die mit der 
annona in Beziehung stehenden, auf die Stadt 
Bom zunachst beschrankt waren (bezeugt fiir die 
pistores durch Ulp. frg. Vat, 234. 235. Paulus 
ebd. 237. Dig. XXVII 1, 46; fur die mensores 
frumentarii durch Paulus Dig. L 5, 10 § 1) mit 
Ausnahme der navicularii (CIL II 1180), deren 
Beruf eine Verbreitung fiber das ganze Beich er- 
heischte. StOrend bei dieser Auffassung ist nur 
das WOrtchen item, doch erklart sich dasselbe, 
wenn wir mit Cohn die ungeschickte Zusammen- 
ziehung einer grossereu Vorlage an dieser Stelle 
annehmen (daruber s. o. S. 411f.). 

Aus diesen von uns sogenannten privilegierten 
Collegien sind die spateren Zwangsinnungen im 
Laufe des 3. Jhdts. entstanden. Vergcgenwartigen 
wir uns kurz die Lage unserer Collegien zu Be- 
ginn dieses folgenschweren Saeculum : 

Die weitaus grosste Anzahl, meist sogar alle 
Mitglieder dieser Collegien waren neben ihrem 
Privatbetrieb im Staatsdienst thatig unter fol- 
genden Bedingungen: 

1) sie mussten personlich das betreffende Ge- 
werbe betreiben (bezeugt fiir die navicularii, ne- 
gotiatores, pistores, fabri); 

2) im Besitz des fur den betreffenden Beruf 
notwendigen Materials sein, die navicularii z. B. 
im Besitz von Schiffen, die pistores im Besitz 
ihres Handwerkszeuges ; 

3) den grosseren Teil ihres jeweiligen Ver- 
mogens fur den Sffentlichen Dienst nutzbar machen, 
die suarii z. B. 2/ 3 (Ulp. frg. Vat. § 236. Paulus 
ebd. 237); 

4) ein bestimmtes Alter haben, d. h. nicht zu 
alt und nicht zu jung sein; 

5) auf einen bestimmten Zeitraum sich fiir den 
cffentlichen Dienst verpilichten (fiir die navicu- 
larii Gai. Inst. I 32 c. Ulp. frg. 3, 6, fur die 
pistores Gai. Inst. I 34, fiir die mercatores olearii 
Dig. L 4, 5); 

6) (die pistores wenigstens) ein bestimmtes 
Mass von Arbeitsleistung taglich nachweisen (min- 
destens 100 Scheffel Getreide taglich verbacken), 
Gai. a. a. O. Ulp. frg. Vat. § 233. 

Dafiir entschadigte der Staat durch 
lj Befreiung von den Gemeindelasten : wamtio 
a muneribus publicis (civilibus, municipaiibus) 
mit Einschluss der honores (Paulus Dig. L 5, 9, 
\, vgl. dagegen ebd. 6, 6 [5] § 13); 

2) Befreiung von der Vormundschaft : ex- 

Pauly-Wissowa IV 



cusatio tutelae in verschiedenem Umfange, ent- 
weder nur von der Vormundschaft iiber Kinder 
von nicht dem C. angehorigen Leuten (dies der 
hauflgere Fall, vgl. Dig. XXVII 1, 17 § 2, z. B. 
die suarii Paulus frg. Vat. 237), oder sogar auch 
von der tutela iiber Kinder der eigenen eollegae 
(so die pistores, Ulp. a. a. O. § 233. 235. Paulus 
ebd. 237) , aber immer nur zu erlangen durch 
specielles Privilegium (Dig. XXVII 1 , 17 § 3, 

lOoben S. 447 ausgeschrieben); 

3) veeturae — Transportgelder, bezeugt fiir die 
namcularii (CIL II 1180). 

Nicht tcil hatten an den staatlichen Ver- 
gunstigungen , trotzdem sie dem Staate in der 
vorgeschriebenen Weise dienten, besonders reich 
gewordene Leute, insofern diese zur Ubernahme 
der munera publiea neben deni einmal ubernom- 
menen SpeciaX-munus gezwungen werden konnten ; 
von dieser schon besprochenen Verfugung des An- 

20 toninus Pius fur die collegia der annona (Dig. L 
6, 6 [5] § 12) spricht auch Callistratus fiir die 
fabri, Dig. XXVII 1, 17 § 2: eos, qui in cor- 
poribus sunt veluti fabrorum, immunitatem liar- 
bere dicimus etiam circa tutelarum exterorum 
hotninum administrationem, nisi si faeultates 
eorum adauotae fuerint, ut ad cetera, quoque 
munera publiea suseipienda compellantur. Aber 
mit welchen Mitteln brachte der Staat diese Leute 
zur Erfullung ihrer Pflichten ? Es scheint sich da 

30 schon nicht mehr um rein freiwillige Leistungen 
Reicher zu handeln , sondern hier scheint der 
Zwang von oben, die zwangsweise Heranziehung 
der grossen Vermogen fiir die Pflichten des Staates 
gegeniiber den Armsten zu walten (vgl. den Aus- 
druck compellantur). 

Welche Controlle hatte uberhaupt der Staat 
iiber die in seinem Dienste stehenden Mitglieder 
der Collegien? Zwei Stellen, die eine iiber die 
pistores, die andere iiber die suarii sind be- 

401chrend: Ulp. frg. Vat. §233 sagt sed non alios 
puto excusandos, quam qui intra numerum coii- 
stituli centenarium pistrinum secundum litteras 
divi Traiani ad Sulpicium Similem exerceant. 
quae omnia litteris praefeeti annonae signifi,- 
eanda sunt, derselbe von den suarii § 236 ha- 
bent excusationem litteris allatis [a praefectoj 
urbis testimonialUms negotiatumis, id imperator 
twster et dims Severus . . . rcscripserunt. Die 
erste Stelle besagt, dass die pistores unter eine be- 

50stimmte Zahl aufgenommen sein mussten. Walt- 
zing (Etude II 350) fasst wohl mit Recht die- 
sen numerus als eine Liste der zum Staatsdienst 
Verpflichteten und damit zum Privilegiengenuss 
Berechtigten, die seitens des Staates gefuhrt wurde. 
auf, eine Liste, die einen Auszug aus dem Album 
des C. darstellte, wenn nicht alle Mitglieder 
desselben die staatlichen Bedingungen ertiillten, 
oder andernfalls mit dem Album sich deckte. 
Nach unseren obigen Ausfuhrungen mussten hier 

60 hinter den Namen der einzelnen die Personalien, 
vor allem das Alter, und ferner genau das Ver- 
mogen der Betreffenden verzeichnet sein. Die Auf- 
nahme in den numerus wurde nach der eTsten 
der beiden angezogenen Stellen unter Traian 
durch ein Schriftstuck des Praefectus annqpae, 
nach der zweiten, d. h. unter Septimius Severus 
und Caracalla, durch ein sokhes des Praefectus 
urbi bescheinigt (iiber die Veranderungen in der 

15 



451 



Collegium 



Collegium 



452 



Stellung des Praefectus annonae vgl. 0. Hirsch- legien und die Zuteilung jeder Corporation an ein 

feld Verwaltungsgesch. I 187f.). Wer die Ein- bestimmtes Eessort der Staatsverwaltung, wo es 

tragung nicht hatte vollziehen lassen und jene Eecht zu suchen hatte, andeutet. Liebenam 

Bescheinigung nicht besass, war, auch wenn er (49) sagt unserer Ansicht nach daher mit Kecht: 

Mitglied des betreffenden C. war, von den staat- ,Die Eegierung des Alexander Severus bezeichnet 

lichen Privilegien ausgeschlossen , brauehte aber eine Epoche in der Geschichte des Vereinswesens'. 

auch dafur dem Staate keine Dienste zu leisten Die Regulierung der Collegien von oben war 

(Ulp. frg. Vat. 236). aber erst notig, als der wichtige Schritt, den wir 

Vom Anfang des 3. Jhdts. ab sind diese Colle- schon miter Septimius Severus sich vorbereiten 
gien dann auf lange fast vollstandig unserer Beob- 10 sahen, gethan war, dass die Iramunitaten dem C. 

achtung entruckt. Erst zu Beginn des 4. Jhdts. als Gesaratheit gehOrten, dass die Zugehorigkeit 

treten sie durch den Codex Theodosianus wieder zu dem C. die staatlichen Privilegien und damit 

in unseren Gesichtskreis. Aber zweierlei ist jetzt auch die tJbernahme des betreffenden staatlichen 

ganz anders: 1) nicht mehr die einzelnen Mit- munus brachte. Von nun an hatte der Staat ein 

glieder, sondern die gesamten Collegien stehen weitgehendes Interesse daran, nur geeignete Per- 

im Dienste des Staates, mit anderen Worten, das sOnlichkeiten, die das betreffende Gewerbe ver- 

album eollegii deckte sich mit jenem mtmerus standen und vor allem das notige VermOgen hatten, 

des Staates; 2) wo wir vorher immer von frei- in den Corporationen zu sehen. Erwahnt sei noch, 

williger tJbernahme und staatlichen Privilegien dass etwa seit Alexander Severus auf Inschriften 
(mit Ausnahme bei den ganz reichen Leuten) ge- 20 von Collegien, wenigstens in dem bis jetzt uns 

hOrt hatten, begegnen uns jetzt Zwang, Erblich- vorliegenden Material, die Concessionsformel qui- 

keit und unertragliche Lasten (mimera). Die bus ex SG eoire licet nicht mehr vorkommt. In 

grOsste Veranderung hat auch hier das am meisten den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts scheint 

fttr uns in Dunkel gehullte 3. Jhdt. gebracht. also die private Initiative in der Vereinsbildung 

Nur durch ein paar durftige Notizen wird das erlahmt und die staatlicho Thiitigkeit an die 

tiefe Dunkel ein bischen erhellt. Von Alexander Stelle getreten zu sein. Dass dann Zwang und 

Severus, der nach der furchtbaren Miss wirtschaft Erblichkeit seitens der Eegierung angewandt 

des Heliogabalus in weitgehendster Weise sich wurden, um die Corporationen zusammenzuhalten, 

wieder der stadtrOmischen Lebensmittelversorgung ist keine Einzelerscheinung bei den Collegien, son- 
annahm (Hist, Aug. Alex. Sev. c. 22. 39 ; vgl. 30 dern eine von den vielen , welche uns die voll- 

an der ersteren Stelle den Hinweis auf die aus- kommeue Umwandlung des romischen Staatsorga- 

gedehnten Immunitatsverleihungen an negotia- nismus offeubaren. In dem allgemeinen Elend 

tores, um solche nach Bom zu Ziehen: nach c. 32 des 3. Jhdts., erzeugt durch die fortwahrenden 

wurde denselben die bis dahin ubliehe Gewerbe- Biirgerkriege, die Uberflutungen durch Barbaren- 

steuer, aurum negotiator turn et coronariitm, er- scharen, eine ununterbrochene Keihe von Calami- 

lassen), heisst es in der Vita c. 33: corpora om- taten wie Pesten, HungersnOte u. s. w., wurden 

nium constituit mnario-mm, lupinariorum, cali- die munera, die der einzelue dem fiscalischen 

gariorum et omnino omnium arlium idemque und Verwaltungsdespotismus zu leisten hatte, so 

ex sese defensores dedit et iussit qui ad quos unertraglich, dass in alien Klassen sich die Burger 
indices pertineret, also eine doppelte Massregel, 40 ihren Verpflichtungen zu entziehen suchten. Das 

1) corporum constitutio , 2) die Regelung der fiihrte zu Zwangsmassregeln des omnipotenten 

Jurisdiction fur alle Collegien. Was den ersten Staates gegeniiber den verschiedensten Standen, 

Punkt betrifft, so ist die Ausdrucksweise an der den Mitgliedern der stadtischen Curien, den Of- 

obendrein noch verderbten Stelle (vgl. Liebe- flciales, den Bauem (Colonen), dem Erwerbsstand 

nam 49, 1) recht unklar. Es handelt sich wohl der Stadte, der an seine einzelnen Collegia oder 

um die corporative Einigang aller noch nicht in Corpora, gefesselt als Gesamtstand rait denselben 

Corporationen geeinigten Berufe und zwar von Existenzbedingungen unter dem Namen collegiati 

oben durch die Eegierung (vgl. den Ausdruckcow- oder corporate der betreffenden Stadt zusamrnen- 

shtuere gegeniiber dem friiher far die Erteilung der gefasst wurde. Dies erzeugte dann an Stelle der 
staatlichen Concession gebrauchten instituere). 50 okonomischen Freiheit den blinden Zwang, eine 

Das passt sehr wohl zu zwei Nachrichtcn , die vollstandige Unbeweglichkeit. Die einzelnen sind 

uns die Wahl neuer Mitglieder schon bestehender nominell frei. aber ihr Verhaltnis zum Staat. d. 

Collegien durch die Kaiser zu berichten schcinen. h. dem allmachtigen Kaiser und dem Heer der 

Ulp. frg. Vat. 235 erwahnt pi stores ab ipso (i. e. hoheren Beamten, war das der servitude, und 

a CaracaUa) creati (nach Waltzing II 81 ware ihre Thatigkeit heisst serein (Cod. Theod. XII 

allerdings auch die Erklarung moglich, dass es 19, 2 [400] qui curiae rel collegia ve! burgis 

sich um neu in den Staatsdienst eingestellte Backer ceterisque eorporibus sereie.rit. Symmach. relat 

handle, unsere Auffassung steht aber daneben in 14 patriae, servientes . vgl. hieriiber die vorziig- 

A. 1), und Kaiser Aurelian riihmt sich. dass er lichen Ausfuhrungen von Waltzing Etude II 
die Corporationen der Xilschiffer und Tiberschiffer 60 260ff.). Das letzte Glied in der Kette war die 

durch Aufnahme neuer Mitglieder vergrOssert habe Einfiihrung der Erblichkeit, wodurch der Abschluss 

(Hist. Aug. Aurel. 47). Mit diesen Neuerangen der Stande erreicht wurde. Wann dies geschah. 

im Vereinsweseu, der Begriindung neuer Collegien, wissen wir nicht. Zu Anfang des 3. Jhdts. wird 

sowie der Erganzung und Erweiterung schon be- das Gegenteil noch scharf betont. vgl. Callistrat. 

stehfpder durch die Eegierung vereinigt sich gut Dig. L 6, 6 [5] § 4: Immunitati, quae navieu- 

jene zweite Bemerkung in der Vita Alexandri lariis praestatur, certa forma data est: quam 

Seven, welche uns die Einrichtung ordentlicher immunitatem ipsi dumtaxat habent, non etiam 

Vertretung vor Gericht aus der Mitte der Col- liberis nut libertis eorum praestatur. In den 



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Collegium 



Collegium 



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ersten Gesetzen des Codex Theodosianus aus dem Vereinswesen 66ff.). Hier stellen naturlich das 

Anfang des 4. Jhdts. dagegen ist die Erblichkeit Hauptcontingent die Vereine, die 
des Berufs vorhanden; vgl. fur die navicularii a) der annona publica oder civica dienen; 

Cod. Theod. XIII 5, 1(314) navicular im originalis, und zwar geschah far die res frumentaria der 

fur die pistores ebd. XIII 5, 2 (315) hereditatis Aufkauf durch negotiatores frumentarii solange, 

suecessione pistoribus obnoxios, fur die monetarii bis der kunstlich unterhaltene Privathandel durch 

ebd. X 20, 1(317) moreeton'osiwsMa semper durare die Concurrenz des Staates und die Naturalliefe- 

eondicione oportet. Waltzing (n 283ff.) sucht rungen an denselben lahm gelegt wurde (vgl. 

zu erweisen, dass hier, wie bei den Mitgliedern O. Hirschfeld Philol. XXIX 23. 33, iiber 
der Curien, die Bmdung der VermOgen, die seit 10 die Bedeutung des Wortes negotiatores in der 

langerer Zeit in den betreffenden Dienst gestellt spatesten Zeit vgl. Waltzing II lOlff.), der 

waren, an den Beruf zunachst factisch, dann recht- Transport durch Schiffergilden , sowohl solche von 

lich die Fesselung der Personen, d. h. die Ver- Fluss- (nautae, navieularii amnici) wie solche 

erhung des Berufes, nach sich zog. Nach Cod. von Seeschiffern {navicularii marini). Voji Fluss- 

Theod. VIII 4, 11 (365) hatte schon Diocletian schiffergilden, die es zur Zeit der freien Vereine 

verhoten, die syrischen Cohortalen in die bastaga, in grosser Masse im ganzen Reiche gab (s. daruber 

unter die navicularii oder in die Curie einzu- oben S. 397f.), horen wir unter den Zwangsinnungen 

reihen. Waltzing meint (II 271), es handle selten (Hist. Aug. Aur. 47). Waltzing vermutet 

sich hier, da von gewaltsamer Einreihung von (II 34), dass die Verwaltung der Annona spater 
Privatleuten in diese Stande in jener Zeit noch 20 gar nicht mehr direct mit ihnen zu thun hatte 

nicht die Eede sein kBnne, um Eigentiimer von (fur das fruhere Verhaltnis vgl. CIL II 1180. XII 

VermOgen, die mit einem jener drei Dienste be- 672), dass vielmehr den Curien mit der Ver- 

schwert waren. Wir hatten also dann, falls die teilung und Erhehung auch der Transport der 

Annahme Waltzings richtig ist, einen Fall der Naturalsteuern in Getreide zuflel,in der Weise, 

Bindung von VermOgen an Berufe bereits unter dass sie das letztere -munus unter die iiautae ihres 

Diocletian. Territoriums verteilten. Dann fielen diese unter 

Das Ganze war eine Ausdehnung des Princips die stadtischen collegiati, von denen unter B die 

der origo, welches den Burger zur Teilnahme an Eede ist. Die Seeschiffer oder Keeder werden 

den communalen Lasten seiner Stadt verpfiichtet, gewOhnlich einfach als navicularii bezeichnet, 
auf kleinere Gemeinschaften, als die Stadte, zu- 30 was im 4. Jhdt. soviel wie Staatsreeder bedeutet. 

nachst auf die Curie, auf welcher die stadtischen Sie mussten alle Schiffseigentiimer sein (daher in 

Steuerlastcn in der Hauptsache ruhten, und dann den Digesten [z. B. XXVII 1, 17, fi] und auf den 

dementsprechend auf alle Collegien der Stadte, Inschriften des 2. Jhdts. do-mini navium = na- 

von denen jedes mit einer bestimmten fimetio vicularii). Nach Gaius (Dig. Ill 4, 1) existierten 

oder einem besonderen munus betraut war. Es ihre Vereine schon im 2, Jhdt. in Rom sowohl 

geniigte , in eine Curie oder ein C. eingetreten wie in den Provinzen. Das stadtromische corpus 

zu sein oder darin geboren zu sein, um — abge- mOchte Waltzing seiner Grimdung nach in die 

sehen von ganz seltenen Fallen — nicht wieder Zeit des Traian setzen, doch darf man wohl noch 

austreten zu konnen (Waltzing II 285). Wie weiter zuriickgehen (vgl. die naviculariei Ostien- 
einst die Stadt in so vielem das Vorbild des Ver- 40 ses CIL XIV 3603); seine Existenz ist noch be- 

eins war, so jetzt die stadtische Curie, an der zeugt fur die Mitte des 4. Jhdts. (CIL VI 1740 

diese Zwangsverhaltnisse wohl zucrst sich ausge- [zw. 350-360]. Cod. Theod. XIII 5, 9 [357]. 11 

bildet haben. [365]. 13 [369J. XIII 6, 2 [365]) und den Anfang 

,So lust sich das Staatsbiirgertum mit seinen des 5. Jhdts. (ebd. XIII 5, 29 [400]. 38 [414]). 

allgemeinen Eechten und Pflichten in eine An- Die navicularii ausserhalb Roms werden zusam- 

zahl strong gegeneinander abgeschlossener , dem mengeftts«t nach ganzen Provinz«n oder nach 

Staate zu gewissen Leistungen ausschliesslich ver- grosseren Eeichsteilen , so die navicularii Afri- 

pfiichteter, in Personen und VermOgen erblich cani oder Afri , auch navicularii per Afri- 

gebundener Genossenschaften auf, welche nicht earn oder intra Africam, (an vielen Stellen des 
das gemeinsame Interesse, sondern nur die ge- 50 Cod. Theod., vgl. Waltzing II 38, 2, aasserdem 

meinsame Dienstverpflichtung gegeniiber dem bei Tertullian adv. Marcionem IV 9 : navicuJarw-^ 

Staate zusammenhalt. Jede freie Lebensbewegung, rum collegium. Symmach. rel. 44, 2 [ep. X 
jede Kraftentfaltung wird dadurch gehemmt und 58]. CIL VIII 969 [a. d. J. 400]. 915. 970, ein 

erstickt, alles verkummert und erstarrt unter dem Teil derselben brachte nach Rom auch das fur 
Druck sokhes Despotismus. In der Oden Enge die Heizung der otfentlichen Bader notwendige 
der Berufsgenossenschaft, welcher er von Geburt Holz navicularii lignarii Cod. Theod. XIII 5, 
angehOrt, ist der subiectus sein Da.sein hinzu- 10 [364], 13 [369]. CIL XIV 278. Symmach. rel. 

schleichen verdammt: jedem Versuch, sich davon 44 [ep. X 58]), die navictdarii Hispaniarum 
frei zu maehen und in einen anderen Lebenskreis (Cod. Theod. XIII 5. 4 [324]. 8 [336]), die von 
einzutreten, wird aufs strengste entgegengetreten' 60 Constantin organisierten navicularii Orientis oder 
(Karlowa Rechtsgesch. I 914f). . Orientates navarchi, auch corpus, coetus oder 

VIII. Die hauptsachlichsten Gruppen concilium navartihorum Orientis im Cod. Theod., 
der Zwangsverbande hat Waltzing (Etude mit zwei Flotten, der von Asien oder Syrien und 
n 16—246) in erschopfender und iibersichtlicher der von Carpathus (Cod. Theod. XIII 5, 7 [334]. 
Weise zusammengestellt. Er ucterscheidet drei 14 [371]. 32 _ [409]; fur Agypten wird im Cod. 
grosse Gruppen: Theod. nur-eine Getreideflotte erwahnt, Alexan- 

A Verbande der Hauptstadte Eom und Con- drinus stolus , Alexand,rina classis, vgl. Cod. 
stantinopel (daruber zu vgl. auch Liebenam Theod. XIII 5, 7 [334], 14 [371]. 18 [390]. 20 



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Collegium 



Collegium 



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[392]. 32 [409], nach Waltzing gehOrte sie dem horreorum Portueitsium, Cod. Theod. XIV 23, 1 

corpus naviculariorum von Alexandria, Sozom. (400). 

hist. eccl. VIII 17: to dk xmv 'AXs^avbodw to Der Transport des Getreides vom Hafen nach 
vavTinov, sonstige Quellenbelege bei Liebenam Eom geschah durch die eaudicarii (codicarii) 
71. 158, 1. Waltzing II 37, 4). Es begegnen navicularii oder bios eaudicarii. Sie wohnten 
Tins auf Inschriften der frtlheren Kaiserzeit auch in Ostia und Rom mid bildeten wahrscheinlich 
navicularii maris Hadriatiei (CIL XIV 409, eine einzige Corporation, corpus codieariorum 
corpus maris Hadriatiei CIL VI 9682, collegium (auf einer Anzahl Inschriften seit 147 n. Chr., 
navic. colon. Pisaurensis Wilmanns 2112), no- zusammengestellt bei Waltzing II 70, 3), wel- 
tieidarii Tarricfrnenses) (CIL XIV 279), wohllOches Curatoren in beiden Stadten hatte. Wie 
fur das tyrrhemsche Meer (vgl. CIL VI 1022. XIV sich die von Aurelian geschaffenen navicularii 
131, dazu Liebenam 70, 4). Hier handelt es amniciBomae (s. o. S. 451) zu den codicarii ver- 
sion wohl um municipale Coilegien in Kflsten- hielten, ist unbekannt, vielleicht war es eine Er- 
stiidten an den beiden Italien bespiilenden Meeren, giinzung der cotfe'carM(WaltzingII 71, 1, anders 
die zu der hauptstadtischen Getreideverwaltung Liebenam 72); navicularii amniei werden noch 
in keiner Beziehung standen, hochstens die na- Nov. Valent. III. tit. 28 § 2 (450) erwiihnt (Cod. 
vicularii maris Hadriatiei wurden von Bedeu- Theod. XIV 21, 1 [364] nautae Tiberini). Uber 
tung, als Ravenna und MailandHauptstitdte waren. Specialcollegien der codicarii, wie die codicarii 
Es ist fraglich , ob es in spaterer Zeit eine Go- navicularii Infernates in Ostia (CIL XIV 106 
sarntrereinigung aller im Dienst der annona 20 = VI 1022) u. s. w. vgl. Liebenam 70. 72. 
stehenden navicularii des Reiches gab, die in Waltzing II 71f., Stellen, aus denen man ent- 
provinciale Sectionen (s. o. die Ausdriicke eoetus, nehmen kann , cin wie bedeutendes Vereinsleben 
concilium) geteilt waren, oder ob es lauter ge- die Hafenst&dte Ostia und Portus in der Kaiser- 
trennte Collegien waren. Auf alle Falle hatten zeit, auch noch in der spateren, hatten. Uber 
die navicularii jeder Provinz (Agypten, Africa, andere Scbiffergilden auf dem Tiber, wie die 
Spanien, Orient) einen gemeinsamen Dienst fiir lenuncularii , scapharii, lintrarii u. s. w. zum 
die annona, welcher auf die Grenzen der Provinz Teil zum Personeti- und Warentraject, vgl. Liebe- 
beschrankt war. nam 85ff. Waltzing II 73ff. 

Fiir die Empfangnahme, die Vermessung des Die Verarbeitung des Getreides geschah durch 
Getreides gab es in den Hafenstadten Roms und in 30 die pistores. Wie wir oben S. 448 saheti , hat 

Rom selbst eine ganze Anzahl Verbande : accep- Traian die Mitglieder des schon bestehenden stadt- 

tores CIL XIV 2. 150, verbunden mit den men- romischen c. pistorum zur annona in Beziehung 

sores ebd. 154 aus dem J. 2V),susceptorum Ostien- gesetzt (Aur. Victor, de Caes. 13, 5), Inschriftliche 

sivm sive Portuensium antiquissimum cor- Erwahnungen des Corpus haben wir aus dem 

pus ob urbis Romae utiUtatem recreatum CIL 2. Jhdt. CIL VI 1002 (aus dem J. 144 n. Chr., 

VI 1741. Dessau CIL XIV p. 8 aus der Mitte woriiber schon gehandelt ist), aus dem 4, (CIL 

des 4. Jhdts. (Liebenam 56. 75, 2. Habel oben VI 1692 aus dem J. 340, vgl. auch 1739); kaiser- 

I5d. I S. 138), carpus memorum frutmntario- liche Erlasse aus dem 4. und Anfang des'5. Jhdts. 

rum in Ostia (CIL XIV 172. 184. 303. 309. 363. fiir das corpus enthalt Cod. Theod. XIV 3, 1—22 
364. 438. 4139. 4140. 409), im J. 389 werden 40 IX 40,-3 (319). 9 (365), fur Constantinopel vgl. 

erwahnt mensores Portuenses, welche einen langen Cod. Theod. XIV 16, 2. 3 (Cod. lust. XI 16, 1. 

Streit hatten mit den codicarii, deren Ladungen 2). XIV 17, 9. 10. Nov. lust. 80 c. 5. Nach 

sie controllieren mussten (CIL VI 1759. Cod, Alexander Severus und vor Aurelian kam die 

Theod. XIV 4, 9 [417]). In Rom selbst bildeten Brotverteilung an das Volk auf und infolge dessen 

die mensores eine oder mehrere Corporationen, war in beiden Hauptstadten das corpus pistorum 

vgl. die schon erwahnten mensores machinarii das wichtigste und zahlreichstc nach den navi- 

frumenti publici aus dem J. 198 (CIL VI 85). cularii. In beiden Hauptstadten hiessen die pi- 

Fiir den Transport des Getreides von den Schiffen stores auch mancipes (nach O. Hirschfeld Phi- 

nach den Speichern des Hafens und von da in lol. XXIX 45, 62 mancipes = Geschaftsfiihrer 
die Flussbarken sorgten die saccarii (vgl. die 50 der Backer, dagegen Waltzing II 83 m. A. 1). 

Beschreibung des auf diese Thatigkeit sich be- Im 4. Jhdt. befindet sich die Corporation ganz im 

ziehenden Gemaldes von Ostia bei G. Boissier Staatsdienst, ihre Mitglieder sind pistores publi- 

Prom. archeol. 272f. und bei Waltzing II 59f. me annonae (Symmach. rel. 23 = epist. X 36 

m. A. 1); saccarii Portus Romae Cod. Theod. § 3). Erst mit Einfuhrung der Wassermuhlen 

14, 22, 1 (364); des Symmachus Worte (rel. 14 an Stelle der von Menschen und Tieren gedrehten 

= ep. X 27) frugis et olei baiuii gehen auf der- im 4. Jhdt. wurde die Miillerei von der Backerei 

artige Lastentr&ger von Getreide und 01 in Rom, getrennt , und es gab auch eine Corporation der 

das corpus eatabolemium , associiert mit den molendinarii, welche am Fusse des Ianiculum 

Baekern, war wohl mit dem Transport des Ge- ihren Sitz hatte (CIL VI 1711. Preller Re- 
treides nach den Backereien beschaftigt (Cod. 60 gionen 214f.). Das Backerhandwerk spaltete sich 

Theod. XIV 3, 9. 10 [365?]). mit der Zeit in Specialgewerbe , welche Sonder- 

Das Personal der Speicher oder Magazine = vereine bildeten, vgl. CIL VI 1739, s. Liebenam 

horrearii gehOrte zu dem kaiserlichen Haushalt, 77f. Waltzing II 80. 82, 2. 

uber deren familiae vgl. Waltzing II 65ff., Fiir Verteilungen von 61 an das Volk, welche 

auch apoUtecarii werden erwahnt (Cod. lust. XII schon in der republicanischcn Zeit und in der 

57, 12, 3). Die Uberwachung der Magazine in ersten Kaiserzeit von Zeit zu Zeit stattgefunden 

Portus war den mensores und eaudicarii an- hatten, die aber erst seit Septimius Severus standig 

vertraut, deren Vorsteher sich nannten patroni wurden und zwar taglich stattfanden, geschah der 



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Collegium 



Collegium 



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Einkauf durch die mercatores olearii, welche, wie vom Staate monopolisiert war, nur im kleinen 

wir gesehen haben, fruhzeitig zu den privilegier- erhalten. Diejenigen, welche sich ihrn widmeten, 

ten Collegien gfjhorten (Dig. L 4, 5). Auf den wurden zwar nicht Angestellte des Staates, aber 

Inschriften begegnen sie uns in zwei Vereinen, sie arbeiten auch unter dessen Controlle ; denn 

von denen der eine mit Baetica, der andere mit ihre Collegien hatten seit Alexander Severus einen 

Africa Handel trieb, mit dem Sitz in Rom bezw. officiellen Charakter (vgl. die S. 451 besprochene 

Ostia, CIL VI 1620 (nach Hadrian): mercatores Stelle in der vita Al. Sev.). Dass im 4. und 

frutnentarii et olearii Afrari. 1625 b (unter Mar- 5. Jhdt. in Rom und Constantinopel alle Gewerbe- 

cus oder Commodus) negotiatores ole[arii] ex treibenden, negotiatores im weitesten Sinne, d. h. 
Baetica (beide Vereine haben als Patrone Prae- 10 alle die, welche das ehrysargyrum, die Gewerbe- 

fecti annonae), vgl. 1 935. 29 722 ; fur Ostia CIL steuer, zahlten , incorporiert und vom Staate ab- 

XIV 409 olearii (negotiatores). Der Transport hangig waren, beweisen Stellen wie Cod. Theod. I 

des Ols geschah durch die navicularii, vgl. CIL 10, 4(391) omnia corporatorum genera, quae in 

II 1180. Constantinopolitana urbe versantur. XIII 1, 9 

Fiir die Fleischlieferung gab es die drei Col- (372) omnes iam nunc studio negotiationis in- 

legien der boarii (CIL VI 1035: argentarii et tenti, seu conehylioleguli seu ex aliquolibet cor- 

negotiantes boari huius loci qui imehent [sic], pore. ebd. 16 (399) omnes eorporatos .... nego- 

Inschrift auf dem Triumphbogen fiir Septimius tiatores. Ambros. offtc. lib. in 7. Symm. rel. 

Severus u. s. w.), pecnarii (CIL VI 9660. 1770 14, 3. An der letzteren Stelle, wo eine Aufzahlung 
um 363. Cod. Theod. XIV 4, 10 [419]) und suarii 20 der stadtromisehen Collegia des 4. Jhdts. sich 

(CIL VI 3728. Notizie 1892, 4. Ulp. frg. Vat. findet, wird plotzlich nach Nennung der bedeutend- 

23ri; iiber alle drei vgl. Symmach. rel. 14, 3 aus sten, meist zur Annona gehOrigen Corporationen 

dem J. 384. Liebenam 56). Die zuletzt ge- abgebrochen mit den Worten : multosque id genus 

nannten waren die wichtigsten, seitdem Aurelian patriae servientes enumerate fastidium est (vgl. 

die regelmassige Verteilung von Schweinefleisch auch Cod. Theod. XIV 4, 8 [408], nachdem vom 

elngefiihrt hatte. Uber das stadtromische corpus corpus suariorum die Rede war § 3 : circa re- 

mariorum vgl. CIL VI 1690. 1693. 1771. Cod. liqua etiatn corpora, quae ad privihgia urbis 

Theod. XIV 4, 1 — 8. 10. Nov. Val. III. 36 (35). Romae pertimre uoseuntur, cadem praecepti no- 

Cassiod. var. VI 18. XI 39. Sie beschaftigten sich stri forma servetur). Von Collegien dieser kleinen 
mit der Empfangnahme oder dem Einkauf der 30 Gewerbetreibenden der spateren Zeit erwahnt die 

Schweine, -welche durch die Gutsbesitzer Siid- angezogene Stelle aus der vita Alex. Sev. 33 lupi- 

italiens geliefert wurden (dariiber Nov. Valent. narii, wohl Handler mit Hiilsenfriich ten (C as au- 

III. 36 [35], 1 [452]), weiter aber auch mit der bonus las popinarii = GarkSche), dann ealigarii 

Zubereitung des Fleisches, daher OIL VI 1690 = Verfertiger von Soldatenstiefeln ; alle iibrigen 

(aus dem J. 337) corpus smriorum et confer,- bekannten stellt Waltzing II 108ff. zusammen, 

tuariorum zur Bezeichnung einer mid derselben unter anderen ein corpus tabernariorutn (CIL 

Corporation. Honorius vereinigte 419 die pecuarii VI 9920, das Album dieses O., auf das sich 

mit den suarii (Cod. Theod. XIV 4, 10), 452 wohl die Fragmente einer Inschrift aus Rom 

unter Valentinian III. begegnen uns aber wieder mit einer Liste von Namen aus der Zeit bald 
drei getrennte Collegien der suarii, pecuarii und 40 nach 368 beziehen, CIL VI 1766. 9103. 10099. 

boarii (Nov. Valent. III. 36 [35] § 2. 8). Auch Bull.com. 1883,239.1885, 163, dariiber O.Hirsch- 

in Constantinopel gab es suarii, Cod. Theod. feld S.-Ber. Akad. Berl. 1891, 852f.), wahrschein- 

VHI 7, 22 (426): porcinarii urbis aeteraae Cod. lich Butiker und Kleinkrainer verschiedener Art; 

lust. XI 17 (16)', 1 (389). 2 (395). tabernarii werden auch noch erwahnt Nov. Val. 

Weinverkauf durch den Staat fand zuerst durch TIL tit. 5 Anf. (440). Ihre Concurrenten waren 
Aurelian statt, wodurch der vorher sehr starke nach dieser Stelle die ^anfajoofee, griechische Klein- 
private Weinhandel (Collegien von Weinhandlern kaufleute von grosser Zahl und grosser Riihrig- 
in Ostia und Rom, vgl. CIL XIV 430. 153. 409. keit, welche ebenfalls eine Corporation (omne 
318. VI 8826. 9682) lahm gelegt wurde. Die corpus ebd. § 1) bildeten. Weiter erwahnt Walt- 
Nachricht von der Begrundung eines corpus ri- 50 zing caupones = Schenkwirte (Symm, rel, 14, 
nariorum durch Alexander Severus (Hist. Aug. 3, tabernarii genannt Cod. Theod. IX 7, 1 
Alex. Sev. 33) bezieht sich wohl auf die Her- [326] und XV 13, 1 [396], nach letzterer Stelle 
stellung der Beziehungen eines solchen C. zur eine sehr verachtete Corporation), peponarii Me- 
Annona. CIL VI 1101 erwahnt negotiantes vini lonenverkaufer (Bull. com. 1887, 160 nr. 1871—73). 
Supernatfesj et Ariminfeiises) aus dem J. 251. oi iv Pd>u>/ lydvoxoj'i.ai (Athen. VI 224c), corpus 
Seit Aurelian erforderte der Verkauf des Weines pastillariorum = Pastetenbacker (CIL VI 9765. 
durch den Staat zwei Collegien : das eine fiir 9766 aus dem J. 435), ovoztjua x&v y.rj^ovgw = 
die Beschaffung = suseeptorcs vini (Cod. Theod. Giirtnergilde in Constantinopel (lust. Nov. 64. 
XIV 4. Cod. lust. XI 17 [16J. Cod. Theod. XII 80, 5), corpus corariorum , Genossenschaft der 
6, 26. CIL VI 1785 erkl. von Mommsen Ber. 60 Gerber in Rom am Ende des 3. und zu An- 
d. sachs. Ges. 1851, 76. E. Gebhardt Studien fang des 4. Jhdts. (CIL VI 1117. 1118 aus dem 
ii. d. Verpflegungsw. v. Rom u. Constantinopel J. 287, ebd. 1682 dem Praefectus urbi von 334), 
27f. Waltzing II 98ff.), das andere fur den Ver- figidi (noch erwahnt Cod. Theod. XIII 1, 10 [374]), 
kauf = falancarii CIL VI 1785. 7803. Im argentarii = Silberarbeiter oder Bankiers, vgl. 
4. Jhdt. spricht Symmachus (rel. 14) von einem Liebenam- 112. Waltzing II 114 m. A. 3 u. 
C. der caupones. welches vielleicht den Verkauf 115. 1. CIL VI 1035 argentari et negotiantes 
besorgte. boari fiir Sept. Severus. 1101 argentari et ex- 

b) Der Privathandel blieb, da der Gros.shandel eeptores aus dem J. 251). 



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Collegium 



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c) Fur effentliche Arbeiten wird eine gauze welche Constantin in Bom imd Constantinopel 

Anzahl von Collegien erwahnt, so im Offentlichen einrichtete, die man spater audi in Italien und 

Bauwesen die Corporation der calcis coetores oder Gallien antrifft, Cod. Theod. XIII 1, 1 (357) und 

ealearienses (schon im 1. Jhdt., CIL VI 9224; Gothofredus z. d. St. XVI 2, 15 § 1 (360). 

vgl. 9223. 9384): Cod. Theod. XIV 6, 2 eos quos VII 20, 12 § 2 (400). Cod. lust. I 2, 4 (409). 9 

eoetio ealeis tenet, iiberhaupt ebd. 1—5: de eal- (439) = XI 17, 1 (439). Nov. lust. 43 (536). 59 

eis eoetoribus U. R. et C. P. Symm. rel. 40, 3 (537). Not. Leonis 12. Sie waren den Mitglie- 

(ep. X 53). Cassiod. var. VII 16. Cod. Theod. dern des Clems durch gewisse Privilegien und 

XII 1, 37 (344), die vecturarii oder veetores fur durch den religi6sen Zweck, dem sie dienten, die 
den Transport des Kalkes Cod. Theod. XIV 6, 10 Besorgung des Begrabnisses armer Leute, ange- 

1—4, ebenso wie das vorhergehende C. unter nahert. Constantin machte durch diese Einrich- 

der Oberaufsicht des propositus ealeis (Cassiod. tung offenbar die Institution der fossores der 

var. VII 16), das uralte Colleg der fabri oder Kirche officiell, wodurch sich dann mit dem Fort- 

fabri tignuarii, CIL VI 1673 (Statue ftir einen schreiten des Christentums das allmahliche Ver- 

eurator operum publicorum). Cod. Theod. XII schwinden der collegia fumraticia erklart (so 

1, 62 (364). XIII 1, 10 (374), als deren offieium Waltzing fit. II 131f.). 

(Cod. Theod. XII 1, 62) man aber wegen der Be- Uber collegium omne medieorum bei Symm. 

ziehung zum curator operum publicorum jetzt rel. 27, 2 =*ep. X 40, welches wohl nur die 

Frohndienste bei Auffiihrung offentlicher Bau- Gesamtheit der 14 Staatsarzte (archiatri) be- 
ten annehmen muss (iiber das Feuerloschwesen 20 zeichnet, vgl. Waltzing a. a. O. 

der spatesten Zeit vgl. unten) , ferner das eolle- e) Ftir Spiele und andere Culthandlungen be- 

gium dendropkororum Romanorum (CIL VI standen auch in der spjitromischen Zeit Verbande. 

641. 29191 aus dem J. 206. Bull. com. 1890, Denken wir an die gefliigelten Worte panem et 

18 und Taf. I. II), dessen Existenz wir in Rom eireenses, so eri'iillten die fur die Spiele thatigen 

so gut wie in den Provincialstadten bis 415 an- Innungen dem Staate iihnliche Dienste, wie die 

nehmen diirfen (41 5 Aufhebung aller collegia den- an die Annona gefesselten (vgl. Cod. Theod. XV 

droph. durch Honorius und Theodosius, Cod. Theod. 7, 13 [413] Mimas ... ad proprium offieium 

XVI 10, 20 § 2 ; ein Gesetz von 315 [Cod. Theod. swnma instantia revoeari deccmimus, id volup- 

XIV 8, 1] verband sie aber iiberall mit den Col- tatibus poputi ae festis ddebus solitus ornatus 
legien der eentonarii mid fabri), und deren offent- 30 deesse non possit) ; nur waren sie viel weniger 

licher Dienst in Bom in der Lieferung and Heran- geachtet als diese, oder besser, wahrend die in 

schaffung von Holz zu effentlichen Bauten und der Getreideverwaltung thatigen, vor allem die 

anderen Zwecken gesueht wird (Waltzing II navieularii, an der Spitze aller eollegiati oder 

122ff.) , wahrend die Herbeischaffung des Holzes oorporati stehen, sind die Artisten aus der Het'e 

fur die offentlichen Biider sowie deren Heizung des Volkes hervorgegangen, sind inhonestae per- 

und Unterhaltung Sache der mancipes therma- some (Cod. Theod. XV 7, 12), ihr Gesclmft ein 

rum oder salinarum war (Cod. Theod. XI 20, 3 munus turpe (ebd. 4) trotz aller Ehren, die 

[400], 16, 1 de maneipibus [389]. XIV 5, 1 de man ihnen erwies (vgl. iiberhaupt Cod. Theod. XV 

maneipibus thermarum Urbis et subrectione 7 de seaenicis). Erwahnt werden thymelici et 
lignorum (365). Symm. epist. IX 103. 105; rel. 40 thymelicae (Ulp. Dig. Ill 2, 4. Cod. Theod. XV 

44 = ep. X 58. rel. 14, 3 = epist. X 27 pars 7, 5 [3801. 12 [394]. XIV 3, 21 [403]), aetuarii 

uremia lamcris ligna eomportat (richtig Geb- thymelae (Cod, Theod. VIII 7, 22 [426]), mimae 

hardt 7, 3. Waltzing Revue de l'instr. publ. (ebd. 11 [393]. 12 § 1 [394], 13 [413]), panto- 

XXXV 1892, 220ff., falschlieh von Rodbertus mind (ebd. 12 [394])— ihr Dienst heisst auch 

Jahrb.f. Nation alOk. VIII 421, 62 undO. Hirsch- ludicra ministeria, scaenica officia (Cod. Theod. 

feld S.-Ber. Akad. Wien CV1I 249 auf die Den- XV 7, 4 [380]. 9 [381]) — , weiter fur den Circus 

drophori bezogen). auriqae. agitatores. equontm eurulium aetuarii 

d)FurpolizeilicheundandereoffentlieheDienste (Cod'. Theod. VIII 7,22 [426] in Constantinopel 

gabesCorporationen, zusammengesetzt aus Lenten, neben thymelici und suarvi. IX 16. 11 [389]. 
die aus den iibrigen Collegien ausgewiihlt waren, 50 XIV 3, 21 [403], eae [sc. personam], quae auri- 

so nach dem Verschwinden der eigiles im 4. Jhdt. gandi studio detinentur. XV 5, 3 [409] : aurigae 

fiir den Feuerwehrdienst, Dieses Feuerwehrcorps, 'cues. XV 7, 12 [394]). 

eollegiati daher genannt, ist am besten bezeugt Mit dem Cult des untergehenden Heidentums 

i'iir Constantinopel = 563 Mann (Cod. lust. IV 63, zusammenhangende sacrale Genosscnschaften sind 

5 [408 oder 409]. Notit, U. C. P. aus dem J. 411 (vgl. Waltzing Etude II 138) die de.ndrophori, 

—413 II 25. XI 46 p. 230. 243 ed. Seeck). war die Frediani (Mane Die Vereine 27, 5. Walt- 

aber offenbar hier nur eine Nachahmung stadt- zing II 138, 4), welche 415 von Honorius und 

romischer Einrichtungen (Lydus de mag. I 50. Theodosius aufgehoben wurden f('od. Theod. XVI 

dazu Mommsen De coll. 3, 10. Symm. rel. 14, 10. 20 § 2), signiferi, welche die Gotterbilder bei 
3 =_ep. X 27 per alios fortuita arcentur in- 60 Aufziigen trugen (Cod. Theod. XIV 7, 2 [412]), 

eendia, womit nach Waltzing Eevue de l'instr. mntabrarii, nemesiaci, vitutarii (ebd.; vgl. Com- 

publ. en Belg. 1892, 227ff.: Etude II 128f. mit modian. Instruct. I 19 Xemeswsis mnis v. 7 

A. 2 nicht auf die eentonarii. sondern eben auf appliauitque sibi similes collegia facto [ed. Dom- 

diese eollegiati angespielt wird). bartj), welche alle von Honorius 412 oder 413 zu 

Dieselbe Zusammensetzung (Nov. lust. 43) ihrem Dienst zuriickgenifen wurden. 

mid denselben Namen eollegiati (Cod. lust. I Was schliesslich die Bezeichnung aller der bis 

2, 9 = XI 17, 1 [439] haben Corporationen von jetzt aufgeziihlten Zwangsverbande angeht, so ist 

Totengrabern (auch lectiearii, decani, copiatae), in dieser spateren Zeit die zusammenfassende Be- 



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Collegium 



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zeichnung corporati oder eollegiati ftir die Mit- werden und die Codices nur ganz allgerneine Vor- 

glieder aller incorporierten Gewerbetreibenden einer scbriften fiir die Gesamtheit gebeti Das wemge 

Stadt (corporati noch in etwas.^ weiterem Sinn, Bekannte stellt Waltzing II 1 *0f. zusamnien, 

entsprechend dem umfassenderen Begriff von cor- ausser fabri (fabri subidiani in Gorduba im J. .14b, 

pus s oben S. 380f„ auch alle Mitglieder erb- CIL II 2211), eentonarii, dendrophon, pistores 

lich'gebundener Stiinde wie deeuriones , cohor- (in Sitifis unter Valentini an, Theodosius und Ar- 

talesfveterani, burgarii umfassend), viel hauflger cadius CIL VIII 8480) ein corpus saponariorum 

als die Aufzahlung der einzelnen stiidtischen col- = Seifensieder nach Liebenam 59 J , == iapn- 

leaia oder corpora. Doch ist von Waltzing cants de cosmetiques, parfameurs nach Waltzing 
(11 141) mit Eecht darauf aufmerksam gemacht 10 a. a. O. und 599 (Gregor. epist. IX 113 ed. Hartni.), 

worden, dass die iuristischen Quellen fiir die An- xa^Xot in Alexandria im 6. Jhdt. (Leontios Vita 

gehorigen der Verbande in Kom und Constanti- Iohann. Eleemon. 15), seaemez und scaemeae, 

nopel selten das Wort eollegiati anwenden (offen- aurigae in alien Stiidten . , besonders m Italien, 

bar reserviert fiir das Feuerwehrcorps und die Africa und dem Orient (Cod. Theod. XV tit. / 

Toteneraber s. o. S. 459), vielmehr fast immer cor- ganz, tit. 5, 3 [376]). Srcher ist damit die grosse 

vorati U. R. vel C. P. (Stellen bei Waltzing II Masse der auch jetzt noch existierenden mnnici- 

141 6) wahrend umgekehrt in den Provincial- palen Collegien in kemer Weise eTSChOptt. 

stadten eollegiati die gebriiuchliche Bezeichnung Dass es daneben auch noch mchtmcorponerte 

ist. Andere Zusammenfassungen der hauptstadti- Gewerbetreibende in den Stadten gab oeweisen 
schen Verbande sind: varia corpora hominum 20 Stellen wie Cod. Theod. XI 10, 1 (3bJ). z («5AJ). 

urbis aeternae (Cod. Theod. XIV 2, 1 [364]), XIII 4, 2 (337) per sityulas oxalates mwrantes, 

corpora Romana (Cod. Theod. I 6, 11 [435], almae zum Teil also auch mchtmcorponerte Handwerker 

urbis corpora (Cod. Theod. XVI 4, 5 § 1 [404]), bezeichnend (anders Liebenam 50f. ubei 'die 

omnia corporatorum getiera, quae in Constan- letztere Stelle), endhch XII 1, 179 § 1 noch unter 

tinopolitana urbe versantur (Cod. Theod. I 10, Honorius. _ 

4 rB911), corporati negotiator es (uber negotiator Es ist schon nachgewiesen worden, dass, wie 

hier vgl. o. ^yrnrn. rel. 14 = ep. X 27). Alle in Rom selbst die staatliche Lebensmittelversor- 

hatten effentliche Lasten und dienten so der be- gung, so in den Landstadten die vom fetaat iur 

treffenden Hauptstadt, daher Svmmachus an der- notwendig erachtete Handhabung des Feuerlosch- 
selben Stelle die corporati ner/okatorcs auch nennt 30 dienstes die ersten Fesse ungen mumcipaler Col- 

membra aeternae urbis, wie 'die Colonen membra legien an die Staatsmaschme hracMe die m den 

terrae (Cod' lust XI 47, 23 Anf.) heissen, oder Zeiten der Bedrangnis dann als Vorbild dienten 

ministeria necessitates urbis consulentia (Nov. fur die Verstaatlichung der iibrigen Corporationen 

Val III tit 15 [161 r4451) und Berufe. Uber die staatlichen munera dieser 

B. Verbande der Stadte Italiens und der Pro- iibrigen Zwangsverbande stellt Waltzing II 208 

vinzen. tjber die Provincialstadte sind wir betreffs folgende Siitze auf: 

der eollegiati lange nicht so genau unterrichtet, 1) Der anierlegte Dienst ist immer em nrani- 

wie iiber die beiden Hauptstadte. Mit Unrecht cipaler: vgl. obseqmum propnae urbis, Cod. 

ist hier behauptet worden (vgl. Kuhn Die stadt. Theod. VII 21, 3 (396). _ , 
Verf I 79ff 249. 283 und Humbert bei Darem- 40 2) Dieser mumcipale Dienst war mednger als 

berg-SaglioDictionn.I448f.), dass eollegiati die der der Curialen. Die collegiaU -leisteten von Zeit 

Mitglieder einer einzigen KOrperschafl jeder Stadt zu Zeit neben ihrem pm-aten Betneb munic.pale 

bedeute. Zuzustimmen ist vielmebr Waltzing Frohnden nach Angabe der Cunalen (Nov. Maior. 

(Etude II 164ff.), dass die eollegiati die Mitglieder tit. 7 § 3 [458J : eollegiati. operas patriae alterms 

verschiedener Collegien sind (am deutlichsten Cod. -tidbits pro mmalium dispositione praebetitibus). 

Theod. XII 1, 179 § 1 [415] curiae olum ol- Im Gegcnsatz_ zu den etzteren waren sie arm 

tegiis sinyularvm vrbium. Nov. Maior. tit, 7 § 2 und dienten mit Arer Hande , Arberf ; der ; Stadt und 

Jriae . . 9 . eollcgiis. § 4 u. 5 [458], anders zu er- dadurch dem Staat (Cod. Theod XVI 2 42 [416] 

klaren ist Cod. Theod. XII 19, 3 [400] curiae sed pauperis a corporatis. XII 1, 14 » L dS5 J ■ ** 
vel eolkgri defugas namlich = einer Curie nnd 50 c«rw/w zahlte in dem gegebenen Fall fun mal 

eines C Waltzing II 167, 1; vgl. auch so viel als der collegia tits. XIII 1, 10 [374] n, 

die Inschriften. z. B. CIL IX 1596 reparator col- qui manu rietum rrmantur aid tolerant wie ! die 

leqiorum. 2998 nominln tarn decuriomtm quam figuli oder fabri). Doch waren sie nicht ganz 

eJiamcolHMf/vrumrolleywrumoJnmivmu.s.v. ohnc VermCgen (s. die zweite der angeiunrten 

SfzVelfeilos richtiger Erganznng) und zwar der- Stellen), denti ihr Dienst lastete zugleich auf der 

selben Collegien, wie sie vor dem 4. Jhdt. in Person und dem Vermogen . 

alien Stadten des Beichs existierten, die aber jetzt ■ 3) Dieser Dienst bestand ,m einzelnen unter 

mit Offentlichen Leistungen belegt waren, ohne Aufsicht der Cunalen welche allein dem Staate 

die Annahme ganz auszuschliessen. dass gewisse fiir alles verantwortlich warer^ in der Be orgm $ 
munera auch "alien Collegien einer Stadt auf- 60 von Lebensmitteln fur die btud (»«^- ' 

erlegt waren, somit alle Collegien in gcwissem Wilinanns 2112^ CIL , XI 135 138 3337 p>- 

Sinnc auch eine grOssere Gesamtheit bildeten (so stores m Sitifls CIL \III 8480) der Lnterhal- 

Cod Theod XI 1 , 24 [395] von den corporati tung der offentlichen Anlagen und Bauten we 

vonKarthago, XIV 27, 2 [436] von denen von Biider, Strassen, Wasserlcitungen m s. w (Lac* . de 

A^evamlriV) mort. persec. 7), Mitwirkung bei den Offentlichen 

Eine Aufzahlung der municipal Collegien Spielen (vgl. ieaevig ^^ "Jf™ 8 , " nd 

des 4 und 5. Jhdts. zu geben, ist nicht moglich, im Orient, s. oben), Stellung yon Wagen und Ge- 

da die Inscnriften seit dem 3. Jhdt, immer seltener spannen, Transport der staatlichen Abgaben in 



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Collegium 



Collegium 



464 



natura u. s. w., wofiir man frfiher zum Teil semi 
publiei gehabt hatte. Mit der allmahlichen Vermin- 
derung derselben nahm die Bedeutung der muni- 
cipalen Collegien, ebenso wie die der stadtremi- 
schen, zu. Wie die Grundeigentfimer die Colonen, 
so zogen in den St&dten wohl die Curialen die 
Mitglieder der Collegien zur Erfullung ihrer Ver- 
pflichtungen gegen den Staat heran (Cod. Theod. 
XI 10, 1 [369] ; vgl. Liban. orat. II 527, 9 Reiske 



ebd. 2 [358]. [380]), familiae derselben ebd. 
7 (372). Gothofredus unterscheidet daher fa- 
miliae und corpora bei diesen Arbeitern in den 
kaiserlichen Manufacturen. Doch macht Walt- 
zing (II 234, 3) darauf aufmerksam, dass fa- 
miliae im 4. Jhdt. nicht immer Gemeinschaften 
von Sclaven bezeichnet. 

Dieselben VerhaTtnisse (corpora und familiae) 
treffen wir bei den murileguli oder choncliylio- 



iiber Ahnliches im Orient, wo allerdings collegiati. 10 leguli (Cod. Theod. X 20, 16, 5), den Purp 



nicht vorgekommen zu sein scheinen; Ear 
Iowa Rechtsgesch. I 902). Es waren das Hand- 
werker- und Kunstlercollegien aller Art, die der 
Stadt ihrem Gewerbe entsprechende Prohnden 
leisten mussten. 

C. Corporationen in der kaiserlichen Central- 
verwaltung. Wahrend in der Civil- und Mili- 
tarverwaltung die Subalternen (officiates) keine 
eigentliche Collegien bildeten, finden sich solche 



sehneekenfischern, welche den Vorhergenannten den 
Purpur zu liefern hatten. Die Gewinnung wie 
Benutzung des Purpura war ein Monopol des 
Kaisers (Cod. Theod. ebd. 12 [385]. 18 [436]). 
Die Ausbeutung der staatlichen Minen und 
Steinbruche, die fruher anf dem Wege der Ver- 
pachtung geschehen war, wurde im 4. Jhdt. Sache 
des Staates selbst, seine Minenarbeiter (metallarii) 
bildeten auch erbliche Corporationen, suchten sich 



mehrfach in der Finanzverwaltung infolge des20aber ihrem schweren Dienst sehr oft durch die 



Auftretens des Staates selbst als Grossunternehmer. 
Das Personal fur die Herstellung der Miinzen 
bestand in der fruheren Kaiserzeit aus Sclaven 
(familia mcmetalis oder monetaria CIL VI 239. 
298; Aufstand derselben unter Aurelian, Hist. 
Aug. Aurel.. 38; vgl. Hirschfeld Verw.-Gesch. 
I 96, 2), dagegcn^ seitdem im 4. Jhdt. das Miinz- 
recht ausschliesslich in die Hande des Kaisers 
iibergegangen war, aus freien Leuten (monetarii 



Flucht zu entziehen (Cod. Theod. X tit. 19). 
Ihre Erganzung fand aus Verbreehern statt, welche 
auf Armen und Beinen gezeichnet wurden (vgl. 
die interessante Verordnung Cod. Theod. IX 40 
2 [315]). 

Dasselbe geschah den Mitgliedern der Cor- 
porationen, welche bei den staatlichen Waffen- 
fabriken arbeiteten, fabrioenses (Cod. Theod. X 
tit. 22. Cod. lust. XI 9 [10]. Nov. Theod. II. 



Cod. Theod. X 20, 1 [317]; Iulian nimmt aus 30 tit. 6 [4] Anf., 438 = Cod. lust. XI 9, 5- 

ihnen Leute zur Erganzung der Curie von Antiochia. ~ i: — "-'-— «>■ -'■■--■■ TT „ ' 

vgl. Iulian. Misopog. 28), welche erbliche Cor- 
porationen bildeten (Cod. Theod. a. a. O. § 16 
corpus, collegium monetariorum). Die Anderung 
geschah vielleicht durch Aurelian, seit dessen Re- 
gierung auch in den Provinzen Miinzen geschlagen 
wurden. Im 4. Jhdt. gab es .kaiserliche Munz- 
statten in Rom, Aquileia, Siscia, Ljon, Aries, 

Trier (Hirschfeld a. a. 0. 97, 4), im Orient r _._ .... „ „„_ „ lVillu _ vu 

in Constantinopel (Notit. U. C. P. XIII 12 p. 239 ed. 40 sind wohl solche anzunehmen, " da" sie 7m Cod! 



son- 

stige Belege Waltzing II 241, 1), sie wurden 
mit einem stigma hoc est nota publiea auf dem 
Arm gezeichnet; ihr Dienst heisst militia (Cod. 
lust. XI 9, 6). 

Ebenso bezeichnet ist der Dienst der basta- 
garii (Cod. Theod. X 20, 11 [384]), welche Frolm- 
fuhren (bastagae) zum Transport der fur den Fiscus 
bestimmten Lieferungen zu leisten hatten. Von 
ihren corpora hOren wir zwar nicht direct, doch 



Seeek) und in Cyzicus (Sozom. hist. eccl. V 15 
Gothofredus zu Cod. Theod. X 20, 1). An jeder 
dieser Statten bildeten wohl die monetarii ein C. 
Die Miinzen in Circulation zu setzen war die 
Aufgabc cines C. der collectnrii oder nummu- 
larii (Symm. rel. 29 [op. X 42. 49] aus dem 
J. 384. Nov. Val. III. tit. 4 [3] § I [440]; vgl. 
Mommscn ROm. Mfinzw. 845f), in Constanti- 
nopel to t(bv aQyVQOngarCov ow/tarsiar oder ovori/fia 



Theod. mit den murileguli, gynaeeiarii, mone- 
tarii in Lib. X tit. 20 zusamengestellt sind. 

IX. Der Staat und die Zwangsverbande, 
deren Leistungen (munera) und die Ent- 
schiidigungen dafiir (privikgia etc.). Die 
Leistungen der betraehteteti Corporationen waren 
munera mixta, d. h. sie lasteten auf den Per- 
sonen (persOnliche Ausiibung des Berufs auch in 
der spateren Zeit selbst bei den navicularii) und 



(Edict. lust. VII. IX Anf. Nov. lust. 136 Anf.), 50 dem Vermogen wie bei den privilegierten Collegien 
wahrschemhch dasselbe wie das Cod. Theod. XVI fruher, und die einzelnen Mitglieder waren jetzt 



4, 5 § 1 (404) auch fur Constantinopel bezeugte 
corpus nummulariorum oder corpus argenta- 
riorum (Cod. lust. I 2, 9 - XI 17 [18], 1 [439] 
noch unter Leo dem Weisen; vgl. J. Nicole Le 
livre du prefet S. 22ff.). 

Zur Herstellung der von den Kaisern den An- 
gehOrigcn des Hofes, der Verwaltung und der 
Armee gelieferten Gewander gab es besondere 



nicht bios mit ihrer Person , sondern auch 
mit ihrem Vermogen an die Berufsgenossenschaft 
gebunden (fur die ■navicularii vgl. Cod. Theod. 
XIII 5, 14 § 3 [371] ita ut facultatibus propriis 
per suceedaneas fiereditatium vices perpetuo sint 
ubnoxii fiMctioni. 5; vgl. ferner ebd. 3. 20. 
27. XIII 6, 3 u. s. w., fur die pistores XIV 3, 
2. 8. die suarii u. s. w. XIV 4, 1 ant retineant 



kaiserliche Werkstatten. fur die feineren Gewander 60 bona, quae suariae functions destrieta sunt ipsi- 

die gynaeea oder textrina principis (im Occident ' ■ 

17 s. Waltzing II 233, 1), fur die rauheren der 
Militarpersonen liitifkia , solche z. B. in Ra- 
venna und in Vienna ; dort arbeiteten die gynae- 
eiarii, hier die linteones, lintearii, linyfieii oder 
textores, welche ebenfalls erbliche Collegien bil- 
deten (Cod. Theod. X 20, 16 [426]); doch waren 
in denselben auch zahlreiche Sclaven (Cod. Theod. 



que suario teneantur oltsequio. Nov. Val. "III. 
35 § 8; daher fiihrte der Staat nicht nur fiber 
die Mitglieder, sondern auch iiber deren VermOgen 
Listen, Cod. Theod. XIII 5, 14 § 2 [371]. 6, 8 
[399]. XIV 3, 3 [364]). Das pflichtige Vermogen be- 
stand aus Immobilien, wie Gmndstucken, Hausern 
u. s. w., oder beweglichem VermOgen, bezw. beidem 
zusarnmen. Demi der corporatus oder collegiatus 



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Collegium 



Collegium 



466 



musste jetzt mit seinem ganzen VermOgen fiir 
die Erfullung des munus haften (Cod. Theod. 
XIII 5, 2. 5. 14. XIV 4, 1. 7), und diese Ver- 
pflichtung war eine erbliche (originarii , origi- 
nates, functio originaria, genuina functio, ori- 
ginis munus; vgl. Waltzing II 303, 2). Kain 
daher ein Nicht-eorporatus in den Besitz einer 
res obnoxia, so musste er in die Corporation ein- 
treten (pistores Cod. Theod. XIV 3, 10 [365?]. 
3 Anf. [364] ; suarii u. s. w. ebd. XIV 4, 8 [408]), 10 
ausser bei den navicularii, wo man nicht persOnlich 
navicularius wurde, sondern nur das auf dem Ver- 
mOgen ruhende navicularium onus iibernehmen 
musste (Cod. Theod. XIII 6, 7 [375 = Cod. lust. 

XI 3, 2]. 8 [399] . daber nebeneinander wirkliche 
navieularii und blosse Besitzer von res navicu- 
lariae Cod. Theod. XIII 5, 3 [319]. 20 [392]. 
22 [393]. XIII 6, 1 [326]. 8 [399]). Der Kiiufer 
durfte nicht in dem Contracte ausmachen, dass 
nur die betreffenden Vermogensstiicke , nicht aber 20 
die adhaerierenden munera auf ihn iibergingen 
(Cod. Theod. an der zuletzt angefiihrten Stelle). 
Notigenfalls machte die Regierung derartige Ver- 
ausserungen rtickgangig (ebd.). Von da vTar es 
nur ein kleiner Schritt, die Verausserung von res 
obnoxias ganz zu verbieten, wie das bei den 
pistores geschah (Cod. Theod. XIV 3, 13 [369]), 
wodurch der Begriff des Privateigentums fast ver- 
loren ging. Wer seiner persOnlichen Verpflich- 
tung gegen das C. sich zu entziehen suchte, 30 
wurde ■ von demselben vindiciert, und die Regie- 
rung wandte " alle Mittel (Symm. ep. IX 1 00 
totis viribus adiuvandi sunt communis patriae 
corporati praecipue maneipes salinarum), selbst 
Zwang, an, die Widerspenstigen zu ihrer Pflicht 
zuruckzufiihren (Belege bei Waltzing II 320ff. 
336n°.). Das Schlimmste wohl war, dass man den col- 
legiati den Aufenthalt ausserhalb ihrer Stadt ein- 
fach verbot (Nov. Maior. tit. 7 § 3 [458]), Ansprii- 
che der Corporationen verjahrten nie (Cod. Theod. 40 
XIII 6, 3 [365]. 5 [367]), bis erst Honorius 423 
eine Verjahrungsfrist von 50 Jahren einfiihrte 
(ebd. 10). Trotz aller Gegenmassregeln war das 
Pliehen der collegiati, oft in Masse, an der Tages- 
ordnung, da man selbst den Colonat dem seit- 
herigen Dasein vorzog (Cod. Theod. XII 19, 1 
[400]), und die Folge war ein wirkliches Jagcn 
nach den Fluchtlingen (Cod. Theod. X 19, 5 [369]. 

XII 19, 1 [400]. XIV 2, 4 [412]. 7, 1 [397]. Nov. 
Val. III. 28 [29] § 1 [450]. tit. 35 [361 § 8 [452]). 50 
Aber die Collegien — und damit auch die Stadte — 
wurden unter der neuen Losung .Landluft macht 
frei' immer leerer und leerer (so die fabri und 
centonarii Cod. Theod XIV 8, 1 [315], suarii 
ebd. 4, 1 [334]. 5 [389], 10 [419]. Nov. Val. III. 
tit. 35 [36] Anf. [452 occidui corporis fune- 
fionem], maneipes titer marum : Svmm. rel. 44 
[ep. X 58] § 1 [384]. Cod. Theod. XII 16, 1 [389], 
navicularii XIII 5, 22 [393]. 32 [409]. 35 |422], 
nacicularii amniei Nov. Val. III. 28 [29] Anf. und 60 
§ 2 [450]). Vergebens erganzten die Kaiser die ver- 
fallenden Korperschaften durch gewaltsame Ein- 
reihung von otiosi, vacantes oder vac-ui sc. pu- 
blico officio (Symm, a. a. O.), d. h. noch nicht 
incorporierten Burgern, vergebens vereinigten sie 
zwei oder mehr Collegien zn einem, um dieses 
eine wenigstens lebenskriiftig zu erhalten, so Con- 
stantin die dendrophori mit den fabri und cen- 



tonarii (Cod. Theod. XIV 8,-l [315]), Honorius 
die peeuarii mit den suarii (ebd. 4, 10 [419]), 
die maneipes thermarum wurden durch 60 navi- 
eularii verstarkt (vgl. Symm. a. a. O. Cod. 
Theod. XIII 5, 13 und Waltzing II 367 m. A. 
1). Vergebens — denn die Leistungen (munera) 
waren zu gross, die auf diesen collegia lasteten 
(Symm. a. a. O. necessitatis publieae molem ferre 
non possent). 

In welcher Weise wurden sie geleistet? Das 
munus war eine ,gemeinsame Last' (commune 
onus Cod. Theod. XIII 5, 3 § 1 [319]), die Ab- 
leistung wurde aber auf die einzelnen Mitglieder 
nach Massgabe ihres VermOgens verteilt, wahr- 
scheinlich vorn C. selbst (vgl. Cod. Theod. XIII 
5, 13 [369]) unter Aufsicht des Staates (Cod. 
Theod. a. a. O. pro virili portione, ebd. 6 [334]. 
XIV 4, 1 [334]. 8 § 2 [408] pro rata). Bei den 
navicularii horen wir von einem gewissen Turnus 
(Cod. Theod. XIII 5, 6 m( non promiseue sed 
per vidssitudines rite servatas iuges cursus agno- 
seerent), wobei die Armeren weniger belastet sein 
sollten (ebd.). Doch wurde im Notfalle keine Riick- 
sicht darauf genommen, vielmehr dann auch aus- 
gediente, veteres idonei navicularii (Cod. Theod. 
XIII 5, 14 § 4 [371]) herangezogen. Verarmung, 
Krankheiten oder andere Unfalle gewahrten zeit- 
weilige Befreiung (ebd. 13 [369]). 

Trotz aller Beschrankungen waren aber die 
corporati oder collegiati im Gegensatz zu den 
Colonen freie Leute und aller privatrechtlichen 
Handlungen fahig. Sie hatten Eigentum (Cod. 
Theod. XIV 3, 3 [364] , quae possident privato 
iure pistores), sie konnten es veriiussern durch 
Verkauf, Schenkung, Vererbung(mit Ausnahme der 
pistores, s. o. S. 465), andererseits selbst solches er- 
werben, konnten legitime Eheii eingehen, aller- 
dings mit gewissen Einschrankungen bei ihrer 
Wahl, ihre Frauen erhalten eine dos, die Ehe- 
gatten konnen einander beerben, ihren Kindern 
werden Vormiinder gesetzt und sie selber konnen 
Vormilnder werden (Belege bei Gebhardt Stu- 
dien fiber das Verpflegungswesen von Rom und 
Constantinopel in der spateren Kaiserzeit, Dorpat 
1881, 74f.). Man verbot ihnen nur, sich und ihr 
Vermogen dem offentlichen Dienst zu entziehen, 
fur sich und ihre Kinder einen anderen Beruf zu 
wahlen und ihren Wohnsitz zu andern — ein 
Schicksal, das sie mit alien Bcwohnern desReiches, 
vor allem den Curialen, teilten. 

Dieser verminderten Freiheit standen aber 
andererseits zahlreiche Vergiinstigungen seitens 
des Staates gegeniiber, die sich zerlegen lassen 
in 1) Privilegien = immunitates, 2) Entschadi- 
gungen materieller Art in Geld oder natura, 3j Eh- 
renverleihungen. 

1) Was die Privilegien betrifft, so besteht noch 
die von uns fiir die friihere Zeit gekennzeichnete 
Auffassung, dass die immunitas von bestimmten 
OffentlLchen Lasten eine Compensation sein soil 
fiir das von den Mitgliedern der Collegien uber- 
nouimene specielle munus publicum, dass also 
munus und das durch die sonstige Immunitat 
gegebene pririlegium sich verhalten wie Arbeits- 
leistung und Arbeitslohu (Callistr. Dig. L 6, 6 
[5] § 3 und § 12. Cod. Theod. XIII 5, 5 Anf. 
[326]. XIV 3, 2 [365]). Nur stehen jetzt dem 
Staate nicht mehr einzelne. sondern Corporationen 



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Collegium 



Collegium 



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fur das betreffende munus gegeniiber, und der 
Dienst dieser corporati charakterisiert sichstets als 
functio, munus publicum,' ja als antes publicum, 
officium, debitum officium, neeessitas, obsequium 
(Belege bei Waltzing II 272), die Verpflich- 
teten heissen functioni obnoxii. Hiess es friiher: 
Wer aus eineni bestimmten Berufe, dessen Dienste 
der Staat niitig hatte, diese Dienste leisten wollte, 
konnte dies thun und wurde daffir ein privi- 
legierter Staatsbfirger, so hiess es jetzt, wer einem 10 
bestimmten Berufe und der ans diesen Berufsge- 
nossen gebildeten Corporation angehOrte, musste 
dem Staate seine Dienste widmen, wnrde dafiir 
allerdings auch noch durch Privilegien entschadigt, 
war aber trotzdem bei dem zwischen Dienstleistung 
und Belohnung eingetretenen Missverhaltnis nur 
ein Lasttrager des Staates (Symm. rel. 14 § 3 
[ep. X 27] patriae senientes, iugi obsequio im- 
munitatis nomen emerunt). Drangte man sich 



und alien municipalen Lasten (ebd. 7 [334] have 
nobis privilegia credidimus deferenda , ut navi- 
eularii omnes e civilihus muneribus et oneribus 
et obsequiis habeantur immunes, et ne lionores 
quidem civicos, ex, quibus aliquod incommodum 
sentiant, subire eogantur). 8) Befreiung von 
der Gewerbesteuer (chrysargyrum) — wenigstens 
fur die von ihrerHande Arbeit lebenden corporati 
unter Valentjnian I. (Cod. Theod. XIII 1, 10 [374]). 
Neben diesen besassen einzelne Corporationen 
noch besondere Privilegien, wie die navieularii 
den Eitterrang (Cod. Theod. XIII 5, 16 [380] 
fiber sonstige besondere Privilegien derselben s. 
Art. Navieularii), die suarii die Sicherheit 
vor der iniuria corporalis seit Honorius (Cod. 
Theod. XIV 4, 10 § 2 [419]; vgl. Nov. Val. HI. 
tit. 35 [36] § 7 [452]), die calcis coctores und 
veetuarii seit Valentinian III. Befreiung von der 
Steuer der sieben Solidi (Nov. Val. III. 5 § 4 [440]), 



daher in den frtiheren Jahrhunderten zu der Dienst- 20 die fabrimnses Dispens von den militarischen Ein 



leiatung fiir den Staat, so dass dieser Abwehrmass- 
regeln gegen ungeeignete Elemente eintretenlassen 
musste (s. o. S. 450), so floh man jetzt uberall 
ans den im Offentlichen Dienste stehenden Cor- 
porationen, so dass die Kaiser neben den friiher 
besprochenen Mitteln gelegentlich auch eine Er- 
weiterung der staatlichen Vergiinstigungen an 
die einzelnen, besonders an die am schwersten 
belasteten Korperschaften eintreten liessen. Daher 



quartierungen (metatus) (Cod. Theod. VII 8, 8 
[400]) u. s. w. 

Die collegiati der Landstadte genossen wohl 
Befreiung von den Municipallasten, welche den 
Curialen reserviert waren, abgesehen von der Unter- 
stiitzung, welcbe sie diesen zu leisten hatten. Sie 
waren befreit vom Kriegsdienst (Cod. Theod. VII 
20, 12 § 3 [400]), mussten aber helfen beim Ban 
und bei Ausbesseruugen der Stadtmauer (Cod . Theod. 



sind die Privilegien nicht nur nach den Zeiten, 30 XV 1, 34 [396] = Cod. lust. VIII 12 [11], 12 



sondern auch nach den Collegien verschieden. Im 
4. Jhdt. gab es aber nicht mehr viel neue Pri- 
vilegien, sondern von Zeit zu Zeit die Bestati- 
gung der alten. So hat sich ein gewisser Stamm 
von Privilegien herausgebildet , der jetzt alien 
Collegien, vor allem den stadtrOmischen (vgl. Cod. 
Theod. XIV 2 Be privilegiis corporatorum urbis 
Romae und das Paratitlon des Gothofredus) 
gemeinsam war. Dies waren : Befreiung 1 ) von 



[396]. Cod. Theod. XV 1, 49 [412]). Endlich 
waren viele Mitglieder dieser Collegien begiinstigt 
durch die Immunitatsverleihung des Constantin 
vom J. 337 an 35 Berufe von Handwerkern und 
Kiinstlern per singulas eivitates morantes (Cod. 
Theod. XIII 4, 2 [337] = Cod. lust. X 64 [66] 
1 ah unieersis muneribus vacare praecepimus). 
2) Beste von Vergiitungen pecuniarer Art fur 
die geleisteten Dienste (daruber s. o. S. 445. 450) 



den muncra sordida et extraordinaria, Cod. Theod. 40 blieben auch noch zur Zeit der Zwangsverbande. 



XIV 2, 2 (391); erweitert bei den navieularii, vgl 
Cod. Theod. XIII 5, 5 (326). 7 (334). 17 (386). 
2) Von der Cbemahme einer Vormundschaft (ex- 
cusatio tidclae) iiber Kinder von Nichtmitgliedern 
der Corporation, nur fiir die moisten Collegien der 
Annona bezeugt (L'elege s. o. S. 460), z. B. die sua- 
rii, men-sores; die pistores brauchten auch iiber die 
Kinder ihrer Zunftgenossen nicht die Vormund- 
schaft zu fiihren (fragm. Vat. § 235) ; gegeniiber 



Die navieularii (Orientis) erhielten einen Solidus 
fiir 1000 modii Getreide, welches sie transportier- 
ten (Cod. Theod. XIII 5, 7 [334]), ausserdem ein 
epimctron fiir den Abfall unter wegs, die orien- 
talischen und alexandrinischen Beeder 4 ll / von 
der Ladung Getreide (Cod. Theod. a. a. O.), die 
africanischen 1 %, weil der Weg kleiner war (Cod. 
Theod. XIII 5, 36 [412]. 38 [414] u. s. w.), ferner 
Holzlieferungen fiir den Bau neuer Schiffe (Cod. 



den navieularii wechseltc die Gesetzgebung (Cod. 50 XIII 5, 14 § 1 [371]). Die pistores hatten eine 



Theod. XIII 5, 7 [334]. Ill 31, 1 [400] = Cod. 
lust. V 62. 24). 3) Von der eollatio eqtwrum 
seit Valentinian I. (Symm. rel. 14 [ep. V 27]). 
4) Im 5. Jhdt. auch vom Militardienst, Nov. Val. 
III. tit. 5 § 2 und 3 (440). abgesehen von der 
Bewachung und Eeparatur der Mauern, Thore und 
Tiirme der Stadt Bom. 5) Zuteilung von Frem- 
den oder Studierenden in Bom an irgend welche 
corpora, damit dieselben einen langeren Aufent- 



einmalige grosse Schenkung vom Staate (daruber 
weiter unten), die suarii empfingen fiir den Scha- 
den besonders an Gewicht bei dem Transport der 
Tiere 25 000 Amphoren Wein, welcher von den 
Fleischlieferanten an die area cinaria gezahlt 
wurde, wovon 2/ R auf die suarii selbst entfielen, 
1/3 auf die ordines, qui stinriam recognoscunt 
(GIL VI 1771. Cod. Theod. XIV 4, 4 § 1), und 
weiter, ebenso wie die susccptores (Cod. Theod. 



halt daselbst nehmen konnten (Cod. Theod. XIV 60 XII 6.15 [369]), ein cpiinetn.n = 5"/ des Flei 
9, 1 [370]). 6) Besonderer Schutz seitens des sches (Cod. Theod. XIV 4, 4 §4; vgl. auch Nov. 



Statthalters oder des Praefectus urbi gegen Eigen- 
machtigkeiten andererBeamtenu.s.w. (Cod. Theod. 
I 6. 1 1 [423]. I 10, 4 [391] = Cod. lust. I 28, 
4. XI 16 [17]. 2 [408]). 7) Fiir die auch ausser- 
halb Koms (in provinciis Gatus Dig. Ill 4. 1) 
wohnhaften navieularii Befreiung von der Curie 
(Dig. L 2, 9, 1. Cod. Theod XIII 5, 16 § 1 [380]) 



Val. III. tit. 35 [36] § 1 [452], wo von sehr hohen 
Summen als emolume.nta fiir die suarii und boarii 
die Bede ist). Untcrstutzungen aus der area vi- 
nnria treffen wir auch bei den calcis coctores, 
den veetuarii (Cod. Theod. XIV 6, 1 [359], da- 
gegen Bezahlung in Geld ebd. 3 [365]), den 
collectarii (Symm. rel. 29 [epist. X 42]), eine 



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Collegium 



Collegium 



470- 



vorubergehende Unterstiitzung anderer Art bei 
den bastagarii (Cod. Theod. X 20, 4 [365]). Be- 
treffs der saccarii, die die Loschung aller Schiffs- 
ladungen in Kom als Monopol erhielten, vgl. Cod. 
Theod. XIV 22, 1 (364). Nicht so klar sind die Ver- 
haltnisse in dieser Beziehung bei den maneipes 
thermarum und den vinarii (WaltzingII426f.). 

Alles dies sollte keine wirkliche Bezahlung 
der geleisteten Dienste sein, vielmehr handelt es 
sich nur um Entschadigungen fiir Verluste oder 
fiir die mit dem Dienst verkniipften Ausgaben, 
welche Honorius richtig charakterisiert als solatia: 
Cod. Theod. XIV 3, 19 (396). XIII 5, 32 (409); 
vgl. VI 30, 23 (422), Heumann Lexikon s. v. 
solatium. ' 

3) Auch Verleihungen gewisser Ehren sollten 
die Mitglieder der Collegien fur ihre schweren 
Leistungen entschadigen, wie z. B. die navieularii 
die Verleihung des Bitterranges, wovon schon die 
Kede war. Bei anderen Collegien erhielten we- 
nigstens die Vorsteher oder sonstige Beamte einen 
bestimmten Bang (so bei den suarii, Cod. Theod. 
XIV 4, 10 § 2 [419]. Nov. Val. in. tit. 35 [3€] 
§ 5 ; vgl. auch § 3 [452], bei den eaudicarii und 
mensores, Cod. Theod. XIV 4, 9 [417], bei den 
fabrieenses der primicerius fabricae Cod. Theod. 
X 22, 3 [390] u. s. w.) oder gewisse Vorrechte von 
seiten des Staates (Cod. Theod. XIV 4, 9 [417]). 

Alle diese Verhiiltnisse erforderten naturlich 
eine ins einzelnste gehende Bcaufsichtigung der 
Collegien durch den Staat. Die oberste Aufsicht 
und letzte Instanz bildete natiirlich auch hier der 
Kaiser, die QueUe der ganzen gesetzgeberischen 
und richterlichen Gewalt im Beich. Er giebt 
nicht nur die allgemeincn Gesctze, sondern greift 
auch bei den klcinsten Details der inneren Orga- 
nisation der Corporationen und der Kegelung ihres 
Dienstcs ein (vgl, Symm. rel. 44 [ep. X 58]. 14 
[ebd. 27]. Cod. Theod. XIV tit. 2. XIII 5, 22 
[393]: ad nos referre necesse est. XIV 4, 1 [334]: 
>ws super his consult. XIII 5, 14 § 2: nobis — 
nuntientur) ; manche Erlasse richten sich direct 
an die betreffenden Corporationen ; vgl. frg. Vatic. 
§ 235. Cod. Theod. XIII 5, 7. 16. 36. 37. XIII 
6. 1. XIII 9. 3. 

Fiir die Corporationen von Bom und seit Con- 
stantin fiir die von Constantinopel ist sein Ver- 
treter der Praefectus urbi der betreffenden Stadt 
(Cod. Theod. I 10, 4 = Cod. lust. I 28, 4 [391], 
Statuen von Collegien fur einen Praefectus urbi 
GIL VI 1739—1742). Er hatte die Strafgewalt 
gegeniiber Vereinen schon seit Septimius Severus, 
Ulp. Dig. I 12, 1 § 14. Cod. Theod. XVI 4, 5 
§ 1 (404). In sein Verwaltungsressort fiel die 
Controlle fiber den Dienst, welcher den Corpo- 
rationen auferlegt war, wie fiber alles, was diese 
Collegien anging (Dig. I 12, 1, 11. CIL VI 1770. 
1771. 3001. Moramscii St. B. lis 1065f. mit 
Anm. 1 ; Constitutionen, die an den Praefectus 
urbi adressiert sind, bei Waltzing II 382, 1; 
im 4. Jhdt. begegnct ein vicar ius desselben: Cod. 
Theod. XII 1, 162 [399]. XIV 6. 3 [365]). Unter- 
gebener und Gehiilfe des Praefectus urbi gegen- 
iiber den Collegien der Annona ist in der spa- 
teren Kaiserzeit der Praefectus annonae, dessen 
Befugnisse sich aber immer mehr verringerten, 
bis er zur Zeit Cassiodors vielleicht nur noch die 
Aufsicht iiber die pistrina hatte (var. VI 18; fiber 



ihn vgl. Hirschfeld Philol. XXIX 27f. 45; Ver- 
walt.-Gesch. 128ff., besonders 186ff.). Seine Juris- 
diction erstreckte sich vor allem auf Civilsachen 
(CIL VI 1579 [389]. Cod. Theod. II 17, 1 § 2 
[321]), daneben aber auch auf Criminalfalle (Cas- 
siod. var. VI 18. Sen. de brev. vit 19. Cod. Theod.- 
XIII 5, 38 [414]. XIV 3, 15 [377]. XIV 4, 9 
[417]). In Constantinopel hat es vielleicht nie- 
einen Praefectus annonae gegeben (Hirschfeld 

10 Philol. XXIX 86; doch vgl. auch Gehhardt 
Studien 21,2). Ausserhalb der Hauptstadte — mit 
Ausnahme Ostias, wo der Praefectus urbi noch 
schaltete — hatten die Oberaufsicht fiber die 
Corporationen der Annona, d. h. vornehmlich die 
navieularii, die Praefecti praetorio, jeder fur seinen 
Bezirk (vgl. die an sie gerichteten Constitutionen 
des Titels de naviculariis Cod. Theod. XIII 5), 
unter ihnen die vicarii der einzelnen Dio'cesen,. 
dann die Statthalter der einzelnen Provinzen. In 

20 Karthago und Alexandria gab es dazu noch je 
einen besonderen Praefectus annonae, welcher die 
Lieferung des Getreides aus Africa bezw. Agypten 
leitete und die Jurisdiction fiber die navieularii 
dieser Provinzen hatte (Hirschfeld Phil. XXIX 
87; fiir Alexandria vgl. Cod. Theod. XII 6, 'A- 
[349] praefectus annonae Alexa-ndriae; fiir Kar- 
thago Not. Dign. Occ. II 41 : praefectus annonae 
Afrieae, abhangig vom praefectus praetorio per 
Italias). 

30 Fiir andere Collegien , als die der Annona, in-. 
Bom fand der Praefectus urbi Unterstiitzung an 
verschiedenen Unterbeamten ; wir sehen einen 
curator operum publicorum um 301 in Beziehung 
zum collegium fabrum. tignuariorum (CIL VI 
1673), der Praefectus vigilum leitete wohl die 
als Feuerwehr organisierten collegiati 11. s. w. 

Wahrend die Beaul'sichtigung der Collegien in 
den Landstadten, soweit sie im stadtischen Dienst 
standen, wie die fabri, in den friiheren Jahrhun- 

40derten der stadtischen Curie bezw. Beamten der- 
selben (vgl. CIL V 5847 den rcpunctor collegii 
aerarii in Mailand, XI 1230 in Placentia, V 7372 
den dispensator collegii in Dertona; vgl. Momm- 
sen ebd. p. 635. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Wien 
CVII 255) uberlassen war (Maues Aufstellungen 
iiber den praefectus fabrum als einen kaiserlichen 
Staatscommissar zur llberwachung der fabri sind 
verfehlt), so drangte sich der Staat auch hier all- 
miihlich in die innere Autonomie der Stadte ein 

50 und brachte auch die Cberwachung der muni- 
cipalen Collegien in seine Gewalt, %. B. durch 
die von der Centralregierung eingesetzten defen- 
sores eititatis (Cod. Theod. XII 19, 3 [400]; vgl. 
X 22, 6 = Cod. lust. XI !> [10], 4 [412]), welche 
den Statthaltem der Provinzen unterstellt waren. 
Dann sehen wir hiiufig auch diese letzteren selbst 
eingreifen (CIL XI 2998. X 4865. XI 377. Cod. 
Theod. XIV 8. 1 [315], den praefectus Augustalis 
von Agypten : Cod. Theod. XIII 5, 18 [390]. 20 

60 [392]), oder deren Vorgesetzte, die Vicare und Prae- 
fecti praetorio (Belege bei Waltzing II 391, 8). 
X. Die innereOrganisationder Zwangs- 
verbande. Nach dem cben Erorterten kann in 
dieser Zeit von der Autonomie derCollegieu keine 
Bede mehr sein, Der Staat inischte sich in alles, 
mochte es sich handeln um die Zusammensetzung 
des C, um Ein- oder Austritt von Mitgliedern, 
um die Emennung von Beamten, um die Controlle 



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der Verwaltung, besonders der Finanzen (Walt- 3, 14 (372), originaria, genuina fimotio (ebd. 
2ing II 358f.). XIV 4, 8 [408]. XIV 4, 10 § 1 [4191 von den 
Was die Zusammensatzung dieser Corpora- suarii). Wenn beide Bltern demselben C. an- 
-tionen betriflt, so sind nicht mehr wie fruher gehOrten, folgten natiirlicb die Kinder dem 
auch Lcute anderer Berufe in den betreffenden Stande des Vaters. Im Falle dagegen nur einer 
Berufsgenossenschaften , vielmehr hat sicb , wie der beiden Ehegatten incorporiert war, sollte man 
iiberhaupt im Reich, auch hier ein strenger Ab- annehmen, ware der Stand des Vaters ausschlag- 
schluss der einzelnen Berufe herausgebildel. Der gebend gewesen. Dem war nicht so, vielmehr 
Satz, dass jernand nur einera Colleg angehoren zeigte das Gesetz die Tendenz, den nichtineorpo- 
konne (Dig. XL VII 22, 2), war aufs strengste 10 rierten Ehegatten, oder wenigstens die Kinder 
dwchgeffihrt (Cod. Theod. XIV 4, 7 [397]. 3, 2 ins C. zu ziehen (Cod. Theod. XIV 4, 8 [408] 
[355]. IX 40, 9. XIII 5, 2 [315]). Wer Vermogen, von den suarii : revoeentur tarn quipaterno, quam 
welches mit dem betreffenden mumis belastet qm materno genere inmniuntur obnoxii XIV 
war erwarb, behielt nur dann seinen friiheren 3, 14 [372]). Am deutlichsten tritt das zu Tage 
Bernf bei, wenn er nicht in das C. selbst ein- bei den Collegien, die im Dienste der kaiserlichen 
ireten musste, wie bei den navieularii. Fur Centralverwaltung standen (Cod. Theod. X 20, 5 
■die kaiserlichen Manufacturen ist es ausdrucklich [371]. 15 [425]. 17 [427] von den murileguli- 
gesagt, dass die Aut'genommenen das Handwork X 19, 15 [424] von den metaUarii u. s. w) Bei 
kennen mussten (Cod. lust. XI 7 [8], 16). Die Ehen zwischen Mitgliedern verschiedener Corpo- 
soraale Lage der Mitgheder war verschieden 20 rationen folgten wohl die Kinder dem Vater 
nach den Collegien und deren Aufgaben im Staat. mussten aber, im Falle sie von der Mutter ein 
Die grossen Corporationen der Annona, vor allem mit einem mttnus belastetes VermOgen erbten, 
die nmncularii, recrutierten sicb aus vermOgenden dieses noch mit ubernehmen oder es dem c' 
Leuten z. T. hoherer Stilnde , in den einmal so bczw. einem Verwandten mitsamt dem munus 
genannten mmusmla corpora (Cod. Theod. XII iiberlassen (Cod. Theod. XIII 5, 2 [315]). Seit 
16, 1 [389]) befanden sich wohl meist Freige- Honorius waren derartige Ehen den Backern viel- 
lassene und arme Leute. Sclaven begegneten wir leicht auch anderen Collegien dieser Art (Geb- 
nur, worauf oben schon hingewiesen ist, in einigen hardt Studien 51f.), bei schweren Strafen ver- 
Corporationen der kaiserlichen Centralverwaltung, boten (Cod. Theod. XIV 3, 21 [403]). Bei schon 
wie bei den gynaeciarii, murileguli, fabricemex. 30 geschlossenen Ehen musste die Frau in die Backer- 
Waltzing (II 359f.) erblickt in diesen allerdings zunft eintreten (a. a. O.). Schon liinger galten 
— und zwar wohl mit Recht — nicht Mitglieder so lche Ehebeschrankungen fur die Collegien in 
der Collegien, sondern nimmt an, dass sie Eigen- den kaiserlichen Manufacturen, z. B fur die mo- 
tum des C. oder Staat.es waren (vgl. Nov. Maio- netarii (Cod. Theod. X 20, 10 § 2 [380]). 
nan. tit. 7 § 4 [458] si itujenuus probatur, col- Ausser durch Erblichkeit erganzten sich die 
legits _ apphcetur). Corporationen durch altectio, technisch applicatio, 
Kinder waren auch in diesen Collegien, seit- entweder aus nichtincorporierten Biirgern (w- 
dem der Beruf erblich war. Auf den Mitglieder- carries, vaeui, vacui publico officio, otiosi , pri- 
listen ist der Name des Vaters gefolgt von denen va U, extranei). Cod. Theod. XIII 9, 3 8 4 (380) 
seiner Kinder (CIL IX 2998. XIV 3649. Dessau 40 Symm. relat. 44 (ep. X 58) § 1, oder aus anderen 
Ann. d. Inst. 1882, 134. Hfllsen Bull. com. 1891, Corporationen (Symm. a. a. O Cod. Theod XIII 
352) Doch wurden die Kinder erst wirkliche 5, 13 [369]), doch erst, besonders im letzteren 
Mitglieder der Corporation nach erlangter Miin- Fall — denn im allgemeinen stand der Satz fest 
digkeit und zwar audi die vveiblichen, so dass dass an bestimmte Corporationen G-ebundene nicht 
jetzt auch Frauen in den Collegien sich befanden i n andere eingereiht werden konnten (Cod Theod 
(CIL XIV 3469. Cod. Theod. XIII 5, 12 [369]. XIV 4, 7 [397]. VI 30, 16. 17 [399]. VIII 7 22 
Nov. Sev. tit. 2 [465] si qm rei qua ex corpo- [426]) — nach eingeholter Zustimmung der Regie- 
nbus pubheis vel ex eorporahs Vrbis Romae). rung (Symmach. a. a. O. Cod. Theod. XII 1 179 
Aber wir wissen nicht, wie es mit der persfinlichen [415]). Diese wies auch selbst kurzer Hand den 
Dienstleistung der Frauen stand. Bei Neuauf- 50 Collegien Mitglieder aus den genannten Classen 
nahmen von Manncrn waren solche von zu hohem der Bevolkerung oder aus anderen auch an ihren 
Alter ausgeschlossen (vgl. die friiher besprochene Beruf gebundenen Standen zu (technisch addieere 
Vcrordnung des Antoninus Pius Dig. L 6, 6 [5] Cod. Theod. XII 16, 1 [389], oder adiunaere, Cod. 

§ 7u Sl^'h IUSt XI 7 [8] ' 6) ' Theod - XYI 2 > 39 [ 408 ] : ef Pro hominnm quali- 

Alle Mitglieder waren. wie Irulier, in ein Album fate d qmntitate patrimonii eel ordini suo vel 

eingetragen , welches manehmal offentlieh aufge- collegio ehitatu adumgatur), so den navieularii 

stellt wurde (CIL IX 2998. VI 9920; vgl. auch aus den Senatoren (Cod. Theod XV 14 4 [326] 

^i°i S " S vT U ,- Z ^i le o= : A lb n-o 3el .^ olle f en \ m ° Stia su l )er his > 1 ld ex *euatnribiis ml nark-idarium 

* i-3 \. u-£ 5 °1 2o3 -, L 256) -, ^PP^ aus 8' e munus a tyranm [i. e. Licinio] deieeti sunt 
fertigte Abschntten derselben fur die Regierung 60 XIII 5, 14 § 4 [371]), aus den Beamten (mit Aus- 

enthielten die Namen, die Herkunft der eorporati nahme derer des Holes), den Curialen u s w (Cod 

nebst den Namen der Frauen und Kinder und Theod. XIII 5, 14 §4 [3711. 5 [3261. 16 6 1 13801 ' 

das Vernmgen der einzelnen (Cod. Theod. XIII 17 [386]. 19 [390]), aus den Curialen (aber nicht 

' 4- § n- f ] ' l U n' 12 [ ? G , 9J) " , mehr seit 395 ' T & L Xn ] - 14 » [39S]), den eata- 

Die Erganzung des C. geschah in der Haupt- bolenses aus den Uhertim mit einem bestimmten 

sache durch Erblichkeit, daher die Ausdriicke Vermogen, ausgenommen wenn diese von ihrem 

origtnahs navicular ,us Cod. Theod. XII 5, 1 Patron ein mit einem munus pistorium behaf- 

(314), orujims vinculo teneri Cod. Theod. XIV tetes Vermogen empfangen hatten, in welchem 



Falle sie Backer wurden (Cod. Theod. XIV 3, 9 herauszukommen (Cod. Theod. XV 7, 1. 2 [371]. 

10 [365?]); bei den Backern wurden die Stell- 9 [381]. 8 [381]. 

vertreter rninderjahriger Mitglieder auch, nach- 4) Man wandte sich direct an den Kaiser, der 

dem diese die Grossjahrigkeit erlangt hatten, im durch ein Specialrescript ausnahrasweise Befreiung 

C. als Mitglieder festgehalten (Cod. Theod. XIV eintreten lassen konnte, wie wir das schon bei 

3, 5 [364] ; iiber die dunklen Constitntionen den Verurteilten bemerkt haben (Ammian. Marc> 

ebd. 12 und 17 vgl. Gothofredus z. St, Geb- XXVII 3, 2. Cod. Theod. XV 14, 4 [326]), even- 

hardt 56f. Waltzing II 328f.). Weiter ver- tuell nach Fiirsprache hoher GOnner (Symm. reL 

urteilte die Regierung wie zum Eintritt in die 44 [ep. X 58] § 1), welche es mit der Wahl 
Curie oder in den Colonat, so auch zum Eintritt 10 ihrer Mittel nicht allzu genau nahmen (Symmach. 

in gewisse Collegien, wie z. B. unter die pistores a. a. O. § 2. 3. Cod. Theod. XIV 3, 20 [398]). 

(Cod. Theod. IX 40, 3 [319]. 6 [364]. Nov. lust. Auch die Petenten selbst suchten die Losung ihrer 

80. 5), aber nur, wenn der betreffende noch nicht Fesseln durch kaiserlichen Erlass durch allerlei 

eorporatus war (Cod. Theod. ebd. 9 [365]), oder Schliche zu erreichen, was nattirlich, sobald man 

die metaUarii (Cod. Theod. IX 40, 2 [315]) u. a. den Betrug merkte, revocatio derselben zu ihren 

(vgl. ebd. 9 [365]), besonders in der spatesten Zeit munera zur Folge hatte (Cod. Theod. XIII 5, 3 

(Nov. Maior. tit. 7 § 4 [458]. Edict. Thebd. § 64), [319] per obreptionem; XIV 4, 1 [334] quolibei 

und zwar traf das Beamte, die ihre Pflicht nicht versutiae genere, Symm. a. a. O. iniqm elieita 

thaten, leichtere Verbrecher, arbeitsfahige Bettler reseripta; Cod. Theod. XIV 4, 8 [408] adrwta- 
und Herumstreicher, und sie konnten davon nicht 20tionibus vel rescriptis nostrae serenitatis elieitis;. 

befreit werden, selbst nicht bei einem allgemeinen 10 [419] reseissis omnium privilegiis, vineulis,, 

Gnadenerlass, hOchstens auf Grund eines speciellen, gratiosis sententiis, si quas in abolitionem ge- 

vom Kaiser aus eigenem Antrieb erlassenen Rescripts' nuinae fundionis callida fraude meruerunt. Nov- 

(Cod. Theod. IX 40, 7 [364]; vgl. XIV 3, 20 [398]). Theod. II. 8 [7] § 1 [439]). 

Freiwilliger Eintritt in eine Corporation war - 5) Da Bankerotteure {deeoetores) , welche ihr 

gesetzlich mOglich und kam wohl auch mitunter VermSgen durch eigenes Verschulden verloren 

vor (Cod. Theod. XIII 5, 14 § 4 [371] bei den hatten , zur Strafe aus dem C. ausgeschlossen 

navieularii; XIV 22, 1 [364] quisehuie eorpori wurden (Cod. Theod. XIV 3, 15 [377]), so be- 

[sc. suariorum] permiscere desiderant; X 22, 6 miihte man sich durch Verschleuderung seines 
[412] bei den fabrieemes). Die zuletzt angefuhrte 30 VermOgens oder dolose Verausserung desselben die 

Stelle aber beweist, dass der Betreffende erst seine Ausstossung, d. h. fur die Betreffenden die Be- 

Heimat , seine Herkunft , sein Freisein von an- freiung, zu erlangen. Aber, als man dies merkte, 

deren munera nachweisen musste. Alle diese vom hielt man sie auch ohne Vermogen fest (Cod. 

C. allegierten, von der Regierung zugewiesenen Theod. XIV 3, 1 [319]. 14 [372]). 

(addieti), durch Verurteilung zum Eintritt ge- Die Verwaltung der Collegien geschah wie 

zwungenen Personen, endlich die freiwillig Ein- fruher durch die Generalversammlung und die 

tretenden waren ebenso an die Corporation ge- Beamten, allerdings jetzt nur, soweit die Regie- 

bunden, wie die darin geborenen (originarii), und rung nicht eingriff. Die Competenz der allge- 

den Austritt konnte ihnen gegen den Willen der meinen Mitgliederversammlung erstreckte sich auf 
Regierung nicht einmal ein Beschluss der Vereins- 40 die Verteilung der mwiera auf die einzclnen 

versammlung ermCglichen (Cod. Theod. XIV 3, AngehOrigen des C, wobei die Gesamtheit ver- 

8 [365], vgl. 10 [365]. 14 [372]. 21 [403]). Der antwortlich blieb fur die Leistungen der einzelnen 

Austritt aus der Corporation war uberbaupt nur (Cod. Theod. XIII 5, 6 [334]. 32 [409]; vgl. 

in sehr seltenen Fallen gestattet: Gothofredus z. d. St. und Paratitlon ad XIII 9 

1) Wenn ein eorporatus alle Amter der Cor- de naufragiis fiber die navieularii. Nov. Theod. 
poration bis zum hOchsten zur Zufriedenheit durch- II. 6 [4] § 2. 3 = Cod. lust. XI 9 [10]. 5. VI 62. 
laufen hatte (Nov. Val. III. tit. 15 [16] [445]. Cod. 5 [438]), auf die Erhaltung der Mitglieder und 
Theod. XIV 3, 7 [364]. 4, 9 [417]. X 22, 3 [390]. ihrer Vermogen fur das C. (Cod. Theod. XIH 6, 
CIL VIII 969. 970. 915. Cod. Theod. XIH 5, 1 [326] ad decretum naviculariorum; Zwang 

14 § 4 [371] vcteres idonei navieularii). Von 50 zur Klage, im Falle ein Mitglied seinen Pflichten 
Cession des VermCgens an das C. beim Austritt sich entzog: Cod. Theod. XIV 8, 2 [369]), Erhal- 
wissen wir nichts (so gegen Gebhardt 86f. rich- tung der Privilegien der Corporation, bezw. Ge- 
tig Waltzing II 312, 4). suche urn neue (Cod. Theod. XIII 5, 16 [380]. 

2) In spaterer Zeit beim Eintritt in den geist- XIV 7 4, 6 [389]), die Wahl der Beamten, aller- 
lichen Stand (365 nocb giinzlich untersagt, Cod. dings nnter Aufsicht der Regierung, welcher die 
Theod. XIV 3, 11 [408], von Honorius gestattet Bestatignng zustand (Cod. Theod. XIV 4, 9 [417]. 
gegen Cession des VermOgens, oder falls das fruhere XIV 3, 2), Wahl neuer Mitglieder (allectio), eben- 
munus auch fernerhin erfullt wurde, ebd. XIV 4, falls aber nur mit Zustimmung der Regierung 
8 [408], vgl. auch Cod. Theod. IX 45, 3 [398], fdariiber ist oben S. 472 gehandelt , ebenso fiber 
bedingslos 445 von Valentinian III., Nov. Val. TIL 60 die Unfahigkeit der Versammlung einem Mitglied 

15 [16] , vgl. ebd. 34 [35] § 3 [452] und Nov. den Austritt zu gestatten, Cod. Theod. XIV 3, 8 
Maior. tit. 7 § 7 [458]). [365]. XIV 3, 21 [403]. anders XIII 5, 13 [369]. 

3) Unter dem Einfluss des Christentums wur- Symmach. rel. 44 [ep. X 58]), Oberaufsicht fiber 
den die Bestimmungen fiber die Fesselung der die Mitglieder des C. (Cod. Theod. XVI 4, 5 
niedrigsten Classe der eorporati, der scaenici und § 1 [404]. XIV 8, 2 [369]) , Ehrenbeschliisse 
scaenieae, etwas wenigstens gemildert und unter fur verdiente Mitglieder, Beamte oder einfluss- 
gewissen Verhaltnissen den Angeho'rigen dieses reiehe Vorgesetzte u. s. w. (CIL VI 1690 — 1693. 
Berufes ermOglicht aus dem verachteten Stande 1739. 1740. 1759. XIV 131). 



475 Collegium 

Als Beamte finden sich bei den Collegien der 
Annona patroni, und zwar sind sie nachweisbar 
bei den pistores, suarii, caudicarii und menso- 
res, immer in der Mehrzahl. Die pistores hatten 
mindestens zwei fiir jede Backerei, von denen der 
eine, unus prior e patronis, fiinf Jahre lang die 
Leitung hatte , worauf er die officina mit dem 
gesamten Inventar, uach erfolgter Rechenschafts- 
ablage , an den andern fiberlieferte (Cod. Theod. 
XIV 3. 7 [364] und Gothofredus dazu, von 
patroni pistorum im allgemeinen ist die R«de 
ebd. XIV 3, 2 [355]. 12 [365]) , die suarii ins- 
gesamt offenbar drei (Cod. Theod. XIV 4, 10 [419] 
ires huius corporis principales ; patroni im Plural : 
Nov. Val. III. tit. 35 [36] § 1. 3. OIL VI 1690 
urn die Mitte des 4. Jhdts.), wovon einer prasidierte 
•{ebd. tit. 35 [36] § 5 prior corporis), die caudi- 
carii und mensores offenbar mehr als drei, da 
Honorius 417 von tres primi patroni oorporum 
singuiorum spricht (Cod. Theod. XIV 4, 9 [417]). 
Da diese beiden letzteren CoTporationen die Aufsicht 
iiber die Getreidevorrate in den Staatsspeichern 
in Portus (condita Portuensia Cod. Theod. XIV 
4, 9 [417]) hatten, so miissen der patronus oder 
vielleicht besser die patroni horreorum Portuen- 
sium (erwahnt Cod. Theod. XIV 23, 1 [400]) aus 
einem der beiden Collegien. nach Gebhardt (19) 
aus den mensores, genommen sein. Waltzing 
(II 369) geht so weit, diese patroni horreorum 
Portuensium einfach mit den patroni der beiden 
genannten .Corporationen zu identificieren. Gegen 
die fortwahrenden Betrtigereien dieser patroni 
(Cod. Theod. XIV 23, 1 [400]. 15, 1 [364]. 4, 9 
[417]) suchte sich die Eegierung auf mannigfache 
Weise zu schfltzen (Cod. Theod. XIV 23, 1 [400]), 
bis roan endlich 417 einen von den Patronen der 
pistores , welche am meisten geschadigt wurden, 
zum Oberaufseher iiber die Magazine warden liess 
(Cod. Theod. XIV 4, 9; vgl. dazu Gebhardt 
23, 1 gegen Gothofredus Auslegung). 

Die Amtsdauer aller genannten patron ischeint 
funfjahrig gewesen zu sein (vgl. Cod. Theod. an 
der zuletzt angefiihrten Stelle. XIV 3, 7 [364]), 
einjahrig nur bei den patroni horreorum Portuen- 
sium seit 400, um eine intensivere Controlle zu 
ermogliohen (Cod, Theod. XTV 23, 1 [400]). Thre 
Hauptaufgabe war offenbar die Tjherwachung des 
offentlichen Dienstes der Corporationen (Nov. Val. 
III. tit. 35 [36] § 3) ; infolgedessen legten sie aueh 
vor dem praefectus annonae nach beendigter 
Amtsdauer Bechenschaft ab (Cod. Theod. XIV 4, 
9 [417]. 23, 1 [4001). Zur Entschadigung er- 
hielten sie gewisse Vorrechte. wie Befreiung vor. 
der Corporation (bei den pistores Cod. Theod. 
XIV 3, 7 [367]. Nov. Val. III. tit. 15 [16] § 1 
[445]) oder einen bestimmten Rang (Cod. Theod. 
XIV 4, 9 [417]. 10 [419]. Nov. Val. III. tit. 35 
[36] § 5 [152], dariiber ist oben schon S. 469 ge- 
handelt). 

Auffallend ist es, dass wir bei den navicu- 
larii gar nichts von Beamten horen. Gebhardt 
(38) mCchte die summ-ates Alexandrinae et Car- 
pathian classis (Cod. Theod. XIII 5, 32 = Cod. 
lust. XI 1 [2], 4 [409]) als patroni des corpus 
naviculariorum von Alexandria und der Provinz 
der Inseln fassen , wahrend Waltzing darunter 
die reichsten Reeder verstcht (II 372, 2). Bei 
den fabricenses stand an der Spitze jeder fabrica 



Collegium 



476 



477 



Collegium 



Collegium 



478 



ein primieerius fabricae mit zweijahriger Amts- 
dauer (Cod. Theod. X 22, 3 [390]). 

Bei den fabri, centonarii, dendrophori be- 
gegnen wir schon in den friiheren Jahrhunderten 
der Kaiserzeit einem praefectus collegii (praef. 
coll. fabrum: CIL III 1495. 2026. 2087. 3438. 
4557. V 60. 335. 545. 546. 8667; praef. fabr. 
tignariorum XIV 298. Ill 611 ; praef. collegiorum 
fabr. et cent. CIL V 749 ; praef. eentonariorum 

10 III 10738. 10836. [XI 4404] ; praef. dendroforum 
XIV 2634), der offenbar der Leiter des Offentli- 
chen FeuerlOschdienstes dieser Collegien war (CIL 
III 3438 duxit coll(egium) sfupraj s(criptum) in 
ambulativis V Kal. Aug.; dariiber Hirschfeld 
S.-Ber. Akad. Wien CVII 252, 1. Liebenam 
210, 1. Waltzing II 354, 2; falsch Mau<$ Die 
Vereine 53. 21; Der Praef. fabr. 76). Gewahlt 
wurde dieser Praefect durch die Mitglieder des 
C. (CIL XIV 2634) und zwar aus hochstehen- 

20 den Beamten der betreffenden Gemeinde, offenbar 
eine Ehrenstellung, wie heute die das Feuerwehr- 
hauptmanns oder Branddirectors. 

Nach Walt zings Ansicht (II 372) gab es 
neben alien bis jetzt behandelten Beamten , die 
fiir den offentlichen Dienst bestimmt waren, auch' 
noch die friiheren fiir die Besorgung der privaten 
Interessen des C, wie magistri, quinqennales, 
curatores, quaestores u. s. w. Die Inschriften, 
die er zum Beweise hierfiir anfiihrt, stammen 

30 aber alle aus dem 2. (fur die pistores CIL VI 
1002 aus dem J. 144, fiir die eaudicarii VI 1022 
aus dem J. 166, fiir die mensores VI 85 aus dem 
J. 198, fiir das corpus saburrariorum CIL XIV 
102 unter Marc Aurcl [als cur am agentes drei 
Personen, ein Patron und zwei Quinquennales]) und 
dem 3. Jhdt, (CIL VI 868: unbekanntes C. [als 
euram agentes drei Patrone, drei quinqennales, 
von denen einer auch Patron ist, drei Quaestoren 
und ein scriba corporaforutn]. VI 1872: Statue 

40 des corpus piscatorum et urinatorum fiir einen 
patronus et qq. (tertiurn), bei der Dedication sind 
gegenwartig zwei patroni, zwei quinqennales und 
zwei curatores unter Elagabal. XIV 281 : Album der 
dendrophori in Ostia mit zwei patroni perpetui 
und einem patronus unter den quinqennales oder 
quinqcnnnles perpetuixn s dem A nfang des 3. Jhdts., 
ebd. 44 patronus des corpus stuppatorum in Ostia, 
dessen Sohn corporatus ist [vgl. CIL VI 1649]). 
Ausgeschlossen ist daher nicht, dass beide Arten 

50 von Beamten nur in der Ubergangszeit neben- 
einander fungierten. Aus dem 4. und 5. Jhdt. 
fehlen uns sichere Zeugnisse fur andere Beamte 
als patroni und die sonstigen obengenannten fur 
den Offentlichen Dienst (patroni auf Inschriften 
der spateren Zeit: CIL VI 1690 corpus suario- 
rum et cwifectuariorum um die Mitte des 4. Jhdts. 
VI 9765: corpus pastillariornm aus dem J. 435). 
Was die Finanzen der Zwangsverbande betrifft, 
so hatten dieselben fiir den offentlichen Dienst 

60 zum Teil ein bedeutendes Gesamteigentum , be- 
stehend in beweglichem und unbeweglichem Ver- 
m5gen, z. B. hatten die pistores umfangreiche 
Besitzungen, die aus einer Scbenkung des Staates 
herriihrten und daher den Namen dos (fundi do- 
tales) trugen (Cod. Theod. XIV 3, 13 [369]. 7 
[364], vgl. 19 [396]). Ihre Landereien lagen ir. 
alien Teilen des Reichs, besonders aber in Italien 
und Africa, und waren in der spateren Zeit in 



Erbpacht gegeben (Cod. Theod. XIV 3, 19 [396]). 
Weiter gehorten zu dem CorporationsvermOgen 
der pistores die Baekereien (pistrina, offieinae), 
das notige Material darin, vor allem Miihlen mit 
den dazu gehorigen Lasttieren und Sclaven (Cod. 
Theod. XIV 3, 7 [364]. Socrat. hist. eccl. V 18), 
Getreidemagazine in Rom und Portus (Cod. Theod. 
XIV 15, 4 § 1 [398]), vgl. hieriiber unter Pisto- 
res. Von einer grossen einmaligen Schenkung 
horen wir bei den ubrigen Corporationen nicht. 10 
Doch hatten alle ein Collectivvermogen fiir den 
Offentlichen Dienst (die navicidarii nach Cod. 
Theod. XILT 6, 2 [365]. 5, 29 [400], die suarii 
nach Cod. Theod. XIV 4, 8 [408], das corpus 
magnariorum nach CIL VI 1696, das corpus 
corariorum nach ebd. 1682). VcrmehJfc wurde 
dasselbe z. B. bei den navicularii dadureh, dass 
die Strafen fiir Erpressungen, die an dem corpus 
begangen wurden, diesem selbst zugesprochen wur- 
den (Cod. Theod. XILT 5, 29 [400]), oder bei den 20 
pistores dadureh, dass das Vermogen dessen, der 
das Heiratsverbot nicht achtete, der Confiscation 
zu Gunsten der Gesamtheit anheimfiel (Cod. Theod. 
XIV 3, 21 [403]), bei alien Corporationen der 
Annona endlich dadureh, dass ein Mitglied, das 
atis dem C. austrat, um in den geistlichen 
Stand iiberzugehen, sein Vermogen der Corpora- 
tion iiberlassen musste (Cod. Theod. XIV 4, 8 
[408]). Wenn weiter ein mit einem munus be- 
lastetes Vermogen an ein Nichtmitglied gekom- 30 
men war, so fiel es in gewissen Fallen, z. B. wenn 
der Betreffende ohne Erben starb oder wenn er 
das munus zu erfiillen sich weigerte, an die Cor- 
poration zuriick (so bei den navicularii: Cod. 
Theod. XIII 6, 2 [365]. 4 [367], den navicidarii 
amnici Nov. Val. III. tit. 28 [29] § 1 [450], den 
pistores Cod. Theod. XIII 5, 2 [315]). Endlich 
war es eine bedeutende Erweiterung der Rechtc 
gewisser Corporationen als juristischer PersOnlich- 
keiten (vgl. o. S. 430ff.) , als dieselben ein Erb- 40 
recht auf das Vermogen eines ohne Hinterlassung 
rechtmassiger oder testamentarischer Erben ver- 
storbenen Mitgliedes erhielten. Wie friiher die 
Stadtgemeinden , so gingen jetzt die Curien in 
der Erlangung derartiger Privilegien den Colle- 
gien voraus. Die genannte Vergiinstigung wurde 
den Curialen schon im J. 319 zu teil (Cod. Theod. 
V 2, 1 [319], vgl. Cod. lust. VI 62, 4 [429]), den 
navicularii erst 354 (Cod. lust. a. a. O. 1), den 
fabricenses 438 (Nov. Theod. II tit. 6 [4] § 3 = 50 
Cod. lust. a. a. (). 5), den navicidarii amnici 
450 (Nov. Val. III. tit. 28 [29] § 1). Von anderen 
wissen wir in dieser Beziehung nichts. Testamen- 
tarische Erbfiihigkeit haben die Collegien in ihrcr 
Gesamtheit — Ausnahraefiille griindeten sich auf 
Specialprivilegien, Cod. lust. VI 24, 8 (290): col- 
legium, si nullo speciali privilegio mbnixum sit, 
hereditatem eapere non posse dubium non est, 
iiber die Stelle ist oben S. 434 schon gehandelt — 
auch in der spiitesten Zeit nicht erlangt. Nach 60 
einer Verordnung Iustinians mussten Erbschaften 
von Collegien als an die einzelnen Mitglieder ver- 
macht gedacht werden und zu gleichen Teilen 
unter die einzelnen verteilt werden (lust. Inst. 
II 20, 27. Cod. lust. VI 48, 1). 

XI. Der Dntergang der Collegien. Das 
Erstarken des Christentums gab zunachst den 
vielcn religiOsen Vereinen den Todesstoss, so den 



dendrophori und anderen (Cod. Theod. XVI 10, 
20 § 2. 3 [415]). Auch die collegia tenuiorum 
sind, wie schon hervorgehoben, unter dem Einfluss 
des Christentums allmahlich wohl zu Grunde ge- 
gangen , weil die Kirche das Begrabnis der ar- 
men Leute besorgte (s. o. S. 460). 

Die Lage der zu Zwangsverbanden erstarrten 
gewerblichen Vereine muss im 5. Jhdt. im all- 
gemeinen eine sehr bedrangte gewesen sein, wenn 
wir so gut dotierte und urspriinglich offenbar 
mitgliederreiche Collegien wie die pistores und 
navicularii amnici um ihre Eristenz ringen und 
die scharfsten Zwangsmassregeln zu ihrer Erhal- 
tung angewendet sehen (Cod. Theod. XIV 3, 21 
[403]. Nov. Val. III. tit. 28 [29] [450]). Die 
letzten kaiserlichen Erlasse stammen von Maiorian 
(Nov. Mai. tit. 7 [458] § 2-5/ 7. 8 § 18) und 
Severus (Nov. Sev. tit. 2 de eorporatis [465]) ; sie 
zeigen ein massenhaftes Pliehen der collegiati (wie 
der Curialen) aufs Land und Eheschliessungen 
mit colonae und Sclavinnen, sowie Zwangsmass- 
regeln der scharfsten Art dagegen, wie z. B. voll- 
kommene Beschrankung der Freiziigigkeit (Nov. 
Mai. a. a. O. § 3). Die am spatesten inschrift- 
lich erwahnten Collegien sind das corpus pastil- 
lariorum im J. 435 (CIL VI 9765 Grabschrift 
eines patronus dieser Corporation) und die mo- 
Icndinarii um 488 (CIL VI 1711). 

Dass die Zwangsverbande auch unter den 
germanischen Herrschern noch weiter existiert 
haben, beweisen die Bestimmungen im Edictum 
Theodorici § 64. 67 (um 500), von denen die 
eine einen Fall behandelt, in dem Verurteilung 
zum Eintritt in ein C. vorgeschrieben war, die 
andere die Verjahrungsfrist der Anspriiche eines 
C. auf ein fliichtiges Mitglied auf 30 Jahre herab- 
setzt (s. o. S. 465; Bestimmungen iiber collegia 
in anderen leges barbarorum stellt Waltzing 
II 347, 2 zusammen), und die Erwahnungen der 
stadtromischen corpora, wie der pistores , suarii, 
calcis coctores bei Cassiodor (var. VI 18 § 1. 4. 
XI 39 [533/7]. VII 17). Vielleicht hat man auch 
Rccht, in dem Unbekannten, der in der Inschrift 
CIL IX 1596 aus Benevent wegen seiner Ver- 
dienste um die Wiederaufrichtung der zerstSrten 
Stadt gcriihrnt und unter anderem auch reparator 
collegiorum genannt wird, Iustinians Feldherrn 
Narses zu sehen. Endlich ist noch in einem Briefe 
des Papstes Gregor d. Gr. vom J. 599 ein corpus 
der saponarii (Liebenam 59, 1 .Seifensieder'. 
Waltzing II 347 .parfurneurs') in Neapel er- 
wiihnt, welches iiber einen Palatinus Johannes Be- 
schwerde fiihrt, weil er ihnen neue Leistungen 
auferlege und das Eintrittsgeld der Mitglieder in 
seine Tasche fliessen lasse (Gregor. epist. IX 113 
Hartm.). 

Im Ostreich haben sich die Zwangsinnungen 
in den byzantinischen Staat hiniibergerettet. liber 
die Fortdauer des Vereinslebens in Alexandria hat 
Liebenam (158, 1) aus Leontios Vita des Johan- 
nes Eleemon einiges zusammengestellt; darnach 
gab es bier noch im 7. Jhdt. im Dienste der Kirche 
Gilden der Reeder (ravxbjgoi) , der Wirte {xa- 
7ir{koi), der Geldweehsler (aoyvQonoarai), ja sogar 
der Bettler (nxwyol). Fiir das byzantinische Ver- 
einswesen in Constantinopel ist jiingst ein wich- 
tiges Document ans Lieht gezogen worden: das 
Edict Leos des Weisen (886—912) iiber die Cor- 



479 



Collegium 



Collina 



480 



porationen von Constantinopel (J. Nicole Aeovros 
rov Soquov to sjiaqxixov fiiftliov. Le livre du preset 
on l'edit de Le"on le sage sur les corporations de C, 
Text Genf 1893, Analyse desselben Revue gendrale 
du droit 1893, 74-81. 132ft*., eine franzosische t)ber- 
setzung des Textes Genf 1894). Man sieht daraus, 
dass die Collegien auf dem einmal eingeschlage- 
nen Wege weitergegangen sind. Die Begelung 
von oben ist bis ins kleinste dnrchgefuhrt , sie 



Ber. Akad. Wien CVII (1884) [Gall. Stud. Ill] 
239—257. H. C. Maue Die Vereine der fabri, 
centonarii und dendrophori im rom. Reich, Progr. 
Frankf. 1886; Der praefectus fabrum, Halle 1887. 
Ed. Gebhardt Studien uber das Verpfiegungs- 
wesen von Rom und Constantinopel in der spate- 
ren Kaiserzeit, Diss. Dorpat 1881. B. Matthiass 
Zur Geschichte und Organisation der rOmischen 
Zwangsverbande , Rostocker Festschrift fur H. 



bezieht sich auf die Erganzung der Mitglieder, 10 von Buchka 1891. Traugott Schiess Die romi- 



die Ausiibung des betreffenden Handwerks, welches 
jetzt streng monopolisiert ist, den gemeinsamen 
Einkauf der Rohstoffe mit nachheriger Verteilung 
an die Mitglieder, die Ein- und Ausfuhr der Pro- 
ducte, die Feststellung des Kaufpreises, des Platzes 
und der Tage, an welchen der Verkauf stattfln- 
den kann n. s. w. Der Stadtpraefect, unterstilzt 
von einer Masse Beamten, controlliert alles: die 
sjazine, die Rechnungsbucher u. s. w. Alle 



schen collegia funeraticia nach. den Inschriften, 
Munchen 1888 (mit einem Anhang von 363 In- 
schriften). W. Liebenam Zur Geschichte und 
Organisation des romiscnen Vereinswesens , drei 
Untersuchungen, Leipzig 1890 (mit einem Anhang 
von 82 Inschriften); Aus dem Vereinsleben im 
romischen Reich, Ztschr. f. Culturgeschichte I 
(1894) 112—138. 11(1895) 172—195. Darem- 
berg et Saglio Dictionnaire I 1392ff. II 947— 
persBnliche und gewerbliche Freiheit war beseitigt. 20 959 (C. Jullian). E. de Ruggiero Dizion. epigr. 



Schwere Strafen, wie Geisselung und Abscheren 
des Haares, warteten derer, die die polizeilichen 
Vorschriften nicht achteten (Waltzing II 347f.). 
Eine alte Streitfrage ist es, ob von den letzten 
rOmischen Zwangsverbanden eine Brticke hinuber- 
fiibrt zu den freien deutschen Zunften und In- 
nungen des Mittelalters (die altere Litteratur iiber 
diese Frage ist bei Liebenam 59, 2. 60, 1 — 3 
zusammengestellt). Durchgedrungen ist die An- 



il 340— 406 (Waltzing). Ill 4— 18 (Liebenam). 
J. P. Waltzing Etude historique sur les corpo- 
rations professionnelles chez les Romains depuis 
les origines jusqu'a la chute de l'Empire d'Occi- 
dent (Memoires couronnes et autres Memoires 
puttie's par l'academie roy. de Belgique torn. 50), 
Bruxelles 1895. 1896. Bis jetzt erschienen Vol. 
I (1895) 1) Le droit d'assoeiation, 2) les colleges 
prof, consideres comme associations privees. Vol. II 



sicht, dass, ebensowenig wie die deutschen Stadte 30 (Oct. 1896) Les colleges prof, consideres comme 



an die romischen municipia, ebensowenig die ger- 
manischen Gilden an die romischen collegia an- 
gekniipft haben (Liebenam 59f. Waltzing II 
345, 3. E. Rodocanachi Les corporations ouvri- 
eres a Rome depuis la chute de l'Empire romain, 
2 Bde. Paris 1894). Doch hat neuerdings L. M. 
Hartmann Zur Geschichte der Ziinfte im friihen 
Mittelalter, Ztschr. fiir Soe. u. Wirtschaftsgesch. 
Ill (1894/5) 109—129, gestiitzt auf das envahnte 
Edict Leos des Weisen und auf einige Nachrich- 40 
ten uber das Zunftleben in Ravenna im 10. Jhdt., 
nachgewiesen, dass hier wenigstens die romische 
Organisation ohne Unterbrechung sich ins Mittel- 
alter gerettet hat. Man wird sich aber vor Ver- 
allgemeinerung solch singularer Erscheinungen 
hiiten mussen. 

Die Litteratur iiber den Gegenstand ist voll- 
standig verzeichnet bei Waltzing Etude I 17 
-30. Hier nur eine Auswahl daraus : H. E. D irk 



institutions officielles, Vol. Ill wird eine Samm- 
lung des ganzen litterarischen und inschriftlichen 
Materials mit Indices dazu bringen (das Werk 
verarbeitet in umfassender Weise das gesamte 
Quellenmaterial , sichtet an der Hand desselben 
die ganze Litteratur uber Collegia und ist daher 
grundlegend fiir jede weitere Forschung auf dem 
Gebiet des rOmischen Vereinswesens). 

[Kornemann.] 

Colles Leugari s. Leugari colles. 

Colletiani s. Colatio. 

Collina (fiber Namensform und Abkiirzungen 
s. Kubitschek De Roman, trib. orig. 39), eine 
der vier stadtischen Tribus der auf Servius Tullius 
zuriickgefiihrten Stadteinteilung (Varro de 1. 1. V 
56, vgl. 45. Pest. ep. p. 368. Dion. Hal. IV 14, 
1. Plin. n. h. XVIII 13). Sie fiihrt ihren Namen 
von den zu ihr gehorigen colles (so im Gegensatze 
zu den monies der alteren Gemeinde des Septi- 



sen Civilistische Abhandlungen II : Uber den Zu- 50 montium, s. d.) Viminalis und Quirinalis (mit 



stand der juristischen Personen nach romischem 
Recht, Berlin 1820. Th. Mommsen De collegiis 
et sodaliciis Romanorum, Kiel 1843. P. Kayser 
Abhandlungen aus dem Process und Strafrecht II : 
Die Strafgesetzgebung der Romer gegen Vereine, 
Berlin 1873, 131—199. M. Cohn Zum romi- 
schen Vcreinsrecht, Berlin 1873. O. Gierke Das 
deutsche Gcnossenschaftsrecht III. Die Staats- 
und Corporationslehre des Altertums, Berlin 1881, 



seinen Einzelhohen, Varro de 1. 1. V 5 If.), urn- 
fasst also die im Nordosten der Stadt gelegene 
ehemalige Sondergemeinde ; als der jungste der 
in das Pomerium einbezogenen Stadtteile hat 
sie in der offieiellen Reihenfolge der Tribus {ordo 
tribuum Cic. de lege agr. II 79) den letzten Platz 
unter den vier tribus urbanae (Suburana Pala- 
tina Esquilina Collina Varro de 1. 1. V 56. Fest. 
ep. p. 368; Esquilina und Collina vertauscht bei 



34 — 181. A. Pernice M. Antistius Labeo, das 60 Plin. n. h. XVIII 13, ebenso unter gleichzeitiger 



romische Privatrecht I 1873 (2 1895) 289-310. 
O. Karlowa Romische Rechtsgeschichte I (1885) 
passim. II (1892) 59-C9. J.Marquardt Romische 
Staatsverwaltung IP 110—136. III2 135—144. 
G. Boissier La religion romaine d'Auguste aux 
Antonins, Paris 1878, II 238— 304. O. Hirsch- 
feld Der praefectus vigilum in Nemausus und 
die Feuerwehr in den romischen Landstadten, S.- 



Vertauschung von Suburana und Palatina Dion. 
Hal. IV 14, 1; auch bei sonst abweicheuder Reihen- 
folge steht die Collina zuletzt, Liv. per. XX und 
CIL VT 10214: die veranderte Reihenfolge bei 
Varro de 1. 1. V 45 ist in der Festordnung der 
Argeerprocession begrimdet). Nachdem seit der 
Censur des Q. Fabius Maximus 450 = 304 die 
nicht ansassigen Burger und spater auch die Prei- 



481 



Collina porta 



Colobana 



482 



gelassenen auf die vier stadtischen Tribus be- 
schrankt und diese dadurch in ihrem Ansehen 
tief gesunken sind (s. Tribus), ist die C. die 
am wenigsten geachtete aller Tribus, so dass Ci- 
cero (pro Mil. 25) geradezu einen Haufen ver- 
rufenen Gesindels als Collina nova bezeichnen 
kann. Neu aufgenommene Burgergemeinden sind 
der C. ebensowenig zugewiesen worden wie einer 
andern tribus urbana, dagegen finden wir in der 
Kaiserzeit, in welcheT die Angehorigen der stadti- 
schen Tribus ,eine Mittelstellung zwischen den 
Vollburgern der landlichen Tribus und den des 
Stimmrechts tiberhaupt entbehrenden Freigelasse- 
nen' einnehmen (Mommsen St.-R. Ill 442), in 
ihr nicht nur, wie auch in der Suburana und Es- 
quilina, zahlreiche unehelich Geborene (spurii), 
sondern auch eine Reihe romischer Burger grie- 
chischer, speciell asiatischer Herkuuft, die fiir 
ihre Person mit dem Bfirgerrecht beschenkt worden 
sind (Mommsen a. a. 0. 443. Ruggiero Dizion. 
epigr. II 407ff.). Die Rangstellung der stadti- 
schen Tribus untereinander hat sich in dieser Zeit 
so verschoben, dass die C. nachst der Palatina 
die vornehmste von ihnen ist (Mommsen a. a. 0. 
164) und auch vereinzelt Senatoren ihr angehoren 
(z. B. CIL III Suppl. 6072. V 1812). 

[Wissowa.] 

Collina porta, Thor der Serviusmauer in Rom, 
am nordostlichen Ende des Quirinalis, Anfangs- 
punkt des agger Servii (Dionys. IX 68) und ge- 
meinsamer Ausgang der Via Salaria und Nomen- 
tana (Strab. V 228). Als wichtiger strategischer 
Punkt wird sie hiiufig in den Kampfen um Rom 
erwahnt (Liv. II 11, 7. 51, 2. VII 11, 6), so bei 
der Galliereroberung (Liv. V 41, 4. Plut. Camill. 
22. Flor. I 13. 14. Serv. Aen. VIII 652. Oros. 
II 19. Zonar. VII 23. Pacatian. Paneg. in Theodos. 
46), im hannibalischen Kriege (Liv. XXVI 10, 1. 
Oros. IV 17. Iuvenal. VI 290. Plin. XV 76. Clau- 
dian. de bell. Gild, 86. Serv. Aen. VIII 110. 
Mythogr. Vat. Ill 6, 30) und im Biirgerkriege 
zwischen Marius und Sulla (Appian. bell. civ. I 
58. Liv. epit. 88, Aur. Vict. vir. ill. 75. Eutrop. 
V 8. Vellei. II 27. Plut. Sulla 29. Lucan. II 
135). Genannt wird die P. C. ferner wegen man- 
cher in der Niilie gelegenon Heiligtiimer, z. B. 
der Fortuna, der Venus Erycina, des Honos; auch 
des Campus sceleratus und der Garten des Caesar, 
s. die betr. Artikel. Ein viaus portac Collinae 
kommt vor auf der Inschrift CIL VI 450. Ge- 
legentlich erwahnt noch bei Liv. Ill 51, 10. XLI 9, 
6. Censorin. de d. nat. 17, 8. Obsequ. 71. Ampe- 
lius 42, 3. Aber in der Stelle Fest. 254, aus der 
man die Identitat deT Porta Quirinalis und Collina 
zu folgern pflegt, steht der Name Collina nur in 
den Supplementen des Fulv. Ursinus, s. Wissowa 
Herm. 1891, 137. Bedeutende Reste der P. C. 
sind gefunden beim Bau des Finanzministeriums 
in Via Venti Settembre ; vgl. P. R o s a Relazione 
(1873) 33f. Canevari Atti dell' Ace. dei Lincei 
II 2 (1874. 1875) 417-435. Lanciani Bull, 
comun. 1876, 166 und Taf. XX und Ancient Rome 
(1887) 145. [Hiilsen.] 

Collini s. Salii. 

Collinusj Dichter, der beim capitolinischen 
Agon (dem ersten im J. 86 n. Chr.?) den Preis, 
einen Eichenkranz, erhielt, Martial. IV 54; vgl. 
20, 3. [Stein.] 

Pauly-Wissowa IV 



Collippo, oppidum. (civium Latinorum'i) zwi- 
schen dem Tagus und Durius in Lusitanien, in 
der Klistenbeschreibung (aus Poseidonios und Varro) 
bei Plinius zwischen Conimbriga (s. d.) und Eburo- 
brittium genannt (IV 113). Dass der Name schon 
in der Beschreibung der Tagusmundung gestanden 
habe, die Strabon nach Poseidonios giebt (III 151, 
in der verderbten Stelle, zu der K. Miiller zu 
Ptol. p. 131 vermutete : [KaU]elsi:a>v [xai Sa]Xa- 

10 xeta) , ist hochst unwahrscheinlich (ich bin der 
Vermutung CIL II p. 814 mit Unrecht gefolgt). 
Des Ptolemaios Kcdlinodog jioxa/tov ixfiokai (II 
5, 2; danach KaXhiovg bei Markian II 13) be- 
ruhen , wie die Entfernungsangaben zeigen , nur 
ai"f einer Verwechslung mit dem sonst bei Ptole- 
maios nicht genannten C. (wie K. Miiller sah). 
C. aber lag, wie die Inschriften lehren (CIL II 
340. 353. 5232), bei San Sebastiao do Freixo un- 
weit Leiria, mit ordo, demriones, dvxrviri, zur 

20 Tribus Quirina gehbrig (CIL II p. 36. 814). 

[Hiibner.] 
Collis Peregrinorum als Name der Stadt 
Marbach in Wiirttemberg angefiihrt, beruht auf 
der missverstandenen Inschrift Brambach CIRh. 
1602. " (Thin.] 

Collops, K6Moy> liiyag, nach Ptol. IV 3, 3 
ein zweiter Name fur Chullu, s. d. , der davon 
ein weiter fistlich, zwischen Rusicade und Hippo 
Regius gelegenes K6lXoy> /mxqos unterscheidet. 

30 [Dessau.] 

Collnsio. Das arglistige Durchsteckeri ; 
a) des tutor oder procurator (eogniior) mit dem 
Vertrags- oder Processgegner giebt dem Ver- 
tretenen subsidiar die actio doli, Dig. IV 3, 5. 
XVII 1,8, 1. XIX 2, 19 pr. XLI 4, 7, 6. 
tlber die translatio mit exceptio si eollusum 
est in Dig. IV 3 , 7 , 9 Keller Rom. Civilpr. 
N. 369. 812. 927; b) mit dem Processgeg- 
ner in Processen, deren Entscheidung Rechts- 

40kraft gegen Dritte hat, Wegen C. im Ingenui- 
tatsprocess gestattet ein SC unter Marc Aurel, 
erganzt durch ein SC unter Domitian und ein 
SC Ninnianum (Cod. lust. VII 20, 2), alien postu- 
lationsf ahigen Personen extra ordinem vorzugehen, 
Dig. XL 16. Cod. lust. VII 20 de collusione de- 
legenda, vgl. Dig. XL 19, 1, 3. Den durch Col- 
lusion von Erbpraetendenten gefahrdeten Legata- 
ren erlaubte Antoninus Pius die Teilnahme am 
Rechtsstreit und die Appellation, Dig. V 2, 29 pr. 

50XLIX 1, 14 pr., vgl. Dig. XXX 50, 2; c) im 
Ehebruchsprocess und anderen Strafverfahren, Dig. 
XLVIII 5, 3. 20, 3. Dig. XLV1II 16, 1, 6, s. Prae- 
varicatio. [Leist.] 

Colobana, Stadt in Hispania Ulterior, nach 
der Klistenbeschreibung aus Poseidonios und Varro 
bei Plinius inter aestuaria Baetis zwischen Na- 
brissa (s. d.) und Hasta (s. d.) aufgefuhrt (III 11); 
daher es mit willkiirlicher Annahme nach Tre- 
bujena gesetzt wird. Auf einer in Nabrissa einst 

60 vorhandenen Inschrift steht huic ex consensu po- 
puli Conoba[ni] (oder Conobanensis) statuam 
poni plaquit (CIL n 1294). Es ist nicht un- 
mOglich, dass bei Plinius statt Colobana zu schrei- 
ben ist Conobana und dieselbe Stadt bezeichnet 
wird. Zweifelhaft dagegen bleibt, ob ein bei Ptole- 
maios ebenfaHs in dieser Gegend genannter und 
sonst nirgends erwahnter Ort Kaldovfia (II 4, 10) 
damit zusammen zu bringen ist (K. Miiller will 

16 



483 



Colobium 



Colonatus 



484 



in KovovBa andern). Die Endungen -oba und nische Landwirtschaft von entscheidender Bedeu- 

-uba wechseln in Stadtenamen dieses Gebietes, tung waren und auch in Illyricum vorkommen 

aber Calduba kann von Conoba oder Oonobana (Cod. lust. XI 53 § 1), wissen sie gar mchts, ob- 

ganzverschiedensein, Der Name KowofSa kommt gleicb gerade diese Pflichten der Colonea sehr 

als der eines iberischen y^ara^os im viriatischen haufig zu Rechtsstreitigkeiten Grund gaben. Eben- 

Kriege vor (Appian. Hisp. 68). [Hiibner.] sowenig kommen die charakteristischen Eigen- 

Colobium, eine Tunica ohne Armel (Serv. tumlichkeiten der agyptischen Pacht, namenthch 

Aen X 613. Isid. orig. XIX 22, 24), kommt zu- die Zahlung in Naturalien, aber nicht naeh ah- 

erst vor im Ed. Diocl. XXV* 39. 49. 59. 72, dann quoten Teilen der Ernte, sondern in festen Summen, 
im Kleideredict Cod. Theod. XIV 10, 1, wo C. lObei ihnen vor. Diese flndet sich von den juristi- 

und Paenula als die nicht offieielle Tracht der schen QueUen einsig in den Kaiserconstitutionen 

Senatoren erscheinen. C. ist hier Unter-, Pae- des Codex Iustinianus (IV 65, 8. 18. 21). Gaius 

nula Obergewand. Zu dieser Stelle sind bei unterscheidet nur den eolonus, qui ad peeumam 

Gothofredus die zahlreichen, diesen Sprach- ntwneratam eonduxit und den eolonus parha- 

gebrauch bestatigenden Stellen Mrchlicher Schrift- rius (Dig. XIX 2, 25 § 6), als wenn es ein Drittes 

steller gesammelt. Vgl. auch Salmasius zu gar nicht gabe, d. h. er kennt nur diejemgen 

Tertull. de pallio S. 84. Vermutlich war das C. Formen der Pacht, die in Italien verbreitet waren. 

von der altromischen Tunica in der Form nicht Wenn alles Besondere derjenigen Provinzen, von 

wesentlich verschieden (so auch Serv. a. 0.) ; doch deuen uns fiberhaupt Besonderheiten bekannt sind, 
konnte der Name, ein ,verstummeltes' Gewand20in den Digesten unberiicksichtigt bleibt, so folgt 

bezeichnend, erst aufkommen im Gegensatz zu daraus, dass die classischen Juristen, wenn auch 

einer Arrneltunica, der Dalmatica (s. d.), der die vielleicht nicht ganz ausschliesslich , so doch in 

Kirchenschriftsteller das C. entgegensetzen. Im der Hauptsache nur fur die landhchen Verhalt- 

Ed. Diocl. finden wir neben einander Se^axucwy nisse Italiens als QueUen dienen konnen, was fur 

yvvaixiow und 8eX/j.azix(ov av&Qimv rpoi xolofilmv. ihre Benutzung von hoher Wichtigkeit ist. 
Es scheint danach, dass damals vorwiegend fiir Uber Africa sind wir durch einige Inschriften 

Manner Dalmatiken ohne Armel ublich waren unterrichtet , unter denen die Lex Manciana die 

und C. genannt wurden. Wie die Dalmatica wurde erste Stelle einnimmt. Wir citieren sie mit LM 

das C. uber einer langen und langarmeligen, in und Hinzufligung der Columnen- und Zeilenzahlen. 
derspateren Zeit leinenen Tunica (strictoria, arlxv) 30 Sie ist gefunden bei Henschir-Mettisch im Bagra- ( 

getragen. Es ist wohl zu erkennen auf einigen dasthale, nieht weit von Tichilla (Testur), heraus- 

Consulardiptychen und zwei den die Mappa wer- gegebenvon Cagnat Comptes rendus de l'acad.des 

fenden Consul darstellenden Statuen im Conser- inscr. ser. IV torn. XXV 146. Toutain Memoires 

vatorenpalast in Rom, wohl aus dem 3. Jhdt., des savants Strangers presented a l'acad, des inscr. 

Bull. com. 1883 Taf. III. IV; hier hat die fiber ser. I torn. XI 1 mit Lichtdrucktafeln. A. Schul- 

der langarmeligen Tunica getragene Obertunica ten Abb. d. Gottinger Gesellsch. d. Wiasensch. N. 

keine eigentlichen Armel. Naturlich war nicht P. II 3; zuerst vollstandig entziffert bei Seeck 

auf der strictoria, sondern auf der Dalmatica oder Ztschr. f. Social- und Wirtschaftsgesch. VI 305 ; 

dem C. der Latus clavus angebracht, der deshalb besprochen auch von Cuq Memoires de l'acad. 
nach Acron zu Hor. sat. I 5, 36 auch xokofawv 40 des inscr. XI 1. Ein gewisser Mancia entwarf 

genannt wurde. Bei den Christen ist C. das den sie fur sein Gut Villa Magna Variam, das im 

Arm nur bis zum Ellbogen bedeckende Gewand Volksmunde Mappalia Siga hiess, urn. als er einen 

der Monche. grossen Teil desselben in Colonenhufen parcel- 

Im Ed. Diocl. (a. 0.) kommen mit diesem Keren liess, auf Grund dieses Privatstatuts seine 

Namen nur ungestreifte leinene C. vor. Sind Pachter zu verpflichten. Dies geschah zwischen 

aber Mannerdalmatica und C. identisch, so werden 93 und 96, da die LM (II 25) ein Verbot, die 

XIX 9 wollene, XXII 8. 12 seidene und halb- Weinpflanzungen zu vermehren, als gultig voraus- 

seidene aufgefuhrt. Bllimner Maximaltarif 170. setzt, das nur in diesen Jahren bestand (Euseb. 

Marquardt Privatleben2 582. [Mau.] chron. 2108. Suet. Dom. 7. 14. Stat. silv. IV 

Colobius, Beiname des Kaisers Valerian, Epit. 50 3. 11. Philostr. vit. Apoll. VI 42; vit. soph. I 

de Caes. 32, 1; s. P. Licinius Valerianus Augu- 21, 12. Seeck 323). In den letzten Jahren 

stus. [Stein.] Traians ging das Gut an den Fiscus uber, und 

Coloeasitis insula, im roten Meere nOrdlich der Kaiser beauftragte zwei Procuratoren , das 

von den Chelonitides und gegenuber Mandalum alte Statut den neuen Verhaltmssen gemass am- 

(ietzt Mandalu); Plin. VI 172. [Tomaschek.] zuarbeiten. Sie thaten dies schr leichtfertig, in- 

Coloeeia, Ort Gross -Armeniens, als zweite dem sie fast nichts hinzufiigten, sondern nur das 

Station auf der Strasse von Artaxata nach Satala Veraltete strichen , und auch dies hochst incon- 

eingetragen in Tab. Peut. XI 4 Mill. sequent, so dass es an vielen Stellen stehen ge- 

[Baamgartner.] blieben ist. In Stein gehauen ist die LM wohl 

Coloe s. Koloe. " 60 bei Gelegenheit eines Processes, den die Colonen 

Colonatus. I. Quellen und Litteratur. auf Grund derselben gewonnen hatten, um ge- 

Wir haben diesen Abschnitt nur deshalb voraus- wissermassen als Siegeszeichen zu dienen, sicher 

geschickt, urn die spateren Citate verstiindlich zu nicht vor dem Ende des 2. Jhdts., wahrscheinlich 

machen. Aus diesem Grunde verweilen wir auch unter Septimius Severus (Seeck 315). AlsPnvat- 

nur bei denjenigen Quellen, die, um richtig be- statut iibergeht sie alles, was durch das Reichs- 

nutzt zu werden, einer Erlauterung bediirfen. In recht oder die allgcmeinen Gepflogenheiten der Pro- 

ersterLinie sind hier die classischen Juristen zu vinz schon geregelt war, und beschaftigt sich nur 
nennen. Von den Frohnden, die fur die africa- mit den Bestimmungen , die fiir dies eine Gut ins- 



485 



Colonatus 



Colonatus 



486 



besondere gelten sollen (Seeck 336). Trotzdem 2. XLI 2, 37. XLIII 32, 1 § 1). Als namlich gegen 

<larf ihr Inhalt als typiscb fiir die Verhaltnisse des Ende der Republik die Bauernhufen mehr und 

africanischen Grossgrundbesitzes gelten. Fiir die mehr in den Latifundien verschwanden und die 

kaiserlichen Domanen bestand eine ahnliche Lex Grossgrundbesitzer ihre G&ter nicht selbst bewirt- 

Hadriana , deren Entstehungszeit durch ihren schafteten, sondern hOchstens hin und wieder be- 

Namen gegeben ist. Ein grOsseres Fragment, reisten (Cato agr. 2. 4. Colum. I 1, 18. 2, 1. 3, 

herausgegeben von Schulten Herm. XXIX 204, 3. 4, 8. 7, 6. 8, 20. HI 21, 4. XI 3, 1), da heftete 

wird kiinftig citiert mit LH. Auf Grund dieser Lex sich der Name coloni an diejenigen freien Manner, 

strengten die Colonen der Domane Saltus Burn- die jetztnoch in eigener Person dem Ackerbau 

nitanus gegen die kaiserlichen Grosspachter einen 10 oblagen, d. h. die Pachter (so zuerst Cic. pro 

Process an, weil diese sie mit Frohnden uber- Caec. 94). Bei diesen verallgemeinert ersich in 

biirdeten. Als sie bei dem Procurator, der ihr Italien bald so sehr, dass auch solche, die nicht 

gesetzlicher Richter war, kein Recht fanden, wand- selbst die Bebauung leiten , coloni genannt wer- 

ten sie sich mit einer Bittschrift an Commodus den, dafern sie nur Pachter sind. So redet Co- 

und erlangten einen giinstigen Bescheid. Zum lum. I 7, 3 von dem urbanus eolonus, qui per 

Andenken daran stifteten auch sie eine Inschrift, familiam mhvult agrum, quam per se colore, 

kiinftig citiert mit SB, herausgegeben CIL VIII und in einer Inschrift (Notiz/ degli scavi 1887, 

10570. 14451. Mommsen Herm. XV 385. Eine 116) erscheint ein eolonus hortorum olitoriorum 

ahnliche, sehr verstummelte Bittschrift vom J. 181, einer sacralen Genossenschaft, der 25000 Sesterzen 

die in Gasr-Mezuar gefunden ist, auch CIL VIII 20 Pacht zahlt, also jedenfalls kein Kleinpachter ist 

14428. (vgl. Mart. IV 64, 34). In den Digesten fliessen 

Aus Agypten besitzen wir zahlreiche Pacht- daher auch conductor und eolonus ganz inein- 

contracte, die meist im Corpus Papyrorum Raineri ander, wahrend man in Africa und wahrschein- 

I 149 (citiert mit CPR) und in den agyptisehen lich auch in anderen Provinzen mit jenem Worte 

Drkunden aus den kOniglichen Museen zu Berlin den Grosspachter , mit diesem den Kleinpachter 

(citiert DBM) vercffentlicht sind. Paul Meyer bezeichnet und beide scharf von einander sondert. 

Philol. LVI 193. Erst im 4. Jhdt. gehert es dann wieder ganz all- 

Gothofredus zu Cod. Theod. V 9. Savigny gemein zum Begriffe des C, dass man den Acker 

Vermischte Schriften n 51. A. W. Zumpt Rh. outturn et sollicitudine propria bebaue (Cod. 

Mus. Ill 1. Huschke Uber den Census und die 30 Theod. XII 1, 33). 

Steuerverfass. d. fruheren rom. Kaiserzeit, Berlin Auch in Italien war die Mehrzahl der grossen 

1847. Revillout Revue histor. du droit franc, et Guter an Kleinpachter vergeben. Die Sitte, die 

Granger II 417. Ill 209. 343. Rodbertus Jahrb. Latifundien zu parcellieren und ihrer Bebauung 

f. Nationalokonomie u. Statistik II 206. Heister- zu iibertragen, diirfte zuerst durch die Sclaven- 

bergk Die Entstehung des Colonats, Lpz. 1876. kriege und die ihnen folgenden Massenhinrich- 

MommsenHerm.XV385.FusteldeCoulanges tungen eine grosse Ausdehnung gewonnen haben. 

Recherches sur quelques problemes historiques, Denn da die Mehrzahl der unfreien Arbeiter hin- 

Paris 1885. G. Bois Du colonat en droit Romain, gemordet war, musste man nach freien suchen, 

Paris 1883. Segre Archivio giuridico XLII 467. die mOglichst wenig kosteten, und diese fanden 
XLIII 150. XLIV 36. XL VI 261. L. M. Hart- 40 sich in den Colonen, die fur eigene Rechnung 

mannArch.-epigr.Mitt. XVII 125; Gesch. Italiens das Land bauten, wohl besser und billiger, als 

im Mittelalt. I 13. M.Weber Rom. Agrarge- in gemieteten Tagelohnera. Geschickte Landwirte 

schichte, Stuttg. 1891. Seeck Gesch. des Unter- meinten freilich noch sehr viel spater, die Eigen- 

gangs der antiken Welt 12 377. 402. 578; Ztschr. wirtschaftseivielgewinnbrir,gender,undempfahlen, 

f. Social u. Wirtschaftsgesch. IV 312. VI 305. nur ungesundes oder unfruchtbares Land, hoch- 

II. Erste Pcriodc,bis auf M. Aurelius. stens noch solches, das durch seine weite Ent- 

1. Italien. Das Wort eolonus, griechisch yecoo- fernung die Aufsicht des Herrn erschwere, durch 

yo's, bedeutet ursprunglich ganz allgemein den Kleinpachter auszunutzen (Colum. I 7, 4 — 6). 

freien Mann, der den Acker selbst bebaut. In Viele werden ihnen also nur solchen Boden fiber - 

diesem Sinne brauchen es Cato agr. 1, 2. Cic. 50 geben haben, der ihnen selbst zu schlecht er- 

de or. II 287. Ovid. fast. H 646. IV 692 schien, um daran die teuren Arbeitskrafte ihrer 

(auch der possessor eolonus CIL VI 9274 be- Sclaven zu verschwenden. Trotzdem hatte sich 

deutet wohl einen Grundbesitzer. der mit eigener schon im J. 49 v. Chr. die Kleinpacht in Italien 

Hand sein Land bebaut), und der Begriff der co- so ausgebreitet, dass die Colonen eines einzelnen 

Ionia als einer Ansiedlung von Ackerburgern geht Grundbesitzers einen ansehnlichen Bestandteil fur 

daraufzuriick. Hieranknupft die zweite Bedeutung die Bemannung einer kleinen Flotte licfern konn- 

des Wortes an, die namentlich in der Verbindung ten (Caes. b. c. I 34, 2. 56, 3). Doch die grosse 

coloni coloniae Narbonensis, oder wie sonst der Menge von Sclaven, die zuerst die gallischen 

Name der Stadt lauten mag, vorzukommen pflegt; Kriege Caesars (Pint. Caes. 15. App. Gall. 1, 2), 
in diesem Sinne bezeichnet es die Burger einer Co- 60 dann die illyrischen, raetischen. spanischen und 

lonie im Gegensatze zu den incolae, die zwar auch germanischen des Augustus auf den Markt brach- 

auf dem Gebiete der Stadt ihren Wohnsitz haben, ten, drangte den C. wieder so sehr zuruck, dass 

aber nicht das Burgerrecht derselben besitzen. Uns er in Varros Buchern vom Landbau kanm mehr 

soil hier eine dritte Bedeutung beschaftigen, namlich eine Rolle spielt (Seeck Gesch. I 2 565). Der 

die des Pachters eines fremden landlichen Grundbe- Frieden, den Augustus geschaffen hatte, bewirkte 

sitzes, der als solcher im Gegensatze zum inqui- aber bald, dass die Zufuhr an Arbeitssclaven dem 

linus, dem Mieter einer stadtischen Wohnung, Bedarf nicht mehr genugte, und die Folge war 

steht (Dig. XIX 1, 13 § 30. 2, 19. 24 § 2. 25 § 1. wieder eine Ausbreitung der Kleinpacht. Im 



487 



Colonatus 



Colonatus 



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1. Jhdt. wird sie schon sehr oft erwahnt (Hoiat. 
epist. I 14, 2. Lucan. Phars. 1 170. Senec. epist. 
123, 2. Mart. I 17, 3. Ill 58, 33. VII 31, 9. XI 
14. Tac. Germ. 25 und sonst) , und im 2. er- 
scheint es geradezu als Ausnahme, dass ein Land- 
gut ohne Colonen ist (Dig. XX 1, 32). Wo es 
an solchen fehlt — denn passende Leute waren 
schwer genug zu bekommen (Plin, ep. Ill 19, 7. 
VII 30, 3) — , da beschaftigt man oft sogar die 



BevOlkerung fast vernichtet. Als man sie spater, 
da die Selavenpreise sich steigerten , wieder 
brauchte, fanden sich nur noch geringe Keste, 
und man sah sich darauf angewiesen , die Hefe 
des stadtischen Proletariats, soweit es ging, zu 
Colonen zu machen. Da man Zwangsmittel nicht 
besass und die schwere Landarbeit dem Stadter 
zuwider war, musste man ihn dadurch anlocken, 
dass man ihm Pachthufen von bedeutender GrOsse 



Sclaven in der Weise, dass man ihnen eine Par- 10 bot, wahrscheinlich, wie in Africa (LM IV 39. 



celle vom Lande ihres Herrn zur freien Bebauung 
iibergiebt und dafiir nur eine feste Pacht bean- 
sprucht {quasi eolonus Dig. XXXIII 7, 12 § 3. 
18 § 4. 20 § 1); so sehr ist diese Form der Boden- 
nutzung zur herrschenden geworden. 

Die Verpachtung pflegte in der Regel auf 
5 Jahre zu erfolgen (Plin. epist. IX 37, 2. Dig. 
Xn 1, 4 § I. XIX 1, 49. 2, 13 § 11. 24 § 2. 4. 
XLV 1, 89. XL VII 2, 68 § 5); doch falls keine 



LH n 2), von je einer Centuria oder 200 Iugera 
(Eom. Feldmesser I 116). Horaz besass daher auf 
seinem Gute neben seiner eigenen Wirtschaft, die 
ein Vilicus leitete, nur funf Colonenhufen (epist. 
I 14, 2), und in der Alimentartafel von Veleia 
bilden die Coloniae ein ansehnlicb.es Zubehflr des 
Fundus (CIL XI 1147, 1. 33. 34. 42. 2, 44. 70. 89. 
6, 40). Jedenfalls waren sie meist so umfangreich, 
dass der Colone sie nicht ganz mit eigener Hand 



Kundigung stattfand, dauerte sie auch nach Ab-20bebauen konnte, sondern Sclaven dazu brauchte 



lauf der Frist stillschweigen^ fort (Dig. XIX 2, 
14. 13 § 11). Auf Einhaltung derselben verpflich- 
teten sich mitunter beide Teile mit einer Poenal- 
summe; doch gab Nichterfullxing des Contractes 
naturlich das Recht, das Verhaltnis trotzdem friiher 
zu losen (Dig. XIX 2, 54 § 1). 

Die Form des C. ist in Italien anfangs nur 
Geldpacht. Columella kennt noch keine andere 
(17, 2), und auch bei den classischen Juristen 



(CIL IX 5659. Dig. IX 2, 27 § 9. 11. XIX 2 r 
30 § 4. Cod. lust. IV 51, 4), die in der Eegel 
der Grundherr herleihen musste (Plin. epist. Ill 
19, 7. Dig. XIX 2, 54 § 2). Auch das ubrige 
Inventar musste er oft ganz oder teilweise selber 
stellen (Dig. XIX 2, 3. 19 § 2. XXXIII 7, 24) - r 
dies sind die dotes eolonorum, die in den Rechts- 
quellen als Zubehflr der Grundstiicke genannt 
werden (Dig. XXXIII 7, 20 § 1. 3. XLVI 1, 52 



herTscht sie vor (Dig. V 3, 29. XIX 2, 61. XXXII 30 § 2). Sclaven -waren also auch auf den verpach 



91). Daneben haben die Pachter nur Holz und 
andere Naturalien von geringem Wert als parvae 
aeeessiones zu liefern (Colum. a. O.). Da aber 
die Beschaffung von Barmitteln den Colonen oft 
Schwierigkeiten bereitete, sahen sich im Anfang 
des 2. Jhdts. mauehe Gutsbesitzer veranlasst, zur 
Teilpacht iiberzugehen , worin sie vielleicht dem 
Vorbilde Africas folgten (Plin. epist. IX 37, 3; 
Natural leistun gen auch erwahnt bei Tac. Germ. 



teten Giitern nicht ganz zu entbehren; die Co- 
lonen fiihrten nur insofern eine Ersparnis an 
Arbeitskraften herbei, als sie selbst mit Hand an- 
legten. Freilich waren sie meist trage und lieder- 
lich. Der Herr musste in steter Furcht sein, 
dass sie durch schlechte Bebauung dem Lande 
schadeten (Dig. XIX 2, 25 § 3. Mart. II 11, 9), 
namcntlich die kostbarercn Anbigen, wie Wein- und 
Baumpflanzungen, ruinierten (Colum. I 7, 6). Er 



25. Mart. VII 31, 9. XIII 121). Seitdem be- 40 musste den Colonen oft dringend enn aim en oder 



stehen in Italien bcide Pachtformen neben ein- 
ander (Dig. XIX 2, 25 § 6. XL VII 2, 26 § 1). 
Besucht der Herr sein Gut, so pflegen ihm die 
Pachter kleine Geschenke, wie Honig, Kase, Hasel- 
mause u. dergl. . als xenia darzubringen (Mart. 
Ill 58, 33—40. Fhilostr. huag. TI 26). Frohnden 
sind ganz unbekannt. Daher gilt auch hier der 
C. als eine Stellung, die ehrenvoll genug ist, 
um ihrer auf dem Grabstein Erwahnung zu thun 



(CIL VI 9273. 9275. 9276. IX 



sogar besondere Wachter anstellen, dainit er nur 
seine eigene Pachthufe ordcntlich bcstelle (Colum. 
I 7, 1. Plin. IX 37. 3), und die Unterlassung 
dieser Pflicht erscheint unter den Grunden, welche 
die Ausweisung eines P&chters vor Ablaut' seiner 
Frist rechtfertigen (Dig. XIX 2, 54 § 1). Ob- 
gleich der Vilicus Sclave war und eigentlich nur 
den Sclaven zu gebieten hatte, musste ihm doch 
auch Tiber die Kleinpachter das Aufsichtsrecht 



5659. X 4334), was in keiner Provinz mit Aus- 
nahme von Sardinien (CIL X 7957) vorkommt. 
Namentlich wer sehr lange dieselbe Pachtung 
inne gehabt hat, meint mit Grund, sich dessen 
ruhmen zu konnen (CIL IX 3G74. X 1877. 1918). 
Denn im allgemeinen waren die Colonen ein arg 
fluctuierendes Volkchen, und der Grundherr be- 
trachtete es als seltenes Gliick. wenn er Pachter 
besass. die schon von ihren Eltem her auf seinem 



3675, 50 eingeraumt werden, schon damit er sie zum Friih- 



aufstehen veranlasse, weshalb auch die Colonen 
in engster Verbindung mit der familia ritsfica 
erschcinen (Colum. XI 1, 14. CIL IX 3675. Mart. 
IV 66, 11). Denn der Gutshof liegt inmitten der 
Pachthufen (Hor. ep. I 14, 1), und dort befinden 
sich Miihle und Backerei, um das Korn den Colonen 
zur Nahrung zu bereiten (Colum. I 6, 21). Der 
Leichtsinn dieses Volkchens steigerte sich noch, 
wenn sie in Schulden geraten waren, was sehr oft 



Gutc ansassig waren (Colum. I 7,3). Wirkliche 60 vorkam; dann lebten sie erst recht flott darauf los, 



Erbpacht pflegte nur bei stadtischem Grundbesitz 
vorzukommen (Gai. Ill 145. Cod. lust. IV 65, 
10), und auch hier wohl nur bei Grosspachtern. 
Uberhaupt scheint das Menschenmaterial, aus 
dem sich in Italien die Kleinpachter recrutierten, 
kein sehr brauchbares gcwesen zu sein. In repu- 
blicanischer Zeit hatte man durch das Auskaufen 
und Austreiben der Bauern die freie landliche 



weil sie meinten, nicht mehr fur sich, sondern 
nur noch fur ihre Gliiubiger zu sparen (Plin. epist. 
IX 37, 2). Immer wieder bettelten sie, oft aus 
den frivolsten Grunden, um Pachtnachlasse (Dig. 
XIX 2, 15 § 5. Colum. I 7, 1. Plin. ep. IX 37, 
2; ad Trai. 8, 5); anfangs wurde es iiblich, ihnen 
diese bei Ungliicksf alien, wie Missernte oder Be- 
raubung, zu gewahren (Plin. ad Trai. 8, 5. Co- 



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Colonatus 



490 



lum. 17, 1); seit dem 2. Jhdt. besassen sie auch 
«inen rechtlichen Anspruch darauf (Dig. XLX 2, 

15. 25 § 6. 33). Trotzdem blieben sie mit der 
Pacht sehr oft im Eiickstande und verschlech- 
terten ihre La'ge noch durch die Zinsen, die sie 
in solchem Falle zahlen mussten (Dig. XIX 2, 54). 
Fur die Colonen der Domanen warden diese 367 
auf eine Centesima, d. h. jahrlich 12%, herab- 
gesetzt, waren also vorher noch h5her gewesen 
(Cod. Theod. X 1, 11). Pfander und Burgschaf- 
ten fur richtige Pachtzahlung werden erwahnt 
(Dig. XIX 2, 13 § 11. 53. 54. XX 1, 21. 6, 14. 
XLVI 1. 52 § 2. 58. XL VII 2, 86), kamen aber 
wohl haufiger bei den grcssen Couductores, als 
bei den Kleinpachtern vor. Auch bei diesen gilt 
als Pfand, was sie von ihrem Eigentum auf ihre 
Hufe gebracht haben, in erster Lime ihr Inven- 
tar (Dig. XX 4, 11 § 2. 6, 14. XLIII 32, 1 § 1. 
33, 1 § 1) ; der Grundherr konnte sich also durch 
Execution daran schadlos halten. so weit es reichte. 
In der Regel aber war es nicht viel, und wenn 
man es ihnen wegnahm, wurde dadurch ihre Wirt- 
schaft geschadigt und ihre Schulden wuehsen 
spater noch mehr an (Plin. epist. Ill 19, 6). So 
werden die reliqua eolonorum zum regelmassigen 
Zubehor jedes Grundstiicks (CIL XI 1147, 6, 75. 
Dig. XXVI 7, 46 pr. XXXII 78 § 3. 91. 97. 101. 
§ 1. XXXIII 2, 32 § 7. 7, 20 pr. § 3. 27 pr. 
§ 1. 2. XXXIV 3, 17. L 8, 5. Cod. Theod. X 
1, 11). In derjenigen Form, die der C. in Italien 
angenommen hatte, standen sich also die Gross- 
grundbesitzer " dabei ebenso schlecht , wie ihre 
Pachter. 

2. Africa. Hier waren die Latifundien noch 
ausgedehnter als in Italien. Unter Nero besassen 
sechs Rflmer das halbe Areal der Proconsularprovinz 
(Plin. h. n. XVIII 35), und nicht selten waren 
Privatgrundstiicke grosser als die Territorien der 
Stadte (Frontin. de contr. agr. 53) und bildeten 
unter dem Nanien saltus abgesonderte Bezirke. die 
keinem Stadtgebiet zugeteilt waren (A. Schulten 
Die rflmischen Grundherrschaften, Weimar 1896). 
Dass diese grossen Giiter von ihren Eigenttimern 
selbst oder (lurch Vilici aus dem Sclavenstande als 
deren Vertreter ausgebeutet wurden, zieht die LM 
zwar als Mi'iglichkeit in Betracht; in der Kegel 
aber scheint man sie an Grosspachter vergeben zu 
haben , die dem Grundherrn eine Pauschsumme 
zahlten und dafiir alle Einkunfte , mochten sie 
nun aus der unmittelbaren Bewirtschaftung des 
Landes oder aus den Leistungen der Colonen 
fliessen, fur sich einzogen. Jedenfalls war dies 
so auf den Domanen, wo die kaiserlichen Procu- 
rat.oren nur Aufsicht und Gerichtsbarkeit ubten 
(SB II 5. 11. Ill 6. 26. IV 10), wahrscheinlich 
auch die jahrlichen Pachtzahlungen von den Gross- 
pachtern erhoben, aber die Ausbeutung des Landes 
ganz in den Handen der letzteren lag. Daher 
wird in Africa im Gegensatze zu Italien ganz 
scharf zwischen conductor und eolonus unter- 
schieden, Jener bildet den Mittelsmann zwischen 
Grundherrn und Kleinpachter, an den er auch 
direct die Pachthufe vergeben kann (LM IV 21 ; 
vgl. Dig. XIX 2, 53. Hyg. de cond. agr. 116, 22), 
so dass dieser zum Afterpachter wird. Die fiinf- 
jabrige Pachtperiode ist auch hier iiblich (LH III 

16. LM IV 38; vgl. LM H 21. 26. Ill 7. 11. 
LH II 13. Ill 10). Doch erscheint die Geldpacht 



nur als Ausnahme, vielleicht nur in der Provincia 
Tripolitana (Cod. lust. XI 48, 5). Regel ist die Teil- 
pacht, und zwar wird von den meisten Friichten ein 
Drittel des Bruttoertrages gezinst, der von dem 
Getreide schon ausgedroschen , von dem Wein 
schon gepresst einzuliefern ist (LM I 24 — 27. II 
16. 29. Ill 9. 12. LH III 3). Dazu sind Frohnden 
zu leisten, die aber nicht auf die einzelne Pacht- 
hufe, sondern nach KCpfen verteilt sind (LM IV 

10 25). Ihr Umfang ist in den einzelnen Grund- 
stiicken verschieden. Im Saltus Burunitanus sind 
es je zwei Tage jahrlich fur Bestellung des Ackers, 
Behacken der Frueht und Ernte, im ganzen also 
sechs (SB HI 11. 26. IV 6), auf einer anderen 
Domane das Doppelte (CIL VIII 14428, 12), auf 
Villa Magna zwei Tage fur die Bestellung des 
Ackers und je zwei fiir jede Ernte jeder Frucht- 
art (LM IV 26. 27). Dazu kommen hier und da 
auch Gespanndienste (SB III 9) und die Verpflich- 

20 tung zum Ziegelstreichen (CIL VIII 14428, 8) und 
zum Auffuhren von Offentlichen Bauten, namentlich 
Befestigungen, die wegen der Maureneinfalle n5tig 
waren (CIL VIII 8426. 8701. 8777). Ausserdem 
muss auf Villa Magna je einen Tag der Wachter- 
dienst uber die Ernteertrage der iibrigen Colonen 
ubernommen werden (LM IV 29). Diese Ver- 
pflichtung scheint iibrigens nicht obligatorisch 
gewesen zu sein; dem Herrn war es noch lieber, 
wenn er die Aufsicht seinen eigenen Sclaven iiber- 

30 tragen konnte (LM IV 35), wie dies Plinius auf 
seinen italischen Giitern that (epist. IX 37, 3). 
Auf dem Gute des Mancia liegen die persOnlichen 
Dienste nicht alien Kleinpachtern ob , sondern 
nur den eoloni inquilini eius fundi (LM IV 22. 
27), d. h. denjenigen, welche auf dem Grundstiicke 
selbst wohnen (LM I 5. IV 23. 32). Es giebt 
daneben auch andere, die ihre Pachtung bestellen, 
indem sie ausserhalb wohnen, jedenfalls auf ihrer 
eigenen, freien Bauernhufe, dem oetonarius ager 

40 (LM II 8), so benannt, weil er jahrlich 8 Modii vom 
Iugerum an den Fiscus zu steuern hat (Seeck 
Ztschr. VI 347). 

So ist die Villa Magna umgeben von unab- 
hangigem Bauernlande, und dass sich dieses in 
Africa in viel weiterem Umfange erhalten hatte, 
als in Italien, scheint fur die Entwicklung des 
C. von entscheidender Bedeutung gewesen zu sein. 
Denn mit ihrem gesunden Kinderreichtum (Seeck 
Gesch. I* 347) und ihrer Freude an der land- 

50 lichen Arbeit gewahrten diese Bauern noch ein 
reichliches und tiichtiges Mensehenmaterial, um 
das Schwinden der Sclaven zu ersetzen. Freilich 
scheint auch dieses in Africa minder driickend 
gewesen zu sein, als in Italien, da Mancia sich 
erst gegen Ende des 1. Jhdts. veranlasst sah, von 
der Eigen wirtschaft teilweise zum C. iiberzu- 
gehen. Die zahlreichen Maurenkriege dieser Zeit, 
deren Gefangene auf den benachbarten Miirkten 
die Selavenpreise drflcken mussten , scheinen fur 

60 die africanischen Grundbesitzer giinstigere Ver- 
haltnisse geschaffen zu haben. Auch sie begannen 
damit, dasjenige Land, das sie selbst nicht be- 
nutzten, den umwohnenden Bauern zur Bebauung 
zu uberlassen. Wer auf dem wiisten Boden ihres 
Grundstiicks Feigen- oder Weinpfianzungen an- 
legte, sollte sie fiinf Jahre, wer Olhaine, zehn 
Jahre pachtfrei benutzen konnen (LM II 20 — LH 
12), dann das iibliche Drittel zahlen. Wer Sand- 



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boden durch Aussaat von Wioken urbar inachte, ihre Frohnforderungen tlber das vorgesehriebene 

sollte nur ein Sechstel des Ertrages zinsen (LM Mass auszudehnen. Besch warden bei den Procu- 

III 12—17; vgl. LH III 9). Aus dem neuge- ratoren halfen wenig, weil diese mit den Conduc- 

wonnenen Lande sollte der Pachter nur ausge- tores oft befreundet oder gar von ihnen bestochen 

wiesen werden, falls er es zwei Jahre wieder waren. Nicht nur unterliessen sie die Unter- 

brach liegen liess, und auch dann konnte er sein suchung, sondern sie zwangen sogar die Colonen 

Recht daran behanpten , wenn er fiir das dritte durch Priigelstrafen , den unberechtigten Zu- 

Jahr die Wiederbebauung versprach und ausfiihrte mutungen der Grosspaehter genug zu thun, und 

(LM IV 10 — 22). Das Recht auf den funfjahrigen bedienten sich gegen sie militarischer Hiilfe (SB 
bezw.zehnjfthrigenpachtfreienGenuss des urbar ge- 10 II 1—15). Diese Ubergriffe fuhrten zu zahlreichen 

machten Landes konnte er, falls er vor Ablauf der Processen, die zwar in einzelnen Fallen Abhiilfe 

Frist starb, sogar auf seine Sonne iibertragen, aber schafften (Seeck 319), aber die Bedriickungen 

nur wenn er diesen zugleich seinganzes Vermogen der Machtigen im grossen und ganzen doch wenig' 

ungeteilt vermaehte (LM IV 2—9). So suchte gehemmt haben werden. So blieben die Colonen 

der Grundherr der Zersplitterung des Bauerngutes trotz ihrer grossen Pachtungen arme Teufel, wie 

vorzubeugen, um seine Pachter leistungsfahig zu sie sich selbst nennen, homines rustici et tenues 

erhalten. Ihdem die Bauern die Gelegenheit be- manuum nostrarum operis victum tolerantes 

nutzten, ihre Wirtschaft zu erweitern, bildeten (SB III 18). 

sich innerhalb des grossen Gutes unregelmassig Und auch in Africa schritt die Abnahme der 
verteilte kleine Pachthufen, die ihre Entstehung 20 Bevolkerung weiter fort und beschrankte sich 

der eigenen Arbeit der Pachter verdankten und nicht nur auf die Sclaven. Die Lex Maneiana 

wohl in der Eegel in der Familie vererbt wurden. trifft nur liber die Urbarmachung wiisten Landes 

Als der Sclavenmangel sich dann fiihlbarer maehte, Bestimmungen ; die Lex Hadriana fflgt ihm auch 

wurde wahrscheinlich denselben Bauern noch solchen Boden hinzu, der friiher bebaut gewesen 

anderes Land verpachtet, das schon vorher bebaut war , aber seit mindestens 10 Jahren brach ge ■ 

war, und so die Eigenwirtschaft entlastet. Aber legen hatte (LT 13). Fiir die Bebauung beider 

gegen Ende des 1. Jhdts. reicht diese Aushulfe Bodenklassen werden ganz dieselben Rechte ge- 

nicht mehr; Mancia lasst daher um 95 n. Chr. withrt, und diese sind hohere als in der Lex Man- 

einen Teil seines Gutes parcellieren, um mit einem ciana. Namentlich wird die Vererblichkeit dieser 
Schlage darauf eine griissere Anzahl Pachter an- 30 Pachtungen schon ohne jede Bedingung gesetz- 

zusiedeln (LM I 6. Seeck Ztschr. VI 325), die lich festgelegt (LH II 9; vgl. Seeck 357). Im 

meist aus entfernteren Gegenden als Einwanderer J. 193 gestattet dann Kaiser Pertinax schon in 

herbeigelockt werden (CIL VIII 14428, 6. Arnob. alien Provinzen unbebautes Land durch Bebauung 

I 12). So entstehen die eohmi inquilini eius nicht nur zur erblichen Pachtbufe, sondern zum 

fundi, die keinen auswiirtigen Grundbesitz mehr vollen Eigentum zu maehen, das sogar 10 Jahre 

ihr eigen nennen und fur ihren Unterhalt ganz stenerfrei scin soil (Herod. II 4, 6). So schnell 

ausschliesslich auf den Ertrag ihrer Pachtung an- war die Entvolkerung fortgeschritten, dass Grund 

gewiesen sind. Sie bieten nicht mehr dieselben und Boden fast keinen Wert mehr hatten. 

Garantien ftir richtige Zahlung, wie die besitz- ' 3. Agypten. Dies ist die einzige Provinz 
lichen Bauernpachter der friiheren Zeit; da es40des ROmerreicbes, in der die Beviilkerungsziffer 

meist arme Teufel sind, muss der Grundherr fiir nicht zuriickging, ja vielleicht sogar, wenn aueh 

die Mehrzahl die Wirtschaftsgebaude errichten sehr langsam, im Steigen war (S e e c k Geschichte 

(LM I 20. Seeck Ztschr. VI 344), wahrscheinlich 12 347). Infolge dessen sinkt auch hier die Grund- 

auch das Inventar herleihen. Dafur lassen sie rente nicht, sondern die Pachten werden holier, 

es sich gefallen, dass in die Pachtbedingungen Unter den Ptolemaeern begegnet uns die Ent- 

auch Frohnden aufgenommen werden, wodurch auf richtung eines Funftels vom Ertrage (CPR I S. 173), 

dem Reste des Gutes, der nicht aufgeteilt wird, unter Kaiser Tiberius ein Drittel. wie in Africa 

die Eigenwirtschaft noch mOglich bleibt. Freilich (UBM 197, 12), im 4. Jhdt. die Halfte (UBM 

verlangen sie als Entgelt, dass ihnen ein sehr aus- 586, 12. CPR 42, 17. 44, 3). Dabei ist freilich 
kommliches Dasein gewiihrleistet wird. Jede ein- 50 zu berucksichtigen , dass der Verpachter regel- 

zelne Hufe umfasst eine Centuria oder 200 Morgen massig die Steuern zu tragen hat (UBM 39. 538. 

(LH II 2. LM IV 39. Hyg. de cond. agr. 116. 586. 644. 661. CPR 31. 35. 36. 37.40-42.44. 

22; vgl. Seeck 331), ist also sehr gross und 45; Ausnahnien UBM 227); da diese ein Funftel 

kann durch Anbau der Subseciva (LM I 6) und ausmachte (Oros. I 8, 9), blieb ihm also auch bei 

anderer wiister Flachen noch vergrossert werden. Halbpacht kern voiles Drittel (ibrig. Dagegen 

Ohne Sclaven kommen also die africanischen Co- fiel gewohnlich das Saatkorn dem Pachter zur 

lonen ebensowenig aus, wie die italischen. Do<h Last (UBM 39. 586), auch wenn der Grundbesitzer 

sichern sie durch ihre Frohnden wenigstens in es herlieh (CPR 3i. 35. 42. UBM 586). Uber- 

den schweren Zeiten der Feldbestellung und der hanpt war die Lage des Piichters hier eine recht 
Ernte dem Grundherrn einen solchen Zuwachs 00 ungiinstige; denn da die Dichtigkeit der Landbe- 

von Arbeitskriiften , dass er seine Sclavenschaft, volkerung die Nachfrage nach Pachtungen iiber das 

wenn auch nicht abschaffen (LM IV 35), so doch Angebot hinaus steigerte, konnte der Grundbesitzer 

wesentlich beschranken kann. seine Bedingungen nach Belieben hinaufschrauben. 

Nach dem Umfange ihrer Pachthufen hatte So sind denn hier die Hufen regelmassig so klein, 

die Lage der Colonen eine recht gute sein konnen. dass sie ohne Beihulfe von Sclaven nur durch die 

wenn nicht die Grosspaehter der Giiter, nament- eigene Arbeit des Colonen bewirtschaftet werden 

lich der kaiserlichen Domanen, unter dem Drucke konnten. ja meist wird dieser mehrere Pachtungen 

des Arbeitermangels immer danach gestrebt hatten, haben antreten mussen, wenn er nur leben wollte. 



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Denn oft wird nuT eine Arure verpachtet, die wenig 45). Der Zahlungstermin ist meist im Monat 

grosser -war als ein romisches Iugerum (UBM 227. Payni (Juni) , d. h. unmittelbar nach der Ernte 

526. CPR 36), und bei Weizenland kommen grOssere (UBM 538. 633. 644. 661. CPR 31. 35— 38); doch 

Hufen als von 22 Aruren (UBM 644. CPR 42. N i- kommen vereinzelt auch andere Monate vor (CPR 

cole Papyrus de Geneve 13) in den Pachturkunden 39 — 41), wie in Agypten iiberhaupt alle Pacht- 

gar nicht vor. Ein offentliches Grundstuck von 93 bestimmungen dem freien Vertrage uberlassen 

Aruren ist unter 19 Kleinpachter verteilt, deren bleiben. Dass es auch hier nicht an den be- 

Hufen zwischen ll/ 2 und 9 Aruren schwanken kannten reliqua colonorum fehlte, beweisen zwei 

(CPR 33). Auch die Zeitdauer pflegt eine sehr Quittungen, die erst im J. 314 fiir den Ertrag 
kurze zu sein, gewohnlich nur ein Jahr (UBM 10 des J. 810/11 ausgestellt sind. Da in ihnen von 

237. 586. 603. CPR 32. 35—37. 40. 41. 45) oder demselben Grundherm auf 5 Aruren 12 ! / 2 Artaben 

drei Jahre (UBM 39. 227. 407. 487. 538. 633. Weizen, auf 22 Aruren nur 5 Artaben quittiert 

644. CPR 34) ; Vertrage auf langere Zeit kommen werden , so handelt es sich jedenfalls nicht um 

hochst selten vor (CPR 31. 38. 39). Die fflnf- die voile Pacht, sondern um Riickstande derselben 

jahrige Dauer, die in Italien und Africa iiblich (UBM 411. Nicole Papyrus de Geneve 13). Einen 

ist, kennt Agypten nicht; auch fmdet sich nie- Unterschied zwischen der yrj xaxotxmr\ und dem 

mals die Bestimmung, dass nach Ablauf des Ter- sonstigen Grundbesitz in Bezug auf die Pacht- 

mins die Pacht stillschweigend als erneuert gelten bedingungen, wie ihn P. Meyer Philol. LVI 203 

solle, falls keineKundigungerfolgte. Da der Grund- beobachtet haben will, habe ich in den Urkunden 
herr sicher war, immer neue Pachter zu flnden, 20 nicht flnden konnen. 

und oft sogar den Preis hinaufschrauben konnte, 4. Griechenland. Hier erscheint bei den 

wollte er sich eben nicht auf lange Zeit binden. attischen Olwaldern die Teilpacht zu einem Drittel 

Teilpacht kommt nur im ersten Anfang der Kaiser- des Ertrages, wie in Africa (CIA III 38, 2) ; doch 

zeit und dann wieder nach Diocletian vor (UBM scheint daneben auch Geldpacht vorzukommen. 

197. 586. CPR 42. 44). In der Zwischenzeit Denn in dem Decret von Thisbe ist davon die 

walzt der Grundeigentumer alle Gefahren, die aus Rede, dass jemand ein gepachtetes Odland soweit 

der Unsicherheit der Ernte heivorgehen, auf den urbar macht, dass die angelegten Pflanzungen 

Colonen ab und bedingt sich selbst eine feste dem Betrage der fiinfjahrigen Pacht an Wert ent- 

Summe aus, Denn auch die Vergiinstigung, die sprechen, was die Teilpacht jedenfalls ausschliesst, 
in Italien und Africa iiblich war, dass Verluste 30 freilich nicht die Zahlung in festen Massen von 

durch unvorhergesehenes Ungliick einen Pacht- Naturalien (Dittenberger Index Schol. Halens. 

nachlass herbeifiihren, ist in Agypten nicht nach- 1891/92 p. IX). Dieselbe Stelle fiihrt auch auf 

weislich, ja sehr oft wird in den Contracten aus- die funfjahrige Dauer des Vertrages, wie sie in 

gemacht, die Pacht miisse axh&vva imvto; sav- Italien und Africa iiblich war. In Thisbe ist der 

dvvov xai avvudloya xaviog vnoloyov gezahlt wer- Burger der Stadt berechtigt, wiistliegendes Offent- 

den (CPR 35. 36. 37. 40. 41. 45. UBM 644). liches Laud zu bepflanzen, und dart' es dann gegen 

Nur einmal fmdet sich die Clause), wenn die Nil- eine vorher ausbedungene Summe in Erbpacht 

iiberschwemmung das Land nicht benetze, miisse behalten. In Bezug auf die gewohnlichen Pacht- 

die Halfte der Pachtsumme erlaspcn werden, und bestimmungen scheinen sich also Africa und Grie- 
dies auch nur bei einem Off entlicheu , nicht bei 40 chenland sehr nahe zu stehen ; desto grosser ist 

einem Privatgrundstiick (CPR 39). Fiir richtige der Unterschied in den thatsachlichen Verhalt- 

Zahlung verpfandet der Coloiie oft sein gauzes nissen des landlichen Grundbesitzes. Denn in 

Vermfigen (CPR 35. 37. 40. 41) oder er stent dieser Provinz war die Entvolkerung friiher und 

Burgen (UBM 526), oder es thun sich auch zwei in weiterem Umfang eingetreten, als in irgend 

Pachter zusammen und leisten sich gegenseitig einem anderu Teile des Reiches. Hier gab es 

Biirgschaft (attrjipyvv,] UBM 85 I 12. 217 I 11. Latifundienbesitzer. die sich gefreut hatten, wenn 

538. 591. 603. CPR 32. 42). Bei Pachtung von jemand ihr Land ohne jede Pacht hatte bebauen 

Weideland (CPR 40) oder Baumpflanzung (CPR wollen , weil infolge des Menschenmangels zwei 

45. UBM 591) besteht die Leistung in barem Drittel des Ackerbodens wiist lagen(Dio Chrys. VII 
Gelde oder auch in einer Verbindung von Geld 50 34), und wenn der Fiscus ein Grundstuck in Be- 

und Naturalien (UBM 603. 604. CPR 39), bei sitz nahm , maehte er oft nur die darauf befind- 

Weizenboden regelmassig in Naturalien, aber wie lichen Herden zu Geld und liess das Land unbe- 

schon gesagt, nicht in aliquoten Teilen, sondern nutzt liegen (Dio Chrys. VII 12). Ohne Zweifel 

in festen Summen von Artaben (a 31/2 Modii war man also im Gegensatze zu Agypten immer 

= 36 1/0 Liter). Diese schwanken zwischen zwei bereit, den Pachtern sehr giinstige Bedingungen 

Artaben auf jede Arure (UBM 349. CPR 32) und zu bieten, und die Rente der Grundbesitzer war 

71/4 Artaben (UBM 538): der Durchschnitt duritc ausserst niedrig. 

etwa 4 Artaben ausmac'hen. Ein regelmiissiges Uber den Zustand der Colonen in den andern 

Steigen zeigt sich iibrigens in diesen Zahlen nicht, Provinzen scheint es an Quellen zu fehlen. 
sondern sie scheinen durch sehr wechselnde Con- 60 III. Z weite Periode von Marc Aurel bis 

juncturen von Angebot und Nachfrage bedingt auf Diocletian. In alien Provinzen mit ein- 

zu sein. Was sie saen sollen . ist den Pachtern ziger Ausnahme Agyptens hatte im Laufe des 

meist contractlich vorgeschrieben; dass sie sich 2. Jhdts. die Entvolkerung stetig zugenommen 

in dieser Beziehung freie Hand vorbehalten, er- und die landlichen Arbeitskrafte waren immer 

scheint nur als Ausnahme (CPR 42). Auch die sparlicher geworden. Dieser Process erreichte 

Clausel, dass die Arbeit ordentlieh und zu rechter seinen Hohepunkt durch die grosse Pest, die im 

Zeit gemacht werde , fehlt nicht (UBM 39. 227. Anfang von Marcus Regierung im Orient auftrat, 

237. 526. 538. 586. 633. 644. 661. CPR 31. 38. sich dann iiber das ganze Reich verbreitete mid 



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seine BevOlkerung eine Beihe von Jahren hindurch 
furchtbar decimierte. Marcus musste den schreck- 
licheu Verlust zu ersetzen suchen und benutzte 
dazu die Barbaren, die im Marcomannenkriege 
zu Hunderttausenden teils durch Kriegsgefangen- 
schaft, teils durch freiwillige Unterwerfung in seine 
Hiinde gefallen waren. Hatte er sie zu Sclaven 
gemacht, so waren sie bald ebenso hingestorben, 
wie ihre Vorganger ; auch hatte er die Wehrkraft 
des Eeiches nicht aus ihnen verstarken kOnnen, 10 
da jeder Sclave vom Heerdienat ausgeschlossen 
war. Er siedelte sie daher auf den wustliegenden 
Ackem als Kleinpachter ah, die zwar dem Eechte 
gegenuber als ingenui galten, aber doch nicht 
die voile persCnliche Freiheit besassen. Denn 
ohne Zwang ware es kanrn mOglich gewesen, diese 
Halbnomaden, die des Ackerbaus noch sehr un- 
gewohnt waren, dauernd auf ihrer Pachtung fest- 
zuhalten. 

Als Vorbild diente ihm dabei das germanische 20 
Rechtsinstitut der Liten. Bei den Germanen gait 
es des freien Mannes noch fill unwurdig, ausser 
Krieg und Jagd irgend eine Arbeit zu thun. Als 
sie durch die Zunahme der BevOlkerung, die ihre 
Ernahrung immer mehr erschwerte, gezwungen 
waren, in ausgedehnterem Masse Ackerbau zu 
treiben, benutzten sie dazu die Sclaven, die sie 
durch ihre steten Kampfe erwarben. Aber auch 
die Aufsicht tiber deren Arbeiten ware eine zu 
grosse Miihe gewesen. So wurde ihnen denn die 30 
selbstandige Bestellung des Landes, das der Herr 
zur Verfugung hatte, iibertragen und nur be- 
stimmte Lieferungen von Korn, Vieh oder selbsfc- 
gewebten Wollenstoffen von ihnen verlangt, so 
dass sie beinahe die Stellung von Kleinpachtern 
einnahmen (Tac. Germ. 25). Personliche Dienste 
wurden von ihnen fast gar nicht in Anspruch 
genommen. Allerdings besass der Herr die un- 
beschrankte Gewalt uber sie und konnte sie nach 
Belieben misshaudeln, toten oder verkaufen. Doch 40 
dies horte auf, wenn er ihnen eine partielle Frei- 
lassung gewahrte, indem er sie zu Liten raachte. 
Damit erlangte der Sclave alle wesentlichen Bechte 
des freien Mannes. Er durfte rait Erlaubnis des 
Patrons eine giiltige Ehe schliessen, deren Nach- 
kommen dem Stande des Vatcrs folgten. Schiidigte 
ihn ein Dritter, so konnte er den Fehdegang be- 
schreiten ; wurde er erschlagen , so iibte seine 
Familie Blutrache oder liess sie sich durch ein 
Wergeld abkaufen. Er konnte Vermogen er- 50 
werben und Vertrage schliessen. selbst rait seinem 
fruheren Herrn. Doch blicb er an die Scholle 
geheftet und musste seinen Ackerzins nach wie 
vor erlegen, bis er sich die Vollfrciheit aus seinen 
Ersparnissen erkaufte oder sie durch die Gnade 
seines Patrons geschenkt erhielt. In diesem Falle 
wurde ihm auch die Freizugigkeit zu tcil und 
alle iibrigen Rechte, sovveit sie nicht durch die 
ZugehOrigkeit zu einer Sippe bedingt waren. Neben 
diese Form der Freilassung trat dann bald auch 60 
die Sitte, ganze unterworfene VOlkerschaften ohne 
die Durchgangsstufe der Sclaverei zu Liten zu 
machen. Die Sieger verteilten die Besiegten unter 
sich und liessen sich durch ihre Landarbeit mit 
ernahren. Brunner Deutsche Eechtsgeschichte 
I 99. 102. Seeck Geschichte 12 391. 

Diese Art der Halbfreiheit entlehnte Marcus 
den von ihm besiegten Germanen. Die Klein- 



pachter, welche nach Litenrecht im Beiche an- 
gesiedelt wurden, erscheinen in Gallien sogar unter 
ihrem germanischen Namen, der nur durch eine 
naheliegende Volksetymologie in laeti verstiimmelt 
ist (Eumen. paneg. V 21. Ammian. XX 8, 13. 
XXI 13, 16); in den anderen Provinzen bezeich- 
nete man sie als inquilini. So hatte man frflher 
diejenigen Colonen genannt, die neben ihrer Pach- 
tung keinen eigenen Grundbesitz hatten und da- 
her auf dem Gute des Verpachters wohnten (Seeck 
Ztschr. VI 360). Dieses Kennzeichen passte auch 
auf die angesiedelten Barbaren, auf welche jetzt 
der Name der inqirilmi beschrankt wurde. In 
diesem Sinne erscheint er zuersfc in einem Kescript 
der Kaiser Marcus und Commodus (Dig. XXX 
112), die 177 — 180 gemeinsam regierten, und 
zwar zeigt der Inhalt desselben, dass das Institut 
damals ein ganz neues gewesen sein muss (Seeck 
Geschichte 12 582). Daraus darf man mit Sicher- 
heit schliessen , dass es den Ansiedlungen , die 
sich an den Marcomannenkrieg anschlossen (Dio 
LXXI 11, 4. 21. Hist. Aug. Marc. 22, 2. 24, 3), 
seine Entstehung verdankt. 

Diese Inquilinen sind persOnlich freie Leute, 
deren familienrechtliche Stellung die voile ge- 
setzliche Anerkennung findet, denn sie kOnnen 
Tutoren sein (Dig. XXVII 1, 17 § 7). Doch 
andererseits stehen sie im personlichen Eigentum 
des Grundherrn, auf dessen Giitern sie angesiedelt 
sind; denn dieser ist verpflichtet, sie beim Census 
als VermOgensobjecte anzugeben (Dig. L 15, 4 
§8, wo derZusatz vel eolonum iustinianische 
Interpolation ist, Seeck Geschichte 12 579), und 
kann sie testamentarisch vermachen, aber nicht 
ohne die praedia , quibus adhaerent (Dig. XXX 
112). Sie sind also an die Scholle gefesselt und 
gehen mit ihr von einem Grundbesitzer auf den 
andem iiber. Mit den freien Colonen leben sie 
in engster Gemeinschaft und nehmen unter ihnen 
eine durchaus geachtete Stellung ein; denn in 
Africa erscheint als deren gewahlter jahrlicher Vor- 
stand [magister) ein Mann, dessen Vatei* den ger- 
manischen Namen Odilo ftlhrtc, der also jedenfalls 
ein solcher Inquiline war (LM I 30). Unter Clau- 
dius Gothicus soil keine Gegend des Eeiches ohne 
barbarischc Ansicdlor geblieben sein (Hist. Aug. 
Claud. 9, 5). Nachweisen lassen sich solche in 
vordiocletianischer Zeit in Italien (Hist. Aug. 
Marc. 22, 2. Dio LXXI 11, 4), Sicilien (Hist. 
Aug. Gall. 4, 9; vgl. Seeck Geschichte 12 581), 
Britannien (Zosim. 168, 3), Gallien (Eumen. paneg. 
V 21; vgl. Seeck Geschichte 12 584), Germanien, 
Pannonien, Moesien, Dakien (Dio LXXI 11, 4. 
LXXII 3, 3), Thrakien (Zosim. I 71. 1. Hist. 
Aug. Prob. 18, 1), Phrygien ( Herod. VI 4, 6), 
Africa (LM I 30; vgl. Arnob. I 12), vielleicht 
auch in Agypten, wenn man die dUJtp v).m, die 
in Urkunden des 3. und 4. Jhdts. vorkommen. 
als Ansiedler dieser Art deuten darf (UBM 34 
ii 8. 11. 411, 2. 419, 2. Nicole Papyrus de 
Geneve 13, 2). Spater werden sie noch hauflger 
und verbreiteter (Seeck Geschichte 12 584). 

Dies ist alles, was wir aus Quellen vorconstan- 
tinischer Zeit fiber den Inquilinat wissen. Da 
aber der spatere C. in der Hauptsache nach je- 
nem Muster ausgestaltet zu sein scheint, werden 
wir dasjenige, was von ihm uberliefert ist, meist 
auch anf diesen fruheren Inquilinat ubertragen 



497 



Colonatus 



Colonatus 



498 



diirfen. Einstweilen aber unterscheiden sich noch 
Colonen und Inquilinen in der Art, dass jene 
Kleinpachter sind, die zu den Grundherrn in 
einem jederzeit loslichen Vertragsverhaltnis stehen, 
diese nicht Sclaven , aber doch Eigentum des 
Grundherrn, an die Scholle gefesselt, aber nur 
zur Leistung eines Pachtzinses verpflichtet (Seeck 
Ztschr. VI 360). Ob Frohnden damit verbunden 
waren, wird sich nach der tibung der einzelnen Pro 



fur sich zu finden meinten (Lact. de mort. pers. 
7, 3). Licinius, der fur das niedere Landvolk 
Vorliebe hegte (Vict. epit. 41, 9) und die hoheren 
Stande desto schwerer druckte, scheute sich nicht, 
die Decurionen alle Folgen dieser Zustande tragen 
zu lassen. Die verschwundenen oder toten Cq- 
lonen besteuerte er nicht nur w&hrend der laufen- 
den Schatzungsperiode, sondern liess sie teilweise 
auch noch in die neuen Censusregister eintragen 



vinzen gerichtet haben. Nach Constantin wurde der 10 (Euseb. vit. Const. I 55). Dagegen suchte Con- 



Unterschied dieser beiden Pachterclassen zu einem 
rein historischen. Er erhalt sich teilweise in den 
^amen (Cod. lust. XI 48, 13. Cod. Theod. V 10. XII 
19, 1. 2), wird aber auch hier nicht ganz streng ein- 
gehalten (Cod. Theod. V 4, 3), denn praktisch ist 
er ganz bedeutungslos geworden. Wo dagegen 
vor Constantin die Colonen schon in der gleichen 
Abhangigkeit, wie die Inquilinen, auftreten, lasst 
sich dies immer als spatere Interpolation erweisen 



stantin dem leidenden Decurionenstande zu helfen 
und fesselte zu diesem Zwecke im J. 332 die 
Colonen an ihre Scholle. 

Die Grundlage der Steuererhebung bildeten 
namlich die einzelnen Landgilter. Jedem dersel- 
ben war nach dem Ergebnis der letzten Schatzung 
eine bestimmte Menge jener Werteinheiten xu- 
geschrieben, die, wie schon gesagt, teils aus Men- 
schen oder Vieh, teils aus Ackermassen bestanden 



(Paul. sent. Ill 6, 48. Dig. L 15, 4 § 8. Cod. 20 (CIL X 407. Seeck Ztschr. IV 303). In steuer- 
* ■ _..«■.« . ^ ■. r, , technischem Sinne bildeten also die landlichen 

Arbeitskrafte ein Zubehor des Gutes (Cod. Theod. 
V 3, 1. XI 1, 26. 14). Sollten die Decurionen 
ihren Verpflichtungen ohne gar zu schwere Ein- 
bussen gerecht werden, so musste man daffir 
sorgen, dass jedes Grundstiick seinen Steuerwert, 
auch soweit er durch die Bewobner des Landes 
reprasentiert wurde, mOglichst unverandert be- 
wahre. Daher verordnete Constantin am 30. Octo- 
30ber 332 (Cod. Theod. V 9, 1), dass kein Colone 
das Eecht haben solle, seine Pachtung im Stich 
zu lassen. Wolle er sich der Landarbeit durch 
die Flucht entziehen, so solle er, obgleich er ein 
freier Mann sei, doch gleich dem serines fugitives 
in Fesseln geschmiedet und so zur Erfiillung seiner 
Pnichten angehalten werden. Wer ihn bei sich 
aufnehme, miisse ihn nicht nur dem Grundherrn 
zuriickgeben, sondern auch fur den Zeitraum, wo 
er den Fluchtling bei sich gehabt habe , dessen 



lust. Vm 51, 1. Cod. Hermog. 16; vgl. Segre 
Arch, giuridico XL VI 267. Seeck Geschichte 12 
579). Die alteste Quelle, die sie unzweideutig 
als Horige erkennen lasst, stammt aus dem J. 332 
(Cod. Theod. V 9, 1) ; denn auch in einem fruheren 
Gesetze Constantins (Cod. Theod. IX 21, 2 § 4) 
werden die Colonen zwar erwahnt, aber nicht in 
einer Weise, welche die Annahme, sie seien da- 
mals noch freie Leute gewesen , irgendwie aus- 
schlosse. 

IV. Dritte Periode seit Diocletian. 
Die Angleichung jener zwei iihnlichen , aber 
rechtlich doch scharf geschiedenen Classen wurde 
durch die Steuergesetzgebung Diocletians zwar 
noch nicht herbeigefiihrt, wohl aber vorbereitet. 
Die Annona, die als Naturalsteuer nur vom land- 
lichen Grundbesitz und der LandbevOlkerung er- 
hoben wurde, verteiltc cr dcrart nach bestimmten 
Werteinheiten, dass von jeder derselben der gleiche 



Betrag zu erlegen war. Als Normalmass jener 40 Steuer bezahlen (vgl. Cod. Theod. X 12, 2 §3) 



Einheiten diente die Arbeitskraft des mannlichen 
Ackerbaners, ganz gleich ob dieser freier Klein- 
grundbesitzer, Colone, Inquiline oder Sclave war. 
Diesem Caput wurden sowohl je zwei Weiber, als 
auch eine bestimmte Anzahl Viehhaupter, eine 
bestimmte Anzahl Olbaume oder Iugera bebauten 
Landes, die je nach der Art von dessen Bestel- 
lung und der Giite des Bodens grosser oder kleiner 
war , an Steuerwert gleichgesetzt. Durch den 



Dieses Gesetz Constantins ist die vielbesprochene 
lex a maioribus eonstituta, deren Theodosius der 
Grosse (Cod. lust. XI 51) erwahnt. Die zuletzt 
genannte Bestimmung derselben zeigt, dass die 
Fesselung der freien Colonen an die Scholle, wo- 
durch sic den Inquilinen angenahert und endlich 
gleich gestellt wurden, von den Bedtirfnissen der 
Steuererhebung ausgeht. Dasselbe ergiebt sich 
aus der Ausbildung, die der Begriff des adseripti- 



Census, der alle fiinf Jahre stattfaud, wurde die50cjw.s — ein Wort, das zuerst unter Valentinian 



Gesamtzahl solcher Einheiten fiir jedes Stadtgebiet 
festgestellt, und die Decurionen hatten dann die 
betreffende Suinine von Naturalien von den einzel- 
nen Grundbesitzern beizutreiben und an den Fis- 
cus abzufiihren. Sie waren dafiir haftbar, dass 
das Eingelieferte den Ergebnissen des Census ent- 
sprach, und falls innerhalb des Lustrums durch 
den Tod der Landarbeitcr oder die Verodung der 
Grundstficke die Zahl der Steuerobjecte abnahm 



und Valens vorzukommen scheint (Cod. lust. XI 
48, 6), denn in dem Eescript des Alexander Se- 
verus Cod. lust. VIII 51, 1 ist es zweifellos inter- 
poliert — im Lauf des folgenden Jahrhunderts 
erfahrt. 

Adscripticius (Cod. lust. I 3, 36. 4, 24. II 4, 
43. Ill 38, 11. XI 48, 6. 21. 23. 24. 69, 1) ist, 
wie die griechische tibersetzung durch cvazoyga- 
<pos (Cod. lust. XI 48, 19. Nov. lust. 22, 17. 162, 



mussten sie den Ausfall aus eigener Tasche decken 60 2. 3) beweist. hergeleitet von der adscript io cenr- 



(s. Capitatio). In einer Zeit, in der die BevOlke- 
rung stetig zuriiekging und dadurch immer weitere 
Strecken fruchtbaren Bodens unbebaut blieben, 
war dies eine sehr schwere Last, und sie erhOhte 
sich noch dadurch, dass der Steuerdruck viele 
Colonen veranlasste, ihre Pachtungen aufzugeben 
und entweder in die Stadte zu Ziehen oder andere 
Guter aufzusuchen, wo sie gunstigere Bedingungen 



mtalis (Cod. Theod. XIII 4, 4; vgl. 11, 13. XI 
16, 14. 20, 6. 22, 5. 28, 12); adscripti eoloni 
(Cod. Theod. X 20, 17) ist daher gleichbedeutend 
mit eoloni censiti oder agrieolae eensiti (Titel- 
iiberschriften von Cod. lust. XI 48. 50) oder tri- 
butarii (Cod. -Theod. X 12, 2 § 2. XI 7, 2. Aram. 
XIX 11, 6. Apoll. Sid. ep. V 19, 2. Cod. lust. 
XI 48, 12). Das Wort bezeichnet also in erster 



499 



Colonatus 



Oolonatus 



500 



501 



Colonatus 



Colonatus 



502 



Linie nicht, wie man gemeint hat, die glebae ad- werden, die rustici eensitiquc scrvi (Cod. lust. 

seripti, sondern die censibus adseripti (Cod. Theod. XI 48, 7). Der stadtische Sclave , der als per- 

V 3, 1. 4, 3. VII 1, 3. XI 3, 2. Nov. Theod. VII sonlicher Bedienter odor auch als Handwerker zu 

4, 2. Cod. lust. XI 48, 18. 50, 2), was praktisch denken ist, wird in dieser Zeit von dem landlichen 

allerdings auf dasselbe hinauslauft. Demi da nur Arbeitssclaven streng geschieden (Cod. Theod. Ill 

die landliche Bevolkerung dem Census unterliegt 32, 1. VI 35, 1. IX 42, 7. X 8, 4. XII 1, 6. 

(Sozom.V4. Cod. lust. XI 55, 1. Euseh. vit. Const. Cod. lust. V 37, 22). Jener ist ein frei beweg- 

I 55; vgl. Lilian, or. II 92 A) und die Schatzungs- liches Gut, iiber das sein Herr nach Belieben ver- 

listen nach den Grundstficken gefiihrt werden, so ist fiigen kann; dieser wird rechtlich immer nach 
jeder, der in sie eingetragen wird, auch einem be- 10 Analogie der Imraobilien behandelt. Er darf weder 

stimmten Gute zugeschrieben, das ernachjenemGe- freigelassen (Hist. Aug. Tac. 10, 7; vgl. Seeck 

setze Constantins nicht dauernd verlassen darf. Die Ztschr. IV 312), noeh ohne das Gut, das er be- 

fluchtigen Colonen bezeichnet man daher geradezu baut, verkauft (Cod. lust. XI 48, 7), noch zur 

als solche, qui relictis censibm aufugerunt (Cod. persCnliehen Bedienung des Herrn von jenem ent- 

Theod. XIII 10, 7); census steht also hier fur fernt werden (Cod. Theod. VII 1, 3). Selbst wenn 

das Grundsttick, welchem man in der Censusliste der Acker wiist liegen bleibt, gewinnt der Grund- 

zugeschrieben ist. Doch ist die Bindung an die besitzer nicht das freie Verfiiguugsrecht iiber die 

Scholle nicht etwa so zuverstehen, dass der Colone Sclaven, die friiher darauf thatig gewesen sind, 

immer seine besondere Pachthufe behalten miisse; sondern diese gelten als mancipia vaga, die der 
rielmehr kann er innerhalb desselben Gutes be- 20 Fiscus einziehen und beliebig verschenken kann. 

liebig aus einem Teil in den andern versetzt wer- Doch bestimmt Valentinian I. , dass in diesem 

den (Cod. lust. I 48, 7 § 1). Es kommt eben Falle ihr neuer Eigentiimer die Steuer nicht nur 

nicht darauf an, dass er stets dasselbe Land be- fur die Sclaven selbst, sondern auch fur die Grund- 

baut, sondern nur darauf, dass er demjenigen stiicke, die sie friiher bebaut haben, zu entricbten 

Capitel der Censusliste, in das er einmal einge- habe (Cod. Theod. XI 1, 12). Dies war in den 

tragen ist, nicht entfremdet wird. GehOren mehrere fruheren Jahren Constantins noch nicht Bechtens; 

Giiter dem gleichen Eigentiimer, so darf er sogar im J. 327 wird noch das Eecht der Herren an- 

einen Teil der Colonen von dem einen auf das erkannt, auch diese Art von Sclaven zu verkaufen; 

andere iibertragen ; denn die Verwirrung der Cen- doch wird es dahin beschrankt , dass dies nur 
snsliste, welche dadurch herbeigefiihrt wird, kommt 30 innerhalb der Grenzen derselben Provinz geschehen 

praktisch nicht in Betracbt, da der Decurione die diirfe (Cod. Theod. XI 3, 2). Wahrscheinlich er- 

Steuern der Colonen ja durch Vermittlung des hoffte der Kaiser, dass die Decurionen auf diese 

Grundherrn eintreibt (Cod. Theod. XI 1, 14), also Weise noch immer die Moglichkeit behalten wiir- 

der gleiche Mann fur die gleiche Summe von den, von ihnen durch Vermittlung des Statthalters 

Steuereinheiten haftbar bleibt, wenn sie auch jetzt die Steuer einzutreiben. Doch erwies sich dies 

in anderer Weise tiber die einzelnen Giiter ver- gewiss als sehr schwierig; daher wurden auch 

teilt sind. Gehen- diese aber durch Erbschaft, diese Sclaven an die Scholle gefesselt, vielleicht 

Verkauf oder Schenkung in verschiedene Hande gleichzeitig mit den Colonen im J. 332. Jeden- 

flber, so ist ein neuer Wechsel ihrer Colonen oder falls erscheinen sie so schon 349 (Cod. Theod. 
auch nur ein Ruckgangigmachen des fruheren 40 VII 1, 3), obgleich die gesetzliche Regelung ihrer 

nicht mehr gestattet (Cod. lust, XI 48, 13 § 1. Stellung erst um 368 ihren vollen Abschluss fand 

Nov. Val. 34, 18). Wer ein ganzes Gut verkauft (Cod. lust. XI 48, 7). 

oder versehenkt, ist nach einem Gesetze des Con- 2) Die Casarii, die einmal mit den Coloni 

stantius verpflichtet, auch die Colonen desselben zusammen als Bestandteil des Inventars confls- 

an den neuen Eigentiimer zu iiberlassen (Cod. cierter Vermiigen genannt werden (Cod. Theod. 

Theod. XIII 10, 3): wer nur einen Teil eines 1X42,7). Wahrscheinlich warcn es nicht Klein- 

Gutes veraussert, konnte anfangs mit diesem alle pachter, sondern landliche Tagelohner, die teils 

Colonen des ganzen Grundstiicks weggeben oder auf dem Gute lebten und dann als Inventarstiicke 

auch alle fur sich zuriickbehalten , bis Valenti- desselben galten, teils als freio Manner ihre eigencn 
nianl. anordnete, dass bei solchen Teilungen der 50 easae besassen und auf den benachbarten Grund- 

Gfiter auch die zu ihnen gehorigen Arbeitskrafte, stucken gegen Lohn arbeiteten. Da in der Cen- 

mochten es Sclaven, Inquilinen oder Colonen sein, susliste von Volcei (CIL X 407) mehrere KfasaeJ 

im entsprechenden Verhaltnis geteilt werden muss- verzeichnet sind (II 9. 10. Ill 14. IV 9), scheinen 

ten (Cod. lust. XI 48, 7). auch sie censibus adseripti gewesen zu sein. 

Aus dem Gesagten wird man schon ersehen 3) Die freien Bauern, die nicht als Gross- 

haben, dass der Begriff des Adscripticius nicht grundbesitzer ( possessors) in der Stadt lebten, 

ganz mit dem des Colonus zusammenfallt , son- sondern ihr kleines Gutchen mit eigener Hand 

dcrn einerseits weiter, andererseits enger ist, wes- bebauten, also auch als landliche Arbeitskrafte 

halb sie auch in den Rechtsquellen manchmal gelten konnten. Sie waren als Zubehor ihres 
nnterschieden werden (Cod. lust. I 3, 36. XI 48, 60 eigenen Grundbesitzes in die Censuslisten einge- 

6. 19. 23 § 4. lust, edict, de adscripticiis et co- tragen (Cod. Theod. XI 1, 14). Auch sie wurden 

lonis). Denn nicht nur die Colonen, sondern alle im Laufe des 4. Jhdts. an ihre Scholle gefesselt, 

Menschen, die als Zubehor der landlichen Grund- wie sich namentlich in Bezug auf Agypten aus 

stucke in die Schatzungslisten eingetragen werden. folgender Stelle eines Gesetzes vom J. 415 er- 

sind Adscripticii. Ausser den Colonen und Inqni- giebt, Cod. Theod. XI 24, 6 § 3: qui rids, qui- 

hnenumfasst dieser Name danach folgende Classen: bus adseripti sunt, dcrelictis et qui homologi 

!) Die scrvi adseripti censibus (Cod. Theod. more gentilicio nuneupantur, ad alios seu vicos 

Vu 1, 3. XI 3, 2) oder, wie sie auch genannt seu dominos transierunt, ad scdem desolati ruris 



constrictis detentatoribus redire eogantur. Hier lichen Wertobjecte von dem Gute, zu dem sie ge- 

sind zwei Classen unterschieden: a) diejenigen, horten, verbot. Zunachst fand dies noch keine 

welche zu domim gehoren und homologi oder, Anwendung auf diejenigen Provinzen, welche der 

wie es vorher heisst, homologi coloni genannt Kopfsteuer nicht unterworfen waren. In Palae- 

werden; b) diejenigen, welche zu vioi gehoren stina, Agypten und Africa blieb daher die Frei- 

und wohl nur selbstandige Kleingrundbesitzer sein zugigkeit der Colonen einstweilen noch bestehen. 

konnen. Beide sollen, wenn sie ihren Grund- Wurde aber in einem Teil des Beiches, wo sie 

herm oder ihr Dorf verlassen, zur Riickkehr ge- friiher geherrscht hatte, die Kopfsteuer aufgeho- 

zwungen werden. ben, wie dies durch Constantius- im ganzen Orient, 
Wenn so zahlreiche Adscripticii vorkommen, 10 durch Valens in Illyricum, durch Theodosius in 

die nicht zugleicb. Colonen sind, so giebt es anderer- Thrakien geschah, so fuhrte dies keiue Befreiung 

seits auch Colonen, die nicht censibus adseripti der Kleinpachter herbei. Es Mess dann: inser- 

sind (Cod. lust. XI 50, 2), denn in mehreren Pro- want terris non tributario nexu, sed nomim et 

vinzen (Cod. Theod. XI 1, 26) unterlag der An- titulo colonorum (Cod. lust. XI 53, 1). Ihre Ab- 

nona nur der Grundbesitz selbst, nicht auch sein hangigkeit, die jetzt um der Steuererheber willen 

lebendes Inventar, und dieses wurde daher auch nicht mehr nOtig war, wurde dann um der Grund- 

in die Censusliste nicht eingetragen (s. Capi- herrn willen aufrecht erhalten, wie ja iiberhaupt 

tatio). Wahrscheinlich hat Palaestina dies Pri- diese Spatzeit des Komertums sich dadurch aus- 

vileg um seiner heiligen Geschichte willen schon zeichnet, dass die Interessen der Machtigen und 
durch Constantin erhalten. Da hier also kein 20 Einflussreichen sich immer auf Kosten des mederen 

steuertechnisches Bedurfnis vorlag, die Colonen Volkes durchzusetzen wissen. Und weil die Hong- 

an die Scholle zu fesseln , blieben sie noch ein keit der Kleinpachter iiber den grossten Teil des 

halbes Jahrbundert nach Constantin in dem freien, Reiches verbreitet war, wurde sie deT allgemeinen 

jederzeit loslichen Vertragsverhaltnis zu ihren GleichfOrmigkeit zu liebe gegen Ende des 4. Jhdts. 

Grundherrn, wie es frtiher im ganzen Reiche ge- auch in den Provinzen eingefiihrt, wo sie bis da- 

herrscht hatte. Erst zwischen 383 und 389 wurde hin noch nicht bestanden hatte. Allmahlich wur- 

die Analogie der iibrigen Provinzen auch auf Pa- den die Rechte der Herren iiber sie immer holier 

laestina iibertragen (Cod. lust. XI 51). In Agyp- gesteigert, ihre eigene Stellung immer mehr herab- 

ten ist die capitatio humana vielleicht am Ende gedriickt. Um 400 konnte man sagen, sie stan- 
des 4. Jhdts. eingefiihrt worden, friiher war die 30 den den Sclaven beinahe gleich (Cod. lust. XI 

Dioecese jedenfalls davon befreit (Seeck Ztschr. 50, 2: paene est, id quadam servitute dedtt* vt- 

IV 285. 341); daher kommt es wohl, dass hier deantur); um 530 liess sich iiberhaupt kein Unter- 

die Colonen den Namen homologi fuhren (Cod. schied mehr wahrnehmen (Cod. lust. XI 48, 21: 

Theod. XI 24, 6), was man nur durch ,freie Ver- quae etenim differentia, inter servos et adsenph- 

tragschliessende' iibersetzen kann, obgleich diese cios intellegetur, cum uterque in domim sui po- 

Bezeichnung in der Zeit, wo sie uns uberliefert situs est potestate et possit servum cum peeulto 

ist, ihren Sinn schon verloren hatte, Als end- manumittere et adscript itium cum terra suo do- 

lich Theodosius in Thrakien die humana capi- minio expellere?). Sie sind scrvi terrae ipsius, 

tatio aufhebt, niimnt er an, die Colonen wurden cui nati sunt (Cod. lust. XI 52, 2), und werden 
jetzt der Meinung sein , sie konnten ihre Pach- 40 daher auch immer mit den Sclaven zusammen- 

tungen wieder nach Belieben im Stiche lassen, gestellt und rechtlich fast ebenso behandelt (Cod. 

und sieht sich veranlasst, dies ausdriicklich zu Theod. XVI 5, 54 §8. Nov. Val. 22, 3. 30, 6. 

verbieten (Cod. lust. XI 52), und ahnlich scheint Nov. Mai. 7 pr. Cod. lust. VIII 51, 1. XI 48, 

es in Illyricum gegangen zu sein (Cod. lust. XI 23. 69, 1). Dies ist der Abschluss der Entwick- 

53). Aus diesen Thatsachen lasst sich Entstehung lung, die durch den steten Fortschntt der Ent- 

und Entwicklung des horigen C. mit grosster vOlkerung herbeigefulirt war. Ers« hatte die Ver- 

Deutlichkeit erkennen. nichtung des Bauernstandes zur Grosswirtschaft 

Sein Vorbild fand er in dem Inquilinat, den mit Sclavenbetrieb gefiihrt, dann das Schwinden 

Marcus fur barbarische Ansiedler und nach dem der Sclaven zur Ausdehnung der Kleinpacht, _wo- 
harbarischen Muster des Litentums geschaffen 50 bei man sich gezwungen sah , immer wemger 

hatte. Der Grund . warum dessen erbliehe Bin- brauchbare Elemente heranzuziehen. Dann hatten 

dung an die Scholle auf die freien, romischen sich auch diese nicht mehr in genugender Zahl 

Kleinpachter iibertragen wurde, lag darin, dass gefunden und man hatte gefangene Barbaren mit 

nach diocletianischer Ordnung Kopf- und Grund- Gewalt zur Kleinpacht presaen miissen Als end- 

steuer in sehr wunderlicher Art miteinander combi- lich ein hochgespannter Steuerdruck die Acker 

niert waren. Jeder Mann , der als Landarbeiter ganz zu veroden dTohte, hatte man auch die freien 

thatig war. stellte eine Werteinheit der Steuer- Colonen jenen fremden Ansiedlern gleichgestellt, 

rechnung dar, jedes Weib eine balbe Einheit, und sie an die Scholle gefesselt und zuletzt bis zur 

beide galten als Zubehor des Grundstiicks, auf Sclaverei herabgedriickt. Doch alle diese Ge- 
dem sie wohnten, und erhohten dessen Steuerwert. 60 waltmittel der Eatlosigkeit halfen mchts, und 

Da nun die Decurionen nach Massgabe dieses wahrend der Colonat unterthanig war, ist em 

Wertes fur die Erlegung der Steuer haftbar waren grOsserer TeU des bebauten Landes zur Wuste 

und jede Minderung desselben wahrend der fiinf- geworden, als jemals in den fruheren Zeiten. 

jahrigen Censusperiode fur sie einen entsprechen- V. Kecht und Zustande des hOrigen 




macht'e, indem er 332 die Entfernung der mensch- Nov. Val. 26, 4. Nov. Sev. 2. Cod. lust. Ill 38, 



503 



Colonatus 



Colonatus 



504 



11. XI 48, 6. 12. 13. 53, 1), doch wird ausdrttck- 
lich gesagt, dass sie sich nur dem Namen nach 
unterschieden, in ihren Rechtsverhaltnissen da- 
gegen fast ganz zusammenfielen (Cod. lust. XI 
48, 13), tind mitunter werden beide Bezeichnungen 
auch als gleichbedeutend durcheinander gebraucht 
(Apoll. Sid. ep. V 19. Salv. de gub. dei V 8, 43. 
44). Wir fassen sie daher unter dem Namen der 
Colonen zusammen, wie es auch die Quellen viel- 



der Mutter zufallt (Nov. lust. 162, 3). Docb war 
in alien diesen . Fallen die Stellung von Ersatz- 
leuten (viearii) durch den Herrn des Vaters ge- 
stattet oder selbst geboten, damit die Familie 
nicht zerrissen werde (Cod. Theod, Y 10, 3. Nov. 
Talent. 30, 2. 3. Cod. lust. Ill 38, 11). Spater 
wird den Colonen die Erlaubnis zur Ehe ver- 
sagt, wenn sie eine Frau heiraten wollen, die 
nicht zu demselben Gute gehort, wie sie selbst 



faeh zu thun scheinen. So heisst es z. B. Cod. 10 (A. Holm Geschichte Siciliens m 300} 



Theod. V 4, 3 von angesiedelten Barbaren, dass 
sie iure colonatus ihre kilnftigen Acker bebauen 
sollen (vgl. Auson. Mos. 9. Hist. Aug. Claud. 9, 4), 
obgleich diese Art von HGrigen unter den Begriff 
des Inquilinats fallen musste. Doch ware es auch 
msglich, dass dieser Name nur noch an den Nach- 
kommen von Ansiedlern aus den frflheren Jahr- 
hunderten haftete und auf die neuen nicht mehr 
angewandt wurde. Dies halte ich fur um so 



Zweitens kann der C. dadurch entstehen, dass 
der Kaiser gefangene Barbaren entweder auf den 
Domanen ansiedelt oder privaten Grundbesitzem 
gestattet, aus jenen eine Auswahl zur Ansiede- 
lung auf ihren eigenen Gutern zu treffen (Cod. 
Theod. V 4, 3). Auch solche Barbarenhaufen, 
die freiwillig in das romische Eeich iibertraten, 
sind wahrscheinlich nicht sehr versclueden be- 
handelt worden (Ammian. XIX 11, 6), nur waren 



wahrscheinlicher , als der Inquilinat, soweit er 20 die terrae laetieae, die man ihnen a'nwies, wohl 



einen von dem C. gesonderten Stand darstellen 
will, im 4. Jhdt. nur noch den Charakter eines 
unlebendigen, historischen Restcs zeigt. 

Der C. in jenem weiteren Sinne, in dem er 
den Inquilinat rnit umfasst, entstcht in der Kegel 
durch Geburt von Coloneneltern, denn er ist erb- 
lich (Cod. Theod. V 10. Cod. lust. XI 48, 13. 16. 
21. 22 § 3. 23. 24. 53, 1. 64, 1. 68, 3. 69, 1. 
Nov. Val. 30, 2. 34, 19. Nov. lust. 54. 162, 2. 3), 



immer fiscalischer Besitz , nicht private Grund- 
stttcke (Cod. Theod. XIII 11, 10). Zahlreiche 
Beispiele dieser Barbarenansiedelungen bei Seeck 
Geschichte des Uutergangs der antiken Welt 12 585. 

Dritteus sollen nach einem Gesetz vom J. 382 
(Cod. Theod. XIV 18) Bettler, die gesund und 
arbeitskriiftig sind, denjenigen, welche sie denun- 
cieren, als erbliche Colonen zugesprochen werden. 

Endlich kOnnen freigeborene ROmer auch zu 



weshalb er auch originalis (Cod. Theod. V 10. 30 Colonen werden, indem sie sich aus eigenem Willen 



XI 1, 14. Cod. lust. XI 68, 1. Apoll. Sid. ep. V 
19) oder originarius heisst (Cod. Theod. V 10. 
X 20, 10 § 1. Nov. Val. 26, 4. 30 pr. 1. 34, 18 
Cod. lust. XI 48, 7. 11. 16. 52, 1); er ist daher eine 
condicio, d. h. ein Stand (Cod. Theod. V 10 § 1. 3 
Cod. lust. XI 48, 13. 14. 22. 24. 50, 2. August. 
de civ. dei X 1, 2 = Migne L. 41, 278). Anfangs 
verfallt ihm , auch wer ihm nur von vaterlicher 



emem Grundherrn unterwerfen (Salv. de gub. dei 
V 8, 43—46).- Iustinian bestimmte, dass der Ab- 
schluss eines Kleinpachtvertrages nur dann den 
C. zur Folge haben solle, wenn das in der Ur- 
kunde ausdrucklich als Absicht des Pachters aus- 
gesprochen werde (Cod. lust. XI 48, 22). Dies 
war also vorher nicht nOtig, doch wird es wohl 
, . schon damals gestattet gewesen sein, durch eine 

oder mutterhcher Seite angehort (Nov. lust. 54 pr. Clause! des Pachtvertrages die personliche Ab- 
Nov. Val. 30, 6. Cod. lust. XI 48, 16. 21. 68. 4. 40 hiingigkeit von dem Grundherrn auszuschliessen. 



69, 1. Cod. Theod. V 10, 1 § 4) ; doch werden 
spater teilweise dariiber anderc Bestimmungen 
getroffen. Seit 380 folgt das Kind eines Mone- 
tarius, auch wenn es mit einer Colonin gezeugt 
ist, dem Stande des Vaters (Cod. Theod. X 20, 
10). Tst dpr Vater an einen andcren Stand ge- 
fesselt, so werden seit 100 die Kinder zwischen 
den Standen der beiden Eltern geteilt (Cod. Theod. 
XII 19, 1). Iustinian verfugt, dass wenn ein Co- 
lone sich mit einer Sclavin ode 
Weibe verbindet, die Kinder in beiden Fallen 
der Mutter folgen sollen (Cod. lust. XI 48, 21 § 1. 
24. Nov. lust. 54 pr. § 1). Spater andert er dies 
dahin, dass das Kind einer freien Mutter zwar 
nicht eigentlich Colone, aber doch als Ackerbauer 
an das Gut gefesselt sein solle, auf dem sein 
Vater Colone war. ausser wenn es selbst Grand - 
besitzer sei (Nov. lust. 162, 2), und endlich kam 
er ganz auf das alte "Recht zuriick (lust, edict 



So treten denn gegen Ende des 5. Jhdts., aller- 
dings nicht friiher, wieder freie Colonen neben 
den Horigen auf (Cod. lust. XI 69, 1. Nov. lust. 
80, 1 vgl. 2). Doch sollten auch diese, wenn sie 
30 Jahre auf demselben Grundstiickgesessen hatten, 
nach cincm Gesetze des Anastasius zwar niclit 
ihre persOnliche Freiheit und die unbeschrankte 
Verfiigung iiber ihr Eigentum verlieren, wohl 
aber als Pachter und Ackerbauer an die Scholle 
einein _freien 50 gefesselt bleiben , was Iustinian auch auf ihre 
Kinder ausdehnte (Cod. lust. XI 48, 19. 23 § 1). 
Auch wer eine Colonin heiraten will, muss sich 
nach einem Gesetze Valentinians III. durch Er- 
klarung zu den Municipalacten verpflichten, dass 
er, ohne seine personliche Freiheit einzubiissen, 
doch das Grundstuck, an das seine Braut gebun- 
den ist, auch seinerseits nie verlassen will (Nov. 
Val. 30, 5). 

Dies tther die Entstehung des C; seine Auf- 



de adscripticiis et colonis). Verheiraten sich Co- 60 hebung erfolgte durch Eintritt in den Militar- 



lonen verschiedener Grundbesitzer, so fielen die 
Kinder anfangs wohl dem Herrn des Vaters zu 
(vgl. Cod. lust. Ill 38, 11); seit 419 soU der 
Herr der Mutter ein Drittel bekommen (Cod. 
Theod. V 10 § 3); seit 452 wird im Occident die 
Nachkommenschaft gleich geteilt (Nov. Valent, 
34, 19), seit 530 auch im Orient, doch so, dass 
bei ungerader Zahl die grSssere Halfte dem Herrn 



dienst (Cod. lust. XI 63, 4), aber seit Valenti- 
nian I. auch dies nur, wenn der Grundherr den 
Colonen als Recruten stellte (Cod. Theod. V 4, 3), 
nicht wenn sich dieser seinen Pflichten selbst ent- 
zog, um sich als Soldat anwerben zu lassen. In 
solchem Falle sollte er, selbst wenn er schon zum 
Range eines Protectors aufgestiegen war, ent- 
lassen und zurflckgegeben werden (Cod. lust. XI 



505 



Colonatus 



Colonatus 



506 



68, 3). In spaterer Zeit ist ihm auch die Be- 
freiung durch den Kriegsdienst verschlossen worden 
(Nov. Val. 18, 8. Cod. lust. XI 48, 11. 18. 63, 4. 
64, 1. 3. 68, 1. XII 54, 3), obgleich man dies in 
Zeiten der Not kaum aufrecht erhalten konnte. 
Die Weihung zum Kleriker oder der Eintritt in 
ein Kloster befreit nur dann, wenn der Herr seine 
Einwilligung dazu gegeben hat (Cod. lust. I 3, 
16. 36), und auch dies ist zeitweilig ausser Kraft 
gesetzt (Nov. Val. 18, 8). Ohne Erlaubnis kann 
der Colone zwar die Weihen empfangen, aber 
nur wenn er auf dem Gute selbst, zu dem er ge- 
hOrt, des kirchlichen Dienstes waltet (Cod. Theod. 
XVI 2, 33) und daneben nach wie vor den Acker 
bebaut (Nov. lust. 123, 17, 1) oder durch einen 
Stellvertreter bebauen lasst (Cod. lust. I 3, 16). 
Eine Freilassung war mOglich (Apoll. Sid. ep. V 
19), doch einzig in der Form, dass der Herr zu- 
gleicb. auch auf das Eigentum an demjenigen 
Teil seines Grundstiicks verzichtete, den der Co- 
lone bebauto (Cod. lust. XI 48, 21 § 1). So ver- 
tauschte dieser die persona eoloniaria mit der 
plebeia (Apoll. Sid. a. O.), d. h. er wurde einer 
jener bauerlichen Adscripticii , die als Zubehor 
ihres eigenen Ackers in die Censuslisten einge- 
tragen waren. Diese erlitten dadurch zwar in- 
sofern eine Veranderung, als ein neuer Titel ihnen 
hinzutrat und das Gut des Freilassers entsprechend 
an Steuerwert verlor, aber Verlust und Gewinn 
glichen sieh aus, so dass den Decurionen aus 
jener Neuerung keine Einbusse erwuchs. End- 
lich konnte auch Verjahrung frei machen. Wer 
Decurione wurde oder sich einer anderen Korper- 
schaft anschloss , die im Offentliehen Interesse 
thatig war, der gehorte dem neuen Stande nach 
einem Gesetz vom J. 400 auf immer an, falls ihn 
sein Grundherr in 30 Jahren oder, wenn der Co- 
lone in eine andere Provinz gezogen war, in 
40 Jahren nicht zurilckgefordert hatte (Cod. Theod. 
XII 19, 2). In diesem Falle wurde die Fesselnng 
an die Scholle nur mit der Fesselung an einen 
anderen Stand vertauscht. Doch schon 419 ver- 
ordnete Honorius ganz allgemein, dass, wenn ein 
mannlicher Colone seit 30 Jahren, ein weiblicher 
seit 20 unangefochten ausserhalb des Gutes ge- 
lebt habe, die Rechte des Grundherrn an ihn cr- 
loschen sollten. Hatte er diesen Zeitraum als 
Kleinpachtcr eines andern Grundbesitzers ver- 
bracht, so fiel er diesem zu, im anderen Falle 
wurde er frei (Cod. Theod. V 10. Nov. Val. 26, 
4. 6). Aber schon 451 wurde fur den Occident 
verfugt, dass diese Art der Verjahrung wohl den 
Wechsel des Eigentums an dem Colonen , aber 
niemals die Freiheit desselben herbeifuhren k5nne 
(Nov. Val. 30), und nach einem Gesetze Iustinians 
sollte ein Colonensohn nach dem Tode seines Vaters 
zuriickgefordert werdeD konnen, wenn dieser wah- 
rend der betreffenden 30 oder 40 Jahre in sein em 
Colonat verblieben war. Der Besitz am Vater 
wurde also auch als Besitz am Sohne betrachtet, 
so dass fur diesen die Verjahrungsfrist erst ihre 
Gultigkeit gewann, wenn ein nicht zu kurzer Zeit- 
raum nach dem Tode des erstcren verstrichen war, 
ohne dass der Grundherr seine Rechte geltend 
gemacht hatte (Cod. lust. XI 48, 22 § 3). Zum 
Schlusse wurde auch dies beseitigt und der Ver- 
jahrung jede Wirkung auf das Eigentum am Co- 
lonen geraubt (Cod. lust. XI 48, 23). 



Die Colonen werden immer von den Sclaven 
unterschieden (Cod. Theod. II 30, 2. 31, 1. XII 
19, 1. XIV 18. XVI 5, 52 § 4. 54 § 8. 6, 4 pr. 
Cod. lust. XI 48, 7. 12. 68, 3. 4) und gelten 
als ingenui (Cod. lust. XI 52 § 1. 53 § 3. Cod. 
Theod. V 9, 1), wodurch die Moglichkeit, sie regel- 
massig fur das Heer anszuheben, bedingt wird 
(Cod. Theod. VII 13, 5. V 4, 3). Demgemass 
besitzen sie nicht nur Familien- und Erbrecht, 

lOsondern auch das Conubium mit freien Burgern 
(Cod. lust. XI 48, 24. 69, 1. Cod. Theod. XII 
19, 1. Nov. Val. 30, 5. Nov. Mai. 7 pr. Nov. lust. 
54 pr.). Die Ehe einer Freigeborenen mit einem 
fremden Colonen wurde zwar durch Iustinian 
fur mchtig erklart (Nov. 22, 17), doch mit ihrem 
eigenen blieb sie auch ferner gestattet (Nov. Iust- 
54 pr. 1. lust, edict, de adscripticiis et colonis). 
Bei Mischehen folgen allerdings die Kinder, als 
wenn sie Bastarde waren, dem Stande der Mutter, 

20 anfangs nur wenn der weibliche Teil, seit Iusti- 
nian auch wenn der mannliche dem Colonat an- 
gehOrt (S. 503); doch sind es darum nicht weniger 
iusta matrimonia (Cod. lust. a. O.). Eine be- 
sondere Eigentiimlichkeit der Colonen war, dass 
sie auch mit Sclaven gultige Ehen schliessen 
konnten, deren SprOsslinge anfangs ganz ordnungs- 
massig dem Stande des Vaters, erst seit Iustinian 
dem Stande der Mutter folgten (Cod. lust. XI 4S, 2 1. 
69, 1). In Sicilien bedurfen sie Ende des 5. Jhdts. 

30 zur Ehe der Erlaubnis des Grundherrn (A. Holm 
Geschichte Siciliens III 300) und miissen dafur 
eine Sportel von 1 S.olidus zahlen (Greg. I. pap. 
ep. I 42). 

Auch der Eigentumsfahigkeit entbehren die 
Colonen nicht, wie schon daraus hervorgeht, dass 
sie ihre Steuern (Cod. Theod. XIII 1, 8. 10. Nov. 
lust. 128, 14. Cod. lust. XI 48, 8 § 1. 20 § 3. 
23 pr.) und Strafgelder (Cod. Theod. XVI 5, 54 
§ 8) selbst bezahlten. Allerdings war es in manchen 

40 Gegenden ublich, dass der Herr die Capitatio aus 
der Pachtsumme erlegte und diese wahrschein- 
lich entsprechend erhohen durfte (Cod. lust. XI 
48, 20 § 3 a). Doch konnen die Colonen neben 
ihrer Pachthufe eigenen Grundbesitz haben (Cod. 
Theod. V 3, 1. 11, 1. ]4, 9. XI 1, 14. XII 
1, 33. Nov. lust. 128, 14); nach Entrichtung 
ihrer Fruchtquote bleibt der Rest ihrer Ernte 
ihr Eigentum (Cod. lust. XI 48, 8 § 1), mit dem 
sie nach Belieben Handel treiben konnen (Cod. 

50 Theod. XIII 1, 3. 8. 10). Auch durfen sie vor 
Gericht klagen (Nov. lust. 80, 1. 2), sogar gegen 
ihren eigenen Grundherrn (Cod. lust. XI 50, 1). 
Dies letztere Recht wurde ihnen aber von Arca- 
dius genommen , ausser wo es sich um wider- 
rechtliche Erhohung der Pachtforderungen oder 
um criminelle Anklagen handelt (Cod. lust. XI 
50, 2). Iustinian dehnte es auch auf den Fall 
aus, dass der Adscripticius behauptete, das von 
ihm bebaute Land gehore ihm selbst, nicht dem 

60 angeblichen Grundherrn. Doch musste er bei 
einer solchen Klage entweder Biirgen stellen fur 
die richtige Erlegung der Pacht, falls er den 
Process verliere , oder er musste die streitige 
Summe bei Gericht deponieren, so dass der Herr 
fur alle Falle gesichert war (Cod. lust. XI 48, 
20). Auch im'fibrigen wurden die grossen Grund- 
besitzer auf Kosten der Colonen begunstigt. Ging 
man doch sogar soweit, zu ihrem Vorteil von der 



507 



Colonatus 



Colonatus 



508 



alten Eegel der vindieiae secundum libertatem 
abzuweichen. WeBn namlich ein Grundherr einen 
Menschen als seinen Colonen in Anspruch nahm, 
so wurde, falls jener nachweisen konnte, dass er 
diesen fruher bona fide besessen habe, zuerst der 
Besitz wiederhergestellt und dann erst die Frage 
des Eigentums oder der Freiheit entschieden (Cod. 
Theod. IV 23). Auch verftigte schon Valens, dass 
die Colonen ihren eigenen Besitz, namentlich wenn 



nahe kommen (S. 500). Sie stehen nicht un- 
mittelbar im Eigentura ihrer Herren, sondern nur 
durch Vermittlung des Grundstiicks, das sie be- 
bauen (Cod. lust. XI 48, 11. August, civ. dei X 
1, 2 = Migne L. 41, 278). Sie sind servi terrae 
ipsius, oui nati sunt (Cod. lust. XI 52, 1. 53, 1. 
48, 6. 64, 3. Cod. Theod. V 10) oder membra 
terrae (Cod. lust. XI 48, 23), und konnen daher 
nur mit dem Gut, dem sie durch ihre Geburt 



*r in Grund und Boden bestand, wohl beliebig 10 angehoren, freigelassen (Cod. lust. XI 48, 21 § 1), 



vermehren, aber nicht ohne Erlaubnis ihres Herm 
veraussern diirften (Cod. Theod. V 11, 1. Cod. 
lust. XI 50. 2 § 3. 48, 17); wer nicht nur etwas 
von dem Ernteertrage, sondern Vieh oder andere 
Wertstucke von einem Colonen kaufte, konnte 
durch den Grundherrn auf Diebstahl angeklagt 
werden (Cod. Hermog. 16). Die Sicherheit, welche 
•der eigene Besitz des Colonen dem Herrn fur die 
richtige Pachtzahhmg bot, sollte nicht vermindert 



vererbt (Dig. XXX 112) oder veraussert werden 
(Cod. Theod. XI 1, 26. XIII 10, 3. Cod. lust. XI 
48, 7. 50, 2 § 1). Doch durften sie innerhalb 
desselben Gutes oder auch innerhalb verschiedener 
Giiter desselben Gmndbesitzers nach dem Be- 
lieben des Herrn von einer Pachthufe auf die 
andere versetzt werden (S. 499). Auch einen Co- 
lonen von dem Grundstiick ganz zu entfernen, 
war anfangs wohl allgemein erlaubt, wenn fiir 



werden. So naherte sich ihr VermSgen dem pre- 20 ihn ein Ersatzmann gestellt wurde (Cod. Theod. 



karen der Sclaven an und wurde daher auch mit 
tlem Namen desselben , peculium , belegt (Cod. 
Theod. V 3, 1. 10, 1 § 2. XVI 5, 54 § 8. Cod. lust. 
XI 48, 8 § 1. 19. 52, 2. Nov. Val. 26, 4. Cod. 
Hermog. 16. Nov. lust. 162, 2, 1). Eben darin 
besteht im 6. Jhdt. der wesentlichste Unterschied 
zwischen den hOrigen und den freien, aber doch 
an die Scholle gefesselten Colonen, dass diese 
kein Peculium, sondern frei veriiusserliches Eigen 



V 10, 3. Nov. Val. 30, 2. 3. Cod. lust. I 3, 16); 
doch wurde dies fiir die fundi patrimoniales durch 
Theodosius den Grossen untersagt (Cod. lust. XI 
63, 3). Im iibrigen diirfen sie selbst auf kurze 
Zeit ihr Grundstiick nicht verlassen (Cod. lust. 
XI 48, 15); den kaiserlichen Colonen ist es sogar 
verboten, ugend eine Geschaftsvertretung fiir einen 
andern zu iibernehmen, damit sie von den Pflichten 
des Ackerbaus nicht abgezogen werden (Cod. lust. 



turn haben (Cod. lust. XI 48, 19. Nov. lust. 162,30X1 68, 2). Suchten sie zu entfliehen, so sollte 
~ "' man sie wie servi fugitivi in Ketten arbeiten 

lassen (Cod. Theod. V 9, 1. Cod. lust. XI 53, 1). 
Wer sie verbarg oder zuruckhielt, sollte anfangs 
fiir die Zeit ihrer Abwesenheit nur die Steuer 
ersetzen (Cod. Theod. V 9, 1. X 12, 2 § 3. XI 
24, 1 ; vgl. Cod. lust. XI 48, 23 § 5), spater fiir 
jeden privaten Colonen ein halbes Pfund Gold, 
fiir jeden kaiserlichen ein ganzes als Busse zahlen 
(Cod. Theod. V 9 2), endlich wurde das Straf- 



2, 1). 

Uberhaupt sinken die Colonen immer mehr zu 
Sclaven herab, was sich schon darin auspragt, 
dass ihr Grundherr anfangs patronus heisst (Cod. 
Theod. V U, 1; vgl. Cod. lust. XI 50, 2 § 4: 
dominos vel patronos. 52 § 1 : et patroni sollici- 
tudine et do mini potestate), spater nur noch do- 
minus genannt wird (Cod. Theod. V 10 § 3. 11 
tberschrift. VII 13, 5. August, de civ. dei X 1, 2 



Migne L. 41, 278. Nov. Val. 30, 1. Cod. lust. 40 mass in das freie Ermessen des Kichters gestellt. 



XI 50. 48, 11. 12. 18. 19). Diesem wird durch 
Iustinian sogar das Kecht korperlicher Ziichtigung 
gegen sie eingeraumt (Cod. lust. VII 24 § 1. Xi 
48, 24 § 1. Nov. lust. 22, 17), und schon fruher 
behandelt sic das Criminalrecbt ganz nach Art 
der Sclaven (Cod. Theod. V 9, 1. XVI 5, 52 § 4. 
54 § 8. Cod. lust, XI 48, 23. Nov. Val. 22, 3). 
So kann denn im 5. Jhdt. mit Becht gesagt wer- 
den, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen 



Dabei sollte nicht einmal die Entschuldigung zu- 
gelassen werden, dass man den Colonenstand des 
Fliichtlings nicht gekannt habe, da auch die Be- 
herbergung eines Unbekannten zu unterlassen sei 
(Cod. lust. XI 53, 1). Auch die Verfuhrung zur 
Flucht war strafbar {Cod. Theod. XIV 18). Der 
Herr konnte seine Colonen nicht fiir jeden be- 
liebigen Dienst verwenden, sondern ihre Verpflich- 
tung bestand ausschliesslich in der Bebauung 



HOrigen und Sclaven kaum bestehe (Cod. Inst. 50 ihrer Hufe (Cod. Theod. V 11, 1. August, civ. de 



XI 48, 21 § 1. 50, 2. 52, 1. Nov. Val. 30, 6. 
Salv. de gub. dei V 45), ja man kann die juri- 
stische Frage stellen , welches von beiden die 
peior fortuna sei (Cod. lust. XI 48, 21). Wenn 
die Colonen anfangs als ingenui und liberi galten, 
so wird doch spater die' libertas und ingenuitas 
auch ihrer Stellung entgegengesetzt (Nov. Val. 
30, 5. Cod. lust. XI 48, 16. 24). Hit Stand fallt 
daher der tiefsten Verachtung anheim (Nov. Val. 



X 1, 2. Cod. lust. XI 48, 7 § 1. 63, 4. 64, 1. 

68, 2) und deT richtigen Erlegung ihrer Pacht 
(Cod. lust. XI 48, ^0). In Bezug auf diese ist 
sogar jede Neuerung verboten ; die Kinder der Co 
lonen sollen sie genau in derselben Form und 
Hohe zahlen, wie ihre Vater und Ahnen sie ge- 
zahlt haben (Cod. lust. XI 48, 5. 23 § 2. 3). 
Gestattet der Hen- sich Mehrforderungen (super- 
exaetiones), so ist dem Colonen sogar ausnahms- 



26, 1 : vilissimus colonatus. Salv. de gub. dei V 60 weise eine Klage gegen ihn erlaubt (Cod. lust. 



44: iugum inquilinae abiectionis); jede Wurde, 
jeder Bang ist ihnen verschlossen (Cod. lust. XI 
48, 11. 18. 63, 4. 64, 1. 3. 68, 1. XII 54, 3), 
selbst der Eintritt in den Klerus nur bedingungs- 
weise erlaubt (S. 505). 

Trotzdem hleiben sie noch immer in einem 
Punkte scharf von den Sclaven geschieden, wenn 
sie gleich auch darin den servi rustioi et censiti 



XI 50, 1. 2 § 4). Trotzdem scheinen mannigfache 
Veranderungen in den Pachtbedingungen durch 
die Herren herbeigefiihrt zu sein, und ihrem Ein- 
fiuss gegenuber waren die armen Colonen wohl 
nur selten im stande, ihr gutes Becht durchzu- 
setzen. Unter Valentinian I. erscbeint noch die 
Naturalpacht als das normale; sie durch Geld- 
forderungen zu ersetzen, wird zwar von einzelnen 



509 



Colonatus 



Colonia 



510 



Grundherrn versucht, abei ausdriicklieh verboten. 
Nur wo von alters her Geldpacht ublich ist, soil 
sie erhalten bleiben (Cod. lust. XI 48, 5. 8 § 1). 
Dagegen ist unter Iustinian die Leistung von 
Naturalien schon zur Ausnahme geworden und die 
regelm&ssige Zahlung erfolgt in Gold (Cod. lust. 
XI 48, 20 § 2). Als dieses im Curse sank (Seeck 
Ztschr.f. Numism.XVII77. KubitschekNumism. 
Ztschr. XXIX 166), mussten sie den Verlust tragen ; 
in Sicilien warden ihnen im J. 591 fiir jedes 
Pfund Gold der Pachtsumme, das sie vorher zu 
zahlen gehabt hatten, 73Vg Solidi statt 72 ab- 
gefordert (Gregor. pap. epist. I 42). 

Da das Gesetz die Stellung der Adscripticii 
nur immer tiefer herabdriickte, niemals ihre Bechte 
verteidigte, suchten sie sich auf ungesetzliehem 
Wege zu helfen, wobei die schlauen Agypter vor- 
angegangen sind (Cod. Theod. XI 24, 1), aber 
bald auch im Orient (Liban. or. II 499) und end- 
lich bis nach Gallien hiniiber (Salv. de gub. dei 
V 38ff., vgl. Cod. lust. XI 54, 1 § 2) Nachahmung 
gefunden haben. Waren sie kleine Grundbesitzer, 
so iibergaben sie sich und ihr Land in das Eigen- 
tum irgend eines einflussreichen Beamten, am 
liebsten eines militarischen, der sie, wenn notig, 
auch mit Waffengewaifc schiitzen konnte (Cod. 
Theod. XI 24, 1. 4). Dieser legte ihnen zwar 
eine Pacht auf, wehrte aber dafiir durch seinen 
iibermachtigen Einfluss die viel hoheren Steuer- 
forderungen der Decurionen ab. Die Colonen da- 
gegen bemiihten sich, Einquartierungen auf ihre 
Dorfer zu bekommen, und bestachen dann die 
Soldaten und ihre Fiihrer, um durch sie sowohl die 
Decurionen, als auch die pachtfordernden Grund- 
herrn zuverjagen, mitunter auch sich auf Kosten 
der NachbardOrfer zu bereichern (Liban. or. II 
50 Iff.). Diesem Missbrauch trat die Gesetzgebung 
schon seit dem J. 360 entgegen, hat ihn aber, 
wie die immer wiederholten Gesetze zeigen, nie 
ganz abstellen kflnnen (Cod. Theod. XI 24, 1 
Cod. lust. XI 54, 1 — 2). Die Adscripticier aber 
gewannen auch nicht dabei. Sie hefreiten sich 
zwar aus augenblicklichen Verlegenheiten , aber 
spater wuchsen die Anspriiche ihrer Patrone und 
waren um so schwerer abzuweisen, je machtigcre 
und einflussreichere sie gewiihlt hatten. 

Durch die Einfiihrung der Horigkeit hatte 
man der VerOdung des Ackerlandes entgegentreten 
wollen ; doch indem man die Massen ganzlich ver- 
elendete, hatte man das schlechteste Mittel er- 
griffen, um eine gesunde Volksvermehrung herbei- 
zufiihren. Man hat daher viel fiber die oolono- 
rum raritas zu klagen (Nov. Val. 18, 8) ; als in 
Illyrieum ein grosser Teil der Bevolkerung vor 
einem Barbareneiniall flieht, laufen am Kaiser- 
hofe zahlreiche Petitionen von Grundbesitzern 
ein, ihnen die Fluchtlinge oder Colonen zu 
schenken (Cod. Theod. X 10, 25) ; auf den Fel- 
dern wird Baum fiir die Ansiedelung von un- 
gezahlten Tausenden von Barbaren, und trotz der- 
selben nimmt der Umfang der agri deserti immer 
zu. Die Colonen, die meinen, jede beliebige Ver- 
anderung ihrer Lage konne ihnen nur Vorteil 
bringen, sind immer zur Flucht geneigt, und linden 
dabei leicht Unterstutzung, weil alle Grundherren 
an Menschenmangel leiden und die meisten daher 
trotz der angedrohten Strafen die Fluchtlinge 
gem bei sich aufnehmen und verbergen, wie sich 



ans den zahlreichen Gesetzen, die dem entgegen- 
treten, ergiebt (Cod. Theod. IV 23, 1. V 4, 3. 9, 
1. 2. 10, 1. X 12, 2 § 3. XI 1, 7. 24, 1. XII 
19, 2. XIV 18. Nov. Val. 26, 1. Cod. lust. XI 
48, 6. 8. 12. 23. 51, 1. 52, 1 § 2. 53, 1 § 1. 64, 
1 — 3). Der neue Herr pflegte allerdings die Er- 
wartvmgen, die man in ihn gesetzt hatte, meist 
auch nicht zu erfullen. So wechselten denn die 
Entflohenen immer wieder den Ort (Nov. Val. 

10 30 pr.) oder triehen sich auch als Bettler umher 
(Cod. Theod. XIV 18), oder sie retteten sich end- 
lich in die von den Barbaren occupierten Land- 
schaften, wo das harte rOmische Recht nicht mehr 
herrschte (Salv. de gub. dei V 37). So gehOrt 
der C. zu den Griinden, die das Schwinden der 
Bevolkerung im ROmerreiche beschleunigt und 
endlich dessen Untergang herbeigefiihrt haben, 

[Seeck.] 
Colonia als Ortsname. 1) Ohne naheren Bei- 

20satz, s. Camulodunum in Britannien. 

[Hiibner.] 

2) Colonia AeMa Augusta s. Italica. 

3) Colonia Agrippinensis, das heutige 
Koln. S. die Zeugnisse unter Agrippinenses. Zur 
Litteratur nachzutragen die umfassende Abhand- 
lung von B. Schultze und C. Steuernagel Co- 
lonia Agrippinensis. Ein Beitrag zur Ortskunde 
der Stadt Koln zur Eomerzeit, Bonn. Jahrb. XCVIII 
1—144 (mit 17 Tafeln). H. Nis sen Zur Geschichte 

30 des rOmischen Kein ebd. 145 — 171. tJber die ei- 
vitas Agrippinensium im 6. Jhdt. Longnon 
Geogr. 'de la Gaule 382ff. [Ihm.] 

i) Colonia Aquensis s. Aqua, Aquae Nr. 85 
(Aquae Sextiae). 

5) Colonia Atacinorum s. A tax und Narbo. 

6) Colonia Augusta s. E merit a. 

7) Colonia Augusta Aro'e Patrensis s. P a t r a i. 

8) Colonia Augusta Firma s. Astigi Nr. 1. 

9) Colonia Augusta Gemella s. Tucci. 
6.40 10) Colonia Gaesarina s. Norba His p. 

11) Colonia Claritas lulia s. Ucubi. 

12) Colonia Equestris s. Noviodunnm. 

13) Colonia Faventia lulia Augusta Pia s. 
Barcino. 

14) Colonia Firma lulia Secundanorum Arau- 
sin s. Arausi o. 

15) Colonia Forum Augustum s. Libisosa. 

16) Colonia Helvetiorum s. Aventicum. 

17) Colonia lulia s. Turris Libisonis. 
50 18) Colonia Iidia Apta s. Apt a lulia. 

19) Colonia lulia Augusta s. Ilici und Der- 
tosa. 

20) Colonia lulia Augusta Aquae Sextiae s. 
Aqua, Aquae Nr. 85. 

21) Colonia lulia (Augusta) Buthrotum s. 
Buthroton. 

22) Colonia lulia Gemella s. Acci. 

23) Colonia lulia Genetiva Urbanorums. Urso. 

24) Colonia lulia Patema Arelate s. Arelate 
60 Nr. 1. 

25) Colonia lulia Paterna Claudia Narbo 
Martius s. Narbo. 

26) Colonia lulia Romula s. Hispalis. 

27) Colonia lulia Victrix Lepida s. Celsa. 

28) Colonia lulia Victrix Iriumphalis s. Tar- 
raco. 

29) Colonia Laus lulia Corinthus s. Korin- 
thos. 



511 



Coloniae 



Coloniae 



512 



30) Colonia Maritinia, im sfidlichen Gallien hufe und der dazu gehorige Bauernhof. Es be- 
(Geogr. Eav. IV 28 p. 244. V 3 p. 340. Guido gegnet so z. B. in der veleiatisehen Tafel (= fun- 
80 p. 513), bei Ptolemaeus Avauxcov Maghiua dus) CIL XI 1147 = Bruna Pontes iuris Rom.5 
ct6Xi5 KoXaria, s. Avatici. [Ihm.] 285ff. I 42. 43. II 44. 70. 89. VI 40 u. s. w. und 

31) Colonia Nemetum. s. Nemetes and No- bei den Feldmessem (= ager): lib. Colon, p. 213, 
viomagus. 6. 215, 3. 216, 3. 217, 5. 219, 1. Wie aber 

32) Colonia Patricia s. Corduba. eolonm entsprechend der Entwickhmg der romi- 

33) Colonia Praesidiuni Mium s.Sc&llnbis. scien Agrawerhaltnisse neben dem freien Bauer 

34) Colonia Begia s. Hasta. vor allem den (Klein-) Pachter bezeichnet, so ist 

35) Colonia, Sulpieia s. Clunia Nr. 2. 10 auch cotom'a in die juristische Sprache betreffend 

36) Colonia Traiana (Colonia Vlpia Tra- Girundpachtverhaltniase, z. B. in dem Terminus 
iana), von Traian angelegte Colonie am NiedeT- technicus colonia partiaria, gekommen; daruber 
rhein.nordwestlichundinnachsterNahevonVetera vgl. man den Art. Colonatus. 

gelegen, zwischen Burginatium und Vetera, Tab. Viel umfangreicher ist die Verwendung des 

Pent. Colo, traiana. Itin. Ant. 370. 375 Colonia Wortes neben dieser agrartechniachen Grundbe- 

Traiana (var. troiana). Geogr. Kay. IV 24 p. 228 deutung in der ttbertragung anf das politische 

Troia. Ptoleroaios nennt aie nicht, doch scheint Gebiet und zwar auch bier in einer scharf um- 

die ttberlieferung gestort; Cagnat (Rev. de phil. rissenen technischen Bedeutung., Hier bezeichnet 

IX 1885, 138ff. Wochenschrift f. klass. Phil. 1885, namlich colonia die durch die gemeinsehafthche 

885. Hiibner Bonn. Jahrb. LXXXVIII 46. 65) 20 Ansiedlung einer Anzabl von Bauern von Bom 

hat wohl mit Recht bei Ptol. II 9, 8 das bei aus geschatTene, der Mutterstadt als Tochterge- 

Mogontiaeum stehende Tqaiavrj fiinf Zeilen weiter meinde nachgebildete und von ihr abhangige Ort- 

i_- — r — «.i.j. __ j„„„ „,. i ;„*. .>.„' s„ / n „;i scbaft. Serv, Aen.I12: coloniaest coetus eorumho- 



hinaufgeruckt, so dass zu lesen ist v<p f)v (scil. 
Batavodurum) Tgaiavrj, nTxa OvhsQa. Der Name 
der alteren Niederlassung , die wohl sicher dort 
bestanden hat, ist nicht uberliefert; ilberhaupt 
wird der Ort, ttber dessen Lage (Kelln bei Cleve?) 
die Ansichten mehrfach auseinandergehen , von 
Schriftstellern sonst nicht erwahnt, sondern nur 



minum, qui universi deducti sunt in locum eertum 
aedificiis munitum, quern certo iure obtinerent. 
Alii: colonia est, quae Crowe axoixta vocatur ; 
dicta autem est a colendo; est autem pars eivium 
aut sociorum missa, ubi rempublicani habeant ex 
consensu suae civitatis aut publico eius populi, 



auflnschriften. Mehrere Equites singulares (missi 30 unde profeeta est, consilio. Hae autem coloniae 

honesta missione im J. 132) der stadtrOmischen sunt, quae ex consensu publico, -non ex secessione 

Inschrift Annali d. Inst. 1885, 239 nr. 4 (vgl. sunt eonditae. Mommsen bat diese beiden Be- 

Korr.-Bl. der Westd. Ztschr. V 1886, 125. Bonn. deutungen des Wortes in Verbindung zu bringen 

Jahrb. LXXXI1I 61) nennen sich Traianenses gesucht durch die Annahme einer urspriinglichen 

Baetasii (vgl. Brambach CIKh. 199. 314). Ein Samtwirtschaft der von Staatswegen hinausge- 

Votivaltar aus Bonn berichtet, dass im J. 160 in fiihrten coloni (St.-R. Ill 26. 793; vgl. auch 776). 

der Colonie Bauten aufgefiihrt wurden (Jos. Klein Doeh ist dieser Versuch rein hypothetisch , da 

Bonn. Jahrb. LXXX 150ff.) und dass mit dem wir von dem Stadium der Samtwirtschaft bei den 

Transport des Baumaterials ein Detachement der Italikern gar keine greifbare Kunde haben. Viel- 
elassis Qermaniea beauftragt war : vexfillatio) 40 mehr sind die Italiker wie die Kelten ursprting- 

cla(ssi#) GermfanicaeJ quae est ad lapidem ci- Hch Einzelhofsiedler. mid die crsteren, soweit wir 

tandum forum cfoloniaej U(lpiaeJ T(raianae) sie geschichtlich verfolgen kSnnen, Vertreter der 

iussu Claudi Miani leg(ati) AugfustiJ pro prae- Individualwirtschaft im Gegensatz zu den Gricchen 

(tore) [dazu Mommsen Korr.-Bl. d. Westd. Ztschr. und Germanen (daruber A. Meitzen Siedelung 

V 76ff. 106f.]. SeviriAugustalescfo/ora'ae U(lpiae) und Agrarwesen der Westgermanen und Ostger- 

'Tfraianae) nennen die Insehriften Brambach miiiiei!, der Kelten, Romer u. s. w. Berlin 1895). Es 

CIRh. 10 und 82 (Holland); ein dfecurio) c(olo- ist daher wohl der Bedcutungswandel von eolonia 

niaej V(lpiae) T(raianae) Brambach 213 (aus in derselben Weise zu erklaren, wie derjenige von 

Xanten, verdachtig?). Von der Bauthiitigkeit der vicus. Wie dieses urspriinglich den Einzelhof und 
Kaiser M. Aurelius Antoninus und L. Aurelius Verus 50 erst allmahlieh mit der dichter werdenden Besiede- 

berichtet Brambach 216 (scholam C. Tli . VL.). lung des Landes den so entstehenden Complex von 

Vgl. Fiedler Bonn. Jahrb. XXIII 48. Rein Die Gehoften oder den Weiler bezeichnet, so bedeutet 

rfim. Stationsorte a. Strassen zwischen Col. Agripp. eolonia zunachst in der Zeit der reinen Einzelsiede- 

und Burginatium (Crefeld 1 857) 53ff. C. M tiller lung die einzelne Bauernhufe und den einzelnen 

Ausg. des Ptol. I 1, 227. Desjardins Table de Bauernhof, welche Bedeutung in der Agrarsprache 

Peut. 8. Picks Monatschrift f. d. Gesch. West- denn aueh erhalten geblieben ist, und erst spater 

deutschlands VI 1880, 330f. H u b n e r Bonn. Jahrb. auch eine Summe von Bauernhefen uud die G esamt- 

LXXXVIII 65f. [Ihm.] heit der zusammengesiedelten Bauern, wie sie das 

37) Colonia Treverorum s. Treveri. aus der Burg (oppidum) zur Stadt (urbs) emporge- 

38) Colonia Victrix lulia s. Carthago nova. 60 stiegeneRomzurmilitarischen Sicherung seines Ge- 

39) Colonia Virtus Mia s. Itucci. Metes begrundet hat, Varro de 1. L V 143 sagt, dass 
Coloniae. urspriinglich die Colonien urbes genannt wurden, 

I. Name und Begriff. weil sie geradeso wie Rom Etrusco ritu intra po- 

Golonia ist das Abstractum wie eolonm das merium gegriindet waren. Wenn die Nachricht 

Concretum von colo. Wenn also eolonm zunachst richtig ist, beweist sie, dass die Obertragung des 

der ist, der das Land bebaut, qui terram colit, Ausdrucks colonia auf die Tochtergemeinden erst 

d. i. der_ Bauer, so ist eolonia seinem strengen relativ spat erfolgte, auf alle Falle erst, als die 

Wortsinn nach das, was bebaut wird : die Bauern- Latiner bereits in der stadtisehen Epoche ihrer 



513 



Coloniae 



Coloaiae 



514 



Geschichte sich befanden. So wenig aber die u. a. Wir konnen nur bei den Latineni und den 

italische urbs im Gegensatz zur griechischen nolic, Romern selbst wirklich historische Coloniegrfin- 

von der localen Selbstverwaltung den Ausgang dungen verfolgen. 

genommen hat, so wenig auch die colonia. Diese A. Die coloniae Latinorum sind offenbar 

ist vielmehr anfangs weiter nichts wie ein Complex die alteren; denn sie stammen wohl in ihrem Dr- 

von staatlich angelegten Bauernhofen, der geradeso sprung aus der vorromischen Epoche der italischen 

wie die urbs selbst von einer Mauer und einem Geschichte. Fur die geschichtliche Zeit kann 

Pomerium umschlossen, zunachst nur als eine man drei Perioden unterscheiden: a) die des alten 

sacrale Einheit aus dem umgebenden ager, dem latinischen Bundea vor dem J. 261 d. St. = 493 v. 
Territorium.herausgehoben ist (daruber u. S. 584f.). 10 Chr.; b) die des Dreivolkerbundnisses (Romer, La- 

Mommsen vermutet mit grosser Wahrscheinlich- tiner und Herniker) bis 365 d. St. = 389 v. Chr.; 

keit, dass, solange die Burgercolonie noch einer c) die der rOmischen Deduction seit 365 = 389, 

eigentlichen respubliea entbehrte, die Adsignation, vor allem aber seit 416 = 338 v. Chr.: a) die 

aus der sie hervorging, als viritane gefasst wurde besser gestellten alteren latinischen Colonien rOmi- 

(St.-R. lis 638, 4). Spater unterscheidet sich die scher Griindung in Itahen bis 481 = 273 v. Chr.; 

Colonie von der viritanen Adsignation dadurch, /J) die zw6lf jflngeren latinischen Colonien schlech- 

dass jene aus einer bestimmten zu diesem Zweck teren Rechtes in Italien, beginnend mit Ariminum 

ausgewahlten Anzahl von Personen besteht, die 486 = 268; y) die latinischen Titularcolonien im 

zu einem geschlossenen Gemeinwesen vereinigt transpadanischen Gallien und in den Provinzen 
werden, und dass der Staat einen bestimmten wirt- 20 seit 665 = 89 v. Chr. 

schaftlichen oder militarisch-politischen Zweck a) Die Colonien des alten Latiner- 

damit verfolgt. Im Verhaltnis zu municipium bun des. 

ist eolonia, zunachst etwas Geringwertigeres. Mit * [Cora] im Volskerland. [Suessa Pometia] eben- 

municipium (s. den Artikel) ist friiher der Begriff da, beide aus der Konigszeit nach Liv. II 16; 

der Selbstverwaltung und des selbstandigen Ge- sehr misicher. Unter den dreissig latinischen 

meinwesens verbunden als mit colonia (Mo mm- Colonien im hannibalischen Krieg (Liv. XXVII 

sen St.-R. Ill 796). In der republicanischen Zeit 9. XXIX 15) nicht einbegriffen , Mommsen 

bilden die municipia die vornehmste Classe von CIL X p. 645, vgl. 560. 

Stadten, da stets aufgezahlt werden municipia, 1. Sigma ebenda, angeblich auch aus der KOnigs- 
coloniae, praefeeturae (Cic. Phil. IV 7; pro Sest. 30 zeit, sicher wohl erst im J. 259 = 495 v. Chr. 

32; in Pison. 51; pro domo 75. Q. Cicero de pet. Liv. II 21. 

cons. 30. Lex lulia munic. Z. 9. 10. 11. 20. 2. Velitrae ebenda, im J. 260 = 494 v. Chr., 

83 Lex Rubria II 2. 26. 53. 58, auch noch Liv. II 30. 31. Dionys. VI 42. 43, verstarkt 

in der Lex lulia vicesimaria des Augustus, Paul. 262 = 492 v. Chr., Liv. II 34. Dionys. VII 

sent, rec, IV 6 § 2). In der Kaiserzeit dagegen 12. 13, und noch einmal 350 = 404 v. Chr., 

stehen die Colonien an der Spitze. Wahrend Diod. XIV 34. Aber 361 = 393 v. Chr. oder 

namlich die Municipien in der Kaiserzeit, und spatestens 416 = 388 v. Chr. verlor die Stadt 

zwar die provincialen, durch Festhalten an altera ihr latinisches Colonialrecht uud wurde romische 

Gewohnheitsrecht den Peregrinenstadten sich mehr Burgergemeinde sine suffragio, Mommsen 
nahem (Gell. XVI 13, 6, eine Stelle , die von 40 Rom. Miinzw. 312, 67; CIL X p. 651f. 

Mommsen [St.-R. Ill 796, 3] in sehr scharfer b) Die latinischen Colonien bis 365 

Weise verurteilt wird, dagegen von J. Toutain = 389. 

Melanges d'Areheologie et d'histoire XVI 1896, 3. Norba ebenda, 262 = 492 v. Chr., Liv. II 34. 

315 — 329 eine neue Beleuchtung erfahren hat, Dionys. VII 13. 

daruber Art.Muiiicipium). haben die Colonien mit * [Antium], ebenda. Nach Liv. Ill 1 . Dionys. 

ibrtschreitender Romanisierunar, mit dem Wachsen IX 59. 60 latinische Colonie im J. 287 = 467 

des Glanzes des Romertums und der Mutterstadt v. Chr. und dann 416 = 338 in erne romische 

und Centralgemeinde Rom als die reinsten Typen Colonie verwandclt (Liv. VIII 14, 8. Plin. 

dor Romerstadt, romisch-stadtischer Institutionen n. h. Ill 57). Die erstere Nachricht wird von 
und als Pflanzstadte rOmischen Rechts und rOmi- 50 Mommsen angezweifelt , St.-R. Ill 778, 1. 

scher Sitte ein moralisches, vielleicht in dem CIL X p. 660. 

llilitarstaate der Kaiserzeit als die Aufnahmeorte 4. Ardea im Lande der Rutuli , 312 = 442 v. 

der ausgedienten Soldaten, der Stutzen des iieuen Chr., Liv. IV 11. Diodor. XII 34. 

Regimentes, audi ein rechtliches Cbergewicht er- * [Vitellia] im eigentlichen Latium, 359 = 395 

halten (Rudorff Feldniesser II 415ff.). v. Clir., Liv. V 24, vgl. Suet. Vitell. 1 ; aber 

II. Dieverschiedenen Arten von Colonien. sehon 361 =393 wieder zerstert (Liv. \ 29, 

Das Institut der Colonie ist altitalisch. Der 3), Mommsen Rom. Miinzw. 311, 63. 

Kriegsgebrauch namlich, besiegten Volkern ein 5. Circeii im Volskerland, 361 = 393 v. Chr., 

Drittel ihres Landes zu nehmen und auf dieses Diodor. XIV 102; der Legende nach schon 
Land eine Ansiedelung hinauszufiihren, war nicht 60 unter Tarquinius Saperbus (Lit. I 56 , vgl 

den Romern eigentumlich (Dionys. II 16 macht II 39. Dionys. IV 63, vgl. VIII 14). 

freilich den Romulus zum Erfinder der Colonien), c) Die latinischen Colonien romischer 

sondern gemeinsame Sitte der Italiker. Die ttber- Deduction seit 365 = 389. 

lieferung — allerdings eine recht spate und unzu- 6. Satricum ebenda, 369 = 385 v. Chr., Liv. VI 

verlassige — spricht von Colonien bei Latineni (Liv. 16, vgl. VI 8, nicht, wie Livius sagt, romische, 

I 3. [Aurel. Vict.] orig. 17), Etruskern (Liv. V 33), sondern latinische Colonie, wie sich aus Dionys. 

Aequern (Liv. IV 49), Samuiten (Liv. IV 37), V 61 ergiebt (Mommsen Rom. Gesch. I? 

Volskeni (Liv. VII 27), Umbrera (Strab. V 10) 347f. Anm.). ZerstOrt 373 = 38J v. Chr. (Liv. 

Pauly-Wissowa IV 



515 



Coloniae 



Coloniae 



516 



VI 22), wurde die Stadt wiederhergestellt 406 
== 348 v. Chr. (Liv. VII 27). Spater hatte sie 
rOmisches Recht, wenigstens bei Hirer Auf- 
lOsung 435 — 319 v. Chr., Mommsen ECm. 
Miinzw. 313, 70. 

7. Nepet in Etrurien, 371 = 383 v. Chr., Liv. 
VI 21, 4, nach Veil. I 14 erst 373 v. Chr. 

8. Sutrium ebenda, 371 =383 v. Chr., Veil. I 

14, Tgl. Liv. XXVII 9. XXIX 15. 

9. Setia irn Volskerland, 372 = 382 v. Chr., Veil. 10 
ebd.; vgl. Liv. VI 21, neue eoloni 375 = 
379 v. Chr., Liv. VI 30. 

Nach 338: 

10. Cales in Campanien, 420 = 334 v. Chr., Liv. 
Vm 16. Veil. I 14. 

11. Fregellae im Volskerland, 426 = 328 v. Chr., 
Liv. VIII 22. Zerstert 629 = 125 v. Chr. (Liv. 
epit. 60. Obsequ. 30. Strab. V 238. Auct. 
ad Herenn. IV 22), seine EechtsnachfolgeriD 
als Colonia latinawurdeFabraterianova (Veil. I 20 

15, 4). Mommsen CIL X p. 546f. 

12. Luceria in Apnlien, 440 = 314 v. Chr., Liv. 

IX 26; nach Diodor. XIX 72 im J. 439 = 
315, nach Veil. I .14 431 = 323 v. Chr. 

13. Suessa Aurunca im Aurunkergebiet, 441 = 
313 v. Chr., Liv. IX 28. Veil. I 14. 

14. Pontiae (volskische Inseln), 441 = 313 v. Chr., 
Liv. IX 28, vgl. XXVII 10. Diodor. XIX 105. 

15. Saticulain Samnium, 441 = 313 v. Chr,, Fest. 
340. Veil. I 14, vgl. Liv. IX 22. 30 

16. Interamna Lirinas im Volskerland, 442 = 
312 v. Chr., Liv. IX 28, vgl. X 36. XXVII 9. 
Diodor. XIX 105. Veil. I 14. 

17. Sora ebenda, 451 = 303 v. Chr., Liv. X 1. 
Veil. I 14. 

18. Alba im Marserland 451 = 303 v. Chr., Liv. 

X 1. Veil. I 14. Appian. Hann. 39. Momm- 
sen CIL IX p. 370. 

19. Narnia in Umbrien, 455 = 299 v. Chr., Liv. 

x io, vgi. xxvn 9, 7. 40 

20. Carsioli im Aequerland, 456 = 298 v. Chr., 
Liv. X 13. 

21. Venusia in Apulien. 463 = 291 v. Chr.. Dionys. 
Exc. XVI, XVII 5. Veil. 1 14; vgl. Hor. sat. II 1, 
34, Neue Deduction 554 = 200 v. Chr., Liv. 
XXXI 49. 

22. Hadria in Pieemim, zwischen 464 — 468 = 
290—286 v. Chr., Liv. epit. 11. 

23. Cosa in Etrurien, 481 = 273 v. Chr., Liv. 
epit. 14. Veil. I 14. Plin. n. h. LTI 15. Neue 50 
Colonisten 558 = 196 v. Chr., Liv. XXXIII 
24, 8; vgl. Bormann CIL XI p. 415. 

24. Paestum in Lucanien, 481 = 273 v. Chr., Liv. 
epit, 14. Veil. I 14. 
Seit 486 = 268 v. Chr. 

25. Ariminum in der Aemilia. 486 = 268 v. Chr.. 
Veil. I 14; vgl. Liv. epit. 15. Eutrop. II 16. 

26. Beneventum in Samnium. 486 == 268 v. Chr.. 
Veil. I 14. Liv. epit. 15. Polyb. IV 90. 8. 
Eutrop. II 16. 60 

27 . Firmum in Pieemim, 490= 264 v. Chr., Veil. 1 14. 

28. Aesernia in Samnium, 491 = 263 v. Chr.. Liv. 
epit. 16. Veil. I 14. 

29. Brundisium in Calabrien. 508 = 246 v. Chr. 
nach Liv. epit. 19, 509 = 245 v. Chr. nach 
Veil. I 14; vgl. Mommsen CIL IX p. 8. 

30. Spoletium in Umbrien, 513 = 241 v. Chr.. 
Veil. 1 14* Liv. epit. 20; vgl. Cic. pro Balbo 48. 



31. Cremona in Gallia cisalpina, 536 = 218 v. Chr., 
Ascon. in Cic. Pison. p. 2f. K.-S. Polyb. Ill 
40. Liv. epit. 20. Veil. I 14. Tac. hist. Ill 
35. Neue Coloni 564 = 190 v. Chr., Liv. 
XXXVH 46. 47. 

32. Placentia ebenda, 536 = 218 v. Chr., Asconius 
a. a. O. (nach diesem die 53. von Rom aus- 
gefuhrte Colonie , natiirlich romische und 
latinische durcheinander gerechnet, dariiber 
Mommsen Rom. Miinzw. 860). Polyb. Liv. 
aa. OO.; vgl. Liv. XXI 25. XXVII 10. Veil. I 
14, 8. Neue Coloni 564 = 190 v. Chr., Liv. 
XXXVII 47. 

Dies sind die dreissig latinischen Colonien 
(Velitrae [nr. 2] und Satricum [nr. 6] waren schon 
wieder eingegangen), von den en Liv. XXVLT 9 zum 
J. 545 = 209 spricht. 

33. Copia (Thurii) in Bruttium 561 = 193 v. Chr.. 
Liv. XXXIV 53. XXXV 9. Mommsen CIL 
X p. 17. • 

34. Vibo Valentia ebenda, 562 = 192 v. Chr., 
Liv. XXXV 40, vgl. XXXIV 53. Nach Veil. 

I 14, 8 schon gegriindet 515 = 239 v. Chr., 
Mommsen CIL X p. 7. 

35. Bononia in Gallia cisalpina, 565 = 189 v. Chr., 
Veil. I 15. Liv. XXXVII 57. 

36. Aquileia ebenda, 573 = 181 v. Chr., Liv. XL 
34. Veil. I 15. CIL V 873. 588. Neue lati- 
nische Coloni 585 = 169 v. Chr., Liv. XLII 17. 
Mommsen CIL V p. 83. 

* [Luca] in Etrurien. 577 = 177 nach Bor- 
mann CIL XI p. 295, der Luca (Veil. 1 15. 
21) fur die colonia latina halt, die bei Liv. 
XL 43 erwahnt wird, vgl. dagegen Mommsen 
CIL I zu nr. 539 undEuggiero Diz. epigr. 

II 453. 

37. Carteia in Spanien (Baetica), 583=171 y. Chr.. 
Liv. XLIII 3. Hierher fand noch eine wirkliche 
Deduction statt, indem 4000 AbkOmmlinge 
rOmischer Soldaten und spanischer Frauen 
nebst ihren Freigelassenen dahin gefiihrt 
wurden. Zugleieh wurde den fruheren Be- 
wohnern dieser Stadt, soweit sie ihren heimi- 
schen Wohnort beibehalten wollten, gestattet, 
sich unter die latinischen Colonisten aufnehmen 
und bei der neuen Ackerassignation sich Lan- 
dereien zuweisen zu lassen. Cher die Bezeich- 
nung colonia latina libertinorum vgl. man 
Mommsen St.-E. Ill S. XIII Anm. 1. Im 
ubrigen Nitzsch Die Graechen 168. Momm- 
sen St.-R. Ill 624. 

38. ? Valentia in Hispania Tarraconensis, 616 = 
138 v. Chr. , Liv. epit. 55 nur oppidum ge- 
nannt. Sail. hist. II frg. 96. 6 urbs. aber CIL 
I 601 fur den Consul vom J, 694 = 60 wahr- 
scheinlich colonia. Auch aus den Mtinzen 
ist nicht ersichtlich, ob Valentia schon von 
Anfang an Colonie gewesen ist oder nicht. 
Das erstere ist wahrseheinlicher , weil die 
Stadt spater als romische Colonie den Bei- 
namen lulia oder Augusta nicht tragtund auf 
Inschriften erwahnt werden Valentini veteran/ 
et veteres (CIL II 3733—3737. 3739. 3741, mit 
zwei Stadtraten, uterque ordo 3745). Fur die 
Colonialqualitiit der Stadt von Anfang an ist 
auch Mommsen Bom. Gesch. IP 17; St.-E. 

III 736, 2. Im ubrigen vgl. man Hiibner 
CIL II p. 500f. und d. Verz. d. Burg. Col.nr.92. 



517 



Coloniae 



Coloniae 



518 



Welche Rechtsstellung Palma und Pollentia 
auf den Balearen, die Grlindungen des Q. Caeeilius 
Metellus vom J. 631 = 123, einnehmen, ist nicht 
nachzuweisen. Wir wissen nur, dass 4000 in 
Spanien ansassige Italiker hier angesiedelt wurden ; 
vgl. Strab. HI 167f ., der von jtoleig Svo spricht. Bei 
Phn. Ill 76 erscheinen sie unter den oppida d. h. 
den municipia eivium Romanorum, dagegen bei 
Mela II 20 werden sie — offenbar falschlich — 
coloniae genannt, Mommsen ROm. Gesch. IP 10 
18. Hubner CIL II p. 494. 

Seit 665 = 89 v. Chr. 
39—47. Die im J. 665 = 89 durch die Lex Pom- 
peia geschaffenen stadtischen Gemeinwesen 
von Gallia transpadana , Asconius in Pison. 
p. 2f. K.-S. Caes. bell. civ. IH 87. Suet. Caes. 
8; wahrscheinlich: (39) Bergomum, (40) Bri- 
xia, (41) Comuni (zweimal mit coloni aus- 
gestattet, Strab. V 213; iiber die dritte, die 
caesarische Deduction von eoloni s. das Ver- 20 
zeichnis der Burgercolonien nach nr. 53), 
(42) Laus Pompeia, (43) Mantua, (44) Me- 
diolanium, (45) Novaria, (46) Vercellae, (47) Ve- 
rona, die im J. 705 = 49 in municipia e. R. 
umgewandelt wurden. 

Durch Caesar sind dann wahrscheinlich alle 
Stadte der Gallia Narbonensis, soweit sie nicht 
Burgercolonien wurden, coloniae latinae geworden 
(s. u.). Durch die Mtinzen oder Inschriften sind 
als solche bis jetzt bezeugt: 30 

48. Apta Vulgientium , bei Plin. Ill 36 diese 
Stadt wie - alle folgenden nur oppidum lati- 
num, auf den Inschriften (CIL XII 695. 
1005. 1114. 1116. 1118, vgl. 1120) colonia 
Mia Apta. 0. Hirschfeld CIL XII p. 137. 
Herzog Gallia Narb. 88. 

49. Alebece Eeiorum Apollinarium, so Plin. a. a. 0. 
Latinische Colonie durch Caesar, CIL XII 360. 
Herzog a. a. 0. 89 , durch Augustus rOmische 
Burgercolonie = colonia lulia Augusta Apol- 40 
linaris Reiorum (s. u. nr. 193), CIL XII p. 49. 

50. Aquae Sextiae, in der republicanischen Zeit, 
seit 632 = 122 v, Chr., ein castellum mit rOmi- 
scher Besatzung. Liv. epit. 61 wird es falsch- 
lich colonia genannt. Veil. I 15, 4. Cassiod. 
chron. a. 632 p. 618 M. Strab. IV 180; vgl. 
Mommsen Bom. Gesch. II** 164 A. Herzog 
a. a. 0. 50. 58. Das ius Latii von Caesar 
(Plin. IH 36) bekam auch diese Stadt wohl 



Mcmini, bei Ptolem. II 10, 16 (nach Ti. Clau- 
dius Nero, der unter Caesar in Gallia Narb. 
Burgercolonien deducierte, s. u.). Colonia lulia 
Meminorum CIL XII 1239, vgl. 1159; ebd. 
XII p. 147. 

54. Carcaso oder Carcasum, Plin. a. a. 0. CIL 
XII 5371: praitfor) c(ol.) I(ul.) Cfareaso- 
nisj. CIL XH p. 624. 

55. Dinia, Plin. Ill 37 nur oppidum, dagegen 
CIL XH add. 6037 a eol. Dinia Lub . . . (?); 
moglich auch, dass die Stadt Burgercolonie 
war; vgl. 0. Hirschfeld im Commentar zu 
der Inschrift. 

56. Luteva, Plin. n. h. IH 37 Lutebani qui et 
Feroneronienses. CIL XII 4247 c(olonia'i) 
Glaudi(a) Luteva, wohl auch genannt nach 
dem Vater des Kaisers Tiberius. 

57. Nemausus Arecomicorum, im Besitz des ius 
Latii, Plin. a. a. 0. Strab. IV 186 (vgl. iiber 
diese Stelle aber CIL XII add. p. 381). Das 
latinische Colonierecht stammt nach Momm- 
sen s Ansicht (Rom. Gesch. HI 553, 2) von 
Caesar, vielleicht aber ist es erst nach- 
caesarisch; CIL Xn 1028 noch ein pr(aitor) 
VolcarfumJ, ebenso nach den Mtinzen, Momm- 
sen Eom. Miinzw. 677. Unter Augustus 
wurde die Stadt rfimische Burgercolonie (s. u. 
nr. 194). Hirschfeld CIL XII p. 381. 

58. Euscino, Plin. Ill 32 Ruscino Latinorum. 
Auf Miinzen colonia: De la Saussaye Nu- 
mismatique de la Gaule Narb. 193 pi. 23. 
Mommsen EOm. Miinzw. 676; ECm. Gesch. 
Ill 553, 1, falsch Beloch Bevolkerung der 
griechisch-rOmiscben Welt 331. 

59. Vienna Allobrogum. Auf Mtinzen c(oUmia) 
I(ulia) VfiennemiumJ , durch Caesar also 
latinische Colonie, Herzog Gallia Narb. 90f. 
Hirschfeld CIL XII p. 217ff. 

60. ?Tolosa. Plin. Ill 37 oppidum latinum, bei 
Ptolem. II 10, 6 aber Colonie. CIL XII p. 626. 

61. ? Valentia, CIL XII 1748; vgl. das Verzeichnis 
der Burgercolonien nr. 190. 

Dieses Verzeichnis der uns bekannten latini- 
schen Colonien ergiebt , dass im J. 573 = 181 
v. Chr. die Griindung latinischer Colonien in 
Italien mit der Deduction von Aquileia ihren Ab- 
schluss fand. Die letzten zwOlf dieser italischen 
von Ariminum ab, d. h. vom J. 486 =268 ab, 
waren schon schlechter gestellt als die alteren. 



verbunden mit Colonierecht, da sie als Burger- 50 Das Eecht von Ariminum oder der zwOlf jfingsten 



colonie unter Augustus den Namen colonia 
lulia Augusta Aquae Sextiae (s. u. nr. 192) 
fiihrt. Herzog a. a. 0. 86. CIL XII p. 65. 
51. Avennio Cavarum, Plin. LH 36. Mela II 75. 
Colonie bei Ptolem. H 10, 14 und auf der 
nicht ganz unverdachtigen Inschrift CIL Xn 
1120. Wahrscheinlich war die Stadt in der 
Kaiserzeit Burgercolonie. vgl. u. nr. 195 der 
Burgercolonien, CIL XII p. 130f. 



latinischen Colonien (erwahnt bei Cicero pro Caec, 
102) unterscheidet sich von dem fruheren. dadurch, 
dass 1) denselben das Miinzrecht, sicher das Recht 
der Silberpragung, nicht mehr zugestanden wurde 
(Mommsen EOm. Mflnzwesen 317ff.); 2) dass sie 
zwar commercium mit den Romern (Ulp. frg. 19, 4. 
Mommsen Die Stadtrechte 401, 27), aber nicht 
mehr conubium hatten (Ulp. frg. 5, 4); 3) dass 
len AngehCrigen dieser Colonien die Erwerbung 



52. Cabellio, Plin. a. a. 0. Bei Ptolem. II 10. 14 60 des rOmischen Biirgerrechtes wesentlich erschwert 



Colonie. Nach den Miinzen zu schliessen 
vielleicht erst nach Caesar in der Triumviral- 
zeit latinische Colonie . Mommsen Rom. 
Miinzw. 677. Hirschfeld CIL XII p. 136, 
der sogar die Erhebung zur Colonie erst unter 
Augustus annimmt. 
53. Carbantorate Meminorum, Plin. a. a. 0. Wahr- 
scheinlich = Forum Neronis, im Gebiet der 



wurde, dariiber Art. Latium. 

Auf ausseritalischem Boden ist zunachst nur 
in den fruhromanisierten Teilen von Spanien zur 
Griindung von latinischen Colonien geschritten 
worden, aber auch hier sicher hochstens mit dem 
minderen Recht von Ariminum, wenn nicht mit 
noch schlechterem, wie die Bezeichnung von Car- 
teia als colonia libertinorum vermuten liisst. 



519 



Coloniae 



Coloniae 



520 



Einen grossen Einschnitt in dieser Entwick- 
lung bedeutet der italische Bundesgenossenkrieg, 
infolge dessen 665 = 89 durch die Verleihung des 
rOmischen Burgerrechts an alle Italiker bis zum 
Po die latinischen Colonien in diesem Gebiete 
verschwanden, indem romische municipia, nicht 
coloniae, aus ihnen wurden (Asconius Zweifel [in 
Cio. Pison. p. 2 K.-S.] an der Benennung Pla- 
centias als munieipiurn durch Cicero ist daher 
vollkommen unberechtigt). Zugleich aber lebte in 
demselben Jahr das Institut der latinischen Colonie 
noch einmal auf, indem bei der Einfiihrung der 
italischen Stadtverfassung im transpadanischen 
Gallien die mit dem Stadtrecht begabten Vororte 
der dortigen Keltenstamme mit dem Titel mid 
dem Kecht von latinischen Colonien (naturlicb 
dem Recht von Ariminum) beschenkt wurden, 
Ascon. a. a. 0. Angehorige dieser Colonien liess 
Caesar schon vor dem J. 705 = 49 in semen 
Legionen dienen, Caes. bell. civ. Ill 87, und auf diese 
transpadanischen Colonien bezieht sich auch Suet. 
Caes. 8 (Sa vigny Vermischte SchriftenHI 309). 

Als dann auch hier durch die Bflrgerrechts- 
erteilung Caesars an flie Transpadaner im J. 705 
= 49 die coloniae latinae verschwanden, war in 
ganz Italien bis zu den Alpen die Institution be- 
seitigt. Caesar rief sie dann zum letztennial ins 
Leben, indem er dieses Colonialrecht in Gallia 
Narbonensis titular verlieh und diese romanisierte 
Provinz an Stelle der Transpadana zum Vorland 
von Italien machte. In der Miinzpragung scheint 
er diese neuen latinischen Colonien zum Teil (sicher 
Nemausus) sogar besser gestellt zu haben, als 
die zwolf jiingsten italischen Colonien latinischen 
Reehts (Mommsen Rom. Miinzw. 674ff.). Augustus 
aber hat offenbar, im Gegensatz zu Caesar, den 
Namen colonia auf die rOmischen Biirgercolonien 
im officiellen Sprachgebrauch zu beschranken ge 
sucht und hat den latinischen Colonien Caesars, 
soweit sie nicht coloniae civium Romanoruni 
wurden, den Titel colonia, wenn auch nicht ge- 
nommen (dagegen sprechen die Inschriften) , so 
doch inhaltlos gemacht durch Wegnahme der 
Rechte einer Colonie dieser Art, sicher des Munz- 
rechtes (Mommsen Rom. Miinzw. 677). Zu dieser 
Annahme werden wir gezwungen dadurch, dass 
bei Plin. n. h. Ill 36f., d. h. in der agrippisch- 
augustischen Reichsstatistik , die hier die Quelle 
bildet, dieselben Stadte, deren Colonietitel , wie 
wir sahen, anderswoher beglaubigt ist, nur oppida 
latino, heissen, wofiir weiterhin die Bezeichnung 
municipia latina gebrauchlkh wurde, z. B. in 
dem durch Vespasian mit dem ius Latii be- 
schenkten Spanien (vgl. Index zu CIL II). Die 
Mogliehkeit ist nicht ausgeschlossen, dass Caesar 
auch in anderen Provinzen zugleich mit der Ver- 
leihung des ius Latii den Titel einer Colonie 
vergeben hat, vielleicht sind solche in Spanien 
unter den von Plinius (n. h. Ill 7. 18. IV 117) sog. 
oppida Latio antiquitus donata oder oppida La- 
tinorum veterum zu suchen, und in Africa hat 
wahrscheinlicb Utica, welches im J. 718 = 36 
durch Octavian romisches Bfirgermunicipium wurde, 
vorher von Caesar latinisches Recht gehabt (Momm- 
s en CIL I p. 98; Rom. Gesch. Ill 555), vielleicht 
auch in Gestalt einer colonia latina. 

War also mit dem italischen Bundesgenossen- 
krieg die Kategorie der bestgestellten altlatini- 



schen Colonien (der prisoi Latini) geschwunden, 
so wurde seit Augustus auch die Kategorie der 
schlechter gestellten jiingeren Colonien dieser Art, 
wenigstens im officiellen Sprachgebrauch, beseitigt, 
eine Kategorie, die ausserhalb Italiens fast nur 
als Titularcolonie ihr Leben gefristet hatte. Den 
Latinerstadten blieb nur noch die Bezeichnung 
munieipiurn, die, wie wir sahen, von Augustus 
ab im Rang hinter colonia kam. Aber ein Cber- 

10 bleibsel der alten Titulatur erhielt sich insofern, 
als die Bewohner der latinischen Gemeinden im 
Juristenlatein der Kaiserzeit technisch Latini co- 
loniarii heissen (Gai. I 22. 29. 79. Ill 56. Ulp. 
frg. 19, 4. Dositheanisches Fragment de manum. 
6 p. 49 ed. Becking, iiber diese Stellen vgl. 
Mommsen St.-R. Ill 625, 1) zum Unterschiecl 
von den Latini Iuniani, d. h. einer gewissen Classe 
von Freigelassenen, welchen durch die Lex Iulia 
Norbana vom J. 19 n. Chr. das ius Latii mit 

20besonderen Beschrankungen viritim erteilt wurde 
(Marquardt St.-V. I 63 mit Anm. 2). Auch 
dieser letzte Rest der latinischen Colonien wurde 
beseitigt, als durch Caracalla alle Bewohner des 
romisehen Reiches — oder wenigstens alle die, 
welche stadtisch organisiert waren — das Biirger- 
recht erhielten (vgl. Marquardt St.-V. I 63, 12 
und den Art. Latium). 

B. Das Verzeichnis der coloniae eivium 
liomanorum geben wir zunachst nach folgen- 

30 den Kategorien : a) die altesten italischen Biirger- 
colonien, in der Hauptsache zur Kiistensicherung: 
coloniae maritimae bis 597 = 157 v. Chr.; b) die 
Versorgungscolonien fur biirgerliche und milita- 
rische Proletarier, von den Gracchen bis zur 
Schlacht von Actium 621 = 133 v. Chr. — 723 
= 31 v. Chr.; c) die Versorgungscolonien fur 
Veteranen aus der besseren Kaiserzeit und' die 
Titularcolonien der spateren Kaiserzeit, ran an- 
schliessend an das Verzeichnis dann diese Ein- 

40teilung naher zu begriinden. 

a) Die altesten Biirgercolonien bis 597 

= 157. 

1. Ostia (trib. Voturia und Palatina). Der Uber- 
lieferung nach unter Ancus Martins gegrflndet, 
Liv. I 33. XXVII 38. Dionys. Ill 44. Polyb. 
VI 2. 9. Cic. de rep. II 18. 33. Schwegler 
Rom. Gesch. 1600, 5. Mommsen St.-R. Ill 
775ff. Dessau CIL XIV p. 3ff. 
* [Labici], gegriindet 336 = 418 v. Chr., soil 

50 nach Livius (IV 47, 6) die zweite rOmische 
Biirgercolonie gewesen sein, aber Diodor (XIII 
6) hat nichts davon, Cicero (pro Plane. 23) 
nennt die Stadt direct sogar munieipiurn. 
Vor allem aber ist ausschlaggebend, dass die 
Stadt nicht an der Kiiste lag. Mommsen 
ROm. Gesch. 1 8 349. Dessau CIL XIV p. 275. 
2 Antium (Quirina) im Volskerland. 416 = 338 
v Chr , Liv. VII 14, 8. XXVII 38. XXXVI 3. 
Plin. u. h. Ill 57. Lib. colon, p. 229. Seit 

60 437 = 317 v. Chr. mit eigenen Beamten, vor- 
her wie Ostia verwaltet von Rom aus, Liv. 

IX 20, 10. Mommsen St.-R. Ill 778; CIL 

X p. 660. 

3. Tarracina (Oufentina) ebenda, 425 = 329 v. 
Chr., Liv. VIII 21. XXVII 38. XXXVI 3. 
Veil. I 14 (427 = 327 v. Chr.), vgl. Hygin. 
de limit, const, p. 179. Lib. colon, p. 238. 
Mommsen CIL X p. 624. 



521 



Coloniae 



Coloniae 



buz 



4. Minturnae (Teretina) im Aurunkerland, 458 
= 296 v. Chr., Liv. X 21. XXVII 38. XXXVI 3. 
Veil. I 14; vgl. Cic. pro Plane. 26. Dionys. 
I 9. Plin. n. h. Ill 59. Ptolem. Ill 1, 63. 
Mommsen CIL X p. 595. 

5. Sinuessa (Teretina*?) ebenda, 458 = 296 v. Chr., 
Liv. X 21; vgl. XXII 14, 3. Veil. I 14. 
Mommsen CIL X p. 463f. 

€. Castrum novum, unbestimmt ob das in Pice- 



Chr., Liv. XL 29. Veil. I 15. CIL I« p. 200 
elog. XXXII. Bormann CIL XI p. 511. 
26. Luna (Galeria) ebenda, 577 = 177 v. Chr., 
Liv. XLI 13. Veil. I 15, wo aber statt Luca 
Luna zu lesen ist, vgl. o. nach nr. 36 der la- 
tinischen Colonien. "Wie die Liviusstelle XL 
43 zu erklaren ist, bleibt unklar. Auch hier 
mit Mommsen Jjuna einzusetzen, ist zu ge- 
waltsam. Anders Bormann CIL XI p. 259. 



Castrum novum, unuestmmn, on uas m i iw """»■"■■ *",. ~ ™ „ M , ic?,, 

num oder das in Etrurien (nach Liv. XXXVI 10 27. Auximum ^%^T^Ja^U 



3, 6 scheint das letztere gemeint zu sein), 
zwisehen 464/8 =290/86 v. Chr., Liv. epit. 
11 vgl Liv. XXXVI 3, 6. Nach VeU. I 14 
all'erdings erst um 490 = 264 v. Chr. ge- 
gTundet; vgl. Mommsen CIL IX p. 491. 
Bormann CIL XI p. 530. 

7. Sena Gallica in Umbrien, 471 = 283 v. Chr., 
Polyb. n 19, 12. Liv. epit. 11. 

8. Aesis oder Aesium (Pollia) ebenda , 507 = 
247 v. Chr., falls dies dieselbe Stadt ist, die 20 
Veil. I 14. 8 Aesulum nennt, Mommsen 
Rom. Miinzw. 332, 113; noch in der Kaiser- 
zeit war die Stadt Colonie, CIL IX 5831. 
5832. Mommsen Herm. XVIII 197, 1. 

9. Alsium in Etrurien, 507 = 247 v. Chr., Veil. 
I 14, 8; vgl. Liv. XXVII 38. Bormann CIL 
XI p. 547. „ T 

10. Fregenae ebenda, 509 = 245 v. Chr., Veil. 1 
14, 8. Liv. epit. 19, vgl. XXXVI 3, 6. CIL 
XI 3727. Bormann CIL XI p. 549. ^ 30 
Pyrgi ebenda, vor dem J. 563 = 191 v. Chr., 
Liv. XXXVI 3, 6. 

Volturnum in Campanien, 560 = 194 v. Chr., 
Liv. XXXII 29. XXXIV 45. Varro de 1. 1. 

V 29. Mommsen CIL X p. 357. 

13. Liternum ebenda. 560 = 194 v. Chr., Liv. a. 
a, O. CIL X p. 356. 

14. Puteoli (Palatina) ebenda, 560 = 194 v. Chr., 
Liv. a. a. 0„ vgl. XLII 5. Veil. I 15. Strab. 

V 245. CIL X 1781. Mommsen CIL X40 
p. 182. 

15. Salernum ebenda, 560=194 v. Chr., Liv. 
a. a. O. Veil. I 15. 

16. Buxentum (Pomptina) in Lucamen , 560 = 
194 v. Chr., Liv. Veil. aa. OO. Mommsen 
CIL X p. 51. 

17. Sipontum in Apulien, 560 = 194 v. Chr., Liv. 
XXXIV 45. Eine Verstarkung der Colonie 
568 = 186 v. Chr., Liv. XXXIX 23. Momm- 
sen CIL IX p. 65. 

18. Tempsa in Brattium, 560 = 194 v. Chr., Liv 
XXXP7 45. 

19. Croton (Cornelia) ebenda, 560 = 194 v. Chr., 
Liv. a. a. 0., vgl. Dionys. I 26. 

20. Potentia (Velina)in Picenum, 570 = 184 v. Chr., 
Liv. XXXIX 44. Veil. I 15. 

21. Pisaurum (Camilia) hi Umbrien, 570 = 184 
v. Chr., Liv. Veil. aa. 00. Hieron. ad 01. 
160, 2. 



28. 



11 



12 



Chr., Veil/ 1 15, 3. Mommsen CIL IX 559 
(im Binnenland). 

b) Die Versorgungscolonien von den 

Gracchen bis zur Schlacht bei Actium. 

a) Altere Colonien dieser Art: 

* [Fabrateria nova] (Tromentina) im Volskerland, 

630 = 124, Colonie nach Veil. 1 15, 4. Nach 

Mommsen CIL X p. 547 (vgl. Herm. XVIII 

163, 2) war die Stadt als Rechtsnachfolgenn 

vonFregellae nicht Burger-, sondern latinische 

Colonie und tritt spater als munieipiurn auf. 

Tarentum = colonia Neptunia (Claudia?), 

632 = 122 v. Chr., Veil. I 15, 4. Strab. VI 

281. Plin. n. h. Ill 99. Mommsen CIL X 

p. 21; Berichte der -sachsischen Gesellsch. 

29 Scola'chim = colonia Minervia in Bruttium, 632 
= 122 v. Chr., Veil. 1 15, 4. Der Hafenort von 
Scolacium = castra d. i. castra Hannibahs 
wurde nach Livius XXXII 7 schon im J. 555 
= 199 v. Chr. durch 300 Ansiedler colonisiert. 
wurde damals aber nicht stadtische Gemeinde, 
vielmehr jetzt erst zusammen mit Scolacium. 
• [Carthago = colonia Iunonia\ in Africa, die 
erste ausseritalische Colonie, 632 = 122 v. Chr., 
Plut. C. Gracch. 10. 11. 14. Appian. b. c. 
I 24 ; Pun. 136. Veil. I 15. II 7. Liv. epit. 
60, wurde schon im nachsten Jahre durch 
ein Gesetz des Volkstribunen Minucius Rufus 
wieder aufgehoben, Appian. Pun. 136; b. c. 
I 24. Oros. V 11. Flor. 113. 
Dertona (Pomptina) in Ligurien. Veil. I 15, 
der schon selbst iiber das Grundungsjahr im 
Zweifel war. Mommsen CIL V p. 831. 
Narbo Martius in Gallia Narbonensis, 636 
= 118 v. Chr., Veil. I 15. II 7. Eutrop. IV 3. 
Griinder der Colonie L. Lioinius Crassus, Cic. 
Brut. 160; pro Cluent. 140; de orat. II 223; 
pro Font. 13. 
50 32. Eporedia in Gallia transpadana, 654 = 100 
v. Chr., VeU. I 15, 5. 

33. Colonia Mariana in Corsica. Plin. n. h. Ill 80. 
Senec. cons, ad Helv. VII 9. Solin. UI 3. 
Mela II 19. Zumpt Comm. epigr. I 228. 
Mommsen CIL X p. 838. 997. 
0) Colonien Sullas (alphabetisch geordnet, vgl. 

Mommsen Herm. XVIH 163ff.). 

34 ^Abella (Galeria) in Campanien, OIL A 1Z1U. 
Mommsen CIL X p. 136; Herm. XVHI 164. 



30. 



31. 



22 Mutina (Pollia) in der Aemilia, 571 = 183 v. 60 35. AbeUinum (Galeria) m Samnium CIL X 1117 



Chr., Liv. XXXIX 55 (im Binnenland) 
23 Parma (Pollia) ebenda , 571 = 183 v. Chr., 
Liv. a. a. 0. Bormann CIL XI p. 188 (im 
Binnenland). 

24. Saturnia (Sabatina) in Etrurien, 571 = 183 
v. Chr., Liv. a. a. 0. Bormann CIL XI 
p. 419 (im Binnenland). 

25. Graviscae (Stellatina) ebenda, 573 = 181 v. 



(Beiname Veneria). Mommsen CIL X p. 127; 
Herm. XVIH 164. 185. 

36 'Allifae (Teretina) ebenda, Mommsen OIL 
' IX p. 214; Hermes XVIH 164. 175. 

37 'Ardea im Lande der Rutuli (vgl. nT. 4 der 
latinischen Colonien), CIL X 6766. VHI 7044. 
X 67647 Mommsen Herm. XVIH 165. 

38. Arretium (Pomptina) in Etrurien, Cic. ad Att. 



523 



Coloniae 



Coloniae 



524 



I 19, 4; pro Murena 49; de domo 79; pro 
Caec. 97. Plin. n. h. Ill 52. CIL XI 1849 er- 
wahnt neben Arretim Fidentiores und Arre- 
ting Iulienses noch Arretini veteres ; es seheint 
eine Besonderheit der sullanischen Colonien 
gewesen zu sein, dass neben den neuen eoloni 
die Altbiirger in geschmalertem Rechtszustand 
verblieben (vgl. nr. 44 und 46). Mommsen 
Herm. XVIII 165f. Bormann CIL XI p. 336. 

39. Faesulae (Scaptia) in Etrurien. Cic. in Catil. 10 
III 14; vgl. II 20; pro Mm. 49. Sallust. Catil. 
24. 27. 28. 30. Granius Licinian. p. 42— 44. 
Mommsen Herm. XVIII 166. Bormann 
CIL XI p. 298 

40. ?Florentia (Scaptia) ebenda, Not. d. scavi 
1890, 109. CIL XI 1617. Tac. ann. I 79 (im 
J. 15 n. Chr.). Die Stadt fehlt im Verzeichnis 
des Plinius, ist also nicht triumvirate oder 
augustische Colonie; der Lib. colon, p. 213, 6 
teilt sie allerdings den Triumvirn zu, sie kann 20 
aber sehr wohl schon sullanisch sein, so gut 
wie Faesulae. Nimmt man dag nicht. an, so 
muss man die Griindung der Colonie in die 
letzten Jahre des Augustus setzen, nachdem 
des Plinius Vorlage, die Eeichsstatistik, schon 
geschrieben war, so Cuntz De Augusto 22f. 
Bormann CIL XI p. 306. 

41. ?Grumentum (Pomptina) in Lucanien, CIL 
X 228, vgl. X 221 (alter als Augustus) rait 
praetores duumviri. Mommsen CIL X p. 27 ; 30 
Hermes XVIII 166. 

42. ?Hadria (vgl. nr. 22 der latinischen Colonien), 
Plin. Ill 110. CIL IX 5020. Kann auch 
triumvirale oder augustische Colonie sein, 
wegen der Erwahnungbei Plinius. Mommsen 
CIL IX p. 480; Herm. XVIII 194. 

43. ?Interamnia Praetuttiorum (Velina) in Pice- 
num. Nach CIL IX 5074 in augustischer 
Zeit municipium und colonia. Dies entspricht 
der sullanischen Gepflogenheit. Mommsen 40 
CIL IX p. 485; Herm. XVIII 166. 

44. Nola (Falerna) in Campanien. Beiname Felix 
CIL X 1244, veteres Nolani ebd. 1273, Unities 
SullaniLib. colon, p. 236, 3. Mommsen CIL 
X p. 142; Herm. XVIII 185. 

45. ?Paestum (s. nr. 24 der latinischen Colonien), 
Mommsen CIL X p. 521'.; Herm. XVIII 166. 

46. Pompeii (Menenia) in Campanien, Cic. pro 
Sulla 21. 60. Beiname Veneria Cornelia. 
Mommsen CIL X p. 89f.; Herm. XVIII 167. 50 

47. Praeneste (Menenia) in Latium, Cic. in Cat. 
I 8; vgl. de lege agr. II 78. Auch auf In- 
schriften als Colonie. Unter Tiberius wurde 
die Stadt aus einer Colonie ein Municipium 
(Gell. XVI 13, 5). Dessau CIL XIV p. 289f. 
Mommsen Herm. XVIII 167. 

48. ?Telesia (Falerna) in Samnium. Beiname Iler- 
culanea inschriftlieh bezeugt. an der Spitze 
Praetores duoviri CIL IX 2235 (aus der 
republicanischen Zeit). Mommsen CIL 1X60 
p. 205; Herm. XVIII 167f. 

49. Urbana in Campanien. colonia Sullana nuper 
Capuae contributa bei Plin. n. h. XIV 62. 
Mommsen CIL X p. 460; Herm. XVIII 168. 

50. Aleria in Corsica, Plin. n. h. Ill 80. Senec. 
cons, ad Helv. 7, 9. Solin. Ill 3. Mela H 19. 
Ptolem. ni 2, 5. Zumpt Comm. epigr. I 255. 
Mommsen CIL X p. 839, 



y) Colonien Caesars und der Triumvirn. 
aa) In Italien. 1) Caesars: 

51. Capua (Falerna), 695 = 59 v. Chr., Caes. bell, 
civ. I 14 Suet. Caes. 1, Lib. colon. 231, 7. 
Titel eokmia Itdia Felix. Nach dem Tode 
Caesars wurde nach Capua und ebenso nach 
Calatia eine neue Colonie von Antonius ge- 
fiihrt auf Grand der acta Caesaris (Cic. Phi- 
lips II 40). Mommsen CIL X p. 368; Herm. 
XVIII 168f. Vgl. Art. Capua. 

52. Calatia, 695 = 59 v. Chr. 

53. Casilinum in demselben Jahr. Beide Colonien 
wurden zusammen mit Capua deduciert (Cic. 
Phil. H 102 ; ad Att. XVI 8, 1. Veil. II 61. 
App. b. c. Ill 40; vgl. Liv. ep. 117), spater 
aber wie Urbana Capua attribuiert. 

* [Novum Comum] in der Transpadana, hat 
Mommsen (CIL V p. 565; Herm. XVnil69, 
1) falschlich als Btirgercolonie Caesars erklart. 
Caesar hat nur in die latinische Colonie Co- 
mum (s. nr. 41 der lat. Col.) nach der rogatio 
Vatinia weitere 5000 Coloni, darunter als die 
vornehmsten 500 Griechen (einer von diesen 
wird erwahnt Cic. epist. XIII 35, 1), dedu- 
ciert, die er allerdings — widerrechtlich — - 
mit dem rOmischen Biirgerrecht ausgestattet 
hat (Strab. V 213. Suet, Caes. 28). Aber 
trotzdem blieb die Stadt eine latinische Co- 
lonie (Cic. ad Att. V 11, 2 und App. b. c. 
II 26. Plut Caes. 29, 1 nach Asinius Pollio). 
Das Richtige steht bei Zumpt Comm. epigr. 
I 308ff. 
2) Der Triumvirn: 

54. Ancona (Lemonia) in Picenum, App. b. c. V 
23. Mommsen CIL IX p. 572. 690; Herm. 
XVIII 170. 

55. ?Aquinum (Oufentina) im Volskerland, Lib. 
colon, p. 229, 13. Plin. Ill 73. Tac, hist. 
I 88. II 63. Mommsen CIL X p. 530; 
Herm. XVIII 175 und 193. 

56. Ariniinum (vgl. das Verzeichnis der lat. Col. 
nr. 25), App. b. c. IV 3. Mommsen Herm. 
XVIII 170. Bormann CIL XI p. 76. 

57. Ateste (Romilia) in der Transpadana, Plin. 
n. h. Ill 130, verstarkt oder vielleicht gar 
erst gcgriindet nach der Schlacht bei Ac- 
tram, CIL V 2501. Cuntz De Augusto 26. 
Mommsen CIL V p. 240; Herm. XVIII 172. 

58. Beneventum (vgl. nr, 26 der lat. Col.), App. 
b. c. IV 3. Lib. col. p. 231, 7. Plin. n. h. 

Ill 105. CIL X6087: agros divisit (L. Mu- 
natius Plancus) in Italia Beneventi (daruber 
E. Jullien Histoire de L. Munatius Plancus 
137ff.). Mommsen CIL IX p. 136; Herm. 
XVIII 170. 

59. ?Bovianum vctus (Voltinia) in Samnium, Plin. 
n. h. Ill 107. Lib. colon, p. 231, 8. Momm- 
sen CEL IX p. 257; Herm. XVLTI 176. 193. 

60. ?Bovianum Undecimanoram. Noch zu Cae- 
sars Zeit manieipium, CIL IX 2563, spater Co- 
lonie: Plin. a. a. O. CIL IX 2564. 2565. Eine 

zweite Deduction hierher unter Vespasian, s. 
Cuntz De Augusto 22. 
vgl. nr. 51. Capua im J. 718 = 36 v. Chr. ver- 
starkt, App. b. c. IV 3. Cass. Dio XLIX 14. 
Mommsen CIL X p. 368; Herm. XVHI 170. 

61. ?Castrum novum in Etrurien (vgl. nr. 6), co- 
lonia Mia, CIL XI 3576—3578, seltsamer- 



525 



Coloniae 



Coloniae 



526 



weise fehlend bei Plinius. Der Erklarungs- 
versuch von Cuntz De Augusto 22 ist wenig 
befriedigend, eher ist anzunehmen, dass die 
Colonie vielleicht schon eine caesarische Griin- 
dung war; vgl. Bormann CIL XI p. 530f., 
welcher auch darauf aufmerksam macht, dass 
die Colonie nicht immer den Beinamen lulia 
tragt, CIL XI 3583. 3586 b; vgl. 3580. 3581. 
Ruggiero Dizion. epigr. II 453. 

62. Concordia (Claudia) in der Transpadana. Co- 
lonia Mia : CIL V 1884. 1901. Plin. n. h. m 
126, vgl. Ptolem. ni 1, 29. Front, ad amic. 

II 7. Mommsen CIL V p. 178; Herm. 
XVEI 181. 

63. Cremona (vgl. das Verzeichnis der lat. Col. 
nr. 31), Probus zu Verg. Eel. p. 6 Keil. Plin. 
n. h. Ill 130. Tac. hist. Ill 19. 32. Ptolem. 

III 1, 31. Frontin. de limit, p. 30. 19. Hyg. 
de limit, const p. 70, 19. Mommsen CIL 
V p. 41 3f.; Herm. XVIII 170. 

* [Cumae] (Claudia?) in Campanien. CIL X 
3703 ist wohl kaum e(olonia) Ifulia) zu er- 
ganzen. Im Anfang der Kaiscrzeit war die 
Stadt noch municipium, CIL X 3711. Momm- 
sen CIL Xp. 351 ; Henn. XVIII 181. Cuntz 
De Augusto 22. 
vgl. nr. 30. Dertona colonia Mia, CIL VI 1636. 
Plin. n. h. Ill 49. Mommsen CIL V p. 831; 
Herm. XVIII 182. 196. 

64. Fanum Fortunae (Pollia) in Umbrien, eoloma 
Mia, Orelli 83. Vitruv. V 1, 6. Plin, n. h. 
Ill 113. Mommsen Herm. XVIII 182. Bor- 
mann CIL XI p. 924. 

65. Firmum in Picenum (vgl. das Verzeichnis der 
lat. Col. nr. 27), Plin. n. h. Ill 111 (iiber 
diese Stelle Mommsen Herm. XVIII 192, 1). 
Lib. colon, p. 226, 2. CIL IX 5426. Momm- 
sen CIL IX p. 508; Herm. XVIII 1701'. 

66. Hispellum (Lemonia) in Umbrien, eoloma 
Mia, Orelli 3885. Plin. n. h. Ill 113. Bor- 
mann CIL XI p. 766. Mommsen Herm. 
XVIII 182. 

67. ?Luca in Etrurien (vgl. das Verzeichnis der 
lat. Col. nach nr. 36), Plin. n. h. in 50. 
Wegen CIL VI 1460 entweder gcgriindet nach 
der philippischen oder nach der aktischen 
Schlacht. Der ersteren Annahme folgt Momm- 
sen St-R. n3 737, 4; Herm. XVIII 717; 
vgl. Bormann CIL XI p. 295. 

68. Luceria in Apulicn (vgl. das Verzeichnis der 
lat. Col. nr. 12), App. b. c. IV 3 (hier Lu- 
ceria zu lesen, nicht Nuceria; so richtigBe- 
loch Der itahsche Bund 7 und Cuntz De 
Augusto 23). Plin. Ill 104. Auf Inschriften 
des 3. Jhdts. colonia. Mommsen CIL IX 
p. 74; Herm. XVHI 194 (falsch). 

69. Lucus Feroniae (Voltinia) in Etrurien, colonia 
Mia Felix, CIL XI 3938. Plin. n. h. ffl 
51; vtfL Ptolem. Ill 1. 43 (48). Mommsen 
Herm. XVHI 182. Bormann CIL XI p. 570. 

70 °Parentium (Lemonia) in Istrien, colonia 
Mia, CIL V 335; bei Plin. n. h. HI 129 
nur oppidum civium Romanorum. Cuntz 
De Augusto 22 sucht deshalb auch diese 
Stadt wie Castrum novum (nr. 61) als Colonie 
aus den letzten Jahren des Augustus oder aus 
der Zeit des Tiberius m erweisei i. Mommsen 
CIL V p. 35; Henn. XVIII 182. 198. 



71. Pisae (Galena) in Etrurien, colonia Obse- 
quens Mia, CIL XI 1420, 36. Plin. n. h. 
HI 50; vgl. Ptolem. IE 1, 43 (48). Momm- 
sen Herm. XVLU 182. Bormann CIL XI 
p. 273. 

vgl. nr. 21 Pisaurum, Plut. Ant. 60 ; colonia Mta 
Felix, Orelli 81. Mommsen Herm. XVIII 
171. 

72. Pola (Camilia?) in Istrien, gegrandet wahr- 
10 scheinlich 721 = 33 v. Chr., colonia Pietas 

Mia bei Plin. n. h. ni 129, eoloma Mia 
Pollentia Herculanea, CIL V 50. 1016. 8139. 
Mommsen CIL V p. 3. 1016; Herm. XVEI 
182. 

73. ? Saena (Oufentina) in Etrurien, eoloma Sena 
Mia auf der Tab. Peut. IV 3; vgl. Tac. hist. 
IV 45. Mommsen Henn. XVHI 182. Bor- 
mann CIL XI p. 332. 

74. ?Sora im Volskerland (vgl. das Verzeichnis 
20 der lat. Col. nr. 17), CIL X 5713. 5711. 

Mommsen CIL X p. 560 ; Herm. XVHI 171. 
182. v. Domaszewski Neue Heidelb. Jahrb. 
IV 183. . 

75. Suessa im Aurunkerland (vgl. das Verzeichnis 
der lat. Col. nr. IS), colonia Mia Felix clas- 
sica Suessa, CIL X 4832. Plin. n. h. Ill 63. 
Mommsen Herm. XVIII 182; CIL X p. 415. 

76. Sutrium in Etrurien (vgl. das Verzeichnis der 
lat. Col. nr. 8), col. Goniuncta Mia Su- 

30 trina, CIL XI 3254. Plin. n. h. Ill 51. Lib. 
colon, p. 217, 17. Mommsen Herm. XVIII 
182. Bormann XI p. 489f. 
77 Tergeste (Popinia) in Istrien. 721 = 33 v. Chr., 
Plin. n. h. IE 127. Ptol. EI 1. 27. Nach 
den Inschriften geleitet von duoviri. Das 
Grundungsiahr ergiebt sich aus CTL V 525. 
Mommsen CIL V p. 53; Herm. XVIII 172. 

78. Tuder (Clustumina) in Umbrien, Plin. n. h, 
EI 113, eolonia Mia Fida CIL XI 4646, 

40 vgl. 4650. 4654. Lib. colon, p. 214, 3. Momm- 
sen Henn. XVIII 182f. Bormann CIL XI 
p 678. v. Domaszewski Neue Heidelb. 
Jahrb. IV 187f. 

79. Venusia in Apulien (vgl. d. Verz. d. lat. Col. 
nr. 21), 711 =43 v. Chr,, App. b. c. IV 3. 
Hor. ep. II 2, 50. Plin. n. h. EI 104. 
Lib colon, p. 210, 7. Mommsen CIL IX 
p. 44; Henn. XVIII 172. 
/J/J) Ausserhalb Italien s (geordnet nach 

50 Provinzen) : 

1) Sieilien: 
80 Tauromeniuin,wahrscheinlich718 = 36 v. Chr., 

Diodor. XVI 7. Plin. IE 88, Ptolem. Ill 
4, 9. Gegen Mommsen CIL X p. 780 richtig 
J. Beloch Bevfllkerung der grieeh.-rom. Welt 
337 mit A. 1 und O. Cuntz De Augusto 35. 

2) Sardinien: 
81. Tunis Libisonis, Plin. n. h. LH 85 {colonia, ad 

Turrim Libisonis). Ptolem. in 7, 85. Geogr. 
60 Rav. V 26 p. 411 = col. Mia. Vor 727 = 
27 v. Chr. gcgriindet. weil Sardinien im 
Mon. Ancyr. nicht unter den Provinzen aufge- 
zahlt wird, in denen Augustus Colonien an- 
legte, Zumpt Comm. epigr. I 364. Momm- 
sen CIL X p. 826. O. Cuntz Jahrb. f. Phil. 
Suppl. XVII 518. 

3) Spanien ivgl. Hubner CIL II Suppl. 
p. XCI). a) Provinz Baetica: 



527 



Coloniae 



Coloniae 



528 



82. Corduba = colonia Patricia. 708/9 = 46/5 
v. Chr., Plin. n. h. Ill 11. Mela II 88. 
Strab. HI 141f. CIL II 3272. 3278. Die 
Stadt tragt uicht den Beinamen Mia, wes- 
halb sie weder von Caesar noch von Octavian 

vor dem J. 727 = 27 deduciert sein kann. 89. 
Andererseits heisst sie bei Strab. a. a. 0. die 
alteste Colonie der Rflmer in diesen Gegenden. 
Ihre Griindung muss dalier vor 709 = 45 
v. Chr. fallen, in welchem Jahr die caesa- 10 90. 
risehen Colonien der Baetica deduciert wurden, 
andererseits nach 706 = 48, da noch in diesem 
Jahre von einem conrentus Gordubensis die 
Kede ist (bell. Alex. c. 57—59, audi Caes. 91. 
bell. civ. II 19, 3. 21 ; vgl. Art. Con vent us). 
Wahrscheinlich ist die Stadt, weiche der Sitz 
der caesarfeindliehen Partei war, Colonie ge- 
worden durcli den jtmgeren Pompeius (708/9 
= 46/5), hernach aber von Caesar bestatigt 
worden, ebenso von Octavian, der nach den 20 
Munzen Veteranen der caesarischen legionen 92. 
V und X liier ansiedelte. Zumpt Comm. 
epigr. I 365, daruach Kubitschek De trib. 
orig. 138 (falsch); besser Htibner CIL II 
p. 306f. ; Suppl. p. 887 (ohne Entscheidung). 

83. Hispalis, col. Mia Bomula oder Romu- 
lensis 709 = 45 v. Chr., Plin. n. h. Ill 11. 
Strab. Ill 141 (verderbte Stelle). Cass. Dio 
XLIH 39, 5. Isid. orig. XV 1, 71; verstarkt 
von Otho, Tac. hist. I 78. Nach Mommsens 30 
Ansicht urspriinglicheme Doppelcolonie ; neben 
dem zur Colonie erhobenen Biirgerverband 
(convening civium- Romanorum) "noch eine 
Vetcranenoolonie, wogegen sich Htibner er- 
klart. Fiir Moinmsen spricht die doppelte 
Tribus der Stadt (Sergia und Galena) und 
CIL II 1180 (scapharii Il-ispalenses) ver- 
glichen mit CIL II 1183 {scapharii Romu- 
l(ae) consistent^), was auf eine Schiffergilde 
von Hispalis hinweist, die in der colonia IuliaiQ 
Romula eine Filiale hatte (vgl. oben S. 414). vgl, 
Zumpt Comm. epigr. I 310f. Hubner CIL 

11 p. 152f. ; Suppl. p. 841. 

84. Drso = col. Genetiva Iul-ia Urbane-rum, 710 
= 44 v. Chr. nach Caesars Tod. Plin. Ill 

12 (statt Genua- aber G-pnJeWra zn emen- 
dieren). Strab. Ill 141. CIL II Suppl. 5439 
lex Ursonensis. 5438 = 1404. 5441. Beiname 
Urbanorum, weil die Coloni aus dem stadti- 
schen Proletariat genommen waren (Suet. Caes. 50 
42). Dalier gehorte Urso audi zu denjenigen 
caesarischen Colonien, wo zuerst Freigelassene 

in den ordo decurionum und zu den Ehren- 
stellen gelangten. Zumpt a. a. O. 365f. 
Hubner CIL II p. 191; Suppl. p. 851. 93. 

85. Ucubi = colonia Claritas Julia, Plin. Ill 12. 
CIL II 1553. 1559. 1572. 656. Zumpt a. 
a. 0. 311. Hubner CIL II p. 210: Suppl. 
p. 871. 

86. Itueci = colonia Virtus Mia, Plin. Ill 12.60 
Munzen bei Eckhel I 24. Zumpt 311. CIL 

n p. 213. 703f. 871. 

87. ?Hasta Regia, Plin. m 11. Mela III 4. 
Zumpt 365f. Kubitschek De trib. orig. 140 
(falsch). CIL II p. 175. 699; Suppl. p. 843. 94. 

b) Provinz Tarraconensis: 

88. Tarraco = colonia Mia Victrix Triwmplwlis 
Tarraeo. 709 = 45 v. Chr., Cass. Dio XLIII 



39 (ohne Veteranendeduction). Plin. n. h. ni 
21. CIL II 4274. 4071. 4536ff. Die Colonie- 
namen abgekilrzt = G. I. V. T. T. Zumpt 
312f. Hubner Herm. I 97ff.; Rom. Herr- 
sehafl in Westeuropa 186ff.; CIL II p. 538f. 
Carthago nova = colonia Mia Victrix Nova- 
Carthago, 709 = 45 v. Chr. , Plin. n. h. HI 
19. Eckhel I 41. Zumpt 311f. Hubner 
CIL II p. 500f. 

Celsa = col. Mia, Victrix Celsa, 709 = 45 
v. Chr., Plin. Ill 24. Strab. Ill 161. Eckhel 
144. Zumpt 313. Hubner CIL II p. 409; 
Suppl. p. 940. 

Acci Gemella = col. Mia Gemella Aeei oder 
Acckana, Plin. n. h. Ill 25. Eckhel 134. 
CIL II 3391. 3393. 3394. Der Beiname Ge- 
mella deutet auf die Ansiedlung zweier Le- 
gionen; dalier vielleicht gegriindet durcli Oc- 
tavian in der Triumviralzeit, Zumpt 313. 
CIL II p. 458 

Valentia (s. das Verzeichn. d. lat. Col. nr. 38), 
Plin. IH 20. CIL I 601 fiir Afranius, den Con- 
sul vom J. 694 = 60 v. Chr. ist o. S. 516 auf 
die altere latimsche Colonie bezogen worden. 
Anders Kubitschek De trib. orig. 181. Es 
ist nicht unmoglieh, dass audi schon die rOmi- 
sche Colonie Valentia gemeint ist, und dass 
also diese Colonie in ihrer ersten Entstehung 
wie Corduba vorcaesarisch ist, worauf audi 
das Fehlen des Beinamens Mia hinweist. 
Es mOssen auf alle Falle zu irgend welcher 
Zeit vor Augustus Ende zu einer alteren Ge- 
nieinde Veteranen hinzugekommen sein, wel- 
che mit der alten Einwohnerschaft eineDoppel- 
gemeinde (Valentini veterani et veteres. CIL 
3733—3737. 3739. 3741) mit zwei Stadtraten 
(titerqtie ordo Valentinorum 3745) von l'omi- 
scher Colonialqualitat bildeten. Zumpt 312. 
Hubner CIL II p. 500f. 
4) G a Hi en. a) Narbonensis: 
, nr. 31. Narbo Martius = colonia Mia Pa- 
terna N. M. Herbst 709 = 45 v. Chr., Plin. 
n. h. Ill 32 (Decumanorum colonia). Mela II 
57 (Atacinorum Decimanorumqm col.). Der 
voile Titel niehrfaeh auf den Inschriften, z. B. 
CIL XII 4333. dazu spater noch der Name 
Claudia, z. B. 4390. 4391. 4897. 4398. 4402 
4406. 4414. Henzen 5232. Die Bewohner: 
Decumani Narbonemes 4344 — 4346. 4349. 
Doppelcolonie? vgl. Mela a. a. O. Zumpt 313ff 
O. Hirschfeld CIL XII p. 5211; Westd 
Ztsehr. VIII (1889) 130ff. (beide haben als 
Griindungsjahr 708 =46), dagegen J. Kro- 
mayer Herm. XXXI (1896) 1—19. 
Arelate (Teretina) = colonia hdia Paterna 
Arehte oder Arelatemium Sextanorum. 709 
= 45 v. Chr., Suet. Tib. 4. Plin. n. h. IH 
36. Mela II 75. Ptolem. II 10, 15. CIL XII 
689. 694. 700. 702 u. s. w. Die Bewohner 
Sextani Arelatenses, CIL VI 1006. Eine Co- 
lonie mit sehr grossem Territorium. die Erbin 
Massilias. Zumpt 31 5f. O. Hirschfeld 
CLL XII p. 83f. ; Westd. Ztsehr. VIII (1889) 
128f. Kromayer a. a. O. 
Baeterrae = colonia Vfictrix?) hdia Septi- 
manontm B., gegriindet zvischen 718 = 36 
mid 727 = 27 v. Chr., wahrscheinlich 718 = 
36 v. Chr. Plin. n. h. Ill 36. Mela II 75 



529 



Coloniae 



Coloniae 



530 



und 80. CIL XII 4227. 4230. 4255. 985. 
Brambach CIRh 1057, vgl. 1153. Zumpt 
316. CIL XII p. 511. Kromayer a. a. O. 

95. Arausio = col. Firma Mia Secundanorwm 
Arausio, gegriindet zwischen 719 = 35 und 
721 = 33 v. Chr., Plin. n. h. Ill 36. CIL 
XII 1242. Herzog Gallia Narb. nr. 183. 
Zumpt 316. O. Hirschfeld CIL XII p. 152. 
Kromayer a. a. 0. 

96. Forum Iulii (Aniensis) = colonia Octavano- 10 
rum Pacensis (oder Pacata) Classiea Forum 
Iulii. gegriindet 724 = 30 v. Chr., Plin. HI 
35. Mela II 77. Tac. ann. II 63; hist. II 
14. HI 43; Agric, 4. Herzog nr. 183. 
CIL Xn 3203. Zumpt 315. 0. Hirschfeld 
CIL XII p. 38f. Kromayer a. a. 0. 

b) Tres Galliae: 

97. Lugudunum = colonia Copia Claudia Au- 
gusta Lugudunum — C. C. C. Aug. Lug., ge- 
griindet 711 = 43 v. Chr., nicht lange vor 20 
der Schlacht von Mutina, von L. Munatius 
Plancus und M. Aemilius Lepidus (Cass. Dio 
XL VI 50. CIL X 6087. Senec. ep. 91, 14), 
von Kaiser Claudius verstarkt, Plin. n. h. IV 
107. Paul. Dig. L 15, 8. CIL XII 1782. 
1898. 3203. XIII 1752—1754. 1916. 1920. 
1924. 1925. 1927. 1935. 1943. 1945. 1952. 
1957. 1958. 1966. 1967. 1973. 1974. Die 
Colonie hatte ein sehr kleines Territorium, 
besass aber in der Narbonensis Land im Ge- 30 



biet der Valentini, vielleicht attribuiert von 
Claudius: Zumpt 325. 371. Boissieu Inscr. 
d. Lyon p. 126ff. 0. Hirschfeld Lyon in 
derRomerzeit, Wien 1878; CIL XIII p. 248ff. 
E. Jullien Le fondateur de Lyon. Histoire 
de L. Munatius Plancus, Paris 1892, 93ff. 

98. Col. Raurica, spater Augusta Eauracorum, 
von denselben gegrundet im J. 711 = 43 
v. Chr. (CIL X 6087), Plin. IV 106. Ptolem. 
II 9, 18. Zumpt 371. Marquardt St.-V.40 
I a 267, 5. 

99. Noviodunum = colonia Mia Equestris, wohl 
audi in der Triumviralzeit gegrundet, Plin. 
IV 106. CIL XII 2606. 2614. Ill Suppl. 
11895. Falsch ist die Bemerkung von Momm- 
sen Iiom. Gesch. V3 79, 1: ,Da die Gcmcinde 
spater als civitas Equestrium auftritt (Inscr. 
Helv. 115), so scheint sie unter die Gaue ein- 
gereiht zu sein, was von Lugudunum nicht 
gilt'. Civitas bezeich.net vom Ende des 2. Jhdts. 50 
an auch jede Stadtgemeinde. Zumpt 371. 
Marquardt St. -V.I 2 267, 4. 

5) Pannonien: 

100. Emona (Claudia) = col. hdia Emona. gegriin- 
det 720 = 34 v. Chr., Plin. Ill 147. Orelli 
71. CIL III 3890. Mommsen CIL III 
p. 489. Cuntz Jahrb. Suppl. XVII 517. 

* [Siscia] halt Cuntz auch fiir eine octavia- 
nische Colonic aus demselben Jahr wegen 
der Erwahnung bei Plin. a. a. 0. Es ist aber 60 
anzunehmen, dass Plinius bier einen Nach- 
trag zur agrippisch-augustischen Statistik aus 
seiner Zeit gemacht hat. da die Colonie 
Siscia auf Inschriften nur den Beinamen 
Flavia tragt; s. u. nr. 219. 
6) Dalmatian : 

101. Salonae = col. Marti-a hdia Salonae, ge- 
grundet 721 = 33 v. Chr. ? Plin. n. h. Ill 



141. Ptolem. n 16, 4. CIL III 1933, mit 
vollem Namen, haufiger nur col. Salonitana 
oder Salonmsis, CIL III 10156. Im J. 720 
= 34 von Augustus im dalmatinischen Krieg 
niedergebrannt (Strab. VII 315) ; nacb Be- 
endigung desselben wurde wohl die Colonie 
deduciert. Als oberste Magistrate begegnen 
IVviri und Ilviri; es ist anzunehmen, dass 
im 1. Jhdt. IVviri und im zweiten Ilviri 
an der Spitze standen. MOglich ist aber 
auch, dass die beiden Beamtenkategorien 
nebeneinander existierten, da ein Zusammen- 
schweissen zweier Gemeinden (Salonae und 
Issa) stattgefunden hat. Zumpt 372f. 
Mommsen CIL IH p. 304. 

102. Iader, gegrundet wohl in demselben Jahr, 
Plin. n. h. ni 140. Ptolem. II 16, 3. CIL 
HI 2907, wo Octavian als parens coloniae 
bezeichnet wird, der der Stadt murum et 
turres dedit. Zumpt 372. CIL IH p. 374. 

103. Narona, gegrundet wohl auch gleichzeitig 
mit Salonae (CIL III 1769), Plin. n. h. HI 
142. Ptolem. H 10, 12; vgl. Vni 7, 7; 
hier Veteranen der Legio VII g. p. f. (CIL 
III 1813. 1814. 1818). Geleitet wurde die 
Colonie von IVviri. Zumpt 374. CIL ni 
p. 291. 

104. Epidaurus, nur erwahnt bei Plin. n. h. Ill 
143. 

7) Makedonien: 



105. Philippi = col. Mia Philippensis , 712 = 
42 v. Chr., Plin. n. h. IV 42. Acta Apostol. 
16, 12. Paul. Dig. L 15, 8, 8. CIL in 386. 
Eckhel II 76, nach der Schlacht bei Phi- 
lippi, Strab. VII 331 frg. 42, verstarkt durch 
coloni und zwar italische Burger nach der 
Schlacht von Actium im J. 724 = 30 v. Chr.. 
Cass. Dio LI 4. Hieriiber, sowie fiber die 
iibrigen coloniae Miae Augustae in Make- 
donien wird weiter unten nr. 241 ff. gehandelt. 

8) Achaia mit Epirus: 

106. Corinthus = colonia Laus Mia Corinthus, 
gegrundet 710/11 = 44/3 v. Chr., Plin. n. h. 

IV 11. Mela II 48. Fest, ep. p. 60. CIL 
III 538. Eckhel II 241ff. Mionnet II 167. 
Ubcr die Grimdungszeit Cass. Dio XLIII 
50. Diodor XXXHI 1. Strab. VIH 381. 
vgl. XVn 833. Paus. II 1, 2. 2, 2. 3, 1. 

V 1, 2. Appian. Pun. 136. Plut. Caes. 57. 
Hierher wurden meist Libertini deduciert. 
Strab. Mil 381. Den Beinamen Flavia bc- 
kam die Stadt wahrscheinlich unter Domi- 
tian. Zumpt 374. F. Hertzberg Gesch. 
Griedienlands unter d. Herrschaft d. EOmer 
I 461. CIL ni p. 99. 

107. Dyme, gegrundet zwischen 710= 44 und 
727 = 27 v. Chr., Imhoof-Blumer Monn. 
grecques 165 nr. 42. Irrig Paus. VH 17. 
3; noch nach dem Tode des Augustus sind 
Colonialmiinzen der Stadt geschlagen worden. 
Plin. n. h. IV 13. Mommsen Rflm. Gesch. 
V3 238, 3. 0. Cuntz Jahrb. Suppl. XVII 
514, 3. 

108. Buthrotum, Plin. n. h. IV 7 4. Strab. MI 
324. Auf Munzen col Mia (Imhoof- 
Blumer Mon. grecq. 138 nr. 28), aber auch 
col. Augusta. Caesar hat hier zuerst eine 
Colonie gegriindet (Cic. ad Att. XVI 16ff.), 



531 



Coloniae 



Coloniae 



532 



Augustus aber hat sie nach der Schlaeht 
von Actium vollendet. Zumpt 318. 376. 
Hertzberg a. a. 0. I 498. Mommsen 
Rom. Gesch. V3 270; CIL HI p. 118. 0. 
Cuntz Jahrb. Suppl. XVII 513, 6. 

109. Actium, Plin. n. h. IV 5 colonia Augusti 
Actium cum civitate libera Nicopolitana. 
Tac. ami. V 10 spricht falschlich von der 
colonia Nicopolitana ; offenbai erne Doppel- 
gemeinde, CIL IH 7334. Mit Unrecht be- 10 
zweifeln Bursian (Geogr. von Grieehenl. 
I 32. 114ff.) und Mommsen (Rom. Gesch. 
V3 271, 1) die Existenz einer Stadt Actium. 
Das Richtige bei 0. Cuntz a. a. 0. 513; 

. vgl. auch Zumpt 376. 

9) Asia: 

110. Parium = colonia lulia Pariana, Plin. n. h. 
V 141 und IV 48. Paul. Dig. L 15, 8. CIL 
III 386. 727. Le Bas-Waddington 1731. 
Eckhel H 461. Neugriindung durch Ha- 20 
drian, CIL III 374, seitdem auf den Munzen 
auch mit dem Bcinamen Hadriana. Zumpt 
378. 

10) Bithynia und Pontus: 

111. Sinope = colonia lulia {Caesarea) Felix 
Sinope, gegriindet 709 = 45 v. Chr, Aera 
der Stadt von diesem Jahr (Head HN 435), 
Plin. n. h. VI 6. Strab. XII 546; die neue 
Colonie wurde neben der alten Griechenstadt 
errichtet. CIL in 6978 (= 239). CIG 4164. 30 
Miinzen Eckhel II 391. Head a. a. 0. 
e(ol.J I(ul.) F(elix) Sinope. Mionnet II 
403 nr. lOOff. ; auf Miinzen des 2. Jhdts. 
zur Zeit des L. Aelius mid der jiingeren 
Faustina audi col. ltd. Augusta Felix S., 
nicht mehr auf den Inschriften und Miinzen 
fur Marc Aurel ; vgl. CIL III 6978; falsch 
0. Cuntz De Augusto 21, s. Zumpt 316f. 
CIL III Suppl. p. 1259. 

112. Heraclea Pontica, 709 = 45? Strab. XII 40 
543, ebenfalls cine Doppelgemeinde , indem 
die Griechenstadt (seit Antonius unter der 
Jurisdiction ernes einheimischen Fiirsten) 
neben der caesarischen Veteranencolonie be- 
stehen blieb. Die Colonie ist aber schon 
vor der Schlacht liei Actium wieder ver- 
nichtet und von Augustus nicht wicderher- 
gestellt worden. Zumpt 317. 

113. Apamea = colonia lulia Concordia (Au- 
gusta) Apamea, Plin. n. h. V 149. Plin 50 
ep. X 56. Ulp. Dig. L 15, 1. Strab. XDZ 
563. CIL m 335 ; Suppl. 6992. Miinzen, 
auf denen rnir steht cfol.J Iful.) Cfoncordia) 
A(pamea). bei Mionnet II 412 nr. 22ff. 
Eckhel II 406, ausserdem solche unter Hin- 
zufiigung von Augusta aus severischer Zeit 
Mionnet II 413 nr. 28; falsch Cuntz De 
Augusto 21. Apamea ist eine Colonie Cae- 
sars, nicht des Augustus. Zumpt 378 (falsch), 
das Richtige befMarquardt St.-V. 12 357 60 
m. A. 5. 

11) Galatien: 

114. Antiochia = colonia Antioehia Caesarea. 
Plin. u. h. V 94. Strab. XII 577. Paul. 
Dig. L 15. 8. Eckhel III 18. Mionnet 
III 491 (nach den Munzen waren hierher de- 
duciert Veteranen der leg. VOallica Alauda). 
CIG 2811b (=Le Bas-Waddington 1620a). 



6810 = 289. 6811. 6817. 6834. 6835. 7283 
= 6102. Caesarea ist auf alle Falle die 
alteste der pisidischen Colonien; sie allein 
wird bei Plinius, d. h. in der agrippischen 
Statistik, genannt. Der Beiname Caesarea 
deutet auf eine Deduction vor dem J. 727 
= 27 v. Chr. ; alle tibrigen pisidischen Co- 
lonien haben den Titel lulia Augusta. Zumpt 
379. Marquardt St.-V. 12 365, 1 und 2. 
Das Richtige bei Cuntz Jahrb. Suppl. XVII 
490 m. A. 1. 
12) Syrien: 

115. Berytus (Fabia), urspriinglich = colonia Felix 
lulia, so bei Plin. n. h. V 78. Die Colo- 
nisation des Augustus vom J. 740 = 14 
v. Chr. (dariiber s. u. nach nr. 270) ist also 
nicht die alteste. Die Plinius zu Grunde 
liegende agrippische Statistik ist fur Syrien 
schon zwischen 31 und 20 v. Chr. angefertigt 
worden. 0. Cuntz a. a. 0. 481, 11. 

ls ) Agypten: 

116. ? Pharos, colonia Caesaris diotatoris nach 
Plin. n. h. V 128, eine Nachricht, die ganz 
vereinzelt dasteht. Augustus hat die Vete- 
ranenansiedlung, wenn iiberhaupt eine solche 
bestanden hat, nicht als Colonie anerkannt. 
Zumpt 316. Beloch BevClkerung d. griech.- 
r(im. Welt 334. Mommsen Rom. Gesch. 
VS 563, 1. Cuntz a. a. 0. 521, 5. 

14) Africa: 

117. Carthago = eolonia lulia Carthago oder 
Karthago- (nicht Beiname Veneria), gegriindet 
709 = 45 (s. u. S. 534f.). Cber die ephe- 
mere Colonie Iunonia des C. Gracchus s. o. 
nach nr. 29. Die Colonie war wohl als solche 
wieder aufgehoben worden, aber die den co- 
loni bestimmten Acker wurden doch viritim 
assigniertund damit ca. 6000 rOmische Burger 
in Africa angesiedelt. Plin. n. h. V 24. 
Mela I 34. Inschriften CIL VIH zahlreich. 
Miinzen : Eckhel IV 139ff. Uber die Gran- 
dung der caesarischen Colonie: Strab. XVII 
833. Plut. Caes. 57. Paus. II 1, 2. Dio 
XLIII 50. App. Pun. 136. Neue Colonen 
(3000) wurden hierhergefiihrt 725 = 29 v. Chr. 
clinch Augustus, App. a. a. 0. Dio LII 43. 
Als Beamte waren in dieser Colonie zunachst 
Sufeten, L. Miiller Nuniism. de l'ancicnne 
Afrique II 149 nr. 319. 320; nach 725 aber 
hatte Karthago die Form der iibrigen Co- 
lonien des Reiches (Tlviri n. s. w.). Zumpt 
380. Wilmanns CIL VIII p. 133. 

118. Cirta (Quirina) = colonia lulia Iuvenalis 
Honoris et Virtutis Cirta, Plin. n. h. V 22. 
Mela I 30. Ptolem. IV 3. 28. tiber die 
Griindung App. b. c. IV 54 : eine Colonie, in 
der die Scharen des P. Sittius Nueerinus an- 
gesiedelt wurden, dalier bei Plinius eogno- 
mine Sittianorum, mit einem sehr grossen 
Tei-ritorium, welches mch pagi (einheimischen 
Gaugemeinden) gegliedert war, Tac. ami. HI 
74. Grosse Territorien sind iiberhaupt cine 
Eigentumlichkeit der caesarischen Colonien ; 
vgl. Arelate (nr. 93 und dazu Kromayer 
Herm. XXXI 12. 7i. Im tibrigen vgl. fiber 
Cirta unten nr. 3-lOff. Zumpt 380. Momm- 
sen Herm. I 47—08. CIL VIII p. 618f.; 
Suppl. p. 1847ff. 



533 



Coloniae 



Coloniae 



534 






Coloniae luliae des Augustus (vgl. nr. 120) 
wohl vom J. 29 (vgl. nr. 117), sind: 

119. Thuburbo maius = colonia lulia (Aurelia 
Commoda) Thuburbo maius, Plin. n. h. V 
29. CIL VIE 848. 12366; vgl. ebd. p. 106; 
Suppl. p. 1272. 

120. Veneria Sicca (Quirina) = colonia lulia Ve- 
neria Cirta nova Sicca, Plin. n. h. V 22. 
Ptolem. IV 3, 30. CIL VIH 1632. 1648. 
15868. 16258. 16367. Gauckler Bull. An- 
tiqu. de France 1898, 114: Divo Augusto 
eonditori, Siccenses. Zumpt 380. CIL V ID 
p. 197; Suppl. p. 1523. 

121. Maiula, Plin. n. h. V 24. CIL VIII Suppl. 
12253. CIL VIII p. 131f.; Suppl. p. 1284. 

122. Uthina, Plin. V 29. CIL VIII Suppl. 
12400. CIL VHI p. 112; Suppl. p. 1275. 

Dazu kommen noch 5 coloniae luliae auf In- 
sclmften, deren Colonialqualitat aber mit den An- 
gaben des Plinius, d. h. der agrippischen Reichs- 
statistik, welche fur Africa abgefasst ist nach 
729 = 25 v. Chr. und vor dem J. 742 = 13 
v. Chr. (Cuntz De Augusto 45f. ; Jahrb. Suppl. 
XVII 524f.) in Widerspruch steht. 
123 ? Assures bei Plin. n. h. V 29, d. h. bei 
Agrippa, municipium civ. Rom , dagegen 
CIL VIII 1798 aus severischer Zeit colonia 
lulia. Hier ist vielleicht die Erklarung zu- 
lassig, dass Caesar oder Octavian die Stadt 
nur zum municipium Mium machte und 
dass, als spater die Stadt Colonie wurde, 
sie die Erinnerung daran festhielt, indem 
sie den Beinamen lulia auch in ihrem Co- 
lonietitel fiihrte. Dasselbe ist der Fall bei 
Uselis in Sardinien (nr. 171) und etwas 
Ahnliches kehrt wieder bei Uchi maius (s. 
nr. 324), wo der Beiname Mariana eine Er- 
innerung ist an die viritane Assignation des 
C. Marius an dieser Stelle (Aurel. Vict, de 
vir. ill. c. 73). So Cuntz De Augusto 43. 
Oder aber es ist dieselbe Erklarung anzu- 
nehmen, wie bei den folgenden Stadten : 

124. ? Hippo Diarrhytus. Bei Plin. n. h. V 23 
Peregrinenstadt. Auf Miinzen des Augustus 
und Tiberius, dann auch des Clodius Albinus 
civitas libera (H e a d HN 742), colonia bei 
Plin. epist, IX 33, 2. 5, colonia Mia CIL 
VIII 1206 = Suppl. 14333; vgl. ebd. p. 152 ; 
Suppl. p. 1391. 0. Cuntz De Augusto 44. 

125. ?Curubis, bei Plin. n. h. V 24 civitas libera. 
CIL VIII Suppl. nr. 12452 (aus dem J. 155 
n. Chr.) und 980 (aus dem 3. Jhdt.) colo- 
nia lulia. CIL VTII p. 127; Suppl. p. 1282. 
Cuntz a. a. 0. 45. 

12C. ? Neapolis. Bei Plin. a. a. 0. civitas libera. 
Bei Ptolem. IV 3, 8 Colonie, CIL VTJI 968 
(aus dem J. 282/3 n. Chr.) colonia lulia. 
CIL Vm p. 125; Suppl. p. 1282. Cuntz 
a. a. 0. 45. 

127. ?Carpis (Karpis). Bei Plin. n. h. V 24 civitas 
ohiie nahere Angabe. CIL VIII 1206 = 
Suppl. 14333 colonia Mia. CIL VIII p. 130. 
Cuntz a. a. 0. 45. 
* Dazu vielleicht noch [Clupea]. Bei Plin. a. a. 
0. civ. libera, CIL X 6104 (aus den Jahren 
712/4 = 42/0 v. Chr.) ein IT vir Clupiae bis. 
Diese Stadte befinden sich offenbar in der 

gleichen Lage. Zunachst ist es klar, dass ihnen. 



wenngleich sie bei Plinius nur im Periplus ge- 
nannt werden, in der agrippischen Statistik die 
Qualitat von Colonien nicht zuerkannt worden ist, 
Hippo Diarrhytus und Carpis vielmehr die Quali- 
tat von Peregrinenstadten, Curubis und Neapolis 
(Clupea) von civitates liberae; doch hat nach den 
Munzen auch Hippo Diarrhytus noch unter Augu- 
stus die Rangstellung von Curubis, Neapolis und 
Clupea erlangt, vielleicht auch Carpis. Colonie 

10 wird am frtihesten Hippo genannt (von Plinius 
dem Jiingeren), dann Neapolis (von Ptolem.) und 
Curubis (155 n. Chr.) , die iibrigen erst im 
3. Jhdt. n. Chr., aber alle coloniae luliae. 
Den Schliissel zur LOsung des Problems bieten 
einige Inschriften von Curubis: CIL VIDI add. 
10525 aus fruhcaesarischer Zeit. CIL VIH 979, 
besser Comptes rendus 1895, 31 (Cagnat Rev. 
Arch. XXVII 1895, 137 nr. 69) und bei Momm- 
sen Herm. XXX (1895) 456ff., aus der Zeit 706/8 

20 = 48/6 v. Chr., CIL VHT 977 aus dem J. 709 
= 45 v. Chr., 978 aus dem J. 734 = 20 v. Chr. 
Die erste ist eine Patron atstafel fur einen C. 
Pomponius, wonach die Stadt noch unter Sufeten 
mit puniscnen Namen stand, ausserdem die Rede 
ist von sinatus (sic) populusque Curubitanus, also 
aus der Zeit vor dem caesarischen Biirgerkrieg- 
Nach der zweiten wurde Curubis von den Pom- 
peianern durch einen praefectus mit einer Mauer, 
Tiirmen und einem Graben umgeben , nach der 

30dritten ist dann unter Caesar 709 = 45 durch 
einen Freigelassenen mit griechischem Beinamen, 
der sich nennt duovir V, die Mauer der Stadt 
(oppidi) ex saxo quadrato gebaut worden, nach 
der letzten endlich ftihren ein Ilvir quinquen- 
nalis und zwei Aedilen, wieder Freigelassene, mit 
griechischen Beinamen, mehrere offentliche Ar- 
beiten aus. Dass Freigelassene an der Spitze 
der Gemeinde stehen, deutet auf eine caesarische 
Colonie; denn solches kommt nur in der Coloma 

40Genetiva vor (vgl. oben nr. 84); ein weiteres 
Beispiel zeigt die Inschrift CIL X 6104, nach 
der M. C aelius M. 1. Phileros Ilvir Clupiae bis 
war (s. o.). Zugleich ergiebt diese Inschrift zu- 
sammen mit CIL VIII 977. 978, dass offenbar 
nur ein duovir an der Spitze dieser Gemeinden 
stand. Dieser einzelne Zweimann . im Grunde 
gerade so unsinnig wie ein consul sine eollega, 
war offenbar der Nachfolger des erwahnten prae- 
fectus. Die Gemeinde aber war unter dem duo- 

50 vir rechtlich ein oppidum oder ein castellum, 
d. h. eine befestigte Ortschaft ohne Selbstver- 
waltung. Solcher castella scheint es in Africa 
in der unmittelbaren Folgezeit viele gegeben 
zu haben; die erwahnte Inschrift CIL X 6104 
spricht von 83 solcher castella, fiber die der 
genannte Freigelassene Phileros, ein aecensus T. 
Sexti imperatoris in Africa und zugleich Car- 
thagine aedilis, gesetzt war als praefectus iure 
dictindo vectigalibus quinquennalibus lomndis, 

60 d. h. als hochster richterlicher und censorischer 
Beamter. Daraus folgt: nach der Deduction der 
Colonie Karthago , wahrscheinlich 709 = 45 (da 
in diesem Jahr Curubis schon einen Ilvir an der 
Spitze hat), ist die Vcrwaltung dieser castella 
in weitem Umfang an diejenige von Karthago an- 
geschlossen worden. Mit andern Worten: nicht 
nur die Colonie Cirta in Numidien, sondern auch 
Karthago im eigentlichen Africa ist von Caesar 



535 



Coloniae 



Coloniae 



536 



mit einem gewaltigen Territorium und einer ganzen worden sei, um spater wieder Colonie zu 

Anzahl einheimischer Gemeinden als Dependenzen werden. Mommsen OIL V p. 83. 1185; 

ausgestattet worden. Von Tunes, Neapolis, Clupea Herm. XVIII 195f. 

sagt Strabon (XVII 834) deutlich , dass sie mit vgl. nr. 56. Ariminuni = colonia Augusta Arimi- 

Karthago vereinigt wurden (ovyxaTeonda&tjoav de num, CILXI 408. Plin.n.h. Ill 115. Momm- 

Tjj Kagxtjdoviq vita 'Pauaiwv at xoleis avtai). sen Herm. XVIII 170. Bormann CIL XI 

Bei diesen Dependenzen aber ist Caesar zum Teil p. 76. 

soweit gegangen , ihnen an Stelle von castellum 129. *?Asculum Picenum, Plin. n. h. Ill 112. Fron- 

den Titel einer colonia zu verleihen und ihnen tin. de contr. p. 18, 11. Zahlreiche Inschrif- 

statt eines praefectus die Leitung durch einen 10 ten, aber keine mit Beinamen; daher nicht 

duovir und zwei Aedilen zuzugestehen. Diese sicher, ob nieht schon aus der Triumviral- 

Uviri scheinen aber von Karthago aus bestellt zeit. Mommsen Herm. XVIII 193; CIL 

worden zu sein. Phileros, der aedilis von Ear- IX p. 494. 

thago , ist nicht nur praefectus der 83 castella, vgl. nr. 57 liber Ateste , welches vielleicht erst 

sondern auch zweimal llmr von Clupea: nur so nach der Schlacht bei Aetium iiberhaupt ge- 

erklart sich auch der Uvir V auf der Inschrift grtindet worden ist. 

CIL VIII 977 von Curubis schon im J. 709 = 45, 130. Augusta Praetoria (Sergia) , gegrundet 729 

welches hOchstens das erste Jahr des Bestehens = 25 v. Chr. Deduction von 3000 praeto- 

der .Colonie' war : er braucht nicht zum fiinften- Hani hierher, Strab. IV 205. Dio Cass. LIII 

mal duovir in Curubis zu sein, sondern war es 20 25. Plin. n. h. Ill 123. Ptolem. Ill 1,34. 

vorher auch schon in andern von Karthago ab- Zugleich wurden aueh Eingeborene in die 

hangigen ,Colonien'. In dieser colonialen Samtge- Colonie aufgenommen, Not. degli scavi 1894, 

meinde haben wir vielleicht das Vorbild der spate- 369 = Cagn at Bev. Arch. XXVI (1895) 276 

ren Gestaltung von Cirta (s. nr. 340ff.). Die Samt- nr. 22 vom J. 731/2 = 23/2 v. Chr., gesetzt 

gemeinde Earthago ist dann aufgelOst worden von von Salassi, qui initio se in eolon(iam) con- 

Augustus, vielleicht bei der neuen Deduction von [tfuleruntj], Mommsen Herm. XVIII 172; 

Veteranen nach Karthago 725 = 29, und bei dieser CIL V p. 757. 

Gelegenheit sind die abhangigen iulischen Titular- 131. Augusta Taurinorum (Stellatina), gegrundet 

colonien teilweise als selbstandige Peregrinenge- etwas vor 727 = 27 v. Chr. (Iulia Augusta) 

meinden (Hippo Diarrhvtus, Curubis, Carpis, Nea- 30 = col. Mia Augusta Tauritwrum, CIL V 

polis) teilweise als Burgermunicipium (Assuras) 7002. 7003. 7007. Orelli 2179. Plin. n. h. 

und auch als wirkliche Biirgercolonien (Thuburbo III 123. Tae.hist. II 66. Mommsen Herm. 

mains, Sicca Veneria, Maxula, Uthina) consti- XVIII 181. 185; CIL V p. 779. 

tuiert worden. Alle die Gemeinden, welche nicht vgl. nr. 58. Beneventum = colonia Mia Con- 

gleich c. civium Romanorum wurden, haben dann cordia Augusta Felix, CIL IX 2165. Plin. 

aber im Laufe des ersten nachchristlichen Jahr- n. h. Ill 105. Mommsen Herm. XVIII 

hundcrts wieder die Qualitat von c. Mia-e, offen- 181. 185; CIL IX p. 136. 

bar nur titular , erhalten oder diesen Titel in- 132. Bononia (Verz. der lat. Col. nr. 35) , Plin. 

offlciell weitergefilhrt. n. h. Ill 119. Vielleicht schon eine Colonie 

c) Die Veteranencolonien der besseren40 der Triumvirn hierher, Cass. Dio L 6. Die 

und die Titularcolonien der spateren augustische Colonie wird bewiesen durch 

Kaiserzeit von der Schlacht von Aetium bezw. CIL XI 720 und Plin. n. h. XXXIII 83. 

vom J. 727 = 27 v. Chr. ab, zuniichst diejenigen Mommsen Herm. XVIII 172f. Bormann 

Italiens, dann die des ilbrigen Eeiches, geordnet CIL XI p. 133. 

nach Provinzen: 133. ?Brixellum (Arnensis), Plin. Ill 115. Wahr- 

1) Italien: a) Colonien des Augustus: scheinlich nach 727 = 27 v. Chr.. aber nicht 

vgl. nr. 35. ?Abellinum= colonia Veneria Livia^] sicher, Mommsen Herm. XVIII 194. Bor- 

Augusta Alexattdriana Abellinalium, CIL mann CIL XI p. 183. 

X 1117. Aus dem Beinamen Augusta kann 134. Brixia (Fabia), Plin. Ill 130 ; colonia civica 

man auf eine nochmalige Deduction durch 50 Augusta B. auf den Inschriften; vgl. z. B. 

Augustus schliessen; viel wahrscheinlicher CLL V 4212, Mommsen CIL V p. 439; 

aber ist, da die Stadt bei Plinius nicht co- Herm. XVIH 185. 

Ionia genannt wird, dass Augusta zu Alexan- vgl. nr. 51 und nach nr. 60. Capua. Die Co- 

driana gehort und sich auf Alexander Seve- lonie hat den Beinamen Augusta auf der In- 

rus bezieht, Mommsen Herm. XVIH 185. schrift CIL X 3832; vgl. 3867; dann bei 

Cuntz De Augusto 23. Plin. n. h. HI 63. 

128. ?Aquileia (Verz. d. lat. Col. nr. 36), Plin. 135. ?Palerio in Picenum, nicht bei Plinius, der 

n. h. HI 126. Auf Inschriften der besseren offenbar Palerii in Etrurien damit verwechselt 

Kaiserzeit (CIL V 903. 968) municipium. und als Colonie bezeichnet hat (n. h. Ill 51). 

Mommsen Herm. XVIII 195 verwirft die 60 Von Mommsen (Herm. XVIH 173; CEL 

Angabe des Plinius. Wer das nicht thut, IX p. 517) als augustische Colonie in An- 

muss entweder mit O. Sirschf eld die be- spruch genommen wegen CIL IX 5420. 

sagten Inschriften unter Augustus und die Anders O. Cuntz De Augusto 23f. 

Colonieerhebung etwa in die Zeit des grossen vgl. nr. 40. ?Florentia. 

pannonischenAufstandessetzen(S.-Ber.Akad. vgl. nr. 42. ?Hadria. 

Wien CLTI 1883, 322) oder mit O. Cuntz vgl. nr. 4. Minturnae (Teretina), Plin. n. h. Ill 

(De Augusto 24) annehmen. dass die Stadt 59. Hyg. de limit, const, p. 177 Lachm.; 

nach Augustus nochmals Municipium ge- vgl. Siculus Flaccus de condic. agr. p. 160, 



537 



Coloniae 



Coloniae 



538 






25. Mommsen Herm. XVIII 173; CIL X vgl. nr. 136. Nuceria, neue Colonie in demselben 

p 595 Jahre, Tac. ann. Xni 31; vgl. XIV 17, 

vgl. nr. 22.'?Mutina, Plin. n. h. Ill 115, viel- vgl. nr. 2. Antium. Neue Deduction hierher im 

leicht auch schon aus der Triumviralzeit. J. 61 n. Chr., Tac ann XIV 27. Suet. 

vgl. nr. 44. Nola, Plin. n. h. HI 63. CIL X 1244 Nero 9. CIL X 6672. Mommsen CIL X 

colonia Felix Augusta Nola. Mommsen p. 660. .,„„„,.,.. A iv 

Herm. XVTH 185; CIL X p. 142. vgl. nr. 14 und nach 137. Puteoh in demselben 

136. ?Nuceria Constantia. Nicht bei Plinius, da- Jahr, Tac. ann. a. a. O. vetus oppidum Fu- 
her wohl aus den letzten Jahren des Augu- teoliius colomae et cognomentum a Aerone 
stus, Lib. colon, p. 235, 20 colonia deducta 10 apiscuntur, d. h. das neben der alten romi- 
iussu imp. Augusti. CIL X 1090. Seneca schen Colonie vom J. 194 v. Chr. bestehende 
quaest nat. VI 1, 2. Ptolem. HI 1, 69. Tac. municipium, so dass jetzt eine coloraale Ge- 
ann XIII 31. XIV 17. Mommsen CIL X meinde an Stelle der seitherigen Doppelge- 
p 124- Herm XVIH 171 179 meinde trat = colonia Claudia Neronemis 

vgl nr. 23.' Parma, Plin. n. h. HI 115; co- Puteolana, CIL IV 2152, oder colonia Nero- 
Ionia Mia Augusta CIL XI 1059; vgl. nmsis Claudia Augusta X 5869, kurzer 
Geogr.Eav.IV.33. Mommsen Herm. XVHI IGI 830 Z. 40, nach der damnatw me- 
182 185 196 moriae des Nero colonia t lama Augusta, 

137. ?Placentia (Verz. d. lat. Col. nr. 32], Plin, CIL XIII 1960. CIL , X p. 182. 

n. h. IH 115. Tac. hist. II 19. CIL XI 20 vgl. nr. 28. Tarentum. Neue Veteranen hieher 

1217 ein Mann, der Mlvir Ilvir war, was in demselben Jahr, Tac. ann. a. a. O. OIL 

Bormann auf die Zeit des trbergangs von LX p. 21. 

dem Municipium zur Colonie bezieht. Frag- vgl. Nr. 46. Pompeii, im J. 62 oder 63 n. Lnr., 

lich.obaugustischodertriumviral. Momm- Not. d. scavi 1897, 198, 4. Sogliano a. a. 

sen Herm. XVHI 194. Bormann CILXI O. 392f. 

v 242 144. TegeanuminCampanien(daruberbogliano 

vgl. nr. U.'Puteoli, Plin. n. h. Ill 61. CIL VIII a. a. O. 393ff.), = ad Teglanum der Tab. Pent. 

7959. Lib. col. p. 236, 11. uu( i respubhea legwnemium CIJj A 3/04. 

138. ?Kusellae in Etrurien' Plin. n. h. HI 51. Not. a. a. 0. Sogliano 393ff. 
CIL XI 2618. Zweifelhaft, ob triumviral 30 vgl. u. nr. 153. Verona. 

oder augustisch. Mommsen Herm. XVIII 8) Flavische Colonien: _ 

195. Bormann CIL XI p. 414. vgl. nr. 60. Bovianum Undecimanorum , Hyg. 

139. ?Tean«m Sidicinum, Plin. n. h. Ill 63. p. 181^ Lachm CIL IX 2564. Mommsen 
Lib. colon, p. 238. 6. Dagegen CIL X 4781 Herm. XVin 193f.; CIL LX p. 239. Cuntz 
und 4799 col. Claudia Firma Teanum, von De Augusto 22. 

diesem Kaiser also eine zweite Deduction, vgl. nr. 5 Sinuessa = cojonwMavia Kj\h X iidi>. 

Cuntz De Augusto 22, falsch Mommsen Mommsen CIL X p. 463t. 

CIL X p. 471; Herm. XVHI 195. <0 Colonie des Nerva: 

140. Venafrum (Teretina), Plin. n. h. HI 63; vgl. nr. 29 Scolacium, colonia Mtmrvta Augusta 
colonia Augusta lulia oder einfach Mia, 40 CIL X 103. CIL X p. 12. 

CIL X 4894. 4875. Lib. colon. 239, 7. f) Colonien des Hadrian: 

Mommsen Herm. XVIII 174, 1. 183. 185 ; 145. Formiae (Aemilia) im Volskerland = coloma 

CIL X p. 477. Aelia Hadriana Augusta Formiae. OIL A 

B) Colonien des Claudius: 6079. CIL X p. 603. 

14i: Iulium Carnicum, gegrundet als Forum von 146. AeclanuminSamnium = co/J AehaJAugusta 

Caesar oder Octavian vor 727 = 27 v. Chr. Ae]da[n]um, CIL IX 1111. CIX IX p. 99. 

mm loco. Colonie vor dem Tode des Clau- n ) Colonien desAntoninusPiusundMarcAurel: 

dius, wahrscheinlich durch diesen selbst, CIL 147. Canusium (Oufentina) m Apulien unter An- 

V 1838. 1842. Mommsen CIL V p. 172. toninus Pius, wie CIL IX ZAA zeigt, eoljoma 

142. ?Onitergium (Papiria), colonia CIL V 333; 50 Aureha [Au]g. Pi* CIL IX p. 35. 
coloni Opitergini schon bei Lucan IV 462. 148. ?Mediolanium. Auf einigen Inschriften C. 
Da die Stadt bei Plinius nicht als Colonie A. A.; wohl = col. Aelm Augusta oder 
genannt wird, so bleibt nur Claudius oder Aurelia Aug. oder Antomntana Aug. oder 
Nero als Begrunder, wahrscheinlicher Clau- Aurelia Antommana CLL XI LMO kommt 
dius CIL V v 186 dazu noch F. , vielleicht FfelixlJ. CIL V 

y»1. nr. 139. Teanum Sidicinum. 5869 heisst sie col Gallimiana Augusta 

143. ?Misennm, CIL X 3674. 3678. Erste Er- Felix, CIL V p. 634. 

wahnung einer Communalverwaltunghier auf &) Colonie des Pertinax und SeptimrasSeverus: 

einer Inschrift des J. 143/4 n. Chr., CIL VI 149. Ricina (Velina) m Picenum, im J. 205 n Chr. 

2379a ii 20. Claudische Colonie vielleicht 60 = colonia Heivta OIL 1A orti lur bept. 

wegen der Tribus Claudia, Mommsen CIL Severus, der conditor genann^ , wird. Colonia 

x p 317 Helvia PerHnax ebd. 5*45, CIL IX p. 54 1. 

■A Colonien des Nero: dariiber vgl. A. Sog- i) Colonie des Caracalla: 

liaiio Colonie Neroniane, Kendiconti della R. 150. Neapolis (Maecia) = colons Aurdm Augusta. 

Vcc dei Lincei S. V vol. VI (1897) 388ff. Antoninuma Fehx, Eph. epigr. V1I1 8/1 

vgl nr 51, nach 60 und noch 134. Capua. Ver- fur Alexander Severus. De Petra Napoli 

starkung durch neue Deduction von Veteranen colonia romana, Atti della r. Ace. qi JNapoii 

im J. 57 n. Chr, Tac. ann. XIH 31. XVI 57ff. 



539 



Coloniae 



Coloniae 



540 



x) Colonie des Severus Alexander, 
vgl. nr. 35 und vor nr. 128. Abellinum = colonia 
Veneria Livia^*) Augusta Alexandriana, 
CIL X 1117 aus dem J. 240 n. Chr. 
k) Colonie des Vibius Trebonianus Gallus: 
151 . Perusia (Tromentina) = colonia Tibia Augusta, 
CIL XI 1926ff. Bormann CIL XI p. 352. 
/*) Colonien des Gallien: 
152 (vgl. nr. 135). Falerii in Etrurien, CIL XI 

3089.3081—3094. Bormann CIL XIp.465. 10 
vgl. nr. 148. Mediolanium, 

153. Verona (Poblilia), Plin. n. h. Ill 130 muni- 
cipium; dagegen schon bei Tac. hist III 
8 colonia. Tacitus ist aber in terminologi- 
schen Dingen sehr wenig zuverlassig. Inschrift- 
lich begegnet uns die Stadt erst als colonia 
im J. 265 n. Chr., CIL V 3329 = colonia 
Augusta nova Oallieniana^ CIL V p. 327. 

v) Colonie des Diocletian: 
vgl. nr. 51 und naeh 60, 134, 143. Capua = colonia 20 
Concordia. Iulia Valeria Felix, CIL X 3867 
aus diocletianischer Zeit. 
f) Colonien der Eaiserzeit unbestimmter Her- 
kunft; aus dem 1. Jhdt.?: 

154. Cumae (s. o. nach nr. 63), Mommsen CIL 
p. 351; Herm. XVTII 181. O. Cuntz De 
Augusto 22; 

aus dem 2. Jhdt.?: 

155. Regium Lepidum (Pollia) in der Aemilia, 
Ptolem. Ill 1, 46. Bormann CIL XI p. 173. 30 

156. Tridentum (Papiria). Unter Claudius noch 
municipium, CIL V 5050 Z. 28 ; aber CIL 
V 5036 (nicht alter als Marc Aurel) colonia. 
CIL V p. 531. 

157. Aece in Apulien =colonia Aujgusta Apu[la], 
CIL IX 950 fur Sept. Severus, CIL IX p. 85; 

aus dem 3. Jhdt.?: 

158. Cales (Verz. der lat. Col. nr. 10), CIL VI 
1419. CIL X p. 451. 

159. Carsioli (Verz. der lat. Col. nr. 20). CIL 1X40 
4067; ebd. p. 382. 

Ganz unbestimmbar sind: 

160. Libarna (Maecia) in Ligurien, CIL V 7428. 

161. Lupiae (Camilia) in Calabrien, CIL X 1795; 
ebd. IX p. 5. 

162. Ocriculum (Amensis) in Umbrien, CIL XIV 
2941. 

163. Septempeda (Velina) in Picenum, CIL IX 
5630; ebd. p. 533. 

164. Teate (Arnensis) bei den Marrucini, CIL IX 50 
3022; ebd. p. 282. 

2) Sicilien. a) Augustus: 

165. Svracusae, im J. 733 = 21 v. Chr.. Cass. 
Dio LIV 7. Strab. VI 270. Plin. n. h. Ill 
89. Ptolem. Ill 4, 9. CIL X 7131. 7132. 
Zumpt Comm, epigr. I 363. Mommsen 
CIL X p. 730. O. Cuntz De Augusto 36. 

166. Catina, in demselben Jahr, Cass. Dio a. a. 
O. Strab. VI 268. Plin. n. h. Ill 89. Pto- 
lem. Ill 4, 9. Z u m p t a. a. 0. CIL X p. 720f. 60 
Cuntz a. a. 0. 

167. Tyndaris, desgleichen, Appian. b. c. V 116. 
Plin. n. h. Ill 90. CIL X 7474—7476. 7478. 
7480. Zumpt 364. CIL X p. 771. Cuntz 
a. a. 0. 

168. Thermae Himeraeae, wahrscheinlich auch 733 
= 21, Plin. n. h. Ill 90, der allerdings 
fiilschlich Thermae Selinuntiae nennt. CIL 



X 7345. Zumpt 363f. Mommsen CIL X 
p. 761. Cuntz a. a. 0. 

169. Panormus, aus den letzten Jahren des Augu- 
stus, bei Plin. n. h. Ill 90 noch unter den op- 
pida; bei Strabon VI 272 aber Colonie. 
Ebenso CIL X 7286. 7279, allerdings beide 
erst aus dem 3. Jhdt., aber 7279 hat col. 
AugfustaJ Panhormus. Zumpt 364. 409 
und Be loch BevOlkerung der gr.-riim. Welt 
325 falsch; das Bichtige Mommsen CLL X 
p. 751f. Marquardt Staatsverw. 12 246 m. 
Anm. 8 und 0. Cuntz De Augusto 38f. auf 
Grund von Munzen. 

(1) Pertinax oder Septimius Severus: 

170. Lilybaeum. Am Ende der Regierang des 
Augustus municipium Augustum mit dem 
Miinzrecht, CIL X 7223. Colonia Eelvia 
Augusta Lilybitanoruni, CIL X 7205. 7228, 
abgekurzt col. Augusta L., 7222. 7229. 7236. 
7239. Zumpt 409 und Marquardt 246, 8 
falsch. Beloch 325f. (ungenau); das Bich- 
tige CIL X p. 742. 0. C untz De Augusto 38. 

3) Sardinien: 

171. Uselis, Ptolem. Ill 2, 2. CIL X 7845 (v. 
J. 158) = colonia Iulia Augusta Uselis. 
Trotzdem keine Colonie des Augustus. Pli- 
nius n. h. Ill 85 sagt ausdrucklich , dass 
nur eine einzige Colonie in Sardinien bestand 
(Turris Libisonis s. o. nr. 81), und das Mon. 
Ancyr. V 35. 36 nennt Sardinien nicht unter 
den Provinzen, wohin Augustus Colonien 
fuhrte. Die Stadt wurde wohl durch Augustus 
ein municipium Iulium Augustum und er- 
hielt das Colonialrecht von einem spateren 
Kaiser (etwa Hadrian?, nicht Tiberius, wie 
Cuntz De Augusto 21 und Jahrb. Suppl. 
XVII 518 meint) unter Beibehaltung der 
alten Beinamen, Zumpt 410. CIL Xp. 810f. 

172. ?Cornus, erhielt vielleicht im 3. Jhdt. den 
Titel einer Colonie, falls CIL X 7915 richtig 
erganzt ist, CIL X p. 823 

4) Spanien (vgl. Hubner CIL LT Suppl. 
p. XCI): 

a) Baetica. a) Augustus: 

173. Astigi (Papiria) = colonia Augusta Fir ma 
Plin. n. h. Ill 12. CIL II 1475. 1479. 1630. 
Zumpt 365f. Hubner CIL II p. 201. 

174. Tueci (Sergia) = colonia, Augusta Gemella, 
Plin. n. h. IO 12. CIL II 1674. 1676. 1680. 
1686. 3278. Zumpt 366. Kubitschek De 
trib. orig. 151. CIL II p. 221 und Suppl. 
p. 872. 

175. ?Asido Caesarina, vielleicht sclion caesarische 
Colonie, Plin. n. h. Ill 7. Mit Unrecht als Co- 
lonie bestritten von Hubner wegen CIL II 
1315 ; municipes werden auch die Einwohner 
einer Colonie genannt. In CIL II Suppl. 5407 
C. G. A. A. steckt wahrscheinlich der Name 
derselben, etwa efbl.J [C(aesarina)] Afug.J 
A(sido) oder c(ol«ni) [cfoloniaej] Afugustaej 
A(sidotiis). Weder Munda, noch Carteia, noch 
Baelo, welche man fur diese Stadt als Co- 
lonie hat einsetzen wollen, haben Colonie- 
recht gehabt. CIL II p. 176. Cuntz De 
Augusto 7, 4. 

ji) Hadrian: 

176. Italica (Sergia), Gell. XVI 13, 4. CIL XII 
1856 = colonia Aelia Augusta Italica. CIL 



541 



Coloniae 



Coloniae 



542 



II 1135 colonia Vfictrixf) Italicensis, auch 
CIL XI 2699 (aus Volsinii). Zumpt 411. 
CIL II p. 146; Suppl. p. 838. 

b) Lusitanien. o) Augustus : 

177. Augusta Emerita, 729 = 25 v. Chr., Plin. 
n. h. IV 117. Strab. Ill 151. 166. Isid. 
orig. XV 1, 69. CIL II 492. Dig. L 15, 
8. Colonie der veterani quintani und de- 
cimani bei Eckhel I 12. Uber die Grim- 
dung nach Beendigung des cantabrischen 10 
Krieges Cass. Dio LILT 26, 1. Prontin. de 
contr. agr. II 51. Hyg. de limit, const, p. 171 
Lachm. Spater wurden noch ofter coloni 
hiehergefiihrt, Tac. hist. I 78 und CIL II 
489. Das Territorium der Colonie hatte eine 
grosse Ausdehnung. Entstanden sind diese 
und die folgenden lusitanischen Colonien an 
der Seite militarischer Lager (aus canabael) ; 
siesind, wenn auch mit Colonierecht begabt, 
doch auch fernerhin mehr wie militarische 20 
Standlager organisiert gewesen. Augustus 
hat diese Colonien offenbar ganz wie die alt- 
republicanischen bentitzt zur Sicherung des 
neuunterworfenen Landes, Zumpt 369. Hub- 
ner CIL II p. 52. 81. Auch die folgenden 
Colonien verdanken ihre Entstehung als solche 
dem Augustus, wahrend sie als eastra von 
Iulius Caesar, abgesehen vielleicht von dem 
noch alteren Metellinum (genannt wohl nach 
Q. Metellus Pius cos. 674 = 80 , der iiber 30 
Spanien triumphierte 683 = 71 v. Chr.), be- 
griindet wurden und daher teilweise den - 
Beinamen Iulia oder Iulium fiiliren. 

178. Metellinum, Plin. n. h. IV 117. Ptolem. II 
5, 8. Zumpt 369f. Hubner S.-Ber. Akad. 
Berlin 1861, 405; CIL II p. 72f. Kuhit- 
schek De trib. orig. 159. 

179. Scallabis = colonia Praesidium Iulium, Plin. 
n.h.IV117.Ptolem.II5,7. CILII 35. Zumpt 
313. CIL II p. 35. Kubitseheka. a. 0. 161. 40 

180. Pax Iulia oder Augusta, Plin. a. a. O. Paul. 
Dig. L 15, 8. CIL H 47. Strab. EH 151, 
= Pax Augusta, Zumpt 369f. CIL II p. 81. 

181. Norba = colonia Caesarina. Plin. a. a. 0. 
Ptolem. II 3. 8. CIL II 694. Zumpt 370. 
CTL TI p. 81. 

c) Tarraconensis. a) Augustus: 

182. Ilici = colonia Iulia Augusta, Plin. n. h. 
HI 19. Mela II 93. Ptolem. H 6, 15. 62. 
Paul. Dig. L 15. 8. Eckhel I 51ff. Zumpt 50 
366. CIL II p. 479f.; Suppl. p. 957. 

183. Barcino (Galeria) ■= colonia Famntia Iulia 
Augusta Pia, Plin. n. h. HI 22. Mela II 
90. Paul. Dig. a. a. 0. CIL II 4536. 4537. 
4538. 4539 u. s. w. Zumpt 366. Kubit- 
schek a. a. 0. 166. CIL n p. 599. 

184. Salduba oder C'aesaraugusta (Aniensis), Plin. 
n. h. HI 24. Strab. Ill 151. Eckhel I 36. 
CIL n 4249. Zumpt 367. Kubitschek 
a. a. 0. 168. CIL II p. 406; Suppl. p. 937 60 
(gegen Kubitschek). 

185. Libisosa (Galeria) = colonia Libisosa Forum 
Augustum. Plin. n. h. Ill 25. Paul. Dig. 
a. a. 0. CILH3234. Zumpt 367. Kubit- 
schek a. a. 0. 175. CIL II p. 434. 

186. Salaria (Sergia), Plin. n. h. Ill 25. CIL H 
3329, vgl. 3327. 5093. Zumpt 367. Kubit- 
schek a. a. 0. 178. CIL II p. 448. 710. 



187. Dertosa (Galeria). Bei Plin. n. h. HI 23 
oppidum civ. Rom. (von Caesar her), bei 
Strabon ni 159 Colonie, dasselbe Verhaltnis 
wie bei Panormus. In den letzten Eegie- 
rungsjahren des Augustus ist die Colonie hier- 
hergefiihit worden = colonia Iulia Augusta 
D. auf Munzen, CLL H 4058, vgl. 5128. 
Zumpt 368 (falsch). CLL U p. 535. Weder 
Bilbilis Augusta (Detlef sen Philol. LII 616. 
Beloch BevOlkerung 330. Kubitschek 167. 
0. Cuntz De Augusto 121f.; gegen diese 
vgl. Hubner CIL n Suppl. p. 941) noeh 
Clunia (Zumpt 367f. CIL H p. 383) sind 
augustische Colonien gewesen. 

/?) Vespasian und spater: 

188. Amanum Portus = Flaviobriga, Plin. n. h. 
IV 110. Ptolem. n 6, 7. Zumpt 395f. CIL 
n Suppl. p. 934. 

189. Clunia Sulpicia (Galeria), mrd wegen des 
Beinamens auf Galba bezogen, 0. Cuntz De 
Augusto 12f.; aber dem steht das Schweigen 
des Plinius gegenuber. Colonie bei Ptolem. 
n 6, 56 und CIL H 2780, vielleicht durch 
Hadrian. Zumpt 367f. CIL II p. 383. 
Kubitschek a. a. 0. 170. 

5) Gallien: 

a) Narbonensis. a) Augustus: 

190. Valentia zwischen 738—741 = 16—13 v. Chr., 
Plin. n. h. Ill 36. Ptolem. H 10, 13; vgl. 
Cass. Dio LIV 23. Mon. Ancyr. V 36. Zumpt 
und Herzog halten die Stadt fur eine augu- 
stische, 0. Birschfeld dagegen (wegen CIL 
XH 1748, darilber Verz. d. lat. Col. nr. 61) 
vorher vielleicht fur eine caesarische Colonie, 
Zumpt 370. Herzog Gallia Narb. 95. 
Beloch BevOlkerung 337f. 0. Hirschfeld 
CIL XII p. 207. 

191. Vienna (Voltinia), urn dieselbe Zeit = colonia 
Iulia Augusta Florentia Vienna, Plin. n. h. 
m 36. CIL XH2327 (dartiber Mommsen 
Herm. XVin 180, 1). Das Alter der Colonie 
betont Tac. hist. I 66, Oratio Claudii pro 
iure hon. II 9 (longo tempore); vgl. auch 
CIL XH add. 6034. Verfehlt ist Mommsens 
Versuch (CIL Xn a. a. 0. und E. G. V» 79), 
wpgfin Oratin Claudii IT 15ff. di« Colonie- 
grmidung erst unter Gaius zu setzen. An 
dieser Stelle liegt der Ton auf solidum, 
woraus zu schliessen ist, dass die Biirger- 
reehtserteilung an Vienna und die Erhebung 
zur colonia civ. Rom. mit gewissen Ein- 
schrankungen erfolgt war, die eTst durch 
Gaius bei dessen Anwesenheit in Gallien 39 
und 40 aufgehoben wurden. Nicht ausge- 
schlossen ist auch, dass die Erteilung des ius 
Italicum an die Colonie gemeint ist. Dig. L 15, 
8. Vienna war kerne Militarcolonie des Augustus, 
sondern der mit dem Rang einer romischen 
Bttrgercolonie ausgestattete Vorort der civi- 
tas Allobrogum; vgl. Tac. hist. I 65. Cass. 
Dio XLVI 50. Zumpt 370. Herzog 90f. 
Cuntz De Augusto 14, 5. Beloch 336, 
3. 337 (ohne Entscheidung). 0. Hirschfeld 
CIL XII p. 217ff. und zu add. nr. 6034 c 
folgt Mommsen. 

192. Aquae Sertiae (Voltinia) = colonia Iulia 
Augusta Aquae Sextiae. Noch bei Plinius 
IH' 36 latinische Stadt. Colonie bei Ptolem. 



543 



Coloniae 



Coloniae 



544 



II 10, 15. CIL XII 705. 982. 523; add. 
p. 814 nr. 4414. 4424. 3212. 4528. Unter 
Augustus wurde die Stadt Colonie (Tribus 
Voltinia!). 0. Hirschfeld CIL XII p. 65. 
Beloch 331. 

193. Apollinaris Reiorum (Voltinia) = eolonialulia 
Augusta Apollinaris Reiorum. Bei Plinius 
a. a. 0. noch latinische Stadt. Colonie CIL 
XII 358. 367. 411. 983. 3200. 3291. 4082. 
Geleitet von IVviri, CIL XII 367. Herzog 10 
Gallia Narb. nr. 357. CIL XII p. 49. 

194. Nemausus (Voltinia) = colonia Augusta. Bei 
Plinius III 37 latinische Stadt. Nach CIL 
XII 3151 gab Augustus der (latin.?) Colonie 
im J. 738 = 16 v. Chr. Thore und Mauern. 
CEL XII Addit, p. 883 zu p. 381. 

* [Ruscino] (Verz. der lat. Col. nr. 58) scheint 
nicht Burgercolonie gewesen zu sein._ Nach 
Plinius war es Latinerstadt oder -colonie. Auf 
Miinzen der Stadt (Eckhel I 70) erscheint20 
die legio VI; aber damit ist noch nieht be- 
wiesen, dass die Stadt Burgercolonie war trotz 
Mommsens (Mon. Ancyr.2 119), Mar- 
quardts (Staatsverw. I« 266, 1) und Be- 
lochs (Bevolkerung 331) gegenteiliger Mei- 
nung. 

ft) Hadrian? 

195. ?Avennio (Voltinia), urspriinglieh latinische 
Colonie. Wenn die verdachtige Inschrift von 
Apta CIL XII 1120 richtig ist, so hatte 30 
Avennio spater den Titel colonia Mia Ha- 
driana Avennio. Als Colonie erscheint die 
Stadt auch bei Ptolem. II 10, 14. 0. Hirsch- 
feld CIL XII p. 1301; vgl. unten nr. 208. 

b) Tres Galliae und Germaniae. a) Claudius : 
vgl. nr. 97. Lugudunum. 

196. Ara Agrippinensium = colonia Claudia 
Augusta Ara Agrippinensium, gegriindet 
im J. 51 n. Chr., Tac, ami. XII 27. Plin. 
n h. IV 106. Ptolem. VI 9, 8. Zahlreiclie40 
Inschriften z. B. CIL IX 1584. XIV 208. 
Index von CIL XIH. Dig. L 15, 8, 2. Ganz 
verfehlt ist es, wenn Mommsen (Herm. 
XIX 69ff.) diese, sowie eine Anzahl anderer 
Biirgercolonien als latinische Colonie hat 
erweisen wollen, weil von hier Leute zu 
peregriueu oder latinischen TruppenkCrpern 
gestellt wurden. Dagegen O. Hirschfeld 
S.-Ber. Akad. Wien CIII (1883) 319ff. (Ex- 
curs | und E. Korneinann Zur Stadtent- 50 
stehung in den ehemals keltischen und ger- 
manischen Gehieten des Romerreiehs , Gies- 
sen 1898, 29. 58ff. Neben der Colonia 
Agrippinensis bestand noch ein Teil des alten 
Ubiergebietes, vielleicht attribuiert der neuen 
Stadtgemeinde, fort; vgl. auch H. Xissen 
Zur Geschiehte des rOmischen Koln, Bonn. 
Jahrb 98 (1895) 150. 

Alle iibrigen im Gebiete der Tres Galliae mid 



von Claudius? 

197. colonia Vdlavorum, CIL XIII 1577, inner- 
halb der eivitas libera Vdlavorum (noch im 
3. Jhdt., vgl. CIL Xm 1614, auch 1576), 

0. Hirschfeld CIL XIII p. 212f. 

198. colonia Augusta Treverorum, Tac. hist. IV 
62. 72. CIL III 4153. Brambach CIRh 
1936 (aus dem J. 121). 1937 (aus dem J. 139) ; 
daneben die eivitas Treverorum, CIL III 5215 
(fruhestens unter Kaiser Marcus). Korr.-Bl. 
d. Westd. Ztschr. VII (1888) 50 aus dem 
J. 197 n. Chr. (dazu Zangemeister). 

/?) Wahrscheinlich von Galba: 

199. colonia Sequanorum, CIL V 6887. DieSamt- 
gemeinde — eivitas — wird erwahnt CIL 
Xm 1674. 1695. 

y) Wahrscheinlich von Otho: 

200. colonia Lingonum, Tac. hist. 1 78. CIL XIII 
5685. 5693. 5694. 

<5) Von Vespasian: 

201. colonia Pia Flavia Gonstans Emerita Hel- 
vetiorum foederata = Aventicum, im J. 74 
n. Chr., Inscr. Helv. 175. 179, abgekiirzt 
colonia Helvetiorum ebd. 164. 181 ; auch 
colonia Aventicensium ebd. 149. Tiber das 
Grundungsjahr Chronik des sog. Predegar 
vom J. 613 n. Chr. II 36. Aventicum und 
Trier hat Mommsen (Herm. XVI 472. XIX 
7 Off.) auch als latinische Colonien in Anspruch 
nehmen wollen. Auch hier haben das Gegen- 
teil erwiesen 0. Hirschfeld (a. a. 0. vgl. 
nr. 196, anders S.-Ber. Akad. Bcvl. 1897, 1099, 

1. 1100, 5) undE. Korneinann Zur Stadt- 
entstehung 43ff. 

202. Forum Segusiavorum = col. FlfaviaJ Fforum 
S.J, ein Meilenstein aus Traians Zeit, CIL 
XIII p. 221. Die eivitas CIL XIII 1629(9). 
1632. 1645. 1646; vgl. CIL XIII p. 2211'. 

203. colonia Flavia Nemetum = Noviomagus, das 
heutige Speier. Bramb ach CIRh 1948. 1950. 
1951. 

s) Vielleicht auch aus ftavischer Zeit: 

204. colonia Morinorum , Hen z en 5211; die 
civitan CIL XI 391. 

£) Von Traian: 

205. colonia Ulpia Traiana , Bonn. Jahrb. 80, 
150ff., vgl. Korr.-Bl. d. Westd. Ztschr. V llf. 
CIL VI 3296, in der eivitas der Cugerni, 
W ohl = eivitas Traianensis CIL VII 924, 
die Burger, derselben = eives Traianmses, 
Orelli 2003. CIL XIII 1976, attribuiert 
wohl die Traianenses Baetasii , Zange- 
meister N. Heidelb. Jahrb. V (1895) 50; 
anders Mommsen Westd. Ztschr. V (1886 1 
125f. und A. Riese ebd. XIV 1895, 157. 

n) Von Alexander Severus? 

206. colonia Elusatium in Aquitanien, CIL Xni 
546 (nicht vor dem Ende des 2. Jhdts.), vgl. 
544. 545; O. Hirschfeld ebd. p. 72. 



der Germaniae genannten Colonien sind keine wirk- 60 207. Icohmia Senomim. Die Inschrift CIL XIH 



lichen Stadte, sondern die im Rahmen der galli- 
schen Volksgemeinden (civitates) verbleibenden 
Vororte {capita civitatium), die nur titular Co- 
lonien wurden, ohne deshalb aus dem Verbande 
der Volkschaft auszuscheiden. Uber diese galli- 
schen Titularcolonien , die meistens den Namen 
der Gesamt-eivitas tragen, vgl. E. Kornemann 
a. a. O. 37ff. Colonien derart stammen: 



1684 erwahnt einen praefeetus coloniae, der 
vielleicht auf die Senonen zu beziehen ist. 
Die eivitas Senonum komrnt auf der In- 
schrift CIL XIII 2949 vor (aus dem J. 250). 
O. Hirschfeld CIL XHI p. 443. 
Eine ebensolche Titularcolonie _ in der Nar- 

bonensis war vielleicht in der eivitas Vocon- 

tiorum 



545 



Coloniae 



Coloniae 



546 



208. Colonia Dea Augusta Vocontiorum, CIL XII 
690. 

* [Lugudunum Convenarum] endlich wird bei 
Ptolem. II 7, 13 Colonie genannt, aber offen- 
bar infolge einer Verwechselung mit Lyon, 
O. Hirschfeld CIL XIII p. 5f. 29f. 

6) Britannion. Claudius: 

209. Camulodunum oder Camalodunum, aus dem 
J. 51 n. Chr. = colonia Victricensis, Tac. 
ami. XLT 32. Ptolem. II 13, 17. Geogr. Rav. 10 

V 31. CIL XIV 3955 Im J. 62 verwustet, 
Tac. ebd. XIV 31, vgl. Agrieola 14. Zumpt 
389. Hubner CIL VH p. 33—35. 

Unbestinimter Herkunft 

210. Glevum (Gloucester), CILVH 54. Geogr. Rav. 

V 31 p. 427, 12. Viele Miinzen schon von 
Claudius; vielleicht also wohl schon von 
diesem gegriindet, aber spater, wie es scheint, 
ganzlich verlassen, Hubner CIL VII p. 29f. 

211. Eburacum (York), CIL VII 248. Hubner 20 
ebd. VII p. 61. 

212. Lindum, Geogr. Rav. V 31 p. 303; vgl. CIL 
VII 189, ebd p. 50f. 

* [Keine Colonie war Londinium, obwohl es in 
spatrfimischer Zeit sehr bedeutend war und 
den Beinamen Augusta ftihrte (Ammian, Marc. 
XXVII 18)]. 

7) Dalmatien: 
Claudius ? 

213. Col. Claudia Aequum, Ptolem. II 16, 11.30 
CIL III 1323. 1108. 1596 4376. 2026 {eol. 
Aequitatisl). 8721. 9767. 9758. 9771.9783.. 
Trotz des Beinamcns Claudia ist es nicht 
ganz sicher, ob die Colonie von Claudius 
fctamiut; denn Plinius, der doch von einer 
Veteranenansiedlung des Claudius in Siculi 
spricht (n. h. Ill 14; dariiber Beloch Be- 
volkerung 332. 335. O. Cuntz De Augusto 
29), erwahnt sic nicht. CIL III p. 360; 
Suppl. p. 1613. 40 

8) Raetien und Noricum; 

* [Augusta Vindelicoram] war niemals Colonie, 
Tac. Genii. 41 ist falsch. Zumpt 403. 
CIL III p. 708. 

.Marcus Aurelius: 

214. Ovilava (Wels) = col. Aurclia Antoniniana 
Ovilava ', CIL HI 5606. 5(530 , vorher ein 
municipium Aelium. 

Uiibesthiimt : 

215. Virununi (Mariasaal nSrdlich von Klagen- 50 
furt). CIL VI 3304. Ill -1778; ebd. Ill p. 597. 

216. ?Flavia Solva (Seckau bei Leibnitz), offenbar 
urspriinglieh ein flavisehes municipium; da- 
gegen Aelia Solea CIL VI 2385 col. 5 v. 10; 
sodass die Stadt im 2. Jlidt. (vielleicht dureh 
Hadrian) eine Rangerhohung erfahren zu 
haben scheint, CIL III Supjil. p. 1831. 

217. ?? Cetimn. urspilinglich municipium Aelium. 
Colonie auf der wenig zuverlassigen Inschrift. 
CIL III 5652; ebd.' Ill p. 684. 60 

9) Pannonien. 

aj Painionia superior, a) Claudius: 

218. Savaria (Claudia) (Stein am Anger) = eol. 
Claudia. Plin. n. h. HI 146. Auf Inschriften 
C. C. S. CIL III 4070. 4153. 4154. 4156. 
4183. 4191. 4194. 4152. 4178. 11223. Westd. 
Ztschr. XI (1892) 277f. Nicht aus canabae 
entstanden, CIL III p. 525. 

Panly-Wissowa IV 



/?) Vespasian: 

219. Siscia (Sziszek), vgl. o. nach nr. 100 = col. 
Flavia S. oder col. Septimia Siscia{Augusta), 
Plin. n. h. Ill 148. Bei Verlegung des Stand- 
lagers nach der Donau erhielten offenbar die 
Canabae von Siscia durch Vespasian Colonial- 
recht. Noch einmal muss sich der Stadt an- 
genommen haben Septimius Severus, CIL III 
3951. 4471. 4193. 3973. 3976. 10836. 3936. 
3961. 3974. 6011. 10857. Zumpt 374. 396f. 
CIL III p. 501. 

7) Traian: 

220. Poetovio (Papiria) (Unter-Haidin bei Pettau) 
= col. Ulpia Traiana. P. (aus canabae Tac. 
hist. Ill I. CIL HI 4025) ; CIL III 753. 5427. 
260. Ofter abgekiirzt C. V. T. P. ebd. 4022. 
4038. 4050. 4057. 4067—4068. 4101 u. s. w. 
Die Coloniegriindung war mit einer Veteranen- 
deduction verbunden, CIL III 4057, vgl. 
Hygin. grom. p. 121 Lachm. Zumpt 406. 
CIL III p. 510. 

8) Ende des 2. oder im 3. Jhdt. 
vgl, nr. 219 Siscia. 

221. Carnuntum oder Kamuntum (Petronell), aus 
den canabae zunachst ein municipium 
Aelium, wahrscheinlich durch Hadrian, CIL 
III 4554. Orelli 2675; noch im J. 178 n. 
Chr. (CIL III 4495). Colonie auf Inschriften 
des 3. Jhdts. CIL III 4236. 4539. 4567. 
11139. 11255, vennutlich durch Septimius 
Severus, der hier zum Imperator ausgerufen 
wurde (Hist. Aug. Sept. Sev. 5). Zumpt 
428. CIL, III p. 550. 

222. Brigetio (O-SzOny), aus den canabae zunachst 
ein municipium Antoninianum, , CIL III 
11007, dann, fruhestens im 3. Jhdt., cine 
Colonie CIL III 4335; ebd. Ill p. 539. 

b) Pannonia inferior, a) Flavisch: 

223. Sirmium (Mitrovic) = colonia Flavia S. Bei 
Plin. ii. li. HI 148 noch als eivitas. Colonie: 
CIL III 753. 3230. 3243. 3685. 6441. 3242. 
6438 = 10220. Zumpt 430 (falsch). CIL 
III p. 418. 

ft) Hadrian : 

224. Mursa (Sergia) (Eszeg) = colonia Aelia M.. 
Ptolem. II 15. 8. CIL III 3288. 3560. 
10305. 3291 = 1U267. Krioua'ASgiavov bei 
Steph. Byz. s. v. CIL III 3279 gesetzt 
von den Mursenses Hadriano conditori suo, 
328i) (aus dem J. 133, vielleicht dem Grun- 
dungsjahr?). Zumpt 417. CIL III p. 423. 

•/) Septimius Severus: 

225. Aquiucum (Sergia) (Alt-Ofcn), aus den canabae 
zunachst ein munieipium Aelium, durch 
Hadrian, wahrseheinlicher (CIL III 10336) 
Antoninus Pius (CIL III 3347 aus dem J. 172. 
10398 aus dem J. 193. 10305). Inschriften 
mit colonia sehr viele, die alteste CIL III 
10429 aus dem J. 210. Die Verleimmg des 
Colonierechtcs also zwischen 193 und 210 
n. Chr., Zumpt 430. CIL III p. 439; Suppl. 
p. 1691 und zu nr. 10336. 

226. Colonia Bassiana (nahe bei Dobrince zwischen 
Donau und Sau), Colonie nur auf Inschriften 
des 3. Jhdts., die alteste fur Caracalla und 
Iulia Domna, CIL III 10197 = 6470. 4. vgl. 
10203. 10204. 10205, auch 10206. CIL HI 
Suppl. p. 1670. 

18 



547 



Coloniae 



Coloniae 



548 



d) 3. Jhdt.: 

227. Colonia Prap . . . oder vielleicht Prod . . . 
(Titel an der Theiss, etwas nOrdlich von der 
Miindung in die Donau), CIL III 3255 aus 
dem J. 254/5. 

10) Moesien: 

a) Moesia superior, a) Flavier ( Vespasian?): 

228. Scupi (Quirina) (Zlokucan bei Ueskub) = co- 
lonia Flavia und colonia Aelia Seupi; co- 
lonia Flavia, CIL VI 3205; eine wirklichlO 
deducierte Veteranencolonie der Flavier (CIL 
III 8195—8197. 8199. 8200). CIL VI 553 
Aelia Seupi, offenbar durch Hadrian oder 
Antoninus Pius verstarkt. Einfach colonia 
Seupi oder Scuporum, CIL III 8189. 8194. 
8197. 8203. 8204. 8206. 8272; vgl. 8271. 
CIL m Suppl. p. 1460. 

/?) Traian: 

229. Eatiaria (Papiria) (Arcer) = eolonia Ulpia 
Batiaria, CIL III 753 (zwischen 161—168) 20 
6294. 6295 = 8089. 1641 p. 1020. CIL III 

p 263. 1020. v. Domaszewski Neue 
Heidelb. Jahrb. I (1891) 198. 
y) 3. Jhdt.: 



patronus collegii fabrum coloniae Apul. 
war, 7739 einen gewesenen Ilvir col. Apul. 
und sacerdos municipii. Die zwei Gemein- 
den waren ganz selbstandig. Das Muniei- 
pium stand (aber erst seit Sept. Severus 
CIL ILT 1083; Tgl. 1132) unter IVviri, die 
Colonie unter Ilviri. Zu erklaren ist die 
Doppelgemeinde dadurch, dass vielleicht hier 
die eanabae des Standlagers mit dem ein- 
hermischen vims, in dessen Nahe das Lager 
gebaut war und von dem es seinen Namen 
hatte (bei jedem Standlager [castra], zwei 
Siedlungen: eanabae [eanabenses] und vicus 
[vicani] ; vgl. Tac. hist. IV 20 vom Bonner 
Lager, daruber E. Kornemann Zur Stadt- 
entstehung 50, 2), nicht Ortlich zusammen- 
lagen, und dass der Eingeborenen-PWMs zum 
Rang eines Municipium gelangte, wahrend 
die eanabae Colonierecht erhielten. Unter 
Decius Mess die Colonie eolonia nova ApU'- 
lensis, CIL III 1176, vielleicht infolge der 
Vereinigung des Municipium mit der Colonie 
zu einer Gemeinde. Zumpt 405 (falsch). 
CIL III p. 182f.; Suppl. zu 7773. 



230'.'Viminacium (Kostolac), zunachst muniei- 235. Napoca (Klausenburg) = eolonia Aurelia ISa- 

pium Aelium CIL III 1654 u. s. w. Colonia poea. Zunachst munieipium Aelium, CIL 

auf Miinzen zwischen 240 und 255 n. Clir. VIII 3021. Ill 860 (zwischen 139—61). 

sreschlasren und auf den Inschriften CIL III 1100. Colonie: Ptolem. in 8, 7. Tab. Peut, 

1474. 8109; ebd. m p. 264. Ulp. Dig. L 15, 1, 8. 9. CIL in 7726 = 

231. Singidunum(Bclgrad), municipium erst nach 30 963. VI 269 (aus dem J. 213). Ill 865. 1141. 
Hadrian, noch unter Septimius Severus, CIL 854 = 7657. 858 u. s. w. Von Beamten be- 
lli 10495 Colonie vielleicht erst durch gegnen me Ilviri oder IVmri, sondern auch 
Gordian III. (vgl. CIL in 8154), colonia ge- noch in der Zeit, da die Stadt Colonie war, 
nannt CIL HI 1660 = 8151 aus dem J. 287 nur aediles (ni 7633 = 827. 858. 867) oder 
n. Chr., CIL III p. 265 und Suppl. p. 1454. praefeeti (858). Die Napocenser hatten offen- 
v. Domaszewski a. a. O. bar nicht das Recht sich hOhere Beamte zu 
b) 'Moesia inferior. Traian: wahlen, ahnlich wie anfangs das munici- 

232 Oescus (Gicen oder Gigen) = colonia Ulpia piivm Aurelium Apulum. Zumpt 406. CIL 
Oescus, CIL III 753 (aus den J. 161-168). HI p. 169; Suppl. p. 1380. 
6127 = 7426. 7430. 7431. Rev. Arch. XXIX 40 236. Drobeta (Turnu Severmu). Zunachst mum- 
(1896) 259 nr. n = Cagnat ebd. 404 nr. 117. cipium, CIL III 1581 = 8017 (add. p. 1018) 
CIL ni p. 141; add. p. 992. v. Doma- aus dem J. 145. Colonia CIL III 1209. 
szewski a, a. O. 2679. 1570. 1580.8019. (rrundungszeit mi- 
ll) D a c i e n. a) Traian : sicher, 2679 kann friihestens Ende des 2. Jhdts . 

233. Sarmizegetiisa (Papiria) (Varhelv oder Gre- geschrieben sein, diese Colonie daher auch 

distje), gegriindet 1 10 n. Chr. = cofo»w'a Ulpia friihestens von Marc Aurel. CILIIIp. 2ol; 

Traiana Augusta Daeica Sarmixegetusa, im add. p. 1018. 

3. Jhdt. dazu noch metropolis, CIL III 1445. y) Septimius Severus: 

1452;j»etro»o//*zuerstl456(ausdemJ.238). 237. Potaissa oder Patavissa (Thorda). Ulp. Dig. 

abgekttrzt col. S. oder col. Dacica (so offen- 50 L 15, 1, 9: hiernach aus emem vicus (von 

bar in der traianischen Zeit), die alteste In- Napoca: CIL UI 1627; vgl. X 2600) durch 

schrift vom J. 110 n. Chr. nr. 1443 (Griin- Septimius Severus zu emer Colonic erhoben. 

dungsinschrift). Eine Masse von Inschriften Aber nach den Inschriften zunachst muni- 

von dieser Colonie CIL III p. 238f. 1016. cipium durch diesen Kaiser. CIL III Suppl. 

8) Marc Aurel: 7689. 7804. Colonia eh<\. 1030. 7709. Zumpt 

234 Apulum (Papiria?) (Karlsburg) = colonia 430. CIL III p. 172f.; Suppl. p. 1382. 

Aurelia Apulum. An der Seite des Stand- 238. Zerua, Ulp. Dig. L 15, 1. 8 (Dierna: Ptolem. 

lagers entstand hier ein Municipium und eine III 8, 11; eine statio Tiernensium CIL III 

Colonie nicht nacheinander, wie sonst, son- 1568f.). Marquardt St.-V. 12 311. 
dem zu wleicher Zeit durch Marcus Aurclius ; 60 <5) Unbestiinmt: 

municipium Aurelium CIL III 986. 1132, 239. eolonia Main . . . (Malvensis), CIL III p. 893 

spiiter Septimium ebd. 976. 985. 1051. 1082. DipL LI vom 7. Januar 230. 

1083 es bestand noch unter Gordian HI. 240. eolonia Romula (Recka). Municipium CIL 

ebd. 1433. Colonia Aurelia Apulum CIL m IH 8033. 7429. Colonia ebd. 8023 = 1588. 

7773, vgl 7804 (aus der Zeit des Septimius). 8031 (hier bezeichnet Philippus Arabs die 

1139' (aus' dem J. 235). 1176 (aus dem J. 250). Stadt als colonia sua; vielleicht war er der 

Ulp. Dig. L 15, 1,9. CIL IJI 975 erwahnt einen Verleiher des Colonierechts). CIL HI Suppl. 

decurio municipii Apulensis, der zugleicli p. 1421. 



549 



Coloniae 



Coloniae 



550 



12) Makedonien: Pans. X 38, 9. Zumpt 375f. Hertzberg 

a) Augustus: Gesch. Griechenl. I 495ff. CIL III p. 95. 

241. Dyrrachium (Aemilia) (Durazzo), gegriindet 14) Thrakien. 
nach 724 = 30 v. Chr., Cass. Dio LI 4. Plin. a) Claudius: 

n. h in 145. Paul. Dig. L 16, 8, 8. CIL 249. Apri = eolonia Claudia Aprensis, Plin. n. h. 

Ill 611. 607. 709. Die alte griechische IV 47f. Ptolem. Ill 11, 17. CIL in 386 

Stadt Epidamnos blieb daneben bestehen, vgl. (IH 727 bezieht sich wohl auf Parium). 

CIL ni 611 und die doppelte TribusJAemilia Zumpt 386. CIL EI p. 134. 

und Quirina). Zumpt 376. CIL IH p. 117. B) Flavier: 

Cuntz Jahrb. f. Philol. Suppl. XVII 511.10250. Develtus = eolonia Flavia Pacensis Devel- 

v<"L nr. 105. Philippi (Voltinia), verstarkt in der- tus oder Deultus, Plin, n, h. IV 45. Ptolem. 

selben Zeit = colonia Augusta Mia Phi- UI 11, 11. Eckhel II 32. Vaillant 1 148. 

lippi auf Miinzen: Eckhel II 76. Cass. Dio II 155. Zumpt 397. 

a. a. O. Plin. n. h. IV 42. Paul. Dig. L 251. Flaviopolis, Plin. n. h. IV 47. Solin. 10. 

15, 8, 8; vgl. CIL in 661. 7340. Zumpt Zumpt a. a. O. 

377f. CIL III p. 120. 252. lAUaiov tel/os (Oleiticus), CIL ni Dipl. 

Derselben Zeit gehoren wohl an folgende co- XIV p. 857, Militardiplom des Domitian vom 

loniae Tuliae Augustae, da Cass. Dio a. a. O. J 86; darin: Cohletie. nach He 11 z en = co- 

sagt, dass ausser Dyrrachium und Philippi da- l(onia) Ole[i]tic[o]. Marquardtia 315,9. 
mals noch andere Stadte Makedoniens mit itali- 20 y) Philippus : 

schen Biirgern besiedelt wurden: 253. Philippopolis, 248 n. Chr., Euseb. chron. zum 

242. Dium (Malathria) = colonia Mia Augusta J. 248 n. Chr. (ungenau). Eckhel II 44. 
Mum, Plin. IV 35. CIL HI 548; Suppl. 7281. Aber schon 251 wurde die Stadt von den 
591. Zumpt 377. CILIIIp. 115. Cuntz Gothen zerstort, Ammian. XXXI 5, 17. 
a. a. O. 507. Zumpt 435. 

243. Pella = colonia Mia Augusta Pella, Plin. 15) Asien (prov.). 
n. h. IV 34. Imhoof-Blumer Monn. grecqu. Augustus: 

86 nr. 98. 99. Eckhel II 74. CIG 1997. 254. Alexandria Troas (Aniensis), gegriindet zwi- 

Zumpt 377. CIL ni p. 116. Cuntz a. a. O. schen 727 = 27 und 742 = 12 v. Chr. (alle 

244. Cassandrea (Papiria) = colonia Mia Augusta 30 augustischen Colonien namlich, soweit sie 
Cassandrea, Plin. n. h. IV 36. Paul. Dig. bei Plinius vorkommen, gehen auf den agrip- 
L15,8, 8. Imhoof-Blumer Monu. grecqu. pischen Teil der Reichsstatistik zurfick und 
67ff. CIL III Suppl. 7333. Zumpt 377. miissen daher vor 742 = 12 [Todesjahr des 
Cuntz a. a. O. 511. Agrippa] gegriindet sem. O. Cuntz Jahrb. 

245. Byllis, Plin. n. h. IV 35. CIL ni 600. Suppl. XVII 522ff.). Plin. n. h. V 124. Paul 
Zumpt 377. Cunt/, a. a. O. 507. Dig. L 15, 8, 9. Strab. XLH 593. Eckhel 

j8) 3. Jhdt. : n 479. CIL III 7282 heisst Hadrian resti- 

246. Stobi. Durch Augustus munieipium, Plin. tutor coloniae; auf den Munzen des Cara- 
n h in 34 bis auf Elagabal (Eckhel II calla stent der Zusatz Aurelia Antomniana, 
77. CIL in 629); colonia Dig. L 15, 8, 8. 40 Eckhel n 482; vgl. CIL III 391 = Suppl. 
Zumpt 434 481 489. 7073.7282.384.389. Lc Bas-Wadding- 

y) Valerian' ton 1734. 1740c. Zumpt 378. 433. 

247. Thessalonike, Eckhel II 80. CIG 1969. * Nach [Tralles] wurden von Augustus nach 
Duchesne etBayet Mission au Mont Athos eineni furchtbaren Erdbebcn eolom gesandt 
nr. 3, Colonietitel offenbar wegen des Wider- (CIG 2927. 2930 ; Name der Stadt seitdem 
standes tregeniiber den Skythen im J. 253 Caesarca oder Caesarea Tralles: Eckhel 
(Zosim. 129). Zumpt 437. in 125. CIG 2929. Waddington zu 

13) Achaia mit Epirus. nr. 600 a), aber die Stadt wurde nicht co- 
a) Augustus: Ionia; falsch Agathias hist. U 17. Mar- 
vel, nr. 108 Buthvntuin auch = eolonia Augusta. 50 quaTdt P 347. 
vgl. nr. 109 Actium. 16) Bithynia und Pontus. Diocletian. 

248. Patrae (Quirina) (Patras), gegriindet 738 = 255. Nicomedia = col. Nicomedensium, CIL UI 
16 v. Chr. = colonia Augusta Aroe Patrae. 326 aus dem J. 294. 

Euseb. chron. Plin. n. h. V 11. Strab. VIH 17) Galatien (prov.). 

387, hierher Veteranen der legio X und XII a) Augustus: Alle augustischen Colomen hier 

fulm. (Eckhel II 257 und Inschriften). Die ausser Antiochia (vgl. nr. 114) haben den Bei- 

griechische Gemeinde blieb bestehen, ja be- namen Mia Augusta, Lystra sogar nur Mia. 

kam die libertas, Paus. VU 18, 5. Neben- Vor dem J. 727 = 27 v. Chr. kann aber keme 

einander gab es also Aehaei Patrenses und von ihnen deduciert sem, da sie alle bei Plinius, 
Romam Patrenses (Strab. X 460: oi er J7a- 60 d. h. bei Agrippa, fehlen. Sie gehoren also 111 

TQatsToifiawi), d. h. Patrae war eine Doppel- die zweite HaKte der augustischen Regierung, aut 

gemeinde, vgl. W. Henze De civitatibus alle Palle nach dem J. 742 = 12 v. Chr. (vgl. 

liberis, Berliner Diss. 1892, 13f. Die Colonie nr. 254); vgl. auch Mon. Ancyr. V 35f. Viel- 

Patrae bekam ein sehr grosses Territorium. leicht waren sie schon alle zur Zeit, als Antiochia 

dazu gehOrte Rhypac. Paus. VU 18, 7, dann deduciert wurde , projectiert (nach caesarischem 

Dyme (vgl. nr. 107). Paus. Vn 17, 5, wenn Plan?), kamen aber erst spiiter zur Ausfuhrung. 

auch erst nach Augustus, endlich die ozo- 256. Genne in Pisidien = colonia Mia Augusta 

lischeiiLokrermitAusnahmederAmphissaeer, Felix Germe, Ptolem. V 47. Not, episc. 



551 



Coloniae 



Coloniae 



552 



reg/ioxokcovia. Eckhel III 178. Mionnet 
IV 390. CIL III 284 (fur Hadrian). 285. 
Zumpt 419. CIL m p. 53. 

257. Cremna oder Kremne, ebd. (Girme) = eolonia 
lulia Augusta Felix Cremna, Strab. XII 
569. Eckhel III 20. Mionnet III 507. 
Vn 114. CIL III Suppl. 6873 (fur Nerva). 
6874 = 304 (fur Hadrian). -Le B as- Wad- 
din gt on 1200. Zumpt 419. CIL HI Suppl. 

p. 1248. Beloch Bevcdkerung 334. 10 

258. Olbasa ebenda (Belenli) = eolonia lulia Au- 
gusta Olbasenorum, Ptolem. V 5, 8. Eckhel 
III 20. CIL III 6889 (aus dem J. 42/8). 
6891. 6892. 6888 (bilinguis). Zumpt 438, 1. 
CIL III Suppl. p. 1250. 

259. Comama ebenda (nabe bei Urgudlii) = eo- 
lonia lulia Augusta Prima Fida Comama, 
Ptolem. V 5, 8. Mionnet II 350, 109 = 
VII 710, 305. 711, 308 etc. CIL in 6886 

f) ngcoztj xai Jiiaztj Kofia^svatv xokmvla. 6887. 20 
Bull. hell. XVI (1892) 419 nr. 43 = Cagnat 
Eev. arch. XXI (1893) 255f. nr. 13. Zumpt 
432. CIL III Suppl. p. 1250. 

260. Lystra in Lycaonien (Khatta Serai) = eolonia 
lulia Felix Gemina Lustra, CIL HI 6786 
fur den Divus Augustus. Waddington 
Eev. immism. 1883, 57. Imhoof-Blumer 
Monn. grecqu. p. 347. CIL in Suppl. 
p. 1239. 



261. Parlais ebenda = eolonia lulia Augusta 30 
Parlais, Eckhel III 34. Zumpt 418f. Mar- 
quardt St.-V. 12 364, 12. Beloch Bevolke- 
rung 334. 

262. Ninica = eolonia lulia Augusta Felix 
Ninica Claudiopolis, C o h e n 2 Trajan nr. 71 5 ; 
Ztschr. f. Numism. VI (1879) 12. XVII 239. 
Kenner Numism. Ztschr. XV (1883) 3; Eev. 
franc. 1898, 196 nr. 4732; vgl. Ramsay 
ebd. 1894, 164—173. Das Kichtige bei Ku- 
bitschek Rundschau uber ein Quinquen- 40 
nium (1890 — 1894) der antiken Numisniatik, 
Wien 1896, 42—44. Uber den Beinamen 
Claudiopolis vgl. Ammian. Marc. XIV 8, 2, 
der die Stadt falschlich zu einer Colonie des 
Claudius macht, 

P) Claudius: 

263. Iconium = eolonia Claudia Ieouium , E c k h e 1 
III 31. 33. CIG 3991. 3993. Aber audi 
eolonia Aelia Iconiensis: Mionnet III 
535 nr. 13, so auch Comptes Rend. 1890, 442 50 
= Cagnat Rev. Arch. XVII (1891) 414 nr, 90 
eolonia Aelia Hadriana Augusta Iconien- 
sium. Wahrscheinlich neue Colonisation 
durch Hadrian, Zumpt 418. Perrot Ga- 
latie 144. 

18) Kappadokien. 
a) Claudius: 

264. Archelais. Plin. n. h. VI 8. Itin. Ant. p. 144. 
Ptolem. V 6, 14. Zumpt 386. Marquardt 
St.-V. 12 373. 5. 60 

/?) Anfang des 2. Jhdts.?: 

265. Sinis in Kleinarmenien, Ptol. V 7, 5. 
•/) Marcus Aurelius. 

266. ?Faustinopolis; aus dem cicus Ilalalae eo- 
lonia nach Hist. Aug. Marc Aurel. c. 26. 
Ob aber hier nicht eolonia im weiteren Sinn 
gebraucbt ist? Zumpt 429. Marquardt 
a. a. O. 373, 7. 



S) Caracalla: 

267. Tyana = Antoniniana col. Tyana, Eckhel 
III 195. Mionnet Suppl. VII 715. Zumpt 
433 

19) Kilikien. 
o) Hadrian?: 

268. Selinus = Traianopolis. Dig. L 15, 1, 11. 
Cass. Dio LXVIII 33. Tab. Peut. Zumpt 
419. 

/?) 3. Jhdt.: 

269. Olba, Mionnet Suppl. VII 238. IH 509. 
Marquardt St.-V. 12 389, 9. 

270. Mallus, B on ell Numism. Chron. VIII 4. 
Mionnet Suppl. Vn 226. 

20) Syrien mit Palaestina. 
a) Augustus: 

vgl. nr. 115. Berytus (Fabiaj, Beirut, seit dem 
J. 740 = 14 v. Chr. eolonia lulia Augusta 
Felix Berytus, Paul. Dig. L 15, 8 eolonia, 
Augustana. Joseph, bell. Iud. VII 39. Griin- 
dungsjahr bei Euseb. chron. 143 Schoene. 
Strab. XVI 576. Ansiedlung zweier Veteranen- 
legionen:fe$r. VMae. unci VIII Aug. Eckhel 
III 356. CIL III 161. 165. 166. 167. 6041. 
6671. 6672. 6687 (aus dem J. 749—750 
= 5— 4 v. Chr.). Zumpt379. Mommsen 
Res gestae divi Aug. 2 p. 43. O. Cuntz 
Jahrb. Suppl. XVII 481, 11. 482. 

271. Heliopolis (Fabia), Baalbek. Auf alle Falle 



nach 742 = 12 v. Chr., vgl. nr. 254, = eo- 
lonia lulia AugustaFelix Heliopolis, E ckhel 
III 334. Mionnet V 299; Suppl. VIH 210. 
CIL III 202; Suppl. 6665. Dig. L 15, 1, 2. 
Zumpt 418. Beloch Beviilkerung 334, 337. 
Marquardt a. a. O. 428, 3. 
§) Claudius: 

272. Ptolemais, vor dem J. 47 n. Chr. (nach den 
Miinzen\ Plin. n. h. V 75. Hierher wurden 
gefuhrt die Legionen VI Ferrata, IK, X 
Fretensis und XI Claudia Pia: Mionnet 
V 475. Zumpt 386. Beloch 335. 

y) Vespasian: 

273. Caesarea, friiher Tunis Stratonis = eolonia 
Prima Flavia Augusta Caesarea, Plin. n. h. 
V69. Eckhel III 430. Am. Journ. of Philol. 
1 890. 334 =r C agn a t Rev Arch. XVII d891\ 
257 nr. 1. Paul. Dig. L 15, 8, 7. Ulp. ebd. 
1 §6. Zumpt 397f. Marquardt 428, 5. 

* [Emmaus = Nicopolis] war niemals Colonie, 
obwohl Vespasian 800 Veteran en hierher- 
fuhrte; Joseph, bell. Iud. VII 217. Aera der 
Stadt vom J. 71 n. Chr., Eckhel III 454. 

6) Hadrian : 

274. Aelia Capitolina (Jerusalem |, Cass. Dio LXIX 
12. Euseb. hist. eccl. IV 6. Malal. XI p. 299 
Bonn. Ulp. Dig. L 15, 1 § 6; vgl. L 15, 8 
§8. Eckhel III 441— 443. Seit Commo- 
dus mit dem Beinamen Commodiana, Eckhel 
HI 441. CIL III Suppl. 6649. LeBas-Wa.l- 
dington 1895. Zumpt 417. Marquardt 
412, 13. 428, 7. 

e) Septimius Severus : 

275. Laodicea = eolonia Septimia Laodicea me- 
tropolis, Malalas Chronogr. XII p. 293 Bonn. 
Ulp. Dig. L 15. 1 § 3. Eckhel ni 319. 
Zumpt 431. Marquardt 428. 429, 1. 

276. Tyrus = eolonia Septimia, Tyrus metropolis, 
Ulp. Dig. a. a. O. Eckhel in 387. Auf 



553 



Coloniae 



Coloniae 



554 



Munzeu auch der Name der leg. Ill Gall. 
Von Elagabal wurde der Stadt vorubergebend 
das Colonierecht entzogen, von Alexander 
Severus aber vvieder zuriiekgegeben. Zumpt 
431f. 

277. Sebaste, friiher Samaria = eolonia L. Septi- 
mia Sebaste, Ulp. a. a. O. § 7. Eckhel 
III 440. Auch hierher wie es scheint eoloni. 
Zumpt 432. 

278. Palmyra, Colonie auf Inschriften des 3. Jhdts. 
De Vogiie' Syrie centrale, inscript. semit. 
nr. 15 (aus dem J. 242). CIG 4485 (etwas 
vor 265). 4496. 4497. 4498 (finigoxolm- 
vsia = metropolis eolonia); Vgl. Wadding- 
ton 2606 a. 2607. 2601. Munze des Cara- 
calla mit eolonia Palmyra. Nach Ulp. 
Dig. L 15, 1 § 5 mit ins Italieum aus- 
gestattet, aber ohne dass sie Colonie ge- 
nannt wird. Zumpt 418. CIG zu nr. 4485. 
Marquardt 415. 429. 

f) Caracalla: 

279. Antiochia in Svrien, Paul. Dig. L 15, 8 § 5. 
Eckhel III 302. Mionnet V 204ff.; Suppl. 
VIII 145. Zumpt 433. 

280. Hemesa, Dig. L 15, 1 § 4. 8. Eckhel III 
310. MionnetV228ff. Zumpt434. Momm- 
sen Ztschr. fur Rechtsgesch. IX (1870) 112 
Amn. 

281. Caesarea ad Libanum (Area), Mionnet Suppl. 
VIII 256. Eckhel III 360ff. Mionnet 

V 358. -Zumpt 433. 
n) Elagabal: 

282. Sidon = eolonia Aurelia Pia Metropolis Si- 
don, Eckhel III 371. 387. Mionnet V 
384ff.; legio III Parthica. Zumpt 434. 

&) Alexander Severus: 

283. Damascus = eolonia Damascus Metropolis, 
Mionnet V 292, 61. Eckhel III 331 falsch, 
ebenso Zumpt 435f. Marquardt St.-V. 
12 429, 6. 

i) Philippus: 

284. Neapolis in Samaria, Beiname Flavia, weil 
Vespasian hierher schon Veteranen gefuhrt 
hatte, Eckhel Jn 435. Miinzen init eolonia 
seit Philippus, Eckhel IIT 437. Mionnet 

V 506. 

x) Unbestimmt: 

285. Ascalon. Papyrus, WilckenHerm.XIX416ff. 
aus dem J. 359 n. Chr. : xolcoria 'Aoxal.cov 
fj nicxi] xai ilevfiega. ebd. S. 418, 2f. 

286. Gaza, Waddington 1904. 

* [Gadara] CIL III 181, dariiber add. p. 972. 

287. Eakkaia, bei Ptolemaios Sakkaia, in der Ba- 
tanea. Zuerst eine xcofin (Waddington 
2136), aber mit einer Garnison (ebd. 2144). 
Aus den eanabae dann eine Colonie (Wad- 
dington 2139) mit einer Aera, wahrschein- 
lich aus dem Ende des 1. Jhdts. (ebd. 2159). 

21) Arabien. 

a) Alexander Severus: 

288. Bostra = Nova Traiana Aleomndriana eo- 
lonia Bostra erhielt von Septimius Severus 
Stadtrecht (Phot. bibl. p. 347Bekker), da- 
gegen wohl erst von Alexander Severus Co- 
lonierecht, Eckhel III 500. Mionnet Suppl. 
VIII 384f. Zumpt 431. Marquardt St.-V. 
12 432. 1. Paul Meyer Jahrb. f. Philol. 
1897, 595. 54. 



/?) Philippus Arabs: 

289. Philippopolis , urspriinglich xwfin (W a d - 
dington 2071). Von Philippus zur Stadt 
erhoben (Aurel. Vict, de Caes. 28), bald 
darauf auch Colonie, Waddington 2072. 
v. Domaszewski Eh. Mus. LIV (1899) 159. 

22) Mesopotamien. 

* [Ninus (Ninive)] niemals Colonie , vgl. K u- 
bitschek Rundschau uber ein Quinqu, ant. 

10 Numism. 42 — 44. Falsch Marquardt St.- 

V. 12 435, 6. 437, 9. 

* [Maiozamalcha] voriibergehend unter Traian 
Colonie, Mionnet Suppl. VIE 414. Mar- 
quardt 437, 9. 

a) Marc Aurel: 

290. Carrhae = eolonia Metropolis Antoniniana 
Aurelia spater auch Alexandriana, Eckhel 
IH 508. Mionnet V 594ff. ; Suppl. VIII 
392ff. Zumpt 428. 

20 291. Singara, Eckhel HI 519. Zumpt 429. 

292. Edessa, Colonie sicher von Caracalla bis De- 
cius, Eckhel m 510; aber auch schon eine 
Mflnze von Commodus mit col. mfetrop.) 
Edessa, Mionnet Suppl. VDH 399,1. Zumpt 
433. Marquardt 437, 12. 

/?) Septimius Severus: 

293. Nisibis = Septimia eolonia Nisibis, Cass. 
DioLXXV3. Eckhel HI 517. Zumpt 431. 

294. Rhesaena, EckhelHI 515. Mionnet V 630. 
30 Zumpt a. a. O. 

295. Zaytha, Mionnet Suppl. VTII 418. Mar- 
quardt 437, 15. 

23) Cyrenaica. 

296. ?Cyrene, Colonie nur auf der Tab. Peut. 

297. ?Tauchira (Arsinoe), ebenso, Zumpt 426 
Marquardt 463, 7. 

24) Africa (prov. proc), vgl. J. Toutain Les 
citfc Bom. de la Tunisie, Paris 1895, besonders 
Appendix I 381—398. 

40 a) Augustus: 

vgl. nr. 117. Carthago, auch Colonie des Augustus, 
vgl. nr. 119 — 122. Thuburbo maius, Veneria Sicca, 
Maxula und Uthina desgleichen. 

298. Simitthus oder Simittus (Quirina) (Hr, Schem- 
tu) = eolonia' lulia Augusta Numidica Si- 
mitthus. Bei Plin. n. h. V 29 noch oppi- 
dum civ. Bom. Colonie: CIL VO Suppl. 
14559. 14611. 14612=1261. 14683; vgl. 
CIL VIII p. 158; Suppl. p. 1416. 

50 /?) Flavier: 

299. Aminaedara (Quirina). (Heidra) —eolonia Fla- 
ria Augusta Emertia Aminaedara, Hygin. 
de limit, const, p. 180 Lachm. CIL VUI 308. 
309 = 11532. 302. CIL VHI p. 50; Suppl. 
p. 1198. 

7) Traian: 

300. Hadrametuin (Papiria) (Susa) = eolonia Con- 
cordia Ulpia Traiana Augusta Frugifera 
Hadrumetum, spater lustiniaiwpolis , CIL 

60 Vm 62 = 10477, 2. 11138. 2968. Ptolem. 

IV 3, 9. CIL Vin p. 14. 913. 

301. Thelepte (Papiria). (Medinet Kedima), Tab. 
Peut, CIL V1II211. 216. 12216. 2094, ebd. 
VHI p. 30. Kubitschek De trib. orig. 200. 
Toutai-n Les citeV 316f. 

302. Cillium (Papiria) = eolonia Cillitana, CIL 
VIII 210 = Suppl. 1 1299 (dariiber W. Hen z e 
De civitatibus liberis, Berlin 1892, 80f.); ur- 



555 



Coloniae 



Coloniae 



556 



sprunglicb eme Ortschaft von Thelepte ; eine 320. Theveste (Papiria), (Tebessa), spiitestens unter 

AnsiedlungnavischerVeteranenhierher:.FZa- Commodus (CIL VIII Suppl. 16530), wahr- 

vium allium. CHj VIII p. 33 ; Suppl. p. 1 178. scheinlich aber noch friiher, eWa unter Traian 

Toutain 318. (Papiria). CIL Vffl Suppl. 16558. CIL VIII 

303. Leptis Magna (Lebda) = eolonia Ulpia p. 215. 860. 865. 575; Suppl. p. 1576. 
Traiana Leptis {Magna), CIL VLU 10. 11. 321. Tbibiuca (Hr. Zuitina und Hr. Kessa), muni- 
ebd. VIII p. 2f. 913; Suppl. p. 1144. cipium, CIL VIII Suppl. 14293; eolonia 

304. Oea (Tarablus oder Tripoli) = eolonia Oea, ebd. 14291 fur einen Maim, der Consul suf- 
Tab. Peut. Itin. Ant. CIL VUI 24. Colonie fectus war im J. 167. CIL VIII Suppl. 
vielleicht gleichzeitig mit Leptis; CIL VLU 10 p. 1386. 

p. 5. 322. Sufetula (Quirina). (Sbitla), Ende des 2. Jhdts. 

8) Hadrian : CIL VIII Suppl. 11340. 11343. 

305. Utica (Quirina). (Hr. bu Schater) = eolonia i) Septimius Severus : 

lulia Aelia Hadriana Augusta Utiea. Bei- vgl. nr. 117 und nacb nr. 297. Carthago bekam das 

name lulia, weil sie vorher munieipium ins Italicum von Septimius Severus und 

Miwnvwr. Colonie: Gell. XVI 13, 4. CIL seinem Sobn, Dip. Dig. L 15, 8, 11, vgl. 

VIII 1181. 1182 = 14312. 1183; ebd. VHI Blancbet Rev. Num. 1898, 20ff.; seitdem 

p. 149; Suppl. p. 1388. eolonia lulia Aur(elia) Ant(oniniana) Kar- 

306. Zama regia = eolonia Aelia Hadriana Au- thago. 

gusta Zama regia, CIL VI 1686. VIII 1218; 20 vgl. nr. 303. Leptis magna, ebenso, Dig. a. a. O. 

ebd. p. 1240. vgl. nr. 305. Utica, ebenso, Dig. a. a. O. 

s) Antoninus Pius (oder auch noch Hadrian): 323. Vaga (Fabia und Arnensis). (Bedja), gegriin- 

307. Lares (Hr. Lorbus) = eolonia Aelia Augusta det 209 n. Chr. = eolonia Septimia Vaga, 
Lares, CLL VIII 1779 fiir den Divus An- CIL VIE 1212 = 14395: Triumphbogen 
toninus. Tab. Peut. Itin. Ant. 26. CIL VHI eolonia deduota. 1222. 14394. CIL VIII 
p. 209; Suppl. p. 1559. p. 154. 

308. Thaenae (Hr. Tine) = eolonia Aelia Augusta «) Alexander Severus : 

Mercurialis Thaenitanorum, CIL VI 1635; 324. Uchi maius = eolonia Mariana Augusta Ale- 

ebd VHI p. 10. xandriana Uchi mams, CLL VHI Suppl. 

309. Madaura (Quirina). (Mdaurusch). Vor 160 30 15447. 15450. 15454. 15455. 15451.15452. 
n. Chr Apul. apol. 24 ; vgl. CIL Vni 4672. Marius hatte bier schon Veteranen viritim 
4681; ebd. VIII p. 472; Suppl. p. 1609. angeaiedelt (Aur. Vict, de vir. ill. 73). CIL 

£) Marc Aurel: VIII Suppl. p. 1487. 

310. Sufes (Hr. Sbiba) = eolonia Aurelia (I) Su- I) Gallien: 

fetana, CIL VIII 258 = 11421. 262 = 11430 ; 325. ' Thugga (Dougga) = eolonia Licinia Septi- 

ebd. VIII p. 44; Suppl. p. 1190. mia Aurelia Ahxandriana Gallieniana 

311. Mactaris (Hr. Makter oder Gasr Bu Fatha) Augusta Thugga, CIL VHI 1487 (fur Gallien 
= eolonia Aelia Aurelia Augusta Mactaris. aus dem J. 261 n. Chr.); Suppl. 15516. CIL 
Colonie in den letzten Jahren des Marc Aurel. VIII p. 174. 

CLL VIII Suppl. 11801. 11804. 11809. 40 326. Thubursicum Bure = eolonia Licinia Septi- 

11813. Bull. arch, du Comite' des travaux mia Aurelia Alexandrians (jfallieniana 



hist. 1891, 515 nr. 45. E. Cagnat Rev. 
Arch. XIX (1892) 298 nr. 18. CIL VIII 

p. 79; Suppl. p. 1279. 
tj) Commodus: 
vgl. nr. 119. Thuburbo maius, mit vollem Namen: 



Augusta Thubursicum Bure, CIL VTH 1430 
(fur Gallien). 1437. 1432 = 15267. 15258. 
Bull. arch, du Comite 1898, 155. CIL VHI 
p. 174. 
jj) 3. Jhdt. 



eolonia lulia Aurelia Commoda Thuburbo 327. Thubursicum Numidarum, zunachst muni- 

maius, Bull. arch, du Comite 1893, 222 cipium, eolonia vor dem J. 270 n. Chr., CIL 

nr. 48. VIH 4876 (aus dem J. 270). 4877. CIL VIII 

#) 2. Jhdt.: 50 p. 489; Suppl. p. 1630. 

312. Thabraca (Tabarka), Ptolem. IV 3, 5. CIL 328. Calama (Papiria). (Gelma), unter Caracalla 
V TTT 17333. Bull. arch, du Comite 1892, 204 noch munieipium, eolonia sicher unter Cari- 
nr. 22. 23. p. 207 nr. 33. Papier Compt, nus, CLL VIH 5332 aus dem J. 283; vgl. 
Bend. Acad. Hippone 1897, 55. CIL VIII 5340. 17518. 5356. CLL VHI p. 521; Suppl. 
p. 513; Suppl. p. 1646. p. 1658f. 

313. Thuburnica (Sidi Ali bel-Kassem), Ptolem, 329. Vallis (Papiria). (Hr. Sidi Median), zuerst 
IV 3, 29 CLL VHI Suppl. 14687. 14690. munieipium, eolonia: CIL VHI 1274. 1275. 
14703; ebd. VIH Suppl. p. 1428. 1285 (?). 1279. Ware 1275 nicht verdach- 

314. Thigiba, Ptolem. IV 3, 29. CIL VHI p. 174. tig, so mfisste man die Erhebung zur Colonie 

315. Aphrodisium, Ptolem. IV 3, 5. 60 schon dem Caracalla zuschreiben; vgl. Wil- 

316. Thunudromum, Ptolem. IV 3, 29. manns z. d. Insehr. u. p. 937. CIL VIII 

317. Cnlcua (Name richtig)?, Ptolem. a. a. O. p. 160; Suppl. p. 1487. 

* [Thubba], CIL VIH Suppl 14295; ebd. 330. Capsa(Gafsa), >wM»tci>«(W zur Zeit Hadrians, 

p. 1387. CLL VIII 98; eolonia auf der Tab. Peut. 

318. Zama minor, nach Hadrian: CIL VHI Suppl. und beim Geogr. Rav. ni 5. CIL Vffl p. 22; 
12018. Toutain Les citfe 396. Suppl. p. 1172. 

319. Thysdrus (Galeria). (El Djem), CH, Vffl 51. 331. Tacapae (Gabes), Tab. Peut. Geogr. Eav. 
2343. 2406; add. 10500. V 5. CIL VHI p. 8; Suppl. p. 1150. 



557 



Coloniae 



Coloniae 



558 



v) Ende des 3. oder im 4. Jhdt. : loniarum unterstehen, nut anderen Worten 

332 Bisica Lucana (Hr. Bischka), munieipium die mit Cirta contnbmerten dm Gememden 

wahrscheinlich seit Hadrian; eolonia CIL sind praefecturae, die aber, me die Haupt- 

VIH 1357 (316/317 n. Chr.). CIL Vffl p. 169. gemeinde, wenn auch nur titular, e. heissen. 

938- Suppl v 1265 tjber die ganze Organisation vgl. Mommsen 

333. Uppenna (Hr Schigamia oder Fragha), CIL Herm. I 47-68. CIL VHI p. 618t und 

Vffl Suppl 11157 (fur Constantin I.); ebd. Suppl. p. 1847ff. An diese vier verbundenen 

VTH p 1163 Colonien ist dann im Anfang oder m der 

334 Pudput oder Pupput, Bulletin de la Soc. des Mitte des 2. Jhdts. (sicher vor dem J. 160 
' Antiqu de France 1893, 220f. = E. Cagnat 10 n. Chr., CIL VHI Suppl. 20144) noch erne 

Rev Arch. XXV (1894) 389 nr. 115 (aus fiinfte Colonie angeschlossen worden: 

dem Anfang des 4. Jhdts.). 341. Cuicul = eolonia Cuieuhtana (Djemila), CIL 

335 Thunusuda (Sidi Aceni) , munieipium im VHI Suppl. 20144. 8318. 8319. 8326. 8329 
' Beginn der Kaiserzeit, eolonia im 4. Jhdt.: in der Weise, dass z. B. in 8318 ein ffomen 

Melanges d'arch. et d'histoire 1893, 446 nr. 56 perpetuus IIII eolomarum Cirtensvum^ et 

= Cagnat Rev. Arch. XXIV (1894) 420 Cuieuli erwahnt wird, von dem gesagtwird: 

nr 81 <Tiir Maffnentius) omnibus honoribus in V eoloniis functus. 

f) Gan. unbestiinmt: CIL VHI p. 708. 968; Suppl. p 1896. 

336 Uzalis (El Alia), eolonia Uzalitana, CIL VHI /?) 3. Jhdt. Die Contribute der Colonien urn 
Suppl 14331 = 1204 Aug. de civ. dei XXII 20 Cirta blieb bis in das 3. Jhdt., sicher bis unter 
8 eolonia Uticae vieina. CIL VIH p. 1390. Alexander Severus (CIL VHI 7013 vergbchen mit 

337 Hippo Regius (bei Bona), Itin. Ant p. 20. 7988. 7989). Fiir Milev spncht 8210 deutlich 
CIL VHI 5237 = 17403 eine eoloniea; ebd. von der gelOsten eontribuho mit Cirta, wodurcn 
Vffl p. 516; Suppl. p. 1650. derjenige, dem die Inschrift dediciert ist, vn pa- 

338 Sabrata, Itin. Ant. Der Name der Stadt tria sua primus triumvir wurde. Wir haben 
stent auch CH.. VHI 2568 Z. 71. demnach im dritten Jahr fttnf einzelne Colonien : 

339 Colonie an der Stelle von Hr. Sidi Amara 342. eolonia Cirta, im 4. Jhdt. eolonia Constan- 
' und Hr el Khima, munieipium noch unter Una. CIL VHI 7012. 7013. 7034. Vielleicht 

Alexander Severus 232, CIL Vffl 714; da- gehfirt hierher auch IGI 278 

eeeen col Suppl 12145 (Buchstaben der 30 343. eolonia Sarnmsts Milev (Mda), CIL VU1 

spatesten Zeit). CIL VIII p. 89 ; Suppl. p. 1250. 8210. 7013 (zwiscb. 340/50) ; ebd. Vffl p. 701 ; 

» [Auf eine Colonie an der Stelle von Hr. el Suppl. p. 1887. , . ™. „■ 

Oust darf man nicht aus CIL VIII Suppl. 344. eolonia Minervta Chullu oder eolonia Chulh- 

16417 (aus dem J. 188), wo die Errichtung tana, CIL Vffl p. 700; Suppl p 1883. 

einer Marsyasstatue auf dem Forum der Stadt 345. eolonia Veneria Buswade (Philippeville), 

berichtet wird, schliessen. Eine solche Statue CIL Vffl 7959. 7960 (wegen saera urbs 

befand sich auch in Verecunda (in Numi- aus dem 3. Jhdt.). Der curator reipitblicae 

dien), das doch nur munieipium war, CIL aus dem J. 303 bei August, adv. Crescon. 

VIII 4219, dazu Wilmanns p. 423, vgl. Ill 30 ist kein Gegenbeweis gegen die Oo- 

auch J Toutain Melanges d'ArchcSologie 40 lonialqualitat des Ortes. CIL Vffl p. 684; 

et d'His'toire XVffl (1898) 148, 1 und unten Suppl. p 1878f. ^^^ onlaa 

S. 580. CIL VHI Suppl. p. 1568, vgl. zu 346. Colonia Cuieuhtana, CIL VH183<23 = <20169 

17841 Unsicher sind die Erganzungen von aus dem J. 248. 20155 aus dem J. 256. 8326. 

CLL VHI 14436 (vgl. p. 1409) und von 8328 (p. 968). 8329. Dazu kommen noch zwei 

14452 (vgl. nr 1407)]. Colonien spaterer Zeit aus dieser Gegend, 

25) Numidia. Ilier zwei Tcilc: die caesa- deren Namen abeT nicht gen au bekannt sind: 

rische Colonie Cirta mit ihrem grossen Territorium Ml. eolonia Tutcensium (Villefosse: Tuecen- 

und sudlich davon das Territorium der legio UI sium), CIL VIII 827C i(aus Ain Aziz ben Tellin) 

Augusta. 348. eolonia Cast ... CLL W 10419. 10421 

vsrLnr 118 Cirta. An Stelle dieser Colonie treten 50 (fur Alexander Severus). Was fur erne Co- 

spatestens lonie CIL ym 18752 gemeint "t. lasst sich 

a) unter Traian (CIL VTH 7069), vielleicht nicht bestimmen. 

schon friiher * [Mascula] ist keine Colonie, wie Wilmanns 

340. IV coloniae Cirtemes. z. B. so genaimt CIL CLL VIII p. 248 annimmt Noch im 3. Jhdt 

VTH 7080. 8318. 8319, oder kiirzer coloniae hat die Stadt Mumcipalreent , CIL Vlll 

Cirtenses 6942, oder quattuor eoloniae 7963. Suppl. 17680. 

7983. 18912. Es sind dies ausser Cirta Co- Im siidlichen Teil von Nnimdien kennen wir 

Ionia Veneria Rusieade (Philippeville) 7960. zwei Colonien: 

7969. 6710, 6711. 7124. eolonia Sarnensis a) unter Traian: 

Milev (7013) und eolonia Minervia Chullu 60 349. Thamugadi (Papiria). (Timgad), gegriindet 
6710 6711. Diese vier Colonien bilden bis 100 n. Chr. = colonm blpia Mareiana Tra- 
in einem Grade eine Samtgemeinde, indem iana Thamugadi. Die Grundungsinschrift 
sie gemeinsame Beamte haben, an der Spitze CIL VIH 3255 = 17842; vgl. 17843, ferner 
Illviri IIII coloniarum, bezw. an ihrer 17841. 17844 (= 2357). 17845. u. s. w. (sehi 
Stelle praefecti i. d. pro III viris. Von diesen viele Inschriften), ebd. Vffl p. 259. 951; 
Praefecti sind wohl zu unterscheiden die Suppl. p: 1693. 
Leiter der drei contribuierten c„ welche auch jS) Gordian III. ? 
praefecti i. d. heissen und den Illviri co- 350. Lambaesis. Aus den eanabae zunachst em 



559 



Coloniae 



Coloniae 



560 



munieipitim. Dieses scheint bei der Ver- 
legung der Legion unter Gordian III. mit 
Colonierecht ausgestattet worden zu sein. 
Cyprian, epist. 59, 10 ed. Hartel. CIL VIII 
2720. 2721. 18240. 18260. 18262. 183S2. 
10228. 10229. 10256. 10258. 10259; ebd. 
VIII p. 285. 

26) Mauretaniae. 

a) Mauretania Tingitana, 

a) Augustus (vgl. Mon. Ancyr. V 35f.): 10 

351. Zilis = eolonia Augusta Julia Cmistantia 
Zulil, regum dicioni exempta et iura in 
Baetieam petere iussa, Plin. n. h. V 3. Itin. 
Ant. p. 8. 

352. Babba = eolonia Julia Campestris Babba, 
Augusti eolonia. Plin. n. h. V 5. 

353. Banasa = eolonia Valentin Banasa, Plin. 
V 5; spater auch mit dem Beinamen Au- 
relia, CIL VIII 9992; eM. VIII p. 855. 

fi) Claudius: 20 

354. Tingi (Tanger), municipium schon seit Au- 
gustus, Cass. Dio XL VIII 45, nach Plin. 
n. li. V 2 als Colonie genannt Traducta 
Julia. Das ist aber falsch; so Mess eine 
Stadt in Baetica ; Strab. HI 140. CIL II p. 241 . 
Colonie heisst Tingi auch im Itin. Ant. p. 24 
und bcirn Geogr. Rav. CIL VIII add. 10985; 
ebd. VIII p. 854. 

355. Lixus (El Araisch), Plin. n. li. V 3. Itin. 
Ant. p. 7 CIL VTII p. 855. 30 

y) Unbestimmt: 

356. Rusadder, Itin. Ant. p. 11. 

357. Volubilis, Itin. Ant. p. 23 zuerst municipium. 
CIL VIII 9994 ; ebd. VIII p. 855. 

358. ? Sala, Itin. Ant. p. 7 ist vielleicht zu lesen 
Sala eolonia statt des iiberlieferten Salaeona 
oder Salaconia. Sala erwahnt bei Mela II 
107. Ptolem. IV 1, 2. CIL VIII p. 983. 

b) Mauretania Caesariensis. 

a) Augustus. 40 

359. Cartenna (Tenes), Plin. n. li. V 20. Ptolem. 
IV 2, 4. CIL VIII 9663. Colonie von Ve- 
teranen der leg. II, CIL VIII p. 824. 

360. Gunngu. Plin. a. a. O. Hierlier Deduction 
einer cohors praetoria. 

361. Igilgili (Djidjeliij. Plin. a. a. O. 21. Itin. 
Ant. p. 8. CIL VIII p. 715. 

362. Rusguniae (Cap Matifu), Plin. a. a. O. CIL 
VUI 9045. 9047. Itin. Ant. p. 16. CIL 
VIII p. 792. 50 

363. Rusazus. Plin. a. a. O. Offenbar aber spater 
municipium, Tab. Peut. Geogr. Rav. V 4 
Itin. Ant. CIL VIE p. 765. 

364. Saldae (Amensis). (Brugie) = eolonia Julia 
Augusta Saldae Septimanorum immunis. 
Plin. a. a. O. Ptolem. IV 1. 9. Itin. Ant. 
p. 17. Tab. Peut. CIL VHI 9328 = 8931. 
8933; vgl. 8934. 8937. 

365. Tupusuetu (Arnensis). (Tiklat) = eolonia 
lulia Augusta legionis VII Tupusuetu. Plin. 60 
n. h. V 21. Ptolem. IV 2. 31. CIL VLH 
8837 ; ebd VIII p. 754. 

366. Zuccabar (Affreville), Plin. a. a. O. = eolonia 
Augusta. CIL VIII 10450; ebd. VIII p. 822. 

/?) Claudius: 

367. Iol = Caesarea (Sclierschel) = eolonia Clau- 
dia Caesariensis, abgekiirzt C. C. C. Plin. 
n. h. V 20 (Solin. 25. 16). CIL VHI 



9400. 9401. Comptes Rendus 1893, 401 = 
Cagnat Rev. Arch. XXIV (1894) 284 nr. 26. 
CIL VIII p. 800. 

368. Oppidum Novum (Ain Khadra, franz. Du- 
perre). Plin. n. h. V 20. Ptolem. IV 2, 25. 
Itin. Ant. p. 38. CIL VIII p. 823. 

j>) Nerva: 

369. Sitifls (Papiria). (Setif) = eolonia Nerviana 
Augusta Martialis Veteranorum Sitifien- 
sium, CIL VIII 8473. 10337. 10338. 10353. 
10362. 8441. 8465. 8467. 8468. Ptolem. IV 
2, 34. CIL VTII p. 722f. 

5) 2. Jhdt. (Ptolemaios). 

370. Aquae Calidae (Hammana-Righa) , Ptolem. 
IV 2, 26. CIL VIII p. 819. 

371. ?Quiza (Pont du Cheliff), Ptolem. IV 2, 3, 
aber nach dem Itin. Ant. p. 14 municipium. 
CIL VIII 9699 nur respubliea Quizensium. 
CIL Vni p. 828. E. C a t Mauretanie Ce'sar. 
146f. 

372. Arsennaria, Ptolem. IV 2, 3. E. Cat a. a. O. 
146. 

373. Bida, Ptol. IV 2, 28. 

374. Siga, Ptolem. IV 2, 2. 
s) Wahrscheinlich auch noch aus dem 2. Jhdt. 

375. Tipasa (Quirina). (Teffesad oder Tipaza), CIL 
Vin 9290 (eher dem 2. als dem 3. Jhdt. 
augehOrig). Itin. Ant. p. 15. CIL VHI p. 797. 
St. Gsell Tipasa, Melanges d'archeol et 
d'hist. 1894, 291ff. 

Septimius Severus mid Caracalla: 

376. Auzia (Aumale) = eolonia Septimia Aurelia 
Auxiensium, CIL VIII 9062 (aus dem J. 230). 
9014 (aus dem J. 224). 9020. 9023. 9044. 
9045. 9047. 9048. 9066. 9068. 9069. CIL 
VIII p. 769. 

n) 3. Jhdt. 

377. Equizetium (Bordj. Medjana), eolonia CIL 
VIII 9045 (vom J. 255) ; dagegen CIL VIII 
10430 (aus diocletianischer Zeit)mimicipiu?n. 
CIL VIII p. 751. 

6) Colonien des Itinerars : 

378. Gilva, Itin. Ant, p. 13. CIL VIII p. 838. 

379. Ieosium (Alger). Itin. Ant. p. 15. CIL VIII 
p. 794. 

380. Rusuccuru. mtmicipiutit noch im Anfang 
des 3. Jlidts.. CIL Vni 8995. eolonia Itin. 
Ant. p. 16. 38. CIL VIII p. 766. 

381. eol. Th (Ain es Sultan), CIL VIII 

8781. 

* [Usinaz = Saneg], CIL VIII 9228 vom 
J. 205 wird man besser mit Mo mm sen hur- 
gu]m. als mit Ren ier colon ia]m ergiinzen. 
CIL "VTII p. 790. 
Dieses Verzeicbnis der Burgereolonien bestatigt 
den Satz : Die Geschiehte der rOniisehen Coloni- 
sation ist die Geschiehte des rOmischen Staates. 
Sie fuhrt uns zuerst in die Zeit der grossartigen 
Ausbreitung des ROmertuuis iiber Italien mit 
Hlilfe des nationalen Biirgerheeres, dessen Kern 
die stark sich veraiehrende heimische Bauernschaft 
war. Die alteste romische Colonisation ist ein 
Teil der altromischen Occupationspolitik, die alte- 
sten c, weil zuerst nur am Meere angelegt = co- 
loniae maritimac |Liv. XXXVI 3. Sic. Flaccus 
de cond. agT. p. 135, 23. Dionys. Ill 44), sind 
detachierte Teile des bauerlichen exeroitus cen- 
turiatus Quiritium. Die vom Stamm abge- 



561 



Coloniae 



Coloniae 



562 






zweigten, draussen angesiedelten Quiriten sollten 
in erster Linie den Acker des neu occupierten 
Landes bebauen, sollten coloni, ihre Gesamtheit 
eine eolonia sein, aber zugleich auch sollten sie 
Soldaten, oder bessfer, Burger im Soldatenkleide 
in Permanenz sein, hinausgestellt auf die Aussen- 
posten und Bolhverke der rOmischen Herrschaft 
{propugnaoula imperii, Cic. de leg. agr. II 73); 
sie dienen also nicht nur einem wirtschaftlichen, 
sondern auch einem eminent politisch-militarischen 
Zweck (Siculus Flaccus de cond. agr. p. 135, 20. 
Dionys. LT 35. 36. Ill 49. V 43. 60. VI 32. 34. 
VH 13. .Liv. I 56, 3. H 34, 6. IV 11, 3. X 1. 
10. 21. Cic. de leg. agr. II 73; pro Fonteio 3. 
Phil. V 10. Appian. bell. civ. I 7. Dig. L 15, 
1, 5 u. s. w.). Dass die e. zugleich stehende 
militarische Besatzungen (praesidia) waren, zeigt 
sich vor allem darin, dass dieser Besatzungs- oder 
Fostungsdienst die coloni vom Felddienst befreite 
(iiber diese vaoatic militiae der coloni vgl. Liv. 
XXVLT 38. XXXVI 3. Mommsen St.-R. Ill 
243. 775), wogegen aber irgend eine Art von Do- 
micilzwang fur sie vorhanden war (Liv. XXVII 
38, 5). Man erreichte also damit ein Zwiefaches : 
man sorgte fur die militarische Sicherung und 
zugleich fiir die Bebauung des neueroberten Landes. 
Dieses letztere gehorte nach rOmischem Kriegs- 
recht dem siegenden Volke, wurde Domane oder 
ager publicus populi Romani, wie die AngehO- 
rigen des besiegten Volkes Sclaven. In praxi 
nahm man aber nur einen Teil des eroberten Landes, 
in der Kegel ein Drittel weg (Dionys. II 35. 50. 
53. Liv. X 1), und dieses wurde , wenn es nicht 
als ager publicus besteben blieb und censorisch 
verpachtet oder wenn es nicht veraussert wurde 
(Liv. II 31. Cic. in Verr. Ill 13. Siculus Flaccus 
p. 136 Lachm.), von staatswegen an coloni fiber- 
wiesen, entweder viritim oder an eine Gesamtheit. 
so dass dann in dem letzteren Fall eine eolonia 
entstand. Die Anlage einer Colonie erfolgte aber 
immer — und das ist ein zweites wichtiges Cha- 
racteristicum der altromischen Colonisation — auf 
Antrag eines Consuls (Liv. VII 16. IX 26. 28) 
oder eines Tribunen (Liv. XXXII 29. XXXIV 53) 
und auf Grand eines Senatusconsultum durch einen 
Volksbcsehluss {lex. lex colouic.a. Liv. XXXII 29. 
XXXIV 53. XXXV 40. Cic. Phil. XIII 31). 
durch den die Zahl der coloni, das Gebiet der 
Landauweisung. die Commission von Magistraten 
fur die AusfQhrung des Beschlusses (gewohnlicb 
triumviri coloniae dedueendae agroque dividunds, 
fiber dies alles vgl. genauer u. S. 568ff.) festgesetzt 
wurde. Das Volk hatte hierin in der besseren 
republicanischen Zeit eines seiner wichtigsten 
Souveranitiitsroi-hte, es propagierte sich gewisser- 
massen selbst. Als dann Italien insgesamt der 
rOmischen Herrschaft unterworfen war, da stand 
von der ersten Halfte des zweiten vorchristlichen 
Jalvrbunderts ab diese, ebenso wie die schon be- 
trachtete, ganz denselben Zwecken dienende la- 
tinische Colonisation still. War wohl in dem cis- 
alpiniscben Gallien noch die Coloniegrundung, 
d. h. die Assignation von Grand und Boden zu 
vollem quiritarischem Eigentum zugelassen worden, 
so straubte sicb der regierende Senat der nun 
herrschenden runiischen Oligarcliie gegen die prak- 
tische Anwendung dieses Princips zuniichst auf 
Sicilien und weiter die iibrigen als uberseeiseh 



betrachteten Gebiete des imperium Bomanum. 
.Theoretisch willkiirlich wie diese Procedur ist, 
offenbart sie urn so deutlicher den politischen 
Zweck, der Bildung rOmischer Colonien ausser- 
halb Italiens und damit der Denationalisierung des 
herrschenden Volkes einen Riegel vorzuschieben' 
(Mommsen St.-R. HI 7S3ff.). Die Periode des 
Stillstandes in der rOmischen Colonisation ist so 
recht der Ausdruck des engherzigen oligarchischen 
10 Regimentes im ROmerstaate. 

Die von den Gracchen gegen dieses Regiment 
eingeleiteteBewegungist, wie fur die gesamte romi- 
sche Entwicklung, so auch insonderheit fiir die 
Geschiehte der rOmischen Colonisation epoche- 
machend. Sie haben das Institut der Colonie 
wiederaufleben lassen, aber zu rein socialen 
Zwecken, zur Versorgung zunachst des biirger- 
lichen Proletariats der Hauptstadt. Waren die 
Colonien der ersten Epoche so recht ein Abbild 
20 von dem uberschussigen Material an Bauernschaft, 
so sind die von den Gracchen und ihren Nach- 
folgern in der Revolutionsepoche ausgesandten 
im Gegenteil ein Zeichen vom Verfall des agrari- 
schen Mittelstandes , der gerade durch diese Co- 
loniegriindungen aus den Reihen der hauptstadti- 
schen Proletarier wieder ktinstlich geschaffen 
werden sollte. Aber bei der Versorgung des ci- 
vilen Proletariats ist man nicht stehen geblieben, 
es gait auch bald das durch die marianischen 
30Reformen im Heerwesen geschaffene ausgediente 
militarische Proletariat, die nichtbesitzenden Ve- 
teranen, zu versorgen, und damit hat Marius mit 
der lex Appuleia vom J. 654 - 100 v. Chr. selbst 
begonnen, weshalb Velleius (1 15, 5) von hier den 
zweiten Hauptabsclmitt in der rQmischen Colo- 
nisation datiert (von hier ab nach ihm die co- 
loniae militares, ein recht ungliicklich gewahlter 
Ausdruck, dariiber Mommsen St.-R. II 3 737, 2). 
Wenn die Notwendigkeit der gracchischen Ver- 
40 worgungscolonien fiir das biirgerliche Proletariat 
die gewaltigen wirtschaftlichen Lmwalzungen im 
rOmischen Staatswesen in der Sichtung einer mach- 
tigen Capitalansammlung bei den AngehOrigen 
der herrschenden Familien und einer ebenso furcht- 
baren Pauperisierung der Masaen offenbart, so sind 
die marianischen Versorgungscolonien fiir die Vete- 
ranen der Ausdruck der grossen Umwalzungen auf 
lnilitariscliein Gebiete. Hatten im altrOniisch-repu- 
blicanischen Staate Wehrrecht undBurgerrecht sich 
50 gcdeckt, indem nur die Besitzenden wehrberechtigt 
und damit auch politisch berechtigt waren, so 
entstand seit Marius durch Einstellung der eapite 
eensi, der Nichtbesitzenden und politisch Un- 
berechtigten. in die Legionen neben dem burger- 
lichen Element der Besitzenden ein eigener Be- 
rufssoldatenstand, gebildet aus den Nichtbesitzen- 
den, die nach vollendeter Dienstzeit, sollten sie 
das vorhandene Proletariat nicht noch vermehren, 
eine Civilversorgung erhalten mussten. So be- 
60 stent der erste Unterschied der von den Gracchen 
begiimenden Versorgungscolonien in der Quali- 
tat der auszufiihrenden Colonisten; ein zweiter 
ist in der Beschaffung des zu verteilenden Landes 
zu suchen. War dieses friiher von selbst durch 
die stetigen Eroberungen von italischem Grund 
und Boden gegeben. so musste es jetzt erst be- 
schafft werden; so sind die neuen Coloniegrun- 
dungsprojekte stets verbunden mit der.Beantra- 



563 



Coloniae 



Coloniae 



564 



gung von leges agrarian, d. li. mit Antragen zur 
Beschaffung von Ackerland, und zwar bewegen 
sich diese in dreierlei EicMung: 1. gegen die 
Possessionen der Reichen, d. h. die durch oeeu- 
patio nur in den Besitz, nicht in das Eigentum 
der Betreffendeu iibergegangenen Teile des offer 
publieus, d. h. Landgewinnung ohne Belastung 
der Staatskasse (leges Semproniae, lex Flavia vora 
J. 60 v. Chr.), 2. auf Ankauf von Landereien 



zur Assignation zu bringen. Unter diesem Ge- 
sichtspunkte ist auch die schon erwahnte Ein- 
teilung des Velleius (I 15, 5) annehmbarer: die 
von ihm als coloniae militares bezeichneten sind 
die von Marius und Sulla ab kraft der souveranen 
Gewalt der Machthaber begrundeten Colonien. In 
jeder Beziehung ist also diese zweite Periode der r6- 
mischen Colonisation eine Ubergangsepoche zu den 
Veteranencolonien der Kaiserzeit, den Versorgungs- 



von staatswegen, also mit Inanspruchnahme des 10 colonien ausschliesslich fur das militarische Pro- 



Offentlichen Credits (lex Appuleia vom J. 100, lex 
Titia vom J. 99, leges IAviae vom J. 91, lex 
Servilia des Rullus vom J. 63, teilweise auch die 
lex lulia des Caesar vom J. 59), 3. auf Aufteilung 
des noch in Italien vorhandenen ager publieus, 
d. h. des ager Campanus (lex lulia vom J. 59) -, 
oder aber es tritt die Gewalt an Stelle des Rechts, 
und man gewinnt das Land vermittelst Proscrip- 
tionen und Gttterconfiscationen, wie es Sulla und die 



letariat, vor allem ausserhalb Italiens : es werden 
sowohl biirgerliche me militarische Proletarier als 
Colonisten deduciert; es werden zunachst vor- 
nehmlich innerhalb, dann auch ausserhalb Italiens 
Colonien begriindet ; es werden sowohl nach dem 
alten Verfahren auf Grand eines Volksbeschlusses, 
wie nach dem neuen auf Anordmmg der Macht- 
haber, sowohl durch Magistrate, als auch durch 
einfaehe Mandatare Colonien ausgesandt; vor allem 



Triumvirn gethan haben (vgl. Art. Leges a gr a- 20 Caesar stent auf der Schwelle von der alten zur 



r i a e). Da also die Landgewinnung in Italien, wenn 
man nicht einfach das Recht brechen wollte, mit 
Schwierigkeiten verbunden war, richtete sich der 
Blick der demokratischen Parteifiihrer entgegen der 
Doctrin derOligarchie auch auf den ausseritalischen 
Boden. Aber solange die Republik bestand, ist 
die Griindung iiberseeischer Colonien im wesent- 
lichen mit Erfolg verhindert worden. Erst Caesar 
ist wie in so vielen, so auch in dieser Beziehung 



neuen Zeit. Er zuerst geht auch so weit, an Pe- 
regrinenstadte der Provinzen nur den Titel, wie einer 
latinisehen (dariiber o. S. 535), so auch einer rfimi- 
schen Colonie zu verleihen, womit er den An- 
stoss giebt zu den zahlreichen Titularcolonien der 
Kaiserzeit, vor allem der spateren, die schliess- 
lich nur noch diese Active Coloniegrundung kennt. 
Auch in der Namengebung der Colonien zeichnet 
sich diese Ubergangsepoche deutlich ab : die Co- 



der Vollstrecker der hinterlassenen Entwiirfe des 30 lonien tragen jetzt zum ersten Male besondere 



C. Gracchus, und gerade in seiner Thatigkeit auf 
dem colonisatorischen Gebiet zeigt es sich deut- 
lich, dass er nicht nur der erste Kaiser von Rom, 
sondern auch der letzte und der grOsste Fiihrer 
der Demokratenpartei war. Wie er der letzte 
und grOsste Vorkampfer mid Versorger des civilen 
Proletariats war (Suet. Caes. 42), so hat er als 
Herrscher, unter Verzichtleistung auf die Colonie- 
grundung in ItaUen, die romische Colonisation erst 



Beinamen, zunachst von Gottern entnommen: lu- 
iwnia (Carthago, nach nr. 29), Martia (nr. 31. 101), 
Neptunia (nr. 28), Veneria (nr. 46. 120), Qenetiva 
(nr. 84) u. s. w. , weiter — vor allem die caesari- 
schen — solche ganz abstracter Art in substanti- 
vischer Form: Pietas (nr. 72), Glaritas (nr. 85), 
Virtus (nr. 86), Copia (nr. 97), Laus (nr. 106), 
Concordia (nr. 113), oder adjectivisch unter An- 
spiehmg auf den Grander, die Art der Zusammen- 



wirklich in die Provinzen hinausgetragen und hat 40 setzung, den Anlass der Griindung oder rein ehren- 



nach der Romanisierung Italiens durch die Republik 
die Romanisierung des orbis Romanus, das Werk 
der Kaiserzeit, in gliinzender Weise vorbereitet. 
Endlich unterscheidet sich diese zweite Epoche 
der romischen Coloniegrundung von der ersten 
in den rechtlichen Formen, wie der Besehluss 
und die Ausfiihrung der Deduction von coloni 
zu stande kam. Die Coloniegriindungen vollziehen 
sich mit der allmahlichen Umgestaltung des r(5mi 



der Natur: Patricia (nr. 82), Romula (nr. 83), 
Vietrix (nr. 88. 89. 90 u. s. w.), Triumphalis 
(nr. 88), Gemella (nr. 91), Paterna (Narbo, nr. 93), 
Firma (nr. 95), Pacemis oder Paoata (nr. 96), 
Equestris (nr. 99), Felix (nr. 111. 115) oder beides 
zusammen : Cirta (nr. 118: col. luienalis Honoris 
et Virtutis), endlich auch die Geschlechts- oder 
Beinamen der Gewalthaber, welche die Urheber 
der Deductionen waren ; die niarianischen : Ma- 



schen Gemeinwesens von der Republik zur Mo- 50 riana, die sullanischen : Cornelia oder Felix, die 



narchie in dieser Revolutionsepoche nicht niehr 
kraft eines Specialgesetzes , sondern kraft des- 
jenigen, auf dem uberhaupt die Gewalt des oder 
der betreffenden Machthaber beruht, und nicht 
mehr durch besonders zu diesem Zweck gewahlte 
Magistrate, sondern dem Rechte nach durch den 
Machthaber selbst (so z. B. durch Marius nach der 
lex Appuleia). thatsachlich durch beliebige, von ihm 
ausgewahlte Personcn ohnc magistratischen Amts- 



caesarischen und die der Triumvirn bezw. des 
Octavian vor 727 = 27 v. Chr.: lulia oder Cae- 
sarea (es ist wahrscheinlich , dass es auch Colo- 
nien mit dem Beinamen Antonia gegeben hat, vgl. 
Appian. bell. civ. V31, dass aber Augustus nach 
seinem Siege fiber den Rivalen alle triumviralen 
Colonien Iuliae genannt hat, Mommsen Henn. 
XVLH 188), und diese Sitte ist dann in der Kai- 
serzeit stehend geworden ; ebenso eine andere : da 



charakter (genauer hieriiber u. S. 570f.). In dieser 60 namlich gewOhnlich die Veteranen der einzelnen 



Beziehung haben schon Marius und Sulla die 
Volksrechte lahrn gelegt und Caesar und die Trium- 
virn sind ihnen darin gefolgt; von diesen sind 
die zuletzt Genannten, gerade so wie Sulla, so 
weit gegangen, sich mit der gesetzgebenden Ge- 
walt auch die MOglichkeit gegeben zu erachten, 
Privatland im Wege der Confiscation in Ge- 
meindeland zu verwandeln und dann als solches 



Legionen geschlossen an eiuen Punkt gefiihrt 
wurden (Tac. ann. JUV 25. Hygin. p. 176 Laehm. 
CIL LTJ p. 95), so gab man schliesslich auch noch 
als Beinamen der betreifenden Colonie die Nummer 
der betr. Legion in der Bildung auf -anus im 
Gen. Plur. in dieser Ubergangszeit sowohl wie in 
der ersten Kaiserzeit: nr. 60 eolonia Undeci- 
matiorum, Narbo unter Caesar (nach nr. 92) eo- 



56t 



Coloniae 



Coloniae 



566 



Ionia Decumanorum, nr. 93 eolonia Sextanorum, 
nr. 95 Secundanorum, nr. 96 Oetavanorum, nr. 
365 eolonia legionis VII (Septimatwrwm), vgl. 
dazu nr. 84 Urbanorum. 

Dieser Periode der Ubergangszeit von 1 SO- 
SO v. Chr. gegenuber charakterisiert die dritte 
Epoche, d. h. die Kaiserzeit, wieder eine gewisse 
Einheitlichkeit sowohl was die Form, wie was 
den Inhalt der Colonisation angeht. In der Haupt- 
sache werden nur noch Colonien zur Versorgung 
ausgedienter Soldaten deduciert, die ausseritali- 
schen iiberwiegen — abgesehen von der augusti- 
schen Zeit — bei weitem die italischen an Zahl, 
die Coloniegrundung geschieht nur noch nach 
kaiserlichem Willen : ,Die Adsignation wie die Co- 
lonisation tritt durchaus auf als kaiserlicher Im- 
mediatact', ,offenbar wegen des engen Zusanrmen- 
hangs der Landvergebung mit dem Militarwesen' 
(Mommsen St.-R. H3 889. 995f.; allein eine 
Ausnahme macht hierin Nerva, der constitutio- 
nellste aller Kaiser, der voriibergehend noch ein- 
mal zu den republicanischen Formen zuruckge- 
kehrt ist, Dig. XLVII 21, 3, 1. Cass. Dio 
LXVIH 2. Plin. ep. YII 31, 4. CIL VI 1548). 
Auch jetzt dient das Institut der Colonie vor allem 
socialen Zwecken, aber nicht mehr der Versorgung 
des stadtischen Proletariats — dies wird in der 
Kaiserzeit durch die grossartige Ausgestaltung 
der hauptstadtischen Getreideversorgung und den 
Ban von Spielstatten mit panis et cireenses ab- 
gefunden — sondern nur noch der Versorgung der 
AngehOrigen des von nun ab stehenden Heeres; 
wir beflnden uns in dem Militarstaat der Kaiser- 
zeit der mit der Schanung des stehenden Heeres 
von' Berufssoldaten auch die Civilversorgung der 
Veteranen auf sich genommen hat, Augustus 
speciell, der bekanntlich altromische Brauche gerne 
wiederaufleben liess, scheint aber auch bei seinen 
Coloniegriindungen in den Provinzen (dariiber Mon. 
Ancyr. V 35f.) ebenso wie in der Republik mili- 
tarisch-politische Zwecke verfolgt zu haben, d. h. 
die Sicherung neu unterworfener, noch nicht yoll- 
kommen befriedeter oder iiberhaupt noch nicht 
dem Staatsverband einverleibter Gebiete, wie seine 
starke Colonisation gerade in Dalmatien, Lusi- 
tanien. Mauretanien und Pisidien beweist. Hier 
waren die Colonien noch einmal auch praesidia et 
propugnaeula imperii. Augustus hat weiter als 
Kaiser im Gegensatz zu den Gepflogenheiten der 
furehtbaren Triumviralzeit mit ihren massenhaften 
Confiscationen in der Frage der Entschadigung der 
ihrLandfiirColoniegriindungenhergebendenEigen- 
tiimer wieder geordnete Zustande geschaffen. Vor 
allem bei den zweimaligen Deductionen von Mi- 
litiircolonien in grOsserer Zahl, von denen er im 
Monumentum Ancyranum (III 22ff.) berichtet, im 
3. 724 = 30 und 740 = 14 v. Chr., hat er, so- 
weit es wenigstens Italiker (besonders bei der Co- 
lonisation von 724 = 30) betraf, die friiheren Eigen- 
tiimer entweder durch Ansiedlung in den Pro- 
vinzen (Cass. Dio LI 4) oder durch Geldzahhmg 
fiir die abgetretenen Landereien entschadigt (Mon. 
Ancyr. a. a. O.). Damit hat sich das Princip des 
Ankaufs des Landes fiir die Coloniegrundung von 
Seiten des Staates, welches dem republicanisch- 
rOmischen Empfinden so sehr widersprach (Cic. 
de lege agr. II 73) und am das bei den leges 
agrariae der Cbergangszeit besonders heiss ge- 



karnpft worden war (Cic. a. a. 0.). durchgerungen. 
Auch bei der zweiten grossen Colonisation des 
Augustus (vom J. 740 = 14), die sich nament- 
lich auf die spanischen Provinzen, Gallia Nar- 
bonensis (Cass. Dio LTV 23), teilweise auch den 
Osten (vgl. nr. 248 und nach nr. 270) bezog, geschah 
die Erwerbung der zu assignierenden Lander durch 
Ankauf. Bei den spateren Coloniegriindungen des 
Augustus in den Provinzen (Mon. Ancyr. V 35f.) ist 
10 dieses Verfahren nicht zur Anwendung gekommen, 
weil offenbar Domanenlandereien zur Verfiigung 
standen oder auch, wie Mommsen (Res gestae 
Divi Aug. 2 65) vermutet, weil man vom J. 741 
= 13 v. Chr. ab anfing, die praemia veteranorum 
in Geld zu zahlen. Die Abiindung der Veteranen 
mit Geld ist dann in der Kaiserzeit immer mehr 
an Stelle der Landanweisung getreten. Zunachst 
wurde die Deduction der Veteranen einer oder meh- 
rerer Legionen in eine Colonie (was wir bei den au- 
20 gustischen Colonien zumeist noch nach den Miinzen 
bestimmen konnen, vgl. die Zusammenstellung bei 
Mommsen Res gestae2 119) aufgegeben und 
seit Nero aus alien mOglichen Legionen zusammen- 
gewiirfelt deduciert, Tac. ann. XIV 27, bis dann 
endlich seit Hadrian, offenbar zusammenhangenct 
mit der von diesem eingefiihrten localen Conscrip- 
tion (dariiber Mommsen Herm. XIX 21), die An- 
siedlung von Veteranen in Verbindung mit einer 
Coloniegrundung aufharte und neben der Geld- 
30 zablung hOchstens noch die viritane Assignation 
an Ort und Stelle entsprechend der crtlichen Aus- 
hebung stattfand. Von den spateren Kaisern 
hat vielleicht nur noch einmal Septimius Severus 
auf die Deduction von Veteranen zuriickgegriffen, 
vgl. o. nr. 276. 277. 323. Im iibrigen sind alle 
nachha-drianisehen Coloniegriindungen rein fictiver 
Natur. Es handelt sich hier nur um Verleihung 
des Colonienamens und -Rechtes als der hochsten 
Art von Stadtrecht vor allem an Municipien, aber 
40 auch an Peregrinenstadte und nichtstadtische Ge- 
meinden (Dig. L 15, 1, 3, Dlpian von Ptolemais 
in Phoinike : nihil praeter nomen coloniae nabet). 
In dieser Beziehung hat schon Caesar, wie oben 
bemerkt, den Weg gezeigt. Augustus, wenig- 
stens als princeps uberhaupt angstlicher in der 
Ausbreitung des rflmischen und latinisehen Rechts. 
hat offenbar nur wirkliche Veteranencolonien de- 
duciert (Mon. Ancyr. V 35f.). Wie in so vielem, 
ist auch hierin Claudius der eifrige Nachtreter des 
50 grossen Dictators ; er hat sogar mit den Titular- 
colonien in den gallischen Civitates den Anfang 
gemacht; dann hat Nero das Municipium Puteoli 
mit dem Colonierecht begabt (Tac. ann. XIV 2 ( ; 
s. o. S. 538, 7ff.). In den Provinzen war die Ver- 
leihung dieses Titels gewOhnlich der erste Schntt 
zur Immunitat und zu italischem Recht, in Italien 
dagegen eine Ehrung ohne jeden positiven Wert, 
woriiber Tacitus spottet (annal. XIV 27). Auch 
Hadrian selbst (bei Gellius XVI 13, 3) findet 
60 die Bitte seiner VateTstadt Italica um den Oo- 
lonietitel seltsam. Die o. S. 513 schon behandelte 
Gelliusstelle ist gerade fur den unter Hadrian 
stattfmdenden Umschwung in der Wertschatzung 
der verschiedenen Stadtarten von grOsster Be- 
deutung. Kaiser Hadrian stellt sich noch auf 
den alteren Standpunkt. dass das mumetpium 
das selbstandigere und daher vomehmere Gemem- 
wesen, dagegen die Colonie gewissermassen nur 



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Coloniae 



Coloniae 



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ein Ableger von Rom, also weniger selbstandig 
sei. Er denkt also an wirklich deducierte Colo- 
nien, nieht an die dureh Fiction nur gewordenen, 
gegen deren Vermehrung er sich offenbar ge- 
straubt hat. Aber er bat sowohl den Bewohnern 
seiner Vaterstadt wie den Uticensern (nr. 305) 
und anderen Stadten ihren Wunsch erfilllt, anderer- 
seits jedoch das Stadtrecht, wo er es an nicht- 
stadtische Gemeinden verlieh, offenbar mehr in 



begonnenen und von Augustus vollendeten Reichs- 
statistik erwiesen und von der Ausnutzung dieser 
erstclassigen Quelle durch Plinius eine bessere 
Anschauung zur Geltung gebraeht. Auch der 
Liber coloniarum hat neuerdings gegentiber Momm- 
sen, was speciell die Flurkarten einer Anzahl von 
Colonien im sog. liber diaxographus betrifft, einen 
Verteidiger in A. Schulten (BOmische Flur- 
karten, Herm. XXIII 1898, 534—565) gefunden. 



der mimicipalen Form vergeben (vgl. die vielen 10 Ftir die Colonien der Kaiserzeit kommen neben 



munieipia Aelia in den Donaulandern CIL III 
Index und Art. Municipium). Im 2. und vor 
allem im 3. Jhdt. ist auf diese Weise noch gar 
manehe Stadt, wenn auch nicht Colonie , so doeh 
coloniae loco et iure geworden. J a noch fiber 
Constantin hinaus scheint das gedauert zu haben. 
Mit Dnrecht schliesst Marquardt (St.-V. 12 126) 
mit diesem Kaiser die Geschiehte des rOmischen 
€oloniewesens ab, weil er nicht seiner Griindung 



den geographischen Schriftstellern (neben Plinius 
vor allem Strabon, Ptolemaios) und den Itinerarien 
die Inschriften als Quellen in Betracht, welche 
die unvollstandigen oder verwirrten Angaben der 
Sehriftsteller und Karten in gliicklicher Weise er- 
ganzen und dureh fernere Funde noch weiter er- 
ganzen werden. 

C. Neben den betrachteten eoloniae LaUno- 
runi und coloniae civium Romanorum hat man 



Constantinopel den Titel einer Colonie verliehen 20 weiter erweisen zu kOnnen geglaubt coloniae 
habe, wie Diocletian seiner Besidenz Mcomedia ' * " - -- - - 

<ygl. nr. 255). Aber Constantinopel bat in Wirk- 
lichkeit wohl das Eecht einer Colonie und zwar 
bester Art, iuris Italiei, erhalten (Cod. Theod. 
XIV 13. Cod. lust. XI 21), nur nicht den Titel, 
offenbar weil es Hauptstadt werden sollte (Ru- 
dorff Feldmesser II 417f.), also aus demselben 
Grand, weshalb die Schrulle des Commodus, Rom 
eine eolonia Commodiana zu nennen (Hist. Aug. 



peregrtnorum, d h. von den Romern als Co- 
lonien begriindete Gemeinwesen, in welche Leute 
peregriner Rechtsstellung gefuhrt wurden; so 
Mommsen St.-R. Ill 793, 4, der u. a. als Bei- 
spiel anfuhrt Agrigent in Sicilien, wohin die Ro'mer 
im J. 547 = 207 v. Chr. drei Jahre nach der teil- 
weisen Vemichtung der fruheren StadtbevOlkerung 
(Liv. XXVI 40, 13), Colonisten aus den iibrigen 
sicilischen Stadten fiihrten, so dass seitdem zwei 



Coram. 8, 6. Cass. Dio LXXII 15 t 2; Miinzen mit 30 BevOlkerungselemente in der Stadt sich befanden 



col. L. Ant. Com. bei Eckhel VII 122. Cohen 
469 und 470), nicht Bestand gehabt hat. Noch 
nach Constantin im 4. Jhdt. kommen Verleihungen 
des Colonietitels vor (vgl. das Verzeichnis). 

Die Quellen unserer Kenntnis der romischen 
Colonisationsarbeit in der ersten Periode bilden 
die annalistiachen Aufzeichnungen , die in die 
Geschiehtswerke der augustischen Zeit, vor allem 
in Livius, iibergegangen sind. Wir haben dadurch 



(Cic. in Verr. II 2, 123). Aber Peregrinenstadte 
dieser Art hiessen bei den Romern niemals tech- 
nisch c. Diese Bezeichnung ist auf Stadte lati- 
nisehen oder rOmischen Reehts beschrankt ge- 
blieben (Asconius zu Cic. in Pison. p. 3 K.-S., vgl. 
Madvig zu Cic. de fin. II 25), und daher sollten 
die Neueren auch nicht von coloniae peregriiiorum 
reden. Nichts damit zu thun hat es, dass oft 
die Sehriftsteller das Wort im weitesten Umfang, 



eine relativ vollstandige Liste der alteren latini- 40 aber nicht technisch, anwenden, z. B. Caes. befl. 



schen und Burgercolonien. Fiir die zweite Epoche. 
die Zeit der Eevolutionen, ist die litterarische Dber- 
liefemng, namentlich was die grossen Colonisa- 
tionen des Sulla und der Triumvirn betrifft, viel 
mangelhafter, da sich hier schon die arcana im- 
perii geltend machen. Wahrend fur die ausser- 
italisctien Gebiete die Ausztige des Plinius in 
seiner Naturgeschichte aus der agrippiseh-augu- 
stischen Eeichsstatistik sehr gute Dienste leisten. 



Gall. VI 24 von den Galliern : fuit antea tempus, 
cum. Galli . . , trans Ehenum colonias mitte- 
rent oder Tacitus (Germ. 41) von Augusta Vin- 
delieorum (s. o. nach nr. 213) oder Livius (Epi- 
tome 61) von Aquae Sextiae in der republicani- 
schen Zeit (s. o. nr. 50 im Verzeichnis der lat. 
Col.). 

III. Beschreibung der Coloniegrundung. 
Das Recht der Coloniegrundung lag in der 



ist dessen Heranziehung zur Feststelhmg der ita- 50 Konigszeit wahrscheinlich beim Konige° in der 

lischen Colonien erst fur diejenigen des Octavian "" ' " " ' 

moglich. da hier schon die Queile keine republi- 
canism und eaesarische Colonie vermerkt hatte. 
Den fiir Italien daneben als Quelle in Betracht 
kommenden Liber coloniarum hat Mommsen 
(Herm. XVIII 173ff.. vgl. denselben bei Rudorff 
Rem. Feldmesser II 143—220) als durch und 
durch zemittet und interpoliert erwiesen. Der- 
selbe hat auch die Zuverlassigkeit des Plinius in 



republicanischen Zeit bei der Volksversannnlung, 
in der Kaiserzeit beim Kaiser. 

In der republicanischen Zeit ging, wie schon er- 
wahnt. jeder Deduction einerColonieeine Lexvoraus, 
welche beschlossen wurde auf Antrag eines Consuls 
(Liv. VIII 16, 14. IX 26. 28 u. s. w.) odereines Volks- 
tribunen (ebd. X 21, 8. XXXII 29, 5 u. s. w.) und 
bis auf die Gracchen in der Regel (eine Ausnahme 
maeht das flaminisehe Ackergesetz von 532 = 222 



Zweifel gezogen (Herm. X\TII 189ff.). aber ihm60v. Chr., Polyb. II 21. Mommsen St.-R. lis 626. 

gegentiber hat nach dem Vorgang von D. Det- " " 

lefsen (Comment. Momnisen. 23ff.) vor allem 

O. Cuntz in den zwei schon vielfach citierten. 

sehr beachtenswerten Arbeiten De Augusto Plinii 

geogi-. auctore. Diss. Bonn. 1888 und in Jahrb. 

fur Phil. Suppl. XVn 473—520 die allmahliehe 

Entstehung, den Umfang und die Kennzeichen 

der dem Plinius zu Grunde liegenden, von Agrippa 



3) Jiach einem vorherigen Senatus consultum. Aus 
der Ofteren alleinigen Erwahnung des letzteren 
bei den Schriftstellern iwssit smatus, Veil. I 14. 
vgl. Liv. VILT 16. 14. IX 28, 8. XXXVII 46. 
10. XLIII 17, 1) darf man nicht schliessen, dass 
auch dieses allein hinreichend gewesen ware (falsch 
Rudorff Feldmesser II 331 ; das Richtige bei 
Mommsen St.-R. 113 626). Die lex bezeichnete 



569 



Coloniae 



Coloniae 



570 



die Ortlichkeit der Colonie, die Zahl der Colo- 
nisten und die Zusammensetzung der Commission, 
welche die Deduction vomehmen sollte. In der 
Revolutionsepoche bedurfte es in den Zeiten , da 
Gewaltbaber an der Spitze des Staates standen, 
nicht eines Specialgesetzes fur jede Coloniegrun- 
dung, vielmehr haben diese gestutzt auf die lex, 
die ihnen die hSchste Gewalt im Staate ubertrug, 
aus eigener Machtvollkommenheit (CIL II 5349. 
i 4. 31. m 5. 31 Urso : eolonia iussu C. Caesar is 
dietfatoris) ded(uctaj) Coloniegriindungen beschlos- 
■ sen , so Sulla auf Grand der lex Valeria vom 
J. 672 = 82 v. Chr. (Cic. de lege agr. HI 5. 
Appian. bell, civ.- 1 98. 99. Plut. Sull. 33), Caesar 
auf Grand des Gesetzes vom J. 706 = 48 (Caes. 
bell. civ. II 21. Cass. Dio XLI 36. Cic. ad Att 
IX 15. Appian. bell. civ. II 46) die Triumvirn 
auf Grand der lex, Titia vom J. 711 = 43 v. Chr. 
(Appian. bell. civ. IV 7; vgl. Cass. Dio XLVLT 2). 
In der Kaiserzeit war die Begrflndung der Colo- 
nien Reservatrecht der Kaiser, wie wir schon sahen, 
und nur Nerva hat sich dieses Rechtes begeben 
(s. o. S. 565). Im Mon. Ancyr. V 35f. sagt Augu- 
stus mit wunschenswerter Deutlichkeit colonias 
militum deduxi, und auf den Inschriften be- 
gegnet mancher Kaiser als conditor eoloniae: 
Augustus in Veneria Sicca (nr. 120), Traian in 
Thamugadi (CIL VIII 17841. 17842; vgl. Sar- 
mizegetusa eolonia condita ex auctoritate Tra- 
imvi CIL III 1443), Hadrian in Parium (CIL 

III 374), Mursa (CIL III 3279), Pertinax und 
Septimius Severus in Ricina (CIL IX 5747), oder 
als parens eoloniae : Augustus in Iader (CIL III 
2907), in Bononia (CIL' XI 720); vgl. Hadrian 
als restitutor eoloniae (Alexandria Troas) auf der 
athenischen Inschrift CIL III 7282. Die Bei- 
legung der kaiserlichen Geschlechtsnamen an die 
Colonien von Caesar ab ist der rechte Ausdruck 
der stattgefundenen Wandlung in der Urheber- 
sdiaft in der Coloniegrundung. 

Wie die beschliessenden haben sich audi die 
ansfiihrenden Gewalten bei der Coloniegrundung 
geandert. Mommsen vermutet (St.-R. lis 627), 
dass in der alteren Republik die Gemeinde die 
Ausfuhrung ihres Beschlusses regelmassig den 
zur Zeit fungierenden Oberbeamten iibertragen 
habe. ,Es entspricht diese Annahme nicht bios 
dem allgemeinen Gang der republicanischen Ent- 
wicklung und der allmahlieh fortschreitenden Be- 
schrankung der Beamtengewalt, sondern sie em- 
pfieb.lt sich vor allem dadurch, dass Magistrate 
mit bios ausserstadtischer Competenz, wie die 
spateren AdsignatorenundDeducenten, dem alteren 
republicanischen Staatsrecht fremd sind.' Erst 
vom 5. Jhdt. der Stadt ab, glaubt er, dass die 
Landanweisungen und Coloniegriindungen beson- 
ders dazu erwahlten Specialbeamten iibertragen 
worden seien. Anders Ruggiero (Dizion. epigr. 
I 108f. II 429), der auch fur die altere Zeit Spe- 
eialbeamte annimmt. Urspriinglich waren es drei 
Personen, die vom Volk zur Ausfuhrung der Co- 
lonie, gleich wie zur viritanen Assignation von 
Ackerland (jede Coloniegrundung schliesst die 
Assignation ein) gewahlt wurden und zwar bei 
romischen wie latinischen Colonien: triumviri 
eoloniae deducendae, Liv. Ill 1, 6 (Antium). 

IV 11, 5 lArdeal. V 24, 4 (Vitellia). VI 21, 4 
(Nepet). IX 28, 8 (Interamna). CIL V 873 



(Tllvir Aquileiae coloniae deducendae). Lex agraria 
vom J. 643 = 111 (CIL I 200. Bruns Fontes 5 
p. 72ff.) Z. 43, oder breiter triumviri coloniae 
deducendae agroque dividundo, Liv. VIII 16, 14 
(Cales); vgl. im Iibrigen die Zusammenstellung 
bei Ruggiero Dizion. epigr. II 429f. ; zuweilen 
aber auch mehr : qmnqueviri agris dandis adsig- 
nandis (CIL 12 elog. XXX p. 199. CIL VI 3826 
fur einen Consul des J. 693 = 61 v. Chr.; vgl. 

10 bei Liv VI 21 , 4 qtrinqueviri agro Pomptino 
dividundo aus dem J. 371 = 383 v. Chr. oder 
septemviri 710 = 44 (Cic. Phil. V 21. 33. VI 
14. VLTI 26), decemviri (zuerst 553 = 201 v. Chr., 
Liv. XXXIV 4, Iff.; vgl. XXXI 49, 5, dann 581 
= 173 v. Chr., Liv. XLH 4, 4. 691 = 63 v. Chr., 
Cic. de lege agr. II 38, auch CIL 12 elog XXVII 
p. 198) ; vgl. Cic. de lege agr. II 17 toties legibus 
agrariis euratores constituti sunt triumriri. quin- 
queviri, decemviri. Endlieh quindeeimviri agris 

20 dandis werden erwahnt von Plin. n. h. VII 139, 
vigintiviri agris dividundis 695 = 59 v. Chr. 
(Varro r. r. 1 2, 10. Cic. ad Att. II 6, 2. 7, 3. 
IX 2 a, 1. Veil. II 45, 2 u. s. w.). Nicht tech- 
nisch heissen diese Commissare auch triumviri 
agrarii (Liv. XXVII 21, 10) oder euratores (Lex 
Iulia agraria vom J. 695 = 59 v. Chr. Bruns 
Fontes 5 p. 95 ; vgl. Cic. de lege agr. JJ 1 7). We- 
niger als drei begegnen im allgemeinen nicht, 
nur einmal, in der Lex agraria vom J. 643 = 

30 111 v. Chr., CIL I 200 Z. 57ff., werden duo- 
viri erwahnt. 

Neben dieser Ausfuhrung durch solche Com- 
missionen von 3, 5, 7, 10, 15 oder 20 Mannern 
kommt in der tlbergangszeit von der Republik 
zur Monarchie ein zweites Verfahren auf. dass 
namlich der Gewalthaber, der der Urheber einer 
Coloniegrundung ist, entweder selbst die Deduc- 
tion vornimmt oder durch seine Mandatare vor- 
nchmen lasst, welch' letztere aber nicht Magi- 

40 strate sind, sondern legati, die das personliche 
Vertrauen des Machthabers geniessen. Fiir das 
erstere Verfahren ist ein Beispiel die Beauftragung 
des Marius mit der Deduction seiner Colonien 
durch die lex Appuleia vom J. 654 = 100, Cic 
pro Balbo 21. Liv. epit. 6i); vgl. Appian. bell, 
civ. I 29. Etwas Ahnliches ist es, wenn im J. 711 
= 43 v. Chr. der Senat die Consuln beauftragt, 
Assignationen in Italien vorzunehmen (Cic. Phil. 
V 53. Cass. Dio XL VI 29) und den zwei Pro- 

50 consuln von Gallien aufgiebt, die Colonie Lugu- 
dunum zu grunden (Cass. Dio XLVI 50. Senec. 
epist. 91, 14. CIL X 6087 ; vgl. nr. 97 im Ver- 
zeichnis der Burgercol. i. Das zweite Verfahren 
lasst sich schon durch ein Beispiel aus Sullas 
Regierung belegen, der seinen Bmderssohn Publius 
beauftragte, die Colonie Pompeii zu grunden (Cic. 
pro Sulla 62). Ebenso waren Private oder Offi- 
ciere die Delegierten des Caesar bei seinen Colo- 
niegriindungen. Suet. Tib. 4. Imhoof-Blume r 

60 Monn. grecques 253. Wiener Numism. Ztschr. 
1884, 295. Auf die Zeit der Triumvirn bezieht 
sich der praefectus legionis XXVI et VII Lueae 
ad agros dii-idundos (CIL VI 1460). Das ist 
dann schliesslich das Verfahren, dessen sich die 
Kaiser immer bedienten (Hyg. de cond. agr. p. 121 
Lachm.), und auch hier ist nur Nerva durch Ver- 
wendung quasimagistratischer senatorischer Com- 
missarien in die Gewohnheiten der republican!- 



571 



Coloniae 



Coloniae 



572 



schen Zeit vorubergehend zuriickgefallen (Cass. coloni nach Carthago ftlhren, Appian. bell. eiv. 

Dio LXVffl 2. Plin. ep. VII 31, 4. CIL YI 1548); I 24. In der Kegel hohe Zahlen zeigen die De- 

vgl. imiibrigen Mommsen St.-R. IIS 7«$7ff. 995ff. ductionen latinischer Colonien, 20000 z. B. die 

Die Wahl der Commissare der republicanischen von Venusia (Dionys. Exc. XVI/XVII 5). Bei 

Zeit geschah meist in den Tribatcomitien (Cic. rOmischen Colonien war zur Aufnahme unter die 

de lege agr. II 17), welche bis zur Gracchenzeit coloni in erster Linie erforderlich der Besitz des 

praesidiert wurden von Consuln oder dem stadti- rOmischen Bflrgerrechts und zwar in der besseron 

schen Praetor, nachher von Volkstribunen (Cic. Zeit der Republik die Zugehorigkeit zum exer- 

ebd. II 16. 20). Die GewiiMten — angesehene eitus centuriatus, was sowohl die capite c&nsi 
Manner, meist Consulare — empfingen dann durch 10 wie die libertini ursprfinglich von der Teilnahme 

eine lex curiata de imperio die Amtsgewalt fur an der Coloniegriindung ausschloss; iiber Aus- 

die ganze Dauer des Geschafts, auf drei oder fiinf nahmen Mommsen Herm. XVII 467ff. Im 

Jahre oder auch auf kurzere Zeit (Liv. XXXII Gegensatz dazu sind die Versorgungscolonien von 

29. XXXIV 53. Cic. de lege agr. II 13). So lange den Gracchen ab gerade fur die capite eensi be- 

ihr imperiutn dauerte, hatten sie die hOchste Ge- stimmt und ebenso die mit den marianischen Um- 

walt, entschieden die Streitigkeiten, die wichti- wiilzungen im Heerwesen beginnenden Veteranen- 

geren selbst, die minderwichtigen durch Bestel- colonien, und libertini sind von Caesar in Masse 

lung von iudiees oder reeuperatores (Lex Mamilia in die Colonien aufgenommen worden, vor allem 

K. L. V, Bruns Pontes iurisS 95), stellten die in die Colonie Korinth (Strab. VIII 381 ; vgl. Suet. 
Grenzen von ager jmvatus und ager publicus 20 Caes. 42) ; in der colonia Mia Oenetiva konnten 

fest (Lex agraria vom J. 643 111 v. Chr. Z. 22 sogar Preigelassene Decurionen werden (CIL II 

—24, Brans FontesS S. 76f.), constituierten 5439 c. 55), in den iulischen Titularcolonien in 

das neue Gemeinwesen und emannten die ersten Africa begegnen sie als Beamte (CIL VIII 977. X 

Beamten und ersten Decurionen (Lex colon. Iul. 6104). Neben rOmischen Biirgern konnten in colo- 

Genet. CIL II 5439 c. 66. 125. Cic. de lege agr. niaeeivmmEoma7iormnhHchstenanoclizugelaasen 

II 196). Oft waren ihnen noch Specialcompe- werden italische socii (Serv. Aen. 112) und zwar 

tenzen ausdriicklich gegeben, wie z. B. denen, die vor allem socii Latini, aber otters mit geringerem 

die Colonien nach Potentia und Pisaurum aus- Landanteil. Bei der Adsignation des ager Li- 

fiihrten, die Vollmacht, das romische Burgerrecht gustinus und ager Oallicus im J. 581 = 173 
an einzelne Einheimische, die sie zu Colonen30v. Chr. heisst es z. B. bei Liv. XLII 4, 4, dass 

machten, zu verleihen (Cic. Brut. 79), oder wie eine Commission von zehn Mannem verteilte: 

Marius durch die lex Appuleia vom J. 654 = 100 dena iugera in singulos (cives Bomanos), soeiis 

v. Chr. das Kecht, in jeder Colonie, die er be- nominis Latini terna; in der Lex agraria vom 

grundete. drei Fremde als romische coloni auf- J. 643 = 111 v. Chr. (CIL I 200 Z. 55. 59. 

nehmen zu durfen (Cic. pro Balb. 48). Zu ihrer 60. 66. 68; vgl. Z. 45) ist die Eede von Land- 

Unterstutzung erhielten die Commissare eine Aus- verteilung colono (i. e. civi Romano) sive quei 

Tustung an Geld. Kleidung, Unterhalt, Transport- in coloni numero scriptus est. Aber allein durch 

mitteln und ein zahlreiches Gefolge von pullarii, die Einschreibnng unter die coloni einer rflmi- 

apparitores, scribae, librarii, praecones, archi- schen Colonie wurden die betreffenden socii (La- 
teeti und finitores, auch agrimensores, mensores, 40 tini) noch nicht romische Burger (Liv. XXXIV 

metitores, metatores oder limitatores genannt (Cic. 42, 5), die gleichzeitige Verleibung des rOmischen 

de lege agr. II 35), Waren diese Vorbereitungen Biirgerrechts musste im Grundgesetz fiber die be- 

alle vollendet — es konnte daiiibcr eine ziem- treffende Coloniegriindung vorgesehen sein (s. o. 

liche Zeit hingehen, z. B. bei Puteoli, Volturnum, S. 571). In den c. Latinorum bestand naturgemass 

Liternum war der Beschluss schon 557 = 197 die Mehrheit der coloni aus Latini und sonstigen 

v. Chr. (Liv. XXXII 29) gefasst. kam aber erst socii Italici. Doch konnten auch romische Burger 

560 = 194 v. Chr. (Liv! XXXIV 45) zur Ausfiih- in latinische Colonien deduciert werden ; sie ver- 

mng — , so schritten die Commissare zur Wahl loren aber dann das romische Burgerrecht und 

der Colonen und nahmen zuerst die freiwillig sich gewannen das latinische (Gai. I 31. Ill 56 ; vgl. 
Meldenden (nomen dare) an (Liv. I 11, 4. Ill 50 Cic. de domo 78: pro Caec. 98. Boethius in Cic. 

1,7. X 21. Cic. de domo 78; pro Caec. 98. Topic, p. 302 Or.). Firr die spiiteren Versorgungs- 

Senec. consol. ad Helv. 7, 8), indem sie dieselben colonien hatten die Ausfuhrenden keine Not mit 

in eine Liste eintrugen (Fest. ep. p. 14 s. ad- der Gewinnung der erforderlichen coloni. Hier 

scripfi). Reichte diese Zahl nicht aus, so wurde war vielmehr eine Auswahl aus der Masse der 

formlich ausgehoben und zwar, wie zum Kriegs- vorhandenen Bewerber zu treffen. Die Veteranen- 

dienst, losweise und nach der Keihe der Tribus colonien wurden zuniichst legions weise deduciert. 

(Dionys. VII 13. 28. Plut.Coriol. 13. Liv. XXXVII spiiter die Soldaten aus alien mogliehen Truppen- 

46. Cic. de lege agT. II 29), getrennt in equites kOrpern gemischt (Tac. ann. XIV 27. Hyg. p. 176 

und pedites (Ascon. in Pison. p. 3 K.-S.). Die ur- Lachm. CIL III p. 95). 

sprunglich regelmassig wiederkehrende Zahl war 60 Der eigentliche Act des Hinausftihrens in die 

300 (Dionys. II 35. 53. Liv. VIII 21. XXXII Colonie (technisch: deducere in coloniam, CTL 

29. XXXIV 45). Diese Zahl wurde sehr ver- V 2501. IX 4684. X 867 = CIL ID Dipl. IX 

mehrt, als die Colonien in entfernte Gegenden p. 1959. X 3903) verlief so, dass die Colonen in 

geschickt wurden. Es kommen 1500 coloni vor, militarischer Ordnung init dem vexillum voraus 

Liv IV 47. wetter 2000: Liv. VI 16. XXXIX 55. dorthin marschierten (Cic. Phil. II 102; de lege 

XL 13; 2500: Liv. IX 26; 3000: Liv. V 24. agr. II 86. Plut. C. Graeeh. 11). An Ort und 

XL 34; 4000-: Liv, IX 28. X 3; 6000: Ascon. Stelle angekommen. wurden Auspicien angestetlt. 

in Pison. p. 3 K.-S.. C.Gracchus wollte sogar 60 000 wodurch das neue Gebiet der Colonie die religiose 



573 



Coloniae 



Coloniae 



574 



i 



Weihe erhielt (Hygin, p. 153 Lachm. Appian. bell. Grundsatzen geschah, der Fall war, mid bei neuen 

civ. I 24. Cic. de lege agr. II 31; Phil. LT 102; Stadtanlagen ptlegte dies beobachtet zu werden 

de div. I 35. Plut. a. a. O.). Dann zog der mit (Hygin. de limit, const, p. 180, das hier erwahnte 

der Coloniegrundung beauftragte Commissar, an- Beispiel ist Ammaedara in Africa, vgl. o. nr. 299). 

gethan mit dem cinetus Gabinus, das Haupt be- Allein, da bei Colonieanlagen in der Regel die 

deckt mit der Toga, mit einem Pflug, der rechts Stadt schon vorhanden war, so nahm man dazu 

mit einem Stier und links mit einer Kuh, beide einen willkiirlichen Punkt, gewOhnlich ausserhalb 

von weisser Farbe, bespannt war, eine Furche, so derselben (Hygin. ebd. p. 178). Dasselbe war 

wie es nach altetruskischem Eitus bei der Griin- nOtig, wenn die Stadt, wie gewOhnlich, auf hohen, 
dung aller Stadte zu geschehen pfiegte; die ent- 10 zuweilen auf festen Felsen gegrfindet wurde, welche 

standene Furche {primigenius sulcus) war der als unfruchtbares Land von der Limitation ganz 

Anfang des Stadtgrabens , die Schollen, welche ausgeschlossen waren (ebd. p. 179). Die Centurien 

nach innen fallen mussten , des Stadtwalls ; an enthielteii im allgemeinen 100 Doppeliw^era oder 

den Stellen, wo die -Stadtthore angelegt werden 200 iugera, aber auch mehr (Sicul, Flacc, de cond. 

sollten, wurde der Pflug gehoben; eine genaue agr. p. 159. Hygin. de limit, const, p. 170). Sie 

Beschreibung dieses Eitus bei Varro de 1. 1. V 143. hiessen, weil sie innerhalb des durch die limites 

Serv. Aen. V 755. Plut. quaest, Rom. 24; Bomu- gebildeten Netzes lagen, agri intra clusi und 

lusll; C. Gracch. 11. Ovid. fast. IV 825. Fest. umfassten nur urbares Land (Frontin. de contr. 

p. 237 s. primigenius, p. 302 s. sulci. Isid. orig. agr. p. 51. Hygin. p. 112. 199. 201). Im Gegen- 
XV 2, 3; vgl. Rudorff Feldmesser II 294ff. H. 20 satz dazu biessen die ausserhalb der Limitation 

Nissen Das Templum 55ff. Der militarische befindlichen, nicht urbaren Stucke lorn relicta et 

Einzug (Hygin. p. 176 Lachm. Tac. ann. IV 27. extra clma (Frontin. de contr. agr. p. 55. Hygin. 

Appian. bell. civ. II 120. HI 81. Eckhel IV de limit, const, p. 198); dagegen die Stucke ur- 

490ff.) und der alte Ritus der Griindung (auf baren Landes, welche zu klein, eine eigene Centurie 

Colonialmunzen bei Eckhel IV 489) dauerte zu bilden, zwischen der unregelmassigen Grenze 

auch nocb. unter den Kaisern fort. des Territoriums und dem aussersten limes lagen 

Schon vor der Ankunft der Colonisten war oder innerhalb der Limitation durch nicht ver- 

das fur dieselben bestimmte Tcrritorium durch messbare Stucke zwischen den limites entstan- 

Agrimensoren, in der Kaiserzeit unterstiitzt von den, hiessen Schnitzel, svhseaiva (von subsecare : 
Centurionen und Soldaten, nach denjenigen Grand- 30 Hygin. de gen. contr. p. 132f. Frontin. de agr. 

satzen vermessen worden, welche bei der Augural- qual. p. 6. 7. Agennius Urb. de contr. agr. p. 81. 

lehre in Anwendung kamen. Zwei Linien, die Hygin. de limit, p. 110). Vgl. Rudorff Feld- 

eine von Siiden nach Norden (cardo maximus), messer II 335ff. und (kiirzer) Marquardt St.-V. 

die andere von Osten nach Westen (deeumanus I* 127ff. Uber die Reste der rOmischen Centuria- 

maximus), durch den Mittelpunkt des Territo- tion, die man vor allem in derPoebene, auf dem 

rmms gelegt, teilten dasselbe in vier Teile, welche Ager Campanus und im Gebiet von Karthago 

hezeichnet wurden durch dextra, sinistra decu- noch verfolgen kann, hat gehandelt A. Schulten 

manum, citra und ultra eardinem (Frontin. de Die romische Flurteilung und ihre Reste, Abhand- 

lirait. p. 27. 28. Hygin. de limit, p. 108. Sicul. lungen der Gott. Ges. der Wiss. Phil. hist. CI. 
Flacc. de cond. agror. p. 153. Hygin. p. 166. 40 N. F. II nr. 7 (1898), fruher schon fur ein be- 

167. 111). Zu den beiden sich sehneidenden schrankteres Gebiet A. Rubbiani L'agro dei 

Hauptlinien wurden parallel weitere Linien ge- Galli Boii diviso ed assegnato ai coloni romani 

zogen, welche cbenfalls cardines und decuman i (Anni 565/71 di Roma), Atti e Mem. della R. Dep. 

oder mit einem gemeinsamen Namen limites di st. patria per la Rom. 3 S. II 65 — 120. 

hiessen. So wurde das ganze Territorium. das Auf die Vermessung (divisio) folgte die An- 

mit Hauseni zu bebauende wie das Ackerland, in weisung des Landes, technisch = datio assignatio, 

rechtwinklige gleichseitige Vierecke = centuriae woher der angewiesene Teil des limitierten Landes 

zerlegt(s. den Art. Centuria Nr. 5). Die Schnitt- genannt wurde ager divisus et assignatus.^ Zu 

punkte der limites, also die Ecken deT Centurion, diesem Zweck wurden die centuriae eingeteilt in 
wurden durch Grenzsteine oder Grenzpfahle be- 50 sortes, auch acceptae genannt, deren Grosse bei 

zeichnet (Hvgin. de limit, const, p. 172; de gen. den verschiedenen Colonien verschieden war. Ur- 

contr. p. 126. 127) , auf welchen die Zahl des sprunglich betrug der Ackeranteil fur 100 Mann 

cardo und deeumanus vom Mittelpunkt an ver- 100 Doppeh'^era, also eine Centurie, das ergiebt 

merkt wurde. so dass darnach die Centurie geuau pro Mann 2 iugera, Fest. ep. p. 53 M. (centuria- 

zu bezeichnen war (Frontin. de contr. agr. p. 14. tus ager, in dueena iwjera distribute, quia 

Hygin. de limit, p. 111). Jeder funfte limes (die Romulus centenis cuibus dueena iugera tribuit, 

beiden Hauptlinien nicht uiitgezahlt) bildete eine vgl. Varro de 1. 1. V 35. Iuv. XIV 163. Plin. n. h. 

Hauptabteilung und Mess acktarius oder quin- XVIII 7. Sic. Flacc. de cond. agr. p. 153, 26. Hyg. 

tarius. die dazwischenliegenden kleineren limites de limit, p. 110, 4). Das ist das alte heredium 
linearii oder in Italien sulyruncivi. Alle diese 60 des rOmischen Burgers (Varro r. r. I 10,2. Plin. 

limites, welche eine bestimmte Breite erhielten, n. h. XIX 50, nach letzterer Stelle ist nach 

dienten zugleich als Wege hi dem Gebiete der dem Sprachgebrauch der zwOlf Tafeln kortus das 

Colonie (Frontin. de contr. agr. p. 24. 41. 58; Bauernhaus und heredium das dazu gehorige 

vgl. Artikel Ager). Der Schnittpunkt des cardo Gartenland). Mommsen (St.-R. HE 23f. 776) 

maximus und deeumanus maximus hatte der glaubt daher, dass die 200 iugera der Centurie 

Theorie nach zugleich der Mittelpunkt der Co- ursprunglich das fur das Gartenland von 100 Mann 

lonie sein miissen, wie das bei der Absteckung erforderliche Mass an Grund und Boden sei, wah- 

des Lagers, welche im ganzen nach denselben rend das eigentliche Ackerland sich im Saint- 



575 



Coloniae 



Coloniae 



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besitz (des Geschlechts) befunden uiid dieser Samt- 
besitz gerade in Bezug auf die Colonien sich be- 
sonders langc behauptet babe. Diese Erklarung 
des altesten Bodenanteils von zwei iugera hat 
etwas flir sich, aber sie bedingt nicht die An- 
nahme von dem Samtbesitz der coloni, die eine 
Hypothese ohne geniigendes Fundament ist. Die 
Anweisung von zwei iugera an die coloni wird 
erwahnt flir die Colonia Tarracina vom J. 425 
= 329 v. Chr. bei Liv. VIE 21, 11 (vgl. IV 47, 6. 10 
VI 16, 6, dariiber Mommsen St.-R. Ill 24, 1) 
und von Ruggiero (Diz. epigr. II 437) auch 
vermutet fur Ostia und Antium. Von 2y 2 iugera 
spricht Liv. VI 16, 3. VIII 11, von fast 4 Liv. 
V 24, 4; von 4 ganzen iugera Diodor XIV 102; 
von 5 Liv. XL 29, 1 (Graviscae). XXXIX 55 
(Mutina); von 6 Liv. XXXIX 44, 10 (Potentia 
und Pisaurum) ; von 8 Liv. XXXIX 55 (Parma) ; 
von 10 und 12 iugera (verschieden fiir pedites 
und equites) ist die Rede in der Lex agraria des 20 
RuHus, ebenso in der Lex Iulia des Caesar von 
695 = 59 v. Chr. (Cic. de leg. agr. II 28. 29; 
ad Att. II 16. 1); von 20 und 40 Liv. XXXV 9; 
von 15 und 30 Liv. XXXV 40; von 50 und 70 
Liv. XXXVII 57, 8 (latinische Colonie Bononia); 
von 50 (fur die pedites), 100 (die Centurionen) 
und 140 (fur die equites) Liv. XL 34 (latinische 
Colonie Aquileia). Noch grossere Zahlen begegnen 
in der Revolutionszeit (Marius: Auct. de vir. ill. 
73; Antonius: Cic. Phil. II 84. 101. Serv. Eel. 30 
IX 36). Die Zahl der Morgen pro Los richtete 
sich in normalen Zeiten offenbar uach der Giite 
des Bodens. der Entfernung von Rom, dem Um- 
fang des zu teilenden Landes (Liv. XXXV 9), 
der Zahl der coloni, und zwar wurden in den 
latinischen Colonien iminer grOssere Landanteile 
gegeben als in den roniischen. Der Stand der 
coloni wurde anfangs nur insofern berficksichtigt, 
als die als Reiter dienenden Leute mehr bekamen, 
als die pedites. Zum erstenmal in Aquileia (s. o.) 40 
warden die als Centurionen gedienten Leute mit 
einem hoheren Lose bedacht. Das warde in den 
Veteranencolonien der Kaiserzeit standig. Hier 
richtete sich die GrOsse des Loses in erster Lime 
naeh dem militarischen Grad des Veteranen, se- 
cundum gradum militiae (Sicul. Flacc. p. 156, 
1011'. Hyg. p. 176, 13: die Unterofflciere und Ufticiere 
erhielten urn die Halfte oder das Doppelte mehr 
als die Gemeinen, wie der Centurio auch doppelte 
Lohnung empfing), und zwcitens naeh dem Wert 50 
und der Fruchtbarkeit des Landes, secundum 
bonitatem agrorum (Sicul. Flacc. p. 156, 15. Hyg. 
p. 169, 10. Lib. colon, p. 222, 13. 224, 12). Der 
Dienst in der Garde und der Linie machte keine 
weiteren Unterschiede, als dass den Praetorianeni 
anfangs ihre Landereien in Italien (Augusta Prae- 
toria: Cass. Dio L1II 25. Strab. IV 206; Antium: 
Suet. Nero 9), den Legionaren die ihrigen auch 
in den Provinzen angewiesen wurden. Rudorff 
Feldmesser II 36211'. Die Verteilung des Landes 60 
geschah, wie der Name sors fur den Anteil schon 
zeigt, durch Verlosung, urn den Beschwerden ein- 
zehier liber schlechtes Land vorzubeugen (Hyg. 
de limit, p. 113, 15; vgl. p. 199f.). Schon "die 
Lex agraria vom J. 643 = 111 v. Chr. kennt dieses 
Verfahren, ebenso die ciceronianische Zeit (Cic. ad 
lam. XI 20). Den Verlauf dieser Verlosung, die 
in drei Stadien sich vollzog, 1) die Einteiung 



der Empfanger des Landes einer centuria in de- 
curiae oder eonternationes , 2) die Losung, urn 
die Ordnung der Ziehung festzustellen, und 3) die 
eigentliche sortitio eenturiarum, beschreibt aus- 
fflhrlich Hyg. de lim. p. 113. 1991'. Uber das 
Ganze wurde ein Protocoll aufgenommen, worin 
die Zahl der Centurien, die Namen der Empfanger 
und die GrOsse ihrer Anteile angemerkt wurde. 
Die Assignation ging von aussen nach innen, d. h. 
man begann auf den vier Seiten der vermessenen 
Flache = pertiea {circa extremitatem). Dadurch 
sicherte man die Mitte vor den Angriffen der 
Nachbam oder der vertriebenen Eigentumer. Die 
angewiesenen Centurien wurden wie die Lager- 
platze mit signa (iusti domini) bezeichnet, woher 
die Ubergabe assignatio, das angewiesene Land 
offer assignatus genannt zusein scheint, Rudorff 
II 367ff. Von aller Verteilung ausgeschlossen 
waren die fundi exeepti und concessi (Cic. de ieg. 
agr. II 11. 12. Sicul. Flacc. de cond. ^gr. 157, 
7. 8), von denen die letzteren in der Kaiserzeit 
unter der Jurisdiction der Colonie standen, die 
ersteren dagegen da von eximiert waren (Hyg. 
p. 197, 10). Die Concession beruhte auf person- 
licher Begunstigung von veteres possessores (Grom. 
p. 155, 6. 203, 11—14, ein Beispiel ist Vergil, 
der die Riickgabe seines Gutes der Gunst des 
Octavian zu verdanken hatte), deren Giiter aber, 
falls sie zerstreut lagen, bei dieser Gelegenheit 
meist zusammengelegt wurden (Grom. p. 155. 19. 
20), Rudorff II 38711'. Blieb nach stattgehabter 
Aufteilung noch nrbares Land iibrig, so gehOrte 
dies dem auctor divisionis, d. h. es war in der 
republicanischeii Zeit ager publicus, in der kaiser- 
lichen Domane des Princeps. Dieser konnte es 
zu einer zweiteu Assignation verwenden (Grom. 
p. Ill, 3—5. 295, 9—12) oder der Gemeinde, 
aus deren Mark die Pertiea herausgeschnitten 
war. bezw. der Colonie schenken (coiieessa rei- 
publicae p. 117, 24—118, 4. 163. 5, concessa 
coloniae 117, 21) oder an die Gemeinden bezw. 
an Private verkaufen oder emllich dem Staat vor- 
behalten. Im letzteren Falle konnte der Staat 
das Land jederzeit als sein Eigentmn von den 
Besitzern einziehen, wie z. B. Vespasian und Titus 
thaten (Grom. p. 52, 4—10. 211, 6—9), oder auch 
den Occupanten zu vollem Eigentum nachtraglich 
schenken (so Domitian, Suet. Dom. 9). Wenn die 
iiberflussigen Flachen in brauchbarem Land be- 
standen, so pflegten sie auch als gemeiner Anger 
und Weide liegen zu bleiben {paseua, ager com- 
pascuus coloniae), Rud o rf f II 395m Die Wasser- 
strassen und ebenso die Landwege in den Colonien 
wurden nicht seiten von der Assignation ausge- 
schlossen, daruber Rudorff II 399ft'. 

Wenn in der Kaiserzeit das Gebiet, welches 
zunachst fur die Ansiedlung der coloni bestimmt 
war, selbst mit Einschluss der Weiden, Waldungen, 
Wege und Flflsse fiir die *\ssignation nicht aus- 
reichte, so kaufte oder confiscierte man in den 
Gebieten der Nachbarstadte, was zur Versorgung 
der noch unbefriedigten Veteranen erforderlkh 
war. Diese zugekauften oder eingezogenen Giiter 
gingen entweder ohne Limitation und Aussehei- 
dung aus ihrem bisherigen Gemeindeverbande in 
das Eigentum der Colonisten iiber (Grom. p. 119, 
20 — 24), oder sie schieden aus dem Territorium, 
welchem sie angehOrt batten, aus, ohne jedoch 



577 



Coloniae 



Coloniae 



578 



der Colonie vollig einverleibt zu werden, vielmehr 
erhielten sie eine besondere Limitation und bilde- 
ten mit dieser ihrer Feldmark eine abhangige, 
der Jurisdiction der Colonie unterworfene Gemeinde, 
d. h. eine praefectura (Grom. p. 160, 4. 171, 4 
—13, s. den Artikel), Rudorff II 402—404. 

Die vollendete Limitation und Assignation 
wurde durch eine zwiefache Beurkundung, durch 
Monumente an Ort und Stelle und durch Docu- 



Datierung des Lustrum.' Mommsen St.-R. 113 
638, 5. 

Die Erganzung einer Colonie durch Nach- 
sendung neuer Ansiedler (adseriptio novorum co- 
lonorum Liv. XXXV 9; vgl. Tac. hist. I 78) 
konnte geschehen durch die mit der Assignation 
beauftragte Commission. Eine solche fand statt, 
wenn bei der Assignation ganze Centurien oder 
Teile da von offen {vacuae Grom. p. 163, 6) ge- 



mente, flxiert, welche als Beglaubigung eines 10 lassen waren, wie z. B. in Augusta Emerita in 
w„.4™^«„ «it».ii:.i... <-ii. ..i..„ i.".- ■»•• *-± Lusitanien (Tac. hist, I 78. Grom. p. 52,1—5), 

oder wenn durch das Aussterben der zuerst an- 
gesiedelten coloni Liicken entstanden waren (Grom. 
p. 162, 9 — 19). Bei einer solchen Erganzung 
konnte entweder im Rahmen der alten Limita- 
tion partiell neu assigniert werden (so in Min- 
turnae, Hyg. p. 178, 4—9) oder zugleich eine neue 
Limitation vorgenommen werden , wie in Nola 
(Grom. p. 236, 3 — 6), wo dieselbe in spitzen und 



Staatsactes Offentlicben Glauben hatten. Die Ort- 
lichen Grenzmonumente bestanden in steinernen 
viereckigen oder auf den Biegungen dreieckigen 
Altaren von bedeutender GrOsse, welche auf der 
Grenze der Pertiea wie der Praefecturen errichtet 
wurden (Grom. p. 199, 2—10, Fig. 192. 193). 
Von den Documenten war das wichtigste die Karte, 
welche die ganze Colonie samt ihrem Landgebiet 
womoglich mit Angabe der Lange und Breite der 



Assignationen in jeder Centurie zur Ubersicht fiber 20 stumpfen Winkeln auf die alte stiess und zwei 



die noch vorhandenen subseciva (Grom. p. 121, 
17—24) im kleinen wiedergab (Fig. 196 b. 197 a) 
und daher forma {publico), pertiea, centuriatio, 
metatio, limitatio, eancellatio, typus, scarifus 
(oxdgirpog) genannt wurde. Das Hauptexemplar 
dieses Risses wurde in Erz gegraben und gleich 
dem Statut, der lex der Colonie, auf dem Markt 
der Colonie oder in dem Tabularium offeutlich 
angeschlagen. Dieser Act (aes fixum) bezeichnete 



deeumani, ein dexterior und ein sinisterior, unter- 
schieden wurden (Grom. p. 162, 3 — 8. Rudorff 
II 411). Einzelne coloni konnten in der spateren 
Kaiserzeit durch den ordo der Colonie, aber offen- 
bar in sehr beschranktem Masse, adlegiert werden; 
vgl. CIL XHI 1998 adlectus in numerfumj co- 
lonorfum) (Lugudunum) und Mommsen St.-R. Ill 
136, 1. 788, 1. 803. 

Die vollkommene Emeuerung einer Colonie 



in Verbindung mit der maehina (groma) sufilata 30 setzt im Gegensatz zu der Erganzung den Verfall 



(Grom. p. 295, 11) die Vollendung der Colonie 
Das Dupticatoriginal auf Leinwand {mappa, lin- 
teum Grom. p. 244, 13) kam in das stadtromische 
Archiv, wo samtliche Urkunden fiber Colonien und 
Landverteilungen aufbewahrt wurden, und gab 
in Zweifelsfallen den Ausschlag. An die Karte 
schlosson sich erliiuternd und ergiinzend an: 1) die 
libriaeris, divisioncs, commentarii (Grom. p. 154, 
26. 202, 15), d. h. Verzeichnisse mit den Namen 



der Landempfanger und der Lose (p. 201 , 3 — 6) ; 40 aufgepflanzt 



des frfiher gegrundeten Gemeinwesens voraus (Cic. 
Philipp. II 102). Die Emeuerung ist ZerstOrung 
(intercisio) und Begrtindung {conditio) zugleich. 
Daher erfolgt sie, gemass dem Satze : omnia, quae 
iure eontrahuntur, contrario iure perevmi, durch 
den Pflug und die Fahne: die alte Limitation 
wird durch den Pflug zerstort (Grom. p. 178, 
2. 3), die neue Pertiea mit dem Pflug umzogen, 
das friihere Vexillum weggenommen und das neue 



2) der liber subseeivorum , ein Verzeichnis der 
nicht assignierten Stiicke (p. 202, 5) ; 3) der liber 
beneficiorum, d. h. die Aufzahlung der verschenk- 
ten oder der Colonie fiberlassenen subseciva oder 
exfraclusa (p. 202, 18. 295, 12). Rudorff II 
404 ff. 

Zu dem Geschaft der Landanweisung trat dann 
fiir die staatlichc Commission oder den einzelnen 
Mandatar dasjenige der Constituierung der neuen 



IV. Das Bodenrecht und uberhaupt die 
Rechtsstellung der Colonien. 

a) Der romischen Colonien. 

Die den coloni in Italien assignierten Lan- 
dereien wurden vollkommenes Privateigentum der- 
selben. Der bishcrigo ager publicus populi Iio- 
mani wurde durch die mit der assignatio ver- 
bundene datio, durch welche das Land vom Staat 
auf den einzelnen fiberging (Cic. Phil. II 101), 



Ortschaft hinzu. Dieses schloss in sioh, der Co- 50 ager privatus ex iure Quiritium. Derselbe war 



lonie ihr Grundgesetz zu geben {legem dare), den 
ersten Census festzustellen, die ersten Magistrate 
und die ersten Priester zu ernennen (Lex col. 
Genet, c. 125. 66. Cic. de leg. agr. II 196), 
sowie den ersten Gemeinderat zusammenzusetzen 
(Cic. a. a. O.). Die Mitglieder der constituieren- 
den Commission und ihre Nachkommen blieben 
dann fiir alle Zukunft in einem Naheverhaltnis 
{patronatus) zu der von ihnen geschaffenen Colonie 



ager limitatus, nicht wie der ager publicus arci- 
fmius (Frontin. de agr. qual. p. 2, 1. 19. 5, 5. 22. 
Agenn. Drb. p. 72, 14. Hyg. de limit, p. 199, 10; 
vgl. Mommsen St.-R. II 638. HI 827). Die 
Qualitat des italischen ager colonicus als ager op- 
tima iure privato (Cic. de lege agr. Ill 7 ; vgl. de 
harusp. reap. 14) offenbarte sich in der Moglichkeit 
einer erblichen oder testamentarischen suecessio 
(Varro de r. r. I 10, 2. Lex agr. vom J. 643 = 11 1 



(Lex col. Genet, c. 97). Der Griindungsact selbst 60 Z. 28, vgl. Z. 23. Cic. de lege agr. Ill 7. 8), der 



folgte dem Muster des rOmischen Lustrum. ,Wie in 
diesem die Gemeinde Rom jedesmal neu gegriindet 
wird, so ist der Abschluss des den tresviri colo- 
niae deducendae iibertragenen Geschafts fiir die 
Colonie das, was das servianische Lustrum ffir 
Rom ist, die erste dieser lustralen Griindungen. 
Das Datum der Coloniegriindung (Liv. XXXVII 
57, 7. Ascon. in Pison. p. 3 K.-S.) entspricht der 
Pauly-Wiesowa IV 



Verkauflichkeit (Lex agr. vom J. 643 = 111 v. Chr. 
Z. 15. 16. 23; Ausnahmen statuierten die lex 
Sempronia des Ti. Gracchus vom J. 621 = 133 
v. Chr., die jedoch nur auf Viritanassignationen 
sich bezieht, Appian. bell. civ. I 10, die lex Cor- 
nelia vom J. 673 = 81 v. Chr., Cic. de lege agr. 
II 78, und die lex Iulia vom J. 695 = 59 v. Chr., 
die letztere wenigstens ffir die ersten zwanzig 

19 



579 



Coloniae 



Coloniae 



580 



Jahie, Appian. bell. civ. Ill 2), der Verpfandbar- 
keit, der Bestellung als dos und der Freiheit von 
jeglicher Abgabe (Cic Phil. II 101). Aber die 
Grundstucke mussten im Census angegeben wer- 
den Icensui censendo sunt: Lex agr. vom J. 643 
= 111 t. Chr. Z. 8. 27. 28. Fest. ep. 28. Cic. 
pro Place. 79). Die Assignation Ton Grand und 
Boden in dieser Weise zu vollem quiritarischem 
Eigentum blieb in der Republik auf Italien, aller- 
dings das cisalpinische GalMen eingeschlossen, he- 
schrirnkt (Mommsen St.-E. HI 734; vgl. II 3 
997). Denn da der provinciale Boden nur ein 
Quasieigentum des Besitzers neben dem Ober- 
eigentum des Staates ermoglichte, waren Assigna- 
tionen hier in der obigen Form eigentlich ausge- 
schlossen. Zum erstenmal practisch wurde die Sache 
im J. 636 = 118 v. Chr. bei der Grfindung der 
ersten fiberseeischen Colonie Narbo Martius. Die 
oligarchische Partei hat dieselbe wohl bestehen 
lassen, aber nach ihrer Ansicht gewahrte die As- 
signation wohl nnr denjenigen Erbbesitz, ,welche 
den romischen Rechtslehrern mit dem fortbestehen- 
den Bodeneigentum des Staates vertraglich er- 
schien' (Mommsen St.-E. Ill 736, vgl. 806). 
Bei der epheroeren Colonie Karthago des C. Grac- 
chus dagegen wissen wir, dass die Colonisten ihre 
Landanweisung als ager privatus ex iure Quiri- 
tium erhielten (CIL I p. 96. 97. Marquardt 
St.-V. I 2 92), aber gerade mit aus diesem Grande 
ist die Colonie wohl nicht bestehen geblieben. 

Damit sind die zwei Hauptkategorien von 
Colonien in den Provinzen der Kaiserzeit mit 
Riicksicht auf das Bodenrecht vorgezeichnet, je 
nachdem das Territorium derselben quiritarischen 
Eigentums f&hig war oder als ehemaliges Provin- 
cialland dem Bodenzins unterlag. Die Kegel war, 
dass auch die rSmischen Burger in den Colonien 
der Provinzen den Abgaben, die dem provincialen 
Boden auferlegt waren, unterlagen, in den Senats- 
provinzen dem stipendium, in den kaiserlichen 
dem tributum. Aber von dieser Kegel sind schon 
seitCaesar in zwiefacher Weise Ausnahmen gemacht 
worden 1) in der Form der Verleihung der Immuni- 
tat, 2) haufiger, vor allem in den kaiserlichen Pro- 
vinzen, in der Form derErteilung des ius Italicum. 
Dass die Immunitat der Provincialcolonie nicht 
zusammenfallt mit dem ius Italicum, lehrt die mit 
Lachmann wohl auf Frontin zuriickzufCihrende, 
arg zerriittete ErOrterung des Agennius Urbicus 
bei den Grom. p. 35, 13f. (vgl. p. 62, 19). Bei 
den c. immwmes handelt es sich nur urn die Frei- 
heit von Abgaben. und zwar in der Kegel sowohl 
vom Bodenzins, wie vom tributum capitis, Paul. 
Dig. L 15, 8, 7: Dims Vespasianus Caesarienses 
colonos fecit nmi adieeto ut et iuris ItaUei as- 
sent, sed tributum his remisit capitis; sed dims 
Titus etiam solum immune factum interpreta- 
tus est, vgl. Dig. ebd. § 5: divus Antoninus 
Antioehenses colonos fecit salvis tributis (Momm- 
sen St.-E. Ill 807, 3). dagegen bei den colonial 
iuris Italici um voile Gleichstellung mit den 
rSmischen Colonien Italiens, d. h. um das voile 
rSmische Privateigentum der Colonisten an Grand 
und Boden ex iure Quiritium, wie es nrsprung- 
lich nur an italischem Boden zu erwerben war. 
So scnloss naturgemiiss dieses Recht die Immuni- 
tat in sich: Gains II 27, vgl. I 120. E. Beau- 
douin Etude sur le ius Italicum, Nouvelle Revue 



historique de droit francais et etranger V 1881, 
147ff. 592ff. VI 1882, 684ff. Wenn aber die Auf- 
stellung der Bildsaule eines nackten Silen mit 
dem Schlauch auf der Schulter, genannt Marsyas, 
wie er auf dem Forum von Eom stand, zuerst 
von Eckhel IV 493ff.) als Abzeichen dieses 
privilegierten Colonierechts in den Provinzen zu 
erweisen gesucht worden ist, so wird diese Ansicht 
widerlegt dadurch, dass sowohl Municipien (Coela 
10 in Thrakien, Eckhel II 50; Verecunda in Nu- 
midien, CIL VHI 4219f. 16417) als auch Colonien, 
die nachweislich nicht das ius Italicum hatten, 
im Besitz von Marsyasstatuen waren: so richtig 
J. Toutain Melanges d'archeol. etd'histoire XVUI 
(1898) 146, 2, auch schon J. Kubitschek Arch, 
ep. Mitt. XX (1897) 151. Eine Vermutung Momm- 
sens (St.-E. HI 810) ist es, dass beziiglieh des 
Vorrechtes der in Italien ortsangehOrigen Burger, 
zu den Eeiehsamtern und dadurch zu dem Eeichs- 
20 senat zu gelangen, von Anfang an die provincialen 
Colonien italischen Eechts den italischen Gemein- 
den gleichgestanden haben. Aber diese Zuriiek- 
setzung der iibrigen provincialen Burger hat fur 
Gallien schon Kaiser Claudius beseitigt, und anders- 
wo ist bald das Gleiche geschehen. Das folgende 
Verzeichnis der coloniae immunes lehrt, dass die 
Verleihung der Immunitat sich fast nur auf die 
caesarisch-augustische Zeit beschrankt und local 
auf Spanien und die damals dazugehorige Kiiste 
30 von Mauretanien: 

a) Hispania Tarraconensis: 

1. Barcino (nr.183), Dig. L 15, 8 pr., dessen Im- 
munitat spater vielleicht in ius Italicum umge- 
wandelt wurde (Mommsen St.-E. in 807, 4). 

2. Caesaraugusta (nr. 184), Plin. n. h. Ill 24. 

3. Ilici (nr. 182), Plin. n. h. HI 19; ius Itali- 
cum aber nach Dig. L 15, 8 pr. 

b) Hispania Baetica: 

4. Urso = col. Genetiva (nr. 84), Plin. n. h. Ill 
40 12. CIL II 1663. 

5. Itucei (nr. 86), Plin. n. h. Ill 12. CIL II 1663. 

6. Ucubi (nr. 85), Plin. a. a. O. CIL ebd. 

7. Tucci (nr. 174), ebd. 

c) Mauretania Caesariensis: 

8. Saldae (nr. 364). CIL VIII 8931. 8933. 
dj Syria: 

9 Caesarea in Palaestina, nr. 273), durch die 

Flavier, Paul. Dig. L 15, 8, 7 (s. o. S. 579): 

vgl. Ulp. Dig. 15. 1,6. 
50 10. Antiochia (nr. 279) durch Caracalla. Dig. I. 

15. 8, 5. 

Dagegen kennen wir folgende coloniae iuris 
Italici (ein Verzeichnis Dig. L 15 de censibus; 
vgl. Mommsen St.-E. Ill 807. 5. Buggiero 
Diz. epigr. II 443f.). 

a) Hispania Tarraconensis: 

1. Acei (nr. 91), Plin. n. h. Ill 25. 

2. Ilici (nr. 182; vgl. nr. 3 der col. immunes). 
Dig. L 15, 8 pr, 

60 3. Libisosa (nr. 185), Plin. n. h. HI 25. 

4. Valentia (nr. 92), Dig. L 15. 8 pr. 

b) Hispania Lusitania: 

5. Augusta Emerita (nr. 177), Dig. ebd. 

6. Pax (nr. 180), Dig. ebd. 

c) Gallia Narbonensis: 

7. Vienna (nr. 191), Dig. L 15, 8, 1. 

d) Tres Galliae und Germaniae: 

8. Lugudunum (nr. 96), Dig. ebd. 



581 



Coloniae 



Coloniae 



582 



9. Colonia Agrippinensis (nr. 196), Dig. ebd. § 2. 

e) Dacia: 

10. Apulum (nr. 234), Dig. L 15, 1, 8. 9. 

11. Napoca (nr. 235), Dig ebd. 

12. Potaissa (nr. 237), Dig. ebd. 

13. Sarmizegetusa (nr. 233), Dig. ebd. 

14. Zerne (nr. 238), Dig. ebd. 

f) Macedonia: 

15. Cassandrea (nr. 244), Dig. L 15, 8, 8. 

16. Dium (nr. 242), Dig. L 15, 7, 8. 

17. Dyrrachium (nr. 241), Dig. ebd. 

18. Philippi (nr. 105), Dig. L 15, 6, 8, 8. 

g) Thracia: 

* [Constantinopolis], war wohl mit alien Eechten 
einer colonia iuris Italici ausgestattet, aber 
ohne den Namen einer solchen, Cod. Theod. XIV 
13. Cod. lust. XI 21; dariiber oben S. 567. 
h) Asia: 

19. Alexandria Troas (nr. 254), Dig. L 15, 7, 8. 
9; auf den Hiinzen eine Marsyasstatue, Eck- 
hel II 482. 

20. Parium (nr. 110), Dig. L 15, 8,9. Marsyas- 
statue. Mionnet Suppl. V 407 nr. 782. 411 
nr. 808. 

i) Galatia: 

21. Antiochia in Pisidien (nr. 1 14), Dig. L 15, 8, 10. 
Marsyasstatue, Mionnet III 493 nr. 8. 

k) Syria: 

22. Berytus (nr. 115), Dig. L 15, 7, 8. 3. Mar- 
syasstatue, Eckhel III 355. 

23. Capitolias (nr. 274), Dig. L 15, 8, 7. 

24. Heltupolis (nr. 271), Dig. L 15, 1, 2. 

25. Hemeaa (nr. 280), Dig. L 15, 4, 8. 6. 

26. Laodicea (nr. 275), Dig. L 15, 8, 3. Marsyas- 
statue, Eckhel III 321. 

27. Tyrus (nr. 276), Dig. L 15, 1, 2. 8, 4. Mar- 
syasstatue, Eckhel III 391. 

28. Carthago (nr. 117) l , , a ,. . „ 

29. Leptis Magna (nr. 303) durch ^ mms Se- 

30. Utica (nr. 305) f verus - ^ L 15, 8, 1 1 . 
Colonien init Marsyasstatuen, von denen eine 

oder die andere moglicherweise auch noch ius 
Italicum gehabt hat (s. o. S. 580), sind folgende : 

In Achaia Patrae (Cohen 112 240 nr. 1571); 
in Thrakien Deultus (Eckhel II 32); in Galaticn 
Cremna (W. Kubitschek Arch.-epigr. Mitt. XX 
1897, 151ff.; Benndorf-Festschr. 198—200), Olbasa 
{CIL III 6888. Kubitschek Benndorf-Festschr. 
200). Ninica (nach Mitteilung von Kubitschek); 
in Syrien Damascus (Eckhel III 332), Neapolis 
{ebd. ni 348). Palmyra (De Saulcy Mel. num. 
1877 II 335. Kubitschek Arch.-epigr. Mitt. XX 
152), Sidon (Eckhel III 371); in Arabien Bostra 
(ebd. 501); in Africa Thamugadi ( CIL VIH 17841). 

Endlich hat man neben den c. immunes und 
c. iuris Italici noch eine dritte Kategorie von 
bessergestellten provincialen Colonien fmden wollen, 
namlich die c. liberae. Marquardt St.-Verw. 12 
89. Mommsen hat dem Widerspruch , der in 
dieser Bezeichnung liegt, entgehen wollen und hat 
die c. liberae nicht als romische Burgercolonien, 
sondern als c. peregrinorum erklart (St.-E. Ill 
793, 4). So ist man von einer falschen Fahrte 
auf die andere gekommen. Mit der Zurfickweisung 
der c. peregrinorum (s. o. S. 568) fallen auch die 
c. liberae peregrinorum. Marquardt (a. a. O.) 
beruft sich zunachst auf Patrae in Achaia (nr. 248), 



welches nach Plinius (n. h. IV 11) und Strabon 
(VIII 387) durch Augustus rOmische Biirgercolonie 
geworden sei, nach Pausanias dagegen (VII 18, 5) 
die Freiheit erhalten habe. Die Erklarung dieses 
Widersprachs hat W. Henze (De civitatibus li- 
beris, Berl. Diss. 1892, 12ff.) gegeben: Pausanias 
spricht ausdriicklich von den Achaei, d. h den 
eingeborenen Griechen von Patrae, denen die li- 
bertas verliehen wurde, so dass wir eine Doppel- 

10 gemeinde, eine eivitas libera der Achaei Pair en- 
ses (vgl. Paus. X 38, 9 vx" 'Aiaimv IlaTgiojv) und 
eine remische Biirgercolonie , ol iv ndrgacg Tco- 
uaZoi , wie Strabon X 460 sagt, = Bomani Pa- 
trenses, annehmen mussen, Mmlich wie in Hera- 
clea Pontica (Strab. XII 542f., oben nr. 112). 
Weiter zieht Marquardt die Marsyasmunzen und 
-Inschriften zum Erweise der libertas der betreffen- 
den Colonien horan, und dasselbe thut neuerdings 
J. Toutain Etudes sur Torganisatiou municipale 

20 du Haut-Empire II , Melanges d'arch^ologie et 
d'Hist. XVIH 1898, 141ff. Dessen Ansicht aber 
unterscheidet sich wesentlich von derjenigen Mar- 
quardt s, indem er (S. 152ff.) a lie provincialen 
Colonien im Besitze einer gewissen libertas oder 
besser gesagt eines hoheren Masses administrativer 
Autonomie, als die anderen Stadte des Seiches 
hatten, erweist und zugleich die Existenz beson- 
ders herausgehobener e. liberae mit Eecht leugnet. 
Es ist ihm gelungen, zu zeigen, dass der Hinweis 

30 des Plinius (epist. X 47 Keil) auf die Colonie 
Apamea in seiner Provinz Bithynien, welche von 
der Verpflichtung, dem Statthalter die stadtischen 
E-echnungen vorzulegen, entbunden war, nicht eine 
vereinzelte Ausnahme etwa auf besonderem Privi- 
legium beruhend, war, wie Mommsen (St.-E. Ill 
810f.) meint, sondern dass die Burgercolonien der 
Kaiserzeit als treuc Abbilder von Eom, was selbst 
in vielen Ausserlichkeiten wie z. B. der Aufstel- 
lung der Marsyasstatue auf ihrem Forum sich do- 

40 cumentierte , in der Kaiserzeit das hochste Mass 
von Selbstverwaltung , die in dem Eeichsorga- 
nismus inOghch war, besassen. Damit waren 
diese ursprftnglich ganz unselbstandigen, von 
Eom aus verwalteten Tochtergemeinden gerade 
in das Gegenteil umgeschlagen, aber andererseits 
passt dicsc inncrc Umwandlung selir gut zu dem 
etwa mit Augustus, wie wir sahen (S. 513 und 
566), beginnenden Emporsteigen der Colonien 
zur hSchsten Eangstufe unter den stadtischen Ge- 

50 ineinden der Kaiserzeit. Augustus Eintreten zu 
Gunsten dieses Instituts erkennen wir auch bei 
den 28 italischen Colonien, die er selbst gegrundet 
hat; diesen allem gab er das Eecht, fur die 
Magistratswahl in Rom an ihrem Wohnort ihre 
Stimmen abzugeben und vor dem Abstimmungs- 
tag versiegelt an den vorsitzenden Beamten in 
Eom einzusenden, der sie dann zu den persflnlich 
abgegebenen in die Stimmkasten zu beffirdem 
hatte (Suet. Aug. 46), ein Recht, das allerdings 

60 durch die Abschaffung der Volkswahlen bald il- 
lusorisch wurde, das aber dem Princip des antiken 
Stadtstaates vollkommen widersprechend eine ganz 
eigenartige Bevorzugung der betreffenden Colonie- 
biirger bedeutete. Wenn also nicht schon in Cae- 
sar, so mussen wir in Augustus den Mann er- 
kennen, der die Colonien zwar nicht zu eititates 
liberae im alten Sinne gemacht hat, wie man aus 
Serv. Aen. Ill 20. IV 58 falschlich hat schliessen 



583 



Coloniae 



Coloniae 



584 



wollen, sondern sie zu dem Hochstmass von stad- 
tischer Selbstverwaltung gebracht hat, damit sie 
wahre Abbilder — quasi effigies parvae simu- 
laeraque quaedam — von Rom seien. Aber das 
berechtigt in keiner Weise, von c. liberae zu reden. 
Das ist ein Begriff, der niemals eiistiert hat. 

b) Der latinischen Colonien. 

In den latinischen Colonien schuf die Assigna- 
tion ein Privateigentum der eoloni, aber nicht ex _ „, __ . „ - , 
iure Quiritium, sondern ex iure Latinorum. Das 10 und eine Anzahl der augustischen Colonien in den 



copierten auch im inneren Aufbau ihrer Gemein- 
wesen die Mutterstadt Eom. Urspriinglieh waren 
es 300 eoloni, die hinausgefiihrt wurden, ent- 
sprechend den 300 gentes und vielleicht nur aus 
ihnen entnommen, solange sie den populus Ro r 
marms bildeten. Wurden diese an einen nicht 
oder nicht mehr bewohnten Ort gefuhrt, so ent- 
stand eine vollstandig neue Commune (Ostia, Liv. 
I 33; Signia, Dionys. IV 63; Karthago, Korinth 



Territorium, welches an eoloni Latini assigniert 
wurde, wurde mit dem Moment von dem romischen 
ager publieus separiert. Ebenso verloren die Burger 
der neuen Gemeinde ihr bisheriges romisches oder 
sonstiges Btirgerrecht, indem sie das neue erwar- 
ben. Wie filr die Btirgercolonien die Griindung 
von Ostia, so war fur die latinischen die an Alba 
gekniipfte Entstehung der latinischen Bundesge- 
meinden vorbildlich (Mommsen St.-R. 113 638) 



Provinzen). Bei Hinausftihrung der eoloni an einen 
schon bewohnten Ort trat urspriinglieh zunaebst 
gewohnlieh folgende Gestaltung ein: die 300 eoloni 
bildeten in dem Ort den bevorzugten Stand, wie 
die Patricier in Rom, und besassen den dritten 
Teil des Stadtgebiets, den die alten Bewohner ein- 
btissten (Dionys. H 16. 35. 50. 53. VI 32. Liv. 
II 31). Aus diesen eoloni wurde analog wie -in 
Rom ein Senat erwahlt, der zuerst aus 30 Mit- 



Im Getrensatz zu den anfangs ganz unselbstan- 20 gliedern , deeuriones genannt, bestehen mochte. 



digen Btirgercolonien waren die latinischen stets 
souverane Gemeinden; sie traten auch nach dem 
J. 416 = 338 v. Chr. in dasselbe Rechtsverhaltnis 
ein, in welchem sich die ursprungliehen latini- 
schen Bundesstadte erhalten hatten. Mit diesen 
bildeten sie zusammen das nomen Latinum oder 
die soeii nominis Latini, und als solche waren 
sie die bedeutendste und bestgestellte Classe der 
mit Bom foederierten Staaten. Als souverane Ge 



Auf sie, die sich auch nach der Ansiedlung im 
Besitz der unverminderten civitas cum iure suf- 
fragii el honorum befanden (Ansicht von Mad- 
vig Opuscula 244ff.), bezog sich urspriinglieh der 
Begriff der Colonie, der die unterworfenen Ein- 
wohner nicht mitumfasste (Dionys. VIII 14). Die 
Lage der letzteren war vielmehr urspriinglieh eine 
sehr ungunstige (Dionys. II 54. Liv. IX 23. Diod. 
XIV 102. Liv. X 1, 7); sie bildeten. vielleicht im 



O. 232ff. unter Berufung auf Dionys II 35. 50. 
Ill 49. Liv. Vm 14, vgl. VI 17. IX 16), den 
eoloni gegenuber in keiner Beziehung ein eigenes 
Gemeinwesen, sondern waren deren Behorden und 
Gesetzen unterworfen. Mit der Zeit aber trat 
eine Verschmelzung der beiden Teile ein. In den 
Militarcolonien der Kaiserzeit kamen in der Regel 
zwei MOglichkeiten in Betracht: erstens die alte 
Einwohnerschaft der schon bestehenden Ortschaft 



meinden waren sie frei von dem Iributum ex eensu 30 Besitz_ der eimtas sim mffragio (Mad^vig^a 

und irgend welcher anderen Geldauflage von Rom ' " 

aus, besassen anfangs das Munzrccht, aber ihre An- 

gehorigen waren nicht romische Burger, sondern 

peregrinorum numero (Gaius I 79. Liv. XLIII 16) 

und dienten daher nicht in den Legionen, sondern 

wie die ubrigen Bundesgenossen in alas und eo- 

hortes. Ihr Recht war nicht das romische, und 

jedes rOmische Gesetz wurde nur durch specielle 

Reception fur die latinische Colonie gttltig (Cic. . 

pro Balbo 21. Gellius IV 4). ,Die latinischen 40 wurde von der Coloniegrundung m Mitleidenschatt 

Colonien waren also dem Rechte nach vollstandig ' n " '""" "~" L 

autonome Staaten, und die Bezeichnung derselben 
als Colonien driickt mehr das Factum der von 
Rom aus geschehenen Griindung, als ein beson- 
deres Rechtsverhaltnis aus' (Mommsen Rom. 
Miinzw. 310). Wiihriaid, wie eben gezeigt, die recht- 
liche Stellung der Btirgercolonien sich stetig ge- 
bessert hat, ist diejenige der latinischen gesunken. 
Das geringere Recht der 12 jiingsten italischen 
Latiner colonien oder 
(dariiber schon oben 

anderen Rechten vor allem das Recht der Mfinz- 
pragung genommen. Im J. 550 = 204 wurde 
zwolf latinischen Colonien, wekhe die Stellung 
ihrer Contingente verweigerten . zum erstenmale 
eine Jahressteuer von eins vom Tausend auferlegt 
(Liv. XXIX 15, 9). Doch war dies eine Ausnahnie- 
massregel, .eine Strafverfiigung, die schwerlich bis 
zum Bundesgenossenkrieg in Kraft geblieben ist 



gezogen, und zwar wurde sie entweder in ihrem 
peregrinen Rechtszustand belassen und alien An- 
teils an der Communalverwaltung beraubt. wie 
z. B. in Camulodunum (Tac. aim. XIV 31), oder 
unter bestimmten Bedingungen zur Mitverwaltung 
der Colonie zugelassen, indem ihr zngleioh mit 
der Veteranenansiedlung ganz oder teihveise das 
im c. verliehen wurde, wie z. B. in Ateste (nr. 57. 
Mommsen CIL V p. 240), in Augusta Praetoria 
das Recht "von Ariminum 50 (nr, 130); zweitens: es blieb die alte Gemeinde 
S. 518) hat ihnen neben bestehen und durch die Veteran endeduction ent- 
" "" standen an Stclle der einen alten zwei Gemeinden 

nebeneinander, und zwar die alte Gemeinde ent- 
weder als Peregrinenstadt, wie z. B, in den alten Cul- 
turlandern des Ostens (so bei der ephemeral Co- 
lonie Heraclea Pontica, nr. 112; in Patrae nr. 248 r 
vgl auch oben S. 582), im Westen Valentia in 
Spanien (nr. 92. CIL H 3733. 3734ff. 3745 uterque 
ordo), oder als romisches municipium. so in Italien 



(Mommsen St -R LU 682, 1). In der Kaiserzeit 60 Puteoli (s. o. im Verzeichms unter den neromschen 

------- - Colonien S. 538), und vor allem bei vielen sulla- 

nischen Grflndungen, z. B. Arretium (m\ 38). 
Interamnia Praetuttiorum (nr. t3), wahrscheinlich 
auch Pompeii (Cic. pro Sulla 60, vgl. o. nr. 46). 
in Dacien Apulum (nr. 234). 

Die Verwaltung der altesten Btirgercolonien 
geschah von Rom aus. Ostia ward nur ein selb- 
standiges Gemeinwesen in sacraler Beziehung ge- 



dagegen sind die latinischen Colonien, wie iiber- 
liaupt die latinischen Stadte, die es ja nur noch 
in den Provinzen gab, der Besteuerung unterworfen 
gewesen, Mommsen St.-E. a. a. O. 684f. und iin 
iibrigen der Art, Latium. 
V. Die inneren Verhaltnisse der Colonien. 
Die romischen Colonien, diese effigies parvae 
simulacraqiie popidi Romani (Gell. XVI 13), 



585 



Coloniae 



Coloniae 



586 



wahrt: praetores und aediles saeris Volkani fa- 
eiundis (CIL XIV 306, vgl. Ephem. epigr. Ill 
p. 326). Ebenso wurde die zweite Biirgercolonie 
Antium zunaebst ohne Sondergemeinwesen und 
-Magistrate geschaffen (Liv. VIII 14, 8, vgl. CIL 
X p. 660) ; aber sie erhielt im J. 437 = 317 v. Chr. 
■eigene Gesetze und eigene Beamte (Liv. IX 20, 
10). Vermutlich sind die spater gegrundeten 
Biirgercolonien samtlich nach diesem Muster ein- 
gerichtet worden (Mommsen St.-R. Ill 776ff.). 10 
Das altere Schema erforderte die Verwaltung von 
Rom aus durch praefecti, das jtagere ist das all- 
gemein municipale, dass namlich aus der Gemeinde 
gewahlte Magistrate an der Spitze stehen, wor- 
iiber im Zusammenhang im Artikel Municipium 
gehandelt wird. Hier sei nur kurz hervorgehoben, 
was von dem allgemeinen Schema der rfimischen 
Stadt- oder Municipalverfassung Abweichendes bei 
Colonien sich findet. Als Einteilung der Btirger- 
schaft (populus) fur die Ausiibung der politischen 20 
Thatigkeit sind offenbar in den rOmischen Colo- 
nien die Tribus und infolge dessen eomitia tri- 
buta das gewObnliche (Mommsen Ephem. epigr. 
II p. 221), wenigstens finden sie sich in der co- 
lonia Genetiva (Lex col. Genet, c. 91) und in Li- 
lybaeum (Orelli 3718. 3719), welch letzteres 
(nr. 170) sie aber auch schon als munivipium 
gehabt haben wird. Cuiien in Colonien begegnen 
bis jetzt nur in Africa, wo die Curienverfassung 
der Stadte ganz allgemein ist. Was die leitenden 30 
Magistrate betrifft, so kommen in den italischen 
Btirgercolonien und in den latinischen Colonien der 
republicanischen Zeit stellenweise ganz verschie- 
dene Oberbeamte vor: z. B. ein jahriger Dictator 
in Sutrium (CIL XI 3257, daneben aber Hviri), 
zwei den stadtrOmischen Consuln entsprechende 
Praetoren in den latinischen Colonien Signia (CIL 
1 1146) und Setia (ebd. 1159), den Btirgercolonien 
Castrum novum (CIL LX 5145) und Auximum 
(CIL IX 5838—5841. 5843. 5845. 5849), endlicb.40 
in Gallia Narbonensis in der ersten uberseeischen 
Biirgercolonie Narbo Martius, sowie in fast alien 
latinischen Colonien hierselbst wie Nemausus, 
Carcaso , Aquae Seitiae, Avennio, und zwar ur- 
spriinglieh in der Einzahl. z. B. CIL XII 5371 
(falsch Herzog De quibusdam praetorum Galliae 
Narbonensis municipalium inscriptionibus, Leip- 
zig 1862; Gallia Narbonensis p. 213ff.; das 
Richtige bei O. Hirschfeld S. -Ber. Akad. 
Wien CIII [1883] 309 und E. Kornemann Zur 50 
Stadtentstehung 26). tbergange zu der spateren 
Form zeigen Combinationen wie praetores Uriri 
(z. B. in Narbo) oder praetores IVviri . wie in 
Hispellum oder Nemausus. Im letzten vorchrist- 
lichen Jahrhundert sind die Differenzen zwischen 
den alten Stadtverfassungen Italiens zum grossen 
Teil verschwunden und hat sich ein im wesent- 
lichen gleichartiges Municipalrecht ausgebildet. 
Die Entstehung desselben mtisseii wir aui die 
lex Mia de civitate vom J. 664 = 90 zuruck-60 
fiihren (Reste des Municipalstatuts von Tarent 
aus dem Fundamentalgesetz fur die italischen 
Stadte vom J. 664 = 90 sind neuerdings gefun- 
den und zuerst verOffentlicht von V. Scialoja 
und G. de Petra Monument! antichi VI [1896] 
401 — 442). Aber wenn auch Cicero (de lege agr. 
II 93) es fur eine Anmassung erklart, dass duo- 
viri einer Colonie sich Praetoren nennen, so ist 



doch selbst zur Zeit , da Caesar Alleinherrscher 
war, noch nicht vollkommene Uniformierung ein- 
getreten (vgl. Lex Iulia municipalis Z. 83), ja 
dieser selbst hat bei Neubegriindungen von Colo- 
nien seiner auch sonst zu beobachtenden Gewohn- 
heit gemass localen Eigentumlichkeiten Rech- 
nung getragen, wie er z. B. den latinischen Co- 
lonien in Gallien noch Praetoren bewilligt, der 
BUrgercolonie Karthago sogar die punischen Su- 
feten gelassen hat, was aber der engherzigere 
Augustus bei der VergrOsserung der Colonie 
im J. 725 = 29 v. Chr. beseitigte (CIL VIII p. 
133). Wahrscheinlich gehen auch die Hlviri 
loeorum publieorum persequendorum von Vien- 
na (nr. 191) ebenso wie die Hlviri von Cirta 
(nr. 118 und 340) schon auf Caesar zuriick. end- 
lich sind wohl auch die undeeimviri von Nemau- 
sus (CIL XII 3179) eine von ihm bestehen ge- 
lassene einheimische KOrperschaft. In den ehe- 
mals griechischen Gemeinden vor allem des Ostens 
haben sich die Bezeichnungen agzovtsg (Neapel, 
CIG 5836. 5838. 5843) oder oroartjyoi (Korinth, 
Liban. I p. 429 R.; Palmyra, Waddington 2597. 
2601. 2606 a, 2607) flir die hochsten Beamten 
durch die ganze Kaiserzeit erhalten. Doch sind 
das nur andere einheimische Namen fur die romi- 
schen dimviri. Gegenuber den erwahnten Singu- 
laritaten hat sich namlich als die Regel heraus 
gebildet, dass die hochste aus vier Personen, nam- 
lich zwei richterlichen Beamten und zwei Aedi- 
len, bestehende MunicipalbehOrde , in den Colo- 
nien zwei Collegien von Zweimannern, duoviri 
iure dieundo und duonri aediles (aedilieia po- 
testate), bildeten , dagegen in den Municipien ein 
Collegium von Viermannern, von denen zwei quat- 
tuorviri iure dieundo und die beiden anderen 
quattuorviri aediles genannt wurden. Doch zeigt 
diese Regel so viele Ausnahmen, dass es nicht ge- 
stattet ist, etwa aus der Erwahnung von Ilviri 
auf eine Colonie zu schtiessen. Wie Municipien 
mit Ilviri, so giebt es auch Colonien mit Illlviri 
und zwar abgesehen von alien latinischen, die 
noch in der Kaiserzeit bestanden, auch viele Btir- 
gercolonien, in Italien allerdings meist solche, die 
einstmals latinische Colonien waren (Luceria lir. 68, 
Carsioli nr. 159, aber auch Opitergium nr. 142, 
iiberhaupt fast alle transpadanischen Biirgercolo- 
nien; vgl. E. Kornemann Zur Stadtentstehung 
2Cf., ausserhalb Italiens z. B. Narona {nr. 103]; 
im Gegensatz dazu vgl. man Placentia nr. 137, 
wo nach CIL XI 1217 bei der Umwandlung des 
Municipium in die Colonie ein Dbergang vom Quat- 
tuorvirat zum Duovirat stattgefunden zu haben 
scheint). Es begegnen auch Stadte, auf deren 
Inschriften IVviri und Ilriri vorkommen, und 
zwar nicht nur solche, die zuerst Municipien waren 
und dann Colonien wurden (z. B. Aeclanum nr. 146, 
Canusium nr. 147, Teanum nr. 139, Placentia 
nr. 137), sondern audi solche, und zwar Muni- 
cipien wie Colonien, in welchen nebeneinander 
IVviri und Ilviri genannt werden; Colo- 
nien dieser Art waren Sora (nr. 74, CIL X 5713; 
Ilviri: 5670. 5714), Augusta Tanrinorum (nr. 131 ; 
IVviri CTL V 7028. 7034. 7037; Ilviri 7015), 
Brixia (nr. 134 ; IVviri CIL V 4412. 4427 ; Ilviri 
4384. 4374. 4462; vgl. 4386. 4373, uber Salonae, 
vgl. nr. 101). In der Kaiserzeit, und zwar offenbar Ton 
Augustus zuerst, ist auch wieder auf den altesten 



387 



Coloniae 



Colonus 



588 



Zustand zuruckgegriffen worden, dass die Colo- 
nien der Oberbeamten iiberhaupt entbehrten. So 
zeigen die augustischen Colonien in Lusitanien 
(nr. 177—181) eincn auffallenden Mangel anhehe- 
ren Gemeindebeamten , wenigstens im 1. Jhdt. 
n. Cm*., offenbar mit Rticksicht auf den milita- 
riscben Zweck, der bei ihrer Anlage verfolgt wurde 
(darttber vgl. o. unter nr. 177): Ilviri begegnen 
in Metellinum zum erstenmal zu Domitians Zeit 
(CIL II 610). Aus den gleichen Grfinden ist wohl 
dieselbe Erschehrang in Dacien zu erklaren: in 
Napoca (nr. 235) finden wir weder Ilviri noch 
IVviri, sondern wo man solche erwartet, nur 
aediles (CIL III 827. 858. 867) oder praefecti 
(858). In Italien sind eigenartig die Beamten- 
verhaltnisse in den Colonien Ariminum (Borm ann 
CIL XI p. 76f.) und Mediolanium (Mommsen 
CIL V p. 633ff.). In Ariminum werden ncben 
Ilviri auch Illviri oder lllviri aediles erwahnt 
(CIL XI p. 77). In Mediolanium kommen nur 
Illlviri aedilicia potestate und curator 'es aerarii 
vor, dagegen keine Illlviri i. d. (vgl. jedoch 
CIL V 5908) , aber einmal ein praefectus i. d. 
(5478). Die Titularcolonien innerhalb der galli- 
schen Volkschaften (nr. 197 — 208), welche ihrer- 
seits unter Ilviri stehen, haben an ihrer Spitze 
in den rein keltischen Gebieten, bezw. in den vor 
den Flaviern mit deni Colonietitel beschenkten 
Gemeinden, praefecti, in den germanischen Grenz- 
landen dagegen, bezw. seit Vespasian curatores, 
vgl. E. Kornemann Zur Stadtentstehung 39ff. 

Die Competenzen der hechsten Beamten der 
Municipien und Colonien sind im allgemeinen 
gleich. Aber zu den gewOhnlichen Competenzen 
der obersten Colonialmagistrate tritt in der Co- 
lonia Genetiva und wahrscheinlich in alien Colo- 
nien, welche auf die Verteidigung gegen aussere 
Feinde eingerichtet waren, ein militarisches Im- 
perium (Lex col. Genet, c. 103), wovon aber spiiter 
nicht mehr die Rede ist (Paul. Dig. L 1 . 26. 
Marquardt Staatsverw. 12 155). Andererseits ist 
die freiwillige Gerichtsbarkeit, d. h. die Vornahme 
der Manumission, Emancipation und Adoption, wohl 
in den latinischen Gemeinden und den dazu be- 
sonders privilegierten rOmisehen Municipien, nicht 
aber in den l'tiinisclien Colonien Sadie der duo- 
tiri (Dig. I 7. 4. I 16, 3. Cod. lust, VIII 48, 1). 
Diese Differenz ist ein merkwiirdiges Zeugnis da- 
fur, dass die latinischen Gemeinden wie ein Teil 
der Municipien noch in spaterer Zeit einen Best 
ihrer urspriingliehen Selbstandigkeit bewahrt hat- 
ten, wahrend die romischen Colonien von Anfang 
an in der rtimischen Biirgerschaft vollig aufgingen 
(Mommsen Stadtrechte 436. Marquardt Staats- 
verw. 12 156). 

t'ber die Rangverhaltnisse innerhalb des ordo 
decurionum sind wir gerade in den Biirgercolo- 
nien gut unterrichtet , weil wir sowohl aus der 
italischen Colonie Canusium ein album ordinis 
haben (CIL IX 338 aus dem J. 223), als auch 
ein zweites aus der africanischen Colonie Thamu- 
gadi, welches allerdings erst kurz vor 367 n. Chr. 
abgefasst ist (Mommsen Eph. epigr. Ill p. 77ff. 
und CIL VIII 2403 = albus ordinis col(oniae) 
T ham(u)g(adensis), neue Bruchstucke zweier an- 
dere* etwa gleichzeitiger Verzeichnisse ebd. Suppl. 
17903; vgl. Joh. Schmidt Rh.Mus.XLVH 114E). 

Unsere Kenntnis der inneren Verhaltnisse der 



Bfirgercolonien (iberhaupt beruht auf dem uns in- 
schriftlich bekannten Grundgesetz der caesari- 
schen Colonie Urso in Baetica = eolmiia lulia 
Genetiva (nr. 84) = Lex Ursonensis, CIL II 5439. 
Bruns Pontes iuris 5 119—136. Fur die latini- 
schen Colonien kommen mit in Betracht die eben- 
falls in Spanien gefundenen Stadtrechte der lati- 
nischen Gemeinden, allerdings Municipien, Sal- 
pensa und Malaca, ebenfalls in der Provinz Bae- 

10 tica, welche redigiert sind unter Kaiser Domitian 
zwischen den J. 82 und 84: CIL II 1963. 1964. 
Bruns Fontes-5 136—149. Th. Mommsen Die 
Stadtrechte der latinischen Gemeinden Salpensa 
und Malaca, Leipzig 1855 (Abhandl. der sachs. 
Gesellsch. der Wissensch. HI 363ff. 489ff.). 
VI. Litteratur. 
Die altere Litteratur ist durchgehends voll-' 
kommen veraltet. Erwahnenswert ist nur noch 
J. N. Madvig De coloniarum pop. Rom. iure et 

20 condicione 1832 = Opusc. acad. 1834, 208ff. A. 
W. Zumpt De coloniis Romanorum militaribus, 
Commentationes epigraphicae (Berlin 1850) 1 193 
—492. In der Ausbeutung der Numismatik auch 
fiir diese Materie hat J. Eckhel die Grandlagen 
gelegt. Von neueren Verarbeitungen des numis- 
matischen Materials sind zu nennen Head HN 
1887. Cohen Me'dailles imperiales 2 , und fiir 
die griechischen Gebiete des Reiches F. Imhoof- 
Blumer Monnaies grecques, Amsterdam 1883. 

30 Weiter hat Th. M o in m s e n in seiner Geschichte 
des rom. Miinzwesens (Berlin 1860) 308ff. 33 Iff. 
die alteren latinischen und Bflrgercolonien be- 
handelt. Neben den nuinismatischeu haben 
aber vor allem die epigraphischen Studien eine 
ganz neue Basis geschaffen, vor allem seit Er- 
scheinen des Corpus inscriptionum Latinarum, 
dessen Herausgeber auf Vorschlag Mommsens 
die Geschichte und Rechtsentwicklung der Ge- 
meinden , von denen Inschriften vorliegen , kurz 

40 skizzieren (vgl. die Indices der einzelnen Bande). 
Auf Grand des epigraphischen Materials handelt 
Th. Mommsen Herm. XVin 161ff. fiber die 
italischen Colonien von Sulla bis Vespasian. Uber 
die ausseritalischen Colonien fehlt eine zusammen- 
fassende Monographie , welche die Arbeit von 
Zumpt ersetzen wurde; man vgl. J. Marquardt 
Staatsverw. I 2 unter den einzelnen Provinzen und 
speciell fiir Africa J. To u tain Les cites Ro- 
manies de la Tunisie, Paris 1895. Fur die Reehts- 

50 verhaltnisse der Colonien vgl. A. Rudorff Gro- 
matische Institutionen in Die Schriften der romi- 
schen Feldmesser, herausgegebeu und erlautert 
vonF. Blume, K. La chin ann und A. Rudorff 
II 323—418. J. Marquardt Staatsverw. 12 35 
—40. 48-58. 88-131. 132—215. Th. Momm- 
sen St.-R. TI3 624—639. HT 773—823. E. de 
Ruggiero Diz. epigr. II 415 — 457, auch separat 
Le colonie dei Romani, Roma Spoleto 1897. 

[Kornemaim.] 

60 Colonianns, Epistrateg der Thebais am 29. 
Juli 212 n. Chr., Oxyrh.vnchus Papyri I 131 nr. 70. 
Die Zeit wird dadurch bestimmt. dass die Heraus- 
geber den Papyrus dem 3. Jhdt. zuweisen; dem- 
nach kann das 20. Regierungsjahr, nach dem er 
datiert ist, nur das Caracallas sein. [Stein.] 
Colonis s. Kolonis. 

Colonns, Freund des Pompekts Quintianus; 
an ihn richtet Plinius epist. IX 9. [Stein.] 



589 



Color insaniae 



Colum 



590 



Color insaniae nennt man die Auffassung der 
Pflichtteilsklage als Anfechtung des Testaments 
wegen Wahnsimis seines Urhebers. Dies ent- 
spricht griechischen Vorbildern und wurde nicht 
in jeder Hinsicht streng wOrtlich genommen, Dig. 
V 2, 2. Litteratur s. bei Leonhard Institutionen 
349, 2. 350, 5. [Leonhard.] 

Colosseum s. Flavium Amphitheatrum. 

Colosseus, vir inlustris, Comes von Pannonia 
Sirmiensis unter Theoderich in den J. 507 — 511 
(Cassiod. var. Ill 23. IV 13). [Hartmann.] 

Colossus in Rom , hiess vor allem die von 
Nero im Vestibulum seines goldenen Hauses (Suet. 
Nero 31. Martial, de spect. 2, 3) errichtete 120 ' 
hohe (fiber die Masse s. Jordan Topogr. II 31. 
37. 188) Apollonstatue, ein Werk des Zenodorus 
(Plin. XXXIV 45), welche von Hadrian ins Thai 
zwischen Amphitheater und Tempel der Venus 
und Roma versetzt wurde (Hist. Aug. Hadr. 19). 
Der erste Kopf mit Portratziigen des Nero wurde 
nach dem Sturz des Kaisers von Vespasian durch 
einen anderen des Sol ersetzt (Suet. Vesp. 18. 
Cass. Dio XL VI 15. Hist. Aug. a. a. O.). ttber 
den urspriingliehen Standort konncn wir nur Ver- 
mutungen aufstellen; doch scheint es, dass er 
auf der Hohe der Velia, in der Nahe des spa- 
teren Titusbogens, gewesen sei (Martial, de spect, 
2, If. ; epigr. I 70, 7). Commodus verwandelte 
ihn in einen Hercules (Cass. Dio LXXII 22. Hist. 
Aug. Commod. 17. Herodian. I 15. Mai Scr. 
vet, II 225. Hieron. ad a. Abr. 2090) ; doch muss 
er im 3. Jhdt. wieder zum Soimengott umge- 
staltet sein, da die Notitia (Jordan Topogr. II 
546) angiebt alt. pcd. C1IS, kabet in eapite 
radio, n. VII singula pedum XXIIS, Im 4, Jhdt. 
wurde er jahrlich am 6. Juni mit Kranzen ge- 
schmuckt (Kalendar. Philocal. CIL 12 p. 319). 
Wann er zerstCrt ist, bleibt ungewiss ; wenn im 
Liber pontificalis (zuerst XC\T Steph. III. [768 
— 772], vgl. dazu Duchesne I 477) oder mittel- 
alterlichen Urkunden vom C. die Rede ist (Jordan 
Topogr. II 510), so ist damit das Amphitheater, 
nicht die Statue gemeint. Gelegentlich wird er 
erwahnt noch CIL VIII 212, 82 (Grabgedieht 
aus dem 2. Jhdt.). An Ort und Stelle ist nur 
die Basis aus Gusswerk mit Backsteinvprklei- 
dung, ein Quadrat von 8 m. Seitenlange er- 
halten, vgl. R, Lanciani FUR Bl. 29. Da 
im Breviarium der Notitia colossi II aufge- 
fuhrt werden, mussen wir annehmen, dass zur 
constantinischen Zeit noch eine andere Statue in 
der Stadt den Namen c. fuhrte (vgl. die bei Plin. 
n. h. XXXIV 39ff. aufgezahlten : auf dem Capitol 
ein 30 Ellen hoher Apollon, ferner der vom Sp. 
Carvilius gegossene, vom Mons Albanus aus sicht- 
bare Iuppiter ; in der Bibliothek auf dem Palatin 
ein 50 Fuss hoher Apollo tuscaiticus ; im Mars- 
feld neben dem Pompeiustheater ein von Clau- 
<lius errichteter Iuppiter i, ohne dass wir ihn mit 
Bestimmtheit nachweisen konnen. J or dans Ver- 
such, die Zahl II der Notitia als Schreibfehler 
zu eliminieren und colossum zu setzen, ist un- 
statthaft, da die Breviaria nur Zusammenstellungen 
mehrfach in der Stadt vorhandener Monumente 
enthalten konnen. Was mit dem Palatimts co- 
lossus bei Mart. VIII 60 gemeint ist, bleibt un- 
arewiss; die gewagten Combinationen von Ur- 
fichs (Beitrage zur Kunstgeschichte 94f.), der 



eine Colossalstatue der Minerva vor dem Palatium 
darin vermutete, sind von Friedlander z. d. St. 
mit Recht zuruckgewiesen worden; ebensowenig 
lasst sich Gilberts Annahme (Philol. XLV 464) 
eines C. des Domitian belegen. [Hfilsen.] 

Colphiana, nahe an Exagigarda im sfidlichen 
Armenien, Geogr. Rav. p. 50, 7; vielleicht Qolb 
oder Kutb in der Berglandschaft Sasun, kaum 
Dittographie von Colchana. [Tomaschek.] 

10 Colpusa, alter Name von Kalchedon, Plin. 
n. h. V 149. [RugeJ 

Colnbraria, die Schlangeninsel , griechiseh 
'Ocpiovooa (Strab. Ill 167 row Uixvovao&v f\ pev 
"Ejjovoog, fj Ss 'Ocpiovooa egrj/iog xal noli) eldtioiv 
Tavttj; , namlich rije 'Efiovoov, jiXtjaiov xstfievr)), 
eine der Pityusen, jetzt Formentera, nach einer 
auf Poseidonios und Varro zuTttckgehenden Fabel 
bei Mela (II 125 cuius rneminisse sueeurrit, 
quod cum scateat multo ae mahfieo genere ser- 

Wpentium et sit ideo inhabitabilis , tamen in- 
gressis earn intra id spatium quod Kbusitana 
[s. Ebusus] humo eireumsignaverunt sine per- 
nicis et grata est, isdem illis serpentibus qui alio- 
quin solent obvios adpetere aspecttim eius pul- 
veris aliudve quod virus procul et cum pavore 
fugientibus) und Plinius (III 78 Ebusi terra ser- 
pentes fugat, Colubrariae parit, ideo infesta omni- 
bus nisi Ebusitanam terra inferentibus ; Graeei 
Ophiussam dixere; danach Martian. Cap. VI 643). 

30 Auch an den Namen Ophiussa, mit dem der alte 
Periplus den Norden und Nordwesten der Halb- 
insel bezeichnet, kniipft sich die gleiche Sage 
(Avien. or. marit, 148ff. 156 post multa serpens 
effugavit ineolas). Schlangen scheinen vielfach 
als Feinde menschlicher Wohnungen gegolten zu 
haben. Formenteras moderner Name ist wie der 
des Cap Formentor auf Mallorca schwer zu er- 
klaren. Eine andere Insel C. setzt Plinius gleich 
vorher 700 Stadien von den Pityusen gegen den 

40Fluss Sucro hin (III 76); man sieht darin die 
las Columbretes noch jetzt genannte Inselgruppe 
westlich von der Ebromundung bei Cap S. Martin, 
deren grosste Insel spanisch Columbrete mayor, 
catalanisch Mont Colibre heisst. Doch beruht die 
Angabe des Plinius vielleicht auf Verwechslung 
oder Missverstandnis. [Hiibner.] 

Colum, fj&itog, vhatrjQ , igvyoixog , ein Sieb, 
Durchschlag, Gerat zum Durchseihen einer Fliissig- 
keit, Poll. VI 18. 19. X 75. Besonders oft wird 

50 das zum Durchseihen des Weines bestimmte C. 
erwahnt. Und zwar ist das Durchseihen des 
Weines ein zweifaches und gab es daher auch 
zweierlei ganz verschiedene Wein-C. 

Erstens bei der Weinbereitung und zwar wohl 
in verschiedenen Stadien derselben. Das hierbei 
benutzte C, das also ein landwirtschaftliches 
Gerat ist, wird erwahnt Cato de agri cult. XI 2. 
Verg. Georg. II 241 und Servius z. d, St. Colum, 
IX 15, 2. XII 19, 4 (vgl. Schneider z. d. St.). 

60 Geopon. VII 37. Der Wein wird durchgeseiht 
(defaecare, Plin. n. h. XVIII 232) beim Umfullen 
aus dem Dolium (aitiog) in die Amphoren ; daher 
das Trinken des ungesiebten Weines ano zov nidov 
nivuv, Plut. qu. conv. VI 7, 1. Dies auch sonst 
gebrauchte landwirtschaftliche C. war aus Weiden 
oder Binsen- oder etwas Ahnlichem geflochten ; 
doch wurde statt desselben auch ein Sack, (odxxog, 
saeeus) benutzt. Hieruber wird unter Wein weiter 



S91 



Colum 



Columba 



592 



zu reden sein. tlber Siebe im allgemeinen s. 
Daremberg zu Oribasius I 633. 

Zweitens wird der Wein vor dem Genuss durch- 
gesiebt. Meistens geschah dies wohl so, dass 
man das C. beim Einschenken fiber den Becher 
hielt, Pherecr. bei Athen. XI 480 b; so ist es 
auch zu verstehen, wenn nach Hellanikos bei 
Athen. XI 470 d das Trinkgerat der Agypter aus 
<pi6Xr\, xva&og und fj&dvwv bestand. Nur diese 



triert, sondern durch Stehen geklart werden soil. 
Plin. n. h. XIV 138. XIX 53. XXIII 45 nennt 
nur den saeeus. Durch das Filtrieren — colore, 
saceare, oaxxl^uv — wurde der Wein, vom Boden- 
satz, faex, hefreit, milder und, wie man meinte, 
weniger berauschend; daher saeco frangere vires, 
soeeis castrare, Plin. aa. 00. Ausfiihrlich han- 
delt hiervon Plot. qu. conv. VI 7. 

Mit dem Durchseihen verband man das Kiihlen 






593 



Columbaria insula 



Columbarium 



594 



Art des Gebrauches erecheint auf Bildwerken; 10 des Weines, indem man Schnee in das C. oder 



etruskische Grabgemalde Mon. d. Inst. I 32. Mus. 
Gregor. II 95 (I 102); etruskischer Sarkophag 
Mon. d. Inst. VHI 2. Hier uberall ist das kleine 
C. an der Spitze eines etwa 0,50 m. langen Stabes 
befestigt. Dagegen hat es auf dem attischen 
Vasenbilde Mon. d. Inst. VIII 27 die Form einer 
Patera mit Griff und einer beutelartigen durch- 
locherten Vertiefung in der Mitte. Ahnlicb ein 
etruskisehes Gemalde Mon. d. Inst. V 34. Mehrfach 



den Saccus legte ; daher c. nivarium, saeeus ni- 
vaHus, Mart. XIV 103. 104. IX 2, 5. 

Irrtiimlich sind fiir C. gehalten worden gewisse 
bronzene Siebe in Form eines Kochtopfes mit 
horizontalem Griff, die in ein nicht durchlCchertes 
Gefass gleicher Form genau hineinpassen , Mus. 
Borb. Ill 31. Overbeck PompejU 445 Fig. 242, 
6. Solche Gefasspaare sind im Neapeler Museum 
zaldreich vorhanden, aber mit einer Ausnahme 



sindC. ahnlicher Form gefunden worden. Silberne 20 getrennt aufgestellt, werden aber auch in nOrd- 



aus siidrussischen Grabern, Ant. du Bosph. Cimm, 
XXXI 4. 5. 6. Bronzene aus etruskischen Grabern 
Mus. Greg. I 52 (1 1), 2. 5. 11. F. Venuti Sopra i 
coli vinarii, in Diss, di Cortona I ; aus einem vor- 
romischen Grab bei Nocera, Bull, napol. V 1856/57, 
3. 117 Taf. Ill, diese mit anderem Trinkgerat 
(Patera, Sehopfkanne, Simpulum) zusammen ge- 
funden ; aus Fasano, Miner vini Monum. Barone 
54 Taf. XI 2; aus Pompeii, Mus. Borb. VIII 14, 



lichen Landern nicht selten gefunden. Lisch 
Jahrb. d. Vereins f. mecklenb. Gesch. und Alter- 
tumskunde XXXV Taf. I 3. 4, S. 7. 18. 21 des 
Sep.-Abdr. (Romergraber in Mecklenburg-Sehwerin 
1870); vgl. ebd. VIII 1843, 41, Taf. I 2. 2 a. 
Westd. Ztschr. 1882, 484 Taf. VIII 36. 37. Dies 
sind nicht, wie bei Overbeck a. 0. und Mar- 
quardt Privatl. 2 334, 9. Lisch a. 0. ange- 
nommen ist, Sch&pfgefasse, aus denen dann mittels 



4. 5 (hier irrtiimlich als silbern bezeichnet); in 30 des Siebes der Bodensatz herausgehoben ware. 

Nismes, Daremberg-Saglio Diet. d. Ant. I " ' " 

1332 Fig. 1732. Etwas anders geformt, gleich 
vom Eande aus nach unten spitz zulaufend, das 
Mayersche C, durch Verzierungen bakchischen 
Charakters auf dem Griff als Wein-C. bezeichnet, 
Le Chevalier De colo Mayerano, Amsterd. 1694. 
Aulisius De colo Mayeriano. Menestrier De 
colo autiquo epistola ad Mayerum, diese beiden in 
Salle ngre Thes. III. ThOnerne aus Etrurien, 
Gori Museo Guarnacci 34. 35. 

Wo aber fiir ein Trinkgelage grOssere Mengen 
Weins im Krater mit Wasser gemischt wurden, 
da musste das Durchseihen beim Eingiessen in 
diesen geschehen und das C. auf den Krater ge- 
setzt werden. Daher ijdfidg trnxgrjir/gidw?, Poll. 
X 108; Vgl. CIG 8: xgrjTijQa y.al i^oxoi/n'/aiGt' 
xai rjdfwv, und Martial, VIII 45, 3, wo der Wein 
aus der Amphora filtriert wird. Auf Bildwerken 
kommt dies Verfahren nicht vor. Unter den er- 



Es ware dies ein an sich ganz unwahrscheinliches 
Verfahren, und die Form dieses Gerates — mit 
horizontalem Griff, wahrend wirkliche SchOpfge- 
fasse verticalen Griff haben, und das aussere 
Gefass ohne Ausguss — ist hierfur ganzlich un- 
geeignet. Es ist vielmehr ein Kochgeschirr, aus 
dem mittels des Siebes das Gekochte ohne das 
Wasser, in dem es gekocht war, herausgehoben 
wurde. In Neapel ist ein solches Gefasspaar mit 
40 dem Gekochten — es ist wohl ein Stuck Fleisch — 
erhalten. 

Aus etruskischen Grabern stammen Thonkriige 
(,Bucchero'), deren Ausguss durch ein Sieb ge- 
schlossen ist. Micali Monum. ined. XXVII 8. 
XXX 2. Mus. Greg. 1 6 (II 98). Vielleicht dienten 
diese, um ohne besonderes C. den Wein beim 
Ausgiessen von dem Bodensatze zu befreien. M ar - 
quardt a. 0. Becker-Goll Charikles II 346; 
Gallus Til 429. Hermann-Bliimner Griech, 



haltenen C. kOnnte auf diese Weise das Mus. 50 Privataltert. 233, 5. Daremberg-Saglio Diet 



Borb. II 60 abgebildete und ahnliche gedient 
haben; es ist aber ebensogut rafiglich, dass dies 
Kilchengerate waren. 

Das tj&dvtov der Agypter war nach Hellanikos 
a. 0. aus Bronze ; sonst wird als Material Silber 
genannt: Epigenes bei Athen. XI 469 c. Dig. 
XXXIV 2, 21. Auch das C. bei Martial. XIV 
103, als reicheres Gesehenk dem saccus 104 ent- 
gegengesetzt . wird aus Silber zu denken sein 



.1. Ant. I 133. Helbig Ann. d. Inst. XXXVI 
1864. 29, 2. [Mau.] 

Columba, die grOssere balearische Insel. Nur 
in dem Itinerarium maritimum, das dem Itin. Ant. 
angehangt ist und auf altere griechische Quellen 
zuriickgeht, werden, naehdem die Entfernung der 
Balearen von Karttaago Spartaria angegeben ist. 
die beiden Inseln so genannt insula Columba, 
Balearis maior, insula Xura, Balearis minor 



Der ij&po; ya'/.Hi'ft.aTog , Eurip. bei Poll. X 108,60(511, 2). Darin sind die alten Eigennamen der 
™„ tt„„i =* „„:„ xT-.v " -J-' - « .grossen' und .kleinen' Insel erhalten, wie schon 

der spanische Antiquar Ludovicus Nonius (1607) 
zuerst richtig bemerkt hat. Columbaria, Tauben- 
insel, hiess eine der kleinen Inseln an der west- 
lichen Kfiste Italiens, unweit Elbas, jetzt Parma- 
jola. Der vielleicht gleiche oder ahnliche Name 
der grosseren Baleare ist moglicherweise erhal- 
ten in dem Puerto Colom an der Sfldostkiiste der 



kann ein Kuchengerat sein. Nach Martial, a. 
kCnnte es scheinen. als seien feinere Weine durch 
das silberne C, geringere durch einen leinenen 
Beutel oder Durchschlag, saeeus, tinum, filtriert 
worden. Doch widerspricht dem Mart. II 40, 5. 
Vm 45, 3; und wenn nach Hor. sat. II 4, 54 
der Massiker das linum nicht vertragt, so ist 
dies so zu verstehen, dass er iiberhaupt nicht fil- 



Insel, der mit Columbus nicbts zu thun hat. Vgl, 
Baliares. [Hiibner.] 

Columbaria insula, im tyrrhenischen Meere 
unweit Ilva, Plin. n. h. IH 81 (daraus Solin. 3, 2 
und Martian. Capella VI 644). [Hiilsen.] 

Columbarium ist die lateinische Bezeichnung 
fiir die Nische eines Taubenschlages (Varro de 
re rust, in 7, 4. 11. Columella VIII 8, 3). Pal- 
ladius I 24 braucht columbarium fiir den ganzen 
Taubenschlag, den Varro mit dem griechischen 
Ausdruck peristeron oder peristerostrophion be- 
zeichnet (a. a. 0. Ill 7, 2). Die Taubenschlage 
wurden meist als Turm (Plin. X 110. Pallad. 
a. a. 0.) auf den Dachern errichtet (in prae- 
torio, auf dem Herrenhause, Pallad. a. a. 0.). 
Sie wurden innen und aussen weiss angestri- 
chen (Colum. Pallad. a. a. 0. Varro a. a. 0. 
Ill 7, 3 ; vgl. Ovid, trist. I 9, 7) und enthielten 
eine grosse Zahl runder Nischen (fiir jedes Paar 
eine) in iibereinander vom Boden bis zur Decken- 
woTbung aufsteigenden Reihen (Varro a. a. 0. 
III 7, 4). Vor jedem eolwmbarium war eine 
thonerne Tafel als vestibulum fur die Tauben 
angebracht (Varro und Columella a. a. 0.). Man- 
che Schlage fassten gegen 5000 Tauben (Varro 
a. a. 0. Ill 7, 2). Abbildung eines Taubenschlags 
auf einem Mosaik aus Palestrina, Daremberg- 
Saglio Dictionnaire I Fig. 1737; vgl. Becker- 
Gsll Gallus I 112. Daremberg-Saglio I 
1333. 

Wegen ihrer Ahnlichkeit mit den Nischen 
eines Taubenschlags heissen columbaria auch die 
Oifhungen in der Seitenwand eines Schiffes, durch 
welche die Ruder gesteckt werden (Fest. 169 a 
8, vgl. Daremberg-Saglio a. a. 0. 1338), ferner 
die zur Aufnahme von Balkenkopfen bestimmten 
Ofinungen in der Wand eines Gebaudes, griech. oxal 
(Vitr. IV 2, 4) und die Offnungen an den Seiten 
eines SchOpfrades (Vitr. X 9, 2 ; vgl. Tym panon). 
Vor allem aber hat sich der Name eingebiirgert 
fiir die zur Aufnahme von Aschenurnen bestimmten 
Nischen in grossen rfimischen Grabmonumenten. 
Irrtiimlich wird im modemen Sprachgebrauche 
dieser Name auf das ganze Monument iibertragen. 
In den Inschriften wird letzteres ossuarium (CIL 
VI 4710. 5531 ; ossarium VI 8738, 4709) genannt 
oder mit dem allgemeinen Ausdrucke sepulchrum 
(XIV 1214. VI 6150) oder tnonumentum (z. B. 
XIV 1214) bezeichnet. 

Als Vorbild fiir die rOmischen Columbarien 
dienten vielleicht die in Felswande gehauenen, 
zum Einsetzen von Aschenurnen bestimmten Ni- 
schen, die in verschiedenen Orten Etruriens vor- 
kommen (Dennis The cities and cemeteries of 
Etruria I 10. 26 u. e. Can in a Etr. marit. I 
123. Abeken Mittelitalien 258; Abbildung eines 
Nischengrabes in Veii Canina a. a. 0. I Taf. 
XXXI; in Toscanella Dennis I 485. Darem- 
berg-Saglio I 1334). In Rom wurden die Co- 
lumbarienmonumente seit dem Anfange der Kai- 
serzeit ublich , als der hohe Preis des Bodens 
Einzelmonumente fiir wenig Bemittelte nicht mehr 
eTlaubte; vielleicht hangt ilire Entstehung auch 
mit der Schliessung des esquilinischen Graber- 
feldes zusammen, auf dem bis dahin die misera 
plebs (Horat. sat. I 8, 10) bestattet worden war. 
Die Mehrzahl der Columbarien sind, wie In- 
schriften und Bauart beweisen, in der Zeit des 



Augustus und Tiberius erbaut, nach Claudius 
scheinen Neugrundungen nicht mehr vorgekom- 
men zu sein. Zur AufsteUung von Cippen, Urnen 
und Sarkophagen wurden die Columbarien bis ins 
2. und 3. Jhdt. n. Chr. benutzt (die naheren 
Angaben s. CIL VI p. 877ff.). Die ausserhalb 
Roms vorkommenden Graber mit Nischen an den 
Wanden, wie das Grab des Scaurus in Pompeii 
(Overbeek-Mau Pompeii 420) und das Grab- 

10 mahl in Weyden bei Ksln (Urlichs Bonner Jahr- 
biicher LU 134ff.) unterscheiden sich von den 
grossen stadtrOmischen Columbarien durch die 
geringe Zahl der Nischen (doch esistierten auch 
in Rom selbst Columbariengraber von ganz ge- 
ringem Umfange, so ein noch erhaltenes Monu- 
ment an der Via Latina), vor allem aber dadurch, 
dass in ihnen die Urnen in die Nischen hinein- 
gestellt, in den stadtromischen Columbarien da- 
gegen die ollae (s. u.) in die Wand selbst einge- 

20 mauert sind. Solche Columbarienmonumente finden 
sich nur in Rom und seiner Umgebung (nament- 
lich Ostia) ; in andern Teilen des romischen Reiches 
ist kein derartiges C. nachgewiesen worden , die 
ganz vereinzelt ausserhalb Roms und seiner Um- 
gebung gefundenen Inschriften von solchen Mo- 
num enten sind daher als verschleppt zu betrach- 
ten (CIL II 2002. X 756. 2346. 6500. 6551. 8288. 
8299. vgl. T.Schiess Die rOm. collegia funeraticia, 
Miinchen 1888, 89). 

30 Am bestcn erhalten sind in Rom folgende Co- 
lumbarien, auf die in der folgenden Beschreibung 
hauptsachlich Bezug genommen ist : 1) Monument 
der Freigelassenen der Marcella (der jflngsten 
Tochter von Augustus' Schwester Octavia), an der 
via Appia in der Vigna Codini (CIL VI p. 908. 
Henzen Annali d. Inst. 1856, 9). 2/3) Zwei 
andere Columbarien in der Vigna Codini 2) CIL 
VI p. 926. Campana Due sepolcri del secolo 
di Augusto, Roma 1840, 4 Iff. u. Taf. IX— XIII. 

40 Daremberg-Saglio I 1337 Fig. 1744f. 3) CIL 
VI p. 939. Ann. d. Inst. 1856, 18 = Wilmanns 
Exempla p. 125. 4) C. an der Porta Latina (CIL 
VI p. 956. Campana a. a. 0. 5ff. Taf. I— VIII. 
Daremberg-Saglio Fig. 1746f. Schreiber 
Kulturhistorischer Bilderatlas Taf. C, 6). 5) C. 
in der Villa Pamfili (Jahn Die Wandgemiilde 
des Columbariums in der Villa Pamfili [Abhand- 
lungen Akad. Miinchen VIII 2]. Sainter und 
Hiilsen Rom, Mitt, VHt 105ff. Arch. Anzeiger 

50 1898, 47ff.). 

Die Columbarien, die wie alle rOmischen Graber 
an den Landstrassen liegen (s. 0. Richter in 
I. Mullers Handbuch III 882. 886. 900), sind 
gemass der zur Zeit ihrer Entstehungen fiblichen 
Bauart in der Regel in Reticulat (s. Reticula- 
tum opus), einige auch in gutem Ziegelwerk er- 
richtet. Bei den einstOckigen Columbarien liegt 
nur die obere Halfte fiber der Erde, die untere 
ist unterirdisch, zum Teil in den Tuff des Bodens 

60 gehauen. Manche Monumente bestehen aus zwei 
oder drei Stockwerken, deren unterstes unter der 
Erde liegt (zweistockig; C. der Statilier CEL 
VI p. 994, die beiden Stockwerke stehen hier 
nicht in Verbindung, sondern haben getrennte Zu- 
gange; dreistockig: CIL VI p. 987; C. der Ser- 
vilier in der Villa Wolkonsky VI p. 2618). Der 
Grundriss der Columbarien ist gewohnlich reeht- 
eckig oder quadratisch ; zum Teil bestehen sie aus 



595 



Columbarium 



Columbarium 



596 



einem Raume, zum Teil auch aus mehreren Earn- von ollae Platz: VI 6150 wird 1/13 des ganzen 
mern. Hufeisenftrmig ist das dritte C. der Vigiia Monuments auf 10 ollae angegeben, dasselbe ent- 
Codini (ungewOhnlich ist hier auch. am Ende des hielt also 130 ollae; VI 27731: i/ 4 = 37 ollae, 
dritten Corridors ein schmaler, in den Tuff ge- Gesamtzahl also 148; VI 11576: l/ 17 = 9 ollae, 
hChlter Gang, anfangs 1,75 m. hoch, spater all- also im ganzen 153. Gegen 70 Nischen (zu 1 bis 3 
mahlich niedriger werdend, in dem eine grosse ollae, s. u.) enthielt das Monumentum Caeciliorum 
Menge Gebeine gefunden wurde). Die Decke ist (CIL VI p. 1053). Urn die oberen Eeihen be- 

gew<Slbt,dielateinischeBezeichnungfiirdieDecken- quemer zuganglich zu machen, war bei manchen 

wOlbung ist eamara (CIL VI 5532. 17703). Ge- Columbarien eine umlaufende Gallerie angebracht, 
tragen wird die Decke ausser durch die Wande 10 zum Teil aus Holz, so dass heute nur noch die 

hauflg noch durch einen Mittelpfeiler, der zugleich viereckigen Lflcher vorhanden sind, die zur Auf- 

zur Aufnahme von Nischen dient, so im zweiten nahme der Tragebalken fur die Gallerie dienten, 

C. der Vigna Codini, im C. der Villa Pamfili so in dem zweiten Monumente der Vigna Codhii. 

und im Monumentum Carviliorum CIL VI p. 1065 In letzterem sind an der Treppenwand nur da 

• (dem gleichen doppelten Zwecke dient der Mittel- solche Lecher vorhanden, wo nicht die Treppe 

pfeiler in dem Grabe des Scaurus in Pompeii, s. o.). selbst als Zugang zu den hoheren Eeihen dienen 

In dem dritten C. der Vigna Codini sind die konnte (Campana a. a. O. 47). In dem dritten 

Wande durch Pfeiler in Abteilungen gegliedert; C. der Vigna Codini springen Steinbalken vor, 

aufdiesenPfeilernruhenBogen, welche die Decken- die jedenfalls eine Gallerie trugen, zu welcher 
wolbung stfitzen. Sparliches Licht erhalten die 20 der Zugang von der Treppe aus stattgefunden 

Kammern durch Fenster in der Decke oder an haben muss (Ann. d. Inst. 1856, 19). Im C. der 

den Wanden. Eine meist schmale und steile Livia wurde durch ca. 1/2 m - vorspringende Tra- 

Treppe (scalae VI 4713; scalaria VI 5532. 10377. vertinblecke ein Umgang gebildet, der durch eine 

Bull. com. 1886, 368 nr. 1397) fiihrt in das C. iiber dem unteren Eingange gelegene Thiir zu- 

hinab, auf einen oder mehrere Bogen gestiitzt ganglich war. 

(der lateinische Ausdruck ftir diese Bogen scheint Die lateinische Bezeichnung fur die Nischen 

eamara, Bull. com. a. a. O.camaras scalariorum). ist columbarium (columbare, z. B. XIV 1650) 

In der Kegel ist sie an eine Wand gelehnt (CIL oder ollarium(z. B. CIL VI 8136.21852. XIV 1106. 

VT 5531 bezeichnet subscalaria wohl die Wand 3932). Sie sind teils quadratisch, teils halbrund ; 
unter der Treppe); ausnahmsweise ist dies in dem 30 letzteres ist das Gewohnliche. In einigen Monu- 

dntten C. der Vigna Codini nicht der Fall, die menten (VI p. 1456, C. der Villa Pamfili) hat die 

Treppe ruht hier frei auf zwei Bogen. GewOhn- untersteReihe.quadratische, die iibrigen halbrunde 

lich ist sie aus Stein, in dem eben erwahnten Nischen. In die untere Flache dieser Nischen sind 

Monumente hatte sie ein Holzgeliinder. In einem ein oder mehrere thonerne Aschenkriige mit ab- 

kleinenGrabe auf dem Esquilin (CIL VI p. 987) ist nehmbaren Deckeln (opereula VI 27731) einge- 

von der Treppe nichts gefunden worden, wahr- lassen (ollae; ollae ossuar. VI 9189. 12671. 28126. 

scheinlich bestand sie also hier aus Holz. Die XIV 1636), gewehnlich zwei. Nur je eine olla 

Grossenverhaltnisse einiger Columbarien mOgen enthalten z. B. die Nischen im C. der Villa Pam- 

folgende Angaben zeigen (vgl. weiter unten die fili und ein Teil der Nischen im Monumentum 
Angabe uber die Zahl der ollae). Das Monu- 40 Caeciliorum (VI p. 1053), wahrend die andern 

mentum Liviae (s. u.) hatte einen Umfang von columbaria des letzteren Grabmals zwei und drei 

36 x 21 rem. Fuss (= 6,16 x 10,5 in.), eine Hohe ollae enthalten. Columbarium mit drei ollae in- 

von ca. 7 m. (CIL VI p. 877). Zweites C. der schriftlieh bezeugt XI 29698, zu vier ollae VI 

Vigna Codini: 7,5x5,65 m.; Hche bis zur Decken- 7803, zu sechs ollae VI 8131. Im dritten Mo- 

wolbung 6 m. Monumentum Aurunceiorum (CIL numente der Vigna Codini sind in denjenigen 

VI p, 1615): 4,35 x 2, 80 m. Monumentum Sta- Nischen, die vier nllm pnthalten, diebeidpn oUae- 

tiliorum (ebd. p. 1011): 5,20 X 5,55 m. C. der Paare hintereinander angebracht, das hintere auf 

Vigna Aquan (ebd. p. 1030): 4 x 2,5 m. ; Hohe einer erhohten Stufe , die vorn eine Inschrift 

o m. Grab 5 (die Buchstaben beziehen sich auf tragt (auf derartige columbaria bezieht sich viel- 
denPlanCILVIp.982)aufdemEsquilin: 2,65|nm. 501eicht die Bezeichnung ollae interiores VI 5728 

(CIL VI p. 1015), Y: 4,40x3,30 m, Z: 4,40x 11988. 23209). Neben den gewohnlichen colum- 

4,20 m. (ebd. p. 1019), L.: 2,90x1.95 m., H. 4,20m. baria kommen auch grOssere Nischen vor, eine- 

(Ann. d. Inst. 1878, 235). Die Wande der Colum- raria (s. d.), aediculae (s. d.), aedieula ossimria 

barien sind meist der ganzen Ausdehnung nach mit VI 16624, aed. cum ollis III VI 17403, acdieulae 

Reihen von Nischen zur Aufnahme von Aschen- mit vier ollae VI 9910. 25359. mit sechs ollae 

kriigen besetzt, auch der Mittelpfeiler, die Bogen. VI 14614, mit aeht ollae VI 18019. Bisweilen 

welche die Treppe tragen, sowie auch der iibrige schliessen solche aediculae mehrere columbaria, 

Teil der Treppenwand sind mit Nischen gefullt. d. h. kleinere Nischen, in sich. VI 26105 aedi- 

Die Zahl der Eeihen an den Wanden ist ver- culam cum eolumbaris III ollar. nfumeroj VI. 
schieden. Nur drei Eeihen uber einander entha.lt 60 VI 28960a : aedicla columbarum IIII. Im Monu- 

ein C. (L) auf dem Esquilin (Ann. d. Inst. 1878, mentum Caeciliorum sind die vier dort vorhan- 

234) ; die grosste Zahl von Eeihen ist neun (Mo- denen aediculae durch Pfeiler in je drei Nischen 

numentum Marcellae, zweites C. der Vigna Co- geteilt (VI p. 1053). Eine aedieula n.it sechs 

dim, C. in der \igna Aquari, s. 0.). Die Ge- kleineren Nischen a sechs ollae findet sich in dem 

samtzahl der ollae betragt im Monumentum Mar- dritten C. der Vigna Codini (VI 5181). Im Ge- 

cellae uber 600, in einem Teile des Statiliermo- gensatz zu den einfachen kleinen Nischen sind 

numentes (CIL VI p. 994) gegen 700. Andere die grOsseren zum Teil reich ausgestattet , sie 

Columbarien bieten fur erne weit geringere Zahl bilden hating eine Tempelfacade, d. h. sie sind 



597 



Columbarium 



Columbarium 



598 



durch Pfeiler (zum Teil mit Stuckdecoration oder entweder wurde auf den Stuck ein Tafelchen ge- 

Marmorverkleidung) eingefasst und mit einem malt, auf dem der Name angegeben war (z. B. CIL 

Giebel versehen. Abbildung einer solchen Nische VI p. 1015. ROm. Mitt. VIE 150ff.) oder dieser 

z. B. bei Campana a. a. 0. Taf. XIII und X, G. wurde auch ohne Tafel auf den Stuck geschrieben 

In manchen Monumenten wiegen die aediculae oder eingeritzt. Die Steile solcher provisorischen 

vor den kleinen Nischen vor. Im C. an der Porta Wandinschriften vertreten nachHenzens Ansicht 

Latina enthalt nur die Treppenwand einfache (a. a. 0.) die kleinen Tafelchen, auf denen nur ein 

columbaria, die iibrigen Wande sind mit reich Name ohne weiteren Zusatz steht (z. B. VI 4166 

decorierten aediculae besetzt (s. u.). Ebenso haben im Nom., 4161 im Gen., 4283 im Dat.). Auf der- 
auch in dem dritten C. der Vigna Codini nur 10 artige Tafelchen bezieht Hen zen die 200 tesselae, 

die Wande neben der Treppe columbaria zu zwei die CIL VI 4709 ein curator (s. u.) den Teilhabern 

ollae, der iibrige Teil des C. enthalt fast nur des Monumentes schenkt (Mau bei Marquardt 

grSssere aediculae von quadratischer Form, einige Privatleben 373, 2 will darunter lieber Steinchen 

darunter von der doppelten Hehe der andern, mit eines Mosaikfussbodens verstehen, wogegen jedoch 

reichem Schmucke. Eine grosse aedieula dieses Schiess a. a. 0. 98, 325 wohl mit Kecht die 

Monumentes ist durch eine Marmorthur verschlossen daflir allzu geringe Zahl geltend macht). Ausser 

(vgl. VI 5306 aedieula mm caneellis et orna- diesenEinzelinschriftentragtdasMonumentaussen 

mentis aereis). Henzen (Ann. d. Inst. 1856, eine Inschrift, welche die Besitzer des ganzen Ge- 

19) nimmt an, dass solche verschlossenen aedi- baudes bezeichnet. CIL VI 4709 Tata curator 

eulae mit den scrinia VI 4709 gemeint sini 20 primus dedit titulos marmoreos II, m ossario 

(Schiess a. a. 0. 93, 307 setzt scrinia = arcae, I, in fronte foras I. Eine solche aussere Inschrift 

Sarkophage). ist VI 7860 (vgl. p. 1077). Ausserdem wurden 

In einigen Monumenten lauft unten an alien auch an den Ecken des Gebaudes Cippen aufge- 

oder einigen Wanden eine niedrige Stufe entlang, in stellt, auf denen die Besitzer angegeben waren 

welche, wie in die Nischen, ollae eingelassen waren (s. ROm. Mitt. VIII 146ff. und Artikel Cippus). 

(podium, z. B. VI 5533). Im C. der Villa Cor- Die mit weissem Stuck (opus tectortum VI 

sini war ein podium auf alien vier Seiten vor- 10332 u. e.) verkleideten Wande der Columbarien 

handen (VI p. 1456), in den drei Columbarien sind hauflg, ebenso wie die Deckenwolbung, mit 

der Vigna Codini nur auf drei Seiten (es fehlt Bildern geschmiikt (CIL VI 5346), die zum grOssten 
hier an der Treppenwand), mit zwei Reihen ollae. 30 Teil einen rein decorativen Charakter tragen, ohne 

Das Monumentum Marcellae enthalt ausserdem die Bestimmung des Gebaudes zu beriicksichtigen 

noch zwei podia unter den beiden Bogen der (Rom. Mitt. VIII 142. 0. Jahn a. a. 0. 281). 

Treppe. In dem letzteren C. ist das podium in Im C. der Villa Pamfili (s. o.)._befindet sich zwi- 

andrer Bauart als das iibrige Monument ausge- schen je zwei Nischenreihen je eine Reihe von 

fiihrt, also ersichtlich ein spaterer Zusatz. Jeden- kleinen Fresken (12 bis 20,5 cm. hoch), erhalten 

falls sind die podia tiberhaupt erst errichtet wor- sind noch 126 Bilder. Der Gegenstand derselben 

den, wenn die Nischen an den Wanden gefullt ist mannigfaltig : neben einer Anzahl mytholo- 

waren _ gischer Scenen Genrebilder, Landschaften, Vegel, 

Die ollae sind ab und zu mit Marmorplatten Blumen und Fruehte, Pygmaeendarstellungen, ja 
verschlossen, die mit einer Ofhrang zum Eingiessen 40 sogar einige obscOne Bilder. Landschaften, Jagd- 

von Flussigkeiten fur das Totenopfer versehen sind. scenen, Blumenstiicke schmiickten in einem C. der 

Dieselbe ist teils rund, teils muschelfCrmig, bis- Villa Corsini (VI p. 1456) die Zwischenraume 

weilen hat sie die Form einer siebartig durchlOcher- der Nischenreihen und die Deckenwolbung ; Ab- 

ten patera, mit oder ohne Griff. bildung der reichen Decoration anderer Monu- 

Fiir die Beisetzung der Asche in den ollae mente derselben Villa bei Bartoli Gli antichi 

wird der Ausdruck inferre ossa (oder Name des sepolcri, Taf. V— XX (Gnhl und KonerLeb.d. Gr. 

Toten) gebraucht (VI 4013. 4802. 4820. 10293), u. Eom.e Fig. 813). Blumen, Frfichte, Vogel bilden 

die noch unbenutzten ollae werden als ollae vir- auch den Schmuck zweier Columbarien der Vigna 

yines bezeichnet (VI 25192). Ausser den ollae Codini (Campana Due sepolcri Taf. XL XII. 
und andern Aschenurnen wurden in den Columba- 50 Ann, d. Inst. 1856, 19). Ranken, zwischen ihnen 

rienmonumenten hauflg auch Grabarae und Sarko- acht Genien, zieren die Decken wolbung des C. 

phage aufgestellt. an der Porta Latina (Campana a. a. 0. Taf. V. 

Uber oder unter den Nischen sind mit eisernen VI). Darstellungen aus der romischen Sage be- 

oder bronzenen Nageln (CIL VI 7191 quicumque fanden sich auf den Wanden (hier iiber den - drei - 

hinc clavos exemerit, in oculos sibi figat) Tafel- Nischenreihen) eines C. auf dem Esquilin (CIL 

chen aus weissem oder buntem Marmor befestigt, VI p. 990; abgeb. bei Brizio Pittnre e sepolcri 

welche den Namen des Bestatteten u. s. w. angeben scoperti sull' Esquilino, Koraa 1876, Taf. II. Mon. 

(tituhts VI 4889. 27731. 28354 u. 6.). Bei den d. Inst. X 60. 60a, beschrieben von Eobert Ann. 

erOsseren aediculae in Tempelform steht die In- d. Inst. 1878, 234ff.). In dem zweiten C. der 
thrift offers auf einer Marmortafel im Giebel. 60 Vigna Codini enthalt der Mittelpfeiler in seiner 

Vor der Beisetzung der Asche wurden die Nischen oberen — schmaleren — Halfte keine Nischen, 

provisorisch mit den Namen der Eigentiimer sondern ist mit Bildern (zum gr6sseren Teile Tier- 

(daher findet sich unter mehreren ollae derselbe bildern) geschinuckt (Campana a. a. 0. Taf. XI. 

Name ; Name des Herrn, der eine Nische fiir seine XII. Daremberg-Saglio I 1337 Fig. 1744). 

Sclaven oder Freigelassenen erwirbt : H u 1 s e n Stuckdecoration der Wolbung im C. der Arruntn 

EOm Mitt VIII 164) bezeichnet (Henzen Ann. (CIL VI p. 979), Piranesi Antichita Romane 

d. Inst. 1856, 13; vgl. CIL VI 4418 ollae distri- II Taf. XII. 

butae et imeriptae ex d(ecrelo) dfecurionum}, s. u.) ; Die zum Schmucke des gesamten Monumentes 



599 



Columbarium 



Columbarium 



600 



dienende Wand- und Deckendecoration ist jeden- 
falls auf gemeinsame Kosten fiir das ganze Grab- 
mal zugleich ausgefiihrt worden. Daneben liessen 
einzelne die ihnen geh&rigen Platze, namentlich 
grOssere aedieulae, noch besonders ausschmticken. 
Abbildung der Decoration einzelner aedieulae (in 
Malerei, Stuck und Mosaik) in dem C. an der Porta 
Latina: Cam pan a a. a. 0. Taf. Iff., vgl. p. 7ff. ; s. 
auch Bartoli a. a. 0. Mehrfach sind im Hinter- 



mente der Sclaven und Freigelassenen anderer 
Familien s. Schiess a. a. 0. 25ff. Ausser von 
solchen aus Sclaven und Freigelassenen derselben 
Familien bestehenden Societaten wurden Colum- 
barien auch von anderen Vereinen errichtet (z. B. 
VI 61 50 sociiXU. UQML XXXVI soeii). Ferner 
erbauten auch reiche Familien selbst Columbarien 
fur ihre Sclaven und Freigelassenen (vgl. Brizio 
a. a. 0. 97), auch wurden solche von TJnterneh- 



grunde der Nischen oder an den Seiten derselben 10 mem errichtet, die dann die einzelnen Platze, 



die darin Bestatteten — in ganzer Figur — darge 
stellt (ROm. Mitt. VUI 1431). Aufstellung von 
Portraitstatuen oder Biisten in einer asdieida oder 
Nische: CIL VI 6223 (Brizio a. a. 0. Taf. Ill 
18, vgl. p. 99). 26375. Campana a. a. 0. p. 55, 
Taf. XI B. XIII. X, P. T. Bartoli a. a. 0. Taf. 
XXI. Aufstellung einer Statue oder Biiste als 
Ehrenbezeugung fiir einen curator: CIL VI 10332. 
Der Fussboden der Columbarien (pavimentum 



VI 5531 u. «.) war entweder Estrich (stratum 20 Erbschaft erhalten hat). 



d. h. die ollae, des Monumentes verkauften (acht 
Personen sind die Besitzer des C. in der Villa 
Pamfili, dessen Platze sie weiter verkaufen, s. Bflm. 
Mitt. VIII 146ff.; auch das zweite C. der Vigna 
Codini und das an der Porta Latina scheinen 
nicht von Collegien errichtet zu sein, da in den 
Inschriften derselben keine Beamten eines- Col- 
legiums erwahnt sind ; CIL VI 9405 wird ein ein- 
zelner als Besitzer eines C. genannt, das er durch 



VI 5532) oder Mosaik, wie im Monumentum Li- 
viae (VI p. 877), im Monumentum Marcellae und 
in den Columbarien T V auf dem Esquilin (VI 
p. 1015). In einem C. in Ostia war auf dem 
Mosaikfussboden der Eaub der Proserpina dar- 
gestellt (Ann. d. Inst. 1857, 293). Eeitender 
Bacchus auf dem Fussboden eines C. der Villa 
Coisini: Bartoli a. a. 0. Taf. XIV. 

Wie zu andern Grabdenkmalern gehort zu 



Die Organisation der Collegien, die Colum- 
barien besitzen, ist dieselbe wie die anderer col- 
legia funeraticia, s. Collegium. Hier seien 
nur einige speciell auf die Columbarien beziiglichen 
Einzelheiten bervorgehoben. 

Zur Errichtung des Monuments (oder zum An- 
kaufe eines solchen, VI 23328) werden von den 
Mitgliedern Beitrage gezahlt, der Ausdruck dafiir 
ist conferre (VI 11034 socii, qui in eo monu- 



den Columbarien eine area, die von einer Maucr30?»ereto contulerunt pecuniam, uti aedificaretur. 



(maeeria) umgeben ist (VI 7803 ut area, quae 
ei eedit monimento, communiter uti lieeat et 
sacrifidum faeere). Als zugehOrig zu einem C. 
werden erwahnt ein Verbrennungsplatz (ustrina 
oder ustrinum VI 4415. 11576. 23808. X 6607), 
eine triclia (VI 4305. 4711. 21383. 29958. XIV 
1636; nacli letzterer Inschrift befinden sich Sar- 
kophage in der triclia), eine porticus (VI 8117. 
10275), ein triclinium (VI 4710. 10332. 14614 



VI 5818. 10332). Die curatores des Vereins be- 
sorgen dann die Errichtung — VI 11034f. uber- 
tragen sie die Erbauung einem Unternehmer, s. 
Mommsen z. Inschr. — und innere Ausstattung 
des Monumentes (VI 10326 (curator) monumen- 
tum aedificandum expoliend. curavit socisque 
probavit. VI 10332 monumentum ex pecunia col- 
lata sociorum aedifieavit arbitratu suo idemque 
. . tectoria perfecit), woriiber sie den Mitgliedern 

XIV 1302. 1636; an den Wanden der in den40nachher Eechenschaft ablegen (VI 10326, s. o.). 



beiden letzten Inschriften erwahnten Triclinien 
befanden sich ollae), eine eulina (VI 14614.29958), 
ein viridiarium , d. h. doch wohl eine Garten- 
anlage, innerhalb deren sich aber nach VI 17073. 
25658. 29982 auch ollae befanden, ein vigilia- 
rium (XIV 1868), ein solarium (XIV 1868), ein 
subsolarium (VI 10275), ein hypaethrum (VI 
5532), puteurn (VI 5532. 29958). Vgl. auch den 
Art. Graber. 



Ofter ubernehmen die curatores, wie auch andere 
Beamte des Vereins (qua-estores, decuriones s. d.), 
irgend eine Anschaffung oder Ausschmiickung, die 
sonst dem Verein zugefallen ware (z. B. Fuss- 
boden, Stuckverkleidung der Wande, Triclinium 
etc.) auf eigne Kosten (VI 4305. 4419. 4709. 4710. 
5531. 8738. 10332. 10377. Bull. com. 1886, 368 
nr. 1397). Die Zuweisung der Platze des Mo- 
numents an die einzelnen Mitglieder geschieht 



Errichet werden die Columbarien in der Regel 50 durch den curator (VI 10335). der technische 



von Genossenschaften (s. Collegium, oben S. 
387ff.). Zum Teil bestehen diese aus Sclaven und 
Freigelassenen einzelner Familien (auf eine Unter- 
stutzung von seiten des Herrn deutet CIL VI 7303), 
namentlich des Kaiserhauses bezw. einzelner Mit- 
glieder desselben. Grabmal der Freigelassenen und 
Sclaven der Livia, CIL VI p. 877. Ghezzi Camere 
sepolcrali de liberti e liberte di Livia Augusta e 
d'altri Cesari, Eoma 1731. Bianchini Camera ed 



Ausdruck dafiir ist adsignare (VI 4483. 10294). 
Die Verteilung findet auf Beschluss der Decu- 
rionen statt (VI 4418, s. o.). Die Zahl der den 
einzelnen soeii gehflrigen ollae war verschieden, 
sie bing jedenfalls von der Hohe des gezahlten 
Beitrags ab. Der durch einen einfachen Beitrag 
erworbene Anteil von mehreren ollae wird als 
pars ririlis (VI 10326, hier a 5 ollae) bezeichnet. 
Wer einen grosseren Beitrag gezahlt hatte, bekam 



inserizioni de" liberti etc. della casa di Augusto, 60 entsprechend viele solcher partes (Schie 



Roma 1727. Gori Monum. sive columbarium 
libert. Liviae, Florenz 1727. Piranesi Antich. 
Eom. in Taf. XXIff. Daremberg-Saglio Fig. 
1741. Schreiber Kulturhistor. Bilderatlas Taf. 
XCIX 10. GuhlundKoner Leben d. Griech. u. 
Eom.fi Fig. 81 If. C. - der Freigelassenen und Sclaven 
der Sonne des Drusus CIL VI p. 899, der Marcella 
s. o. (erstes C. der Vigna Codini). Cber Monu- 



0. 95 und Anm. 318). Als Bezeichnung fur meh- 
rere zusammengehSrige ollae wird auch locus ge- 
braucht (VI 13871 locus ollarum duarum. 17780 
X 6607), ahnlich VI 21960 solwla ollarum XX, 
In manchen Monumenten wurden die Nischen 
zum Zwecke der Verteilung mit Nummern be- 
zeichnet. Zum Teil sind fortlaufende Nummern 
fiir das ganze Monument verwendet (VI p. 1088), 



601 



Columbarium 



Columbarium 



602 



■ 



in andern Fallen sind die Nischen innerhalb der 
einzelnen Wande (VI 10293) oder innerhalb der 
Verticalreihen numeriert (VI 8133). Die Wande 
(parietes) werden durch die Bezeichnung ,links 
und rechts vom Eingange' unterschieden (VI 4889. 
XIV 1731), oder sie werden gleichfalls numeriert 
(VI 10293. 15792), ebenso auch die Vertical- 
reihen (VI 5682. 11034ff. 21085. 22826) und 
die Horizontalreihen , die von unten nach oben 
gezahlt werden. Fiir letztere ist die lateinische 
Bezeichnung gradus (VI 4893), fiir die Vertical- 
reihe ordo (VI 8130. 8133. 11449), linia (VI 
8123ff.) und locus (VI 11035ff. Gatti Bull. com. 
1882, llff. Schiess a. a. 0. 94, 312). Soil auf 
der unter einer Nische angebrachten Inschrift 
angegeben werden, dass samtliche ollae derselben 
Verticalreihe demselben Besitzer gehOren, so wird 
der Ausdruck linia perpetua (VI 8123ff.) gebraucht 
oder die Bezeichnung ab imo ad sv/mmum oder 
ahnlich (VI 8122 ; a solo ad fastigium VI 12905 ; 
ab stillicidio ad imum VI 22179). Geh6rt nicht 
die ganze Verticalreihe ein und demselben Besitzer, 
so wird in der Inschrift angegeben, wie viel auf 
einander folgende ollae (vom Boden oder von der 
Inschrift an geTechnet) zusammengehoren (VI 8128 
columbaria continua septem ab imo; 8169 ab 
litulo susum ol. XIX; ohne Angabe der Eich- 
tung z. B. VI 10378 olios continentes VI). GehOren 
zu der mit einer Inschrift versehenen Msche noch 
eine oder zwei Nischen in jeder Eichtung, so 
werden die nach oben folgenden ollae als supe- 
riors, die unter der Inschrift befindlichen als 
inferiores bezeichnet (VI 5723f. 5728). Die unter 
der Treppe oder in dem Podium befindlichen ollae 
werden durch den Zusatz sub soala (VI 8123) 
und in podio (VI 5533) bezeichnet. 

Da die Platze eines Monuments nicht alle 
gleichwertig waren — die untern Beihen waren 
fur das Totenopfer leichter zuganglich und des- 
halb jedenfalls begehrter (Gatti Bull. com. 1882, 
7) — , so geschah in den Collegienmonumenten 
die Verteilung vielfach auch durchs Los, damit 
sich keiner benachteiligt fuhle (sortitio VI 10329 ; 
vgl. VI 5242. 5290. 5293. 5353). Bei dem Mo- 
numentum sociorum XXXVI an der via Latina 
(VI 11034ff.) waren die ollae in fiinf Teile geteilt, 
die einzeln verlost wurden ; vermutlich entsprachen 
die fiinf Teile den fiinf Horizontalreihen des Mo- 
numentes, so dass jeder socius in jeder Eeihe ein 
columbarium erhielt (VI p. 1437), z. B. werden 
VI 11044ff. als die fiinf An teile eines socius an- 
gegeben sors I loco XXX. sors II loco XXIIX, 
sors III loco VI, sors IV loco Villi, sors Vloeo 
XXXI; locus bezeichnet hier die Verticalreihe 
Is. o.), sors nicht, wie Gatti a. a. 0. annimmt, 
die Horizontalreihe, sondem das einzelne aus jeder 
der fiinf Verlosungen dem socius zugefallene co- 
lumbarium. In ahnhcher Weise scheint die Ver- 
losung bei dem Monumente. zu dem VI 10329 
gehort, vorgenommen zu sein, da auch hier eine 
sors prima und tertia erwahnt wird. Als be- 
sondere Vergunstigung wird jemandem, zum Dank 
fur seine Verdienste um den Verein, vor der Ver- 
losung eine Auswahl unter den ollae gestattet 
I VI 10332 (curatori) sine sorte prima ab soeis, 
quas vellet, ollae sexs datae sunt; vgl. VI 10358. 
103781. 

Die von den einzelnen erworbenen ollae gingen 



vielfach, wie die Inschriften bezeugen, durch Schen- 
kung oder Kauf in andre Hande iiber. Fur die 
Schenkung von ollae finden sich die Ausdriicke dare 
(z. B. VI 4172 L. Mareio lanuario dot Gorum- 
bus Diomedis l), donare (XIV 1650), mancipio 
dare (VI 12905), emancipare (VI 15218), HS. 
n. I dmationis causa mancipare (VI 2211), do- 
nationis causa concedere (VI 15836). Der Bm- 
pfanger brancht die Formel: donationis causa 

10 accepit perpetuo (XIV 1106), fecit ex donations 
loci illius (VI 4566). Testamentarische Schen- 
kung VI 4930 ollam legavit. Der Kauf und Ver- 
kauf von ollae kommt am haufigsten in dem an- 
scheinend nieht durch einen Verein errichteten 
zweiten C. der Vigna Codini (s. o.) vor; der Handel 
mit ollae scheint hier von einzelnen Leuten ge- 
werbsmassig betrieben worden zu sein, d. h. diese 
kaufen ollae von ihren Besitzern auf, um sie an 
andere wieder zu verkaufen (VI 4884. 4902. 4940. 

20 5014 , vgl. 5045. 5014 b). Aber auch in den Col- 
legienmonumenten verkaufen die Socii Ofters die 
ihnen zugeteilten ollae , z. B. VI 4530. 4553. 
9135. 10329. Eine ganze Wand mit 65 ollae, 
1 cinerarium und 1 aedieula wird VI 15551 
verkauft, die rechte Halfte eines ganzen Grab- 
mals VI 18049. Sonstige Beispiele fur Verkauf 
von ollae bei Schiess a. a. 0. 96, 321. Auch 
das Collegium selbst verkauft ollae an Nichtmit- 
glieder. VI 6150 Ule ollarum decern sepulchrwn 

30 partem tertiam deeumam emit ab socieis XII. 
VI 7803. VI 14413 empta olla ab area publiea 
(d. h. von der Kasse des Collegiums). Ebenso 
schenkt auch bisweilen ein Collegium einem Nicht- 
mitgliede einen Platz, gewfihnlich zu Ehren eines 
Mitglieds (z. B. VI 6213), wozu ein Beschluss 
der decuriones nOtig war (VI 6213. 10356). 
Die Erlaubnis der letzteren scheint auch zu der 
Schenkung einer olla durch ein einzelnes Mit- 
glied erforderlich gewesen zu sein (VI 7304) sowie 

40 zur Aufstellung von Cippen, Aschenurnen und 
Sarkophagen (VI 4226. 7379. 9423. 9424. 10354. 
10355 u. 0.). 

Mit den erworbenen ollae erhalt der Besitzer 
zugleich das Eecht des itus aditus ambitus (vgl. 
Art. Graber) fur das Monument bezw. den 
ihm gehorigen Teil desselben (VI 17653 Ad lias 
haediculas et olios Hum aditum ambit/tim) et 
kaustum praestari debetur. In fronte eompre- 
kensis aediculis tribus pedfesj octo, introrsus 

hQped/esJ duo. VI 7803. 9135. 10259. 14614. 18049. 
29958. X 6607. XIV 999. 1650. VI 22216 er- 
wirbt jemand funf Columbaria: et ante columb. 
terram vacuam long. p. IIII S lata p. III. VI 

25677 : emit aedieulas IIII et in solo 

ante aedic. in fronte ped. 1111 S cum eo quid- 
quid in p. quadr. pari, interiori continetur; 
vgl. VI 15551. 25359). Dieses Eecht des Zu- 
gangs sowie das Besitzrecht uberhaupt wird als 
ius bezeichnet, daher werden fiir den Kauf von 

60 Platzen in einem C. auch die Formeln emit ius 
(VT 5017. 5159) oder quod fuit iuris illius und 
ahnliche gebraucht (VI 4940. 5783. Vgl. 5181 
illius olios n. XXXVI propriae iuris eius. 
7459. XIV 1636). Ubertragen scheint ius dann 
auch geradezu fiir den Anteil des einzelnen am 
Monument gebraucht worden zu sein (VI 4618. 
4619). 

Im allgemeinen vgl. iiber Columbarien D a r e m - 



603 Columbarium monasterium 



Comata Gallia 



604 



berg-Saglio 1 1334ff. Marquardt Privatleben von Noricum, die erste Station an der von Vindo- 

370ff. Schiess a. a. 0. 91ff. Wilmans Exempl. bona nach Lauriacura fiihrenden Strasse, beim 

p. 117— 119. Becker-GollGallusIII 545. Rug- heutigen Tulln am Wienerwald. Die auf der 

giero Dizion. epigr, II 464f. [Samter.] Tab. Peut. und im Itin. Ant. 248 {Comagenis) 

Columbarium monasterium bei Greg. Tur. angegebenen Entfernungen stimmen nicht zu ein- 

vitae patr. IX 3 , jetzt der Ort Colombier (dep. ander (20 Millien von Vindobona scheint die beste 

Allier). Longnon Geogr. de la Gaule 465f. Zahl). Erwahnt ferner Not. dign. Occ, V 110. 

[Ihm.] 260 Lanciarii Gomaginenses. VII 59 Laneearii 

Columbarium promnnturiuin, Kolvpfiagiov Comaginenses. XXXIV 36 equites prmnoti Coma- 
axoov, Vorgebirge Sardiniens, an der nordostlichen 10 genis. XXXIV 42 praefeetus chassis Arlapetisis 

Kuste, Ptolem. Ill 3, 4, nach M tiller Capo Fi- et (Co)maginensis. Eugipp. vita s. Severini I 3 

gari nordSstlich Terranova (Olbia). [Hiilsen.] inde ad proximum quod Go-mmagenis appella- 

Columbus, Gladiatorname, CIL XII 5696, 32. batur oppidum deelinavit (zu seiner Zeit war der 

Huebner Eph. epigr. IV p. 209. Friedlander Ort, wie es scheint, verOdet). Ill 1 ex supra dieto 

S.-G. II « 522 mit naheren Litteraturangaben. oppido Oommagenis. XXXIII 1 ah oppidaneis 

[Pollack.] Commagensibus. Inschriften aus jener Gegend 

Columella s. Iunius. (KOnigstetten) sind selten (Mommsen CIL HI 

Columna, vicus der Civitas Aurelianorum p. 683). Eine derselben CIL III 5650 ist geweiht 

(Orleans) bei Gregor. Tur. hist. Franc. Ill 6 u. o. T>(eo) i(nvieto) Mfithrae) pro salute Comaeie 
Longnon Geogr. de la Gaule 344ff. [Ihm.] 20 ef GomfaoiensiumfJ. Nach nr. 5652 gehorte der 

Columna Regia (Plin. n. h. in 71. 73. 86; Ort zum Territorium von Cetium. Vgl. Zeuss 

'Pyyivcov ozvUs Strab. Ill 171. VI 257. 265. Die Deutschen 5 und besonders Biidinger S.-Ber. 

268), turmahnliche Saule, von den Reginem er- Akad, Wien XCI 798 (CIL III Suppl. p. 1842). 
baut (niqyiov xi xai 6 Ton IIeIwqov hyofisros jzvq- [Ihm.] 

yog dvzixeizai zaiizfl tfj azvXldi, Strab. Ill 171), Comani. 1) Volk im Berggebiet von Bak- 

oft genannt als Grenzpunkt Italiens und des Fre- triane, Plin. n. h. VI 47; vgl. Choamani. 
turn Siculum. Nach Itin. Ant. 106. Ill lag sie [Tomaschek.] 

38 nip. sudlich von Nicotera, also in der Nahe 2) Nach Ptol. II 10, 5 (var. Ko/iftojvtiv und 

des heutigen Scilla oder Cannitello; denselben ahnlich) Volk an der Kiiste von Gallia Narbo- 
Ort bezeichnet der Meilenstein von Polla (CIL 30 nensis, dem er eine ziemlich grosse Ausdehnung 

X 6950) mit ad fretum ad statuam 6 mp. nord- giebt, da er die Stadte Massalia, Tauroentum, 

lich von Regium. Vgl. auch Geogr. Rav. IV 32. Olbia und Forum Iulii zu ihm rechnet, wahrend 

[Hiilsen.] Strab. TV 180 Tavooevuov, 'Olfiia, 'Avzinofos und 

Columnarium, eine mOglicherweise mit der Nixata zu den Salluvii zahlt. Plin. n. h. Ill 36 
lex sumptuaria (Sueton Caes. 43) zusammen- nennt Comani (var. comanni, eumani, eomuoi) 
hangende Luxussteuer, welche von den columnae unter den oppida Latina. Nach diesera Volke 
der Privatgebaude (auch in Bom) erhoben wurde; scheinen benamit zu sein die pemae eomatinae 
Cic. ad Att. XIII 6, 1 (vom J. 709 = 45) , der oder eomaeinae bei Varro de r. r. II 4, 10 (dazu 
sie allein erwahnt, vermutet ihre bereits erfolgte der Commentar von H. Keil). Vgl. die massalio- 
Aufhebung. Als Zuschlag zu einem ausserordent- 40 tische Legende von Comanus, dem Sonne des Nan- 
lichen tributum , welcher nach der Anzahl der nus, Konigs der Segobrigii, bei Iustin. XLIII 4, 3. 
Thiiren und Saulen an den Privatgebauden be- Desjardins Geogr. de la Gaule II 71 (der am 
rechnet wurde, sind die ostiariawai columnaria Namen Conimoni festhalt, — communes^.). C. 
aufzufassen. die von den Parteigangern des Pom- Mtiller zu Ptolem. a. O. Holder Altkelt, Sprach- 
peius im J. 705 — 49 in der Provinz Asien er- schatz s. Comani und Commios (auch Comoni). 
hoben wurden (Caes. b. c. Ill 32). Vgl. Mar- [Ihm.] 
quardt St.-V. 112 201, 4. G. Humbert in Comaralis, an der Strasse zwischen Sebasteia 
Daremberg-Saglio Diet. I 1355. und Kaisareia, Tab. Peut. X 4 (Miller), nach 
[A. v. Premerstein.J Ramsay Asia Minor 288 wohl = Karmalis, das 

Columnata, Ortlichkeit in Mauretanien, von 50 falschlicherweise an diese Strasse geriickt wot- 

der der Praepositus limitis Co/umnatensis den den ist. [Ruge.] 

Namen hatte (Not. dign. Occ. 23. 29). Bischofs- Comasia s. Comazon. 

sitz, nach Not. episc. Maur. Caes. nr. 12 in Halms Coinassa s. Kamisa. 

Victor Vitensis p. 68. Nach dem Meilenstein Comata Gallia hiess bei den Romern der von 

Ephem. epigr. VII 661 vielleicht an der Stelle Caesar unterworfene Teil Galliens (die tres Gall iae i. 

des heutigen Ain-Tekria gelegen. [Dessau.] benannt nach den ,ianghaarigen' Galliern (vgl 

Colyeantil, ein verschollenes Volk in Klein- Capillati), im Gegensatz zu den , Galliern in der 

asien, Eratosth. bei Plin. V127; anklingend an Toga' (Gallia togata = Gisalpina) und den, Hosen- 

den kilikischen Kalykadnos. [Tomaschek.] galliern' des sudlichen Galliens (braeata). Cic. 

Coma, Bruder des Cleon. einer der Fiihrer 60 Phil. VILT 27 Ga/iiam togatam remitto, comatam 
im sicilischen Selavenkriege , geriet 622= 132 postulo. Nikol. Damasc. v. Caes. 28 zovg Ra- 
in die Gewalt der Romer und totete sich selbst /idzovg. Mela III 20. Lucan. I 443. Plin. n h 
(Val. Max. IX 12 est. 1). [Miinzer.] IV 105 Gallia omnis Comata uno nomine ap- 

Coniaceuus laeus s. ad Lacum Comace- pellata in tria populorum genera dividitur amni- 

num. _ ^ bus maxime distincta . . . Belgica . . . Celtk-a 

Contact s. Comani Nr. 2. eademque Lugudunensis . . . Aquitaniea. Suet. 

Comacia (Comaeienses) s. Comagena. Caes. 22 (comata Gallia im Gegensatz zur Cisal- 

Comagena (-«<??), Ort imnordostlichstenZipfel pina); Tib. 9. Tac. ann. XI 23 primores Ga!lia». 



605 



Comazon 



Cominium 



606 



quae Comata appellator. Dio XLVI 55 royara, kreuzang ein wichtiges Castell befand. Dieses 

ozi re uQnviy.ojtsQa jiaga tag alias ISoxsi shai lag auf dem linken Alutaufer, bestimmt zur Deck- 

xai ou xai tfj ia&iju tfj 'PwpaTxfj xfj aoxixfj ung des Einganges aus dem Homorod- ins Alt- 

e/ouivto ijStj . '. . xopata, ou ol Palatai oi zavrtj thai (F. Mil Her Mitt, der Centralcommission 1859, 

eg y.ofinv %b Ttletorov zas TQiyas avievreg Smorjpoi 106ff. Jung Fasten der Provinz Dacien 138). 

xaza zovxo xaQa zovg aklovs fjoav. Hieron. chron. Unter Septimius Severus stand hier ein Detache- 

a. Abr. 1992. Oros. VI 7, 1. Mommsen R. G. ment der leg. XIII gem. (CIL III 953, vgl. Jung 

III8 226. [Ihm.] a. a. O. 58. E. Schultze De legione Rom. XIII 

Comazon, Cognomen des P. Valerius Comazon gem. 103) ; auch die ala I Asturum, die bereits 
Eutychianus, cos. ord. 220 n. Chr. mit Elagabal. 10 an der Eroberung des Landes teilgenommen hatte, 

Die weibliche Form des Namens ist Comasia, hatte eine Zeit lang diese Gamison inne (CLL III 

Publia Valeria Comasia s. unter Valerius. 1633, 11 = 8074, 1. Jung a. a. O. 106. Cicho- 

[Groag.] rius o. Bd. I S. 1230); die Beziehung von CIL 

Combaristuni , auf der Tab. Peut. (Conba- III 955 = 7721 auf die eoh. Ill Commagenorum 

ristum) verzeichnet zwischen Iuliomagus (Angers) ist nicht sicher (Jung a. a. O. 116). Beim Lager 

und Condate (Rennes). Nach d'Anvi lie u. a. das entstanden eanabae (CIL III 951 = 7720. 956). 

heutige Combre"e, nach andern anders. Desjar- Bemerkenswert ist auch die Aufftndung eines 

dins Table de Peut. 27. [dm.] Schildbuckels der leg. XV Apollinaris in dieser 

Combretonium, Station der rflmischen Strasse Gegend, in Halmagen , westlich von Heviz (CIL 
von Venta Icenorum (bei Norwich) nach Londi-20111 1640, 2. E. Hiibner Arch.-epigr. Mitt. II 

nium an der siidostlichen Kuste von Britannien 105ff.). CIL III p. 179f. 1387f. W. Tomaschek 

(Itin. Ant. 480, 2; auf der Tab. Peut. Convetom); Die alten Thraker II 2, 86. [Patsch.] 

die Lage ist nicht genau ermittelt, aber in der Comfdius s. Cornidius. 

Niihe von Ipswich oder Woodbridge zu suchen. Comilloma^us (so Itin. Ant. 288, Comelio- 

[Hiibner.] magus oder Cameliomagus Tab. Peut.), Ort in 

Combusta, Ort an der von Narbo ttber Ruscio Gallia Cisalpina an der Strasse von Placentia 

undluncaria nach Tarraco fiihrenden Strasse, Itin. nach Iria (Voghera), 26 mp. vom ersteren, 16 mp. 

Ant. 397. Beim heutigen Rives altes (dep. Py- vom letzteren, also beim heutigen Broni. S.Momm- 

rimees orient.). Auch vom Geogr. Rav. V 3 p. 341 sen CIL V p. 827. 828. Holder Altkeltischer 
und Guido 81 p. 514 (Cobusta) erwahnt (zwischen 30 Sprachschatz I 717. [Hiilsen.] 

Narbone und Ruscinone). Herzog Gallia Narb. Cominiana s. Valerius (Valeria Cominiana). 

123. - [Ihm.] Cominianus. 1) s. Comnianus, auch Va- 

Combustica, Station der Strasse Ratiaria lerius und Vibius. 
(Arcer) — Naissus (Nis) in Moesia superior (Tab. 2) Cominianus, lateinischer Grammatiker, einer 

Peut. Conbustica; Geogr. Rav. 191, 9 Combu- der wichtigsten Gewahrsmanner des Charisius und 

stieia), jetzt vielleicht Belogradcik. F. Kanitz nur aus diesem bekannt (Cominianus gram- 

Rom. Studien in Serbien 102ff. Kiepert Formae ■malleus steht z. B. 147, 18. 180, 11. 181, 15; 

orbis antiqui XVII. A. v. Domaszewski Arch.- dissertissimus grammatieus heisst er 175, 29); 

epigr. Mitt. XIII 145, 85. [Patsch.] denn die spateren Citate bei Hagen Anecd. Helv. 

Comedovi (oder Comedovae), nicht naher be- 40 (z. B. 96, 23. 117, 20) und anderswo stammen 

kannte Gottheiten auf einer Inschrift aus Aix-les- aus Charisius, der geradezu Cominianus genannt 

Bains CIL XII 2445 Comedovis Augmtis M. Bel- wird (Keil GL I p. XLVIII. Hagen CLVIf.), 

vius Severi filfius) Iuventius ex roto. Vgl. Bonn. Wir sind somit lediglich auf die Excerpte ange- 

Jahrb. LXXXILT 103. Steuding Roschers Lexik. wiesen, die ihm Charisius ausdriicklich zuschreibt 

I 913. Holder Altkelt. Sprachschatz s. v. Eine oder nach wahrscheinlicher Conjectur aus ihm 

Beziehung zu den Matres oder Matronae bleibt entlehnt hat (vgl. die tbersicbt tiber die Qnellen 

unsicher (Roschers Lex. II 2475f.). Vgl. Com- des Charisius oben Bd. Ill S. 2148f.). Was Dio- 

m u n e s . [Ihm. ] medes aus Cominian hat, mochte Jeep Redeteile 65f. 

Comeliomagus s Comillomagus. auf Benutzung des Charisius zuruckfiihren, wahrend 

Comeniaca, Station der rflmischen Strasse im 50 man gewohnlich directe Benutzung des Cominian 

nordwestlichen Teil von Hispania Citerior zwischen angenommen hatte (vgl. ausserKeil nochKumm- 

Viminacium und Oeelodurum, nur beim Geogr. row Symbol, crit. 11). Uber den Anonymus Bob. 

Eav. erwahnt (318, 19 und gleich nachher irrtiim- und sein Verhaltnis zu Cominian handeln Christ 

lich noch einmal nach Oeelodurum 319, 5). Der Philol. XVIII 139 und Jeep a. a. O. 13; vgl. nodi 

Name ist wohl nicht richtig geschrieben. die Lage Boelte De art. script. 49. Aus den sicheren 
nicht ermittelt. [Hiibner.] Bestandteilen der ars des Cominian ergiebt sich, 

Comeus. Ammian. Marc. XXLTI 6, 24 er- dass die diirftige Darstellung der Grammatik 
wahnt das von Seleucia nach Rom uberfuhrte weniger fur Gelehrte als fur Lernende bestimmt 
Bild eines Apollon C. Offenbar handelt es sich war und dass sie nicht nur die Redeteile, sondern 
urn den Apollon Kmfialo;, dessen Knit in Nau- 60 auch die vitia oraiitmis umfasste (Keil XLVLU). 
kratis verbiirgt ist, Athen. IV 149 d. [Jessen.] Die Quellen des Cominian lassen sich mehr er- 

Coinidava, ein dakischer Ort , der sich , wie raten als nachweisen. Dass er den Remmius Pa- 
seine Erwahnung bei Ptolem. Ill 8. 8 Koptdava laemon benutzt hat, ist selbstverstandlich ; vgl. 
beweist, noch in die rOmische Zeit erhalten hat Marschall De Palaem. libr. gramm. 59. 60. 67. 
(J.Jung Romer und Romanen in den Donauliin- 73. Cber andere Quellen E.Meyer Quaest. gramm. 
dern2 114). Kiepert (Formae orbis antiqui XVII) 37.65. - _ [Goetz.] 

setzt ihn vermutungsweise an der oberen Aluta Cominium (Kofiiviov), Stadt in der Nahe von 

bei Galt-Heviz an, wo sich wegen der Strassen- Atina (Latium adiectum), von den Romern im 



607 



Cominius 



Cominius 



608 



dntten Sammterkriege 293 v. Chr. erobert tmd 8) L. Cominius. L. mid P. Cominii, romische 

zerstort Liy. X 39—43. Dionys. XVII (XVIII) Bitter, honest* homines et diserti, klagten kurz. 

4. 5 Den Namen bewahrt vielleicht noch heute nach 680 = 74 den C. Staieiras wegen Riohter- 
die Ortschaft S. Donato Val di Comino, nordlich bestechung an und erreichten seine Verurteilung 
von Atina (C. Mancini Giornale degli scavi di (Cie. Cluent. 100—102). Da fiber die Identitat 
vv??^ 28—40). Dagegen hat das bei Liv. des P. Cominius rait dem gleichnamigen Anklager 
XXV 14 genannte Cominum Ocritum mit diesem des C. Cornelius kaum ein Zweifel bestehen kann, 
O. ebensowemg zu thun, wie mit den Comini, so ist es sehr wahrscheinlich , dass der Vorname 

t m ; I } ? nter den unte rgegangenen Ort- L. verschrieben und dass vielmehr der bekanntere 
scharten der Aeqmculi aufzahlt. Vgl. Mommsen lOBruder des P., C. Cominius Nr. 4, gemeint ist. 

« ?" , r [Hiilsen.] Die entgegengesetzte Ansicht, dass stets L. Co- 

tominius. 1) Unter dem J. 382 = 372, das minius an Stelle des C. Cominius einzusetzen sei, 

sonstzu den magistratlosenJahrengerechnet wird, vertritt R. G. Beck Qnaest. in Cic. pro C. Cor- 

verzeicb.net der Chronograph einen Consul Comi- nelio orat. capita IV (Leipz 1877) 9. 11 

mo. Sol tauROm. Chronol. 344 halt die Form fur [Munzer.l 

entstellt aus Camerino, dem Beinamen der Sulpicii. 9) L. Cominius, Senator pedarius (vgl. Mom m- 

2) Cominms, Volkstribun um die Mitte des sen St.-E. Ill 982), wurde im J. 743 = 11 v. Cfir. 

5. Jhdts. d. St. (vgl. Mommsen St.-E. II 325, von Augustus dem ersten Curator aquarum Mes- 
1 ; Strafrecht 560, 4), zog den Kriegstribunen M. salla Corvinus als zweiter adiutor beigegeben 
(oder C.) Laetonus Mergus zur Verantwortung, 20 Frontin. de aq. 99. [Groag 1 
weil er mit einem seiner Untergebenen Unzucht 10) Pontius Cominius, von Pint fort Rom 
treiben wollte (Val. Max. VI 1, 11; vgl. Dionys. 12 rdiog ndvno; genannt, wahrend vielmehr Pon- 
XVI 4, wo oi driftagxot allgemein genannt werden). tilts, oskiseh = Quintus, hier Vorname ist (vgl 

3) Agilms Cominius (?) s. Agilius Nr. 2. Mommsen Unterital. Dialekte 289). Als die 

4) C. Cominms aus Spoletium (Cic. Brut. 271), Gallier 364 = 390 das Capitol belagerten, durch- 
romischer Eitter, klagte vermutlich mit seinem schwamm C. bei Nacht den Tiber, erkloram den 
Bruder P. zusammen knrz nach 680 = 74 den Hugel nnd brachte der Besatzung die Nachricht 
C. Staienus wegen Eichterbestechung an (Cic. von dem nahen Entsatz, worauf er auf demselben 
Cluent. 100— 102, vgl. Nr. 8) und wiederum mit P. Wege zuriickkehrte (Diod. XIV 116, 3f.). Nach 
688 = 66 den Volkstribunen des vorhergehenden 30 der jiingeren und schlechteren Tradition hatte 
Jahres C. Cornelius wegen Majestatsverbreehen. sein Wagestiiek vielmehr den Zweck, die Er- 
Der Praetor P. Cassius erschien nicht zu der an- nennung des Camillus zum Dictator durch die 
beraumten Verhandlung, und die beiden BrMer auf dem Capital Eingeschlossenen zu veranlassen 
wurden mit Gewalt vom Tribunal vertrieben, so (Liv. V 46, 8ff. Plut. Camill. 25 ; fort Rom 12. 
dass sie mit Lebensgefahr fluchteten (vgl. Cic. Zonar. VII 23, vgl. Claud. Quadrig bei (Jell 
Cornel. I 11—13) und am folgenden Tage nicht XVII 2, 24; ohne Namen Dionys. XIII 7, ganz 
erschienen, was die Niederschlagung des Processes abweicbend Frontin. strat. Ill 13, 1 ; vgl. Monim- 
ermCglichte. Es hiess dann von ihnen, sie batten sen Rom. Porsch, II 322. 325). 

ihr Schweigen erkaufen lassen (Ascon. Cornel. 11) P. Cominius s. unter Nr 4 und 8 
P'i. 5 ? - ^ 1 ^ S — VOn diesem v °rwurf zu reinigen, 40 12) P. Cominius P. f., Municipalquaestor von 

erhob C. Cominms 689 = 65 aufs neue dieselbe Venusia in republicanischer Zeit (C1L I 185 = 

Anklage (ebd. 53. Cic. Brut. 271). Seine Rede IX 439). 

wird von Cicero dem Verteidiger des Angeklag- 13) Q. Cominius, rOmischer Ritter, Anhanger 

ten, gelobt (a. 0. : et compositum dieendi genus Caesars, wurde bei dessen Ubergang von Sicilien 

et acre et expeditum) und von Asconius (a. O. 54) nach Africa En de 707 = 47 von derubrigen Flotte 

nicht nur wegen der Erwiderung Ciceros, sondern getrennt, vnn den Pompeianern gefangen und im 

aucb um ihrer selbst willen zur Lecture empfohlen; folgenden Jahre nach der Schlacht bei Thapsus 

Fragmente bei Cic. Cornel. 18 (Ascon. p. 56) wahrscheinlich auf Befehl des Metellus Scipio hin- 

und Quintil. inst. or. IV 4, 8. Im J. 708 = 46 gerichtet (b. Afr. 44, 1. 46, 3). 
erwahnt Cicero a. 0. den C. als kurzlich gestorben. 50 14) Sex. Cominias, rOmischer Burger, von C. 

Vermutlich ist er der C. gegen den sich Catull Verres wahrend seiner sicilischen Statthalterschaft 

108 wendet (vgl. Schwabe Quaest. Catull. 317 schimpflich misshandelt (Cic. Verr. IV 24). 

— 3 2 1 )- . . [Miinzer.] fMiinzer.l 

o) t. Cominius, rOmischer Ritter, der ein 15) C. Cominius Aufillenus Minicianus setzt 

Schmahgedicht auf Tibenns verfasst hatte, wurde seinem Freunde P. Statins Paullus Postumius 

durch die Fiirbitte seines Bruders, eines Senators Iunior die Inschrift CIL V 41'29, aus dem 9 Jhdt 

(Borghesis Vermutung, Oeuvres II 155, dass es n. Chr. [Stein] 

Cominius Procalus sei [Nr. 21], ist unsicher). im 16) Postumus Cominius Anruncus (der voile 

J. 24 n. Chr. freigesprochen , Tac. ann. IV 31. Name von dem Auct, de praenoni. 2 als Beispiel 

6) C. Cominifus] setzt eine Weih inschrift fiirtfOdarar angefuhrt, dass in consxdum fastis per- 

das Wohl der Kaiser (CIRh 1737, genauer Bonn, plexus mus praenominum et cognominum war), 

Jahrb. LII 72, Inschrift aus Walddftren in Baden), der einzige uns bekannte Patricier dieses Namens, 

durfte daher iTgend eine hohere Stellung in Ober- Consul I 253 = 501, Consul II 261 = 493 (Postu- 

germanien im 2. oder 3. Jhdt. n. Chr. bekleidet mus Cominius Cic. Balb. 53; rep. II 57 Liv II 

haben. Vgl. auch Nr. 22. [Stein.] 18, 1. 33, 3. Dionys. V 50, 1. VI 49, 1. 91, 1. Cas- 

^ 7) L. Cominius, zeichnete sich 429 = 325 als siod.; Aurunco Chronogr. Mat. ; 'Aoovywv Chron. 

Knegstnbun im Kriege. gegen die Samniten aus pasch. ; IIojiIov Ka/tivtov loan n Antioch. FHG IV 

(Liv. VIII 30, 6). 555, 45), Die urspriinglich zeitlose Erzahlung von 



609 



Cominius 



Comissatio 



610 






dem Volskerkriege, in welchem Cn. Marcius durch Gattin Numitoria C. f. Moschis, vgl. CLL XIV 
die Eroberung von Corioli seinen Beinamen Co- 3628. [Stein.] 
riolanus erwarb , ist von der gewChnlichen Tra- 21) Cominius Proculus, Proconsul von Cypern 
dition in das zweite Consulat des C, verlegt und unter Claudius (cyprische Mlinzen mit dem Bilde 
dieser selbst zum Feldherrn des Marcius gemacht und Namen des Kaisers Claudius auf dem Avers, 
worden (Liv. Dionys. aa. OO. Auct. de vir. ill. 19,1; K M Kofiirlov IIqoxXov av&vTidzov , KvtiqIwv 
vgl. Mommsen R. Forsch. 11114,4). Nach Dionys Mionnet III 671 nr. 7. Cohen Iz 262 nr. 132. 
soller 257 = 497 den Saturntempel geweiht haben Leake Numism. Hell. Suppl. 161; Numism. Chro- 
(VI 1, 4) und 266 = 488 mit vier anderen Ge- nicle XI 1891, 146). C. ist wahrscheinlich der 
sandten dem Coriolan entgegen gezogen sein (VIII 10 Senator, der im J. 24 n. Chr. durch Fiirbitte bei 
22, 4). Aus den Consularfasten ist der Name Tiberius die Freisprechung seines Bruders C. Co- 
des C. mit denen anderer Consuln derselben Zeit minius (Nr. 5) erlangte (Tac. ann. IV 31 , vgl. 
in die Erzahlung von den neun verbrannten Tri- Borghesi Oeuvres II 155). Die Inschrift' Lar- 
bunen eingesetzt worden (Fest. p. 174: Postumus tidiae Sex. f. Gominiae umrei .... J 1 . Gomi- 
Go [minius Auruneus], vgl. Mommsen a. a. 0. mus T. f. Po[llia] Proculus proeos . (CIL 
171). _ [Miinzer.] VI 2200*) ist eine Falschung des Ligorio, 

17) Cominius Bofethus?] Agricola [?Aur]e- durfte aber, wenigstens teilweise, auf ein antikes 
lius Aper, (trihw) Clavdfia), praeffectus) cohor- Vorbild zuriickgehen. 

[tfis)] tertfiae) Braearfum) Augustano(rum), tri- 22) Cominius Secundus, Statthalter von Pan- 
b(unus) legfionisj [I oder II] adiutfrieisj, pro- 20 nonia inferior im J. 150 n. Chr. (Militardiplom 

curfator) Augustorum ad annonam provineiae vom 1. August 150, CIL III Suppl. p. 2213 dipl. C), 

Xarbonemis et Liguriae, praef(eetus) a[lae] mi- mCglicherweise eine Person mitC. Cominius Nr. 6. 

liariae in Mauretania Gaesariensi, CIL XII 672 [Groag.] 

(Arelate) =Dessau 1432 ; aus dem 2. Jhdt. 23) Cominius Suber aus Laurentum heisst'der 

n- Chr. [Stein.] Held einer italischen Parallele zum Hippolytos- 

18) M. Aurelius Cominius Cassianus s. Aure- mythus (Plut. par. min. 34 nach Dositheos). 
lius Nr. 88, [Miinzer.] 

19) P. Cominius, P. f., (IribuJ Glfaudia), 24) L. Cominius Vipsamus Salutaris, domo 
Clemens, honor at(us) e[quo publico; nach Klebs Roma, subproc(urator) hidi magni, proe(uratorJ 
Prosop.imp. Rom. I 434 nr. 1016, praeffectwj] 30 alimentor(um) per Apnliam Calahriam Luea- 
cohfortisj V Ling[onum, tribfunusj milfitum) niam Bruttios, proe. prov(inciae) Sicilfiae), proc. 
kg. I oder 11} adiutrficis) pfiae) ffidelis) [dorvis eapiend(orum) vec(tigalium) (?), proc. proe. Bae- 
donatus in] expedition[e Germanica (?) corona] t(icae), a cognitionibfusj domini nfostrij Imp(e- 
murati hasftis puris ab Imperajtoribfus) Gae- ratoris) L. Septimi Severi Pertinae(is) Augusti, 
s(aribus) An[tonino et Veto] Arrneniac(is) Me- p(erfectissimus) vfir), optimus vir et integrissi- 
fdifcisj Partitions)], praef. aloe I si[ngularium mus, CIL II 1085 = Dessau 1406 (Ilipa); die 
c(iyium) R(omanorum)] , procurator) AugfustiJ Ehrung durch einen Untergebenen in der Baetica 
(vicesimae) lier(editatium) per HispfaniamJ ei- erfolgte bei seinem Abgang aus der Provinz, als 
teriorem,proe.Aug.ad{amil(iam)glad(iatoriam) er zu den Cognitiones des Kaisers berufen wurde. 
Transpafdanam) per Italiam, subpraef. an- 40 Die Gominia L. fil. Vipsania Dignitas c(laris- 
n(onae), proe. Aug. prov(imiae) Daciae Apo- simajffemina), CIL IX 2336, kOnnte seine Tochter 
lensis (sic), proa, provinc. LusitanfiaeJ , proc. sein. [Stein.] 
Aug. XX her. (als Leiter der Centralstelle in 25) Lartidia Cominia s. Lartidius (vgl. 0. 
Rom, vgl. Hirschfeld Unters. I 67), praepo- Nr. 21). 

situs a censfibus), praef. classium praetfbriarumj 26) Cominia L. fil. Vipsania Dignitas, c(la- 

Misenens(isj et Ravmm(atis), CIL V 8659. Not. rissimaj f(emina), CIL IX 2336 (Allil'ae). Ver- 

d. scavi 1890, 173; erst ere Inschrift stand auf der mutlich Tochter des L. Cominius Vipsanius Sa- 

Basis einer vom Decurionensenat von Concordia lutaris (Nr. 24). [Groag.] 

gesetzten Statue. C- war auch pontifex von Con- Comissatio, xoiftos, das auf die Mahlzeit (s. 
cordia und patronus sowohl von dieser Colonie 50 Cena, Convivium, Asljtrov) folgende Trinkge- 

als von Aquileia, Parma und Venafrum. June- lage, griechisch wohl auch ov/xxootov ; doch ist 

in ann Leipz. Stud. XVI 88 nimmt an, dass seine in diesem "Worte auch das Mahl mit eingeschlossen ; 

Decorierung als Militartribun der leg. 1 adiutrix eompotatio bildet Cic. Cat. mai. 45 ; ep. IX 24, 

im parthischen Feldzug erfolgt sei. 3 als Cbersetzung von ovpnomov. 

20) L. Cominius, L. f., Maximus , domu Zwischen griechischer und rOmischer Sitte 
Mantua (daher aus der Tribus Sabatina), bene- ist in Betreff der C. kein wesentlicher Unterschied. 
fieiarfimj praef feeti) praetorifoj , evocatus Au- Hier wie doit bleiben nach alter Sitte die Frauen 
gustorum, centurio cfoj/tortis I pr(aetoriae), X — abgesehen von Hetaeren — der C. fern. Isae. 
urbanae, Vvvj(idum), (primus pilus zum ersten- III 14. Cic. Verr. I 66; in Betreff der romischen 
maty, tribunus c(o)lwr(ti$) VII praetor iae, X77//60 Sitte ist bekannt, dass den Frauen das Wein- 
urbanae, III vigul(um), pfrimusj pfilusj bis (vgl. trinken verboten war, Plin. n. h. XIV 90 u. a. 
die ahnliche Laufbahn des L. Claudius Secun- Teilnahme der Frauen kommt aber auch bei 
dinus L. Statins Macedo [Claudius Nr. 336], den Griechen in der Diadochenzeit vor, Athen. 
CIL V 867 und Mommsens Anmerkung dazu), XIY 616c, wurde jedoch nicht arlgemein ublich, 
praef(ectus) legionis II Troianae fortis (duce- wie bei den ROmern seit der letzten Zeit der Re- 
narius), procurator M. Antonini Augusti, CIL publik. Bei Cic. a. O. wird offenbar die grie- 
XIV 3626 = Dessau 2742, Grabschrift, die dem chische Sitte der rornischen entgegengesetzt ; vgl. 
mit 82 Jahren Verstorbenen gesetzt ist von seiner ferner Petron. 65. 67. Plin. 11. h. XIV 141. Dar- 

Patily-Wissowa, IV 20 



611 



Comissatio 



Comissatio 



612 



stellungen der C- mit Hetaeren auf gemalten 
Vasen, z. B. Panofka Bilder antiken Lebens 
XII 3; aus rOmischer Zeit in pompeianischen 
Wandgemalden, Helbig Wandgem. 1445. Bull, 
d. Inst. 1885, 245, 12; vgl. auch Helbig 757. 
758. 

Die C. beginnt mit den seoundae mensae, 
devxegai xQ&neiai, die wahrend der C. fortgesetzt 
wcrden, derart, dass das Trinken von Zeit zu 
Zeit durch einen Speisegang unteibrochen und 
so die Gaste zu neuem Weingenuss gestarkt werden. 
Besonders deutlich ist dies bei dem Hochzeits- 
mahl des Karanos, Athen. IV 129. Bei den Grie- 
chen bildet era dem aya&og daifimv dargebrachter 
Trunk ungemischten Weines den Schluss der eigent- 
lichen Mahlzeit. Dann werden die Esstische ent- 
fernt und der Boden gefegt, Wasser und Hand- 
tiicher zum Waschen der Hande herumgereicht, 
Kranze und Salben verteilt. Der Wein wird im 
Krater mit Wasser gemischt und mit einem Trank- 
opfer, onovdrj, das Trinkgelage erOffnet. Diese 
Keihenfolge der Handlungen ist mehrfach bezeugt, 
namentlich durch die von Athen. IX 408. 409. 
XV 665. 693 gesammelten Stellen; ferner Me- 
nander bei Suid. s. cugeiv. Fur die anovdrj, bei der 
die Versammelten im Chor den Paian singen, s. 
Athen. II 38 d. XI 462 e. XV 675 b. c. Xenoph. 
symp. 2, 1. Plat. symp. 176 a. FlCtenbegleitung 
beim Paian Plut. VII sap. conv. 5 ; qu. conv. VII 
8, 4, Weihrauchopfer Antiph. I 18. Athen. XI 
462 d. Die onovdrj wurde, wohl mit geringerer 
Feierlichkeit, bei jedem neuen Krater wiederholt ; 
die erste gait nach Philochares bei Athen. II 
38 d und Philonides bei Athen. XV 675 c dem 
Zeus Soter. Doch sind hier die Angaben nicht 
ilbereinstimmend , und war wohl die Sitte nicht 
constant. Nach Schol. Plat. Phileb. 66 d. Poll. 
VI 15. 100 war der erste Krater dem Zeus Olym- 
pios, der zweite den Heroen, erst der dritte dem 
Zeus Soter geweiht. Auch das Verhiiltnis des 
fisravuirgov oder iisxavurrgig genannten Trunkes, 
Athen. XI 486 f, zu der Spende ist nicht ganz 
klar. Bei Antiphanes, Athen. a. 0., wird er dac- 
/xovog ayaftov (leravixTQov genannt und von der 
onordrj unterschieden, scheint also mit dem oben 
erwahnten Schlusstrunk zusammenzufallen, der 
aber doch sonst durchaus vor das Handewaschen 
gesetzt wird. Nach Kallias und Philetairos bei 
Athen. XI 487 a gilt die fiexavtntoig der Hygieia 
(so auch Poll. VI 100) und besteht nach Phile- 
tairos aus gemischtem Wein. Diphilos endlich, 
ebd., nennt sie /usaxrjv Aiog aonfjgog ayadov dat- 
novog. Offenbar haben wir es bier mit schwan- 
kenden Vorstellungen und GebTauchen zu tliun. 
Es sei hier gleich erwahnt, dass zum Schluss 
dem Zeus Teleios gespendet wird, Athen. 1 16b. 
Die Sitte der homerischen Phaiaken, zuletzt dem 
Hermes zu opfeni (Od. VII 136), erscheint wieder 
bei Long. Pastor. IV 34. Bei den Borne rn treten 
an die Stelle des Zeus Soter die Laren und der 
Genius des Hausherrn, spater der des Kaisers, 
s. Bd. Ill S. 1897. Von weiteren Trankopfern im 
Verlauf der C. ist fur rSmisehe Sitte nichts iiber- 
liefert. 

Bei Petronius ist die Keihenfolge dieser Hand- 
lungen etwas verandert, vielleicht weil Trimalchio 
als ungebildeter Mann nicht versteht, ein Gast- 
mahl richtig anzuordncn. Durch die von der 



Decke herabgelassenen Kranze und Salben, Be- 
sprengung mit Safran, Anrufung des Kaisers und 
der Laren wird der trbergang zur C. bezeichnet 
(60). Dann folgt abernoch, nach langerem Trinken, 
ein Gang Speisen, und erst nach diesem werden 
die secundae mensae gebracht (68) und die epi- 
dipnis — vier Gange — aufgetragen (69). Dann 
folgt wieder Salbung und Bekranzung, und zwar 
ist es eine Besonderheit Trimalchios , dass den 

10 Gasten die Ftisse gesalbt und die Beine bekranzt 
werden (70). Ubrigens kommt wiederholte Be- 
kranzung und Verteilung von Salben auch bei 
dem Hochzeitsmahl des Karanos, Athen. IV 128 c ff., 
vor. Hier werden Kranze zu Anfang des Mahles 
und zu Anfang der C, dann Salben, und weiter 
noch zweimal Kranze und Salben verteilt. , 

Man trank den Wein mit Wasser gemischt. 
Die Mischung geschah im Krater, in den der 
Wein durch das Sieb (s. Colum) gegossen wurde. 

20 Mischung im Becher (Xenophanes bei Athen. XI 
482 a ; vgl. Pherekr. ebd. 480 b) war ohne Zweifel 
beim Essen das Gewohnliche, wird aber bei der 
C. nur ausnahmsweise vorgekommen sein; ein 
Beispiel Athen. IV 129f. Wem die Mischung 
im Krater nicht recht war, konnte Wein oder 
Wasser, kaltes oder warmes, zugiessen lassen. 
Ersteres liebte man sehr kalt : yiova mrsiv Athen. 
HI 124 a. Sen. ep. 78, 23. Martial. V 64, 2. VI 
86, 1. XII 17, 6. Daher eigene Kuhlgefasse: 

30 ytvxTrjQ, flavxalig, gillo. Plat. symp. 213 e. Vgl. 
auch Decocta. Fur warmes Wasser findet Athen. 
Ill 123 kein Zeugnis aus alterer Zeit. Dass die 
Griechen den Gebrauch desselben kannten, ist 
wohl sicher; Worte wie thermopolium, thermo- 
potare (Plaut. Trin. 1013f.) beweisen es hinlang- 
lich; vgl. auch Athen. VIII 352 b. Fur die Ver- 
wendung desselben bei der C. ware Hippolochos 
bei Athen. IV 129 d anzufiihren, wenn &EQ/t6g 
norog unzweideutig ware. Aber es kann auch 

40 ein scharfes, lebhaftes Trinken bedeuten. Die 
ROmer liebten den warmen Trunk sehr (s. Calda), 
auch bei der C-, Martial. I 106. Petron. 68. 

Drei Krater galten bei den Griechen als massiger 
Trunk. Eubulos bei Athen. II 36 b. c bezeichnet 
den erstcn als vyisiag , den zweiten egeozog i)8o- 
vijg xe, den uritten vxrov; die folgenden sieben 
steigern sich von vfigeog bis ftavlag. Doch kam 
hierbei natmiich die Zahl der Gaste in Betracht. 
Aus dem Krater wird das Getrank init der 

50 Kanne (olvnyotj , lat. wohl urceus, urceolus ; es 
fehlt ein speciellerer Ausdruck) oder dem SchSpf- 
lfiffel {xvadog, cyathus, als Opfergerat simpulltm I 
in die Becher gefullt, Poll. VI 19. X 75. Dies 
besorgen Sclaven, oivoyom, \me,r ad cyatkttm, Hor. 
od. I 29, 8. Weibliche Mundschenken werden 
selten erwahnt und waren offenbar wenig iiblich. 
Hesych. s. oivovaaa. Athen. X 425 e = XILT 576 f. 
Doch beweist wohl schon die den Gottern ein- 
schenkende Hebe (Horn. II. IV 2) oder Harmonia 

60 (Athen. X 425 c), dass diese Vorstellung den Grie- 
chen nicht fremd war. 

Zur Leitung der C. ernannte roan einen Vor- 
steher, aoymv zfjg xooeco; Plat. symp. 213 e, ovft- 
Tiociaqyog Alexis bei Athen. X 431 c. Plut. qu. 
conv. I 4, 1 ; fiaauei; Luc. Sat. 4 ; potandi mo- 
diperator Varro bei Non. 142, 8; arbiter bibendi 
Hor. od. II 7, 25; rex, regiia rini Hor. od. I 4. 
18. Meist geschah dies wohl durch Wiirfel oder 



613 



Comissatio 



Comissatio 



614 



Astragalen, Horaz und Lucian a. O. Bei Plat, 
symp. 176 e einigt sich die Gesellschaft , ohne 
Zwang und ohne Vorsteher zu trinken ; nachher 
ernennt Alkibiades sich selbst zum agycov zfjg 
sioasmg ; so auch Plutarch a. O. Zu den ROmern 
war diese Sitte mit den ubrigen Gebriiuchen der 
C. ohne Zweifel von den Griechen gekommen, 
und zwar nach Ciceros Ansicht, Cato mai. 46, 
schon in alter Zeit, da dort der altere Cato sie 
als a maioribus instituta bezeichnet. Wenn Plut. 
a. 0. sie als ganz veraltet bezeichnet, so hat dies 
wohl nur locale Bedeutung. 

Tiber die Thatigkeit des Symposiarchen ist 
zwar sehr wenig ftberliefert. Ohne Zweifel be- 
stimmte er aber den Grad der Mischung und die 
Begeln, nach denen getranken werden sollte, 
regelte auch das, was die einzelnen zur Unter- 
haltung der Gesellschaft zu leisten hatten, Plut. 
a. 0. Plat. symp. 214 b. Leges insanae Hor. 
sat. II 6, 69. Cic. Verr. V 28. Lucian. a. 0. 

fiber die Mischung des Weines mit Wasser 
s. namentlich Athen. X 426. 430. 431, wo die 
verschiedenen Mischungsverhaltnisse durch Citate 
belegt werden. Der Regel nach tiberwog das 
Wasser ; taov Taqi gait schon als sehr starke Mi- 
schung, Athen. a. 0. und II 36 b. XI 487 a. Ein 
beliebtes Verhaltnis fur einen massigen Trunk 
scheint 5 : 2 gewesen zu sein. Alkaios verlangt 
2:1; 3:2 Aristoph. equ. 1187 m. d. Schol. He- 
sych. tQia xai Svo ; dagegen gait 4 : 1 (Hesiod. 
op. et d. 596) fur wasserig. Die Kegel rj xsvts 
niveiv rj tqP tj fit] rsrzaga war schon den Alten 
nicht recht verstandlich. Nach Plut. qu. conv. 

III 9, 1 sind mit den drei Zahlen die Verhalt- 
nisse 3:2, 2:1 und 3 : 1 gemeint, nach Athen. 
X 426 e mit den beiden ersten 5 : 2 und 3:1. 
Wenn bei Plaut. Stich. 707 die Zahl der eyathi 
verstanden wird, so ist dies ein absichtliches oder 
unabsichtliches Missverstandnis. Uber das Mi- 
schungs verhaltnis bei den RSmern ist nichts ilber- 
liefert. Nach alterer Sitte goss man zuerst das 
Wasser ein (Xenophanes bei Athen. XI 782 a. 
Hesiod. a. 0.), dann den Wein, spater umgekehrt. 
Theophr. bei Athen. XI 782 a. b; so auch Athen. 

IV 129 f, Das Trinken ungemischten Weines gait 
als Barbarensitte (Plat. leg. I 637 e. Herodot. VI 
84), kam aber doch vor; so bei den Gelagen Ale- 
xanders, Athen. XI 434; vgl. Aristot. probl. Ill 3. 

Die rooTioi iil; xoaeoig unterschieden sich durch 
die Grosse der Becher und durch die Reihenfolge, 
in der man sich vortrank. In beiden Beziehungen 
herrschten in verschiedenen Teilen Griechenlands 
verschiedene Sitten. Nach Kritias bei Athen. XI 
463 c trank man auf Chios und Thasos aus grossen 
Bechern nach rechts lierum, «.-rt ds^id, in Athen 
aus kleinen Bechern ebenfalls rechts herum, in 
Thessalien aus grossen Bechern so, dass jeder 
vortrank. wem er wollte. Dagegen war nach dem- 
selben Kritias bei Athen. X 432 e bei den Spar- 
tanern die ganze Sitte des Vortrinkens, als die 
Unmassigkeit befordernd. ausgeschlossen. Das 
Vortrinken war, wie Athen. V 193 a richtig be- 
merkt, verschieden von dem homerischen SeiSi- 
yj}ai, welches nur darin bestand, dass man dem 
anderen einen vollen Becher hinreichte. Dagegen 
nach spaterer Sitte trank man den Becher aus 
und liess ihn dann, wieder gefullt, dem anderen 
flberTeichen, tier ihn dann auch leeren musste, 



Plat. symp. 214 a. Man nannte dies ipdoxtjala, 
auch jiQoitoaig. Hierbei war nun die gewShn- 
lichste Sitte das oft erwahnte nlvsiv im. 8e§id, 
Plat. symp. 223 c; resp. IV 420 e. Kritias bei 
Athen. X 432 e. XIII 600 e; lateinisch ab swmmo, 
Plaut. Asin. 891; Pers. 771. Es bestand darin, 
dass jeder seinem Nachbarn zur Rechten zutrank. 
Hierauf beziehen sich Ausdrucke wie nnQiaysiy, 
xeQioofSeTv rag xvhxag, Xenoph. symp. 2, 27. 

lODiog. Laert. II 139. Lucian. conv. 15, heqc- 
aofieTv zt)v (pdoxtjoiav, Alkiphr. 3, 55, 6. Bei 
den Romern scheint es wenig iiblich gewesen zu 
sein; es erscheint bei Cic. Cat. mai. 46 als alte 
Sitte, sonst nur bei Plautus. Aber auch die Sitte, 
beliebig einem anderen zuzutrinken, wird oft genug 
erwahnt, und es scheint dabei iiblich gewesen 
zu sein, das Vortrinken zu erwiedem, so dass 
jeder den Becher zweimal leerte; deutlich ist 
dies in dem, was bei Athen. X 434 von Alexander 

20 und Proteas erzahlt wird; ebd. 434c von Ale- 
xander: zzaot jzqovjzie itaQO. navxaiv xa. iaa Xa/i.- 
(javcov. Solch freies Vortrinken auch Lucian. Her- 
mot. 11. Bei Lucian. Gall. 12 ist es Pflicht des 
Wirtes, jedem seiner Gaste vorzutrinken, so auch 
Heliod. Aeth. Ill 11, wobei aber nach Plut. qu. 
conv. I 22 die angeseheneren Gaste bevorzugt 
wurden. Es kommt auch vor, dass einer der ganzen 
Gesellschaft auf einmal vortrinkt, und dann alle 
der Reihe nach nachtrinken, Athen. XI 504 a. 

30 Die dabei gesprochenen Worte kennen wir nur 
in der lateinischen Form, propino tibi, Plaut. 
Stich. 707. 710; vgl. Cure. 359. Cic. Tusc. I 96. 
Wahrscheinlich sind aber diese Worte der grie- 
chischen Sitte entlehnt und sagte man auch grie- 
chisch jcQojilvoi aot. Man hat die beim Vortrinken 
gesprochenen Worte auch in den Aufscbriften ge- 
malter Gefasse erkennen wollen, wie aaigs xfjSe, 
yalQs xai site, xcuqe xai nit ev , und Ahnliches, 
Jahn Vasens. CXI; ebenso in lateinischen Becher- 

40 inschriften , wie vivas, Rhein. Jahrb. Xin 105. 
XVI 71. Doch ist dies fur die griechischen In- 
schriften sehr unsicher, und fur die lateinischen 
ergiebt sich eine andere Erklarung aus Cass. Dio 
LXXII 18, 2, wo Senat und Volk dem trinkenden 
Commodus xovxo dij to ir xoig ov/xxoot'oig sioi&og 
Isysa&m s^sfiotjoajisv, C,rjOsiag. Es scheint nach 
dieser Stelle, dass vielmehr, wenn einer einen 
starken Trunk that, die Mitgaste riefen : vivas, 
wohl bekomme es ! 

50 Von dem eigentlichen Vortrinken ist zu unter- 
scheiden das Trinken auf die Gesundheit jemandes, 
wofiir im Lateinischen die Formel bene mit dem 
Accusativ oder Dativ iiblich ist, Plaut. Pers. 776; 
Stich. 709. Tibull. II 1, 31. Ovid. a. a. I 
601; fast. II 637. An alien diesen Stellen ist 
von einem eigentlichen Vortrinken nicht die Rede; 
der Gliickwunsch richtet sich zum Teil an Ab- 
wesende. Doch mag wohl die so gefeierte Person, 
wenn anwesend, in gleicher Weise das Compli- 

60 ment erwiedert haben. Eine Besonderheit ist 
hierbei das Trinken so vieler Cyathi, als der Name 
der gefeierten Person Buchstaben enthalt. Das 
alteste Beispiel ist Plaut. Pers. 771, wo Toxilus 
sich und seinen Gasten je sieben einschenken 
lasst, mn auf sein Wohl zu trinken. Dann bei 
Martial. I 71. IX 93, 4. XI 36, 7. XIV 170. 
Hier iiberall ist fur die Zahl der Nominativ des 
Namens, VIII 51, 23-26 der Vocativ massgebend- 



615 



Comissatio 



Comissatio 



616 



Etwas Ahnliches ist es, wenn bei Hor. od. Ill 
19, 13 die Musen mit neun, die Gratien mit drei 
Cyathi gefeiert werden sollen. Vgl. auch Alexis 
bei Athen. VI 254 a. 

Es mag bei dieser Gelegenheit erwahnt weiden, 
daas manchmal auch die Zahl der Cyathi durch 
Wttrfel bestiramt wurde, Plin. n. h. XIV 141. 

Mr alle solche Triinke war wohl, obgleich 
dies nicht ausdriicklich bezeugt ist, das Leeren 



Lohn erhielt, Athen. XIV 647 c. Poll. VI 108. 
Schol. Arist. equ. 277. Bestritten ist die Sitte 
die Eingeschlafenen mit der scoXoxgaoia (s. d.), 
d. h. Wein- und Speiseresten, zu begiessen. 

Die Unterhaltung bei der C. besteht, abge- 
sehen von zwanglosem Gesprilch, teils aus Lei- 
stungen der Gaste selbst, teils aus Dingen, die 
der Gastgeber zu ihrer Belustigung veranstaltet. 
Wie in Platons Symposion die Gaste sich liber 



des Bechers in einem Zuge, das oft erwahnte 10 der Eeihe nach zu haltende Vorferage einigen, so 



aitvivori oder a/j,vozt trinken, obligatorisch. An 
tiphanes bei Athen. X 459 b. Athen. XI 783 d. e ; 
fur die Romer Plin. n. h. XIV 146 ; vgl. o. Bd. I 
S. 2013. 

Nach alterer Sitte trank man massig aus kleinen 
Bechern, Alexis bei Athen. X 431 e. Spater wurde 
es ublich, im Laufe des Gelages zu grOsseren 
Bechern uberzugehen. Man hielt dies fur eine 
aus dem Orient eingedrungene Sitte, Dikaiarch 
bei Athen. XI 461a; vgl. Xenoph. symp. 2, 23.20 
So trinken bei Platon am Schluss des Symposion 
(223 c) Sokrates, Agathon und Aristophanes aus 
einer grossen Schale ; Diog. Laert. I 103. Athen. 
IV 129 d. XI 504 b. Cic. Verr. I 66. HI 105. 
Hor. sat. II 8, 35. Dnd zwar wurde manchmal 
das Verlangen nach grossen Gefassen so stark, 
dass die eigentlich zum Trinken bestimmten nicht 
ausreichten; so greift Alkibiades, Plat. symp. 
213 e, zu einem Kiihlgefass, yvxzrjQ, welches acht 



konnten derartige Auftrage alien oder einzelnen 
auch durch den Symposiarchen erteilt werden. 
Meist handelte es sich hierbei wohl urn allerlei 
lacherliche Handlungen, wovon Lucian. Saturn. 
4 und Plut. qu. conv. I 4, 3 einige Beispiele 
geben. Es kam auch vor, dass die Gaste der 
Reihe nach einem anderen etwas auftrugen. Plut. 
a. O. Plat. symp. 214 c, wo auch dies Itu 8e!-id 
geht. 

Zu den Aufgaben, die sich die Gaste gegen- 
seitig stellen, gehSrt auch das LOsen von Ratseln, 
y@T<poi, von denen besonders ausfuhrlich Athen. 
X 448 bff. handelt, s. Griphos. Wer es nicht 
lOste, musste trinken, ungemischten Wein oder 
Wasser (Hesych. s. y(tX<pog), auch wohl Salzwasser. 
Antiphanes bei Athen. X 458. Es wurde auch 
gcsungen, Aristoph. nub. 1354ff. Und zwar heisst 
es (Artemon bei Athen. XV 694 a. b. Plut. qu. 
conv. I 1, 5), dass nach alterer Sitte zuerst, wohl 



Kotylen, fiber 2 Liter, fasste; vgl. Athen. II 58 c. 30 bei der <snovhr\ (vgl. Athen. XIV 628 a), alle im 



Auch das tioztjqiov Sfyovv (6l/ 2 Liter), aus dem 
Alexander und Proteas tranken (Athen. X 434 a) 
kann wohl kaum ein eigentliches Trinkgefass ge- 
wesen sein. Letztere Leistung, an deren Wieder- 
holung Alexander gestorben sein soil, klingt frei- 
lich unglaublich. Von einem 10 Kotylen, 2%L Liter, 
fassenden Gefass ist bei Menander, Athen. X 434 c, 
die Eede. Die Sitte, zum Schluss wieder, zur Be- 
ruhigung, aus kleinen Gefassen massig zu trinken, 



Chor sangen, dann Einzelvortrage aller der Beihe 
nach folgten, wobei nach Poll. VI 108 ein Myr- 
tenzweig (Aristoph. a. O. 1364), eine Lyra und 
ein Becher herumgegeben wurden; es musste 
also der Singende auch trinken; vgl. Hesych. s. 
ztjv ejiidefiav. Endlich folgten Gesiinge der hierzu 
besonders Befahigten. Diese letzteren sind nach 
Artemon die Skolia, so genannt (oxofoog, schief) 
eben weil es nicht mehr der Eeihe nach ging. 



erscheint bei Hippolochos Athen. IV 130 c. Bei 40 Nach Plutarch ging bei dem Gesang ini <5sf td ein 



den ROmern ist der Becher eines massigen Trinkers 
der Sextans, 2 Cyathi = 0,09 Liter fassend, Suet. 
Aug. 77. Martial. XII 28, 1. Ein bei der C. 
besonders beliebtes Mass ist der Triens, 4 Cyathi 
= 0,18 Liter, Prop. IV 10, 29. Martial. IV 82, 5. 
VI 86, 1. X 13, 5. Doch kommt auch die He- 
mina, 6 Cyathi = 0,275 Liter, vor (Sen. de ira H 
33, 4), und der Deunx, 11 Cyathi = l f 2 Liter, Mart. 
VI 78, 6. XII 28, 1, abgesehen von den durch 



Myrtenzweig, erst bei den Skolien die Lyra herum ; 
fiber diese friih abgekommene Sitte lagen offeii- 
bar nur unvollstandige und widersprechende Nach- 
richten vor. Vgl. auch Quintil. inst. I 10, 19. 
Auch die BOmer sangen bei der C, Quintil. inst. 
I 2, 8: omne convivium obscenis eantibits strepit. 
Eine beliebte Unterhaltung bei der C. sind 
femer die Spiele, unter denen in alterer Zeit der 
Kottabos (s. d.) das am meisten genannte ist. 



die Buchstaben eines Namens bedingten Massen. 50 Spater und auch in romischer Zeit iiberwiegt 



GrOssere Gefasse waren auch iiblich, Galen. X 
3 K. : &ndXa>fisvcov tieqi fisyedovg ixjicofidzan/. 
Plin. n. h. XIV 139 ; doch sind keine Masse der- 
selben uberliefert. Die Unmassigkeit im Trinken 
war bei den Griechen gross (s. namentlich was 
Athen. XI 434 von Alexander berichtet wird) und 
kam mit anderen griechischen Sitten zu den ES- 
mern, Cic. Verr. V 28. Galen, und Plin. a. O. 
Lucian. conv. 43ff. Wie nachsichtig man bei den 



durchaus das Wurfel- oder Astragalenspiel, Plaut. 
Capt. 72; Asin. 904; Curcul. 354. Copa 37. Suet. 
Aug. 71. Plut. qu. conv. I A, 3. 

Hit Ausnahme aber eben des Wurfelspieles 
treten in spaterer und namentlich in rCmischer 
Zeit die auf Selbstthatigkeit der Gaste beruhenden 
Unterhaltungen zuruck gegen die vom Gastgeber 
veranstalteten Akroamata, unter welchem Namen 
man auch auf das Gesicht, nicht nur auf das 



Griechen solche Excesse beurteilte, zeigt Platon, 60 GehOrvrirkendeUnterhaltangenbegriff, wie nament- 



der im Symposion mit offenbarem Wohlgefallen 
die erstaunliche Trinkfahigkeit des Sokrates schil- 
dert; bei den Eomern werden sie kaum je ohne 
strenge Missbilligung erwahnt. Die ganze Nacht 
durch zu zechen (jtavwyj^stv, Sumawvzl&iv) war 
nichts Ungewohnliches. So in Platons Symposion. 
Zeitweise war es Sitte, da'ss, wer bis zuletzt aus- 
hielt, einen Kuchen, izvQapwvg oder atjaafiovg, zum 



lich Tanze, Athen. XIII 607 c, Plut. qu. conv. 

VII 8, wo am ausfuhrlichsten von den Akroamata 
die Eede ist. Das alteste und allgemeinste Akro- 
ama ist die Musik. Schon bei Horn. Od. I 153. 

VIII 73 folgen nach dem Mahle die Vortrage des 
Sangers. Spater gehort zum Symposion die FlOten- 
blaserin, avi-r/zQig; es ist Ausnahme und besonderer 
Motivierung bedtirftig, wenn sie bei Plat. symp. 



617 



Comissatio 



Comissatio 



618 



176 e fortgeschickt wird. Platon ist ihr feindlich, 
weil sie das Gesprachbeeintrachtigt, Protag. 347c. d. 
Sie diente nicht bios durch ihre Musik zur Be- 
lustigung der Gaste (Lucian. Sat. 4), wird oft 
erwahnt (z. B. Plut. qu. conv. VIII 7. Martial. 

V 78, 30) und ist in zahlreichen Vasengemalden 
und sonstigen Bildwerken dargestellt. Stephani 
Compte-rendu 1868, 85, 1 — 3. Ein eigentfimlicher 
Gebrauch ist der, dass sie zum Schluss versteigert 
wird, natfirlich fur die Nacht. Persaios und An- 
tigonos von Karystos bei Athen. XEH 607 d. e. 
In Eom waren in der ersten Kaiserzeit die Am- 
bubaiae (s. d.) besonders beliebt. Dazu kamen 
Musikantinnen auf allerlei Saiteninstrumenten, 
ytcdtQiai, Plat. Protag. 347 d; Bildliches Stephani 
a. 0. 85, 1-7 ; diese und die Sambucistriae (Athen. 
IV 129 a) kamen, wie Li v. XXXIX 6, 8 sagt, 
mit anderen Akroamata nach 187 v. Chr. auch 
nach Eom, wo aber schon von alters her Floten- 
und Saitenspiel beim Mahl ublich war, Quintil. 
inst. I 10, 20. Doch wurde hier die Musik fruher 
ohne Zweifel von Mannern ausgefuhrt, wie denn 
auch in den Gemalden etruskischer Graber der 
FlGtenblaser und sonstige Musikanten mannlich 
sind. Mon. d. Inst. XII 14, und andere fur den 
Tanz zu citierende. FlOte und Lyra zusammen 
Xenoph. symp. 3, 2. Athen. VIII 364 d. XIV 
617 f. Plut. qu. conv. II 10, 1. Vollstandige 
Instrumentalconcerte wurden von den oft ge- 
nannten Symphoniaci (s. d.) aufgefuhrt. Cic. Verr. 
Ill 105. Petron. 32. 33. 36. 47. Macrob. II 4, 
28. Ferner -Gesangvortrage. Plutarch, qu. conv. 
VII 8, 4 will Instrumentalmusik nur als Be- 
gleitung des Gesanges zulassen. Athenaios XIV 
620 b ff. handelt ausftihrlich von verschiedenen 
Arten der bei der C. auftretenden Sanger, den 
Qayxpbol , IXaQcpdoi, den stark obscOnen Iwvixo- 
).6yoi oder xcvaidoXoyoi und fiaycadoi. Hor. ep. II 
2, 9. SangerchOre Athen. IV 130 a. Sen. ep. 84, 
10, unter Begleitung des Choraules Martial. IX 

77, 5. 

Tanz als Unterhaltung nach dem Mahle kommt 
schon bei Homer vor, Od. I 152. 421. XVII 605. 
XVIII 305, doch ist es der Tanz der Gaste selbst, 
der auch spater ublich blieb, Herodot. VII 129. 
Xen. Hiero 6, 2. Athen. XIV 157 b. Tanzerinnen 
bei der C. Plat. Protag. 347 d. Xenoph. symp. 2. 
Athen. IV 130 a. In der Diadochenzeit waren 
besonders beliebt thessalische Tanzerinnen, die 
nur mit einem Gurt bekleidet auftraten (Persaios 
bei Athen. XVLTI 607 c), in Eom zur Zeit der 
Flavier die Tanzerinnen aus Gades, Martial. V 

78, 26. VI 71, 2. XIV 203, die ihren Tanz mit 
Castagnetten und Gesang begleiteten. Ein Wand- 
gemalde aus Pompeii zeigt eine C, bei der eine 
nackte Tanzerin nach der Musik zweier Floten- 
blaser tanzt und einer der Gaste, in die Hande 
klatschend, den Takt angiebt, Bull. d. List. 1885, 
243, 11. So tanzt auch die Crotalistria, Prop. 

V 8, 39, nach der FlOte. Auch in den Gemalden 
etruskischer Graber erscheinen Tanzer und Tan- 
zerinnen, zum Teil selbst musicierend, bei der 
C, Mon. d. Inst. I 32. 33. V 33. 

An den Tanz schliessen sich an die Produc- 
tionen der Gaukler und Equilibristen. Bei Xen. 
a. O. ffihrt die Tanzerin selbst equilibristische 
Eunststucke aus, und in der That stehen die- 
selben — Springen durch Eeifen, Tanz zwischen 



Schwertern (vgl. das Vasenbild Panofka Bild. 
ant. Lebens XII 4. 6) — auf der Grenze zwischen 
Tanz und Gauklerkiinsten. Weiber, die solche 
Kflnste machen, heissen &av/j,axovQyoi, &avfcaro- 
noioi, Athen. IV 129 d. 137 c. Hierher gehCren 
auch die xvPwcr/TijQse Horn. Od. IV 18, freilieh 
in einer Stelle, die schon im Altertum fur inter- 
poliert gait. Bei den Eomern heissen sie petau- 
ristae oder petauristarii (s. d.), Petron. 53. 60. 
10 Der bei Xenoph. symp. 1, 11 auftretende ys- 
Icorojioiog Philippos gehort der spater Parasiten 
(s. d.) genannten Classe an und ist selbst Gast. 
Doch kommen auch yeXmroitoiot vor, die geradezu 
als Akroamata vorgefiihrt werden. Polyb. XXXT 

4, 8. Athen. IV 130 c. XIV 613 dff., wo verschie- 
dene Arten derselben, nldvoi, <pi).ooxa>mai, unter- 
schieden werden. Auch bei den ECmern war diese 
Art Unterhaltung sehr ublich. Plinius ep. XVII 
2 unterscheidet cinaedi, die ObscOnitaten vor- 

20 brachten, scurrae, die freche Witze machten, und 
moriones, die durch ihren wirklichen oder fin- 
gierten Blbdsinn ergotzten. Auch Sehauspieler, 
Mimen und Pantomimen (ludii, histriones, plani- 
pedes) liess man in dieser Weise auftreten, Polyb. 
XXXI 4, 7. Suet. Aug. 74. Plut. qu. conv. Vn 

8, 4. Macrob. II 1, 9. 
Ernstere Leute zogen diesen Akroamata den 

Vortrag von Litteraturwerken vor. Wir hOren 
von dieser Sitte nicht vor der Kaiserzeit. So liess 

30Iuvenal (11, 180) seinen Gasten Homer und Vergil 
vorlesen ; vgl. Pers. 1, 30. So am Tische Traians, 
Plin. ep. ni 5, 11. Das hierzu verwendete Per- 
sonal bezeichnet derselbe Plinius an zwei Stellen, 
1 15, 2. IX 17, 3, als comoedus, lector, lyristes, 
entsprechend dem Vortrag dramatischer, prosa- 
ischer und lyrischer Werke ; letztere ohne Zweifel 
mit Musikbegleitung. Plutarch qu. conv. VII 8, 
4 will nur die Komoedie, und namentlich Me- 
nander zulassen. Ebd. 1 erfahren wir, dass man 

40 damals in Rom so weit ging, platonische Dialoge 
mit verteilten Eollen vortragen zu lassen. Sehr 
beliebt war diese Unterhaltung nicht, Plin. ep. IX 
17, 3 ; besonders gefiirchtet war der seine eigenen 
Gedichte vorlesende Hausherr, Martial. Ill 50. 
V 78, 25. IJbrigens fanden diese Vorlesungen 
nach den angefilhrten Stellen (besonders Martial. 
Ill 50) nicht gerade bei der C, sondern uberhaupt 
bei der Cena statt. Martial freilieh will bei der 
C. gelesen werden: IV 72, 5. X 19, 20. 

50 An das Zechgelage schloss sich hiiufig noch 
naehtliches Umherschwarmen an. Auch dies wird 
als xa>fia£etv, comissari bezeichnet, Theoponvp. bei 
Athen. VI 260 b. Liv. IX 17, 17. Plin. n. h. XXI 

9. Sen. ben. VI 32, 1. Bildliche Darstellungen 
gesammelt von Stephani Compte-rendu 1868, 
83f.; vgl. Panofka Bilder ant. Leb. XII 7. 8. 
Ann. d. Inst. LI 1879, U, wo von Engelmann 
244, 2 weitere Beispiele gesammelt sind. Oft 
fahren hier diese Schwarmenden ein Weingefass 

60 mit sich und sind von einer Fletenspielerin oder 
Leierspielerin begleitet. Besonders ublich war es, 
dass auf diese Weise eine Zechgesellsehaft die andere 
besuchte (ijiixwfidCsiv, ixixatfiog Athen. V 180 a). 
So Alkibiades und spater noch andere, Plat. symp. 
212c. 223b; auch die mitgebrachte FlOtenblaserin 
wird hier erwahnt. Vgl. Athen. V193e. Plaut. 
Most. 317; Stich. 686. Ter. Eun. 442. Liv. XL 7, 

5, und (ifter im Folgenden. Hor. od. IV 1, 11. 



619 



Comitanasso 



Comitatenses 



620 



Petron. 65. Athen. VIII 348 c. Lucian. Lexiph. 9, 

WO die eiancopmiovTeg Weill, Trinkger&t und xgayrj- 
fj.cna mitbringen. Die Ankunft solcher comis- 
satores in einer schon im Aufbruch begriffenen 
Tischgesellschaft ist dargestellt auf einem pom- 
peianischen Gemalde, Bull. d. Inst. 1885, 246, 
13. Als xcofid&iv wird es auch bezeichnet, wenn 
sich die trunkenen Leute Einlass suchend vor das 
Haus einer Hetaere begeben, Alkaios frg. 56 B. Isae. 



friihestens in das J. 301 fallen. Auch begegnet 
uns ein praepositus equitibus Dalmatis Aq-ue- 
sianis comitatensibus zwischen den J. 311 und 

313 in Noricum (Dessau 664), das erst Ende 

314 in die Gewalt Constantins kam. Die Neue- 
rung muss also schon auf Diocletian zuriickgehen, 
wahrscheinlich wurde sie durch den Perserkrieg 
des Jahres 297 veranlasst. Denn damals wiederholte 
sich die alte Erfahrung, dass die schwachen Grenz- 



IH 14. Athen, XIII 574 e. 585 a, oder einem Mad- 10 heeie einem grossen Kriege nicht gewachsen waren. 

chen ein Standchen bringen, Theokr. 3, 1. Luciar. Sie wurden anfangs geschlagen, und erst nachdem 

dial. mar. 1, 4. Schwarz De comissationibus Galerius teils aus Recruten, teils aus wieder ein- 

veterum. Altdorf 1744. Becker-GCll Charikles berufenen Veteranen erne neue Armee gebildet 

I 160ff. II 335ff.; Gallus I 203. Hermann- hatte, gewann er den Sieg (Vict. Caes. 39, 34. 

BlumnerGriech.Privataltert. 244ff. 500ff. Mar- Eutrop. 1X24. 25). Um die letzteren unter die 

quardt Privatl. d. Romer 2 331n". [Mau.] Fahnen zuriickzufiihren, bedurfte es jedenfalls he- 

Comitanasso, verstiimmelter Ortsname zwi- sonderer Ehren und Vorteile, wie sie das Marsch- 

schen Archelais und Abrostola, Tab. Peut. X 1 heer im Gegensatze zu den limitanei besass. Wir 

(Miller); nachEarasay (Asia min. 360) — Coro- diirfen also vermuten, dass diejenigen Soldaten, 
passos, vermischt niit Parnassos. [Ruge.] 20 welche den Narses schlugen, die ersten C. waren. 

Comitatenses. 1) Schon seit dem Beginn der Die Fusstruppen der C. heissen ausnahmslos 

Kaiserzeit machte sich im romische Reiche der legiones (Cod. Theod. V 4, 1. Not. dign. or. VII 

Mangel einer ausreichenden Arnieereserve sehr 38. VIII 33. IX 30; occ. V 223), die Abteilungen 

fuhlbar geltend. Fast die ganze Kriegsmacht der Reiterei »eas*'to*"o»es (CIL III 405. Cod. Theod. 

stand an der Grenze aufgereiht, um die Raubziige V 4, 1. VII 4, 22. Not. dign. or. V 33. VI 34. 

der barbarischen Nachbarn abzuwehren, und unter VII 24. VIII 28. IX 18; occ. VI 53), spater auch 

gewOhnlichen Umstanden reichte ihre GrOsse fiir cunei (Not. dign. or. VII 34 ; occ. VI 85 ; in der 

diesen Zweck auch vollkommen aus. Brach aber Verordnung Cod. Theod. V 4, 1 scheint seu eunei 

irgendwo ein schwerer Krieg aus, so war derjenige Glossem zu sein). Ein Teil von beiden Truppen- 
Punkt, gegen den der erste Angriff sich richtete, 30 gattungen ist spater palatinae genannt worden 

zunachst immer ungenttgend verteidigt, und es (Cod. Theod. VII 1, 18. 4, 22. Villi, 10. Not. 

machte grosse Schwierigkeiten , die notigen Ver- dign. or. V 27. 41. VI 27. 41. VIII 24. 1X21; 

starkungen herbeizuschaffen. Aushebungen niitz- occ. V 144. VI 42), was in Hirer Stellung wahr- 

ten wenig; denn seit das Soldatentum zuni Lebens- scheinlich keine wesentliche Veranderung herbei- 

beruf geworden war, in dem man erst durch lange fiihrte, sondera ein blosser Ehrentitel war. Zuerst 

Ubung zur Vollkommenheit gelangte, galten Re- lasst er sich im J. 373 nachweisen (Cod. Theod. 

cruten kaum noch als militarisch brauchbar. An VIII 1, 10 datiert durch den Ort); doch kann 

geschulten Truppen aber waren nur die 10 000 Prae- man daraus nicht mit Sicherheit schliessen, dass 

torianer verfiighar, die den Kaiser begleiteten, er erst von Valentinian I. eingefilhrt ist. Denn 
wenn er persOnlich ins Feld zog; doeh ihre kleine40 wenn er auch in manchen friiheren Verordnungen 

Zahl genugte keineswegs den Bedurfnissen. War vennisst wird , wo man ihn zu flnden erwarten 

also eine Grenze ernster als gewohnlich bedroht, sollte (Cod. Theod. V 4, 1. VII 20, 4), so lasst 

so sah man sich immer gezwungen, zu ihrer Ver- sich dies vielleicht daraus erklaren , dass unter 

teidigung die andern zu entblossen, was oft die den Worten numeri comitatenses die palatini 

schwersten Folgen hatte (Seeck Geschichte des mitverstanden sind, wie es auch nach 373 oder 

Untergangs der antiken Welt I 243. 373). Dies knrz vorher erweislich vorkommt (Cod. Theod. VII 

war der Grund, warum man auf der Scheide des 13, 7 § 3. 22, 8. VIII 4, 17). Die barbarischen 

3. und 4. Jhdts. neben dem Grenzheer, das seine Auxilia mussten sich , wie es scheint , auch da- 

Posten kiinftig nicht mehr verlassen sollte (mifites mals noch mit den geringeren Rechten der Ripa- 
limitanei oder riparienses), als standige Reserve 50 rienses begnflgen (Cod. Theod. VII 13, 7 § 3 : qui 

ein besonderes Marschheer schuf. Da gleichzeitig in ripa per cuneos auxiliaque fuerint constituti 

das Princip aufgestellt wurde, dass alle wichtigeren im Gegensatze zu den besser gestellten comita- 

Kriege nur durch den Kaiser personlich gefiihrt tenses numeri genannt), obgleich es zum Teil die 

werden durften (Seeck I 20), so kampften diese besten Soldaten waren (Ammian. XVI 12, 43. XX 

Truppen regelmassig unter seinem eigenen Com- 4, 7. XXV 6, 3, wo die Iorii und Victores falsch- 

mando und wurden daher als zu seiner Umgebung lich legiones genaDnt werden, Iulian. ep. ad Ath. 

gehorig betrachtet. Hieraus erklart sich der Name 280 D) und daher keineswegs an ihre Stan dlager 

Comitatenses, der von comitatus, das Hoflager, ab- gefesselt blieben. Als aber endlich ein Teil von 

geleitetist(Dessau2781 militavit — lectusinsa- ihnen officiell dem Marschheer einverleibt wurde, 
cro comitate lanciarius ;\gl.CIL III 11026). Die60daehrte man ihn sogleich mit dem Titel der 

Einfuhrung der C. wird von Zosimns (II 34) erst palatini. Es giebt also nur auxilia palatina 

Constantin dem Grossen zugeschrieben; doch kann {Not. dign. or. V 48. VI 48. VII 35. IX 23; occ. 

dies nicht richtig sein. Denn CIL VI 2759 flndet V 157), nicht auch eomitatensia. So gelangte das 

sich ein Soldat, der zuerst 5 Jahre im Grenzheer, tbergewicht der Barbaren im rfimischen Heere, 

dann 11 Jahre im Marschheer und zum Schlusse so sehr man sich dagegen straubte, auch zum 

noch unter den Praetorhinern gedient hat. Da nun formellen Ausdruck. 

die praetorischen Cohorten schon 312 aufgehoben Neben den palatini und comitatenses stehen 

wurden, so muss sein Eintritt in das Marschheer in geringerem Range die pseudoeomitatenses (Cod. 



621 



Comitatenses 



Comites 



622 



Theod. VII 1, 18. Not. dign. or. VI 68. VII 48. XXIX 5, 4. Cod. lust. I 27, 2 § 8) und genossen 

IX 39; occ. V 256), zuerst erwalmt im J. 373 mannigfacher Privilegien (Cod. Theod. V 4, 1. 

(Cod. Theod. VIII 1, 10 datiert durch den Ort). VII 13, 7 § 3. 20, 4. VIII 1, 10. 4, 17. XH 1, 

Es sind Grenztxuppen, die zum Dienst im Marsch- 38). Ihre Standquartiere waren meist nicht an 

heer abcommandiert sind, ohne doch aller Privi- der Grenze, sondern im Innern des Landes (Zosim. 

legien desselben teilhaft zu werden (Mommsen II 34, 2. Mommsen Herm. XXIV 227, 3). An- 

Herm. XXTV 209). Wenn in der Notitia digni- fangs standen sie wahrscheinlich unter dem direc- 

tatum legiones und auxilia sonst immer streng ten Oberbefehl der Kaiser, seit Constantin der 

gesondert erscheinen, dagegen unter den tjber- Magistri Militum (Cod. Theod. V 4, 1. Villi, 10. 
schriften: Item pseudoeomitatenses bunt durch- 10 Not. dig. or. V— IX; occ. V — VII), wahrend die 

einander gemischt sind, so verrat sich in dieser riparienses von den duces commandiert werden 

unordentlichen Eintragung, dass diese Truppen (s. Limitanei). Mommsen Herm. XXIV 225. 

nur als vorubergehende Bestandteile des Marsch- 2) Comitatenses largitiones s. Comes sacrarum 

heeres galten, obgleich das Provisorium wohl oft largitionum (Comites F Nr. 84). [Seeck.] 

lange Jahre dauern mochte. Ubrigens lasst sich Comitatus $ griechisch oiQaromdov (CIA III 

durch Vergleichung von Not. occ. V und VII aus 48, 30. Iulian. epist. 38 p. 415 C. Synes. epist. 

der Reihenfolge der Namen, die sich immer streng 5. 66. Athan. apol. c. Ar. 70. 76. Pallad. dial. 7. 

nach dem Range richtet, mehrfach nachweisen, Euagr. h. e. II 9 = Migne G. 25, 373. 404. 47, 

dass numeri pseudoeomitatenses zu legiones comi- 24. 25. 86, 2528). Das Wort C. bedeutet das 

tatenses (VII 35. 138) oder zu auxilia palatina 20 Gefolge und wird in technischen Sinne nament- 

(VII 37. 38. 61) erhoben worden sind, wie auch lich auf die Begleiter angewandt, welche den 

legiones und mxillationes comitatenses zu pala- Kaiser bei seinen Reisen umgeben. Ein Bronze- 

tinae aufritcken (VII 28. 29. 82. 145. 165—170). tafelchen, das wahrscheinlich bestimmt war, an 

Wahrscheinlich wurden diese Rangerhohungen als irgend ein Stuck des Reisegepacks angeheftet zu 

Belohnung fiir hervorragende Kriegsthaten ver- werden, tragt die Aufschrift: Ex eomitatmmpfe- 

liehen, ratoris) Domitiani Augfusti) Oermanici ab Aquis 

Vi'elfach findet sich der Name derselben Legion Statiellis (Dessau 270). Seit dem 3. Jhdt., wo 

einerseits unter den riparienses, anderseits unter die Gfittlichkeit des Kaisertums scharfer betont 

den comitatenses oder palatinae vertreten (Not. wird, pflegt man dem Worte C. das Epitheton 

dign. or. VII 39 = XXVIII 14. XLII 31—33. 39 ; 30 sacer hinzuzufiigen. So schreibt Macer (Dig. 

or.VII41^oce.XLII26; or. VII 42 = occ. XXXIV XLIX 16, 13 § 3), ein Soldat, der schimpflich 

25. 27; or. YIII 36. 37 = XXXI 37. 31. 33. 38; entlassen sei, diirfe neque Romae neque in sacro 
or VIII 38 = XLH 34-38; or. VIII 39 = occ. XXXIV comitatu agere. Im einfachen Sinne der Beglei- 

26. 27; occ. V 235 = XXXIV 37-39; occ. V 237 = . tung erscheint es noch unter Diocletian, der auf 
XXXV 17—22; occ. V 241 = XXVIII 19). Oft er- seinen Mivnzen und denen seiner Mitregenten die 
scheinen die letzteren auch in doppelter Gestalt Dioscuren darstellt mit der Umschrift: comitatus 
mit dem Beinamen seniores und iuniores (or. AugfustorumJ, was nichts anderes bedeuten kann, 
XXXIX 29—35 = V 43. 44; occ. V 145. 146; als dass die gottlichen Nothelfer ihn auf seinen 
or. XXXVII 22 = VII 40 ; oce. V 265 ; occ. XXVIII Kriegsziigen schiitzend begleiten. Denn dass mit 
19 = VII 156; occ. XLII 26 = VII 132. 103) oder 40 diesen Reitern die Dioscuren, nicht etwa, wie 
ohne dieselben (or. XL 33—35 = VI 46; occ. V Cohen (Medailles impcriales Via 417. 497. VII2 
234). Vermutlich ist diese Dreiteilung anfangs 59) angiebt, die beiden Kaiser gemeint sind, zeigt 
ganz allgemein gewesen, womit es wohl auch zu- die Abbildung (VII 2 104). Um dieselbe Zeit hat 
sammenhangt, dass die Normalzahl der Legion das Wort aber auch schon die besondere Bedeu- 
in der friiheren Kaiserzeit 6000 Mann, nach Dio- tung des kaiserlichen Hofes angenommen. Denn 
cletian wahrscheinlich 2000 betriifft (Seeck Forsch. da nach Diocletians Absicht die Kaiser gar keine 
z. deutsch. Gesch. XXIV 187). Danach durfen feste Residenz mehr besitzen, sondern immer auf 
wir uns die erste Bildung der legiones comita- Reisen sein sollen, wird die Bezeichnung des 
tenses folgendermassen denken: Man las aus den Reisegefolges naturgemass auf den ganzen Hof 
alten Legionen zwei Drittel ihrer Mannschaf'ten 50 angewandt. So erscheint C. zuerst in einem Re- 
aus und schuf daraus je zwei neue fur das Marsch- script des J. 286, das aus Nikomedia erlassen ist, 
heer, die man meist durch die Beinamen seniores also nicht auf einer wirklichen Reise , sondern 
nnd iuniores unterschied. Das ubrigbleibende aus der Stadt , wo Diocletian regelmassig zu 
Drittel, das aus den schlechtesten Leuten bestand, wohnen pflegte (Cod. lust, VII 35, 2). Auch 
liess man dann als legio ripariemis in dem frflhe- spater , wo Constantinopel wieder zur stehenden 
ren Standlager der Truppe zur Grenzbewachung Residenz wird, bleibt C. fiir den Kaiserhof tech- 
zuriick. nisch, nur dass wieder palatium gleichberechtigt 

Auch spater ist es Brauch gebliebeu, dass man daneben tritt. 

Leute, die sich ausgezeichnet hatten, aus dem In sacro comitatu militare (Dessau 2781. 

Grenzheer in das Marschherr versetzte (Dessau 60 CIL HI 11026) bedeutet zu den Comitatenses ge- 

2781. 2782. CIL VI 2759), bis Honorius es ver- horig, unter welchem Worte das Notige dariiber 

bot (Cod. Theod. VII 1, 18). In der Hauptsache gesagt ist, Seeck Geschichte des Untergangs 

aber wurde auch das letztere durch directe Aus- der antiken Welt 12 22. [Seeck.] 

hebungen gebildet; doch nahm man dazu die Comites. A. Mit diesem Namen bezeichnen 

kraftigsten und bestgewachsenen Recruten, wah- die romischen Schriftsteller meist die Gefolgsleute 

rend die geringeren unter die Riparienses einge- der germanischen Hauptlinge und Kenige (Tac. 

stellt wurden (Cod. Theod. VII 22, 8). Die C. Germ. 13. 14. Ammian. XVI 12, 60. Malalas im 

galten daher als die besseren Soldaten (Ammian. Herm. VI 369) ; doch werden sie ausserdem auch 



623 



Comites 



Comites 



624 



clientes genannt (Tac. ann. I 57. II 45. XII 30). 
Alsdas.Gefolgswesen im 5. Jhdt. auch in das 
rflmische Heer eingedrungen war, erscheinen meh- 
rere Reitercorps, die C. heissen und in den Trup- 
penverzeichnissen der Notitia dignitatum meist 
an der Spitze stehen, also fur besonders vornehm 
galten (Not. dign. or. V 29—31. VI 28. 31 VII 
25. Vm 25. 26 ; occ. YI 43. 50. 75. VII 159. 
163). Wahrscheinlich sind sie aus den Gefolgen 
von Privatleuten hervorgegangen , die nach dem 10 
Tode ihrer Herren in kaiserlichen Dienst getreten 
waren. Vgl. Art. Bucellarii Bd. IH S. 934ff. 
B. Die gleiche Benennung wendet man auf 
diejenigen an, welche die Umgebung eines Statt- 
halters bei seiner Reise in die Provinz bilden; 
doch ist sie in diesem Sinne niemals officiell ge- 
worden und behalt daher eine schwankende Be- 
deutung. So schreibt Cic. pro Eab. Post. 13: 
ut tribuni, ut praefeeti, ut seribae, ut comites 
omnes magistratuum lege hac tenerentur, be- 20 
zeichnet also, wie der Zusatz omms beweist, mit 
comites den allgemeineren Begriff, der auch. die 
Tribunen, Praefecten und Schreiber umfasst, und 
entsprechend redet Hor, epist. I 8, 2 yon einem 
eomes scribaque Neronis. Doch andererseits 
werden bei Cic. Verr. II 2, 27 die comites von 
den praefeeti, seribae, aecensi, medici, haruspiees, 
praeconss geschieden, d. h. von alien Mitgliedern 
der Cohors, die ein Amt mit festumschriebener 
Competenz bekleiden. Diese amtlosen Reisebe- 30 
gleiter werden in erster Linie C. genannt (z. B. 
Catull. 28, 1. Tac. ann. I 47. Suet. Caes. 42; Vesp. 
4), aber nur im Sprachgebrauch des gewohnlichen 
Lebens ; die altere Bezeichnung fur sie ist amid 
(Cato ed. Jordan p. 37), und diese ist zu alien 
Zeiten die technische und officielle geblieben 
(Suet. Tib. 46. Dig. XXXVII 14, 17). Deshalb 
redet man auch immer von einer cohors amicorum 
(s. d. Suet. Nero 5; Cal. 19; Galba 7 und sonst); 
cohors cmnitum kommt nur in der Poesie vor 40 
(Iuven. VIII 127)., 

Diese C. stehen zu den Statthaltern in einem 
rein privaten Verhiiltnis. Sie besitzen nicht ein- 
mal einen fest bestimmten Anspruch auf Diaten 
(eibaria), wie er den Praefecten und sonstigen 
Unterbeamten zukommt (Cic, ad Att. VI 3, 6). 
Allerdings war es ublich, ihnen freie Reise und 
TJnterhalt (Liv. XLIV 22, 13), daneben ansehn- 
liche Geschenke zu gewiihren. Doch blieben dies 
bis auf die Zeit des Augustus herab freie Gaben 50 
derjenigen, welche die C. begleiteten, und konnten 
nach Belieben bemessen oder auch ganz geweigert 
werden (Cato a. O. Suet. Tib. 46). Nachdem 
Cicero in Kilikien einen siegreichen Krieg gefuhrt 
hatte, besass er das Recht, innerhalb 30 Tagen 
nach seiner Rechnungslegung nicht nur seine 
eigenen Reisegenossen, sondem auch die seiner 
Officiere dem Senat zu Geldbelohnungen vorzu- 
schlagen ; doch stand ihm auch hierin die freie 
Auswahl zu, die durch keine gesetzlichen Bestim- 60 
mungen beschrankt war (Cic. epist. V 20, 7). 
Naturlich erwarteten die C. sich in der Provinz 
zu bereichern (Catull. 10. 28); sie verlangten, 
dass die Beute (Cato a. O.) und die Uberschiisse 
der Gelder, die dem Statthalter fur seine Yer- 
waltung zugewiesen waren, unter sie verteilt 
wurden, und waren sehr ungehalten, wenn dies 
nicht geschah (Cic. ad Att, VII 1, 6). 



Da die C. den Statthaltern, die ja nur ein 
sehr kleines Personal von Unterbeamten besassen, 
fur ihre Amtsfuhrung, namentlich fiir die Bildung 
ihres Consilium, unentbehrlich waren, erfuhren 
ihre Stellung und ihre Geldbeziige in der Kaiser- 
zeit eine festere Regelnng. Dire Auswahl blieb 
noch immer dem freien Brmessen des Statthalters 
tiberlassen (Fronto ad Ant. Pium 8), doch wurde 
ihm nach seinem Range und der Bedeutung seiner 
Provinz eine feste Maximalzahl gesetzt (Dig. XXVII 
1, 41 § 2). Im Consilium des Proconsuls von 
Sardinien erscheinen neben dem Legaten und dem 
Quaestor noch sechs amtlose leute (CIL X 7852) ; 
die Gesamtzahl der C. wird selbst in dieser kleinen 
Provinz wohl betrachtlich grosser gewesen sein. 
Ausser bei dem Kaiser selbst, wovon noch spater 
die Rede sein soU, finden sich C. bei den Pro- 
consuln (Dig. XLVHI 19, 6 § 1. L 5, 12 § 1), 
den kaiserlichen Legaten (Dig. I 22, 4. IV 6, 32. 
XIX 2, 19 § 10. L 5, 12 §1) und Procuratoren 
(Dig. L 5, 12 § 1), also nur bei solchen Beamten, 
die selbstandig an der Spitze einer Provinz stehen. 
Denn unter den Procuratoren werden nur diejeni- 
gen zu verstehen sein, die keinen Legaten neben 
sich hatten, wie die ritterlichen Statthalter von 
Raetien oder Noricum. Diese C. beziehen feste 
Gehalter (Dig. I 22, 4. XIX 2, 19 § 10. L 13, 
1 § 8) und muss en daher von den Proconsuln 
beim Aerarium, von den Legaten und Procura- 
toren bei den Beamten der kaiserlichen Rechnungs- 
arater angemeldet werden (Dig. IV 6, 32). Auch 
ihnen ist, wie den Statthaltern selbst, das Be- 
treiben von Geldgeschaften innerhalb ihrer Pro- 
vinz verboten (Dig. XII 1, 33), und sie unterliegen 
der Anklage de repetundis (Dig. XL VIII 11,1.5 
Plin. epist. VI 22). 

Dass auch die Gesandten C. besassen, ist wahr- 
scheinlich, aber nicht ilberliefert. Denn Dig. 
XL VIII 6, 7 sind Gesandte fremder Volker oder 
Stadte gemeint, deren Begleiter nur das Volker- 
recht, nicht das rOmische Staatsrecht angehen. 
Auf Inschriften kommt der C.-Titel bei Unter- 
gebenen von Proconsuln oder Legaten nur fiinfmal 
vor (Dessau 1404. CIL II 2415. HI 253. 430 
6079. — CIL X 352 und 371 ist Comes nicht Titel, 
sondern Cognomen), was ganz undenkbar ware, 
wenn alle die Unzahligen, die wahrend der Kaiser- 
zeit Statthalter in ihre Provinzen begleiteten, 
ihn sich hatten beilegen dtirfen. Dies ist schon 
deshalb un wahrscheinlich, weil sie officiell ja gar 
nicht comites, sondern amid hiessen. Da auch 
dieses Wort auf Inschriften nicht im titularen 
Sinne erscheint, wird man schliessen mfissen, dass 
die Stellung des gewohnlichen C. einen zu pri- 
vaten Charakter hatte, urn neben den staatlichen 
oder municipalen Wurden verzeichnet zu werden. 
Jene vereinzelten C. mOchte man auf ein viel 
hoheres und daher auch selteneres Amt beziehen. 
Nun befand sich unter den Begleitern des Statt- 
halters jedesmal einer, der eine ganz singulare 
und hervorragende Stellung einnahm; das war 
sein juristischer Berater, der Adsessor (s. Bd. I 
S. 423ff.). Dieser erscheint in den ersten drei 
Jahrhunderten nur einmal auf einer griechischen 
Inschriftals vo/uxog ovyttd&edgos (CIL VIII 1640), 
niemals auf lateinischen . ausser in der Verbin- 
dung comes et adsessor (Dessau 1404). Da es 
kaum denkbar ist, dass ein so wichtiges und ein- 



625 



Comites 



Comites 



626 



flussreiches Amt mit Ausnahme dieser ganz ein- 
zeln dastehenden Falle ohne jeden titularen Aus- 
druck blieb, so wird man annehmen miissen, dass 
auch dort, wo der C. ohne weiteren Zusatz bei 
Statthaltern auftritt, der Adsessor darunter zu 
verstehen ist. 

C. Inschriftlich begegnen uns bei den Kaisern 
selbst vor der Zeit des Claudius gar keine C, 
wohl aber bei kaiserlichen Prinzen (Dessau 
946. 964) und einzelnen sehr vornehmen Privat- 10 
personen (CIL X 1468; vgl. Senec. epist. 122, 
12). In einem Falle ist hier die Annahme ganz 
ausgeschlossen , dass der betreffende C. Reisebe- 
gleiter oder Adsessor wahrend eines Provincial- 
amtes gewesen sei, namlich bei P. Plautius Pul- 
cher comes Drusi fili Germanici. Denn der 
ungliickliche Sohn des Germanicus hat es zu keinem 
heheren Staatsamt gebracht, als zur praefectura 
tirbi feriarum latinarum causa (Dessau 186. 
Tac. ann. IV 36). Er ist schon in fruher Jugend 20 
eingekerkert und dann zu Tode gequalt worden ; 
eine Reise in die Provinz hat er nie unter- 
nommen (Dessau Prosopogr. imperii Rom. II 178). 
Hier kann also C. nur in seinem allgemeinsten 
Sinne als ,Freund und Genosse' aufgefasst werden, 
ein Titel, der fur Pulcher urn so passender er- 
scheint, als er aus sehr vornehmer Familie, mit 
dem Kaiserhause verschwagert und dem Drusus 
ziemlich gleichalterig war (Prosopogr, m 45). 

Ahnlich, wenn auch etwas verschieden, diirfte 30 
es aufzufassen sein, wenn Sex. Palpellius Hister 
comes Tiberii -Caesar is Augusti datus ab divo 
Augusta genannt wird (Dessau 946). In diesem 
Falle ist es freilich nicht unmOglich, dass Hister 
dem Prinzen bei einem seiner Feldziige als Be- 
gleiter mitgegeben war. Um seine SteUung zu 
erklaren, hat man auf M. Lollius hingewiesen, 
der den jungen Gains Caesar nach Armenien be- 
gleitete. Von ihm sagt Vellei. II 102, 1 : quern 
veluti moderatorem iuventae filii sui Augustus 40 
esse voluerat, und Suet. Tib. 12 nennt ihn eomes 
et rector des Prinzen, so dass bei diesem Manne 
sowohl der C.-Titel als au<Jh die nahere Bestim- 
mung datus ab divo Augusto wiederzukehren 
scheint. Aber die Analogie ist doch nur eine 
scheinbare; denn Lollius war als reifer Mann 
einem Jiingling zum Leiter und Berater gesetzt, 
wahrend Hister viel junger gewesen sein muss 
als Tiberius. Erst nachdem dieser 37 im hochsten 
Greisenalter gestorben war, bekleidete er 43 das 50 
Consulat und war noch 50 Statthalter von Pan- 
nonien. Comes Tiberii war er noch vor dem 
Militartribunat , d. h. ungefahr als Zwanzigjah- 
riger (Prosopogr. Ill 8). Der C.-Titel ist also 
in dieser friihesten Zeit, wo er auf Inschriften 
erscheint, ebenso vieldeutig, wie der Begriff des 
Genossen. Bei Plautius bezeichnet er den Jugend- 
gefahrten, bei Lollius den verantwortlichen alteren 
Ratgeber, bei Hister den jungen Begleiter. An 
eine Reise oder einen Kriegszug kann er sich an- 60 
lehnen, doch ist dies keineswegs notwendig. 

Dieselbe allgemeine Bedeutung hat er wohl 
auch bei L, Ausidius Montanus comes C. Calvisi 
Sabini (CIL X 1468). Denn wahrend bei den 
spateren Adsessores immer das Provincialamt ihres 
Vorgesetzten genannt ist, an das sich ihre C- 
stellung kniipft, fehlt hier jeder derartige Zusatz, 
ein sicheres Zeichen, dass sie sich in diesem Falle 



auf die Person des vornehmen Herra — er war 
Consul 26 n. Chr. — , nicht auf irgend ein Amt 
desselben bezieht. Aucli bei Varus, eques Ro- 
manus, M. Vinidi comes (Senec. epist. 122, 12) 
kann schon deswegen von keiner bestimmten Reise- 
begleitung die Rede sein, weil die Anekdote, in 
welcher er als handelnde Person erscheint, sich 
in Rom selbst abspielt. Denn wenn gemeint ware, 
dass er vorher dem Vinicius bei irgend einer Pro- 
vincialverwaltung zur Hand gewesen sei, so miisste 
es doch heissen qui M. Vinidi comes fuerat. 
In alien diesen Fallen bezeichnet also der C.- 
Titel kein Mitglied der cohors amicorum, sondern 
einen persOnlichen Freund. Auf seinen Inschriften 
riihmt man sich einer solchen Stellung naturlich 
nur dann, wenn man dadurch mit einem Manne 
sehr hohen Ranges verbunden ist. Doch einen 
comes Augusti kann es noch nicht geben, weil 
es bei jedem Privatmanne Anmassung ware, wenn 
er sich in diesem Sinne als einen ,Genossen' des 
Kaisers selbst bezeichnen wollte. 

D. Comites Augusti erscheinen znerst unter 
Claudius (Dessau 206. 986), sind aber auch jetzt 
viel zu selten, als dass man annehmen kOnnte, alle 
Mitglieder der cohors amicorum seien zur Ftih- 
rung dieses Titels berechtigt gewesen. Alle die 
Zahllosen, die in comitatu principis sind (Dig. 
XXIX 1, 43), heissen C. Augusti wohl in derRede- 
weise des gemeinen Lebens, aber nur einzelne 
von ihnen im offlciellen Sprachgebrauch. Denn 
bis zum Tode des Pius, d. h. wahrend mehr als 
eines Jahrhunderts, finden sich nur sieben Manner, 
denen dieser Titel auf Inschriften beigelegt wird 
(Dessau 206. 308. 986. 1019. 1068. 1069. CIL 
X 1258). Als dem Claudius hinterbracht wird, 
dass gewisse Grundstiicke dem Fiscus gehoren, da 
schiekt er den Iulius Planta, amicum et comitem 
meum, an Ort und Stelle, um dort zu priifen, lasst 
sich dann durch ihn ein Rechtsgutachten {commen- 
tarius) ausarbeiten und endlich auf Grand dessel- 
ben von ihm die Entscheidung fallen (Dessau 
206). Er benutzt ihn also durchaus als Kronjuristen. 
Es diirfte daher kaum zufallig sein, dass die 
Adsessoren der privaten Magistrate (Senec. de 
tranq. an. 3, 4), die ja auch den C.-Titel fuhren, 
und die C. Augusti ganz gleichzeitig in den 
Quellen zuerst auftreten. Wie jene die juristi- 
schen Ratgeber ihrer Vorgesetzten sind, so wahr- 
scheinlich auch diese. In Rom brauchte der 
Kaiser einen solchen Beamten nicht, weil es dort 
Rechtskundige in Fulle gab, unter denen er fiir 
jeden einzelnen Process die Wahl hatte. Ver- 
liess er aber die Hauptstadt, so musste er dafiir 
sorgen, dass ein erprobter Jurist in seiner Um- 
gebung war. So nahm schon Tiberius, als er 
nach Capri ging, nur einen Senator mit sich, und 
dies war der beruhmte Rechtsgelehrte M. Coc- 
ceius Nerva (Prosopogr. I 428), der jedenfalls die 
Pflichten eines comes et adsessor erfullte, obgleich 
er zu jener Zeit den Titel noch nicht fuhrte. 
Seit Claudius erscheint er nur, wenn der Kaiser 
von Rom abwesend ist, meist in der Provinz 
(Dessau 986: legato et comiti Claudii Caesaris 
in Britannia. 1019 : comiti Imp. Caesaris Ner- 
vae Traiani Augusti Germanici Dacici, durn 
exercitus suos- circum.it. 308 : quaestori impe- 
ratoris Traiani et comiti expeditionis Dacicae. 
1068: comiti dim Hadriani in Oriente; vgl. 



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Comites 



Comites 



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Comites 



Comites 



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1069) ; doch auch wahrend eines Landaufenthalts 
in Eaiae hat Claudius einen C. bei sich (Dessau 
206), und einer scheint unter Titus fungiert zu 
haben, der Italien wahrend seiner ganzen Regie- 
rung nie verlassen hat (GEL X 1258). Dieser 
bringt denn auch seine Stellung mit keiner ex- 
peditio des Kaisers in Verbindung, offenbar weil 
wohl die Erwahnung eines Feldzugs oder einer 
weiten Reise als ehrenvoll gelten konnte, nicht 



3. Jhdts. ihren festen Platz in der Nahe des Kaiser- 
zeltes (Ps.-Hygin. de mun. castr. 10. 33. 39). 
Hiiuflg fuhren sie Detachements (Dessau 1098. 

1141. 1142. 1159) und erhalten meist, nachdem 
sie ihre Stellung als C. niedergelegt haben , Com- 
mandos am Rhein (Dessau 1081. 1182), an der 
Donau (Dessau 1081. 1094. 1097. 1098. 1141. 

1142. 1159. Seeck Geschichte des Untergangs 
der antiken Welt 12 §72), in Mauretania Tingi- 



aber einer schlichten Villeggiatur. Die grosselOtana (Dessau 1353), kurz in solchen Provinzen, 

HnH "" v, " if * ar ° ™ ;,, '" — r/ " :i -" v " : - i J * die den Einfallen der Barbaren besonders ausge- 

setzt waren und deshalb hervorragende militari- 
sche Tiichtigkeit ihrer Statthalter brauchten (vgl. 
Hist. Aug. Ver. 7, 8). Die niederen Rangklassen 
des Senats, deren Mitglieder noch keine Gelegen- 
heit hatten, sich als Feldherrn zu bewahren, ver- 
schwinden jetzt ganz aus den C. Neben den Prae- 
toriern und Consularen treten freilich auch zwei 
Ritter auf; aber von diesen ist der eine vorher 



Seltenheit der C. in dieser Zeit scheint darauf 
hinzuweisen, dass, wie jeder rechtsprechende 
Beamte nur einen Adsessor hatte, so auch der 
Kaiser bei jeder Reise nur einen C. Wenn zwei 
Briider oder Vettern bei Hadrians Orientreise er- 
scheinen, so kann dies Ausnahme sein ; doch ist 
es auch mCglich, dass sie einander in der juristi- 
schen Beratung des Kaisers abgelOst haben (D e s s a u 
1068. 1069). Die C. Augusti sind in der Regel 



Senatoren, aber da es bei ihnen mehr auf die 20 praefeetus legionis gewesen (Dessau 1353), eine 



Rechtskunde, als auf die Wurde ankommt, ge 
hOren sie den verschiedensten Rangklassen an ; 
wir finden drei Praetorier (Dessau 986. 1019. 
1069), einen Aedilicier (CIL X 1258), einen Quae- 
stor (Dessau 308) und einen, der noch vor der 
Quaestur steht (Dessau 1068); einer scheint 
sogar nur Ritter zu sein (Dessau 206). Zwei 
sind Anverwandte des Kaiserhauses (Dessau 308. 
986), darunter auch Hadrian, der bei seinem Vor 



Stellung, die man nur erprobten, alten Soldaten 
zu verleihen pflegte, und von dem andern (CIL 
VIII 16809) wird man Ahnliches vorauszusetzen 
haben. Durch Marcus ist also der C. aus einem 
juristischen Berater zum Mitglied des General- 
stabs geworden. 

Den Grand fur diese Neuerungen des Marcus 
bot wohl sein nicht ganz unberechtigtes Miss- 
trauen in die Feldherrngaben seines Mitregenten. 



ganger die Stellungen eines Quaestor und eines 30 Schon die Adsessoren der Magistrate waren , weil 



C. cumulierte, 

Unter Marcus andert sich die Bedeutung des 
Amtes, was namentlich darin zum Ausdruck kommt, 
dass aus seiner 19 jahrigen Regierung allein ebenso 
viele C. iiberliefert sind, wie aus den vorhergehenden 
120 Jahren (Dessau 1081. 1094. 1097 = 1098. 
1100. 1112. 1117. CIL XII 2718). Auch spater 
bleiben sie relativ haufig (unter Severus Dessau 
456. 1141 = 1142. 1145. 1353; unter Caracalla 



sie aus freier Wahl ihrer Vorgesetzten hervor- 
gingen, meist ihre personlichen Vertrauten, die 
nicht nur in juristischen Fragen, sondern bei 
alien Angelegenheiten von Wichtigkeit um Rat 
angegangen wurden; waren also die Anfgaben 
des Beamten kriegerische , so konnte auch der 
Rechtsgelehrte zum Kriegsrat werden. Dasselbe 
wird auch bei dem C. des Kaisers der Fall ge- 
wesen sein. Als nun L. Verus die Fuhrung in 



Dessau 1159; unter Elagabalus Dessau 1329 ; 40 dem gefiihrlichen Partherkriege iibernahm, mochte 



unter Alexander D"essau 1182 ; aus unbekannter 
Zeit, aber nicht vor dem Ende des 2. Jhdts. CIL 
V 5811. VIII 597. 16809), bis sie nach Alexander 
Severus ganz verschwinden. Denn dass Pom- 
ponius Bassus (CIL VI 3836) nicht der Consul 
der Jahre 258 und 271 sein kann, weil seine 
Stadtpraefectur im Chronographen von 354 nicht 
erwahnt wird, hat Mommsen (Ephcm. epigr. I 
p. 139) gezeigt; er dtirfte also auch noch dem 



es Marcus angemessen scheinen, seine militarische 
Schwiiche durch die Tiichtigkeit seiner Ratgeber 
zu stiitzen. Da eine Commission erprobter Offi- 
ciere ihrer Meinung jedenfalls leichter Gewicht 
verschaffen konnte, als ein einzelner Mann, wurde 
dem Kaiser eine Mehrzahl von C. zur Seite ge- 
stellt. Bei dieser grosseren Anzahl konnte man 
aber nicht mehr juristische Kenntnisse verlangen, 
weil diese in der romischen Aristokratie viel zu 



Anfang des 3. Jhdts. angehSren. Marcus scheint 50 sparlich gesat waren. Daher ging die Rechts 
danach aus dem Einzelamt des kaiserlichen Ad- ' * ' " ' .,.-.-. 

sessor ein grfisseres Beamtencollegium gemacht 
zu haben, und dem entspricht es, dass zuerst in dieser 
Zeit adleeti inter comites Augustorum nostrorum 
auftreten (Dessau 1353. CIL VIII 597), was 
eine gleichzeitig vorhandene Mehrzahl voraussetzt. 
Vorher haben wir sie wohl juristisch thatig 
gefunden, aber niemals militarise]}. Denn wenn 
Hadrian bei dem dakischen Feldzuge Traians die 



belehrung des Kaisers von dem C. auf den Con- 
siliarius iiber, der unter Marcus zum erstenmale 
auftritt (s. Consistorium). 

Unter Alexander Severus lasst sich diese neue 
Comitiva zuletzt nachweisen. Sein Nachfolger 
Maximinus Thrax war ein derber Haudegen, der 
zum Sen at in bewusstem Gegensatze stand und 
die Mitglieder des Reichsadels mit Misstrauen 
verfolgte (Seeck Die Entwicklung der antiken 



dona miUtaria, erhalt. so ist zu beriicksichtigen, 60 Geschichtschreibung 209). Am wenigsten wird 



dass er nicht nur C, sondern zugleich auch Quae 
stor des Kaisers war (Dessau 308) und als sol- 
dier die Dienste eines Unterfeldherrn leisten 
nmsste. Spater dagegen werden sie sehr oft in 
dieser Weise ausgezeichnet (Dessau 1094. 1097. 
1098. 1112). Im parthischen Feldzuge des L. 
Verus erscheinen sie als sein Kriegsrat (Hist. 
Aug. Ver. 7, 6) und haben im Feldlager des 



er sich in seine kriegerischen Operationen von 
den hochgeborenen Herren haben dreinreden lassen, 
und nachdem er die Comitiva beseitigt hatte, 
hielten seine Nachfolger sie nicht mehr fur er- 
forderlich. Ging doch der ganze Zug der Zeit 
nach der Richtung, die Senatoren mehr und mehr 
aus alien Stellungen von militarischer Bedeutung 
zu verdrangen. 



i 



E. Nachdem der Comes Augusti aus der als Erneuerer des Altertums preisen zu lassen. 
menschlichen Titulatur verschwunden ist, erscheint Wie er in diesem Sinne seinen patricius, seinen 
er sehr bald in der gOttlichen. Zwar kommt schon magister equitum, seinen quaestor den Annalen 
unter Commodus auf einer sehr seltenen Miinze ein der Republik oder der ersten Kaiserzeit entlehnte, 
Herouli comiti vor (Cohen 186); doch bleibt dies so erweckte er auch die untergegangene Comi- 
Beispiel noch ganz vereinzelt. Als regelmassige tiva zu neuem Leben. Das Amt hat noch unter 
Mflnzlegende findet sich der Getterbeiname Comes ihm selbst mannigfache Veranderungen erfahren, 
erst seit Gallienus (Cohen 975. 978) und zwar um dann in der Beamtenhierarchie des sinkenden 
bei folgenden Gottheiten, die wir in alphabeti- Romerreiches eine der charakteristischsten Er- 
scher Reihenfolge aufzahlen: 10 scheinungen zu bilden. 

Apollo: Cohen Carausius 16. In der ersten Zeit, die nur drei Jahre dauert 

Dioscuren: Cohen Constantius Chlorus 14; und mit dem Kriege gegen Licinius vom J. 314 

vgl. Diocletian 23; Maximian 39; Constantius 13; endet, lautet der Titel: Comes domini nostri 

Galerius 17, wo die beiden Reiter auf den Miinzen, Constantini Augusti (Dessau 1213. 1214. 1216). 

wie die Abbildung beweist, jedenfalls nicht die Er wird also nicht, wie spater, mit den Kaisern 

Kaiser, sondem die Dioscuren sind. in ihrer Gesamtheit, sondern nur mit der Person 

Hercules: Cohen Postumus 15. 113; Tetricus des einzelnen Kaisers in Zusammenhang gebracht. 

Sohn 14; Probus 108— 110; Maximian41. 230— Die drei Personen, bei denen er uberliefert ist, 

232 ; Constantius 143 ; Severus 47 ; Maximums sind alles Manner von bedeutender Vergangenheit, 
103; Maxentius 76—80; Constantinus 272. 273; 20 zwei davon Consulare, einer Ritter, doch wird 

vgl. CIL VI 305. dieser gleich nach seiner Comitiva inter consu- 

Mars: Cohen Victorinus 13— 15; Constantius lares adlegiert. Rufius Volusianus hat, nach der 

9 ; Galerius 12. 13 ; Maxentius 82—86. 95. Zeit seines Amtes zu schliessen, den Kaiser wahr- 

Minerva: Cohen Tetricus Sohn 7; Probus scheinlich bei dem Germanenkriege des Jahres 313 

102—107; Diocletian 21. 22; Maximian 34—38; begleitet, und vor dem Einfall Constantins in 

Carausius 22; Allectus 3; Constantius 10—12; Italien erscheinen seine C. als Mitglieder seines 

Galerius 14 — 16. Kriegsrats und werden in dieser Eigenschaft vor 

Mithras s. Sol invictus. den Duces genannt, scheinen also vornehrner zu 

Neptunus:CohenPostumus204;Carausius23. sein, als diese (Eumen. paneg. IX 2). Die Co- 

Serapis: Cohen Gallienus 975; Postumus 30 mitiva hat danach in allem Wesentlichen den- 

357—360. selben Charakter, den ihr Marcus seiner Zeit ver- 

Sol invictus: Cohen Gallienus 978; Probus liehen hatte, nur darin bietet sie Neues, dass die 

639; Maximinus 4. 5. 166—176; Licinius 3—5. C. nicht nur den Generalstab des Herrschers bilden. 

161—164; Constantin 39—54. 316. 504—506. Caelius Censorinus (Dessau 1216) nennt sich 

509. 51 1—549 ; Crispus 136. 137 ; Constantin Sohn namlich comes domini nostri Comtantini maximi 

182—186; vgl. CIL X 5331. Augusti et exactor auri et argenti provinciarum 

Victoria: Cohen Postumus 370; Victorinus trium, d. h. er hatte von Constantin den Auf- 

16—20; Tetricus 15—20; Tetricus Sohn 4—6; trag erhalten, fur die Ausgaben von dessen De- 

Carausius 24—27; Allectus 4; vgl. Not. d. scavi cennalien, die 315 gefeiert werden sollten, eine 
1891, 251. 40 ausserordentliche Gold- und Silbersteuer in Sici- 

E*s ist charakteristisch, dass Iuppiter zwar lien, Sardinien und Corsica beizutreiben (s. Col- 

sehr oft als Conservator Augusti, aber niemals latiolustralis). Wir finden also schon in dieser 

als Comes Augusti auftritt. Bei dem hOchsten ersten Periode einen C, der in besonderer Mission 

aller Getter erschien dem frommen Sinne jener vom Hof lager in die Provinz geschickt wurde, 

Zeit die Genossenschaft eines Menschen denn doch ein Pracedenzfall, der fur die Folgezeit bedeu- 

herabwiirdigend. Um so melir ist Hercules be- tungsvoll werden sollte. 

vorzugt, weil er als gottgewordener Held den In der zweiten Periode heisst der Titel, so- 

Kaisern am nachsten verwandt zu sein schien. lange Constantin und Licinius allein regieren (315 

Ausserdem stehen naturgemass die kriegerischen -317), comes Augustorum nostrorum (Dessau 
Numina an erster Stelle, namentlich die Mode- 50 1217), nachdem sie ihre Soline zu Caesaren er- 

gottheit jener Spatzeit, der Sol invictus. Neptun nannt hatten (317— 324), wahrscheinlich comes 

bezieht sich bei Carausius sicher, bei Postumus dominorum nostrorum Augustorum et Caesarum, 

wahrscheinlich auf einen Flottensieg. nach dem Sturze des Licinius (324) comes domi- 

Die g6ttlichen C. finden sich noch bei Cri- norum nostrorum Augusti et Caesarum (Dessau 

spus und Constantin II., die 317 Caesares wur- 1223) oder comes Flavialis (Dessau 1224). Der 

den, aber nicht mehr bei Constantius II., der C. gehOrt nicht mehr zu einer einzelnen Person, 

324 diese Wurde empfing. In der Zwischenzeit sondern zu alien Kaisem, oder als diese in ihrer 

muss also Constantin der Grosse aufgehGrt haben, Gesamtheit der flavischen Familie angehoren, zu 

mit dieser Art von Legenden zu miinzen. dem Herrscherhause als solchem. In dieser Pe- 

F. Schon etwas fruher sind die menschlichen 60 riode , die ungefahr mit dem J. 325 geendet zu 
C. wieder eingefuhrt worden, aber doch erst, als haben scheint, erfahrt die Comitiva ihre Ausbil- 
die iibennenschlichen fur den Kaiser ihre Bedeu- dung zum entscheidenden Factor im Organismus 
tung verloren, d. h. als er begann, sich dem Chri- der Reichsverwaltung. Zunachst wird sie ihm 
stentum zuzuwenden. Zuerst erscheinen sie im noch nicht fest eingegliedert, sondern die C. sind 
J. 312, unmittelbar vor dem Angriff aufMaxen- einfach Vertrauensleute des Herrschers, denen er 
tius, dessen Verlauf die voile Bekehrung Constan- je nach Bedflrfms dieses oder jenes Geschaft 
tins herbeifuhrte (Eumen. paneg. IX 2). Er liebte ubertragt. Als er aber Kinder zu Caesaren er- 
es gleich den meisten Herrschern jener Zeit, sich nennt und sie auch bald mit der selbstandigen 



631 



Comites 



Comites 



632 



Verwaltung ausgedehnter Reichsteile betraut, da 
findet ev das Werkzeug Hirer Leitung in seinen 
C. Hierdurch nun wird es erforderlich, ihre Com- 
petenzen fest zu regeln, da die Knaben noch nicht 
•die Einsicht besitzen kOnnen, die Verteilung der 
■Geschafte unter sie immer neu nach den Forde- 
rungen des Augenblicks zu gestalten. So ent- 
stehen diejenigen Amter, die spater der byzan- 
tinischen Verwaltung ihr Geprage geben sollten, 
zunachst wohl fur den Hof der Caesares ; aber 
da sie sich hier als praktisch erwiesen, fibernahmen 
sie die Augusti aucb fur den ihrigen. 

Zuerst, d. h. schon im J. 316 (Cod. Theod. 
IX 1, 1. XII 1,4), treten in dieser Periode die- 
jenigen C. auf, die Constantin selbst comites qui 
per provincial constituti sunt oder comites pro- 
vinciarum nennt (Cod. Theod. I 16, 6. 7). Pas- 
sender warden sie comites dioecesium heissen, 
■da jeder von ihnen eine ganze Dioecese unter 
sich hat. Wenn ihnen dieser Titel nicht beige- 
legt wird, so folgt daraus, dass nicht ihr Amts- 
bezirk bei ihnen als das Wesentliche erscheint, 
sondern nur der Umstand, dass sie, dem Hofe 
fern, an den die ,Genossen' des Kaisers doch eigent- 
lich hingehfiren, in der Provinz zu thun haben. 
Sie treten nur unter Constantin dem Grossen auf 
und auch da sehr unregelmassig. In Africa z. B., 
tiber das die Uberlieferung so reich ist, dass der 
Liste der Proconsuln und Vicare nicht sehr viel 
zur Vollstandigkeit fehlt, finden sich nur zwei C. 
dieser Art (Cod. Theod. XII 1, 15. 5, 1. Passio 
SS. Donati et Advocati 2 = Migne L. 8, 753), 
wohl ein sicheres Zeichen dafiir, dass ihr Amt 
kein standiges war. Dazu kommt, dass sie mit 
Ausnahme von Makedonien (Cod. Theod, XI 3, 
2) nur in solchen Dioecesen vorkommen, die Con- 
stantin nie persOnlich besucht hatte, namlich in 
Spanien (Cod. Theod. VIII 12, 5. 18, 3. XI 39, 
2. 1X1,1. XII 1,4. Cod. lust. VI 1,6), Africa 
(Cod. Theod. XII 5, 1). Asia (Cod. Theod. II 26, 
1) und dem Oriens (Euseb. vit. Const. Ill 53. 62. 
Dessau 1224. 1225. Athan. apol. c. Ar. 8 9 
28. 71 = Migne G. 25, 26]. 264. 293. 373 und 
sonst). Danach seheint eine ihrer wesentlichsten 
Aufgaben gewesen zu sein, dem Kaiser liber 
die Zustande von Landern zu berichten , die 
•er nicht selbst durch den Augenschein ka'nnte. 
Wenn schon dies sie als ausserordenttiche Send- 
linge des Hofes charakterisiert, so nicht minder 
ihr verschiedener Rang. Octavianus ist vorher 
Corrector gewesen (Zeitschr. d. Savigny-Stiftung 
f. Rechtsgesch. Eom. Abt. X 208), Dionysius und 
Lollianus Consulares (Euseb. vit. Const. IV 42. 
Dessau 1224. 1225), Acacius and Strategius 
werden viri clarissimi (dtoarjfiozaTot) genannt 
(Euseb. vit. Const. Ill 62), gehSren alsogleich- 
falls dem Senat an ; dagegen ist Tertullianus vir 
perfectissimus, d. h. Bitter (Cod. Theod. II 26. 
1), und die verschiedenen Stande l6sen sich nicht 
etwa ab, sondern laufen zeitlich durcheinander. 
Ein ordentliches Amt aber pflegt auch mit einem 
feststehenden Kange versehen zu sein, wahrend 
bei Vertrauensmannern des Kaisers, die zu ge- 
legentlicher Inspection in die Provinzen geschickt 
wurden, es begreiflicherweise mehr auf die Per- 
sSnliehkeit, als auf den senatorischen oder ritter- 
lichen Stand ankam. Obgleich die tberlieferung 
iiber die comites provinciarum. nicht sehr reich 



ist, finden wir doch ein paarmal denselben Mann 
nacheinander in verschiedenen Dioecesen thatig, 
so Tiberianus zuerst in Africa (Cod. Theod. XII 
1, 15. 5, 1), dann in Spanien (Cod. lust. VI 1, 
6), Acacius zuerst in Makedonien (Cod. Theod. 
XI 3, 2), dann im Oriens (Euseb. vit. Const. Ill 
53. 62) ; auch dies entspricht der Stellung einer er- 
probten V ertrauensperson. GewOhnlich erscheinen 
sie einzeln, mitunter aber wirkten auch zwei zu- 
lOsammen (Euseb. vit. Const. Ill 62), kurz alles 
zeigt an ihnen den schwankenden Charakter des 
ausserordentlichen Amtes. 

Die comites provinciarum sollen die ordent- 
lichen Statthalter beaufsichtigen, Klagen, die liber 
ihre Bedrtickungen einlaufen, concurrierend mit 
den Praefecti Praetorio annehmen (Cod. Theod. 
I 16, 7) und fiber die Acclamationen, durch wel- 
che die Unterthanen ihrer Zufriedenheit oder Un- 
zufriedenheit mit der Provincialverwaltung Aus- 
20 druck gaben, an den Kaiser berichten (Cod. Theod. 
I 16, 6). Man kann von den Urteilen der statt- 
halterlichen Gerichte an sie appellieren, worauf 
sie_ anfangs inappellabel zu entscheiden haben, 
weil sie ja die Person des Kaisers vertreten {vice 
sacra indicant) ; doch wurde im J. 331 auch von 
ihnen Berufung an den Herrscher selbst gestattet 
(Cod. Theod. XI 30, 16. 34, 1). Dieser richter- 
lichen Thatigkeit entspricht es, dass vielfach Ge- 
setze fiber das Civilrecht (Cod. Theod. II 26 1 
30 VIII 12, 5. 18, 3. 4. XI 3, 2. 39, 2. Cod. lust. 
VI 1, 6) oder das Criminalrecht (Cod. Theod. IX 
1,1) an sie gerichtet werden, die wohl zum Teil 
Antworten auf Eelationen der C. darstellen. Sie 
besorgen auch die Zerstorung heidnischer Heilig- 
tiimer (Euseb. vit. Const. Ill 53), praesidieren 
christlichen Synoden und greifen in die Streitig- 
keiten der Secten entscheidend ein (Euseb. vit. 
Const. Ill 62. Athan. apol. c. Ar. 8. 9. 28. 71 
72. 78. 79 = Migne G. 25, 261. 264. 293. 373. 
40 377. 389. 392). Wenn der comes Orientis sich aus 
einem zeitweiligen Sendling des Kaisers als ein- 
ziger unter den comites provinciarum zum stan-. 
digen Beamten ausgebildet hat, so mag dies seinen 
Grand darin haben, dass der Arianische Streit 
hier immer zu neuen Wirren Anlass gab, und so 
gerade in dieser Dioecese die Anwesenheit eines 
kaiserlichen Stellvertreters mit grfisserer Autoritat, 
als die ordentlichen Beamten sie besassen, dauernd 
unentbehrlich schien. 
50 Wahrend die comites provinciarum unter 
Constantin noch ihren ausserordentlichen Cha- 
rakter behalten, werden am Hofe die Competenzen 
der einzelnen Comites bald fest geordnet. Zu- 
nachst wird auch fur sie die Scheidung in mili- 
tarische und civile Amter durchgefuhrt und in 
jeder der beiden Abteilungen vier Manner als 
die vornehmsten an die Spitze gestellt. Bei den 
Militars sind dies: 

der comes et magister equitum, 
60 der comes et magister peditum, 
der comes domesticorum equitum, 
_ der comes domesticorum peditum; 
bei den Civilcomites : 

der comes et quaestor (Dessau 1255. Cod 
Theod. I 1, 6 § 2. 8, 2. Nov. Theod. I 7), 

der comes et magister officiorum (Cod. Theod 
I 8, 3. 9, 1. VI 29, 10. 33, 1. VII 8, 15. VIII 
5, 8. IX 38, 11. Cod. lust. I 31, 3), 



633 



Comites 



Comites 



634 






der comes saerarum largitionum, 

der comes re/rum privatarum. 
Diese letzten vier werden manchmal unter dem 
Namen comites consistoriani zusammengefasst 
(Cod. Theod. VII 8, 3; vgl. VI 30, 1. 4. IX 14, 
3 pr.), ein Zeichen dafiir, dass bei ihnen die Zu- 
geherigkeit zum Rate des Kaisers, d. h. die Qua- 
litat des C, das Ursprungliche ist und die Er- 
teilung einer bestimmten Competenz das Secun- 



vgl. 709). Vielleicht hangt diese Neuerung damit 
zusammen, dass im J. 325 Constantin und seine- 
Caesaren das Diadem annahmen (Seeck Zeitschr. 
f. Numismatik XXI 27). Mit der Steigerung der 
Kaiserwttrde, die hierin ihren Ausdruck fand, 
mochte es unvertraglich scheinen, noch von pri- 
vaten .Genossen' des Herrschers zu reden. Der 
C.-Titel hatte sich zwar schon zu sehr eingebur- 
gert, um ihn ganz wieder abzuschaffen, doch 



dare. Eine Ausnahme macht nur der magister 10 meinte man das Dnangemessene desselben zu mil 



officiorum, der, wie der tribunus stabuli spater 
zum comes stabuli wurde (s. Comes sacri sta- 
buli), so zuerst als tribunus et magister offi- 
ciorum erscheint (Cod. Theod. XVI 10, 1 vom 
J. 320) und dann den Titel eines comes consi- 
storianm erhielt. Dagegen heisst der comes 
rerum privatarum noch 340 in der tfberschrift 
einer Verordnung nur comes schlechthin (Cod. 
Theod. XII 1, 30); erst seit 342 ist sein voller 



dem, indem man seine Verbindung mit dem Kaiser- 
titel aufgab. Gleich nach dem Tode Constantins 
des Grossen begegnet uns zwar wieder ein comes 
Augustorum (Dessau 1230); vielleicht hatte Con- 
stantin II. noch einmal auf die alte Form der Co- 
mitiva zuruckgegriffen. Doch nach seinem friihen 
Ende muss diese Absicht wieder aufgegeben sein; 
jedenfalls kommt Ahnliches spater nicht mehr vor. 
Diese Herabdriickung des C.-Titels mochte auch 



Titel in officiellen Urkunden nachweisbar (Cod. 20 durch die gar zu grosse Freigiebigkeit mitbedingt 



Theod. X 10, 6. 7). Doch haben die Amter selbst 
schon lange vorher bestanden. 

Wie Zosim. II 33, 3 bezeugt, hat Constantin 
der Grosse das Magisterium militum geschaffen, 
wahrscheinlich im J. 318, gleich nach der Er- 
nennung seiner Caesares (Seeck Rh. Mus. XLIX 
210). Nun sind aber jene militarischen C. den 
civilen sowohl in der Vierzahl als auch in der 
Formuliernng ihrer Titel so ahnlich, dass man 



sein, mit der ihn der gutnratige Kaiser nach der 
Besiegung des Licinius (324) zu verteilen begann 
(Euseb. vit. Const. IV 1). Es bildete sich so in 
dieser dritten Periode eine Comitiva aus, die keine 
Vertrauensstellung bei Hofe bedeutete, sondern zu- 
dringlichen Petenten nur noch als leerer Titel ver- 
liehen wurde (s. Codicilli Nr. 5). Ihr Unterschied 
von den wirklichen Hofbeamten bestand aber darin, 
dass sie nicht erst C, sondern sogleich ex comi- 



schon deshalb ihre Entstehung fiir gleichzeitig 30 tibus wurden, d. h. sie bekleideten kein Amt, 



wird halten miissen. Und thatsachlich erscheint 
schon 319 ein- Mann, den Constantin zwar nur 
allgemein vir perfectissimus comes et amicus 
noster nennt, der aber nach dem, was von ihm 
ausgesagt wird, die Functionen eines comes rerum 
privatarum erfiillt haben muss (Cod. Theod. X 
8, 2). Endlich ist ein Mann um 325 im Amte 
gewesen, der sich bald comes dominorum nostro- 
rum Augusti et Caesarum nennt (Dessau 1223), 



sondern erhielten nur Titel und Wiirde, als ob 
sie das Amt friiher bekleidet hatten (Brambach 
CIRh 549. Cod. Theod. XII 1, 41. 75. 109. CIL 
III 1987. 4742. VHI 9255. X 1680. 4755. XI 830. 
Ephem. epigr. V p. 631; djio xouircov CIA III 635). 
Auch lasst sich der C.-Titel mit jedem beliebigen 
Amte verbinden, in der Art, dass er dem Inhaber 
desselben noch besonders verliehen wird (Cod. 
Theod. VI 13 — 17. 20. 21; comes et mechanicus 



bald comes Flavialis (Dessau 1224), bald comes 40 Symm. epist. V 76, 1; rel. 25, 1. 3. 26, 1), ja man 



intra palatium et vice sacra iudicans (Dessau 
1225). Wahrscheinlich ist dies der spatere Quae- 
stor, dessen Hauptaufgabe ja das viee sacra iudi- 
care, d. h. die Auslibung der kaiserlichen Appel- 
lationsgerichtsbarkeit, war. Die Titel, unter denen 
wir sie aus der Folgezeit kennen, waren zwar 
damals noch nicht officiell, wurden aber in der 
Sprache des taglichen Lebens gewiss schon ge- 
braucht und sind ihnen wahrscheinlich von Con- 
stantin selbst beigelegt. 

Auch sonst wurden C. mit den mannigfachsten 
Aufgaben betraut, fur die iiberhaupt ein neues 
Amt erforderlich schien. Vgl. Comes domorum, 
Comes rei militaris (unten Nr. 27. 77). 

Die dritte Periode charakterisiert sich ausser- 
lich dadurch, dass in der Titulatur der C. der 
Zusatz Augusti et Caesarum verschwindet. Be- 
zeichnenderweise hat ihn Lollianus in seiner fruhe- 
st-en Inschrift (Dessau 1223), lasst ihn aber in 



chen Amtern pflegt er so regelmassig hinzugefiigt 
zu werden, dass dadurch z. B. der tribunus stabuli 
dauernd zum comes stabuli wird (s. Comes sacri 
stabuli, u. Nr. 88). Nur die Praefecti praetorio 
und urbis verschonte man mit dieser Ehre, weil 
ihre Amter schon an sich zu vornehm waren, um 
durch Dazutreten eines fremden Titels eine Steige- 
rung erfahren zu kOnnen. Dieser gait, mit einem 
niedrigeren Amte vereinigt, zwar als Ehre und 
50 Scbmuck (Cod. Theod. VI 15), veranderte aber die 
Functionen desselben in keiner Weise, ja anfangs 
erhOhte er nicht einmal seinen Rang. Die Comites 
rei militaris der Notitia dignitatum sind nichts 
anderes als Duces, denen der C.-Titel gewahrt 
ist. Gleichwohl sind sie den Vicarii nachgestellt, 
die den Duces im Range gleichstehen (Cod. Theod. 
VI 16) und ihnen nur deshalb vorangesetzt werden, 
weil es das allgemeine Princip der Notitia ist, die 
civilen Amter vor den militarischen gleicher Wurde 



den spiiteren weg (Dessau 1224. 1225). Man 60 aufzuzahlen. Die Duces mit und ohne C.-Titel 
nennt sich jetzt comes schlechthin, oder man fligt bilden also gemeinsam mit den Vicarii eine unter- 
eine nahere Bestimmung, wie ordinis primi, intra schiedslose Rangclasse. ErstJTheodosius II. raumt 
palatium u. dgl. mehr hinzu, nicht aber den Ge- 
nitiv des Kaisertitels. Das alteste Beispiel eines 
C.-Titels ohne jeden Zusatz bietet L. Nonius Verus, 
der noch vor dem Tode des Crispus, d. h. vor 326, 
Corrector Apuliae et Calabriae war (CIL IX 1115. 
1116) und etwas spater C. wurde (Dessau 1218; 



der Comitiva einen gewissen Einfluss auf den Rang 
ein, aber auch das nur. wenn sie primi ordinis 
ist (Cod. Theod. VI 13. 14, 3. 15—17. 20). 

Denn als Constantin der Grosse durch seine 
gar zu reichliche Verleihung der Comitiva ihren 
Wert so sehr herabgedriickt hatte, fuhlte er selbst 



635 



Comites 



Comites 



das Bedurfnis, zwischen den vornehrneren und den 
geringeren Comites irgend eine Unterscheidung 
herbeizufiihren. Er schuf daher in dieser letzten 
Periode eine eomitiva primi, secundi und tertii 
ordinis (Euseb. vit. Const. IV 1. Cod Theod XII 
1, 26. 127. 189. VI 26, 17 § 1. Dessau i228. 
1231. 1232. 1237. 1238. 1243. 1244. 1253. 1255 
1275. 1284. 2946. CIL VI 1791. IX 1568 u. sonst), 
die sich in den Quellen zuerst nm 330 nachweisen 
lasst (Dessau 1227. 1240). Wie der Kaiser seine 
Neuerungen uberhaupt gerne an vergessene Insti- 
tutionen des romischen Altertums anknupfte, so 
mag auch in diesem Palle eine Erinnerung an jene 
drei Classen von amid, die Sueton (Tib. 46) im 
Gefolge des Tiberius erwahnt, Ton Einfluss ge- 
wesen sein, ja es ist nicht unmoglich, dass Con- 
stantin, der ja viel zu lesen pflegte, sich direct 
aus dem Sueton sein Vorbild entnommen hat. 

Einstweilen blieben freilich alle C., auch wenn 
sie den niedrigeren Rangclassen angehOrten, noch 
sehr ansehnliche Leute. Innerhalb des Consisto- 
riums scheinen anfangs nur die vier grossen Wiir- 
dentrager, der Quaestor, der Magister officiorum, 
der comes sacrarum largitionum und der comes 
rerum privatarum den primus ordo gebildet zu 
haben. Symmachus wurde noch im J. 369 nur 
nrit der eomitiva ordinis tertii in den Kronrat 
aufgenommen, obgleich er schon vorher die Cor- 
rectura Lucaniae et Brittiorum bekleidet hatte. 
Doch spater sinkt die Wurde immer mehr in ihrem 
Werte. Im 5. Jhdt. sind schon alle Consistoriani 
comites ordinis primi (s. Comes consisto- 
rianus. u. Nr. 19) und 436 wird dieser Rang 
sogar den Decurionen grosser Stadte erteilt, nach- 
dem sie ihre municipalcn Pflichten erfiillt haben 
(Cod. Theod. XII 1. 189), und ebenso den pre- 
cipes officii der verschiedenen Statthalter, wenn sie 
ihr Amt niederlegen (Cassiod. var. II 28). Comites 
dieser Art erscheinen CIL V 1658. 6176 VIII 
5353. 8653. X 4500. 7123 und sonst. 

Auch der leere C.-Titel ohne jede amtliche Be- 
fugnis erhielt dadurch einen hohen Wert, dass 
cr von den municipalen Leistungen befreite, was 
ihm iibrigens mit den meisten von Constantin ge- 
schafFenen Titularwurden gemein war. Da nun 
sehr viele bemiiht waren, die Last des Decurio- 
nates abzuschutteln, wurde dazu die Gutmutig- 
keit des Kaisers im weitesten Umfange ausgenutzt. 
Durch Bestechung seiner Hofbeamten gelangte 
man leicht zu einem Titelchen, und das t'ber- 
handnehmen der Befreiungen machte die munici- 
palen Pflichten nur um so schwerer fur diejeni- 
gen, die sich keine solche Vergiinstigung flatten 
erschleichen oder erkaufen konnen , also gerade 
fur die Armsten und Bedurftigsten. Schon Con- 
stantin selbst sah sich daher veranlasst, wenigstens 
die Erblichkeit jener Immunitat fur seine Comites 
und eine Eeihe anderer Wiirdentrager auszuschlies- 
sen |Cod. Theod. XII 1, 14), und als seine Sohne 
znr Regierung gelangten, war es eine ihrer ersten 
Massregeln, dass sie alle jene unverdienten Ehren, 
die ihr Vater so freigebig ausgeteilt hatte. jeder 
Wirkung auf die municipalen Verpflichtungen ent- 
kleideten (Cod. Theod. XII 1, 24—27). Anfangs 
Jiessen sie die leeren Titel noch bestehen (Cod. 
Theod.XII 1,41); spater wurden auch diese fur 
ungiiltig erklart, wenn sie irgendwie erschlichen 
und nicht durch ein nachweisbares Verdienst er- 



636 



637 



Comites 



Comites 



638 



worben waren (Cod. Theod. XII 1, 44). Denn 
auf_ das Princip, dass die Comitiva fiber den De- 
curionenstand erhebe, wollte man nicht ganz ver- 
zichten. obgleich es schon vielfach durchbrochen 
war (Cod. Theod. VI 14, 2). So wird es denn schon 
unter den Sohnen Constantins tlblich, dass den- 
jenigen, welche alle Amter ihrer Curie gliicklich 
hinter sich haben, zum Schlusse als Zeichen ihrer 
Befreiung der Titel ex comitibus verliehen wird 
10(erstes Beispiel vom J. 352 Br am bach CIEh 
549), und Valentinian I. erhob dies zum Gesetz 
(Cod. Theod. XII 1, 75; ygl. 109. 127. 150. 189). 
Dasselbe Vorrecht wird dann auch auf die An- 
gehflrigen anderer Corporationen , denen die Er- 
fiillung bestimmter staatlicher Pflichten aufgelegt 
ist, im J. 417 ausgedehnt (Cod. Theod. XIV 4, 9. 
10 § 2). Diese Art von ex comitibus gehflren 
anfangs alle dem tertius ordo an (Cod. Theod. 
XII 1, 127. XIV 4, 9. 10 § 2), spater werden sie, 
20 wenn auch vielleicht nur in Grossstadten wie Ale- 
xandria, in den primus ordo erhoben (Cod. Theod. 
XII 1, 189). Sie durfen alle beanspruchen, von 
dem Statthalter der Provinz in seinem Secretarium 
mit einem Kuss empfangen zu werden und neben 
ihm Platz zu nehmen (Cod. Theod. XII 1, 109. 
Ephem. epigr. V p. 631). 

Auf diese Weise war ein Amtstitel, den Con- 
stantin erneuert hatte, um die einflussreichsten 
Berater der Krone zu bezeichnen, schon wahrend 
30 seiner eigenen Regierung vOllig auf den Hund ge- 
kommen, und wenige Jahre spater wird er zur 
reinen Quittung, um die Ableistung der Decurionen- 
pflichten zu bescheinigen. Doch wird darum seine 
alte Bedeutung nicht ganz vergessen. Noch am 
Ende des 4. Jhdts. kommt es vor, dass der all- 
machtige Kaisermacher Arbogast sich einfach C. 
nennt, ohne einen Grad oder eine Competenz hin- 
zuzufugen (Dessau 790). Wie unter dem ersten 
Augustus die C. seiner Prinzen zugleich deren 
40 reetores et moderatores waren, so weiss in dieser 
Spatzeit der Lenker des ganzen Staates fur sich 
keinen passenderen Titel zu linden, als den eines 
.Genossen' des Kaisers. So hat der Titel seinen 
Inhalt fortwahrend gewechselt, um am Ende ebenso 
schillernd und unbestimmt zu werden, wie er es 
am Anfang gewesen war. 

Mommsen Herm. IV 120; Memorie dell' In- 
stitute II 303; Ephem. epigr. V p. 634. H. F. 
Hitzig Die Assessoren der romischen Magistrate 
50 und Richter, Miinchen 1893, 25. Grossi-Gondi 
bei Ruggiero Dizionario epigrafico II 468. 

Wir schliessen in alphabetischer Reibenfolge 
die Liste der bezeugten, durch Sondernamen unter- 
schiedenen Comites an; 

1) Comes Aegypti. Die Truppen von Unter- 
agypten werden mindestens bis zum J. 368 durch 
einen Dux befehligt (Athan. vit. S. Anton. 85 = 
Migne G. 26, 961. Larsow Die Festbriefe des 
heiligen Athanasius 35. 37. 42—45). Seit 391 er- 
60 scheint er dann mit dem Titel Comes (Cod. Theod. 
XVI 10, 11), den er auch in der Notitia dignitatum 
(or. XXVIII) fuhrt. Hier heisst er vir spectabiKs 
und ist den Vicarcn und den Duces an Rang gleich- 
gestellt; dagegen wird ihm im J. 413 eine etwas 
hohere Wiirde zugeschrieben , wonach er in die 
Stufe der Proconsules gehflren mfisste (Cod. Theod. 
VI 13). Im J. 468 hat er den Comestitel wieder 
verloren, aber der Ducat von Unteragvpten ist 



mit der Praefectur gemeinsaro demselben Manne 
iibertragen (Cod. lust. I 57, 1. II 7, 13), also 
Militar- und Civilverwaltung wieder vereinigt. Die 
Truppen, die dem Comes Aegypti untergeben waren, 
zahlt die Notitia dignitatum auf; doch ist dabei 
zu beachten, dass sie nicht alle zugleich unter seinem 
Befehl standen, sondern ein Teil vielleicht schon 
untergegangen war, als die andern nach Agypten 
versetzt wurden. So erscheinen die legio quinta 



cati 2 == Migne L. 8, 753. Pallu de Dessert 
58); aber schon um das J. 330 erscheint bei ihm 
der Comestitel (Amm. XXX 7, 3), und zwar ist 
derselbe nicht, wie in Isaurien und Mauretanien, 
dem einzelnen Commandanten als personliche Ehre 
verliehen, sondern gehort notwendig zu ihrer Stel- 
lung. Am deutlichsten spricht sich dieser Unter- 
schied in der Inschrift der Aemilia Andronica aus, 
die sich filia comitis Africae, nurus comitis 



MaceeUmica und die tertia deeima gemitw auch 10 ordinis primi Isauriae duds nennt (CIL VI 



Not. dign. or. XLII 31—39 in Dacia ripensis und 
dilrften von dort erst an den Nil ubergefiihrt sein, 
als ihre alten Standquartiere von den Gothen ein- 
genommen waren. Grossi-Gondi bei Ruggiero 
Dizionario epigrafico II 519. 

2) Comes aerarii s. Comes largitionum 
u. Nr. 50), Comes rerum privatarum (Nr. 79), 

omes sacrarum largitionum (Nr. 84). 

3) C o m e s A f ri c a e. a) Constantin der Grosse 



8 



1674). CTbrigens ist auch der africanische Feld- 
herr comes primi ordinis (CIL VIII 10937). So 
lange er nur Dux war, gehorte er dem Ritter- 
stande an und fuhrte demgemass den Titel vir 
perfectissimus (Ephem. epigr. V 752), als Comes 
wird er Senator und vir clarissimtis (CDL VIII 
10937. Cod. Theod. XI 17, 3) oder nach der Rang- 
ordnung Valentinians I. vir spectabilis (Cod. Theod. 
XVI 2, 31. Not. dign. occ. VII 140. 179. XXV 



pflegte in die einzelnen Dioecesen zeitweilig ausser- 20 19. 37) und stent den Vicaren an Wurde gleich, 



ordentliche Sendlinge mit dem Comestitel zu 
schicken, um die Statthalter zu beaufsichtigen, 
von ihnen Appellationen anzunehmen und fiber 
die Zustande der Provinzen an den Kaiser zu 
berichten (s. o. S. 631f. und u. Comes Orien- 
tis Nr. 64). In dieser Weise erscheinen als C. 
per African! (Cod. Theod. XII 5, 1) ein Leon- 
tius um das J. 320 (Passio SS. Donati et Advo- 
cati 2 = Migne L. 8, 753; vgl. Pallu de 



wie sich aus der Reihenfolge der Amter in der 
Notitia dignitatum ergiebt. 

Die africanischen Militarprovinzen haben in 
der Notitia dignitatum (occ. XXV. XXX. XXXI) 
die Eigentiimlicbkeit, dass unter ihren Befehls- 
habern keine bestimmten TrnppenkOrper genannt 
werden, sondern nur eine Reihe von Praepositi 
limitum. Es scheint danach, dass ihre regel- 
massige Truppenmacht nur in den Milizen bestand, 



Dessert 58) °und Annius Tiberianus 326— 327 30 die in jenen Grenzstrichen als Bauern angesiedelt 



(Cod. Theod. XII 1, 15. 5, 1). Solche ausser 
ordentliche Abgesandte des Kaiserhofes sind viel- 
leicht auch gemeint, wenn sich zwischen 351 und 
354 ein africanischer Stadtrat rtihnit, er habe seine 
Mauern hergestellt cuncta comitum exemitus iussa 
(CIL VIII 9282). 

b) Claudius Avitianus, der von den ubrigen 
Quellen immer nur als Vicarius Africae bezeichnet 
wird (s. Bd. II S. 2394f.) nennt sich im J. 363 



waren und bei Einfallen der Wiistenstamme jedes- 
mal aufgeboten werden mussten. Daneben aber 
stehen in Africa eine Anzahl von Reiter- und Fuss- 
truppen, die thatsachlich von dem Comes Africae 
befehligt werden (Not. dign, oce. VII 140. 179); 
doch sind es palatini oder comitatenses, die recht- 
lich dem Befehl der Magistri militum untergeben 
sind und nur als von ihnen hergeliehen gelten, ob- 
gleich einzelne davon, wie die legio tertia Augusta 



auf seinen 'inschriften (CIL VIII 7037. 7038) : 40 (Not. dign. occ. VII 151), die africanische Dioecese 

- .. t, geit Jahrhunderten nicht mehr verlassen hatten. 

Im J. 393 erscheint Gildo mit dem Titel comes 
et magister utriusque militias per Africam (Cod. 
Theod. IX 7, 9) ; schon vorher hatte er acht Jahre 
lang das Commando der Dioecese gefiihrt (Claud, 
bell. Gild. 154) und wahr?cheinlich durch seine 
Haltung in den Kriegen des Theodosius gegen 
die Usurpatoren Maximus und Eugenius jene Rang- 
erhohung verdient, die ihn zum vir ilhistris machte 



Gomes primi ordinis agens pro praefectis. Er 
besass also als persOnliche Auszeichnung die Co- 
mitiva und hatte danach Comes Africae genannt 
werden kOnnen, wenn nicht dam als der Titel des 
Vicarius Africae schon zu fest eingebiirgert gewesen 
wire, als da=s man fur sein Amt cincn andern 
gebraucht hatte. 

c) Als Diocletian die militarische Gewalt von 
der civilen trennte , setzte er fur die gesamte 



africanische Dioecese einen Oberfeldherrn aus dem 50 und den Praefecti praetorio an Wiirde gleich 



Ritterstande ein, der den Titel dux per Africam 
Numidiam Mauretaniamqueiviiate (Ephem. epigr. 
V 301). Doch entkleidete dieser nur den Con- 
sularis Numidiae seiner Militargewalt ; dem Praeses 
Mauretaniae Caesariensis blieb sie, weil seine Pro- 
vinz weiter vom Sitze des Centralcommandos ab- 
gelegen und zugleich noch mehr den Einfallen 
der Barbaren ausgesetzt war (CIL Vffl 8924. 
9041. 9324). Er diirfte sich also zu jeneni Dux 
in der Stellung eines Unterfeldherrn befunden 60 
haben. Sehr bald darauf wurde er aber unter 
dem Titel eines dux et praeses Mauretaniae Cae- 
sariensis wieder selbstandig gemacht (s. Comes 
Isauriae Nr. 4-5) und damit die Maeht jenes 
anderen Dux auf die Provinzen Proconsularis, Nu- 
midia und Byzacena beschrankt. Den Titel Dux 
fiihrt er hier noch weiter. mindestens bis zum J. 320 
(Ephem. epigr. V 752. Passio SS. Donati et Advo- 



stellte. Praktisch wird ihre Folge gewesen sein, 
dass die Duces von Mauretanien und Tripolitana 
seine Untergebenen wurden und die palatinen oder 
comitatensischen Truppen bei ihm nicht entliehene 
waren, sondern ihm als hochsten Feldherm zu 
gehorchen hatten. Nach seinem Sturze (397) wurde 
die Comitiva Africae wieder in ihrer alten Form 
hergestellt (Cod. Theod. XVI 2, 31. XI 17, 3. IX 
42, 18), doch kommt es in den J. 414 und 425 

432 vor, dass der Commandant von Africa den 

Titel comes domesticorum et vices agens magistri 
militum fuhrte (s. Bd. HI S. 6981 Cod. Theod. 
XV 11, 1). A. C. Pallu de Lessert Vicaires et 
Comtes d'Afrique , Constantine et Paris 1892. 
Grossi-Gondi bei Ruggiero Dizionario epi- 
grafico II 522-. 

4) Comites Alani, Not. dign. occ. VI 8. 50. 
VII 163; vgl. o. S. 623. 



oay 



Comites 



5) Comites Arcadiaci, Not. dien or VTTT 
25; vgl. o. S. 623. S " 

6) Comes archiatrorum. Wiejeder andere 
so kann auch der Arzt den Comestitel erhalten' 
und namenthch bei den Leibarzten des Kaisers 
kam es nicht selten vor, dass sie comites secundi 
ordims (Cod. Theod. XIII 3, 16-18) oder sogar 
prvtm ordmis wurden (Cod. Theod. VI 16 XIII 
8, 12. 16—19). Bewilligte ihnen der Kaiser diese 
Auszeichnung, so kam ihnen damit die Benennune 
comites archiatrorum zu (Cod. Theod XI 18) 
was wohl nichts anderes bedeutet als ,die C 
unter den Hofarzten'. Erst in ostgothischer Zeit 
begegnet am Hofe von Eavenna ein einzelner 
comes archiatrorum, der ganz besondere Functio- 
ns hat. Er soil als das Haupt aller Arzte des 
Keiehes gelten, ihnen in zweifelhaften Fallen als 
wissensehaftlicherRatgeberdienen und jeden medi- 
cmischen Streit, der etwa zwischen ihnen ent- 
stehen kOnnte, durch autoritativen Spmch ent- 
scheiden, Cassiod. var. VI 19; vgl. Bd. II S. 465 
Z. 20n. 

. V C ° m . e . s Ar gentoratensis, nnr erwahnt 
in der Notitia dignitatum (occ. XXVn), wahr- 
scheinhch em militarisches Amt, das erst ent- 
standen ist, als die Rheingrenze schon in den 
Hiinden der Barbaren war und nur noch in ein- 
zelnen festen Stadten, wie Strassburg sich die 
rOmische Macht behauptete. 

8) Comes Armeniae. Wie bei den meisten 
ubngen Duces, so kam es auch bei dem dux Ar- 
inemae (Not. dign. or. XXXVIII) mitunter vor, 
dass er als personliche Auszeichnung den Comes- 
titel erhielt und auf diese Weise zum Comes Ar- 
meniae wurde. Das erste Beispiel ist im J 371 
nachweisbar (Amm. XXIX 1, 2; vgl XXX 1 18)- 
doch scheint sich Ahnliches immer hauflger wieder- 
nolt zu haben und zuletzt ganz regelmassig ge- 
worden zu sein, so dass, wie in Isaurien, sich der 
Ducat zuletzt in eine ordentliche Comitiva ver- 
wandelte (s. Comes Isauriae, u. Nr. 45). Als die 
Bedruckungen der Comites Armeniae das Volk zum 
Anfstande getrieben hatten, hob Iustinian ihr Amt 
auf and iibertrug die Militilrgewalt in der Provinz 
dem bittas (= Zetas) als magister militum per 
Armemam et Pontum Polemmiaeum et qentes 
(Cod lust. I 29, 5. Prucop. bell. Pers. II 3). Dies 
geschah vor dem J. 535, in dem der Codex Iusti- 
mans zum Abschluss kem. Aber schon 536 wurde 
die Verwaltung des ganzen armenischen Gebietes 
neu geordnet. Es wurde in vier Provinzen geteilt 
und derjemgen, welche die sechs Stadte Melitene 
als Hauptstadt, Arka, Arabissos, Ariaratheia Ko- 
mana und Kukusos umfasste, als Verwalter ein 
comes lustinianus Armeniae tertian vorgesetzt 
Er sollte den Titel vir speetabilis fuhren und in 
seiner Hand die civile und militarisehe Macht ver- 
eimgen. Ihm sollte der consuiaris Armeniae 
quartae imtergeordnet sein in der Art, dass Appel- 
lationen von diesem an den comes lustinianus 
gmgen, Nov. lust. 31. 

9) Comes Asiae, ein Beamter, der nur ein- 
mal unter Constantin dem Grossen im J. 330 vor- 
kommt (Cod Theod. II 26, 1), denn Cod. Inst. 
AI 50, 1 ist comth Asiae in proconsuli Asiae 
zu andern, wie das andenselben Beamten gerichtete 
Gesetz Cod. Theod. XI 30, 56 beweist. Jener con- 
stantmische Comes Asiae ftthrt den Titel vir per- 



Comites 



640 



feetissimus, ist also ritterlichen Standes. Wahr- 
scheinlich haben wir in ihm einen ausserordent- 
lichen Sendling des Hofes zu erkennen, der als 
persOnhcher Vertrauter des Kaisers die Zustiinde 
von Asien zu untersuchen , die Statthalter der 
Dioecese zu beaufsichtigen und darttber Bericht 
zu erstatten hatte, s. o. S. 631f. 

10) Comes Augustorum s. o. S. 626ff. 

11) Comes auri, nur in der Not. dign. occ. 
10 XT 6 als Untergebener des comes saerarum largi- 

foonum erwahnt. Wahrscheinlich verwaltete er 
die Goldbestande des kaiserlichen Schatzes, die 
deshalb einem besonderen Beamten untergeben 
sein mochten, weil sie fur die Spenden an das 
Heer von Bedeutung waren. Auf ihn bezieht sich 
die Aufschnft, die seit Valentinian I. regelmassig 
™J^> Goldmtlnzen des Occidents erscheint: 
OUMUB, was Comttis obryxiacus zu lesen ist 
und wahrscheinlich bedeutet, dass unter seiner 
20 Oberaufsicht das Gold einer Priifung auf seinen 
lemgehalt unterworfen ist. H. Willers Wiener 
numismatische Ztschr. XXXI 10. Grossi-Gondi 
bei Ruggiero Dizionario epigrafico II 509. 

12) Comes Britanniarum. In Britan- 
men nennt die Notitia dignitatum drei Militar- 
commandanten. Im Norden, vom Hadrianswall 
bei dem zu jener Zeit die rOmische Herrschaft 
endet, bis etwa in die Breite von Sheffield hinunter 
ist das Gebiet des dux Britanniarum (occ XL) 
30 Hier finden wir fast genau dieselben Truppen und 
racist auch in denselben Standlagern, die sich in 
den Inschriften des 3. Jhdts. nachweisen lassen- 
seit den Zeiten Constantins des Grossen scheint 
sich gar nichts verandert zu haben. Dies kann 
den thatsachlichen Verhaltnissen des 5. Jhdts 
m dem die Notitia dignitatum zum Abschluss 
kam, unmOghch entsprechen. Denn im 4 Jhdt 
und im Anfang des 5. ist die Insel mehrmals der 
Ausgangspunkt von Usurpationen gewesen, und 
40 die dort erhobenen Kaiser werden, als sie auf's 
Kestland ubergingen , gewiss einen Teil der bri- 
tanmschen Truppen mit sich genommen haben 
Dass diese alle, nachdem die Usurpatoren besiegt 
waren, genau in ihre alten Standquartiere zuruck- 
gekehrt seien, ist mehrals unwahrscheinlich. Man 
muss daher annehmen, dass die Veranderungcn 
die in jener abgelegensten aller Provinzen vor- 
gegangen waren, im Staatskalender nicht gebiih- 
e „ 4 e ? d an 8' e 1 rnerkt sind tt nd dieser daher uns ein 
50 Uild der bntannischen Zustiinde gewahrt das zu 
seiner Zeit (urn 430) in Wirklichkeit langst anti- 
quiert war. 

Dasselbe wird man anch von dem Capitel fiber 
den cornxs Utoris Saxonici per Britanniam 
(occ. XXVIH) voraussetzen diirfen, obgleich die 
ihm untergebenen Truppen etwas besser dem Cha- 
rakterjener Spatzeit entsprechen. Er commandiert 
den Suden der Insel, wie jener Dux den Norden, 
und bade werden im J. 367 neben einander ee- 
60nannt (Amiman. XXVII 8, 1: Xectaridum co£i- 
tem manttm% tractus oecisum et Fidlofauden 
amem . Jwstdibus insidiis circumventum; ve\ 

F?^ 5 *n L XXX 7 ' 3) - Wahrscheinlich sind 
die beiden Commandos schon gleich nach der Be- 
siegung des Allectus (296) eingerichtet, um durch 
die Teilung der Militilrgewalt auf der Insel kiinf- 
tigen Usurpationen vorzubeugen, was freilich nicht 
gelang. Eme Veranderung durfte nur insofern 



641 



Comites 



Comites 



642 



eingetreten sein, als dem Befehlshaber des siid- 
lichen Bezirkes, der wegen der haufigen Seerauber- 
ziige der Sachsen der wichtigere war, durch Con- 
stantin oder einen seiner Nachfolger der Comes- 
titel verliehen wurde, den die Zeit Diocletians 
noch nicht kannte (s. oben S. 634). Im wesent- 
lichen werden also jene beiden Capitel der Notitia 
dignitatum (occ. XXVIII. XL) diejenigen Zustiinde 
reprasentieren , welche vor der Usurpation des 



oder vir siMimis ftthrt (var. VII 3, 1. IX 11, 
14, 1. 10. CIL XI 268. Ennod. 60, 1; vgl. Cas- 
siod. var. II 35), also der hfichsten Bangclasse 
zugezahlt wnd. Beide haben milites unter sich, 
doch ist deren Aufgabe keine kriegerische (Cassiod. 
var. VI 22, S: exercitu uteris pacato, nee_ pericnla 
belli subis et armorum pompa deeoraris), da sie 
ihnen nur als Ehrenwacte dienen (var. VI 22, 3. 
23, 3) und als Apparitoren ihre Befehle ausfiihren 



reprasentieren , weicne vor u«i u»ui P d»u ^ ""' ^7/™ r „ r n T n "■ C J n j-u 

Maximus (383) herrschten. Wenn schon diese 10 (var. VI 25. VII 28). Denn dass auch der Gothe 



viel auf der Insel verandert haben wird, so blieb 
sie nach den Aufstilnden, die im Anfang des 
5. Jhdts. aushrachen (Zosim. VI 2), fast ohne 
jede Verbindung mit der Centralregierung. Diese 
konnte keine Beamten mehr dorthin senden, und 
da der Primicerius Notariorum keine Bestallungs- 
decrete fiir Britannien auszustellen hatte, liess 
er auch die Capitel der Notitia dignitatum, die von 
diesem verlorenen Lande handelten, ganzlich ohne 
Correctur (s. Codicilli Nr. 5). 

Durch Agtius scheint eine Wandlung einge- 
treten zu sein. Denn das siebente Capitel der 
Notitia dignitatum occ, das sicher erst unter 
Placidus Valentinianus, d. h. nicht vor 425, zum 
Abschluss gekommen ist (occ. VII 36), nennt wie- 
der einen comes Britanniarum (occ. VII 153. 
199), und derselbe ist auch occ. XXIX verzeichnet. 
Doch steht keine der alten Truppen, die friiher 
auf der Insel garnisoniert waren, mehr unter seinem 



nicht etwa den comites rei militaris zuzuzahlen 
ist, sondern als Beamter der Civilverwaltung gilt, 
wird ausdriicklich gesagt (var. X 29, 1. VI 22, 3). 
Seinen vollstandigen Titel bietet die Inschrift CIL 
XI 268, wo folgendermassen zu erganzen ist: vir 
subl(imis) Gudila com(es) [ord(inisJ pr(imi) et 
mrajtor r(ci) p(u)b(licae)\ sie verbreitet auch 
Licht uber die Entstehung dieses Amtes. Wie 
oben S. 634 dargelegt ist, wird die Comitiva mit 
20 sehr vielen Stellungen zunachst als personliche 
Auszeichnung fiir deren Inhaber verbunden; bei 
manchen Amtern wiederholt sich diese Ehrung 
aber so oft, dass sie endlich ganz regelmassig wird 
und der Comes dann auch als untrennbarer Be- 
standteil in den Titel des betreffenden Amtes 
ubergeht (s. Comes Isauriae Nr. 45, Maure- 
taniae Nr. 59, sacri stabuli Nr. 88). Auf diese 
Art ist der curator civitatis erst haufig, dann regel- 
massig zum comes et curator civitatis gcworden, 



am aer msei garnisumeri wmeu, iucui uuuci ocintiiu ...^„. a — iriTT 

Commando — diese waren eben in den vorher- 30 und dies kiirzte man zu comes civytaUs ab (UL 

..i i _ _ __i* "V tlC\C\Q\ Trri^. mn-r. rl<-in «^iajoo /mm/ma nirntl/tto PT. 



gehenden Kampfen alle untergegangen oder auf 
das Pestland -hiniibergefiihrt — , sondern er he- 
fehligt nur noch einen Teil des Marschheeres, den 
die Magistri militum ihm geliehen haben. Wahr- 
scheinlich war es ein Eeldherr, den Aetius zur 
Wiedereroberung Britanniens ausgeschickt hatte, 
der aber diese Aufgabe kaum erfullt haben wird. 
Der dux Britanniarum und der comes litoris 
Saxonici per Britanniam sind also Beamte , die 



X 6226), wie man den comes primi ordinis et 
dux Isauriae (CIL VI 1674) zum Gomes Isauriae 
machte. Theodorich verdoppelte das Amt und 
schuf damit seinen Gothen eine Vertretung in 
der hOchsten stadtischen Magistratur; damit sie 
im stande seien , den tbergriffen der Provincial- 
beamten mit der nctigen Autoritat entgegenzu- 
treten, verlieh er diesen comites Qotkorum die 
Wiirde von viri illustres und ernannte dazu Leute, 



Saxomci per nriiannwrn sum aisu uramic, uio " ^ -v , v.. . •• « «™«~ — -..- ------ — - _ 

vor 383 und vielleicht noch bis 409 existierten, 40 die sich Knegsruhm erworben hatten (Cassiod. var 
... .. , j__ x> -i ■_ v oq i\ r>Aur anf oikIoto Wpiba Ansfilien heaassen 



aber sicher nicht spater; der comes Britanniarum 
dagegen ist wohl erst nach 425 geschaffen und 
hat nur wenige Jahre bestanden. 

13) Comites Bucellarii, Not. dign. or. VTI 
25; vgl. oben S. 623. 

14) Comites catafractarii, Not. dign. or. 
VII 25; vgl. oben S. 623. 

15) Comes civitatis. Ein Brief des Ost- 
gothenkOnigs Theodorich tragt die Adresse: Comi 



X 29, 1) oder auf andere Weise Ansehen besassen. 
Durch den hOheren Rang und grOsseren Einfiuss des 
gothischen Comes wurde aber der rOmische immer 
mehr in den Hintergrund gedrangt, so dass in 
den Briefen des Cassiodor ausser dem Formular 
seiner Ernennung gar nicht von ihm die Eede 
ist. Wir werden uns daher im folgenden auf die 
Besprechung des comes Gothorum beschriinken 
miissen. t'brigens bietet auch nur dieser ein be- 



SOtnenKonigs ineouoncn uragu uie rtuiesac. wuf«>- muoni.ii. ^^n b — „.-..-.. -- -- ■■■- 

Hints defensoribus et curialibus Ticitiensis civi- 50 sonderes Interesse dar , weil er durch sein Ver 



tatis (Cassiod. var. IV 45). Wenn hier die C. 
mit den Defensores und den Decurionen zusam- 
menwirken, aber an erster Stelle vor ihnen genannt 
werden, so folgt daraus, dass sie an der Spitze 
der stadtischen Verwaltung standen. Der Plural 
zeigt, dass mehr als einer vorhanden war, und 
dazu passt es, dass sich unter den Anstellungs- 
formularen des Cassiodor (VII 3. 26) eine formula 
comitivae Gothorum per singulas civUates und 



hiiltnis zum gothischen Teil der Stadtbevolkerung 
eigentumliche Functionen erhalten hat, wahrend 
der rSmische Comes civitatis sich in seiner Thatig- 
keit wahi-scheinlich in nichts von dem alteren 
curator civitatis unterschied. 

Comites Gotlwrum haben wahrscheinlich in 
keiner grOsseren Stadt gefehlt; nachweislich sind 
sie in folgenden: Comum (var. II 35. Ennod. 60, 1), 
Faventia (CIL XI 268), Massilia (var. Ill 34), 



comitivae uomorum per singutas cwuutes mm r«"iua ^^ *~ ^~,, y- /. 

eine formula comitivae diversarum civitatum 60 Neapohs (var. VI 23-25)^ Ravenna (var. V 11 14), 



findet, die sich offenbar auf zwei verschiedene 
Amter beziehen. Mithin befanden sich in jeder 
Stadt oder doch in alien wichtigeren Stadten je 
zwei C, ein gothischer und ein rOmischer. Der 
letztere besass nur die comitiva seeundi or- 
dinis (var. VII 26, 3); der erste wird jedenfalls 
dem primus ordo angehOrt haben, da er den 
Titel vir inlustris (var. IV 12. 46; vgl. Ill 24, 2) 
Pauly-Wissowa IV 



Syracusae (var. VI 22. LX 11. 14), Ticinum (var. 
IV 45. X 29). Auch der comes insulae Guri- 
tanae et Celsinae wird in den gleichen Kreis ge- 
hOren (var. VII 16). Vielleicht ist auch der Comes 
Romanus (var. VII 13) urspriinglich nichts anderes 
gewesen, als <rin gothischer Curator civitatis, aber 
wenn diese Beamten in den iibrigen Stadten durch 
die Fttrsorge fiir die Statuen und sonstigen Denk- 

21 



miller des Altertums nur eelejjentlich in u» i, 
genommen waren (var. I? 35 CTL H mST" 
gewann diese Thatigkeit in Rom eL^olS Vs° 
?}T? g * daSS Sie ede andere zuruckdrSe und 
zuktat den ganzen CompetenzkreL d e / 1^ 
iWwas ausgefiillt zu haben scheint 

noi e e r vf ^Tl X^f; 

c4;f L in Iv de n 2 - tH™ "^ * p : 

rlxV?? 8 S tsgeleh - rt P en K ^S,^1; 

fiW i ' L S , tehen zwei EOmer einander jresren 
±; ?? ^ eht .aber der Streit nicht an den rfm° 

Comes Gothorum zu brine-en abpr L,, j 

ixl rtr ,1? "^^5^^ 
ia 14, 7). Jedenfalls werden auch Processe W, 
Eomern durch gothische Comites ciSum ent 

rtltVsV 1 6) - , Ferner haben sie den Schmuck 

stadten beaufsichtiU AdSlLfcLWS 

sie von den Handelsschiffern Boote od er %S 
^ "^ f ? orderlich sind - eine TbiffitX 

Unterthanen verkiindkrt (var TY 1 i <n iw 
sen NeuesArchiv d GelLh f sit )- ^T^" 
Geachichtskunde XIV 499 pVn -^ de , u . tsche 
Rug giero DiJoS ^aSon Vsl ^ 1 ^ 

29; 5L C .K'« e i iba " rii ' ** •**»• «• V 
oben 7 i C ? 5 mesComensiss - C ^^civitati s> 

h;p *!?• C ° me i c ? m merciorum. Um einerseits 

IV In^ ^ UrCh f - emde Kaufleute (Co" Iu t 

H 4). andererseits die Flucht vm» R«™„ 
zu den feindlichen Nationen *uve7hU^E 
sie wichtige Nacbrichten uberbringet " konZ? 

ControUefAniniaiLXVms, 3). ValenS „ 

Z ff a "i . '/ a S der nnteren Don ^ imJ. 369 
t ,w d r derEo J mer "it denGothen nur noch 

35cT ™r ,ZSt ^ te V rla,lbte (Them^t. or X 
135 c) und um dieselbe Zeit (371) liess Va en 

bauen lm . n0rdlicheilI, ^o n ien ( ei„inBurg; s e?-" 



Comites 



644 



auf die dm Stadte Nisibis, Kallinikon und Ar 
taxata beschrankt (Cod. lust. IV 634 8 if Zu 
diesenHindemissen kommen dann noch M'eiche 

Art (Orothofredus zu Cod. Theod. VII 16 qT 
Urn d ie Durchfiihrung dieser und ahnUcher 
Bestimmungen zu beaufsichtigen und *KSS 
den Grenzhandel zu iiberwachln, «&3 
»»«««, eingesetzt. Sie finden sLhTher 
10 auch nur m solchen Provinzen oto Cecetn 
die an d e Gebiete fremder Nationen grene"' 

iJer Onentem ef Aegyptum, 

ver Moesiam, Scythiam et Pontum, 

per Elyrieum. 

Sc xfSf ^ DUr einer verzei «^et (Not. dign. 
occ. xl 86) der cowes commerciomm per lllw-i 

20 rSaXE S IiCh ^" W oeJZS^ 
CrJ™£ Panwmtwrum gemeint ist. Von den 

et H^T 8611 f - Wt A / rica ' weil am WustenTande 
be tand rT lr ^ nd D w f kW Bedeutung kaum 

S mT -v. ," V 63, b - Cassiod. var. VI 7 7> 

Barbaren zu kaufen (Cod. lust IV 4ft 9 w if 
gemacht t? *? ^^ zum St a ai ono p 
rr issen aes Comes commerciorum, bei dem wahr 

tin um das T <sio ^ „ , Als Constan- 

uii um aas J 312 den Comest tel erneuertp <*> 

&rf n !; ;• »'",*■ °?" k ~«968. co3: 



645 



Comites 



Comites 



646 



xdfitjg xov vyjqkov (tifaaros (Cod. lust. XII 33, 8 
§ 2), bis im J. 379 zuerst der Titel Comes con- 
sistorianus auftaucht (Cod. Theod. VI 30, 4) und 
dann zum herrschenden wird (Cod. Theod. I 1, 
6 § 2. VI 12, 1. 22, 8 § 1. VII 8, 3. X 5, 1. XI 
16, 15. 18, 1. Nov. Val. 6, 3 § 1. Cod. lust. II 
7, 8). Es sind anfangs nur Civilbeamte, die von 
den militares ausdriicklich geschieden werden 
(Ammian. XV 5, 12. 6, 1); erst seit der Mitte des 



lust. II 7, 23 § 1. XII 10, 2. Cassiod. var. VI 
12,3. Haenel Corpus legum 253. Nov. lust. 13, 
3) und wurden durch die Eangordnung Valenti- 
nians I. vielleicht den Vicaren, im J. 399 den 
Proconsuln an Wiirde gleichgestellt (Cod. Theod. 
VI 12). Wo sie in einer langeren Keihe von 
Amtern eTscheinen, stehen sie nach den dignitates 
inlustres (Cod. Theod. XI 16, 15. 18. Nov. lust. 
13, 3. Nov. Val. VI 3, 1) und dem Primicerius 



5. Jhdts. erscheinen vereinzelt auch hohe Officiere 10 notariorum (Cod. Theod. XI 18, 1), den Magistri 



unter den C. consistoriani (Cod. lust, XII 8, 2 
§ 3. De Rossi 968). 

Die vornehmste Stelle unter ihnen nehmen die 
vier viri inlustres ein, die mit der Teilnahme an 
den Sitzungen des Consistoriums noch ein hohes 
Staatsamt vereinigen, der Quaestor, der Magister 
offlciorum, der Comes sacrarum largitionum und 
der Comes reruin privatarum (Cod. Theod. VI 30, 
1. 4. VII 8, 3. IX 14,3. Dessau 1255). tJber 
sie wird unter ihren besonderen Amtstiteln ge- 20 
redet werden. Vielleicht ist jedesmal einer von 
diesen vieren gemeint, wenn dem Titel comes 
domesticus, comes intra palatium oder intra 
consistorium auf Inschriften die Eangbezeichnung 
ordinis primi hinzugefugt ist. Einmal ist ver- 
verbunden comiti ordinis primi intra consisto- 
rium et quaestori (Dessau 1255), einmal stent 
magistro offieiorum omnium nomiti domestico 
ordinis primi omnibusqite palatinis dignitatibus 



seriniorum sind sie bald vorangestellt (Cod. Theod. 
I 1, 6 § 2. XI 18, 1. Nov. Theod. I 7. Cassiod. 
var. VI 12. Gresta de recip. Cod. Theod. p. 85 
Haenel) , bald folgen sie ihnen nach , wie das 
namentlich in der Eeihenfolge der Titel sowohl 
im Codex Theodosianus (VI 12), als auch. im 
Iustinianus (XII 10) zum Ausdruck kommt. Beide 
Amter standen also an Eang ganz gleich, so dass 
ihre Polge willkiirlich war. 

Durch ihren nahen Verkehr mit dem Kaiser 
gelang es den C. consistoriani, sich nach und 
nach mannigfache Privilegien zu verschaffen. So 
waren sie, falls sie in den Senat eintraten, von 
der Leistung der Praetur befreit (Cod. Theod. 
VI 4, 28), als Pachter von Dom&nen brauchten 
sie kerne Burgschaft zu stellen (Cod. Theod. X 
5), alle ausserordentlichen Lasten und Dienste 
wurden ihren Giitern «rlassen (Cod. Theod. XI 
16, 15. 18), auch die Stellung von Eecruten und 



funeto (Dessau 1244), was vielleicht gleichfalls 30 Pferden (Cod. Theod. XI 18), obgleieh hiervon 

" ■ ' " -' m dringender Not auch Ausnahmen vorkamen 

(Nov. Val. VI 3, 1); in ihren Processen wurden 
ihnen fur sich selbst, ihre Familie, ihre Sclayen 
und Colonen manche Begiinstigungen, namentlich 
geringere Sporteln gewahrt (Cod. lust. XII 10, 2). 
Dire Zahl diirfte kaum eine fest bestimmte 
gewesen sein. Am Hofe Valentinians III. gab 
es betrachtlich mehr als 20 (Nov. Val. VI 3, 1), 
bei Theodosius II. werden ausser den 4 illustres 



zu verbinden ist. Aber auch wo solche Zusatze 
sich nicht finden, geht diese Art von Comitiva 
entweder unmittelbar der Praefectur (Dessau 
1232. 1284) oder dem Consulat voraus (Dessau 
1238. 1240), oder sie ist von ihnen nur durch ein 
einziges hohes Amt getrennt (Dessau 1237. 1243). 
Sie nimmt also eine so hervorragende Stellung 
im Cursus honorum ein, wie sie jenen vier Amtern 



zukommen wurde. — — , 

Ist dies richtig. so wiirde daraus folgen, dass 40 7 genannt, die bei der ZusammenstelLung des 
Liche Comes consistorianus, der ausser Codex Theodosianus mitwirkten (Cod. Theod. I 



der gewohnliche ( 

der Beratung des Kaisers keine andere Amtsbe 
fugnis hatte, nur die Comitiva scoundi oder tertii 
ordinis besessen haben kann, und dazu passen 
die wenigen bekannten Beispiele. Proculus und 
Orfltus werden comites ordinis secundi, nach- 
dem sie vorher Consulares Siciliae gewesen waren 
(Dessau 1240. 1243), Symmachus comes ordinis 
tertii nach der Correetura Lucaniae et Brittio- 



1,6 § 2); doch ist dies nur eine kleine Auslese. 
Noch viel zahlreicher werden diejenigen gewesen 
sein, denen die Comitiva consistoriana als blosser 
Titel, ohne das Recht an den Sitzungen des Kron- 
rats leilzunehmen, verliehen wurde (Cod. Theod. 
VI 22, 8 § 1). In dieser Weise erhielten ihn 
regelmassig im 5. Jhdt. nach vollendeter Dienst- 

^„*.~ ze it die proximi seriniorum, die comites dispo-^ 

rum '(Dessau"* 2946)", "also samtliche schon in 50 sitionum (Cod. lust. XII 19, 8) und die advoeati 



einer recht hohen Eangstellung. Der letzte dieser 
drei wird als Gesandter des Senats an den Hof 
Valentinians geschickt, dort festgehalten und be- 
gleitet dann den Kaiser bei einemFeldzuge(Seeck 
Symmach. p. XL VI), wie dies den Consistoriani 
zukommt (Ammian. XXXI 12, 10). Und dieser 
Aufenthalt im kaiserlichen Lager scheint zeitlich 
mit seiner Comitiva tertii ordinis zusammenzu- 
fallen. Auch bei Orfltus erscheint die Comitiva 



fisci, die bei dem Gericht des Praefectus prae- 
torio angestellt waren (Cod. lust. II 7, 8). tfber 
die Thatigkeit der C. consistoriani s. Consisto- 
rium. C. G. Haubold Opuscula academica 1 262. 
Mommsen Neues Archiv d. Gesellsch. f. altere 
deutsche Geschichtskunde XIV 481. Grossi- 
Gondi beiEuggiero Dizionario epigrafico II 
482. 

20) Comes Dalmatiarum et Saviae, ein 



secundi ordinis in engster Verbindung mit einer 60 Beamter ostgothischer Zeit mit dem Titel vir 



Gesandtschaft des Senats. Allerdings gehen diese 
Beispiele nicbt sehr weit iiber die llitte des 4. 
Jhdts. hinaus; spater, wo der Wert aller Titel 
noch weiter gesunken war, gehorten auch die 
gewOhnlichen C. consistoriani dem primus ordo 
an (Nov. Val. VI 3, 1. Cassiod. var. VI 12). 

Sie fiiliren den Titel vir spectabilis (Cod. 
Theod. I 1, 6 § 2. VI 12. Nov. Theod. I 7. Cod. 



inlustris, der in seinem Gebiete die militarische 
und die civile Gewalt zugleich ausiibte, Cassiod- 
var. I 40. Ill 26. IV 9. IX 8. 9. Der Princeps 
seines Officium, der ihm vom Hofe zugesandt 
wurde, ist erwahnt Cassiod. var. VII 24. 25. 
Grossi-Gondi bei Euggiero Dizionario epi- 
grafico II 527. 

21) Comes dioeceseos Asianae s. Comes 



647 



Comites 



Comites 



648 



Asiae (oben Nr. 9) und entsprechend bei den seit 401 unabhangig von seinem Vermogen nur 
andem Dioecesen. das niedrigste Mass von 7 Solidi (Cod. Theod. 

22) Comesdispositionum. Das scrinium VI 26, 12) und wird wenig spater ganz davon 
dispositionum ist eine der vier grossen Kanzleien, befreit (Cod. Theod. VI 26, 14. 2, 18). Auch die 
die in nachconstantiniseher Zeit unter dem Ma- Lieferung von Recruten (Cod. Theod. VI 26 14 
gister officiorum stehen (Cod. lust. XII 19, 11. XI 18, 1), Pferden (Cod. Theod. VI 26, 3. 14 15. 
Not. dign. or. XI 16; occ. IX 11). Zuerst wird XI 18, 1) und alle ausserordentlichen Leistungen 
es erwahnt im J. 362 (Cod. Theod. VI 26, 1). werden ihm im Laufe der Zeit erlassen (Cod. 
Von semen Beamten sagt Kaiser Arcadius (Cod. Theod. VI 26, 14). Auch nach seiner Abdankung 
Theod. VI 26, 9): a quibus dispositionum no- 10 hat er das Recht, jederzeit bei Hofe zu erscheinen 
strarum norma seriesque servatur; sonst ist fiber (Cod. Theod. VI 26, 14), Gothofredus zum Cod. 
seinen Geschaftskreis nichts bekannt. Vielleicht Theod. VI 26, 1. Backing Notitia dignitatum 
fiihrte es die Listen, nach denen die Geschafts- II 305. 

ordnungdes Hofes, die Einladungen zur Tafel, 23) Comites diversarum civitatum s. 

die Stationen der kaiserlichen Reisen (Hist. Aug, Comes civitatis (Nr. 15). 
Alex. Sev. 45) und ahnliche Dinge mehr bestimmt 24) Comes divinarum domorum s. Co- 

wurden. Dass diese Thatigkeit kaum geniigen mes domorum (Nr. 27). 

konnte, urn eine Kanzlei zu beschaftigen, wttrde 25) Comes domesticorum. In der Notitia 
nichts dagegen beweisen, da es am Hofe ange- dignitatum erscheinen nebeneinander ein conies 
stellte Mflssigganger in Uberffllle gab. Was dieses 20 domesticorum equitum und ein comes domesti- 
Scnnium von den drei andern unterscheidet , so eorum peditum (or. XV; occ. XIII), und dies 
dass sie ihm gegenuber eine abgesonderte Stel- zwar sowohl im Occident, als auch im Orient, so 
lung einnehmen (Cod. Theod. VI 26, 4. 7. 16. 17. dass man die Teilung des Amtes nicht etwa fiir 
35, 1. Cod. lust. XII 19, 10. 15), ist namentlich, eine gelegentliche Ausnahni'e halten kann, die in 
dass sein Vorstand nicht durch Codicilli angestellt einem der beiden Reichsteile zeitweilig einge- 
wird, weshalb er auch in der Notitia dignita- treten ware. Die sonstige tberlieferung steht 
turn nicht verzeiehnet steht (s. Codicilli Nr. 5), damit in Widerspruch. Denn fast immer, selbst 
sondern sich aus dem Kaazleipersonal empordient, im officiellen Stil der Inschriften (Dessau 790 
bis er als Altester an seine Spitze tritt (Cod. 1277. 1278. 1308. 1310 1311 CIL V 8120 7 
Theod. VI 26, 10. 11. 12. 14. 2, 18). Er ist kein30 VI 1794. 1796, 30. 82. Orelli 3194), steht 'der 
Mann, von dem man, wie von den Mitgliedern Titel comes domesticorum ohne Zusatz der Trup- 
der anderen Scrinia. namentlich von ihren Ma- pengattung, und auch wo von Neubesetzungen 
gistri, litterarische Bildung verlangt, sondern ein der Stellung die Rede ist, zeigt sie sich dureh- 
aufgedienter Subalternbeamter, bei dem man nur aus als einheitliche und ungeteilte (Zosim. V 36, 
Ehrlichkeit und Pflichteifer beanspruchen kann 3. Ammian. XIV 11, 14. XXI 8, 1). Ein comes 
(Cod. lust. XII 19, 8). Daher geniessen anfangs domestieorum peditum kommt nur zweimal urn 
nicht nur die Magistri, sondern auch die Proximi das J. 452 und 519 vor (Cod. lust. XII 17, 3. 
der andern drei Kanzleien einen Vorzug vor ihm ; II 7, 25 § 3; vgl. lommsen Chron. min. 'ill 
erst im J. 397 wird er den letzteren an Rechten 533) , ein comes domesticorum equitum dreimal 
und Wiirde gleichgestellt (Cod. Theod. VI 26, 9. 40 in den J. 409, 517 und 519 (Sozom. IX 8. Dessau 
10). Noch bis zum J. 381 fiihrte er den Titel 1305. Cod. lust. II 7, 25 § 3). Uber die spateren 
magister dispositionum (Cod. Theod. VI 26, 2) ; Beispiele scheint nichts Genaueres bekannt zu 
aber da es ubhch wird, die Inhaber des Amtes zu O. sein; bei dem altesten aber handelt es sich sicher 
anf&ngs tertii ordinis (CoA. Theod. VI 26, 10. 17), urn eine Ausnahme, die durch ganz besondere 
dann secundi ordims zu ernennen (Cod. Theod. Umstande hervorgerufen wurde. Der betreffende 
VI 26, 17. 18), heissen sic spater comites die- Comes ist namlicli Athaulf, der Schwager und 
positionum (Cod. Theod. VI 2, 18. 26, 12. 14. 18. Kampfgenosse Alarichs. Nun war Priscus At- 
XI 18, 1. Cod. lust. XII 19, 8; vgl. Comes saeri talus, der ihm die Wurde verlieh, zwar durch die 
fitabuli unten Nr. 88). Gothen auf den Thron erhoben , bemuhte sich 
Der Comes dispositionum wird 381 an Rang 50 aber doch, soweit dies irgend ging, seine Unab- 
den Vicarii gleichgestellt (Cod. Theod. VI 26, 2. hangigkeit den Barbaren gegenuber zu bewahren 
4. 10. 11. 17. 2, 18), fuhrt also den Titel vir (s. Bd. II S. 2177f.). Wie er dem Alarich 
spectabHw; doch kommt ihm, da er in den Se- selbst, den er zum Magister militum ernannte, 
natorenstand eintritt, auch der Titel vir elaris- einen RCmer als Collegen beicab (Zosim VI 1 
simus zu (Cod. Theod. VI 26, 2. 10). Seine Dienst- 2), so wird er auch die Comitiva domesticorum 
zeit ist anfangs wohl unbegrenzt gewesen; doch geteilt haben, urn in einem romischen Comes do- 
wn die jiingeren Mitglieder des Scriniums schneller mesticoram peditum ein Gegengewicht gegen den 
aufiiicken zu lassen, wurde sie erst auf zwei Jahre, Gothen Athaulf zu schaffen. Die Erklarung ieries 
dann auf eines herabgesetzt (Cod. Theod. VI 26, Widerspruches liegt wohl in der Analogie des 
6. 11). Nach seinem Austritt erhalt er seit der 60 magisterium militum. Wie dieses urspriinglieh 
Mitte des 5. Jhdts. den Titel eines comes eon- als geteiltes Amt, magisterium peditum einer- 
sistoruinus (Cod. lust. XII 19, 8). Das Amt be- seits, magisterium equitum andererseits , durch 
freit ihn selbst und seine ganze Familie vom Constantin d. Gr. geschaffen war (Zosim. II 33, 
Decurionat, auch wenn er ihm von Geburt ange- 3) , aber spater in der Regel zu einem magiste- 
hOrt (Cod. Theod. VI 26, 1). Er wird zwar Se- Hum equitum et peditum oder magisterium ivtrir 
nator, braucht aber nicht die Last der Praetur usque, mititiae zusammengefasst wurde so wird 
auf sich zu nehmen (Cod. Theod. VI 26, 13). Von es auch mit der Comitiva domesticorum gcgangen 
der Senatorensteuer (eollatio glebalis) zahlt er sein. Nur blieb bei dieser das ursprungliche 



649 



Comites 



Comites 



650 



i 



Schema des Doppelamtes im officiellen Staats- sanctae ecclesiae Romanae). Die Decuriones sacri 

kalender treuer bewahrt, obgleich es praktisch nur palatii haben nach Beendigung ihrer Dienstzeit 

in seltenen Ausnahmefallen angewendet wurde. unter Iustinian die Wahl, ob sie die Honorar- 

Ein Commando der Leibwachter, das von der wiirde eines Comes domesticorum oder eines ma- 

Gardepraefectur unabhangig war , bestand schon gister officiorum annehmen wollen (Cod. lust. XII 

im J. 284, da Diocletian es unmittelbar vor seiner 16, 1), welche beiden ja an Rang gleiehstanden. 

Thronbesteigung fiihrte (Vict. Caes. 39, 1; vgl. Als Commandant der Domestici protectores 

Seeck Ztschr. d. Savignystift. Germ. Abt. XVII hat der Comes domesticorum ttber die Aufnahme 

104). Aber wenn ihn Zonar. XII 31 p. 640 A in dies vomehme Militarcorps (Cod. Theod. VI 
schon xofttjra dousarCxcov nennt, so wild dies 10 24, 2. 3), fiber die Ausstossung aus demselben 

anachronistisch sein, da der Comestitel zwischen (Cod. Theod. VI 24, 5. XII 1, 38. XVT 5, 42. 

Alexander Severus und Constantin ganz ver- Cod. lust. XII 17, 3) und fiber Degradation oder 

schwunden zu sein scheint (s. o. S. 627f.). In seiner Avancement seiner Mitglieder (Cod. lust. XII 17, 

spateren Gestalt ist das Amt, wie wir sahen, ganz 3) nach Anweisung des Kaisers zu verfugen. Der 

nach demselben Princip geordnet, wie das Ma- spatere Kaiser Iovian, welcher dei Sohn eines 

gisterium militum, und diirfte daher wohl gleich- Comes domesticorum war (Zosim. Ill 30, 1), stieg 

zeitig mit diesem entstanden sein, d. h. ungefahr daher auch in friihen Jahren zur ersten Stelle 

im J. 318 (Seeck Rhein. Mus. XLIX 210). Nach- innerhalb der Truppe auf (Ammian. XXV 5, 4). 

weislich ist es zuerst im J. 346 (Cod. Theod. XII Aber da diese nicht als geschlossener Heerkorper 
1, 38. Ammian. XIV 10, 8. 11, 19). 20verwendet zu werden pflegte, sondern ihre Mit- 

Seinen Comes domesticorum besitzt der Caesar glieder meist als Adjutanten oder zu ahnlichen 

wie der Augustus (Ammian. XIV 11, 14. 19. XVEII Einzeldiensten benutzt wurden, war ihr Commando 

3, 6), und spater fehlt er auch den germanischen mehr eine administrative , als eine mititarische 

KOnigen Odoacer (Anon. Vales. 11, 53) und Theo- Aufgabe. Urn so haufiger Wurde der Comes do- 

dorich nicht (Cassiod. var. VIII 12, 8; vgl. II mesticorum mit ausserordentlichen Missionen be- 

15,2. 16,2). Schon unter Constantius ist er vir traut, da er in der Regel das Vertrauen des Kaisers 

elarissimus, d. h. er besitzt senatorischen Rang in hohem Grade besass (Ammian. XIV 10, 8 und 

(Cod. Theod. XII 1, 38) ; nach der Rangklassen- sonst). Einmal erscheint in Africa ein comes 

ordnung Valentinians fuhrt er den Titel vir in- domesticorum et vices agens magistri militum 
lustris (Not. dign. or. XV 5; occ. XIII 5. Cod. 30 (Cod. Theod. XV 11, 1), und denselben Titel wird 

lust. XII 16, 1. Cassiod. a. O. ; die Inschriften man wohl auch dem Bonifatius beilegen dttrfen, 

Dessau 130.5. 1308. 1310. 1311. CIL VI 1796, der gleichfalls als Comes domesticorum Africa 

32. V 8120, 7 beweisen nichts, weil in ihnen der beherrschte (s. Bd. Ill S. 699). Aber auch 

Illustrissimatus durch den Consulat oder den Pa- wo dies nicht im Titel ausgesprochen ist , wird 

triciat bedingt sein kann; Orelli 3194 ist wohl der Comes domesticorum oft als Vertreter der h8ch- 

liickenhaft; es wird v. c. et [int.] zu schreiben sten Reichsfeldherren benutzt und erscheint dem- 

sein) und rangiert auf gleicher Stufe mit den vier gemass bald als Fiihrer einzelner Heeresteile 

grossen comites eonsistoriani, eine Stufe niedriger (Ammian. XXI 9, 6. XXIV 1, 2. 4, 13. Zosim. 

als die Praefecten und Magistri militum (Not. Ill 21, 4), bald als selbstandiger Leiter milita- 
dign. a. O.). Infolge dieser hohen Stellung war er 40 rischer Eipeditionen (Ammian. XXVII 8, 2. XXXI 

von der Recrutenlieferung befreit (Cod. Theod. 7, 4. 10, 6. Greg. Tur. II 9. Bd. Ill S. 699 and 

XI 18), anfangs auch von den Decurionatslasten, sonst). Die C. domesticorum haben daher oft 

und dies Privileg ging auf seine Nachkommen das Consulat bekleidet und spielen in der Ge- 

iiber. Zeno hob es zwar auf, doch wurde es von schichte der nachconstantinischen Zeit eine hoch- 

Anastasius wiederhergestellt (Cod. lust. X 32, 64. bedeutsame Rolle. Eine Liste der iiberlieferten 

65). Die das Amt bekleiden, sind vorher ge- Namen steht bei Grossi-Gondi in Ruggieros 

wohnlich Tribuni einer Schola palatina gewesen Dizionario epigrafico II 486, die aber sehr unvoll- 

(Dessau 1277. Ammian. XIV 11, 21. XV 5, 6. standig ist ; z. B. fehlen Castinus(s. Bd. Ill S. 1761), 

XXXI 10, 6. Bd. Ill S. 698). Nur im Ost- Mallobaudes (Ammian. XXXI 10, 6), Vigilantius 
gothenreiche werden auch Civilbeamte zu C. do- 50 (Zosim. V 36, 3) und wohl noch viele andere ; 

mesticorum hefordert (Orelli 3194); doch scheint dagegen ist der spatere Kaiser IoVianus nicht 

hier auch das Amt seinen eigentlichen militarischen Comes domesticorum , sondern nur primicerius 

Charakter verloren zu haben und ihm dafttr die domesticorum gewesen. 

Oberleitung der Kanzlei bei dem hOchsten Reichs- 26) Comes domesticus ordinis primi 

feldherrn, dem Patricius, iibertragen zu sein (Cas- ist ein Titel, der nur in den ersten Jahren nach 

siod. var. VIII 12; vgl. Mommsen Neues Archiv dem Tode Constantins d. Gr. nachweisbar ist 

der Gesellschaft f. iiltere deutsche Geschichtskunde (Dessau 1238. 1244). Wahrscheinlich bezeichnet 

XIV 465. XV 183). Nach der Comitiva domesti- er dasselbe, was man spater comes consistorianm 

coram avanciert man in der Regel zum Magister nannte, nur zu einer Zeit , als diese Benennung 
militum (Dessau 1277. 1278. 1308; vgl. Addaios 60 des Amtes noch nicht zu festem technischen Ge- 

Nr. 2, Barbatio, Bonifatius Nr. 1, Castinus brauche durchgedrungen war. S. Comes con- 

Nr. 2, Dagalaifus, Lucilianus, Maiorianus, sistorianus (Nr. 19). 

Ricomeres, Severus, Stilicho), im Ostgothen, 27) Comes domorum oder divinarum do- 

reiche auch zum Comes rerum privatarum, d. h. zu morum (Cod. lust. I 49, 1 pr.), griechisch xofirjt 

den hOchsten Civilstellungen (Ennodius ed. Vogel xwv oixiwv (Nov. lust. XX 2. Cod. lust. I 34, 

p. 350: beato domno Petro adiuvante oblatus hie 1), ist ein Beamter der kaiserlichen Domanen mit 

codex ab Aratore inlustri ex comite domesticorum, dem Titel vir spectabilis (Cod. lust. Ill 26,11. 

ex comite privatarum, viro religioso subdiacono Nov. lust. 20, 2. 30, 4), der zuerst in einem Ge- 



651 



Comites 



Comites 



setze des Jahres 379 erwahnt wird (Cod. Theod. 
VI 30, 2), aber, wie sich aus dem Inhalt des- 
selben ergiebt, schon lange vorher bestanden hatte. 
Wahrscheinlich ist das Amt von Constantin d. Gr. 
eingefiihrt; abgeschafft wurde es im J. 536, in- 
dem Iustinian seine Functionen auf den neuge- 
schaffenen Proconsullustinianus Cappadociae iiber- 
trug, aber das. Officium comitiacum, d. h. die 
Subalternen, die friiher dem Comes domorum unter 



652 



, ' — . """'vumrauuiuuiuiii uiiwr- lores iuoa. rneod. IX H7, 7 . Die FachtzahlTinf* 

geben waren, als gesonderte Beamtencorporation 10 scheint in Kappadokien und Syrfen Tn Gold zf 
unter Leitung des Proconsuls fortbestehen lies* erfnWr, rif„ PP w In « ScSJ 11 .„?. ?2 



unter Leitung des Proconsuls fortbestehen Less 
(Nov. lust. 30; ygl. 20, 2). 

Mit dem Ausdruck divina dotntis oder domus 
nostra bezeichnen die Gesetze in der Regel ganz 
allgemein das VermOgen des Kaisers, so dass das 
Wort in seiner Bedeutung mit der res primta 
zusammenfallt (Cod. Theod. I 32, 2. X 4, 3. XI 
30, 64. XIII 1, 5. XVI 5, 52 § 1. 54 § 5. Sym- 
mach. ep. I 66. Nov. Theod. 19 pr. Cassiod. var 



gabe dieser Beamten besteht darin, die Einkiinfte 
der Gliter beizutreiben, und zwar erheben sie die 
Pachten direct von den colmi (yecogyoi) ohne Yer- 
mittlung eines Grosspachters (Cod. Theod. X 1, 
11. XII 6, 14. Nov. lust. 30, 2—4. 9). Daher 
werden als solche, die unter der Habgier des 
Comes domorum leiden kOnnten, nur seine Be- 
amten und die Colonen genannt, keine eondue- 
tores (Cod. Theod. IX 27, 7). Die Pachtzahlung 



Vfi i o o io i n 1 1 «a i irx n . n , m „' ausgeueunre uesrute (JNov. lust, i 

YT T \\?'Ui L ^ih^^^-J 1 43.20Gothofredus zu Cod. Theod. X 6) 



XII 5, 7). Mitunter aber tritt es anch in einem 
besonderen Sinne auf, in dem es den (ibrigen 
Gutern der Res privata gegentibersteht (Nov. Mart. 
2, 1. Nov. Val. 18 pr. 2. 5. Nov. lust. 102, 1 
Edict. lust. 4, 2, 2. 8, 2. Cod. Theod. V 14, 6. 
XI 28, 9. 16). Domus divinae dieser Art finden 
sich anfangs nur in Kappadokien (Cod. Theod, VI 
30, 2. Not. dign. or. X 2. Nov. lust. 20, 2. 30), 
seit dem Tode des africanischen Tyrannen Gildo 



erfolgen (Nov. lust. 30, 6. Theodor. epist. 42 
= Migne Gr. 83, 1220), in Africa in Silber (Nov. 
Val._ 18 pr.), also nicht, wie das sonst die Kegel 
ist, in Naturalien. Daneben gehorten zur domus 
divina per Cappadoeicm eine Weberei unter Lei- 
tung eines praepositus gynaeceo (Cod. Theod. IX 
27, 7. Nov. lust. 30, 7, 1), aus welcher dem Kaiser- 
hofe Kleider geliefert wurden (Nov. lust. 30, 6), 
und ausgedehnte Gestute (Nov. lust. 30, 5, 1 ; vgl. 



^Bff^a-T^/E^«^a^^-«=SAS5 



auch in Africa (Cod. Theod. IX 42, 16. Nov Val 
18 pr. 2. 5. Not. dign. occ. XII 16. CIL VIII 
14399), urn die Mitte des 5. Jhdts. erscheinen sie 
in Syrien (Theodor. ep. 42 = Migne Gr. 83, 1220), 
unter Iustinian auch in anderen Provinzen (Nov 
lust. 30, 1, 1. 5. 102, 1. Edict. lust. 4, 2, 2. 8, 
2). Da von den kappadokischen GUtern und ihren 
Emkiinften immer wieder der Ausdruck raucia- 
xog gebraucht wird (Nov. Inst. 30 passim), so 



Suchen wir hiernach dasjenige zu bestimmen, 
was die domus divinae als solche charakterisiert^ 
so diirfte es woh] darin liegen, dass sie nicht 
gleich den andern Domanen durch Grosspiichter 
ausgebeutet wurden, sondern direct unter kaiser- 
licher Verwaltung standen. Als zweites Merkmal, 
dem sie den ~E&men. praedia, tamiaca, d. h. Kassen- 
giiter, verdankten, kommt hinzu, dass die Ein- 
kiinfte aus ihnen zum grossten Teil in barem 



lust. XI 69 tberschrift. Theodor. a. O., vgl. Nov". 
lust. 38, 6) nur ein anderer Name fur die domus 
divinae ist (His 29). 

_ Der kappadokische Landbesitz des Kaisers ist 
in 13 domus, d. h. Giiter, eingeteilt und dem- 
entsprechend giebt es 13 Magistri, die nach ihrem 
Dienstalter (Nov. lust. 30, 4) die ersten in dem 
Officium des Comes domorum sind (Nov. lust. 
30, 2). Ausserdem besitzt jedes Gut seinen be- 
sonderen Verwalter, der anfangs den Titel pro- 50 
curator (mhoonog) fuhrte (Cod. Theod. IX 27, 
7; dies Gesetz ist zwar in Mailand gegeben' 
aber zu einer Zeit, wo sich Theodosius dort auf. 
Melt, und der Beamte, an den es gerichtet ist, 
lasst sich im Orient nachweisen, s. Severinus- 
es bezieht sich also nicht auf Africa , sondern 
auf Kappadokien). Doch schaffte Iustinian dies 
Amt a b und iibertrug die Gflterverwaltung 13 
uiQaxxoQsg aus dem Officium comitiacum, in dem 



gewesen sein, warum man sie im Laufe der Zeit 
immer weiter . ausdehnte. Von dem Drucke des 
Conductors befreit, nehmen die eoloni tamiaci 
(Cod. lust. XI 69, 1) oder av&ocoxoi xafitiaxoi 
(Nov. lust 30, 1, 1. 38, 6) eine bevorzugte Stel- 
lung ein, ja in Africa belegt man sie gar nicht 
mit dem verachteten Namen der Coloni, sondern 
nennt sie perpetuarii (Nov. Val. 18 pr., vgl Cod. 
Theod. V 14, 6), Ihr Verhiiltnis zum Grundstuck 



-s«ss^c^'^S«= ™ =S5»rs 



lust. XI 69, 1), wohl aber durch Verkauf auf 
einen anderen iibertragen (Cod. lust. XI 69, 2). 
Es erscheint also als nutzbares Eecht, nicht, wie 
bei den andern Colonen, als lastige Pflicht. Dieser 
giinstigeren Lage hatten sie es zu danken, dass 
sie nicht rfeich den andern gesehlnssenen Stan- 
den jener Zeit immer mehr zusammenschwanden, 
sondern sich ansehnlich vermehrten fNov lust 
38, 6). 

Fragen wir nach der Entstehung dieser eigen- 
tiimlichen Klasse von Krongutern, so werden wir 
von den kappadokischen als den altesten ausgehen 
mttssen. Diese haben sich wahrscheinlich zum 
grSssten Teil dadurch gebildet, dass Constantin 
den Besitz der heidnischen Tempel, der gerade 
in dieser Provinz ganz besonders reich und aus- 
gedehnt war (Strab. XII 535. 537), fur die res 
prtvata einzog. Vielleicht hat der Aberglaube 
und die Volkswut ftber die Beraubung der Heilig- 



s^ienachstMtestennachjeneTr^glsM 

? ollten._Jedar dieser 26 sc-llte sich einen Adiu- die Ausbeutung jene'r Landereier Tmeldeten m5 



tor als Heifer und eventuellen Stellvertreter nach 
eigener Wahl ernennen (Nov. lust. 30, 2. 4). Unter 
den Procuratores standen als Rechnungsfuhrer die 
tabularii {zoay.xevrai); doch wurden auch diese 
wegen der zahlreichen Erpressungen, die sie sich 
erlaubt hatten, von Iustinian beseitigt (Cod. Theod 
IX 27, 7. Nov. lust. 30, 2. 3). Die Hauptauf- 



der Kaiser sab. sich dadurch gezwungen, einem 
Mamie seines persSnlichen Vertrauens — denn 
das pflegten die C. damals noch zu sein — die 
Giiterverwaltung zu iibertragen. So diirfte der 
comes domorum per Cappadociam entstanden 
sem, und nach seinem Vorbilde legte man auch 
in Africa, als man die Giiter des Gildo einzog, 



! 



653 



Comites 



Comites 



654 



dem Verwalter derselben den Comestitel bei (Cod. 
Theod. IX 42, 16. Not. dign. occ. XII 5). 

Die Divinae domus gehorten naturgemass in 
das Domanenressort und sind daher im Occident 
immer unter der Oberaufsicht des eornes rerum 
privatarum geblieben (Not. dign. occ. XII 5. 
16. His 76, 2). Auch im Orient ist der co- 
mes domorum per Cappadociam anfangs dessen 
Untergebener, Er empfangt von ihm den Prin- 
ceps seines Officium, und nachdem ihm eine Zeit 
lang die eigene Ernennung desselben iiberlassen 
worden war, wird im J. 379 die alte Sitte zum 
Zweck einer strengeren Controlle wiederherge- 
stellt (Cod. Theod. VI 30, 2). Noch 390 ist der 
comes rerum privatarum Richter fiber ihn (Cod. 
Theod. IX 27, 7). Der Eunuch Eutropius, der 
als praepositus saeri cubiculi den schwachen Ar- 
cadius vSllig beherrschte, diirfte hierin eine Veran- 
derung herbeigefuhrt haben, wahrscheinlich unter 
dem Vorwande, dass die kappadokischen Gewan- 
der und Rosse ein Bedurfhis der kaiserlichen Kam- 
mer seien und daher auch der Verwaltung des Ober- 
kammerers unterstellt werden miissten. Jedenfalls 
erscheint der praepositus saeri cubiculi schon 414 
als Vorgesetzter des Comes domorum (Cod. Theod. 

XI 28, 9 fin. Cod. lust. Ill 26, 11. Nov. Mart. 
II 7. Nov. lust. 30, 6, 2. 7, 1. 8), ja dieser wird 
geradezu den Cubicularii zugerechnet (Cod. lust. 

XII 5, 2). Die Notitia dignitatum, in der sich 
vielfach Bestandteile verschiedener Zeiten misehen 
(Seeck Herm. XI 71), stellt sowohl den alteren 
(or. XIV 3) als auch den jiingeren Zustand dar 
(or. X 2). Vielleicht haben auch im Occident 
der comes Oildoniaci patritnonii und der ra- 
tionalis rei privatae fundorum domus divinae 
per Africam, welche sie nebeneinander nennt 
(occ. XII 5. 16) , nicht gleichzeitig bestanden, 
sondern das letztere Amt ist an die Stelle des 
ersteren getreten. 

Die Verwaltung der domus divintK scheint 
die denkbar schlechteste gewesen zu seiu. Die 
Officialen des comes domorum per Cappadociam 
erhoben von den Colonen alle moglichen Trink- 
gelder, ja diese scheinen unter dem Namen Aspa- 
stica, Tracteutica und Ad introitum fast zu regel- 
massigen Sporteln geworden zu sein (Nov. lust. 
30, 3. 4). Der Comes domorum selbst nahm Be- 
stechungen an, um die Occupation der kaiserlichen 
Landereien durch reiche Privatleute zu gestatten 
(Nov. lust. 30, 5, 1. 7. Cod. lust. XI 67, 1 ; vgl. VII 
38, 3)); immerfort liefen Klagen iiber seine Be- 
druckungen in Constantinopel ein (Nov. lust. 30, 5, 
1. 9. Cod. Theod. IX 27, 7 ; vgl. VI 30, 2), und nicht 
selten kam es dariiber zu Tumulten und Aufstanden 
(Nov. lust. 30, 1. 7). Auf diese Art schrumpften 
zeitweilig die Einkiinfte der divinae domus so 
zusammen, dass sie kaum noch nennenswert waren 
(Nov. lust. 30, 5, 1), ja die canonicarii, die der 
praepositus saeri cubicuh zur Eintreibung der 
Gefalle nach Kappadokien schickte,konntenmanch- 
mal nicht einen Pfennig zuriickbringen (Nov. lust. 
30, 7, 1). 

Die Macht des Comes domorum blieb nicht auf 
Kappadokien beschrankt. Auch in Syrien treibt 
Mitte des 5. Jhdts. das Officium comitiacum die 
Goldleistungen von den praedia tamiaca ein (Theo- 
dor. epist. 42 = Migne G. 83, 1220). Man scheint 
danach im ganzen Orient, wo immer man Do- 



manen in der Form der divinae domus verwalten 
liess , sie dem kappadokischen Comes domorum 
unterstellt zu haben. Erst unter Iustinian treten 
curatores divinae domus mit dem Range der viri 
inlustres auf (Cod. lust. VII 37, 3. Nov. lust. 
148, 1), die ihm und seinem Nachfolger, dem Pro- 
consul Cappadociae, wahrscheinlich einen Teil ihrer 
Pflichten abnahmen. R. His Die Domanen der 
rOmischen Kaiserzeit 75. 

10 28) Comes et curator rei publicae s. 
Comes civitatis (Nr. 15). 

29) Comes et praeses s. Comes Isauriae 
(Nr. 45), Comes Mauretaniae (Nr. 59). Im 
ubrigen ist bei comes et magister officiorum auf 
magister officiorum, bei comes et quaestor auf 
quaestor zu verweisen , und entsprechend bei den 
ubrigen Amtern, mit denen sich die Comitiva 
regelmassig oder gelegentlich verbindet. 

80) Comes fabricarum totius civitatis Be- 

20 neventanae urbis erwahnt auf einer spaten tn- 
schrift CIL IX 1590; vgl. Fabricae. 

31) Comes Faventinus s. Comes civi- 
tatis (Nr. 15). 

32) Comes Flavialis s. oben S.630. 633. 

33) Comes form a rum, vollstaDdiger comes 
ordinis primi et formarum, ein stadtrOmischer 
Beamter mit dem Titel vir speetabilis (CIL VI 
1765), der fur die Instandhaltung der Wasser- 
leitungen Roms zu sorgen hatte. Er findet sich 

30 zuerst im Anfang des 5. Jhdts. als Unterbeamter 
des Praefectus Urbis Romae erwahnt (Not. dign. 
occ. IV 5) und hat sich dann auch noch im 
Ostgothenreiche erhalten (Cassiod. var. VII 6). 
Grossi-Gondi bei Ruggiero Dizionario_ epi- 
grafico II 527. Mommsen Neues Archiv d. 
Gesellsch. f. altere deutsche Geschichtskunde XIV 
492. Vgl. Wasserleitungen. 

34) Comes Galatiae primae. Der vica- 
rius Dioeceseos Ponticae war unter Iustinian zu- 

40 gleich Consularis Galatiae primae gewesen und 
hatte hier auch das Commando der Truppen be- 
sessen. Im J. 535 wurde ihm der Titel Comes 
Galatiae primae verliehen, aber die Befugnisse ge- 
nommen, die er als Vicar in den ubrigen Provinzen 
der Dioecese ausgeiibt hatte. Nov. lust. VIII 3. 

35) Comites Gallicanornm s. Comes 
largitionum (Nr. 50). 

36) Comes Germaniarum. Im J. 365 er- 
wahnt Amm. XXVH 1, 2 eines Charietto tunc 

50 per utramque Cermaniam comes. Wahrend sonst 
die beiden Germanien jedes unter einem beson- 
deren Dux standen, hat man sie also zeitweilig 
unter einem gemeinsamen Commando vereinigt 
und dem Inhaber desselben den hoheren Titel 
comes gegeben. 

37) Comes Gildoniaci patrimonii. Als 
nach dem Tode des Aufruhrers Gildo in Africa 
(398) sein grosses VermOgen vom Fiscus eiDge- 
zogen wurde , da iibertrug Honorius die Verwal- 

60tung desselben anfangs einem ausserordentlicben 
Beamten, der in einer Inschrift comes ordinis 
primi moderans inlustrem saeri patrimonii co- 
mitivam (Dessau 1275), in einem an ihn ge- 
richteten Gesetz (Cod. Theod. LX 42, 16) comes 
et procurator divinae domus genannt wird, also 
wahrscheinlich gar keinen festen Titel besass. 
Spater wurde dafiir nach dem Muster des comes 
divinarum domorum per Cappadociam ein Comes 



655 



Comites 



Comites 



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Comites 



Comites 



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Gildoniaci patrimonii ernannt und gleich diesem spater zum Magister railitum erhoben wurde. Ein 
dem comes rerum privatarum unterstellt. Viel- ausserordentliches Amt ahnlicher Art diirfte auch 
leicht ist einige Zeit nachher an seine Stelle ein der vir spectabilis comes lllyrici der Notitia di- 
niedrigerer Beamter getreten, der rationalis rei gnitatum (occ. VII 40) bekleidet haben, und das- 
privatae fundorum domus divinae per Afrieam. selbe gilt vielleicht von dem Generidus , dessen 
Denn wenn die Notitia dignitatum (occ. XII 5. 16) Zosim. V 46, 2 erwahnt, obgleich dieser auch 
beide nennt, so hindert dies nicht, dass sie einander Magister miiitum gewesen sein kann. 
abgelOst haben, da diese Quelle oft Bestandteile aus 42) Comes insulae Curitanae et Cel- 

ganz verschiedenen Zeiten nebeneinander enthalt. sinae s. Comes civitatis (Nr. 15). 
Seeck Herm. XI 71. Vgl. Comes domorumlO 43) Comes intra consistorium (Dessau 
(Nr. 27). 0. Hirschfeld Untersuchungen auf 1283) oder comes ordinis primi intra eonsi- 
dem Gebiete der r6mischen Verwaltungsgeschichte storium (Dessau 1237. 1243. 1255) bedeutet 
I 48. Mommaen Neues Archiv der Gesellsch. f. dasselbe wie comes eonsistorianus, s. Nr. 19. 
alt. deutsche Geschichtskunde XIV 464. 44) Comes intra palatium (Dessau 1225) 

38) Comes Gothorum s. Comes civitatis oder comes ordinis primi intra palatium (Des- 
(Nr. 15), Comes proyinciae (Nr. 75). sau 1232. 1240) ist ein Titel, der nur in den 

39) Comes Hispaniarum. a) Ein Beamter, letzten Jahren Constantins des Grossen vorkommt. 
der nur unter Constantin dem Grossen vorkommt, Wahrscheinlich bezeichnet er dasselbe , wofur 
und zwar in den Jahren 316 (Cod. Theod. IX 1, spater die technische Benennung comes consisto- 

1. XII 1, 4), 332 (Cod. lust. VI 1, 6) und 333 20 rianus ttblich wird. S. Comes consistori- 
(Cod. Theod. VIII 12, 5. 18, 3. XI 39, 2). Von anus (Nr. 19). 

den drei Mannern, welehe dieses Amt bekleiden, 45) Comes Isauriae. In Isaurien war der 

ist der eine vorher comes per Afrieam gewesen Comestitel nicht so untrennbar mit der Stellung 
(Cod. Theod. XII 5, 1), der andere Corrector Lu- des Commandanten verbunden, wie in anderen 
caniae et Brittiorum (Cod. Theod. I 16, 1. XVI Militarprovinzen, z. B. Africa. Es ist bezeich- 

2, 2), dieser letztere also jedenfalls senatorischen nend dafiir, dass Aemilia Andronice sich in ihrer 
Standes. Wahrscheinlich waren es ausserordent- Inschrift (CIL VI 1674) fUia comitis Africae, 
liche Sendlinge, welehe als Vertrauensmanner des nurus comitis ordinis primi Isauriae ducis nmnt; 
Kaisers die Zustande der Dioecese zu untersuchen bei ihrem Vater ist also die Comitiva integrie- 
und zu ordnen hatten (s. oben S. 631). Wenn 30 render Bestandteil des Amtes, bei ihrem Schwie- 
sie in Spanien haufiger vorkommen als in irgend gervater personliche Auszeichnung, die dem Ducat 
einer andern Dioecese mit einziger Ausnahme des von Isaurien hinzugefiigt ist. Entsprechend redet 
Oriens, so mag dies daran liegen, dass seit un- die Notitia dignitatum (or. XXIX) zu Anfang des 
denkhchen Zeiten kein Kaiser mehr personlich betr. Capitels von dem comes per Isauriam, am 
das Land besucht hatte, und daher eine haufigere Schlusse von dem dux Isauriae, und Ammian 
Benchterstattung dariiber und das Eingreifen von (XIX 13, 2) sagt von den aufstandischen Isaurern : 
Beamten mit aussergewohnlichen Vollmachten hier ad quos vi vel rations sedandos Lauricius adiecta 
besonders notwendig erscheinen konnte. — b) Von comitis dignitate missus est rector. Den Duces 
den Truppen, welehe die Notitia dignitatum im der Provinz scheint danach der Comestitel bis 
Occident verzeichnet, stent auch eine ansehnliche 40 gegen Ende des 4. Jhdts. haufig, aber nicht regel- 
Zahl unter der Uberschrift : intra Hispanias cum massig verliehen zu sein, Zuerst erscheint er im 
speetabili comite (VII 118^. Dagegen flndet sich J. 353 (Ammian. XIV 2, 14). 

UI ^ e i den regelmassigen Amtern, die sonst den Isauria hat das Eigentiimliche, dass hier auch 

Inhalt der Notitia bilden, kein Comes Hispania- im 4. Jhdt. die militarische und die civile Ge- 

rum, und im 4. Jhdt. war in dieser friedlichsten wait nicht, wie in den meisten iibrigen Provinzen, 

aller Dioecesen auch kein Militaromnmandant er- getrennt wurden , weshalb auch der Statthaiter 

forderhch. Dies wurde anders, als im J. 408 die den vollen Titel comes et praeses fuhrte (Dessau 

Barbaren die Passe der Pyrenaeen durchbrachen. 740. Not. dign. or. XXIX 6). Diese Verbindung 

Im J. 419 und 453 erscheinen bei Hydatius (74. scheint, wie in Mauretania Caesariensis (CIL VIII 
155 =Mommsen Chron. min. II 20. 27) Comites 50 8924. 9041. 9324. H 2210. Not. dign. occ. XXX 

Hispaniarum, die jedenfalls mit ihrer Bekampfung 1. 11. 20), aus vordiocletianischer Zeit erhalten, 

beauftragt waren; doch sind sie so selten, dass nicht erst spater hergestellt zu sein. Denn wo 

man sie wohl als ausserordentliche Beamte be- seiche Vereinigungen sich seit dem 4. Jhdt. voll- 

trachten darf, und das Gleiche wird auch fair den Ziehen, da pflegen die Offlcia der fruher ge- 

Comes Hispaniarum der Notitia dignitatum gelten. trennten Amter auch ferner getrennt zu bleiben 

(rrossi-Gondi bei Euggiero Dizionario epi- (Not, dign. or. XXXVII 36. 43. Nov. lust. 30, 

grafico II 525. 1^ wahrend sie in Isaurien und Mauretanien ein- 

40) Comites Honoriaci, Not. dign. or. VIII heitlich sind. Diese Provinzen waren eben so 
26; vgl. oben S. 623. klein und unbedeutend, dass sich in ihren Statt- 

41) Comes lllyrici. Bei Amm. XXVI 5, 3 60 haltern Usurpationsgeliiste nicht leicht regen 
ist unter dem J. 364 erzahlt: Equitius IUyri- konnten. Die Macht derselben durch Teilung 
cxaiw praeponitur exercitui nondum magister sed ihrer friiheren Amtsbefugnisse zu schwachen, war 
comes. Also ein Mann, dessen Rang oder Dienst- also fur Diocletian kein Grund, und die Wildheit 
alter nicht geniigend erscheint, um ihm die hohe der Bewohner, die sich immer wieder in Auf- 
Wiirde eines magister miiitum per HJyrimm zu standen und Plunderungsziigen Luft machte, liess 
erteilen , erfiillt die Functionen desselben mit es hier besonders wiinschenswert erscheinen dass 
dem etwas niedrigeren Titel eines comes. Doch derjenige, welcher iiber sie als Eichter und Steuer- 
verschwand dieser Comes lllyrici, als Equitius erheber gesetzt war, auch zugleich Peldherr sei 



Im J. 353 befehligte der Comes Isauriae drei sulares (Cod. Theod. VI 19), also wahrscheinlich 

Legionen (Ammian. XIV 2, 14); in der Notitia den Correctores gleich, und werden daher wohl vir 

dignitatum sind ihm davon nur noch die seeunda clarissimm genannt worden sein. Processe, die 

und tertia Isaura geblieben ; die prima ist zur Forderungen der saerae largitiones betreffen, ent- 

pseudocomitatensis gemacht und dem Magister scheiden sie in erster Instanz (Aug. conf. VI 10, 

miiitum per Orientem unterstellt worden. Not. 16), von der die Appellation anfangs an jeden 

dign. or. VII 56. Grossi-Gondi bei Euggiero Eichter zweiter Instanz gehen kann (Cod. Theod. 

Dizionario epigrafico II 519. XI 30, 28), spater nur an den comes sacra/rum 

46) Comes Italiae. In der Notitia digni- largitionum (Cod. Theod. XI 30, 39). Ihnen 
tatum erscheint occ. XXIV ein Comes Italiae mit 10 steht die Oberaufsicht uber die kaiserlichen Cassen 
dem Titel vir spectabilis, als dessen Competenz- {thesauri) zu, die unter besonderen praepositi 
kreis der tractus Italiae circa Alpes genannt thesaurorum fiber die Provinzen ihrer Dioecese 
wird. Dementsprechend zeigen seine Insignien zerstreut sind (Not. dign. or. XTTT 10; occ. XI 
die Abbildung hoher Berge, iiber die zinnenge- 21—37), und aus ihnen haben sie innerhalb 
krOnte Mauern weggefflhrt sind; jedenfalls sind ihres Amtsbezirks Zahlungen anzuweisen (Am- 
damit Befestigungen gemeint, welehe die Alpen- mian. XXTT 3, 7). Als richterliche Beamte haben 
passe sperren sollten. Truppen, die ihm gehorten, sie je einen Adsessor zum juristischen Beirat 
werden nicht genannt ; wahrscheinlich war er in (Aug. conf. VI 10, 16). Ihre iibrigen Officialen, 
erster Linie auf die Milizen angewiesen, die er die thesauremes, bedurfen zu ihrer Anstellung 
aus der Bergbevolkerung aufbieten konnte. Da- 20 einer kaiserlichen Probatoria (Cod. Theod. VIJJ 
neben mogen ihm eine Anzahl mwneri palatini 7, 23) und bleiben dann fur immer an ihren 
und comitatenses von den Magistri miiitum ge- Stand gefesselt. Unter ihnen werden custodes 
liehen sein. Ein Militarcommando in den Alpen fhesaworwm, und seriniarii genannt (Cod. Theod. 
diirfte kaum notig gewesen sein, ehe die Barbaren VIII 7, 14), welehe letzteren wohl in erster Linie 
Gallien und die Donauprovinzen schon vollig in Bechnungsbeamte waren. Executivbeamte stehen 
ihre Hand gebracht hatten. Das Amt gehflrt also ihnen nicht zur Disposition, miissen ihnen aber 
erst dem 5. Jhdt. an. auf ihre Porderung von dem Praesides gestellt 

47) Comites Italicianorum s. Comes werden (Cod. Theod. 1 10, 8). Grossi-Gondi bei 
largitionum (Nr. 50). Euggiero Diz. epigr. II 505. 

48) Comites iuniores, Not. dign. occ. VI 30 51) Comes largitionum privatarum ist 
32. 75 ; vgl. oben S. 623. einer der wechselnden Titel, die nach dem schwan- 

49) Comes Iustinianus Armeniae ter- kenden Sprachgebrauche jener Zeit dem comes 
tiae s. Comes Armeniae (Nr. 8). rerum "privatarum beigelegt werden (Dessau 

50) C omes largitionum (Not. dign. or. XIII 1290. Cod. Theod. X 9, 3. VI 9, 1. 30, 16. X 1, 
5 ; occ. XI 4, 7. Ammian. XXVII 7, 5. August. 13). Doch bezeichnet derselbe auch einen beson- 
confess. VI 10, 16), auch conies titulorum lar- deren Beamten, der jenem untergeben war, aber 
gitionalmm (Not. dign. occ. XI 8. Cod. Theod. nur im Occident vorkommt (Not. dign. occ. XII 
I 10, 8), comes thesaurorum (Ammian. XXIX 4). Wahrscheinlich lag ihm die Verteilung der 
1, 26. Cod. Theod. VIII 7, 14. 23), comes aerarii Spenden ob , die der Kaiser aus den Bestanden 
(Cod. Theod. XI 30, 39), griechisch xo^g T<«v40der res privata machte. 

■drjoavowv (Basil, ep. 32 = Migne G.32, 317) ge- 52) Comes largitionum sacrarum s. Co- 

nannt, heisst ein Unterbeamter des comes sacra- mes sacrarum largitionum (Nr. 84). 

rum largitionum (Ammian. XXII 3, 7. Cod. Theod. 53) Comes limitis Aegypti s. Comes 

VIII7,14.V3. Not.dign.a. 0.),derjedesmal in einer Aegypti(Nr. 1 ) und entsprechend bei den anderen 

Dioecese die Verwaltung der kaiserlichen Finanzen Limites. 

zu leiten hat (Not. dign. or. XIII 5. Cod. Theod. 54) Comes litoris Sasonici per Britan- 

VIII 7, 23. Ammian. XXII 3, 7: qui Oallieams niam s. Comes Britanniarum (Nr. 12). 

tuebatur thesauros. August, conf. VI 10, 16. Not. 55) Comes Lycaoniae. Wie alle Provinzen, 

dign. occ. XI 7: comes largitionum Italiciana- welehe das Land der wilden Isaurer umgaben, 
rum. Not. dign. occ. XI 4. Ammian. XXVII 7, 50 besass auch Lycaonien um 472 ein Militarcom- 

5 : comes largitionum per lllyrfcum. Not. dign. mando , dessen Inhaber den Titel Comes fuhrte, 

XI 8. Cod. Theod. I 5, 12: comes titulorum lar- Cod. lust. XJJ 59, 10 § 5. 

gitionalium per Afrieam. Ammian, XXIX 1, 26: 56) Comes Macedoniae, ein Beamter, der 

conies thesaurorum per Tkraeias). nur einmal unter Constantin dem Grossen im 

Wenn in der Notitia dignitatum keine C. lar- J. 327 vorkommt (Cod. Theod. XI 3, 2). Der- 

gitionum in der gallischen Praefectur erscheinen, selbe Comes Acacius erscheint um das J. 330 im 

so liegt das daran, dass sie damals schon von den Oriens, wo er den Kaiser bei der Synode von An- 

Barbaren occupiert war. Die gallischen und bri- tiochia vertritt, und wird hier diaarj/ioraios, d. h. 

tannischen praepositi thesaurorum, Not. dign. vir clarissimus, genannt (Euseb. vit. Const. HI 
occ. XI 31—37, widersprechen dem nicht, sondern 60 62), ist also Senator. Wahrscheinlich haben wir 

zeigen nur wieder, dass in der Notitia dignitatum in ihm einen jener Sendlinge des Kaiserhofes zu 

Bestandteile verschiedener Zeiten durcheinander erblicken, welehe die Zustande einer bestimmten 

gemischt sind. Im J. 400 werden die C. lar- Dioecese zu untersuchen, dort eine ausserordent- 

gitionum der westlichen Reichshalfte noch als liche Appellationsgerichtsbarkeit zu iiben, die 

comites Italicianorum et Gallieaiiorumzusa.mmen- Statthaiter zu beaufsichtigen und an den Kaiser 

gefasst nach den beiden Praefecturen, die dem zu berichten -hatten; s. o, S. 631. 

westromischen Kaiser untergeben waren (Cod. 57) Comes maritimi tractus ist der Aus- 

Theod. VI 19). Sie stehen an Eang unter den Con- druck, den Ammian. XXVII 8, 1 fur den comes 



659 



Comites 



Comites 



660 



litoris Saxoniei per Brittannias braucht; vgl. 
Comes Britanniamm (Nr. 12). 

58) Comes Massiliensis s. Comes civi- 
tatis (Nr. 15). 

59) Comes Mauretaniae Caesariensis. 
Ausnahmsweise fuhrte auch der d/wx et praeses 
Ton Mauretanien den Comestitel (CIL II 2210), 
wie dies in Isaurien Eegel war ; im ubrigen war 
in nachdiocletianischer Zeit die Verwaltung der 
beiden Provinzen sehr ahnlieh geordnet; s. Comes 
Isauriae (Nr. 45). 

60) Comes Mauretaniae Tingitanae s. 
Comes Tingitaniae (Nr. 100). 

61) Comes metallorum per Illyricum, 
ein Beamter, der dem eomes saerarum largi- 
tionum im Ostlichen Eeichsteil untergeben ist 
und die Ausbeutung der illyrischen Bergwerke zu 
beaufsichtigen hat; zuerst erwahnt im J. 365 
(Cod. Theod. X 19, 3). In den andern Dioecesen 
scheinen entsprechende Beamte nicht vorzukommen. 
Not. dign. or. XIII 11. 

62) Comes Neapolitanus s. Comes civi- 
tatis (Nr. 15). 

63) Comes ordinis primi, secundi, tertii 
s. oben S. 635 und Comes consistorianus 
(Nr. 19). 

64) Comes Orientis. Wie Constantin der 
Grosse in viele Dioecesen, namentlich in solche, 
die er persOnlich nicht hatte besuchen kOnnen, Ver- 
trauensleute mit ausserordentlichen Vollmachten 
sandte, um die Zustande dort zu untersuchen, 
die Statthalter zu beaufsichtigen und dem Kaiser 
Bericht zu erstatten, so gesehah es auch im Orient 
(s. oben S. 631). Durch die kirchlichen Wirren, 
die der Arianische Streit hervorgerufen hatte, 
wurde hier eine Vertretung des Herrschers von 
aussergewChnlicher Autoritat sogar tifter notig, 
als in den anderen Liindern des Reiches. So er- 
scheinen denn die C. Constantins hier bald damit 
beschaftigt , heidnische Heiligtumer aufzuheben 
und ihre Cultgegenstande zu zerstoren (Euseb. 
vit. Const. Ill 53), bald leiten sie im Namen 
des KaiseTS christliche Synoden, wie die von An- 
tiochia um 330 (Euseb. vit. Const. Ill 62) und 
von Tyrus im J. 335 (Athan. apol. c. Ar. 8. 9. 
28. 71. 72. 78. 79 = Migne Gr. 25, 261. 264. 
293. 373. 377. 389. 392 u. sonst). Es sind in der 
Kegel Leute von hohem Range. Lollianus Ma- 
vortius, welcher der alteste iiberlieferte Comes 
Orientis zn sein scheint, war vorher consuJaris 
Campaniae und comes intra palatium et vice 
sacra iudicans, was wahrscheinlich nichts anderes 
bedeutet, als das hOchst einflussreiche Amt, das 
man spater mit dem Titel der Quaestura sacri 
Palatii belegte (Firm. Mat. math. II, 7. Dessaa 
1224. 1225). Dionysios, der dem Concil von Tyrus 
praesidierte, war gleichfalls ex consularibus (Euseb. 
vit. Const. IV 42). Acacius und Strategius werden 
dtaor/fioTazot, d. h. viri clarissimi, genannt (Euseb. 
vit. Const. Ill 53. 62), waren also Seuatoren ; der 
erstere war schon vorher als comes Macedoniae 
thatig gewesen (Cod. Theod. XI 3, 2). Der ausser- 
ordentliche Charakter des Amtes zeigt sich darin, 
dass es bald von einem einzelnen Mamie, bald 
collegialisch von zweien verwaltet wird (Euseb. 
vit. Const. ITI 62), bald nur die Dioeoesis Orientis 
umfasst, bald auch sich tiber Agypten ausdehnt. 
Denn um die Zeit, wo der Perserkrieg des Con- 



stantius auf seiner Hohe stand (etwa 340), be- 
gegnen uns zwei Manner, die, naehdem sie vorher 
schon sehr hohe Amter bekleidet haben, zu co- 
mites Orientis Aegypti et Mesopotamiae ernannt 
werden (Dessau 1231. 1237). Wahrscheinlich 
waren es die Bedurfnisse des Krieges, welche dazu 
veranlassten , Agypten, das als Komprovinz des 
Ostlichen Reichsteils fur die Verpflegung der Heere 
von besonderer Wichtigkeit war, mit dem Oriens 

10 in der Hand eines ausserordentlichen Beamten 
zu vereinigen. Wenn Mesopotamien , das sonst 
immer nur einen Teil des Oriens gebildet hat, 
hier gesondert neben ihm genannt wird, so mag 
dies darin seinen Grund haben, dass es als der 
eigentliche Kriegsschauplatz damals zeitweilig eine 
besondere Organisation erhalten hatte. 

Jene langjahrigen Kampfe mit den Persern 
und wohl nocn mehr die religicsen Streitigkeiten, 
die ihnen parallel liefen, werden dazu gefiihrt 

20 haben, dass gerade im Oriens ein Beamter mit 
ausgedehnten Vollmachten, der als persOnlicher 
Vertreter des Kaisers gelten konnte, nie zu ent- 
behren war. Dadurch wurde die ausserordent- 
liche Compe.tenz regehnassig erneuert und bildete 
sich so zur stehenden und ordentlichen aus. Dies 
fand darin seinen Ausdruck, dass der Vicarius 
Orientis, der 325 noch nachweisbar ist (Cod. 
Theod. XII 1. 12. Cod. lust. XI 50, 1) , spater 
wegfiel. Denn da die comites provinciarum 

30 gleichfalls die Statthalter zu beaufsichtigen hat- 
ten und kraft kaiserlicher Delegation Appella- 
tionen von ihrem Spruch annehmen konnten 
(s. oben S. 632), so mussten sie die genau 
entsprechende, aber niedrigere Gewalt der Vicare 
vollstandig lahmlegen, solange sie sich in deren 
Dioecesen aufhielten. Kamen sie nur als ausser- 
ordentliche Sendlinge, um bald wieder an den 
Kaiserhof zuriickzukehren , so bedeutete dies fur 
die Wirksamkeit des entsprechenden Vicars nur 

40 eine zeitweilige Unterbrechung ; wurden sie da- 
gegen standig , wie dies im Orient gesehah , so 
war seine Thatigkeit ganz iiberflussig geworden 
und folglich konnte sein Amt aufgehoben werden. 
Seit der Mitte des 4. Jhdts. erffillen also die 
C. Orientis im Oriens ungefahr dieselben Ob- 
liegenheiten, wie die Vicare in den anderen Dioe- 
cesen (Cod. Theod. IX 40, 15. XI 30, 16. 30), 
und fiihren, gleich diesen, nach der Rangordnung 
Valentinians I. den Titel vir spectabUis (Not. 

50 dign. or. XXII 17. 33. Cod. Theod. VIII 7, 21. 
Cod. lust. Ill 13, 4, wo ubrigens die Erwah- 
nung des Comes Orientis iustinianische Interpo- 
lation ist); doch gehen sie ihnen an Rang vor 
(Cod. Theod. VI 10, 3) und gehoren in die gleiche 
Classe mit den Proconsuln (Not. dign. a. O.). Sie 
residieren in Antiochia (Ammian. XIV 7, 2. 
Sievers Das Leben des Libanius 73. 155—157. 
159. 163—168. 171 u. sonst) und haben die Ver- 
waltung der Grossstadt in derselben Weise zu 

60 leiten, wie die Praefecti Urbis in Rom und Con- 
stantinopel. In diesem Sinne sorgen sie fur bil- 
liges Brot (Liban. or. I 129. II 328), fur die Hei- 
zung der Offentlichen Bader (Liban. or. H 93), 
fur die Wasserleitungen der Stadt (Cod. Theod. 
XV 2, 7), fur die Regulierung des Orontes, der 
sie durebfliesst (Cod. Theod. X 23) u. dgl. mehr. 
Doch beschrankt sich ihre Gewalt nicht auf das 
Stadtgebiet, sondern erstreckt sich fiber die ganze 






661 



Comites 



Comites 



662 



Dioecese Orientis, welche folgende Provinzen um- 
fasst: Palaestina prima, Palaestina secunda, Pa- 
laestina salutaris, Phoenice, Phoenice Libani, Syria 
prima, Syria salutaris, Cyprus, Cilicia prima, Ci- 
licia secunda, Euphratensis , Osrhoena, Mesopo- 
tamia, Isauria, Arabia (Not. dign. or. XXII). In 
alien diesen Provinzen uben sie das Oberaufsichts- 
recht fiber die Statthalter und die Appellations- 
gerichtsbarkeit, kurz sie kOnnen ganz in derselben 
Weise als Vertreter der Praefecti praetorio gelten, 
wie die Vicare. Ihr Offlcium bestand im J. 394 
aus nicht weniger als 600 Subalternbeamten (Cod. 
Theod. I 13). Eine nicht ganz vollstandige Liste 
der ttberlieferten C. Orientis bei Grossi-Gondi 
in Ruggieros Dizionario epigraflco II 504. Eben- 
dort sind auch Notizen fiber ihre Thatigkeit ge- 
sammeltydie aber keinen wesentlichen Unterschied 
gegenuber den Vicaren ergeben. 

65) Comes Pamphyliae. Um das J. 472 
besass Pamphylien, um die Einfalle der Isaurer 
abzuwehren, ein standiges Militarcommando, dessen 
Inhaber den Titel comes fuhrte. Cod. lust. XII 
59, 10 § 5. 

66) Comes Pannoniae Sirmiensis, ein 
Beamter der ostgothischen Zeit mit dem Range 
eines vir inlustris, der in seiner Provinz die hochste 
militarische Gewalt mit der civilen vereinigte. 
Cassiod. var. Ill 28. 24. IV 13. 

67) Comes patrimonii s. Comes sacri 
patrimonii (Nr. 87), Comes Gildoniaci pa- 
trimonii (Nr. 37). 

68) Comes per Africam s. Comes Africae 
(Nr. 3) und entsprechend bei den andern Dioecesen. 

69) Comes Phrygiae Pacatianae. Unter 
Iustinian war der Vicarius Dioeceseos Asianae 
zugleich Praeses Phrygiae Pacatianae gewesen. 
Im J. 535 wurde ihm in dieser letzteren Eigen- 
schaft der Titel Comes Phrygiae Pacatianae ver- 
liehen, zugleich aber die Befugnisse genommen, die 
er als Vicar in den tibrigen asianischen Provinzen 
ausgeiibt hatte (Nov. lust. 8, 2, 3). Dafiir er- 
hielt er neben der civilen Verwaltung auch das Mi- 
litarcommando seiner Provinz. Nov. lust. XXXI 3. 

70) Comes Pisidiae. Wie alle Provinzen, 
welche das Land der wilden Isaurer umgaben, 
be,«ass auch Pisidia nm das J. 472 ein Militar- 
commando, dessen Inhaber den Titel Comes fuhrte, 
Cod. lust. XII 59, 10 § 5. 

71) Comes Ponticae dioeceseos wird nur 
einmal im J. 413 erwahnt, als ein Beamter, der 
dem Comes Aegypti an Rang gleich und eine 
Stufe hc\her als die gewohnlichen Duces steht 
(Cod. Theod. VI 13). Danaeh muss er vir spec- 
tabUis im Range der Proconsuln gewesen sein. 
Vielleicht war das Commando des Dux Armeniae 
(Not. dign. or. XXXVIII) bei irgend einer Gelegen- 
heit, wahrscheinlich als ein Perserkrieg drohte, auf 
die ganze pontische Dioecese ausgedehnt und ihm 
zugleich der Comestitel verliehen worden. 

72) Comes portus urbis Romae (Cas- 
siod. var. VII 9), auch comes portus (Not. dign. 
occ. IV 7) oder eomes portuum genannt (Des- 
sau 1250), weil die beiden Hafen, die sudlich 
und nCrdlich der Tibermundung lagen, seiner 
Aufsicht unterstanden (Cassiod. var. VTI 9, 2). 
Er wird zuerst um die Mitte des 4. Jhdts. er- 
wahnt (Dessau a. O.). Uber seine Thatigkeit 
ist nichts weiter bekannt, als dass die landenden 



Schiffer ihm Sporteln in der Form freiwilliger Ge- 
schenke (Xenia) darzubringen hatten (Cassiod. var. 
VII 9, 3). Grossi-Gondi bei Ruggiero Di- 
zionario epigraflco II 528. 

73) Comes primi ordinis s. oben S. 635 
und Comes consistorianus (Nr. 19). 

74) Comes privatarum s. Comes rerum 
privatarum (Nr. 79). 

75) Comes provinciae. a) Unter comites 
10 provinciarum oder comites, qui per provineias 

eonstitttti sunt (Cod. Theod. I 16, 6. 7) versteht 
man unter Constantin dem Grossen ausserordent- 
liche Sendlinge des Hofes, denen die Aufsicht 
und Berichterstattung an den Kaiser fiber je eine 
Dioecese iibertragen ist. S. oben S. 631 und 
Comes Orientis (Nr. 64). 

b) In ostgothischer Zeit erscheinen in der ein- 
zelnen Provinz neben einamier ein ivdex Bomaniis 
und ein comes Qothorum (Cassiod. var. V 14, 

20 7. 8). Dem scheint es zu entsprechen, wenn bei 
Cassiod. var. VII 1 und 2 unmittelbar hinter 
einander eine formula comitivae provinciae und 
eine formula praesidatus stehen ; diese wird sich 
eben auf den rOmischen Richter, jene auf den 
gothischen beziehen. Denn nach dem Inhalt 
seines Anstellungsformulars ist auch der Comes 
nicht ein Feldherr, der die Provinz gegen feind- 
liche Angriffe zu verteidigen hatte, sondern aus- 
schliesslichCriminalrichter,undaufdasselbeweisen 

30 auch die Eormulare hin , die sich auf den Prin- 
ceps seines Offlcium beziehen (Cassiod. var. VII 
24. 25). Wenn dem Comes provinciae trotzdem 
militarische Gewalt beigelegt wird, so besitzt er 
sie doch nur, um Rauberbanden entgegenzutreten 
oder diejenigen zu ziigeln, welche sich ihm mit 
gewaffneter Hand widersetzen. Es scheint da- 
naeh, dass Theodorich der Grosse die Provincial- 
verwaltung derart unter ROmer und Gothen ver- 
teilt hat, dass jene in ihrem Praeses den hochsten 

40 Steuerbeamten (Cassiod. var. VII 2, 2) und den 
Civilrichter stellten, diese in dem Comes den 
Criminalrichter. Als Gehulfen des letzteren werden 
Domestici und Vicedomini genannt (Cassiod. var. 
V 14, 8. IX 13, 1). 

76) Comes Ravennas s. Comes civitatis 
(Nr. 15). 

77) Comes rei militaris ist ein Titel, der 
selten in dieser Vollstandigkeit gebraueht wird 
(Cod. Theod. VI 14 tberschrift. Not. dign. or. 

50 1 35. XXVIII 13. XXIX 6 ; occ. I 30), gewOhn- 
lich sagt man daffir comes schlechthin ohne wei- 
teren Zusatz (Cod. Theod. VII 1, 9. 4, 32. Vin 
7, 11. Ammian. XXVII 1, 2. XXIX 1, 2. Dessau 
790 u. sonst). Er bezeichnet einen Mann, der 
die Wurde der Comitiva besitzt und zugleich 
Truppenfuhrer ist, innerhalb dieser Grenzen aber 
kann er auf Leute des allerhflchsten und eines 
recht niedrigen Ranges angewandt werden. Des- 
halb unterscheiden zwei Gesetze (Cod Theod. VII 

60 11, 1. 2) die comites minores oder inferiores von 
den viri inlustres comites et magistri militum; 
denn auch diese fallen ohne Zweifel unter den 
Begriff der comites rei militaris, doch werden 
wir sie unter dem Worte Magister militum 
besprechen und uns hier nur an jene comites mi- 
nores halten. Auch unter diesen giebt es mannig- 
fache Verschiedenheiten. So redet Ammian. XX VTI 
1, 2 von einem Charietto tunc per utramque Oer- 



663 



Comites 



Comites 



664 



maniam comes, der gegen die Alamannen zieht 
adscito in soeietatem laboris Severiano itidem 
comite invalido et longae-vo, qui apud Cabillona 
Divitensibus praesidebat et Tungrecanis. Also 
der eine Comes rei militaris befehligt die Heere 
l>eider Germanien, der andere nur die Besatzung 
einer gallischen Stadt, die aus zwei Truppen- 
korpern besteht. Dieses Beispiel zeigt nns auch 
die beiden Hauptgruppen, die unter den C. rei 
militaris besteheri. 10 

a) Der Comes rei militaris bekleidet ein ordent- 
liehes und standiges Commando, d. h. er erfullt 
in irgend einer Militarprovinz die Obliegenheiten 
des Dux. Dieser Art sind die samtlichen C. 
rei militaris, denen die Notitia dignitatum ge- 
sonderte Capitel widmet (or. XXVIII. XXIX ; occ. 
XXIV— XXIX). Ihr Bang beatimmt sich dadurch, 
dass sie zwischen die - Vicarii und die gewOhn- 
lichen Duces gestellt sind, die beide in der gleichen 
Eangclasse stehen (Cod. Theod. VI 16). Sie be- 20 
sitzen also, abgesehen von einzelnen Ausnahmen 
(Cod. Theod. VI 18, 1. 14, 3), keinen hoheren 
Bang als diese und fuhren demgemass gleich ihnen 
den Titel vir spectabilis, ja mitnnter werden sie 
unter dem Namen der Duces mit inbegriffen (Cod. 
Theod. VI 14, 3; vgl. 13, 1). Gleichwohl gilt 
die Verleihung des Comestitels bei ihnen als Vor- 
zug, wenn er auch keine eigentliche Kangerhohung 
bewirkt. Wahrscheinlich waren sie alle comites 
primi ordinis (CIL VHI 10937. VI 1674); in 30 
ostgothischer Zeit sind sie sogar viri inlustres 
(Cassiod. var. I 40. Ill 23. 24, 2. 26. IV 9. 13, 
1). Vgl. Comes Aegypti (Nr. 1), Africae 
(Nr. 3), Argentoratensis (Nr. 7), Armeniae 
(Nr. 8), Britanniarum (Nr. 12), Dalmatia- 
Tum (Nr. 20), Galatiae primae (Nr. 84), Ger- 
maniarum (Nr. 30), Isauriae(Nr. 45), Italiae 
(Nr. 46), Lycaoniae (Nr. 55), Mauretaniae 
(Nr. 59), Pamphyliae (Nr. 65), Pannoniae 
Sirmiensis (Nr. 66), Phrygiae Pacatianae40 
(Nr. 69), Pisidiae (Nr. 70), Ponticae dioece- 
seos (Nr. 71), Tingitaniae (Nr. 100), Tripo- 
litanae (Nr. 102). 

Unter diesen C. rei militaris lassen sich zwei 
Gruppen unterscheiden : 

a) Sie sind Duces, denen nur als persOnliche 
Ehre der Comestitel verliehen ist. In diesem 
Falle lautet ihr voller Titel comes et dux (Cod. 
Theod. XI 36, 33. CIL VI 1674. Revue archeol. 
1868, 425), doch wird dies in der Regel zu Comes 50 
abgekurzt. S. Comes Armeniae (Nr. 8), Isau- 
riae (Nr. 45), Mauretaniae (Nr. 59), Tripo- 
litanae (Nr. 102). 

/S) Der Comestitel ist mit der Verwaltung der 
betreffenden Militarprovinz regelmassig verbunden, 
wie dies z. B. bei dem Comes Africae der Fall 
war (CIL VI 1674). Doch ist_ die Scheidung 
zwischen diesen beiden Classen nicht ganz streng 
durchzufuhren, da sie haufig in der Weise in- 
einander iibergehen, dass der Comestitel anfangs60 
ausserordentlich ist, aber immer haufiger ver- 
liehen wird und so znletzt regelmassig wird. 
S. Comes Armeniae (Nr. 8). Comes Isanriae 
(Nr. 45). 

Wie der Dux durch die Ernennung zum Comes 
eine Auszeichnung erfahrt, so kann man umge- 
iehrt auch mit dem einfachen Comestitel die 
Functionen eines Magister militum erfiillen , ohne 



doch dessen Wurde in vollem Masse zu besitzen 
(Ammian. XXVI 5, 3. Cod. Theod. VI 14, 3). 
Es ist das ungefahr dasselbe, wie wenn heutzu- 
tage ein Oberst die Dienste eines Brigadegenerals 
leistet. Auch dies ist ein ordentliches Commando, 
aber mit ausserordentlichem und zwar niedrigerem 
Titel, und bildet so den tTbergang zu der zweiten 
Hauptgruppe der C. rei militaris. 

b) Der Comes rei militaris wird nur fur einen 
einzelnen Feldzug ernannt (Cod. Theod. VI 14, 
1) oder sonst mit einer ausserordentlichen Auf- 
gabe betraut, wie sie jenes Commando von Cha- 
lons bei Ammian. XXVII 1, 2 gewesen zu sein 
scheint. In solchen besonderen Fallen kann er 
leitender Feldherr sein, aber auch einen ganz 
kleinen Truppenkorper befehligen. Da diese fur 
einzelne, vortibergehende Zwecke bestellten C. 
rei militaris also manchmal auch recht beschei- 
dene Dienste leisten, kommt bei ihnen neben der 
comitiva primi ordinis (Cod. Theod. VI 14, 1. 
3) auch die comitiva seeundi ordinis vor (Cod. 
Theod. VI 14, 2). Haben sie die erstere erhalten, 
so werden sie den C. rei militaris der ersten 
Gruppe an Bang gleichgestellt ; in beiden Fallen 
aber sind sie von alien municipalen Pfiichten be- 
freit (Cod. Theod. VI 14). Grossi-Gondi bei 
Buggiero Dizionario epigrafico II 516. 

78) Comes remunerationum s. Comes 
rerum privatarum (Nr. 79), Comes sacra- 
rum largitionum (Nr. 84). 

79)Comes rerum privatarum, auch conies 
privatarum (Cod. Theod. XII 1, 120), largitionum 
privatarum (Dessau 1290. Cod. Theod. X 9, 3. 
VI 9, 1. 30, 16. XI, 13), privatarum remunera- 
tionum (Cod. Theod. VII 12, 2), privati aerarii 
(Cod. Theod. XI 18. VI 9, 2. XII 6, 32) oder sacri 
patrimonii • (H a en el Corpus legum 260. Caissod. 
var. IV 3, 2. 4, 2), griechisch xofirjg zrjs iSixrjg m- 
Qiovaiag genannt (Cod. lust. I 33, 4. 5. 34, 1), ist 
aus den comites consistoriani hervorgegangen und 
wird ihnen auch spater noch zugerechnet (Cod. 
Theod. VI 80, 1. 4). Den Mannern seines Vertrauens, 
die ihn mit dem allgemeinen Titel Comes um- 
gaben, pfiegte Constantin der Grosse anfangs 
ausserordentlicherweise die Geschafte seiner Hof- 
haltung zu ubertragen. Da er aber seine Cae- 
saren seit dem J. 318 noch als Knaben mit der 
selbstandigen Verwaltung grosser Reichsteile be- 
traute, sah er sich veranlasst, zunachst fur ihren 
Hof, dann auch fur seinen eigenen feste Compe- 
tenzteilungen zwischen den C. zu schaffen. So 
findet sich denn bei ihm zuerst im, J. 319 ein 
Beamter, den er noch einfach comitem et amieum 
nostrum ohne nahere Bestimmung nennt, der aber 
nach den ihm zugeschriebenen Functionen schon 
die Stellung eines Comes rerum privatarum aus- 
fiillt (Cod. Theod. X 8, 2. Grossi-Gondi bei 
Ruggiero Dizionario epigrafico H 489). Noch 
340 erscheint dieser mit dem einfachen Comes- 
titel (Cod. Theod. XII 1, 30); erst 342 ist der 
spatere voile Titel in den Kaisergesetzen nach- 
weisbar (Cod. Theod. X 10, 6. 7), und in dem 
noch strengeren Stil der Inschriften dringt er 
erst gegen Ende des 4. Jhdts. durch (zuerst 386, 
Dessau 1290; vgl. 1279. CIL V 6253). Vorher 
scheint sich hier das Amt hinter den allgemeinen 
Titeln comes eonsiMorianus, comes intra pala- 
tium oder comes ordinis primi zu verstecken 



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Comites 



Comites 



666 



(s. oben S. 630ff. und Comes consistorianus 
Nr. 19). 

Der Comes rerum privatarum fuhrt unter Con- 
stantin dem Grossen noch den Titel vir perfee- 
tissimus, d. h. er gehort dem Ritterstande an, 
wie regelmassig die Finanzbeamten der frtlheren 
Kaiserzeit (Cod. Theod. X 8, 2). Spater ist er 
immer Senator, wie sich dies in dem Titel vir 
clarissimus auspragt (Dessau 1290. Cod. Theod. 
X 10, 13). Nach der Rangordnung Valentinians 10 
geht er den Proconsuln vor (Cod. Theod. VI 9, 1) 
und wird 380 mit den Praefecten beinahe gleich- 
gestellt (Cod. Theod. VI 9, 2), wodurch ihm auch 
der Titel vir inlustris (Bull, munic. 1880, 252. 
Cod. Theod. I 5, 13. VI 30, 24. X 3, 7. 9, 3. 
10, 27 § 2. 32 § 1. XI 18) oder vir magnificus 
zukommt (Cod. Theod. ■it 1, 13). In dieser hOch- 
sten Beamtenclasse bilden aber die C. rerum 
privatarum gemeinsam mit dem Magister offl- 
ciorum, dem Quaestor, dem Comes sacrarum lar- 20 
gitionum und den C. domestieorum eine zweite, 
niedrigere Stufe (Not. dign. or. XI-XV; occ. IX- 
Xin. Cod. Theod. VII 8, 16. XI 18. VI 9, 1. 2). 
Obgleich die beiden Finanz-C. an Rang gleichstehen 
(Cod. Theod. VI 30, 24), bekleidet man doch oft 
nach der Comitiva rerum privatarum noch die 
Comitiva sacrarum largitionum (s. Miner vius, 
Osius, Severinus, Valerius), nicht aber um- 
gekehrt (fiber die scheinbare Ausnahme Firminus 
s. Seeck Symmaehus p. CXLTI Anm. 724), so 30 
dass jene zwar nicht als das niedrigere, aber doch 
als das niedriger geschatzte Amt erscheint. Doch 
kommt es auch vor, dass der Comes rerum pri- 
vatarum direct zum Praefectus praetorio befordert 
wird (s. BassusNr. 30, Gorgonius, Johannes, 
Taurus, Thalassius). 

Wie sein Name besagt, hat der Comes rerum 
privatarum das PrivatvermOgen des Kaisers zu 
verwalten, doch bleibt die Abgrenzung desselben 
gegen das StaatsvermCgen und iiberhaupt die Be- 40 
stimmung der Competenz des Amtes immer etwas 
willkiirlich. So stehen die Staatswebereien im 
allgemeinen unter dem Comes sacrarum largi- 
tionum (Not. dign. or. XIII 16 ; occ. XI 45), doch 
im Occident sind zwei da von der res privata 
principis zugeteilt (Not. dign. occ. XII 26. 27). 
Umgekehrt geho'ren die kappadokischen Domanen 
durchaus in den Geschaftskreis des Comes rerum 
privatarum hinein und waren ihm anfangs auch 
untergeben ; doch wurden sie gegen Ende des 50 
4. Jhdts. ihm entzogen und unter die Oberauf- 
sicht des Praepositus sacri cubiculi gestellt (s. 
Comes domorum, Nr. 27). Wie dieser Wechsel 
wahrscheinlich durch den allmachtigen Eunuchen 
Eutropius bewirkt wurde, der damals das Amt des 
Oberkammerers bekleidete, so gehen wohl auch 
die iibrigen Anomalien in der Competenzteilung 
auf persOnliche Einfliisse und zufallige Anlasse 
iihnlicher Art zuriick. Im allgemeinen aber darf 
man den Comes rerum privatarum als kaiser- 60 
lichen Domanenminister bezeichnen, obgleich diese 
Definition in manchen Beziehungen zu eng, in 
anderen etwas zu weit ist. 

Wenn der Staat das Vermogen strafrechtlich 
Verurteilter (Nov. Maior. 5. Cod. Theod. IX 42, 
17. X 9, 1. 10, 23. 30. 16, 3), Schenkungen von 
Ketzern (Cod. Theod. XVI 5, 50) oder unter blut- 
schanderischen Eheleuten (Cod. lust. V 5, 4), 



Erbschaften, die herrenlos oder ungiiltig ver- 
macht sind (Nov. Maior. 5. Cod. Theod. X 8, 5, 
9, 2. 10, 11. 12. 30. 31. 34. XVI 5, 50), Guter 
der Tempel (Cod. Theod. X 1, 8. 10, 24. 32. Cod. 
lust. VDI 88, 2. XI 66, 4) oder der Stadte (Cod. 
Theod. X 10, 24. Cod. lust. VIT 38, 2) fur sich 
einzieht, so hat der Comes rerum privatarum 
die nfitigen Anordnungen zu treffen und die In- 
corporation in das kaiserliche VermOgen zu be- 
wirken (Cod. Theod. X 9). Bei ihm sind daher De- 
lationen Tiber dem Kaiser verfallene Guter anzumel- 
den, ehe in der Provinz, in der sie liegen, die Recht- 
massigkeit des Anspruchs gerichtlich untersucht 
wird (Cod. Theod. X 10, 13). Er lasst Inven- 
tare des gewonnenen Besitzes aufnehmen (Cod. 
Theod. X 8, 2. 9, 1. 2. 10, 11. 14. 16. 26) und 
die Forderungen, die zu den Activa der betreffenden 
VermOgen gehOren, einziehen (Cod. Theod. X 16, 
3). Sind Guter des Fiscus occupiert oder sonst 
in irgend einer Weise von Privaten entfremdet 
worden, so sorgt er fur die Rlickforderung (Cod. 
Theod. IV 22, 3. V 14, 7. XI, 14. XV 14, 10. 
Nov. Theod. 19. Cod. lust. VII 38, 2). Auch 
zieht er die Strafgelder ein, die seinen eigenen 
Subalternbeamten auferlegt werden (Nov. Theod. 
19 § 2). Wenn andererseits confiscierte VermO- 
gen ihren friiheren Eigentiimern zuruckgegeben 
werden, hat er dies gleichfalls zu veranlassen 
(Cod. Theod. IX 42, 13), und bei den zahlreichen 
Petitionen, die um Schenkung an den Fiscus ge- 
fallener Guter eingereicht werden, lasst er In- 
structionen dartiber abfassen und, falls der Kaiser 
auf Grand derselben seine Zustimmung giebt, 
die trbergabe vollziehen (Cod. Theod. IX 42, 7. 
X 1, 9. 8, 2. 5. 9, 2. 10, 11. 14. 16. 23. 26. Nov. 
Theod. 6, 3), weshalb auch Gesetze, die solche 
Schenkungen betreffen, meist an den Comes rerum 
privatarum gerichtet sind (Cod. Theod. X 10, 6. 
8. 12. 18. 21. 22. 24. 31. 32. 34. 13, 1. Cod. 
lust. XI 62, 6. Nov. Theod. V 1). Fur diese 
Zwecke befindet sich in seinem Officium ein scri- 
nium beneficiorum (Not. dign. or. XIV 10 ; occ. 
XII 32). Er besorgt auch den Verkauf von Gegen- 
standen des kaiserlichen Besitzes, mOgen es be- 
wegliche Dinge (Cod. lust. IV 44, 18. VII 37, 
2), stadtische Hiiuscr (Cod. Theod. X 2, 2) oder 
Landguter sein (Nov. Val. I. 3 § 7. Cod. Theod. 
V 14, 8. 9). Bei den letztgenannten findet der- 
selbe in der Regel salvo cainone statt, d. h. es 
bleibt eine unveranderliche Pacht, die vOllig den 
Charakter einer Grundsteuer tragt, darauf haften 
(Cod. Theod. V 14, 4. Cod. lust. XI 62, 4), ja 
im J. 440 wird jede andere Art des Verkaufes 
sogar ganz verboten. Vorher aber konnte man 
auch den Canon durch einmalige Zahlung an die 
res privata ablosen (Nov. Theod. 19). Wird er 
nicht ordnungsmassig entrichtet, so fallen die 
Guter an den Fiscus zuriick, und der Comes rerum 
privatarum hat dann fur ihre nene Vergebung 
zu sorgen (Cod. Theod. V 13, 18. 14, 4). Auch 
leitet er die Verpachtung des kaiserlichen Grund- 
besitzes (Cod. Theod. X 3, 3. 6. 7. 5, 1. Cod. 
Inst. XI 71, 4), wobei freilich die eigentliche 
Versteigerung an den Meistbietenden in der Pro- 
vinz von dem Statthalter vorzunehmen ist (Cod. 
Theod. XI 28,-13. Cod. lust. XI 71, 1). Doch 
sind die geleisteten Biirgschaften der Pachter im 
Officium des Comes rerum privatarum zu buchen 



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fur welchen Zweck es ein scrinium securitatum 
■enthalt (Not. dign. or. XIV 12; occ. XII 34; 
vgl. Cod. Theod. I 11, 1. X 8, 4. 5, 1). Uber 
die Eintreibung der Pachten trifft er die nOtigen 
Verfiigungen (Cod. Theod. V 14, 6. XI 1, 25. 
27. 20, 4), doeh erfolgt sie, wie bei den Steuern, 
durch die Statthalter der Provinzen (Cod. Theod. 
I 11, 1. 2. VII 7, 1. XI 20, 4 § 2), an welche 
die Officiates des Comes rerum privatarum abge- 
sandt werden, urn von ihnen das Eingekommene 
in Empfang zu nehmen und sie zum Eifer zu 
spornen, wenn Eflckstande geblieben sind (Cod. 
lust. I 40, 10. Cod. Theod. I 10, 2. V 14, 6. 
XI 20, 4 § 2). Dass die Statthalter jene Last 
auf die Decurionen abwalzten, kam wohl nicht 
selten vor, wurde aber verboten (Cod. Theod. XII 
1, 30). Voriibergehend wurde auch die Eintrei- 
bung selbst den Officialen des Comes rerum pri- 
vatarum iibertragen (Cod. Theod. I 11, 1) oder 
besondere Susceptores dafur von ihm bestellt (Cod. 
Theod. X 1, 17). Anfangs gait wohl der Grund- 
satz, dass von den Domanen die Pacbtsummen 
{canon) an die res primta, die Grundsteuer {an- 
nona) an die sacrae largitiones abzufiihren seien, 
und im J. 399 wurde er wieder eingescharft (Cod. 
Theod. V 14, 5). Doch war er schon 365 durch 
ein Gesetz Valentinians durchbrochen, der liber 
die fundi patrimoniales sive emphyteutic*, d. h. 
diejenigen, welche gegen eine unveranderliche 
Zahlung in Erbpacht vergeben waren, dem Comes 
sacrarum largitionum die Aufsicht Iibertragen und 
alle Einkiinfte derselben mit wenigen Ausnahmen 
ihm zugewiesen hatte (Cod. Theod. V 13, 19. 20. 
Cod. lust. XI 62, 3) ; deshalb werden auch Uber 
diese Art der Domanen mehrfach Gesetz e an ihn 
gerichtet (Cod. Theod. XI 28, 14. Cod. lust. XI 
62, 11. 63, 2) und sie von den praedia rei pri- 
vatae unterschieden (Cod. Theod. XI 19 Uber- 
schrift. IV 11, 3. V 13, 19. XI 7, 19. 19, 4. 
Cod. lust. XI 62—66 trberschriften ; die Gesetze, 
welche sie der res privata zurechnen, wie Cod. 
Theod. V 13, 17. Cod. lust. XI 65, 5, fallen in 
Zeiten, wo ihre Ubertragung auf den comes sa- 
crarum largitionum entweder nocb nicht statt- 
gefunden hatte oder zeitweilig unterbrochen war). 
Jene feste Pacht hatte sieh eben so sehr einer 
Grundsteuer angenahert, dass es angemessen schien, 
beide zu verbinden und ganz gleich zu verwalten. 
Daher findet sich aucb ein scrinium canonum 
nicht nuT bei dem Comes rerum privatarum (Not. 
dign. or. XIV 11 ; occ. XII 33), sondern auch bei 
dem comes sacrarum largitionum (Cod. Theod. 
X 20, 13. 18. Not. dign. or. XIII 23 ; occ. XI 89). 
Ein Teil der kaiserlichen Giiter stent ohne 
Vermittlung von Grosspachtern unter directer 
Verwaltung der Beamten. Dies gilt namentlich 
von der domus divina per Cappadociam, wo die 
Colonen ihre Kleinpacht an die res privata zu 
leisten haben und hier auch die Zinsen fur die 
Eiickstande gebucht und eingezogen werden (Cod. 
Theod. X 1, 11. XII 6, 14). Dies Eessort wird 
spater dem praepositus sacri cubicuU iibertragen 
(s. Comes domorum, Nr. 27). Im ubrigen komint 
Eigenwirtschaft wohl nur bei den grossen Weide- 
triften zur Anwendung, auf denen die kaiserlichen 
Herden grasen (Cod. Theod. IX 30, 2. VII 7, 2). 
Unter dem Comes rerum privatarum stehen daher im 
Orient keine anderen Procuratoren als die pro- 



curatores saltuum (Not. dign. or. XIV 7 ; vgl. 
Cod. lust. XI 67, 1), und das Gleiche scheint 
auch fur den Occident zu gelten, obgleich sie 
hier ihrem Titel diese Bezeichnung meist nicht 
hinzufugen, sondern sich nach den Provinzen unter- 
scheiden. Doch in einem Falle heisst es (occ. 
XII 18): procurator rei privatae per Apuliam 
et Oalabriam sive saltus Carminianensis , und 
wie das hier ausdriicklich gesagt wird, so muss 

10 man auch bei den proeuratores rei privatae per 
Siciliam, per Dalmatiam, per Saviam, per Ita- 
liam, per urbem Bomam (d. h. in der dioecesis 
urbis Romae), per urbiearias regiones rerum 
Iuliani, per Mauretaniam Sitifensem und bei 
dem praepositus rei privatae per Sequanicam 
et Germaniam primam (Not. dign. occ. XII 17. 
19-25) annehmen, dass sie nicht uber die ganzen 
Domanen der Provinz, sondern nur uber die Saltus 
gesetzt waren. Dazu passt es, dass in Africa, 

20 wo die Dichtigkeit der BevOlkerung und die In- 
tensity des Landbaus die Weidewirtschaft nicht 
hatte aufkommen lassen, ein kaiserlicher Procu- 
rator fehlt. Daher ist auch in einem Gesetz im 
Zusammenhange mit den proeuratores rei do- 
minicae von den pabida die Rede (Cod. Theod. 

X 1, 17). Dass sie mitunter auch iiber die kaiser- 
lichen Hauser zu wachen haben, widerspricht dem 
nicht, da solche auch auf den Weidetriften stehen 
mochten (Cod. Theod. X 2, 1) ; diese beschrankte 

30 Competenz erklart es auch, dass seit dem 4. Jhdt. 
von den kaiserlichen Procuratoren so wenig mehr 
die Eede ist (Cod. Theod. IX 27, 7. X 4, 1. XI 
17, 1. XVI 10, 13). Die Pferdeherden, die ihnen 
anfangs gleich dem ubrigen Vieh des kaiserlichen 
Besitzes unterstanden (Cod. Theod. XI 17, 1), 
sind im Orient spater auf die praepositi gregum 
et stabulorum iibertragen worden, die aber gleich- 
falls zu den Untergebenen des Comes rerum pri- 
vatarum geheren (Not. dign. or. XIV 6). Die 

40 actor es rei privatae, die jedenfalls auch Organe 
der Eigenwirtschaft waren, kann man wohl als 
Unterbeamte der proeuratores saltuum betrachten ; 
diese hatten ausgedehnte Districte unter sich, 
jene die Weidewirtschaft eines einzelnen Gutes 
(Cod. Theod. I 11, 2. II 1, 1. 11. VII 18, 7. 
12. X 4, 1. 2. XI 7, 6. 16, 12). 

Endlich ist auch derjenige fiscalische Grund- 
besitz, der nicht dem Erwerb, sondern dem eigenen 
Gebrauch des Kaisers dienen soil, wie Palaste 

50 und Lusthaine, der Aufsicht des Comes rerum pri- 
vatarum unterstellt, der iiber ihre Instandhaltung 
zu wachen hat (Cod. Theod. V 14, 4. XI, 12. 
10, 16. XV 2, 2. Cod. lust. XI 77, 1. 78, 1. 2; 
bei der letzten dieser Verordnungen war der 
Adressat nicht, wie die verdorbene Cberschrift be- 
sagt, comes sacrarum largitionum, sondern nach 
Nov. Theod. 19 Comes rerum privatarum). 

Zum kaiserlichen Grundbesitz gehOren die Co- 
lonen als Inventar. Deshalb liegt es dem Comes 

60 rerum privatarum ob, dafiir zu sorgen, dass ihre 
Zahl nicht geschmalert werde (Cod. lust. VI 4, 2. 

XI 68, 4), und sind aus ihnen Recruten zu stellen 
(Cod. Theod. VII 13, 12; vgl. XI 16, 12) oder 
auch durch Geldzahlungen abzulfisen (Cod. Theod. 
VII 13, 2. 14. 20. Cod. lust. XI 75, 3), so er- 
geht die Verfiigung an ihn. Dasselbe gilt bei 
der Lieferung von Pferden oder Getreide fiir Kriegs- 
zwecke (Cod. Theod. XI 16, 12. 17. 1) oder von 



sonstigen Steuern (Cod. Theod. XI 7, 11. 19,-4. 
28, 13) und Steuerbefreiungen (Cod. Theod. XI 
16, 12. 20). Auch Verordnungen iiber die Be- 
wasserung der domanialen Grundstiicke (Cod. lust. 

XI 66, 5) und iiber die Auslieferung von Flucht- 
lingen, die sich auf ihnen versteckt haben (Cod. 
Theod. X 19, 5), ergehen an ihn als kaiserlichen 
Gutsverwalter. Endlich unterstehen ihm auch 
die Bastagae privatae, d. h. die Einrichtungen fur 
den Transport der Bodenerzeugnisse und sonstigen 
Giiter, die der res privata gehoren (Not. dign. or. 
XIV 5 ; occ. XII 28. 29 ; vgl. Cod. Theod. VIII 5, 20). 

Eigene Gerichtsbarkeit scheint der Comes rerum 
privatarum anfangs nicht besessen zu haben. Selbst 
die Processe seiner Untergebenen, der Palatini, 
werden ihm erst um das^. x 425 iibertragen, und 
aucb das nur, wenn sie sich in der Residenz auf- 
halten; in der Provinz sind sie den Statthaltern 
unterstellt (Cod. lust. XII 23, 12. Cod. Theod. 

XII 6, 32). Bei Denuntiationen, dass irgend ein 
Besitz als flscalischer in Anspruch zu nehmen sei, 
entscheidet der gewohnliche Eichter, und erst auf 
seine Anzeige beim Comes rerum privatarum voll- 
zieht dieser die Incorporation in das kaiserliche 
VermOgen (Cod. Theod. X 10, 7. 8). Auch die 
Appellation geht nicht an ibn, sondern an die 
ordentlichen Instanzen, und wenn von diesen weiter 
appelliert wird, an den Kaiser selbst, fiir welchen 
dann freilich der Comes rerum privatarum die In- 
struction des Processes zu besorgen hat, was prak- 
tisch in den meisten Fallen von einer Entschei- 
dung desselben kaum verschieden gewesen sein 
wird. Zwar hatte er sich schon unter Theodosius 
dem Grossen die Gerichtsbarkeit in fiscalischen 
Processen zu verschaffen gewusst; doch wurde dies 
noch 383 riickgangig gemacht und der alte Zu- 
stand wiederhergestellt (Symm. rei. 41, 6. Cod. 
Theod. XI 30, 18. 41). Schon 385 aber wird ver- 
fiigt, dass von Entscheidungen der Rationales und 
Discussores an ihn zu appellieren sei; doch kann 
er auch dann seine Befugnis auf einen Provincial- 
statthalter iibertragen (Cod. Theod. XI 30, 45; 
vgl. X 13, 1. XI 36, 29. 32). Fiir Eom bestimmt 
Theodosius 389, dass bei Summen iiber 200 Pfund 
Silber die Appellation an den Comes rerum privata- 
rum, bei niedrigeren an den Stadtpraefecten gehen 
soil (Cod. Theod. XI 30, 49). Auch spater versucht 
man noch zeitweilig, die alte Praxis herzustellen 
(Cod. Theod. XI 30, 68)_; doch hat sie keinen Be- 
stand. So entwickelt sich im 5. Jhdt. der Comes 
rerum privatarum zum eigentlich berufenen Eichter 
in fiscalischen Sachen (Cod. lust. I 33, 3. Cod. 
Theod. X 10, 32 § 1), und diese Competenz bleibt 
ihm, als Anastasius (491 — 518) ihm die Domanen- 
verwaltung nimmt und auf den comes sacri patri- 
monii ubertragt. Denn dass er diejenigen Be- 
fugnisse, nach denen er seinen Namen fiihrte, im 
6. Jhdt. nicht mehr ausiibte, sagt Cassiod. var. 
VI 8, 1 ausdriicklich : cmiitiva privatarum, sicut 
no??} inis ipsius setititw insonare vocabulum, per 
rationalium curam quondam principum privatum 
fertur gubernasse substan tiam ; vgl. Comessacri 
patrimonii (Nr. 87). Jetzt beschrankt sich seine 
Thatigkeit darauf, die an den Piscus gefallenen 
Besitzungen einzuziehen und, falls dessen An- 
spruche streitig sind, die dariiber gefiihrten Pro- 
cesse zu entscheiden (Cassiod. var. VI 8. 5. 6). 
Ihm wird daher die Einziehung von Strafgeldern 



iibertragen, auch wenn die Vergehen, wegen deren 
sie zu zahlen sind, mit der Domanenverwaltung 
gar nichts zu thun haben (Nov. lust. 128, 25). 
In eTster Linie erscheint er als Criminalrichter 
iiber blutschanderische Ehen und Verletzung der 
Graber, weil gerade bei diesen Verbrechen Con- 
fiscation die regelmassige Strafe war (Cassiod. var. 
VI 8, 3. 4. Nov. lust. 12. 139. 154). Wenn auch 
in dieser Zeit eine res privata noch neben dem 

10 sacrum patrimonium erwahnt wird (Edict. lust. 
8, 2 und sonst), so werden damit wohl nur die 
Landereien gemeint sein, die von dem Comes rerum 
privatarum eingezogen waren und voriibergehend 
unter seiner Verwaltung standen, bis sie dem 
sacrum patrimonium incorporiert wurden. 

Als Vertreter des Comes rerum privatarum in 
den einzelnen Dioecesen fungieren die rationales 
rei privatae (s. Rationalis). Die Mitglieder 
seines Officiums heissen palatini rerum priva- 

20 tarum und geniessen mannigfacher Privilegien 
(s. Palatini). Ihre Zahl wurde im J. 399 von 
Honorius auf 300 festgesetzt (Cod. Theod. VI 
30, 16). Ein Verzeichnis der iiberlieferten Co- 
mites rerum privatarum , das freilich nicht ganz 
vollstandig ist, findet man bei Grossi-Gondi in 
Buggieros Dizionario epigrafico II 497. His 
Die Domanen der rOmischen Kaiserzeit 33. 

80) Comes Eipae, ein Amt, das nur in 
folgender Inschrift, die in Aries gefunden ist, er- 

30wahnt wird: Bene pausanti in pace Flfavio) 
Memorio vfirq) pferfectissimo) , qui milit(avit) 
intferj lovianos annos XXVIII, projector) do- 
m(esticus) anfnos) VI, prae(positus) Lanciaris 
senfioribus anfnos) . . ., t]rib(unus) anfnos) III, 
comes ripe an(num) I, eomfes) Mauretfaniae) 
TingfttanaeJ anfnos) IIII, vixfit) anfnos) LXXV. 
Praesidia comfwxc] marito dulcissimo, CIL XII 
673 = Dessau 2788. Dass es sich um eine mili- 
tarische Charge handelt, ergiebt die ganze Lauf- 

40 bahn des Mannes. Die comitiva ripae steht 
zwischen dem Tribunat, d. h. dem Commando eines 
einzelnen Truppenteils , und dem einer ganzen 
Provinz. Nun giebt es untergeordnete comites rei 
militaris, denen nur die Besatzung einer einzelnen 
Stadt oder ein Detachement von wenigen Truppen 
nntergeben ist (s. Comes rei militaris, Nr. 77). 
Einen solchen werden wir hier zu erkennen haben. 
Wahrscheinlich hatte er die Verteidigung fur einen 
bestimmten kleinen Teil der Donau- oder Ehein- 

50 grenze zu leiten. Zu vergleichen ist die ripa 
prima in Eaetien (Not. dign. occ. XXXV 18) und 
die verschiedenen ripae legionum in Skythien 
und Moesien (Not. dign. or. XXXIX 30. 31. 33 
—35. XL 31. 32. 34. 35). An den Oberbefehl 
uber eine ganze Militarprovinz, wie ihn die Duces 
und die hoheren comites rei militaris besassen, 
ist kaum zu denken, da sie sonst, wie Manretania 
Tingitana bei dem folgenden Amte, zweifellos ge- 
nannt worden ware. Da der Mann noch bei seinem 

60 Tode den Titel vir perfectissimus fuhrt, wiihrend 
er nach der Eangordnung Valentinians I. als Co- 
mes Mauretaniae schon vir spectabilis sein miisste, 
kann die Inschrift nicht weit iiber die Mitte des 
4. Jhdts. herabreichen. Das Amt des Comes ripae 
scheint danach nur unter der constantirdschen 
Dynastie bestanden zu haben, wenn es nicht uber- 
haupt ein ausserordentliches war. C. J ullian Bull, 
epigr. IV 8. 



671 



Comites 



Comites 



672 



81) Comes riparum et alvei Tiberis et 
cloacarum ist der Titel, den nach der Zeit Con- 
stantins des Grossen (OIL VI 1143. 1723) der 
eurator alvei Tiberis et eloaearum erhalt, Not. 
dign. occ. IV 6. 

82) Comes Romanus, ein Beamter, der nur 
bei Cassiod. var. VII IS vorkommt, aber vielleicht 
als der Nachfolger des alteren eurator statuarum 
(Not. dign. occ. IV 14. Dessau 1222) zu be- 



verpflegung bei festlichen Gelegenheiten, nament- 
licb bei den Quinquennalfeiern, empfingen (Procop. 
Mat. arc. 24 p. 71 A). Sie stehen daher im Gegen- 
satze zur area der Praefecti praetorio, aus der 
die Ernahrung der Truppen zu bestreiten war (Cod. 
Tbeod. VIII 1, 12. 8, 5. XI 28, 9. 16. XII 6, 30. 
Cod. lust. X 23, 3 § 3). Dieser kommen die anno- 
narii titvli, d. h. die Naturalsteuern, zu (Cod. lust. 
X 19, 6; vgl. Cod. Theod. XI 28, 9. 17), wab/end 



trachten ist. Er hat dafur zu sorgen, dass die 10 die largitiontdes tttuh (Cod. Theod. 1 10, I. _V111 

_ ,..«,. ,. , /-* ■* .. i . -r\ _: _l~x 1 10 VT OQ 1 A i^r\A Inot I V K I IV X V^ri. 



Statuen und Offentlichen Gebaude Boms nicht 
durch private Habgier angetastet werden, muss 
fur diesen Zweek Nacbtwachen ausstellen und die 
Obelthiiter aburteilen; vgl. Comes civitatis 
(Nr. 15). Mommsen Neues Archiv f. altere 
deutsche Geschichtskunde XIV 493. 

88) Cornea sacrae vestis scheint nach 
Constant. Porphyr. de caerim. I 9 das Kleider- 
magazin des Hofes verwaltet und taglich dem 



1, 12. XI 28, 14. Cod. lust. IV 61, 12. X 23, 
3. 4. Edict. lust. 13, 11, 2) vorzugsweise in Gold 
(Cod. Theod. 1 10, 7. XII 6, 13. 30) oder Silber 
(Cod. Theod. XIII 2) zu zahlen waren. Daher be- 
wahren auch die Praefecten die Normalmasse fur 
Korn, Wein u. dgl. , . der Comes saerarum largi- 
tionum die Normalgewichte far Gold, Silber und 
andere Metalle (Not. lust. 128, 15). Ein solches 
Solidusgewicht mit der Aufschrift: exag(ium) 



Kaiser die fur die zu erwartenden Ceremonien 20 solftdtj sub m(rq) mlfustnj Iohanm eom(tte) 



erforderlichen Gewander ausgefolgt zu haben. Er 
wird zuerst in einem Gesetz des Honorius vom 
J. 412 erwahnt, aus dem hervorgeht, dass er zu 
den Cubicularii gehCrte und dem praepositus 
saeri eubiculi unterstellt war (Cod. Theod. XI 
18). Danach muss er von dem comes vestiarii, 
der als Untergebener des comes saerarum largi- 
tionum in der Not. dign. occ. XI 5 erscheint, 
verschieden gewesen sein. 



s(aerarum) l(argitionum) hat sich noch erhalten 
(Cohen MMailles imperiales VIII2 191). Doch 
ist jene Scheidung nicht ganz streng durchge- 
fuhrt; z. B. fliesst von den Domanialgtitern, die 
in Erbpacht gegeben sind, die Gnindsteuer (an- 
nona) in die saerae largitiones (Cod. Theod. V 
14 5) und zeitweilig auch die Pachtsumme selbst 
(Cod. Theod. V 13, 19. 20. Cod. lust. XI 62, 3), 
obgleich beide wahrscheinlich in Naturalien ent- 



scnieaen jreweseii sem. w & ^+ — — - — -.— _ 

841 Comes saerarum largitionum, auch30richtet wurden. Was zu solchen Ausnanmen An- 



comes saerarum (Cod. Theod. XII 1, 120. Cassiod. 
var. V 40. VII 22. VIII 16. CIL V 6253), comes 
largitionum (Cod. Theod. XI 16, 7. Ephem. epigr. 
IV 72. Ammian. XXII 3, 7. XXIII 1, 5), sacra- 
rum remunerationum eomes (Dessau 809. Cod. 
Theod VII 12, 2. XI 30, 41), comes sacri aerarii 
(Cod. Theod. I 5, 13. VI 9, 2. XI 18. 30, 39. 
XII 6, 32), griechisch xofirj? xG>v &eicov drjoav- 
gaiv (Kaibel Epigrammata Graeca 919, 5. Cod. 
lust. I 34, 3. Keinach Traite" d'epigraphie grec-40 
que, Paris 1885, 525), xmutji xcov >coftt]Tart]- 
oicov kaoyixiovcov (Theodor. h. e. IV 22, 10), xcov 
{hjoavo&v xauias (Sozom. VI 19), 6 eni xcov 
fiaoiXix&v drjoavgiov (Socrat. IV 21) genannt. 
Sein Amt ist wohl zugleich mit des eomes 
rerum privatarum um 318 entstanden und hat 
sich diesein parallel entwickelt. _ So gehart auch 
er zu den comites consistoriani (Cod. Theod. VI 
30, 1. 4) und scheint anfangs offlciell nur den 



lass gab und wie lange sie in Geltung waren, 
istunbekannt (vgl. Comes rerum privatarum, 
Nr. 79). 

Ausser den Einkiinften aus dieser Art von 
Domanen, uber die mehrfach Gesetze an den Comes 
saerarum largitionum gerichtet werden (Cod. Theod. 
XI 28, 14. Cod. lust. XI 62, 11. 63, 2), wurde 
seine Casse hauptsachlich aus folgenden Quellen 
gespeist: . 

a) Die Senatorensteuer, die anfangs in Weiss- 
kupfergeld, spater in Gold entrichtet werden musste 
(Cod. Theod. VI 2, 17; vgl. Collatio glebalis). 

b) Die Handelssteuer, die in Gold und Silber 
bezahlt wurde s (Cod. Theod. XI 12, 3. XIII 1, 6. 
Nov. Val. 23; vgl. Collatio lustralis). 

c) Die ZOlle, mogen es nun Einfuhr-, Ausfuhr- 
oder DurchgangszOlle sein (Cod. Theod. IV 12, 
8. 9). Im Anschluss hieran und an die eben er- 
wahnte Steuer hat der Comes saerarum largitio- 



Titel eomes ordinis primi intra eonsistorium 50 num den Handel im ganzen Reiche, namentlicn 



oder intra palatium gefiihrt zu haben. In Ge 
setzen kommt er mit dem uns gelaufigen Titel 
zuerst 345 vor (Cod. Theod. XI 7, 5), in dem 
noch strengeren Stil der Inschriften erst 418 
(Dessau 1291. 1304. 809. CIL VI 1674). Auch 
er ist anfangs Kitter und heisst demgemass vir 
perfectissimus (Cod. Theod. XI 7, 5), wird aber 
spater Senator und erhalt den Titel vir irdustris 
fT>e = = aii 1291. CIL VI 1674. Cod. Theod. 15, 



den GrenzveTkehr, zu beaufsichtigen (Cassiod. var. 
VI 7 7. Cod. Theod. I 10, 4. Nov. lust. 136. 
Nov.' Val. 23. Cod. lust. IV 40, 1. 63, 2. 6), 
und die comites eommereiorum sind seine UnteT- 
gebenen (s. Comes eommereiorum, Nr. 18). 
d) Das aurum oblaticiwm, das der Senat den 
Kaisern bei ihren funfjahrigen Regierungsjubilaen 
darzubringen pflegte (Symmaeh. rel. 13, 3. 30, Y). 
Dasselbe gilt wohl auch von den anderen schein- 



13 Not. dhrn. or. XHI 1. 4. 21; occ. XI 1. 3. 60 bar freiwilhgen iieldgeschenken an die Herricher 

_* P. , . ^ . it * i i _i_j. :„ J«— o/«a«a/i /Inn Tiara Tr^4-Qrt /fijrtnm ml 1 ¥t\ 



87 und sonst), und seine Stellung ist zwar nicht 
hoher an Rang, aber wohl an Einfluss, als die 
des comes rerum privatarum, und wird daher 
oft nach dieser bekleidet (s. Comes rerum pri- 
vatarum, Nr. 79). 

Die sacrae largitimies fuhren ihren Namen 
wahrscbeinlich von den Geldgeschenken, welche 
die Soldaten neben ihrer regelmassigen Natural- 



wie den strenae der Beamten (Symm. rel. 15) 
und dem aurum coronarium. Allerdings ist es 
bei diesem auffallig, dass von den Gesetzen dar- 
iiber keines an den Comes saerarum largitionum, 
sondern alle an Praefecten gerichtet sind (Cod. 
Theod. XII 12, 15. 13, 1—5). Doch mag sich 
dies daraus erMaren, dass die Statthalter, die 
jenen untergeben waren, die Eintreibung zu be- 



673 



Comites 



Comites 



674 



sorgen hatten. Ebenso ist auch eine Verordnung 
uber das argentum, quod quia thesauris fuerat 
inlaturus, das also jedenfalls in die sacrae lar- 
gitiones floss, an einen Praefecten erlassen (Cod. 
Theod. XIII 2). 

e) Die Steuer, welche die Juden friiher unter 
dem Namen des aurum coronarium ihren Patri- 
archen gezahlt hatten, wurde seit 429 von dem 
Comes saerarum largitionum fur seine Casse ein- 
gezogen (Cod. Theod. XVI 8, 29 = Cod. lust. I 
9, 17), nachdem schon vorher gelegentliehe Con- 
fiscationen dieser Gelder vorgekommen waren (Cod. 
Theod. XVI 8, 14). 

f) Der Ertrag der staatlichen Bergwerke, wes- 
halb auch der comes metaMorum per Myricum 
Untergebener des Comes saerarum jitrgitionum ist 
(Not. dign. or. XIII 11). Diesem steht auch die 
Aufsicht uber den erblichen Stand der Bergleute 
(metallarii) zu, und er hat dafur zu sorgen, dass 
sich kein Verpflichteter demselben entzieht (Cod. 
Theod. X 19, 15). Die Goldwaseherei kann auch 
von Privaten auf eigene Rechnung betrieben wer- 
den, doch haben diese aurileguli den saerae lar- 
gitiones eine bestimmte Abgabe in Goldstaub, den 
metallicus canon, zu entrichten und fur den Rest 
des Gewinnes besitzt die kaiserliche Casse ein 
Vorkaufsrecht (Cod. Theod. X 19, 3. 4. 12). End- 
lich muss auch von den Ertragen der Bergwerke, 
die sich im Privatbesitze befinden, der Zehnte an 
den Comes saerarum largitionum bezahlt werden 
(Cod. Theod. X 19, 10. 11). 

g) Der Ertrag des Salzmonopols, das erst unter 
der Ostgothenherrschaft in Italien nachweisbar 
ist, aber von Cassiodor schon der Vorzeit zuge- 
schrieben wird (Cassiod. var. VI 7, 8). 

h) Die Fabricate der kaiserlichen Webereien 
und Purpurfarbereien, die alle unter dem Comes 
saerarum largitionum standen (Not. dign. or. XIII 
14—17. 20; occ. XI 5. 45—77. Cod. lust. IV 
40, 1. XI 8, 14. Cod. Theod. I 32, 3 § 2. X 20, 
13. 18. 21, 1—3. Cassiod. var. I 2, 1. VI 7, 6) 
und deren Erzeugnisse in den thesauri niederge- 
legt wurden (Hist. Aug. Alex. 40, 3). Hieran 
schloss sich seine Aufsicht uber die erblichen Cor- 
pora der kaiserlichen Leinweber (linteones oder 
lirdearii Cod. Tbeod. X 20, C. 8. 1G), der Woll- 
weber (gynaecearii Cod. Theod. X 20, 2. 3. 7. 
9. 16) und der Purpurfarber (murileguli oder 
conch ijlioleguli Cod. Theod. X 20, 5. 12. 14—17). 

i) Auch die Fabriken der Barbaricarii , d. h. 
derjenigen , welche Gewander und Waffen mit 
Gold- und Silberschmuck versahen , waren ihm 
anfangs im ganzen Reiche untergeben (Not. dign. 
occ. XI 74—77. Cod. Theod. X 22, 1). Doch 
nach dem J. 374 wurden sie im Orient dem Ma- 
gister officiorum, dem die Waffenfabriken unter- 
standen, iibertragen (Not. dign. or. XI 45 — 49; 
vgl. Bd. H S. 28561). 

k) Die Kopfsteuer der landlichen Bevolkerung 
wird im Ostgothenreiche gleichfails den sacrae 
largitiones zugefuhrt (Cassiod. var. VII 12 — 22). 

1) Auch gewisse Strafgelder werden fur sie 
und durch ihre Beamten eingetrieben (Cod. Theod. 
IX 21, 7. 8. XI 16, 7. Cassiod. var. VIII 24, 5). 

m) Endlich haben die Stadte von den Ein- 
kiinften ihres Gmndbesitzes einen bestimmten Teil 
an die sacrae largitiones zn zahlen (Cod. Theod. 
V 13, 35. XV 1, 32). 

Pauly-Wissowa IV 



Diese Bestande werden in den Thesauri an- 
gesammelt, die sich teils am Hofe selbst befinden, 
teils uber die Provinzen zerstreut sind, damit auch 
dort nach Anweisung des Comes saerarum largi- 
tionum Zahlungen aus ihnen geleistet werden 
konnen (Ammian. XXII 3, 7). Ihre unmittelbare 
Verwaltung kommt den praepositi thesaurorum 
zu, iiber die wieder die comites largitionum per 
omnes dioeeeses als Vertreter der Centralstelle 

10 gesetzt sind (s. Comes largitionum, Nr. 50). Von 
diesen Beamten, wie von ihren Subalternen, den 
Schatzwachtern und Rechnungsftihrern, hat der 
Comes saerarum laTgitionum Burgen zu fordern, 
und ihm mussen sie bei Niederlegung des Amtes 
Rechenschaft geben (Cod. Theod. I 32, 3. 4. VIII 
7, 14. XH 1, 97. Cod. lust. XI 8, 14). 

Aus dem Metall, das bei ihm einlauft, hat der 
Comes saerarum largitionum die Miinzpragung be- 
sorgen zu lassen (Cassiod. var. VI 7, 3. Not. dign. 

20 or. Xin 18; occ. XI 38—44; vgl. Cod. Theod. IX 
21, 7—9. I 32, 3 § 2), weshalb auch das erbliche 
Corpus der monetarii seiner Aufsicht untersteht 
(Cod. Theod. X 20, 1. 10. 16). Nach einer Ver- 
ordnung vom J. 367 haben diejenigen, welche das 
Gold in Empfang nehmen, es nicht in der Form 
von Miinzen einzusenden, sondern eingeschmolzen, 
weil dadurch die Priifung seiner Echtheit leichter 
ist (Cod. Theod. XH 6, 13) , so dass eine fort- 
wahrende Umpragung desselben stattfindet. Diese 

30 scheint im Occident der comes auri besorgt zu 
haben, dessen Zeichen daher auch auf den Gold- 
miinzen erscheint (s. Comes auri, Nr. 11). 

Fiir den Transport der flscalischen Giiter stehen 
dem Comes saerarum largitionum die Bastagae 
zur Verfugung (Not. dign. or. Xin 19. 33; occ. 
XI 78 — 85. 99), woran sich die Aufsicht fiber den 
erblichen Verband der Bastagarii ansehliesst (Cod. 
Theod. X 20, 11). 

Aus den Bestanden seiner Cassen zahlt er den 

40 Soldaten ihre Bezuge, soweit sie nicht in Natural- 
verpflegung, sondern in barem Gelde bestehen 
(Cod. Theod. VII 6, 4. XI 17, 3). Den Beamten 
liefert er ihre Amtstracht aus den kaiserlichen 
Kleidermagazinen (Cod. Theod. VI 26, 18. 30, 11. 
Hist. Aug. Alex. 40, 3) und spendet ihnen die 
Geldgeschenke, die der Kaiser ihnen am Neujahrs- 
tage und bei sonstigen festlichen Gelegenheiten 
verehren lasst (Cassiod. var. VI 7, 2. Cod. Theod. 
VI 30, 11), wahrend ihre regelmassige Lohnung 

50 (annona) aus Naturalien besteht und daher von 
den Praefecten empfangen wird. Zeitweilig er- 
fifmet er ihnen gegen SicheTheiten auch Credite 
aus den Goldschatzen der Thesauri, doch wurde 
dies 381 verboten (Cod. Theod. X 24, 2). 

Die Gerichtsbarkeit des Comes saerarum largi- 
tionum hat ganz ahnliche Veranderungen durch- 
gemacht, wie bei dem eomes rerum privatarum. 
Anfangs scheint auch in den Processen der sacrae 
largitiones der gewOhnliche Richter entschieden 

60 zu haben und bei Appellationen der regelmassige 
Instanzenweg eingeschlagen zu sein. Im J. 381 
urteilt in den Provinzen der comes largitionum 
der einzelnen Dioecese, von dem die Appellation 
an den Comes saerarum largitionum geht (Cod. 
Theod. XI 30, 39). Doch 383 wird der alte Zu- 
stand hergesteUt; wenn von dem Appellations- 
richter an den Kaiser weiter appelliert wild, be- 
halt sich dieser die Entscheidung zwar vor, doch 

22 



675 



Comites 



Comites 



676 



instruiert der Comes sacrarum largitionum den 
Process (Cod. Theod. XI 30, 40. 41). Im J. 385 
wird dieser dann zum hOchsten Richter in Piscal- 
sachen gemacht, soweit sie seine Casse betreffen 
(Cod. Theod. 1 10, 3. 4. XI 30, 46. 36, 30). Die 
Processe seiner Officialen werden ihm erst um 
das J. 425 zugewiesen, aber nur, wenn sie in der 
Residenz sind; in der Provinz haben sie vor den 
Statthaltern Eecht zu nebmen (Cod. lust. XII 
23, 12. Cod. Theod. XII 6, 32). 

Die Vertreter des Comes sacrarum largitionum 
in der Provinz sind neben den comites largitio- 
num per singulas dioeeeses die rationales sum- 
marum (s. Comes largitionum [oben Nr. 50] 
und Eationalis). Seine Officialen, die am 
Hofe unter seinem unmittelbaren Befehl stehen 
und von ihm in die Provinzen geschickt werden, 
um die Statthalter zur Eintreibung der tituli lar- 
gititmales anzuhalten (Cod. lust. I 40, 10. Cod. 
Theod. I 10, 2. 7. XII 6, 30) heissen palatini 
sacrarum largitionum und sind mit mannig- 
fachen Privilegien ausgestattet (s. Palatini). 
Ihre Zahl wurde im J. 399 im Occident auf 546, 
im Orient aui 224 und 610 Supernumerary fixiert 
(Cod. Theod. YI 30, 15. 17). Sie zerfallen in 
folgende Abteilungen: 

a) Scrinium eanonum (Not. dign. or. XIII 
23; occ. XI 89. Cod. Theod. X 20, 13. 18), das 
die Eintreibung der Pachten, des canon metallictis 
und ahnlicher fester Einnahmen zu besorgen hat. 
b) Scrinium tabulariorum (Not, dign, or. XIII 
24; occ. XI 90. Cod. Theod. X 20, 18. Nov. Val. 
7, 3 § 2), dem wohl die Eechnungsfuhrung fur 
den ganzen Umfang der sacrae largitiones oblag. 

c) Scrinium numerorum (Not. dign. a. O.), 
das die Ausgaben fur die Soldaten zu buchen hatte. 

d) Scrinium aureae massae und 

e) Scrinium auri ad responstim, jenes wohl 
fiir die Verwaltung der Goldbarren, dieses fur das 
gemiinzte Gold bestimmt. 

f) Scrinium vestiarii sacri fiir die Bucbung 
der Kleiderbestande, die sich in den Thesauri be- 
fanden. 

g) Scrinium argenti und 

h) Scrinium a miliarensibus , jenes wieder 
fiir das ungerminzte , dieses fiir das gemiinzte 
Silber, entsprechend der Einteilung, die auch fiir 
das Gold getroffen war. 

i) Scrinium a pecuniis fiir das Kupfergeld. 

Tm Ostgothenreiche ist mit der Comitiva sacra- 
rum largitionum auch der Primiceriatus Notario- 
rum vereinigt, d. h. dem Comes rerum privata- 
rum ist die Ausstellung der Bestallungsdecrete 
(codicilli) fur alle hOheren Amter iibertragen (Cas- 
siod. var. VI 7, 4. 9). 

Ein Verzeichnis der bekannten Comites sacra- 
rum largitionum, das freilich nicht ganz voll- 
standig ist, findet man bei Grossi-Gondi in 
Ruggieros Dizionario epigraflco II 495. 

85) Cornea sacri aerarii =. Comes sacra- 
rum largitionum (Nr. 84). 

86) Comes sacri consistorii s. Comes 
consistorianus (Nr. 19). 

87) Comes sacri patrimonii, a) Dies ist 
eine der vielen Benennungen, mit denen bei der 
Unsicherheit des technischen Sprachgebrauchs im 
4. und 5. Jhdt. der comes rerum privatarum 
bezeichnet wird. Haenel Corpus legum 260. 



Cassiod. var. IV 3, 2. 4, 2; vgl. Comes rerum 
privatarum (Nr. 79). 

b) Flavius Peregrinus Saturninus wird in seiner 
Inschrift comes ordinis primi moderans in- 
lustrem sacri patrimonii comitivam genannt 
(Dessau 1275), in einem Gesetze des J. 399 
comes et procurator divinae domus (Cod. Theod. 
IX 42, 16). Nach dem Inhalte desselben scheint 
dies ein ausserordentliches Amt gewesen zu sein, 

10 bestimmt den ungeheuren Besitz des Gildo in 
Africa fiir den Fiscus einzuziehen und seine Ver- 
waltung zu ordnen. O. Hirschfeld Unter- 
suchungen auf dem Gebiete der rom. Verwaltungs- 
geschichte I 48. Mom m sen Neues Archiv d. 
Gesellsch. f. altere deutsche Geschichtskunde XIV 
464. 

c) Ein besonderes Amt, das technisch den Titel 
Comes sacri patrimonii, griechisch xofiyg rrje I8i- 
y.fjg xrriaewg fiihrte, ist erst durch Anastasius 

20 (491—518) geschaffen worden (Cod. lust. I 34. 
Jon. Lyd. de mag. II 27. Otto Thesaurus iuris 
Romani III 1776 s. v. natoifiovidha). Er zweigte 
es in der Weise von der comitiva rerum priva- 
tarum ah, dass dieser die Ausfuhrung von Con- 
fiscationen und die Entscheidung der damit zu- 
sammenhangenden Processe verblieb, dagegen die 
Verwaltung der kaiserlichen Domaenen genommen 
(Cassiod. var. VI 8, 1) und auf das neue Amt 
iibertragen wurde. Dies scheint im J. 509 oder 

30 kurz vorher geschehen zu sein; jedenfalls wurde 
die Neuerung um diese Zeit im Ostgothenreiche 
durchgefiihrt. Denn Senarius, der mit der 3. In- 
diction (1. Sept. 509) sein Amt antrat (Cassiod. 
var. IV 3, 2), wird noch in der tlberschrift aller 
an ihn gerichteten Briefen comes privatarum ge- 
nannt (Cassiod. var. IV 3. 7. 11. 13); gleichwohl 
aber schreiben ihm dieselben Briefe (IV 3, 2. 4, 2) 
die comitiva patrimonii zu, was nicht mOglich 
ware , wenn dieser Titel schon seine neue tech- 

40 nische Bedeutung gewonnen hatte. Bald darauf 
aber erscheint er auch in den officiellen Uber- 
schriften der cassiodorischen Urkunden (I 16. V 
18. VI 9. VIII 23. 1X3. 13), und Senarius selbst 
nennt sich in seiner Grabschrift vir inlustris 
comes patrimonii et patricius (Cassiodorius ed. 
Mommsen 199). Danach scheint es, als wenn 
wahrend seiner Verwaltung jene Teilung der 
comitiva rerum privatarum eingetreten sei. Denn 
dass Iulianus schon friiher die comitiva patri- 

50 monii bekleidet habe, folgt nicht mit Notwendig- 
keit aus Cassiod. var. I 16. Wenn ihm dort be- 
fohlen wird, gewisse Summen von den Paehtriick- 
standen der ersten Indiction (507,8) zu streichen, 
so braucht er darum nicht schon in der zweiten In- 
diction sein Amt bekleidet zu haben , sondern 
jene Riickstande konnten auch viel alter sein. 

Der Comes sacri patrimonii fiihrt den Titel 
vir inlitstris (Cassiod. var. IV 15, 1. V 7, 3. 18, 1. 
VIE 23, I. 2. IX 3, 1. 9, 1. 13, 1. Ennod. 125 

60 = cp. IV 7) unl .stelit >L.in couics rerum pri- 
vatarum im Range gleich, weshalb auch dieselben 
Privilegien den Unterbeamten beider zukommen 
(Cod. lust. I 34, 1). Diese werden auch bei ihm 
als Palatini bezeiclm et (Procop. hist. arc. 22 p. 64 A) , 
unter ihnen finden sich chartarii (Cassiod. var. 
Vm 23, 4. IX 3, 2). 

Der Comes sacri patrimonii leitet die Ver- 
waltung der kaiserlichen Landgiiter (Cassiod. var. 



■677 



Comites 



Comites 



678 



VI 9, 6) und hat daher in erster Linie fiir die 
Eintreibung der Pachtsummen von den Conduc- 
tores derselben zu sorgen (Cassiod. var. I 16. 

V 7, 3. Ennod. 306 - epist. VII 1). An ihn 
■ergehen daher auch die Verfugungen iiber Herab- 
setzungen oder Nachlasse der Pachten (Cassiod. 
var. IX 9, 3. I 16). Wenn auf den Domanen 
Holz geschlagen (Cassiod. var. V 18, 3. 20, 1) 
oder ein Bergwerk angelegt werden soil (Cassiod. 
var. IX 3, 2), trifft er die nOtigen Verfugungen. 
Ihm sind die kaiserlichen Colonen untergeben 
<Cod. lust. I 34, 1. Cassiod. var. VI 9, 2) und 
falls aus ihnen Leute fiir die Plotte ausgehoben 
werden, geht der Befehl durch ihn (Cassiod. V 
18. 19). Doeh behalt er auch spater iiber '■sie 
ein Recht der Oberaufsicht (Cassiod. var. IV 15, 1), 
weil ihre Schiffe nicht nur fiir den Krieg, sondern 
auch fiir den Transport des auf den Domanen er- 
zeugten Kornes benutzt werden (Cassiod. var. V 
16, 2; vgl. Dromon arii). Seiner Gerichtsbarkeit 
unterstehen die Conductores (Ennod. 275, 2 = 
«p. VI 10, 2), die Possessoren der emphyteuti- 
carischen Giiter (Cassiod. VI 9, 5) und die Co- 
lonen (Cod. lust. I 34, 1); auch besitzt er Straf- 
recht gegeniiber den Statthaltern, falls sie ihn 
in der Einziehung der Gefalle nicht angemessen 
Tinterstiitzen (Cod. lust. I 34, 2). Aus seinen Ein- 
kiinften versieht er den Weinkeller (Cassiod. var. 
XII 4, 2) und iiberhaupt die Tafel des Kaisers 
(Cassiod. var. VI 9, 7. 8), weshalb er auch mit 
ihm in stetem persOnlichen Verkehr steht (Cassiod. 
var. VI 9, 1..3. 6. 8). Er zahlt Erbschaften den 
Berechtigten zuriick , auf deren Behauptung der 
Kaiser verzichtet (Cassiod. var. VIII 23, 2), und 
ausnahmsweise konnen auch Erhohungen von Be- 
amtengehaltern auf seine Casse angewiesen wer- 
den, in welchem Falle sie wohl als jahrlich wieder- 
holte Gnadengeschenke aus dem personlichen Ver- 
mOgen des Herrschers zu betrachten sind (Cassiod. 
var. IX 13). Mommsen Neues Archiv f. altere 
deutsche Geschichtskunde XIV 464. 544. Gau- 
denz i Sui rapporti tra Fltalia e l'impero d'Oriente 
fra gli anni 476 e 554 d. C, Bologna 1888, 152. 
R. His Die Domanen der rOmischen Kaiserzeit 70. 

88) Comes sacri stabuli, griechisch agywv 
rrTiv pamlixrhv isrnoxtiiirnv (Procop. hist. arc. 4 
p. 15 A; bell. Goth. I 7 p. 325 C), der Vorsteher 
des kaiserlichen Marstalls , der sich ebenso bei 
den Caesares, wie bei den August! findet (Ammian. 
XX 4, 3) . fiihrt eigentlich den Titel tribunus 
sacri stabuli (Cod. Theod. VI 13. Ammian. XIV 
10, 8. XX 4, 3. XXVI 4, 2. XXVIII 2, 10. XXX 
5, 19) und kann nach Bekleidung dieses Amtes 
noch tribunus einer schola palatina werden (Am- 
mian. XIV 10, 8. XX 2, 5), obgleich hierin kein 
eigentliches Avancement liegt, sondern die beiden 
Stellungen im Range gleichstehen (Cod. Theod. 

VI 13; vgl. Ammian. XXXI 13, 18). Doch wird 
ihm sehr haufig als personliche Auszeichnung die 
comitivi primi '■■rrliirii- verliehon. ivomit er zuir. 
Comes sacri stabuli wird (Cod. Theod. a. O.). So 
heisst noch Stilicho in einer seiner Inschriften 
tribunus praetorianus (Dessau 1277), in einer 
andern comes stabtdi sacri (Dessau 1278), was 
beides dasselbe bezeichnen soil Aber im Laufe 
des 5. Jhdts. verbindet sich die Comitiva so regel- 
massig mit dieser Stellung, dass endlich der fri- 
bunentitel ganz verschwindet. Aus diesem Grunde 



hat Iustinian das Gesetz Cod. Theod. VI 13 in 
der Form in seinen Codex aufgenommen (XII 11), 
dass er die Worte tribunos eHam sacri stabuli 
durch comites etiam sacri stabuli ersetzte. Hier 
und Cod. Theod. XI 18, 1. 17, 3 erscheinen die 
betreffenden Beamten in derMehrzahl; Cod. Theod. 
XI 1, 29 wird der Singular wohl nur Corruptel 
sein; wo dagegen Ammianus Mareellinus des Tri- 
bunus stabuli erwahnt , scheint es sich immer 

10 um ein Einzelamt, nicht um ein collegialisches 
zu handeln. In dieser Beziehung megen zeit- 
weilige Wechsel eingetreten sein, wie wir sie auch 
bei anderen Amtern beobachten konnen. Im Occi- 
dent fiihrt der Comes stabuli sacri noch im J. 401 
den Titel vir elarissimus (Cod. Theod. XI 17, 3); 
im Orient wird er 413 zum vir spectabilis er- 
hoben (Cod. Theod. VI 13). 

Der tribunus stabuli pflegt grossen Einfluss 
zu besitzen (Ammian, XIV 10, 8), und oft werden 

20 nahe Verwandte des Kaisers mit diesem Amte 
betraut (Ammian. XXVI 4, 2. XXVIII 2, 10. XXX 
5, 19. Dessau 1278). Um 500 wird ein Comes 
stabuli sacri zum Magister militum befordert 
(Dessau 1303); doch um die Mitte des 4. Jhdts. 
erscheint ein entsprechendes Aufsteigen noch als 
gewaltiger Sprung (Ammian. XIV 10, 8. XX 2, 5), 
und auch bei Stilicho schiebt sich die Comitiva 
domesticorum zwischen die Comitiva stabuli und 
das Magisterium militum ein (Dessau 1278). 

30 Da der Comes stabuli sacri von den regelmassigen 
Pferdesteuern eine Sportula von 2 Solidi (= 25 M.) 
auf jedes Pferd erhalt (Cod. Theod. XI 17, 3; 
vgl. 1, 29), scheint er die Pferdelieferungen fiir 
die Armee geleitet zu haben. Auch wurden ihm 
mitunter ausserordentliche Commandos iibertragen 
(Ammian. XX 4, 3. 5, 1. Procop. a. O.). 

8$)) Comites sagittarii, Not. dign. or. V 
30. VI 31; vgl. oben S. 623. 

90) Comes schola e. Die Tribunen der 

40 kaiserlichen Leibwachtercorps (seholae palatinae) 
erhalten anfangs gelegentlich den Comestitel und 
damit die Wurde des vir spectabilis und pro- 
consularischen Rang (Cod. Theod. VT 13); dann 
wird diese Auszeichnung regelmassig, wodurch die 
tribuni scholarum sich in comites scholarum ver- 
wandeln (Nov. Theod. 21). Die Entwicklung ist 
also bei diesem Amte genau dieselbe, wie bei der 
Comitiva sacri stabuli, der es auch im Range 
gleichsteht. Vgl. Seholae palatinae. 

50 91) Comes secundi ordinis s. oben S. 635f. 
und Comes consistorianus (Nr. 19). 

92) Comites seniores, iSiot. dign. occ. VI 
43. VII 159; or. VI 28; vgl. oben S. 623. 

93) Comes siliquatariorum, der Vorsteher 
der Zolleinnehmer im italischen Ostgothenreiche, 
Cassiod. var. II 12. Ill 25; vgl. Siliquaticum. 

94) Comes stabuli s. Comes sacri sta- 
buli (Nr. 88 1. 

95) Comes Syracusanus s. Comes civi- 
60 tatis Nr. 15i. 

96) Comites Taifali, Not. dign. or. V 31; 
vgl. oben S. 623. 

97) Comes tertii ordinis s. oben S. 635f. 
und Comes consistorianus (Nr. 19). 

98) Comes thesaurorum s. Comes lar- 
gitionum (Nr. 50). 

99) Comes Ticinensis s. Comes civi tatis 
(Nr. 15). 



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Comitia 



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680 



100) Comites Tingitaniae. Die Streit- 
krafte von Mauretania Tingitana wurden wohl 
schon seit dem Anfang des 4. Jhdts. durch einen 
Comes befehligt. Zuerst erscheint in dieser Stel- 
lung ein Mann, der sich vom gemeinen Soldaten 
emporgedient hat und den Titel vir perfectissi- 
mus fuhrt (Dessau 2788); nach der Rangordnung 
Valentinians I. ist der Comes Tingitaniae vir 
spectabilis und stent den Vicaren gleich. Er be- 
fehligt regelmassig eine Ala und siehen Cohorten 
(Not. Dign. occ. XXVI); doch sind im Anfang 
des 5. Jhdts. noch aus dem Marschheer der Ma- 
gistri militum vier Truppen Fussvolk und drei 
Reiterei unter sein zeitweiliges Commando ge- 
stellt (Not. dign. occ. VII 135. 206). 

101) Comes titulorum largitionalium 
per Africam. Dieselben Beamten, die in den 
iibrigen Dioecesen comites largitionum heissen, 
filhren in Africa im 5. Jhdt. den Titel Comes titu- 
lorum largitionalium per Africam (Not. dign. occ. 
XI 8. Cod. Theod. I 5, 12, 10, 8), vielleicht weil 
sie hier infolge der vielen Usurpationen, die dort 
die Herrschaft des westro'mischen Kaisers unter- 
brochen hatten, mehr mit der Eincassierung alter 
Steuerriickstande , als der unmittelbaren Steuer- 
eintreibung zu thun hatten. 

102) Comes Tripolitanae. ImJ. 406 filhrt 
auch der Befehlshaber der Tripolitana, der regel- 
massig nur Dux ist, ausnahmsweise den Comes- 
titel, Cod. Theod. XI 36, 33. 

103) Ko/nij? lov ityjijkov firjuaTog, eine 
Wiirde, die nur einmal unter Iustinian erwahnt 
wird (Cod. lust. XII 33, 8 § 2); vielleicht bedeutet 
sie daselbe, wie comes comistorianus , da unter 
dem viprjlbv flilfia doch wohl das hohe Tribunal 
des Kaisers zu verstehen sein wird, s. Comes 
consistorianus (Nr. 19 ( . 

104) Comes vestiarii erscheint an vorneh- 
mer Stelle unter den Hiilfsbeamten des comes 
sacrartim largitionum im Occident (Not. dign. 
occ. XI 5; vgl. Cassiod. var. VI 7, 6). Bei Cas- 
siod. var. I 2 ist ein Brief des Konigs Theodorich 
an einen Theo vir spectabilis erhalten, in dem 
dieser ermahnt wird, zu einem bestimmten Termin 
die erforderlichen Purpurgewiinder aus den konig- 
lichen Pabriken an den Hof zu liefern. Da ihm 
der Comestitel beigelegt wird (I 2, 5) und die 
Purpurfarbereien in den Competenzkreis des comes 
sacrarum largitionum gehSrten (Not. dign. or. 
Xm 17; occ. XI 64), wird man in ihm wohl 
diesen Unterbeamten desselben zu erkennen haben, 
Backing Notitia dignitatum II 337*. Vgl. Co- 
mes sacrae vestis (Nr. 83). [Seeck.] 

Comitia. Die Romer unterschieden drei Arten 
von Volksversammlungen : concilia (s. d.), contiones 
(s. d.) und comitia (zur Etymologie vgl. die Deu- 
tung des comitium als Ort des Zusammentritts, 
Varrodel.l. V 155); Rubino 340. Lange II 448. 
M o m m s e n R. F. I 1 70ff. Comitia (comitiatus bei 
cic. ue leg. II 61. Lll il ; commae OIL Vi luiiib; 
aQX(OaiQeata Gloss. Dosith. im Corp. gloss, ed. G6tz 
II 104, 6. 246, 35. VI 236) sind Versammlungen des 
gesamten Volkes (Laelius Felix bei Gell. XV 27, 4 : 
«s qui non ut universum populum sed partem 
aliquant adesse iubet, non comitia sed concilium 
edicere debet), von Beamten, welche das ius agendi 
cum popuio (Cic. de leg. Ill 10) haben — Mes- 
salla bei Gell. XIII 16 setzt agere cum popido 



und c. habere gleich, dazu Karlowa R.-G. I 381 
— an einem inaugurierten Ort (Mommsen St.- 
R. Ill 378) in feicrlichen Formen unter Beobach- 
tung dor auspicia (s. d.) berufen und geleitet, 
zum Zwecke ordnungsgemasser Mitwirkung an 
den bffentlichen Angelegenheiten , bestimmte An- 
trage zu beschliessen , Gesetze zu genehmigen, 
Recht zu sprechen; vgl. Karlowa I 49. 379; 
Rubino 245 sagt allgemeiner : ,c. sind feierliche, 

10 nach politischen Abteilungen geordnete Versamm- 
lungen des gesamten populus, bei denen erst 
aus besonderen Zusatzen oder aus den Gegen- 
standen entnommen werden kann, zu welchem 
Zwecke sie berufen wurden'. Jene Definition ist 
jedoch nicht zutreffend fur die priesterlich be- 
rufenen ealata comitia (s. d., dazu Lange 1 398rT. 
Karlowa I 49ff. 389), bei welchen das Volk nur 
als Zeuge fungiert, mithin kein agere cum po- 
puio stattflndet; daher werden sie auch bei Gell. 

20 XV 27, 3 als populi contio bezeichnet. Gemass den 
Gruppierungen des Volkes (partes populi) sind 
weiter nach den Angaben der Alten (Cincius Schrift 
de comttiis, Fest. p. 241, ist nicht erhalten, 
Teuffel R. L.-G. § 117) dreierlei c. zu trennen. 
Laelius Felix a. a. 0.: cum ex generibus homi- 
num suffragium feratur curiata comitia esse, 
cum ex eensu et aetate eenturiata, cum ex 
regwnifius et locis tributa, zur Erklarung Sol- 
tau V.-V. 38, vgl. Ampel. lib. mem. 48: comi- 

30 tiorum autem triplex ratio est : haec curiata, 
haec tributa, haec eenturiata dicuniur. Aus prak- 
tischen Erwagungen und mn das Wesen jeder 
dieser Versammlungen recht scharf hervortreten 
zu lassen, ist auch die folgende in Anbetracht 
des gewaltigen Stoffes ausserst knapp gefasste 
Auseinandersetzung nach diesen bekannten Unter- 
scheidungen angeordnet ; zunachst seien noch 
einige allgemeinere Bemerkungen vorausgeschickt. 
Die Bedeutung der Volksversammlungen inner- 

40 halb des Staatsorganismus ist selbstverstandlich 
bedingt durch den Einfluss, den die Volksgemeinde 
(populus, zur Begriffsbestimmung Niebuhr R. 
G. I 467ff. Rubino 233. 260. Schwegler I 
621.11103. Lange II 446ff. Mommsen R. F. 
I 146. 168ff. ; St. -R. Ill 300 ff. HerzogI 1055ff. 
und Art. Populus) iiberhaupt ausiiben konnte. 
Wie es in der altesten Zeit sich verhalten haben 
mag, ist nicht mehr zu erkennen; die Tradition 
freilich fuhrt die spatere Machtftille der c. weit 

50 zuriick, Mommsen St.-R. Ill 313, und zweifel- 
los war die Einwilligung der Gemeinde in einer 
ganzen Reihe von wichtigen Angelegenheiten 
einzuholen (s, u. S. C84f.). Mommsen a. a. 
0. 314: ,Von Hans aus sind die C. der Trager 
derjenigen souveranen Staatsgewalt, welche bei der 
Ausiibung der bestehenden Ordnungen nicht. wohl 
aber dann functioniert , wenn diese abgeandert 
oder beseitigt werden sollen'. Dies Entschei- 
dungsrecht der Gemeinde, selbst ein so gewich- 

6(j tiges wie die Zusiimmuiig der uentunen zum An- 
griffskriege , darf nicht als Volkssouveranetat im 
modernen Sinne betrachtet werden, wie schon zu- 
treffend Rubino 237ff. 256bemerkte, vgl. Lange 
I 396. 400. II 601. 450: denn ,der Anteil der 
Individuen daran war keineswegs ein gleicher, son- 
dera ein nach dem Census, dem Lebensalter und 
dem Kriegsdienste abgestufter und . . . uberhaupt 
beschrankt durch die einmal bestehende geheiligte 



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682 



Staatsordnung, welche den grOssten Teil derHoheits- 
rechto des Staats der Magistratur iiberwies' (s. 
den Art. Magistratus). Von der timokratischen 
Grundlagc der Verfassung und Gliederung des 
Volkes, ,indem die Steuerpflicht die Dienstpflicht 
unddiese das Stimmrechtbedingte' (vgl. Mommsen 
St.-R. Ill 240ff. 246 ; bei Dionys. VII 59 heissen die 
C. eenturiata jj cforo riutj/MXTOiv Ixxlrjoia), sowie von 
dem Verhaltnis der Gemeindebeamten, welche bei 



leium Paterculum, A. Gellium nominatim mentio 
fit, in Orellis Ausgabe des Cicero Bd. VLTI 3, 
Zurich 1838, 117ff. Lange II 654ff., auch Art. 
Lex. Fiir die Verhandlungen, in denen sie ihren 
Willen zum Ausdruck brachte, hatte die Gemeinde 
sich an gewiese Formen gebunden, die weiter im 
einzelnen besprochen werden sollen. Im Gegen- 
satz zu den griechischen Volksversammlungen, wo 
man sass, haben die Rflmer solche Verhandlungen 



Berufung und Leitung der hier das Staatswohl 10 und Abstimmungen stehend und in strenger Ruhe 



entscheidenden Versammlungen das erste Wort zu 
reden hatten, aber alle staatlichen Geschafte, 
worauf Mommsen Abriss 299 mit Nachdruck 
aufmerksam macht, in breitester Offentlichkeit 
vollziehen mussten, ist hier so wenig zu handeln 
wie von den zu Recht oder Unrecht geschebenen 
Eingriffen der Biirgerschaft in die den Magistra- 
ten zugewiesene Competenz. Im allgemeinen ist 
Mommsens Satz, St.-R. Ill 322, gewiss zutreffend. 



erledigt, Gell. XVIH 7, 8. Cic. pro Flacc. 16; 
pro Sest. 127; Brut. 289; orat. 213; Tusc. II 48; 
Ac. prior. II 144 u. 0. Rubino 254. 

Litteratur iiber C. im allgemeinen. C. F. 
Schulze Von den Volksversammlungen der R0- 
mer, Gotha 1815. G6ttling Die Volksvers. der 
rom. Rep., Hermes XXVI (Leipzig 1826) 84ff. 
Rubino Untersuch. iiber rOm. Verfass. und Gesch., 
Kassel 1839, 233ff. Becker Handb. II 1, 353ff. 



,ernstlich und erfolgreich hat das politische Gc- 20 Mommsen R. Forsch. I 129ff. ; St.-R, III SOOff. 



meingefiihl der ROiner die Magistratur in ihrem 
Rechtskreis vor den C. geschiitzt und insbesondere 
der Biirgerschaft nicht gestattet, in die Personal- 
fragen bei Besetzung des Oberbefehles sich einzu- 
mischen'. Zu beachten ist ferner, um die formale 
Bedeutung der Btirgerversammlungen richtig ein- 
zuschatzen, dass das Volk nicht aus eigener Ini- 
tiative , sondern nur infolge der Berufung durch 
die Magistrate zusammentreten konnte (Momm- 



Abriss 299ff. Lange R. A. 13 397ff. lis 446ff. 
715ff. Madvig Verf. u. Verwalt. I 246ff. Kar- 
lowa R. R.-G. I 48ff. 379ff. Willems Droit 
public romaine 1888, 157ff. Soltau Entstehung 
und Zusammensetz. d. altrOm. Volksversamml., 
Berlin 1880. H e r z o g Philol. XXIV299ff.; St.- 
V. I 1053ff. J. Kappeyne van de Copello Abh. 
zum rom. Staats- und Privatrecht, I, Stuttgart 
1885. Schiller in I. Miillers Handbuch IV 2^, 



en St.-R.ni 303), welche die Tageszeit fest- 30 148ff. Mispoulet Etudes dlnstitutions rom. 



setzen , doch ist Tagung vor Aufgang und nach 
Untergang der Sonne unerlaubt, XII Tab. 1, 9: solis 
occasus suprenia tempestas esto, vgl. Liv. XXXIX 
16, 4; und dass ferner Jahrhunderte hindurch die 
Gultigkeit derBeschliisse von der auctoritaspatrum 
(s. Bd. II S. 2275) abhangig war. Principiell (rait, 
dass der Senat und das Volk sich iiber Vorschlage 
einige ; zuerst hat der Tribun C. Flaminius (s. d.) 
eine lex agraria im J. 522 = 232 gegen den Willen 



Paris 1887. A. Hallays Les cornices a Rome, 
These Paris 1890. Humbert in Daremberg- 
Saglio Diet. I 1374ff. G. B. dal Lago I co- 
mizi romani, Feltre 1870. 

I. Comitia curiata. Die alteste und zu- 
nachst einzige politische Gliederung des rOmischen 
Volkes war die altlatinische in Curien (s. Art. 
Curia). Herzog I 96ff. Mommsen R. F. I 
150 ; St.-R. Ill 89. 92. Diese Geschlechtsgenossen- 



des Senats durchgefiihrt, daher Polybios II 21, 8 40 schaften (genera hominum des Laelius Felix, zur 



Urteilt : ravz7jr xijv Srjftaycoylav . . aQ%i)yov /.lev ys- 
viodat, rijg im to yeiqor toC drjfiov SiaoTpoqiijs, und 
dieser Fall ist nicht vereinzelt geblieben. Die 
mannigfachen Versuehe, den Einfluss des Senates 
auf die Legislative zu brechen, andrerseits die zur 
dauernden Sicherung desselben bis aui Caesar ge- 
troffenen Anordnungen konnen hier nicht aufge- 
zahlt werden; einiges bei Lange II 646ff., s. Art. 
S e n a t u s. Die Gemeinde wirkt mit bei Magistrats 



Erklarung Soltau 55ff.), welche alle Gemeinde- 
angchorigen, Patricier, Clienten, Plebeier umfass- 
ten, traten zu Versammlungen zusammen. Stimm- 
berechtigt sind die Plebeier erst spater geworden ; 
tiber den Termin lasst sich nichts Bestimmtes 
sagen (Karlowa I 88.382. Herzog 1 1014), jeden- 
falls aber geschah es, nachdem die Plebeier in den 
c. coiluriata mitstimmten, s. den Art. Plebs 
und Kiibler im Art. Curia. Die Annahme, dass 



wahl,GesetzgebungundCriminalprocess(Polyb.VI50in historischer Zeit nur Patricier stimmfahig ge- 



14. Dionys. II 14. IV 20. VI 66. Cic. de leg. Ill 
10. 33 ; de div. II 74 , zur Erklarung dieser Stellen 
Mommsen St.-R, HI 326 A.), und zwar ging .die 
Action der C. von der Gesetzgebung aus, an die 
erst spater sich zuerst das Criminalverfahren und 
dann die Magistratswahlen anschlossen, wiihrend 
die Action der Plebeierversammlung sich praktisch 
in der umgekehrten Folge entwickelte', Momm- 
= en St.-R. HI 1 r>4. Der Anteil des Volkps an 



wesen, wie Niebuhr, Schwegler, Herzog, 
Lange I 279. 399 annehmen — Genz PatricRom 
62 schliesst die Plebs bis zum Decern virat vom 
populus aus — hat Mommsen R. F. I 141ff. 
zuriickgewiesen. Unwahrscheinlich ist die An- 
sicht von Pantaleoni Riv. di filol. 1884, 297ff., 
dass Clienten und Plebeier nur zur Beratung re- 
ligiOser Angelegenheiten hinzugezogen seien. Uber 
die Formen und Rechte dieser C. in der fruhesten 



der Gesetzgebung, die nicht dem Rechte der Gstter 60 Periode ist Sicheres nicht bekannt , ttocii aumen 



widerstreiten und gegen einzelne Burger sich rich- 
ten darf fs. u., Mommsen St.-R. Ill 335ff.). ist 
mit der Zeit stetig gewachsen; Polybios VI 14 
schlagt ihn sehr hoch an ; den Umfang der Le- 
gislative kann man aus den vielen Nachrichten 
iiber solche Volksbeschliisse ermessen, vgl. B alter 
Index legum Romanarum. quarum apud Ciceronem 
eiusdemque scholiastas, item apud Liviuni, Vel- 



besonnene Riickschlusse aus der republicanischen 
Zeit in den wichtigsten Punkten nicht fehl gehen. 
Die Berufung erfolgte zunachst durch den 
Konig (qfuando) rfex) e/omitiavitj f(as), ob auch 
durch den stellvertretenden interrex ist fraglich ; 
der Praefectus hatte diese Befugnis schwerlich, 
L a n ge I 378, ebenso wenig der Tribunus celerum 
trotz Liv. I 59, 7). unter Beobachtung der ub- 



683 



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684 



lichen auspieia, Liv. V 52, 15. IX 39, 1. Cic. ad 
Att. VIII 3, 3. II 7, 2. 12, 1. Der Herold ruft die 
Btirgerschaft zusammen, lituus und tuba erschallen. 
Mommsen St.-B. Ill 306. 386. Als sacrale Ver- 
sammlungen werden sie vom Oberpontifex durch 
den lietor euriatius veranlasst, in der Curia Ca- 
labra auf dem Capitol zusammenzutreten ; s. Art. 
Calata comitia. Sie tagen stets imierhalb 
des Pomerium, Dio XLI 43. Mommsen St.-R. 
Ill 378, meist auf dem Comitium (s. d.), Varro 1. 1. 
V 155. Pest. ep. p. 38. Liv. V 52, 15. Dio XLI 43, 
aber auch andersvarts, wie auf dem Forum (Suet. 
Aug. 65 : in foro lege curiata ist allerdings frag- 
lich) oder dem Capitol (Liv. V 46, 11 ausnahmsweise 
wahrend der Gallierbelagerung). Diese C. fanden 
natiirlich nur an ien dies comitiales (a. S.716)statt, 
an denen man mit dem Volke verhandeln konnte 
(agere cum populo Macrob. sat. I 16, 14. Varro 

VI 29) und durften ebenfalls nicht vor Sonnen- 
aufgang erbffhet werden oder nach Sonnenuntergang 
noeh tagen (s. o.). Die Curien traten zusammen 
a) als regelmassige an bestimmten Tagen, b) als 
unregelmassige, sobald eine Notwendigkeit vorlag. 
Alljahrlich wurden zweimal von den Curien Te- 
stamente entgegengenommen, nicht bios um diesen, 
in den Offentlichen Schutz des populus gestellt, 
unbedingte Geltung zu sichern, sondern weil es 
iiberhaupt Brauch der altesten Zeit war, das Volk 
bei Rechtsgeschaften als Zeuge hinzuziehen, Dern- 
burg Beitrage zur Gesch. der ro'm. Testamente 
15. Die Zwo'lftafelgesetzc setzten die unbedingte 
Gtiltigkeit des letzten Willens fest, Dig. L 16, 120. 
Die Termine des Zusammentrittes waren gewiss 
feste, wenn auch die Tage nicht bekannt aind, Gell. 
XV 27, 3. Gai. II 101; Mommsen Rom. Chrono- 
logie 241 ; CIL 12 p. 289 bezeichnet als solche den 
24. Marz und 24. Mai nach den Bemerkungen 
des Kalenders qfuando) r(e%) c(omitiavit) f(as) ; 
dagegen Herzog I 110. Ob anderc Gegenstande 
noeh erledigt werden konnten, steht dahin. Ferner 
fanden sie regelmassig am ersten Tage jeden Mo- 
nats statt, an dem der Pontifex c. ausschreibt, um 
die Nonen festzusetzen, und an den Nonen behufs 
Bestimmung der Feste, Mommsen Rom. Chronol. 
16ff. 250. Im ubrigen werden diese C. abgehalten je 
nach Bediirfnis behufs Erteilung der lex de im- 
perio, der Entscheidung iiber Krieg und Frieden, 
sowie der Gerichte halber. Die Leitung musste 
sich zu republicanischer Zeit selbstverstandlich 
andern; wo sonst der Kdnig als oberster Priester 
die Versammlung geleitet, steht jetzt der Ponti- 
fex maximus an der Spitze; in andern fungierten 
die Consuln oder Stellvertreter, auch der Dictator 
(Liv. IX 38, 15 ; Interrex Cic. de rep. II 25. 31. Liv. 
I 32, 1. Fest, p. 351) als Vorstand. Sie brachten 
nun die Vorlage in Form einer rogatio ein, wie es 
vordem vom KOnig geschehen war, Dionys. II 14. 

VII 38. IX 41. 71. 75; die Fonnel lautete wie 
bei andern beschliessenden Volksversammlangen 



, jtluUiiiiacU il.-Ifc. ill vlL^; t't-»**to itiht^uim, iAli 

.... vos quirites rogo, Gell. V 19, 9. Liv. I 46, 1. 
Andere Ausserlichkeiten, wie Ort (die Pompeianer in 
Thessalonike konnten im J. 48 keine gultigen Neu- 
wablen veranstalten, Dio XLI 43) und Zeit sind 
kaum geandert, aueh das Trinundinum ward ferner 
noeh beobachtet, ausser selbstverstandlich bei der 
lex curiata de imperio, um die sofortige Uber- 
nahme des Amtes zu ermoglichen. Die Einholung 



der Auspicien war nattirlicherweise erforderlich, 
Liv. V 52, 15. IX 39, 1. Cic. ad Att. VIII 3, 
3. II 7, 2. 12, 1. Fur die Abstimmung glaubte 
Niebuhr aus Gellius XV 27 entnehmen zu durfen, 
dass in jeder Curie die Stimmen nach gentes ge- 
zahlt wurden; die Stelle ergiebt aber uur, dass 
die Curien nach Geschlechtern geordnet waren. 
In jeder Curie ward nach K&pfen [viritirri) ge- 
stimmt, Liv. I 43, 10. Dionys. IV 20. 84, die 

lOMehrheit ist das Ergebnis, .Dionys. II 14, man 
stimmte wohl (s. u.) mit uti rogas (Annahme) und 
antiquo (Ablehnang). Zur Ermittlung des Ergebnis- 
ses -wurden die Curienstimmen in einer durch das 
Los ermittelten Eeihenfolge (vgl. Lex Mai. c. 57) 
aui'gezahlt ; die zuerst gezogene Curie hiess prin- 
eipium (Liv. IX 38, 15), was lange Zeit ledig- 
lich auf ein Vorstimmrecht bezogen wurde, Lange 
I 401. Mercklin De curiatorum comitiorum prin- 
cipio, Dorpat 1855; den Sachverhalt erkannte 

20richtig Mommsen Stadtrechte 425; St.-R. Ill 
397. 411. 

Competenz. Die richtige Einschatzung der 
Befugnisse der C. curiata hangt mit der Frage 
zusammen, welche Eechte dem Konige beizumessen 
sind (s. den Art. Res) und wieviel Einfluss dem 
Volke geblieben ist. Dionysius weiss zwar viel 
von den altesten C. curiata zu sagen, giebt ihnen 
das Recht, Beamte zu wahlen, Gesetze zu sanc- 
tionieren, iiber Krieg und Frieden zu befinden, 

30 endgiiltige Urteile zu fallen (II 14. 22. IV 20. VI 
66), was schon Rubino 257 ,als blosse Abstrac- 
tion des Schriftstellers aus den von den Annalisten 
erzahlten Fallen gebildet' ablehnte, ebenso Kar- 
lo wa I 50; auch fiber die biirgerlichen und mili- 
tarischen Functionen der Curien ist Dionysius 
nicht klar, J. J. Miiller Philologus XXXIV 106. 
Wenn auch der Beschluss der C. curiata als iussus 
populi bezeichnet wird, so ist dies keineswegs als 
Ausdruck der Volkssouveranetat zu fassen, denn 

40 die Curien traten lediglich auf Befehl des Konigs, 
nicht aus eigener Initiative, zusammen, hatten 
nur seine Mitteilungen entgegenzunehmen und 
auf seine Fragen zu antworten, Zusatze oder Ab- 
anderungen der Vorschlage waren nicht gestattet, 
Redefreiheit fehlte. Lange I 402. Karlowa 
I 48: ,es ware durehaus irrig, wenn man das 
rOmische Volk in der Konigszeit als das Subject 
einer staatlichen Souveranetat betrachtcn wollte 
... die ROmer selbst hegten allgemein die Vor- 

50 stellung, dass die Befugnisse des Populus in der 
Konigszeit geringe und engbegrenzte waren.' Cic. 
de rep. II 17. 50. 56. Geiiz Patrie. Rom. 62. 67. 
Vor allem waren die Curien zugegen bei der In- 
auguration des neugewahlten Konigs (Plut. Numa 
7), wie auch spater bei der Einfiihrung des Res 
sacrorum, sie erteilen dem Konig die lex curiata 
de imperio, Cic. de rep, II 25. 31. 33. 35. Ru- 
bino 247. 360. Mommsen R. F. I 247ff. Da 
keine weiteren Magistraturen vorhanden waren, 

rccht des Volkes (aexaiesoid&tv), welches sich aus 
der Mitwirkung bei der KSnigswahl entwickelte, 
keineswegs anfangs so bedeutend gewesen, wie 
Dionysius II 14. IV 20 angiebt. Rubino 297ff. 
342. Karlowa I 51. Die Legislative hat wohl 
zunachst der Konig selbstiindig gehabt (Liv. I 8, 
1), doch ward bald dem Volke Einfluss auch in 
dieser Hinsicht gewiihrt, Lange I 406; man darf 



685 



Comitia 



Comitia 



080 



jedoch in dem ImxvQovv, -welches Dionysius a. a. 
O. unter den altesten Rechten des Volkes nennt, 
nicht moderne Institutionen und Begriffe suchen, 
wie Rubino 351 zutreffend betont. Dass in der 
Konigszeit die Curien fast durchweg bei der Kriegs- 
erklarung befragt wurden, scheint gewiss, denn 
das Interesse des Volkes wurde durch diese Ent- 
scheidungen ja am meisten beriihrt, Liv. I 32, 13. 
Cic de rep. II 31. Gell. XVI 4, 1. Rubino 
258ff. 289. 291ff. Her zog I 73. Auch die Fonnel 10 
der Fetialen : quod pop. rom. iussit esse sematus- 
qite censuit hat man auf diese Mitwirkung des 
Volkes deuten wollen. Tarquinius Superbus wurde 
beschuldigt, Bundnisse geschlossen (s. u.) und 
Kriege begonnen zu haben iniussu populi ac se- 
natus, Liv. I 49, 7. Karlowa I 50 bestreitet 
solche staatsrechtliche Notwendigkeit, die Ein- 
willigung des Volkes einzuholen. Das mag sein, 
immerhin war die Zustimmung desselben von 
ausschlaggebender Bedeutung, so dass der oberste 20 
Kriegsherr sich derselben versichern musste. Beim 
Friedenssehluss sind die Curien nicht gefragt, 
Rubino 258ff. 260. Vertrage haben, so lange 
Rom von KOnigen beherrscht war, fremde Volker 
nur mit den KOnigen abgeschlossen, Liv. I 13ff. 
Dionys. n 46. 55. Ill 32. 41. 54. 60. 66. IV 27. 
48. Plut. Rom. 19. Ausfuhrlich hieriiber, sowie 
iiber die spatere Competenz des Senates in diesen 
Fragen Rubino 264ft.; s. auch den Art. Foedus. 
Die Iurisdiction der Curien, unbeschadet des kOnig- 30 
lichen Hoheitsrechtes , erfolgte, wenn der Konig 
die Provocation gegen Verurteilung wegen per- 
duellio erlaubt hatte, Liv. I 26, 8 ; turn Horatiiis 
auctore Tuilo clemente legis interprets ,provoco l 
inquit. Auf den sagenhaft ausgeschmuckten Fall 
des Horatius kann ich hier nicht eingehen, Liv. 
I 26. Dionys. Ill 2 Iff. Fest. ep. p. 297. S. die Art. 
Perduellio, Provocatio und Karlowa I 53. 
In republicanischer Zeit erstreckten sich die 
Befugnisse der C. curiata 1) auf Angelegenheiten 40 
der Curien im Besonderen, Lange I 411, weiter 
namentlich auf Anderungen in der Zugehorigkeit 
zu den Geschlechtern, 2) auf Gemeindedinge. 
1) Aufnahme von Geschlechtern und einzelnen 
Personen unter die Burger, Soltau 61. Die Zu- 
stimmung der Curien war erforderlich bei Haus- 
bezw. Geschlechtswechsel eines selbstandigen Bur- 
gers, bei (jbertritt von Patriciern in den Plebeier- 
stand (transitio ad plebem, z. B. des vielbegehr- 
ten Tribunates wegen, so P. Clodius Pulcher, vgl. 50 
Lange 1 412; s. die Art. Adrogatio und 
Detestatio sacrorum, Cic. de domo 77. 
Gai I 99. Formeln bei Gell. V 19. Mommsen 
St.-R. ni 38. 318. Lange I 131. 134. 141. 412), 
namentlich auch, wenn eine Adoption als testa- 
mentarische erfolgte (s. den Art. Adoptio), 
Dio XLV 5. Appian. b. c. Ill 94 : xaxb. vofiov 
xovoidnov (Fall des Octavian, s. Leonhard 
oben Bd. I S. 420). Mommsen St.-R. m 40. 
ATj^n'tis adnptierte den Tiberius lege curi-ataeio 
auf" dem Forum, Suet. Aug. 65. Wenn ein Pa- 
tricier einen noeh in vaterlicher Gewalt stehen- 
den Plebeier adoptieren wollte, hatte dabei der 
Pontifei maximus mitzuwirken, Gell. V 19. Die 
Curien hatten ferner Genehmigung bei Coop- 
tation (vgl. die von Caesar veranlasste Lex Cassia 
und die unter Augustas gegebene Lex Saenia), bei 
Wiedcrverleihung des aufgegebenen oder entzoge- 



nen Biirgerrechtes (Liv. V 46, 10, CamiUus Ruck- 
berufung, dazu Mommsen St.-R. Ill 40. 319. 
Karlowa 1405), Mommsen R. F. I 272. Die 
Sitte, gewisse Testamente vor den Curien als 
Zeugen zu machen, ward mehr und mehr ver- 
drangt, Mommsen St.-R. in 319. 

2) Pohtische Bedeutung in beschriinktem Masse 
hatten sie noeh durch die Erteilung der lex cu- 
riata de imperio an hohere wie niedere Beamte 
(s. den Art. Imperium), die freilich mit der Zeit 
zur Form ward. Der Beamte, auch der Dictator (Liv. 
IX 38, 15. 39, 1. Dionys. V 70), suehte seine Be- 
statigung nach, indem er die Curienversammlung 
aufforderte, ihm das Imperium durch das ge- 
nannte Gesetz zu fibertragen, Liv. VI 41, 10. Cic. 
de rep. II 56; de domo 38. Dio XXXIX 19; nur 
die Censoren hatten sich an die Centurien zu wen- 
den (s. u.). Seit jedoch im J. 455 = 299^ der vor- 
sitzende Interrex Stimmen zu Gunsten eines ple- 
beischen Candidaten nicht als giiltige aneTkennen 
wollte, zwang man die Curien, im voraus den 
Centurienbeschluss zu bestatigen, Cic. Brut. 55. 
Aur. Vict, de vir. ill. 33. Mommsen R. F. I 311. 
Lange II 100. Nochmals gesetzlich festgelegt 
ward diese Norm in der Lex Maenia kurz nach 
467 = 287 (Zeitfrage erOrtert Willems Le senat 
II 70), wodurch Consul- und Praetorenwahlen auch 
von der Verpflichtung, die auctoritas senatus zu 
begehren, befreit wurden, Mommsen St.-R. Ill 
1042. Lange I 409. Seitdem war die Ge- 
nehmigung zu geben in incertum comitiorum 
eventum, Liv. I 17, 9. Sallust. hist. frg. Ill 61, 
15. Immer mehr schien es zwecklos sich zu ver- 
sammeln, was der wachsenden Zahl von Beamten 
halber allerdings Ofter erforderlich war; die C. cu- 
riata wurden eine leere Formalitat, das imperium 
ward zwar fortan der Auspicien wegen nach altem 
Ritus bewilligt, aber schliesslich nur in Gegen- 
wart von Pontifices, drei Auguren und dreissig 
Lictoren (Mommsen St.-R. I 390. 611) als Ver- 
tretern der Curien, Cic. ad Att. IV 18, 4. Dionys. 
IX 41. Cic. de leg. agr. II 31 : comitia tlla ad 
speeiem atque ad usurpationem vetustatis per 
XXX lictores auspiciorum causa adumbrata ; de 
domo 38. Seit wann allerdings dies abgekiirzte 
Verfahren iiblich wurde, steht dahin; vielleicht 
seit dem zweiten punischen Krieg; dass es in 
Ciceros Zeit gebrauchlich war, erhellt aus der an- 
gegebenen Stelle. Becker-Marquardt LT 3,189. 
In beglaubigter Zeit sind weder legislative 
noeh richterliche Befugnisse im eigentlichen Sinne 
noeh Wahlcompetenz nachzuweisen, Karlowal 

Litteratur iiber C. curiata: Rubino 245. 257£f. 
Lange I 369. 406. Madvig I 222. Willems 
159 171. Mommsen Eh. Mus. 1858, 565ff.; R. 
F i 140; St.-R. Ill 316ff. Karlowa I 31. 49. 
382. HerzogI 106. 1059. Clason Krit. ErOrt. 1. 
Soltau 67. Humbert in Daremberg-Saglio 
I 1375. 1377 (ebd. iiltere Litt). Schiller in 1. 
Muliers Handb. IV * 2, 14&. ucui D<« ^ii.c 
Rom 54. Schomann De cur. com., Opuscula I 
61. Newman in Class. Museum 1848, 101. 

II. Comitia centuriata. Von der auf Ser- 
vius fullius nach der tjberlieferung zuruckgeffihr- 
ten Einteilung des Volkes in nach dem Census 
abgestufte Classen und in Centurien ist an anderer 
Stelle gehandelt; s. die Art. Census, Centuria 



687 



Comitia 



Comitia 



C88 



Nr. 2, CI ass is Nr. 2. Nach Centurien trat die 
gesamte wehrhafte Burgergemeinde zu Versamm- 
lungen zusammen. Ob diese C. centuriata schon 
in der Konigszeit beetanden (Dionys. IV 20. YI 66), 
erscheint zweifelhaft, derni die jenem Herrscher zu- 
geschriebene Reform hatte zunachst keine solchen 
weitreichenden polttischen Zwecke, sondeni ver- 
folgte einen militarischen , die Plebeier ebenfalls 
zum Kriegsdienste heranzuziehen, MommsenSt- 
R. IE 244. Nach Soltau 283. 290 haben die 
Centurien erst etwa zur Zeit der Decemvirn auf- 
gehort, militarische Compagnien zu sein, wahrend 
Karlowa 182 ihnen frtthzeitig politische Rechte 
beimessen mochte. Als das streitbare Heer den 
Sturz der Ktoigsherrschaft in erster Beihe be- 
wirkt batte, gewann die patricisch - plebeische 
Wehrordnung im Staate Einfluss, und schon bei 
der Umgestaltung der Verfassung lag ihr die Wahl 
der neuen Behfirde ob. 

a) Berufung, Geschaftsordnung, aus- 
serer Verlauf der C. centuriata. In Bezug 
auf diese zu verschiedenen Zwecken nach Classen 
und Centurien zusammentretenden Volksversamm- 
lungen (comitiatus maximus Cic. de leg. Ill 11. 
44, dazu post red. in sen. 27: quae maxime 
matores o. iusta did haberique voluerunt, vgl. 
Mommsen R. P. I 161; St.-R. Ill 323; Sol- 
tau 284 will den Ausdruck nur als Rangbezeich- 
nung fassen) sind zunachst folgende im allge- 
rneinen ubereinstimmende Formen hervorzuheben. 
Nur die Inhaber des imperium, dessen Aus- 
flnss das ius agendi cum populo war, sind be- 
rechtigt, die C. centuriata zu berufen, imperare 
exereitum, Varro 1. 1. VI 88, vgl. 93; also so- 
wohl die oberen Magistrate unter Beriicksichti- 
gung der bezuglich der Collegialitat iiblichen 
Normen, wie die etwa voriibergehend ernannten. 
Mommsen St.-R. I 192. Zumeist erfolgt die 
Versammlung der Centurien auf Geheiss der 
Consuln, Lange I 727. Becker-Marqu ardt 
II 3, 52ff., aber auch infolge der Aufforderung 
von Dictatoren oder Interreges flir Wahlen, 
wahrscheinlich auch der Reiterobersten ; ebenso 
haben die Decemviri leg. scrib. und Consular- 
tributien die Befugnis gehabt. Dem Praetor steht 
das Recht nur fur richterliche C. centuriata 
zu, Cic. de leg. in 10. Liv. XXVI 3, 9. XLIII 
16, 11. Gell. VI 9, 9; als Vertreter des Consuls 
lag ihm die Anordnung der C. centuriata auch 
fur andere Zwecke ob (Liv. XXII 33, 9). doch 
kennen wit keinen Fall, dass er dieselben behufs 
Gesetzgebung berief, Lange I 775. Die Cen- 
soren , den en das ius agendi cum populo feblt, 
kennen die Centurien nur fiir Census und Lustrum, 
wobei nicht abgestimmt wurde, berufen, Varro 1. 
1. VI 86f. 93; falschlich behauptet Zonaras VII 
19, dass sie gesetzgebende C. anordnen durften, 
Lange I 663. Nicht befugt ist mangels eines 
eigenen imperium der Praefectus urbi (Liv 
ITT 24. 2. vg]. I.f>ngn I 9«m , a'i= dorr.sollc-n 
Grande der Quaestor^ sofern ihm nicht Consul 
oder Praetor eine solche Befugnis erteilen zum 
Zwecke der Begriindung seines Urteilsspruches 
in Capitalprocessen gegeniiber der Provocation, 
Varro 1. 1. VI 91. Liv. Ill 24, 7. Dionys. Hal. 
VIII 77. Die Duoviri perduellioni iudicandae 
haben das Recht nicht, Karlowa I 389. 

Bezuglich der Stimmabgabe sind im allge- 



meinen die in der servianischen Verfassung ge- 
troffenen Normen massgebend geblieben, allerdings 
erweitert auf die proletarii; in welcher Weise dies 
geschehen ist, muss unentsehieden bleiben. Diese 
Controverse hat Kubler im Art. Capite censi 
auseinandergesetzt. 

Der Magistrat, dem fiir die Erledigung dev 
gewOhnlichen Geschafte und zur Aufrechterhal- 
tung der Ordnung Amtsdiener (s. den Art. Ap- 
lOparitores) zur Verfiigung stehen, erlasst ein 
Edict, das, Sffentlich verkiindet und aufgestellt, 
den Tag der C. centuriata sowie den durch Ab- 
stimmung zu erledigenden Gegenstand namhaft 
macht; c. in diem edicere, Liv. XXII 38, 9. XXIV 
7, 11. XXVII 6, 2; comitiis diem edicere, Liv, 
XXVI 18, 4. XXXI 49, 12; c. in trinum nun- 
dinum indieere, Liv. UI 35, 1; c. edicere, Liv 
IV 57, 9. XXII 33, 9. XXIV 7, 11. XXXV 24, 
3. Varro de 1. 1. VI 91. Suet, Caes. 18. Gell. 
20 III 15, 1; e. indieere, Liv. IV 6, 9; aQxatgsaiav 
f)fieQav TigotiMvat, Dionys. V 19. VI 22 ; nooeuzetv 
X 19. Das Landvolk wurde durch Boten" aufge- 
fordert, Liv. XLIII 14, 10. Appian. bell. civ. 1 14 u. 0. 
Der Tag muss eomitialis sein (s. den Art, Co- 
mitiales dies), also weder zu den dies fasti 
noch den dies nefasti gehoren, Varro de 1. 1. VI 
29: comitiales dioti quod turn ut eoiret (ut iret 
Spengel) populus eonstitutus est ad suffragium 
ferendum. Macrob. I 16, 14. Ovid, fast I 53 
30 Pest. ep. p. 38. Liv. VII 18, 9. XXIV 7, 11. XXV 
2, 7 ; auch an den Kalenden, Nonen, Iden, grossen 
Festen, Nundinen, konnten sie abgehalten werden 
Lange I 355. 357. 362. II 518f. Der caesari- 
scheKalender zahlt 191 dies comitiales, CIL 12 
p. 296 (s. Fasti). Der urspriinglich militarische 
Charakter der C. centuriata (daher Varro de 1. 1. 
VI 93 exercitus urbanus. Liv. I 44, 2 exercitus 
instructus, zur Erklarung Mommsen St.-R. Ill 
387 ; dass das Volk — ausser beirn Census — 
40bewaffnet erschien, ist nicht richtig ; Dion. IV 84 
ist kein Beweis dafiir) hat sich mit der Zeit 
verloren; Dio XXXVII 28 berichtet irrtumlich, 
dass militarischer Gehorsam gefordert wurde. 
Lange II 517. 520. Zwischen Einberufung 
und Zusammentritt war zunachst eine bestimmte 
Frist gesetzlieh nicht festgelcgt, doch herkomm- 
lich einige Zeit zu warten, um dem Volke in 
Contionen Gelegenheit zur Meinungsausserung 
zu geben, Liv. IV 24, 6. X 21, 13. XXIV 7, 
5011. Dionys. VTJ 58. Herzog I 1092. Bei Ent- 
scheidung fiber Krieg und Frieden sollten aber. 
falls nicht Dispens gewahrt ward, wenigstens 30 
Tage (iusti dies triginta, Fest. ep. p. 103. Ma- 
crob. I 16, 15, vgl. Serv. Aen. IX 52) als eine dem 
bundesbruchigen Gegner zugebilligte Suhnefrist 
dazwischen liegen; Mommsen St.-R. Ill 387 
weist auf den gleichen aus den ZwOlftafeln be- 
kannten Zeitraum hin, den das romische Privatrecht 
dem Schuldner zwischen Urteilsspruch und Ver- 
ou "»»'»"6 z'^cctujiu. Hie ijci Jen C Iributa ^Liv. 
Ill 35,1, s. u.) ist spater (nach Mommsen a. 
a. O. 376 schon sehr fruh) auch bei den C. cen- 
turiata eine Frist von mindestens drei Markt- 
tagen (in trinum nundinum) iiblich gewesen, 
vgl. SC. de Bacch. v. 22 haice utei in con- 
ventionid exdeicatis w minus trinum noundi- 
num, und durch die Lex Caecilia Didia 98 
v. Chr. (Bardt Herm. IX 305ff.) unbedingt ver- 



689 



Comitia 



Comitia 



690 



bindlich gemacht worden. ZurBerechnung vgl. Art. 
Nundinae. Nach Herzog I 1092 umfasste der 
Termin nur 17 Tage und war urspriinglich ge- 
bunden an wirkliche Markttage. Fiir zutreffender 
halte ich Mom in sens Deutung des in trinum 
wundinum (Rdm. Chronologie 243 ; St.-R. Ill 375) 
als Zeit von 3 Wochen einschliessend den Tag 
des Edicterlasses und der Abstimmung (nundi- 
num als Woche von 8 Tagen). Schwegler R. 
G. II 563. Hartmann Ordo iudiciorum 88. 

Ort. Das wehrhafte Volk kann ausnahmslos 
(die entgegengesetzten Berichte bei Appian. bell. 
civ. UI 30. Plut. Cam. 36; Crassus 15; Pomp. 
52 beruhen auf Missverstandnissen) nur ausser- 
halb des Pomerium zusammentreten (Liv. V 52. 15. 
Gell. XV 27, 4), und friiher wenigstens uberhaupt 
nicht allzuweit von der Stadt entfemt; seitdem 
die C. centuriata der tribunicischen Intercession 
unterworfen waren, durften sie uberhaupt nicht 



Auf dem Markte von der Rednertribiine wird die Ab- 
stimmung angesagt, Varro de 1. 1. VI 91 collegam 
roges, ut comitia edieat de rostris et argentarii 
tobernas oceludant; der erwahnteLadenschlusshat 
aber nicht immer stattgefunden. Beibehalten ist 
jedoch die nur in altester Zeit herechtigte Sitte, 
auf dem Ianiculum (nicht auf der arx) eine Be- 
satzung zu lassen; ferner wird eine rote Fahne 
(vexillum russeum Macrob. sat. I 16, 15, vgl. 
10 Liv. XXXIX 15, 11. Dionys. VII 59) _— Serv. 
Aen. VIII 1 spricht undeutlich von zwei Fahnen 
— - aufgezogen , deren Einholung die C. unter- 
bricht, Dio XXXVII 27, vgl. Cic. pro Rab. perd. 
10 (durch den Praetor Metellus auf Geheiss des 
Consuls Cicero). Die Tagung muss ohne Unter- 
brechung (uno voeatu) abgehalten und an dem 
Einberufungstage vor Somienuntergang beendet 
werden. Nach Beendigung der emtio (Cic. pro 
Flacc. 15), erteilt der Magistrat, nachdem er die 



jenseits des ersten Meilensteins gehalten werden. 20 Worte gesprochen : quod bonum faustum felixque 



Meist ward das Marsfeld gewahlt (Laelius Felix 
bei Gell. XV 27 centuriata a. in campo Mar/io 
haberi exercitumque imperari praesidii causa 
solitum, qwmiam populus esset in mffragiis fe- 
rendis occupatus. Cic. pro Rabirio perd. 11. 
Liv. I 44, 2. VI 20, 10. Dionys. VII 59), zwei- 
mal, soweit wir wissen, der poetelinische Haiii 
(Plut. Cam. 36. Liv. VI 20, 11 Verurteilung des 
Manlius) ; die Gesetzgebung des Dictators M. Va^ 



(felix fortunatumque) sit (Liv. I 17, 10. Cic de 
div. I 102), den Befenl, sich zur Abstimmung zu 
ordnen, Varro de 1. 1. VI 88: impero — da er jetzt 
als Inhaber des imperium handelt — qua eonvenit 
(sc. exercitus) ad comitia centuriata, vgl. centu- 
rias ad suffragium vocare, in suffragium mittere 
Liv. X 21, 13; discedere in suffragium, exereitum 
comitiorum causa educere Liv. XXXEX 15, 11, vgl. 
Varro r. r. I 2, 9. Dionys. VII 59, spater, als die 



lerius Corvinus erfolgte vor der Porta Flumentana 30 Tribus Oberabteilungen der Centurien geworden 



(zur Lage Jordan Topogr. I 240. Mommsen 
R. F. II 191);"einmal ward das Aesculetum (s. d.) 
gewahlt (Plin. n. h. XVI 37, Hortensius Ge- 
setze). Caesars Plan, die C. centuriata uberhaupt 
nach dem vaticanischen Felde zu verlegen, kam 
nicht zur Ausfuhrnng, Cic. ad Att. XIII 33, 4. 
Drum an n III 645. In der Nacht vor dem Zu- 
sammentritt hatte der vorsitzende Beamte von 
einem ausserhalb des Pomerium belegenen tem- 



waren, auch tribus ad suffragia vocare, Suet. Caes. 
80, vgl. Liv. V 18, 2. Der alteren Ordnung gemass 
stimmten nach Aufruf des praeco erst die Ritter- 
centurien, zunachst die sechs patricischen , dann 
die zwolf plebeischen (was Backmund Blatter 
fiir bayr. Gymn. 1874, 231 bezweifelt), als cen- 
turiae praerogativae (Liv. I 43, 11 equites vo- 
eabantur primi. X 22, 1. Fest. p. 249. Cic. de 
rep. II 39 ; de div. I 103), deren Votum als omen 



plum (umfriedigt, daher tabernaculum , Cic. de 40 gait (genauer Kubler oben Bd. LTI S. 1956). Die 



nat. deor. II 11. Liv. IV 7, 3. Serv. Aen. II 
178. Karlowa I 158) aus Auspicien (s. den Art. 
Auspicia) anzustellen. Waren dieselben gtmstig, 
so befahl der Magistrat dem accensus prima luce 
die Wehrgemeinde zu berufen, Varro de 1. 1. VI 88 
C. Ctilpurjti coca m Itciunr unities Quuitts hue 
ad me. Diesersagt: omnes Quirites, in licium vi- 
site hue ad indices. Zur Erklarung des Ausdruekes 
inlicium vocare Fest. ep. p. 113f., vgl. Karlowa 



Stimmen (sententiae Liv. X 11, 4) werden durch 
einzelne Umfrage gesammelt vom Centurio (Fest. 
p. 177), spater wohl von den ouratores tribuum 
als rogatores centuriarum (Cic. pro Sest. 103; 
de div. II 74f.; de nat. deor. II 10; de or. II 
2C0. Ps.-Ascon. p. 108. Mommsen St.-R. Ill 
403. 406), dann aber, etwa in Ciceros Zeit, werden 
die rogatores vom Vorsitzenden jedesmal ernannt, 
Cic. in Pis. 36; p. red. in sen. 28. Die Uber- 



I 397. Spater ging der Auftrag an den Augur, 50 gahe der Stimmen erfolgt an den praeco, welcher 



Varro de I. 1. VI 95. Die Trompete, elassieum, 
ertOnt auf den Mauern der Burg , Varro de 1. 1. 
VI 91. Mommsen St.-R. Ill 288. Mit feier- 
lichem Gebete und Opfer. wie auch sonst iiblich, 
wird die contio erGffnet (Liv. XXVI 22. XXXI 
7, 1. XXXIX 15. 1. Cass. Dio LVI 1. Cic. pro 
Mur. 1. Dionys. VII 59. X 32. 57), die der Ma- 
gistrat auf dem Tribunal sitzend abhalt, Varro de 
I. 1. "VI 88. Fest. ep. p. 113. Derselbe unterbreitet 



dem Vorsitzenden das Ergebnis meldet (Cic. de 
orat. II 260 ; singulae voces praeconum de leg. 
agr. LI 4); dieser erteilt die Erlaubnis zur offent- 
lichen Bekanntmachung (renuntiare Gell. XLT 
8, 6), Varro de 1. 1. VII 42. Cic in Verr. V 38: 
pro Mur. 1, vgl. Lex Malae. c. 56. Lange De mag. 
Bom. renuntiatione, Leipzig 1879. Darauf folgten 
gemass dem Census die 80 Centurien der ersten 
Classe als prima rocatae, Liv. X 15, 7. 22, 1; 



den Gegenstand der Abstimmung (Liv. VI 3y. 6u auch aeren Votum ward sugleicii bekannt gegebcii. 



40. Cic: ad Att. I 14 ; Brut. 89 ; de div. I 102), 
empfieb.lt nochmals die rogatio (Cic. de leg. Ill 
1 1) ; auch Privaten durfte das Wort zur Empfeh- 
lung oder Widerlegung der Vorlage gegeben 
werden (Liv. Ill 71. 3. XLII 34, 1. XLV 36, 9. 
Dio XXXVIII 4), die jedoch nicht in wichtigen 
Teilen abgeandert werden durfte, da sonst eine neue 
Anktindigung und T-rinundinum erforderlich war. 



War jetzt bereits eine Majoritat vorhanden, wurde 
die weitere Abstimmung ausgesetzt (Dionys. X 
17), andernfalls jedoch fortgefahren, bis eine solche 
erzielt war, Liv. I 43, 1 1 : ibi si variaret, quod 
raro incidebat, ut sectindae classis (centuriae) vo- 
carentur nee fere umquam infra ila descendierent 
ut ad infimos pervenirent. X 13, 13; aber nur 
bis zur Feststellung der Majoritat wurden Stimm- 



691 



Comitia 



Comitia 



692 



ergebnisse gezahlt mid durch den vorsitzenden 
Beamten Offentlich verkundet. Ohne diesen letzten 
Act ware die Abstirnmung ungiiltig gewesen, und 
es ist bei Wahlen vorgekommen, dass die Be- 
kanntgebung des Resultates verweigert wurde, 
Val. Max. HI 8, 3. Herzog I 660. Danach 
kormte die Entlassung des Volkes erfolgen, exer- 
eitum remittere, Fest. p. 289. In der reformierten 
Centurienverfassung (Kiiblero. Bd. Ill S. 1956f.) 
war das Vorstimmrecht der Ritter weggefallen ; 10 
sie gaben ihr Votum a~b mit oder nach der ersten 
Classc, Lange II 509ff., nicht bios bei Wahlen, 
wie Madvig I 264 und Genz Die Centuriat- 
comitien 18 meinten. Aus derselben ward eine 
Centurie ausgelost — daher von den iure voeatae, 
Liv. XXVTI 6, 3, unterschieden — indem 70 Lose 
in die urna (Lucan. Phars. V 394) oder sitetta 
geworfen warden. Falls die Ziehung rechtsgiiltig 
war, stimmte die praerogativa ab, Liv. XXIV 7, 
12. XXVI 22, 2. XXVII 6, 3, in diesen Fallen 20 
eine eenturia iuniorum, Cic. Phil. II 82 ; ad Q. fr. 
II 14, 4, ihr Votura gait als omen, Cic. de div. I 
103 praerogativam maiores omen iustorum oomi- 
tiorum esse voluerunt; pro Plancio 49. Mom ri- 
sen St.-R. Ill 274. 291ff. Der rogator eenturiae 
meldete das Ergebnis dem Vorsitzenden (praero- 
gativam referre, Cic. de div. II 74), der es durch 
den praeco renuntiieren liess, Cic. Phil. II 82. Bei 
Wahlcomitien ist zuweilen die Abstimmung der 
eenturia praerogativa fur ungiiltig erklart und 30 
dieselbe zu erneuter Stimmabgabe zuriickbeordert 
worden (revocare, Liv. XXIV 8, 20. XXVI 22, 4, 
vgl. V 18, 2. Lange II 523). Die Centurienjeder 
Classe stimmten gemeinsam ab, ob aber jedesmal 
das Ergebnis der Zahlunggleich verkundet ward, ist 
nicht zu sagen, wahrscheinlich vermied man eine 
solche Unterbrechung des Wahlactes. Ergab sich, 
was schon bei der Abstimmung der dritten Classe 
mOglich war, eine Majoritat, so gait die Abgabe 
der Vota als beendigt. Lange II 526 will aus 40 
den Erwahnungen der Einstimmigkeit aller Cen- 
turien, Liv. XXIV 9, 3. XXVI 18, 9. 22, 13. 
XXVII 21, 4. XXIX 22, 5. XXXI 6, 3. Cic. pro 
Sulla 91; in Pis. 2; pro lege Man. 2, allerdings 
entnehmen , dass der Regel nach durchgestimmt 
worden sei. Betreffs der angeblichen eenturia 
ni quis scivit, welche Mommsen undWillems 
bezweifeln und die nach Herzog I 1123 nur einen 
Scheinwert hatte, oben Bd. Ill S. 1955. 

In spaterer Zeit, schwerlicb schon seit der Re- 50 
form, sicher aber vor Einfiihrung der schriftlichen 
Stimmabgabe (Liv. XXVI 22, 11), hatte man be- 
hufs einer glatteren mid gleichzeitigen Abwicklung 
des Abstirnmungsgeschaftes auf dem Marsfelde 
durch Seile oder holzerne Schranken einen Platz 
(ovile, Liv. XXVI 22, 11. Serv. Buc. I 34) und 
fur die Centurien Einzelraume durch Seile abge- 
teilt. Ein Steg {pons s. u.; Auct. adHerenn. I 21. 
Cic. ad Att. I 14, 5. Fest. p. 334 s. sexagenarios 



fiiLrte in ji-Jur ALU. 



.u Jc 



t*Clil O0 



Eintritte entgegengesetzten Seite auf das Marsfeld 
(so Herzog I 1123). Nach Snet. Caes. 80 be- 
fahl der Vorsitzende e ponte dem versammelten 
Volke die Abstimmung zu beginnen, beim fjber- 
schreiten des Steges gab jeder dem rogator, dem 
ebenfalls vcreidigte Controlleure , eustodes, zur 
Seite standen, sein Votum. Seit die saepta (s. u. 
und den Art. Saepta) fur die C. tributa einge- 



richtet waren, wurden dieselben auch fur die C. 
centuriata benutzt. 

Spater ward schriftliche Abstimmung (von 
Dionysius schon in die alteste Zeit verlegt), zur 
Wahrung der Volksfreiheit (Cic. pro Sest. 103: 
populus libertatem agi putabat suam; de leg. Ill 
33—39; pro Plancio 16; de leg. agr. II 4; Lael. 
41) eingefiihrt, schrittweise infolge tribuniciseher 
Gesetze; fiir die Beamtenwahlen im J. 615 = 139 
durch A. Gabinius, fur gerichtliche C. ausschliess- 
lich perduellio im J. 617 = 137 durch L. Cassius 
Longinus, fur Legislative im J. 623 = 131 durch 
C. Papirius Carbo, fiir perduellio im J. 647 = 107 
durch C. Caelius Caldus. Naheres unter diesen Na- 
men und im Art. Leges tabellariae. Der Bur- 
ger bekam bei Wahlen, wohl von den Dienern der 
Magistrate,™ ovile ein Tafelchen (tessera, tabella 
Cic. de leg. Ill 11, tesserula Varro r. r. Ill 5, 18), 
um den Namen des (der) Candidaten, oft nur mit 
Initialen (Cic. de dom. 112) darauf zu schreiben, 
Plut. Cato min. 46; C. Gracch. 13. Suet. Caes. 
80 ; bei Gesetzesvorschlagen und bei Rechtsspruch 
deren zwei: im ersteren Falle das eine bejahend 
mit U-R (uti rogas) bezeichnet (Liv. VI 38, 5. 
XXX 43, 3. XXXI 8, 1 . XXXIII 25, 7. XXXVIII 
54, 12. Cic. de leg. II 24 ; ad Att. 1 14, 5, dazu 
die Miinze des Longinus Illvir, Mommsen Rem. 
Miinzwesen 636), das andere venieinende trug wohl 
den Vermerk A (antiquo), was zwar nicht b^zeugt 
ist, aber aus dem iiblichen Sprachgebrauch legem 
antiquare (z. B. Liv. IV 58, 14. V 30, 7. VIII 37, 11. 
XXII 30, 4. XXXI 6, 3. Cic. de leg. Ill 38; de off. 
II 73; ad Att. I 14, 5. Becker-Marquardt II 
3, 99) geschlossen werden darf. Beim Volksgericht 
trugen sie aus ahnlichen Griinden vermutlich die 
Zeichen A (absolvo), C (condamno) oder L {libera), 
D (damno), Miinze des Caldus Illvir, Mommsen 
Rom. Munzw, a. a. O.; Strafrecht 171. Das ent- 
scheidende Tafelchen legte man bei den Stegen 
in einen Kasten, cista (Auct. ad Her. I 21. Sisenna 
frg. p. 118 P. Plut. Ti. Gr. U,. cista auf einer 
Miinze des Nerva, Mommsen St.-R. Ill 405 A.I. 
Damit die Freiheit der Abstimmung gewahrt blieb, 
wurden im Laufe der Zeit mancherlei Vorkeh- 
rungen getroffen, so liess Marius die Stege ver- 
engern, Plut, Mar. 4. Val. Max. VI 9, 14. Cic. 
de leg. Ill 38: postea latae sunt (leges) quae 
tegunt omni ratione suffragium, ns quis in- 
spiciat tabellam, ne roget, ne appellet, pontes enim, 
lege Maria fecit aiigustos. Trotzdem hat es, wie 
bekannt, weder an ungesetzlicher Controlle der 
abstimmendeti Burger gefehlt, noch an Missbrauch 
der Comitien, Auct. ad Her. I 21 ; ad Att. I 14, 
5, vgL den Art. Ambitus. Wenn Wahlen noch 
lange Zeit im Sinne der Aristokratie ausfielen 
und tflchtige PersOnlichkeiten an die rechte Stelle 
setzten, wenn die Gesetzgebung eine niitzliche 
und heilsame blieb, so zeugt dies fur den trotz 
aller Parteileidenschaft im ganzen sicheren poli- 
li^Cutli li*u.t dc6 i.\>lui.cn.iici» V uuiea, ilcl Zvg I 3oo. 

Die Stimmtafelchen jeder Classe wurden ins Amts- 
haus der Censoren geschafft und geordnet (Varro 
r. r. HI 2 — 5), die Zahl der auf einen Candida- 
ten gefallenen Stimmen durch Punkte auf Tafel- 
chen vermerkt, Cic. pro Plancio 54. Schol. Bob. 
p. 264. Cic. pro Mur. 72 ; Tusc. II 62, vgl. Sidon. 
carm. II 19. Auson. grat. actio III 13, daher Horat. 
de arte poet. 343: omne tulit punctum. Das Er. 



693 



Comitia 



Comitia 



694 



I 



gebnis wird dem Vorsitzenden gemeldet, Cic. de 
div. II 74 ; de orat. II 260. Q. Cic. de pet. cons. 56. 
Die in Beutel (loendi) verpackten Tafeln wurden 
aufbewahrt, so lange eine Anfechtung des Ergeb 
nisses mOglich war, Varro r. r. Ill 5, 18. Die 
Entlassung auch dieser Versammlung (remittere 
exereitum Fest. p. 289) musste, wie gesagt, auf 
jeden Fall vor Sonnenuntergang erfolgen. Im 
Falle die Handlung noch nicht beendet war, er 



ciennitat halber genannten consul maior, Cic. de 
rep. II 31. Plut. Popl. 12. Gell. II 15. Fest. 
p. 161. Lange I 731. II 529 giebt weitere Be- 
lege. Nur die Censoren wurden gemeinsam re- 
nuntiiert, damit nicht einer derselben aus der 
friiheren Nennung Mheres Ansehen herleite, Liv. 
IX 34, 25. Der praeeo des wahlleitenden Beam- 
ten forderte den rogator auf, die Centurienstimme 
zu verkiinden, z. B. die de L. Maniio, Cic. de or. 



fokte Verschiebung auf den folgenden Tag, Liv. 10 II 260; fiber die Ausdriicke dieit, faeit Mo mm- 



X 22, 8. Inwieweit diese ausseren Formen bei 
den verschiedenen Arten der C. Abanderungen er- 
fuhren, soil bei der folgenden Auseinandersetzung 
gezeigt werden. 

b) Wahlen in den C. centuriata (Lange 
II 531). Sagte das Edict Wahlen an (zunachst 
wurden nur die vacanten Stellen bekannt gegeben, 
spater auch die Liste der Candidaten, Mommsen 
St.-R. I 502), war zumeist die Abhaltung von cow- 



sen St.-R. Ill 403. Konnten nicht alle Stellen 
besetzt werden, weil auf einzelne Candidaten nicht 
genug Stimmen fielen (cemturias rum explere, Liv. 
XXXVII 47, 7 ; legitima suffragia non confieere, 
Liv. IX 34, 25) und war eine neue Wahlhandlung 
am gleichen Tage nicht mOglich, so wurden die C. 
zum nachsten dies comitialis verschoben (differre 
Liv. IX 34, 25). So bei Wahlen von Praetoren, 
Liv. XL 59, 5, Consuln XXXVII 47, 7, Censoren 



Hones notwendig, um sich uber die Candidaten 20 IX 34, 25. Moglich war auch, dass die Abstimmung 



schliissig zu machen. Zunachst hatte das Volk sich 
nur uber Wahl oder Ablehnung der Offentlich be- 
kannt gegebenen vorgeschlagenen PersOnlichkeiten 
zu entscheiden ; andere Namen erklarte der Beamte 
nicht beriicksichtigen zu wollen , Liv. Ill 21, 8. 
64, 5. VIII 15, 9. IX 46, 2. XXVII 6, 5. XXXIX 
39, 5. Cic. ad fam. XVI 12, 3; Brut. 55. 224. 
Gell. VII 9, 3; vgl. Lex Iulia mun. Z. 132. Dass 
schon Valerius Poplicola (s. d.) dem Volke die 



ausgesetzt wurde, um nochmals auf das Volk zu 
wirken und eine andere Entscheidung herbeizu- 
fuhren, Liv. XLV 36. Plut. Aem. Paul. 30. Cic. 
pro Sulla 65; pro Mur. 51; pro lege Man. 2; 
iibcr Wahlverschiebungen Lange I 718. 

Ob Servius Tullius den C. centuriata die Wahl 
des Konigs iibertragen hat, soil dahingestellt blei- 
ben, Lange 1 458. Durch diese Wehrversammlung 
fand nach der Tradition auch die Wahl der ersten 



Freiheit eigencr Wahl verschafrt habe (Plut. Val. 30 Beamten nach dem Sturze des Konigtums statt, 

------- - "■ und den Centurien ist die Wahl der obeTen Staats- 

beamten verblieben. Cicero pro Plane. 7 nennt 
die C. centuriata : c. iis magistratibus mandan- 
dis quibus populus salutem suam eommitti pu- 
tat zum Unterschied von den e. leviora fur un- 
bedeutendere Beamte (s. u.). So sind unter dem 
Vorsitze der Consuln oder anderer ordentlicher 
Magistrate gewahlt: die Consuln seit 245 = 509, 
Cic. ad Att. IX 9, 3 (unter Vorsitz des Praefectus 



Popl. 11), ist falsch. Wer gewahlt werden wollte, 
musste eine Zeit zuvor, word ein trinundinum 
(Sallust. Cat. 18. Cic. ad fain. XVI 12, 3), sich 
bei den wahlleitenden Beamten melden (nomina 
profiteri, profiteri se petere Liv. XXVI 18, 5. 7. 
Aseon. in Corn. p. 89. Veil. Tl 92, s. den Art. 
Professio), und zwar in spaterer republicanischer 
Zeit (etwa seit 692 = 62) persOnlich, Cic. de leg. 
agr. IT 24; betreffs Plut, Mar. 12 Mommsen 



St.-R. I 503. Die Aufstellung von Candidaturen 40 urbi Liv. I 60, 4), die Cens_oren seit 312 = 444, 



war bis zum Beginn der Abstimmung zulassig ; 
erst spater kamen auch Wahlen solcher Personen 
vor, die sich iiberhaupt nicht gemeldet (Cic. Brut. 
55) oder offenkundig eine eventuelle Wahl abge- 
lehnt hatten, Liv. V 18, 1. X 9, 10. Becker II 2, 
36ff. Seitdem die einzelnen Amter an bestimmten 
Tagen angetreten wurden, fanden auch die Wahlen 
an regelmassigen Terminen statt, Herzog I 654. 
Die Collegien wurden zusammen gewahlt, so der 



Liv, XL 45, 8. Gell. XIII 15, 4, die Praetoren seit 
388 = 366, Liv. VII 1, 6. VIII 32, 3. X 22, 7. Gell. 
XIII 15. Lange I 771, ausserdem hohere ausser- 
ordentliche Beamte, wie die tribuni militum eon- 
sulari potestate von 310—387 = 444—367, Liv. 
IV 6, 8. V 13, 2. 52, 16 (falschlich lasst er sie V 
18, 2 von den Tribus wahlen, die allerdings spater 
die tbertragung ausserordentlicher Competenzen 
vollzogen), die Decemviri legibus scribundis 303/4 



Praetor seit 387 = 367 mit den Consuln (Liv. 50 = 451/450, Liv. HI 35, 1 . Dionys. X 3 ; aus- 



X 22, 8. Gell. X1TI 15, 6 eodem auspicio); 
erst als mehrere Praetoren zu wahlen waren, 
wurde ein besonderer Termin dazu angesetzt, der 
bald nach der Consulwahl fiel (Liv. XXVI 23, 
1. XXVH 35, 1. XXXin 24, 2, vgl. Cic. ad 
fam. VH 30, 1; Phil. 11 82), spater aber nach 
einer etwas langeren Pause stattfand, Cic. ad 
fam. VTH 4, 3. Sobald ein Candidat die Mehr- 
heit erlangt hatte, wurden die Stimmen nicht 
weiter gezahlt. Die ocnatrenseiten dieses Ver- ou zunachst bei den 



nahmsweise auch der prodictator Liv. XXII 31, 
10 . vgl. 8, 6. Dass im J. 543 = 211 hier ein 
Proconsul gewahlt sei, berichtet Livius XXVI 18, 
4. 9, vgl. Appian. Iber. 18. Zonar. LX 7 
falschlich. Die Wahlen unterlagen der auetoritas 
patrum, deren Erteilung allerdings immer mehr 
zur Form wurde, s. den Art. Auetoritas 
Nr. 2 und Herzog I 87. 281. 876. Die Bestati- 
gung der Wahlen durch die Curiatcomitien fiel 
zunachst bei ueu Cciiouicii iiii J. «i0 — m Ivi't, 



fahrens kennzeicb.net Herzog 1 1104 zutreffend. 
Wer zuerst die meisten Stimmen auf sich ver- 
einigte (prior f actus est), ward an erster Stelle 
renuntiiert, und dieser gradus renuntiationis blieb 
unter sonst gleichgestellten Collegen fur den Rang 
entscheidend , Cic. pro Mur. 18. Der zuerst re- 
nuntiierte Beamte, z. B. prior consul (Liv. XXIX 
25), ist nicht zu verwechseln mit dem seiner An- 



die lex eensoria de potestate erfolgte in den Cen- 
turien, Cic. de leg. agr. II 26, wodurch das 
Recht der Censoren, die Burgeischaft zu ordnen, 
anerkannt wird, Herzog 1075. Lange I 663; 
die Lex Maenia (s. o.) scliaffte auch die Bestati- 
guug fur Consuln- und Praetoren wahlen ab. 

c) Legislative der Comitia centuriata 
(Lange II 597ff.). Das Edict verkundete (pro- 



695 



Comitia 



Comitia 



C96 



inulgare) das zu beschliessende Gesetz (auch auf 
hSlzernen Tafeln, Dio XLII 32) und gab dessen 
Inhalt kurz an (Herzog I 1107 meint sogar, dass 
die knappe Form, in welcher viele Gesetz e uns 
tiberliefert sind, ebensolche Edietfassungen waren). 
Diese rogatio — zum Unterschiede von lex, schiefe 
Definition bei Pest. p. 266, besser Gell. X 20, 7 
— war genau ausgearbeitet, nannte den (die) An- 
tragsteller (rogator, lator Cic. de div. II 184; auator, 
sc. legis, Liv. II 42, 1 u. 0). Unter Umstanden konn- 10 
ten auch andere Magistrate als adseriptores, vgl. 
Cic. de leg. agr. II 22 (s. u.), genannt werden, urn 
dem Antrage mehr Gewicht zu verleihen, Cic. in Pis. 
35 ; ferner stand darin die scmctio, Strafandrohung 
fiir Ubertretung, Dig. XLIX 19, 41. So Lex tab. 
Bant. CIL 1 197. Fragm. Tudert. et Flor. eb. 1409. 
Fragm. Mediol. eb. 1502. Lex Quinctia in Frontin. 
de aq. 129. Lex deimp. Vesp. CIL VI 930 Z. 34ff. 
Ich gehe auf diese formellen Fragen hier nicht 
weiter ein, vgl. die Art. Sanctio, LexundLeges 20 
sacratae. Lange II 649ff. Herzog I 1109ff. 
und in Jahrb. f. Philol. 1876, 139ff. Zunachst 
konnte ein Antrag verschiedenartige Gesetze ent- 
halten , was spater verboten war, und besonders 
hat die Lex Caecilia Didia (s. d.) im J. 656 = 98 
(Cic. de domo 53) energisch dies per saturam 
ferre untersagt, Liv. VI 39, 2. Diomedes III 
p. 486. Cic. de domo 20 neve per saturam abrogate 
out derogate, vgl. 50. Fest. p. 314. Lex repet. in 
CIL I 198 Z. 72. Mommsen St.-K. Ill 336. 30 

In den Contionen zwischen Promulgation und 
Abstimmung konnten Anderungen des Antrages 
beraten werden (Cic. ad Att. I 19, 4. Liv. Ill 34, 
4), auch war es mOglich, den Entwurf zuruckzu- 
ziehen , Cic. pro Sulla 62. Bei der Beschluss- 
fassung las der vorsitzende Beamte oder dessen 
praeoo den Antrag vor (Cic. Phil. I 24. Aacon. 
p. 51. Plut, Cato min. 28) und frug: velitis 
iubeatisne haee sic fieri? Liv. XXII 10, 2 u. 0. 
Dann erfolgte die Abstimmung mit Ja und Nein 40 
(s. o.). Nach Verkiindigung des Ergebnisses ward 
in die praeseriptio legis das Datum (Cic. de leg. 
agr. II 22) eingesetzt, auch die Namen der zu- 
erst renuntiierten Centurie, sowie dessen, der zu- 
erst abgestimmt hatte (s. Lex de XX quaestori- 
bus, CIL I 202. Lex Quinctia in Frontin. de aq. 
129), der beschlossene Teil redigiert, das Gesetz 
auf holzernen Tafeln (Dionys. Ill 36. IV 43), 
spater auf Bronzetafeln (so bereits nach Dion. 
Hal. X 32 die Lex de Aventino publ. und nach 50 
Liv. Ill 57, 10 die Zwolftafelgesetze , vgl. im 
ubrigen Ritschl Opusc. philol. IV 427ff.) ein- 
gegraben und Sffentlich auf dem Forum, Capi- 
tol oder anderen Platzen aufgestellt, unde de 
piano reete legi posset, woriiber Mommsen 
Ann. d. Inst. 1858, 181ff. Man unterschied (vgl. 
Ulpian. frg. Iff.) leges perfeetae, welche die 
sanctio enthalten, dass der Ubertretende bestraft 
werden soil und seine That ungiiltig sei (der 

erhalten), ferner leges minus quam perfeetae, 
deren sanctio nur Strafe droht, aber die trotz des 
Verbotes geschehene Handlung nicht cassiert; 
quae vetat aliquid fieri, et si factum sit, nan 
reseindit, sed poenam iniungit ei qui contra legem 
fecit, endlich leges imperfectae ohne sanctio: 
quae fieri aliquid vetat nee tamen si factum sit 
reseindit, vgl. lex imperfecta in qua nulla de- 



viantibus poena sancitur (Macrob. somn. Scip. 
II 17. Cic. ad Att. Ill 23, 2) und im ubrigen 
den Art. Lex. 

Anderungen und Abschaffungen (abrogatio Cie. 
ad Att. HI 23, 2; de invent. II 134. Ulpian. 
frg. 1, 3. Fest. ep. p. 69 derogare, ebd. p. 187 ob- 
rogare) eines in alien Formen rechtens beschlos- 
senen Gesetzes war nur durch Gesetz mtiglich. 

Den Umfang der legislativen Befugnisse der 
Centurienversammlung, die Lange II 597ff. und 
Mommsen St.-R. Ill 326ff. des Genauern er- 
ortern, kann man sich nicht erheblich genug vor- 
stellen. Nach Herzog hat dieselbe sogar bis 
zum J. 305 = 449 allein die Gesetzgebung gehabt, 
so dass all die vorher beschlossenen Gesetze leges 
centuriatae waren. Die Beschrankungen der Com- 
petenz dieser wie aller C. lagen besonders in den 
Eingangs erwahnten Normen der mangelnden Ini- 
tiative des Volkes, das nur auf Geheiss eines 
Beamten sich versammeln konnte. Zahlreiche hier 
beschlossene Gesetze hat Lange II 600ff. zu- 
sammengestellt ; auch die Zwolftafeln, wenigstens 
die ersten zehn, sind in den C. centuriata rechts- 
kraftig geworden, Liv. Ill 34, 6. Dionys. X 57, 
vgl. 55. Lange I 627. Karlowa I 105 A. 2. ,Die 
Versammlung der Wehrprlichtigen', sagt Momm- 
sen III 321 , ,ist in dem patricisch-plebeischen 
Staate der ursprungliche Trager der Souveranetat 
gewesen,' Cic. pro Mur. 1. Gell. X 20. Die 
Zwolftafeln bestimmten zwar (Liv. VII 17, 12), 
ut quodcumque postremum populus iussisset, id 
ius ratumque- esset (IX 38, 9), also die unbe- 
dingte Geltung des Volksbeschlusses, aber dadurch 
war doch die Pflicht, patrum auetoritas und 
Bestatigung der Curien nachzusuchen, nicht be- 
seitigt (Lange I 629), indes seit der Lex Publilia 
Philonis 415 = 329: ut leguni quae eomitiis 
centuriutis ferrcntur , ante initum suffragium 
patres auctores fierent , lediglich zur Form ge- 
worden. Eine gewisse Einbusse erlitt die Viel- 
seitigkeit der legislativen Competenz der Centu- 
rien durch das Eingreifen der plebeischen und 
patricisch-plebeischen C. tributa in die Gesetz- 
gebung (s. u.), vor allem seitdem die Lex Hor- 
tensia den tribunicischen Rogationen voile Gel- 
tung sicherte. Besonders haufig ist in der Folge- 
zeit die tribunicische Gesetzgebung in Bewegung 
gesL-tzt worden. Da selten ausdrucklich gesagt 
ist, wo ein Gesetz beschlossen ward, lassen sich 
die Grenzen der Competenz dieser Versammlungen 
nicht iiberaU klar Ziehen; man kann eigentlich 
nur dann mit Sicherheit auf C. tributa schliessen, 
wenn als Antragsteller ein Tribun genannt ist. 

Geblieben ist den C. centuriata die seit An- 
heginn ihnen iiberlassene Genehmigung, einen 
Angriffskrieg zu erOffnen, lex. de bcllo indieendo. 
Liv. IV 58, 8. 60, 9. VII 6, 7. 12, 6. 19, 10. VIII 
25, 2. XXXI 6, 3. 7, 2. XXXVI 1. 4. 2, 3. XXXVIH 
45. XLII 30. Dionys. V 37. VIE 15. 91. IX 69. 

Coob. Diu XSX\ III -il uUu Viclc ulidcie Stciicii ; 

eine grosse Reihe Falle zahlt Lange II 600ff. auf. 
Uber den gcgen Cn. Manlius erhobenen Tadel, weil 
er iniussu populi die Gallograeci bekriegte, Liv. 
XXXVHI45, vgl. Herzog 1944,3. Die Verwer- 
fung einer solchen lex de bello indieendo war nicht 
undenkbar (Liv. IV 58), wie die von Livius XXXI 
C — 8 erzahlten Vorgange zeigen, als es sich um 
die Kriegserklarung an Philipp von Makedonien 



697 



Comitia 



Comitia 



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| 

f 



handelte, Herzog I 415. Im J. 587 = 167 inter- 
cedierten die Trihunen dem Praetor M.' Iuventius 
Thalna, der den C. tributa die Kriegserklarung 
gegen die Rhodier vorlegte, Liv. XLV 21. 
Polyb. XXX 4. Eine Bestatigung solcher Be- 
schliisse durch auetoritas patrum ist nicht 
fiberliefert. Vertrage fiber Frieden und Bund- 
nisse waren spater von den C. centuriata zu 
ratificieren (Polyb. VI 14, 5. Lange II 599ff. 



der Jenaer Litt.-Ztg. 1844, 245ff. und Strafrecht 
167ff. War ein Verbrechen begangen, so wurde 
dem Angeklagten (reus) durch die duoviri per- 
duellionis oder die Quaestoren ein Termin gesetzt 
(diem dicere, Liv. XXV 13, 8) zur prima aeeusatio. 
In der fiffentlichen Ankflndigung (in einer eoniio 
Varro 1. 1. VI 91) war es notig, den Schuldigen, 
der verhaftet werden konnte oder gegen Btirg- 
schaft (vades Liv. in 13, 8) frei blieb, zu nennen, 



Rubino I 288), doch wurde es, als die C. tri- 10 die Grande der Anklage und die voraussichtliche 



buta hoheres Ansehen gewannen, ublich, sie 
diesen vorzulegen. Auch bei anderen wichtigen 
Entscheidungen hat man sich an die Centurien 
gewandt , so bei Verfassungsanderungen , wozu 
namentlich die Einfuhrung neuer Amter gehorte. 
Im J. 245 = 509 hat der Tradition nach L. Vale- 
rius Poplicola die Beschrankung des consularischen 
Imperiums durch die Provocation von den Cen- 
turien genehmigen lassen, Cic. de rep. H 53. Val. 



Strafe anzugeben. In der contio, welche Gelegen- 
heit hot, die Stimmung des Volkes zu priifen, 
konnte der Angeklagte sich selbst oder durch 
andere verteidigen. Damit es nicht schiene, als 
trete das Volk den Consuln als Richter entgegen, 
mussten den Spruch begriinden die quaestores 
parrieidii (s. d.) oder die duoviri perduellionis 
(s. d.), noch im J. 691 = 63 v. Chr., Dio 
XXXVII 27. Cic. pro Rab. perd. llff. Suet. 



Max. IV 1, 1; das Gesetz uber Einsetzung der20Caes. 12. Lange I 381. II 593ff. Herzog I 



Censur ward hier angenommen, Liv. IX 34, 7; 
lex antiqua qua primum eensores creati sunt, 
Lange I 664 und Art. Censores. Die Er- 
weiterung der Machtbefugnisse der C. tributa 
durch die horatischen, publilischen, hortensischen 
Gesetze ward durch die Centurien genehmigt. 
Hieher gingen auch Antrage uber Verleihung des 
Burgerrechtes, wie der Sullas betreffs Volaterrae 
(Cic. de domo 79), hier ward Ciceros Ruckberufung 



697. 815, 836. Spater wurden Anklagen auch 
durch die tribuni plebis vertreten, Liv. XXV 
3, 9. XXVI 3, 8. XLLU 16, 11. Gell. VII 9, 9. 
Mommsen St.-R. I 195; einzelne Falle alterer 
tribunicischer Anklagen Lange II 552ff. Den 
Perduellionsprocess haben bald die Quaestoren 
bekommen (Nachweise bei Lange a. a. O.). 
Zumpts Ansicht, dass lediglich der oftenkundige 
(manifestus) oder der gestandige (confessus) Ver- 



durchgesetzt, Cic. in Pis. 35. Allerdings waren 30 brecher vom Magistrat abgeurteilt werden sollte 



in derlei Fragen auch die C. tributa competent, wie 
die Verhandlungen fiber das Gesetz des L. Papirius, 
die eivitas sine suffragio der Acerraner im J. 422 
= 332 betreffend, zeigen, Liv. VIII 17, 12. Veil. I 
14; nicht klar liegt die Instanz Liv. VI 26, 8. VIII 
14, 2. 21, 10. In Verfassungsfragen ist eine Mit- 
wirkung der C. centuriata seit der Lex Hortensia 
nicht bestimmt iiberliefert, Lange II 605. Sulla 
suchte mit der Lex Valeria wieder auf diese 



und Provocation hier unzulassig war, beruht auf 
falschen Kriterien, Herzog I 1089. Weitere Ter- 
mine (s. die Ausfiihrungen Ciceros de domo 45; 
de leg. IH 6, vgl. Appian. b. c. I 74), wenn der 
Magistrat die Anklage nicht aufgab, dienten zur 
Untersuchung (capitis oder capite anquirere Liv. 
II 52, 5. VIII 33, 17. XXVI 3, 6; de perduel- 
lione anquirere VI 20, 12; vgl. Mommsen 
Strafrecht 164ff. und den Artikel Anquisitio). 



C. zuruckzugreifen, und nachmals hat Caesar viel- 40 Manchmal konnte mit Zustimmung des Ange- 



leicht seine Lex Iulia de provinciis und Lex Iulia 
iudiciaria hier zur Genehmigung vorgelegt, Cic. 
Phil. I 19. Hauflgeren Gebrauch von der legis- 
lativen Competenz der C. centuriata wurde in 
diesen Zeiten vermutlich vom Senat gemacht, Ap- 
pian. b. c. HI 30. Die Verfugung fiber Gemeinde- 
land hatte der Senat sich schon friih reserviert, 
Mommsen St.-R. II 131ff. HI 11121., jedoch 
wandte man sich bei Assignationen an die Centu 



klagten sogleich der Tag des Urteils angesetzt 
werden, Liv. XLIII 16, 12. Cic. de har. resp. 
7. In der seeunda aeeusatio wurde die Klage 
wiederholt und das Zeugenverhor behufs neuer 
Ermittlungen fortgesetzt, in der tertia aeeusatio 
der entscheidende Tag bestimmt. dies prodicitur, 
Liv. II 61, 8. ID 57, 6. VI 20, 11. XXXVIII 51, 
4. Cic. ad Q. fr. II 3, 1. 5, 4. Mommsen 
Strafrecht 324. Aus triftigen Grunden konnte 



rien, auf deren Beschlussen die lex de Aventino 50 der nicht verhaftete Angeklagte Verschiebung auf 



piMicando. das auf Sp. Cassius im J. 268 = 486 
zuriickgefuhrte, allerdings wohl erfundene Gesetz 
und die iilteren Coloniegrundungen beruhten. Der 
gewaltige Einfluss dieser C. konnte leicht miss- 
brauchlich gegen Bfirger ins Feld gefuhrt werden ; 
daher ward schon friih, vielleicht bereits in den 
Zwfllftafelgesetzen , untersagt, die Gesetzgebung 
auf eine bestimmte Person zu munzen, Cie. de leg. 
Ill 11; pro Sest. 65; de domo 43. Lange I 629 



einen neuen Termin nachsuchen (Liv. XXXVLTI 
52), jedoch war dann auch die Geltendmachung 
neuer Schuldbeweise der Klager gestattet. In 
der quarta aeeusatio wurde das Drteil endgtiltig 
(Polyb. VI 14, 7. Mommsen a. a. O. 169) 
gefallt. Welche Fristen zwischen den einzelnen 
Tenninen lagen, ist nicht zu ermitteln; vor dem 
letzten war sicherlich das Trinundinum zu beob- 
achten, da die C. zum Spruch berufen werden 



Herz"? I 185. Cher C. centnriatR calata s. den 60 mussten. Herzo? I 1115A. 1. Der Tag desUr- 



Art. Calata comitia. 

d) Rechtaprechung (Lange II 541ff., ebd. 
altere Litt.). Diese Volksgerichte traten in Thatig- 
keit, sobald ein Verurteilter vom Rechte der Pro- 
vocation Gebrauch machte , bildeten mithin die 
zweite Instanz, was Zumpt R. Criminalrccht mit 
Unrecht bestreitet; Rubino 445 A. 2. Momm- 
sen in der Bespr, von Geibs Criminalprocess in 



teils wurde durch Auspicien eingeleitet, das Voik 
von der Mauer und der Burg, der Angeklagte vor 
seinem Hause durch Homsignale zu den C. ge- 
laden (Varro 1. 1. VI 91), die von dem Richter 
geleitet wurden (nach Zumpt 12, 228 ein curu- 
lischer Beamter), Mommsen Strafrecht 332. 
Die Frage lautete z. B. Velitis iubeatis ut M. 
Tullio aqua et igni interdicatur?, Cic. de dome* 



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Comitia 



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44. Man stimmte lediglich mit Ja oder Nein 
(s. o.); unzulassig war, wenn das Volk etwa eine 
geringere Strafe beschliessen oder die MOglich- 
keit einer andern Verurteilung often halten wollte. 
Waren genug verurteilende Stimmen vorhanden 
(Polyb. VI 14. Plut. Ti. Gracch. 12), konnte die 
verhangte Strafe sogleich vollzogen werden. Spater 
ward Todesstrafe nicht mehr ausgesprochen (der 
letzte Fall war der des Manlius 370 = 384), dem 
Angeklagten stand es offen, ein freiwilliges exiliwm 
zu wahlen (Polyb. a. a. 0.). Perner war ihm 
gimstig, wenn die Verhandlung nicht an dem be- 
treffenden Tage beendet wurde, da dann das Ver- 
fahren als erledigt gait, Schol. Bob. p. 337. Cic. 
de dorno 45. Um Missbrauch zu verhiiten, musste 
der Vorsitzende deshalb ein Zeitmass fur die Reden 
bestimmen, Cic. pro Rab. 9. Wenn ubrigers sich 
die Anklage gegen mehrere Personen richtete, 
war ieder gesondert abzuurteilen, Liv.- IV 41, lOff. 
XXV 4, 10. XLIII 16, 14. Niemand jedoch konnte 
wegen desselben Vergehens zweimal zur Rechen- 
schaft gezogen werden. 

Die richterliche Competenz der Centurienver- 
sammlnngen bestand seit dem von ihnen selbst ge- 
billigten (Cic. de rep. II 61. 54) Provocation s- 
gesetze des Valerius Poplicola (Liv. II 8, 2. Cic. 
de rep. II 16. Dionys. V 19. Dig. I 2, 2, 16), 
welches jedem Burger gestattete, natiirlich nur 
domi (Liv. Ill 20, 7), gegen die von Magistraten 
in ordnungsgemasser Form verhangten Capital- 
strafen an das Volk zu appellieren. Beziiglich 
dieser Instanzen ist auf den Artikel Provocatio 
zu verweisen, vgl. zunachst Mommsen St.-E. ILT 
351ff.; Strafrecht 168. 171. 473. Herzog I 1077ff. 
Bestimmt ausgesprochen wurde ihre Befugnis, liber 
Leben und Tod des Burgers zu befinden, schon in 
einem Zwolftafelgesetz XII Tab. 9, 2, quae de ca- 
pite civis Romani nisi comitiis centuriatis statui 
vetaret Cic. de rep. II 61; de leg. Ill 11. 44; pro 
Sest. 65; die Nachrichten allerdings von den vor 
den Centurien gefuhrten, naturgemass meist politi- 
schen Processen (iiber einzelne Falle wie die des 
Sp. Cassius, M. Volscius, M. Manlius vgl. Lange 
II 550ff. 561ff. und unter diesen Namen) sind in 
der alteren Zeit durchaus unverbiirgte und selbst 
aus historischer Zeit sehr mangelhaft "iiberliefert. 
Aber auch in dieser Beziehung trat die wachsende 
Bedeutung der C. tributa bemmend in den Weg, 
und in noch hfiherem Grade wurde der Macht- 
bereich der richtenden Gewalt der C. centuriata 
geschwacht durch die Geschworenengerichte {quae- 
stiones perpetuae, s. den Art., ausfiihrlich Lange 

II 563. 695ff.) Vollig untergegangen ist aber 
das Volksgericht nicht in der Republik, wie Ciceros 
Rede pro Eabirio perdnell. reo zeigt, vgl. de leg. 

III 11 ; de domo 43; pro Sest. 65. 
Litteratur fiber C. centuriata. Niebuhr E. 

G. Ill 374. Eubino 280. Becker - Mar- 
quardt II 3. Iff. Lange I 457. II 494. 
uGl. 541. 5S7. il uinuiocij E. F. I lu4n.; Si.-E. 
IE 240. 290. 300; Abriss 318. Soltau 227ff. 
Madvigl 109. 219. 226. 246. Karlowa I 82ff. 
384. 405. Herzog I 1027. 1044. 1066. 1091. 
1119. n 906. Humbert in Daremberg- 
Saglio I 1378. 1389. 1397, ebd. altere Litt. 
Schiller in I. Mtiller Handb. IV z 2, 151. 156. 
ebd. Litt. fiber die urspriingliche und die refor- 
mierte Centurienverfassung. Lange Die promul- 



gatio trinum nund., Rh. Mus. XXX 1875, 350ff. 
F. Lambertico I diribitores, Venedig 1883. E. 
Morlot Les cornices electoraux sous la rep. rom. 
These, Paris 1884. M. Le Tellier L'org. cen- 
turiate et les cornices par cent. These, Paris 1896. 
in. Comitia tributa. Da eine ausfiihrliche 
Behandlung der verwickelten Fragen iiber Ursprung 
und Entwickelung der Tributcomitien , die von 
den verschiedensten Standpunkten aus untersucht 

10 sind, hier nicht angangig, vielmehr Beschran- 
kung auf die Hervorhebung der wichtigsten Ge- 
sichtspunkte geboten ist, sei ausdrlicklich noch 
auf den Art. Concilium verwiesen. Servius 
Tullius soil nach Dion. Hal. und Varro 30, nach 
Liv. 143, 12 (vgl. Mommsen Tribus 4, 17) nur 
vier locale Tribus ohne Unterschied von Patri- 
ciern und Plebeiern geschaffen haben, s. den Art. 
Tribus. Die Plebs schuf mit der Organisation 
zum Kampfe gegen die Patricier sich auch eigene 

20 Versammlungen, concilia plebis (Liv. II 56, 
15. 57, 2. 60, 5. VI 5, 8. XXXIX 15, 11. 
Lex Bant. CIL I 197. Cic. p. red, in sen. 11; de 
leg. II 31 ; de inv. n 52. Dionys IX 41. X 40), 
geleitet von plebeischen Beamten, Tribunen oder 
plebeischen Aedilen (Fest. p. 230 , s. den Art. 
Aedilis), zur Wahl der Vorstande, gemeinsamer 
Vertretung ihrer Angelegenheiten und um Mass- 
regeln zum Schutze dieser Zusammenkunfte gegen 
Stfirungen aller Art (Dionys. VII 16. Cic. pro Sest. 

30 79) zu treffen. Dass deren Beschliisse {plebiscita, 
s. d.) nur fur die Plebs wirksam waren, ist selbst- 
verstandlich; die Frage, seit wann solche Mei- 
nungsausserungen gesetzliche Geltung bekamen, 
die concilia plebis tributa mithin zu Versamm- 
lungen des gesamten Volkes geworden waren, 
muss an anderer Stelle besprochen werden. Die 
doppelte Form der Tribusversammlungen hat zu- 
erst Eubino 309 erkannt, dann Mommsen R. 
F. I 155ff. ausfiihrlich begriindet, dem Lange I 

40 644. II 460 u. o. Herzog I 1128. Berns De co- 
mitiorum tribut. et concil. pleb. discrimine, Wetz- 
lar 1875 u. a. sich anschlossen. Dagegen wandten 
sich namentlich C la son Krit. ErOrt. 81. Ihne 
Eh. Mus. XXVin 353. Madvig I 235, welche 
besonders hervorheben, dass Cicero nie patricisch- 
plebeische C. tributa nenne, selbst da, wo es un 
umganglich ware, wie de dom. 38; diese Thatsache, 
bemerkt Herzog, erklare sich vielleicht daraus. 
dass keine besondere Bezeichnung geschaffen sei, 

50 da aus dem Amtscharakter des berufenden Magi- 
strates jedermann wusste, welcher Art die Ver- 
sammlung sei. Die Sonderversammlungen der Plebs 
sind anlasslich der Secession im J. 260 = 494 wohl 
nach Centurien organisiert worden, dann aber nach 
Curien, Cic. pro Corn.. Ascon. p. 76. Dionys. VI 89. 
1X41. Mommsen R. F. I 183; St.-E. HI 151. 
321, anders Lange I 599. Soltau 506ff.; im 
J. 283 = 471 jedoch wurde die Tribusteilung zu 
Grande gelegt, doch wohl nicht bios far die Tri- 

00 WneiiWrtiAicii. 1 c.->l. jj. Z'o-j. 2y.j : acdd pitlrtt apei- 
lantur ea quae pkbs sua suffragio sine patribus 
iiissit plebeio magistratu rogante. p. 330. Gell. 
XV 27 (s. u.). Beckers unrichtige Annahme, dass 
seit dem Decemvirat auch Patricier an denselben 
teilnahmen, wollte Ptaschnik dahin erweitern, 
dass dies schon seit 283 = 471 der Fall gewesen. 
Bis 442 = 312 haben aber Stimrnrecht nur die 
ansassigen unbescholtenen freigeborenen Plebeier 



samt Clienten gehabt, dann alle Plebeier ausser 
den aerarii, seit 450 = 304 aber die Nichtansas- 
sigen und Freigelassenen nur in vier stadtischen 
Tribus und wohl auch die aerarii. Als spater diese 
concilia sich zu comitia erweiterten, ihre Befug- 
nisse sich vergrosserten und die Beschliisse all- 
gemeine Geltung erlangt hatten, blieben doch viel- 
facb die Ausdriicke wie plebem rogare, ad plebem 
ferre, cum plebe agere, concilia plebis, plebiscita, 
Sammlung bei Berns a. a. O. 10 

Competenz. Natiirlich hatten die Beschliisse 
nur fur die eigenen Angelegenheiten der Plebs 
Giiltigkeit, aber es war eine Frage der Politik, 
ob man nicht den Wiinschen dieser wichtigen 
Volksclassen Eechnung tragen sollte. Wahlen der 
plebeischen Beamten wurden hier vorgenommen. 
Seit 283 = 471 wurden die Tribunen in den C. 
tributa erwiihlt, Liv. II 56, 2 td plebei magistra- 
tus comitiis tributis fie/rent. 58, 1 . 60, 4. Diodor. 
XI 68. Karlowa I 221. Die Frage, wo die Wahl 20 
bis dahin vollzogen wurde, soil hier nicht aus- 
fiihrlich erortert werden; s. den Art. Tribunus. 
Dionys. VI 89. IX 41. X 4 sagt davon nichts; 
nach Cic. Corn. frg. 1, 24, vgl. Ascon. p. 68, ge- 
schah sie in den C. curiata. Lange 1410. 599 
billigt dies; da ich oben der Ansicht zugestimmt 
habe, dass die Curien auch die Plebs umfassten, halte 
ich dies recht wohl fiir mOglich. Schweglerll 552 
denkt an Wahl in plebeischen C. tributa, Momm- 
sen an eine solche in den euriatim gehaltenen30 
concilia plebis. Niebuhr I 687f. und Peter 
Epochen 23 vermuten Wahl durch Centurien, die 
durch die Curien bestatigt ward. Herzog I 152 
wendet richtig ein, dass ,die Eegierung nicht wohl 
diejenige Einteilung des Volkes, welche fiir mili- 
tarische Zwecke gemacht war, zu einem mit oppo- 
sitionellen Agitationen verbundenen Zwecke her- 
geben konnte.' WahrendHerzogl 158, vgl. dessen 
Glaubwiirdigkeit der Gesetze 14ff.. die lex Publilia 
Voleronis fur eine annalistisclie Erfindung erklart 40 
und vielmehr die Neuregelung der Tribunenwahl 
durch ein Centuriengesetz annimmt, sindSchweg- 
ler U 255. Ptaschnik Ztschr. fur osterr. Gymn. 
1866, 161f. Ihne Rh. Mus. XXVIII 376f. der 
Ansicht, dass das publilische Gesetz noch einen 
weiteren Inhalt gehabt, namentlich auch die legis- 
lative Initiative der plebeischen Versammlungen 
geschaffen oder gesichert habe. Auch Mommsen 
E. F. I 185; St.-R. Ill 152 halt die tberliefe- 
rung fiir glaubwiirdig und schatzt die politische50 
Tragweite der Lex Publilia sehr hoch ein. In der 
Zeit der Graccben wurden hier ferner neue ausser- 
ordentliche Beamte gewahlt, so die Commissare 
fiir die Assignationen, Plut. Ti. Gr. 13. Cic. de 
lege agr. n 17. CIL I p. 279. Als im J. 690/1 
= 64/3 v. Chr. der Tribun P. Servilius Eullus 
die Wahl einer Commission, die ein Ackergesetz 
ausfuhren sollte, nur 17 Tribus statt alien iiber- 
tragen wollte , scheiterte dieser Plan an Ciceros 
Wiuerspracii ^licdcn uc leg. a&'i.j. 50 

Legislative. Die Beschliisse der Plebs gingen 
schon friih, vor dem hortensiscben Gesetze 469 
— 287, fiber die Angelegenheiten binaus , iiber 
welche allein die Plebeier zu befinden berechtigt 
waren: solche Plebiscite waren z. B. das terenti- 
lische 292 = 462, das canuleische 309 = 445, die 
licinisch-sextischen 387 = 367, das ogulnische 
454 = 300. Die Rechtskraft derselben klar zu 



begrenzen , ist nicht moglich , ihre Giiltigkeit 
beruhte jedenfalls auf einem Gesetze, dass An- 
trage, welche nach vorher eingeholter Genehmi- 
gung des Senates der Plebs unterbreitet werden, 
gleich den in C. angenommenen anzusehen sind. 
Mommsen R. F. I 208; St.-R. Ill 156. Gesichert 
ward das Recht der Gesetzgebung duich die lex 
Hortensia, welche das pleMscitum den leges der 
C. centuriata und der patricisch-plebeischen Tri- 
butcomitien gleichstellte. Daher lex plebeive- 
scitum Lex Bant. Z. 15. Les Rubria Z. 29. 39, 
lex sive plebiscitum Gell. XV 27, 4. Gai. I 3. 
Dig. I 2, 2,8. S. den Art. Plebiscitum. Auf- 
zahlung der zahlreichen tribunicischen Gesetze bei 
Orelli-Baitera. a. O. Lange H 620f. 751. 766. 
lurisdiction. Fiir die altere Zeit bestreitet 
Herzog I 1176 die Competenz im Strafprocess. 
Dass die Plebeier iiber Patricier zu Gericht ge- 
sessen haben, ist zweifellos, deshalb erklarten aus- 
driicklich die ZwOlftafelgesetze , dass solche Ge- 
richtsbarkeit nur den Centurien gebuhre. Man 
hatte bis dahin vor das Forum der plebeischen 
Versammlungen eine Reihe politischer Processe ge- 
zogen; wenn auch das Urteil nicht vollgultig war, 
so musste es doch als der Wille eines grossen 
Teiles des Volkes beachtet werden. Die Falle 
eines Coriolan (vgl. Mommsen R. F. n 113ff.) 
und Kaeso Quinctius sind allerdings zu nebelhaft, 
Herzog I 157. 185, immerhin haben die concilia 
plebis, wenn die Rechte der Plebs verletzt waren, 
politische Processe vor ihrem Forum anhangig 
gemacht und Selbsthulfe (Mommsen St.-E. II 
297. Ill 154; Strafrecht 156) geiibt; Schiller 
nennt dies Gewalt- und Notwehracte. Nach der 
Decemviralgesetzgebung finden Capitalprocesse 
hier nicht mehr statt, Polyb. VI 14, 7; desto 
haufiger sind Multprocesse, deren Tradition in 
alterer Zeit allerdings wenig sachlich ist, Momm- 
sen II 492 ff. Lange II 587; auch diese sind im 
Grunde Provocation, welche gegen alle von Tri- 
bunen und Aedilen iiber das im J. 300 = 454 durch 
die lex Aternia Tarpeia festgesetzte Mass hinaus 
verhangten Strafen gesichert war, Dionys. X 50. Cic. 
de rep. H 60. Gell. XI 11. Fest. p. 237 s. pecula- 
tus, p. 202 s. diwbiis ovibus. Wahrscheinlich war 
das Multrecht der Tribunen auf gewisse Personen 
und Falle beschrankt. Man hat angenommen, dass 
seit 300 = 454 alle Berufungen gegen die von 
Magistraten verhangten Multen in den concilia 
plebis abgeurteilt wurden, Liv. V 11, 12. VIH 
22, 3. X 46, 10; gewiss ist, dass die Multpro- 
cesse der curulischen Aedilen hier verhandelt wor- 
den sind, Cic. Verr. V 173. Liv. X 31, 9. XXXV 
41, 9. Gell. IV 14. Val. Max. VI 1 , 7. Plin. 
n. h. XVIII 41. Die richterliche Thatigkeit dieser 
Versammlungen wurde durch Errichtung der quae- 
stiones perpetuae erheblich beschrankt und von 
Sulla ganzlich beseitigt, Cic. de leg. Ill 22. 

Litteratur iiber Concilia plebis: Mommsen 
E. F I 1 77ff . ; St.-R TT 272. TTT HP. 151. 321 
Herzog I 116911. Karlowa I 388ff. u. 0. Hum- 
bert in Daremberg-Saglio I 1380. 

IV. Die patricisch-plebeischen Tribut- 
comitien. Die Erweiterung der Befugnisse der 
concilia plebis fand statt durch die lex Publilia 
Voleronis 283- = 471 , die lex Valeria Horatia 
305 = 449, die lex Publilia 415 = 339, die lex 
Hortensia 467 — 287, welche von den Centurien 



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angenommen waren. Unermiidlicli hatten die Tri- 
bunen agitiert und unter geschickter Ausniitzung 
der politischen Verhaltnisse Schritt far Schritt 
die Anerkennung der in Versammlungen der Plebs 
gefassten Beschliisse als fur den Staat verbind- 
lich erkampft. Da die Tribus Patricier wie Plebeier, 
seit den Decemvim etwa aueh die nichtgrundbe- 
sitzenden, umfassten, lag es nahe, diesen Versamm- 
lungen eine Keihe von Befugnissen zuzuweisen. 

Eechte und Formen der patriciscb-plebeischen 
C. tributa. a) Wahlen. Gewahlt werden hier — 
und das wurde wichtig fur die weitere Entwick- 
lung dieser Versammlungen — 1. Quaestoren. Taci- 
tus Notiz (ann. XI 22, vgl. Cic. ad fam. VII 30, 1. 
Liv. IV 44, 2), dass seit 307 = 447 dieselben nicht 
mebr von den Consuln ernannt, sondern vora Volke 
gewahlt wurden, ist viel erOrtert, da die compe- 
tente Versammlung nicht genannt ist. Spiiter 
fand die Wahl unter Vorsitz eines patricischen 
Magistrats in Tributcomitien statt, em Riick- 
schluss scheint erlaubt; s. den Art. Quaestor. 
Mommsen B. F. I 159. Marquardt Handb. II 

3, 116 meint, dass in dem genannten Jahre die 
plebeischen C. tributa den Patriciern zuganglich 
wurden, also nunmehr von patricischen wie plebei- 
schen Magistraten berufen werden konnten. Her- 
zog I 198 bestreitet das mit dem Hinweis auf 
den durchaus plebeischen Charakter der C. tributa. 
2. Curulische Aedilen seit Errichtung des Amtes 
387 = 367 (Liv. IX 46, 11. XXV 2, 7. Gell. VII 9, 
2, Zedicke De Rom. com, aediliciis, Neustrelitz 
1832), meist unter Vorsitz eines Consuls, Cic. pro 
Plane. 49 ; ad Att. IV 3. Varro de r. r. Ill 2, 17. 
L a n g e 1 862, genauer im Art. A e d i 1 i s. 3. Andere 
ordentliche magistratus minores, z. B. viginti- 
sexviri (Cic. ad fam. VII 30, 1. Gell. XIII 15. 
Lange I 896. 900. Karlowa I 264), sowie ausser- 
ordentliche, Liv. IX 46, lOff.; ep. XL Sallust 
lug. 63, 4. Cic. de leg. HI 4; de leg. agr. II 17. 

4, Tribuni militum, deren es seit 392 = 362 sechs, 
seit 443 = 311 sechzehn gewahlte gab, Liv. VII 

5, 9. IX 30, 3 , seit dem 3. Jhdt. v. Chr. vier- 
undzwanzig, vgl. Liv. XXVII 36, 14. Solche 
vom Volke gewahlten Tribuuen sind als tribuni 
comitiati von den dureh die Consuln ernannten 
Militartribunen (tribuni Rufuli) unterschieden, 
Ascon. p. 142. Fest. p. 261. Da es sich also 
hier nicht um hohere Stelluugen handelte, neniit 
Cicero pro Plane. 7 diese C. leviora c, vgl. Mes- 
sala bei Gell. XIII 15, 4: minoribus creatis -ma- 
gistratibus tributis comitiis magistratus . . datur 
. . maiores centuriatis comitiis fiunt, iiberhaupt 
gegenuber der Competenz der C. centuriata mit 
Recht, Mommsen R. F. I 162; St.-R. Ill 324. 
Karlowa I 408. 

Endlich sind hier die C. tributa fur Priester- 
wahl zu erwiihnen, Mommsen St.-R. II 27. 644 
u.o. KarlowaI413. HerzogI 1134. In einem 
unbekannten Jahre (Langes Annahme II 536 des 
J. 5ul = 263, well damais zuerst ein pie'ueisciier 
Pontifex maximus erscheint , 1st nicht dureh- 
schlagend), etwa seit Mitte der republicanischen 
Zeit kommt eine Versammlung von 17 erlosten 
Tribus vor behufs Wahl des Oberpriesters (fiber 
dessen Qualification s. den Art. Pontifex ma- 
ximus); die erste Erwahnung im J. 542 = 212, 
Liv. XXV 5, 1. XXXIX 46, 1. XL 42, 1. Cic. de 
leg. agr. II 18. Suet. Caes. 13. Vorsitzender 



bei der Wahl war ein Pontifex, spater nacb Cic. 
Brut. 5 der Consul, Mommsen St,-R. I 582. 
II 32. Bei dieser Ernennung war ja Volkswahl 
untersagt; ,man wollte,' bemerkt Schiller, ,da- 
mit den Charakter der Volkswahl ausschliessen, 
den die Beamtenwahlen hatten, da diese mit dem 
religiOsen Brauche sicb nicht vertrug, ohne doch 
auf die Mitwirkung des Volkes zu verzichten.' 
Vielleicht wurde hier aueh der Curio maximus ge- 

lOwahlt (Liv. XXVII 8, 1), wenigstens seit 545 
= 209, doch ist die Frage nicht geklart. Vergeb- 
lich hat im J. 609 = 145 der Volkstribun L. Li- 
cinius Crassus die Priesterwahlen dem Volke uber- 
geben wollen (Cic. Lael. 96); dann hat Cn. Do- 
mitius im J. 650 = 104 durchgesetzt, dass in den 
genannten 17 Tribus die Mitglieder der 4 grossen 
Collegien (Pontifices, Auguren, Epulonen, Xviri als 
Bewahrer der sibyllinischen Bucher) gewahlt wur- 
den (lex Domitia de sacerdotibus , Cic. de leg. 

20 agr. II 18 : quod populus per religionem saeer- 
dotia, mandare non poterat, ut minor pars po- 
pidi vocaretur. Ascon. p. 81. Veil. II 12. Suet. 
Nero 2). Das Gesetz ist von Sulla aufgehoben 
worden (Dio XXXVII 37), Labienus fiihrte es 
wieder ein, Ps.-Ascon. p. 102. Im J. 40 n. Chr. 
waren die Priesterwahlen zu Ende, nur die re- 
nuntiatio erfolgte noch, Tac. ann. LTI 19. Naheres 
im Art. Pontifices. 

b) Legislative bekamen die patricisch-plebei- 

30 schen C. tributa wohl erst spat , vielleicht um 
397 = 357 ; es giebt iiberhaupt wenig Falle von Tri- 
busgesetzen, welche von patricischen Magistraten 
rogiert sind, in den bekannten Fallen stets von 
Consuln, so Liv. VII 16, 7 die im Lager von 
Sutrium beschlossene lex Manlia de vieesima 
manumissionum, welche der Senat bestatigte, wah- 
rend sich die Tribunen wegen dieses novum exem- 
plum zu dem Plebiscit veranlasst sahen, ne quis 
postea populum sevoearet. Appian. b. c. LTI 7 (Do- 

40 labella bekommt Syrien). Lex Quinctia bei Fron- 
tin. de aq. 129. Lex de XX quaestor., CIL I 202. 
Tac. ann. Ill 22. Herzog I 1131 A. 1. tiber die 
Arten der hier vorgelegten Gesetze lasst sich ein 
Urteil nicht fallen, worin der Unterschied der an 
die Tribus von den an die Centurien gelangenden 
Antrage bestand, ist genau nicht zu sagen. Ein- 
mal hat ein Praetor versucht, den Tribus sogar 
die Entscheidung fiber Krieg und Frieden zu unter- 
breiten, Liv. XLV 21. Mommsen R. F. 1 163 ; seit 

50 es solche Beamte gab (388 = 366), wurden vielleicht 
leges praetoriae hier vorgebracht. Uber das Bur- 
gerrecht der Acerraner entschieden die Tribus, Liv. 
VIII 17, 12 is. o.). Jedenfalls hatte der berufende 
Magistrat es in der Hand, wohin er sich wenden 
wollte. Nach Herzog I 132 nahm man bei in- 
differenten Gesetzen lieber die leichter einzube- 
rufenden C. tributa. 

c)Ganzunklar ist die iurisdictionelle Com- 
petenz. Da den C. centuriata sicher die Capital- 

t)U processe iiliebeu, waren hier Jiiuitprocesse zu ent- 
scheiden, s. den Art. Mn It a. Solche warden von 
den curulischen Aedilen und unter deren Vorsitz 
(vgl. die Nachweise oben) anhangig gemacht, 
wie die Provocation von den durch plebeische 
Magistrate angeordneten mzdtae an die concilia 
plebis tributa ging, Karlowa I 409; vgl. den 
Art. Aedilis. Herzog I 812. Lange I 863. 
Ferner entschieden sie in Berufungen gegen die 






vom Oberpontifex den Priestern auferlegten Mul- 
ten, Liv. XXXVII 51, 4. XL 42, 9. Cic. Phil. XI 
18. Herzog I 1132. Mommsen St.-R. II 9,4 
bestreitet, dass dann statt des Pontifex maximus 
ein Beanrter die Tribus berief. 

Formen dieser Versammlungen. Sehr friih 
schon miissen aueh hier bestimmte Anordnungen 
betreffs der Leitung und des Verlaufs in Kraft 
getreten sein, wenn anders das Ergebnis fur die 



Berufung. Die Tribunen stellten Auspicien an; 
solche wurden schon im J. 415 = 339 durch die lex 
Pttblilia fur die plebeischen Tribusversammlungen 
verlangt (Lange II 474. Cic. ad fam. VII 30, 1, 
anders Dionys. X 49. Liv. VI 41, 5. VII 6, 11). 
Die Obnuntiation patricischer Magistrate war erst 
wirkungslos, spater wurden aueh die leges Aeliae 
et Fuftae- verbindlich, Cic. in Vat. 18; pro Sest. 
56. Die lex Glodia (s. d.) untersagte das ser- 



Plebs unangefochtene Geltung haben sollte; die- 10 vare de caelo an alien dies fasti, comitiales 
selben mCgen allerdings nicht so festgelegt ge- ~~ " : " u+ -~~.:*:~i«- tw tvjk™ w„r* ^ ao 
wesen sein, wie bei den C. centuriata, sind den 
dort giiltigen aber vielfach nachgebildet, Momm- 
sen St!-R. Ill 369. Die Berufungsfrist war zu- 
nachst nicht auf gewisse Termine beschrankt, 
man konnte schon am nachsten Tag die Standes- 
genossen zusammentreten lassen (Liv. II 56, 9. 
Appian. b. c. I 12), doch wartete man gewohn- 
lich eine lan'gere Zeit, und es ward ublich, um 



wie nicht comitiales. Der Tribun beruft das 
Volk durch einen praeco und geht fruh mit 
den Amtsdienern (Liv. XXXVIH 51, 12) zum 
Versammlungsort; er redct zum Volke anfangs 
vom Altar des Vulcan (Dionys. LT 50. VI 67), in 
spaterer Zeit von den Rostra, Liv. VIII 14, 12, 
s. den Art. Rostra. Zunachst stand dabei das Volk 
auf dem Comitium, bis im J. 609 = 145 der Tribun 
C. Licinius Crassus die Versammlung auf dem 



dem Landvolk die Anwesenheit dabei zu ermbg- 20 Forum anordnete, Varro r. r. I 2, 9 (zur Erklarung 



lichen , die Versammlungen an den mtndinae (s. 
d.) anzuberaumen, Dionys. VII 58. 59. Varro r. r. II 
praef. 1. Die Markttage dazwischen wurden zu 
Contionen benutzt, da dieselben als dies nefasti 
fur die C. unbrauchbar waren ; jedoch sind aueh 
andere Tage iiblich geworden. Die Lex Hortensia 
467 = 287 verlegte sie auf einen dies comitialis 
nach dem dritten Markttage (tertiis nundinis) 
und scharfte Beobachtung des pontificalen Kalen- 



der septem iugera forensia Mommsen Chron. 545. 
Jordan Topogr. I 2 S. 321, 8). Der Abstim- 
mung ging eine emtio voran, mit Gebet eingeleitet, 
Auctor ad Herenn. II 68. Der Platz war in so 
viele Teile geteilt, als Tribus da waren (Dionys. 
VII 59), das Volk begab sich hinein zur Abstim- 
mung (Liv. II 56, 12) , die nicht vor der ersten 
Tagesstunde begonnen werden durfte (s. o.), Dio 
XXXIX 65, 2. Spater benutzte man die auf dem 



ders ein; Macrob. sat, I 16,30. Cic. ad Att. I 30 Marsfelde standig eingerichteten saepta, welche 



Caesar in Marmor ausfiihren liess, Cic. ad Att. 
IV 16, 4. Dio LIII 23 (s. den Art. Saepta). Zuerst 
ward die Tribus fur die Latiner ausgelost, dann die 
vorstimmende, prinoipium, CIL I 200 Z. 1. Lange 
II 483; de mag. Rom. renuntiatione 16. Pint. 
Aem. 31. Appian. I 12. Durch den Vorsitzenden 
ward der zuerst stimmende Burger im voraus ge- 
nannt, der diese Ehre manchmal nur seinem 
gliickverheissenden Namen verdankte, Cic. pro 
pro' Plane. 16; ad Att. IV 3, 4; ad fam. VII 30, 1),40 Plane. 35. Durch Los wurde die Reihenfolge 
auf den flaminischen Wicsen (Liv. Ill 54, 15. der Tribus ermittelt; spater allerdings kamen die 

vier stadtischen Tribus zuletzt, Herzogll 170ff. 
bemerkt, dass es kcine rechtlichen Abstufungen 
unter den Tribus gegeben habe, da aber dieselben 
sich im Laufe di-r Zeit naturgemass vergrSsserten, 
kam eieentlich dem einzelnen Stimmrecht spater 



14, 2. IV 3, 4. 

Selbstredend fanden die concilia plebis inner- 
halb der Bannmeile statt, im Bereiche der Amts- 
gewalt der Tribunen, die C. tributa sowohl inner- 
halb wie ausserhalb des Pomerium, haufig auf 
dem Comitium (s. d.), dem Capitol, der area Gapi- 
tolina (Liv. XXV 3, 14, XXXI II 25, 7. XXXIV 
53, 2. XLIII 16, 9. Ascon. p. 77. Plut. Ti. Gr. 
17), auf dem Marsfeld (Varro r. r. HI 2, 5. Cic. 



XXVII 21, 1), meist auf dem Forum, Karlowa 
I 396. Mommsen St.-R, III 381. Lange II 
473. Becker-Marquardt II 3, 122. 

Die Leitung der concilia plebis lag durchweg 
in den Handen d?r Tribunen , nur bpim Mult- 
process fungierten plebeische Aedilen. Die erstern 
batten das so wichtige iu,s agendi cum plcbe 
(Lange I 696. 833ff. II 460), bcriefen die Ver- 



weniger Bedeutung zu. und vor alleni konnten 
ferner wohnende Mitglieder dies kaum haufig aus- 
uben, Cic. pro Sest. 109. Die Abstimmung selbst 



sammlungen. welche zunachst wohl in einer Contio 50 fand zwar auf einmal statt (Dionys. VII 59 
" " tun yj.i'/oec, vgl. Lex Mai. c. 55 uno vocatu), aber 

die renuntiatio erfolgte in der durch das Los 
festgestellten Reihe. Es waren obmmliatio und 
intercessio noch moglich, wenn das principium 
schon zur Stimmaberabc aufgefordert war, Ascon. 
p. 71. Cic. Phil. II 83. Vielleicht konnte der 
Vorsitzende aber aueh die Abstimmung nach 
einander vornehmen und unterbrechen , Plut. Ti. 
Gr. 12. Appian. bell. civ. 1 12 (bei der Absetzung 
i- n-i..J...\ y ; r XTV S«. 1 n W'V b»i -i^rt 
C. centuriata ermittelten rogatores das Ergebnis, 
als solche fungierten zumeist die Tribusvorsteber. 
Sie haben ihren Verroerk fiber die Abstimnrangen 
wohl so eingerichtet (s. o.), dass sie auf einer Tafel 
jedes Votum mit Ja oder Nein, und bei Wahlen 
jede auf einen- der Candidaten gefallene Stimme 
mit eineni Punkte neben dem Namen bezeichneten. 
Ergaben Wahlversammlungen keine vollzahligen 

23 



angeklindigt wurden (Tag, Ort, Beratungsgegen 
stand), Liv. II 56, 13. Dionys. VII 38, spater 
aueh durch Edictegeboten sind, Liv. XXXIX 15,11. 
Den Vorsitz in den patriciscb-plebeischen C. 
tributa hatten patricische Magistrate, die Consuln 
(Liv. Ill 71. 72. VI 42. 13. Cic. in Vatin. 11. 
Frontin. de aq. 129. Cic. Phil. I 261, unter 
Umstanden aueh die Praetoren, Liv. VIII 17. 11. 
XXXIV 35. Lange II 461. 645. Karlowa 389 

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zu, solche C. zu leiten, Mommsen 1 194. Mad- 
vigl 239. Lange II 461). Mommsen St.-R. Ill 
322; R. F. I 158ff. Die Versammelten werden 
daher aueh populus genannt (Liv. VI 42, 14. Fron- 
tin. de aq. 129. Prob. de not. ant. 3, Gr. lat. ed. 
Keil IV 272), die Beschliisse waren der patrum 
auctoritas unterworfen, die Formen im ubrigen 
den bei den C. centuriata iiblichen ahnlich. 

Pauly-Wiasowa IV 



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Comitia 



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708 






neuen Collegien, so durften die Wahler frfiher 
cooptieren (Liv. Ill 65, 1), seit 306 = 448 erfolgte 
Vertagung (differre) auf einen andern Termin, 
Liv. IX 34, 25. Herzog I 1182ff. 

Seit Einfiihrung der sohriftlichen Abstimmung 
(s. o.) erhielten auch die einzelnen Tribusgenossen 
Stimmtafelchen (tabulae, tesserae Cic. Phil. XI 19), 
am sie beim Uberschreiten der Stege (pontes Cic. 
de leg. Ill 38; s. oben) in den Kasten (eista 



z. B. Frontin. de aq. 129: T. Quinetiws Crispi- 
nus consul populum iure rogavit populusque 
iure scivit, in foro pro rostris . . . tribus Sergio 
principium fuit; pro tribu Sex. ... L. f. Virro 
[primus solvit] , ferner war, solange das vorge- 
schrieben , die Zustimmung des Senates zu er- 
wahnen (plebiscit. de Termessibus, CIL I 204), 
ausserdem, wie das genannte Beispiel eines Volks- 
beschlusses vom J. 745 = 9 zeigt, der Ort der Ver- 



Auctor ad Herenn. I 21. Plin. n. h. XXXIII 31) lOsammlung, die zuerst stimmende Tribus, der Name 



zu werfen (suffragium ferre). Bei Abstimmungen 
fiber Gesetzentwfirfe und in richtenden Versamm- 
lungen bekam jeder zwei solcher Tafelchen, eines 
mit dem Vermerk TJ-R (uti rogas), eines mit A 
(antiquo), Cie. de leg. II 24. Ill 38. Mommsen 
Rom. Miinzwesen 635 nr. 278f. Auch Controlleure 
werden genannt, Varro r. r. Ill 5, 18, die Er- 
mittlung der Stimraen erfolgte durch Zahler, diri- 
bitores (Cic. in Pis. 36), spater seit 746 = 8 in 



dessen, der znerst votierte (vgl. noch Lex Corne- 
lia, CIL I 202. Lex agr. des J. 643 = 111 
ebd. I 200. Cie. Phil. I 26: in aes incidi iubebiHs 
ilia legitima: eonsules populum iure r ogam- 
runt . . populusque iure scivit); sodann folgte 
der Wortlaut der Gesetze und nauflg noch die 
Androhung von Strafen fur (Tbertretung (sanetio, 
s. o.). Die Originalurkunden wurden friiher von 
den Magistraten aufgehoben, die das Gesetz durch - 



einem besondern Gebiiude (Dio LV 8, 3), s. den 20 gebraeht hatten, dann den Quaestoren fiir das 



Art. Diribitorium. Die Formalitaten genau 
bei Lange II 487ff. 

Bei Wahlen musste jedenfalls eine offentliche 
Untersuchung fiber die perstfnlichen Qualitiiten der 
Candidaten erfolgen, die Meldungen liefen mcht 
immer zahlreich genug ein, Appian. b. c. I 21, der 
Wahlact war beendet mit der Renuntiation derer, 
auf welche die meisten Stimmen gefallen waren, 
tribus explere, Liv. Ill 64, 8. Lex Mai. 56. Auch 



Aerarium und den Aedilen fiir den Cerestempel 
zur Verwahrung (ibergeben, Serv. Aen, VIII 322 
vgl. VI 622. Dabei scheint manchmal die nofige 
Sorgfalt (Cic. de leg. Ill 11) ausser acht gelassen 
zu sein, selbst Falschungen sind vorgekommen (Plut. 
Cat. min. 17. Suet. Caes. 28 ; Aug. 94), die lex lunia 
Licinia verbot im J. 692 = 62 : ne clam aerario 
legem inferri lioeret, Schol. Bob. p. 310. Lange 
II 653. Ill 266 und Eitschl Opusc. phil. IV 



betreffs der Formen der richtenden C. tributa ist 30 427ff. Der Test wurde Offentlich bekannt ge- 



wenig bekannt, jedenfalls erfolgte die Ladung des 
Angeklagten, wie bei den C. centuriata (Liv. 
XXXVIII 51, 16), ebenso scheint es mit den Ter- 
minen gehalten zu sein. 

Bei Gesetzrogationen waren die Formen wie 
bei den Centurien. Der Antragsteller (lator. ro- 
gator, auctor legis, Liv. II 56, 6. IV 48, 16. VI 
36, 7) hatte den Wortlaut genau zu formulieren, 
nStigenfalls nach Rucksprache mit Eechtskundigen, 



geben auf Holz- oder Bronzetafeln (legem, tabu- 
lam figere, Dionys. Ill 36. X 32. Cic. Phil. I 23. 
Ill 30. V 12; ad Att. XIV 12. 1. Liv. Ill 57, 10), 
besonders an Gebauden am Forum, dem Atrium 
Libertatis, an den Tempeln des Iuppiter Capito- 
linus und der Fides auf dem Capitol, Liv. VII 3. 
Dionys. II 98. X 57. Fest. p. 241. Suet. Vesp. 8. 
Bei Stimmengleichheit entschied nur in den 
C. aedilicia das Los, Cic. pro Plane. 53. Schol. 



Plut. Ti. Gr. 9. Cic. ad Att. Ill 23, 4. Der An- 40 Bob. p. 264 Lange I 862. 



trag ward, auf holzernen Tafeln verzeichnet, wali- 
rend des trinundinum offentlich bekannt gemacht 
(prornulgare legem, Cic. de leg. agr. II 13. Liv. 
Ill 9, 5. Cic. de domo 41), konnte nach den in 
contiones vielleicht geausserten Wunschen abge- 
andert und auch ganz zuruckgezogen werden. Cic, 
pro Sull. 62f.; ad. Att. I 19, 4. Auch Beainte, 
die sich anschliessen (adscriptores , Cic. de leg. 
agr. II 22; in Pis. 35), durften promulgieren. 



Litteratur fiber patricisch-plebeischen C. tri- 
buta: Kubino 309. Clason Krit. Erort. 71. 
Lange II 459. 533. 565. 613. Madvig I 234. 
Mommsen R. F. I 151. 177; St.-E. Ill 143. 321. 
Soltau 473. Herzog I 1128. 1169. Karlowa 
I 388. Schiller in Iw. Mttller Handb. IV2 
2, 161. Mispoulet 1207. Willems 159. 171. 
Humbert in Daremberg-Saglio I 1380 — 1387 
(ebd. Litt). Ptaschnik Ztschr. f. est. Gymn. 



Dann ward der Gesetzentwurf der Versammlung 50 XXXII 81, dariiber auch K. W. Euppel Die 



zur Abstimmung unterbreitet t ferre legem ad po- 
pulum Cic. Phil. I 21. II 110; legem rogare II 
72); noch immer konnte der Antragsteller seine 
rogatio andern (Cic. ad Att. I 19, 4), erst nach 
Beginn der Abstimmung war das unmoglich. Auch 
hier hatte das Volk lediglich fiber Annahme (in- 
here) oder Verwerfung (antiquare) des Antrags zu 
befinden. Erst mit der o'ffentlichen Verkilndigung 
durch Beamte wird der Beschluss zuin Gesetz 
yt&j> pviintu l tvyaiu, pel jwia o. u.; uUu imL utm \j\j 
Namen des < der) Antragstellers bezeichnet z. B. lex 
Valeria Horatia, Mommsen St.-E. Ill 315. Seit- 
dem zufolge des valerischen Gesetzes die Plebiscite 
fur alle Burger Geltung hatten, waren auch hier die 
bei Staatsgesetzen iiblichen Formen zu beobachten. 
Zuniichst mussten die Namen der Beantragenden 
genannt und die in rechtsverbindlicher Weise er- 
folgte Annahme des Antrags vermerkt werden, 



Teilnahme der Patricier an den Trib. Com., Diss. 
Heidelberg 1887. Fr. Henschel De iure e. trib. 
in legibus fer.. Hildesheim 1871. I hue Entw. der 
C. trib, Eh. Mus. XXVIII 353. C. Berns De 
c. trib. et conciliorum plebis discrim. , Wetzlar 
1875. Genz im Philol. XXXVI 83. Blasel Die 
allmahl. staatsrechtl. Competenzenveiterung der 
C. trib., Bonn 1879. Fr. Ruppel De c. trib. et 
cone. pi. discr., Wiesbaden Progr. 1884. 
Au " -- - - ■ 



uit uvitL 



willige Storung, Vertaguiig der iusta c. (Cic. post 
red. in sen. 27), sowie die Ungiiltigkeitserklarung 
der Volksschlusse aus profanen oder sacralen Grfin- 
den ist nur mit wenigen Worten einzugehen, da 
die Einzelheiten passender an andern Stellen be- 
handelt werden. So konnte das Volk gehindert 
werden iure rogare, iure sciscere, und ein comi- 
tialer Beschluss, gleichviel ob auf Wahlen, Gesetze 



709 



Comitia 



Comitia 



710 



oder Bechtsurteile bezuglich, ungiiltig sein aus 
allgemeinen Griinden des Staatsrechts oder weil 
derselbe eine Competenzilberschreitung enthielt, 
Intercession, Promulgationstermin nicht beachtete, 
das Verbot des per saturam ferre ausser acht 
gelassen war u. a. m. Namentlich ist hier auf 
den Art. Intercessio zu verweisen, wo der Ein- 
spruch von par maiorve potestas (bifariam cum 
populo agi non potest, Gell. XIII 16, 1) und der 
von Tribunen so oft geiibte erflrtert wird. Momm- 10 
sen St.-R. 1283. H 290. Von der Collision der 
Tolksschlusse, inwieweit auch solche ausdrucklich 
als unwiderruflich bezeichnete durch spatere auf- 
gehoben werden kOnnen (Mommsen Abriss 322) 
s. im Art. Lex. tiber die Wahrung aller dieser 
Normen wachte zunachst der Senat ; spater fehlt 
eine Instanz, die die BeTechtigung eines ange- 
fochtenen Beschlusses zu beurteilen gehabt hatte; 
nur wieder in der Revolutionszeit hat der Senat 
Volksschlusse wegen solcher Mangel aufgehoben, 20 
so im J. 654 = 100 die leges Appuhiae, 655 — 
99 leges Titiae, 663 = 91 leges Liriae, 688 = 
€8 tex Manilla u. a. m. Belege bei Momm- 
sen St.-R. Ill 367. Da vor den C. Erforschung 
des Go'tterwillens und auch wahrend derselben 
Riicksicht auf die Auspicien Bedingung eines gfll- 
tigen Verlaufes war (Cic. de div. II 42; Phil. II 81. 
V 7; in Vatin. 20. Mommsen St.-E. I 98), so 
konnten leicht Hemmnisse der C. aus religrosen 
Grunden stattfinden; solche auspieia- e dirisSQ 
— triste omen diem diffidit, Liv. IX 38, 15. 
<irell. XIV 2" — ferner auspieia e caelo und die 
Folgerungen des Auguralrechtes hat Wissowa 
in den Art. Augures oben Bd. II S. 2335 und 
Auspieia ebd. S. 2587 besprochen, vgl. Lange 
II 475f. Dazu die Aufhebung der C. wegen mor- 
bus comitialis (Epilepsie) eines Teilnehmers, Fest. 
p. 234 s. prohibere. Seren. Sammon. de med. 

1015. Dio XLVI 33 ?/ vonos tj fcfxj xa).ov^ikvr]. 

Die vor der Abstimmung erfolgte nuntiatio (ser- 40 
vasse se oder servaturum se de caelo esse, Cic. 
pro Sest. 78, vgl. 79. 83; in Vatin. 16—18; Phil. 
II 81. Dio XXXVIII 13. Non. p. 92 s. cis) eines 
Augur hatte Verschiebung der C. alio die zur 
Folge, Cic. de leg. II 31. Naheres im Art. Nun- 
tiatio, in den bei Wissowa a. a. O. genannten 
Arbeiten von Valeton Mnemosyne XVII 275. 418. 
XVIII 208. 405. XIX 75. 229 und bei Bouche- 
Leclerq in Daremberg-Saglio Diet. I 550. 
580. Selbstredend mussten Vorkehrungen ge- 50 
schaffen werden, damit diese discrctionare Voll- 
macht nicht in Willkur ausartetc. Der die Versamm- 
lung berufende Magistrat untersagte dann solchen 
mit geringerer Amtsgewalt, den Himmel wahrend 
der Zeit zu beobachten. Gell. XIII 15, 1 : ne quis 
?nagistratus minor de caelo servasse vellet. Die 
leges Aeliae et Fuftae (s. den Art.) haben vollends 
die Obnuntiatio patricischcr Magistrate auch auf 
s^setzareberische Actionen der Tribunen ausare- 
dehnt und werden von Cicero deshalb (de har. 60 
resp. 58 ; in Vat. 18. 23 ; pro Sest. 33. 56 ; p. red. 
in sen. 11 ; ad Att. II 9, 1 ; in Pis. 9. Ascon. p. 9. 
Schol. Bob. p. 319) als echte Garantien gegen 
demagogischen Unfug und als Hort der staatlichen 
Freiheit gepriesen ; sie sind dann missachtet — 
was moglieh war, zeigt die fast sechs Monate 
wahrende Verschleppung der Consulwahl, von der 
Ascon. arg. Cic. pro Mil. p. 29 redet — und 



durch die Lex des P. Clodius Pulclier im J. 696 
= 58 unwirksam gemacht. Lange II 478. 

Ferner konnten C. verhindert werden, wenn 
von Seiten des Senats oder der Consuln dies co- 
mitiales als Festtage erklart oder zu supplica- 
tiones bestimmt wurden, Cic. ad Q. fr. II 4, 4. 
Dass der augurale laut Senatsbeschluss auf ein 
vitium hinweisende Einspruch nicht unbedingt 
die Aufhebung des trotzdem vollzogenen Volks- 
beschlusses zur Folge haben musste, hat Wissow a 
oben Bd. II S. 2334 ausgefiihrt, doch haben Ma- 
gistrate ritio creati abgedankt, Varro de 1. 1. VI 
30. Fasti Cap. a. 523. 592 vitio faeti abdicarunt, 
vgl. die Beispiele bei Mommsen St.-R. Ill 364 ; 
ihre bisher getroffenen Anordnungen waren un- 
gfiltig, sie durften den Ergiinzungswalilen nicht 
vorsitzen und waren nicht wahlbar. Wer nicht 
dem Geheisse sich geffigt, konnte verklagt werden, 
Cic. de nat. deor. II 7 ; de div. II 71. Willems 
Le senat II 107. 

Litteratur: Madvig I 265. Herzog I 1117. 
1187. Mommsen St.-R. Ill 363. Willems 
Droit publics 170. 

Verfall der C. in der letzten Zeit der 
Eepublik und Untergang der Volksver- 
sammlungen in der Kaiserzeit. Bedeutung 
und Einfiuss der C. waren mit dem sinkenden 
Glanze des romischen Freistaates aus verschie- 
denen Grunden erheblich zurtickgegangen. Die 
Teilnehmer an den C. galten zwar als Represen- 
tation des romischen Volkes, thatsachlich aber 
war die Entscheidung dieses verschwindenden . 
Brucbteils nur ein zweifelhafter Ausdruck der Stim- 
mung der gesamten Bfirgerschaft. Wenn auch 
das Burgerreeht alien Italikern verliehen war, 
so war eine regelmassige Beteiligung an den Ab- 
stimmungen doch unmoglich, und je weiter sich 
der Machtbereich der Eepublik dehnte, um so 
deutlicher offenbarte sich die Unzulanglichkeit der 
cinem Stadtstaat angepassten Verfassung fiir ein 
Weltreich. In den C. machte sich die Hefe des 
Volkes breit (Sallust. Cat. 37), eine trotz der leges 
de ambitu und de sodaliciis (s. die Art.) feile 
Menge, der Pobel Eoms, sprach das entscheidende 
Wort : wie sollte dieser zusammengewurfelteHaufen 
ein besonnenes Urteil fiber Angelegenheiten von 
der grOssten Tragweite haben? Die Geschichte 
der Parteikampfe seit den Gracchen bezeugt nur 
zu oft, wie die C. der Tummelplatz der Volks- 
leidenschaften wurden, wie Gewalt- und Greuel- 
thaten der Parteien eine ordnungsgemasse Er- 
ledigung der Geschafte vereitelten. Volksver- 
sammlungen, die von den Schergen eines Cati- 
lina. P. Clodius Palcher, T. Anivius Milo und 
Mannern ahnlichen Schlages beherrscht wurden, 
waren zum Untergang reif; Cic. p. red. in sen. 18; 
Sest. 37 ; Phil. I 25. V 9. Ascon. p. 29. 32. 35. Veil. 
II 47. Appian. bell. civ. II 19. Ill 30 u. C. H e r z o g 
I 555. Ferner kla?te man fiber eerineen Besuch 
der C. (Cic. pro Sest. 109. 125), wobei aber zu 
beriicksichtigen ist, dass schon in fruherer Zeit 
die dies comitiales aus politischen Grunden vennin- 
dert waren, Lange II 519; unter besondern Ver- 
haltnissen ergingen durch ganz Italien dringende 
Einladungensich in Eom zur Abstimmung ein- 
zufinden. Cic. in Pis. 34; p. red. in sen. 10. An- 
dererseits war bei zahlreich besuchten C. die Con- 
trolle der zur Teilnahme Berechtigten schwierig ; 



711 



Comitia 



Comitia 



712 



1 



713 



Comitia 



Comitia 



714 



vielfach hatten sich Nichtbiirger cingeschlichen, 
Sallust. lug. 40. Schol. Bob. p. 296. Liv. XXXIX 
3. XLI 8, 7ff. Dion. Hal. VIII 72. Plut. C. 
Gr. 12. 

Seit Bom wieder einen Herrn batte, musste 
Entscheidung getroffen werden, ob angesichts der 
vorgekommenen bedenklichen Ausschreitungen und 
offenkundigen Missstande die C. abzuschaffen seien, 
oder ob sie dem ursprtinglichen Zwecke gemass 
umgestaltet zu verfassungsmassiger Mitwirkung 
an den Staatsgeschaften berufen sein sollten,'um 
daim als Ausdruck des Volkswillens unter Um- 
standen eine gewichtige Stiitze des Prineipats zu 
werden. So besonnene Politiker, wie es Caesar 
und Augustus waren, haben sich nicht dazu ver- 
standen, die C. mit einem Schlage aufzuheben, 
aber doch mit vorsichtiger Hand deren Untergaiig 
in die Wege geleitet. Caesars Kalenderreform 
liess die alte Zahl von dies comitiales bestehen, 
ohne sie zu vermehren ; Augustus vollendete die 
von Caesar im J. 700 = 54 begonnenen mar- 
mornen Saepta auf dem Campus Martins und 
baute ein Diribitorium behufs bequemerer Stimm- 
zahlung; beide Einrichtungen sind bald auch zu 
Spielen verwandt (Dio LV 8. LIX 7. 10) und nur 
zu diesem Zwecke, da sie unter Titus abbrannten, 
von Hadrian wiederhergestellt, Dio LXVI 24. Hist. 
Aug. Hadr. 19. Von Augustus heisst es ferner 
bei Suet. Aug. 40: comitiorum, pristinum, ius 
reduxit (s. u.) und weiterhin, dass er eine Betei- 
ligung der italischen Gemeinden an den Wahlen 
der romischen Beamten auf die Weise habe er- 
moglichen wollen, dass die in den Btirgercolonien ab- 
gegebenen Stimmen von den Decurionen versiegelt 
zum Comitialtagenach Eom gesandt werden sollten, 
ebd. 46 : Italiam . . . eliam iure ac dignationc 
■urbi quodant modo pro parte a/iqua adaequavit, 
exeogitato genere suffragiorum, quae dc tnagi- 
stratibus urbicis decuriones colonici in sua quis- 
que eolonia ferrent et sub die comitiorum obsig- 
nata Bomam mitterent. Ob uberhaupt und in wel- 
chem Umfange die Colonien dies Verfahren ge- 
iibt, ist nicht iiberliefert ; mit dem Ubergang der 
Wahlen auf den Senat (s. u.) hatte es ohnehin 
ein Ende. 

Erwahnungen von C. flnden sich noch bis ins 
3. Jhdt, (Suet. Vitell. 11; Vesp. 5; Domit. 10. 
Appian. bell. civ. I 103. Hist. Aug. Sever. 3. 
Dio LVIII 20), da die Renuntiation tier Gewiihlten 
bestehen blieb ; auch die althergebraehten ausseren 
Formen, wie die Hissung des rexillum russeunt, 
werden noch erwahnt, Dio XXXVII 28 ; die Classen- 
teilung wurde hinfallig. seit der Census nicht 
mehr stattfand, Arnob. adv. nat. II 67. Im 4. Jhdt. 
ist eine genauere Kenntnis der Arten und Formen 
der C. verloren. vgl. Ammian. XIV 6. 6. Mamertin. 
gr. act. Panegyr. X 19. Auson. grat. act. Ill 13. 
XI 44, Symm. or. pro p. 7. Sidon. carm. II If*. 
Im einzelnen sei folsrendes bemerkt. 

Die c. curiata waren in der Kaiserzeit noch 
iiblich fiir die adrogatio (s. d.), Gell. V 19. Ru- 
bino 389. Durch eine lex curiata wurde Ti- 
berius von Augustus in foro adoptiert (s. o.), Nero 
von Claudius , Tac. aim. XII 26. 41. Darauf 
beziiglich war ein SC. aus der Zeit der An- 
tonine, Dio LX1X 20. LXXIX 17. Noch Gaius 
1 98. 102 u. d. und Ulpianus frg. 8, 2. 3 reden 
von der adoptio per populuni, adoptio per populi 



rogationem. Indes ward sie nicht durchweg geiibt, 
denn Galba nahm den Piso in einer contio der 
Soldaten als Sohn an, Nerva adoptierte Traian 
auf dem Capitol, Tac. hist. 1 14. 15. Dio LXVIII 3. 
Diese spater allgemein ubliche adrogatio ex prin- 
eipali indulgentia wird noch unter Diocletian 
Cod. lust. VIII 47, 2, 1 erwahnt. Die Aufnahme 
eines Plebeiers unter die Patricier vollzogen die 
Curien nicht mehr, vgl. die Art. Lex Cassia 

10 (unter Caesar), Lex Saenia (unter Augustus), Tac. 
ann. XI 25. Betreffs der lex curiata de imperio 
s. den Art. und unter Imperium. Mommsen 
St.-R. n 876. 

Die Befugnisse der c. centuriata wurden eben- 
falls unter den Kaisern immer enger gezogen; die 
Criminalgerichtsbarkeit, soweit sie nicht langst auf 
die quaestiones -perpetuae iibergegangen war (s. o.), 
behielten sie noch unter Caesar, vgl. die Lex Iulia 
de vi im J. 708 = 46, Dig. XL VIII 6, 7. Paulus 

20 sent. V 26, 1. Lange III 456; Antonius beab- 
sichtigte sogar Provocation an die C. centuriata 
zu gestatten von den Entscheidungen der Gerichts- 
hol'e in Anklagen de vi et maiestate. Augustus 
schrankte die Gerichtsbarkeit des Volkes weiter 
ein, Dio LVI 40 ; unter ihm und seinen Nach- 
folgern tritt der Senat als oberster Gerichtshof 
ueben das kaiserliche Gericht, was hier nicht 
naher zu verfolgen ist. S. den Art. Senatus. 
Mommsen St.-R. II 118f. 235. Ill 475. 1068f. 

30 1070; Strafrecht 251f. 

Langer behielten die c. centuriata das Wahl- 
recht; Caesar hat im J. 709 = 45 nur zwei Can- 
didaten fiir das Consulat vorgeschlagen ; bei andern 
jahrlichen Amtern durfte die Halfte durch das 
Volk gewahlt werden. die andero ernannte er 
thatsachlich selbst (Dio XLII 20. XLIII 46. 47. 
51. Suet. Caes. 41), denn seine Empfehlung ( Caesar 
dictator UK tribui commendo nobis ilium et ilium, 
ut testro suffragio suam dignitatem teneant) war 

40 ein nicht missy.uvorstehender Befehl. Augustus ge- 
wahrte das von den Triumvirn sistierte Wahlrecht, 
in beschriinktem Masse wiederum, prasentierte per- 
sOnlich Caudidatcn (Dio LIII 21. LV 34), gab 
selbst seine Stimme ab, ambierte fiir Freunde (Suet. 
Oct. 56) und spendeteungeachtet derVerbote jedem 
seiner Tribulen 1000 Sest. (ebd. 40. Herzog II 
153). Wie unbehindert zunachst die Wahlen statt- 
fanden. zeigt, dass im J. 735 = 19 dabei, aller- 
dings in Abwesenheit des Augustus, sogar Auf- 

50 stande in Rom sich ereigneten. Einschrankungen 
waren die Folge; sein em Nachfolger soil er den 
Rat gegeben haben. die Volkswahl uberhaupt zu 
unterdriicken. Unter Tiberius e campo comitia 
ad patres translata sunt, Tac. ann. I 15. Veil. 
II 124. Herzog II 243. Der eigentliche Wahl- 
act ward fortan im Senate vollzogen. nur die un- 
umganglieh notwendige r'nuutiati" geschah noch 
lange Offentlich naeh alter Formlichkeit (Suet. 
Doni. 10. Plin. panes. 63. 64. 77. 92. Dio LVIII 

60 20). aber allmahlich verlor sich das Interesse, 
Veil. II 126. Im ubrigen wurde auch die Wahl- 
freiheit des Senats mehr und mehr illusorisch. da 
die Kaiser ein Verzeiehnis der von ihnen bevor- 
zugten Bcwerber aufstellten, das als massgebend 
gait. Niiheres s. unter Candidatus principis 
mid Commend atio. Karlowa 1516. Cali- 
gula hat den C. das Wahlrecht wiedergegeben 
(Dio. LIX 9. 20. Suet. Cal. 16l, aber im Jahre 



<larauf die Genehmigung zuriickgezogen; die Masse 
verhielt sich gleichgiiltig; Tacitus Urteil ann. I 
15: neque populus ademptum ins questus est 
nisi inani rumori, ist auch hiefiir giiltig. Die 
Legislative haben die e. centuriata noch im J. 732 
= 22, als Augustus die Wahl von zwei Censoren 
auliess, mit einer lex centuriata de potestate cen- 
soria geiibt. Dio LIV 2. Suet. Oct. 37, vgl. 
Claud. 16. Vgl. im iibrigen unten betreffs der Ge- 
setzgebung in c. tributa. Uber einen Angriffskrieg 
hatten die Centurien nicht mehr zu beschliessen ; 
€aesar hatte sich im J. 706 = 48 dies Recht 
geben lassen (Dio XLII 20) , Augustus und seine 
Nachfolger iibten es als Inhaber des imperium 
(s. u.). Die c. tributa verloren die iurisdictio- 
nellen Befugnisse, Dio XLII 20. LVI 40. Pro- 
cesse, welche die Verantwortlichkeit von Beamten 
betrafen, gingen an den Senat (Tac. ann. IV 15. 
XIII 43. Dio LII 21, LVIII 16), andere an die 
quaestioues perpetuae. TJber Frieden und Vertrage 
allein zu befinden, war schon dem Dictator Caesar 
zugestanden (Dio XLII 20. Dionys. V 73)und fortan 
kaiserliches Recht, Lex de imp. Vesp. CIL VI 
930 Z. 1 : foedusque cum qualms volet facere 
Uceat ita uti licuit divo Aug. Ti. Iulio Caesari 
Aug. Tiberioque Glaudw Caesari Aug. Germanico. 
Mommsen St.-R. II 739. 955. Hinsichtlich der 
Wahlen sind die Tribus ebenfalls verkilrzt; der 
Oberpontiflcat wie die vier grossen Priestertiimer, 
welche im J. 705 = 49 der Dictator Caesar be- 
setzt hatte (Dio XLI 36), — Augustus ward am 
6. Miirz 742 = 12 durch Volkswahl Pontiles ma- 
ximus — wurden spater auf Empfehlung der 
Kaiser vom Senat verliehen, Lange II 733. Die 
in den Arvalacten zum 5. Marz 69 erwahnten 
Opfer ob comitia saeerdotiorfum) imp. Othonis 
Aug. (p. 93 Henzen) bcziehen sicli auf behufs 
Renuntiation einberufene C. Auch die Legislative 
der c. tributa war stark geschwacht. Langst schon 
war einzelnen Beamten, so Marius, Sulla, Pom- 
peius unter Unistiinden legislative Competenz ge- 
geben, aus eigncr Macht Gesetze zu erlassen (leges 
datae, Liv. IX 20, 10. Cic. Verr. 11 2, 121. Lex Iulia 
mun. Z. 159 im Gegensatz zu den leges rogatac) und 
vollends dem Princeps stand das Recht zu, Momm - 
sen St.-R. 11 725. 888. Ill 310; ferner konnte 
er wie andere Magistrate durch Edicte (s. den 
Art. Edict urn) seinen Willen kund thun und 
nStigent'alls nochinals durch SC. als Gesetz fest- 
legen lassen. Dio LII 15. LIII 18. 2b. LIV 10. 
Gai. I 5. Dig. I 2, 2. 11. 12. 14. 1; endlich 
stand ihm als Inhaber der tribunicisehen Gewalt 
zu, gegen ihm nicht genelime Gesetzesvurschlage 
anderer Beamten zu intercedieren. So lag die 
gesetzgebende Gewalt beim Princeps, ohne dass 
der uinstandliche Weg dutch die C. eingeschlagen 
zu werden brauchte. Gleichwohl ist dies aus be- 
stiramten Grtinden doch noch Ofter geschehen. 
Ich gebe die kurzen Titel der in Tributcomitien 

U1LU CVItCtiCU [lieui* rtUgCIliJilLiUClltll Uta(.ti.V, •."-- 

ziiglieh der Belege muss auf die betreffenden Ar- 
tikel. auf Lange II 729f.. die ausfuhrliche Be- 
sprechung der Leges in der Kaiserzeit bei Kar- 
lowa I 616f.. sowie auf den Art. Lex beziiglich 
der spateren Bestimmung dieses Begriffs verwiesen 
werden. Unter Augustus folgende leges Iuliae: 
theatralis, de collegiis. sumptuaria, de annona, 
de ambitu, de ti publico, de vi privata, de maie- 



state (?), peeulatus et de sacrilegis, de residuis, de 
iudieiis ■publicis et privatis, de adulteriis et de 
pudiedtia, de fundo dotali, ricesimaria {de vice- 
sima heredit.); auf sein Geheiss haben andere 
Beamte noch diese Gesetze dem Volke unterbreitet: 
lex Saenia de plebeiis in patricios adlegendis, 
Pacuvia, Quinctia de aquae ductibus, Aelia Sentia 
de manumissionibus , Fufia Caninia de manu- 
missione testamentaria, Papia Poppaea. Unter 
10 Tiberius: lex Claudia de flaminica diali vom 
Kaiser beantragt; von Beamten: lex lunia, Pe- 
tronia, ein von Tac. ann. IV 16 genahntes Gesetz, 
lex Visellia, vielleicht auoh die lex lunia Vellaea, 
Mommsen St.-R. Ill 346. Unter Caligula: lex 
Mia agraria, Dig. XL VII 21, 3; doch vgl. 
Rudorff Schr. der rOm. Feldm. II 223. 244. 
Unter Claudius: lex Claudia de aere alieno fil. 
fam., lex Claudia de tutela und andere Plebiscite, 
Tac. ann, XI 14. Unter Nero: lex Peironia. 
20 Unter Vespasian : lex Flavia de consulatibus abro- 
gandis. In unbestimmter Zeit die ratselhafte 
lex Veotibuliei. Unter Nerva: eine lex agraria, 
Dig. XLVII 21, 3, 1. 

Litteratur uber C. der Kaiserzeit. Lange II 
723 Madvig I 276. Mommsen St.-R. II 845. 
708 877. 917. Ill 345; Abriss 324. Willems 
447 Herzog II 153. 165. 242. 261. Karlowa I 
514. Schiller inlw. Miiller Handbuch IV 2, 167. 
Humbert in Daremberg-Saglio I 1397. A. 
30 Schmidt Cber den Verfall der Volksrechte in 
Rom, Ztschr. fur Geschichtswiss. I 37. IX 326. 
Goll Wahlcomitien in der Kaiserzeit, Ztschr. fiir 
Altertumswiss. 1856, 509. Stobbe Uber die C. 
unter den Kaisern, Philologus XXXI 288. 

C. in den stadtischen Gemeinden des 
Rei chs sind nur in wenigen Spuren nachzuweisen. 
Wie die Landstadte in ihrer Verfassung mOglichst 
Rom nachahmten (Gell. XVI 13, 9. Nov. Iustin. 
38: y.azd zr\v zfjs paoi/.EVovotjg stokeiag /uutjoiv), 
40 so trat auch die Biirgerschaft zu C. zusammen, 
je nachdem sie in curiae (s. d.) oder in tri- 
bus, so in der col. Genetiva Iulia (Lex Urs. c. 101), 
Lilvbaeum (CTL X 7233: XII trib. 7237: tri- 
butes trib lovis Aug.), Mazara (7206: XII trib.), 
oder in ccnturiae, wie vielleicht in Panhormus 
i CIL X 7295). geteilt war. Dass diese Versamm- 
lungen der Burgerschaft ursprtinglich die Ent- 
scheidung in stadtischen Angelegenheiten gehabt 
haben. ist anzunehmen. Seit die C. aber im Staate 
50 zur Ohnmacht verurteilt waren, ging auch die Be- 
deutung der landstadtischen zurfick. Das von 
Domitian der spanischen Gemeinde Malaca ver- 
liehene Stadtrecht zeigt, dass hier die in Curien 
geteilte Burgerschaft die Beamten wahlte. Die 
hauficen Wahlprogramrae in Pompeii (CIL IV 34 
—1176, vgl. CIL XIII 1721 = Boissieu Inscr. de 
Lvon 160 : duumvir design, ex postul{ationej po- 
puli) bezieht Mommsen. weil sie nie einer Stimm- 
abteilunsr — mit Unrecht erklarte Willems Les 

., ,' . ^ .-..„: .:^ -1 -- 3P, ^ -. i:olivl^H^ncA^ P^Tnp'3- 

nienses. Forenses fiir solche — gedenken, auf ein 
Wahlrecht. das auf den Weg der Acclamation ge- 
wiesen war und ohne ein factisch entscheidendes 
Vorschlagsrecht nicht gedeutet werden kann. Schon 
im 1. Jhdt. n. Chr. hat dem Gemeinderat ein 
Vorwahlrecht zugestanden ; dem widerspricht auch 
nicht die Inschrift aus der Zeit Vespasians CIL 
IV 768: M. Epidium Sabhmm dfuumvirumj 



711 



Oomitmei 



Comitiva 



'16 



ifure) d(icundo) ex . . . sentcntia Sved-i Clementis der magister afficiorum erst damals den Comes- 

swncti iudieis consensu ordinis . . . faciatfis). titel erhalten hatte; er fuhrt denselben aber sicher 

Der Schwerpunkt der stadtischen Verwaitung lag unter Constantius (Cod. Theod. I 9, 1. VIII 5, 8), 

ja iiberhaupt bei demRate. Spatere Envahimngen wahrscheinlich schon seit Constantin dem Grossen 

von C. flnden sich einigemale. CIL XIV 375 (s. oben S. 6321), und niemals ist bei seinem 

(Ostia) : Ilvir eensoriae pot. quinquennal. in eo- Amte gerade dieser Titel als der wesentlichste 

mitiis faetus (Zeit Hadrians). 2410 (Bovillae): pri- ersehienen. Anders ist dies bei den Reichsfeld- 

mus comitia magistratuum [creandorum] causa herrn, den eomites et magistri militum ; bei diesen 

instituit (im J. 157), nach Icmmsen vielleicht koramt es sogar vor, dass sie in officiellen Denk- 
eine archaisierende Neuerang, vgl. X 7023 (Ca- 10 malern comes schlechthiu ohne jeden Zusatz ge- 

tina): Ilvir suf. popul. creatus. nannt werden (Dessau 790). Ich halte es daher 

Litteratur. Mommsen Die Stadtrechte der far wahrscheinlicher, dass bei den C. an diese 

latinischen Gemeinden Salpensa und Malaca in zu denken ist. 

der Provinz Baetica, Abb. der sachs. Ges. der Der erste C. erscheint im J, 432, also zu der 

Wias. 1857, 361. 410. 414; St.-R. Ill 349. Zoit, wo Aetius als Magister militum das Reich 

Schiller Nero 444. Liebenam Stadteverwal- beherrschte. Damals musste ein Bei'ehl, den einer 

tung im romischen Kaiserreich 214. 248. seiner Offlcialen iiberbrachte, ebenso befolgt wer- 

[Liebenam.] den, als wenn er vom Kaiser selbst komme, konnte 

Comitiaci oder Comitmui, eine Art von Be- also von den Unterthanen als Ausfluss des aller- 

amten, die nur im Occident vorkommen und zuerst 20 hochsten Willens betracbtet werden. Nicht anders 

im J. 432 nachweisbar sind (CIL V 7530). Ihr Titel war es zur Zeit des Ricimer und der andern all- 

vir devotus zeigt, dass sie Subalterne waren (Cas- roachtigen Reichsfeldherrn , die bis auf Romulus 

siod. var. II 10. IV 5. VIII 27. De Eossi Inscr. Augustulus das Kaisertum vollig (iberwuchert 

Christ, urb. Romae I 887. Marini Papiri diplo- hatten. Odoacer gait in viel hoherem Grade als 

matici 79, 105. 106. 120, 72). Auch fallen sie Nachfolger jener Reichsfeldherrn, denn der west- 

niemals, wo von ihnen die Eede ist, selbstandige rflmische Kaiser. Es war also nur angemessen, 

Entscheidungen, sondern sie verabfolgen Abschrif- dass er die Offlcialen seiner Vorganger, jene C, 

ten von Urkunden und beglaubigen sie (Marini auch fur sich beibehielt und sie so zu Organen 

79, 105. 106), oder fiihren Befehle mannigfacher des italischen Konigtums machte, was sie denn 

Art aus, z. B. Einziehung eines unrechtmassigen 30 auch unter den gothischen Herrschern geblieben 

Besitzes und Wiedererstattung an den Eigentiimer sind. Dies bietet, wie mir scheint, die passendste 

(Cassiod. var. II 10), Beschlagnahme von Giitern, Erklarung sowohl .fur den Namen und die Ent- 

die dem Fiscus verschuldet sind (Cassiod. var, V 6), stehung der C, als auch dafur, dass sie nur im 

Beaufsichtigung des Getreidehandels (Cassiod. var. Occident, nicht auch im orientalischen Reichsteil 

IV 5), Bestrafung von Pliinderern (Cassiod. var. zu flnden sind. Dort erscheinen zwai auch Co- 

VIII 27). Dass sie zu den Offlciales gehorten, mitiani, doch sind damit, wie allerseits zugegeben 

wird denn auch ausdriicklich gesagt (Cassiod. var. ist , nur die Offlcialen des comes Orientis ge- 

VI 13), doch schreibt ihnen der Ostgothenkonig meint (Cod. Theod. VIII 4, 18). Mommsen 

ein Officium zu, quod nostris iussionibus special/ Neues Archiv der Gesellschaft 1'iir altere deutsche 

sollicitttdine famulatuni est (Cassiod. var. VI 40 Geschichtskunde XIV 469. [Sceck.] 

13, 7), und die Befehle an sie gehen alle direct Comitiales dies, I'nterabteilung der fasti 

vom Herrscher aus ohne Vermittelung irgend eines dies (s. d.), Tage des romischen Kalenders. die, 

heheren Beamten. Demgemass befindct sich ihr von jeder sacralen Verpflichtung frei, nicht nur 

Vorsteher, der prineeps cardinal-is, am Hofe ; aber fiirGerichtsverhandlungen, sondern auch fur die Ab- 

auch in Eom ist ein Teil der C. stationiert und haltung von comitia •■ p. R. (s. Comitia) geeignet 

auch hier steht ein Prineeps an ihrer Spitze, der sind. Varro de 1.1. VI 29: comitiales dicti quod. 

als Stellvertreter (vicarius) jenes prineeps cardi- turn tit coiret (C. O. Miiller, esset Hs.) popul us 

nalis gilt und kiinftig in seine Stelle einzurucken constitutum est ad suffragimn ferendum. nisi si 

berufen ist (Cassiod. var. VII 31). Scheidet einer quae feriae conceptae ess'ent, propter quas non 
nach vollendeter Dienstzeit aus dem Corpus der 50 fere/ (ut) Compitalia et Latinae. Macr. sat. I 

C. aus, so erhalt er die comitira priiui ordinis 16, 14: comitiales sunt quibus cum popul o agi 

mid die Titularwiirde eines Magister scriuii nebst licet: et fastis quidem lege agi potest, cuih po- 

den Privilegien, welche diese mit sich hringt pulo non potest, comitia! ibtis utrumque potest ; 

(Cassiod. var. VI 13). _ aus derselben Quelle iTerrius Flaccusj Fasti Praen. 

Dass die C. Executivbeamte sind, die unmittel- zum 3. Januar. Ovid. fast. I 53. Fest. ep. p. 38. 

bar dem Herrscher unterstehen, duldet keincn Die Zahl der dies comitiales des alten romischen 

Zweifel; mn so schwieriger ist die Erklarung Jahres, die im iulianischen Kalender unverandert 

ihres Xamens, da dieser doch nichts anderes be- blieb, betrug 191 (Mommsen CIL I 2 p. 296), 

sagen kann, als dass sie Untergebene irgend eines von denen aber, soweit es sicli um wirkliche Ver- 

der comes et magister offtciorwn gewesen, der Abzug zu bringen sind, auf die entweder beweg- 

allen kaiserlichen Officia vorstand, und C. stelle liche Teste (Varro a. a. O.) oder die Kundinae 

demgemass nur eine jiingere Benennung der Agen- (s. d.) fielen. Vgl. Mommsen St.-R. Ill 872ft'. 

tes in rebus dar. Xun kommt es zwar vor, dass [Wissowa,] 

diese nach ihrem Vorgesetzten benannt werden, Comitiana, Station an der Strasse von Agri- 

aber dann heissen pie immer magisteriaui (s.Bi. I gent nach Panormus, 33 nip. von Agrigent. Itin. 

S. 776). Dass sie im 5. Jhdt. diesen Namen Ant. 96. [Hulsen.] 

mit C. vertauschten, ware allenfalls denkbar, wenn ComitiTa s. Comites. 



■ 



717 



Oomitiiim 



Oommeatus 



718 



Coiiiilium, in Rom, der ursprunglich ver- von zwei Lowenbildern bewachten schwarzen Stein- 

fassungsmassig allein zulassige Platz fiir die Zu- platte, neben der eine Stele archaischer Inschrift 

sammenkunft der nach Curien gegliederten Ver- den Namen des Hostius (Hostilius) oder Faustulus 

sammlung und fiir die Rechtsprechung (Varro enthielt (Detlefsen De arte Eomanorum anti- 

de 1. 1. V 155: comitium ah eo quod, coibant eo quisima III 1. 2), hat viel Bestechendes, doch 

eomitiis euriatis et litium causa), Es lag, wie sprechen auch Grilnde dagegen, die hier nicht ent- 

zuerst Mommsen (Ann. d. Inst. 1845, 288ff.) wickelt werden konnen. Ist diese Venmitung 

gezeigt und spater Detlefsen (Ann. 1860, 128ff.) richtig, so miissen die alteren Eostra noch weiter 

und Brecher (Progr. d. stadt. Burgerschule z. siidlich zum Vorschein kommen, also die Grenze 
Berlin 1870) genauer pracisiert haben, am Ab-lOdes C. nach dem Forum zu um mindestens 25 m. 

hange des Capitols, anstossend an die Nordecke weiter siidlich geruckt werden, als ich auf dem 

des Forums. Es war wahrscheinlich als templutn Plan R6m. Mitt. 1893 Taf. IV angenommen hatte. 

inauguriert und hatte die Gestalt eines Quadrats, Doch kann hier nur die Fortsetzung der Aus- 

dessen vier Seiten den vier Himmelsgegenden ent- grabungen Gewissheit bringen ; einstweilen vgl. 

sprachen. Als am C. gelegen nannte Varro de Berliner philol. Wochenschr. 1899, lOOlff. Uber 

1. 1. V 155f. und Plin. n.h. VII 212 den Concordia- das C. im allgemeinen s. ausser den eingangs an- 

tempel, die Basilica Opimia und die Basilica gefiihrten Monographien Jordan Topogr. I 1,499. 

Porcia an der West-, die Curia (Hostilia) an der 2, 261. 318—322. Gilbert Topogr. II 70-74. 

Xord-, die Eostra, die Graecostasis und' das Se- HI 138—140. Hiilsen Rom. Mitt. 1893,79—94. 
naculum an der mit clem Forum zusammenstossen- 20 C. Maes Comitium, Eoma 1899 (verfehlt). 

den Siidseite. Die Ostgrenzo ist vveniger sicher, [Hiilsen.] 

wahrscheinlich ging das C. bis zu der grossen Comius. Comius Castronins, Fiihrer des bei 

Strasse des Argilctum (s. d.), welche dnrch den einem heiligen Lenze ausgesandten Teiles der Sa- 

Lauf der Cloaca Maxima bezeichnet wird. Auf der biner, aus dem das Volk der Samniten erwuchs 

Flache des C. lagen die Columna Maenia (Jor- (Fest. p. 326). Mommsen (Unterital. Dialekte 

dan I 2, 345. Hulsen Nomencl. topograph. 271) erklart den Namen als .Griinder der DOrfer 

22) , die Statue und das Puteal des Attus Navius und Marken'. [Miinzer.] 

(Cic. de div. I 33. Liv. I 36, 5. Dionys. Ill 71. Commagenses s. Comagena. 

Plin. XXXIV 21) sowie der von demselben Wunder- Commeatus. 1) Urlaub. Der Begriif Urlaub 
thater vom Lupercal auf das C. versetzte heilige 30 setzt einen Urlaub Nehmenden und einen Ur- 

Feigenbaum (Dionys. Ill 71. Plin. XV 77. Tac. laub Gebenden voraus. Darum ist er mit dem 

ann. XIII 58. Paul. p. 169. Conon narr. 48), Begriffe der romischen Magistratur unvereinbar, 

ferner die Amtssitze der A'olkstribuncn (Cic. pro wcil die Magistratur kein Dienst, sondern eine 

Sest. 18. Plut. Cato min. 5. Suet. Caes. 77) Ehre ist und der souverane Magistrat keinen Vor- 

hei der tabula Valeria (Cic. in Vatin. 21; ad gesetzten hat; auch dem Volke ist er nicht unter- 

fam. XIV 2, 2). einem wahrscheinlich in archi- geben, sondern die beiden souveranen Gewalten 

rektonischcr Umrahmung i'reistehund aufgc.stellten existieren nebeneinander. 

Gemalde des Sieges iiber Hiero und die Karthager Entstanden ist der Begriff C. im Militardienste 

im J. 264 v. Chr. (Plin. XXXV 22). Endlich und zwar wahrscheinlich erst dann, als das ur- 
miissen auf bezw. am C. noch zwei heilige 40 spriingliche Biirgerheer, das nur fiir den bestimm- 

Statten gesucht werden, die ara oder das sa- ten Feldzug gesammelt wurde , sich allmahlich 

cdlum des Volcanus (s. Volcanal) auf dem am in ein stehendes umzuwandeln anting, also wahrend 

23., und der Luna, auf dem am 24. August und nach den punischen Kriegen. Soweit es mir 

;Hemerol. Pincian. z. d. T. : Lunae in Graeco- bekannt ist, begegnen wir dem Worte e. im an- 

stusi) geopfert wurde. Das alte C. wurde grossen- gegebenen Sinnc zuerst bei Livius (III 46), bei 

toils cccupiert durch den Ncubau der Curie, 1V eI- der Schilderung der Unruhen nnch der Frevel- 

chen Caesar begaun. Augustus vollendete (Curia that des Decemvir Appius Claudius. Natiirlich 

Iulia), und dessenEesle noch hcute in den Kirchen ist es hier nur Cbertragung spiiterer Zustande 

S. Adriano und S. Martina erhalten sind : die auf altere Zeit. In der kriegsreichen Zeit Ende des 
moderneii Ausgrabnngen hatten bis 1898 den 50 3. und Aniang des 2. Jhdts. v. Chr. werden dieEr- 

Boden des C. noch nicht erreicht. Erst ganz wahnungen des C. hauflger (z. B. Liv. XXI 21 

neuerdings ist man siidostlich vom Sevcrasb'ogen [Cbertragung rcimischer Sitten auf karthagische 

auf eine unter den Resten aus der Kaiserzeit lie- Truppen]. XXVIII 24. XXXIII 29 u.O.). Aus diesen 

gende hOchst altertiimliclie Bauschiclit gestossen. Erwahnungen darf man nur schliessen, dass der l*r- 

die moglicherweise schon zum :epubli<-anischen C. laub den Soldaten vom Feldherrn erteilt wurde, 

gehert." Die t»rientierung der Bauten ist eine zuweilen massenhaft, so dass die Armee dadurch 

annahernd ost-westlirhe is. den Plan Not. d. scavi geschwacht wurde (Liv. XXXIII 29. XLIII 11. 

1899, 152): unter den gefundenen Monument-en 14: multos .... incertis commmtibus . . . abesse 

i-t von hohem Interesse ein uraltes . ven zwei u. 6.). Die Beurlaubten blieben ofters auf dem 

„ . . . T - ■ ' ■ ... i i ,., !i : l ■ c 'i- l-n- -t:- 

iHillUlgeU J-'tlocil iiaji&icl i<:.^ ,t:a':lrtilulll I v vn t»,v-i 00 - iili '-^^' : "' Llu -"t /iti, - i '^ ia,,^ *.^~.-.. ^c.-. B ^ — v..^.. — V J-- > . 

X 2,66 m.) mit zahlreichen armlichen Weihgal>en XXXIII 29, vgl. V 8, 3). Uber die Eegulierung 

(Idolen aus Kupfer und Bronze, Astragalen und des Verfahrens bei dem Benrlauben sind wir nicht 

Wiirfel, Vasenscberben u, dgl.), und daneben eine unterrichtet. 

Tuftstele mit einer leider sehr fragmentarischen Ebenso wie die Soldaten werden auch die 

Inschrift, die ohne Zweifel die alteste aller esi- Offieiere beurlaubt (Sallust. b. lug. 64 ; vgl. Vellei. 

stierenden lateinischen Steinin^-hril'ten ist. Die II 11, 2 [Marius erbittet sich den Urlaub — bei 

Vermntung. dass man es hier mit dem sog. ,Grabe Sallust missio — von Metellus]. Sallust, ebd. 73 

des Romulus oder Faustulus' zu thun habe, einer [domtim dimittit]; s. auch Caes. b. G. 129 und 



719 



Commeatus 



Commeatus 



720 



Tac. Agric. 5; vgl. Cic Yen. V 111 [Beur- 
laubung seitens des Propraetors eines Schiffs- 
capitans der sicilisohen Flotte]). In dieser, wie in 
anderen Beziehungen behandelte man die militia 
nicht anders wie das stipendium. (vgl. Mommsen 
St.-K. in 539ff.). 

Seitdem das Heer unter Augustus definitiv 
zum stehenden geworden war , wurde auch das 
Bewlauben besser reguliert; wenigstens wissen 



Wir haben schon erwahnt. dass der Begriff 
Urlaub ebenso von dem Begriffe Magistratur aus- 
geschlossen, wie vom Begriife Beamtentum gerade- 
zu gefordert wird. Deswegen mflssen wir dem C. 
auch bei der Eegulierung der Lage der kaiser- 
lichen Beamten begegnen. tJber die Lage der 
kaiserliehen ritterlichen Beamten und des Hof- 
gesindes sind wir fur die ersten zwei Jahrhunderte 
sehr schlecht unterrichtet; wir wissen aber, dass 



wir jetzt davon etwas mehr als in der vorher- 10 alle kaiserliehen Beamten, wenn sie ihren Posten 



gehenden Periode, dank besonders den Rechts- 
quellen. Urlaub wurde in der Kegel nur sehr 
sparsam erteilt (Veget. de re mil. II 19, 14 — 15; 
vgl. Ill 4. 15. Dig. XLIX 16, 12, 1. Hist. Aug. 
Hadr. 10) und den Soldaten untersagt, sich wah- 
rend des Urlaubes mit Haudels- und Geldgeschaf- 
ten abzugeben (Dig. XLIX 16, 9; vgl. Cod. lust. 
IV 65, 31. XII 34. 35, 15). Diese Begel wurde 
aber nicht immer eingehalten, und wir begegnen 



in der Provinz oder in der Stadt Rom verliessen, 
gentitigt waren, sich vom Kaiser Urlaub zu er- 
bitten. Ausdriicklich ist dies bezeugt firr die 
Aerarpraefectur unter Traian, Plin. epist. Ill 4, 2 : 
cum publicum opus mea pecunia inchoaturus in 
luscos exoucurrisse/n aeeepto ut praefectus aerari 
eommeatu, vgl. X 8. 9 (Plinius Bittscbrift und 
Traians Genehmigung des C). Plinius sagt aus- 
driicklich, dass er des C. nicht als Senator (s. u.), 



Ofters Klagen , dass ganze Truppenkorper durch 20 sondem als kaiserlicher Beamter bedurfte. Wir 



massenhafte Urlaube geschwacht vvurden und dass 
die Soldaten sich in der Provinz zum Schaden 
der Provincialen bereicherten (z. B. Tac. ann. XV 
10; besonders hist. I 46, wo ganz dieselben Zu- 
stande geschildert werden, wie bei Liv. XXXIII 
29). Urlaub wird den Soldaten, wie auch den 
Officieren vom Feldherrn selbst erteilt (s. die 
citierten Stellen und besonders Tac. Agric. 5) 
und zwar nur in seltenen Fallen und nur unter 



dfirfen dieses olme weiteres auch auf andere ritter- 
liche Beamten beziehen. Zu erklaren ist das natiir- 
lich dadurch, dass das kaiserliche Beamtentum 
sich hauptsachlich aus dem Ritterdienste ent- 
wickelt hat , die militia aber in dieser wie in 
anderen Beziehungen dem stipendium gleichge- 
setzt wird. Schwieriger ist die Frage in Bezug 
auf die kaiserliehen Hofbeamten. Solange die 
Hofstellungen rein privater Natnr waren, darf man 



Angabe der Griinde seitens des zu Beurlaubenden 30 natiirlieh vom Urlaube fur das kaiserliche Gesinde 



(Hist. Aug. Hadr. 10: nunquam passus aliquem 
a castris inimle abesse. Veget. de re mil. II 
19, 14). Nur wenige dieser Grunde werden in 
den Quellen erwahnt; so z. B. wenn der Soldat 
auf langere Zeit abcommaudiert wird (Suet. Tib. 
12); wenn er nach Rom reist, um sich dort ein 
Avancement zu verschaffen (GIL VIII 2554: col- 
lega proficiscens ad spent, suam confirmandam) 
und ahnliches. Jeder Urlaub wurde registriert 



als staatsrechtlichem Begriffe nicht reden. Im 
weiteren Verlaufe der Geschichte, endgiiltig seit 
Diocletian, werden aber auch die Gesindestellungen 
als militia bebandelt und bleiben nur fiir Freie zu- 
ganglich (Mommsen Herm. XXXIV 1899, 151ff.); 
die militia aber. wie wir gesehen haben, sowohl 
als Beamten- wie als Militardienst bedarf von 
Anfang an des Urlaubes, und wirklich sehen wir 
in der spiiteren Kaiserzeit alle militantes bei ihrer 



(Veget. de re mil. II 19, 14— 15), der Beurlaubte 40 Abwesenheit aus der Hauptstadt mit Urlaub aus 



genoss alle die Privilegien des Soldatenstande , 
aber nur wahrend der Frist des Urlaubes und 
bei der Erfiillung aller der Bedingungen , die in 
seinem Entlassungsscheineangegeben wurden (Dig 
LI 1, 2, 6, vgl. Sen. dial. X 18," 3). Er gait 'aber 
nicht als abcommandiert, d. h. nicht als abwesend 
reipublicae causa (Dig. XLIX 16, 1). Jeder der 
nach Ablauf der Urlaubszeit bei der Fahne nicht 
erschien, gait als de&ertnr oder emansor, wenn er 



gestattet und im Falle der Verspatnng mit Strafen 
bedroht (Cod. Theod. VII 12, 2 = Cod. lust. XII 
42, 2. Cod. Theod. VII 18, 16 [17] = Cod. lust. 
XII 42, 3; vgl. Cassiod. var. VII 36). Reguliert 
wird bier der Urlaub ebenso wie im Militardienste 
\L "d. J lieod. \ II 12, 3 und die Annieikiitig des 
Gothofredus'l und wird in unseren Rechtssanim- 
lungen iin Zusammenhange mit diesem bebandelt. 
Bezeicbnend ist e.s , dass in den Digesten vom 



fiir seine Verspiitung keine gewichtigen Grunde an- 50 Urlaube der Beamten keine Rede ist. Gotho- 



geben konnte (Dig. XLIX 16, 3. 7 ; vgl. ebd. 14 pr.). 
Nach Diocletian blieben dieselben Regeln in 
Kraft. Die Verbote, Urlaub mehr wie notig zu 
erteilen, wurden verschiirft und den Befehlshabern 
der Truppen im Falle der Unbotsamkeit mit strensr- 
sten Strafen gedroht (Cod. Theod. VIII 12. 1. 
Cod. lust. XII42, 1. 16, 2—5); besonders streng 
verfuhr man an den Grenzen und in Kriegszeiten. 
Lrlaub wird jetzt von dan praeposi'i, decu nones 



frcdus ad Cod. Theod. VII 12. Walter Ge- 
schichte des rfim. Recbts' §418. G. Humbert 
in Daremberg et Saglio Dictionnaire des anti- 
quite's I 1402. 

Als Mitglieder eines Rates, der jederzeit zur 
Verfiigung der Magistratur stclien muss, sind die 
Senatoren verpfuchtet. ihren Wnhnsitz in Rom 
zu haben (Lex Iulia municip. c. 91 fBruns Fontes-i 
181 und bes. das Fragmentum Tarentinura Z. 26ff. 



u ii mum minimum gcgcueii nut aiig. oienen du [jlonumenti anticni u. Lmcei V i 4-Utjtt. und Hull. d. 



und Gothofredus zur ersten); nach einem 
Erlasse des Kaisers Anastasius konnten nicht 
mehr wie 30 Soldaten gleichzeitig beurlaubt wer- 
den (Cod. lust. XII 16. 2—5). Die Abwesenden 
bekamen regelmassig ihren Sold aus der Staats- 
casse, wenn aber mehr als 30 abwesend waren, 
bezahlte ihnen der Tribun aus eigenen Mitteln 
den Sold (Cod. lust, a. a. O.). 



Ist. di dir. Rom. 1897, 8tf. 20ft.]; diese munici- 
palen Verordnungen sind wahrscheinlioh eine Ab- 
leitung aus den >tadtischen, wie der Vergleich 
mit Cicero bei Xon. p. 269 und Dio XL1 31. 3 lebrt, 
s. Seialoja Bull. d. Ist. di dir. Rom. 1898, 32if. ; 
wenigstens bezeugt der Vergleich diese Verpflich- 
tung der Senatoren, ihren Wobnsitz in Rom zu 
haben, fur das erste vorchristlicbe Jahrhundert, 



721 



Commeatus 



Commendatio 



722 



wenn Seialoja mit seiner Datierung des Frag- 
ments Recht hat). Darum bediirfen sie bei wei- 
terer Entfernung aus der Stadt eines Urlaubes, 
obwohl sie nicht direct gezwungen werden konnen, 
in der Stadt selbst zu verbleiben. Nur in Aus- 
Tiahmefallen , in Zeiten schwerer Kriegsnot, wer- 
den sie durch consularisches Edict in Rom fest- 
gehalten oder in die Stadt zuriickgerufen (Liv. 
XXVII 50, 4. XXXVI 3, 3. XLIII 11, 4). Nur 
fiir die Entfernung aus Italien bediirfen die Sena- 
toren unbedingt eines Urlaubs, der ihnen in der 
spatrepubheanischen Zeit gewohnlich in der Form 
einer legatio libera durch den Senat erteilt wird 
(Schol. Bob. p. 245 [legationes liberas] nunc com- 
meatus appellamus , vgl. VVillems Le senat de 
la R6publique romaine I 149). Diese Massregel 
wird von Caesar auch auf die Senatorensohne an- 
gewandt (Suet. Caes. 42). In der Kaiserzeit waren 
Italien und Sicilien , seit Claudius auch Gallia 
Narbonensis den Senatoren frei (Tac. ann. XII 23. 
Dio LII 42), fiir weitere Eutfernungen bediirfen 
sie des Urlaubes. Die Verpflichtung aber, in Rom 
ein Domicil , eigenes oder gemietetes Haus , zu 
haben, verblieb (Suet. Tib. 35. Seialoja a. a, O. 
36) auch fur die Senatoren, die aus der Provinz 
stammten (Dig. I 9, 11), selbst die Relegierten 
batten rechtlich ihr Domicil in Rom (Suet. Gai. 
29. Dig. L 1, 27, 3). Der Urlaub wurde den 
Senatoren vor Claudius vom Senat, seit Claudius 
vom Kaiser personlich erteilt (Suet. Claud. 23. 
Dio LX 25, 6. 29; vgl. Suet. Nero 35. Suid. 
s. KXaioiog. Dig.L 1, 22, 6. Cod. Theod. VI 4, 11 
und Cassiod. var. Ill 21j. Manche Senatoren 
blieben jahrelang ausserhalb Roms; ihnen wurde 
der Urlaub von Zeit zu Zeit verlangert (Suet. 
Gai. 29. Dio LX 25, 5); falls dies nicht geschah, 
wurden sie aus der Senatorenliste gestricheu. Ge- 
wohnlich aber war man in dieser Hinsicht sehr 
nachlassig (Suet. Galb. 3, vgl. Tac. ann. VI 40). 
Die Verpflichtung fiir die Senatoren, Rom und 
Italien nicht zu verlassen, horte erst dann auf, 
als die beiden Senate zu Municipalraten wurden 
und der provinciale Senatorenstand sich entwickelt 
hatte (Cod. lust. XII 1, 15. Kuhn Die stadt. 
und burg. Verfassung I 174ff.). Mommsen St.-R, 

III 912ff. Seialoja Bull. d. Ist. di dir. Rom. 
XI (1898) 3211'. 

*2) Co n i meal us heisst ofters bei den Schrift- 
stellern der Verproviantierungszug , wie der fiir 
eine Annee, Flotte. Festung u. dgl. bestimmte 
Proviant. In letzterer Bedeutung wird das Wort 
entweder als allgenieiner Ausdruck fiir alle mili- 
tarischen Vorrate gebraucht, oder es bezeichnet 
in engerer, technischer Beziehung alle Vorrate fiir 
die Mannschaft ausser dem Korn (Caes. b. G. 
II 3: frumeutum comiumtuiiique. I 48. II 9; 
bell. civ. Ill 15.^ 78. Tac. hist. IV 58. Caes. b. G. 

IV 30: pabulatione et r-omtneatu. VII 14: pabu- 
latirme . . . et frumentationc e' reliquo comnieatit. 
\ eget. de re mil. ill 3: orcio postulat ut Oe r-om- 
meatu, pabulo frumentisque dicatur. Caes. b. G. 
VII 10: sicuti reliquitm cmitincatum ita Ugna. 
Dig. XL VIII 4, 4: cuiusve opera doto malo hastes 
poptdi Roman! eommeatu, arm is, telis. cquis, 
pecunia afiarn qua re adiuti erunt . . . .). Die 
Stellen liessen sich leicht vermehren . aber die 
angefiihrteii geniigen. um zu zeigen, dass C. tech- 
nisch alle fiir das Heer nOtigen Vorrate ausser 



Korn, Kleidung, Waffen, Pferdefutter bezeiclmet; 
dabei wird das Wort zuweilen in engerer, Ofters 
in weiterer Bedeutung gebraucht (unbestimmt CIL 
XI 5820: in commeatum, legionibus; fiber die 
Sache vgl. Mommsen Res gestae p. 67, 1; Ephem. 
epigr. Ill p. 330). Da der C. als ein Teil der 
Heeresverpfiegung in Bezug auf die Art der An- 
schaft'ung der Vorrate und ihrer Verteilung an 
die Soldaten kaum irgendwelche wichtigen Be- 

10 sonderheiten im Vergleiche mit anderen Ver- 
pflegungsgegenstanden aufweist, so wird es viel 
lehrreicher sein, die ganze Heeresverpfiegung 
zusammen zu behandeln, vgl. auchAnnona mi- 
litaris, Cibaria, Frumentum. Schon in 
dem angefuhrten militarischen Sinne beriihrt sich 
der Begriff C. mit dem Begriffe annona, ebenso 
zuweilen auch im Bezug auf die annona urbis, 
Hist. Aug. Alex. Sev. 21, 9: commeatum poptdi 
Romani (statt annonam) sic adiuvit, ut cum 

20 frumenta Heliogabalus evertisset, hie empta de 
propria peeunia loco suo reponeret .... Daher 
wird auch die frumentaria pereeptw in der Volks- 
sprache als C. bezeichnet (CIL VI 10707. 3001. 
3011, vgl. Mommsen zu CIL VI 3001 und 
Ruggiero Diz. epigr. II 536). [Rostowzew.] 

('oniineliunij in der (nur aus zwei neueren 
Abschriften bekannten) Inschrift CIL V 7537 
(gefunden siidlich von Astil scheinbar Name eines 
italischen Ortes, zur Tribus Camilla gehorig ; Lage 

30 unbekannt. [Hiilsen.] 

Coininendare bedeutet zuweilen so viel wie 
mandare, s. d. und liber das commmdatum, Voigt 
Romische Rcchtsgeschichte I 823ff. [Leonhard.] 

Comineudatio. Die Commendation ist das 
Recht jemandes, insbesondere — wenn man von der 
republicanischen Zeit absieht, in welcher es dem 
Dictator Caesar infolge des von dem Volkstribunen 
L. Antonius im J. 710 = 44 rogierten Plebiscites 
(Cic. Phil. VII 16. Dio XLIII 51. Suet. Caes. 

40 41) fiir die Wahlen von 711 und 712 = 43 und 
42 eingeriiuint wurde — des princeps, eine Person 
mit der Wirksamkeit fiir ein Amt vorzuschlagen, 
dass dieselbe von der wahlberechtigten Corporation 
(Comitien. Senat) beriicksichtigt werden muss. 
Die kaiserliche Commendation fiihrt in der Regel 
zur Wahl der eiiipfobleuen Fersuiiliclikeil (Quint. 
VI 3, 62 . . . Lmgitur ampliibo/iae similititdo, 
ut a L. flaJbn, qui pilam neglegenter petcnti 
,s!c inquit .peti's, tamquam Caesaris candidatits' ; 

hOnatu illud petis amb/'guum est, securitas simiiisy, 
es ist dies aber nicht unbedingt notig und liegt 
wohl nicht im Begriffe der Commendation. Der 
Princeps kann niimlich — was allerdings mit 
Riicksicht auf den gewohnlichen Mangel an ge- 
cigneten Candidaten selten vorkam — eine die 
Zahl der zu besetzenden Stellen ubersteigende 
Anzahl von Candidaten eommendieren und dem 
Senat die Auswahl unter diesen iiberlassen. In 
die.-em Falle ist der Wahlkorperschaft eine ge- 

eowissc Freiheit gelassen, die aem Recnte aes 
Kaisers entsprechende Verpflichtung besteht ledig- 
lich darin, bei der Wahl nicht fiber die vom Kaiser 
prasentierten Bewerber hinauszugeheu ; die indi- 
viduclle Bezeichnung steht ihr zu. Ein derartiger 
Vorgang ist von Traian gelegentlich der Wahlen 
fiir das J. 100'eingehalten worden. Plinius sagt 
im Panegyr. 69, 1 von dem Kaiser: cepisti tamen 
el affect us nostri et iudieii experimentum, quan- 



723 



Commendatio 



Commendatio 



724 



turn maximc praescns eaperc potuisti illo die, 
quo sollicitiidini pudorique candidatorum ita 
consuluisti, ne ullius gaudium alterius tristitia 
furharet; alii cum laetitia, alii cum spe re- 
cesserwit, rmdtis gratulandum, nemo eonsolandus 
fuit. Diese letzteren Worte werden, wie Die- 
rauer (in Biidingers Untersuchungen zur rom. 
Kaisergesch. I 204) treffend bemerkt, erst dnrch 
c. 70 verstandlich (69, 2—6 nicht im Senat ge- 
halten , sondern bei der spateren Redaction hin- 10 
zugefiigt) ; hier ist davon die Rede, dass der Kaiser 
einen Quaestor, der die Finanzen einer Provinz 
in ausgezeichneter Weise verwaltet hatte, als Can- 
didaten fiirein hcheres Amt (Tribunat oderPraetur, 
nicht wohl Aedilitat mit Kiicksicht auf multis 
gratulandum fuit) vorschlagt. Plinias bemerkt 
nun, .dass der Kaiser diese Verdienste gekannt habe, 
dass ihm iiberhaupt alle Vorgange in den Provinzen 
bekannt waren und jeder pflichttreue Beamte Aus- 
sicht auf Beforderung habe (70, 6 si bene aliquis 20 
■provinciam rexerit, hide quaesita virhde dig- 
nitas offertur). Wenn also ein Candidat auf Grund 
der ersten kaiserliehen Empfehlung nicht gewahlt 
wurde, erlangte er durch die Commendation gleich- 
wohl die Exspectanz auf das hOhere Amt (cum 
spe reeesserwnt). So ergiebt sich aus denWorten 
alii cum laetitia, alii cum spe recesscrunt (69, 
1) in Verbindung mit c. 70, dass die Commen- 
dation keineswegs immer die Wahl des Empfoh- 
lenen zur Folge haben muss. Iliemit stimmt auch 30 
der oft citierte Passus der Lex de imperio Ve- 
spasiani uberein, indem derselbe den vorhin ins 
Auge gefassten Pall beriicksichtigend, dass eine 
die Zahl der zu besetzenden Stellen ubersteigende 
Anzahl von Personen vorgesclilagen wird , nicht 
sagt, dass der Commendierte gewahlt werden 
miisse, sondern viel allgemeiner. dass die Com- 
mendierten beriicksichtigt werden miissen (uti, 

quos eommendarerit enrum . . . ratio 

habeatur), CIL VI 930 Z. 10ft'. 40 

Jene Art der Ausiibung des Commendations- 
rechtes, bei welcher die Zahl der Commondierten 
mit der der zu besetzenden Stellen zusammenfallt, 
schliesst jede Ingerenz der WahlkOrperschaft auf 
die Wahl und jeden Ambitus aus (Tac. ami. I 
15 sine repuisd et dm/ntii dcsigritindif*) and 
kommt im Wesen einer Ernennung gleich; sie ist 
im 3. Jhdt. ausschliesslich in Gebrauch (Modestin. 
Dig. XLVIII 14, 1. Ulp. Dig. XLI 2, 57). 
Wenn nun Hist, Aug. Sev. 3, 3 Scptimius Severus 50 
als designahis . . a Marco non in Candida, sed 
in competitorum grege bezeiehnet wird, so liegt 
hier wohl nicht die Cbertragung eines im 8. Jhdt. 
dem Kaiser beigelegten allgemeinen Designations- 
rechtes vor. sondern die Ubertragung des der 
Praxis des 3. Jhdts. entsprechenden Commenda- 
tionsbegriffes auf eine fruhere Zeit, aueh Septimius 
Severus war vom Kaiser commendiert und daher 
praetor candidates, aber Marc Aurel hatte eine 
grossere Anzani von uauuiciaten vorgescniagen 60 
als Stellen zu besetzen waren (in competitorum 
grege). 

Terminologie. Der technische Ausdruck 
fiir das kaiserliche Empfehlungsrecht ist commrn- 
dare (das entsprechende Substantiv commendatio 
ist Tac. ann. Ill 74 und CIL IX 2342 wohl nicht 
im teehnischen Sinn gebraucht) ; gleichbedeutend 
hiemit ist suffragari , suffrayationem dare (Lex 



de imp. Vesp.). Bei den griechisch schreibenden 
Schriftstellern begegnet owictdvat. (Dio LV 34), 
uxocpatvuv (Appian. bell. civ. I 103) und &no- 
Ssitevvvat (Appian. a. a. O. Dio passim ; vgl. auch 
CIA III 626). 

Die vom Kaiser Commendierten fiihren den 
Titel cemdidati Caesaris (s._ Bd. Ill S. 1469ff.). 

Um fang, a) Das kaiserliche Commendations- 
recht erstreckt sich nach der Lex de imperio Ve- 
spasiani auf samtliche im Wege der Wahl zu be- 
setzende Amter und bei den einzelnen Amtern 
auf samtliche Stellen (Z.' lOff. : Utique quos magi- 
stratum, potestatem imperium curationemve cuius 
rei petentes senatvi commendarerit . . . eorum 
comitis quibusque extra ordinem ratio habeatur). 
In dieser Allgemeinheit kann es erst nach Clau- 
dius (dem letzten Kaiser, dessen das Bestallungs- 
gesetz noch Erwahnung thut bezw. thnn durfte) 
in Wirksamkeit getreten sein, da sonst wie bei 
den anderen dem Vespasian in der Lex de imperio 
decretierten Befugnissen (vgl. Z. Iff. 5ff. u. s. w,) 
die Bezugnahme auf den Kaiser Claudius (event, 
dessen Vorganger) stattgefunden hatte. Fraglich 
ist nur, worin die Ausdehnung, die nach Claudius 
erfolgt sein muss, bestanden hat ; Mommsenhat 
zuletzt (St.-R. II 925ff.) die Ansicht vertreten, 
dass das Consulat, welches nach Suet. Caes. 41 von 
dem dem Dictator Caesar eingeraivmten bindenden 
Empfehlungsrecht ausgenommenwar, auch von dem 
dem Kaiser Augustus im J. 727 = 27 zuerkannten 
Commendationsrecht nicht beriihrt wurde, sondern 
erst unter Nero demselben unterworfen wurde 
(anders Stobbe); die nach Claudius erfolgte Er- 
weiterung kann aber auch darin bestanden haben, 
dass die unter Tiberius eingetretene Beschrankung 
der Commendation auf ein Drittel der Praetoren 
(Tac. ann. I 15) beseitigt wurde. Fur die Amter 
unter dem Consulat ist die kaiserliche Commen- 
dation jedenfalls seit Augustus in Kraft. 

b) Wenn auch dem Kaiser nach der Lex de im- 
perio Vespasiani das Reeht zusteht, samtliche 
Stellen im Wege der Commendation zu besetzen, so 
ist doch in Wirklichkeit davon nur fiir eine geringe 
Anzahl Gebrauch gemacht worden , was schon 
daraus hervorgeht, dass die vom Kaiser Commen 
dieiten seit Tiaian ihiem Anitstitt-1 die Bezeich- 
nung candidatus principis als etwas Auszeich- 
nendes hinzufiigen ; nur beim Consulat sind wohl 
samtliche Stellen auf Grund der Commendation 
besetzt worden; sie bildet hier iStreitfrage nur 
bezuglich der kaiserliehen Consulate] den einzigen 
Besetzungsmodus. Beweis hiefur ist haujiteach- 
lich, dass nirgends ein Consul begegnet, der sich 
als candidatus principis bezeiehnet, ofi'enbar weil 
die kaiserliche Commendation beim Consulat sich 
von selbst versteht. 

Fiir die niedrigeren Amter des Vigintivirats, 
fur die geringere plebeische Aedilitat und fiir die 
stadtische Quaestur scheint vom Empfehlungsrecht 
kern Gebraucn gemacnt worden zu sein i wir naoen 
bisher noch keine Inschrift, in welcher der Trager 
dieser Amter cand. princ- gen ann t wurde), iiusserst 
selten nur fur die Provincialquaestur (CIL X 1123) 
und fiir die eurulische Aedilitat (Ephem. epigr. 
VII 206). Unrichtig ist die von Mommsen (St.-R. 
II 901f.) fur das geringe Vorkommen der Com- 
mendation bei der curulischen Aedilitat gegebene 
Erklarung (vgl. Brassloff, s. u.|. Den Aus- 






725 



Commendatio 



Conuneiitarii 



726 



I 

1 

■ 

1 
* 



2-angspunkt derselben bilden zwei Inschriften des 
Tib^ Claudius Frontinus Niceratus (CIG 1133. 
1227), welcher das Amt eines ab actis senatus 
bekleidet hat und in dieser Stellung als candi- 
datus principis bezeiehnet wird. Mommsen 
bemerkt nun, dass die Bezeichnung candidatus 
principis hier keinen Sinn habe, da das Amt 
nicht wie die iibrigen Magistraturen auf Grund 
der Commendation, sondern vom Kaiser im Er- 
nennungswege vergeben werde; die Candidatur 
sei in den erwahnten Inschriften nur durch einen 
Fehler des griechisch schreibenden Concipienten 
bei der cura ab actis angefuhrt. Die Fassung 
des Griechen sei aber, wenn auch nicht gerecht- 
fertigt, so doch erklarlich, wenn man annehme, 
dass die Commendation zur Aedilitat zu- 
gleich die Wahl zu der cura aetorum ein- 
schloss. Unter dieser letzteren Voraus- 
setzung erklare sich auch, dass die Beispiele 
fiir vom Kaiser commendierte Aedilen so durftig 
seien: ,die meisten stecken in den ab actis se- 
natus, aediles curulss'. Richtig ist , dass die Be- 
zeichnung candidatus principis nicht bei einem 
Amte vorkommen kann, welches deT Kaiser kraft 
Ernennungsrechtes vergiebt; aber gerade letzteres 
ist fiir die cura aetorum nicht nachweisbar (die 
Annahme eines Ernennungsrechtes ist eine Petitio 
principii). Die Inschriften CIG 1133. 1227 zeigen 
vielmehr, dass auch hier der Senat das Besetzungs- 
recht ausiibte, welches in gleicher Weise wie bei 
den Magistraturen durch das Commendationsrecht 
beschrankt war.- Dieses Commendationsrecht ist 
in der Lex de imperio (Vespasiani) begrflndet, 
wo es ausdriicklich fiir die als curationes be- 
zeichneten Amter statthaft erklart wird; dafur, 
dass vom Empfehlungsrecht auch sonst bei den 
curae Gebrauch gemacht wird, bietet ein Bei- 
spiel die bisher stets falseh aufgefasste Inschrift 
CIL V 877, wo candidatus diti Traiani ganz 
richtig bei curator viarum Cassiae C/odiae Gi- 
ininiac novae Traianae steht und nicht etwa zu 
quaestor provincial Macedonian (Mommsen zu 
CIL V 877) oder praetor (Borghesi Oeuvres III 
123) zu setzen ist (Brassloff a. a. 0.). Es 
ist sonach unrichtig, dass die Commendation zur 
Aedilitat zugleich die Wahl zum ab actio senntns 
in sich schliesst. 

Sehr haufig begegnet die kaiserliche Commen- 
dation bei der Praetur (praetor vrbanus, praetor 
peregrinus, praetor tutelar is) und beim Volks- 
tribunat (vgl. die Listen der candidati principis 
bei Kuebler, s. u.), und die zum personlichen 
Dienste des Kaisers bestimmten quaestores Au- 
gusti sind samtlkh vom Kaiser empfohlen; tiber 
dieselben mag hier nur die Bemerkung Auf- 
nahme finden, dass sie seit Traian bezuglich des 
Avaneements von den iibrigen Quaestoren ge- 
schieden sind, indem seit jener Zeit nur die stadti- 
>'-hen und Provincialquaestoren, nie aber die quae- 

des ab actis senatus bekleiden (Nachweis bei 
Brassloff a. a. 0.). 

Litteratur. a) Allgemeine : Mommsen St.-R. 
II 529f. 730ff. 923—930. Herzog Rom. Staats 
verf. II 701—705. Karlowa Rom. Rechtsgesch. 
I 516. h) Specielle: Mager-Graun De candi- 
date principis (Dissertation der Leipziger Juristen- 
facultat 1733|. Stobbe Die candidati principis, 



Philologus XXVII 88—112. XXVIII 648-700. 
Brassloff Tiber die ab actis senatus, Wien. Stud.. 
XXII (im Druck). Vgl. auch die lexicalischen 
Artikel iiber candidati principis von Morel in 
Daremberg-Saglios Dictionnaire I 876f. 
Kuebler bei Ruggiero Dizionario epigr. II 
65—78 und Kubitschek oben Bd. Ill S. 1469ff. 
S. auch Creatio. [Brassloff.] 

Commentariensis s. a commentariis. 

10 Conuneiitarii. Neben der bei Schriftstellern 
und in Inschriften (vgl. bes. a commentariis u> 
S. 759ff.) gewfihnlichen Pluralform c. (selten com- 
mentaria) kommt mitunter der Singular vor, ent- 
weder als Masculinum eommentarius oder als 
Neutrum eommentarium (z. B. Varro de 1. 1. VI 90- 
Cic. Brut. 164; ad Att. II 1, 1. Inschriften: CIL 
XI 3614. Ephem. epigr. VIII p. 229, 62. 278, 1; 
vgl. u. S. 731); s. Georges Lexikon der lat. 
Wortformen 152. Ruggiero Diz. epigr. II 537. 

20 Wie die Ableitung des Wortes (vgl. eomminiscor 
u. s. w.; Wortspiel bei Cic. Phil. V 12 commen- 
tariis commentieiis) und die Wiedergabe durch da& 
griechische vitouvrjuaTa (vnofivnfianoftoi) nahe- 
legt, bedeutetC. jede das Gedachtnisjinterstiitzende 
Aufzeichnung; aus dieser Grundbedeutung ergiebt 
sich auch der Unterschied zwischen e. und acta 
(u. S. 748f.). 

Im Abschnitt I. dieses Artikels kommen die 
e. als geschaftliche Aufzeichnungen A. des Pri- 

30 vatlebens, B. der offentlichen Verwaltung zur Dar- 
stellung; Abschnitt II. behandelt die daraus ent- 
wickelte Litteraturgattung. 
I. Commentarii als geschaftliche Auf- 
zeichnungen. 
A. Im Bereiche des Pri vatlebens begegnet 
der Ausdruck c. in mannigfacher, aber stets auf 
die Grundbedeutung zuruckfuhrender Anwendung. 
Das Hausbuch, gewOhnlich tabulae (codex) aeeep'ti 
et expensi (spater auch ephemeris) genannt, heisst 

40 in weniger strenger Rede eommentarius (Cic. ad 
Att. VII 3. 7; Phil. V 12 iiber die von Antonius 
verfalsehten geschaftlichen Aufzeichnungen Cae- 
sars: commentariis commentieiis ehirographis- 
que venaliciis innumerabilis pecunia congesta 
in iflam domum est; vgl. J. E. Kuntze Cursus 
des r. Reehts 2 465. T h e d e n a t Diet, des ant. T 1 404. 
M. Voigt Abh. der sachs. Ges. der Wiss. XXIII 
[phil.-hist. CI. X] 530, 3). Nach Mommsen 
Strafrecht 513, 3 enthielt es .neben den Einnahme- 

50 und Ausgabeposten auch die das VermOgeu be- 
treffenden Urkunden, allem Ansehein nach selbst 
solche, die den Hausbuchfiihrer nicht personlich 
angiengen (Cic. pro Q. Roscio 1). Die Datierung 
war wesentlich und die Reihenfolge (ordo) da- 
durch bestimmt (Cic. pro Q. Roscio 3 und sonst)-. 
Nicht vollig gleichartig ist die von Th^denat 
und Voigt verglichcne t'bersicht der Begeben- 
heiten auf den Gutern Trimalchios VII Kalendas 
Sextiles bei Petron. 53. welche der Actuarius des 

Friedlander zu Petron. Cen. Trim. p. 259. H. 
Peter Geschichtl. Litt. der Kaiserzeit 1213); hier 
liegt vielmehr ein eigenartiges, aus verschiedenen 
Geschaftsbiichern (c.) redigiertes Summarium vor, 
wie man es wohl auch sonst in grossen Wirt- 
schaften alltaglieh in ein besonderes Buch ein- 
zutragen pflegte (mit der ephemeris identisch, 
vgl. Voigt a. a. 0. 531, 9). 



727 



Commentarii 



Commentarii 



728 



Daneben wird c. zur Bezeichnung der ver- 
schiedensten Notizen gebraucht; so 1) Tagebticher 
iiber personliche Erlebnisse (vgl. unter II). 2) Auf- 
zeichmingen und Entwiirfe als Vorbereitnng und 
-Gedachtnisbehelf fiir zu haltende Eeden (z. B. Cic. 
Verr. II 21. 54; Brut. 105. 164. 301. Quintil. 
inst. X 7, 30—32. IV 1, 69; bei Tac. dial. 12. 
23 libri genarmt), die mitunter zu fOrmlichen 
Summarien der Eeden warden (fur Cicero ge- 
sammelt und herausgegeben von Tiro, Teuffel-10 
ScbwabeS g 180, 3; vgl. auch The'denat 1404 
n. I. Euggiero 538. Birt Buchwesen 57. 58. 
■Grasberger Erziehung und Unterricht III 383. 
457. H. Peter Gesch. Litt. I 201). 3) Aufschrei- 
bungen der Grammatiker und Juristen — wir 
wiirden sagen Collegienhefte — als Grandlage fiir 
•den Unterricht, haufig imAnschlusse an litterarische 
und juristische Texte (vgl. Suet, de gramm. 4 
veteres grammatiei et riietoricam docebant , ac 



exciderunt, vice kae aetate cligna et hoo usu (dazu 
Birt 345). 7) Skizzenhafte Berichte, z. B. iiber 
den Kriegsschauplatz und die Kriegsereignisse als 
Grundlage fur die stilistisch ausgefiihrte histori- 
sche Darstellung, wie sie Kaiser Verus und in 
dessen Auftrage die Unterfeldherren als Yorarbeit 
fur Frontos Geschichte des Partherkrieges liefern 
sollten (Pronto ep. p. 131 Nab.; dazu Peter I 
378f.). 

B. Uommentarii dor offentlichen Ver- 
waltung. 

a) Commentarii regum. Seit dem Aus- 
gange der Kepublik weiss unsere Uberlieferung aus 
c. regum teils sacrale , teils rechtliche Bestim- 
mungen anzufiihren. Im Perduellionsprocesse des 
C. Eabirius (Mommsen St.-E. 113 615; Strafr. 
155, 1) beruft sich der Anklager auf sie (Cic. p. 
Eab. 15 ex annalium monumentis atque ex re- 
gum commentariis ; vgl. Liv. I 26, 5f. fiber die 



multoruni de utraque arte commentarii ferun- 20 Bestellung der duoviri perduellionis iudican 



tur). 4) Notizen und Excerpte der Schuler iiber ge 
horte Vorlesungen und Declamationen (vgl. Quin- 
til. inst. II 11, 7 puerorum commentariis, in 
quos ea, quae aliis declamantibus laudata sunt, 
rcgerunt; dazu Peter I 236, 1); insbesondere 
die vollstiindigen, haufig ins Eeine geschriebenen 
Naehschriften der Vorlesungen (bei den Griechen 
vxourrjfiaia, axoXwa vxoptvrjpaTtx. dazu Birt a, 
a. 6. 346, 3); vgl. Quintil. inst. III 6, 59 sunt 



dae unter Tullus Hostilius). Im einzelnen werden 
erwahnt o. des Numa, nacli deren Angaben Tul- 
lus Hostilius das Opfer fur Iuppiter Elicius voll- 
zieht (Liv. I 31, 8; vgl. L. Piso bei Plin. n. h. 
XXVIII 14 libri Numae), und deren sacrale An- 
ordnungen Ancus Marcius in album elata propo- 
nere in publico iubet (Liv. I 32, 2, vgl. Dionys. 
Ill 36). Aus den vjio/nvrjuaza Numas wird ferner 
bei Plut. Marcell. 8 eine sacrale Satzung betreffs 



tnim, velut regestae in hos eommentarios , quos 30 der spolia opima angefuhrt, als deren Quelle 

anderwarts die leges Numae (Serv. Aen. VI 
860) oder eine- Pompili regis lex in pontifieum 
libris (Varro bei Fest. p. 189) genannt werden 
(vgl. Bruns Pontes 1 6 8f. n. 4). Nach Livius 
I 60, 4 wurden ex commentariis Servii Ttdlii 
die ersten Consuln gewahlt ; daneben fiihrt Fest. 
p. 246 (nacli Varro) technischc Ausdriicke der 
sog. scrvianischen Centurienordnung als von Ser- 
vius Tullius in discriptione centuriarum gebraucht 



adtdescens deduxerat, scholae (Grasberger a. 
a. O. II 306. Ill 383, vgl. 434). Wiederholt wur- 
den aus den unter 3) und A) erwahnten c. — 
mitunter wider Willen des Autors — von Schiilern 
und Freunden Editionen veranstaltet (vgl. Birt 
a. a. O. 346f.; u. S. 757). Dies gilt z. B. von 
Quintilians Declamationen (vgl. Inst. I prooem. 
7). Als altestes juristisches Collegienheft , das 
uns erhalten ist, sucht H. Dernburg (Die In- 



stitutionen des Gaius, ein Collegienheft aus dem 40 an, dann p. 249 aus der discriptio classium. 



J. 161 n. Chr., Halle 1869) die c. institutions Hi- 
des Gaius nachzuweisen (vgl. Grasberger III 
456f. P. Kr tiger Geschichte der Quellcn und 
Litt, des r. E. 184, 15. Teuffel-Schwabe^ 
§ 361, 4 : anders Kuntze Exeurse iiber r. It. 348). 
Nach Dernburg 34 cnthiilt dieses Werk die .Vor- 
lesungen des Autors, wie sie derselbe jedesmal un- 
mittelbar vor der Abbaltung niedergeschrieben 
hatte, vielleieht teilweise ergiinzt durch cine vor 



quam feeit Ser. Tullius, die Worte proeuiu pa- 
triciuM. wahrend Cic. orat. 156 die Genetiv- 
formen fabrum und procum aus den censor iae 
tabulae belegt (vgl. Mommsen St.-E. II :5 361. 
2. Ill 245, 1). Xach Mommsen (St.-E. 13 5. 
113 12, 3. 42, 3. Ill 245; ahnlich Karlowa 
Itechtsgesch. I 107f.) existierten dicse c. regum 
wirklich; er sieht in ihnen uralte, dalier den 
Konigen beigelegte Schemata und Instructionen 



der Veroffentliehung bejiutzte correcte und wort- 50 fur die Handhabung sacraler und magistratischer 



liche Niedersehrift eines Zuhorers' (fiber Spuren 
des Nachschreibens vgl. ebd. 45f. 50. 58. 62. 
65; weitere Beispiele von juristischen c. a. a. O, 
60]. Galens Lehrvortriige (hxouvtjuaza), die ihr 
Verfasscr keiner tr.bnot: t'tir wert hielt , wurden 
hinter seinem Bficken nach Privatnachschriften ver- 
offentlicht (Birt 346, 3). Auch die uns erhaltenen 
antiken Commentate zu Sehriftstellertexten gehen 
gewiss vielfach auf die miindlichenlnterpretationen 



Geschafte. die noch von den Gelehrteu der augu- 
stischen Zeit benutzt worden seien , und sucht 
a. a. O. II* 43f., 3 ihr Verhaltnis zu den sog. leges 
regiae naherzu bestimmen. Gegen die Auffassung 
der C. als Aintsinstractionen wird nnten (S. 747f. i 
das Xotige bemerkt wenlen ; aber auch in der 
modiflcierten Fassung, da^s gegen Ende der Ee- 
publik thatsiichlich amtliche Aufzeichnungen au> 
sehr alter Zeit vorhanden waren. die, wenn auch 



tier urammanter in uen ocnnien zurucK. b) Ex- 6u irrt-uuiiicii, ais c. regum gaiien, sciieini iiom m- 



<-erptsamnilungen aus Litteraturwerkcn ; vgl. z. B. 
die 160 unedierten c. electorum, die der iiltere 
Plinius seinem Neffen (Plin. epist. Ill 5, 17) 
hinterliess (Teuffel-Schwabe-i § 312, 2. Birt 
349, 2). 6) Entwiirfe und Brouillons litterari- 
scher Arbeiten ; so sagt Cic. de or. I 5 von seiner 
Schrift de inventione: jni-eris ant ailuleseenfnlis 
•nobis ex commentariolis nostris incohata ac rudia 



sens Annahme zu verwerfen. Ohne hier den 
schwierigen Fragen fiber die ijberlief'erung der 
sog. leges regiae naher treten za wollen, sei nur 
bemerkt, dass die c. regum lediglieli auf Hypo- 
thesen der spateren rOmischcn Antiquare bernheii. 
Bekanntlich liebte es die jiingere Annalistik, wie 
Dionysios und das I. Buch des Livius zeigen 
konnen, den mageren Stoff der KOnigszeit durch 






i29 



Commentarii 



Commentarii 



73a 









allerlei alte Satzungen und Pormeln , wie sie in 
den alteren nocli erreichbaren , zum Teil aber 
auch in den gleichzeitigen priesterlichen und 
magistratischen Aufzeichnungen tralaticisch waren, 
za erweitern und auszuschmucken ; und ebenso 
haben die Antiquare, wie Varro, manche uralten 
Eeehtssatze und Gebrauche , die ihnen unter- 
kamen , vermutungsweise auf einen oder den 
andern Konig , z. B. Numa oder Servius Tullius, 
zuruckzuftthren versucht. Daher die IJberein- 
stimmung des angeblich aus der KOnigszeit Her- 
ruhrenden mit den pontifieum libri oder den 
eensorme tabulae. Als man sehr bald auf das bios 
Hypothetische dieser Zuteiluugen vergessen hatte, 
construierte man fiir dasjenige, was als echtes 
Gut der Konigszeit gait, eine primare Quelle, 
auf welcher die spateren amtlichen Aufzeich- 
nungen und die Darstellungen der Annalen im 
letzten Grunde beruhen sollten , die flctiven c. 
regum, deren Originate man jedesfalls auch durch 
den gallischen Brand vernichtet sein liess. Das 
allmahliche Weiterspinnen der Hypothese lasst 
sich an den oben angeffihrten Beispielen im ein- 
zelnen noch deutlieh verfolgen. 

Litteratur: Schwegler EOm. Gesch. I 27. 
545. Mommsen St.-E. 13 5. 113 12,3. 42f., 3. 
Ill 245. Teuffel-Schwabe L.-G. 5 §72. 
M. Voigt Abb. der sachs. Ges. der Wiss. XVII 
(phil.-hist. CI. VII 1879) 647—664. Karlowa 
Bechtsgeseh. I 107f. The'denat Diet, des ant, 
I 1406 n. XIII. Bruns Fontesis Iff. 

b) Commentarii der Priestercollegien. 

1) 0. pontifieum werden bezeugt bei Cic. pro 
domo 136 (fur Ereignisse der J. 600 = 154, 631 
-= 123. Brut. 55. Liv. IV 3, 9. VI 1, 2. Quintil. 
VITI 2, 12. Plin. n. h. XVIII 14. Pest. p. 286 b, 
17 (hier als c. sacrorum pontifiealium; vgl. Fest. 
p. 165 a, 3. 360b, 17 c. sacrorum). Der Ausdrack 
acta, pontifieum (Marquardt St.-V. Ill 2 299) 
kommt nicht vor; dagegen werden in der Uber- 
lieferung libri pontifieum (pontifi-cii , pontifica- 
tes) erwahnt (Stellensammhmg bei Schwegler 
E, G. I 31f. P. Preibisch De libris pontif., 
Breslau 1874. Voigt 648; vgl. Marquardt- 
Wissowa St,-V. Ill 2 299, 4). Die erhaltenen 
Fragments stellt Tieibisch Fragmenta libro- 
rum pontificiorum (Progr. Tilsit 1878) zusaminen. 
Friihere Forscher, deren Ansichten bei Preibisch 
und Voigt 649f. zusammengestellt sind (vgl. auch 
E. H fi b n e r Jahrb. f. Philol. LXXIX 407ff. H. P e t e r 
Hist, Bom. rell. I p. IHIff. Teuffel-SchwabeS 
§ 73), machen einen Unterschied zwischen e. und 
libri pontifieum; noch Marquardt a. a. 0. 299f, 
definiert die libri als Instructionen fiir die Aus- 
ubung sacraler Handlungen, die c. als Aufzeich- 
nung der decrcta und responsa des Collegiums. 
Die Unhaltbarkeit dieser Unterscheidung, wekhe 
nach Eeifferscheids Vorgange von P. Prei- 
bisch a. a. 0. 4 und eindringlicher noch von 
f. Kegel i De aug. pubi. linns 3Uti. aargeiegt 
wurde (vgl. A. Eeifferscheid Jahresber. 
XXIII 274ff. "Wissowa bei Marquardt a, a, O. 
300, 4. 401, 5), ergiebt sich schon daraus, dass 
mehrfaoh Dinge, die nacli obiger Annahme als 
uralte Instructionen den libri entnommen sein 
miissten, aus den c. citiert werden iz. B. Plin. 
ii. h. XVIII 14 fiber das avgurium eanarium). 
Genau dasselbe gilt fiir die c. und libri augurum, 



welche Marquardt 4O0f. in analogcr Weise aus- 
einanderhalt ; auch hier werden sacrale Instruc- 
tionen. z. B. die Eegel love tonanie fulgurante 
eomitia populi habere nefas (Cic. de divin. II 
42) oder die Lehre von den aves augurales (Serv- 
Aen. I 398. Fest. p. 317 b, 31) aus den c. ange- 
fuhrt (Eegell a. a. 0. 30—41. Wissowa a. a. 0, 
401, 5). Bei Val. Max. I 1, 3 werden die nam- 
lichen Auguralbucher, die Plut. Marcell. 5 als foro- 

10 i-ivrmara citiert, libri genannt. Die unter anderen 
von Mommsen vertretene Annahme, dass die- 
priesterlichen libri und c, ebenso wie die magi- 
stratischen, Amtsinstructionen waren, wird u. S. 
747f. als unhaltbar nachgewiesen. Eine Vorstellung^ 
von der Anlage geben uns das cornmentarium 
ludorum saecularium der XVviri s. f. und die- 
Arvalacten. Danach waren die e. der Priester- 
collegien, wie die der Magistrate, Protocolle oder 
Eegister fiber die von ihnen yorgenommenen Amts- 

20 handlungen, unter welchen die Verrichtung der 
sacra (daher e. sacrorum) und die Verhandlungen 
und Beschlussfassungen (decreta und responsa j. 
vgl. Maerob. Ill 3, 1. Cic. pro domo 136) in 
sacralen Fragen bei den Pontiflces und Augurn 
von besonderer Wichtigkeit waren. Wie ausfuhr- 
lich und detailliert die Aufzeichnungen iiber die- 
sacra waren, zeigen sowohl die Saecular- als auch 
die Arvalacten; aber auch in den Beratungspro- 
tocollen scheinen die abgegebenen Meinungen aufs 

30 genaueste verzeichnet worden zu sein ; vgl. Cic. 
Brut. 55; possumus . . . suspicari disertum 
. . . Ti. Coruncanium (cos. 474 = 280; Poutifex 
maximus), quod ex pontifieum commentariis longe 
plurimum ingenio valuisse videatur (dazu Jor- 
dan Herm. VI 199f. Voigt 649,213). Die aus 
den c. und libri pontifieum angefiihrten Formu- 
lare fur gottesdienstliche Handlungen (Serv. Aen. 
II 351, vgl. IV 577. IX 641. Schol. Bern, in 
Verg. Georg. IV 230, vgl. Serv. Aen. VIII 173; 

40 dazu Voigt 655) werden. wie die erhaltenen c. 
zeigen, den Protocollen fiber verrichtete sacra 
entnommen sein, soweit sie nicht etwa unter den 
decreta des Collegiums standen. Von den bis auf 
Mucius Seaevola (zwischen 624 = 130 und 64<i = 
114) gefiihrten annates pontifieum, unterschieden 
sich die C. wohl dadurch, dass sie die Bcratungcn 
und Decrete fiber die Vornahme jener sacra ent- 
liielten, deren offentliche Bekanntuiachung dann 
mit kurzer Angabe des Anlasses durch die fiffent- 

501ich proponierte Pontificaltafel erfolgte. In der 
Kaiserzeit wurden die c. pontifieum jedesfalls im 
Kamen und Auftrag des Princeps als Pontifex 
maximus gefiihrt. Wahrend das Schreibgeschaft 
der Protocollierung bei den Pontiflces in republi- 
canischer Zeit (bei den XVriri s. f. and den Ar- 
valen noch unter den Kaisern) wahrscheinlich von 
servi pnblici besorgt wurde, waren in der Kaiser- 
zeit kaiserliche Beamte damit betraut; vgl. CEL 
VI 8878 = Dessau 1685 (kaiserlicher Freige- 

buiassener; unter Marcus; prox{tmus/ a noi(is/ 
sacerdotal(ibus). Dagegen sind CIL VI 968.* 
964 *, die einen Freigelassenen der Livia als scriba 
a libfrisj pontificalibus erwahnen, ligorianische 
Falschungen (vgl. Hirschfeld Verw.-Gesch. I 
202, 2 und bei Friedlaender S.-G. I« 182. 
W. Henzen Commentationes Mommsen. 633). 
Neben den e. hat es besondere acta pontifieum, 
wie sie z. B. Marquardt a. a.' 0. 299, 5. 



731 



Commentarii 



Commentarii 



732 



Buggiero Dizion. II 546 annehrnen, nicht ge- 
geben. 

2) Commentarii augurum werden erwahnt 
l>ei Cic. de divin. II 42. Serv. Aen. I 398. Fest. 
p. 317 b, 31; gleichbedeutend sind die libri au- 
gurum oder avgurales (StellensammluTig bei V o i g t 
648. Eegell a. a. 0.;_vgl. Kuggiero II 546). 
Auch sie enthielten , wie die e. pontificu-m, Pro- 
tocolle der sacralen Handlungen und der im Col- 
legium abgehaltenen Beratungen mit den Ent- 10 
scheidungen (responsa, decreta); s. unter 1). Vgl. 
H. Galetschky Fragmenta auguralia, Progr. 
Gymn. Ratibor 1875. P. Eegell De augurum 
•publ. libris, Diss. Breslau 1878. Reifferscheid 

a, a. 0. 275f. Mommsen St.-E. I» 4, 2. Mar- 
quardt-Wissowa St.-V. Ilia 400f. Teuffel- 
Schwabe § 77, 1. Bouche- Leclercq Diet, des 
ant. I 554. Wissowa o. Bd. II S. 2323f. 

3) Commentarii XVvirum sacris faeiundis 
werden von Censorin. de die nat. 17, 9. 10. 11 20 
■zur Feststellung der Jahre, in welchen Saeeu- 
larfeiern stattfanden, herangezogen (T euff el- 
Schwab e § 77, 3). In dem Fragment CIL VI 
"2312 erscheint ein Staatssclave (publicus) in der 
Stellung a commentaris XVvirfttmJ s(acris) f(a- 
eiwndis). Ausschnitte aus diesen fortlaufenden 
Protocollen sind die inschriftlich auf uns gekom- 
menen officiellen Berichte fiber die Saecularfeiem 
nnter Augustus im J. 737 = 17 (bezeichnet als 
eommentari[um ludorum eorum], Ephem. epigr. 30 
Till p. 229 Z. 59—63 = CIL VI 877) und unter 
Septimius Severn s (iiberschrieben [comniejntarium 
[ludorum saecu]lar[iu]m [se]ptim[oram qui 
facti sunt u. s. w. Ephcm. epigr. VIII p. 278 Z. Iff.) ; 
vgl. Kuggiero Diz. II 537. 546. Diese zwei 
Urkunden geben uns gleich den sog. Arvalacten 
eine sehr deutlicbe Vorstellung von Inhalt und 
Anlage priesterlicher Commentarien ; in chrono- 
logiscber Aneinanderreihung enthalten sie eine 
•eingehende Schilderung des Rituals der Opfer40 
und Spiele, den Wortlaut der verrichteten Ge- 
fcete, ferner das Senatusconsult, welches die Feier 
anordnete, die verschiedenen Edicte der Quinde- 
ciroviri u. s. w. Die zum Teil wcrtliche Uber- 
einstimmung beider Berichte in der Protocollie- 
rung und in den Formularien zeigt, dass man bei 
der severischen Feier auf die c. der friiheren Saecu- 
larspiele als Formelbiicher zurtickgriff (u. S. 748). 
Vgl. aber Marquardt-Wissowa St.-V. III2 
388, 6. _ 50 

4) Auch die seit Marini als acta frafrum 
Arvalium bezeichneten, inschriftlich erhaltenen 
Aufzeichnungen (vgl. Wisso wa o. Bd.II S. 1464ff.) 
haben vielleicht, wie Kuggiero Diz. II 537f. 546 
bemerkt, im Altertume den Titel e. gefiihrt. In 
CIL VI 2067 ii 5 wird ein comm(entariensis) 
als anwesend bei der elatio ferri im J. 221 er- 
wahnt, ebenso in CIL VI 2103 a Z. 4. 11. 2104 b, 
30 (vjrl. 2105, 18) ein public/us) a commenftaris) 
Ijrairum Ar/atiumj (dazu Henzen Acta ir. Arv. tjo 
134). Auf Grand der Niederschrift in den e. er- 
folgte alljahrlich im April oder Mai die Ein- 
meisselung der Protocolle in Marmor. Uber An- 
lage und Inhalt der A rvaleommentarien vgl. nnter 3 1. 

c) Commentarii magistratuum. Die 
Amtsbucher der Magistrate heissen in alterer Zeit 
technisch tabulae pitMicae (z. B. Cic. in Vat. 34 ; 
j>ro Balb. 11) mit Hinzusetzung des Namens des 



Beamten, in dessen Auftrag sie gefiihrt werden; 
daneben erscheint, da mehrere tabulae zu einem 
codex (s. d.) zusammengefasst wurden, der Ausdruck 
codices (Cic. Verr. 1119. Plin. n. h. XXXV 7 u. 
S. 755 ; vgl. Senec. de brev. vitae 13, 4 publicae 
tabulae codices dicuntur. CIL X 7852 u. S. 733. 
Mommsen Strafr. 514, 2). Uber den Ausdruck 
monumenta vgl. u. S. 755 ; M o m m s e n Strafr. 5 19, 2. 
In der Zeit Ciceros und Varros wurde, vielleicht 
weil damals neben den Wachstafeln Papyrus als 
Schreibmaterial fur die Amtsbiieher in Aufnahme 
kam (u. S. 750), neben tabulae die allgemeinere Be- 
zeichnung c. (commentarium) iiblich, welche, ebenso 
wie das griechische vnofivn/iaria/iol (rjiofivrifiaza,\gl. 
VMOfirTi/iari&ir, vizo/ivr/fiazoyQaqtos), in der Kaiser- 
zeit fast ausschliesslich gebraucht wurde (Momm- 
sen a. a. O. 514, 3). Mit der stetig fortschreitenden 
Specialisierung der amtlichen Aufzeichnungen 
schwindet dann, schon seit dem 3. Jhdt., die Be- 
nennung c. aus dem officiellen Sprachgebrauch, 
der indessen die Ableitung commentariensis bis 
in die spateste Zeit beibehalten hat. Die ver- 
schiedenen Kategorien der Amtsbucher heissen seit- 
dem acta (s. d.), gesta (Belege Mommsen Strafr. 
514, 5. 6), cottidiana und regesta (so z. B. die 
Protocolle der bei den richterlichen BehOrden ein- 
laufenden, fur die Entscheidung massgebenden 
kaiserlichen Kescripte; vgl. P. Kruger Gesch. 
der Quellen des r. R. 276, 105. Mommsen 
Ztschr. der Savigny-Stiftung X Kom. Abt. 350) ; 
daneben kam vielleicht auch in neuer Anwendung 
die Bezeichnung codex fur Rescriptsammlungen in 
Blattform auf (Mommsen a. a. O. 349f.). 

1) Commentarii consulares (vgl. Voigt 649ff.). 
Unter der Oberschrift in commentaries consular/ - 
biis scriptum sic invent fiihrt Varro de 1. 1. VI 
88 eine Darstellung der Berufung der Centuriat- 
comitien durch den Consul an, die nach Momm- 
sen St.-R. 13 5f- 4 cine schematisch gefasste 
Instruction fur diese Amtshandlung vorstellen soil, 
in Wirklichkeit aber wohl einer Aufzeichnung 
concreter Vorgange entnommen ist (u. S. 747f.). 
Auf derselben nicht mehr haltbaren Auffassung 
der magistratischen commentarii als Instruc- 
tionsbucher beruht die Vermutung A. Reiffer- 
scheids (Rh. Mu.s. XV 627). wonach das Citat bei 
Velius Longus G. L. VLT 74 (Saturnier?) oriins 
consul magistrum povpuli dicdt den c. consula- 
res entnommen ware (ebenso Mommsen a. a. 0. 
Teuffel-Schwabe* § 78, 1). Nach den in- 
schriftlich erhaltenen Acten des Processes der Oro- 
pier gegen die rOmischen Steuerpachter (Momm- 
sen Hfsrm. XX 268ff. Bruns Fontes 16 172ff. 
n.40. Dittenberger IGS I 413; Syll. 12 334; 
vgl. Viereck Sermo gr. 35 n. XVIII) wurden die 
von den Consuln unter Beiziehung des Consiliums 
gefallten Entscheidungen in vxouvt)uaza einge- 
tragen (Mommsen St.-R. IP 109, 1); vgl. Z. 31 
I yvoifirjv) elg ztfv tojv v^onvr}it&TCov bk}.jov y.axr- 
X<OQioafiev. L. 57li. nv xtjj ovupov/.w} xagrjoar 
oi avTot ol Ifji jiQayfidrojv av^i^E^ov/^vftsrofv de/.zto 
7tQU>%rj, xr]Q(o/taTi leooapsoxaideicdTCp, dazu S. 749. 
Nach' Wilamowitz Henn. XXI 103, 1. Viereck 
a. a. 0. Dittenberger Syll. I" p. 542, 48 (da- 
gegen Mommsen bei Bruns 16 176, 6) bezieht 
sich die Verweisung Z. 57ff. auf die amtlichen 
Aufzeichnungen des L. Cornelius Sulla (cos. 674 
= 80 v. Chr.); die res de consilii sententia actae 






733 



Commentarii 



Commentarii 



r34 



wurden demnach , wie Dittenberger a. a. 0. 
hervorhebt, getreimt von jenen Entscheidungen, 
bei welchen ein Consilium niclit beigezogen wurde, 
in einem besonderen Journal aufgezeichnet , in 
welchem auch ein einschlagiges Senatsconsult 
(Z. 51ff.) protocolliert wurde. Dagegen nimmt die 
Erwahnung in Z. 31 Bezug auf die e. der gerade 
im Amte befmdlichen Consuln des J. 681 = 73 
v. Chr. (Dittenberger a. a. 0. p. 540, 35). 

2) Commentarii censorii bezeugt Dionys. 1 10 
74, 5 : SrjXovrai 6k it; ccU.cdv re nolltov xai %<Hv 
xaXovfAsvojv tifiyzixtov v3TO/i.-yrjfiaT(ov, a SiadeftETai 
naig sragd noudos xal szsq'i sioXXov noislzai rots 
[ie&' lavtov soo/iivoig wtmsQ Tiazgom siagadtdovai ■ 
jzokXol 5 1 Eioiv ano za>v zifiijzixmv oXxow avdget; 
szcMpaveTg ol diacpvl.atzovzsg avzd; er fuhrt daraus 
den Census von 361/2 = 393/2 v. Chr. an. Ohne 
Zweifel sind damit identisch die tabulae censoriae, 
aus welchen Varro de 1. 1. VT 86f. eine Anord- 
nung Tiber die Berufung der Volksversammlung 20 
wiedergiebt (u. S. 747), und die censorii libri 
(Mommsen St.-R. lis 361. Teuffel-Schwabe 

§ 78, 2. 3). 

3) Aus einem comtnentarium . . . vetus an- 
quisitionis M. Sergii Mani filii quaestoris, qui 
capitis aeeusavil Trogum, fuhrt Varro de 1. 1. VI 
90ff. einiges an (vgl. Her zog Staatsverf. 1816, 1). 
Von den hier gegebenen Anweisungen (§91. 92; 
im Imperativ der 2. Pers. Sing.), um derentwillen 
Mommsen St.-R. is 51. 4 auch dieses eommen- 30 
tarium zu der Classe schematischer Dienstinstruc- 
tionen fur die Magistrate rechnet (vgl. u. S. 747f.), 
wird die eine (92) ausdriicklich als caput edicti 
bezeichnet. Es liegt also hier (und wohl auch 

in § 91) der Wortlaut eines fiir den concreten 
Fall erlassenen Edictes vor, das — wahrscheinlich 
von einem der Consuln , deren Gehiilfen in der 
Strafrechtspfiege die Quaestoren waren — als 
schriftliche Instruction fur die gegen einen gewissen 
T. Quintius Trogus (90. 92) zu fuhrende Vor- 40 
untersuchung (anquisitio, vgl. Mommsen Strafr. 
164f. mit A. 3) an den Quaestor M. Sergius ge- 
richtet und von diesem in die fortlaufende Auf- 
zeichnung der Amtshandlung mit aufgenommen 
worden war. Vgl. Teuffel-Schwabe § 78, 1. 

4) Aus den C. d*>r spielgfbpndpn Magistrate, 
besonders der Aedilen, stammen wohl zum Teile 
die erhaltenen Didaskalien zu den Stiicken des 
Terenz. Auf antiqui commentarii beruft sich 
Cic. Brut. 72 fiir die Auffiihrung eines Stiickes 50 
des Livius Andronicus im J. 514 = 240 (Teuffel- 
Schwabe § 94, 2). Zu den veteres commen- 
tarii bei Cic. Brut. 60 vgl. ebd. § 95, 4. 

5 1 Commentarii der Provinzstatthalter. Auch 
fiir diese ist in alterer Zeit die technische Bezeich- 
nung tabulae publicae mit Hinzusetzung des Be- 
amtennamens im Genetiv (Mommsen Strafr. 514. 
2). daneben codex (Cic. Verr. I 119. Mommsen 
a. a. 0. 514f., 7). So ist noch der Auszug aus 

J. 68 n. Chr., CIL X 7852 (Mommsen Henn. 
II 102ff. in 167ff. Bruns Fontes 16 231f. nr. 67), 
der die Entscheidung in dem Grenzstreite zweier 
sardinischer Gemeinden enthiilt, iiberschrieben 
deseriptum e.t recognitum ex codiee ansato L. 
Helvi Agrippae proconsvlis . . . tabula V ( = 
cera x^gmfia'i u. S. 749f.) VIII et Vim et X. 
Synonym mit tabulae (Verr. Ill 26) braucht schon 



Cic. Verr. V 54 den Ausdruck commentarius von 
dem Amtsbuch des Verres, aus welchem er ein 
deeretum de consilii sententia citiert (Mommsen 
Strafr. 418, 6. 514, 3). Fiir den spateren techni- 
schen Sprachgebrauch geniigt es, auf die niilitari- 
schen Subalternen a eommentariis und eommen- 
tarienses (u. S. 762f.) hinzuweisen (Mommsen a. 
a. 0. 418, 6. 514, 3). Wahrend die militarischen 
Aufzeichnungen (acta im engeren Sinne) undDienst- 
stucke von dem aetarius ausgefertigt wurden, be- 
zogen sich die Protocolle der eommentarienses, die 
c, anscheinend bios auf die Civilverwaltung ; vgl. 
Veget. II 19, wonach neben den militarischen 
Acten res annonaria vel cwilis polyptychic (dazii 
u. S. 749) adnotatur. Dass innerhalb dieses Be- 
reiches wieder ein gesondertes Protocoll fiber die 
acta civilia im engeren Sinne — im Gegensatz zur 
Criminalrechtspflege — gefiihrt werden konnte, 
.scheint der eommfentariensisj ab aetis euilibfmj 
CIL II 4179 anzudeuten (vgl. u. S. 763). 

Aus den C. der Statthalter, wie anderer richter- 
licher Beamten, stammt vielleicht zum grOsseren 
Teile. was die Martyreracten an echtem Gute ent- 
halten; vgl. LeBlant Nouv. rev. hist. Ill 463f. 
M itteis Reichsrecht und Volksrecht 175f. Mom m- 
sen Strafr. 404, 4. 520, 2. 

Ausfuhrliche Ausziige aus den griechisch ge- 
schriebenen vjioj.tvtjfiaTWf.wl der pracfecti Aegypti, 
mit deren bei Lukian apol. 12 (u. S. 764) geschil- 
derter Herstellung der xeoaoSoxotoc; genannte 
Canzleidirector (uber diesen u. S. 764) betraut war, 
iiberliefern die Papyrus. Vgl. z. B. UBM I 114 
col. I 1—13 (Auszug aus dem Tagebuch des 
Praef. Aeg. Lupus vom J. 117 n. Chr.; dazu U. 
Wilcken Phil. LEI 107 nr. 4. 109); ebd. II 388 
(Protocoll uber die Vorverhandhing in einem Cri- 
minalprocesse vor einem Praef. Postumus, Ende 
des 2. Jhdts. ; neu ediert von Mommsen Ztschr. 
der Savigny-Stiftung XVI Rom. Abt. 181ff.; vgl. 
Erman-Krebs Aus den Papyrus der kgl. Museen 
127ff. ; u. S. 764). Grenfell und Hunt The 
Oxyrhynchus Papyri I p. 84 nr. 40 (Copie aus dem 
Amtsbuche des Praef. Val. Eudaemon). II nr. 237 
col. VII 19ff. (Protocoll uber eine Gerichtsverhand- 
lung vor dem Praef. Flavius Titianus im 12. Jahre 
Hadrians). Eine Absehrift ty. roy.ov fv^oJ/.ivtj/j.a- 
ziofiwr [B]).aiolov Ma[()Jiarov endgftov ajtstoijg 
[x]ow[z]rfq <Plaoviag Kdi[x]cor [ijmzixiji, enthal- 
tend das Protocoll uber einen Erbschaftsprocess aus 
dem J. 124, in welchem der genannte Cohortenprae- 
fect f'£ dvaTzofiTifj; (ex delegatione) des Praef. Aeg. 
Eicliter war, giebt ein Wiener Papyrus (Corp. papyr. 
Rain. I 51ff. nr. 18. Mommsen Ztschr. d. Savignv- 
Stiftg. XII Rom. Abt. 284ff. Bruns Foutesis 364ff. 
nr. 160 a); ein anderes avxiyocupov aus einem solchen 
Protocoll ist CBM I 19 vom J. 135 (Mommsen 
Ztschr. a. a. 0. XIV Iff. Bruns 16 367f. nr. 160b. 
Th. Reinach Xouv. rev. hist, du droit frang. et 
etr. XVH off. Wilcken a. a. 0. 107 nr. 5). Auf 

weist wohl auch der eommfentariensisj tribfuni 
sexmestris) CIL VIII 2586 (u. S. 762). Commen- 
tarii custodiarum des Provinzstatthalters u. S. 760. 
Zu den C. gehOren wohl auch Berichte der Statt- 
halter iiber ihre Kriegfiihrung (u. S. 757f.). Dass 
auch iiber die Burchfuhrung amtlicher Auftrage 
von kiirzerer Dauer Vormerkungen und Berichte 
in Form von c. gemacht wurden, zeigt z. B. das 



735 



Comrnerrfcarii 



Oommentarii 



T66 



Edict des Claudius vom J. 46 OIL V 5050 (= Zweige der amtlichen Thatigke.it des Kaisers braehte 

Dessau 206. Bruns 18 240f. nr. 74) Z. 20. es daim mit sich, dass das eigentliche Tagebuch 

Den tibergang zu den c. prineipales mogen immex mehr auf die ausseramthchen Vorgange be- 

bilden die schrankt wurde und darin hauptsachlich, wie u. a. 

6) Commentarii des Dictators Caesar (com- die aus den ephemerides schopfenden Kaiserbio- 

mmtarii C. Gaesaris z. B. bei Cic. Phil. II 95. graphien (S. 737) zeigen, Gegenstande der hOfischen 

V 11- aetorum eiusdem commentarii Veil. II 60; Lebensfiihrung und Representation, wie die Em- 

BiBUa rov KaCoaqog, h olg i^o/iv^fiata i&v xe- ladungen, das Menu u. dgl. Platz flnden mochten 

xoi/uhoiv xai dedo m eva>v fy dvayeyoafifiera Plut. (Mommsen St.-R. IIS 907, 1; anders W llcken 
Ant 15; ra i'jtofivij/xara t&v /te/fov/rWjiisVan'Appian. 10 116). 

bell. civ. Ill 5; yodfi/iara rov Kaioaoog Dio XLIV So sicber es ein eigenes Hofjournal gegeben 

53, 2; in dem Briefe des Antonius an die Aphro- hat, so zweifelhaft ist seine techmsehe Benennung 

disier CIG II 2737 = Bruns Fontes 16 I77ff. in der ersten Kaiserzeit. Vielleicht gehort hieher 

nr. 41, um das J. 712 = 42, Z. 27 f. als Smwaiac Suet. Aug. 64, wonach Augustus den Danien seines 

deXtoi, Z. 51 als yodppara Kaioapog bezeicbnet). Hauses verbot, irgend etwas zu reden ntstpropa- 

Diese Commentarien, welche infolge der Bestati- lam et quod in diurnos comme.ntarws referretur 

gung der acta des ermordeten Caesar (17. Marz 710 (Peter a. a. 0. 1 371); Wilcken 116 bezieht diese 

= 44) grosse Bedeutung gewannen und von Anto- Nachricht allerdings auf die tkurna aetorum sen- 

nius im weitesten Umfange durch Einschube und phcra (Tac. ami. Ill 3), d. h. die acta diurna popuh 
Zus&tze (Veil a. a. O insertis fa/sis viliatisque 20 Romani. Cbrigens wurden auch die letzteren 

corrupti; Plut. a. a. O. naoeyyodepwv) verfalscht wenigstens in spaterer Zeit von einem kaiserlichen 

wurden, enthielten u. a. Volks- (Dio) und Senats- Beaniten redigiert (Peter I 21 2f, dazu noch der 

beschliisse (Insehrift von Aphrodisias) , Staats- militarische optto ab actis urbt CIL VIII 4874) 

vertrage, Decrete (Cic.) und Urteile (Plut. App.). und schopftcn sieherlich den grOssten leil lhrer 

Verleihungen der Irnmunitat, Civitat. der Stellung Nachrichten aus den commentarii principis. Auch 

einer civitas libera, Abtretungen von Landereien bei Sueton Domit. 20 {praeter commentaries et 

(Cic Phil. V 11. 92; vgl. Dio a. a. 0.|, Adlectionen acta Tiberii Caesaris mini leehtabat) wird man 

in den Senat (Plut.). Viele dieser Verordnungen unter commentarii vielleicht das Tagebuch (da- 

wurden auf Veranlassung des Antonius auf Erz- neben aber auch die kurzen personlichen Aut- 
tafeln (tabulae aeneae) offentlich proponiert (Cie. 30 zeichnungen des Kaisers; vgl. Suet. Tib. 61; u. 

Phil II 37. V 11. 92). Vgl. Drumann Gesch. S. 758), unter acta die oi'ficielle Auizeiehnung 

Eom'sI108rT. Gardthausen Augustus I 34. 42f. der Regierungshandlungen verstehen durfen (vgl. 

1113,38—45. H.Bresslau Ztschr. derSavigny- Moinmsen St.-R. 113 869, 1. Peter I 90. 205, 3. 

Stiftung VI Rom. Abt, 265. Thedenat Diet, des ant. I 1405 n. 4l. Tage- 

d) Commentarii principis. Die Fiille der biicher Caracallas sind vielleicht m der lucken- 

Geschafte, die vom Princeps oder in seinem Namen haften Stelle Dio LXXVIII 2, 2 gememt: if 

erledi"t wurden, fiihrte von selbst zu einer weit- BiB/M,> tw xeoi aciov yoosfhri (Peter I 371 mit 

gehenden Specialisierung der amtlichen Aufzeich- A. 4). Mit diesen C. der alteren Zeit ist jeden- 

nungen. so dass z. B. die kaiserliche Rechtsprecliung falls identisch und nur m der Benennung von den 
(S 743f.), die Erlasse nach ihren verschiedenen 40 zahlreichen andereu kaiserlichen C. differenziert 

Formen (S. 737ff.), die Gnadenacte (S. 74111'. i. die die kaiserliche ephemeris des 3. Jhdts. zuerst 

sacrale Thiitigkeit des Kaisers als Pontifex maxi- erwahnt unter Alexander Severus OIL III 536 

mus (S. 745) in besonderen Coinmentarienrollen ge- (= Dessau 1575), wo em Freigelassener des 

bucht wurden. Neben diesen chronologisch an- Kaisers als procurator) ab epltemende genannt 

geordneten Protocollen und Verordnungsjournalen, wild (dazu Mommsen St.-R. 113 907, 1. ^Fried- 

vvelehe II. Bresslau Ztschr. d. Savignv-Stiftung Under I« 199. Hirsehfeld \erw.-Gesch I 

VI Rom. Abt. 24211'. zutreftend mit den mittelalter- 206. 1. Peter I 850f. Rnggiero Diz. II 54.i 

lichen Registerbuchem vergleicht. bestanden als Wilcken 116). Die \ ermutung Hirschtelds 

notwendige Erganzung seit jeher bei Friedlander, dass diese sonst niclit bezeiigte 
1 1 Kaiserliche c. in Tagebuchfonn. Das Vorbild 50 Procuratur von Alexander Severus 111 Nachaftung 

derselben sind wohl nach einer Vennutung von Alexanders des Grossen, dessen EpheniendenEume- 

Casaubonus i'zu Suet. Aug. 6I1, die von Fried- nes von Kardia fiihrte, geschailen wurde, 1st wolil 

lander S.-G I" 199. 204. Wilcken Phil. LIII entbehrlieh; man kanD den proc(itrator) Aug fust 1) 

llOf undP\'terGeschichtl.Litt.I276angenommen ab actis urbis (CIL VIII 11813. Peter I 213._ 

wird, die Ephemeriden der hellenistischen Fiirsten, 35 li vergleichen. Danebeii erfahren wir von hbn- 

welche -TuiTa ro /.e-opera y.al xoaaooiteva ver- lintei. welche die ephemerides Ameham enthielten, 

zeiehneten (Wilcken lllf.). Eine .Mischung von und worin ipse cotidiana sua scrihi yraeeeperat 

Hof- und Geschaftsjoumal' (Wilcken 117). boteii (Hist. Aug. Aurel.^1, 6f. H. Peter_Die Scriptores 

die Tagebucher des Princeps die unentbehrliche hist. Aug. 165; Gesch. Litt I 371. 3. 376,^11. 
I bersicnt uber seine iresamte aiiiiiicuc unu aus^ei- uwDao iiua'«i»^'^ '"""■""" ^...-^ r < --■ ..;- -,.■■■-- 

amtliche Thati^keit und die taglichen hauslichen meride bekleideten vielleicht auch Paltunus Sura, 

Vorgange am llofe. wobei die Erledigung jener qui ephtmeridas ems (des Gallienus) citae com- 

\genden, fur welche besondere r. bestanden, natiir- posuif (Rist. Aug. Gall. 18. 6). und Turdulus 

lich nur "anz knapp vermerkt wurde. Im kleinen Gallicanus, der Vcrfasser einer von Vopiscus (Hist, 

creben un" ein Bikl davon die von Wilcken be- Aug. Prob. 2, 2. ^g\. 3. 4. 5. l^bemitzten ephe- 

handelten i:-zourr,itanouoi eines agyptischen Stra- meris (wohl des Probusi; vgl. Friedlander 1" 

te<-envomJ. 232 |S. 746i. Die stetig zunehmende 199. Peter I 371. 4. Den Inlialt dieser ep/teme- 

Einfuhrang besonderer Re"isterbucher fur alle rides, in welchen die eigenthchen Begiernngshand- 



F37 



Gonimentam 



Commentarii 



738 



lungen, fur die es besondere Protocolle gab, nur p. 419f. Bresslau Ztschr. a. a. O. 256. O. Kar- 

ganz kurz vermerkt waren, zeigen am besten die Iowa Rechtsgesch. I 651; Neue Heidelb. Jahrb. 

aus ihnen geschSpften anekdotischen Nachrichten II 142. 144. 146, 2. VI 213. Max Memelsdorff 

des Scriptores historiae Augustae. De archivis imperatorum Rom., Diss. Halle 1890, 

Litteratur: Mommsen St.-R, IP 907, 1. Ill 5 If. 54, 4u. s.w.) bittet derPetent den Kaiser Anto- 

1018. Thedenat Diet, des ant. I 1405. Fried- ninus im J. 139 um Gewahrung der Abschrift einer 

laender S.-G. 16 199. 204. U. Wilcken Phil. Verfiigung Hadrians zu Gunsten der Smyrnaeer aus 

LIII 116f. Ruggiero Diz. epigr. II 542f. H. den e. : xehvoai doftrjval /xoi xa avrlygaya x&v 

Peter Geschichtl. Litt. der rOm. Kaiserzeit I 231. v.-io/.tvmidjcov, t&j xai 6 &sog naz^a ovvey&Qnoev. 
370f. 10 Unterhalb dieses libellus steht die kaiserliche Be- 

2) Commentarii fiber die von den Kaisem ge- willigung als Rescript (sententiam divi patris_ 

fiihrten Kriege. Auf solche Feldhemijournale, mei, si quid pro sententia dixit, describere tibi 

nicht etwa, wie zumeist angenoininen wird, auf permitto) mit dem Vermerk reseripsi reeogfnovi) 

eigentliche Geschichtswerke, beziehen sieh hOchst und der Actenzahl (?) undevieensimus. Es folgte 

wahrscheinlich die Anfiihrungen der vjio^ftaia darauf die beglaubigte Abschrift der Verordnung 

der Kaiser Vespasian und Titus fiber den jiidi- aus den c, eingeleitet durch die erhaltene An- 

schen Krieg bei Josephus (Peter Hist. Rom. fuhrung der siegelnden Zeugen, welche die Con- 

fragm. 3061'.; Gesch. Litt. I 374. Teuffel- formitat bestatigen, und durch den (gleichfalls 

Schwabe § 311, l'l und der Daciea Traians erhaltenen) Editionsauftrag an zwei Archivbe- 
(Peter Hist. frg. 3231'.; Gesch. Litt. I 374. 20amte: Stasime, Bapeni, edite ex forma senten- 

Teuffel-Schwabe § 330, 2). Hieher gehOren tiam vel constitutionem (dazu u. S.^755). Von 

wohl auch die von den epJiemerides verschiedenen spateren Kaisem werden gleichfalls Sammlungen 

Aufzeichnungen fiber Kriege Aurelians (Hist. Aug. von Constitutionen angefuhrt; s. Dig. XXVII 1, 

Aurelian. 1, 6 bella eliaractere Mstorico digesta). 6 § 8 i v rmg rov ftaortso); Kofipodov diard^air ; 

3) Commentarii fiber die Verhandlungen des Brunet de Presle und Egger Notices et ei- 
Princeps mit Gesandtschaften wurden, wie es traits XVIII 2 11. 69 (unter Alexander Severus) 
scheint, unter Leitung des Bureauchefs ab epi- dslai diard&s; Nov. 25, 6 (unter Iustinian) ro 
stulis, der zugleich mit der cura legationum be- rwv tisimv f/fitov Siatd^ecav fitfiliov, 26, 5 to rwr 
traut war, gefiihrt. Der Bericht iiber eine zwi- vouwv BtBliov u. a. (Bresslau a. a. 0. 258,1. 
schen dem Kaiser (Traian?) und einer alexandri- 30 Cuq a.a.O. 421f.). Diese officiellen Commentarien 
nisch-iiidischen Abordnung gepflogene Unterredung der kaiserlichen Archive sind, wie B r e s s 1 a u Ztschr. 
(U. Wilcken Herm. XXVII 464ff.. vgl. XXX 4611'. d. Savigny-Stift. VI Rom. Abt, 247— 254 ausflihrt, 
Reinach Revue des etudes jnives XXVII 69ff.) eine Hauptquelle fiir die erhaltenen amtlichen und 
ist zwar jedenfalls aus den v.-TOfivmiauo/wi der privaten Gesetzsammlungen (Codex Gregorianus, 
Gesandten selbst geschopft , geht aber , wie Theodosianus, Iustinianus 11. s. w.) gewesen ; nach 
Wilcken a. a. 0. XXX 496ff. wahrscheinlich Bresslau lassen viele Stucke namentlich des 
macht, mittelbar auf ein lateinisches Original Codex Theodosianus und der Novellensammlungen 
— vermutlich die kaiserlichen Gesandtschafts- in den beigefiigten Kanzleivermerken diese Prove- 
protocolle — zuriick. Dagegen scheint UBM II nienz deutlich erkennen. Dieser Annahme wider- 
511 (dazu S. 744) aus den Protocollen iiber die 40 spricht allerdings, was die Zeit seit Diocletian be- 
kaiserlichc Cognition herzuruhren. trift't, 0. Seeek Ztschr. d. Savigny-Stift. X Rom. 

Auch iiber das, was bei den sonstigen Em- Abt. 8ff. ; nach ihm hOrte, seit Diocletian an die 
pfangen und Audienzen (admiss'iones : s. d.) des Stelle der Hofburg (palatium) das bestiindig wan- 
Kaisers sich ereignete und verhandelt wurde, dernde Hoflager (comitatus) gesetzt hatte, die 
wurden Protocolle gefiihrt. In der sicher aus Miiglichkeit einer geordneten Archivverwaltung 
den kaiserlichen C. geflossenen merkwiirdigen und' damit auch der Eintragung samtlicher kai- 
Excerptsammlung des Dositheus Ober divi Ha- serlicher Gesetze und Rescripte in die bisher ge- 
driani sententiae et epistidae (ed. Bcicking Cor- fiihrten e. auf. Daraus erklart sich nach Seeek, 
pus iur. anteiust. I 201ff.) sind miindliche Ver- dass fiir den Codex Theodosianus nicht ein kai- 
handlungen Hadrians mit Bittstellern in grosser 50 serliches Centralarchiv , sondern die Provincial- 
Zahl (vgl. § 2. 4. 5. 7. 8. 10—14) neben ein- archive bis in den fernsten Westen bin ausge- 
zehien Rescripten auszugswei.se iibevliefert, Proto- beutet wurden ; der Gebrauch der c. principum 
eolle der gleichen Art setzt auch das wohl er- sei auch spater, als die Kaiser wieder standige 
sohwindelte Citat Hist. Aug. Aurelian. 12. 4ff. Wohnsitze nabmen, nicht erneuert worden. In- 
voraus. wo ex libris Acholi. qui ma-gister ad- dessen haben die Ausfiihrungen Seecks insbe- 
missimum Valeriani principis fuit, libro ac- sondere bei Mommsen Ztschr. d. Savigny-Stift. 
Umun eius nono ein austuhrlicher Bericht iiber X Rom. Abt. 351 zum Teil berechtigten Wider- 
den Empfang Aurelians durch Kaiser Valerian spruch gefunden (vgl. auch Memelsdorff a. a. 0. 
im J. 258 aufgenommen ist (vgl. Peter I 254. 42, 2 1. Jedenfalls steht der Annahme von am Hofe 
m-ix' t^,.i,;4. ; ,1, ,-v .-, p.i t ^o^fi An ;..-.ir,ct ir.-.fflTiTtPTi Sumnielrollpn der kaiserlichen 

4) Commentarii der kaiserlichen Constitu- Constitutionen auch in der Zeit seit Diocletian 
ticnen. In einer oft behandelten Insehrift von kein ernstliches Bedenken im Wege. 

Smyrna (CIG 3175 = CIL HI 411 = Dessau Der Ressortteilung der kaiserlichen Secreta- 
338"; dazu Huschke Ztschr. f. gesch. Rechtsw. riate (ab epistulis, a hbelhs, a memoria) ent- 
XIl'l91. Moinmsen Ber. der sachs. Ges. d. W, sprechend wurden die Constitutionen wenigstens 
1851,374. BrunsCommentationes Mommsen. 501. in den drei ersten Jahrrmnderten der Kaiserzeit 
504 ' E. Cuq Memoires presented par divers nach ihrer iiusseren Form als edicta, epistuiae, re- 
savants a l'acad. des inscr. I. serie, IX 1884, 2 scripta , bem/icia auseinandergehalten und dem- 

24- 

Pauly-Wisscnva IV 



739 



Commentarii 



Commentarii 



740 



gcmass audi in besondcren Rollen vcreinigt. Die 
kaiserlichen Constitutionen wurden wahrschein- 
lich zunachst voni Beferenten im Brouillon (peri- 
culum, vgl. Mommsen Strafr. 268, 2. 516, 1. 
517, 2) aufgcsetzt (Hist. Aug, Marc. 11, 10 habuit 
secum praefectos, quorum et auctoritate et peri- 
culo semper iura dictavit) mid dem Kaiser zur 
Correctur und Genehmigung vorgelegt (Hist. Aug. 
Alex. Sev. 31, 1). Aus dem perieulum wurde 
dann die Ausfertigung fur die c, die sog. forma 
(vgl. CIL III 411; anders Memelsdorff 52, 1) 
hergestellt, die vom Kaiser durch eigenhandige 
Subscription (z. B. reseripsi recognovi) beglaubigt 
wurde und die Grundlage fur die Parteienbescheide 
(u. S. 7541) bildete. 

a) Commentarii als Sammlungen kaiserlicher 
Edicte werden bezeugt durch Plin. ad Trai. 65, 
3. 66, 1 (s. u.). 

/?) Commentarii epistularum. Eiii scrinia- 
rius ab epistulis, der wahrscbeinlich die an den 
Kaiser gerichteten Briefe und die Coneepte der vom 
Kaiser abgesandten Correspondenzen verwahrte, 
wird erwarint unter Claudius OIL X 527 (= D e s s a u 
1671); vgl. Cuq Memoires a. a. 0. 370, 1. 
Peter 1232. Sammlungen der kaiserlichen Cor- 
respondenz in Form von e. sind schon fur die 
Flavier bezeugt; vgl. Plin. ad Trai. 65, 3 reci- 
tabatur autem apud me edictum quod dicebatur 
divi Augusti . . . reeitatae et epistulae divi Ve- 
spasiani ad JLacedaemonios et divi 'Dili ad eos- 
dem et ad Ackaeos et Vomitiani ad Avidium 
Nigrinum et Armenium Broeekum proconsules, 
item ad Lacedaemonios : quae idea tibi non misi, 
quia et parum emendata et quaedam non certae 
fidei videbantur et quia vera et emendata in 
seriniis tuis esse credebam ; darauf Traians Er- 
widerung 66, 1 : nee quicquam inveniiur in com- 
mentariis eorum prineipum qui ante me fuerunt, 
quod ad omnes provincial sit constitutum. Epi- 
stulae sane sunt Domitiani ad Avidium Ni- 
grinum et Armenium. Brocchum u. s. w. (dazu 
Bresslau Ztschr. a. a. 0. 2551 Mommsen 
St.-R. lis 905, 3. Peter Gesch. Litt. I 227. 232). 
Der Grammatiker Dositheus citiert aus divi Ha- 
driani sententiae et epistulae (o. S. 737). Wie 
der Ausdiuek c. beweist, warden die epistulae in 
Rollen (volumina) zusammengefasst und zwar, 
wie das vera et emendata des Plinius darthut, 
nicht etwa in Abschriften , sondern in Original- 
ausfertigungen , also wahrscheinlich in den vom 
Kaiser genehmigten Conccpten (formae), die ein- 
fach zu den uinfanglichen Rollen aneinandergeklebt 
wurden, wie sie die Notitia dignitatum (or. 19 
p. 43 Seeck; occ. 17 p. 161) als Insignien des 
magister scrinii epistularum (ueben codices) im 
Bilde zeigt. Reste von derart hergestellten (pri- 
vaten) Briefsammlungen sind noch erhalten (u. 
S. 7521. 

y) Sammlungen der Ubelli rescripts. Schon 
unter den Ciauaiern wurden die Urigmaie aer aem 
Kaiser tiberreichten und von ihm erledigten Bitt- 
schriften in einem besonderen scrinium gesam- 
melt; vgl. den scriniarius a libellis CIL VI 8617 
(= Dessau 1675; dazu Peter 1232. Cuq 370, 1) 
und den custos a libellis CIL VI 8616. Die 
Excerptensammlung des Dositheos (s. o. S. 737) 
enthalt Brucbstucke von Rescripten Hadrians 
(mit Ausziigen aus den Ubelli), welche obne 



Zvvcifel auf die kaiserlichen c. zuriickgehen. Von 
den Juristen werden mehrfach, Rescripte des divas 
Marcus aus sog. semenstria angefuhrt (Belege 
und Litteratur bei Karlowa R6m. Rechtsgesch. 
I 654, 1); diese deflniert die Turiuer Institu- 
tionenglosse (zu Inst. I 25, 1): semenstria stmt 
codex, in quo legislationes per sex menses pro- 
latae in unum redigebantur (dazu Cuq Memoires 
a. a. 0. 421. Karlowa Neue Heidelb. Jahrb. II 143). 

10 Die inschriftlich erhaltene Supplik kleinasiatiseher 
Colonen an die beid.en Philippi vom J. 244/7 (A. 
Sehulten ROm. Mitt. XIII 2S2f.) beruft sich in 
Z. 24f. nach Schultens gewiss zutreffender Ergan- 
zung auf eine $et[a avtiypacpr) fj roig vjiofivrjfiaoir] 
ivTEzay/nsvt], Noch in spaterer Zeit wurden die ein- 
gereichten und beantworteten Ubelli zu volumina 
zusammengefasst; Biindel solcher Rollen bildet die 
Notitia dignitatum unter den Insignien des mit 
der Erledigung der preces betrauten quaestor (or. 

20 12 p. 34 Seeck ; occ. 10 p. 147) und des magister 
libellorum (or. 19 p. 43; occ. 17 p. 161) ab (vgl. 
Wattenbach Schriftwesen s 162). Besondere 
Rollen wareri fur die zur flft'entlichen Proposition 
bestimmten Ubelli rescripti angelegt. Die Inschrift 
von Skaptoparene (Athen. Mitt. XVI 267ff. mit 
Mommsens Bemerkungen 279ff. Mommsen 
Ztschr. d. Savigny-Stift. XIlRom. Abt. 244ff. B r u n s 
Pontes I« 248f.n. 82. Dittenberger Syll.IM18; 
dazu 0. Karlowa Neue Heidelb. Jahrb. II 141ff. 

30 VI 2l7f.) enthalt einen beglaubigten Auszug ex 
libro libellorum rescriptorum a domino n. imp. 
Caes. M. Antonio Gordiano Pio Felice Aug. et 
propositorum Romae in porticu thermarumTraia- 
narum vom J. 238. Auf diese Uberschrift folgt 
der Vermerk fiber die Priisentierung (datfum) per 
Aur(elium) Purrum u. s. w.), dann der Wort- 
laut der griechisch abgefassten ditjotg der Skapto- 
parener und die lateinische Antwort Gordians 
(am Schlusse reseripsi recognovi) und die signa 

40 der die Richtigkeit der Abschrift aus dem liber 
libellorum bestatigenden Zeugen. 

Nach dem Gesagten wurden auch die Ubelli re- 
scripti — gleich den ubrigen Constitutionen — chro- 
nologisch in Form von c. aneinandergereiht (vgl. 
Cuq Memoires a. a. 0. 421f. Memelsdorff 24). 
Sowolil die Inschrift von Skaptoparene wie auch 
die anderen fiber kaiserliche Rescripte ausgefer- 
tigten Parteienbescheide (vgl. die Inschrift von 
EphesusCILIIl411=Dessau338,o.S.737f.; das 

50 dee-return Commodi de saltu Buruttitano CIL VIII 
10570 = Suppl. 14464 = Bruns Id 244f. n. 80. 
dazu Mommsen Hermes XV 386fT; die Inschrift 
der kleinasiatischen Colonen o. S. 740; Dig. XIV 
2, 9. XL VIII 6, 6; ein agvptisches Majestats- 
gesuch vom J. 391/2, herausg. von C. Wessely 
14. Jahresber. des Staatsgymn. in Hemals 1888 
39ff.) enthalten nicht bios das kaiserliche rescri- 
ptum (lateinisch), sondern anfanglich vor. spater 
hinter demselben ein extmplum Ubelli oder -precis 

bO (lateinisch oaer gnecmscnj; anciers Memelsdorli 
46. Demgemass miissen auch die in der kaiser- 
lichen Kanzlei zuriickbehaltenen Ausfertigungen. 
als deren Abschriften sich diese Bescheide durch 
den Beisatz recognovi darstellen, sowohl den (in 
unseren Rechtssammlungen zumeist nicht aul'genom- 
menen) libellus als auch das rescriplam enthalten 
haben. Hochst wahrscbeinlich sind diese ersten 
Ausfcrtigungen identisch mit den Originalen der 






741 



Commentarii 



Commentarii 



742 



Gesuche, auf lYelche von dem Beamtcn a libellis eine 
Abschrift desBrouillons (perieulum) der kaiserlichen 
Erledigung, darunter als Subscription das eigen- 
handige kaiserliche reseripsi (oder seripsi) gesetzt 
wurde. Diese Ubelli rescripti wurden dann nicht 
etwa abschriftlich, sondern im Original durch ein- 
faches Aneinanderkleben (u. S. 752) in der Regi- 
strator zu Rollen nach Art der allgemein gangbaren 
•c. zusammengefasst, welche, wie die semenstria (s. 
■o.) zeigen, in chronologischer Folge die Stiicke be- 
stimmter Zeitraume vereinigten. Zur Insinuation 
an die Partei wurden in der Kegel von den ersten 
Ausfertigungen Reinschriften hergestellt, welche 
der Kaiser nochmals durch eigenhandiges reseripsi 
beglaubigte und durch den weiteren Beisatz reco- 
gnovi als dem originalen libellus rescriptus con- 
form bestatigte. Dasselbe geschah, wie die In- 
schrift von Skaptoparene (mit dem Beisatz e re- 
seripsi; recognovi) beweist, bei jenen Reinschriften, 
welche ffir die Offentliche Proposition bestimmt 
waren und ihrerseits wieder (durch mechanisches 
Aneinanderleimen) zu Commentarienrollen , den 
libri libellorum rescriptorum, et propositorum, zu- 
sammengefasst wurden. Zu der sehr umstrittenen 
Formel reseripsi; recognovi, welcher in ihrem 
zweiten Teil das dvsyvcov in den offentlich propo- 
nierten Reinschriften der agyptischen vjio/^vrj/iazt- 
oftoi entspricht (Wilcken Phil. LIII 101; u. S. 
750) vgl. bes. die zur Inschrift von Skaptoparene 
angef. Litteratur, ausserdem Memelsdorff 51, 
4. Mommsen Ztschr. d. Savigny-Stift. XVI Rom. 
Abt. 1961 0. Gradenwitz ebd. 136. Ch.Diehl 
Bull. hell. XVII 501ff., bes. 5051 (liber ein Re- 
script vom J. 527). 0. Karlowa Festgabe zur 
Feier des 50. Jahrestages der Doktor-Promotion 
E. I. Bekkers (1899) 64. 

S) Commentarii beneficiorum. Eine beson- 
•dere Kategorie unter den C. fiber die kaiserlichen 
Constitutionen bilden die Aufzeichnungen der 
Gnadenacte (beneficia). Schon der Dictator Cae- 
sar hatte die von ihm verliehenen Privilegien in 
seinen e. buchen lassen (vgl. bes. Cic. Philipp. II 
92; o. S. 735). Die Hist. Aug. Alex. Sev. 46, 3 
berichtet von diesem: cogitabat secum et descri- 
ptum habebat cui quid pra-estitisset (Memels- 
dorff 27, 4). Dicscr Eintragung kam constitu- 
tive Bedeutung zu (vgl. u. S. 7-55). Antonius be- 
lief sich fur die Gewiihrung von Privilegien auf 
die (von ihm verfalschten) c. Caesars (o. S. 735). 
Kaiser Traian (ad Plin, 95. 105) bedient sich 
der Formel referri in commentaries meos iussi, 
um Plinius der in aller Form vollzogenen Ver- 
leihung des Burgerrechtes (vgl. Mommsen 
St.-R. II 8 415, 3) und des ius trium Uberorum 
zu versichern (Bresslau Ztschr. a. a. 0. 257. 
Peter I 227. 22f» n. 3. 4). Auch die Ernennungen 
und die Gehaltsanspriiche der vom Kaiser bestell- 
ten Beamten wurden durch Eintragung in die e. 
principis perfect. Nach Dig. IV 6, 32 trirft der Be- 
gan ues abesse rei-p. causa zu lur tnbutws imti- 
tum et praefectos et comites legatorum qui ad 
aerarium delaii aid in commentarios principle 
relati (hs. delati sunt) ( vgl. Mommsen St.-R. I- 1 
299, 2. II» 1002. 2: Strafr. 141. Hirsehfeld 
Verw.-Gesch. I 206, ]. Peter I 230. 224 mit 
A. 3). Auf die Bitte des Sueton, den ihm zuge- 
dachten Tribunat einem Verwandten zukommen 
zu lassen, antwortet Plinius ep. Ill 8, 4: nequc 



enim adhuc nomen in numeros rclatum est, ideo- 
que liberum est nobis SUvanum in locum tuuni 
subdere. Die Eintragungen waren zum Teil viel- 
leicht in der knappen Form von Listen (latereuli, 
spater breves) angelegt, in welchen die jeweilig 
hinzukommenden Namen hinzugeffigt wurden 
(Memelsdorff 27. 45). Aus ihnen mOgen dann 
zum guten Teil die Sehematismen, wie die Noti- 
tiae dignitatum, geflossen sein. Ausser der Ein- 

10 tragung in die C. fand naturgemass Verstandigung 
der Interessenten durch epistula, diploma oder 
eodieilli statt (Hirsehfeld a. a. 0. 2041, 4). 
Bei der Schenkung der Civitat durch den 
Kaiser war Herkunft, Alter und Verm6gen (cen- 
sus) des neuen Burgers gewissen kaiserlichen 
Freigelassenen anzugeben (Plin. ad Trai. 6, 2 
annos eius et eensum libert'is tuis quibus ius- 
seras misi), vermutlich zur Aufnabme in das 
kaiserliche Journal (c), und wurde die Heimat- 

20 gemeinde von dieser Erteilung in Kenntnis ge- 
setzt (Plin. a. a. 0. 6. 105, vgl. 5. 7. Momm- 
sen St.-R. II 3 415, 3). Da die erwahnten kaiser- 
lichen Constitutionen unter den Begriff des bene- 
ficium fallen (vgl. o. Bd. Ill S. 273 ; dazu Hi r s c h - 
feld a. a. 0. I 206. Ruggiero Diz. epigr. I 996), 
wird man wohl die in Inschriften der Zeit Traians 
und Hadrians bezeugten e. beneficiorum (S. 760), 
unter welcben Mommsen Beitrage zur alten 
Gesch. (Festschrift fur H. Kiepert) 104, 2 bios 

30 den gromatischen liber beneficiorum (s. u.) ver- 
steht, ganz im allgemeinen als Aufzeichnungen 
fiber die kaiserlichen Gnadenacte betrachten dttrfen 
(vgl. auch Hirsehfeld a. a. 0. I 206, 1. E. Cuq 
a. a. 0. [o. S. 737] 4201 H. Bresslau Urkunden- 
lehre I 91). 

Eine besondere Stellung nehmen jene eben er- 
wahnten libri beneficiorum ein, in welchen die 
Verleihungen nutzbarer Rechte an den kaiserlichen 
Domiinen und die Verzeichnisse der den Gemein- 

40 den iiberlassenen subseeiva und extraelusa ein- 
getragen wurden; vgl. Hyg. Grom. I 202, 17 et 
si qua beneficio cimeessa aut adsignata eoloniae 
fuerint . . . in libro beneficiorum adscribenms. 
Nipsus ebd. 295, 12 (dazu Rudorff II 406. 
Mommsen St.-R. 113 H26. Memelsdorff 12 
n. 4. 27, 5. 45. Peter I 230 n. 6). Nach 
Nipsus a. a. 0. (si in libra beneficiorum regio- 
nis i/lius bene fie ium alicui Augustus dederit) 
war fur jede italische Region ein eigenes Bene- 

50 ficienbuch angelegt (Mommsen Beitrage a. a. 
0. 104, 21 L'ber das in den Provinzen bestehende 
scrinium beneficiorum vgl. R. His Die Domanen 
der rom. Kaiserzeit 52. 

s) Eine weitere Gruppe der Beneficienbucher 
bilden die c. aquarum (vgl. den Beamten a com- 
mentariis aquarum , u. S. 765). Ihren Inhalt 
deutet Frontin. de aqu. 98 an : M. Agrippa . . . 
diseripsit, quid aquarum publieis operibus, quid 
iacibus. quid privatis daretur; nach c. 99 wurden 

()U Dei aer U oeruauine del V» aaoelleiOUUgeii in Kaistl- 
liche Verwaltung (in sua — d. h. des Augustus — 
beneficia translate) die von Agrippa eingeraum- 
ten Wasserbezugsrechte jener, qui ex commen- 
iariis Agrippae aquas haberent. durch ein Ediet 
des Augustus geregelt (Teuffel-Sehwabe R. 
L.-G. 5 § 2?<i, 11 sieht in diesen Commentarien 
litterarische Erzeugnisse!). Eintragungen dieser 
Art wurden dann wohl in dem kaiserlichen Bureau 



743 



Commentarii 



Commentarii 



744 



ah epistrdis, spater a memoria fortgefiihrt ; liber 
den Act erhielt der zum Wasserbezug Bereehtigte 
eine kaiserliche epistula, mit welcher er sick beim 
curator aquarum auszuweisen hatte (Hirschf eld 
Verw.-Gesch. I 165, 1. 205, 1). 

5) Commentarii uber die kaiserliche Cognition 
(Cuq Meraoires a. a. 0. 415—423). Die vor dem 
Kaiser stattfindenden Gerichtsverhandlungen wur- 
den anscheinend im Wortlaut von Stenographen 
(notarii, exceptores, vgl. Philostr. v. Apoll. VII 29 
y^ammxsvg ng twv fSaadixcav bixwv) aufgenom- 
men (u. S. 749). Ails dieser Niederschrift wurde 
ein knapper Auszug hergestellt (Hist. Aug, Alex, 
Sev. 28 notarium qui falsum eausae brevem in 
eonsUio imperatorio rettulisset) , das eigentliche 
offizielle Protocoll, das u. a. die Klage, dann in 
Form der Eede und Gegenrede zwischen dem Prin- 
eeps, seinen Beisitzern, den Parteien oder ihren 
Vertretern das wichtigste Vorgebrachte und das 
Urteil des Princeps enthalt. Die Form war die 
der c. ;_ zur Veranschaulichung konnen die erhal- 
tenen Auszijge aus vxofivrj/tazio/ioi der agypti- 
schen richterlichen Beamten herangezogen werden 
(o. S. 734 ; u. S. 746). Die Uberwachung der 
Protocollierung gehfirte zu den Agenden des Be- 
amten a cognitionibus (s. o. S. 221). 

a) Protocolle iiber die Cognition in Civilsachen. 
Die Aufnahme der sententiae in die vjzouvrjuaTa 
bezeugt ausdrucklich OIL III 411 (o. S. 738). 
Ein Auszug aus diesen c, iiberschrieben sententia 
imperatoris Antmini August)', Pudente et Pollione 
consulibus (J. 166), stent in den Dig. XXVIII 
4, 3 ; vgl. die sententia divi Severi data in per- 
xmia Marti Prisei idibiis Ian. Pompeiano at 
Avito miss. (J. 209) im Cod. lust. VII 62, 1. 
Die Datierung dieser sententiae "vveist auf die ge- 
wohnlichc ehronologisclie Anordnung der e. hin. 
Unmittelbar auf diese .diirften Arbeiten wie die 
imperialium sententiarum in cognitionibus pro- 
latarum libri VI des Juristen Paulus zuriick- 
gehen (E. Cuq Bibl. des e"coles franc. XXI 83, 1; 
a. a. 0. 443. Karlowa Rom. Rechtsgesch. 1654. 
Peter I 254, 3). 

(f) Grosse Ahnlichkeit mit der Protocollierung 
des Civilprocesses hatte jene des Strafverfahrens, 
welche Mommsen Strain 5l2ff. hehandelt. Ge- 
wohnlicherGegenstand derselben sindnach Momm- 
sen 517 die Annahme der Anklage mit der In- 
scription und der Subscription, die Gescbworenen- 
liste und deren Modificationen, die Vortriige der 
Parteien und ihrer Vertreter, die Aussagen der 
Zeugen, die Abstimmung und die Urteilsfallung. 
Anderweitige Beispiele dafur sind das quaestorische 
commentarium bei Varro de 1. 1. VI 90f. (o. S. 733), 
die Gerichtsprotokolle der Provinzstatthalter (S. 
734] u. a. 

Protocolle dieser Art wurden audi iiber die 
kaiserliche Cognition in Strafsachen gefiihrt. Nach 
Tac. liist. IV 40 wurde im J. 70 signo ultionis in 

zu ersuchen, ut commentariorum principalium 
potestatem senatui faceret , per quos noseeret, 
quern quisque accusandum poposcisset. Im J. 58 
erklarte Nero nach Tac. ann. XIII 43 comper- 
tum sibi . . . ex commentariis patris sui nullum 
euiusquam accusationem ab eo coactam. Alien 
die commentarii ad matrix fratrisque suorum 
causas pertinentes , die Gaius verbrennen liess, 



nc cui postmodum delatori aut testi maneret 
ullus metus (Suet. Cal. 15), werden hieher ge- 
horen (Bresslau Ztschr. 257f. Mommsen 
St.-E. II» 907, 2. Memelsdorff 27, 2. Peter 
I 227. 236f. 4), ebenso die von Tac. ann. XV 73 
erwahnten eonlata in libros indicia confessiones- 
que damnatorum (Memelsdorff 45, 4). Einen 
Einblick in die Beschaffenheit dieser e. gewahren 
uns zwei Papyrus, von welchen der eine (UBM 

10 II 511. U. Wilcken Herm. XXX486ff. Th. 
Reinach Revue des etudes juives XXXI 163f. ; 
dazu Mommsen Strafr. 265f. 4. 267, 1) eine 
Gerichtssitzung des Kaisers Claudius in einer 
von alexandrinischen Gesandten gegen einen jii- 
disehen Konig Agrippa und einen gewissen Isi- 
dores vorgebrachten Anklage schildert, der andere 
(Grenfell und Hunt The Oxyrhynchus Papyri 
I n. 33) fiber einen vor Commodus (?) gefiihrten 
Capitalprocess gegen einen vornehmen Alexan- 

20 driner Appianos berichtet (dazu Mommsen Strafr. 
265, 1. 4. O. Schulthess Wochenschr. f. kl. 
Pliilol. XVI 1899, 1055f., der die Ahnlichkeit mit 
den Martyreracten hervorhebt). Ausziige aus den 
kaiserlichen Commentarien waren die Urteilsamm- 
lungen, wie die libri decretorum des Paulus (vgl. 
Dig. XLVIII 19, 40; dazu Cuq 416). 

6) Commentarii der Mensoren. Vor dem Ab- 
gange des Tiberius nach dem Osten (20 v. Chr.) 
sandte Augustus den Geographen Isidoros aus 

30 Charax ad oommentanda omnia dorthin voraus 
(Plin. n. h. VI 141) ; von seinem Werke sind die 
ara&ftol Hap&ixoi, ein Itinerarium des parthi- 
schen Reiches, erhalten (Peter Gesch. Litt. I 
417 mit A. 2). Ahnliches wird im Liber colo- 
niarum (Grom. I 239, I5ff.) von einem Balbus 
mensor berichtet, quitemporibus A-ugusti omnium 
prorinciarum et formas civitatium et mensuras 
eompertas in commentariis contulit (dazu Momm- 
sen Feldm. II 176f.). Auf Vorarbeiten dieser Art, 

40 welche den Aufzeichnungen der ^/uaztaTai Ale- 
xanders d. Gr. vergleichbar sind, mochten die be- 
riihmten geographischen c. des Agrippa , nach 
welchen Augustus die Weltkarte in der Porticus 
Vipsania herstellen liess, beruhen (Plin. n.h. Ill 17). 
Agrimensorischen Inhalts, wahrscheinlich auf De- 
dnctionen und Landanweisnngen beziiglich, waren 
die von den Feldmessern biiutig citierten libri 
des Augustus , des Nero u. a. ; eine lex agraria 
ex commentario Claudi Caesaris. ivofurMomm- 

50 sen (Feldm. II 160) vielleicht ohne Notigung 
C. Ittli Caesaris schreibt, fiihrt der Liber colon, 
a. a. 0. I 211,23 an (vgl. Teuffel-Schwabe 
§ 286, 2 a. E.). Die von den Veimessungscom- 
missionen aufgenommenen Protocolle. welche die 
Flurkarten der Stadtgebiete und Privatgrund- 
stiicke erganzten und erlauterten. heissen gleich- 
falls e. ; dieselben wurden samt einem Exemplar 
der Karte auf Leinwand (mappa) im kaiserlichen 
tabularium niedergelegt (Sieulus Flaccus Grom. 

CO I 154, 19. Liber eclou. dd. I 22S, G, du.z- 
Eudorff II 405. Peter I 223. 230 n. 6. E. 
Schulze Neue Jahrb. f. d. class. Alt, I 1898, 
268). Nach Sieulus Flaccus a. a. 0. 155, 1 sollten 
fur den Fall, dass iiber die Richtigkeit der in 
den Colonien ausgestellten fortune Zweil'el ent- 
stlinde, die im sanetuarium principi* niedergeleg- 
tcn formae und c. ausschlaggebend sein, Uber 
den von den Gromatikern angefiihrten liber bene- 






741 



Commentarii 



Commentarii 



746 






ficiorum , der in g'ewissem Sinne liieher gehort, 
vgl. 0. S. 742. 

6) Zu den kaiserlichen libri saaerdotales, die 
firr den Kaiser als Pontifex maximus und Vor- 
stand der iibrigen vornehmsten Priestertiimer 
(XVviri s. f. ; fratres Arvales u. s. w.) gefiihrt 
wurden, vgl. o. S. 730. Uber den Beamten- 
apparat s. u. S. 760. 

Litteratur: Mommsen St.-R. II 3 905,3. 906, 
3. 907f. mit A. 1 ; vgl. 415, 3. P. Kriiger Gesch. 
der Quellen u. Litt. d. rOm. Rechts 108. E. Cuq 
Me"moire sur le consilium principis d'Auguste a 
Diocl^tien (M^moires presente's par divers savants 
a racade"mie des inscriptions et belles-lettres I. 
se-rie IX 1884, 2) 415-425. H. Bresslau Die 
Commentarii der rCmischen Kaiser und die Re- 
gisterbiicher der Papste (Ztschr. der Savigny-Stift. 
VI 1885 Rom. Abt. 242—260; dazu Mommsen 
St.-R. lis 908,2); Handbuch d. Drkundenlehre I 
Slf. O. Seeck Ztschr. d. Savigny-Stift. X Rom. 
Abt. 8ff. Max Memelsdorff Dj archivis im- 
peratorum Rom., Diss. Halle 1890. E. Herzog 
Gesch. und System II 717. Ruggiero Diz. 
epigr. II 542f. E. Groag Jahrb. f. Phil. Suppl. 
XXIII (1897) 732f. H. Peter Geschichtliche 
Litteratur iiber die rom. Kaiserzeit I 225 — 232. 

e. Commentarii der municipalen Magi- 
strate. Eine Inschrift aus Caere, CIL XI 3614 
<vgl. Mommsen Herm. II 115f.; St.-R. LT.S 1013, 
2 ; Strafr. 514, 1. 4. 515, 7. C uq Memoires a. a. 0. 
418. Bresslau Ztschr. a. a. 0. 257,3. Wilcken 
Phil. LIII 110. Ruggiero Dizion. epigr. II 545f.) 
hat uns einen (als Parteienbescheid ausgefertigten) 
Auszug aus den aintlichen Aufzeichnungen der 
dortigen eponymen Magistrate erhalten. Das vo- 
lumen, dem diese Stucke entnommen wurden, 
trug an der Spitzc das Anfangsdatum nach den 
Consuln (J. 113 n. Chr.), dem Kalendertag und 
den Eponymen der Stadt, und den Titel com- 
mentarium eotlidianum munwipi Gaeritum. Zu- 
nachst wird daraus inde (d. h. nach der Titel- 
seite) pagina XXVII capite VI ein Decurionen- 
beschluss vom 13. April 1 13 angefilhrt ; die solen- 
neren Formeln und die Urkundszeugen der perscri- 
bierten Beschliisse fehlen hier (Mommsen St.-R. 
Ill 1015, 2. Kubitschek o. Bd. I S. 298). Es 
folgt inde pagina altera capite prima ein Brief 
der Magistrate an den Curator vom 13. August; 
darauf inde pagina octava capite primo die Ant- 
wort des Curators vom 12. September. Die Art 
der Bezifferung der^af/trea-emachtSchwierigkeiten, 
da nach Seite 27 Seite 2 und 8 citiert werden ; viel- 
leicht wurde kurz vor dem 13. August, etwa mit 
Beginn des zweiten Halbjahres eine neue Rolle 
begonnen (anders Birt Buchwesen 158, 3. Ku- 
bitschek o. Bd. I S. 299). Die beiden Briefe 
waren wahrscheinlich im commentarium selbst 
nicht abschriftlich , sondern im Original, bezw. 
Concept eincrefucrt in. S. 752"!. Ein iiber Riick- 
forderung der Mitgil't nach der Scheidung von 
der MunicipalbehOrde aufgenommenes Protocoll 
ist Vat. frg. 112ff. (iberlicfert: Anicius Vitalis 
(der Vertreter der Frau) dixit, dann Flavins 
Vetus iunior (der Ehemann) dixit, dann duum- 
rirum dixit, alles in directer Rede (Mommsen 
Strafr. 517, 8). Ein Protocoll uber eine Testa- 
mentseroffnung im J. 474 vor den ravennatischen 
Duovirn steht bei Marin i Papiri diplomatici 



(1805) p, 110 (Bruns Fontes 16 280ff. nr. 103; 
dazu Mommsen Strafr. 515, 3). Cher die actus 
eines africanischen Duovirs unter Constantinus 
vgl. Mommsen Strafr, 516, 4. In spater Zeit 
scheint, wie das Protocoll vom J. 474 zeigt , das 
Amtsbuch fur beide Duovirn gemernschaftlich ge- 
fiihrt worden zu sein. Die Fuhrung und Ver- 
wahrung des Amtsbuches obliegt nach CIL XI 
3614 dem scriba. Uber den comrn(eniariensis) 

10 rei pfublicae) Beneventfanae) CDL IX 1663, vgl. 
u. S. 766. 

Fiir eine ganze Reihe von c. kaiserlicher Ver- 
waltungsbehfirden in Rom und in den Provinzen 
(darunter auch der Praefectipraetorio, urbis, Aegypti 
und vigilum), die uns zumeist nur durch die In- 
schriften der Beamten a commentariis bezeugt 
sind, vgl, unter a commentariis u. S. 759ff. 

Von den zahlreichen aus den Papyrus be- 
kannt gewordenen tmofj,vtjfiaTiafioi agyptischer Be- 

20h0rden, welche U. Wilcken Phil. LIE 80— 126 
(bes. 104—109) und F. Krebs ebd. 577-587 
zusammenstellten, wurden in die vorstehende Auf- 
zahlung nur die des Praefectus Aegypti und der 
von ihm delegierten Richter (S. 734) einbezogen. 
Nicht aufgenommen wurden die imoiivrjtiauo/toi 
der untergeordneten localen BehOrden, deren amt- 
liche Buchfiihrung gewiss nicht erst auf rOmi- 
scher Institution beruht (u. S. 747). Wohl 
aber werden die letzteren, unter welchen die in 

30 einem Pariser Papyrus erhaltenen Reste des fiir 
den Strategen des ombitischen und elephantini- 
schen Nomos im J. 232 gefiihrten Tagebuches, 
von Wilcken a. a. 0. 80—102 mit vorziiglichem 
Commentar herausgegeben (dazu jetzt auch A. 
v. Domaszewski Neue Heidelb. Jahrb. IX 159f. 
162), von besonderer Bedeutung sind, geeigneten 
Ortes zur Erlauterung der rOmischen e. herange- 
zogen werden. 

Ursprung und Verbreitung der amt- 

40 lichen Commentarii. Die Commentarien der 
Magistrate und Priester lehnen sich, wie Momm- 
sen Strafr. 513 (mit Anm. 3) darlegt, wahrschein- 
lich an die alte Hausbuchfuhrung an ; ,dies zeigt 
die Gleichartigkeit der Benennung, des Inhalts 
und der Behandlung'. Urspriinglich mSgen die 
Amtstagebucher den staatsrechtlich ganz irrele- 
vanten Charakter einer privaten Aufzeichnung 
getragen haben, lediglich dazu bestimmt, das Ge- 
dachtnis des Beamten zu entlasten und ihm einen 

50 Uberblick iiber die volbzogenen Geschafte zu ge- 
wahren. Darauf weist noch in spaterer Zeit so 
manches hin. Bei collegial besetzten Behorden 
fiihrt in alterer Zeit jeder Magistrat das Amts- 
buch fiir sich allein (Cic. pro Arch. 9; Verr. I 
119; dazu Mommsen Strafr. 515, 2); erst in 
spiitester Zeit begegnet ein gemeinschaftliches 
Amtsbuch (Mommsen a. a. 0. Anm. 3; o. S. 
745f.). Ferner scheint mit der Buchfiihrung noch 
in spaterer Zeit hauflg das Privatgesinde (bei 

60 den Priestercollegien serri publici) betraut ge- 
wesen zu sein (u. S. 759 ; Mommsen Strafr. 515f. 
516, 1). Nach Umstanden konnte allerdings dies 
Geschaft auch zuverlassigen Freunden ubertragen 
werden; so verwendete Cicero (pro Sull. 14) als 
Consul bei der Vernehmung der Catilinarier fur die 
Aufzeichnung junge Senatoren (Mommsen a. a. 
0. 516, 2). Endlich blieb das Amtsbuch bis in die 
letzte Zeit der Republik personliches Eigentum 



747 



Commentarii 



Commentarii 



748 



des Magistrates und befand sich aucli nach. scinem 
Abgang vom Amte in seiner und seiner Erben 
Verwahrung (vgl. u. S. 755). 

Da die e. regum (S. 728f.) eine Fiction sind, 
diirften wohl die Aufzeichnungen der Priestercolle- 
gien (S. 729ff.) als die alteste Gattung der c. zu be- 
trachten sein. Nach ihnen, wir wissen nicht wann 
und wie, aber ziemlich friih (Mommsen St.-R. 
Ill 1015), entstanden die C. der Magistrate (ti- 
/.itjuna vjio/ivrj/iara iiber den Census von 361/2 
= 393/2 bei Dionys. I 74, 5, o. S. 733). Der com- 
plicierte und weitverzweigte Verwaltungsapparat 
der Eaiserzeit brachte ausser den e. principis, 
welche die Geschafte der hOchsten Regierungsge- 
walt betrafen, die Arntsbiicher der zahlreichen 
untergeordneten offieia hervor (vgl. o. S. 746 und 
u. S. 759ff.). In der Kaiserzeit verbreitete sich 
derGebrauch der Amtstagebtlclier nach alien Teilen 
<les Eeiches, soweit er nicht bereits bestand. U. 
Wilcken Philol. LIII HOff. sucht die von ihm 
fur das rOmische Agypten nachgewiesenen amt- 
lichen vizoiirmiaztoiwi auf die i(ptj^.£Qidsg Alexan- 
ders d. Gr. und der Diadochen zuruckzufiihren; 
nach Mommsen Strafr. 513, 3 hingegen lasst 
,die Vergleichung der rOmischen Angaben dariiber 
keinen Zweifel, dass die Sitte aus Rom nach 
Agypten gelangt 1st.' Wilckens Annahme hat, 
wenn sich auch ein eigentlicher Nachweis dafiir 
noch nicht erbringen lasst, die grOssere Wahr- 
scheinliehkeit fiir sich, zumal die ROmer deu aus- 
gebildeten Verwaltungsapparat Agyptens einfach 
tibemomnien haben. Naturlich wurde die Technik 
der amtlichen Buchfuhrung in alien Provinzen des 
Eeiches, also aueh dort, wo sie an iiltere analoge 
Einrichtungen ankniipfen konnte, durch den Ein- 
fluss der Centralgewalt thunlichst ausgeglichen. 

Gegenstand und Zweck der Aufzeich- 
nung. Nach einer sehr verbreiteten Annahme 
(Mommsen St.-R. 13 4f. IIS 12, 3. 42, 3. 
Ill 245. Voigt a. a. 0. [o. S. 729] 649f. Kar- 
lowa Rechtsgesch. I 107f.) sind zunachst ,ein- 
zelne magistratische Acte deshalb aufgezeicb.net 
oder aufbewahrt worden, weil sie fiir die spateren 
Trager desselben Amtes als Pracedentien dienen 
konnten ; aber auch die alteste theoretische Tbiitig- 
kcit hat sich noch in der Form bewegt, da.s» die 
fur die Magistrate erforderlichen Schemata auf 
den Namen beliebig gewahlter Vorganger gestellt 
wurden' (St.-R. 13 5). Zu diesen Schemata wiir- 
den nach Mommsen St.-R. lis 5f., 4 insbesondere 
die von Varro de 1. 1. VI 86—92 aus den Com- 
mentarien der Magistrate mitgeteilten Formulare 
fur die Berufung der Gemeinde durch die Consuln 
(S. 732) und die Censoren (S. 733i und auch das 
enmmentarium vetu-s des Quaestors M. Sergius 
(S. 733) gehoren, ,da sie nicht Geschehenes'be- 
richten, sondern auffordernd und vorschreibend 
auftreten'. Dasselbe wiirde irn wesentlichen aueh 
fiir die priestorlichen Commentarien gelten, aus 
weichen vieltach sacraie satzungen und Formein 
eitiert werden (S. 729ff.). Diese Auffassung wild 
durch die aus Inschriften und Papyrus bekannt 
gewordenen ausfiihrlicheren Ausziige aus Amts- 
biiehera widerlegt, die — allerdings erst der Zeit 
seit Augustus angehorend — in der Hauptsache als 
chronologisch fortlaufende Aufzeichnungen fiber 
die Amtshandlungen sich darstellcn, in denen 
aber auch imperativisch gehaltene Anweisungen, 



iilmlich den von Varro citierten, recht wohl vor- 
kommen konnen. Namentlich das commentarium 
X V virum s. f. fiber die Saecularfeier unter 
Augustus (S. 731) zeigt deutlich, wie in die fort- 
schreitende Berichterstattung iiber die sacraie 
Handlung Senatsbeschliisse, magistratische Edicte,. 
Deerete des Collegium^, kurzum zahlreiche An- 
ordnungen und Befehle aufgenommen werden 
konnten, deren Beziehung auf den concreten Fall 

10 hier ausser Frage steht. So ist auch in den 
alteren von Varro angefiihrten Commentarien, 
wie z. B. VI 87. 88. 95 (hoc ipsum ,inlegium 
inlexit' seriptum invent in M. Iunii eommen- 
tariis) zeigen, der Grundcharakter ein berichten- 
der; die etwas abweichende Fassung in VI 87 
(qui lustrum eonditurus est). 88 (qui exercitwm 
imperaturus erit — statt der Namen der Magi- 
strate) diirfte von Varro selbst herriihren, der 
aus einer Mehrzahl von Aufzeichnungen die stets 

20 wiederkehrende Grundformel heraushebt. Die als 
Befehle oder Instructionen gefassten Ausfiihrungen 
VI 86. 91. 92 sind fiir den einzelnen Fall er- 
lassene Weisungen, die voin Adressaten in sein 
Amtsprotocoll eingefiigt wurden (o. S. 733). 

Der eigentliche Zweck der Protocollierung war 
vielmehr — was schon die Grundbedeutung von 
e. (o. S. 726) erkennen lasst — das Festhalten zu 
dauernder Erinnerung, wodurch einerseits das Ge- 
dachtnis des Functionars unterstiitzt und entlastet, 

30 anderseits die Amtshandlung als solche gegen for- 
melle Anfechtung und materielle Zweifel geschiitzt 
werden sollte. Der im rOmischen Wesen so stark 
ausgepriigte Formalismus brachte es mit sich, 
dass die Aufzeichnung, was die varronischen Ci- 
tate ebenso wie die Commentare der Saecular- 
feiern und die Arvalacten zeigen ko'nnen, auf das 
geringfiigigste Detail einging. Damit wurden 
denn — anfanglich sicher nngewollt — Praece- 
dentien und Schemata fiir kiinftige Amtshand- 

40 lungen geschaffen, von denen namentlich auf sa- 
cralem Gebiete ausgiebiger Gebrauch gemacht 
wurde, wie die immer wiederkehrenden tralatici- 
schen Wendungen der erhaltenen priesterlichen 
C. lehren konnen. Daneben gab es friihzeitig 
theoretische Lehrschriftcn fiir die priesterliche und 
magistratische Amtsffllirung (Mommsen St.-R. 
113 4, 2ff. Voigt 654. 227), die jedoch Privat- 

. arbeiten sind ; dass eine derselben , die von 
Varro fiir Pompeius Wbernahme des Consulates 

50 im J. 684 = 70 v. Chr. verfasste Einleitungs- 
schrift, von ihm selbst commentarium isagogicum 
betitelt wurde (Gell. XIV 7, 2. Mommsen St.- 
R. II 3 5f. 4), beweist natiirlicli nichts fiir den 
Inhalt und Zweck der amtlichen e. 

t'ber das Verhaltnis der c. zu den acta, welche 
sowohl die Amtshandlungen selbst. als auch die 
Aufzeichnungen derselben bedeuten , handeln H. 
Thedenat Diet, des ant. I 1406. IJuggiero 
Diz. epigr. II 539, 3 (vgl. I 57ff.). KubiUchek 

buo. Bd. I s. 2»t>— 2ay. B. Peter Gesclnchtl. Litt. 
I 205; dazu Mommsen Strafr. 514 mit A. 5. In 
dem Begriffe der acta tritt mehr die Absicht her- 
vor, das Verhandelte rechtlich zu fixieren und 
gegen Zweifel zu schiitzen, bei e. das Bestreben, 
durcli die Niederschrif't das Gedachtnis zu unter - 
stiitzen und dadurch Material fiir die Zukunft zu 
gewinnen. Wahrend die acta strenge genommen 
nur die Amtshandlungen der buchfiihrenden Be- 



' 



749 



Commentarii 



Commentarii 



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horde enthalten konnen, nelimen die e. — den 
Hausbiichern vergleichbar — alles in sich auf, was 
fiir die Geschaftsfuhrung der Behttrde von In- 
teresse sein kann, nicht bios ihre eigenen acta, 
d. h. concreten Amtshandlungen (vgl. z. B. den 
commentariensis ab actis civilibus S. 734. 763), 
sondern auch die Bescheide und Correspondenzen 
anderer Beholden (u. S. 751). In formeller Hinsicht 
wird sowohl fiir die acta wie fiir die c. chronolo- 



nnd Peter a. a. 0. gleichfalls als cera = xtfomua 
zu verstehen sein. Die fortlaufend bezifferten 
tabulae (polyptyeha), innerhalb deren die einzelnen 
cerae (xr/Qm/nara) gleichfalls ihre Numroern hatten, 
wurden fur einen bestimmten Zeitraum, z. B. fiir 
ein Verwaltungsjahr, gleich den Senatsbeschliissen, 
zu einem codex vereinigt. 

Neben der Benennung tabulae oder codex 
kommt seit dem Ausgange der Republik die auf 



gische Anordnung anzunehmen sein ; dagegen cr- 10 den Inhalt gehende Bezeichnung c. (ixofivtifta 



scheinen in den letzteren die Solennitatsformeln der 
acta in der Regel vernachlassigt (vgl. den Decu- 
rionenbcschluss in CIL XI 3614 gegeniiber den acta 
senatus , o. S. 745). Zu Sueton Domitian. 20 
(commentaries et acta Ti. Caesaris) vgl. o. S. 736. 
Wie aber vielfach die beiden Zwecke der Be- 
urkundung und der Aufzeichnung zum dauernden 
Gedachtnis ineinander iibergehen (iiber die C. als 
Urkunden vgl. u. S. 753), so auch die WOrter 



no 1 101} auf, verdriingt die erstere nach und 
nach und wird bis ins 3. Jhdt. der Kaiserzeit 
hinein fast ausschliesslich gebraucht (o. S. 732). 
Fiir diesen Wandel der Terminologie diirfte ein 
Hauptgrund darin liegen, dass neben der Holz- 
tafel nunmehr aucli das Papyrusblatt, fur welches 
der Ausdruck tabulae nicht passte , ausgiebige 
Verwendung fand. Eine Ubertragung der Ter- 
minologie tabula und cera auf die Papyrusrolle 



acta und c. im praktischen Gebrauche; die Grie- 20 und ihre osh'Ssg, wie sie Mommsen Herm. II 



chen pflegten beides mit vjiofivrjiiaxa oder &ro 
(.ivrtfiaxioiAoi wiederzugeben. Selbst in den beiden 
Fallen, wo der Ausdruck acta technisch gewor- 
den ist, wird daneben mitunter commentarii ge- 
setzt; so erscheint neben acta urbis die Bezeich- 
nung c. urbis (Kubitschek o. Bd. I S. 291f.), 
neben acta senatus bei Tacitus, der allerdings die 
technischen Termini zu umschreiben liebt, ann. 
XV 74 c. senatus (Kubitschek o. Bd. I S. 286. 
Th<5denat 1405 n. IX. Ruggiero 539, 2. " 
Peter I 205, 4). 

Vorbereitung der Aufzeichnung in den 
Commentarii. Der Eintragung in dieC.gingen 
in der Regel vorlaufige Aufschreibungen der Amts- 
handlungen voran. So wurden unter anderem die 
Verhandlungen vor dem Kaisergerichte (o. S. 743) 
und vor den Statthaltern durch notarii oder ex- 
ceptores tachygraphisch im Wortlaute i'estgehalten, 
urn dann zumeist auszugsweise in den Commen- 



1 14ff. ; Ztschr. d. Savigny-Stift. X Rom. Abt. 349 
als mfiglich hinstellt (vgl. auch Memelsdorff 
43f.), halte ich fiir ausgeschlossen. Die Manipu- 
lation beim Gebrauche von Papyrus wurde erst 
durch die Untersuchungen von U. Wilcken Philol. 
LIII 97—102 verstandlich gemacht (vgl. Peter 
a. a. 0. I 2331 235). In dem Bureau des Stra- 
tegen in dem agyptischen Ornboi wurden, wie der 
von Wilcken meisterhaft behandelte Papyrus 
H. 30vom J. 232 darthut , zum Zwecke der Nieder- 
legung in dem Archiv des Gaues die taglichen 
Aufzeichnungen des Geschaftsjournals (vxofivt]- 
nazianoi), die Tag fiir Tag von dem Strategen 
mit der eigenhiindigen Subscription dviyroiv ver- 
seben wurden, in Reinschrift auf Papyrusstreifen 
ubertragen, deren jeder — einen Monat ran 
fassend — an der Spitze die tfberschrift vjto- 
ftrrj/.iazio[ioi A i>Qi]X(ov Asovra OTQaztj-yov 'Ofi- 
fihov 'E/.s(pavrlvt]<: mit nachfolgendem Jahr und 



tarien Aufnahme zu finden (Mommsen Strafr. 40 Datum, unter jedem Tage das eigenhandige avi- 



516, 1. Cuq Meinoires 415). Die actus eines 
af ricanischen Duumvirs wurden zunachst von scinem 
scriba auf Wachstafeln (in cera) sehriftlich fixicrt, 
aus welchen dann die eigentliche Reinschrift (auf 
Papyrus) hergestellt wurde (Mommsen a. a. 0. 
516, 4). Uber die Vorbereitung der kaiserlichen 
Cnnstitutionen o. S. 739. 

Schreibstoff und Anlage. Wahrend der 
Republik und noch in der Folgezeit wurden die 



yrojv des Strategen (vgl. Mommsen Strafr. 517 
mit A. 2) enthielt. Diese Papyrusstreifen wurden 
der diifioola fiifiho&rjxri , d. h. dem Archiv des 
Gaues, iibergeben, wo bald der eine, bald der andere 
Beamte am untercn Ende des Streifens den Ein- 
"HYi<* mit-Npnnun" seines Naniens mid den Worten 
vermcrktc: vn(stj) &Qod (soeo*;) dg 6t]/.ioaia xaze- 
^wojaa (zur Erklarung Wilcken 99f. Mommsen 
Strafr. 520. 1. Peter I 235 mit A. 1). Dieses 



geschaftlichen Aufzeichnungen des privaten und 50 y.aiaycooMtv — der technische Ausdruck fiir das 



ijffentlichen Lebens gewohnlich auf Wachstafeln 
niedergeschrieben ; daher die alte Bezeichnung als 
tabulae (tabulae publicae;o.H.'iol{.), r.-zofivij/to.Toiv 
oe/.zos in der Inschrift von Oropos o. S. 732. Wenn 
ebd. Z. 58f. die 14. Waehsflache (xtjQoiua) der 
1. Tafel (de/.Tog) angefiihrt wird. so ist dies wohl 
— trotz der von Mommsen Herm. XX 280. Dit- 
tenberger Syll. I 2 p. 5421., H. Peter Gesch. 
Litt. I 234 erhobenen Bedenken (vgl. o. S. 732j 



Einregistrieren (vgl. die Inschrift von Oropus Z. 31 , 
o. S. 732. Wilcken 99. 130; daneben evxaoouv 
in dem Gesuch der kleinasiatischen Colonen, o. 
S. 740; lat. referre in commentarios o. S. 741f.) — 
bestand in diesem Falle darin, dass die Papyrus- 
streifen so lange aneinander geleimt wurden, bis 
die Rolle die iibliche Lange erhalten hatte. Dar- 
aus erklaren sich Citate, wie o aiQaztjyoi xoUtj- 
u(azog) o" rotiov ft, A. h. auf dem 77. Papyms- 



aul Pui^piyciieii itu t>c/iicucii. uic iiwi.ii uci s t.get. ou iJial 



llOiAO 



II 19 (S. 734) ausdriicklich als Schreibstoff der 
c. trenannt werden. Dieselbe Citierweise scheint 
in CIL X 7852 vom J. 68 (o. S. 733) vorzuliegen. 
wo ans dem codex ansattis des Proconsuls von Sar- 
dinien tabula V, VIII et Villi et X angefiihrt 
wird; das Zeicheno* wird mit Mommsen Herm. a. 
a. 0. (der diese Deutung allerdings bei Bruns 
Fontes 16 231f., 4 zurucknimmt), Dittenberger 



(Wilcken 102. Mommsen Strafr. 515. 7. Peter 
I 233). 

Wilcken hat a. a. 0. 104-109 diese Ein- 
richtung der vxofivqftaztofioi fiir eine ganze Reihe 
hsberer und niederer Verwaltungsbeamten in Agyp- 
ten nachweisen konnen. Dieselbe Anlage ist aber 
aucli in hohem Grade wahrscheinlich fiir das com- 
mentarium cottidianum municipi Caeritiim CIL 



751 



Coninientarii 



Comnientarii 



752 



XI 3614 (o. S. 745). welches nach dem .Tahres- 
bande, der pagina und dcm Absatze {caput) an- 
gefiihrt wird (Wilcken 110. lommsena a 0. 
514f., 7. Peter I 235). Nach Lydus de mag. 
Ill 11 liessen die Assessoren nach Verlesung des 
Urteils das Concept desselben, z6 natf 'Ixa).oTg 
xakoviievov qir.ivQv (vielleicht verdorben aus peri- 
cidum) zrf> y.alovjxho} o%r}8aQi(p — vermutlich 
den c. — einreihen und durch die betreffenden 



fnit enim publico, ( dazu M e m e 1 s d o r f f 11 
23). 

In der altereu Zeit wurden wohl die betreffen- 
den Wachstafeln einfach in die Polyptychen der 
codices eingefugt. Bei der spiiteren Verwendung 
von Papyms durften die Ergebnisse Wilekens 
(o. S. 750) sinngemasse Anwendung finden. So 
mOgen z. B. die libri litterarum missarum nnd 
jene litterarum adlatarum der Publ.ieanengesell- 



Subalternen (subseribendarii) dem Beamten zur 1 schaften (Cic. Verr. Ill 167) und das volumen 



Unterschrift vorlegen (Mommsen Strafr. 517, 
2) ; ftir die Parteien wurde darnach eine Eein- 
schrift (xa&aQov) ausgefertigt. Die in den Pa- 
pyrus erhaltenen Parteienbescheide, die sich als 
avziyQatpov aus den v7zo/j,vt}fiaziofioi geben, be- 
st&tigen diese Nachricht (u. S. 754), 

Nicht alle c. enthielten, wie die von Wile ken 
herausgegebenen vjio^tvrjfiatiafioi , bios eine fort- 
schreitende Beriebterstattung ilber die amtliche 



epistularum des Atticus (Cic. ad Att. IX 10, 4. 
Birt Buchwesen 21) einfach durch Aneinander- 
kleben der Briefconcepte , bezw. der zugestellten 
Briefe gebildet worden sein, wie denn sohergestellte 
Briet'sammlungen noch erbalten sind (C. Wessely 
Schrifttafeln zur alt. lat. Palaeogr. 5). In gleieher 
Weise erklaren sich die e. prineipum, die kaiser- 
liche Briefe als vera et emendata enthalten (S. 
739), und der liber libellorum rescriptorum Gor- 



ThStigkeit des Magistrates oder der Priesterschaft. 20 dians, von welchem der Bescheid an die Skapto- 



Bei vielen waren im Eahmen dieser Berichterstat 
tung auf die betreffende Amtshandlung beziigliche 
Verordnungen (Senatusconsulte , magistratische 
Edicte, Instructionen) und Correspondenzen anderer 
Behorden eingefugt. Manche C. bestanden riber- 
haupt nur aus einer chronologischen Aneinander- 
reihung von Briefen, Verordnungen (z. B. kaiser- 
lichen Rescripten) u. a. Es entsteht nun die 
Frage, ob diese Schriftstucke in der anitlich vor- 



parener Absclrrift ist (S. 740), durch mechani- 
sches Aneinanderfugen der Briefconcepte, bezw. 
der Copien der mit der kaiserlichen Erledigung 
versehenen Bittschriften (o. S. 741). Aber audi 
Schriftstiieke disparaten stilistischen Charakters 
konnten in der namlichen Weise in einer und der- 
selben Commentarienrolle aneinandergereiht wer- 
den. So wurde in dem eommentarium von Caere 
(S. 745), welches audi die Decurionenbeschlusse 



liegenden Ausfertigung, die wir kurz als Original 30enthielt. der Brief der Magistrate von Caere an 



bezeichnen wollen, oder aber nur in Absclirift (so 
Bresslau, der die C. mit den mittelalterlichen 
Copial- oder Registerbuchern vergleicht. Wile ken 
103, 21. Mommsen Strafr. 518) in die C. 
aufgenommen wurden. Wir glauben , uns fur 
erstere Annahme entscheiden zu sollen. Die ge- 
branchlichen Ausdriicke referre in commentaries, 
griechisch nazayoiQt^siv (auch im Sinne der ,Bei- 
lage' zu einem Actenstiick gehraucht ; Belege bei 



den Curator wahrscheinlich im Originalconcept, die 
Antwort des Curators in der zugestellten Aus- 
fertigung eingeklebt. Dies gilt iiberhaupt von 
den Correspondenzen, Instructionen, Erlassen und 
Bescheiden anderer Behorden (z. B. kaiserliche 
Constitutionen in den c. der Provinzstatthalter), 
die in die Amtsbiicher aufgenommen wurden. 
Namentlich in den richterlichen c. wurden , wie 
die in den Papyrus auf uns gekommenen Ab- 



Wilcken 103 mit A. 22), besonders aber «Vraoo«j> 40 schriften vermuten lassen. Schriftstucke de 



(S. 740; vgl. die Insehrift von Aphrodisiaa oben 
S. 735, Z. 48ff. ev zoTg drjjioaioig zois xag' v/tsir 
ygdfifiaoiv ivzd$ai), avakatxfidveiv rig {fjio/ivij/iata, 
neben welchen niemals avxiygdyeiv steht, wider- 
sprechen wenigstens dieser Annahme nicht, welclie 
durch den besonderen Charakrpr der C. als Ur- 
kundensammlungen empfohlen wird. Wenn z. B. 
Antonius in seinem Briefe an die Aphrodisier die- 
selben auffordert, die ygd/i/iara Kaioagos in Hire 



schiedensten Art, Parteieneingaben, Verhandlungs- 
protocolle, Beweisstiicke, Briefschaften (vgl. z B 
UBM 1 19 [o. S. 734] I Z. 10, dazu i Z. llff. 
II 12ff.), Rechtsbelehrungen der hoheren Richter, 
Urteile u. s. w.. gewiss auch nicht im Wege zeit- 
raubender Abschriftnalime, sondern durch meeha- 
nisches Aneinanderfugen zu Rollen vereinigt — 
allerdings nicht etwa, wie die heutigen Acten- 
fascikel, nach einzelnen Processfallen geordnet, 



St/fioaia ygdftfiava aufzunehmen (i rzd'iai) , kann 50 sondern ohne Riicksicht auf sachliche Zugehorig 



er kaum etwas anderes als die seinem Briefe 
folgende Ausfertigung im Original darunter meinen. 
Ebenso werden die Abschriften von amtliclien Cor- 
respondenzen in der Insehrift von Caere CIL XI 
3614 (o. S. 745) aus dem eommentarium cotti- 
dianum , nicht aus daneben etwa noch vorhun- 
denen Originalen entnommen sein. Fiir die kaiser- 
lichen Constitutionen (epistulae, rescripta u. s. w.) 
gelten die <-. als forma, d. h. Originalausfertigun? 

enthalten haben. Die Yerwahrung der Origi- 
nalien in den c. erklart auch die Benennung 
authentiea, die fur eine amtliche Briefsammlung 
Hist. Aug. XXX tyr. 10, 9 gebraucht zu sein 
scheint: extat epistola divi Claudii tunc privati, 
qua Regiliano , lUyriei ditci, yratias agit oh 
redditum Illyricum . . . quam ego repertam 
in authentieis (hs. atlienicis) inserendam putavi. 



keit nach der zeitlichen Reihenfolge des Einlaufs 
oder der Expedition, so dass man sich z. B. das 
Material iiber einen bestimmten Process an ver- 
schiedenen Stellen, zuweilen in verschiedeneu 
Rollen zusammensuchen musste. 

Das geschilderte Verfahren, auf dem das ant ike 
Acten- und Registraturwesen zum grossten Teil 
beruht haben muss, welches trotz seiner Einfacli- 
heit an Accuratesse hinter dem modernen wenig 

00 iUlucLaiclii ^Wilcktli iui; Ulld FiiLscilUllgell U11U 

Einschiibe sehr erschwerte, ermoglichte es also, 
Amtspapiere aller Art in Originalen, d. h. in den 
Concepten oder beglaubigteii Ausfertigungen, nicht 
in Abschi'iften, in den als c. bezeichneten Rollen 
(libri, Tofioi) ubersichtlich zusammenzufassen. 

litteratur: Mommsen Hcrm. II 114ff. XX 
280; Ztschr. d. Savignv-Stift. X Rom. Abt. 349; 
Strafr. 515ff. U. Wilcken Philol. LIII 97—102. 



753 



Commentarii 



Commentarii 



754 



o" g TT ^ '" A Sav| g n 3'^taft. VIII Rom. authentischer tberlieferung (vera et emendata) 

Abt. 81. H. Peter Geschichtl. Litt. I 233. in den c. prineipum (S. 739). Traian versichert 

Form der Protocollierung. In jenen den Plinius der in aller Form vollzogenen Ver- 

Commentanen, welche den Charakter der Berieht- leihung angesuchter Beneticien mit den Worten: 

erstattung tragen (z. B. priesterliche Commen- in commentarios meos referri iussi (S. 741). 

tarien o. S. 729ff., Ephemeriden der Kaiser u. a.) In einem Gesuche vom J. 244/7 (S 740) Z 24f be- 

berichtet der Schreiber in dritter Person und in er- rufen sich die Bittsteller auf eme'deifa avwpawii 

zahlender Fassung (daher meist im Perfectum, vgl. fj toTs v7io/.ivrj/iaoivj evxexayyivr}. Nach den Gro- 

aber O. Gradenwitz Ztschr. d. Savigny-Stift. matikern endlich sollen bei Zweifeln in Fragen 
XVI Rom. Abt. 134f.), was von Tag zu Tag der 10 der Landvermessung die commissionellen c, ein- 

Beamte oder Pnester gethan oder gesagt hat, gesehen werden (o. S. 744). Dieselbe publico, 

oder was vor ihm verhandelt worden ist, wobei fides kam bekanntlich auch den schriftlich auf- 

Gerichtsverhandlungen und Verordnungen aller Art gezeichneten acta senatus zu(Kubitscheko Bd 

einen besonders breiten Raum einnehmen konnen. I S. 287ff). Der urkundlichen WicMigkeit der 

Im ganzen beschriinkte sich die Aufzeichnung auf C. entspricht denn auch die Sorgfalt bei ihrer 

die Amtshandlungen ; indessen werden in den Herstellung und Verwahrung (vgl. u. a. Lukian 

kaiserlichen Ephemeriden sicher hofische Ereig- apol. 12, u. S. 764). 

nisse sehr ausfuhrKch behandelt worden sein (o. In dieser Anschauung uber die publico, fides 

H. 735f.) ; auch die agyptischen vjio/xrr]/.iaua/iol vom der C. wurzelt die spatestens seit der Kaiserzeit 
J. 232 verzeichnen amtliche Besuche und Fest- 20 nachweisbare Kanzleiregel, wonach die schriftliche 

lichkeiten. Die Aufzeichnung konnte je nach der Fassung der acta in den e. als die Originalaus- 

Anordnung der BehOrde nur eine knappe auszugs- fertigung anzusehen ist. Schon das Schreiben 

weise Wiedergabe der Reden (vgl. Lukian. apol. der Consuln an die Oropier vom J. 681 = 73 (o. S. 

12 tag zwv dtxaiokoyovvrcov QijroQsiag Qv&pt&iv) 732), welches bis auf die Grussformel nichts an- 

oder aber eine vollstandige Niederschrift auf Grund deres ist, als ein Auszug aus den ausdriicklich 

tachygraphischer Notizen der exeeptores oder no- angefiihrten vxofivrjuaza, lasst diese Auffassung zu. 

tarii enthalten (o. S. 749). Schriftstucke, die zur Demgemass wird den Interessenten nicht nur 

Verhandlung gehorten, Erlasse und Correspon- auf gelegentliches spateres Ansuchen Absclirift 

denzen anderer BehOrden, Eingaben der Parteien, aus den C. gewahrt (so in dem Briefe des M. 
die von dem Beamten selbst entworfenen und 30 Antonius an die Aphrodisier Z. 21ff., S. 735; 

vom Blatt verlesenen Urteilsspruche wurden wahr- in der Insehrift von Smyrna . S. 737f.) . sondern 

scheiniich im -Original an gehOriger Stelle em- auch die den Parteien im Zuge der Amtshand- 

gefugt (o. S. 751f.; vgl. Mommsen Strafr. 518). — lung selbst in welcher Form immer ausgefolgten 

Auf blosse chronologische Aneinanderreihung be- Bescheide stellen sich sehr haufig unmittelbar 

schrankte sich jene Gruppe von C, in welchen als beglaubigte Abschriften aus den C. dar. 

Correspondenzen, Verordnungen (z. B. die kaiser- Solche Parteienbescheide sind ihrer Natur nach 

lichen epistulae und libelli reseripti) ohne neben- die meisten inschriftlich erhaltenen Entschei- 

herlaufende Beriebterstattung vereinigt wurden. dungen in der Form von Ausziigen aus amtliclien 

Auf Bestatigung der Aufzeichnungen durch C. (z. B. CIL X 7852, o. S. 733; CIL XI 3614 aus 
den Beamten fuhrt in der alteren Epoche keine 40 Caere, o. S. 745; die Insehrift von Skaptoparene 

Spur. In der Kaiserzeit durfte sie jedoch die S. 740), desgleichen jene zahlreichen Papyrus- 

Regel gewesen sein, wie das reseripsi recognovi urkunden, die sich als Copien der v^ouv^iianonol 

in dem kaiserlichen liber libellorum rescriptorum verschiedener richterlicher Beamten ' bezeichnen 

(o. S. 740f.J und das aviyvmv in den agyptischen (vgl. dazu auch die Angaben bei Lyd. de mag. Ill 

inofivtifiatiofioi. (Wilcken 98. Mommsen Strafr. 11, o. S. 751). Die Beglaubigung der Abschrift, 

517) annchmen lasst. die hier auf private Initiative hergesteilt wird. 

Rechtlicher Charakter der Commen- ist entweder eine private durch Unterschrift und 

tarii. Die Amtshandlungen der Magistrate und Siegelung von sieben Zeugen (so in CIL X 7852, 

Priester bedurften selbstverstandlich zu ihrer den Inschriften von Smyrna und Skaptoparene; 
Gultigkeit nicht der schriftlichen Aufzeichnung; 50 vgl. auch das Senatusconsult CIL VIII 270 = 

wohl aber machte umgekehrt die auf Geheiss des Suppl. 11451, Bruns 16 196 n. 58), oder aber 

Beamten oder Priesters erfolgte Eintragung in eine amtliche (auf agyptischen Urkunden durch 

die c. vollen Beweis fur die Vornahme des be- den piphoyvka*, z. B. in dem Wiener Papvrus 

treffenden Actes. Schon in hellenistischen Urkun- vom J. 124, Z. 41 : K'/.avbio; »• jiiphoyvia'S ■ 

den steht, wie Wilcken Phil. LIII 103f. (vgl. i^doyu; vgl. auch Paul. Dig. XLIX 14, 45 § 7 

108 n. 8) darlegt, r.-rom-)juaziau6; in der priig- eaque manu commentariensis adnotanda sunt 

nanten Bedeutung ,Entscheidung-, ,Decret'. In und Lyd. de mag. Ill 11). Einen etwas anderen 

Pom war diese Auffassung bereits im letzten Charakter haben jene Parteienbescheide, die in 

Jhdt. der Republik durchgedrungen. _ In dem Form von epistulae und rescripta von amtsweeen 
ccnrciben an uie uropier vum J. ool = v3 Z. 30f. 60 ausgegeben und durch die Subscription des Be- 

(o._ S. 732) bemerken die Consuln ausdriicklich: amten (bei den Rescripten reseripsi; rewgttovi, 

(zip yvwfitjr) d; rtjy roiy v.-iourrj/idzwv dii-zov o. S. 74Q) in ahnlicher Weise authentisiert wer- 

r.areymgioapEv. Ebenso berief sich Antonius fur den. wie die analoge Niederschrift in den c. 

eine Reihe von fingierten Gesetzen, Erlassen und Hier liegen gewissermassen zwei nahezu gleich- 

Privilegien auf die von ihm verfalschten Commen- wertige authentische Ausfertigungen vor (Kar- 

tarien des Dictators Caesar (o. S. 735). Unter Iowa Neue Heidelb. Jahrb. VI 21 Iff.), aber auch 

Traian sucht der jungere Plinius ein Edict des da durfte im Z weifelsfalle , wie die angefnhrten 

Augustus und epistulae der flavischen Kaiser in Worte des Plinius (vera et emendata S. 739) dar- 



ii>0 



Commeiitarii 



Commentarii 



756 



thuu, die Xiedersehiift in Jen C. wegen der ge- 
ringercn Gefahr der Verfalschung (o. S. 752) als 
die ausschlasrgebende angesehen worden sein, die 
daher in CIL III 411 (o. S. 737f.) als die forma, 
d. h. Originalconeept, bezeichnet wird (o. S. 751). 
Dasselbe gilt namentlich auch von den Eintra- 
gungen in den c. beneficiorum und aquarum im 
Verhaltnisse zu den dariiber ausgegebenen epi- 
stulae und codicilli (o. S. 7421'.). 

Auch gegeniiber den zur offentliehen Propo- 10 
sition bestimmten Ausfertigungen gilt die Aufzeich- 
nung in den e. als die urspriingliche und authen- 
tische. Dies zeigenz.B. die Nachrichten iiber diezabl- 
reichen Verordnungen und Privilegienverleihungen 
auf Grund der (von Antonius verfalschten) e. des 
Dictators Caesar, die in tabulae aeneae auf dera 
Capitol proponiert wurden (o. S. 735). Auch die 
tabulae aeneae iiber Schenkuugen des Biirger- 
rechtes in der Kaiserzeit werden auf die kaiser- 
lichen Beneflcienbiicber zuriickgehen (o. S. 741f.). 20 
Natiirlich besitzen auch diese Ausfertigungen 
publico, fides (die Rescripte in dem effeutlicb pro- 
ponierten liber lihellorum rescriptorum Gordians 
tragen die Beglaubigungsi'onnel rescripsi ; recog- 
novi; o. S. 740), und es konnen von ihnen, wie 
die sog. Militardiplome und die Inschrift von Skap- 
toparene zeigen , von Zeugen beglaubigte Ab- 
schriften genommen werden. 

Aufbewahrung der Commentarii. Wie 
die Herstellung, so war auch die Verwahrmig der 30 
Amtsbiicher ursprtinglich eine private; vgl. Ck - . 
pro Sulla 42 cum scirem ita esse indicium re- 
latum in tabu/as publicas, id illae tabulae pri- 
vata tamen ciistodia moremaiorum confinerentur. 
Das Amtsbuch verbleibt Eigentum des gewesenen 
Magistrates und in seinem und spater seiner Rrben 
Gewahrsam (Mommsen St..R. 13 5, 2. Ill 1016; 
Strafr. 519). Selbst bei den unrjnxa vxofivyiiaia 
wird uns dies von Dionys. I 74, 5 (o. S. 733) 
wenigstens fur die alteste ZeU — er eitiert aus 40 
dem Census von 361/2 =393/2 - ausdriicklich 
bezeugt. Mommsens Annahme(St.-R. II 3 361, 3), 
dass die Ablieferung der Listen an das Aerarium 
nie fehlen konnte und nur Abschriften und vor- 
bereitende Aufzeichnungen in den Hiinden der ge- 
wesenen Censoren geblieben sein mochten, setzt 
einen fur diese alteste Zeit kaum wahrschein- 
lichen archivalischen Apparat vorans. 

Die privata monumenta iLiv. VI 1,2 si quae 
iit commentariis pontifieitni aliisque pidilicis 50 
privatisque crant monumeutis, ineensa urbe ple- 
raeque interfere), in welchen man herkommlicli 
,Haus- und Familienchronikeir zu sehen pflegt 
(Schweffler K. G. I 12. H. Peter Hist. Bom. 
roll. I p7 XXVin f. XXXXII. E. Ltibbert De 
gentium Komanarum commentariis domesticis. 
Giessen 1873. Birt Buchwesen 63f. Teuffel- 
SchwabeS § 80. Thedenat Diet, des ant. I 
1404 n. Hi. sind. snweit es sich nicht uni lau- 
dationes (Cic. Brut. 62) und urn spate antiqua- 60 
rische Erzeugnisse handelt. kaum etwas anderes 
als die AmtsMcher der ehemaligen Magistrate, 
ilie in den tablina ihrer Familien als Erinnerungs- 
zeichen und praktischc Vorlagen fur die Nach- 
kommen verwahrt wurden ; vgl. Plin. n. h. XXXV 
7 tahulina eodicibus implehantur et monumeutis 
rerum in magisiratu gestarnm. Fest. p. 356 
tablimtmr proxime atrium locus dicitur, quod 



a/itiqui, magistraius in suo imperio talndis 
[cum implebant]. Die Sitte der privaten Auf- 
bewahrung durch den gewesenen Magistrat er- 
hielt sich sogar hie und da bis in die spate 
Kaiserzeit hinein, wie ein interessantes Beispiel 
bei Mommsen Strafr. 516, 4 (vgl. 519; actus 
eines gewesenen africanischen Duovirs) dartmit 
(o. S. 746). Eine Ausnahmestellung scheinen seit 
uralter Zeit die c. der Priestertumer eingenommen 
zu haben, die nicht ftir einzelne, sondern fur 
das Collegium gefiihrt wurden, und fur deren 
Aufbewahrung die Regia und die iibrigen schon 
friihzeitig als Archive benutzten Cultstatten seit 
jeher als feste Sitze sich darboten. 

Erst seit dem Ende der Republik und dem 
Beginne des Principats wurden die magistratischen 
e. in Rom und ausserhalb der Hauptstadt in den 
Offentlichen Archiven aufbewahrt (vgl. dazu Max 
Memelsdorff De archivis imperatorum Roma- 
norum, qualia fuerint usque ad Diocletiani aeta- 
tem, Diss. Halle 1890. H. Peter Gesch. Litt. I 
223ff.). Die Amtsbiicher der Consuln und der 
ubrigen hauptstadtischen Magistrate waren im 
Aerarium niedergelegt (Mommsen St.-R. lis 
547. Memelsdorff a. a. 0. 4f. Peter I 2241). 
Die Continuitat der kaiserlichen Anitsfuhrung 
aussert sich auch darin, dass jedev Princeps den 
schriftlichen Nachlass seiner Vorganger iiber- 
nimmt (vgl. Plin. ad Trai. 65, 3. 66, 1, o. S. 739, 
Peter I 227f.). Die Actensttieke der kaiserlichen 
Kanzleien wurden anfanglich, wie es scheint, in 
den serinia der verschiedeneii Bureaux (vgl. die 
scriniarii ah epistulis und a libellis aus clau- 
disch-neronischer Zeit, o. S. 739; so wohl noch 
unter Traian, vgl. Plin. ad Trai. 65, 3 in scri- 
niis tuts, o. S. 739; ein eiistos a, commentaris 
beneficiorum unter Traian u. S. 760). Als diese 
Raume zu enge wurden, brachte man wenigstens 
den alteren Vorrat an c. und ahnlichen Acten in 
einem besonderen Archive im Kaiserpalaste, dem 
tabularium principis (Hirschfeld V.-G. I206f ., 3) 
unter, dessen jedenfalls sebr reiche Bestande an 
Urkunden jeder Art Memelsdorff a. a. 0. 20ff. 
und Peter I 225ff., bes. 229ft'. erOrtern. Ausdruck- 
lich bezeugt ist uns die Hinterlegung der groma- 
tischen c. im tabular turn odtr sam-tuariuai Cae- 
saris (o. S. 744). 

Auch in den Provinzen entstanden allmahlieli 
Archive, in welchen die Amtsbiicher der Statthalter 
hinterlegt wurden (Mommsen Strafr. 519, 2. 3. 
Peter I 240). Nach 0. Seeck Ztschr. d. Sa- 
vigny-Stiftung X Rom. Abt. Off. bildeten die 
Provinzialarchive eine Hauptquelle fiir die Ge- 
setzsaminlungen , namentlich den Codex Theodo- 
sianus (dagegen Mommsen ebd. 351; vgl. o. 
S. 738). Besonders entwickelt und bis ins De- 
tail ausgebildet war der Arehivdienst in Agypten, 
tiber den die Papyrusurkunden zahlreiche noch 
nicht erschopfend verwertete Aufsehlflsse enthalten 
(vgl. I". VV Uc ken Ubserv. ad histonam Aegypti 
30. Mommsen Ztschr. der Savigny-Stiftung XII 
Rom. Abt. 296); der von Mommsen a. a. 0. 
284ff. ver6ffentlichte Wiener Papyrus, ein Auszug 
aus richterlichen vnofirij/xazwiwi vom J. 124 
(o. S. 734), schliesst mit dem Collation svermerk 
eines /}v(S/,to(fv/.a^ (Z. 40f.) ; die v^ouvt]/iariai.iol 
des Strategen von Omboi vom J. 232 (o. S. 746) 
tragen gleichfalls den RegistraturveTmerk ver- 



757 



Commentarii 



Commentarii 



758 



scliiedener Archivbeamten. Eudlicli gab es audi 
in Italien wie in den Provinzen stiidtische Archive 
(Memelsdorff 34-41. Peter I 240). 

Beniitzung der Commentarii. Der ur- 
spriinglich private Charakter der amtlichen Buch- 
fiilirung aassert sich auch darin, dass ihre Be- 
niitzung durch andere von rechtswegen nur mit 
Bewilligung des Magistrates erfolgen kann. Der 
von Paulus Dig. XLIX 14, 45 § 7 ausgesprochene 
Satz quot'iens aptid fiscum agitur, actorum po- 10 
test as postulanda est, id merito its uti liceat, 
eaqite manu commentariensis adnotanda sunt 
(Bresslau Ztschr. der Savigny-Stift. VI Rom. 
Abt. 257. Memelsdorff 50, 5. Peter I 236, 
4) lasst sich auch auf die e. principis ausdehnen ; 
die potestas inspieiendi deseribendique (Belege 
bei Slemelsdorff 50, 5) wird vom Kaiser nur 
auf besonderes Ansuchen nach freiem Ermessen 
gewahrt oder verweigert ; vgl. Tac. hist. IV 40 
zum J. 70: petit a Caesare (Domitiano) Junius 20 
Mauricus, ut commentariorum prineipalium 
potestatem senaiui faceret, per quos nosoeret 
u. s. w. (o. S. 743). Ein Bittgesuch (libellus) um 
Bewilligung der Abschriftnahme aus den vno- 
fivrjfiata Hadrians liegt in der Inschrift von Smyr- 
na CIL III 411 (o. S. 737f.) vom J. 139 vor; 
die Genehmignng des Kaisers wird in Form eines 
Rescriptes erteilt, und ausserdem ergeht der aus- 
druckliche Befehl zur Edition an zwei Archiv- 
beamte. Uber die Beglaubigung der aus den 30 
Coinmentarien erteilten Abschriften vgl. o. S. 
754 (Peter I"236f.,4). fiber die Beniitzung der 

c. principis durch den Kaiser selbst o. S. 739, 
fiir Gesandtschaftsberichte o. S. 737 , fiir histo- 
rische Zwecke o. S. 736f'.. Vgl. Memelsdorff 
oOf. Peter I 236f. Mommsen Strafr. 520. 

II. Commentarii in der Litteratur. 

Seit dem letzten Jahrhundert der Republik tritt 
die Bezeichnung commentarii auch als Benennung 
fiir Werke der wissenschaftlichen (besonders hi- 40 
storischen) und technischen Litteratur auf. Dabei 
muss, ahnlich wie in der Epistolographie, unter- 
schieden werden zwischen solchen c, die ursprting- 
lich bestimmten praktischen Zwecken (z. B. als 
Tagebiicher, als Behelfe fiir die Rednerbtlhne oder 
die Schule) dienten und nur zufallig durch eine 
zuniichst nicht beabsichtigtc Edition zu Littera- 
turwerken wurden, und jenen c, die in vorhinein 
mit der Absicht der Veroffentlichung nieder- 
geschrieben wurden. Nur letztere kennen i'iig- 50 
lich als eine besondere litterarische Gattung be- 
trachtet werden. 

Zu der ersten Kategorie gehoren z. B. die Ent- 
wiirfe und Concepte von Reden (e. camarum), 
welche aus Ciceros Xachlass dessen Freigelassener 
Tiro veroffentlichte (Teuffel-Schwabe Gesch. 

d. r. L. § 180, 4, vgl. § 174, 3i, vielleicht auch 
die von Sueton de gramm. 4 {<>. S. 727) erwahnten 
Vorlesuneren iiber Grammatik und Rlietorik. die 
zuniichst als Collegienheit gedachten c. institu- 60 
tionum des Juristen Gaius (o. S. 727) u. a. Aus 
amtlichen C. iiber Kriegsereignisse und Provinz- 
verwaltung, die mit Riicksicht auf die Wichtig- 
keit der Sache verSffentlicht wurden, nicht aus 
eigentlichen Geschichtswerken stammen gewiss 
auch die historischen Notizen, die uns unter dem 
Xamen der Kaiser Vespasian (Joseph, vit, 65 i v tots 
Oveoxaotarov tov avioxQarooog vxo/tivriftaatv) und 



Traian, dann des Cn. Doniitius Corbulo, Ti. Clau- 
dius Balbillus, C. Suetonius Paulinus und M. An- 
tonius Inlianus erhalten sind (vgl. H. Peter 
Hist. Rom. fragm. p. 308 ff.; Geschichtl. Litt, I 
361ff., bes. 365. 374). 

In die zweite Gruppe sind von historischen 
Schriften einzureihen die autobiographischen 22 
Bticher c. (vrto^trrjfiaTa; daneben rerum gesta- 
rum KWbetitelt) des Dictators Sulla (Teuffel- 
Sch.wabe § 157, 2. Wachsmuth Einleitung 
206), der von Cicero im J. 694 — 60 ausgearbeitete 
commenfarius consulatus sui graece compositus 
(fjji6/j.vtj/j,a tijs vjiarelag), neben welehem auch 
eine lateinische Bearbeitung desselben Stoffes von 
Cicero beabsichtigt war (Teuffel-Schwabe 
§ 186, 2. Peter Gesch. Litt. I 201. Wachs- 
muth a. a. O.I, endlich das hervorragendste Me- 
moirenwerk des Altertums, die c. Caesars (griech. 
vjcopvij/Aara oder i<pt]it£QiSes) iiber das bellum 
Gallicum und civile saint den Supplemented Aus 
der Kaiserzeit sind zu nennen z. B. der eommen- 
tarius de vita sua des Tiberius (Teuffel- 
Schwabe § 275, 1. Peter I 373; o. S. 736) 
und die c. Agrippinae (Tac. ann. IV 53. Teuf- 
fel-Schwabe § 286, 6. Peter I 374). Neben 
diesen ausdriicklich als c. bezeichneten Werkengiebt 
es natiirlich noch eine ganze Reihe sachlich zu- 
gehoriger Werke aus dem Gebiete der Selbstbiogra- 
phie und Memoirenlitteratur (Wachsmuth 205ff. 
Peter I 201 if. 372ff.). Ausserdem gehoren hieher 
die c. (Entwiirl'e) der Reden des Juristen und Sach- 
walters Ser. Sulpicius Rufus, von welchen Quin- 
tilian inst. X 7, 30 — im Gegensatz zu jenen 
des Cicero — bemerkt: ita sunt cxacti ut ab 
ipso mihi in memoriam posteritatis videantur 
esse compositi (Teuffel- Schwabe § 174, 3), 
i'erner eine grosse Anzahl grammatischer c, dieEin- 
leitungsschrift Varros fiir die Ubemahnie des Con- 
sulates durch Pompeius {commentarium isagogi- 
cnm\ Teuffel-Schwabe § 166, 4 a, E.; o. S. 
748), vielleicht auch die c. artis suae des Rechen- 
kiinstlers Melior (CIL XIV 472; Ruggicro Diz. 
epigr. II 538) u. s. w. 

Die fur die Edition aufgezeichneten c. be- 
vvegen sich, wie man sieht, im ganzen auf den- 
selben niimlichen Gebieten wie die privaten und 
amtlichen gesch aftlichen Aufzeichnungen. Letztere 
sind audi in aller Regel als die Grundlage fiir 
das thatsachliche Material, welches die litterari- 
schen c. bieten, zu betrachten. Aber auch in for- 
meller Hinsicht lehnen sich die litteiaiischen c. 
mehr oder weniger an die des praktischen Lebens 
an. Dies gilt insbesondere fiir die historischen 
e. ; auch fiir die griechischen geschichtlichen vxo- 
ftr>'/fiara MnA vno t uvrjfiaTia/wl hat Wilcken Philol. 
Lni 117tf. den Zusammenhang mit den Amts- und 
Hoftagebuchern iiberzeugend dargelegt. So ist z. B. 
fiir die beiden im caesarischen Corpus iiberlieferTen 
Coinmentarien iiber das bellum Afrieattum und 
Hispjaniense charakteristisch eine mechanische 
Einhaltung der chronologischen Folge und die 
Wesentliches und Unbedeutendes nicht unterschei- 
dende Umstandlichkeit in der Darstellung, unter 
deren rhetorischem Aufputz das urspriingliche 
Geriist des Tagebuchcs deutlich zum Vorschein 
kommt. Nicht minder werden holier stehende 
Prodncte dieser Gattung, wie etwa die ciceroni- 
sclien c. consulatus oder die von Caesar selbst 



759 



a commentariis 



a commentariis 



(60 



I 



verfassten Commentarien ohne Zweifel das Tliat- 
sachliche aus den amtlichen c. consulum (o. S. 782), 
lsezw. aus dem Feldherrnjournal und den Berichten 
der Unterbefehlshaber (vgl. die Ausserung des 
Asinius Pollio bei Suet. Caes. 56) geschopft haben. 
Aber aucb hinsichtlich der Form wirkt der Cha- 
racter der stofflichen Yorlage nach. Der Titel 
c. weist gewissermassen den Anspruch aaf buch- 
massige Ausarbeitung und stilistische Vollendung 



wirklich oder fictiv — ingenui. Im ritterlichen 
Range stehen der a commentariis praefecti prae- 
torio und der siQoaoSonoto; des Praefectus Aegypti. 

I. Protocollbeamte der Kaiserzeit vor 
Diocletian. 

a) Hofkanzleien. Der ungewChnliche Urn- 
fang der Geschafte, deren Erledigung dem Prin- 
ceps zustand, erheisclite es, dass die Agenden der 
Protocollierung, welche in den untergeordneten 



zuriick. Ursprunglichkeit und Unmittelbarkeit, 10 Amtern samt und sonders von einem odermehreren 



Freiheit und Einfachheit des Ausdrackes, eine 
rhetorischen Schmuck verschmahende Riehtung 
auf das Sachliche sind die grossen Vorzuge der 
tostorischen C. besserer Art gegenuber der in 
«teife rhetorisohe Regeln gezwangten ztmftigen 
■Geschichtschreibung jener Epoche. Namentlich 
in den caesarisehen C, deren schriftstellerische 
Vorzuge Cicero Brut. 262 wiirdigt, ist in gluck- 
licher Weise die Mitte gehalten zwischen den 



a 6. besorgtwerdenkonnten, seitjeheruntermebrere 
Departements (ab epistulis, a libellis, a eogni- 
tionibus, spater a memoria) aufgeteilt waren. 
Die Hulfsbeamten dieser Hofkanzleien waren es, 
welche unter Controlle der Bureauvorstande die 
verschiedenen commentarii prineipis (o. S. 735ff.) 
fuhrten. Daher kommt die Bezeichnung a c. 
ivur bei zwei ausserhalb der genannten Departe- 
ments stehenden Kategorien von Hulfsbeamten 



fliichtig hingeworfenen Bemerkungen eines Tage- 20 vor, narolich bei den kaiseilichen Freigelassenen 



buches und einem sorgfaltig ausgearbeiteten hi- 
storischen Werke. Dies schliesst naturlich nicht 
aus, dass diese einfache Sprache — wie bei dem 
«ieeronischen {ad/tivrj/ta, — bios erkiinstelt war und 
die vorgeschobene Absicht, nur Material fur eine 
spatere kunstgemasse Darstellung liefern zuwollen, 
als Deckmantel filr das personliche Interesse oder 
politische Tendenzen diente (so bei den Comtnen- 
tarien Sullas, Ciceros, Caesars). 



welche das Hoftagebuch aufzeichneten (spater 
Procuratur ab eplmneride,; o. S. 735), und bei 
den a commentariis beneficiorum, die nur unter 
Traian und Hadrian bezeugt sind, und aus welchen 
vielleieht spater ein neues Hofamt a memoria 
(s. d.) hervorgieng. 

1. a commentar(is) Augfusti) CIL VI 8623 
(Freigelassener eines Kaisers aus dem flavischen 
Hause); Augfusti) verfna) a eommentfaris) CIL 



Aus dem Vorstelienden ergiebt sicli, dass 30 Vl 8624. 8625; [Aujgfusti) n(ostri) comfmejn- 



die von Peter I 201 versuchte Erklarung der 
Benennung c. wohl kaurii das Wesen der Sache 
trifft: ,wie die Entwiirfe (commentarii . . .) sich 
zu den ausgearbeiteten und gesprochenen Reden 
verhalten, so sollten sich jene .Denkwiirdigkeiten' 
zu wahren Geschichtswerken verhalten. und so 
kam fur diese Litteraturgattung iiberhaupt der 
Name c. auf'. Nicht etwa dieser formelle Paralle- 
lismus, sondern der innige Zusammenhang mit 



tartiensis) CIL V 475 ; Augfusti) nfostri servusj 
adiiitor a commfentaris) C a gnat Annee epigr. 
1891 nr. 19. Die hier als commentarii xat ^oyijr 
bezeichneten Aufschreibungen sind wabrscheinlich 
die kaiserlichen Ephemeriden (o. S. 735f.). 

2. a commentariis beneficiorum (vgl. dazu 
o. S. 741f.) werden in Inschriften der Epoche 
Traians und Hadrians genannt, CIL VI 1884 = 
Dessau 1792 M. Vfpio Aug. lib. Phaedimo diri 



den mannigfachen e. der privaten und Offentlichen 40 Traiani Aug. a potione , item a laguna et tri 



Praxis in Inhalt und Form war fiir die Benen- 
nung der historischen und sonstigen in der Lit- 
teratur auftretenden c. ausschlaggebend. 

[A. v. Premerstein.l 
a commentariis. Als Terminus fur den Pro- 
tocollfiihrer erscheint a c. zuerst in Inschriften der 
Kaiserzeit (das alteste Beispiel CIL VI 10089, unten 
nr. 24 unter Claudius). Etwa seit der Mitte des 
2. Jhdts. begegnet daneben die Bildung eommen 



cliniarchfae) , lictori proximo et a commentfans) 
beneficiorum (gest. 117; dazu Friedlander S.- 
G. 16 193. H. Dessau Beitrage zur alten Gesch. 
u. Geogr., Festschr. f. H. Kiepert 88f. E. Groag 
Rom. Mitt. XIV 271ff.). CIL VI 8627 (Freige- 
lassener Traians) qui fuit custos a commentarii 
bencficim-um. Not. d. scavi 1893, 195 (Freige- 
lassener Hadrians) adiutfor) a comm(entaris) 
beneficiorum. Vgl. im allgemeinen Ed. Cuq 



tariensis, welche zuniichst fiir die (fruher gleich- 50 Me'moires a. a. O. (o. S. 745) 417f. Mommsen 



falls als a c — vgl. CIL XI 6343 u. S. 761 
liezeichneten) soldatischen Officialen ausschliess- 
lich gebraucbHch wird und sebr bald die Titula- 
tur a c. fast uberall verdrangt. fiber die Dif- 
ferenzierung der ritterlichen Beamten a commen- 
tariis praefecti practorw und der militarischen 
commeniarknses vgl. u. S. 761. Eine vereinzelte 
hvbride Fonn ist der axofieviagrjow; der In- 
c ;i, r ;ft y_» pj.vFAn^vt VI 2225. 



Beitrage a. a. O. 104. 2. Peter Gesch. Litt. I 
231. Ruggiero Diz. epigr. I 996. II 543. Viel 
leicht sind darait identisch die bei Plin. ad Trai. 
6. 2 erwahnten kaiserlichen Freigelassenen (vgl. o. 
8. 742). 

b) Delegierte kaiserliche Gerichtsbar- 
keit in Eom. 

3. a commentariis custodiarum. Cber die 
Strafvnllstrpcknn? wurden fiir die riehterlichen 



Dem ursprilnglich privaten Charakter der amt- 60 Beamten in Rom und in den Provinzen gesonderte 



lichen Aufzeichnugen entsprechend waren die Or- 
gane a e. anfanglich wohl Sclaven des Beamten 
(bei den Priest ereollegien servi pubtici: vgl. o. 
S. 730). Die a c. der kaiserlichen Hofiimter und 
Verwaltungsbehorden sind zumeist Freigelassene 
des Kaisers, zuweilen auch Sclaven. In den mili- 
tarischen Officien der Provinzverwaltung sind auch 
die commmtarienses Legionssoldaten , also — 



commentarii custodiarum gefuhrt. Den Inhalt 
des fur Verres als Statthalter von Sicilien ange- 
legten Gefangnisjournals deutet Cic. Veri 1 . V 57 
an: cedo rationem carceris, quae diligentissime 
cmificitur, quo quisque die datus in custodiam, 
quo mortuus. quo necatus sit (Hirschfeld S.- 
Ber. Akad. Berlin 1891. 877, 155. G. Humbert 
Diet, des ant. 1918). CIL XI 6343 (= Dessau 



761 



a commentariis 



a commentariis 



762 



2073) nennt einen bemficiarius Oetae (wahrschein- 
lich des Praef. praet. Lusius Geta unter Claudius; 
vgl. Bormann Ephem. epigr. IV p. 400 nr. 423) 
ab comentaris (sic) eustodiarufm) , CIL XI 19 
einen evoefatusj a comment (aris) cusi(odiarum) ; 
vgl. auch Ephem. epigr. IV 963 (aus Rom). Diesen 
lag in Rom beim Kaiser, bezw. seinem Stellver- 
treter, dem Gardecommandanten, die Piihrung des 
Gefangnisjournals ob, welche in den Bureaux der 
Provinzstatthalter zu den Fnnctionen des com- 
mmtariensis gehftrte (Hirschfeld a. a, O. 859, 
62. Cauer Ephem. epigr. IV p. 423 nr. 20. 21. 
Ruggiero Diz. epigr. TI 541. Mommsen Ephem. 
epigr. V p. 148, 2. 149, 2; Strafr.317, 1). Zu Cod. 
Theod. IX 3, 6 vom J. 380 vgl. S. 767. 

4. a commentariis praefecti praetorio. Nach 
Mommsens Vermutung (St.-R. 113 H22, 1; 
ebenso Ruggiero Diz. epigr. II 540) hatten sich 
die Praefecti praetorio zur Filhrung des Amtsbuches 
urspriinglich — ahnlich wie die Provinzstatthalter 
und vielleieht auch die Praefecti vigilum (u. S. 
762) — im Range unter den Centurionen stehen- 
der abcommandierter Soldaten bedient. Mit dem 
wachsenden Uinfange und Ansehen der Praefectur 
wurden ihnen dann Manner ritterlichen Standes 
als Kanzleigehiilfen zugewiesen, die auch in der 
Titulatur a c. von den subalternen commenta- 
rienses der Militarordnung sich differenzierten 
(vgl. auch Mommsen Ztschr. d. Savigny-Stiftung 
XVI Rom. Abt. 189, 5). Audi die Fassung von 
Vatic, frg. 222, wonach is qui eommentarios 
liabet praefecti,_ quamdiu hie eommentarios habet 
praefecti, nach einem Rescripte des divus Marcus 
cum filio von der Tutel excusiert sein sollte, lasst 
erkennen, dass diese Stellung damals nicht mehr 
den eigentlichen officia militaria zugezahlt wurde. 
Von den bei Cauer und Ruggiero a. a. 0. ge- 
sammelten inschriftlichen Erwiihnungen (CIL VI 
1564. 8400. VIII 8328. 9308. 11341. X 7585; un- 
siclierXII671.XIV 185) ist die alteste (CIL YI1564 
= Dessau 1452 ab eommentariisCorneUSe[pen- 
tini pr(aefecti) prfaetoriojf) nicht vor Antoninus 
Pius, vielleieht sogar erst unter Marc Aurel anzu- 
setzen (Hirschfeld Verw.-Gcsch. 1216, 2. Klebs 
Prosopogr. 1 461f. nr. 1168). Obgleich die Titulatur 
liaufig a commentaris praefecforum praeforio 
lautet (CIL VI 8400. VIII 9368. 1 1341), hatte doch 
jeder Praefect, wie sein eigenes Officium, so audi 
seinen besonderen a c. (vgl. CIL VI 1564. Vatic, 
frg. 222, dazu Hirschfelda. a.O.; vgl.auchMomm- 
senStrafr.SlSmit A.2). Nach Hirschf eld (anders 
Mommsen St.-R. II 3 1122. 1 ; vgl. Cauer a. a. 0. 
478) rangieren diese Beamten mit den niederen 
Procuraturen; zu hohen Wurden gelangten spater 
die in CIL VI 1564. X 7585 genannten Manner. 

Wie die vorangehende oder nachfolgende Be- 
kleidung der Amter ab epistulis (CIL VI 1564; 
dazu Hirschfeld a. a. 0. 34, 1 nr. 1), 
a studiis (CIL VI 8400) zeigt. bevorzugte man 
j'-Hs+hch v.vA Ht^va-i^h gcljildcto Ma:.r.c-:- .,uf 
diesem Posten. Die Agenden desselben mussen 
jenen des ritterlichen a cognitionibus (s. d.) beim 
kaisergerichte und des gleichgestellten xqooooo- 
.Towg des Praefecten von Agypten im wesentlichen 
analog gewesen sein (u. 8. 764). Hierher geliOrt 
auch Dio LXXV 15 iiiber den a c. des Praef. 
praet, Plautianus); 8 ts rag dir.us f.V avzov Xeyo- 
uivaQ ftiaiaiioiv, xe/.evo&st; aoxf. ivto tov Ztfir/oov 



afyyovvzog dixrjv nva eloayayelv, ovx rj&iAwoev (vgl. 
Mommsen Ztschr. a. a. 0.). Ein in den com- 
mentarii (vno/ivijfiaTa) des Praefecten enthaltener 
Ausweisungsbefehl wird in der Entscheidung Ha- 
drians bei Dositheus § 78 (Corpus iur. anteiust. 
I, ed. Becking col. 205) erwahnt. Neben der Vor- 
bereitung und der Protocollierung der vor dem. 
Praefecten in und ausserhalb des Consiliums ge- 
iuhrten Gerichtsverhandlungen war sein a c, da 

10 der Praefect zugleich oberste Instanz fur daa 
hauptstadtische Gefangnis wesen war (Mommsen 
Strafr. 317 mit A. 1), wahrscheinlich schon da- 
mals, wie spater im 4. Jhdt., mit der tTberwachung 
der Inhaftierten und der Fiihrung der Gefangenen- 
listen (o. S. 760f.) betraut. 

Litteratur:HirschfeldVerw.-Gesch.I216f.,2. 
P. C auer Ephem. epigr. IV p. 424f. 478. E. Cuq 
Memoires pre'sente's par divers savants a l'acad.. 
des inscr. I. sene IX 2 (1884) 358, 3. Mommsen, 

20 St.-R. 113 H22, 1; Ephem. epigr. V p. 128. H. 
Thedenat Diet, des ant. I 1403f. Ruggierc- 
Diz. epigr. II 539f. 

5. a cfommentariis) prfaefecti vigilum). Sr> 
hat Kellermann (Vigil. Rom. latere. 15) die 
Abkurzung AGPR gedeutet, die in CIL VI 1057, 
n 62. 1058 in 3 vor den Namen zweier gewiihn- 
licher Soldaten steht. P. Cauer Ephem. epigr. 
IV p. 425 (vgl. Ruggiero Diz. epigr. II 540) be- 
streitet dies — kaum mit Recht — unter Hin- 

30 weis auf den ritterlichen Rang der mit ungleich 
wichtigeren Agenden betrauten a commentariis- 
praefectommi praetorio, der iibrigens auch nicht 
vor der 2. Halfte des 2. Jhdts. nachweibar ist. 

6. comm(entariensis) praef fecti) urbis, CIL 
VI 8402. Cuq Memoires a. a. 0. 358, 3. 

c) Statthalterschaften der Provinzen. 

7. Im 2. und 3. Jhdt. der Kaiserzeit ist der 
commentariensis ein in das Officium des praeses 
provinciae abcommandierter privilegierterLegions- 

40 soldat (principalis) , der mit der Fiihrung des 
Amtsbuches des Statthalters beauftragt ist. In 
den von Cauerp.424 und Ruggiero 540f. zusam- 
mengestellten Inschriften kommt einroal (CIL V 
6867) ein a com(mcntariis) co(n)s(ularis), sonst 
zumeist die Benennung commentariensis legati 
pro prafitnre oder cnnsularis vor. In Tnschriften 
wie CIL II 4122. 4156. Ill 4452 (dazu v. Doma- 
szewski Rh. Mus. XLV 204. 209) sind die com- 
mentarienses, obgleich hier der Charge derLegions- 

50 name im Genetiv beigefrigt ist. nicht etwa, wie 
Cauer a. a. 0. 424 und Ruggiero annehmen, 
als den einzelnen Legionslegaten zugewiesen an- 
zusehen; sicher gehOrten auch sie dem Officium 
des Statthalters an. Vgl. die Inschrift Mitt, der Cen- 
trakomm. N. F. XXIII (1897) 77 nr. 21 mit co[m- 
mentfariensi)] co(n)s(ularis) leg(ionis) VII Clfau 
diae) provinc(iae) Moesi[ae sjupferiorisj. Das- 
selbe gilt audi wohl dort. wo Soldaten als com- 
mentariensis ohne weiteren Beisatz bezeichnet 

LiJ AVi^'ai-Li iLaatii u. i*. 0. 4-o. l.'u^.Li'o a. ii. 0. 

541 1. Ausnahmsweise erscheint in CHj Vffl 2586- 
neben einem eomm(entariensis) leg(ati) (des Le- 
gaten von Numidien) ein comm(entariensis) tri- 
b(uni) sexmenstris, der dem letzteren wohl bei 
Rechtsprechungen ex delegatione legati als Pro- 
tocollfiihrer beigegeben sein mochte (vgl. o. S. 734). 
Zweifelhaft ist der a comment(ariis) [praejffecti^.j- 
der legio XXII primig(eniaj in CIL V 7004. 



763 



a commentariis 



a commentariis 



JGi 



765 



a commentariis 



commentariis 



766 



Gleich den fibrigen Officialen des Praeses, 
wurden die c. in gleicher Anzahl wie die cor- 
nicularii, d. h. zwei oder drei (vgl. CIL II 4122. 
Ill 4452. Till 2586) von den in der Provinz 
liegenden Legionen beigestellt; in Provinzen, wo 
keine Legionen standen, wurden sie den Legionen 
der Nachbarprovinzen entnommen (so in Dalrna- 
tien, CIL III 2015, dazu Mommsen CIL III 
p 283. v. Domaszewski a. a. 0. 211. Bal- 

lif-Patsch Eom Strassen in Bosnien I 57). InlOLampon: xoooeozojg roig rjyefiooiv , dstoze 
den gemeinsamen Dedicationen von principales 'Qoivro, vnsuvqiiaxi'Cszo zag dixa; sioay 
(CIL II 4122. in 4452; Suppl. 7794, dazu J. 
Jung Fasten der Provinz Dacien 177. 180), die 
selbstverstandlich alle unter den Centurionen ran- 
gierten (Mommsen St.-R. 113 1122, l),-stehen 
die e. im Bange hinter den comicularii und 
vor den speculatores. Man ruckte zumeist vom 
speculator (zu diesen v. Domaszewski 209ff. 
CIL II 4145, vgl. 4179. Ill 2015. Boissieu Inscr, 
de 

tenarius 

CIL VIII 2586. 2751) zum commentariensis, zu 
weilen aber anch mit tjberspringung dieser Stufe 
zum cornicularius vor (vgl. Cauer a. a. 0. 478). 

Mit den militarischen Functionen des Statt- 
iialters ssrfieint der c. nichts zu thun gehabt zu 
haben (o. S. 734); da^s Kanzleiorgan fiir die 
militarischen Dienststticke , Befeblt) und Rech- 
nungen, war der actarius (vgl. Kubitschek 



Ruggiero Diz. epigr. II 540f. (vgl. I 53ff.). 
H. Peter Geseh. Litt. I 231. 

8. (a commentariis praefecti Aegypti). Im 
namlichen Bange wie die dem Eitterstande an- 
gehOrigen a commentariis praefeetorum prae- 
torio steht der Kanzleibeamte, der den Praefectus 
Aegypti bei semen richteTlichen Functionen unter- 
stiitzt und die Processprotocolle ftihrt. Philon in 
Flacc. 16 schildert die Thatigkeit ernes gewissen 

dixd- 
OJV oh 

e X cov id£a; und'bemerkt, die Statthalter hatten 
bei der Masse der Geschafte einen solchen yoa/x- 
/.laroxvycov nicht entbehren kOnnen. Lukian be- 
kleidete selbst dieses Amt (apol. 12): drjiJ.ooiq 
zijg fisyiozr\g doxijg xoircovovfier xai zo /.ingog ovv- 
diangdzzo/iisv. Hyoiy ovv) d oxeipato, do'faf/f' dV 
aoi ov to ofuxgozaxov xfjg Aiyvjixiag zainrjg aoyrj; 
syK£j! Y £iqio$o.i, rag oixag sloayeir xai za'tgiv avxmg 



Lyon p 64), mitunter vom frumentarius, cen- 20 zijv jiQoorjr.ovoav imziMvai xai tcor jiQaxzo/mvojv 
•arius oder auaestionarius (CIL II 4156 ; vgl. xai keyofievmv a^ajxivxcov vnojivr) uara yoa- 



hixawXoyovvxatv 



(peo&ai xai rag zs gijzoQEiag zmv • 
QV&fil&iv xai zag zov aqyovzog yvawets xo6g x'o 
aayeoTaxor. a/ta xai axoiftsomzov ovv xiazsi rij 
{.teyioTfj diaqivXazzsiv xai jzagaSiSovai Stj/iooiq Ttgog 



tor aei ygorov ajioxeiao^srag . 



Dafur beziehe er 



fiigt Lukian hinzu — offentliches holies Ge- 

halt und habe Aussicbt auf die procuratorische 

_ Laufbahn (e&vos snizgajifjrm rj Twag a/lag tiqA- 

Bd."'lT286. "Se™e'cV ebon's. 301f.). Da-30f« ? pamhxag) ; vgl. aucb Hirschfeld Vervy- 



gegen oblag den c. jedenfalls die Protocollfuh 
rung fiber die nicht militarischen Verwaltungs 
acte der Statthalter (iiber deren commentarii oben 
S. 733f.V, Vegetans II 19 (vgl. Kubitschek o. Bd.I 
S. 286) berichtet, dass neben dor Aufzeichnung der 
militarischen Acta auch res . . . eivilis polyptyekis 
adnotatur. I'aneben batten sie vielleicht auch ahn- 
liche Functionen wie der jigooodonotdg des Prae- 
fectus Aegypti (u. S. 764). Von den zwei comtnen 



Gesch. I 209, 3. Prosopogr. II SOlf. nr. 276. H. 
Peter Gesch. Litt. I 226, 3. 235, 1. Den grie- 
chischen Titel dieser Stellung hat Mommsen 
Ztschr. d. Savigny-Stiftg. XVI Eom. Abt. 181ff. er- 
kannt in dem noooobonoiog, der in dem von ihm nen 
edierten Protocoll eines vor dem Praefectus Aegypti 
stattgefundenen Strafprocesses aus dem Ende des 
2. Jbdts. (UBM II 388) als instruierender Be- 
amter und eigentlicher Leiter der Untersuchung 



tarienses, die nach'ciL II 4122 im Officium des 40 ersclieint (vgl. Mommsen a. a. 0. 188f.). Seine 



Legaten von Hispania citerior dienten, nennt CIL 
II 4179 (dazu Ruggiero a. a. 0. 541) einen com- 
(mentarisnsisj ah aetis civilibfus) (vgl. dazu CIL 
II 4145). Da die cummentarienses mit den acta 
militaria nichts zu schaffen haben, soil der Beisatz 
ah aetis ewillbus vermutlich den Protocollfiihrer 
im Civilprocesse von jenem commentariensis unter- 
scheiden , der das Amtsbuch liber die Strafver- 
handlungen vor dem Statthalter fiihrte. Vielleicht 



bislier noeh nicht nachgewiesene lateinische Be- 
zeichnungkonnte a commentariis praefecti Aegypti 
gelautet haben. Unverkennbar ist die Ahnlich- 
keit mit dem im 2. Jhdt. gleichfalls ritterlichen 
Beamten a cognitionibm, der nach Philostr. vit. 
soph. II 30 ivgl. 32) im Kaisergerielit .die Pro- 
cesse aufruft' und die Protocollierung besorgt 
(o. S. 221). Die Uberlieferung iiber den xpooo- 
So.-xoiog gestattet einen Eiickschluss auf die Agen- 



ist damit die spiitere Differenzierung des civil- 50 den der gleiehgestellten Beamten a commeii- 



processualen ah aetis von dem auf das Strafver 
t'ahren beschrankten commentariensis (u. S. 766 1 
vorgebildet. Als Gehtilfe im Strafverfahren bc- 
gegnet ein commentariensis in den Acta is. Pionii 
c. 21 (Acta SS. 1. Febr. I p. 40ff. ; unter Decius), 
wo der hi. PioDius von Smyrna von ihm zur Hin- 
richtung gefuhrt wird (Hirschfeld S.-Ber. Akad. 
Berl. 1891, 33, 155). 

Litteratur: E. Kuhn Stadt. Verw. des rOni. 
Beiciis 1 152f. Mommsen zu CIL III 4452. t>' 
P. Cauer Eph. epigr. IV p. 424. 478. E.Cuq 
Memoires presentes par divers savants a l'acad. 
des inscr. 1. serie IX 2 (1884) 471. Marquardt- 
Domaszewski St.-V. 112 547. A. v. Doma 
szewski Bhein. Mus. X. F. XLV 209ff. ; Westd. 
Ztschr. XIV 81—83. H. Thedenat Diet, des 
ant 1 1402L B. C agnat L'armge romaine d'Afria_ue 
126ff. 131,1. 133f. Kubitschek 0. B. I S. 287, 



tariis praefectorum praetor io , sowie — wenig- 
stens bis zu einem gewissen Grade — der im 
Range allerdings weit zurtickstehenden commen- 
tarienses in den Ofncien anderer Provinzen (o. 
S. 762f.|. 

Litteratur: E. Cuq Etudes d'epigraphi.- jun- 
dique (Biblioth.des ecoles franc. XXI) 95f. Mo nun- 
sen Ztschr. der Savigny-Sti'ft, XVI Bom. Abt. 
181ff. 

u^ Central', «.i",'. aiiuiig Jul FlU.il.ilOi.. 

9. comm(entariensis) ratfumisj iastr(ensis) 
CIL VI 8519 (unter Marc Aurel und Verus) ; 
adiutor offici commentary kasftrensis) (unter 
Pius) CIL VI 8518. 

10. a eommentaris rationis patrimoni CIL 
VI 8502 (unter Traian). 8503 vgl. VI 8509. XI 
3860 (unter Traian). Hirschfeld V.-G. I 42. 1. 
80. 1. M. Kostowzew Bum. Mitt. XIII 110, 1. 



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11. a[g]ens pro comm(entariensi) summ(ae) 
privatae CIL VI 29682 = Eom. Mitt. VI 340; 
vielleicht der Stellvertreter des ordentlichen Be- 
amten a commfentariis s. reip., vgl. Hirschfeld 
S.-Ber. Akad. Berlin 1893. 423, 2. 

12. a eomment(aris) rat(ianis) hereditat(ium) 
CIL VI 8933 (unter Claudius) ; eommentaresis 
[ad] statimiem her [editatium] CIL VI 8437 
(unter Pius); libr (arius) commfentariorum) st(a- 
tionis) her(editatium) t(abularii) k(astrensisj 
CIL X 3878. Hirschfeld I 55, 3. 

e) Finanzverwaltung der Provinzen. 

13. Neben den militarischen commentarienses 
werden in den Inschriften mitunter kaiserliche 
Freigelassene als a e. oder commentarienses einer 
bestimmten Provinz bezeichnet; vgl. CIL II 6085 
(Baetica, dann Alpes Cottiae). HI 258 (Galatia). 

X 6092 = Dessau 1500 (Belgica; unter den 
Flaviern). V 7882 (Alpes maritimae). Bull. hell. 
XVI 174 (= Glasnik zeinaljskog muzeja u Bosni 

XI 1899, 786; Aug. lib. ab eommentaris Epiri et 
Achaiae (vgl. RuggieTo II 540). Da unter 
diesen Provinzen auch senatorische (Baetica, 
Achaia), daneben besonders procuratoriscbe ver- 
treten sind, diirften diese kaiserlichen Freigelas- 
senen den Bureaux der procuratores Augusti. also 
der Finanzverwaltung zugeteilt gewesen sein ; vgl. 
bes. CIL X 6092 proximfo) rationali et a com- 
mentariis provinc(iae) Belgicae. Ein collegium 
Faustinianum commentaresium bezeugt CIL III 
6077 (Grabschrift eines arearius provincial Asiae). 

Hieher gehort das Bureaupersonal des procu- 
rator Augusti tractus Karthaginiensis in dessen 
tabularium zu Karthago, durchaus kaiserliche 
Sclaven: adiutor a commentaries CIL VIII 12610 
—12612. 12893-12897. 16561; adiutor ad in- 
strumentu(m) commcntarioriim CIL VIIT 12898; 
vgl Mommsen Ephem. epigr. V p. Ill; CIL 
VIII p. 1335ff. A. Schulten Die rem. Grund- 
herrschaften 74f. 

14. a commentariis fisci Asiatiei CIL VI 
8572 = Dessau 1516. Hirschfeld I 14, 1. 

15. eonmentariesis atirariarum Delmatarum 
CIL III 1997 = Dessau 1595. Hirschfeld 
I 84f., 5. 

16. commentarfi'i 'ensis Iqwadragesimae) (ial- 
liarum CIL II 6085 = Dessau 1560 (unter 
Marcus und Verus). 

17. a comment (arts vices imae) her (editatium) 
H(ispaniae) c(iterioris) CIL II 4184= Dessau 
1556. Hirschfeld I 66, 1. 68, 1. 

f) Beichspost. 

18. a commentariis nehiculorum CIL VI 8542 
= 'Wilmanns 1375 (Freigelassener des Traian). 
Hirschfeld I 100, 2. Marquardt -Mau Privat- 
leben I? 150, 5. 

g| Offentliche Bauten Roms. 

19. commentar [i] ensis urbis alfrjei Tiberis 
CIL H 6085 (unter Marcus und Verus). 

_0. a LjuiuiCuiciY i tc ^^.Li'tnu ^aVutut'aui CIL 

XI 3860 = Dessau 1603 1 unter Traian). Hirsch- 
feld I 42, 1. 4. 156, 3. 158. 

h) Wasser- und Getreideversorgung 
Roms. 

21. prox(imus) commfentariensis) ann(onae) 
€IL X 172". Eostowzew E6m. Mitt. XIII 120. 
122 A. 3. 

22. a eommentaris aquarum CIL VI 8487 



= Dessau 1609 (flavische Epoche). Hirschfeld 

I 173,_2;_o. S. 742. 

i) Kaiserliche Spiele. 

23. commfentariensis) ludi matutmi CIL VI 
352. Hirschfeld I 179f. 3. 

24. a commentfarisj ratfionis) vestium scae- 
nic(arum) et gladiat(oriarum) CIL VI 10089 
(Freigelassener des Claudius). Hirschfeld I 
184, 1. 

10 k) Kaiserlicher Haushalt. 

25. a eommentaris ornamentorum CIL VI 
8951 = Dessau 1783. Hirschfeld I 184, 1. 

26. commefiitariensis) vitlae Tiburtis CIL 
XIV 3636 = Dessau 1584 (nicht vor Hadrian). 
Eostowzew Rom. Mitt. XIII 111. 

1) Priestercollegien. 

27. publieus a eommentaris (quindecimjvi- 
rum s(acris) f(aciundis) CIL VI 2312; 0. S. 731. 

28. pMieftis) a eommentar lis [fratrum Ar- 
id Valium] CIL VI 2103 a 4 ; commfentariensis) 

CIL VI 2067 11 5; vgl. 0. S. 731. 
m) Stadtische Verwaltung. 

29. commfentariensis) rei pfublicae) Bene- 
vfentanae) CIL IX 1663 (ro'mischer Ritter) ; vgl. 
o. S. 746. 

Litteratur; Marquardt-Mau Privatleben I 2 
151, Iff. Ruggiero Diz. epigr. II 539. The- 
denat Diet, des ant. I 1403. Mommsen Strafr. 
515f. 

30 II. Protocollbeamte seit Diocletian. 
In der dioeletianisch-constantinischen Amterord- 
nung, welche die Trennung der civilen und mili- 
tarischen Verwaltung durchfuhrte, vvaren die com- 
mentarienses nur in den militarischen Offlcien 
nach wie vor abcommandierte Soldaten, in den 
iibrigen Bureaux dagegen Civilbeamte, deren Titu- 
latur (bei Lydus de mag. Ill 4. 8 mit vxo/trij- 
liaxoygaq)og erklart) allerdings nach Ps.-Ascon. zu 
Cic. Verr. p. 169 Orelli de legionaria militia her- 

40 genoramen war. Die gelaufige Annahme, dass der 
c. damals ausschliesslich mit der Criminalrechts- 
pflege zu thun hatte, triift wenigstens fiir den 
Anfaug dieser Periode nicht zu. Kach dem ordo 
salutationis sportularumque sub imp. Jul i at 10 
(J. 361 — 363) in provincia Xumidia CIL VIII 
Suppl. 17896 (vtrl. Mommsen Eph. epigr. V 
p. 629ff. Bruns Pontes I« 257f. n. 87; dazu O. 
Karlowa Neue Heidelb. Jahrb. I 164ff.) waren 
in Civilprocessen an mehrere Oberbeamte (pri- 

50 mates officii), darunter don j/rinceps, den corni- 
cularius nnd den commentariensis (Z. 23f.), ge- 
wisse Sporteln zu zahlen (vgl. Lvdus de mag. Ill 
24. Schiller Gesch. d. rom. Kaiserzeit II 114). 
nicht etwa bios wegen ihrer Stellung im Officium 
(Karlowa Reohtsgesch. I 880, 7. 884), sondern 
als Honorar fiir bestimmte Dienstleistungen. Erst 
seit dem Ausgange des 4. Jhdts. erscheint der 
c. in den Rechtsquellen ausschliesslich als Hiilfs- 
organ der Strafrechtspflege: als Gehtilfe des Magi- 

C0,tr..tu, Li ciuI-cucMlLL;:. Vc-rhinilu:.-,:. h-i 
sich von ihm der ab aetis (o. Bd. I S. 325f.) differen- 
ziert. Den Ubergang zeigt der comfmentariensis) 
ab aetis eivilibfus) einer alteren Inschrift CLIi 

II 4179 (dazu 0. S. 763). Demgemass nennt die 
Xotitia dignitatum. wie schon Bethmann- 
Hollweg III 449 bemerkt hat, bei alien indices 
civiles sowohl den c. als auch den ab aetis, 
wiihrend sie der. indices militares, die anfang- 



767 



a commeiitariis 



Commercimn 



768 



lich nur Criminalgerichtsbarkeit hatten , bios 
den c. zuweist; vgl. die Zusammenstellung nach 
BehOrden bei Thedenat 1403, 11 und Kug- 
giero 544f. Index zu Seecks Ausgabe p. 303. 
Der o. nimmt die formliche AnMage {in- 
scriptio) zu Protocoll (vgl. Hesych. s. xo/xf.ievTa- 
giotoi rag iyygaipag xwv tyxlt]fj,az<m> dsxdpsvos); 
ei sorgt fur die Ausfiihrung des Haftbefehles 
des Beamten (Edict. lust. 13 c. 12. 17. 29. Lyd. 
de mag. Ill 18) mid hat den Angeschuldigten 10 
dem Riehter vorzufuhren, Din in Gewahrsam zu 
halten (C. Th. IX 3, 5. Mommsen Eph. epigr. 

V p. 149 n. 2), die Acten iiber die Verhandlung zu 
fiihren, den Angeklagten foltern und schliesstk-h 
das Urteil an ihm vollstrecken zu lassen (Acta 
martyrum bei Panciroli Not. dign. or. c. 13). 
Dementsprechend hat er die Aufsicht iiber das 
Gefangnis (Cod. Theod. IX 3, 5. 6 = Cod. lust. 
IX 4, 4. 5. Cod. Theod. VIII 15, 5 § 1. Firm. 
Mat. Ill 6), dessen Schliesser und Kerkermeister 20 
(applieitarii und davicuiarii) ihm unterstehen 
(Lyd. Ill 8. 16. Etymol. magn. s. xojfsvraorjaioi. 
Gothofredus zu Cod. Theod. IX 3,5. Kuhn I 
166 mit A. 1304. Bethmann-HollwegUI 148). 
Er ist persOnlich fur die Haftlinge verantwortlich, 
nimmt die Taggelder fur die Verpflegung un- 
bemittelter Gefangener in Empfang (Cod. Theod. 
IX 3, 7 = Cod. lust. 1 4, 9. Mommsen Strafr. 304, 

6, vgl. 303, 6) und hat nach einer Verordnung 
vom J. 380 (Cod. Theod. IX 3, 6) allmonatlich dem 30 
Beamten ein Verzeichnis der Inhaftierten vorzu- 
legen (Mommsen a. a. O. 310, 4; vgl. o. S. 760f.). 
Im Range kommt der c. im Officium des 
praeses provincial (vgl. Mommsen Eph. epigr. 

V p. 636 mit A. 1), ahnlich wie schon im 2. und 
3. Jhdt., erst nach den Spitzen des Bureaus, dem 
prineeps und dem cornieulanus. Wahrend die 
beiden letzteren nach dem numidischen onto sa- 
lutaiionis (o. S. 766) in der zweiten Gruppe zur 
salutatio des Statthalters zugelassen werden, diirf- 40 
ten die c. erst in der vierten Gruppe unter den 
[offijciales ex ordine (Z. 14) Zutritt gehabt haben; 
iiber ihre Zulassung zur Adoration des Kaisers 
vgl. Karlowa Jahrb. a. a. O. I 173. In der 
Kegel hatte jedes Officium einen c. Bei seinen 
A<*enden wurde der e. durch pin mehr oder minder 
zahlreiches Bureaupersonal (scrinium) unterstiitzt, 
bestehend aus einer Anzahl von adiutores, welche 
der Schola der Exceptoren entnommen waren (Cod. 
lust. I 27, 25. Cod. Theod. IX 3, 5 = Cod. lust. 50 
IX 4, 4. Lyd. Ill 16) , und andeni exoeptores 
untergeordneten Ranges (Lyd. Ill 17. 18). Vom 
adiutor rtickte man nach Massgabe des Dienst- 
alters zum commentariensis vor (Cod. Theod. VIII 

1. 2. Lyd. Ill 16. 20; vgl. Kuhn I 159 mit 
A. 1256. Bethmann-Hollweg III 147f.). 

Den Praefecti praetorio war in dieser Epoclie 
gleichfalls je ein c. ah Kanzleibeamter fur die 
Criminalgerichtsbarkeit zngewiesen : vgl. Not. 

t TT ' - T< ,'. . TTT (0 T V- . v ■ TT ~* £ * {*'' 

Uigli. UCC. II i. ^t^^iti.;. HI A- V U-.1.C.1 ; , i... XX -J:, 'j -J 

(Orient), in 24 (Illyrkum) ; dazu Cod. lust. 1 27, 25 
(Africa). Unter den sehr angesehenen Officialen der 
Praefecten {praefectiani, vgl. Bethmann-Holl- 
weg III 137) nimmt der c. eine bevorzugte Stel- 
lung ein -, er rangiert gleich hinter dem eornicu- 
larius und dessen adiutor. Ausfuhrliche Nach- 
richten iiber die zwei xoft/ueviagiotoi. des prae- 
fectus praetorio Orientis und ihr Bureaupersonal 



im 6. Jhdt. giebt Lyd. de mag. Ill 4. 8. 9. 16. 
17. Nach ihm (III 17) waren sic damals die 
hOchsten Criminalbeamten des Reiches, das Werk- 
zeug kaiserlicher Ongnade, nicht bios des Un- 
willens des Praefecten, von den Beamten ihres 
eigenen Officium unterwiirfig verehrt und ge- 
fiirchtet (Kuhn I 165). Ausser sechs adiutores 
(III 9. 16) unterstand ihnen die ganze Schar der 
applieitarii und elavietdarii (III 8. 16). 

Litteratur: Gothofredus zu Cod. Theod. IX 
3,5. DirksenManualelatinatisl64. KuhnStadt. 
Verw. I 159. 165. Bethmann-Hollweg Civil- 
process m 147ff. Puchta Institutionen 19 351. 
Krttger Kritik d. lust. Cod. 167f. Karlowa 
Rechtsgesch. I 883f. 880, 7. Thedenat Diet, des 
ant. I 1402f. P. E. Vigneaux Praefectura urbis 
102f. Ruggiero Diz. epigr. II 544f. 

[A. v. Premerstein.] 

Commercial!!. 1) Ein im J. 371 n. Chr. von 
der Legio I Martiorum an der Donau bei Gran er- 
bauter burgus (C1L III 3653, vgl. Mommsen 
zu CIL III 10596 und p. 459), bei dem sich wohl 
ein Marktplatz fur die norddanuvianischen Bar- 
baren befand. J. Jung Romer und Romanen in 
den Donaulandern^ 129, 2. [Patsch.] 

2) Commercium ist der rechtsgeschaftliche 
Giiterumsatz, benannt nach dem Hauptfalle, dem 
Warensiustausche, und das Recht auf Teilnahme an 
diesem Umsatze. Auch der Erwerb aus letztwilligen 
Verfiigungen gehort dazu, Dig. XXX 40. XXXI 49, 
2. Ulp. XIX 5 commereium est emendi vendendi- 
que invieem im (ahnlich Inst. Ill 19, 2) bestimmt 
den Begriff daher zu eng und dabei auch wieder 
zu weit, denn das C, das auch Nichtromern ver- 
liehen werden konnte , obwohl es ohne weiteres 
nur ROmern zustand (Cic. Verr. II 124. Ill 93. 
Ulp. XIX 4. Liv. XXXI 31. XLILT 5 derwrwn_ 
equorum commercium), bezog sich wohl nur auf 
negotia inris civilis, z. B. die nianeipatio Ulp. 
XIX 4, wahrend die Geschafte des ius gentium 
wenigstens in der Kegel grundsatzlich auch den 
peregrini offenstanden, insoweit sie tiberhaupt zum 
Geschaftsverkehre zugelassen waren. Cic. Verr. IV 
135. Inst. Ill 19, 2. Dig. XLV 1, 34. XXX 40, 
vgl. hierzu Voigt Ius naturale II 699ff. Baron 
Peregrinenrecht und ius gentium. Leipzig 1892, 
19ff. und die dort Angefuhrten, insbesondere auch 
Jors Rom. Rechtswissenschaft zur Zeit der Re- 
publik 1888, 134ff. und W lass a k ROm. Process- 
gesetze II 145ff. Cuq Les institutions juridiques 
des Romains, Paris 1891, 396ff. 

Das commercium konnte im Verkehre unter 
den Biirgern entzogen werden. Es geschah dies 
z. B. gegeniiber dem Verschwender , iiber den 
eine alte Interdictionsformel den Befehl verhangte : 
Qttando tibi bona paterna avitaque nequitia tua 
disperdis liberosque tuos ad. egesfatem perducis, 
ob earn rem tibi eare commereioqitc interdico, 
Paul. Ill 4 a, 7. Ferner waren gewisse Sachen 
dcin Verkehre cr.tzc^.::. die re: i.&r-i r-r,, vm rr"him 



(zuweilen verwechselt mit den res extra patri- 
moniuni, Inst. II 1 pr., die allerdings auch extra 
e. sind, vgl. Inst. II 1, 7ff. Windscheid Pand.' 
I 416 §147, 1). Zu diesen res extra commercium 
gehOren namentlich die res publico umii desti- 
natae, die dem Gemeingebrauche gewidmeten 
Sachen. Sie waren, ebenso wie die res sacrae und 
religiosae (s. Sacrum und Religiosum) nach 



769 



Commetaculum 



Commius 



770 



rOmischem Rechte so vOllig vom Verkehre ausge- 
schlossen , dass nicht einmal im Hinblicke auf 
einen spateren Wegfall ihrer Verkehrsunfahigkeit 
ein Vertrag uber sie zulassig war, Dig. XVIII 
1, 34, 1. XLV 1, 83 § 5; vgl. auch Inst. II 20, 4. 
Dig. XXX 39, 10. Ulp. XXIV 9. Litteratur 
zu den res extra c. Winds cheidPandekten' 1 146. 
147. Dernburg Pand. I §69ff., zu C. uberhaupt 
Karlowa R. R.-G. II 71ff. 236. 316 und Leon- 
hard Institut. 184. 243. 409. [R. Leonhard.] 

Commetaculum, eine Rute, die der Flamen 
beim Zuge zum Opfer in der Hand tragt, urn die 
Menschen von sich abzuhalten (Fest. ep. p. 64. 
56), damit nicht eine Beriihrung ihn verunreinige. 

[Wissowa.] 

Commissoria lex ist die Verfallclausel , be- 
nannt nach dem Worte eommitti = verfallen, z. B. 
poena committitur Dig. HI 5, 1; mutta eom- 
mittitwr Dig. XXXV 1, 6pr.; dies committendi 



Commius, ein Atrebate, wurde nach der Unter- 
werfting seines Stammes 697 = 57 von Caesar als 
Konig eingesetzt (Caes. b. g. IV 21, 7. Silber- 
miinzen der Atrebaten bei Holder Altkelt. 
Sprachschatz 1073. 1077f., s. o. B. Ill S. 867). 
Er wurde dann 699 = 55 vor Caesars erster 
Expedition nach Britannien wegen seines grosaen 
Ansehens bei den dortigen VoTkerschaften vor- 
ausgesandt , um sie zur Anerkennung der rOmi- 
10 schen Oberhoheit zu bewegen , aber er wurde 
nach seiner Ankunft auf der Lnsel festgenommen 
und erst nach einem glucklichen Gefecht, das 
die Romer den Barbaren lieferten, mit der Bitte 
um Frieden und um Entschuldigung zuruckge- 
sandt; mit s einem kleinen berittenen Gefolge 
leistete er darauf gute Dienste (Caes. IV 21, 
8. 27, 2—4. 35, 1). Auch beim zweiten britan- 
nischen Feldzuge 700 = 54 begleitete er Caesar 
und vermittelte den Frieden mit Cassivellau- 



= der Verfalltag, Dig. IV 4, 38 pr. Die /. c.20nus (V 22, 3). Zum Dank fur seine Dienste ver- 



hat eine verschiedene Bedeutung je nach dem 
Gegenstande des Verfalles, den sie betrifft. Bei 
zweiseitigen Geschaften ordnet die Verfallclausel 
den Wegfall des ganzen Geschaftes unter bestimm- 
ten Bedingungen als verabredete Strafe an, z. B. 
id si intra duos menses ah emptwne reliqui 
pretii partem Mmidiam rum solvisset, inemptus 
esset (sc. fundus), Dig. IV 4, 38 pr. XVIII 3, 4 pr. 
Den saumigen Kaufer trifft hier nicht nur die Un- 



lieh Caesar den Atrebaten Steuerfreiheit und voile 
Unabhangigkeit in alien inneren Angelegenheiten 
und dem C. selbst die Herrschaft iiber die Moriner 
(VII 76, 1), bewies ihm auch im J. 701 =? 53 sein 
Vertrauen, indem er ihn nach dem Feldzuge gegen 
die Menapier mit einer Reiterabteilung in deren 
Gebiete zuriickliess (VI 6, 4). Aber der Geist 
des Aufruhrs, der sich 702 = 52 mit Blitzes- 
schnelle durch ganz Gallien verbreitete, ergriff 



giiltigkeit des Geschaftes, sondern auch der Verlust 30 auch den C. gewaltig; die Bellovaker, die den 



der arra (s. d. Nr. 4) und der richtigen Meinung 
nach auch der bereits gezahlten Teilleistung, vgl. 
Gluck Comment. XVI 289ff. und Burckhard 
Archiv f. civ. Pr. LI 12. 17. 151ff. 289ff. Per- 
nice Labeo II 188, 1. Dernburg PandektenS 
II 263 § 95, 22. Bei dem Pfandvertrage betrifft 
die I. c. nicht den Verfall des Geschaftes, sondern 
des Pfandes, das nach ihrem Inhalte dem Glaubi- 
ger gehOren soil, wenn er nicht befriedigt wird 



Krieg nur auf eigene Faust fiihren wollten, wur- 
den durch seine Autoritat zum Anschluss an den 
grossen Bund aller Stamme bewogen , er erhielt 
mit drei anderen Fiirsten den Oberbefehl iiber 
das Heer, das vergeblich versuchte, den in Alesia 
eingeschlossenen Vercingetorix zu entsetzen (VII 
75, 5. 76, 1. 2. 4. 79, 1). Die nachsten Thaten 
und Schicksale des C. berichtet Dio XL 42, 1 — 3: 
C. setzte sich an die Spitze der Belgen und lieferte 



Diese Form der Verfallclausel dientc vielfach zur 40 den ROmern drei Gefechte, die zwar unglttcklich 



Ausbeutung des Schuldners, sobald der Wert des 
Pfandstiickes die Hohe der Schuldsumme erheblich 
iiberstieg. Darum hat Constantin sie verboten, 
Cod. Theod. Ill 2, 1 = lust. V1TI 34 (35), 3. 
Dernburg Das Pfandrecht des heut. rom. R. 
II 1864, 273ff.; PandektenS I 689 § 280 und iiber 
die geschichtliche Entwieklung dieser lex com- 
missoria Pern ice Ztschr. d. Savignv-Stiftung 
V 134. [R. Leonhard.] 



endeten, aber seine Verschlagenheit und Gefahr- 
lichkeit deutlich offenbarten. Er fuhr fort, die 
verschiedenen Volkerschaften gegen die Fremd- 
herrschaft aufzuwiegeln, so dass T. Labienus, der 
wahrend des Winters in Caesars Abwesenheit den 
Oberbefehl fiihrte. sich seiner mit List zu ent- 
ledigen trachtete. Aber der von ihm damit be- 
auftragte C. Volusenus Quadratus fuhrte seine 
Aufgabe nur halb aus; bei einer Unterredung 



Commissum ist das zur Strafe fur Nichtbe- 50 wollte er C. heimtuckisch ermorden lassen, doch 



zahlung eines Zolls, einer Steuer oder einer Ab- 
gabe an den Empfangsberechtigten verfallene Gut, 
Dig. IV 4, 9, 5. XIX 2, 61, 1. XXXIX 4 de 
piMicanis et vectigalibus et eommissis 118 4. 
16 pr. § 2. 3. 4. 12. Cod. Theod. Ill 30, 5. V 
13, 15ff. XII 6, 2, 1. Der zur Erhebung der nicht 
getilgten Schuld Berechtigte erwirbt das Eigen- 
tum an dem C. sofort und iibertragt sein Recht 
daher auf seine Erben; auch sind die Erben des 



dem gewOhnlichen Rechte der Strafanspruche ab 
weicht, Dig. XXXIX 4, 14. Nach Quint, decl. 359 
scheint es freilich, als ob — wenigstens fur die 
pubUcani — eine manits ini-ectio zum Erwerbe 
des C. nOtig war, vgl. Cic. Verr. DII 54. Fr. de iure 
fisci § 18. Pernice Parerga, Ztschr. der Sav.-Stift 
V 130, 5. Karlowa R. R.-G. II 39. 

[R, Leonhard.] 

Pauly-Wiasowa IV 



dieser wurde schwer verwundet von den Seinigen 
in Sicherheit gebracht (Hirt. b. g. VIII 23, 3 
—7. DioXL 42, 1). Seitdem verfolgte C. die 
Romer mit noch unversohnlicherem Hasse, als zu- 
vor. 703 — 51 stellte er sich zunachst den Bel- 
lovakem zur Verfiigung, die unter ihrem Haupt- 
ling Correus eine neue Erhebung vorbereiteten, 
und suchte durch Werbung germanischer Hulfs- 
trnppen ihre Macht zu verstarken (Hirt. VIII 6, 



bcMc= y. r . n CO 2. 7, 5. 10, -if.). Naehher, ah die Bellovaker 
geschlagen waren, Coneus seinen Tod in der 
Schlacht gefunden hatte und alle anderen sich 
unterwarfen, fliichtete er zu den Germanen und 
setzte allein den Kampf fort, wobei er mit seinen 
Reitern dem Gegner mancherlei Schaden znfiigte 
lebd. 21, 1. 23, 2. 47, 1—3). Der kuhne Atre- 
bate war der einzige Mann in Gallien, del seinen 
Widerstand noch nicht aufgegeben hatte; daher 

25 



771 



Commodatuni 



Commodatum 



772 



entsandte M. Antonius noch einmal den C. Volu- XLIII 26. G. E. Schmidt a. a. 0. 55ff. § 3) 

senus gegen inn. Es kam zum Gefecht , woiin und befreit ihn von der Pflicht zu einer besondern 

C. diesen seinen Todfeind lebensgefahrlich ver- Sorgfalt, so dass er nur fur Dolus (und grobes 

wundete, aber schliesslich den kiirzeren zog (ebd. Versehen) haftet (Dig. L 17, 23) , da den Herrn 

48, 1 — 7). Damit war sein Hass wenigstens zum sein Widerrufsrecht in geniigender Weise schiitzte. 

Teil befriedigt und seine Kraft erschOpft; die Isid. orig. V 25, 16. 17. Bruns Font.« II 84. 

Gegner aber , die die ihrige fiir den nahen Ent- Das c. dagegen war die freundschaftliche Ausleihe 

scheidungskampf zwischen Caesar und Poropeius von Gegenstanden, wie sie gelegentlich und in 

aufsparen mussten, liessen sich gleichfalls bcrcit der Kegel nur auf ktirzere Zeit vorkommt. Com- 
finden, zu unterhandeln. C. willigte ein, an einem Wmodare bedeutete uberhaupt ursprfinglich so viel 

von jenen zu bestimmenden Orte ruhig zu leben, wie zur Verfugung stellen (z. B. operant eom- 

unter der Bedingung, dass er persCnlich nie einem modare , Plaut. Rud. 439 ; notnen commodore, 

Romer vor die Augen zu treten brauchte, und Cic. Verr. IV 91; de off. I 51; ep. II 17. Ill 3. 

Antonius gestand die von berechtigtem Misstrauen Pernice Labeo I 429, 19. 21. Cic. Verr. IV 

dictierte Bedingung zu (ebd. 23, 7. 48, 8f. Dio 6: commodis hospitum. Cic. Cael. 32. 33. 51). 

XT, 43, 2). Es ist unbekannt, welche der beiden Das c. kam vorwiegend bei beweglichen Sachen 

Parteien Grand hatte, zu furchten, dass die andere vor; bei Verleihung von Grundstflcken zu einem 

den Yertrag nicht beobachten wiirde. C. ent- bestimmten Gebrauche wollte daher Labeo nicht 

schloss sich , anscheinend nach kurzer Zeit , im von com modare, sondern von utendum dare reden, 
freien Keltenlande jenseits des Canals seinen Wohn- 20 eine Verfeinerung des Sprachgebraucb.es, die nicht 

sitz zu nelimen und tauschte durcli eine seiner durchdrang und auch nicht im Edictum perpetuum 

Kriegslisten die nachsetzenden RCmer (Frontin. Aufnahme fand (Dig. XIII 6, 1, 1. Pernice Labeo 

strat. LT 13, 11). Auch ein Teil der Atrebaten I 430. Lenel Ed. perpetuum 200; vgl. auch 

siedelte nach dem sfidostlichen Britannien fiber Vat. frg. 269). Dig. XII 5, 9 pr. (Paulus) spricht 

(vgl. o. Bd. II S. 2138) und C. grundete mit sogar von vestimenta utenda eommodare. Vom 

ihnen ein neues Reich. Seinen Namen tragen die Darlehen unterscheidet sich das c. (ebenso wie 

dort gefundenen Goldmiinzen seines Sohjies Verica das preearium) dadurch, dass der Empfanger zur 

(vgl. Holder a. 0. 1077f.), der gewOhnlich mit Riickgabe derselben Sache, die er empfangen hat, 

Bericus identiflciert wird, dessen Hiilfegesuch unter verpflichtet ist , Dig. XIII 6, 8. Agroecius de 
Claudius die Occupation der Insel durch die Rt>- 30 orthogr. G. L. VII 124, 13 K. Ihm ist hinsichtlich 

mer veranlasste (Dio LX 19, 1, vgl. Hubner dieser Sache eine ganz besondere Sorgfalt auf- 

Herm. XVI 519f., dagegen Holder a. 0. 406; erlegt (Dig. XLIV 7, 1, 4. XIII 6, 18 pr.; vgl. 

s. o. Bd. Ill S. 294. 869). Eine Monographic hierzu Pernice Labeo II 354). Ein bewusster 

tiber C. von Stocchi (Due studi di storia Ro- vertragswidriger Gebrauch der geliehenen Sache, 

mana, Florenz 1887) kenne ich nur aus Burs. die selbst c. heisst (Isidor. V 25), gait als fur- 

Jahresber. LX 1889, 291. [Miinzer.] turn. Dig. XIII 6, 5. 8. Gai. Ill 196ff. Die Un- 

Commodatum ist die mientgeltliche Leihe vollkommenheit der Rechte des Commodatars ver- 

einer beweglichen oder unbeweglichen Sache zu anlasste Seneca de consol. ad Marc. X 1 die ver- 

einem ausdriicklich oder stillschweigend bestimm- ganglichen irdischen Giiter mit dem c. zu ver- 
ten Gebrauche. Die Gebrauchsbestimmung ist es, 40 gleichen. Der Schutz des c. war wohl urspriing- 

was das c. vom preearium (s. d.) unterscheidet, lich der Sitte fiberlassen. Spater stellte das prae- 

der widerruflichen Verleihung einer Sache zu be- torische Edict Klagen auf (in Anlehnung an ein 

liebigem Gebrauche (G. E. Schmidt Das com- alteres arbitrium comwodah', SchulinGeschichte 

modatum und preearium, Leipzig 1841, besonders des rom. E. 402), Inst. IV 6, 28. Der Verleiher 

S. 161), wahrend die herrschende Meinung in der erhielt die actio commodati directa gegen den 

Beschrankung des WidcrrufsrccMs des Verlcihers Entleiher . der Entleiher eine actio commodati 

auf einen Zeitraum das eigentliche Unterschei- contraria zum Ersatz fur notwendige Auslagen 

dungsmerkmal zwischen e. und Preearium sieht. auf die geliehene Sache oder fur den aus einer 

Dbbelohde Archiv f. civ. Pr. LIX 221ff. hat groben Verschuldung des Verleihers erlittenen 
nachgewiesen, dass das Preearium Falle umfasst, 50 Schaden, Paul. II 4. Dig. XIII 6. Cod. IV 23. 

in denen mOglicherweise der vorbehaltene Wider- Inst. Ill 14, 2. Die actio commodati wurde zu- 

ruf der Leihe ganzlich unterbleiben soil, z. B. eine weilen als formula in ius concepta gewahrt, zu- 

vorlaufige leihweise geschehende Hingabe der ver- weilen als formula in factum concepta, Gai. IV 

kauften Sache in der Hoffnung, dass sie der Em- 47. Die Veranlassung und der Sinn dieses Unter- 

pftnger durch Preiszahlung erwerben werde. Auch schiedes sind zweifelhaft (Eisele Die materielle 

hierdurch ist die fibliche Auffassung des e. wider- Grundlage der exceptio 1871, 130ff. Bekker Die 

legt. Die geschichtliche Bedeutung der beiden Actionen des rom. Privatrechts 1871 I 310. Per- 

Formen von Leihe ist jedenf alls eine verschiedene. nice Labeo I 433, 34. Lenel a. a. 0. v. Po- 

Das precariicm hat sich aller Wahrscheinlichkeit krowsky Ztschr. der Savigny-Stiftung XVI 11 
nacn im v erhaituisse zwischen Patron uiiu Ciicnieii ou uiiu iUciiiiEiiiiau Jti "> u» iiiWiw,Lii'ia«iiU isOu, 

entwickelt (v. Ihering Geist des rOm. Rechts4 498ff.). Jedenfalls war die actio in factum dem 

I 239ff. in Anlehnung an altere Schriftstellerj ; Klager vorteilhafter als die actio in ius concepta. 

es kam daher vorwiegend bei Grundstiicken vor weil sie die nicht in der Formel erwahnten Civil- 

(Dig. XLin 26, 4 pr.), gait als Seitenstiick der rechtseinreden abschnitt (vgl. Eisele a. a. 0.) 

Schenkung (Dig. XLVH 2, 14, 11) und war nur und bei Abweisung des Klagers den Anspruch 

ausnahmsweise auf eine gewisse Zeit beschr&nkt nicht mit derselben Starke tilgte, wie eine for- 

(Dig. XLIH 26, 4 § 4). Das rOmische Recht ge- mula in ius concepta, Gai. IV 107. Vielleicht 

wiihrt dem Precaristen einen Besitzschutz (Dig. gab der Praetor sie dann, wenn er im Wider- 



773 



Commodianus 



Commodum 



774 



spruche mit dem Civilrechte eine Commodatsklage nicht ausschliessen; aber ihm diesen Titel zu ver- 

gewiihren wollte. Besondere Zweifel ergaben sich leihen bios auf die Subscription in dem Codex 

aus der Frage, wem die actio furti zustehen sollte, Phillippsianus hin, der doch den Namen des Autors 

falls eine verliehene Sache entwendet worden war, nicht kennt, scheint sehr gewagt; ich glaube, dass 

dem Verleiher oder dem Entleiher. Iustinian hat der vaterlich seelsorgerliche Ton der Instructiones 

diesen Punkt geregelt, Cod. Vn 2, 22. Inst. IV uns nicht einmal berechtigt, ihn fiir einen Pres- 

1, 16; vgl. DernburgPand.5II§ 90, 14;Pfand- byter zu erklaren. Die vulgare Haltung seiner 

recht I 147ff. Dichtungen wird zum Teil vom Verfasser beab- 

Litteratur s. bei Windscheid Pandekten? II sichtigt seirr, vgl. Augustinus Retract. I 20 und 
S79. 383 8 374. 376. Dernburg Pandekten^ II 10 Art. Ahecedarii Bd. I S. 27. Er ist namlich 

243. 246 § 90, 1. § 91, 1; bes. Ferrini Storia mit classischen Dichtern, mit Vergil und Horaz 

e teoria del contralto di commodato, Arch, giurid. z. B., bekannt; an einigen Stellen des Carmen 

LII 469; vgl. ferner Puchta-Kriiger Institu- Apologeticum, wo die Fessel des Akrostichs ge- 

tioneni°II 351 § 272. Leonhard Institutionen fallen ist, erhebt er sich auch zu einer gewissen 

393. 467. [R- Leonhard.] Vornehmheit. Ofifenbar hatte er Eleganteres 

Commodianus. 1) s. Cosconius und Fla- schreiben kOnnen, er wollte es nicht, weil die 

T j us _ neue Religion ihm den classischen Flitter auszu- 

2) Christlicher Dichter, in alterer Zeit nur schliessen schien. Daraus folgt wohl, dass er 

zweimal erwahnt , von Gennad. de vir. ill. 15 von einer christlichen Kunstdichtung noch nichts 
und im Decretum Gelasii, das (wohl im J. 496, 20 wusste; der erst e christliche Dichter braucht er, 

also hOchstens im Anschluss an Gennadins, nicht da seine Belesenheit in der christlichen Litteratur 

umgekehrt!) die opuscula Commodi als apocrypha nicht eben weit reicht , deshalb doch nicht _ge- 

auffuhrt. Was der Verfasser des Decrets iiber C. wesen zu sein. Fast allgemein setzt man ihn 

gewusst hat, kann nicht bestimmt werden, Gen- bald nach 251 an; da aber manches fur das 4. Jhdt. 

uadius schSpft sein Wissen lediglich aus der einen spricht, muss die Zeit bis etwa 350 fiir ihn offen 

ihm bekannt gewordenen Schrift des C. Nach gehalten werden. In das Abendland gehort er, 

dieser war er erst im reiferen Alter vom Heiden- wenn auch vielleicht des Griechischen oberflach- 

tum zum Christentum ubergetreten und fiihlt sich lich kundig, jedenfalls, je friiher man ihn ansetzt, 

nun berufen auf Grand seiner Kenntnis der Schrift um so wahrscheinlicher wird seine africanische 
die unwissende civica turba in der Wahrheit zu30 Herkunft; ihn mit Gaza in Verbindung zu bringen, 

unterweisen. Er thut das in zwei libri Instruc- bietet die tlberschrift von Instructiones II 39 

tionum, die aus zusammen 80 Gedichten von ver- nomen Qasei in ihrer Ratselhaftigkeit nicht ge- 

schiedenem Urafang (zwischen 6 und 48 Zeilen nflgenden Anhalt; das Akrostich ergiebt Mer den 

schwankend) bestehen. Sie sind akrostichisch an- Namen des Verfassers Commodianus mendicus 

gelegt, so dass die Anfangsbuchstaben von oben Christi. Text: Commodiani carmina rec. B. Dom- 

nach unten oder umgekehrt gelesen die trber- bart in Corp. script, ecclesiast. lat. Vindob. XV 

schrift ergeben, zwei ahecedarii sind darunter I 1887. Aus der reichen Litteratur fiber C, be- 

35. II 19; die Verse sind Hexameter, aber ohne sonders seine Verskunst, vgl. W. Meyer Abh. 

Rficksicht auf die Quantitat nach dem Accent Akad. Munchen, CI. I Bd. XVII 2, 1885. G. Bois- 
gebaut. Die Sprache ist Vulgiirlatein, voller Un-40 sier Commodien , Paris 1886. _L. Vernier La 

regelmassigkeiten ; von poetischem Sehwung keine versification lat. populaire en Afrique. Commodien 

Spur. Nicht viel giinstiger wird iiber das Carmen et Verecundus, Revue de philol. XV 1891, 14— -33. 

Apologeticum zu urteilen sein, das J. B. Pitra [Jfilicher.J 

zuerst 1852 aus einem Codex Phillippsianus heraus- Comiuoduui bedeutet in der Redeweise der 

gab und das, obwohl in der Hs. ohne Angabe des Juristen den Vorteil, den irgend eine Sache oder 

Verfassers, mit Recht allgemein demselben Autor eine Sachlage gewahrt., z. B. eommoda heredi- 

wie die Instructiones zugeschrieben wird. In tar ia Dig. XXXVII 1, 1, oder eommoda peeumae 

beiden Werken herrscht die apologetische Tendenz (Zinsen) Dig. XXXI 22. L 8, 2, 5, auch die durch 

vor, gegeniiber Heiden und Juden die Thorheit ein Gesetz oder ein Edict gewahrte Berechtigung 
ihrer Religionen zu erweisen und die christliche 50 heisst c, Dig. XXXVII 10, 1, 2. XXXVIII 17, 2 pr. 

zu empfehlen ; nur in Instructiones II wendet sich tber den Zusammenhang mit dem Worte commo- 

C. mehr an die einzelnen Stande innerhalb der datum s. o. S. 772. Von besonderer Bedeutung 

Christenheit und giebt eine Art christlicher Sitten- ist das c. als Nebenleistung in Schuldverhaltnissen 

lehTe in einzelnen Stucken. Wie formell, so da, wo ein Verpflichteter neben dem Gegenstande 

tragen auch inhaltlich C'.s Belehrungen einen etwas seiner Schuld auch die Vorteile herausgeben muss, 

vulgaren Charakter; es ist nur ein Durchschnitts- die er aus der bisherigen Nichterfullung genossen 

christentum, das er vertritt, und von gelehrter hat, so z. B. der Verkaufer die Fruchte der Sache 

Bildung kann bei ihm nicht die Rede sein, eben- vom Vertrage bis zur fjbergabe, Dig. XVLU 6. 

deshalb aber darf man auf seinen groben Chilias- Cod. IV 48 de perkulo et commodo rei venditae. 
,„„, i-m'T-^ ^oV^*-'c^n n " ".id m' i "n' , '' , liiffyi^i a roi^ o Ti 60 Tn*^. TTI 23. 3: nnmmndnm eius esse debet, cuius 

Neigungen in der Christologie nicht zu viel Ge- pericidum est; ahnlich Dig. L 17, 10. Von be- 

wicht bei der Bestimmung seines Zeitalters legen. sonderer Bedeutung ist das c. temporis oder 

Bei einem geschulten Theologen wiirden wir die medii temporis, auch c. repraesentationis (Dig. 

Verbindung dieser Eigenheiten nach 300 freilich XXIV 3, 24, 2. XXXI 82 pr. XXXV 2, 45 pr. 

nicht mehr glaublich fin den; bei einem Laien XXXIII 4,1 § 2. 12. XLII 8,10 § 12). Es ist 

hrauchen sie noch bis 400 hin nicht zu iiber- dies der Vorteil, den em Glaubiger daraus er- 

raschen. Nun soil zwar C. Bischof gewesen sein. halten wurde, wenn man ihm eine spater fallige 

Auch das wiirde im 4. Jhdt. laienhafte Bildung Schuld schon jetzt bezahlte. Dieser Vorteil muss 



775 



Commodus 



Commune 



776 



■von der Schuldsumme abgezogen werden, sobald 
festzustellen ist, wie viel die spater fallige Schuld 
schon in einem friiheren Zeitpunkte wert ist, z. B. 
bei dem Abzuge der quarto, Fahidia, s. Quarta. 
Tiber die rCmische Berechnung dieses c. reprae- 
sentationis vgl. Dig. XXXV 2, 88, 3, auch frg. 3 
§ 2 ebd. und dazu Oettinger Archiv f. civ. Pr. 
XXIX 42ff. Litteratur: v. Ihering Abhandlungen 
aus dem rem. R. I 1844, 3ff. Mom m sen Beitrage 



Urkunde , durch die der Kaiser einem Beamten 
einen besonderen Auftrag erteilt (Cod. Theod. VI 
29, 10. VII 4, 27. Nov. lust. 81, 2. 128, 17. 
Suid. s. xofi/uovrjToQwv). Beispiele und Formulare 
bei Cassiod. var. Ill 19. VII 22. Theodor. a. 0. 
Mansi a. 0. 

3) Da unter diesen Auftragen diejenigen zur 
Beitreibung von Steuem wohl die haufigsten waren 
(Cassiod. var. VII 22), wird der Name C. auch 



zum Obligationemecht I 1853, 286ff. Wind- 10 auf solchePrivaturkundeniibertragen, durch welche 



scheid Pand. H? 419 § 389 Anm. 15. 71 § 274 
Anm. 3. Dernburg Pand.5 II 69.99 § 23 IVb. 
§ 35 Anm. 5. v. Petrazycki Die Lehre vom 
Einkommen II 1895, 48ff. § 3 a. E. Wendt Pan- 
dekten 1888, 518 § 211. [R. Leonhard.] 

Commodus. 1) [Com]modus{1), co(n)s(u- 
laris) von Syria Palaestina unter Kaiser Verus 
(CIL III 6645 Inschriftfragment aus Jericho), s. 
unter Iulius Commodus (vgl. vorlaufig Bor- 



ein Grundbesitzer irgend jemand zum Eintreiben 
von Pachten oder Pachtriickstanden bevollmach- 
tigt. Marini Papiri diplomatic! 73 p. 109. 

[Seeck.] 

Comuiori, ein Volk in Ariana, gegen Oios, 
Plin. VI 47; vgl. Gomari Mela I 13 und Cho- 
mara. [Tomaschek.] 

Commune ist alles, was einer Mehrheit und 
nicht einem einzelnen gehCrt, Quintil. VII 3, 24 



ma nn Arch.-epigr. Mitt. XVIII 1894, 114f. Eit-20 quod commune cum alio est desinit esse pro- 



terling ebd. XX 1897, 27f.). 

2) Commodus, der Kaiser, s. A u r e i i u s Nr. 89. 

3) Commodus s. Ceionius Nr. 5ff., Fabius, 
Iulius. 

4) Commodus, Cognomen folgender Cons ales 
ordirmrii der Kaiserzeit: a) L. Ceionius Commo- 
dus cos. 78 n. Chr. mit D. Novius Priscus, 

b) L. Ceionius Commodus cos. 106 mit Cerialis. 

c) L. Ceionius Commodus cos. 136 mit Sex. Vet- 



prium. In der Sprache der Feldmesser wird daher 
der Plural eommunia gebraucht fiir alles Land, 
das unter die Colonisten nicht aufgeteilt ist (s. 
Art. Coloniae), so fiir loca relicta und loca com- 
paseua, z. B. Frontin. de lim. agr. 41 Lachm. 
Der Singular bedeutet zunachst, gerade so wie 
im Griechischen xoivov, das Gemeingut (iberhaupt, 
das gemeinschaftliche Vermdgen einer Mehrheit 
von Individuen, die corporativ geeinigt sind, in 



tulenus Civica Pompeianus. d) L. Aelius Aure- 30 der Theorie sowohl eines Vereins wie eines stadti- 



lius Commodus (der spatere Kaiser Verus s. Bd. Ill 
S. 1832ff.) cos. 154 mit T. Sextius Lateranus, 
cos. II 161 mit M. Aelius Aurelius Verus Caesar 
cos. III. [Groag.] 

Commolenda (Cbmmolanda), romische Gottin 
der Indigitamenta, der im Verein mit Addenda 
und Deferunda im J. 183 n. Chr. von den Arval- 
brtidern am Tempel der dea Dia beim Zerstiickeln 
(commolere) eines auf dem Dach des Tempels 



schen und staatlichen Gemeinwesens, Doch ist 
in der Praxis der Kaiserzeit, in der sich erst die 
Begriffe von Staat und Stadt scharfer in ihrem 
Gegensatz entwickelt haben, das Neutrum c, so- 
wohl wie das Adjectiv communis (iberhaupt immer 
mehr fur das stadtische Gemeinwesen reserviert 
worden, wahrend publicus der entsprechende Ter- 
minus fiir die stadtrOmische und staatliche Sphare 
wurde, Ulp. Dig. L 16, 15: bona civitatis (einer 



gewachsenen Feigenbaumes ein Opfer (ores II) 40 Gemeinde) abusive publica dicta sunt : sola enim 



dargebracht wurde (Hen z en Acta fratr. Arval. 
p. CLXXXVI = CIL VI 2099, 5 p. 560). Gegenuber 
den von Weisweiler (Jahrb. f. Philol. CXXXIX 
1889, 37ff.) geausserten Bedenken gegen die An- 
nahme einer Gcttin C. (Marini Atti e monum. 
dei frat. Arv. 381ff. Henzen a. a. 0. 147ff. 
OldenbergDe sacr. fratr. Arv.. Diss. Berol. 1875, 
45ff. Peter in Roschers Mvthol. Worterbuch II 
188, 40ff.) vgl. zur Form Jordan Krit. Beitr. 



ea publica sunt, quae populi Rotnani sunt. C. 
bedeutet so in der Kaiserzeit pragnant die stadti- 
sche Casse, das stadtische Vermogen (iberhaupt, 
Stadtrecht von Malaca, CIL II 1963 c. 60 : prae- 
des in commune municipum dare. c. 64 : in 
commune oblioari, der breitere Ausdruck pecunia 
communis ebd. c. 57. 6U. 67. Wenn es in den 
Acta ludorum Saecularium des Septimius Severus 
(Ephem. epigr. VIII p. 280 Z. 23—24) heisst: 



279rF., zur Sache WissowaobenBd.il S. 1480,50 [sollemjniainannumdecernatissumptusquecom 



43ff. 1482, 47ff. [Aust] 

Commonitio s. Conventio. 

Commonitorium ist ein kurzer Zettel, den 
man jemand ubergiebt oder iiberschickt, um ihn 
an eine Pflicht oder ein Versprechen zu erinnern 
(Symmach. epist. V 21. 22. 26. VI 45. Ammian. 
XXVIII 1, 20. 53). Daraus entwickeln sich fol- 
gende technische Bedeutungen: 

1) Gesuch an einen Beamten, Symm. epist. 
I 68. Cod. Theod. TI 29. 2 § 3. Enthielt das- 60 CIL XIV 2408> als auch mit rPsm,Woa im Sinn 



muni e[xpensa f]ieri, so beweist das nur, dass 
unter Septimius Severus schon Rom nicht nur that- 
sachlich, sondern auch rechtlich den iibrigcn Stadten 
des Reiches gleichgestellt war (Mommsen ebd. 
p. 297). 

Neben der Bezeichnung des geiueinsamen Ver- 
mogens wird dann das Wort von der Gemem- 
schaft selbst gebraucht, d. h. sowohl synonym, 
wenn auch selten, mit collegium (vgl. c. mimorttm 



selbe ein Versprechen, dass man die Erfullung 
durch ein bestimmtes Geschenk belohnen wolle, 
so konnte dieses nach einem Gesetz des Theo- 
dosius vom J. 394 gerichtlich beigetrieben werden, 
Cod. Theod. a. 0. 

2) Commonitorium sacrum, griechisch delov 
vJiofj.vrj<iTi>i6v (Mansi Concil. coll. VI 596. Theo- 
dor. epist. 80 = Migne G. 83, 1257), ist eine 



von Stadtgemeinde, z. B. c. Milyadum, Cicero in 
Verr. act. II 1, 95 und Ps.-Ascon. z. d. St. 

Endlich wild c. angewendet concurrierend 
mit concilium (s. d. Art.) und zwar ebenso wie 
dieses : 

a) fiir die landschaftlichen Verbande italischer 
und ausseritalischer Stamme und Volker und deren 
Versammlungen , wie c. Ixitium bei Festus s. 






777 



Communes 



Communio 



778 



praetor p. 241 M., vgl. c. gentis Pelasgae Ovid. 
met. XII 7, weiter haufig bei Livius, der auch e. 
concilium zusammen gebraucht, so z. B. XXXVIDI 
34, 5 (c. concilium Ackaeorum). XLII 43, 5; 
vgl. XLV 19, 6 (c. concilium Boeotoruni). Tac. 
hist. IV 67; 

b) vor allem fiir die technisch concilium (s. 
den Artikel) genannten Provinciallandtage, beson- 
ders in den hellenischen Landern fiir die aus der 
vorrOmischen Zeit stammenden xoiva; so aus der 10 
republicanischen Zeit c. Siciliae, Cic. in Verr. act. 
II 2, 114. 145. 154; c. Lyeiae CIL I 589; aus der 
Kaiserzeit c. Asiae Cohen Me"dailles imp. I 466 
nr. 1. II 3 nr. 6 ; c. Oretensium CIL X 1432, und 
dieser Sprachgebrauch hat sich erhalten auch fur 
die Landtage der nachdiocletianischen Zeit, so z. B. 
c. Campaniae bei Symmach. ep. IV 46, c. Si- 
eiliae ebd. I 11. Cod. Theod. XII 12, 9 (vom 
J. 382 n. Chr.); vgl. im (ibrigen Art. Concilium. 
Daremberg-Saglio Diet. I 1410. Ruggiero20 
Dizion. epigr. II 561. [Kornemann.] 

Communes will als Beinamen der Matres aus. 
der Inschrift Ephem. epigr. VII p. 322 nr. 1032 
(= rVp.201 nr.680) erschliessenHaverfieldunter 
Hiuweis auf nr. 1017. Ganz unsicher. Vgl. Bonn. 
Jahrb, LXXXIX 240. Roschers Lex. II 2476. 
Ebenso unsicher die im Index von Ephem. epigr. 
VII vorgeschlagene Erganzung Comfedovis). 

[Ihm.] 

Communio bedeutet zuweilen so viel wie 80 
Rechtsgemeinschaft, d. h. gemeinsamer Anteil an 
gewissen Rechtsinstituten. So wird bei Gai. Ill 
179 die communio civis cum peregrino hinsicht- 
lich der sponsio verneint, d. h. die Meglichkeit 
diesen Vertrag abzuschliessen, und Ulpianus be- 
griindet Dig. XXVIII 1, 20, 7 die TJnfahigkeit 
des Sclaven zum Testamentszeugnisse damit, dass 
er iuris civilis communionem non habeat in to- 
tum, ne praetoris quidem edicti. In der Regel 
bedeutet jedoch c. das Miteigentum, und zwar 40 
ebensowohl das durch Vertrag begriindete , als 
auch das ohne Gesellschaftsvertrag, z. B. durch 
Miterbfolge, entstandene. Obwohl daher socius 
ebensowohl den Miteigentiimer bezeichnet als den 
Gesellschafter aus einem Vertrage (vgl. z. B. Dig. 
X 3, 4, 3, s. Socius), so werden doch Societats- 
vertrag und Miteigentum scharf unterschieden ; 
vgl. Ulp. Dig. XVII 2, 31 : Vt sit pro socio actio, 
societatem intercedere oportet : nee enim sufficit 
rem esse communem. nisi societas intercedit. 50 
communiter autem res agi potest etiam citra 
societaiem, ut puta cum non adfeetione societa- 
tis incidimus in communionem, ut evenit in re 
duobus legato, , item si a duobus simul empta 
res sit, aui si Itereditas vel donatio communiter 
nobis obtenit, aut si a ducbus separatim emimus 
partes eorum non soeii (d. h. keine Gesellschafter 
aus dem Vertrage) fiduri. Hiernach und nach 
Dt<t. X 2. 25. 16 nentit mH?i in d^r Rpd^wei^p 
der gemeinrechtlichen Wissenschaft das Miteigen- 60 
turn ohne Gesellschaftsvertrag c. incidens (vgl. 
WindscheidPandekten7II§449 Anm. 1. Dern- 
burg PandektenS I § 195 Anm. 3j; vgl. auch 
Dig. X 3, 2 pr. Inst. Ill 27, 3. Insofern eine 
Mitberechtigung mehrerer bei der c. nicht bios 
das Eigentum betreffen kann, sondern z. B. auch 
ein mit dem gemeinsamen Grundstiicke verbun- 
denes Dienstbarkeitsrecht , und insofern eine c. 



auch an Pfandrechten oder eigentumsahnlichen 
Rechten (superficies und emphyteusis, s. d.) mOg- 
lich ist, fasst man vielfach c- im weitern Sinne 
als ,Gemeinschaftlichkeit eines dinglichen Rechtes' 
auf, wahrend der Ausdruck in den Quellen in der 
Regel nur auf das gemeinschaftliche Eigentum 
hindeutet, vgl. aber auch Dig. XXXVI 1, 80 (78), 
8: communio bonorum ex fideieommisso und uber 
einen usus communis Dig. X 3, 10 § 1. G. Bu- 
rn elin Die Teilung der Rechte 1883, 126 (auch 
S. 118 uber die Teilung eines Messbrauches). 

Die Ausspruche der Quellen uber das Miteigen- 
tum haben vornehmlich dadurch Zweifel enegt, 
dass sie bei diesem Rechtsverhaltnisse eine Teilung 
der Sache oder des Eigentumsrechtes an ihr bald 
behaupten und bald verneinen. So sagt z. B. 
Ulpianus Dig. XLV 3, 5: Servus communis sie 
omnium est non quasi singulorum totus, sed 
pro partibus utique indivisis, ut mtelleetu magis 
partes habeant quam corpore. Pars indivisa ist 
hier der in kOrperlicher Hinsicht unabgetrennte 
Teil, also mehr ein ,Anteil' (vgl. BrinzPandek- 
ten« 478) als ein Teil, vgl. ferner Dig. L 16 de 
verb. sign. frg. 25 , 1 : Quintus Mucius ait par- 
tis appellatione rem pro indiviso significari: 
nam quod pro diviso nostrum sit, id non partem, 
sed totum esse. Ahnlich auch die Dig. XIII 6, 
5, 15 mitgeteilte Ansicht des Celsus: nee quem- 
quam partis corporis dominum esse, sed totius 
corporis pro indiviso pro parte dominium, habere, 
vgl. auch Dig. VIII 1,11 (pars dominii). XXX 
50 pr. XXXI 66, 2. XL 12, 7, 3. XXXIX 2, 40, 
4 (portiones dominii). Zuweilen werden geradezu 
kerperliche Sachteile genannt, wo blosse Bruch- 
teile des Eigentums bezeichnet werden sollen, vgl. 
Dig. XXI 2, 64. Man hat demnach behauptet, 
dass weder Sache noeh Eigentum geteilt sei, son- 
dern der Wert der Sache (Girtanner Jahrb. f. 
Dogmatik III 239ff. und Steinlechner Das 
Wesen der iuris communio 1878, 109ff.). Hiergegen 
ist wohl mit Unrecht geltend gemacht worden (na- 
mentlich vou Dernburg Pandekten 5 I 464 § 195 
a. E.), dass die Teilung des blossen Wertes nicht 
denkbar sei, vielmehr ist der Gedanke einer Zer- 
legung des Wertes nach Bruchteilen wohlverstand- 
lich. Man wird sogar zugeben miissen, dass bei 
jedem Miteigentum eine Teilung des Wertes aller- 
dings vorliegt. Nur wird damit das Sachver- 
haltnis nicht erschopft, vielmehr reichen die Rechte 
der einzelnen Miteigentiimer weiter; denn sie 
ergreifen z. B. den aus der Sache gewonnenen 
teilbaren Erwerb, z. B. dieFriichte, unmittelbar, 
nicht bios ihren Wert, vgl. Dig. XXX 50 pr. 
Dazu kommt, dass nach romischem Rechte jeder 
Miteigentumer grundsatzlich fiber seinen An- 
teil verfugen kann, Dig. X 3, 6, 9. VII 6, 5, 2. 
Cod. IV 52, 3. Auch kOnnen die sonstigen Be- 
fugnisse des Eigentums nicht als vollig ungeteilt 
fTpfton. Viplm^hr kann dip Sar-he in TnRw , hi»r 
Hinsicht von jedem einzelnen fur sich benutzt 
werden. z. B. wenn ein Miteigentumer den ge- 
meinsamen Sclaven dazu verwendet, durch ihn 
lediglich fur sich, nicht fur die andern Miteigen- 
tiimer einen Erwerb zu machen (Dig. XLV 3, 5) 
oder wenn es. sich um eine Verwertung der Sache 
handelt, die lediglich dem einen Herren Nutzen 
bringt, ohne die anderen zu beschranken. Dig. 
XLV 3, 1, 4: persona serri communis eitts con- 



779 



Commuuio 



Communio 



780 



dicionis est, ut in eo, quod alter ex domim's 
potest adquirere, alter non potest, perinde habea- 
tur, ae si eius solius esset, eui adquirendi faeul- 
tatem habeat. Man kOnnte in diesen Beziehungen 
eher von einer Vervielfaltigung der Eigentums- 
befugnisse reden, als von einer Teilung (so Stein- 
lechner Das Wesen der iuris communio 1 1876, 
44ff. und dagegen meines Erachtens mit Unrecht 
Scheurl Weitere Beitrage zur Bearbeitung des 
rSm. Rechts, Erlangen 1884, 17ff.). Dies kOnnte 
man auch bei andern Eigentumsbefugnissen thun, 
die der einzelne Miteigen turner zwar nicht, wie 
die soeben erwahnten, far sich allein, wohl aber 
far die Gesamtheit der Mitberechtigten ausiiben 
darf, wohin namentlich der Schutz der Sache gegen 
unberechtigte Eingriffe oder Anspriiche Dritter ge- 
hort (vgl. uber diesen streitigen Punkt Wind- 
scheid Pandekten? n 504 Anm. 4a § 169a). 

Insoweit nicht hiernach die Vorteile des Eigen- 
tums entweder verteilt oder vervielfaltigt sind, 
unterliegen sie der Bestimmung samtlicher Mit- 
berechtigter zur gemeinsamen Ausiibung. Dig. 
X 3, 28. VIII 2, 26 (in re enim pari potiorem 
causam esse prokibentis constat). 

Die soeben geschilderte Sachlage ist hiernach 
viel zu verwickelt, als dass die Frage, in wie 
weit sie eine Teilung der Sache und des Eigen- 
tums in sich schliesse, mit einer kurzen Antwort 
abgethan werden kOnnte. Der Satz, dass eine 
intellectuelle Teilung vorliege, der der herrschen- 
den Meinung entspricht, ist allerdings richtig, 
aber nichtssagend. Wenn Eiimelin, der ihn an- 
ficht (a. a. 0. 12), statt dessen (S. 32) von einer 
.anbefohlenen, aber nicht durchgefiihrten Teilung' 
reden will, so wird dies nicht dem Umstande ge- 
recht , dass gewisse Eigentums vorteile von vorn- 
herein geteilt sind. Auch die Lehre, die Dern- 
burg a. a. 0. 463 in Anlehnung an Scheurl 
vertritt (Weitere Beitrage zur Bearbeitung des 
rem. Rechts 1884, 19ff.), dass bei dem Miteigen- 
tum der Umfang des Rechtes geteilt sei, aber 
nicht der Inhalt, bedarf mehr einer Erlanterung, 
als sie eine solehe zu geben vermag. 

Man wird daher anzunehmen haben, dass die 
Vorteile , die das Eigentum und die Sache ge- 
wahren, bei mehreren Miteigentiimern in gewisser 
Hinsicht geteilt, in anderer vervielfaltigt und 
wiederum in anderer an gemeinsame Ausiibung 
gebunden ist. Die nahere Bestimmung, inwieweit 
das eine und inwieweit das andere der Fall ist, 
hangt von dem Werte ab. den die Rechtsordnung 
dem Institute und den in ihm vorhandenen In- 
teresse beilegt. Die rCmische Behandlung des 
Miteigentums weicht in vielen Punkten von den 
in der Gegenwart in Deutschland durchgedrungenen 
Grundsatzen ab, was man bei dem practischen 
Sinne der Romer wohl weniger auf einen doctri- 
naren Individualismus zuruckfiihren muss, als auf 
\ica Gang, ucii die Yoikswirk.cliat'tlicuc Eutwick- 
lung in Rom genomrnen hat. Ein allmahlicbes 
Absterben des Bauern- und des Mittelstandes und 
das Aufkommen des Latifundienwesens musste un- 
willkiirlich die Einzelwirtschaft vom Grosscapi- 
talisten, die in der Regel zugleich Grossgrund- 
besitzer waren, wichtiger erscheinen lassen, als 
die Associationen kleiner Capitalien, wie sie im 
deutschen Verkehrsleben eine so grosse Rolle spielt. 
Es scheint daher, dass man die Vorteile andauern- 



der Miteigentumsverhaltnisse minder klar empfun- 
den hat, als die Nachteile, die nicht nur in der 
sprichwOrtlichen Veranlassung zum Streite her- 
vortreten, sondern auch in der Schwierigkeit eine 
einmiitige angemessene Bewirtschaftung des Mit- 
eigentumsgegenstandes zu ermOglichen (vgl. Dig. 
V&I 2, 26: itaque propter immensas contentiones 
plerumque res ad divisionem pervenit; vgl. auch 
VII 1, 13, 3). So erklart es sich, dass die r5mi- 

10 schen Quellen die e. als einen tbergangszustand 
anzusehen scheinen, weil sie grundsatzlich jedem 
Miteigentiimer die Aufkiindigung dieses Verhalt- 
nisses gewahren. Cod. HI 37, 5: in communio- 
nem vel societatem nemo compellitur invitus de- 
tineri. Die Klage, die jedem aus der unerwiinsch- 
ten Gemeinschaft heraushilft, ist die actio com- 
muni dividundo, Dig. X 3. Cod. Ill 37. 38. Sie 
geht auf Teilung des Miteigentumsgegenstandes, 
aber auch auf Erfiillung der gegenseitigen Ver- 

20 pflichtungen aus dem Miteigentumsverhaltnisse, 
Dig. X 3, 3 pr. u. 6. Besonders strenge ist der 
Anspruch auf Ersatz von Reparaturkosten ge- 
schiitzt, die ein Miteigentiimer auf ein gemein- 
sames Bauwerk ausgelegt hat. Erfolgt die Er- 
fiillung dieser Pflicht nicht binnen vier Monaten, 
so verliert der Saumige seinen Anteil an den Be- 
rechtigten, Dig. XVII 2, 52, 10. Cod. VIII 10, 4. 
Die Klage geht iibrigens trotz ihres Namens nicht 
bios auf Auseinandersetzung , sondern auch auf 

30 Geltendmachung der Rechte, die der eine Mit- 
eigentiimer auch bei dauernder Gemeinschaft gegen 
den andern hat. Eck Die sog. doppelseitigen 
Klagen des ROm. u. gem. Deutschen Rechts, Berlin 
1870, 98—100, vgl. hierzu neuere Litteratur in 
Windscheids Pandekten? II § 449 Anm. 4. 
Dig. VH 1, 13, 3. X 3, 12 u. 23. VIII 2, 26. 
XXXIII 3, 4. XXXIX 1, 3, 1 u. 2. 

Die Auflfisbarkeit des Miteigentumsverhalt- 
nisses war iibrigens insofern abgeschwacht, als es 

40 mOglich war, die Teilung fiir einige Zeit, wenn auch 
nicht fiir immer, auszuschliessen. Dig. X 3, 14, 
2. XVII 2 , 16 , 1 (insbesondere fur das vesti- 
Imlum commune Dig. X 3 , 19 . 1 und fiir ge- 
meinsame Grenzmauern Dig. VIII 2, 13,1. frg. 19. 
XXXIX 2 de danmo inf. frg. 35—37). 

Dem Streben des rOmischen Rechtes die Mit- 
eigentumsverhaltnisse mOglichst in den als an- 
gemessener empfundenen Zustand des Alleineigen- 
tums zuriickzufuhren, entsprechen auch die (iibri- 

50 gens vielfach bestrittenen) rOmischen Vorschriften 
uber das Anwachsungsrecht bei dem Miteigen- 
tume. Ein Rechtszustand, in dem nur zu einem 
oder mehreren Bruchteilen Eigentum besteht, da- 
neben aber zu einem andern Bruchteile Herren- 
losigkeit der Sache (eine Herrenlosigkeit, die wegen 
des Rechtes der Miteigentiimer nach aussen hin 
in der Regel nicht erkennbar sein wurde), scheinen 
die R6mer als ein des Rechtsschutzes wurdiges 

^ cllialtlUS UiUil allgwjeiicLi iii liabcli. Su erilai't 

60 sich die Unmoglichkeit , einen Brnchteil seines 
Eigenimmes preiszugeben. Man darf also auf sein 
Eigentum nur ganzlich oder gar nicht verzichten. 
Dig. XLI 7, 3: totius rei dominus effieere non 
potest, ut partem retineat, partem pro derelieto 
habeat. Darum fiel auch der Anteil eines Mit- 
eigentumers, der einen Sclavenfreiliess, dem andern 
Miteigentiimer zu, ein Grundsatz, der spater- 
hin durch eine Sondervorschrift aus Griinden der 



781 



Communis 



Comparatio publiea 



782 



Menschlichkeit beseitigt worden ist. Cod. VII 
7, 1. Dig. XLI 7, 3. Auch ist nach Cod. Ill 
38, 8 anzunehmen, dass die einfache Preisgabe 
eines Eigentumsanteiles ohne weiteres den Mit- 
eigentiimern zu gute kam. 

Litteratur. Eck Die sogenannten doppel- 
seitigen Klagen des Romischen und gemeinen 
Deutschen Rechts, Berlin 1870, 88ff. Steinlech- 
ner Das Wesen der iuris communio und quasi 



In der Kaiserzeit ist der Bedarf fiir die Framen- 
tationen, solange dieselben sich erhielten, durch 
die Naturalsteuern gedeckt worden ; nachdem aber 
die GetreideversoTgung in dieser Periode ein Ge- 
genstand staatlicher Pursorge geworden war, haben 
auch in der Kaiserzeit Ankaufe von Weizen, Gerste 
u. s. w. von Seite der Stadt (spater des rOmi- 
schen Fiscus) in grossem Massstabe stattgefunden 
(vgl. 0. Hirschfeld Philol. XXIX 67); auch in 



ner .uas wesen uer iuiis cuuiuimnu mm nuooi vs** "• """""* — •"-■ w> 

iuris communio, Innsbruck 1876. 1878. Geib Die 10 den Gemeinden ausserhalb Roms ist (hie und da 



rechtliche Natur der actio communi dividundo, 
1882. G. R ii m e 1 i n Die Teilung der Rechte, 1883. 
Eisele Archiv fiir civilist. Praxis LXILt 27ff. 
Windscheid Pand.7 I 502ff. § 169 a. II § 449. 
Dernburg Pand.s I 461ff. §§ 195ff. Bekker 
Pand. I 98ff. § 32. [R. Leonhard.] 

Communis. 1) Ein hervorragender Wagen- 
lenker der blauen Circuspartei. Er war ein mi- 
liarias (s. d.), CIL VI 10048 Z. 18 (iiberliefert 



mit Beniitzung hellenischer Institutionen) die C. 
p. nach rOmischem Muster eingerichtet worden 
(Hirschfeld a. a. 0. 83ff. Liebenam Stadte- 
verwaltung im rom. Kaiserreich 369f.). In der 
nachdiocletianischen Zeit ist die C. p. mehrfach 
Gegenstand gesetzlicher Regelung geworden, wo- 
von die Abgrenzung der Anschaffungsgebiete 
fiir die beiden Hauptstadte (Agypten fiir Con- 
stantinopel. das ubrige Africa fiir Rom) die wich- 



ist nur ommunem, Friedlander S.-G. W 515). 20tigste Neuerung ist (Hirschfeld a. a. 0.8 I 



Onuph. Panvinius De lud. circ. I 11 (Graevii 
Thes. ant. Rom. 114). [Pollack.] 

2) Communis, gallischer Vasenfabrikant der 
Kaiserzeit. Dragendorff Terra sigillata 93. 

[C. Robert.] 

Comniades (Commiades) s. Komniades. 

Conmianus. Badius Comnianus , p[ro]cu- 
r(ator) [ejt vice praesidis agens von Gallia Lug- 
dunensis, Ehreninschrift des T. Sennius Sollemnis 



Die C. p. ist nach Gothofredus Einteilung 
entweder eine vohmtaria oder eine necessaria, 
je nachdem die Hipgabe der species vom freien 
Willen des Eigentiimers abhangt oder eine NOti- 
gung zur Lieferung besteht. Fiir die Zeit der 
Republik und fur die heidnische Kaiserzeit liegt 
nichts vor, was zur Annahme einer VerpfLichtung 
zur entgeltlichen Lieferung berechtigen wiirde. 
Die alteste R«chtsquelle , aus welcher sich ein 



aunensis, ninreiimscumi ues x. tjeuuiuo uuucmiuio u^ u.^^^ m ™,. 1 .™. , — .._- _ 

aus Thoriffny, CIL XIII 3162 ; die Inschrift tragt 30 Anhaltspunkt fiir eine solehe gewinnen lasst, ist 



das Datum 16. Dec. 238 n. Chr. und cnthalt ein 
wohl nicht" zu lange vorher verfasstes Empfeh- 
lungsschreiben des Praefectus praetorio Aedinius 
Iulianus an ihn. Offenbar wahrend dessen Statt- 
halterschaft in Gallien war C. Procurator gewesen 
und dann, als Iulianus nach Rom berufen wurde, 
provisorisch mit der Provinzverwaltung betraut. 

[Stein.] 
Comosicus, KOnig und Oberpriester der Da 



die Oratio des Constantius aus dem J. 361 
(Cod. Theod. XI 15, 1); in derselben wird den 
aetores und proeuratores der Senatoren die Im- 
munitat von der C. p. erteilt; es hat also allem 
Anscheine nach damals die allgemeine, aber durch 
Privilegien beschrankbare Verpflichtung zur Lie- 
ferung der species atmonariae bestanden. Dies 
ergiebt sich auch aus Cod. Theod. XI 15, 2, aus 
dem J. 384, indem hier mit Bezug auf die Ver- 



ker. Nachfolger des Decaeneus, der zu Augustus 40 gangenheit gesagt wird : sctard provinciates, nut- 
,.„j rr.-i..-;™ i7„;4.™ „„i„K4- v, n +t<. I,,™! Str-oK VTT ln/m sihi ne.rp.txitat.e.m iiuHetlonis vmvom, sec 



und Tiberius Zeiten gelebt hatte (vgl. Strab. VII 
304. 298. XVI 762), lord. Get. I 73. [Stein.] 

Comparatio publiea (der Ausdruck findet 
sich in der Rubrik zu Cod. Theod. XI 15) ist 
die von der Stadt Rom (bezw. dem rfimischen Fis- 
cus) und den Gemeinden ausserhalb Roms erfol- 
gende Anschaffung von Verbrauchsgegenstanden 
insbesondere Getreide oder Cd.zum Zwecke ent- 
geltlicher oder unentgeltlicher Uberlassung an die 



lamsibi necessitatem indictionis imponi, serf 
huivs adscriptionis necessitatem sublatam. 
Der Standpunkt der Verpflichtung ist in dem eben 
citierten Erlass aus dem J. 384 verlassen; der 
Abschluss eines Verkaufes wird in das Belieben 
der Provincialen gestellt (umisqvisqim prnvin- 
eialium nostrorum arbitratu propria ... spe- 
cies petitas lib ens praestet ae distrahat) una 
nur an die Vermogenderen, die possessores, die 



einzelnen Gemeindeangehorigen oder zur Verwen- 50 unverbindliche Mahnung genchtet, sich bei der 
/i™„ f,-,r m a a j™„oT, Rori«rfni=co iTTnterhnlt fiir C. ii. entseffenkommend zn zeigen (ambus conor- 



dung fur die eigenen Bediirfnisse (Unterhalt fiir 
das Heer u. dergl/l. Mit c. p. identisch sind die 
Ausdrucke comparatio diversanim specierum 
(Cod. Theod. XI 15, 1). comparatio specierum 
(Cod. Theod. XI 17, 4. XV 1, 49), venalitium 
(Cod. Theod. VI 26. 14; hiezu vgl. Gothofredus 
Comm. zn Cod. Theod. II 159), synoneton (Cod. 
lust. XI 15, 1), Gvvo>vrj (Cod. lust. X 27, 2 pas- 
sim. Suid. s. v.), otron-ia (Cod. lust. XII 63, 2, 



SHIl. iSluu, a. v.i, vtiwriv. \\.v\i. ±u5t. .vu ^w, ^, imw. -* v- .- ■— _ 

4) ; flauptgegenstand der C. p. isi Getreide, aaner 6o vom ovstein des CuutiiJiicriiugiZwai 
■i j n..„n^ „^„ ..™,™._.w,>-„ a«.v»»»^ v V/> /Pn/1 TvaViiornncrafTpihpit wurde dadurch err 



C. p. entgegenkommend zn zeigen (quibus cohor- 
tatio non imperatur, ut eonsensum faeilem prae- 
stent super speciebvs annonariis distrakendis). 
Dass in den J. 382—384 Hungersnot im Orient 
herrschte, kann wohl kaum (mit Gothofredus 
a. a. O. IV 108) als Grund fur die Festsetzung 
dieser Bestimmung angesehen werden, da offen- 
bar einer Hungersnot viel wirksamer nach dem 
alten Rechte abzuhelfen war. Der Ubergang 

duata I'cx Coil- 



in den Quellen von comparatio frumentaria. (Cod. 
Theod. XIV 16, 1) gleichbedeutend mit coemptio 
frumentaria (Cod. Theod. XIV 16, 3) die Rede ist. 
Die C. p. findet sich schon in der Republik, 
indem zum Zwecke der Frumentationen, ausnahms- 
weise auch behufs entgeltlicher Weiterverausserung 
Getreide in den Provinzen von staatswegen an- 
gekauft wurde (s. o. Annona Bd. I S. 2317f.). 



trahierungsfreiheit wurde dadurch ermOglicht, dass 
von Theodosius unter Einem (Cod. Theod. XI 1,4) 
die bis dahin zulassige AblOsung der Natural- 
steuern durch Geld verboten wurde. In den J. 408 
und 412 ist hauptsachlich infolge der Erhebung 
des Stilicha, der die Znfuhr aus dem Orient hin- 
derte (Gothofredus a. a. 0. IV 139. V 323), der 
Contrahierungszwang fiir Illyrien wieder einge- 



783 



Comparatio publics 



Compensatio 



(84: 



fuhrt worden (Cod. Theod. XI 17, 4. XV 1, 49 
= Cod. lust. X 49, 1, beide an Herculius pf. p. 
Mlyrici gerichtet und im wesentlichen gleichlau- 
tend) und die Heranziehung samtlicher Bewohner 
ohne Unterschied verordnet worden (comparationi 
. . . specierum universi sine tdlo privilegio coarc- 
tentur, ita ut in his dumtaxat titulis universi 
pro portione possessionis et iugationis . . . coare- 
tentur); dem J. 412 und nicht, wie man aus der 



Uber die Eegulierung des Kaufpreises bei der 
C. p. enthalten Cod. Theod. XI 15, 2 und Cod. 
lust. X 27, 2 ubereinstimmend die Bestimmung, 
dass_ als Entgelt fur die Hingabe der Waren der 
officielle Marktpreis zu leisten und der ganze 
Kaufschilling sofort ziffermassig zu bestimmen sei; 
in Cod. lust. X 27, 2 ist iiberdies noch die gleich- 
zeitige Abrechnung der von dem Verkaufer etwa 
in Geld zu leistenden Abgaben verordnet. Der 






785 



Compensatio 



Compensatio 



786 



Datierung Id. Oct. Ravenna Honorio VIIetTfwo- 10 Kaufschilling (bezw. der nach jenem Abzug iibrig- 
™t„„i .-= ,. ■,. T bleibende Best) ist nach Cod. Theod. a. a. 0. 

sofort, nach Cod. lust. X 27, 3 zu den vorher 
festgesetzten Terminen zu bezahlen. S. im tibrigen 
Annona, Curator frumenti comparandi, Prae- 
fectus annonae. [Brassloff.] 

Compascuus ager s. Ager o. Bd. I S. 792. 

Compendium, Ort der Civitas Suessionum, 
Greg. Tur. hist. Franc. IV 21. Jetzt Compiegne 
(dep. Oise), Longnon G<k>gr. de la Gaule 401f. 



dosio II AA. coss. entnehmen miisste, dem J. 407, 
gehflrt der auf unser Institut Bezug habende Er- 
lass in Cod. Theod. VI 26, 14 (= Cod. lust. XII 
19, 4) an, in welchem die kaiserlichen scriniarii 
unter anderem auch von der der C. p. ent- 
sprechenden Verpflichtung zur entgeltlichen Liefe- 
rung der species annonariae befreit werden 
(iubemus, ut primo omnium sit eorum seeura 
possessio ab omnibus sordidis mwneribus excu- 



sata, swperindictum non timeant, venalicium 20 Nach Holder Altkelt. Sprachschatz I 1086 ver 



non petatur, solunique eanonicae indictionis 
praestent tributum). Schon Gothofredus hat 
(a. a. O. II 108) bemerkt, dass der in Eede 
stehende Erlass mit Cod. Theod. VI 18, 1, dessen 
Subscription D. Id. Oct. Mavennae Honorio IX 
et Theodosio V AA. coss. lautet, zu verbinden 
ist — Inscription , Ort , Tag und Monat in der 
Subscription und Gegenstand stimmen uberein — 
beztiglich der abweicnenden Angabe des Jahres 



kiirzt aus Compendiaeum. . [Ihm. 

Compensatio ist Ausgleichung entgegenge- 
setzter Dinge, die einander aufwiegen, z. B. com- 
pensatio lucri eum damno (vgl. Oertmann 
Centralblatt fur die juristische Praxis XV 1897, 9) 
oder die Ausgleichung erbreehtlicher Anspriiche 
mit erbrechtlichen Lasten (Kretschmar Erb- 
rechtliche Compensationen, Leipzig 1892) odei die 
Ausgleichung der culpa des einen wider den andern 



aber, der _ zu Cod. Theod. VI 18, 1 der Vorzug 30 gegen die culpa dieses andern wider ihn (, 



zu geben ist, da der in der Inscription genannte 
Epiphanius noch im J. 414 (in Cod. Theod. VI 
24, 7) als Praefectus urbi begegnet. Fllr das 
J. 407 ware aber die Erteilung eines Privilegiums 
bezuglich der C. p. ganz unbegreiflich ; der Erlass 
in Cod. Theod. XV 1, 49 will ja die im J. 386 ein- 
gefuhrte Contrahierungsfreiheit im allgemeinen 
fortbestehen lassen und nur fur Illyrien eine Aus- 
nahme statuieren; die Annahme einer solchen in 



pensatione negligentiae facta Dig. XVI 2 de eonp. 
frg. 10 pr. Pernice M. Antistius Labeo 112 
89ff. Priester Compensatio culpae, Diss. Wiirz- 
burg 1896). In Dig. VI 1, 65 wird eine Ein- 
nahme gegen eine Forderung aufgerechnet ; vgl. 
auch Sen. de benef. VI 4, 5: Inter beneficia 
quoque et iniurias ratio eonfertur. Auch das 
Gegengewicht der politischen Gewalten im Staate 
wird bei Cicero de rep. II 33 als C. bezeichnet. Im 



noch so beschranktem territorialen Umfange fur 40 engern gewohnlichen Sinne bezeichnet aber C, 



die Zeit vor 412 ist nach dem Wortlaute von 
Cod. Theod. XV 1, 49 als ausgeschlossen anzu- 
sehen. Im J. 491 ist dann von Anastasius wieder 
fur die ganze Cstliche Eeichshalfte die allgemeine, 
durch Privilegien nicht beschrankbare Verpflich- 
tung der prwincialen Gmndbesitzer zur Liefemng 
von species annonariae, aber nur fiir den Fall 
einer dringenden Notwendigkeit ausgesprochen 
worden (Cod. lust. X 27, 1: quotient urgente 



die Ausgleichung einer Forderung wider eine Gegen- 
forderung, pig. XVI 2, 1 de compensatimiibm: 
Compensatio est debiti et crediti inter se con- 
tributio. Forderung und Gegenforderung eigneu 
sich dann zur Ausgleichung, wenn beide fallig 
sind (Dig. XVI 2, 7 pr.), gleichartige Schuldlei- 
stungen betreffen und ihrem Betrage nach fest- 
stehen. 

Die Ausgleichung von Schuld und Gegenschuld 



necessitate comparationes frumenti rel hordei 50 kann eine gerichtliche sein, wenn die Schuld ein 

aliarumqice specierum quibuslibei ' provinciis in- --•-•--<■ —*-i — jj... n. -.• ~ - , 

dieentur, nulli penitus possidentium sese 
sub cuiuscumque privilegii oecasione 
exeusandi tribui faeultatem censemus). 
Der Standpunkt der Verpflichtung ist auch in 
der die C. p. (des Ostreiches) in umfassender Weise 
regelnden Constitution in Cod. lust. X 27, 2 (zwi- 
schen 491 und 505 erlassenj festgehalten ; die 
zwangsweise C. p. soil nur in Fallen dringender 

nung stattfinden (§ 5) und sollen die einzelnen 
possessores .pro modo iugerum et capitum' heran- 
gezogen werden (§ 8); niemand soil verpflichtet 
sein, seinen ganzen Vorrat zu verkaufen, sondern 
nur den den eigenen Bedarf ubersteigenden Teil 
(§ 3), auch weiters, den Fall einer cuatrnros ahia 
ausgenommen, zu einer Lieferung an eine fremde 
Gemeinde nicht verhalten werden kOnnen. 



geklagt wird und der Gegner die Gegenforderung 
aufrechnet. Eine Tilgung beider Schulden tritt 
jedoch nur dann ein, wenn der Richter die Auf- 
rechnung beriicksichtigt und hiernach sein Urteil 
fallt. Dig. XVI 2, 7, 1 (Geib Theorie der ge- 
richtlichen Compensation 1897, 86ff.). Wenn also 
die C. der Zahlung gleichgestellt wird (Cod. IV 
31. 4 pro soluto eompensationem haberi oportet), 
so ist dies nicht wortllch zu nehmen ; sie ist ihr 
oij nar aimiich, mchl vuiiig gieicn. Auch ausser- 
gerichtlich ist eine C. moglich. Dieser Compen- 
sations vertrag (De mb urg Geschichte und Theorie 
der Compensation^ 1868, 16ff. Eisele Die Com- 
pensation nach rom. und gem. E«cht 1876, 229ff. 
236) muss als gegenseitiger Schulderlass gegolten 
haben. Wenn ein solcher Vertrag uns audi viel- 
leicht nicht ausdriicklich bezeugt wird, so sollte 
seine Zulassigkeit nach rOmischem Kechte doch 



nicht bestritten werden, wie dies von Franz L eon- 
hard geschieht (Die Aufrechnung, Gottingen 1896, 
12ff., woselbst die zweifelhaften Quellenstellen 
besprochen sind). Endlich ist die Erklarung eines 
Schuldners an den Glaubiger, mit einer Gegen- 
forderung aufrechnen zu wollen, schon nach rOmi- 
schem Eechte moglich. Dass sie aber schon nach 
diesem ein einseitiges schuldtilgendes Eechtsge- 
schaft war, ist zu erweisen versucht worden, aber 
nicht in vBllig iiberzeugender Weise (Franz Leon- 
hard Die Aufrechnung 1896 und dazu Kohler 
Ztschr. fur Civilprocess XXIII 489ff. Stolzel 
Schulung fur die civil. Praxis II 11, 5. Hell- 
ma n n Krit. Viertelj ahrsschrift XL 93ff. v. T u h r 
Deutsche Litteratur-Zeitung 1898, 846ff.). 

Noch viel zweifelhafter aber ist, ob nach rflmi- 
schem Eechte das blosse Nebeneinanderbestehen 
gleichartiger Forderungen und Gegenforderungen 
einen gegenseitigen Einfluss dieser VermOgens- 
stiicke auf einander, auch ohne jede Erklarung 
von der einen oder der andern Seite, ausgeubt 
hat und ob dieser Einfluss mit der Wendung 
ipso iure compensari in alien oder doch in einigen 
der Stelleu, die sie enthalten, bezeichnet werden 
soil (Dig. XVI 2 frg. 4. 21. Cod. IV 31, 4. 14; 
vgl. auch Dig. XVI 2, 10 pr.). Hierauf bezieht sich 
namentlich Ubbelohde Uber den Satz ipso 
jure compensatur 1858 und mehr oder weniger 
die gesamte Litteratur fiber C, neuerdings auch 
Priester Ipso jure compensatur, Frankfurt a. M. 
1897. Von einer vOlligen Tilgung der Forderungen 
durch das Dasein gleichartiger Gegenforderungen 
kann freilich nicht die Eede sein, wohl aber von 
einer gegenseitigen Entwertung, wenigstens in 
dem Falle, dass Glaubiger und Gegenglaubiger 
sich ihrer Schulden bewusst sind und redlich 
handeln (Dig. XVI 2 de compem. 3 quia interest 
nostra potius non solvere quam solutum repe- 
tere; vgl. auch Kohler Ztschr. f. Civilprocess 
XXIII 490). In diesem Falle wird verniinftiger- 
weise jeder von beiden ein Hin- und Herzahlen 
fiir unvcrstandig halten, ja selbst eine Erklarung 
hieruber als iiberfliissig vermeiden. Die Sach- 
lage wird also ipso iure, d. h. ohne alle Partei- 
erklarungen, die Eintreibung wie die Zahlung 
heinmen und Forderung suwie Gegenforderung ent- 
kraften oder lahmen, wenn auch nicht geradezu 
vertilgen. Die neuere Wissenschaft ist ubrigens 
in vielen ihrer Vertreter so weit entfernt davon, 
dies anzuerkennen oder darin das ipso iure com- 
pensari zu erblicken, dass sie schliesslich dazu 
gelangt ist, die Quellenstellen, um deren Auslegung 
es sich handelt, zum grOssten Teile als interpoliert 
anzusehen (Applet on Histoire de la compensation 
en droit Eomain, Paris 1895 und dazu E i s e 1 e Ztschr. 
d. Savignystiftung, Eom. Abt. XVII 348ff.. sowie 
dagegen Franz Leonhard a. a. O. 214), eine 
Methode, deren allzu starke Verwertung der Wissen- 
schaft ihre quellenmassisren Aussraiifrspunkte zu 
rauben droht. Jene gegenseitige Entkraftnng der 
auszugleichenden Schulden ist ubrigens keines- 
wegs ohne praktische Bedeutung, sondem zeigt 
sich in der beiderseitigen Befreiung von Zins- 
zahlungspflichten (Cod. IV 31, 4. Dig. XVI 2, 
11. 12.) Die Zweifel, die dann entstanden, wenn 
einer Forderung gleichzeitig mehrere gleichartige 
Gegenforderungen gegeniibertraten, scheinen nach 
rOmischem Eechte dadurch ausgeglichen worden 



zu sein, dass die Wahl des mehrfaeh Berechtigten 
darfiber entschied, welcher seiner Gegenansprilche 
mit dem Anspruche des Schuldners als ausge- 
glichen gelten sollte. 

Diese gegenseitige Entwertung von Forderung 
und Gegenforderung ist dadurch in hohem Masse 
verdunkelt worden, dass man sie mit der Zulassung 
der Compensationseinrede in Zusammenhang ge- 
bracht und die Geschichte der Compensationseinrede 

10 mit der Geschichte der C. zusammengeworfen hat. 
Die genannte gegenseitige Entwertung ist von 
der Zulassung von Compensationseinreden vOllig 
unabhangig. Selbst da, wo solche Einreden un- 
zuliissig sind, wirkt sie, weil auch dort jede der 
beiden Parteien die Klage der andern fiirchtet 
und deshalb die Eintreibung ihrer Schuld unter- 
lasst. Was dagegen die Zulassigkeit der Com- 
pensationseinrede betrifft, so beruht ihre Beschran- 
kung durch Eechtssatz, wo sie sich vorfindet, vor- 

20 nehmlich auf dem Missbrauche , der mit dieser 
Einrede getrieben werden kann, um Processent- 
scheidungen zu verzOgern. Die Art und Weise 
aber, in der dieser Gedanke Anerkennung gefunden 
hat, hat im Laufe der Eechtsgeschichte aus Eiick- 
sicht auf den jedesmaligen Zustand des Process- 
rechtes mannigfache Anderungen erfahren. Ob- 
wohl daher schon in alter Zeit die durch Gegen- 
forderungen getilgten Forderungen aus den Rech- 
nungsbuchern ausgemerzt wurden (Gell. VI 5, 6, 

30 eine Stelle, deren Beziehung auf Compensationen 
bestritten ist; vgl. Hellmann Krit. Viertelj ahrs- 
schrift XL 94. Plaut. Mostell. 296ff.; Aul. 527. 
Dernburg a. a. O. 22ff. Asher Die Compen- 
sation im Civilprocess des classischen rfimischen 
Eechts 1863, 3 und uber die Compensationen in 
den leges locationis bei Cato de agric. B e k k e r 
Ztschr. f. E.-G. Ill 424ff. 437ff.), so scheint doch 
dem alten Legisactionenprocesse eine Compen- 
sationseinrede vollig fremd gewesen zu sein (vgl. 

40 Eisele Die Compensation nach rom. und gem. 
Eecht 1876, 29, 29 abweichend von Jhering 
Geist des romischen Eechts § 52 Anm. 84ff.). 
Immerhin is\ es aber moglich, dass schon in dieser 
Zeit der Klager bei Strafe des Processverlustes 
genStigt war, solche Gegenforderungen von seinem 
Anspruche abzuziehen, die nach ihrem Betrage 
einer besondern richterlichen Feststellung nicht 
bedurften. Die Compensationseinrede zur Zeit 
des Formularprocesses unterliegt den grossten 

50Zweifeln (vgl. Dernburg a. a. O. § 19ff. Eisele 
a. a. O. 16ff. Asher a. a. 0. off. Stampe 
Das Compensationsverfahren im voriustinianischen 
stricte judicium 1886 und die andern bei Franz 
Leonhard 23ff. Angefuhrtenl Zwei Punkte 
sind es namentlich, in denen Widerspriiche der 
Teste vorzuliegen scheinen: die Zulassung von 
Compensationseinreden bei Forderungen ex dis- 
pari causa und bei actiones stricti iuris. Paul. 
sent. II 5. 3 lasst compensationes ex dispari causa 

60 (d. h. aus unzusammenhangenden ftchuldgriinden) 
mit Bestimmtheit zu, wahrend Gai. IV 63 und 
Inst. IV 6, 39 sie mit derselbeu Bestimmtheit 
verneinen. Andererseits sagt Inst. IV 6, 30 : sed 
et in strictis iudiciis ex rescripto divi Marci 
opposita doli mali exceptione compensatio indu- 
cebatur. wahrenll Paul. sent. II 5, 3 von der Not- 
wendigkeit einer exeeptio fiir die Zulassung von 
Compensationseinwendungennichts weiss : si Mum 



787 



Compensatio 



Comperendinatio 



788 



petas, plus petendo causa cad-is. Der Wider- 
spruch dieser Stellen wird noch verscharft durch 
die herrschende Ansicht, dass "bei aetiones stricti 
iuris compensationes ex eadem causa undenkbar 
seien, weil diese aetiones streng einseitige Forde- 
rungen betreffen, denen eine Gegenforderung aus 
demselben Vertrage nicht gegeniibersteht. Hier- 
hei wird nun offenbar die stipulatio, die eine ein- 
seitige Verpflichtung erzeugt, mit der causa sti- 
pulations verwechselt. Diese konnte auch ein 
zweiseitiges Geschaft sein, z. B. ein Kaufgeschaft, 
aus dem die Preisforderung in eine stipulatio 
eingekleidet war. Eine e. ex eadem causa war 
also auch gegeniiber einer actio stricti iuris aus 
einer solchen stipulatio wohl denkbar. Im iibrigen 
lasst sich der Mare Widerspruch der Stellen nur 
daraus erklaren, dass in ihnen von zwei verschie- 
denen Arten der C. die Eede ist (worauf nament- 
lich die Ausffihrungen von Franz Leonhard a. 
a. 0. 75 hindeuten), Gai. IV 63 und Inst. IV 6, 
39 sprechen nur von den e. in iudiciis, d. i. den 
erst im Processe moglich gewordenen Compen- 
sationen, im Gegensatze zu den e. ante iudicio, 
auf die sich Paul. sent. II 5, 3 bezieht. Zu jencn 
gehOren solche Gegenfordemngen, die der Eichter 
iiberhaupt erst nach ihrer Hohe feststellt und da- 
durch compensationsfahig macht, z. B. Entscha- 
digungsanspTiiche fiir eine zerstOrte Sache, deren 
Wert streitig ist. Solche Anspriiche scheinen nur 
ex pari causa zugelassen worden zu sein. Auch 
waren sie nur dann compensabel, wenn es dem 
Eichter gefiel (Gai. IV 63). Endlich konnten sie 
bei aetiones stricti iuris bis Marc Aurel gar nicht 
zur Compensation verwendet werden, seitdem aber 
nur dann, wenn vom Verklagten eine exceptio doli 
erhoben war (fiber das Processstadium , in dem 
dies geschehen musste, vgl. Eisele Ztschr, der 
Savignystiftung, Rom. Abt. XVII 354). Iustinian 
befreite auch bei den genannten aetiones die com- 
pensationslustigen Verklagten von der Erhebung 
einer besondern exceptio doli, so dass also auch 
bei aetwnes stricti iuris die richterlioh f'estge- 
stellten Gegenforderungen fortan ohne weiteres 
(ipso iure) ebenso wirken sollten, wie alle andern 
Compensationen. Von richterlichem Belieben soil 
im iibrigen nach Iustinians Vorschrift die Beriick- 
sichtigung des Compensationseinwandes in keinem 
Falle mehr abhangen, wohl aber durchweg davon, 
ob er liquid, d. h. ohne Verzogerungsgefahr be- 
weisbar, ist (Cod. IV 31, 14). 

Eine besondere Bewandtnis hatte es nach Gai. 
IV 63-65 mit den Compensationen Aesargentariu-s 
und des bonoritm emptor in dev alteren Kaiserzeit. 
Der argentarius musste alle Gegenforderungen 
von seinem Anspruche abziehen und zwar. wie es 
scheint, auch solche, die zunachst nach ihrem 
Betrage noch nicht feststanden, also noch nicht 
compensabel waren. Da ihm nun aber jedenfalls 
vor dem eigentlichen Processbeginne eine Gelegen- 
heit zur ieststeilung gegeben wordeu sein muss, 
so seheint er ein Recht darauf gehabt zn haben, 
dass diese Feststellung vor dem Magistrate er- 
folgte, ehe er seinen Anspruch durch Mis conte- 
statio rechtshangig machte, ein Privileg seines 
auch sonst in jener Zeit bevorzugten Gewerbes. 
Der bonorum emptor war dagegen der Kaufer 
einer ganzen VermOgensmasse mit Forderungen 
und Schulden (s. Bonorum emptio). Zurbesseren 



Abwickelung dieser Angelegenheiten war er nicht 
nur dazu gezwungen, Compensationen zu erdulden, 
sondern er musste cum deductione agere, d. h. 
dem Gegner das Eecht einraumen, den Wert seiner 
Gegenanspruche von der eingeklagten Forderung 
abzuziehen, selbst wenn sie dieser ungleichartig 
waren, also von einer compensatio ipso iure keine 
Eede sein konnte. 

Einige Forderungen sind in ihrem Werte da- 

10 durch erhoht, dass eine Compensation ihnen gegen- 
iiber verboten ist- So namentlich die actio de- 
posits Senec. de benef. VI 5, 5. Cod. IV 81, 
14 § 1. Andere Falle enthalten Cod. IV 31, 14, 
2. IV 31, 3. Dig. XLIX 14, 46, 4 und 5. 

Litteratur: Dernburg Geschiehte undTheorie 
der Compensation nach rfrmischem und neuerem 
Eechte^ 1868. Eisele Die Compensation nach 
rOm. und gemeinem Recht, Berlin 1876 und dazu 
Brinz Krit, Vierteljahrsschrift XIX 321ff. Geib 

20 Theorie der gerichtlichen Compensation, Tubingen 
1897 und die bei Franz Leonhard Die Aufrech- 
nung 1896 § 212 Genannten, auch E. Leon- 
hard Institutionen 493ff. [R. Leonhard.] 

Comperendinatio (altere Form com,perendi- 
nakts, Cic. Brut. 87; in Verr. act. II 1, 26), ist 
abgeleitet von perendinus scil. dies — dies ter- 
tius, d. h. der dritte Tag, wenn man den, von 
welchem die Berechnung ausgeht, als ersten zahlt, 
also ubermorgen (Cic. pro Mur. 27. Prob. de not. 

30 4: I. D. T. S. P. — in diem tertium sive perendi- 
num. Paul. p. 283 s. res comperendinata. Gell. 
X 24, 9); die Form comperendinus dies (Gai. IV 
15) diirfte erst von comperetidinare gebildet sein. 
a) Im Civilproccss ist C. bezeugt als ein 
Act bei der legis actio sacramento in personam 
(Gai. a. a. 0.) wie in rem (ebd. IV 16. Ps.-Ascon. 
zu Cic. in Verr. p. 164 Or.), und zwar als die nach 
der Richterbestellung in iure erfolgende gegen- 
seitige Aufforderung (denuntiabant) der Parteien, 

40 iibermorgen vor dem iudex zu erscheinen (c. viel- 
leicht von dieser Gegenseitigkeit , wie litis con- 
Ustatio ; doch ist diese Auffassung nicht notwen- 
dig, vgl. die einseitige condictio). Ob in gleicher 
Weise auch bei anderen legis aetiones verfahren 
wnrde, ist nicht sicher; jedenfalls ist diese C. 
dem Legisactionenproccss eigentumlich gewesen 
(Prob. a. a. 0.; in legis action ibus haece). II og- 
lich ist, dass die dem ersten Termin in iudicio 
etwa folgenden (vgl. XII tab. II 2 [Bruns]), wie- 

50 dcrum mit Freilassung eines Zwischentages statt- 
fanden, wofiir indirect Fest. p. 233 s. portum 
spricht, mOglich auch, dass das Wiederkommen 
in diesen folgenden Tenninen eine ohne neue An- 
sage selbstverstandliche Verpflichtung war; nicht 
annehmbar aber ist, dass die Ladung in diem 
tertium sire perendinum den Wortsinn hat: 
auf den dritten Tag und eventuell auch die ihm 
mit ungerader Zahl weiter folgenden Tage (Kar- 
lowa 362f.). Der dies tertius she perendinus 

bU ist ein lag. del' iu tier Weise uer limner mil 
zwei Ausdriicken bezeichnet wnrde , weil Streit 
war, welches der juristisch correcte sei (Cic. pro 
Mur. 27). Auch in Betreff der Vadimonien wird 
behauptet (Buschke 317. Karlowa364), dass 
sie auf einen bestimmten und die ihm mit un- 
gerader Zahl folgenden Tage gestellt zu werden 
pflegten. Allein der dafur angefiihrte Gaius iDig. 
II 11, 8) sagt nur, dass, wenn der Beklagte (bei- 



789 



Comperendinatio 



Comperendmatio 



790 



spielsweise) drei, funf oder selbst mehr Tage nach 
dem durch Vadimoninm (interpoliert : cautio iu- 
dicio sisti) bestimmten Tage sich stellt, die actio 
vadimonii deserti gegen ihn nicht durchgreift, 
falls nur dem Eager durch die Saumnis kein 
Schaden erwachsen ist. Es ist auch bei process- 
einleitendem Vadimonium undenkbar , dass der 
Beklagte, wenn der Klager am bestimmten Tage 
selbst nicht erschien, jeden dritten Tag wieder 



undzwanzigtagigen Frist angesetzt wird (trinum 
nundinum prodicta die. Cic. a. a. 0.); verlegt 
werden kann dieser Urteilstermin nicht. Kommt 
es in ihm nieht zum Urteil, so ist der Process 
zu Ende (Cic. a. a. 0.). Der Process der qiiae- 
stiones perpetuae kannte zunachst die ampliatio 
(s. d.), d. h. die Anordnung der Wiederholung 
des Processes in einem zweiten oder weiteren 
Termin, wenn die Geschworenen das Ergebnis 



kommen musste. War aber die VeThandlung er- 10 der ersten (zweiten oder ferneren) Verhandlung 



Offnet und ein weiterer Termin in iure notig, 
so erfolgte neues Vadimonium auf einen vom Ma- 
gistrat bestimmten Tag; dass dies bei Gell. VI 
fyirj 1, 10 der dritte Tag ist, beruht auf freier 
Entschliessung Scipios, wenn diese auch dem Ge- 
wOhnlichen entsprochen haben mag. Nach Ma- 
crob. sat. I 16, 3. 14 sollen eomperendini dies 
die sein, quibus vadimonium licet dieere. Diese 
ihrem nachstliegenden Sinne nach sicher falsche 



fur zweifelhaft erkannt.hatten. Dieselbe Anord- 
nung kann in der magistratischen Cognition der 
Magistrat treffen, obwohl ihn hier der Spruch 
des zugezogenen Consiliums nicht bindet (Cic. 
Brut. 85; in Verr. act. II 1, 74). Als Termin 
der neuen Verhandlung kommt der zweitnachste 
Tag vor (Cic. Brut. 87), ein Zwang in diesem Sinne 
hat aber fur die magistratische Cognition nicht be- 
standen (ebd. 86) und wohl auch nicht fiir das Quae- 



Notiz bleibt auch dann unrichtig, wenn man sie 20 stionenverfahren. Die Lex Servilia (Glauciae) 111 



dahin versteht (Karlowa 364. Buschke 313), 
dass Vadimonien (nur) auf eomperendini dies ab- 
geschlossen werden kOnnen oder (nur) an eom- 
perendini dies gerichtliche Verhandlung stattfln- 
den kann; und dass eomperendini dies unter 
ganzlicher LOsung von dem urspriinglichen Sinn 
die Gerichtstage iiberhaupt bedeuten konnten, wird 
wenigstens durch nichts anderes bestatigt. Wie 
die Uberleitung des Verfahrens e iure in iudi- 



v. Chr. hob fiir das Verfahren wegen Repetunden 
die MOglichkeit der Ampliatio auf und verordnete 
statt dessen, dass der Process zweimal verhandelt 
werden muss, aber nicht otter verhandelt wer- 
den darf (Cic. in Verr. act. II 1, 26). Dass 
zwischen beiden Verhandlungen ein Tag frei blei- 
ben muss, ist aus dem Gebrauch des Wortes 
eomperendinatus , reum comperendinare (Cic. 
a. a. 0. und ebd. 20. IV 33; act. I 34) in Ver- 



cium sich im Formularprocess gestaltete, ist un- 30 bindung damit zu schlicssen , dass Cic. Brat, 
"" ~ ' 87 in einem Falle der Vertagung der magistra- 

tischen Cognition auf den dritten Tag sagt : unum 
quasi comperendinatus medium diem fuisse. 
Obrigens ist dieser Zwischentag als Minimalfrist 
aufzufassen (s. Cic. in Verr. act. II 1, 20 i. f. 
IV 33; act. I 33). Nicht anzunehmen ist die 
Ansicht (Geib 376), dass der Mitteltag zu Zeu- 
genvernehmungen beniitzt werden durfte. Dass 
eine Maximalfrist fiir den Zwischenraum festge- 



klar. C. kommt in diesem Zusammenhange nicht 
vor (Paul. p. "283 ist ohne deutliche Beziehung); 
die MOglichkeit, dass das Verfahren in iudicio 
am dritten Tage nach Schluss des Verfahrens in 
iure ero'ffnet zu werden pflegte, besteht naturlich. 
Vertagungen in iudicio ordnet das Gericht nach 
seinem Ermessen an. Dabei ist rechtlich jeder 
neue Termin fiir jedes Angriffs- und Verteidigungs- 
mittel offen, jede neue Verhandlung kann den 



ganzen Eechtsstreit umfassen. In Ciceros Zeit40setzt sei (Zumpt II 1, 210) ist unerweislich 



waren solche wiederholte Verhandlungen sehr 
hauflg (Cic. pro Caec. 6. 7; pro Quinct. 3; pro 
Flacc. 48). Es griff aber hierin, wahrscheinlich 
einengend, die Gerichtsordnung des Augustus ein 
(Gell. XIV 2, 1). Ob die dort mit dierum dif- 
fissiones zusammengestcllten comperetulinationes 
in dem strengen Sinne einer Vertagung auf den 
dritten Tag zu verstehen sind, ist nicht sicher, 
da das Wort c. iiberhaupt den allgemeinen Sinn 



und umvahTscheinlich. Die Dauer jeder der bei- 
den Verhandlungen ist nicht auf einen Tag be- 
schrankt (Cic. in Verr. act. II 1, 20). Die erste 
und die zweite Verhandlung {prima und secunda, 
actio) sind rechtlich als gleichwertig anzusehen, 
und es hing lediglich von der Processtaktik der 
Parteien ah, wie sie ihren Stoff verteilen und 
was sie etwa wiederholt vorbringen wollten. Hier- 
fur spricht das bis eausam dieere bei Cicero und 



des Aufschubs angenommen hat (s. Lexica) ; von 50 die Analogie des Verfahrens in den Comitialpro- 



unsicherer Beziehung sind Tac. dial. 38. Plin 
ep. VI 2, 6; ebd. V 9 [21] 1 ist c. nicht die 
Vertagung, sondern der folgende Termin. Prie- 
sterliche Ladungen auf den dritten Tag: Gell. X 
24. 9 (s. auch Serv. Aen. Ill 117). 

b) Im comitialen Strafprocess erfolgt in 
einem ersten Termin die Anschuldigung durch 
den Magistrat, in drei ferneren dreimalige Ver- 
v,;>Ti/j!rin!7 fiber di p Becfhiildi^intr. Die^p vipt 



cessen ebenso wie die der Ampliatio desStraf- 
processes und der gleichen Erscheinung im Ci- 
vilprocess (s. S. 789); unhaltbar ist die Notiz 
von Ps.-Ascon. in Verr. p. 163 Or., dass bei der zwei- 
ten Verhandlung der Verteidiger zuerst, der An- 
klager zuletzt sprach. Dass die c. auf andere als 
Eepetundenprocesse ausgedehnt sei (nach Zumpt 
auf alle Amtsverbrechen), ist nicht erweislich. 
EViensnwpni? kann Zumpt LI 2, 212f. darin bei- 



Termine' mussen jeder von dem folgenden durch 60 getreten werden, dass die c durch die Lex Aurelia 



(mindestens) einen freien Tag getrennt sein (Cic. 
de domo 45: intermissa die). Diese Interval- 
lierung entspricht dem Begriff der c. , obwohl 
das Wort dafur nicht nachweislich ist. Wenn 
im vierten Tennin der Magistrat verurteilt, und 
dagegen Provocation erfolgt, so findet die Ab- 
stimmung der Comitien in einem funften Termin 
statt, der regelmassig mit Innehaltung einer vier- 



vom J. 70 wieder abgeschafft sei. Insbesondere 
konnte Cic. pro Fontei. 37 [27]. 40 [30], auch 
wenn nicht mehr und nicht weniger als zwei ae- 
tiones stattfinden mussten, dem Zusammenhange 
nach nicht utraque actions, sondern musste dua- 
bus actionibtis sagen. 

Litteratur. Spiess Diss, de comperendina- 
tione, Lips. 1728. Bunke De ampliationib. et 



791 



Compitalia 



Compitum 



792 



comperendinationibus cet., Diss. Vratislaviae 1865. 
K a r 1 o wa E. Civilproc. z. Zeit d. Legisactionen 360f . 
Bethmann-HollwegR. Civilproc. II 586. 590f. 
EellerR.CivilpiocN.778f. HuschkeBomiscb.es 
Jahr 312ff. Mommsen Rom. St.-E. Ill 1, 354f. 
O e i b Gesch. d. rom. Criminalprocesses 368 — 379. 
Zumpt Criminalr. d. rom. Eepubl. II 1 , 204ff. 
426ff„ 119. II 2, 125ff. 211ff. 274ff.; Criminal- 
process 220ff. [Kipp, 



Pers. 4, 28, und uncta Compitalia, Verg. catal. 
13, 27) und ala dessen Vertreter der vilicus — nar 
an diesem Tage im Jahre — selbst ein Opfer in 
compito darbringt (Cato a. a. 0. 5, 3; ein vi- 
licus weiht eompfitumj [et] aram Lari[bu]s, 
CIL V 7739 add.); auch der Festbrauch, den 
Laren Balle (pilae) und Puppen (maniae) aus 
Wolle in den Compitalcapellen (so nach Fest. ep. 
p. 121. 239, wahrend Macr. Sat. I 7, 35 das pro 



I 



793 



Compitum 



Complega 



794 



Compitalia (auch feriae eompitalieiae, Schol. 10 singulorum foribus geschehen lasst; vgl. Varro 



Pers. 4, 28), Test des altrCmischen Kalenders, 
angeblich von Servius Tullius eingesetzt (Dion. 
Hal. IV 14, 3. Plin. n. h. XXX VI 204; fiber an- 
gebliche Eeformen des Tarquinius Superbus und 
M. Iunius Brutus Macr. Sat. I 7, 34f.) und yon 
alien Biirgern gefeiert (trotz des verschiedenen 
Namens geht sicher darauf Pest. p. 253 popularia 
saera sunt, ut ait. Labeo, quae omnes cives fa- 
eiunt nee certis familiis attributa sunt, Forna- 



Menipp. frg. 463 Buech. suspendit Laribus ma- 
nias, mollis pilas, reticula et strophia) aufzu- 
hangen, wurde in der Weise geubt, dass tot pilae, 
quot capita servorum, tot effigies, quot essent 
liberi, ponebantur (Pest. ep. p. 239 ; uber die Her- 
leitung dieses Brauches aus dem Totenculte und 
seine Auffassung als stellvertretendes Opfer an 
Stelle eines Menschenopfers [Fest. ep. aa. 00. Macr. 
Sat. I 7, 34f.] s. Artikel Lares). Am eompitum 



ealia Parilia Laralia porea praecidanea), aber 20 fand sowohl das Opfer (parva saginati lustrabant 



nicht in ilirer Gesamtheit, sondern je von den 
Anwohnern eines compitum (s. d.) gemeinsam. 
Das Fest tragt einen landlichen Cliarakter und 
fallt nach Beendigung aller bauerlichen Arbeiten 
(compita . . . ubi saerificia finita agricul- 
tura rustici celebrabant Schol. Pers. 4, 28) in 
den Winter, nicht lange nach den Saturnalien 
(Dion. Hal. IV 14,4; beide Feste zusammen ge- 
nannt bei Cato de agric. 57. Plin. n. h. XIX 



compita porei, Prop. IV 1, 23), zu dem jede Fa- 
niilie einen Opferkuchen beisteueite (Dion. Hal. 
IV 14, 3), statt, wie die Festspiele (Macr. a. a. 
0. Plin. XXXVI 204; ludi eompitalieii Cic. in 
Pis. 8. A scon. p. 6, 9. 24. 7, 8. Serv. Georg. 
II 382; Aen. VIII 717), deren Ausrichtung in 
der Stadt schon in republicanischer Zeit den ma- 
gistri vicorum oblag (Cic. und Ascon. aa. 00. ; 
vgl. Liv. XXXIV 7, 2. Bom. Mitt. IV 262. CIL 



114. Auson. de fer. 15ff.); wie viele der land- 30 VI 1324. 2221 ; s. Artikel V i c u s) und durch die 

lichen Feste ist es ein Wandelfest {feriae con- ..,-.. ~ - . ~ 

ceptime Varro de 1. 1. VI 25. 29. Fest. ep. p. 62. 

Macr. Sat. I 16, 6. Auson. a. a. 0. 17), dessen Tag 

alljahrlich durch den Praetor eine Woche vorher 

angesetzt wird (rerba sollemnia praetoris, quibtts 

more maiorum ferias coneipere solet, quae ap- 

pellantur Compitalia. ea verba- haee sunt: die 

noni populo Romano Quiritibus Compitalia erunt; 

quando concepta fuerint, nefas, Gell. X 24, 3 

= Macr. Sat. I 4, 27) ; in Ciceros Zeit kennen wir 40 

Beispiele, wo das Fest auf den 31. December 

(Ascon. p. 57, 17 K.-Sch. vgl. mit Cass. Dio 

XXXVI 42, 2 vom J. 687 = 67), den 1. (Cic. 

ad Att. II 3, 4 vgl, mit II 2, 3 vom J. 695 = 59 ; 

Cic. in Pison. 8 vom J. 696 = 58) oder 2. Januar 

(Cic. ad Att. VII 7, 3 vom .1. 704 = 50) ficl, und 

zwar ist es durchaus eintiigig (compitaliorum 

dies Cic. in Pison. 8, compitalicius dies Cic. 

ad Att. VII 7, 3). doch bestand schon damals die 



augusteische Reform des Larendienstes (s. Lares) 
neu geordnet wurde; gelegentlich werden auch 
ausserordentliche Gladiatoren- und andere Spiele 
der vici, die jedenfalls auch an den Compita statt- 
fandeu, erwahnt (Tac. hist. II 95: natalem Vi- 
tellii diem Caeeina ae Valeiis edit is lota urbe 
vicalim gladiatorilms celebrarerc. Suet. Aug. 43 
fecitque — ludos — nonnumquam vieatim). 

[Wissowa.] 
Compitum (die masculine Nebenform com- 
pitus belegt 'Son. p. 196 mit Beispielen aus Caec. 
Stat. frg. 226 Ribb. und Varro de scaen. orig. 
lib. HI), zunachst die Wegkreuzung (CIL XI 3384 
a compitu milfia) pedfitm demmj sfuaj p(ecunia) 
sftravtt). Varro xegi aigioecov bei Xon. p. 94 ab 
lino quoque compito teniae viae oriuutur . . a 
primo compito dextimam viam munit Epicurus. 
Cic. de leg. agr. I 7 in triviis ant in compitis. 
Ovid. fast. I 142 in ternas compita secta vias. 



Neigung, die Feier auf drei Tage auszudehnen50 Pers. 5, 35 ramosa in compita), ubi viae com 



(Fest. p. 254. 257: Quinquatrus apypellari qui 
dam putant a numero dierum, qui feriis Us 
celebrantur: quo scilicet errant tarn liercle quam 
qui triduo Saturnalia, et, totidem diebus Com- 
pitalia; nam omnibus his singulis diebus fmnt 
saera), und diese Dauer ist im 4. Jhdt. n. Chr. 
offlciell anerkannt. indem die Kalender des Phi- 
localus und Polemius Silvius am 3. bis 5. Januar 
ludi eompitales verzeichnen. Das Fest gilt den 



petunt { Varro de 1. 1. VI 25; vgl. Schol. Pers. 
4, 28. Serv. Georg. n 382. Isid. orig. XV 2, 
15 ; andre Etymologie a compotando Schol. Pers. 
a. a. 0.). dann die an dieser Wegkreuzung er- 
richtete Capelle (leoal y.ahabe.? Dion. Hal. IV 14, 
3) der Lares (s. a\), manchmal auch auf Heilig- 
tiimer anderer Gotter iibertragen (Gratt. cvn. 483 
idcirco aeriis molimitr compita lucis, von Diana, 
vgl, Prop. IV 3. 57 flore sacella teao, rerbenis 
w J.y una wna uuter besoiiuers stariter oU compita veto) ; (lie genaueste Definition findet sich 
_ *.... r, „...„. ^ pjjy^ zn y erg (j eor g_ i j 382; Compita, 

ut Trebatio (so Osann, uberliefert relatio) placet, 
locus ex pluribus partibus in se vel in easdem 
partes ex se vias atque itinera (uberliefert via 
atque itinere) dirigens, site is cum ara she sine 
ara, sire sub tecto sive sub dio sit. Diese Ca- 
pellen boten so viele Nischen oder Offnungen als 
Wege bezw. Grundstiicke an ilraen zusammen- 



Beteiligung des unfreien Gesindes gefeiert (Dion. 
Hal. IV 14, 3 roTg bk ra. xegl ru>v yet-rovcov tega 
ovrreAovatv ev r,r,- ^povwxioig ov lovg i'/.evdeoov; 
alia lohi dovi.ov; etuie xaoelva! re y.ai ovvicqovq- 
yeTr. Cic. de leg. II 27 a maioribus prodita . . 
cum dominis turn famulis . . . reliyio Larum). 
das eine Extraration Wein erhalt (Cato de agric. 
57 ; vgl. compita proprie a compotando, Schol. 



stiessen, also ari einem Quadrivium deren vier, so 
dass sie den Eindruuk eines ianus quadrifroiis 
machten; darum redet Pers. 4, 28 von den per- 
tusa compita; vgl. Schol. i. d. St.: eompita sunt 
loca in quadriviis quasi turres, ubi saerificia 
finita agricultura rustici celebrabant; merito 
pertusa, quia per omnes qtiattuor partes pa- 
teant und besonders die ausfuhrliche, durch eine 
Zeichnung im Gudianus (Lachmann Taf. 30 
Fig. 226) Ulustrierte Bescbreibung Grom. Lat. 10 
p. 302, 20ff. : Fines templares sic quaeri debent, 
ut si in quadrifinio est positus et quattuor pos- 
sessionibus finem faeiet, quattuor aras quaeras 
et aedes quattuor ingressus Jiabeat ideoque ut 
ad sacrificium quisquis per agrum suum in- 
traret. quod si desertum fuerit templum, aras 
sie quaeris : longe a templo qitaeris pedibus X V 
et invenis velut fundamenta aliqua. quod si inter 
tres, tria ingressa habet, inter duos dua ingressa 
habet templum. An diesen Compitalsacella wird 20 
alljahrlich die Festfeier der Compitalia (s. d.) abge- 
halten, aber auch sonst bilden sie fur die umwoh- 
nenden Landleute den sacralen Mittelpunkt : Ver- 
sammlungen finden an den compita statt (Philarg. 
a. a. 0. ubi pagani agrestes buccina conrocati 
solent certa inire eonsilia; vgl. Isid. orig. XV 
2, 15), ausgedientes Ackergerath wird in diesen 
Capellen geweiht (Pers. 4, 28 m. Schol.), bei der 
Eheschliessung legt die Neuvermahlte einen As 
compito vicinali nieder (Varro de vita p. R. lib. 30 

I bei Non. p. 531). Die ganze Anlage der C. 
ist zunachst auf landliche Verhaltnisse berechnet, 
und Cicero de "leg. II 19 meint mit den Larum 
sedes in agris, die er den dehibra der Stiidte gegen- 
uberstellt, sicher eben die sacetta der Compita, 
wie besonders die Erklarung ebd. 27 {in fundo 
villaeque in eonspectu religio Larum, vgl. CIL 
VI 29784 via quae due it- per agrum Xoniamun 
. . . per compitum secus piscinam in fundo De- 
cimiano) zeigt : das compitum ist ein Heiligtum 40 
des landlichen pagus {pagani agrestes. Philarg. 

a. a. 0. ; pagos et compita eircum, Verg. Georg. 

II 382 = Hor. epist. I 1, 49; CIL IX 1618 er- 
richten zwei Stifter zu Bcneventum paganis com- 
munibfus) pagi Lucid . . . porticum eum appa- 
ratorio et compitum,), und speciell in Rom scheinen 
vor der augusteischen Reform des Larendienstes 
die compita der pagi im Gegensatze zu den sa- 
cella der mantes (s. Wissowa Satura Viadrina, 
1896, 6ff. und Art. Septimontium) gestanden 50 
zu haben, wahrend seit Augustus jeder Vicus ein 
compitum Larum zum sacralen Mittelpunkte hat, 

so dass c. vielfach mit tints gleichgesetzt (z. B. 
per vias et compita, Liv. XXXIV 2. 12 ; non in 
compitis tanhtm . . sed in foro , Gell. I 22, 2 ; 
per fora et compita et plateas, Amrnian. Marc. 
XXVLH 4, 29 ; per compita semitarum , Solin. 
17, 10; vgl. Hor. sat. II 3, 25. 6, 50) und die 
Compita wie die Vici als eine die gauze Stadt 
limfassendp Unterabteilune- <\er Reginnpn angp- 60 
sehen werden (Plin. n. h. Ill 66 urbs . . divi- 
ditur in regiones quattuordecim, compita Larum 
CCLXV; vgl. Wissowa in Roschers Mythol. 
Lexic. n 1879ff. und Artikel Lares und Vicus). 
Dass diese Compita wenigstens zum Teil Special- 
namen fiihrten, zeigen gelegentliche Erwiihnungen 
stadtromischer Compita : e. Acili Fast. Arval. z. 
1. Oct. Plin. n. h. XIX 12 ; e. aliarium CIL VI 



4476. 9971; e. Fabrieium Fest. p. 174; e. pa- 
storis {vicus eompiti pectoris CIL VI 975, Reg. 
XH). Ausserhalb Roms kennen wir aus inschrift- 
lichen Erwahnungen Compita in Pompei (CIL 
IV 60 mag(istri) vied et eompiti vom J. 707/8 
= 47/6), Verona (CIL V 3257 magistri — folgen. 
Namen von drei Freien — rninistri — Namen 
von drei Sclaven — compitum refecerunt . . . de 
sua pecunia Laribus dant, vom J. 753 = 1), der 
Gegend von Genua (CIL V 7739: ein vilieus 
weiht eompfitumj [et] aram Larifbujs), Bene- 
ventum (CIL IX 1618, s. o.), Ostia (Bull. arch, 
com. XX 1892, 370 .... duoviri locum dederunf 
eompiti aediftcandi . . eompitum transtulit . . . 
mag(istri) vici maceriem et eolumnam de suo fe- 
cerunt), uberall in Verbindung mit dem Laren- 
dienste und dem magisterium vicorum. In Spo- 
letium begegnen uns eompitales Larum Aug(usti/ r 
CIL XI 4815. 4818, die offenbar dem Culte der 
Laren und des Genius Augusti an den Compita 
in ahnlicher Weise vorstehen, wie in Rom und 
anderswo die magistri vieorum; in Faesulae ist 
inschriftlich ein eollegius compitalicius bezeugt 
(CIL XI 1550; uber die collegia compitalicia 
der ciceronischen Zeit s. Artikel Collegium o., 
S. 385. 406f.). In Pompei liegt ein Compitum mit 
gemauertem Altar und dariiber anf den Stuck der 
Wand angebrachtem Gemalde (Opfer der Vico- 
magistri an die Laren) in einer Seitengasse west- 
lich vom Forum (Helbig Wandgemalde nr. 41. 
Daremberg-Saglio Diet. I 1430 Fig. 1888), 
bei andern Strassenaltaren (Overbeck-Mau 
Pompei 240. 243. Helbig a. a. 0. nr. 88) ist die 
Beziehung auf den Compitaldicnst wegen ZerstO- 
nirjg der zugehorigen Bilder unsicher. Dagegen. 
hat sich in Rom ein wohl erhaltenes Compital- 
Sacellum mit einer Inschrift aus augusteischer 
Zeit auf dem Esquilin gefunden; vgl. G. Gatti 
Bull. arch. com. XVI 1888, 221ff. [Wissowa.] 

Compitum Anagninum (Itin. Ant. 305. 30& 
oder sub Anagnia ebd. 302), am Vereinigungs- 
punkt der Via Latina und Labicana, in der Nahe 
der jetzigen Osteria della Fortuna unterhalb Anag- 
nia. Liv. XXVII 4, 12 (z. J. 544 = 210) isdem 
ferme diebus Anagniae terram ante portam ietam 
diem ae noctem sine tdlo ignis alimento arsisse 
et ares ad Compitum Anagninum in luco Dianue 
nidos in arboribus reliquisse. Vgl. Mommsen 
CIL X p. 696. [Hulsen.] 

Complatum (?). Cod. Theod. VIII 7,10 Rescript 
von Valentinian und Valens an Viventius, datiert 
XVI Kal. Iun. Complati Valentiniano n. p. et 
Victore conss. (369 n. Chr.). Der Ort scheint in 
Gallien zu suchen zu sein (Goyau Chronologie- 
de Tempire romain zum J. 369). Vgl. das spanische 
Complutum. Vielleicht hat es in Gallien einen Ort 
gleichen Namens gegeben. Riese Rhein. Ger- 
manien 319. [Bim] 

Complega, Stadt der Keltiberer in Hispania 
Citerior. in den Feldziieren des Q. Fulvius Flaccus 
und des Ti. Gracchus in den J. 572 — 575 = 18"A 
— 179 v. Chr. erwahnt, wo die nicht sesshaften 
Keltiberer dorthin flohen (Appian. Hisp. 42 is 
Kon^rXiyav xoi.iv ovviipvyov , fj veoxzioto; re fjv 
y.ai o/vga stai r/vl-eTO zayiioq). Die Angaben uber 
Hire Forderungjsn an den rOmischen Feldherrn 
— Mantel {adyor), Ross und Schwert — und ihre- 
doppelten Rocke {^gwrraL 6k Stx/.oTs Ipaxlotg Jia~ 



795 



Complices dii 



Conipromissum 



796 



%ioiv avrl %Xa/.tvdow avra 7ieQUioQ7id>U£voi xal 
xovto adyov fiyovvxai) gehen wohl auf Poseidonios 
zurlick. Unter dem Nachfolger des Flaccns Ti. 
Gracchus bedient sich einer seiner Eeiterfiihrer 
dieser Tracht (evejiogjitfoazo odyov 'IfStjQixois), um 
sich unter die Feinde zu mischen (vgl. Caravi); 
worauf 20000 (?) aus C. zu Gracchus iiberlaufen 
und nachher erschlagen werden (Appian. Hisp. 
43). Da Gracchus dann Vertrage schliesst und 
das Land ordnet, von der Zerst8rung der Stadt 
aber nichts erzahlt wird, so ist bei Appians 
grosser Ungenauigkeit in der Schreibung der 
Namen die MOglichkeit nicht ausgeschlossen, dass 
O. undComplutum (s. d.) dieselbe Stadt bezeictmen. 

[Hiibner.] 

Complices dii, nach Arnob. Ill 40 gleich- 
bedeutend mit Consentes dii (s. d.) und angeb- 
lich nach etruskischer Lehre Bezeichnung der 
zwOlf hCchsten Giitter, die als summi Iovis eon- 
siliarii ac, participes gelten. [Wissowa.] 

Compiutica, Station der einen von den vier 
Tomischen Strassen von Braeara nach Asturica 
zwischen den ebenfalls unbekannten Stationen 
Roboretum und Veniatia (Itin. Ant. 423, 1 Com- 
pleutica und Gompleliea die Hss.), von Ptolemaios 
als Ortschaft der kallaekischen Brakarer angefiihrt 
(II 6, 38). Die Lage ist nicht genau bestimmt; 
man sucht es bei Castrelo in der Nahe von Lubian. 
Der lateinische Name kommt in jener Gegend 
auch sonst vor (Compludo bei Ponferrada); vgl. 
Complutum. [Hiibner.] 

Complutum, Stadt der Carpetaner in Hispania 
Oiterior, jetzt Alcala de Henares, gehorte nach 
den Listen des Agrippa und Augustus zu den 
civitates stipend iariae des Bezirks von Caesar- 
augusta (Plin. Ill 24 Gonplutenses), Station der 
rOmisohen Strasse von Emerita nach Caesaraugusta 
(Itin. Ant. 436, 2. 438, 9. Geogr. Rav. 312, 7. 
18; M'eilensteine der von Traian hergestellten 
Strasse CIL II 4913. 4914; vgl. Ptolem. II 6, 
"24). Die Lage der alten Stadt auf dem Hiigel 
San Juan del Viso oder Zulema ist durch Reste 
von Bauten u. s. w. festgestellt (CIL II 410. 941). 
Auf einer der alteren Inschriften wird neben De- 
curionen ein inagfister) genannt (CIL II 3033), 
sonst nur Seviri Augustales (3030); die Stadt ist 
fruhestens im 2. Jhdt. Municipium geworden. Ist 
sie nicht verschieden von Appians Complega (s. 
d.), so kOnnte der Umstand, dass sie im 6. Jhdt. 
d. St. erst gegrundet worden, den rOmischen Namen 
,Regenstadt' erklaren. Als einer der friihesten 
Sitze des Christentums in Hispanien wird sie bei 
Prudentius (peristeph. IV 41—44) und Paulinus 
von Nola (cam. 35, 605) gefeiert und seit dem 
6. Jhdt. in Chroniken und Concilienunterschriften 
oft genannt (Joh. Biclar. 4 Synod. Tolet. a. 610. 
Man si X 508 u. s.). [Hiibner.] 

CompluTium , die Dacheimung des Atriums 
(s. d.), Yarro de 1. 1. V 161. Fest. ep. 108, 14. 
Nai-b Vitvnv. VI 3 14). 6 soil seine Lnnffp nnd 
Breite nicht unter 1/* un< ^ nicht fiber i/'s der 
Lange und Breite des Atriums betragen. In Pom- 
peii, wo die GrOsse des C. aus dem ihm im Fuss- 
boden entsprechenden Impluvium (s. d.) erkannt 
wird, pflegt in regelmiissig gebauten tuscanischen 
Atrien das Verhaltnis ungefahr 1 : 4 zu sein, so 
dass die Lange zwischen etwa 2,50 und 3,50 m., 
die Breite zwischen etwa 1,80 und 2,60 m. variiert. 



Doch kommen auch viel kleinere C, von etwa 
1,50 m. im Quadrat, vor. Das Verhaltnis der 
Lange zur Breite richtet sich ungefahr nach der 
Form des Atriums. Beim viersauligen Atrium 
pflegt das C. betrachtlich grosser zu sein und, 
wie das Atrium selbst, sich quadratischer Form 
zu nahern. Im Nebenatrium der Casa del Fauno 
(10x12 m.) misst es 3x3,50 m., in der Casa 
delle nozze d'argento 3,60 X 5,20 m. in einem 

10 Atrium von 11,92 X 16,46 m. Noch grosser ist 
es im korinthischen Atrium, welches durch die 
um das Impluvium stehenden, das Dach tragenden 
Saulen fast die Form eines Porticus annimmt: 
nur so erklart sich auch der Name, da natlirlich 
eigentliche Atrien in Korinth nicht iiblich waren. 
So hat in der Casa di Castore e Polluce das 
Atrium 11, das C. 4,50 m. im Quadrat; im Hause 
des Epidius Rufus misst das Atrium 11 x 16,80 m., 
das C. 4x7,20 m. In Pompeii pflegt das Dach 

20 um das C. mit einem annahernd senkrecht auf- 
stehenden Rande versehen zu sein, etwa 0,30 m. 
hoch, oben mit einem Gesims abgeschlossen, mit 
Wasserspeiern in Gestalt von LCwen- oder Hunde- 
kopfen, v. Rohden Terracotten von Pompeii 5. 
9ff. Taf. V— VII. Overbeck Pompeii* 260. In 
einem Falle (Reg. I ins. 2 nr. 28) fand man das 
C. durch ein Eisengitter geschlossen, zum Schutz 
gegen Diebe, Fiorelli Descr. diPompei48. Bull, 
d. Inst. 1874, 249. Dass es durch ein Velum 

30 geschlosseu werden konnte, bezeugen Ovid. met. 
X 595. Plin. n. h. XIX 24 ; vgl. Dig. XXXIII 7, 
12, 20. An zwei Saulen des viersauligen Atriums 
der Casa delle nozze d'argento sind Bronzeringe 
angebracht, durch die wahrscheinlich die Schnure 
gingen, mittels derer man das Velum bewegte. 
Not. d. scav. 1896, 424. 

Das C. spielt eine Rolle in alten sacralen Ge- 
brauchen. Wenn ein Gefesselter das Haus des 
Flamen dialis betrat, so mussten seine Fesseln 

40 gelost und durch das C. entfernt werden, Fabius 
Pictor bei Gell. X 15, 8 (vgl. Serv. Aen. II 57), 
derungenau impluvium fur C. sagt; ebenso Plaut. 
Amph. 1108; Mil. 159. 287. 340. Umgekehrt 
Suet. Aug. 92. Litteratur s. unter Atrium. 

[Mau.] 

Compromissum. Der Spruch eines arbiter. 

der nicht vom zustiindigen Magistral gegeben ist, 

schafft in der classischen Zeit niemals res iudi- 

eata (s. Arbiter Nr. 1). Die ohne Mitwirkung 

50 des Magistrats erfolgende Einigung, einen Streit 
durch einen arbiter entscheiden zu lassen, ge- 
winnt deshalb nur dadurch Bestand, dass die 
Streitenden zugleich ihre Unterwerfung unter die 
Entscheidung des Erwahlten sicherstellen. Dies 
geschieht durch das C, buchstablich die Verbin- 
dung gegenseitiger Stipulationen unter der Be- 
dingung. dass man bei dem Schiedsspruch nicht 
stehen bleiben werde (nisi serderdia(e) arbitri 
steterit, vgl. Dig. IV 8, 23, 2. 27, 7). Unter der 

fin Yoranssetzunsr. dass zn dem C. die Annahme durch 
den zum Schiedsmann Erwahlten hinzugekommen 
ist (s. Receptum arbitrii), verheisst der Praetor, 
den arbiter zur Erfullung der iibernommenen 
Pflicht ZU zwingen (qui arbitrium petunia com- 
promissa receperit, eum sententiam dicer e co- 
gam, Lenel Ed. perp. § 48). Ob, wann und wie 
aus dem C. auf die versprochene Leistung (poena 
eompromissi) geklagt werden kann, regelt grund- 



797 



Compsa 



Concha 



798 



satzlich das fur solche bedingte Stipulationen 
geltende Civilrecht. Im Einklang mit diesem ver- 
fallt die Busse schon dann, wenn eine Partei es 
nicht zum Schiedsspruch kommen lasst, Dig. IV 
8, 27, 4. 30. Dagegen gehOrt die Frage, wie 
ein C. beschaffen sein muss, um in Verbindung 
mit dem receptum arbitrii die Anwendung des 
praetorischen Zwangsedicts herbeizufuhren, dem 
praetorischen Recht an. In letzterer Hinsicht 



lateinische Inschriften CIL IX 969—993. Ein 
.templum Iovis Vicilini in agro Compsano er- 
wahnt Liv. XXIV 44, 8 ; ein castettum Compsanum 
Plin. n. h. II 147, s. o. Vgl. Mommsen CIL IX 
p. 88. [Hiilsen.] 

Compulsor s. Canonicarius. 

Compulteria s. Cubultexia. 

Conae, hinterasiatisches Volk, nordlich vom 
lmavos, Plin. VI 55; vielleicht die Kanka des 



wird das C, da die Thatigkeit des arbiter dem- 10 indischen Epos, tibetisch Kiang ; oder es ist statt 



selben Zwecke dient wie die des index, vielfach 
den Anforderungen unterworfen, die fur die Be- 
stellung des index massgebend sind (Dig. IV 8, 1 
c. ad similitudinem iudieiorum redigitur; vgl. 
Dig. IV 8, 6. 13, 3. 32, 9. 41. XV 1, 3, 8. 
Weizsacker Das romische Schiedsrichteramt 
unter Vergleichung mit dem offlcium iudicis, Tu- 
bingen 1879). Ein die Anwendung des Zwangs- 
edicts begriindendes C. wird von Ulpian als ple- 



et conas zu lesen Essedonas ; skr. kona bedeutet 
,Winkel'. Vgl. Brisari. [Tomaschek.] 

Conatus s. Dolus. 

Conbaristum s. Combaristum. 

Conbnlautia, beim Geogr. Rav. IV 26 p. 234 
wohl = Confluentes (vgl. IV 24 p. 227), s. u. 
S. 872. [Ihm.] 

Concam . . . verzeichnet Holder Altkelt. 
Spraehschatz s. v. als GSttername in irrtiimlicher 



num. bezeichnet in Dig. IV 8, 11, 2. 13, 1 ; andere 20 Auffassung der Inschrift CIL V 5501 IfoviJ o(pti 



Bedeutungen von plenum e. (quod de rebus eon- 
troversiisque compositum est und quod et doli 
clausulae habet mentionem) giebt Ulpian in Dig. 
IV 8, 21, 6. 31 an. Hinsichtlich des Verfalls der 
versprochenen Busse kann dagegen auch ein jenen 
Anforderungen nicht entsprechendes C. wirksam 
sein, wenn der arbiter den Schiedsspruch frei- 
willig abgiebt. Doch haben die Juristen, die das 
C. im Anschluss an das Edict zu erortern pflegen, 



mo) m(aximo) Matronis contain (d. h. eoneham) 
L. Glodius MareianfusJ v. s. I. m. Vgl. Bonn. 
Jahrb. LXXXIII 116 nr. 60. CIL VIII 8396 con- 
chas de suo posuit. [Ihm.] 

Concanauni, Bewohner einer Gemeinde (Vol- 
kerschaft?) im Mailandischen , zu erschliessen 
aus der den Matronae Ucellasicae Concanaunae 
geweihten Inschrift CIL V 5584 (Fundort Corbetta, 
zwischen Mailand und Novara). Bonn. Jahrb. 



nahezu in alien Punkten die W der Frage, ob 30 LXXXIII 15. 16. Vgl. die Namen der AlpenvOlker 



der arbiter eoyendus sit sententiam dicere, fest- 
gestellten Erfordernisse des C. auch hinsichtlich 
der poenae persecutio zur Geltung gebracht. Nur 
im Sinn des Edicts lassen sie als C. einen der 
Stipulationen entbehrenden, durch Hinterlegungen 
oder pactum de turn petendo gesieherten Schieds- 
vertrag gelten, Dig. IV 11, 2. 3. Das C. begrenzt, 
ahnlich der formula, das offlcium arbitri und 
ist somit daftir massgebend, ob dem Schiedsspruch 



Anauni, Oenaunes, Velauni u. a. [Ihm.] 

Concani, ein wahrscheinlich hispanisches Volk, 
nur von Horaz in der Aufzahlung von Thaten des 
Augustus erwahnt (III 4, 34 laetum equino san- 
guine Concanum, dazu Porphyr. Concani Hispa- 
niae gens est vel ut alii dicunt Scythiae; da- 
nach Silius III 311 mrnipedis fusa satiaris Con- 
cane vena). Da Ptolemaios unter den Stadten 
der Kantabrer Koyxdva nennt (II 6, 50), so wird 



bei Venneidung des Verfalls der poena zu ge- 40 die sk}i:hische Sitte, Pferdeblut zu trinken, ent 



horchen ist, Dig. IV 8, 32, 15f. 21, 6. Cic. ad 
fam. XII 30, 5. 

Litteratur unter Arbiter Nr. 1 (Bd.II S. 410); 
hervorzuheben B. Matt hi ass Die Entwicklung 
des rOm. Schicdsgerichts in Festschr. der Rostocker 
Juristenfakultiit f. B. Windscheid (1888). 

[Leist.] 

Compsa (Kmftipa Ptolem. Ill 1, 70), Stadt 
der Hirpiner unweit der Quellen des Aufidus an 



weder wirklich auch in Kantabrien vorhanden ge- 
wesen sein, dessen Rosse beruhmt waren (s. Can- 
tabri), oder der Dichter oder seine Quelle haben 
sie irrtumlieh dorthin iibertragen. Da die Namen 
sonst nirgends genannt werden , so ist auch die 
doppelte MOglichkeit nicht ausgeschlossen, dass 
es skythische Concaner gab oder dass die Horaz- 
erklarer und mit ihnen Ptolemaios (Marinus) irr- 
tiimlich einen Ort Concana in Kantabrien ange- 



der Grenze von Lucanien und nicht entfernt von 50 setzt habe. Miinzen mit der iberischen Aufschrift 



der von Apulien, weshalb es Ptolem. a. a. O. unter 
den Stadten Lucaniens, der Lib. coloniar. 210. 261 
unter den apulischen anftihrt. Zuerst wird sie 
genannt im zweiten punischen Kriege , wo sie von 
Hannibal im J. 216 durch Verrat genommen (Liv. 
XXni 1), aber zwei Jahre spater von den Romern 
zuriickerobert wurde (Liv. XXIV 20); dann im 
Bundesgenossenkriege (Veil. II 16, wo die Hs. 
Cosa); endlich als der Ort, wo Milo semen Tod 



fui.d (Ci-c,. tell. ::v. m 22. Yell. II OS. PI:::, n. h. 60 doch n 



hitan — Contanum'} — , die nach den Typen zu 
den Vasconen gesetzt werden (Mon. ling. Iber, 
nr. 53), zeigen ahnliche Namenbildung. Vgl. Co- 
nisci, Kaiviaxoi. Cotiea, die lateinische Grund- 
form des heutigen Namens der Stadt Cuenca im 
inneren Keltiberien (wie Olba Huelva, Osca Huescaj, 
ist nur in der friihmittelalterlichen tjberlieferung er- 
halten. Obgleich davon regelrecht das Adjectiv 
Coneanus gebildet wird, so spricht der Name 



[." M^ "li fhV^t i". ^*v. horn^i^ohen 



II 147, wo die Uberlieferung Cosa oder Capsa 
bietet; vgl. Cass. Dio XLII 25). In der Kaiser- 
zeit wird es nur inschriftlich erwahnt (CDL VI 
2382 a. b. IX 668. 1006); es war Municipium (vgl. 
P. Gavins mnniceps Consanus bei Cic. Verr. 
V 158 — 160) und gehorte zur Tribus Galeria (Ku- 
bitschek Imp, rom. tributim discriptum 40). 
Die Reste im modemen Conza sind unbedeuteiid ; 



Concanern ein hispanisches Volk zu sehen; das- 
selbe aber braucht damit nicht gemeint zu sein. 

[Hiibner.] 

Concessit s. Gallienus. 

Concha (conca), Muschel, Schnecke. Nach 
der Muschelfonu werden so benannt ein einfaches 
Gefass flir Salz zum Gebrauche bei Tische, Hor. 
sat. I 3, 14 (zu unterscheiden von dem silbernen 



799 



Conchylioleguli 



Conciliabulum 



800 



801 



Concilium 



Concilium 



802 



salinum. M a r q u ar d t-M a u Pri vatleben der ROmer 
IS 318), fur Salbe, Hor. carm. II 7, 23, fur 01, 
Cato de agri cult. 13, 2: in cellam oleariam haeo 
opus sunt . . . eoncas maioris II et minoris II. 
Colum. de r. r. XII 50, 523 Bip. : conchae ferreae 
quibus depletur oleum. Nach Plin. n. h. XXXIII 
88 dienten eonchae (wolil naturliche Muschel- 
schalen) zum Auswaschen des fein pulverisierten 
Berg- oder Kupfergriin (ehrysoeoUa). Nach Tuv, 



men fllr die C. andere Pachtsatze zur Anwendung 
als in Rom (liv. XXIX 37, 3, s. Moramsen 
a. a. 0. Ill 1115). Dementsprechend werden die 
C. genarmt als Gemeinden in der Aufzahlung der 
Gemeindekategorien , wie sie mehrere republica- 
nisehe Gesetze bieten (Lei Mamilia etc., Lex Ru- 
bria, Lex Iulia municipalis). Sie flgurieren dort 
teils als besondere Kategorie neben den praefee- 
turae , teila werden sie unter dieser Kategorie 



6, 304 wird bei einem ausschweifenden Gelage der 10 subsumiert und nicht besonders genannt (in mu- 



Falernerwein aus grossen Schalen getrunken: bi 
bitur concha, rum ealieibus, wie der Scholiast 
hinzufiigt. Nach der schneckenformigen Gestalt 
wird als c. das Tritonshorn bezeicb.net von Verg. 
Aen. VI 171. Plin. n. h. IX 9 u. a. [Hultsch.] 
Conchylioleguli s. Murileguli. 
_ Conciliabulum, abgeleitet von concilium, be- 
zeichnet demnach den Versammlungsplatz , vgl. 
Festus ep. p. 38 M. : c. locus, ubi in concilium 



mcipto, colonia, praefectura: in der Lex Iul. 
mun. Z. 98 bei Bruns p. 110 und im Fragment. 
Atestimim Z. 10, ebd. p. 103). Andere ahnlich 
wie das C. der stadtischen Hoheitsrechte entbeh- 
renden aber doch mit Ortsbehorden versehenen Ka- 
tegorien sind forum, vicus, eastellum. Die voile 
Reihe aller mehr oder weniger selbstandigen Com- 
munen lautet so: oppidum (der allgemeine Be- 
griff fiir Gemeinde), munieipium, colonia, prae- 



convenitur. Ein ahnlicher Begriff ist eonventus 20 fectura, forum, vims, coneiliabulum , eastellum 



(von convenire). Solche allgemeinen Bezeich- 
nungen sind charakteristisch fiir nichtstadtische 
Ansiedlungen ; sie bringen das Minimum politi- 
scher Functionen (convenire, concilium) zum Aus- 
druck, welche derartige Ortschaften von den ganz 
und gar politischer Bedeutung entbehrenden An- 
siedlungen, wie es der vicus ist, einer- und den 
vollberechtigten Siedlungscentren , den Colonien 
und Municipien mit ihren charakteristischen Na- 



territoriumve (Lex Rubria, vgl. Moramsen St.-R. 
Ill 798). Die einzelnen Gemeinden minderen 
Rechts von einander zu unterscbeiden ist schwer ; 
gemeinsam ist ihnen alien die territoriale Selb- 
standigkeit und das daraus folgende Vorhanden- 
sein eigener Verwaltung; der in jener Reihe ge- 
nannte vicus ist also nicht etwa ein gewOhnliches 
in einem stadtischen Territorium belegenes Dorf. 
Alle diese Kategorien sind gewiss strenggenom- 



men andererseits unterscheidet. Das C. ist mehr 30 men Dorfer des Gebiets der Stadt Rom, aber wie 
— •--=-- •■ ' ' n ' ■ ■ .- * aus der Feldmark Roms das romische Reich ge- 

worden ist, so sind jene Dorfer zu selbstandigen 
Communen geworden. Willems (Droit public 3 
p. 362) halt die C. irrig fur gewOhnliche Stadt- 
d&rfer. Am nacbsten stehen die C, insofern sie 
zugleich eigene Territorien bilden und doch po- 
litisch abhangig sind, den attribuierten Ge- 
meinden, von denen dasselbe gilt (vgl. iiber sie 
Mommsen St.-R. Ill 765f.). Auch die attri- 



wie ein vicus, denn es beruht auf staatlicher 
Griindung, und weniger als eine ordentliche (Stadt-) 
Gemeinde, denn es hat kein Stadtrecht. Es lasst 
sich also deflnieren als eine von Staatswegen ge- 
schaffene oder legitimierte Ortschaft ohne Stadt- 
recht. Somit gehort es in die unterste Kategorie 
der Gemeinden des rQmischen Staates: es ist kein 
munieipium, aber es ist quasimunicipal. Als selb- 
standige Gemeinde hat das C. Magistrate und Ge 



meinderat (vgl. Lex Iulia mun. Z. 83ff. 108ff. 126ff. 40 buierten Territorien sind praefeeturae — so haben 



bei Bruns Fontese p. 110) und eigenes Gebiet 
(vgl. Lex Mamilia Roscia etc. bei Bruns a. a. 0. 
p. 96 und Frontinus, Grom. lat. I p. 35, 15). also 
diejenigen Elemente , welche clem vimis fehlen. 
Andererseits haben seine Magistrate keine staat- 
lichen Hoheitsrechte wie die der Colonien und Muni- 
cipien. Diese flbt vielmehr in dem C. ein prae- 
fectus, der Vertreter der rQmischen Beamten, aus. 
Deshalb gehOrt das C. zur Kategorie der prae fee- 



die der Stadt Brixia attribuierten Camunni einen 
praefectus, s. GIL V 4957 — nur nicht prae- 
fecturae der Stadt Rom wie die conciliabula, 
sondern der Municipien. Mit dem C. wird be- 
sonders oft zusammen genannt das forum; fora 
el conciliabula bildet fast einen Begriff. Wie 
das forum, die mit Marktrecht ausgestattete An- 
siedlung, beruht auch das C. notwendig auf staat- 
licher Autoritat; seine Insassen bilden eine vom 



turae, derjenigen Ortschaften, welche wohl fur50Staat sanctionierte Ansiedlung, wahrend die ge- 



die communalen Angelegenheiten, dagegen nicht 
fur staatliche Functionen competente Magistrate 
haben. So wird z. B. die Aushebung in den C. 
besorgt nicht von der Ortsbehordc, sondern von 
rOmischen Beamten, wie dies Livius an vielen 
Stellen (verzeichnet bei Daremberg-S aglio 
Dictionn. I 1432) bezeugt (vgl. Mommsen St.-R. 
lis 663, 1). Die C. sind Elemente der romischen 
Verwaltung, und von der Centralregierung ge 



trnffprip ^nordTiHTi!?* 1111 werd on Tvie iv 



wShnlichon vici rein private Siedlungscentren sind. 
So findet denn auch auf die C. so gut wie auf 
die anderen nicht deducier ten Gemeinden das 
Pradicat constituere Anwendung: quae colonia 
hae lege deducta , quodve munieipium praefec- 
tura forum conciliabulum eonstitutum, erit (s. 
Lex Mamilia, Bruns Fontes p. 96). Wie alle derar- 
tigen Territorien kann das C. jederzeit Stadtrecht 
erhalten , vgl. Frontinus Grom. p. 19 : hoc (Inte- 



so auch in den C. , sei es durch die staatlichen 
Organe, sei es durch die OrtsbehOrde, ausgefuhrt; 
so haben die Magistrate der C. das ihnen iiber- 
sandte SC. de Bacchanalibus zur Kenntnis ihrer 
Ortschaft zu bringen ( . . haice exdeicatis , vgl. 
Mommsen St.-R. 13 206). Die Verpachtung 
der Salzregie wird wie in Rom und den Stadten 
so auch in den C. vorgenommen, und zwar kom- 



+p T! (}0 rruT-'in' 1 rnwiJjr 



'h'lum juin 



fcriu 



i Ci jjUciCii in 



munieipii ius r datum. Seit der ausgedehnten 
Verleihung der communalen Selbstandigkeit an 
die italischen Gemeinden infolge des marsischen 
Kriegs sind wohl die meisten C. entweder selbst 
in Municipien verwandelt oder in das Territorium 
anderer Municipien einbezogen worden. Wie fiir 
die Umwandlung in eine Stadt, so bieten die Feld- 
messer auch fur die Einverleibung eines C. in 



ein stadtisches Territorium einen Beleg; Frontinus 
sagt Grom. I p. 55, 17: sunt autem loea pu- 
blico, coloniarum ubi prim fuere conciliabula et 
postea sunt in munieipii ius relata (das heisst 
nieht etwa ,mit Stadtrecht versehen', sondern ,der 
Iurisdiction desMunicipiums zugewiesen'). Wahrend 
wir fiir forum als municipale Kategorie mehrere 
inschriftliche Belege haben, fehlt dergleichen fiir 
C. ganzlich (abgesehen von derNennung derblossen 
Namen in den citierten Gesetzen). 

Litteratur: Mommsen St.-R. 113 116, 1. 663. 
Ill 122. 149. 775. 793,3. 798. 1117. 1181. Da- 
remberg-Saglio Dictionn. I 1432. Houdoy 
Droit municipal (1875) 204—314. Voigt Drei 
epigraphische Oonstitutionen Constantins (1880). 

[Schulten.] 

Concilium bedeutet allgemein jede Yersamm- 
lung irgend welcher Art; so haufig bei Sehrift- 
stellern und auf Inscbriften. Von den Historikern 
wird es gern gebraucht zur Bezeichnung auslandi- 
scher Gemeinde- oder Delegiertenversammlungen: 
c. populi bei Liv. XXIV 37, 11 im ersteren Sinne; 
fiir die andere Bedeutung vgl. man die haufig 
vorkommende Phrase eonubia commerciaque et 
concilia adimere, z. B. Liv. VIII 14, 10, oder die 
Erwahmmgen der concilia OaUorum = Versamm- 
lungen oder Tagessatzungen der gallischen Vslker- 
schaften eines bestimmten Landstrichs bei Caesar 
(iiber stehende Verbande dieser Art wie das c. Etrus- 
corum s. weiter unten). Daher conciliabulum = 
locus, ubi in concilium convenitur (Fest. p. 38 M.). 
tfbertragen kommt das Wort auch vor fur Ver- 
sammlungen von Curien , CIL VDZ 14683. Sidon. 
Apollin. epist. V 20, 1, auch ebd. I 6, 4 (nach Ca- 
rette Les assemblies 253. 362f.), oder von KOrper- 
schaften: Cic. de domo 74 conventieula et quasi 
concilia (von den Zusammenkiinften der Bezirks- 
vereine der pagani und montani). Vgl. dazu J. 
Schmidt Rh. Mus. XLV 605f. und Artikel Con- 
ventus. 

Technisch aber wird C. angewendet zur Be- 
zeichnung derjenigen Versanrmlungen der Burger 
im rSmischen Staatswesen, die nicht eomitia waren. 
Das Wort hat also, wie Mommsen am besten 
dargelegt hat (Rom. Forsch. I 170, 8; St.-R. Ill 
149, 3), genau genommen negativen Wert. Denn 
es bezeichnet 1) auf die Gesamtburgerschaft an- 
gewendet jede nicht nach den Abteilungen ge- 
gliederte und nicht beschliessende Versammlung 
der Samtgemeinde (= eontio) (Liv. 18, 1. 26, 
5. II 7, 7. V 43, 8; vgL V 47, 7, auch die IH 
71, 3 c. genannte Versammlung steht nach Momm- 
sen der eontio naher als den Comitien), weshalb 
die ganz vereinzelt vorkommende Verwendung fur 
Tribut- (Liv. I 36, 6) oder gar fiir Centuriat- 
comitien (ebd. VI 20, 11) eigentlich incorrect ist, 
sich aber dadurch erklaren lasst, dass c. im Gegen- 
satz zu dem eng umgrenzten Begriff der eomitia 
der allgemeinere Ausdruck ist, der jenen in sich 
ochiiesst, Fest. cp. p. 50 il. b. cum populu agtre. 
Wenn daher im iuKschen Municipalgesetz Z. 132, 
wo die Rede ist von den Wahlen der Municipal- 
magistrate, comitiis conciliove steht, so ist unter 
e. auch hier jede nicht eomitia benannte, nach 
Localstatut gleich den Comitien wahlberechtigte 
Versammlung verstanden. 2) Bezeichnet das Wort 
jede Versammlung eines Teils der Biirgerschaft, 
Laelius Felix bei Gellius XV 27, 4: is qui non 

Pnuly-Wissowa IV 



universum populum, sed partem aliquam adesse 
iubet, non eomitia sed concilium edicere debet, 
und zwar speciell die Versammlung, und zwar 
auch die beschliessende, der Plebs. Burger- und 
Plebsversammlungen werden neben einander ge- 
nannt, Cic. de leg. H 31. Lex Bantina CIL I 197 
Z. 5. Cic. post red. in sen. 11. Tertull. apol. 
38; sehr instruct!? ist Liv. XXXIX 15, 11: cum 
aut .... comitwrum eama exercitus eductus 

10 esset aut plebi concilium tribuni edixissent aut 
aliquis ex magistratibus ad contionem vocasset. 
Der Beschluss des c. plebis heisst scitum oder 
plebiscitum (von der plebs wird immer sdscere 
gebraucht), wahrend der in den eomitia vereinigte 
populus Quiritium ein iussum oder eine lex zu 
Tage ferdert, Cie. pro Flacc. 15; pro Balb. 42. 
Griechisch wird c. in diesen Bedeutungen durch 
oviloyog wiedergegeben, eomitia dagegen durch 
ixxkrjoia. So steht oviloyog = eontio, Cass. Dio 

20 XXXVI 27. XXXVE 51. XXXIX 19, = concilium 
plebis XXXVI 22. XXXIX 7. 34. 35. 36. In der 
Kaiserzeit ist der strengere Gebrauch von eomitia 
verloren gegangen, und es wird dieses Wort auch 
fur friiher technisch nur c. zu nennende Versamm- 
lungen gebraucht (einmal schon bei Cicero, aber in 
den Briefen ad Att. II, 1), nach Berns (35f.) aller- 
dings nur dann, wenn es sich um Wahlversamm- 
lungen handelt; anders Mommsen St.-R. HI 
150, 1. Vgl. die Artikel Comitium und Plebs. 

30 Berns De comitiorum tributorum et coneiliorum 
plebis discrimine, Wetzlar 1875. Mommsen Rom. 
Forsch. I 170. 177ff.; St.-R. IE 149ff. 

Zweitens bedeutet c. technisch die Versamm- 
lung der zu einem Bund, vor all em religiOser 
Natur, daher gewohnlich um ein gemeinsames 
Heiligtum vereinigten Vfllkerschaften, Nationen 
oder Stadte. So spricht Livius 1) von concilia der 
italischen VOlkerschaften vor der rOmischen Unter- 
jochung, von dem Bund der Latiner, der sich im 

40 Hain der Ferentina zu gemeinsamen Opfern ver- 
sammelte. Liv. I 50—52. VI 10, 7. 33, 6. VII 
25, 5. VLU 3, 2; vgl. Dionys. IV 47f. V 50. 61; 
der Volsker, Liv. IV 25, 17. VI 10, 7; der Her- 
niker, die sich im Circus von Anagnia versammelrj, 
Liv. IX 42, 11, der Aequer, Liv. Ill 2, 3. IV 
25, 7. 49, 5 ; der Samniten, Liv. VII 31, 11, oder 
einzelner Stamme von Samnium, VIII 39, 10. 
X 12, 2 ; der Etrusker — im ganzen zwolf Bun- 
desstadte, Liv. V 33, 9, unter einem Bundes- 

50 priester, Liv. V 1, 5 — bei dem Tempel der Vol- 
tumna bei Volsinii, IV 23, 5. 25, 7. 61, 2. V 17, 
6. VT 2, 2. Die letztere Bundeagemeinsehaft be- 
stand noch als die einzige dieser vorrOmischen 
Verbande — allerdings nunmehr zusammenge- 
setzt ans fiinfzehn Gemeinden — die ganze Kaiser- 
zeit hindurch (nicht nur in der spateren, wie man 
nach Marquardt St.-V. I 2 516, 1 zu glauben 
geneigt sein konnte) in einer eigentumlichen Or- 
ganisation : an deT Spitze ein oder mehrere prae- 

60 tores Elruriae X V popaloium, alle vou riuer- 
Lcher oder senatorischer Herknnft (CEL XI 2699. 
2115. 2114. 1941. XIV 172; Hadrian als praetor 
Etruriae erwahnt Hist. Aug. Hadr. 19), daneben 
ein oder mehrere aediies Etruriae (CIL XI 2116, 
vielleicht auch 2110. 3257 = 3615), ein saeerdos 
III lucorum (ebd. 1941), die Mitglieder offenbar 
= iurati ad sacra Etruriae (CIL XI 1848); vgl. 
Mommsen Berichte der Sachs. Gesellsch. d. Wiss. 

26 



803 



Concilium 



Concilium 



804 



1850, 65. 209ff. Hen z en Ann. d. Inst. 1863, 
284ff. Bull. d. Inst. 1883, 206f. 2) Livius giebt 
zur Bezeichnung der Landtage der alten Volker- 
btlnde im hellenischen Osten den griechischen 
Ausdruck xoivov wenn nicht durch commune 
concilium (s. Art. Commune), so einfach durch 
c. wieder, z. B. e. Achaicum oder Achaeorum, 
Liv. XXXVI 31, 2. 9. 10, c. Aetolonm, ebd. 
XXVI 26ff., c. Boeotorum XLII 44, 6. 47, 3, 
Macedonum XLV 19, 6 u. s. w. 10 

In der Kaiserzeit ist dann C. die technische 
Bezeichnung fur die nach dem Muster der grie- 
chischen xoiva im Osten, die die Bonier mit mehr 
oder weniger Modiflcationen bestehen liessen (s. 
Art. Kotvov), in den Landern des Westens ge- 
grundeten Provinciallandtage. Diese provincialen 
concilia der Kaiserzeit — es werden in der Haupt- 
sache hier nur diejenigen des Occidents behandelt 
und zur Erganzung ist der Art. Koivov heran- 
zuziehen — haben in der nachdiocletianiscben 20 
Zeit einen etwas anderen Charakter angenommen; 
daher sind zu scheiden A. die concilia dieser Art 
der ersten drei nachchristlichen Jahrhunderte und 

B. diejenigen des 4. und 5. Jhdts. n. Chr. 

A. Die Concilia des 1. bis 3. Jhdts. n. Chr. 
I. Der provinciale Kaisercult und die 
Concilia. Im Gegensatz zu den beriihrten Ver- 
haltnissen des Ostens geht beztiglich des Westens 
die allgemeine Meinung dahin, dass hier die Pro- 
vinciallandtage im wesentlichen NeuschOpfungen 30 
der Romer sind. Zwar hat man fur die Tres Galhae 
die Anknttpfung des rOmischen C. an eine gallische 
Versammlung am 1. August zur Feier eines Festes 
fiir den Keltengott Lug wahrscheinlich zu machen 
versucht (D'Arbois de Jubainville Le cycle 
mythologique irlandais 5. 138. 304f. ; Nouv. Revue 
bist. du droit 1881, 195. Guiraud Assemblies 
prov. 45), doch fehlt es noch an einer genugenden 
Begrfindung dieser Hypothese (dagegen Jullian 
Rev. bist. XLI 1889, 402, wahrend Beurlier40 
Culte imp. 104, 1 und Carette Assemblies 15ff. 
wieder fur die alte Ansicht eintreten). Wie dem 
auch in Gallien sei, in den anderen Landern des 
Westens ausserhalb des Gebiets des.Hellenismus 
haben wir gar keine Indicien fiir ahnliche grOssere 
landschaftliche Verbande religiOser Art aus der 
vorrflmischen Zeit. Die Neuschaffung dieser C. 
durch die ROmer ist nach der allgemeinen Ansicht 
erfolgt im Anschluss an die Ausbreitung des Kai- 
sercultes. Die Einrichtung eines provincialen Kai- 50 
seraltars oder Kaisertempels , des damit verbun- 
denenProvincialpriestertums und Begrfindung eines 

C. gehen nach dieser Ansicht Hand in Hand. Aus 
der Existenz einer provincialen Kaisercultstatte 
oder eines Provincialpriesters schliesst man auf 
das Vorhandensein eines C. und umgekehrt. Gegen 
den letzteren Schluss hat Kraseheninnikoff 
in einer sehr beachtenswerten Arbeit ,t)ber die 
Rinfiibrnne des provincialen Kaisercults im rOmi- 
schen Westen' (Philol. LIII [N.F. VII] 1894, 147 60 
—189) Einspruch erhoben (169, 107). Er hat 
hier, ausgehend von dem unstreitig richtigen Satz, 
dass ,das Alter des Kaisercultus der einzelnen 
westlichen Provinzen und dasjenige der daselbst 
von den Romern eingepflanzten Cultur in umge- 
kehrtem Verhaltnis stehen', dass also dieser Cult 
zunachstwesentlichRomanisierungszweckendiente, 
naehzuweisen versucht, dass in Baetica, Gallia 



Narbonensis und Africa erst Vespasian (in Africa 
zwischen 71 und 78 n. Chr.) der Begrtinder sei. 
ein Nachweis, der fiir Africa infolge des hier 
vorliegenden Beweismaterials evident ist, fur 
die beiden anderen Senatsprovinzen aber etwas 
modificiert werden muss (daruber unten S. 
809ff.). Kraseheninnikoff hat aus seinem 
Resultat nun nicht die weitere Consequenz ge- 
zogen (wie beztiglich Africas es Joh. Schmidt 
zu CIL VIII Suppl. 12039 gethan hat), dass auch 
die concilia der seiner Ansicht nach erst unter 
Vespasian mit dem Kaisercult versehenen Pro- 
vinzen zu derselben Zeit errichtet worden seien, 
vielmehr hat er fiir die drei genannten, fruhzeitig 
sehr stark romanisierten Provinzen vor Vespasian 
wohl concilia, aber noch keinen Kaisercult sta- 
tuiert (a. a. 0. 1 78f.). Als Beweise fiir diese ganzlich 
neue AnschaTnmg fiihrt er an Tac. ann. IV 37 (aus 
dem J. 25), wo es heisst: per idem tempus Hispa- 
nia ulterior missis ad senatum legatis oravit, 
ut u. s. w., woraus man auf das Bestehen eines 
6. provincial Baetieae schliessen kfinne; weiter 
spricht er (179, 143) die Vermntung aus, dass 
man bei den Worten Suetons Tib. 31 tanta 
consilium auetoritate ut legati ex Africa 
adierint eos querentes u. s. w. an eine africanische 
Provincialgesandtschaft denken kOnne. In ahn- 
licher Weise halt er (175, 132) sogar schon fur 
die Tarraconensis wegen der Worte Tac. ann. 
I 78 petentibus Hispanis das Bestehen eines C. 
oder einer Art von C. vor dem J. 15 n. Chr., 
dem Jahr der Errichtung des Kaisertempels fiir 
die Provinz, ftir mOglich. Aber er selbst hat die 
unzulangliche Beweiskraft dieser Stellen darge- 
than durch den Uachweis (179, 144), dass man 
die ahnlichen Worte accusantibus Mauris (Tac. 
ann. XIV 28 aus dem J. 60) keineswegs zum Be- 
weis der Existenz eines mauretanischen Provincial- 
landtags so ohne weiteres verwenden diirfe, was 
aus einem Vergleich von Plin. ep. H 11, 2 mit 
III 9, 4 aufs deutlichste sich ergiebt. Am meisten 
Wert hat noch die Stelle fiber Baetica, weil hier 
die Provinz als solche als Petentin auftritt. Aber 
auf diese eine Stelle hin, die in ihrer Vereinze- 
lung noch Dicht einmal voile Beweiskraft hat, 
die Existenz rOmischer Provinciallandtage, die 
unabhangig sind vom Kaisercult, anzunehmen, 
scheint zu gewagt. Es kOnnte wie fur den pro- 
vincialen Kaisercult ein erweiterter municipaler 
Cult, namlich der der coloniae immunes Bae- 
tieae, otfenbar ,als eine Art Surrogat' gedient hat 
(a. a. 0. 183), so auch an Stelle der mit dem 
Kaisercult verbundenen periodischen concilia ein 
Zusammenwirken der Gemeinden der betreflenden 
Provinz nur im gegebenen Fall vorgesehen ge- 
wesen sein, wie z. B. die Gemeinden von Dal- 
matien (CIL HI 1741 : cititates superioris pro- 
vinciae Hillyrici) im J. 14 n. Chr., d. h. vielleicht 
vot Einfuhruns' des Kaisercultes . fiir die ganze 
Provinz einem gewesenen Statthalter eine Ehren- 
inschrift setzen (doch vgl. auch CIL ni 2808, 
Inschrift der civitates Idbtirniae vor dem J. 31 
n. Chr., d. h. zu einer Zeit, da moglicherweise 
der Kaisercult in Liburnien schon eingefilhrt war, 
vgl. u. S. 81 1). Die Auslassung des Paetus Thrasea 
bei Tac. ann. XV 20f. uber die nova provincia- 
lium superbia infolge ihres Beschwerderechts 
gegemiber den kaiserlichen Beamten giebt ja 



805 



Concilium 



Concilium 



806 



auch zu der Vermutung Anlass, dass ein Verfahren 
zur Beschwerdefiihrung wie zur Belobigung der 
Statthalter seitens des Augustus, noch erweitert 
vielleicht durch den um die Provincialverwaltung 4. 
hochverdienten Tiberius, den Provincialen allge- 
mein zugestanden war; aber trotzdem kann die 
Form, in der dasselbe ausgelibt wurde, verschieden 
gewesen sein: in den neuen, noch wenig romani- 
sierten Provinzen durch die mit dem Kaisercult 
fruhzeitig entstandenen festgeordneten periodischen 10 
concilia, in den alten, den senatorischen Provinzen 
dagegen durch Cooperieren der Gemeinden nur 
in den bestimmten Fallen, ohne dass dadurch 
eine dauernde Verbindung hervorgerufen wurde. 
Test steht so viel, dass bis jetzt die Bezeichnung 5, 
c. nnr fiir die mit dem Kaisercult aufgekommenen 
Versammlungen, die in erster Linie religiOser 
Natur waren, bekannt ist. Von diesen ist allein 
auch im Folgenden die Rede. 

II. Zusammenstellung der Provinzen, 20 
deren Concilia direct bezeugt sind 6 
tbezw. aus dem Vorkommen von Provincialprie- 
stern oder anderen Andeutungen erschlossen wer- 
den konnen). 
1. Sicilia gehOrt noch zu hellenistischen Ge- 
Weten mit einem schon vorrOmischen Landtag 
(xoivov). Dieser begegnet in der republicani- 
scben Zeit als commune Sieiliae (Cic. in Verr. 
act. II 2, 114. 145. 154, vgl. 103. 146), wel- 
ches dem Verres zu Ehren Festspiele (Verria) 30 
gab und Statuen errichtete. Trotz Mangels an 
Zeugnissen ist das Fortbestehen desselben in 
der Kaiserzeit anzunehmen, weil es nach Con- 
stants wieder erscheint (s. n. S. 821). 

2. Sardinien, CIL X 7599 flamen divor. Aug. 
ex consensu provinfeiaej. 7917 (3. Jhdt.) sa- 
c[er]dos prov. Sard .... ex consensu prov(in- 
ciae) Sar[di(niae)]. 7518 ist gesetzt einem 
adlecto inter sa[c]erdotaks prov. Sard. 

3. Hispania Tarraconnensis ; Sitz des c. Tar- 40 
raco, der Augustustempel fur die Provinz da- 
selbst erbaut im J. 15 n. Chr. (Tac. ann. I 78; 
fiber den Tempel vgl. Hist. Aug. Hadr. 12; 
Sept. Sev. 3 und Hiibner Herm. I 111), e. 
provincial Hispaniae citerioris, abgekiirzt con- 
cilium P. II. G. auf den Inschriften: CIL II 
4127. 4230. 4246. 4255. 4055, vgl. auch 4233 
4210. 4192. 4248. 4208; Ehreninschriften unter- 
schrieben P. H. C. haben wir in Masse. Uber 
die Provincialpriester (mit vollem Titel : flamen 50 
Eomae divorum et Augustorum P. H. C, da- 
•neben auch fluminicae) vgl. Hiibner Herm. 

I lllff.; CIL II p. 540f. E. Ciccotti I saceT- 
dozi municipali e provincial! della Spagna , Riv. 
-filol. XLX 1890, 46ff. (auch ftir die beiden fol- 
genden Provinzen). Innerhalb der Provinz hatten 7 
hier auch die convmtus (s. d.) ihre eigenen 
Kaisercultstatten, Kaiserpriester (zusammenge- 
stellt bei Ciccotti a. a. 0. 44ff.) und demge- 
mass auch eigene concilia; das c. coiueniua i 60 
Cluniensis erwahlt sich im J. 222 einen pa- 
tronus (CEL VI 1454). Inschriften dedicierend 
treten auf der conventus Tarraconensis (CIL 

II 3840. 4138), der conventus Carthaginiensis 8. 
(3412 unter Antoninus Pius, 3413 fiir die Mutter 
des Severus Alexander, 3416. 3418), der con- 
ventus Braearaugustanus in der eigenen Haupt- 9. 
■stadt sowohl (2426) wie in der der Provinz (41 23) ; 



alle diese, sowie anch der conventus Asturum 
(II 4223. 6094, vgl. 4072) mit eigenen Kaiser- 
priestern. 

Hispania Baetica; Sitz in Corduba. G. prov. 
Baetieae: CEL H 2344 (aus traianischer Zeit). 
Dig. XLVII 14, 1 (Rescript des Hadrian an 
das C). 0. unwersae provinciae Baetieae CIL 
II 2221 (aus dem J. 216 n. Chr.), vgl. auch 
1475. Provincialpriester, deren voller Titel hier 
flamen divorum Augustorum provinciae lautet, 
kommen mehrfaeh vor, der flamen Augustalis 
in Baetica primus auf der Inschrift CIL II 
3271; daruber Kraseheninnikoff a. a. 0. 
180ff. 

. Lusitania; Sitz in Emerita. Das C. ist nicht 
direct bezeugt, ergiebt sich aber aus dem Vor- 
handensein von Provincialpriestern und -Prie- 
sterinnen, sowie aus dem Umstand, dass die 
provineia Lusitania im J. 77 dem Titus ein 
Denkmal in Emerita setzt (CEL II Suppl. 5264). 
. Gallia Narbonensis; Sitz in Narbo. Das 
e. provinciae Narbonensis wird erwahnt in 
dem narbonensischen Gesetz, CIL XH 6038 n 
Z. 14 (nach Kraseheninnikoff a. a. 0. 159 
auch schon ebd. Z. 10), weiter IV Z. 22—24, 
•welches Mommsen und Hirschfeld dem 
Augustus, Kraseheninnikoff dagegen mit 
grosserer Wahrscheinlichkeit dem Vespasian zu- 
sehreibt (vgl. die neue Redaction von Cap. 2 
des Gesetzes Z. 10—13 bei demselben a. a. 0. 
159ff.). CIL XII 392 heisst es von einem Pro- 
vincialpriester, dass er uni] versa provinfeia 
consentiente] gewahlt worden sei (eljeetus est). 
Auf einer athenischen Inschrift (CIA IH 623. 
624) haben wir in Q. Trebellius Rufus aus To- 
losa den agx ie Q^ TiQ&xog SnaQxelag zijs ix 
NaQpfivog, der nach Dittenbergers Zeitbe- 
stimmung der Inschrift noch in den letzten 
Regiemngsjahren Traians oder zu Anfang der 
Regierung Hadrians lebte; vgl. Kraseheninni- 
koff a. a. 0. 152ff., der gegen die altere An- 
sicht, die die Inschrift in die Zeit des Tiberius 
verlegte, polemisiert (vgl. dazu auch Guiraud 
Assemblies 83, 2 fiber das Amt eines leeevg 
Aqovoov vjidzov, welches Trebellius Rufus u. a. 
spater bekleidete, woraus Marquardt irrtum- 
lich Schlusse zur Datierung der Inschrift unter 
Tiberius gezogen hat). Der flamen] primus 
[Aug. templi] novi Narbo [ne] (CIL XII 4393) 
ist, wenn die Inschrift richtig erganzt ist, viel- 
leicht der erste Provincialpriester bei dem nach 
dem grossen Brand unter Antoninus Pius neu- 
erbauten Augustustempel. Die Provincialprie- 
ster und -Priesterinnen sind zosammengestellt 
CIL XII Index p. 935. 

Alpes Maritimae ; Sitz in Cemenelum (Cimiez), 
Mommsen CIL V p. 902. Das C. ist ge- 
sichert durch die Dedicationen der Provinz CLL 
V 7979 (aus dem J. 198). 7980 (fur Caracalla) 
uud durch Jic Existenz von famines provin- 
ciae Alpium Maritimarum ebd. 7907 (aus 
dem J. 181). 7917 (zugleich patronus prov.). 
XII 81. 

Alpes Cottiae; Sitz in Segusio (Susa). ge- 
sichert durch den flamen Aug. prov. Gottianae, 
CIL V 7259 (aus Susa). 
Tres Galliae; Sitz bei Lugudunum ad con- 
fluentes Araris et Rhodani im pagus Gondate, 



807 



Concilium 



Concilium 



808 



gegrtindet von Drusus am 1. August 742 = 12 13. Pannonia superior; Sitz in Savaria (Stein am 

v. Chr. (daruber s. u.). Der seitdem sich hier Anger), wo eine ara Augusti sich befand, bei 

versammelnde Landtag fur die drei galliachen der auch andere Gemeinden der Provinz Sta- 

Provinzen Aquitania, Lugudunensis und Bel- tuen errichteten (OIL III 4170. 4192. 4193). 

gica fiihrt den Titel e. (trium) Oalliarum Ein sacerdos provineiae eld. 4108, vgl. 4178, 

(CIL XII S162 in 14ff. [Inscnrift von Thorigny] ; ein sacerdotalis 4183 ; ein collegium genii pro- 

vgl. das Fragment ebd. 1722 ; einmal auch mnciae Pannoniae superioris in Savaria wird 

conventus arensis [Gilt XIII 1671, vgl. ebd. erwahnt ebd. 4168; vgl. Mo mm sen CIL III 

939 sacerdos arensis], sehr oft auf Ehrenin- p. 525. 

schriften einfach Tres provineiae Oalliae, vgl. 1014. Pannonia inferior; Sitz auf dem Territoriura 

CIL XIII 167 Iff.) und wurde urspriinglich von von Aquincum bei dem heutigen Stuhlweissen- 

60 (Strab. IV 192), spater von 64 civitates burg (CIL III p. 432), wo ebenfalls eine ara 

(Tae. ann. IH 44, Serv. Aen. I 285) beschickt, Augusti war. Ein sacerdos provineiae, CIL 

deren Namen auf dem Altar aufgeschrieben III 3485, vgl. 3626, mit vollerem Titel saeerdos 

waren (Strab. a. a. O.). Die Provincialpriester, arae Augusti nostri provineiae Pannoniae 

deren voller Titel hier lautet : sacerdos Bomae inferioris, ebd. Suppl. 10496. 

et Augusti ad aram ad eonfluentes Araris et *Fur [Moesia superior] fehlt bis jetzt jeder 

Rhodani, sind zusammengestellt von O.Hirsch- Beleg. 

feld CILXIIIp. 228f. DieAnsicht von Momm- 15. Moesia inferior; Sitz vielleicht in Troesmis. 
sen (R. G. V» 88, 2), dass die Novempopu- 20 Ein sacerdos provineiae CIL III 6170 = 773 

lana von Traian ab ihren eigenen Landtag hatte, aus der genannten Stadt (fiir Elagabal). Inner- 

wird mit Reeht von 0. Hirschfeld S.-Ber. halb der Provinz bildeten ftinf, spater sechs 

Akad. Berl. 1896, 441 verworfen ; kaum richtig griechische Stadte am schwarzen Meer unter 

ist aber seine eigene Hypothese, dass die iberi- dem Vorsitz von Tomi einen besonderen , aus- 

schen Stamme Aquitaniens uberhaupt an dem hellenistischer Zeit stammenden Landtag (xoi- 

Lyoner Cult nicht beteiligt gewesen seien , E. vov t<5v 'EMr\va>v oder xoivdv rijg Tievrcmolemg) 

Kornemann Zur Stadtentstehung in den ehe- mit einem d'^ov oder Ilovrdox^ an der Spitze 

mals kelt. und germ. Gebieten S. 58. (Perrot Memoires d'arcb. p. 193. 199. CIG 

10. ? Germania ; Sitz im oppidum Ubiorum, spater 2056 c; vgl. Art. Koivov). 

= eolonia Claudia Ara Agrippinemis. Be- 30 16. Dacia ; Sitz" in Sarmizegetusa (CIL HI p. 229, 

kannt ist nur, dass der Cherusker Segimundus, falseh Ephem. epigr. IV p. 65). CIL HI SuppL 

der Sobn des Segestes, sacerdos apud aram 7902 gesetzt von der provincia im J. 161 fiir 

Ubiorum war (Tac. ann. I 57), dass also nach einen verdienten Statthalter. Als e. provin- 

dem Plan des Augustus K6ln die Stellung in eiarum Daciarum trium, erscheint der Landtag 

Germanien einnehmen sollte, die Lyon in Gallien CIL III 1454 (fur Gordian III. aus dem J. 241 

hatte. Was nach der varianischen Niederlage n. Cbr.) , sacer dotes arae Aug. CIL III 1209. 

aus dem Projecte geworden ist, wissen wir nicht. 1433. 1509. 1513, auch unter dem Titel eoro- 

Wahrscheinlich ist die ara fur den municipalen natus Daciarum trium, ebd. 1433, ein sacer- 

Cult der Ubier, spater von Kcln erhalten ge- dotalis Daciae ebd. Suppl. 7688. 

blieben, wahrend die vier linksrheinischen Ger- 40 Von den africanischen Provinzen hat 
manenstamme dem gallischen Landtag zuge- 17. die combinierte Provinz Creta-Cyrenaica nicht 

wiesen wurden (s. unter Tres Galliae). einen, sondern zwei Landtage. Das xoivdr 

11. Britannia; Sitz in Camulodunum. Ein tern- t&v Konttov (CIG 2583. 2595—2597) heisst 
plum divi Claudii hierselbst erwahnt bei Tac. lateinisch CIL X 1430 — 1432 commune Ore- 
aim. XIV 31. Sen. Apocol. 8. Die Inschriften tensium; von demselben handelt Tac. ann, XV 
CIL XIV 2508 (fiir den Consul vom J. 212 20—22; im ubrigen Art. Koivov. Auf das C. 
patrono) und CIL XI 383 sind gesetzt von der von Cyrenaica bezieht sich Tac. ann. XIV 18. 
provincia Britannia; vgl. E. Hiibner CIL 18. Africa proconsularis ; Sitz in Karthago. Das 
VTI p. 33. c. provineiae Afrieae wird erwahnt CIL VET 

*fjber [Raetien und Noricum] wissen wir nichts. 50 Suppl. 17899 (aus Timghad ; eine zweite An- 

Der pontifex sacr(brum) RactficorumJ der In- sicht fiber diese Inschrift s. unter nr. 19), 

schrift CIL V 3927 aus dem pagus Armnatium ebd. Suppl. 11017, Inschr. der Oigth[e]mes 

bei Verona hat gar nichts mit dem Kaisercult ex d(eeretoJ pfrovinciae) A(fricae), ebd. 14364 

von Raetien zu tbun. Der sacerdos Urbis Bomae von der cuitas Uecula decreto Afrorum. Eine 

aeternae CIL HI 5443 aus Noricum ist wahr- Zusammenstellung der Provincialpriester (saeer- 

scheinlich kein Provincialpriester. dotes provineiae, auch sacerdotales provineiae 

12. Dalmatia. Fur die gesamte Provinz haben kommen vor) giebt O. Hirschfeld Ann. d. 
wir bis jetzt nur die Inschrift CIL III 1741, Inst. 1866, 69—77 und Pallu de Lessert 

" gesetzt von den eivitates superioris provineiae Nouvelles observations 24ff. 

SiHyrici, die eigentlich nichts beweist, Trie oben CO 13. Africa nova uir Xiuuidiu. 0L vui Scptiiuiu* 

S. 804 ausgefuhrt ist. Dagegen bestand hier Severus, d. h. bevor Numidien definitiv als selb- 

wie in der Tarraconensis offenbar in den ein- standige Provinz von der Proconsularis getrennt 

zelnen conventus ein besonderer Kaisercult und wurde, ein eigener Kaisercult und auch ein 

wohl auch Landtag. CIL HI 2810 begegnet eigener Landtag daselbst anzunehmen ist, wird 

ein sacerdos ad aram Augusti Lib[urn(iae)], verschieden beantwortet. Die vier coloniae 

vgl. ebd. 2808. Der Sitz dieses Kreiscultes Cirtenses (s. o. S. 557f.) hatten einen Kai- 

und Kreislaudtags war Scardona, die Haupt- sercult mit einem flamen divi luli an der Spitze 

stadt des conventus. (CIL VIII 7986); aber dieser war wohl zu- 



809 



Concilium 



Concilium 



810 



nachst ein municipaler Cult ohne ein C, scheint LD7 32. Liv. epit. 139. Suet. Claud. 2, der aller- 

sich aber mit der Zeit, je mehr die Stellung dings — offenbar irrtiimlich — 744 = 10 v. Chr. 

von Numidien sich verselbstandigte (date sehr als Grtmdungsjahr annimmt). Die ara Ubiorum 

wichtig CIL VIII Suppl. 14882 unter Vespa- fiir die beabsichtigte Provinz Germania ist die 

sian), zu einem provincialen entwickelt zu haben ; zweite Grundung des Augustus, auf alle Falle vor 

wenigstens heisst derselbe Caecilius Gallus, dem dem J. 9 n. Chr., sicher bald nach der Eroberung 

die erwahnte Inschrift (7986) als flamen divi des rechten Eheinufers errichtet (Krascheninni- 

luli gesetzt ist, auf der Grabschrift seiner Toehter koff a. a. O. 172). Ganz sicher datierbar sind 

{ebd. 7987, nach Mommsen Herm. I 60 auch dann nur noch der Beginn des Provincialcultes 
noch aus dem 1. Jhdt.) bereits flamen provin- 10 und damit auch der Landtage in drei Fallen: in 

ciae; so Mommsen a. a. 0. Hirschfeld Hispania Tarraconensis im J. 15 n. Chr. (Tac. 

Ann. d. Inst. 1866, 76; S.-Ber. Akad. Berl. 1888, ann. I 78), in Britannia unmittelbar nach der 

&41, 38 u. 850, 76. Krascheninnikoff a. Besitzergreifung unter Claudius (Hirschfeld S.- 

a. 6. 174, 128; anders Pallu de Lessert Ber. Akad. Berl. 1888, 841), in Africa proconsu- 

Nouvelles observations 28f. , der provincia in laris unter Vespasian etwa zwischen den J. 71/73 

der zweiten Inschrift fiir eine incoirecte Be- n. Chr. (CIL VIII 12039 und dazu Joh. Schmidt, 

.zeichnung der cirtensischen Samtgemeinde halt, Krascheninnikoff a. a. 0. 173ff. ; etwasab- 

was sehr wohl mOglich ist. Ist die erstere An- weichend 0. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 

sicht die riehtige, so wiirde trotz des beson- 1888, 841, 38). Die ubrigen zumTeil annahernd 
deren Kaisercultes von Numidien, der in der20zu bestimmen, giebt es em Indicium. Es ist 

Hauptsache doch wohl auf das cirtensische Ge- schon lange bemerkt worden, dass die Provincial- 

biet beschrankt blieb, das Bestehen nur eines priester teils sacerdotes teils flamines heissen, 

Landtags fur ganz Africa durch die oben heran- ohne dass man den Grund fur diese Verschieden- 

gezogene Inschrift von Timghad mit c. pr[o- heit scharf formuliert hatte. Es ergiebt sich nun, 

mnciae] Afrieae (CIL Vm Suppl. 17899), dass bei den beiden Cultgrundungen des Augustus 

die in das Ende des 2. Jhdts. geh6rt (vgl. selbst sacerdotes als Provincialpriester fungierten, 

17900), erwiesen, wenn nicht statt prfovinciae] und zwar in den Tres Galliae mit vollem Titel 

hier gerade so gut auch pr[ovine(iaeJ novfaef] sacerdos Romae et Augusti ad aram ad u. s. w. 

Afrieae erganzt werden kSnnte: wodurch die (Hirschfeld CIL XIH p. 228f.) — wozu herange- 
Inschrift auch zum Beweis des Gegenteils dienen 30 zogen werden muss Suet. Aug. 52, wonach Au- 

kann. Sicher hat ein eigener Landtag von Nu- gustus immer nur zu Ehren der Roma und des Au- 

midien seit Septimius Severus bestanden, auf gustus Altare oder Tempel errichtete — , bei der 

dessen Beschluss in dem Rescript von Vazaivi, ersten nachaugustischen Grundung dagegen ein fta- 

etwa aus der Mitte des 3. Jhdts., CIL VIII men, bei der vespasianischen wieder ein sacerdos 

Suppl. 17639 (Z. 3 decreti eoneili), Bezug ge- oder besser ein sacerdos provineiae. Wir stellen 

nommen zu sein scheint. Zudem heisst CIL daher den Satz auf: aus der Eristenz von sacerdotes 

VHI Suppl. 11546 ein gewesener Priester Romae et Augusti ergeben sich augustische Cult- 

der Proconsularis nicht bios sacerdotalis prov. und Landtagsgriindungen, aus dem Vorhandensein 

Afrieae, sondern ausdrucklich prov. Afrieae von flamines solche aus der Zeit zwischen 15 und 
v(eteris). Endlich begegnen wir auch in der 40 69 n. Chr., aus der Erwahnung von sacerdotes (pro- 

nachdiocletianischen Zeit zwei Landtagen in mnciae) kann auf vespasianische und nacbvespa- 

dem betrachteten Gebiet. sianische Griindungen geschlossen werden (daruber 

20. Mauretania Caesariensis ; Sitz Caesarea. Ehren- genauer unten). Dieser Satz ergiebt folgende Conse- 
inschriften der Provinz : CIL Vni 9037 (fur quenzen : In der Tarraconensis sind die Culte und 
Iulia Domna). 8930 (aus dem J. 213—217). VI daherwohlauchdieLandtagederConventeundzwar 
1060 (fiir Gordian IH. in Rom gesetzt). VIH derjenigen der Dioecese und Quasiprovmz Astuna 
9040 (fiir Aurelian); vgl. auch die Acten fiber et Callaecia (daruber Marquardt St.-V. 12 254) 
das Martyrium d. S. Fabius in Caesarea aus alter als der Provincialcult und -Landtag, und 
dem luli 304 (de Smedt Analecta Bollandiana zwar gegrundet unter Augustus in einer Zeit, da 
LX 1890, 123ff.). Die Provincialpriester sind 50 das nordwestliche Barbarengebiet noch in zwei, 
zusammengestellt bei Pallu de Lessert Nou- nicht in drei Districte zerfiel; wir kennen fftnf 
velles observations 35. sacerdotes Rom(ae) et Aug(usti) (so ist <">erall 

21. Mauretania Tingitana; Sitz in Tingi? Eine zu erganzen und nicht Augfitstorum) , wife CIL 
Ehreninschrift der Provinz fur ihren Patron, II Suppl. Index p. 1132 geschieht) iescomen- 
den Consul Iulius Asper vom J. 212, CIL XIV tus Asturum (aus Asturica CIL II 5124. 2637. 
2509; vgl. 2516 fur den Vater des Genannten, 2638, aus Tarraco 4223. 6094) und drei aescore- 
der Patron der spanischen und der zwei man- ventus Bracaraugustanus (aus Bracara CIL II 
retanischen Provinzen war. Vielleicht gehQrt 2426. 2416, aus Tarraco 4215), aber keinen saeer- 
hierher auch CIL VIH 908. dos dieser Art des conventus Lueensis; zudem 

HI. Uber die Entstehungszeit der Con-60ist einer der sacerdotes, deren Inschiiiten aus 

«ilia. Asturica stammen (2638), sacerdos Romae etAug, 

Es fragt sich nun: wie folgen diese Landtage ad Lucum Augusti, und an dem letzteren Platee 

•chronologisch in ihrer Entstehung auf einander? bestand nach 2573 ein collegium divi Augustt. Es 

Der alteste ist augenscheinlich derjenige der Tres haben daher urspriinglich und vielleicht in sacraler 

Oalliae, die damals noch eine Gallia bildeten, da Beziehung immer der conventus Asturum und 

von Drusus am 1. August 742 = 12 v. Chr. unter Lucemis einen Beziik gebildet, offenbar weii sie 

Assistenz der gallischen Grbssen die ara Romae bei der Grundung des Kaiseraltars in Lucus Au- 

et Augusti bei Lyon gestiftet wurde (Cass. Dio gusti ein zusammengehoriges Ganzes bildeten — 



811 



Concilium 



Concilium 



812 



Asturia, wie der eonventus Bracaraugustanus 
wohl das alte Callaecia (CIL II 2422), wenigstens 
zum grossen Teil, darstellt. Wahrscheinlich ist, 
dass auch noch der eonventus Climiensis einen 
vor dem provincialen eingerichteten Kaisercult 
hatte wegen CIL II Suppl. 6093 (aus Tarraco), 
wo ein Mann aus Intercatia in diesem Convente 
bezeichnet wird als saeerdos Romae et Augusti 
ap . .. .; die Erganzung des dann folgenden ist 



Vespasian entstanden sein, wie Krascheninni- 
koff nachzuweisen sucht. Die erste vespasiani- 
sche Grundung ist dann, wie erwahnt, Africa. 
Der Scbluss auf weitere vespasianische oder nach- 
vespasianische Griindungen aus der Erwahnung 
eines saeerdos provinciae ist deshalb nicht ganz. 
sicher, weil, .wie das Beispiel von Sardinien zeigt, 
auch ursprfinglich mit einem flamen ausgestattete- 
Provinzen spater ihren Priester der allgemeinen 



schwierig. Sicher falsch ist die Erganzung A[u]- 10 Gepflogenheit gemass saeerdos provinciae genannt 



gust(an)ar(um) im Corpus; vielleicht stand etwas 
da wie ap[ud Au]gustan(am) ar(am). Daneben 
begegnet aber ein fa/mm Romae ei Divi Augusti 
aus Clunia (II 2782), ein stadtischer Priester, der, 
wie Divus zeigt, nachaugustisch ist. Es scheint 
also auch hier in diesem halbstadtisch organi- 
sierten eonventus der Conventscn.lt (mit saeerdos) 
dem stadtiachen (mit flamen) vorausgegangen zu 
sein, wahrend in alien anderen Conventen der 



haben. Ware das nicht der Pall, so miisste man 
fur die beiden Pannonien und Moesia inferior auch 
erst Vespasian oder einen seiner Nachfolger als- 
Begrunder des Provincialcultes in Ansprueh nehmen. 
Fur Dakien ist es naturgemass Traian. 

IV. Umfang, Sitz und Zusammenset- 
zung der Concilia. 

Aus der obigen Zusammenstellung des Mate- 
rials ergiebt sich weiter, dass in den lateinischen 



Tarraconensis wie auch der viel starker romani- 20 Landern des ROmerreichs im allgemeinen eine 



sierten Baetica es umgekehrt war (saeerdotes 
stellenweise als Priester des stadtischen Cultes, 
zusammengestellt CIL II Suppl. p. 1133, dagegen 
ein flamen eonventus Carthaginiensis II 3412. 
3418). Ahnlich wie in der Tarraconensis steht 
es in Dalmatien, wo in Liburnien wegen des sa- 
eerdos ad aram Augusti Lib[urn(iae)] CIL III 
2810) unter der Annahme einer Abkiirzung fiir 
ad aram Romae et Augusti an einen augusti- 



Provinz einen Landtag hatte. Landtage, die 
grdssere Gebiete als nur eine Provinz umfassten,. 
waren die der Tres Galliae und seit Marc Aurel 
(Marquardt St.-V. 12 309) der Tres Daciae,. 
zwei Ausnahmefalle, die ihre Erklarung leicht darin 
finden, dass beide Gebiete bei der Cultgriindung 
nur je einen Verwaltungssprengel bildeten (Mar- 
quardt a. a. 0. 267. 308). Landtage, die kleinere- 
Bezirke als eine Provinz umfassten, begegnen zu- 



schen Cult zu denken ist, wahrend vielleicht der 30 nachst in Moesia inferior und in Creta-Cyrenaica,, 



Provincialcult von Dalmatien erst nach Augustus 
eingefuhrt ist. Fiir Pannonien und Moesien ist 
das Material noch zu gering, um eine Entschei- 
dung zu wagen. Betrachten wir die Gebiete, fur 
die wir sicher augustischen Ursprung der Culte 
und auch wohl der Landtage annehmen dfirfen, 
Gallien, abgesehen von der Narbonensis, Germa- 
nien, den Nordwesten der Tarraconensis, d. h. 
Asturien und Callaecien, vielleicht auch Libur- 



d. h. in der Gestalt alter griechischer xoiva (von 
Tomi und Creta), auf dem Grenzgebiet zwischen 
den lateinischen und griechischen Landern des 
Reichs, in welch letzteren dies die Eegel bildete 
(vgl. Art. Koivov), dann weiter in Dalmatien (Li- 
bumien) und in der Tarraconensis in Gestalt der 
hier vorkommenden Conventsculte und -Landtage, 
Es sind das Gebiete, in denen die Romanisierungbe- 
sonders schwierigen Aufgaben gegenuberstand,. 



nien und andere Gebiete von Illyricum, so ergiebt 40 weshalb hier, wie im vorigen Capitel ausgefuhrt 



sich, dass Augustus diese Institution allein in 
den nicht stadtisch, sondern nur volksgemeindlich 
organisierten Provinzen und Landschaften einge- 
richtet hat, wahrend er offenbar in den ubrigen 
Gebieten den Stadtgemeinden die Organisation 
des Kaisercultus tiberliess. Damit wird der oben 
(S. 803) angefuhrte allgemeine Satz von Krasche- 
ninnikoff vollkommen bestatigt. Provinzen mit 
famines im Provincialcult und daher nach obiger 



wurde, der Kaisercult zuerst in den kleineren und 
desselben am meisten bediirftigen Bezirken ein- 
gefuhrt wurde. Numidien (vor Septimius Severus) 
gehOrt vielleicht auch hierher (s. o. S. 808f.) ; hier 
lag der Grund in der fruhzeitigen quasiprovin- 
cialen Stellung des Gcbictes. 

Der Sitz der Versammlung war meist die 
Hauptstadt der Provinz; eine Ausnahme bildet 
Pannonia superior mit Savaria als sacralem Vorort, 



Ausrahrung zwischen 15 und 69 n. Chr. in dieser Be. 50 Stellenweise war die Cultstatte und der Versamm- 



ziehung eingerichtet sind ausser der Tarraconensis 
Lusitanien, Baetica, Sardinien (CIL X 7599 fla- 
men divorum Augustorum, spater erst in An- 
gleichung an die allgemeine Titulatur der Pro- 
vincialpriester = saeerdos provinciae, ebd. 7917, 
vgl. 7918), Gallia Narbonensis, Alpes Maritimae, 
Alpes Cottiae (Numidien, darOber o. S. 808f.), Mau- 
retania Caesariensis, und das stimmt vorziiglich 
mit .Krascheninnikoffs Resultaten, wenn man 



lungsplatz des C. nicht in, sondern bei der be- 
treffenden Hauptstadt, so in den Tres Galliae (S. 
806f. nr. 9) und in Pannonia inferior (S. 808 nr. 14). 
Zusammengesetzt waren die concilia aus Re- 
praesentanten (legati, so CIL XIII 3162 m 22ff.) 
der einzelnen Gemeinden der betreffenden Pro- 
vinz oder des Bezirks. Dass alle Stadtgemeinden,. 
bezw. in den nichtstadtisch organisierten Gebieten 
alle Volkschaften (eivitates, gentes) ohne Ruck- 



folgenuo EeiLtufulgo uiit BcriicLskhtigung seiner 60 siout aul ihre ^ualiUit als Burger-, latiikisciie oder 
Argumente annimmt: Lusitanien bald nach der " ' ' ' - -.- - 

Tarraconensis (wegen II 473 Divo Augusto von 
einem flamen divi Augusti prov. Lusitaniae), 
vielleicht auch noch Sardinien unter Tiberius, die 
Alpenprovinzen und Mauretanien (bezw. beide 
Mauretanien) unter Claudius und zuletzt erst Bae- 
tica und Gallia Narbonensis etwa unter Nero. 
Die lex Narbonensis kann trotzdem erst unter 



Peregrinengemeinden Sitz und Stimme in dem 
C. batten, ergiebt sich aus dem, was wir in dieser 
Beziehung durch Strabon iiber die Tres Galliae 
wissen (s. o. S. 806f. nr. 9). Nach dem Umfang 
der Gemeinden war wohl — wenigstens in den 
Tres Galliae — die Zahl ihrer legati bemessea 
(CIL XIH 1667; vgl: auch ebd. 3162 hi 22ff. 
cum inter ee[ter(osJ] legatum eum ereasset und 



813 



Concilium 



Concilium 



814 



fiber diese Stelle Guiraud 64. Carette 119f. 
0. Hirschfeld CIL XIII p. 228; eine Analogie 
bilden die Verhaltnisse des lykischen xoivov, Strab. 
XIV 664). Entnommen waren, wie es scheint, 
diese Gemeindevertreter beim Provinciallandtag 
den Decurionen (Guiraud 65. Carette 118f. 
0. Hirschfeld a. a. 0.). Ausser diesen Abge- 
ordneten der Provincialgemeinden hatten in jedem 
C. standigen Sitz und Stimme die gewesenen Pro- 
vincialpriester = sacerdotales oder flaminales (Lex 10, 
Narb. CIL XII 6038 Z. 14f., die Ansichten der 
Neueren fiber das hier auch erwahnte ius signandi 
der Genannten sind zusammengestellt bei Carette 
110—115). 

V. tFber Vorstandschaft und Zweck der 
Concilia. 

Der Vorsteher des Provincialkaisercultes und 
der Leiter des damit verbundenen C. war. der 
Priester an dem Provincialaltar oder -Tempel. Nir- 
gends ist es ein Priestercollegium, sondern immet20 
ein Einzelpriester {saeerdos oder flamen; die Worte 
in dem SC Italicense CIL II Suppl. 6278 saeer- 
dotes fidelissimarum GtaUiarum eoneursare, gau- 
dere, inter se loqui sind entsprechend dem ganzen 
Ton, in dem das Document gehalten ist, eine rhe- 
torische Ubertreibung oder schliessen die gewesenen 
und designierten Priester mit ein), oft mit einer 
Priesterin (flaminicd), meist seiner Gemahlin (z. B. 
CIL II 396. 397), zur Seite, nicht fiir den Cult 
einzelner divae Augustae, sondern zur Unter- 30 
stutzung fur den Gesamtcult (Carette 100. 
0. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 850f.). 
Gewahlt wurden diese priesterlicb.cn Vorsteher 
der C. nach einem bestimmten Turnus von den 
Curien der Gemeinden, die an der Reihe waren, 
worauf sie durch Zustimmung des C. die formale 
Bestatigung erhielten (so Hirschfeld S.-Ber. 
Akad. Berl. 1888, 853f., vgl. CIL II 2344. XII 
392. XIII 1698 und 1700, flamines designati: 
CIL II 2220. 5124, vgl. 4196; in der Tarraco- 40 
nensis sind Provincialpriester aus 36 Gemeinden 

die von Tarraco selbst nicht mit eingerechnet — 

bekannt, Hlibner CIL II p. 540f., in den Tres 
Galliae aus 16 Volkschaften, Hirschfeld CIL 
XIII p. 228), und zwar aus den Leuten, die in 
ihrer Heimatgemeinde alle Amter bekleidet hatten 
(CIL H 4223 ; Suppl. 5523. V 7259. Ill 1209. 
3936.4108; Suppl. 10496. XII 4393. XIII 1702 
u. s. w.), oft aus einer und derselben Familie, 
offenbar der fuhrenden in der betreffenden Ge- 50 
meinde (CIL II 4231 und 4232. XIII 939. 1704. 
1711. 1712). Nach dieser Vorcarriere war das 
Amt kaum vor vollendetem 30. Lebensjahr zu 
erreichen (eine Ausnahme, wozu aber besonderes 
Einverstandnis des C. erforderlich war, CIL XIII 
1699 undl700) und bildete den Abschluss undHohe- 
punkt der municipalprovincialen Carriere (die sa- 
eerdotes von Gallien im SC Italicense, CLL LI 
Suppl. 6278, werden prineipales viri genannt, vgl. 
Ccnsoria. do die natali XV -1 und 6 ; nicht ?elte^ 60 
Leute von Ritterrang: CIL H 4238. HI 1513. 
3936. XH 3212. 3213; vgl. auch II 4225. m 
129. XH 3183. 3184. 3275 add.). Nach einjah- 
riger Amtsdauer (Lex Narbonensis CIL XLI 6038 
Z 20 die Angabe des Priester jahres CLL VHI 
Suppl! 12039 und 14611, vgl. CIL LT 2195. 2221. 
2344. 3711, der Gegensatz zu dem lebenslang- 
lichen Municipalflaminat [fl. pp.] zeigt sich ebd. 



32. 4211 ; Ausnahmen nur bei Frauen : flammiea 
perpetua prov. Hispawiae citerioris GIL H 4190. 
4462, saeerdos perpetua Romae et Augusti con- 
ventuus Braearaugustani ebd. 2416, vielleicht 
Ehrentitel) " wurden die ahgehenden Provincial- 
priester und -Priesterinnen geehrt vom C. durch 
die Errichtung von Statuen fur sie und auch fur 
Angehorige vor dem Kaisertempel (Vorschriften 
dariiber in der Lei Narb. CIL XH 6038 Z. llff., eine 
Masse von Inschriften derart haben wir aus Tar- 
raco und Lugudunum) und in der Heimat (CIL 
XIII 1042—45, Saintes. 3162, Inschrift von Tho- 
rigny. Vm Suppl. 17899, Thamugadi. VHI 4611, 
Simitthus, hier von der eigenen Gemeinde), weiter 
durch dauernden Sitz in der Curie der Heimat- 
stadt und im C. (Lex Narb. Z. 14f.), sowie durch 
den Titel eines saeerdotalis oder flaminalis (Al- 
bum von Thamugadi. CIL VHI 2403). Die Ge- 
samtheit dieser gewesenen Priester bildete dann 
die hochste Schicht der provincialen Aristokratie, 
woraus entsprechend der allgemeinen Entwick- 
lung zum Kastenwesen im spatrOmischen Staate 
allmahlich ein besonderer, anfangs nur factisch, 
spater rechtlich geschlossener ordo wurde, in den 
man zur besonderen Ehrung aufgenommen werden 
konnte (CIL X 7518 ein adleetus inter sacerdo- 
tales prov. Sardiniae). Im ubrigen vgl. die Art. 
Flamen und Saeerdos. 

Aus den Befugnissen dieser priesterlichen Vor- 
steher der Concilia ergeben sich am deutlichsten 
Zweck und Aufgaben der Provinciallandtage selbst, 
soweit sie religioser Natur waren. Die Provincial- 
priester hatten neben dem Vorsitz im C. im Namen 
der Provinz die Leitung der Ceremonien des Kaiser- 
cultes und die Abhaltung der damit verbundenen 
Festspiele (O. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 
1888, 856ff. Carette 67ff.). Aus der Leitung 
des Landtags durch einen Priester ergiebt sich 
der religiose Grundcharakter der ganzen Institu- 
tion. Das Provincialfest , bestehend aus einer Pro- 
cession mit dem Provincialpriester an der Spitze, 
dem Gebet am Kaiseraltar fiir die Roma und den 
Augustus bezw. die divi Augusti, dem feierlichen 
Opfer fiir dieselben und dem daran anschliessenden 
Festmahl und den Spielen, welches stattfand am 
Griindungstag des betreffenden Altars — in Lu- 
gudunum am 1. August (s. o.), in Caesarea in 
Mauretanien in derzweiten Halfte des Juli, Pallu 
de Lessert Nouvelles observat. 13 — , war auch 
die Zeit fur die jahrlich stattflndende Versamm- 
lung des C, dessen Mitglieder zunachst dem Pro- 
vincialpriester bei diesen feierlichen Handlungen 
als Vertreter der einzelnen Provincialgemeinden 
assistierten. Die mit dem Fest verbundenen Spiele 
(iiber dieselben vgl. Suet. Gains 20. Iuvenal. I 
43), an denen die Deputierten auf reservierten 
Platzen teilnahmen (CIL XIII 1667), entruckten 
andererseits durch ihren halbprofanen Charakter 
das C. schon der rein religiosen Sphare. In letz- 
t^rer 3^71^1^? wirkte auch der Umstand, dass 
die Versammlung fur die Instandhaltung der der 
Provinz gehorigen Heiligtumer mit alien Neben- 
gebauden und rdr die Vorbereitung des jahrlichen 
Provincialfestes eine starke Verwaltungsthatigkeit, 
besonders in financieller Hinsicht, entfalten musste. 
Endlich kam_ dazu, dass diesen Versammlungen 
wie jedem Privatmann und jeder Curie ein Pe- 
titionsrecht an den Kaiser zustand, und im Anschluss 



815 



Concilium 



daran vielleicht ist ihnen das wichtige Recht ver- 
liehen worden, nieht nur die Thatigkeit der Statt- 
halter dureh Errichtung von Ehrenstatuen oder 
durch Ehrendeerete anzuerkennen, sondern auch 
fiber dieselben Beschwerde zu fuhren, ja sogar 
Anklagen gegen dieselben beim Senate zu erheben 
— zum grossen Yerdrnss der stadtrOmischen Ari- 
stokratie (vgl. die Rede des Paetus Thrasea, Tac. 
ami. XV 20—21). So sclraf die rOmische Regie- 
rung m dem Kaisercult und den Concilia, aua- 
gehend von den Provinzen der Peripherie, den 
eigentlich kaiserlichen, nicht nur religiose Mittel- 
punkte fur die Provinzen, die in den barbarischen 
Landern eminent den Zwecken der Romanisierung 
dienten, sondern auch, was die Concilia betrifft, 
zugleich Organe fur die Wiinsche, Bediirfnisse 
und Klagen der Provincialen aowie zur Controlle 
der kaiserlichen Beamten, gab also diesen Ver- 
sammiungen unter dem religiosen Deckmantel 
auch eminent politische Aufgaben. 

Betreffs weiterer Zwecke, denen die Concilia 
gedient haben sollen, ist die Ansicht Mommsens 
(K. G. V3 85) von der Mitwirkung bei der Re- 
partition der Steuern der Provinz, wenigstens in 
den Tres Galliae, nicht geniigend durch Beweise 
■gestfltzt (Carette 157ff. 0. Hirschfeld CIL 
XEH p. 229 und zu nr. 1694; fiber die von Momm- 
sen auch herangezogene Inschrift CIL II 4248 
urteilt richtiger Hiibner CIL n p. 540f.) Da- 
gegen hat Hirschfeld (CIL XIII p. 230) die 
interessante Beobachtung gemacht, dass dieses 
C. Galliarum auf dem Gebiete des Handels und 
Verkehrs einen Einfluss geiibt hat. Eine ganze 
Anzahl Schiffergilden, die nicht auf das Terri- 
torium von Lugudunum oder der Segusiavi ihre 
Thatigkeit beschranken, daher hier nur consi- 
stieren (s. Art. C o n s i s t e r e), haben Beamte dieses 
C. als patroni (CIL XIII 1688. 1709. 1695), so 
dass die Verniutung naheliegt, dass ihre Rechte 
und Privilegien fur ein grOsseres Gebiet in Gallien, 
wenn auch nicht vom C. ihnen gegeben wurden, 
so doch von seiner Zustimmung oder Bestatigung 
abhangig waren (vgl. auch Hirschfelds Be- 
merkung ebd. Anm. 3 fiber den libertus Galliarum 
Abaseantus, der lange Zeit in Ostia gelebt hat • 
CIL XIV 324—328, auch 71 und 281 n 15)! 
VI. Das Verhaltnis der Concilia zum 
Kaiser und den kaiserlichen Beamten im 
einzelnen. 

Urn Wiinsche oder Klagen an den Kaiser zu 
bringen, wurde entweder eine legatio vom C. nach 
Rom gesandt oder aber brieflich mit dem Kaiser 
in Verbindung getreten, letzteres durch Vermitt- 
lung des Statthalters. Aus den zum Teil erhal- 
tenen Antworten der Kaiser erhellt, um was fur 
Dinge es sich hierhei handelt. Eine epistula Titi 
ad Aehaeos (Plin. ep. ad Traian. 65) beschaftigt 
sich mit den Alimentarstiftungen , ein Rescript 
des Hadrian an das C. von Baetica (Dig. XLVII 
14,' 1) handelt uber die Strafe, welcher die Vieh- 
rauber vertallen sollen. Um was fur einen von 
demselben Kaiser erfullten Wnnsch der Tres Galliae 
es sich in der Inschrift CIL XIII 1685 handelt, 
ist nicht mehr festzustellen (vgL den Versuch 
einer Erganzung daselbst). Ebenso kann der In- 
halt des Rescripts an das C. von Numidien, CIL 
VIII Suppl. 17639 , wonach Bedrtcktmgen der 
Provincialen durch Beamte (und Soldaten?) in 



Concilium 



816 



817 



Concilium 



Concilium 



818 



Zukunft scharfer geahndet werden sollen, nicht 
im einzelnen sicher bestimmt werden (vgl. den 
Commentar zu der Inschrift). Der Brief des 
Valerian ad Gcdlos (Hist. Aug. Postum. 8), der 
die Ernennung des Postumus als transrhenani 
limitis dux et Galliae praeses anzeigt, ist wahr- 
scheinlich nicht an das C. gerichtet (Carette 
198). Die Kaiser und ihre AngehOrige waren natur- 
gemass auch Gegenstand der Schmeichelei nnd An- 
lOerkennung durch Gliickwunschadressen (Quintil. 
VIII 5, 15), Ehreninschriften nnd -Statuen, sowohl 
am Sitz des C. (CIL V 7980 fiir Caracalla in 
Cemenelum. Ill 6170 fiir Elagabal in Troesmis. 
ebd. 1454 fur Gordian III. in Sarmizegetusa. VTII 
9037 fiir Iulia Domna in Caesarea) als auch in 
Rom (CIL VI 1060 fur Gordian HI. von der Maure- 
tania Caesariensis). 

Ebenso muss die Ehrung der kaiserlichen Be- 
amten durch die Provinzen schon friih im fjber- 
20 mass vorgekommen sein. Schon Augustus verbot 
im J. 11 n. Chr. den Provinzen, einem Statthalter 
wahrend der Zeit des Amtes oder innerhalb 
60 Tagen nach dem Abgang eine Ehrenbezeugung 
zu teil werden zu lassen (Cass. Dio LVI 25). 
Ein Gesetz des Nero, welches iiberhaupt unter- 
sagte , dass irgend eine an den Senat gerichtete 
Dankesbezeugung fur Statthalter bei einem Pro- 
vinciallandtag {concilium, soeiorum) beantragt 
werde (Tac. ann. XV 22), muss sehr bald wieder 
30 in Vergessenheit geraten sein. Wir besitzen eine 
ganze Anzahl Ehreninschriften dieser Art von 
Provinzen fiir Statthalter z. B. CIL XIII 1679 
III 1412 ; vgl. ebd. 1741. X 1430—32. 3853, und fur 
sonstige Provincialbeamte CIL VI 3835 (fiir einen 
Quaestor pro praet. von der Provinz Asia). XIII 
1680 (fur einen Finanz-Procurator von den Tres 
Galliae). 

Aber auch vom Recht, gegen Statthalter zu 
klagen, scheint nicht wenig Gebrauch gemacht 
40 worden zu sein. Die uns durch Tacitus und die 
Briefe des jiingeren Plinius bekannten Processe 
dieser Art sind von Guiraud 173f. zusammen- 
gestellt. Das Verfahren in der Versammlung bis 
zum Beschluss, ob eine Anklage zu erheben sei 
oder nicht, berichtet die Inschrift von Thorigny 
CIL XHI 3162 in 14ff. (darflber unten S. 81 If.). 
Im Palle die Anklage gebilligt wurde, gingen 
ein oder mehrere legati mit dem Beschluss des 
C. nach Rom ab (Plin. epist. VII 6, 1). Wurde 
50 die Klage hier angenommen, go wurde sie bis 
auf Hadrian meist vor dem Senat , nachher vor 
dem Kaiser bezw. dessen SteUvertreter, dem Prae- 
fectus praetorio, anhangig gemacht, wobei die 
Deputierten des C. das Recht batten, persOnlich 
in den Verhandlungen das Wort zu ergreifen (Plin. 
epist. V 20). Auf ein zu Gunsten der Provinz 
Africa glucklich beendetes Verfahren bezieht sich 
wohl die Inschrift CIL VHI SuppL 11017: Genijo 
sfejnatus ob [reparjatam iustitiam servata de~ 
m fm*riqvfe] prrorivirj) Affricaj Qigth[c]nscs ^u- 
bliee ex dfeeretoj pfrovineiaej AffricaeJ. 
VII. Die Finanzen der Concilia. 
Ausgaben erwuchsen den Concilia: 1) fur den 
Cultus, 2) ffir die Ausffihrung ihrer Beschlusse 
und der Verwaltnng. Was den Cultus betrifft, 
so verursachten Kosten die Errichtung und Unter- 
haltung der fur den Cult notwendigen Gebande, 
vor allem des Kaiseraltars und -Tempels (Strab. 



I 



TV 192: to re legdv to avaSsix&iv into stavrmv 
xotvfj tu>v rakatobv Kalaagi zip Sefiaarcji tiqo iav- 
tt}s idgyxai zfjs sidXeaig; es kam aber vor, dass 
die Kaiser diese Kosten den Provinzen manchmal 
abnahmen, Hist. Aug. Hadr. 12. CIL III 3342; 
vgl. XIH 1685), der um den Tempel sich grup- 
pierenden Nebengebaude, z. B. in Gestalt von 
Wohnungen fiir das Tempelunterpersonal, weiter 
fur die Provincialspiele eines Amphitheaters der 

iJ-Wlrt-m -V* WW rrrZ r* Am wm T3 — — T « «. __ __ _ _"!_ -_ * _ ? I 



XHI p. 230) arcae Galliarum (ebd. 1688. 1709), 
den Hirschfeld fiir einen Gehilfen oder Assessor 
des index arcae halt; offenbar ist es der Cassierer 
des C. Ein dritter Beamter hier, der inquisitor 
Galliarum (ebd. 1690. 1695. 1697. 1703), ist am 
schwierigsteir in seinen Functionen zu bestimmen; 
vgl. die Zusammenstellung der verschiedenen An- 
sichten bei Carette 170ff. und O. Hirschfeld 
CIL XIII p. 230. Am ehesten sind noch an- 



Provinz, wie es z. B. in Lyon nachgewiesen istlOnehmbar die Vermutungen, dass er entweder be- 



(0. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 840), 
endlich der Statuen der consecrierten Kaiser (von 
Hadrian gab es in Tarraco sogar mehrere und 
zwar vergoldete, CIL II 4230; aus dem Ende der 
Lex Narbonensis scheint hervorzugehen, dass der 
frnnm einen bestimmten Fond in Hiinden hatte, 
fiber dessen Verwendung u. a. fur Statuen und 
Bilder des Kaisers erRechenschaft ablegen musste). 
Weiter wurde das C. mit Ausgaben in Cultsachen 



stellt gewesen sei, um die Stellung und das Ver- 
mogen der Leute zu inquirieren, die fur das Amt 
des Provincialpriesters in Aussicht genommen 
waren, oder um die Processe zu instruieren, bevor 
sie an den index arcae gelangten. Auch diese 
Beamte stammen — offenbar nach einem Turnus 
— aus den verschiedensten Gemeinden und haben 
in der Heimatgemeinde die Municipalamter be- 
kleidet (s. die oben angef. Inschr.), einer der alleefi 



belastet durch die Opfer und vor allem die Spiele 20 ist sogar von Ritterrang (Xni 1688). Auch ihnen 



beim Provincialfest. Doch waren die Kosten der 
letzteren hauptsachlich den Priestem aufgebardet 
(CIL II Suppl. 5523 edito ob honorem flamina- 
tus munere gladiatorio et duabus lusionib(us)), 
die dadurch nur zu oft financiell ruiniert wurden 
(vgl. die Klagen derselben im SO Italieense CIL 
II Suppl. 6278). Die Ausfiihrung von Beschliissen 
der Versammlung brachte Kosten vor allem in 
zweierlei Richtung 1) fiir die Gesandtschaften an 



werden nach Vollendung ihrer (einjahrigen?) Dienst- 
zeit zur Anerkennung vom C. Statuen errichtet 
(1688: ob allecturam fideliter administratam). 
Ausserhalb Galliens scheint die Cassenverwal- 
tung und das damit verbundene Archiv der Pro- 
vinz mit dem Amt des Provincialpriesters cumu- 
liert gewesen zu sein (in der Tarraconensis wird 
wenigstens durch einstimmigen Beschluss des C. 
ein Pro vincialpriester durch Errichtung einer Statue 



den Kaiser — aber auch hier kam es vor, dass 30 unter den flaminales geehrt ab curam tabulari 



reiche Leute der Provinz die Reise auf eigene 
Kosten machten, CIL II 4201, vgl. Archaeol. Ztg. 
1878, 177; 2) fiir die Ehreninschriften und 
-Statuen, sowie fiir die Processe gegen die Statt- 
halter. Die Kosten der Statuen fiir die abtreten- 
den Provincialpriester trugen in der Narbonensis 
diese selbst (Lex Narb. Z. 10ff.), anderswo wurden 
sie von den AngehOrigen freiwillig iibernommen 
(CIL II 2221. 4233. 4241. 4246). Diesen Aus- 



censualis fideliter administratam, CIL II 4248 ; 
die auf den Inschriften der verschiedensten Pro- 
vinzen vorkommenden tabularii, gewohnlich Frei- 
gelassene, miissen sich nicht immer auf die Archiv- 
verwaltung der Concilia beziehen, sondern gehCren 
wohl meist zu der kaiserlichen Provincialflnanz- 
verwaltung; tabularius Galliarum: CIL VHI 
1725, tab. Alpium Cottiarum CIL V 7258, in 
Lusitanien H 485. 486 u. s. w., in Dakien IH 1467), 



gaben standen Einnahmen gegeniiber 1) aus dem 40 ebenso die Verwaltung des Tempelgebaudes (in 



Eigentum an Grand und Boden um den Tempel 
(CIL II 4269 loco a provineia impetrato) und 
an Sclaven (CIL XIV 328. n 6101); 2) aus jahr- 
Hchen Beitragen der Gemeinden (stips annua: 
Dio Chrysost. II p. 45 Diifd. Cic. ep. ad Quint, 
fr. I 1, 26. Strab. IV 192. O. Hirschfeld 
CIL XIII p. 229f.) in eine gemeinsame Casse = 
area, fur welche wir allerdings bis jetzt nur Zeug- 
nisse aus den Tres Galliae haben (CIL XIH 1686. 



der Tarraconensis ebenfalls ein Provincialpriester, 
der zugleich Curator templi war, CIL H 4202). 
Die unterste Schicht der Angestellten bilden die 
Sclaven und Freigelassenen im Provineialdienst ; 
Sclaven der Provinzen: CIL LT 6101 (der Tarra- 
conensis). XIV 328 aus dem J. 177 (der Tres Gal- 
liae; spater, ebd. 824ff., war derselbe Galliarum 
libertus). II 2230 ein libertus der Provinz Baetica. 
Endlich sei hieran noch angeschlossen, dass 



1688. 1707. 1709, weder CIL VI 8575 = Wil- 50 auch die C. wie alle Korperschaften im rOmischen 



manns 1404 noch CIL III 4049 gehort hierher). 

Das Mfinzrecht scheinen die Concilia des Westens 
niemals besessen zu haben (Guiraud 147ff. Ca- 
rette 168f.), wahrend es sich im Orient bei ein- 
zel nen x oivd nachweisen lasst. 

VJL1I. Die Verwaltungsbeamten der Con- 
cilia. 

Die priesterlichen Vorsteher der C. umgeben 
im Westen nicht so viel Beamte wie diejenigen 
der alten griechischen «oim im Osten. Ein 60 
grOsseres BeBamtenpersonal kennen wir nur beim 
C. der Tres Galliae. Fur die Finanzverwaltung 
begegnet ein iudex arcae Galliarum (CLL XTTT 
1686. 1707. 1708), wie es scheint, der jnristische 
Beirat bei der Cassenverwaltung des Landtags, 
der fiber die die area betreffenden Streitigkeiten 
nnd Processe zu entscheiden hatte; daneben ein 
allectus (nieht aUeetor, vgl. O. Hirschfeld CLL 



Reich sich patroni wahlten, einmal aus der Reihe 
der gewesenen Statthalter und sonstigen kaiser- 
lichen Provincialbeamten und Militare (CIL X 
1430-82. XI 383. XIV 2508. 2509; vgL 2516. 
VHI 9047), die in Rom nfltigenfalls ihren Ein- 
fluss zu G unsten der Provinzen anwendeten (Plin. 
epist. Vn 33), und zweitens aus den gewesenen Pro- 
vincialpriestern und anderen verdienten Mannern 
der Provinz (CIL V 7917. 9699 u. s. w.). 

IX. Die Geschaftsordnung derOoncilia. 

Jedes Mitglied scheint in der Versammlung 
das Recht der Initiative gehabt zu haben (Tac. 
ann. XV 22. CIL XHI 3162 in 14ff.). Die Streit- 
frage, ob die Delegierten dnrch ein imperatiTes 
Mandat der Gemeinden gebunden waren, wird von 
Guiraud (HOf.) in bejahendem Sinn gelOst, mit 
Bficksicht aof die Worte in der Inschrift von Thori- 
gny fiber Sollemnis Xni 3162 m Z. 22ff. quod 



819 



Concilium 



Concilium 



820 



patria cius cum infer eefterfosj] legatum eum 
ereasset, nihil de acfcusajtione mandassent, imrno 
contra laudfassejnt , wahrend Carette (129ff.) 
gerade unter Bezugnahme auf dieselbe Stelle mit 
dem Einwand Einspruch erhebt, dass dann Sollem- 
nis die fibrigen Deputierten, die wir uns ebenfalls 
im Besitz eines solchen Mandats denken miissten, 
nicht hatte umstimmen konnen. Es hatten nam- 
lich in dem C. Galliarom nach dieser Inschrift 
mehiere Mitglieder die Initiative zu einer An- 
klage gegen den Statthalter der Lugdunensis, 
Paulinus, ergrififen. Sollemnis, dem zu Ehren die 
Inschrift gesetzt ist, tritt dagegen auf und er- 
klart, geschweige denn, dass er mit einer Klage 
gegen diesen Mann betraut sei, habe er seine 
Verwaltung vielroehr zu loben. Infolge seiner 
energischen Opposition wird die Anklage fallen 
gelassen. Es kann sich, wie man sieht, doch hier 
nur um eine ganz allgemeine Instruction des Sol- 
lemnis durch seine Heimatgemeinde handeln. In 
der Lex Narbonensis (CIL XII 6038 Z. 10ff., vgl. 
audi dieFassung vonKrascheninnikoff a. a. 0. 
161) ist ein Fall vorgesehen, in dem nur der vor- 
sitzende flamen provineiae die Initiative ergreifen 
kann, namlich dann, wenn sein Vorganger autori- 
siert werden soil, sicb eine Statue im Bezirk des 
Provincialtempels zu errichten. 

Die Discussion war offenbar frei, wie die In- 
schrift von Thorigny (a. a. 0.) zeigt. In diesem 
Falle endete sie mit allgemeiner Ablehnung des 
Antrags. Die Abstimmung in dem eben aus der 
Lex Narbonensis angezogenen Falle geschah nach 
Vereidigung der Mitglieder (iurati) und geheim 
([per tabeUJas, eine Erganzung, die jetzt allge- 
mein angenommen ist, auch von 0. Hirschfeld 
S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 859, 123) analog der 
Abstimmnng im xoivbv OeoeaX&v /u&' oqxov 
xQVfpa (Le Bas III 1189). Das war aber wohl 
eine Ausnahme, im allgemeinen war wohl offene 
Abstimmnng fiblich und es genfigte einfache Majo- 
ritat. Einstimmige Beschlfisse werden in den 
Inschriften ausdriicklich vermerkt z. B. durch die 
Formel universi eensuerunt (CIL II 4248, vgl. 
XII 392 uni] versa provin[cia consentiente]). Nach 
Guiraud (108f.) hat auch die haufig vorkom- 
mende Formel ex consensu provineiae (CIL II 
2221. 2344. 4246. X 7518. 7599. 7917) wegen 
der in der Inschrift von Thorigny gebrauchten 
Wendung quasi ex consensu provincial denselben 
Sinn. Wahrend 0. Hirschfeld (S.-Ber. Akad. 
Berl. 1888, 853, 90) sich zustimmend aussert, halt 
Carette (150) diese Formel fur gleichbedeutend 
mit ex decreto concilii oder provineiae (CIL LT 
4255. VIE 11017. 14364). Beschlfisse (decreta) 
der Versammlungen haben wir im Wortlaut von 
den Concilia des Westens nicht (anders bei den 
xoiva, s. Guiraud 111 m. A. 5). Ob uberhaupt 
bezw. wie weit dieselben der Genehmigung des 
Statthalters oder Kaisers unterworfen waren, ist 
inbckannt. Nach der Los Narboncn~is 7.. 13 
hat so, wie Mommsen und Hirschfeld er- 
ganzen, der Kaiser in dem hier angefOhrten Fall 
ein Einspruchsrecht (Carette 151f.; eine andere 
Erganzung und Auffassung der Stelle bei Kra- 
scheninnikoff a. a. 0. 160f.). 

X. Die rechtliche Stellung der Land- 
tage. 

Guiraud (113fF.) reiht die Concilia in die 



Classe der collegia licite coeuntia religioser Natur 
(s. o. S. 386ff. 408ff.) ein; Carette (50f.) sucht sie 
als rein staatliche Korperschaften , wie etwa die 
Curien der Stadte, zu erweisen. Die richtige Auf- 
fassung liegt in der Mitte und zwar naher bei Gui- 
rands Ansicht, abgesehen von den Griindungen 
des Augustus. Unter ihm scheint der Staat 
bei der Einrichtung bestimmend eingegriffen zu 
haben (so Drusus in den Tres Galliae, Cass. Dio 

10LIV 32), aber nachher kamen doch die meisten 
Culte und Landtage der Provinzen auf Initia- 
tive der Unterthanen, gerade wie die Collegien, 
zu stande (vgl. Tac. ann. I 78 petentibus Eispa- 
wis permissum, datumque in omnes provincial 
exemplum). Carette etutzt seine Ansicht vor 
allem auf die lex des narbonensischen C. (CLL 
XII 6038); doch das genligt nicht, da auch jedes 
Colleg seine lex, d. h. seine Statuten, hatte. Auch 
ist die Lex Narbonensis weder eine Erganzung 

20 des Stadtrechts von Narbo (Bruns Fontes I fl 
p. 140f.) noch der lex provineiae Narbonensis 
(Krascneninnikoff a. a. 0. 148). Eher ware 
geltend zu machen gewesen, dass ein C. wohl 
rechtlich seinen Sitz in einer bestimmten Stadt- 
gemeinde (z. B. in Narbo) hatte, aber doch nicht 
nur auf diese, sondern iiber die ganze Provinz 
sich erstreekte, etwas, was bei Collegien sehr selten 
vorkommt; dieselben sind gewflhnlich nur auf das 
Territorium der betreffenden Gemeinde, in der sie 

30 concessioniert sind, beschrankt (iiber Ausnahmen 
in Lyon und deren Zusammenhang mit dem c. 
trium Oalliarum ist o. S. 815 gehandelt). Neben 
der Ausdehnung fiber eine ganze Provinz anstatt 
iiber ein Gemeindeterritorium ist es dann weiter 
der Umstand, der die concilia von den collegia 
scheidet, dass die ersteren friiher und intensiver 
in den Dienst der Staatsveiwaltung gestellt wur- 
den, als die letzteren (iiber diese Entwicklung 
der privaten Vereine s. oben S. 442ff.), d. h. 

40 dass sie , wohl von vornherein , neben ihre reli- 
giflsen Function eine Art von Representation 
der Provinz darstellten , die nicht nur in politi- 
scher, sondern auch — wenigstens was das C. 
der Tres Galliae betrirft — spater in wirtschaft- 
licher Beziehung fur 4as betreffende Gebiet eine 
fiber die private Sphare weit hinausgehende Be- 
deutung hatte, so dass sie schliesslich in der 
nachdiocletianischen Zeit, wie sich zeigen wird, 
das, was Carette auch schon fur die bessere 

50 Kaiserzeit annimmt, wurden, namlich rein staat- 
liche Korperschaften. 

B. Die Concilia der nachdiocletiani- 
schen Kaiserzeit. 
Neben der eben schon angedeuteten allge- 
meinen Entwicklung des RCmerreichs zur Ein- 
stellung aller privaten Korperschaften in den 
Dienst des Staates haben vor allem zwei Momente 
eine starke Umwandlung dieses Institutes hervor- 
gebracht: 1) die diocletianisch - constantinische 

60 Bdehsform -and 2) die EAchiing de= Chri?ton- 
tums • zu einer mit dem Heidentum gleichberech- 
tigten, spater znr einzigberechtigten Religion. 
Das erste Moment hat infolge der ErhOhung 
der Zahl der Provinzen und der Provinciali- 
sierung Italiens vor allem die Qnantitat, das 
zweite infolge des Absterbens des Kaisercultus 
die Qualitat der Concilia ganz wesentlich ver- 
andert. 



821 



Concilium 



Concilium 



822 



I 



I. Die uns bezeugten Concilia dieser 
Zeit (mit Einschluss der orientalischen). 
a) Westen. 

1. Baetica, CIL II 1972 consensu totius provin- 
eiae . . . ordo civitatis Malaeitane. 

2. Lusitania, Cod. Theod. I 1, 1 und Cod. lust. 
I 23, 4, Constantinus ad Lusitanos aus dem 
J. 322. 

3. Gallaecia, Chronik des Hydatius, Mommsen 
Chron., min. II 33. 10 

4. Novempopulana , CIL XIII 412 (Ende des 
3. Jhdts.); ebd. 128 I 9. u 1 (christliche In- 
schrift, nach den Buchstaben ungefahr des 
5. Jhdts.). 

5. Narbonensis, Ammian. Marc. VIII 1, 4. 

* [Lugdunensis] , Sid. Apollin. ep. I 6, 4; Ca- 
rette (367) bezieht die Bezeichnung c. auf eine 
stadtische Curie. 

6. Liguria, Ennod. vit. Epiph. 53. 57. 

7. Venetia et Histria, CIL VI 1751 (aus dem 20 
J. 378) Petronio Probo . . . Veneti adque Histri 
peculiares eius patrono praestantissimo. 

8. Tuscia et Umbria, CIL VI 1702 (nach 366), 
gesetzt von den Tusci et TJmbri, Wilmanns 
2843 = Henzen 5580. Wilmanns 2102 ein 
coronatus Tusciae et Umbriae. Die gemein- 
schaftliche Hauptstadt war das etruskische Vol- 
sinii, offenbar in Anlehnung an den uralten 
Landtag der Etrusker hier (s. o. S. 802). An der 
Spitze standen zwei Provincialpriester, often- 30 
bar bedingt durch den Charakter als Doppel- 
provinz (W i 1 m a n n s 2843). Diese Inschrift lehrt 
uns nun weiter, dass in sacraler Beziehung im 
J. 326 eine Teilung in Tuscia und Umbria statt- 
fand, indem wegen der beschwerlichen Reise 
nach Volsinii fur die Umbrer Hispellum, nun- 
mehr = Urbs Flavia Constans, der Sitz eines 
besonderen umbrischen Kaisercultes der gens 
Flavia mit einem eigenen Tempel, besonderen 



X 10, 9 ad provinciates Byzacenos (364). XI 
19, 3 (iL64)provincialibus Byxacenis. XII 1,. 
59. 60. XVI 2, 17 ad Byxacenos (364). 

15. Africa proconsularis, Cod. lust. II 12, 21 (au& 
dem J. 315). Cod. Theod. XI 30, 15 (329). 
XII 5, 2 (337) , alle drei ad concilium, pro- 
vineiae Africae; ebd. X 10, 10 (365). XIH 
6, 6 (372): ad previneiales Afros. VIII 4, 2 
(315). XI 7, 4 (327). IX 34, 5 (338): ad Afros. 
VII 4, 26 (401). VIII 5, 63 (401). XI 1, 29 
(40 1) : provincialibus provineiae proconsularis. 

XI 28, 5 (410). IX 40, 21 (413): honoratis et 
provincialibus Africae. XII 1, 186 (429) er- 
warmt eine legatio proconsularis provineiae. 
Von Inschriften gehort hierher CIL VI 1736 
fur den Proconsul Iulius Festus Hymettius, ge- 
setzt von der provincia Africa um 368. End- 
lich vgl. Claudian. laus Stil. II 191. Eine Zu- 
sammenstellung der Priester dieser Zeit bei 
PalludeLessert Nouvelles observations 43fL 

16. Numidia, CIL VIII 7012. 7013, Ehrung des 
Ceionius Italicus (noch im Dienst) durch die 
Provinz im J. 353. Nov. Valent. III. 18 Anf. 
(445) Numidarum et Maurorum Sitifensium, 
nuper acta legatio u. s. w. Die Provincial- 
priester bei Pallu de Lessert a. a. 0. 47ff. 

17. Mauretania Sitifensis, Cod. Theod. VII 1, 6 
(365). XII 1, 64 (365): Mauris SUifensibus. 
Nov. Valent. in. a. a. 0. (445). 

b) Osten. 

18. Moesia, Cod. Theod. XII 1, 96 (383) Con- 
cessum curialibus provineiae Mysiae. 

19. Thracia, Iulian. ep. 47. 

20. Alle Provinzen der Dioecese Macedonia, Cod. 
Theod. XI 1, 33 (424). 

21. Epirus, Ammian. Marc. XXX 5, 8. 

22. Achaia, Cod. Theod. XI 7, 18 (409) legato- 
rum Achaeorum admonitione. 

23. Creta, CIG 2595—2597. 



Spielen und einem besonderen Landtag fur 40 24. Cyrenaica, Synes. de insomniis 9 ; de regno 



Umbrien wurde, Mommsen Ber. d. Sachs. Ges, 
der Wiss. 1850, 210. Der coronatus Tusciae 
et Umbriae der unstreitig jungeren Inschrift 
Wilmanns 2102, der nachher auch pontifex 
gentis Flaviae war, bekleidete wahrscheinlich 
dieses Amt noch vor der Trennung der beiden 
Provinzhalften in sacerdotaler Beziehung und 
wurde wohl als pontifex gentis Flaviae der 
erste Priester des umbrischen Cultes und Land- 
tags (Mommsen a. a. 0. 220, 2). 
9. Picenum et Flaminia, CLL VI 1706. 

10. Campania, Symmach. epist. IV 46 Campa- 
norum provincialium commune. Ein sacerdos 
der Provinz CIL X 3792 (vom 22. Nov. 387); 
darttber Mommsen Ber. Sachs. Ges. d. Wiss. 
1850, 65. 

11. Apulia et Calabria, CLL IX 33, gesetzt von 
den Apuli et Calabri fur den Vater des Kaisers 
Theodosius. 



2; hymn. in. 

25. Bithynia, Cod. Theod. VLTI 4, 3. X 7, 1. X 
20, 1. XII 1, 5 (alle aus dem J. 317): ad Bi- 
thynos. Ein Provincialpriester von hier H aen el 
Corp. leg. 220. 

26. Asia, ein Provincialpriester bei Iulian. ep. 63- 

27. Lydia, FHG IV 21, 15. Ein Provincial- 
priester Eunapius vita Max. p. 478, 14ff. Didot. 

28. Galatia, ein Provincialpriester Iulian ep. 49- 
50 29. Phoenice , CIL III 167 (im J. 344) decretis 

provineiae Phoenices sententia divina firmatis 

gesetzt vom ordo Berytiorum. 
Damit ist unsere Kenntnis, aber noch nicht 
die Liste der concilia provineiae dieser Zeit zu 
Ende. Aus Cod. Theod. XII 12, 11—13 ergiebt 
sich aufs deutlichste, dass ein Landtag (provin- 
ciate cmwilium a. a. 0. 13) fur jede Provinz. 
obligatorisch war. Diese allgemeine Anordnung 
regelmassiger Provinciallandtage in alien Pro- 



12. Sioilia, S) miuacL. i^iot. 1 11 Siciliaec<immune. 6u viu^cn dea EekLeb oclieiiii MoniiniJiiU (Ber. CL 



Africanische Provinzen: Cod. Theod. XH 12, 
I (335) in Africanis provineiis universis eon- 
ciliis u. s. w. 

13. Tripolitana, Ammian. Marc. XXVLU 6, 7. 
CIL Vm Suppl. 11025 = 27 (aus den J. 383 
—388 n. Chr.). 

14. Byzacena, Cod. Theod. II 19, 3 und IV 10, 
1 ad concilium Byxacenorum (332). V 13, 16. 



Sachs. Gesellsch. d. Wiss. 1850, 208) durch ein. 
Gesetz Constantins erfolgt zu sein, das im 
Cod. Theod. XH 12, 4 (364) erwahnt wird und. 
wahrscheinlich die ausffihrliche Verordnung vom. 
J. 331 ad universos provinciates war, von der 
besonders die Fragmente Cod. Theod. I 16, 6. 7 
hierher gehoren. Doch enthielten wohl, was auch 
Mommsen fur mfiglich halt, noch altere Ver- 



823 



Concilium 



Concilium 



824 



ordnungen Constantins oder Diocletians schon 
iirmliche Bestimmnngen in dieser Riehtung. Die 
Edicte Constantins an die einzelnen Provinzen 
bezw. deren Landtage beginnen in der uns vor- 
liegenden Sammlung schon mit dem J. 315 (Cod. 
Theod. VIII 4, 2. Cod. lust. II 12, 21). Wir 
miissen also die betreffende Anordnung auf alle 
Falle vor diesem Jahr suchen. Der Wunsch der Ge- 
setzgeber war dabei offenbar der, durcb ein gestei- 
gertes Provincialleben das allmahlich ersterbende 
Municipalleben zu ersetzen. Die durch Diocletian 
verkleinerten Provinzen sollten gewissermassen an 
Stelle der Stadte treten. Mit Eecht sagt Momm- 
sen (a. a. 0. 207f.): , Wahrend in der Mheren 
Eaiserzeit im rSmisehen Eeiche und namentlich 
in Italien der Municipalverband die Provincial- 
verfassung iiberwogen hatte, irad, wenngleich Zu- 
sammenkiinfte und gemeinschaftliche Feste der 
Provincialen stattfanden , das eigentliche Com- 
mtuialleben auf die stadtischen Gemeinden ange- 
wiesen war, wurde in der diocletianisch-constan- 
iiniscben Epoche das Verhaltnis umgekehrt. 
Daraus erkennt man deutlich die gesteigerte Be- 
deutung der Provinciallandtage dieser spatromi- 
schen Eaiserzeit. 

Aber neben diesen Versammlungen dei einzelnen 
Provinzen hat man auch concilia fur grossere Ge- 
biete, die Dioecesen, geschaffen. Wir kennen deren 
bis jetzt nur zwei: 

1. fur die Dioecese Hispaniae CIL YI 1729 (vom 
J. 364); 

2. die Dioecese Viennensis mit einer Versamm- 
lung in Aries: Edict des Honorius vom J. 418 
DomBouquetI766. HaenelCorp. leg. 238. 
Carette 450ff. (hier die vollstandige Biblio- 
graphie fur das Gesetz). 

Aber auch diese Art von Versammlungen hat 
offenbar in alien Dioecesen bestanden, wie die ad 
provinciates gerichtete Verordnung Cod. Theod, 
XII 12, 9 (aus dem J. 382), die sich im allgemeinen 
sowohl mit den Dioecesen- wie den Provincial- 
landtagen befasst, deutlich zeigt. Doch ist man 
wegen der wenigen Zeugnisse, die diese Institution 
ninterlassen hat, auf den Gedanken gekommen, 
dass die Dioecesenversammlungen zunachst nicht 
in bestimmten Intervallen wiederkehrten, sondern 
dass man hier sich nur versammelte , wenn es 
das Interesse erforderte. Wenn diese Annahme 
for das 4. Jhdt. vielleicht auch mOglich ist, fur 
das 5. wissen wir ganz bestimmt, wenigstens 
was das C. von Arelate betrifft, durch das Edict 
•des Honorius, dass auch hier die Periodicitat der 
Zusammenkfinfte durchgefuhrt war, und zwar nicht 
erst 418 durch das Edict selbst, sondern durch ein 
fruheres kurz nach dem J. 400 erlassenes, auf wel- 
ches in dem Document von 418 zuruckverwiesen 
wird. Nach Beseitigung der in Gallien dann bald 
darauf durch die Barbarenuberschwemmungen ein- 
gpfcretenen Krisis hat Honnrins durch das Edict 
von 418 die Neubelebung des arelatensischen 
Landtags wieder versucht. Die Versammlungen 
der Dioecesen schlossen offenbar nicht (wie Gui- 
raud 288f. glaubt) diejenigen der Provinzen aus, 
sondem beide gingen neben einander her, die 
einen mehr fur die localen, die anderen fur die 
Interessen der grosseren Bezirke (Carette 250ff.). 

DI. Die durch das Absterben des Kaiser- 
cultes veranderte Stellung des Sacerdos 



provinciae und die dadurch bedingte Sae- 
cularisation der Concilia. 

Constantius und Constantin I. sind die letzten 
rOmischen Kaiser, die nach ihrem Tode consecriert 
wurden (Mommsen a. a. 0. 219f.); der Cult 
dieser gens Flavia ist der letzte Zweig des ro- 
mischen Kaisercultes ; ihm zu Ehren wurde, wie 
gezeigt, der Kaisertempel in Hispellum im J. 326 
erbaut (s. o.) und in der Mitte des 4. Jhdts. noch 

10 in Africa ein sacerdotium gentis Flaviae neu ge- 
schaffen (Aur. Vict, de Caes. XL 28), wodurch 
auch auf die Ehrung des Proconsuls von Africa, 
Hymettius, durch die Provinz, quod studium sa- 
eerdotii provinciae restituerit, Licht fallt. Die 
Inschrift CIL VI 1690 zeigt uns noch den Consul 
vom J. 390 als pontifex Flavialis. Aber schon 
Constantin schloss bei der Genehmigung des Tem- 
pels von Hippellum, wie es in der Inschrift Wil- 
m a n n s 2843 heisst, cuiusquam contagiosa^ super - 

20 stitionis fraudes aus, d. h. die Darbringung von 
Opfern sollte verboten sein (Cod. Theod. XII 10, 
1. 2. Euseb. vit. Const. IV 23), und der Tempel 
sollte nur fiir die jahrlichen Festspiele den Mittel- 
punkt bilden (Mommsen a. a. 0. 212f.). Damit 
verloren die Provincialpriester ihre eigentlich reli- 
giose Function. Fiir die christlichen Kaiser wur- 
den sie eine weltliche Administrativbehorde zur 
Verwaltung der noch vorhandenen Tempel und 
Tempelguter und zur Abhaltung der Provincial- 

30 spiele (Inschrift von Hispellum, Wilmanns 2843 
Z. 14f. 23ff.) , wahrend die heidnischen Kaiser 
einen letzten Versuch machten, um auch im Heiden- 
tum mit ihrer Hiilfe eine priesterliche Hierarchie 
nach dem Muster der christlichen durch Unter- 
ordnung der Municipalpriester herzustellen (zu- 
erst so Maximinus Daia, Euseb. hist. eccl. VIII 
14. IX 4. Lact. de mort. persec. 36, iiber die 
Bestrebungen des Lilian ep. 49. 63). Doch mit 
dem endgultigen Siege des Christentums unter 

40 Lilians Nachfolger haben auch diese Bestrebungen 
ihr Ende erreicht. In Africa wurden nur advo- 
eati zur Bekleidung dieses Amtes zugelassen (Cod. 
Theod. XII 1, 46 aus dem J. 358); ein Zwang 
zur tlbernahme des Amtes aber wuTde seitens der 
Regierung fallen gelassen (Cod. Theod. XII 1, 
103 [383]. 109 [385]. 166 [400]). Aber wegen der 
damit verbundenen Privilegien (Guiraud 251, 2) 
und vor allem wegen der MfSglichkeit, auf diese 
Weise aus dem verhassten Curialenstand heraus- 

50 zukommen, fand es imnier wieder Bewerber. Die 
sacerdotales bildeten zudem einen bevorzugten 
ordo der Provinz, der ebenfalls mit bestimmten 
Bechten ausge statt et war (vgL Album von Tha- 
mugadi CIL VDI 2403). Mit den Provincial- 
priestern wurden auch die ProvincialveTsamm- 
lungen allmahlich ihres sacralen Charakters ent- 
kleidet. Die Provincialfeste wurden so umge- 
staltet, dass auch Christen daran teilnehmen 
konnten. wie das z. B. Mommsen in sehr in- 

60 stmctiver Weise an dem Feriale von Capua vom 
22. November 387 (CIL X 3792) in den Ber. 
Sachs. Ges. der Wiss. 1850, 64ff. gezeigt hat, 
d. h. es blieben in der Hauptsache, wie erwahnt, 
nur die Spiele (s. die oben citierten Stellen aus 
der Inschrift von Hispellum, dazu Guiraud 2451 
Carette 259ff.), welche aber ebenfalls im christ- 
lichen Sinne reformiert wurden (Cod. Theod. XV 
7, 3 [376]. XVI 10, 17 [399]). Was die Concilia 



825 



Concilium 



Concilium 



826 



aber auf dem religiosen Gebiet an Befugnissen 
verloren, gewannen sie auf dem politischen. 

III. Die Zusammensetzung und Orga- 
nisation der spatromischen Provincial- 
landtage. 

Als Mitglieder werden uns in erster Linie die 
honorati genannt (Cod. Theod. XII 12, 13 [392] : 
quos emeritos honor a plebe secemit. XI 28, 5 
[410] an die honorati et possessores per Afri- 



lungen waren zur Zeit der jahrlichen Provincial- 
festspiele. Daneben gab es concilia extraordi- 
naria (Cod. Theod. XII 12, 12 u. 13. VI 7, 1; 
hier extraordinarii conventus). Guiraud (269f.) 
meint, dass die einen Provinzen c. ordinaria, di& 
anderen c. extraordinaria hatten, wahrend Ca- 
rette (377ff.) riehtig darlegt, dass das eine die- 
ordentlichen und regelnmssigen, das andere die- 
eingelegten Sitzungen derselben Landtage waren. 



cam, womit offenbar die Antwort auf eine An- 10 Die Entscheidungen deT Versammlungen heissen 



frage des africanischen Landtags gegeben wird), 
d. i, die hohe Reichsaristokratie, innerhalb deren 
aber die vornehmsten, die praefectorii, eine Aus- 
nahmestellung einnahmen: sie waren wohl Mit- 
glieder der Landtage, brauchten aber zu den Ver- 
sammlungen nicht zu erscheinen, sondern hatten 
das Recht, zu Hause consultiert zu werden (Cod. 
Theod. XII 12, 12 [392]). Die zweite Classe von 
Teilnehmern sind die curiales, die Municipal 



wie friiher deer eta (Cod. Theod. XII 12, 3. 9. 10),. 
doch kommen auch die Ausdriicke desideria (CIL 
VI 1706), postulata (postulatimes) oder gegebenen 
Falls auch querelae und soga.r edieta vor (Momm- 
sen Ber. Sachs. Ges. d. Wiss. 1850, 209), der 
letzte Ausdruck offenbar dadurch bedingt, dass- 
bei zustimmender Antwort des Kaisers diese Be- 
schlusse Gesetzeskraft erhalten konnten. Sie 
wurden geschrieben den legati — gewShnlich drei. 



aristokratie, an einer der eben angefuhrten Stellen 20 aber auch weniger, welche von der Versammlung 



(Cod. Theod. XI 28, 5) auch possessores genannt. 
Die honorati, die nicht so zahlreich in der Pro- 
vinz waren, nahmen, wenn sie wollten, in der Regel 
alle an den Sitzungen teil (Cod. Theod. XII 12, 
13) und zwar an einem ihrer Wurde entsprechen- 
den bevorzugten Platz, konnten sich aber auch 
vertreten lassen (Cod. Theod. a. 0.). Unter den 
curiales muss ten nur diejenigen der hOchsten 
Classe, die principales oder primates, persOnlich 



gewahlt wurden (Ammian. XXVIII 6, 7 u. 16> 
aus den eigenen Mitgliedern und zwar den be- 
deutendsten PersSnlichkeiten der Provinz (Cod> 
Theod. XH 1, 186. Vr 22, 1. XII 1, 25. Nov. 
Valent. III. 18 Anf. Symmach. ep. I 7. CIL. 
VIII 11025=27. Ammian. XXX 8, manch- 
mal aus den advocati, Symmach. ep. I 17, oder 
im 5. Jhdt. auch aus den Bischofen, Ennod. 
vit. Epiph. 60. 82. Hydat, Mommsen Chron. 



erscheinen (Cod. Theod. XII 12, 12), sie allein30min. II 33; vgl. Artikel Le'gatio) — zur Uber- 



offenbar waren von Rechtswegen als Vertreter 
ihrer Curien Mitglieder der Concilia, alle iibrigen 
Curialen konnten kommen, waren aber wohl 
nicht verpflichtet (so wenigstens die Ansicht von 
Guiraud 262ff. und Carette 860ff.). Noch 
andere Mitglieder hat man erschliessen wollen 
aus Sidonius Apoll. ep. I 6, 4 (vgl. dagegen Ca- 
rette 362f.). Diese Concilia waren also durch und 
durch aristokratisch zusammengesetzt, sie um- 



bringung an den Kaiser iibergeben (Ammian. 
XXVIII 6, 9; Gesandte ohne geschriebene Be- 
schliisse wurden sofort wieder zuriickgeschickt r 
Cod. Theod. XII 12, 11), zuvor aber in den Akten 
der Statthalter registriert (Cod. Theod. XII 12, 
3), welchen nach dem Gesetz von 364 (ebd. 4. 
12, vgl, auch 9) streng verboten war, etwas daran 
zu andern. Alle Beschliisse der Versammlung,. 
selbst einfache Ehrendecrete, hingen somit von 



fassten nach dem Ausdruck eines Schriftstellers 40 der Bestatigung des Kaisers ab (CIL ni 167, [s. o. 

fW 7ftl* /■WnTiAHiilo \rif TT.-r.iTAV, KQ.\ Ann A An! /IrtT Q OOO Oftl VT-ITOA — -• — „■„ 1 1 ■_ • • 



der Zeit (Ennodius vit. Epiph. 53) den Adel der 
betreffenden Gegend {coUeeiio Ligurnm nobili- 
tatis). 

Der Versammlungsort war auch jetzt noch am 
haufigsten die Hauptstadt der Provinz, aber auch 
andere bedeutendere, volkreiche Stadte konnten 
gewahlt werden (Cod. Theod. XII 12, 12 u. 13) ; 
das Sitzungslocal musste so gelegen und so ge- 
raumig sein , dass es der Masse des Volkes zu- 



S. 822 nr. 29]. VI 1729 missis legatis iussionesacra 
Hispaniae dicaverunt, ebd. 1736 prov. Africa 
decretis ad divinos prineipes tiostros missis .... 
statuam. . . . postidandam esse eredidit. VIII 
7013 iussione venerabili DD. Auggque NN. . . . 
statuam . . . posuit). 

IV. Zusammensetzung und Organisa- 
tion der Dioecesenversammlungen. 

Genauer bekannt ist von dieser Art nur das- 



ganglich war (ebd. 13). Wer den Vorsitz fuhrte, 50 C. von Arelate durch das erwahnte Edict des- 



wird nicht berichtet; dass es der Provincialstatt- 
halter war, ist eine unhaltbare Vermutung (Ca- 
rette 374), eher war es wie friiher der sacerdos 
provinciae. Seitens der Regierung war bestimmt, 
dass voile Freiheit der Discussion herrschen solle 
iiber jeden Gegenstand, der auf die Tagesordnung 
gebracht wurde (Cod. Theod. XII 12, 1 [355]). 
Man unterschied ordentliche Sitzungen = conci- 
lium solemne, c. ordinariutn oder allgemein a 



Honorius von 418. Darnach nahmen drei Classen 
von Mitgliedern an diesen Versammlungen teil: 
1) indices, die Statthalter der Provinzen der be- 
treffenden Dioecese; 2) honorati, wie schon er- 
wahnt die Reichsaristokratie, meist senatorischen 
Ranges; 3) die curiales oder possessores. Die 
indices, deren es sieben gab in der Dioecese, 
mussten kommen unter Strafe von funf Pfund 
Gold, nur diejenigen der Novempopulana und von 



proiiutciale i^Cud. TiicuJ. XII 12. lo mid G utho- 6o Aquitauia II konnten sich — orienbar wegen der 



fredus Paratitlon ad tit. XH Cod. Theod. 12), ge- 
legentlich auch = tractatus (Cod. Theod. XH 12, 
4. 7. 9). Diese ordentlichen Versammlungen fanden 
in der Tripolitana jahrlich auf einen bestimmten 
Tag statt (Ammian. Marc. XXVIII 6, 7 adlapso 
legitimo die concilii quod apud eos est annuum), 
und wahrscheinlich war es in anderen Provinzert 
des Westens ahnlich, da dies wohl die Versamm- 



zu weiten Entferaung — dorch Legati vertreten 
lassen. Die honorati und curiales wurden im 
Falle des Niehterscheinens mit drei Pfund Gold 
bestraft. Die Neueren haben eingewendet, dass, 
wenn alle Curialen der Dioecese bei ca, 60 Stad- 
ten in derselbefi an den C. hatten teilnehmeD 
milssen, es sich um ca. 3000 Deputierte dieser 
Art gehandelt haben musste; man nimmt daber 



$27 



Concilium 



Concilium 



828 



an, dass anch in diesen Versammlungen nur Ver- 
treter der einzelnen Curien gesessen haben. 

Das C. , das in Arelate (Aries) seinen Sitz 
hatte, versammelte aich alljahrlich zwischen dem 
13. August und dem 13. September, und zwar 
hestimmte den genaueren Termin innerhalb dieses 
Zeitraums wahrscheinlich der Praefectus praetorio. 
Die Verhandlungen geschahen in Gegenwart des 
letzteren (Carette 324f.), weniger richtig nach 



war den Provincialen dieses Recht durch kaiser- 
liche Verordnungen anfs intensivste garantiert, 
indem den Praefecti praetorio und den Statthal- 
tern aufs strengste verboten war, in dieser Be- 
zielmng ihren Untergebenen irgend ein Hindernis 
in den Weg zu legen (Cod. Theod. I 16, 6. Cod. 
lust. I 40, 3 [aus dem J. 331]). Ehrungen von 
Statthaltern wegen guter Amtsfiihrung enthalten 
die Inschriften CIL VI 1702 ob singularia ems 



letzteren ujarette az*i.i, weniger iiuuuig ««^u ^= """""""r , , * • , i j n^„ m 

Guiraud (260f.) unter dessen Vorsitz. Concilia lQerga prwnciales benefioia et ob moderahonem 

_. j-..L.v i.j r.-.. j;. n:» n „^ ;« J<,m Mirf mm Anmm/>n.tn ei.iam nosterts relinquenaam. 



extraordinaria sind fur die Dioecese in dem Edict 
nicht vorgesehen, wohl aber nach einer Verord- 
ntmg vom J. 382 (Cod. Theod. XII 12, 9), und 
zwar damals vielleicht, wie schon angedeutet, als 
die einzigen in den Dioecesen, so dass die Neue- 
rung des Honorius darin bestanden hatte , dass 
er periodisch wiederkehrende , feststehende Ver- 
sammlungen, wie sie in den Provinzen schon seit 
alters bestanden, auch in den Dioecesen einge- 
filhrt hatte. 



V. Befugnisse der spatrSmischen Con- 
cilia (sowohl der in den Provinzen wie in den 
Dioecesen). 

Einstmals in der Hauptsache religiose Insti- 
tutionen fur den Kaisereult und nur accidentiell 
auch in der Reichsverwaltung in Thatigkeit, wurden 
die Concilia in der diocletianischen Zeit staat- 
liche VerwaltungskCrperschaften , wahrend ihnen 
Ton der einstigen Hauptbethatigung in sacraler 
Hinsicht nur noch die Assistenz bei den Provin- 30 



Iff \JW tfl WWUVUVW** WWf v-^vvr v- 

pro documento etiam posteris relinquenaam 
1706 oft egregia faeta et varum veteris sansti- 
tatis exemplar u. s. w. 1736 ob insignia eius in 
rempublieam merita et ob depulsam ah eadem 
provineia famis et inopiae vastitatem eonsiliis 
et provisionibus, [qujod'neque aequitati in cogno- 
scendo neque imtitiae defuerit, quod siudium 
saeerdotii provineiae restttuerit, ut nunc a con- 
petitoribus adpetatwr, quodantea formidini fuerit. 
20 VIII 7012 ob merita erga se (d. i. die colonia 



cialspielen blieb (und zwar war dies wohl in 
ureter Linie nur eine Beteiligung in finanzieller 
Hinsicht; im iibrigen wissen wir nicht vielhier- 
iiber; Carette 391). Damit kamen sie ein fur 
allemal ans der privaten in die staatliche Sphiire 
und zwar nicht nur de facto, sondern auch de 
iure. Die Gesetzgebung bemachtigte sichihrer 
mehr und mehr, Reichsbeamte wurden bei ihnen 
zugelassen, ein immer innigerer Connex mit der 
■Centralreichsverwaltung entstand. 

Gesandte an den Kaiser zu senden, um Dank 
oder Klagen der Provincialen an sein Ohr zu 
bringen und Petitionen ihm zu tiberreichen, so- 
wie die Ausubung der Controlle iiber die Statt- 
halter wurden jetzt die vornehmlichsten Seit en 
ihrer Bethatigung. 

Das Petitionsrecht der Concilia war in dieser 
Zeit vielleicht noch unbeschrankter als friiher, 
wie die Verordnung Cod. Theod. XII 12, 1 (aus 



Constantino) et provinciam contmentiae, patien- 
tiae, fortitudinits, Uberalitatis et amoris inomnes 
praecipui; weiter 7013. II 1972. CIG 2595-97. 
CIL III 167 ; vgl. Claudian. de laud. Stilich. II 1 83ff. 

Von Anklagen der concilia provineiae. kennen 
wir diejenige gegen Numerius Negidius im J. 359 
von seiten der Narbonensis (Ammian. Marc. XVIII 
1 4) und die gegen Romanus seitens der Tri- 
politana (ebd. XXVHI 6). 

Aber trotz aller Anstrengungen der Kaiser, die 



Competenzen dieser Versammlungen zu steigern 
und ihre Thatigkeit immer und immer wieder zu 
beleben und anzueifern (Cod. Theod. XII 12, 1. 
7. 8. 9. 14. 16), um bei der grossen Ausdehnung 
des Eeiches einigermassen die Amtsfiihrung der 
Beamten fibersehen zu konnen und die Schaden, 
die ein schlimmes Beamtentum im Staate anzu- 
richten vermag, hintanzuhalten (Cod. Theod. 1 16, 
6. Cod. lust. I 40. 3), blieben diese Bemiihungen 
40gegeniiber der ubermachtigen Bureaukratie sehr 
oft erfolglos. Den Einfluss, den die Versamm- 
lungen iibten, wird man sich daher nicht allzu 
gross vorstellen diirfen. Ihre Abhangigkeit von 
den Beamten trotz aller Gegenmassregeln illu- 
striert am besten die Erzahlung bei Ammian. XXX 
5, 8 von den Delegierten des epirotisehen C, 
welche auf eindringliches Fragen des Kaisers zu- 
gestehen, dass die Ehrung eines Statthalters mehr 
der Not gehorchend als dem eigenen Trieb, d. h. 



wie die veroranung uou. meou. ah i«, i lauo «» ^"" 6 ^ u »— — ■ - — -°~ .. '^^^ 

dem J. 355) zur GenSge zeigt. Die Entscheidung 50 auf Commando des zu Ehrenden lhrerseits erfolgt 



der Kaiser erfolgte meist in Form der von Con 
atantin aufgebrachten leges edictales (Mommsen 
Ber. d. Sachs. Ges. d. Wiss. 1850, 208f.) oder in 
Form von Eescripten an die Concilia, deren Mit- 
glieder oder an die Bewohner bezw. Beamten der 
betreffenden Provinz (ein Beispiel von vielen ist 
die Inschrift von Hispellum, Wilmanns 2843). 
Aus diesen ersehen wir, auf welch mannigfache 
Onbi.-'t" "i"li die Ge^nrhe end Be^hwprden der 



Concilia dieser Zeitbezogen, auf fiscalische Fragen, 60 des Synesius fur die Cyrenaica im J. 3 



VUUVllItt U1UOW uviv wv^"^^--y — — -— a , 

solche des Privatrechts, der Provincialverwaltung, 
der Jnstiz. Eine Zusammenstellung der hierher- 
gehCrigen Verordnungen des Codex Theodosianus 
und der ttbrigen Recbtsquellen giebt Guiraud 
279ff. und 283f. 

Das Recht der Controlle iiber die Statthalter 
Susserte sich auch jetzt sowohl in Lobesbethati- 
.gungen wie in Anklagen. Nach beiden Eichtungen 



sei, und die Darstellung desselben Historikers 
(ebd. XXVIII 6) von der verungliickten Action 
des tripolitanischen Landtags gegen den Comes 
Africae Romanos. Hatte man auch die heimi- 
sche Bureaukratie schliesslich hinter sich, so 
gait es dann fur die legati der Concilia das Be- 
amtenheer, das die kaiserliche Person am Hofe 
umgab, zu durchdringen, um die Beschwerde beim 
Kaiser selbst vorzubrinsren. Die Gesandtschaft 
des Synesius fur die Cyrenaica im J. 3*7 aauerte 
nicht weniger als drei Jahre (hymn. HI 430-502 ; 
de insomn. 9). Zur Unterstutzung nahmen auch 
jetzt noch, wie in der besseren Kaiserzeit, die Con- 
cilia sich Patrone aus den alteren hohen Ver- 
waltnngsbeamten des Keiches, CIL VI 1702. \T:II 
7012. VI 1751. Aber trotz alledem hat Guiraud 
wohl recht, wenn er meint (295), dass im Grunde 
genommen diese Versammlungen keine wahren Be- 



829 



Concilium 



Concordia 



830 



fugnisse batten, sondern zwar tlber alles sprechen, 
aber selbstandig gar nichts entscheiden konnten. 
Mcht besser stand es wohl mit den Concilia 
•der Dioecesen. Bei ihnen horen wir auch nur von 
dem Eecht, Gesandtschaften zu senden (Cod. Theod. 

XII 12, 9 [382]), sowie von Dankesbezeugungen 
(CIL VI 1729) und Anklagen gegenuber Beamten 
(der Process gegen den Praefectus praet. Arvandus 
im J. 468, von dem Sidonius ep. I 7 als von 
der provineia Gallia angestrengt berichtet, ging 
der Meinung der Neueren nach von der Dioecese 
Viennensis aus, Guiraud 236,3. 283. Carette 
334). Wenn Gibbon (Decline and fall of the 
Roman Empire XXXI 529) diesen Versamm- 
lungen eine Mitwirkung bei der Besteuerung der 
Provinzen hat zusprechen wollen, so ist diese 
Hypothese ebenso unhaltbar, wie die .ahnliche 
Mommsens far die vordiocletianische Zeit (s. o. 
S. 815). 

VI. Das Ende der Concilia. 

Die Versammlungen beiderlei Art haben, im 
Centrum des Reiches wenigstens, mindestens bis 
zum Ende des westrOmischen Reiches bestanden. 
Bei der VerOffentlichung des Codex Theodosianus 
im J. 438 waren sie noch in vollkommener Thatig- 
keit; das beweist deutlich die grosse Zahl von 
Gesetzen, die auf sie bezuglich darin aufgenommen 
wurden. Der Process gegen Arvandus fallt ins 
J. 468, die christliche metrische Inschrift mit 
der Erwahnung des C. der Novempopulana (CIL 

XIII 128) stammt aus der zweiten Halfte des 
5. Jhdts. Das C. von Ligurien erwahnt Ennodius 
(vit. Epiph. 53. 57) noch im J. 471. Auf alle Falle 
vor Iustinian ist die Institution schon sehr ausser 
Brauch gekommen. Denn im Gegensatz zu den 
vielen hierher gehorigen Gesetzen im Codex Theo- 
dosianus begegnet im Codex Iustinianus nur noch 
eines fiber Concilia, eine Verordnung Theodosius 
d. Gr. vom J. 392 (Cod. Iustin. X 65, 5 = Cod. 
Theod. XII 12, 12) und diese bedenklich verkiirzt 
und zu Gunsten der Bureaukratie modificiert. 
Was von den Neueren von Anspielungen auf Con- 
cilia im Westen nach dem Sturz des westrOmischen 
Reiches noch angefuhrt wird, lasst auch andere 
Deutungen zu. Am ehesten ist vielleicht noch 
einmal ein Hinweis auf das ligurische C. bei 
Ennod. vita Epiph. 130 p. 100, 28 Vogel in 
den Worten IAguria vestra nobiseum profusa 
supplicat enthalten, und vielleicht beziehen sich 
Ausdrflcke wie conventus nobilium bei Cassiod. 
var. VI 21 (vgl. VII 37 in eonventibtis publieis) 
auf die Concilia. Viel fiber das 5. Jhdt., diirfen 
wir annehmen, haben sich aber weder im Osten 
noch im Westen diese Landtage erhalten. 

Die Kirchenversammlungen des Christentums 
haben dann den Namen geerbt; aber vielleicht 
nicht nur das. In der Zusammensetznng erinnern 
die altesten christlichen concilia an die Provin- 
ciallandtage und ebenso an die Privilegien, die 
den Teilnehmern zustanden. Die Abgrenzung der 
kirchlichen Verwaltungsgebiete knupfte zudem an 
die weltlichen an (Carette 423-428). O. Hirsch- 
feld schliesst seine schone Studie fiber die Ge- 
schichte des rBmischen Kaisercultes mit den Worten 
(S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 862): ,Es ist ein be- 
deutsames Zeugnis fiir die Continuitat aller mensch- 
lichen Entwicklung, selbst wo sie sich anschei- 
nend in schroffem GegeDsatz zu der Vergangen- 



heit vollzieht, dass die christliche Kirche fur ihre 
Concilien und Priester die ausseren Formen, Namen 
und Abzeichen nicht zum geringsten Teil dem 
provincialen Kaisercult entlehnt hat, der drei Jahr- 
hunderte hindurch das heidnische Wahrzeichen 
der rOmischen Reichseinheit im Osten und Westen 
gebildet hatte'. 

Litteratur: C. Menn trber die rOmischen Pro- 
vinciallandtage, Progr. Neuss 1852 (ohne Wert). 

lOJ.MarquardtDe Romanarum provinciarum conci- 
liis et sacerdotibus, Ephem. epigr. I (1872) p. 200ff. ; 
St.-V. I a 503—516. Tiber die ProvincialpriesteT 
und Concilia der spatrCmischen Kaiserzeit: Th. 
Mommsen Bericht. d. Sachs. Gesellsch. d. Wissen- 
schaften 1850, 65ff. und 199ff. Zusammenfassend : 
P. Guiraud Les assemblies provinciales dans 
Tempire rom., Paris 1887; Un document nouveau 
sur l'hist. des ass. prov. dans 1'empire rom., St- 
ances et Travaus de l'Acad. des sciences morales 

20 et polit. CXXX 262. Fiir einzelne Landschaften, 
aber unter Berucksichtigung des ganzen Mate- 
rials: CI. Pallu de Lessert Les assemblies 
provinciales et le eulte prov. dans l'Afrique Ro- 
maine , Bulletin trimestriel des antiquites afr. II 
(1884) 5—67 und 321—344; Nouvelles observa- 
tions sur les assemblies prov. et le culte prov. 
dans TAfr. Eom., Paris 1891. E. Carette Les 
assemblies provinciales de la Gaule Romaine, 
Paris 1895 (hier S. 441ff. und S. 502 noch ein- 

30 gehendere Angaben fiber die Litteratur). Vgl. 
auch D. Vaglieri in Ruggieros Dizion. epigr. 
II 566—571 (diirftig). [Kornemann.] 

Conclum, verderbter Name eines Ortes in 
Italien bei Obseq. 14 (73): Condi homo ex spe- 
culo acie orta eombustus; Heinsius verbessert 
Antii. [Htilsen.] 

Concla s. Concula. 
Concobar s. Konkobar. 
Concon (Tab. Peut., Congo Geogr. Rav. p. 67, 

40 18), Station nOrdlich von der assyrischen ,Hugel- 
feste des Konigs' Thelser, Tilasarra; Yaqut be- 
zeugt einen Ort Kongawer (s. Konkobar) im 
Gebiet von (jezirat el-'Omar. [Tomaschek.] 

Concordia. 1) Ort in Venetien westlich von 
Aquileia am Flusse Lemene, noch jetzt Concordia 
(neuerdings mit dem Beinameu Sagittaria). Vor 
Caesar vims (Inschrift von vier magistrei CIL 
V 1890), wurde es von Augustus zur Colonie unter 
dem Namen colonia Julia Concordia erhoben 

50 (Plin. Ill 126. Ptolem. Ill 1, 29; der voile Name 
CIL IH 5238. V 1884. 1901. VI 1622). Erwahnt 
wird es ausser von den Geographen (Mela II 61. 
Strab. V 214) und Itinerarien (Antonin. 126. 
128. 281; ffierosolym. 559. Tab. Peut.) vonFronto 
(ep. ad amicos II 6. 7), wo gelegentlich der Process- 
sache eines Decurionen von C. Ausziige aus der 
lex eoloniae gegeben werden. Die Tribus von C. 
war die Claudia, Kubitschek Imp. Rom. tri- 
butim descript. 109. In der spateren Kaiserzeit 

60 ist C. eine der bedeutenderen istadte Oberitaliens 
(Eutrop. VLTI 10. Zosim. V 37. Aur. Vict. epit. 
16) und ein wichtiger Waffenplatz ; hier war eine 
Geschossfabrik (fabrica Goncordiensis sagittaria, 
Not. dign. occ. IX 24; vgl. den praepositus fa- 
brieae sagit. CIL V 8697. 8721 ; s. Not, d. scavi 
1892, 335 und die fabrice?ises CIL V 8742. 8754. 
8757. Not. 1890, 172) und lag eine starke Garnison. 
Das Grabfeld dieser Truppen (hauptsachlich Ba- 



831 



Concordia 



Concordia 



832 



tavi seniores, Mattiaci seniores, Brachati seniores 
und Heruli seniores), seit 1873 aufgedeckt, hat 
eine grosse Anzahl wichtiger Inschriften gehefert 
(CIL V 8721—8781. 8988-8989. Not. d. scavi 
1885, 174. 1887, 261. 305. 339. 1890, 169. 339. 
1892, 3. 335. 1893, 222. 490); die datierten aus 
dem Bnde des 4. und Anfang des 5. Jhdts. Der 
christlichen Gemeinde in C. thun nr. 8738. 8740. 
8745 Erwahnung. Im J. 452 wurde C. von Attila 



area Voleani (Jordan Topogr. I 2, 192. 336f, 
Eichter in Miillers Handbuch III 786. Gilbert 
Gesch. und Topogr. Eoms III 63f.; vgl. Hlilsens 
Skizze des Comitiums, Rom. Mitt. VIII 1893, 91). 
Die Prodigien der Jahre 211 (Liv. XXVI 23, 4: 
die Victoria auf dem Giebel des Tempels wird 
vom Blitz getroffen), 183 und 181 (Liv. XXXIX 
56, 6. XL 19, 2 = Iul. Obs. 4. 59 : Blutregen im 
area Concordiae) werden nach griechischem Ritus 



eingenommen und zerstort (Paul. Diac. hist. Bom. lOdurch die decemviri s. f. gesuhnt. Nach der Er- 

— — . ,.v ... ~ ......... mor ^ un g des jlingeren Gracchus im J. 121 v. Chr. 

wurde der Temp el durch den Consul L. Opimius 
in grCsserem Mas3stab wiederhergestellt und da- 
neben eine Basilica errichtet (Varro de 1. 1. V 
156. Cic. pro Sest. 140. Plat. C. Gracch. 17. 
Appian. bell. civ. I 26. Fest. p. 347. Aug. c. d. 
Ill 25). Der Tempel des Opimius (erwahnt noch 
bei Cic. in Cat. Ill 21 [vgl. Sail. Cat. XLVI 5. 
XLIX 4]; pro Sest. 26. 28; de dom. llj_ Phil. 



XIV 11) ; spater gedenkt der civitas Goncordiensis 
Cassiod. var. XII 26. Die Eeste des alten C. 
sind zahlreich und bedeutend; ein (freilich auf 
nicht ganz sicheren Grundlagen fiissender) Stadt- 
plan wird Not. d. scavi 1880 Taf. XII (vgl. dazu 
411_437) gegeben. Ermittelt scheint die Lage 
des Forums (Not. 1882, 425), des Theaters (Not, 
1894, 333), vielleicht auch der Waffenfabrik (Not. 
1880 a. a. 0.); iiber die Construction der Stadt- 



mauer vgl. Not. d. scavi 1894,399. Vgl. ferner20II 19. 112. HI 30. V 18. Val. Max. IX 7, 4 
6 ■ " ■ - — "'" "~ Cass. Dio XLVII 2. XLIX 18. L 8. LIV 35) 

erfiihr unter Augustus eine grossartige Umgestal- 
tung und Erweiterung (vielleicht erne Ausfiihrung 
des Senatsbeschlusses vom J. 44, Dio XLIV 4; 
vgl. Gilbert a. a. 0. 65, 2). Die Kosten aus 
dem ErlOs der germanischen Bente bestreitend, 
nahm Tiberius den Neubau im J. 7 n. Chr. in 
Angriff und weihte ihn nach der Niederwerfung 
des pannonischen Aufstands im J. 10 n. Chr. (das 



fiber neue Ausgrabungen Not. 1877, 240. 295 
1878, 281—288. 1883, 197. 1886. 65. 107. 1893, 
219. 1895, 194. 1896, 176. Lateinische Inschriften 
aus C. CIL V 1866—1955. 8654—8781. 8987 
—8989. Pais Suppl. 390—427. 1226—1229. 
Als Heimat von Soldaten genannt wird C. noch 
CIL VI 414. 2675. Ephem. epigr. IV 912. Zur 
Litteratur vgl. Man Katal. d. Biblioth. d. arcb. 
Inst. 1 195. [Hfilsen: 



2) Ort in Obergermanien im Gebiet der Tri- 30 J. 12 nennt Suet. Tib. 20) am 16. Januar in 
■ '""" * * - 1 seinem und seines Bruders Drusus Namen als 
aedes Concordiae Augustas (Ovid. fast. I 645f. 
Cass. Dio LV 8. LVI 24. Fast. Praen. 16. Jan., 
CIL 12 p. 231). Wie Stucke des Stadtplans und 
der in den Jahren 1817 und 1830 aufgedeckte, 
noch SpuTen kostbarenMarmorpavimentes zeigende 
Unterbau deutlich erkennen lassen, hatte der 
Tempel einen eigentumlichen Grundriss: die Cella 
war fast doppelt so breit als tief und der vor- 



boci an der von Argentorate (Strassburg) nord- 
warts fuhrenden Strasse, 18 Millien nOrdlich 
von Brocomagos (Brumat), Itin. Ant. 253. Auch 
von Ammian. Marc. XVI 12, 58 erwahnt (als 
eastrum). Das heutige Weissenburg? Vgl. Bonn. 
Jahrb. LXXV 31. 35. Vielleicht ist der Name 
auch in der Insehrift von Altripp Brambach 
CIEh. 1791 (vom J. 181) enthalten. [Ihm.] 
3) Stadt in Lusitanien. Unter den civitates 



stipendiariae der Provinz nennen die alphabeti- 40 liegende Pronaos, zu dem eine Treppe hinauffuhrte, 



schen Listen des Agrippa und Augustus Coneor- 
diemes (Plin. IV 118), und Ptolemaios ftlhrt da- 
nach unter den Stadten der Lusitaner zwischen 
Seallabis (s. d.) und Talabriga (s. d.) Eovxogdla 
an (II 5, 6). Die Lage ist nicht ermittelt. 

[Hubner.] 

4) Coelia Concordia, Virgo Vestalis maxima, 
errichtet 385 dem Praetextatus eine Statue (Symm. 
ep. II 36, 2) und wird von dessen Gattin Paulina 
in derselben Weise geehrt, CIL VI 2145. 

[Seeck] 

5) Als Gottin eine der friihesten im Cult ge- 
feierten Personificationen der rOmischen Religion, 
verkCrpert nach altester Auffassung die Eintracht 
zwischen den hurgeTlichen Parteien; die Stiftung 
ihrer Heiligtumer fallt in die Zeiten tiefgehender 
politischer Erregung (s. u.). Spater wird C. zur 
Vertreterin der Eintracht in des Wortes weitester 
Bedeutune'. 



nahm etwa nur die Halfte von der Breitseite der 
Cella ein, die Front war dem Forum zugekehrt, 
die Eiickseite verdeckte zum grossen Teil das 
Tabularium, rechts vom Forum aus fiihrten die 
Stufen zur Arx empor, links erstand spater die 
aedes divi Vespasiuni (Ovid. fast. I 638f. Stat. 
silv. 1 1, 22f. Iuven. 1 116. Hyg. fab. 261. Serv. 
Aen. II 116. Notit. und Curios, urbis reg. VIII 
Jordan Form. urb. HI 22 und S. 25. Eichter 
50 a. a. 0. Plan des Forums nach S. 802). Senats- 
sitzungen im Tempel der C. waren nicht selten 
(Cass. Dio LVIII 11. LXXVII 1. Hist. Aug. 
Alex. Sev. 6 ; Max. et Balb. 1 [doch vgl. Herod. 
VII 10]; Prob. 11 ; vgl. Willems Le senat Eom. 
TJ 159), die Arvalen opferten daselbst unter Clau- 
dius (Henzen Act. fratr. Arc. LVI = CIL VI 
2203 p. 474), ihr magister verkundete hier das 
Opfer an dea Dia (Henzen CXVII und S. 5 
= CIL VI 2165, 51 p. 514. Ephem. epigr. 



Cultstatten in Eom : 1) Den ersten Tempel der 60 VU1 p. 332, 13). Nach der Verschworung des 



C. gelobte im J. 367 v. Chr. der Dictator M. 
Furius Camillus, der Eroberer von Veii, zum 
Andenken an die wiederhergestellte Eintracht der 
St&nde nach dem Kampfe um die Licinischen 
Gesetze; er wurde auf Senatsbeschluss erbaut 
(Ovid. fast. I 641f. Plut. Cam. 42; vgl. Liv. VI 
42, 4f.) und zwar an der Nordwestecke des Fo- 
rums auf einer der altesten Cultstatten Eoms, der 



Libo im J. 16 n. Chr. warden neben Iuppiter 
und Mars der C. reiche Geschenke dargebracht 
(Tac. ann. II 32). Auf den gleichen Anlass gehen 
die in der Ruine oder in ihrer Nahe gefundenen 
Widmungen pro incolumitate oder salute Tiberii 
zuruck (CIL VI 91—93. 3675, wahrscheinlich auch 
90. 94. 3675 a). Der Tempel ward zu einer Art 
Museum und fiillte sich mit den herrlichsten Wer- 



833 



Concordia 



Concordia 



834 



ken der Malerei und Bildhauerkunst (Cass. Dio fabrum hastensium (CIL V 7555), brattvwwrum 
LV 9 6 Plin n. h. XXXIV 73. 77. 89. 90. inawatorum (CIL VI 95). Zahlreich sind die 
XXXV 66. 131. 144. XXXVI 196. XXXVII 4). Inschriften, die die Gottin als 0. Augusta, Au- 
Aeditui des Heiligtums sind auf drei Inschriften gusti, Augustorum d. h. Schiitzerin des Kaiser- 
genannt (CIL VI 2204. 2205. 8703). Der Tempel, hauses feiern (CIL II 465. 3090. 3349 4270. 
in spater, aber nicht genau feststellbarer Zeit V 5058. VIII 8300. 8301, 14686. 17829. X 810 
noch einmal restauriert (CIL VI 89), uberdauerte 811. Cohen M<5d. imp. Neron 66 etc.). Aut 
den Untergang des Eeiches und sank erst im Miinzen erscheint die C. felix (Cohen a. a. U. 
14 Jhdt. in Trimmer (Jordan Top. II 444. 455). Lucille 13), aeterna (Caracalla, Septime Severe et 
2) Um die durch die VerOffentlichung des amt- 10 Julie 1—5), ^erpeiw (Maximien Hercule 18), ^roe- 
lichen Kalenders erbitterten Patricier mit dem torianorwm (Galba 359), provmciarwn (Galba 
Volke zu versOhnen, weihte im J. 304 der Aedil 360), populi Bomani (Vitellius) v eocerettuum (Ve- 
Cn Flavius der C. eine kleine eherne Capelle in spasien 70), senatui (Vespasien 76), miHtum (Sep- 
area Vulcani (Liv. LX 46, 6) in Graecostasi time Severe 75), legionum (Valerien 44), eqmtum 
(Plin n. h. XXXIII 19), also in unmittelbarer (Gallien 119), imperit (Galere Maximien 18). 
Nahe des alteren Heiligtums ; sie ist vielleicht Darstellung. Die Munzen der repubhcanischen 
schon bei dem Neubau des Opimius verschwunden, Zeit mit der Umschrift C. zeigen den nach rechts 
sicher aber bei dem des Tiberius. 3) Im ersten gewandten Kopf der Gottin mit Diadem und 
Jahre des zweiten punischen Krieges hatte der Schleier (Cohen MCd. cons, pi I Aemdia nr. 10 == 
Praetor L. Manlius bei einer Meuterei des Heeres 20 Babelon Monn. de la republ. Eom. 1 UX. nr. 10. 
in Gallien der C. einen Tempel gelobt, der Bau 11. Cohen pi. XVEI Fonteia nr. 10= Babelon 
wurde im J. 217 in aree begonnen (Liv. XXII I 455 nr. 1. Cohen XXIX Musadia nr. 4. 5 = 
3 7f • vgL XXI 25, 8f.) und am 5. Februar des Babelon H242f. nr.5. 6; ohne Namen Babelon 
n'achsten Jahres geweiht (Liv. XXHI 21, 7. Fast. Antonia I 173 nr. 42 ; die andere Seite zeigt Ofter 
Praen. 5. Febr., CIL 1 2 p. 233). Auch er lag als Symbol der Eintracht verschlungene Hande) 
wohl nicht weit von der alten Cultstatte. 4) In oder lorbeerbekranzt und mit Perlenhalsband (C o- 
dem auf der Hohe des Oppius gelegenen portieus hen pi. XLII Vinicia nr. 1 = Babelon 11 551 
Liviae (Eichter a. a. 0. 908) stiftete Livia zum nr. 1); vgl. Kluegmann Ztschr. £ Numismat. 
Andenken an ihre eintrachtige Ehe mit Au- VII (1880) 64ff. Auf Munzen der Kaiserzeiter- 
gustus der C. ein Heiligtum am 11. Juni (Ovid. 30 scheint die Gottin durch die Beischnft kenntlich 
fast VI 637ff). Uber die verschiedenen Cult- zuerst unter Nero und zwar als C. Augusta: in 
statten vgl. noch Mommsen Herm. IX (1875) lang herabwallendem Gewande thront sie _ nach 
287ff Jordan Top. I 2, 192. 332f. 5) Nach dem links gewendet auf einem Sessel und tragt m der 
Sprachgebrauch des Kalenders setzt auch die vorgestreckten Kechten eine Opferschale, wahrend 
Notiz zum 22. JuU Concorfdiae) aiilim (= mi- die Linke ein Fflllhorn halt (Cohen Me^d. imp^ 
litvm, wie 0. Hirschfeld mit Beziehung auf N^ron 66. 67; Vitellius 13—16;. Vespasien 62. 
den Frieden von Misenum im J. 39 v. Chr. ver- 63. 71—74 etc.). Dieser Typus ist der vorherr- 
mutet, Mommsen CIL I» p. 323) in den fast. schende geblieben, daneben treten vielfache Va- 
Tusc CIL 12 p. 219 eine aedes sacra voraus. riationen auf. Die Gottin erscheint en face (lau- 

Am Altar der Friedensgottin , den Augustus 40 stine mere 157), stehend nach links (Vespasien 

im J 745 = 9 auf dem Marsfeld errichtete, wurde 70; Lucille 11; Sept. Severe 72ff.), nach rechts 

am 30. Marz neben Pax, Ianus und Salus auch (Antonin 135; Faustme m|re 156ff.), an Stelle 

der C. geopfert (Ovid. fast, m 881f. Cass. Dio der Opferschale tritt ein Olzweig (Galba 2. S) 

LIV 35) Eine Statue der C. war vom Censor oder Ahren (Vespasien 64—69 ; Titus 38 — 39 ; 

Q Marcius im J. 590 = 164 aufgestellt (Cic. de Domitien 37-38) oder eine Blume (Faustine jeune 

dom 130 136) 53—58); das Fullhorn verdoppelt sich (Vitellius 

Cultstatten ausserhalb Eoms : Altar zu Syrakus 17—21 ; Sabine 2 ; Antonin 136-137S.) oder liegt 

(Liv XXIV 22 1) Altar and Bild zu Casinum unter ihrem Sitze (Antonin I31-132ff.) oder dient 

(CIL X 5159, 40 v. Chr.), Chalcidicum zu Pom- ihr als Sttttze (Adrien 266; Aelius 1— 14ff.) oder 
peii der C. Augusta und Pietas geweiht (CIL 50 wird durch ein Scepter ersetzt (Sabine 24—26 ; 

X 810, daselbst eine Statue der C. (?) mit Full- Commode 42. 43ff.) oder fehlt ganzlich (M. Au- 

horn gefunden, der Kopf fehlt, Overbeck Pom- rele 29; Gordien 57ff.), hinter C. erscheint eine 

peii* 131ff.), Tempel der C. Augusta zu Patavium, Statuette der Hofmung (Adnen 247—255), oder 

in der die Priesterschaft der Concordiales den die Gottin stiitzt sich darauf (Adnen 256. 257 ; 

Dienst versah (CIL V 2307. 2525. 2843. 2865. Sabine 10—23; Antonin 128— 130ff.), bald ruht 

2869.2872.2874.3130, dazu Mommsen p. 268), die Linke auf der Brust (M. Aurele 38), bald 

ara mm simo der C. Augusta zu Anaunium hebt die Eechte das Gewand (Faustine jeune 43 

(CIL V 5058), aedes curialis Concordiae zu Gales —52), die Gottin lehnt sich an eine Saule (Adnen 

(CIL VHI 757) 267 ; Sabine 3—9; Aelius 14—15), zu lhren Fussen 

Wie die Libeluiftcn Lezeugcn, wurde C. U- 60 »Uht ciu Altar (51. Aur^e 63. ^5; Septime 

sonders in Spanien, im cisalpinischen Gallien und Severe 71), an dem sie opfert (Mammae 4; 

in Africa gefeiert; ganze Gemeinden, die ver- Gordien le pieux 58—60); durch die stetig 

schiedensten Berufsklassen und Verbande stellen wechselnde Verbindung dieser einzelnen Abwei- 

sich unter ihren Schutz C. Agrigentinorum (CIL chungen entsteht erne Fulle von Typen, wie sie 

X 7192), coloniarum Cirtensium (CIL VIII 6942), kaum bei einer andern Gottheit sich findet ; die 

populi et ordims Thamugadi (ebd. 2342), deeu- Kaiserinnen, durch die Beischnft kenntlich, zeigen 

rionum (CIL II 3424), mratorum areae coUegii den Typus der C. Augusta (Caligula 4; Claudia 

fabrum et eentonariorum (CIL V 5612), eollegii 1) oder C. wird unter dem Bilde der Kaiserinnen 

Panly-Wlssowa IV 



835 



Concordius 



Concubinatus 



836 



dargestellt (Galba 43). Ein zweiter Haupttypus 
zeigt die C. (meist mit dem Zusatz Awjustorum, 
felix, aeterna) stehend zwischen zwei Mitgliedern 
des Kaiserhauses , die sich die Hande reichen 
(Adrien 258f.; Aelius 16; Caracalla 22; lulia 
Paula 13 — 15), sie breitet das Gewand liber ihre 
Schiitzlinge aus (Marc Aurele 67. 68), zuweilen 
halt sie eine Statuette der Hoffnung (Adrien; 
dasselbe Bild ohne die GrOfctin Antonin 145 — 146. 
158-161 ; Marc Aurele 45-59ff.). Eindritter haufig 
wiederkehrender Typus zeigt die G. exereituum 
oder militum stebend, in jeder Hand ein mili- 
tarisehes Feldzeichen (Adrien 268 — 269; Marc 
Aurele 66 ; Septime Severe 76 — 78), statt des einen 
die Victoria (Antonin 139 — 143) oder umgeben 
von sechs Fahnen, ein Scepter (Lanze?) haltend 
(Septime Severe 75; GfSta 19— 20ff.; militarische 
Zeichen, mit dem Namen aber ohne das Bild 
der C, Vespasien 75; Caracalla 25ff.). Bei den 
wechselnden Formen der Typen, die sich vielfach 
mit denen anderer Gottinnenberiihren und kreuzen, 
bleibt es immer ein unsicherer Versuch, statuari- 
sche und sonstige Darstellungen lediglich auf ihre 
Attribute bin als C. zu bezeichnen; vgl. noch 
E. Peter in Roschers Mythol. Worterbuch I 914ff. 

[Ausi] 

Concordius. 1) s. Aurelius Nr. 90. 

2) Valerius Concordius, vir perfectissimus, Dux 
Germaniae primae zwischen 293 und 305. Bonn. 
Jahrb. LVI1I 1876, 177. [Seeck.] 

Concubinatus ist bei den Esmern ein dauern- 
des geschlechtliches Zusammenleben eines Mannes 
mit einer Frau, deren Kinder nicht als seine voll- 
berechtigten AbkOmmlinge gelten sollen. Das 
letztere Merkmal vermag bei der Formlosigkeit 
der rSmischen Eheschliessungen allein den 0. von 
der Ehe zu unterscheiden. Dem Gefahrten der con- 
eubina fehlt die wahre affeetio wxoris (sc. habendae) 
Dig. XXIV 1, 3, 1; denn in der Absicht, den 
Kindern aus dem C. die gesetzlichen Kindesrechte 
zu verweigem, liegt ein Mangel an Achtung vor 
der Mutter. So ist zu verstehen Paul. II 20 , 1 : 
coneubina igitur ab uxore solo dilectu separator 
und Dig. XXV 7, 4 : concubinatus ex animi de- 
stinations aestimari oportet. P. Meyer (Der 
Concubinat nach den Renhtsquellen und den In- 
schriften, Leipzig 1895, 89) nimmt noch weitere 
Merkmale in die Begriffsbestimmung des C. auf; 
namentlich den monogamischen Charakter der Ver- 
bindung und den gesetzlich anerkannten Namen. 
Beides jedoch mit Unrecht. Der monogamische 
Charakter des C. war insofern eine Bedingung 
seiner Zulassigkeit, als es verboten war, neben 
der Gattin eine Concubine zu halten. Paul. sent. 
n 20, 1. Cod. VH 15, 3, 2. Das Verbot, meh- 
rere Concubinen neben einander zu haben , ist fur 
die altere Kaiserzeit keineswegs sicher. Dagegen 
namentlich Gide De la condition de l'enfant 
naturel et de la concubine dans la legislation Ro- 
mninc, Pari- 1850, 20, 1 mit Eonifnng auf Pirn. 
epist. Ill 14. Im neuesten rOmischen Recht ist 
freilich der monogamische Charakter des gesetz- 
lich begunstigten C. ausser Zweifel, Nov. lust. 
XVIII 5. Man darf aber iiberhaupt nicht den 
engern Begriff des erlaubten oder begunstigten 
C. mit dem des C. iiberhaupt verwechseln, um so 
weniger, als der C. zunachst zwar als Regel er- 
laubt wurde, aber hierbei sowie auch spator gewisse 



Falle des C. durch Ausnahmevorschriften verboten 
worden sind. Indem Meyer den nicht verbotenen 
C. als den C. im technischen Sinne des Wortes 
ansieht, ist er genotigt, neben dieser Bedeutung 
des Wortes eoneubina noch eine weitere, bei nicht- 
juristischen Schriftstellern haufige = Kebsweib an- 
zunehmen und folgeweise Stellen, die man allge- 
mein auf den C. bezieht, wie namentlich Hist. 
Aug. Aurel. 49 anders zu deuten, als der Wort- 

lOlaut es nahelegt (Meyer 30, 59). Auch die Be- 
nennung des C. mit einein gesetzlichen Namen 
ist kein Begriffsmerkmal; denn diese Eigentum- 
lichkeit teilt der C. mit alien durch Gesetz ge- 
regelten Eechtsbegriffen. Allerdings ist die ge- 
setzliche Benennung des C. als eines Ausnahme- 
falles der Strafbestimmungen, die Augustus gegen 
das stuprum erliess, bezeugt Dig. XXV 7, 3, 1 
quia per leges nomen assumpsit, extra, legis poe- 
nam est. Der Gesetzgeber hat aber den Ausdruck 

20 C. nicht geschaffen, sondern ihm nur eine feste 
Bedeutung aufgepragt, namentlich seine Bezie- 
hung auf dauernde Verhaltnisse gesichert. Im 
iibrigen findet sich dieser Ausdruck schon fruher, 
namentlich bei Plautus (die einzelnen Stellen s. 
bei Costa H diritto private Romano nelle com- 
medie di Plauto, Torino 1890, 183ff.). Es wird 
angenommen (Meyer a. a. O. 16), dass Plautus 
dabei griechische Vorbilder vor Augen gehabt 
habe. Es kommt aber auch hier in Betracht, 

80 dass Plautus weit mehr als Terentius die in den 
griechischen Vorbildern enthaltenen Rechtsbegriffe 
zu romanisieren und dadurch zu popularisieren 
sucht (eine Behauptung, die hier nicht naher aus- 
gefuhrt werden kann). Der Ausdruck eoneubina 
war wohl zunachst im wesentlichen gleichbedeu- 
tend mit paelex, Fest. ep. p. 222 s. paeliees. 
Gell. IV 3. Dieser Ausdruck, der von hebraeischem 
Stamme ist (Meyer a. a. O. 8. Rubier Ztschr. 
d. Savignystiftung XVII 358) und auf phoini- 

40 kische Einflusse hindeutet, erlangte — vielleicht, 
wie Meyer 10 annimmt, am Ende der Republik 
— die besondere Bedeutung der Beischliiferin eines 
Verheirateten, Dig. L 16, 144. 

Dass der C. sich nur auf dauernde Verhalt- 
nisse bezieht, hat Meyer mit Eecht gegen Gide 
a. a. 0. betont (so auch schon R. Leonhard in 
der Anzeige der Gideschen Schrift, Krit. Viertel- 
jahrsschrift XXHI 347). Meyer geht aber wohl 
darin zu weit und nahert sich wieder der alteren, 

50 neuerdings meist verworfenen Auffassung, die in 
dem C. schon fur die frlihere Kaiserzeit eine 
unvollkommene Ehe sah (vgl. Gide 5, 1. Leon- 
hard &. a. 0. 346), indem er behauptet, dass 
an der Stellung der coneubina keinerlei MLss- 
achtung gehaftet, ja sogar, dass der Kaiser den C. 
geradezu der Missachtung entruckt habe (Meyer 
a. a. 0. 28. 92). Damit vertriigt sich sehr schlecht 
die vOllige, auch von Meyer anerkannte privat- 
rechtliche Wirkungslosigkeit des C. und die Pflicht 

GO^-er u^bcsch.-Itc-ncr. Eomerin, dio zur Stclkmg 
einer coneubina hinabsteigen wollte, sich selbst 
durch eine Offentliche Bekanntmachung ihrer Ab- 
sicht an den Pranger zu stellen, Dig. XXV 7, 
3 pr.; vgl. anch Dig. XXXII 49, 4. Dig. XXY 
7, 5 : Concubinam ex ea provineia, in qua quis 
aliquid administrate habere potest, worin eine 
Geringschatzung des voraussichtlichen Einfiusses 
der coneubina auf ihren Lebensgefahrten liegt. 



837 



Concubinatus 



Concubinus 



838 



Dig. XXXIII 2, 24 und 41, 1. tberhaupt fasst 
Meyer die Lage der von ihrem Patrone gehei- 
rateten Freigelassenen , die an ihren Gatten ge- 
bunden war, viel zu gunstig auf (so richtig B. 
Kubler Ztschr. d. Savignystiftung, Rom. Abt. 
XVII 361). Ihre Sonderstellung ist nichts als 
ein tiberrest der friiheren Sclaverei der liberta 
(Leonhard a. a. 0. 346; vgl. auch Dig. XXXIV 
9, 16, 1) und darum nichts weniger als eine be- 



naturales haben. Meyers Ausfiihrung a. a. 0. 
39, dass dieser Ausdruck ursprfinglich einen wei- 
teTen Sinn gehabt habe, hangt vielleicht mit seiner 
oben erwahnten engen Begrenzung des Begriffes 
coneubina zusammen. Ein technisches Geprage 
erhielt der Ausdruck liberi naturales aber aller- 
dings erst durch Theodosius und Valentinian, Cod. 
Theod. rV 6, 7: Naturalium nomen saneimus 
imponi iis, quos sine honesta eelebratione ma- 



vorzugte. Der Ausspruch Ulpians Dig. XXV 7, 10 trimonii procreatos legitima eoniunctio fuderit 



1 pr. cum honestius sit patrono libertam con- 
cubinam quam matrem familias ftabere war 
wohl schwerlich etwas anderes als ein Ausdruck 
des Selbstbewusstseins der angeseheneren Stande, 
die fur ein Madchen niederer Herkunft einen be- 
scheideneren, aber in sittlicher Hinsicht bedenk- 
lichen Platz fur angemessener hielten als eine sitt- 
lich vollwertige Stellung (vgl. hierzu auch Bern- 
hsft Ztschr. f. vgl. R.-W. VHI 198). Allerdings 



in lucem. Das altere Recht hatte die Kinder 
einer eoneubina von andern unehelichen Kindern 
nicht unterschieden , Gai. I 64. Dig. \ 5, 19, 
Das Christentum dagegen verfolgte zwei Hauptbe- 
strebungen, welche bei der Behandlung des C. 
in einen Widerstreit geraten mussten. Der Kampf 
der christlichen Kirche um Hebung der geschlecht- 
lichen Sittlichkeit musste zu einer Missbilligung 
des C. und einer Missgunst gegen die Kinder 



war die Freigelassene als Concubine (nicht als 20 eines solchen Bundes hinfuhren (Anschauungen, 



Gattin) des patronus bevorzugt. Dig. XL VIII 
5, 14 (13): matronae nomen non amisit, dafur 
war ihr aber das Recht zum C. mit andern, als 
•dem patronus genommen. Dig. XXXIII 2, 41, 
1. XXV 7, 1 pr. 

Immerhin ist es jedenfalls richtig, dass, wie 
Meyer hervorhebt, Augustus mit der Straflosig- 
keit des C. den besondern Zweck verfolgt hat, 
den am Heiraten Verhinderten im C. einen Ersatz 



welche schon den stoischen Philosophen nicht 
fremd waren; vgl. Gide a. a. 0. 27), wahrend 
andererseits die christliche Fursorge filr die Armen 
und Schwachen eine Verbesserung der Lage der 
Concubinenkinder nahe legte. Aus diesen ent- 
gegengesetzten StrOmungen entstand eine eigen- 
artige Entwicklung des spatrOmischen Rechts, in 
der sich Gunst und Ungunst gegeniiber den liberi 
naturales vermischten, dargestellt von Meyer 



ftir die von ihm eingefuhrten Beschrankungen der 30 a. a. 0. 128ff. Sie endete schliessuch in Iusti- 



Ehebiindnisse (vgl. J o" r s Die Ehegesetze des Au- 
gustus 1894,- 21ff.) zu bieten, wobei er zunachst 
an die Beschrankungen der Manner dachte (Dig. 
XXV 7, 3 pr. verglichen mit Ulp. XIII 1), wah- 
rend die spatere Entwicklung auch Frauen be- 
riicksichtigte, weil die Ehe der patrono, mit dem 
libertus von Septimius Severus verboten wurde. 
Dig. XXIII 2, 62, 1. Cod. V 4, 3. Meyer a. 
a. 0. 64ff. 



nians Eechtsbuchern mit Verbesserungen der Lage 
der liberi naturales, die neben erbrechtlichen Be- 
schrankungen (Cod. Theod. IV 6, 6. Cod. lust. 
V 27, 2) stande n und namentlich den liberi na- 
turales raehrere Wege zu den Rechten ehelicher 
Kinder erOffneten, auch Ernahrungsanspruche und 
Erbrechte zuwiesen. Inst. I 10, 13. Cod. V 27, 
nov. 18. 74. 89; vgl. auch S. Mayer Das Inte- 
staterbrecht der liberi naturales nach dem heut. 



Von besonderer Bedeutung war der C. fur den40rom. R. 1838, llff. Im spateren byzantinischen 



Soldatenstand, weil fur einen grossen Teil des 
Heeres in den ersten Jahrhunderten der Kaiser- 
zeit die Ehe verboten war (vgl. Seeck Geschichte 
des Untergangs der antiken Welt, Berlin 1895 
I 253ff. 391f. 535 und dazu Meyer a. a. 0. 169ff.). 
Darum bedurfte es einer besonderen Rucksieht 
auf diese Verhaltnisse, namentlich fur die Kinder 
ex castris; vgl. hieriiber die sehr eingehende, 
durch Eucksicbt auf die Militardiplome und auf 



Eeiche liess die Kirche von der Missbilligung des 
C. nicht ab, bis Leo Philosophus inn verbot. Nov. 
91 Imp. Leonis. Basil. LX 37, 83. 

Litteratur vgl. die bei Meyer Der r8mische 
Concubinat nach den Rechtsquellen und den In- 
schriften, Leipzig 1895, Iff. Genannten und ausser- 
dem Birnbaum zu Fr. Creuzer Abriss der rOmi- 
schen Antiquitaten 2 , Leipzig 1829, 484. Bur- 
chardi Lehrbuch des rom. R.2, Stuttgart 1854, 



Inschriften belegten Ausfuhrungen Meyers a. 50 281ff. Schulin Lehrb. d. Gesch. d. rOm. Rechts 



a. 0. 93ff. 

Zweifelhaft ist die Rechtslage der focaria, Cod. 
V 16, 2. Mom m sen CIL IE p. 1212 und 1215 
sieht in ihr die Soldatenconcubine. Dagegen 
Meyer a. a. 0. 97ff., der in ihr ein Kebsweib 
niederen Ranges erblickt (vgl. dagegen Kubler 
Ztschr. der Savignystiftung, Rom. Abt. XVII 362. 
364, der auf Dig. XXXIV 9, 14 hinweist, wonach 
eine stupro eognita ohne Erbrecht war, wahrend 



237ff. Mommsen St.-R. HI 430, 3. P. Meyer 
Die agypt. Urkunden u. d. Eherecht d. rOm. Sol- 
daten, Ztschr. d. Savignystiftung XVUI 44ff. R. 
Leonhard Krit. Vierteljahrsschrift XXHI 345ff.; 
Institutionen 207ff. J. Merkel fiber die Schrift 
Meyers in den Gsttinger gelehrten Anzeigen 
1896, 852ff. , woselbst 852, 1 die neuere franzO- 
sische Litteratur angegeben ist. [R. Leonhard.] 
Concubinus, allegorische Personification des 



eine focaria in Jul obtu cvUgeiiiLi'tcn Iiiodirifi CO ui.geLunJcuci. Litbusgcnussc-s , der Leim Geieite 
, .. m_!i.i.\ ^ri.„_i i. j_i_l j j„„„ ^ er j^ngen p rau in jbr neues Heim .Nusse', die 

Sinnbilder der Befruchtung, ausstreut (CatulL 
LXI 124ff.) und dann vom Mann Abschied nimmt, 
um sein Regiment dem Gott der Ehe zu uber- 
lassen (vgl. Preller Rom. Mythol. DI3 215ff. und 
Marquardt-Rom. Privatleben ia 54f.). Da C. 
sonst nirgends erwahnt wird, ist er gewiss nur 
eine dichterische Schopfung Catulls. [Aust.] 



als heres auftritt). Crberhaupt folgt daraus, dass 
die focaria in der Unfahigkeit, Schenkungen ent- 
gegenzunehmen, einer Gattin ahnlicher war, als 
die gewohnliche coneubina, wohl schwerlich, dass 
sie unter einer solchen gestanden hat. 

Einen tiefgreifenden Einfluss fibte das Christen- 
tum auf die Lage der Concubinenkinder aus, die 
im neuesten rCmischen Rechte den Namen liberi 



839 



Concula 



Condaea 



840 



Concilia heisst bei Isid. etymol. XVI 25 (Me- 
tro! script. II 116, 10f., vgl. die Ausztige aus 
Isid. ebd. 140, 14) ein Hemes Massgefass in 
Muschelform (vgl. Concha). Es hielt 8 coelearia, 
deren 20 von Isidor auf den Cyathus gerechnet 
werden (vgl. S. 157). Daraus berecb.net sich fur 
die C. ein Betrag von 0,68 Centiliter. In einer 
ebenfalls erst dem Mittelalter zugehcrigen Mass- 
tafel wird eine concla = 4 eoolearii = ty 8 emina, 
d. i, = 3,42 Centiliter gesetzt, Metro! script. II 
133, 1—3. [Hultsch.] 

Concurrere im jnristischen Sinne heisst das 
Zusammentreffen mehrerer Anspriiche oder Per- 
sonen an derselben Stelle. So bei dem coneursus 
aetionum (s. d.), dem Zusammentreffen mehrerer An- 
spriiche oder Klageformen in einem und demselben 
Palle (Dig. L 17, 43, 1. J. Merkel Uber den 
Concurs der Actionen nach romischem Privatrecht, 
1877 und dazu Brinz Krit. Vierteljahrsschr. XX 
161ff.). Ebenso bei dem concursus creditorwn, 
der zu dem nachrOmischen Ausdruck Concurs 
gefiihrt hat. Der Satz concursu partes fiunt 
(Frg. Vat. 78. 79. Dig. XXXIX 2, 15, 8. XXXII 
80. Ulp. XXIV 12. Dig. XX 4, 7 pr.), der 
namentlich Miterben betrifit (s. Adcrescendi 
ius), gilt auch hier, da die einzelnen Glaubiger 
als Wettbewerber neben einander (Concurrenten) 
aiiftreten. Irrig ist es jedoch anzunehmen, dass 
c. notwendigerweise in alien Fallen auf ein Con- 
currenzverhaltnis im modernen Sinne des Wortes 
hindeute. C. heisst nur .Zusammentreffen', nieht 
notwendigerweise ,Zusammentreffen mit gegen- 
seitiger Benachteiligung' ; arg. Gai. I 17. Ulp. 
XI 28. Man kann also von einem c. auch da 
reden, wo zwei Personen bei derselben Sache mit 
Ansprflchen so zusammentreffen (concurrtmt), dass 
die eine hinter der andern stehen soil und will. 
Indem man dies iibersah, hat man zwischen Dig. 
XX 4, 7, 1 und Dig. XX 4, 21 einen Widerspruch 
gesehen, dessen Erorterung der Gegenstand einer 
umfangreichen Litteratur geworden ist, jedoch bei 
richtiger Ubersetzung des Wortes e. verschwindet 
(vgl. uber diese Litteratur v. Vangerow Pand. i 
I 819 §369, 1. Windscheid Pand. 1 1 739 § 242, 
10. Dernburg Pand.s I 666 § 267, 8). 

[R. Leonhard.j 

Concursus aetionum. Zur Erreichung des- 
selben Ziels kOnnen verschiedene actiones zur Ver- 
fOgung stehen. So erwachst aus der Beschadigung 
der Mietsache durch den Mieter sowohl die actio 
locati als die actio legis Aquiliae, beide gerichtet 
auf Schadenersatz , der nur bei der actio legis 
Aquiliae reichlicher ausgemessen werden kann. 
So begrundet auch der Eaub hominibus coach's 
die actio furti und vi bonorum raptor um, beide 
auf eine poena gerichtet, erstere auf dttplum, 
letztere auf quadruplum. Solche Falle wenigstens 
teilweiser Identitat des Erfolgs wie des klagbe- 
ffTfinriPTideTi Thathpstands behandelte Panlus in 
einem liber singidaris de concurrentibus actio- 
nibus, aua dem Dig. XLIV 7, 34. XL VII 2, 89 
entnommen sind; vgl. auch Ulp. Dig. L 17, 43, ! 
Aber auch der Fall, dass injuriSse Verletznng eines 
fremden Sclaven sowohl die actio iniuriarum als 
die actio legis Aquiliae begrundet, ist von Paulus 
wie von Ulpian (Dig. IX 2, 5, 1) als Fall des 
c. a. behandelt, obwohl die actio iniuriarum die 
aestimatia eontumeliae, die actio legis Aquiliae 



dagegen die aestimatio damni bezielt. Anderer- 
seits wird auch, wo Identitat des Erfolgs ver- 
schiedener Actionen, aber vollstandige Verschieden- 
heit des klagbegriindenden Thatbestands vorliegt, 
von c. a. gesprochen, Ulp. Dig. XIX 1, 10. Dar- 
iiber, in welcher Weise in diesen verschiedenen 
Fallen einer doppelten Belastung und Belastigung 
des Verpflichteten entgegengewirkt wird (Con- 
sumption der einen actio durch Litiscontestation 

lOtiber die andere ipso iure oder ope exeeptioni& 
— oder Befreiung erst durch Erfullung — oder 
Notigung zur Remission der zweiten actio vor 
der Verurteilung auf Grund der ersten), vgl. die 
bei Dernburg Pand. I s 135 angegebene Lit- 
teratur, insbesondeTs J. Merkel Uber den Konkurs- 
der Aktionen (1877). Eisele Zur Lehre von der 
Klagenkonkurrenz in Archiv f. civ. Praxis LXXIX 
327f. [Leist.] 

Coneursus delictorum s. Delictum. 

20 Concussio ist das romische Vorbild unserer 
Erpressnng; sie erscheint in der Kaiserzeit als 
crimen extraordinarium (s. Art. Crimen). Eine- 
Legaldeflnition existiert nicht ; die Falle, in denen 
die Quellen von concussio reden, sind sehr ver- 
schiedenartig , doch scheint als wesentlich be- 
trachtet zu werden 1) dass der Thater bei einem 
anderen Furcht erregt (concutere, vgl. terror est 
tnetus eoncutiens, Cic. Tusc. IV 1 9. Paul. V 25, 
12) und 2) aus der so geschaffenen Lage einen 

30 rechtswidrigen VermOgensvorteil zieht (extorquet 
illieite Ulp. Dig. Ill 6, 8). 

Die Falle lassen sich nach den Mitteln, durch 
welche die Furcht erregt wird, so gruppieren: 
a) Erregung der Furcht durch Drohung mit einer 
unbegriindeten Anklage (crimen minari, oh aceu- 
sationis metum dare), gleiehviel ob der Drohende 
ein Privater ist oder nicht, Macer Dig. XL VII 
13, 2. Ulp. Dig. HI 6, 8. Diocl. u. Maxim. Cod. 
Inst. IX 9, 23. Tertull. ad Scap. 4. Mit dem 

40 crimen concussiotiis kennen in besonderen Fallen 
andere Eechtsmittel strafrechtlicher und civilrecht- 
licherNatur concurrieren,s. MacerDig.XLVII13,2. 
Ulp. Coll. Vm 7, 2. Venul. Dig. XLVHT 11, 6, 2. 
Ulp. Dig. Ill 6, 8. b) Erregung der Furcht durch 
Vorspiegelung eines Offentlichen Amts oder eines 
obrigkeitlichen Befehls, Ulp. Dig. XL VII 13, 1. 
Paul. V 25, 12. Hierher gehoren wohl viele der 
in den Quellen erwahnten coneussiones von Sub- 
alternbeamten, vgl. z. B. Honor, u. Theod. Cod. 

50 lust. XII 53, 2. Hier kann mit dem Thatbestand 
der concussio zugleich derjenige des falsum ge- 
geben sein, Paul. V 25, 12, vgl. mit Mod. Dig. 
XL VIII 10, 27, 2. c) In einem weiteren Sinn ist 
concussio jede missbrauchliche Anwendung vor- 
handener Amtsgewalt zur Erlangung von Ver- 
mOgensvorteilen, auch durch andere als das sub a) 
erwahnte Mittel, z. B. rechtswidrige Erhebung 
von Gebtihren durch Officialen, depraedationcs der 
Rtenereintreiber u. s. w.. s. Uln. Disr. I 18. 6. 3. 

60Diocl. u. Maxim. Cod. lust. IV 7, 3. Constant. 
Cod. Theod. I 16, 7 und Cod. lust. X 19, 1. 
Valent. Theod. und Arcad. Cod. lust. LX 27, 5. 
Arcad. und Honor. Cod. lust. X 1, 7, 20 u. 6. 
Vgl. Eein Criminalrecht der Remer 343—346. 

[Hitzig.] 
Condaea, Station in Armenia, etwa siidlich 
vorn Van-See, Geogr. Eav. p. 63, 18; vgl. Kandak 
,Graben, Canal' in Sakastane ; armen. hntak, kndak 



841 



Correlate 



Condemnatio 



842 



loedeutet ,kahle Stelle 1 , neupers. chwandah ,ridens, 
amoenus'. [Tomaschek.] 

Condate. Im Keltengebiete haufig vorkommen- 
■der Ortsname, der so vie! bedeutet wie eonfluentes 
(Am Zusammenfluss). Gliick Kelt. Namen 65. 
Bacmeister Kelt. Briefe 108. Holder Altkelt. 
Sprachschatz s. eondati. Vgl. Condatis, Condatis- 
■co(ne), Condatomagus. 1) Bei den Eedones. 
Ptolem. II 8, 9 maga xbv Aiysiga. notafiov 'Pi) 



(Itin. Ant. 469, 1) und 18 von Mancunium (482, 3. 
Geogr. Eav. 429, 5); sie wird danach an den Zu- 
sammenfluss von einigen kleinen Flussen in der 
Nahe von Northwich in Cheshire gesetzt. 

[Hiibner.] 

Condatis, Beiname des Mars (von einem Ort 

Condate?) auf zwei Lischriften Britanniens. CIL 

VII 420 (Piers bridge, Durham) T>(eo) M(arti) 

Condati Attonius Quintiawus men(sor) ex GG 



doves &y xdhs KovSare. Ptolemaios setzt den Ort 10 (ducmario) impferatoris) ex msso 1. 1, m. Ephem. 



•(das heutige Rcnnes am Zusammenfluss von Ille 
und Vilaine) irrtiimlich an die Loire, an der ein 
anderes C. lag (s. Nr. 2). Tab. Peut. Itin. Ant. 
386. 387. In der Not. Gal! Ill 4 Civitas Ee- 
4onum. Desjardins Table de Peut. 27; Ge"ogr. 
de la Gaule II 487. Longnon G<5ogr. 306. 

2) Condate, an der Strasse Augustodunum — 
Lutetia zwischen Nevirnum (Nevers) und Brivo- 
4urum, an der Loire. Itin. Ant. 367. Heute Cosne, 



epigr. VII 313 nr. 984 (Bull, e^pigr. VI 146, aus 
Chester-le-Street) Deo Mart[i] Ckmdati [. . . P]ro- 
binus p[ro] se et suis v. s. I. m. Vg! E. Mow at 
Notice epigraphiajie 64 (Ziegelstempel GONDATI 
aus Allonnes, arrond. Le Mans, hat mit dem Mars 
C. schwerlich etwas zu thun). _ ^ iva ^ 

Condatiscone (monasterium) bei Greg. Tur. 
vitae patr. I 2. Ort der Civitas Lugdunensium, 
jetzt Saint-Claude (dep. Jura). Longnon Ge"ogr. 



wo der Nohain in die Loire fallt. Vgl. Nr. 1. 20 de la Gaule 199. Andere Zeugnisse bei Holder 



3) Condate, bei den Aulerci Eburovices, an 
der Vereinigung zweier Arme des Iton, jetzt Cond6- 
■sur-Iton (de'p. Eure). Itin. Ant. 385 und Tab. Peut. 
Desjardins Table de Peut. 22. 

4) Condate, Zusammenfluss von Eh&ne und 
Sa&ne, ein Stadtteil von Lugudunum. Boissieu 
Inscr. de Lyon 19 = Wilmanns 2225: [Di]anae 
Augfustae) sacrum [i]n honor (em) pagi Cmda- 
t(ensis) C. Qentius Olillus magister pagi . 



Altkelt. Sprachschatz s. v. Vgl. Condate. 

[Dim.] 

Condatomagus , Ort bei den Euteni, Tab. 
Peut. (Condatomago). Desjardins Geogr. de la 
Gaule II 423; Table de Peut. 54. Eevue celtique 
VIII 398. Holder Altkelt. Sprachschatz s. v. 
(,Feld an der Vereinigung' des Tarn und der 
Dourbie?). Vgl. Condate. [Ihm.] 

Condemnatio. 1) Im Strafprocess ist C. das 



Ifocus) d'fatm) d(eereto) p(aganorwm) Cond(a- 30 schuldig erklarende Urteil. Wo die Urteilsfindung 



temiurn). Desjardins Geogr. de la Gaule I 288. 
HI 446 (mit p! II). Deloche Memoir. pr£s. a 
1'acad. des inscr. 2. ser. IV 374. Die Lesart 
CONDEATIVM der Inschrift Boissieu 259 ist 
unsicher. 

6) Condate {Cotidatensis) vicus der Civitas 
Turonum, bei Sulp. Sev. epist. Ill 6. Greg. Tur. u. a. 
■Ofter erwahnt, jetzt Candes (dep. Indre-et-Loire). 
Longnon G<5ogr. de la Gaule 270ff. Holder 
Altkelt. Sprachsch. I 1093 (nr. 8). 

6) Condate, im Gebiet der Santones an der 
Strasse Mediolamim (Saintes)-Vesunna (Pengueus). 
Tab. Peut. I A 1. Beim heutigen Cognac. Des- 
jardins Table de Peut. 40. 

7) Condate, am Zusammenfluss von Tonne und 
Seine, beim heutigen Montereau, arrond. Fontaine- 
bleau. Itin. Ant. 383. Tab. Peut. Desjardins 
Table de Peut. 25. 

8) Condate, im Gebiet der Gabali, zwischen 



ganz in die Hand des Magistrats gelegt ist und 
dieser hOchstens von einem freigewahlten Consilium 
unterstiitzt wird, wird von ihm selbst gesagt: eon- 
demnat, Cic. Verr. II 75. V 114. In alien iibrigen 
Fallen (Comitialgericht, Quaestionengericht) wird 
condemtiare nicht von der Urteilsverkundigung 
des praesidierenden Magistrats, sondern von der 
Stimmabgabe des einzelnen Burgers (Geschwore- 
nen) gesagt, condemnare = fur Verurteilung stirn- 
40 men, Cic. pro Cluent. 76. 108. 131. Condemnare 
findet sich auch in der Bedeutung ,die Verurteilung 
(durch Betreibung der Anklage) herbeifuhren', Cic. 
divin. in Caec. 30. Suet. Tib. 8 ; Vitel! 2. Ulp. 
Dig. XLVIH 5, 2 pr. Les CoL Iul. Genet, c. 124, 
Bruns Fontes iur. Eom.6 p. 135. Die Stimm- 
abgabe erfolgt bei der schriftlichen Abstimmung 
(vgl. uber diese und die Stimmenzahlung den Art. 
Absolutio) durch ein Tafelchen mit der Auf- 
schrift D (= damno, bei Comitialgericht) oder G 



Revessione und Anderitum (Tab. Pent.). Nach 50 (=amdemrw, bei Quaestionengericht), s. die Mume 



d'Anville (Notice 238) am Zusammenfluss von 
Ance und Allier. Auch vom Geogr. Eav. IV 26 
p. 238 erwahnt. Desjardins Table de Peut. 44. 

9) Condate bei Auson. epist. V 31f. (p. 253 
Peiper) umu Dumnotoni te litore perferet aestus 
Condatem ad portum. Damit wohl identisch der 
Qmdatinus vicus Paulin. Nol. epist. 12 ad Auso- 
nium v. 259 (p. 304 Peiper). Jetzt Condat bei 
Libourne am Zusammenfluss von Isle und Dor- 
dognc (dfp. Gircnd"). 

10) Condate, im Gebiet der Allobroges, beim 
heutigen Seyssel an der Ehone, sudwestlich von 
Genf (de'p. Haute-Savoie). Tab. Peut. Geogr. Rav. 
IV 26 v. 237. Desjardins Table de Peut. 55. 

[Dam.] 

11) Station der romischen Strasse im west- 
lichen Britannien, zwischen Deva (s. <L) und Cam- 
bodunum (s. d. Nr. 2), 20 Millien von ersterem 



bei Mommsen Gesch. d. rem. Miinzwesens 638 
nr. 280. Ps.-Ascon. p. 108. 164 OrelL Lex AcQ. 
repet. Z. 51-55 (Bruns Font. jur. Rom.« p. 67) und 
Mommsen Rom. St.-E. 111402,3. Geib Gesch. 
d. rflm. Crim.-Proz. 365. Znmpt Crim.-Proz. d. 
rom. Eep. 360ff. Bei der Verkundigung des ver- 
urteilenden Erkenntnisses {pronuntuUio) ist der 
Ausdruck videri ublich, wahrscheinlich regel- 
massig verbunden mit einem der Anklage ent- 
R0 «prpchenden Inflnitiv . Cic. Verr. II 90 vgl. mit 
H 93 (aiunt a Sthenio titteras pubticas esse cor- 
rwptas — iste prommtiat, Stfienium litter as publi- 
eas eorrupisse) und Plin. ep. V 1, 6. Apul. de mag. 
2. Papin. Dig. Ill 2, 20. Marcian. Dig. XLVm 
16, 1, 5; ein allgemeiner Ausdruck fur schuldig 
erklaren ist pronuntiare fecisse videri, Cic. Verr. 
V 14; in Pison. 97; Acad. II 146; vg! Geib 
a. a. O. 368. Zumpt a. a. O. 372-374. ther 



843 



Condemnatio 



Conditio 



844 



das Urteil im allgemeinen und die Urteilsver- s. Lex Rubriac. 20. Die translatio iudicii (Keller - 

Mndigung vgl. den Art. Sententia, uber Voll- Wach §68) wird durch Umstellung der C. be- 

streckung des Urteils Art. Poena und Carnifex. wirkt. Rudorff Rom. R.-Gesch. H 98. Beth- 

Eine ganz eigentiimliche Art der Venirteilung mann-Hollweg ROm. Civilprocess II 224. Kel- 

bildet in der Kaiserzeit die pronuntiatio (oder ler-Wach § 39. Sohm Institutionen 1 § 53. 

interloeutio) principi seribendum esse; sie kommt [Leist.] 

zur Anwendung, wenn der Provincialstatthalter Condercum, das dritte der grossen Castelle 

die Todesstrafe tiber einen deeurio oder die De- am Wall des Hadrian im nOrdlichen Britannien, 

portationsstrafe verhangen will, sie ist eine vor- jetzt Benwell, bei Newcastle-upon-Tyne, in der 
laufige Verurteilung (sententia bei Ulp. Dig. XLIX 10 Liste der Castelle beim Geogr. Rav. 432, 13 (Gon- 

4, 1 pr.); der Angeklagte wird, wenn er bisher decor) und in der Not. dign. als Sitz des prae- 

auf freiem Fuss oder in leichterer Haft war , in fectus aloe I Asturum erwahnt (Occ. XL 35), 

diligentior eustodia genommen; der Statthalter die auf vier Inschriften aus Benwell genannt ist 

referiert an den Kaiser mit Beifiigung eines Straf- (CIL VII 510. 513. 537. 538). Auch sind er- 

antrags, den der Kaiser durch Rescript bestatigt heblicbe Reste des Castells erhalten (CIL VII 

oder modifieiert, Ulp. Dig. XXVIII 3, 6, 7. XL VIII p. 110; vgl. Bruce Roman Walls, Lond. 1869, 

19, 9, 11. 22, 6, 1. XLIX 4, 1 pr. Callistr. Dig. 107ff. und Lapidarium septentrionale, Lond. 1875, 

XLVni 10, 31. 19, 27, 1. 2. Macer Dig. XLVIII 19ff. [Hiibner.] 

21, 2, 1; vgl. Dip. Dig. XLVIII 19, 2, 1. Condeso, Ort des nordlichsten Armenien an 

[Hitzig.] 20 der Strasse von Artaxata nach Sebastopolis, dem 

2) Ausser Venirteilung heisst C. auch der (nur heutigen Poti, Tab. Peut. XI 4 Mill. Geogr. Rav. 

bei Praejudicialklagen fehlende) Schlussbestand- 73, 16. [Baumgartner.] 

teil der Formula, der den Richter anweist, wenn Condetins. P. Condetios VaflesiV fifliusj 

er die vorher angegebenen Rechte oder That- wird auf einer Insehrift unbekannten Fundorts, 

sachen bestatigt flnde, zu verurteilen, andernfalls etwa aus der Zeit des hannibalischen Krieges, als- 

freizusprechen {eondemna, si non paret absolve), Aedil, wahrscheinlich eines Municipiums, bezeich- 

Gai. IV 43. Die Absolutionsclausel gilt als selbst- net (CIL I 187)-. [Miinzer.] 

verstandlich (Dig. XLII 1, 3. L 17, 37), ist aber Condeyineum , Hauptort der Namnetae in 

wegen des Interesses der Parteien an einem for- Gallia Lugudunensis bei Ptol. II 8, 8 Na/ivfjxat 
mellen Abschluss des indicium nicht iiberflussig; 30 &v jcoks Kovdyomvxov. Nach gewohnlicher An- 

anders Eisele Beitr. z. rOm. R.-Gesch. 13. Die nahme identisch mit Partus Namnetum (Tab. 

Verurteilung im Formularprocess muss sich immer Peut.), dem heutigen Nantes (Not. Gall. Ill 6 

auf eine bestimmte Geldsumme richten, Gai. IV civitas Namnetum). Vielleicht ist C. die altere 

48. 52. Dig. XLII 1, 13, 1, vgl. 6, 1 (weil die bei Ansiedelung. C. Muller zu Ptol. a. O. Desjar- 

dem Mangel an Vollstreckungsbeamten allein mOg- dins Table de Peut. 28; Ge'ogr. de la Gaule II 

liche Zwangsvollstreckung gegen die Person und 187. Die falsche Lesart Condivicnum ist in dem 

gegendasganzeVermogendieAngabeeinerLeistung Atlas antiq. von Kiepert verzeichnet (vgl. Ali- 

nOtig macht, mit der auch Dritte den Verurteilten sincum, Agedineum, Vapincum u. a.). Dass C. 

zu befreien vermogen). Die Condemnationsanwei- bei Ptolemaios entstanden sei aus Condole vicus r 
sung dagegen geht entweder auf certa peeunia oder 40 ist nicht wahrscheinlich. Holder Altkelt. Sprach- 

auf incerta peeunia oder giebt einen Maximal- schatz s. v. [Ihm.] 

betrag an (c. eertae pecuniae, infinita, cum taxa- Condianus, Cognomen der Jahresconsuln Sex. 

turns Gai. IV 48 — 51). Die e. eertae pecuniae Quintilius Condianus cos. 151 mit Sex. Quintilius 

oder cum taxations bindet den Richter derart, Valerius Maximus und Sex. Quintilius Condianus 

dass er durch Abweichung von der bestimmten cos. 180 mit L. Fulvius .... C. Bruttius Prae- 

Summe oder Uberschreitung des Maximalbetrags sens. [Grnag.] 

litem suam facit, Gai. IV 52. Keller- Wach Conditio heisst im weiteren Sinne die Ge- 

§ 86 II. Demgemass notigt die Einsetzung einer schaftsbestimmung in dem Sinne, in dem auch in 

zu hohen Summe in die C. (nicht die intentio) der deutschen Sprache von Geschaftsbedingungen 
der vom Beklagten. angenommenen Formula zu 50 geredet wird; vgl. Dig. XXIII 1, 18. XVHI 2, 2 pr. 

iibermassiger Verurteilung des Beklagten. die nur meliore allata eondieione (= Anerbieten). Im 

vom Magistrat durch in integrum restitutio ab- engern technischen Sinne ist aber C. ein solcher Zu- 

gewandt werden kann , wahrend die Einfiigung satz zu einer rechtsgesch&ftlichen Anordnung, wel- 

einer zu niedrigen Summe zur Schadigung des che ihren Inhalt vorlauflg ausser Kraft setzt, bis eine 

Klagers fuhrt, Gai. -IV 52. 57. Bei Klagen wie zur Zeit ungewisse Entscheidung getroffen sein 

der act io de peeulio et de in rem verso, der actio werde. Der imperative Teil des Gewollten wird hier 

doli gegen die Erben, zuweilen (Lenel Ed. perp. durch einen andern condicionalen Teil aufgeschoben. 

345, 3) auch bei Klagen, denen gegeniiber das Die C. erzeugt also einen Schwebezustand, der 

sog. benefieium eompetentiae (Windscheid durch besondere Vorschriften geregelt ist und 
Pand.'TT §267^ znsroht, wird iW Richter dnrcn 60 bring* ?ir.c doppolto Moglicliloit mit Ath.: EI:i- 

Zuaatze zur C. wie dumtaxat de peeulio et quod tritt oder Ausfall der Bedingung. Jedes bedingte 

m rem Ni versum est, dumtaxat de eo quod ad Rechtsgeschaft hat daher vorlauflge und endgiil- 

eos pereenit, dumtaxat quod Ns faeere potest zur tige Folgen. Zu den ersteren gehOrt die Vererb- 

Beschrankung der_ Verurteilung angewiesen. Bei lichkeit der bedingten Rechte und der bedingten 

actiones arbitrariae wird die Condemnationsan- Verpflichtnngen bei Geschaften unter Lebenden, 

weisung von dem Ungehorsam gegen das arbitrium Dig. XVIII 6, 8 pr. Inst. Ill 1 5, 4. Bedingte Rechte 

de restituenda vel exhibenda re abhangig gemacht aus letztwilligen Verfugungen sind nicht vererb- 

(Bd. I S. 309); andere Condemnationsbedingungen lich, weil bei ihnen der Geber nur die bedacbte 



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Condicio 



Condicio 



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Person selbst als Gegenstand seines Wohlwollens BedingungenheissencoMdieioweswris, Dig. XXXV 

in das Auge zu fassen pfiegt, nicht deren ihm 1. 21, auch condiciones tacitae, quae taotte messe 

vielleicht unbekannte Erben, Dig. XLIV 7, 42 pr. videantur (Dig. XXXV 1, 99), doch sind dies 

L 17, 18. Eine vorlauflge Bedingung bedingter nicht die einzigen stillschweigenden Bedingungen; 

Geschafte zeigt sich auch namentlich bei den be- vielmehr giebt es auch noch andere stillscnwei- 

dingten Schuldumwandlungen (novationes), z. B. gend gesetzte Bedingungen, die weder selbs^er- 

der bedingten Annahme eines neuen Glaubigers standlich noch unumganglich sind; vgl. Dig. AA111 

an Stelle eines alten. Hier sind zunachst auch 3, 68: mm omnis dotis promissio futuri ma- 

die Klagerechte des alten Glaubigers vorlauflg trimonii taoitam eondieionem aeeipiat. 
ausser Kraft gesetzt, bis es sich entscheidet, ob 10 Hangt die Erfullung einer Bedingung vom 

deT Nachfolger an seine Stelle treten werde oder Willen einer Partei ab, so heisst sie e. potesta- 

nicht, Dig. XII 1, 36. XXLU 3, 80 und 83. tiva. Cod. VI 51, 7. 

Zu den vorlauflgen Folgen des bedingten Ge- So wie der Inhalt einer lex negotu durch Be- 

schafts gehort ferner die Pflicht des bedingt Be- dingung hinausgesehoben werden kann, so kann 

lasteten weder den Inhalt des bedingten Geschafts auch die Wiederaufhebung emer Geschaltsiolge 

zu vereiteln (also z. B. die bedingt versprochene unter einer Bedingung angeordnet sein (sog. Re- 

Sache nicht zu beschadigen) , noch den Eintritt solntivbedingung). Eine solche Anordnung ist 

der Bedingung boslicherweise zu verhindern, z. B. immer eine zweite suspensiv bedingte, die neben 

ein Pferd, gegen dessen Sieg im Wettkampfe den nicht aufgeschobenen Geschaftsmhalt tntt, 
gewettet worden ist, nicht zu toten. Bei einer 20 aber mit ihm insofern ein Ganzes bildet, als hier 

derartigen Rechtswidrigkeit gilt die Bedingung die eine Anordnung nur dann gilt, wenn auch 

ohne weiteres als erfiillt, Dig. L 17, 161. die andere giiltig ist. So ist z. B. em Mietver- 

Die endgiiltigen Folgen eines bedingten Ge- trag hinfallig, wenn die Parteien bios uber Woh- 

schaftes bestehen bei dem AusfaUe der Bedingung nung und Preis, nicht aber iiber die Kundigiings- 

in dem Wegfalle aller vorlauflgen Folgen. Bei bedingungen zu einer Eimgung haben gelangen 

dem Eintritt der Bedingung soil es nach Dig. XX konnen. Immerhin hat aber die bedingte Fest- 

4, 11, 1 so gehalten worden, ac si illo tempore, setzung, dass ein Vertragsinhalt spater wieder weg- 

quo stipulatio interposita est, sine eondieione fallen solle, diesem Inhalte gegenttber eme gewisse 

faeta esset, also eine Ruckbeziehung des Eintritts Selbstandigkeit, so dass sie als em besonderes Neben- 
auf denZeitpunkt des Geschaftsabschlusses statt- 30 geschiift, nicht als ein blosses Stuck des Haupt- 

finden. In dieser Allgemeinheit ist jedoch der geschiiftes bezeichnet wird. Dig. XLI 4, 2, 6; ;si 

nur in einer besonderen Bedeutung ausgesprochene eonventio est, magi* resolvetur quam tmplebttur 

Grundsatz unhaltbar. So flndet z. B. in derFrage, (sc. emptio). XVHI 2, 2 pr. pura, empho, quae 

ob ein Geschaft wegen fehlenden Gegenstandes sub eondieione resohitur. XVHI 3, 1. Die ±se- 

ungiiltig 1st, eine Riickbeziehung nicht statt. Dig. stimmung, dass die Folgen eines Geschafts zwar 

XL VI 2 14 pr.; ahnlich Dig. XLV 1,31. Wohl nicht aufgeschoben, aber spater unter Umstanden 

aber gre'ift sie z B. Platz, urn den Altersvorzug aufgehoben sein sollen, kann in verschiedener Starke 

eines bedingten Pfandrechtes zu bestimmen (Dig. beabsichtigt sein. Es kann bestimmt sein dass 

XX 4, 8 und 11, 1). Eine Ruckbeziehung wird die Folgen eines Geschafts nach jeder Seite hin in 
daher nur insoweit anzunehmen sein, als sie aus 40 einem gewissen Falle erloschen sollen (eigentUche 

besonderen Griinden angemessen erscheint; vgl. Resolutivbedingung) , Dig. XX 6, 3. Cod. Vlll 

auch Dig. XL VI 3, 16 und andererseits Dig. 54 (55), 2. Man nimmt an, dass das romische 

XLVI 1, 72. XL VI 4, 13, 8. Recht diese aufiosende Kraft eines Nebengeschalts 

Weil' die' Sondervorschriften fur Bedingungen nur .zogernd und widerwillig anerkannt habe' 

einen Schwebezustand voraussetzen, so sind solche (so namentlich Windscheid Pandekten' I 251 

in Bedingungsform srekleidete Zusatze zu Rechts- § 90). Es ergiebt sich dies namentlich aus einer 

geschaften, bei denen eine vorubergehende Un- Vergleichung von Frg. Vat. 283 mit Ood. VIII 54 

gewissheit nicht eintritt, keine eigentlichen Be- (55), 2; vgl. Dernburg Pand. 5 I 271 § 114, 

dingungen. Dahin gehoren Bedingungssatze, deren 16 und die dort Angefuhrten. Wohl aber stent 
Inhalt gewiss ist, die sich z. B. auf einen gegen- 50 fest, dass manche Geschafte, namentlich die Erbea- 

wartigen oder vergangenen Umstand beziehen oder einsetzung, eine solche geschaftsauf lOsende Neben- 

auch auf einen solchen zukunftigen, der mit Not- bestimmung nicht vertrugen (semel heres semper 

wendigkeit entweder eintreten oder ausbleiben heres), Dig. XVHI 5, 89 (88): non potest adtectus 

muss. Dig. XLV 1, 100 und 120. XLVI 2, 9, 1. effieere, ut, qui semel heres exstUit, desvnat heres 

XLV 1, 8 : si intra calendar digito caelum non teti- esse. Unzulassig ist eine solche GeBchaftsauflO- 
qerit. Derartige unmOgliche Bedingungen, ebenso sung auch da, wo sie auf die Schadigung ernes 

Vie unsittliche Bedingungen, entkraften die Ge- redlichen Dritten durch eine Partei hinauslauten 
schafte unter Lebenden, werden aber bei letztwil- wurde, z. B. wenn sich ein Kaufer die AuflSsung 
ligen VerfBgungen gestrichen (Gai. IH 98. Dig. eines Kaufes auch fur den Fall vorbehalten hat, 
XXXV 1 3 V to da" >i^: dir.=nn derbrflino+Borech. «o da=« « die Sp.che bereits weiterveraussert haben 
tigte nicht m Versuchungkommen kann, aufihre sollte, Dig. XX 6, 3. Statt einer solchen be- 
ErfMungMnzuwirken. Auch solche Bedingungen, dingten GeschaftsauflOsung nut allseitiger Kraft 
die nicht von der Parteiwillkfir, sondem von der kann auch eine minder starke Form gewahlt sein, 
Rechtsordnung gesetzt sind, z. B. der Tod als Be- namlich die Verpflichtung einer Partei, unter ge- 
dingungderErbeinsetzung.falleninderRegelnicht wissen Umstanden ein Geschaft ruckgangig zu 
unter das Recht der Bedingungen. Sie werden eon- maehen. Diese geht unbeteiligte Dritte nichts 
dieioms supervaouae genannt Dig. XXXVI2, 22, 1 ; an. So z, B. die Ruckgabepflicht des befnedigten 
vgl. auch XXVLU 7, 12 : frustra adduntur. Solche Faustpfandglaubigers. Endhch kann der ±-m- 



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Condictio 



Condictio 



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pfanger einer Sache fur einen gewissen Fall Ansicht erfolgte diese Ansage aussergerichtlich zur 
lediglich zur Buckgabe der Bereicherung verbun- Einleitung des Processes (Keller Civilpr. n. 242. 
den sein (Dig. XII 6, 52), z. B. der Empfanger Jhering Geist. d. r. R. II zu 889f. Eisele Die 
einer dos, wenn die beabsichtigte Eheschlies- materielle Grundlage der Exceptio 159, 17. Bek- 
sung scheitert, Dig. XII 7, 5 pr. In solchen ker Actionen I 75. Voigt Vadimonium 328f. 
Fallen spricht man nicht von einer c, sondern Eisele Beitr. z. rem. E.-Gesch. 272f.), nach der 
nur Ton einem habere sine causa, einer fehlen- andern vor dem Magistrat in iure (Zimmern 
den oder fehlgeschlagenen Voraussetzung. Eini- Kechtsgesch. Ill 120f. Mommsen Krit. Jahrb. 
gen GeschiLften ist uberhaupt jede Kraft ent- XVIII 877f. Bethmann-HollwegB. Civilpr. 
zogen, sobald ihnen eine Bedingung hinzugefugt 10 1 152. Karlowa Legisactionen 233. Huschke 
ist, Dig. L 17, 77: actus legitimi, qui non reci- Multa 487. 490f. Baron Condictionen 192f. 
piunt diem vel condicionem, veluti emancipatio Wacb. zn Keller a. a. 0. Hartmann-Ubbe- 
(urspriinglich stand hier mancipatio arg. Frg. lohde Ordo Indiciorum I 460f., 60. Sohm In- 
Vatic. 329), aeeeptilatio, hereditatis aditio, send stitutionen 7 228). Der letzteren Ansicht ist bei- 
optio, datio tutoris, in Mum vitiantwr per tern- zutreten. Neben sachlichen Grunden (s. insbe- 
poris vel eondieionis adieetionem. Man bezieht sondere Wach a. a. 0.) entscheidet dafur auch 
dies auch auf selbstverstandliehe Bedingungen; die Form bei Gai. IV 18: actor denuntiabat ad- 
vgl. Dig. L 17, 77, wo das Wort nonnunquam versario, ut ad iudicem eapiendum die trigesimo 
nicht zu ttbersehen ist, und meint, dass der a desset, welches ohne Angabe eines andern Orts 
Satz: expressa noeent, non expressa non no- 20 sieh auf diejenige Statte bezieht, wo die Ansage 
cent Dig. L 17, 195 hierher gehore (so z. B. erfolgt; und eben weil es zweifellos ist, dass die 
Arndts Pandekten § 68, 1). Dieser Ausspruch Eichterbestellung in iure erfolgte (Eisele Beitr. 
will aber wohl nur in Sprichwortform vor unvor- 273), muss man annehmen, dass die obige Ansage 
sichtigen Geschaftserklarungen warnen, nament- auch ihrerseits in iure vor sich ging. Dass die 
lich vor der Offenbarung eines unzulassigen Hinter- Ansage von beiden Streitteilen erfolgt sei (En- 
gedankens, arg. Dig. XXXV 1, 52. XXVIII 5, dorff zu Puchta Instit. I § 162c, s. auch 
69 (68). Bei Geschaften, die nicht an eine sti- Sohm a. a. 0. 228 .vereinbarten'), ist mit Gai. 
listische Form gebunden waren, wie z. B. die a. a. 0. unvertraglich. Eine gegenseitige De- 
hereditatis aditio, wird wohl auch eine eondicio nuntiation der Parteien in iure, am dreissigsten 
supervaeua schwerlich den Act entkraftet haben 30 Tage zur Eichterbestellung wiederzuerscheinen, 
(z. B. Titii hereditatem adeo, si Titius mortuus fradet sich bei der legis actio sacramento ; an- 
est) ; denn sie bringt in das Geschaft keine andere dererseits kann, ja muss man bei der legis actio 
Ungewissheit hinein, als eine solche, die auch per e. und bei der legis actio sacramento sich 
ohnedies mit ihm untrennbar verbunden ist. Bei auch einen Antrag an den Magistrat auf Bestel- 
solehen Geschaften dagegen, die von einer festen lung des Eichters, wie bei der legis actio per iu- 
stilistischen Form abhingen, wie die aeeeptilatio dieis postulationem, denken, so dass eine klare 
und die mancipatio, entstellte jeder Zusatz die Unterscheidung der genannten drei legis actiones 
notwendige Form. Dies gait daher auch von den fehlt; an einer fur diese Unterscheidung vielleicht 
selbstverstandlichen Bedingungen, wenn sie in sehr wichtigen Stelle fehlen 48 Zeilen des Gaius 
Bedingungsform ausgesprochen wurden ; vgl. Dig. 40 (IV 17). Man kann nur soviel mit Sicherheit 
L 17, 77. Frg. Vatic. 329. Litteratur (sehr um- sagen, dass bei der legis actio per iudicis postu- 
fangreich) siehe bei Windscheid Pandekten' lationem und derjenigen per c. kein sacramen- 
§ 86ff. Dernburg Pandekten 5 § 105ff. ; vgl. turn vorkommt, dass die iudicis arbitrive postu- 
auch Leonhard Institutionen 342ff. latio bei der nach ihr benannten legis actio in 

[E. Leonhard.] dem Processmechanismus eine bedeutungsvollere 
Condictio gehort zu condicere = durch An- Stelle gehabt haben muss, als bei den beiden an- 
sage festsetzen; condicere est dicendo denuntiare dem, und dass ebenso die e. bei der legis actio 
(Paul. p. 64), condicere est denuntiare prisca per e. in einer das Ganze charakterisierenden 
lingua (Gai. IV 18). Der Sinn der Vereinba- Weise scharfer hervortrat als die Doppel-C. bei 
rung liegt in dem condicere nicht, mindestens 50 der legis actio sacramento. 
nicht notwendig, vgl. das priesterliche condicere 2) Die legis actio per c. ist nach Gaius ein- 
bei Gell. X 24, 9. Der condictus dies cum Iwste gefflhrt fur personliche Anspruche auf ein dari 
(Sell. XVI 4, 4. Plaut. Curcul. 5) kann ein oportere und zwar durch eine Lei Silia unbe- 
mit dem Fremden wahrznnehmender, muss nicht kannten Alters fur solche Anspruche auf certa 
ein mit ihm vereinbarter Termin sein. C. muss pecunia, und durch eine Lex Calpurnia ebenfalls 
nach den zuletzt angefuhrten Stellen eine Ladung unbekannten Alters fur solche Anspruche auf eine 
im Fremdenprocess, nach Gell. X 24, 9 auch eine sonstige certa res. Hierunter darf man entspre- 
pnesterliche Ladung gewesen sein. Dagegen ist chend spaterer AuffassungderROmer verstehen: die 
das condicere des pater patratus bei Liv. I 32 Verschaffung des Eigentums an einer individuellen 
keine Ladung. sondern identisch mit dpm r» fin kfirpprliche?! Saeho od<»r an einer V?frmmt?xi Quan- 
repetere, es ist das alteste rem condicere. titat vertretbarer Sachen; ob auch die Verschaf- 
I. Zunachst tritt hervor C. als eine Form der fang eines ius in re aliena, ist zweifelhaft, weil 
legis actio. diese zum Gebiet der c. certae rei auch im 
1) Das wesentliche Merkmal der legis actio per Formularprocess nicht uberall gerechnet wird. 
condictionem soil darin gelegen haben, dass der Warum fur jene Anspruche die legis actio per c. 
Klager dem Beklagten ansagte, er solle am dreissig- eingeffthrt sei, wahrend die legis actio sacramento 
sten Tage in iure gegenwiirtig sein, um die Eichter- und die per iudicis postulationem bereits das ganze 
bestellung entgegenzunehmen. Nach der einen Gebiet des dare oportere beherrschten, war nach 



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Condictio 



Condictio 



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Gaius (TV 20) sehr bestritten, und es fehlt uns gekehrten Fall auf restipulatio des Beklagten 

an jedem soliden Anhalt, dieses Problem zu lOsen, spondieren muss, Gai. IV 13 (Lenel Edict 188). 

vgl. im iibrigen den Artikel Legis actiones. Auch die Eideszuschiebung (in iure) fiber den 

II. Im Formularprocess ist nach Gai. IV 5 Anspruch mit der Zwangswirkung, dass Beklagter 
und Ulp. Dig. XLIV 7, 25 e. der gemeinsame schwCren, den Eid zurttckschieben oder Execution 
Name fur actiones in personam. So deutlich wie aus Urteil leiden muss, ist nach dem Edict 
Ulpian (dass die Stelle interpoliert sei, braucht nicht nur fur die actio certae ereditae pecuniae zuge- 
angenommen zu werden, weil auch Gaius a. a. 0. lassen, von den Juristen aber auf die e. tritiearia 
Appellantur .... in personam vero actiones, und einige verwandte Falle ausgedehnt (s. Lenel 
qmbus dari fierive oportere intendimus condic- 10 a. a. 0. 188f. Demelius SchiedseidundBeweiseid, 
tioties nicht die c. als eine Unterart der actiones 1887). Eigentumlich gestaltet sich bei der actio 
in personam bezeichnet, sondern die actiones in certae pecuniae auch die Folge verweigerter de- 
personam mit denjenigen quibus dari fierive fensio; es tritt sofortige Execution ein (Lex Eubr. 
oportere intendimus [s. auch IV 2] und somit c. 21). Dass das Gleiche auch bei eonfessio cer- 
die e. mit der actio in personam identiflciert). toe pecuniae eintritt (ebd.), ist keine Eigentilm- 
Wlassak(s. Art. Actio Bd. IS. 306ff. 313) nimmt lichkeit der actio certae pecuniae; denn der Be- 
an, dass beide Juristen die actio in personam nur klagte kann auch bei anderen Klagen certam 
als actio civilis (nicht auch honoraria) verstan- pecuniarn confvteri. 

den wissen wollen, aber auch so stimmen ihre b. Die Klage auf certam rem, dare, d.h. Eigen- 
Deflnitionen mit dem sonstigen wesentlich engeren 20 tumsverschaffung an einer individuellen Sache 

Gebrauch des Wortes C. nicht iiberein. Man oder einer Quantitat von vertretbaren Sachen 

mus3 daher mit Pernice Labeo III 202f. jene (Gai. Dig. XLIV 1, 74), heisst c. tritiearia (Rubr. 

Deflnitionen beiseite lassen und unabhangig da- Dig. XDII 1 de condictione tritiearia. Ulp. tit. 

von untersuchen, was e. im Formularprocess ist. cit. 1 pr.). Djr Name ist von dem Musterfor- 

1) Hier sind zunachst die c. certae pecuniae mular des praetorischen Albums genommen (Ste- 

und die c. certae rei (tritiearia) ins Auge zu phani Schol. ad Basil. XXIV 8, 7 [Heimb. 

fassen, welche gewiss mit den beiden Fallen der III 43]). Ihre Formel lautete , wiederum ohne 

legis actio per c. in einem geschichtlichen Zu- Nennung des Klaggrundes, s. p. N. Negidium A. 

sammenhange stehen, der aber verdunkelt ist. Agerio tritici Africani optimi modios centum 

a. Ausserhalb der iustinianischen Compilation 30 dare oportere, quanti ea res est, tantam pecuniarn, 

ist in specieller Verwendung erweislich (fur den iudex, N. Negidium A. Agerio condemna, s. n. 

Fall .der irrtumlichen Zahlung einer Nichtschuld) ; p. a. (Gai. IV 4. Gai. Dig. XIDI 3, 4. Lenel 

proinde ei condici potest si paret eum dare 190f.). Dass diese Klage in classischer Zeit aus 

oportere ae si mutuum accepis set (Gai. Ill 91); jedem civilrechtlich das dare oportere rechtfer- 

ferner: exstinctae res licet mndicari non pos- tigenden Grunde erhoben werden konnte oder 

sunt, condici tamen furibus et quibusdam aliis wenigstens nicht auf Falle der Ettckforderung 

possessoribus possimt (Gai. II 79), rei condictio eines ungerechtfertigten Erwerbes beschrankt war, 

auf Grand eines furtum (Paul. II 31, 28) und ist schon nach Gai. Dig. XIII 3, 4 wahrschein- 

rei persecutio genere .... condictionis, wie- lich; denn die meras aliqua quae certo die dari 
derum auf Grand eines furtum (ebd. 13). Das 40 debebat , muss eine terminlich versprochene 

condicere kann, wenn eine bestimmte Geldsumme Ware sein ; am nachsten liegt es , eine Stipula- 

gefordert wurde, gemass Gai. Ill 91 nur mit der tion auf Grund Kaufes anzunehmen. 

Formel erfolgt sein, welche Gai. IV 41. 50 er- c. Nun sagt Ulp. Dig. XII 1, 9pr.: Certicondic- 

giebtr si paret N. Negidium A. Agerio sester- tiocompetitexomnicausa,exomniobligatione ex 

Hum decern milia dare oportere, iudex, N. Ne- qua certum petitur, sive ex certo contractu 

gidium A. Agerio sest. decern milia condemna, petitur sive ex incerto : licet enim nobis ex omni 

si non paret absolve, also einer Formel, die den contractu certum condicere (1) competit haec 

Schuldgrand nicht nennt. Diese Formel ist die- actio etiam ex legati causa et ex lege Aquilia, 

jenige der actio certae ereditae pecuniae (Lex sed et ex causa furtiva per hanc actionem con- 
Eubr. c. 21. Gai. IV 171). Die actio certae 50 dicitur. et si ex ■ senatus consulto agetur, competit 

pecuniae kann freilich nach Cic. pro Eosc. com. haec actio, veluti si is, cui fiduciaria hereditas 

14 nur auf Grund einer Geldleistung des Klagers restituta est, agere volet. Das bedeutet: wenn 

oder auf Grand von Litteralcontract oder Stipu- certum gefordert wird (und zwar rechtmassiger- 

lation angestellt werden; es ist aber anzuneh- weise), so kommt ea fur die Zulassigkeit der 

men, dass ihr Gebiet, eben weil sie keinen Schuld- certi condictio auf den Grund der Verbindlich- 

grund in der Formel nennt, sich im Laufe der keit in keiner Weise an. Versteht Ulpian unter 

Zeit ausdehnen konnte und dahin ausgedehnt hat, certum nur die certa pecunia und nennt die 

dass die Klage aus jedem das certam pecuniarn dare actio certae pecuniae certi eondietio , so kann 

oportere civilrechtlich rechtfertigenden Grande an- man annehmen , dass unter dem legatum ein 
gostellt wordcii kuiiiite (j. u. S. 850). Die c. certae 00 Danmauuiiolugat auf cetta peeutiut zu vciotehcu, 

pecuniae ist mit der actio certae ereditae pecuniae bei der actio legis Aquiliae an das Abhanden- 

identisch (so auch Leonhard im Art. Creditor). bringen von Geldstftcken (PauL Dig. IX 2, 27, 

Eigentumlich ist der c. certae pecuniae, dass der 21), bei der c. ex causa furtiva an Gelddieb- 

Beklagte auf Verlangen des Klagers (dies heisst stahl, bei der Klage des Universalfideicominissars 

sponsionem faeere permittitur Gai. IV 171) eine an die Geltendmachung einer Geldforderung des 

Strafsponsion auf l/ 3 des Streitgegenstandes fur Erblassers gedacht ist. Bei dem Abhandenbringen 

den Fall seines Unterliegens eingehen, der Klager von Geld die ex lege Aquilia zu fordernde Scha- 

dann aber auch den gleichen Betrag fur den um- denssumme ohne weiteres mit der Geldsumme 



851 



Condictio 



Condictio 



852 



zu identiflcieren , musste man dem Klager frei- 
stellen, und gegen den Leugnenden, gegen wel- 
chen der Anspruch ex lege Aquilia und das Dam- 
nationslegat auf das Doppelte ging, eine e. eertae 
■pecuniae auf das Doppelte der abhanden gebrach- 
ten oder vermachten Summe zu formulieren, 
konnte ebenfalls nicht auf Bedenken stossen. 
tlbrigens kann man mit Lenel (Paling. II 569 
n. 4) aueh annehmen, dass Ulpian hier unter cer- 
ium die certa pecunia und die certa res gemein- 
sam versteht; dann ist die Stelle kein Beleg firr 
die Bezeichnung der actio eertae ereditae pecu- 
niae als c. eerti im besonderen Sinne, sondern 
nur em Beleg dafur, dass sie wie die c. triti- 
earia e. hiess, und Ulpian gebraucht e. certi als 
gemeinsamen Namen fur c, eertae pecuniae und 
e. eertae rei. Andererseits wird dann die Stelle 
zum Beleg dafur, dass auch die c. eertae rei aus 
jedem Grunde angestellt werden kann , der das 
certam rem dart oportere rechtfertigt. Da Ul- 
pian nicht sagt, dass alle seine Beispiele fiir 
beide c. brauchbar seien, so zwingt die Auffas- 
sung Lenels nicht dazu, eine c. eertae rei aus 
ZerstOrung oder Abhandenbringen einer Sache 
(ausser Geld) abzuleiten, was allerdings bedenk- 
lich -ware, trotzdem von der c. furtiva der Weg 
zu einer solchen e. nicht weit ist. Keine der 
obigen Auffassungen kommt mit den Anschau- 
ungen, die man dem classischen Recht zntrauen 
darf, in solchen Conflict, dass man die Stelle 
Ulpians fur interpoliert halten musste. 

d. Eine ganz andere Frage ist cs , ob in 
Fallen von Anspriichen, die materiellrechtlich anf 
etwas anderes als Geld gerichtet sind, oder zwar 
auf Geld, aber nicht auf eine bestimmte Summe, 
der Klager (auf Gefahr der pluris petitio) den 
Streitgegenstand selbst abschatzen und mittels 
c. eertae pecuniae klagen konnte. Diese, nament- 
lich von Baron vertretene Auffassung hat sach- 
lich sehwere Bedenken gegen sich. Es war von 
seiten des Klagers gewiss kein praktisches Unter- 
nehmen, so vorzugehen, denn er musste, urn nicht 
der Gefahr ausgesetzt zu sein, seinen ganzen An- 
spruch zu verlieren, die Schatzung so niedrig 
greifen, dass dieselbe auf jeden Fall nicht zu hoch 
gefniiden werden konnte, und stand sich dabei 
durchschnittlich notwendig sehlechter , als wenn 
er die Schatzung dem Verfahren in iudicio iiber- 
liess; zudem schnitt er sich die Moglichkeit ab, 
die omnis causa nach der Listiscontestation (vgl. 
Paul. Dig. XII 1, 30 pr.) in die Schatzung auf- 
zunehmen; denn da er die Dauer des Processes 
nicht kannte, fehlte fiir diese Schatzung der Zeit- 
massstab. Es ist doch recht fraglich , ob das 
Eidesrecht der c. eertae pecuniae ein Yorteil war, 
der diesen Nachteil ausglich. Andere Vorteile 
kommen aber nicht in Frage ; denn der der spon- 
sio tertiae partis wird durch die Gefahr der rest i- 
ptdatio aufgewogen, und die Ahschneidung von 
Eiiiioloii ciziilii dor Klager :noM; denn der Bc- 
klagte konnte auch gegen die actio eertae pecuniae 
jede Einrede vorbringen und alle erdenklichen 
sich durch Insertion der exeeptio doli (generalis) 
sichem. Es erseheint aber auch kaum glaublieh, 
dass der Beklagte ein solches Verfahren dulden 
musste. Wenn derselbe z. B. auf Grand des ma- 
teriellenEechtsverhaltnisses dem Klager eine Sache 
zu leisten hatte, so war die Behauptung des Kla- 



gers, dass er ihm 1000 Sesterzen schuldig sei, 
materiellrechtlich einfach unwahr, und dachte 
man daran, dass mangels Leistung den Schuldner 
eine Geldcondemnation auf 1000 Sesterzen er- 
eilte , so konnte hochstens (aueh das ware noch 
schief) gesagt werden, er schulde die Sache oder 
1000 Sesterzen. Eine Klage schlechthin auf 1000 
Sesterzen liess, auch wenn man den sabinianischen 
Satz omnia indicia absolutoria esse (Gai. IV 

10114) zu Grunde legt, dem Beklagten nur die 
Moglichkeit, sich durch Zahlung von 1000 Se- 
sterzen, nicht aber die, sich durch Leistung der 
eigentlich geschuldeten Sache zu befreien. Be- 
sonders deutlich tritt diese Beeintrachtigung des 
Beklagten hervor, wenn die Formel, die man sich 
durch die e. eertae pecuniae ersetzt denkt , eine 
arbitrage (mit Bestitutionsclausel) ist. Ein Kla- 
ger aber, der dem Beklagten in seiner intentio 
einen materiellrechtlich erOffneten Weg zur Be- 

20 freiung abschneidet , begeht eine pluris petitio 
causa (Gai. IV 53 d) und wird abgewiesen; das 
musste also den Klager in den fraglichen Fallen 
stets treffen, wenn auch seine Schatzung richtig 
war. Wenn jene Function der e. eertae pecuniae 
bestanden hatte, musste es auch mCglich gewesen 
sein, dass bei einer Geldschuld mit festem Er- 
fiillungsort der Glaubiger an anderem Orte mit 
c. eertae pecuniae auftrat, indem er (auf eigene 
Gefahr) die Ortsdifferenz selbst schatzte. Nach 

30 Gai. Dig. XIII 4, 1 hatte er aber fur solche 
Falle keine Klageni6glichkeit , abgesehen von 
der actio de eo quod certo toco dari oportet. Unter 
den Griinden nun, welche man fiir jene auf 
Selbstschatzung beruhende e. eertae pecuniae zu 
haben glaubt, scheidet nach dem Vorigcn Ulp. 
Dig. XII 1, 9 aus; denn diese Stelle fiihrt zur 
Annahme einer solchen Function der e. eertae 
pecuniae nicht. Das Gleiche gilt aber von den 
sonstigen Stellen, in denen c. in Concurrenz mit 

40 anderen Klagen auftritt, Paul. Dig. XIV 3, 17, 
4. 5 stellt die c. als Bereicherungsklage neben 
die actio de in rem verso und lasst vollkommen 
offen, dass je nach Umstanden c. eertae pecuniae 
oder e. triticaria zu wahlen ist. Paul. Dig. XII 
1, 29, welcher eine c. statt einer actio institoria 
bewilligt, meint, dass in der Intentio ein directes 
dominum dare oportere behauptet werden darf, 
statt der bei der actio institoria gebrauchlichen 
Stellung der intentio auf den Namen des Ver- 

50treters; aber es ist von einer c. eertae pecuniae 
in Fallen, wo nicht schon aus dem Contract certa 
pecunia geschuldet wird, nicht die Rede; auch 
bei Paul. Dig. XII 2, 28, 4. Ulp. Dig. XLIV 2, 
5 ist das nicht der Fall. Glaubt man in Dig. 
XII 1, 9 die Anerkennung einer auf Selbstschat- 
zung des Klagers beruhenden c. eertae pecuniae 
finden zu mussen, so muss man die Stelle fiir 
interpoliert halten (Lenel Edict 185f. Naber 
Mnemosyne XTX 182ff. Per nice Ztschr. <L Sav.- 

GOStift. XIII 25flf. ; "Lr.t.-r.-. 211f. OiraTd No-v. 
Rev. hist. XIX 416). 

e. Trotz der allgemeinen Anwendbarkeit der 
e. certi und triticaria auf alle Falle, in denen 
certa pecunia bezw. certa res geschuldet wird, 
werden beide bei den classischen Juristen mei- 
stens in dem Zusammenhange erwahnt, dass et- 
was zuruckzuleisten ist, was der Beklagte irgend- 
wie unrechtfertig in Handen hat. Auch von dem- 



853 



Condictio 



Condictio 



854- 



jenigen, was mit der Abrede der Ruckleistung 
gegeben und genommen ist, liess sich sagen, dass 
seine Vorenthaltung ein unrechtmassiges Haben 
sei, und man kann sehr wohl mit Pernice La- 
beo III 220f. annehmen, dass unter diesem Ge- 
sichtspunkt bei den classischen Juristen sich die 
Darlehensklage mit denen wegen ungerechtfer- 
tdgter Bereicherung zusammenschliesst. Trotzdem 
muss festgehalten werden, dass die Verpfiichtung 



gesetzt werden. Fiir das ob rem datum sagt Paul, 
ebd. § 2 : quod si turpis causa accipientis fuerit r 
statt re secuta sagt Ulpian a. a. O. causa secuta. 
Derselbe Dig. XII 7, 1, 1 ob causam . . . eausa 
. . secuta non est, ahnlich Afric. Dig. XII 7, 4. 
Zum Gebiet der e. in dieser Function gehOrt na- 
mentlich dasjenige der sog. Innoinmatrealcon- 
tracte (z. B. Dig. XTI 5, 16); aus diesen Con- 
tracten entspringt neben der c, d. h. der Riick- 



zur Ruckgabe des mit Ruckgabeversprechen Em- 10 forderung des Geleisteten, auch eine Klage auf 



pfangenen (ereditum in diesem Sinne) der ur- 
spriinglichste Fall der e. des Hingegebenen sein 
muss, und die Entwicklung der sonstigen Riick- 
forderungen von Leistungen auch in ihren alte- 
sten Fallen nicht alter sein kann, als die c. aus 
dem mutuum. Die c. aus Litteralcontract ist 
sicher jiinger als die Darlehensklage; denn die 
Klage aus fictiver Zahlung muss junger sein als 
die Klage aus Tealer Zahlung. Wenn auch fiir 



Erfiillung des von der Gegenseite gegebenen Ver- 
sprechens. Nach classischem Recht kann die c. 
durch die Bereitschaft zu solcher Erfiillung ab- 
gewehrt werden, und es beruht anf Interpola- 
tionen, wenn nach Digestenrecht trotz solcher 
Bereitschaft der Teil, welcher vorgeleistet hat, 
beliebig auch zur e. greifen kann (s. z. B. Dig. 
XH 4, 3, 2; vgl. Manns Das POnitenzTecht, eine 
byzant. Compilation, 1879. Gradenwitz Inter- 



die Stipulation Paul. Dig. XII 2, 2 hervorhebt, 20 polationen 146f. Lenel Ztschr. d. Sav.-Stift 



sie sei ein verbis credere, also fiir sie eine An 
kniipfung an den Begriff des ereditum sucht, so 
ist zu beachten, dass er dies nicht auf die Sti- 
pulation beschrankt, sondern fur alle obligato- 
rischen Vertrage dasselbe sagt (a. a. O.). Das 
Gauze ist eine nachtragliche Begriindung fur den 
vorhandenen Zustand, dass die actio eertae ere- 
ditae pecuniae auch aus solchen obligationsbe- 
griindenden Thatbestanden gegeben wurde, bei 



LX181f. Pernice Labeoni261f. Gradenwitz 
Ztschr. d. Sav.-Stift. XIV 121f. Girard Manuel 
element. 576f. Bekker Ztschr. d. Sav.-Stift. 
XIII 117. Karlowa 772). Wenn die res, urn 
derentwillen gegeben wurde, schimpflich fiir den 
Empfanger ist, oder wenn es schimpflich ist, zu 
dieser Handlung (oder Unterlassung) sich erst durch 
Geld oder Geldeswert bestimmen zu lassen , so> 
findet die c. auch statt, wenn die Handlung vor- 



welchen von anvertrautem Gelde in Wahrheit 30 genommen (bezw. unterlassen) wurde. Wenn da- 



nicht zu sprechen war. Dass sich geschichtlich 
die Stipulationsklage erst an die Darlehensklage 
angelehnt habe, kann man nicht glauben ; sie ist 
vielmehr fur alter als diese zu halten, und wie 
es kam , dass man im Formularprocess eine ab- 
stracte Klage auf dari oportere zunachst fiir An- 
spTtiche aus Stipulation, datum und Litteral- 
contract (oder ursprunglich noch enger?) ein- 
fuhrte, dafur eben fehlt uns die Aufklarung. Im 



gegen die Unsittlichkeit auf seiten des Gebers oder 
auch des Gebers liegt, so findet nicht einmal dann 
c. statt, wenn die bezweckte Handlung (Unterlas- 
sung) ausbleibt (Tit. Dig. XII 5). Auch dann kann 
condiciert werden, wenn durch die Leistung ein 
Rechtsverhaltnis hervorgerufen werden sollte, dieser 
Erfolg aber scheitert, z. B. wenn etwas als dos 
gegeben wird und die Ehe nicht zu stande kommt, 
das Gegebene also nicht dos werden kann (Ulp. 



iibrigen erklart sich das Vorwiegen von Erorte- 40 Dig. XXIII 3, 7, 3. 9 pr.), oder wenn Geld zu 



rungen fiber die Bereicherungsklagen in der Con 
dictionenlehre dadurch, dass bei ilmen eine Fiille 
von Erscheinungen vorlag, bei denen bestandig 
zu fragen war, ob condiciert werden kOnne oder 
nicht. 

2) Die e. wegen Unrechtfertigkeit des Habeiis 
tritt zunachst auf 

a. als c. von etwas Geleistetem; dahin ge- 
hOrt die e. dessen, was geleistet worden ist in 



Darlehen gezahlt wird, der Darlehensvertrag aber 
wegen Dissenses scheitert (Cels. Dig. XH 1, 32). 
Ferner, wenn ein juristischer Rechtfertignngsgrund 
der Leistung zwar anfangs vorhanden war, aber 
die Leistung ihre juristische Function vollstandig 
erftillt hat, oder der Rechtfertigungsgrund des 
Habens iai anderer Weise wieder fortgefallen ist 
(causa finita [Ulp. Dig. Xn 7, 1, 2. XIX 1, 11, 
6] redit (datum) ad non iustam causam [Ulp. 



der irrtiimlichen Annahme, man sei es schuldig, 50 Dig. XII 7, 1, 3]). Deshalb wird condiciert die 



indebitum solution, Dig. XII 6, Ebenso ist c. be 
griindet, wenn sonst ein juristischer Rechtferti- 
gungsgrund der Leistung (causa) als vorhanden 
angenommen wird, der nicht besteht (Afric. Dig. 
XH 7, 4. Ulp. ebd. 1, 2. 3). Dahin gehOrt es 
auch, wenn die eausa nichtig ist, wahrend doch 
die um ihretwillen gemachte Leistung dinglich 
wirksam ist, so bei dotis datio in Bezug auf nich- 
tige Ehe (Hermog. Dig. XXHI 3, 74; ist die 



Le:;tung s?lb?t : 

rei sondern rei vindieatio statt). Hieran reiht 
sich die e. dessen, was zur Herbeifuhrung eines 
bestimmten Erfolges gegeben ist, wenn dieser 
Erfolg nicht eingetreten ist, condieitur ob rem 
datum re non secuta, Cels. Dig. XII 4, 16. Pomp. 
Dig. XH 6, 52. Paul. Dig. XII 5, 1 pr. Ulp. 
Dig. XII 4, 1 pr. Es kann aber schon bei den 
Classikern an heiden Stellen fiir res auch eausa 



Arra nach Abwickelung des Geschafts (Ulp. Dig. 
XLX 1, 11, 6), das Pfand nach getilgter Schuld 
(Ulp. Dig. XII 1 , 4,1), der ehemalige Dotal- 
gegenstand (welcher durch einen andern ersetzt 
ist, Afric. Dig. XXHI 3, 50 pr.), der geleistete 
Schadensersatznaeh Wiederbeischaffung der Sache, 
wegen deren Verlust er geleistet ist (Ulp. Dig. 
XII 7, 2). 

b. Die Condictionen greifen aber fiber die Rvick- 



—ii'-c-t iiiclit cuiidictiu 60 foi'dcruiig dcMOu, '.viw juuitiiil uuf GruuJ ciucr Lei- 
stung rechtlos in Handen hat, auch auf andere Falle 
des rechtlosen Habens hinnber. Weil aber die- 
Klage auf dare oportere, A. h. Eigentumsver- 
schaffung, gerichtet ist, so setzt sie normalerweise 
voraus, dass nicht ein im Eigentum des Klagers 
stehendes Object gefordert wird, dass also der Be- 
klagte das Eigentum erworben hat oder statt des 
aus irgend einem andern Grunde nicht mehr vin- 



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Oondictio 



Condictio 



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857 



Condictio 



dicierbaren Objects Ersatz gefordert wird. So 
•erfolgt bei Schenkung unter Ehegatten kein Ei- 
gentumserwerb des Beschenkten; hat er das Ge- 
schenkte verzehrt, so ist er nicht eigentlich durch 
■die Schenkungsleistung bereichert, sondern diese 
hat ihm nur die factische Gelegenheit geboten, 
sich einseitig aus fremdem VermOgen zu bereichern. 
Die Bereicherung wird condiciert (Ulp. Dig. XXIV 
1, 5 § 18. Gai. ebd. 6). Wenn der gutglaubige 



Dig. XII 1, 4, 1) nicht mit Pernice Labeo HI 
231 als e. possession-is, sondem als e. rei zu be- 
zeichnen. Wie die Formel der e. possessionis 
gefasst war, lasst sich mit Sicherheit nicht sagen. 
Die MOglichkeit ist nicht abzuweisen, dass die 
nach dem Vorbild der c. rei unteT Streit ent- 
wickelte c. possessionis (Dig. XL VII 2, 25, 1 
Labeo gegen Celsus) eine Formel nach Analogie 
der c. tritiearia erhalten hat (etwa s. p. N. Ne- 



Condictio 



858 



Besitzer einer fremden Sache sie verzehrt oder ver- 10 gidium A. Agerio fundi possessionem restitmre 



aussert, so kann die ihm dadurch zugegangene Be- 
reicherung condiciert werden. Es ist dazu aber 
erforderlich , dass die Bereicherung nicht durch 
die Regressforderung dessen, an welchen die Ver- 
ausserung stattgefunden hat, compensiert wird 
{also muss z. B. der Evictionsregress des Kaufers 
■durch den Tod des gekauften Sclaven ausgeschlos- 
sen sein, Afric. Dig. XII 1, 23), und dass nicht 
die Bereicherung lurch einen Ruckleistungsan- 



oportere), und es ist nieht gewiss, dass die e. 
possessionis in das Gebiet der c. incerti gehOrt. 
Dig. XLLU 26 , 19 , 2 ist der Interpolation ver- 
dachtig. Ulp. Dig. XIII 1, 12, 2 greift vielleicht 
deshalb zur e. incerti, weil der bestohlene Pfand- 
glaubiger weder ein Eigentums- noch ein blosses 
Besitzinteresse geltend macht. 

4) Die c. incerti ist bezeugt im Falle der Klage 
auf Aufhebung einer sine causa eingegangenen 



spruch dessen ausgeschlossen ist, von dem der 20 Obligation (Iul. Dig. XII 7, 3. XXXLX 5, 2, 3; vgl. 



Empfanger die Sache erhielt. 1st z. B. fremdes 
Geld dargeliehen, und hat der Empfanger es gut- 
glaubig verzehrt, so wird er Darlehensschuldner 
des Gebers (Pomp. Dig. XLT 1, 12. Ulp. ebd. 
13, 1), und der Eigentumer kann nicht vom Dar- 
lehensnehmer, sondern nur vom Geber, als dem 
Bereicherten, condicieren. Im Falle des furtum 
"wurde von dem oben bemerkten Bedenken abge- 
sehen und die condictio rei trotz des fortdauern- 



XLIV 4, 7. XXIH 3, 46. Paul. [Pomp.] Dig. XIX 
1, 5, 1. XL VI 2, 12; bei Ulp. Dig. XII 7, 1 pr. 
Tryph. Dig. XXIII 3 , 76 fehlt der Zusatz in- 
certi; hieher gehOrt auch Ulp. [Pomp.] Dig. IV 
4, 16, 2; einige dieser Stellen werden freilich 
der Interpolation verdachtigt [Pernice Labeo LTI 
203, 5. 206, 1], allein meines Erachtens mit Un- 
recht ; insbes. in Dig. IV 4, 16 verschwindet der 
formale Verdachtsgrund, wenn man, was der Sinn 



Eigentums des Klagers zugelassen (Gai. IV 4). 30 fordert, einschiebt adicit mm obesse quod). Ferner 

Das Gleiche gilt nach Gai. DI 79 gegenfiber ei- ' A - -- — '-' — "'" ln -* a —* w.™»i.+™. 

nigen andern Besitzern, z. B. demjenigen, der 
gewaltsam ein fremdes Grundstiick besetzt hat 
<Ulp. Dig. XIII 3, 1, 1. 1. 2). Dass man sich in 
diesen Fallen nicht mit c. possessionis begniigte, 
hangt mit der Abschatzung des Streitwerts zu- 



sammen. 

3) Kraft der c. possessionis kann namlich, 
ohne Losung der Eigentumsfrage, ein unrechtfertig 



kommt c. incerti vor als Klage auf Errichtung 
einer Servitut, welehe. der Verausserer eines Grund- 
stticks bei der tfbereignung sich vorzubehalten 
berechtigt war, wenn dieser Vorbehalt irrtumlich 
unterblieben ist (eine Art e. indebiti, Pomp. Dig. 
Xn 6, 22, 1. Marcian. Dig. VIII 2, 35. Paul. 
Dig. XLX 1, 8 pr.). Danach hat die c. incerti 
als Klage auf Errichtung der Stipulation, von 
deren Eingehung die Ubereigmxng der verbrauch- 



an den Gegner gelangter Besitz zuriickgefordert 40 barenNiessbrauchsobjecte hatte abhangiggemacht 
werden. Dahin gehOrt die c. des gewaltsam be- werden diirfen, wie sie Ulp. Dig. Ill 5, 5, 1 fur 
sessenen Grundstficks durch den verdrangten Be- 



sitzer, der nicht Eigentumer ist (Ulp. [Cels.lDig. 
XIII 3, 2. Cels. Dig. XL VII 2, 25, 1), die c. 
dea bestohlenen Besitzers einer beweglichen Sache 
{Cels. Dig. XL VII 2, 25, 1), die e. des Besitzes 
«iner indebite geleisteten fremden Sache (Paul. 
Dig. XDI 1, 15, 1), also z. B. auch des Besitzes 
der dargeliehenen fremden Geldstiicke vor der Con- 



zulassig erklart, doch wohl kaum etwas gegen 
sich, und es ist unberechtigt, die c. incerti hier 
fiir interpoliert zu halten (Pernice 203, 5); s. 
auch Ulp. Dig. VII 9, 7 pr., die freilich ebenfalls 
(Pernice a. a. O.) als interpoliert angefochten 
wird. Wenn andere Stellen sich in ahnlichen 
oder gleichen Fallen ohne solche c, behelfen (s. 
Pernice a. a. O.), so kann dies sehr wohl auf 



sumtion, des Besitzes der unterEhegatten verschenk- 50 Meinungsverschiedenheit der rOmischen Juristen 



ten fremden Sache (Ulp. Dig. XXIV 1, 46 in Ver- 
bindung mit Gai. ebd. 6). Die e. der vi fluminum 
importata (Ulp. Dig. XDI 1, 4, 2) ist dem Wort- 
laut nach eine c. rei, halt man sie fur eine c. pos- 
sessionis (Windscheid Pand. II § 161 N. 2), 
so muss doch bedacht werden, dass sie, von dem 
Eigentumer angestellt, wie die c. furtiva eine 
e. rei sein kann und muss. Der praktische Un- 
terschied der c. rei und e. possessions liegt in 



beruhen. Bei Iul. Dig. XXX 60 (vgl. 58. 59) und 
Marcian. Dig. XH 6, 40, 1 erscheint c. incerti als 
Klage auf Erstattung von Auslagen, welehe der 
Erbe auf einen Fideicommissgegenstand gemacht 
hat, und die er bei Leistung des Fideicommisses 
hatte fordern kSnnen; da es sich hier um Geld- 
leistung handelt, so kann die Klage als c. incerti 
nur deswegen qualificiert sein, weil die Kosten 
der Abschatzung bedurfen (Pap. Dig. XXX 58) 



del Abschatzung deo Strcitgegeiiitaiidw fur lie 60 (zuglekh also ein Bolog gugen die c. ccrtac ;;?■ 



Zwecke der eondemnatio; bei der c. rei wird der 
voile Sachwert, bei der c. possessionis nur der 
Wert des Besitzes zur Abschatzung gebracht 
{vgl. Paul Dig. IV 2, 21, 2). Bei der c. der 
vi fluminum- importata hat aber der Eigentumer 
in der Condemnationssumme den Sachwert, nicht 
bios den Besitzeswert zu fordern. Ebenso ist die 
c. der Pfandsache nach getilgter Sehuld (Ulp. 



cuniae auf Grand von Selbstschatzung). Noch 
weiter als Pernice gehen in der Annahme 
von Interpolationen Trampedach und H. H. 
Pfluger, von denen der erstere die c. incerti dem 
Worte nach, der letztere auch der Sache nach 
aus dem classischen Bechte ganz wegdeducieren 
will, beides meines Erachtens erfolglos. Die 
e. incerti ist eine Klage auf Erstattung un- 



P 



gerechtfertigter Bereicherung , und zwar fur lehen, aber auch von anderen Fallen der c, und 

solche Falle, in denen wegen des Leistangsgegen- zwar ganz vorwiegend von der e. eertae pecuniae. 

standes die e. eertae pecuniae oder c. tritiearia Daran schliesst sich das Eidesrecht (XII 2. B); 

nicht anwendbar war. Zu beachten ist dabei hierauf die Bereicherungscondictionen (Xn 4ff.). 

freilich, dass die Klage auf Errichtung einer Ser- Ganz am Schlusse steht der Titel de c. tritiearia- 

vitut und selbst auf Bestellung des nur pTaeto- (XIII 3). Die Grundidee der Compilatoren ist da- 

rischen Rechts am ager vectigalis in anderen nach gewesen, zu handeln 1) von der c. eertae 

Stellen zum Gebiet der e. eertae rei gerechnet pecuniae, 2) von der c. tritiearia, die genauere 

wird (z. B. Ulp. XIII 3, 1 pr.). Die Formel der Lehre von den Grttnden der c. aber im Zusam- 
c. incerti muss eine unbestimmte intentio (quie- 10 menhange der Lehre von der c. eertae pecuniae 

quid dare faeere oportet) gehabt haben ; es ist zu geben, so dass sie bei der e. tritiearia nicht 

aber weiter wahrscheinlich , dass die fiir diese wiederholt zu werden brauchte; die Lehre von 

intentio unerlassliche Aufklarung nicht in einer den Condictionsgrunden zwang sie aber, viel- 

Angabe des Rechtsverhaltnisses bestand, aus wel- faltig schon Stellen zu benutzen, welehe zum Ge- 

chem geklagt wurde (denn es ist wahrscheinlich, biet der c. tritiearia gehoren. Die e. incerti ist 

dass die c. incerti ebenso wie die beiden andern ex professo in den Digesten uberhaupt nicht be- 

abstract war), sondern vielmehr in einer naheren handelt (ihre Stellung im praetorischen Edict ist 

Angabe des Klageziels (s. dariiber Lenel Edic- ungewiss, s. Lenel 121f.). Nach der c. triti- 

tum perpetuum 121f.). Von einer Ausdehnung der earia folgt wie im Edict so auch in den Digesten 
e. possessionis und der e. incerti fiber den Be- 20 die actio de eo quod certo loco dari oportet (XIII 

reich der Rflckforderung von etwas unrechtmassig 4) und die peeunia constituta (XIII 5). Die ein- 

Erlangtem hinaus verlautet nichts. zelnen Bereicherungsklagen unterscheiden die Com- 

5) Die romischen Juristen weisen bei den Con- pilatoren so : XII 4 de eondictione causa (Abl.) 
dictionen im Sinne der Riickforderung des zu Un- data (Ace.) causa non secuta (classisch konnte 
recht Erlangten oder Besessenen oft auf das bonum nur gesagt werden eondicuntur causa [= ob cau- 
et aequum als die Grundlage hin, und formulieren sam] data causa non secuta), XII 5 de eondic- 
dabei als allgemeines Princip der aequitas , des Hone ob turpem vel iniustam eausam, XII & 
ius gentium oder naturae, dass niemand mit dem de eondictione indebiti (scil. soluti) , XII 7 de 
Schaden eines andern sich bereichern dtirfe, eine eondictione sine eausa (scil. dati vel promissi) r 
unrechtfertig erlangte Bereicherung zunickgegeben 30 XIII 1 de c. furtiva (die Classiker sagen con- 
werden miisse (Cels. Dig. XLT 1, 32. Pomp. Dig. dictio rei furtime [Ulp. Dig. XHI 1, 7, 2], cm- 
XII 6, 14. L17, 206. Pap. Dig. XII 6, 66. dieitur ex causa furtiva [Ulp. ebd. 8, 1], c. ex 
Marcian. Dig. XXV 2, 25. Ulp. Dig. II 15, 8, eausa furtiva [Ulp. ebd. 9]); dann haben die Com- 
22. XV 1, 3, 12). Indessen kann man nur mit pilatoren noch einen Titel XIII 2 hinzugefugt r 
grosser Vorsicht aus solchen allgemeinen Satzen den sie de c. ex lege iiberschrieben, und in wel- 
auf die Zulassigkeit einer c. in Fallen schliessen, chem nur eine Stelle (Paul.) untergebracht ist, 
fur welehe sich kein besonderes Zeugnis und keine die besagt , wenn eine neue lex- eine Obligation 
Verwandtschaft mit einem bezeugten Falle von einfiihre und nicht bestimme, mit welcher Klage- 
e. findet. sie zu verfolgen sei, dann ex lege agendum est. 

6) Die bunte Fiille der verschiedenen Griinde 40 Welchen Zusammenhang dies bei Paulus gehabt 
einer Ruckforderung wegen ungerechtfertigter Be- hat, ist unbekannt. Dass fiir die e. eertae pe- 
reicherung haben die rOmischen Juristen in ver- cuniae oder tritiearia auch ein neues Gesetz, das? 
schiedener Weise zu ordnen gesucht, sind aber ein dare oportere rechtfertigt, zur Grundlage ge- 
dabei immer nur auf diejenigen Falle eingegangen, nommen werden konnte, ist zweifellos, aber den 
in denen eine Leistung (ein datum oder promts- technischen Begriff einer c. ex lege haben erst die 
sum) zuriickgefordert wird (vgl. Pomp. Dig. XII Compilatoren erfunden. Im Codex vgl. die etwas 
6, 52. Paul. Dig. XII 5, 1. XII 6, 65. Ulp. abweichende Ordnung und Rubricierung TV 1. 2. 
Dig. XLT 7, 1). Technische Namen einzelner c. 5 — 9. 

nach dem Riickforderungsgrunde sind den clas- Litteratur. Bekker Die Aktionen I 93f- 
sischen Juristen fremd. Erst die iustinianischen 50 303f. Baron Abhandlungen aus dem rflm. Ci- 

Compilatoren haben zum Zwecke der (ubrigens vilprocess I. Die Condictionen (1881). Pernice 

sehr unvollkommen gegliickten) Ordnung der ver- Labeo ID: 1 (1892), 202f. Girard Nouvelle Re- 

schiedenen Condictionsfalle in Titel der Digesten vue histor. XLT 408ff. Bolze Zur Lehre v. d. 

und des Codex tTberschriften aufgestellt, welehe Kondiktionen insonderheit v. d. c. sine causa r 

den einzelnen Gruppen von Condictionsfallen tech- Archiv f. d. civilist. Praxis LXXVTTI 422f. , s. 

nische Namen nach dem Grande anweisen. Die auch LXXIX 183f. K i n d e 1 Die Natur der Sach- 

Anordnung der entsprechenden Partie der Di- und Haftklage, insbesondere der Kondiktion, Ar- 

gesten erklart sich so: das praetorische Edict hatte chiv f. bflrgerliches Recht VTI 236f. Trampe- 

eine alleremeine Rubrik de rebus crpdifis. deren dach Ztschr. d. Sav.-Stift. XVTT 97f. Pflflger 
erster Titel war : si certum petetur , und zwar 60 ebd. XVlli 75f. (beide letztere speciell fiber c- 

a) certa peeunia, b) certa res. Zu dem Para- incerti). Keller Civilproc. §§ 18. 88. Beth- 

graphen uber die c. eertae pecuniae gehorten im mann-Hollweg Civilpr. II 261f. LenelEdic- 

Edict auch dessen Satze fiber das Eidesrecht (Le- turn perpetuum 121f. 184f. Karlowa Rem. 

nel 188f.). Auf die Rubrik si certum petetur Rechtsgesch. II 761f. Savigny System V 107f, 

folgte: de eo, quod certo loco dari oportet, dann de 503f. Brinz Pandekten II § 300 — 305. Dern- 

peeunia constituta. Die Compilatoren beginnen burg Pand. II § 138 — 143. Windscheid Pand. 

mit einem Titel (XDI 1) de rebus ereditis si cer- II § 421 — 429, weitere Speciallitteratur besonders- 

turn petetur et de eondictione, handelnd vom Dar- bei dem Letztgenannten. [Kipp.] 



859 



Condigramma 



Conductio 



860 



861 



Conductio 



Confarreatio 



862 



Condisrramma (skr. Kuntigrama ,Pfahldorf' ), Mitnahme einer Sache zu vorubergehendem Ge- 

Stadt am westlichen Ufer des Indus nahe der brauche gegen Mietslohn oder emer Person zu 

Einmfindung des Cabirus (a. d.), Plin. VI 94; vorfibergehender Benutzung ihrer Dienste oder 

irgendwo siidlich Ton der Salzkette von Kalabagh auch die Mitnaime einer fremden Sache in die 

zu suchen. [Tomaschek.] eigene Werkst&tte, urn sie gegen Lohn zubear- 

Conditor, rOmischer Gott der Indigitamenta, beiten, mit einem Worte:, die Miete'. Inst, ill 

unter dessen Schutze das Getreide in den Spei- 24. Dig. XIX 2. Cod. IV 65. Dieser Sprach- 

<;hern geborgen wurde, angerufen beim Opfer des gebraueh scheint sich f iir beweghche Saehen ent- 

Flamen an Tellus und Ceres, Fabius Pictor beim wiekelt zu haben und dann auf Grandstucke uber- 
Interpol. Serv. Georg. I 21. [Aust] lOtragen worden zu sein, auf die er nicht passt 

Conditor factionis, zum Verwaltungsperso- (ahnlich wie das Wort traditio) ; vgl. Dernburg 

uale der romischen Eenngesellscbaften (s. Fac- Pand.5 II 302. § 110, 4, dessen Deutung (Anm 7) 

iiones) gehOrig. hatte vermutlich die Eennge- des Wortes oonducere als ,sich etwas i Vorteilnattes 

ratecbaften,wieWagen,Geschirre,Vorrateu.dergl. zu Gemfite fiihren' mit dein Geiste der laterni- 

zu verschliessen und aufzubewahren. Der C. schen Sprache nicht vereinbar ist. Die c. erscnemt 

Chrestus CIL VI 10046 ist ein Sclave. In dieser in drei Formen: als conduetto ret, operarum, 

Inschrift findet sich auch die Bezeichnung sue- operis, und zwar steht hier jedesmal dem eon- 

conditor. Ein Freigelassener ist der CIL VI 10069 ductor ein locator (Vermieter) gegenuber. Der 

srwahnte c. greats russatae, wo freilich die Be- Mietsvertrag heisst daher loeatto conductio, die 
zeichnung der Partei durch grex auffallig ist. Zu20Klagen aus diesem Vertrage sind .die aetto locatt 

der Inschrift gehort das Monument im capitoli- und die actio conduch. Inst. Ill 24 de tocattone 

nischen Museum zu Eom, das einen Mann dar- et conductions Dig. XIX 2 loeah condueti. Die 

stellt, wie er zwei Pferde fiittert. Ein c. fac- conductio rei geht auf Benutzung der gemieteten 

tionis prasinae Gruter Inscr. 1089, 8. Ein e. Sache, z. B. eines Zugtiers, das der Mieter mit 

factionis albatae Eeine s. cl. V 56. Scaliger zu sicb nimmt (conducit) und der Vermieter bei ihm 

Catalecta Vergil, p. 239 versteht unter C. Leute, einstellt (loeat). In der Redeweise der Dichter 

qui 1 'actionem edunt et missus suppeditant, eine kommt auch eine Miete von Geld (Kapitalsmiete) 

Ansicht, die von Marini Fratr. Arv. 215 unter- vor, Herat, sat. I 2, 9. Den junstischen Schrift- 

sttitzt wird. Turnebus Advers. XVIII 33 halt sie stellern ist diese Ausdrucksweise fremd, sie reden 
fur identisch mit den in den Gloss. Labb. und 30 vielmehr in einem solchen Falle von einem Dar- 

Philox. vorkommenden aXelmai Xxnvv , Pferde- lehen mit hinzagefugtem Zinsversprechen, Cod. 

wartern, die die Pferde mit 01 zu salben hatten. lust. IV 32, 3. Der Wohnungsmieter heisst m- 

Scaliger conjiciert hier fur uincav ni&cov oder quilinus, Dig. XIX 2, 24, 2. 58 pr. Der Mieter 

nixxwv (also Leute, die die Weinfasser auspichen), fruchttragender Grundstiicke heisst in der Kegel 

wahrend Salmasius zu Vopisc. Sat. 7 und 8 colonus (Pachter), obwohl erne scharte Scheidung 

unter den dXetxtm Zauberer versteht, die duTch von Miete und Pacht sich in den Qnellen nicht 

ZaubertrankeundZauberspriicheWagenlenkerund vorfindet (Dernburg a. a. OH 304 I), und 

Pferde zum Siege geschickt machten. Forcellini wenn er einen Teil der Fruchte als Pachtzins 

Lex u conditor. J. C. Bulengerus De circo liefern muss, colonus parhanus. Dig. XIX i, 
Eom. ludisq. circ. XLIV (in Graevii Thes. ant. 40 25, 6 quasi societatis iure et damnum et lucrum 

Eom IX685ff.). Friedlander beiMarquardt- cum domino fundi partitur. Der Pachter hatte 

Wissowa Eom. Staatsverw. IIP 520, 5. in unfruchtbaren Jahren ein Eecht auf verhaltnis- 

[Pollack.] massigen Erlass des Pachtzinses, Dig. XIX 2, 15, 

Condorsa, falsche Lesart fur Conderava, das 2 u. 7 oportere enim agrum praestari conductori, 

heutige Gondnrf. S. Contrua. [Ihm.] ut frui possit. 

Condmsi, nach Caes. b. G. II 4 angeblich Das Kecht der Sachmiete schemt sich aus dem 

germanisches Volk in Gallia Belgica (Condrusos, Bechte des Kaufes abgezweigt zu haben und zwar 

Eburones, Caeroesos, Caemanos, qui uno nomine zunachst fur Vertrage des Staates, die einen pu- 

Oermani appellantur). Clienten der Treverer (b. blicistischen Charakter besassen und unter dem 
G. IV 6); vgl. VT 32 Segtii Condrusique ex gente 50 Zwange der Magistrate standen (v. Lzyhlarz 

etnumeroOermanorum. qui sunt inter Eburones Institutionen s 187 und Karlowa E. Kechtsg. 

Treverosque, Der Name hat sich bis heute er- II 40 fiber die leges censoriae und das auf sie 

halten irn ,pays de Condroz', der Landschaft am beziiglicheSC.Oropium),Festusp.376:re«^o«es 

sudlichen Ufer der Maas von Namur bis gegen olim dicebantur censorum hcattones, quod velut 

Luttich Hier lag der in mittelalterlichen Ur- fructus publicorum locorum renibant. 

kunden Condrusius. Condrustus, Condrustius und Fur die Sachmiete entwickelte sich erne still- 

ahnlich genannte pagus, dessen alter Name auf schweigende Mietsverlangerung fiber die verab- 

einer brittannischen Inschrift pagus Condrustis redete Zeit binaus (relocaiio tactta)._ Fur praedta 

lautet: CIL VII 1073 Dear Viradr.i'71? pan-"' pip iirhnpn — r^'sH^n (?/>mpmt ist damit die 
Condrustis mili[t(ans)] in coh(orte) II Tungro- 60 Grundstucksmiete mit Fruchtbezugsrecht, also die 

rum; vgl. auch CIL VII 1234 nfumenus) Crm- Pacht) ist diese Mietsverlangerung auf em Jahr 

dfrusorum^ Zeuss Die Deutscben 212. 213. anerkannt, Dig. XIX 2, 13, 11. XIX 2, 14. Ob 

Gltlck Kelt. Namen 64. Bergk Zur Gesch. u. und wie weit sie auch bei praedta urbana gegolten 

TopographiederEheinlandell9ff. Holder Altkelt. habe, ist Gegenstand eines lebhaften Streites 

Sprachschatz s. v. [Ihm.] (vgl. v. Vangerow Pandekten? Ill 455ff. § 644. 

Condrnstis pagus s. Condrusi. Dernburg PandektenS H 310 § 111, 46) Wahr- 

Conduetio ist, wOrtlich iibersetzt, die Mit- scheinlich war dem rOmischen Kechte die still- 

nahme einer Sache oder Person, daher auch die schweigende Mietsverlangerung bei Wohnungs- 



mieten in Hausern unbekannt, was mit der ge- nach romischem Eechte auch dann, wenn der 

druckten Lage der armeren, wohnungsmietenden Arbeiter ohne seine Schuld ausser stande war, 

Classen zusammenhing (vgl. B e h n Archiv f. civ. die Arbeiten zu leisten. Paul. Dig. XIX 2, 38 pr. 

Praxis LXVIII 52ff. und Dernburg a. a. O.). qui operas suas locavit, totius temporis mer- 

Besondere Endigungsgrunde der Sachmiete sind : cedem aecipere debet, si per eum non stetit quo 

eine causa cur perieulum timeret (conductor) minus operas praestet; vgl auch Dig XIX 2 

Dig. XIX 2, 27, 1, Untergang der Sache, Dig. 19, 9. L 13, 1, 13. Dieser Satz, der die Arbeits- 

XLX 2, 30, 1, Heraustreibung des Mieters, der unternehmer, die fremde Kriifte beniitzten, sehr 

zwei Jahre lang mit dem Mietzmse rttckstiindig schwer belastet haben muss, wird vielfach be- 
ist, Dig. XIX 2, 54, 1, oder die Mietssache schadigt, 10 stritten, scheint aber in Eom desaalb ertraglich 

Cod. IV 65, 3, notwendige Ausbesserangen, Dig. gewesen zu sein, weil die Hulfskrafte der Arbeits- 

XIX 2, 35 pr. , und ein plotzlich eintretendes Be- herren dort in der Kegel Sclaven, nicht freie Ver- 

durfnis des Vermieters, die Sache selbst zu be- tragsgenossen waren. 

ntitzen, Cod. IV 65, 3. Eine Abart der eolonia Litteratur: Mommsen Die rOmischen Anfange 

war der Erbnutzungsvertrag (s. Emphyteusis). von Kauf und Miete, Ztschr. der Savignystiftung 

Neben dieser Sachmiete steht die Gewahrung Eom. Abt. VI 260. Chr. BurkhardZurGeschichte 

von Arbeitsleistungen gegen Lohn in zwei Formen, der locatio conductio, 1889.Degenkolb Platzrecht 

entweder als conductio operarum oder als con- und Miethe, 1867, 127ff. Karlowa EOm. Eechts- 

duetio operis. Beiden Geschaften gemeinsam ist, gesch. II 1, 18ff. 632ff. Voigt Eom. Eechtsgesch. 

dass sie sich nur auf operae loeari solitae be- 20 1 657ff. Brinz Pandekten^ II 752, 4. Wind- 

zogen. Miete von seltenen Leistungen oder von scheid Pandekten? II 399ff. § 451ff. Dernburg 

hoheren Leistungen (s. Mandatum) fielen daher PandektenS II HOff. § 301ff. Puchta-Kruger 

nichtunterdenBegriffderc.,Dig.XlX5,5,2. Das Institutionen 10 360ff. § 275. Leonhard Institu- 

Unterscheidungsmerkmal beider Arten von c, die tionen 425ff., und fiber die eolonia partiaria Za- 

Arbeitsleistungen betrafen, besteht darin, dass der chariae von Lingenthal Ztschr. der Savigny- 

eonductor operarum mehrere in gleicher Art besol- stiftung, Eom. Abt. XLT 80. Waaser Die eolonia 

dete Arbeiten mietet, der conductor operis aber eine partiaria und dagegen Dernburg Pandekten^ 

einheitlichbesoldeteArbeitsleistungversprichtoder II 304 § 111, 4; vgl. auch die dort Angefuhr- 

mit andem Worten die Gelegenheit zu einem einhcit- ten. fiber die conduetores vectigalium, vgl. K ar- 

lich besoldeten Arbeitserfolge erlangt. Daher ist 30 Iowa Eom. Eechtsgesch. II 18ff. [E, Leonhard.] 

der Arbeitgeber dort conductor, hier locator. Dig. L Condylum s. Kondylon. 

16, 5, 1 (Paulus) opere locato condutto, his verbis Condylus, willkurlich gewahlter Name fur 

Labeo signifieari ait id opus, quod Qraeei ano- einen unzufriedenen Sclaven, Mart. IX 92. 

rileofia vocant, non eoyov, id est ex opere facto [Stein.l 

corpus aliquid perfectum. Unter dieser Voll- Confarreatio war die Eheschliessung mit feier- 

endung des Werkes, die bei der conductio operis lichen Worten und einem Opfer von Feldfruchten 

zu besolden ist, verstand man jedoch nur die ver- (Gai. 1112 quoddam genus saerificii; far von fero, 

tragsmassige Herstellung des Werkes, nicht seine vgl. Eossbach Untersuchungen fiber die romische 

Ablieferung. Dig. XIX 2, 37 detrimentum ad Ehe 1853, 104, 361. Cuq Les institutions juri- 

locatorem ita pertinet, si tale opus fuit, ut pro- 40 diques, Paris 1891, 215, 1). Sie war ein Vorrecht 

bari deberet. Irrefuhrend ist Paul. Dig. XIX 2, der Patricier. So erklart man, warum Cicero pro 

22, 2 loeat enim artifex operam suam, id est Flacc. 84 sie nicht erwahnt, vgl, auch Gai. I 118ff. 

faciendi neeessitatem ; denn nach dieser Stelle 137 a. II 112. Die flamines maiores und die 

wtirde der artifex bei der locatio operis locator reges sacrorum mussten einer confarreierten Ehe 

heissen mussen, wahrend er in Wahrheit eon- entstammen und konnten ohne eine solche nicht 

duclu-r heisst, walirsclieinlich nach dem Hand- ihres Amtes walten, Gai. I 112. Serv. Aen. IV 

werker, der den Arbeitsgegenstand in seine Werk- 103. 374. Auch die flaminica musste der SprOss- 

statte tragt. Bei der locatio operarum heisst ling einer solchen Ehe sein (Suet. Caes. 1, wo- 

dagegen der Arbeiter locator, weil er im Hause nach Caesar anscheinend aus diesem Grunde seine 

des locator eine Stellung annimmt, also seine 50 Braut mit einer andern vertauscht hat). Die 

Dienste dort anbringt (placiert). Liefert der Ar- durch C. begriindete Ehe war eine Ehe mit ma- 

beiter auch den Stoff, so gilt die Werkverdingung nus, d. h. eheherrlicher Gewalt, bei der die Gattin 

als Kauf, Dig. XIX 2, 2, 1. aus der Gewalt ihres Vaters heraustrat und das 

Der Lohn musste bei beiden Geschaften in FrauenvermOgen dem Manne zufiel, Gai. I 110. 

Geld bestehen, widrigenfalls ein Innominatcon- Aus Seheu vor diesen Folgen kam die Manus- 

tract vorlag, Dig. XIX 5, 17, 3, keine Miete. ehe am Ende der Eepublik ausser Gebraueh und 

Es hangt dies damit zusammen, dass nur be- folgeweise audi die C. Da jedoch diese Ehe- 

sonders hauflge Gesohafte als Consensualvertrage schliessungsform aus sacralen Grfinden unentbehr- 

durch die Verpflichtungskraft der formlosen Ab- lich war. so ergine unter Tiberius ein Gesetz dps 

rede angezeichnetwareius. Consensus), darunter 60 Inhaltes, dass die C. fortan die bisherigen privat- 

auch die locatio conductio, seltenere Geschafte rechtlichen Folgen nicht mehr haben und nur nach 

also, wie die Gewahrung von Diensten gegen etwas ius sacrum wirksam sein sollte, Tac. ann. IV 16. 

anderes als Geld, nicht dazu gerechnet wurden In spaterer Zeit kam sie nur noch bei Priestem 

(vgl. BernhOft Kauf, Miete und verwandte Ver- vor, Boeth. ad Oic. top. 3, 14. 

trage 1889, 64). Wie sich die Ceremonien der C. zu den bei 

Der Lohn wird bei beiden Arbeitsvertragen alien andern Hochzeiten tiblichen FOrmlichkeiten 

(locatio operarum und operis) erst nachtraglich (Lucan. II 352ff.) verhielten, ist nicht ganz klar 

gezahlt, und zwar bei der conductio operarum (vgl. hierzu Eossbach a. a. O. lOOff.). Jeden- 



863 



Confarreatio 



Confessio 



864 



falls mttssen sie in einem Zusatz zu ihnen be- zu Schlesinger Ztschr. f. Rechtsgeschichte VIII 

standen haben, weil sonst jede Eheschliessung 58ff. 

eine C mit ihren Folgen gewesen ware. Die C. Litteratur: Bossbach Untersuchungen uber 

war vielmehr der hCchste Grad der Feierlichkeit die rOmische Ehe, Stuttgart 1853, daselbst altere 

bei Ehebiindnissen, Plin. XVHI 3: in saoris nihil Schriften 97, 336. 107, 378. 118, 413. 121, 420. 

reliqiosius confarreationis vinculo erat; vgl. 124, 424 und ausserdem in Graeyius Inesau- 

auch Tac. ann. IV 16. Diese Feierlichkeit vollzog rus VUI Trajecti ad Eh. 1698. Bris soniiis De 

sich wahrscheinlich im Hause der Braut (anders vetere ritu nuptiarum et jure connubiorum lOlltt. 

Karlowa E6m. R.-G. II 155). tlberliefert ist, und Hotmanus De veten ritu nuptiarurn 1112ff. 
dass das Brautpaar mit verhulltem Haupte, dem 10 Wachter Uber Ehescheidungen be! den KOmern, 

Symbole religioser Sammhrng , auf zwei Stublen Stuttgart 1822, 62ff. 65ff. 69ff. 75ff R em N Jahrb. 

sass, die von einem Schaffelle bedeckt waren, der f. Fhilol. u. Paed., Leipzig 1839, 67ff. (fur den 

Haut eines Opfertieres, Serv. Aen. 374. Ausser- etrurischen Ursprung der C. wider die Annahme 

dem vollzog sieh die Feierlichkeit aqua, et igni, eines sabinischen Ursprunges) Karlowa l>ie 

den Symbolen des Muslichen Zusammenlebens, Formen der romischen Ehe und manus 1868 § 4. 

Serv. Aen. IV 103. 167, und vor zehn Zeugen, in Danz Lehrb. d Gesch. d. rOm R.a I 153 § 96. 

denen Rein (N. Jahrb. f. Ph. und Pad. XXV Schulm Lehrb der Gesch. i r6m E. 209ff. 

1839 67ff) die Vertreter der zehn zu einer ourta Karlowa Eom. K.-G. 11 li. 15511. 1MB. ^uq 

a-eh6renden qentes sieht, vgl. hierzu auch Cuq Les institutions juridiques des Romains, Pans 
ErTnstrtutC juridiqu'es des Eomains, Paris 20 1891, 151. 174. 198. 206 214 221. 223 , 1. 227. 

1891, 223, 1. Dass das far nicht als Mehl, son- 373,2. Puchta-Kruger Institution^ II 391tt. 

dern'in gebackenem Zustande verwendet wurde, Leonhard Institutionen 53. 196. 205. 

ist gewiss. Ulp. IX spricht vom panis farreus, [K. Leonnard.J 

ebenso Gai I 112, vgl. aber auch Serv. Georg. Confessio (confiteri) kami, wie die actio con- 

I 31 ver fruqes et molam salsam iungebantur. fessoria als Klage zur Geltendmachung einer ber- 
Karlowa Mm. E.-G. II 155 nimmt hiernach an, vitut (Ulp. Dig. VIH 5, 2 pr.) beweist, ebenso- 
dass neben dem Opferbrote auch noch Opfermehl wohl die Rechtebehauptung me das Zugestandms 
verwendet wurde. Ungewiss ist dagegen, ob das bedeuten. Letzteres ist aber. der regelmassige 
Brot verzehrt oder in die Flanimen geworfen wurde Sinn des Wortes. 

(wie Rossbaeh a. a. O. 108 vermutet). Die An- 30 1) Im Civilprocesse ist zu unterscheiden 

wesenheit von Priestern bei dem Acte ist bezeugt, c. in iure und c. m tudicio. 

Serv Georg I 31. CIL X 6662. Von einer Ein- 1) C. in iure. a) Im Legisactionenvertahren 

segnung der Ehe durch sie findet sich keine Spur. wird derjenige, welcher sich m iure schuldig be- 

Ob die Priester die erforderlichen solemnia verba kennt, dem Klager eine bestimmte Geldsumme zu 

sprachen, ist vSllig ungewiss. Wahrscheinlich war zahlen, oder, was dem gleichsteht , den dahm- 

es Sache der Brautleute, sie auszusprechen (Boss- gehenden Anspruch des Klagers nicht bestreitet 

bach 111. 387). Derlnhalt der verba solemnia (s. Demelius 75t), einem zu dieser Zahlung 

ist gleichf alls unbekannt. Vielleicht bestanden Verurteilten gleichbehandelt (Gell. XV 16, 11. Ai 

sie in einem Anrufen der Gottheit (Rossbaeh 1, 45). Bei rei vindicate wurde, wenn der Be- 
a a ) vielleicht aber auch in der gegenseitigen 40 klagte die Contravindication unterhess oder den 

Frage des einen Teiles an den andern, ob er mit Gegner als Eigentiimer der Sache ausdrucklicn 

dem Fragenden eine Manusehe schliessen wolle. anerkannte, die Sache vom Magistrat dem Gegner 

Es ist wenigstens nicht unwahrscheinlich , dass addiciert; dies hat zu dem Rechtsgeschalt der 

die uns uberlieferten Fragen bei der eoemptio in iure cessto gefuhrt (Gai. LT 24), und da diese 

(s Coemptio) dem Ritual der C. nachgebildet auch auf die Begriindung und Aufhebung von 

waren (so Karlowa Eom. E.-G. LT 156). Durch Servituten angewandt wordcn ist, so muss anon 

ein Gewitter wurde der Abschluss der C. ver- bei der actio confessorta wie der aetw negatoria 

hindert Serv Aen IV 339. das entsprechende Verfahren im Ernstprocesse ge- 

Die'Einfuhrung der C. wird auf Eomulus zu- golten haben. Das Gleiche darf aber fur die 
riickgefuhrt (Dion. II 25) , entsprechend der Ge- 50 hereditatis petitio behauptet werden; derm ob- 

wohnheit,altrOmischeGebrauchedenAnordnungen wohl hier die in iure, cessw nur beschrankt zu- 

der KOnige zuzuschreiben. Sie ist daher wohl lassig ist, setzt sie doch auch m dieser beschrank- 

alter als die Coemptio (Karlowa ROm. R.-G. ten Anwendung die Existenz eines entsprechenden 

II 164fi ) Fflr die durch C. geschlossenen Ehen, Verfahrens im Ernstprocesse voraus. 

ist nach einer angeblichen Lex Romuli (Plut. b) Im Formularverfahren. a. Hier gilt eben- 

Eom 22) die Scheidung nur in gewissen Fallen falls der Grundsatz eonfessus pro %ud%cato est 

erlaubt (Karlowa R6m. R.-G. II 72, vgl. dagegen (PauL Dig. XL 11, 2, 1. Antonin. Carac. Cod. 

aber auch Cod VIH 38 (39), 2). Uberdies wurde, lust. VII 59, 1) zunachst m dem Sinne, dass der- 

auch seitdpm dies nicht mehr gait, die Scheidung jenige , welcher zur Zahlung einer bestimmten 
bei den confarreierten Ehen insoiem erschwert, 60 Geldsumme sicii scmildig bckcnut, uci kiccuuuu 

als es bei ihnen einer besonderen diffareatio be- wie auf Grand Urteils unteriiegt (Lei Rubr. c. 

durfte, die mit Verwiinschungen verbunden war 21. PauL Dig. VI, 21. Paul. sent. 11 1,5. V 5a, f 

(Fest ep p. 74. Plut. qu. Eom. 50. Rossbaeh 4. Diocl. Cod lust, VI 31, 4). Dieses Bekenntnis 

a a O 128ff) Diese Verwflnschungen richteten kann nicht nur bei actio certae ereditae pecuniae, 

si'ch wahrscheinlich, wie Eossbach a. a. O. 127 sondern auch bei jeder andern Klage vorkommen. 

vermutet gegen den schuldigen Teil. Nach Dion. Bei alien Klagen wurde der Streitgegenstand zum 

II 25 soil Romulus die Scheidung der confar- Zwecke der Condemnation auf erne bestimmte 

reierten Ehe uberhaupt verboten haben, vgl. hier- Geldsumme abgeschatzt, und auf diese die Ver- 



865 



Confessio 



Confessio 



866 



urteihrng genchtet. Die richterliche Schatzung Fallen eingefuhrt, class auch das Interlocut, wel- 

und die entsprechende Condemnation konnte aber ches einen bestimmten Processabschnitt beendigt, 

dadurch ersetzt werden, dass der Beklagte eine durch C. ersetzt, und dem dann niederzusetzenden 

bestimmte Schatzungssumme , mit welcher der Iudicium in der Formel nur die Aufgabe gestellt 

Klager zufrieden war, in iure als seine Schuld wird, die noch streitigen Punkte zu erledigen. 

anerkannte; ob der Vorschlag der Summe vom Danach ergiebt sich, dass der Inhalt der C. als 

Klager oder Beklagten ausging, musste gleich- feststehend angenommen wurde, und eine Befreiung 

gtiltig sem (s. Demelius 159); die Moglichkeit des Beklagten von den Wirkungen seines Gestand- 

einer certae pecuniae oondietio auf Grand einer nisses konnte nur im Wege der in integrum re- 
vom Klager ausgehenden Schatzung des Streit- 10 stitutio gegen die erteilte Formel erfolgen. Bei der 

gegenstandes (s. dagegen den Art. Condictio) Leichtigkeit jedoch, mit welcher die in integrum 

wird durch die Moglichkeit einer certae pecuniae restitutio gegen unbillige Formel zu Gunsten des 

confessio auf Grand Einverstiindnisses der Par- Beklagten erteilt zu werden pflegte (Gai. IV 57), 

teien iiber eine Schatzungssumme natiirlich nicht ist es mCglich, dass diese Wiedereinsetzung aui 

bewiesen. Der Execution gegeniiber muss der den Beweis der Unrichtigkeit des Gestandnisses 

Beklagte in der Lage gewesen sein, die Thatsache auch ohne den Beweis des Irrtums erfolgen konnte. 

des erfolgten Gestandnisses zu bestreiten oder die Wahrscheinlich bezog sich das SC. auf die rei vin- 

Nichtigkeit des Gestandnisses wegen Mangels dieatio und ordnete an, dass die pronuntiatio rem 

semer formalen Voraussetiungen (vgl. Ulp. Dig. actoris esse durch C. ersetzt und dann nur ein 
XLII 2, 6, 3) zu behaupten. Aber der Satz : non 20 indicium angeordnet wird, bei welchem der Index 

fatetur qui errat nisi ius ignoravit (Ulp. Dig, XLH instruiert wird, falls nicht Restitution arbitratu 

2, 2) ergiebt weiter, dass der Beklagte auch wegen iudicis erfolge, auf eine entsprechende Geldsumme 

thatsachlichen Irrtums iiber den Inhalt des Ge- zu verarteilen. Gesteht der Beklagte auch die Ee- 

standnisses dasselbe anfechten konnte. In welchen stitutionspflicht so zu, wie Klag«r sie behauptet, 

Formen solche Verteidigungen sich zu bewegen so wird vom Praetor (wie sonst vom Iudex) eine 

hatten, ist nicht klar. Eine in duplum revocatio Frist zur Eestitution anberaumt, und bei deren 

wie gegeniiber dem Urteil fand nicht statt (Paul. fruchtlosem Ablauf ausschliesshch fur die aesti- 

V 5 a, 5), ebenso wenig eine Appellation (Paul. V niatio litis ein Iudicium berafen. In analoger 

35, 2). Auch vom Erbieten zur Ubernahme einer Anwendung des SC. (subsequi praetorem volun- 
aetio ahnlich der actio iudicati ist nichts iiber- 30 tatem orationis dim Marci debere) sind die ent- 

liefert. Demelius (220ff.) scheint eine directe sprechenden Siitze auf alle andern exhibitorischen 

Abwehr der Execution nur bei Nichtexistenz oder und restitutorischen Klagen ausgedehnt worden. 

formaler Nichtigkeit des Gestandnisses zuzulassen So viel darf Ulp. Dig. XLII 2, 6, 2 entnommen 

(221, 91), wegen Irrtums dagegen nur condictio in- werden. 

debiti nach der Zahlung. Allein die Nichtigkeit 6. Freilich findet sich eine besondere auf C. 

der C. wegen Irrtums, welche Ulpian ausspricht, gebaute Formulierung der actio auch in anderen 

muss der aus formalen Griinden hervorgehenden Fallen als bei den aetiones arbitrariae. So bei 

gleichgestellt werden. Auch war der Magistrat der actio legis Jquiliae, welche als confessoria 

in keiner "Weise gehindert, die executive Decretur actio (Ulp. Dig. IX 2. 23, 11) gegen den der 
wegen Ermangelung ihrer Voraussetzungen ein- 40 That Gestandigen in simplum formuliert wird, 

fach zuruckzunehmen (Cels. Dig. XLII 1, 14). wahrend sie gegen den die That Leugnenden in 

Jedenfalls war dies der Weg, auf welchem eine duplum geht. Der Eichter hat bei der actio con- 

auf die gewHhnlichen Grande zu stiitzende in in- fessoria im allgemeinen nur die Aufgabe der 

tegrum restitutio gegen die C. zu erteilen war litis aestimatio (Ulp. Dig. IX 2, 25, 2. Paul. ebd. 

(Ulp. Dip. XLII 2, 6, 6). 26). Es kann aber trotz des Gestandnisses zur 

£. Wenn der Beklagte nur den Grand des An- Absolution kommen, wenn sich herausstellt, dass 

sprachs, aber nicht dessen Betrag, oder nur ein- (z. B.) der Sclave. welchen getotet oder verwundet 

zelne Voraussetzungen desselben zugesteht, oder zu haben der Beklagte gestanden hat, lebt oder 

sich zur Leistung eines Gegenstandes schuldig unverwundet ist (Ulp. [Iul.] ebd. 23, 11. Paul, 
bekennt, aber nicht eine Schatzungssumme con- 50 ebd. 24). Ja selbst wenn er zwar tot ist, aber 

fitiert, so komrnt es zur Niedersetzung des regel- nieht von fremder Hand gefallen , nahm Ulpian 

massigen Indiciums. Damit stimmt es durehaus an, dass der der Totung Gestandige freizusprechen 

iiberein, dass die Lex Eubria fur den Fall eines sei (Dig. IX 2, 25 pr., vgl. PauL Dig. XLII 2, 

nicht auf certa pecunia gerichteten Gestandnisses 4). Auch bei dem Damnationslegat, bei welchem 

an und fur sich nichts verordnet, vielmehr nur ebenfalls die Klage gegen den Leugnenden auf 

Fiirsorge trifft fur den Fall, dass der Beklagte das Doppelte ging. wurde gegen den der Legats- 

nach einem solchen Gestandnis sich nicht process- schuld Gestandigen auf Grand der C. eine be- 

ordnungsgemass verteidigt [neque se iudicio, utei sondere actio in simplum formuliert (Paul. Dig. 

oportebit, defendet). In dem zu ubernehmenden XLII 2. 4, vgl. Javol. Dig. XXXV 2, 61 i. f. ; 
IuJicimu wiiltiiic abgclcgic C. zum Beweise lhres 60 audi Ulp. Dig. XLII 2, 5 wird hierher gehoren 

Inhalts, aber es ist anzunehmen, dass unbeschrank- [Demelius 208ff.]). In diesen Fallen hangt die 

ter Gegenbeweis zulassig, nicht etwa nur wegen Behandlmig der C. offenbar mit dem Satz lis 

Irrtums das Gestandnis widerrafiich ist. Dies infitiando crescit in duplum zusammen, und jene 

entspricht der Analogie der in iudieio abgelegten Behandlung wird nicht erst aus der oratio divi 

C. und der C. einzelner Punkte im Cognitions- Marci stammen. 

verfahren (s. u. 2. 3), e. Andererseits ist es sehr fraglich, ob die 

y. Durch ein SC. unter Marc Aurel ist fur einen extensive Interpretation jener oratio wirklich Ein- 

bestimmten Fall oder einen bestimmten Kreis von fluss uber die aetiones arbitrariae hinaus auf alle 

Pauly-Wissowa IV 28 



867 



Confessio 



Confessio 



868 



Klagen gewonnen hat. Der allgemeine Satz Ul- 
pians (Dig. XLII 1, 56): post . . . eonfessionem 
in iure faetam nihil quaeritur post orationem 
divi Marti, quia in iure confessi pro iudicatis 
habentur gehert in den Zusammenhang der actio 
de pecunia eonstituta (Lenel Palingen. Ulp. 795) ; 
welches die genauere Beziehung war, ist unklar. 
Wollte Ulpian sagen, dass der certam peeuniam 
confessus pro iudieato habetur, so konnte er dies 
nicht erst von &er oratio divi Mar xi an datieren; 10 
wollte er auch von C. andem Inhalts handeln, so 
kann das nihil quaeritur nicht bedeuten, dass da- 
rait der Process zu Ende ist, sondern nur, dass der 
Inhalt der C. ausser Frage tritt, vorbehaltlich 
des Verfahrens uber verbleibende Streitpunkte. In 
Dig. XLH 2, 6, 2 heisst es : omne omnino quod 
quis eonfessus. est pro iudieato habetur. Aber 
Ulpian sagt im pr. derselben Stelle: certum con- 
fessus pro iudieato erit, incertum non erit, und 



audi nicht bestritt, vielmehr nicht antwortete, so 
war ausschliesslieh bei actio certae ereditae pe- 
cuniae ebenso wie auf Grund Gestandnisses die 
Execution einzuleiten (Lex Ruhr. c. 21), w&hrend 
bei anderen Anspriichen , da hier das Nichtant- 
worten sich nicht auf eine bestimmte Geldsumme 
bezieht, die Forderung durch das Nichtantworten 
nicht executionsreif wurde, vielmehr nur die Folgen 
der mangelnden Defension eintreten konnten. 

t). fiber das Gestandnis auf interrogate in 
iure siehe diesen Artikel. 

c) Sehr unvollkommen orientiert sind wir uber 
die Wirkungen del C. im Interdictenverfahren. 
Bei interdicta exhibitoria und restitutoria ent- 
spricht es der Sachlage, dass der Praetor bei Ge- 
standnis aller Voraussetzungen des Interdicts einen 
nicht mehr hypothetischen, sondern unbedingten 
Befehl zur Exhibition oder Restitution erliess. In 
der That konnte nach Ulp. Dig. XLIU 5, 1, 1. 



tesSUS pro XUmcam turn, mevrvwm iwiv v, •», ^ ""„„'„„,. V — . , r ,■ 7° , < r ?• 

noch Diocletian (Cod. lust. VI 61, 4) erklart, der 20 XXIX 3, 2, 8 bei iemtnterdtetum de tabults ex 



Satz eonfessus pro iudieato habetur beziehe sich 
auf den einer bestimmten Geldschuld (quantitas 
in diesem Sinne) Gestandigen. Das omne omnino 
der 1. 6 § 2 cit. wird auf Eechnung der Com- 
pilatoren zu setzen sein. Es fehlt bei alien andern 
als den exhibitorischen und restitutorischen Klagen 
an jedem speciellen Anhalt dafur, dass die G. bei 
ihnen seit der oratio divi Marei anders behandelt 
sei, als zuvor. Wahrscheinlich handelt Ulpian in 



hibetidis gegen den Gestandigen ein solcher Be- 
fehl erlassen und seine Befolgung mit praetori- 
schen Zwangsmitteln erwirkt werden, und es be- 
steht kein Grund, dies Verfahren auf das inter- 
dictum de tabulis exkibendis beschrankt zu denken, 
wenn auch andererseits nicht erweislich ist, dass 
es bei alien restitutorischen und eshibitorischen 
Interdicten anwendbar war. Man muss beachten, 
dass Reehtsschutz durch praetorischen Zwang, auch 



Sei, aiS ZUVOr. y* auxscneiimuii uhiuhi uifuiu *" «"»- -™ -— ~-r- „•! j 

1 6 cit. pr. § 1 von den Condictionen , bei wel- 30 abgesehen vom Gestandnis, nicht selten mit dem 



chen ein* durch C. ersetzbares Interlocut nicht 
yorkommt. Er sagt, es solle der, welcher con- 
fitiert, aber nicht einen bestimmten Geldbetrag, 
gedrangt werden (urgueri), seinem Gestandnis 
den Charakter der C. einer bestimmten Geld- 
summe zu geben. Das ist nur verstandlich, wenn 
in dem Verfahren, von welchem Ulpian spricht, 
es nicht mcglich war, die unbestimmte C. ohne 
weiteres als Grundlage des ferneren, entsprechend 



Interdictenverfahren concurriert. Ein Sponsions- 
streit iiber die Voraussetzungen des Interdicts war 
jedenfalls bei Gestandnis aller Voraussetzungen 
des Interdicts uberflussig. Das Erbitten eines 
arbiter konnte wohl nur den Sinn haben, dass 
dieser iiber den Umfang der Restitutions- oder 
Exhibitionspflicht zu entscheiden und eventuell 
die Geldcondemnation zu bewerkstelligen hatte. 
Dass ein arbiter gegen den eonfessus^ berufen 



weiteres ais ijrunaiage ues leniBicu, ampcui^ ^»o» ^. ,,,„,,.-. „- -- --- --■-> . 

vereinfachten Verfahrens zu verwerten. Man muss 40 werden konnte, bezeugt Gai. IV lbd, indem er 



sich also denken, dass bei der eondictio^ auch 
nach der oratio divi Marei nur die Wahl zwischen 
Anordnung des Iudiciums mit der regelmassigen 
Ponnel oder der Execution auf Grund certae pe- 
cuniae c. bestand. Es ist rueines Erachtens nicht 
richtig, mit Mommsen z. d. St. und Lenel Pa- 
lingen. n 996, 2 die Worte vel corpus . . . opor- 
tere zu streichen, sondern es ist zu vermuten, dass 
Ulpian sagen wollte, bei eondictio incerti und 



sagt, Proculus sei der Ansicht gewesen, dass in 
dem Erbitten des arbiter die C. liege ; denn diese 
Ansicht setzt jene Moglichkeit voraus. Wenn 
nach Ulp. Dig. XLH 2, 6, 2 die oratio divi 
Marei auch auf die exhibitorischen und restitu- 
torischen Interdicte Einfluss gehabt hat, so lasst 
sich denken, dass vor diesem SO. die Forroel, 
durch welche der arbiter instruiert wurde, noch 
nicht auf das Gestandnis Bezug nehmen und das- 



Utpian sagen woiue. oei cothwk»™ vtuxnt uuu l,^^ »^ ™„ -™ -- --- — --- 

certae rei sei auf ein Geldgestandnis zu dringen, 50 selbe dadurch fkieren konnte wahrend nach der 



nicht minder aber bei eondictio certae pecuniae. 
wenn das Rechtsverhaltnis (res in diesem Sinne) zu- 
gestanden, der Betrag des Anspruchs aber streitig 
sei, womSglich ein Gestandnis einer bestimmten 
Summe herbeizufiihren (denn naturlich kann auch 
bei eondictio certae pecuniae ein Gestandnis des 
grundlegenden Rechtsverhaltnisses, z. B. des Dar- 
lehens unter Bestreiten der Hohe des vom Klager 
anweepbenen Betra^es vorkommen'l 



oratio divi Marei oder ihrer Interpretation diese 
Bezugnahme wie bei den sonstigen aetiones ar- 
bitrariae stattfand. Bei prohibitorischen Inter- 
dicten kann man sich ebenfalls denken, dass bei 
Gestandnis der grundlegenden Thatsachen das 
Interdict in entsprechend abgeanderter Form er- 
ging. Insbesondere kann bei interdicta duplicia, 
z. B. utrubi, wenn eine Partei den fehlerfreien 
langeren Besitz des Gegners zugestand, doch nicht 



Der Druek welcher zur Erzielung ernes be- 60 wohl an den (sujiuusenj uuppelseiugeii bri 

y-M ,- -i • jj. j — — ii T«4-rt*.^I/.^o nai\<*f\\+ TT^r^iiTi c/^nriprn as w 



laoa lit:? 



stimmten Gestandnisses angewandt werden soil, 
kann kein wirklicher Zwang gewesen sein, denn 
der Process ist nicht zur Erpressung von Ge- 
standnissen da; es ist vielmehr nur an Vorstel- 
lungen des Magistrats mit Hinweis auf die sonst 
unvermeidliehe tfbernahme des ordentlichen Iudi- 
ciums zu denken. 

f. Wenn der Beklagte nicht zugestand, aber 



Interdicts gedacht werden, sondern es wird em 
inter dictum simplex, nach Art des secundariuin 
erlassen sein (Gai. IV 170). Im ubrigen ist auch 
hier unmittelbarer Schutz des Klagers durch die 
Mittel der praetorischen Macht sehr wohl denk- 
bar (vgl. Ulp. Dig. XLIH 4, 3 pr. § 1). Unklar 
ist, auf welche Weise, wenn man zu dieser ausser- 
ordentlichen Hulfe nicht griff, auf Grund des Ge- 



869 



Confessio 



Confessio 



870 



standnisses sich die aetiones ex interdieto pro- 
■kibitorio entfalteten. Zu diesen aetiones war nur 
auf Grund von Sponsionen zu gelangen. Es hat 
aber auch die Annahme nichts gegen sich, dass 
•derjenige, welcher nach Erlass des Interdicts trotz 
seines fruheren Zugestandnisses des Interdicts- 
grundes interdictswidriges Verhalten begann oder 
fortsetzte, zum Abschluss der Sponsionen ver- 
pflichtet und das weitere Verfahren von dem ge- 
wohnlichen nicht verschieden war. Gestand der 10 
Beklagte dann die Sponsions schuld ein, so war 
er in dieser Beziehung certae pecuniae eonfessus. 
Auf die arbitraren Formeln aus interdictum pro- 
hibitorium wird die oratio divi Marei denselben 
Einfluss gehabt haben, wie auf die sonstigen 
arbitraren Klagen. 

2) t)1)er die c. in iudieio sind wir unvoll- 
kommen unterrichtet. Anzunehraenist, dass das Ge- 
standnis von Thatsachen als Beweismittel wirkte, 
aber der Gegenbeweis ohne Beweis eines Irrtums 20 
zulassig war; gestand der Beklagte bei eondictio 
certae pecuniae den geforderten Geldbetrag zu, 
oder einigte er sich mit dem Klager iibeT einen 
Betrag der litis aestimatio, ohne denselben zu 
erlegen, so wird der Richter nicht gezogert haben, 
dementsprechend zu condemnieren. Eine Zuriick- 
nahme des Gestandnisses kann dann nur dureh die 
gegen das Urteil zulassigen Rechtsmittel geltend 
gemacht worden sein. Wenn der Beklagte etwa 
bei rei vindicatio das Eigentum des Klagers zu- 30 
gestand, so wird der iudex die pronuntiatio rem 
aetoris esse erlassen haben. Da er aber Inter- 
locute zuriicknehmen kann (nur das Endurteil 
kann er nicht selbst andern, Ulp. Dig. XLH 1, 55), 
so kann er auch bei Zuriicknahme des Gestand- 
nisses die Verhandlung iiber das Eigentum des 
Klagers wieder erOffhen, und es wird in diesem 
wie in ahnlichen Fallen die Entscheidung dariiber, 
ob er dies thun wollte, von seinem freien Er- 
messen abhangig gewesen sein. 40 

3) ImCognitionenverfahren muss das Ein- 
gestandnis einer bestimmten Geldschuld ebenso 
gewirkt haben, wie im Formularverfahren die 
e. in iure gleichen Inhalts. Da aber im Cogni- 
tionenverfahren nicht notwendig eine Geldcondem- 
nation erfolgen musste (s. den Art. Aestimatio 
litis), so konnte die C. eines nicht auf Geld ge- 
richteten Anspruches magistratischen Zwang zur 
Erfulhmg der eingestandenen Verpflichtung, je 
nach Ermessen des Magistrats aber auch die uber- 50 
weisung der Sache an einen arbiter zu naherer 
Bestimmung des Umfangs der einbekannten Ver- 
pflichtung und zur eventuellen Geldcondemnation 
zur Folge haben, und zwar unzweifelhaft schon 
vor der oratio divi Marei. Ebenso wird der 
Magistrat bei Eingestandnis einzelner fur die Ent- 
scheidung wichtiger Punkte das Gestandnis zur 
Richtschnur des weiteren Verfahrens genommen 
und geeigneten Falles dementsprechend inter- 
lu^'i.-i-t -ml boi Be^tcllui- „:i.^ arllW,- Xw L\- 60 
struction desselben auf das Gestandnis gebaut 
haben. Der Magistrat kann, wenn das Gestandnis 
sich als unrichiig herausstellt , seine Decretur 
ilndern, ohne dass der Beweis eines Irrtums bei 
Ablegung des Gestandnisses dafur Voraussetzung 
ware ; der bestellte arbiter kann freisprechen, wenn 
der Freispruch nicht dem Inhalt der Instruction 
zuwiderlauft, welche auf dem Gestandnis beruht. 



Findet er, dass wegen Unrichtigkeit des Gestand- 
nisinhalts freizusprechen ware, so muss er die 
Sache an den Magistrat zuriickgeben, damit dieser 
freispreche (Afric. Dig. XLII 2, 7 fdazu Deme- 
lius 209f.]). 

4) Fur das iustinianische Recht darf behauptet 
werden, dass der Richter wie im Cognitionenver- 
fahren der fruheren Zeit jedes Gestandnis von 
Thatsachen oder von Rechtsverhaltnissen, von denen 
die Entscheidung fiber den Anspruch abhangt, 
seinem Inhalt gemass fur den Fortgang des Pro- 
cesses zu verwerten hat, omne omnino quod quis 
eonfessus est pro iudieato habere debet (Dig. 
XLH 2, 6, 2). Da er aber Interlocute zuriick- 
nehmen kann (Dig. XLII 1, 14), so kann dies 
auch wegen Unrichtigkeit des Gestandnisses ge- 
schehen, auf dem sie beruhen (Dig. XLH 2, 7). 
Beweis des Irrtums ist dabei nicht vorausgesetzt. 
Wird der Anspruch des Klagers selbst anerkannt, 
so folgt daraus Execution ohne Endurteil (wie 
wenn es erlassen ware; Dig. XLU 2, 1 XLII 2, 6, 7. 
XLH 1, 81. V 1, 21. Cod. lust. VH 59, 1. VII 
53, 9. VI 31, 4). Wenn bei einem Anspruch, der 
nicht auf Geld gerichtet ist, aus einer solchen C. 
mangels Befriedigung erst ein Verfahren zur aesti- 
matio litis hervorgehen soil (Dig. XLII 2, 6, 2), 
so gilt dies doch nicht mit Notwendigkeit, denn 
der Klager kann auch Execution zur Beitreibung 
der geschuldeten Leistung wenigstens dann ver- 
langen, wenn es sich urn Herausgabe einer Sache 
handelt (Dig. VI 1, 68). An dem Satz, dass ein 
der alten c. in iure gleichstehendes , das End- 
urteil ersetzendes Gestandnis des Klaganspruchs 
nur wegen Nichtigkeit oder thatsachhehen Irr- 
tums iiber seinen Inhalt angefochten werden 
kann, ist nichts geandert, und fraglich ist nur, ob 
in dieser Beziehung jetzt auch das Gestandnis 
eines nicht auf Geld gerichteten Anspruchs als 
eine das Endurteil ersetzende C. gilt. Dies wird zu 
bejahen sein, soweit Naturalexecution aus solcheni 
Gestandnis zulassig ist. 

Litteratur: Demelius Die C. im rOmischen 
Civilprocess und das gerichtliche Gestandnis der 
neuesten Processgesetzgebung, Graz 1880. Ubbe- 
lohde Interdicte (Forts, v. Gliick 43/44) U llf. 
Karlowa Legisaetionen 1541 Keller R. Civil- 
process 96f. 316f. Bethmann-Hollweg Roni. 
CivilpT. 1 116f. H 539f. 594f. Ill 254f. Wetzell 
Civilproc. § 14 zu 6f. § 19, I. 

2) Im Straf process ist anfangs das Ge- 
standnis des Angeklagten, wenn es den vollen 
Thatbestand des Verbrechens deckt, als vollgul- 
tiger Beweis, auf welchen hin die Verurteilung 
zu ergehen hat, betrachtet worden, so dass dem 
Angeklagten nicht mehr Verteidigung, sondern 
nur depreeatio iibrig bleibt (Cic. Verr. V 165. 166; 
pro Mil. 7; pro Ligar. 1. 2; de invent. I 15. 
Auct. ad Herenn. I 24. II 25. Sallust. Catil. 52, 36. 
Quintil. V 13, 5-7. VII 4, 17-20). Es ist aber auch 
iuu^ii^ii, Ju.->3 u^r Au^ckx^^cc ciu^iiic lutiLdaLiiciL 
zugesteht, andere bestreitet, insbesondere dass er 
den objectiven Thatbestand zugiebt, aber sein Ver- 
schulden leugnet (Cic. de invent. 1 15. Auct. ad 
Herenn. I 24. H 23. 24. Quintil. VH 4, 14. 15), 
auch dass er bestreitet, seine That falle unter 
das Strafgesetz (Cic. pro Mil. 15). Dann bleibt 
das Bestrittene Gegenstand deT Untersuchung. 
Dass aber die Glaubwurdigkeit des Gestandnisses 



871 



Confessoria actio 



Confluentes 



872: 



selbst seinem Inhalte nach noch der Prufung zu 
unterziehen sei, ist erst eine Aufstellung, welche 
zu den glanzenden Fortsehritten der classischen 
Zejt gehort; die altesten Zeugnisse fur dieselben 
sind Rescripte von den divi fratres und Septi- 
mius Severus (Ulp. Dig. XLVHI 18, 1, 17. 27; 
vgl. ferner Tertull. apolog. 2; ad nat. I 2). S. 
G-eib Gesch. d. rOm. Criminalproc. 157f. 328f. 
612f. Hartmann-Ubbelohde Rom. Gerichts- 
verfassung 406f. [Kipp.] 

Confessoria actio heisst im civilrechtlichen 
Sinne die zum Schutze einer Servitut gewahrte 
Klage, Dig. Vin 5, 2 pr. §§ Iff. und § 2, s. Ser- 
vitus. Im Edicte waren fur die verschiedenen 
Serrituten verschiedene Formeln aufgestellt (L en e 1 
Edictum perpetuum 148. 151ff.), so daas man 
eigentlich nicbt von einer dem Servitutenschutze 
gewidmeten actio confessoria, sondern von mehre- 
ren aetiones confessoriae wiirde reden mussen 
(Dernburg PandektenS I 630, 1 § 255). Anders 
jedoch Dig. VIII 5, 2 pr. confessoria (sc. actio) 
competit ei qui servitutes sibi competere eon- 
tendit. In Dig. VII 6. VIII 5 rubr. ist von einer 
vindicatio servitutis die Rede, die offenbar mit 
der a. e. identisch ist. Cuq Les institutions juri- 
diques des Romains, Paris 1891, 275 leitet hieraus 
die Vermutung her, dass ursprtingUch der Rechts- 
schutz der Servituten nach denselben Grundsatzen 
behandelt worden sei, wie die rei vindicatio, was 
immerhin zweifelhaft bleibt. [R. Leonhard.] 

Conflninm heisst die Grenze im natiirlichen 
(Dig. XXXLT 35, 1) wie im biidlichen Sinne (in 
eonfinio furoris Cod. V 70, 6, 1). Auf ihre Ord- 
nung bezieht sich die actio finiwm regundorum 
Dig. X 1, 4, 10, s. Karlowa Rom. R.-G. II 459ff. 
und hieruber, sowie liber die Beschaffenheit 
des Grenzrains den Artikel Finis. Die Baume 
und die Steine auf der Grenze (in eonfinio) sind, 
so lange sie nicht herausgenommen sind, Teile 
der Grundstflcke , in denen sie stecken, so dass 
die Grenzlinie und die auf ihr gedachte senk- 
rechte Flache sie unter die beiden Grenznachbarn 
verteilt. Werden sie dagegen herausgenommen, so 
sind sie rechtlich selbstandige Sachen, die im Mit- 
eigentume der Grenznachbarn stehen, Dig. X 3, 
19. XLI 1, 8. Die Eigentumsanteile sind als 
gleiche anzusehen. Allerdings sagt Dig. XVII 2, 
83 (Paulus) naturali convenit rationi et postea 
tantam partem utrumque habere tarn in lapide, 
qua/m in arbor e, quantum et in terra habebat. 
Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass die Mit- 
eigentumsanteile nach dem Wertverhaltnisse der 
Stflcke bestimmt wurden, die den Nachbarn friiher 
gehflrten, als die Sache noch im Boden steckte. 
Es wtirde dies zu schwierigen und verwickelten 
Berechnungen genOtigt haben, die oft gar nicht 
ausfuhrbar gewesen sein warden . Paulus will 
vielmehr nur sagen, dass die Nachbarn trotz ihres 
Eigentums zu gleichen Teilen, doch, sofern dies 
mfislich ist. eine solche ZeTsrmltune der Sache 
verlangen konnen, bei der jeder so viel Material 
bekommt, wie ihm zukam, als die Sache noch im 
Grundstucke befindlich war. 

Litteratur s. Windscheid Pand. 7 I 401 
§ 142, 4. Dernburg Pand. 5 I 177 § 76, 4. 
Karlowa a. a. 0. [R. Leonhard.] 

Confiscate s. Publicatio. 

Confluentes. 1) Der Zusammenfluss von Mosel 



und Rhein, das heutige Coblenz. Zuerst erwahnt 
■von Suet. Calig. 8 vieo Ambitarvio supra Con- 
fluentes (d. h. der Mosel und des Rheines, andere- 
Fliisse konnen nicht gemeint sein, s. Ambitar- 
vius). Die Bezeichnung entspricht dem keltischen 
Condate (s. d.). Dass am Zusammenfluss von 
Rhein und Mosel schon zu Anfang der Kaiserzeit 
eine Niederlassung bestand, ist wahrscheinlich y 
aber eine strategische Bedeutung kam dem Ort 

10 schwerlich zu; von einem romischen Castell wird 
nichts berichtet. Die in Coblenz gemachten In- 
schrifteniunde sind unerheblich (Brambach CIRh- 
705—708. Bonn. Jahrb. L 295 = LXXXIII 134 
nr. 192 Widmung eines pubMcanus an die Got- 
tinnen der Kreuzwege). Jedenfalls bestand hier,. 
wie die Itinerarien beweisen, eine Mansio. Anf 
dem Meilenstein von Tongern ConflVENTES (Or. 
Henzen5236. Desjardins Geogr. de la Gaule- 
IV 31 pi. VI); Tab. Peut. Confluentes; Itin. Ant. 

20 371 Confluentibus. Auch im 4. Jhdt. ist von 
einem Castell oder einer Stadtgemeinde nicht die 
Rede, Amrnian. Marc. XVI 3, 1 (zum J. 354) nee 
eivitas ulla visitur nee castellum, nisi quod apud 
Confluentes, locum- ita cognominatum ubi a/mnis 
Mosella confunditur Rtieno, Rigomagum oppi- 
dum est; auch Ausonius (Mos. 473 vel qua Oer- 
manis sub portions ostia solvis) und noch im 
6. Jhdt. Venantius Fortunatus (carm. X 9, 47 turn 
venio qua se duo flumina iungunt, hinc Rhenus 

30 spumans, inde Mosella ferox) drucken sich hochst 
unbestimmt aus. Erst in der Not. dign. occ. XLI 24 
erscheint sub dispositiome viri speetabilis ducis 
Mogontiaeensis der praefeetus militum defen- 
sorum Confluentibus (vgl. hierzu Bfl eking); also- 
war die Station der Rheinstrasse um die Wende 
des 4. und 5. Jhdts. ein mit milites defensores 
belegter Wachtposten. Und ebenso erscheint im 
6. Jhdt. bei Greg. Tur. hist. Fr. VIII 13 das 
Castrum Confluentes (vgl. Longnon Ge'ogr. de 

401a Gaule au VI^ siecle 368). Das beim Geogr. 
Rav. IV 26 p. 234 genannte Conbulantia ist 
wahrscheinlich mit Confluentes IV 24 p. 227 
(= Coblenz) identisch. fjber die romische Mosel- 
brucke bei Coblenz (Pfahlbriicke) vgl. die aus- 
fihrlichen Berichte von Schmidt, Nobiling, 
Hoyer, Eltester Bonn. Jahrb. XLII 1 — 44 und 
besonders Hiibner ebd. 45 — 63. 

2) Confluentes, in Raetien. Not. dign. occ. 
XXXV (dux Raetiae) 32 praefeetus numeri bar- 

50 cariorum Confluentibus sive Brecantia. Nach 
Bergk Zur Geschichte und Topogr. der Rhein- 
lande 98 die Mundung des Rheins in den Bodensee 
bei Rheineck, nach andern (vgl. Hubner Bonn. 
Jahrb. XLII 47) Coblenz am Zusammenfluss von 
Aare und Rhein. Die Bezeichnung Confluentia 
Helvetiorum im Altertum ohne Beleg. 

3) Confluentes, Zusammenfluss von Arar und 
Rhodanns bei Lugudumim, wo der bekannte Altar 
des Augustus stand, auf mehreren Inschriften ge- 

60nannt. aber immer mit Zusatz der Fluesnamen. 
Boissieu Inscr. de Lyon 5 (= Orelli 4018) 
sacerdos Romae et Any. ad aram ad confluentes 
Araris ei Rhodani. Vgl. Boissieu 84. 95. 114. 
Liv. epit. 139. Hubner Bonn. Jahrb. XLII 47. 
Bergk Zur Gesch. u, Topogr. d. Rheinlande 7. 
Bei Cic. ad fam. X 34, 1 ist iiberliefert ab con- 
fluente ab Uhodano (dazu die adn. crit. von C. 
F. W. Muller p. LVI ed. a. 1896). [Ihm.] 



873 



Confluentia 



Conger 



874 



4) ad Confluentes, Station der Via Aemilia 
zwischen Caesena und Ariminum, 8 mp. vom 
«rsteren, 12 mp. vom letzteren, Tab. Peut., also 
in der Gegend des heutigen Savignano (vgl. CIL 

■ XI 6637), genannt von der Vereinigung des Ru- 
gone und Fiumicino, welche in rCmischer Zeit vor- 
handen gewesen zu sein scheint, wahrend jetzt 
l>eide in getrenntem Bett sich ins Meer ergiessen. 
Dieselbe scheint gemeint mit der mutatio Gonpetu, 
welche das Itin. Hierosolym, 615 12 mp. von Ari- 10 
rninum, 6 mp. von Caesena ansetzt, Desjardins 
Table de Peutinger 117. [Hulsen.] 

5) Unter den Stadten der Arevaker in Hispania 
<3iterior nennt nur Ptolemaios einen Ort Koii- 
<pX6svta in der Gegend von Clunia (II 6, 55), wohl 
ad Confluentes oder ad Confluentia; aber auf wel- 
•chen Zusammenfluss zweier flumina die Bezeich- 
nung geht, ist bisher nicht ermittelt. [Hubner.] 

6) Ort an der Einmiindung der Save in die 
Donau, gegeniiber von Singidunum (Belgrad), III 20 
m. p. von Taurumim (Semlin) entfernt (Tab. Peut. 
Confluentibus. Geogr. Rav, 214, 13: Conflwn- 
tes). Mommsen CIL III p. 417. [Patsch.] 

7) ad Confluentes, Station in Armenia, mitten 
auf dem Wege von Satala nach Artaxata, X m. p. 
■Ostlich von Datamissa (d. i. Datamithra? die 
heutige Burg Hasan-qal c a an der Araxesquelle 
<JaPa-su) ; Tab. Peut. C. wird demnach die Stelle 
hezeichnet haben, wo sich der QaPa-su mit der 
zweiten und langeren Araxesquelle Pasin-sfl, d. i. 30 
dem Phasis des Xenophon, armen. Baseanget, ver- 
■einigt, also die heutige Station Eoprii-kOi ,Briicken- 
-dorf'. Dieser Ansatz bietet auf der ganzen Heeres- 
strasse die sicherste Gewahr. [Tomaschek.] 

Confluentia s. Confluentes Nr. 2. 

Confnsio ist die Vermischung fliissiger Stoffe, 
durch welche , wenn sie mehreren Eigentlimern 
gehOrten, Miteigentum entsteht, Dig. VI 1, 3, 
1 fr. 4. 5 pr. § 1. Man unterscheidet sie zuweilen 
von der commixtio, der untrennbaren Verbindung 40 
trockener Stoflfe (z. B. Vermischung von Getreide- 
massen verschiedener Art) und behauptet, dass 
bei dieser eine andere rechtliche Behandlung statt- 
finde als bei jener (vgl. statt vieler Arndts Pan- 
dekten § 151. Dernburg^ I 496 § 210). Es 
ist jedoch nicht nur kein Grund fur solchc Unter- 
scheidung ersichtlich, sondern es spricht auch 
Dig. VI 1. 3, 2 dagegen. Dig. VI 1, 5 pr. und 
Inst. II 1, 28 sind aber uberhaupt nicht auf eine 
nntrennbare , sondern auf eine trennbare Verbin- 50 
dungzu beziehen, Dig. VI 1, 5, 1 auf eine solche, 
die nicht durch einfache Wegnahme, wohl aber 
durch Schmelzen trennbar ist (Leonhard Insti- 
tntionen 263). Litteratur bei Windscheid Pand." 
I 569 § 188. Dernburg Pand.5 I 496 § 210, 1. 

In einem andern Sinne bezeichnet C. den 
Zusammenfall von Glaubigerschaft und Schuld, 
namentlich bei Beerbung des Glaubigers durch 
den Schuldner oder des Schuldners durch den 
GliuLigci, Dig. XL VI 1, 71 pr. XL VI 3, 75. Lie 60 
Schuld ist hier getilgt, da der Glaubiger selbst 
Herr der schuld nerischen VermOgensmasse ist, 
aus der sie befriedigt werden soil. Auch bei ding- 
lichen Rechten findet eine Tilgung durch ein Zu- 
sammenfallen der Berechtigung und des Eigen- 
tums an der belasteten Sache statt (Dig. VTII 
«, 1. XXX 116, 4), weil auch hier das Reeht 
keines weiteren Schutzes bedarf. Wo ein Pfand- 



recht mit dem Eigentume zusammenfallt , da 
dauert seine Kraft insoweit fort, als es den Eigen- 
tiimer gegen das Nachrflcken der nachstehenden 
Pfandglaubiger sichert (sog. Pfandrecht an eigener 
Sache), Dig. XLIV 2, SO, 1. 

Litteratur vgl. Windscheid Pand. 7 I 648 
§ 215, 3. 753 § 248, 4. H 129 § 295, 9. 307 
§ 352. in 202 § 606, 14. 358 § 665, 2, 4. 4 a. 
Dernburg Pand.* I 627 § 254. II 185 § 67. 
Ill 359 § 175. [R. Leonhard.] 

Congavata, das vierzehnte der grossen Castelle 
am Wall des Hadrian im nOrdlichen Britannien, 
das der ortlichen Reihenfolge der Castelle ent- 
sprechend nach Stanwix, unmittelbar vor Carlisle 
(jetzt Villenvorstadt davon) fallen muss (CIL VII 
p. 159. Bruce Roman Wall3, Lond. 1860, 290ff.; 
Lapidarium septentrionale, Lond. 1875, 239ff.). 
Die Not. dign. setzt den tribunus cokortis JILin- 
gonum nach C. (Occ. XL 48). Inschriften dieser 
Cohorte sind bisher in Stanwix nicht gefunden 
worden, wohl aber die von einigen anderen Truppen- 
teilen (CIL VII 914—920). [HttbnerJ 

Congedns, kleiner Fluss in der Nahe von Bil- 
bilis, in Hispania Citerior, nur von Martial in 
der Schilderung der Umgebungen seiner Heimat- 
stadt erwahnt (I 49, 9 tepidi natabis lene Gon- 
gedi vadum), jetzt Codes, Nebenfluss des Iberus. 

[Hubner.] 

Conger, der y6yyQos der Griechen, der Meer- 
aal, der jetzt im Kykladenmeer fiovyxgiov oder 
iyxskvov genannt wird. Vgl. Aubert-Wimmer 
Arist. Tierkunde I 126. Nach Nikander (Athen. 
VII 288 c) hiess er auch ygvllos , doch scheint 
Diphilos beide zu unterscheiden (Athen. VIII 356a). 
Aristoteles rechnete ihn zu den Knorpelflschen 
(aslayj], Ael. XI 37) und beschreibt ihn als langen, 
glatten Fisch (h. a. I 5, 8B. Plin. VIII 72), 
der nur zwei Flossen hat. Auf jeder Seite hat 
er zwei Kiemen, eine mit einer, die andere mit 
zwei Reihen (h. a. LT 13, 41, vgl. Plin. VIII 73), 
ferner eine kleine Speiserflhre (II 17, 45), wah- 
rend ihm Eierstocke bald zugesehrieben (h. a. 
VI 17, 176), bald abgesprochen werden (III 10, 
68). Er nahrt sich von Polypen (VIII 2, 217. 
Plin. IX 185), wahrend ihm die Murane gefahr- 
lich wird (IX 2, 257. Plin. IX 185. Ael. V 48), 
und halt sich eine Zeit lang verborgen (Vill 
15, 234. Plin. VHI 57). Er unterscheidet zwei 
Arten: die levttoi y6yyQ0i sind Fische der hohen 
See, die fielavtg ydyygoi kommen sowohl in der 
hohen See als in der Nahe des Landes vor (VIII 
13, 231. Opp. hal. I 113). Sie nahren sich von 
Fleisch (VIII 2, 218) und fressen einander (VIII 
2, 218. Ovid. hal. 115; vgl. Birt De hal. 
Ovidio falso adscriptis 112). Die grfssten Meer- 
aale wurden an der Kuste dea sudlichen Spaniens 
gefangen (Strab. IH 145), bernhmt waren auch 
die von Sikyon (Eudoxos bei Athen. VTI 288 c. 
Archestratos bei Athen. VII 293f. Philemon Com. 
II 50o K.). Man kochte iku mit Griinzeug in 6alz- 
lauge (Archestratos bei Athen. VTI 293£). Er 
gait fur weniger schmackhaft und nahrhaft als 
der Flussaal, aber fur leichter verdaulich (Di- 
philos bei Athen. VHI 355 d, aus ihm Hikesios 
Athen. VII 288 c und Xenokrates bei Orib. I 135). 
Traume von Ihm bedeuten, dass Hofimnngen nicht 
in Erfullung gehen (Artemid. oneir. 1 14, 109 H.). 

[M. WeUmann.] 



875 



Congiarium 



Congiarium 



876 



Congiarium. Von congius abgeleitet bedeutet 
C. ein gewisses Mass Wein oder 01, welches, ge- 
wOhnlich von einem Magistrate oder einer Person, 
die eine quasi-magistratische Stellung im Staate 
einnimmt, an mehrere von ihm abhangige Perso- 
nen oder an das ganze Yolk unentgeltlich ausge- 
teilt wird, nicht im Namen des Staates, sondern 
als rein private Preigebigkeit. Solche Geschenke 
sind ofters von Magistraten und Candidaten zur 



Unter Augustus, dessen Freigebigkeit lange Zeit 
ohne gleichen blieb (Mom m sen Res gestae p. 58ff.) r 
bewahren diese Verteilungen noch den Charakter 
rein privater, zwangsloser Geschenke in Geld oder 
Naturalien (Geld, Mommsen Bes gestae p. 59, 
62. 157. Marquardt St.-V. II 138. Korn, Mon, 
Anc. XV 11. 12. Suet. Aug. 41; vgl. Eev. mm*, 
1898, 259f.). Allmahlich aber werden Geldvertei- 
lungen zur Kegel und die zwanglose Freigebigkeit 



Magistratur an das romische Volk als Zulage zuin 10 zu regelmassigen Zahlungen, die grosser oder kleiner- 



frumentum (Liv. XXV 2, C. gegeben von einem 
Aedil, vgl. Plin. n. h. XV 2. Liv. XXXVII 57, 
von einem Candidaten zur Censur. Plin. n. h. XIV 
96, von einem siegreichen Feldherrn, vgl. Cic. 
Philipp. II 45), auch von Provmcialmagistraten 
an ihre ookors praetoria, und Legionen als Zulage 
zur Naturalverpflegung und zum Solde (Momm- 
sen St.-R. I 300, 2) verteilt worden. Schon friih- 
zeitig wurde es iihlich, diese Naturalgeschenke 



sein kOnnen, aber nicht ausbleiben diirfen, wie be- 
sonders der bekannte Fall von Galba lehrt (Suet, 
Galb. 16—17. Tac. hist. 15. Dio LIV 3, 3; vgl. 
Dio LIX 2, wo von Caligula das Anrecht des 
Volkes auf das C. ausdrucklich anerkannt wird), 
Dadurch wird die private Freigebigkeit that- 
sachlich zu einer Staatsinstitution , und damit 
steht wohl im Zusammenhange , dass die Mittel 
dazu nicht mehr aus der kaiserlichen Privatscha- 



durch Geld zu ersetzen , besonders bei den Ge- 20 tulle , sondern aus den Staatscassen genommen 



schenken an die cohors praetoria,, die gegen das 
Ende der Republik zu regelmassigen wurden 
(Mommsen a. a. 0.; auf die K6nige wird die 
Sitte, sowohl Geld- als Naturalienverteilungen zu 
veranstalten, zuruckgefuhrt von dem Chronographen 
des J. 354, der wahrscheinlich aus Sueton schOpft, 
Mommsen Abh. der sachs. Gesellschaft , phil.- 
hist. Classe II 1 [1850], 649, 10). Rein privater 
Natur bleiben diese Geschenke auch in der ersten 



werden; leider aber sind wir nicht in der Lage r 
hier wie auch in mehreren anderen Fallen den 
Zeitpmikt feztzustellen , wo dies zum erstenmale- 
geschah, und die Cassen zu bestimmen, aus welchen 
das dazu ndtige Geld genommen wurde (Augustus 
bestritt die Kosten seiner C. teilweise ex mani- 
biis, teilweise aus Privatmitteln, Mommsen Res 
gestae p. 58ff. Kn i ep Societas publicanorum 1 161f-v 
zuerst unter Traian begegnen wir einem directen 



Kaiserzeit. Der Charakter aber und der Mass- 30 Zeugnisse, dass sie dazu aus Cffentlichen Geldern 



stab dieser Verteilungen verandert sich seit Caesar 
grundlich. Caesar zuerst verteilte Geld an das 
ganze Volk und nur als Zulage dazu Korn und 
01 (Suet. Caes. 38. Dio XLIII 21), seit ihm ge- 
hOrt auch das Recht, Spenden an das Volk zu ver- 
teilen, thatsachlich ausschliesslich dem Princeps. 
Selbst Agrippa unter Augustus verteilt nicht Geld, 
sondern 01 (Dio XLIX 43). Wenn in der Kaiser- 
zeit Geld oder Naturalien nicht vom Kaiser selbst, 
sondern thatsachlich von einem Mitgliede der 40 
kaiserlichen Familie oder einem Feldherrn ver- 
teilt werden, so gesehieht es in der Form, dass 
der Spender doch der Kaiser bleibt, er aber die 
Spenden nicht in seinem Namen , sondern im 
Namen eines anderen verteilt {nomine alicuius: 
Mon. Anc. Ill 7f.: nomine, meo. Tac. ann. II 42: 
nomine Qermanici; vgl. die Tessere CIL XV 2 
p. 995, 1. Hist. Aug. Anton. Diadum. 2). Be- 
sonders haufig wird diese Vertretung durch die 



genommen wurden, Plin. paneg. 41). Die Sache- 
hangt eng zusammen mit der allm&hlichen Ver- 
staatlichung des kaiserlichen Privatvermogens einer- 
seits und andererseits mit der Entwicklung der Idee,, 
dass das, was dem Staate gehOrt, ebensogut des 
Kaisers Eigentum ist. Natiirlich werden eine 
Zeit lang die Kosten der largitiones ebenso aus 
Privat- wie aus Staatsmitteln von den Kaisem 
bestritten. 

Cher die Natur und die Verteilungsart der C. 
sind wir fiir die ersten drei nachchristlichen Jahr- 
hunderte ziemlich gut unterrichtet. Die Geschicht- 
schreiber dieser Periode, wie besonders Tacitus,. 
Sueton, Cassius Dio, die Script, hist. Aug., Hero- 
dian und andere verzeichnen fiir gewehnlich die- 
wichtigsten C. jeder Regierung; aus dem 4. Jhdt, 
haben wir ein Verzeichnis der hauptsachlichen C. 
der Kaiserzeit in dem Chronographen des J. 354 
n. Chr.; das Verzeichnis beruht sicher nicht auf 



Verteilungsmarken {tesserae numariae s. u.) be- 50 officiellen Documenten , sondern ist aus Sehrift- 



zeugt. So erscheinen auf den Tesseren Livia unter 
Caligula, Iulia unter Augustus, Antonia Fran des 
Drusus unter Claudius, Britannicus unter demsel- 
ben, Agrippina und Nero unter demselben, Nero 
mit seiner Tochter Claudia, Sabina mit ihrem Ge- 
mahle Hadrianus, ebenso Suetonius Paullinus und 
der KOnig von Armenien auf den Tesseren des 
Nero, s. Rostowzew Etude sur les plombs anti- 
ques, Rev. num. 1898, 77ff., bes. 100. Besonders 



stellerzeugnissen compiliert (Mommsen Abh. der 
.sachs. Ges., phil.-hist. CI. n 1850, 599. 644ff.). 
Es ist auch nicht vollstandig und kann selbst 
auf Grand der uns bekannten Schriftstellerzeug- 
nisse vervollstandigt werden. Weitere Angaben 
haben wir in den Munzaufschriften und Bildern,. 
wo die C. haufig erwahnt und die einer Regie- 
rung efters der Reihe nach durch Zahlen gekenn- 
zeichnet werden (die Mttnzen lassen sich leicht 



lehiieich ist die lessere der Anumia, wo auf einer ou aus der Samiulung von Cohen zusammenstelien \. 



Seite das Bildnis der Antonia mit Aufschrift, auf 
der anderen die Aufschrift: ex liberalitate Ti. 
Claud* Caefsaris) Aug(usti) steht. 

Durch diese Geschenke fesselten die Kaiser das 
romische Volk an ihre Person , ebenso wie sie 
dies durch die Frumentationes zu erreichen such- 
ten und wie sie durch Geld- {donatwa) und Acker- 
verteilungen die Soldaten in der Treue erhielten. 



in den alteren numismatischen Arbeiten sind diese 
Miinzen mehrmals zusammengestellt worden, z. B, 
bei Ras ch e Lexicon totius rei numariae s. congia- 
rium und liberaUtas). Eine viel ergiebigere Quelle- 
sind die Bilder und Aufschriften der tesserae- 
numariae, die in ziemlich grosser Fulle vorhan- 
den sind; manche C. bezeugen sie allein und 
lehren uns manche wichtige Einzelheit fiber die 



877 



Congiarium 



Congiarium 



878 



Natur und Verteilungsart der C. kennen (Rostow- 
zew Rev. num. 1898, 77ff. 251ff.) Dennoch kann 
man keine vollstandige Zusammenstellung der C. 
geben, wie jeder Vergleich unserer litterarischen 
und numismatisch-antiquarischen Quellen lehrt. 
Die Miinzen verzeichnen die C. sehr unregelmassig 
und werden ausgiebiger erst im 2. Jhdt., nichts- 
destoweniger geben sie uns zuweilen mehr, als 
die litterarischen Quellen, selbst fiir das 1. Jhdt. 
Andererseits geben uns die Tesseren, hauptsach- 
lich fiir das erste nachchristliche Jahrhundert, 
eine ganze Reihe von C, welche weder aus Miinzen, 
noch aus Texten bekannt sind. Besonders lehr- 
reich ist dafur die Regierung Neros. Der Chrono- 
graph und die geschichtliche tlberlieferung (Tac. 
ann. XIII 31. Suet. Nero 10) verzeichnen nur ein 
C, die Miinzen zwei, die Tesseren aber bezeugen 
eine ganze Reihe solcher, die sich alle auf be- 
kannte Thatsachen aus der Regierung Neros be- 
ziehen lassen (Rev. num. 1898, 98ff.). 

Wir haben schon erwahnt, dass in der Kaiser- 
zeit bei den C. ausschliesslich Geld verteilt wurde. 
Gewohnlich aber ftihrt man noch andere Gegen- 
stande, die als C. verteilt werden sollten, an (The'- 
denat bei Daremberg et Saglio Diet, des 
ant. I 1442f.; vgl. Espe'randieu Diz. epigr. II 
599f.; in Wirklichkeit beziehen sich die Stellen, 
die das bezeugen sollen, auf andere Verteilungs- 
arten, wie auf die ganz unregelmassigen Spenden, 
welche im Theater, Amphitheater oder Circus 
durch Ausstreuen der sog. tesserae missiles (s. 
Mis si li a) ausgeteilt wurden (Dio LXI 18. Suet. 
Nero 11), oder (Hist. Aug. Alex. Sev. 22. 26; 
Aurel. 35. 48) auf die Zulagen, nicht zu den C, 
sondern zu den regelmassigen taglichen Brotver- 
teilungen der spateren Zeit und auf die taglichen 
Naturalienverteilungen (Austeilungen von Ol.Wein, 
Schweinefleisch s. 0. Hirschfeld Philol. 1870, 
19ff.). 

Teilnehmer an den C. waren alle, die an den 
Frumentationes teilnahmen, alle ineisi (Plin. 
paneg. 25f. Hist. Aug. Ant. Diadum. 2. Momm- 
sen DieTribus 194ff. Hirschfeld Philol. 1870, 
9), auch Kinder vom zwfllften Jahre an (Suet. 
Aug. 41). Zuweilen aber wurden zu den Ver- 
teilungen auch Kinder unter elf Jahren zugelassen, 
so unter Augustus (Suet. a. a. 0. Dio LI 21) 
und Traian (Plin. paneg. 26; vgl. die ahnliche 
Massregel unter Macrinus, Hist. Aug. Ant, Diadum. 
2; s. auch CIL VI 10228. Hirschfeld Philol. 
1870, 8. Mommsen Die Tribus 193, 47). 

Die Anlasse zu den Verteilungen waren ver- 
schiedenster Arten , wie grosse Staatsfeste , bei 
denen eine Verteilung des C. zur Regel wurde, 
z. B. Thronwechsel (The'denat a. a. 0. 1443, 
vgl. die Tessere CIL XV 2 p. 995, 2 mit der 
Aufschrift: diei imperi Hadr(ianiJ Aug(usti) 
fel(icit-er); hiebei kann naturlich auch an eine 
Verteilung bei einem Anniversarium des Kaisers 
geJadit werden); dia iiiocinii de= TLrunfolger; 
oder seine deduetio in forum (The'denat a. a. 0.; 
vgl. die Tessere Rev. num. 1898, 79); Adoption 
des Thronfolgers (The'denat 1444; vgl. die Tes- 
seren Rev. num. 1898, 82. 99. 88. 252); Verleihung 
der tribunicia potestas (Tessere Rev. num. 1898, 
89. 253, vgl. Hist. Aug. Ant, phil. 27); Verleihung 
des Consulats an den Thronfolger (The'denat 
1444); grosse Siege und Triumphe (The'denat 



1443; vgl. die Tesseren Rev. num. 1898, 78. 94 
[Augustus]. 82. 100 [Nero]. 85. 251f. [die Flavier] 
und andere ebd.); grosse Empfange von Staatswegen 
(Rev. num. 1898, 100); grosse Cffentliche Bauten 
(Portus Traianus, Rev. num. 1898, 86. 252) und ahn- 
liches. Bei allerlei Familienereignissen war es in 
Rom iiblich, nicht bios in der kaiserlichen Familie, 
Verteilungen an Bekannte odeT sogar an das ganze 
Volk zu machen (Plin. epist. X 117. Apul. apol. 88). 

10 Diese rein privaten Spenden werden nur selten in 
unseren litterarischen Quellen erwahnt, so z. B. 
als Commodus heiratete (Hist. Aug. Ant. phil. 27); 
desto Ofter bezeugen solche C. die Tesseren, so als 
Iulia, die Tochter des Augustus, heiratete (?) (Rev. 
num. 1898, 79), als Claudius den Namen Britan- 
nicus an seinen Sohn verlijeh (? ebd. 91); als Pop- 
paea dem Nero die Tochter Claudia Augusta gebar 
(ebd. 102); bei der Consecration eines Mitgliedes 
der kaiserlichen Familie (ebd. 87 nr. 252); bei 

20 anderen Gelegenheiten zu Ehren eines Verstorbe- 
nen oder lebenden Mitgliedes der kaiserlichen 
Familie : ebd. 79. 96 (Livia). 80 nr. 98 (Antonia 
Drusi). 83. 99 (Agrippina). 87 (Sabina Hadrians 
Frau), vgl. Dio LIV 29 (Augustus zu Ehren des 
verstorbenen Agrippa). Endlich bei anderen Er- 
eignissen im Leben des Kaisers, wie z. B. Nero 
bei seinem artistischen Triumphe (Rev. num. 1898, 
101). 

Die HOhe des C. wird Ofters angegeben; man 

30 bemerkt dabei eine allmahliche Steigerung der 
Summen (Marquardt St.-V. LT 139f.) sowohl in 
Bezug auf die HOhe jedes einzelnen Geschenkes, 
wie auf die Zahl der Geschenke. Leider aber 
erlaubt das unvollstandige Material, das wir be- 
sitzen , keine sicheren Schliisse , selbst in ganz 
allgemeiner Haltung. Es hing naturlich vom 
WUlen des Kaisers bei jeder Verteilung ab, ge- 
wissen Classen hchere Summen zu bewilligen, zu- 
weilen bekommen die kinderreichen Burger mehr 

40 wie die anderen (Dio LX 25, 7. Hirschfeld 
Philol. 1870, 9). 

Es bleibt noch die Frage zu erortern, wie und 
wo die Verteilung der C. stattfand. Material fur 
die Entscheidung dieser Frage liefem uns manche 
Darstellungen auf den Miinzen (besonders lehr- 
reich sind einige Grossbronzen des Nero, Cohen 
I 293 nr. 68, und Nerva, Cohen II 4 nr. 37-39), 
einige Erwahnungen bei den Schriftstellern , ein 
Relief des Constantinsbogen, welches eine Geld- 

50 verteilung durch den Kaiser darstellt, endlich die 
Tesseren. Man ersieht daraus, besonders aus den 
Darstellungen der Ceremonie, dass der Kaiser als 
Spender die Verteilung persOnlich leitete. Der 
Act dieser persOnlichen Verteilung wird sowohl 
auf dem Relief, wie auf den Mttnzen dargestellt. 
Wir sehen den Kaiser auf einem suggestus sitzend, 
neben ihm stehen ein odeT mehrere Gehulfen, von 
denen einer die ausgegebenen Summen notiert 
(Miinzen des Nero) oder verrechnet (das Constan- 

60 tiusrelief) ; ueten aem suggestus erscheint zuweilen 
ein Soldat (auf den Munzen ; spater wird er durch 
die personificierte Liberalitas ersetzt) mit einer 
tabula auf einem Stocke befestigt in der Hand 
(wahrscheinlich Aertablifer, Rostowzew Commen- 
tationes philologicae zu Ehren von J. W. Pomia- 
lovskij, Petersb. 1897, 131ff. [russisch]; auf der 
tabula wird efters ein Quincunx dargestellt). Zu 
dem Kaiser schreiten die oder der Empfanger efters 



879 



Congiarium 



Congius 



880 



mit Kindern an der Hand oder in den Armen. 
Das Local, wo die Scene sich abspielt, wird auf 
einigen Mfinzen durch eine Statue der Minerva 
charakterisiert, vielleicht ist das continens curiae 
chaleidicum gemeint. Auf dem Relief sehen wir 
eine porticus mit mehreren Rechnungsbureaus, 
wahrscheinlich die porticus Minucia (s. u.). Com- 
modus verteilte eines seiner C. in der basilica 
Traiani (Hist. Aug. Comm. 1). Es ist aber 



einzelnen an einem bestimmten, nicht an einem 
einzigen Tage stattfand; dabei wird wohl auch 
dem Verfasser der einzige Tag, an welchem die 
Tesseren fur das C. ausgegeben wurden (Plin. 
paneg. 26), vorgeschwebt haben. 

Wir haben schon erwahnt, dass der Braueh, 
C. auszuteilen, von privaten Spenden ausgegangen 
ist. Die kaiserlichen C. haben der Sitte neues 
Lehen gegeben und sie auch in die Municipien 



kaum denkbar, dass jede Verteilung wirklich vom 10 verpflanzt, wo die Verteilungen im Municipalleben 

Kaiser personlich nicht bios eingeleitet, sondern " ; -" *»-" -•-"■ !--*•_ '«'-- ■ ■ - ■■ 

auch zu Ende gefuhrt worden ware, obwohl es 
filr einige C. zweifellos ist (so Claudius, Dio LX 

"o, 7 — 8: ov fievroi xal navxa avrbg Siiveifis alia 
xai oi yafifSQol avrov, s&Eidqjzef) ejil zcXsiovg tffisoag 
■>j ftiadooig iysvezo xal tj&sktjoE xal dixdoau sv 
■cavxaig, vgl. Hist. Aug. Comm. 1). Gewiihn- 
lich praesidierte der Kaiser wohl nur bei der Ein- 
leitungsceremonie, die Verteilung wurde nachher 



eine grosse Rolle gespielt haben (Plin. epist. ad 
Trai. 116-117 [117—118]. Apul. apol. 88,vgl. die 
zahlreichen Inschriften gesammelt von 0. Toller 
De spectaculis, cenis, distributionibus in muni- 
cipiis romanis occidentis imperatorum aetate exhi- 
bits, Altenburg, 1869, 77ff. und die Tesseren 
Rev. num. 1896, 466ff.). Dabei wurde aber von 
den Reichsbehorden streng darauf geachtet, dass 
diese Verteilungen nicht zu wirklichen C. wurden, 



Ton anderen zu Ende gefuhrt. Der Kaiser selbst 20 sondern im Rahmen der privaten Freigebigkeit blie 
verteilte, wie das Constantinsrelief zeigt, Geld, *•— /r "' " "-" ■■ ■ 

gewohnlich aber bekamen die Participanten Tes- 
seren, die sog. tesserae mtmariae (Suet. Aug. 
41, vgl. Rev. num. 1898, 257ff.), die jedem Em- 
pfanger das Recht auf den Empfang der festge- 
setzten Summe gaben. Dieser Tesseren besitzen 
wir eine ganze Anzahl, wie wir oben mehrmals 
erwahnt haben. Fur die Verteilung der Tesseren 
und die Auszahlung der Summen gab es natiir 



ben (Plin. a. a. 0. 116 vereor . . . .ne ii qui mille 
homines interdum etiam plures vacant tnodum 
excedere et in speciem dianomes ineidere vide- 
antur, vgl. ebd. 117 die Antwort Traians : merito 
vereris ut in speciem dianomes incidat invitatio ; 
dianome ist der griechische Ausdruck fur Offent- 
liche Verteilung, s. Philo a. a. 0.; andere Ter- 
mini sind Scogsd und enidooig oder Stddomg, 
Mon. Ancyr. c. 15). Damit hangt zusammen, 



lieh keine spedellen Beamten; die Tesseren wurden 30 dass, wie die Inschriften bezeugen, in denMunicipien 
™„ „™,si,„t ,„ * u-v.™ it- , j )e j (Jeiciverteilungen fast iininer die Fiction er- 

halten wurde, das Geld sei zum Ankaufe eines 
Epulum verteilt (Marquardt-Mau Privatleben 
209; vgl. Epulum und Sportula). Aus den- 
selben Grunden werden in den Municipien private 
frumentationes vermieden (Toller a. a. 0. 93); 
die Kornversorgung lastet auf den municipalen 
Beamten als solchen (Hirschfeld Philol. 1870 
83ff.). 

Wenn diese Regel in den Municipen so con- 
sequent durchgefiihrt wurde, so geschah es de3to 
mehr in Rom selbst, wo es Privatleuten und selbst 
Magistraten sicher streng verboten war, grossere 
Verteilungen an das ganze Volk vorzunehmen. 
Dagegen galten manche kaiserlichen Spenden nicht 
nur Rom, sondern auch den rOmischen Burgern 
in den italischen und selbst provincialen Muni- 
cipien; so verteilte man ofters Geld im kaiser- 
lichen Namen an die iurenes, wie mehrere Tesseren 



sicher, wie erwahnt, in feierlicher Versammlung 
(emtio) an einem bestimmten Tage, wenn nicht 
vom Kaiser selbst, so doch von seinen nachsten 
Vertrauten oder Mitgliedern seiner Familie , aus- 
geteilt. Das Geld nachher zahlten die Beamten 
und zwar die, die die regelmassigen frumen- 
tationes (s. Frumentatio) leiteten, also die 
Beamten der porticus Minucia. Dies wird aus- 
driicklich durch zwei langst bekannte Tesseren 
bezeugt. Auf einer (Garrucci Piombi Altieri40 
Taf. Ill 1) liest man; de (oder d(i)e, Hirschfeld) 
libferalitatej I forfo) /Fund auf dem ty Minucia ; 
auf der anderen (Orelli 3360): Antfoninij Au- 
g(usti) lib(eralitas) LI (nach der wahrscheinlich 
richtigen Lesung des P. Leslea II, vgl. Hirsch- 
feld Philol. 1870, 17) und auf dem H fru(men- 
tatiq) nfumeruj LX1. Dadurch wird ausdruck- 
lich bezeugt : erstens dass die liberalitates in der 
Minucia ausgezahlt, zwcitens, dass sie zuweilen 



oder Bogar regelmassig mit den regelmassigen 50 lehren (Rev. num. 1898, 278 und 465) ganz ab 

A™.-/-*. — . -«,K„-J-„ „-- ^- .:_., T,:... gesehen y()n ^ Spenden an die j n ^ a | en und 

den Provinzen angesiedelten Veteranen (Mon. Anc. 
ILT 7. 8. VII 17—18. Mommsen Res gestae 2 
p. 60) und die in den Festungen und Municipien 
garnisonierenden Soldaten (Dio LIX 2). Als Bei- 
spiel fur grSssere Geld- und Korn verteilungen an 
die Municipien aus der spateren Zeit kann eine 
Verteilung aus dem J. 381 n. Chr. in Gortyn 
dienen (Museo itaL di antichita class. LTI 709). 
Mommsen Die Tribu* 193ff. Marina rdt- 



frumentationes verbunden worden sind. Diese 
Angaben werden durch die Darstellung auf dem 
Constantinsbogen bestatigt ; das dort dargestellte 
Local mit seinen Rechnungsbnreaus kann kaum 
etwas anderes sein als die Porticus Minucia mit 
ihren 45 ostia. Die Verteilung der Tesseren ge- 
schah naturlich an einem bestimmten Tage ; wenn 
ein Tag nicht ausreichte, so nahm man auch den 
oder die folgenden dazu. Die Auszahlung aber 
ebenso wie die Austeilung der Tesseren fur die 60 
frumefUaliones geschah natiiriich nur allmahlich 
in mehreren Tagen (s. die Inschriften der incisi 
und der Beamten, wo der Tag angegeben wird, CLL 
VI 10223—10225, vgl. die Tessere mit der Auf- 
schrift dfiej 1UI, Rev. num. 1898, 267). Die 
Griinde, die Hirschfeld (Philol. 1870, 19) da- 
gegen anfuhrt, halten nicht Stich. Philo leg. ad 
Gai. 23 sagt nur, dass die Verteilung an jeden 



Dessau Sfc-V. II 136. The"denat bei Darem- 
berg et Saglio Diet, des ant. I 1442ff. Espe- 
randieu bei Ruggiero Dizion. epigr. II 599ffi 
Rostowze w Rev. num. 1898, 77ff. [Rostowzew.] 

Congius, ein rGmisches Flflssigkeitsmass, der 
achte Teil einer Amphora, mithin = 6 sextarii 
= 12 hemirute. Das Gewicht des einen C. ffillen- 
den Weines war durch Volksbeschluss auf zehn 



881 



Congonnetiacus 



Coniectio causae 



882 



Pfund festgesetzt. Mithin war .dieses rOmische 
Mass gleich dem attischen xovs, dem ein Wein- 
oder Wassergewicht von tys solonischem Talente 
(1 Talent = 80 rom. Pfund) zukam. Fest p. 258 
Mflller. Paul. p. 259. Volus. Maec. 79. Carmen 
de pond. 59ff. Hultsch Metrologies 113ff. 506f. 
Ein unter Vespasian im J. 75 auf dem Capitol 
geaichtes Massgefass, der sog. farnesische C, hat 
beim Nachmessen einen Betrag von 3,38 1 ergeben. 
Das ist etwas zu hoch, denn nach dem Volts- 10 
.beschlusse und im Vergleiche mit altagyptischem 
Gewichte und Hohlmasse kommen auf den C, wie 
auf den attischen Chus. nur 3,281. Hultsch Metrol 
128f. 704 A. und vgl. o. Bd. Ill S. 2527. Wie neben 
dem rOmischen Modius als Doppelmass ein eastren- 
■sis modius (s. d.) bestand, so wird von Hieron. in 
Ezech. 4, 9 ein castrensis sextarius erwahnt und 
zu 2 attischen Choen = 2 italischen sextarii be- 
stimmt. Hier gebraucht Hieronymus das Wort 
sextarius (wie auch sein Zeitgenosse Epiphanios 20 
das gracisierte k~£oTr)g, Metrologie 716} in dem 
. allgemeinen Sinne eines landesublichenHonlmasses ; 
der Italims sextarius ist bei ihm, wie auch die 
Gleichstellung mit dem attischen Chus beweist, 
nichts anderes als der rSmische C, mithin der 
castrensis sextarius ein Doppel-C, im Betrage 
von 12 eigentlichen rOmischen Sextaren = 6,56 1. 
Mit diesem provincialen Masse stellt dann Hiero- 
nymus den Ittdaieus sextarius, d. i. das hebra- 
ische Hin (Metrologie 450. 456), im Betrage von 30 
12 Log = 6,06 1, zusammen. [Hultsch.] 

Congonnetiacus, Sohn des Arvernerkenigs . 
Bituitus, nach dessen Gefangennahme durch die 
Romer 633 = 121 gleichfalls nach Italien ge- 
bracht (Liv. ep. LXI) , spater als Freund und 
Bundesgenosse Roms wieder in seine vaterliche 
Herrschaft eingesetzt (Diod. XXXIV 36: Kovxco- 
viaxog). [Miinzer.] 

Congonnetodumnus, einer der Fiihrer der 
Carnuten bei der Erhebung des J. 702 = 52 40 
gegen die rfimische Besatzung von Cenabum (Or- 
leans), die das Signal zum allgemeinen Auf stand 
der Gallier gab (Caes. b. g. VII 3, 1). Vermut- 
lich erhielt C. trotzdem von Caesar Verzcihung, 
da sein Sohn dessen Namen fuhrte: C. luliu-s 
Congonnetoduhii f. Vbltinia tribu Victor (Hol- 
der Altkelt. Spraehschatz llOOf.). [Miinzer.] 

Congrae et Reitae, zwei VoTker der skythi- 
schen Region nOrdlich vom Tyras oder Danaster, 
Geogr. Rav. p. 114, 16 ; derselbe verzeichnet p. 178, 50 
8 im Anschluss an das dakische Porolissum die 
Station Gongri (s. d.). In jener Region sassen 
die germanischen Bastarnai gemischt mit kelti- 
schen Stammen; die Laute eon-gra und con-ger 
machen ganz den Eindruck keltischer Bildungen ; 
vgl. kelt. gera, ger- .verehren, lieben', also C. 
jFreunde, Mitgenossen'. Die Reitae dagegen deuten 
sich eheT als germanische oder gotische Hraitha, 
nach R. Much (Ztschr. f. deutsches Altertum 
1805) etwR ,die Au=erl"?en' , n' ; vgl. ags. Hre- 60 
das, Hre"d-gotan, anord. Hreid-gotar; nach der 
Hervara-saga war zur Hunnenzeit Danpar-stadir 
,Dn^pr-stadt' = Kijew Hauptburg von Reidgota- 
land, das sich bis zu den Karpaten oder .chorwa- 
tischen Felsen' Harvada-fjoll ausdehnte ; die Reitae 
lassen sich aus hunno-turkischen Sprachmitteln un- 
mOglich deuten, eher ginge dies an mit C. 

[Tomasehek.] 



Congri (Geogr. Rav. 178, 8), ein Ort an einem 
mutmasslich von Porolissum ausgehenden, den 
dakischen Nordosten Tyra zu durchschneidenden 
Handelswege gelegen, erste Station vom Aus- 
gangspunkte; vermutlich dasjetzige Szamos-Djvar 
an der kleinen Szamos (Kiepert Formae orbis 
antiqui X VH 4, 39). Hier befand sich ein Lager 
(J. Ornstein Arch.-epigr. Mitt. XIV 168ff. J. 
Jung Fasten der Provinz Dacien 137 und Mitt, 
des Instituts f. Osterr, Geschichtsforschung, IV. Er- 
ganzungsbd. 10, 5) , das von der ala II Panno- 
niorum besetzt war (CIL IH 1633, 3 = 8074, 5. 
832 [vgl. p. 1377]. 12540. Arch.-epigr. Mitt. XIV 
172, 1. Cichorius o. Bd. I S. 1254). Bemer- 
kenswert ist auch, dass hier ein mil. [lejg. X[IUj 
gem. Antoninian[ae] libr. cos. n. stationiert war. 
Neben dem Lager entstanden canahae (Ornstein 
a. a. O. CIL III 833. Arch.-epigr. Mitt. XIV 173, 
2. 174) , in denen auch Mithras verehrfc wurde 
(CIL III 12540 = F. Cumont Textes et monu- 
ments figures relatifs aux mysteres de Mithra I 
nr. 231 a). Der Ort hat bis ins 3. Jhdt. seine 
Bedeutung bewahrt (CLL ILT 6246. Arch.-epigr. 
Mitt. XIV 173, 2). In Szamos-LTjvar und beim 
nahen Marktflecken Sze"k befanden sich rOmische 
Tagbaue auf Salz. * [Patsch.] 

Coniectio causae bezeichnet im Process vor 
dem Privatrichter die dem causam perorare vor- 
aufgehende kurze Darstellung des Sach- und Streit- 
standes seitens der Parteien. Unrichtig diirfte es 
sein, dabei mit Keller ,vor allem an einen Vor- 
trag iiber die vollzogene Legisactio' zu denken. 
So sicher der Richter irgehdwie Kenntnis erhalten 
musste von dem Wortlaut der in iure gebrauchten 
Spruchformel , so wenig kann nach den Quellen 
eine derartige Mitteilung, falls sie iiberhaupt zur 
C. c. gehOrte, deren wesentlichen Inhalt ausge- 
macht haben. Wenn Gaius (IV 15; dazu Sab.- 
Paul. Dig. L 17, 1) von den Parteien sagt, dass 
sie nach der Ankunft vor dem Iudex zuerst breviter 
ei et quasi per indicem rem exponere solebant 
und dies eine quasi causae suae in breve coactio 
nennt, so hat er wohl eine iibersichtliche Vor- 
fuhrung der Thatsachen im Auge, auf die sich 
der Erwerb wie die Bestreitung der in den Process 
gezogenen Rechte stiitzt (so Karlo wa). Hiernacli 
wird man auch den Zweck der C. c. nicht darein 
setzen, die Parteien ,gleichsam zu legitimieren.' 
Vielmehr sollte sie das leisten, wozu die Kenntnis 
der Legisactio allein nicht ausreicht: sie sollte 
den Richter so weit einfiihren in die Streitsache, 
dass er die Fahigkeit gewann, die folgende Ver- 
handlung zweckmassig zu leiten. Wo es zur Ver- 
handlung nicht kam, weil eine der Parteien aus- 
geblieben war, da fiel auch die C. c. weg (s. Art. 
Abse ntia, Addicere Bd. I S. 121. 349f.). Dies 
letztere ist zuverlassig der ZwOlftafelstelle bei 
Gell. XVII 2, 10 zu entnehmen, obwohl nicht alle 
Textworte gesichert sind. Das Gesetz spricht 
ohnc Zweifel von un?eror C. c. (Gai. IV 15 solc- 
bant steht nicht entgegen) und verlangt, dass sie 
vor sich gehe ante meridiem. Die peroratio sollte 
sich urunittelbar anschliessen ; die Annahme, dass 
sie erst in einem zweitenTennin nachfolgte, scheint 
mit dem Wortlaut des Gesetzes kaum vereinbar. 
Bestimmt bezeagt ist die C. c. nur fur den durch 
Legisactio begrundeten Privatprocess vor einem 
Richter; doch gehOrte sie vermutlich auch dem 



883 



Coniectio causae 



Conistorgis 



884 



Rechtsgang vor den Centumvirn an. Dagegen 
ware sie, wenn die Zeitformen bei Gai. IV 15 
{solebant-dicebatur) mit Vorbedacht gewahlt sind, 
weder in den Schriftfonnelprocess tibernommen 
noch in das reformierte Legisactionenverfahren der 
Kaiserzeit. Indes haben jene Imperfecta mitten 
in einer Schilderung des alten, von Augustus be- 
seitigten Spruchprocesses nicht gerade durch- 
schlagende Beweiskraft. Masurius Sabinus bei 



898f. Rudorff Rom. Rechtsgeschichte II 79. 250f. 
Bethmann-Hollweg Civilprocess d. gemeinen 
Rechts I 180, 4. 184f. II 586, 4. Wieding 
Iustinian. Libellprocess 73 — 85. Karlowa ROm. 
Civilprocess z. Zeit der Legisactionen 268 — 270. 
368—371. 374. J. E. Kuntze Cursus d. Rem. 
Recbts2 91f. 165. Madwig Verfassung u. Ver- 
waltung II 257. M. Voigt Die XII Tafeln I 532f. 
541. 565f. 696f. Baron Geschichte d. Rom. Recbts 



Paulus pig. L 17, 1) zieht die C. c. noch heran 101 § 201. J6rs R6m. Rechtswissenschaft I 292, 3. 



zu einer Vergleichung, ebenso schreibt sie Gell, 
V 10, 9 dem hier augenscheinlich romanisierten 
Processe zwisehen Protagoras und Euathltis zu; 
freilich kann letzterer eine Quelle aus voraugustei- 
scher Zeit benutzt haben. Jedenfalls wissen wir 
nicht, wodurch die C. c. im spateren Process ent- 
behrlich wurde. Durch die Vorweisung der Schrift- 
formel (Gai. IV 141) wird der Privatrichter hauflg 
nicht besser unterrichtet gewesen sein als ehe- 
mals durch die Mitteilung der Legisactio. 

Quellen. Das oben genannte ZwOlftafelgesetz 
aus Gell. XVII 2, 10 gilt fast allgemein (s. aber 
Karlowa R6m. Civilprocess 268—270) fur iden- 
tisch mit dem vom Auct. ad Her. II 20 ange- 
ftihrten (so Schoell Leg. XH tab. 118. Bruns 
Fontes iur. Rom. 16 18f. M. Voigt Die XII Tafeln 
I 696. Huschke Rom. Jahr 314, 227. Bech- 
mann Legisactio sacramenti 26f.), obwohl sich 
die Pbereinstimmung auf drei Worte beschrankt. 



Bechmann S.-Ber. Akad. Munchen 1890, 172. 

[M. Wlassak.] 

Conii s. Cynetes. 

Conimbrica, Stadt in Lusitanien, nicht beim 
jetzigen Coimbra, das mit dem Bischofssitz im 
9. Jhdt. den Namen annahm, wahrend an seiner 
Stelle Aeminium lag (s. d.), sondern bei Condeixa 
a velha (CIL II p. 40. 815), bei Plinius in der 
Kustenbeschreibung nach Varro (bei Mela in 8 
20ist der betreffende Abschnitt weggelassen) , von 
Norden beginnend zwisehen Aeminium und Col- 
lippo (s. d.) genannt (IV 113 cinumbrica die Hss.), 
was nur auf Condeixa passt. In der alpabetischen 
Aufzahlung der civitates stipendiariae in Lusi- 
tanien ist es von Plinius (ibergangen (IV 118); 
aber aus amtlichen Quellen nennt Phlegon zwei 
Manner aoXswg Korijufigiytjoiag (macrob. I p. 87). 
Es lag an der rOmischen Strasse von Olisipo nach 
Bracara zwisehen Sellium und Aeminium (Itin. 



MOglich ist die Verknupfung nur durch Text- 30 Ant. 421, 4 Conembriga). Die altere Namens- 

Qn^amn^An Viiiii* nm-| <1/vi*+ TTal iiliswl? n.fn~4- -1^.4- 4V,,.™. „^"U*:-»A. /~1 ' 1 * __•_ *L 



anderungen hier und dort. Hal. ttberliefert ist 
bei Gellius eonieiunt und comtiunt (Hertz), 
beim Auct. ad Her. cuieito und conieito, eonitito 
(Marx); daraus hat man coniciimto gemacht (s. 
z. B. Mommsen bei Bruns a. O.). Das Ge- 
setz bei Gellius betrifft unverkenflbar den von Gai. 
IV 15 (wo Studemund mit Recht das hsl. 
eollectio durch coniectio ersetzt) geschilderten Vor- 
gang vor dem Privatrichter; die Notwendigkeit 



form scheint Coniumbriga gewesen zu sein, nach 
einer Weihung des Ti. Claudius Sanoius eques 
cohortis III Lusitanorum an die deae Conium- 
briefenses), die aus einem nahe gelegenen Ort 
stammt (CIL II 432, vielleicht auch Coniumfbri- 
censis] 5866). Aus Condeixa selbst stammt die 
Inschrift eines Conimbrica natus (CIL H 391), 
aus Emerita eine dem Vespasian im J. 77 ge- 
setzte Inschrift L. Iunio Latrone Conimbricese 



einer Textverbesserung ist kaum nachzuweisen. 40 flamine provincial Ijusitaniae (CIL LT 5264). 



Dagegen bezieht man den Legalsatz im Auct. ad 
Her. besser auf das Verfahren in iure, wenn 
mit Lachmann (in Lucret. de rer. nat,< p, 349) 
u. a. statt cuieito etwa conscito (— cognoscito) 
geschrieben wird. Wesentlich unterstutzt ist diese 
Deutung durch Gaius Kb. primo ad leg. duodec. 
tab. Dig. II 4, 22, 1 : qui in ius vocatus est, 
. . . dimittendus est, . ... si, dum in ius 
venitur, de re transactum fuerit. Gaius Vor 



Die Stadt scheint danach seit Vespasian Muni- 
cipium gewesen zu sein. In der Chronik des Hyda- 
tius wird Conimbrica After genannt (229. 231. 
241), ebenso seit dem 6. Jhdt. in Concilienunter- 
schriften (z. B. a. 572 Mansi IX c. 841 D u. s.). 

[Hiibner.] 
ConiscJ, kantabrisches Volk in Hispania Ci- 
terior, nach Poseidonios nur bei Strabon, neben 
den Beronen (s. d.) , genannt (HI 162 Btfeaweg 



lage sind hier allem Anschein nach die Worte 50 Kaviapooig o/ioqoi roig Eovioxoig). Strabon nennt 



der Zwolftafeln beim Auct. ad Her.: Rem ubi 
paguni, orat(o); ni pagunt . . . Weitere Erwah- 
nungen der C. c: Afranius bei Nonius p. 267. 
Gell. V 10, 9 (wo das flberlieferte consistendaeque 
schwerlieh haltbar ist). Paul.-Sab. Dig. L 17, 1 
(die grammatisch naheliegende Beziehung des 
Schlusssatzes auf C. c. statt auf regula ist aus 
sachlichen Grunden abzuweisen). Ps.-Ascon. in 
Verr. p. 164 Or. (aus Gai. IV 15 oder aus einer 
von diesem benutzten Quelle'). 

Litteratur. Ph. E. Huschke in Imman. 
G. Huschke Analecta litteraria (1826) 106; Das 
alte ROm. Jahr 314; Die Multa 448, 261. Zim- 
mern Geschichte d. Rom. Privatrechts HI 105f. 
396, 8. Puchta Institutionenio 1 471f. 527. 537 gg. 
Wetzell Rem. Vindicationsprocess 56f. Keller- 
Wach ROm. Civilprocess 6 § 13 z. n. 200. § 66, 
759. W. Rein Privatrecht u. Civilprocess d. Romer 



an einer anderen Stelle unter den nach der Unter- 
werfung der Kantabrer im rOmischen Heere dienen- 
den iberischen Vclkern die Koniaker (III 156 arga- 
tevovat vvv vjikg rcov 'Pco/xaitov oi re Kcoviaxol 
xai oi ngog racg srtjyaTg rov "I§r)Qog olxovvteg, 

folgt ein verderbter Name). Ob Konisker und 
Koniaker dasselbe Volk bedeuten, ist nicht zu 
entscheiden; auch mit den Concani (s. d.) hat man 
sie zusammengestellt. [Hubner.] 

60 OoniRtorelB. Stadt im "udlich^n Lu=itaniei!, 
zuerst erwahnt in dem Bericht fiber den Peldzug 
des Praetors L. Mummius vom J. 601 = 153 v. Chr. 
bei Appian. lb. 57 [Avaaavoi] Koweovg ixog&ow, 
oi 'Pet>f*aioig rjoav vktjxooi, xai noXiy avicSv fieyd- 
}.r)v sftor Koviaxogyir. Da die Kyneten (s. d.) 
oder Cuneer im sudwestlichen Iberien sassen, so 
ist damit vielleicht das nur bei Livius (XXV 32, 5) 
genannte Amtorgis (s. d.) zu vergleichen, wo Has- 



885 



Coniurnbricenses 



Conreus 



886 



1 



drubal im J. 542= 212 v. Chr. lagerte, das in 
der Ulterior lag. Auf die gleiche Quelle (Posei- 
donios?) geht zuriick, wenn die Stadt C. zu den 
Keltdkern (s. Bd. m S. 1892) gesetzt wird (Strab. 

Ill 141 iv 6s rotg KsXrixoTg KovioTOQylg iazi 
yva>Qi^o)Tdztj). Endlich nennt auch Sallust in 
einem von den Grammatikern erhaltenen Frag- 
ment der Historien die Stadt (frg. hist. inc. 70 D. 
Me Conistorgim apud legiones venii). Wahr- 
scheinlich wurde sie zerstSrt und ist nicht zu 
identificieren. [Hiibner.] 

Coniurnbricenses dii deaeque auf der In- 
schrift CLL II 432, zu beziehen auf die lusita- 
nische Stadt Conimbrica (s. d.). [Ihm.] 

Conlnratio } militarisch das ZusammenschwC- 
ren. Ausser dem einzeln geleisteten Sacramen- 
tum schwuren die rOmischen Soldaten nach Livius 
XXII 38, 3. 4 Decurien- und Centurienweise ge- 
meinsam noch einen besonderen, anfangs freiwil- 
ligen, seit 216 ausdrucklich vorgeschriebenen Eid, 
nicht zu fliehen oder aus dem Gliede zu treten; 
vgl. Madvig Die Verf, u. Verw. d, rom. Staates 
II 479. Marquardt St.-V. H* 386. Vor allem 
aber kam die C. in Zeiten der Bedrangnis, ins- 
besondere bei einem ausbrechenden helium Itali- 
cwm oder Oallieum, wenn keine Zeit war, die 
ausgehobenen Truppen einzeln zu vereidigen, zur 
Anwendung, Serv. Aen. VII 614. VIII 1. Isid. 
orig. IX 3, 53 — 55. Diese beschleunigte Art der 
Aushebung Mess daher selbst auch C. (Schmidt 
Herm. XIV 324). Eine solche C. ordnete der 
Senat z. B. 52- v. Chr. nach Clodius Ermordung 
an, Caes. b. Gall. VII 1, 1. "Wer als coniuratus 
ausgehoben war, wurde nach beendigtem Kriege 
ohne weiteres entlassen, Liv. XLV 2, 1, fur die 
ubrigen bedurfte es hierzu einer besonderen Missio 
(Mommsen Ephem. epigr. V p. 143). 

[Fiebiger.] 

Conna (Itin. Ant. 199, 8. Not. dign. or. 
XXXII 35 Ounna), Ort in Koilesyrien an der 
Strasse von Heliopolis (Ba'albek) nach Laodikeia 
Scabiosa, 32 Millien von jeder dieser beiden Stadte 
entfernt; Militarstation (ala prima Francorum) 
im Gebiet des Dux Phoenicis ; wahrscheinlich das 
heutige Ras Ba'albek. [Benzinger.] 

Connoba (KovrofSag), ein spanischer Banden- 
fiihrer (IfjozaQxog) und Anhanger Viriaths, ergab 
sich 613 = 141 dem Q. Fabius Servilianus (Ap- 
pian. lb. 68). [Mtozer.] 

Conoba s. Colobana. 

Conopas, zwerghafter Menscb, Hofnarr von 
Augustus Enkelin (Vipsania) Iulia, der Tochter 
des M. Agrippa, Phn. n. h. VII 75. [Stein.] 

ConoTium s. Canovium. 

Conpnlsor s. Canonicarius. 

Conqndum. Mnnzen mit der iberischen Auf- 
schrift knqd (Mon. ling. Iber. nr. 53. 58. 67) 
scheinen damit den Namen eines iberischen Stammes 
zu bezeichnen, der im spateren Gebiet der Vasconen 
iiu nurdiiitlit-litjii Ttil voe Hispania Citerior zu 
suchen sein dflrfte. [Hubner.] 

Conquisitores hiessen in der republicanischen 
Zeit die Werbeofflciere, die Aushebungscommis- 
sare; vgl. Cic. ad Att. Vn 21, 1. Auct. b. Alex. 
2, 1. Als solche standen sie wohl im Dienste des 
mit der conquisitio militum betrauten Proconsuls 
(Liv. XXni 32, 19). Wenigstens spricht Cicero 
Mil. 67 von C. des Pompeius, welche die von 



ihm anlasslich der Unruhen des Milo angeordneten 
Aushebungen vornahmen. Nach Cic. prov. cons. 
5. Liv. XXI 11, 13. XXIX 35, 10 scheint die 
Conquisitio meist sehr streng gehandhabt worden 
zu sein. Litteratur: Cagnat bei Daremberg 
et Saglio Diet. II 215.217. Madvig Die Verf. 
u. Verw. d. rOm. Staates II 474. Rich Worterb. 
d. rom. Altert. 182. [Fiebiger.] 

Conradeulia, ein unter dem Dux provinciae- 

10 Valeriae stehendes Castell, Not. dign. occ. XXXIII 
6: Conradeulia = 27: cuneus equitum Stable- 
sianorum, Ripa Mta, nunc Conradeulia. Wohl 
Contra Eerculia (castra), s. d.; vgl. O. Seeck 
a. a. O. [Patsch.] 

Conreus (correus) ist der in einer einzigen 
Stelle der Digesten (XXXIV 3, 3, 3) so genannte 
Gesamtschuldner, d. i. ein Schuldner, der neben 
einem oder mehreren anderen fur eine nur ein- 
mal notwendige Leistung haftet, so dass der Glau- 

20biger die Wabl hat, an wen von ihnen er sich 
halten will. Er wird anderweitig reus promit- 
tendi genannt, falls seine Haftung auf einer sti- 
pulate (s. d.) beruht, Inst. IE 16 (17). Dig. 
XLV 2. Cod. VIII 40. In Anlehnung an die 
genannte Stelle (Dig. XXXIV 3, 3, 3) nannte- 
man alle Gesamtschuldner Correal- oder Solidar- 
schuldner. Dies hat sich jedoch infolge einer 
bahnbrechenden Schrift von Ribbentrop gean- 
dert: Zur Lehre von den Korrealobligationen, GOt- 

30tingen 1831, die sich an Ausfuhrungen von Kel- 
ler Litis-Contestation und Urteil §49. 52ff. an- 
lehnt. Seitdem unterscheidet man (ohne hierzu 
einen Anhalt in den Quellen zu haben) zwei Arten 
von Solidarschulden : die Correalschulden und di& 
nichtcorrealen Solidarschulden. Bei jenen stehe r 
so nimmt man an, hinter der Verpflichtung der 
mehreren Schuldner eine Einheit, bei diesen eine 
Mehrheit der Obligation, so dass nur bei jenen 
alle solche Tilgungsgrunde , die den ,objectiven 

40 Bestand' der Obligation tilgen, alle Schuldner be- 
freien. Diese vielfach angefochtene Ansicht be- 
darf jedoch weit mehr der Erklarang, als sie eine 
solche zu bieten vermag. Sie ist weniger un- 
richtig, als unklar. Bare einzige sichere Grund- 
lage in den Quellen ist der von Keller hervor- 
gehobene Umstand, dass bei gewissen Gesamt- 
schulden der Processbeginn des Glaubigers mit 
einem Schuldner alle andern befreite (Dig. XLV 
2, 2), wahrend dies bei andern nicht der Fall 

50 war, vgl. die bei Vangerow Pandekten? HI 69 
angefuhrten Stellen. Iustinian hob diese Befreiung 
auf (Cod. Vin 40 [41] de fideiuss. c. 28) und da- 
mit den einzigen sicheren Unterschied zwisehen 
den beiden Gruppen von Gesamtschulden. Die 
von Iustinian beseitigte Vorschrift wird am be- 
friedigendsten von Dernburg (Pandekten* II 
196, 4) daraus erklart, dass sie der Gefahr einer 
mehrfachen Beitreibung derselben Schuld vor- 
beugte. Diese Gefahr schien nur dann Beach- 

GO tung zu vcrdienen, T\ - enn zwischon Unn Gcsamt- 
schuldnern eine solche Vertragsbeziehung bestand 
oder doch mfiglich erschien, ans der der eine 
von dem andern eine Erstattung des auf die Schuld. 
Gezahlten verlangen konnte, nicht aber dann, 
wenn solche Beziehungen unter den mehreren 
Schuldnern dem- ausseren Anscheine nach fehlten, 
also namentlich nicht bei der Haftung mehrerer 
aus demselben Dehcte, Dig. IV 3, 17 pr. IX 3, 



887 



Conreus 



Cons 



888 



889 



Consabura 



Consanguine! 



890, 



1, 10 frg. 2. S. 4 oeteri liberantur pereeptione, non 
litis contestations, vgL aber auch XLU 24, 15, 2. 
So erklart es sich, warum gerade da, wo die Ge- 
samtschuld aus einem Yertrage hervorging und 
in einigen ahnlichen Fallen jeder Gesamtschuldner, 
sobald er verklagt wurde, dagegen Sicherung fand, 
.dass nicht hinterher ein anderer Mitschuldner 
nochmals verklagt und zur Zahlung genctigt wer- 
den kOnnte, dem er vielleicht dadurch ersatz- 
pftichtig werden wtirde. Diesen bis zu Iustinian 
durch eine besondere Kraft des Processbeginnes 
ausgezeichneten Fallen der Gesamtschuld teilte 
man (ohne Anhalt in den Quellen) den Namen 
,Correalobligationen' als technische Bezeichnung zu. 

Im iibrigen nimmt man aber an, dass der er- 
wahnte Unterschied zwiachen correalen und nicht- 
correalen Gesamtschulden nicht der einzige ist. 
So bezieht sich jedenfalls Iustinians Vorschrift, 
dass eine Verjahrung, wenn man sie gegeniiber 
einem Gesamtschuldner unterbricht, auch gegen- 
iiber den andem unterbrochen sein solle, Cod. 
VIII 39 (40) c. 5, nach dem Wortlaute des Ge- 
setzes nur auf Gesamtschulden aus demselben 
Rechtsgeschafte. Die andern Eechtssatze aber, 
die fur gewisse correale Gesamtschulden bezeugt 
und yon der herrschenden Lehre auf diese be- 
schrankt werden (vgl. namentlich Dig. XLV 2, 2. 
18. XLVI4, 16. XII 2, 28, 8), sind in den Quellen 
keineswegs in diesem beschrankten Umfange auf- 
gestellt. Wenn und insoweit z. B. aeeeptilatio 
(s. d.), novatio (s. d.) und Eid der Zahlung all- 
gemein gleichgestellt wurden, so mussten sie folge- 
richtigerweise alle Solidarschulden vollstandig til- 
gen, da ja die Zahlung ohne Zweifel diesen Er- 
folg hatte. Von grosser Bedeutung ist, ob die 
■correi socii sind, d. h. aus der Eingehung der 
Gesamtschuld gegenseitige Eechte und Pflichten 
haben oder nicht (vgl. Dig. XL VI 1, 71 pr. H 
14, 25. XLV 2, 10. IV 8, 84 pr.). Einen Ee- 
gressanspruch haben namlich die correi als 
solche untereinander der richtigen Meinung nach 
nicht, es kommt vielmehr darauf an, aus wel- 
■chen Grunden sie in die Gesamtschuld hinein- 
geraten sind. Wenn z. B. zwei Schuldner sich 
samt und sonders fur Ruckzahlung einer Darlehens- 
summe verpflichten, der eine, urn das Geld zu be- 
kommen, der andere, um ihm Credit za verschaffen, 
vgl. z. B. Dig. XV 3, 10, 10, so ist es klar, dass 
der erstere gegen den letzteren keinen Regress- 
ansprach hat, falls er spater zahlt. Im iibrigen 
ist die Frage des Regresses unter C. sehr be- 
stritten (s. v. Vangerow a. a. O. 70ff.). Noch 
zweifelhafter ist der Sinn der Novell. 99, in der 
Iustinian for Gesamtschuldner eine Rechtswohl- 
that der Teilung einftihrt, jedoch nur fur die 
AXXnieyyvtos imsv&woi, dies sind wohl die durch 
■eine Regresspflicht gegenseitig verbundenen. Doch 
ist dies iiberaus bestritten (vgl. t. Vangerow 
a. a. O. 78ff. Dernburg Pand.5 II 200 § 73). 

Neb^n don Gesamtschulden, namentlich den 
plures rei promittendi , giebt es auch Gesamt- 
forderungen, namentlich plures rei stipulandi, vgl. 
Tttbr. Inst. HI 16. Cod. Mil 39 (40). Diese 
durfen nicht nach Analogie der Gesamtschulden 
beurteilt werden. Zwar ist auch bei ihnen nur 
•eine einzige, einmal nOtige Leistung vorhanden 
und eine Mehrheit von Beteiligten. Ihr Zweck 
ist aber dem Zwecke der Gesamtschulden gerade 



entgegengesetzt. Bei den Gesamtschulden dient 
die Mehrheit der auf einer Seite Beteiligten zur 
Verstarkung des Anspruches des Glaubigers, bei 
den Gesamtfordenmgen dient sie zu seiner Ab- 
schwachung. Der Glaubiger hat hier Mitbewerber 
neben sich, die ihm zuvorkommen und ihn scha- 
digen kOnnen, und hat daher das Recht, auch 
seinerseits ihnen zuvorzukommen. Deshalb darf 
ihm dies Recht auch nicht durch confusio (s. d.) 

lOverkiirzt werden (vgl. Arndts Pandekten §273, 
2). Es zerstOrt also die confusio die Gesamt- 
foTderung, die Gesamtschuld aber nicht, Dig. 
XL VI 1, 71 pr. Dass der Processbeginn des einen 
Gesamtglaubigers mit dem Schuldner die andern 
ansschliesst (Cod. VIII 40 [41], 28 also keine 
analoge Anwendung flnden darf), gilt aus demsel- 
ben Grunde auch noch im iustinianischen Kechte. 
Andererseits zerstOrt jeder Gesamtglaubiger durch 
ein eonstitutum debiti (s. Constituere) mit dem 

20 Schuldner die Eechte seiner Nebenglaubiger (Dig. 
XIII 5, 10), wahrend das constitutum eines Ge- 
samtschuldners die Nebenschuldner nicht befreit. 
Ein Missgriff ist daher auch, den Unterschied der 
correalen und der nichtcorrealen Schulden auf die 
Gesamtfordenmgen zu iibertragen und Correal- 
forderungen von activen Solidarobligationen zu 
unterscheiden. Dies ist, namentlich gegen v. Jhe- 
ring (Dogm. Jahrb. XXIV 128ff.), erwiesen von 
Ludwig Dambitsch Entsteht aus dem Ver- 

30 sprechen der Leistung an einen Dritten nach § 335 
des Burgerlichen Gesetzbuches ein Gesamtglau- 
bigerverhaltnis? Diss. Breslau 1897, 4ff, 

Die Litteratur iiber Correalschulden findet sich 
bei v. Vangerow Pandekten' III 59. Wind- 
scheid Pandekten7 II 118 §292. Dernburg 
Pandekten^II 192 § 71, 1. Windscheid bemerkt 
a. a. 0. am Ende der Litteraturiibersicht: ,Noch 
im J. 1829 konnte geschrieben werden (Guyet 
Abhandl. aus dem Gebiete des Civilrechts 262): 

40 ,Es ist . . . nicht leicht (iber irgend einen andern 
Hauptpunkt des rOmischen Rechts die Litteratur 
so diirftig, wie uber diesen.' ,Mancher mochte 
vielleicht diesen Zustand zurfickwilnschen.' Diese 
unnatiirliche Fruchtbarkeit in einer verhaltnis- 
massig untergeordneten Frage diirfte auf den ver- 
kehrten Ausgangspunkt zuruckzufiihren sein, von 
dem aus sie seit Eibbentrop behandelt zu 
werden pflegt. Er liegt in der Frage, ob und 
wie weit der Einheitsbegriff auf Gesamtschulden 

50 anwendbar sei oder nicht. Als ungeschichtlich 
muss es aber bezeichnet werden, dass man den von 
praktisch-politischen Gesichtspunkten beherrsch- 
ten rOmischen Juristen es alien Ernstes zutraut, 
die rechtliche Behandlung der correi nicht aus 
den Bedurfnissen des Lebens und des Gemein- 
wohls abgeleitet zu haben, sondern aus doctrinaren 
Erwagungen fiber Einheit und Vielheit; vgl. hierzu 
auch Leonhard Institutionen 405ff. Ein be- 
sonderes Verdienst um die Anfechtung der bisher 

GO iibliclien Methode ist neben Dernburg (Preusi. 
Privatrecht II § 47, 7) G. H art man n zuzu- 
schreiben (Ztschr. f. schweizerisches Eecht VI 
1886, 113ff.|. [E. Leonhard.] 

Conribll© (oder CoreibUo), ein spanischer 
Hauptling, erwahnt 562 = 192 (Liv. XXX 22, 5). 

[Miinzer.] 
Cong ..... Inschrift aus Altenstadt in Ober- 
hessen, Bra m bach CLEh. 1410 (aus dem J. 242) 



in h(onorem) d(omus) dfimnae) Genio eolegi 
iuventutis Cons. AtfticoJ et Pretextato cos. In 
Cons, steckt vermutlich ein Ortsname, vgl. nr. 1138 
Genio eottegi iuventutis vici Apollinesis. 

[Ihm.] 

Consabura, Stadt in Hispania Citerior, bei 
den Carpetanern, sudlich von Toletum, wurde 
zuerst von Livius im sertorianischen Erieg ge- 
nannt (Frontin. strat. IV 5, 19 Hispani Cm- 
sabrae obsessi; die verkiirzte Form ist alt und 10 
echt). Nach den alphabetischen Listen des Agrippa 
und Augustus gehOrten zu den civitates stipen- 
diariae des Bezirks von Neukarthago die Con- 
saburrenses (DH 25 so die Hss.). Ptolemaios setzt 
es zu den Keltiberern (LT 6, 57 Kovdafioga). Ein 
Q. Domitius Q. I. Macer Consaburensis erscheint 
auf einer Inschrift aus Epora (CIL II 2166). Seit 
Vespasian muss die Stadt Municipium gewesen 
sein, da als Flamen der Provinz zu Tarraco L. 
Domitius M. fU. Ser(gia) Bentonianus als Hvir 20 
municipii Consaburensis eine Statue erhielt (CIL 
II 4211). Es lag an der rOmischen Strasse von 
Laminium (s. d.) nach Toletum (Itin. Ant. 446, 6 
Consabro. Geogr. Eav. 313, 15 Consabron) und 
entspricht der Lage wie dem Namen nach genau 
dem heutigen Gonsuegra (CIL II p. 431), wo aber 
bis jetzt nur eine einzige verstummelte Inschrift 
gefunden worden ist (CIL II 3220). [Hiibner.] 

Consacrani (consacranius CLL III 2109 ; eon- 
[sajcraneis CIL VII 1039 ; consecranei Hist. 30 
aug. Gord. 14, 1. Tertull. apol. 16), eine nach- 
mals von den Christen acceptierte (Tertull. a. a. O.) 
Bezeichnung fur Cultgenossen, die sich einerseits 
bei den Kelten in Gallien (CIL XII 5379 = XIII 
397. XIII 147. 1561, samtlich Weihungen an 
keltische Gottheiten, Erditse, Laha, Mars Tertul- 
lus) und Britannien (CIL VII 1039 Deo Invicio 
Soli Socfiq) . . . L. Caeeilius Optatus tribfunus) 
cohfortis) 1 Vardul(orum) cum eon[sa]craneis), 
andrerseits im illyrisch-thracischen Gebiete nach- 40 
weisen lasst {Fulvius Hermes colflegq} et consa- 
cranius CTL TH 2109 aus Salonae; Maximinus 
Thras redet seine Soldaten an: sacrati commili- 
tones, immo mei consecranei Hist. Aug. Gord. 
14, 1). [Wissowa.] 

Consanguine! sind in derEedeweise der rOmi- 
schen Juristen nicht die Blutsverwandten (trotz 
Dig. XXXVIII 16, 1, 10 consanguineos autem 
Casstus deftnit eos, qui sanguine inter se eonexi 
sunt), sondern die Geschwister von der Vaterseite, 50 
im Gegensatze zu den uterini, den Geschwistem 
von der Mutterseite, Inst. Ill 2, 4. 9, 3. Coll. 
leg. Mos. XVI 6. Gai. in 10. Dieser Sprach- 
gebrauch mag auf der Anschauung beruht haben, 
dass die Blutsgemeinschaft vorwiegend anf der 
Verwandtschaft von der vaterlichen Seite beruhe 
(vgl. Isid. orig. IX 6 nam semen viri spuma est 
sanguinis, ad instar aquae in scopulos eoUisae) 
und auf dem Bestreben, den Namen der von der 
Vaterseite verwandten auf die wichtiorste Ver- 60 
wandtengruppe zu beschranken. Erst hinterher 
mag man den Namen C. auf Geschwister, die 
durch Adoption in die Familie gekommen sind, 
ausgedehnt haben (Dig. XXXVIII 16, 11. Coll. 
XVI 6). 

Die c. gehoren zu den agnati (s. Agnatio) 
und darum auch zu den civilrechtlichen Erben, 
deD legitimi (Cod. V 30, 3 tarn eonsanguineus, 



id est frater, quant patruus eeterique legitimi 
ad pupillarum feminarum tutelam vocantur). 
So auch Ulp. XXVI 1 (ebenso Paul. Coll. XVI 3), 
wahrend derselbe Ulpianus in Dig. XXXVIII 
16, 2 ungenauerweise die c. von den agnati unter- 
scheidet und ebenso Coll. XVI 7 sie von den legi- 
timi absondert. 

Die Redeweise der spateren Zeit, in der die 
technischen juristischen Ausdrucke sich verwisch- 
ten, kehrt zu der Bedeutung des Wortes e., die 
seinem Wortlaute entspricht, zurttck und ver- 
wendet es zur Bezeichnung der Blutsverwandten 
(Cod. Theod. IV 21, 1), sogar der Abkommlinge 
(Cod. XIV 4, S) und des blutsverwandten Oheims, 
eonsanguineus patruus III J. 7, 2. Es wird sogar 
schliesslich der filius eonsanguineus als blnts- 
verwandter Sohn zu dem. adoptierten Sohne in 
einen Gegensatz gestellt, Cod. Theod. VI, 2. 
Diese Eedeweise ist aber in Iustinians Rechts- 
biichern wieder aufgegeben, wozu die Sammlung- 
der Pandektenstellen aus alteren Juristen Anlass- 
gegeben haben mag. In ihr sind die c. nur die- 
Geschwister von der Vaterseite. 

Zur Zeit der rOmischen Eepublik war . der Be- 
griff der comanguinea dadurch von besonderer 
Bedeutung, dass die Jurisprudenz aas Recht der 
zwOlfTafeln, welche die agnatischenFrauen den 
Mannern gleichgestellt hatte, aufhob und zwar 
Voeoniana ratione, d. h. nach Analogie der lex To- 
conia (s. d.), die im Hinblicke auf den Sittenverfall 
das testamentarische Erbrecht der Frauen be- 
schrankt hatte, Coll. XVI 3, 20. Paul. sent. IV 8, 
20 (22). Den agnatischen Schwestern nahm man 
jedoch ihr Erbrecht nicht, so dass sie den andern: 
Agnatinnen gegeniiber in eine bevorzugte Sonder- 
stellung kamen, nostrae verae hereditates adfemi- 
nas ultra eonsanguineorumgradum non pertinent t 
Coll. XVI 2, 14. Ulp. XXVI 6. Gai. IU 23. 29. 
Iustinian beseitigte dies und kehrte zum Rechte 
der zwOlf Tafeln zuruck, Cod. VI 58, 14. Inst. Ill 
2, 3b. Cuq (Les institutions juridiques des Ro- 
mains, Paris 1891, 528) sucht die erwahnte eigen- 
ttimliche Bevorzugung der agnatischen Schwestern 
vor den iibrigen Agnatinnen durch eine Vermutung 
zu erklaren. Die Geschwister eines Verstorbenen 
seien die einzigen Agnaten, deren Arbeit im Eltern- 
hause bei dem Erwerbe des vom Erblasser fruher 
ererbten vaterlichen Vermogens mitgewirkt habe- 
Darum habe man ihnen allein unter alien Agnaten 
ein Erbrecht gewahren wollen, habe aber gegen- 
iiber dem Wortlante der zwolf Tafeln diesen Ge- 
danken nur bei Frauen, nicht bei Mannern durch- 
gefuhrt. Hiergegen ist zu erwagen, dass das alt- 
romische gesetzliche Erbrecht auf Erhaltung der 
Famihenmacht abzielte, nicht auf Belohnung einer 
Erwerbsthatigkeit, und ein Streben, entferntere 
Agnaten auszuschliessen , dem nicht entsprochen 
haben wurde. Immerhin m6gen aber Erwagungen 
der von Cuq angegebenen Art von Einfluss dar- 
auf srewesen seien, dass man nicht Voeoniana 
ratione alle Agnatinnen von dem gesetzlichea 
Erbrechte ausschloss, sondern bei dieser weiber- 
feindlichen Bewegung die agnatischen Schwestern 
verschonte. 

Bevorzugt waren die c. auch nach dem SC. 
Tertullianum unter Hadrian, das der Mutter unter 
gewissen Bedingungen ein Erbrecht an den Nach- 
lass ihres Kindes gewahrte , Gai. LH 24. Inst- 



891 



Conscripti 



Conscripti 



892 



HI 3. Dig. XXXVLTI 17. Cod. VI 56. Wahrend 
namlich die Mutter hierbei alien andern Seiten- 
verwandten vorgezogen wurde, musste sie dem 
frater consanguineus nachstehen tmd mit einer 
■soror eonsangmnea den Nachlass teilen, was 
Iustinian abanderte, vgl. Puchta-Kruger Insti- 
tutionenioil 431 ff. § 304. Leonhardlnstitutionen 
374. 375. — "Wahrend des Druekes erschien und 
lonnte nicht mehr beriicksichtigt werden: J. Bin- 
der Die Korrealobligationen im rOmischen und 
im heutigen Recht, Leipzig 1899. 

[R. Leonhard.] 

Conscripti. Der Ausdruck conscripti (der 
Singular eonscriptus, in Bezug auf eine Einzel- 
person verwendet, kommt in der Litteratur nur 
ausserst selten vor, so Hor. ars poet. 314 .... 
quid sit conseripti .... officium [in scherzhafter 
Rede Cic. Phil. XTTT 28 pater eonsoriptus repente 
foetus esf\, vgl. auch Lex Iulia municip. Z, 108. 
127) bildet einen Bestandteil des Anredetitels des 
rOmischen Senates patres conseripti und urspriing 
lich wohl auch der Ladungsformel bei Berufung 
der Ratsmitglieder zur Senatssitzung (dieselbe ist 
bei Pest. p. 254 und Livius II 1 fragmentarisch 
-erhalten); in den Gemeinden ausserhalb Roms 
wird e. haufig (vgl. die Zusammenstellung bei 
Euggiero, s. u.) zur Bezeichnung der Gesamt- 
Tieit der Mitglieder des Rates synonym mit de- 
■curiones, senatores gebraucht (s. Decurio). Der 
Anredetitel des rOmischen Senates ist bereits bei 
den Alten Gegenstand zahlreicher Erklarungs- 
versuche gewesen und es sind dabei schon damals 
■dieselben Gegensatze zu Tage getreten, welche 
uoch heute die Wissenschaft beherrschen. 

A. Die iiberwiegende Anzahl der rOmischen 
Erklarer erblickt in dem Ausdruck p. c. die Zu- 
sammenfassung zweier verschiedener Kategorien 
von Senatoren ; im einzelnen gehen die Ansichten 
iiber das Wesen der C. vielfach auseinander. 
Nach Pest. ep. p. 7 sind die C. diejenigen, qui 
in senatu scriptis stmt annotati (im Gegensatz 
zu den patres, .... qui sunt patricii generis), 
•die propter inopiam patrieiorum aus der plebs 
oder, wie er wohl einschrankend p. 41 und p. 7, 5 
hemerkt, aus den (plebejischen) Rittern (ex equestri 
ordine) in den Sen at von Valerius Poplieola neu- 
-aufgenommenen Senatsmitglieder (Test. p. 254). 
Nach Livius II 1 sind die C. die zur Erganzuug 
4es Senates auf die Normal zahl von 300 Mit- 
gliedern aus den Vornehmsten des Ritterstandes 
von Brutus neuberufenen Mitglieder (caedibus 
regis deminutum patrum numerwm primoribus 
equestris gradus lectis ad trecentorum summam 
explevit, tradttwmque inde fertur, ut in senatum 
voearentur, qui •patres, quifquej conscripti essent. 
conseriptos videlicet in novum senatum appel- 
labat lectos). Welchem Stande die primores 
equestris gradus angebOrten, ist hier nicht direct 
gesagt , aber es ergiebt sich aus dem unmittel- 

LiU' daiauf fylgcHileii Sati id lUU'Uui, qUQ.ulUj/1 

profuit ad . . . iungendos . . patribus pkbis am- 
inos, dass Plebejer nach Ansicht des Livius da- 
mals in den Senat kamen ; far die Annahme, dass 
nach Livius Darstellung samtliche von Brutus 
neuereierte Senatoren Plebejer waren (so Wil- 
lems Le Senat I 35), bietet die Stelle keinen 
Anhaltspunkt. Erwagt man, dass bei Livius der 
Senat im ersten Jahrhundert als Vertreter des 



Patriciats erscheint, niemals in diesem Zeitraum 
sich im Senat eine Stimme zu Gunsten der Plebs 
erhebt (auf diese Momente machen Ihne 22 und 
Willems a. a. 0. 43 aufmerksam), so wird man 
vielmehr annehmen mfissen, dass Livius unter 
den neuaufgenommenen prwreoras equestris gradus 
nicht nur nicht ausschliesslich Plebejer, sondern 
geradezu hauptsachlich Patricier sich denkt; bei 
dieser Annahme ist es dann auch nicht nOtig, 

10 mit Ihne Livius die Auffassung zu supponieren, 
dass er die Neuaufgenommenen als zu Patriciern 
erhoben denkt. Der Bobienser Scholiast zu Cic. 
pro Scauro p. 374 Or. ffihrt die C. auf eine Al- 
lection von hnndert patricischen Senatoren durch 
Tarquinius Prisons zuriick-, die spater aufgenom- 
menen Plebejer werden von ihm unter diesem 
Ausdrucke nicht begriffen (Tarquinius Priseus 
addidit alios centum [et quod eos] conscripsit, 
eo de vocabulo conscriptis patribus dieti sunt 

20 conscripti. postea plaeuit populo addi familias 
plebeias ad senatum et faeti sunt senatores plebei). 
Bei Serv. Aen. I 426 ist noch eine vierte An- 
sicht wiedergegeben, welche dahin geht, dass die 
C. die von Servius Tullius aus den Plebs neu- 
creierten Ratsmitglieder seien (alii patres a plebe 
in consilium senatus separatos tradunt [so liest 
Willems fur das hsl. erhaltene alii] eonscriptos, 
qui post a Servio Tullio e plebe electi sunt); in 
der Annahme der Allection von Plebejern durch 

30 Servius Tullius stimmt diese Ansicht mit Zonar. 
VII 9 fiberein. Dem Johannes Lydus endlich (de 
mag. I 16) sind die C. die nach dem Raube der 
S^binerinnen Mnzugekommenen Senatoren. 

B. Die einheitliche Auffassung des Anrede- 
titels des rOmischen Senates findet sich bei Dio- 
nysios , Isidorus und in dem Referat des Serv. 
Aen. I 426. Dionysios iibersetzt (II 12) den rO- 
mischen Ausdruck patres conseripti mit ytatsQsg 
eyygatpoc, ,die in den Senat Eingeschriebenen' (II 

40 57 spricht er von den Senatoren als oi xarayga- 
(pevies els rr)v povktfv) und filhrt die, wie er sagt, 
noch zu seinen Zeiten in Gebrauch stehende Be- 
zeichnung bis auf den romulischen Senat zuriiek 

(LT 12 ol Se fisTE^ovzeg rov /fovXevTtjQtov siareQsg 
eyyoatpoc siQoar^yoQevihjoav xai [i&IQig iftov zaii- 
trjg hvyyavovrsg jrQoorjyoolng). Diese Auffassung 
des Dionysios fiber die Bedeutung von patres con- 
scripti erklart sich daraus, dass nach seiner An- 
sicht (V 13) die bei Begriindung der Republik 

50 (von Brutus und Poplieola) zu den am Leben 
gebliebenen Senatoren hinzugefiigten Ratsmit- 
glieder vor der Aufnahme In den Senat Patricier 
wurden (Tac. ann. XI 25 erblickt in ihnen irriger- 
weise die patres minorum gentium) und daher das 
unterscheidende Merkmal der Standesverschieden- 
heit der alten und neuen Senatoren, wie es Pestus, 
der Scholiast zu Cic. pro Scauro u. a. zur Grund- 
lage der Erklarung nehmen (die Ansicht Ihnes 
21ffl , dass auch diese eine [nachtragliche] Auf- 

CO nahme der neu hinzugetretcnen Plebejer in dec 
Patriciat annehmen, ist irrig, vgl. Willems a. a. 
0. 36, 1), far ihn nicht vorhanden ist. Auch 
Isidorus orig. IX 11, 4 filhrt die Pormel bis auf 
Romulus zuriick; er erklart sie damit, dass der 
erste KOnig bei der Bildung der zehn Decurien 
der Senatoren die Namen der letzteren in Gegen- 
wart des populus auf goldeDe Tafeln eingraben 
liess (Patres conscripti, quia dum Romulus de- 



893 



Conscripti 



Conscripti 



894 



eem deeurias senatorum elegisset, nomina eorum 
praesente populo in tabulas aureus eontulit atque 
inde patres conscripti vocati). Eine dritte bei 
Servius a. a. 0. erhaltene Ansicht geht dahin, 
dass der Senat (gedaeht ist an den exactis regi- 
bus von Brutus erganzten Senat) mit patres con- 
scripti benannt worden- sei, weil die Senatoren 
Patricier waren (eum . . ordinem senatum ap- 
peUatum, quod una semissent, quod patricii 
essent, patres conseriptos). 

C. Eine eigentumliche Auffassung begegnet bei 
Plutarch; danach waren als patres conseripti 
(jiaxsQsg avyycygauuivoi) zunachst die von Popli- 
eola in den Senat neuaufgenommenen 164 Ple- 
bejer (Popl. 11) im Gegensatze zu den patrici- 
schen narsQsg bezeichnet worden (quaest. Rom. 58), 
sodann sei dieser Ausdruck auch fur den patri- 
cisch-plebejischen Gesamtsenat in Anwendung ge- 
wesen (Rom. 13). 



mit der lexicalisehen dadnrch in Einklang zu 
bringen versuchte, dass er in Anschluss an Pest, 
ep. p. 7 conscripti als gleichbedeutend mit alleeti 
erklarte und mit ,Zugeschriebene' iibersetzte. ftber 
den von den Vertretern der entgegengesetzten 
Auffassung erhobenen Einwand, dass dieser Uber- 
setzung adseripti oder adscripticii, nicht aber e, 
(welches ,die in eine Liste Verzeichneten, die Ein- 
geschriebenen' bezeichne) entspreche (Ihne 30f. 
10 Willems a. a. 0. 38f.; vgL auch Karlowa), 
hat Mommsen die Gleichstellung von C. mit 
alleeti aufgegeben und die wohl einzig richtige 
Wiedergabe des Wortes mit ,Eingeschriebene' 
acceptiert; die Bezeichnung der plebejischen Sena- 
toren mit diesem, auf alle Ratsmitglieder anwend- 
baren Ausdruck wird damit gerechtfertigt, dass 
nach allgemein gultiger Redeweise im Lateini- 
schen die allgemein gultige Kategorie speciell 
fiir die geringere Rangclasse verwendet werde, 



In der neueren Litteratur sind von den vor- 20 sonach C. in einem engeren Sinn die geringere 



gefuhrten Ansichten der Alten fiber die C. einige, 
wie die, welche die Entstehung derselben mit dem 
Raube der Sabinerinnen in Zusammenhang bringt 
(Joh. Lydus), oder auf Tarquinius Priseus zuriick- 
fiihrt (SchoL Cic. pro Scauro) ganz aufgegeben; 
auch die Ansicht des Plutarch fiber die ursprung- 
liche Bedeutung von patres conscripti ist nirgends 
recipiert worden; allgemein verworfen sind die 
Angaben des Dionysios, wonach die Plebejer vor 



Rangclasse der plebejischen Senatoren bezeichne 
(St.-R. IE 840, 1). 

Die einheitliche Auffassung des Anredetitels 
ist in der neueren Wissenschaft von Ihne be- 
grfindet und durch Willems in eingehender Unter- 
suchung ausgefiihrt worden. Dieselben gehen da- 
von aus, dass die tlberlieferung fiber das erste 
Jahrhundert der Republik, nach welcher der Senat 
durchaus als Organ der Patricier erscheint, die Auf- 



der Aufnahme in den Senat vorerst zu Patriciern 30 nahme von Plebejern in den Senat ausschliesse, sei 



erhoben worden waren, und die des Pestus und 
Plutarch, welche die Zahl der neu Mnzugetretenen 
Plebejer mit 164 beziffert, also eine plebejische 
Majoritat bei Begriindung der Republik voraussetzt. 
Die Vertreter der Ansicht, dass im Anrede- 
titel des Senates die Bezeichnungen zweier quali- 
tativ verschiedener Kategorien von Senatoren zu- 
sammengefasst seien, erblicken in den C, meist 
im Anschluss an die ,bessere' Ijberlieferung des 



es, dass man sich dieselben zu Patriciern erhoben 
denke, oder dass man annehme, sie seien auch weiter 
Plebejer geblieben, dass ferner die plebejischen 
Senatsmitglieder keineswegs als Pediarier anzu- 
sehen seien (Willems erblickt in ihnen die nicht- 
curulischen Mitglieder des Senats) und durch Aus- 
schliessung von dem Interregnum und der aucto- 
ritas patrum eine geringere Rangclasse reprasen- 
tierten (nach Willems a. a. 0. 38 ist in den 



Pestus und Livius (auf letzteren stfitzen sie sich 40 Ausdrficken auspicia penes patres , auctorttas 

i t. X 1 . - >J TT 1_JA .1'- 1 ~- J«™ ■\XT^^4- ~.~l~.~r. olo "na^ll^l^TinTlflf Till- HAT1 



nach dem oben Bemerkten ganz mit Umecht), die 
plebejischen Mitglieder des Senates (Mommsen 
Rom. Forsch. I 254; St.-R. Ill 838. Becker 
Handb. a. a. 0. II 2, 388f. Lange 576. Herzog 
133. 869); mit Ausnahme Langes, der die Zu- 
lassung von Plebejern in die Regierung des Ser- 
vius Tullius versetzt, wird von ihnen die Auf- 
nahme der letzteren dem Brutus bezw. Poplieola 
zugeschrieben. Die qualitative Verschiedenheit der 



patrum das Wort patres als Bezeichnung fiir den 
, Senat', nicht ffir ,die Patricier' verwendet), dass 
endlich die patres conscripti dem Bewusstsein 
der ROmer nie als zwei verschiedene Classen von 
Senatoren erschienen, und kommt zu dem Er- 
gebnisse, dass die Angaben der Autoren nicht auf 
eine wirkliche Uberlieferung sich grfinden, son- 
dern auf das Bestreben der rOmischen Antiquare, 
die in Gebrauch stehenden staatsrechtlichen Ter- 



Batricischen uiid plebejischen Senatsmitglieder wird 50 mini zu erklaren, zurfickzufahren sind. Die patres 



darin gefunden, dass (Mommsen Rom. Porsch. 
I 250ff. Herzog 131f.; vgl. auch 0. Hirschfeld 
Ztschr, f. Ost. Gym. XXXV 317) die letzteren von 
dem Interregnum und der auctoritas bei Wahlen 
und Gesetzesrogationen ausgeschlossen sind (diese 
Dinge sind ein Privileg des .Patriciersenates') 
und sich auch nicht (so Mommsen Rom. Forsch. 
I 263, anders Herzog a. a. 0.) an der Debatte, 
sondern nur an der Abstimmung beteiligen kOnnen. 



conscripti sind nach der Ihne-Willemsschen 
Theorie, welche in ihrem positiven Teile sich 
wesentlich auf die Beobachtung des Sprachge- 
branches von conscribere stutzt, ,die in die 
Senatsliste (seit dem Aufkommen der Schreib- 
kunst, nach Willems naherer Angabe schon seit 
Romulus) eingeschriebenen, die einberufenen, aus- 
gewahlten patres' : , wobeL wie Ihne bemerkt, c. 
determinierend zu patres hinzugefugt wuide, weil 



Karlowa crbKckt in ddi C. dio umL fieiei Wahl CO ^atsieehtlich alio Pa+nner p^*.' ^ul; 4i^ 



von den Consuln (seit Begrundung der Republik) 
Berufenen, zum Unterschie.de von den patres, 
welche vennOge Geschlechterreehtes als Vertreter 
ihrer gentes dem Senat angehOren; die ersteren 
kOnnen Patricier und Plebejer sein, die letzteren 
sind notwendig ausschliesslich Patricier. Bemerkt 
sei noch, dass Mommsen ursprunghch (ROm. 
PoTsch. u. a.) die historische Erklarung von C. 



Bezeichnung hat sich auch erhalten, nachdem die 
Plebejer (im 2. Jhdt. der Republik) in den Senat 
aufgenommen wurden. 

Es ist hier nicht der Ort, eine eingehende 
Kritik der geausserten Ansichten fiber das Wesen 
der C. zu gebeft; nur einige Bemerkungen mOgen 
gestattet sein. Nachdem M o m m s e n , der Haupt- 
vertreter der Lehre, welche in den C. die plebe- 



895 



Conscripti 



Consecratio 



89& 



897 



Consecratio 



Consecratio 



898 



jischen Eatsmitglieder erblickt, sich zuletzt (St.-R. Erweise des Umstandes, dass dem Sprachgebrauch> 
HI 840) der Auffassung, dass C. ,die Eingeschrie- der Redactoren dieser Gesetze die Erinnerung an 
benen' bedeute, angeschlossen hat, kann sich die Zweigliedrigkeit des Ausdruckes patres eon- 
die lexicalische Untersuchung auf die Frage be- scripti noch nicht entschwunden war, hinweist, so 
schranken, ob der von ihm aufgestellte Satz uber muss bemerkt werden, dass an ersterer Stelle die> 
die terminologische Verwendung der allgemeinen Verbindung in genatu decurionibus conseriptisque 
Kategorie fur die geringere Bangclasse uber- lautet, also die Erinnerung an eine Zweigliedrig- 
haupt gelte, und wenn, ob ex auf unseren Fall An- keit des Anredetitels des romischen Senates in 
wendung finde. Es muss nun zugegeben werden, ihr nicht gefunden werden kann; was die beiden 
dass dieses Princip hei der Namengebung fur die 10 Beispiele aus der Lex Salp. und Lex Malac. an 
genngeren von Serving Tullius in die Centurien betrifft, so durfte das que auf ein kleines stili- 
nicht einbessogenen Arten von Burgern, die capite s'tisches Versehen der Eedactoren bezw. der mit 
eenst, proletarii und aerarii (die ursprimgliche der Herstellung der Inschrift betrauten Person^ 
Identitat von capite censi und proletarii vor- nicht aber auf eine historische Eeminiscenz zu- 
ausgesetzt) wirksam gewesen ist und auch in ruckzufiihren sein. 

der Verwendung von municeps und pedarius sich Litteratur. Mommsen ROm. Forsch. I 254ff. ; 

aussert; der von Mommsen aufgestellte Satz ist E. St.-E. Ill 838ff. Becker Hdb. d. rOm. Altert. 

also wohlbegrirndet ; bemerkt muss aber werden, II 2, 887ff. Lange Rom. Altert. I 576f. (vgl. 

dass in alien diesen Fallen zur Bezeichnung der auch Jen. Litt.-Ztg. VI 327ff.). Madvig Verf. 
geringeren Classe eine dem in Betracht gezogenen 20 und Verw. d. rom. Staates 1 125f. Herzog Earn, 

hoheren Ganzen derart charakteristische Eigen- Staatsverf. I 130f. 868f. 1045. Karlowa Korn. 

schaft gewahlt wird, dass sie nur auf lefczteres Eechtsg. I 356ff. Willems Le senat I 85ff. 

beschrankt ist, was von der .Verzeichnung in eine App. I 640ff.; Droit public 169ff. Zoller Eom. 

Liste' nicht gesagt werden kann, da das eonscri- Staats- und Eechtsaltert. 321ff. Euggiero Dizion. 

bere nicht nur bei der lectio senatus sondern auch epigr. II 604ft. Monographie von Ihne Uber die 

sonst, wie beim dilectus exereitw vorkommt ; eine patres conscripti, in der Festschrift zur Heidel- 

passende Bezeichnung fur die plebejischen Senats- berger Philologenvers. 1865, 19ff. [Brassloff.J 

mitglieder ware unter Voraussetzung der Momm- Conscriptio s. Dilectus. 

senschen Lehre pedarii gewesen, da ja nach Consecratio ist die rechtsgiiltige und dauernde 
Mommsen die Plebejer sich nur an der discessio 30 Uberweisnng einer Sache oder Person aus dem 

beteiligen; daraus, dass er fur dieselben nicht Rechtsbereiche des ius humamum in das des ius 

gebraucht wird, ersieht man, dass die Lehre von divinum, die ihre Einreihung in die Kategorie- 

der Beschrankung der Plebejer auf die discessio des sacrum (s. d.) zur Folge hat (daher ursprung- 

unrichtig ist; nimmt man noch hinzu, dass die lich einfach saerare, z. B. Varro de 1. 1. VI 54 

Annahme eines engeren Patriciersenates, welchera pontifiees in sacrando fati sunt finem. Liv. II 8, 2 

interregnum und auctoritas allein zustehen sollen, saerando cum bonis capite eius. V 25, 12 prae- 

nach Willems Erklarnng (s. Creatio) nicht zu- dam Veientanam publicando sacrandoque ad 

trifft, so entfallt auch die von Mommsen ange- nihUum redegisse. Serv. Aen. I 763 sacratas 

nommene geringere Rangclasse und damit die mensas, haufig bei Vergil, Ovid, Curtius, Plinius 
wesentlichste Voraussetzung fur die Anwendung 40 n. h. u. a.). Da die res saerae einerseits vom 

des aufgestellten Grundsatzes. Staate in Stand gehalten werden mtissen, also die 

Mommsen hat (E. F. I 263) die Beschran- Staatscasse belasten (Mommsen St.-E. II 61, 1. 

kung der Plebejer auf die discessio hauptsachlich 602), andererseits dem privatrechtlichen eommer- 

aus der nicht zu bestreitenden Thatsache gefolgert, cium vollig entzogen sind (quod divini iuris est, 

dass bei Livius nirgends im 1. Jhdt. der Eepu- ntdlius in bonis est Inst. II 1, 7), so konnte die 

blik ein Plebejer im Senate das Wort eTgreift. C, auch wo es sich nicht um Staats-, sondern 

Man wird dies mit Ihne und Willems damit urn Privateigentum handelte, nicht der Willkur 

zu erklaren haben, dass die Plebejer damals noch des einzelnen uberlassen werden, und es gilt da- 

nicht zum Senate zugelassen waren, und wenn her als Eechtssatz, dass eine C. nur unter Mit- 
Karlowa die Aufnahme derselben zur Zeit der 50 wirkung der staatsrechtlichen Factoren geschehen 

Konige deshalb annehmen zu miissen vermeint, kann; was der Privatmann der Gottheit weibt, 

weil die Uberlieferung nichts von Bestrebungen ist nicht res sacra, sondern nur res religiosa (s. 

der Plebejer, in den Senat zu gelangen, und darauf Eeligiosum). Fest. p. 318. 321 GaUus Aelius 

abzielenden Rogationen berichtet, so steht dem (wie ait, sacrum esse quodcunque more (so Lach- 

schon Ihne 27ff. richtig bemerkt hat) entgegen, mann, quoeunque modo die Hs.) atqtie institute 

dass die Plebejer kein Gewicht darauf legen civitatis eonseeratum sit, sire aedis sive ara 

konnten, in den Senat zu gelangen, in welchem sie give signum she locus sive pecunia sive quid 

sehliesslich doch einer patricischenMajoritatmaeht- aliud, quod dis dedicatum atque eonseeratum 

los gegenubergestanden batten. Die Berichte der sit: quod autem privati suae religionis causa 
Alitor,, w?lch<? die Anfnahmc der Plebejer t. GQaliquid <,a,u„<, ,-uu.m d*, dediot.d, id ponti/lcts 

den Senat mit der Begriindung der Eepublik in Romanes non existimare sacrum. Marcian. Di- 

Zusammenhang bringen, enthalten sonach keine gest. I 8, 6, 3 saerae autem res sunt hoe., quae 

.bessere Uberlieferung', ja iiberhaupt keine Uber- publice conseeratae sunt, non private; si quis ergo 

lieferung, sondern sind in der That nichts als private sibi sacrum cotistituerit, sacrum non 

Deutungsyersuche der romischen Antiquare. Wenn est sed profanum. Ulp. ebd. 1 8, 9 pr. sacra loca 

Lange (Jen. Lit.-Ztg. VI 331) auf die Verbin- ea sunt, quae publice sunt dedieata sive in ei- 

dung deeurtones conseriptique (Lex Iul. municip. vitate sint sive in agro. Gai. LT 5 sed sacrum 

Z. 109. Lex Salp. c. 25. Lex Malac. c. 64. 67) zum quidem hoc solum existimatur, quod ex auctori- 



tate populi Romani eonseeratum est, veluti lege treffenden Jahre kein Amt bekleiden (s. Momm- 

de ea re lata out senatus constdto facto. Auf sen St.-E. II 601ff. und Art. Dedicatio und 

solche ohne Consens des Staates durch den Eigen- Duoviri aedi dedicandae). Als im J. 600 

turner oder mit dessen Zustimmung vollzogene =154 der Censor C. Cassius Longinus die Ab- 

Weihungen Von Privateigentum bezog sich wahr- sicht hatte , nachdem er ein in publico aufge- 

scheinlich die lex vettts tribunida (unbestimmter stelltes Bild der Concordia nach der Curie iiber- 

Zeit) des Q. Papirius, welche (mit Beschrankung fflhrt hatte, diese selbst samt dem Bilde der Con- 

auf die Immobilien) das Verbot aussprach itviussu cordia zu weihen, entschied das Pontificalcollegium 

plebis aedis terrain aram consecrari (Cic. de auf Anfrage, nisi eum populus Romanus nomi- 
domo 127f.). Eine andere Beschrankung der Im- 10 natim praefeciset atque eius imsu faceret, non 

mobiliarconsecration ist die, dass sie mit voller videri earn posse recte dedicari (Cic. de domo 

Eechtswirksamkeit nur in agro Italieo vollzogen 130. 136). Ebenso lautete das Gutachten der 

werden kann, wahrend im, provineiali solo das Pontifiees, als Clodius einen Teil des auf Grand 

von Staatswegen geweihte Grundstflck ebensowenig eines Plebiscites confiscierten, also zu Staatsgut 

sacrum, wird, wie das von einem Privatmanne ge- gewordenen Hauses des Cicero der Libertas con- 

weihte religiosum, sondern beide nur pro saero secriert hatte und Cicero nach seiner Eflckberu- 

bezw. pro religioso gelten (Gai. II 7a item quod fung die Rechtsgultigkeit des Actes anfocht und 

in provineiis [non\ ex auctoritate populi Ro- die Eiickgabe beanspruchte (die Acten bei Cic. 

mani eonseeratum est, proprie sacrum non est, de domo 106 — 141): si neque populi iussu neque 
toymen pro saero habetur, wo die Tilgung ies 20 plebis seitu is, qui se dedieasse diceret, nomi- 

non durch den Sinn und Zusammenhang unbe- natim ei rei praefeetus esset neque populi iussu 

dingt erfordert wird); dementsprechend entscheidet aut plebis seitu id facere iussus esset, videri 

auch Kaiser Traian auf eine Anfrage des jiingeren posse sine religions earn partem areae M. Tullio 

Plinius, dass der Verlegung eines alten Tempels restitui (Cic. ad Att. IV 2, 3). In dem Falle 

der Magna Mater zu Nicomedia kein religioses der Vestalin Licinia, die im J. 631 = 123 in loco 

Bedenken entgegenstehe , cum solum peregrinae publico am Aventin einen Altar, eine Kapelle und 

civitatis capax non sit dedieationis quae fit ein Pulvinar dediciert hatte, beruhte die Nichtig- 

nostro iure (Plin. epist. ad Trai. 49. 50; vgl. keit der Weihung auf einem doppelten Eechts- 

Mommsen St.-K. IH 734f.). grunde, indem einerseits die Vestalin als Privat- 
_ Die C. hat zur Voraussetzung, dass sich der 30 person iiberhaupt nicht im stande war, eine Stelle 

Eigentiimer des zu weihenden Objectes in aller rechtlich zum locus sacer zu machen, andererseits 

Form dieses -Besitzes entaussert , dasselbe zu sie noch weniger befugt war, Staatsgut (d. h. das 

Gunsten der Gottheit auflasst. Das geschieht Stuck Staatsland, auf dem der Altar stand) an die 

durch den Act der dedicatio (s. d.), der mit der Gottheit aufzulassen; daher schritt der Stadt- 

C. so eng zusammenhangt, dass beide Ausdriicke praetor officiell gegen jene Weihung ein und die 

oft mit einander verbunden (dis dedicatum atque Pontifiees entschieden: quod in loco publico Li- 

conseeratum Fest. a. a. O. ; conseeratae et publice cinia Gai filia iniussu populi dedicasset, sacrum 

dedieatae Cic. n. d. II 79, vgl. de leg. II 28; non viderier (Cic. de domo 136). Das angeblich 

hunc lucum tibi dedico comecroque Priape Ca- im J. 450 = 304 erlassene Gesetz : ne quis tem- 
tull. frg. 1 , 1 Schw. , eonsecravit dedicavitque 40 plum aramve iniussu senatus aut tribunorum 

CIL VI 9671 , consecravit item dedicavit XI phbei partis maioris dedicaret (Liv. IX 46, 7) 

1322, dedicavit et consecravit Gruter 14, 16 bezieht sich, wenn es nicht uberhaupt apokryph 

= CIL XI 4174), auch gelegentlich vertauscht ist, wahrscheinlich gar nicht auf die Berechti- 

werden (lex dedieationis Trai. ad Plin. 50 = gung zur Consecrierung von Staatsgut, sondern 

consecrationis lex Serv. Aen. II 761; mensae auf die Begriindung neuer Culte, fur die in der 

arutaeqve eodem diaqtio aedes ipsae dedicari That der Senat zustandig war (s. u.). In der 

solent Macrob. S. Ill 11, 6 = mensam cum Kaiserzeit steht das Eecht der Dedication dem 

oris mos erat consecrari quo die templum Princeps zu, Ulp. Dig. I 8, 9, 1: sciendum est 

consecrabatur Serv. Aen. V1U 279). Genauere locum publicum tunc sacrum fieri posse, cum 
Kenntnis haben wir nur von dem Hergange 50 princeps eum dedicavit vel dedieandi dedit po- 

bei staatlichen Weiheacten. Die rechtskraftige tcstatem ; vielleicht haben in seinem Auftrage die 

Aufgabe des Eigentumsrechtes der Gemeinde, die curatores aedium sacrarum et operum locorum- 

zur Umwandlung des Gemeindegutes in G5tter- que publicorum (Mommsen St.-E. II 1006) die 

gut notwendig ist, kann nie ein Privatmann Befugnis gehabt, Privatleuten die Erlaubnis zu 

vollziehen, sondern nur der durch sein Amt geben, von ihrem Eigentume Stucke zu conse- 

von selbst dazu befugte oder durch Specialauftrag crieren d. h. in wirkliche loca sacra zu verwan- 

(nominatim) vom Volke dazu bestimmte Magistrat. deln; wenigstens gebraucht in der Inschrift CIL 

Die Beamten cum imperio haben das Eecht der VI 360= Dessau 366 vom 21. August 166 n. 

Dedication ohne weiteres eben kraft ihrer Be- Chr. der weihende Privatmann unter Berufung 
fcblsgewalt besessen (Liv. IX 46, 6 cum "tore 60 auf diu ErkuLnL> am Curator acdiuiu zwtsinml 

maiorum negaret [pontifex maximus] nisi con- mit Nachdruck das Wort consecravit (lunoni Lu- 

sulem aut imperatorem posse templum dedieare), cinae pro salute domus Augustorum u. s. w. 

fur jeden andern Beamten bedarf es der Ermach- aram eum base consecr(avii) — permissu Maeci 

tigung durch Volksbeschluss , und ebenso tritt Rufi, euratforis) aedium — consecravit X K. 

dieser ein, wenn es sich darum handelt, denjeni- Sept. u. s. w.). 

gen, der einen Tempel gelobt und begonnen hat, Beim staatlichen Weiheacte ist die Zuziehung 

oder auch seinen Sohn mit dem Acte der Dedi- eines Pontifex, wenn auch nicht gesetzlich vor- 

cation eigens zu betrauen, obwohl sie in dem be- geschrieben, so doch im Interesse der Correetheit 

Panly-Wissowa IV 29 



899 



Consecratio 



Consecratio 



900 



und Unanfechtbarkeit der Handlung durchaus 
ublich (Inst. II 1, 8 sacra sunt quae rite et per 
pontifiees deo consecrata sunt); nur ist die Auf- 
fassung, als sei der ganze Act ein gegenseitiges 
Eechtggeschaft , bei welchem der dedicierende 
Magistrat die weihende Gemeinde, der Pontifex 
die empfangende Gottheit vertrete (Marquardt 
St.-V. Ill 269ff., vgl. auch Liibbert Commentat. 
pontificales 20ff.), nicht haltbar (A. Pernice S.- 
Ber. Akad. BerL 1885, 1150ff.). Denn Magistrat 
und Pontifex sprechen nicht die als Frage und 
Antwort sich erganzenden Formeln der Stipula- 
tion, sondern beide thun und reden das Gleiche, 
indem der Pontifex als Sachverstandiger im ius 
dwinum dem Magistrate sowohl die fur die De- 
dication grundlegende symbolische Handlung des 
postern tenere (s. Art. Dedicatio) vormacht, als 
ihm die Dedicationsformel vorspricht. Sie sind 
also beide an demselben Acte in gleicher Rich- 
tung, nicht als Vertreter verschiedener Parteien 
beteiligt, und darum wird das Wort dedieare 
nicht nur vom Magistrate, sondern auch vom Pon- 
tifex gebraucht (Pest, ep, p. 88 fanum . . . quod 
dum pontifex dedicat, certa verba fatur. Plin. 
n. b. XI 174 [Metellus pontifex] meditatur in 
dedicanda aede Opi opiferae dicere) , und das 
consecrare kommt durchaus nicht dem Pontifex 
speciell zu (weder Varro de 1. 1. VI 54 fana nomi- 
nata, quae pontifiees in sacrando fati sunt finem, 
noch Cic. de domo 119 verbone pontificis putetis 
. . . domum uwiuscuiusque eonsecrari posse be- 
weist etwas dafur), sondern tritt auf Grund der 
vollzogenen Dedication ein; der officielle Ausdruck 
ist aedis sacra a magistratu pontifice praeeunte 
dicendo dedieatur (Varro de 1. 1. VI 61) oder 
magistrat us per pontifieem dedicat (Cic. a. a. 0. 
120. 122; pro pontifice Liv. II 27, 5); die Formel, 
mit welcher der dedicierende Beamte den Beistand 
des Pontifex requiriert, giebt Cic. de domo 133: 
ades, Luculle, Servili, dum dedico domum Cice- 
ronis, ut mihi praeeatis postemque teneatis. Der 
formlose private Weiheact entbehrt der Mitwirkung 
der Pontifiees; ihm kommt aber auch der Name 
consecratio nicht im technischen Sinne zu, und 
wenn er doch hin und wieder dafur gebraucht wird 
fCIL XI 1322 Ifovi) 0. M. . . . eonsecravit item 
dedieavit. Gruter 14, 16 = CIL XI 4174 lovi 0. 
M. . . dedieavit et eonsecravit. CEL X 444, 21 cum 
pro salute optum[i] principis et domini ifiifraj 
sferiptij fundi eonseeratfi] sint; fiber CIL VI 
360 s. o.), so geschieht das ebenso abusiv, wie 
wenn mit Bezug auf das Grab, das notorisch nicht 
zu den loca sacra, sondern zu den loea religiosa 
gehort, von consecratio geredet wird (Cic. ad Att. 
XII 19, 1 vom Grabmal der Tullia : sed ineunda 
nobis ratio est, quemadmodum in omni muta- 
tione . . . illud quasi consecratum remanere pos- 
sit; vgl. 18, 1 profecto illam eonsecrabo omni 
genere monimentorum. CIL VI 16033 haec aedi- 

monumenti sive sepulchrum est et ollarum quae 
in his aedifieiis insunt et eonseeratae sunt reli- 
gionisq(ue) earum causa. CIL VI 9671 aram 
posuit sibi eonsecravit dedicavitque libertisque 
suis posterisque eorum). 

Als Object der C. kommen am haufigsten Im- 
mobilien in Betracht, Tempel, feste Altare, heilige 
Haine u. a., aber auch Tempelgerat (z. B. sacratae 



mensae, Serv. Aen. I 736, vgl. VIII 279) und 
insbesondere das Cultbild (consecrata simulacra, 
Cic. nat. deor. LU 61 ; so heisst es z. B. vom 
Kaiser Hadrian, CIL XIV 2088 = Dessau 316, 
Ifwnoni) SfospitiJ Mfatri) R(eginae) statuam ex 
donis aureis et arg(enteis) vetustate corruptis 
fieri et eonsecrari iussit) ; Tempelsclaven, d. h. der 
Gottheit zum Dienste consecrierte Menschen, kennt 
das rOmische Saeralrecht nicht, aber in Larinum 

10 bestanden nach Cic. Cluent. 43 Martiales . . mi- 
nistri publici Martis atque ei deo veteribus in- 
stitutis religionibusque eonsecrati; die Bemer- 
kung des Serv. Aen. XI 558 in sacris legitur 
posse etiam opera eonsecrari ex servis, usque 
dum solvatur caput hominis, id est liberetur sa- 
erationis nexu (vgl. XI 591. 830), die sich auf 
VerlObnis eines Menschen in den Tempeldienst 
eines Gottes bezieht, geht jedenfalls nicht auf 
rSmische Verhaltnisse. 

20 Wenn bei den bisher behandelten Weihungen 
die Uberfuhrung eines Gegenstandes aus dem Ge- 
biete des ius humanum in das des ius divinum 
in der Absieht erfolgt, der Gottheit eine gelobte 
oder geschuldete Gabe darzubringen, so ist in 
andern Fallen der Zweck der C. nur der, eine 
Person oder Sache durch TJberweisung an die Gott- 
heit ausserhalb des menschlichen Rechtsverkehrs 
und Rechtsschutzes zu setzen. Das alteste Straf- 
recht fasst das Urteil fur den, der gegen die Ge- 

30 meinde gefrevelt hat , in die Form der tibereig- 
nung des Verurteilten und seiner Habe an die 
Gottheit (Mommsen Strafrecht 900ff.) nach dem 
Beispiele (Liv. Ill 55, 7) ut qui tribunis plebis 
. . noeuisset, eius caput lovi sacrum esset, fa- 
milia ad aedem Cereris Libert Liberaeque venum 
iret (wobei naturlich die Namen der Gottheiten 
je nach der Art des Delictes wechseln). Diese 
Gesetze heissen leges sacratae (s. d. und Fest. 
p. 318 sacratae leges sunt, quibus sanctum est, 

40 qui quid adversus eas feeerit, sacer alieui deo- 
rum sit sicut familia pecuniaque) und die Straf- 
androhung selbst c. (Cic. pro Balb. 33 [verderbte 
Stelle] sanctioned sacrandae sunt aut genere ipso 
et obtestatione et conseeratione legis aut poena, 
cum caput eius, qui contra feeerit, consecratur). 
Diese C. der Person ist nachher aus der Gesetzes- 
sprache verschwunden und begegnet nur noch in 
Formeln der Verwiinschung (Liv. Ill 48, 5 te, Appi, 
tuumque caput sanguine hoe consecro) und Selbst- 

50 verwunschung (Plin. paneg. 64 verba, quibus caput 
suum, domum suam, si sciens fefellisset, deorum 
irae consecraret ; so wird dann c. schliesslich ge- 
radezu soviel wie Zauberformel , Serv. Aen. IV 
694. Hist. Aug. Elag. 9, 1), wohl aber spielt 
die c. bono rum auch spater noch eine gewisae 
Rolle. Sie tritt namlich nicht nur als Consequenz 
eines CapitalurteiLs ein (z. B. Sp. Cassius, Dion. 
Hal. Vm 79 und dazu Mommsen E. Forsch. LI 
174ff.; Vitruvius Vaccus Liv. VLTI 20, 8), sondern 

60 sis Co?rcitio7i!?act ^ n r Volkstribnnen ohne Process- 
verfahren und sogar, wie es scheint, mit Ausschluss 
der Provocation (Mommsen St.-R.1 1501; Strafr. 
49). Der Act vollzieht sich in der sacralen Form 
der Opferung (capite velato, contione advocata, 
foculo posito, Cic. de domo 124; foculo postto 
adhibitoque tibicine ebd. 123, vgL 125), die Mit- 
wirkung des Pontifex wird dabei nicht erwahnt 
(denn die C. von Ciceros Hause , zu der der Pon- 



901 



Consecratio 



Consensus 



902 



tifex L. Pinarius Natta zugezogen war, ist nicht 
«ine c. bonorum im Sinne der VermOgensconfis- 
cation zu Gunaten einer Tempelcasse, sondern De- 
dication von Staatsgut; ausdrttcklieh in Gegen- 
«atz zur e. bonorum stellt sie Cic. de domo 125 
<m consecratio nullum habet ius, dedicatio est 
religiosa?, eine Stelle, die u. a. von E. Pottier 
bei Daremberg-Saglio Diction. I 1450 arg 
missverstanden worden ist). Historische Beispiele 
(was Dion. Hal. II 42 von dem Vorgehen der 
Volkstribunen gegen diejenigen Patricier berichtet, 
■die die Versammlungen der Plebs gestOrt batten, 
ist zum m hides ten ungenau dargestellt; denn er 
lasst die e. bonorum, unter ausdrucklicher Aus- 
achliessung des Capitalurteils, durch die Tribus- 
versammlung aussprechen) geben das Vorgehen 
■der Volkstribunen P. Butilius gegen den Censor 
Ti. Sempronius Gracchus (585 = 169, Liv. XLHI 
16, 10) und C. Atinius Labeo gegen den Censor 
Q. Caecilius Metellus (623 = 131, Plin. n. h. VII 
143f. Cic. de domo 123), dann wird das gleiche 
Verfahren im J. 684 = 70 von einem Volkstri- 
hunen gegen den Censor Cn. Cornelius Lentulus 
und 696 = 58 von P. Clodius gegen den Consul 
A. Gabinius zur Anwendung gebracht (Cic. a. 
a. O. 124). Im Zwecke der Ausserverkehrsetzung 
stimmt mit dieser c. bonorum auch die Conse- 
cration der Landereien des vertriebenen tarqui- 
nischen KOnigsgeschlechtes (ager Tarquiniorum 
, . consecratus Marti, Liv. II 5, 2) und des Ge- 
bietes von Karthago (veterem Karthaginem . . , 
quam videlicet P. Africanus non propter reli- 
gionem sedum illarum ac vetustatis de eonsilii 
■sententia eonsecravit, Cic. de leg. agr. II 51, vgl. 
I 5 und de domo 128: consecrabantur agri, non 
ita ut nostra praedia, si qui vellet, sed ut im- 
perator agros de hostibus captos consecraret; 
auch den campus SteUatis nennt Suet. Caes. 20 
maioribus consecratum) (iberein ; die letztere ist 
nur die Erfullung des vor der Einnahme der Stadt 
bei der Devotion (s. d.) derselben gethanen Ge- 
lubdes (Macrob. S. DII 9, 9ff. , namentlich § 10 
uti vos eas urbes agrosque capita aetatesque 
eorum devotas eonsecratasque habeatis ollis le- 
gibus, quibus quandoque sunt maxime hostes 
devoti). Auch die C. von Bossen, die Caesar beim 
Ubergang iiber den Kubico vornahm und durch 
Freilassung dieser Herden vollzog {equorunt greges, 
■quos in traiciendo Rubicone flumine eonsecrarat 
ac vagos sine custode dimiserat, Suet. Caes. 81), 
fallt unter denselben Gesichtspunkt. 

Mit dem gleichen Worte c. wird endlich auch 
die Aufnahme eines neuen Gottes in die Beihe 
der StaatsgOtter bezeichnet (z. B. Cic. nat. deor. 
H 62 [Liberum] quern nostri maiores auguste 
■sancteque cum Oerere et Libera consecraverunt; 
de leg. LT 27 ex hominum genere consecratos ; 
-ebd. 28 bene veto quod mens, pietas, virtus, fides 
consecratur humana, quarum omnium Romae 
Judicata publiee templa sunt). Da das Praetlicat 
saxier nicht der Gottheit, sondern ihrem Eigen- 
tume zukommt, so ist die Wendung deum eon- 
secrare nur aus einer Ubertragung zu erklaren, 
die von der C. des Gotterbildes (s. o. und Dig. 
XLVHI 4, 5, 2 imagines Caesarum nondum con- 
secratos, vgl. ebd. 4, 6. Minuc. Fel. 23, 9 hominum 
imagines consecratos vulgus orare ac publiee 
colere) ausgeht. In der Kaiserzeit ist C. der stan- 



dige Ausdruck (Act. Arval. CIL VI 2032, 16 
[ob eonsecrjationem divae Aug(ustae). 2080, 6 
in consecra[tion]e[m MJatidiae Augfustae). Tac. 
ann. XDII 2. 14. Suet, passim) fur die Apotheose 
der verstorbenen Kaiser und Mitglieder der kai- 
serlichen Familie (Mommsen St.-E. II 732ff. 
791. 805. Marquardt St-Verw. HI 275f. 465ff. 
Beurlier Culte imperial 55ff.). Da die Ent- 
scheidung iiber die Aufnahme neuer GOtter in 

10 die Staatsreligion von jeher dem Senate zugestanden 
hat (Tertull. apol. 5 vetus erat deeretum ne qui 
deus ab imperatore conseeraretur nisi a senatu 
probatus), so ist auch die C. der Kaiser durch 
den Senat, und zwar auf Antrag des Kaisers, er- 
folgt (Mommsen a. a. O. H 849f., vgl. m 1050, 
3. Beurlier a. a. O.), und durch diese Conse- 
crationen, die mit Caesar beginnen und bis zu 
den Kaisern des 4. Jhdts. hinabreichen, entstand 
eine eigene neue Classe rOmischer StaatsgOtter, 

20 die Divi (s. d.). Der consecrierende Senatsbe- 
schluss erfolgt bei den ersten Kaisern erst eine 
Zeit nach der Bestattung, spater gleich nach dem 
Tode, so dass Bestattung und ConsecTationsfeier 
zusammenfallen. Da bei der Verbrennung der 
Leiche des Augustus angeblich ein Adler aus der 
Flainme des Scheiterhaufens gen Himmel fliegend 
gesehen worden war (Cass. Dio LVI 42, 3, vgL 
mit Suet. Aug. 100), so liess man spater regel- 
massig einen solchen am Schlusse der Bestattungs- 

30 feierlichkeit von der Spitze des Scheiterhaufens 
aus auffliegen (Cass. Dio LXXIV 5, 5. Herod. 
IV 2, 11. Artemid. oneir. II 20); daher ist der 
die Seele des Kaisers dem Himmel zutragende 
Adler, an dessen Stelle bei consecrierten Frauen 
seit dem 2. Jhdt. zuweilen der Pfau als Vogel 
der Iuno eintritt, auf den Consecrationsmunzen 
(Eckhel D. N. VIII 464ff.) und andern Denk- 
malern (Marquardt a. a. O. 467. Beurlier a. 
a. O. 67f.) das standige Symbol der Apotheose. 

40 [Wissowa.] 

Consensus heisst die Zustimmung, z. B. der 
consensus parentum zur Ehe der Gewaltunter- 
worfenen, Inst. I 10 pr., oder der consensus eu- 
ratoris zu den Geschaften seines Pfleglings, Dig. 
XXVI 8 de auetoritate et consensu tutorum et 
curatorum. Dieselbe Bedeutung hat aber das 
Wort auch da, wo es zur Kennzeichnung des bei 
Vertragschlussen vorliegenden Thatbestandes ver- 
wendet wird, namentlich in der grundlegenden 

50 Stelle: Ulp. Dig. II 14, 1, 2 pactio duorum plu- 
riumve in idem placitum (et) consensus (iiber die 
Lesart s. Mommsen zu dieser Stelle). Der Ver- 
tragschluss ist hiernach die gegenseitige Zustim- 
mung zu einem vorgeschlagenen Vertragsinhalte, 
vgl. auch Dig. n 14, 2 pr. sed etiam tacite con- 
sensu convenire intellegitur (sog. stillschweigende 
Zustimmung zu einem Vertragsinhalte). In diesem 
Sinne heisst c. daher so viel wie der formlose 
Vertragschluss, der sich aus der gegenseitigen Zu- 

60 stiiuuiung der Parteien zu derselben V ertrags- 
norm (lex contractus) bildet. Es musste daher 
eigentlich von obligationes nudo consensu die 
Rede sein statt von obligationes consensu, denn 
ein C. ist bei alien Vertragen notig, nicht bios 
bei den Consensnalcontracten, s. Con tractus. Dig. 
LT 14, 1. 3. Inst. Ill 22 pr. (de consensu obli- 
gatione): consensu fiunt obligationes in emptio- 
nibus venditionibus, loeaXionibus conduetionibus, 



903 



Consensus 



Consensus 



904 



soeietatibus, rnandatis. Ebd. § 1 suffieit eos qui 
negotium gerunt consentire. Als funften Con- 
sensualcontract zahlt man nach einer Lex Zeno- 
niana den contractus emphyteuseos auf (Inst. Ill 
24, 3), der jedoch nicht bios obligationes erzeugt, 
sondern auch ein Sachenrecht , die emphyteusis 

(B. d.). 

Die Einsieht in diese Bedeutung des Wortes 
C. (Zustimmung, insbesondere gegenseitige Zu- 
stimmung) ist dadurch verdunkelt worden, dass 
man, Terleitet durch die Etymologie des Wortes, 
ihin eine andere Bedeutung untergeschoben hat, 
namlich: Einverstandnis oder gegenseitiges Ein- 
verstandnis, gewOhnlich Willensubereinstimmung 
genannt (vgl. tiber dogmengeschichtliche Einflusse 
auf diesen Irrtum Leonhard Der Irrttim bei 
nichtigen Vertragen des rem. R. II 1883, 571ff.). 
Das Einverstandnis unterscheidet sich von der 
Zustimmung dadurch, dass es ein lediglich innerer 
Thatbestand ist, der gewOhnlich mit der ausseren 
Zustimmung verbunden ist, aber auch einerseits 
unausgesprochen vorhanden sein und andererseits 
dann fehlen kann, wenn aus Versehen eine Zu- 
stimmung erteilt wird, die dem inneren Willen 
des Zustimmenden nicht entspricht, z. B. dann, 
wenn ein Vater der Ehe seiner Tochter mit X. 
nur deshalb zustimmt, weil er ihn mit Y. ver- 
wechselt. 

Eine von namhaften Juristen (Windscheid 
Archiv f. civilist. Praxis LIII 86. Zitelmann 
Dogmat. Jahrb. XVI 425. Brinz Pand.i 1574) 
vertretene und bereits von Kover tiber die Be- 
deutung des Willens bei Willenserklamngen, Ro- 
stock 1874, angefochtene Lehre ging dahin, dass 
zu jedem Vertragschlusse ein doppelter Thatbe- 
stand gehore, die Abgabe libereinstimmender Er- 
klarungen und die daneben stehende Ubercinstim- 
mung der inneren Willen. Die erstere heisse 
eonventio, die letztere consensus (so ausdriicklich 
Brinz a. a. 0.). Gegen diese, librigens nicht 
von alien (z. B. nicht von Voigt Ius nat. Ill 
266) geteilte, aber immerhin herrschende Deutung 
des Wortes C. als eines inneren Seelenzustandes 
wendeten sich folgende Schriften von B. Leon- 
hard Der Irrtum bei nichtigen Vertragen nach 
rOmischem Eechte, Berlin 1882. 1883 (Inhalts- 
angabe dieser Schrift in den Gottinger gelehrten 
Anzeigen 1883, 176ff.); Archiv f. civil. Praxis 
LXXTT 42ff.; Der Irrtum als Nichtigkeitsgrund 
im Entwurfe eines biirgerlichen Gesetzbnches f. d. 
Deutsche Reich 1889, 19ff. insbesondere die Quellen- 
beweise 28 (fibereinstimmend mit den Verhand- 
lungen des zwanzigsten Deutschen Juristentages 
23ff.); Jahrbuch der internationalen Vereinigung 
for vergleichende Kechtswissenschaft und Volks- 
wirtschaftslehre, Berlin 1897, insbesondere 62 fiber 
die dem romischen Ausdrucke consensus entspre- 
chenden Terminologien neuerer auslandischer Ge- 
setzbucher (vgl. auch Schuster Cher die Rede- 
Tveise des englischcn Eechte? im Archiv fftr Theorie 
und Praxis des Handelsrechts LV 317fi.). Gegen 
diese tTbersetzung des Wortes consensus als .Zu- 
stimmung zu einem Geschaftsinhalte', die nur von 
einzelnen Seiten eine uneingeschrankte Anerken- 
nung gefunden hat (vgl. die im Archiv f. civ. 
Praxis LXXII 43, 3 Angefuhrten und dazu auch 
Hartmann Archiv fur civ. Praxis LXXII 177. 
Kohler Jahrb. f. Dogm. XXVHI 166ff.), haben 



sich — von einzelnen gelegentlichen Ausfuhrungen 
abgesehen — mehrere Schriftsteller in eingehen- 
den Auseinandersetzungen gewendet, namentlich 
Lotmar Mlinchener kritische Vierteljahrsschrift 
XXV 368ff. XXVI 220ff. Drucker Rechtsgeleerd 
Magazijn HI 1884, 238—262 (Eene Bijdrage ter 
vereenvondigung van der leer der Overeenkomsten). 
Regelsberger Ztschr. f. Handelsrecht XXIX 
308ff. Mandry Archiv f. civ. Praxis LXVI 48031 

10 Frits che Untersuchung tiber die Bedeutung von 
consensus und consentire in den Digesten, Berlin 
1888. Enneccerus Rechtsgeschaft , Bedingung 
und Anfangstermin, Marburg 1889, 107ff. 

Obwohl diese Ausfuhrungen den Verfasser in 
der oben vertretenen Deutung des Wortes consen- 
sus nicht irre gemacht haben, so hat er doch auf 
ihre eingehende Wiirdigung bis jetzt verzichtet,. 
um nicht in dieser schwierigen Frage zu einem 
voreiligen Abschlusse zu gelangen. Nunmehr, da 

20 dieser Artikel dazu drangt, glaubt er jedoch zu 
einem solchen Abschlusse im stande zu sein. 

Vorweg ist ein Missverstandnis zu berichtigen, 
das in den Schriften seiner Gegner eine nicht 
unbedeutende Eolle spielt (vgl. z. B. Mandry a. 
a. 0. 483). C. bedeutet nicht bei Vertragschlussen 
die Ubereinstimmung der Erklarungen, sondern 
die Erklarungsacte selber, die gegenseitigen Zu- 
stimmungen zu demselben Vertragsinhalte. Es- 
bedeutet das Wort im technischen Sinne also* 

30 tiberhaupt keine Uhereinstimmung im Sinne einer 
Ha-rmonie, sondern einfach einen Zustimmungsaet. 
Darum ist, was der Verfasser leider bisher nicht 
mit der erforderlichen Bestimmtheit hervorgehoben 
hat, die Bedeutung des Wortes C. genau die- 
selbe bei dem Ahschluss eines Vertrages fur den 
Consentierenden, wie bei der Zustimmung dritter 
zu dem Vertragschlusse anderer, also z. B. bei der 
Ehe ist der C. der Brautleate dasselbe wie der Con- 
sens des Eausvaters, namlich eine Zustimmung 

40 zu dem beabsichtigten Rechtsgeschafte (anders die 
herrschende Meinung, vgl. z. B. das Sachregister von 
Lotmar in Brinz Pandekten 2 IV 462, woselbst 
der C. bei Vertragschlussen von dem C. zu fremden 
Geschaften grundsatzlich getrennt wird). Eine 
sprachliche Missbildung der Neueren, die weder 
zu der deutschen noch zu der lateinischen Sprache- 
passt, ist das Wort .Consenserklarung 1 statt Con- 
sens. 

Im ubrigen ist der Standpunkt, den die Gegner 

50 der oben vertretenen Ansicht hinsichtlich der 
Bedeutung des Wortes C. einnehmen , ein ver- 
schiedener. Regelsberger a. a.0.314 behauptet, 
dass das Wort C. bald den Willen, bald die Er- 
klarung des Willens bezeichne. Die Moglichkeit 
dieser Annahme kann nicht bestritten werden. Im 
technischen Sinne kann dann aber doch nor die 
eine dieser Bedentungen (Zustimmungserklarung) 
gelten ; denn dariiber, dass ein nicht erklartes Ein- 
verstandnis ohne rechtliche Kraft ist, herrscht 

60kcin Streif (vgl. Kohler a. a. 0. 286). Mandry 
halt mit seiner eigenen Ansicht fiber die Bedeutung- 
des WorteB C. zuruck, vermisst aber a. a. 0. 483 
Beweisstellen, die bei Divergenz zwischen Ent- 
schluss und Erklarung den C. annehmen. Solche 
Stellen liegen uberall da vor, wo der nudus con- 
sensus als verpflichtend erscheint (sog. Consen- 
sualcontracte, Gai. HI 135ff. Inst. Ill 22), in- 
sofern ja unzweifelhaft diese Vertrage, wie alle- 



905 



Consensus 



Consensus 



906 



andern auch dann gelten, wenn der Wille einer 
Partei, den Vertrag gelten zu lassen, durch einen 
geheimen Vorbehalt des Gegenteils ausgeschlossen 
ist, sog. Mentalreservation (vgl. Regelsberger 
Pandekten I 516). Auch in solchen Fallen wurde 
aber in der Redeweise der Quellen von einer obli- 
gatio consensu die Rede sein. Damit ist der von 
Mandry vermisste Quellenbeweis geliefert. En- 
neccerus (a. a. 0. 107ff.) verflcht in einer sorgfal- 
tigen Quellenexegese eine neue Ansicht, die als 
Mittelmeinung zwischen der bisher herrschenden, 
namentlich von Brinz und der von Rover und 
Leonhard vertretenen bezeichnet werden kann. 
Nach dieser bezeichnet C. weder den inneren Wil- 
len, noch den Erklarungsact, sondern einen dop- 
pelten Thatbestand: ,Den Willen und die dazu 
gekommene Erklarung', so dass also, wo der Wille 
fehlt, auch kein C. vorliege. Auch schon Lotmar 
schien (Krit. Viertelj.-Schr. XXV 376) dieselbe 
Mittelmeinung vertreten zu wollen, in Brinz 
Pandekten^ xy 296 § 569 bekennt er sich freilich 
mit Bestimmtheit zu der Ansicht von Brinz. 
Gegen diese von Enneccerus mit Sorgfalt und 
Klarheit entwickelte Mittelmeinung spricht die- 
selbe Argumentation, die soeben gegen Mandry 
geltend gemacht wurde. Lotmar hatte in der 
Krit. Viertelj.-Schr. XXV 377 bemerkt: ,Dass der 
rOmische Consens nicht bios etwas Inneres und 
nicht ohne etwas Ausseres sei, hat Verfasser ge- 
nugsam bewiesen und wird fur manchen ohnehin 
offenbar gewesen sein'. Fur die Vertreter der 
herrschenden Meinung war es das tibrigens nicht 
und ist es auch nicht fur L otmar geblieben; denn 
spaterhin ist er (Brinz Pand.2 § 569) zu der in 
dieser Bemerkung preisgegebenen Ansicht, welche 
den C. fur etwas bios Inneres halt, zuruckgekehrt. 
Fritsches Arbeit vermag durch ein grosses 
Quellenmaterial fiber den innern Widerspruch 
seiner Behauptungen bei oberflachlicher Betrach- 
tung hinwegzutauschen. Sie erweckt den An- 
schein, als habe er dieselbe Ansicht, zu der 
er sich schliesslich selbst bekennt, zunachst wider- 
legt. Das Endergebnis seiner Schrift lautet nam- 
lich 101 : ,C. bedeutet also . . . Willensuberein- 
stimmung im Sinne der Vereinigung zweier 
ausserlich erkennbarer Will ensrichtungen 
entsprechenden rechtsgeschaftUchen Inhalts.' Hier- 
nach wurde der Verfasser dieses Artikels eine 
schatzenswerte Bestatigung seiner Ansicht er- 
blicken, wenn nicht dieselbe Schrift 60 — 72 die 
Identitat der Ausdrucke eonventio und consensus 
mit Unrecht bekampfte (anderer Meinung war mit 
Recht Cujacius Opera, Neapoli 1722 I 917. 918 
pacta enim convention's sunt : consensu enim et 
qtddem solo constant) und mit vollen Segeln in 
die Ansicht zuriicksteuerte, nach der der C. nicht 
■den ausserlich erkennbaren Vertragschluss , son- 
dern das innere Einverstandnis der Parteien be- 
zeichnen solL Auf S. 69 heisst es ausdrucklich: 
,C. ist glelch Comcntici minui Erkliraug' mid 
,C. ist WiUensfibereinstimmung als psychologische 
Thatsache der Congruenz innerer Willen'. Nach 
diesen Ausfuhrungen, die neben dem angefuhrten 
Schlussworte und den andern diesem entsprechen- 
den Auslassungen der Schrift (81ff.) stehen, hat 
Fritsche nicht, wie Lotmar (Brinz Pand.2 IV 
296) meint, erwiesen, dass Cujacius sich in der 
Identificierung von eonventio und consensus ge- 



irrt habe , sondern Behauptungen , die unterein- 
ander in handgreiflichem Widerspruche stehen, 
neben einander vertreten. 

Dass im ubrigen das Wort C, jedenfalls in 
vielen Stellen, das Einverstandnis, also einen bios 
innern Seelenzustand, nicht bezeichnen kann, son- 
dern einen aussern Zustimmungsact bezeichnen 
muss, ist eine Behauptung, deren besondere Ver- 
teidigung angesichts von Redewendungen wie ore 

10 consentire Cic. de amic. 23, voce consentire Cic. 
Philipp. I 21 , consensum accomodare Dig. XX 
1, 26, 1, consensum dare Dig. ebd, uberflfissig 
erscheint. Nicht zu ihrem Beweise, der bereits 
gefuhrt ist, sondern zur besseren Einsieht in den 
Stand der Quellen sei noch hingewiesen auf das 
consensum ae fidem accommodare Cod. II 6, 8; 
inter actor em et reum . . . consensum fuerit 
Cod. II (55) 56 c. 4 § 1 ; consensum dederint Cod. 
ILT 38, 2 und fur die Gleichbedeutung der Aus- 

20 driicke consensus und eonventio Dig. I 3, 32, 1 
verglichen mit Dig. I 3, 35 (tadtus consensus = 
tacita eonventio). In der Redeweise des Offent- 
lichen Rechts bezeichnet C. ohne Zweifel die Zu- 
stimmung, insbesondere den zustimmenden Be- 
schluss , so namentlich beim consensus decurio- 
num CIL IV 768. V 5239. VIII 698. 1548. IV 
4970. X 3782. 3708 , daher denn auch wohl die 
haufige Redewendung consensu populi auf einen 
Volksschluss oder eine stillschweigende Zustim- 

30mung des Volkes zu beziehen ist, CIL II 1294. 
VHI 7115. 7119. IX 330. 340. X 53. 1026. 1030. 
7917; vgl. auch IX 1511. XIV 1658. Bildlich ist 
der Ausdruck consensus lapidum CIL VTJI 212,43. 
Dass das Wort C. sogar eine solche Zustimmung 
bezeichnen kann, die im Widerspruch mit dem 
wirklichen Denken des Zustimmenden ist, ergiebt 
sich aus Isid. orig. V 25 nam cedere proprie di- 
eitur, qui contra veritatem alieui consentit. Aller- 
dings ist hier von dem besondern Falle der in 

iOiure cessio die Rede (s. Cessio in iure), bei 
der jemand ein Recht abtrat, indem er wissentlich 
dem Gegner das falsche Zugestandnis machte, dass 
ihm das Recht bereits gehOrte. Immerhin beweist 
die Stelle, dass consentire sehr wohl auch eine Er- 
klarung im Gegensatze zu dem dahinter stehenden 
Gedanken bezeichnen kann. 

Es ist jedenfalls eine auffallende und beach- 
tenswerte Erscheinung, dass Juristen, denen es an 
Scharfsinn nicht fehlt, neben der notgedrungen als 

50 richtig anerkannten Ansicht, dass C. etwas Ausseres 
bedeute, die gegenteilige Meinung schlechterdings 
nicht fallen lassen wollen. Ohne einen richtigen 
Kern wurde diese letzteTe geradezu unbegreiflich 
sein. Der Verfasser dieses Artikels ist nunmehr 
geneigt, zuzugeben,' dass ein solcher Kern vor- 
handen ist. Der erwahnte Streit wurde minder 
heftig sein, wenn nicht von beiden Seiten eine 
falsche Methode angewendet wBrde, die ihn ohne 
Not verscharft. Man glaubt namlich in der rich- 

60 tigeja Doutuiig d&> Wortes C. den SchlOsael zur 
LOsung einer wichtigen jnristischen Frage zu be- 
sitzen, namlich der Frage, ob bei Widerspruchen. 
zwischen einer Erklarung und den Absichten der 
Erklarenden die Erklarung gelte oder nicht. Das 
letztere lehrt das sog. Willensdogma, das erstere 
die sog. Erklarungstheorie, s. Voluntas. Wah- 
rend also die herrschende Meinung aus der Deu- 
tung des Wortes C. als .Einverstandnis' das 



907 



Consensus 



Consensus 



908 



Willensdogma folgert, leitete der Verfasser ran- 
gekehrt aus dem Sinne desselben Wortes als 
,Zustimmungsact' die Erklarungstheorie her, wo- 
durch alle Anhanger des Willensdogmas unwill- 
kilrlich zur Ablehnung der richtigen flbersetzung 
von C. geneigt wurden. Jetzt giebt er zu, dass 
seine Schlussfolgerung ebenso unzulassig ist, wie 
diejenige seiner Gegner, weil beide den Gesetzen 
der Sprachbildung, namlich der Unbefangenheit 



dritten, den Mevius, im Auge, so ist sein zwei- 
deutiger Consens wegenNichtubereinstimmung des 
Willens mit der Erklarung nichtig. Das Gleiche 
gilt auch fur Vertragschliisse, Dig. XXXIV 5, 3 
in ambiguo sermone non utrumque dieimus, 
sed id dumtaxat quod volumus. Itaque qui aliud 
dieit quam vult, neque id dieit quod vox signi- 
fieat, quia id non vult, neque id quod vult quia 
id non loquitur. Es hat sich nunmehr die Un- 



der Redeweise des Volkes, nicht geniigend Rech-lOsitte eingebiirgert, yon dieser Stelle, deren itaque 



nung tragen. Als die E6mer das Wort consensus 
bildeten, geschah dies sicherlich in Anlehnung an 
den Normalfall der Vertragschliisse, in dem Wille 
und Erklarnng sich decken, also derselbe Name 
fiLr beides passend scheint (vgl. hierzu namentlich 
Drueker a. a. 0.). 1st aber erst einmal ein Ter- 
minus technicus fiir den Normalfall eines Begriffes 
geschaffen, dann wird er auch auf Ausnahmefalle, 
auf die er nach seiner Etymologie nicht passt, 



anf die Verbindung des zweiten Satzes mit dem 
ersten hindeutet, nur den zweiten Satz ohne das 
itaque wie ein Rechtssprichwort zu citieren und 
dadurch den Schein zu erwecken, als ob die ROmer 
diesen fur zweideutige Erklarungen gegebenen. 
Ausspruch auch auf unzweideutige Erklarungen 
angewandt wissen wollten. Hiergegen hat der 
Verfasser protestiert (Irrtum bei nicht. Vertr. 185),. 
aber freilich nicht ohne Widerspruch zu finden 



ohne Scheu angewendet, weil das Volk bei einem 20 (vgl. Eisele Dogm. Jahrb. XXV 427. Lotmar 



bekannten Ausdrucke an seine Etymologie nicht 
mehr denkt. So sind wahrscheinlich die Aus- 
drucke loeatio und traditio fiir bewegliche Sachen 
geschaffen worden, das entwickelte Sprachgeffihl 
empfindet aber nicht mehr das Unpassende ihrer 
festeingeburgerten Anwendung auf Grundstiicke, 
nnd es wiirde sehr verkehrt sein, diese Anwend- 
barkeit etwa zu bezweifeln. Genau so Iiegt es 
mit dem C. Das Wort ist jedenfalls fur Falle 



Krit. Viertelj.-Schr. XXV 412ff.). Selbst Regels- 
berger Pandekten I 518, 6 halt des Verfassers- 
Auslegung fur eine ,gewagte'. Dagegen ist zu 
bemerken, dass bei zwei Auslegungen, von denen 
die eine eine Stelle vollstandig liest, die andere- 
aber in verstiimmeltem Zustande, die letztere als- 
die gewagte, die erstere aber als die vorsichtigere- 
bezeichnet werden muss. Fttr unzweideutige Er- 
klarungen gilt aber das Willensdogma ausnahrns- 



inneren Einverstandnisses mit entsprechender Er- 30 weise nicht, Dig. XXXII 25, 1 : Cum in verbis- 



klarung entwickelt worden ; seine Anwendung auf 
Zustimmungsfalle ohne Einverstandnis wird da- 
durch weder unmoglich oder aus der Etymologie 
widerlegbar, noch auch andererseits ausgeschlossen. 
Ebensowenig wie man etwa aus der Etymologie 
des Wortes conscmguineus (s. d.) schliessen darf, 
dass in der Eedeweise der Pandektenjuristen der 
Adoptivbruder kein consanguineus ist, was falsch 
sein wiirde, ebenso wenig kann man ans der Ety- 



nutta ambiguitas est, non debet admitti volun- 
tatis quaestio, vgl. ferner Dig. II 15, 12: Non 
est ferendus qui generaliter in his, quae testa- 
mento ei relieta sunt, transegerit, si posted cau- 
setitr de to solo se cogitasse, quod prima parte 
testamenti ac non etiam quod posteriori legatum 
sit. Hieran ist unbedingt auch fiir das rOmische 
Recht festzuhalten. Immerhin ist der Verfasser 
darin zu weit gegangen, dass er diese Ausnahme 



mologie des Wortes consensus folgern, dass Falle 40 bisher als Regel , die Eegel aber als Ausnahme- 



eines fehlenden innern Einverstandnisses zu dem 
Begriffe des C. gehOren oder nicht gehSren. In 
dieser Methode liegt eine Dberschatzung des Wertes, 
den das Wort gegentiber dem Begriffe hat. Die 
Frage, ob das Willensdogma richtig ist oder nicht, 
hat also jedenfalls durch die Verwendung des 
Wortes C. von den Romern nicht beantwortet 
werden sollen, und eine Einsicht in die richtige 
Bedeutung dieses Wortes wiirde die Anhanger des 



dargestellt, also das Willensdogma als Regel an- 
gefochten hat. Er ist neuerdings daran durch die- 
Betrachtung irre geworden, dass da, wo Wort und 
Wille sich nicht decken, im praktischen Leben in der 
Regel auch Zweideutigkeiten sich einzustellen pfie- 
gen. Der Irrtum pflegt die Zweideutigkcit zu 
gebaren, und unzweideutige Erklarungen ohne einen 
entsprechenden inneren Willen sind sehr selten. 
Danim darf man nicht bei einem Missklang voa 



Willendogmas nicht dazu zwingen, dieses Dogma 50 Erklarung und Absicht die Behandlung der un- 



preiszugeben 

Dieses Willensdogma ist flbrigens keineswegs 
so unbedingt unrichtig, als der Verfasser fcisher 
angenommen hat. Es gait in Rom jedenfalls in 
vielen Fallen, die dem eigentlichen Verkebrsleben 
nicht angehoren, namentlich bei Sehenkungen 
(Leonhard Der Irrtum bei nichtigen Vertragen 
II 363ff. Eegelsberger Pandekten 1 513) ebenso 
bei Beeitzergreifungen und ahnlichen Rechtsacten 



zweideutigen Geschafte als die Regel hinstellen. 
Die Regel ist vielmehr hier die Behandlung zwei- 
deutiger Erklarungen , also auch das fur sie be- 
stimmte Willensdogma. Um so bestimmter muss 
aber die als Regel unhaltbare Erklarungstheorie 
als eine Ausnahme fur unzweideutige Verkehrs- 
geschafte aufrecht erhalten werden (vgl. Eegels- 
berger Pand. a. a. 0. 513), nnd zwar nicht bios 
fur Mentalreservationen , sondern fur alle Falle- 



is. Aniinus;. Yor alleui aber gilt, wie del Yer- 60 der NiohiuWeinstiiuiuiing von Erklarung uiitl 



fasser flbrigens immer anerkannt hat, das Willens- 
dogma bei alien zweideutigen Erklarungen. Diese 
gelten nur, wenn der hinter ihnen stehende Wille 
sie aufzuklaren vermag. Wenn z. B. ein Vater 
zur Ehe seiner Haustochter mit Titius consentiert, 
und es zweifelhaft ist, welcher von zwei Titii ge- 
meint ist, so gilt der Consens, wenn der Vater 
den einen der Titii meinte. Hatte er aher einen 



Wille. In diesem Sinne ist namentlich auch Danz. 
Die Auslegung der Rechtsgeschafte , Jena 1897 r 
gehalten. 

Anf dem Boden dieser Auseinandersetrangen 
muss den Gegnern nunmehr auch zugegeben wer- 
den, dass C. keineswegs immer bios einen ausseren 
Thatbestand bezeichnen kann. Wo namlich eine 
zweideutige Zustimmung ahgegeben ist und aus 



909 



Consensus 



Consentes 



910 



dem innern Willen des Zustimmenden erganzt 
werden muss (so bei dem oben flngierten Falle 
des Eheconsenses) , da gehOrt zum Thatbestande 
des C. allerdings auch das innere Einverstandnis 
mit dem Inbalte der Erklarung, und wenn dies 
fehlt, so fehlt in einem solchen Falle auch der C. 
Der schwebende Streit lasst sich also nur durch 
eine scharfe Sonderung der unzweideutigen Er- 
klarungen von den zweideutigen schlichten. Un- 
bedingt aber muss die Ansicht abgelehnt werden, 10 
dass C. einen rein inneren Thatbestand bezeichne, 
vielmehr ist ihre fortwahrende Vertretung gegen- 
iiber klaren Quellenstellen nicht zu rechtfertigen. 
Fur diese Ansicht scheint freilich Dig. L 17, 116 
insoweit zu sprechen, als nach ihr der Zwang 
(vis atque metus) consensus contrarium ist. Dies 
will aber nicht sagen, dass die innere Unfreiheit 
dessen, der eine erzwungene Zustimmung erteilt, 
den Thatbestand des C. ausschliesst (anders Der 
Irrtum b. n. Vertr. 395, 3, eine Stelle, deren 20 
Eichtigkeit nicht aufrecht erhalten werden kann). 
Es wiirde ja sonst das Gleiche auch bei einer 
solchen Furcht gelten mfissen, die nicht auf ausse- 
rem Zwange beruht (so richtig Hartmann Dogm. 
Jahrbucher XX 60); bei einer derartigen Unfrei- 
heit ist aber die Gflltigkeit des Geschaftes ausser 
Zweifel. Darum hindert auch der Zwang den 
Thatbestand des C. nicht (vgl. Dig. IV 2 quod 
metus c. frg. 21 § 5 quamvis si liberum esset, 
noluissem, tamen coactus volui), wohl aber sind 30 
erzwungene Geschafte aus rechtspolitischen Griin- 
den anfechtbar (Dig. IV 2, 1 pr. Ait praetor: 
Quod metus causa gestum est, ratum non habebo) 
und insofern ist daher die vis consensui eontraria, 
weil sie neben ihm steht und ihn entkraftet, wenn 
sie auch sein Dasein nicht zu verhindern vermag. 

Mit der richtigen tJbersetzung des Wortes C. 
hangt auch die Frage zusammen, ob in Dig. XLI 
1, 34 pr. mit Mommsen ein non einzuschieben 
ist. Der Verfasser hat sich fruher dagegen er- 40 
klart (Der Irrtum bei nicht. Vertr. II 430ff.); 
jetzt steht er auf dem Standpunkte, dass die Ein- 
schiebung des non moglich und znlassig, aber 
nicht unbedingt nOtig ist (hierfur vgl. a. a. 0. 
432, 2). Die Stelle spricht von dem Falle, dass 
jemand einen andern in ein Grundstiick schickt, 
um ihm dadurch Besitz und Eigentum zu uber- 
tragen. Der Erwerbslustige gent in dieses Grand- 
stuck hinein, verwechselt es aber mit einem andern. 
Man kann hier nun von den Parteien ebenso gut 50 
sagen consenserunt, wie non eonsenserunt. Dem, 
was geschehen ist, haben beide zugestimmt, dem 
aber was darans entstehen sollte (Besitz- und 
Eigentumsubergang), haben sie nicht zugestimmt. 
Darum ist und bleibt die Lesart dieser Stelle 
zweifelhaft. 

Dass der Satz: Error non habet consensum 
oder non comentiunt, qui errant Dig. V 1, 1. 
II 1, 15. Cod. IV 65, 23 irgendwie einznschranken 
iot, iot uttLeoti'ittiiii. Xiclit jedcr Irrtuiu aohlicMt 60 
den C. aus. Wohl aber thut dies ein flberein- 
stimmender Irrtum beider fiber den Vertragsin- 
halt, z. B. die beiderseitige Unterzeichnung einer 
Urknnde, die von beiden mit einem andern Schrift- 
stucke verwechselt wird (Leonhard Irrtum bei 
nicht. Vertr. I 28ff. II S80ff.J. Dass ferner bei zwei- 
deutigen Erklarungen der Irrtum des Erklarenden 
aber den Inhalt des Erklarten den Thatbestand 



des C. ausschliesst, dass also ein solches Geschaft 
nicht gelten kann, weil ihm ein Stuck seiner 
natiirlichen Vorbedingungen fehlt, wurde schon 
oben erOrtert. In solchen Fallen schliesst aller- 
dings der Irrtum, indem er den innern Willen in 
Widerspruch mit der Erklarung bringt, die aus 
ihm zu erganzen ist, die Entstehung eines C. aus. 

[R. Leonhard.] 
Consentes, die Zusammenseienden (gebildet 
wie ab-sentes, prae-sentes, Jordan bei Preller 
Rem. Mythol. 1 69, 3), hiessen zu Rom zwelf Getter, 
sechs mannliche und sechs weibliche, denen schon 
in republicanischer Zeit am Markte vergoldete 
Bildsaulen errichtet waTen (Varro de r. r. 1 1, 4) ; 
die Wiederherstellung der Statuen durch den Stadt- 
praefecten Vettius Praetextatus im J. 367 n. Chr. 
beknndet die Inschrift auf dem Epistyl der zu- 
gehSrigen Saulenhalle (CIL VI 102); diese im 
J. 1834 wieder aufgedeckte portieus deorum Con- 
sentium am Aufgang vom Forum zum Capitol 
lehnt sich, einen stumpfen Winkel bildend, an 
die Wand des Tabulariums nnd die Substruction 
des Clivns Capitolinus (Eichter in Mullers Hand- 
buch III 787) und ist nicht zu verwechseln mit 
der Schola Xantha, dem Amtslocal der scribae 
aedilium (Hiilsen Rdm. Mitt. HI 1888, 208ff.). 
Haltlose Vermutungen fiber eine aedes am selben 
Ort und mit ihr zusammenhangende saera eon- 
sentia, deren Ableitung ex multorum consensu 
(Fest. ep. 65) auf falscher Etymologie beruhe, bei 
Gilbert Gesch. und Top. Roma III 103, 2. Der 
Gedanke an eine zahlenmassige Abgrenzung der 
gOttlichen Wesen ist der altitalischen Religion 
fremd und weist auf griechischenUrsprung (Momm- 
sen EOm. Chronol. 2 305ff.). Uber die Namen 
der 12 Gotter zu Eom, ihre Herkunft und das 
Alter ihrer Verehrung belehrt uns das Lectister- 
nium vom J. 217 v. Chr. (Liv. XXII 10, 9). Hier 
erscheinen zum erstenmal die aus der griechischen 
Mythologie bekannten (Preller-Eobert Griech. 
Mythol, llOf.) zwolf Hauptgottheiten, sechs mann- 
liche und sechs weibliche, paarweise geordnet: 
Iuppiter Iuno, Neptunus Minerva, Mars Venus, 
Apollo Diana, Vulcanus Vesta, Mercurius Ceres 
(in zwei Hexameter gebracht von Ennins frg. 45 
Vahlen bei Apul. de deo Socr. 2 p. 7 Goldb., ange- 
deutet bei Plaut. Epid. 608. 673); vgl. ihre Dar- 
stellung auf dem Wandbilde in Pompei (Helbig 
Wandg. nr. 7). Inschriftlich erwahnt werden dii 
C. CIL LH 942, als SchutzgOtter der zwOlf Mo- 
nate CIL VI 2305. Die Vorstellung eines ge- 
schlossenen Gstterkreises zeigt sich auch, freilich 
mit freier Deutung des Wortes, in den Widmungen 
Comen[ti]o deorum (CIL III 1935), I. O. M. et 
Consessui deorum (CIL HI 1063), aonsilio deo- 
rum dearumque (Orelli 1869), Mercurio consen- 
tienti (CLL III 898). Auch Mithras wird zum deus 
consens (CIL VI 736). Nach der Uberlieferung 
spielen die dii C. eine Rolle in der Fulguraldis- 
ciijliii tier Eii'iiakfci piuller-Duuckt; II S3). In 
der auguralen Himmelseinteilung bewohnen sie 
neben Iuppiter und andern G&ttern die erste Re- 
gion (Mart. Cap. I 45). Iuppiter, dem mach- 
tigsten Insassen der sechzehn Regionen, standen 
drei Blitzarten (manubiae) zur Verfugung. Die 
zweite Art durfte er nur verwenden in tJberein- 
stimmung mit dem Rate der zwOlf Gotter; es 
waren dies geheinmisvolle Wesen niederer Ord- 



911 



Consentia 



Considius 



912 



913 



Considius 



Considius 



914 



nung (Sen. quaest. nat. II 41. Mart. Cap. I 41 
und die unklare Notiz bei Arnobius III 40, der 
Varro als Gewahrsmann anfiihrt), deutlich ge- 
schieden von den dii swperiores et involuti, die 
Iuppiter vor der Entsendung der dritten und 
furchtbarsten Blitzart befragen musste (Sen. a. a. 
0.; vgl. Fest. p. 129. Plin. n. h. II 138. Aug. 
e. d. IV 21). Die Zw6lfzahl und der Name C. 
beruhen wohl auf Verwechslung mit den romi- 
schen C. ; vgl. Schmeisser Comment, in hon. 
Keifferscheidii, Vratisl. 1884, 29ff. Preller 
Rom. Mythol. 13 66ff. Wissowa in Roschers 
Mythol. Worterbuch I 922. [Aust.] 

Consentia ( Cosentia der alte Meilenstein des 
Popillius, OIL IX 6950, Kcovaevria oder Kataevxia ; 
Einw. Comentinus), Hauptstadt der Bruttier (Kco- 
atvzia fiijiQojiohg Bqsttuov, Strab. VI 256), mitten 
im Lande, unweit der Quellen des Krathis, jetzt 
Cosenza. Zuerst erwahnt bei Gelegenheit der 
Expedition Alexanders von Epeiros ca. 330 v. Chr., 
der bier beerdigt -war (Strab. a. a. 0. Liv. VIII 24, 
14. 16; s. Bd. I S. 1410), erscbeint es im zweiten 
punischen Kriege bald auf Seiten der EOmer, bald 
der Kartbager (Liv. XXIII 30, 5. XXV 1, 2. 
XXVHI 11, 13. XXIX 38, 1. XXX 19, 10. Appian. 
Hannib. 56). Seit 204 dauemd den Romern unter- 
worfen, stand es mehr unter dem Einfluss grie- 
chischer Cultur und Sitte (Lucilius bei Cic. de 
fin. I 7). Genannt wird es im Kriege gegen Spar- 
tacus (Oros. V 24) und im Biirgerkriege , wo es 
im J. 40 v. Chr. erfolglos von Sex. Pompeius be- 
lagert wurde (Appian. b. c. V 56. 58). Nach 
Lib. colon. 229 assignierte Kaiser Augustus das 
Gebiet von C. limitibus Oraeeanis. Varro de r. r. 
I 7, 6 (daraus Plin. n. h. XVI 115) riihmt die 
Obstcultur von C, wo die Apfel jahrlich zwei- 
mal Fruchte brachten; den Wein von C. Plin. 
XVI 69. In der Kaiserzeit wird es, ausser von 
den Geographen (Mela II 68. Plin. Ill 72. Ptolem. 
Ill 1, 65) und Itinerarien (Antonin. 110. Tab. Peut. 
Geogr. Eav. IV 31 p. 278) seiten genannt; im 
5. Jhdt. gelegentlich der Kampfe des Alarich, 
welcher hier seinen Tod und sein Grab fand (Ior- 
dan. Get. 30; s. Bd. I S. 1291). Die antiken 
Funde in C. sind unbedeutend, fast nur romische 
xmi griechische Miinzen (Not. d. scavi 1877, 117. 
1879, 77). Sogar Inschriften, griechische vie 
lateinische, fehlen bisher vollig. Vgl. Mommsen 
CIL X p. 17. [Hiilsen.] 

Consenting. 1) Narbonenser, Philosoph und 
Dichter, vermahlt mit der Tochter des Iovinus, 
der 367 Consul war, Apoll. Sid. cann. XXIII 33ff. 
97—177; epist. LX 15, 1 v. 22. 

2) Sohn der Vorhergehenden, Dichter (Apoll. 
Sid. carm. XXffl 5. 204; epist. VIII 4, 2. IX 15, 
1 v. 22). In fruher Jagend wurde er tribunus et 
notarius (carm. XXIII 214) bei Valentinian III. 
(a. 0. 229), spater Cura palatii unter Avitus (455 
— 456, a. 0. 430). Aus seiner Feder sollen die 
meisten Urkundeii geflosien soin, die Yalentmian 
an fremde Hofe richtete (a. 0. 228ff.). An den 
Wagenrennen, die der Kaiser veranstaltete , be- 
teiligte er sich pers6nlich (a. 0. 307ff.). An ihn 
gerichtet Apoll. Sid. epist. VIII 4; carm. XXIII. 

[Seeck.] 

3) Lateiniacher Grammatiker, nach Lach- 
m a n n s wahrscheinlicher Vennutung (Terent. Mau- 
rus XHI) derselben begiiterten Narbonenser Familie 



angehcrig, aus der der poetisch veranlagte Freund 
desSidoniasApollinaris (Nr.2) stammt (vgl. Osann 
Beitr. II 345), wird gewOhnlich dem 5. Jhdt. zuge- 
wiesen. Er ist der Verfasser einer ars, von der die 
beiKeilGL V 338ff. abgedruckten Abschnitte de 
nomine et verbo, de barbarismis et metaplasmis 
erhalten sind. Dass das ursprungliche Werk voll- 
standiger war, ergeben die Hinweisungen auf nicht 
mebr vorhandene teils voraufgegangene (353, 17. 

10 398, 35f. 399, 30), teils spater behandelte Partien 
(377, 26. 393, 30ff. ; vgl. Keil 332). Der Inha.lt der 
genannten Abschnitte berflhrt sich mit Charisius 
und Diomedes, ganz besonders aber mit Donat, 
den er ohne Zweifel direct benutzt hat (Keil 
335. Jeep Redeteile 69). Die von C. selbt ci- 
tierten Autoren (Probus, Celsus, Palaemon, Pansa, 
Varro) kommen fiir die Quellenfrage insofern nicht 
wesentlich in Betracht, als sie mehr fiir Kleinig- 
keiten angefiihrt werden, die gerade in dem Satze 

20ausgesagt sind, in welchem sie vorkommen (Jeep 
a. a. 0.). Wahrend Keil annimmt, dass C. die- 
selben Quellen wie Charisius und Diomedes be- 
nutzt habe (vgl. auch Kummrow Symb. crit. 20. 
E. Meyer Quaest. gramm. 40), ist Jeep a. a. 0. 
der Meinung, dass eine Benutzung dieser Vor- 
ganger selbst teils sicher, teils wahrscheinlieh sei. 
Dass er daneben auch die eommentatores Donati 
eingesehen hat, wie z. B. den Servius, musa 
als moglich zugegeben werden (Keil 335). 

30Hingegen erscheint mir die Annahme einer di- 
recten Benutzung des Palaemon (Birt Rh. Mus. 
XXXIV 1879, 24ff.) nicht ohne Bedenken. Crber 
die hsl. Uberlieferung vgl. Keil in der praef. ; 
die einzige vollstandige Hs. ist der Monae. 14666 
saec. X. Hauptausgabe von Keil GL V 339ff. 
Vgl. Jeep a. a. 0. 68ff. [Goetz.] 

Conserturinus s. Iulius. 
Considius. 1) Considius, Staatspachter und 
Freund des Redners L. Licinius CTassus, der in 

40 einem Processe mit L. Sergius Orata fiber die 
Fischereiberechtigung im Lucriner See als An- 
walt des C. auftrat (VaL Max. IX 1, 1). Vgl. 
Nr. 7. 

2) Considius, quaesitor in dem Processe des 
M. Saufeius wegen Gewalt 702 = 52 (Ascon. 
Milon. p. 49). Mommsen (St.-E. II 584, 1) 
identificiert ihn mit C. Considius Nr. 12; doch 
vgl. Nr. 13. [Munzer.] 

8) Considius, Praetorier, klagte im J. 31 n. Chr. 

50 P. Pomponius Secundus der Majestatsverletzung 
an (Tac. ann. V 8). Mit Considius Proculus (Nr. 15) 
ist er wohl nicht zu identificieren (vgl. Nip- 
perdey-Andresen 19 zu Tac. ann. VI 18). 

[Groag.j 

4) L. Considius und Sex. Saltias, Duumvirn 
in der von M. Iunius Brutus 671 = 83 deducier- 
ten, von Sulla wieder aufgehobenen Colonie Ca- 
pua, massten sich die Titel und Insignien der 
Praetoren und die Eponymitat an (Cic. leg. agr. 

eon 02f.;. 

5) P. Considius, qui rei militaris peritissi- 
mus habebatur et in exerdtu L. Sullae et posted 
(653 — 71 ?) in M. Orassi fuerat, zeigte sich beim 
Kriege Caesars mit den Helvetiern 696 = 58 
ziemlich furchtsam und vereitelte dadurch den 
Plan des Feldherrn, die Feinde zu uberrumpeln 
(Caes. b. g. I 21, 4. 22, 2. 4). 

6) Q. Considius und T. Genucius, Volkstri- 



« 



bunen 278 = 476 , beantragten zusammen ein 
Ackergesetz (Liv. II 52,3) und zogen den Consul 
des vorhergehenden Jahres, T. Menenius, vor Ge- 
richt, weil er der Niederlage der Fabier an der 
Cremera von einem nahen Feldlager aus unthatig 
zugesehen habe (Liv. ebd. Dionys. IX 37, 2). 

7) Q. Considius, vielleicht ein Sohn von Nr. 1 
oder mit ihm identisch, Eichter im Process des 
Albius Oppianicus 680 = 74, zeichnete sich durch 



peianer in Africa ihre Macht, um den Angriffen 
Caesars begegnen zu kOnnen ; Attius und C. liessen 
unter anderem die Stadt Curubis befestigen (vgl. 
die angefiihrte Inschrift), und C. zog weitere Trup- 
pen an sich, so dass seine Besatzung in Hadru- 
metum im J. 708 = 46 auf 2 Legionen und 700 
Eeiter gebracht worden war (b. Afr. 3, 1. 33, 1). 
Nach Caesars Landung in diesem Jahre wies er 
jede Aufforderung , zu unterhandeln und sich zu 



seine Unbestechlichkeit und Ehrenhaftigkeit aus 10 ergeben , aufs schroflste zuruek (ebd. 4, 1 — 4). 



(Cic. Cluent. 107). Daher liess es sich C. Verres, 
obwohl er mit C. befreundet war, gern gef alien, 
dass dieser bei seinem Process 684 = 70 von 
dem Eichtercollegium ausgeschlossen wurde (Cic. 
Verr. I 18). Er war ein Teicher Kapitalist (Cic. 
ad Att. I 12, 1 aus dem J. 693 = 61) und hatte 
grosse Summen ausgeliehen. In der allgemeinen 
Verwirrung des J. 691 = 63, als infolge der ca- 
tilinarischen VerschwOrung eine grosse finanzielle 



Die Stadt Acylla, die dieser Aufforderung Folge 
leistete, wollte er erst mit Gewalt davon zuriick- 
halten, kam zu spat, zog aber aufs neue vor sie, 
um sie zu belagern, hob die Belagerung auf eine 
falsche Nachricht hin auf und zog sich nach der 
Abgabe eines Teiles seiner Truppen an den Ober- 
feldherrn Metellns Scipio wieder nach Hadrume- 
tum zuruek (33, 3. 5. 43). Er setzte sich dann 
mit seinen Soldaten und Gladiatoren in Thysdra 



Krisis drohte, kiindigte er keinem seiner Schuld- 20 fest (76, 1). Auf die Nachricht von der Nieder- 



ner die Kapitalien, die im ganzen 15 Millionen 
Sesterzen (iiber 2 600000 Mark) betrugen, und 
beugte dadurch, soweit es in seinen Kraften stand, 
grSsserem TJnheil vor, so dass ihm daftir der Senat 
seinen Dank fflrmlich decretierte (Val. Max. IV 
8, 3). Mit Unerschrockenheit trat C, damals 
hochbejahrt, 695 = 59 dem Versuch des Consuls 
Caesar, den Senat zu vergewaltigen , entgegen; 
er sagte ihm ins Gesicht, dass die meisten Se- 



iage seiner Parteigenossen bei Thapsus am 6. April 
und von dem Anmarsch des Cn. Domitius gegen 
Thysdra verliess er heimlich die Stadt, beladen 
mit der Kriegskasse und in Begleitung weniger 
Gaetuler; unterwegs wurden diese von Begier 
nach dem Gelde ergriffen, erschlugen den C. 
and zerstreuten sich mit ihrer Beute (86, 8. 93, 
If.). 

12) C. Considius Nonianus, Munzmeister um 



natoren aus Furcht vor seinen Bewaffneten der 30 700 = 54 (Mommsen Munzwesen 637 nr. 281). 
Sitzung fern blieben, und erwiderte auf die Frage, Vgl. Nr. 2 



warum er selbst es nicht ebenso mache, er sei zu 
alt, um den Tod zu fiirchten (Cic. ad Att. H 24, 
4. Pint. Caes. 14, 6). [Miinzer.] 

8) Considius Aequus, rOmischer Eitter, wurde 
im J. 21 n. Chr. wegen falscher Majestatsanklagen 
bestraft, Tac. ann. in 37. [Stein.] 

9) L. Considius L. f. Gallus, praeffeetus) 
wrbis (feriarum Latinarum), qfuaestorj, trfibu- 



13) M. Considius Nonianus , wird zweimal in 
Ciceros Briefwechsel aus dem Anfang des J. 705 
= 49 erwahnt. Nach ad Att. VTDI 11 B, 2 sollte 
Cicero mit dem Propraetor M. Considius auf 
Wunsch des Pompeius damals dessen Interessen in 
Capua wahrnehmen. Nach ad fam. XVI 12, 3 
war dem Considius Nonianus als Nachfolger Cae- 
sars die Provinz Gallia eiterior zugefallen. Ausser 



nus) pl(ebis), prfaetorj inter eivis et peregrinos, 40 diesen Stellen bezieht sich aller Wahrscheinlich- 



XVvir saeris fac(iundis) CIL VI add. 31705, 
wohl Grabschrift (die Amter in absteigender Folge). 
Vermutlich Nachtomme des Q. Considius Gallus 
(Nr. 10). Anfang der Kaiserzeit. [Groag.] 

10) Q. Considius Gallus, im J. 710 = 44 
unter den Erben des Q. Turing genannt (Cic. ad 
fam. XTI 26, 1), vielleicht ein Sohn von Nr. 7. 

11) C. Considius C. f. Longus, bekleidete in 
einem nicht genau zu bestimmenden Jahre die 



keit nach die oben bei Nr. 2 angefiihrte des 
Ascon. Milon. p. 49 auf denselben Mann, so dass 
sich ergiebt: C. war Praetor 702 = 52 und fiihrte 
den Vorsitz bei den Quaestiones de vi (vgl. liber 
die Bezeichnung des vorsitzenden Praetors als 
qiMesitor Mommsen Strafrecht 208. 1); 705 = 49 
sollte er als PropraetoT Gallia eiterior erhalten, 
als der Burgerkrieg ausbrach, bei dessen Beginn 
er auf Seiten des Pompeius stand. Vgl. Holzl 



Praetur und verwaltete darauf die Provinz Africa ; 50 Fasti praetorii (Leipz. 1876) 73f. 



noch vor dem Ablauf seiner Statthalterschaft reiste 
ei Ende 704 = 50 nach Rom, um sich urns Con- 
sulat zu bewerben, und liess Q. Ligarius als seinen 
Stellvertreter zuruek (Cic. Lig. 2. Schol. Gronov. 
zu dieser Rede p. 414 Or.). Nach dem Aushruch 
des Burgerkrieges ging er im folgenden Jahre 
mit anderen Anhangern des Pompeius nach Africa 
zuruek und wurde von ihnen neben P. Attius 
Varus als Legatus pro praetore anerkannt, weil 



14) C. Considius Paetus, Sohn von Nr. 11, 
gleich seinem Vater Anhanger des Pompeius, Munz- 
meister 705 = 49 (Mommsen Mtozw. 651. 657 
Anm. 556), fiel 708 = 46 bei der Einnahme von 
Hadmmetum in Caesars Hande nnd wurde von 
ihm begnadigt (b. Afr. 89, 2: C. Considim filius, 
dieldentitat angenommen vonBorghesi Oeuvres 
II 152). [Munzer.] 

15) Considius Proculus wird im J. 33 n. Chr. 



btide nacheinander als Propraetoreii die Provinz CO svegen ilajc-statsbeleidigung angeklagt und hin 



innegehabt hatten and jetzt als Unterfeldherren 
des Pompeius und spater des Metellus Seipio dieses 
Amt weiterfuhrten (Inschrift von Curubis mit 
Mommsens Erlanterung Henn. XXX 456 — 460) ; 
er hielt Hadrumetum mit einer Legion besetzt 
und beteiligte sich an den erfolgreichen Kampfen 
gegen C. Curio (Caes. b. c. H 23, 4). Wahrend 
der beiden nachsten Jahre verstarkten die Pom- 



gerichtet, seine Schwester Sancta (Nr. 17) ver- 
bannt, Tac. ann. VI 18. [Stein.] 

16) (Servilia) Considia s. Servilius. 

17) (Considia) Sancta (in der Hs. Saneia, cor- 
rigiert von Hirschfeld Prosopogr. Ill 172 nr. 130, 
doch findet sich eine Saneia C. I. Pieris GEL 
VI 25859 a), Schwester des Considius Proculus 
(Nr. 15), im J. 33 auf Grand der Anklage des 



915 



Consignare 



Consilium 



916 



Q. Pornponius zur Deportation verurteilt (Tac. 
ann. VI 18). [Groag.] 

Consignare s. Obsignare. 

Coiisiliarius s. Consistorium. 

Consilinnm castram, an der Kfiste des Brut- 
tierlandes, zwisehen Caulonia und dem Cocintum 
promunturium , Plin. Ill 95, nicht naher zu be- 
stimmen. S: auch Cosilinum. [Htilsen.] 

Consilium. Mit C. wird sowohl der Beirat 



labantur, eognita causa . . . oognatorum (Val. 
Max. VI 3, 8: vropinquorum) decreto neeatae 
sunt. Tac. ann. II 50: adulterii graviorem poe- 
nam deprecatus, ut ex&mplo maiorwm (a) pro- 
pinquis suis (Appuleia) ultra ducentesimum la- 
pidem removeretv/r, sitasit (Tiberius). Suet. Tib. 
35 : matronas prostratae pudieitiae, qmbus aeeu- 
sator publieus deesset, ut propinqui more maio- 
rum de commtmi sententia eoercerent auctor 



bezeiehnet, welchen Privatpersonen vor der Ent-10/wii. Tac. ann. XLU 32: Pomponia Graeeina . 

schliessung in wichtigen Angelegenheiten iiblicher j.-,- ... . -. • • >• • 

Weise befragten,, als auch der Kreis von sach- 
verstandigen mid hervorrragenden Mannem, den 
die rOmischen Konige, die Beamten, dann einzelne 
Kaiser benifen haben, um deren Ansicht in ent- 
scheidenden Fragen anzuhoren. Weder lassen sich 
die Ursprfinge dieser Sitte bestimmen, noch. ist 
die weitere Entwicklung dieser beiden Arten von 
C, an der das Gewohnheitsrecht (mos maiorwm) 



superstitionis externae rea mariti iudicio per- 
missa, itaque prisco institute propinquis coram 
de capite famaqne conjugis cognovit et imontem 
pronuntiavit. Plin. n. h. XIV 89: matronam 
. . . a suis inedia mori eoaetam. 

Freunde in einem C. zur Entscbeidung Tiber 
Frauen sind z. B. Val. Max. II 9, 2. V 8, 2. 9, 
1. Gell. XVII 21 erwahnt. Mommsen Straf- 
recht 19. 26. Natiirlich bestand kein gesetz- 



grossen Anteil hat , im einzelnen zu verfolgen. 20 licher Zwang, ein C. zu befragen, wenn auch das 



Als grundsatzlich wichtig fiir die Beurteilung des 
Einflusses, welcher den verscbiedenen C. eingeraumt 
■war, ist hervorzuheben, dass kein Zwang bestand, 
dasselbe zu befragen und der Berufende nicht ge- 
halten war, seine etwa abweichende Meinung der 
von den Batmannernkundgegebenen unterzuordnen. 
Consilium imPrivatrechte. Es ist natiir- 
lich nicht mOglich, die ausserordentliche Mannig- 
faltigkeit von Fallen, in denen Privatpersonen 



Herkommen die Beachtung eines seit alten Zeiten 
geubten Brauches gebot. Es sind Falle bekannt, 
in denen das Urteil ohne Hinzuziehung des C. 
erfolgte. T. Manlius Torquatus leitete gegen 
seinen Sobn, trotzdem derselbe nicht mehr unter 
patria potestas stand, Untersuchung ein und fallte 
den Spruch, ohne ein C. zu h«ren, Cic. de fin. I 
24. Liv. ep. 55. Val. Max. V 8, 3: cognitione 
suscepta domi consedit solusque utrique parti 



ein C. beriefen, zu besprechen; die folgenden 30 per totum bidmim raeamt ac tertio pleni-ssime 
Nachweise miissen daher gentigen. In erster Linie JJ - -''■>■■• • ,•....•, 

hat der Pater familias ein C. versammelt, wenn er 
als Eichter fiber Kinder oder Gattin eine Capital- 
strafe verhangen rausste. Die Tradition iiber 
einige solcher Urteile ist allerdings nicht ein- 
wandfrei. BezQglich des Sp. Cassius ist das durch 
Plinius, Valerius Maximus, Dionysius, Livius uber- 
lieferte Hausgericht als spatere Erfindung zu be- 
anstanden, wie schon Schwegler E. G. II 471 



die dUigentissimeqtie auditis testibus . . pronun- 
tiavit; weitere Beispiele der Hausjustiz des Vaters 
ohne C. Liv. TV 29, 5. VIII 7, 19. Sallust. Catil. 
39. 52. Cass. Dio XXXVII 36. Val. Max. VI 
1, 1. 2. VIII 8, 5. Gell. XVII 21, 17. Oros. IV 13, 
18 u. a. m. Ebensowenig war das Urteil des Pater 
familias, dem Frau und Kinder unbedingt sich 
fugen mussten, gebunden durch die Meinungs- 
ausserungen des Beirates, doch gewartigte er bei 



und namentlich Mommsen Bom. Forschungen II 40 ungerechtem Spruche die Eiige des Censors, Dio 



174ff. zeigte. Bezeugt sind solche C. in dem von 
Val. Max. V 9, 1 berichteten Falle des L. Gellius: 

paene universo senatu adhibito in o ab- 

solvit (filium) cum consilii turn etiam sua sen- 
tentia. An dem C, welches L. Tarius Eufus beim 
Spnich iiber seinen Sobn beruft, nimmt Augustus 
teil, Senec. de clem. I 15. Konig Herodes hat 
den Spruch fiber seine Sohne gefallt nach romi- 
schem Beispiel unter Hinzuziehung eines C. von 



nys. XX 13. Val. Max. II 9, 2. Plut. Cato mai. 
16. 17. Cic. de rep. IV 6. Mommsen St.-E. II 
381, 5. Schriftliche Abstimmung des C. bezeugt 
Senec. de clem. I 15. 

Dass man Freilassungen, namentlich seit sie 
hauflger geiibt nnd nicht durchweg gerechtfertigt 
waren, mit guten Freunden vorher besprach, lag 
nahe. Um dem Cbermass zu steuern, hat Augustus 
im J. 4 n. Chr. einen solchen langst gewohnheits- 



fast 150 Mitgliedern, aus der kfiniglichen Familie 50 gemass herangezogenen Beirat obligatorisch ge- 



und den hchern rOmischen Officieren erwahlt, 
Joseph, ant. Iud. XVI 361—372; bell. Iud. I 535 
—543. Mommsen Strafrecht 25. Betreffs der 
Formen geht aus den Erwahnungen soviel her- 
vor, dass Verwandte (cognati, propinqui, neces- 
sarii, sui, Belege weiterhin) und Freunde zum C. 
hinzngezogen wurden, Val. Max. V 8, 2 adhibito 
propinquorum et amicorum consilio; hatte der 
Ehemann fiber die Frau zu richten, so bildeten 



macht und damit der hausrechtlichen Gewalt 
Schranken gezogen. Die Lex Aelia Sentia be- 
stimmte, sofern der Sclave noch nicht 30 Jahre, 
der Herr noch nicht 20 Jahre alt, dass in Eom 
ein C. von je 5 Senatoren und Bittern, ausserhalb 
Italiens ein solches von 20 durch den Statthalter 
ausgewahlten Eecuperatoren gehOrt werde, Gai. I 
18-20. Ulp. I 13 u. o. Instit. I 6, 4. Die Mit- 
glieder der Sitzungen (conventus) dieser Commission 



meist r.sr PaniilienangehGrige &^ C, vgl. Dicnya. CO Lic^ui audi iudiuo, Dig. I 21, 2. 10, 1, 2. XL 



II 25 ravra oi ovyysvcis ufia %ov avdgog kdixatov 
(ebd. sind die Vergehen anfgezahlt, wegen derer 
solch Hausgericht fiber Frauen znsammentrat). 
Liv. XXXIX 18, 6 : midieres damnatas cognatis 
avt in quorum manu essent tradebant, ut ipsi 
in privato animadverterent in eas, vgl. Val. 
Max VI 3, 7. Liv. ep. 48: Publilia et Licinia 
. . . quae viros suos eonsulares necasse insimu- 



% 16. Cod. lust. VII 1, 1. CIL XIV 1437 (Ostia): 
D. Otaeilius Felix fecit sibi et Otaeiliae Hilarae 
collibertae, D. Otacilio Hilaro l(iberto), D. Otacilio 
Eudoxo IfibertoJ in consilio manumisso . . . CLL 
VI 1877 (Boma): Persicus lib(ertus) manumissus 
at consilium procuratorio nomfine] aput Domi- 
tianum Caesarem in secund[o] co(nls(ulatu) 
exereuit decurias . . . Bein Privatrecht 277. 



917 



Consilium 



Consilium 



91$ 



Um ein solches privates C. handelt es sich in 
der so oft besprocbenen Stelle des Plinius n. h. 
XXXVI 37 (vgl. Wagnon Bev. arch. XLIV 
66ff.), deren Deutung durch Lachmann (Kleine 
philol. Schrift. LT 273) Mommsen Herm. XX 
285 wesentlich dahin modificierte: die Kfinstler 
der Laokoongruppe haben den Plan des Werkes 
im Freundeskreise erwogen, so dass die Aus- 
fuhrnng in gewissem Sinne de eonsilii smtentia 
geschah. 

Consilium im Offentlichen Bechte. Zu- 
nachst eine Vorbemerkung, Dass die Beamten 
gebalten waren, in bestimmten Fallen nicht ohne 
die Willensmeinung des Senates eingeholt zu haben, 
zu verfahren (Mommsen St.-B. Ill 1031), und 
dass die Entscheidung dieser KOrpeisebaft bei 
dem stetigen raschen Wechsel der Magistrate 
ausserordentlich ins Gewicht fallen musste, ist 
bekannt (daher Cic. pro Sest. 137 sich zu der Ausse- 
rung versteigen konnte: maiores nostri senatwm 
rei publieae custodem, praesidem, propugnatorem 
oolloeaverunt, huius ordvnis auetoritate uti ma- 
gistratus et quasi rninistros gravissimi 
eonsilii esse volucrunt), an dieser Stelle aber 
nicht des N&heren auszufuhren. Vgl. die Art. 
Magistratus und Senatus. Deshalb ist aber 
der Senat noch nicht als ein C. in der hier zu 
erOrternden Beziehung zu betracbten, obwohl er 
vielmals c. publicum genannt wird, u. a. Liv. 
ffl 63, 10. VI 6, 15. XXIII 2, 4. Vellei. I 8. 
Fest, p. 246 s. praeteriti senatores, auch dotni- 
nus c. puhlici Cic. de leg. HI 28; caput publiei e. 
Liv. V 39, 12 ; publicum orbis terrae c. Cic. ad 
fam. Ill 8, 4; vgl. in Catil. I 2. 9; Phil. HI 34 
und die Curie als templum c. publiei Cic. de 
domo 131 ; pro Mil. 90, ebenso die Senatsverhand- 
lungen e. publicum, heissen, Liv. LT 23, 11. XXIII 
22, 2. Cic. pro Sest. 42; vgl. Mon. Ancyr. Ill 3 
mit Mommsens Commentar 2 p. 54. CIL VI 
894. 895 ; ubrigens werden anch andere Versamm- 
lungen ebenso bezeiehnet, vgl. die Stellen bei 
Mommsen St.-B. Ill 1028, vgl. 843 und I 310ff., 
der bemerkt, dass terminologisch im teebnischen 
Sprachgebrauch niemals C. vom Senat steht. Beide 
Begriffe schliessen sich aus. Der Senat hat eine 
bestimmte Zahl von Mitgliedern, die auf Lebens- 
zeit berufen sind, und tagt in Rom zu gewissen 
Zeiten; die Zahl der zu einem C. hinzugezogenen 
Personen ist nicht festgelegt, dasselbe wird ver- 
sammelt je nach Bediirfnis und kann uberall zu- 
sammentreten. 

Consilium des Konigs. Dass der Konig 
vor Entscheidungen fiber Krieg, Bedurfnisse, Becht- 
spruch oder andere innere Staatsangelegenheiten 
mit einem C. sich ins Einvemehmen gesetzt habe, 
wird zwar behauptet, ist aber doch nicht zu er- 
weisen. Der dem Bomulus gemachte Vorwurf: 
TJ7V dixnv avrdg piovo? dmacas, Dionys. TJ 56, kann 
sowenig wie der gegen Tarquinius Superbus er- 
iiubeUe: oogitiiioiua capital lum, ieiuiitciJiecon- 
siliis per se solus exercebat (Liv. I 49, 4. Dio 
frg. 11, 6. Dionys. IV 42) als Beleg gelten. 

Consilium der Beamten. Wie weit das 
Becht der Magistrate zurfickgeht, bei wichtigen 
Entschliessungen einen Beirat sachkundiger und 
nnparteiischer Manner zu befragen, ist nicht zu 
sagen ; besonders wahrend des Standekampfes mag 
die Hiiiznziehung eines C. hauflger geworden sein, 



wenn die gemeinsame Stellungnahme der Colleger* 
zur Beratung stand. Ein C. anzuhOren gait weder 
als Pflicht im strengen Sinne — nur bei Capital- 
processen ward die Umgehung des C. als Unge- 
horigkeit angesehen — , noch war der Beamte ge- 
halten, gemass Meinungsausserung desselben ztt 
entscheiden; niemals kann er, wenn selbst das- 
ganze C. seiner Ansicht beigetreten ist, der eigenen 
VerantwortJichkeit enthoben werden. Der Beamte 

10 soil selbst&ndig sein und bleiben, wenn auch eine- 
fortgesetzte Nichtbeachtung und Missachtung der 
C. nicht mOglich erscheint. Damit sind die grossen 
Machtbefugnisse, welche die rflmische Verfassung 
den Beamten in die Hande gelegt hatte, zwar 
nicht staatsrechtlicb beschrankt, aber doch ge- 
wohnheitsgemass auf dem Wege der Befragung 
begrenzt worden. Namentlich bei der Eechts- 
pflege und auf dem Verwaltungsgebiete, for Acte r 
wo es sieh ,um Eingriffe in die persOnlichen oder 

2 biirgerlichen Bechte der Burger hand elf, H e r z o g- 
I 619, wird schon Mb die Heranziehung von 
Beratern fiblich geworden sein, damit sie in con- 
silio seien; die Bezeichnung als consiliarii (ov/i- 
jlovloi) kommt erst unter dem Principat vor (Suet. 
Claud. 12: ut unus e consiliariis). Mommsen 
Strafrecht 138. Vgl. auch die Art. Adsessor 
und Consistorium. 

Allgemeine Vorschriften fiber die nach Sitter 
und Brauch zu einem C. zu berufenden PersOn- 

301ichkeiten hat es nicht gegeben: die Auswahl 
derselben richtete sich nach dem zur Beratung 
stehenden Gegenstand und war Sache desjenigen,. 
der das C. zusammentreten liess. Die Aufforde- 
rung, an einem C. teilzunehmen, ward als Ehren- 
erweisung betrachtet, Cic. pro Place. 77. Der 
Beamte wandte sich in erster Linie an seine Col- 
legen (s. u.), sofern sie nicht ohnehin zur Mit- 
entscheidung befugt waren, Mommsen St.-B. I 
315, 4 ; des weitern ist iiberhaupt Sachkunde (Cic. 

40 top. 65. Gell. XII 13, 2. XIV 2, 9) sowie hohe 
Kangstellung fur die Auswahl massgebend und 
uberhaupt der herkommliche Brauch von Bedeu- 
tung geblieben. Stellen bei Mommsen a. a. O. 
317, 2. S. 318, 2. 

tlber die Formen des C, naturgemass ver- 
schieden nach der Veranlassung desselben, ist wenig 
bekannt. Dass die Willensmeinung des C. nicht 
durch Majoritat entschieden wurde, ist gewiss^ 
Sallust. lug. 29. Caes. b. G. ILT 3. Mommsen 

50 St.-E. I 319. Die Beamten erwahnen im Be- 
schluBse die Befragung des C, dessen Mitglieder 
wohl, wo sie namentlich verzeichnet werden, dem 
Eange nach aufgezahlt sind, mit den Worten 
c(um) c(onsilio) cfonlocutus) (vgL Gramm. Lat. 
ed. Keil IV 289), so CIL VI 266 im Urteil des 
Praefectns vigilum, X 3334 in dem des Praefec- 
tus classis Misenatis, III 4847: adhibito e. , II 
4125 in dem des Legaten von Hispania Tarra- 
conensis, Cod. Inst. VTI 26, 6 in einer Ent- 

60 aclicidiuig Jes Kakers, Acta Cypriani ed. Hartel 
p. CXJJ (im J. 258); Apostelgesch. XXV 12 
heisst es vom Procurator von Judaea: ovllaXyoas 
pera tov ovupovUov (betreffs deT Gleichnng C. 
= ovpftttiktov in der Amtssprache sei Plut. Kom. 
14 angeffihrt: <bv6/ia£ov dk tov dsov KHmoov, 
she fiovkaiov- ana ' xcovoifaov yaq hi vvv to 
ovufhvUiov xalovoi, ferner Corp. gloss, ed. GOtz 
VI 263). Mommsen a. a. O. erwahnt noch Sal- 



$19 



Consilium 



Consilium 



920 



lust. lug. 29: pro eonsilio imperare. Handelt 
es sich jedoch nm ein C, dessen Votum fiir den 
Magistrat verbindlich ist, so steht die Formel de 
eomilii sententia. Beispiele s. u. 

a) C. der Consuln sind folgende hervorzuheben. 
Im J. 574 = 180 sollten die Consuln die apua- 
nischen Ligurer nacb Benevent verpflanzen , Liv. 
XL 38, 7 : postidantibus ipsis quinqueviri ah 
■senatu dati quorum ex eonsilio agerent. Der 
Consul des J. 688 = 66 prufte die Frage der Zu- 
lassuug des angeklagten Catilina zur Candidate 
fur das Consulat in einem c. publicum, Ascon. 
in or. in toga cand. p. 80. Mo mm sen St.-E. I 
481,3. Beziiglich des zersterten Hauses Ciceros vgl. 
die Stelle superfieiem aedium consides de c. sen- 
tentia aestimarunt sestertio vieies, Cic. ad Att. 
IV 2, 5. Im Streite zwischen Pergamon und den 
rfimischen publicani sprach 632 = 122 in Rom 
ein Consul (oder Praetor) Recht im Auftrage des 
Senates mit einem C. (fisra ovupovklov) von wenig- 
stens 30 senatorischen und nichtsenatorischen Mit- 
gliedern, Ephem. epigr. IV p. 213. Euggiero 
L'arbitrato pubblico 300f. Bei der Untersuchung 
wegen ungerecbter Steuererhebung der Publicani be- 
treffs Oropos im J. 680 = 74 batten die Consuln, 
denen der Senat die Entscheidung iibertrug, ein C. 
von 15 Senatoren. Das Urteil, dessen Bestatigung 
■der Senat sich vorbehalten, erfolgt de e. sententia 
{and ovvfiovMov yvu>(it]q, vgl. iv r<jj ovfiflovXiq) 
xaoijoav), B runs Pontes p. 162. MommsenHerm. 
XX 268. 278; St.-R. II 109. Ruggiero a. a. 
O. 313f. Als C. darf man aucb fassen die zehn 
Legaten, welche der Senat dem Consul beigab, am 
die Streitfrage zwiscben Reate und Interamna Na- 
hars wegen des Yelinersees im J. 700 = 54 beizu- 
legen, Cic. ad Att. IV 15, 5; pro Scauro 27. Rug- 
giero a. a. O. 323. tfber andere solche Se- 
natscommissionen , die nicht ein C. in dem bier 
zu behandelnden Sinne bilden, da dem Beamten 
obliegt, der Urteilsfallung dieser Senatsboten zu 
folgen, s. den Art. Legatus UDd Mommsen St.- 
R. II 675ff. 692ff. Die Rechtsprechung der Consuln 
vollzog sich ebenfalls unter Zuziehung eines C, 
so als sie im J. 616 = 138 den Briganten des 
Silawaldes den Process machten, Cic. Brut. 86 
{de e. smtentw promintiavissent) , und beim Ver- 
fahren gegen die Anhanger des Ti. Gracchus im 
J. 622 = 132, Cic. de amic. 36. Val. Mas. IV 

7, 1- . 

Hier sei auch des Kriegsrates gedacht, den 
der Feldherr (Consul, Proconsul, Praetor, Pro- 
praetor) zwar nicht obligatorisch, aber gewohn- 
lich berief (Liv. IX 2, 15 in e. advoeare, XLIV 
2, 4 eonvoeare, vgl. 2, 37 advoeare; bei Poly- 
bius ovvedoior), wozu Senatoren der Begleitung 
(Sallust. lug. 62, 4. 104, 1. Cass. Dio XLII 43. 
Plut. Cat. min. 59), vor allem aber alle Kriegs- 
tribunen (Polyb. I 14, 3; owayayow xovg yiki- 
■oqxov? I 49, 3. m 41, 8. VIH 9, 5. XI 25, 8. 
XX 10, 10), diu exitcn Centurionen (Pol) I. YI 
24, 2. Caes. b. G. V 28 : centuriones primorum 
trrdinum), ausnahmsweise sogar alle Centurionen 
(Caes. b. G. I 40), spateT auch alle Legaten (welche 
Livius dabei schon in fruherer Zeit erwahnt, 
Mommsen St.-R. I 316) versammelt werden. 
Auch beim Kriegsgericht wird ein O. hinzuge- 
zogen, Liv. XXIX 20, 5. 21,8. Mommsen a. a. 
O. Ill 1249 ; Strafrecht 33. 



Pompeius machte von seiner Vollmacht, in 
Spanien das Biirgerrecht zu verleihen, nach Be- 
sprechung mit einem C. Gebrauch, Cic. pro Balb. 8. 
b) C. der Statthalter. Ebenso haben diese in 
Fragen der Verwaltung und Justiz (Mommsen 
Strafrecht 239, 3) vielfach einen Beirat befragt, 
indem sie Sachverstandige aus ihrem Gefolge (vgl. 
den Process des Sopater, Cic. Verr. II 70ff. , und 
den wertvollen achten Brief Frontos an Pius), 
10 namentlich Senatoren oder sonst anwesende Burger 
zum C. beriefen. Erwahnungen desselben sind 
nicht selten, so ovvfiovfoov des Proconsuls im 
J. 610 = 144, CIG 1543, vgl. Inschr. von Per- 
gamon II 254 ; nach einem Decret des Proconsuls 
von Sardinien im J. 69 in c. fuerunt acht Per- 
sonen, zuerst der Legat und Quaestor, CIL X 
7852. Mommsen Herm. II 102ff.; ferner Joseph. 
c. Apion. II 18. Ammian. XXHI 6, 82. Dig. I 
22, 1. n 2, 2. 
20 c) C. des Praetor. Dass der Praetor bei dem 
Verfahren m iure ein fSrmliches C. hinzugezogen 
habe, bezweifelt mit Recht Mommsen St.-R. 
I 310, 1. Vielfach bezeugt ist das C. beim regel- 
massigen Civilprocess , Mommsen a. a. 0. 314. 
Hinsichtlich der quaestiones extraordinariae ist 
bekannt, dass beispielsweise der Praetor M. Pom- 
ponius im J. 550 = 204 die Untersuchung gegen 
Pleminius unter Zuziehung eines C. von zehn sena- 
torischen Legaten, zwei Volkstribunen und eines 
30 Aedilen zu fiihren hatte, Liv. XXIX 20, 4. 21, 8. 
In ahnlicher Weise bekam der Praetor urbanus L. 
Cornelius Lentulus im J. 556 = 198 zur Bestrafung 
der am Sclavenaufstand in Latium Schuldigen fiinf 
Legaten beigeordnet, Liv. XXXII 26, 11. Die Be- 
deutung des Geschworenengericbtes als C. des 
richtenden Beamten im weitern Sinne (so Lex Acilia 
repet. CIL I 198 Z. 57: de c. maioris partis 
sententia, Z. 60. 71 u. 0. vgl. Cic. Rose. Amer. 
151: hoe quod maiores e. publicum vocari vo- 
id luerunt ; pro Caec. 29 ; in Verr. I 30) hat neuer- 
dings Mommsen Strafrecht 213ff. (vgl. St.-R. 
I 313. II 223. 582) ins Licht gesetzt, auf dessen 
Ausfuhrungen sowie auf den Art. Iudex des Nahern 
verwiesen sei. Hier mussen wir uns auf wenige 
Bemerkungen beschranken. 

Beziiglich der Auswahl der Mitglieder enthalt 
das genannte Repetundengesetz Normen Z. 20 — 22, 
z. B. dass weder Verwandte des Angeklagten noch 
seine sodales noch Vereinsgenossen (qui in eodem 
50 eollegio siet) als solche zugelassen sind. Die 
Geschworenen kann nur eine vom C. zu priifende 
Entschuldigung vom Erscheinen befreien (Tac. 
Dial. 5. Cic. Phil. V 14), andernfalls erfolgt Be- 
strafung — suprema multa, Lex Ac. repet. Z. 45 
— , noch unter Traian erwahnt, Plin. ep. V 9, 
7. Die Zusammensetzung dieses C. in jedem ein- 
zelnen Falle erfolgte auf Grand des grossen Yer- 
zeichnisses aller in Betracht kommender Pers6n- 
lichkeiten, und zwar durch Losung (sortitio) oder 
60 iiiJciii der Angeklagte zunicliot die bei dcin bgLwc- 
benden Process ungeeigneten Personen namhaft 
macht, dann der Anklager seiner Ansicht nach 
passende auswahlt, von welchen der Angeklagte 
wiederum die Halfte ablehnen kann (editio). Die 
Einzelbeiten s. im Art. Iudex. Die Losung ist 
die alteste Form, uns naher bekannt bei den sena- 
torischen Gerichten, welche zu diesem Zwecke 
wohl eine Decurie ausgelost hatten, Cic. Verr. I 



921 



Consilium 



Consistere 



922 



16. Ill 28, vgl. pro Cluentio 103. tlber die Lex 
Pompeia vom J. 702 = 52, welche Asconius in 
Milon, p. 31ff. erlautert, Mommsen Strafrecht 
199. 216. Jede Partei konnte einen Teil solcher 
Beisitzer ablehnen; s. den Art. Reiectio. Dem 
Angeklagten stand das durch ein sullanisches 
Gesetz deutlicher begrenzte Recht zu (Cic. Verr. 

II 77), eine Anzahl Mitglieder des C. namhaft 
zu machen (Cic. Verr. 1 18), von den weitern eine 
Anzahl abzulehnen — ein nicht senatorischer An- 
geklagter allerdings nur drei. Von dem Rest 
lehnt der Anklager dann so viele ab, bis die fur 
den Process normierte Stimmenzahl verbleibt. Die 
Lex Vatinia (s. d.) de alternis consiliis reieiemdis 
(Cic. in Vat. 27 ; pro Plane. 36. Schol. Bob. p. 321. 
285) vom J. 695 = 59 gestattet, wenn eine Partei 
Zuriickweisung geubt, der andem das ganze C. 
zu verwerfen, Willems Droit publics 316. Lange 

III 283. ZumptCriminalrechtII2, 280ff. Falls 
vor Beendigung des Processes ein Mitglied des 
C. an der weiteren Teilnahme verhindert wird, 
erfolgt Ersatz bei dem senatorischen C. durch 
subsortitio aus einer andern Decurie. Nachweise 
bei Mommsen Strafrecht 217, wo weiterhin auch 
hinsichtlich der Zahl von Beisitzern Stellen an- 
gefuhrt sind. Die Formen solcher Processe sind 
hier nicht zu erlautern. Vgl. besonders den Art. 
Quaestiones perpetuae. 

d) C. der Censoren, bei der Schatzung heran- 
gezogen, erwahnt Varro 1. 1. VI 87: praetores 
tribunique plebis quique in c. voeati sunt. 

e) C. der Aedilen ist nur belegt durch Iuven. 
sat. Ill 162: quando in eonsilio est aedilibus 
und dem Zwecke nach nicht bestimmbar. 

f ) C. des Praefectus urbi bei seiner Strafrechts- 
pflege bezeugt die Inschrift aus dem 3. Jhdt. CIL 
XI 6337 (Pisaurum): Ti. Claudia Zenonfi) VI- 
piano v(iro) efpregiq) : . . adiut(ori) a[d c]ens(us), 
ex sacra iussione adhibit(b) in consilfium) prae- 
fleetorumj praetforio) item urb(i) — vgl. Plin. 
ep. VI 11, 1. Appul. apol. 2. 3 ein c. constda- 
rium virorum im Process wegen Testaments- 
falschung — zugleich Beleg fur das 

g) C. des Praefectus praetorio, Mommsen 
Strafrecht 274. 

b) C. des Praefectus vigilum. In der bekann- 
ten inschrift des Fullonenprocesses aus den J. 
226/244 n. Chr. (C. VI 266 = Bruns Fontes 
p. 328, vgl. Liebenam Vereinswesen 239ff. 
Mommsen St.-R. II 1058), sind drei Entschei- 
dungen der verschiedenen Praefecti vigilum an- 
gefahrt, Z. 23 mit dem Vermerk : B[est]it[utia]nus 
e(um) c(onsilioj efollocutusj dfixiij. 

i) C. des Subpraefectus classis ist ganz ausser- 
gewOhnlich, CEL X 3334 (Misenum): D. Alfenius 
Seneeio subpraef. classis prfaetoriaej Mis. e(um) 
c(onsilio) efollocutusj dixit . . . 

k) C. der Decemviri agris dandis adsignandis. 
Dass solche Specialcommissionen zur Entscheidung 
uber Bodencigentum ein C. herbeizogen, darf man 
aus Ciceros Bemerkung de lege agr. II 33 schliessen, 
dass die Decemviri des Servilius Rullus eognitio 
sine eonsilio hatten. 

1) C. des Curator rei publicae, Dig. I 22, 6. 
Vgl. Liebenam Philol. LVI 310 und den Art. 
Curator (rei publieae). 

Eine Art Beirat bilden endlich, wie noch an- 
gemerkt sein mag, die wenn auch selten bei der 



speetio des Magistrats aufgeforderten Auguren 
(Liv. IV 18. Cic. de leg. II 20), welche iibrigens- 
auch selbst bei Beobachtung der heiligen Brauche 
andere Personen hinzuziehen, Cic. a. a. O. HI 43. 
Mommsen St.-R. I 106. 312. 

Das C. der Beamten gewinnt seine folgerich- 
tige Entwicklung im C. des Princeps und gelangt. 
hier nicht allein zu bestimmten Formen, deren 
Ausbildung sich in wesentlichen Ziigen durch die 

10 Jahrhunderte verfolgen lassen, sondern auch zu 
massgebender Bedeutung. S. den Art. Consi- 
storium. 

Consilium in Landstadten. Unter den 
mannigfachen Bezeichnungen des Gemeinderates. 
(s. den Art. Ordo) findet sich auch der Name C, 
CIL XI 3614 (Caere): desideranti a nobis . - 
eonsUiwm decurion(um) coegimus . . Ferner wird 
analog den Bestimmungen des oben erwahnten 
aelisch-sextischen Gesetzes in der Lex Salpensana. 

20 c. 28 verordnet: [d]um is qui minor XX am- 
rwrum erit ita manumittat, si eausam manu- 
mittendi iusta[m] esse is numerus decurionum r 
per quern deereta h(ac) Ifege) facta rata sunt r 
censuerit, Mommsen Stadtrechte von Salp. und. 
Malaca 413. 

Des weitern fnngieren in der vielerOrterten 
puteolanischen Verdingungsurkunde zeitige und 
gewesene Ratsherren als C., CIL X 1781: arbi- 
tratu duovir(um) et duovira[l]ium _ qui in eo- 

30 eonsilio esse solent Puteoleis, dum ni minus vi~ 
ginti adsient, cum ea res consuletur, zweifellos- 
analog dem bei Abnahme staatlicher Bauten fib- 
lichen Brauche, Mommsen St.-R. I 315. 317- 
Liebenam Stadteverwaltung 388. 

Litteratur: Mommsen St.-R. I 307ff.; Straf- 
recht 25. 138. 149. 213ff. 442. 449. Madvig 
St.-V. H 305. 519 u. 6\ Lange R.-A. I 113. 
235. 313. 392. II 427 u. 5. Herzog St.-V. I 65- 
619. n 176. 259. 489. 756. Karlowa R.-G. I 

40190ff. Humbert in Daremberg-Saglio Diet. 
I 1451ff. Ruggiero Dizionario II 609ff. 

S Liebenam.] 
„.„ , er Bedeutung 

.Halt machen, sich aufhalten' (Cic. in Verr. V 28 
ex iis oppidis in quibus consistere praetores et 
conventum agere soleant ; pro Flacco 50), in der 
Rechtssprache der Terminus technicus zui Be- 
zeichnung des factischen Aufenthalts einer ein- 
zelnen Person (CIL XIII 1972. centonarius Lu- 

50 gfuduni) consistens 1978. 2669 civis Trever . . - 
in Aeduis consistens) odeT einer Gruppe von Per- 
sonen (corporativ vereinigt in eonvenlns oder col- 
legia, daruber unten), die an dem betreffenden 
Orte nicht rechtlich zu Hause sind, daselbst nicht 
ihre origo haben. 1) Auf eine Stadtgemeinde 
(oder die dieser gleichgestellte gallische Volks- 
gemeinde) bezogen, umfasst das Wort also alle 
nach dem ius domicilii irgendwo sesshaften, d. h. 
alle incolae der Gemeinde, welche gerade so wie 

go i\\p cir«s zur Pbprnahme der stadtischen honores 
und munera verpflichtet waren (E. Euhn Die 
stadtische u. burgeri. Verf. d. rOm. Reichs I 9) r 
und daruber hinaus auch alle die, welche ohne 
an dem betreffenden Ort das ius domicilii zu be- 
sitzen, nur eine Geschaftsstelle haben, wo sie 
Handel treiben, ein Verhaltnis, das nur den Ort- 
lichen Gerichtsstand bedingt, Ulp. Dig. V 1, 19 
§ 2 : at si quo eonstitit, non dico iure domicilii T 



923 



Consistere 



Consistere 



924 



sed taberntdam, pergulam, horrmm, armarium, 
officinam eonduxit ibique distraxit, egit, defen- 
ders se eo loco debebit; vgl. OIL VIII 9250 Rus- 
guniemcs et Rusguniis consistentes. Der Kreis 
der consistentes ist also streng genommen etwas 
grosser als der der incolae, da zur Begrimdung 
•des Incolats das domicilium erforderlich ist, wah- 
rend die als c. bezeichnete factische Ortsange- 
hCrigkeit auch sine iure domicilii stattfinden 
kann, etwa so, dass die betreffenden Geschafts- 
inhaber ihr Geschaft in der Weise betreiben, dass 
sie ihre Beauftragten ab- und zugehend beauf- 
sichtigen (Mommsen Herrn. VII 310, 4). Mit 
■eonsistmtes oder qui eonsistunt werden daher 
gleichbedeutend gebraucht Ausdriicke wie nego- 
tiants oder qui negotiantur, vgl. CIL II 1183 
scapharii (namlich Bispalenses ebd. 1180) qui 
Romulfae) eonsistfunt) mit ebd. 1168 und 1169 
*caphari qui Romulae negotiantur , ebenso wie 
mit dem entsprechenden griechischen Terminus 
xaroixovvzeg Ausdriicke wie ngay/iazevdfievoi, avfi- 
jiQayfiaTsvopevot, egya£6/xsvoi (Kornemann De 
civibus Eomanis in prov. imp. consistentibus 98ff.). 
Der weniger strenge, offenbar spatere Sprachge- 
T)rauch setzt incolae und consistentes auch manch- 
mal gleich (Fragm. Vatic. 232. 247. Cod. Theod. 
IHI 4, 4 [374], wo es von den picturae professores 
lieisst : arbitrium habeant eonsistendi in eivitate, 
quam elegerint; vgl. die Glosse eonsistit: incolit, 
Gctz , Corp. gloss, lat. IV 323), etwas, was S chul- 
ten (De conventibus civinm Romanorum 102ff.) 
falschlichzurRegelmacht. Wievonden mcolaesini 
auch von den consistentes alle nur voriibergehend 
in einer Stadt anwesenden, alle in Herbergen ab- 
und zugehenden Personen {advenae, adventores, 
hospites, vgl. Cic. in Verr. IV 130. CIL IX 2652. 
5074.5075. Orelli 2287. CIL XIV 2978. 2979, 
auch peregrini [griech, f«Vo«] genannt, CIL V 
376) ausgeschlossen. 2) Es kann aber c. auch 
auf eine Ortlichkeit bezogen werden, mit welcher 
•die Gemeindeangehflrigkeit iiberhaupt nicht ver- 
bunden sein kann , wie auf den Versammlungs- 
platz, welcher in der spateren Latinitat selbst 
consistorium genannt wird, oder auf einen vicus 
oder sonst eine nichtstadtische Gemeinde. In letz- 
teren kann man wohl incola sein oder eonsistieren, 
aber man kann nicht civis sein, so z. B. in den 
einzelnen Ortschaften der nicht rechtlich an eine 
•einzelne Stadt geknflpften gallischen civitas oder 
Volksgemeinde , wie Mommsen (Herm. XVI 
479ff.) an dem Gegensatz der incolae Aventi- 
censes zu den cives Helvetii vorzftglich nachge- 
wiesen hat. 

Beide Anwendungsarten dea Wortes c. finden 
sich hanfig bei den Yerbanden romischer Burger 
in den Provinzen (vgl. Art. Conventus), sowie 
bei den Vereinen uberhaupt (vgl. Art. Colle- 
gium). Die unter 1) aufgefQhrte Verwendung 
begegnet bei all den Burgerconventen, deren Mit- 
glicJcr in einer latinisehen odei percgrinischon 
Stadtgemeinde wohnten; als Beispiele aus dem 
im Artikel Conventus vollstandig zusammen- 
gestellten Material seien angefuhrt: Ephem. epigr. 
VII p. 425 nr. 5 c(ives) Rfomani) q(ui) G(or- 
tynae) cfonsistunt). CIL III Suppl. 7061 cfives) 
Rfomani) qui Cyzici [eonsistunt] et Oyxifceni] ; 
die andere Anwendung bei Ortlichkeiten ohne 
Stadtrecht bedingt die sog. dorflichen oder vi- 



canen Convente, vgl. CIL III Suppl. 10305 (aus 
Vetussalinae). 7533 (AnadolkiSi bei Tomi, vgl. 
7536). Caes. bell. gall. VII 3, 1 cives Romani, qui 
tiegotiandi causa ibi (in Cenabum) constiterant, 
gerade so von Cabillonum ebd. VII 42, vgl. CDL 
III 5212 cives Romani in Raetia consistentes^ 
hieher gehoren auch alle canabensiachen Convente, 
deren Mitglieder sich bezeichnen als cives Ro- 
mani (auch veterani et c. R.) consistentes ad le- 

10 gfionem) u. s. w. oder mit Angabe des vieus 
zum Beispiel Troesini consistentes (vgl. Artikel 
Canabae). Synonym damit werden gebraucht 
hahitare (CIL VIII Suppl. 15775 conventus 
civium Romanorum et Numidarum, Qui Mas- 
cululae kahitant) und incolere: Sail. lug. 47, 
1. Hirtius bell. Alex. 43, 2. 

Ebenso steht c. bei Vereinen in zwiefacher 
Anwendung: 

1) von stadtischen Collegien, und zwar a) wenn 

20 der Versammlungsplatz bezeichnet wird, wo die Ge- 
samtheit zeitweise sich aufhalt, so in stadtromischen 
Inschriften: CIL VI 7458 collegium cocorum 
Augfusti) n(ostri) quod eonsistit in Palatio (vgl. 
aber ebd. Z. llf. : corpori, qui sunt in hac sta- 
tionem). Ebd. 404 collegium sanctissimum, quod 
eonsistit in praedifijs Larci Maeedonis in cu- 
ria. Ebd. 9404 coll. fabrum . . . , qui eonsistunt 
in seola sub theatro Aug. Pompeiano. Festus 
p. 333 M. in Aventino aedis Minervae, in qua 

30 liceret scribis histrionibmque consistere ac dona 
ponere, abwechselnd mit esse: CIL VI 10251a 
collegium numinis dominorum quod est sup 
templo Divi Claudi. Ebd. 9148. 9149. 10261. 
10262. 10264: collegium quod est in domu Ser- 
giae Paullinae, vgl. CIL XII 4449 aus Narbo, 
oder in Inschriften von Lyon : negotiatores vinarii 
Ijuguduni in kanabfis) consist fentes) CIL XIII 
1954. VI 29722, wofur allerdings auch abge- 
kttrzt steht negotiatores vinari Lw)ud(uni) con- 

iOsistentes CIL Xm 1911, vgl. 2033. Ahnlich 
wie hier steht c. in der Inschrift Westd. Ztschr. 
X (1891) Korr. Bl. 102ff. aus Bitburg: In h. d. d. 
num. Augg. fara[va]rem exaedificaverunt stw im- 
pendio iuniores vici hie cos[i]stentes loeo sibi 
cfonjeesso u. s. w. ; b) wenn die Angehorigen des 
betreffenden Collegium nicht cives. sondern nur in- 
colae der Stadt oder Volksgemeinde, und zwar alle 
oder zum grOssten Teil sind, so bei einer Anzahl von 
Gilden in Lyon: CIL XIII 1688. 1709 patronus 

50 Cond[eat]ium i[tem A]r[ec]ariorum Lugudfuni) 
consistentium. 1954 ein VI trir utr[i]clar(iorum) 
fabror(um) hugud(uni) consistentium. 1985 cor- 
pus utriclariorum Luguduni cosistentium, , die- 
selben sind erwahnt 1998. 2009. 2023. 2039 (bier 
ein civis Lugud. incorporatus inter utrielarios 
Lug. consistentes). 1960. CIL XII 1742; weiter 
CIL XIII 1961. 1972: centonarii LugfuduniJ 
consistentes. 1752: dendrophori Ijuguduni con- 
sistentes, vgl. auch 1978: D. M. et memoriae 

SO acicmac Apricli Pri-ciaiii consis'enfis Lujftt- 
duni pertinentis ad collegium fabror(wm). 1939 
ein corporatus inter fabros tign(uarios) Lugfu- 
duni) consist/entesj, ebenso 1966. 1967 ; dagegen 
fabri tignuarii Lugudfuni) 2029 und 2036 ; also 
neben den Collegien der fabri, centonarii, den- 
drophori, welche im Dienste des stadtischen 
Feuerloschwesens herangezogen wurden (vgl. o. S. 
398ff.), vor allem Schiffergilden, deren vielleicht 



925 



Consistere 



Consistorium 



926 



vom concilium trium Oalliarwm verliehene 
Concessionen wohl nicht allein auf das Territo- 
rium von Lyon sich erstreckten (O. Hirschfeld 
CIL XIII p. 230, s. o. S. 815), so dass infolge 
•davon Leute aus ganz Gallien in ihnen vereinigt 
waren. Weiter geh6ren hierher CIL X 1634: 
cultores lovis Heliopolitani Berytenses, qui Pu- 
teolis eonsistunt. CLL III 860 Galatae consi- 
stentes mumcipio (Napoca), welche gleichwie das 



steht es mit den oben schon angefiihrten opi- 
fices hrieari qui in Aeduis eonsistunt et vico 
Brivae Sugnutiae respondent (CIL XIII 2828); 
diese werden als in der civitas consistierend be- 
zeichnet, weil die Mitglieder der Gilde nicht cives 
Aedui sind ; innerhalb der cwitas Aeduorum aber 
hatte der Verein dieser Nicht-Aeduer seinen Sitz 
in dem vicus Briva Sugnutia (Breves), was auch 
durch eonsistunt hatte ausgedrfiekt werden kOnnen 



collegium Qalatarum (ebd. 1394 aus Germisara) 10 (fur das angewandte respondent sei verwiesen 



und die Asiani (870 ebenfalls aus Napoca) zu 
den von Traian ins Land gebrachten Colonisten 
(Eutrop. VIII 6) gehorten (Henzen Bull. d. Inst. 
1848, 129. Mommsen CIL III p. 169), endlicb 
auch die scapharii Romulfae) consist (entes) CIL 
II 1183 (vgl. 1168. 1169 scaphari, qui Romulae 
negotiantur), die, wie die Inschrift ebd. 1180 
(scapharii Hispalenses) zeigt, cives von Hispalis 
waren, falls die im Artikel Coloniae o. S. 527 



auf Ulp. Dig. L 1, 30 cui reipublicae vieus ille 
respondet). "Vgl. im ubrigen Th. Mommsen 
Herm. VII (1873) 309ff. und Westd. Ztschr. VLU 
(1889) Korr.-Bl. 19ff.; an letzterer Stelle gegen 
die vollkommen verfehlten Ausfuhrungen von Mane 
Philol. XLVn (1888) 487ff. ; vgl. Westd. Ztschr. 
a. a. O. 103f. [Kornemann.] 

Consistorium j griechisch -frsiov owi&giov 
(Haenel Corpus legum 253). Wahrend sonst 



nr. 83 gegebene Erklarung richtig ist (anders in 20 jeder rSmische Beamte das Eecht besass, die Mit- 



Art. Collegium o. S. 414). Ein Beispiel eines 
Collegiums dieser Art aus einer Volksgemeinde 
sind die opifices loricari qui in Aeduis consi- 
stent) et vico Brivae Sugnutiae respondent (CDL 
XIII 2828, dariiber s. u.). 

2) Von Collegien, die sich in einer nicht mit 
Stadtrecht ausgestatteten Ortschaft befinden, wo 
rechtlich ein Collegium fur sich nicht bestehen 
kann; das kann geschehen: a) wenn ein stadti- 



glieder des Consilium (s. d.), nach dessen Mehrheits- 
entscheidung er seine Spruche fallte, nach eigenem 
Ermessen zu wahlen, hat Augustus fur sich auf 
diese Preiheit verzichtet. Er wollte den Senat 
zu seine m Mitregenten machen und stellte des- 
halb auch die Thatigkeit seines geheimen Bates 
unter dessen Aufsicht , indem er ihn nicht aus 
beliebig gewahlten Vertrauensmannern zusammen- 
setzte, sondern eine Senatscommission dazu machte, 



sches Collegium ausserhalb der eigentliehen Stadt 30 deren Mitglieder durch den Zufall bestimmt wur- 



in einem Dorf oder Flecken des Stadtterritoriums 
eine Piliale hat, CIL V 4017 collfegium) nfau- 
tarum) Vferonensvum) Afrelieiae) (an der Siid- 
spitze des Gardasees) consist fentium). Ebd, 7357 
eollegifum) centonarfiorum) Placentfinorum) con- 
sistentfium) Clastidi. CIL III 4779 iuventutis 
Manliensium gentiles qui eonsistunt in Manlia 
(auf dem Gebiet von Yirunum) ; b) in alien gallischen 
und gennanischen civitates, wo die Collegien reeht- 



den. Zu diesem Zwecke liess er jedes halbe Jahr 
15 Senatoren auslosen, denen er die jeweiligen 
Consuln und je einen Vertreter der niedrigeren 
Amtsstufen binzuftigte. Sie pflegten ihm als Bei- 
sitzer zu dienen, wenn er Eecht sprach, und seine 
sonstigen Beschliisse zu begutachten, von denen 
iibrigens die wichtigeren noch an den Gesamt- 
senat zur endgiiltigen Entscheidung gingen {Cass. 
Dio Lin 21, 4. 5. Suet. Aug. 35). Gleichwohl 



lich der gesamten Volksgemeinde angehoren, that- 40 gait jener Rat als staatsrechtliche Institution, 



sachlich aber sowohl im Vorort, wie auch in anderen 
vici der civitas consistieren. Am deutlichsten lasst 
sich dies Verhaltnis klar machen an den hastiferi 
der civitas Mattiacorum : das collegium heisst ha- 
stiferi civitatis Mattiacorum (Brambach CIRh 
1336 ; damit vergleiche man die salinatores civitatis 
Menapiorum CIL XI 390, ebenso civitatis Mo- 
rinorum ebd. 391, die nautae Parisiaci CDL XLU 
3026), ein in Castel vorbandenes Corps dieser 



wie daraus hervorgeht, dass der Kaiser sich in 
seinen Edicten auf den Spruch desselben zu be- 
rufen pflegte (Josepn. ant. Iud. XVI 163: edoge 
fioi xai iq> if*<j) ovpflovMci} pera ogxaifiooias). 
Auch wurden die Sitzungen gleich denen des 
Senates selbst an geweihtem Ort, namlich im 
palatinischen Apollontempel gehalten (Joseph, ant. 
Iud. XVII 301; bell. Iud. II 81). Als spater 
Augustus wegen seines hohen Alters nicht mehr 



Korperschaften heisst hastiferi sive pastores eonsi- 50 oft im Senat erscheinen konnte, verlieh ihm dieser 



stentes kastello Mattiacorum (Mommsen Westd. 
Ztschr. VIII Korr.-Bl. 24ff., vgl. 50ff.). Wie es in 
der Volksgemeinde derHelvetier keine cites Avert- 
ticenses, sondern nur incolae Aventieenses giebt 
(s. o.), so auch in der civitas Segusiarorum nur 
fabri tignuarfii) qui Foro Segusfiavorum) eon- 
sistunt (CDL XHI 1640J oder in der cititas Hae- 
duorum ein collegium fab]r[u]m Au[gus]todu[ni 
c]onsis[tent]ium (ebd. 2678), in der civitas Lin- 



das Recht, dass alles, was die Mehrheit jener 
Commission unter seinem Vorsitz beschliessen 
werde, als Senatusconsult gelten solle. Zugleich 
wurde auch die Dauer ihrer Thatigkeit auf ein 
ganzes Jahr verlangert, nnd ihre Zusammensetzung 
erfuhr eine kleine Veranderung. Sie sollte kunftig 
aus zwanzig erlosten Mitgliedem bestehen, denen 
die kaiserlichen Prinzen (Joseph, bell. Iud. II 25) 
und neben den fungierenden auch die designier- 



qnwim- fnhri ferrari Dibiom consistentes (Orelli 60 ten Consuln hinzutraten, wahrend die niedrigeren 



4083) oder lapidari pag(o) Andomo cofnjsisten- 
tes (P. Lejay Inscr. de C6te d - Or 239 nr. 294), 
in der civitas Trererorum arenarifi) consisten- 
tfes) col(onia) Augfusta) Tre (ver&rum) (Brambach 
CIRh. 770, fiber diese ,Colonie' vgl. Art, Coloniae, 
o. S. 543f.), in der civitas Tungrorum [civejs 
Tungri nautae, qui Fectone eonsistunt (Hettner 
Westd. Ztschr. II 1883, 430f,), Etwas anders 



Beamten, soweit sie nicht durch das Los Zutritt 
erhielten, jetzt wegfielen. Wichtiger war, dass 
Augustus die Befugnis in Anspruch nahm, zu je- 
der Sitzung ausserordentUche Teilnehmer in be- 
liebiger Zahl heranziehen, die dann gleichfalls 
das voile Stimmrecht ausiiben sollten (Cass. Dio 
LVI 28, 2. 3). So erhielt er die MOglichkeit, 
zwar nicht sein Consilium frei zu bilden, wohl 



927 



Consistorium 



Consistorium 



928 



aber die Majoritat desselben in jedem einzelnen lehrten Cocceius Nerva als einzigen Senator in 

Palle nach Bediirfnis zu bestimmen. seiner Umgebung (Tae. ann. IV 58. VI 26), und 

Tiberius ging teilweise auf die Ubung des im Consilium des Domitian erscheint Pegasus 

Augustus zuruck (Cass. Dio LVII 7,2), fiigte (Iuven. IV 77). Und dass der Senat sie gehilligt 

aber manche Neuerungen hinzu. Aueh er erbat babe, bedeutet nichts weiter, als dass Hadrian 

aich vom Senat zwanzig Berater , aber da diese nur solche Personen wahlte, von denen er wusste, 

e numero principum oivitatis waren, konnen sie dass sie den Senatoren nicht verhasst waren, falls 

nicht durch das Los bestimmt, sondern nur aus es nicht eine von den vielen Schwindeleien der 

freierWahl des Senats hervorgegangen sein; aueh Scriptores Historiae Augustae ist. Denn an eine 
scheinen sie nicht jahrlich gewechselt , sondern 10 Wahl oder Bestatigung durch den Senat kann 

ihre Stellung lebenslanglich behalten zu haben. nicht gedacht werden, weil die Zusammensetzung 

Ihnen fugte er seine persflnlichen Freunde und des Consilium noch bis auf Diocletian herab 

Vertrauten nicht nur, wie Augustus, durch ausser- keine feste war (Lact. a. 0.). 

ordentliche Berufung, sondern als standige Bei- Aueh wenn der Kaiser sich ausserhalb Roms 

sitzer hinzu, darunter aueh Ritter, wie den Garde- befand, pflegte sein Gefolge gross genug zu sein, 

praefecten Aelius Seianus (Suet. Tib. 55). tJbri- um einen Wechsel in den Personen des Consilium 

gens vrarde nicht immer der ganze Kronrat be- zu gestatten. Doch gehorte wohl in diesem Falle 

rufen , sondern mitunter traf der Kaiser eine ein Mann ihm ganz regelmassig an ; das war der 

engere Auswahl aus ihm (Tac. ann. Ill 10). Als Comes Augusti, der dem Adsessor der iibrigen 
dann Tiberius nach Capri ging, liess er sein Con- 20 Magistrate entsprach und den juristischen Rat- 

silium in Rom zuruck (Tac. ann. IV 58), und geber des Kaisers darstellte. Innerhalb Roms 

wahrend seiner elfjahrigen Abwesenheit kam es brauchte man sich an keinen bestimmten Rechts- 

ganz in Vergessenheit. Claudius erneuerte es gelehrten zu binden, weil man hier far jeden ein- 

zwar nach den alten Grundsatzen (Cass. Dio LX zelnen Fall reiche Auswahl hatte. Auf der Reise 

4, 3), doch unter dem Lotterregiment seines Nach- dagegen konnte man nicht darauf rechnen, iiberall 

folgers wird es sich kaum erhalten haben. So eine passende PersOnlichkeit zu finden ; der Kaiser 

war denn die ganze Institution zu kurzlebig und musste sie daher aus der Hauptstadt mitnehmen, 

zu lange unterbrochen, als dass sich aueh nur ein wodurch unter Claudius das Amt des Kronjuris- 

besonderer Name dafiir hatte ausbilden konnen; ten oder comes Augusti entstand. Er fungierte 
wo davon die Rede ist, wird sie einfach consilium 30 aber nur ausserhalb Roms, und zwar befand sich 

(ovfiflovXtor, awiSQtor) genannt , wie der Beirat im Reisegefolge regelmassig wohl nur ein soleher 

jedes beliebigen Magistrats. Beamter (s. Comites o. S. 626). 

Aueh in der folgenden Zeit ist der Kronrat Als durch Marcus die Comites vermehrt und 

keine standig organisierte Korperschaft gewesen, zugleich aus juristischen Beratern zum Generalstabe 

sondern wenn der Kaiser Recht sprach oder sonst des Kaisers warden (s. Comites o. S. 627), tritt 

des Rates bedurfte, wahlte er, wie jeder andere an die Stelle des alten Comes-Adsessor ein Con- 

Beamte, in sein Consilium diejenigen Leute, die siliarius. Zuerst ist er bei Lucius Verus (161 

ihm fur den einzelnen Fall die geeignetsten schie- —172) nachweisbar, und zwar schon in den 

nen (Tac. ann XIV 62. Suet. Nero 15. CIL IX ersten Jahren des Kaisers. Denn die betreffende 
5420. Iuven. IV 72. Plin. epist. IV 22, 1. VI 40 Personlichkeit ist ein Sohn des Consuls von 112 

22, 2. 81, 1. Hist. Aug. HadT. 8, 9, 22, 11; und hat die Stellung noch vor der Praetur, also 

Alex. Sev. 16. Dig. XXXVII 14, 17. Cass. Dio kaum nach dem dreissigsten Jahre bekleidet (CIL 

LII 33, 3. LXIX 7, 1. Lact. de mort. pers. 11, VI 1518). Das Amt tritt also ganz gleichzeitig 

5). Wer ihm selbst persCnlich nahestand, wurde mit der Umwandlung der Comitiva auf und hangt 

naturlich in erster Linie berucksichtigt (Hist. zweifellos mit ihr zusammen. Sein Inhaber ist 

Aug. Pius 6, 11; Marcus 22, 3. 4). Die Auswahl ein junger Senator; doch ffihrt er noch keinen 

derjenigen, welche er in seine Uuigebung zog, fest ausgepragten Titel, sondern nennt sich in 

war daher bei jedem Kaiser von hoher politischer consilio imperatoris Gaesaris L. Veri Augusti. 

Bedeutung, und wenn sie sich unter der einen Jedenfalls kann hiermit keine gelegentliche Be- 
Regierung bewahrt hatten, wurden sie meist aueh 50 rufung in das Consilium , sondern nur eine feste 

unter den folgenden beibehalten (Suet. Tit. 7). Stellung innerhalb desselben gemeint sein. Aueh 

Aber die Zahl dieser sogenannten .Freunde' war spater wechselt der Titel oft; so heisst er ad- 

viel zu gross, als dass man sie jedesmal alle sumptus in consilium pig. XXVII 1, 30. Des- 

hatte zuRate Ziehen kOnnen ; bald kam der eine, sau 1455), Sovxtjvdgtog bei ovufiovUov xov 2s- 

bald der andere daran, je nach Laune und Be- fiaatov (Bull. hell. VII 1883, 16), consiliarius 

durfnis. Augustorum oder Augusti (Dessau 1423. 1455), 

Aus folgender Stelle hat man schliessen wollen, ovu^ovXog tov Scfiaoxov (CIG m 5895) oder 

dass Hadrian das Consilium neu organisiert habe: schlechtweg consiliarius (Dig. IV 4, 11 §2). Das 

Hist. Aug. Hadr. 18, 1 : cum iudicaret, in con- Amt scheint eben zu kurze Zeit gedauert zu haben, 
silio habuit non amieos suos aut comites solum, 60 um einen ganz festen Titel ausznbilden; denn nur 

xed turis consuttos, et praecipue lulium Celsum, unter Marcus (OIL VI 1518), Oommodus (Dessau 

Salvium lulianum, Naeratium Priscum alios- 1455) und Severus (Dig. IV 4, 11 § 2. XXVTI 

que, quos tamen senatus omnes probasset. Aber 1, 30; aueh Dessau 1423 durfte der procurator 

dass Juristen zugezogen wurden, war nichts Neues; ad bona damnatorum auf die Zeit hinweisen, wo 

wahTscheinlich war es aueh fruher jedesmal ge- die Gfiter des Pescennius Niger, des Clodius Al- 

schehen , wenn Rechtsfragen zur Beratung stan- binus und ihrer Anhanger eingezogen wurden) ist 

den. Zu diesem Zwecke behielt Tiberius, selbst es nachweisbar. Wahrscheinlich wurde es des- 

als er sich nach Capri zuriickzog, den Rechtsge- halb abgeschafffc, weil seit Severus fast immer die 



929 



Consistorium 



Consistorium 



930 



hervorragendsten Rechtslehrer zu Praefecti pnae- Unter Diocletian erhalt der kaiserliche Kronrat 

torio gemacht wurden und neben diesen ein be- zuerst den neuen Namen consistorium (Cod. lust, 

sonderer juristischer Ratgeber im Consilium des IX 47 , 12 ; nachstdem ist das alteste Zeugnis 

Kaisers iiberfliissig schien (vgl. Cod. lust. IX fur das Wort erst aus der Zeit des Constantius II. 

51, 1). Denn der Consiliarius ist immer Rechts- Dessau 1243). Augustus, der bemiiht gewesen 

gelehrter (Dig. XXVH 1, 30. IV 4, 11 § 2. Des- war, seine Gewalt in die Formen der republi- 

sau 1455; aueh CIL VI 1518 ist wohl iu[ris- canischen Magistratur zu kleiden, hatte aueh 

peritus] oder iu[reconsultus], nicht iu[ridieus] seinen Beirat, gleich dem aller andern Beamten, 

zu erganzen) ; mit Ausnahme des friihesten , der Consilium genannt. Dem gegeniiber strebte Dio- 
noch Senator ist, gehOren alle dem Ritterstande 10 cletian danach, den Kaiser durch seine Insignien 

an. Es finden sich bei ihnen die Gehaltsstufen und die neue Hofetikette moglichst von alien ge- 

des ducenarius (Bull. hell. VII 1883, 16), des meinen Sterhlichen zu sondern, und wahlte daher 

centenarius und des sexagenarius (Dessau 1455). fur den erlauchten Kreis, der seine .gOttlichen' 

Doch ist es nicht notig, dass alle drei neben Entschlusse beeinflussen durfte, aueh eine unter- 

einander vorhanden waren ; vielmehr weist die scheidende Benennung. Wer einen gewOhnlichen 

grosse Seltenheit der Inschriften, die Consiliarii Magistrat beriet, sass neben demselben; wenn 

nennen, darauf bin, dass immer nur einer am Hofe aueh nicht alle Mitglieder des Consilium adses- 

vorhanden war, der je nach Rang oder Verdienst sores hiessen, war doch das adsidere ihr gemein- 

dieser oder jener Gehaltsstufe zugeteilt sein konnte. sames Recht. Wer dem Kaiser nahte, der musste 
Wenn Papinian (Dig. XXVDI 1 , 30) von Consi- 20 nach diocletianischer Ordnung zuerst vor ihm 

larii in der Mehrzahl spricht, so kann er nach- niederfallen und den Saum seines Purpurgewandes 

einander fungierende damit meinen. Insofern kilssen (s. Bd. I S. 400, 48) und durfte aueh spater 

durfte also der Consiliarius vollkommen dem Si- nur stehend zu ihm reden. An die Stelle des 

teren Comes-Adsessor entsprechen ; doch ist er adsidere ist also hier das adstare getreten (Cod. 

darin von ihm verschieden, dass er nicht nur auf Theod. XI 39, 5. Cod. lust. X 48, 2. Ambros. 

der Reise , sondern immer und an jedem Orte, epist. 24, 3 = Migne L. 16, 1036). Mithin wurde 

also aueh in Rom, dem Herrscher zu Diensten der Beginn der Verhandlungen im kaiserlichen 

ist (Dig. IV 4, 11 § 2. XXVII 1, 30). Rate dadurch bezeicb.net, dass die Berufenen Auf- 

Seit der Beseitigung des Consiliarius besass stellung nahmen, und von diesem consistere er- 
das Consilium kein einziges festes Mitglied mehr, 30hielt die ganze Versammlung ihren Namen, weil 

und seine Auswahl fand wieder in vollem Umfange es gegeniiber den gemeinen Beamtenconsilia als 

fur jeden einzelnen Fall statt, wie dies vor Marcus unterscheidendes Merkmal gelten konnte. Das 

gewesen war." Denn wenn die Mutter des jungen Wort C. kommt vorher schon bei Tertullian vor 

Alexander SeveTus ihm 16 Senatoren zur Seite (de resurr. cam. 26 ; ad uxor, n 6) und bezeichnet 

stellte (Herod. VI 1, 2), so hatten diese eheT den hier den Ort , auf dem etwas steht. Spater be- 

Charakter eines Vormundschaftsrates , als eines nannte man damit in Privathausern ganz kleine 

Consilium. Zimmerchen, die nur zum Stehen, nicht zum 

Die Stellung des Consilium war im Princip Liegen oder Sitzen Raum boten (Apoll. Sid. epist. 

ganz dieselbe, wie bei den iibrigen Beamten (vgl. H 2, 13). Im 6. Jhdt. wird aueh das Gemach 
Cod. lust. VII 26, 6, wo die Formel Imp. Phi- 40 des Kaiserpalastes in dem die Beratungen des 

lippus Augustus cum consilio collocutus dixit Kronrats stattzufinden pfiegen, C. genannt (Cod. 

gebraucht wird, die ebenso bei alien rechtspre- lust. I 2, 22. 14, 12. II 55, 4 und sonst) ; vorher 

chenden Magistraten ublich war) , thatsachlich hiess man ihn sacrarium (zuerst 290 nachweisbar, 

aber erlangten seine Abstimmungen bei diesen Eumen. paneg. Ill 11; vgl. Cod. Theod. 1X40, 

entscheidende Kraft, wahrend sie beim Kaiser 11. XII 12, 8. 16. Gesta de recip. cod. Theod. 

immer den Charakter von Ratschlagen behielten, p. 85 Haenel), das ist das Heiligtum , in dem 

die nicht bindend waren. Gleichwohl scheute aueh neben der vergottlichten Person des Berrschers 

er sich, seinen Spruch gegen die Majoritat zu nur seinen Vertrautesten zu weilen gestattet ist 

fallen (Hist. Aug. Marc. 22, 4). Aus diesem (vgl. nostra altaria Cod. Theod. X 3, 7 § 1. XI 
Grunde liess Nero die Mitglieder des Consilium 50 29, 6). 

ihre Meinung auf Tafelchen schreiben und las Mit der Anderung des Namens scheint ubrigens 

diese fur sich allein, damit die Mehrheit nicht keine Anderung der Organisation veTbunden zu 

kund werde und er nach Belieben entscheiden sein. Aueh das C. hat, wie frtther das Consilium, 

kCnne (Suet. Nero 15). In der Regel aber pflegte keinen festen Kreis von Mitgliedern, sondern der 

der Kaiser die Stimmen, wie im Senat, miindlich Kaiser beruft zu den Sitzungen bald diese, bald 

abzufragen (Plin. epist, IV 22, 3). Nur bei cri- jene, bald mehr, bald weniger Personen, wie es 

minellen Urteilen bediente man sich der geheimen ihm dem zeitweiligen Gegenstande der Beratung 

Abstimmung durch Tafelchen (Suet. Aug. 33), zu entsprechen scheint (Lact. de mort, pers. 11, 

wie uberhaupt in der gerichtlichen Thatigkeit 5. 6). Aber da wieder die Gardepraefectur meist 
dps Kaisers nnd seines Consilium die iiblichen 60 mit uneebildcten Soldaten besetzt wird. muss der 

Formen des Processes meist gewahrt blieben. Kaiser, wie in der vorseverischen Zeit, einen rechts- 

Doch wurde sowohl die Art der Beratungen als kundigen Beirat anstellen. Dies ist um so not- 

auch der Umfang der Wirksamkeit, welche dem wendiger, als er die feste Residenz in der Haupt- 

Consilium zugewiesen war, so sehr durch die In- stadt aufgegeben hat, und an den abgelegenen 

dividualitiit der einzelnen Kaiser bestimmt, dass Orten, in denen er oft umherzieht, nicht immer 

sich ganze feste Regeln dafiir kaum ausbilden juristisch gebjldete Leute zu finden sind. Diese 

konnten. Beispiel einer Beratung vom J. 166 neuen Adsessoren sind Manner des Ritterstandes ; 

mit Protocollauszug Dig. XXVHI 4, 3. der eine nennt sich a studiis et a consiliis Au- 

Pauly-Wiesowa IV ™ 



931 



Consistorium 



Consitius 



932 



933 



Consius 



Consolatio ad Liviam 



934 



gustorum (OIL V 8972), der andere a consiliis 
saeris (Dessau 121 4). Dieser letztere ist vor- 
her Advocat gewesen, woraus man sieht, dass 
Rechtskenntnis fur das Amt erforderlich ist. Er 
steigt vom sexagenarius a consiliis saeris zum 
dueenarius a consiliis auf, was wohl nur eine 
Erhohung des Ranges und Gehaltes, kerne Ande- 
rung in den Amtspflichten bedeutet. Nachdem 
er dann zwei kaiserliche Canzleien als Magister 
geleitet hat, wird er vicarius a consiliis saeris, 10 
was wahrscheinlich bedeutet, dass er bei Ab- 
wesenheit der Gardepraefecten den Vorsitz im 
C. fur sie zu ubemehmen hat. 

Als Constantin die Comitiva zu neuem Leben 
erweckte (s. o. S. 629ff.), erhielt das C. audi 
eine dauernde Zusammensetzung ; denn wahr- 
scheinlich wurden anfangs alle Comites,' solange 
sie sich in der Umgebung des Kaisers aufhielten, 
regelmassig zu seinen Beratungen herangezogen. 
Da aber Constantin mit der Verleihung des Comes- 20 
titels immer freigebiger wurde, schloss sich der 
Kreis der eomites consistoriani , d. h. der stan- 
digen Mitglieder des Kronrats, nicht nur gegen 
diejenigen Comites ab, die gar nicht am Hofe 
weilten, sondern auch gegen die militarischen 
Begleiter des Kaisers (Ammian. XV 5, 12. 6, 1). 
Diese waren eben meist Barbaren, und man traute 
ihnen nur ausnahmsweise die Bildung zu, um bei 
den Rechtsfragen, die in den Verhandlungen des 
C. immer den meisten Raum eirjnahmen, ein sach- 30 
verstiindiges Urteil zu fallen. Die vornehmsten 
comites eonsistoriani , die bei den Beratungen 
regelmassig anwesend sein mussen, sind der Quae- 
stor, der ungefahr dem Justizminister entsprach 
(Cod. Theod. XI 39, 5. Dessau 1255. Ammian. 
XXVIII 1, 25. Symm. epist. I 23, 3), der Ma- 
gister officiorum, dem alle kaiserlichen Canzleien 
untergeben waren (Cod. Theod. XI 39, 5. Ammian. 
XV 5, 12. Cassiod. var. VI 6, 2) und die Vor- 
steher der Finanzen und der Domanen, der comes 40 
sacrarum largitionum und der comes rerum 
privatarum (Cod. Theod. VI 30, 1.4. XI 39, 5). 
Vgl. Comes consistorianus, o. S. 644ff. 

Im Laufe des 4. Jhdts. gestaltet sich dann 
die Thatigkeit des C. folgendermassen. In ihm 
werden alle Angelegenheiten beraten, die der Kaiser 
nicht durch seine Beamten erledigen lasst, son- 
dern seiner eigenen Entscheidung vorbehalt. Es 
kann daher den Caesaren ebenso wenig fehlcn, 
wie den Augusti (Amm. XIV 7, 11), und muss 50 
den Kaiser iiberall, auch wenn er im Felde steht, 
begleiten. Als z. B. Valens bei Adrianopel gegen 
die Gothen kampft, befinden sich der Praefectus 
praetorio und die Comites consistoriani, die als 
Civilpersoneu in das Schlachtgetiimmel nicht hinein- 
gehoren, mit dem Kronschatz in der benachbarten 
Stadt (Ammian. XXXI 12, 10). In ihrer Gegen- 
wart und unter ibrem Bei rat empfangt der Kaiser 
Gesandtschaften (Ammian. XXVIII 1, 25. Aru- 
bros. epi«f. 24. 2ff. Cni\. Tbend. XTT 12. 8. 1ft. lfi\ fin 
lasst Bittschriften und sonstige Eingaben verlesen 
und prufen (Const. Sinn. 3), Verwaltungsfragen ent- 
scheiden (Cod. Theod. I 22, 4). iiber die Wehrkraft 
des Reiches beschliessen (Nov. Theod. 24, 5) und 
die Gesetzgebung vorbereiten (Cod. lust. I 14, 8). 
Unter den Mitarbeitern am Codes Theodosianus 
spielen daher die Comites consistoriani eine hervor- 
ragende Rolle (Cod. Theod. 1 1, 6 § 2. Nov. Theod. 



1, 7). Vor allem aber werden im C. Processe zur 
Entscheidung gebracht, teils in erster und letzter 
Instanz, teils auch auf Appelation, und zwar so- 
wohl criminelle, namentlicn wenn Hochverrat in 
Frage kommt (Ammian. XV 5, 5. 12. 18), als 
auch civile (Nov. lust. 23, 2. 62, 1, 2. Cod. lust. 
VII 63, 5 § 3). Die Ausspriiche, welche der Kaiser 
in solchen Fragen rmindlich im C. thut, haben 
gleiche Rechtskraft, wie die Rescripte der friiheren 
Zeit, und Protocollauszuge daruber werden als 
Rechtsquellen veroffentlicht (Cod. lust. IX 47, 12. 
Cod. Theod. I 22, 4. IV 20, 3. VIII 15, 1. XI 
39, 5. 8). Die Vorbereitung und das Referat fur 
Anliegen von Gesandtschaften und andere Ver- 
waltungssachen steht dem Magister officiorum 
zu (Ammian. XXVIH 6, 9. Nov. Theod. 24. 5), 
iiber Fragen der Justiz und Gesetzgebung wird 
wohl meist der Quaestor, Tiber die Finanzen die 
comites saerarum largitionum und rerum pri- 
vatarum Vortrag gehalten haben. Auch die Vor- 
steher der kaiserlichen Scrinia und ihre Unter- 
beamten haben nicht selten im C. zu erscheinen 
und Bericht zu erstatten, obgleich sie nicht regel- 
massige Mitglieder desselben sind (Cod. Theod. 
VI 26, 5. XII 12, 10). 

Auch sonst kommt es vor, dass ausserhalb 
des C. Stehende zu den Sitzungen desselben heran- 
gezogen werden; z. B. nehmen bei dem Hoch- 
verratsprocess gegen den Feldherrn Silvanus auch 
die militarischen Begleiter des Kaisers an den 
Beratungen teil (Ammian. XV 5, 5. 12). Denn 
natiirlich kann dieser seinen Kronrat, wie ihm 
dies den Bedurfnissen zu entsprechen scheint, 
beliebig verstarken. Im allgemeinen aber herrscht 
die Tendenz, die heilige Scheu, die den Kaiser 
selbst umgiebt, auch auf seine persOnlichen Be- 
rater auszudehnen und in diesem Sinne den Kreis 
derselben immer mehr abzuschliessen. An den 
weihevollen Geheimnissen (arcana) des C. teil- 
nehmen zu diirfen, gilt als ein Vorzug, der jeden, 
dem er zu teil wird, hoch fiber alle gemeinen 
Sterblichen erhebt (Cod. Theod. VI 4, 28. 22, 8 
§ 1. 35, 7. Cassiod. var. VI 16, 1. Pacat. paneg. 
XII 15). In den Processen, die hier in so grosser 
Zahl entschieden wurden, scheint man daher selbst 
die Vertretung der Parteien durch Advocaten nur 
vorubergehend gestattet zu haben, da nur ein 
einziger Sachwalter um 376 beim C. nachweisbar 
ist (CIL VI 510). Die Emfuhrung der Gesandt- 
schaften, und wem sonst der Kaiser Geh6r be- 
willigte, geschah mit hOchster Feierlichkeit durch 
keine geringere Person als den Magister officiorum 
(Cassiod. var. VI 6, 2), und sogar die Subaltem- 
beamten, die beim C. beschaftigt waren, wie die 
Notare als Protocollfiihrer (Cod. Theod. VI 35, 
7. 10, 2. Dessau 809. Cassiod. var. VI 16, 1. 
Apoll. Sid. carm. XXIII 216), die Decurionen 
der Silentiarii (Cod. Theod. VI 2, 21) wahrschein- 
lich als Thursteher iCod. Theod. VI 23, 4 § 2), 
•n-,|T<1oT! 7ii T.o'it»" t™ h"her Ma<^i + ™.r>d Wfi.H". 
E. Cuq Memoires de Tacad. d. inscript. ser. 
I torn. IX 311. C. G. Haubold Opuscula aca- 
demica I 262. Mommsen Neues Archiv d. Ge- 
sellsch. f. altere deutsche Geschichtskunde XIV 
481; Rom. St.-R. 113 988. [Seeck.] 

Consitius. L. Consitius , Wunderwesen aus 
Thysdrus, von dem Plin. n. h. MI 36 wissen will, 
dass er erst an seinem Hochzeitstag in einen 



I 



Mann verwandelt worden sei ; die Stelle ist auch 
citiert bei Gell. IX 4, 15, wo der Name Cossi- 
tius iiberliefert ist und noch der Zusatz steht, 
dass er zur Zeit, als Plinius die Naturalis historia 
schrieb (kurz vor 77 n. Chr.), noch gelebt habe. 

[Stein.] 
Consius. 1) Consius Quartus, wird in einem 
nicht mehr erhaltenen Inschriftfragment genannt, 
in welchem seine Quaestur und Praetur eTwahnt 



XXXVI 2 u. a.) und aus diesen in die eine Editio 
princeps des Ovid (Rom 1471) geflossen (die Bo- 
noniensis enthalt das Gedicht nicht; siehe fiber all 
dies K. Schenkl Wiener Studien II 56ff. gegen 
Baehrens PLM I 97ff.). Uber den asthetischen 
"Wert des Werkes sind ebenso wie fiber seine Da- 
tierung sehr verschiedene Ansichten laut gewor- 
den. Am langsten ist man sich daruber klar, 
dass es nicht von Ovid herstammen kann, der in 



waren (CIL n 1270 [Baetica] ; iiberliefert ist Con- 10 ihm ausgeschrieben ist (s. u.) und es unter seinen 



sio Quarto . . . quaestorio . . . praetorio . . . legionis 
u. s. w. , die Inschrift stammt wohl aus spater 
Zeit, vgl. Hubner s Anm.). Vermutlich derselbe 
ist der auf einem in Silditalien gefundenen Siegel 
(CIL X 8059, 123) genannte Consius Quartus 
c(larissimus) v(ir), wahrend M. Aur(dius) Con- 
sius Quartus iunior (Nr. 2) vielleicht als Sohn 
des C. anzusehen ware. Consii erscheinen ofter 
auf italischen, namentlich unteritalischen Inschrif- 



Werken auch da nicht nennt, wo seine Anfuhrung 
so gut wie unumgiinglich gewesen ware (trist. 
II 61ff. 547ff.). Aber wahrend es nun Scaliger 
ebenso wie die zwei Elegien auf den Tod des 
Maecenas (s. u.) dem Albinovanus Pedo znschrieb 
— fibrigens vOllig unbegriindeterweise — und 
N. Heinsius es als ein poematium quantivis 
pretii und einen insignis thesaurus wenigstens 
in die Zeit dieses Dichters setzte (C. Pedonis 



ten (CIL VI 16072ff. IX 502, 3309 [M. Consius 20 Albinovani elegiae III, Amsterdam 1703, p. **4) 



Dexter]. X 580. 2323. 3785, 2 [M. Consius M. I. 
Nieol(aus)l 8059, 163. XIV 865. 4012ft. [M. 
(Jonsius M. I. Cerinthus]). 

2) M. Aur(elius) Consius Quartus iunior, 
cflarissimus) v(ir), corrector Flamini(a)e et Pi- 
ceni (vgl. Mommsen St.-R. IIM086. Herzog 
St.-Verf. II 748. Cagnat bei Daremberg-Sag- 
lio Diet. I 1538f.), pontifex maior promagister 
iterum (vgl. Marquardt-Wissowa III 2 245), 



erklarte es M. Haupt fur ein im Durchschnitt 
nur mittelmassiges , stellenweise abgeschmacktes 
und mit Formfehlern behaftetes Product eines 
italienischen Humanisten des 15. Jhdts. (Epice- 
dion Drusi, Rectoratsprogramm v. Leipzig 1849 
= Opusc. I 315ff.). 

Von der asthetischen Seite ist gegen Haupts 
Urteil, zumal er dem Gedichte doch nicht alle 
lumina abspricht, gewiss nichts einzuwenden. Der 



duodecimvir (urbis Romae, vgl. CIL VI 500.30 Dichter wiedeiholt sich (v. 6cvl49f.; 130 cw 193; 

- ~ ' "'-■" 209f.o?465f.), widerspricht sich (95ff. , die Mutter 

war nicht einmal bei ihm, als er starb', aber 393f. 
als TrOstung fiir die Mutter ,sie hat ihn wenigstens 
nicht sterben zu sehen brauchen'), Weiss bisweilen 
den tibergang nicht zu finden (299—328 an Drusus 
Gattin Antonia gerichtet, dann 329 — 40 ,er wird 
in ein gliickliches Jenseits eingehen', darauf 341f. 
haee, optima mater, debuerant luctus attenuasse 
tuos), gefallt sich in geschmacklosen tlbertrei- 



VIII 11338 = Dessau 1198), Patron der Stadte 
Ancona und Fanum Fortunae, deren Einwohner 
ihm die Ehreninschrift CIL VI 1700 = Dessau 
1249 setzten. Er gehort in das Ende des 3. oder 
in das 4. Jhdt. n. Chr. Vgl. Nr. 1. [Groag.] 

Consobrini sind Geschwisterkinder, eigent- 
lich Schwesterkinder, Paul. IV II, 4 avunculi et 
materterae filius filia. Gai. Ill 10. Dig. XXXVIII 
10, 1, 6 und 4, 15: fratres patrueles sorores pa- 



trueles (id est qui quaeve ex dtmbus fratribus 40 bungen (226 Tiberinus weint , dass der Fluss 



progemrantur) , item consobrini consobrinaeque 
(id est qui quaeve ex duabus sororilms nascun- 
tur, quasi eonsororini) , item amitini amitinae 
(id est qui quaeve ex fratre et sorore propagan- 
iur). sed fere vulgus omnes istos communt appel- 
latione consobrinos vacant. Die C. gehorten zu 
den naheren Verwandten, deren Ermordung von 
der lex Pompeta de parricMUs bestraft wurde, 
Dig. XLVIII 9, 1. 3. Nach Cod. V 4, 19 (vgl. 



iiberzutreten droht, ahnlich 435). Bisweilen hat 
ein Gedanke nicht fiir ein ganzes Distichon aus- 
gereicht ; dann ist der Pentameter nur eine schwache 
Wiederholung des Hexameters (78), oder ein an 
sich guter Vers muss als unpassender Flicken dienen 
(100). 

Diese asthetischen Bedenklichkeiten aber kon- 
nen unmfiglich gegen den antiken Ursprung der 
Consolatio beweisen, da Haupts sonstige Argu- 



€od' Theod. Ill 10, 1) wurde von Arcadius und50mente zuerst von F. Th. Adler (Programm von 



Honorius die Ehe unter C. gestattet. In alterer 
Zeit war sie verboten, Ulp. V6. Puchta-Kruger 
InstitutionenW II 398. Leonhard Institutionen 
200 §52, 6 und die dort Citierten. Cuq Les 
institutions juridiques des Remains 1891, 69, 2 
-erwahnt C. unter den Verwandtschaftsnamen, die 
auf einen ursprunglichen Zusammenhalt der durch 
Weiber verbundenen Verwandten hindeuten sollen. 

[R. Leonhard. 



Anklam 1851), dann von E. Hubner (Herm. XILI 
145ff.) und Schenkl a. O. in allem Wesentlichen 
widerlegt worden sind. Die Art der Oberliefe- 
rung zunachst kann an sich das Gedicht nicht 
verdiichtigen. Auch Tacitus' kleine Schriften 
kennen wir nur durch Hss. des 15. Jhdte; ebenso 
steht es. wenn man von II 7 absieht, mit den 
Silven des Statius. Und wie fur diese ausdruck- 
lich berichtet wird, dass sie erst durch Poggios 



Consolatio ad T.iviam. P»'>'?V 0,->di> Xn- r.n Fund bekannt geworden sind. so wird es auch 



sonis Consolatio ad Liviam Augustam de morte 
Drusi Xeronis filii eius qui in Germania morbo 
periit, so lautet mit unerheblichen Varianten in 
unserer Uberlieferung der Titel eines 237 Distichen 
Timfassenden Gedichtes auf den Tod des Drusus. 
Erhalten ist es nur in Ovid- oder Miscellanhand- 
schriften aus dem Ende des 15. oder Anfang des 
16. Jhdts. (Dresdensis, Urbinas , Laurentianus 



seine Richtigkeit haben, wenn der Laurentianus 
in einer Vita des Ovid fiber die Consolatio be- 
merkt: nuper inventa est (Hubner Herm. XJII 
427). Was Sprache und Metrik des Gedichtes 
angeht, so genfigt es, abgesehen von dem, was 
weiterhin zurSprache kommen muss, gegen Haupt 
auf Adler und Hubner zu verweisen; fiber die 
Metrik siehe jetzt auch L. Muller De re metr.2 



935 



Consolatio ad Liviam 



Consolatio ad Liviam 



936 



34f. Es ist ferner dem Verfasser nicht ein 
Verstoss gegen Geschichte und Antiquitaten nach- 
gewiesen (uber v. 417ff. s. u.), und wenn er auch, 
wie Haupt 349ff. meint, die meisten seiner An- 
gaben aus Cassius Dio, Lucan, Seneca, Servius, 
Sueton, Tacitus zusammengestoppelt haben kOnnte, 
so ist diese Annahme doch nicht nui an sich un- 
wahrscheinlich, sondern wird direct widerlegt durch 
einige Binzelheiten , den Fluss Isargus (Eisack) 
v. 386, den unsere Quellen bei Gelegenheit der 10 
Ziige des Drusus gegen die Eaeter und Vindeliker 
nicht erwahnen nnd der ein merkwiirdig ghick- 
licher Treffer des Falsehers ware, da das sog. 
Tropaeum Alpimn (Plin. n. h. Ill 136) unter zahl- 
reichen anderen Volkernamen auch Isargi bietet 
(Haupt 352. Hiibner 237), ferner die dakischen 
Appuler v. 387f., deren Kenntnis gewiss nicht 
aus Ptolem. geogr. 1118,8 geschOpft ist (Hiib- 
ner a. 0.) t endlich die ever si in.funere fasces 
v. 142, die nur bei Tac. ann. Ill 2 eine, den 20 
italienischen Humanisten erst 1508 bekannt ge- 
wordene Parallele haben. Wenn t. 161 ausdriick- 
lich hervorgehoben wird, dass Drusus eigentlich 
im Claudiergrabe liegen miisste, so ist auch das 
ein gutes Zeugnis ffir die Sachkunde des Ver- 
fassers. Die Thatsache, dass Drusus k xo Avyov- 
arov urijua xaxExt&n ist freilich auch durch Cass. 
Dio LV 2 bekannt (vgl. 0. Hirschfeld S.-Ber. 
Akad. Berl. 1886, 1152); das Auffallige der Sache 
zu bemerken, ware aber dem Humanisten schwerlich 30 
beigekommen. Dagegen scheint mir der Bericht 
uber die dem Todesfall vorausgegangenen Prodi- 
gien v. 401ff. so wenig zum Beweise fur wie gegen 
die Echtheit dienen zu konnen; was derConsolator 
mehr hat als Cass. Dio LV 1, karm einfache Er- 
diehtung sein, kann aber auch den noXka alXa 
arjfteia des Dio entspreehen ; die Nichterwahnung 
der wunderbaren Frauengestalt (Dio § 3) beweist 
allerdings wenigstens das, dass der Consolator 
nicht von Dio abhangig ist. Aber es kommt auf 40 
einen solchen einzelnen positiven Beweis fiir den 
antiken Ursprung mehr oder weniger nicht an, 
denn der wichtigste ist unerschiitterlich: die Con- 
solatio steht ganz deutlich im Zusammenhang der 
antiken Schultradition uber die Epicedien, wie sie 
sich unter dem Einfluss der alteren philosophi- 
schen Trostschriften einer-, der rednerischen Be- 
handlung des Stoffes andererseits gerade etwa um 
Christi Geburt entwickelt hat. Es zeigt sich das 
weniger im Verhaltnis der Disposition des Ganzen 50 
zu den rhetorischen Vorschriften , z. B. des Ps.- 
Menander und Ps.-Dionys, als in den einzelnen xonoi 
und Wendungen, fur die sich in den ubrigen 
antiken Consolationen vielfache Parallelen flnden. 
Im allgemeinen ist das schon mehrfach ausge- 
sprochen worden, z. B. von Ribbeck R8m. Dicnt. 
Ill 138 und Vollmer Statius Silven p. 316f., aber 
zum Vergleich im einzelnen hat man nur Seneca 
(Adler 14. G. Wieding De aetate consolationis 
<kU Liviiiii, D1m. XiJ 1SS8, llf.) mid etfra Statiui CO 
(O. Schantz De incerti poetae consolatione ad Li- 
viam deque carminum consolatoriorum apud Grae- 
cos et Romanos historia, Diss. Marburg 1889) an- 
gezogen. Daher stehe hier ein eingehenderer Ver- 
gleich der Consolatio mit der Parallellitteratur, 
zumal er ein Urteil iibeT die Anordnung des Ge- 
dichts und seine geringe Originalitiit ermoglichen 
wird. Es kam dabei weder darauf an, Vollstan- 



digkeit auch nur annahernd zu erreichen, noch 
der Geschichte der einzelnen Gedanken nachzu- 
gehen, sondern nur darauf, ihren Gebrauch ira 
selben Zusammenhang und mfiglichst in den Con- 
solationen des 1. Jhdts. zu constatieren. 

Es scheiden sich — entsprechend den Vor- 
schriften der rhetorischen Theorie (Ps.-Dionys. 
25ff. Us. Ps.-Menauder III 418ff. Sp.) — ein enko- 
miastisch-threnetischer (%(>*] yap xa xscpdlaia /*,■>} 
xa&agsveiv x&v dorjvtov , alha. xar yerog Xeyyg 
&grjveTv xav sxeQov ti XEf&laiov Men. p. 419, 21) 
und ein paramythetischer Teil (v. 329ff.); im 
ersteren sondert sich aus die von den Rhetoren, 
vorgesehene (Men. 421, 32. 436, 11: nach dem 
Enkomion diaygdyjsig xifjv sxqiopav, ti]v oivoSov 
xfjg jiolecog) und bei Statius stehende Sehilderung 
der Bestattung (167—264). ,Wer konnte Deinem 
Schmerz gebieten wollen, Livia', beginnt der Dich- 
ter, ,da Du den einen von Deinen zwei Sehnen 
verloren hast? (et quisquam leges audet tibi 
dieere flendi v. 7 im Ausdruck sich nahe be- 
riihrend mit Stat. s. V 5, 60f. nimium crudelis 
qui dieere legem fletibus aut fines audet eensere 
dolendi; der Gedanke natilrlich haufig, s. z. B. 
Stat. II 6, 1 und mehr bei Vollmer 318). frei- 
lich, bei den Schmerzen anderer tapfere Worte 
zu sprechen ist leicht' (gaov iraoaivioai hepoig karlv 
rj avxov na&ovxa xaprsgeTv in der nach den ub- 
lichen philosophisch-rhetorischen Recepten fur die 
3iaQajivMa yvyrjg gefertigten TJnterhaltung Ciceros- 
mit Philiskos, Cass. Dio XXXVIII 18; Cfter nimmt 
der Gedanke die.Wendung ,beim Ungltiok anderer 
hattest Du tapfere "Worte, habe sie jetzt im eigenen' T 
Stat. s. V 5, 45ff. Buresch Leipz. Stud. IX 99). 
Nun folgt ein Stuck iyxoj/tiov fur Drusus (bis 
v. 20), wobei die Vorschrift nicht vergessen ist 
limtvexal <5<? siaiv at Jtgd&ts xai d /wvo? SiTQa^s 
xis fj xqcoxos (Theon progymn. II p. 110, 21 Sp.); 
s. v. 19 ignotumque tibi meruit, Bomane, 
triumphum protulit in terras imperiumque no- 
vas. Wenn sich daran der Gedanke schliesst 
,Du, Mutter, schicktest Dich schon an, ihn freudig 
zu empfangen, stelltest Dir schon vor, wie Du 
ihm entgegengehen , ihn kiissen, ihm erzahlen, 
Dir von ihm erzahlen lassen wurdest' (bis v. 36 r 
ahTilich weiterhin in der Anrede an Antonia v. 311 
— 314), so scheint der Dichter hier sich einer 
andern Lection der Rhetorenschule erinnert zu 
haben, in der von den nQojisjxjtxixa. die Rede ge- 
wesen war. Denn genau so malt sich Statius 
im Propempticon III 2, 127ff. (Vollmer zu 
v. 134) das Wiedersehen mit dem Freunde aus. 
,Vergebens war die Hoffnung' fahrt der Dichter 
fort, ,Dich haben, Livia, all Deine Tugenden vor 
der invidia Fortunas nicht schutzen konnen' (bis 
v. 58, vgl. 371—376). Unter den Vorziigen der 
Livia erscheint hier, dass sie ihre Macht gegen 
niemand gemissbraucht habe, was anderwarts 
unter den Tugenden des Toten aufgefiihrt wird: 
Ser.e:. Polyb. 3, 1 uan-j p'Jc/itiam a'"s hv^rirr 
setisit, numquam ille te (Polybius) fratrem ulli 
minatus est. Eleg. in Maec. I 15 omnia cum 
posses ianto tarn earns amico, te nemo sensit 
telle riocere tamen (s. u.); der xonoq von der For- 
tuna ist einer der iiblichsten, siehe ausser den 
Grabinschriften, auf die ich fiir diesen wie fiir 
andere Punkte nur im allgemeinen verwiesen haben 
will, z. B. Senec. Polyb. 2, 2 iniquissima om~ 



337 



Consolatio ad Liviam 



Consolatio ad Liviam 



938 



nium indicia Fortuna u. s. w. (vgl. noch insbe- 
sondere munere tuo tantam venerationem reee- 
perat, ut felieitas eius effugeret invidiam, mit 
consol. v. 57 quid si non habitu sie se gessisset 
in omni, ut sua non essent invidiosa bona). Ebd. 
2, 7 quo melior enim est quisqtce, hoe saepius 
ferre te (Fortuna) consuevit sine ullo delectu 



ira jM] agog <pavXov xai evxsVe; SiaXsyso&ai doxfjg 
7i Q 6ga>7im> (Menand. 421, 19). Im paramytheti- 
schen Teil bringt dann der Dichter die sattsam 
bekannten TrOstungen dieser Litteraturgattung 
in solcher Fiille, dass er fast denen zuzuzahlen 
ist, die wie Cicero in der Consolatio amino, genera 
consolandi eolligunt (Cic. Tusc. Ill 76) ; Ich 



terre te (Jfortunas consuemi *•« ■«•«" »»*» i*,,«^u,««*. ^ m ^„.«. \~~- -— ■" — , '•„„!_- 
furentem (consol. v. 373 furibunda). Stat. s. V 1, scheide hier mit beigesetzten Ziffern das emzelne 
14311'. piumque intramt vis saeva larem. Theophr. scharfer, als es der Dichter gewollt hat; im ihrx 
bei Plut. ad Apoll. 104 D. Menand. p. 435, 910bildet z. B. S69f. den unmexklichen TJbergang 



XQij Toivvvev tovroig xotg Xoyoig sv&vg \ihv 0%e- 
rhd&iv ev aQ%ij »e°S Salfiovag xai XQog jxoiQav 
aSixov u. s. w. ' ,Und Augustus, der wie von einer 
Burg auf das menschliche Treiben herabschauen 
sollte (zum Bilde Vollmer 352), muss eben auch 
leiden, dass die Seinigen sterben (Senec. Polyb. 
3, 5), und wie oft hat er's gelitten' (ebd. 15, 2ff. 
und besonders 16, 4 ostendere quam nihil sacrum 
intaetwmque sit Fortunae u. s. w.). ,Auch der 



von nr. 3 zu 5: 1) V. 329ff. .Drusus wird ins 
Gefilde der Seligen eingehen und von seinen Atmen 
freudig als ibrer wert empfangen werden'. Ov dsT 
■&grjveiv • noMxsvexai yaQ fiexa x&v ftecov, t) xo 
'Hkvoiov sxsi nedlov Menand. 421, 16, vgl. 414, 
16, natiiflich eins der altesten und verbreitetsten 
consolatorischen Argumente, Plat. apol. 40C u. s. w. 
Hypereid. epit. 35ft'., spaterhin z. B. Ovid. am. HI 
9, 59ff. Senec. Polyb. 9, 3; Marc. 25. Stat. s. II 



intaetumque sw ronunae u. s. w.;. ,^ui,ii ^ C x u, »»~. ~^*™. -- v -. -, -, - 

Bruder ist vom Verlust schwer getroffen (v. 84ff.), 20 7, 107ff. Vollmer zu VI 253 3 1£ »(«<*" 

. , , , i. . t\° j. t i — « i inAft «cl.«rt liior>io^ Pint. A™1 . izUri. Aei. 



aber er hat doch wenigstens Drusus sterben sehen 
und Drusus bis zum letzten seine Augen auf ihn 
gerichtet' (dergl. Schilderungen stehend bei Statius, 
Vollmer zu II 1, 148; was Statius gewohnlich 
damit verbindet, dass der Sterbende noch zuletzt 
den Namen des Cberlebenden murmelt, dieser 
seinen letzten Hauch auffangt, bringt die Con- 
solatio in anderem Zusammenhange 97f. 307f., 
vgl. Senec. ad Marc. 8, 2. Quintil. inst. VI prooem. 



1 194ff. gehOrt hierher). Plut. Apoll. 120 B. Ael. 
Aristid. XII 88. Biicheler zu Anthol. epigr. 
423, 4. — 2) V. 345ff. ,Du, Livia, in Deiner Stel- 
lung darfst dem Schmerze nicht nachgeben'. Vgl. 
Senec. Polyb. 5, 4f. 6, Iff. Hieron. ep. 60 = Migne 
L. 22, 598f. (aus Cic. consol., vgl. Cic. ad Brut. I 9, 
2. Buresch a. 0. 100. 103) in te oculi omnium 
diriguntur (.-o v. 351 ad te oewlos avresque tra- 
his u. s. w.), domus tua et conversatio quasi in 



vgl. isenec. aa marc, o, <i. <juimu. ubl .x^u^^. ,^o ^.^. ...„ «—— --— -- -- - _, 

111' 1 Daseeen die Mutter hat ihm leider beim30 specula comtituta (coy. 349 posmt te alts xor 

„ ,' J '.^' v -P. , . , ... _i__i ,-t»i.-i, -j » ii iif7T3 t..„„ i n ™, mr ,*,o u,*vv ' iijsmH.hfmnrat.ii/mS'maaiStri 



Scheiden nicht beigestanden' (Plut. ad Apoll. 117 B 
lav uiv yag -iv axodrjfiiq rig $>v ajio&dvij , axe- 
vovoiv emksyovxsg • dvofxoqog, ovz' aQa xq> ys sra- 
trj() xal noxvia prjxrjQ 6'aas xa&mQt)oovoiv\ bei 
•dem in v. 100 eingeschobenen utilior patriae 
quam tibi, Druse, tuae [ahnlich v. 270. 458] mag 
man an die Vorschrift des Theon a. O. 110, 15 
denken, zu den ko>m\ nod&ig, die im eyxcoutov 
und also naturlich auch im Epicedion hervorzu- 



tuna locumque tueri iussit famoratum) magistra 
est publieae disciplinae. Quidquid feceris, id sibi 
omnes faciendum putant (eo 355 melius per te [?] 
virtutum exempla petemus). — 3) V. 357ff. ,Thw 
knoic'st 't is common — all that live must die; 
das Weltall selbst muss einst zu Grunde gehn'. 
Auch dieser Gedanke ist in seinem ersten Teile 
einer der den Consolatoren gelaufigsten, Plut. 
Apoll. 106 C xoivov xai nokkfbv xo ovupefjijxog. 



una also naturncn aucu uu muiceuiuu ucmui™- n.^**. ±^ ~ -■ — ■-_ -■•■•--• „ .■ ■ ■ 

heben waren, gehOrten die fis &V.o>v hsxa xai 40 Menand. 414, 3. Buresch 32, 3. Vollmer zu 



fit] iavx&v jiQaxxofier). ,Die Mutter Hagt nun um 
ihn wie Philomele, Alkyone, die Scbwestcrn des 
Meleager, Mutter und Schwestern des Phaethon' 
(bis v. 112); die Halfte dieser Exempla bezeichnet 
Statius V 3, 84ff. als in den Epicedien abge- 
brau^ht, v^l. Ill 3, 175 (5, 57f.1. Senec. Here. 
Oet. 186ff. (Octav. 7ff.). V. 121ff. folgt dann die 
Klage der Livia in directer Rede ; ich hebe daraus 
hervor den tostog 129ff. (vgl. 193ff.): ,1st das der 



Stat. II 1, 218; mit demselben Ausdruck wie 
cons. 359 (tendinitis hue omnes) Senec. Polyb. 
11, 4 omnes in eundem locum tendimus; epist. 
99, 7 obserea hunc comitatum generis humani 
eodem tendentis. Plut. ApolL 113 C aavtse bii 
xaiixov Iqyovxai. Auch die besondere Ausfuhrung 
,auch die machtigsten Reiche gehen zu Grunde, 
nun beklage Du Dich iiber Dein persOnliches 
Schicksal' findet sich wieder (Serv. Sulpic. epist. 



Lohn meiner FrOmmigkeit? Dies Ungluck veran-50ad fam. IV 5,4. Senec Polyb. 11, 4), oder dass 
..__x _:„v. „„ j„- i7„:„4-„„, A ar flx-H-^ „■, vwpifoln' das Lftid des einzehien ffleicheultie ist, wenn man 



lasst mich, an der Existenz der Getter zu zweifeln 
<Ovid. am. Ill 9, 36ff. Quintil. VI prooem. 4 nullam 
in terras despieere providentiam tester u. s. w. 
Lucian Iupp. trag. 19. Claudian. in Ruf. I 12ff.). 
Hiernach beginnt, wie schon gesagt, die Schilde- 
rung des Funus, die genau chronologisch verlauft 
von der Absicht der Soldaten an, den Drusus in 
Gennanien zu bestatten (vgl. Senec. Polyb. 15, 5), 
bis zum Verbrennen des Korpers. Unterbrochen 
' " der Zusammenhang durch die V«r=p 221- 



das Leid des einzehien gleichgiiltig ist, wenn man 
es an der Verganglichkeit des Alls misst (Senec. 
Polyb. 1, 2; epigr. VII H. Stat. II 1, 211). — 
4) V. 369f. ,Das Leben ist nur ein Darlehen'. 
Asioch. 367 B, dann z. B. Senec. Marc. 10, 2. 
Plut. Apoll. 106 F und ilberaus oft, s. Gercke 
Tirocinium philol., Berlin 1883, 55, Buresch 
104, 3 und besonders Wendland Beitr. z. griech. 
Philos. u. Religionsgesch. 59, etwas modiflciert 
60Antbnl. <>pi<rr. 1001. — 51 V. 371ff. An den Ge- 



252- Tiberinus wUl ictu fluminis den Scheiter- danken von der Allmacnt der iortana (s. o zu 
haufen liJschen, Mars halt ihn zuriick. Hierauf v. 41ff.), die so viel Leid brmgt, knupft sich hier der 
».i..i. .: tj„„v,„j.„i„,„^ „r, a;* nsrmaTiM wpitprp oft bat sie Dir doch auch Gutes eetnaB', 



zunachst eine Rachedrohung an die Germanen 
271—282, dann eine kurze Schilderung des trauern- 
<len Tiberius, eine langere der Antonia, wobei 
nicht vergessen ist, was die Rhetoren lehren: wenn 
man sich an die Gattin des Toten wendet, soil 
man egalgeiv nQozegov to ixoogamov xfjg ywaixog 



weitere ,oft hat sie Dir doch auch Gutes gethaii', 
wie ahnlich unten v. 411ff. Gleiches fur die Zu- 
kunft vorausgesagt wird. Vgl. Senec. Polyb. 18, 3 
multa providit Fortuna quibus hane emendaret 
iniuria/m, -multa etiam nunc dabit quibus reth- 
mat. Plut. ad uxor. 611 B tWov iaxiv sr^ous 



939 



Consolatio ad Liviam 



Consolatio ad Liviam 



940 



ja,sv ijdewg av iteodai zrjv or/v xvyr\v xal xovxov 
naoovzog £<p' (>j vvv aridiue&a, ok 6" syxakstr xal 
dvn<jpoQeir naQovatjs xal jutjS' wn avxoit xov 8d- 
xvovxog aloftavscftai nnXixag s'^ei xa am^ousra 
xdgtxag u. s. w. — 6) V. 393ff. ,Du hast ihn nicht 
sterben zu sehen brauchen'. Dass dies ublicher 
Trost war, ergiebt sicb aus dem Klagegrund Plut. 
Apoll. 117 B Mr (xig ajioftavrj) enl xfjg otxelag 
jiarQidog Jiagovxmv x&v yovicov, oSvqovxoi d>g sfag 



Toten sagen lasst, sind Schulreminiscenzen. ,Mein. 
Leben war nur kurz, aber man muss die Thaten 
zahlen, nicht die Jahre'. Vgl. v. 285f. 339f. (wo 
das tiberlieferte viri natiirlich zu halten ist, credent 
gehOrt djio xoivov zum Hexameter und zum Penta- 
meter, s. etwa Vollmer zu silv. IV 4, 102). 
Senec. epist, 93, 2 longa est vita si plena est; 
ebd. 4 actu vitani wietiamur, non tempore; Marc. 
24, 1 ineipe virtutibus ilium, non annis nume- 



naoMvxog xal xijv iv 6(p&cdfj,oTg odvvrjv avroTg 10 rare. Quintil. declam. IV 11 infirmae prorsus 
n\ tt or>r,jr i%_ j o i 0,1 terrenaeque mentis est ut numeretis annos, ego- 

virtute eonsenui. Anthol. epigr. 1057, 12 mente 
senes, aevo sed periere [brevji u. 0. Plut. Apoll. 
Ill B to yao xalav oi'K iv /Litfxei xqqvov &stiov^ 
aXX iv aosxfj. Ebd. D [thgov yap xov fliov to xalov r 
ov xb xov xqovov fifjxog. Zum Ausdruck vgl. noch 
Vollmer zu silv. II 1, 38. — 13) V. 467f. Dann 
mahnt der Verstorbene die Mutter selbst , das 
Weinen zu lassen, ganz in Ubereinstimmung mit 



aysvxog. — 7) V. 399ff. ,Du warst auf den Schlag 
durch Prodigien u. a. vorbereitet' : quae midto 
ante praevisa sunt, languidius ineurrunt Senec. 
Marc. 9, 2; Mis gravis est (Fortuna) quibus est 
repentina u. s. w. Helv. 5, 3. — 8) V. 41 Iff. ,Der 
andere Sohn wird Dir bleiben und Freude machen', 
s. o. unter 5) und vgl. noch Senec. Polyb. 12, 1. 
Plut. Apoll. 118 B qjgovxioavxsg xrjg x&v ovfifSiovv- 
tcov tjfilv acozTjgtag; ad uxor. 611 B ivvosi pallor 



&g fyXovpevr] diaxeletg sjiI xinvoig xal o'ixco xal 20 der rhetorischen Vorschrift und dem Usus, s. Voll- 



/?('rp. — 9) Wenig geschickt lasst nun der Dichter 
ein bereits v. 103 kurz angedeutetes Motiv folgen, 
das Statius wiederholt effectvoll, nur eben nicht in- 
mitten der paramythetischen Gedanken verwertet. 
,Du hast mit dem Toten sterben wollen und wider 
Deinen Willen haben Dich Augustus und Tiberius 
retten mussen'. So will sich oft bei Statius der 
Leidtragende toten und wird nur mit Miihe von 
seinen Begleitern daran gehindert (Vollmer zu 



mer zu s. II 6, 93. Die Verse 469 — 474 schliessen 
mit einem Hinweis auf das , was der Livia ge- 
blieben (vgl. zu v. 41 Iff.), das Gedicht ab. Audi 
hier nocb einmal eine der iiblichen Wendungen 
469: haee sentit Drusus, si quid modo sentit in 
umbra, das alte si rig ai'a&^ots sr "Aioov (Isokr. 
IX 2 u. s. w., vgl. Gercke a. O. 30ff.), das z. B. 
noch Octavia 13 si quis remand sensus in umbris t 
Anthol. epigr. 1 147 si quid Manes sapient (B ii c h e- 



II 1, 25. V 1, 199 u. 6.). Hiernach begreift sieh301er p. 200 zu 428, 14) wiederklingt. 



der Widerspruch zwischen unserer Stelle und 
dem was Senec. Marc. 3f. von der Standhaftigkeit 
der Livia beim Tode des Drusus erzahlt. Da 
Marcia die Livia familiariter coluit (ad Marc. 
4, 1), muss Senecas Bericht der zutreffende sein; 
dem Consolator war die Wahrbeit entweder un- 
bekannt oder sie schien ihm nicht ruhrend genug, 
in jedem Fall hat er fur sie eingesetzt, was ihm 
die Ehetorenschule bot. — 10) V. 427ff. ,Lass das 



Es kann danach wohl gar kein Zweifel sein r 
dass der Consolator nicht miihselig gesamrnelte 
Lesefriichte bietet, sondern aus der Fillle der 
antiken Consolationentechnik schOpft. Es gilt 
auch von der Form, was Bii ch el er (Philol. Kritik, 
Bonn 1878, 21) vom Stoff gesagt hat: ein paar 
Einzelheiten konnte der Humanist wohl aus seiner 
Lecture schOpfen, alle in solcher Gesamtheit nicht. 
Aber aus welcher Zeit des Altertums stammt 



Weinen, es bringt den Toten doch nicht zuriick'. 40 denn nun die Consolatio? Man glaubt heutzutago 

Natiirlich wieder ein Satz aus dem eisernen Be- " ' •■■...- - ... . 

stand der Consolationen, das alte ov yao xig xoij^ig 

nsXexai xgvsgoio yooio, das z. B. bei Properz IV 

11, Iff. wiederklingt, dann Senec. Polyb. 2, 1. 4, 1 ; 

Marc. 6, 2 si nullis pla.nctibus defuncta revo- 

cantur , . . desinut dolor qui perit. Oxyrhynch. 

Papyr. I 115 ai'/S o'ficog ovdkv Svraxai xig tiqo; xa 

xotavxa • sxaQtjyogeTxe ovv iavxovg. Wenn als Bei- 

spiel nutzloser Klage Thetis genannt wird, so 



allgemein, sie nicht als das ansehen zu durfen,. 
wofiir sie sich giebt, ein Gedicht, das der Livia 
kurz nach dem Trauerfall iiberreicht worden sei, 
wie man der Octavia carmina celebrandae Mar- 
celli memoriae eomposita zu iiberreichen versucht 
hatte (Senec. Marc. 2, 5). Dazu wird man durch 
drei Griinde bestimmt: 1) v. 283ff. sollen sich auf 
die Weihung des Dioskurentempels durch Tiberius 
im J. 6 n. Chr. beziehen, 2) der Dichter soil nicht 



geschah auch das offenbar gewOhnlich in diesem 50 bios fruhere Dichtungen Ovids, sondern auch die 



Zusammenhang (ebenso wie Achilles stehend ist 
alsEsemplum jung Verstorbener, Ps.-Dionys. p. 30, 
10 Us. Ovid. am. Ill 9, 1. Dio Chrys. Melanc. 
B 12). Stat. V 1, 85. Kaibel Epigr. 191, 5ff. 
finxQi ).uzun> [laQvv norov. a/J.a xi {tavfta; xal 
Oexig Aiaxihrp xj.avoev o^io<p&i/i£ror. Plaut. True. 
730 wird, wer facta infecta verbis facere postu- 
lat, mit der klagenden Thetis verglichen. — 
11) V. 445ff. Endlich wird der Schatten des Ver- 



letzten einschliesslich der erst 13 n. Chr. ver- 
Offentlichten ersten drei Biicher ex Ponto nach- 
geahmt haben, 3) er soil von Senecas Consola- 
tionen abhangig sein. Wir werden eine richtige 
Schatzung dieser Argumente gewinnen mussen, 
ehe es moglich sein wird, den thatsachlicb vor- 
handenen Anhaltspunkten fur die Datierung des 
Gedichtes ihr Recht zu verschaffen. Was das 
erste angeht, so ist zuzugeben, dass man am Wort- 



storbenen selbst hpraufbesohwrvren. nm (\\f MnttAv ffo l^f fc T Ver«» ?8S<y, ^"^"r rl^i-M 



aufzurichten. Auch das ist nicht nur bei Statius 
haufig- (Vollmer zu II 1, 226), sondern findet 
sich auch bei Senec. Marc. 26 (nur erscheint statt 
des beklagten Sohnes der Marcia ihr Vater) ; auch 
Plut. Apoll. 121 F ist im Sinne des verstorbenen 
Sohnes gesprochen und die Corneliaelegie reiht 
sich ebenfalls diesem Zusammenhange ein. — 
12) Auch das einzelne, was der Dichter nun den 



In no"h andern 
darf; insbesondere ist v. 284 durch Ovid. fast. 
V 552 gegen jede Anderung geschiitzt. Und auch 
das steht fest, dass die Weihinschrift, die Tiberius 
im J. 6 n. Chr. am C'astortempel anbringen liess, 
ausser sein em Namen auch den des toten Braders 
nannte (Cass. Dio LV 27, vgl. Suet. Tib. 20), 
wie das z. B. auch auf der Inschrift CIL IX 2443 
geschehen ist. Aber wenn die Quellen das als 



941 



Consolatio ad Liviam 



Consolatio ad Liviam 



942 



etwas Besonderes hervorheben, so liegt das — eine 
Auffassung, die ich Wis sow a verdanke (vgl, seine 
Analecta Bomana topographiea, Halle 1897, 16) 
— daran, dass der Neubau des J. 6 n. Chr. gar 
nicht mehr der von beiden Brildern geplant ge- 
wesene ist. Der von Drusus wirklich bei seinen 
Lebzeiten mit Tiberius zusammen vovierte ist beim 
Brande des Forums zwei Jahre nach Drusus Tod 
zu Grande gegangen. Und auf ihn lassen sich 
allein, wie mir scheinen will, die Worte des Dich- 
ters ohne Zwang beziehen ; jedenfalls ist wenig- 
stens die MOglichkeit solcher Beziehung schon 
hier zuzugeben. Wenn zweitens die Consolatio auch 
mit Tristien und ex Ponto mehrfach schlagende 
Ahnlichkeit aufweist, ganze Verse mit ihnen ge- 
mein hat (Wie ding 21ff.; namentlich 120 = tr. 
I 3, 42. 362 cv II 426. 104 amusatqm annos ut 
diuturna suos oj V 5, 24 consumatque annos sed 
diuturna suos. 385 ?o P. HI 4, 108. 471 oj II 
8, 48), so scheint es zunachst natiirlich, den 
schwachern Dichter auch als den Nachahmer an- 
zusehen, zumal er seinem Ausdruck durchweg mit 
Eeminiscenzen aus grossen Vorgangern und ins- 
besondere auch den alteren Werken Ovids auf- 
hilft (vgl. Haupt 335f. Hiibner 151ff.). So 
wird Benutzung Tibulls erwiesen allein schon 
durch das Distichon 281f. hune Aurora diem 
spectaeula tanta ferentem quam primum croeeis 
rosida portet equis c-o Tib. I 3, 93 hune ilium 
nobis Aurora nitentem I/ueiferum roseis Candida 
portet equis; fiir Vergil s. cons. 133 c^J Aen. I 253, 
fur Properz (fiir den Hiibner 160ff. die Sache 
sehr ubertreibt) namentlich v. 330 «j IV 11, 102. 
v. 466 cv ebd. 60; den Ausdruck testis Isargus 386 
wird man wohl aus Hor. carm. IV 4, 38 herleiten, 
sowie man bedenkt, dass es sich an beiden Stellen 
darum handelt quid debeat Roma Neronibus. 
Aber weit starker als diese alle ist Ovid ausge- 
beutet, dermassen, dass die Consolatio vielfach 
fast den Eindruck eines ovidischen Cento macht 
(Adler 6ff. Hiibner 151ff.). Selbst wo der Con- 
solator Stellen anderer Dichter benutzt, conta- 
miniert er sie womoglich mit einer ovidischen, 
wie er z. B. die eben angefuhrte Tibullstelle offen- 
bar unter dem Einfluss von am. II 11, 55 haee 
mihi quamprimum caelo nitidissimus alto 
Lucifer admisso tempora portet equo zugestutzt 
hat; auch Eigentumlichkeiten , wie die Bildung 
des funftenPentameterfusses durch Hyperbaton von 
que (v. 20. 172. 286. 336. 466; ebso eleg. in 
Maec. I 8. 94. II 12) und die Endung des Gerun- 
divs (v. 32. 126. 188. 284. 370. 444. Maec. I 126) 
mOgen vorzugsweise Ovid abgesehen sein. Bei 
solcher Abhangigkeit des Consolators, namentlich 
auch von Ovid, scheint es jabedenklich, ihn anderer- 
seits wieder als Ovids Vorbild anzusehen. Man 
hat das Gewicht dieses allgemeinen Bedenkens 
noch dadurch zu verstarken gesucht, dass man 
linden wollte, die Verse, die die Consolatio mit 
for, Tri?tien und ex Ponto gemeinsam hat. fiigten 
sich bei Ovid glitter in den Zusammenhang. Aber 
diese Argumentation scheint mir — urn ganz abzu- 
sehen von den Fallen, wo der Text der Consolatio 
nicht sicher steht (z. B. 362) — nicht zwingend: ,er 
wusste nicht was Perlen sind, drum nahm ich sie 
ihm weg — so sprach der Dieb'. Man sagt nun 
freilich, Ovid citiere sonst ganze Verse anderer 
Dichter nur gewissermassen in Ganseffisschen. 



Das wird aber nicht bios durch eine Bemerkung, 
wie die des Vaters Seneca controv. II 2, 8 un- 
wahrscheinlich, sondern direct widerlegt durch 
Ovids Verhaltnis zu Lygdamus. Denn dass er 
den Lygdamus ausgeschrieben hat, nicht umge- 
kehrt, muss (gegen Marx o. Bd. I S. 1325f.) an- 
nehmen, wer sich nicht in unlOsbare chronologische 
Schwierigkeiten verstricken will. Einmal ertappen 
wiT sogar, glaube ich, den Plagiator nocb auf der 
10 That. In den oben zum erstenmal verglichenen 
Versen cons. 104 c*s trist. V 5. 24 ist beim Con- 
solator alles glatt, insbesondere das ut tadellos. 
Wenn nun an sich unwahrscheinlich ist, dass 
durch Veranderung dieser einen Silbe der ovidi- 
schen Wendung ein so durchaus sinngemasser 
Ausdruck zu stande gekommeu ist, so kommt 
hinzu, dass bei Ovid gerade das sed gar nicht 
wohl passt, ja das sed diuturna geradezu im 
Widerspruch steht mit suos (die ihr gehorigen, 
20 zugemessenen Jahre). Irre ich hierin nicht, so 
macht dies eine Moment schon die Wagschale 
zu Gunsten der Prioritat der Consolatio sinken. 
Ein weiteres wird im folgenden noch hinzukom- 
men. Wenn dann drittens der Consolator sich 
von Seneca abhangig zeigen soil, so wird es dar- 
tiber jetzt nicht mehr viel Worte brauchen; was 
die beiden miteinander gemein haben, stammt 
vielmehr, wie oben gezeigt, aus der gemeinsamen 
Quelle der philosophisch- rhetorischen Tradition. 
30 Gewiss war es ein hochst ungliicklicher Gedanke, 
die im ganzen wohlgeordneten straffen Gedanken- 
reihen Senecas aus dem oft vagen und klarer Dis- 
position entbehrenden Gedichte herleiten zu wollen. 
Aber auch die umgekehrte Ansicht kann nicht 
richtig sein ; denn so wenig alle consolatorischen Ar- 
gumente Senecas in der Consolatio stehen (Gercke 
a. O. 54, 1), so wenig die der Consolatio alle bei 
Seneca (s. die obigen Zusammenstellungen). _ Eine 
wOrtliche Ubereinstimmung hat man nur zwischen 
40 v. 361ff. und Senec. Polyb. 1, 2 angemerkt: ,das 
All wird zusammenbrechen, i nunc et rebus tanta 
impendente ruina in te solatn oculos et tua damna 
refer' und hoc universum dies aliquis dissipabit : 
eat nunc aliquis et singulas eomploret animas. 
Ich stehe nicht an, sie fiir nicht beweisend zu 
erklilren. Der Ausdruck i nunc ist so gelaufig 
(s. Jahn zu Pers. IV 19 und zuletzt E. B. Lease 
Amer. Journ. of Philol. XIX 59ff.), dass er in 
diesem Zusammenhang beiden Schriftstellern ganz 
50 unwillkiirlich kommen konnte, zumal er dem Con- 
solator aus dem von ihm viel gepltoderten Ovid 
her in den Ohren liegen musste (Hflbner 179f.) 
und Seneca ihn auch sonst Ofter verwendet, so 
a. a, O. noch ein zweitesmal, dann z. B. Helv. 
6, 8. 10, 10; de brev. vitae 12, 8; qu. nat. I 16; 
ep. 88, 38. Umsomehr ist natiirlich die o. S. 938 
unter 3) angefuhrte Ubereinstimmung des Aus- 
drucks nur durch die Gemeinsamkeit des Ge- 
dankens gegeben. Nicht besser gegluckt als diese 
60 Bestimmung eines Terminus post quem fur die 
Consolatio sind die letzten Yersuciie, einen Teriuinuo 
ante quem zu gewinnen. Wenn Beziehungen zwi- 
schen dem Consolator und Lucan (Hosius Ehein. 
Mus. XLVm 396; besonders 185f. cw I 260), Sta- 
tius (s. o. zu v. 7 uud Wieding 54f.), dem Sappho- 
brief (besonders 106«sj154. 204cnj54), vielleicht 
auch Martial vorliegen. so sind diese alle derart, 
dass erst auf Grand anderweitigeT chronologischer 



943 Consolatio ad Liviam 



Consolatio ad Liviam 944 



Bestimmung der Consolatio ausgemacht werden entgangen Romulus auf meinen Wunsch, mox 

kann, wer hier der Nachahmer ist; Mart. XII 3, Veneri Caesar promissus uterque; hos debet 

16 ist freilich ungeschickter als 232 (Wie ding solos Martia Roma decs' . Unter wie vielen Kaisern 

56), aber Martial ahmt hier nicht die Consolatio hat man wohl in Bom so sprechen konnen — 

nach, sondern etwa Ovid tr. I 1, 28. selbst wenn man fingierte, im J. 9 v. Chr. ge- 

_ Auch was sonst noch fiber die Form der Conso- schrieben zu hahen? Tiberius freilich hat sich 25 n. 

latio zu sagen ware, lasst (abgesehen etwa von der Chr., als ihm Hispania ulterior gottliche Ehren 

durchgehenden Erhaltung des auslautenden langen antrug, so ausgesprochen wie Mars: effigie numi- 

o : ambo 452, ero 467) einen ziemlich grossen Spiel- num sacrari ambitiosum, superbum; et vanescet 
raum frei, spricht aber jedenfalls auch nicht mit 10 Augitsti honor, si promiscuis adulationibus vul- 

Entschiedenheit gegen das J. 9. v. Chr. Cinls 163 gatur (Tao. ann. IV 37, vgl. Mo mm sen St.-R. 

ist entweder durch die Kraft der Arsis entschul- 113 758, 1). Aber schon unter Gaius und Clau- 

digt oder, wie mir wahrscheinlicher , Analogie- dius ist die Wendung der Consolatio kaum mehr 

bildung nach sanguis wie doch wohl auch ignis denkbar. Denn wenn auch weder Tiberius noch 

bei Hor. od. I 15, 36 und vielleicht pulvis bei Gaius consecriert worden sind, so hat doch letzterer 

"Verg. Aen. I 478. Elisionen sind auffallend haufig, schon bei Lebzeiten gottliche Verehrung verlangt 

etwa wie bei Vergil, viel reichlicher als in Ovids (Suet. Calig. 22) , und sowohl unter seiner wie 

Distichen, aber die von Haupt beanstandete Harte unter Claudius Regierung ist die Consecration 

deae inmitis v. 375 hat selbst bei letzterem (met. anderer Mitglieder des Kaiserhauses erfolgt (vgl. 
VIII 810 viro inspirat) eine Parallele. Was die 20 0. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1888, 842ff.). 

Caesuren im Hexameter angeht, so haben 88»/ Dabei ist noch in Betracht zu Ziehen, dass ira 

der Verse die mannliche im dritten Fuss; der Rest Dichterstile ja nicht bios jeder consecrierte Kaiser, 

zeigt die weibliche im selben Fuss regelm&ssig sondern iiberhaupt jeder Kaiser ein Gott ist. So- 

von beiden mannlichen Nebencaesuren begleitet nach ist — zumal man schon aus prosodischen 

(Ausnahmen nur 307, 35 und 449; 379 wohl ver- Grtinden (s. 0.) schwerlich iiber die neronische Zeit 

derbt). Die Pentameter schliessen durchaus auf wird hinausgehen wollcn — durchaus wahrschein- 

iambische Worte, zu denen naturlich wie bei Ovid lich, dass die Consolatio entweder unter Augustus 

uln's ill. 124, ope's 426 zahlt (Pannonii 390 oder unter Tiberius geschrieben ist. Entschliesst 

1st durch den Eigennamen entschnldigt), d. h. sie man sich aber erst einmal, nicht weiter hinunter- 
sind so streng behandelt wie bei Ovid in den 30 zugehen, so ist es das Naturliche, die Consolatio 

vorenlischen Dichtungen. Sprachlich ist fur die auch zu Lebzeiten der Livia (f 29) anzusetzen. 

augusteische Zeit auffallend functus 393 (iibrigens Und nicht nur am Leben, sondern, wenn es sich 

nicht einstimmig ttberliefert) im Sinn von ,ver- urn die Regierungszeit des Tiberius handelt, auch 

storben'ohneweiterenBeisatz, was sonst vor Senec. noch auf gutem Fuss mit dem Herrscher (schon 

Med. 999; Thy. 749. Anthol. epigr. 1057, 9 nicht wegen v. 416. 471f. u. dgl.) wird man sich die 

vorzukommen scheint; doch ist eine solche Einzel- Frau denken wollen, der in dieser Weiae Interesse 

heit naturlich belanglos, wenn ihr gewichtigere und Huldigung dargebracht wird. So prasentiert 

Argumente widersprechen. sich das Verhaltnis zwischen Tiberius und Livia 

Solche sind vorhanden im Sachlichen. Der nach aussen hin noch im J. 22 (Tac. ann. Ill 64); 
Verfasser giebt an (v. 202), eques zu sein und als 40 bald wurde seine Lockerung auch der Offentlich- 

solcher dem Begriibnis des Drusus beigewohnt zu keit kenntlich. Aber nicht einmal bei diesem 

haben. Diese schlichte Nachricht sieht nicht nach Terminus ante quem kann man sich beruhigen. 

Fiction aus; wer sich fur Ovid ausgeben wollte, An sich ware ja denkbar, dass der Livia das Ge- 

hiitte das wahrhaftig deutlicher thun miissen. dicht auf den Sohn lange nach dessen Tode uber- 

Die lattdatio des Augustus auf Drusus hat der reicht worden ist ; wir wissen, dass sie non desiit 

Consolator gekannt; die Worte v. 21 If. Tu (Augu- Drusi sui celehrare nomm. unique, ilium sibi 

stus) leturn optasti par tibi , die an die Erwah- privatim publiceque repraesentare , libentissime 

nnng der Leichenrede anschliessen, entsprechen de Mo loqui, de Mo aitdire (Senec. Marc. 3, 2). 

einer tbats&chlichen Ausserung des Augustus in Aber nicht nur geschmack-, sondern sinnlos ware 
der laudatio : deos preoatus est, sibi tarn iwne- 50 in einem ihr nach dem Tode des Gatten iiber- 

stum quandoque exitum darent quam Mi dedissent, reichten Gedicht die Schlusswendung : est coniwtx 

Suet. Claud. 1. Von Toten aus dem augustei- tutela hominum quo sospite vestram, Livia, fu- 

schen Hause werden 67ff. nur Agrippa, Marcellus, nestam dedeeet esse domum. Ist sie also wirklich 

Octavia, nicht die nach 9 v. Chr. gestorbenen An- die Empfangerin des Gedichtes, dann hat auch 

gehdrigen erwahnt. Von meln Bedeutung ist Augustus noch gelebt, als sie es empfmg, und 

anderes. Ein so specielles Interesse an einer damit schwindet nun vollig die Mdglichkeit, Ovids 

Person des iulisch-claudischen Hauses wie Livia Briefe ex Ponto als Vorbild des Consolators an- 

oder Drusus setzt wohl voraus, dass dies Haus zusehen. Denn waren sie das, so datierte sich 

noch eiistiert; ja meines Erachtens ist sogar die Consolatio zwischen 13 und 14 n. Chr. — ein 
Hir«ehfelr!< ! F™«MnT''hR?i=h»r»<-htigt ! oH nach 50 Er-obnis, das schon wegc-n seiner GLi^uigkcil 

der Eegierung des Sohnes des Drusus noch jemand nicht richtig sein kann. 

auf den Gedanken habe kommen konnen , einen Bei Lebzeiten des Augustus, vor Ovids ex Ponto 

solchen Stoff dichterisch zu verwerten (a. a. O. — so ist denn wohl alle Wahrschemlichkeit dafur, 

1151f.). Den Ausschlag zu geben scheint mir dass die Consolatio, da sonst nichts dagegen spricht, 

endlich v. 245f., auf dessen Bedeutung merkwfir- wirklich 9 v. Chr. geschrieben ist. Dass wir uns 

digerweise bisher nurLindenbrog aufmerksam mit der blossen Wahrscheinlichkeit nicht zu be- 

geworden war (s. die oben genannte Amsterdamer gniigen brauchen . verdanken wir den zwei Ele- 

Ausgabe zur St.). Mars spricht: ,dem Orcus ist gien auf Maecenas, die zuerst Scaligerdeniselben 



945 Consolatio ad Liviam 



Consolatio ad Liviam 946 



Verfasser zugeschrieben hat, wie unsere Consolatio. steht : hune esse mi . . . eomitatus hie fuerit in 

Diese beiden Gedichte sind flberliefert in solchen publico, duo spadones, magis tamen viri quani 

Hss. der kleineren ,vergilischen' Gedichte, die ipse; kunc esse qui uxor em miliens duxerit cum 

Culex Dirae Copa Moretum enthalten, so beson- unam habuerit. 

ders einem Bruxellensis s. XII, dann mehreren Form und Inhalt der Elegien weisen denn 

Mlincbener und einer Pariser aus saec. XI (Rib- auch ubereinstimmend darauf hin, dassHiibners 

beck Vergil. IV p. 24ff. BaehrensPLMI 124ff.), Datierung unm&glich und selbst Seneca als Ter- 

so dass die Notiz in zwei Hss. des 15. Jhdts., minus post quem schwerlich denkbar ist. Die 

Enoch von Ascoli habe die Elegien in Daeia metrische Technik der Elegien zunachst stimmt 
gefunden (Ty. Mommsen Rh. Mus. VI 626), furlOim ganzen vortrefflich zur Consolatio und mithin 

die Uberlieferungsgeschichte kein weitereslnteresse zur augusteischen Zeit. Auch hier ist auslauten- 

hat. Die erste der Elegien beklagt in 72 Distichen des langes. 6 durchweg erhalten und zwar in noch 

das Hinscheiden des Maecenas und sucht ihn gegen mehr Fallen als in der Consolatio (L. Miiller 

Vorwiirfe in Schutz zu nehmen; die zweite, zuerst a. O. 35f.). Der Gebrauch der Caesuren ent- 

von Scaligcr abgetrennt (die Hss. geben beide spricht in der ersten Elegie genau dem fur die 

als ein Stuck mit dem Titel Maecenas oder Ver- Consolatio oben nachgewiesenen , in der zweiten 

gilii Maecenas), enthalt in 17 Distichen Worte ist die mannliche im dritten Fuss etwas hauflger. 

des sterbenden Maecenas. Die Bezichungen dieser Auch die Pentameterbildung ist vSllig dieselbe, 

Elegien zur Consolatio hat nach Scaligers Vor- nur iambische Worte am Schluss (als solches gilt 
gang Haupt 347f. dargelegt: Caesar is Mud opus 20 naturlich auch sat est II 12). Die einzige Ver- 

von Drusus cons. 39. eleg. 116; Ma rapit iuvenes schiedenheit zwischen Consolatio und Elegien be- 

von Charons Kahn cons. 372. eleg. I 7 ; cons. 47f. trifft die Elisionen. Die Elegien sind viel strenger, 

co eleg. I 15f. (s. 0.); besonders wichtig ist eleg. sie haben in ihren 178 Versen nur ein Dutzend 

I If. defleram iuvenis tristi mo do carmitie fata, Elisionen , nur zwei davon im vierten Fuss des 

sunt etiam merito carmina danda sent. Denn Pentameters, alle ubrigen im ersten Fuss; nur 

Maecenas starb ein Jahr nach Drusus (Vahlen zweimal wird kurzer Vocal -+- m elidiert, sonst 

Herin. XXXIII 245); dass aber letzterer wirklich bios a und e. Der Zahl nach sind es kaum weniger 

unter dem iuvenis gemeint ist, ergiebt die sichere Elisionen als in Ovids Distichen, aber Ovid ist 

Verbesserung von II 3: Maecenas klagt mene . . . nicht so angstlich hinsichtlich der Stelle der Eli- 

iuvenis prirnaevi ante Drusi (bruti die Hss.) 30 sion. Immerbin ist zwischen der Strenge der 

angustam non cecidisse diem. Auch die Elegien Elegien und etwa der des Calpurnius (0. Bd. Ill 

bis in die Renaissance hinab zu drucken, geht wegen S. 1402) noch ein erheblicher Unterschied, die 

des Alters ihrer Handschriften nicht an; wer also Entwicklung eines Dichters von der Freiheit der 

nicht zu einer abenteuerlichen Hypothese wie Consolatio zur Behutsamkeit der Elegien fur die 

Haupt seine Zuflucht nehmen will, muss schon augusteische Zeit also wohl denkbar. Properz, 

aus diesem Grande auch die Consolatio als antik Ovid u. s. w. sind in den Elegien ahnlich ausge- 

anerkennen. Aber die angebliche Senecanach- nutzt wie in der Consolatio (s. z. B. I 37f. <?>j Prop, 

ahmung hat auch hier gespukt und als eine inner- III 2, 23f. — Ovid. a. a. I 292 und Baehrens 

liche Berechtigung dafur gelten miissen, wenn PLM I 123). 

man wenigstens innerhalb des Altertums die Ele- 40 Deutlicher noch zeigt der Inhalt , wie nahe 

gien so weit herunter datierte wie die Consolatio, der Dichter den geschilderten Ereignissen ge- 

also ins 2. oder 3. Jhdt. ; in derselben Rhetoren- standen hat. Jemand, der in der Rhetorenschule 

schule wie das Trostgedicht sollte auch der Mae- spater Zeit den Maecenas hatte feiern' wollen, 

cenas gefertigt sein (Hiibner 243). Die Ab- wiirde in erster Reihe das hervorgehoben haben, 

hangigkeit von Seneca ist indessen hier wenn wovon die Elegien kein Wort sagen, namlich was 

m&glich mit noch geringerem Recht als dort be- er fiir die grossen Dicbter seines Zeitalters ge- 

hauptet worden. Nach Haupt ist namlich die wesenist. Uberhaupt aber findet sich Rhetorisches, 

erste Elegie eine Verteidigung des Maecenas gegen Declamatorisches auffallend wenig in beiden Ele- 

Senecas 114. Brief (§ 4ff.). Aber den einzigen Vor- gien. Viel mythologische Gelehrsamkeit, nanient- 

wurf, gegen den der Dichter Maecenas in Schutz 50 lich wo sich's darum handelt, zu zeigen, dass man 

nimmt, die tunicae solutae (I 21. 25f.), brauchte sich nach grossen Thaten Bequemlichkeiten yer- 

er wahrhaftig nicht erst beim Seneca zu lesen, er statten darf (1 49ff.), im ubrigen schlichte Sachlich- 

war ja so gut wie sprichwortlieh (Friedlander keit, wo von des Maecenas Abstammung, seinen 

zu Iuven. XII 39; auch den Maltinus bei Hor. Kriegsthaten, seiner eura urbis, seinen geistigen 

sat. 12, 25 bezog ja ein Teil der alten Erklarer Interessen die Rede ist (I 13ff. 27ff. 31ff. 41ff.), 

auf Maecenas). Aber mehr: der Dichter braucht ebenso erfreuliche Einfachheit in seinen Abschieds- 

den Seneca nicht bios nicht gelesen zu haben, er worten und auffallende Zartheit, wo er (II 7) des 

hat ihn nicht gelesen. Selbst wenn richtig sein ungliicklicheD Verhaltnisses zur Terentia (Gardt- 

sollte, was die Hss. I 21 geben quod discinctus hausen Augustus I 776f.) gedenkt. Die Hervor- 

trao, a/dmij quuquc, car^itw nuum (BScheler CO h<:b;ing all dic-ser Binge , an dencn cino ?pltere 

flberzeugend animo, quod carpitur unum), der Zeit doch wahrlich kein grosses Interesse mehr 

Dichter verteidigt den Maecen jedenfalls nur gegen haben, die sie sich, namentlich was das Verhaltnis 

den Tadel der Kleidung, wahrend der doch wie zur Terentia angeht, schwerlich noch so lebendig 

ein Lob aussieht gegen das, was Seneca sonst dem machen konnte, scheint dafur zu sprechen, dass 

Maecen vorriickt; sollte dieser gerade gegen den der Dichter mit der geschilderten Person auf direc- 

114. Brief in Schutz genommen werden, so durfte terem Wege als durch Seneca und sonstige Lecture 

doch wohl unbedingt nicht totgeschwiegen werden, bekannt war. Dafur giebt auch die erste Elegie 

•was dort gleich nach den tunieae solutae zu lesen noch einen ganz bestimmten Fingerzeig: ich bin 



947 



Consolidatio 



Constans 



948 



nicht mit Maecenas selbst in Verkehr gewesen, 
sagt der Dichter v. 9 , Lollius hoc ergo conci- 
liavit opus, d. h. Lollius hat nrich veranlasst, dies 
Gedicht zu schreiben. Hier schliesst die niichterne 
Sachlichkeit dieser Mitteilung , das Fehlen jedes 
weitern Beisatzes bei dem Namen Lollius den 
Gedanken rhetorischer Erfindung aus. Wir kOnnen 
in solchem Zusammenhang mir an einen Lollius 
denken, und andererseits ist der doch nach der 
augusteischen oder wenigstens der friihesten Kaiser- 
zeit gewiss nicht mehr so bekannt gewesen, dass 
ein spater Rhetor ihn hier so richtig hatte ein- 
filhren oder gar glauben konnen, ihn fur seine 
HOrer oder Leser mit dem blossen Namen Lollius 
geniigend zu bezeichnen. Es ist dag M. Lollius, 
Consul 20, gest. 1 v. Chr., der Augustus Vertrauen 
in hCcbstem Masse genoss und also jedenfalls 
auch wohl zu Maecenas in Beziehungen gestanden 
haben wird (vgl. Kiessling zu Hor. carm. IV 9. 
Prosopogr. II 295 nr. 226). Noch weniger waren 
natflrlich spaterhin andere Lollier der fruhen Kai- 
serzeit bekannt, der jiingere, an den Horaz epist. 
I 2 und 18 richtet (Prosopogr. II 2951 nr. 232), 
oder der Verfasser griechischer Epigramme auf 
den Tod des Germanicus (A nth. Pal. VII 391); bei 
beiden haben wir zudem keine Spur davon, dass 
sie jemals dem Maecenas irgendwie nahe getreten 
sind. 

Es muss also wohl bei M. Lollius bleiben. 
Dann ist aber nicht nur, wie gesagt, klar, dass 
die Elegien nicht gar lange nach dem geschilderten 
Ereignis anzusetzen sind, sondern auch, dass die 
Consolatio nicht erst nach 13 n. Chr. geschrieben 
sein kann. Denn in diesem Fall musste, da sie 
den Elegien vorausgegangen ist, die Anregung 
durch Lollius wenigstens vierzehn Jahre im Dichter 
geschlummert haben — eine Unwahrscheinlichkeit, 
die sich selbst riehtet. [Skutsch.] 

Consolidatio ususfructus ist die Verstarkung 
eines Niessbrauchsrechts durch seine Verbindung 
mit dem Eigentume, Inst. II 4, 3. Dig. XXIII 
3, 78, 2. VII 2, 3, 2. 6 pr. Frg. Vat. 83. Es ist 
dies ein Fall der confusio (s. d.j. Der Niess- 
brauch wird hierbei von dem Eigentume als dem 
starkeren Rechte absorbiert und dadurch gewisser- 
massen nach seinem Inhalte verrtarkt. 

[R, Leonhard.] 

Consoranni (Consorani), Volkerschaft an der 
Siidkiiste Galliens. nach Plin. n. h. Ill 32 (in 
ora regio Sordoniim intusqne Consiiaran-orum) 
zur Narbonensis gehorig, wiihrenil er IV 108 die 
von den Conmarani schwerlich verschiedcnen Qm- 
soranni in Aquitanica ansetzt. Die Not. Gall. 
XTV 6 verzeichnet die civitas Consorannorum 
in der provineia Novenipopvlona, der Geogr. Raw 
IV 41 p. 300 Censerannis in Spanoguascimia. 
In der heutigen Landschaft Couserans (Haute- 
Gascogne) ist der Name erhalten. Die weiteren 
Zeugnisse (Greg. Tur. u. a.) bei Holder Altkelt. 
SpiLicLacLdU i. v. Vgl. Dcajirdiris Gdogr. dc 
laGaule II 366. Longnon Atlas p. 150 u. GCogr. 
de la Gaule au Vie siecle 593. S a c a z e Epi- 
graphie de la Civitas Consoranorum (1883). s. Bull, 
epigr. Ill 310. [Ihm.] 

Consortium ist die Gemeinschaft mehrerer, 
die zu demselben Schicksale rechtlich verbunden 
sind, also namentlich der Bund der Ehegatten, 
Cod. Theod. XIV 3, 14. Frg. Vat. 314. Dig. XXIII 



2. 1 consortium omnis vitae, auch die Ktirper- 
schaft, z. B. pistrini consortium Cod. Theod. XIV 

3, 2 c. 21. Der Ausdruek C. wurde im 4. Jhdt. 
fur Concubinat (s. d.) und Ehe haufig, vgl. Kiibler 
Ztschr. der Savigny-Stiftung, Rom. Abt. XVII 364 
und die dort Angefuhrten. Auch die Miterben 
heissen im Hinblick auf die Erbschaftsteilung eon- 
sortes, Fest. ep. p. 82 erctum citwmque quod fit 
inter consortes, s. auch p. 297. 72. Gell. N. A. 

101 9, 12. Dig. XXVII 1, 31, 4. Schulin Lehrb. 
d. Gesch. d. rem. R. 417, 2. Cuq Les institu- 
tions juridiques des Romains, Paris 1891, 289. 

[R. Leonhard.] 
P. Consta, Jurist, von Cicero verspottet (Plut. 
Cic. 26, 7; der Name vielleicht verderbt). 

[Mtazer.] 
Constans. 1) T.(?) Flavius Constans, Pro- 
curator von Dacia inferior im J. 138 n. Chr., 
Arch.-epigr. Mitt. XIV 13f., 21f. = CIL IK Suppl. 
2012601 a. b = 13793f. Arch.-epigr. Mitt. XVII 
224, 1 (vgl. 226) = CIL LTI Suppl. 13 795. 

2) S. Aelius Nr. 40, Claudius Nr. 118 
und Raecius. [Stein.] 

3) Constans, romischer Kaiser 333 — 350. 
Flavius lulius Constans (Dessau 724—726), 
vierter oder vielleicht fiinfter Sohn Constantins 
d. Gr., geboren von dessen Gattin Fausta (Des- 
sau 723. CIL II 6209. Seeck Ztschr. f. Numism. 
XXI 42). Er start nach Eutr. X 9, 4. Zonar. 

30XIIT. 6 p. 14 A im dreissigsten Lebensjahre, nach 
Vict. epit. 41, 23 im siebenundzwanzigsten. Da die 
erstere Zahl wie eine Abrundung der letzteren 
aussieht, wird man diese fur zuverlassiger halten 
durfen, was auch eine Miinze zu bestatigen scheint 
(Seeck a. O. 39). Danach muss er urn 323 ge- 
boren sein. Seinen Unterricht leiteten die her- 
vorragendsten Rbetoren seiner Zeit (Liban. or. 
Ill 283), namentlich Aemilius Magnus Arborius 
(Auson. prof. Burd. 17, 15). Am Weihnachts- 

40 tage 333 wurde er zum Caesar ernannt (Momm- 
sen Chron. min. I 234. Euseb. laud. Const. 3; vit. 
Const, IV 40. Liban. or. Ill 285) ; dass in der fol- 
genden Nacht ein Nordlicht erschien, deutete man 
als btises Omen fur seine Regierung (Vict. Caes. 41, 
14). Nachdem er sich noch eine Zeit lang am 
Hofe seine? Valors aufgehalten hatte (Liban. or. 
Ill 286), iibertrug ihm dieser die Verwaltung Ita- 
liens noch vor dem Sommer 335 (Euseb. laud. 
Const. 3 ; vit. Const. IV 51). Spater, wahrschein- 

50 lich kurz vor dem Tode seines Vaters (337), ver- 
lobte er sich mit Olympias, der kleinen Tochter 
des Praefecten Ablabius ; nach dessen Tode (338) 
nahm er sie an seinen Hof und liess sie zu seiner 
Gattin erziehen, gelangte aber nicht zur Hochzeit, 
wahrscheinlich weil die Braut noch bis zu seiner 
Ermordung das heiratsfahige Alter nicht erreicht 
hatte (Athan. hist. Ar. ad mon. 69 = Migne G. 
25, 776. Ammian. XX 11, 3). Das Consulat be- 
kleidete er noch nicht als Caesar, sondern erst 

GO liiicli uCili _tLlc 1/i.L aciiics * utCl'S ill ddi JulilCii 

339, 342 und 346. 

Nachdem Constantin d. Gt. gestorben war 
(22. Mai 337), wurde der Regierungsantritt seiner 
Sonne durch Misshelligkeiten mit ihren Vcttern, 
die gleichfalls zur Nachfolge berufen waren, noch 
um einige Monate verzOgert. Erst als diese dureh 
die Soldaten ermordet waren, nahmen C. und seine 
Briider am 9. September 337 den Augustustitel 



949 



Constans 



Constans 



950 



an (Mommsen I 235. Euseb. vit. Const. IV 68). 
Im Sommer 338 versammelten sicb die drei Kaiser 
in Viminacium, um das Reich unter sich zu teilen 
(Mian. or. 1 19 A. 20 B. Liban. or. Ill 297. Seeck 
Ztschr. f. Kirchengesch. XVLT 44). Die gegen- 
seitige Missgunst der beiden alteren Briider hatte 
hier zur Folge, dass sie sich mit den Gebieten, 
die schon der Vater ihnen zugewiesen hatte, be- 
gnfigten und den Anteil des ermordeten Dalma- 
tius in seinem vollen Umfange. dem jiingsten zu- 
wiesen, wodurch C. zum Beherrscher von Africa, 
Italien, Pannonien, Illyricum und Thrakien wurde 
(Vict. epit. 41, 20). Doch nahm Constantin II. 
eine Art von Vormundschaft iiher den funfzehn- 
jahrigen in Anspruch, erliess Gesetze fur sein Ge- 
biet (Cod. Theod. XII 1, 27) und ernannte wahr- 
scheinlich seine vornehmsten Beamten, weshalb 
auch Zosim. II 39, 2 ihre Reichsteile als gemein- 
samen Besitz beider Brtider zusammcnfasst (Seeck 
Ztschr. f. Numism. XXI 47). Auf diese Weise 
glaubte Constantin den Constantius ubervorteilt 
und teils unmittelbar, teils mittelbar drei Vier- 
teile des Reiches in seine Gewalt gebracht zu 
haben. 

Schon gleich nach dem Auseinandergehen des 
Congresses von Viminacium, im Herbst 338, ge- 
wann C. einen Sieg im Donaugebiet, nach dem 
er den Titel Sarmatieus annahm (Dessau 724. 
Seeck Ztschr. f. Numism. XXI 56). Durch diesen 
Erfolg in seinem Selbstbewusstsein gehoben, be- 
anspruchte er voile Unabhangigkeit und begann 
die Gesetzgebung fur seinen Reichsteil selbstandig 
auszuiiben (Cod. Theod. X 10, 5. XII 1, 29. Seeck 
54), wozu ihn seine intrigante Umgebung, nament- 
lich der Tribun Amphilochius, aufgestachelt haben 
soil (Ammian. XXI 6, 2). In seinen Erwartungen 
getauscht und unwillig liber die Bevorzugung des 
jiingsten Bruders, verlangte jetzt Constantin II. 
die Dioecesen Italien und Africa fiir sich (Zonar. 
XIII 5 p. 11C. Zosim. II 41, 1. Vict. epit. 41, 
21). C. weigerte sicb und suchte Anschluss an 
Constantius, dem er, um seine Unterstiitzung zu 
gewinnen, Thrakien abtrat (Zonar. a. O. Seeck 
61). Um sich der streitigen Provinzen mit Ge- 
walt zu bemachtigen, flel Constantin Anfang 340 
pletzlich in Oberitalien ein (Mommsen Chron. 
min. I 236. Socrat, II 5. Hieron. chron. 2356). 
C, del sich damals in dem dakischen Naissus 
aufhielt, wurde vollstandig uberrascht (Zonar. a. O. 
Cod. Theod. X 10, 5. XII 1, 29). Er sandte eine 
Vortrat eiligst nach Italien, durch die Constantin 
bei Aquileia besiegt und getotet wurde (Eutrop. 
X 9, 2. Vict. Caes. 41, 22; epit. 41, 21. Iulian. 
or. II 94 B. Sozom. Ill 2. Philost. LTI 1 = Migne 
G. 65, 480). Als der Kaiser selbst mit dem Gros 
des Heeres vor dem 9. April 340 in Aquileia an- 
langte (Cod. Theod. II 7, 3. X 15, 3), fand er 
den Krieg schon entschieden (Zonar. a. O.). 

Diese Unruhen im Romerreiche diirften der 

GlUliU ycWeScU suili, diisj, Jig FliUlk'.U 341 tillcli 

Einfall machten. C. zog ihnen entgegen und be- 
kampfte sie; doch gelang es ihm erst 342, sie 
zu besiegen und zu einem Biindnis zu zwingen 
(Mommsen I 236. Socr. II 10, 21. 13, 4. Hieron. 
chron. 2358. Liban. or. LH 316ff. Dessau 728). 
Spater hat er keinen grosseren Krieg mehr zu 
fuhren gehabt, weil die Barbaren seine Macht 
und Tapferkeit fiirchteten (Ammian. XXX 7, 5. 



Vict, Caes. 41, 23; epit, 41, 24). Zur Erhaltung- 
der Ruhe an den Grenzen wird es beigetragen 
haben, dass der Kaiser sehr schnell in den Pro- 
vinzen seines Reichsteils hin- und herreiste und 
uberall durch seine persOnliche Anwesenheit die 
Barbaren zuruckschreckte (Liban. or. HI 323). 
So finden wir ihn nach dem Sarmatenkriege von 
338 am 6. April 339 in dem pannonischen Sa- 
baria (Cod. Theod. X 10, 6, wo in der Datierung; 

10 die beiden Kaiserconsulate von 339 und 342 ver- 
wechselt sind), Anfang 340 in dem dakischea 
Naissus (Cod. Theod. X 10, 5. XII 1, 29. Zonar. 
XIII 5 p. 11 D), am 9. April in Aquileia (Cod. 
Theod. 117,3. X 15, 3), am 25. Juni in Mailand 
(Cod. Theod. IX 17, 1). Von hier geht er 341 
an die Donau, wo er am 24. Juni in Lauriacum 
erscheint (Cod. Theod. VIII 2, 1 = XII 1, 31), 
um gleich darauf nach Gallien in den Franken- 
krieg zu cilen (vgl. Athan. de synod. 25 = Migne- 

20 G. 26, 725). Nach Beendigung desselben ist er 
im Sommer oder Herbst 342 in Mailand (Athan. 
apol. ad Const. 4 = Migne G. 25, 600), dann am 
25. Januar 343 in Boulogne (Cod. Theod. XI16, 5), 
von wo er mitten im Winter nach Britannien tiber- 
setzt (Liban. or. Ill 320. Firm. Matern. de err. prof, 
rel. 28, 6), wahrscheinlich um dort einen Einfall 
der Picten und Scoten abzuwehren (Ammian. XX 
1,1. XXVII 8, 4). Am 30. Juni halt er sich in Trier 
auf (Cod. Theod. XII 1, 36; vgl. Athan. a. O.), 

30 gegen Ende des J. 344 in Aquileia (Athan. apol. 
ad Const. 3. 4. 15 = Migne G. 25, 597. 601. 
613), am 15. Mai 345 wieder in Trier (Cod. 
Theod. X 10, 7 ; vgl. Athan. a. O.), dann in KOln 
(Cod. Theod. Ill 5, 7). Im J. 346 ist er in Ita- 
lien, wo er sich am 23. Mai in Caesena (Cod. 
Theod. XII 1, 38), dann in Aquileia (Athan. apol. 
ad Const. 3. 4 = Migne G. 25, 597. 601). am 
4. December in Mailand nachweisen lasst (Cod. 
Theod. IX 7, 3). Hier erscheint er auch am 

40 17. Juni 348 (Cod._ Theod. X 14, 3), geht dann 
nach Pannonien (Liban. or. Ill 318) und ist am 
27. Mai 349 in Sirmium (Cod. Theod. VII 1, 2. 
VIII 7, 3). Endlich ereilte ihn im Januar 350 
der Tod in Gallien. 

Von entschieden christlicher Gesinnung, em- 
pfing er die Taufe, beschenkte die Kirchen reich 
(Athan. apol. ad Const. 7 = Migne G. 25, 604. 
Optat. ILT 3) und verbot den heidnischen Cultus 
(Cod. Theod. XVI 10, 2. 3. Sozom. Ill 17. Theodor. 

50 h. e. V 21, 2. Firm. Mat. 28, 6. Symmach. rel. 
3, 4). In dem arianischen Streite nahm er Partei 
fur Athanasius (Sozom. in 18). Als dieser von 
der Synode zu Antiochia verurteilt wurde, ver- 
langte er durch einen Brief an Constantius Rechen- 
schaft daruber, weshalb eine Gesandtschaft orien- 
talischer Bischofe ihn in Gallien aufsuchte (341) 
und ihm ihr Glaubensbekenntnis uberbrachte (Socr. 
II 18. Athan. de synod. 25 = Migne G. 26, 725). 
Den verbannten Athanasius berief er mehrmals 

60 nil belli Hofluger. und cs gmg ias Gerudit, Jiis 
dieser ihn gegen Constantius aufgereizt habe (Athan. 
apol. ad Const. 2—5 = Migne G. 25, 597). Als 
die Briefe, durch welche C. die Ruckberufung des 
alexandrinischenBischof8forderte,fruchtlosblieben, 
veranlasste er 347 das Concil zu Serdica (Socr. 
II 20. Sozom. HI 11). Als dessen Spruch dem 
Athanasius und dem gleichfalls verbannten Paulus 
von Constantinopel gfinstig war, drohte er seinem 



951 



Constans 



Constantia 



952 



Bruder mit Krieg, falls ei sie nicht wieder in 
ihre Amter einsetze (Socr. II 22. Sozom. Ill 20. 
Philostorg. HI 12 = Migne G. 65, 500). Con- 
stantius, der seine trbermacht zu fiirchten hatte, 
schrieb ihm darauf ein en versShnlichen Brief und 
erfiillte sein Verlangen (a. 0. Athan. apol. c. Ar. 
51 = Migne G. 25, 841). 

Anfaugs soil die Begierang des C. gut und 
gerecht gewesen sein (Eutrop. X 9, 3); spater 
■suchte er moglichst viel Geld aus den Unter- 
thanen herauszupressen (Vict. Caes. 41, 23), ver- 
kaufte die Statthalterschaften (Vict. epit. 41, 24) 
wnd gestattete seinen Giinstlingen die argsten 
Bedruckungen (Vict. a. 0. Eutrop. a. 0. Liban. 
or. I 427. Zosim. II 42, 1. Ammian. XVI 7, 5). 
J^amentlich soil er seinen Buhlknaben alles er- 
laubt haben, meist jungen Barbaren, die er teils 
als Geiseln empfangen, teils mit Geld erkauft 
liatte (Zosim. II 42, 1. Vict. Caes. 41, 24. Zonar. 
XIII 5 p. 12 A. Ioann. mohacb. pass. S. Artemii 
10 = Mai Spicilegium Romanum IV 347). Seine 
Ausschweifungen hatten ihm schon Mh die Gicht 
zugezogen, die auf seine Laune und dadurch auch 
auf seine Eegierung gleichfalls ungunstig einwirkte 
(Eutrop. X 9, 3. Zonal. XIII 6 p. ISC. Vict. epit. 
41, 24). Von seinem Vater hatte er dessen Vorliebe 
fiir Rhetorik geerbt. Den christlichen Sophisten 
ProaiTesios berief er an seinen Hof nach Gallien, 
machte ihn zu seinem Tischgenossen und entliess 
ihn spater mit reichen Geschenken und der Ti- 
tularwiirde eines Magister Militum (Eunap. vit. 
soph. 90). Die Soldaten wusste er mit Kraft in 
ihren Schranken zu halten (Eutrop. X 9, 4). Bei 
■einem Aufstande gegen den Officier Magnentius. 
der spater gegen ihn zum Usurpator werden sollte, 
rettete er den Bedrohten durch sein personliehes 
Einschreiten (Zonar. XUI 5 p. 12 A). Doch trug 
•er seine Verachtung gegen das Militar zur Schau 
(Vict. Caes. 41, 28) und machte sich bei ihm 
verhasst (Eutrop. X 9, 3. Zosim. II 47, 3). 

Dies benutzten einige seiner Beamten, urn 
«ine VerschwOrung gegen ihn anzuzetteln, an 
deren Spitze der Comes sacrarum largitionum 
Marcellinus stand (Zosim. II 42, 2. Vict. epit. 
41. 22. Lilian, or. II 57 D. 58 C. 59 B). Ausser- 
dem werden nocb als Teilnehmer ein Chrcstus 
genannt (Vict. a. 0.) und namentlich Magnentius. 
der mit dem Comestitel die Legionen der Ioviani 
uud Herculiani commandierte (Zosim. a. 0. Zonar. 
XIH 6 p. 13 B). Wahrend C. als eifriger Jager 
(Liban. or. HE 324) in den benachbarten Waldern 
umherstreifte, benfitzte Marcellinus seine Abwesen- 
heit, um am 18. Januar 350 (Mo mm sen Chron. 
min. I 237; vgl. Iulian. or. I 26 B) in Augusto- 
dunum die Spitzen des Heeres scheinbar zu 
■einem Familienfeste bei sich zu versammeln. Als 
das Zechen schon bis in die Nacht hinein ge- 
dauert hatte und alles vom Wein erhitzt war 
null an. or. TT 56 C\ °T=rb>ri Magnentius. der 
sich unter einem Vorwande entfernt hatte, plotz- 
lich in kaiserlichem Schmucke und liess sich zum 
Augustus ausrafen. Sohald die Soldaten in der 
Stadt davon erfuhren, schlossen sie sich dem Auf- 
stande an (Zosim. II 41, 3—5. Vict, epit. 41, 
22. Zonar. XUI 6. Hieron. chron. 2366). Aufdiese 
Nachricht floh C. nach der spanischen Grenze, 
zuletzt mir noch von dem Franken Laniogaisus 
begleitet (Ammian. XV 5, 16). Bei dem Castell 



Helena erreichte ihn Gaiso, den Magnentius ihm 
mit einer auserlesenen Schar nachgeschickt hatte, 
und totete ihn (Zosim. II 42, 5. Vict. epit. 41, 
23. Zonar. XIII 6 p. 14 B. Eutrop. X 9, 4. 
Iulian. or. I 26 C. II 55 D. Vict. Caes. 41, 23. 
Mommsen Chron. min. I 237. Socr. II 25, 7. 
Sozom. IV 1). Andere Versionen iiber seinen 
Tod bei Zonar. XIII 6 p. 13 D. Joh. Chrysost. 
in epist. ad Philipp. IV 15, 5 = Migne G. 62, 
10 295. 

4) Flavins Maecius Constans, Praeses Maure- 
taniae Sitifensis zwischen 383 und 392, CIL VIII 
8480. ' 

5) Beamter des Usurpators Priscus Attains, 
von diesem 409 nach Africa geschickt, um die 
Provinz fur ihn zu gewinnen, wird dort von dem 
Comes Africae Heraclianus getotet, Zosim. VI 7, 
6. 9, 1. Sozom. IX 8. 

6) Alterer Sohn des Usurpators Constantin III., 
20 war anfangs Monch, wurde aber 408 zum Caesar 

erhoben (Oros. VII 40, 7. Olymp. frg. 12. 16) 
und zu einer Heirat veranlasst (Greg. Tur. II 9). 
Dann wurde er nach Spanien geschickt und er- 
oberte nach hartem Kampfe das Land fiir seinen 
Vater (Oros. a. 0. Zosim. VI 4. Sozom. IX 11. 12). 
An den Hof- desselben berufen, liess er 409 seine 
Prau und seinen Hofstaat in Caesaraugusta zu- 
riick und ubertrug den Oberbefehl in Spanien 
dem Gerontius (Greg. Tur. II 9). Den Schutz 

30 der Passe in den Pyrenaen, die bisher von den 
spanischen Milizen bewacht worden waren, fiber- 
gab er trotz ihrer Bitten der barbarischen Hiilfs- 
truppe der Honoriaci, wodurch bald darauf das 
Eindringen der Germanen ermOglicht wurde (Oros. 
VII 40, 7—10. Zosim. VI 5, 1. Sozom. IX 12). 
Er hatte die Absicht, nach Spanien zuruckzu- 
kehren, als Gerontius dort den Maximus zum 
Kaiser erhob und zugleich die Germanen zu einem 
Einfall fiber den Bhein anreizte, weshalb C. sich 

40 gegen diese wenden musste (Zosim. VI 5, Greg. 
Tur. II 9). Im J. 410 wurde er zum Augustus 
erhoben (Zosim. VI 13, 1. Sozom. IX 11. 12. 
Olymp. frg. 16. Cohen Medailles iniperiales VIII 2 
200) und wieder nach Spanien gesandt; doch 
schlug ihn Gerontius zuriiek, verfolgte ihn nach 
Gallien und liess ihn in Vienna ermorden (Sozom. 
12. 13. Olymp. frg. 16. Oros. VII 42, 4. Momm- 
sen Chron. min. I 466. II 70). 

7) Magister Militum per Thracias im J. 412 
50 (Cod. Theod. VII 17). bekleidete 414 in Constan- 

tinopel das Consulat. Olymp. frg. 23. DeBossi 
Inscr. christ. urb. Eoma'e I p. 255. Mommsen 
Chron. min. Ill 527. An ihn ist vielleicht Synes. 
epist. 27 gerichtet. [Seeck.] 

Constantia. 1) In Palaestina = Majuma, 
der Hafenstadt Gazas (Sozom. hist. V 3. Euseb. 
Vit. Const. IV 38), s. d. 

2) In Arabia (Hierocl. Synecd. 723, 2. Not. 
enisc. 1 1026 Kowozavxivr)). Bischofssitz: vielleicht, 
60 wie Waddington vermutet, das heutige Brak 
in der Trachomatis. Insehriften von dort s. CIG 
4540 und Add. p. 1180. Le Bas-Waddington 
IE 2537 a. b. 

8) InPhoinikien (Theoph. Chron. 57, 10 Bonn. 
= 38, 8 Boor) , anderer Name der Stadt Anta- 
rados, der ihr von Constantin bei Neugrundung 
der Stadt gegeben wurde. Damit durfte wohl 
identisch sein Kcovozavrivcu bei Hierokles (Synecd. 



953 



Constantia 



Constantia 



954 



716, 7), das allerdings neben Arados und Anta- 
rados aufgezahlt wird, s. Antarados. 

[Benzinger.] 
4) Constantia {KcovaxavTua) , spaterer Name 
fiir Antoninopolis (s. d.), Theoph. 36, 10 u. o. 
Hierocl. 714, 2. Georg. Cypr. (Gelzer) 894. Die 
hauflgere Form Constantino. (KcovazavzTva) ist 
unrichtig; s. Gelzer Anm. zu Georg. Cypr. a. a. 0. 
Jetzt Viransehr. [Fraenkel.] 



haer. 51, 24 (op. II 489, doch vgl. Dindorf ebd. 
I 373. Ill 732). Alex. Cypr. in Act. SS. Jun. II 
451 § 46, Kotvazavzivevg Const. Porph. admin, 
imp. 48, Kcovatavxuuoe in Hss. des Epiphanios, 
s. Dindorf a. a. 0. u. vit. Epiph. op. V p. XXV; 
Koovoxdvriog Epiph. mens, et pond. 21 (s. o.);. 
Kcorozarzcdzrjg Steph. Byz. 

Durch die Gunst der Lage, welche schon die 
Entwicklung von Salamis befOrdert hatte, und 



5) Stadt auf Kypros, in welcher das alte Sa- 10 seine Bedeutung als kirchlicher Mittelpunkt der 



lamis (s. d.), wenngleich in kleinerem Umfange, 
wahrend der christlichen Periode fortlehte. Nach- 
dem Salamis, bereits durch wiederholte Schlage 
erschfipft, von zwei rasch folgenden Erdbeben (332 
und 342 n. Chr.) vollig verwiistet war (Theoph. 
chron. I 29. 37 de Boor. Georg. Kedr. 296 c. d 
Par. Oberhummer Cypern 139f.), entstandauf 
den Trummern der alt en Stadt durch kaiserliche 
Filrsorge ein neues Gemeinwesen Kwvazavzia, 



Insel gelangte C. bald zu ansehnlicher Blfite, 
welche sowohl aus Stellen iiber die BevOlkerung 
wie aus der Bauthatigkeit in der Stadt (s. u.) 
hervorgeht; so sagt Sozomenos VI 32, 2 von 
Epiphanios kv 6/ieXm yap xal sioXsi fiBydXy xal 
7ia.Qa.llq ieomfdvog, und die Vita Epiph. I 75 
Cap. 66 Dind. nennt C. eine jcoXvavdoog itr\xq6- 
noXig. Ebenso nennt der jakobitische Patriarch 
Michael d. Gr. (12. Jhdt.) C. zur Zeit der arabi- 



dessen Griindung Jo. Mai. 415 c. d Ox. dem Con- 20 schen Eroberung eine reiche und stark bevolkerte 
stantius Chlorus (f 306) zuschreibt. Offenbar 
liegt hier, wie aus obigen Daten des Theophanes 
hervorgeht, eine Verwechslung mit Constantius n. 
(337 — 361) vor, und hiezu stimmt auch, dass in 
der Kirchenversammlung von Nikaia (325) Sala- 
mis, in jener von Ephesos (431) C. als Bischof- 
sitz erscheint, s. Harduin Cone. coll. I 319f. 
S. 1044f. Lequien Or. christ. II 1044f. 1039. 
Freilich blieb auch nachher der alte Name Sa- 
lamis neben C. noch in Gebrauch, und der be- 80 
kannte Bischof Epiphanios (367 — 403) heisst da- 
her bei Socr. VI 10, 1 Kwvazavriag rfjs Kvjiqov 
eniaxonog (ebenso Suid. S. 'Ejiupdviog ;, Kcovarav- 
rslag — rrjg nQoxeqov 2aXa/Aivrjs) , dagegen bei 
Sozom. VI 32, 2 ZakafiTvog rfjg Kvngov ETciaxojiog 
(ebenso VIII 14, 1). Auch Epiphanios selbst und 
dessen alte Lebensbeschreibungen (in Epiph. op. 
ed. Dindorf vol. I u. V) gebrauchen beide Namen 
gleichbedeutend, s. Epiphan. adv. haer. 51, 24 

SaXafiirlovg xovg xal Kmvatavrdag ; mens, et 40 
pond. 21 (op. IV 1, 26) Zaka/tivwi efcovv Kcovo- 




rdvnoi; vit. Epiph. op. vol. I 38f. (Cap. 33f.). 54 
(Cap. 49). 263. vol. V p. V. XIII. Hieron. ep. 108 
(bei Migne L. 22, 881) Epiphanius Salatninae 
Cypri, quae nunc Constantia dicitur. Beda Ven. 
nom. loc. in Act. Ap. (Migne L. 92, 1039) Salamis 
— nunc Constantia dicta, Ludolph It. terr. 
S. (Bibl. d. litt. Ver. 25) 33: Constantia vel Sa- 
lantina. Moses v. Chorene (trad, par Le Vail- 



Stadt, s. Chronique de Michel le Grand (fibers, 
von Langlois, Ven. 1868) S. 235 (auch bei 
Oberhummer Cypern 34). Dass diese zahlreiche 
Bevolkerung vorwiegend griechisch und den R0- 
mern nicht gfinstig gesinnt war, erhellt aus der- 
selben Quelle 41 § 36, wogegen ebd. I 46 e. 40- 
der Keichtum der dortigen Griechen hervorge- 
hoben wird; dazixoi und Igevot der Bttrgerschaft 
unterscheidet Sozom. a. a. 0. Ala besondere Er- 



lant Ven. 1841 S. 33) nennt Ebipan Bischof von 50 eignisse in der Geschichte der Stadt sind hervor- 



Gosdantia in Quibros. Von nun an erscheint C. 
als ixrjXQonohg von Kypros ; vgl. zu obigen Stellen 
noch Steph, Byz. Kcovazavreia (nicht Kiooxaneia, 
wie Meineke gegen die Hss. nach Xylan der 
schreibt) ^ vvv h Kvng<» Zalaftig. Argum. Isocr. II 
2a/.afuvog — zrjg vvv Kmvarav zlvov (so!) xaXov/.ievrjg 
y.at fxr/zgojidHecog ovorjg xdotjg rrjg Kvxoov. Hierokl. 
44 Kmvazavtia /itjZQOxoXig. Const. Porph. them. 
I 15 Kcjvazdrzeia /AtjzQojioktg. Georg. Cypr. 1098 
Gelzer KuivoiaviiuL fir/iyuuiu/ug. Xii. DviJtop. lii GO dclii Iudc Jco Ej>ipiiiUiiua \j 40u^ zaaullilue;. 



zuheben eine im J. 401 dort abgehaltene Synode 
der kyprischen Bischofe, iiber welche vgl. Lab be 
Concil. II 9ff. Bardenhewer im Freiburger 
Kirchenlex. TV 714. F. Ludwig Der hi. Joh. 
Chrysost. 73, und eine Belagerung, durch die 
gnostische Secte der Markionisten , deren Ver- 
breitung ia C. Epiph. panar. 42, 1 (op. II 30S 
Dind.) erwahnt, nach Io. Chrysost. ep. 221 (Migne 
Gr. 52, 733). Es scheinen diese Unruhen mit 
" " " - 403) 



Parthey elol de nai iv avzf/ (namlieh Kvxgq)) im- 
axoTial if •', (Zv iiQoxadrjrai fj /.cyofisvrj Kiovozavzla. 
Sozom. VI 32, 2 'Enupdviog — f/Qs&tj zijg prjTQO- 
TtoXuog zfjg vrjoov emaxojzeiv. Acta SS. Febr. IH 
125 Constantia metropolis Cypri constituitur 
in omnibus notitiis ecdesiarum. Acta Spyrid. 
bei Surius Vitae Sanct. VI 969 C. metropolis. 
Das Ethnikon lautet Kcovazarzcvg Epiph. adv. 



zuhangen, dessen Nachfolger auf dem Metropo- 
litanstuhle nach den alteren Quellen Lequien 
Or. christ. II 1043ff. zusammengestellt hat. Eine 
Eeihe anderer Namen lernen wir aus der Chronik 
des Leontios Machairas S. 18 Miller und teil- 
weise aus Insehriften kennen, s. Oberhummer 
S.-BeT. Akad. Munchen 1888, 344f. ; der dort ge- 
nannte Erzbischof Plutarehos steht auch bei Leon- 



955 



Constantia 



Constantia 



956 



957 



Constantia 



Constantia 



958 



tios Machairas. ITber Sergios aqian. Kmvaxav- 
xiaq xrjs Kvxqov s. das Leben Spyridons nach 
Usener Jahrb. f. prot. Theol. 1887, 230. 

Ihr Ende bat die Stadt ebenso rasch gefunden 
-wie sie entstanden war, als im J. 647 Muawia, 
<ier Feldherr des Chalifen Ottoman, die Insel Ky- 
pros mit Feuer und Scbwert verheerte und dabei 
auch, me es scheint, die Stadt C. grtadlich zer- 
stSrte, Theoph. chron. S. 343f. de Boor. Georg. 



allart (1586) Viaggio (Rom 1595) 94. Coto- 
vicus (1596) Itinerarium (Antverp. 1619) 108. 
L. Conrady Vier rbein. Palastina-Pilgerschr. 
(Wiesb. 1882) 349- H. Knust Gesch. d. Legen- 
den d. hi. Katharina u. s. w. (Halle 1890) 23ff. 
45. 47. 49ff. 97ff. (altengl. Gedicht d. 15. Jhdts.). 
121ff. 137. Im iibrigen vergleiche man iiber C. 
aus der Litteratur der Pilgerschriften noch Willi- 
bald und Ludolph a. a. 0. Chr. Fiirer v. 



storte, rtieopn. cnron. c. s*ai. ue xwui. vrcuig. »»»« T" . i r i m- i Tojm ono „ i 
Kedr S 431. Hist. Misc. XXXI 3. Const. Porph. 10 Haimendorff Reisebeschr (Numb. 1646) 202 u. A 



-de admin, imp. 20. Moses v. Chor. a. a. O. 34f. 
Michael d. Gi. a. a. O. G. Weil Gesch. d. Chal. 
I 160, 2. Ill Anh. I S. II. Ob unter diesen Urn- 
standen eine von J. Sabatier Descr. gen. d. 
monn. Byz. I 298 beschriebene Miinze vom J. 656 
mit der Aufschrift KOJNCTAN wirklich auf die 
Stadt nnd nicht auf den damals regierenden Kaiser 
•Constans II. zu beziehen ist, erscheint mir sehr 
fraglich. Die Verodung der Stadt in der zweiten 



Topographic Per Umfang von C. ist durch 
die wohlerhaltene Stadtmauer, welche etwa Vs 
von dem Areal des alten Salamis umschliesst, 
deutlich gegeben; die Westmauer fallt dabei mit 
jener von Salamis ungefahr zusammen, so dass 
C. in die Euinen der antiken Stadt hineingebaut 
erscheint. Die wichtigsten Fundstatten von Sa- 
lamis und C. sind im J. 1890 durch eine eng- 
lische Expedition naher untersucht worden, wor- 



traglich. we verouung uer oaiu in uw ano^ou ^.v^-,...™ --- - ,„ , m' tt,, 

Haffte des 7. Jhdts. wird auch ^durch ^f^^O *- fie^iter J A. ^unround * A T.bb, 



■dass unter Iustinian II. (685—695) der Erzbischof 
Johannes I. seinen Sitz nach der Stadt Iustiniano- 
polis Nova bei Kyzikos verlegte, welchen Schritt 
-die sog. Quinisexta oder tmllanisehe Synode im 
J. 692 mit den Worten bestatigte xr/v veav &axs 
'lovoxiviavovxohv xo dlxacov e'xeiv xfjg Kwvaxav- 
Ttveov TioXcms (bei Migne Gr. 137, 647 falsch 
KwroxavxivovitoXscog ; vgl. Const. Porph. ad- 
min, imp. 47f.). Gleichwohl kann dieselbe keine 



Joum. Hell. Stud. 1891, 59—198 Taf. IV— X 
eingehend berichtet haben; ersterer giebt auf 
Taf. V einen ziemlich mangelhaften Plan, in wel- 
chem jedoch die mit late wall bezeichnete Mauer 
von C. gut zu erkennen ist (vgl. unsere kleine 
Planskizze auf S. 954). Von den erhaltenen 
Gebauderesten innerhalb der Stadt ist weitaus der 
wichtigste jener merkwiirdige Bau, welchen T ub b s 
a a 0. 81—91 Taf. VII unter der volkstum- 



vollstandige gewesen sein, da die Keisebeschrei- 30 lichen Bezeichnung Aovx^v (auch Bovoxa) be- 
' . 6 . . 5 TT t.,,., n ,r,?.r, m T_ -: , „„i,« D ^o,i nnf^ o>i<io>iilrlpt. Vint, Dnsselbe ist wanr- 



~bung des hi. Willibald (723—6) noch von einem 
Aufenthalt in der Stadt C. spricht, s. Tobler 
Descr. Terrae Sanctae (Leipzig 1874) 21. 26. TJber 
die Verlegung des Metropolitansitzes von Cypern 
n ach der Provinz Hellespontos vgl . H a r d u i n Concil. 
•coll III1676. L equien Or. christ. II 1041. 1050f. 
Hefele Konziliengesch. Ill 306 (2 335f.). Doch 
scheint die Trennung des kirchlichen Thrones von 
der Insel nicht lange gedauert zu haben, denn schon 



schrieben und abgebildet hat. Dasselbe ist wanr- 
scheiulich ein sbgen. oastellum (s. d. Nr. 3) oder 
ein Sammelbecken, aus welchem das Wasser durch 
ROhren in die Stadt verteilt wurde; auf diesen 
Zweck weist sowohl die Benennung Xovxqov wie 
die Auffassung neuerer Besueher, von denen schon 
der erst kiirzlich verOffentlichte Keiscbericht des 
italienischen Notars Martoni aus dem 14. Jhdt. 
(s. o.) die cisterna antiqua beschreibt, cum la- 



der mseimcniianKeireuaueiuz,u iiaucn, umiii i><.iiv.i V o. *., — „.„„„..... 3 .... - , _ 

um 750 finden wir wieder einen Erzbischof Georgios 40 mia (Dach ?) sublevata super 36 columms et cum 



auf der Insel, der aber seinen Sitz nicht mehr zu 
C, sondern zu Arsinoe, allerdings unweit des 
alten Salamis, aufschlug; vgl. Lequien II 1051. 
Neher im Freiburger Kirchenles. III2 1269. 
Biihr Alle. Encvkl. I 60. 205 XIII. Im J. 787 
■erscheint sogar 'auf der (2.) Kirchenversammlung 
von Nikaia wieder ein Ko>vaxm>xtvos Ixiaxoxoq 
Kwvoxavxlas xijg Kvxqov , Lequien II 1051f. 
Migne Gr. 93, 1609. Es ist das letztemal 



spiraculis supra, wide auriebatnr aqua u. s. w., 
dann Lusign a n Chorograffia (Bol. 1573) f. 12 den 
Bau als cisterna over eonserea bezeichnet, ebenso 
Mariti Viaggi I (1769) 160. Ross Inselreisen 
IV 124 (castrum aquae). Wahrscheinlich miindete 
hier die sog. justinianische Wasserleitung, welche 
die Stadt aus der Gegend von Chytroi (s. d. Nr. 3) 
mit Wasser versorgte; iiber ihren Verlauf, Bauge- 
schichte und Ruinen vgl. Oberhummer a. a. 



4ass der Name C. in den Bischofslisten der 50 O. 341. 346ff. 526 (daselbst auch die alt. Lit 



Insel erscheint, obwohl die Erzbischofe bis zur 
Mitte des 13. Jhdts. in dem nahe gelegenen Fa- 
•magusta residierten; dagegen iindet sich die Ti- 
tulaturnach Iustinianopolis ivia'Iovoxinarrj) nocli 
1678, s. Sathas Mvtjft. HI 520. 

In der Legende des spateren Mittelalters gait 
als Griinder von C. ein Ki3nig Costus (friiher Co- 
stantius genannt), der als Bruder oder Sohn Con- 
..1,^4;,.! A Qr.. stofp abor i1= Vater fler hi. Ka 



Wenn Tubbs a. a. O. das Iovtqov genannte Ge- 
biiude nicht mit dieser, sondern einer alteren 
Wasserleitung in Zusammenhang bringt, so scheint 
mir dies nach meiner eigenenen Beobachtung min- 
destens zweifelhaft. Vgl. noch Martoni a. a. O. 
und das seltene Reisewerk von A. Drummond 
(Travels etc., London 1754) 274, wo die Cisterne 
und andere Ruinen eingehend beschrieben sind. 
Von anderen Ortlichkeiten innerhalb der Stadt 



tharina erscheint, deren Verehrnng sich an einen 60 ist hervorzuheben ein viereckiger, mit Granitsauleii 



uralten Felsbau bei Salamis (s. d.) knupft . 
Martoni (1394) Rev. de 1' Orient Latin III 631f. 
Fabri (1483) Evagatorium III 239 (Bibl. de lit. 
Ver. 4). Grunemberg (1486) Hss. Karlsruhe 
Fol. 25 (mit Abbild.), Hss. Gotha Fol. 39/40 (s. 
Rohricht Bibl. Geog. Pal. 139). Wanner (1507) 
Ztschr. d. D. Palastinaver. I 205. L. Tschudi 
{1519) Reyssu. s. w. (Rorschach 1606) 341. Zu- 



bedeckter Platz, dessen Bedeutung auch durch 
die Ausgrabungen nicht aufgeklart wurde , s. 
Munro-Tubbs 63ff. 122f. Taf. VI. sowie eine 
weitere mit Saulenbruchstucken aus Kalkstein be- 
deckte Stelle, von Tubbs als the Drums be- 
zeichnet, ebd. lOlff. Taf. VII A. Inwieweit diese 
oder andere Ruinen mit Baulichkeiten zusammen- 
hangen, tiber welche wir litterarische Andeutungen 



besitzen, ist bei dem dermaligen Fundbestand 
nicht auszumachen; erwahnt werden die von Epi- 
phanios (s. o.) erbaute bischofliche Kathedrale, 
welche an Stelle einer kleinen alteren Kirche trat 
und als sehr prachtig geschildert wird, s. Epiph. 
op. ed. Dind. I S. XXXIIf. S. 40 c. 34. S. 41 
c. 35 (hier noch andere Kirchen erwahnt). S. 46 
c. 40. S. 76 c. 67 und Chronique de Michel le 
Grand (Ven. 1868) 235; ferner der bischofliche 
Palast {imoxoxsTov), Epiph. I S. 40 c. 34. S. 42f. 
e. 36f. S. 60fT. c. 55f. (80 Monche!). V S. XXI, 
sowie ein Gefangnis {qrvXaxrj), ebd. I S. 4 If. c. 36. 
Weitere Ausgrabungen sind hier wie auf dem 
Boden von Salamis zur Klarstellung der Topo- 
graphic unbedingt nOtig. [Oberhummer.] 

6) Constantia, ein Castell an der Donau in 
Pannonia inferior, besetzt von equites Dalmatae 
(Not. dign. occ. XXXIII 13 = 34). Nach Momm- 
sen CIL III p. 458 identisch mit Ulcisia castra 
(Szent-Endre, s. d.), nordlich von Aquincum. 

7) Constantia (Priscus FHG IV p. 72: naQa- 
■yiyvovxai s; Maqyov .... ?/ de nofag xmv iv 'D.- 
Xvgia Mvowv jiqos xq> "latQq) xsi/isvtj izoxa/xql 
avxixQV Kcovoxarxiag qiQOVQiov xaxa xijr etsqav 
Syfirpr diaxeifisvov), wohl identisch mit Not. dign. 
XLI 33 : Praefectus militum . . . ., ecmtra Mar- 
yum in castris Augusta flavianensibus. Die Lage 
der obermoesischen Stadt Margum ist durch CIL 
III 8141 (vgl. A. v. Domaszewski CIL III 
p. 1453) in Orasje auf dem rechten Ufer der Mo- 
rava (Margus) bei deren Einmiindung in die Donau 

> bestimmt worden; tiber die Statte von C. ist man 
aber noch nicht im klaren. Sie wird bald am 
linken Donauufer bei Kubin (C. Jirecek Die 
Heerstrasse von Belgrad nach Constantinopel 15. 
Th. Ortvay Margum es Contra-Margum hely- 
fckvese [Budapest 1876] 55), bald siidlich der 
Donau am linken Moravaufer bei Kulic, wo sich 
romische Reste beflnden, gesucht. L. BiShm Arch.- 
epigr. Mitt. IV 175. F. Kanitz Rom. Studien 
in Serbien 12. [Patsch.] 

8) Constantia- eivitas in Lugudunensis secunda, 
Not. Gall. II 8. Vgl. Not. dign. occ. XXXVII 9 
= 20. XLII 34. Bei Gregor. Tur. hist. Franc. V 
19. VT 36 eivitas Constantina. Nach allgemeiner 
Annahmc das hcutigc Coutanccs (Cotcntin). L on g- 
non Ge"ogr. de la Gaule 241. Man vertnutet, dass 
der altere Name der Stadt Cosedia (Tab. Peut. 
Itin. Ant. 386) sei. Desjardins Table de Peut. 
27f,; Ge~ogr. de la Gaule III 438. Vgl. Castra, 
Castrum Nr. 12. 

9) Constantia , jetzt Constanz am Bodensee, 
Geogr. Rav. IV 26 p. 231. J. M arm or Ge- 
schichtliche Topographie der Stadt Konstanz 1860. 

[Ihm.] 

10) Constantia castra s. Castra, Castrum 
Nr. 12. 

11) Constantia Iulia s. Lacimurga. 

12) Personification der Standhaftigkeit, deren 
Nalneli ULia 11111' auf deli jluniicli ucn Kaiocl'a 

Claudius und seiner Mutter Antonia begegnet; 
diese zeigen neben der Umschrift Constantiae 
Augusti die stehende Ceres mit Fackel und 
Fiillhorn (Cohen Med. imp.-2 Antonia 1. 2), 
jene neben derselben Umschrift eine zwiefache 
Darstellung : a) eine sitzende, nach links gewandte 
Frau, welche die Rechte gegen das Gesicht 
cmporhcbt (Cohen Claude I 4—12), b) eine 



stehende, an Tracht und Haltung der Roma-Virtus 
gleichende Frau mit Helm und Mantel, welche 
gleichfalls die Rechte gegen das Gesicht empor- 
hebt , wahrend die Linke sich auf das Scepter 
stutzt (Cohen Claude I 13, dazu R. Peter in 
Roschers Mythol. WSrterbuch I 924). Von einem 
Culte der C. wird uns nichts berichtet. [A list.] 

13) Flavia Iulia Constantia (Dessau 711), 
eines von den sechs Kindern des Kaisers Con- 

lOstantius und der Theodora (Eutrop. IX 22, 1), 
Stiefschwester Constantins des Grossen, wurde 
Ende 311 oder Anfang 312 mit Licinius verlobt 
(Lact. de mort. pers. 43, 2. Zosim. II 17, 2) und 
t'eierte im Februar 313 (Ztschr. f. Rechtsgesch. 
Rom. Abt. X 182) zu Mailand ihre Hochzeit (Zosim. 
a. 0. Lact. de mort. pers. 45, 1. 48, 2. Anon. Val. 

5, 13. Vict. ep. 41, 4. 39, 7; Caes. 41, 2. Euseb. 
hist. eccl. X 8, 2. 4. 5, 3 ; vit. Const. I 49. 50. Petr. 
Patric. frg. 15 = FHG IV 190. Eutrop. X 5. 

20Zonar. XH 34. Xni 1 p. 645 C. Sozom. I 
7), wobei sie wahrscheinlich durch ein Rescript 
Constantins (Cod. Theod. IV 6, 2) den Bastard 
ihres Gatten adoptierte ; denn spater wird er ihr 
Sohn genannt (Eutrop. X 6, 3. Ztschr. f. wissen- 
schaftl. Theologie XXXIII 73). Wahrend sie als 
Kaiserin des orientalischen Reichsteils in Niko- 
media residierte, gewann der dortige Bischof Eu- 
sebius Einfluss bei Hofe (Sozom. I 15. Socr. I 

6, 33) und brachte sie in Verbindung mit Alius, 
30 dessen treue Anhangerin sie wurde (Hieron. ep. 

133, 4 = Migne L. 22, 1153). Auch mit einem 
anderen Haupte der arianischen Secte, Eusebius 
Pamphili von Caesarea, stand sie im Briefwechsel 
(Man si Concil. coll. XIII 313). Als sich ihr 
Gemahl. nachdem er 324 die Enscheidungsschlacht 
bei Chrysopolis gegen Constantin verloren hatte, 
nach Nikomedia rettete (Zosim. II 26, 3), ver- 
mittelte sie ihm bei ihrem Bruder den Frieden 
(Anon. Val. 5, 28. Zonar. XIII 1 p. 3 A. Zosim. 

40 II 28, 2. - Vict. epit. 41, 7). Sie hOrte jetzt zwar 
auf, Augusta zu sein, und erhielt nur den nie- 
drigeren Titel nobilissima femina, doch bewahrte 
sie sich Einfluss bei ihrem Bruder, der auch spater 
mit ihrem Bildnis Mfinzen schlagen Hess (Cohen 
Medailles imperiales VII 2 211), und als er den 
Hafen von Gaza zur selbstiindigen Stadt erhob, 
ihn nach ihrem Namen benannte (Euseb. vit. Const. 
IV 38; vgl. Ztschr. f. Kirchengeseh. XVII 5. 357). 
Daher werden ihr auch nach dem Tode ihres 

50Mannes noch Statuen gesetzt (CIL VI 1153). 
Bei dem nicaenischen Concil 325 war sie auwesend 
und beredete ihre arianischen Freunde, die Be- 
kenntnisformel anzunehmen (Philostorg. 19 = 
Migne G. 65, 465); doch soil sie auch fur die- 
jenigen, welche sich dessen weigerten, spater bei 
ihrem Bruder eingetreten sein (Sozom. Ill 19). 
Dass sie auf ihrem Totenbette einen arianischen 
Presbyter ihrem Bruder empfohlen und dadurch 
dessen Gesinnung fur die Secte gewonnen habe, 

60 ocliciiii FiiLel iii ociii tRufiii. hist. c».u. I 11 
= Migne L. 21, 482. Seeck Ztschr. f. Kirchen- 
geseh. XVn 20). 

14) Alteste Tochter Constantins d. Gr. Sie 
heisst Constantia bei Ammian. XIV 7, 4. Zosim. 
II 45, 1. Petr. Patric. frg. 16. Zonar. XIH 8 
p. 16 B. Philostorg. Ill 22. 28. IV 1 = Migne 
G. 65, 512. 516. Mommsen Chron. min. I 237, 
Constantiana bei Anon. Val. 6, 35, Constantina 



959 



Constantiana 



Constantina 



960 



bei Ammian. XIV 11, 22. XXI 1,-5. Vict. epit. 
42, 1. Joh. Monach. pass. S. Artem. 14 = Mai 
Spicilegium Eomanum IV 350. Darnach ist der 
ersten Namensform der Vorzug zu geben, umso- 
mehr als sie der verbreiteten Sitte entsprieht, die 
altesten Kinder nach dem Grossvater zu benennen. 
C. hatte schon bei Lebzeiten ihres Vatexs das 
Diadem und den Titel Augusta erhalten (Philo- 
storg. Ill 22. 28) und wai ihrem Vetter Hanni- 
balianus vennahlt, der 337 ermordet wurde (Am- 
mian. XIV 1, 2. Anon. Val. 6, 35. Pbilostorg. 
Ill 22). Nach der Usurpation dea Magnentius 
veranlasste sie, um ihm ein Gegengewicht zu 
schaffen, den Vetranio, am 1. Marz 350 in Sir- 
mium den Purpur zu nehmen, und wusste brief- 
lich ihren Bruder Constantius zu bewegen, dass 
er ihn anerkannte (Philostorg. a. 0. Mommsen 
a. 0. Job. Monach. pass. S. Artem. 11). Mag- 
nentius bewarb sich um ihre Hand, um so mit 
dem Hause Constantins seinen Frieden zu schliessen, 
wurde aber von Constantius abgewiesen (Petr. 
Patric. frg. 16). Als Gallus 351 zum Caesar er- 
hoben wnrde, vermahlte sie sich mit ihm in Sir- 
mium (Joh. Monach. pass. S. Artem. 12. Zosim. 
II 45, 1. Zonar. XIII 8 p. 16 B. Vict. epit. 42, 
1) und gebar ihm spater eine Tochter (Lilian, 
epist. ad Athen. 272 D). In Antiochia, wo er seine 
Residenz nahm, soil sie die Hauptanstifterin seiner 
Mordthaten gewesen sein (Ammian. XIV 1, 2. 3. 
8. 7. 4. 9, 3. 11, 22. Philostorg. Ill 28. Zonar. 
XIII 9 p. 18 D. 19 A). Da Constantius ihn zur 
Verantwortung nach Italien an seinen Hof entbot, 
reiste sie voran, um ihren kaiserlichen Bruder 
zu besanftigen, starb aber unterwegs 354 in dem 
bithynischen Orte Coenon Gallicanon (Joh Monach. 
pass. S. Artem. 14. Ammian. XIV 11, 6. Phi- 
lostorg. IV 1. Zonar. XIII 9 p. 19 B; vgl. Itin. 
Ant. 141) und wurde bei Rom an der Via Nomen- 
tana begraben (Ammian. XXI 1, 5). 

15) Tochter des Kaisers Constantius II. und 
seiner dritten Frau Faustina, geboren nach dem 
Tode ihres Vaters, Ende 361 oder Anfang 362 
(Ammian. XXI 15, 6), befand sich 365 in Con- 
stantinopel, wo der Usurpator Procopius sich oft 
mit dem Kinde auf dem Arme den Soldaten zeigte, 
um diese durch das Andenken dcs verstorbenen 
Kaisers fur sich zu gewinnen (Ammian. XXVI 
7, 10). Auch im Kriege gegen Valens musste sie 
das Heer begleiten (Ammian. XXVI 9, 3). Als 
zwClfjabrige wurde sie 374 nach Gallien geschickt, 
um dem jungen Kaiser Gratian vermahlt zu werden, 
aber unterwegs beiuahe von den Qnaden gefangen 
(Ammian. XXIX 6, 7; vgl. XXI 15, 6). Schon 
vor dem J. 379 gebar sie einen Sohn (August. 
de civ. dei V 25), starb aber nicht sehr lange 
darauf, da ihr Gemahl sich kurz vor seinem Tode 
(383) zum zweitenmal vermahlte (s. L a e t a). 
Am 12. September 383 wurde der Leichnam der 
C. nach Constantinopel gebracbt (Mommsen 
Ciii'un. mill. 1 244j. Erwuliiii bei Joh. Ciuja. ad 
vid. iun. 4 = Migne G. 48, 605. [Seeck.] 

Constantiana (griechisch Kwvoxavxiava bei 
Prokop, aber Kwvoxavuavai Hierokles p. 3 Burckh. 
nach der besten Hs. und die kirchl. Liste bei de 
Boor Ztschr. f. Kirchengesch. XII 531), Stadt 
in Niedermoesien am Pontos Euxeinos. Der Name 
dieser Stadt begegnet uns zuerst in der Zeit Iu- 
stinians, der nach Procop. de aedif. IV a. E. in 



Thrakien am schwarzen Meer neben anderen Forts 
auch C. herrichten liess, dann bei Hierokles a. a. O., 
bei dem. in der isiaqila 2xv&iag der Ort Exov- 
aravTiaval sich findet. Constantinos Porphyro- 
gennetos de them. II 1, der die Liste des Hie- 
rokles ausschreibt, lasst Kcovazavnavai aus, ob- 
wohl die Zahl der von ihm hier aufgefiihrten 
Stadte — Te — mit der des Hierokles stimmt. 
Die schon erwahnte kirchliche Liste, welche de 

10 Boor herausgegeben hat, fuhrt gleichfalls in der 
ixagzla Sxv&lae unter den Bischofen auch den. 
von C. (o KcororavTiavtov) an. Zu beachten ist, 
dass in den kirchlichen Listen der Sitz des Me- 
tropoliten Tomis ist; diese letztere Stadt hat 
also offenbar unter ihrem alten Namen fortbe- 
standen. Nun ist es ja bekannt, dass das alte 
Tomis heute rumanisch Konstantza, ttirkisch Kii- 
stendje heisst, weshalb Kiepert Lehrb. d. alt. 
Geographie 328 u. a. glaubten, dass Tomis spater 

20 C. genannt sei. Offenbar ist aber der Sachver- 
halt so, dass C. in der Nahe des alten Tomis ge- 
legen war und dass dessen Name auf die an 
Stelle des alten Tomis erstandene neue Stadt 
iibertragen ist. Die von Mannert Geographie 
d. Gr. u. Rom. VII 127 versuchte Identification 
von Istros und C. ist sicher verkehrt, schon weil 
das letztere wegen der tlbertragung seines Na- 
mens auf den vom alten Tomis innegehabten Ort 
doch in der Nahe dieses letzteren gesucht werden 

30 muss. [Brandis.] 

Constantianus. 1) Bruder der Kaiserin Iu- 
stina und des Ceiealis (Ammian. XXVUI 2, 10). t 
Bei dem Perserfeldzuge Lilians gehorte er 363 
als Tribunus zu den Fiihrern der Euphratflotte 
(Ammian. XXIH 3, 9. Zosim. Ill 13, 3). Als 
Tribunus stabuli wurde er um 370 von galli- 
schen Rauberhaufen erschlagen (Ammian. XXVni 
2, 10). 

2) Vicarius Dioeceseos Ponticae in den J. 382 
40 und 383. Cod. Theod. VII 18, 7. V[II 5, 42. 

XI 7, 12. XII 1, 94. XVI 5, 10. Praefectus 
praetorio Galliarum im J. 389. Cod. Theod. V 
1, 4. VI 26, 5. XV 14, 8. _ _ [Seeck.] 

3) Ein Rhetor, der von Iustinian zweimal 
als Gesandter an Chosroes geschickt wurde, Prok. 
Pers. II 24 p. 259f. II 28 p. 280 B. 

4) Comes sacri stabuli, schlug die Gothen im 
J. 536 aus Dalmatien heraus (Prok. Goth. I 7), 
kam, als Belisar im J. 540 abberufen wurde, als 

50 Befehlshaber nach Ravenna (II 30) und verhandelte 
mit Totila wegen der Dbergabe von Treviso (III 
2 p. 288 B.). Als Totila zum Konige gewahlt war, 
nahm er als ranghOchster italienischer General 
an dem verungluckten Zuge gegen Verona und 
der Niederlage von Faenza teil (III 3), blieb 
dann unbeweglich in Ravenna (III 6 p. 302) und 
schrieb mit den ubrigen Generalen an den Kaiser 
einen Brief, in welchem sie sich ausser stande er- 
klarten, den Gothenkrieg zu fiihren (III 9 p. 312 B.). 

nis zu Gunsten des angeklagten Germanas (III 
32 p. 415 B.), wnrde mit anderen Generalen gegen 
die Gepiden geschickt (HI 34 p. 426 B. j und 
kampfte im J. 550 unter dem Oberbefehl des 
Scholasticus ungliicklich gegen die Sclavenen (HI 
40 p. 456 B.j. [Hartmann.] 

Constantina. 1) Kwvoiavziva (Hierocl. Sy- 
nced. 716, 7), Bischofssitz in Phoinikien, neben 



961 



Constantini arcus 



Constantini thermae 



962 



Arados und Antarados genannt, aber trotzdem 
wohl mit letzterem, das von Constantin den 
Namen Constantia erhalten hatte, identisch; s. 
Constantia Nr. 3. [Benzinger.] 

2) Spaterer Beiname der Stadt Arelate (s. d.). 

[Ihm.] 

3) a. Constantia Nr. 8. 

4) s. Cirta, o. Bd. Ill S. 2588. 

5) Naeh Hist. Aug. Claud. 13, 3 war dies 
der Name einer Schwester des Kaisers Claudius 
Gothicus, die sich mit einem tribtmus Assyriorum 
(vgl. Mommsen Herm. XXV 235) vermahlte 
und bald darauf starb. Doch gehort diese C. 
wohl unter die Stammbaumfiilschungen, mit denen 
man Constantin d. Gr. an den Divus Claudius an- 
zukntipfen versuchte, und hat in Wirklichkeit nie 
existiert. S e e c k Rh. Mus. XLIX 215 ; Geschichte 
des Untergangs der antiken Welt I 2 110. 488. 

6) Angebliche Tochter Constantins d. G., viel- 
mehr Constantia, s. d. Nr. 14. [Seeck.] 

Constantini arcus, Triumphbogen in Rom, 
die Strasse zwischen Palatin und Caelius an deren 
estlichem Ende beim Colosseum uberspannend, 
errichtet laut Inschrift (CIL VI 1139) im J. 315 
n. Chr. zu Ehren des Sieges iiber Maxentius, lit- 
terarisch merkwlirdigerweise niemals, auch nicht 
von den Regionsbeschreibern , erwahnt. Zu seiner 
Herstellung haben altere Monumente, besonders 
aus traianischer (doch nicht ein Triumphbogen 
des Traian) und antoninischer Zeit Material und 
namentlich Reliefschmuck liefern miissen (vgl. 
dariiber Petersen ROm. Mitt. 1889, 314—339; 
Alte Denkmaler I Taf. 42. 43); die Sculpturen 
aus constantinischer Zeit stechen durch die rohe 
und handweTksmassige Weise hasslich von diesen 
ab, wahrend die Architektur des Ganzen durch 
Verhaltnisse und Aufbau einen bedeutenden und 
eleganten Eindruck erzielt. Im Mittelalter zu- 
nachst als Monument des ersten christlichen Kai- 
sers mit Schonung behandclt, sodann in eine 
Festung der Frangipani verbaut, ward er 1731 
einer umfassenden Reparatur unterworfen und 
seit 1805 bis auf das antike Niveau freigelegt. 
Aufnahmen bei Bartoli Arcus antiq. 23—47. 
Rossini Archi trionf. tav. 67 — 73. Taylor 
und Cresy Architectural antiquities of Rome tav. 
30—40. Beschr, Roms HI 1, 314f. Canina 
Edifizj IV tab. 249—250. De Rossi Bull, diarch. 
crist. 1863, 58. Petersen Vom alten Rom 40f. 

Ein anderer arcus (divi) C. lag laut der Re- 
gionsbeschreibung in der elften Region Circus 
Maximus (Jordan II 559). Die Identitat mit 
dem sog. Giano quadrifronte bei S. Giorgio in 
Velabro ist wahrscheinlich, aber nicht sicher; 
namentlich wird sie nicht erwiesen durch eine 
griechische Kritzelei, in der der Name irgend eines 
KcovozavTivos vorkommt, auf einer der inneren 
Wande (wie Jordan Topogr. I 2, 471 will; auch 
11: Ai.'-^boni'b^r ^ n , = nngoMichgaiiz ontsprcclionde 
constantinische Denkmal in Theveste sind falsch). 
liber das Bauwerk vgl. Rossini Archi trionf ali 
62ff. Canina Edifizj tav. 253f. Reber Ruinen 
Roms 343. Gregorovius Rom im M. A. Ill 521. 
IV 653. VI 701. Lanciani Ruins and excavations 
of Anc. Rome (1897) 520. [Hulsen.] 

Constantini basilica in Rom, an der Sacra 
via, wo dieselbe zur Velia ansteigt, an Stelle der 
friiheren vespasianischen Gewiirzm agazine (horrea 



Punlv.WniHnvA TV 



piperataria) zu erbauen begonnen von Maxentius, 
vollendet von Constantin (Chronogr. a. 354 bei 
Mommsen Chron. min. 1 146. Pol. Silv. ebd. 545. 
Not. reg. IV in Jordans Topogr. II 547. Aurel. 
Vict. Caes. 40). Es ist ein riesiger dreischifflger 
Bau, in der Construction den Hauptsalen der Cara- 
calla- und Diocletiansthermen ahnlich, aber sie an 
Ausdehnung und Kiihnheit der Construction noch 
weit ubertreffend. Der Innenraum hat, abgesehen 

10 von der Exedra am westlichen Ende, 60 x 100 m. 
(gegen 45 X 60 des Hauptsaals der Caracalla- 
thermen) Grundflache; nur vier Stutzen, abge- 
sehen von den Aussenwanden, tragen das Dach. 
Der urspriingliche Eingang, mit Bogenvorhalle, 
ist auf der Ostseite nach dem Colosseum zu; 
gegeniiber, am Ende des Mittelschifles, eine grosse 
halbkreisffirmige Apsis, in der hfichst wahrschein- 
lich ein colossales Sitzbild des Constantin seinen 
Platz hatte (Stiicke im Hof des Conservatoren- 

20palastes; s. Helbig Museen2 I 372 nr. 551. 
Petersen Atti dell' Accad. Pontificia 1899). 
Spater, yielleicht nach der Besiegung des Maxen- 
tius, hat man einen zweiten Eingang nach der 
Sacra via zu in der Queraxe, und ihm gegentiber 
eine Exedra mit Tribunal im mittleren Bogen des 
rechten Seitenschiffs angelegt. Papst Honorius 
(625 — 638) nahm dem Gebaude die bronzenen 
Dachziegel, um damit die Basilica des hi. Petrus 
zu decken (Lib. pontif. LXXII a tegulis aereis 

30 quas levavit de templo qui appellatur Eomae; 
dass hier und an anderen Stellen des Lib. pont. 
nicht der Tempel der Venus und Roma, sondern 
die b. C. zu verstehen ist, hat Duchesne Mel. 
de re"c. franc. 1886, 25ff. gezeigt); spater scheinen 
grosse Erdbeben die ZerstOrung vollendet zu haben. 
Im spateren Mittelalter waren nur noch die drei 
heutzutage stehenden Bogen des rechten Seiten- 
schiffes erhalten, die dann den Baumeistern der 
Renaissance bekanntlich als Vorbild fur das Haupt- 

40 schiff von Neu-St. Peter dienten. Die letzte noch 
vor einem der Pfeiler stehende Saule nahm Paul V. 
1613 weg, um sie vor S. Maria Maggiore aufzu- 
stellen. Der Name der b. C. war seit dem fruhen 
Mittelalter verschollen , falsche Gelehrsamkeit 
brachte statt dessen den Namen templum Pack 
auf, den erst Anfang unseres Jahrhunderts Nibby 
nach heftiger Opposition wieder durch den wahren 
ersetzte. Freigelegt ist die Ruine teils 1812 — 
1828, teils 1878—79. Vgl. Nibby Roma antica 

50 H 238—249. Canina Edifizj II Taf. 129—132. 
Reber Ruinen Roms 392 — 397. Durm Baukunst 
der RCmer 170. 202. 324. Lanciani Ruins and 
excavations of anc. Rome 203—208. Not. degli 
scavil878, 163. 1879, 14. 262. 312. Petersen 
Vom alten Rom 51—53. [Hulsen.] 

Constantini portions, zu Rom in der 7. Region 
Via lata, nur erwahnt in der constantinischen 
Stadtbeschreibung (Jordan Top. II 550). Lage 
""bekannt; Lnncianis Vermntun". 'In" er Vi 

60 SS. Apostoli unterhalb der Constantinsthermen ge- 
legen habe (Mon. dei Lincei I 474), ist schwach 
begriindet. [Hiilsen.] 

Constantini thermae, in Rom auf dem Qui- 
rinal, genannt in der Not. reg. VI (Jordan Topogr. 
II 549) und \m. Aurel. Viet. Caes. 40. Das Jahr 
der Dedication ist nicht bekannt, doch wahr- 
scheinlich vor 315 (Jordan II 8. 10); durch ein 
Erdbeben beschiidigt, wurden sie im J. 443 von 

31 



963 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



964 



dem Stadlpraefecten Petronius Pcrpenna Magnus 
Quadratianus wiederhergestellt (CIL VI 1750) 
und wahrscheinlich erst damals mit den Colossal- 
statnen der Dioskuren als Eossebandiger ge- 
schmiickt (Michaelis Rom. Mitt. 1898, 273). 
tlber ihre Schicksale im spaten Altertum wissen 
wir niohts; bedeutende Euinen waren noch im 
15. und 16. Jhdt. iibrig (Abbildungen u. a. bei 
D upera c Vestigj Taf. 31. 32. Ant. van den Wyn- 



Kodin. 17 Bonn. Kedren. I 497 Bonn. Zon. XIII 
3. Malal. 322 Bonn. Chron. Pasch. I 527ff. Bonn. 
Banduri Imp. orient. I p. 3 S. 2f. Gibbon 
Hist, of the Decline etc. ch. XVII. J. Burck- 
hardt Die Zeit Constantins d. Gr.2 418ff. H. 
Schiller Gesch. d. rCmisch. Kaiserzeit II 223ff. 
G. F. Hertzberg Gesch. d. rom. Kaiserreich. 
677ff. Die iibrigen Quellennachweise fiber die 
Griindung s. hei Schiller a. a. 0. Ausziige der 



gaarde herausgegeben von Lanciani Bull. com. 10 Quellen in ftbersetzung bei F. W. linger Quellen 
1895 Taf. VI— XIII), sie verschwanden zum Teil d. byzant. Kunstgesch. _62ff. 



im 17. Jhdt. bei Erbaunng des Palazzo Rospi 
gliosi, zum Teil im 18. bei Errichtung der Sen 
derie pontificie, Doch kann man sich mit Hiilfe 
der alten Plane (namentlich Palladio Le terme 
tav. XIV. Serlio Architettura 1. Ill p. 92) noch 
eine annahernde Vorstellung von der Anlage machen. 
Ein Hauptgebaude mit den ublichen Raumen (Pi- 
scina, Tepidarium, Caldarium u. s. w.), ziemlich 



Name. Der alte thrakische, schon vor der 
griechischen Besiedelung an der Ortlichkeit haf- 
tende Name Byzantion, dessen ihrer Bedeutung 
nach allerdings unaufgeklarte Herkunft o. Bd. HI 
S. 1127 besprochen wurde, war durch die amt- 
liche Neubenennung der Stadt so wenig voll- 
standig verdrangt worden, dass derseibe imneueren 
Sprachgebrauch geradezu zum Trager einer grossen 



genau nordstidlich orientiert , lag auf einem un- 20 Kulturepoche und des ostrOmischen Eeichsge 



regelmassigen Platze; der eine Haupteingang be- 

fand sich im Norden (Piazza del Quirinale), der 

andere am Westabhange des Hiigels, wo eine gross- 

artige Treppenanlage aus dem Marsfelde auf die 

Hohe des Quirinals ffihrte. Hier war auch ein 

grosses alteres Gebaude, der Serapistempel des 

Caraealla, in die Anlage mit einbezogen, dessen 

Eeste unter dem Namen torre Mesa oder Fronti- 

spizio di Nerone noch bis ins 17. Jhdt. erhalten 

waren (Duperac Taf. 31 u. a., vgl. Lanciani 30 (Antoninia), welche die Stadt nach der Wiederher- 

Euins and Excavations of anc. Eome 431, der an stellung durch Severus unter diesem und seinem 



dankens geworden ist. Manche byzantinische 
Schriftsteller bedienen sich des Namens Bv£dv- 
tiov neben KcovotavxivovnoXig oder auch des erste- 
ren ausschliesslich , immer aber bleibt Bv^avtwi 
(neben 'Paifiaioc) die gebrauchliche Benennung fiir 
die Einwohner der Stadt; man vgl. z. B. die In- 
dices von C. de Boor zu seinen Ausgaben des 



Theophanes, Nikephoros und Theophylaktos u. a. 
Wie schon die amtliche Bezeichmvng Antonia 



der falschen Benennung Templum Solis Aureliani 
[vgl. dagegen Rh. Mus. XLIX 1894, 392. Bull. com. 
1895, 39—59] festhalt). Unter den Kunstwerken, 
welche aus den Rumen der C.-Thermen zu Tage 
gekommen sind, verdienen genannt zu werden 
einige "Wandgemalde, jetzt im Palazzo Rospigliosi 
(Matz -Duhn Ant. Bildwerke in Rom 4111. Lan 
ciani Bull. com. 1895, 88) und die beiden Bronze 



Sonne Caraealla gefiihrt hatte (s. o. Bd. Ill S. 1140 
und K. Muller zu Hes. Mil. 38, FHG IV 153), 
nur eine vorubergehende und kaum je volksttai- 
lich war, so hat auch die amtliche Taufe der 
neuen Stadt als Neu-Eom (Nora Roma, Ma 
'Paifir]) nicht durch zudrin gen vermocht; die Be- 
lege fiir diese und ahnliche Benennungen (dzvxega 
'Pwfxrj, BvCavttag 'P<b(M], r) eqia 'Pcbfii] U. S. w.) 



statuen eines Athleten und eines Faustkampfers, 40 s. bei Pape-Benseler Worterb. d. gr. Eigennam. 



jetzt im Museo delle Terme (Helbig Ftthrer 11" 
nr. 1113. 1114. Antike Denkmiiler I Taf. 4. 5). 
Vgl fiber die Thermen Nibbv Roma antica II 
798f. Canina Edif. TV tab. 220-222. Reber 
Euinen Roms 496—500. Hiilsen Rh. Mus. XLIX 
1894, 389—392. [Hiilsen.] 

Constantinopolis ist der am allgemeinsten 
gebrauchte Name fur die von Constantinus I. 
(s. d. Nr. 2) neu gegriindete Reichshauptstadt des 



1319 a. E., dazu Sokr. I 16. Theoph. 28. 69 de 
Boor. Paul. Diac. hist. Lang. VI 47. Hist. Misc. 
XI 14 (secunda Roma). Ducange Const, christ. 
34ff. J. Strzygowski Analecta Graeciensia 
(Graz 1893) 194f. Immerhin war dieselbe nicht be- 
deutungslos fiir die Ubcrlicferung des ESmertums in 
C, das dort noch Jahrhunderte lang im amtlichen 
Sprachgebrauch und alien Formen des Offentlichen 
Lebens iiber dem griechischen Volkstum stand (s. u. 



Ostens, deren Vorlauferin Byzantion" o. Bd. Ill 50 S. 1001) und sich in der Bezeiehnung 'Fw.aarbj (,rho 
S. 1116—1150 nach Lage und Geschiehte ausfflhr- maisch'jfur das neuere Griechentum (im Gegensatz 



lich behandelt worden ist (Plan s. u. zu S. 101 If.). 
Griindung. Bald nach der Niederlage des 
Licinius (324 n. Chr.), durch welche Constantin 
Alleinherrecher des rflmischen Reiches geworden 
war (s. unten S. 1020), brachte der Kaiser den 
vielleicht schon Mher gehegten Entschluss, 
eine neue Reichshauptstadt zu begriinden, zur 
Ausfuhrunsr. In der zweiten Halfte des J. 326 



zum hellenischen Altertum) bis zur Gegenwart er- 
halten hat. Neben der amtlichen Bezeiehnung be- 
stand, ahnlich wie im alten Rom, noch ein priester- 
licher Geheimname (fivoua ttnarixov), namlich 'Av- 
dovaa. analog dem rSmischen Flora, und mit Bezug 
auf die GMtin Tvyjj, welcher Constantin die Stadt 
schon im J. 328'weihte, s. Bd. I S. 2393 Art. 
Anthusa. Burckhardt a. a. 0. 414. Strzy- 



(oder 328J — ubev das Datum (to. September, ou gowski Die lycne \oii Cuimiaiitiiiupcl, «.. a. 0. 141 

4., 26. November) schwanken die Angaben — '"'" ^"^ *"~~ J ~ --- 11 — - 1 —- ^--i— 

wxirde der Grundstein zur westlichen Ringmauer 

gelegt, womit die Ausdehnung der auf den drei 

anderen Seiten vom Meere bespiilten Stadt ge- 

geben war; am 11. Mai 330 wurde die neue Stadt 

feierlich eingeweiht und dieser Tag als der jahr- 

lich zu feiernde Geburtstag (xa syy.alvm) festge- 

setzt, Hesych. Mil. or. Const. 42 (FHG IV 154). 



—153. Die fur den praktisehen Gebrauch der 
ganzen Folgezeit allein massgebende und wohl von 
Anfang an auch amtlich zugelassene Benennung 
blieb jedoch KmvoravrivovxoXic, auch Kon'oxavrivov 
.-ioh; geschrieben und zuweilen durch das kurzere 
»/ KwvozavTtrov ersetzt; sie findet sich allgemein 
bei den Geschichtschreibern von Priskos und Zo- 
simos angefangen, soweit nicht noch der alte 



965 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



966 



Name Bv^avrwv (s. o.) in seinem Rechte bleibt, 
•ebenso in den kirchlichen Verzeichnissen, wo der 
&qovos KmvotaLVTivovTidXsws den Mittelpunkt der 
griechischen Hierarchie bildet, im Gegensatz zur 
alten smoxont) Bvtavrlov, fiber welche vgl. Nil. 
Dox. 174 und Neher im Freiburg. Kirchenlex.2 
in 992ff.; sonst wird dort, z. B. bei Nil. Dos., 
Byzantion nur in geographischem Sinne genannt. 
Verhaltnismassig seiten findet sich dagegen das 
Ethnikon KwvozarTivoCvJxottxrjg (so einmal bei 
Theoph. 398 de Boor); dasselbe client nur zur Be- 
zeiehnung einer einzelnen, aus C. stammenden 
Person, niemals fiir die Bevolkerung als solche. Letz- 
tere wird vielmehr immer Bv£dvnot oder 'Pco/xaToi 
genannt, oder derBegriffanderweitig umschrieben. 
Volkstumlich und jedenfalls sehr alt, aber auch 
\>ei Schriftstellern haufig, ist die einfache Be- 
zeiehnung der Stadt als y n6lts, welche noch 
Tieute im ganzen Gebiet griechischer Zunge in 
•der Umgangssprache vorherrscht, so auch im 
griechischen KCnigreich, wo damit nicht etwa 
Athen, sondern C. gemeint ist. ,H6Uv enim nul- 
lum aliam u/rbem voeani Oraeei. solam vero 
Constantinopolim per eoceellentiam ; sed alias 
omnes writes vooant castra' sagt Eomanos Nike- 
phoros (17. Jhdt.) in seiner unedierten griechi- 
■schen Vulgargrammatik (Journ. asiat. IX 458; 
vgl. u.). Litterarisch lasst sich dieser Gebrauch 
bis auf den Kirchenhistoriker Sokrates (Migne gr. 
■67, 678) zuriickverfolgen, s. Sophokles Greek 
Lex. s. TioXig . Schmfickende Beiw6rter wie fiaadis, 
fiaaiXevovoa nohg u. a. sind in der byzantinisehen 
Litteratur nicht seiten; man vgl. besonders fteo- 
•qivlaxTog xal flaoilis Jtofos Theoph. 384f. de Boor, 
f] iiQ<j)xr) xal ftaoiXi; xoiv zzoXecar ixoktg Nikeph. 
Patr. 142 de Boor, fj fiamXig peyaXoxoXig ebd. 
200, to fiaolXeiov aoxv ebd. 6, fSaaiXig xa>v xoXscov 
Theophyl. Sim. VIII 11, 2 de Boor u. s. w. 

Die einheimische Benennung wurde auch mass- 
gebend fiir Sprache und Schrifttum der lateini- 
schen VOlker, durch welche der Name C. in alle 
modernen Cultursprachen ubergegangen ist, meist 
nur mit leichter Anpassung der Endung, zuweilen 
in Verkiirzung, wie Cospoli im italienisch-levan- 
tinischen Sprachgebrauch, s. Egli Nom. geogr. 
,504. Lediglich geschichtliohe Bedeutung hat (lie 
Bezeiehnung Mikl agar d (Mikligardr), welche im 
Mittelalter bei den Nordgermanen fiir C. gebrauch - 
lich war, denen dieselbe durch die Warager (Bd- 
oayysg) auf dem Austrvegr (Ostweg) fiber Euss- 
land zukam, s. Th. Schiemann Russland u. s. w. 
I 43f. G. F. Hertzberg Gesch. d. Byz. 221f. 
Allgemein dagegen wird auch heute noch bei den 
slavischen Volkern der Name Zarigrad (Kaiser- 
stadt) gebraucht, ausserdem sollen sich noch die 
Formen Stanbol (im siidslavischen Volkslied) und 
Vixaiitije (hei Kirchenschriftstellern) finden , s. 
F. S. KTauss Globus 63, 35f. Besonders merk- 
wiirdig ist die Geschiehte des Namens bei den orien- 
t^:=?hen V«1ker^. Die Aral>:-r getraucliton von 
Haus aus die aus dem Griechischen zurecht ge- 
machte Form Ko(n)stantinieh, welche bei arabi- 
schen Geschichtschreibern, sowie besonders im alte- 
ren arabisch-persisch-tiirkischen Sprachgebrauch 
und noch auf tiirkischen Miinzen. sowie, wenngleich 
seltener, in der heutigen arabischen Umgangs- 
sprache, erscheint; vgl, Grosvenor I 49. Hes- 
seling Rev. <5t. gr. 1890, 190f. J. v. Hammer 



Constantinopolis I 6 fiihrt aus dem tiirkischen 
Dichter Jahjabeg, der die SchOnheiten von C. be- 
sang, die Verse an: ,Constantimje ist der Name 
dieser Stadt, die sich das Haus Otman zum Sitz 
gewahlet hat.' Daneben findet sich auch ilastani 
(ag. eldsitdwe), das'naeh freundlicher Mitteilung 
von E. Glaser wahrscheinlich durch Verstiimme- 
lung des Wortes unter voUisetymologischer Anleh- 
nung an persisch estan (Land) entstanden ist, und 

10 das tiirkische Istambul (Islamhul), s. u. Dagegen 
hat sich der auf C. ubertragene Name Roms in der 
Form Rum als Landerbegriff zunachst fur das 
byzantinische Reich, weiterhin fur die Gesamtheit 
der christlichen Lander und den Westen iiberhaupt, 
spater fur das Sultanat von Ikonion und deshalb 
auch fur Kleinasien, seit dem Einbruche der Tur- 
ken in Europa aber vorwiegend ffir die alten 
Landschaften Thrakien undMakedonien als Rumili 
(Land von Kum, ngr. 'PcopeXla.) im Gegensatz zu 

20 Anadoli (westliches Eleinasien) erhalten ; daher 
auch die Scheidung von Orten am Bosporos als 
Eumili Hissar und Anadoli Hissar, Rumili Ka- 
wagh und Anadoli Kawagh u. s. w. Vgl. Egli 
Nom. geogr. 797. A. Muller Der Islam II 347, 3. 
C. v. Sax Osterr. Monatsschr. 1897, 128f, Beson- 
derer Besprechnng bedarf der von den Tiirken 
seit Jahrhunderten gebrauchte und dmch sie auch 
zu anderen Volkern iibergegangene Name Stam- 
bul (Istambul, Istanbol), welcher jetzt von den 

30 Franken gewShnlich in dem Sinne gebraucht wird. 
dass er die alte kaiserliche , heute wesentlich 
tiirkische Stadt zwischen Marmarameer und Gol- 
denem Horn im Gegensatze zu den Vorstadten 
Pera, Galata und Skutari bezeichnet, wahrend man 
unter C. die ganze Stadt mit alien ihren Teilen 
versteht; dagegen pflegen die Tiirken die ihnen 
allein geliiufige Benennung in beiderlei Sinn zu 
gebrauchen, sei es ffir die Stadt im ganzen oder 
fiir die Altstadt, sofern die Ortliche Richtung auf 

40 letztere von einer der Vorstadte aus betont wird. 
Bekanntlich wnrde der Name Stambul friiher all- 
gemein von ek xijv tioXiv abgeleitet; diese Er- 
klarung findet sich zuerst in der obenerwahnten 
Vulgargrammatik des Nikephoros Eomanos (Paris 
Bibl. Nat., Man. gr. 2604), fiber welche vgl. E. Jac- 
quet Journ. asiat. IX (1832)458 undPsichari 
Eev. crit. 1884, 450, 2. Von diesem hat sie 
Ducange ubernommen und in seinem Glossar. 
med. et inf. Grace. (1687) unter xoXig mitge- 

50 teilt, welches die Quelle fur alle Neueren gewor- 
den ist. Einen energischen Angriff auf diese Ab- 
leitung, die schon D eth ier Der Bosphor (2 1876) 1 
wegen der vermeintlich dorisierenden Wandlungvon 
xr/v in tan anzweifelte. hat meines Wissens zuerst 
G. Rosen Allgem. EncykL II 38, 336, 1 (1885) 
unternommen und eine Verkiirzung aus Kostan- 
dipol zu Grande gelegt, ohne jedoch die geschicht- 
liche Entwicklung des Sprachgebrauchs zu priifen. 
und J. J. Egli Nom. geogr. (2 1893) 874, so- 

COtL Gro,v,:..r I OS, 1 ,:ad Ihia in IIcci An- 
nahme gefolgt, ebenso Krauss a. a. O., der darin 
ebenfalfi eine durch die siidslavischen Idiome ver- 
mittelte Abkiirzung des Namens Constantinopolis 
sieht. Dagegen haben nun E. G. Bourne Amer. 
Journ. Philol. 1887. 78ff. und D. Hesseling 
Eev. et. gr. 1890, 189ff. mit gewichtigen Grtinden 
die herkommliche Erkliirung zu stiitzen gesucht, 
indem ersterer, nach Jacquet a. a. O. 459ff. und 



967 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



96S 



H. Tule Cathay H 402f. Anm. 3, eine Reihe von 
Belegen aus alteren Schriftstellern beibringt; so 
linden sich die Forroen Bolin und Stanbolin bei 
Masudi (10. Jhdt.), welcher ausdriicklich sagt, dass 
dieselben zru seiner Zeit bei den Griechen den 
Namen C. verdrangt hatten (Jacquet 460), 
Esthambul bei Ibn Batuta (14. Jhdt.), Esdam- 
pol in der armenisehen Geographie des Vartan 
(14. Jhdt), Eseomboli in Clavijos Reise (1403); 
besonders wichtig ist das Zeugnis von Joh. Schilt- 
berger (1426; Ausg. von Langmantel 45) ,C. 
bayssen die Chrichen Istimboli und die Tburcken 
hayssen das Stambol. 1 Jacquet Helt auch das 
in chinesischen Berichten des 7. und 8. Jhdts. 
auffcretende Folin und Fidin fiir unser noltv, 
worin ibm u. a. auch F. v. Riehthofen (China 
I 535, 2; vgl. 529. 535) beigestimmt hat; doch 
wird diese Gleichung neuerdings von F. Hirth 
China and the Roman Orient (1885) 283ff. leb- 
haft bestritten, welcher als alteste Aussprache 
des chinesischen Namens die Form Butlim nach- 
weist und denselben in Vorderasien localisiert. 
Zu obigen Zeugnissen aus der Zeit vor der tiirki- 
schen Eroberung kommt nun die Analogie von 
Namen wie Isnik (Nikaia), Is(nik)mid (Nikome- 
deia), Istmdil (Tenos), Setines (Athen), Samsun 
(Amisos), Stalimene (Lemnos), Staneo (eigentlich 
istankiy, Kos), Satalia (Adalia) u. a. ; dazu auch die 
Bemerkung von A. Sartori (gegen Krauss a. a. 
0.) Globus 63, 116. Bezuglich der Schwierig- 
keit, welche in der Umwandlung des ttjv (gespr, 
tin) in stan und in dem Gebrauch des Accusativ 
liegt, weisen Hes seling a. a. 0. 193ff., some Gust. 
Meyer Turk. Stud. I (S.-Ber. Akad. Wien 1893) 14 
auf die Gesetze der tiirkischen Vocalharmonie und 
besonders auf den neugriechischen Ersatz desD&tivs 
duich den Accusativ hin, so dass 'g xtjv aohv 
den zahlreichen Locativformen wie Bergen, Am- 
bach, Termonde u. s. w. anzureihen ist. Hiedurch 
wird man auch der seit Du can ge verbreiteten ein- 
faltigen Erklarung, als ob die Tiirken sich erst 
bei den ,zur Stadt' gehenden Landleuten nach 
dem Namen derselben erkundigt hatten (!), uber- 
hoben, und die Ableitung in den Bereich der 
Wahrscheinlichkeit geriickt, durch die geschicht- 
lichen Zeugnisse und die verwandten Bildungen 
aber zur Gewissheit erhoben. Immerhin mag der 
Anklang an den oft gehorten Namen C. bei der 
Bildung von Stambul mitgewirkt haben. Dass 
die daneben schon fruhzeitig vorkommende Form 
Islambul lediglich einer bewussten Anpassung an 
Sprache und Gedankenkreis der Muselmanen ent- 
spricht, ist schon bei d'Herbelot Biblioth. 
orient. I s. Costhanthinah (1777) richtig hervorge- 
hoben worden, ebenso bei Jacquet 458, 2. Egli 
a. a. 0. Hesseling a. a. 0. 189f. G.Meyer 
a a 0. Vgl. zur ganzen Frage noch Krum- 
bacher Byz. Ztschr. II 305. IV613f.; Byz ; Litt.2 
412. Mikluoioh Dciikotlii'. Ak. Wi^ij, riiil. Kl. 
XXXIV 313. Als weitere, mehr den Charakter 
von Beinamen tragende Bezeichnungen werden 
noch angeffihrt arabisch el Farrwh (von farak 
trennen, scheiden, namlich die Erde), Ummu- 
dunia (Mutter der Welt) und Der el Saadtt 
(Pforte der Gluckseligkeit); letztere habe ich be- 
sonders als Druckort auf tiirkischen Btichern ge- 
funden. Vgl. Grosvenor I 69. Hammer I 4. 
Lage. Dieselbe ist bereits o. Bd. Ill S. 1116ff. 



besprochen worden. Den dort angefiihrten Stellen 
aus der antiken Litteratur ist hinzuzufugen Pro- 
kop. aed. IV 8 und besonders die schwungvolle 
Lobrede des Himer. or. VII (16), aus der neueren 
Gillius Const, top. praef. Derselbe giebt auch 
(I 7—18) eine genaue Beschreibung der (eben- 
falls bereits a. a. 0. besproehenen) 7 Hiigel und 
zugehorigen ,Thaler', wozu noch vgl. Ducange^ 
I 8. Rosen a. a. 0. 337. Unger 109f. Gros- 

lOvenor I 12f. Plan bei Mordtmann Esq. top. 
Besondere Namen fuhrten der mittlere (oder 4.) 
Hiigel als Msooloyov (auch Meo6fi<pai.ov), welcher 
die Apostelkirche trug und jetzt von der domi- 
nierenden Mehmedie-Moschee gekront wird (Kodin. 
77 u. a.), sowie der durch das Lykosthal isolierte 
7. Hiigel, welcher, wohl im Gegensatz zu dem 
einst besser bewaehsenen Hiigelzug nordlich Aes- 
Lykos, Er)(>6lo<pog genannt wurde und ein altes 
Heiligtum des Apollon trug, Gillius IV 8. Fiir 

20 die Betrachtung des natiirlichen Bodens der Stadt 
wichtig ist die Angabe der TTdtQia, dass Constan- 
ts d. Gr. die Felskuppen einebnen liess, urn Raum 
fur freie Platze und Bauten zu gewinnen, Kodin. 
128f. Bonn. Anon. Bandur. bei Unger 206f. Im 
iibrigen vgl. man fiber den Boden der Stadt und 
ihrer Umgebung Tchihatchef Le Bosphore. 
v. Hochstetter Jahrb. d.geol.Reichsanstaltl870, 
372ff. Bezuglich der in der Stadtlage von C. so be- 
deutungsvollen Serailspitze (Boonogtog axQa, s. o. 

30 Bd. HI S. 741) ist zu bemerken, dass dieselbe im 
Mittelalter Angulus Sti. Demetrii oder Angulus 
St. Georgii in Manganis Mess, s. Mordtmann 
Esquisse top. § 88; ebenso fiihrte der Bosporos 
lange Zeit den Namen St. Georgsarm, s. o. Bd. HI 
S. 755. fiber die physische Geographie dieser 
Meerenge vgl. man jetzt A. Philippson Geogr.. 
Ztschr. IV 16ff., wo im Gegensatz zu der oben 
Bd. HI S. 742 vertretenen Ansicht die Erosion 
als Hauptursache ihrer Entstehung angenommen 

40 wird, ferner F. Toula in Beitr. z. Palaeont. u. 
Geol. Osterreich-Ungarns Xn (1898) Iff. 22ff. 
Uber das .Goldene Horn' vgl. die Art. Chryso- 
keras und Keras. 

Klima. Dasselbe ist ebenfalls in dem Art. 
B yzantionBd. Ill S. 1118besprochen worden. Die 
ausfiihrlichste Schilderung giebt Tchihatchef 
Le Bosphore Cap. Xlff. ,Das Observatorium von 
C. giebt seit 1894 ein Bull. Met. heraus; im Jahr- 
gang 1894 sind einige Mittel fiir C. nach 25jahri- 

50 gen Beobachtungen mitgeteilt' (Geogr. Jahrb. 1 898, 
371). 

Ausdehnung. In der raumlichen Entwick- 
lung von C. sind mindestens drei (mit der Gegen- 
wart vier) Hauptepochen zu unterscbeiden, deren 
zweite und dritte durch Constantin d. Gr. und 
Theodosios II. eingeleitet werden. Die antike 
Stadt umfasste, wie aus der Skizze oben Bd. HI 
S. 1121f. ersichtlich, im wesentlichen nur die 



O.t 



.^.L. 



der Halbinsel 



Hii-M 



60 und dem westlich anschliessenden Thale, in wel- 
chem jetzt die Trambahn zum Bahnhof hinunter- 
zieht; auch durch Septimius Severus (s. o. Bd. HI 
S. 1120 und 1140) scheint die Mauerlinie nur 
wenig nach "Westen vorgeschoben worden zu sein. 
Einen andern Versuch, die Ausdehnung des alten 
Byzantion festzustellen, hat A. van Millingen 
auf dem historischen Plan zu Murrays Handbook 
(1893) gemacht; er fuhrt die Mauer vom Hafen 



voy 



uonstantinopoiis 



Uonstantmopolis 



yvu 



westlich uber den Bazar bis zur Bajezit-Moschee 
und im Siiden fiber Hippodrom und Achmed- 
Moschee an die Ostkiiste der Halbinsel bei der 
jetzigen Militarschule; vgl. Text S. 22. Die 
bedeutendste Erweiterung erfuhr nun die Stadt 
durch Constantin, der die Mauern urn 15 Sta- 
dien (ca. 2,8 km) nach der Landseite hin vor- 
schob, so dass der Hauptplatz der neuen Stadt, 
■das Forum Gonstantini, an der Stelle des alten 
Stadtthors lag (Zosim. II 30, 4; vgl. Kodin. 75 
Bonn.), die neuen Mauern aber bis zu den ,troadi- 
schen Hallen' (Tgwadrieiovg efifloXovg) in der 
12. Region reichten (Hes. Mil. 39 und Kodin. 
FHG IV 153f.; vgl. die Stellen bei Ducange I 
9. Unger 205ff.). Sie zogen westlich der einst 
die Stelle der Moschee Mohammed II. (Mehmedie) 
■einnehmenden Apostelkirche vorbei, s. Mordt- 
mann Esqu. top. § 127. Doch lasst sich der 
Verlauf im einzelnen, bei dem fast vClligen Mangel 
von tiberresten, nur ungefahr feststellen. Jeden- 
falls umschloss sie den 3. und 4. Hiigel, sowie 
die Ostspitze des 7. Hiigels (Xerolophos o. Bd. Ill 
S. 1117), s. die Darlegung bei Mordtmann § 15f. 
und den zugehorigen Plan, nach welchem auch 
die mutmassliche Mauer Constantins auf derhierbei- 
gegebenen Skizze eingetragen ist. Hire im wesent- 
lichen endgiiltige Ausdehnung, soweit die Halb- 
insel zwischen Goldenem Horn und Marmarameer 
in Betracht kam, erhielt die Stadt erst unter 
Theodosios II. durch den Praefecten Anthemios 
<s. Bd. I S. 2365) im J. 413 (sog. theodosianische 
Mauer, u. S. 975). Nur ein kleines, aber wichtiges 
Viertel, das der Blachernen (s. d. Bd. Ill S. 554ff.), 
wurde erst spiiter unter HeraMeios mit einbe- 
zogen (625 n. Chr.). Den Umfang der Stadt, wie 
er seitdem feststand, giebt Laon. Chalkond. 388 
Bekk. auf 111 Stadien (ca. 20i/ 2 km), Phrantz. 
Ill 8 zu 18 Meilen (26l/ 2 km.?) an. Thatsiich- 
lich betragt derselbe nach v. M o 1 1 k e Briefe 
34 auf der Landseite 8600 Schritt, langs des 
Meeres und des Hafens 17 500 Schritt, im ganzen 
reichlich 2i/ 2 geographische Meilen; nach meiner 
annahernden Messung innerhalb der noch vor- 
handenen Mauern 18 — 19 km, wovon 6 — 7 km 
auf die Landseite entfallen. tiber letztere vgl. 
auch u. S. 975f. Die Lange der constantinischen 
Stadt giebt die Beschreibung der tirbs Constan- 
tinopolitana (s. unter Quellen (zu 14075' (4,22 km), 
die Breite zu 6150' (1,84 km) an. Letztere be- 
tragt in dem schmaleren ostlichen Teile der jetzigen 
Stadt nur li/ 2 — 2 km, um an der Westmauer auf 
ca. 5 km zu steigen, die grosste Lange vom Kanonen- 
thor (in der Mitte der Westmauer) bis zum Ost- 
rand des Serailhiigels reichlich 5 km. 

trber diesen von Mauern umschlossenen Raum 
hinaus wuchs die Stadt schon fruhzeitig durch 
die Entwicklung von Vorstadten (irpodoroa), die 
sich teils unmittelbar anschlossen, teils jenseits 
des Goldenen Homes und selbst am asiatischen 
Ufer des Bosporos entstanden und in neuerer Zeit 

der Schwerpunkt desselben jetzt schon mehr ausser- 
halb als innerhalb des alten C. liegt, Im ge- 
ringsten Masse war dies der Fall auf der Land- 
seite von C, wo sich vor der Stadterweiterung 
durch Theodosios II. ausserhalb der constantini- 
schen Mauer der anfanglich nur yoir>a genannte 
Platz ausdehnte, welcher den gothischen Hulfs- 



truppen als Lagerraum diente; nach einer Saule, 
welcne Constantin d. Gr. auf diesem Platz ausser- 
halb der Mauer unweit der alten porta aurea 
errichtete, und welche deshalb als if£co xlwv be- 
zeichnet wurde, erhielt diese Lagerstadt spater 
den Namen Exokionion, an den noch die neuere, 
aus der (von Sophokles Greek Lex. u. d. W. 
fur richtiger erklarten) Nebenform 'E^axwvtov ent- 
standene Bezeichnung Eximarmara (turk. alti 

lOmermer, d. i. 6 Marmore) erinnert, s. Mordt- 
mann Esq. top. § 1. 114. 127. 130. 134. Unger 
186ff. Meyers Turkei 281. Die Saule hat noch 
Buondelmonte auf seinem Plane (s. unter Plane) 
verzeichnet und Gillius Const, top. IV 1 be- 
richtet, dass sie noch kurz vor seiner Zeit zu sehen 
war (Mordtmann § 15 und S. 73). Durch die 
theodosianische Mauer war das Exokionion zur 
Stadt gezogen und der letzteren nach Westen eine 
schwer iiberschreitbare Grenze der Ausdehnung 

20 gegeben worden. In der That ist der jedem feind- 
lichen Angriff blossgestellte Raum vor den Mauern 
in seiner grossten Erstreckung bis heute unbe- 
siedelt geblieben , nur am Goldenen Horn , wo 
schon vor Constantin die Gegend der Blachernen 
bewohnt gewesen war (vgl. u. S. 974f.), lockte die 
Wasserverbindung zur Anlage neuer Stadtteile, 
welche sich immer weiter nach Norden vorschoben, 
auch nachdem das Blachernenviertel durch die 
Mauer des Herakleios zur befestigten Stadt ge- 

30 zogen war. Hieher gehOrt das ,Jagerviertel' (to 
IMoog tov Kwriyov) , welches sich beim gleich- 
namigen Thore (auch rfov Kwrjymv) am Hafen 
hin erstreckte (Plan 3 D) und offenbaT nach ehe- 
maligen Jagdgriinden benannt war, im Gegensatze 
zu dem fiir Tierkampfe dienenden Theater Kvvrj- 
yiov in der Stadt des Sept. Severus, woriiber vgl. 
Bd. Ill S. 1126. 1140; s. Mordtmann Esq. § 17. 
65. Weiter ausserhalb am Goldenen Horn, mit dem 
genannten Hafenquartier durch das ,Holzthor' 

40 (Xyloporta) verbunden, lag die Vorstadt Kosmi- 
d i o n , benannt nach einer prachtigen Kirehe (nebst 
Kloster und Befestigung) der hi. Kosmas und Da- 
mianos ('A. 'Avaftyvowv), Nikeph. Bryenn. IH 12. 
Ephr. 6798. 10169. Andere Stellen bei J. P. 
Richter 150ff. Mordtmann Esq. § 60f. 64. 
Die Kirehe war von dem unter Theodosios II. 
(408 — 450) hingeriehteter. Senator Paulinus erbaut 
und durch Iustinian I. verschonert worden (Kodin. 
111. Prokop. aed. I 6, wonach die Kirehe am 

50Abhang zum Goldenen Home lag); spater nahm 
dort Boemund von Tarent seinen Sitz, weshalb 
die Gegend in der Kreuzfahrerzeit auch mit Ca- 
stellum Boemundi (Wilhelm von Tyrus, Ville- 
hardouin'i bezeichnet wird, Unger 244f. Gros- 
venor I 81f. Spruner Handatl. 84. Im J. 1406 
fand bei Kosmidion eine Schlacht zwischen den 
Sohnen Bajezits I. statt, Hertzberg Gesch. d. 
Byz. 535. Die byzantinische Vorstadt ging seit 
1453 in das turkische Ejub fiber, benannt nach 

60 dem Fahnentrager des PTopheten , der bei der 
u'atcii Ltjluguiuiiy' Yvii C. Jurcli dL Aiiibcr iii. 
J. 672 hier gefallen sein soil; die (angebliche) 
Wiederauffindung seines Grabes wahrend der Be- 
lagerung im J. 1453 fenerte den bereits gesunkenen 
Mut der Tiirken zu neuem Fanatismus an und 
veranlasste die Erbauung der prachtigen, noeh 
heute von keinem Christen betretenen Ejub Moschee 
durch Mohammed II., welche jetzt den Mittel- 



971 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



972 



973 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



974 



punkt der fast nur von Abkommlingen des Pro- 
pheten bevOlkerten Vorstadt bildet, s. v. Hammer 
C. II 21ff. Grosvenor I 82ff. Meyer 3151 

Als Vorstadte ini weiteren Sinne auf der Land- 
seite von C. waren noch die an der Propontis ge- 
legenen Orte Rhegion (s. d. u. vgl. Unger 113) 
und Hebdomon zu nennen. Letzterer Name, der 
im Gegensatz zu dem gleichnamigen Quartier der 
gothischen Hiilfstruppen im Exokionion (u. S. 974) 



statigen Zosim. IV 52, 4, der Sykai als jigodozmov 
bezeichnet, Eustath. Epiph. 6 (FHG IV 141) iv rate 
xaXoviisvatg SvxaZg avxinegav zfjg Kwvozavrtvov. 
Sonstvgl.nochSokr.il 38, 19. Sozom.IV20. Gil- 
lius Const, top. IV lOf. und Bosp. I 5 (Geogr. gr. 
min.II32). Unger 119f. 211. J. P. Richter Byz. 
Kunstgesch. 9f. Grosvenor I 94. Unter dem 
neueren Namen Galata erscheint diese Vorstadt 
zuerst im J. 717 bei Theoph. chron. 396. 434 de 



von der Lage beim 7. Meilenstein hergenommen 10 floor als xaozeXXiov z&v FaX&xov , wo der Hafen 



ist (daher in lateinischen Quellen Septimum, z. B. 
Hist. Misc. XXI 15), ist von Gillius Top. IV 4 
und Ducange Const. Christ. H 172ff. auf den 
Palast Tekfur Serai, woriiber vgl. u. S. 991, an 
der Innenseite der Stadtmauer bezogen worden, 
und diese Benennung ist bis heute popular ge- 
blieben, obwohl die Priifung der Quellen kaum 
einen Zweifel dariiber lasst, dass das Hebdomon 
ausserhalb der Stadt, bei dem Dorfe MakrykOi 



durch eine Kette abgesperrt war, ebenso bei Ni- 
keph. Const. 68 de Boor als xwv FaXdxov Xsyo- 
fievov <pgovgiov (zum J. 764); die Bedeutung des 
Namens seheint im Mittelalter schon vergessen 
gewesen zu sein, da Kodin. 119 Bonn, denselben 
auf einen unbekannten ,Galatas' zuriickfiihrt. Doch 
dtirfte derselbe, wie schon Gillius vermutete, 
mit der Wanderung der Galater nach Kleinasien 
zusammenhangen und sonach antiken Ursprungs 



gesucht werden muss, s. Unger 113f. Mordt- 20 sein. Eine grOssere Bedeutung gewann Galata, 



mann § 51. A. van Millingen 'EXhjv. <pdol 
SvXXoyog. Ilagdgx. xov x — xfj' zo/x. (1892) 33ff. 
Den Hafen des Hebdomon erwahnt u. a. Theoph. 
228 de Boor, s. u. S. 983. Das Blachfeld zwischen der 
Mauer und dem Hebdomon wurde als K6.fj.nog, Cam- 
pus (entsprechend dem rOmischen Marsfelde) be- 
zeichnet und bildete einen Teil des Hexamilion (tBfo- 
fj,ihov) oder des Raumes ausserhalb der Stadtmauer, 
welcher sich bis zum 6. Meilenstein von Meer zu 
Meer erstreckte, s. Unger 188ff. 

Frfihzeitig wurde die Gegenkiiste des Goldenen 
Homes besiedelt, wo sich zwischen diesem und 
dem Bosporos das Land mit stumpier Spitze gegen 
die Halbinsel von Byzantion vorschiebt. Dort stand 
nach Hes. Mil. 4, 16 (FHG IV 149) in der nach 
Feigenbaumen Sykai benannten Gegend ein altes 
Heiligtum des Amphiaraos (vgl. Bd. Ill S. 746 nr. 34), 
und Strab. VII 319 erwahnt Mer einen Hafen 
■bad xfj Svxfj, wahrend Steph. Byz. Zvxai bereits 



als Michael VIII. Palaiologos im J. 1261 to xaxd 
xr/v Tisgalav tov FaXdxov tpgovgiov eroberte 
(Nikeph. Greg. IV 1, 4) und nach der Wieder- 
herstellung des grieehischen Kaisertums in C. den 
Platz den Genuesen iiberliess; vgl. Nikeph. Greg.. 
VIII 1, 2 Aaxivmv xwv iv xoig raXdtov zr/v oi'xtj- 
aiv y.txxrjfiivmv und besonders IV 5, 4 tiber die 
Ansiedlung der Genuesen avxin egav mgl tov 
zov raXdzov zoTiov. Vorher (IV 2, 5) ist von dem. 
30 Ofuxgoxazov tov FaMiov xoUyviov die Rede, iiber 
dessen Befestigung vgl. ebd. XV 2, 4 xo xov ra- 
Xdzov cpgovgiov. XVIDI 1,2 jj xov negav /a- 
X.aztxov <pQovQiov xazaoxQOfpr). Uber die Geschichte 
der Genuesen in Galata vgl. Index zu Nikeph. 
Greg. II Schopen unter Qalataei Genuenses. 
Kiirzer berichtet iiber diese Dinge Georg. Pachym. 

Mich. Pal. II 20 (zq> Ja/.ara). 35 Fevvovtzag — 
xazavzixgv xijg Jisgalag jiagd /uovov xov FaXaza 
<pQOVQiov dcxpaXkg sdoxlfiaCe xazoixifeiv. Vgl. 



als Stadt kennt. Uber die Schreibung des Namens 40 Unger 120ff., und iiber die weitere Entwicklung 



vgl. Steph. Byz. (gegen Strab.) und Dion. Byz. 
33 Wesch., wo jedoch Wieseler Gott. gel. Anz. 
1876, 348f. nach Gillius Svx<i>6tjg gegen das von 
Wescher in Cbereinstimmung mit den Schol. 
edierte ZvxiSeg (s. Weschers Ausg. S. 15. 38 

Schol. 41 tzsqi Svxidcot' zcor rvr Svxwv. S. 49. 

57) herstellen will; vgl. Bd. Ill S. 746 nr. 33. 

Aus Nikeph. Kail. Xanthop. VIII 6 (bei Migne 

Gr. 146, 29) erfahren wir, dass Bischof Perti- 



von Galata, das nach Schleifung des alten Forts 
(s. o.) seit dem J. 1303 mit Mauern, Graben und 
Glacis umgeben wurde und sich zu einer be- 
deutenden Stadt unter einem mit weitgehender 
Machtvollkommenheit ausgestatteten Podesta ent- 
wickelte. Gibbon Reman Empire ch. 63. Hertz- 
berg a. a. 0. 428. 448f. 454. 481. 583. 590f. 
Heyd Gesch. d, Levantehandels, s. Reg. u. ,Pera'. 
Paspates-Buf. MeL 127ff. v. Hammer Const. II 



nax iv zone? o} Svxal xXijoig rjv eine Kirche 50 75ff. ; Gesch. d. osman. Reiches 2 I 123. 130.422. 



der hL Eirene erbaute, um welche sich durch 
Zuzug von Christen ein Ort stadtischen Charak- 
ters entwickelte, den schon Constantin zu einem 
besonderen Quartier erhob (s. u. S. 974) und mit 
Mauern umgab. Doch erhielt sie Stadtrecht erst 
im J. 528 durch Iustinian, der die Mauern und 
das dortige Theater erneuerte und den Ort 'lov- 
axiviavm oder 'IovaziviavovnoXig nannte, Chron. 
Pasch. I 618 Bonn. lust. Nov. 5. Cod. I 2, 



428. Grosvenor I 93ff. Die Mauern von Galata, 
die auf alien alteren Ansichten von C. zu sehen sind,. 
sehr gut z. B. bei Grosvenor I 94 (aus dem 
J. 1635), bestanden bis zum J. 1857; jetzt sind nur 
noch sparliche Reste zwischen den Hausern ver- 
steckt erhalten (s. den Plan). Das bedeutendste 
alte Bauwerk von Galata ist jetzt der durch seine 
prachtvolle Aussicht iiber C. alien Besuchern der 
Stadt wohlbekannte Turm von Galata. fruher tivq- 



~" _ "~ ~ " einem machtigen lateinischen Ereuz, das denselben 

bis zur turkischen Eroberung krfinte. Hier, wo 
die Mauern der Landseite von Galata zusammen- 
stiessen, hatte schon Anastasiosl. (491 — 518) einen 
festen Turm erbaut, der von den Genuesen 1348 
und 1446 , dann wieder durch Mahmud II. er- 
neuert bezw. erhOht und nach wiederholten Feuers- 
briinsten durch Selim III. , Mohammed II. und 



Steph. Byz. der Zusatz fj xaff fjfias 'lovoztviavai 
jteoaayogev&sToa gegen Meineke als echt fest- 
zuhalten. Theoph. chron. 132. 228. 352 de Boor 
spricht von dem Orte als xsgav (dvzmigav) iv 
ZvxaZg, woraus sich die spatere Benennung Per a 
erklart (s. u.); ebd. 228 iiber Kirche und Fest 
der hi. Eirene. Nach ebd. 132. 140. 352 befand 
sich in Sykai auch die Richtstatte; dasselbe be- 



Abdul Medschid wiederhergestellt wurde, Gros- 
venor I 400ff. Meyers Tiirkei 210ff. (Pano- 
rama!). Die H8he des Turmes ist nicht genau 
bekannt; sie soil bis zur Gallerie ea. 50 m be- 
tragen. Der Fusspunkt liegt nach meiner sorg- 
faltigen barometrischen Messung 41 m fiber dem 
Goldenen Horn (bei Meyer 210 falsch ,100 m'). 
Dass der Name Galata jedoch nicht von Haus aus 
auf den engbegrenzten Raum bis zum Christus- 
turm beschrankt war und auch auf das heutige 
Pera ausgedehnt wurde, zeigt u. a. die Bezeich- 
nung ffalata, Serai fur den kaiserlichen Palast, 
den Sultan Bajezit II. errichtete und Suleiman I 
fur die Erziehung der Itschoglan (Pagen) be- 
stimmte; seine Stelle nimmt jetzt das 1869 ge- 
stiftete gleichnamige kaiserliche Lyceum an der 
grossen Perastrasse ein; s. Grosvenor I 113f. 
Hammer Const. H 127f; Gesch. d. osm. R.2 IV 
509. Plan in Meyers Tiirkei & 208. Der offen- 
bar schon auf antiker Ifberlieferung fussende 
Sprachgebrauch . aus dem sich die heutige Be- 
nennung von Pera entwickelt hat, erhellt aus den 
oben angefuhrten Stellen byzantinischer Schrift- 
steller, zu welchen noch einige bei Unger 1221 
(xrj Sep nsgaiav) und unten Z. 67ff. zu vergleichen 
sind. Lange Zeit fast nur von Garten und Wein- 
bergen eingenommen, ist Pera durch die Nieder- 
lassung der europaischen Gesandtschaften , von 
denen zuerst die franzCsische (unter Franz I.) und 
die venezianische (an Stelle der jetzigen oster- 
reichischen Botschaft) dort ihre Residenz auf- 
schlugen, der Mittelpunkt des europaischen Lebens 
und damit jener Richtung in der Entwicklung 
von C. geworden, in der sich, anschliessend an 
die Handel s vorstadt Galata, der Geist abend- 
landischer Cultur mit seinen Vorziigen und Schat- 
tenseiten gegenuber den byzantinisch-tiirkischen 
Traditionen auspragt. Vgl. iiber die Geschichte, 
Besiedelung u. s. w. von Pera auch Heyd a. a. 
0. (ebd. II 343 iiber den Titel des consul Perae), 
Zu erwahnen sind noch die griechisehe Benennung 
SxavQodQojiiov , welche wohl mit dem Christus- 
turm (s. o.) in Verbindung zu bringen ist, auf 
den die grosse Perastrasse zufiihrt (doch s. De- 
thier 62f. , der es im Sinne wie unser ,Kreuz- 
weg' fasst), und der tiirkische Name ,Beyoglu' 
(Furstensohn), der auf Alexios (V.) von Trapezunt 
zuriickgeht, welcher nach seiner Verdrangung durch 
seinen Oheim David (1458) hier seinen Wohnsitz 
nahm, s. Grosvenor 103 (anders Hammer Const. 
II 111). Fallmerayer Gesch. d. Kaisert. Tra- 
pezunt 261 ff. 

Das xQodoxiwv, o IltxQidiov cbvdfiaozai, wel- 
ches Io. Kinn. n 14 S. 75 Mein. (vgl. Anon. 
Band. p. 57) erwahnt, ist ebenfalls jenseits des 
Goldenen Homes, an dessen oberen Ende, etwa 
in der Gegend von Siidludsche, zu suchen; vgl. 
Unger 122. Weiter abwiirts, gegen Galata zu, 
in dem Thale von Kassim Pascha, lag die quellen - 
TPicbp Vorstadt TToT/vZ/Sr-. Dion. Byz. 29 Wesch. m. 
Schol.; vom 7. Jhdt. an erscheint dieselbe unter 
dem Namen elg Ilrjydg (Spigae), s. Mordtmann 
§ 71ff. und unten S. 980. Cber das nQodmstov 
Adtpvtj = AuiXoxwviov, welches dem jetzigen Be- 
schiktasch am Bosporos entspricht, vgl. o. Bd. IH 
S. 747 nr. 46 und Kodin. lOOf. Bekk., sowie die 
Stellen bei Nikeph. Chon. 595 Bonn. % xazd zov 
bmXuvv xiova xspaia. 717 xaxdparzeg ovv eg 



JLaXxtjSova nobg zi}v dvxijiogd'/tov sxxoxs zjj s(p 
Megaiav zijv xdxco&ev fiixgov ri zov dinXov xio- 
vog; fiber andere Ortlichkeiten am Goldenen Horn 
s. d. Art. Keras. Besondere Erwahniing verdient 
noch hier die Benennung Zxtvov (Enge), welche 
zunachst den Bosporos uberhaupt bezeichnete, s. 
Bd. IH S. 755 und die Stellen bei Tafel Symb. 
crit. II 96ff. (Abb., bayer. Akad. III. Kl. V 3), 
im besonderen aber zur naheren Bezeichnung des 

10 Judenviertels diente, seitdem die Juden unter 
Theodosios II. (408 — 450) aus der eigentlichen 
Stadt vertrieben und an das jenseitige' Ufer ver- 
wiesen waren, wo sie sich auf der Ostseite von 
Galata niederliessen; in diesem Sinne spricht z. B. 
Villehardouin 88 "Wailly von der Juerie, welche 
man I'Estanor (= Stenon) nennt , wahrend Ben- 
jamin von Tudela u. A. als Wohnsitz der Juden 
einfach Pera angeben, s. U n ger 124 und u. S. 1003. 
Als jigodozewv wird bei Sokr. VIII 26 (VH 16, 

20 2) und'Nikeph. Kail. Xanth. VIII 6 und sonst auch 
Elaia (EXata) genannt (Richter 10), das Gros- 
venor I 130 in dem alten Aidvzuov (o. Bd. HI 
S. 746 nr. 39) und heutigen Sali-Bazar sucht. 
Andere Vororte am Bosporos, welche anscheinend 
immer zum weiteren Bereiche der Stadt gerechnet 
wurden und auch jetzt mit derselben nur eine 
Gemeinde bilden, s. Bd. ELT 746ff. Uber die Vorge- 
schichte von Skutari (tTskiidar), das in turkischer 
Zeit zum dritten Hauptbestandteil von C. heran- 

30 gewachsen ist, vgl. die Art. Kalchedon und 
Chrysopolis Nr. 1, dann Hammer Const. 
II 311ff. Grosvenor I 241ff. MeyeTs Tiirkei 
344ff. Sonst ist fiber die Vorstadte von C. im 
allgemeinen noch zu vgl. Unger 112f. Hammer 
Const. I 62. II 2—184. DethierZ 58ff. Pa- 
spates 'Efj.. (filoX. 2vXXoyog XH. 

Einteilung. Neben der Gliederung nach 
sieben Hiigeln (s. o. S. 968) war die Stadt analog 
dem kaiserlichen Rom von Anfang an in vierzehn 

40 Regionen (gsysa/vsg) geteilt, deren alteste Uber- 
sicht aus Jem 5. Jhdt. stammt, s. u. S. 1005. 
Gillius hat seine Beschreibung der Stadt nach 
Hfigeln und Regionen eingeteilt, und G. Pan- 
ciroli eine (bei Gillius und Banduri) abge- 
druckte Erlauterung zu der alten lateinischen 
tbersicht gegeben; ferner hat Ducange Const. 
Christ. 1 20f. dariiber gehandelt und Banduri 
eine Einzeichnung der Regionen in den Plan von 
C. versucht (s. die Tafeln zu S. 448 des in. Teiles). 

50 Dieser Versuch war jedoch insofern verfehlt , als 
er die theodosianische Stadt zu Grunde legte, 
wahrend fur die schon von Constantin d. Gr. an- 
geordnete Einteilung nur der Raum bis zur con- 
stantinischen Mauer, ohne das Exokionion, in Be- 
tracht kommen kann ; letzteres zeTfiel viehnehr 
in die sieben Quartiere der Cohorten gothischer 
Hulfstruppen, von deren Bezeichnungen nach der 
Nummer der Cohorten uns die Namen Deuteron, 
Triton, Pcmpton, Hebdomon uberliefert sind, s. 

fin die Planskizze zu Dethier Const, und Mordt- 
mann Esq. 2, wo man S. 2 — 11 eine Aufzahlung 
der einzelnen Regionen mit naherer Bestimmung 
der Lage flndet (vgl. den zugehorigen Plan). Nur 
zwei Regionen lagen von Anfang an ausserhalb 
der constantinischen Mauer und bezeugen dadurch 
die schon damals selbstandige Bedeutung dieser 
Quartiere, namlich die regio XIU Sycena (s. o. 
unter S. 971f.) und die regio XIV Blacker- 



y/5 



Uonstantinopolis 



Uonstantmopolis 



y/o 



narwm (s. Bd. Ill S. 554ff. u. o. S. 970), deren ab- 
gesonderte Lage an die rcgio XIV trans Tiberim 
in Rom erinnert. Vgl. iiber die Regionen auch 
Unger lOlff. und ebd. llOff. sowie J. P. Richter 
XLIff. uber die Teilung in drei Zonen, nach wel- 
chen der sog. Anonymus des Banduii die Denk- 
maler von C. aufzahlt; durch diese drei Zonen 
(/isQt)) wurde die Stadt der Lange nach von der 
theodosianischen Mauer bis zur Serailspitze in 
Streifen zerlegt, wie die zweite Tafel bei Ban- 
duri a. a. 0. veranschaulicht. Selbstverstandlich 
diente diese Teilung dem Verfasser bezw. Re- 
dactor der ITdtQia lediglich zur ubersichtlichen 
Gruppiervmg der Denkmaler und hatte niemals 
administrativen oder sonstigen Wert. Neuerdings 
hat Grosvenor I 290ff. wieder die Regionen und 
ihre Denkmaler aufgezahlt. 

Befestigung. Die Lage und Eratreckung 
der Mauern erhellt im allgemeinen aus den obigen 
Angaben iiber die Ausdehnung der Stadt. Man 
vgl. iiber die Stadtmauer des alten Byzantion, 
deren Turme und Thore Bd. Ill S. 1120ff., ttber 
jene des Septimius Severus ebd. S. 1125, dazu 
die Quellenausztige bei Unger 203ff. 214f. und 
oben S. 968 die von rneinem Versuch abweicbende 
Annahme van Millingens iiber diese Mauer 
und deren Verlauf. Die Mauer Constantins zog 
ebenso wie jene des alten Byzantion nicht nur 
quer iiber die Halbinsel , sondern auch rings 
am Meere entlang (Unger 206f.). Dasselbe gilt 
von der spateren und heute noch, freilicb in sehr 
verfallenem Zustande erhaltenen Ummauerung, 
welche in ihren Grundziigen durch Theodosios II. 
(408 — 450) festgestellt wurde, nachdem infolge 
einer Erdbebenperiode zu Ani'ang des 5. Jhdts. 
die constantinische Mauer im J. 412 zum grossen 
Teil eingestiirzt war. Auch der Bau der theo- 
dosianischen Mauer wurde durch Erdbeben wieder- 
holt behindert und nur durch die Energie des 
Stadtpraefecten Kyros (439 — 41) schliesslich zu 
stande gebracht, so dass ihm das Volk im Hippo- 
drom zurief : ,Constantin baute, Kyros erneuerte !' 
Die Nachweise der Quellen s. bei Ducange I 
10.12. Unger 207ff. Wesentlich verandert wurde 
die Befestigungslinie spater nur an einer Stelle 
durch die Einbeziehung des Blachernenviertels 
in der Nordecke der Stadt am Goldenen Horn 
(Plan 3D), welche durch die Erbauung des /wvd- 
xuyog unter Herakleios im J. 625 (627) erfolgte, s. 
Bd. m S. 555f. u. o. S. 970. 974f. Natfirlich musste 
auch spater noch oft an den Mauern gearbeitet 
werden, urn verfallene oder beschadigte Teile 
wiederherzustellen, so besonders unter Tiberius III. 
(698—705), Anastasios II. im J. 714, Leo HI. 
im J. 740 infolge eines Erdbebens, Nikephoros I. 
im J. 803, Theophilos im J. 831, Michael VIII. 
im J. 1262, Andronikos H. im J. 1316, Johannes 
Vin. in den Jahren 1431-44; Belege s. bei Unger 
211ff. Mordtmann § 23. Die Lange der theo- 
dosianischen Landmauer vom Marmarameer bis 
iwii Goldciic-u Horn betrug 5650 in., i.acli Eiii- 
beziehung des Blachernenviertels (bis zum jetzigen 
Aiwan Serai Kapussi) 6671 m. Im Gegensatz 
zur Mauer des Herakleios (die deshalb ftovoxeixog 
genannt wurde) und zu den Mauern der Seeseite 
war die theodosianische Landmauer eine doppelte; 
sie bestand aus der 15 — 20 m. hoben inneren 
Mauer (to earn xet/og oder fiiya xelyog), fiir welche 



jedoch v. Moltke Briefe 34 nur 30—40 Fuss 
Hohe und 5 — 8 Puss obere Starke angiebt, und 
der bedeutend niedrigeren ausseren Mauer (to s%a> 
reTxo;), welche von ersterer durch einen Wall- 
gang [nsQipolo;) von 18 m. Breite getrennt war. 
Vor der ausseren Mauer wurde in entsprechend 
tieferer Lage ein zweiter Wallgang (nooxeixwua) 
gezogen, der durch eine mannshohe, zinnenge- 
kronte Brustwehr gegen den Graben geschiitzt 

10 war. Letzterer konnte durch ein System von 
Schleussen unter Wasser gesetzt werden und war 
durch Quermauern (biaxatpQia/xaxa), deren man 
jetzt noch 19 zahlt, in Absehnitte geteilt; die 
urspriingliche Tiefe ist infolge des Schuttes nicht 
mehr erkennbar und betragt jetzt hb'chstens 10 m. f 
meist viel weniger. Holzerne Briicken, die im 
Kriegsfall abgebrochen wurden, fuhrten an Stelle 
der jetzigen steinernen tiber den Graben zu den 
Thoren. An der Aussenseite des Grabens war 

20 die aussere BOschung (Contrescarpe) nochmals 
durch eine niedrige Mauer geschutzt. Siehe 
das Profll der theodosianischen Landmauer bei 
D e t h i e r a. a. O. Taf. DZ ; hienach auch 
bei Grosvenor 585. Meyer 298—300; vgl. 
Mordtmann § 17f. Eine wichtige Verstar- 
kung der Mauer waren die durchschnittlich alle 
60 Schritt hervortretenden Ttlrme, von denen 
man auf der Landseite an der inneren Mauer 
noch 120, an der ausseren 71 zahlt; von ersteren 

30sind 87 viereckig, 2 fiinfeckig, 8 sechseckig, 3 
siebeneckig, 15 achteckig,5halbkreisf8rmig (Meyer 
300). Quellenbelege bei Ducange I 13. Unger 
215ff. Von einzelnen Tiirmen sind hervorzuheben 
der KsvttjvaQtjotoi itvqyog (Theoph. 379 de Boor), 
auch Kevzqvdgiog (Leo Diak. V 2), Kevxtjvdgtov 
(Kodin. 114), Kevxivdotog (CIG IV 8664), der, 
von Constantin erbaut, von Theodosios II. und 
Leo III. (im J. 727) erneuert, zur Befestigung der 
eisernen Kette diente, welche den Eingang zum 

40 Goldenen Horn sperrte ; er ist deshalb in der 
Nahe der Porta Eugenii und des jetzigen Bahn- 
hofes zu suchen (Plan 6H). Mordtmann §85. 
t. Moltke Briefe S. 196 d. Ausgabe von Hirsch- 
feld. Viel spateren Ursprungs ist der Turm (und 
Gefangnis) des Anemas (Plan 3 D), benannt nach 
Michael Anemas, welcher darin wegen Aufruhrs 
gegen Alexios I. (1081 — 1118) gefangen gehalten 
wurde; Naheres bei Ducange I 13. Unger 
220. Mordtmann § 19 u. 0. Meyer 313f. 

50 Grosvenor I 395f. Unmittelbar daneben liegt 
das Pentapyrgion , wie in neuerer Zeit ein von 
der Mauer des Herakleios und dem vor demselben 
gezogenen Mauerstuck des Leo (sog. leontische 
Mauer) umschlossener, von fiinf TQrmen uberragter 
Raum (Plan 3 D) genannt wird ; der Name scheint 
sich jedoch in byzantinischer Zeit auf einen Teil 
des grossen Kaiserpalastes bezogen zu haben und 
erst in neuerer Zeit irrtumlich hierher iibertragen 
worden zu sein, s. Mordtmann § 19. 56; docb 

60 vgl. auch u. uber das Kyklobion. Plan bei Meyer 
310, wo man juizt die vcrwickclteu Bufeotigiujgo- 
linien bei den Blachernen am besten ubersieht; 
vgl. den Art. Blacbernai und Unger 243f. 
Wie das nOrdlicbe, so war auch das sudliche Ende 
der Landmauern durch eine besondere Befestigung 
verstarkt, deren altester Name Kyklobion sich, 
wie aus Theoph. 353 de Boor erhellt, ursprting- 
lich auf den Vorsprung der Kiiste daselbst bezog 



yvv 



uonsxannnopons 



(fiexQi xov axQ(oxr)Qiov xov keyoftsvov Kvxkofitov); 
vgl. ebd. 395 nooad^fitaav axb rfjg MayvavQas 
icog %S>v Kvxlofilov. Die zuerst im J. 480 durch 
Kaiser Zeno angelegte Befestigung wird zum 
erstenmal im J. 775 als das runde Castell (Stron- 

gylon) bezeichnet (h> r<j3 2xQoyyvXa> xaoxelXlq> 

Theophr. 448 de B.). Andere Stellen dariiber bei 

Unger 115. 238f., dann Georg. Kedr. I 764f. n 

18 u. a. Mordtmann § 22. Spater wurde das . . , 

Castell, das im 10. und 11. Jhdt. wiederholt ver- 10 20 Puss dick, s. Euagr. m 38. Suid. s. 'Ava- 



liUlUJkiliUliUlUJJUJ-lS V I O 

(s. d. Art. und Unger 241) und bei Selymbria, 
von wo die ,lange Mauer' M holxqov xsTxog) des 
Kaisers Anastasios I. nordlich bis zum Schwarzen 
Meere zog; dieselbe war im J. 507 oder 512 (Chron. 
Pasch.), zum Schutze gegen die Einfalle der Thraker 
und anderer Barbaren errichtet und von Iustinian I. 
verbessert worden (Prokop. de aedif. IV 9); sie 
war 280 Stadien (60 Milien) von der Stadt ent- 
fernt, 420 Stadien (Suid. 50 Milien) lang und 



starkt, im lateinischen Kreuzzug geschleift worden 
war, wegen seiner fiinf Tiirme Pentapyrgon und, 
als Johannes VI. Kantakuzenos im J. 1350 (oder 
Johannes V. Palaiologos im J. 1390) zwei weitere 
Tiirme hinzufugte , als Heptapyrgon oder Schloss 
der sieben Tttrme bezeichnet, wovon die tiirki- 
sche Benennung Jedi Kule die trbersetzung ist, 
Seine jetzige Gestalt verdankt das Castell im 
wesentlichen dem Neubau des Sultan Moham- 



axdatog und die iibrigen Stellen bei Unger 241fF. 
sowie Art. Anastasios Bd. I S. 2066. Gillius 
1 21 (spricht offenbar nicht aus Selbstanschauung). 
Kiepert Specialk. v. Westkleinasien Bl. II. 

Heute haben die Mauern von C. jeden Befesti- 
gungswert verloren, gehOren aber als ehrwttrdige 
Denkmaler der Vergangenheit und als ein Bild 
von grosser malerischer SchOnheit und romattti- 
schem Zauber zu den hervorstechendsten Erschei- 



med O. im J. 1455. Grosvenor II 594ff. 20 nungen im Gesamtbild der Stadt. Leider sind 



Meyer 302f. Unger 41. 239f. Zur Verstarkung 
der Hafenmauer langs des Goldenen Homes diente 
das Petrion (xaaxQov IJexotov oder xcov HsxqIcov) 
zwischen dem gleichnamigen Thor und demPhanar 
(Plan 4E), Kodin. 114. Niket. Chon. 721. 753, 
Chron. Pasch. I 494 Bonn. Const. Porph. caer. 
I 27, 2. Unger 58. 129. 245f. Mordtmann 
§ 67f. Aus den angefiihrten Stellen erhellt, dass 



dieselben noch in den allerletzten Jahren durch 
Erdbeben und absichtliche Abtragungen bescha- 
digt worden, so dass der Gesamteindruck dadurch 
erheblich beeintrachtigt ist, wie ieh selbst im 
J. 1897 gegenuber 1887 erfahren musste. tlber 
die Mauern von C. vgl. im allgemeinen Gillius 
I 19. J. Dallaway Archaeologia XIV (1803) 
231—43 mit 4 Taf. v. Hammer Const. I 67— 
100. v. Moltke Briefe 34 mit G. Hirschfelds 



der Name /Zsrga oder IIsxqIov (z. B. Phrantz. 

254 Bekk. iv rots (isgeoi xov Ilszoiov u. s. w.) 30 Anmerk. A. G. Paspates Bv^avx. usUxai 1-61. 

ebenso wie spater jener des Phanar ?<2Wo<, tiirk. S. Arist arches 'Aq%aiol. yaQxrig xmv leqaaiaiv 



Fener) einen Stadtteil bezeichnete, der schon friih- 
zeitig durch zahlreiche kirchliche Gebaude aus- 
gezeichnet war, iiber welche vgl. noch Richter 
7ff. 183. 234. 380. Selbstverstandlich war zu 
alien Zeiten auch jener bevorzugte Teil der Stadt, 
welcher in vorchristlicher Zeitdie Akropolis (Bd.IJI 
S. 1121f.), seit Constantin d. Gr. den grossen 
Kaiserpalast (s. unten S. 989ff.) und spater das 



rape Kcorotavtivovjiolscog .'EXl. <Pdo).. SvXko- 
yog, IlagaQr. xov t&' xofiov. Konst. 1884, mitgrossem 
Plan una zahlreichenAiisichten. Grosvenor II 558 
— 624 (Abbild.). A. van Millingen, s.u. S.1010. 
Thore. Uber die Tbore der Stadt handeln 
Gillius I 20. Ducange I 14—16. Unger 
221—37. Hammer 1100— 120. Mordtmann 
passim (s. d. Reg.). Paspates a. a. O. 61 — 83. 



(jetzt verlassene) Serail trug, besonders befestigt; 40 Ein anonymes griechisches Verzeichnis aus einer 



vgl. Zonar. XVI 25, wo unter Nikephoros II. 
(963 — 69) ausdriicklich von der bstlichen und west- 
lichen (Stadtseite !) Mauer der aKQonofog die Rede 
ist, und Unger 237f. Ob die jetzt das Serail 
nach der Stadt abschliessende zinnengekrflnte und 
turmbesetzte Mauer byzantinischen Ursprungs und 
von Michael VIII. im J. 1261 errichtet ist, wie Pas- 
pates meinte, ist sehr zweifelhaft; gute Kenner 
von C. halten dieselbe fur ein Werk des Sultans 



Wiener Handschrift des 16. Jhdts. verdanke ich 
freundlicher Mitteilung von Th. Preger. Die 
Thore der coiistantinischen Landmauer waren, von 
Suden nach Norden folgend, nach Mordtmann 
§16: 1. die Porta attrea antiqua, noch zu Chry- 
soloras Zeit (14. Jhdt.) bestehend, bei Buondel- 
monte (1422'l Porta aniiauissima, jetzt Isa Kapu 
(Jesusthor), Plan 7C. 2.*Die Porta Attali. 3. Die 
Porta Saturnini. 4. Die Porta Polyandrii. 5. Die 



Mohammed II. aus dem J. 1468, s. G. Rosen a. 50 Porta Sancti Ioannis. Unter den Thoren der 



a. O. 349. Grosvenor H 301f. 708. Doch durfte 
ihr Verlauf wenigstens im nOrdlichen Teile mit 
der byzantinischen, wahrscheinlich schon von Con- 
stantin angelegten Mauer zusammenfallen. Uber 
die Mauer am Marmarameer, welche besonders 
durch den Bau der Eisenbahn feroffhet. 1873) ge- 
litten hat, s. Grosvenor 561ff., iiber jene am 
Hafen, von welcher die Uferlinie hauptsachlich in 
den letzten 100 Jahren imrner mehr atgeruckt ist, 
ebd. 570ff. 

Auaatrlialb In eigen'liclicr. Stcdt vraren Le- 
sonders befestigt die Blachernen, s. o. S. 975 und 
Unger 243f., das Kosmidion (easteUum Boe- 
mundi), woriiber o. S. 970, das Hcbdomon (ebd.) 
WO Theoph. 297 de B. xo Kaaxi.lJ.ov Ssodooiavmv 
iv xo~> 'Epo6fia> erwahnt, die Vorstadt Sykai oder 
Galata (s. o. S. 971f.). Vorgeschobene Befestigungs- 
werke auf der Landseite befanden sich bei Athyras 



theodosianischen Mauer entsprach als sudlichstes 
der alten Porta aurea, an welcher die Via trium- 
phalis (s. u.) endigte, dasbertthmte ,Goldene Thor' 
(Xovoi) xi>).i), Porta Aurea; Anon. Vind. xwv inxa 
yoviddon- xoQxa d. i. Thor der 7 Turme) beim Ky- 
klobion (s. o. S. 976) mit drei Eingangen und 
reichem bildnerischen Schmuck, jetzt vermauert, s. 
die Stellen bei Ducange I 15. 16. Unger 225ff. 
MoTdtmann§21. J. Strzygowski Arch. Jahrb. 
60 1893, 1—39 mit Planen u. Abbild. (Hauptschrift). 
Ran OB. E; fol<^t nach Ww ^ Th«v d°= 
zweiten Militarbezirks (tivXij xov devxegov, auch 
Thor von Rhegion), lange vermauert, seit 1886 
dem Verkehr wieder geOffinet (Plan 8 B) ; flbei die 
Bedeutung dieser Zwischenthore, welche weniger 
dem Verkehr als strategischen Riicksichten dienten, 
s. Mordtmana § 20. Dann das Thor von Se- 
lymbria (auch nvlrj xf\g Tzrjyijg genannt, s. Unger 



979 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



980 



224f., nach der 1/2 km westlich davon gelegenen 
£<f>odo%os nr)yr), jetzt 'Ayiaojxa 'A. d»/f4,rjzgiov oder 
Balykly), noch jetzt Silivri kapussi (Plan 7 b), 
Anon. Vind. SvXXrjoygiag xogza — SdXijfigl xajifjal. 
Gleich darauf das dritte Militarthor (nvXrj tov 
zgizov) an der als Sly/ia bezeichneten Einbiegung 
der Stadtmauer (Plan 7 B). Mordtmann § 23f. 
Das dritte Hauptthor war die MeXavdtjoia nvXrj, 
IJogza MsXavziddog , Hogza zov 'Povoiov, jetzt 
Mewl&ivehane Jeni Kapu, Plan 6B. Mordt- 
mann § 24f. Weiter das vierte Militarthor (jivXr/ 
tov zczdgzov), und das Hauptthor des heiligen Ko- 
manos, auf der hOchsten Stelle zwischen Marmara- 
meer und Lykosthal gelegen, wo Kaiser Con- 
stants XL Palaiologos, der hier gegen den Haupt- 
angriff der Tttrken die Verteidigung personlich 
leitete, den Heldentod starb, jetzt Top Kapu 
(toot xaarjoi, Kanonenthor), Plan 5 B. Unger 
229f. Am jenseitigen Abhang des Lykosthales 
lag das funfte Militarthor (avXrj zov zze/njizov), 
holier hinauf das (funfte) Hauptthor von Adria- 
nopel, tiirkiscb. Edrene Kapussi (Anon. Vind. 
dvQa ttjg 'ASgiavovszoXscog = ivrgsvi xaTirjoi), 
nach den eingehenden Untersuchungen von Mordt- 
mann § 26—50 (vgl. Unger 230f.) wahrschein- 
lich das Thor des Charisios (Xagoiov nogza, 
Xagoia tzvXzj , Xagiaovg nvXrj, Porta Carisii 
u. s. w. ; vgl. u. Kagoia nvlrj) der byzantini- 
schen Schriftsteller , Plan 4 C. In dem Winkel 
beim Tekfur Serai, welcher durch den Anschluss 
dei herakleischen Mauer an die theodosianische 
gebildet wird (Plan 3/4 C/D) , sind drei Neben- 
pforten (^agaTcogtta) zu suchen : das Thor Xylo- 
kerkos oder Kerkoporta (Ktgxoizogra, >) Xeyofxivrj 
SvXoxigxov jivUe), benannt nach einer holzernen 
Bennbahn, die sich dort ausserhalb der Mauer 
befand, Unger 233. 286. 127. 211. Mordt- 
mann § 52f.; ferner cine jetzt vermauerte Pforte, 
diePaspates als nogza zow 'Aoo>udz<ov bezeich- 
nete, welcher Name bei Kantakuz. Ill 88 sich 
jedoch nach Mordtmann §54 auf Thessalonike 
bezieht, sowie die Pforte des Kallinikos (bei 
Theoph. 380 de Boor zoj avo> zwv KaXXirlxrjg Tia- 
QastoQzi(fi, vgl. Unger 231; jetzt gleichfalls ver- 
mauert), Mordtmann § 55. 60 (wo sie jedoch 
beim Holzthor, s. u., gesucht wird). Meyer 5 
311 mit dem Special plan des Blachernenviertels. 
Letzterem entspricht jetzt ungefahr der Stadtteil 
Egri Kapu, benannt nach dem gleichnamigen 
.krummen Thore', welches aus demselben ins Freie 
fflhrt, und im 15. Jhdt. als Kagoia, 'Eyxagoia 
xvXn bezeichnet wird, wovon der turkische Name 
die Ubersetzung zu sein scheint ; so der Anon. Vind. 
sygi xaxTjoi = ozgajii) nogza. Man hat des- 
halb auch das Thor des Charisios (s. 0.) hier ge- 
sucht, wahrend Mordtmann § 58 (vgl. 52-55) 
die erst zur Zeit der turkischen Belagerung ge- 
nannte porta Caligaria (beim Schusterviertel, 
iv KaXhyaoioig) dafttr in Anspruch nimmt. Etwas 
weiter nordlich (Plan 3 lag das erst seit der 
Komnenenzeit erwahnte Thor Gyrolimne \ai xgo; 
zip/ rvgoUfirr\v Xeyofisvai TivXai), dessen Name 
von dem 'Agyvga Xiprri genannten obersten Teil 
des Goldenen Homes herruhren soil (Unger 231f.), 
cndlich das als Doppelthor durch die herakleische 
und die leontische Mauer gefuhrte (innere und 
aussere) Thor der Blachernen, iiber welches vgl. 
Bd. HI S.556. Meyer 314. Unger 232. Das Holz- 



thor {EvXonoQza, EvXivr/ jiogza), erst bei Kautaku- 
zenos erwahnt, war kein Mauerthor, sondern diente 
nur zur Verbindung des ausserhalb der Mauer ge- 
legenen Hafendammes am Goldenen Horn mit 
der Vorstadt Kosmidion beim jetzigen Aiwan 
Serai Kapussi. Mordtmann §52. 60-64. Unger 
234f. Meyer 314f. Es folgen nun in der Mauer 
am Goldenen Horn (nach Mordtmann) das ,Jager- 
thor' (nvXtj zov Kwr/yov oder zoiv Kvvqywv, § 65), 

10 welches mit der gleichnamigen Vorstadt (0. S. 970) 
zum Hafen fiihrte (Plan 3D); das ,Kaiserthor' 
(Jlaodtxrj nvXr\, porta imperialis, § 66), so be- 
nannt, weil dort der Kaiser zu landen pflegte, 
wenn er sich nach den Blachernen begab, daher 
noch jetzt Balat Kapussi (Plan 3D), wie auch 
der anstossende Stadtteil Balat (d. i. jiaXdziov, 
namlich der Blachernenpalast) heisst; dagegen 
setzt der Anon. Vind. , welcher zwischen dem 
.Krummen Thor- und der Porta Caligaria eine 

20 nogza tov ayio^aaagfj (beim Turm des Anenias) 
einschiebt, roii nvvtjyov tioqzo. = fisialara xaxrjci ; 
die porta Phari (zov qpavagiov f\ nogza , jetzt 
Fener Kapussi, § 67 ; Plan 4 E) ; das ,Eisetithor' 
(mSrjga irvX-ij) beim Petrion (s. 0. S. 977), jetzt 
Petri Kapussi (§ 67f., Plan. 4E); das Thor der 
heiligen Theodosia (jivXi] zfjg 'A. Gsoboaiag), be- 
nannt nach der zur ,Eosenmoschee' (67m? dschami) 
umgewandelten Kirche der heiligen Theodosia und 
identisch mit der alteren, nach einem Kloster 

30 benannten nogza Je^wxgdrovg, jetzt ayias Tiogza 
— ayia xaxtjol, Aja Kapu (§ 69, Plan 4 E) ; 
das .Quellenthor' (nogza dg TT^/ds?, porta Pu- 
teae , porta al poxo) , welches sich nach dem 
Vorort Spigae ('g xtjydg) jenseits des Goldenen 
Homes (s. 0. S. 973) offnete, jetzt Dschub Ali 
Kapussi (§ 71ff.) ; das ,Mittelthor' [Porta Messa 
bei Buondelmonte) , auch Porta Plalea genannt 
nach dem benachbarten Quartier IHazeia, jetzt 
Un Kapu (ovv y.a[inhv nantai = Mehlthor) bei 

40 der alten Briicke (§ 74, Plan 5 P) ; die Porta 
Yigla oder Drungarii (BiyXas, dgovyyagiwv), 
jetzt Odnii Kapussi oder ,Holzthor' (za>r \vi.mv 
■fj aoQra, nach einer Holzniederlage), § 78, Plan 
5 F); die ,Porta S. Ioannis de Cornibus-, jetzt 
Sindan Kapussi (Kerkerthor ; nach andern ist 
diese = Porta Drungarii) ; das ,Fahrenthor' (porta 
peramatis) , auch ,Judenthor' (nogia 'EpoaXarj, 
Tschifut Kapu, s. u. S. 1003) und ,Fischerthor' 
(porta piscaria) genannt, jetzt Balyk Baxar 

50 Kapussi (Anon. Vind. 17 Tiogza row yragoxcoXi'wr 
= fizaXovx xaxrjoi; ,Fischmarktthor') bei der neuen 
Briicke (§ 75. 79 ; Plan 6 G) ; das ,Hafenthor' 
(porta Neorii, bei spateren By zantinern in Ver- 
kennung des urspriinglichen Namens d>gaia xiiXr), 
das ,schCne Thor' genannt, s. z. B. Ducas S. 282 
Bekk. Unger 236), jetzt Bagtsche Kapussi (Gar- 
tenthor), beim Bahnhof (§ 83, Plan 6 G); da- 
gegen im Anon, Vind. ugaiag jtogza = sfigaia; 
a. = zt,r\ffovx xaxrjoi; verschieden davon Mxoozuv 

60 zC>)u.-zaai (bostan = Garten). Das vor diesem an 
erster Btelle des Wiener Verzeiclmisses genannte 
1/ av&ivzixrj eig zo oagdyi ist das ins Serail ffih- 
rende Babi Bumajun (Kaiserthor). Das Thor 
des Eugenios (nvXai Evyeviov, fiaguagoTiogza h> 
zfj irogia zov Evytviov), beim Turme Ksvzijvd- 
gtog Evyeriov (s. o. S. 976), entsprechend dem spa,- 
teren Jaly Kbschk Kapussi (Thor am Uferkiosk), 
das jetzt mit anstossenden Teilen der Stadtmauer 



981 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



9B2 



der Bahnhofanlage zum Opfer gefallen ist (§ 84flf. 
Unger 235f., Plan 6 H). An der Serailspitze (Bo- 
onogw; axga, Angulus S. Demetrii, 0. S. 968), 
wo Ktiste und Mauer sich nach Siiden wenden, lag 
das Thor der heiligen Barbara, spater Top Kapu 
(Kanonenthor), mit welchem die Keihe der gegen 
die Hafenseite sich bflnenden Thore abschliesst 
(§ 84. 87. Unger 222, Plan 6 H). Verhaltnis- 
massig wenig Thore sind, abgesehen von den Zu 



hiess. 4. Der Hafen Bukoleon (BovxoXswv) beim 
gleichnamigen Palast, s. d. Art. Bd. Ill S. 997. 
Unger 259f., Plan 7/8 H. Bei Buondelmonte 
noch als ,Portus Palatii imperialis' verzeichnet, 
ist dieser Hafen auf dem Plan von 1567 nur noch 
als schwache Einbuchtung beim ,Stallthore' zu 
erkennen. 5. Der Hafen des Mian (Plan 8 G),. 
von Kaiser Iulianus (361—363) erbaut, urn den 
durch Stidwinde gefahrdeten Schiffen Schutz. 



massig weuig more sum, augracuou vuu ^u w-- »«^ — ™-..- — . p — _-----__--—---■ 
gangen, welche die Hafen boten, langs der weniger 10 zu gewahren, Zosim. Ill 11, 3. Kodm. S7. oz. 



belebten Siidseite der Stadt am Marmarameer 
zu nennen. Tiirkischen Ursprungs scheint das 
,Stallthor' Achyr Kapussi beim alten Hafen Bu- 
koleon zu sein , auf welches eine zweite Eisen- 
pforte (otdrjga xogza, vgl. oben) folgt, jetzt 
Tsehatlady Kapu (Schlachterthor), § 95. Unger 
222f., Plan 8 G; dann die Porta Contoscali (to 
r.ovzoaxaXi r) jzogza) , spiiter Kum Kapu (Sand- 
thor), § 103, Plan 7/8F (vgl. Unger 263ff. fiber 



Anastasios I. (491-518) liess denselben ausbaggern 
und durch Wellenbrecher (sigofloXoi) gegen weitere 
Verschlammung schutzen, Suid. Procop. Marcell. 
bei Unger 261. Gleichwohl entging der Hafen,. 
den man auch nach dem anstossenden Palaste 
des Hormisdas (za de xaXoiueva 'OgyuoSov Xifirjv 
Kodin. 87; vgl. Mordtmann § 94. 96. 101) be- 
nannte, diesem Sehicksal nicht, so dass derselbe 
durch dieKaiserin Sophia, die Gemahlin Iustinus II. 



tnori, a iuo, riau iror i*gi. uugci mcu. uuci «^w«..™.... r — -, — 7 ~ , , 

Ortlichkeit und Namen des KovzooxdXiov und 20 (565— 78), volhg neu hergestellt werden musste- 

~ -.« — n m , i . tt j» m / ' _. ,1 ^v.r.'UrtlV. tt^« viiin on qIq liar DrtTihiflTnflP.hfi (mil. 



u. S. 982); das Thor beim Hafen Vlanga (aogza 
zov fiXdyxa, u. S. 983), jetzt Jem Kwpu (neues 
Thor) § 103f., Plan 7E; das Thor des heiligen 
Aemilian, benannt nach einer nahe gelegenen 
Kirche, jetzt Daud Pascha Kapussi, § 124. Unger 
223, Plan 8D; das Sandthor (xvXt) WauaMa, 
zov Yafia&tov, bei Phrantz. 253 za>v 'Yyofia&tcov), 
noeh jetzt Psamatia Kapussi. § 100. Unger 
223f., Plan 8C; endlich die Pforte beim Kloster 



und deshalb von nun an als der sophianische (mit 
Bezug auf die nahen zzaXdzia xatv Soipiav&v, s. 
u. S. 991 und Theoph. 250 de B. to TiaXdnov- 
to iv zo} 'lov'uavov Xcuivi — sjimv6/J,aosv — «r' 
dv6p.azi Soylag) bezeichnet wurde, s. Gillius II 
15 und die Stellen bei Ducange I 19,1. Ban- 
duri Comm. 678fi. Unger 260ff. Mordtmann 
§ 98. Theoph. 184 de B. zov 'IovXiavov, zov So- 
yiag Xiyu>, Xifisva. ebd. 368 iv ro} 'IovXiavijoltp 



des Joannes Studios (Plan 8 B), turk. Narly Kapu, 30 X^kvi t&v 2o<p(ag xlr/ciov row Mavgov. <i35 za> 

1 . . tt- ^ f _> _v _-.. «„Ji',... 5.../... ' 7™, 7 >rt*>™> 90.Q rcTt lt.ll.FVl. r.nc 2.0WIGLC:- 



beim Anon. Vind. vagXl xaxrjol ijyovv zwv godicov 
rj jzogza (Granatapfelpforte), § 108. 

Hafen. C." besitzt im Goldenen Horn einen 
der geraumigsten und sichersten naturlichen Hafen 
der Welt, iiber dessen geographische Beschaffen- 
heit u. s. w. vgl. den Art. Keras, sowie Bd. Ill 
S. 1116f. 2513 (Chrysokeras). In altester Zeit 
diente jedoch nicht, wie jetzt, diese Bucht in ihrer 
Gesamtheit als Hafen, sondern dem anfangs be 



Xifiivi 'Iovhavov. 299 xr~> Xifihi zfjg Sotpiag- 
Mohammed II. liess 1462 die Befestigung wieder 
in Stand setzen , Leunclavius Hist, musul. 
(Franco! 1591) 5841; nach den Untersuchungen 
von Paspates diente der Hafen den Tttrken dann 
noch bis zum J. 1515 als Arsenal, und so benennt 
und zeichnet ihn auch der venezianische Plan von 
1567 (s. u. S. 1011). Als man aber den Kriegshafen 
nach dem Goldenen Horn bei Kassim Pascha ver- 



Wesamtneil aiS Xiaieu, suiiueru uem aiuaiiga up "«™^' ^„»«v,..~- — •- --- — 

schrankteren localen Bedarfe entsprachen die klei- 401egte, da wurde der sophianische Hafen ausge ullt, 



neren Einschnitte der Kiiste, welche noch bis Aus- 
gang der byzantinischen Zeit in weit hoherem 
Mass als heute das Gestade gliederten. Soweit 
dieselben noch dem alten Byzantion angehorten, 
ist bereits Bd. Ill S. 1121ff. darflber gesprochen 
word en. Es sind hienach 1. deT Hafen Bosporion 
(auch <Pwo(pdgiov und IIgoo<pdgiov) , schon im 
4. Jhdt. v. Chr. erwahnt, wahrscheinlich an Stelle 
der spateren Sirledsehi Iskelessi beim jetzigen 



so dass jetzt nur der Name Kadriga Limani (,Ga- 
leerenhafen') des teils freien, teils von Garten ein- 
genommenen Platzes und dessen tiefe Lage, noch 
im 16. Jhdt. durch einen Wassertiimpel gekenn- 
zeichnet, an den einst vielbeniitzten Hafen erinnem, 
P. Kamnusius Hist, de bello Const. (Ven. 1634) 
141. Caedicius Ancien plan de Const. 5. 
Meyer 5 265. Der Lage nach ist mit diesem Hafen 
wohl identisch das von Nikeph. Greg. XVII 4 



tier spateren ainoeascm ixmuksx* ueiui jcwigcu „^^^ ™^~ — -- — ■ — , 7 r 7 s ° , v 
Bahnhof, wo zweifeUos bedeutende Auffiillungen 50 genannte rswgtov xegi zov enxodgouov, weicnes 



stattgefunden haben, s. Bd. Ill S. 741. 1122 
mit Plan, dazu noch Unger 256f. Mordtmann 
§ 8. 85. 2. Der Hafen Neorion, das eigentliche 
Arsenal, jetzt ebenfalls zum Teil ausgefiillt, doch 
noch als Einbuchtung westlich vom Vorwerk 
beim jetzigen Zollamt erkennbar, wo das ,Hafen- 
thor' (s. oben) in die Stadt fiihrte , s. Bd. Ill 
S. 1121f. Theoph. 370 de B. tov Nta>gr)oiov Xiueva. 
386 zov zov Nsoglov zfjg TtoXsmg Xi/J,ha. 3. Der 



Ducange z. St. (S. 854 und 1291 d. Bonn. Ausg.) 
jedoch auf den folgenden bezieht. 6. Verschieden 
vom vorigen ist der Hafen Heptaskalon ('Emd- 
oxa/.or Kedr. II 240 Bekk.), auch Kontoskalion 
genannt; s. Kodin. 109 id 6e Xeyofievov Kovzo- 
axdXiov t] xogza (0. S. 981) ano IaXyov zovjnagi- 
azafxhov dg zo xziofia zov Xtftivog eXafie zovvofia, 
dazu Lambeck ebd. 273 und Anon. Band. 34. 
Pachym. I 365 Bekk. to jzgog tov BXdyxa Kov- 



a»0 zov zov d\sa>gwv ztjg xo/.ewg /.ifteva. a. xjvi xo^j^j. ^ vw ^™. .- "£— ttt no ' 

von Dion. Bvz. erwahnte dritte Hafen des alten 60 xoorJXun: Kantakuz. ed. bchopen 111 U .-100s ™ 



Byzantion (s. Bd. Ill Si. 11221.) 1st wohl iden 
tisch mit dem Perama (xegaiia) der Byzantiner, 
der IFberfahrtsstelle nach Galata, wo jetzt (seit 
1845) die sog. Neue Brucke den Hauptverkehr 
zwischen Stambul und der Gegenseite vermit- 
telt; vgl. 0. S. 980 uber das ,Fahrenthor', sowie 
Unger 90. Mordtmann § 8. 76, wonach diese 
Gegend fniherauch Zeugma (frvyn-a. = Uberfahrt?) 



Xsyoueroj KovzooxaAtuj ntugiuj ut igi^gag tuici'/- 
yovvzo. 74 ahnlich. 165 zo rswgiov zo xgbs toj 
'Ejzzaoxd/.a> gereinigt im J. 1351, da der Schlamm 
Lastschiffe'n mit bedeutenderem Tiefgang den Zu- 
gang nicht mehr gestattete. 212 ahnlich. 220. 284. 
Phrantz. S. 253 Bekk. Nach Mordtmann § 103 
ware es derselbe'Hafen, welcher bei Theoph. 353 de 
B. unit iv toj HgoxXiavrjoim zojv Kaioagiov Musvc 



bezeichnet wird. Buondelmonte nennt die Stelle topographische Frage ist hier offenbar verwirrt). 

Oyndoseali vel Arsena und noch jetzt haftet die Mordtmann § 51. 53. Grosvenor I 81f. 
Benennung an der Ortlichkeit (PI. 8 P). Freilich Dass jenseits des goldenen Homes in Sykai 

ist der Hafen, dessen Ausdehnung an der Ein- (Galata, s. o. S. 971f.) seit altester Zeit ein Hafen 

faegung der Stadtmauer noch wohl zu erkeniien bestand, zeigt Strab. VII 819 a. E. tov vao rfj 

ist, jetzt ebenfalls zum grOssten Teil ausgefullt, Svxfj xaXovfisvov Xi/j,&m. Fur die spatere Ent- 

aber der halbmondfermige Damm, welcher den wicklung yon Galata als Handelscentrum von C. 
Eingang gegen das Meer hin acMtzte und von war dieser Hafen von grSsster Wichtigkeit, wie 

Theoph. 436 de B. als ftcoXoe tov 'A. &a>fia ge- auch jetzt an derLandestelle von Kara1cdi(BchwdJZ- 
nannt wird (nach der nahen Kirche des heiligen 10 dorf), wie tfirkisch dieser Teil von Galata heisst, 

Thomas, vgl. Mordtmann § 100), ist noch wohl dieFaden des Seeverkehrs von C. zusammenlaufen. 

erhalten und_ dient noch jetzt dem localen Ver- Bedeutende Veranderungen haben an der Kfiste 

kehr von Schifferbarken und kleineren Fahrzeugen. auch hier seit dem Mittelalter stattgefunden; es 

7. Der alteste imd seiner ursprunglichen Anlage scheint, dass der Hafen von Sykai eine Einbueh- 

nach anscheinend grOsste Hafen am Marmarameer tung war, welche sich an der Stelle der Moschee 

war der eleutherische, von Constants d. Gr. viel- Kilidsch Ali Pascha und des Exercierplatzes von 

leicht mit Benlitzung einer natiirlichen Miindurjgs- Tophane erstreckte und erst im J. 1580 ausgefiillt 

bucht des Lykos angelegt und nach dem Leiter wurde, s. Grosvenor I 128. 674, dazu Meyer 5 

des Baues, dem Patricier Eleutherios, benannt, 219 fiber den jetzigen Hafendamm und den Spe- 
aber schon von Theodosios II. (408—450) wieder 20 cialplan ebd. 208. Nach Grosvenor I 132f. sind 

ausgefullt, Kodin. 49. 104. Anon. Band. 46. Doch auch bei Kabataseh (s. Art. Bosporos Bd. Ill 

scheint diese Ausffillung keine vollstandige ge- S. 747) Reste einer Hafenanlage noch jetzt zusehen 

wesen zu sein, da die Beschreibung der Urbs Const. (Hafen der Bhodier?, doch s. Bd. m S. 747 nr. 47). 

regio XII einen portus Theodosiacus erwahnt, Derselbe giebt 133f. nahere Mitteilung fiber die 

der wohl nur mit vorigem identisch sein kann; Bucht von Dolma Bagtsche (Kfirbisgarten oder 

ausserdem weist eine am Eingang befindliche In- Gemtisegarten), welche sich an Stelle der Sultan 

schrift MIXAHA AYTOKfgdzmo) auf Wieder- Valide-Moschee, des Westflugels von Dolma Bag- 

herstellung in spater Zeit. Immerhin befanden tsche -Serai und der dazu gehongen kaiserlichen 

sich sehon in byzantinischer Zeit (wie jetzt) dort Stallungen landeinwarts erstreckte und noch den 
.ausgedehnte Garten, welche man nach dem be- 30 Iateinischen Kreuzfahrern , sowie Mohammed II., 

nachbarten Quartier Viang a (BXdyya, BXdyxac, der von hier aus seine Galeeren fiber den Land- 

Ducas S. 283 Bekk. ; wohl von av/.aS [?], daher auf riicken in das Goldene Horn hinuberschaffen liess, 

Karten des 15. und 16. Jhdts. la TJlucca) benannte, als Hafen diente. Erst unter der Eegierung So- 

noch jetzt Vlanga Bostani (,Vlanga-Garten'). limans I. (1520—1566) liess der tiirkische Sec- 

Dieser Hafen war, wie noch jetzt erkennbar ist, held Chaireddin Barbarossa die Bucht durch 

ahnlich dem sophianischen, in einen inneren und 16 000 Christensclaven ausfiillen und dort einen 

ausseren^ geteilt und sowohl auf der Land- wie Gemiisegarten anlegen , welcher der Ortlichkeit 

auf der Seeseite von der Mauer umschlossen, deren wie auch dem bekannten prunkvollen Palast den 

Anlage zum Teil noch auf Constantin d. Gr. zu- Namen gegeben hat. Nach Grosvenor ent- 
ruckgeht (Plan 7/8 D/E). Mordtmann § 104.40 sprache diese Bucht dem Iasonion der Alten, wor- 

107. Bei Buondelmonte erscheint der Hafen noch fiber vgl. Bd. Ill S. 747 nr. 46. Beziiglich der 

als portus Volanga; auf dem Plan von 1567 ist iibrigen Hafen und Landestellen am Bosporos 

Lauulaca ein ummauerter Garten. S. Caedi- muss ich auf diesen Artikel verweisen, sowie auf 

cius a. a. 0. 5. 8. Die Bezeichnung Partus Art. Chrysopolis und Kalchedon; fiber die 

Hebdomi, welche Mordtmann auf seincm Plane Lage der' (jetzt ausgefiillten) Hafen der beiden 

der Landestelle im Goldenen Horn bei den Bla- letzteren Stadte s. auch Grosvenor 246. 257. 
cliemen giebt, kann nach dem, was oben S. 971. Leuchttfirme stehen in so enger Beziehung- 

fiber die Lage des Hebdomoii gesagt ist, nicht zum Seeverkehr, dass sie am beaten hier an- 

aufrecht erhalten werden. Vielmehr ist der von schliessend an die Hafen erwahnt werden. Ein 
Theoph. 228 de B. genannte ;.</«> tov 'Ep&opov, 50 solcher befand sich mindestens schon im 4. Jhdt. 

mit welchem auch der Hafen beim Palaste Se- n. Chr. auf der Hohe des ersten Hiigels (Ammian. 

tundiana nach Malal. 486 (ey.ai)agio&t} 6 Xiftijv Marc. XXII 8, 7; vgl. Chrysokeras), etwa zwi- 

6 xXrjoiov tov xaXauov Zty.owdiarwv) identisch schen Bukoleon und Magnaura (Plan 7H), wo 

sein muss, an der a. a. 0. naher bestimmten Stelle Constantin V, (741—775) auch eine nach dem 

des Marmarameeres zu suchen. 9. Die Lande- Leuchtturm (Qaoo;) benannte Kirche und Kloster 

stelle fiir die Blachernen befand sich beim Kaiser- der Muttergottes erbaute, s. die Stellen bei Unger 

thore, s. o. S. 980; eine eigentliche Hafenanlage 266ff. Richter 337ff. Grosvenor I 301f. 

scheint dort nicht bestanden zu haben und war 3^7. Ein zweiter kleinerer Leuchtturm, <parlov 

wohl auch nicht nOtig. Dass sich dagegen (Fani bei Leon. Chi. nach Unger 268) oder 
«ine Schiffswerfte dort befand, erhellt aus Georg. 60 pavaQi genannt , befand sich auf einem Land- 

Pach. 1 365 Bekk. id iv B/.ayJovaig veohtov. Noch vorsprung im oberen Teile des Goldenen Horns: 

weitei aut'warts im Goidenen Horn, bei Esma nach demselben wurde schon im Mittelalter das 

■Sultan Serai, lag (10.) der von Leo 1. im J. 469 dortige Stadtthor (s. o. S. 980) wie auch das an- 

■erbaute kleine Hafen (Xtptraqiov) des Mamas, grenzende Stadtviertel benannt, z. B. toTtoteoia 

welcher fiir das gleichnamige Kloster und den tov $avdot in einer Urkunde von 1351 bei Miil- 

Palast ausserhalb der Blachernen diente, s. Chron. ler und Miklosich Acta et Dipl. I 312. 

Pasch. 01. 312, 11 (I 598 Dind.j. Theoph. 385 Mordtmann §67. Zu allgemeinerer Bedeutung 

de B. Unger 79. 258. Richter 389ff. (die gelangte diese Bezeichnung, als nach dem FaUe 



985 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



986 



von C. das Patriarchat, welches schon im J. 1455 von Iustinian bis zur Gegenwart zeigt deutlich r 

nach dem oberhalb dieses Hafenviertels gelegenen wie der Schwerpunkt des stadtischen Verkehrs am 

Kloster der Ilavayia Jla/i/iaxaQiaroi (Plan 4 D) Goldenen Home abwarts gewandert ist, und wie- 

verlegt worden war, mit der Verwandhmg dieses die ganze stadtische Entwicklung immer mehr 

Klosters in eine Moschee durch Murad HI. im auf den Bosporos hinausdrangt (vgl. o. S. 970 und u. 

J. 1591 im Phanar (tfirk. Fener) selbst seinen Sitz S. 990f.). Eine Schiffbruckeuberdenletzteren, welche- 

rial™ und dieser Stadtteil mehr und mehr die Kaiser Herakleios im J. 638 beim Stevoir (der eng- 

Zuflucht der um das Patriarchat sich scharenden sten Stelle) schlagen liess , also ein Gegenstuck zu 

vornehmen griechischen Familien, der sog. <Pava- jener des Mandrokles (Bd. LU S. 748 nr. 57) er- 
gimzai, wurde. Hertzberg Gesch. d. Byz. 595. lOwahnt Nikeph. Const. 25f. de B. 

647. Meyer 318f. Grosvenor LT 436f. 580. Th. Strassen. Unter den Strassen der Stadt tritt 

Kind Art. ,Phanarioten' in der Allgem. Encycl. besonders hervor die Mittelstrasse, XeaxpoQog fiiarf 

11121,445 — 452. KrumbacherByz.Litt.2 1083. oder meist kurzweg f\ Meat) genannt, z. B. Theo- 

M. J. Gedeon Xqovixa tov IlaTQiaQxixov oixov phyl. Sim. VIII 8, 11 8ia xrjg XsaxpoQov fjv Miorjv 

xal tov vaov. K/pel. 1884. Uber Leuchtturme ra nXrjfrri xaroropid&votv. Theoph. 369 de B. Sia 

am Bosporos s. Bd. Ill S. 751f. nr. 77f. 86f., tijg pteatj; X£<a<p6oov, n Msatj ebd. 102. 286. 239- 

fiber Fener Burnu = Heraion bei Chalkedon 267.442.453. Andere Stellen beiDucange I 23. 

Grosvenor II 260f. Unger 125ff. Sie zog hienach vom Milion (s. u* 

B r ii c k e n. Abgesehen von den kleinen Briicken, S. 995) in der Richtung der Meereskiiste westwarts 
welche z. B. fiber den Stadtgraben (s. o. S. 976) 20 fiber das Forum Constantini, Forum Tauri. Forum 

fiihrten und zu welchen die von Kantakuz. I 56. Bovis , die troadensischen Hallen und den Xero- 

III 81 (Unger 254) erwahnte Kamelbriicke beim lophos zum Goldenen Thor (s. o. S. 978), wo sie 

Thore Gyrolimne (s. o. S. 979) gehOrt zu haben dann langs des Meeres weiter nach Hebdomon 

scheint, kennen wir aus byzantinischer Zeit nur fiihrte. Sie war die eigentliche via triumphalis 

eine Briicke, welche zur Verbindung grosser Stadt- von C. , durch welche alle feierlichen Einziige- 

teile diente, namlich jene, welche Iustinian uber stattfanden, dabei auch eine Hauptader des Ver- 

den oberen Teil des Goldenen Horns baute, und kehrs und deshalb auch haufig der Sammelpunkt 

welche nach ihrer Lage auch Briicke des h. Kal- aufriihrerischer Volksmassen (s. z. B. Theoph. a. 

linikos , des h. Mamas , des h. Panteleimon, von a. 0.). Sie entspricht in ihrem Ostlichen Teile 
Kosmidion oder bei den Blachernen (Bd. Ill S. 556) 30 der jetzigen Hauptstrasse Diimnjolu, im west- 

genannt wurde; vom jetzigen Landeplatz Def- lichen Teile dem mit verschiedenen Namen be- 

lerdar Iskelessi' aus uberspannte dieselbe in zwiilf zeichneten Strassenzuge , welchem jetzt von Ak- 

Bogen den hier schon sehr seichten (hochstens Serai bis Jedikule die Trambahn folgt, Mordt- 

2 m tiefen) Meeresarm bis nach der Vorstadt Pi- mann § 4. 109. 111. 

kridios (s. o. S. 973). Chron. Pasch. I 618. 720 Abgesehen von dieser Hauptstrasse sind wis 

Bonn. Anon. Band. 58. Io. Kinn. II 14 a. E. in den Quellen wenig unmittelbare Anhaltspunkte 

DucangelV 14. Unger 122. 254. Mordtmann fur die Wiederherstellung des Strassennetzes von 

§ 60. 72. Grosvenor I 81. Unter der Briicke C. iiberliefert. Indessen stimme ich G. Rosen 

fiber den Fluss Barbyses (s. d. Bd. Ill S. 5f.), Allg. Encykl. II 38, 337 darin bei, dass sich das 
welche Nikeph. Const. 14. 26 de Boor zum J. 619 40 selbe ,in seinen Grundziigen wahrend des 1550- 

— 638 erwahnt, ist wohl dieselbe zu verstehen. jahrigen Bestehens von C. wenig verandert haben 

Im unteren Teile des Homes vermittelte nur eine diirfte.' Gewiss knfipfte schon der Bauplan der 

Fahre (to xega/xa) den Verkehr mit Sykai, Theoph. constantinischen Stadt an die Hauptverkehrswege- 

228 und o. S. 981. Nach Dukas 38 a. E. u. a. an, welche von der Landseite her sowie von den 

errichtete Mohammed II. bei der Belagerung eine Hiifen nach Byzantion hineinfiihrten. Nach diesen 

holzerne Briicke t'.ii ia>v iov raXaiu (tli^aiv e'g Ilauptrichtungen des Landverkehrs bestimmte sich 

Kvvriyov; s. A. D. Mordtmann Belag. Konstan- die Anlage der Hanptthoie in der constantini- 

tinopels 72f. Caedicius Ancien plan de Const. schen wie in der theodosianischen Mauer; die 

S. 7 N. 42. Da sich dieselbe in der Gegend der auf die Thore von Adrianopel (Edrene Kap.), Se- 
justinianischen Briicke befunden haben muss, so 50 lymbria (SiUvri Kap.) und Top Kapu fiihrenden 

ist anzunehmen , dass die letztere vorher abge- Strassenziige, deren letztgenannter jetzt ebenfalls 

brochen war. In unserem Jahrhundert wurde in durch eine Trambahnlinie bezeichnet wird, mussen 

derselben Gegend (bei Aiwan Serai) eine Pfahl- in der Zeit iQstinians ebenso wie heute Haupt- 

briicke errichtet, welche jedoch nach wenigen adern des Verkehrs gewesen sein; vgl. Meyer 

Jahren (1861) als unrentabel wieder abgetragen 271. 280f. Obwohl Privathauser aus vorturkischer 

wurde, s. A. D. Mordtmann Fiihrer von C. S. 40 Zeit kaum mehr vorhanden sind (Rosen a. a. Ov 

und den Plan von Stolpe. Die beiden gegen- 338] und manche freie Platte (s. u.) spater fiber- 

wartig fiber das Horn fiihrenden Briicken sind baut wurden, wahrend fruhere Baufiachen da und 

ebenfalls ganz jungenLrsprungs. Die ,alte Briicke' dort jetzt freigelegt sind, so ist doch anzunehmen, 
outr Aiaiiwudijiiicke wmue \oiu sultan Mahwuu II. 6(J dass b«i der lurtwaiii'eiideu Enieuciung der Olaul, 

im J. 1838 errichtet, s. Rosen Allg. Encykl. H fur welche schon die haufigen Feuersbriinste sorg- 

38, 351; die ,neue Briicke', auch Sultan- Valide- ten, doch in der Hauptsache immer wieder die 

Briicke oder Briicke von Karakoi (o. S. 984) ge- alten Verkehrslinien beibehalten wurden, die schon 

nannt, wurde 1845 von der Mutter Sultan Abdul durch die Richtung auf die Thore , die grossen 

Medschids erbaut und 1877 erneuert, s. Meyer Platze und sonstigen Mittelpunkte des Offentlichen 

223. Sie bildet jetzt den Brennpunkt des Ver- Lebens gegeben "waren. So entspricht der jetzige 

kehrs , wahrend die ,alte Briicke' nur wenig be- Uxun tscharsehi (langer Markt) , welcher vom 

lebt ist. Die Geschichte dieser Briickenbauten grossen Bazar zu.ni Goldenen Horn ffihrt , dem 



987 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



988 



Maxobv e'fifioXor d«r Byzantiner, s. Mordtmann 
§ 10. 79f. Letzterer gehOrte zur Art der Bogen- 
:gange (tpijioloi), woriiber H e y d Levantehandel I 
274 und u. S. 996. tlber die von den Strassen 
(XeaxpoQoi) zu unterscheidenden Gassen {oxevamol) 
■vgl. auch u. S. 1000. 

Platze besass das byzantinische C. in ziem- 
licb grosser ZaM. An Stelle der Agora von By- 
^antion, aber welche vgl. Bd. Ill S. 1123 und 



das silberne Eeiterdenkmal von dom Standbild 
auf der Saule zu scheiden. Letztere wurde nach 
Gillius III 6 erst unter Sultan Bajezit II. 
(1481 — 1512) niedergelegt, urn der Anlage eines 
Bades Platz zu machen (nach Grosvenor 300, 
der hierin dem Konstantios folgt, wurde sie ira 
J. 1517 durcb einen Sturm gesturzt). Weiteres s. u. 
bei der Saule des Arkadios. Jetzt nimmt die Stelle 
des Tauros teils der Platz bei der Bajezit- 



Unger 131f., trat, mit einiger Verschiebung der lOmoschee, teils das Seraskierat ein (Plan 6/7 F). 

x.;P vi-i ai . - ,t, - i> o:.T.„ i. tut „ _ J * ™ fi 1 OO* XTCuVi-i. „„ mi- 



•Ortlichkeit, das Augustaion (Avyovaxmov, Avyov 
■axuov, Avyovaxswv), woriiber s. den Art. Bd. II 
S. 2349 und Bd. HI S. 1123, sowie die Quellen- 
-auszuge bei Ducange I 24, 1. Unger 132 — 146, 
aus welchen die bauliche und bildneriscbe Ausge- 
staltung des Platzes zu entnehmen ist, Plan 7 G. 
Tiber den bildnerischen Hauptschmuck des Platzes, 
•die Reiterstatue Iustinians, s. ausserdem Unger 
im Eepert. f. Kunstwiss. II 131—137. Dethier 



Siebe noch Mordtmann § 122f. Nicht zu ver- 
wechseln mit dem Tauros ist das forum Bovis, 
Boos ayoQa, auch. kurzweg 6 Bov; genannt, nach 
dem ehernen Ofen in Form eines Bindes, in wel- 
chem vom4.— 7. Jhdt. Verbrecher verbranntwurden ; 
s. Art. Bus Nr. 1, Bd. Ill S. 1072, dazu noch 
Un g e r 176 — 179. Es entspricht etwa dem jetzigen 
Stadtviertel von Ah Serai, das nach Mordtmann 
§ 107 seinen Namen (,weisses Schloss') wahr- 



Augusteon, Pest 1867. Mordtmann 64ff. , wo 20 scheinlich von dem ehemaligen Palaste des Eleu- 
-eine im Serail aufbewahrte Zeichnung derselben therios hat, 



.aus dem 14. Jhdt. mitgeteilt wird. Buondelmonte 
sah die Statue noch vollstandig (1422) und Gil- 
lius konnte um 1523 noch Bruchstiicke derselben 
messen, Grosvenor 1 297ff. Th.ReinachRev. 6t. 
gr. 1896, 82 — 85, ferner die unten iiber den Kaiser- 
palast und das Hippodrom angeftihrte Litteratur. 
Weiter westlich lag das Forum Constantini , der 
Hauptplatz und Mittelpunkt der constantinischen 



Noch weiter westlich langs der Mittelstrasse an 
Stelle des tiirkischen jWeibermarktes' (Awret ba- 
zar), jenseits der Thalsenkung des Lykos und be- 
reits auf dem Hiigel Xerolophos, nach welchem 
spater auch der Platz (und die Saule) aelbst be- 
nannt wurde, lag das forum Arcadii. von Kaiser 
Arkadios im J. 403 angelegt und durch Theo- 
dosios II. im J. 421 vollendet, daher seitdem 



Stadt, angeblich derPunkt, wo Constantin wahrend 30 amtlich auch forum Theodosianum benannt (Plan 



•derBelagerungseinZeltaufgeschlagenhatte(Kodin. 
41). Es war ein weiter, langlich runder, mit 
Platten belegter (jrXaxcoxor) , von zweistOckigen 
Hallen umschlossener Platz mit zwei Triumph- 
bogen als Portalen, durch Denkmaler der Kunst 
reich geschmuckt. In der Mitte erhob sieh eine 
machtige, von Constantin aus dem Apollontempel 
in Rom nach C. gebrachte Porphyrsaule (o noo- 
<fVQOvg xal TteoifiXsTixog airnv Hes. Mil. 4, 41), 



7 D). Auf dem Platze erhob sich eine 40 m. 
hohe Saule, welche nach Art der Traianssaule mit 
Reliefdarstellungen geschmuckt war und ein Stand- 
bild des Arkadios trug. Letzteres sturzte bei dem 
Erdbeben des J. 740 herab, die Saule selbst aber 
wurde erst im J. 1719 durch ein Erdbeben so 
zerstbrt , dass sie abgetragen werden musste bis 
auf das 6 m. hohe Fussgestell (mit dem Anfang 
des Saulenschaftes), welches noch jetzt erhalten 



welche das Standbild des Kaisers als Apollon- 40 ist und bei den Tiirken der ,Weiberstein' (Attret 
Helios trug, bixrjv fjliov ziooXajixovxa xoTg noXU taseh) heisst. 



tats (Hes.). Es ist die noch jetzt erhaltene sog. 
,Verbrannte Saule', turkisch Dschemberli Taseh 
<d. i. , Saule mit den Reifen'), urspriinglich mit 
Fussgestell und Standbild 176', jetzt noch 40 m 
hoch, ohne die etwa 2 m unter dem jetzigen Ni- 
veau der Strasse liegende Basis. Auch mehrere 
antike Bildwerke waren auf diesern Forum auf- 
gestellt. Naheres bei D u c a n g e I 24, 5 . Unger 



tlber die Saule des Arkadios, welche in der 
Litteratur fortwahrend mit jener des Theodosios 
verwechselt und wie diese als columna historiata 
bezeichnet wird, vgl. die gute Beschreibung des 
Gillius IT 7 und Ducange I 24, 10. Die von 
letzterem auf S. 79 gegebene Abbildung (Relief- 
band linkslaufig!), welche bald auf die eine, bald 
auf die andere der beiden Saulen bezogen wurde, 



146-161 ; Repert. f. Kunstwiss. II 110-118. Gil- 50 ist jetzt ziemlich allgemeiu als wertlos anerkannt 



lius]H3. Rosen a. a. 0.3411 Meyer 269f. Th. 
ReinachRev. ft. gr. 1896, 71-74. Vgl. u. S.1013. 
Die wie andere stadtische Einrichtungen aus 
Rom iibemommene Bezeichnung forum, <j>oqov. 
wurde ausser dem Augustaion und dem forum 
Constantini noch auf andere Platze von C. ange- 
wendet, so besonders auf das forum Theodosii 
■oder Tauri, auch kurzweg 6 Tavoog genannt nach 
dem wahrscheinlich friiher hier befindlichen Bin 



s. Unger 171. Geffrov Mon. Piot II 122ff. 
129f. Reinach a. a. O. 75f., 4. Dagegen 
findet sich eine kleine aber wertvolle Totalansieht 
bei Sandys Relation of a Journey 1610. Im 
J. 1676 erwarb die Aeademie de Peinture zu Paris 
eine 52 Fuss lange Zeichnung der Reliefs von 
der columna historiata, welche sich jetzt im Louvre 
befindet; nach einer von Paillet 1702 gefertigten, 
auf 32 Fuss verkleinerten Copie (jetzt in der 



dermarkt, wogegen an den Kaiser iheouosios 1., bu Ecoie des beaux art*; hat uieseibK dt-i Jebuii Ci. 

i • T nnn r,, !• 1..; — j __«— p Menestrier Description de la colonne histo- 

rie'e u. s. w. (Paris 1702 und Venedig 1765) und 
dann Banduri auf 19 T. (hinter S. 566 des 
Commentars) herausgegeben. Als Autor der Zeich- 
nungen wird Gentile Bellini bezeichnet, den die 
Republik Venedig im J. 1480 zu Sultan Mo- 
hammed II. sandte ; doeh weist der Stil der Zeich- 
nungen eher auf das 17.(9) Jhdt., was jedoch nicht 



der im J. 393 n. Chr. diesen anscheinend grOss 
ten Platz in C. anlegen liess, dessen Standbild 
auf einer 140 Fuss hohen, mit Reliefdarstellungen 
geschmftckten und schon 386 errichteten Saule 
erinnerte (im J. 506 durch ein solches des Ana- 
stasios I. ersetzt). Quellenausziige bei Ducange 

I 24, 7. Unger 168—175; Repert. f. Kunstwiss. 

II 118—121. Reinach a. a. O. 74—78, wonach 



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Constantinopolis 



Constantinopolis 



990 






ausschliesst , dass ein Original von Bellini zu 
Grande lag. In neuerer Zeit hat man nun ziem- 
lich allgemein diese Zeichnungen auf die Saule 
des Arkadios bezogen, es scheint aber, dass sie 
doch von jener des Theodosios stammen ; in letz- 
terem Fall kann nur Bellini der Autor sein, da 
vor 1500 sonst gewiss niemand in der Lage war, 
ein solches Werk in Constantinopel auszuftlhren. 
Vgl. Unger Quellen 179—186; Repert. f. Kunst- 
wiss. II 121—130. E. Mflntz La colonne Th£o- 
•dosienne (die er S. 381, 1 mit jener des Arkadios 
verwechselt!), Rev. e"t. gr. 1888, 318—325 (mit 
einem Bruchstlick nach dem Original im Louvre). 
Reinach ebd. 1896, 75f. Unsere Kenntnis der 
Saule des Arkadios wurde erheblich gefGrdert 
durch die von A. Michaelis Arch. Jahrb. 1892, 
91f. mitgeteilte Zeichnung eines Stuckes der Re- 
liefs von M. Lorch (Lorich), welcber sich bei 
der Gesandtschaft Busbecqs (s. u. S. 1008) befand, 
aus dem J. 1559. Auf Grund dieser und der 
sonstigen Materialien, wie der Zeichnungen des 
vor 100 Jahren noch besser erhaltenen Sockels 
durch Cassas hat dann J. Strzygowski Arch. 
Jahrb. 1893, 230—249 eine eingehende Darlegung 
tlber ,die Saule des Arkadius' gegeben , welche 
jedoch seither durch die von A. Geffroy Monu- 
ments Piot II (1895) 99—130 Taf. X— XIII ver- 
offentlichte Beschreibung nach einer unedierten 
Zeichnung der Pariser Nationalbibliothek (2,42 m. 
hoch, 0,43 m. breit) iiberholt wurde; dieselbe 
stammt aus dem 17. Jhdt. und ist vielleicht durch 
den Gesandten Nointel (zwischen 1670 und 1680) 
veranlasst woTden. Das ganze Material Tiber die 
Saule des Arkadios hat dann zuletzt nochmal 
Th. Reinach Rev. 6t. gr. 1896, 78—82 kurz 
zusammengefasst. 

Andere Platze waren das Strategion, woraber 
vgl. Bd. Ill S. 1123 (mit Plan) und Unger 161ff.; 
das Artopolion Oder der Brotmarkt (aQTondilia, 
aQxoTtcolsTov) , zwischen Tauros und forum Con- 
stantini, in der Gegend des grossen Bazar, Du- 
cange I 24, 12. Unger 163ff., Plan 8 F-, der 

Amastrianos (xa 'Afiaoxpiavov , ayooa xov 'Afia- 

■otQiavov) mit einer Richtstatte, deren Beziehung 
zur Stadt Amastris (s. d.) nicht ganz klar ist, 
dem Etmeidan (Fleischplatz) im ehemaligen Ja- 
nitscharenquartier entsprechend, am nordlichsten 
Punkt der Mittelstrasse (Plan 6E), Ducange 
124,13. Ungerl65— 168. Mordtmann § 13. 
110. 112. 126. 133. tlber die Gegend der Xa).- 
xoxQareia (Buden der Erzhandler) nOrdlich der 
hi. Sophia vgl. Gillius II 21. Mordtmann 
§ 6f. 118f. Richter 154. CIG IV 8695. 

Unweit dieses Platzes nach dem Tauros zu auf 
dem Meo6fi<fa).og (o. S. 968) ist das Philadelphion 
mit dem ya).y.ovv xexqo^xvlov und dem avr&erog 
y.icav zu suchen, benannt nach einer die Begeg- 
nung der SiShne Constantins d. Gr. darstellenden 
Gruppe, woriiber Ducange II 16, 65. Unger 
17oi. Aloriltma.ii n § liiti. 

Palaste. Unter den einzelnen baulicben An- 
lagen von C. nahm nach Umfang und geschicht- 
licher Bedeutung der grosse Kaiserpalast die 
erste Stelle ein, gewohnlieh nur x6 /ieya Tioj.iriov, 
ro .-raXdxtov, xa fiaoD.eia, xa dvdxxooa genannt, 
gelegentlich auch als der .constantinische Palast' 
bezeichnet, da CoDstanrin d. Gr. denselben ange- 
legt mid zu seiner Lieblingsresidenz erkoren hatte. 



Von Iustinian I. und seinen Nachfolgexn bedeu- 
tend erweitert, schloss der Kaiserpalast eine Bau- 
thatigkeit von acht Jahrhunderten in sich und 
bildete nicht nur den vornehmsten und glanzend- 
sten Teil der Stadt, sondern auch den Mittelpunkt 
fur die Politik und Verwaltung des ganzen ost- 
romischen Reiehes. Gleich dem Kreml in Moskau, 
dem Serai der tiirkischen Sultane, das an Stelle 
des byzantinischen Kaiserpalastes trat, und ahn- 

lOlich den Residenzen anderer orientalischer Herr- 
scher, wie z. B. jener zu Peking, bildete der ,grosse 
Palast' eine wohlbefestigte Stadt fur sich und 
umfasste ausser den eigentlichen Palasten und 
"Wohngebauden fiir den Kaiser und die kaiser- 
liche Familie ausgedehnte Garten, Hofe, Saulen- 
hallen, Empfangssale, Wohnhauser fiir die Palast- 
beamten und Garden und eine Menge von kirch- 
lichen Gebauden. Zu den Hauptbestandteilen 
des eigentlichen Palastes gehorten das Chryso- 

20 triklinion (to XqvooxoixIIviov oder 6 Xqvooxqi- 
xXivog) mit dem Thronsaal, von Iustinus II. 570 
errichtet, das Trikonchon, ein von Theophilos 839 
aufgefiihrter Bau, der zu ceremoniellen Zwecken 
dienende Gebaudecomplex Daphne , von Constantin 
erbaut und von Iustinian erneuert. In mehr losem 
Zusammenhang mit dem Hauptpalaste standen 

der Palast Chalke (x<bv fiaoiXeicov xa jiQOJivXaia 
fj xaXovfiiyrj XaXxrj, f] XaXxij jivXtj xov xa?.axlov, 
s.Bd.IIIS. 2066f. ), von Zeno 479 angelegt und von 

30 Anastasiosl. wiederhergestellt, der von Constantin 
erbaute und von Leo VI. erneuerte Palast Mag- 
naura (Mayvavoa, Mavvaiga u. s. w.), der schon 
von Theodosios II. angelegte, aber erst seit dem 
10. Jhdt. mehr hervortretende Palast Bukoleon, 
tiber welchen vgl. den Art. Bd. Ill S. 997, der von 
Constantin fiir die Niederkunft der Kaisermnen be- 
stimmte Porphyrpalast {fj HdgyvQa), das Penta- 
kubuklon (Ilevxaxov^ovxlov , quinque cubicida) 
u. s. w. Ferner gehorten zum Bereich des Pa- 

40 lastes 28 Kirchen und Capellen , das Zeughaus 
Mangana, das Gefangnis Numera u. s. w. (vgl. 
u. S. 995). Seit der Eroberung von C. durch die 
Lateiner und der Bevorzugung der Blachernen als 
Kaiserresidenz verfidete der ,grosse Palast' mehr 
und mehr und war schon in einem fortgeschrittenen 
Zustande des Verfalles, als die Turken einzogen 
und Mohammed II. im J. 1468 den Plan fasste, 
hier einen neuen Palast anzulegen, der im Gegen- 
satz zu dem (jetzt langst verschwundenen) ,alten 

50 Serai' (Eski serai) beim jetzigen Seraskierat, das 
bis auf Soliman I. als Hauptresidenz diente und 
spater den Exsultaninnen als Wohnsitz angewiesen 
wurde, als .neues Serai' (Jeni serai) oder Top 
Kapu serai (nach dem Kanonenthor, s. o. S. 981 1 
benannt wurde, bis Abdul Medschid im J. 1839 
die Residenz an den Bosporus hinaus verlegte. 
so dass seither auch die auf der Stelle des ,grossen 
Kaiserpalastes' liegenden Gebaude als ,altes Serai' 
bezeichnet werden. Eine Beschreibung des letz- 

bu teren aus uer ersien Zcil hat una Giiiius I 7 
gegeben. Vgl. Grosvenor 706-749. Diese Wan- 
dergeschichte der Kaiserresidenz in C. spiegelt in 
bezeichnender Weise den ganzen Gang der Stadt- 
entwicklung wieder, wie er sich uns bereits in 
der Entstehung der Vorstadte und der Verschie- 
bung der Brucken gezeigt hat, namlich zunachst 
das Wachstum landeiuwarts his zum oberen Ende 
des Homes, wo vom 13. bis zum 15. Jhdt. der 



991 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



992 



Schwerpunkt der Hofhaltung lag, dann wieder 
em Vorrucken bis zur Serailspitze, bis in unserem 
Jahrhundert der Bruch mit einer dreihundert- 
jahrigen Uberlieferung die Meeresstrasse des Bos- 
porus in den Mittelpunkt der stadtischen Ent- 
wicklung riickte in ahnlicher Weise, wie jetzt die 
Bai von New York zum verbindenden Mittelglied 
des Stadtecompleses von Brooklyn bis Newark 
geworden ist ; vgl. die Bd. Ill S. 743 angefiihrte 
treffende Bemerkung v. Moltkes (Brief e nr. 31 
= Ges. Schr. VIII 162) fiber die Bedeutung des 
Bosporos als Hauptstrasse von C. 

Die Quellen iiber den grossen Kaiserpalast 
hat zuerst Ducange 114 zusammengestellt, wo- 
bei freilich das erst 1751 verCffentlichte wicbtige 
Werk des Constantinus VII. Porphyrogermetos 
fiber das Ceremonienwesen des byzantinischen 
Hofes noeh fehlt. Dazu kommen jetzt die Aus- 
ziige bei Richter 253 — 371, welche auch die 
innerhalb des Palastviertels gelegenen kircblichen 
und sonstigen Nebenbauten mit umfassen. Den 
Versuch einer Wiederherstellung des Kaiserpalastes 
mit dem Augustaion und dem Hippodrom hat 
nach den beaehtenswerten Vorarbeiten von C. P. 
Bock Bonn. Jahrb. V. VI (1844) 1—160 in neuerer 
Zeit J. Lab arte Le palais imperial de C. (Paris 
1861) unternommen, ein Versuch, der jedoch schon 
deshalb nicht befriedigend ansfallen konnte, weil 
er ohne Augenschein der Ortlichkeit gemacht ist. 
Auf grfindlicher Ortskenntnis beruht dagegen das 
wichtige Werk von A. G. Paspates Ta BvCav- 
rira 'AvaxtoQa (Athen 1885, mit grossem Plan), 
wovon W.Metcalfe eine englische Ubersetzung 
(The Great Palace of C, Lond. 1893) gegeben 
hat; vgl. dagegen die scharfe Kritik im Athe- 
naeum 1894 nr. 3486. Mit Paspates stimmt 
im wesentlichen auch die von einer rohen Plan- 
skizze begleitete Darstellung bei Grosvenor I 
301 — 308 iiberein. Zu wesentlich anderen Ergeb- 
nissen liber die Lage der einzelnen Palastteile 
als die fruheren Forscher kommt, ebenfalls auf 
Grand sorgfaltiger flrtlicher Studien F. v. Reber 
Der KaroUng. Palastbau (Abh. d. bayer. Akad. 
III. Kl. SIX Bd. [1891] 715-803, mit Plan- 
skizze). Gleichzeitig erschienen die eingehenden 
Untersuchungen iiber die Topographie des Kaiser- 
palastes von D. Be"ljajev Byzantina (in Mem. 
Soc. arch, russe V, St. Petersburg 1891. Russ.), 
wozu vgl. G. Destunis Byz. Ztschr. I 344 — 347. 
Eine endgiiltige Klarung der Topographie dieses 
und anderer Teile von C. ist jedoch wohl so lange 
aussichtslos, als es nicht mOglich ist, systemati- 
sche Nachgrabungen anzustellen und iiberall un- 
gehinderten Zutritt zu erlangen. was nnter tiir- 
kischer Herrschaft vollig ausgeschlossen erscheint. 

Nachst dem grossen Kaiserpalast nimrot obne 
Zweifel der Palastbau der Blachernen die wich- 
tigste Stelle in C. ein, uber welchen schon unter Bla- 
ciiurimi LM. Ill S. 555 u.n> ^sijLgatc g t»a.„ t i^i. Wl .t liu 
Quellenauszuge jetzt bei Rich ter 372ff., nnd ebd. 
376—392 sowie Ducange II 5 iiber andere Pa- 
lastbauten, von denen ich hier die Sophianen (za>v 
Zocpiavwv Theoph. 243. 434 de B.) in der Nahe 
des gleichnamigen Hafens (o. S. 982) und den des 
Eleutherios (ebd. 467-478 de B. 8.) noch besonders 
nenne. Dass der einzige noch teilweise erhaltene 
Palastbau von C. das Tekfur Serai oder Tekir 
Serai (angeblich aus za Kvgov, d. i. ,Palast des 



Prinzen') unweit der Blachernen gewChnlich, aber 
falschlich, als Hebdomon (auch als Palast des Be- 
lisar, Iustinian oder Constantin) bezeichnet wird, 
ist bereits o. S. 971 hervorgehoben worden ; vgl. dar- 
uber Rosen 342. Meyer 309ff. Grosvenor 
391ff. Salzenberg in dem u. gen. Werke S. 36f., 
Taf. XXXVHf. 

Kirch en. Obschon eine Besprechung der 
kirchlichen Bauten im einzelnen schon wegen 

10 des dem classischen Altertum fremden Gegenstands 
noch mehr ausserhalb der Aufgabe dieses Artikels 
liegt als die nahere Beschreibung der Palaste und 
anderer Offentlicher Bauten von C, so mfissen 
dieselben nicht nur deshalb hier auch beriicksich- 
tigt werden , weil gerade die bedeutendsten Kir- 
chenbauten in der Zeit von Constantin bis Iusti- 
nian entstanden sind, sondern besonders, weil 
ohne dieselben das Stadtbild, wie es sich seit 
Constantin d. Gr. entwickelt hat, eines seiner 

20 wesentlichsten Zuge entbehren wurde. _ Die Zahl 
der Kirchen in C. war ausserordentlich gross ; 
Paspates zahlt deren 392, Ducange 428, Ge- 
deon 463, davon allein 64 Maiienkirchen, 95 
Klosterkirchen (nach Grosvenor I 311). 

Weitaus an erster Stelle unter alien kirch- 
lichen Bauten von C. steht der Wunderbau, wel- 
chen Iustinian I. in den Jahren 532 — 37 durch die 
Baumeister Anthemios von Tralles und Isidoros 
von Milet an Stelle der Basilika errichtete, die 

30 nach gewShnlicher Annahme Constantin d. Gr. 
im J. 326 ,der gottlichen Weisheit' {ty ayitt Zo- 
q>iq) widmete und Constantius im J. 360 ver- 
schOnerte, wogegen dem letzteren die neuere For- 
schung uberhaupt die erste Anlage der Sophien- 
kirehe zuschreibt. Fast ein Jahrtausend lang der 
Stolz und Mittelpunkt der griechischen Christen- 
heit blieb die H. Sophia, vielfach bios r\ [teydktj 
sxxlrjoia genannt, durch die Umwandlung in eine 
Mosehee vor dem Schicksal der Zerstorung be- 

40 wahrt. Ist auch der aussere Anblick der Aja 
Sofia, wie die Turken in Bewahrung des christ- 
lichen Namens sie nennen, durch diese Verwand- 
lung wesentlich verandert worden, so atmet doch 
das Innere, wenn man von den Zuthaten des mo- 
hammedanischen Cultus absieht, noch ganz den 
Geist der iustinianischen Zeit, die hier das herr- 
lichste Denkmal byzantinischer Baukunst ge- 
schaffen. Fiir Naheres muss ich auf die reiche 
Litteratur verweisen, besonders Gillius II 3f. 

50 Ducange III 2. Richter 12—101 (Quellenaus- 
zuge). G. Fossati Aya Sofia, Lond. 1852 (mit 25 
Farbentafelnj. W. Salzenberg Altchristl. Bau- 
denkmaler von C. (Berl. 1854) S. 15—32, Taf. VI 
— XXXII (alteres Hauptwerk). W. R. Lethaby 
und H. Swainson The Church of S. Sophia, 
Lond, 1894 (wichtig fiir die Baugeschichte ; vgl. 
dazu F. v. Reber Byz. Ztschr. IV 607—614). 
H. Holtzinger Die Sophie nkirche, Leipz. 1898 
(kuizo Buschro:b;m C) nil gutcn Eildcr::). G :•■:■; - 

60venor II 494—557. 

Die zweite Stelle an thatsachlicher Bedeu- 
tung (nicht an kirchlichero Rang, s. u. H. Eirene) 
unter den Kirchen von C. nahm jcne der Apostel 
(oi uyioi 'Axooto'loi) ein, von Constantin d. Gr. 
erbaut, die Begrabnisstatte der Kaiser, nach der 
Eroberung von C. kurze Zeit (1453 — 55) Patriar- 
chatskiTche (an Stelle der H. Sophia), dann auf 
Befehl Mohammeds II. niedergerissen, urn der 



993 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



994 



grossen Mosehee dieses Sultans (erbaut 1463 — 69) 
Platz zu machen (Plan 5D). Ducange IV 5, 1. 
Richter 101—14. Grosvenor I 311ff. Kiirz- 
lich ist in der Bibliothek des Athosklosters Laura 
ein zwischen 931—44 verfasstes Gedicht des Kon- 
stantinos von Rhodos zum Vorschein gekommen, 
welches die ausfuhrlichste Beschreibung der Apo- 
stelkirche enthalt; dasselbe ist von G. P. Begleri 
(Odessa 1896; russ.) und (besser) von E. Legrand 
mit archaeologischen Erlauterungen von Th. Rei- 10 
nach Rev. 6t. gr. 1896, 32—103, sodann von 
G. Wulff Nachr. d. russ. archaol. Inst, in C. I 
35_78. 173ff. (russ.) herausgegeben und er- 
lautert worden, s. Krumbacher Byz. Lit.2 
723ff.; Byz. Ztsehr. VI 166ff. VH 816ff. (mit 
Plan). 

Als dritte Kirche von C. ware die der Mutter- 
gottes in den Blachernen (17 ayla Gsoroxog xa>v 
BlaxsQv&v) zu nennen, uberwelche s. Bd. in S. 555 



Kloster. Dieselben bildeten einen wesent- 
lichen Zug im Gesamteindruck von C. Beziig- 
lich des einzelnen verweise ich ausser den Quellen- 
ausziigen bei Richter a. a. O. besonders auf das 
Werk von E. Marin Les moines de C/ple (330 
—898), Paris 1897, gegen dessen zum Teil un- 
kritische Ausfuhrungen vgl. auch J. Pargoire 
Les debuts du monachisme a C/ple., Rev. quest, 
hist. 1899, 67—143. 

Offentliche Gebaude. Neben Kirchen und 
Palasten war weitaus das bekannteste Bauwerk 
in C. der Hippodrom (o hmoSQOftos oder nach 
by zantinischem Sprachgebrauch gewOhnlich ro inno- 
dQofitov), dessen erste Anlage durch Septimius Se- 
verus (im J. 203) bereits Bd. Ill S. 1125 bespro- 
chen wurde. Durch den Tod des Kaisers (211) 
unvollendet geblieben und seitdem vernachlassigt, 
wurde derselbe erst von Constantin d. Gr. aus- 
gebaut und am 11. Mai 330 feierlich eingeweiht. 



und " zu der dort angefiihrten Litteratur noch 20 Bestimmt einen ahnlichen Mittelpunkt fur Offent- 



Richter 164-170. Byz. Ztschr. V 369f. 639, 
Von den iibrigen Kirchen in C. nenne ich hier 
als durch Alter und Bedeutung besonders wichtig 
die von Constantin d. Gr. ,dem gettlichen Frieden' 
gewidmete H. Eirene (Plan 7 H), vortrefflich er- 
halten, aber von den Turken als Arsenal benutzt 
und deshalb unzuganglich; dem kirchlichen Range 
nach nur der heiligen Sophia nachstehend, zu der 
sie als eigentliche Parochialkirche des Patriarchen 



liche Spiele und Belustigungen zu bilden wie der 
Circus Maximus in Rom, concentrierte der Hippo- 
drom zu C. bald in noch weit hoherem Grade 
das offentliche Leben nicht nur der Hauptstadt. 
sondern des ganzen Reiches in sich, indem bei 
dem Mangel an sonstiger Gelegenheit zu ver- 
fassungsmassiger Bethatigung die politischen Lei- 
denschaften und Interessen der grossen Masse der 
Bevolkerung sich hier mit elementarer Gewalt 



hnlichem Verhaltnis stand, wie S. Giovanni in 30 Bahn brachen und die Reichsregierung nicht selten 



Laterano als Kathedrale des Bischofs von Rom zu 
St. Peter alsderCeremonienkirchedesPapstes. Dann 
die unter IustinianL erbauteKirche derheiligen Ser- 
gios und Bakchos (Plan 8 G), als Mosehee ,die kleine 
heilige Sophia' {Kiitschiik Aja Sofia) genannt, wel- 
che durch ihre gesicherte Lage einen festen Punkt 
in der alten Topographie dieses Teiles von C. 
bildet; ferner die Kirche der heiligen Anastasia 
(Plan 7 G), jetzt Mehemet Sokolli Dschami; die 



in ihren Grundfesten erschutterten. Der Nika- 
aufstand des J. 532, der Einfiuss der Rennbahn- 
parteien auf die Besetzung des Kaiserthrones und 
das Schicksal so mancher Herrscher. die hier der 
Volkswut zum Opfer fielen, kennzeichnen die cen- 
trale Stellung, welche dem Hippodrom in der by- 
zantinischen Reichsgeschichte bis um 1200 n. Chr. 
zukommt. Als im J. 1204 die christlichen Kreuz- 
fahrer, die wahren Henker von C, denen weit 



im J. 463 vom Patricier Studios erbaute Kloster- 40 mehr von dem alten Glanze und dem Reichtum 



kirche des heiligen Johannes (Plan 8B), eines 
der altesten und ehrwiirdigsten Bauwerke von C. 
von basilikaler Anlage, durch den Stallmeister 
Elias des Sultans Bajezit H. (1481—1512) in 
eine Mosehee verwandelt und als solche Mir Achor 
Dschami (,Stallmeistermoschee') genannt ; die durch 
ihre wunderbaren Mosaiken und Frescobilder (aus 
dem 14. Jhdt.) beruhmte, uralte Klosterkirche 



an Kunstwerken zum Opfer fiel, als den Turken 
zu zerstOren ubrig blieb, sengend und raubend 
die damals prachtigste Stadt der Welt verheerten, 
da war die Rolle des Hippodrom ausgespielt, und 
wie der grosse Kaiserpalast, so ging auch dieses 
durch Brand xind inutwillige Zerstorung arg be- 
schadigte Bauwerk seit 1204 dem vollstandigen 
Verfalle entgegen. Wir besitzen eine Zeichnung 
der Ruinen aus der Mitte des 15. Jhdts. (s. u. 



Chora [Movi] iijg y_(oQa( = fuori le mura) , schon 

vor der Griindung "des kaiserlichen C. als Zuflucht 50 S. 1013), welche bei Banduri zu S. 664 wieder- 

der Christen weit ausserhalb der Stadt angelegt holt ist und erkennen lasst, wie weit der Ver- 

(Plan 4 C), jetzt Kaehrieh Dschami ; die Kirchen 

der heiligen Theodosia (Plan 5E), jetzt Giil 

Dschami (die Rosenraoschee) , Pantokrator (tov 

navroxQarooo;, ,des Allmachtigen') , Plan 5 E, 

jetzt Zeirek Dschami, des heiligen Theodores von 

Tyron (Plan 6F), jetzt Kilisseh Dschami (,Kir- 

chenmoschee'),Pammakaristos (ifjg na^ipiaxaQioxirv, 

der allerseUgsten Gottesmutteri, 1456 — 1586 als 



fall um die Zeit der tiirkischen Eroberung vor- 
geschritten war. Gillius II 11 giebt uns eine 
wertvolle Beschreibung der gegen 1550 noch vor- 
handenen Baureste. Dieselben sind jetzt mit Aus- 
nahme der drei Denkmaler der spina, fast voll- 
standig verschwunden ; nur von den TJnterbauten 
der oqisrdovrj oder Rundung der Bahn sind noch 
Teile erhalten. Doch ist der Boden des Platzes, 



Pittriarthatokiivht diouuiJ (PUii 4D,E), juUt GO uti' fiuhci' dcii Itschoglar.s (..ern-y 



T-ir 



Fetihieh Dsehami, u. a. Im iibrigen verweise 
ich auf die Quellenauszuge bei Ducange ITI und 
IV sowie bei Richter 1 — 252, auf Paspates 
Bv£. Me).etai 277 — 409 und die kunstgeschicht- 
lichen Werke, besonders Salzenberg a. a. O. 
und D. Pulgher Les anc. e'glises byzant. de 
Const., Wien 1878 (mit Atlas 1880), sowie Gros- 
venor Ch. VHI. 

Pauly-Wissowa IV 



meln ihrer Rosse und zum Werfen des Dscherid 
diente und hierin sowie in der Benennung Atmeidan 
(Rossplatz) noch die Erinnerung an die einstige Be- 
stimmung bewahrte, jetzt etwa 7 m Uber die Arena 
des Hippodrom erhSht, so dass die Oberflache der 
spina mit dea drei allein noch erhaltenen, erst 
im J. 1856 frei gelegten Denkmalern des Hippo- 
droms jetzt tief in der Erde steckt. Diese Denk- 

0£i 



995 



Constantinopolis 



Constautinopolis 



996 



maler sind der Obelisk Thutmes III., von Theo- 
dosios d. Gr. im J. 381 in der Mitte der Renn- 
bahn aufgerichtet , die eberne Schlangensaule, 
welche einst den goldenen Dreifuss zu Delphi als 
Weihgeschenk fiir die Schlacht von Plataiai trug 
und noch jetzt die bekannte Weihinschrift IGA 
70 zeigt, endlich die in Gestalt eines Obelisk 
gemauerte Saule Constantins VII. Porphyrogen- 
netos, einst mit veTgoldeten Bronzeplatten bedeckt, 



amt diente iibrigens das Genikon (to rsvixov), wo- 
gegen fur die Verwaltung des kaiserlichen Pri- 
vatvermCgens das Idikon (to 'ISixov) bestimmt 
war, Ducange II 9, 9. 10. Eichter 256. 400f. 
Uber die in C. als Basiliken bezeichneten Gebaude, 
besonders die als Gericbtsballe dienende grosse 
Basilika (BamXimg azod, Baaihxrj) oder Regia 
('Pry/la) hinter dem Milion und die damit ver- 
bundene Bibliothek s. Gillius II 20. Ducange II 



jetzt aber sehr unansehnlich geworden. Uber den 10 9, 3. 12—14. Eichter 405— 412. Mordtmann 



Hippodrom vgl. Ducange LT 1. Dnger 286 
305. Grosvenorl 319—353. 377—384; The 
Hippodrome of Constantinople, Lond. 1889. J. 
B. Bury The Nika Eiot. Journ. Hell. Stud. XVII 
1897, 92 — 119, ferner die oben genannten Werke 
uber den Kaiserpalast , von dessen Topogiaphie 
jene des Hippodroms nicht zu trennen ist. Uber 
das plataeisehe Weihgeschenk s. besonders O. 
Prick Jahrb. f. Philol. Suppl. in 487—556 



§ 118, auch den Art. Basilica Bd. Ill S. 85. 
In derselben Gegend ist auch der ebenfalls mit 
einer Bibliothek in Verbindung gebrachte Bau 
des Oktogon ('Oxzdymvov) zu suchen, woriiber 
Gillius H 20. Ducange II 9, 4. Unger 84. 
Mordtmann § 118 — 121. Cher ahnliche, fur 
Studienzwecke bestimmte Bauten dieser Art, deren 
einer in der Bibliothek des Klosters Pantokrator, 
jetzt Seheieh Suleiman Mesdschidi genannt (Plan 



1859). LXXXV (1862) 440—466. Dethier und 20 5/6 E) erhalten ist, s. Grosvenor II 427f., uber 



Mordtmann Epigr. v. Byz. 3-48. E. Fabricius 
Arch. Jahrb. 1 1886, 176—191. IGA 70. Ditten- 
berger Syll. 1; uber den agyptischen Obelisken 
Lepsius Denkmaler III 60. Birch Transact. 
E. Soc. Lit. II. (1847) S. II 218ff. Petrie Hist, 
of Egypt 112 I32f. A. Wiedemann Agypt. 
Gesch. I 365; uber die Saule Constantins B. Pa- 
luka Byz. Ztschr. V 158f. 

Unter den Gebauden beim Forum Augusteum 



das Oktogon des Daphnepalastes F. v. Eeber 
a. a. O. 764f. 

Von den als Halle n (ozoai) bezeichneten Bauten, 
zu denen die Basiliken u. a. gehCrten, sind im 
allgemeinen zu unterseheiden die Saulengange 
oder Arkaden (epfioloi), deren Unger 127ff. die 
wichtigsten zusammengestellt hat. Dazu gehorten 
u. a. die schon o. S. 969 genannten porticus Troa- 
denses und die porticus Cariana (Kagiavog sp- 



lit das Milion (to Mlfaov, in der Urbs Const. IV 30 (tokos Theoph. 261 de B.) bei den Blachernen, wo 



miliarium wureum) zu nennen, seiner Bestimmung 
nach als Ausgangspunkt fiir die Meilenzahlung 
der kaiserlichen Heeresstrassen dem milinrium 
anreum in Eom nachgebildet, an Gestalt als ein 
auf vier Bogen ruhendes Gewolbe mit bildlichem 
Schmuck und Durchgangen aber eher dem Ianus 
quadrifrons am Forum boarium zu vergleichen. 
Ducange I 24, 2. Unger 247— 253. Gillius 
II 23. F. v. Eeber 734. An das Augustaion 



von noch betrachtliche Reste bei dem Thore Ai 
wan Serai Kapussi erhalten sind, s. Mordtmaun 
§ 64 mit Plan und den Plan zu Meyer 5 311; vgl. 
auch Ducange II 3 Porticus. Uber das Maxodv 
BjtfioXov s. o. S. 987. 

Einen nicht unwesentlichen Zug in der archi- 
tectonischen Physiognomie der Stadt bildeten die 
Saulen (xiovsg), deren wir beTeits mehrere in Ver- 
bindung mit den Offentlichen Platzen kennen ge- 



stiess ferner im Osten (Plan 7 H) der Senatspalast 40 lernt haben, so die Saule Iustimans auf dem Au- 



(Stvaxov, auch Svyx).rjzov, Bovkevztfoiov fisya 
u. s. w.), fur die Sitzungen des Staatsrates be- 
stimmt, wahrend ein gleichnamiges Gebaude am 
Forum Constantini fiir die Sitzungen der Stadt- 
verordneten (Xoyddcg) diente und vom Kaiser nur 
in Au«iibung consulariseher Befugnisse betreten 
wurde, s. Kod. 174f. Kedr. I 565. 610, wonach 
fiir die Beratungen der stadtischen Behflrden noch 
ein zweites Gebaude am Tauros diente. Gillius 



gustaion (6 %a).xovg xtoov 6 /xeya; — o Xeyofisvog 
Avyovatevg Theoph. 224 de B.), o. S. 987, die Pur- 
ttursaule (jiogcpvoovg xlcov ebd. 21) auf dem Forum 
Constantini, o. S. 987, die Saule des Theodosios auf 
dem Tauros iximv zov Tavoov ebd. 70 u. 6\), o. 
S. 987, die Saule des Arkadios auf dem Xerolophos 
(xtoiv zov SrjQoXoipov ebd. 77 u. 0.). die columna 
historiata der alteren Reisenden (Plan 7 D), wor- 
iiber o. S. 988f. Dazu ist ausser der schon 



II 17. Ill 4. Ducange 119, 1. Eichter 393. 50 oben Bd. Ill S. 1124f. besprochenen Gothen 



Reinach Rev. et. gr. 1896, 86ff. 

An das Vorbild des alten Bom erinnerte femer 
das in der Gegend des Seraskierats beim Tauros 
hoch gelegene Capitol (to KoTztzwhov) , ein sonst 
wenig genanntes Gebaude. Ducange II 9, 2. 
Unger 246. Mordtmann § 9. 10. 27. 76. 123. 
Plan 6 F. Als Gerichtsgebaude und Gefangnis 
diente das Praetorium (ITgaizcbgiov) , das nach 
dem Ceremonienbuch ostlich des Forum Constan- 



IcLt WOldci. ll:ll.-£. DliCi] 



II 



saule hauptsachlich noch die Saule des Kaisers 
Marcianus (450 — 457) zu erwahnen, welche noch 
in ihrer ganzen Hfihe von 10 m erhalten ist und 
von den Tiirken Ays Tasch (Jungfernstein) ge- 
nannt wird (Plan 6 D). Naheres bei Meyer 277f. 
und iiber die Saulen im allgemeinen Grosvenor 
371ff. F. W. Unger Uber die vier Colossalsaulen 
in C, Eepert. f. Kunstwiss. II (1879) 108—37. 
Das in alterer Zeit zu Tierkampfen dienende 



Eichter 398ff. Mordtmann § 110. In fruherer 
Zeit wurde nach Kod. 76 auch das Strategion Bd. Ill 
S. 1123) als Gefangnis benutzt, ausserdem auch 
die schon o. S. 990 genannten Numera (to Noiiiega). 
In der Nahe des (alten) Patrlarehats (bei der H. 
Sophia) ist nach Theoph 467 de B. auch das Quae- 
storium (Kvawzo'igtov , Koiaiazoioiov) zu suchen, 
vgl. Ducange 119, 7. Eichter400. Als Sehatz- 



C. GO Eynegioii (Ki-yfrcr) auf der Sc: 



byzantinischer Zeit nur mehr als Bichtstatte be- 
nutzt; s. Bd. Ill S. 1126. Mordtmann § 88. 
Unger 284ff., wo man auch das Wenige zusammen- 
gestellt findet, was sonst uber Theater und Amphi- 
theater in C. bekannt ist (besser bei Ducange 
n 2). Unter den Zeughausern (ag/tazo(pv/.dxeta., 
dg/m/nevza) sind die schon o. S. 990 genannten Man- 
gana (za Mdyyava oder May xava = machinae) be- 



997 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



998 



sonders hervorzuheben, weil dieser Name zur Be- 
zeichnung einer bestimmten Gegend im Bereiche des 
grossen Kaiserpalastes dient; vgl. Eichter 401ff. 
Mordtmann § 88f. In dieser Beziehung ist auch 
■die Bezeichnung Topoi (oi Xsyopevoi Tonoi Kodin. 
25) anzuffihren, wortiber vgl. Bd. Ill S. 1119 mit 
Plan S. 1122. Ducange II 16, 89. Eichter 224. 
Mordtmann §93, sowie das Tzykanisterion (TXv- 
xa.vioz'fjQiov, auch Tt,ovxavwxr]Qiov), ein von Theodo- 
sios II. emchtetes Gebaude fiir das von den Persern 
tshtcgan (gr. %Cvxavi&> = iXavvzw ztjv atpaiQav, s. 
Ducange Gloss, und Sophokles Lex. u. d. W.) 
genannte Reiterspiel des Balltreibens , woriiber 
Ducange n 4, 30. Eichter 305ff. F. v. Eeber 
772. tJber die zahlreichen Spitaler (&v&veg, fe- 
-yoSoxeta) und ahnliche der Sffentlichen Fiirsorge 
dienende Anstalten sehe man das Verzeichnis bei 
Ducange IV 9 und das Reg. zu Eichter unter 
,Hospize', auch Mordtmann § 117. 121 u. o. 

Wasserversorgung. Zu den wichtigsten 
und auch in der Topographie der Stadt und ihrer 
Umgebung meist hervortretenden Cffentlichen Bau- 
ten gehOren alle jene Anlagen, welche die Ver- 
sorgung der Stadt mit Nutzwasser und dessen 
Verwendung fur die Offentlichkeit (in Badern u. s. w.) 
zum Ziele hatte. Die wenigen natlirlichen Quellen 
innerhalb des Stadtgebietes und das in Brannen- 
schachten zu Tage tretende Grundwasser konnte 
in keiner Weise dem Bediirfnis einer Grossstadt 
geniigen, und schon vor der Erhebung von Byzan • 
tion zur Kaiserresidenz war man auf Zuleitung 
des Wassers von aussen bedacht. Aus Cod. lust. 
XI 43, 6, und der Osterchronik I 619 Dind. er- 
fahren wir, dass schon Hadrian eine Wasser- 
leitung (dycoyog) anlegen liess, welche durch ein 
an den Praef. praet. Kyros (439 — 441) gerichtetes 
Gesetz fur den Gebrauch des Palastes, der Offent- 
lichen Bader und Brunnenhauser vorbehalten und 
von Iustinian I. im J. 528 erneuert wurde; es 
ist der noch jetzt so genannte Aquaeduct Iusti- 
nians, das hervorragendste Denkmal byzantinischer 
Wasserbaukunst, in zweigeschossiger Bogenstel- 
lung 265 m lang, 35 m hoch. Ebenfalls antiken 
Ursprungs ist der Aquaeduct des Valens, 6 fieyag 

aya>ydg zov OvdXevzog, auch bios 6 dyo>ydg u. a. 

bei Theoph., in den Patria als dyoiydg xwv ne- 
yd).o)v dtflSojv fjzoi at ovgdvtai xafidgat bezeichnet, 
tiirkisch box doghan fcemeri , d. i. ,Bogen des 
grauen Falken', von Kaiser Valens im J. 368 aus 
den Mauern des zerstOrten Chalkedon erbaut, von 
Iustinian H. 576 und Constantin V. 766 wieder 
hergestellt, dann von Soliman I. wieder in Stand 
gesetzt und noch heute benutzt, urn das bis zur 
Hohe des vierten Hugels, bei der Moschee Moham- 
meds des Eroberers, unterirdisch geleitete Wasser 
iiber das dieselbe vom dritten Hiigel (beim Seras- 
Merat) trermende Thai zu fuhren, als zweigeschos- 
siger Bau 625 m lang und 23 m hoch erhalten, 
Plan 6 E. Meyer 275f. Grosvenor I 356ff. Im 
-n^irio'prt cehe tt>^ti di° n^plip^^iTc^iirrp "hp] Du- 
cange I 25 Aquaeduetus; 26 Xymphaea; 27 Bal- 
naea, Thermae; 28 Oistemae; 29 Cloacae; 30 La- 
trinae publicae. Unger 191 — 202 .Wasserlei- 
tungen, Cisternen und Brunnenhauser', dann An- 
dre'ossy Voy. a l'enbouch. de la Mer Noire (Paris 
1818) II. v. Moltke Briefe 20. Tchihatchef 
Le Bosphore 46 — 63, und besonders das vortreff- 
liche neuere Hauptwerk von Ph. Forchheimer 



und J. Strzygowski Die byzantinischen Wasser- 
behalter von Constantinopel, Wien 1893, dazu F. 
v. Eeber Byz. Ztschr. IV 128—136. Eine gute 
tibersicht der Wasserzufuhr von C. geben die 
Karten der Umgebung der Stadt von H. Kiepert 
und C. v. d. Goltz (s. u.). 

Das durch die Wasserleitungen zugefuhrte 
Wasser wurde teils in offene Becken, teils in ge- 
schlossene Behalter geleitet, welche von den By- 

10 zantinern gleicherweise als Cisternen (xivozegrrj, 
degafievrj, doxslov vdaxog , Ikvzgov u. s. w.) be- 
zeichnet wurden. Die drei hervorragendsten Bei- 
spiele der ersteren Art , welche an die offenen 
Teiche in und bei Jerusalem erinnern, fmden sich 
im westlichen Teile der Stadt, zwischen der constan- 
tinischen und der theodosischen Mauer. Es sind 
der jetzt als Tschukur bostan (Grubengarten) be- 
zeichnete Behalter in Exi Marmara (Plan 7 C), 
seit Gillius als die von Anastasios I. (491 — 518) 

20 erbaute Cisterne des heiligen Mokios (xivazsQvt] zov 
"A. Mmxiov) erkannt, dann das von Strzygowski 
fiir die Cistema Areadiaea der alten Eegionsbe- 
schreibung erklarte und sonach noch altere Becken 
bei der Selimsmoschee (Plan 5 D) , endlich die 
von Aspar im J. 459 angelegte Cisterne (fj 'Aond- 
qov xivozeQvTj) an der zum Adrianopeler Thor 
fuhrenden Strasse, jetzt Tschukur bostan von Kara 
gumriik (Plan 4 D). Es ist zu beachten , dass 
die drei genannten grossen Wasserbecken zur Zeit 

30 ihrer Entstehung ausserhalb der Stadtmauer lagen, 
doch gab es auch innerhalb der constantinischen 
Mauer solche Behalter, wie die im J. 369 ange- 
legte Cisterne des Modestus, welche jetzt Strzy- 
gowski in dem ehemaligen Teich beim Sattler- 
markt (Sarradsch hane") erkennt, wo man friiher 
die Cisterne der heiligen Apostel oder der vierzig 
Martyrer suchte (s. Plan 6 E). Uberwiegend waren 
jedoch innerhalb der alteren Stadt, schon der 
Kostbarkeit des Platzes wegen, die geschlossenen 

40 unterirdischen Becken, deren noch eine ganze An- 
zahl erhalten ist; die beruhmtesten derselben sind 
die staunenswerten Anlagen von Bin bir direk 
(.1001 Saule') und Ierebatan Serai (,das versunkene 
Schloss') , von denen erstere gewOhnlich fiir die 
unter Constantin d. Gr. erbaute Cisterne des 
Philoxenos (Plan 7 G), letztere fiir die von Iusti- 
nian I. angelegte Cisterne Basilica (f) fiaodtxri 
xivazeQvrj) gehalten wird (Plan 6/7 G). Gegen 
die herkOmmliche Auffassung dieser durch die 

50 Grossartigkeit ihrer Anlage und die vortreff- 
liche Erhaltung imponierenden Bauten als Ci- 
sternen hat neuerdings F. v. Eeber a. a. O. 
erhebliche Einwendungen erhoben und die Ver- 
wendung derselben als Wasserbehalter aus tech- 
nischen und kunstlerischen Grunden bestritten. 
Eine endgiiltige Entscheidung hieruber ist wohl 
so lange nicht mfiglich, als nicht auch der Zu- 
sammenhang dieser Eaume mit dem ganzen System 
der Wasserversorgung von C. durch Canale u. s. w. 

t^r\ oiifVpiriaT^- -j=+ Von anrWen Ci'ternen 7i*nri* icb 
noch jene des Theodosius in der 5. Region (Plan 
5 G) , des Aetius , des Bonus (Bwvo; Plan 4 D, 
doch ist die Lage unsicher), der Pulcheria, die 
,grosse Cisterne bei der Porphyrsaule* und jene 
unter dem Hippodrom, woriiber man die Nach- 
weise jetzt am besten bei Forehheimer-Strzy- 
gowski 147 — 188 findet, ebenso wie ebd. 35 — 114 
ein mOglichst vollstandiges Verzeichnis der noch 



999 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



100O 



erhaltenen Wasserbehalter. Weitere Beitrage zur 
Kenntnis der letzteren liefert B. Paluka Mitteil. 
d. deutschen Exkursionsklubs I 48— 56 und Byz. 
Ztschr. II 647f. IV 594—600. Im iibrigen ygl. 
noch Grosvenor I 360—371. Meyer 267ff. 

Unter den Offentlichen Badern in C. werden 
neben den scion Bd. Ill S. 1125f. besprochenen, 
auf Severus zurfickgehenden Thermen Kaminia 
und Zeuxippos jene des Constantin und des Ar- 



und die alteren Ansiehten aus turkischer Zeit (s. u.) 
sind in dieser Beziehung sehr lehrreich. Aus der- 
selben Bauverordnung , welche Unger 70ff. nebst 
einigen anderen aus Cod. Theod. und lust, mitge- 
teilt hat, ersehen wir, dass an den Hausern haufig 
Altane (solaria, Seller) angebracht waren, welche- 
nach unten frei sein mussten und weder durch 
Saulen gestiitzt, noch mit der Straase durch erne- 
Treppe verbunden sein durften; zwischen den Al- 



kadios besonders erwahnt. Naheres iiber diese lOtanengegenuberliegenderHausermusstemindestens- 



und andere Bader in den vonDucange a. a. 0. 
und bei Unger 269 — 283 gesammelten Stellen. 
Nur von den Thermen Constantins, welche von 
Mohammed II. wieder in Stand gesetzt und von 
den Turken (mit Bezug auf ihre Lage in einer 
Einsenkung des 4. Hiigels) Tschukur Hammam 
(Grubenbad) genannt wurden, hat sich das alte 
Mauerwerk noch zum Teile erhalten, ist aber 
jetzt ganz unzuganglich. Grosvenor I 296f. 
359f. Meyer 278. 

tfber die zur Canalisation und Abfuhr des Un- 
rates dienenden Einrichtungen (Kloaken u. s. w.) 
sehe man die Stellen bei Ducange a. a. 0., fiber 
die nachtliche Beleuchtung der Stadt Hertzberg 
Gesch. d. rom. Kaiserr. 681 und Ammian. Marc. 
XIV 1, 9 (diese Stelle bezieht sich jedoch auf An- 
tiochien). 

Privatbauten. Neben den zahlreichen offent- 
lichen Bauten, welche das architektonische Ge- 



10 Fuss Abstand bleiben, was auch das Mindest- 
mass fur die Breite der Gassen (oxevwnol) ge- 
wesen zu sein scheint. Diese und andere Bau- 
verordnungen , deren Erlauterung besonders vom 
bautechnischen Standpunkt aus sehr zu wiinschei* 
ware, waren neben aesthetischen und hygienischen 
Rucksichten, wie sie besonders in dem Erlass des 
Kaisers Zeno geltend gemacht werden, haupt- 
sachlich, wie ebenfalls mehrfach ausdrficklich her- 
20 vorgehoben wird , durch die Gefahr der Feuers- 
briinste bedingt, welche in byzantinischer Zeit 
kaum minder verheerend waren, als die beriich- 
tigten Brande der tiirkischen Stadt. Sie haben 
mehr als irgend ein anderer Eingriff bis auf die 
Gegenwart zur fortwahrenden Umgestaltung unci 
Erneuerung der Stadt und zur ZerstOrung des 
Alten beigetragen, und naturgemass wurde davon 
die grosse Masse der Wohnhauser mehr und haufi- 
ger betroffen als die solideren und besser ge- 



samtbild der Stadt bestimmten, treten naturge- 30 schiitzten offentlichen Bauten. Solche Brande 



mass die privaten Gebaude, in den en das haus- 
liche Leben des Volkes von C. sich abspielte, an 
individueller Bedeutung ganzzuruck; doch werden 
verschiedene Privathauser vornehmer Byzantiner 
genannt. wie das durch seine Kunstschiltze be- 
riihmte Haus des Lausos, das jedoch nicht mit 
dem Aavoiaxfe genannten Teile des grossen Kaiser- 
palastes zu verwechseln ist, jene des Harmatios, 
des Antiochos, des Toxaras, des Ioannes Synkel- 



fanden statt in den J. 400, 404 (H. Sophia), 406 
(Hippodrom), 433 r 462, 465, 469, 476, 491, 498 r 
507, 509, 510, 513, 582 (H. Sophia), 549, 559, 
561, 562, 564, 583, 603, 791, 887, 931, 956, 
1040, 1203, 1204, 1261, 1291, 1308 u. s. w. 
Quellen bei Unger 74—91. 

Nachst dem Feuer haben zur ZerstCrung der 
Gebaude von C. am meisten die Erdbeben mit- 
gewirkt, welche bis zur Gegenwart eine stete 



los u. a., woriiber man bei Eichter 415ft. einiges40 Gefahr fur die Stadt bilden. Erdbebenjahre der 



gesammelt findet. Eine hierauf gerichtete Durch 
forscming der byzantinischen Litteratur wiirde 
gewiss noch weit mehr zu Tage fOrdern, besonders 
auch beziiglich der Einrichtung des byzantinischen 
Privathauses , fiir die wir um so mehr auf die 
litterarischen Quellen angewiesen sind, als sich von 
dieser Art von Bauten wohl nichts erhalten hat; 
vgl. o. S. 986. Was die Menge und Anordnung der 
dicht aneinandergebauten Privathauser betrifft, so 



byzantinischen Zeit sind 402, 407, 412, 417, 422, 
447 (Einsturz der Mauern), 450, 480, 492, 542, 
554, 555, 558 (Einsturz der Sophienkuppel), 740, 
865, 869, 945, 986 (wieder ein Teil der Sophien- 
kuppel eingestiirzt), 1010, 1064, 1202, 1296, 1331, 
1343. Quellen bei Unger 92—100. Weiteres 
Material fiber die Erdbeben zu C. bei A. Perrey 
Mem. s. 1. trembl. de terre ress. dans la penins. 
turco-hellen. et en Syrie (in den Mem. couronnes- 



istdafilr Agath. V 3 zu beachten (ftw-^r? ydo a-Tav- 50 u. s. w. der Ac. R. de Belg. XXIII 1848). J. F. 

Ta%ov at olxodofiiai rfj; xoltcos xaX ^vvrjuftivat a)lr\- * " " ■*■*.■•-■> ™ 

lois xal oxaviaitata tdot us av yjdoiov vnaidQov). 

Doch bestimmte schon der Cod. Theod. XV 46, 

dass private Bauten von den offentlichen mindestens 

15 Fuss entfemt zu sein hatten, und die Bauord- 

nung des Kaisers Zeno (474 — 491) fur C. setzte 

fest, dass auch bei den Privathausern unter sich 

je 12 Fuss vom Fundament bis zum Dach Abstand 

bleiben solle; der Hohe des Hausbaues war unter 

diced Voiau^acfciulig* litii ^ *>u V'» 0.1 SuiiaiiiiLg j_i c 

setzt, als keinem Nachbar die freie Aussicht auf das 
Meer entzogen werden durfte (Cod. lust. VIII 
10, 12). Fiir die Bauart der Privathauser ist be- 
sonders die Ansicht des Hippodrom von 1450 (vgl. 
o. S. 994) zu beachten, welcher ein ganzes Stadt- 
viertel mit giebelgedeckten und einigen flachge- 
deckten Hausern sowie zahlreichen Kuppelbauten 
(Kirchen?) zeigt; auch der Plan des Buondelmonte 



Julius Schmidt Stud. tab. Erdbeben (2 Lpz. 
1879) 137ff. O. Weismantel Die Erdbeben des. 
vord. Kleinasiens in geschichtl. Zeit, Marb. 1891. 
G. Maas Das Erdbeben von Konstantinopel 1894, 
Himmel und Erde VII 409—426. 458—467. 

An dritter Stelle treten als zersttSrendes Mo- 
ment die gewaltsamen Yeranderangen durch Men- 
schenhand hinzu, welche sich hauptsachlich an 
die beiden Eroberungen der Stadt durch die La- 

J. 1453 knflpfen ; uber erstere vgl. oben S. 994 
und, ausser den bekannten Gesehichtswerken, 
Ch. Hopf Chroniques gre"co-rom., Berl. 1873. 
Grosvenor I 38f. II 533f. Cber die zweite Er- 
oberung durch die Turken, welche nach Gillius 
II 1 jam centum annos non cessant funditus 
antiquae urbis vestigia delere, vgl. J. v. H a m m e r 
Gesch. d. osman. Reiches 12 386ff. A. v. Mordt- 



1001 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



1002 



mann Belag. u. Erob. Constantinopeks durch die 
Turken, Stuttgart 1858. A. G. Paspates Iloh- 
OQxla xal altoaig rfjs Ki'zzoAecos vtio rcov 'O&co- 
4mvow, Athen 1890, dazu Byz. Ztschr. II 331f. 
Grosvenor I 40ff. II 536ff. J. Mordtmann 
Esquisse p. 80 (Quellen). 

Bevolkerung. Die Grundlage der Bevolke- 
Tungbildeten die dorischen Ansiedler, durch welche 
anfangs der dorische Dialekt herrschend wurde, 



im 8. Jhdt. die lateinischen Mfinzlegenden durch 
griechische verdrangt wurden. Constantin V. (741 
—775) und Leo IV. (775—780) sind die ersten, 
welche gelegentlich auf Munzen statt des her- 
k(5mmlichen dominus und Augustus als deaxozrjg 
und paadevs bezeichnet werden, und Michael I. 
(811 — 813) heisst zuerst paodT; 'Pojualov, s. Ku- 
bitschek Bd. Ill S. 1154. Das 9. Jhdt. brachte 
endlich auch in der Gesetzgebung den griechischen 



der jedoch schon fruhzeitig in die xoivrj fiber- 10 Charakter des Staates zum vollen Siege. Waren 
"'" '* -m -m- r, ,, .a ^^ ^[ e se it dem 7. Jhdt. neu erlassenen Ge- 

setze samtlich griechisch, so bildete die Grund- 
lage des biirgerlichen Eechtes doch das grosse 
Gesetzgebungswerk Iustinians, fiir dessen officielle 
Geltung, unbeschadet der Verbreitung einzelner 
Teile in griechischer Bearbeitung, die lateinische 
Fassung massgebend war. Hiedurch wurde das- 
selbe dem Bechtsbewusstsein des Volkes mehr 
und mehr entfremdet, bis der grosse Reorgani- 



ging, s. den Art. Byzantion Bd. UT S. 1143. 
Ohne Zweifel hatte sich jedoch von Anfang an 
die Colonie nicht reinen Stammes erhalten, son- 
<dern mit fremden, besonders thrakischen Elementen 
rermischt, die aber von dem griechischen Volks- 
tum ausserlich aufgesogen wurden. Eine viel 
weiter gehende Mischung hatte die Neugrundung 
von C. als Reichshauptstadt zur Folge. ,Um 
seine Schopfung mSglichst schnell durch ein 



neues Volk zu beleben und zahlreiche Ansiedler 20 sator des Reichs , der Makedonier Basileios I. 

(876—886), das von seinem Nachfolger Leo VI. 
(886—911) vollendete Werk der Basiliken (rd 
Baadixd) schuf, welches das Corpus iuris, auf 
dessen Inhalt es wesentlich beruhte, bald ganz 



zur tTbersiedelung zu locken, wandte Constantin 
alle mdglichen Mittel und Begiinstigungen an. 
Nicht nur dass Constantinopel als Gemeinde mit 
alien Rechten und Privilegien der alten Welt- 
hauptstadt an der Tiber begabt wurde und mit 
<dem ,italischen' Rechte die Befreiung von Reichs- 
steuern erhielt, so stellte der Kaiser auch den 
«inzelnen Ansiedlern namhafte Vorteile in Aus- 
sicht.' Hertzberg Gesch. d. rOm. Kaiserr. 681f. 



verdrangte, Krumbacher Byz. Litt. 605ff. Frei- 
lich war dieses griechische Volkstum, wie es bis 
zum 10. Jhdt. mit steigender Macht in alien 
Zweigen der Staatsverwaltung, in der Umgangs- 
sprache der Provinzen und im Leben der Beichs- 



S chiller Gesch. d. rom. Kaiserz. II 225. Burck- 30 hauptstadt zur Geltung kam, langst nicht mehr 



hardt Zeit Constantins d. Gr. 418. Dieses Zu 
stromen der "verschiedensten Elemente konnte je 
doch den griechischen Typus der Stadt nicht 
andern, wenngleich derselbe, ahnlich der BevSlke- 
rung aller Grossstadte, ein individuelles Geprage 
erhielt. Auch der amtliche Gebrauch der rOmi- 
schen Sprache, wie er in den Titulaturen der Kaiser 
und den Einrichtungen der Staatsverwaltung, in 
den Gesetzgebungswerken des Theodosius und 



das antike, auch nicht mehr im Sinne des durch 
die makedonische Weltpolitik geschaffenen Helle- 
nismus und der xolvi). Das Griechentum war in 
jene Phase iibergegangen, die wir als den Rho- 
maismus bezeichnen kflnnen, scharf geschieden 
von der antiken Cultur durch die christliche Welt- 
anschauung und durch jene Cmbildung der Sprache, 
aus der das Neugriecnische hervorgegangen ist, 
dem schon die Volkssprache der iustinianischen 



Iustinian und in der Organisation der Armee zu 40 Zeit innerlich naher gestanden zu haben scheint, 



Tage trat, blieb rein ausserlich und beeinflusste 
das Volkstum nicht weiter, als dass eine Anzahl 
romischer Ausdriicke, mit denen ein fest umschrie- 
bener Begriff verbunden war, unveriindert in den 
griechischen Sprachgebrauch tibergingen, statt wie 
friiher iibersetzt zu werden, z. B. Ssvaiov , 'Pq- 
yefivsg u. s. w. Anderes der Art s. bei Hertz- 
berg Gesch. d. Byz. 194. Die Lischriften aus 
■C.. auch aus friiherer Zeit, sind fast ausschliess- 



als dem Griechentum des perikleischen Zeitalters. 
Vgl. hiezu meine Bemerkungen Korr.-Bl. d. Ges. 
f. Anthr. 1897, 4f. 

War sonach die Bevolkerung von C. der Sprache 
nach im wesentlichen eine einheitliche, wie sie es 
allmahlich im ganzen Reiche geworden war, so 
war sie es keineswegs dem Blute nach. Zu den 
verschiedenartigen Elementen, die wie oben be- 
merkt bei und zum Teil schon vor der Grundung 



lich griechisch und zeigen, dass das Lateinische 50 von C. am Goldenen Horn zusammenstromten. 



-der Bevolkerung oder auch nur einem nennens- 
werten Bruchteil derselben niemals gelaufig war. 
Mit dem Zerfalle des westrOmisehen Reiches und 
■der Consolidierung der Cstlichen Reiehshalfte als 
■eines geschlossenen Staatswesens . in welchem 
griechisches Volkstum und griechische Sprache 
die unbedingte Vorherrschaft hatten, wurden auch 
■die ausseren Zeichen, in denen sich das Fortleben 
de« rOmischen Staatscredankens verkorrjerte. mehr 



kamen im Laufe der Zeit noch vielfach fremde 
Volksbestandteile, welche eine weitgehendeRassen- 
mischung zur Folge hatten. Hierher gehOrten von 
Anfang an die fremden Truppen, in denen die 
barbarischen Elemente mehr und mehr fiberhand 
nahmen, im Besondern auch die gothischen Ab- 
teilungen, welche ausserhalb der constantinischen 
Mauer im sog. Hexakionion (s. o. S. 971) gamisonier- 
ten. sowie die seit dem 9. und 10. Jhdt. auftretende 



und mehr abgestreift. Das Lateinische, noch zu 60 nordgermanische Garde der Warangen (Bd&iyyoi, 



Iustinians Zeit, doch nicht mehr ausschliesslich, 
■die Hofsprache in C, verlor seit Maurikios (582 
— 602) seine officielle Geltung. und alle amtliehen 
Erlasse werden seitdem nur noch griechisch ver- 
•offentlieht, Finlay Griechenl. unt. d. ROm. 284, 
10. Die naturliche Folge war, dass seit dem 
7. Jhdt. das Griechische als Commandosprache 
der Armee an Stelle des Lateinischen trat und 



Warager, Vaeringjar), welche anfangs aus durch 
Russland eingewanderte Normannen, seit dem 
11. Jhdt. auch durch Angelsachsen erganzt wurde. 
Viele derselben ,heirateten, blieben in C. und 
griindeten unter den Rhomaeern ihr eigenes Haus- 
wesen. Namentlich gab es manche ihrer Fuhrer, 
die sich mit der griechischen Aristokratie ver- 
schwagerten, und deren Nachkommen sich und 



1003 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



1004 



1005 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



1006 



ihre Nachkommen vollst&ndig graecisiert haben,' 
Hertzb erg Gesch. d. Byz. 221. Weitere Litteratur 
Merilber bei KTumbacher Gesch. d. byz. Litt, 
1086. Noch bedeutender an Zahl war das fremde 
Volkselement, welches C. seit dem 11. Jhdt. dutch 
dieAnsiedlungfremder, hauptsachlich italienischer 
Kaufleute erhielt. Wahrend die Garde nur durch 
fortwabrend frischen Zuzug ihren fremden Cha- 
rakter bewahrte, jede Generation derselben aber 



Die Z a h 1 der Bewohner kann nur ganz an- 
nahernd geschatzt werden. Schon zu Anfang des 
5. Jhdts. soil dieselbe mehr als 1/2 Million be- 
tragen haben, s. Hertzberg Gesch. d. romischeit 
Kaiserreichs 682. Auch die neueren Schatzungen 
weichen ausserordentlich von einander ab ; so be- 
rechnete E. Pococke im vorigen Jahrhundert die- 
Bevolkerung auf 3600000(1); Graf Andreossy 
(s. u.) nach dem Wasser- und Mehlbedarf auf 



nach und nach vomRhomaeertumaufgesogen wurde, 10 633 000; vgl. Grosvenor I 8f. Von diesen Ex- 



bildeten die Genuesen in Galata eine Gemeinde 
far sich mit selbstandiger Yerwaltung, Kirche und 
Umgangssprache, welehe diesem Stadtteil einen 
erst in der Gegenwart sich verwischenden italie- 
nischen Chaiakter aufpragte, s. o. S. 973 und Pas - 
pates 'Ell. $doL SvkL VI. Bvfrvt. MeMiai 
127ff. 204ff. Heyd Gesch. d. Levantehandels I 
208ff. 499ff. II 305ff. Auch in der Altstadt be- 
saasen dieselben ein Quartier am Hafen (Plan 6 G) 



tremen kommt das untere der Wahrheit jedenfalls 
naher als das obere. Eine Beihe anderer An- 
gaben fiber die Bevolkerung von C. findet man 
bei Byzantios I 72ff. besprochen. Die ,amtliche- 
Statistik' aus dem J, 1885 giebt die Gesamtzahl 
zu 873 565 Seelen an, wovon, nach den zehn jetzi- 
gen Bezirken verteilt, 389545 auf Stambul (das 
eigentliche C. des Mittelalters), 237 293 auf Galata, 
Pera und die angrenzenden Stadtteile, 118467 



ehenso wie die Pisaner und die Venezianer (ebd. 20 auf Skutari mit Kadikoi, 99102 auf das euro- 



6 F), fiber dcren Ansiedlungen im 14. Jhdt. vgl. 
auch Ch. Diehl Mel. d'archeol. 1883, 90—131. 
Naheres fiber die Lage der einzelnen Quartiere 
und das Verhaltnis derselben zur griechischen Be- 
volkerung bei Heyd I 275ff. Einen nicht ge- 
ringen Procentsatz machten femer die Juden aus, 
welehe allerdings erst durch die Einwanderung 
der spanischen Juden (Sephardim) seit 1492 in 
C. und besonders in Thessalonike zu einem er- 



paische, 29 158 auf das asiatische Ufer des Bos- 
poros entfallen, Meyer 205f. Beruhen diese Ziffern 
auch, trotz ihrer scheinbaren Genauigkeit, auf 
einer hochst unsicheren Grundlage, so geben sie 
doch einen Anhaltspunkt fiir die Verteilung der 
Bevolkerung um das verbindende Mittelghed des 
Bosporos und gestatten unter Berucksichtigung 
der mehrfach dargelegten Verschiebung des stadti- 
schen Schwerpunktes aueh Riickschliisse auf das 



heblichen Bestandteil der Bevolkerung wurden, 30 byzantinische C. Hiebei ist jedoch nicht zu fiber- 



woriiber vgl. besonders KarlBraun Tiirk. Eeise 
II 275ff. Doch auch im Mittelalter waren die 
der deutsch-polnischen Gruppe (Asehkenaxim) an- 
gehorigen Juden in C. schon zahlreich und in 
bestimmten Gegenden der Stadt localisiert, s. 
o. S. 974 und vgl. ferner die Porta Ebraika 
oder P. Judaea 0. S. 980, iffgaixy axdXa u. s. w. 
in dem Hebraica oder ludeea genannten Quar- 
tier am Hafen (Plan 6 G). tiber letzteres vgl. 



sehen, dass die Bevolkerung von C. auch mehr- 
fach grossen Schwankungen unterlag. Neben 
der Erschiitterung des Gleichgewichtes , welehe 
die lateinische und die tfirkische Eroberung mit 
sich brachte, und neben der grossen Zahl von Men- 
schen, welehe den Erdbeben (s. 0. S. 1000) zum Opfer 
gefallen sind (so z. B. im J. 1509 fiber 13000, s. 
Maas a. a. O. 415), sind es besonders verheerende 
Seuchen und vor allem die Pest gewesen, an deren 



jedoch Heyd a. a. O. I 275ff. , wonach die Ju- 40 Auftreten sich bedeutende Buckschlage kniipfen. 



den seit Theodosius II. (408—450) in der eigent 
lichen Stadt nicht wohnen durften; ebenso nach 
Benjamin von Tudela (12. Jhdt.), der in Pera 2000 
rabbanitische und 500 karaitische Juden zahlt. 
Doch miissen sie unter den Turken auch in Stam- 
bul wk-der zugelassen worden sein, denn Gillius 
III 2 a. E. fand sie dort in der Nahe des Hafens 
angesiedelt. Im J. 1589 wurden die Juden aus dem 
Quartier in Stambul vertrieben und spater an 



So folgte dem furchtbaren Nikaaufstand, bei dem 
allein an 40 000 Menschen umgekommen waren, 
die sog. iustinianische Pest, welehe in dem Zeit- 
raum von 531 — 580 periodisch wiederkehrte und 
zeitweise taglich 5000, ja 10000 Menschen in C. 
dahingerafft haben soil, J. F. C. Hcckcr Yolks- 
krankheiten des Mittelalters 3ff. Haser Gesch. 
d. Medizin III 43ff. K. Martin Peterm. Mitt. 
1879, 257ff. Eine der furchtbarsten Epidemien 



Stelle des Ghetto die Jeni Valide Moschee errichtet, 50 war die funfte Bubonenpest zu C- , welehe im 



Grosvenor II 575. Mordtmann § 78. 82. Die 
jetzt so zahlreichen Armenier kommen fur die altere 
Zeit nicht in Betracht, da der Zug der armeni- 
schen Einwanderung erst mit der tiirkischen Er- 
oberung beginnt, wenngleich einzelne Armenier 
ebenso wie Turken schon in der letzten Periode 
des byzantinischen Eeiches in C. angesiedelt ge- 
wesen sein mogen. So war Axuchos, der Minister 
des Kaisers Ioannes II. Kommenos (1118 — 43), ein 



J. 747 von Unteritalien fiber Griechenland her 
sich ausbreitete und besonders in der Hauptstadt 
zahllose Opfer forderte, so dass viele Hauser ganz. 
ausstarben, Theoph. 422f. de B. Nikeph. Const. 
62f. de B. Im J. 1592 Men in C. 180 000- 
Menschen an der Pest, wahrend die uberlebenden 
400 000 sich unter gemeinsamer Leitung des 
Patriarchen und des Scheich ill Islam zum Bitt- 
gebet auf dem Okmeidan von Sonnenaufgang bis 



geborener lurke, s. Her tz berg Gesch. <i. Byz. 2S5, bo zum Aijend veinaiuiucUcn, GiuoVciiui I &0f. 



und gegen Ende des 14. Jhdts. war die Zahl der 
als Kaufleute in C. angesiedelten Turken bereits so 
gross, dass Sultan Bajezit I. (1389—1403) bei 
Kaiser Manuel II. (1391—1425) fur dieselben die 
Erbauung einer Moschee auf dem Xerolophos, 
welehe nach seinem Grossvezier Daud Pascha ge- 
nannt wurde, so wie eigene Gerichtsbarkeit durch- 
setzte, Grosvenor II 699. Hammer I 431. 



Noch 1812 soil l/ 4 der Bewohner (160000) der 
Seuche erlegen sein, wie Andre"ossy Const. 161ff. 
berichtet, und bei der letzten Pestepidemie von 
1837, welehe uns Moltke Briefe nr. 26 geschil- 
dert hat, sind nach dessen Schatzung mindestens 
20—30 000 umgekommen. 

Die Geschichte der Stadt als solche ge- 
sondert von jener des byzantinischen, hezw. turki- 



i 






schen Reiches zu schreiben, ist bisher von nie- 
jnand ernstlich versucht worden. Uber die Ge- 
schichte des alten Byzantion hinaus, welehe zum 
erstenmal von J. Miller an dieser Stelle in ihrem 
ganzen Zusammenhange dargestellt wurde (Bd. Ill 
S. 1127 — 1150), besitzen wir, von summarischen 
Cbersichten , wie bei Grosvenor I 18— 58_ ab- 
gesehen, nur fragmentarische Ansatze in der einen 
oder der anderen Richtung, wie solche _ auch in 
obiger Dariegung mehrfach angedeutet sind. Hie- 
her gehSren als aussere Geschichte die Griindung 
(o. S. 963) und die bauliche Entwicklung, dann 
die Kriegsereignisse wie die Belagerungen durch 
die Sarazenen, Slaven u. s. w., die Eroberungen 
durch die Lateiner 1204 und die Turken 1453, 
Volksaufstande wie der Mkaaufruhr 532, Erd- 
beben, Feuersbrttnste und Seuchen, s. 0.; als 
innere Geschichte die Entwicklung der Bevolke- 
rung nach Umfang und Verteilung, nach Natio- 
nalitat und Sprache, die wirtschaftlichen Grund- 
lagen (Handel und Gewerbe) ihres Daseins, die 
gesellsehaftlichen Verhaltnisse und die geistige 
Cultur, die locale Entwicklung von Christentum 
mid Kirche, das Sonderleben der fremden Elemente 
wie der Genuesen, Juden und Armenier, die Stel- 
lung der Aristokratie, des Heeres und der Hof hal- 
tungimstadtischenLeben, ferner diestadtischeVer- 
waltung, in Bezug auf welehe hier die Bemerkungen 
iiber das Stadtgebiet und dessen Einteilungen, fiber 
Bauverordnungen und Wasserversorgung, Beleuch- 
tung. Canalisation u. s. w. 0. S. 997f., fiber Offent- 
liche Wohlthatigkeit 0. S. 997, endlich fiber die 
Amtslocale der Stadtverordneten und die consu- 
larischen Functionen der Kaiser, 0. S. 995, einige 
Andeutungen geben, die weiter zu verfolgen eine 
dankbare Aufgabe ware; vgl. auch die nachfol- 
gend genannte Regionsbeschreibung. 

Quellen. Die alteste Beschreibung von C. 
ist ein Urbs Constantinopolitana Nova Roma be- 
titeltes lateinisches Verzeichnis der 14 Regionen 
mit Aufzahlung der wichtigsten Bauwerke _ und 
Angabe der Zahl der Bezirke {vici sine ungipor- 
tus), Hauser und localen Beamten {curatores, ool- 
legiati, vieomagistrt), nebst Gesamtiibersicht. Die- 
selbe ist von einem unbekannten Verfasser unter 
Theodosius II. (408—450), doch nach dem J. 424 
bearbeitet und im 16. Jhdt, wiederholt mit der 
sog. Notitia dignitatvm herausgegeben worden, 
so besonders von G. Panciroli, Yen. 1593, dessen 
Erlauterungen dazu auch hinter der Elzeviraus- 
gabe des Gillius (Lugd. Bat, 1632) 353—421 
und bei Banduri 429—444 abgedruckt sind. 
Neue Ausg. in Not. dign. ed. O. Seeck (Berol. 
1875) 227—243 und in Geogr. Lat. min. coll. 
A. Riese (Heilbr. 1878) 133—139. Ubersetzung 
bei Unger 101—109. 

Unter den byzantinischen Quellen stehen die 
80g. Patria (TldzQia zfjz KwroTar%irovn6?.ea>g) an 
erster Stelle. Allerdings ist bei ihrer Benutzung 
vft y. ^ny) "hi c t r, ri c,1 h^Ti X^iz^Ti. ^i p an die Oehatide 
angeknupft werden, sehr zu warnen, da sie meist 
legendar sind. Das Werk ist eine Compilation von 
Nachrichten zur Topographie und Geschichte der 
Stadt, welehe um 995 entstanden ist. Von den 
benfitzten Quellen sind uns drei erhalten, nam- 
lich die im 6. Jhdt. entstandenen Tldtgia EJ716- 
Xews des Hesy chios fllustrios, ein Ausschnitt aus 
dessen Weltgescbichte (letzte Ausgabe von C. 



Miiller FHG IV 146ff.), die um 800 verfassten 
IlaQaoTdosis ovvto/ioi ygovixai (ed. Th. Preger 
Progr. Mfinchen 1898) "und die Legende vom Bau 
der hi. Sophia (ed. Combefis im Manipulus 
originum Cpolitanarum 1664). Das ganze Werk 
ist uns in zwei Fassungen uberliefert, deren eine 
sich ziemlich eng an das Original halt und unter 
dem Namen des Georgios Kodinos zuletzt von 
I. Bekker Bonn 1843 (wiederholt bei Migne 
10 Gr. 157, 429—634) herausgegeben ist. Die an- 
dere , unter Alerios I. Kommenos (1081 — 1118) 
entstanden, hat die Abschnitte des sog. Kodinos 
nach topographischen Gesichtspunkten geordnet 
und geht unter dem Namen des Anonymus Ban- 
duri (Imp. Orient. Ill 1—80). Eine Klarung des 
Verhaltnisses beider Recensionen zu einander und 
zu ihren Quellen ist erst durch Th. Preger Bei- 
trage zur Textgeschichte der IldxQta Rcovoxavxi- 
vovnokevs (Munchen 1895) angebahnt worden und 
20 von demselben auch eine kritische Ausgabe des 
ganzen Werkes zu envarten; vgl. Krumb ache r 
Byz. Litt. 2 422ff. 

Nachst den Patria ist das wichstigste Werk 
der byzantinischen Litteratur fur die Topographie 
von C., besonders fiir den Kaiserpalast (s. S. 991), 
das Buch des Kaisers Constantin VII. Porphyro- 
gennetos (912—959) fiber das Ceremonienwesen 
des byzantinischen Hofes (sx&sat; itjg paadslov 
Tdf*a>?); in einer einzigen Hs. derLeipziger Stadt- 
30 bibliothek erhalten, wurde dasselbe zuerst von J. 
H. Leich und J. J. Reiske (2 Bde., Lpz. 1751— 
1754) dann von I. Bekker (2 Bde., Bonn 1829/30 
und nochmals bei Migne Gr. 112f. herausge- 
geben. Vgl. dazu Krumbacher 254ff. Mordt- 
mann § 109f. F. v. Reber a. a. 0. 728f. Als 
dritte Quelle der vorgenannten Art ist des Pro- 
kopios um 560 n. Chr. verfasste Schrift fiber die 
Bauten Iustinians (jieqi xiw/ndtayv) anzufuhren, 
deren crstes Buch die Bauten in 0. behandelt. 
40 Ausg. bei Procop. rec. G. Dindorf vol. Ill (Bonn 
1838). 

Reichliches, aber weit zerstreutes Material fill 
die Topographie bieten auch die byzantinischen 
Historiker, unter denen ich hier nur Zosimos als 
Hauptquelle fur die constantinische Stadt und 
Theophanes wegen des ausgezeichneten topogra- 
phischen Index zur Ausgabe von C. de Boor (Lpz. 
1883—85) unter Ko>vmavrtvovjiohs S. 647—655 
hervorhebe. In gleichem Sinne ist auch an diefran- 
50 kischen Quellen zur Geschichte der Kreuzzuge und 
des lateinischen Kaisertums und an die tiirkischen 
Geschichtschreiber zu erinnern, deren letztere 
durch J v. Hammers Geschichte des osmanischen 
Reiches (10 Bde., Pesth 1827— 1834; 2.Aufl. 4Bde., 
1835f.) zugiinglicher ge worden sind. Unter der 
noch wenig ausgebeuteten Litteratur der rnittel- 
alterlichen Pilgerschriften ist hier besonders der 
Bericht des Erzbischofs Antonius von Novgorod 
zu nennen, welcher C. kurz vor der lateinischen 
«0 Frnbenms- besuchte. s. B. deKhitrowo Itine"- 
raires russes en Orient 1 (Genf 1H89J. Ch. Hopf 
Chron. gi-e'co-rom. 93ff. Mordtmann § 114. 
Auch der obengenannte Rabbi Benjamin von Tu- 
dela (reiste 1160—1173) muss hier erwahnt wer- 
den; Hauptausg. von A. Asher The Itinerary of 
R. B. of T.,.2 Bde., Lond. 1841; deutsche Uber- 
setzung des hebraischen Textes auch von A. Mar- 
tinet Reisetagebuch u. s. w., Bamberg 1858 



1007 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



1008 



(Constantinopel S. 8f.). "Viel Wichtiges bieten auch 
die Menologien; das topographische Material aus 
dem Synaxarium Sirmondi hat H. Delehaye 
zusammengestellt, AnalectaBollandianaXII (1895) 
4215. (431ff. Liste topographique des Sanctuaires). 

Aus der letzteu Periode des byzantinischen 
Eeiches ist die wichtige Beschreibung des Floren- 
tiners Buondelmonte vom J. 1422 zu nennen, 
dem wir auch den altesten erhaltenen Plan von C. 
(s. u.) verdanken; Christoph. Bondelmontii lib. ins. 
Archipel. ed. G. R. L. de Sinner (Lpz. 1824) 
121ff. mit den Bemerkungen von Ducange (zu 
Ioannes Kinnamos, Paris 1670) ebd. 225ff. S. 
Reinach La description de C. par Buondelmonte; 
'EXL $doL SvXX. XVIII (1888) naqaqr. 181—187 
(mit einer alten griechischen tlbersetzung des Tex- 
tes von Buondelmonte). 

An der Spitze der Quellen aus neuerer Zeit 
stent der franzOsische Natnrforscher Pierre Gilles 
aus Alby (1490—1555), welcher vor dem persi- 
schen Feldzug Sultan Solimans 1548/9 mehrere 
Jahre in C. zubrachte und uns ebenso wie tiber 
den Bosporos (s. Bd. Ill S. 756), so auch tiber die 
Topographie von C. eine durch Belesenheit in den 
alteren Schriftquellen wie durch griindliche Selbst- 
anschauung gleich wertvolle Schrift hinterliess. 
P. Gyllii De Constantinopoleos topographia et 
de illius antiquitatibus libri IV. Lugd. 1561 (Neu- 
druck 1562). Lugd. Bat. 1632 (Elzevir). Wieder- 
holt bei Banduri III 343—428 und Jac. Gro- 
nov Thes. ant. Graec. VI 3219-3342. Vgl. C. 
Miiller Geogr. gr. min. II S. Iff. J. F. Volbe- 
ding Allgem. Encykl. I 67, 309. Anschliessend 
an Gillius sei auch eine 1565 — 75 verfasste 
Schrift fiber die Denkmaler von C. genannt, wel- 
che R. FOrster De antiquitatibus et libris mss. 
Const. (Rostock 1877) herausgegeben hat. 

Grundlegend fur die litterarische Bearbeitung 
der Topographie von C. wurde des Charles Du- 
fresne, Sieur Ducange (1610 — 88) Historia By- 
zantina (Lut. 1680), deren zweiter Teil Constan- 
tinopolis Christiana' in vier Buchern (mit ge- 
trennter Paginierung fur I/II und LU/IV) das reiche 
Material systematisch ordnet; beigegeben sind 
eine Umgebungskarte des Bosporus, der Plan von 
1422 (s. u.), zwei Munztafeln und Bisse der H. 
Sophia. Ein Quellenwerk von ahnlicher Bedeu- 
tnng ist des Anselm Banduri (1670 — 1743) ,Im- 
perium orientale s. antiquitates Constantinopoli- 
tanae' (2 Bde., Paris 1711, nachgedruckt Venedig 
1729). Der erste Band dieses Werkes umfasst in 
Teil I und TI (214 Seiten) die Schrift des Constan- 
tinus Porph. fiber die Themata, den Synekdemos des 
Hierokles, die Schrift des Constantinus Porph. iiber 
die Verwaltung des Reiches und andere (fur die 
Topographie nicht in Betracht kommende) Schriften 
von Agapetus Diaconus, Kaiser Basileios und Erz- 
bischof Theophylaktos ; in Teil HI (mit neuer Pa- 
ginierung 1 — 444, ohne den Index) den Text der 

UililjM ^aOg. Allull>niiia Balniiili, a. <l.j, fiiilt; S&Uilii- 

lung auf C. bezflglicher Epigramme und Inschriften, 
Verzeichnisse der Bischofe, Patriarchen und Kaiser, 
die Werke des Gillius iiber den Bosporus und 
iiber C. (s. o.) und die Regionsbeschreibung der 
Urbs Const, mit den Noten des Panciroli (s. o. 
S. 1005). Der zweite Band enthalt im IV. Teil 
(S. 445 — 1017) acht Biicher Erlauterungen (nom- 
mentarii) des Herausgebers zu den Patria u. s. w. 



sowie besonders paginierte (1 — 140) Animadver- 
siones zu den Quellenschriften des ersten und 
zweiten Teiles. Diesem Bande sind zahlreiche 
Tafeln beigegeben, woriiber vgl. die Vorrede S . 445ff., 
namlich die von Banduri entworfenen Plane von 
C. mit der Einteilung nach Regionen und Zonen (s. 
o. S. 9741), zwei Karten des Bosporos von G. San- 
son (nach Gillius) und de Combes, den Plan 
des Buondelmonte von 1422, Ansichten der Stadt 

10 und des Marin arameeres mit Hellespont und C. 
aus der Vogelschau (s. u.) ; sieben Munztafeln, die 
Abbildungen der Columna historiata (19 Taf.) und 
anderer Denkmaler, die oben genannte Ansicht 
des Hippodrom urn 1450, Ansichten und Risse 
des Serail und mehrerer Moseheen und zwei von 
G. de l'lsle entworfene tlbersichtskarten des by- 
zantinischen Reiches mit der Themeneinteilung. 
Diesen alteren gelehrten Werken fiber C. sind 
auch folgende Abhandlungen von Ch. G. Heyne 

20 anzuschliessen: Priscae artis opera quae C. ex- 
stitisse memorantur, Comm. soc. reg. scient. Got- 
ting. cl. hist, et phil. XI 1—38 (1790); Serioris 
artis opera quae sub imperatoribus Byzantinis 
facta memorantur, ebd. 39 — 62 (1791); De in- 
teritu operum etc. quae C. fuisse memorantur, 
ebd. XII 273-308 (1792/3); Artes ex C. nun- 
quam prorsus exulantes etc., ebd. XIII S — 22 
(1795); Antiquitatis Byzantinae recognitio hi- 
storica et critica, Comment, soc. reg. scient. Got- 

30 ting, recent. I (1809). Vgl. K. Bursian Gesch. 
d. Mass. Philol. 495f. 

Wahrend die letztgenannten Werke von Du- 
cange ab ausschliesslich auf gelehrter Forschung 
ohne Selbstanschauung beruhten, hatten bis zum 
Ende des 18. Jhdts. zahlreiche Reise werke den 
damaligen Zustand von C. geschildert. Eine her- 
vorragende Stelle unter denselben nehmen die Be- 
richte iiber Gesandtschaftsreisen ein, als deren 
erster und wichtigster jener des kaiserlichen Ge- 

40 sandten Augier Ghislain de Busbecq, auch vla- 
misch Ogier Gislen van Busbeek geschrieben, 
(1555 — 1562) zu nennen ist; vgl. fiber denselben 
G. Hirschfeld Aus dem Orient 49ff. H. Zim- 
merer Durch Syrien 8f. ; Eine Reise nach Ama- 
sia (Ludwigsh. 1899). "Weiteres s. bei A. Mo rdt- 
mann Eine deutsche Botschaft in C. 1573----157S 
(Bern 1895), ferner bei J. Mordtmann Esquisse 
80 nr. 20. 22, und bei Hammer I p. XII— XXII, 
wo man die alteren Reisewerke iiber C. ziemlich 

50 vollstandig aufgezahlt flndet. J. Dallaway Con- 
stantinople ancient and modern, Lond. 1794 ; fran- 
zfisisch von A. Morellet, Paris, 2 Bde. An VII; 
die Beschreibung von C. bildet hier nur einen 
Teil des Reiseberichts. 

Das erste systematische und ausfiihrliche Werk, 
welches sich auf Grund von Selbstanschauung mit 
C. und seiner Umgebung ausschliesslich beschaf- 
tigt, ist Jos. v. Hammer Constantinopolis und 
der Bosporos, 2 Bde., Pesth 1822. Lange Zeit 

Gu duo Haiiptwcrk uliur C. iiiid iu mmioLci' EtticLuhg 
noch heute nicht ersetzt, ist dasselbe, weil sehr 
unkritisch, nur mit Vorsicht zu gebrauchen und 
fur das byzantinische C. jetzt wertlos. Der Haupt- 
wert des Buches beruht in der umfassenden Kennt- 
nis des Verfassers von den turkischen Dingen. 

Ein sehr brauchbares , in Deutschland aber 
weniger bekannt gewordenes Buch iat des ehe- 
maligen franzSsischen Gesandten (1812 — 1814) 



1009 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



Grafen A. F. Andre"ossy Constantinople et le 
Bosphore de Thrace, Paris 1828, mit Atlas; dseutsch 
von Bergk, Lpz. 1828. Wie in seinem friiheren 
Werke iiber den Bosporos (s. den Art. Bd. Ill 
S. 756) ist auch hier der physischen Geopraphie 
und besonders der Wasserversorgung von C. (s. 
o. S. 997f.) grosses Augenmerk gewidmet. 

Urn dieselbe Zeit wie die beiden vorgenannten 
erschien auch das erste bedeutendere Werk von II 38 (1885) 336-356 bietet abgesehen'vra dem 
gnechischer Seite iiber C. , namlich des Patriar- 10 Angriff auf die Etymologie von .Stambul' (o. 
■chen Konstantios I. Kcovotavrtviag xcdata xai S. 966) auch wenig von Bedeutumr. und das be- 



1010 

epigr. Mitt. XIX 1896, 58—68 und Jahreshefte d. 
ost. arch. Inst. 1898, 31—37. Unbedeutend ist 
P. A. Dethier Der Bosphor und Konstantinopel 
(2. Aufl., Wien 1876), aus welcher Gelegenheits- 
schrift nur der mehrfach entlehnte Querschnitt 
der Landmauer (s. o. S. 976) bleibenden Wert 
hat. Der wiederholt angefiihrte Artikel .Konstan- 
tinopel' von G. Rosen in der Allgem. Encykl. 



rewTSQa, Vened. 1824 (anonym mit Bildern), dann 
wiederholt aufgelegt, so K/pel 1844, und auch ins 
Franzflsische (K/pel 1846) und Englische (zuletzt 
1868) iibertragen, s. G. Hirschfeld Geogr. Jahrb. 
XII 244. Umfassender, doch auch nur mit Vor- 
behalt zu gebrauchen ist des Skarlatos D. By- 
zantios Koyvazavrirovaohg, Athen 1851 — 1869, 
in 3 Banden (mit Planen und Bildern), deren 



wenig von Bedeutung, und das be- 



kannte Buch von E. de Amicis Constanti- 
nopoli, Mil. 1877 (deutsch von A. Burchards 
Rostock 1884) kommt nur als farbenprachtige 
Schilderung in Betracht, ahnlich die populare 
Schrift von P. Leonhardi Konstantinopel u. 
Umgebung, Zurich o. J. (Eur. Wanderbild. nr. 77 
— 80). Ein sehr niltzliches und verlassiges Hulfs- 
mittel ist Meyers TiirkeiS (Leipz. 1898), in 



erster die Beschreibung der eigentlichen Stadt, 20 welchem der C. betreffende Abschnitt von' G 



der zweite (1862) jene der Vorstadte und des 
Bosporos, der dritte eine Darlegung der Verwal- 
tung und der Bewohner von C, von deren Sitten, 
Gebrauchen, Religionsiibung und Sprache enthalt. 
Spater hat sich besonders A. G. Paspates grosse 
Verdienste urn die Erforschung des byzantinischen 
C. erworben, wozu die Anlage der Eisenbahn durch 
die Stadt eine aussergewohnliche Gelegenheit hot. 
Doch ist der kritische Wert seiner Arbeiten viel 



Albert bearbeitet ist; ahnlich D. Murrays 
Handbook for Travellers in Constantinople, Lond. 
1893. 

Friedr. Wilh. linger Quellen der byzantini- 
schen Kunstgeseh. I Wien 1878 (= Quellen- 
schr. d. Kunstgeseh., herausgeg. von R. Eitel- 
b e r g e r XII) giebt eine sehr zweckmassige, wenn- 
gleich den Anforderungen philologischer Kritik 
nicht ganz entsprechende Zusammenstellung der 



lach uberschatzt worden; s. o. S. 991. Haupt- 30 Quellen zur Topographie, deren Fortsetzung aus 



werke: Bv^avnral Mslhai zonoyQayixai xai laro- 
Qixai, K/pel 1877, in 3 Buchern, deren erstes von 
den Landmanern, dem Blachernenpalast und den 
Ausgrabungen langs der Eisenbahn, das zweite 
von den Niederlassungen der Genuesen, das dritte 
von den byzantinischen Kirchen handelt (mit zahl- 
reichen Abbildungen); Ta Bv^avziva 'AraxioQa 
xai jiiQi£ amwv cSQVfiara, Athen 1885; mit Plan. 
Vgl. o.S.991. Viele Beitrage zur Kenntnis von 



dem Nachlasse des Verfassers von Jean Paul Rich- 
ter Quellen der byzant. Kunstgeseh., Wien 1897 
(= Quellenschr. u. s. w., N. F. VIH) herausge- 
geben worden ist, wozu vgl. Th. Preger Byzant. 
Ztschr. VII 198ff. Eine Reihe schwieriger Pro- 
bleme der Topographie von C. behandelt (J.) 
Mordtmann Esquisse topographique de Con- 
stantinople, Lille 1892, S.-A. a. d. Rev. de Part 
chr^tien, N. S. IX (1891), mit einem grossen 



C enthalten ferner die Schriften des 'EMr/nxds 40 Plane von C. im Mittelalter.' Vgl. Byzant. Ztschr. 
Qikoloyixot; SvUoyog, so besonders den grossen I 181. Ch. Diehl ebd. 145ff. 



Plan der Stadtmauern, woriiber o. S. 978; ferner 
die zahlreichen Schriften von M. J. Gedeon, 
welche man in dessen 'Avayqayri ovyyQay&v xxL, 
K/pel 1896) verzeichnet findet; vgl. o. S. 985. Der- 
sclbc hat auch einen eingehendeu Artikel iiber 
C. fur das vom N£o?.6yog in Constantinopel heraus- 
gegebene Aegtxdv lazoQias xai yecoypawiag III 929 
—1123 (1881) verfasst 



Das letzte bedeutende Gesamtwerk fiber C. ist 
E. A. Grosvenor Constantinople, 2 Bde., Lond. 
1895. Ausserlich reich und vornehm ausgestattet 
(zahlreiche Bilder), bietet dasselbe eine auf griind- 
licher Kenntnis der Stadt und ihrer Geschichte 
beruhende schwung\ r olle Schilderung fur weitere 
Kreise; Quellenbelege und ErOrterungen fiber wis- 
senschaftliche Einzelfragen findet man in dem- 



Ungemein zahlreich sind die Schilderungen von 50 selben nicht. Die Litteratur fiber einzelne Zweige 



Reiseeindrucken u. s. w. aus neuer Zeit, von denen 
ich hier nur die classischen ,Briefe fiber Zustande 
und Begebenheiten in der Tfirkei aus den J. 1835 
—39' von H. v. Moltke hervorhebe (6. Aufl. mit 
Anmerk. von G. Hirschfeld, Berl. 1893 = Ge- 
samm. Schriften VIII). Fur die physische Geo- 
graphie von C. und Umgegend ist das Hauptwerk 
P. deTchihatchef Le Bosphore et Constan- 
tinople, Paris 1864, mit 2 Karten und 9 Tafeln 



der Topographie wie den Kaiserpalast, die Kirchen, 
die Wasserleitungen u. s. w. ist bereits bei den 
betreffenden Abschnitten angefuhrt. Weitere Lit- 
teraturnachweise s bei Unger XV — XXV. Rich- 
ter XXV-XXXIX. Krumbacher Byz. Litt. 
llllf. Byzant Ztschr. I 636—641. II 647f. Ill 
219. 429f. IV 208AF. Manehes enthalten auch die 
,Mitteilungen des deutschen Exkursions-Clubs in 
Constantinopel'. Heft 1—3 (1889—18911 neue F. 



Tii«lauiL 166G und i677,j, wozu vgl. die im Art. 60 (herausgeg. von G. Albert) Heft 1—3 (1893 



Bosporos Bd.JJIS. 742ff. angeffihrte Litteratur 
und o. S. 968. 

Wichtig, aber in der Methode ganz unwissen- 
schaftlich, ist ferner A. Dethier u. A. D. Mordt- 
mann Epigraphik von Byzantion u. C. bis 1453, 
I. Denkschr. Akad. Wien, Philos.-hist. Kl. XIII 
(1864). Erganzt wird diese Sammlung jetzt (fur 
antike Inschriften) durch E. Kalinka Arch.- 



1895). 

Wahrend des Druckes dieses Bogens erhalte 
ich die Anzeige eines neuen Werkes von A. van 
M i 1 1 i n g e n Byzantine Constantinople. The Walls 
of the City and adjoining Historical Sites (London 
1900), welches ein wichtiges Hulfsmittel fur die 
byzantinische Topographie von C. zu werden ver- 
spricht und besonders fur die Kenntnis der Be- 



1011 



Constantinopolis 



Constantinopolis 



1012 



festigungen und erhaltenen Mauerreste grand- von den Homannischen Erben zu Nttrnberg 1764 

legend sein diirfte. auf einem besonderen Blatte herausgegeben. Etwas 

Plane. Ohne Zweifel gab es schon im Alter- berichtigt erscheint die Situation dann bei Karsten 

turn Plane von C, wie wir einen solchen von Niebuhr Reisebeschr. I 23ff. und Taf. Ill, wo 

Rom in dem sog. capitolinischen Stadtplan that- man auch zuerst die geographische Breite von 

sachlich erhalten haben. So setzt scbon die Neu- C. genauer bestimmt flndet. Den ersten moder- 

anlage der Stadt durch Constantin eineD Plan neren Anforderungen entsprechenden Plan heierte 

voraus, ebenso liegt woM der Notitia des 5. Jhdts. dann Ingenieur P. Kauffer, welcher denselben 

ein solcher zu Grunde. Der erste Plan, von dern 1776 fur den franzosischen Gesandten Graf Choi- 
wir directe Kenntnis erhalten, ist die mensa ar- 10 seul-Gouffier aufgenommen und 1786 revidiert 

gmtea, forma quadrangida, deseriptionem urbis hat, Derselbe ist mit Zusiitzen von J. D Barbie 

Constantinopolitanae continens, welche von Karl duBocage zuerst bei H e 1 1 1 n g V oy. pitt. (181 J) 

d. Gi. der Basilika des hi. Petrus testamentariscb in 1:20000, dann bei Choiseul- Gouliier 

vermacht wurde und wahrscheinlich im J. 798 Voy. pitt. II 2 pi. 68 und im Atlas zu Hammer 

mit den Geschenken der Kaiserin Irene nach Aachen Const. veroffentlicht und em Teil desselbennacn 

gelangt war; Einhardi Vita Car. c. S3. Reber Kauffers Original auch bei Labarte Palais 

a a O 720 9 Der alteste erhaltene Plan ist Imp. Taf. I nochmals abgedruckt worden; s. ebd. 

iener des Buondelmonte vom J. 1422, welchen S. lOf. (Spezialplane des Serail und Umgebung 

bereits Ducange und Banduri (s. S. 1007) nach 1 : 5 555 und der Gegend der 7 Tiirme 1 : 4000). 
der Pariser Hs. und neuerdings Mordtmann 20 Auch Byzantios I hat den Kaufferschen Plan 

Esquisse 44. 73 in etwas abweichender Ausfiih- in griechischer Ubersetzung und mit einigen Ev- 

rung nach den Hss. zu Rom und Venedig, nach ganzungen (1850) wiederholt. Inzwischen war 

letzterer (der besten) auch Sathas Docum. in- derselbe durch die neue Aufnahme tiberholt wor- 

e'dits III (Photogr.), herausgegeben hat; vgl. noch den, welche H. v. Moltke im Auftrage Sul- 

de Rossi Piante iconogr. di Roma (1879) 90f. tan Mahmuds II. in den J. 1836/7 ausfuhrte 

Strzygowski Arch. Jahrb. 1893, 244. Derselbe und in der ,Karte von Konstantmopel' (Berl. 

umfasst Stambul mit Pera und ist bei aller TJnbe- 1842), sowie der ,Karte des nordlichen Bosphorus, 

holfenheit der Zeichnung durch die perspectivische (Berl. 1846), beide in 1:25000 niederlegte; vgl. 

Darstellung der wichtigsten Bauten , der Mauern, dessen Brief e nr. 26 mit den Anrnerkmigen von 
Hafenanlagen u. s. w. von hohem Wert. Aufeiner30G. Hirschfcld. Beide Karten vereinigt in der 

wesentlich vollkommeneren Stufe steht der zuerst Reduction von H. Kiepert Constantinopel und 

im J. 1567 in Venedig gedruckte Plan, welcher die der Bosporus, 1 .: 100000, Berl. 1853. Moltkes 

Bildnisse der Sultane von Osman bis Sclimll. (1566 Aufnahmen bilden neben deu englischen und fran- 

-1574) bezw. Muradlll. (1574-1595) und die Auf- zOsischen Seekarten, iiber welche vgl. Bosporos 

schrift Byzantium nunc Constantinopolis, sonst Bd. Ill S. 742, his heute die geodiitische Grund- 

aberitalienischeLegendetragt. Derselbe ist eben- lage aller weiteren Plane mid Karten von C. und 

falls perspectivisch gezeichnet und zeigt die Umge- Umgebung; fiir die Einzelheiten eines Stadtplanes 

staltung der Stadt unter der ttirkischen Herrschaft, war jedoch der Massstab unzureichend. In dieser 

sowie die Umrisse dei Kiiste in ausgezeichneter Hinsicht hat sich besonders C. Stolpe durch 
Weise. Veroffentlicht u. a. bei Georg Braun40 semen 1855— 1863 auf genommenen, Plan derStadt 

Civitates orbis terr. VI (Col. Agr. 1618) 3, sowie Constantinopel' in 1 : 10000 (nur Stambul mit Ga- 

(verkleinert) bei Grosvenor I 50, wo derselbe lata umfassend) und den , Plan von Constantinopel 

in das J. 1481 (s. u.) gesetzt wird, und mit Er- mit den Vorstadten' in 1:15000, welcher 1882 

liiuterungen von Caedicius (= Mordtmann) als Beigabe zu A. D. Mordtmann Fiihrer von 

Ancien plan de Constantinople imprimeentre 1566 Const. (K pel o. J.) erschien, verdient gemacht. 

ft 1574, Const. 1889: nach letzterem ware der F. v. Hiibner Plan de Constantinople (K/pel 

Plan noch unter Mohammed II. (t 1481) ent- 1889/90) umfasst nur Pera, Galata und die be- 

worfen. Auf diesem Plan beraht offenbar in der nachbarten Vorstadte in 1 : 6000. tber eine be- 

Hauptsache auch noch jener, welcher im 18. Jhdt. richtigte Aufnahme dei Gegend des Hippodroms 
aas der bekannten Anstalt von M. Seutter in 50 und der H. Sophia vgl. F. v. Reber a. a. O. 

Augsburg hervorgegangen und bei Mordtmann 780, 1 und die zugehorige Planskizze. Meyers 

Esquisse Taf. Ill u. V wiedergegeben ist. Ein Turkei 5 enthalt einen eleganten Plan von C. 

anderes, nur noch mehr in perspectivischem Sinne in 1 : 25000 und Spezialplane von Pera-Galata 

verschobenes Bild gewahrt dagegen der von dem in 1 : 9500, der Gegend um den grossen Bazar in 

franzosischen Zeichner G. J. Grelot, iiber wel- 1:3600, des Kaiserpalastes in 1:16000 und des 

chen vgl. Ph. H. Kfilb in der Allg. Encykl. I Blachernenviertels in 1 :8000; ferner den hier mit 

90, 137, aus der Vogelschau entworfene und zu- geringen Anderungen wiederholten Plan von C. 

erst in seine Relation d'un voyage de Const. (Paris im Mittelalter , welcher in der Hauptsache auf 

1680) mitgeteilte Plan, den Banduri auf Taf. XI dem grossen Plan von MordtmannConst.au 
i^„] c 4<5'i TTirr1.--7h' , lt Y?+ Eirien rein wnm"- fl(* Tn"! - "!! n<re <V <v S. 1010' hernht, Snnst Vmtittipti 

tnschen Grundriss kleinen Massstabes zeigt da- fiir'die geschichtliche Entwicklung der Stadt noch 

gegen die Karte von K/pel und Umgebung in den die Nebenkartchen in Spruner-Menke Hist. 

Atlanten von J. B. Horn aim (Nurnberg), welche HandatlasS 1880) nr. 76. 79. 84. 86. 89, sowie 

sich bis etwa 1720 zuruckverfolgen lasst, s. Ch. bei Hertzberg Gesch. d. Byz. 20f. in Betracht. 

Sandler Ztscbr. Ges. f. Erdk. 1886, 348. 384. Fiir die Umgebung der Stadt hesitzen wir jetzt 

Ztschr. f. wiss. Geogr. VII 426. Grosser, aber in C. Frhr. v. der Goltz-Pascha, Karte der Um- 

noch immer sehr mangelhaft ist der Plan des gegend von Const, in 1 : 100000 (Berl. 1897) das 

ungarischenlngenieurhauptmannesJ.B. v. Rehen, beste Hiilfsmittel. 



1013 



Constantinus 



Constantinus 



1014 






Ansichten der Stadt sind fur die iiltere IX 22 -X 10. Dazu die verschiedenen Fasten 
Zeit von den Planen kaum zu trennen, da diese und die gelegentlichen Erwiihnungen, vor allem 
alle mehr oder weniger zugleich ein perspectivi- im Anhang zu Seecks untengenanntem Werke 
sches Bild geben. So zeigt schon die Tab. Peut. citiert. Die erhaltenen Gesetze im Cod. Theod. 
IX bei C. neben einem thronenden Feldherrn eine (dazu die Const. Sirmondi) und Cod. lust. Fur 
turmartige Saule mit Standbild, welche ich mit die Inschriften s. die Indices der Bande des CIL. 
K. Miller Weltkarte des Castorius 50f. fur die Die Miinzen bei Cohen VII- sehr viel Em 
Porphyrsaule (s. o. S. 987) halte. Aus demMittel- schlagiges bei Schiller nach Graf C v West- 
alter ist eine Darstellung des Angriffes der Kreuz- phalen. 

fahrer auf die Mauern beim Petrion (s. o. S. 977) 10 Litteratur: Ausser den Werken von Tille- 

vom Goldenen Horn aus zu erwiihnen, welche mont, Gibbon, Ranke, Duruy Hertzberg 

Mordtmann 41 abgebildet hat, sowie jene schon speciell Manso Leben C. d. Gr., 'Breslau 1817' 

genannte hochst merkwurdige Zeichnung des Hip- Burckhardt Zeit C. d. Gr.'a, Leipz. 1880* 

podroms und seiner Umgebung, welche Onuphr. SchillerGeschichte der romischen Kaiserzeit II 2 

Panvmius De ludis circensibus (Ven. 1600 u. 6.) 164—297. Dahn-Wietersheim Geschicbte der 

herausgab, ex antiqua Constantinopolis topogra- Volkerwanderung II 358— 462. Seeck Geschicbte 

phia, quaepaulo antequam urbs in Turco- des Untergangs der antiken Welt 12 42—188 (der 

rum potestatem venisset, facta fuit (S. 61), Anhang bis jetzt nur in erster Auflage; das Werk 

also um 1450; wenn dagegen auf der Tafel, welche reicht zur Zeit bis zur Herstellung der Reichs- 
imJ. 1580 in Venedig gestochen wurde, steht reli- 20 einheit; es ist in erster Linie zu beriicksichtigen 

quiae, quae cent esimo ante anno quam ea urbs und im Folgenden einfach Seeck citiert). 

a Turcis oocupaia est adMc supererant (also um Herku'nft uud Verwandtschaft: Flavins: 

1350), so beruht dies anscheinend auf einem Miss- Valerius Constantinus (das Praenomen auf den 

verstandnis, das sich wohl aus dem folgenden Ver- Inschriften bald L„ bald M., bald C, was daher 

gleichdesPanvinius mit der 100 Jahre jlingeren ruhrt, dass er dasselbe nach dem Beispiel seines 

Beschreibung des Gillius erklart; Bild und Er- Vaters wie alle folgenden Kaiser abgelegt hat 

klarung nach P a n v i n i u s wiederholt bei B a n d u ri (Dessau 690), ausserehelieher Sohn des Constan- 

664. Drei sehr merkwiirdige Ansichten vom Cha- tius und der Helena, einer ehemaligen Gastwirtin 

rakter der perspektivischen Plane enthalt die Welt- (Ambros. de obit. Theod. 42), und gunstigsten 
chronik von Hartmann Schedel (Niirnberg 1493) 30 Falls spater legitimiert (Seeck 47), wurde am 

Fol. 129/30, 249 und 257, wovon die beiden ersten 27. Februar bald nach 280 (Seeck 407; das 

die ganze Stadt mit ihrer Umgebung, der letzte Datum CIL 12 p. 302) zu Naissus geboren. Die 

die Gegend der hi. Sophia veranschaulichen. Der inschriftlich (z. B. CIL XI 9) und sonst berichtete 

erste (grOssere) Plan wiederholt bei Hertzberg Verwandtschaft mit Claudius Gothicus (C. zu- 

Gesch. d. Byz. 661 und von Th. Reinach Rev. nachst ein Enkel, darauf Neffe u. s. w. desselben) 

et. gr. 1896, 102 (dazu ebd. 101, 3). Mehr den ist eine offenbare Fiction, die vermutlich von C. 

Charakter eines Panoramas scheint dagegen der selbst nach dem Tode des Maximian aufgebracht 

von M. Lorch (s. o. S. 989) 1557—1559 aufge- wurde, um eine neue Legitimitat der Familie des 

nommene ,Plan' zu haben, welcher sich nach einer Constantius zu begrunden (Dessau Herm. XXIV 
Mitteilung von A. Geffroy Monuments Piot II 40 341. Seeck 451). 

106 in der Universitatsbibliothek in Leiden be- BiszuseinemRegierungsantritt. Seine 

flndet und nie herausgegeben wurde ; derselbe ist militarische Ausbildung empfing C. unter Dio- 

11,52 m. lang, 0,44 in. hoch und in 21 Blatt ge- cletianus, der ihn bereits zum tribunus primi 

teilt. Von den Stadtebildern in den kosmographi- ordinis gemacht hatte (Lact. 18), und Galerius T 

schen Werken des 16. und 17. Jhdts. ist ein sol- an dessen Hofe er gleichsam als Geisel fiir die 

ehes (deutsch) von 1635 bei Grosvenor I 94 Trene des Vaters weilte. Er hat sich damals 

wiedergegeben, identisch damit ist die Ansicht, z. B. in den Kampfen gegen die Sarmaten per- 

welche unter M. Seutters Plan bei J. Mordt- sOnlich ausgezeichnet (Exc. Vales. 2. 3. Paneg. 

mann Taf. V (S. 73) abgedruckt ist. Interessante VTI 3). Als Severus und Maximums Daia an 
Ansichten der Serailspitze u. s. w. nach Grelot 50 Stelle des Diocletianus und Maximinianus die 

(s. o.) bei Banduri 1007ff. Die prachtigsten Herrschaft angetreten hatten. bittet Constantius 

niustrationen unter den alteren R«isewerken bieten den Galerius brienieh um Riicksendung des Sohnes, 

Choiseul-GouffierVoy.pittor.de la Grece 112 die dieser wohl oder iibel gestatten musste. Die 

(Paris 1822) und besonders Melling Voy. pittor. von Lact. 24 u. a. erzahlte Geschichte von der 

de Constantinople (Paris 1819); von neueren Wer- Unbrauchbarmachung der Staatspost fur seine 

ken Grosvenor a. a. O., meist nach Photogra- Verfolger durch C. ist nach Seeck 434 und 

phien, deren jetzt Berggreen und Sebah in Duruy 97 eine Erfiiidung des Lactanz, die die 

Konstantinopel die reichste und beste Auswahl anderen weiter ausgesponnen hatten; doch kann 

hieten. [Oberhummer.] Paneg. VII 7 stutzig machen. Den Vater trifft 
Constantino. 1) -. A-.relius Xr. 91. CO C. Lurz v u i J^r Abfihrt nach Edtam^i, lu C u - 

2) Constantin der Grosse = Imp. Caes. Fla- nonia = Boulogne (Paneg. VLI 7. Exc. Vales. 2, 

Bins Valerius Constantinus Aug. , regiert 306 4). Als dieser bald darauf in Eboracum gestorben 

— 337. Quellen: Lact. de mort. persec. 24 bis war, wird dem C. vom Heere das imperium uber- 

Schluss._ Paneg. lat. VI— X. Euseb. hist. eccl. tragen (Paneg. VI 5), fur welches ihn der Vater 

VIII— X; vita Constant, (die Urkanden fast alle nioglicherweise noch vor seinem Tode empfohlen 

gefalscht oder hOchst zweifelhaft). Exc. Vales. hatte (Lact. 24); am 25. Juli 306 (CIL 12 p. 302. 

1, 1—6, 35. Zosim. II 8—39. Aurel. Vict. Caes. Fast. Hydat. 306. 335). Wesentlich soil dabei 

40,2— 41, 17; Epit.deCaes. 39,7— 41,17. Eutrop. das an die Comitatenses verteilte Geld (Zosim. 



(Zu Artikel Constantinopolis S. 1011. 




1015 



Constantinus 



Constantinus 



1016 



II 9, 1) und der Eifcr des Alamannenfiirsten Ero- 
■cus (Epit, de Gaes. 41, 3) mitgewirkt haben. Die 
berichtete Flucht vor der Wahl zu Ross (Paneg. 
VII 8) ist hochstens ein unbedeutender Akt ge- 
heuchelter Bescheidenheit. Dass C. im iibrigen 
zum Caesar, wie die jiingeren Quellen berichten 
{Exc. Vales. 2, 4. Zosim. II 9, 1), nicht aber 
zum Augustus (Lact. 25. Paneg. VI 5) ausge- 
rufen wurde, ist wenig wahrscheinlich (absicht- 



Dor Versuch misslingt, und so flieht Maximinianus 
nach Gallien (Lact. 28. Paneg. IX 3) Mitte April 
308 (Seeck 449). C. hat dem augenscheinlich 
nun vollig machtlosen Manne natiirlich keine Hoff- 
nungen gemaeht, und so bat es dieser noch ein- 
mal mit Diocletianus und Galerius, die cben in 
Carnuntum zusammentrafen, versucht (Lact. 29. 
Epit. de Caes. 39, 6). Aber ihm bleibt nichts 
iibrig, als einfach abzudanken, und so kehrt er 



lich liigt Euseb. vita C. I 21), weun er sich an- 10 wieder zu C. zuriick, der nun den Schwiegervater 



scheinend zunachst auch personlich mit dem ge- 
ringeren Titel begnilgt hat (vgl. die Britannische 
Inschrift Dessau 682). Auf jeden fall teilte C. 
das Geschehene dem Galerius mit, und dieser er- 
kannte ihn, gewiss unwillig genug, als Caesar an 
<Lact. 24. 25. Dessau 657). Anders ordnet die 
Dinge Seeck 72 an, der aus Paneg. VII 8 auf 
swei Briefe des C. an den Galerius schliesst, 
wahrend der Eedner wohl nur den Eifer des Ga- 



als vornehmen Privatmann behandelt (Paneg. VII 
15—16). Im iibrigen verhalt sich C. zu den Be- 
schllissen von Carnuntum ahnlich wie zu Maxi- 
minianus Erhebung. Wie er damals, was ihm 
geboten, schweigend angenommen hatte, so igno- 
rierte er jetzt schweigend seine Degradation, die 
in der Ernennung des Licinius zum Augustus und 
dem ihm selbst zur Entschadigung gewahrten 
Titel films Augusti (Lact. 32. Dessau 683. 



lerius, den C. zu bestatigen, hervortrcten lassen 20 Eckhel VIII 72) fur ihn lag, ebenso das erste 

Consulat fiir 309, das ihm die Gesamtherrscher 
zuerteilten (Mommsen Herm. XXXII 542). So 
gehen die Saehen etwa ein Jahr lang welter. Da 
versucbt der alte Masiminianus, wahrend C. cinen 
Zug an den Rhein gegen die Franken unternom- 
men hat (Paneg. VII 14—16. Lact. 29), dessen 
Heer zu bestechen und aufs neue zum Purpur 
zu greifen. Schleunig kehrt C. um und verfolgt 
den Masiminianus nach Arelate und weiter nach 



TYill. 

Seine Eegierung. Die nachste Zeit wird 
■durch Grenzkampfe mit den wohl durch den Tod 
■des Vaters erregten Gerrnanen ausgefullt. Ala- 
mannen und Pranken werden unterworfen (Eutrop. 
X 3), ihre KSnige Ascarius und Bagaisus ge- 
fangen genommen und durch Tierhetze getotet 
<Paneg. VII 10—12. X 16. 18). Eine Rheinbriicke 
wird bei KOln gebaut und die Eheinflotte in gutem 



Stand erhalten (Paneg. X 13); der von Euseb. 30 Massilia. Die Stadt ergiebt sich, und der Alte 
vita C. I 25 berichtete zweite Zug nach Britan- " ' " '"''' ""^ — '"- L ■ D -- 1 - j - 

nien beruht wohl auf Venvechslung. 

Wichtiger sind die allgemeinen politischen 
Verwicklungen, die schliesslich zum Kampfe gegen 
Maxentius fiihren. C.s Ernennung hatte die eigen- 
machtige Erhebung des Maxentius, des Sohnes 
-des Maximinianus, zu Eom herbeigeflihrt. Gegen 
ihn erhebt sich die legitime Reichsgewalt in der 
Person des Severus. Indent nun der Sohn den 



wird — ohne Zweifel mit vollstem Eecht — hin- 
gerichtet (Eutrop. X 3. Epit. de Caes. 40, 7); 
vor 25. Juli 310 (Seeck 451). Paneg. VII 21 
und Lact. 30, welche den Selbstmord des alten 
Mannes berichten, geben die officielle Darstellung, 
die ebenso wie die Geschiehte von einer ersten 
Begnadigung zu verwerfen ist. C. selbst aber 
setzt an die Stelle seiner alten, durch die un- 
vermeidliche Damnation des Toten vernichteten 



Vater zur Hiilfe ruft, ergreift dieser wiederum 40 Legitimitat eine neue, die er zu seinen Quin- 



den Purpur, und beiden gelingt es , den Gegner 
■zu uberwinden und personlich gefangen zu setzen. 
Darauf sucht sich Maximinianus eine gegen Ga- 
lerius gesicherte Stellung zu verschaffen durch 
■den Anschluss an C; er vermag ihm die ihm 
noch fehlende AneTkennung als Augustus zu bieten 
<Paneg. VI 1. 5). C. nimmt diese an, und das 
Verhaltnis wird durch den Abschluss seiner Ehe 
mit Maximinianus Tochter Fausta, mit der er 



quennalien durch Eumenius in die Welt hinaus- 
rufen lasst (Paneg. VII): seine Abstammung von 
Kaiser Claudius. 

Mai 311 starb Galerius. nachdem er noch das 
umfassende Toleranzedict fiir die Christen erlassen 
hatte, und nun entstand die Combination, welche 
schliesslich zur dauernden Entscheidung fiber die 
Herrschaft fiihren sollte. Licinius und Maximinus 
Daia vermochten sich fiber die Erbschaft des 



.schon seit seiner Kindheit verlobt war (Seeck 50 Galerius dauernd nicht zu einigen. und so suchte 



431), besiegelt (Lact. 27. Paneg. VI); fiber Miinzen 
<les C. mit den KOpfen der beiden Herrscher 
Italiens vgl. Seeck Numism. Ztschr. XVII 48. 
Natiirlich behielt sich C. innerlich dabei durch- 
aus vor, in einem eventuellen Kampfe je nach 
den Umstanden Partei zu ergreifen. 307 be- 
kleidet er mit Maximinianus das Consulat, wie 
-die occidentalischeu Fasten bezeugen, wahrend 
•dasselbe allerdings im Orient nie anerkannt wor- 
sen ist (Mommsen Herm. XXXII 54lj. 

Zunachst geht nun Maximinianus nach Italien, 
und hier tritt etwas ganz Unerwartetes ein: mag 
•er wirklich von dem nach dem Sieg iiber Galerius 
vollig fibermiitigen Sohne schlecht behandelt wor- 
sen sein oder hat er etwa wieder den Anschluss 
an Galerius und damit die legitime Gewalt ge- 
sucht, kurz er versucht dem eigenen Sohn vor ver- 
sammeltem Heere den Purpur herunterzureissen. 



und fand letzterer den Anschluss an Maxentius. 
Notwendigerweise bildete sich das Gegenbiindnis 
des C. und Licinius, und ersterer verlobte diesem 
seine Schwester Constantia (Lact. 43. Zosim. II 
17, 5). Dass nun der Krieg zuerst zwischen C. 
und Maxentius ausbrach, ist der Hast des letz- 
teren zuzuschreiben. Wegen der Totung seines 
Vaters begann er Unterhandlungen und schritt 
bald dazu. C.s Statucn in Eom umsturzen zu lassen 
60 (Lact. 43. Zosim. 11 14, I). Damit war denn der 
Krieg erklart. 

C. geht mit seinem Heer , dessen damalige 
Gesamtzahl Zosim. II 15, 2 auf 90 000 Mann zu 
Puss und 8000 Eeiter angiebt (Seeck 118 folgt 
Paneg. IX 2, der das Expeditionscorps , um den 
Euhm C.s zu erhohen, sicher viel zu niedrig auf 
ein Viertel seiner Macht beziftert), iiber die Alpen 
und stfirmt Segusio (Friihjahr 312). Er schlagt 



1017 



Constantinus 



Constantinus 



1018 



ein feindliches Heer bei Augusta Taurinorum, 
wobei ihm die Cataphractenreiter viel zu schaffen 
machen, nimmt die Stadt sowie Mailand durch 
freiwillige Ubergabe, schlagt die feindliche Eeiterei 
bei Brixen (Paneg. IX 5—7. X 17, 21—26) und 
schickt sich an, den feindlichen Feldherrn Euri- 
cius in Verona zu belagern. Bei einer Ausfall- 
schlacht schlagt sich dieser mit einem Teil des 
eingeschlossenen Heeres durch und greift in der 
folgenden Nacht mit herbeigeholten Hiilfstruppen 
von aussen an , so dass C. zwischen zwei Feuer 
gerat. Doch fallt Euricius, und C. erobert die 
Stadt (Paneg. 1X8. 11. X 25—26. Exc. Vales. 
4, 12). Nun liegt, nachdem auch Aquileia und 
Modena genommen, Italien vor C. offen , und er 
kann auf Rom losmarschieren, wo allerdings noch 
die Hauptarbeit bevorstand; denn der trage und 
in Liiste versunkene Maxentius war mit dem Gros 
seines Heeres — nach Zosim. II 14 170000 Mann 
zu Fuss und 18 000 Eeitern — ruhig dort stehen 
geblieben. 

Ehe wir zur Entscheidungsschlacht kommen, 
ist auf das mystische Zeichen, das C. gefiihrt 
haben soil, das Labarum, und damit auf sein da- 
maliges Verhaltnis zum Christentum einzugehen. 
Freilich ist hier das Urteil weniger von der histo- 
rischen Detailforschung als von den allgemeinen 
Grundanschauungen abhangig. Denn ebenso wie 
vom clericalen Standpunkt aus noch heute gerade 
wie von Tillemont alles als bare Miinze ge- 
nommen werden wird, so kann man anderseits 
von Burckhardts Standpunkt aus, der in C. ,den 
genialen, durch aus irreligiosen Ehrgeizigen' sieht, 
,der das Heilige nur als Eeminiscenz oder als aber- 
glaubische Anwandlung kennt und das Christen- 
tum zu seinen rein politischen Zwecken ausnutzt', 
nur zur volligen Verdammung der Uberlieferung 
kommen. Wie einseitigBurckhardts Standpunkt 
ist und wie wenig er den im 4. Jhdt. wirksamen 
geistigen Machten gerecht wird, hat Seeck ein- 
gehend nachgewiesen (58 — 68, 127 — 129 u. s.); 
es bleibt dabei vollig die ungeheure Neigung 
jener Zeit und noch besonders der Soldaten fiir 
Aberglauben jeder Art unberiicksichtigt. Geht 
man aber von dieser aus, so wird man es mit 
Seeck begreiflich finden, dass C. , der in den 
Traditionen seines Vaters wandelnd bereits seine 
Regierung mit einem Toleranzedict fiir die Christen 
erOffnet hatte (Lact. mort. pers. 24; divin. inst. 
I 1, 13), jetzt seine vollig ungewisse Lage und 
die Beobachtung, dass alle Christenverfolger ge- 
scheitert waren , wahrend ihm sein Zug gegen 
den Verehrer der Heidengotter Maxentius bisher 
so fiber Erwarten gelungen war (fiber Bischof 
Hosius von Cordova als C.s Begleiter auf dem 
Feldzug vgl. Seeck 455) zu einem freilich seiner 
Zeit und Bildung entsprechenden Christentum, 
an dem der Landsknechtsaberglaube sein gutes 
Teil hatte, innerlich hinuberfiihrte. Ist das aber 
zugpgeben. so liesrt kein Grnnd vor. warum man 
die Erzahlung des Lactantius (44), dass der Kaiser 
infolge eines Traumes das Monogramm Christi 
auf den Schilden seiner Soldaten anbringen liess, 
verwerfen soil, um so mehr, als Andeutungen 
der Panegyristen (TX 2 — 1. X 14) und sogar die 
Inschrift des Constantiusbogens (Dessau 694 in- 
stinctu divinitatis) genau nach der gleichen Rich- 
tung weisen. Ebenso bestimmt ist allerdings die 



Geschiehte von der Himmelserscheinung und dem 
Eide C.s, die Eusebius erst in der vita C. kennt (128), 
erlogen; vgl. Crivellucci Delia fede storica di 
Eusebio, Livorno 1888. Sonst zum Vorhergehen- 
den und iiberhaupt zu C.s Verhaltnis zum Christen- 
tum: KeimDerTJbertrittC.s d.Grossenz. Christen- 
tum, Zurich 1862. Zahn C. d. Grosse und die 
Kirche, Hannover 1876. Brieger C. als Eeligions- 
politiker, Gotha 1880. S chul ze Ztschr. f. Kirchen- 

10 gesch. XIV 503. Gorres Ztschr. f. wissenschaftl. 
Theolog. XXXI 72. Zum Labarum noch Jeep 
Abh. fur Curtius 79. Eapp Bonn. Jahrb. XL 116. 
Die Schlacht selbst fand nach allgemeinem 
Zeugnis jenseits des Tiber beim Pons Mulvius^ 
(Paneg. IX 17. Lact. 44. Epit. de Caes. 40, 7. 
Dessau 686) statt, neben dem Maxentius eiligst 
eine Schiffbriicke hatte schlagen lassen (Euseb. 
vita C. I 38; hist. eccl. IX 9, 5. Zosim. II 15, 
3) ; nicht aber bei Saxa Eubra, wie M oltke (Hand- 

20 schriftl. Aufzeich. a. d. Eeisebuch 117) nach Vict.. 
Caes. 40, 23 annahm. Anderes bleibt trotz J e s s e n 
(bei Seeck 455) unklar. Jedenfalls hat C. zu- 
nachst mit der Reiterei angegriffen, und auch nur 
diese Truppe des Feindes und die Praetorianer 
haben energischen Widerstand geleistet (Zosim. 
H 16. Paneg. IX 17). Ganz verwirrt wurde die 
Fluent des Feindes durch den Einsturz der Schiif- 
briicke, bei welcher Gelegenheit Maxentius — un- 
bekannt wie — den Tod in den Wellen fand 

30 (Paneg. X 30. Exc. Vales. 4, 12. Zonar. XIII 1); 
den 28. October 312 (CIL I p. 405). 

In Eom Bteckt C. im allgemeinen die feind- 
lichen Soldaten in sein Heer (Paneg. IX 21) und 
hebt nur die Praetorianer auf (Zosim. n 17. Vict. 
Caes. 40, 25). Der Senat weint dem C. verschie- 
dene schon durch Maxentius errichtete Gebaude 
(Vict. Caes. 40, 27) — den Constantinshogen erst 
315 — und erteilt dem Kaiser, was wichtiger ist,. 
die Stelle als altester Augustus (CLL V 802L 

40 8060 a. Lact. 44) , womit das Eecht der Ge- 
setzgebung und der Consulernennung verbunden 
war (Seeck Ztschr. d. Savignystiftg. Roman. Abt. 
X 179). Der Kaiser seinerseits lasst Edicte gegen 
die Delatoren ergehen (Cod. Theod. X 10, 2). Am 
bedeutsamsten aber ist, dass er durch die Cber- 
nahme der Unterhaltung der christlichen Priester- 
schaft auf die Staatscasse und ihre Befreiung von 
den Municipallasten (Euseb. hist. eccl. X 6, 7. 
Cod. Theod. XVI 2, 1. 2, 7) das Christentum 

50 unter die anerkannten Staatsculte einreiht, nicht, 
wie man falschlich gesagt hat (vgl. Seeck 457), 
zur Staatsreligion erhebt (fiber C.s Statue mit 
dem Kreuz in Rom vgl. Schultze Ztschr. f. 
Kirchengesch. VH 343). 

Darauf eilt C. nach Mailand, um hier die Ver- 
mahlungsfeier seiner Schwester Constantia mit 
Licinius zu begehen (Zosim. II 17. Exc. Vales. 
5, 13. Epit, de Caes. 41, 4) und das Weitere zu 
verabreden. Es gelingt C, das Christentum auch 

fin im Orient ohne iede Schwieriffkeit zur tresetzlichen 
Anerkennung zu bringen (Lact. 48 = Euseb. hist, 
eccl. X 5, 3), wahrend er seinerseits den einzigen 
Leibeserben des Licinius anerkennt und wenig- 
stens thatsachlich das Recht der Gesetzgebung 
im Namen beider fiir dessen eigenen Reichsteil 
dein Licinius zjigestehen muss (Seeck Ztschr. f. 
Savignystiftg. Roman. Abt. X 179). Uber das sog. 
Edict von Mailand, das jedoch thatsachlich nie 



1019 



Constantinus 



Constantinus 



1020 



■existiert hat, vgl. Seeck Ztschr. f. Kirchengesch. 
XH 181. 457 (verteidigt von G 6 r r e s Ztschr. f. 
wissenschaftl. Theol. XXXV 282 und Crivelluci 
Stud, storic. I 239). Von Mailand begiebt sich 
•C. nach Gallien zuiiick, ran die Germanen, was 
nach der langen Abwesenheit des Kaisers nStig 
■war, wieder einmal in ihre Schranken zu weisen 
{Paneg. IX 20. 21. Zosim. II 17. Exc. Vales. 
5, 13). 



Abwehr derdurch dieNachlassigkeit desLiciniiis im 
Grenzschutz hervorgerufenen Gothen- und Sarma- 
teneinfallebeging(Zosiin.II21. Schiller 199), den 
Licinius veranlasste, ihm denKrieg zu erklaren (Exc. 
Vales. 5, 21). War doch C. mit der Ausriistung einer 
Plotte yon je 200 Schlacht- und Lastschiffen so- 
wie eines Heeres von 130 000 Mann dem Gegner 
vorausgekommen, der freilich im ganzen 350 Kriegs- 
schiffe und 165 000 Mann zusammenzuziehen ver- 



Aber der Friede zwischen C. und Licinius 10 mochte (Zosim. II 22); Friihjahr 323, vgl. Momm 



hatte, nachdem letzterer den Maximums Daia be- 
siegt und aus der Zahl der Mitregenten ausge- 
schieden hatte, keine Dauei. Der Grand zum 
Kriege lag nach der einzigen Quelle (Exc. Vales. 
5, 14—15; Zosim. II 18, 2 und Eutr. X 5 
passen eher auf den zweiten Krieg mit Licinius) 
darin, dass Licinius versuchte, den Bassianus, den 
-C. zum Caesar fiirltalien (undlllyricum?) ernennen 
wollte und deshalb bereits mit seiner Schwester 



sen Herm. XXXII 545, der Seecks Versuch, den 
Krieg ins J. 324 zu verlegen , widerlegt. Bei 
Adrianopolis, wo Licinius eine feste Stellung ein- 
genommen hatte, kam es am 3. Juli zur Schlacht 
(fast. Hydat. CIL 12 p. 268). Der hart erkampfte 
Sieg (dies und das Folgende Exc. Vales. 5, 23— 
28. Zosim. II 22 — 26) machte C. zum Herren von 
Europa bis auf das eine Byzanz, das dem Licinius 
noch schnell zu besetzen gelang. Nachdem C.s 



Anastasia vermahlt hatte , durch seinen Bruder 20 Sohn Crispus, nicht ohne den gliicklichen Zufall 



Senecio zur Revolte zu verleiten, ja, als Bassia- 
nus gescheitert war, sich sogar weigerte, den 
Senecio auszuliefern, und duldete, dass seine tTnter- 
thanen in Aemona C.s Statuen umsturzten. Wie- 
derum ergriffC. mit nur 20 000 Mann die Offensive 
und iiberraschte den Licinius, der nur ein Heer 
von 35 000 Mann zusammen hatte , bei Cibalae. 
•C. griff mit der Reiterei an (Zosim. II 18), und 
nach hartem Kampfe errang er den Sieg, den die 



eines Sturmes, der die feindliche Plotte zum Teil 
vernichtete, den Admiral des Licinius, Abantus 
oder Amandus, geschlagen hatte, konnte C. zur 
planmassigen Belagerung der Stadt schreiten. Doch 
schon vorher war Licinius nach Asien geflohen, 
hatte hier ein Heer von 130 000 Mann , unter 
denen die Gothen einen wichtigen Teil bildeten 
(Exc. Vales. 5, 27) zusammengebracht und an 
Stelle des C. seinen Magister offlciorum Martinia- 



Flucht des Licinius nach Sirmium vollendete 30 nus zum Mitaugustus ernannt (Vict. Caes. 41, 8; 



(Exc. Vales. 5, 16); 8. Oct. 314, fast. Hydat. Aber 
•es gelang dem Licinius dennoch dadurch, dass C. 
die Ftihlung mit ihm verlor (Seeck 160. 463), ein 
neues Heer zusammenzubringen, und er wagte es, 
die Absetzung C.s auszusprechen und einen neuen 
Augustus in der Person des Grenzcommandanten 
Valens zu ernennen (Cohen VII 223). Der weitere 
Verlauf des Krieges ist recht unklar. Zwischen 
Philippopolis (so bei Exc. Vales. 5, 17 fur Phi 



Epit. d. Caes. 41, 6. Cohen VII 224). Aber 
durch List gelang es C, nach Asien iiberzusetzen, 
und am 18. September (fast. Hydat.) wurde Li- 
cinius wiederum — diesmal entscheidend — bei 
Chrysopolis geschlagen. Nun fibergaben sich By- 
zanz und Chalkedon, und dem in Nikomedia be- 
lagerten Licinius blieb nur die Hoffnung auf die 
Gnade C.s, die seine Gemahlin Constantia auch 
bei dem Bruder fur ihn erwirkte. C. versicherte 



lippi zu lesen) und Adrianopolis auf dem Campus 40den Gegner durch einen Schwur seines Lebens 



Mardiensis (oder Iarbiensis Seeck464), fand eine 
zweite unentschiedene Schlacht statt, infolge deren 
die militarische mehr als die politische Lage den 
■G. bewog, sich auf Friedensverhandlungen einzu- 
lassen. Valens wurde abgesetzt und Illyricum an 
C. iibergeben, so dass dieser nun iiber drei Vier- 
teile des Eeiches gebot (Zosim. II 20, 1. Eutrop. 
X 5). In Bezug auf alles Wesentliche — Gesetz- 
gebung wie Miinzpragung (Cod. Theod. XV 14, 1. 



(Zosim. II 28, 2) und wies ihm Thessalonike als 
Wohnsitz an (Exc. Vales. 5, 28). Aber Licinius 
kniipfte noch im folgenden Jahr mit den Donau- 
barbaren wieder hochverraterische Verhandlungen 
an, und so blieb dem C., dessen Soldaten so wie so 
schon iiber die vorherige Begnadigung aufs hSchste 
erziirnt waren, nichts iibrig, als den Licinius nach 
Anrufung des Urteilsspruches des Senats hinrichten 
zu lassen (Zosim. II 2, 8. Epit. d. Caes. 41, 7. 



Seeck Ztschr. f. Numism. XVII 45. 149) — war 50Euseb. vita C. II 19. Eutrop. X 6. Zonar. XIII 1 



■das Eeich nunmehr in zwei selbstandige Teile ge 
spalten, aber die ausserliche Einheit verkiindete 
das gemeinsame Consulat der beiden fur 315. 
Am 1. Marz 317 wurden sogar C.s Sohne, Crispus 
und Constantinus, sowie der Bastard des Licinius 
gemeinsam zu Caesaren erhoben (Vict. Caes. 41, 5. 
Epit. de Caes. 41, 4. Fast. Hydat. Chron. Pasch.j. 
Gar zn lange dauerte der Friede freilich nicht. 
Fur C. kam zu den iibrigen Griinden, die einen 
Entecheidungskampf frliher oder spater notwendig 60 
machten, die Aufnahme der Christenverfolgungen 
-durch Licinius seit 321 hinzu (Euseb. hist. eccl. 
X 8, 10—19; vita C. I 52—54. Keim Protest. 
Kirchenztg. LXXV 300. Gorres Krit. Unters. z. 
Gesch. d. Licinian. Christenverfolg. , Jena 1875. 
Seeck Ztschr. f. Kirchengesch. XVII 1). Unter 
diesen Umstanden war es ihm gewiss nicht un- 
angenehm, wenn eine Grenzverletzung, die er bei 



Exc. Vales. 5, 29, vgl. Seeck 468). Zu gleicher 
Zeit wurden alle Gesetze und Regierungshand- 
lungen des ,Tyrannen' cassiert (Cod. Theod. XIV 
14, 1 — 2). Das dieser Zeit angehOrige, von Euse- 
bios (vita C. II 24—42. 48—60) iiberlieferte Edict 
an die Provincialen von Palaestina und das an 
die Volker des Orients ist genau wie oben das 
von Mailand eine Falschung (Crivellucci Delia 
fede storica di Eus., Livorno 1888). 

Am 20. Mai 325 eroffnete dann C. personlich 
zu Nicaea das berflhmte Concil, wie er schon im 
J. 316 dem Concil zu Aries beigewohnt hatte 
(Seeck Ztschr. f. Kirchengesch. X 509). Bin ver- 
anlassten dazu vor allem die zahlreichen religiusen 
Streitfragen, die mit dem Verlangen, von ihm ent- 
schieden zu werden, an ihn lierantraten, wie er 
auch hoffte, die Einheitlichkeit der Osterfeier, die 
ihm sehr am Herzen lag und die er 316 fur den 



1021 



Constantinus 



Constantinus 



1022 



Westen durchgesetzt hatte, jetzt auf das ganze 
Eeich auszudehnen. C. selbst fiihrte mit grosser 
Unparteilichkeit das Presidium, wenn auch natiir- 
lich die von ihm geausserten Ansichten von ent- 
scheidendem Einfluss gewesen sind. Bald nach 
der Feier der Vicennalien des Kaisers (25. Juli 
325) ging die Synode auseinander, wurde aber 
im J. 327 noch einmal berufen, um die das erste- 
mal gegen die Arianer gefallene Entscheidung 
zu mildern. Vor allem wird den Kaiser das in- 
zwischen iiber sein Haus hereingebrochene schwere 
Ungluck (s. u.) uber die Gottgefalligkeit der ersten 
Entscheidung zweifelhaft gemacht haben. Deflni- 
tiv aiifgelest wurde das Concil dann im November 
327 (Seeck Ztschr. f. Kirchengesch. XVII 319. 
Bernouilli Concil von Nicaea, Freib. 1896). 

Zwischen beiden Tagungen des Concils war 
der Kaiser im Westen gewesen und hatte Juli 
bis September 326 in Rom geweilt (fast. Hydat.), 
wo seine Vicennalien noch einmal mit grosser 
Pracht begangen wurden. Hier gab er den Hin- 
richtungsbefehl fur seinen Sohn Crispus, der dann 
auch zu Pola den Tod fand (Ammian. Marc. XIV 
11, 20). Die Griinde dazu haben in irgendwelchem 
Gegensatz des Sohnes der Concubine Mamertina 
(Zosim. LT 20. Epit. de Caes. 41, 4) zu Fausta 
gelegen; ja, diese war soweit die intellectuelle 
Urheberin der That, dass C, als er zu spat sich 
von der Unschuld des Sohnes vor allem durch den 
Einfluss seiner Mutter Helena iiberzeugt hatte, 
nun die Fausta selbst tsten liess (Zosim. II 29, 
1—5. Vict. Caes. 41, 5; epit, de Caes. 41, 11—12. 
Eutrop. X 6). Diese Geschehnisse, sowie die ahn- 
lichen mit Licinius und seinem Sohne haben zu 
einer erregten Debatte iiber die ,Verwandtenmorde 
C.s' gefiihrt (GOrres Ztschr. fur wissenschaftl. 
Theol. XXX 343. XXXIII 320. Seeck Ztschr. 
f. wissenschaftl. Theol. XXXin 63). Wenn es 
auch schwer ist, zu einem moralischen Urteil zu 
gelangen, so wird man Seeck doch zugeben, dass 
C. nicht der Mann ist, dem man aus reinem Sul- 
tanismus derartige Thaten zutrauen darf. 

In diese und die folgenden Jahre fallt sodann 
das welthistorische Ereignis der Neugriindung von 
Byzanz als Constantinopel und seine Erhebung 
2ur Hauptstadt (Vict. Caes. 41, 11). Der Grund 
dafiir lag ausser der Freude, die der Kaiser natur- 
gemass an einem so dauernden Denkmal seines 
Euhmes geliabt haben muss (Burckhardt 413), 
in den geographischen und militarise!] en Vorteilen, 
die die Lage der neuen Stadt hot. Zunachst soil 
der Kaiser an das alte Ilios und andere Stadte 
gedacht haben (Zosim. II 30, 2. Sozom. hist. eccl. 
II 3). Dass wirklich ein bewusster Act der Feind- 
schaft gegen Rom darin gelegen habe (Zosim. II 
29 — SO. Eutrop. X 8, 1), ist nicht unmSglich ; es 
musste die Abneigung des Christen gegen die Hoch- 
burg des Heidentums gewesen sein. Dass wenig- 
stens die christliche Gesinnung des Kaisers nicht 
unbeteiligt war, zeigt, dass er sich zur Grfindung 
der Stadt persOnlich durch einen Traum veranlasst 
fiihlte (Cod. Theod. XIII 5, 7. Sozom. LT 3). Der 
Orundstein zu der neuen Stadt wurde am 26. No- 
vember 326 gelegt und am 11. Mai 330 die Ein- 
weihung vollzogen (Fast. Hydat. Malal. XIII 322. 
Cedren. I 497). Natiirlich wurde die neue Stadt 
aufs priichtigste ausgeschmiickt und mit Privi- 
legien jeder Art bedacht ; das Ius Itaticum wurde 



ihr verliehen (Cod. Theod. XIV 13. Gothof redus 
247), die ro'mischen Senatoren auf alle Weise zur 
fjbersiedlung in die neue Stadt bestimmt (Denk- 
miinzen auf den neuen Senat K e n n e r Wien. Numis. 
Ztschr. Ill 117), und besonders die Versorgung des 
Pebels mit Getreide in analoger Weise, wie in Eom, 
eingerichtet (Cod. Theod. XIV 16. Gothofredus 
262). 

Die letzten Eegierungsjahre C.s sind, was 

10 kriegerische Ereignisse betrifft, durch Kampfe zum 
Schutze der Grenzen ausgefiillt. 332 rufen die 
Sarmaten in Kampfen gegen die Gothen den 
Kaiser zu Hiilfe, der seinen Sohn Constantinus 
schickt. Am 20. April wird ein grosser Sieg er- 
fochten und der Gothenprinz Ariarius als Geisel 
den KOmern iibergeben (Exc. Vales. 6, 31. Sozom. 
hist. eccl. 1 8. Fast. Hydat. CIL 12 p. 386). Weitere 
Unruhen folgen 334 an der Donau (Euseb. vita 
C. IV 5—7. Hieron. 2350. Job.. Antioch. 171 

20 Muller); C. soil damals 300 000 Sarmaten in Pan- 
nonien, Thrakien, Makedonien , ja Italien ange- 
siedelt haben (Exc. Vales. 6, 32—34. Eutrop. X 
7, 1. Vict. Caes. 41, 12). Von einem Briicken- 
bau iiber die Donau, der in diese Jahre gehOren 
diirfte, bericbten Vict. Caes. 41, 18 und Epit. de 
Caes. 41, 13. Wichtiger aber als diese unbe- 
deutenden Ereignisse an der Grenze und der Auf- 
stand des Aufsehers der kaiserlichen Kamelherden, 
Calocerus, auf Cypern (335), der leicht unterdrtickt 

30 wurde (Exc. Vales. 6, 35. Hieron. 2350. Vict. Caes. 
41, 10), und der den Kaiser veranlasste, aus Vor- 
sorge gegen spatere mOgliche Storungen der inne- 
ren Ruhe des Reiches, den Bastard des Licinius 
durch allgemeines Gesetz in den Sclavenstand 
zuruckstossen (Cod. Theod. IV 6, 2, 3) und nach- 
her toten zu lassen (vgl. oben die Litteratur zu 
den Verwandtenmorden), sind die Bestimmungen, 
die C. in diesen letzten Eegierungsjahren iiber 
die Thronfolge traf. 

10 C. hatte von der Fausta (vgl. die unberech- 
tigten Zweifel bei Schiller 234) drei Sohne: 
Constantinus, der seit 317 (s. o.) Caesar war, 
Constantius, der 323 oder 324 diese Wurde er 
hielt, und Constans, der 333 erhoben wurde (diese 
drei auf einer Inschrift mit dem Vater z. B. CDL 
VIII 7011). Diesen wurde als vierter Caesar im 
J. 335 C.s Brudersohn Delmatius beigefugt (Vict. 
Caes. 41, 12. 14. Fast. Hydat. Chron. Alex. Hieron.), 
der sich soeben durch die Niederwerfung des Ca- 

50 locerus verdient gemacht hatte. Weist schon diese 
Vierzahl, die gleichsam gewaltsam durch Hinzu- 
ziehung des Delmatius erreicht wurde, auf die alte 
diocletianische Verfassung hin, so zeigt sich die 
Tendenz zur Riickkehr zu derselben noch deut- 
licher in den Reichsteilen , die ein jeder erhielt 
(Zosim. II 39, 3-4. Exc. Vales. 6, 35. Euseb. 
vita C. IV 51 — 52. Eutrop. X 6, 2), sowie in der 
eigentumlichen Stellung, die dem Binder des Del- 
matius, Hanniballianus , zugewiesen wurde: C, 

60 der ihri mit seiner Schwester Constantia vermahlt 
hatte, erhob ihn zum GrosskOnig eines Kcnigreiches 
Pontus oder Armenien (Cohen VTI 211), augen- 
scheinlich doch nur, um die Zahl von vier Cae- 
saren nicht zu iiberschreiten (Vict. Caes. 41, 20. 
Exc. Vales. 6, 35. Hieron. 2351. Sozom. hist. eccl. 
II 34). Wie uberhaupt C.s ganze Eegierung die 
Neigung hat, an Diocletians Erbschaft festzu- 
halten, hat Seeck eingehend gezeigt. Hat nun 



1023 



Constantinus 



Constantinus 



1024 



der Kaiser je daian gedacht , die Vier noch bei 
seinen Lebzeiten die Eegierung antreten zu lassen, 
so wurde jedenfalls nichts mehr daraus. 

Shapur II. yon Persien forderte plotzlich die 
diocletianisohen Eroberungen zuriick, eroberte Ar- 
menien und fiel sogar in Mesopotamien ein (Nol- 
deke Gesch. d. Perser z. Z. d. Sassaniden 79). 
C. riistete und beabsichtigte , den Feldzug per- 
sOnlich zu fiihren. Da erkrankte er in der Oster- 
woche 337 und, naehdem er vergeblich die Qnellen 
von Drepanum oder, wie er es umgenannt hatte, 
Helenopolis, gebraucht hatte, begab er sich, von 
Todesgedanken erfullt, nach Ancyrona, einer Vor- 
stadt von Nikomedia in Bithynien (Vict. Caes. 41, 
15—16. Eutrop. X 8, 2. Esc. Vales. 6, 35). Hier 
starb er am letzten Tage des Pfingstfestes, naeh- 
dem er noch vorher vom Bischof Eusebius von 
Nikomedia die Taufe empfangen hatte (Euseb. 
vita C. IV 61 — 64), die er in ,naiver Schlauheit' 
bis zur Todesstunde hinausgeschoben hatte, um 
an die fur einen Herrscher gar zu strenge Moral 
des Christentums nicht mit seinem Seelenheil ge- 
bunden zu sein (Seeck 68). 

Sein Leichnam wurde naeh Constantinopel 
iiberfuhrt und im Grabmal der Apostelkirche bei- 
gesetzt (Euseb. vita C. IV 66—70). Dass er 
consecriert worden ist (vgl. Eutrop. X 8, 2), zeigen 
die Inschriften (z. B. CIL II 4742) und die Miinzen 
(Eckhel VIBE 92). Cher seine Heiligsprechung 
durch die katholische Kirche vgl. Tillemont 
Cap. 78. 

Was die inneren Verhaltnisse der Regierung 
betrifft, so ist viber die politische Stellung des 
Kaisers zum Christentum bereits oben das Meiste 
gesagt worden. In der Zeit von der Besiegung 
des Maxentius bis zu der des Licinius giebt sich 
C. im wesentlichen damit zufrieden, die Gleich- 
berechtigung des Christentums gesetzlich fest- 
zustellen und durchzufuhren, augenscheinlich, weil 
er noch nicht in der Lage war, seine Gesinnung 
gegentiber dem starken Heidentum rein zur Gel- 
tung zu bringen (Seeck 61). Neben Cod. Theod. 
XVI 2, 1, das schon erwahnt, ist hier die Be- 
freiung der Kirche von Tributum und Annona (Cod. 
Theod. XI 1, 1) im J. 313 oder 315 zu nennen. 
Weiter die an die Kirche generell erteilte Er- 
laubnis zur Annahme von Vermachtnissen (Cod. 
Th. XVI 2, 4), ein Gesetz, das einen so starken 
Zudrang zum geistlichen Stande veranlasste, dass 
dem bereits wieder gesteuert werden musste (Cod. 
Theod. XVI 2, 3). Fast hinaus tiber die blosse 
Toleranz geht schon ein Gesetz von 320 (Cod. 
Theod. VHI 16, 1), das — augenscheinlich im 
Interesse des von der Kirche bevorzugten Coeli- 
bates — die Gesetzgebung gegen die Ehelosig- 
keit ausser Thatigkeit setzte. 

Seit 324 tritt C. denn auch offen vom Heiden- 
tum zuriick, wie dies am deutlichsten das Concil 
von Nicaea und schliesslich seine Taufe zeigt. 
Nun verschwinden die Gotterbilder von den Miinzen 
der seitdem ernannten Caesaren (C. v. West- 
phalen bei Schiller 207—209. 211—212), ein 
grosser Teil der Miinzen zeigt den Kaiser deut- 
lich mit gegen den Himmel erhobenen Augen 
(Cohen VII 240. 256. 311). Den Bischcfen wird 
die Befugnis von Civilrichtern erteilt, und selbst 
die Appellation an den Kaiser ausdrucklich aus- 
geschlossen (Const. Sirmondi 1 vom J. 331). Eine 



Stadt wird einzig und allein, weil sie von Christen 
bewohnt wird, begiinstigt (CIL III 7000), und 
schliesslich werden sogar alle heidnischen Culthand- 
lungen im allgemeinen verboten (Cod. Theod. XVI 
10, 2. Euseb. laud. C. 8; vita C. II 44-45. Ill 
55 — 58. IV 23 — 25). Anscheinende Widerspruehe 
(Cod. Theod. XII 5, 2 und das Edict von His- 
pfiflnrn CIL XI 5265) linden ihre Erklarung darin, 
dass es sich um nichts als alte Namen handelt, 

10 bei denen das Wesentliche des alten Heidentums- 
bereits verschwunden ist oder ausdrucklich ver- 
boten wird (Seeck 439); vgl. Seuffert C.s Ge- 
setze und das Christentum (1891). 

Von der Staatsverfassung, die sich unter C. 
weiter ausgebildet hat, wahrend sie in ihren Grund- 
lagen schon der diocletianischen Zeit angehort, 
kann hier natiirlich nicht einmal in Kiirze ein 
Abbild gegeben werden (das reichste Material in 
Gothofredus Commentar zum Cod. Theod.; ein 

20 Abriss bei Mommsen Abr. des Rem. Staats 1893, 
347, ausfiihrlicher bei Schiller und bei Kar low a 
ECm. Rechtsgesch. I 822; die Gesetze C.s chrono- 
logisch geordnet von Seeck Ztschr. d. Savigny- 
Stiftung Koman. Abt. X Iff. 177ff.). 

Bei C. zuerst pragt sich das Wesen der neuen 
Herrscherstellung nach aussen deutlich aus, indem 
er die Bezeichnung dommus auf seine Miinzen 
setzt und auf sich selbst anwendet (Friedlander 
Ztschr. f. Numism. Ill 127). Ebenso hat er sich 

30 zuerst mit dem Diadem geschmfickt (Epit. de Caes. 
41, 14. Eckhel VIII 79. 363), wie denn all diese 
ausseren Zeichen wohl am Platze waren, da andrer- 
seits unter dem Einfiuss des Christentums die 
Mhere Titulatur zum Teil aufgegeben werden 
musste. Wie der Kaiser seinen eigenen Bang 
deutlich hervorhebt, so auch den seiner Beamten, 
die bekanntlich damals nach ganz bestimmten 
Eangclassen geordnet sind. Mit Sicherheit auf 
C. lasst sich wenigstens die Wiederberstellung 

40 des Patriciats als der hochsten Rangstufe zuriick- 
fflhren (Zosim. II 40); er durfte nur den Inhabern 
der allerhOchsten Amter auf Lebenszeit verliehen 
werden, und verschaffte denen, welche ihn erhielten, 
den Vorrang vor alien Collegen (Stiickelberg 
Der Konstant. Patriziat, Basel 1891). 

Sodann ist unter C. die schon lange ange- 
bahnte Trennung der Civil- und Militarverwaltung 
erst vollig vollzogen worden, indem durch ihn 
den Praefecti Praetorio die Beteiligung an der 

50 Kriegfuhrung geradezu verboten wurde (Zosim. II 
33. Cod. Theod. XI 1, 1). Auch ist erst in dieser 
Zeit die Zahl der Praefecti Praetorio gewiJhnlich 
vier, deren Geschaftskreis sich an die durch Dio- 
cletian geschaffene Eeichseinteilung anschliesst. 
Durch die Sorge fur die Naturalverpfiegung der 
Truppen haben sie den hochsten Einfluss auf daa 
ganze Finanzwesen nnd sind seit 331 in dein 
Masse die hochsten Justizbeamten, dass sogar die 
Appellation von ihrem Urteil an den Kaiser ver- 

60 boten ist (Cod. Theod. XI 30, 16). Unter und zum 
Teil neben ihnen stehen fur die einzelnen Dio- 
cesen die Vicarii, neben welchen wiederum unter 
C. von 317 — 326 Comites auftreten, die eine mit 
den Vicarii concurricrcnde Gewalt gehabt haben 
miissen (Gothofredus zu Cod. Theod. VI 13, 1). 
Was schliesslich die unterste Instanz, die Provincial- 
statthalter, betrifft, so hat C. die seit Gallienus 
verdrangten Senatoren — wenn auch nicht mehr 



1025 



Constantinus 



Constantinus 



1026 



ausschliesslich — zu diesem Amte zugelassen. 
Ausgenommen ist von dieser ganzen Einteilung 
einzig Rom und Constantinopel, die in jeder Be- 
ziehung unter je einem Praefectus urbi stehen, 
C. scheint die richterliehe Gewalt des rOmischen 
sogar noch auf die provincial subwrbanae, d. h. 
ziemlich ganz Mattel- und Unteritalien, ausgedehnt 
zu haben (Mommsen Rom. Feldmesser II 200). 
Im Zusammenhang mit der Umwandlung der Stel- 



Rom. Concubinat 128 — 133) und die Lage der 
Sclaven zu bessern bestrebt sind. 

Zum Sehluss muss noch auf C.s Reform des 
Miinzwesens hingewiesen werden. Die Goldpra- 
gung zu 1/72 Pfund, die noch Constantius kurz 
vor seinem Tode durch Ruckkehr zur alteren dio- 
cletianischen Wahruug vollzogen hatte (zunachst 
behielten die Munzen zu i/go daneben ihre Gel- 
tung), wurde nach dem Siege fiber Licinius auch im 



lung des Praefectus Praetorio stand dann die 10 Osten eingeftthrt, und es wird jetzt das Gold iiber- 



Schaffung eines anderen Amtes, das wahrschein 
lich auf C. zuruckzufiihren ist : des Magister Offi- 
ciorum. Er wird in den Gesetzen zuerst 320 und 
323 erwahnt (Cod. Theod. XVI 10, 1. XI 9, 1 ; vgl. 
Zosim. II 25, 4). Dim wurden die neuen Hof- 
truppen, die scholae, unterstellt (Cod. Theod. XIV 
17, 9. XII 1, 38), die C. an Stelle der von ihm 
aufgelosten Praetorianer schuf (Zosim. II 17, 4. 
Vict. Caes. 40, 25). Sie standen in Rom und 



Constantinopel, und der unmittelbare Wachtdienst 20 XVII 36. 113). 



haupt reichlicher. Ebenso wird die Silberpragung 
reformiert, und im J. 313 an Stelle des entwer- 
teten Follis der einigermassen gleichmassig ge- 
pragte Denar (1/20 nominell) gesetzt, so dass nun 
auch das Kupfer, die eigentliche Miinze fur den 
Inlandsverkehr, in Ordnung war. Freilich fand 
seit 330 infolge der Kosten, die der Bau von Con- 
stantinopel bereitete, wieder eine wesentliche Miinz- 
verschlechterung statt (Seeck Numism. Ztschr. 



im Hause des Kaisers war ihnen anvertraut. Unter 
demselben Beamten standen die gleichfalls von 
C. geschaffenen Agentes in rebus (s. d., Cod. Theod. 
Til 6, 35), die eine Art von Geheimpolizei bil- 
deten (O. Hirschfeld S.-Ber. Akad. Berl. 1896, 
421). 

Die einschneidendsten Anderungen aber erfuhr 
unter C. das Militftrwesen. Er sehuf das neue 
Amt der .Heermeister', deren es zunachst je einen 



[Benjamin.] 



3) Constantin EL, romischer Kaiser 317 — 340. 
Flavins Claudius Gonstantinus (Dessau 712. 
713. 721. 722. 724 und sonst), zweiter Sohn Constan- 
tins d. Gr., aber nicht von dessen Gattin Fausta, 
da diese sehon sieben Monate nach seiner Geburt 
mit einem andern Kinde niederkam (s. Constan- 
tius Nr. 4). Wahrscheinlich war seine Mutter 
irgend eine Arelatenserin, mit welcher der Kaiser 
ein voriibergehendes VerMltnis gehabt hatte. Denn 



fur die Infanterie und die Reiterei gab {magister 30 zu Arelate wurde er im Februar 317 in Abwesen- 



equitum, peditum). Beide Amter konnten auch 
zum magister utriusqtte militiae (Cod. Theod. 
XI 1, 1) cumuliert werden, und es kommt andrer- 
seits, wie das spater die Kegel war, vor, dass 
eine Mehrzahl von ihnen ernannt wird. Noch 
wichtiger aber ist die Erweiterung der von Dio- 
cletian geschaffenen kaiserlichen Garde zu einem 
Feldheer durch Neuschaffung der Comitatenses 
zu den von Diocletian geschaffenen Palatini ; erst 



heit seines Vaters geboren (Zosim. II 20, 2. Vict, 
epit. 41, 4), und dieser war am 6. Mai 316 in 
Vienna (Cod. Theod. II 6, 1) nnd kann von bier 
gleich darauf nach Arelate gegangen sein, wo 
er im August nachweisbar ist (Cod. Theod. XI 
30, 5. 6). Dies wurde also zu der Zeit, in wel- 
cher C. gezeugt sein muss, recht gut passen 
(Seeck Ztschr. f. Numism. XXI 33; Geschichte 
des Untergangs der antiken Welt 1 2 476). Wenige 



dadurch wurde, was bisher gefehlt, ein wirklich40 Tage alt (Zosim. II 20, 2. Vict. epit. 41, 4) wurde 



schlagfertiges Heer von ausreichendeT GrSsse ge- 
schaffen, das jeder Zeit im Stande war, dem Kaiser 
iiberall hin zu folgen. Im Zusammenhang da- 
mit stand die Degradierung der Grenzbesatzungen 
(limitanei) zu Soldaten zweiten Eanges und die 
wesentliche Verringerung ihrer Zahl (Zosim. II 
34). Die gesamte Neueinrichtung muss bereits den 
ersten Eegierungsjahren C.s angehOren (Momm- 
sen Herm. XXIV 195). 



er am 1. Marz 317 (Mommsen Chron. min. I 
232) gemeinsam mit seinem alteren Bruder Crispus 
und dem kleinen Sohne des Licinius zum Caesar 
ernannt (Anon. Val. 5, 19. Vict. Caes. 41, 6. 
Euseb. vit. Const. IV 40 ; laud. Const. 3). Vier- 
mal bekleidete er das Consulat, 320, 321, 324 
und 329, und feierte 321 seine Quinquennalien 
(Nazar. paneg. X 2), 226 die Decennalien (Seeck 
Ztschr. f. Numism. XXI 25). Bei dem ersten 



Auch die gesetzgeberische Thatigkeit, wie sie 50 dieser Feste befand er sich am Hoflager seines 



der Cod. Theod. ausweist, ist wahrend der ganzen 
Eegierung C.s eine sehr grosse gewesen. Hier soil 
nur auf zwei Gruppen von Gesetzen hingewiesen 
werden: einmal diejenigen, welche dem fiscali- 
schen Interesse dienen und die trotz alles Wohl- 
wollens der Regierung schliesslich doch — zwei- 
fellos zum Teil infolge der grossen Kosten, welche 
die Erbauung von Constantinopel machte — einen 
harten Steuerdruck hervorriefen (Zosim. II 28). 



Vaters zu Serdica (Ztschr. f. Eechtsgesch. Rom. 
Abt. X 227) ; doch erwartete man schon bei dem 
vierjahrigen Knaben, dass ihm in nicht zu langer 
Zeit ein selbstandiges Commando gewahrt werden 
wurde (Nazar. paneg. 37), und wirklich scheint 
er schon sehr bald nach dem Tode seines Bruders 
Crispus (326) diesen in Gallien ersetzt und durch 
seine Feldherrn die Alamannen geschlagen zu 
haben (Cohen Me'dailles impe'riales VLI2 377, 



Sodann auf diejenigen, welche der Besserung der 60 108). Der Titel Alamannicus ist bei ihm seit 



Eechtspflege gelten. Hier bemerkt man deutlich 
das Streben naeh Gerechtigkeit , wie denn z. B. 
gegen die geschaftsmassige Anzeige von Majestats- 
verbrechen vorgegangen wird; aber noch mehr 
tritt der Einfiuss des Christentums zu Tage in 
den ausserst zahlreichen Gesetzen, welche sich 
mit harten Strafen gegen den Ehebruch wenden, 
das Concubinat einzudammen suchen (P. Meyer 

Panly-Wiasowa IV 



331 nachweisbar (CIL HI 7000. Dessau 724), 
und da weder sein Vater noch einer seiner Bruder 
ihn mit ihm teilten, muss er auf einen Sieg zu- 
rflckgehen, der dem jungen C. als persOnliehe 
Leistung angerechnet werden konnte. Als die 
Sarmaten die Hulfe der Romer gegen die Gothen 
anriefen, wurde er an die untere Donau comman- 
diert, uberschritt sie, wahrend sein Vater zu Mar- 

33 



1027 



Constantinus 



Constantinus 



1028 



cianopolis in Reserve stand (Cod. Theod. Ill 5, 
4. 5), und selling den Feind am 20. April 332 
(Mommsen Chron. min. I 234. Hieron. chron. 
2348). Durch Hunger und Frost sollen 100 000 
Gothen umgekommen sein, weshalb sie sieh zum 
Frieden bequemten und ihr KOnig Ariarich seinen 
Sohn als Geisel gab. Da aber auch die Sarmaten 
sich treulos erwiesen, musste auch gegen diese 
Krieg gefuhrt werden. Er endete damit, dass 



als der alteste liber den fimfzehnjiihrigen Brader 
eine Art von Vormundschaft in Anspruch, erliess 
spater von Trier aus Gesetze fur dessen Reichs- 
teil (Cod. Theod. XII 1, 27) und ernannte wahr- 
scheinlich auch fur ihn die hOchsten Beamten 
(Seeck Ztschr. f. Numism. XXI 44). Daher fasst 
Zosimus (II 39, 2; vgl. Yict. epit. 41, 20) auch 
die Gebiete beider als einheitlichen Eeichsteil 
zusammen. Aber schon im folgenden Jahre schtit- 



ihre Sclaven sich gegen sie empBrten, fiber 300 000 10 telte Constans, durch seine ehrgeizige Umgebung 



Mann stark auf rOmisches Gebiet fibertraten und 
von Constantin d. Gr. in Thrakien, Skythien, Ma- 
kedonien und Italien als Colonen angesiedelt wur- 
den (Anon. Val. 6, 31. 32. Mian. or. I 9D. Euseb. 
vit. Const. I 8. IV 5. Vict. Caes. 41, 13. Eutrop. 
X 7, 1. Seeck Ztschr. f. Numism. XXI 35). 
Dies ist vielleicht auch der Anlass gewesen, eine 
feste Donaubriicke zu bauen (Yict. epit. 41, 13). 
Um diese Zeit scheint sich C. II. auch vermahlt zu 



aufgestachelt (Ammian. XXI 6, 2), die Oberherr- 
schafl des Bruders ab (s. o. S. 949). Nachdem 
so C.s Plan, drei Vierteile des Keiches teils 
unrnittelbar, teils in der Form der Vormund- 
schaft zu beherrschen, zerstort war, fuhlte er sich 
nicht mit Unrecht durch den grSsseren Eeichs- 
teil des jiingsten benachteiligt und forderte drohend 
die Abtretung von Italien und Africa (Zonar. XIII 
5 p. 11 C. Zosim. II 41 , 1. Vict. epit. 41, 21). 



haben ; jedenfalls war er es schon lange vor dem 20 Da dies verweigert wurde , fiel er Anfang 340 



J. 335 (Euseb. vit. Const. IV 49). Damals befand 
er sich wieder in Gallien, wo er in Trier residierte 
und mit dem verbannten Athanasius in Verbin- 
dung trat (Euseb. laud. Const. 3. Athan. apol. 
c. Ar. 87 = Migne G. 25, 405). 

Auch nach dem Tode seines Vaters (22. Mai 
337) behielt er den gallischen Eeichsteil, den jener 
ihm zugewiesen batte (Euseb. vit. Const. IV 51. 
Anon. Val. 6, 35), und regierte ihn einstweilen 



(Mommsen Chron. min. I 236. Socrat. DI 5. 
Hieron. chron. 2356), wahrend Constans zu Naissus 
in Dakien weilte (Zonar. a. O. Cod. Theod. X 
10, 5. XII 1, 29), unerwartet in Italien ein und 
gelangte bis in die Nahe von Aquileia. Hier traf 
er auf die Vorhut des Constans, die dieser, selbst 
mit dem Gros des Heeres folgend, vorausgeschickt 
hatte, fiel bei seinem unbesonnenen Vorstiirmen 
in einen Hinterhalt, wurde im Kampfe erschlagen 



noch als Caesar (Euseb. vit. Const. IV 68. Athan. 30 (Zonar. a. O. Eutrop. X 9, 2. Vict. Caes. 41, 22. 



a. 0.), bis er nach der Ermordung seiner Vettern, 
die ihm zu Mitregenten bestimmt waren, am 9. Sep- 
tember 337 gemeinsam mit seinen beiden Brudern 
Constantius und Constans den Augustustitel an- 
nahm (Mommsen Chron. min. I 235. Euseb. 
vit. Const. IV 68). Im Sommer 338 hatten die 
drei KaiseT eine Zusammenkunft, nach Iulian. or. 
I 19 A. 20 C in Pannonien, richtiger wohl nahe 
der pannonischen Grenze in Viminacium, wo C. II 



Zosim. II 41, 1. Iulian. or. II 94 B. Sozom. HI 2. 
Philostorg. Ill 1 = Migne G. 65, 480) und sein 
Leichnam in das Flusschen Alsa geworfen (Vict, 
epit. 41, 21. Hieron. chron. 2356). Dies geschah vor 
dem 9. April 340, da an diesem Tage Constans 
schon in Aquileia eingetroffen war (Cod. Theod. 
II 7, 3. X 15, 3). Dieser achtete das Andenken 
des Bruders als eines hostis piMicus, hob seine 
Verfiigungen auf (Cod. Theod. XI 12, 1) und liess 



am 12. Juni (Cod. Theod. X 10, 4) und Constan- 40 seine Inschriften tilgen. Doch scheint dieser Be 



tins um dieselbe Zeit nachweisbar ist (Athan. ap. 
ad Const. 5 = Migne G. 25, 601. Seeck Ztschr. 
f. Kirchengesch. XVH 44). An die Ermordung 
der Vettern hatten sich zahlreiche Hinrichtungen 
angeschlossen, und die Verfolgungen ihrer An- 
hanger scheinen auch spater noch fortgedauert 
zu haben (s. Constantius Nr. 4). Um das Pu- 
blicum zu beruhigen, wurden jetzt die anonymen 
Denuntdationen alle verbrannt und dies Offentlich 



fehl nicht mit aller Strenge ausgefuhrt zu sein, 
da die Rasur von C.s Namen auf den erhaltenen 
Steinen recht selten ist (CIL V 8030. Ephem. 
epigr. V 303). 

4) Den Namen Constantinus legte sich der 
Usurpator Flavius Popilius Nepotianus im J. 350 
bei; s. Nepotianus. 

5) Constantin HI., Usurpator im gallischen 
Eeichsteil 407 — 411. Flavius Claudius Constan- 



bekannt gemacht (Cod. Theod. IX 34, 5. X 10, 50 tinus war der voile Name, den er als Kaiser fuhrte 
~ - - " ~ (Cohen M<5dailles impenales VIII 2 198); jeden- 

falls beabsichtigte er damit, seine Herkunft an 
Constantin d. Gr. und fiber diesen hinaus an Clau- 
dius Gothicus anzuknupfen (Seeck Jahrb. f. Philol. 
1890, 634; Eh. Mus. XLIX 224). 

Als 406 die Alanen, Vandalen und Sueben in 
Gallien eingefallen waren und auch Britannien 
bedrohten, suchte das dortige Heer, von jeder 
Hfllfe aus Italien abgeschnitten, Rettung ftir die 



4). Sodann gewahrten die Brfider alien ver- 
bannten BischCfen, welcher Richtung sie auch 
angehOren mochten, die Euckkehr (Athan. hist. 
Ar. ad mon. 8 - Migne G. 25, 704). Vor allem 
aber hatte der Congress den Zweck, die Teilung 
des Reiches unter die drei Kaiser festzustellen 
(Iulian. a. O.). Constantin d. Gr. hatte jedem von 
ihnen vier Dioecesen schon bei seinen Lebzeiten 
ubergeben, C. II. Britannien, Spanien und die 



beiden Gallien, Constans Africa, Pannonien und60lnsel, indem es sich selbst einen Kaiser schuf. 



die beiden Italien, Constantius Pontus, Asia, Oriens 
und Agypten. Makedonien , Dakien und Thra- 
kien waren seinem Neffen Dalmatius zugedacht 
gewesen; da dieser jetzt ermordet war, drohte 
sein Nachlass zum Zankapfel zwischen den Brii- 
dern zu werden. Zum Schlusse einigte man sich 
dahin, ihn ungeteilt dem jttngsten und ungefahr- 
lichsten, Constans, zu ubergeben; doch nahniC.H. 



Nachdem zuerst Marcus, dann Gratianus erhoben 
und bald darauf ermordet waren, wurde 407 C. 
mit dem Purpur bekleidet. Vorher war er ge- 
meiner Soldat gewesen und verdankte seine Wahl 
angeblich nur seinem Namen (Oros. VII 40, 4. 
Sozom. IX 11), thatsachlich wohl der Behauptung, 
dass er ein Nachkomme Constantins d. Gr. sei. 
Gleich nach seiner Thronbesteigung setzte er nach 



1029 



Constantinus 



Constantinus 



1030 



Boulogne fiber; die Truppen Galliens flelen ihm 
zu, und bald beherrschte er das ganze Land bis 
zu den Alpen und Pyrenaen (Zosim. VI 2, 2ff. 
3, 1. V 27, 2. Procop. b. Vand. I 2 p. 181 A. 
Olymp. frg. 12. Oros. a. O. Sozom. a. O. Momm- 
sen Chron. min. I 465). Da sandte Stilicho den 
Gothen Sarus gegen ihn. Dieser schlug und totete 
seinen Feldherrn Iustinianus und schloss C. selbst 
in Valentia ein, wurde aber schon nach sieben- 
tagiger Belagerung zum Ruckzuge fiber die Alpen 
gezwungen. Jetzt liess C. deren Passe besetzen 
(Zosim. VI 2, 3ff.) und schlug seine Residenz in 
Arelate auf (Zosim. V 31 , 4. Sozom. IX 4). Den 
in Gallien eingefallenen Germanen brachte er 
eine schwere Niederlage bei (Zosim. VI 3, 2) und 
zwang sie zu Bundnissen, welche freilich bald 
wieder gebrochen wurden (Oros. VII 40, 4). Trotz- 
dem war er im stande, die Befestigungen der 
Eheinlinie herzustellen und wieder zu besetzen, 
damit neuen Barbarenschwarmen das Eindringen 
verwehrt werde (Zosim. VI 3, 3). 

Spanien hatte sich anfangs dem C. unter- 
worfen und die von ihm gesandten Statthalter 
zugelassen (Procop. a. O.). Da erhoben si'ch 408 
zwei Verwandte des Honorius, die Brfider Didymus 
und Verenianus, bewaffiheten ihre Sclaven und 
Colonen und besetzten mit ihnen die Passe der 
Pyrenaen (Oros. VII 40, 5. 6). C, der sich 
noch immer von Italien aus bedroht fuhlte, furch- 
tete von zwei Seiten angegriffen zu werden, und 
beschloss daher, zuerst die Gefahr in seinem 
Rilcken zu beseitigen (Zosim. VI 4, 2). Er er- 
nannte seinen alteren Sohn Constans, der vorher 
Monch gewesen war (Oros. VH 40, 7), zum Caesar 
und gab dem jungeren Iulianus den Titel nobi- 
lissimus (Olymp. frg. 12). Dann veranlasste er 
jenen als kiinftigen Thronerben zu heiraten (Greg. 
Tur. II 9) und sandte ihn mit Gerontius als Ma- 
gister militum (Zosim. VI 4, 2. 5, 2) und Apolli- 
naris, dem Grossvater des gleichnamigen Dichters, 
als Praefectus praetorio nach Spanien (s. Bd. I 
S. 2845 Nr. 8). Nach harten Kampfen, die sich 
bis nach Lusitanien ausdehnten (Sozom. IX 11. 
Zosim. VI 4, 3), wurden Didymus und Verenianus 
zur Ubergabe gezwungen. C. dem die Gefangenen 
zugeschickt wurden, liess sie Anfang 409 toten 
(Sozom. IX 12. Zosim. V 43, 2. VI 4, 4—5, 2. 
Oros. VII 40, 8. Olymp. frg. 16). 

Unterdessen hatte Honorius zur Wiedererobe- 
rung Galliens gerustet. Alarich war zu dieser 
Aufgabe bestimmt (Zosim. V 81, 5), und schon 
musterte der Kaiser in Ticinum die Truppen, 
die gegen Constantin III. geschickt werden sollten 
{Zosim. V 32, 3), als im August 408 der Auf- 
stand ausbrach, welcher den Sturz des Stilicho 
zur Folge hatte. Damit anderte sich die ganze 
Politik des italischen Hofes. Man betrachtete es 
jetzt als ihre Hauptaufgabe, alle Krafte des Keiches 
gegen die Barbaren, namentlich gegen Alarich, 
zu concentrieren (s. Bd. I S. 1289), und suchte 
daher eine Annaherung an den gallischen Usur- 
pator. Dieser bethatigte schon Ende 408 seine 
versOhnliche Gesinnung, indem er fur 409 das Con- 
sulat des Honorius neben seinem eigenen in seinem 
Machtgebiete verkundigen liess (CIG 9891); doch 
wurde diese Hftflichkeit in Italien nicht erwidert 
(De Rossi Inscr. Christ, urb. Rom. I p. XXXIX). 
Gleichwohl schickte C. Anfang 409 (Zosim. V 42, 3) 



seine Hofeunuchen zu Honorius , um die Usur- 
pation durch den Zwang des Heeres zu entschul- 
digen und Anerkennung zu erbitten. Da Alarich 
eben siegreich Italien durchzog, konnte der Kaiser 
an eine Machtentfaltung nach aussen nicht denken, 
auch hoffte er, seinen spanischen Vettern, von 
deren Tod er noch nicht unterrichtet war, durch 
Nachgiebigkeit das Leben zu retten. Er erkannte 
daher den Gegenkaiser als Mitregenten an, indem 
10 er ihm ein Purpurgewand fiberschickte (Zosim. 

V 43. Olymp. frg. 12). 

Unterdessen war Constans nach seinem Siege 
fiber Didymus und Verenianus von seinem Vater 
zu gemeinsamer Beratung nach Gallien berufen 
worden. In der Absicht, bald wieder zuruckzu- 
kehren, hatte er seine Frau und seinen Hofstaat 
in Caesaraugusta gelassen und dem Gerontius 
das Obercommando in Spanien ttbertragen (Greg. 
Tur. II 9). Die Hut der Pyrenaenpasse , die 
20bisher den spanischen Milizen obgelegen hatte, 
libergab er gegen deren Bitten den Honoriaci, 
einer barbarischen Soldnerschar, die schon im 
nachsten J. 409 (Mommsen Chron. minor. I 246. 
465) den vordringenden Germanen den Durch- 
gang offnete und so die feindliche Occupation 
Spaniens veranlasste (Oros. VII 40, 7—10. Zosim. 

VI 5, 1. Sozom. IX 12). 

C. sandte jetzt an Honorius eine zweite Ge- 
sandtschaft, durch die er sich wegen des Todes 

30 von Didymus und Verenianus zu entschuldigen 
suchte und Hfllfe gegen Alarich versprach, in der 
Hoffnung, sich auf diese Weise auch Italiens be- 
machtigen zu konnen (Zosim. VI 1). Seinen 
Sohn wollte er nach Spanien zurflckschicken und 
gab zugleich dem Gerontius, der ihm gefahr- 
lich scheinen mochte, in Iustus einen Nach- 
folger (Zosim. VI 5, 2). Hierdurch erzfirnt, liess 
jener durch das spanische Heer seine Creatur 
Maiimus zum Kaiser ausrufen (Sozom. EX 13. 

40 Olymp. frg. 16. Oros. VII 42, 4. Cohen M^dailles 
imperiales VHI2 200. Mommsen Chron. min. 
I 466. 523. 630. 656) und reizte zugleich die 
Eheingermanen zum Einfall in Gallien auf (Zosim. 
VI 5, 2). Die Nachricht gelangte zu C, noch 
ehe sein Sohn den Hof verlassen hatte, und dieser 
musste sich nun gegen die barbarischen Feinde 
in Gallien wenden (Greg. Tur. II 9). Da die 
Hauptmacht des Usurpators mit Spanien verloren 
war, gestaltete sich der Kampf sehr schwierig. 

50 Britannien , das nicht mehr verteidigt werden 
konnte, Aremorica und andere Telle Galliens 
machten sich selbstandig, erkannten gar keinen 
Herrscher mehr an und suchten auf eigene Faust 
fur ihre Sicherheit zu sorgen (Zosim. VI 5, 2. 3), 
Die Vandalen, Sueben und Alanen drangen noch 
409 bis zu den Pyrenaen vor, gewannen den 
Durchgang und fielen in Spanien ein (Mommsen 
Chron. min. I 246. 465. Sozom. IX 12). Doch 
eben dies scheint den Gerontius selbst beschaftigt 

60 und C. wieder Luft geschafft zu haben , so dass 
er schon im J. 410 wieder an die Gewinnung ron 
Spanien und selbst von Italien denken konnte. 

Am Hofe von Ravenna hatte Allobich im J. 409 
seine Gegner aus dem Wege geraumt und sich 
des beherrschenden Einflusses bemachtigt (Bd. I 
S. 1587). Dieser kniipfte mit C. an und forderte 
ihn auf, die versprochene Hfilfe gegen Alarich zu 
leisten, die ihm fur die Occupation Italiens als 



1031 



Constantinus 



Constantinus 



1032 



Vorwand dienen sollte. Der gallische Usurpator, Attila heranzog, die Mauern von Constantinopel, 
von neuen Hoffnungen geschwellt, ■ernannie daher die durch Erdbeben beschadigt waren , 447 in 
410 seinen Sohn Constans zum Augustus (Zosim. 60 Tagen her (Dessau 823. Mommsen Chron. 
VI 13, 1. Sozom, IX 11. 12. Olymp. frg. 16. min. II 82), die zweite bekleidete er 456 (Cod. 
Cohen Madailles imperiales VHP 200) und be- lust. I 4, 13. X 22, 3; vgl. I 3, 25. IV 41, 2), die 
auftragte ihn mit der Wiedereroberung Spaniens, dritte 459 (Cod. lust. VIII 53, 30; vgl. X 32, 62). 
wahrend er selbst die Alpen ilberschritt. tinge- Um 464 unternahm er eine Gesandtsehaft zum 
hindert gelangte er bis Verona und wollte schon Perserkflnig (Prise, frg. 31 — 33). 
iiber den Po gehen, um in Eavenna in schein- 7) Praefectus praetorio im Orient im J. 471. 

barer Gemeinschaft mit Honorius die Herrschaft 10 Cod. lust. I 40, 14. XII 57, 14. 
zu iibernehmen, als Allobich ermordet und damit 8) Praefectus urbis Constantinopolitanae im 

alle seine Plane vemichtet wurden. Eilig kehrte J. 483 (Cod. Inst. IV 59, 2), vielleicht identisch 
er nach Arelate zuriick, wohin um dieselbe Zeit mit dem Vorhergehenden. [Seeck.] 

auch Constans kam, der unterdessen aus Spanien 9) Praefectus praetorio in den J. 502 — 505 

vertrieben war (Sozom. IX 12. Olymp. frg. 14). nach Cod. lust. II 7, 22. Ill 13, 7. 
C. schickte jetzt Edobich, seinen Feldhemi, fiber 10) Quaestor unter Iustinian, Prok. dvexS. 21 

den Khein, um dort bei Franken undAlamannen p. 118 B. 

Hulfstruppen zu werben ; seinem Sohne iibertrug 11) Ein thrakischer Oberst, der unter Belisar 

er das Commando in Vienna und blieb selbst in diente, nach der Besetzung Roms durch die Kaiser- 
Arelate. Jetzt fiel aber auch Gerontius, den Maxi- 20 lichen Spoleto und Perugia einnahm und sich 

mus in Tarraco zuriicklassend , in Gallien ein wahrend der Belagerung Koms durch Witiges viel- 

(Sozom. IX 13). Wahrscheinlich um den germa- fach auszeichnete. Wegen einer an einem reichen 

nischen Zuzug abzuschneiden, wandte er sich zu- ROmer veriibten Erpressung zur Rede gestellt, 

erst gegen Vienna und bewirkte dort die Ermor- soil er gegen Belisar seinen Doleh geziickt haben, 

dung des Constans (Sozom. a. O. Olymp. frg. 16. wurde verhaftet und in der Haft auf Belisars 

Oros. VII 42, 4. Mommsen I 466. II 70). Dann Geheiss umgebracht. Nach der in der Geheimge- 

zog er gegen Arelate und begann die Stadt zu schichte Prokops mitgeteilten Version soil er der 

belagern. Doch wahrend dessen zog auch ein Eache der Antonina zum Opfer gefallen sein, 

Heer des Honorius, befehligt von den Magistri Prok. Goth. I 5 p. 26. I 16 p. 81. I 17 p. 84. 
militum Constantius und Ulfllas, heran, und der 30 1 19 p. 96. I 22. II 1 p. 145 B. II 8; dazu 

grOsste Teil von des Gerontius Soldaten ging zu avsxd. 1 p. 151 [Hartmann.] 

jenen iiber, so dass er selbst mit geringer Be- 12) Constantinus, armer fah render lateinischer 

gleitung nach Spanien fliehen musste (Sozom. IX Dichter, wird dem Sophisten Sopatros von Aineias 

13. Olymp. frg. 16). Jetzt nahmen die Feld- von Gaza (ep. 9) empfohlen. [W. Schmid.] 
herren des Honorius die Belagerung auf und setzten 13) C. Kephalas (iiber den Namen = o iusyah\v 

sie vier Monate lang fort, Wahrend im nfird- xs<paXr)v ejw vgl. Wolters Rh. Mus. XXXVIII 

lichen Gallien sich ein neuer Usurpator Iovinus 117), Bedactor des Hauptteiles der sog. Palatini- 

erhob (Greg. Tur. II 9), riiclrte Edobich mit den schen Anthologie, war im J. 917 ngooxonajiag xov 

angeworbenen Germanen heran, was bei den Be- aalaxiov (Wolters De epigrammatum gr. antholo- 
lagerern solchen Schrecken hervorrief, dass sie 40 giis, Halle 1882, 11). Die Anthologie wird er, bevor 

schon an den Euckzug nach Italien dachten. Doch er zu dieser hohen Stellung emporstieg, verfasst 

entschlossen sie sich, lieber dem Peinde entgegen- haben , da ihn das Lemma zu VII 429 in enger 

zugehen, iiberschritten die Ehone, und Constan- Verbindung mit Gregorios Magister, dem Sammler 

tius erwartete an einer gunstigen Stelle mit dem der inschriftlich erhaltenen Epigramme und Lehrer 

Fussvolk den Edobich, wahrend Ulfllas sich mit an der Schule der via lxxlr\ola zeigt. t)ber den 

den Reitern in einen Hinterhalt legte. Aus diesem Umfang seiner Arbeit, seine Quellen und die Art 

brach er beim Beginn der Schlacht im Eiicken der Benutzung, vgl. besonders Weisshaupl D. 

des feindlichen Heeres hervor und brachte ihm Grabgedichte der griech. Anthologie, Wien 1889 

so die vollstandigste Niederlage bei (Sozom. IX 14). und ausserdem die Bd. I S. 2384 verzeichnete 
Jetzt hielt C. weiteren Widerstand fur frucht- 50 Litteratur. Neu hinzugetreten ist P. Sakolowski 

los; er fioh in eine Kirche, legte die Insignien De anth. Pal. quaest., Leipzig 1893 (vielfach ver- 

des Kaisertums nieder und liess sich zum Pres- fehlt) und die Einleitung der Ausgabe v. Stadt- 

byteT weihen. Sein Heer Offnete gegen das Ver- m filler. 

sprechen der Straflosigkeit die Thore der Stadt. 14) C. 'PoSios, zuerst im J. 911 von Georgios 

C. und sein jungerer Sohn Iulianus wurden zu Mon. V 6 p. 798 Mur. als Notar des Samonas er- 

Honorius gescnickt, der sie aber schon unterwegs wahnt, im J. 927 nach demselben (V 10 p. 831 

tCten liess (Sozom. LX 15. Olymp. frg. 16. Oros. Mnr.) ^aadixoi xlrjQtxog (vgl. Wolters Eh. Mus. 

VII 42, 3. Mommsen Chron. min. I 630. 654. XXXVHI1 18), endlichzu der Stellung des a secretis 

II 18. 70). Sie fanden ihr Ende 30 Milien vor am Hofe des C. Porphyrogennetos emporgestiegen. 
Eavenna (Olymp. a. O.) an der Quelle des un- 60 In letzterer verfasste er eine Beschreibung der 

bekannten Flusschens Mincia (Greg. Tur. II 9. Apostelkirche zuByzanz in 981 Trimetern, welche 

Mommsen 1 300. 466). Das abgeschlagene Haupt von E. Legrand in der Kevue des Etudes gr. 1896, 

C.s wurde nach Spanien geschickt, wo es am 32ff. nach einer Hs. vom Athos recht fehlerhaft 

18. September 411 anlangte (Mommsen I 246). publiciert und von Theod. Reinach mit einem 

6) Flavins Constantinus (De Rossi Inscr. archaeologischen Commentar versehen ist (iiber an- 

christ. urb. Romae I 810), Consul 457, dreimal dere mir nicht zugangliche Ausgaben vgl. Krum- 

Praefectus praetorio und Patricias (Prise, frg. 31. bacher Gesch. d. byz. Litt. 2 723ff. undo. S. 993). 

32). In seiner ersten Praefectur stellte er, als Das Gedicht ist, wie schon andere vor ihm, auf einen 



1033 



Constantinus 



Constantinus 



1034 



Auftrag des Kaisers in hOchster Schnelligkeit hin- Basilios I. ('IaroQixri drfyrjais xov fiiov xal twv 

geworfen und scheint unvollstandig (es bricht in ng&k'emv Baadsiov xov docSifiov fiaoiMax;)^ die in 

der Beschreibung des einen Mosaiks mitten in panegyrischem Tone gehalten ist und einige Ge- 

der Rede der Maria unter dem Kreuz ab). Auch wandtheit in der Darstellung zeigt, Zuerst heraus- 

zu Anfang scheinen versehiedene Entwiirfe durch- gegeben von Leo Allatius in den Zvfi/iixxa, 

einander gemengt. Nach einem akrostichischen Colon. Agripp. 1653, lib. II p. Iff., in verbesser- 

Prooemium v. 1 — 18 beschreiben 19 — 254 zu- ter Gestalt als 5. Buch der sog. ,Fortsetzung des 

nachst die Wunder Constantinopels; die v. 255 — . Theophanes' von Fr. Combefis in den Scriptores 

422 bilden die Einleitung eines Gedichte^, welches post Theophanem, Paris 1685, p. 132ff. und von 
hiervon unabhangig sowohl die Apostelkirche, wie 10 1. Bekker im Theophanes continuatus des Bonner 

die Hagia Sophia beschreiben sollte (vgl. die Corpus script. Byzant., Bonn 1838, p. 211 — 353 

Wiederholungen v. 43 = 366, v. 45 = 367), 423 = Migne Patrol, gr. CLX 225—369. Die vier 

— 981 endlich mit neuem Titel und neuer Ein- ersten Bficher der ,Fortsetzung des Theophanes' 

leitung geben die Beschreibung der Apostelkirche, (Ol fuza Osotpavriv, Tkeophanes continuatus), die 

sicher zum Teil nach litterarischen Quellen. Die die Zeit von 813—867 behandeln, sind auf Ver- 

Darstellung ist in dem technischen Teil breit und anlassung des C. Porphyrogennetus selbst verfasst 

unklar, die Sprache geziert, aber eintOnig, das und mit derselben Tendenz gearbeitet wie das 

Ganze nur durch einige sachliche Angaben und Leben des Basilios I. (867 — 886), das als 5. Buch 

die Ubereinstimmungen mit Kedrenos, welche dem Werke angegliedert wurde; spater ist dann 
dessen Quelle erkennen lassen, interessant. Als 20 noch ein 6. Buch (iiber die Zeit von 886—961) 

Zeit der Abfassung hat Eeinach 931 — 944 be- hinzugekommen. Die Hauptquelle fur die unbe- 

stimmt. Ahnlich unbedeutend waxen die Jugend- kannten Verfasser der vier ersten Bficher^ und fur 

werke des C, von welchen in der Anth. Pal. XV C. Porphyrogennetus im Leben des Basilios bil- 

15 — 17 drei Epigramme erhalten sind. Einige deten die vier Bucher Baotluwv des Genesios, in 

iambisehe Schimpfgedichte mit unflatigen und denen dieselbe Zeit (813—886) behandelt waT. 

therichten Nachahmungen des Aristophanes bietet 2. Zwei Bucher De cerimoniis aulae Byxantinae, 

Matranga Anecd. gr. II 624—632. "Ex&eaig xfjg fiaodeiov xa^emg nach einem aus der 

15) C. Zixeloe (6 cpdoaoifog), Verfasser eines Vorrede entnommenen Titel, wahrend die tTber- 
Epigramms der Anth. Pal. XV 13 und eines schrift in der einzigen noch vorhandenen Hs. der 
anakreontischen Gedichtes bei Matranga Anecd. 80 Leipziger Stadtbibliothek (saec. XI — XII) bios 
gr. II 689. Bergk PLG III* 348. Nach dem lautet Kwaxavxlvov . . . ovvxayfid w, eine um- 
Stil des letzteren und dem Inhalt des Epigramms fangreiche und culturhistorisch sehr interessante 
ist er identisch mit dem Grammatiker C. 6 Sixe- Darstellung des Ceremonienwesens am byzantini- 
Xicoxi};, von welchem ein anakreontisches Gedicht schen Hofe. Hier und da finden sich Zusatze 
bei Matranga II 693. BergkHI* 351 verOffent- aus spaterer Zeit. In litterarhistorischer Hinsicht 
licht ist. Die Abschrift eines noch unedierten sind wichtig die den Kaisern bei verschiedenen 
dritten fand sich in dem Nachlass W. Stude- Gelegenheiten gewidmeten poetischen Acclama- 
munds (jetzt in der Breslauer Universitatsbiblio- tionen, die in dem Werke angefuhrt werden. Vgl. 
thek); iiber andere unverOffentlichte Gedichte des H. Waeschke in der Festschrift des Francis- 
C. vgl. Krumbacher Gesch. d. byz. Litt.3 439. 40ceum zur Dessauer Philologenversammlung, Zerbst 
C. gehort, in Empfindung wie Ausdruck, zu den 1884. Herausgegeben mit latein. tTbersetzung 
besten der spateren Anakreontiker. Anderen Ur- und ausfiihrlichem Commentar von F. H. Leich 
sprungs scheint daher das bei Matranga II 696. und J. J. Reiske, Lipsiae 1751 (2 voll.); daraus 
BeTgk 354 (vgl. dessen Anmerkung) abgedruckte abgedruckt im Constantinus Porphyrogennetus des 
Gedicht. Die Zeit des C. ware bestimmt, wenn Bonner Corp. script. Byz., Vol. I. n, Bonn 1829 
ihn Krumbacher mit Kecht wieder mit C, dem —1830 und bei Migne Patrol, gr. CXH 73ff. 
Schiiler Leons des Philosophen, identificierte, von 3. Zwei Bucher me' 1 fopaxmv {De praefeeturis), 
welchem Matranga H 555 einige kleine Gedichte fiber die Verteilung der einzelnen Heeresabtei- 
giebt; vgl. aber hiergegen Wolters Rh. Mus. lungen (fte/taxa) in den verschiedenen Provinzen 
XXXVIII116, welchem sich Hans sen anschliesst. 50 des Reiches, von welchen zugleich geographische 
Junger ist C, Verfasser eines Epigramms auf Jo- und statistische Nachrichten gegeben werden, die 
hannes Zonaras (Cod. Barber. I 74); vgl. Krum- sich aber gar nicht auf die Zeit des C. Porphy- 
bacher Gesch. d. byz. Litt.2 376. rogennetus, sondern auf die Zeit des Iustinian be- 

[Eeitzenstein.] Ziehen; der Verfasser hat sie namlich grSssten- 

16) Constantinus VII. PoTphyrogenne- teils aus den dem 6. Jhdt. angehorenden Werken 
tus {Kmvaxavxlvos IIoQ<pvQoyivvrjxoc:), Sohn Leos des Stephanos von Byzanz und des Hierokles ge- 
des Weisen, byzantinischer Kaiser von 912^ — 959, schOpft. Das erste Buch mit lateinischer Uber- 
hat sich als Schriftsteller auf verschiedenen Ge- setzung herausgegeben von Bonav. Vulcanius, 
bieten versucht. Ganz besonders aber hat er sich Lugd. Bat. 1588, das zweite von F. Morel, Paris 
durch seinen regen Eifer fur die Wissenschaften 60 1609; beide Bucher von J. Meursius in den 
und durch die Fursorge und FCrderung, die er Opera Constantini, Lugd. Bat. 1617; von A. Ban- 
als Herrscher ihnen angedeihen liess, einen Namen duri im Imperium Orientale T. I, Paris 1711; 
erworben. Die ihm zugeschriebenen und unter von I. Bekker im Const. Porph. des Corp. script, 
seinem Namen uberlieferten Schriften, bei denen Byz., Vol. HI, Bonn 1840, und Migne PatroL 
aber auch zweifelhaft ist, wieweit sie von ihm gr. CXTTT 63—140. Das zweite Buch mit ge- 
selbst oder nur unter seinen Auspicien von andern lehrter Einleitung herausgegeben vonL.Fr.Tafel, 
verfasst • wurden , sind die folgenden: 1. Eine Tubingae 1847. 4. Eine an seinen Sohn Roma- 
Lebensbeschreibung seines Grossvaters, des Kaisers nos gerichtete Schrift fiber die Staatsverwaltung 



1035 



Constantinus 



Constantinus 



1036 



(De administrando imperio), in der auch Nach- 
richten fiber die verschiedenen NachbarvOlker des 
Ostens , Nordens und Westens Torkommen , mit 
welchen das byzantinische Reich damals in meist 
feindlichen Beziehungen stand. Zuerst heraus- 
gegeben von J. Meursius, Lugd. Bat. 1611, 
wiederholt in den Opera Constantini, 1617; von 
A. Banduri im Imperium Orientale T. I, Paris 
1711 ; von I. Bekker im Const. Porph. des Bonner 
Corp. script. Byz., Vol. in, und Migne Patrol. 10 
gr. CXIH 157—422. _ 5. Eine Eede des C. Por- 
phyrogennetus fiber die Sen dang eines Christus- 
bildes an Augaros (Abgar), Kcnig von Edessa, 
das am 16. August 944 nach Constantinopel ge- 

bracht Wurde (Airjyrjoig jzegi zfjg szgog Avyagov 
anoozaXeiaijg a^eigoTioirjZOv ddag eixdvog Xgtatov 
zov foov fit*iv). Heransgegeben von Combefis 
in den Origines et antiquitates Constantinopol., 
Paris 1664 p. 75ff. (Migne Patrol, gr. CXIH 
423 — 454). Sie ist auch von Symeon Metaphrastes 20 
in das 10. Bnch der Legendensammlung aufge- 
nommen, Vgl. A. Ehrhard in der Festschrift 
z. 1100ja.hr. Jubilaum des deutschen Campo Santo 
in Eom 48. 6. Eine C. Porphyrogennetus bei- 
gelegte Schrift taktischen Inhalts (BifiXiov xax- 
zixov, zd^iv asQiixov xa>v xaza -ddXazzav xai yrjv 
fia%ofisvcov, abgedruckt in Meursius Opera Con- 
stantini und daraus in Meursii Opera von F. 
Lamius T. VI, Lugd. Bat. 1741) triigt im Titel 
den Vermerk Sjceg ^wsygaipe KcavazavzTvog ftaoi- 30 
Xevs 6 rov 'Pwfiavov vlog , gehBrt also seinem 
Enkel Konstantin VIII. (1025—1028); sie ist 
tibrigens im wesentlichen eine Wiederholung der 
Taktik Leos des Weisen. Nur fragmentarisch er- 
halten ist eine ebendaselbst abgedruckte und 
gleichfalls C. Porphyrogennetus beigelegte Schrift 
verwandten Inhalts JSzgartjyixov jieqi e&ciiv Sta- 
yoQwv l&vwv, uber die bei verschiedenen Volkern 
vorkommenden Kampfesarten. 

Ausser diesen von ihm selbst oder unter seiner 40 
persOnlichen Mitwirkung verfassten Schriften liess 
C. Porphyrogennetus verschiedene Sammelwerke 
herstellen in der Absicht, die sinkende Wissen- 
sehaft dadurch zu erhalten und zu fOrdern, dass 
aus den vorhandenen Werken der friiheren Zeit 
Encyklopadien des Wissenswertesten zusammen- 
gestellt werden sollten: ein zwar niitzliches und 
wohlgemeintes Bestreben, dem wir die Erhaltung 
von bedeutenden Bruchstucken zahlreicher ver- 
lorener Werke des Altertums zu verdanken haben, 50 
das aber andererseits auch Schaden verursachte, 
indem die bequeme Benutzung solcher Auszuge 
zu dem Verlust der vollstandigen "Werke mancher 
der alteren Autoren, aus denen Stucke in diese 
Sammlungen aufgenommen wurden, sicherlich viel 
beigetragen hat. Von selbstandiger wissenschaft- 
licher Arbeit ist in diesen Werken wenig zu er- 
kennen, die Auszuge wurden rein mechanisch an- 
gefertigt, teilweise wurde auf altere Sammelwerke 
zuriickgegriffen, die mit geringen Abanderungen 60 
und Zusatzen neu heransgegeben wurden. Mit 
Sicheiheit oder Wahrscheinlichkeit lassen sich 
die folgenden Sammelwerke auf die Anregung 
oder Anordnung des C. Porphyrogennetus zuruck- 
fiihren: 

1. Die Basiliken (To, BaocXtxd), das byzan- 
tinische Gesetzbuch, eine Zusammenstellung aus 
den verschiedenen Teilen des iustinianischen Cor- 



pus iuris (Digesten, Codex, Novellen) in 60 Buchern. 
Das Werk war schon unter Basilios I. begonnen 
und unter Leo dem Weisen fortgefuhrt worden; 
unter C. Porphyrogennetus wurde es vollendet und 
besonders durch Auszuge aus friiheren Bearbei- 
tungen der Digesten und Novellen erweitert. Die 
Basiliken bildeten fortan die Grundlage des Eechts- 
studiums, und wurden sp&ter vielfach bearbeitet, 
durch ZuSStze vermehrt und excerpiert. Heraus- 
gegeben von W. Ernst Heimbach, Lipsiae 1833 
—1897 (7 voll.); der 6. Band (1870) enthalt Heim- 
bachs Prolegomena und Register, der 7. Band 
(1897) Bruchstiicke aus einem ambrosianischen 
Palimpsest herausgegeben von Perrini undMer- 
cati. 

2. Die Sammlung der Geoponika (rsmno- 
vucd), ein aus Excerpten aus alteren Werken zu- 
sammengestelltes Handbuch der Landwirtschaft 
in 20 Buchern, deren jedes in eine Anzahl Capitel 
zerfallt und mit einer kurzen Vorrede versehen 
ist. In der altesten Handschrift (Laur. F saec. 
XI) und in deren Abschriften ist dem Ganzen 
ein Widmungsschreiben an C. Porphyrogennetus 
vorausgeschickt. In einem Marcianus (M saec. 
XIV) und in jungeren Hss. steht an der Spitze 
die trberschrift: 'Ag%r\ avv #£<j> tov pifSMov zmv 
negl yecogyiag ixXoycov: Kaooiavov Bdaoov o%o- 
Xaorcxov, Man hat daher gewOhnlich angenommen, 
dass Cassianus Bassus im Auftrage des Kaisers 
C. Porphyrogennetus die Sammlung redigiert hat. 
E. Oder hat indessen gezeigt, dass der Verfasser 
des Widmungsschreibens mit dem eigentlichen 
Redactor der ExXoyal jzegl yecogyiag nicht iden- 
tisch ist und dass dieser (Cassianus Bassus) einer 
viel friiheren Zeit, dem 6. Jhdt. oder Anfang des 
7., angeh6rt hat. Die uns vorliegenden Geopo- 
nika sind also nur eine unter C. Porphyrogen- 
netus veranstaltete Uberarbeitung eines alteren 
Sammelwerkes, das ein gewisser Cassianus Bassus 
verfasst hatte. Dieser war selbst im wesentlichen 
nichts als Redactor, indem er hauptsachlich zwei 
frflhere Werke liber Landwirtschaft benutzte, in 
welche bereits Auszuge aus alteren Autoren auf- 
genommen waren: die Svvaywyri yecogyixwv int- 
zqdsvfidzwv (12 Biicher) des Vindanios Anatolios 
aus Berytos (4. Jhdt.) und die rscogyixd (15 Biicher) 
eines Didymos (4. oder 5. Jhdt.), Ausgaben der 
Geoponika: von Brassicanus, Basileae 1539; 
von P. Needham, Cantabrigiae 1704; von N. 
Niclas, Lipsiae 1784 (4 voll); Kritische Aus 
gabe von H. Beckh, Lipsiae (Teubner) 1895, 
Uber Quellen, Verfasser und Uberlieferung vgl, 
W. Gem oil Berliner Studien f. class. Philol. I 
(1884) 1—280. H. Beckh De Geopon. codicibus, 
Acta semin. philol. Erlang. IV (1886) 261—346. 
E. Oder Rh. Mus. XLV (1890) 58—99. 212—222 
und XLVHI (1893) 1—40. 

3. Die Sammlung der Hippiatrika, Aus- 
zuge aus alteren Werken uber Tierarzneikunde, 
wird gewOhnlich, da sie sich mit den Geoponika 
beruhrt (das 16. Buch der Geoponika kehrt fast 
wOrtlich in den Hippiatrika wieder), ebenfalls auf 
C. Porphyrogennetus zurfickgeffihrt. Ein directes 
Zeugnis dafur ist nicht vorhanden, die Thatsache 
wird deshalb neuerdings (von Ihm und Oder) in 
Abrede gestellt. Dennoch ist es nicht unwahr- 
scheinlich, dass wenigstens diejenige Redaction, 
die in den meisten Hss. iiberliefert und bisher 



1037 



Constautinus 



Constantinus 



1038 



allein gedruckt ist, unter C. Porphyrogennetus 
entstanden ist. Die alteste Hs. , die sich jetzt 
in der Konigl. Bibliothek in Berlin befindet (Cod. 
Phillipps. 1538), gehOrt dem 10. Jhdt. an und ist 
so kostbar ausgestattet, dass sie als ein fur einen 
Kaiser bestimmtes Exemplar angesehen werden 
muss. Unter den beniltzten Autoren, aus denen 
Auszuge aufgenommen sind, kommen am meisten 
vor ein Hippokrates und ein Apsyrtos, die unter 



das, was fur jene Zeit wissenswiirdig und not- 
wendig erschien, excerpiert wurde und die so her- 
gestellten Auszuge nach sachlichen Gesichtspunk- 
ten in bestimmte Rubriken geordnet und unter 
53 Abschnitte (xsqxdaumdcov vtio&soecov fiifSkia 
vy') verteilt wurden. Das Werk sollte den In- 
begrifl" der historischen und politischen Wissen- 
schaft enthalten und die grosse Masse der alteren 
Geschichtswerke selbst ersetzen , die oft schwer 



Konstantin d. Gr. lebten, sodann ein gewisser 10 zuganglich oder zu umfangreich waren, um mit 



Hierokles, der seine zwei Bflcher negl Tnxmv 
SeQcmdaq einem Freunde Namens Bassus gewid- 
met hatte, und selbst bereits Apsyrtos benutzte, 
also spater lebte und wohl dem 5. oder 6. Jhdt. 
angeherte. Vgl. M. Ihm Rh. Mus. XLVH (1892) 
312—318. E. Oder Rh. Mus. XL VIII (1893) 33ff. 
Leop. C ohn Byz. Ztschr. IX 1900, 158ff. Ausgabe 
von S. Grynaens, Basel 1537. Eine kritische 
Ausgabe wird von E. Oder vorbereitet. Eine 



Nutzen gelesen zu werden. Bei dem ganzlichen 
Verlust mancher dieser Geschichtswerke sind die 
konstantinischen Excerpte ftlr uns von unschatz- 
barem Werte. Leider sind uns von den 53 Buchern, 
in welche die umfangreiche Sammlung zerfiel, 
nur 4 Biicher erhalten, und zwar are{>« xQeofieiaiv 
vollstandig, mgl agexfjg xai xaxtag zur Halfte, 
jregl yvco/i&v in bedeutenden Bruchstucken, nsgi 
kmflovXwv in geringeren Resten, die iibrigen sind 



vielfach abweichende Redaction enthalten der Pa- 20 verloren gegangen; aus Verweisungen in den er- 

.. „ . „ ,^.„ haltenen Abschnitten erfahren wir auch die Titel 

von anderen Buchern, so dass uns im ganzen 
26 Titel bekannt sind. Vgl. E. Schulze De 
excerptis Constantinianis quaestiones criticae, Bonn 
1866. H. Waeschke tJber die Reihenfolge der 
Excerpte Konstantins, Philol. XLI (1882) 270 
—283. C. de Boor Zu den Escerpten-Samm- 
lungen des C. Porphyrogennetus, Hermes XIX 
(1884) 123—148. C. Wachsmuth Einleitung in 



risinus 2322 und eine Hs. des Emmanuel College 
in Cambridge: vgl. E. Miller Notices et Extraits 
XXI 2 (1865) 1—163. E. Oder Rh. Mus. LI 
(1896) 52—69. 

4. Die tiergeschichtliche Sammlung 
(SvXXoyt] xijg jiegl £q5a>r larogiag zEgoajW mrjvmv 
ts xat &aXazTi(nv Koovotavzivq) zqi fieyaXq) fiaodei 
xai avzoxgdtoQi <pi.Xonovr\$fXoa), eine Compilation 
aus der von Aristophanes von Byzanz verfassten 



Epitome der aristotelischen Tiergeschichte mit 30 das Studium der alten Geschichte, Leipzig 1895, 



Zusatzen aus anderen Schriftstellera, hauptsach 
lich aus Aelian und Timotheos von Gaza, wie der 
Zusatztitel ausdriicklich besagt ('AgiOToydvovg ztov 
'AgtoTOT&Xovg nsgl £q>cov imzofiq , vxoztfttvzav 
ixdozo} £<#($ xai zebv AtXwvai xai Tifio&eco xai 
hegoig not Jtsgi avzmv clgf]fiiv(or). Von den vier 
Buchern der urspiiinglichen Sammlung sind bis- 
her nur zwei bekannt geworden: das erste Buch 
in einer von Minoides Mynas vom Athos nach 



69 — 77. Excerpiert sind von Historikern der clas- 
sischen Zeit Herodot, Thukydides und Xenophon, 
von den spateren Polybios, Diodor, Dionys von 
Halikarnass, Nikolaos von Damaskos, Josephos, 
Appian, Arrian (Anabasis), Cassius Dio, Dexippos, 
Eunapios, Zosimos, Priskos, Malchos, Petros Pa- 
trikios, Prokopios, Agathias, Menander, Theo- 
phylaktos, Malalas, Georgios Monachos, Theo- 
phanes, Ioannes Antiochenus. Der Titel des ersten 



Paris gebrachten Hs. (herausg. von Val. Rose40Buches der Sammlung war xegi ftaoiXdotv arayo 



Anecd.~Gr. et Graecolat. II, Berlin 1870), das 
zweite Buch in einer Athos-Hs.; beide Biicher 
herausgegeben von Spyr. Lambros in dem von 
der Preuss. Akademie d. W. herausgegebenen 
Supplementum Aristotelicum Vol. I pars 1, Berol, 
1885, 



5. Die Sammlung der Iatrika, ein von Theo- 
phanes Nonnos im Auftrage des Kaisers C. Por- 
phyrogennetus verfasstes Handbuch der Medicin 

(Geotpdvovg Ndwov ngog Kiovaravztvov z6v nog- 50 erst unvollstandig (nur die Excerpte aus Polybios) 
tfVQoyiwrjzov fiaoiMa cvroyig h imzofiij zrjg lazgi- herausgegeben Antwerp. 1582 ex bibliotheca Futai 



gevaeiog, der Titel jzegl ngeo-fitntiv umfasste das 
27. Buch, der Titel Jtegi dgexijg xai xaxiag das 
50. Buch. Die aus vier Buchern erhaltenen Aus- 
ziige sind die folgenden: 1. 'ExXoyai Jiegi nge- 
ofciioY (Excerpta de legationibus) bestehen aus 
zwei Teilen; der erste Teil enthalt Berichte der 
Historiker fiber Gesandtschaften fremder Volker 
an die Romer, der zweite Teil Berichte fiber Ge- 
sandtschaften der ROmer an fremde Volker. Zu- 



xfj; dndar/g z£%vris), eine hauptsachlich aus OrL 
basios geschfipfte Compilation. Herausgegeben 
von Jo. Steph. Bernard unter dem Titel Theo- 
phanis Nonni Epitome de curatione morborum, 
Gothae 1794—1795 (2 voll.). Ebenderselbe ver- 
fasste auf Anordnung des Kaisers ein Compen- 
dium der Diaetetik in zwei Buchern, das in einigen 
Hss. unter dem Titel Oeo<pdvovg xegi SiaCztjg xgog 



Ursini; erganzt von David Hoeschel, Aug. Vin- 
del. 1603 {Excerpta Eoescheliana); vollstandig 
herausgegeben von K. H. Fabrot mit den Noten 
von H. Valesius, Paris 1609, und von Nie- 
buhr im ersten Bande des Corpus script. Byz., 
Bonn 1829 (Migne PatroL gr. CXHI 605ff.). 
Vgl. H. Nissen Kritische Untersuch. fiber die 
Quellen der 4. und 5. Dekade des Livius, Berlin 



Katvozavztvov z6v fiaouea xai nog<pvgoy£vrrjzov er- 60 1863 , 313 — 323. 2. ExXoyat xtgi agtzijg xai 



halten ist; teilweise (aber anonym) herausgegeben 
von Ideler Phys. et med. .gr. min. II 257ff. Vgl. 
Leop. Cohn Byz. Ztschr. IX 1900, 154ff. 

6. Die historische Encyklopadie, das 
bedeutsamste der von C. Porphyrogennetus ange- 
ordneten wissenschaftlichen Unternehmungen. Sie 
war in der Weise angelegt, dass aus den vor- 
handenen Werken der griechischen Historiker alles 



xaxiag (Excerpta de virtutibus et vitiis , auch 
Exeerpta Peiresciana genannt nach dem ehe- 
maligen Besitzer der in Tours befindlichen Hs. 
Nic. Claude Fabre de Peiresc). Herausgegeben 
von H. Valesius, Paris 1634. Genaue Beschrei- 
bung des Codex Peirescianus von Th. Buttner- 
Wobst in den Ber. Sachs. Gesellsch. d. Wiss. 
1893, 261—353. Vgl. auch Cassius Dio ed. E. 



1039 



Constantinus 



Constantius 



1040 



Gros^vol. I (1845) 57—84. 3. ExXoyai m e l 
yvcoji&v (Exoerpta de senientiis). Aus einem va- 
ticanischen Palimpsest herausg. von A. Mai Scrip- 
tor, ret. nova collectio vol. II, Rom 1827. Die 
Excerpte aus Polybios neu herausgeg. von Th. 
Heyse, Berlin 1846. Emendationen auf Grand 
einer neu en Collation der Hs. gab H. van Her- 
werden Spicilegium Vatieanum, Lugd. Bat. 1860. 
Uber die Excerpte aus Cassius Dio und dessen 



den urspriinglichen Bestand und die hsl. Uber- 
lieferung der Sammlung und ihr Verhaltnis zu 
den alteren Heiligenlegenden) in der Festschrift 
zum elfhundertjahrigen Jubilaum des deutschen 
Campo Santo in Rom, Freiburg 1897, 46—82. 

Allgemeine Litteratur fiber C. Porphyrogen- 
netus: Alfr. Rambaud L'empire grec au dixieme 
siecle, Constantin Porphyroge"nete , Paris 1870. 
Ferd. Hirsch Konstantin VII. Porphyrogennetos, 



^.„ ooi „„ ^ lu uml umbwi rciu. nirstii jvonsiannn vii. rorpnyrogennetos, 

Kortsetzern ygl. U. Ph. Boissevain De exeer- 10 Progr. der Kfinigstadtischen Realschule, Berlin 
ptis Planudeis et Constantinianis. Procr. Rotter- 1S7S IT !TriiTnli»/.i 10 »(i<i^v.i»u„ j„,t>„ j.:_ 



ptis Planudeis et Constantinianis, Progr. Rotter 
dam 1884. C. de Boor ROmische Kaisergeschichte 
in byzantinischer Fassung, Byzant. Ztschr. I (1892) 
13 — 33. 4. TLxXoryal tieqi imfjovXwv xara (laoi- 
Xscov yeyowubv (Exeerpta de insidiis), in einer 
Escurial-Hs. gefunden und herausgegeben von C. 
Aug. L. Feder, Darmstadt 1848—1855 (3 voll.). 
Sehr zweifelhaft 1st, ob die Excerpte nepi orga- 
vriyrnidrmv und ueqI drjfitjyoQicov mit der konstan- 
tinischen Sammlung etwas zu thun haben. Die 20 z. J. 6024)! 
Auszuge zzeQi axQartjytjfidtcov finden sich in einer 
von Minoides Mynas nach Paris gebrachten Athos- 
Hs. und sind herausgegeben von C. Wescher 
Poliorce'tique des Grecs, Paris 1867 p. 195—279 
Vgl. C. M tiller FHG II 31—42. V Proleg. VHff. 
21ff. Die_ Auszuge xsgl 8rifitjyoQiS>v, eine Samm- 
lung militarischer Ansprachen, sind aus einer 
Florentiner Hs. saec. X herausgegeben von A 
Koechly Anonymi Byzantini rhetorica militaris 



1873. K. KrumbacherGeschichte der Byzantin. 
Litteratur 2 252—264. [Cohn.] 

Constantiolns. 1) Sohn des Florentius, Dux 
von Moesien, wird von den Hunnen gefangen und 
von Kaiser Iustinian ausgelost, Malal. p. 438 B. 
(bei Theophan. z. J. 6081 heisst derselbe Con- 
stantinus). 

2) Unterstiitzt Kaiser Iustinian beim Nika- 
aufstande (Chron. Pasch. p. 621 B. Theophan. 

J. 6024). [Hartmann.] 

Constantius. 1) Constantius I., rOmischer 
Kaiser 293—306. Er filhrte nach seiner Thron- 
besteigung die Namen Elavius Valerius G071- 
stow^ws (Dessau 630. 637. 639. 640—643. 648 
— 652 und sonst; der Name Gains Fabius Con- 
stantius bei Dessau 650a beruht wohl nur auf 
Unkunde derjenigen, welche den Stein gesetzt 
haben), doch hat er das zweite Gentilicium jeden- 
falls erst von dem Stifter der Dynastie C. Valerius 



p W. . T , J »le nop?, tv t """"»"». laiis cist vuu uem omiei aer uynastie U. Valerius 

rrogr. Auricn 1855—1856. Die Vermutung von 30 Diocletianus angenommen. Als Adoptivsohn Maxi 



Reiske, dass Teile des ersten Abschnittes usqi 
(SaotMcov dvayoQcvaeoic in den Cap. 91 — 96 des 
ersten Buches der Schrift Be cerimoniis aulae 
Byxantinae erhalten seien, ist widerlegt von H. 
Waeschke trber das von Reiske vermutete Frag- 
ment der Excerpte Konstantins jicqi avayoQevoewg, 
Progr. Dessau 1878. 

Zu den hsl. erhaltenen Ausziigen lassen sich 
weitere Bruchstiicke der historischen Excerpten- 
saramlung aus anderen Quellen gewinnen, nament- 40 
lich aus dem Lexikon des Suidas, der nachweis- 
lich mehrere Abteilungen der konstantinischen 
Sammlung (wie jicqI dgsrrfc xal xaxlae und hcqI 
exxXtjoiaoTixaiv) beniitzt und wohl den grOssten 
Teil seiner historischen Artikel aus ihnen ge- 
sehopft hat. Vgl. C. de Boor Hermes XX (1885) 
327ff. XXI (1886) 1—26. Vielleicht hangen auch 
mit der konstantinischen Sammlung die ander- 
wertig erhaltenen Auszuge aus Polybios und Dio- 



p ------ — ~..„ & ~ „^ ^ v „, us3 „, lu wiu- uuuis au suiuer iiiegiuuien Aosiammung Anstoss 

dor ugendwie zusammen (Polybios-Excerpte aus50nahm, zum Neffen (Anon. Vales. 1, 1) Tochter- 
einem Con. Tirhinas orl TTurvonsn TUc^i Kjn. „„i m.i t-c- An n -,r» T V.' „.„~ 



rnians, der sich der Abkunft von Hercules rtthmte, 
wird er auch Herculius genannt (Dessau 634. 
Cohen Mddailles impenales VDZ" 88, 306; vgl. 
Eumen. paneg. VI 2). Mitunter legt man ihm 
den Vornamen des Diocletian, Gains Pessau 
649. 650 a), mitunter den des Maximian, Marcus, 
bei (Dessau 637). Der Beiname Ghlorus ist 
nicht zeitgen&ssisch, sondern kommt erst bei spaten 
Byzantinern vor. 

Spater behauptete man, er stamme von dem 
Kaiser Claudius Gothicus ab (Eumen. paneg. Vni 
2. 4. Euseb. hist. eccl. X 8, 4. Vit. Const. I 50. 
Mian. or. I 6 D. II 51 C ; Caes. 313 D. Hist. 
Aug. Elag. 2, 4. 35, 2; Gall. 7, 1. 14, 3; Tyrann. 
31, 6; Claud. Iff.; Aurel. 44, 4), und machte ihn 
anfangs zu dessen natiirlichem Sohne (Eumen. 
paneg. VII 2. Dessau 699. 702. 725. 730. 732), 
dann, als man unter dem Einfluss des Christen- 
tums an seiner illegitimen Abstammung Anstoss 



einem Cod. Urbinas ed. Hervagen, Basel 1549; 
Diodor-Excerpte aus einem Laurentianus ed. D. 
Hoeschel im Anhang seiner Ausgabe der Ex- 
eerpta de legationibus). Der Gegenstand bedarf 
noch genauerer Untersuchung. Eine neue Ge- 
samtausgabe aller Auszuge ist sehr nOtig. 

In gleicher Weise wie die genannten Sammel- 
werke mOgen auch noch andere wissenschaftliche 
Untemehmungen jener Zeit der Anregnng des 



sohn (Eutrop. IX 22. Zonar. XII 31 p. 640 D. 
Dessau 723) oder Grossneffen (Hist. Aug. Claud. 
13, 2). Doch ist dieseFabel erst nach seinem Tode 
im J. 310 aufgetaucht (Dessau Herm. XXIV 342. 
See!ck Jahrb. f. Philol. 1890, 623; Geschichte 
des Untergangs der antiken Welt 12 109). Wenn 
man ihm eine beliebige Herkunft erfinden konnte, 
so ist dies wohl das sicherste Zeichen, dass seine 
Eltern so gut wie unbekannt, er also ganz niedri- 



v ■ „ t? * "" ~v *"—6""6 "<-° iiiicin w gu» wjc uuuBKanoi, er aiso ganz mean- 

Kaisers t. Porphyrogennetus ihr Entstehen zu 60 gen Standes war. Sein Heimatland soil Illvri- 



verdanken haben." So die von Symeon Meta- 
phrastes (Logothetes) verfasste grosse Sammlung 
von Heiligenleben , die nach einer Angabe des 
Michael Psellos in dem Enkomion auf Symeon 
,auf Befehl des Kaisers' unternommen wurde, wo- 
mit wahrscheinlich C. Porphyrogennetus gemeint 
ist. Vgl. A. Ehrhard in Krumbachers Ge- 
schichte der Byzant. Litteratur^ 200ff. und (Obex 



cum gewesen sein (Vict. Caes. 89, 26). Auch 
sein Cursus honornm bei Anon. Vales. 1, 1 (pro- 
tector primum, exin tribunw, posted praeses 
Dalmatiarum fuit) ist zweifelhaft, weil gerade 
das hochste Amt, die Praefectura Praetorio , die 
er nachweislich bekleidet hat , darin fehlt. Als 
sein Geburtstag scheint der 81. Marz gegolten 
zu haben (CIL 12 p. 301), doch das Geburtsjahr ist 



1041 



Constantius 



Constantius 



1042 



unbekannt. Die erste sichere Thatsache aus seinem 
Leben ist, dass er die Gastwirlin Flavia Helena 
(Ambros. de obit. Theod. 42 = Migne L. 16, 1399. 
Anon. Vales. 2, 2. Zosim. m 8, 2. 9, 2) zu wilder 
Ehe mit sich nahm (Zosim. n 8, 2. 9, 1. Zonar. 
XIII 1 p. 1 A. Hieron. chron. 2322) und sie ihm 
zu Naissus (Firm. Mat. math. 1 10, 16. Anon. Vales. 
2, 2. Steph. Byz. s. Niuoods) am 27. Februar 
(CIL 12 p. 302), wahrscheinlich im J. 288 (Seeck 
Geschichte des Untergangs der antiken Welt I 2 10 
435), einen Sohn Constantin gebaT. Denn wenn 
andete Quellen sie seine Gattin nennen , so ist 
dies nur Schmeiehelei gegen die Mutter des spa- 
teren Kaisers (CIL X 517. 1483. Dessau 708. 
Anon. Vales. 1, 1. Eutrop. X 2, 2. Vict. Caes. 
39, 25; epit. 39, 2. Zonar. XII 31. 33. XDH 1 
p. 640 D. 644 D. 1 A). 

Wenig spater verschaffte er dem Redner Eume- 
nius die Erlaubnis, seine erste Rede vor Maxi- 
mian zu halten (paneg. V 1 cum favente numine 20 
tuo ipse Me iam pndem mihi, qui me in lucent 
primus eduxit, divinarum patris tui aurium 
aditus evenerit), die am 21. April 289 vorge- 
tragen wurde fSeeck Jahrb. f. Philol. 1888, 716). 
Damals muss C. also schon eine ansehnliche Stel- 
lung am Kaiserhofe eingenommen haben. Es ist 
daher wohl mehr als Vermutung, dass er einer 
jener Praefecti Praetorio war, deren Eumenius 
zum Dank fur jene Fursprache in eben jener Rede 
erwahnt (paneg. II 11). Diese hatten kurz vor- 30 
her einen Sieg iiber die Franken erfochten und 
waren mit Maximian verschwagert. Die Ver- 
heiratung mit dessen Stieftochter Flavia Maxi- 
roiana Theodora (Cohen MMailles imperiales 
VLT 2 98) fand also nicht erst bei der Erhebung 
des C. zum Caesar statt, sondern spatestens An- 
fang 289 (Eumen. paneg. VI 7. 14. Anon. Vales. 
1, 1. Eutrop. IX 22. Vict. Caes. 39, 24; epit. 
39, 2. Zonar. XII 31. XIII 1 p. 640 D. 1 A). 
Sie gebar ihm sechs Kinder (Eutrop. a. O.), die 40 
Sohne Dalmatius, Iulius Constantius und Hanni- 
balianus und die Tochter Flavia Iulia Constantia, 
Anastasia und Eutropia, fiber die unter ihren 
Namen zu handeln sein wird. Der Name der 
Eutropia ist der Mutter der Theodora entnommen; 
Hannibalianus lasst vermuten, dass ihr leiblicher 
Vater Afranius Hannibalianus Consul 292 war; 
der Name Anastasia ist von der Auferstehung 
hergeleitet und kommt nur bei Christen vor. Er 
bestatigt also die Angabe Constantins d. Gr. 50 
(Euseb. vit. Const. H 49), dass C. dem christ- 
lichen Glauben anhing, wenn er sich auch Offent- 
lich jedenfalls zu der herrschenden Religion be- 
kannte (Seeck Ztschr. f. Kirchengesch. XVIII 
334). 

Am 1. Marz 293, wahrscheinlich zu Mailand, 
wurde C. von Maximian adoptiert und mit dem 
Purpur des Caesars bekleidet (Seeck Geschichte 
des Untergangs der antiken Welt 12 453). Das 
Consulat erhielt er 294. 296. 300. 302. 305 und 306. 60 
Als Wirkungskreis war ihm der gallische Reichsteil 
bestimmt (lulian. or. n 51 D), namentlich harrte 
seiner die Aufgabe, Britannien und einige Teile 
der westlichen Kuste Galliens, die unter Carausius 
abgefallen waren, fur Diocletian und Maximian 
wieder zu gewinnen. Dies wurde ihm dadurch 
erleichtert, dass um dieselbe Zeit der tuchtige 
Carausius ermordet wurde und Allectus an seine 



Stelle trat (s. Bd. I S. 1584). Gleich nach 
seiner Thronbesteigung ging C. nach Gallien und 
riickte vor Boulogne, um diese Hafenstadt, die 
damals den wichtigsten tTbergangspunkt nach 
Britannien bildete, dem Usurpator zu entreissen. 
Indem er dessen Flotte durch ins Meer gebaute 
Damme am Einlaufen hinderte, gelang ihm die 
Eroberung. _ Den Angriff auf die Insel musste er 
noch aufschieben, bis er selbst sich eine Flotte 
geschaffen hatte (Eumen. paneg. V 6. 7. VET 5). 
Unterdessen machte ef einen Feldzng gegen die 
Franken im Miindungsgebiete des Rheins und 
siedelte grosse Scharen von ihnen als Colonen 
auf den wfistliegenden Ackern Galliens an (a. O. 
V 7—9. 21. VII 5). Erst 296 war seine Rustung 
vollendet und konnte der Cbergang nach Britan- 
nien erfolgen (Eutrop. IX 22, 2). Wahrend Maxi- 
mian an den Rhein ging, um die Germanen zu 
beobachten (Eumen. paneg. V 13), stach C. mit 
zwei Flotten in See, die eine unter seiner eigenen 
Fiihrung von Boulogne aus, die andere unter 
seinem Praefecten Asclepiodotus aus der Seine- 
miindung. Dieaer gelang es, unter dem Schutze 
eines dichten Nebels an der Insel Wight, wo die 
feindliche Flotte sie erwartete, unbemerkt voruber- 
zukommen und die Landung zu bewirken, Aber 
derselbe Nebel ftthrte auch C. von seinem Wege 
ab, so dass er in Britannien erst anlangte, als 
Allectus schon von Asclepiodotus geschlagen und 
im Kampfe gefallen war. Doch eine Abteilung 
seines Heeres machte in London, wohin sie ver- 
schlagen war, noch eine Frankenschar nieder, die 
sich aus der Schlacht gerettet und die Stadt ge- 
plundert hatte (Eumen. paneg. V 13—20. VII 5. 
IX 25. Vict. Caes. 39, 42. Eutrop. a. O. Zonar. 
XII 31 p. 641 A). Aus Britannien wurden zahl- 
reiche Handwerker nach Gallien hiniibergefuhrt, 
um dort die halbverfallenen Stadte wieder herzu- 
stellen (Eumen. paneg. V 21). 

Im Somraer 297 gingC. nach Italien, um die Herr- 
schaft uber das Land zuilbernehmen, wahrend Maxi- 
mian in Africa die Mauren bekampfte. Doch kehrte 
er gleich darauf nach Gallien zuruck, wo ihm zum 
Empfang Eumenius den fiinften Panegyxikus hielt 
(paneg. IV 14. Seeck Jahrb. f. Phil. 1888, 723). 

Zeitlos sind von ihm noch folgende Kriegs- 
thaten uberliefert : ein zweiter Feldzug gegen die 
Franken, bei dem er tief in ihr Gebiet eindrang 
und wieder zahlreiche Colonen nach Gallien ver- 
pflanzte; ein Sieg iiber die Alamannen, der mit 
einer Niederlage begann; denn unerwartet hatten 
sie den Kaiser im Gebiete der Lingones uberfallen 
und mit seiner geringen Macht in die Fluent ge- 
schlagen. Er konnte sich, selbst verwundet, nui 
dadurch in die Stadt retten, dass er an Stricken 
fiber ihre Mauern gezogen wurde, da der Andrang 
der Feinde ein Offnen des Thores nicht gestattete. 
Aber schon nach funf Stunden ruckte ein starker 
Entsatz heran, mit dem die Feinde besiegt und 
60 000 von ihnen erschlagen wurden. Ferner 
wird berichtet von einem andern Germanensiege 
bei Vindonissa ; von der Gefangennahme eines ger- 
manischen Wanderzuges, der uber den gefrorenen 
Rhein auf eine Flussinsel gelangt war und dann 
durch den Eisgang von beiden Ufern abgeschnit- 
ten wurde (Eumen. paneg. VH 6. Eutrop. LX 23). 
Jedenfalls miissen alle diese Kampfe in die J. 298 
—305 fallen. 



1043 



Constantius 



Constantius 



1044 



Als 303 die Christenverfolgung begann, . liess 
C. zwar auch in seinem Reichsteil die Kirehen 
niederreissen, aber keine Todesurteile gegen die 
Glaubigen vollstrecken (Lact. de mort. pers. 15, 7; 
anders Euseb. hist. eccl. VIII 13, 13; append. 4; 
vit. Const. I 13). So blieb Gallien wenigstens 
von den argsten Harten der Verfolgung verschont 
(Optat. I 22). 

Als Diocletian und Maximian am 1. Mai 305 



gewesen zu sein; auch wird er, wo die Sonne 
C.s I. und der Theodora aufgezahlt werden, regel- 
rnassig an zweiter oder dritter Stelle genannt 
(Joh. Monach. pass. S. Artemii 7 = Mai Spicile- 
gium Romanum IV 345. Zonar. XII 33 p. 644 D. 
Chron. Pasch. a. 304 p. 277 D). Durch die 
Eanke seiner Stiefmutter Helena wurde er an- 
fangs dem Hofe seines kaiserlichen Bruders fern- 
gehalten (Liban. or. I 434). Er musste mit seinen 



abdankten (Seeck Ztschr. f. Numismatik XII 125 ; lOleiblichen Briidern in dem abgelegenen Tolosa 



Geschichte des Untergangs der antiken Welt I 2 
39. 462), wurde C. Augustus und erhielt die erste 
Stelle im Kaisercollegium (Lact. de mort. pers. 
20, 1), wie er vorher unter den Caesaren der altere 
gewesen war. Doch waren die neuen Caesaren 
Creaturen des Galeriua (Lact. de mort. pers. 18, 8. 
Anon. Vales. 4, 9, wo Constantio fur Constantino 
zu schreiben ist), und dieser behauptete daher die 
entscheidende Macht. Auch der junge Sohn des 



wohnen, wo er mit den Heeren in keine Beriih- 
rung kam (Auson. profess. Burd. 17, 11); um 325 
hielt er sich eine Zeit lang auf einem Landgut 
in Etrurien (Ammian. XIV 11, 27), dann in Ko- 
rinth auf, um von dort nach diesen langen Irr- 
fahrten endlich nach Constantinopel berufen zu 
werden (Liban. or. I 434), wo er mit Constantin 
d. Gr. in bester Eintracht lebte (Liban. or. I 524) 
und von ihm zu den hOchsten Warden des Patri- 



C. Constantin befand sich an seinem Hofe und 20 ciats und des Consulats erhoben wurde. Dass er 



konnte ihm fur das Wohlverhalten des Vaters 
als Geisel dienen (Lact. de mort. pers. 24, 3. Viet. 
Caes. 40, 2; epit. 41, 2. Anon. Vales. 2, 2. Zonar. 
Xn 33 p. 645 A. Zosim. II 8, 3. Euseb. vit. 
Const. I 19). Doch berief ihn C. noch kurz vor 
seinem Tode zu sich. Mit ihm ging er nach 
Britannien hiniiber, wo er noch einen Sieg iiber 
die Picten und Scoten gewann, von dem er den 
Titel imperator II annahm (Dessau 651), und 



aber auch die Caesarenwurde erhielt, scheint nicht 
richtig zu sein (Zosim. LT 39, 2. Joh. Monach. 
pass. S. Artemii 7 = M ai Spicilegium Eomanum 
IV 345). Uberhaupt hat ihn Constantin im Gegen - 
satz zu seinem andern Bruder Dalmatius wenig 
zu politischer Thatigkeit herangezogen, was man 
spater daraus erklarte, dass er durch einen grau- 
samen Eat dem Kaiser Anstoss gegeben habe 
(Liban. or. I 634). In erster Ehe war er ver- 



dann, nachdem er schon lange vorher gekrankelt 30 mahlt mit Galla, der Schwester des Vulcatius 



hatte (Lact. de mort. pers. 20, 1), in Eburacum 
kurz vor dem 25. Juli 306 starb (Eumen. paneg. 
VII 7. Anon. Vales. 2, 4. Eutrop. X 1, 3. 2, 2. 
Vict. Caes. 40, 4. Zonar. XII 33 p. 644 D. Euseb. 
hist. eccl. VIII 13, 12 ; iiber das Datum s. Momm- 
sen Chron. min. I 231; CIL 12 p. 302). Seine 
Leiche scheint nach Gallien gebracht und dort, 
wahrscheinlich in Trier, begraben zu sein (Lilian, 
epist. ad Athen. 287 A), liber seine angebliche 
Grabschrift s. Constantius Nr. 13. 

Seine Milde und Scheu, die Unterthanen durch 
ubermassige Steuern zu driicken, wurden hoch 
geruhmt und gaben schon bald nach seinem Tode 
Anlass zur Erfindung hOchst wunderlicher Anek- 
doten (Euseb. vit. Const. 1 13ff. Liban. epit. Iul. 
I 524; de Const, et Const. Ill 277. Eutrop. X 
1,2). 

2) Consul 327. Wohl derselbe, der 314 als 
Unterhandler von Constantin d. Gr. an Licinius 



Rufimis und des Naeratius Cerealis, die ihm zwei 
Sehne gebar, von denen der jungere der spatere 
Caesar Gallus war (Ammian. XIV 11, 27. Mian, 
epist. ad Athen. 270 D. Philost. Ill 25 = Migne 
G. 65, 512. Liban. or. I 527. 530), und eine 
Tochter, die im J. 335 seinem Neffen Constan- 
tius II. angetraut wurde (Euseb. vit. Const. IV 49. 
Iulian. epist. ad Athen. 272 D. Athan. hist. Ar. 
ad mon. 69 = Migne G. 25, 776). In Constanti- 
40 nopel verheiratete er sich zum zweitenmal mit Ba- 
silina, der Tochter des Caeionius Iulianus Carne- 
nius Praefectus praetorio und Consuln 325 , von 
der sein dritter Sohn, der spatere Kaiser Iulianus, 
abstammte (s. Bd. Ill S. 98). Der Militarauf- 
stand nach dem Tode Constantins d. Gr. (337) 
brachte ihm und seinem altesten Sohne den Tod 
(Iulian. epist. ad Athen. 270 C. D. 281 B. Liban. 
or. I 524. 532. Zosim. II 40, 2. Ammian. XXI 16, 8. 
Athanas. hist. Ar. ad mon. 69. Greg. Naz. or. 



abgesandt wurde (Anon. Vales. 5, 14). Im J. 315 50 21, 26 = Migne G. 25, 776. 35, 1112). Das Mar- 



erscheint er als Provincialbeamter, der Sardinien 
unter sich hat, da ein an ihn gerichtetes Gesetz 
in Caralis publiciert wird (Cod. Theod. VIII 5, 1). 
Doch dass er damals schon Praefectus Praetorio 
war, wie eine andere Adresse ihn nennt, ist un- 
wahrscheinlich (Cod. Theod. VIII 4, 1 ; vgl. Ztschr. 
f. Bechtsgesch. Rom. Abt, X 213). Dagegen be- 
kleidete er wirklich dies Amt, und zwar im Orient 
(Cod. Theod. I 5, 1, das in Antiochia publiciert. 



chen war verbreitet, er und sein Bruder Dalmatius 
hatten den Kaiser vergiftet (Philost. II 4. 16 = 
Migne G. 65, 468. 477. Zonar. XIII 4 p. 10 C. 
Joh. Monach. pass. S. Artem. 7. 45). Sein Ver- 
mogen wurde von Constantius LT. confisciert (Iulian. 
epist. ad Athen. 273 B). 

4) Constantius II., rOmischer Kaiser 324—361. 
Flavins IuUns Constantius (Dessau 705. 724. 
730. 731—734. 737. 739 u. sonst), dritter Sohn 



nicht gegeben ist), in den J. 324—327 (Cod. 60 Constantins d. Gr., geboren von seiner GattinFla via 



Theod. II 24, 2. XII 1, 11. XV 14, 1. Cod. lust. 
XI 68, 1). 

3) lulius Constantius, Consul 335 und Patri- 
cius, Halbbruder Constantins d. Gr. (Athan. apol. 
c. Ar. 75 = Migne G. 25, 385. Lars ow Die Fest- 
briefe des heiligen Athanasius 95). Da er erst 
zwei Jahre nach seinem Bruder Dalmatius das 
Consulat bekleidete, scheint er jiinger als dieser 



Maxima Fausta, der Tochter Maximians (Dessau 
730. Iulian. or. I 9 B. II 51 C. Athan. hist. Ar. ad 
mon. 44. 64; de synod. 18 = Migne G. 25. 744. 769. 
26, 713), am 7. August (CIL l* p. 302) des J. 317. 
Denn bei seinem Tode (3. November 361) stand 
er im 45. Lebensjahre (Eutrop. X 15, 2; dies 
hat Socrat. II 47 dahin entstellt, dass er 45 Jahre 
alt geworden sei, wie umgekehrt Vict. epit. 42, 



1045 



Constantius 



Constantius 



1046 



17 ihn im 44. Lebensjahre sterben lasst, weil er 
in seiner Quelle gefunden hatte, er sei 44 Jahre 
alt geworden). Sein Geburtsort lag in Illyricum 
(Iulian. or. I 5 D); wahrscheinlich war es Sir- 
mium, wo Constantin d. Gr. sich um jene Zeit 
aufhielt (Seeck Zeitschr. f. Rechtsgesch. Rom. 
Abt. X 218). Zuerst wird er als Kind erwahnt 
im J. 321 (Nazar. paneg. X 36). Nach der Be- 
siegung des Licinius wurde er am 8. November 324 
zum Caesar ernannt (Mommsen Chron. min. 10 
I 232. Euseb. vit. Const. IV 40. CIL 12 p . 276. 
302), wahrscheinlich in Nicomedia (Seeck 232). 
Das Consulat bekleidete er 326, 339, 342, 346, 
352, 353, 354, 356, 357 und 360. Seine Quin- 
quennalien muss er am Ende des vierten Jahres 
begangen haben (328), da er seine Trieennalien 
am Ende des 29. Jahres (353) feierte, und zwar, 
wie es damals ttblich war, einen ganzen Monat 
lang, von a. d. VI id. Oct. bis a. d. VI id, Nov. 
(Ammian. XIV 5, 1; vgl. Seeck Ztschr. f. Numis- 20 
matik XII 129). Wahrend sein alterer Bruder 
Constantin II. an der Donau kampfte, musste er 
ihn 332 als funfzehnjahriger in Gallien vertreten 
(Iulian. or. I 12 A), um bei seiner Rflckkehr in 
den Orient geschickt zu werden (Iulian. or. I 
13 B. D). Um 335 kehrte er zu den Trieennalien 
seines Vaters nach Constantinopel zurtick und 
feierte dort seine Hochzeit (Euseb. vit. Const. 
IV 49) mit der Tochter seines Oheims lulius Con- 
stantius (Iulian. epist. ad Athen. 272 D. Athan. 30 
hist. Ar. ad mon. 69 = Migne G. 25, 776). Dann 
muss er in einem Kriege an der Donau das Com- 
mando gefuhrt haben, da er sich bald darauf den 
Siegestitel Sarmaticus beilegte (Dessau 724; 
vgl. Ammian. XVII 13, 25. 331 

Um das J. 336 begannen die Perser wieder, 
Mesopotamien durch Einfalle zu beunruhigen, und 
C. wurde gegen sie in den Orient geschickt (Ruf. 
Pest. 26. Euseb. vit. Const. IV 56. Iulian. or. 
I 13 B. Eutrop. X 8, 2. Joh. mon. pass. S. Artem. 40 
8 = Mai Spicileg. Rom. IV 346), wahrend Con- 
stantin d. Gr. selbst einen Kriegszug vorbereitete. 
Da erschien eine persische Gesandtschaft in Con- 
stantinopel, um Entschuldigungen zu machen, und 
erhielt, wie es scheint, eine ausweichende Antwort 
(Euseb. vit, Const. IV 57. Ruf. Fest, 26. Liban. 
or. Ill 296), die zur Folge hatte, dass die Perser 
in den nachsten zwei Jahren Ruhe hielten (Liban. 
or. LTI 297). Doch Constantin unterbrach seine 
Riistungen nicht und war eben im Begriff, den 50 
Feldzug anzutreten, als ihn am 22. Mai 337 bei 
Nicomedia der Tod ereilte (Iulian. or. 1 18 B. Vict. 
Caes. 41, 16. Eutrop. X 8, 2. Ruf. Fest. 26. Liban. 
or. Ill 292. Ammian. XXV 4, 23). 

Auf die Nachricht von der Krankheit seines 
Vaters eilte C. sogleich zu ihm, fand ihn aber 
schon verstorben (Iulian. or. I 16 D. Zonar. XLTI 
4 p. 10 C, wo oix hi C<5vto zu schreiben ist). 
Eine zweite Botsehaft, welche die Officiere an alle 
drei Schne schickten , um ihnen den Tod ihres 60 
Vaters zu melden (Euseb. vit. Const. IV 67. 68), 
wird ihn unterwegs angetroffen haben. C. geleitete 
die Leiche nach Constantinopel (Euseb. vit. Const. 
IV 70) und veranstaltete dort das Begrabnis (a. O. 
Liban. or. Ill 297. Vict. Caes. 41, 17; epit. 41, 
17. Anon. Vales. 6, 85). 

Constantin d. Gr. hatte schon bei Lebzeiten 
das Reich nach dem Muster Diocletians in vier 



Verwaltungsbezirke geteilt, die seinen Caesaren 
ubergeben waren, damit sie sie spater auch als 
Augusti in derselben Verteilung regieren sollten. 
Jeder der drei Sohne hatte vier Dioecesen erhal- 
ten, Constantin II. Britannien, Spanien und die 
beiden Gallien, C. Agypten, Oriens, Asia und 
Pontus, Constans Africa, Pannonien und die bei- 
den Italien; seinem Neffen Dalmatius war Dakien, 
Makedonien und Thracien zugeteilt; endlich hatte 
er fflr einen zweiten Neffen Hannibalianus ein 
KOnigreich liber die verbiindeten Volker an der 
Ostlichen Grenze des Reiches geschaffen, das wahr- 
scheinlich aus den persischen Eroberungen ver- 
grossert werden sollte (Anon. Vales. 6, 35. Vict. epit. 
41, 20, wo Dalmatius fur Dalinatiam zu schrei- 
ben ist. Euseb. vit. Const. IV 51. Zonar. XHI 5 
p. 11 B. Iulian. or. II 52 B. Eutrop. X 6, 2). 
Doch nach dem Tode des Kaisers erklarten die Sol- 
daten, die sich dem jungen Caesar gegeniiber als 
Herren fiihlten (Iulian. or. I 18 D), sie furchteten, 
dass aus der Mitregentschaft der Neffen innere 
Unruhen hervorgehen kOnnten (Greg. Naz. contra 
Iulian. I 21 = Migne G. 35, 549: xo aTgatimri- 
xbv el-cimkio&t] xata x&v b> rsXsi xaivoro/iovv 
<pdftqj xatvoTofitas) , und wurden daher nur die 
Sohne Constantins als Herrscher iiber sich dulden. 
Dies teilten sie durch gemeinsame Briefe auch 
den andern Heeren mit und fanden uberall Zu- 
stimmung (Euseb. vit. Const. IV 68. 69. Zosim. 
II 40, 3). C. entliess den Praefectus Praetorio 
Orientis Ablabius, der in der letzten Zeit die 
Politik seines Vaters mitbestimmt hatte, und um- 
gab sich mit neun Mannern (Eunap. vit. Aed. 25. 
Greg. Naz. a. O.). Es wurden Geruchte verbreitet, 
dass Constantin durch seine Bruder vergiftet wor- 
den sei (Philost. II 4. 16 - Migne G. 65, 468. 
477. Zonar. XIII 4 p. 10 C. Joh. Monach. pass. 
S. Artemii 7. 45 = Mai Spicilegium Romanum 
IV 345. 375), und endlich machte sich die wachsende 
Erregung der Soldateska dadurch Luft, dass sie die 
Seitenverwandten des Kaiserhauses fast alle um- 
brachte (Vict. Caes. 41, 22; epit. 41, 18. Auson. 
profess. Burd. 18, 9. Greg. Naz. a. O.). C, dem 
die Beseitigung der Mitregenten nicht unwill- 
kommen war, hatte sie gleichwohl incur geduldet, 
als angestiftet (Eutrop. X 9, 1. Iulian. or. I 17 A), 
ja seine beiden jiingsten Vettern, die Knaben 
Gallus und Iulianus , sollen ihm ihre Rettung 
verdankt haben (Greg. Naz. a. O.). Doch wurde 
er spater fast allgemein als der eigentliche Urheber 
jener Massenmorde betrachtet (Iulian. epist. ad 
Athen. 270 C. 181 B. Liban. or. I 524. 532. Atha- 
nas. hist. Ar. ad mon. 69 = Migne G. 25. 776. Zo- 
sim. II 40. Hieron. chron. 2354. Ammian. XXI 
16, 8), und er selbst soil bis zu seiner Todesstunde 
Reue dariiber gefuhlt (Greg. Naz. or. 21, 26 
= Migne G. 35, 1112) und seine Kinderlosigkeit 
und die Misserfolge der Perserkriege der Strafe 
Gottes zugeschrieben haben (Iulian. epist. adAthen. 
271 A). Ubrigens hinderte ihn dies nicht, die 
Anhanger der Ermordeten mit Hochverratsproces- 
sen zu verfolgen und eine ganze Anzahl der 
hochsten Wfirdentrager, darunter auch Ablabius 
und den Patricius Optatus, hinrichten zu lassen 
(s. Bd. I S. 103, 41). Auch coDfiscierte er das 
VermOgen seiner toten Verwandten (Iulian. epist. 
ad Athen. 273 B). 

Am 9. September 337 nahmen die drei Brttder 



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den Augustustitel an (lommsen Chron. min. 
I 235. Euseb. vit. Const. IV 68). Von hier an 
sollen die Ereignisse, die aus der Begierung des 
C tiberliefert sind, in annalistischer Ordnung 
dargestellt werden. 

338. Den Anfang des Jahres scheint C. noeh 
in Constantinopel unter Processen und Hinrich- 
tungen zugebracht zu haben. Im Sommer traten 
die drei Briider zu einem Congress zusammen 
(Liban. or. Ill 297), angeblich in Pannonien (Iulian. 
or. 1 19 A. 20 C), richtiger in Moesien, aber dicht 
an der pannonischen Grenze. Denn in Vimina- 
cium sind sie im Juni nachweisbar (Cod. Theod. 
X 10, 4. Athan. apol. ad Const. 5 = Migne G. 
25, 601. Seeck Ztschr. f. Kirchengesch. XVII 44). 
Um nach den Justizmorden der letzten Zeit einige 
Beruhigung zu schaffen, wurden die anonymen 
Denuntiationen veibrannt und dies im ganzen 
Beiche durch Edict verkttndigt (Cod. Theod. IX 
34, 5. X 10, 4). Ferner wurde alien Bischofen, 
die in den Kirchenstreitigkeiten am Ende von 
Constantins d. Gr. Eegierung verbannt waxen, 
die Eiickkehr in ihre Dioecesen bewilligt (Athan. 
hist. Ar. ad mon. 8. Philostorg. II 18 = Migne 
G. 25, 704. 65, 480). Namentlich aber musste 
man sich fiber eine neue Beichsteilung einigen, 
weil die drei Dioecesen Dacia, Macedonia und 
Thracia durch die Ermordung des Dalmatius jetzt 
herrenlos geworden waren. C. verzichtete auf jede 
VergrOsserung seines Gebietes (Iulian. or. 1 19 B 
— 20 A), vielleicht weil er dadurch, dass er den 
Gewinn des Verbrechens nicht fiir sich in An- 
spruch nahm, seine Gewissensbisse zu beschwich- 
tigen hoffte. Da sich die neugewonnenen Lander 
auch nicht wohl mit dem gallischen Eeichsteil 
vereinigen liessen, einigten sich die alteren Brttder, 
sie ungeteilt dem jiingsten von ihnen zu fiber- 
lassen. Doch nahm Constantin II. fiber den fiinf- 
zehnj&hrigen Constans eine Art von Vormund- 
schaft in Anspruch, so dass man die Gebiete 
beider fast als zusammenhangenden Reichsteil be- 
trachten konnte (Zosim. II 39, 2), wodurch C. 
sehr im Nachteil blieb (Themist. or. II 38 C. Seeck 
Ztschr. f. Numism. XXI 44ff.). Doch hatte er Eile, 
in den Orient zurfickzukommen, wo der lange er- 
wartete Perserkrieg unterdessen ausgebroehen war. 
Er zog durch Kappadokien (Athan. apol. ad Const. 
5 = Migne G. 25, 601) nach Syrien (Iulian. or. 
I 20 C. Liban. or. HI 298), wo er am 11. October 
in Antiochia nachweisbar ist (Cod. Theod. XII 
1, 23), ging dann nach Emesa (28. October, Cod. 
Theod. XII 1, 25) und trat mit den rauberischen 
Araberstammen in Unterhandlung, wodurch es ge- 
lang, sie zu Plunderungen auf dem persischen 
Gebiete zu bewegen (Iulian. or. I 21 B). 

Wahrend der Abwesenheit des C. waren die 
Verhaltnisse im Osten hochst drohend geworden. 
Das rCmische Heer war meuteriseh nnd zuchtlos; 
in Armenien war eine perserfreundliche Partei 
zur Herrschaft gelangt, hatte den Konig des 
Landes mit seinen treuesten Anhangern vertrieben 
nnd veranstaltete Plunderungszuge in das rOmische 
Grenzgebiet (Iulian. or. I 18 D. 20 B. D). Die 
Perser hatten zwar langer Euhe gehalten, als 
man hatte erwarten kOnnen (Liban. or. Ill 297); 
doch waren sie unter persOnlicher Anfiihrung ihres 
KOnigs Sapor dann in Mesopotamien eingefallen, 
hatten das Land venvfistet und Nisibis 63 Tage 



lang belagert. Aber die Stadt hielt sich und 
zwang den Peind, unverrichteter Sache heimzu- 
ziehen (Hieron. chron. 2354. lommsen Chron. 
min. I 236. Liban. a. O. Euf. Pest. 27. Theodor. 
Eelig. hist. 1 = Migne G. 82, 1304. Firm. Mat. 
de errore prof. gent. 29, 3). 

C. stellte durch seine Ankunft die Mannazucht 
unter den Trnppen wieder her. Wahrend des 
Winters, den er in Antiochia zubrachte (Cod. 

10 Theod. II 6, 4), veranstalte er Aushebungen, iibte 
die Eecruten und bildete eine Schar von Panzer- 
reitern, deren Ausriistung der persischen nach- 
gebildet war (Iulian. or. I 20 D. 21 C; vgl. Liban. 
or. I 591. ELI 296). Schon wahrend seines Auf- 
enthalts an der Donau hatte er eine gothische 
Hiilfstruppe angeworben, die ihm jetzt in den 
Orient gefolgt war (Liban. or. I 578. Ill 303). 
Dm die Kosten der Bustungen zu decken, wurde 
eine ausserordentliche Steuer erhoben (Iulian. or. 

201 21 D. Cod. Theod. XI 1, 5). 

Schon in dieser Zeit begannen die kirchlichen 
Wirren, die wahrend der ganzen Regierung des 
C. das Eeich zerriitten sollten. Die Arianer hiel- 
ten zwar an ihrer Uberzeugung fest , dass der 
Sohn dem Vater untergeordnet sei, betrachteten 
aber diese Ansicht nicht als wesentlichen Be- 
standteil des christlichen Glaubens, dessenBekennt- 
nis fur die Seligkeit erforderlich sei. Sie hatten 
auf jeden Versuch, ihre Lehre zum bindenden 

30 Dogma zu erheben, endgiiltig verzichtet und so- 
gar, um die Einheit der Kirche nicht zu stOren, 
das nicaenische Glaubensbekenntnis mit unter- 
schrieben. Sie verlangten nur, dass man sie trotz 
ihrer abweichenden Ansicht als Mitglieder der 
allgemeinen Kirche anerkenne; aber auch dieser 
bescheidenen Forderung widersetzten sich die Heiss- 
sporne der Orthodoxie, weil sie in der Herabsetzung 
Christi eine unverzeihliche Lasterung erblickten 
(Seeck Ztschr. fur Kirchengesch. XVII 7. 36. 

40 361). Constantin d. Gr. hatte anfangs auf die 
Bischofe dieser Eichtung einzuwirken gesucht, 
dass sie die Arianer zu ihrer Communion zuliessen 
(Athan. apol. c. Ar. 59 = Migne G. 25, 357); als 
aber seine ernsten Drohungen fruchtlos blieben, 
hatten diejenigen, welche sich nicht fSgen wollten, 
in die Verbannung gehen mttssen , namentlich 
Athanasius von Alexandria, Paulus von Constan- 
tinopel, Marcellus von Ankyra, Asklepas von Gaza 
und Lucius von Hadrianopolis (Hilar, frg. 3, 8. 9 

50 = Migne L. 10, 664). Im Occident teilte fast 
die ganze Geistlichkeit die Anschauungen der 
widerspenstigen Bischofe. Denn hier war der Aria- 
nismus so gut wie unbekannt; man hatte sich 
mit der ganzen Streitfrage so wenig beschaftigt, 
dass die Mehrzahl der Bischofe nicht einmal den 
Wortlaut des nicaenischen Glaubensbekenntnisses 
kannte (Hilar, de synod. 91 = Migne L. 10, 
545); doch nur umsomehr hielt man die Her- 
absetzung des Sohnes unter den Vater fiir eine 

60 Ketzerei von ganz ungeheuerlicher Verwerflich- 
keit. Unter dem Einfiuss ihrer orthodoxen Um- 
gebnng schlossen auch die occidentalischen Kai- 
ser Constantin II. und Constans, die von den 
Verhaltnissen des Ostens sehr wenig wussten, sich 
dieser Meinung an. Der Tod des alten Kaisers 
gab daher alien Vert>annten neue Hoffnungen. 
Paulus von Constantinopel eilte aus dem Pontus, 
wo ihm sein Wohnsitz angewiesen war (Athan. 



hist. Ar. ad mon. 7 = Migne G. 25, 701), so- 
gleich nach Trier, dessen Bischof Maximinus ihn 
in seine Communion aufnahm und bei Constan- 
tin II. fttr seine Kiickberufung wirkte (Hilar, frg. 
3, 27 = Migne L. 10, 674). Athanasius wagte 
schon Ende 337, noch ehe er aus der Verbanntmg 
entlassen war, den Ostertag des J. 338 durch 
einen der iiblichen Festbriefe fur Agypten zu be- 
stimmen (Larsow Die Festbriefe des h. Atha- 
nasius 104). So wusste es denn auch Constan- 
tin H. auf dem Congress von Viminacium durch- 
zusetzen, dass die verurteilten Bischofe allesamt 
heimkehren durften (Athan. hist. Ar. ad mon. 8. 
Philostorg. II 18 = Migne G. 25, 704. 65, 480). 
Sie kamen als ubermutige Sieger und liessen ihren 
Groll an den Gegnem aus; einzelne sollen so weit 
gegangen sein, die Altare zu zertriimmern, die 
durch die Arianer entweiht waren, oder die Hostien 
den Hun den vorzuwerfen. Tumulte, die zu Tot- 
schlag und Brandstiftung ftihrten, gab es in den 
meisten Stadten, wo die Verbannten wieder ein- 
gesetzt wurden (Hilar, frg. 3, 9). C. hielt es fiir 
seine Pflicht, hier einzuschreiten. Schon als er 
auf seiner eiligen Reise von Viminacium nach 
Antiochia durch Constantinopel kam, entfemte er 
hier den Bischof Paulus. Seine formelle Absetzung 
und die Berufung des Eusebius von Mkomedia 
an seine Stelle wird er damals wohl noch nicht 
ausgesprochen haben, weil hierfur das Gericht 
einer Synode erforderlich war und er nicht die 
Zeit hatte, sie gleich zu berufen (Socrat. H 7. 
Sozora. HI 4. Athan. apol. c. Ar. 6. 25 ; hist. Ar. 
ad mon. 7), Auch brauchte er dies nicht zu iiber- 
eilen, da eine sehr ansehnliche Versammlung von 
Kirchenhauptern noch in demselben Winter fiir 
einen andern Zweck zusammentreten sollte und 
dann auch das Richteramt iibernehmen konnte. 
Schon vor zehn Jahren hatte Constantin den Bau 
einer grossen Kirche in Antiochia begonnen, die 
jetzt vollendet war und ihrer Einweihung entgegen- 
sah. Unter Leitung des Eusebius von Mkomedia, 
der sich wahrscheinlich hier zum Bischof von Con- 
stantinopel weihen lassen wollte , hatten sich 
97 Bischofe aus alien Teilen des Orients einge- 
fanden. Der erste Gottesdienst in der neuen 
Kirche fand wohl bei den Quinquennalien des 
Constans am Weihnachtstage 338 statt (Socrat. 
H 8. Sozom. HI 5. Hieron. chron. 2358. Hilar, 
de synod. 28. Athan. de synod. 25, 22. 23 = 
Migne L. 10, 502; G. 26, 725). Ebenso hatte 
Constantin d. Gr. seine Vicennalien mit dem nicae- 
nischen Concil begangen. 

Athanasius hatte auf seiner Eiickreise nach 
Alexandria znerst in Viminacium, dann in dem 
cappadocischen Caesarea Audienzen bei dem Kaiser 
gehabt und sich in ihnen hochst massvoll fiber 
seine Gegner geaussert (Athan. apol. ad Const. 5 
= Migne G. 25, 601). Trotzdem begann er schon 
unterwegs in Stadten, deren geistliche Oberhaupter 
ihm der Hinneigung zum Arianismus verdachtig 
schienen, GegenbischCfe einzusetzen (Hilar, frg. 3, 
8 = Migne L. 10, 664). Wahrend er noch Syrien 
durchreiste, brachen schon in Alexandria Tumulte 
zwischen den Anhangern der verschiedenen Bich- 
tungen aus, die den Praefecten von Agypten 
zwangen, mit Verbannungen und Hinrichtungen 
einzugreifen (Athan. apol. c. Ar. 5 = Migne G. 
25, 256). Auch nach seinem Einzuge in die 



Stadt, der am 23. November 338 stattfand (Lar- 
sow 29), scheinen sich die Kravalle erneuert zu 
haben (Socrat. H 8, 7. Sozom. HI 5 ; azdoeis 
Athan. apol. c. Ar. 7; q>6voi xai atpayai 3. 4. 5). 
Constantin d. Gr. hatte von dem Ertrage der 
Naturalsteuern zum Unterhalt der christlichen 
Witwen und Waisen in Alexandria gewisse Korn- 
lieferungen angewiesen, welche die Kirche ver- 
waltete. Diese scheint jetzt Athanasius den schis- 

lOmatischen Armen, die sie wahrend seiner Ab- 
wesenheit empfangen hatten, genommen zu haben. 
Jedenfalls wurde gegen ihn von seinen Gegnern 
die Anklage erhoben, dass er das Getreide seinem 
Zweck entfremdet habe, und C. erteilte ihm des- 
halb schriftlich einen scharfen Verweis (Athan. 
apol. c. Ar. 18; vgl. hist. Ar. ad mon. 10). Ihn 
absetzen zu lassen, wagte er noch nicht sogleich, 
wahrscheinlich aus Furcht vor seinen Brudern. 
Doch setzte die Synode von Antiochia eine Klage- 

20 schrift gegen ihn an die drei Kaiser auf (Athan. 
hist. Ar. ad mon. 9; apol. c. Ar. 3. 4. 6. 17) und 
schickte diese, wie es scheint, durch eine Gesandt- 
schaft nach Trier an Constantin H. (Athan. apol. 
c. Ar. 3: ovds tiqos za 8iaoziqfj.aza zStv oddiv &zo- 
xvtfoavzsg , fwvov iva navza fiziCova. dtnaaz^Qta 
rije xartjyoQias avx&v iiaihr\a$fj). Um einstweilen 

auch den Schismatikern ein Oberhaupt zu geben, 
das ihre Interessen gegen Athanasius vertreten 
kOnne, wurde fiir sie der ehemalige Presbyter 

30 Pistos in Alexandria zum Bischof gemacht und 
seine Weihe durch Secundus von Pentapolis, den 
alten Genossen des Arius, vollzogen (Athan. epist. 
encycl. 6; apol. c. Ar. 19. 24 = Migne G 25, 236. 
280. 288. Epiphan. haer. 69, 8). An Iulius, 
Bischof von Bom, richtete die antiochenische Synode 
einen Brief (Athan. apol. c. Ar. 19. 20. 27. 44; hist. 
Ar. ad mon. 9), den der Presbyter Makarios und 
die Diaconen Martyrios und Hesychios iiberbringen 
sollten (Athan. apol. c. Ar. 22. 24. 26. 27). In dem 

40 Schreiben war betont, dass Athanasius durch die 
Synode von Tyros abgesetzt und nur durch kaiser- 
liches Deeret nach Alexandria zuruckberufen sei; 
den kirchlichen Autoritaten aber komme es zu, 
dafiir zu sorgen, dass die Entscheidungen der 
Synoden aufrecht erhalten blieben (Socrat. II 8, 6. 
Sozom. Ill 5. Athan. apol. c. Ar. 7. 10. 22. 25). 
Die alten und neuen Stinden des Athanasius wur- 
den aufgezahlt und Iulrus ermahnt, die Einheit- 
lichkeit der Kirche nicht zu zerstOren (Athan. 

50 apol. c. Ar. 25. 34). Den Commentar dazu sollten 
die Abgesandten geben, indem sie den Papst mund- 
lich zu bewegen suchten, dass er mit dem ariani- 
schen Gegenbischof Pistos in Communion trete 
(Athan. ap. c. Ar. 24). Diese Beschlusse mttssen 
schon Ende 338 gefasst sein, da Athanasius im 
ersten Anfang des folgenden Jahres sich uber die 
neuen Angriffe der Eusebianer unterrichtet zeigt 
(Larsow 124). 

339. Um fiir die Entscheidung der Antiochener 

60 ein Gegengericht zu schaffen, berief Athanasius 
sogleich eine Versammlung der agyptischen Bi- 
schofe nach Alexandria, zu der sich fiber achtzig 
Teilnehmer einfanden (Athan. apol. c. Ar. 37; 
lyyvg exazov 1). In einem Rundschreiben an alle 
Bischofe der Christenheit, das noch erhalten ist 
(Athan. apol. c._Ar. 3 — 19), suchte diese Synode 
die Anklagen zu widerlegen, und auf Grund ihrer 
Erklarung schickte Athanasius eine Gesandtschaft 



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von Presbytem an Iulius und an die occidenta- vgl. Seeck Ztsohr. filr Kirchengesch. XVII 16). 

lischen Kaiser (Athan. apol. e. Ar. 22. 24. 27. Dann liess Philagrius , der Praefect von Agypten 

28; hist. Ar. ad mon. 9; apol. ad Const. 4). An (Larsow 30. 114. Athan. epist. encycl. 3), ein 

beiden Stellen hatten sie Erfolg. Als die Ab- Edict anschlagen, durch das die Entsetzung des 

gesandten der Gegner in Rom von der Ankunft Athanasius und die Waljl des Gregorius Offentlich 

der alexandrinischen Presbyter erfuhren, reiste verkiindet wurde. Die Anhanger des Bischofs 

der Yornehmste unter ihnen noch in derselben sammelten sich in den Kirchen ; doch im Auftrage 

Nacht nach Antiochia zuriick, um dort Meldung des Praefecten wurde die Kirche des Kyrinos 

zu erstatten und neue Instructionen zu holen. (Athan. hist. Ar. ad mon. 10) von feindlichen 
Die beiden zurtickgebliebenen liessen sich auf eine 10 Volksmassen gesturmt, und auch auf die des Theo- 

Disputation mit den Presbytern ein ; als sie aber nas, in der Athanasius sich befand, bereitete man 

dabei den kiirzeren zogen, liessen sie sich zu der einen Angriff vor (Athan. epist. encycl. 2ff.). Doch 

Unbesonneriheit hinreissen , dass sie Iulius auf- rettete er sich am 19. Marz 339 durch heimliche 

forderten, er mOge eine Synode nach Rom be- Flucht. Vier Tage spater hielt Gregorius unter 

rufen, die den Streit endgiiltig entscheiden solle militarischem Schutze seinen Einzug und bemach- 

(Athan. apol. c, Ar. 20. 22. 24). Daraufhin lud tigte sich mit riicksichtsloser Gewalt der Herr- 

er den Athanasius vor (Athan. apol. c. Ar. 29) schaft (Larsow 30. Athan. epist. encycl. 4. 5; 

und ilbersandte ihm zugleich die Acten des Con- apol. c. Ar. 30 ; hist. Ar. ad mon. 10. 14. Hilar, 

cils von Tyros, damit er sich auf die Verteidigung frg. 3, 8 = Migne L. 10, 665). Die Erbitterung 
vorbereiten kenne (Athan. apol. c. Ar. 83). Auch 20 gegen ihn war so wild , dass die Anhanger des 

an die Synode von Antiochia wurden zwei romische Athanasius die Kirche des Dionysius in Brand 

Presbyter, Helpidius und Philoxenus, abgesandt steckten (Socrat. II 1.1, 6. Sozom. Ill 6. Hilar, 

mit einem Brief an Eusebius von Constantinopel a. O. Athan. epist. encycl. 7 ; apol. c. Ar. 30). 

(Athan. apol. c. Ar. 26), um dies Haupt der Gegen- Nach seiner Flucht reiste Athanasius umher, 

partei und seine Anhanger gleichfalls nach Rom um von den BischSfen mtfglichst vieler Stadte 

zu berufen (Apol. c. Ar. 20. 22. 23. 33; hist. Ar. zustimmende Briefe zu erbitten. Mit ihnen aus- 

ad mon. 9. 11; epist. encycl. 7). gerustet eilte er dann, als er die Vorladung des 

Unterdessen hatte sich das Sehicksal des Atha- Iulius erhielt, nach Eom (Hilar, frg. 3, 10. Athan. 

nasius schon entschieden. Da die Einsetzung apol. c. Ar. 23. 27. 44), wo er in die Communion der 
des arianischen Nebenbischofs Pistos auf heftigen 30 katholischen Kirche aufgenommen wurde (Athan. 

Widerstand stiess (Athan. epist. encycl. = Migne apol. c. Ar. 27. 34. Hilar, a. 0.) und .bis zum 

G. 25, 236) und auch dem Princip der Antiochener, Zusammentreten der Synode ein Jahr und sechs 

die Kirche nicht zu spalten, widersprach, entschloss Monate verweilte (Athan. apol. c. Ar. 29). Auch 

sich die Synode , ihn fallen zu lassen , aber zu- die occidentalischen Kaiser erkannten die Recht- 

gleich den Athanasius abzusetzen und fur Ale- fertigung des Athanasius an (Athan. hist. Ar, ad 

xandria einen neuen Bischof zu weihen , unter mon. 9) und hatten vielleicht seine Rtickkehr bei 

dem sich alle Secten vereinigen sollten. Man C. erzwungen, wenn nicht um dieselbe Zeit jener 

wahlte den Edessener Eusebius , und als dieser Zwist zwischen ihnen ausgebrochen ware, der bald 

ablehnte , den Kappadoker Gregorius (Socrat. II zum Biirgerkriege fiihren sollte. Unter diesen 
9. 10. Sozom. Ill 5. 6. Athan. epist. encycl. 6 ; 40 Umstanden war Constantin II. ausser stande, auf 

apol. c. Ar. 39. 43; hist. Ar. ad mon. 9. 51. 74). die kirchlichen Verhaltnisse des Orients irgend 

Gleichzeitig wurden wohl auch die andern gar welche Einwirkung zu iiben, und Constans konnte 

zu orthodoxen BischOfe aus ihren Dioecesen ver- erst recht nichts gegen C. unternehmen, weil er 

bannt. Dies teilte die Synode durch ein Bund- dessen Bundesgenossenschaft gegen den altesten 

schreiben alien christlichen Kirchen mit und ver- Bruder suchte. Um sie zu erlangen, trat er um 

wahrt* sich zugleich darin, die Lehren des Arius diese Zeit die Dioecese Thracien an den orien- 

angenomraen zu haben. Wohl aber habe sie die- talischen Kaiser ab, was zur Folge hatte, dass 

selben gepriift und nicht im Widerspruch mit Constantinopel jetzt zur zweiten Eeichshauptstadt 

dem wesentlichen Inhalt des christlichen Glanbens erhoben wurde (Seeck Ztschr. fur Numismatik 
gefunden. Zum Zeichen dessen wurde ein kurzes 50 XXI 61). 

Glaubensbekenntnis hinzugefugt, das die Schlag- Auf diese wichtige Neuerung durften die kirch- 

worte der streitenden Parteien vermied und so lichen Wirren nicht ohne Einfluss gewesen sein. 

beiden die Moglichkeit gewahrte, sich in ihm zu Constantin d. Gr. hatte eine gewaltige Stadt 

vereinigen. Bald darauf entdeckte man ein Glau- schaffen wollen, die seinen Namen fur alle Folge- 

bensbekenntnis, das der antiochenische Presbyter zeit bewahren und verherrlichen sollte. Aber sie 

Lucianus, der Lehrer des Arius und Eusebius ge- Rom selbst gleichzustellen , war ihm nicht ein- 

wesen und spater den Martyrertod gestorben war, gefallen, vielmehr hatte er ganz geflissentlich 

eigenhandig aufgesetzt hatte. Da es von der- die Unterordnung Constantinopels unter die Reichs- 

selben Unbestimmtheit war, schloss sich die Synode hauptstadt betont. Freilich gab er auch jenem 
ihm an und versandte es gleichfalls, um so durch 60 nicht einen ordo decurionum, wie die Stadtrate 

die Autoritat des wunderthatigen Heiligen ihre der gewOhnlichen Stadte hiessen, sondern einen 

eigene zu stiitzen (Sozom. Ill 5. Athan. de synod. senatus ; aber dieser wurde ausdrucklich als se- 

22. 23 = Migne G. 26, 720. Socrat. II 10). natus seeundi ordinis charakterisiert und seine 

Bald erschien der ehemalige Presbyter Kar- Mitglieder erhielten nicht, wie die rOmischen Se- 

pones, einer der altesten und treuesten Anhanger natoren, den Tit-el vir clarissimus , sondern nur 

des Arius, im Auftrage des Gregorius in Ale- vir clarus (Anon. Vales. 6, 30). Auch Constan- 

xandria, um dort die Leitung der arianischen Ge- tinopel wurde von der Provincialverwaltung aus- 

raeinde zu iibernehmen (Athan. apol. c. Ar. 24 ; genommen und einem besonderen kaiserlichen Be- 



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amten untergeben; aber wahrend dieser in Rom mit sich fuhrte, um sich durch dessen Gebete 

Praefectus urbi hiess, musste er sich hier mit unterstiitzen zu lassen (Socrat. II 9, 10. Sozom. 

dem geringeren Rang und Titel eines Proconsul III 6), hegte er doch eine heillose Angst vor den 

begniigen (Sievers Das Leben des Libanius 211). Persern (Liban. or. II 186) und iibertrug sie auf 

Unter Constantius II. wird dies anders. Im J. 359 seine Soldaten (Liban. or. I 592. 593). Erst wenn 

erhalt auch Constantinopel seinen Praefectus urbi der Feind abgezogen war, riickte er nach, und 

(Mommsen Chron. min. I 239. Hieron. chron. fand dann in der Regel keinen Widerstand, weil 

2375. Socrat. II 41, 1); aber schon 339 werden das persische Heer sich nach jedem Feldzuge auf- 

eine Reihe von Festmiinzen gepragt, welche die zulOsen pflegte. So konnte aer Kaiser am Ufer 
thronende Constantinopolis als Herrscherin zeigen 10 des Tigris Castelle errichten, ja selbst den Fluss 

und offenbar lire Erhebung zur zweiten Haupt- einigemal ungehindert fiberschreiten und das Fein- 

stadt feiern sollen (Johann. monach. passio S. desland verwilsten (Mian. or. I 22 A— C. II 74B. 

Artemii 8 = Mai Spicilegium Romanum IV 346), Liban. or. Ill 299. 300). Einmal gelang es ihm 

und etwa gleichzeitig erscheinen auf anderen sogar, eine persische Stadt zu erobern und deren 

Miinzen die Gestalten der Roma und der Constan- Bewohner als Colonen nach Thrakien zu ver- 

tinopolis gleichberechtigt nebeneinander sitzend pflanzen (Liban. or. Ill 300). Obgleich Mesopo- 

(Seeck 59. 64). Der Grund lag nicht nur in tamien durch die Plunderungen der Feinde furcht- 

der Eitelkeit des Kaisers, der auch in seinem bar litt, waren daher die militarischen Verluste 

Reichsteil eine Hauptstadt besitzen wollte. Der sehr gering (Iulian. or. I 47 C. Ammian. XXI 16, 
Bischof von Rom nahm eben damals das Richter- 20 3). Denn in Anwesenheit des Kaisers kam es in 

amt fiber die in Antiochia versammelte Geistlich- diesem langjahrigen Kriege, in dem er fast jeden 

keit des Orients in Anspruch, und nach dem Em- Sommer im Felde erschien, doch nur zu zwei gr6s- 

pfange, den er Athanasius bereitet hatte, konnte seren Schlachten. Seine Feldherrn hatten ausser- 

seine Entscheidung kaum zweifelhaft sein ; der dem freilich noch sieben andere zu schlagen, doch 

Vorrang aber, den er sich beilegte, beruhte in wird nur von einem wirklichen Siege der Romer 

erster Linie auf der staatlichen Bedeutung seines berichtet (Ruf. Fest. 27. Hieron. chron. 2363. 

Bischofssitzes. Der Fuhrer der Antiochener, Eu- Eutrop. X 10, 1. Ammian. XVIII 5, 7. XXI 16, 15). 

sebius von Constantinopel, beabsichtigte wahr- Im allgemeinen schleppte sich der Krieg hin ohne 

scheinlich, dadurch dem rOmischen Bischof die Entscheidung nach irgend einer Seite, aber fur die 
Spitze zu bieten, dass er den Kaiser veranlasste, 30 rOmischen Provinzen doch noch verderblicher, als 

seine Stadt Rom gleichzustellen und so auch die fur die Perser. Trotzdem gab er dem Kaiser den 

Unterordnung. des constantinopolitanischen Bi- Anlass, die ludi Persici zu stiften, die vom 13. 

schofs zu beseitigen. Diese Massregel aber dttrfte bis zum 17. Mai gefeiert wurden (CTL I 2 p. 318). 

erst gegen Ende des J. 389 durchgefuhrt sein, Doch ob er sich den Titel Adiabenieus mammus 

als C. schon von seinem ersten Perserfeldzuge beigelegt hat, ist zweifelhaft, weil die Inschrift, 

nach Antiochia zurtickgekehrt war. in welcher derselbe allein auftritt (Dessau 732), 

Diesen scheint cr im Fruhling 339 angetreten den einzigen ganz sicher beglaubigten Siegestitel 

zu haben; doch war er Mitte Marz noch in An- des C. Sarmatieus (Dessau 724. Ammian. XVH 

tiochia, da Gregorius, als er am 23. Marz in Ale- 13, 25, 33) auslasst, also jedenfalls nicht von 
xandria einzog, direct aus der Umgebung des 40 einem Kundigen gesetzt ist. 
Kaisers kam {cuio rov xoftirdzov, Athan. epist. 340. Die Synode von Antiochia, die noch immer 

encycl. 2; sx TiaXaxiov hist. Ar. ad mon, 14). versammelt war (Athan. apol. c. Ar. 20; de synod. 

C. fuhrte das Heer zuerst gegen Armenien, setzte 25 = Migne G. 25, 281. 26, 725), hatte die Ab- 

dort den Konig und die iibrigen Verbannten in gesandten des Bischofs von Rom Ms zum Januar 

ihre Stellungen wieder ein, nahm die Haupter festgehalten und sie dann mit einem Brief ent- 

der Gegenpartei gefangen und internierte sie auf lassen, in dem sie erklarte, dass ihre Teilnehmer 

TSmischem Gebiete (Iulian. or. I 20 D). Dann nicht nach Rom kommen konnten, weil der Termin 

zog er an die persische Grenze, fand aber dort zu kurz sei und der Perserkrieg ihre Anwesenheit 

keinen Feind, der ihm widerstanden hatte, und im Orient notig mache (Athan. apol. c. Ar, 20. 
kehrte daher nach Antiochia zuriick (Liban. or. 50 25. 44; hist. Ar. ad mon. 11). Dem Papst wurde 

TTT 298). die Wahl gestellt, ob er mit Athanasius und Mar- 

Dieser ergebnislose Feldzug sollte vorbildlich cellus von Ancyra oder mit den Antiochenern 
sein fur den ganzen weiteren Verlauf des lang- Communion halten wolle (Athan. apol. c. Ar. 34), 
jahrigen Krieges. Im ersten Vorfruhling pflegten d. h. er wurde selbst mit dem Ausschluss aus 
regelmassig die Perser in Mesopotamien einzu- der Kirchengemeinschaft bedroht, wie denn fiber- 
fallen , pliinderten das Land und belagerten die haupt der ganze Brief in hochst gereiztem Tone 
Festungen (Liban. or. I 591. Ammian. XV 111 geschrieben war (Athan. apol. c. Ar. 21). Unter- 
6, 3. XIX 2, 8. 9, 9). C. der meist durch die dessen waren in Rom ausser Marcellus (Athan. 
kirchlichen Wirren in Antiochia festgehalten wurde, apol. c. At. 23. 27. 32. 33) noch eine ganze An- 
erschien erst im Sommer jenseits des Euphrat, 60 zahl verbannter Bischcfe aus dem Orient einge- 
ging zSgernd vor und sorgte vor allem dafur, dass troffen und hatten die Hulfe des Iulius angerufen 
er selbst keine Niederlage erlitt (Liban. or. I (Athan. apol. c. Ar. 33. 35. Socrat. H 15, 2). So 
591. Ill 298. 300. 302). Denn aberglaubisch, versammelte denn dieser im Spatherbst oder Winter 
wie er war, lebte er in steter Furcht, dass er 340 (Athan. apol. c. Ar. 29) in Rom uber 50 
durch kriegerische Misserfolge fur die Ermordung BischOfe und liess durch sie die Absetzung des 
seiner Oheime and Vettern gestraft werde (Iulian. Athanasius und seiner Schicksalsgenossen fur un- 
epist. ad Athen. 271 A), und obgleich er meist giiltig erklaren (Athan. apol. c. Ar. 1. 20. 37; 
einen vermeintlichen Heiligen auf dem Feldzuge hist. Ar. ad mon. 15). 



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Constantius 



Constantius 



1056 



Yon der agyptischen Geistlichkeit hatten meh- 
rere nach Eom kommen wollen, waren aber durch 
Gregorius daran verhindert worden (Athan. apol. 
c. Ar. 33). Der neue Bischof von Alexandria 
suchte mit Gewalt zu erzwingen, dass die An- 
hanger des Athanasius mit ihm eommunicierten. 
Er unterdriickte ihre privaten Conventikel, ging 
mit Gef&ngnis, Verbannung und Kerkerstrafen 
gegen die widerspenstigen Geistlichen vor, ver- 



versetzt werden diirfe, wodurch jener verurteilt 
und seine Bekleidung des hauptstadtischen Bis- 
tums, zu dem er von dem Nikomedensischen kiirz- 
lich befOrdert war, fur ungiiltig erklart worden 
ware. JedenfalLs steht es auch aus anderen Zeug- 
nissen fest, dass er starb, noch ehe die Entschei- 
dung der rOmischen Synode an ihn gelangte, d. h. 
in den ersten Monaten des J. 341 (Socrat. II 12. 
Sozom. m 7. Athan. apol. c. Ar. 36). Sein Tod, 



weigerte einer Verwandten des Athanasius sogar 10 verbunden mit furchtbaren Erdbeben, die ein 



das Begrabnis, wahrscheinlich weil sein geist- 
licher Beistand dabei zuruckgewiesen wurde , und 
liess sich selbst durch die Ermahnungen des hoch- 
angesehenen Einsiedlers Antonius nicht bekehren 
(Larsow 30. 129. Hieron. chron. 2355. Athan. 
epist. encycl. 5 ; apol. c. Ar. 33 ; hist. Ar. ad mon. 
13. 14; vita S. Anton. 86). Gleichwohl konnte 
die Synode von Antiochia in dem Briefe, den sie 
an Iulius richtete, behaupten, in Alexandria herrsehe 
seit der Verbannung des Athanasius tiefer Frieden 20 
(Athan. apol. c. Ar. 30. 34). 

Der Kaiser hatte auch in diesem Jahre einen 
Feldzug nach Mesopotamien gefiihrt, wo er am 
12. August in Edessa nachweisbar ist (Cod. Theod. 
XII 1, 30, wo Edessae fur Bessae zu schreiben 
ist). Nach Antiochia zuriickgekehrt, ordnete er 
am 9. September durch ein Gesetz die Verhalt- 
nisse der neuen Hauptstadt, schuf nach dem Muster 
Koms Praeturen fur sie und bestimmte die Lasten 



ganzes Jahr lang die Stadte des Orients und na- 
mentlich Antiochia heimsuchten (Socrat. II 10, 
22. Sozom. Ill 6. Hieron. chron. 2357. Momm- 
sen Chron. min. I 236), mag den Teilnehmern 
des Concils als Strafe Gottes fur jenen Bruch der 
kirchlichen Sitte erschienen sein und sie zu jenem 
Canon veranlasst haben. Bald darauf scheint sich 
die Synode von Antiochia nach dreijahriger Tagung 
aufgelSst zu haben. 

Als die Nacbricht vom Tode des Eusebius nach 
Constantinopel gelangt war, hatte das Volk der 
Stadt den friiheren Bischof Paulus, der wahr- 
scheinlich im Vertrauen auf den Spruch der rOmi- 
sehen Synode zuriickgekehrt war, wieder in seine 
Kirche eingefuhrt. Doch die Haupter der Euse- 
bianischen Partei versammelten sich in Constan- 
tinopel, wahrscheinlich wahrend sie auf der Heim- 
reise aus Antiochia begriffen waren, und weihten 
dort den Macedonius zum Gegenbischof. Zwischen 



und Obliegenheiten derselben (Cod. Theod. VI 30 dessen Anhangern und denen des Paulus kam es 



4, 5. 6). 

341. Constans, der im vorhergehenden Jahre 
durch den Tod Constantins II. auch dessen Beichs- 
teil gewonnen hatte und jetzt C. gegeniiber eine 
ganz erdriickende Ubermacht besass, begann diese 
geltend zu machen, indem er in die kirchlichen 
Verhaltnisse des Ostens eingriff. Auch zu ihm 
war die Behauptung gedrungen, die Antiochener 
seien versteckte Arianer und Christuslasterer (xqi- 



jetzt zu haufigen Strassenkampfen, die viel Blut 
kosteten. Dies wurde dem Kaiser gemeldet, der 
nach dem iiblichen Sommerfeldzuge wieder in An- 
tiochia verweilte und eben im Begriffe war, den 
Magister equitum Hermogenes nach Thracien zu 
entsenden, damit er den Oberbefehl der Donau- 
truppen iibernehme. Dieser erhielt jetzt den Auf- 
trag, bei seinem Durchzug durch Constantinopel 
dort mit Waffengewalt die Euhe herzustellen und 



oro/idxot) und bedrangten den Athanasius und 40 den Paulus aus der Stadt zu entfernen (Socrat. 
seine Genossen nur um ihrer Rechtglaubigkeit II 12. 13. Sozom. Ill 7). 



willen. Er verlangte daher durch einen Brief 
an C. von der Synode zu Antiochia, die noch 
immer tagte, Bechenschaft fiber die Absetzung 
der Bischofe, und sie schickte an ihn eine Ge- 
sandtschaft, die ihm ein Glaubensbekenntnis iiber- 
bringen sollte und ihn in Gallien, wo er eben 
danials gegen die Pranken Krieg fuhrte, antraf 
(Socrat. II 18, 1. Epiph. haer. 73, 2. Athan. 



342. Als Hermogenes dies zur Ausfiihrung 
bringen wollte, erhob sich ein furchtbarer Auf- 
rubr; sein Haus wurde vom Volk in Brand ge- 
steckt, er selbst ermordet und sein Leichnam durch 
die Strassen geschleift (Socrat. II 13. Sozom. Ill 
7. IV 3. Mommsen Chron. min. I 236. Hieron. 
chron 2358. Ammian. XIV 10, 2. Hilar, frg. 3, 20). 
Der Proconsul Alexander wurde verwundet und 



de synod. 25 = Migne G. 26, 725; vgl. Momm- 50musste nach Herakleia fliehen (Liban. or. I 34. 



sen Chron. min. I 236). Der Inhalt jenes Be 
kenntnisses ist dem der friiheren verwandt, sucht 
aber noch engeren Anschluss an das Nicaenische, 
um dadurch den Kaiser zu gewinnen. Nur wird 
auch diesmal das Wort Sfioovoio; vermieden und 
so den Arianern die Moglichkeit gewahrt, auch 
ferner fur rechtglaubige Glieder der Kirchenge- 
meinschaft zu gelten. Endlich beschloss die Sy- 
node noch 25 Canones, die vorzugsweise bestimmt 



35). Als diese Kunde noch im tiefsten Winter 
nach Antiochia gelangte, reiste C. sogleich in 
grCsster Eile nach Constantinopel, wo schon die 
Nachricht von seiner bevorstehenden Ankunft das 
Volk zur Vernunft brachte. Weinend und um 
Verzeihung flehend zog es ihm entgegen, und 
wirklich strafte er es nur dadurch, dass er ihm 
von den 80 000 Modii agyptischen Getreides, die 
Constantin d. Gr. zur taglichen Verteilung be- 



waren, den Gregorius in seinem Kampfe gegen 60 stimmt hatte, die Halfte entzog. Bluturteile wur- 



die orthodoxen Sectierer zu stiitzen und die Ab 
setzung des Athanasius zu rechtfertigen (Man si 
Concil. coll. II 1307. Hefele Conciliengeschichte 
12 502). Diese kirchliche Gesetzgebung kam wahr- 
scheinlich erst nach dem Tode des Eusebius von 
Constantinopel zum Abschluss. Denn der 21. Canon 
erneuert die Bestimmung des Concils von Nicaea, 
dass kein Bischof aus seiner Dioecese in eine andere 



den nicht verhangt, wohl aber Paulus nach Sin- 
gara in Mesopotamien verbannt, von wo ihm erst 
spater gestattet wurde, nach Emesa uberzusiedeln. 
Dann kehrte C. mit eben so grosser Geschwindig- 
keit, wie er gekommen war, nach Antiochia zu- 
ruck (Socrat. a. O. Sozom. a. O. Liban. or. HI 
304 — 306. Athan. hist. Ar. ad mon. 7 = Migne 
G. 25, 701), wo er schon am 31. Marz wieder 



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Constantius 



Constantius 



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nachweisbar ist (Cod. Theod. Til 12, 1). Hiei- 
verweilte er dann mindestens bis zum 11. Mai 
(Cod. Theod. XI 36, 6. XII 1, 33. 34), um den 
Sommer wohl wieder auf dem Peldzuge gegen 
die Perser zuzubringen. 

Wahrend jenes Aufenthaltes zu Antiochia hatte 
Constans seinen Bruder brieflich um Wiederein- 
setzung des Athanasius und Paulus gebeten, war 
aber zuruckgewiesen worden, wahrscheinlich mit 
Hinweis darauf, dass es den Kaisern nicht zu- 
stehe, die Beschliisse eines Concils, wie das An- 
tiochenische, umzustossen (Sozom. HI 11. Socrat. 

II 20, 2). Auf Anregung des Maximinus von Trier, 
des Iulius von Bom und des Hosius von Corduba 
(Hilar, frg. 3, 14. Athan. apol. ad Const. 4) schlug 
darauf Constans vor, eine gemeinsame Synode der 
occidentalischen und der orientalischen Bischofe zu 
berufen, die in Serdica, weil dieses an der Grenze 
beider Eeichsteile lag, zusammentreten sollte, und 
C. ging darauf ein (Socrat. II 20, 3. Sozom. IH 
11. Theod. h. e. II 4, 5. 6. Athan. apol. c. Ar. 36 ; 
hist. Ar. ad mon. 15). Im Sommer oder Herbst 
342, als Constans den Athanasius an sein Hof- 
lager nach Mailand berief, konnte er ihm mit- 
teilen, dass er die Verhandlungen fiber das Concil 
mit C. erOflhet habe, und bald darauf miissen 
die Einladungen erlassen sein (Athan. apol. ad 
Const. 4). 

343. Der Kaiser ist am 18. Februar in An- 
tiochia nachweisbar (Cod. Theod. IX 21, 5), am 
27. Juni und 4. Juli in Hierapolis (Cod. Theod. 
XII 1, 35. XV 8, 1), von wo aus er wahrschein- 
lich seinen alljahr lichen Perserfeldzug antrat. Am 
Ende desselben muss er irgend einen Erfolg er- 
rungen haben, da die orientalischen Bischofe wah- 
rend des Concils von Serdica eine Siegesnachricht 
erhielten (Athan. hist. Ar. ad mon. 16). 

Im Sommer wurde Athanasius aus Mailand, 
wo er sich damals aufhielt, an das Hoflager des 
Constans nach Gallien berufen. Dort traf er mit 
Hosius von Corduba zusammen, um mit ihm nach 
Serdica zu reisen (Athan. apol. ad Const. 4 = 
Migne G. 25, 601). 

Hier scheint sich das Concil gegen Ende des 
Jahres versammelt zu haben (Larsow 31) und 
dauerte dann bis in den Marz 344 ; denn die Ab- 
gesandten, welche es nach Antiochia schickte, um 
C. seine Beschliisse mitzuteilen, langten dort um 
die Zeit des Osterfestes (15. April) an (Athan. 
hist. Ar. ad mon. 20 = Migne G. 25, 717). 

344. Hosius von Corduba, der beriihmte Be- 
kenner, war, wie schon bei dem Concil von Ni- 
caea, auch in Serdica der eigentliche Leiter der 
Versammlung (Athan. apol. de fuga 5 ; apol. c. 
Ar. 44 ; hist. Ar. ad mon. 15. 16. 44. Phoebad. 
Agenn. c. Arian. 23 = Migne L. 20, 30). Er bc- 
antragte die meisten Canones (Man si Concil. coll. 

III 6ff.), in den Unterschriften der Synodalbriefe 
steht sein Name immer an erster Stelle (Man si 
III 38. 42. 65. Hilar, frg. 2, 15. Athan. apol. 
c. Ar. 50), und neben Protogenes von Serdica, 
der den Yorsitz gefuhrt zu haben scheint, weil 
in seiner Stadt die Synode sich versammelte, treffen 
ihn in erster Linie die Anklagen der Gegner (Hilar. 
frg. 3, 14. 15. 16. 18. 19. 24. 27). Im ganzen 
fanden sich etwa 170 Bischofe aus beiden Reichs- 
teilen ein (Athan. hist. Ar. ad mon. 15; vgl. 
Hefele Conciliengeschichte 12 539), von denen 

Pauly-Wissowa IV 



ungefahr 90, die meist den occidentalischen Pro- 
vinzen angehorten, auf seiten des Athanasius 
standen, also nur eine sehr knappe Majoritat (Hilar, 
frg. 3, 16). Da sich manche Zweifelhaften viel- 
leicht noch hatten gewinnen lassen, waren die 
80 orientalischen Bischofe, welche den Standpunkt 
der Synode von Antiochia vertraten und im Sinne 
derselben auch spater ein eigenes Glaubensbekennt- 
nis formulierten (Hilar, de synod. 33. 34), in keiner 

10 ganz ungiinstigen Lage ; nur liessen sie sich durch 
eine Pormfraga verleiten, gleich von Anfang an 
den Kampf aufzugeben. Schon auf der Hinreise 
hatten sie sich in Philippopolis versammelt und 
von dort aus ein Schreiben nach Serdica gerichtet, 
in dem sie die Forderung stellten, dass Atha- 
nasius und seine Genossen auf Grund der Urteile 
von Tyros und Antiochia einstwcilen als abge- 
setzt behandelt werden miissten. Demgemass 
sollten sie, bis die Synode einen andern Beschluss 

20fasste, von Sitz und Stimme und von der Com- 
munion der versammelten Bischofe ausgeschlossen 
sein (Sozom. Ill 11. Athan. apol. c. Ar. 48; vgl. 
Socrat. II 20, 9. 22, 1, wo aber die Beschliisse 
von Philippopolis falschlich an das Ende der Sy- 
node gesetzt sind). Da ihnen dies abgeschlagen 
wurde, kamen sie zwar nach Serdica, erklarten 
aber, mit den Gebannten keine kirchliche Ge- 
meinschaft halten zu konnen , und weigerten sich 
deshalb, die Kirche, in der die occidentalischen 

30 Bischofe sich versammelten , zu betreten. Sie 
wohnten allesamt in demselben Hause, um die 
persOnliche Unterstutzung fest zu halten, und traten 
nur als Gesamtheit mit dem iibrigen Concil in 
Verbindung. Nur zwei Bischofe aus ihrem Kreise, 
Makarios und Asterios, gingen zur Gegenpartei 
aber und beteiligten sich an den Sitzungen (Sozom. 
a. O. Athan. apol. c. Ar. 48; hist. Ar. ad mon. 
15. Hilar, frg. 3, 4. 14. 15. 17ff.). Nachdem die 
Leiter des Concils die Orientalen wiederholt zum 

40 Anschluss aufgefordert hatten, ohne Gehor zu 
finden, excommunicierte es ihre Ftihrer und er- 
klarte Athanasius und seine Genossen fur un- 
schuldig, was durch ein Eundschreiben den Bi- 
schofen der gesamten Christenheit und ausserdem 
durch besondere Schreiben noch den Gemeinden 
jedes einzelnen der abgesetzten Bischofe mitge- 
teilt wurde (Athan. apol. c. Ar. 36ff. Hilar, frg. 2. 
Athan. hist. Ar. ad mon. 16. 17. 44). Auch die 
Orientalen erliessen dann ein Rundschreiben , in 

50 dem sie ihrerseits die Fiihrer des Concils mit dem 
Banne belegten (Hilar, frg. 3). Doch von den occi- 
dentalischen BischOfen , die bisher in dem Kampfe 
gegen Athanasius eine fiihrende Stellung einge- 
nommen hatten, Ursacius von Singidunum und 
Valens von Mursa, wagte nur der letztere mit zu 
unterschreiben. Spater sahen sich beide durch 
Furcht vor Constans veranlasst, nach Eom zu 
gehen, sich dort bei Papst Iulius zu entschuldigen 
und einen schriftlichen Widerruf so wohl an ihn 

60 als auch an Athanasius zu richten (Athan. hist. 
Ar. ad mon. 26. 29. 44 ; apol. c. Ar. 58. Hilar, 
frg. 2, 19. 20 und sonst). 

Auf die Freisprechung der Synode hin ver- 
suchten mehrere der abgesetzten Bischofe, sich 
sogleich wieder ihrer Bistumer zu bemachtigen. 
Zwar Athanasius war vorsichtig genug, sich auf 
das Gebiet des Constans zurfickzuziehen, wo er 
in Naissus am 15. April das Osterfest feierte 

34 



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Constantius 



Constantius 



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(Larsow 31. Athan. apol. ad Const. 4). Doch 
Lucius kehrte nach Hadrianopolis, Paulus nach 
Constantinopel zurflck. Da abei jener den orien- 
talischen Bischofen, als sie bei ihrer Eiickkehr 
von Serdica durch seine Stadt kamen, die Com- 
munion versagte, liess C. ihn bald darauf in Ketton 
legen und in die Verbannung scbicken, und meh- 
rere seiner Anhanger widen hingerichtet (Athan. 
bist. Ar. ad mon. 18. 19). Mit Paulus verfuhr 



a. 0. Expos, tot. nmndi 28. Liban. or. I 361. 
Iulian. or. I 40 D). 

Athanasius war von Constans an seinen Hof 
nach Aquileia berufen (Athan. apol. ad Const. 3. 
4. 15 ; apol. c. Ar. 51) und feierte dort am 7. April 
das Osterfest (Larsow 32). Durch seinen per- 
sfinlichen Einfluss veranlasst, trat jetzt der occi- 
dentalische Kaiser energisch fur ihn und die ubrigen 
verbannten Bischofe ein. Er schrieb an C. einen 



man glimpflicher, weil man die Wut des Voiles 10 Brief, in dem er ihre Eiickberufung, in erster 



in Constantinopel scheute. Der Praefect Philippus 
liess ihn heimlich aus der Stadt schaffen und 
nach Thessalonike in das Gebiet des Constans 
einschiffen. Als er aber an Stelle des Abgesetzten 
den Macedonius unter militarischer Bedeckung 
als Bischof in die Hauptkirche einfuhrte, brach 
ein Aufstand los, bei dem 3150 Menschen umge- 
kommen sein sollen (Socrat. II 16. Sozom. HI 9). 
Aus Thessalonike floh Paulus bald zum Kaiser 



Lime die des Athanasius und Paulus, forderte 
und im Weigerungsfalle mit Krieg drohte (Eufln. 
hist. eccl. I 19. Socrat. II 22, 4. 5. Sozom. Ill 
20. IV 8. Lucif. de s. Athan. I 29. Philost. 
Ill 12. Theodor. hist. eccl. H 8, 55). C. ver- 
sammelte wieder eine Synode und legte ihr den 
Brief vor; da die orientalischen Bischofe selbst 
dafur entschieden, dass man um des Athanasius 
willen keinen Bfirgerkrieg entfachen durfe, gab 



Constans, um durch diesen seine Biickberufung 20 auch der Kaiser nach (Socrat. II 23, 1. 2. Sozom. 



zu erwirken (Socrat. II 17, 12). Nach Alexandria 
und anderen Stadten erging der Befehl, die Hafen 
und Zugange zu bewachen, damit die verbannten 
Geistlichen keinen Versuch zur Eiickkehr machen 
kOnnten, und die Beamten wurden angewiesen, 
jene, wenn sie in ihrer Stadt betroffen wurden, 
hinzurichten (Athan. hist. Ar. ad mon. 19). 

Unterdessen bereitete sich aber schon ein Um- 
schwung vot. Zwei Bischofe, welche das Concil 



HI 21; vgl. Athan. hist. Ar. ad mon. 49), was 
ihm dadurch erleichtert wurde, dass am 26. Juni 
Gregorius gestorben und der Bischofsstuhl von 
Alexandria daher unbesetzt war (Larsow 32. 
Athan. hist. Ar. ad mon. 21). Doch dauerte der 
Zwiespalt der Briider noch bis zum Ende des 
Jahres und scheint auch am Anfang des folgenden 
noch nicht ganz beigelegt gewesen zu sein. Denn 
als der Kaiser, um seiner versohnlichen Gesinnung 



zu Serdica als Gesandte an den Kaiser nach An- 30 Ausdruck zu geben, sich und Constans gemeinsam 



tiochia geschickt hatte, suchte der dortige Bi- 
schof Stephanos des Umgangs mit einer offent- 
lichen Dime zu verdiichtigen (April 344). Die 
Intrigue wurde aber entdeckt und ihr Anstifter 
zur Eechenschaft gezogen. Zehn Monate vor dem 
Tode des Gregorius, d. h. im August 344, wurde 
Stephanos durch eine Synode abgesetzt und Leon- 
tius an seine Stelle gewahlt. Jene schniutzigen 
Machenschaften eines Mannes, der zu den Fiihrern 



fur das nachste Jahr zu Consuln ernannte, wurde 
dies im Occident nicht anerkannt. 

346. Dieses Jahr heisst aus dem eben ange- 
fiihrten Grande in den orientalischen Fasten: 
Constantio IV et Constcmte III AA. eonss. , im 
Occident: post consulatum Amantii et Albini 
(Mommsen Chron. min. Ill 521). 

Die Uneinigkeit der Kaiser, die in der zwie- 
spaltigen Jahresbezeichnung cffentlich zu Tage 



der orientalischen Partei gehort hatte, veranderten 40 trat, veranlasste auch die Perser zu einem ener- 



die Stimmung des Kaisers, namentlich da auch 
Constans brieflich darauf bestand, dass die Ent- 
scheidung der Synode aufrecht erhalten werde. 
Eiriige der verbannten Alexandriner erhielten jetzt 
Erlaubnis zur Eiickkehr, und nach Agypten wurde 
ein Erlass gerichtet, dass weitere Verfolgungen 
gegen die Anhanger des Athanasius unterbleiben 
sollten (Athan. hist. Ar. ad mon. 20. 21. Theod. 
hist. eccl. n 8, 54. 9. Socrat, II 22, 3. Sozom. 



gischeren Angriff. Sapor fiel in Mesopotamien 
ein und belagerte Nisibis zum zweitenmal, musste 
aber nach drei Monaten unverrichteter Sache ab- 
ziehen (Hieron. chron. 2362. Euf. Fest. 27). Viel- 
leicht wurde die Stadt durch das Heer des C. 
enUelzt, da dieser im Sonimer zu Edessa. d. h. 
auf der grossen Strasse, die nach Nisibis fuhrte, 
nachweisbar ist (Athan. apol. c. Ar. 51). 

Unterdessen hatte Constans die Wiederein- 



III 20). Um von neuem die Einigung des Ostens 50 setzung der verbannten Geistlichen durchgefiihrt 



und des Westens zu betreiben, arbeitete jene Sy- 
node, die fiber Stephanos zu Gericht gesessen 
hatte, wieder ein Glaubensbekenntnis aus, das 
nnter dem Namen der /uaxooottxo; bekannt ist, 
und iibersandte es den Bischofen Italiens ; aber 
da das Wort 6/wovotog auch diesmal vermieden 
war, batte dies natiirlich keinen Erfolg (Athan. 
de synod. 26. Sozom. HI 11. Socrat. II 19). 

Durch ein Erdbeben wurde Neocaesarea im 
Pontus zerstOrt (Hieron. ehron. 2360). 

345. Ein Meerbeben vernichtete Dyrrhachium 
giinzlich und iiberschwemmte auch Rom und raeh- 
rere Stadte Campaniens (Hieron. chron. 2361. 
Expos, tot. mundi 53 = Eiese Geogr. lat. min. 
119). 

Bei Seleucia wurde fur Antiochia ein Hafen 
gebaut, zu welehem Zwecke eine Durchfahrt durch 
einen Berg gebrochen werden musste (Hieron. 



Paulus wurde auf seinen Befehl von zwei Bischofen 
seines Eeichsteils feierlich nach Constantinopel 
geleitet (Socrat. H 23, 3), wo sein Gegner Ma- 
cedonius in der nachsten Folgezeit auf private 
Gottesdienste angewiesen war. In Ankyra kam 
es bei der Zuruckfuhrung des Marcellus und der 
Absetzung des Basileios, der in der Zwischenzeit 
das Bistum bekleidet hatte, zu wilden Volksauf- 
standen. Ruhiger vollzog sich die Heimkehr des 
60 Lucius nach Hadrianopolis und des Asklepas nach 
Gaza (Sozom. Ill 24. Socrat. n 23, 39). Atha- 
nasius zGgerte am langsten; drei Briefe musste 
C. an ihn richten und seine ersten Hofbeamten 
veranlassen, dass sie ihn gleichfalls brieflich zur 
Eiickkehr aufforderten (Athan. apol. c. Ar. 51 ; 
hist. Ar. ad mon. 21—23). Endlich folgte der 
Bischof; zunachst besuehte er noch den Constans 
auf dessen Einladung in Gallien (Athan. apol. ad 



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Constantius 



Constantius 



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Const. 4) ; daim reiste er nach Eom, um sich von 
Iutius zu verabschieden, der ihm ein triumphie- 
rendes Begleitschreiben an die Gemeinde von Ale- 
xandria mitgab (Athan. apol. c. Ar. 51. 52). End- 
lich traf er mit dem Kaiser in Antiochia zusammen 
und empfing von ihm auch miindlich die Zusiche- 
rung kiinftigen Schutzes (Athan. apol. c. Ar. 54 ; 
hist. Ar. ad. mon. 22. 44; apol. ad Const. 5. Eufln. 
hist. eccl. I 19). Mit Briefen des C. ausgerilstet, 
zog er iiber Jerusalem, wo eine eben versammelte 
Synode ihm gleichfalls ein Gratulationsschreiben 
an die agyptische Geistlichkeit mitgab (Athan. 
apol. c. Ar. 54—57; hist. Ar. ad mon. 23—25), 
nach Alexandria, von wo ihm das Volk bis auf 
100 Millien entgegenzog und ihn am 21. October 
feierlich in die Stadt einfuhrte (Larsow 32. Hist, 
aceph. 2 = Migne G. 26, 1443). Nur eine kleine 
Gruppe von etwa 30 orientalischen Bischofen blieb 
dabei, dass die Eiickkehr des Athanasius wider- 
rechtlich sei. Sie versammelten sich in Antiochia, 
wahlten als Nachfolger fur den verstorbenen Gre- 
gorios dessen Landsmann Georgios zum Bischof 
von Alexandria und erliessen ein Rundschreiben, 
in dem sie alle Gemeinden der Christenheit auf- 
forderten, nur mit diesem zu communicieren und 
den Athanasius von ihrer Communion auszu- 
schliessen. Einstweilen blieb dies ohne Folgen, 
sollte aber nach dem Tode des Constans bedeu- 
tungsvoll werden (Sozom. IV 8). 

347. Der Kaiser erscheint am 11. Mai in 
Hierapolis auf dem Wege nach Mesopotamien (Cod. 
Theod. V 4, 1) Dieser Feldzug fuhrte zu einem 
Waffenstillstande mit den Persern, den sie aber 
schon im folgenden Jahre brachen (Liban. or. HI 
300. Iulian. or. I 23 C). Einstweilen benutzten 
sie ihn, um die NachbarvOlker teils mit Gewalt 
zur Heerfolge zu zwingen, teils sie zum Biindnis 
zu veranlassen oder ihren Beistand zu erkaufen 
(Liban. m 307). 

348. In diesem Jahre vollzog sich der bedeu- 
tendste Kampf des ganzen Perserkrieges (Momm- 
sen Chron. min. I 236. Hieron. chron. 2363. 
Liban. or. Ill 306; die abweichende Zeitbestim- 
mung bei Iulian. nr. I 26 B muss auf Irrtum 
oder falscher Uberlieferung beruhen). Sapor hatte 
seine Bundesgenossen versammelt, die Waffen- 
fiihigen seines Volkes fast bis zum Knabenalter 
herab ausgehoben und selbst die Weiber zum 
Dienste herangezogen , um das Gepack des Heeres 
zu schleppen (Liban. or. Ill 307. 311). Der Hoch- 
sommer war schon eingetreten, als dies ungeheure 
Heer an den Tigris gelangte (Iulian. or. I 23 B. 
Liban. or. Ill 309). Die Grenzwachen der EOmer 
zogen sich auf Befehl des Kaisers zurtck und 
liessen den Ubergang unbchindert (Liban. or. Ill 
307. 311), der auf drei Briicken ausgefuhrt wurde. 
Dann drang das Heer kampflos ins Innere von 
Mesopotamien vor und schlug am Fusse eines 
Hugelruckens , der mit Schtitzen besetzt wurde, 
ein festes Pallisadenlager (Liban. or. in 308. 
309. 310) bei Hileia oder Elba in der Nahe der 
Stadt Singara (Ammian. XVIII 5, 7. Ruf. Fest. 
27). C. ruckte mit einem grossen Heere heran, 
doch waren gerade die besten Kerntruppen nicht 
dabei (Liban. or. Ill 311). Sapor zog ihm bis 
etwa 25 km. vom Lager aus entgegen (Liban. 
or. Ill 309). Hier standen die Truppen sich 
langere Zeit gegeniiber, da jeder Teil dem andern 



die Offensive iiberlassen wollte (Iulian. or. I 23 C). 
Dann lockten die Perser durch verstellte Flucht 
die EOmer hinter sich her, um den ernsten Kampf 
unter den Wallen ihres Lagers aufnehmen zu 
kSnnen. Denn hier hatten sie die Waffengattung, 
der sie am meisten vertrauten , die mit Schuppen- 
panzem versehenen Eeiter, in Eeserve gestellt und 
zugleich vermochten sie das rOmische Heer von den 
Hohen und den Wallen aus durch ihre Scblitzen zu 

lObedrangen (Liban. or. Ill 308. 310. 312. Iulian. or. 
1 23 D. Euf. Fest. 27). Die List gelang. Zwar suchte 
C. die Soldaten, als sie an das Lager gekommen 
waren, von weiterem Kampfe zuruckzuhalten (Liban. 
or. Ill 309. Iulian. or. I 24 A. Euf. Fest. 27. 
Eutrop. X 10, 1). Aber da sie vom Vormittag 
bis in die sinkende Nacht hinein in gliihender 
Hitze gekampft hatten (Liban. or. HI 309. Iulian. 
or. I 23 B. 24 C), waren sie von Durst gequalt 
(Iulian. or. I 24 C. 26 A. Euf. Fest. 27. Liban. 

20 or. IH 309), und die Quellen, mit denen sie ihn 
hatten stillen konnen, befanden sich innerhalb 
des feindlichen Lagers (Liban. or. IH 308). Sie 
setzten daher gegen den Befehl den Kampf fort, 
besiegten auch die Eisenreiter mit Keulenschlagen 
und durchbrachen die Pallisaden des Walles. Doch 
zerstreuten sie sich jetzt zur Pliinderung und zum 
Trinken, und so verwandelte sich in den folgenden 
Nachtkampfen der Sieg in eine Niederlage (Liban. 
or. I 592. in 310. 312. Iulian. or. I 24 C). Denn 

30 in der Dunkelheit vermochten sie sich nicht zu- 
recht zu finden, und als sie Lichter anzundeten, 
boten sie dadurch den auf den Hiigeln stehenden 
Schutzen nur ein sicheres Ziel (Euf. Fest. 27). 
Gleichwohl wurde der Sohn des Perserkonigs ge- 
fangen und unter Qualen umgebracht (Liban. or. 
HI 312. Iulian. or. I 24 D). Sapor selbst war 
schon vor der Erstiirmung des Lagers zum Tigris 
geflohen (Iulian. or. I 23 D. 24 D. Euf. Fest. 27), 
und nach der Schlacht zog sich auch sein Heer 

40 unverrichteter Sache iiber die persischen Grenzen 
zuriick (Liban. or. Ill 311. 313. Iulian. or. I 25 B). 
Dieser Zeit scheint auch eine hOchst radicale 
Neuerung im Miinzwesen anzugehOren. Constantin 
d. Gr. hatte in seinen letzten Jahren das Weiss- 
kupfergeld leichter scblagen lassen und dadurch 
eilie starke Entwertung dcssclbcn herbcigefuhrt. 
Jetzt vermehrten seine Sfihne das Gewicht des- 
selben, schufen zwei Nominate, die pecunia maio- 
rina, deren einzelne Stiicke 1/72 des silbernen Mi- 

501iarense gelten sollten, und den kleineren Cen- 
tenionalis als Halbstiick derselben. Zugleich wurde 
das alte Geld fur wertlos erklart und sein Ge- 
brauch verboten. Die neuen Stiicke tragen samt- 
lich die gleiehe Aufschrift: Felieium temporum 
reparatio, wahrscheinlich um so ein klares Mittel 
der L'nterscheidung des erlaubten Geldes von dem 
verbotenen zu gewinnen (Seed Ztschr. f. Nu- 
mismatik XVH 132). 

350. Am 18. Januar bemachtigte sich Magnus 

60Magnentius in Gallien der Herrschaft (Mommsen 
Chron. min. I 237. Iulian. or. I 26 B); schon im 
Februar hatte er auch Italien gewonnen (Iulian. 
or. I 26 C. Zos. II 43, 1), wie daraus hervorgeht, 
dass er am 27. Februar einen neuen Praefecten 
fur Eom ernannte (Mommsen I 69), und bald 
darauf schloss" sich ihm Africa an (Dessau 744. 
747. CIL VIII 10169. Eutrop. X 10, 2), von wo 
er seine Macht auch iiber die Cyrenaica ausdehnte 



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Constantius 



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(Socrat 1125 8; vgl. Athan. apol. ad Const. 9). Da- Unterthanen aufbot, sondern orgamsierte eme 

miter nicht den ganzen Reichsteil des Constans ge- Volkerwanderung mit Weibern und Kmdern, um. 

winnen und dann mit erdriickender Ubermacht romisches Gebiet mit persischen Golomsten zu 

dem C. entgegentreten konne, bewog dessen Schwe- besiedeln (Iulian. or. I 27 A. II 62 C. 67 B. Zonar. 

ster Constant!* (Philostorg. HI 22 = Migne G. XIII 7 p. 14 C). Naehdem er das Ostliehe Me- 

65 509) den greisen Vetranio , der als Magister sopotamien verwiistet und mehrere Castelle ge- 

peditum das Donauheer befehligte (Vict. Caes. nommen hatte, begann er Nisibis zum drittenmale 

41 26) sich am 1. Marz (Mommsen Chron. zu belagern (Zonar. a. 0. Kuf. Fest. 27. Ammian. 

mi'n I 237) in Mursa (Hieron. chron. 2366. Zosim. XXV 8, 13. 14). Die Stadt wurde durch Luci_ 
II 43 1 Vict epit. 41, 25 ; in Sirmium nach 10 lianus geschickt verteidigt (Zosim, III 8, 2), und 

Mommsen a. 0. Socrat. II 25, 9) von den Sol- die Predigten und Weissagungen ihres Bischofs 

daten zum Kaiser ausrufen zu lassen (Lilian, or. Jacobus, der im Rufe der Heiligkeit stand, hoben 

I 26 C Eutrop. X 10, 2. Zonar. XIII 7 p. 15 C. den Mut der Burger (Philostorg. in 23. Theodor. 

Johann. Ant. frg. 172 = FHG IV 604), und be- hist. eccl. II 30 ; hist, relig. 1,1 = Migne G. 

nachrichtigteihrenBruderbrieflichdavon (Johann. 82, 1304). Als die iiblichen Kunste versagten 

monach. pass. S. Artemii 11 = Mai Spicilegium und auch der Versuch, der Stadt das Wasser ab- 

Romanum IV 348). Dem Beispiel des Vetranio zuschneiden , misslang (Zonar. XIII 7 p. 14 V), 

folgte bald der Vetter des Kaisers, Flavius Popilius liess Sapor das Bett des Mygdomos, der sie durch- 

Nepotianus (Cohen Medailles impenales VIII 2 1), floss, abdammen und so um sie her emen kunst- 
der am 3. Juni den Purpur nahm und mit einer Schar 20 lichen See erzeugen, auf dem er mit Schiffen die 

von Gladiatoren und allerlei Gesindel gegen Rom Belagerungsgerate an die Mauer brachte, ohne 

zog Hier besiegte er die bewaffneten Volkshaufen, etwas damit zu erreichen (Mian. or. I 27 B. 30 A. 

die'ihm der Praefectus Praetorio des Magnentius, II 62 C. 67 B. Liban. or. I 592. Theodor. a. O. 

Aniketos, entgegenwarf, und richtete unter ihnen Themist. or. II 37 A). Als dann das Wasser durcn 

ein furchtbares Blutbad an. In die Stadt einge- einen Dammbruch seinen Abfluss fand (Iulian. or. 

drungen, liess er den Praefecten und zahlreiche II 63 A. 66 D), stiirzte ein Teil der Mauer, deren 

Romer jedes Standes umbringen. Sehr bald nach- Luftziegel durch die Feuchtigkeit erweicht waren, 

her aber griff ihn der Magister Officiorum des zusammen (Iulian. or. I 28 D. 30 A. II 63 A. 67 B. 

Tyrannen,- Marcellinus. mit einem Heere an, be- Zonar. XIII 7 p. 15 A. Theodor. hist. eccl. II 
siegte ihn durch den Verrat eines Senators He- 30 30, 5. 6). Darauf erfolgte ein Sturm der Reiterei 

rakleides (Hieron. chron. 2366), liess ihn schon und der Elefanten, dem Sapor von emem kunst- 

am 30. Juni toten und sein Haupt auf einer Stange lichen Hfigel aus zusah (Iulian. or. II 63 B) ; aber 

durch die Stadt tragen (Zosim. II 43, 2. Johann. die Tiere blieben im Schlamm stecken (Iulian. 

Ant frg. 174. Vict. Caes. 42, 6 ; epit. 42, 3. Eutrop. or. II 64 B C), und einige der Elefanten wandten 

Xli2 Mommsen Chron. min. 1237. Ammian. sich riickwarts und brachten die Reihen der Perser 

XXVni 1, 1. Mamert. paneg. in Iulian. XI 13; selbst in Verwirrung (Ammian. XXV 1, 15). Als 

vgl De Rossi Rev. arch. VI 375). Es folgten dann die Einwohner hinter der Bresche m kur- 

massenhafte Hinrichtungen in Rom, denen auch zester Zeit eine neue Mauer auffuhrten (Iulian. 

Eutropia, die Mutter des Nepotianus und Tante or. II 66 B. Zonar. XIII 7 p. 15 A. Theodor. 
des C zum Opfer fiel (Eutrop. a. O. Athan. apol.40hist. eccl. II 30, 7), verlor er den Mut. Zwar 

ad Const 6. Johann. Ant. a. O. Iulian. or. II setzte er noch kurze Zeit die Belagerung tort; 

5 gQ x)v doch kam bald die Nachricht, die Massageten 

Gegen Ende des Winters erfuhr C. von dem seien in sein Reich eingebrochen, und zwang ihn 

Tode seines Bruders (Iulian. or. I 26 B), doch zum Abzuge (Zonar. XIII 7 p. 15 B), naehdem 

waste er nicht dem Usurpator entgegen zu ziehen, er vier Monate vor der Stadt gelegen hatte (Iulian. 

ehe er die Stadte des Ostens durch Verprovian- or. I 28 D. II 62 D). Durch Kampfe gegen Grenz- 

tierang und Besatzungen dazu ausgeriistet hatte, volker beschaftigt (Ammian. XIV 3, 1. XVI 9, 

einem \ngriff der Perser zu widerstehen (Iulian. 3), hielten die Perser in der nachsten Zeit Rune, 

or I26D; vgl. Zonar. XTII 7 p. 15B). Er eilte so dass C. in der Bekampfung des Usurpators 
daher nach Mesopotamien und erhielt in Edessa 50 ungestort blieb (Iulian. or. I 28 D. II66D. Themist. 

die Nachricht, dass Vetranio in Illyricum sich or. II 39 A). 

bereitmache, dem Magnentius Einhalt zu gebieten, Unterdessen zog C. fiber Ankyra, wo ihn der 

und seine Unterstiitzung dafiir erbitte (Philostorg. junge Themistius mit seiner Erstlmgsrede be- 

in 22 = Migne G. 65, 509. Iulian. or. I 26 C. griisste (Themist. or. I XJberschrift ; Anspielung 

30 C 31 A. Zonar. a. O.). Er iibersandte ihm auf die Hoffinungen des Kaisers p. 9C), langsam 

ein Diadem und erkannte ihn dadurch als Mit- gegen des Bosporus heran. Wahrscheinlich wollte 

regenten an (Philostorg. a. O.) ; auch schickte er er abwarten, bis die beiden Usurpatoren sich in 

ihm Geld und wies die Donautruppen an, ihm gegenseitigen Kampfen aufgerieben hatten und er 

Zuzug zu leisten (Iulian. or. I 30 B. C). Naehdem dann mit seinem frischen Heere die Entscheidung 
er so etwas Zeit gewonnen hatte, die Abwehr der 60 bringen konnte. Ihm selbst versagte einstweilen 

Perser vorzubereiten, ubergab er dem Lucilianus noch keiner von ihnen die Anerkennung, wie dar- 

das Commando (Zosim. II 45, 2. IJI 8, 2) und aus hervorgeht, dass sie in den ihnen unter- 

zog selbst nach Norden dem Usurpator entgegen. gegebenen Pragstatten beide Munzen mit dem 

Auch den Persern war die Zerruttung des Bilde des C. schlagen liessen (Schiller Gesch. 

Romerreicheskundgeworden, und Sap or hielt daher d. rOm. Kaiserzeit II 252. 254). Doch hielt es 

die Zeit flir geeignet, einen Hauptschlag zu unter- Vetranio bald fur das Zweckmassigste, mit Ma- 

nehmen Er brachte nicht nur ein grosses Heer gnentius seinen Frieden zu machen (Iulian. or. 

zusammen, zu dem er bis nach Indien hin seine I 26 D. 30 C. 31 A. II 76 C). Erne Gesandt- 



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schaft, die dieser vorher an C. nach Syrien ge- Um dieselbe Zeit erhob Magnentius, der sich 

schickt hatte, war ttber Africa und Agypten ge- damals in Mailand aufhielt, seinen Vetter Magnus 

reist, um dem Vetranio nicht in die Hande zu Decentius zum Caesar, um ihn in Gallien als 

fallen (Athan. apol. ad Const. 9 = Migne G. 25, Feldherrn gegen die Germanen zu gebrauchen (s. 

605). Jetzt kam von beiden eine gemeinsame Decentius). Denn diese hatte C. zu einem Ein- 

Gesandtschaft, bestehend aus den Praefecten Ru- fall fiber den Rhein veranlasst, indem er sie durch 

flnus und Nunechios, dem Magister Militum Mar- Briefe von ihrem fruheren Vertrage entband und 

cellinus und einem Maximus, die den Kaiser in ihnen den Besitz des Landes zusicherte, das sie 

dem thracischen Herakleia antraf. Die Vorschlage, dem Usurpator abnehmen wurden. Auch durch 
welche sie brachte, waren f olgende : C. sollte den 10 Geldmittel soil er sie untersttitzt haben. Die 

ersten Platz im He'rrschercollegium behalten, abeT Folge war, dass der grOsste Teil Galliens von 

dafiir die beiden Usurpatoren als Mitregenten an- ihnen uberschwemmt wurde und es spater dem 

erkennen Magnentius hot ihm seine Tochter zur Heldenmute des Iulianus nur unter grossen Schwie- 

Ehe an und warb dafiir um seine alteste Schwester rigkeiten gelang, das Land wieder von ihnen zu 

Gonstantia. Der Kaiser schwankte anfangs in reinigen (Liban. or. I 533. 540. Zosim. II 53, 3. 

seinem Entschlusse, wurde aber durch einen Traum Iulian. epist. ad Athen. 278 D. Sozom. V 1. Am- 

zum WideTstande ennutigt. Er liess die Ge- mian. XVI 12, 5). 

sandten mit Ausnahme des Ruflnus als Mitschul- 351. Diesem Jahre solltcn nach der Regel, 

dige der Usurpatoren gefangen setzen und riickte dass Kaiser am 1. Januar, der ihrer Thronbestei- 
schnell auf Serdica vor (Zonar. XIII 7 p. 15C.20gung zunachst folgte, das Consulat bekleideten, 

Petr. Patr. frg. 16 = FHG IV 190). Vetranio wahrscheinlich Magnentius und Vetranio den Namen 

wollte anfangs seinen Vormarsch aufhalten, indem geben. C. wird dem nicht widersprochen haben, 

er den Pass Succi, der die beiden Reichsteile solange er den einen noch als Mitregenten aner- 

trennte, mit seinen Truppen besetzt hielt (Philo- kannte; da aber am Schlusse des Vorjahres auch 

storg. Ill 24 = Migne G. 65, 512. Iulian. or. I dieser wegfiel, blieb das Jahr im Orient ohne 

31 A. II 76 C). Doch als bei ihm zugleich Ge- Consuln, und man datierte post consulatum Sergii 

sandte des Magnentius und des C. eintrafen, konnte et Nigriniani. Im Occident emannte Magnentius, 

der alte Soldat es doch nicht fibers Herz bringen, als Vetranio von ihm abgefallen war, Gaiso, den 

seinem fruheren Kriegsherrn abzusagen, und machte Morder des Constans, mit sich gemeinsam zum 
ihm den Durchzug frei (Zosim. II 44.2). In 30 Consuln (Mommsen Chron. inin. HI 522). Wenn 

Serdica begriisste er ihn persOnlich in aller Unter- man in Rom am Anfang des Jahres Magnentio 

thanigkeit (Zonar. XIII 7 p. 15D), und beide et Decentio coss. datierte (De Rossi Inscript. 

zogen gemeinsam nach dem nahen Naissus (Hieron. christ. urb. Rom. I 111), so beruhte dies wohl 

chron. 2367; anders Socrat. II 28, 17. Sozom. nur auf der falschen, aber naheliegenden Annahme, 

IV 4). Wahrend dessen liess C, wie es scheint, dass der Usurpator sich und seinem Nachstver- 

durch den Tribunus Scutariorum Gumoarius die wandten das Consulat erteilt habe. Es beweist 

Truppen des Vetranio heimlich bearbeiten und aber, dass die Verkttndigung der Consuln sehr 

Geld unter sie verteilen (Ammian. XXI 8,1. Zosim. spat erf olgt war. 

II 44, 4). In einer Versammlung beider Heere Der raulie Winter hinderte C, sogleich die 
sollten sie durch Reden der Kaiser auf den Krieg 40 Alpen zu iiberschreiten und den Kampf gegen 

gegen Magnentius vorbereitet werden. Die Herr- Magnentius aufzunehmen (Vict. Caes. 42, 5). Wah- 

scher standen zusammen auf dem Suggestus, und rend er in Sirmium verweilte (Johann. monach. 

C nahm als der Vornehmere zuerst das Wort. pass. S. Artemii 12 = Mai Spicilegium Romanum 

Er machte mit demjenigen. was er sagte, solchen IV 349. SocTat. n 28, 23), bekam er die Nach- 

Eindruck, dass die Soldaten in den Zurufen, mit richt von neuen Bewegungen der Perser (Philostorg. 

denen sie die Rede beantworteten , ihn allein als in 25. Zonar. XIII 8 p. 16 B. Mommsen I 

Imperator begriissten, ohne des Vetranio Erwah- 238. Liban. or. I 527) und hielt daher emen kai- 

nung zu thun Daraufhin warf dieser sich dem serlichen Feldherrn im Orient fur unentbehrlich. 

C. zu Fiissen und flehte um Verzeihung. Der So liess er denn nach dem Beispiel des Magnen 
Kaiser nahm ihm Diadem und Purpur ab, um- 50 tius seinen funfundzwanzigjahrigen Vetter Gallus 

armte ihn aber dann, redete ihn ,Vater ' an und der bis dahin auf einer cappadocischen Domane 

fiihrte den Greis achtungsvoll die Stufen herab in ehrenvoller Gefangenschaft gelebt hatte (Iulian. 

(Zosim. II 44, 2—45, 2. Socrat. II 28, 17. Iulian. epist. ad Athen. 272 A. Ammian. XV 2, 7. Sozom. 

or. II 76D. I 31B. Athan. hist. Ar. adnion.49. 74. V 2), an seinen Hof koromen und ernannte ihn 

Liban. or. I 58. Themist. or. II 34B. 37 A. Ill am 15. Marz 351 zum Caesar (Mommsen I 238. 

45 B. IV 56 B. Eutrop. X 11. 1. Vict. Caes. 42, 3. Eutrop. X 12, 2. Themist. or. II 40 A). Doch da 

Ammian. XV 1,2). Dies geschah am 25. December der Altersunterschied zwischen ihnen zugenng war, 

350 (Mommsen Chron. min. I 238), im zehnten adoptierte er ihn nicht (CIL XII 5560), sondern 

Monate nach der Erhebung des Vetranio (Momm- machte ihn zum frater Augush, wie spater den 
sen I 237. Vict Caes. 42, 1). C. zog den Greis 60 Iulian ; zugleich veranlasste er ihn, den !Namen 

an seine Tafel (Zonar. XIH 7 p. 16 A. Philostorg. Galks abzulegen und sich statt dessen Flavvus 

HI 22 Mommsen a. O) und sandte ihn fiber Claudius Cm&iartiius zunennen (Cohen Medailles 

Constantinopel (Themist. or. IV 56B) nach Prusa imperiales VHia 32. Dessau 737. CIL V 8073. 

in Bithynien, wo er, mit einem kaiserlichen Jahr- VHI 8475. XH 5560. Ephem. epigr. V 1112. Vict, 

gelde ausgestattet, noch sechs Jahre lebte (Zonar. Caes. 42, 9. Socrat. H 28, 21. Mommsen I 238. 

a O Mommsen a. O. Philostorg a, O. Socrat. II Larsow 34), und vermahlte ihn mit seiner alte- 

28 18 Zosim n 44, 4. Themist. or. II 38 A. VI 80C. sten Schwester Constantia (Johann. monach. \1. 

Vict Caes. 42, 1 ; epit. 41, 25. Iulian. or. II 77 C). Zosim. II 45, 1. Zonar. XIII 8 p. 16 B. Iulian. 



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epist. ad Athen. 272 D. Vict. epit. 42, 1) Um sich 
vor der Rache des Jiinglings zu schutzen, dem er 
Vater und Bruder hatte ermorden lassen, leistete 
und empfing C. unter Assistenz des Bischofs Theo- 
pliilos heilige Bide, dass keiner der beiden Mit- 
regenten dem andern Boses sinnen wolle (Philo- 
storg. IV 1). Der neue Caesar musste sogleich 
nach Antiochia aafbrechen (Zonar. XIII 8 p. 16 C. 
Socrat. II 28, 21. Mommsen I 238), von wo 



verraten und die ganze Schar durch die Tribuneit 
Scodilo und Manados niedergemacht (Zosim. II 
50). Die Hauptschlacht soil C. mit 80 000 Mann r 
Magnentius nur mit 36 000 geliefert haben (Zonar. 
XIII 8 p. 17 B), vermutlich weil ein grosser Teil 
seines Heeres durch die Umschliessung von Mursa, 
vielleicht auoh von Sirmium, in Anspruch ge- 
nommen wurde. Er lehnte seinen linken Fliigel 
an die Drau, C. den rechten (Iulian. or. I 36 A. 



aus er den Perserkrieg mit Erfolg geleitet haben 10 60 B. 97 C). Dieser hatte seine treffliche Reiterei, 



soil (Philostorg. Ill 28). 

Magnentius hatte die Vorbereitungen zum 
Kriege mit riicksichtsloser Harte getroffen. Um 
sich Geld zu verschaffen, hatte er eine Steuer 
von der Halfte des Einkommens aufgelegt und 
die Wohlhabenden gezwungen, das ihm unntstig 
Scheinende vom Besitze des Constans zu kaufen. 
Er hatte die Grenzen Galliens von ihren Ver- 
teidigern entblosst und grosse Werbungen unter 



deren tjberlegenheit auf dem ebenen Gelande vor- 
trefflich zur Geltung kam, auf die Fliigel gestellt 
(Iulian. or. I 36 A. 57 B; vgl. Zosim. II 45, 4), 
die Schutzen, unter denen sich namentlich die 
Armenier auszeichneten (Zosim. II 51, 4. 52), in 
das Hintertreffen (Iulian. or. II 57 D). Beide 
Heere standen sich lange zaudernd gegeniiber, 
Magnentius wahrscheinlich wegen seiner geringen 
Streitmacht, C, weil er die Donau im Eucken 



den Germanen angestellt. So war es ihm gelungen, 20 hatte und im Fall einer Niederlage die Verfolgung f 
tt -Li. •__•..._. •._ <-,...., wenn sie lange fortgesetzt werden konnte, sein 

ganzes Heer vernichten musste. Nachdem Mag- 
nentius, wie spater seine Feinde behaupteten, noch 
durch bOse Zauberklinste den Mut seiner Krieger 
gesteigert hatte, begann die Schlacht am spaten 
Nachmittag (Zonar. XIII 8 p. 16 D; vgl. Athan. 
apol. ad Const. 7 = Migne G. 25, 604) und dauerte 
bis tief in die Nacht hinein (Zosim. II 51, 2. 3.. 
Zonar. p. 17 A. Iulian. or. I 37 A. II 60 B). C. 



eine Heeresmacht zu vereinigen, deren Sieg kaum 
zweifelhaft schien (Iulian. or. I 34 B— 35 C. II 
56 C. 57 A). Trotzdem begann C. im Frlihling 
die Offensive und Tilckte gegen die Alpenpasse 
vor. Doch flel er schon bei Atrans in einen Hinter- 
halt, den Magnentius ihm gelegt hatte, und musste 
sich nach schweren Verlusten zuriickziehen (Zosim. 
II 45, 3. 4. Iulian. or. I 35 C. II 57 B. 97 C). 
Dieser verfolgte ihn nach Pannonien hinein (Iulian 



I 35 D. II 57 B), verlor aher die Fuhlung mit 30 umfasste mit seiner Eeiterei den rechten Fliigel 



dem Feinde und zog daher nach Poetovio, wah- 
rend C. siidlich nach Siscia ausgewichen war. Von 
hier aus schickte er den Gardepraefecten Philippos 
an Magnentius, um einen ehrenvollen Frieden zu 
verhandeln. Er erklarte sich bereit, auf den galli- 
schen Reichsteil zu verzichten (Zonar. XIII 8 
p. 16 C) und den Usurpator als Mitregenten an- 
zuerkennen, wenn ihm dafiir Italien und Africa 
abgetreten wiirden. Doch hielt Magnentius den 



des Feindes und brachte, indem er ihn auf das 
Centrum zudrangte, die ganze Schlachtordnung 
in Verwirrung (Iulian. or. I 36 A. II 57 D). 
Magnentius, der an dieser Stelle den Oberbefehl 
filhrte, wurde beinahe gefangen (Eutrop. X 12, 
1. Johann. Ant. frg. 174 = FHG IV 604) und 
vermochte sich nur zu retten, indem er verkleidet 
floh (Zonar. XIII 8 p. 17 A). Doch setzte auch 
spater sein Magister Equitum, der Eomulus hiess 



Gesandten fest und fuhrte sein Heer gegen Siscia. 40 und endlich im Kampfe flel (Zosim. II 52, 2). die 



Hier kam es um den Cbergang fiber die Save zu 
einem Gefecht, in dem C. sich den Sieg zusckrieb. 
Gleichwohl hielt er es fur angemessen, noch weiter 
zuruckzugehen und in der starken Stellung von 
Cihalae, wo einst Licinius den Angriff seines 
Vaters erwartet hatte (S e e c k Geschichte des 
Untergangs der antiken Welt I 2 158), nachdem 
er sie noch weiter befestigt hatte, den Kampf 
wieder aufzunehmen (Zosim. II 46ff.). Magnentius 



Schlacht noch lange fort (Iulian. or. II 57 D. I 
36 B). Der Zusammenhang des gallischen Heeres 
war zerrissen, aber jede einzelne Truppe kampfte 
gesondert weiter (Iulian. or. I 36 D. II 59 C); 
erst ein neuer Angriff der Kataphrakten und der 
reitenden Bogenschiitzen brachte die Entscheidung 
(Iulian. or. I 36 D. II 60 A. Zosim. II 52, 1). 
Das Lager der Feinde wurde genommen und ein 
grosser Teil in den Fluss getrieben (Iulian. or. 



nahm unterdessen Sisria im Sturm und verwiistete 50 II 60 B. 59 A. I 37 A. Zonar. XIII 8 p. 17 B). 



die Stadt; dann versnehte er einen Handstrcich 
auf Sirmium, der abgeschlagen wurde, und zog 
endlich gegen Mursa, die Stellung des C. im 
Eucken umgehend. Dadurch war dieser gezwungen, 
sie aufzugeben und mit seinem Heere die be- 
lagerte Stadt zu entsetzen (Zosim. II 49). So 
kam es am 28. September 351 bei Mursa zur Ent- 
scheidungsschlaeht (Mommsen I 237. Iulian. or. 
I 38 B), nachdem kurz vorher der Tribunus Ar- 



Der Best ergab sich und erhielt von C. Verzeihung 
zugesichert (Iulian. or. II 58 B). Trotzdem war 
das Gemetzel ein so furchtbares, dass die Wehrkraft 
des Reiches dauemd durch die Verluste geschadigt 
wurde (Eutrop. X 12, 1. Vict. epit. 42, 4. Zosim. 
II 51, 1. Johann. Ant. frg. 174). Auf seiten des Ma- 
gnentius sollen 24 000, auf seiten des C. gar 30 000 
gefallen sein (Zonar. XIII 8 p. 17 Bj. Der Kaiser 
wohnte der Schlacht nicht personlich bei, sondern 



maturarum Silvanus mit seiner Reiterschar von 60 betete unterdessen in einer Martyrerkirche, die 



Magnentius abgefallen und zu C. ubergegangeu 
war (Ammian. XV 5, 33. Zonar. XIII 8 p. 16 D. 
Vict. Caes. 42, 15. Iulian. or. I 48 B. II 97 C). 
Schon bei seinem Heranriicken erlangte C. einen 
erheblichen Vorteil ; denn Magnentius hatte vier 
Auxilia in einem iimphitheater ausserhalb der 
Stadt verborgen, um dem Feinde wahrend der 
Schlacht in den Biicken zu fallen ; dies aber wurde 



vor den Thoren Mursas lag. Hier verkundigte 
ihm Valens, der Bischof der Stadt, den Sieg als 
Eingebung eines Engels und erlangte dadurch 
grossen Einfluss bei ihm (Snip. Sever, chron. II 
38, 5). Am anderen Morgen iiberblickte er von 
einem Hiigel aus mit Thranen das leichenbedeckte 
Schlachtfeld und gab Bel'ehl, fur Bestattung der 
Toten beider Parteien und Pflege der Verwundeten 



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Constantius 



Constantius 



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zu sorgen (Zonar. XIII 8 p. 17 B). Spater wurde Flotte ein Heer nach den Pyren&en schickte, um 

fur die Anhanger des Magnentius mit Ausnahme jenemsodieVerbindungmitSpanienabzuschneiden 

derjenigen, die an der Ermordung des Constans (Iulian. or. I 40 C. Zosim. II 53, 3). Am 3. No- 

mitschnldig waren , voile Amnestie verkundigt vember war der Kaiser schon in Mailand und er- 

(Iulian. or. I 38 B. II 58 B). Der Winter hin- liess von hier aus ein Edict, durch welches die 

derte C. , den Krieg fortzusetzen (Iulian. or. I Verfugungen des Magnentius aufgehoben und seine 

38 B); doch brachte wahrend desselben die Flotte Confiscationen fur ungtiltig erklart wurden (Cod. 

zahlreiche Fliichtlinge aus Italien an seinen Hof, Theod. XV 14, 5). Dieser versuchte, um den C. 

die sich denjenigen, welche schon vor der Schlacht durch neue Schwicrigkeiten im Orient einem Frie- 
bei Mursa nach Pannonien gekommen waren, an- 10 densschlusse geneigt zu machen, den Caesar Gal- 

schlossen (Iulian. or. I 38 C. 48 B. II 97 B. C). lus in Antiochia ermorden zu lassen; doch wurde 

Gesandtschaften des Magnentius wurden zuriick- das Complott entdeckt und vereitelt (Zonar. XIII 

gewiesen (Zonar. XIII 8 p. 17 C). 8 p. 17 D. Ammian. XIV 7, 4). 

Kaum war der Krieg zu einer vorlauflgen Ent- Hatte C. Mher in dem ungluckllichen Ver- 

scheidung gelangt, so begannen die Ketzergerichte laufe des Perserkrieges eine Strafe Gottes gesehen 

von neuem. In Sirmium, wo der Kaiser den (Iulian. epist. ad Athen. 271 A), so erblickte er 

Winter zubrachte, versammelte sich eine Synode jetzt in seinen glanzenden Erfolgen ein Zeichen 

und verurteilte die Lehren des dortigen Bischofs dafiir, dass er der besondere Liebling des HCch- 

Photeinos, die schon unter Constans mehrere Sy- sten sei. Bald darauf begann er in offkiellen 
noden in Thatigkeit gesetzt hatten, aher ohne dass 20 Schriftstucken sich selbst den Titel aeternitas 

man zur Absetzung des Haeretikers geschritten mea beizulegen (Ammian. XV 1, 3), und auch fur 

ware (Hefele Conciliengeschichte 12 634). Zu- seine vermittelnde Kirchenpolitik und seinen Kampf 

gleich kiindigte sich schon das Vorgehen des C. gegen die starre Orthodoxie meinte er in seinem 

gegen Athanasius und Marcellus, deren Wieder- unerwarteten Gliick eine Sanction Gottes erkennen 

einsetzung Constans erzwungen hatte, dadurch zu durfeu, Anschauungen, gegen welche die Schrift 

an, dass ihre Gegenbischcfe Georgios und Basi- des Lucifer von Caralis de regibus apostatts ge- 

leios zur Synode als gleichberechtigte Mitglieder richtet ist (vgl. Athan. hist. Ar. ad mon. 74). 

zugelassen wurden (Socrat. II 29. Sozom. IV 6. Er hielt sich jetzt fiir den berufensten Eichter 

Epiphan. haer. 73, 2. Athan. de synod. 27. Hilar. in Glaubenssachen und liess sich in diesem Sinne 
de synod. 37. 38). Photeinos wurde zur Unterschrift 30 von den ihm ergebenen BisehOfep gem episeopus 

aufgefordert, erlangte aber eine neue Disputation episooporum nennen (Lucif. Moriend. esse pro dei 

iiber seine Lehre, die ihm der Kaiser spater unter Alio 13). Noch unmittelbar nach dem Tode des 

Assistenz einiger seiner vornehmsten Hofbeamten Constans hatte er an Athanasius einen Brief ge- 

gewahrte und die mit seiner Absetzung endete schrieben, in dem er ihn seiner unveranderten 

(Socrat. II 30. Sozom. IV 6. Epiphan. haer. 71, 1). Huld versicherte (Athan. apol. ad Const. 10. 22. 

352. Magnentius hatte in Aquileia seine Re- 23; hist. Ar. ad mon. 24. 30. Larsow 33). 

sidenz aufgeschlagen, wo er in aller Pracht Hof Aber wahrend der Schlacht bei Mursa hatte 

hielt (Iulian. or. I 38 D. 39 C. II 71 D). Er der dortige Bischof Valens, der alte Gegner 

glaubte sich genugend geschiitzt zu haben, indem des Athanasius , beim Kaiser grosses Ansehen 
er eine alte Burg, weche den Pass der julischen 40 erlangt (Snip. Sev. chron. II 38, 7). Er und 

\lpen versperrte, neu befestigte und eine starke sein Genosse Ursacius von Singidmrum erklarten 

Besatzung hineinlegte (Iulian. or. II 71 C. I 38C). jetzt, nur aus Furcht vor Constans der Ent- 

Aber durch eine Kriegslist des Comes Actus ge- scheidung von Serdica zugestimmt zu haben, und 

wann C. die Burg fast ohne Verlust (Ammian. drangen auf eine neue Untersuchung (Athan. hist. 

XXXI 11, 3. Iulian. or. II 72 D). Ein anderes Ar. ad mon. 29. 44), die jetzt noch durch eine 

Heer, das sich ihm in den Piissen entgegenstellte, Anklage auf Zauberei verscharft wurde (Ammian. 

zwang er dadurch zur Ubergabe, dass er ihm XV 7, 8; vgl. Sozom. IV 10). Auch die onen- 

einen Teil seiner Truppen auf schwer gangbaren talischen BischCfe traten zusammen und schickten 

Bergpfaden bei Nacht in den Eucken fuhrte (Iulian. zu dem gleichen Zwecke eine Gesandtschaft an 
or. I 39 B). Die Nachricht erhielt Magnentius, 50 den Kaiser und einen Brief an den Bischof Iulius 

als er eben in Aquileia den Circusspielen prasi- von Rom (Athan. hist. Ar. ad mon. 28. 30. Hilar. 

dierte, verlicss sogleich die Stadt und floh nach frg. 4, 1 = Migne L. 10, 679). Aber dieser starb 

Westen (Iulian. or. I 39 C). Bei Ticinum brachte am 12. April 352, und am 22. Mai wurde Libenus 

er noch der Vorhut des C, die ihn unvorsichtig an seiner Stelle geweiht (Mommsen Chron. mm. 

verfolgte, eine Niederlage bei (Vict. epit. 42, 5). I 76), der zunaehst nur danach strebte, den Frieden 

Doch unterdessen fuhr ein Teil der ausserst zahl- mit der orientalischen Kirche und ihrem sieg- 

reichen Flotte, die C. sich vorher erbaut hatte reichen Kaiser wiederherzustellen. Er schickte 

(Iulian. or. I 42 D), in die Miindungen des Po daher drei rOmische Presbyter nach Alexandria 

ein und schnitt damit alle siidlich stehenden und liess durch sie Athanasius vor semen Richter- 
Truppen von der Verbindung mit Magnentius 60 stuhl laden. Da dieser es ablehnte, sich wegen 

ab. Ein anderer Teil besetzte Sicilien und einer Sache, die schon durch das Concil von Ser- 

Africa (Iulian. or. II 74 C) , wohin schon von dica endgiiltig entschieden sei, noch einmal zu 

4gvpten aus Boten vorausgeschickt waren (Iulian. verantworten, schloss ihn Liberius von seiner Com- 

or "I 40 C). Die Besatzungen mehrerer Stadte munion aus und zeigte dies den orientalischen 

von Oberitalien ergaben sich freiwillig (Zonar. BischOfen durch ein Eundschreiben an (Hilar. 

XIII 8 p. 17C. Iulian. or. I 48C), und der frg. 4, 1. 6, 8). 

Usurpator musste fiber die Alpen fiiehen (Zosim. Wahrend der Kampf im Westen alle Kratte 

II 53, 2. Iulian. or. I 39 D), wahrend C. mit der des Eeiches in Anspruch nahm, ermordeten die 



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Constantius 



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Juden in Diocaesarea bei Nacht die Besatzung der Bruder des Magnentius, der von den Wun- 

und riefen Patricius zu ihrem KOnige aus. Doch den, die dieser ihm beigebracht liatte, genas, am 

schlugen die Truppen des Gallus den Aufstand Leben geblieben zu sein (Zonar. XITI 9 p. 18 C), 

nieder, verbrannten ausser Diocaesarea noch Ti- und der Consular Fabius Titianus, der sick als 

berias , Diospolis und mehrere Heine Orte und Gesandter des Usurpators hflchst anmasseud gegen 

ricMeten ein grosses Blutbad an (Hieron. chron. C. benommen hatte (Zosim. II 49), blieb unbe- 

2368. Vict. Caes. 42, 11. Soorat. II 33. Sozom. straft (lulian. or. II 96 A. Themist. or. VI 80 C). 

IV 7. Theophan. chron. 5843. August, serm. 5, Doch in den meisten Fallen machte das Miss- 

5 = Migne L. 38, 57). trauen des Kaisers die Amnestie illusorisch und 

353. "Wahrend der Winterquartiere in Mai- 10 veranlasste eine lange Keihe von Hochverrats- 

land (Larsow34) scheint C. seine Hochzeit mit processen, in denen namentlich der Notar Paulus 

Eusebia gefeiert zu haben (lulian. or. Ill 109 A. als Angeber und grausamer Untersuchungsrichter 

HOD), die er zu diesern Zwecke mit grossem eine traurige Beruhmtheit erlangte (Ammian. XIV 

Pomp gemeinsam mit ihrer Mutter, die Witwe 5. Liban. or. I 429. Zosim. II 55, 1). So kam 

war, aus Macedonien an den Hof geleiten liess es, dass viele von den Soldaten des Magnentius 

(lulian. or. Ill HOD). Sie stammte aus Thes- nicht dem C. beizutreten wagten, sondern sich 

salonike (lulian. or. Ill 107 D; vgl. HOB), war als Eauber in Gallien umhertrieben , bis endlich 

Schwester des Flavius Eusebius und des Flavius lulian die Amnestie verwirklichte und sie wieder 

Hypatius, die im J. 359 Consuln wurden (Am- in das Heer aufnahm (Liban. or. I 557). 
mian. XXI 6,4, XXIX 2, 9; vgl. Mommsen 20 C. brachte den "Winter in Arelate zu und feierte 

Chron. min. DTI 522), und Tochter eines Mannes, dort von a. d. VI id. Oct. bis a. d. VI id. Nov., 

der als Homo novus (lulian. or. IE 108 C) das an welcbem Tage er 324 zum Caesar ernannt war. 

Consulat bekleidet hatte (lulian. or. Ill 107 D. das Fest seiner Tricennalien (Ammian. XIV 5, 1), 

109 A), wahrscheinlich des Flavius Eusebius, Ma- das man gleich den entsprechenden Festen der 

gister equitum et peditum und Consul im J. 347 Decennalien und Vicennalien iiber einen ganzen 

(Cod. Theod. XI 1, 1. CIL X 477). Sie zeich- Monat auszudehnen pflegte (Seeck Ztschr. fur 

nete sich durch SchOnheit aus und gewann bald Numism. XII 128). Diese Feier wurde durch eine 

grossen Einfluss auf ihren Gatten (Vict. epit. Versammlung von Bischofen verherrlicht, bei der 

42, 20. Ammian. XVIII 3, 2. XXI 6, 4). auch die Sache des Athanasius von neuem zur 

Im Sommer drang C. in Gallien ein, wobei 30 Verhandlung kam (Athan. hist. Ar. ad mon. 31. 

er sich den Durchzug durch die cottischen Alpen Hilar, ad Constant. 18; frg. 1. 6. 5, 2 = Migne 

(Mian. or. II 74 C) in der Schlacht bei Mons L. 10,562. 631. 683. Sulpic. Sever, chron. II 39, 2). 

Seleuci (La-Batie-Mont-Sal6on) erkampfen musste Als diesern seine Excommunication durch Li- 

(Mommsen I 238. Socrat. II 32, 6. Sozom. IV berius bekannt geworden war, hatte er eine Sy- 

7. Zonar. XIII 9 p. 18 A. lulian. or. I 40 B CIL node von 80 agyptischen Bischofen zusammeii- 

XII p, 184). Magnentius, der noch unmittelbar berufen, durch sie seine Unschuld beglaubigen 

vorher mit ausgesuchter Grausamkeit gegen alle lassen und ihr Urteil nach Eom gesandt. Der 

gewutet hatte, die seiner Herrschaft in Gallien Papst, der bei seiner frfiheren Entscheidung nur 

gefahrlich schienen (lulian. or. I 39 D), floh nach von dem Wunsche geleitet worden war , seine 
dieser neuen Niederlage nach Lyon. Hier fassten 40 Einigkeit mit der orientalischen Kirche wieder- 

die Soldaten, die ihm noch geblieben waren, den herzustellen , wurde jetzt stutzig , da eine noch 

Entschluss, ihn an C. auszuliefern und sich so grossere Zahl von Bischofen fur Athanasius ein- 

Verzeihung zu erkaufen, und versicherten sich getreten war, als ihn vorher angeklagt hatten. 

seiner Person, indem sie seinen Palast unter dem Er suspendierte daher seine fruhere Sentenz, 

Schein einer Ehienwache umstellten (Zonar. XIII machte von dem Schreiben der Agypter den ita- 

9 p. 18 B). Da tOtete er seine Mutter und die lischen Bischofen Mitteilung und iibersandte sparer 

iibrigen Verwandten und Freunde, die sich in durch Vincentius von Capua eine Abschrift des- 

seinerUmgebungbefanden, und endlich sich selbst selben auch nach Arelate (Hilar, frg. 5, 2). Auch 

(Socrat. II 32, 7. Sozom. IV 7. Zonar. a. 0. Athanasius hatte, um seine Sache bei dem Kaiser 
Philostorg. Ill 26 = Migne G. 65, 513. Vict. 50 zu fuhren und ihm das Urteil der Synode zu 

epit. 42, 6; Caes. 42, 9. Eutrop. X 12, 2. Zo- ilberbringen, schon am 19. Mai fiinf agyptische 

sim. II 53, 3. Johann. Ant. frg. 174. lulian. or. Bischofe und drei alexandrinische Presbyter nach 

I 40 B. II 74 C). Dies geschah am 10. oder Mailand geschickt. Aber als ihr Schiff erst kiirz- 

11. August 353 (Mommsen Chron. min. I 238). lich den Hafen von Alexandria verlassen hatte, 

Sein Caesar Decentius, der ihm zu Hiilfe heran- langte am 23. Mai vom Hoflager der Palatums 

zog, errahr es unterwegs in Sens und erhangte Montanus an (Larsow 34. Sozom. IV 9), den 

sich am 18. August (Mommsen a. 0. Zonar. XIII Athanasius selbst zum Kaiser zu entbieten. Der 

9 p. 18 C. Zosim. II 54, 2, Eutrop. X 12, 2. Befehl stutzte sich auf einen Brief, durch den 

Vict. epit. 42, 8; Caes. 42, 9. Johann. Ant. frg. 174. der Bischof um eine Audienz gebeten haben sollte. 
Socrat. II 32, 9. Sozom. IV 7). Das Haupt des 60 Dieser aber behauptete , niemals einen solchen 

Magnentius wurde in den Provinzen umherge- Brief geschrieben zu haben, und verweigerte unter 

schickt, um alle Hoffnungen seiner Anhanger zu dem Vorwande, dass nur eine Falschung seiner 

vernichten (Ammian. XXII 14, 4). Gegner die Vorladmig veranlasst habe, den Ge- 

Am 6. September war C. in Lyon und ver- horsam (Athan. apol. ad Const. 19—21). Durch 

kiindigte hier eine Amnestie fur alle Anhanger Aufstande des alexandrinischen Pobels geschreckt. 

des Besiegten mit Ausnahme derjenigen, die sich wagte Montanus nicht , den Athanasius zur Ab- 

gemeiner Verbrechen schuldig gemacht hatten reise zu zwingen. Aber auch die agyptische Ge- 

(Cod, Theod. IX 38, 2). Auch scheint Desiderius, sandtschaft scheute sich, vor den Kaiser zu treten, 



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Constantius 



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und kehrte unverrichteter Sache wieder heim In Eom entstanden Tumulte durch den Mangel 

(Larsow 34). an "Wein (Ammian. XIV 6, 1). 

In dem Eundschreiben der 80 Bischofe war Im Orient machten die Isaurer und die Sara- 

ohne Zweifel dasselbe betont, was Athanasius in zenen Ptunderungszuge (Ammian. XIV 2. 4, 1). 
alien seinen Verteidigungsschriften bis zum liber- Die unertragliche Tyrannei, die Gallus in An- 

druss zu wiederholen pflegt, dass namlich die An- tiochia ausiibte , erregte das Misstrauen des C. 

klagen gegen ihn keinen andern Grund hatten, und veranlasste ihn, den Caesar zu sich nach 

als den versteckten Wunsch seiner Gegner, den Mailand zu berufen, ihn aber schon unterwegs 

Arianismus wieder zu Ehren zu bringen. Dies in Istrien hinrichten zu lassen (s. Constantius 
scheint auf Liberius besonderen Eindruck gemacht 10 Nr. 5). Es folgte eine Keihe von Hochverrats- 

zu haben. Er versammelte um sich eine Anzahl processen gegen seine Freunde und Anhanger 

italischer Bischofe, und diese beschlossen eine (Ammian. XV 2, 1 — 6. 10. 3, 1 — 2. Greg. Nyss. 

Petition an den Kaiser, er moge in Aquileia ein in Eunom. I = Migne G. 45, 257). Da die Furcht 

Concil zusammentreten lassen, um in der Glaubens- des Kaisers durch die vorhergehenden Usurpationen 

frage Sicherheit zu schaffen. Vincentius von Ca- erregt war, fanden Angeber bei ihm jederzeit ein 

pua , der schon als Presbyter dem nicaenischen offenes Ohr, und den Processen, die an den Tod des 

Concil beigewohnt hatte und daher bosonders ver- Gallus ankniipften, schlossen sich sehr bald andere 

trauenswert schien (Man si Conciliorum collectio an (Ammian. XV 3, 3 — 11. XVI 8, 3. lulian. 

II 692), und Marcellus, ein anderer campanischer epist. ad Athen. 273 C). Auch Mian, der Bruder 
Bischof, wurden zur Vertretung dieser Bitte nach 20 des hingerichteten Caesar , sab. sein Leben be- 

Arelate geschickt (Hilar, frg. 6, 3; vgl. 5, 1. 5. droht; sieben Monate lang blieb er unter Be- 

6). Dort aber wurden sie veranlasst, sich an der wachung, und nur die Fttrsprache der Kaiserin 

Versammlung zu beteiligen, die sich zu den Tri- Eusebia rettete ihn (Ammian. XV 2, 7 — 9. lulian. 

cennalien des C. eingefiinden hatte und auch fiber epist. ad Athen. 272 D. Liban. or. I 530). Da 

Athanasius urteilen sollte. Sie forderten, die Gallus zu den Fiihrern der anomoeischen Secte, 

Eichter sollten sich vorher dadurch legitimieren, von der spater noch die Eede sein soil, in engen 

dass sie die Lehren des Alius ausdrucklich ver- Beziehungen gestanden hatte, wurde jetzt auch 

dammten. Doch auf Betreiben des Valens wurde gegen diese eine Verfolgung eingeleitet , wobei 

die Frage des Glaubensbekenntnisses ganz von der die Bischofe Basileios von Ankyra und Eustathios 
Tagesordnnng abgesetzt und nur fiber die Schuld 30 von Sebasteia die Rolle der Anklager ubernahmen 

des Athanasius verhandelt (Sulp. Sev. chron. H und wahrscheinlich auch die Synoden leiteten, 

39, 2. 3. Hilar, frg, 5, 5). . Dieser wurde natur- durch welche die Urteile gefallt werden mussten. 

lich verurteilt, und auch Vincentius und Marcel- Es wurden dabei an 70 Geistliche in die Ver- 

lus liessen sich bereit finden , die Entscheidung bannung geschickt, darunter Aetios und Eunomios, 

der Synode mit zu unterzeichnen (Hilar, frg. 6, 3; die Stifter der Secte, und Eudoxios, der Bischof 

vgl. Mansi Concil. coll. Ill 204. Athan. apol. ad von Antiochia (Philostorg. IV 8). 
Const. 27). Nur Paulinus von Trier widersetzte 355. Zum Concil, das der Kaiser berufen 

sich und wurde dafiir nach Phrygien verbannt hatte , versammelten sich in Mailand fiber 300 

(Hilar, ad Constant. I 8; contra Constant. 2. 11; Bischofe, fast alle aus den oecidentalischen Pro- 
frg. 1, 6. Sulp. Sev. chron. II 39, 3. Athan. apol. 40 vinzen. Auch das Exil des Paulinus von Trier 

de fuga 4; hist. Ar. ad mon. 76). C. erliess ein scheint bis nach der Entscheidung der Synode 

Edict, das alle Bischofe, die das Urteil gegen suspendiert worden zu sein, so dass er sich an 

Athanasius nicht unterzeichneten, mit Verbannung ihren Beratungen beteiligen konnte (Socrat. II 

bedrohte (Sulp. Sev. chron. II 39, 1. Hilar, contra 36. Sozom. IV 9. Rutin, h. e. I 20. Athan. apol. 

Const. 11. Lucif. Caral. de non conven. 9; de de fuga 4; hist. Ar, ad monach. 76). Trotzdem 

s. Athan. I 42; de non pare. 16. 35; mnriend. wagten es nur sehr wenige, sich der Verurteilung 

esse pro dei Alio 2. 4) und namentlich den Li- des Athanasius zu widersetzen; selbst Fortuna- 

berius scharf tadelte (Hilar, frg. 5, 1). Doch ein tianus von Aquileia, auf den Liberius grosse Hoff- 

flehender Brief desselben, der durch Lucifer von nungen setzte (Mansi III 206), schloss sich der 
Caralis dem Kaiser fiberbracht wurde (Hilar, frg. 5, 50 Mehrheit an (Hieron. de vir. ill. 97). Eusebios 

6. Mansi IH 204. 205), veranlasste diesen, ein von Vercellae, der fur einen der ersten Vorkampfer 

Concil fiir das J. 355 nach Mailand zu berufen, der Orthodoxie gait (Mansi 204 ff.). hielt es, 

und bis der Spruch desselben erfolgte, das Ur- gleich Liberius selbst, fur das Geratenste, dem 

teil gegen Athanasius zu suspendieren. Als Vor- Concil fernzubleiben. Doch die Verteidiger des 

spiel der kunftigen Verurteilung wurde diesern Athanasius, namentlich Lucifer von Caralis, drangen 

furs erste nur eines seiner wichtigsten Macht- auf seine Berufung, weil sie sich von seiner an- 

mittel, das Eecht der Kornverteilung an die erkannten Autoritat den Sieg versprachen (Mansi 

Armen seiner Dioecese, entzogen (Athan. hist. Ar. Ill 237), und auch die Mehrheit empfand es als 

ad mon. 31). MakeL wenn ein so angesehener Bischof, dessen 
354. Im Friihling ging C. nach Valentia, um 60 Dioecese in der nachsten Nachbarscbaft Mailands 

einen Feldzug gegen die Alamannen vorzubereiten, lag, sich ihrer Entscheidung nicht anschloss. Er 

der sich aber durch Schwierigkeiten der Ver- wurde daher durch eine Gesandtschaft des Con- 

pflegung sehr verzflgerte. Als der Kaiser endlich cils, die mit dem Briefe desselben auch ein Hand- 

bei Rauracum den Rhein fiberschritten hatte, schreiben des Kaisers uberbrachte, zur Teilnahme 

boten die Feinde ihm Frieden an, der ihnen auch eingeladen (Mansi HI 236. 238. 247). Aber 

gewahrt wurde. Nach dem feierlichen Abschluss nachdem er gskommen war, wurde er noch zehn 

desselben begab sich C. in die "Winterquartiere Tage von den Sitzungen ferngehalten , um ihn 

nach Mailand (Ammian. XIV 10). gleich der vollendeten Thatsache gegen flberstellen 



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Constantius 



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zu konnen, Endlich liess man ihn zu, aber nur 
um seine Unterschrift fiir die Verurteilung des 
Athanasius zu fordern. Da schlug er denselben 
Weg ein, wie vorher die orthodoxen Bischofe auf 
dem Concil zu Arelate. Er erklarte, dass die 
Synode nieht eher flir berechtigt gelten diirfe, als 
bis sie sich einstimmig zum rechten Glauben be- 
kannt habe, und beanspruchte daher, dass alle 
ihre Teilnehmer, ehe er sich ihrem Urteil an- 
sehliesse, das Glaubensbekenntnis von Nicaea, von 10 
dem er eine Abschrift mitgebracht hatte, unter- 
zeichnen sollten. Der vorsitzende Bischof, Dio- 
nys von Mailand, fand sich bereit dazu; aber 
Valens riss ihm das Blatt aus der Hand und 
wiederholte Mer, wie in Arelate , dass es sich 
nicht um den Glauben handle, sondern nur um 
den Richterspruch. Es entspann sich ein hef- 
tiger Streit, der auch zur Kunde der Stadtbevol- 
kerung gelangte und bei dieser solche Aufregung 
hervorrief, dass die spateren Sitzungen des Con- 20 
cils, um die Sicherheit seiner Mitglieder zu ge- 
wahrleisten , aus der Kirche in den Kaiserpalast 
verlegt werden mussten (Hilar, ad Const. I 8. 
Sulp. Sev. chron. II 39, 4. Athan. hist. Ar. ad 
mon. 76) , wo C. hinter einem Vorhang sitzend 
den Beratungen zuhorte (Lucif. moriendum esse 
pro dei Alio 1. 4). Eusebius, Lucifer, Paulinus 
und Dionysius behaupteten jetzt. dass die An- 
klagen gegen Athanasius schon deswegen keinen 
Glauben verdienten, weil ihre hauptsachlichsten 30 
Urheber Valens und Ursacius sie fruher selbst 
schriftlich widerrufen hatten. Doeh C. erklarte, 
er selbst trete als Anklager auf (Athan. hist. Ar. 
ad mon. 76). Die Opposition erwiderte, dass man 
den Angeklagten nicht ungehOrt verurteilen diirfe 
(Athan. a. O. Lucif. de sancto Athan. I 27), und 
weigerte sich, als dies keine Beach tung fand, 
weiter am Concil teilzunehmen, weil dasselbe dem 
Verdachte der arianischen Ketzerei unterliege 
(Lucif. de non conven. c. haeret. 12). Der Kaiser 40 
klagte sie an, den Frieden der Kirche zu stOren 
und ihre Einheit zu gefahrtlen (Lucif. a. 0. 1); 
er forderte sie noch einmal auf, das Urteil gegen 
Athanasius zu unterschreiben, bedrohte sie. als 
sie hartnackig blieben, mit dem Tode und liess 
sie endlich in Fesseln legen und in die Yer- 
bannung fiihren (Athan. hist. Ar. ad mon. 33. 34. 
75. 76; apol. ad Const. 27; apol. de fuga 4. 
Hieron. chron. 2371. 2374; de vir. ill. 95. 96. 
Rufin. h. e. I 20. Hilar, contra Const. 2; frg. 6.50 
Mansi III 250. Epistulae imperatorum pontificum 
ed. 0. Guenther Corp. scr. cccl. latin. XXXV 
epist. I 1. Sulp. Sev. chron. II 39, 6). So wurde 
denn Athanasius ohne weiteren Widerstand auf 
Zauberei verurteilt (Ammian. XV 7, 7. 8) und 
der Notar Diogenes nach Alexandria geschickt, 
um seine Absetzung zu bewirken. Er langte hier 
gegen Ende des Monats Mesori (25.Juli— 23. Aug.) 
an, trat aber mit dem Bischof in keinerlei per- 
sOnliche Verbindung (Athan. apol. ad Const. 22), 60 
sondern begann statt dessen, sich der Kirchen 
fur die Gegenpartei zu bemachtigen. Am 3. Sep- 
tember musste er die eine mit Gewalt erstiirmen 
lassen , scheint sich aber zuletzt iiberzeugt zu 
haben, dass er das aufgcregte Volk ohne milita- 
rische Unterstutzung nicht bezwingen kCnne, und 
zog daher nach viermonatlichem Aufenthalt am 
22. December wieder unverrichteter Sache ab 



(Larsow 35. Sozom. IV 9. Athan. hist, Ar. ad 
mon. 48. 52). 

Der Kaiser ist bis zum 18. Februar in Mai- 
land nachweisbar (Cod. Theod. XI 34, 2. Cod, 
lust. VI 22, 6), doch wird ihn das Concil dort 
wohl noch bis in den Friihling festgehalten haben. 
Mit dem Beginn desselben ilberschritt er die Alpen, 
um vom Bodensee aus einen Feldzug gegen die 
Alamannen zu leiten. Naehdem sein Magister 
equitum Arbetio dort eine Schlappe erlitten hatte, 
erfocht er einen Sieg, dessen er sich in einem 
Erlasse an den Senat von Constantinopel, der dort 
am 1. September verlesen wurde, rflhmt (Themist. 
18 C. Ammian. XV 4). Vor dem 17. Juli war er 
wieder nach Mailand zuruckgekehrt (Cod. Theod. 
XII 1, 43; vgl. I 5, 5. II 1, 2. VI 29, 1. IX 34, 
6. XII 12, 1. Ammian. XV 4, 13). 

Wahrend er sich hier aufhielt, erfolgte in 
Gallien der Aufstand des Claudius Silvanus (D e s- 
sau 748). Er war der Sohn des Franken Boni- 
tus, der sich im Kriege Constantins gegen Lici- 
nius ausgezeichnet hatte ; er selbst hatte sich im 
J. 351 zum Tribunus Armaturarum emporgedient, 
war mit Magnentius nach Pannonien gezogen, 
aber kurz vor der Schlaeht bei Mursa von ihm 
zu C. abgefallen, woffir ihn dieser durch die Er- 
nennung zum Magister peditum belohnt hatte 
(Vict. Caes. 42, 14; epit. 42, 11. Ammian. XV 
5, 33. Zonar. XIII 8 p. 16D. Mian. or. I 48 B. 
II 97 C). Auf Anraten des Arbetio, der den ein- 
flussreichen Nebenbuhler aus der Umgebung des 
Kaisers entfernen wollte, hatte ihn dann C. nach 
Gallien geschickt, um die Germanen, die der Kaiser 
selbst zum Einfall angestiftet hatte , damit sie 
dem Magnentius hinter seinem ROcken Verlegen- 
heiten bereiteten (Liban. or. I 533. 540. Zosim. 
II 53, 3) , wieder aus dem Lande zu schlagen 
(Ammian. XV 5, 2. Zonar. XIII 9 p. 19 C). 
Er hatte dort den Kampf nicht ohne Geschick 
gefiihrt (Ammian. XV 5, 4. XVI 2,4), sich aber 
freilich gezwungen gesehen , mit dem Gelde, das 
die gallischen Stadte dazu hergehen mussten, von 
einem Teil der barbarischen Scharen zeitweiligen 
Frieden zu erkaufen (Mian. or. II 98 D). Unter- 
dessen wurde gegen ihn bei Hofe eine Intrigue 
gesponnen, deren Hauptanstifter der Gardeprae- 
fect C. Caeionius Rufius Volusianus, genannt Lam- 
padius, gewesen sein soil (vgl. Bd. Ill S. 1860 
Xr. 24). Durch einen gefalschten Brief suchte man 
C. glauben zu machen, dass Silvanus einen Auf- 
stand vorbereite, und obgleich der Betrug bald 
entdeckt wurde, war doch schon vorher der Agens 
in Rebus Apodemius, eines der gefurchtetsten 
Werkzeuge der kaiserlichen Justizmorde (s. Bd. I 
S. 2819 Nr. 1), auf den Rat des Arbetio abgeschickt 
worden, um den Magister peditum nach Mailand 
zu citieren. Der Auftrag wurde aber nicht aus- 
gefiihrt, wie er gegeben war. Apodemius suchte 
den Silvanus nicht personlich auf, sondern liess 
statt dessen mehrere seiner Sclaven und Freunde 
gefangen setzen , um ihnen Gestandnisse zu er- 
pressen. Auf diese Nachrieht dachte Silvanus 
zuerst daran, zu den Germanen zu entfliehen ; da 
er aber fiirchtete, von ihnen getotet oder ausge- 
liefert zu werden, sah er sich zuletzt gezwungen, 
um seiner Sicherheit willen das Verbrechen zu 
begehen, dessen er falschlieh angeklagt war. Er 
gewann die leitenden Personlichkeiten seines Heeres 



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Constantius 



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durch hohe Versprechungen und nahm in Koln 
den Purpur (Ammian. XV 5, 8—16. Zonar. XIII 
9 p. 19 C. Mian. or. II 48 C. II 98 D; epist. ad 
Atben. 273 D. 274 C. Vict. Caes. 42, 15). Als 
die Nachricht in Mailand ankam, meinte C, dass 
nur der Magister equitum Ursicinus, der im Jahre 
vorher unter dem Verdacht, fiir seine Sohne nach 
der Krone zu streben, aus dem Orient an das 
Hoflager berufen war (Ammian. XIV 11, 2 — 5 



Feldherren Aufgaben von Wichtigkeit anvertraute. 
Er hielt es fflr angemessen, im Centrum des 
Reiches, d. h. in Italien, seine standige Residenz. 
zu haben (Ammian. XV 8, 1), und doch traten 
fast an alien Grenzen militarische Forderungen 
an ihn heran. In Persien war zwar der Gross- 
konig selbst durch Kriege gegen entfernte Grenz- 
volker beschaftigt; aber seine Feldherren suchten 
fortwahrend bald Mesopotamien, bald Armenien 



XV 5, 19, 28), schnelle Rettung schaffen kOnne. 10 mit Raubzugen heim (Ammian. XV 13, 4. XVI 



Der Kaiser schrieb einen Brief an Silvanus, in 
dem er sich stellte, als wenn er von dessen Er- 
hebung noch nichts wisse , Ursicinus zu seinem 
Nachfolger in Gallien ernannte und ihn selbst in 
alien Ehren nach Mailand beschied. Mit diesem 
Schriftstiick , das seine Reise motivieren sollte, 
eilte Ursicinus, in dessen Umgebung sich auch 
der Geschichtschreiber Ammianus Marcellinus be- 
fand , nach KOln , wo er freundlich empfangen 



9, 1); Quaden und Sarmaten plunderten Panno- 
nien und Obermoesien (Zosim. m 1, 1); vor allem 
aber heischten die Zustande Galliens dringend 
Abhulfe (Ammian. XV 8, 1. 6. 13). Die Franken, 
Alamannen und Sachsen sollen in diesen Jahren 
am Rhein 40 Castelle zerstort und ihre Bewoh- 
ner als Sclaven weggeschleppt haben (Zosim. Ill 
1,1), und noch Ende 355 eroberten sie Koln nach 
langer Belagerung und verwusteten es (Ammian. 



wurde. Denn Silvanus erblickte auch in ihm 20 XV 8, 19). So beschloss denn C. auf den dringen 



einen verdienten Mann, der aus unberechtigtem 
Misstrauen von C. zuriickgesetzt war, und hotfte 
daher auf seine Unterstutzung. Aber Ursicinus 
gewann heimlich durch grosse Geldgeschenke die 
beiden Auxilien der Brachiati und Cornuti und 
veranlasste sie, beim Morgengrauen den Palast 
zu stiirmen und den Silvanus zu ermorden (Am- 
mian. XV 5, 17—31. Zonar. XIII 9 p. 19 D). 
Sein Kaisertum hatte nur 28 Tage gedauert (Vict. 



den Rat seiner Gattin Eusebia (Ammian. XV 8, 
3. Zosim. Ill 1, 2; vgl. Mian, epist. ad Athen. 
274 Aff.), den letzten mannlichen Verwandten, den 
er noch besass, den Halbbruder des Gallus, Fla- 
vius Claudius Iulianus, zum Caesar zu ernennen. 
Er berief ihn nach Mailand (Iulian. epist. ad 
Athen. 275 B. Hieron. chron. 2371. Ammian. XV 
8, 4. 18), Hess ihn hier am 6. November von den 
Truppen zum CaesaT ausrufen (Ammian. XV 8, 



Caes. 42, 15; epit. 42, 10. Johann. Ant. frg. 174. 30 17. Mommsen Chron. min. I 238. Socrat. II 34, 



Iulian. or. II 99 A. Eutrop. X 13). Um so mehr ist 
es zu verwundern, dass sich in Campanien eine In- 
schrift von ihm gefunden hat (CIL X 6945 = Des- 
s au 748). Vielleicht haben die religiOsen Streitig- 
keiten, die, wie wir sogleich sehen werden, um diese 
Zeit in Italien eine grosse Aufregung hervorrief en, 
hier eine EmpOrung veranlasst, deren Urheber An- 
lehnung an den gallischen Usurpator suchten; 
doch war sie wohl nur unbedeutend , da die 



5) und vermahlte ihn gleich darauf mit seiner 
Schwester Helena (Ammian. XV 8, 18. Momm- 
sen a. 0. Iulian. or. Ill 123 D). Schon am 
1. December verliess Iulian wieder die Stadt, um, 
vom Kaiser ein Stuck begleitet, nach Gallien ab- 
zugehen (Ammian. a. 0.). Wie er dort die Ver- 
haltnisse ordnete, soil unter dem Wort Iulianus 
dargestellt werden. 

Wahrend dieser ganzen Zeit hatte der kirch- 



Autoren alle daruber schweigen. Eine genaue 40 liche Streit nicht geruht. Der Kaiser hatte Send- 

rt -ii i- . J?.'!- J!- 1 „ "D„™;«-..„^. A^r. C;i \.~4- rtT . n n nlln Ri'cnl,«fo n-ocrtlii^Vf flip Hpm HnTICl'l 



Zeitbestimmung fiir die kurze Regierung des Sil- 
vanus lasst sich daraus gewinnen , dass er am 
funften Tage vor seiner Erhebung eine bedeutende 
Goldspende unter dem Namen des C. an sein 
Heer verteilt hatte (Ammian. XV 6, 3). Denn die 
gewOhnliche Lohnung der Soldaten bestand in 
Naturalien; Gold pflegten sie nur als Festge- 
schenk zu erhalten. Nun fallt aber in die Zeit- 
grenzen, die einerseits durch den Feldzug gegen 



boten an alle Bischofe geschickt, die dein Concil 
nicht beigewohnt hatten, dass auch sie die Ver- 
urteilung des Athanasius mit unterschreiben und 
ihm die Communion weigern sollten. Konnten sie 
sich dazu nieht entschliessen, so wurden auch sie 
verbannt, was vielfach Tumulte in ihren Bischofs- 
sitzen und harte Strafen gegen die Anstifter zur 
Folge hatte. Einige Bischofe citierte man auch 
nach Mailand, um durch die personliche Einwir- 



die Alamannen, andererseits durch die Erhebung 50 kung des Kaisers ihre Unterschrift zu erpressen 



des Iulian zum Caesar (6. November) gegeben 
sind, nur ein Fest, das hier in Betracht kommen 
konnte, namlich der Geburtstag des C, d. h. der 
7. August. Mithin diirfte sich Silvanus am 
11. August erhoben haben und am 7. September 
ermordet sein. Gegen seine Anhanger folgten 
Hochverratsprocesse und Todesurteile (Ammian. 
XV 6), obgleich C. sich diesmal milder erwies, 
als es sonst seine Art war. Denn er schonte die 



,Athan. hist. Ar. ad mon. 31. 32. 44). Zu diesen 
gehorte auch Liberius von Rom, auf dessen Zu- 
stimmung man naturlich besonderen Wert legte. 
Er hatte den Presbyter Eutropius und den Dia- 
konen Hilarius, welcher letztere schon dem Mai- 
lander Concil beigewohnt hatte (Hilar, frg. 5, 6. 
Mansi III 237), an den Kaiser mit einem Briefe 
geschickt, in dem er seine Unterschrift zu dem 
Urteil uber Athanasius versagte. Die Folge war, 



Freunde des Usurpators, soweit sie nicht an dem 60 dass die beiden Gesandten verbannt wurden, Hi- 



Aufstande teilgenommen hatten , und liess selbst 
seinen kleinen Sohn, der als Geisel in Mailand 
zurtickgeblieben war, am Leben (Iulian. or. I 48 C. 
II 98 C. 99 A). 

Diese Ereignisse hatten das Misstrauen, das 
in der Natur des C. lag, noch verstarkt und 
liessen es ihm als die hOchste Gefahr fiir das 
Reich erscheinen, wenn er auch ferner privaten 



larius, naehdem er vorher ausgepeitscht war, wahr- 
scheinlich um so die Opposition, die er schon 
auf dem Concil gemacht hatte, zu rachen (Athan. 
hist. Ar. ad mon. 41. Hieron. chron. 2371). Naeh- 
dem man so Liberius geschreckt hatte, wurde, um 
ihn weiter zu bearbeiten, der oberste Hofeunuch 
Eusebius mit Drohungen und Geschenken nach 
Rom geschickt. Beide wies der Bischof zuruck und 



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liess , als Eusebius die Geschenke in der Peters- Gottesdienst hielt, sprengte die Thiiren und rich- 

Mrche niederlegte, sie von dort entfernen (Athan. tete unter der Gemeinde ein Blutbad an, wahrend 

hist. Ar. ad mon. 35—37). Darauf erging an Leon- der Bischof sich ihm ira Gedrange durch die 

tius, der wahrscheinlich seit dem Herbst 355 die Fluent entzog und sich seitdem versteckt hielt 
StadtpraefecturvonRombekleidete(SeeckHerm. (Athan. apol. ad Const. 25; apol, de fuga 24; 

XVHI299), derBefehl, den Liberius an das Hof- hist. Ar. ad mon. 48. 81. Larsow 35. 36. So- 
lager zu schaffen, was man aus Furcht vor der zom. IV 9). Doch kaum war dies geschehen, so 

Wut des Volkes, das an seinem Bischof hing, nur wurde Syrianus selbst durch die Folgen seiner 
in der Heimlichkeit der Nacht zur Ausfiihrung That erschreckt und suchte sie vor dem Kaiser 
bringen konnte (Ammian. XV 7, 6—10. Athan.10geb.eim zu halten, was den Anhangern des Atha- 

hist. Ar. ad mon. 37. 38). In Mailand suchte nasius wieder Mut gab. Sie erliessen einen Protest 

C. noch personlich den Bischof umzustimmen an den Kaiser, in dem sie zugleich die Wieder- 

(Athan. hist. Ar. ad mon. 39; das scheinbare einsetzung ihres Bischofs forderten (Athan. hist. 

Protokoll iiber das Gesprach zwischen Kaiser und Ar. ad mon. 48. 81), und behaupteten noch vier 

Papst bei Theodor. h. e. II 16 ist zweifellos un- Monate lang die Kirchen der Stadt, in denen sie 

echt), und als dies vergeblich blieb, yerbannte er unter Leitung der orthodoxen Presbyter ihre Gottes- 

lhn nach Beroea in Thrakien (Theodor. h. e. II dienste hielten (Larsow 36. Sozom. IV 10). Doch 

16, 27. Hilar, frg. 6 u. sonst). Sobald diese Nach- am 10. Juni erschien der Comes Herakleios yom 

richt nach Rom gelangte, leistete dort der ge- Hof lager in Alexandria (Larsow a. O.), nahm 
samte Clerus angesichts der in der Kirche ver- 20 die Kirchen fur die Gegenpartei in Besitz und 

sammelten Gemeinde einen feierlichen Eid, bei brachte einen Brief des C. an Senat und Volk der 

Lebzeiten des Liberius keinen andern Bischof tlber Stadt mit, durch den jeder aufgefordert wurde, 

sich zu dulden (Epist. imperat. pontif. 12 = Corp. auf den verschwundenen Athanasius zu fahnden 

script, eccl. latin. XXXV 1. Hieron. chron. 2365). (Athan. hist. Ar. ad mon. 48—51. 54). Uberall 

Zu ihm und zu den andern Verbannten kamen wurden Haussucbungen nach ihm gehalten, und 

spater huldigende Gesandtschaften aus alien Teilen gegen seine Anhiinger begann eine schwere Zeit 

des Keiches, Geldgeschenke wurden ihnen darge- der Verfolgung (Athan. hist. Ar. ad mon. 54ff.). 
bracht, kurz in jeder Beziehung erwies das Volk In Gallien hatten schon gleich nach der Sy- 

seine Sympathie mit den Martyrern (Sulp. Sev. node zu Mailand die weltlichen Kichter begonnen, 
Chr vr-'- ? 89 j 9 ^' • 30 gegen die Bischofe Zwang auszuttben, damit sie 

Nachst dem Bischof von Rom kam vor alien mit den Arianern communicierten und die Ver- 

andern der greise Hosius von Corduba in Be- urteilung des Athanasius unterzeichneten. Hier- 

tracht, der schon 60 Jahre sein Bistum bekleidete, gegen batte Hilarius von Pictavi in einer Petition 

bei der Christen verfolgung Diocletians den Ruhm an den Kaiser, die noch in stark fragmentierter 

des Bekenners gewonnen und die Concilien von Gestalt erhalten ist (Migne L. 10, 557), Protest 

Nicaea und Serdica in ihien Beschliissen geleitet eingelegt und wenigstens soviel erreicht , dass 

hatte. Auch er wurde daher etwa gleichzeitig durch ein Gesetz vom 23. September 355 den 

mit Liberius nach Mailand beschieden, da er aber Statthaltern das Gericht uber Bischofe entzogen 

standhaft blieb, wagte C. nicht, den hochverehrten und deren Collegen zugewiesen wurde (Cod. Theod. 
Greis gleichfalls zu verbannen, sondern entliess 40 XVI 2, 12). Dm uber die widerspenstigen Geist- 

lhn ungekrankt nach Spanien (Athan. hist. Ar. lichen Galliens zu urteilen, versammelte sich in 

ad mon. 42. 43). der ersten Halite des J. 356 eine Synode in Bae- 

356. Jetzt sollte endlich auch gegen Athana- terrae (Migne L. 9, 142), deren Letter Saturninus 

sius Ernst gezeigt werden. Wieder kam ein Notar von Arelate war (Hieron. de vir. ill. 100; chron. 

Hilarius vom Hoflager nach Alexandria (Larsow 2372. Hilar, de synod. 2; contra Auxent. 7 ; frg. 2, 

35. Sozom. IV 9. Athan. hist. Ar. ad mon. 48. 18 = Migne L. 10, 481. 614. 644), mid sprach fiber 

81; apol. ad Const. 24), aber diesmal mit dem Hilarius die Verbannung aus (a. 0. Hilar, ad 

Auftrag an den Dux Syrianus, dass er den Wider- Const, II 2). Das gleiche Schicksal traf seinen 

stand des Pobels mit Waffengewalt niederschlage. Anhiinger Rhodanius von Tolosa (Sulpic. Sever. II 
Als dieser am 5. Januar in Alexandria einzog50 39, 2. 7. Rutin, hist, eccles. I 20). 
(Larsow 35), erklarte ihm Athanasius, nicht friiher Auch in Rom wurde der Widerstand gebrochen. 

weichen zu wollen, als bis ihm ein schriftlicher Trotz seines Eides liess sich der Diacon Felix 

Befehl des Kaisers vorgelegt werde, der nicht vor- bereit finden , das Bistum zu iibernehmen. Da 

handen war. Die Presbyter der Stadt, begleitet man vor dem Volke Furcht hegte, wurde die 

von einer ungeheuren Volksmenge, erschienen Weihe nicht in der Kirche, sondern im Kaiser- 

gleichfalls vor Syrianus, verlangten Aufschub, bis palast durch den Palaestinenser Acacius von Cae- 

der schriftliche Befehl eintreffe und bis sie selbst sarea, einen der Ffihrer der orientalischen Partei, 

unterdessen eine Gesandtschaft der Stadt an C. und zwei andere Bischofe vollzogen (Athan. hist, 

abgefertigt hatten, urn fur ihren Bischof zu bitten Ar. ad mon. 75. Hieron. de vir. ill. 98; chron 

(Athan. apol. ad Const. 22— 25; hist. Ar. ad mon. 60 2365. Rutin, h. e. I 22. Sozom. IV 11). Die 

52). Nachdem die Unterhandlungen sich 10 Tage Rechtglaubigkeit des Felix wurde nicht in Zweifel 

lang hingeschleppt hatten , versprach der Dux, gezogen, und der Clerus liess sich daher bewegen. 

einstweilen nichts zu unternehmen; aber schon ihn anzuerkennen (Epist. imper. pontif. I 2. Hieron! 

nach weiteren 23 Tagen wurde ihm diese Zusage chron. 2365) ; doch die Gemeinde hielt sich fern 

leid (Athan. apol. ad Const, 25). In der Nacht von ihm und besuchte keine Kirche, in der er 

vom 8. auf den 9. Februar (Larsow 35. 36. Athan. anwesend war (Theodor. h. e. II 17, 4). 
hist. Ar. ad mon. 81) riickte er mit den Truppen Wahrend so C. der Kirche seinen Willen auf- 

vor die Kirche des Theonas, wo Athanasius eben zuzwingen suchte, wurden zugleich die heidnischen 



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Opfer durch ein Gesetz vom 19. Februar unter ten , verliess C. am 29. Mai die Stadt, um iiber 

Todesstrafe verboten (Cod. Theod. XVI 10, 6) ; Trient an die Donau (Ammian. XVI 10, 20) und 

doch scheint die Ausfuhrung viel an der Strenge dann an dieser entlang zu ziehen, wobei er die 

dieses Gesetzes gemildert zu haben (Symmach. feindlichen Volkerschaften zu Friedensschliissen 

rel. 3 7). veranlasste (Iulian. epist. ad Athen. 279 D. The- 

Mindestens bis zum 11. April war der Kaiser mist. or. IV 57 A), bis er endlich iiber Singidu- 

in Mailand (Cod. Theod. VI 4, 8. 9; vgl. IV 12, num (Philostorg. IV 10) nach Sirrniurn gelangte 

4. IX 42, 2. XI 16, 7. XII 12, 2. XVI 10, 6). (Ammian. XVI 10, 21. Philostorg. IV 3. Cod. 

Im Friihling zog er durch Raetien an den Rhein, Theod. VII 4, 3). 

wahrend seine Gattin Eusebia nach Rom gin g, 10 Hierher hatte er ein Concil berufen, das in 

um sich dort vom Senat feiern zu lassen und Ge- seiner Religionspolitik einen Umschwung bezeich- 

schenke unter das Volk zu verteilen (Iulian. or. nen sollte. Bis dahin waren der Kaiser und seine 

III 129 B). Er iiberschritt den Fluss , wahrend einflussreichsten theologischen Berater Valens und 

zugleich sein Caesar Iulianus die Alamannen von Ursacius nur bestrebt gewesen , die Einheit der 

Gallien aus bedrohte und ein anderer germani- Kirche aufrecht zu erhalten. Diese erkannten sie 

scher Stainm, mit dem sie im Zwiste lagen, ihnen in dem gemeinsamen Glauben an die Bibel und 

in den Rilcken fiel. So wagten sie nicht zu wider- lehnten alle Speculationen , die iiber ihren aus- 

stehen , zogen sich in das Innere ihres Landes drucklichen und unzweideutigen Wortlaut hinaus- 

zuruck und baten, als der Kaiser ihnen nachzog, gingen, geflissentlich ab. Das Verhaltnis zwischen 
um Frieden (Iulian. a. O. Ammian. XVI 12, 15 20 Vater und Sohn gait ihnen als gOttliches Ge- 

17), Am 5. Juli war C. wieder in Mailand heimnis, das der Menschengeist nicht durchdringen 

(Cod. Theod. I 2, 7. Ammian. XVI 7, 2). konne; sie gestatteten daher Speculationen daruber, 

357. Am 22. Mai wurden es zwanzig Jahre, wollten aber abweichende Meinungert liber das 
seit Constantin d. Gr. gestorben war und dadurch Unerforschliche nicht als Ketzereien gelten lassen. 
C. die selbstandige Regierung angetreten hatte. In diesem Sinne stellten sie immer wieder Be- 
Um dies Jubilaum wiirdig zu feiern, besuchte der kenntnisformeln auf, welche beiden Lehren, der 
Kaiser zum erstenmal in seinem Leben die Reichs- arianischen und der orthodoxen, Raum gewahr- 
hauptstadt, wohin die anderen Stadte ihre Ge- ten, und bekampften an der nicaenischen Formel 
sandten mit Gliickwunschen und goldenen Kran- vornehmlich das Wort ofioovaiog, weil es in der 
zen schickten (Themist. or. HI 41 C). Am 28. April 30 Bibel nirgends gebraucht wird und zugleich die- 
Melt er seinen feierlichen Einzug und setzte dann arianische Anschauung unzweideutig ausschliesst. 
die Spiele und Festlichkeiten, wie es bei solchen In Arelate und Mailand hatten sie eine ErOrte- 
Gelegenheiten ablieh war (Seeck Ztschr. f. Nu- rung des Bekenntnisses ganz abgelehnt und nur 
mism. XII 129), einen ganzen Monat lang fort das eine durchgesetzt, dass die unversohnlichen 
(ikommsen Chron. min. I 239. Ammian. XVI Vorkampfer der Orthodoxie unter den Bischofen 
10, 20). Die Kaiserin Eusebia und Helena, die beseitigt wurden, um milderen Gemeindehauptern 
Gattin Iulians, befanden sich dabei in der Um- Platz zu machen. In Sirmium dagegen treten 
gebung des Kaisers (Ammian. XVI 10, 18). C. sie wieder mit einer Glaubensformel hervor, die 
staunte iiber die Pracht der ewigen Stadt, mit zwar nicht entschieden arianisch ist, sich aber 
der sich keine andere, die er vorher gesehen hatte, 40 doch dem Arianismus sehr nahert. Man meinte 
vergleichen liess (Ammian. XVI 10, 13ff. Sym- eben mit Recht, die Gegner schon so miirbe ge- 
mach. rel. 3, 7), und um auch seinerseits ihrem macht zu haben, dass sie sich jetzt endlich fugen 
Schmucke etwas hinzuzufiigen, gab er den Befehl, wurden. 

den grossen Obelisken, der jetzt vor dem Lateran Die Versammlung stand, wie dies iiblich war, 

steht, im Circus Maximus aufzustellen (Ammian. unter formeller Leitung des Bischofs der Stadt r 

XVI 10, 17. XVII 4. 'Dessau 736). Auch im in welchcr sic vor sich ging, in diesem Falle des 

Senat erschien er, um dort den versammelteu Adel Germinius, der als Bischof von Sirmium an die 

Roms anzureden (Ammian. XVI 10, 13), liess aber Stelle des abgesetzten Photeinos getreten war. 

vorher den Altar der Victoria, der mitten in der Neben ihm spielten Ursaeius und Valens die 

Curie stand , als heidnischen Greuel entfernen 50 Hauptrollen (Athan. de synod. 28. Hilar, de synod. 

(Ambros. epist. 18, 32 = Migne L. 16, 981. Sym- 11. 81 = Migne L. 10, 487. 534. Sozom. IV 12). 

mach. rel. 3, 6). Die Anwesenheit des Kaisers Doch war auch Hosius von Corduba anwesend, 

in Rom erschien den Anhangern des Liberius als der sogar mit Potamius gemeinsam die Glaubens- 

passende Gelegenheit, sich fiir ihren Bischof zu formel verfasste (Hilar, de synod. 3. 10; contra 

verwenden. Da aber die Manner den Zom des Constant. 23. Phoebad. Agenn. contra Arian. 5.23 

C. scheuten, erschien vor ihm eine Deputation = Migne L. 20, 16. 30). C. hatte ihn 355 in seine 

vornehmer Matronen, denen er nach einigem Zogern Heimat entlassen, dann aber durch wiederholte 

die Erfullung ihrer Bitte unter den Bedingungen Briefe auf ihn zu wirken gesucht, dass er sich 

zusagte, dass Liberius sich jetzt der Entscheidung der einheitlichen Kirche, die der Kaiser herstellen 

des Mailander Concils unterwerfe, und dass Felix 60 wollte, anschliesse (Athan. hist. Ar. ad mon. 43). 

neben jenem die Bischofswiirde behalte. Das Ver- Da dies keinen Erfolg hatte, beschied er ihn nach 

sprechen des Kaisers wurde im Circus verlesen Sirmium, liess den Greis dort ein ganzes Jahr 

und von dem versammelten Volke mit Jubelge- warten, so dass ihm schon ein Vorschmack der 

schrei begriisst (Theodor. II 17. Sozom. IV 11. drohenden Verbannung zu teil wurde, und wusste 

Epist. imper. pontif. 1 3. Philostorg. IV 3 = Migne ihn dann, genfigend murbe gemacht, seinem Willen 

G. 65, 517). Auf die Nackricht, dass die Suebeu zu beugen (Athan. hist. Ar. ad mon. 45; apol. de 

in Raetien, die Quaden in Valeria, die Sarrnaten fuga 5; apol. c. Ar. 89. 90. Socrat. H 31. So- 

in Pannonien und Moesien Plunderungsziige mach- zom. IV 12. Epiphan. haer. 73, 14. Sulp. Sev. 



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Constantius 



Constantius 



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chron. II 40, 5). So wurde denn eine Glaubens- 
formel abgefasst, welche die Unterscheidungsworte 
Qfioovoios und ofioiovoiog zu gebrauchen verbot, 
um so den Streitpunkt hinwegzuraumen, doch im 
arianischen Sinne die Unterordnung des Sohnes 
unter den Vater scharf betonte, obgleicb ihr gegen- 
seitiges Verhaltnis wieder fur ein unerforschliches 
Geheimnis erklart wurde (Athan. de synod. 28. 
Hilar, de synod. 11. Socrat. II 30). 

Als C. auf der Keise nach Sirmium in Singi- 
dunum angelangt war, hatte eine Gesandtschaft 
orientalischer Bischofe ihn aufgesucht und ihn 
nm Ruckberufung der anomoeischen Geistlichen, 
die nach dem Sturze des Gallus verbannt waren, 
zu bitten gewagt. Der Kaiser hatte sich durch 
sie bestimmen lassen und benutzte nun die Synode, 
nm die Urteile, welche 354 und 355 ergangen 
■waren, wieder aufzuheben. So kehrten die Fuhrer 
des entscbiedensten Arianismus, namentlich Eudo- 
xios von Antiochia, in ihren Wirkungskreis zuruck 
nnd begannen sehr bald ihre Agitation von neuem 
(Philostorg. IV 10). 

Bei der Ankunft des C. in Sirmium wurde 
ihm der Alamannenkonig Chnodomarius zugefiihrt, 
den Iulian indessen in der Schlacht bei Strass- 
burg gefangen hatte. Dieser Sieg bildete den 
Abschluss der Reinigung Galliens von barbari- 
schen Feinden, die unterdessen dem Caesar trotz 
der Hindernisse, die ihm die iibelwollenden Feld- 
herrn des C. entgegensetzten, gliicklich gelungen 
war (s. Iulianus). 

Unterdessen hatte der Praefectus Praetorio 
Orientis Strategius, mit dem Beinamen Musonia- 
nus, Unterhandlungen wegen eines Friedens mit 
den Persern, erOffnet, die zunachst mit Tampsapcr, 
dem Feldherrn, der die persische Westgrenze ver- 
teidigte, gepflogen wurden, Da der Konig Sapor 
weit im Osten gegen die Chioniten und Gelanen 
zu kampfen hatte, konnte ihm die Meldung erst 
sehr spat zugestellt werden, und zwar geschah 
dies in der Form, dass die ROmer, in andere Kriege 
verwickelt, um Frieden baten (Ammian. XVI 9. 
XVII 5, 1. Themist. or. IV 57 B). Sapor, der 
unterweil mit seinen ostlichen Feinden zu einem 
Abkommen gelangt war, richtete jetzt einen Brief 
an C, den er durch eine Gesandtschaft unter 
Fiihrung des Narses fiberbringen liess (Ammian. 
XVII 5, 2. Petr. Patric. frg. 17 = FHG IV 190). 

358. Am 23. Februar zogen die Gesandten in 
Canstantinopel ein (Mommsen Chron. min. I 239) 
und setzten dann ihren Weg zum Kaiser nach 
Sirmium fort (Zonar. XIII 9 p. 19 D; vgl. Ammian. 
XVII 12, 1). Der Brief des PerserkOnigs forderte 
in dem iibermutigsten Tone die Abtretung von 
Mesopotamien und Armenien und drohte, falls 
dies abgeschlagen werde , mit Erneuerung der 
Einfalle in das rOmisehe Gebiet. C. antwortete 
zwar ablehnend (Ammian. XVII 5, 3 — 14. Zonar. 
a. 0.), sah sich aber doch veranlasst, seinen Brief, 
begleitet von Geschenken, durch eine Gesandt- 
schaft, die der Comes Prosper, der Notar Spectatus 
und der Philosopb Eustathius, dessen t v berredungs- 
gabe beruhmt war, an den KOnig iiberbringen zu 
lassen, in der Hoffnung, dass sie ihn beschwieh- 
tigen oder wenigstens aufhalten werde. Sie traf 
den Sapor in Ktesiphon, musste aber nach langem 
Aufenthalt unverrichteter Sache zuruckkehren. 
Nichtsdestoweniger schickte C. noch eine zweite 



Gesandtschaft unter dem Comes Lucillianus und 
dem Notar Procopius aus , die keinen besseren 
Erfolg hatte (Ammian. XVII 5, 15. 14, 1—3. 
XVIII 6, 17. Eunap. vit. Sophist. 50. Sievers 
Das Leben des Libanius 239). 

Unterdessen fielen die Iuthungen in Baetien 
ein, wurden aber durch den Magister peditum 
Barbatio aufs Haupt geschlagen (Ammian. XVII 
6). Auch kamen Nachrichten, dass die Sarmaten 

10 und Quaden in Pannonien und Obermoesien ein- 
gefallen seien. Der Kaiser verliess daher gegen 
Anfang April sein Winterquartier Sirmium, um 
den Feinden entgegenzuziehen (Ammian. XVII 
12, 1. 4. 13, 28). Die Kampfe, die er jetzt jen- 
seits der Donau fuhrte, dehnten sich von Brigetio 
(Ammian. XVII 12, 21) bis in die Theissniede- 
rungen aus (Ammian. XVII 13, 4), zogen sich 
also an den Grenzen der vier Provinzen Pannonia 
secunda, Valeria, Savia und Moesia prima hin 

20 (Ammian. XVII 12, 6. 13, 20). Das feindliche 
Land wurde grundlich verwiistet und in einigen 
Teilen desselben die BevOlkerung fast ausgerottet; 
anderen der feindlichen Scharen gewahrte der 
Kaiser auf ihr Flehen den Frieden, wofiir sie 
natiirlich die vorher bei der Plunderung im rOmi- 
schen Lande weggeschleppten Gefangenen aus- 
liefern mussten. Fur einige der sarmatischen 
Stamme ernannte C. den Zizais zum KOnige 
(Ammian. XVII 12, 20. 13, 30. Vict. Caes. 42, 

30 21). Diese Erfolge wurden durch die Soldaten 
anerkannt, indem sie den Kaiser mit dem Sieges- 
titel Sarmatieusiterum begrussten (Ammian. XVII 
13,25. 33; vgl. Dessau 724); im Triumph hielt 
er seinen Einzug in Sirmium, um dort den Winter 
zuzubringen (Ammian. XVII 13, 34). 

Am 24. August trat ein Erdbeben ein, das 
150 Stadte von Makedonien, Pontus und Asien 
schwer schadigte und Nikomedia, wo es noch von 
einer fiinftagigen Feuersbrunst gefolgt war, vOllig 

40 zerstorte (Ammian. XVII 7 , 1—8. XXII 9, 4. 
Mommsen Chron. min. I 239. II 87. Hieron. 
chron. 2374. Socrat. II 39, 2. Sozom. IV 16. 
Vict. Caes. 16, 12. Liban. or. I 80; epist. 24. 
31. 33. 284. 285. 391. 551. 1036 b. 1320. 1510 a. 
Gregor. Nyss. de fat. 2 = Migne G. 45, 165). 
Unter den Triimmcrn kamcn auch der Vicar Ari- 
stainetos (Ammian, XVII 7, 6. Liban. epist. 25. 
3 1) und der Bischof Kekropios urns Leben (Sozom. 
IV 16. Philostorg. IV 10). Libanius schrieb auf 

50 dies Ungliick eine noch erhaltene Monodie (or. 

III 337) und der Diakon Ephrem eine Elegie 
(Gennad. de vir. ill. 67. Mommsen II 87). 

Als die Glaubensformel, die im Jahre vorher 
unter Assistenz des Hosius zu stande gekommen 
war, in die Provinzen verschickt wurde, wiesen 
sie viele Gemeinden Galliens als Lasterung gegen 
den gottlichen Sohn zuruck (Hilar, de synod. 2). 
Dagegen versammelte sich in Antiochia unter dem 
Vorsitze des dortigen Bischofs Eudosios eine Sy- 
60 node, die dem Kaiser ihre Zustimmung und ihren 
Dank dafiir aussprach, dass er auch den Occident 
zur Einheit der Kirche zuriickgefuhrt habe (Sozom. 

IV 12. 15). Gerade dies aber rief auch im orien- 
talischen Reichsteil, dessen Bischofe mit wenigen 
Ausnahmen bisher die Vermittlungspolitik des C. 
untersttitzt hatten, eine unerwartete Opposition 
hervor. Es hatte sich namlich unterdessen inner- 
halb der Arianer eine entschiedenere Parteirich- 



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Constantius 



Constantius 



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tung ausgebildet, deren Fuhrer Aetios und sein 
Schuler Eunomios waren. Sie sahen in dem Ver- 
haltnis von Vater und Sohn kein unerforschliches 
Geheimnis, sondern meinten es mit Htllfe philo- 
sophischer Speculation sicher lOsen zu kOnnen. 
Der ewig Ungezeugte, so lehrten sie, konne mit 
dem Gezeugten, der, eben weil er gezeugt sei, 
einen Anfang gehabt haben mttsse, nicht desselben 
und nicht einmal ahnlichen Wesens sein. Sie ver 



um die verschiedenen Glaubensformeln einer Pru- 
fung zu unterziehen. So stellten sie compila- 
torisch eine Norm auf, die im wesentlichen auf 
dem vermittelnden 6/ioiovatos beruhte (Sozom. IV 
15. Hilar, frg. 6, 6). Ein Verzeichnis derjenigen, 
von welchen sie ausging, freilich ein sehr un- 
vollstandiges, bietet Hilar, frg. 6, 7 = Migne 
L. 10, 692. 

Auf Grund dieser Formel gelang es dem Kaiser, 



una nicnt emmai annucuen »y esoua mu. ^«= »«*.- ^* — ~— s — ~--e ---' 

warfen daher nicht nur das Spoovows der nicaeni- 10 das Versprechen , das er 357 in Rom gegeben 
_.!.._ ti i j™, ,™>, iiao Ann,™',™*? das hatte. zu erfullen und mit Liberius seinen Frieden 



schen Formel, sondern auch das 6/toiovoios , das 
die vermittelnden Bischofe von der Richtung des 
Ursacius und Valens an dessen Stella gesetzt 
hatten (Hefele Conciliengeschichte I 2 666. Har- 
nack Dogmengeschichte II 2 245). Als nun die 
Synode von Sirmium den Gebrauch beider Worte 
verbot, begrussten die Eunomianer, wie sie spater 
genannt wurden, dies mit Freuden, weil dadurch 
fur ihr avo/Mw; Raum geschaffen wurde, und 



hatte, zu erfullen und mit Liberius seinen Frieden 
zu machen. Der Bischof war seines Martyrer- 
tums nach zweijahiiger Dauer mude geworden 
und sehnte sich nach Rom zuruck (Athan. apol. 
c. Ar. 89; hist. Ar. ad mon. 41. Hieron. chron. 
2365. Hilar, frg. 6, 11). Als nun C. den For- 
tunatianus von Aquileia zu ihm sendete, um ihn 
zum Nachgeben zu bewegen, da fugte er sich 
(Hieron. vir. ill. 97. Hilar, frg. 6, 5. 9), erklarte 



lur inr mo/mho; naum gesmitucu wu.mc, ^^ K u.^^^. ,^. ^+.„.. ^ — « D . -, , -. -,,- — - — 
eben dies war der Grund, warum Eudoxios von 20 in mehreren Bnefen, den Athanasius auch seiner 



Antiochia, der durch dieselbe Synode aus der Ver 
bannung zurfickgerufen war, in so demonstrativer 
Weise die Glaubensformel unterstiitzte (Sozom. 
IV 15). Der antiochenischen Synode hatte auch 
Acacius von Caesarea beige wohnt (Sozom. IV 12), 
der beim Kaiser in solchem Ansehen stand, dass 
er 356 die Weihung des rOmischen Gegenbischofs 
Felix hatte vollziehen diirfen (Hieron. de vir. ill. 
98). Der Presbyter Asphalios, der den Synodal 



beschluss an das Hoflager brachte, wurde daher 30 schaft Vn 167). 

A t-.. A 1 1 ■ -11. J __ 1 n f^,A H OtO Am h. 



seits zu verurteilen und mit den Halbarianern 
Communion zu halten (Hilar, frg. 6, 5 — 11), wurde 
darauf nach Sirmium berafen, um dort die Formel 
mit zu unterschTeiben, und dann nach Rom ge- 
sandt, wo er mit Felix gemeinsam das Bistum 
bekleiden sollte (Sozom IV 15. Hieron. chron. 
2365. Socrat. II 37, 94. Theodor. hist. eccl. II 17. 
Sulpic. Sev. chron. n 39, 8. Hilar, contra Const. 11. 
Mommsen Deutsche Ztschr. f. Geschichtswissen- 



freundlich angenommen und erhielt den Auftrag, 
ein zustimmendes Schreiben des Kaisers zuriick- 
zutragen. Doch als er sich eben zur Abreise 
bereit machte, wurde ihm dasselbe wieder abge- 
nommen und durch einen scharf tadelnden und 
drohenden Brief ersetzt. Es waren die Beschliisse 
der Synode zu Ankyra, welche diesen Wechsel 
in der Anschauung "des C. herbeigefuhrt hatten 
(Sozom. IV 13). 



359. Am Anfang des Jahres gelangte die 
Nachricht nach Sirmium, die Sarmatae Limi- 
gantes bereiteten einen Einfall vor. Der Kaiser 
zog ihnen daher nach Acumincum entgegen, das 
nur wenige Meilen von Sirmium entfernt an der 
Donau liegt (Ammian. XIX 11, 8), noch ehe das 
Eis des Flusses aufgegangen war (Ammian. XIX 
11, 4). Jetzt erboten sich die Sarmaten, sich im 
Reiche als Colonen ansiedeln zu lassen, machten 



Der Bischof Basileios von Ankyra hatte den 40 aber, als der Kaiser ihre Unterwerfung in leier 
• T7--„_i.- :~ „«:„— 04-«^+ .,..n^v,^a+ l-inrl li^ViAr Prvrm pnftrpcftnnftbmeTi wolltfi. einen ver 



Bau einer Kirche in seiner Stadt vollendet und 
eine Anzahl von Bischofen eingeladen, ihm bei 
der Einweihung in der Osterzeit 358 zu assistieren. 
An diese Versammlung gelangte ein Brief des 
Georgios von Laodikeia, in dem er Klage dariiber 
fuhrte, dass Eudoxios in seinem Sprengel die eunn- 
mianische Lehre verbreite und uberall Geistliche 
anstelle, die ihr anhingen. Zugleich wurden Basi- 
leios und seine Genossen aufgefordert , Gegen 



licher Form entgegennehmen wollte, einen ver- 
raterischen Angriff auf ihn, was zur Niedermetze- 
lung der ganzen Masse durch das rOmisehe Heer 
fuhrte. Vor dem 22. Mai war C. wieder nach 
Sirmium zuriickgekehrt (Athan. de synod. 8. Epi- 
phan. haer. 73, 22. Ammian. XIX 11, 17). 

Hier waren unterdessen die Bischofe versammelt 
geblieben, um das grosse Concil, auf dem der 
Kaiser die Einigkeit der Kirche endlich zu er- 



leios una seme uenosseii auigeiuiuciu, ucgcu- u.»u U *».*- „„. i& ..^ : —• — --— — -- 

massregeln zu eTgreifen (Sozom. IV 13. Epiphan. 50 reichen hoffte, durch ihre Beratungen vorzubereiten 



haer. 73, 2). So wurde denn in Ankyra eine 
Glaubensformel abgefasst, die in einer langen 
Reihe von Anathematismen sowohl den photinia- 
schen Ketzereien, als namentlich auch den euno- 
mianischen entgegentrat (Epiphan. haer. 73, 2— 11. 
Hilar, de synod. 12ff. = Migne L. 10, 490. Basil, 
epist. 74. Dies Schriftstiick iiberbrachte eine Ge- 
sandtschaft von Geistlichen dem Kaiser und kam 
gerade noch fruh genug, um seine Zustimmung 



Ein solches war schon im J. 357 beschlossen und 
fur den Herbst 358 in der Art einberufen worden, 
dass die occidentalischen Bischofe sich in Ari- 
minum, die orientalischen in Nikomedia versam- 
meln sollten (Philostorg. IV 10). Diese Teilung 
war vermutlich durch die Rueksicht auf die kaiser- 
liche Post veranlasst worden, die bei einem gar 
zu weiten Hin- und Herreisen der Bischofe noch 
:ehwerer gelitten hatte, als sie durch die immer 



gerade nocn irun genug, um seine iusumiuiuig »i"»" u 6«""- u **~*~, — - — — ,.7,7, ■ 

zu dem Beschluss der Synode von Antiochia zu 60 wiederholten Synoden ohnehm schon litt (Ammian 
i!.i.-i^v. „„a ,-v.r. ,-^« A aran T^v<rianK,'(TVoit YYT Ifi 18. Theodor. hist. eccl. II 16, 17). Abei 



hintertreiben und ihn von deren Irrglaubigkeit 
zu iiberzeugen (Sozom. IV 13. 14). 

Als der Kaiser von seinem Feldzuge nach Sir- 
mium zuruckgekehrt war, hatte ihn dort eine 
Gesandtschaft occidentalischer Bischofe begrusst. 
Diese wurden jetzt mit den Gesandten der Synode 
zu Ankyra und den anderen Bischofen, die sich 
am Hofe aufhielten, zu einer Synode vereinigt, 



XXI 16, 18. Theodor. hist. eccl. II 16, 17). Aber 
als schon manche der Teilnehmer ihre Reise an- 
getreten hatten, traten am 24. August 358 die 
Erdbeben ein, welche Nikomedia zerstorte, nnd 
veranlasste die Verschiebung des Concils auf das 
J. 359 und zugleich die Verlegung seiner orien- 
talischen Halfte. Anfangs dachte man daran, sie 
nach Nicaea oder Tarsos zu berufen, doch ent- 



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schied sich der Kaiser zuletzt fur das isaurische 
Seleukeia (Sozom. IV 16. 17. in 19. Philostorg. 
IV 11. Socrat. II 37. 39. Athan. de synod. 1. 8 
= Migne G. 26, 681. 692). Urn den Beratungen 
dieses Doppelconcils als Grundlage zu dienen, 
wurde in Sirmium von Marcus Ton Arethusa unter 
Assistenz der iibrigen dort versammelten Bischofe 
eine Glaubensformel abgefasst und am Tage vor 
dem Pfingstfeste, dem 22. Mai 359, im Beisein 



der Kirche, die sich in jener gemeinsamen Formel 
aussprechen sollte, Meinungsverschiedenheiten im 
einzelnen freien Raum behielten (Sozom. a. 0. 
Athan. a. 0.). Doch die Orthodoxen hatten durch 
ihre grosse Zahl Mut bekommen, da kaum zu 
erwarten war, dass der Kaiser es wagen wurde, 
mehr als 300 Bischofe in die Verbannung zu 
schicken. Sie verlangten daher die Hinzufiigung 
von Anathemen gegen die Hauptsatze des Arianis- 



des Kaisers von ihnen alien unterzeicbnet. Hir 10 mus und der iibrigen ketzerischen Lehren, d. h. 



Inhalt entsprach den Anschauungen der Halbari- 
aner und war in erster Linie durch Basileios von 
Ankyra und Valens von Mursa bestimmt; nament- 
lich war darin verboten, das "Wort ovaia, das so 
viel Streit verursacht hatte, in Bezug auf das 
Verhaltnis von Vater und Sohn fiberhaupt zu 
gebrauchen (Athan. de synod. 8. Socrat. II 37, 
17. Epiphan. haer. 73, 22. Hilar, frg. 15, 3. 
Sozom. IV 17). 



sie widerstrebten dem weiten Spielraum, den die 
Formel dem selbstandigen Denken bot, und wollten 
nicht nur, was rechter Glaube, sondern auch was 
haeretisch sei, scharf deflniert sehen. Als Valens 
und seine Genossen sich dieser Forderung wider- 
setzten, wurden sie am 21. Juli 359 auf Antrag 
des Graecianus von Cales excommuniciert (Athan. 
de synod. 9; epist. ad Afros 3. Hilar, frg. 7, 4. 
8, 5 = Migne G. 26, 693. 1033; L. 10, 697. 702) 



In dem Einberufungsschreiben hatte C. ver- 20 und dies durch ein Rundschreiben alien BischSfen 



fiigt, dass zuerst die Glaubensfrage entschieden 
werde, dann die persOnlichen Angelegenheiten 
einzelner Geistlichen, wie Anklagen, Restitution 
von Verbannten u. dgl. m„ beraten vverden sollten. 
Zum Schlusse sollten von jedem der beiden Con- 
cilien je zehn Gesandte an den Kaiser geschickt 
werden, um ihm die Beschltisse mitzuteilen und, 
falls sie von einander abwichen, unter seiner per- 
sOnlichen Leitung die Einigung zu erzielen (So- 



der Christenheit mitgeteilt (Atban. de synod. 11). 
Darauf wurden die Anathemen feierlich verkiindefc 
(Hilar, a. 0.) und ein Schreiben an C. gerichtet, 
in dem die Synode erklarte, sie lehne den Be- 
schluss iiber eine neue Glaubensformel ab, weil 
die nicaenische ihr genilge, und zugletch den 
Kaiser bat, er mOge den BischSfen gestatten, in 
ihre Heimat zuruckzukehreu (Hilar, frg. 8. Athan. 
de synod. 10; epist. ad Afros 3. Socrat. II 37. 



zom. IV 17; vgl. 16. Hilar, frg. 7, 2). Der Garde- 30 Sozom. IV 17. 18. Theodor. hist. eccl. II 19). Mit 



praefect Taurus wurde mit der Leitung in Ari- 
minum betraut und ihm das Consulat versprochen, 
wenn er iiber die Glaubensformel Einstimmigkeit 
erziele (Sulp. Sev. chron. II 41, 1; vgl. Hieron. 
adv. Lucif. 18 = Migne L. 23, 171). Im J. 361 
ist er denn auch wirklich Consul gewesen. Da- 
mit die occidentalischen Bischofe nicht wieder 
die Sache des Athanasius aufwarmten, wurde der 
ariminensischen Versammlung durch einen Erlass 



diesem Brief wurden der Verordnung des Kaisers 
gemass zehn Bischofe an sein Hoflager entsandt, 
denen die Partei des Valens ebensoviele hinzu- 
fiigte (Sulpic. Sev. chron. II 41, 6. 7. Hilar, 
frg. 8, 4), so dass es im ganzen zwanzig waren 
(Athan. de synod. 55. Sozom. IV 18). 

Auf die Nachrieht von einem neuen Einfall 
der Perser, von dem spater noch zu reden sein 
wird, war C. aus Sirmium fiber Singidunum, wo 



27. Mai 359 ausdriicklich verboten, sich in 40 er am 18. Juni nachweisbar ist (Cod. Theod. XI 



die besonderen Angelegenheiten der orientalischen 
Kirche einzumischen (Hilar, frg. 7, 1. 2). 

Die Zahl der Bischofe, die in Ariminum spa- 
testens im Juli zusammentraten (Hilar, frg. 7, 4), 
betrug Tiber 400 (Athan. de synod. 8. Sozom. IV 
17. Sulpic. Sev. chron. II 4l", 2). Nicht mehr 
als 80 davon gehorten der halbarianischen Partei 
an, die in einem besonderen Gebaude ihre Zu- 
sammenktrafte zu halten pflegte (Sulp. Sev. chron 



30, 28), nach Constantinopel gezogen, Hier wollte 
er den Winter zubringen und wahrend dessen die 
Vorbereitungen fiir den Feldzug treffen, der dann 
im Fruhling von Svrien aus angetreten werden 
sollte (Ammian. XIX 11, 17. XX 8, 1. Cod. 
Theod. XI 24, 1). 

Den ariminensischen Gesandten waren Valens 
und Ursacius nach Constantinopel vorangeeilt, um 
den Kaiser auf ihre Antwort vorzubereiten. Dieser 



II 41, 5). Die Stimmung der iibrigen chrakteri- 50 fasste jetzt den Beschluss, das Concil durch Hiii 

" -■■'•' halten miirbe zu machen. Denn da ein grosser 

Teil der Bischofe den Unterhalt aus Staatsmitteln 
zurflckgewiesen hatte und auf seine eigenen Kostcn 
lebte, iibte der lange Aufenthalt in einer fremden, 
von Zugereisten uberfiillten Stadt einen sehr 
empfindlichen pecuniaren Druck auf sie aus. Die 
Gesandten wurden daher lange Zeit gar nicht 
angenommen (Socrat. II 37, 75. Sozom. IV 19. 
Theodor. hist. eccl. II 19, 14). Im Herbst reiste 



siert sich dadurch, dass alle Geistlichen aus 
Gallien and Britannien mit nur drei Ausnahmen 
den freien Unterhalt nicht annahmen, den ihnen 
C. angewiesen hatte (Sulpic. Sev. chron. II 41, 3). 
Auch scheint man anfangs den Versuch gewagt 
zu haben, die Verurteilung des Athanasius noch 
einmal anzugreifen , doch wurde dies auf Grund 
der kaiserlichen Verordnung hintertrieben und 
sogleich zur ErOrterung der Glaubensformel iiber- 



gegangen (Sozom. IV 17). Hierbei legten Valens 60 C. sogar an die Donau, uni dort gothische Hulfs 
und seine Genossen die in Sirmium beschlossene ' ^.. j— x> i „„ „,-k„„ ^ *„,„,,„« 

Fassung vor und verlangten, sie solle, da sie dem 
Kaiser genehm sei, unverandert angenommen wer- 
den (Sozom. IV 17. Athan. de synod. 8. Socrat. 
II 37, 15. Hilar, frg. 7, 4). Cber die genaue 
Interpretation der einzelnen Satze lehnten sie eine 
Debatte ab und iiberliessen es jedem, sie in seiner 
Weise auszulegen, so dass innerhalb der Einheit 



truppen fur den Perserkrieg anzuwerben (Ammian. 
XX 8, 1). Erst jetzt richtete er einen Brief an 
das Concil, in dem er ihm zusammenzubleiben 
befahl, bis es den Bescheid der Gesandtschaft 
erhalten habe, und diese anwies, nach Hadriano- 
polis zu gehen und dort die Riickkehr des Kaisers 
zu erwarten. Mit diesem Schreiben wurden drei 
der in Constantinopel wartenden Bischofe nach 



1089 



Constantius 



Constantius 



1090 



Ariminum zuriickgescbickt (Athan. de synod. 55. 
Socrat. II 37, 78. Sozom. IV 19). Das Concil 
antwortete sogleich durcb eine neue Gesandtschaft, 
die wahrscheinlich aus sieben BischCfen bestand, 
da die Zahl der orthodoxen Deputierten spater 
auf vierzehn geatiegen war (Hilar, frg. 8, 5). In 
dem Schreiben, das sie uberbrachten, wurden noch 
einmal die fruheren Beschlflsse aufrecht erhalten, 
zugleich aber recht klaglich um die Erlaubnis 
zur Heimkehr gebeten, ehe der Winter komme 
und die Reise erschwere (Athan. a. 0. Socrat. 
a. 0. Sozom. a. 0. Theodor. II 20). Um eine 
Einigung herbeizufnhren, traten darauf die vier- 
zehn orthodoxen Gesandten mit den arianischen 
in dem thrakischen Dorfe Nike zur Beratung zu- 
sammen. Der Ort soil gewahlt sein, damit man 
das dort beschlossene Glaubensbekenntnis, durch 
die Ahnlichkeit des Namens getauscht, mit dem 
nicaenischen verwechsele (Socrat. II 37, 95. Sozom. 
IV 19. Theodor. hist. eccl. II 21. Hilar, c. Auxent. 
8; frg. 8, 5. 11, 1 = Migne L. 10, 614. 702. 711). 
Durch die Gefahr, im harten thrakischen Winter 
die beschwerliche Ruckreise antreten zu miissen, 
wurden die schwachen Greise so geschreckt (Athan. 
epist. ad Afros 3. Hilar, c. Auxent. 8), dass sie 
das Anathem gegen Valens und seine Genossen 
widerriefen und am 10. October eine Glaubens- 
formel unterschrieben (Hilar, frg. 8, 5. Sulp. Sev. 
chron. PL 43, 1), die ihnen aus Constantinopel 
zugeschickt war. Sie beruhte auf den Beschliissen, 
die unterdessen in Seleukeia gefasst waren, hatte 
aber auch diese noch etwas im halbarianischen 
Sinne verandert (Athan. de synod. 30. Theodor. 
II 21, 3). 

Jetzt durften die Gesandten nach Ariminum 
zuriickkehren, und zugleich erhielt der Praefect 
Taurus den Befehl, die Synode nicht eher aus- 
einandergehen zu lassen, als bis sie einstimmig die 
neue Glaubensformel angenommen habe. Wenn 
nicht mehr als 15 Bischofe ihr hartnackig wider- 
strebten, sollten diese entsetzt und in die Verban- 
nung geschickt werden (Sulpic. Sev. chron. II 
43, 3). Als der excommunicierte Valens vor dem 
Concil erschien und, von den orthodoxen Ge- 
sandten unterstiitzt, das Bekenntnis vorlegte (Hilar. 
frg. 8, 7), verweigerten die versammelten Bischofe 
anfangs auch diesen die Communion. Da sie sich 
aber auf den festen Entschluss des Kaisers und 
die Drohung mit der Winterreise berufen konnten, 
wurden auch die anderen allmahlich schwach (Sul- 
pic. Sev. chron. LT 43, 4. Athan. epist. ad Afros 3. 
Rutin, hist. eccl. I 21. Augustin. c. Maxim. Arian. 
n 14, 3 = Migne L. 42, 772). Als noch ein Brief 
des C. eintraf, der mit Entschiedenheit auf der 
Verwerfung der Worte ovoia und ofioovoiog be- 
stand (Hilar, contra Const. 16 = Migne L. 10, 
594), kroch die fromme Gesellschaft zu Kreuze. 
In einem Schreiben an den Kaiser sprach sie ihm 
ihren unterthanigen Dank fur seinen Glaubens- 
eifer aus, erklarte ihre Zusthmnung und bat recht 
jammerlich, den Praefecten endlich anzuweisen, 
dass er ihnen die Heimkehr gestatte (Hilar, frg. 9. 
Hieron. adv. Lucif. 18 = Migne L. 10, 703. 23, 
171). Nur 20 Bischofe unter Fuhrung des Phoe- 
badius von Aginnum und des Servatio von Tungri 
bliehen noch einige Tage standhaft, liessen sich 
aber auch durch die Riicksicht auf die Einigung 
mit der orientalischen Kirche allmahlich bereden. 

Panly-Wissowa IV 



Da Valens erklarte, er sei kein Arianer, und selbst 
als Zusatz zu der Glaubensformel eine Anzahl 
von Anathemen gegen die Hauptlehren des ent- 
schiedenen Arianismus in Vorschlag brachte, gaben 
auch sie nach (Sulpic. Sev. chron. II 44. Hieron. 
a. 0.). So konnte die Synode nach siebenmonat- 
licher Dauer geschlossen (Sulpic. Sev. chron. II 
44, 1) und ihr Erfolg durch eine neue Gesandt- 
schaft, deren Ftthrer diesmal Ursacius und Valens 

10 waren , dem Kaiser mitgeteilt werden (Hilar, 
frg. 10, 1). 

Wahrend dieser Verhandlungen hatte auch in 
Seleukeia die orientalische Synode getagt, die am 
27. September begann und nur wenige Tage dauerte. 
Als CommissaTe des Kaisers fungierten dabei der 
Comes Leonas und der Statthalter der Provinz 
Isaurien, Bassieius Lauricius. Die Zahl der an- 
wesenden Bischofe betrug 150—160, von denen 
die grosse Majoritat Halbarianer waren. Doch 

20 unter den wenigen Eunomianern befanden sich 
so bedeutende Kirchenhaupter, wie Akakios von 
Caesarea, Eudoxios von Antiocheia und Georgios 
von Alexandreia, und da sie erklarten, mit der 
sirmischen Formel einverstanden zu sein, fanden 
sie die lebhafte Unterstiitzung der leitenden Be- 
amten. Denn wie in Ariminum, so erklarte auch 
hier die Majoritat, dass ein neues Bekenntnis gar 
nicht erforderlich sei, nur wollte sie nicht auf 
das nicaenische , sondern auf das antiochenische 

30 von 341 zuriickgreifen. Nach heftigen Streitig- 
keiten, die teils zur Absetzung, teils zur Excom- 
munication der Eunomianer fiihrten, wurden auch 
in Seleukeia zehn Gesandte an den Kaiser erwahlt, 
die dessen Willen widerstrebten. Doch auch diese 
wurden in Constantinopel zum Naehgeben veran- 
lasst und so die Einheit der Kirche scheinbar 
hergestellt (Socrat. II 39. 40. Sozom. IV 22. 23. 
Athan. de synod. 12. 29. Hilar, contra Const. 
12ff. ; frg. 10. Epiphan. haer. 73, 25. Sulpic. Sev. 

40 chron. II 42. 45. Basil, c. Eunom. 12 = Migne 
G. 29, 504). Hier hielten dann noch etwa 
50 Bischofe eine neue Synode , deren entschei- 
dende Leiter Akakios und Eudoxios waren und 
die sich namentlich mit persOnlichen Anklagen 
gegen verschiedene Bischofe heschaftigte. Eine 
ganze Reihe von Geistlichen, die dem Kaiser oder 
der herrschenden Partei nicht genehm waren, wur- 
den ahgesetzt, darunter Ae'tios, der Begrunder 
der eunomianischen Lehre, Basileios von Ankyra 

50 und Makedonios von Constantinopel, an dessen 
Stelle Eudoxios trat. Dann wurde das Bekenntnis 
von Nike an alle Bischofe der Christenheit ver- 
schickt, begleitet von einer Verordnung des Kaisers, 
die alle, die es nicht unterschreiben wollten, mit 
Verbannung bedrohte (Socrat. II 42. 43. Sozom. 
IV 24. 25. Philostorg. V 1. 2. Sulpic. Sev. chron. 
II 45. Hilar, ad Const. H 3. Theodor. hist. eccl. 
II 28. Hieron. chron. 2375. Gregor. Naz. or. 19. 
21. Basil, epist. 51; contra Eunom. 12 = Migne 

60 G. 29, 505). 

Der Aufenthalt des Kaisers in der Hauptstadt 
des Ostens waT auch dadurch epochemachend, 
dass jetzt deren Gleichstellung mit Rom, zu der 
339 und 340 die ersten Schritte gethan waren, 
zum endgiiltigen Abschluss kam. Dies fand darin 
seinen Ausdruck, dass der oberste Beamte der 
Stadt, der bis dahin den Titcl Proconsul gefuhrt 
hatte, ietzt zum Praefectus urbi erhoben und den 

35 



1091 



Constantius 



Constaatius 



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Praefecti praetorio an Eang gleichgestellt wurde. 
Denn der erste, der dies Amt in seiner neuen 
Form am 11. December 359 antrat, Honoratus, 
war vorher Praefectus Praetorio Galliarum ge- 
wesen (Mommsen I 239. Hieron. chron. 2375. 
Socrat. II 41, 1. Sozom. IV 23. Liban. epist. 
389; vgl. Sievers Das Leben des Libanius 211). 
Zugleich wurde den Praetoren von Constantinopel 
nach dem Muster der rOmiaolien die Jurisdiction 
in Freiheitsprocessen ubertragen (Cod. Theod. VI 
4, 16). Koch kurz vor seinem Tode erweiterte 
dann C. die Competenz des Praefectus urbi da- 
Mn, dass ihm die Appellationsgeriehtsbarkeit iiber 
die Provinzen Bithynia, Lydia, Hellespontus, In- 
sulae, Phrygia salutaris, Europa, Ehodope und 
Haemimontus zustehen solle (Cod. Theod. I 6, 1). 

Unterdessen hatte Sapor die Kriegsdrohung, 
die er 358 durch seine Gesandtschaft dem Kaiser 
iiberschickt hatte , zur That gemacht. Und er 
traf den Orient gerade in sehr wenig verteidi- 
gungsfahigem Zustande, well der grosste Teil der 
Truppen mit C. in die Westprovinzen abgezogen 
(Ammian. XVIII 5, 2) und nur sehr unvollstiin- 
dig durch die friiheren Soldaten des Magnentius 
ersetzt war (Ammian. XVIII 9, 3). Auch wurde 
gerade um diese Zeit der fahigste Feldherr, der 
die orientalischen Verhaltnisse durch ein zehn- 
jahriges Commando kannte (Ammian. XVIII 6, 2), 
der Magister equitum Ursicinus, an das Hoflager 
berufen, weil der Kaiser durch seine Umgebung, 
namentlich den allmachtigen Eunuchen Eusebius, 
aufgestachelt , ihm misstraute (Ammian. XVIII 
4, 2). Kurz vorher war der Magister peditum 
Barbatio wegen eines unbegriindeten Verdachtes, 
dass er nach der Krone strebe, hingerichtet wor- 
den (s. Bd. Ill S. 2, 13); so wurde denn Ursi- 
cinus zu seinem Nachfolger ornannt , da er in 
der Umgebung des Kaisers minder gefahrlich 
schien (Ammian. XVIII 5, 5), und Sabinianus, ein 
unfahigerGreis, in den Orient geschickt (Ammian. 
XVIII 5, 5. 6, 1. 7. 7, 7. XIX 3, 1), obgleich 
die BevOlkerung der Stadte durch Acclamationen 
und Decrete ihrer Decurionen den friiheren Feld- 
herrn zuriickzuhalten suchte (Ammian. XVTII 6, 2). 
Als aber die Nachrichten von dem bevorstehen- 
dpn Persereinfall drohender wurden , befehligte 
C. den Ursicinus, der schon auf der Beise war, 
wieder in den Orient; doch blieb er dort dem 
Sabinianus untergeordnet und konnte daher nichts 
Erhebliches leisten (Ammian. XVIII 6, 5 — 7. XIX 
3, 1). Dieser suchte die Gefahr durch eifriges 
Beten an den Reliquien der Martyrer abzuwenden 
(Ammian. XVIII 7, 7. XIX 3, 1), wahrend Ursi- 
cinus nach Nisibis eilte, um die Stadt in Ver- 
teidigungszustand zu setzen (Ammian. XVIII 6, 8). 
Doch kam er so spat, dass unterdessen die Vor- 
hut der Perser den Tigris schon uberschritten 
hatte und der Feldherr zweimal nahe daran war, 
von ihnen auf seinen Streifziigen gefangen zu 
werden (Ammian. XVIII 6, 12. 8, 1). 

Durch einen romischen Officier Antoninus, der 
genau mit den militarischen Verhaltnissen des 
Reiches bekannt und durch Bedriickungen der 
Beamten zur Flueht nach Persien gezwungen wor- 
den war, hatte Sapor von der Entblossung des 
Orients erfahren (s. Bd. I S. 2572 Nr. 12). Er hatte 
die letzte rOnrische Gesandtschaft bei sich fest- 
gehalten (Ammian. XVIII 6, 17. 18) und im 



Laufe des Winters 358/359 ein Heer gesammelt, 
das Ammianus Marcellinus, der als Kundschaf- 
ter dessen Anzug beobachten konnte (Ammian. 

XVIII 6, 22), auf 100 000 Mann schatzte (Am- 
mian. XIX 6, 11; vgl. XVIII 4, 1. 5, 8. 6, 4. 

XIX 2, 4); doch hatten die Rustungen so viel 
Zeit in Anspruch genommen, dass erst im Hoch- 
sommer der Tigris uberschritten wurde (Ammian. 
XVIII 7, 4). Der Plan, den Antoninus angeregt 

10 hatte, war, sich diesmal nicht mit zeitraubenden 
Belagerungen aufzuhalten, sondern schnell Meso- 
potamien zu durchziehen und dann gleich in 
Syrien einzufallen, das durch langeD Frieden am 
wenigsten gegen einen Angriif vorbereitet war 
(Ammian. XVIII 6, 3. 18. 10, 1). Ursicinus, der 
davon durch tJberlaufer erfahren hatte (Ammian. 
XVIII 8, 1), befahl daher den Landbewohnern in 
Mesopotamien, sich in die festen Stadte zu ftflchten 
und alle Felder in Brand zu stecken, so dass 

20 zwischen Euphrat und Tigris das ganze Land 
zeitweilig zur Wiiste wurde (Ammian. XVIII 7, 3). 
Da Sapor ausserdem Kunde erhielt, dass der 
Euphrat durch die Schneeschmelze in den armeni- 
schen Gebirgen stark angeschwollen war (Ammian. 

XVIII 7, 9), beschloss er auf den Bat des Anto- 
ninus nach Norden auszuweichen , wo am Fusse 
des Gebirges noch frisches Gras zu finden war, 
und den Fluss dann nahe bei seiner Quelle zu 
iiberschreiten (Ammian. XVIII 7, 8. 10). Unter- 

30wegs nahm er die Castelle Bern an und Busan, 
die von ihren Verteidigern mutlos iibergeben wur- 
den, und liess hier grosse Milde walten in der 
Hoffnung, dadurch auch andere feste Platze zum 
Abfall zu bewegen (Ammian. XVIII 10). In diesem 
Sinne liess er am dritten Tage darauf auch Amida 
zur tfbergabe auffordern mit der Absicht, falls 
sie verweigert wtirde, weiterzuziehen. Doch wurde, 
als er unter den Mauern der Stadt hielt, sein 
Mantel von einem Pfeil durchbohrt, eine Schmach, 

40 die ihm Eache zu fordern schien. Mit Miihe uber- 
redete ihn seine Umgebung, deshalb den ursprung- 
lichen Kriegsplan nicht scheitern zu lassen. Als 
aber bei einer zweiten Aufforderung der Sohn des 
Chionitenkonigs Grumbates, der Sapor begleitete, 
durch eine Balliste erschossen wurde, hielt dieser 
es fur eine Ehrenschuld gegen seinen Verbundeten, 
die Stadt nicht unbestraft zu lassen (Ammian. 

XIX 1, 1 — 2, 1). So begann denn die Belage- 
rung, bei der die sieben Legionen, welche Amida 

50 besetzt hielten (Ammian. XVIII 9, 3. XIX 2, 14). 
und die Einwohnerschaft sich heldenmiitig ver- 
teidigten, so dass die Erorberung dem Perserkunig 
30 000 Mann und einen Zeitverlust von 73 Tagen 
kostete (Ammian. XIX 9, 9). Ursicinus wollte 
sie entsetzen , doch Sabinianus , der vom Kaiser 
den Befehl erhalten hatte, nach Moglichkeit Sol- 
daten zu sparen, gab ihm nicht die nOtigen Truppen 
dazu (Ammian. XIX 3 1. 2). So flel denn end- 
lich Amida, und seine Einwohner wurden teils 

60 niedergemacht , teils in die Sclaverei geschleppt. 
Nur mit Muhe rettete sich der Gescbichtsehreiber 
Ammianus Marcellinus, der gleichfalls in den 
Mauern war und die Belagerung daher ausfiihr- 
lich geschildert hat (XIX 1—9). Doch war 
unterdessen der Sommer vergangen und Sapor 
musste heimziehen , ohne seinen Kriegsplan zur 
Ausfuhrutig gebracht zu habcn (Ammian, XIX 
9, 1). 



1093 



Constantius 



Constantius 



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Die Isaurer pliinderten auch in diesem Jahre, 
wurden aber durch die Umsicht des Comes Bassi- 
dius Lauricius zur Ruhe gebracht (Ammian. XIX 
13. Dessau 740). In Rom entstand im Friih- 
jahr durch die Verspatung der africanischen Korn- 
schiffe eine Hungersnot, die zu den gewflhnliehen 
Tumulten fuhrte (Ammian. XIX 10). 

360. Da er jetzt nicht mehr darauf rechnen 
konnte, die syrischen Provinzen unvorbereitet zu 
treffen, verzichtete Sapor auf den Kriegsplan des 
vorhergehenden Jahres und kehrte wieder zu der 
(jbung zuriick, Stadt fur Stadt in Mesopotamien 
seinem Reich zu unterwerfen. Bei einem neuen 
Einfall eroberte er Singara und Bezabde, wurde 
aber von Virta abgewehrt und kehrte, als die 
Belagerung nicht zum Ziele fuhrte, in sein Reich 
zurflck (Ammian. XX 6. 7). 

C. riistete unterdessen in Constantinopel (Am- 
mian. XX 8, 1. 4, 1. 2) und richtete zu diesem 
Zwecke auch an Iulian die Forderung, dass er 
ihm einen Teil der gallischen Truppen sende. Dies 
fuhrte dazu, dass in Paris das Heer sich emporte 
und den Caesar zum Augustus ausrief (s. Iulia- 
nus). Ausserdem wurden die Synodalgerichte 
gegen missliebige Bischofe und Geistliche, die 
859 begonnen hatten, weiter fortgesetzt. Auch 
Ursicinus zog man wegen des Falles von Amida 
zur Reehenschaft, und da der Eunuch Eusebius 
gegen ihn arbeitete, wurde er seines Amtes ent- 
setzt (Ammian. XX 2). Nachdem der Kaiser dann 
noch am 15. Februar eine grosse neuerbaute Kirche 
in Constantinopel eingeweiht hatte (Mommsen 
I 239. Hieron. chron. 2376; vgl. Cod. Theod. XI 

24, 1), brach er im Fruhling gegen die Perser 
auf (Ammian, XX 4, 2. 8, I). Als er nach dem 
cappadocischen Caesarea gelangt war, erhielt er 
Nachricht von der Erhebung Lilians (Ammian. 
XX 8, 4), was ihn zur Unterbrechung seiner Reise 
veranlasste, so dass ihn auch noch die Gesandten 
des Usurpators hier antrafen (Ammian. XX 9, 1). 
Anfangs zauderte er, ob er sich gegen Iulian oder 
gegen Sapor wenden soil; doch siegte sein Pflicht- 
gefuhl und er wandte sich nach Suden, wahrend 
er mit jenem die Verhandlungen fortsetzte (Am- 
mian. XX 9, 3). Unterwegs liess er noch den 
Konig Arsakes von Armenien, den er mit Olympias, 
der Tochter des Ablabius, der friiheren Braut 
seines Bruders Constans, verheiratet (Ammian. XX 
11, 3. Athan. hist. Ar. ad mon. 69) und auch 
sonst mit Gunstbezeugungen iiberhauft hatte (Cod. 
Theod. XI 1, 1), zu sich kommen, um ihn zur 
Treue zu ermahnen (Ammian. XX 11, 1). Dann 
zog er fiber Melitena, Lakotena und Samosata 
nach Edessa, wo er bis zum Herbst mit der Con • 
centration der Truppen und der Fflllung der Maga- 
zine zu thun hatte. Erst Ende September oder 
noch spater brach er auf, um zuerst die Ruinen 
von Amida zu besuchen (Ammian. XX 11, 4. 5). 
Dann versuchte er Bezabde wieder zu erobern, 
dessen Mauern die Perser wiederhergestellt und 
-eine Besatzung hineingelegt hatten (Ammian. XX 
7, 16). Doch nach langer und verlustreicher Be- 
lagerung wurde C. durch die Regengiisse desherein- 
brechenden Winters gezwungen , unverrichteter 
Sache wieder abzuziehen (Ammian. XX 11, 6 — 

25. 31). tfber Hierapolis, wo er am 17. December 
nachweisbar ist (Cod. Theod. VII 4, 6; es ist 
Ian. fur lun. zu schreiben), bezog er seine Winter- 



quartiere in Antiochia (Ammian. XX 11, 32. XXI 
6, 1. Cod. Theod. XVI 2, 16). 

361. Wie C. einst gegen Magnentius die Ger- 
manen zu Hulfe gerufen hatte, so soil er es jetzt 
auch gegen Iulianus gethan haben (Iulian. epist. 
ad Athen. 286 A. B. 287 A. Liban. or. I 558. 559. 
Ammian. XXI 3, 4). In Antiochia vermahlte er 
sich, da seine zweite Gattin Eusebia gestorben 
war, zum drittenmal mit Faustina (Ammian. XXI 

10 6, 4). Sie brachte ihm sein erstes Kind, eine Toch- 
ter; doch wurde diese erst nach dem Tode des 
Vaters geboren (s. Constantia Nr. 15). Zu- 
gleich fanden grosse Aushebungen statt und hohe 
Steuern an Gold, Silber und Naturalien wurden 
fur den bevorstehenden Krieg ausgeschrieben (Am- 
mian. XXI 6, 6). Nach Africa wurde der Notar 
Gaudentius geschickt, um dem Abfall der Dioecese 
zu Iulian vorzubeugen, was auch gelang (Ammian. 
XXI 7, 2—5). Der Kaiser selbst zog zunachst 

20 gegen die Perser (Ammian. XXI 7, 1), tlberschritt 
bei Kapersana den Euphrat und blieb dann bei 
Edessa stehen, wo er einerseits erfuhr, dass Iulian 
in Thracien eingebrochen sei, andererseits dass 
die Perser in diesem Jahre keinen Einfall beab- 
sichtigten (Ammian. XXI 7, 7. 13, 1—7). So 
zog er denn dem Iulian entgegen. Er gelangte 
iiber Hierapolis (Ammian. XXI 13, 8), Antiochia 
und Tarsus bis zu dem kilikischen Stadtchen 
Mopsukrene, wo er am 3. November an einem 

30Fieber starb (Ammian. XXI 15. Mommsen I 
239. 240. Socrat. II 47. Sozom. V 1. Zonar. XIII 
11 p. 22 C. Vict. epit. 42, 17), nachdem er durch 
den Arianer Euzoios die Taufe empfangen hatte 
(Athan. de synod. 31. Philostorg. VI 5. Socrat. 
II 47). H, Schiller Geschichte der rOm. Kaiser- 
zeit II 238. V. Duruy Gesch. des rOm. Kaiser- 
reiches, fibers, von G. Hertzberg V 259. C. J. 
v. Hefele Conciliengeschichte 12 488. 

5) Constantius Gallus, Caesar 351 — 354. Auf 

40 seinen Munzen (Cohen MCdailles impenales VIII 2 
32) und Inschriften (Dessau 737 = CIL V 8073. 
VIII 8475. XII 5560. Ephem. epigr. V 1112; vgl. 
Seeck Rhein. Mus. LV 319) heisst er Flaviits 
Claudius Constantius. Wenn daneben vereinzelt 
Flavius lulius Constantius vorkommt (Cohen 
3. 31), diirfte dies auf einen Irrtum des Stempel- 
schneiders zuruckgehen. Den dritten Namen hatte 
er erst bei seiner Thronbesteigung von seinem Mit- 
regenten angenommen (Vict. Caes. 42, 8. Momm- 

50 sen Chron. min. I 238. Larsow Die Festbriefe 
des h. Athanasius 34. Socrat. II 28, 21); vorher 
hatte er Gallus geheissen und die meisten Schrift- 
steller pflegen ihn auch spater zum Unterschiede 
von Constantius II. so zu nennen, obgleich er in 
den officiellen Urkunden, Fasten, Munzen, In- 
schriften, der Chronik von Constantinopel, niemals 
diesen Namen fuhrt, ihn also jedenfalls abgelegt 
hatte. 

Er war geboren auf dem Landgute Massa Veter- 

60 nensis in Etrurien im J. 325 oder 326 (Ammian. 
XIV 11, 27), als jungerer Sohn (Iulian. epist. ad 
Athen. 270 D; vgl. Liban. or. I 532) des lulius 
Constantius, des Halbbruders Constantins d. Gr. 
und der Galla, der Schwester des Vulcatius Rufinus 
und des Naeratius Cerealis (Ammian. XIV 11, 
27. 10, 5. Philostorg. Ill 25 = Migne G. 65, 512. 
Liban. or. I 527. 530). Er war also Halbbruder 
des Iulianus Apostata und Vetter Constantius II., 



1095 



Constantius 



Constantius 



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der zudem noch eine Schwester yon ihm geheiratet XV 2, 7. Liban. or. I 527) , sogleich mit seiner 

hatte, aber sie bald durch den Tod verloren zu Praunach Antiochia (Zonar. XIII 8 p. 16 C. Socrat. 

haben scheint (Inlian. epist. ad Athen. 272 D. n 28, 21. Mommsen I 238). Von hier aus soil 

Athan. hist. Ar. ad mon. 69 = Migne G. 25, 776). er dann auch den Krieg nicht ohne Gluck geftihrt 

Als sein Vater and die meisten Seitenverwandten haben (Philostorg. in 28; vgl. Ammian. XIV 

Constantins d. Gr. im J. 337 durch die Soldaten 7, 5). Doch kann es sich dabei wohl nur um 

ermordet wurden , verschonte man den Knaben, unbedeutende Scharmfitzel gehandelt haben, weil 

weil er eben an einer Krankheit litt, die fur tot- die Perser, durch Einfalle wilder Grenzvolker 

lich gait (Socrat. Ill 1). Doch wurde ihm sein beunruhigt, in dieser Zeit nichts Bedeutendes 
ganzes mutterliches Erbteil und die grOssere Halfte 10 untemahmen (Ammian. XIV 3, 1. XVI 9, 3. Zonar. 

des vaterlichen entrissen (Inlian. epist. ad Athen. XIII 7 p. 15 B. Inlian. or. I 28 D. II 66 D. Themist. 

273 B). Immerhin blieb ihm noch bedeutender or. II 39 A). Immerhin war seine Anwesenheit 

Grundbesitz in Ionien , wo er die nachste Zeit im Orient eine Drohung for den Feind, die dazu 

lebte und in Ephesus die Schule besuchte (Socrat. beitrug, ihn von Angriffen zurfickzuhalten (Zosim. 

HI 1; vgl. Liban. or. I 531). Im J. 344 oder III 1, 1. Johann. monach. pass. S. Artem. 12). 

345 (Mian. epii?t. ad Athen. 271 C) wurde er Daher versuchte Magnentius , als er nach der 

dann mit seinem Bruder Iulianus nach Cappa- Schlacht bei Mursa in hOchster Not war, den 

docien geschickt, wo ihnen in der Nahe von Cae- Kaiser dadurch vom Biirgerkriege abzuziehen, dass 

sarea eine kaiserliche Doroane, namens Fundus er ihm im Osten zu schaffen machte, und dang 
Macelli, zum Wohnsitz angewiesen wurde (Am- 20 einen MSrder gegen Gallus. Dieser kam nach 

mian. XV 2, 7. Sozom. V 2). Dort erhielten sie Antioehia und stiftete eine VerschwOrung unter 

einen Hofhalt, der ihres Standes wurdig war; den gemeinen Soldaten. Doch die alte Frau, bei 

ihre Erziehung wurde in streng christlichem Sinne der er Quartier genommen hatte, zeigte ihn an; 

fortgesetzt; sie gingen flcissig in die Kirche, ja er wurde ergriffen und nebst seinen Mitwissern 

sie traten sogar in den Klerus ein und lasen der hingerichtet. Die Denuntiantin belohnte Con- 

Gemeinde die Bibel vor; auch begannen sie fiber stantia reichlich und liess sie auf einem Wagen 

dem Grabe des Martyrers Mamas gemeinsam eine aus dem Paradethor des Palastes durch die Stadt 

Kirche zu erbauen (Sozom. a. 0. Gregor. Naz. or. ffihren, um so auch andere Angeber anzulocken 

IV 22ff. = Migne G. 35, 550). Doch genossen (Zonar. XIII 8 p. 17 D. Ammian. XIV 7, 4). 
sie fast nur des Umgangs der kaiserlichen Diener, 30 Die Tyrannennatur, die in Gallus schlummerte 

und kein fremder Besuch durfte von ihnen (Lilian, epist. ad Athen. 271 D. Ammian. XIV 

empfangen werden (Iulian. epist. ad Athen. 271 C). 11, 3. Viet. Caes. 42, 11. Johann. Ant. frg. 174 

Aus dieser Abgeschiedenheit wurde Gallus erst = FHG IV 604. Eutrop. X 13) und von seiner 

befreit, als C. ihn an sein Hoflager nach Pan- Frau genahrt wurde (Ammian. XIV 1, 2. 8. 9, 

nonien berief (Mian, epist. ad Athen. 272 A), um 3. 11, 22. Zonar. XIII 9 p. 18 D. Philostorg. 

ihn am 15. Marz 351 (Mommsen Chron. min. Ill 28), scheint durch dieses Erlebnis zum Aus- 

I 238) in Sirmium (Joh. monach. pass. S. Artemii bruch gekommen zu sein. Von Misstrauen erfasst, 

12 =Mai Spicilegium Romanum IV 349) zum organisierte er eine unertragliche Spionage in 

Caesar fur den orientalischen Eeichsteil zu er- Antiochia (Ammian. XIV 1, 2. 7. 7, 4), ja er 
nennen (Vict. Caes. 42, 8. Eutrop. X 12, 2. Themist. 40 tricb sich selbst, verkleidet und von wenigen Ge- 

or. II 40 A) und zugleich mit seiner Schwester nossen, die heimlich Waffen trugen, begleitet, 

Constantia zu vermahlen (Johann. monach. a. O. des Nachts in den Strassen der Stadt umher, um 

Zosim. II 45, 1. Zonar. XIII 8 p. 16 B. Vict. auszuhorchen, wie man iiber ihn denke (Ammian. 

epit. 42, 1), die ihm spater eine Tochter gebar XIV 1, 9). Auch besass er einen naturlichen 

(Iulian. epist. ad Athen. 272 D). Doch wurde er Hang zur Grausamkeit, der sich namentlich in 

von dem Augustus nicht adoptiert, sondern erhielt, seiner Freude au blutigen offentlichen Spielen 

wie spater Iulian, den Titel seines Bruders, wie kundgab (Ammian. XIV 7, 3; vgl. Iulian. Misopog. 

sich daraus ergiebt, dass er in einer Inschrift 340 A). Harte Strafen wegen angeblichen Hoch- 

(CIL XII 5560) divi Constanti pii Auqusti nepos verrats oder Zauberei waren daher bei ihm ganz 
nicht pronepos genannt wird. Unter Assistenz 50 alltaglich (Ammian. XIV 1, 2. 4) , und meist 

des Bischofs Theophilos schworen sich die beiden sparte er sich dabei sogar die Formen des Pro- 

Mitregenten heilige Eide, dass keiner von ihnen cesses und liess die Verdachtigen ohne Anklage 

dem andern BCses sinnen wolle (Philostorg. IV 1 und Verteidigung hinrichten oder verbannen (Am- 

= Migne G. 65, 517). So suchte sich C. vor der mian. XIV 1, 3. 5. 9, 3. 6; vgl. Liban. epist. 605). 

Rache desjenigen zu schutzen, dem er Vater und Als er bei drohender Hungersnot eine Herab- 

Bruder hatte ermorden lassen. Seine Erhebung setzung der Kornpreise anordnete und der Stadt- 

hatte darin ihren Grand, dass der Augustus durch rat von Antiochia dies Ansinnen in etwas scharfer 

den Krieg gegen Magnentius im Westen beschaf- Form zurfickgewiesen hatte, wollte er die Hiiupter 

tigt war und doch die Gefahr des Perserkrieges desselben allesamt hinrichten lassen. Einige waren 
einen kaiserlichen Feldherrn im Orient unentbehr- 60 schon gefallen, und die andern sassen im Gefang- 

lich machte (Philostorg. ITI 25 = Migne G. 65, nis, als der kuhne und energische Widerspruch 

512. Zonar. a. O. Mommsen I 238. Ammian. des Comes Orientis Honoratus sie rettete (Am- 

XXI 13, 11. Socrat. II 28, 21. Liban. or. I 527). mian. XIV 7, 2. Liban or. I 68; epist. 394 a; 

Fur 352 wurde ihm das Consulat gemeinsam mit vgl. epist. 286). Da die Not druckender wurde 

Constantius ubertragen, und die gleiche Wurde und das Volk ihn um Hiilfe anflehte, hetzte er 

bekleidete er auch 353 und 354. es auf den Consularis Syriae Theophilos, was zur 

Gallus begab sich fiber Constantinopcl, wo er Folge hatte, dass dieser bald darauf durch einen 

mit seinem Bruder Mian zusammentraf (Ammian. Aufstand, der von Brandstiftung begleitet war, 



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Constantius 



Constantius 



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ermordet wurde (Ammian. Xiy 7, 5 — 8. XV 13, 2. wenig taktvoller Weise, so dass er den Caesar 

Liban. or. I 72. 645). Dies geschah, als der mehr dadurch aufreizte als zuriickhielt. _ In seinen 

Caesar sich anschickte, den Perserfeldzug anzu- Berichten an den Augustus verklagte er ihn inimer 

treten (Ammian. XIV 7, 5), also wohl im Frtth- wieder (Ammian. XIV 1, 10. 7, 9) und wurde 

ling des J. 354 (Iulian. misop. 370 C). dabei von dem Comes domesticorum am antio- 

Wahrend Gallus so gegen Hoch und Niedrig chenischen Hofe, Barbatio, unterstiitzt (Ammian. 

wtttete (Ammian. XIV 7, 1. Hieron. chron. 2368), XIV 11, 19. 24. XVm 3, 6), bis der misstrauische 

erwies er sich doch als treuen Sohn der Kirche Kaiser zu der Meinung gelangte, Gallus bereite 

(Sozom. Ill 15). Er liess die Beliqnien des hei- eine Erhebung gegen ihn vor (Zonar. XD3 9 
ligen Babylas aus Antiochia in den Hain von 10 p. 18 D. Johann. monach. 13. Socrat. II 34, 1. 

Daphne iiberfuhren, erbaute ihnen eine Kirche Sozom. IV 7. Ammian. XIV 1, 1. 7, 19. 10, 2. 

und trat auf diese Weise dem dortigen Apolloncult Zosim. H 55, 2. Hieron. chron. 2370). Er be- 

und seinen lasciven Gebrauchen entgegen (Sozom. gann daher, ihm den Oberbefehl liber die Truppen 

V 19. Liban. or. II 556). Den Fiihrer des des orientalischen Reichsteils allmahlich zu ent- 

entschiedensten Arianismus, Aetios, bedrohte er ziehen, indem er ihm zugleich die freundlichsten 

anfangs mit dem Tode, doch auf Zureden des Briefe schrieb. Als dann Thalassius im Winter 

Bischofs von Antiochia, Leontios, trat er mit 353/4 starb, schickte er ihm seinen ehemaligen 

ihm in persfinlichen Verkehr , erwies ihm hohe Comes sacrarum largitionum Domitianus als Prae- 

Achtung und schickte ihn mehrmals zu seinem fecten zu mit dem Auftrage, den Caesar in vor- 
Bruder Iulian ,. damit er dessen Neigung zum 20 sichtiger Weise dazu zu bewegen, dass er an den 

Heidentum, die dem Gallus nicht nnbekannt ge- Hof des C. komme (Ammian. XIV 7, 9. Johann. 

blieben war, durch seine Belehrung entgegen trete monach. 13. Zonar. XIII 9 p. 18 D). Dieser ver- 

(Philostorg. in 27. Sozom. Ill 15. Iulian. epist. fuhr aber hOchst ungeschickt ; er verschmahte es 

31. Galli epistula ad Mianum bei Hertlein anfangs lange Zeit, sich Gallus vorzustellen, und 

Iulianus II 613. Greg. Nyss. in Ennom. I = sandte unterdessen Berichte voll gehassiger An- 

Migne G. 45, 257). Daher fuhrte der Tod des klagen an den Augustus, die dem Caesar ver- 

Caesars zu einer Verfolgung der eitremen Arianer, raten wurden (Ammian. XIV 7, 10. Iulian. epist. 

weil sie fur seine treuesten Freunde und Anhanger ad Athen. 272 B. Liban. or. I 530. Philostorg. 

galten (Philostorg. IV 8). Doch auch der heid- III 28). Endlich von diesem vorgefordert, erschien 
nischen Rhetorik brachte er das Interesse ent-30er im Consistorium , aber nur um in scbroffster 

gegen, das den Sitten seiner Zeit entsprach. Er Form die Abreise des Gallus zu befehlen und im 

fflhlte sich hOchlichst geschmeichelt, wenn man Weigerungsfalle mit Entziehung des Unterhaltes 

seine Redekunst lobte (Liban. or. I 68), und ver- fur den antiochenischen Hof zu drohen. Dann 

anlasste den Libanius zweimal, ihm Panegyriken ging er zornig und folgte weiteren Ladungen nicht 

zu halten (Liban. or. I 65. 68). Doch gestattete mehr (Ammian. XIV 7, 11. Zonar. XUL 9 p. 19A). 

er dem gelehrten Heiden, dem man Zauberkfinste Hierauf liess ihn Gallus durch einige Protectores 

beilegte (Liban. or. I 69), nur ungern, nach An- in Haft nehmen. Dies veranksste den Quaestor 

tiochia zu kommen, und suchte den gefahrlichen sacri Palatii Montius, einige der vornehmsten 

Menschen von dort recht bald wieder los zu werden Leibwachter um sich zu versammeln und ihnen 
(Liban. or. I 62. 63. 67. 70; epist. 394a. 389). 40 vorzustellen, dass, wenn der Caesar sich heraus- 

Neben dem Perserkriege beschaftigten den nehme, den Praefecten abzuurteilen , dies einer 

Caesar auch Kampfe im Inneren des orientali- Auflehnung gegen den Augustus gleichkomme. 

scheu Reichsteils. In den Juden scheinen sich Als er dies erfnhr, liess Gallus, von seiner Frau 

neue Messiashoffnungen geregt zu haben. In Dio- aufgereizt , alle Soldaten der Stadt zusammen- 

caesarea ermordeten sie in einer Nacht des J. 352 treten und forderte sie durch eine Rede auf, ihn 

die rOmische Besatzung, riefen einen gewissen Pa- gegen den Quaestor zu veTteidigen. Die Folge 

tricius zu ihrem Kenige aus (Vict. Caes. 42, 10) war, dass dieser und mit ihm Domitianus von 

und verbreiteten dann den Aufstand auch tiber den Soldaten zerrissen, ihre Leicbname an Stricken 

mehrere andere Stadte Palaestinas. Aber die durch die Strassen geschleift und dann in den 
Truppen, welche Gallus hinschickte, schlugen die 50 Orontes geworfen wurden (Ammian. XIV 7, 12 

Bewegung schnell nieder, richteten ein furchtbares — 17. 11, 17. XV 3, 1. 13, 1. Zonar. XIII 9 p. 19 A. 

Blutbad an, bei dem selbst Kinder nicht verschont Johann. monach. 13. Liban. or. I 628. II 401. 

wurden, und verbrannten Diocaesarea, Tiberias Socrat. n 34. Sozom. IV 7. Greg. Nyss. c. Eunom. 

und Diospolis nebst mehreren kleineren Orten I = Migne G. 45, 257 ; etwas anders Philostorg. 

(Hieron. chron. 2368. Socrat. n 33. Sozom. IV in 28). Es folgten in Antiochia eine Reihe von 

7. Theophan. 5843. August, serm. 5, 5 = Migne Hochverratsprocessen gegen Anhanger des Montius 

L. 38, 57). Im J. 354 machten die Saracenen und andere, die eines Strebens nach der Krone 

(Ammian. XIV 4, 1) und die Isaurer Plunderungs- verdachtig schienen. Als Richter wurde zwar der 

ziige. Die letzteTen wagten es sogar, das kilikische Magister equitnm Ursicinus eingesetzt , doch die 
Seleukeia zu belagern ; doch auf Befehl des Gallus 60 wirkliche Leitung lag in den H&nden des Gallus 

entsetzte Nebridius, der Nachfolger des Honoratus und seiner Frau, die , ohne irgend eine Rechts- 

in der Comitiva Orientis (Liban. epist. 402), die form zu beobachten, nach Belieben Bluturteile 

bedrangte Stadt und stellte in der Provinz die verh&ngten (Ammian. XIV 7, 18 — 21. 9, 1 — 9). 
Ruhe her (Ammian. XIV 2). Voll Furcht und Misstrauen suchte jetzt Con- 

Der Tyrannei des Gallus suchte Thalassius, stantius n., namentlich von seinem Hofeunuchen 
den C. ihm ah? Praefectus praetorio mitgegeben Eusebius beraten, den Gallus durch freundliche 
hatte (Johann. monach. pass. S. Artem. 12), nach Briefe an seinen Hof zu locken (Ammian. XTV 
Kraften entgegen zu treten, that dies aber in 11, 1. 2. Iulian. epist. ad Athen. 272 D; Dy- 



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Constantius 



Constantius 



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namius und Lampadius, die Zosim. II 55, 2. 3 
als Verfolger des Gallus nennt, sind wohl nur 
durch eine Verwechselung desselben mit Silvanus 
in diesen Bericht hineingekommen ; vgl. Ammian. 
XV 5, 4. Mian, epist. ad Athen. 278 D). Der 
Caesar schickte seine Gattin voraus, von der er 
hoffte, dass sie den Zorn ihres Bruders beschwich- 
tigen werde. Doch starb sie unterwegs. Dadurch 
wurde die Furcht des Gallus verdoppelt, doch 



Constantius 



Constantius 



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liess, aber bei seinem ofFentlichen Erscheinen ge- 
Mckt und mit niedergeschlagenen Augen zu Rosse 
sass und einen befangenen Eindruckmachte (Olymp. 
frg. 23). Als er spater zum Kaiser erhoben wurde, 
war ihm daher das beschrankende Ceremoniell 
eine schwere Last (Olymp. frg. 34). Er soil sich 
anfangs unbestechlich gezeigt haben; aber nach- 
dem sich ihm durch die Vermahlung mit Plaeidia 
die Aussicht auf den Thron erCffnete, begann er 



.. _- — — — ._„» „„„ uuuuo .ciuu^jjcjiu, uutu uic jiussicau aui uen xnron eronnete, uegann er 
weil er seiner eigenen TJmgebung nicht traute 10 Geld zusammenzuscharren , so dass nach seinem 
und es daher nicht watrpn lrnntitQ siVh Jn in. TnJn w; ti„„ „,;„,. „„vi ;~i — -a ? 



und es daher nicht wagen konnte, sich in An- 
tiochia zum Augustus ausrufen zu lassen und so 
einen Blirgerkrieg zu entfachen, machte er sich 
nach langem Drangen auf den Weg (Ammian. 
XIV 11, 6—12. Philostorg. IV 1. Johann. monach. 
14). Als er durch Constantinopel kam , leitete 
er hier das Circusrennen. Dies brachte C. noch 
mehr gegen inn auf. Er umgab ihn mit Wachtem, 
die ihm angeblich als Hofbeamte dienen sollten 



undhess die boldaten aus alien Stildten entfernen, 20 muss schon damals grossen Einfluss auf Honorius 



Tode bei Honorius zahlreiche Klagen wegen seiner 
Erpressungen anMngig gemacht wurden (Olymp. 
frg. 39). Durch seine Tapferkeit und Kriegskunst 
war er in hohem Grade popular, urn so mehr als 
er nicht Barbar war und diese Eigenschaften bei 
einem Romer jener Zeit sehr selten geworden waren 
(Oros. VII 42, 2. Sozom. IX 16. Olymp. frg. 39). 
Im J. 411 war er Comes et magister militum 
(Oros. a. O. Cod. Theod. VII 4, 34. 18, 17) und 



die Gallus durchzog, damit er nicht, auf sie ge 
stiitzt, einen Aufstand unternehmen konne (Ammian. 
XIV 11, 12—18). Erst als er nach Poetovio in 
Noricum gelangt war, wurde ihm Barbatio mit 
einer Schar Soldaten, auf deren unerschiitterliche 
Treue sich der Augustus verlassen konnte, ent- 
gegengeschickt und beraubte ihn des Purpurs. 
Er wurde nach der Insel Planona, nahe bei Pola 
geschickt, wo er sich vor einer Beamtencommission, 



gehabt haben, _ da die Sendung des Marcellinus 
nach Africa, die in dem Religionsgesprach von 
Karthago zur Verurteilung der Donatisten fiihrte, 
auf seinen Bat zuriickgefiihrt wird (Oros. VII 42, 
16). In diesem Jahre wurde er von Honorius ge- 
meinsam mit dem Gothen Ulfilas zum Peldherrn 
gegen den Usurpator Constantin III. ernannt 
(Olymp. frg. 16. Sozom. 1X14. Mommsen Chron. 
min.I300.466. Oros. VII 42, 1). Sie fanden diesen 



3 "" i ' fi V" , u ' iuiu. ± ouu. too. uius. vn«,ij. sie lanaen aiesei 

deren Leiter kusebius war, fiber die Morde in 30 in Arelate von seinem eigenen Peldherrn Geron 



Antiochia verantworten sollte. Da dies ihm nicht 
gelang, liess C. ihn gegen Ende des J. 354 ent- 
haupten (Ammian. XIV 11, 18—28. XV 1, 2. 
Johann. monach. 14. 15. Philostorg. IV 1. Zonar. 
XIII 9 p. 19 B. Zosim. II 55, 3. Liban. or. I 
530. Lilian, epist. ad Athen. 272 A ft. Mommsen 
Chron. min. I 288. Socrat. II 34. Sozom. IV 7. 
Eutrop. X 13. Vict. Caes. 42, 11; epit. 42, 9. 
Athan. hist. Ar. ad mon. 74 = Migne G. 25, 784) 



this, der sich gegen ihn erhoben hatte, belagert, 
brachten dessen Heer zum Abfall, so dass er selbst 
sich mit nur wenigen treugebliebenen Soldaten 
nach Spanien retten musste, und nahmen dann 
ihrerseits die Belagerung auf ( Sozom. IX 13. Olymp. 
frg. 16), ttber drei Monate hielten sie die Stadt 
umschlossen (Gregor. Turon. II 9), als Edobich 
mit einem grossen Heere von Burgundern, Ala- 
mannen, Franken und Alanen, das er im Auftrage 



~ ; — " — , ., ~ •"■"8*"' "• "«i lo ^- maimcu, naujteii mux „-uanen, aas er im Auitrage 

Sein Name wurde nicht aus den Fasten getilgt 40 Constantins III. geworben hatte (Sozoin. IX 13), 
nnd ist auch auf Inschriften nur ausnahTnswpisp. mm ttnfonfc? Wam-ti,.i4a ufc„„„ .i„„v,i„„ a:\ 



nnd ist auch auf Inschriften nur ausnahmsweise 
radiert (CIL III 214. VIH 8475, wo er nach 
den Supplemental in Rasur hergestellt ist, offenbar 
unter der Regierung des Iulian ; unradiert erhalten 
CIL LH 198. V 8073. XII 5560. Ephem. epigr. 
V 1112). 

6) Tribunus im Heere Iulians, war mit ihm 
363 in Antiochia (Liban. epist. 713) und begleitete 
ihn auf dem Perserzuge. Nach dem Friedens 



zum Entsatz heranruckte. Anfangs dachten die 
Peldherren des Honorius daran, sich iiber die Alpen 
zuriickzuziehen ; da aber der Feind schon zu nahe 
war, gingen sie ihm iiber die Rhone entgegen 
und besiegten ihn durch einen Hinterhalt, aus 
dem Ulfilas ihm mit der Reiterei in den Riicken 
fiel (Sozom. IX 14). Auf diese Nachricht hin 
floh Constantin in eine Kirche und liess sich zum 
Presbyter weihen, wahrend sein Heer gegen das 



___ — — „ ...„ eu . ^,„vu ut ... inmcua- ±icaujuci iveiiien. wanrenu sein neer gegen aas 

schlusse wurde er von Iovian beauftragt, den Per- 50 Gekibnis der Straflosigkeit die Stadt iibereab 

spm flip rrimic/>>ia7i Pocfollii Ain n kr,«+*. A Avs,^ , n -„„JJ.^ J TT i . _. I l r* 1 -w ,. 



sem die rOmischen Castelle, die abzutreten waren, 
zu tibergeben (Ammian. XXV 9, 12). An ihn 
gerichtet Liban. epist. 713. 1559. 

7) Proconsul Africae in den J. 374 und 375, 
Cod. Theod. IV 12, 7. VHI 5, 33. 

8) Comes sacrarum largitionum im orientali- 
schen Reichsteil im J. 399, Cod. Theod. VI 30, 15. 

9) Flavins Constantius, Consul dreimal in den 
J. 414, 417 und 420 (Mommsen Chron. min 



111 527), westrOmischer Kaiser im J. 421. Er60teit nichts Genaues berichtet, ausser dass er 412 



C. sandte den Usurpator und dessen Sohn Iulianus 
an Honorius, der sie gegen das von seinem Feld- 
herrn gegebene Versprechen ttiten liess (Sozom. 
IX 15. Olymp. frg. 16. Oros. VII 42, 3. Gregor. 
Tur. II 9. Mommsen I 246. 300. 466. 630. 654. 
H 18. 70). Auch in den Kampf gegen die andern 
gallischen und spanischen Usurpatoren scheint C. 
entscheidend eingegriffen zu haben (Oros. VII 42, 
15); doch wird uns iiber seine damalige Thiitig- 



stammte aus Naissus in Dacien (Olymp. frg. 39 
= PHG IV 66), aber nicht aus barbarischem, 
sondern aus romischem Blute (Oros. VII 42, 2). 
Unter Theodosius d. Gr. (379—395) war er in 
das Heer eingetreten und hatte sich in zahlreichen 
Feldziigen emporgedient (Olymp. a. O.). Er wird 
gesehildert als ein Mann mit starkem Nacken und 
grossen Augen, der sich beim Mahle frOhlich gehen 



eine Bischofswahl in Arelate bestimmte (Momm- 
sen I 466) und iiber die gefangenen Anhanger 
des Iovinus in Arverni ein furchtbares Strafge- 
richt hielt (Gregor. Tur. II 9). 

Fiir seine Thaten wurde er mit dem Consulat 
des J. 414 belohnt und erhielt zugleich das con- 
fiscierte VermCgen des africanischen Usurpators 
Heraclianus zum Geschenk. urn damit die Kosten 






zu bestreiten. Die Feier des Antritts beging er 
in Ravenna (Olymp. frg. 23). Schon vorher hatte 
er sich eifrig benruht, von dem Gothenkenig 
Athaulf die Auslieferung der gefangenen Plaeidia, 
der Schwester des Honorius, zu erlangen (Olymp. 
frg. 20). Doch hatten die Verhandmngen keinen 
Erfolg gehabt, und im Januar 414 heiratete der 
Gothe die Kaisertochter (s. Bd. II S. 1940, 50) 
und erhob bald darauf den Priscus Attalus zum 
zweitenmal auf den Thron (s. Bd. H S. 2179, 11). 
Infolge dessen zog C. wieder mit einem romi- 
schen Heer fiber die Alpen und wahlte Arelate 
zum Hauptquartier (Oros. VII 43, 1), wobei er 
fiir diese Stadt eine solche Vorliebe fasste, dass 
er im J. 418 ihre Erhebung zur Metropole der 
Dioecesis septem provinciarum erwirkte (Ha en el 
Corp. leg. 238). Indem er den Gothen die Zu- 
fuhren absehnitt, zwang er sie, sich im J. 415 
iiber die Pyrenaen zuriickzuziehen (Oros. a. O. 
Mommsen II 19), und wurde dafttr zum Patri- 
cius ernannt (Cod. Theod. XV 14, 14. Dessau 
801. Mommsen I 467. 469. 496. 630. n 19. 
276. Haenel a. O.). Gegen Ende des Jahres 
fiel auch Attalus in seine Hande (Mommsen I 
467. Oros. VII 42, 9, vgl. Bd. II S. 2179, 19). 
Die Versuche des Athaulf, nachdem ihm Plaeidia 
einen Sohn geboren hatte, mit Honorius seinen 
Frieden zu machen, wusste C. zu vereiteln (Olymp. 
frg. 26). Nachdem aber der Gothenkonig 416 
ermordet war, erlangte er von dessen Nachfolger 
Vallia die Auslieferung der Kaisertochter (Momm- 
sen I 468. II 19. Olymp. frg. 31. Philostorg. 
XH 4 = Migne G. 65, 612. Oros. VII 43, 12. 
Iordan. Get. 32, 164. 165). Er selbst scheint 
bei dieser Gelegenheit auch in Spanien einge- 
diungen zu sein, da er den VandalenkOnig Fred- 
bal durch eine List ohne Kampf gefangen nahm 
und an Honorius schickte (Mommsen II 19). 
Zur Belohnung erhielt er das zweite Consulat 
und wurde bei dem Antritt desselben am 1. Ja- 
nuar 417 mit Plaeidia, obgleich sie sich dagegen 
straubte, in Ravenna vermahlt (Olymp. frg. 34. 
20. Mommsen I 303. 468. 496. 630. 654. II 19. 
lord. Get. 32, 164. Sozom. IX 16. Philostorg. XII 
4. 12. Procop.bell. Vand. I 3 p. 182B). Sie gebar 
ihm zuerst die Tusta Grata Honoria (Olymp. 
frg. 34. Dessau 818), dann am 3. Juli419 zu Ra- 
venna den spateren Kaiser Placidus Valentinianus 
OMommsen II 74. 20; Prosper setzt seine Ge- 
burt auf den 2. Juli 418, doch ware dies Datum 
nur bei einer Friihgeburt moglich, Mommsen 
I 469 ; vgl. Socrat. VII 24. Sozom. IX 13. Theo- 
phan. 5911. 5912. Philostorg. praef. = Migne G. 
65, 460. Anon, de promiss. HI 38, 44 = Migne 
L. 51, 835). Um dieselbe Zeit schloss C. einen 
neuen Vertrag mit Vallia, wodurch den Gothen 
die Ruckkehr nach Gallien und Wohnsitze in der 
Provinz Aquitanica secunda gewahrt wurden 
(Mommsen I 469. II 19). Denn schon damals 
wurde er fast als Mitregent betrachtet , wie die 
Relationen, die der StadtpTaefect Symmachus an 
ihn richtete, und seine Antworten darauf beweisen 
(Epist. imperat. pont. 29. 30. 32 = Corp. script, 
eccles. latin. XXXV 74; vgl. Apoll. Sidon. carm, 
Vn 210). Im J. 420 wurde er zum drittenmal 
Consul und am 8. Februar 421 (Theophan. 5913) 
erhob ihn Honorius zum Augustus und Mitregen- 
ten (Dessau 809. Cohen Metafiles impe'riales 



VIII a 192. Socrat. Vn 24. Sozom. IX 16. Apoll. 
Sidon. carm. VII 211. Mommsen I 469. 523. 
630. 656. II 20), was beinahe gegen seinen Willen 
geschehen sein soil. Auch verweigerte Theodo- 
sius II. seine Anerkennung, und ein ernstes Zer- 
wurfnis zwischen den beiden Teilen des Reiches 
wurde nur dadurch vermieden, dass C. im sieben- 
ten Monate seiner Regierung (Olymp. frg. 34. 
Philostorg. XH 12. Mommsen I 657; anders 

10 1 656) am 2. September 421 (Theophan. 5913) 
an einer Krankheit zu Ravenna starb (Momm- 
sen IT 20. I 469. 630. Socrat. VLT 24. Sozom. 

IX 16). Auf ihn beziehen man eke eine Inschrift, 
die von der Herstellung und neuen Ummauening 
der Stadt Albingaunum in Ligurien redet (CIL 
V 7781), doch kann sie auch Constantius H. an- 
gehOren. 

10) Vicarius einer unbekannten Dioecese, lebte 
im J. 418 nach Niederlegung seines Amtes in 

20 Rom und hatte dort schwere Kampfe mit den 
Pelagianern zu bestehen, Mommsen Chron. min. 
I 468. 

11) Praefectus urbis Constantinopolitanae in 
den J. 424 und 425, Cod. Theod. 1 6, 12. XV 1, 53. 

12) Zwei Manner dieses Namens dienten nach- 
einander, von Ae'tius zu diesem Zwecke geschickt, 
dem Hunnenkonig Attila als Geheimschreiber. 
Der eine stammte aus Gallien (Prise, frg. 8 = 
FHG IV 84), der andere aus Italien (FHG IV 

30 80. 84. 89. 93). Dieser stand in solcher Gunst, 
dass Attila sich eifrig bemiihte, ihm aus Con- 
stantinopel eine reiche und vornehme Frau zu 
verschaffen. Nach langwierigen Verhandlungen, 
die zu diesem Zwecke mit Theodosius II. gefuhrt 
wurden (Prise, frg. 8. 12. 13 = FHG IV 93. 94. 
97), erhielt C. die Witwe des Harmatius zur Gat- 
tin (Prise, frg. 14). 

13) Es ist nicht unmOglich, dass dieser C. 
identisch ist mit einem rOmischen Feldherrn, den 

40 wir sonst nur aus seiner Grabschrift kennen (D e 
Rossi Inscript. christ. urb. Rom. I 265. II 
280. 284. Buecheler Carm. epigr. nr. 1335). 
Jedenfalls stimmt die Zeit und das Heimat- 
land. Mommsen (Herm. XXVILT 33) bezieht 
die Inschrift auf den Kaiser Constantius I.; 
doch ist diese Deutung schon dadurch ausge- 
schlossen, dass mit keinem Worte von der Herr- 
scherwiirde des Verstorbenen die Rede ist; viel- 
mehr erscheint er als treuer Diener seiner Kaiser, 

50 denen er die Kopfe erschlagener Feinde zu Ftissen 
legt (munera principibus eolla secata dedit). 
Wenn auch seine Gattin Theodora heisst, so ist 
hieraus bei der grossen Hauflgkeit dieses Namens 
nichts zu schliessen; auch CIL V 1618 flnden 
sich in deTselben Weise ein C. und eine Theodora 
verbunden, obgleich hier an das Kaiserpaar gar 
nicht zu denken ist. Der C. der Grabschrift 
stammte aus Italien {hie deem Italiae tegitur 
Constantius heros , qui patriae tegmen, murus 

60 et arma fuit). Er und seine Sonne hatten sich 
durch Kriegsthaten emporgeschwungen (iste sibi 
et natis belia mereavit honores), waren also aus 
niederem Stande. Doch scheinen sie bei ihrem 
gemeinsamen Tode schon in den TOmischen Senat 
auigenommen zu sein (peiiis Roma gemit tanto 
spoliata senatu, perdidit ornatum, perdidit arma 
simul). Er hatte eine wilde Volkerschaft, wahr- 
scheinlich die Vandalen, deren Flotten damals 



1103 



Constantius 



Constituere 



1104 



Italien brandschatzten , in einer Seeschlaoht be- 
siegt, sie dann auch auf das Land verfolgt und 
dort ihie Niederlage Tollendet (hie mare per me- 
dium gentem eonpressit euntem, et victis pariter 
terra negavit opem). Auch hatte er sich den 
Volkern, die Pannonien bewohnten, d. h. den 
Hunnen oder den Gothen, furchtbar gemacht (Pan- 
noniis gentibus horror erat\ Er fiel zugleich 
mit seinen Sohnen in einer siegreichen Schlacht 



Apollinaris Sidonius, der vier an ihn gerichtete 
Briefe (ep. I 1. Ill 2. VII 18. VIII 16) veroffent- 
licht und ihm die von C. angeregte Arbeit, zuerst 
sieben Libri epistolarum , dann noch ein achtes 
Buch gewidmet hat. Sidonius spricht von ihm mit 
grosser Ehrfurcht; offenbar hatte der feme woh- 
nende Freund bei einem Besuch in schweren Zeiten 
um die Heimat des Briefschreibers, die Auvergne, 
sich grosse Verdienste erworben. Da er so gut 



(eonfixus plagis, victor ubique tamen . . . nato- 10 wie sicher identisch ist mit dem C. , der nach 



rum medio fixus pater: anxia mater, quern plan 
gat, nescit, stat stupefaeta dolens ; iiberliefert ist 
natorum medio pietus oder natorwn media pie- 
tis; doch ist der Sinn dadurch sicher gestellt, 
dass die Mutter nicht weiss, welchen ihrer Lieben 
sie beweinen soil, also jedenfalls mehrere, d. h. 
Gatten und Schne, zugleich verloren hat). Die 
Inschrift ist ins 5. Jhdt. zu setzen, da sie einer- 
seits Pannonien nicht mehr als romische Provinz, 



ep. II 7 hexametrische Gedichte gefertigt hat, 
die Bischof Patiens von Lyon auf einer Innen- 
wand seiner Hauptkirche nahe dem Altar hat an- 
bringen lassen, und mit denen Sidonius seine Verse 
gar nicht zu vergleichen wagt, so ist er auch 
identisch mit dem C. , von dem wir eine Vita 
des um 448 gestorbenen Bischofs Germanus von 
Auxerre besitzen. Nebst zwei kurzen Briefen an 
den eben erwahnten Bischof von Lyon, auf dessen 



sondern als feindliches Land kennt, andererseits 20 Wunsch das Buch verfasst worden war, und an 



das Bestehen eines occidentalischen Kaisertums 
noch voraussetzt. Da der Mann nicht nur wegen 
seiner kriegerischen Thaten, sondern auch wegen 
seiner geistigen Bildung geruhmt wird {primus 
in ingenio, primus in arma fiat), kann er sehr 
wohl der Geheimschreiber des Attila gewesen 
seiti. Denn da dieser aus der Umgebung des 
westrOmischen Eeichsfeldherm AStius hervorge- 
gangen war, diirfte auch er dem Soldatenstande 
angehort haben. 

14) Praefectus praetorio Orientis um das J. 444 ; 
an ihn gerichtet Theodor. epist. 42 = Migne G. 
83, 1217. [Seeck.] 

15) Vir illustris, aus Ligurien gebiirtig, an den 
die Briefe des Ennodius op. 54. 56. 57. 142. 251. 
(ep. II 17. 19. 20. IV 13. V 23) gerichtet sind. 

16) Vir spectabilis, dem KOnige Theoderich 
von Papst Gelasius empfohlen (J-K. 641 = Coll. 
Brit. Gel. 5 = Mon. Germ. Auct. ant. XII 389, 1). 

[Hartmann.] 

17) Presbyter in Antiochien um 400, intimer 
Freund des Johannes Chrysostomos. Nach Pal- 
ladios de vita S. Joh. Ch'rys. XV 144f. ware er 
Nachfolger des 404 gestorbenen Bischofs von An- 
tiochien Flavianus geworden; aber die Intriguen 
des ehrgeizigen Porphyrios verdr&ngten ihn; C. 
wurde durch ein kaiserliches Schreiben nach der 
grossen Oase verbannt, mit Hfllfe von Freunden 
entwich C. nach C)*pern. Unter den Briefen des 



einen Nachfolger des Germanus, Censurius, ist es 
abgedruckt Acta SS. Iul. VII 200—220. Die 
Herausgeber setzen die Abfassungszeit mit guten 
Griinden auf etwa 483. Die Vita ist, ohne zu 
viel Rhetorik, warm und anschaulich gehalten; 
durch die Menge von Einzelziigen aller Art aus 
dem Leben des Germanus wird sie zu einer wich- 
tigen Quelle besonders fur die kirchliche Ge- 
schichte von Gallien und Britannien im 5. Jhdt. 

30Tillemonts Vermutung, dass dieser C. auch 
eine Vita des Bischofs Iustus von Lyon verfasst 
habe, die die Acta SS. Sept. I 373ff. mit- 
teilen, ist von den Bollandisten S. 369ff. geniigend 
widerlegt worden. [Jiilicher.] 

Constituere heisst die Abgabe eines formlosen 
Versprechens zur Befestigung einer eigenen oder 
fremden Schuld, Dig. XIII 5. Cod. IV 18. Cic. 
pro Quinct. 18; ad Att. I 7. XVI 15. Terent. 
Phormio 676; Heautont. 726. Andere Stellen 

40vgl. bei Bruns Ztschr. f. Rechtsg. I 33ff. Der 
Praetor schutzte dies Versprechen durch eine be- 
sondere Klage, die bald actio de peeimia con- 
stituta (Dig. XIII 5, 26. 31. XL VI 3, 59), bald 
actio eonstitutoria (Dig. XIII 5, 20), bald actio 
pecuniae constitutor (Cod. IV 18, 1. Dig. XIII 
5, 22, 30) heisst. Der Klager konnte bei ihr ver- 
langen, dass ihm der Verklagte fur den Fall seines 
Unterliegens eine sponsio dimidiae partis leistete, 
so dass also sein Forderungsbetrag sich beim Pro- 



Chrysostomos sind zwei an einen Presbyter C. 50 cessgewinne um die Halfte erhdhte, Gai. IV 171. 



gerichtet, von dem Chrysostomos, nach Kukusos 
verbannt, briefliche Eeferate erbittet, funf Briefe 
(nr. 237—241, Migne Patrol, gr. LII) sind von 
C. geschrieben, an seine Mutter, Schwester und 
Freunde gerichtet. Auch die Homilien des Chry- 
sostomos hat ein C. nach dem Tode des Meisters 
auf Grund seiner alteren Nachschriften verCffent- 
licht; da der eine C. sich bei Chrysostomos in 
Kukusos befand, als dieser an den andern schrieb, 

um sich iiber dessen Schweigen zu beklagen, 60 dictio. Damit steht nicht im Emklange" das: 
mussen zwei Presbyter dieses Namens als Dig. XLU 5, 31 beim constitutum von einer prae 



J. Kappeyne van deCoppello Abhandlungen 
zum romischen Staats- und Privatrecht, nach dem 
Hollandischen. Mit Vorwort von Dr. Max Con- 
rat (Cohn) I. Stuttgart 1885, 200. 230ff. sieht 
in Anlehnung an Puchta Institutionen w § 168. 
I 507, der dies fur die altere Zeit annahm, in 
dem Anspruche des Empfangers eines constitu- 
tum ein blosses Anreeht auf die sponsio dimi- 
diae partis und eine aus dieser gewahrte con- 



Freunde des Chrysostomos unter dem antioche- 
nischen Klerus um 404 angenommen werden; wie 
unter diese beiden das sonst iiber C. Bekannte 
zu verteilen ware, steht nicht fest. Vgl, Til- 
lemont Memoires pour servir a l'hist. eccl. XI 
632-635. 

18) Gallischer Kleriker um 470, Freund des 



' prae- 
torischen Klage im Gegensatze zu den Civilklagen, 
zu denen die eondictio gehort, ausdriicklieh redet. 
vgl . hie rzn Baron Kritische Vierteljahrsschrift 
XXVm240ff. undPferache in Griinhuts Ztschr. 
f. das Privat- u. offentl. E. der Gegenwart XIV 
173ff. Das im iustinianischen Rechte weggefallene 
receptum argentariorum wird von Iustinian wie 



1105 



Constituere 



eine besondere Art des constitutum behandelt, Cod. 
IV 18, 2 pr. Es ist jedoch richtiger, mit Lenel 
anzunehmen (Ztschr. d. Sav.-Stift., Rom. Abt. II 
62fF.), dass dieses receptum argentariorum keine 
Schuldbefestigung, sondern ein einfaches, in der 
Regel auf Anweisung erteiltes Versprechen war, 
das nicht, wie das constitutum, eine schon be- 
stehende Schuld voraussetzte (so auch Dernburg 
Pand.5 II 210 §77). 

Die Schuldbefestigung durch constitutum konnte 
urspriinglich nur auf eine Geldsumme gehen (Dig. 
XIII 5 de peeunia eonstituta). Es wurde dies je- 
doch auf Zusicherungen anderer vertretbarer, d. h. 
unter sich gleichartiger und gleichwertiger Sachen, 
wie Getreide, Ol u. dgl. ausgedehnt. Eine an- 
sprechende Vermutung Karlowas (Griinhuts 
Ztschr. f. d. Privat- und Offentliche Recht der Gegen- 
wart XVI 449ff.) nimmt an, dass das constitu- 
tum auf diese Sachen angewandt worden sei, um 
das Interesse des Glaubigers an rechtzeitiger Er- 
fullung mit der actio eonstitutoria einklagen zu 
lassen, weil die actiones stricti iuris dem Klager 
keine Verzugszinsen verschaffiten, also dieses Inte- 
resse nicht beriicksichtigten. Iustinian gestattete 
ein constitutum auch als Versprechen anderer 
nichtvertretbarer Schuldgegenstande, Cod.IV18, 2. 

Ein constitutum kann eine eigene Schuld oder 
auch eine fremde befestigen. In beiden Fallen 
kann der Inhalt der befestigten Schuld in dem 
Bestarkungsversprechen eine Abanderung erfahren 
(Dig. XIII 5, 1, 5 pr. 16, 1), namentlich die Ein- 
fugung eines Zahlungstermins, niemals aber eine 
Steigerung, weil sonst nicht eine alte Schuld be- 
starkt, sondern eine neue begrflndet werden wurde, 
Dig. XIII 5, 11, 1. Das constitutum einer frem- 
den Schuld kann dem Zwecke einer Schuldtiber- 
nahme dienen, wenn der Glaubiger zugleich auf 
die Geltendmachung der urspriinglichen Forderung 
verzichtet. Dies muss durch besonderen Vertrag 
geschehen; denn ohnedies vertilgt das constitu- 
tum (im Gegensatze zur novatio) die urspriing- 
liche Schuld nicht, sondern setzt neben sie eine 
neue (vgl. hierzu Windscheid Pand. ' n 95 
§ 284, 11. Leonhard Ztschr. fur Handelsrecht 
XXVI 312 und v. Blume Novation, Delegation 
und Schuldubertragung , Gottingen 1895, 66ff.). 
Deshalb kann das constitutum debiti alieni auch 
zum Zwecke einer Burgschaft dienen. Wo dies 
der Fall ist, da unterscheidet es sich von der 
fideiussio (s. d.) dadurch, dass es den Schuld- 
betrag, fiir den der Burge haftet, ein for allemal 
feststellt, so dass er von einem weiteren An- 
wachsen der Hauptschuld nicht beruhrt wird. Es 
enthalt also eine Burgschaft mit Feststellung des 
Burgschaftsbetrages, Dig. XIII 5, 2. 5, 2, 3. 

Litteratur. GOschen Vorlesungen fiber das 
gemeine Civilrecht 1839 II 497ff. Schulin Lehrb. 
d. Gesch. d. rCm. R. 217. 338ff. 352. Weitere 
Litteraturangaben s. bei Windscheid Pand.' 
II 93. 94. 717. 718 §§ 284. 476, 7. Dernburg 
Pand.5 II i88ff. 210 §§ 69. 77; vgl. insbes. 189 
§ 69, 4. 

Besondere Beachtung verdienen Bruns Das 
constitutum debiti, Ztschr. f. Rechtsg. I 28ff. = 
Kleinere Schriften, Weimar 1882, I 221 ff. Lenel 
Ztschr. der Savignv-Stiftung n 62ff. Bekker 
ebd. Ill Iff. Lenel Edictunt perpetuum 104. 196ff. 
Voigt Rem. Rechtsg. I 684 und die bei Dern- 



Constitutiones principum 1106 

burg Pand.5 210. 77, 2 Angefiihrten. Die An- 
nahme der Neueren, dass Iustinian in der Ver- 
schmelzung des receptum argentariorum mit dem 
constitutum ,einen gar nicht herb genug zu ver- 
urteilenden Fehlgriff 1 (Lenel a. a. O. II 62) be- 
gangen habe, lasst sich schwer mit Cod. IV 18, 
2 pr. vereinigen , wo Iustinian das receptum als 
ein schon vor seiner Zeit veraltetes Geschaft be- 
handelt: Secepticia actione cessante, quae sol- 
id lemnibus verbis eomposita inusitato reeessit vesti- 
gia, necessarium nobis visum est magis pecuniae 
constitutae naturam ampliare. [R. Leonhard.] 

Constitutiones principum ist die in den 
Rechtsbiichern gebrauchliche Bezeichnung der 
kaiserlichen Verfiigungen. Im 1. Jhdt. scheint 
sie allerdings in diesem allgemeinen Sinne noch 
nicht iiblich gewesen zu sein ; die Lex de imperio 
Vespasiani (CIL VI 930. Bruns FontesB 192ff.) 
spricht (29) von acta gesta deoreta imperata ah 
20 Imp, Gaesare Vespasiano ; das praetorische Edict 
I'fihrt regelmassig die edieta decreta principum 
an (Dig. H 14, 7, 7. Ill 1, 1, 8. IV 6, 1, 1. 
XLIII 8 , 2 pr.), und Papinian bezeichnet noch 
im 2. Jhdt. die kaiserlichen Verordnungen im 
allgemeinen als decreta principum (Dig. I 1, 7). 
Doch ist zu dieser Zeit die regelm&ssige Bezeich- 
nung schon constitutiones (diard^sis). Plin. ad 
Trai. 65. Gai. I 5. Pomp. Dig. I 2, 2, 11. 12, 
Ulp. Dig. 14, 1, 1: haec sunt quae vulgo con- 
SO stitutiones appellamus. Von den vielen die Con- 
stitutionen betreffenden Fragen soil hier nur die 
nach ihrer verbindlichen Kraft erortert werden; 
fiir alles Weitere wird auf die Artikel verwiesen, 
welche ihre einzelnen Erscheinungsformen dar- 
stellen; vgl. Edictum, Decretum, Epistulae, 
Re scriptum,Mandatum,0 ratio, Adnotatio 
(Seeck Bd. I S. 382f.), Leges generales, 
Sanctio pragmatica. 

tjber das Recht, allgemein verbindliche Ver- 
40filgungen zu erlassen, bestimmt die schon er- 
wahnte Lex de imp. Vesp. (17ff.) folgendes : utique 
quaecumque ex usu rei publicae maiestatefque] 
divinarum huma[na]rum publicarum privata- 
rumque rerum esse censebit, ei agere facere ius 
potestasque sit, ita uti divo AugfustoJ, Tiberioque 
Iulio Caesari AugfustoJ, Tiberioque Claudia Gae- 
sari AugfustoJ Germanieo fuit. Bei der Aus- 
legung dieser Stelle werden regelmassig die letzten 
Worte nicht genfigend berucksichtigt ; sie sagt 
50 nicht schlechthin, dass dem Kaiser das Gesetz- 
gebungsrecht zustehen solle, sondern giebt ihm 
das Recht, Verfugungen zu erlassen (denn dass 
dies in dem agere facere enthalten ist. kann nicht 
bezweifelt werden), d. h. in dem Umfange und 
mit der Wirkung, wie es Augustus, Tiberius und 
Claudius gehabt haben. Nun wissen wir aber 
gerade von Augustus, dass er das ihm vom Senat 
und Volk angetragene Recht, cigenmachtig ge- 
setzesgleiche Verfugungen zu erlassen, mehrfach 
60 zuriickgewiesen hat (Mon. Anc. gr. 3, llff.); dem- 
gemass konnen auch die Worte des Bestallungs- 
gesetzes des Vespasian nicht jenen Sinn haben. 
Eine wirklichc Ubertragung des Gesetzgebungs- 
rechtes des Voiles auf den Kaiser findet nur auf 
dem besonderen Gebiete der sog. leges datae (Ver- 
leihung von Stadtordnungen ; s. d. Art.) statt ; 
sie sollen deshalb im folgenden ausser Betracht 
bleiben. Es fragt sich nun 



1107 Gonstitutiones principum 

1. wie weit den in dem Bestallungsgesetz ge- 
nannten Kaisern uberhaupt ein Verfugungsrecht 
zugestanden hat. In dieser darf als feststehend 
gelten — fur die Einzelheiten wird auf die oben 
genannten Artikel verwiesen — dass schon unter 
Augustus anerkannt waren a) das ius edicendi; 
b) das Recht der Urteilsfallung (durch deereta) 
in Civil- und Strafsachen ; c) das Eecht, soweit 
die kaiserliche Yerwaltung reichte, an Beamte 



Constitutiones principum 1108 

Instructionen erteilte, sondern die des Vorgangers 
mit den etwa nOtig werdenden Abanderungen wie- 
derholte und auch die der verschiedenen Provinzen, 
soweit es die Verhaltnisse zuliessen, mit einander 
auszugleichen suchte ; vgl. Dig. XXIX 1, 1 pr. : 
Postea divus Nerva plenissimam mdulgentiam 
in milites contulit; eamque et Traianus seeutus 
est, et exinde mandatis inseri eoepit caput tale 
(folgt der Wortlaut). Die Bestimmungen der 



und Privatpersonen die notigen Anweisungen er- 10 Mandate wurden zum grossen Teil tralaticisch, 



gehen zu lassen, wobei zu bemerken ist, dass 
schon die Ausdehnung des Keiches und das Be- 
streben, die kaiserlichen Befehle und Entschei- 
dungen unverriickbar festzustellen, hier mit Not- 
wendigkeit zur Schriftform fiihrten: in der That 
sind die kaiserlichen Befehle regelmassig in Brief- 
form (als epistulae) ergangen, gleichviel ob ihnen 
eine Anfrage von Magistraten und Privaten vor- 
ausging (in dieser Hinsicht werden sie als re- 



wie es die des praetorischen Edicts waren. 

Aus alledem ergiebt sich, dass im 1. Jhdt. 
ein Recht der Kaiser, schleehthin Verfiigungen 
mit gesetzesgleicher Kraft zu erlassen, noch nicht 
anerkannt und insbesondere auch nicht in der 
Lex de imp. Vespasiani ausgesprochen war. Anders 
gestalteten sich die Verhaltnisse seit dem 2. Jhdt. 
Zwar haben — darin zeigt sich auch jetzt noch 
der fortwirkende republicanische Staatsgedanke — 



seripta [avTiypayai] bezeichnet) oder nicht. Das 20 die Edicte und ebenso die Mandate keinen wesent 



beste Beispiel bietet die Correspondenz des Pli- 
nius als kaiserlichen Commissars von Bithynien 
mit Traian ; d) zu den Verwaltungsacten im wei- 
teren Sinne gehorten auch die Instructionen, welche 
die Kaiser an die ihnen unterstellten oder doch 
von ihnen beauftragten oder beaufsichtigten Be- 
amten erliessen (mandata, iviokai, emtayai) ; 

2. ob und wie weit durch diese Constitutionen 
allgemein verbindliches, in seiner Wirkung dem 



lich verschiedenen Charakter angenommmen. Was 
die Decrete anlangt, so kann man wahrnehmen, 
dass die Kaiser sich mit immer grOsserer Frei- 
heit gegeniiber dem geltenden Kecht bewegten 
und die Aufgabe der Kechtsauslegung in einem 
recht weiten Sinne verstanden. So bringt bei- 
spielsweise das bekannte deeretum Divi Marci 
(Dig. IV 2, 13. XLVin 7, 7) in der Form des 
Urteils einen entschieden neuen Eechtssatz zur 



Gesetz gleich stehendes Recht geschaffen wurde. 30 Anwendung. Ihrer Wirkung nach bezogen sich 



Diese Frage ist (zu a) fur die Edicte {itQoyQa.fi 
fiuxa) insofern zu bejahen, als durch sie den 
Kaisern allerdings die MOglichkeit gegeben war, 
zum mindesten fiir ihre Eegierungszeit allge- 
meine Vorschriften zu erlassen und wegen eines 
etwaigen ttbergriffes auf das Gcbiet der Gesetz- 
gebung niemand den Kaiser zur Verantwortung 
Ziehen konnte. Aber es ist darauf hinzuweisen, 
dass das Edict (s. d. Art.) seiner Entstehung und 



die Decrete auch jetzt grundsatzlich nur auf den 
Process, in dem sie ergangen waren. Doch ist 
es erklarlich, dass man die kaiserliche Rechts- 
auslegung auch in andern Fallen, in denen die 
gleiche Frage auftauchte, als massgebend ansah. 
Schon in republicanischer Zeit werden die Prae- 
judicien als Eechtsquelle genannt (Ehet. ad Her. 
II 14. 18. 19. 46. Cic. de or. I 180; Top. 
28. 44; de part. or. 136; vgl. Quint. V 2, 1. 



Verwertung nach in der republicanischen Zeit 40 Kallistr. Dig. I 3, 38), und es liegt in den po 
i n„„„+„ a " 1 - 1 -- , -'" i litischen Zustanden begrundet, dass man den 

Eechtsspruchen der Kaiser erst recht eine solche 
Kraft beilegte und ihre Rechtsauslegung immer 
mehr als eine authentische, d. h. eine in jedem 
Falle den Richter zwingende Norm ansah. Dem 
giebt Fronto (ep. I 6 p. 14 Naber) offenen Aus- 
druck: Tuis autem deeretis, imperator, exempla 
in perpehmm valitura saneiuntur . . . ; tu ubi 
quid in singulas deeernis, ibi universos exemplo 



kein Gesetz war, sondern vielmehr als Amtsrecht 
im scharfen Gegensatz zum Volksrecht stent; 
diese Grenzen haben sich auch in der Kaiserzeit 
zunachst nicht verwischt. Und jedenfalls haben 
sich die Kaiser der ersten drei Jahrhunderte, 
was ihr Ius edicendi anlangt, im allgemeinen 
in engen Grenzen gehalten und eine Concurrenz 
mit dem Volksgesetz oder dem Senatus consultum, 
soweit dies an seine Stelle getreten war, nach 



MOglichkeit vermieden (vgl. Karlowa 648f.). 50 tuo adstringis. Von der grossten Bedeutung aber 



Die kaiserliche Bechtsprechung ist (zu b) zunachst 
keine Rechtssatzung, sondern Anwendung und 
Auslegung des geltenden Rechts gewesen (so mit 
Recht Mommsen St.-R. II 3 911ff. ; Ztschr d 
Sav.-Stftg. XH 264f. Wlassak 151ff. Kruger 
102. Kipp36.38. Sohm 103. MitteisEeichs- 
recht und Volksrecht 120). Von den Epistulae 
(c) ist, da sie nicht durch ihren Iuhalt, sondern 
durch ihre Form gekennzeichnet sind, im allge- 



werden jetzt die seit Hadrian nachweisbaren Pro- 
cessrescripte, durch welche die Kaiser in einem 
vor dem gew6hnlichen Gericht anhangigen Pro- 
cesse auf Anfrage einer Partei oder auch des 
Magistrates eine Entscheidung lediglich der Eechts- 
frage (nicht in der Sache selbst) in einer fiir den 
Richter bindenden Weise aussprachen. Diese Re- 
scripte wurden, so oft es dem Kaiser angebracht 
erschien, durch offentlichen Aashang (propomre) 



meinenwenig zu sagen. Die Kaiser hatten es natur- 60 zur allgemeinen Kenntnis und Nachachtung ge- 
^_ in _ i ^ r f r Ma t cl, *> die ihnen vorliegende Verwal- bracht; damit galten sie als allgemein verbind- 

lich und werden von den Juristen regelmassig 



tungsangelegenheit vorilbergehend oder fur die 
Dauer zu regeln. Die Mandata (d| beziehen sich 
als Dienstanweisungen fur einen bestimmten Be- 
amten zunachst auf dessen Amtszeit und Amtsbe- 
zirk. Aber es versteht sich von selbst, dass man bei- 
spielsweise den nach einander folgenden Statt- 
haltera einer Provinz keine wesentlich verschiedenen 



als geltendes Recht behandelt. 

Wenn man diese Entwicklung uberblickt, so 
wird es erklarlich, dass man allmahlich dazn ge- 
langte, alien Constitutionen schleehthin gesetzes- 
gleiche Kraft beizulegen. Diese Auffassung ist 
bei den Juristen des 2. Jhdts. ganz allgemein 



1109 Constitutiones principum 

anerkannt; vgl. Gai. I 5: Constitutio primipis 
est quod imperator decreto vel edieto vel epistula 
constitute, nee unquam dubitatum est, quin id 
legis vicem, optineat, cum, ipse imperator per 
legem imperium aeeipiat. Pomp. Dig. I 2, 2, 
11 : Constituto principe datum est ei ius, ttt quod 
constituisset ratum esset. Dlpian. Dig. 14,1: 
Quod principi placuit legis habet vigor em: ut- 
pote cum lege regia, quae de imperio eius lata 
est, populus ei et in eum omne suum impe- 10 
rium et potestatem conferat. Quodeumque igitur 
imperator per epistulam et subseriptionem sta- 
tute vel cognoscens decrevit vel de piano inter- 
loeutus est vel edieto praeeepit, legem, esse con- 
stat ; vgl. auch Inst. I 2, 6. Const. Deo 7. Cod. 
lust. I 14, 12, 1. Dass man dabei das Recht 
des Kaisers, gesetzesgleiche Verfiigungen zu er- 
lassen, als von jeher vorhanden hinstellte, kann 
nicht Wunder nehmen. Interessant aber ist die 
Art und Weise, wie die Juristen diese ihre Auf- 20 
fassung staatsrechtlich begrundeten: namlich durch 
das oben erwahnte Bestallungsgesetz (vgl. auch 
Cod. lust. VI 23, 3). Es muss dahingestellt 
bleiben, ob die Juristen sich dabei auf den oben 
mitgeteilten Passus stutzten; dann ware ihre Aus- 
legung im Sinne des Augustus und Vespasian 
fraglos eine unrichtige gewesen — aber die Zeiten 
hatten sich eben geandert, was namentlich auch 
in der lex ,regia' zum Ausdruck kommt (wenn diese 
schon von tjlpianherriihrt; vgl. Mommsen lis 876, 30 
2). Mflglich ist aber auch, dass die Juristen sich 
auf andere, uns verlorene, allgemeine Wendungen 
des Bestallungsgesetzes stutzten, oder dass dieses 
zu ihrer Zeit einen anderen Wortlaut hatte. Jeden- 
falls aber ist es verkehrt, wenn Gaius uns sagt, 
die Gesetzeskraft der kaiserlichen Constitutionen 
sei niemals in Zweifel gezogen worden; der Aus- 
gangspunkt ist, was die Mandate, Decrete und Re- 
scripte anlangt, entschieden der entgegengesetzte 
gewesen ; und dass diese Ansicht uberhaupt keine 40 
so allgemein anerkannte war, zeigt uns auch ein 
Gesetz Iustinians (Cod. lust. I 14, 12, 2), in dem 
es heisst : Cum igitur et hoe in veteribus legibus 
(d. h. Juristenschriften) invenimus dubitatum, si 
imperialis sensus legem mterpretatus est, an 
oporteat kuiusmodi regiam intcrpretationem obti- 
nere, eorum quidem vanam scrupulositatem tarn, 
risimus quarn eorrigendam esse censuimus. 

Seit Diocletian steht das allgemeine Gesetz- 
gebungsrecht der Kaiser unbedingt fest. Zwar 50 
haben sich die Kaiser auch jetzt noch der ver- 
schiedenen oben erwahnten Formen bedient (iiber 
deren Verbindlichkeit s. die einz einen Artikel). 
Aber es ist bezeichnend, dass jetzt ein Cnter- 
schied zwischen Edict und Gesetz nicht mehr 
gemacht wird, dass mit andern Worten die Ge- 
setze nichts sind als kaiserliche Willensentschlies- 
Bungen und geradezu als leges bezeichnet werden. 

Uber Sammlungen kaiserlicher Constitutionen 
im Altertum s. d. Art. Papirius Iustus; Frag- 60 
menta Vaticana; Collatio legum Mosai- 
carum et Romanarum; Consultatio vete- 
ris cuiusdam iurisconsulti; Codes Grego- 
rianus, Hermogenianus , Theodosianus, 
Iustinianus; vgl. auch Lex; Romana Wisi- 
gothorum,Burgundionum, Edictum Theo- 
d e r i c i. Aus neuerer Zeit ist zu nennen G. H a e n e 1 
Corpus legum (1859) Index p. 3ff. 



Constitutiones Sirmondi 11 10 

Neuere Litteratur: Zimmern Gesch. d. R. 
Priv.-E. 1 140ff. Puchta Inst. I*> § 109ff. 130ff. 
Eudorff R. R.-G. I 130ff. 204ff. Mommsen 
R. St.-R. 113 905ff. Wlassak Krit. Studien z. 
Theorie d. Rechtsquellen (1884) bes. 106. Kar- 
lowa R. R.-G. I 646ff. 934ff. Kruger Quell, u. 
Litt. d. E. E. 92ff. 264flf. Sohm Inst' 103ff. 
Leonhard Inst. 99f. Landucci Stor. d. dir. R. 
238ff. Kipp Quellenkunde 32ff. [JOrs.] 

Constitutiones Sirmondi. Der franzosische 
Geistliehe Jacques Sirmond (1559 — 1651) gab 
unter dem Titel Appendix Codieis Theodosiani 
novis constitutionibus cumulatior (Paris 1631) 
eine Sammlung von 21 kaiserlichen Constitutionen 
kirchenrechtlichen Inhalts heraus, die seitdem 
nach ihm die obige Bezeichnung fuhrt. Von diesen 
Constitutionen sind die drei letzten ein von Sir- 
mond aus anderen Quellen hinzugefiigter Anhang^ 
(Haenel 410), die iibrigen 18 riihren aus einer 
besonderen Sammlung her, welche fiir kirchliche 
Zwecke in Gallien angefertigt zu sein scheint 
(Haenel 422f. Kruger 294). In den alteren 
Hss. sind sie einer Sammlung gallischer Concilien- 
beschlttsse angehangt (Haenel 414f.). Diebeiden 
letzten (17. 18) bezeichnen sich ausdriicklich in 
der Crberschrift als aus dem Cod. Theod. entlehnt. 
Von den iibrigen (1 — 16) flnden sich sechs (1. 3. 5. 
7. 8. 13) uberhaupt nicht im Cod. Theod., soweit 
er uns erhalten ist, die andern zehn (2 = Cod. 
Theod. XVI 2, 35. 4 = XVI 9, 1; 8. 5. 6 = 
XVI 2, 47; 5, 62. 64. 9 = XVI 2, 39. 10 = 
XVI 2, 44. 11 = XVI 2, 40. 12 = XVI 5, 43 ; 
10, 19. 14 = XVI 2, 31 ; 5, 46 ; 15 = XVI 2, 
41 ; 16 = V 5 , 2) erscheinen in den C. S. in 
einer vollstandigeren und darum ohne Frage ur- 
spriinglicheren Fassung als im Cod. Theod. Man 
darf daraus schliessen, dass die Sammlung ur- 
spriinglich nur aus diesen 16 Stiicken bestanden 
hat und vor dem Cod. Theod., oder genauer, da. 
die jiingste hier mitgeteilte Constitution (6) dem 
J. 425 angehOrt, zwischen 425 und 438 entstanden 
ist, und dass c. 17. 18 nach dem Erlasse des 
Cod. Theod. daraus (vielleicht bei einer neuen 
Redaction der Sammlung) hinzugefugt sind. Zu- 
riickzuweisen ist die Ansicht von Haenel 424, 
der aus der tlberlieferong im Zusammenhang 
mit den Concilien, deren jttngstes dem J. 581 
angehOrt, folgert, dass auch die Sammlung der 
Constitutionen erst nach diesem Jahre entstanden 
sei, weil es dann sehwer erklarlich bleibt, wie 
sich hier eine augenscheinlich altere Form der 
Gesetze als im Cod. Theod. erhalten haben sollte 
und warum die Sammlung keine jungeren Con- 
stitutionen des 5. oder 6. Jhdts. aufzuweisen hat. 

Wiederholt ist die Echtheit der C. S. in 
Frage gestellt worden (Nachweise s. bei Haenel) 
und zwar hauptsachlich deshalb, weil die erste 
und alteste von ihnen (Constantin vom J. 331) 
eine Ausdehnung der bischfiflichen Gerichtsbar- 
keit darstellt, die mit dem, was aus der spaterea 
Zeit dartber bekannt ist (vgl. Arcad. u. Honor. 
Cod. lust. I 4, 7. Cod. Theod. XVI 11, I; auch 
Iustinian. Nov. 79. 83. 86, 4 ging nicht so weit), 
sehwer vereinbar ist. Dass die kirchliche Macht- 
entfaltung in dieser Zeit eine Einschrankung er- 
fahren haben sollte, stimmt allerdings wenig zu 
ihrer Stellung in jener Zeit. Jedenfalls wurden 
diese Bedenken doch immer nur eine Constitu- 



1111 



Constitutius 



Consul 



1112 



tion betreffen, gegen die iibrigen, von denen ein 
Teil ja ausserdem durch den Cod, Theod. sicher 
gestellt ist, ist nichts Stichhaltiges vorgebracht 
-worden. Aussere Momente, die gegen die Echt- 
"heit sprachen, fehlen; eine sichere Entscheidung 
der Frage ist nach unseren Quellen nicht mog- 
lich. Vgl. hierzu Haenel a. a. 0. Kriiger 
■294f. Karlowa 968. 

Uber die tlberlieferung s. Haenel 410ff. Aus- 



erhshten die Pestesfreude (Varro bei Non. p. 21). 
Die Feier wurde noch in augusteischer Zeit be- 
gangen (Strab. T 230. Dion. II 81 ; vgl. Ovid, 
fast. Ill 199f.). Die Polge der Gleichsetzung des 
Consus mit Iloasidibv "Bimog war die Zuriick- 
fiihrung der C. auf den Arkadier Euander, der 
sie den 'bmoxQoaeia seiner Heimat (Preller- 
Eobert Griech. Mythol. 576) nachgebildet habe 
(Dion. I 33). Infolge der auf falscher Etymologie 



gabe G. Haenel De constitutionibns quas J. 10 beruhenden Auffassung des Gottes als deus 



Sirmondus edidit (1840) und im Bonner Corp. 
iur. anteiust. II 405ff. (iiber altere Ausgaben 
s. ebd. 405f.). Maassen 792. 

Neuere Litteratur: Haenel a. a. 0. (die Citate 
im Vorstehenden beziehen sich auf das Bonner 
Corp. iur.). Heimbach Leipz. Eepertorium IX 
215ff. (1843. 1). Puehta Inst. IM § 126. Ru- 
dorff E. E.-G. I 282f. Karlowa E. E.-G. I 966. 
Kriiger QuelL u. Litt. 293f. Maassen Quell. 



Litt. 



siliorum wurde das Fest zum Raube der Sabi- 
nerinnen in Beziehung gesetzt nnd seine Stiftung 
dem Bomulus zugeschrieben (Varro de 1. 1. VI 
20. Cic. de rep. II 12. Dion. II 30. Polvaen. 
VIII 3. Strab. Ps.-Ascon. Serv. a. a. 0.)^ der 
die Ausfiihrung jenes Planes den geheimen Eat- 
schlagen des Gottes zu danken hatte (Ovid. a. 
a. 0. Arnob. IH 23. Tertull. de spectac. 5. Cy- 
prian quod idola dii non sunt 4). Wenn nach 



d. .Canon. E.^I 792ft. _ Conrat^ Gesch. 20 Serv. Aen. VIII 636 die C, an denen der Raub 
■d t> : . jl..,!. w^.i.,,.. T der j un gf rauen s tattfand, in den Marz fielen, so 

liegt wohl eine Verwechslung vor mit der An- 
gabe Ovids (fast, m 179f.), der zufolge die Ma- 
tronalia am 1. Marz auf die VersOhnung der Sa- 
biner und Romer durch die geraubten Sabinerinnen 
zuruckgehen sollten. Eine andere vereinzelte Naeh- 
richt, Romulus habe die C. in die Equirria um- 
gewandelt (Tertull. a. a. 0.), erklart sich viel- 



■d. Quell, u. Litt. d. E. R. im fruh. Mittelalter I 
93f. 146f. [JOrs.] 

Constituting, Praeses der Alpes Pannoniae 
im 4. oder 5. Jhdt., CIL XII 139. [Seeck.] 

Constitutnm s. Constituere. 

Constrains pes, die dem griechischen knkte- 
■8og novs naehgebildete Benennung des Quadrat- 
fusses (vgl. Quadratus pes). Da der rOmische 
Fuss als Langenmass (pes porrectits) zwischen 



„„,._. , rt s „„ , - , leicht aus dem Dmstande, dass gerade an diesen 

0,2955 und 0,296 m betragen hat und 0,2957 m 30 beiden Festen seit altester Zeit Wettrennen ver- 



bis wahrscheinlicher Mittelwert anzusetzen ist, so 
iommen auf den C. p. 0,0874 qm, Balb. Gromat. 
I 95, 3. 97, 4ff. (Metrol. script. II 58, 16. 59, 7ff., 
und vgl. pes prostratus ebd. 124, 7f.), Hultsch 
Metrologies 82. 92ff. 98. Ausgehend von dem 
Ansatze des rOmisehen Fusses zu 0,296 m. rechnet 
Nissen Handb. der klass. Altertumswiss. 12 841, 
vgl. mit 887f, auf den C. p. 0,0876 qm. [Hultsch.] 
Consnalia, altromisches Staatsfest zu Ehren 



, '™»»°'" l j aitiumraes otaaisiesi, zu Ejiiren i\otiz aer last. Vail, zum 'J 1. Aug. a. a. O. Conso 
•des Consus (Varro de 1. 1. VI 20), das nach dem 40 in Aventino sacrificium hat mit den C. nichts 



anstaltet wurden. Nicht ersichtlich ist, warum 
Plutarch (Eom. 15), dem Schwegler (Rom. Gesch. 
I 477) zustimmt, die C. des Eomulus auf den 
18. August verlegt. Im iibrigen ware es eine miis- 
sige Speculation, aus den vagen Angaben spaterer 
Schriftsteller auf ein von den C. des numanischen 
Kalenders verschiedenes alteres Fest schliessen 
und dieses zeitlich genau fixieren zu wollen. Die 
Notiz der fast. Vail, zum 21. Aug. a. a. 0. Conso 



numanischen Kalender alljahrlich zweimal gefeiert 
wurde, am 21. August (fast. Vail. CIL 12 p. 240) 
•und 15. December (fast. Praen. Amit. CIL 12 
p. 237. 245), zu einer Zeit, wo die Ernte in den 
Scheuern bezw. die neue Saat im Erdboden ge- 
borgen wurde. An diesen Tagen offnete sich der 
unterirdische, sonst mit Erde bedeckte Altar des 
Gottes (Dion. II 31. Plut. Eom. 14. Tertull. de 
spectac. 5; vgl. Serv. Aen. VIH 636) an den siid- 
lichen metae des Circus raaximus (Varro a. a. 0. 50 
Tac. ami. XII 24. Tertull. de spectac. 8; vgl. 
Eichter in Mfillers Handbuch III 840f.), und 
<ler Flamen Quirinalis vollzog an ihm unter Bei- 
hulfe der vestalischen Jungfrauen das officielle 
Opfer (Tertull. de spectac. 5 bezeugt es wenig- 
stens fur den 21. August). Hieran schlossen sich 
•ciTcensische Spiele. zuerst im freien Felde, spater 
in dem dort errichteten Circus maximus (Dion. 
II 31. Serv. Aen. VIII 635. 686. Ps.-Ascon. p. 142 



zu schaffen, sondern bezeichnet den Dedications- 
termin eines Tempels auf dem Aventin (s. u. Con- 
sus), Beiden C. folgte nach einem durch den 
sacralen Brauch festgesetzten dreitagigen Zwi- 
schenraume ein Fest der zu Consus gehorigen 
Gflttin Ops (Wissowa De feriis anni Eom. ve- 
tust., Ind. lect. aestiv. Marpurg. 1891, 6f.). 

[Aust,] 

Corisuanetes s. Cosuanetes. 

Consuarani s. Con sor anni. 

Consuetndo als Grundlage des Gewohnheits- 
rechtes im Gegensatze zu dem Gesetzesrechte, 
s. Lex und Mores. [R. Leonhard.] 

Consul. Der Consulat ist urspriinglich das 
hSchste und machtigste der ordentlichen Amter 
des rOmisehen Staates; seine Entwicklung aber 
vollzieht sich in der Weise, dass seine Bedeutung 
immer mehr eingeschrankt und geschwacht wird ; 
obwohl dieser Verfall ununterbrochen fortschreitet, 



€r. vgl. Ascon. p. 92 K.-S.) unter der Leitung60so lassen sich doch deutlich drei Stufen unter- 



des Pontifices (Varro a. a. 0. sacerdotes) 

Bei den C. am 15. December scheint auch 
der rex saerorum beteiligt zu sein (fast. Praen. 
a. a. 0.). Maultiere, das alteste italische Zng- 
vieh, lief en dabei urn die Wette (Fest. ep. 148), 
Pferde und Esel ruhten von der Arbeit und wurden 
mit Blumen bekranzt (fast. Praen. 15. Dec. Dion. 
133. Plut.qu.E.48). Volkstumliche Lustbarkeiten 



scheiden: die republicanische Zeit, die Zeit des 
von Augustus begriindeten Principats und die 
Zeit der diocletianisch-constantinischen Monarchie. 
Danach kann man, wie Gibbon sagt (e. 40; 
Bd, VII p. 280 der t'bersetzung von Sporschil), 
den Consulat nacheinander im Lichte einer Wesen- 
heit, eines Schattens und eines Namens betrach- 
ten. 



1113 



Consul 



Consul 



1114 



I. Republicanische Zeit. 
Nach der Vertreibung der Konige aus Eom 
traten an der en Stelle zwei C. Sie bilden eine 
Einheit (Ulp. Dig. L 1, 25); zwar hat jeder von 
ihnen voile Gewalt, Befehle zu erlassen, ohne 
seinen Collegen vorher zu befragen, doch ist jeder 
der beiden C. fur die Amtshandlungen seines Col- 
legen mit verantwortlich. Um diese Verantwort- 
lichkeit tragen zu kOnnen, hat jeder C. das Eecht, 



bei Non. p. 23). Quintilian (I 6, 32) setzt con- 
sidere gleich mit iudicare; vgl. Fest. s. eonsulas 
p. 41. Lydus (de mag, I 30) bringt gar consul mit 
cmdere zusammen, xovoovk 6 xgvytlvovs. In Wahr- 
heit ist consul gebildet wie praesul, exul, aber 
nicht, wie Niebuhr meinte (R.G.I 4 546) aus- 
cum und esse, sondern, wie Mommsen zeigt, 
aus cum und dem Stamm von satire, also eigent* 
lich ,Mittanzer' (vgl. praesul = Vortanzer), ,Mit- 



alle Amtshandlungen seines Collegen aufzuheben 10 springer', d. i. College, indem hiedurch der Haupt 



(Liv. II 18, 8. 27, 2. Dionys. V 9. Flor. 1 3 [9], 2. 
Eutrop. 1 9, 1. Lyd. de mag. 1 33. Suid. s. vjiarog, 
vgl. Cass. Dio XXXVIII 4, 3. Tac. ann. I 1). 
Insofern als an Stelle des Einen Herrschers zwei 
getreten sind, welche in ihren Beschlussen und 
Handlungen einander hemmen konnen, ist die 
Macht der obersten Eegierangsgewalt wesentlich 
eingeschrankt. Eine zweite Beschrankung liegt 
darin, dass die Amtsdauer des Consulates die Zeit 



unterschied des Amtes von der kflniglichen Ge- 
walt hervorgehoben wird. Bei den Griechen heisst 
der C. auf den altesten Insehriften ovQazrjyo? 
vjiarog, eine Bezeichnung, die auch bei Polybios- 
einigemale, sonst nur ganz vereinzelt begegnet 
(Polyb. 1 52, 5. VI 14, 2 [wo Bekker und Hultsch 
ojQaxriywv tilgen]. XVIII 46, 5, vgl. Plut. Flam. 
10. Dionys. XIX 10 [XVH 17]. Plut. apophthegm, 
reg. et imp. Publ. Licin. p. 197 E.), und dann in 



eines Jahres nicht iiberschieiten darf (Liv. II 1, 7. 20 der verkurzten Form vnaxog allgemeine Geltung 



III 21, 2. IX 18, 13. XXIV 9, 1. XXVH 6, 4. Cic. 
de rep. II 56. Flor. I 3 [9], 2. Eutrop. I 9, 1. 
Lyd. de mag. I 33. 37). Ausnahmen; P. Valerius 
Puplicola cos. 245—247 (509—507). C. Plautius 
Decianus cos. 425. 426 (329. 328). L. Papirius 
Cursor cos. 434. 435 (320. 319). Q. Fabius Ma- 
ximus Eullianus cos. 444 (310), Dictator 445 (309), 
cos. 446 (308). M'. Curius Dentatus cos. 479. 480 
(275. 274). Q. Fabius Maximus cos. 539, 540 



erlangte. Nur Polybios sagt dafur einigemale 
(VI 15, 7. 8. XXI 32 [XXI 151. 13. XXIV [XXIHJ 
1, 8) oToaiTjyos, wahrend er den Praetor ctQatrj- 
yog sgaaeAexvg oder bios i£~ajteAexvg nennt. Vgl. 
Mommsen Ephem. epigr. I p. 223'; St.-E. 113 76. 
Berechtigung. Zuganglich war der Con- 
sulat zunachst nur denPatriciern; durch die Leges 
Liciniae Sextiae im J. 387 = 367 wurde bestimmt, 
dass der eine der beiden C. aus den Plebeiern 



(215. 214). C. Marius eos. 650—654 (104—100). 30gewab.lt wurde (Liv. VI 35, 5. 37, 4. 40, 16. 42, 9, 



L. Cornelius Cinna cos. 667—670 (87—84). Cn. 
Pompeius Carbo cos. 669—670 (85. 84). (Momm- 
sen Eh. Mus. XIII 570). 

Namen. Neben der spater allein ublichen Be- 
zeichnung fiihrten die C. in den altesten Zeiten 
auch die Namen praetores und indices. Praetor 
= praeitor (Varro de 1. 1. V 80. 87; de vit. pop. 
Eom. 1. II bei Non. p. 23. Cic. de leg. Ill 8. 



Vn 1, 2. X 8, 8. Fasti Cap. ad ann. 388 = : 
nach Diod. XII 25, 2 wurde eine solche gesetz- 
y liche Bestimmung bereits im J. 305 = 449 nach 
dem Sturze der Decemvirn getroffen; vgl. dar- 
iiber Mommsen Rom. Forsch. II 288; St.-E. 
118 79, i. Ed. Meyer Eh. Mus. XXXVII 619ff.). 
Diese Bestimmung ist zwar zunachst wiederholt 
ubertreten worden (patricische C. in den Fasten 
399 = 355 Liv. VH 17, 12; 400 = 354 Liv. 



lust. Nov. 24 praef.) war nach Liv. Ill 55, 12, 

Fest. v. praetoria porta $. 223. Zonar. VH 19, 1. 40 VII 18, 10; 401 = 353 Liv. VII 19, 6; 403 

lust. Nov. 25 praef. die altere Bezeichnung (vgl. = 351 Liv. VII 22, 2; 405 = 349 Liv. VII 24, 11 •„ 



praef. die altere Bezeichnung (vgl 
auch Ps.-Ascon. Verr. I 14, 36). Sie allein be- 
gegnet auf den 12 Tafeln, und in den latinischen 
Stadten fiihrten die obersten Beamten durch- 
gangig diesen Titel. Die Bezeichnung iudex wird 
von Varro de 1. 1. VI 88 aus den commentarii 
consulares bezeugt und von Cic. de leg. Ill 8 be- 
statigt (wahrscheinlich irrtiimlich Liv. Ill 55, 12 
quod Us temporibus [im J. 305 — 419] nondum 



409 = 345 Liv. VII 28, 1 ; 411 = 343 Liv. VLT 
28, 10), von 412 = 342 aber bis auf 708 = 46 
ohne Ausnahme eingehalten worden; vgl. Leges 
Liciniae und Patricii. Im J. 412 = 342 
wurde durch ein Plebiscit auch die zweite Stelle 
den Plebeiern ereffnet (Liv. VII 42, 2). Zwei 
Plebeier wurden zum erstenmale erwahlt 539 = 
215, wo jedoch der eine verzichtete (Liv. XXIII 



consulem iudicem sed praetorem appellari ?«o*50 31, 13); wirklich fungiert haben zum erstenmale 



fuerit). Vielleichtwar sieofficiell fur die Friedens 
thatigkeit der C, wahrend der Titel Praetor sich auf 
die Wirksamkeit im Kriege bezog, jedenfalls aber 
sehr alt. Dass auch die dritte, spater allein in 
Gebrauch gebliebene Bezeichnung des Amtes, con- 
sul, welche nach Zonar. VII 19, 1 im J. 305 = 449 
zuerst gebraucht wurde, sehr alt war, dafur spricht 
die Abkiirzung cos, welche aufgekommen sein 
muss , bevor man den Nasal durch den Buch- 



zwei Plebeier 582 = 162 (Fasti Cap. umbo primi 
de plebe). Wahrscheinlich durch die Lex Villia 
Annalis (Liv. XL 44, 1. Fest. s. armaria lex 
p. 27. Cic. Phil. V 47. Ovid. fast. V 65. Arnob. 
II 67) vom J. 574 = 180 wurde die Erlaubnis 
zur Bewerbung um den Consulat davon abhangig 
gemacht, dass der Candidat vorher die Praetur 
bekleidet hatte, und dass seit Niederlegung der 
Praetur bis zum Antritt des Consulates zwei Jahre 



staben n ausdruckte. Die Alten leiten das Wort 60 verstrichen waren. Ausnahmen von der Eegel 



meist von eonstdere in der Bedeutung ,sorgen' ab 
(Accius bei Varro de 1. 1. V 80. Cic. de orat. II 
165; de leg. m 8; de rep. II 54 [bei Aug. de 
civ. d. V 121. Dionys. IV 76, 2. V 1, 2. Flor. 
I 3 [9], 2. Pomp. Dig. I 2, 2, 16. Cassiod. var. 
VI 1, 3. Isid. orig. IX 3, 6. Suid. s. vaazot) oder 
auch von eonstdere in der Bedeutung ,um Rat 
tragen' (Varro de 1. 1. V 80 ; de vit. pop. R. 1. II 



sind L. Scipio Aemilianus cos. 607 = 147, C. Ma- 
rius der Sohn cos. 672 — 82, Cn. Pompeius cos. 
684 = 70, P. Cornelius Dolabella cos. 710 = 44, 
Augustus cos. 711=43, Q. Salvidienus Rufus 
cos. 714 = 40. Vergeblich bewarben sich um den 
Consulat , ohne die Praetur bekleidet zu haben, 
C. Iulius Caesar Strabo Vopiscus fur 667 = 87, 
Q. Lucretius Ofella fur 674 = 80 und L. Cal- 



1115 



Consul 



Consul 



1116 



1117 



Consul 



Consul 



1118 



purnius Bestia fur 712 = 42. Mommsen St.-E. 
I 3 539, 1. Eine directe Altersgrenze hat es in 
alterer Zeit fiir den Consulat nicht gegeben und 
ist auch wahrscheinlich durch die Lex Villia an- 
nalis nicht festgesetzt worden. Sie ergab sich je- 
doch indirect, wenn fiir eines der dem Consulat 
vorausgehenden Amter ein Minimalalter gefordert 
wurde. Vielleicht ist das durch Sulla geschehen 
(vgl. Appian. hell. civ. I 100. 121); doch haben 

TmT" si (itii rvrtu lrmvin XI ^ n T*«« *1~ X 1 17" * • _ _ _ 71 . 



245—260 = 509—494 am 13. September (so 
Mommsen Rom. Chronol. 2 86 nach Dionys. V 

I, 2. VI 49), 261 = 493 am 1. September (Dionys. 
VI 49), 278 = 476, 291 = 463 am 1. August 
(Dionys. IX 25. Liv. Ill 6, 1), 292 = 462 am 

II. August (Liv. Ill 8, 3), 304 = 450 am 15. Mai 
(Liv. Ill 36, 3. 38, 1. Dionys. X 59), 305—352 
= 449—402 am 13. December (Liv. IV 37, 3. 
V9, 3. 11,11. Dionys. XI 63; vgl. Mommsen 



wir dariiber keine Nachricht. Wir wissen nur, dass 10 Herm. V 381), 353 = 401 am l'. October (Liv V 

Cicero, der im 43. Lebensjahre C. waT, dies Jahr " " " *■" """ "" '" — - 

wiederholt als suus annus bezeichnet (de off. II 

59; Brut. 323), ein andermal sagt, er habe den 

Consulat so frtth, als gesetzlich erlaubt sei , er- 

langt (de leg. agr. LT 3), und an einer Stelle 

(Phil. V 48) vom 43. Lebensjahre als dem gesetz- 

lichen Minimalalter fur den Consulat spricht. Be- 

stand also zu seiner Zeit diese Regel, so machte 

Caesar, der im J. 695 = 59 in seinem 41. Lebens 



9, 8. 11, 11), 363 = 391, 425 = 329 am 1. Juli 
(Liv. V 32, I. VIII 20, 3), 435—459 = 319—295 
im Herbst (Triumphaltafel). Zwischen 531 und 537 
= 223 und 217 ist er auf den 15. Marz (Liv. XXII 
1, 4. XXXI 5, 2), im J. 601 = 153 auf den 
1. Januar flxiert worden (Past. Praen. zum 1. Jan. 
Cassiod. chron. zum J. 601 = 153. Liv. ep. XLVH; 
vgl. Mommsen Rom. Chronol.2 86ff. ; St.-R. 18 
598ff. ; ab weichend S e e c k Kalendertaf el der Pon- 



jahre C. wurde, eine Ausnahme, falls sein Geburts- 20 tifices 1885, 145f. Soltau Prolegomei 

tag (12. Juli 654 = 100) richtig und nicht um " ~ ' • ~ - 

zwei Jahre zu spat angegeben wird (Mommsen 
R. G. Ill 15 Anm.; St.-R. 13 570, 1. Nipperdey 
Abhandl. d. sachs. Ges. d. Wiss. V Iff.). Vgl. 
Art. Leges annales und Magistratus. 

Wahl. Die C.-Wahl erfolgte in Centuriat- 
comiticn (Liv. I 60, 4. Dionys. IV 84, 4. Mes- 
sala bei Gell. XIII 15, 4). Die Wahltermine 
fanden in alterer Zeit, als die C. meist ins Feld 



ma zu einer 



ruckten, erst nach der Riickkehr, oft kurz vor Ab- 30 der C, falls er in Rom sein Amt antral 



rOrn. Chronologie 1886, 180. Unger Zeitrechnung 
der Griechen und R6iner2 814 [§ 88]). Die neu 
eintretenden C. erbitten zunachst die Auspicien, 
den Blitz von links (Dionys. II 6, 2. Cic. de div. 
II 74. Lyd. de mens. IV 4) ; ein Donner gait als 
ungunstiges Vorzeichen und hatte die Abdankung 
des Gewahlten zur Folge (Marcellus im J. 539 = 
215; Liv. XXIII 31, 13. Plut. Marc. 12). Wenn 
die Auspicien giinstig ausgefallen waren, so learte 
;)„,. n f.,ii„ ™ .•„ r> _„.-_ »_j. __i.._.L • . 



lauf des Amtes statt. Seit Sulla dagegen wurden 
sie, falls sie nicht aus besonderen Grundon ver- 
schoben wurden, in der Regel im Monat Juli 
abgehalten (Cic. Verr. act. 1 17 his diebus paucis 
comitiis considaribus factis; die Rede ist ge- 
halten am 5. Aug. Cael. ad fam. VLTI 4, 1. Cic. ad 
Att. I 16, 13; ad Qu. fratr. II 15, 5. Ascon. p. 16 
K.-S.; die Wahlen der Municipalraagistrate post 

Kal. Quint, nach lex Iul. Municip. Z. 98. Momm- ___„ 

sen St.-R. 13 584ff.). Die Wahl leitete ein C. 40 gnadigen°Schutz des~Voike7d7miuppiter gelobten 



, in seiner 
Privatwohnung die Toga praetexta an (Liv. XXI 
63, 10); es erschienen die Lictoren und erhoben 
die Fasces (fasces attollereX 'erg. VII 173); miter 
ihrem Vortritt und der Begleitung zahlreicher 
Freunde, die Ritter vor ihm, die Senatoren hinter 
ihm, begab er sieh auf das Capitol, wo er zum 
erstenmale auf der sella curulis Platz nahm 
(Ovid. fast. I 79; ex Pont. IV 4, 25. 9, 3ff. Hist. 
Aug.Elag. 15, 5) und die von seinem Vorganger fur 



(Consulartribun), eventuell ein Dictator oder Inter- 
rex, aber nicht, oder doch nur wider die Regel, ein 
Praetor (Cic. ad Att. IX 9, 3. Messala bei Gell. 
XLTI 15, 4. Dio XLVI 45, 4), Er pflegte vor der 
Verkiindigung des Ergebnisses (renuntiatio) dem 
Gewahlten einen Eid auf gewissenhafte Pflichter- 
fiillung abzunehmen (Plin. panegyr. 64. 77. Stadtr. 
v. Malaca c. 57. 59), vgl. Comitia Centuriata. 
Wenn die eine der beiden Stellen vor Ablauf des 



weissen Rinder opferte, sowie neue gelobte (Ovid. a. 
a. O. Liv. XXI 63, 8. XLI 14, 7). Darauf hielten 
beide C. eine Senatssitzung auf dem Capitol ab (Liv. 
a. a. O. XXVI 26, 5), in welcher namentlich der 
Termin fiir das lateinische Fest angesetzt wurde 
(vgl. Art. Senatus und Feriae Latinae), und 
wurden dann von demselben Ehrengefolge in feier- 
lichem Zuge nach Hause geleitet (Ov. ex Pont. 
IV 4, 41). Bald nach dem Antritt des Amtes 



Arntsjahres durch Tod des Inhabers oder sonstwie 50 vollzieht einer der C. das Opfer der Feriae Latinae 



erledigt wird, so ist der iibrigbleibende C. ver 
pflichtet, die Nachwahl eines Collegen anzube- 
raumen. Die Bestimmung des Termines derselben 
bleibt seinem Ermessen uberlassen ; daher ist die 
Nachwahl bisweilen ganz unterblieben , nament- 
lich wenn das Amtsjahr bald zu Ende war (so 
nach dem Tode des Manius Tullius 254 = 500 
Dionvs. V 57: nach dem Tode des Ap. Claudius 
405 = 349 Liv. VII 25, 10, des Paullus 538 = 



(Liv. XXI 63, 5. XXII 1, 6. XXV 12, 1. XLII 
10, 15. XLIV 22, 16. CIL 12 p . 55ff., vgl, d. Art.), 
und beide bringen den Penaten und der Vesta 
ein Opfer in Lavinium dar (Macrob. sat. Ill 4, 11 
Serv. Aen. I 296. Schol. Ver. Aen. I 259. Val. 
Max. I 6, 7). Innerhalb der ersten fiinf Tage 
nach Antritt des Amtes (Lex Bant. Z. 18f.. vgl. 
Lex Salpens. c. 25. 26. Liv. JJ 1, 9. Dionys V 
L 3. Liv. XXXI 50, 7. Tac. hist, m 37. Plin. 



216 des Marcellus 546 = 208 Liv. XXVII 33, 60 pan. 65. Appian. bell. civ. I SO) hatten die 

ilACi C \ ~P(-i+i limn C70 1 Ti? T I.. VI TlOlP*J-.T r~t * /-* . - — ' 



des Q. Petillius 578 = 176 Liv. XLI 18, 15, des L. 
Metellus 686 = 68 Dio XXXVI 4, 1 u. 0.). Wenn 
aber von vorneherein nur ein C. erwahlt wurde, 
und dieser sein Amt svie collega antrat, wie 
Pompeius 702 = 52 und Caesar 709 = 45, so liegt 
darin eine schwere Anomalie, 

Amtsantritt. Der Termin des Amtsantritts 
war in alterer Zeit sehr schwankend, namlich 



neuen C. in Gegenwart des Quaestors am Castor- 
tempel (Lex Bant. Z. 17) einen Eid auf die Ge- 
setze zu leisten (iurare in leges), und es wurde 
dariiber ein Protocoll aufgenommen (Lex Bant. 
Z. 20. 21). Wer den Eid nicht leistete. verlor 
die Fahigkeit, ein Amt zu bekleiden (Lex Bant, 
a. a. O. Liv. XXXI 50, 7), und damit das gegen- 
wartige. Doch trat spater, wie es scheint, an 



f 



1 



Stelle dieser strengen Bestimmung eine Geldstrafe 
(Lex Salpens. c. 26). Da die Bestimmung der 
Lex Salpens. c. 26, wonach die neuen Stadtbeamten 
vor Ableistung des Eides keine Senatssitzung 
halten diirfen, mit Wahrscheinlichkeit auch auf 
die rSmischen Verhaltnisse bezogen werden darf, 
die C. aber am 1. Januar den Senat zu versammeln 
pflegten, so muss jene Vereidigung in der Regel 
an demselben Tag stattgefunden haben. Fiir die 
Kaiserzeit ist das ausdriicklich bezeugt (Dio XL VII 10 
18, 3). tTber die Lex curiata de imperio s. Art. 
Comitia Curiata. 

Niederlegung des Amtes. Auch beim 
Riicktritt vom Amte leisteten die C. einen Eid 
se nihil contra leges fecisse (Plin. paneg. 65. 
Cic. ad Att. VI 1, 22. Fronto ad Caes. I 8 p. 32 
Nab.; H-ofiooao&ai ttjv vjiarelav Plut. Marcell. 4; 
aiTiofivvoftai zr/r olqxv v Herodian. IV 2, 4; von der 
Praetur Plut. Cic. 19), diesmal auf den Rostra 
(Plut. Cic. 23. Dio LLTI 1, I. LIX 13, 1. Herodian. 20 
a. a. O.). Daran pflegten sie eine Ansprache an 
das Volk zu kniipfen, in der sie ihre Amtsfuhrung 
rechtfertigten (Cic. ad fam. V 2, 7; in Pis. 6; p. 
Sull. 34; de dom. 94. Plut. Cic. 23. Dio XXXVII 
38. XXXVIII 12, 3), fiir die sie verantwortlich 
waren (Polyb. VI 15, 10). 

Vorzeitige freiwillige Niederlegung des Con- 
sulates war gestattet (Collatinus Liv. II 2, 10) 
und geschah efters auf Senatsbeschluss (C. Fla- 
minius im J. 531 = 223 Liv. XXI 63, 2. Plut. 30 
Marcell. 4; im J. 363 = 391 Liv. V 31, 8; im 
J. 413 = 341 Liv. VIII 3, 4). Absetzung aber 
konnte nur durch einen Dictator verfugt werden 
(Consul L. Minucius durch den Dictator L. Quinc- 
tius abgesetzt im J. 296 = 458 Liv. IE 29 , 2. 
Dionys. X 25; nach Mommsen St.-R. Is 262, 2 
war dies nicht Absetzung, sondern Suspension; 
nach ihm schloss ,die altere Auffassung der Magi- 
stratur als eines der Biirgerschaft coordinierten 
Factors des Gemeinwesens die Abrogation jener40 
durch diese aus', St.-R. P 630). Im Qbrigen war 
sie ungesetzlich, ist aber spater doch vorgekom- 
men ; abgesetzt wurde L. Cornelius Cinna cos. 667 
= 87 (Veil. II 20, 3. Liv. ep. LXXXIX. Appian. 
bell. civ. I 65), Antonius cos. des. fur 723 = 31 
(Dio L 4, 3. 10, 1. 20, 5), Carbo cos. 670 = 84 
wurde von den Volkstribunen mit Absetzung be- 
droht (Appian. bell. civ. I 78). Uber Verlangerung 
des Imperium s. Art, Proconsul, (jber Stell- 
vertretung der C. s. Art. Praefectus urbi und 50 
Praetor. 

Iteration. Mehrfache Bekleidung des Con- 
sulats war in alterer Zeit unbeschriinkt gestattet. 
Durch ein Plebiscit, welches Livius VII 42, 2 
zum J. 412 = 342 anfiihrt, wurde eine Zwischen- 
frist von mindestens zehn Jahren gefordert. Doch 
kamen Ubertretungen vor (Liv. XXVII 6, 7). Ein 
spateres Gesetz. das Liv. epit. LVI beim J. 620 
= 134 erwahnt, Mommsen um 603 = 151 an- 
setzt , verbot die Iteration des Consulates ganz- 60 
Iich. Auch dies wurde nicht eingehalten (Marius, 
Cinna, Carbo). Durch die sullanische Gesetz- 
gebung wurde die Iteration mit der zehnjahrigen 
Zwischenfrist wieder eingefuhrt (Appian. bell. civ. 
I 100). Mommsen St.-R. 13 519ff. 

Insignien. Die Amtszeichen der C. sind die 
zwfllf Lictoren mit den Fasces, die Sella curulis, 
die purpurumsaumte Toga {toga praetexta) im 



Frieden, das meist purpurrote (Plin, n. h. XXL! 3. 
Sil. XVn 395. Plut. Crass. 23), selten weisse 
(Val. Max. 16, 11) Eriegsgewand (paludamen- 
tum) im Kriege. Zu den wichtigsten Vorrechten 
der C. gehorte, dass nach ihnen das Jahr benannt 
wurde; vgl. Art. Fasti. 

Rang und Amtsfuhrung. Derjenige der 
beiden C, welcher an Jahren alter war oder den 
Consulat schon friiher bekleidet hatte, gait als 
maior, derjenige, welcher bei der Wahl die meisten 
Stimmen erhalten hatte, als prior (Liv. XXIX 
22, 5, anders Festus s. maiorem consulem p. 
161). Auf die Amtsfuhrung aber oder die Stel- 
lung der Namen in der Eponymie hatten diese 
Vorzfige keinen Einfluss, vielmehr war die Stel- 
lung der beiden C. eine ganz gleiche (Serv. Aen. 
VLT 613). Da jedoch eine Reihe von Amtshand- 
lungen gesetzlich nur von Einem vollzogen wer- 
den konnten, so einigten sich hieriiber die Collegen, 
indem sie entweder einen Turnus vereinbarten 
oder das Los entscheiden liessen. Nach dem Tur- 
nus fuhrte nur der amtierende C. die Fasces (penes 
quern fasces erant Liv. IX 8, 2. II 1, 8. VTO 
12, 13. Dionys. V 2, 1. IX 43, 4. Cic. de rep. LT 
55. Val. Max IV 1, 1. Fest. s. maiorem eonsulem 
p. 161). Jedoch scheint dieser Brauch nur in alterer 
Zeit bestanden zu haben. Caesar, der ihn er- 
neuerte, liess wahrend seines Arntsjahres in den 
Monaten, in welchen sein College die Fasces hatte, 
die Lictoren hinter sich hergehen (antiquum mo- 
rem retvlit Suet. Caes. 20). Der Turnus wechselte 
in der Stadt Monat um Monat, im Felde Tag 
um Tag (Polyb. Ill 110, 4. Liv. XXII 41, S. 
XXVin 9, 10. Sil. IX 17) , er begann in der 
Stadt gewtthnlich mit dem alteren der beiden Col- 
legen (Plut. Popl. 12. Gell. II 15, 8; vgl. Dionys. 
VI 57. Liv. IX 8, 2). (Jber den Beginn im Felde 
wissen wir nichts. Das Los wurde beliebt beson- 
ders fiir die Leitung der Beamtenwahlen (Liv. 
XXP7 10, 1) oder die Ernennung eines Dictators 
(Liv. IV 26, 11), ferner bei religidsen Acten wie 
Tempelweihungen (Liv. II 8, 6), falls nicht die 
C. sich unter einander verglichen (inter se parare 
oder oomparare z. B. Liv. XXIV 10, 1. XXXV 
20, 2. XL 17. 8. XLI 6, 1. XLII 31, 1. XLIII 12, 
1 u. (\). Dagegen scheint bei gemeinschaftlicher 
Kriegfdhrung der beiden C. eine Losung um den 
Oberbefehl nicht stattgefunden zu haben, wohl 
aber um die Stellung in der Schlacht (Liv. XLI 
18. 7) und um das Operationsgebiet bei getrennter 
Kriegfuhrung (Liv. XXX 1, 2. XXXII 8, 1. 
XXX VH 1, 7). Vgl. Mommsen St.-R. is 49ff. 

Amtsgewalt. Die C. sind nach rOmischer 
Anschauung Erben der koniglichen Gewalt (Cic. 
de rep. II 56; de leg. Ill 8. Liv. II 1, 7. EI 9, 3. 
34, 8. IV 2, 8. 3. 9. VIII 32, 3. Val. Max. IV 
1, 1. Pomp. Dig. I 2, 2. 16. Dionys. IV 84. 4. 
VI 65, 1. VII 35, 5. LX 41, 1. X 34. Polyb. YT 11, 
12. 12, 9. Mian. orat. Ill p. 107 D. Ampel. 50). 
Allein in Wirkliehkeit besassen sie diese unum- 
schrankte Macht nur im Amtskreise militiae. 
Innerhalb des ersten Meilensteines waren sie zwar 
gleichfalls die Leiter der militarischen. wie biirger- 
lichen Verwaltung und die hOchsten Gewalten der 
Executive, jedoch gebunden an die Beschliisse des 
Senates und Vojkes und schon fruhe eingeschrankt 
durch die Intercession der Tribunen. In der Ge- 
setzgebung war ihre Wirksamkeit auf das Recht 



1119 



Consul 



Consul 



1120 



1121 



der Initiative beschrankt. Die richterliche Ge- 
walt, die ihnen urspriinglich gebiihrte, ubten sie 
thatsachlich auf dem Gebiete des Civilrechts nur 
big zur Einricbtung der Praetur, auf dem des 
Criminalrechtes stets nur innerhalb der Grenzen 
der Provocation, Die priesterlichen Functionen 
endlich, welche der Konig besessen hatte, sind 
ihnen mit geringen Ausnahmen genommen. 

A. Militarischer Oberbefehl. 

Das Commando im Kriege kommt den C. als 
Hauptteil des ihnen fibertragenen Imperium zu 
(vgl. Art. Imperium und Provincia). Brach 
ein Krieg aus, so riickten in der Eegel beide C. 
in's Feld. Wenn in den Quellen bisweilen be- 
richtet wird, dass der eine der Collegen zuriick- 
bleibt (ad urbem Liv. Ill 4, 10. 22, 3. IV 10, 8 
Unterscheidung von e. togatus und armatus. 37, 
6. 43, 1. Vn 38, 8. IX 42, 4. Dionys. V 35, 3. VI 
24, 1. 91, 1), so sind solche Falle doch sehr selten, 
und falls ihnen wirklich Thatsachen zu Grunde 
liegen, als VerstOsse gegen die Kegel zu betrachten 
(Mommsen St.-E. 13 35 A.). Dagegen war es 
nicht ungewohnlich, dass der eine der C. zeitweilig 
nach Rom zuriickkehrte, um die Wahlen zu leiten 
oder einen Dictator zu ernennen, oder wenn andere 
Angelegenheiten, beidenen eine Stellvertretung un- 
zulassig war, die Anwesenheit des C. in der Haupt- 
stadt erforderlich machten. Meist wurde jedem 
C. ein besonderes Operationsgebiet angewiesen, 
auf dem er die Leitung zu iibernehmen hatte; es 
kam aber auch vor, dass beide auf denselben 
Kriegsschauplatz gingen (z. B. Varro und Paulus 
bei Cannae; vgl. Liv. IV 46, 4ff. XLII 1, 1. Eutr. 
VI 6). Das Eecht, aus eigener Machtvollkommen- 
heit den Krieg zu erklaren, haben die C. nicht 
besessen, nur hatte nach erfolgter Kriegserklarung 
der amtierende C. (oder der consul prior f] in 
der Trabea und dem ductus Gabinus den lanus- 
tempel zu offnen (Verg. Aen. VII 61 Iff. und dazu 
Servius). Dagegen haben die C. gleich dem KOnig 
urspriinglich das Recht besessen, Biindnisse und 
Vertrage abzuschliessen. Erst spater waren der- 
gleichen Abmachungen der Bestatigung durch das 
Volk unterworfen (Sail. lug. 39, 3. Polyb. VI 
14, 10—11. Liv. epit. LV). Irrig ist die Dar- 
stellung bei Dionys. II 14. IV 20. VI 66, wo- 
nach bereits in alterer Zeit Vertrage, die von den 
C. abgeschlossen sind, zu ihrer Giiltigkeit der Be- 
statigung durch das Volk bedurfen. Vgl. Rubino 
Unterauch. fib. r6m. Verf. u. Gesch. 264ff. Momm- 
sen St.-R. 13 246. Ill 340-345. Immer aber 
waren die vom C. abgeschlossenen Vertrage nur 
militarischen Inhalts oder, wenn sie politische 
Abmachungen enthielten, nur vorbereitend ; die 
definitive Festsetzung stand dem Senate zu, dessen 
Beschlfisse bisweilen dem Volke zur Genehmigung 
unterbreitet werden. VgL iiber diese ganze Prage, 
die hier im Zusammenhange nicht erOrtert werden 
kann, Mommsen St.-R. Ill 1158—1173 und Art. 
Sen at us. Es war dem Consul gestattet, wenn 
er einmal im Kriege begriffen war, denselben 
nach seinem Belieben auszudehnen (Cic. ad Att. 
VIJI 15, 3). In das Gebiet des Collegen, wenn 
derselbe , wie namentlich in alterer Zeit haufig 
gescnah, gleichfalls im Felde stand, uberzugreifen, 
gait zwar als unschicklich (Liv. X 37, 7. XXVII 
43, 6. XLLTI 1, 7), kam aber gleichwohl vor. Erst 
in der Zeit nach Sulla waren auch Feldherrn 



mit consularischem Imperium an die Grenzen 
ihrer Provinz gebunden; vgl. Art. Proconsul, 
und liber die Beschrankung des consularischen 
Oberbefehls im Vergleich zur kOniglichen Voll- 
gewalt Liv. IX 18. In Rom, und seit Sulla inner- 
halb Italiens, ruhen die militarischen Functionen 
der C. , abgesehen von der Aushebung und dem 
Triumph. Jene zu veranstalten, ist das verfassungs 
massige Recht der C, sie wird auch dann von 

10 ihnen vollzogen, wenn das auszuhebende Heer fur 
andere Beamte bestimmt ist (Caes. b. G. VI 1, 
1. 2. Polyb. VI 19, 5-9. Liv. II 28, 5. 55, 1. 
m 4, 10. 69, 6. IV 1, 6. 55, 2. X 25, 1. XXII 
38, 1. XXV 5, 4. XXVI 35, 1. XXVII 38, 1. 
XXVffl 10, 14. 45, 13. XXIX 13, 1. XXXI 8, 5. 
XXXIII 26, 3. 43, 3. 6. XXXV 41, 7. XLII 32, 8. 
XLIII 12, 3—5. 14, 3; epit. XLVIII. Dionys. VII 
19, 1. VIII 87, 3. IX 5, 1. 38, 3. X 20. 22. 33. 
43. Val. Mai. VI 3, 4 u. o\). Dass auch der 

20 Dictator zur Aushebung befugt ist, ist selbst- 
verstandlich (z. B. Liv. VT 2, 6); dagegen wird 
sie den Praetoren nur in Ausnahmefallen tiber- 
tragen (Liv. XXXII 8, 6. XXXLU 43, 7. XXXV 2, 
4. XXXVI 2, 15. XXXVII 2, 8. 10. XXXIX 20, 4. 
38, 10. XL 26, 7. XLII 18, 6. 35, 4. XLDTI 14, 4. 
15, 1. XLIV 21, 7). Die Aushebung begann mit der 
Ernennung der Tribunen, die urspriinglich nur 
durch die C. erfolgte (durch die Praetoren aus- 
nahmsweise Liv. XLII 31, 5. 35, 4). Doch er- 

30 hielt das Volk 392 = 362 das Recht, sechs Tribu- 
nen, 443 = 311 weitere zehn und zwischen 463 
und 535 = 291 und 219 (nach einer andern An- 
sicht erst 547 = 207, vgl. Liv. XXVII 36, 14) 
alle vierundzwanzig Tribunen des regularen Jahres- 
contingents von vier Legionen zu wahlen, so dass 
den C. nur die Ernennung fiir die weiteren Legio- 
nen verblieb (Fest. s. Rufuli p. 261. Liv. VII 5, 
9. IX 30, 3. Polyb. VI 12, 6. Marquardt- 
Domaszewski ROm. Staatsverw. II 2 364; vgl. 

40 Art. Tribuni). Im J. 583= 171 wurde den 
Consuln auf ihren Antrag vom Volke gestattet, 
ausnahmsweise alle Tribunen zu ernennen (Liv. 
XLII 31, 5). Der Ernennung der Tribunen folgt 
unter Mitwirkung dieser die der Centurionen und 
Decurionen (Liv. XLII 34, 5. 14. 35, 2. Polyb. VI 
24, 2. 25, 1. Cic. de imp. Cn. Pomp. 37; in Pis. 88. 
Varro bei Non. p. 16 s. exiispiees. Tac. ann. I 
44) und die Aushebung der gemeinen Soldaten, 
welche danach in verba consults vereidigt warden 

50 (vgl. Art. Saeramentum und Dilectus). Auch 
die Aufbietung des Contingentes der Bundesge- 
nossen und die Ernennung der praefecti derselben 
stand bei den C. (Polyb. VI 21, 4. 26, 5. Liv. 
XXXI 8, 7. Dio XXXIX 33, 2). Das gesamte 
Aushebungsgeschaft war indessen, soweit es in 
Rom geschah, der Intercession der Tribunen unter- 
worfen. — Der Triumph (s. d.) konnte ursprung- 
lich vom siegreichen C. aus eigner Machtbefugnis 
veranstaltet werden (im Widerspruch mit dem 

60 Senate triumphierten Valerius und Horatius 305 
= 449 Liv. HI 63, 11. Zonar. VII 19, 2; L. Po- 
stumins Megellus 460 = 294 Liv. X 37, 12. Dio- 
nys. XVLTI 5; C. Flaminius und P. Furius Philus 
531 = 223 Zonar. VIII 20, 7. Plut. Marcell. 4; 
Ap. Claudius 611 = 143 Oros. V4, 7. Diofrg.74, 
2), wurde aber spater abhangig von der Geneh- 
migung des Senats, der dazu die Geldmittel be- 
willigte (Polyb. VI 15, 8). War also das mihta- 



Consul 



Consul 



1122 



rische Commando in Rom mehrfachen Einschran- 
kungen unterworfen, so war es dagegen ausserhalb, 
im Kriege sowohl als auch im Frieden, v6llig un- 
gebunden. 

Belagerungszustand. Nur in besonders 
dringenden Fallen der Not, mochten solche nun 
durch aussere Feinde (Liv. IDI 4, 9) oder durch 
inneren Aufruhr (Liv. VI 19) verursacht sein, 
haben die C. auch innerhalb des ersten Meilen- 



Matrosenaushebung Liv. XXIV 11, 7. XXVI 35, 
3, iiber Bacchanalien Liv. XXXIX 17, 1—3, iiber 
das Commando von zwei Legionen Dio XL 66, 2 
(erlassen vor Antritt des Amtes), von Antonius 
gegen Octavianus Appian. bell. civ. Ill 31. Andere 
Beispiele s. u. S. 1123. Viele dieser Edicte sind durch 
einen Senatsbesehluss veranlasstr doch besitzen 
die C. das ins edicendi natiirlich aus eigener 
Machtvollkommenheit, vgl. Art. Edictum. Das 



steines das unumschriinkte militarische Commando 10 Schatzungsgeschaft, dem die C. ursprunghch vor- 



erhalten (domi militiaeque imperium atque indi- 
cium summum). Es wurde dann durch Senats- 
beschluss (ultimum S. G.) der Belagerungszustand 
verhiingt (z. B. Sail. Cat. 29. Caes. b. c. I 5, 3. 
Cic. p. Rab. perd. 20) mit den bekannten Worten 
dent ope/ram eotisules . . ne quid resp. detrimenti 
capiat (so bei Caes. a. a. O.; sonst ahnlich) und 
hiedurch den obersten Beamten unumschrankte 
Gewalt mit dem Rechte iiber Leben und Tod ver- 



standen, wurde ihnen genommen durch die Errich- 
tung der Censur 319 = 435, die Senatserganzung 
durch das ovinische Gesetz (Fest. s.praeteriti sena- 
tores p. 246; nach Mommsen St.-R. II» 418, 3 
im J. 442 = 312, nach Hofmann Rem. Sen. 12f. 
bald nach 387 = 367, nach Herzog Syst. I 260 
zwischen 415 und 442 = 339 und 312; andere An- 
satze s. ebd.). Vgl.Art. Censores. Auch diePflege 
und Instandhaltung der offentliehen Gebaude, die 



\iehen, Zumpt Criminalr. I 2, 39J. L ange Rom. 20 Verdingung der offentliehen Bauten und der Zolle 

" '" ~~~ ging bei Errichtung der Censur an das neue Amt 

iiber, wurde aber in Vertretung der Censoren auch 
jetzt noch von den C. besorgt (z. B. Cic. in Verr. 
II 1, 1 30 ff. ; Strassenbauten von C: Via Aemilia 
567 = 187 Liv. XXXIX 2, 10. CIL I 535-537; 
Via Postumia 606 = 148 CIL I 540; Bauten 
des Popillius cos. 622 = 132 CTL I 551). Die 
Verfugung iiber das GemeindevermOgen, die den 
C. als Erben der koniglichen Gewalt urspriing- 



Altert. 13 728. Mommsen St.-R. I» 687—697. 
Ill 1240-51. 

B. Innere Verwaltung. 

In der inneren Verwaltung steht den C. das 
Recht zu, Senat und Volk, letzteres nach Curien, 
Centurien oder Tribus (Polyb. VI 12, 4. Liv. Ill 
71, 3. 72, 6. Tac, ann. XI 22, weitere Belege fur 
die Tribuscomitien bei Mommsen St..R. lis 
128, 1) zu berufen (Cic. de leg. Ill 10), diesen 



Versammlungen zu praesidieren, Antriige darin zu 30 lich zugestanden hat , ist sehr bald auf ein ge- 

„ t „n„„ „„a „„j„_„ j„„ w„„i_ u..-i._ .-, ._. ringesMass eingeschrankt worden, Nur iiber die 

bewegliche Kriegsbeute durften sie nach eignem 
Ermessen disponieren (Marquardt Rom. Staats- 
verw. 112 285. Mommsen Herm. I 177 = R. F. 
II 3 443) ; Gemeindeland zu veriiussern, sei es an 
Getter oder an Menschen, war ihnen nicht ein- 
mal dann verstattet, wenn sie es selbst erbeutet 
hatten. Aus dem Staatsschatz durften sie fiir die 
Bedurfnisse ihrer Thatigkeit Geld entnehmen, aber 



stellen und andern das Wort zu erteilen, vgl. Art. 
Comitia, Sen at us. Sie ko'nnen den Senats- 
beschlussen , die auf Antrag eines Consuls oder 
Praetors erfolgen, intercedieren (Liv. XXX 43, 1. 
XXXVIII 42, 9. XXXIX 38, 9. XLII 10, 10. Ascon. 
in Pison. 62 p. 13 K.-S. , bis auf den letzten 
Fall ist jedoch die Intercession uberall unwirksam 
geblieben; vgl. Herzog Gesch. u. Syst. d. rOm. 
Staatsverf. I 599, 1) , nicht aber denen, die von 



einem Tribun beantragt sind (so Mommsen St.-R. 40 nur unter Controlle der Quaestoren, welche die 



13 282 nach Gell. XIV 7, 6 und Cic. de leg. in 
10). Vielleicht hat Sulla das Intercessionsrecht der 
C. gegen Senatsbeschliisse aufgehoben; wenigstens 
findet sich spater kein sicheres Beispiel mehr da- 
fur. Die beiden einzigen Stellen, auf die man 
sich beruft, Caes. b. c. I 6, 4 und Suet. Caes. 29 
lassen eine andere Auffassung zu, wonach es sich 
nicht um Intercession, sondern um einfache poli- 
tische Opposition handelte (Mommsen St.-R. I s 



Schliissel der Kasse fiihrten (Polyb. VI 12, 8. 13, 2. 
XXHI 14, 5. Liv. XXXVIII 55, 13. Plut. apophth. 
reg. et imper. Scip. mai. 9 p. 196 F ; wahrscheinlich 
irrtiimlich Dio XLI 17, 2, vgl. Mommsen St.-R. 
lis 132, 2, der sich gegen die Ansicht wendet, 
dass die C. den Schlussel zum aerarium sanctius 
gehabt hatten, Caes. b. c. I 14, 1. Lucan. HI 117). 
Die Steuerausschreibungen, welche regelmassig 
durch die C. erfolgten, waren, wie Mommsen 



272,J i gegen Willems Le s<mat H^OO). In 50 (St.-R. H3 131) und Herzog (Syst. I 701) mit 

Tr.ii i.._ T_-_..i.._ ,■ r, n. Recht annehmen, von der Einwilligung des Senats 

abhangig (Liv. XXIII 31, 1. XXIV 11, 7; das 
Senatsconsult ist nicht erwahnt Liv. XXVI 35, 3); 
die Steuerveranlagung ging seit Errichtung der 
Censur auf dieses Amt uber. Fast in alien Punkten 
der Finanzverwaltung, in welchen die C. thatig 
sind, ist ihre Befugnis auf die Ausfuhrung des 
Willens des Senates oder des Volkes beschrankt. 
Auf alien ubrigen Gebieten der Verwaltung bilden, 



den Volksversammlungen beantragen die C. Ge- 
setze und andere Volksbeschlusse und leiten sie 
die Wahlen der Magistrate. Letzteres ist aus- 
schliessliches Recht der C. ; wenn Magistratswahlen 
bisweilen auch unter Leitung von Praetoren statt- 
gefunden haben, so war das ungesetzlich (Cic. ad 
Art, IX 9, 3. 15, 2. Messala bei Gell. XIII 15, 4). 
Als wahlleitende Magistrate haben die C. die 
Pflicht, die Qualification der Candidaten zu priifen. 



Uber die Gegenstande ihrer amtlichen Thatigkeit 60 soweit nicht besondere Bestimmungen bestehen, 



hatten die C. , wie alle andern Magistrate , das 
Recht, Bekanntmachungen und Befehle von vor- 
iibergehendem Interesse oder auch von dauernder 
Giiltigkeit, Edicta, miindlich durch Heroldsruf, 
wie schriftlich, zu erlassen. Solche werden z. B. 
erwahnt iiber Execution gegen Schuldner Liv. II 
24, 6, fiber C- Wahlen Liv. Ill 21, 8, iiber das 
Local der Senatssitzungen Liv. XXIII 32, 3, iiber 
Pauly-Wiesowa IV 



die C. die oberste BehGrde. So werden nach Lex 
Iul. Munic. Z. Iff. von den Getreideempfangern 
bei ihnen Declarationen (vermutlich fiber Ver- 
mOgen) abgegeben und von ihnen verflffentlicht. 
Sie sorgen an _erster Stelle fiir die offentliche 
Sicherheit (Tac." ann. IV 19), haben die Aufsicht 
uber die Staatsgefangenen (Dio LVTII 3, 5. Tac. 
ann. VI 3), erlassen die Edicte gegen diejenigen, 

36 



1123 



Consul 



Consul 



1124 



welehen die Gemeinschaft von Feuer und Waaser 
versagt werden soil (Appian. "bell. civ. I 31), ver- 
bieten in aufgeregten Zeiten das Waffentragen 
innerhalb der Stadt (Plin. n. h. XXXIV 139), 
weisen die Fremden aus (Cic. p. Sest. 30. Liv. 
XLI 9. 9. XLII 10, 3. Appian. bell. civ. I 23. 
Plut. C. Gracch. 12. Joseph, ant. XVIII 84) 
u. dgl. m. Bei Feuersbrunsten erscheinen sie auf 
der Brandstatte (Cic. in Pis. 26). 

Rechtspflege. Als Inhaber der regia po- 10 
testas besitzen die C. urspriinglich die civile und 
criminelle Gerichtsbarkeit (Dionys. X 1, vgl. VI 
24, 1. VII 34. X 5. 7. 19. Liv. H 1, 8. 27, 1. 
Ill 9, 4. IV 3, 9. Ovid. fast. I 207). Die erstere 
ist ihnen jedoch durch die Errichtung der Prae- 
tur 387 = 367 genommen worden, und es ist 
ihnen nur das Einsprucbsrecht gegen die Decrete 
des Praetors (Val. Mas. VII 7, 6), sow die Be- 
rechtigung, freiwillige Gerichtsbarkeit, wie Adop- 
tion, Freilassung und Emancipation zu vollziehen, 20 
geblieben (Ulp. reg. 1, 7). Eine specielle Com- 
petenz iiber Freilassungen wurde im J. 577 = 177 
dem cos. C. Claudius Pulcher erteilt (Liv. XLI 
9, 12). Aber hiovon abgesehen, haben die C. 
selbst ausserhalb Eoms in Ausiibung des milita- 
rischen Imperium die Civilgerichtsbarkeit tlber die 
Walle des Lagers hinaus nicht besessen (Gell. VI 
1, 8). Wenn sie das Commando in einer praeto- 
rischen Provinz fibernahmen, so wurde ihnen der 
Praetor beigegeben, dem wahrscheinlich die Wahr- 30 
nehmung der Eechtspflege oblag, so in Sicilien 
536 = 218 (Liv. XXI 49, 6) , in Spanien 559 
= 195 (Liv. XXXin 43, 9) und in Sardinien 577 
= 177ff. (Liv. XLI 15, 6). Dagegen ist mit der 
proconsularischen Provincialverwaltung seit Sulla 
regelmassig und in einzelnen Fallen auch schon 
friiher die Gerichtsbarkeit in Civilsachen verbun- 
den ; vgl. dartiber Art. P r o c o n s ul. Die Criminal- 
gerichtsbarkeit , welche den C. theoretisch zu- 
nachst in vollem Umfange zukommt, practisch40 
aber schon im ersten Jahre der Republik durch 
die Provocation eingeschrankt wird (Dionys. V 19. 
Cic. de rep. II 54), besteht einerseits in der Ziich- 
tigung des Ungehorsamen behufs Erzwingung des 
Gehorsams (Coercition), andererseits in der Ab- 
urteilung gemeiner Vcrbrechen behufs Bestrafung 
des Schuldigen (Indication). Coe'rcitionsmittel 
sind Todesstrafe, Freiheitsverlnst, Haft, kOrper- 
liche Ztichtigung, Geldbusse und Pfandung. Doch 
ist die Todesstrafe, welche von den ersten C. ver- 50 
hangt und vollstreckt wurde (Liv. II 5, 8. Dio- 
nys. y 8—13), innerhalb Roms sofort beseitigt 
und nur dann wieder angewendet worden, wenn 
sich der C. in der Notwehr befand (wie von M. 
Antonius gegen den falschen Marius und Genossen 
710 = 44, Appian. b. c. Ill 3). Verkauf in die 
Sclaverei, welche nur dem C. zustand, ist wegen 
Entziehung der Dienstpflicht (Varro bei Non. p. 19. 
Val Max. VI 3. 4. Dionvs. Vni 81. X 33. 
Arr. Men. Digest, XLIX 16. 4, 10) oder der Selbst- 60 
einschatzung"(Zonar. VII 19, 8) in alterer Zeit 
oft vorgekommen, wird von Cicero als gesetz- 
liches und in Ubung befindliches Zuchtmittel er- 
wiihnt (p. Caec. 99) und ist noch in deT Kaiser- 
zeit wiederholt zur Anwendung gebracht worden 
(Dio LVI 23, 2. Suet. Aug. 24). Das Recht, die 
kflrperliche Ztichtigung an Burgern vollziehen zu 
lassen, ist wenn nicht bereits friiher (durch Lex 



Valeria 454 = 300? Liv. X 9, 5), so doch sicher 
durch die Leges Porciae beseitigt worden (Liv. 
X 9, 4. Cic. de rep. II 54; in Cornel, bei Asc. 
p. 69 K.S.; Verr. V 163; p. Rab. perd. 8. 12. 13. 
Sail. Cat. 51, 22. 40). Fur die Geldbusse ist schon 
in sehr friiher Zeit ein Maximum von 30 Rindern 
und 2 Schafen festgesetzt worden, was dann durch 
Lex Aternia Tarpeia im J. 300 = 454 (oder Iulia 
Papiria im J. 324 = 430? Liv. IV 30, 3. Cic. de 
rep. II 60) in eine Geldbusse von 3020 As ver- 
wandelt wurde (Gell. XI 1, 2. Dionys. X 50. Fest. 
s. maximam multam p. 144. M om m s e n E. Munzw. 
175). Alle Strafen, welche iiber die angegebenen 
Grenzen hinausgehen, bediirfen der Genehmigung 
der Volksversammlung. Bei den dort zu fuhrenden 
Verhandhmgen aber (iudicda populi) treten nicht 
die C. als Anklager auf, sondern die Quaestoren und 
Duovirn (s. d.). Dasselbe gilt von der gesamten 
Strafrechtspflege im Gebiete der gemeinen Ver- 
brechen; auch bei den im 7. Jhdt. eingerfchteten 
Quaestionengerichten sind die C. nicht beteiligt. 
In ausserordentlichen Fallen aber ist den C. bis- 
weilen vom Volke die Untersuchung in Capital- 
sachen iibertragen worden , so 340 = 414 nach 
Ermordung des Consulartribunen M. Postumius 
durch seine Soldaten (Liv. IV 50. 51) und 613 
= 141 gegen den Praetor L. Tubulus wegen Be- 
stechung im Vorsitze der quaestio inter siearios 
(Cic. de fin. II 54). Hieher gehOrt noch die auf 
Urteilsspruch der C. verfiigte Auslieferung solcher, 
die das VClkerrecht verletzt haben, an den ver- 
letzten Staat (z. B. Cic. de rep. Ill 28). Frauen, 
Fremde und Sclaven besassen das Provocatiohs- 
recht nicht unci waren daher der unbeschrankten 
Iudication des C. unterworfen; doch gehOren 
Frauen in der Regel vor das Hausgericht, und 
Strafsachen gegen Fremde und Sclaven wurden 
in Rom meist von den Tresviri capitales (s. d.) 
abgeurteilt; vgl. Mommsen St.-R. 13 136—169. 
Zumpt Criminalrecht 1 1, 354ff. Im Amtskreise 
militim haben die C. das unumschrankte Imperium 
und damit die unumschrankte, nicht einmal del- 
Intercession der Yolkstribunen unterworfene Coer- 
cition und Iudication nicht nur fiber Soldaten und 
Officiere ihrer Heere (Liv. IV 50, 4. VLTI 7. Dio- 
nys. VIII 87. IX 50), sondern auch iiber die 
Fremden (Dionys. X 21) und Burger. Doch stand 
den lctzteren wohl immer die Provocation an die 
Volksgerichte in Rom frei. Nur in Ausnahme- 
fallen wurden die C. ermachtigt, Verbrecher auch 
rSmischen Rechts vor ihr Tribunal zu ziehen und 
abzuurteilen , so bei VerschwSrungen , wie 425 
= 329 (Liv. Vm 20, 7 1, 451 = 303 (Liv. X 1, 
3), 550 = 204 (Liv. XXIX 36, 10), wegen Bacchan- 
alien 568 = 186 (extra orditiem, Liv. XXXIX 14. 
6), wegen Mordthaten im Silawalde 616 = 138 
(Cic. Brut. 85). 

Streitigkeiten foederierter Staaten unter em- 
ander oder zwischen foederierten Staaten und 
Eomem gehOren vor den Senat und werden von 
diesem oft an die C. (oder einen Praetor) zur Ent- 
scheidung iibergeben; so 681 = 73 tier Streit 
zwischen rOmischen Steuerpachtem und Oropus 
(Mommsen Herm. XX 268), 700 = 54 zwischen 
Reate und Interanina Nahars CCic. ad Att. I\ 15. 
5- pro Scaur. 27). zwischen Pompei und Nuceria 
59 n. Chr. (Tac. ann. XIV 17). Der Senat giebt 
in der Regel dem delegierten C. ein Consilium 



1125 



Consul 



Consul 



1126 



(17 Senatoren bei Oropus, 10 bei Reate). Die von 
dem C. gefallte Sentenz bedarf der Bestatigung 
■des Senates. De Euggiero L'Arbitrato pub- 
blico in relazione col privato presso i Bomani 
^Bom 1893) 158ff. 

Religionspflege. Dass auch in derLeitung 
und Beaufsichtigung des Gottesdienstes die C. ur- 
spriinglich Nachfolger der KOnige gewesen sind, 
dafiir fehlt es, wenn auch im allgemeinen die 
Uberwachung und Anordnung der verschiedenen 
CJulte in der Hand der grossen Priestercollegien lag, 
nicht an deutlichen Spuren. fiber die Fcriae Latinae 
und das Vestaopfer in Lavinium s. o. S. 1116. Die 
C. leisten ferner fiir das Volk Geliibde und lOsen 
sie durch Verrichtung von Op fern und Spielen 
(z. B. Liv. XXI 63, 7. Ov. es Pont. IV 9, 49. 
Fest. s. nuncupata p. 171. Arvalacten zum 23. Ja- 
nuar 37 und 17. Januar 89; me.hr o. S. 1116); 
sie suhnen die Prodigien (Liv. XXV 7, 9), sie 
ordnen die nicht kalendarisch flxierten Feste 
an, wie die Feriae Latinae, und sie bestimmen die 
Tennine der vom Senat beschlossenen Supplica- 
tionen (Liv. XXXI 8, 2. XXXVI 2, 2. XL 19, 5. 
Macr. 1 16, 6). Sie fiihren den Vorsitz bei den Ludi 
Romani am 15. September (Liv. XLV 1, 6) und bei 
anderen Spielen (z. B. Liv. V 31, 2). Sie weihen, 
sofern nicht andere Bestimmungen dariiber ge- 
troffen sind, Tempel (Liv. IX 46, 6), und wenn man 
mit Mommsen (St.-R. 113 135) aus einer analogen 
Bestimmung der Lex col. Genetivae iiber die dor- 
tigen Duumvirn auf die rOmischen Verhaltnisse 
zuriickschliessen darf, so bestellen sie jahrliche 
magistri oder curatores fur diejenigen Tempel, 
welche keinen eigenen priesterlichen Vorstand 
hatten (Lex Urson. c. 128). Es stimmt zu dieser 
Annahme, dass aus dem J. 259 = 495 ein Senats- 
beschluss uberliefert ist, wonach das Mercurial- 
collegium durch denjenigen C. eingesetzt werden 
sollte, dem die Weihung des Mercurtempels fiber- 
tragen werden wfirde (Liv. II 27, 5). 
II. Zeit des Principats. 

Den naheliegenden Gedanken, die Monarchic 
auf dem Consulate zu erbauen, der vielleicht dem 
Caesar nicht fremd war, von Augustus sicher eine 
Zeit lang gehegt wurde, hat dieser dann doch 
fallen lassen. Indem er nun aber die Herrschaft 
des Reiches zwischen dem Senate und dem Prin- 
ceps teilte, wurden die C. die hochsten Reprae- 
sentanten der senatorischen Herrschaft. Dabei 
musste ihre thatsachliche Macht immer mehr ver- 
kiimmern, da es im Wesen des Principates lag, 
die gesamte Verwaltung an sich zu ziehen. Die 
consularische Macht war um so starker und be- 
deutungsvoller, wenn ein schwacher Princeps die 
Zfigel der Regierung fiihrte (Herod. II 12, 4). 
Ganz eingegangen ist jedoch der Consulat erst 
sehr viel spater; vielmehr wurde diese historische 
Institution von den Kaisern sorgfaltig gepflegt 
und mit immer grosserem Glanze umgeben. 

A. Ausserer Glanz und Insignien. 

Die C. erhielten gleich dem Senate den Titel 
amplissimus (CLL VHI 2553. Rescripte Dig. 
XXXV 1, 50. XLIX 1, 1, 3. Fragm, Vat. 155. 
Plin. paneg. 77. Suet. Aug. 26. Marcus an Fronto 
IT 2. 3. 6. 10. 11)._ Seit der Mitte des 2. Jhdts. 
hielt der C. den feierlichen Aufzug auf das Capi- 
tol am 1. Januar im Triumphschmuck (processus 
tonsillaris Eckhel VIII 335ff. Gell Philol. XIV 



586. Mommsen St.-R. 13 414. Jullian Revue 
d. Philolog. 1883, 145ff. B 1 o c h bei D a r e mb'e r g- 
Saglio Diction. I 1470ff.). Er trug dabei die 
lorbeerumkranzten Eutenbiindel (erste Erwahnung 
bei Mart. X 10, 1 im J. 98; vgl. XII 3, 11) 
mit den Beilen (Claudian. in cons. Prob. 232), die 
ganz purpurne Toga (toga pieta) und die tunica 
palmata (Martial. XI 4, 5. Front, ad Marc. I 7 
p. 20 N. Herodian. I 16, 3. Hist. Aug. Aurel. 13, 

10 3; Alex. Sev. 40, 8; Gord. 4, 4), die Trabea (Serv. 
Aen. VII 610. 612. Claud, in Eutrop. I 9. Auson. 
grat. act. 5 Iff. Amm XXIII 1, 1. XXV 10, 11. XXVI 
5, 6. Cassiod. var. TJ 1, 3. 2, 6. IX 23, 5) und das 
Scepter (Hist. Aug. Aurel. 13, 4. Prudent. Peri- 
steph. X 148. Cassiod. var. VI 1, 6. CIL X 1709. 
Eckhel VI 114). Spater kamen dazu noch goldene 
Schuhe (ealcei aurati Cass. VI 1, 6). Der C. ging 
nicht mehr zu Fuss auf das Capitol, sondern fuhr, 
und zwar wenn er ein Kaiser war, mit vier Pferden, 

20 oder liess sich in der Sanfte tragen (Mamertin. 
grat. act. 30. Gell a. a. O. 601ff.). Die alteste 
bildliche Darstellung eines solchen Processus con- 
sularis im Triumphalschmuck findet sich nach 
U. Kbhler Athen. Mitt. I 126 auf dem Philo- 
papposdenkmal zu Athen, sodann nach Momm- 
sen St.-R. 13 415, 2 auf einer Munze des Pius 
zum J. 140 (Cohen II 286 nr. 50, Abbild. Taf. 
13), ferner auf einer Munze des Caesar Marcus 
vom J. 146 (Eckhel VII 46). Der Antritt des 

30 Consulates pflegte mit Spielen gefeiert zu wer- 
den (Arrian. Diss. IV 10, 21. Front, ad Marc. II 
1. Ammian. Marc. XXII 7, 2), und auch wahrend 
der Amtszeit hatten die C. mehrfache Spiele aus- 
zurichten (Mommsen CIL 12 p. 306 zum 7. Ja- 
nuar. Hist. Aug. Aurel. 12, 1. lust. Nov. 105). Pole- 
mius Silvius erwahnt an drei Tagen consularische 
Circusspiele : am 7. Januar die prima mappa (An- 
trittsspiele? Ammian, Marc. a. a. O. lust. Nov. 
105), am 13. Januar zu Ehren des Iuppiter Stator, 

40 und am 19. April bei Gelegenheit der ludi Geriales. 
In der 105. Novelle lustinians werden von den 
dort aufgeffihrten 7 processus consulares (Ttgdi- 
o&oi) , die hinfort den C. verstattet sein sollen, 
5 (2 — 6) als mit Spielen verbunden bezeichnet, 
namlich nr. 2 &ea xG>v a/idi.7]Ti]Qi(ov 'inxuiv , rjv 
Si] fiajzxa%> iiQooayoQevovotv ; nr. 3 ■dsaTQOxvvt)yiov ; 
nr. 4 /u.ovr]jxsQiov, sv&a 710/J.rjg rj&vnadsias ejj.nlrj- 
aei xov dijfior to rs xalovfMvov jiayxaQnov t?«co- 
fisvov nal &r)Qiois 7CQOOfia%oiievovs av&gd>jtov; xai 

50 EvSoxiftovrras tfj roXfirj y.aX Tiqog ye dvatQOv/j.sva 
za drjQia; nr. 5 nogvai, ev&o. xolg em axrjvijg ye- 
XdozoxoioT; itfxo\i x<J)Q<x xoayatboig xt xai xois esii 
zfjs dvfiiltjg %oqoTs xzL ; nr. 6 #«» ijkicjv a/ul- 
Xr)xtjQi(ov rjxot rj xa?,ovfievrj ji*a.-cra. Aus fruherer 
Zeit werden Consularspiele genannt am Jahres- 
tage der Schlacht bei Actium (Dio LIX 20, 1), 
am Geburtstage des Kaisers Augustus 23. Sep- 
tember (Dio LVI 46, 4), am Geburtstage des re- 
gierenden Kaisers (Dio LIX 20, 1. Plin. pan. 92. 

60 Cod. Theod. XV 5, 2, 1) und bei ausserordent- 
lichen Gelegenheiten (Dio XLIX 42, 1. LX 23, 
4). Sonstige Erwahnnngen der Consularspiele Suet. 
Ner. 4. Martial. VTII 78, 12. Iuven. X 41. Hist. 
Aug. Gord. 4, 3. Dio XLVIII 32, 4. LV 8, 3. 
LVI 1, 1. LIX 14, 1. LX 27. 2. LXI 6, 2. LXXX 
5, 1. Marcell.- Dig. XXXV 1, 36 pr. (vor Antritt 
des Amtes gegeben). Claudian. in cons. Theod. 280 
—332. Symmach. epist. VII 4. 7. 8. IX 149. Cod. 



1127 



Consul 



Consul 



1128 



Theod. XV 5, 2, 1. 7, 6. 9, 1. Cassiod. var. VI 1, 7. 
Ill 39. V 42, 1. VI 10, 2. Abgebildet sind sie 
(jfter auf den Diptycha (daruber s. u.). Es scheint, 
als ob den C. allein fur ihre Spiele das Colosseum 
flberlassen wurde (Symm. ep. IV 8, 2), wahrend es 
den iibrigen Beatnten versagt wurde. Merkel zu 
Ovids Fasten praef, IX — XL Mommsen St.-R. 
113 I36ff.; OIL 12 p. 299. 328. 329 = U p. 377. 
401. 402. 



zu Iuv. IV 94. Dessau 1010]; L. Verginius Ru- 
fus 63. 69. 97; M. Annius Verus II 121, III 126; 
Sex. Iulius Prontinus 74 (?). 98. 100; C. Liei- 
nius Mucianus II 70, III 72; L. Licinius Sura 
II 102. Ill 107; L. Iulius Ursus Servianus II 
102. m 134. Hist. Aug. Hadr. 8, 4). 

Verkurzung des Consulates. Es -war eine 
weitere scbwere Beeintrachtigung der Wurde und 
Bedeutung des Consulates, dass man, unter dem 



Wahl und Ernennung. Es gehorte ferner 10 Vorwande, mehr verdiente Leute an der Ehre des 



zur ErhOhung des ausseren Glanzes des Consula- 
tes, dass die Kaiser seit Claudius regelmassig im 
ersten Jahre ihrer Regierung und audi sonst nocb 
ofter — Domitian war in seinen 15 Regierungs- 
jahren zehnmal C. — dieses Amt bekleideten; 
aber es lag darin zugleich eine Minderung seiner 
Bedeutung. Denn mocbten sicb aueb einzelne 
besonders gewissenhafte Kaiser alle Mtthe geben, 
die Consulatsgeschafte piinktlich zu erfiillen, so 



hOchsten Amtes teilnebmen zu lassen, seine Dauer 
Terkiirzte. Den Beginn mit dieser Neuerung 
macbte, wie Dio richtig bemerkt (XLffl 46, 3; 
dagegen Herzog System II 33. 828), Caesar, der 
im J. 709 = 45 am 1. October das Amt nieder- 
legte und zwei andere C. an seine Stelle treten 
liess (Bio XLHI 46, 2. Suet. Caes. 80. Lucan. 
V 399). Als die Triumvirn im J. 715 = 39 die 
Consulate fur 720—723 = 34—31 im Voraus 



lieet es docb auf der Hand, dass ein Amt, dessen 20 bestimmten , setzten sie sogleich kiirzere Pristen 

■n B .,_• j... t^ • 1 „~; !>„„; „„„ „„ tTlln TTT.VTTT aR 91 7i,tti T 791 — 38 sind 



Functionen der Kaiser neben seinen Regierungs- 
pflichten zu erledigen vermocbte, himmelweit ver- 
schieden war Ton dem, dessen Inhaber fiinf Jahr- 
hunderte lang die Geschicke des Reiches geleitet 
batten. Und wenn die C, wie wir sahen, die 
obersten Vertreter der in der Theorie der Kaiser 
ebenbiirtig gegenuberstehenden Senatsregierung 
waren, so war es seitens der Kaiser ein Ubergriff, 
dass sie selbst sicb den Consulat beilegten. Hier 



an (Dio XLVHI 35, 2). Zum J. 721 = 33 sind 
in den Fasten acht C. und fiinf Amtsbeginue 
(1. Januar, 1. Mai, 1. Juli, 1. September, 1. Oc- 
tober) verzeichnet. Nachdem Augustus fur einige 
Zeit zum alten System zuriickgekehrt war, werden 
seit 754 bis zur Regierung des Claudius Jahres- 
consulate immer seltener und wohl nur als be- 
sondere Auszeichnung , meist an Verwandte des 
kaiserlichen Hauses verliehen (BoTghesi Oeuvr. 



mit steht es nun vollig im Einklange, dass die 301V 483): C. Caesar 1 n. Chr., M. Aemilius Le 



Wahl der C. zur Zeit des Principates illusorisch 
wurde. Bereits Caesar hat die C. thatsachlich 
eingesetzt, wenn er auch das Wahlrecht des Volkes 
formeil nicht angetastet hat. Von den Triumvirn 
aber sind alle C. ohne Befragung der Comitien 
ernannt worden (Dio XLVI 55, 3. Appian. b. c. 
IV 2). Augustus liess zwar seit dem J. 727 = 27 
die Magistrate im allgemeinen wieder durch das 
Volk wahlen, hat sie aber bisweilen doch mit 



pidus 6, Q. Caecilius Metellus Creticus 7 (doch 
vgl. Borghesi Oeuvr. V 313). T. Statilius Tau- 
rus 11, Germanicus 12 (Dio L VI 26, 1), Sex. Pom- 
peius und Sex. Apuleius 14, Drusus Caesar 15, 
M. Iunius Silanus 19, M. Valerius Messalla und 
M. Aurelius Cotta 20, C. Asinius Pollio 23 (Ar- 
valfasten), Cn. Domitius Ahenobarbus 32 (Dio 
LVIII 20, 1), C. Caecina Largus 42 (Dio LX 10, 
1), T. Statilius Taurus 44 (Borghesi Oeuvr. TV 



Umgehung der Comitien selbst ernannt, so 735 40 531. VIII 523), M. Valerius Asiaticus 46 (Dio LX 



= 19 den cos. Q. Lucretius (Dio LIV 10, 2), im 
J. 7 n. Chr. alle Beamten (Dio LV 34, 2; vgl. auch 
Dio LV 6, 5. 22, 1. Pomp. Dig. I 2, 2, 47. Senec. 
de clem. I 9, 12). Unter Tiberius wurden die Comi- 
tien in den Senat verlegt ; der Kaiser beeinflusste 
die Wahlen, indem er die Bewerber, die ihm genehm 
waren, unterstatzte (CIL IX 2342. Dio LVIII 20 
vTiaxtvEiv hxoiei); doch lasst sich ein formeller Ein- 
griff des Kaisers in das Wahlrecht mit Bestimmt 



27,1), Paustus Cornelius Sulla52. Vgl.Mommsen 
St.-R. lis 83, 3. Klein Fasti Consulares, Leipz. 
1881. Dann hfiren die Jahresconsulate ganz auf. 
Jahresconsulate der Kaiser kommen fast gar nicht 
vor (Nero 57 ; vgl. M m m s en Herm. XII 1877, 129). 
Dagegen gehoren unter der iulisch-claudischen Dy- 
nastie, abgesehen von der Regierung des Caligula, 
und Claudius, halbjahrige Consulate zur Regel, 
Suet. Nero 15. Noch mehr verkiirzt werden die 



heit noch nicht naehweisen. Caligula gab sogar 50 Consulate in der flavischen Dynastie. Das Jahr 
"" n ^ " ' ■ "- 1 - 'T^-- ttv a m w ^ nun m yerschiedene ungleiche Abschnitte 

{nundinia Hist. Aug. Ales. Sev. 28, 1. 43, 2; 
Tacit. 9, 6), teils viermonatliche, teils zweimonat- 
liche geteilt. Waren unter Vespasian und Do- 
mitian wenigstens die eponymen Consulate meist 
viermonatlich, so sind im 2. Jhdt., wie es scheint, 
die zweimonatlicben Consulate Regel geworden. 
Nur einzelne Kaiser , wie Hadrian und Traian, 
bekleideten bisweilen den Consulat durch zwei 



dem Volke das Wahlrecht zurfick (Dio LIX 9, 6) 
und liess es formell unangetastet (Dio LIX 20, 3). 
Am Ende der Regierung Neros aber werden die 
C. durch kaiserliche Ernennung in ihr Amt ein- 
gesetzt (Tac. hist. I 77. H 71), und diese Neue- 
rung wird daher von Mommsen (St.-R. II 3 124) 
auf Nero zuruckgefuhrt. Von jetzt ab emennt 
der Kaiser nur soviel Consulatscandidaten , als 
zu wahlen sind, und diese werden ohne Wider- 



pruch sewahlt; die C. sind also factisch nur 60 Nundinia, urn mehr Privaten die Ehre der kaiser 



noch vom Kaiser ernannte Beamte (CDL XIV 3608. 
Appian. b. c. I 103. Plin. paneg. 77. Dio LXVII 
4, 2. Symmach. pro patre 7). Der Consulat wurde 
auch bisweilen mehrmals demselben Manne ver- 
liehen, doch nie Ofter als dreimal (Plin. ep. II 
1, 2; dreimal waren Private C: L. Vitellius 34. 
43. 47; A. Fabricius Veiento und Vibius Cri- 
spus, cos. Ill i. J. 83? [Statius beim Schol. Vail. 



lichen Collegialitat zu verschaffen. Auch im 3. Jhdt. 
sind zweimonatliche Consulate nach Dio XLHI 
46, 5 das iibliche; doch finden sich Ausnahmen 
(Henzen, s. u.); so sind in den Fasten (CIL 
X 4631) fiir 289 zwei viermonatliche Consulate 
bezeugt. Andere Pristen, wie monatliche oder 
dreimonatliche, sind sehr selten. Unter Commo- 
dus waren einmal 25 C. in einem Jahre (Hist. 



I 



1129 



Consul 



Consul 



1130 



Aug. Commod. 6, 9. Dio LXXn 12, 4). Vgl. 
Aschbach S.-Ber. Akad. Wien XXXV (1861) 
706. XXXVI 247. Stobbe Philol. XXXI (1872) 
263ff. Henzen Ephem. epigr. I p. 187ff. As- 
bach Festschr. f. A. Schafer 1882, 190—210. 

Ornamenta Gonsularia. Adleeti inter 
Gonsules. In der Kaiserzeit werden auch solchen, 
die den Consulat nicht bekleidet haben, bisweilen 
die Ehrenrechte verliehen, welche sich an dies Amt 
knupften, und zwar entweder durch adlectio inter 
consulares oder durch die Verleihung der orna- 
menta consularia. Der Unterschied bestand da- 
rin, dass die adleeti alle politischen und Ehren- 
rechte der gewesenen C. erhielten, namentlich 
Sitz und Stimme unter den consulares im Senat, 
die mit den ornamenta consularia geehrten da- 
gegen nur die Ehrenrechte, d. h. namentlich die 
Berechtigung, mit den consularischen Insignien 
bei feierlichen Gelegenheiten Sffentlich zu erschei- 
nen, den Sitz unter den Consularen aber nur 
dann, wenn sie bereits vorher im Senate sassen. 
Die erste nachweisliche Verleihung der Ornamenta 
consularia geschah an den Tribunicier C. Papirius 
Carbo 689 — 65 nach einer gliicklich durchge- 
fuhrten Repetundenklage (Dio XXXVI 40, 4). 
Unter dem Principate ist sie haufig erfolgt (Bei- 
spiele bei Mommsen St.-R. I s 46 Iff.), jedoch an 
Senatoren nicht fiber das 1. Jhdt. hinaus. Verfiigt 
wurde sie vom Senate, aber wohl immer auf 
Empfehlung des Kaisers. In der Aufzahlung der 
Amter wurden die Ornamenta in alterer Zeit nicht 
mitgerechnet; erst C. Fulvius Plautianus cos. 203 
wurde von Septimius Severus wegen der ihm 
friiher verliehen en consularischen Ornamenta als 
consul II renuntiiert (Dio XLVI 46, 4. LXXVIII 
13, 1). Die adlectio inter consulares ist von 
Caesar vorgenommen worden (Dio XLIII 47, 3), 
begegnet dann aber erst wieder im 3. Jhdt. unter 
Macrinus (217, Dio LXXVIII 13, 1. Hist. Aug. 
Alex. Sev. 21, 3; am Ende des 3. Jhdts. M. Cae- 
cilius Novatillianus, CIL IX 1571. 1572; unter 
Constantin: C. Caelius Saturninus CIL VI 1704 
und C. Iulius Rufinianus Tatianus CIL X 1125. 
Mommsen Memorie dell' inst. II 302), da die 
mit einer solchen Auszeichnung verbundene Ehrung 
bequemer durch Verleihung des Consulates selbst, 
der ja infolge der Verkurzung der Amtsdauer 
jetzt einer grSsseren Zahl von Bewerbern zugang- 
lich gemacht war, erreicht wurde. Haufiger wurde 
sie erst in der diocletianisch - constantinischen 
Epoche. Auch sie erfolgte immer durch den 
Senat. Vgl. Art. Adlectio, o. Bd. I S. 366ff. 
Nipperdey Abh. d. sachs. Ges. d. Wissensch. V 
69ff. Lange Rem. Altert. 13 741. Mommsen 
St.-R. 13 455ff. 113 939ff. Bloch De decretis 
functorum magistratuum ornamentis, Paris 1883, 
73ff. De Euggiero Diz. epigr. I 413. 

Eponymie. Bei der Nennung der C. steht 
seit Tiberius Tegelmassig, falls ein Inhaber des 
Amtes aus dem kaiserlichen Hause vorhanden ist, 
dieser voran ; im ubrigen gehen diejenigen vor, 
die das Amt zum zweitemnal verwalten (anders 
Theodosius und Valentinian Cod. lust. XII 3, 1, 
2); nach der Ehegesetzgebung des Augustus soil 
der verheiratete dem unverheirateten , der Vater 
dem kinderlosen vorangehen (Gell. n 15, 4. 
Fragm. Vat. 197—199). Dankt einer der C. vor- 
zeitig ab, so tritt der Ersatzmann an seine Stelle. 



Fiir die Eponymie burgert sich im privaten Ver- 
kehr seit der Mitte des 1. Jhdts. der Brauch ein, 
dass nach den am 1. Januar antretenden C. (con- 
sules ordinarii Suet. Galb. 6; Vitell. 2; Domit. 
2. Senec, de ira 1TI 31, 2. Hist. Aug. Alex. Sev. 
28, 1. 43, 2. Symmach. ep. IX (130) 149, oder ex 
Kal. Ian. Nero cos. IV 59, CDL VII 1203; Re- 
gulus cos. 157, CIL XIV 2501) das ganze Jahr 
benannt wird ; die altesten bekannten Beispiele 

lOhieffir sind 5 n. Chr., CIL II 1343; 13, CIL 
VI 7479; 27, CIL II 4963 (Herm. XXI 1886, 
275) und in einer pompeianischen Urkunde Hermes 
XH 127; 44, Borghesi Oeuvr. IV 531. Zwar be- 
hauptet Dio (XLVIH 35, 3; doch vgl. XLHI 46, 6), 
dass sich in Italien bis auf seine Zeit die Gewohn- 
heit, nach den zur Zeit fungierenden C. zu datieren, 
erhalten habe, wahrend in den Provinzen die Suf- 
fecti meist gar nicht bekannt gewesen und deshalb 
kleinere C. (pfiiy.Q6zsQ0i vnazoi) genannt worden 

20seien. Diese Bemerkung findet jedoch Momm- 
sen (St.-R, lis 91, 2) nicht im Einklang mit 
den Monumenten, und ihre Richtigkeit kann durch 
vereinzelte neuere Funde, wie durch eine pom- 
peianische Geschaftsurkunde vom J. 61 n. Chi. 
(EckZtschr.d. Savigny-Stiftg. 1X1888,78), nicht 
erhartet werden. Auch das Material, welches A s- 
bach Festschrift fiir A. Schafer 1882, 211—216 
fleissig gesammelt hat, reicht dazu nicht aus. Auf 
officiellen Urkunden erhalt sich der Brauch, nach 

30 den fungierenden C. zu datieren , langer. Wir 
finden sie noch auf den Militardiplomen vom J. 166 
(Eph. epigr. n p. 460) und 167 (CIL III p. 888) 
und in den Arvalacten zwischen 186 und 188 
(CIL VI 2100) , im 3. Jhdt. aber schwindet er 
auch hier; die fungierenden C. begegnen nur noch 
ganz vereinzelt im J. 289 auf einer Urkunde der 
rOmischen Quindecimvirn (CIL X 3698) , wo sie 
neben den ordentlichen C. angegeben sind, und 
in den Fasten von Cales (CIL X 4631). Den 

40gleichen Fall, dass beide C.-Paare, die ordent- 
lichen und die fungierenden, aufgefuhrt werden, 
finden wir auch in den Auguralfasten zum J. 714 
— 40 (CIL VI 1976), in einer stadtromischen In- 
schrift vom J. 96, Henzen RSm. Mitt, 1886, 128, 
und in einem Schreiben des Pontificaleollegiums 
vom J. 155 (CIL VI 2120). Wenn bisweilen bios 
nach einem C. datiert wird (z. B. CIL n 4963 a 27 ; 
vgl. Asbach a. a. O. 212, 2), so ist das ,incor- 
recte Abkiirzung* (Mommsen St.-R. TL$ 90, 6). 

50 Dass man in diesem Falle immer nur den consul 
prior genannt habe, wie Borghesi Oeuvr. V 
74 zu erweisen suchte, bestatigt sich nicht durch- 
weg. Es ist begreiflich, dass die ordentlichen Con- 
sulate (aoyai extowftoi Herod. 1 16, 3) hoher ge- 
schatzt wurden, als die der Suffecti (Senec. de ira 
III 31, 2. Auson. grat. act. VTI 32); jene allein 
wurden von den Kaisern flbernommen, wenn diese 
nicht, wie Caligula, so gierig nach dem Amte 
waTen, dass sie bei der Thronbesteigung das neue 

60 Jahr nicht abwarten konnten. Der Titel consul 
ordinarius wurde fur die Eponymen im 3. Jhdt. 
officiell (Mommsen Ephem. epigr. I p. 136) und 
in der Aufzahlung der Amter, in der auch die 
nicht eponymen Consulate mit gerechnet wurden, 
ausdrttcklich genannt. 

Consularische Competenzen. Von seinen 
Machtbefugnissen busste der Consulat unter dem 
Principate ein die Aushebung und die Officiers- 



1131 



Consul 



Consul 



1132 



ernennung, die auf den Kaiser iibergingen. Eben- 
so fiel, da Volksversammlungen nicht mehr statt- 
fanden, das agere cum popido weg. Die Berufung 
des Senates und die Leitung der Verhandlungen 
blieb den C. zwar, aber entweder geteilt mit dem 
Princeps oder docb durch dessen Beeinflussung 
und Mitwirkung in ihrer politischen Bedeutung 
stark beschrankt. Bci der Umfrage im Senat 
wurden die designierten C. (Plin. ep. II 11, 19. 
IX 13, 13) oder in deren Abwesenheit die altesten 10 
Consulare zuerst zur Meinungsabgabe aufgefordert, 
wenn der Princeps praesidierte, die functionieren- 
den C. (Tac. ann. Ill 17). Die Wahlcn, welche 
seit Tiberius in den Senat verlegt waren, leiteten 
zwar die C. , aber auch bier war die Bedeutung 
der Wahlhandlung durch den Einfluss des Kaisers 
illusorisch geworden. 

Dagegen wurden dem Consulate jetzt einige 
Obliegenheiten, die ihm in der Zeit der Eepublik 
genommen waren, von neuem iibertragen. Hieher 20 
gehOren einige auf die innere Verwaltung bezfig- 
lichen Geschafte der Censur, die unter dem Prin- 
cipate (seit Domitian) aufgehoben wurde, wie die 
Verpachtung der Staatseinkiinfte (Ovid, ex Ponto 
IV 5, 19. Senatsbeschluss bei Frontin de aq. 100; 
aber irrtiimlich ist jedenfalls die Bemerkung Schol. 
Pers. Ill 28 cognitio enim equitum Bomanorum 
cemoribus erat subieeta , quae nunc consilium 
est officii); ferner mebrere juristische Competen- 
zen. Dass die C. aucb nacb Errichtung der Prae- 30 
tur fur die Aete freiwilliger Gerichtsbarkeit in repu- 
blicaniscber Zeit zustandig waren, ist oben be- 
merkt worden. Jetzt wurde ihnen durch die Lex 
Aelia Sentia vom J. 4 n. Chr. eine besondere 
Competenz fiber Freilassungen iibertragen (Ulp. 
Dig. I 10, 1. XXXV 1, 50. Iul. ebd. XL 2, 5. 
CIL VI 1877. HanelCorp. leg. 20. Mommsen 
St.-R. lis 102. Pern ice Festgabe fur Beseler, 
Berl. 1885, 64). In welcher Weise diese gegen 
die Praetoren abgegrenzt war, lasst sich nicht 40 
erkennen (unzulanglich Bethmann - Hollweg 
Civilprocess II 766). Zur Zeit des SeYerus trat 
an ihre Stelle (oder an ihre Seite?) ein Praetor 
de libcralibm causis (CIL X 5398). Dazu kam 
unter Augustus .in einzelnen Fallen der Auftrag, 
die Erfullung fldeicommissarischer Erbverpflich- 
tungen zu uberwachen (lust. Inst. II 23, 1 und 
dazu Theophilus), und hieraus entwickelte sich 
eine ordentliche consularische Gerichtsbarkeit fiir 
bedeutendere Fideicommisssachen in Rom, welcher 50 
fur die geringeren eine praetorische Instanz zur 
Seite stand (Cels. Digest. XXXI 29 pr. Pomp. Dig. 
12, 2,32. Gai. Inst. II 278. Ulp. reg. 25, 12). Auch 
hier ist freilich die Abgrenzung der Conipetenzen 
nicht mehr deutlich. Lenel Palingenesia II 924, 
2 vermutet wegen Ulp. Dig. I 9, 8. II 1, 19 pr. L 
16, 100, dass fiir diejenigen Personen, welche den 
Clarissimat besassen, nur die C. zustandig waren. 
Von Claudius wurde den C. die obrigkeitliche Vor- 
munderernennung iibertragen, die unter Marcus 60 
auf die Praetoren uberging (Suet. Claud. 23. Plin. 
ep. LX 13, 16. lust, Inst, I 20, 3. Hist, Aug. 
Marc. 10, 11. Ulp. Dig. XL 12, 27). Zur Zeit 
des Ulpian hatten die C. ferner die Rechtsprechung 
in Alimentationssachen (Ulp. Dig. XXV 3, 5. 
XXXIV 1. 3) und bildeten eine Art von Ober- 
verwaltungsgericht fiber stadtische Angelegenhei- 
ten in Italien (Ulp. Dig. XLIX 10, 1. L 4, 9. 



12, 8), vor welches seit Traian alle Pollicitations- 
sachen gehorten (P er nice a. a. O. 58; derselbe ver- 
mutet p. 16 der italienischen Ubersetzung dieser 
Abhandlung, dass auch fiir die Erzwingung der 
Ausstattung heiratsfahiger Tochter durch ihre 
Vater das Consulargcricht seit Septimius Seve- 
rus zustandig war). Wenn schliesslich an einer 
Reihe von Stellen consularische Rechtspreehung 
ohne Angabe des Falles erwahnt wird (Ovid, ex 
Pont. IV 5, 17. 9, 43. Dio LX 4, 4. LXIX 
7, 1. Suet. Tib. 31. Calpurn. Eel. 1, 69ff. Tac. 
ann. XIII 4. 28. Gell. XII 13, 1. XIII 25, 2. 
Rescr. div. fratr. Dig. XLIX 1, 1, 3. Hermog. 
Dig. I 18, 10), der sich auch die Kaiser in ihrem 
Consulate unterzogen (Plin. paneg. 77. Suet. Claud. 
14; Nero 14. 15. Hist. Aug. Hadr. 8, 5), so ent- 
zieht es sich unserer Kenntnis, ob sich diese Iuris- 
diction, soweit es sich dabei iiberhaupt um Civil- 
gerichte handelt, auf die oben aufgezahlten Ge- 
biete beschrankt oder auch auf andere ausgedehnt 
war. Die Ansicht Mom m sens, dass es sich um 
eine Appellationsinstanz , concurrierend mit der 
kaiserlichen Civilgerichtsbarkeit gehandelt habe 
(St.-R. 113 105; vgl. Tac. ann. XIV 28. Suet. 
Nero 17. Hist. Aug. Prob. 13, 1), wird von Her- 
zog (System II 833, 3) bekampft. In der That 
ist die Stelle aus Plin. paneg. 77, auf welche 
sich Mommsen vornehmlich beruft, nicht be- 
weisend genug (Traian weist die Appellationen 
ja gerade mit der Bemerkung ab: se consilient 
esse); und an und fiir sich ist es wenig wahr- 
scheinlich, dass die haufig erwiihnte Rechtspre- 
ehung der C. nichts anderes gewesen sein sollte, 
als die bereits in republicanischer Zeit zulassige 
und allerdings unter dem Principat fortdauernde 
Ausubung der Intercession gegen magistratische 
Decrete; denn an eine Appellation vom Spruche 
der Geschworenen an die C. ist kaum zu denken, 
wenigstens wird eine solche von Mommsen 
selbst nur in beschranktem Umfange angenom- 
men (Cassation von Spriichen, die durch Betrug, 
Zwang oder Bestechung beeinflusst erscheinen, 
St.-R. lis 980; dagegen Wlassak Prozessge- 
setze I 216ff. und 'Art. Appellatio). Wenn es 
neben der kaiserlichen Appellationsinstanz eine 
solche des Senates gab (Tac. ann. XIV 28. Suet. 
Nero 17. Hist. Aug. Prob. 3, 1) und der Senat 
Sachen, die vor ihn gebracht wurden, oft an die C. 
zur Aburteilung iiberwies, so ist diese den C. im 
einzelnen Falle delegierte Gerichtsbarkeit nicht 
zu verwechseln mit der ihnen kraft ihres Aintes 
zustehenden eigenen Iurisdiction, wie auch beim 
Kaiser die Berufungsinstanz von der eigenen Recht- 
spreehung streng geschieden wird (Suet. Dom. 8. 
Mommsen St.-R. II 3 981, 1). Nicht einmal das 
halte ich fiir vOllig sicher, dass die gesamte ci- 
vile Iurisdiction der C. eine ausserordentlkhe 
(extra ordinem), nur in Cognition bestehende war 
(so Mommsen St.-R. lis 984, 1 und Pernice 
a. a. O.); denn wenn Gellius (XII 13, 1) sagt, dass 
er a consalibus ktdex extra ordinem datus erat. so 
hatte er dies doch nicht hervorzuheben brauchen, 
wenn es den C. nicht zugestanden hatte, Geschworene 
im ordentlichen Verfahren zu ernennen (Dig. XLIX 
1, 1, 3). Die Diirftigkeit des Quellenmaterials ge- 
stattet jedoch in diesen Fragen keine sichere Ent- 
scheidung (vgl. die Fragmente von Ulpians Schrift 
de officio consulis bei L e n e 1 Palingenes. II 95 1 ff.). 



1133 



Consul 



Consul 



1134 



Auch die Criminalgerichtsbarkeit der C. ist 
unter dem Principate betrachtlich erweitert wor- 
den; es konnte jetzt bei den C, wie beim Kaiser, 
gegen jedermann wegen jedes Verbrechens Klage 
erhoben werden, so dass neben dem fortbestehen- 
den Quaestionengericht , welches als das ordent- 
liche zu betrachten ist, die beiden ausserordent- 
lichen Gerichtshofe des Kaisers und der C. traten. 
Die letzteren aber fallten das Urteil nicht allein, 



29. Symmach. I 101, 1; oft nennen sie sich vir 
clarissimus et inlustrissimus, z. B. Turcius Apro- 
nianus, cos. 494, in der Subscriptio des Cod. 
Medic, des Vergil, und Offers auf den Diptychen ; 
vgl. De Rossi Inscr. Christ. I p. LI). Der Con- 
sulatsantritt wurde mit noch grOsserem Geprange 
wie friiher gefeiert (ausfiihrliche Schilderungen 
des processus (tonsillaris des Honorius von Clau- 
dian in cons. Ill Honor, und des Iustin II. von 



sondern in Gemeinschaft mit dem Senate, der ihr 10 Corippus in land. Iustin. 1. IV; vgl. Jullian 



Consilium bildete. Das consularisch-senatorische 
Gericht wurde vornehmlich, aber nicht ausschliess- 
lich, gegen Personen der hOheren Stande, nament- 
lich senatorischen Ranges angewandt (vgl. die oben 
mitgeteilte Vermutung Lenel s betreffs der consu- 
larischen Gerichtsbarkeit in Fideicommisssachen), 
doch sind auch Processe gegen Plebeier vor diesem 
Forum zur Verhandlung gekommen (z. B. Plin. 
ep. VIII 14, 12. Tac. ann. I 6). Naheres hier 



Revue de philol. VII 1883, 145ff.). Die C. luden 
dazu ihre Freunde von nah und fern ein, und es 
gait als Pflicht, dieser Einladung (evocatio) Folge 
zu geben, wenn nicht triftige Entschuldigungs- 
grilnde vorlagen (Symmach. 1 101. Ill 21. VIII 21. 
IX 112. GOll a. a. O. 593). Auch sandten sie 
an alle ihre Bekannten Tafelchen, meist aus 
Elfenbein , doch auch aus Silber , auf denen sie 
im Triumphschmuck abgebildet und ihr Name 



fiber s. u. Senatus und Iudicium (Mommsen 20und Titel verzeichnet war, die sog. Consulardi- 



St.-R. lis 118—125). Die Vollstreckung der Strafe 
lag, wenn sie auf Tod lautete, den C. ob (Tac. 
ann. II 32); sie wurde anfanglich unmittelbar 
nach Fallung des Spruches vollzogen; ein von 
Tiberius veranlasster Senatsbeschluss vom J. 22 
setzte zwischen Urteilsfallung und Vollstreckung 
eine Minimalfrist von 10 Tagen an (Tac. ann, HI 
51. Suet. Tib. 75. Dio LVII 20, 4. LVIII 27, 5. 
Senec. de tranqu. an. 14, 6). Doch wurde dies 



ptychen, von denen noch eine Anzahl vorhanden 
ist (Gori Thesaurus diptychorum, Florent. 1759 
3 Bde. Fol. W. Meyer Abh. Akad. Miinchen 
XV 1879, 1. Marquardt Privatl. 112 563, 1 
und Bloch bei Daremberg-Saglio Diction. I 
1470ff.; daselbst auch die vollstandigste Angabe 
der Litteratur iiber diese Diptycha. Cod. Theod. 
XV 9, 1 pr. Claudian. de laud. Stilich. Ill 347. 
Symmach. II 81 ; fasti heissen sie Sidon. Apoll. ep. 



nicht immer eingehalten (Tae. ann, IV 70). Wurde 30 VIII 6, 5). Die anwesenden Freunde wurden mit 
-- -• ' ■ •" Geldgeschenken bedacht (Cod. Theod. VIII 11, 1. 

XV 9, 1. Symmach. IV 15, 1. IX 153. Sidon. Apoll. 
ep. VIII 6, 5 : erste Envahnung dieses Brauehes 
Plin. ep. X 116; vgl. den Artikel Sportula). 
Auf dem Wege zum Capitol wurde reichlich Geld 
unter die Menge geworfen , was Kaiser Marcian 
im J. 452 durch ein Verbot zu hindern suchte, 
indem er befahl, die antretenden C. sollten statt 
dessen 100 Pfund Gold zum Besten der Wasser- 



der Angeklagte zu Schadenersatz verurteilt, so 
wurde die Hehe des zu vergiitenden Schadens 
durch ein besonders zu diesem Zwecke eingesetztes 
Recuperatorengericht bestimmt (Plin. ep. II 11, 2. 
IV 9, 19. VI 29, 10. Tac. ann. I 74. Suet. Dom. 
8). Es ist endlich noch zu erwahnen , dass die 
C. dem Verwaltungsgerichte des Senates prasi- 
dierten; an dieses gingen z. B. Klagen der Unter- 
beamten wegen Auszahlung des Honorars (Plin. 



ep. IV 12) oder Klagen gegen Staatspachter wegen 40 leitungen zablen, Cod. lust. XII 3, 2, eine Ver 
~ " ~ " * ~ ■.,,-. -.> , , t,. pflichtung, die Kaiser Zeno auch auf die con- 

sults Jwnorarii ausdehnte (Cod. lust. XII 3, 3). 
Iustinian hob dies Gesetz auf, suchte aber dem 
Unwesen dadurch zu steuern, dass er das Aus- 
streuen von Goldmiinzen, die der kaiserlichen Frei- 
gebigkeit vorbehalten wurden, untcrsagte, dagegen 
Silbermiinzen zu spenden gestattete (Nov. 105, 2, 1 
vom J. 536; vgl. Art. Missilia). Die Kleidung, 
welche die C. beim Processus trugen, wurde immer 



Bedrfickung des Handels durch allzu starke Ein 

fuhr (Plin. n. h. XXXIII 164). Vgl. Senatus. 

III. Der Consulat in der diocletia- 

nisch-constantinischen Monarchie bis 

zu seinem Erloschen. 

Wenn unter dem Principate die C. als die 

Vormanner des Senates betrachtet werden diirfen, 

so ergiebt sich schon hieraus, dass ihrem Amte, 

wie viel an Macht und Einfluss es auch einge 



biisst hatte, doch immer noch einige Bedeutung 50 prachtiger ; Ausonius erhielt dazu vom Kaiser ein 



Kleid geschenkt, das mit Palmen und dem Bilde 
Constantins bestickt war (Auson. grat. act. XI 
53) und von Gold starrte (vgl. Claud, in cons. 
Prob. et Olybr. 182). Der Tag des Consulats- 
antrittes wurde in alien Stadten des Reiches fest- 
lich begangen (Auson. grat. act. VII 34). Um 
die Festesfreude zu erhohen, nahm der neue C. 
zahtreiche Freilassungen vor, vielleicht bei Ge- 

_ o ... __ ..... = x legenheit der ersten Spiele, die er veranstaltete 

orat. 8 in 'cons, ad'lulian. p.°229ff. Morell. Symm. 60 (s. o. Amm. XXII 7, 2. Liban. I p. 403 ed. Eeisk. 

— ■ ■ ~~ - - .. claudian. de IV cons. Hon. 612. Cod. Theod. XV 

14, 13. Sidon, carm. II 545. Cassiod. var. VI 



innewohnte. Dagegen blieb in der von Diocletian 
begriindeten Monarchie vom Consulate nichts iibrig, 
als der Name, der Glanz und die Ehre (in con- 
sulatu honos sine labore suscipitur, Mamert. grat. 
act. paneg. XI 2). Allerdings gait es noch immer 
als das vomehmste Amt (lordan. Getica 57, 289: 
quod summum bonum primumque in mundo 
deeus edicitur; besonders schfin Lilian, orat. Ill 
p. 108 A.; vgl. Lyd. de mag. II 8 p. 173. Liban. 
orat. 8 in cons, ad Iulian. p. 229ff. Morell. Symm. I 
epist. IV 8, 2. Sidon. Apoll. ep. H 3, 1; fasti- 
gium dignitatum Cassiod. H 2, 1. VI 1. Procop. 
de bell. Pers. I 25 p. 136 Dind. Cod. Theod. VI 
6, 1 und dazu Gothofredus n 72ff. Ioh. Chry- 
sost. homil. 9 in Hebr. p. 1824 ed. Commel. 
= iligne Gr. 63, 82). Die C. geho'rten meist 
der ersten Rangklasse, den ilhistres, an (consul 
amplissimus Mamert. grat. act. paneg. XI 28. 



1, 4. Dig. I 10). 

Ganz unberechtigt war allerdings ein solches 
Geprange nicht, Denn nicht allein dienten die 
Namen der Q. zur Jahresbezeichnung, die in 
alien Teilen des Reiches, im Osten wie im Westen, 
als einzig officielle gait und auch in den moisten 



1 I3fc> 



Consul 



Consul 



1136 



der damals neu entstehenden germanischen Keiche 
Eingang fand; die C. waren audi die Reprasen- 
tanten der ideellen Einheit des Reiches, an wel- 
cher selbst nach der Teilung in eine Ostliche 
und westliche Halfte durch Theodosius I. stets 
festgehalten wurde. Die Consulate wurden im 
6. Jhdt. wieder jahrig (Zeno Cod. lust. XII 3, 3, 
1. Iustin. Novell. 105, 1). Sie wurden haufig 
von den Kaisern iibernommen oder an Mitglieder 



nach Beginn des Jahres, so wird in den offleiellen 
Listen die Bezeichnung angewandt: eonsides quos 
iusserint do mini nostri Augusti (so in der Liste 
der Praefecti urbi des Chronographen von 354 
zum J. 308. 311. 317) oder ahnlich (et qui de 
Oriente fuerit nuntiatus CIL V 6268; et qui de 
Or write, Hydatius zu den J. 459. 461 ; Theodosio 
Aug. VII et qui fuerit nuntiatus Cod. Theod. VI 
32, 1 zum 8. Febr. 416; weitere Belege Momm- 



des kaiserlichen Hauses verliehen. Die Consu-lOsen Neues Archiv XIV 232), griechisch rots too 



lats -Verleihungen sind politisch und historiseh 
nicht ohne Bedeutung. In ihnen spiegelt sich 
im J. 307 und den darauf folgenden der Streit 
um die Herrschaft des Reiches (Mommsen Herm. 
XXXII 1897, 538ff.); sie zeigen besser als die 
historischen Bericbte den Untergang des West- 
reiches und die Wiederaufhahme desselben durch 
die ostgothischen Konige Odovacar und Theode- 
rich (Mommsen a. a. 0. 548); sie lassen end 



fisvois (Theo zum J. 351) oder xal rov StjXa>§ijoo- 
fiivov (CIG 3467. Brissonius De formulis p. 350), 
wahrend in Privaturkunden meist postconsularisch 
datiert wird. Quod si adhue eiusdem anni pa- 
sckae dies incerta est, ilia praeoedens adiunga- 
tur, quomodo solet post eonsulatum in publicis 
gestis adseribi Canon. II 20 Concil. Milevit. II vom 
J. 416 (nach andern, wie De Rossi Inscr. Christ. 
I xxviii vom ersten Concil. Milevit. vom J. 402), 



lich durch die Art der Ernennung und die Ver-20bei Man si Acta Cone. IV 332, abgedruckt auch 



schiedenheit der Datierungsform in den beiden 
Reichshalften ein Licht fallen auf die jeweiligen 
diplomatischen Verhaltnisse zwischen den HCfen 
des Ostens und Westens. 

In welcher Weise sich im 4. Jhdt. die ver- 
schiedenen Herrscher Tiber die Besetzung der Con- 
sulate einigten, ist nicht bekannt; sieher ist nur, 
dass eine solcheEinigungstattgefundenhabenmuss, 
da z, B. bisweilen beide Consuln von demselben Herr- 



bei Du Cange Gloss. Med. Lat. s. v. consulatus. 
Diese Datierungsform ist fur die Falle, in denen die 
consulfreien Intervalle bis zur Jahresfrist oder dar- 
iiber hinausreichen, auch in die offentlichen Listen 
iibergegangen , zum erstenmale fur die J. 309. 
310, da die fur diese Jahre in den verschiedenen 
Reichsteilen emannten C. spater cassiert wurden. 
Die Bezeichnung lautet daher fur 309: post eon- 
sulatum (Diocletiani) X et (Maiimiani) VI, fur 



scher ernannt (379 von Gratian)_und von den Mit- 30 310: anno II post eonsulatum X et VII. Im 



regenten anerkannt werden. Seit der endgiiltigen 
Teilung des Reiches im J. 395 gilt es als Norm, 
dass der eine C. im Osten, der andere im Westen 
ernannt wird (zum erstenmale sieher bezeugt fur 
das J. 399, wo der von Arcadius ernannte Eunuch 
Eutrop von Stilicho und Honorius nicbt anerkannt 
wird, der andere C, Mallius Theodorus, die Fas- 
ces vom Herrscher des Westens erhalt ; vgl. auch 
Claudian. de consul. Theod. prolog. 11. Procop. 



6. Jhdt., wo infolge des haufigen Unterbleibens 
der C. -Ernennung diese Datierungsform haufiger 
wird, lautet die Formel fur das erste Jahr des 
Postconsulates post eonsules illos, fur das zweite 
iterum (seltener anno secundo) p. c, fur das dritte 
et iterum (seltener tertium oder anno tertio) p. 
c, fur das vierte quartum p. c. u. s. w. Bis- 
weilen begegnet eine andere Form, bei welcher 
der Consulat selbst mitgerechnet wird, z. B. fur 



Hist. arc. 26 p. 144 Dind.). Die Reihenfolge der 40 541 und 542: Basilii anno prinio und post eon- 



beiden C. wird durch den Rang bestimmt. Wird 
der eine der beiden Consulate von einem Kaiser 
oder Prinzen bekleidet, so steht dieser immer voran; 
sind beide C. Kaiser, so erhalt der im Amte altere 
die erste Stelle, von zwei Privaten derjenige, 
welcher das Amt zum zweitenmale bekleidet (z. 
B. Longinus C. 490, CIL V 5210. 5656. 7531). 
Von der Ernennung des C. wird der Regierung 
und wohl auch den hochsten Beamten der andern 



ulatum Basilii anno secundo. Die Consular- 
datiemng blieb im offleiellen Gebrauch des rOmi- 
schen Reiches die alleinige bis zum J. 537; dann 
trat neben sie auf Befebl Iustinians (Nov, 47) 
die Rechnung nach Indictionen und Regierungs- 
jahren der Kaiser. Vgl. De Rossi Inscr. Christ, 
urb. Romae I p. XXIfT. Mommsen Neues Archiv f. 
altere deutsche Geschichtsforschung XIV 1888 
226—249. XVI 1890, 54ff. ; Herm. XXXII 1897, 



Reichshalfte durch kaiserliche Boten Anzeige ge- 50 538—553; Chron. min. Ill 498. G. Kaufmann 



macht (Cod. Theod. VIII 11, 1. lust. XII 63, 2), 
worauf die Publication (durch Edict?) erfolgt. 
An Abweichungen von diesen Regeln fehlt es 
jedoch nicht. Es konimt ebenso vor, dass beide 
C. vom Kaiser des Ostens (427. 429. 436. 476. 
500) wie von dem des Westens (522 die beiden 
Sshne des Boethius, ausserdem 437. 443. 446. 
450) ernannt werden. Die normale Reihenfolge 
der Consuln wird oft umgestossen, indem in jeder 



Die Fasten der spateren Kaiserzeit als ein Mittel 
zur Kritik der westromischen Geschichte, Got- 
tingen 1874 (auch Philol. XXXIV 235—295). 
W. A rndt Bischof Marius von Aventicum. Nebst 
einem Anhang fiber die C.-Reihen der Chronik, 
Leipz. 1875. 

Aber mit der politischen Bedeutung des Amtes 
war es vorbei. Selbst die Scheinwahl des Senates 
fiel fort, die C. wurden einfach vom Kaiser emannt 



Reichshalfte die eigene Nuntiation bevorzugt wird. 60 (Symm. ep. V 15; pro patre 8. Auson. grat. act 



So wird in den Urkunden, die aus der Kanzlei 
der rOmischen Bischfife hervorgehen, der C. des 
Ostens immer an zweiter Stelle genannt oder ganz 
fortgelassen. Cberhaupt begniigt man sich nament- 
lich im Westen (aber auch im Osten; CIG 9259 
nur Dagalaifus cos. 461) bei nicht offieieller Datie- 
rung nicht selten mit der Nennung des eigenen 
C. Erfolgt die Ernennung oder Publication erst 



IX 43. Mamert. Grat. act. paneg. XI 2. Cod. Theod. 
VIII 11, 3; unter der Herrschaft der Gothenvom 
Konige, Cassiod. Var. II 2. 3. IX 22. 23; fragm. 
Orat. p. 468 ed. Mommsen; vgl. Mommsen CIL 
12 p. 307 zum 9. Januar). Dass dem Senate von 
der Ernennung Anzeige gemacht und er zur Be- 
statigung aufgofordert wurde, war eine leere Form- 
lichkeit. Die Kaiser trafen ihre Wahl nicht etwa 



1137 



Consul 



Consularis 



1138 






f 
I 



nach politischer Befahigung, sondern sie verliehen 
den Consulat als Auszeichnung solchen, die sie 
ehren wollten (Iulian. orat. Ill p. 108; divinum 
praemium consulatus Cod. Theod. IX 40, 17); so 
wurde im J. 379 Ausonius von Gratian zum C. er- 
nannt, weil er dessen Lehrer gewesen war (Auson. 
grat. act. H 7. IV 17). Honorius wurde sogar im 
Jahre seiner Geburt (386) zum C. ernannt (Clau- 
dian. in IV cons. Hon. 155, naeh Prosper und Fast. 
Vindob. dreijahrig). Auch Gratian und Valenti- 
nian II. erhielten den Consulat im friihesten Kna- 
benalter. Wie in den fruheren Jahrhunderten die 
consularischen Ehren bisweilen auch solchen zu- 
erkannt wurden, die das Amt nicht bekleidet hatten, 
so machte man auch jetzt Titular-C. ; diese fuhrten 
zum Unterschiede von den fungierenden die Be- 
zeichnung eonsules honorarii oder consulares (s. 
d.) oder ex eonsule (N arses CIL VI 1199; Solo- 
mon CIL Vin 1863, 4677). Die wirklich func- 
tionierenden Consuln nannten sich nach Nieder- 
legung des Amtes ex eonsule ordinario, so Decius 
CIL X 6850 u. a. (Mommsen Neues Archiv XV 
1890, 184). Auch fremden Fiirsten wurde der 
Ehre halber der Consulat verliehen, z. B. dem 
Chlodwig im J. 508 von Kaiser Anastasius (Greg. 
Turon. H 38). Die eonsulares erhielten vielleicht, 
wie frliher die adlecti inter eonsules und jetzt 
noch die suffeeti (Silv. Polem. zum 9. Januar), 
die Auszeichnung durch den Senat (Cassiod. var. II 
1, 2; doch vgl. lust. Nov. 81, 1. Cod. lust. XII 
3, 3). Von Amtspflichten hOren wir nichts mehr. 
In dem Pandektentitel de officio eonsulis (I 10) 
ist nur von den consularischen Freilassungen die 
Rede; im Codex (XII 2) wird bios von Ausser- 
lichkeiten, wie der Rangstellung der beiden C. 
zu einander und den Geldspenden gehandelt; ein 
Titel iiber die Amtspflichten des C. fehlt. In den 
Fragmenten aber aus Ulpians Schrift de officio 
consults, welche sich sonst noch in den Pan- 
dekten findon, ist Tiberall das Wort consul von 
Tribonian durch iudex ersetzt worden, der beste 
Beweis dafiir, dass der Consulat zu seiner Zeit 
eben zu einem blossen Ehrenamt herabgesunken 
war. Die C. hatten denn auch keinen Assessor, 
der doch sonst alien hoheren Beamten zukam 
(Hitzig Die Assessoren, Miinchen 1893, 159ff.). 
Nur die Last der Spiele war den C. nicht abge- 
nommen (Claudian. in cons. Mall. Theod. 274 — 
331); doch ist dariiber bereits o. S. 1126 das Notige 
gesagt worden. Die Kosten der Spiele beliefen 
sich zu Iustinians Zeit auf 20 Centner Gold, wurden 
aber bisweilen auf die kaiserliche Kasse iiber- 
nommen (Procop. hist. arc. c. 26 p. 144 Ddf. ; 
vgl. Gibbon c. XVII Bd. Ill p. 98 der Ubers. 
von Sporschil). Letzter C. von Westrom war De- 
cius Theodorus Paulinus, Sohn des Venantius, im 
J. 534. Die beiden Schreiben des Konigs Atha- 
larich, die ihni und dem Senate die Ernennung 
mitteilen, sind uns aufbewahrt von Cassiod. var. 
LX 22. 23. Zum letztenmal wurde ein Nicht- 
kaiser in Ostrom C. im J. 541, namlich Flavius 
Basilius der Jungere. Nach ihm nahm Iustinus II. 
den Consulat im J. 566 und wiederholte ihn im 
J. 568; seinen Processus beschreibt Corippus in 
laud. lust. lib. IV; er fiihrte, wie die folgenden 
Kaiser, den Consulat allein, Seine Nachfolger 
ubernahmen ihn jedesmal im ersten Jahre ihrer 
Regierung (vgl. dariiber Du Cange De inferioris 



aevi numismatibus XXIII [XV] abgedruckt hinter 
dem Gloss. Lat. med.). Leo der Weise (888—911) 
hob Iustinians Novelle 109, die Missilia betref- 
fend, auf, liess aber die Consulate bestehen (Coll. 
II Nov. 94). Vgl. Zachariae v. Lingenthal 
Ztschr. d. Sav.-Stiftung XII (1891) 88ff. Die 
weiteren Schicksale des Consultitels s. bei Du 
Cange Gloss. Graec. med. s. vnaxog und Gloss. 
Lat. med. s. consul, sowie in der gelehrten Schrift 

10 von Pagi Dissertatio Hypatica, Lugd. 1682. 

Vgl. Mommsen St.-R., besonders lis 74 — 140. 
Herzog Gesch. u. System der rOm. Staatsver- 
waltung I 688—718. II 827—835. Lange Rem. 
Alt. 13 724—748. H. Schiller in Iw. Mullers 
Handbuch IV 53— 57ff. Humbert und Bloch 
bei Daremberg-Saglio Dictionn. I 1455ff. De 
Ruggiero Diz. Epigr. II 679ff. [Kiibler.] 

Consularis, 1) Consularis oder vir consu- 
laris heisst jeder, der den Consulat bekleidet hat. 

20 Die gewesenen Consuln nehmen im Senate die vor- 
nehmste Stelle ein und werden bei der Umfrage 
zuerst zur Stimmabgabe aufgefordert (singulos 
debere eonsuli gradatim. ineipique a eonsulari 
gradu, Varro bei Gell. XIV 7, 9. Mommsen 
St.-R. Ill 966). Sie geniessen die Vorrechte, zu 
welchen die Bekleidung eines curulischen Amtes 
befahigt, diirfen also an gewissen Festtagen die 
purpurverbramte Toga tragen und in dieser be- 
stattet werden, ihr Bildnis darf nach ihrem Tode 

30 im Ahnensaal des Hauses aufgestellt werden. Ihr 
Rang geht auch auf ihre Gemahlinnen Tiber {con- 
sularis femina) und verbleibt nach ihrem Tode 
der Witwe (Ulp. Dig. I 9, 1, 1. CIL IX 6414b 
= Dessau 1166. VIII 8993 = Dessau 1200; 
griechisch: vnaxixt) CIG 3104. 3908. 4380 b 2. 
4774. Inscr. of the Brit. Mus. Ill 562; vnanoaa 
CIG 9008. M o m m s e n St.-R. Ill 468, 3). Ausser- 
ordentlicherweise konnte der Rang und die Ehren 
der C. auch solchen verliehen werden, die den 

40 Consulat nicht bekleidet hatten, namlich entweder 
durch adlectio inter eonsulares oder durch Ver- 
leihung der ornamenta (auch insignia) consu- 
laria. Indessen ist diese Einrichtung, von der 
man in der Zeit der Republik nur sparlichen Ge- 
brauch machte (erste Verleihung der ornamenta 
considaria 689 = 65 Dio XXXVI 40, 4; dann 
durch Caesar Suet. Caes. 76; adlectio zuerst unter 
Caesar 709 = 45, Cass. Dio XLIII47, s. Art. Ad- 
lectio), erst in der Monarchie zur Bliite gelangt 

50 (Mommsen N. Arch. XIV 486). Eine Reihe von 
Staatsamtern ist nur den Consulares zuganglich, 
namlich in republicanischer Zeit nach dem Zeugnis 
des Livius (II 18, 5) laut Bestimmung des Ein- 
fiihrungsgesetzes Dictatur und das Amt des Ma- 
gister equitum (consulares legere: ita lex iubebat 
de dictatore creando lata, Liv. a. a. O. ; mit einem 
solchen Gesetze, falls es wirklich bestand, was 
Mommsen St.-R. IIS 145. 173 stark bezweifelt, 
hat sich freilich die Praxis nicht im Einklang 

60 befunden), ferner die Censur (s. d.) und die Ver- 
waltung gewisser Provinzen, worflber weiterhin. 
In der Kaiserzeit fiel die Censur fort, dafiir sind 
nun einige andere Amter ins Leben gerufen wor- 
den, welche nur den ConsulaTes zuganglich waren. 
Hieher gehOren: 

A. Consulares als Oberrichter. Hadrian teilte 
ganz Italien in vier Iurisdictionsbezirke ein und 
setzte an die Spitze eines jeden einen C. (Hist. 



1139 



Consularis 



Consularis 



1140 



Aug. Hadr. 22, 13; Pius 2, 11; Marc. 11, 6). 
Jedoch wurde diese Einrichtung bald nach seinem 
Tode wieder abgeschafft (Appian. b. c. I 38). Vgl. 
Mommsen Schrift. d. rQm. Feldmesser JJ 192; 
St.-E. IIS 1085 und s. Art. Iuridicus. 

B. Der Praefectus urbi (s. d.). 

C. Consulares saerae urbis. Sie wurden von 
Alexander Severus dem Stadtpraefecten als ,eine 
Art Consilium' beigegeben. Ihre Zahl betrag 14, 
den Regionen der Stadt entaprechend (Hist. Aug. 10 
Alex. Sev. 33, 1. CIL XIV 2078: eonsulari saerae 
urbis re.gion.is IIH. X 6507 : cur. reg. VII). Cass. 
Dio LV 8, 7 bringt diese Consulares mit den 14 
von Augustus eingesetzten Regionenvorstehern, 
die aus den Aedilen, Volkstribunen und Praetoren 
erlost wurden, in Verbindung, wie Mommsen 
glaubt, aus Versehen. Wenn Lydus den Domitian 
jeder der zwOlf (so!) Regionen einen Beamten vor- 
setzen lasst (de mag. II 19; vgl. I 49), so sieht 
Mommsen darin wohl mit Recht nichts als eine20 
,Verschiebung der Institution Alexanders'; vgl. 
Mommsen St.-R. IP 1061. 

D. Consulares operum publieorum, alvei Ti- 
beris et cloacarum, aquarum, vgl. dariiber den 
Art. Curator. 

Die C. als Provincialstatthalter erfordern, ob- 
wohl ihre Thatigkeit auch in dem Artikel fiber die 
Verwaltung der romischen Provinzen zur Sprache 
kommt, doch auch hier eine specielle Betrachtung. 
Als dnrch Augustus im J. 727 = 27 die Provinzen 30 
in senatorische mid kaiserliche geteilt -wurden, 
wurden von den ersteren Asia und Africa als 
solche hervorgehoben, deren Yerwaltung nur einem 
vir consularis iibertragen werden konnte, und 
dabei ist es geblieben bis in die spatesten Zeiten 
des romischen Seiches. Die Statthalter dieser 
beiden Provinzen werden durch das Praedicat 
proconsul e. (falls Mommscns Conjectur zu Tac. 
Agric. 42 richtig ist, St.-R. 13 303, 1. II 244, 4) 
vor ihren Collegen praetorischen Ranges ausge- 40 
zeichnet. Die kaiserlichen Provinzen dagegen 
haben entweder einen Mann senatorischen Ranges 
mit dem officiellen Titel legatus Augusti fro 
praetore zum Statthalter oder einen procurator 
von Ritterrang. Die legati pro praetore waren 
teils consulares, teils practorii. Jene wurden 
iiber solche Provinzen als Statthalter gesetzt, in 
welchen mehrere Legionen standen, und sie fiigten, 
anfangs selten, spater (im 3. Jhdt.) gewohnlich, 
ihrem Titel das Rangpraedicat vir consularis 50 
oder consularis (griechisch i.-zanxo;), welches der 
officielle Titel nicht erkennen liess , hinzu (Tac. 
hist. I 9. 52. 56. II 86. Suet. Tib. 41; Calig. 14; 
Claud. 24; Vesp. 4. 6. Hist. Aug. Gord. tres 8, 3. 
CIL in 1092. 1174. 1178. 1393. 2864. VI 1451. 
VIII 7978. Waddington-LeBas 2237. 2308. 
2213. 2212. Eph. epigr. V 270; vgl. Liebenam 
Forschungen z. Verwaltungsgesch. 465). 

Welche Provinzen unter Consulares standen, 
lasst sich nicht mit einem Worte sagen, da die 60 
Kaiser sich bei Verleihung der Statthalterschaften 
nicht an ein festes Schema banden und in speciellen 
Fallen wohl eine Provinz, die meist von Consu- 
lares verwaltet wurde , auch einem Praetorier 
iibertrugen oder umgekehrt. Im allgemeinen gilt 
als Regel, dass diejenigen Provinzen, deren Be- 
satzung starker war , als eine Legion , einen C. 
zum Statthalter hatten. "Wurde aus irgend wel- 



chen Grunden die Besatzung einer Provinz ver- 
starkt oder vennindert, so hatte dies die ErhOhung 
oder Herabsetznng des Ranges des Statthalters 
zur Folge. TJm die Mitte des 2. Jhdta. n. Chr. 
standen folgende Provinzen unter der Verwaltung 
von C. (Marquardt St.-V. I 2 494. Liebenam 
458ff.): Hispania citerior (Tarraconensis), Germania 
superior, im 1. Jhdt. auch inferior, Britannia, 
Pannonia superior und seit Caracalla auch in- 
ferior (v. Domaszewski Rh. Mus. XLV 205ff.), 
Moesia superior und inferior seit der Teilung durch 
Traian (v. Domaszewski Rh. Mus. XLV Iff.), 
Dacia seit der Dreiteilung der Provinz durch Mark 
Aurel (v. Domaszewski Rh. Mus. XL VIII 241), 
Dalmatia, Cappadocia (bis zum Partherkrieg des 
Traian mit Galatia vereinigt, v. Domaszewski 
Rh. Mus. XLVLLT 246), Syria, seit Caracalla auch 
Cilicia (Bull. hell. 1881, 317. Hicks Journ. of 
hell. stud. XI 1890, 251. Cod. lust. LX 43, 1 
und dazu Mommsen Ztschr. d. Sav. Stiftung 
XTI 1892, 149). Uber Numidien s. CIL VIII 
p. 1067. 

Der Titel c. bezeichnete also urspriinglich 
einen Legaten, der wirklich den Consulat be- 
kleidet hatte oder doch wenigstens vom Kaiser 
den consularischen Rang erhalten hatte. Er biir- 
gerte sich zunachst im gewOhnlichen Leben statt 
der officiellen Titulatur — legatus Augusti pro 
praetore — ein. So nannten sich diejenigen 
Militarpersonen, die vom Provincialstatthalter be- 
f Grdert waren , beneficiarii , career arii , corni- 
eularii, exacti, librarii, quaestionarii , singu- 
lares, speculatores , stratores u. s. w. c. (Mar- 
quardt Staatsverw. 112 549ff. Cauer Ephem. 
epigr. IV p. 379f.). Besonders merkwurdig in 
dieser Beziehung ist die Inschrift aus Mainz, 
Brambach 982 CI (audio) Aelio Pollioni leg. 
Aug. pr. pr. (Germ.) sfup.) praesidi integerrimo 
benefieiarii consularis (Germ.) sfup.); vgl. CIL 
VIII 2751 = Dessau 1162. Wiihrend aber bis 
ins 3. Jhdt. nur wirklich gewesene Consuln das 
Praedicat e. erhielten, ist allmahlich der Amtstitel 
ganz durch das Rangpraedicat verdriingt worden. 
Nun wurde die Bezeichnung c. gleichbedeutend 
mit Provincialstatthalter; keineswegs aber sollte 
damit ausgedriickt werden, dass diejenigen, denen 
sic verliehen ward, jemals Consuln gewesen waren 
(Mommsen Ber. d. sachs. Ges. d. Wiss. 1852, 
225; N. Arch. XIV 486. Borghesi Ann. d. Inst. 
1856. 49). Zwar standen die Statthalter, welche 
den Titel c. fiihrten, hoher an Rang, als die Prae- 
sides oder Correctores (Not. Dign. ed Seeck p. 3 
und 104), doch im Senate bildeten sie nach der 
Zerstiickelung und Verkleinerung der Provinzen 
durch Diocletian und Constantin die unterste 
Stufe (Kuhn Stadt. u. biirgerl. Verfass. 1 188ff.); 
vielleicht waren sie dort mit den Praesides und 
Correctores vereinigt, welche nachKuhns wahr- 
scheinlicher Vermutung (a. a. O. 194) gleichfalls 
dem Senate angehOrten. Ihrem Range nach waren 
sie viri elarissimi (Cod. lust. XH 17, 2 eonsu- 
lari id est elarissimatus dignitate). Es giebt 
also jetzt zwei Classen von C. , .die gewesenen 
oder titularen Consuln vom Range des Illustrats, 
welche Sitz und Stimme im Senat haben, und 
die wirklichen oder titularen Provincialstatthalter, 
erster Ordnung, bei welchem Amtstitel jetzt an 
den Consulrang nicht mehr gedacht wird'. (Momm- 



1141 



Consularis 



Consultatio 



1142 



I 



sen Neues Archix f. alter, deutsch. Gesch. XIV 
1889, 487. Kuhn 190. Ulp. oder vielmehr Tri- 
bon. Dig. I 9, 12, 1). Nur in seltenen Fallen 
wurde den Consulares als besondere Auszeichnung 
der Rang des Proconsuls verliehen (z. B. dem C. 
von Palaestina 383, Booking zu Not. dign. or. 
511, und' dem von Carnpanien, Booking 1174*), 
ebenso wie die C. von Numidien seit Valentinian 
und Valens durch das Recht, sechs Fasces zu 
fuhren, geehrt wurden, wahrend ihnen eigentlich 
nur fiinf zustanden (Mommsen Sachs. Ber. 1852, 
221; St.-R. is 386. 113 260). Sie nannten sich 
in diesem Falle consulares sexfaseales (z. B. CIL 
VIII 2216. 2242. 7015. 7034. 7975. 8324. 10897. 
17686. 20156)^ 

Nach der Notitia dignitatum (um 400 n. Chr.) 
standen folgende Provinzen unter Consulares : Im 
Orient Palaestina prima (Gesamtpalaestina unter 
consulares nicht vor 365, vorher unter procon- 
sules; die Provinz geteilt nicht vor 385 ; seit 
536 wieder unter proeonsules, Nov. lust. 103. 
Kuhn Jahrb. f. Philol. CXV 1877, 715), Phoe- 
nicia (seit Iulian? Kuhn a. a. O. 713), Syria 
prima (seit Constantin?), Cilieia prima (seit Arca- 
dius? Malal. XIV p. 365 Bonn. Mommsen Polem. 
Silv. p. 258) , Cyprus, Pamphylia (bei Hierokles 
aueh Lycia; die Trennung der beiden Provinzen 
erfolgte zwisimen 313 und 325, vgl. Cod. Theod. 
XIII 10, 2 mit Mansi Concil. II 695), Helles- 
pontus (zwischen 325 und 347 eingerichtet, Kuhn 
a. a. O. 703), Lydia, Galatia (CIG 4050), Bithy- 
nia (seit Theodosius I.? Malal. a. a. O. Boecking 
zu Not. dign. or. 129. Kuhn Stadt. Verw. II 262; 
vorher mit Pontus vereinigt, CIL VIII 5348 = 
Dessau 1228), Europa, Thracia (CIL VI 1690 = 
Dessau 1240 L. Aradius Val. Proeulus consu- 
laris Europae et Thraciae, Aradius war 340 Con- 
sul), Greta (Ephem. epigr. VII 426, 6), Macedonia, 
Dacia mediterranea. Im Occident : Pannonia se- 
cunda (fruher unter praesides, CIL IX 2566 con- 
sul i Pannoniarum seeundae post presides primo), 
Venetia et Histria (der alteste datierbare C. vom 
J. 365, Cod. Theod. VIII 8, 1. XI 7, 10 ; vorher unter 
einem corrector. Boecking440*. MommsenGro- 
mat. II 204), Aemilia, Liguria (urspriinglich, viel- 
leicht bis 396, mit Aemilia verbunden; Boecking 
441*. Mommsen Gromat. II 204), Flaminia et 
Picenum annonarium (bis spatestens 350 unter 
einem Corrector mit dem Rangpraedicat c. v. ; 
erst nach 364 Picenum von Flaminia getrennt. 
Mommsen Gromat. II 208), Tuseia et Vmbria 
(seit 370, Cod. Theod. XII 1, 72; vorher unter cor- 
rectores. Boecking 431*. Mommsen Gromat. 
II 207); Picenum suburbicarium (seit etwa 365, 
Cod. Theod. XV 1, 17. IX 2, 2. 30, 4), Campa- 
nia (seit 321 ? der alteste datierbare C. ist Bar- 
baras Pompeianus, CIL X 1199. XIV 2919. Cod. 
Theod. I 2. 6; vorher correeto-res , die aber das 
Rangpraedicat v. el. oder cows, haben. Boecking 
1169*. Mommsen Gromat. H 206], Sicilia (Fa- 
bius Titianus CIL VI 1717 = Dessau 1227, 
C. Caelius Censorinus CIL X 3732, beide unter 
Constantin; Mommsen CIL X p. 714). Byxa- 
cium (im J. 321 Q. Aradius praes. prov. Val. 
Byx. v. c. CIL VI 1687 ; spater immer consulares), 
Xvmidia (seit Constantin; der alteste Zenophilus 
320 [oder 329 ?], Acta purg. Caeciliani, abgcdruckt 
bei Migne Opp. Augustin. Tom. IX 793 und 



wOrtlich wiedergegeben von Augustin c. Crescon. 
Ill 29 [33], Tom. IX 513 Migne), Baetica (seit 
Constantin U. 327-361 ; vgl. CIL II 2206), Lu- 
sitania (etwa seit Constantin II., vgl. CIL VI 1777 
= Dessau 1258), Gallaecia (seit Maximus 883 
— 388 ; Antonius Maximus a nova provineia Gal 
laeeia primus consularis , ante praeses CIL II 
4911), Viennensis, Lugdunensis prima (zuerst 
nachweisbar 372, Fragm. Vat. 37, vorher unter prae- 

10 sides, Cod. Theod. 11, 3, 1), Germania prima, 
Germania secunda, Belgica prima, Belgiea se- 
ewnda (diese vier eingerichtet von Diocletian nach 
dem urns J. 297 verfassten Veroneser Provinzen- 
verzeichnis) , Britannia Mamma Caesariensis, 
Britannia Valentia (eingerichtet 369, Amm. Mar- 
cell. XXVIII 3, 7). Marquardt St.-V. I passim. 
Unter Iustinian sind die Provinzen zum Teil noch 
mehr zerstflckelt worden , bei anderen ist eine 
Rangerhfihung des Statthalters eingetreten. Nach 

20 dem Synekdemos des Hierokles (verfasst unter Iu- 
stinian vor dem J. 535) standen unter Consulares 
folgende Provinzen des Ostens: Europa, Thracia, 
Macedonia prima, Creta, Epirus nova*. Dacia Me- 
diterranea, eine Provinz, deren Name verdorben ist, 
Hellespontus, Phrygia Capatiana* (d. i. Pacatiana), 
Lydia, Pisidia*, Lycaonia*, Phrygia Salutaris*, 
Pamphylia, Lycia*, Caria*, Pontica prima (d. i. 
Bithynia), Galatia, Cappadocia prima*, Heleno- 
pontus*, Cilicia prima, Cyprus, Syria prima, Phoe- 

30 nice, Palaestina prima, Arabia*. Hinzugekommen 
sind also 11 (in unserer Aufzahlung mit einem 
Stern bezeichnet), oder wenn man diejenige, deren 
Namen nicht zu bestimmen ist, hinzurechnet, 12 
Provinzen. Dagegen fehlt Pannonien, das nun 
unter einem ^w (praeses) steht. Im Westen 
wurde nach der Zerstorung des Vandalenreiches 
in Africa Numidien einem Praeses gegeben, aber 
Tripolis einem C, Cod. lust. I 27, 1, 12. 

In der Notitia dignitatum , welche der 8. No- 

40 velle Iustinians vom J. 535 angehangt ist, ist die Ord- 
nung des Ostreiches wiederum geandert. Als Provin- 
zen, die unter Consulares stehen, sind hinzugekom- 
men : Palaestina secunda, Syria secunda, Theodo- 
rias, Osroene, Nova Iustiniana, Armenia secunda, 
Armenia magna, Cappadocia secunda, Rhodope, 
Haemimontus, Augustamnica (diese vielleicht irr- 
tumlich). Dagegen fehlen Epirus nova, Dacia Medi- 
terranea, Phrygia Pacatiana, Galatia, Syria prima, 
Arabia. Von ihnen stehen Galatia und Phrygia 

50 Pacatiana jetzt unter comites, Arabia unter einem 
praeses ; an die Stelle von Syria prima ist Theo- 
dorias unter einem e. getreten (Malalas XVLTI 
p. 448 Bonn.). 

Waddington zu nr. 1950. 2212. 2309. 2602. 
Borghesi Ann. d. Inst. 1856, 51. Mommsen 
St.-R. 113 244ff.; Ber. d. sachs. Ges. d. Wissensch. 
1852, 225; Bull. d. Inst. 1852, 171. Marquardt 
Staatsverw. I 548ff. Kuhn Stadt. u. biirgerl. 
Verfass. I 192. Liebenam Forschungen z. Ver- 

60 waltungsgesch. d. roro. Kaiserreiehs I, Leipz. 1888, 
465 u. o. [Kubler.] 

2) Vir inlustris bei Cassiod. var. Ill 52. 

[Hartmann.] 
Consultatio. C. oder relatio ist der Be- 
richt eines Beamten an seinen Vorgesetzten, ins- 
besondere eines Unterrichter.s an den Oberrichtcr 
in einer Rechtsache. Zu dieser C. kann der TJnter- 
richter schreiten, wenn ihm die Entscheidung 



1 143 Consultatio veteris iuris consulti 

zweifelhaft ist (c. ante sententiam). Die Absicht 
einer soldier C. wird durcli Interlocut den Parteien 
angektindigt (Ulp. Dig. XLIX 1, 1, 2). Sie ist zu 
richten an den Richter, an welchen auch die Ap- 
pellation von dem gefallten Spruch gehen wiirde. 
So hat der legatus proeonsulis den Proconsul zu 
consultieren, an welchen aucb. von ihm appelliert 
wird (Dip. Dig. I 16, 6, 2. Venul. Dig. XLIX 
3, 2). Die C. an den Kaiser, welche die Haupt- 
rolle spielt, kann also nur von denjenigen Beamten 
ausgehen, von welchen Appellation an den Kaiser 
stattfindet. Der Kaiser entscheidet durch Eesoript 
(s. d.). Appellation gegen das Rescript oder die 
darauf gegrundete Verfugung ist zulassig wegen 
unrichtigen oder unvollstiindigen Berichtes; ist 
der Bericht aber der Partei abschriftlich mitge- 
teilt, so kann nicht gegen das Rescript, sondern 
muss alsbald gegen den Bericht appelliert werden 
(vgl. den Art. Appellatio o. Bd. II. S. 199). 
Spater wurde die Erteilung einer Berichtsabschriffc 
an die Parteien Vorschrift. Nach einem Gesetz Con- 
stantins d. Gr. (Cod. Theod. XI 30, 1) soil die 
Erteilung binnen zehn Tagen nach Erlass des 
vorerwahnten Interlocuts erfolgen, worauf die Par- 
teien, werrn sie gegen den Bericht etwas einzu- 
wendenhaben, libetti refute/torn binnen fllnf Tagen 
nach Empfang der Abschrift einreichen konnen. 
Sodann wird der Bericht nebst den Aden und 
den libelli refuiatorii dem Kaiser iibersandt. In 
der entsprechenden Weise wird jetzt verfahren, 
wenn Appellation an den Kaiser eingelegt ist 
(appellatio more eonsultationis). Hiertiber und 
zugleich fiber die femere Entwicklung der c. ante 
sententiam, vgl. Appellatio o. Bd. II S. 206f. 
Iustinian hat in Nov. 125 vom J. 543 die c. 
ante sententiam verboten; vgl. Bethmann- 
Hollweg Rom. Civilproc. II 780. Ill 90ff. 294ff- 
322ff. Puchta Institutionen I § 178. Kipp 
Quellenkunde 39. 45. [Kipp.] 

Consultatio veteris cniusdam iuris con- 
sulti ist der seit Cuiacius iibliche Titel eines 
romisehen Rechtsbuches aus spaterer Zeit. Eine 
Hs. ist lieute nicht mehr vorhanden, sondern seit 
dem 16. Jhdt. verschollen. Sie gehOrte damals 
dem franzOsischen Gelehrten Ant. Loisel, der seinem 
Freunde Jacobus Cuiacius eine Abschrift des 
Werkes uberliess. Nachdem letzterer schon in 
friiheren Werken (1564. 1566) einzelne Stiicke 
verSffentlicht hatte, gab er das ganze als Ein- 
leitung zu seinen Consultationes zuerst iro J. 1577, 
darauf noch einmal 1586 in erganzter Gestalt 
und mit teilweise abweichenden Lesungen heraus. 
Auf diesen Ausgaben des Cuiacius beruht unser 
heutiger Text. Vgl.EudorffZtschr.50fl. Kriiger 
vor s. Ausg. 201f. Karlowa 973. 

Das Werk enthalt Ausfiihrungen eines Juri- 
sten fiber Rechtsfragen, die ihm teils von einem 
Sachwalter vorgelegt, teils auch wohl von ihm 
selbst aufgeworfen sind, mit Belegstellen aus dein 
Ius und den Leges. Die Begutachtung ist eine 
wesentlich andere als die uns aus den Responsen 
der klassischen Juristen bekannte, Nicht um 
eine (autoritative) Belehrung des Richters handelt 
es sich, sondern um eine Anweisung an den Sach- 
walter, welche Argumente erbei Gericht vorbringen 
und welche Stellen aus den Rechtsbiichern er zur 
Begrilndung der von ihm vertretenen Ansicht 
dort verlesen solle (lectiones vgl. besonders 4, 



Consultatio veteris iuris consulti 1144 

2. 5). Diese Art der Verhandlung vor Gericht 
tritt in unserer Schrift besonders anschaulich ent- 
gegen. An einzelnen StelleD (6, 10 — 21) fehlen 
auch die eigenen Auseinandersetzungen und wird 
nur die Frage mit den lectiones gegeben; das 
neunte Capitel enthalt nur Kaiserconstitutionen 
und scheint ein Nachtrag zu sein. Der Wert 
der Schrift liegt fur uns in den Belegstucken, 
d. h. in dem beigefiigten Material aus der Juris- 

10 prudenz und der Kaisergesetzgebung. Benutzt 
sind in ersterer Hinsicht: Codex Gregorianus Buch 
II: 1, 6—10, Buch III: 2, 6. 7, ohne nahere An- 
gabe 9, 8 — 11. 14—19; Codex Hermogenianus, 
mit Angabe des Titels: 4, 9 11 ; 5, 6. 7 ; 6, 
10 — 19, ohne nahere Angabe: 9, 1-7 ; Cod. Theod. 
Buch II : 3, 12. 13, Buch IX : 7 a, 3. 5, ohne nahere 
Angabe: 1, 12 (Cod. Theod. II 9, 3); 8, 2 (Cod. 
Theod. II 12, 4); 8, 7 (Cod. Theod. I 2, 7); 9, 12 
(Cod. Theod. II 16, 3) ; 9, 13. Aus der juristischen 

20 Litteratur sind nur die Sententiae des Paulus heran- 
gezogen und zwar am ausgiebigsten Buch I: 3, 6-9 ; 
4, 3-7; 5, 4. 5. 6, 5-7. 20; 7, 4-6. Buch II: 6, 8, 
Buch III: 4, 8; 6, 9, BuchV: 6,21. Bei den Citaten 
wird regelmassig das Buch, haufig auch der Titel 
angegeben; nur am Schlusse ist dies durchweg 
unterblieben. An den Stellen, bei welchen eine 
Vergleichung mit anderen Quellen moglich ist 
— sie sind in der Ausgabe von Kriiger an den 
betreffenden Orten angefuhrt — sieht man, dass 

30 die Citate mehrfach in einer recht verkttrzten und 
veranderten Gestalt wiedergegehen sind, auch 
Stellen wie 6, 5. 9 kOnnen so kaum von Paulus 
geschrieben sein ; doch mag manches von der- 
artigen Unrichtigkeiten auf die Rechnung der 
von ihm benutzten Texte zu setzen sein. tjbrigens 
passen die Belege auch keineswegs immer auf 
die vorliegenden Fragen und Ausfiihrungen. Und 
wenn der Verfasser angiebt, er kenne auch noch 
andere consultorum iura, die beizufiigen er fur 

40 fiberfllissig erachte, so brauchen wir ihm das nicht 
ohne weiteres zu glauben. AufTallend ist, dass 
er nicht einmal die Institutionen des Gaius heran- 
gezogen hat, die doch zur Zeit der Entstehung 
seines Werkes wcit verbreitet waren. 

fjber den Verfasser ist nichts bekannt, auch 
nichts Naheres zu ermitteln. Dass er Christ war, 
zeigen seine Darlegungen mehrfach, versteht sich 
aber fur die Zeit, in der er schrieb, von selbst. 
Diese (die Entstehungszeit) lasst sich nur sehr 

50 annaherungsweise bestimmen. Natiirlich ist das 
Werk vor Iustinians Gesetzgebung (529) abge- 
fasst, da die von dieser ausser Kraft gesetzten 
Rechtsfiuellen hier noch als geltendes Recht be- 
handelt werden, auch das Citiergesetz noch als 
massgebend erwahnt wird (7, 3). Andererseits 
ist der Codex Theodosianus (von 438) bereits er- 
gangen. Dass der Verfasser diesen nur aus der 
westgothischen Gesetzgebung gekannt habe, ist 
nicht erweislich und namentlich deswegen nicht 

60 glaubhaft , weil sich die aus dem Codex Theo- 
dosianus und Paulus citierten Stellen nicht samt- 
lich, die aus den Codices Gregorianus und Her- 
mogenianus entlehnten fiberhaupt nicht in Ala- 
richs Gesetzbuch finden. Wenn er die iilteren 
Texte selbst eingesehen hat, so ist das fur das 
neuere Gesetzbuch um so mehr anzunehmen. Eu- 
dorff (Ztschr. 62ff.) glaubt eine engere Grenze 
Ziehen zu kOnnen. Indem er in der Stelle 7, 3 



1145 



Consumere 



I 



{secundum sententiam Pauli iuridiei, cuius sen- 
tentious sacratissimorum principum scita semper 
valituras ac divalis eonstitutio declaravit [in 
der Ausgabe des Cuiacius von 1577: declarat]) 
die divalis eonstitutio auf das Gesetz Constan- 
tins im Cod. Theod. 14,2 und die sacratissi- 
morum prineipum seita auf das Citiergesetz 
(ebd. 3) begiebt, schliesst er, die C. miisse, wenn 
Constantin hier als dims, Valentinian III. und 
Theodosius II., die Urheber des Citiergesetzes, als 
sacratissimi prineipes bezeichnet werden, bei 
Lebzeiten der letzteren, also vor dem Tode des 
zuerst von ihnen verstorbenen (Theodosius), d. h. 
zwischen 438 und 450 entstanden sein (zustimmend 
Fitting 244, 43. Teuffel § 462, 1). Diese 
Ansicht wird meines Erachtens nicht dadurch 
widerlegt, dass, wie Mommsen (in Backings 
Ausgabe des Ulpian [1855] p. 118 Anm.) ein- 
wendet, es bei einem Schriftsteller des 6, Jhdts. 
nichts AnstOssiges habe, wenn verstorbene Herr- 
scher als sacratissimi prineipes bezeichnet werden. 
Nicht hierauf allein kommt es an, sondern in 
erster Linie auf den von R u d o r f f hervorgehobenen 
Gegensatz zwischen divalis und sacratissimi. 
Auch Huschkes (p. 852 z. d. St.) Conjectur 
declarant statt declaravit und Erklarung der 
Worte ac divalis eonstitutio durch perinde ac 
d. a. sind wenig befriedigend. Wohl aber spricht 
gegen die Datierung von Rudorff, dass sich 
starke saehliche und sprachliche Zusammenhange 
der C. mit der Interpretatio des westgothischen 
Gesetzbuches -und zur Lex Romana Burgundio- 
num nachweisen lassen (Huschke 836ff. Fit- 
ting 244ff. Kriiger 306): diese zwingen uns 
zwar nicht, die Entstehung der C. nach jenen 
Gesetzen anzunehmen, lassen aber doch eine zeit- 
lich nahere Beziehung zu ihnen glaubhaft er- 
scheinen. Auch wird man der Thatsache, dass 
dem Verfasser aus der juristischen Litteratur nur 
des Paulus Sententiae bekannt waren, am besten 
gerecht, wenn man sein Werk mtiglichst weit, 
also etwa auf die Wende vom 5. zum 6. Jhdt., 
hinabruckt. Als Entstehungsort hat man wohl 
mit Recht Gallien angesehen, weil die Sammlung 
dort allein und zwar bis ins 12. Jhdt. zuriick 
nachweisbar ist (Rudorff Ztschr. 54. Huschke 
838. Karlowa 975f. Kriiger 306f. Conrat 
Quell, u. Litt. d. R. R. im friiheren Mittelalter 
I 90. Mitteis 201f.). 

Die neueste und beste Ausgabe ist die von 
Kriiger in der Collect, libr. iur. anteiust. LLT 
199ff. 

Neuere Litteratur: Puchta Inst. w § 104. 
Heimbach Leipz. Repertorium III 154ff. (1843. 
3). Rudorff Ztschr. f. gesch. R.-W. XLTI 50ff. ; 
R. R.-G. I 286f. Fitting Ztschr. f. R.-G. IX 
244ff. Teuffel R. Litt.-Gesch.§462, 1. Huschke 
Iurispr. anteiust. 5 833ff. Karlowa R. R.-G. I 
973ff. Kriiger Quell, u. Litt. d. R. R. 305ff. 
Landucci Stor. d. dir. R. 12 270. Mitteis 
Reichsr. u. Volksr. 201f. Kipp Quellenkunde 
98f. [Jors.] 

Consumere hat in der Sprache der Juristen 
eine weitere Bedeutung als das daraus hervor- 
gegangene deutsche Wort ,consumieren'. Es be- 
zeichnet nicht bios die Aufzehrung oder Vernich- 
tung eines Gegenstandes, sondern jede Form der 
Beseitigung oder Fortschaffung eines VermOgens- 



Oonsumptio actionis 1146 

stiickes aus dem Herrschaftskreise dessen, dem 
es zusteht. Darum geh(5ren namentlich zu den 
fructus consumpti nicht bios die aufgezehrten, 

. sondern die von ihrem BesitzeT verausserten Friichte 
(vgl. Pfersche Privatreehtliche Abhandlungen, 
Erlangen 1886, 136, 2. Karlowa Rom. Rechts- 
gesch. II 423ff.) , Dig. XXV 2, 3, 3 res quas 
divortii tempore muli&r eomederit vendiderit dona- 
verit qualibet ratione consumpserit. Es kann 

lOhiernach eine Sache consumpta und doch noch 
in rerum natura vorhanden sein, so dass z. B. 
bei agri consumpti die Frage, ob sie unter ge- 
wissen Umstanden ersessen werden konnen, einen 
Sinn hat, Dig. XLI 3, 4, 19 (vgl. v. Petraz ycki 
Die Fruehtverteilung beim Wechsel des Nutzungs- 
berechtigten, Berlin 1892, 91 und dazu Leon- 
hard Ztschr. der Savigny-Stiftung, Rom. Abt. XIV 
275). Nach dieser weiteren Bedeutung ist auch 
der Begriff der res quae usu consumuntur zu 

20 verstehen. Dig. VTI 5 de usu fructu earum rerum, 
quae usu consumuntur vel minuuntur, der sog. 
verbrauchbaren Sachen, ein Begriff, der nament- 
lich bei einem Niessbrauche an einem ganzen Ver- 
mOgen von Bedeutung ist, weil bei diesem die 
verbrauchbaren Sachen nicht in einem wahren 
Niessbrauche stehen, sondern nur in einem niess- 
brauchahnlichen Verhaltnisse (sog. quasi usus- 
fruetm, s. Ususfructus), Dig. VII 5, 1. Inst. 
II 4, 2. Dass namentlich auch das Geld zu den 

30 verbrauchbaren Sachen gehOrt, erscheint hiernach 
durchaus richtig, weil seine Beniitzung es aus 
dem VermOgen des Eigentumers fortschafft und 
seine Vermischung mit anderem Gelde ihm seine 
Erkennbarkeit als besonderes, von dem ubrigen 
Besitztume seines Herren unterscheidbares Ver- 
mOgensstuck raubt, es also wenigstens als solches 
beseitigt (anderer Meinung namentlich Hohen- 
emser Die Consumtion des Geldes durch Ver- 
mischung und Verausgabung, Diss. Marburg 1892). 

40 Hinsichtlich der Kleider ist es streitig, ob sie zu 
den verbrauchbaren Sachen gehOren. Dafur Inst. 
II 4, 2, dagegen VII 1, 15, 4. 5. VII 9, 9, 3. 
Es wird wohl auf die Art der Kleider ankommen, 
Sie selbst werden durch die Benutzung allerdings 
nicht aus dem VermOgcn ihres Herren beseitigt, 
wohl aber ihr Wert. Dies gilt jedoch nicht von 
alien Kleidern, sondern nur von den meisten, wah- 
rend Pelze. Waffenriistungen, Schmuckgegenstande 
u. dgl., namentlich die scaenica vestk (Dig. VTI 

50 1, 15, 4), durch BenutzUng keinen oder nur einen 
geringen Verlust erleiden. 

Litteratur. Hanausek Die Lehre vom un- 
eigentlichen Niessbrauch, Erlangen 1879. Roguin 
Les choses fongibles et les choses de consomma- 
tion, Lausanne 1892 und die bei Dernburg Pan- 
dektens I 497 § 210, 7 Angefiihrten; vgl. auch 
Dernburg I 61 Off. §249. Puchta. Kriiger In- 
stitutionen' I 285 § 255. Leonhard Institu- 
tionen 29 Iff. [R- Leonhard.] 

60 Consumptio actionis. Die ein indicium 
legitimum begrundende litis contestatio zehrt die 
actio auf (consumit Gai. P7 131. Instit. IV 10. 
Dig. XIV 3, 13 pr.), deTart, dass die Einleitung 
eines neuen Processes auf Grund derselben Spruch- 
oder Schriftformel ipso iure ausgeschlossen oder 
doch (bei actio in rem und in factum) der Ma- 
gistrat verpfiichtet ist, eine Erneuerung des Streits 
durch exceptio zu verhindern. War durch die 



1147 



Consus 



Contestani 



1148 



litiscontestatio nur ein iudicium imperio conti- 
nens begriindet, so hangt es von dem Ermessen 
des Magistrats ab, ob er dem Grandsatz de eadem 
re ne bis sit actio durch denegatio aetionis oder 
exceptio rei iitdieatae vel in indicium deductae 
Geltung verschaffen will, Cic. orat. I 168; p. 
Place. 50. Gai. Ill 181. IV 103—109. Auch in 
gewissen Fallen des concursus actionum (s. d.) 
per alteram actionem altera eonsumitur, Dig. XII 



duello, Lares f coillo (compito H e i n s i u s) potentes 
(Tertull. de spectac. 5) als ein Erzeugnis gelehrter 
Deutung aus spaterer Zeit betrachtet werden, wenn 
auch die Verbindung des C. mit Mars und den 
Laren auf alterer Vorstellung beruhen mag und 
vielleicht aus alten Gebetsformeln entnommen war. 
Im J. 272 v. Chr. gelobte der Consul L. Papirius 
Cursor dem Gotte einen Terapel (Pest. p. 209); 
dieser wurde auf dem Aventin erbaut und ist also 



2, 28, 4, auch bier entweder ipso iure oder ope 10 nicht identisch mit der ara in circo (Jordan 



exceptionis, Dig. XL VII 2, 72 pr. XLIV 7, 34, 1. 
XV 2, 14, 13. Verwandt ist die durch die Litis- 
contestation bei Correalobligationen eintretende 
Consumption, Dig. XL VI 1, 5, If.: quia natura 
obligationum duarum, quas haberet, ea asset, ut, 
cum altera earum in iudicium deduceretur, altera 
consumer etur. Die c. a. als ,negative' Wirkung 
der litiscontestatio schwindet mit deren Entartung 
im nachclassischen Process. Naheres s. unter Li- 



De Vortumni et Consi aedibus Aventinensibus, 
Gratulationsschrift d Konigsb. Univ. zum 50jahrig. 
Jubil. d. Arch. Inst, in Rom 1879 p. 3f.). Nach 
altem aacralen Brauche war er am Feste des 
Gottes (21. Aug.) dediciert (fast. Vail. Conso in 
Aventino sacrificium CIL 12 p. 240). "Wahr- 
scheinlich wurde das Heiligtum in den letzten 
Jahren der Kegierung des Augustus wiederher- 
gestellt und dabei der Dedicationstag auf den 



tis contestatio;LitteraturnachweisebeiWind-2012. December verlegt (fast. Amit. CIL 12 p. 245). 
r.__3_i_i.„_ 7 T „im r-r .- , ■. ^ ug ^jg^gjjj ^nlass ^i e Pontifices am 7. Juli 

ein Opfer am Altar im Circus darbrachten (Tertull. 
a. a. O.), ist nicht ersichtlich. Dem Herzen des 
Volkes war C. entfremdet; bisher hat sich we- 
nigstens keine Weihinschrift an ihn gefunden 
(Wissowa in Roschers Mythol, WOrterbuch I 
924f.). [Aust] 

Contarii oder Contati (Veget. Ill 9. 16. 17), 
griechisch KovrotpoQoi (Arrian. tact. 4, 3. 44, 1 ; 



scheid Pandekten 7 I § 124. [Leist. 

Consus. 1) s. C. Flavius Consus. 

2) AltrOmischer Gott, dem zu Ehren am 
21. August und 15. December die bereits im 
numanischen Kalender verzeichneten Consualia 
gefeiert wurden (fast. Praen. Vail. Amit. CIL 12 
p. 237. 240. 245). Die Lage der Feste in einer 
Zeit, wo die Ernte beendet ist und wo nach der 
Arbeit des Dreschens der Reichtum der Speicher 



sich offenbart , die dabei beobachteten Brauche, 30 contra Alanos 16. Lukian. Alex. 55 ; de hist, con- 



namlich das Darbringen von Erstlingsopfern (Dion. 
II 31), der Wettlauf , die Feiertagsruhe und Be- 
kranzung der bei der Feldarbeit beschaftigten 
Tiere (Fest. ep. 148. Dion. I 33. Plut. qu. R. 48. 
Fast. Praen. 15. Dec), ferner der unterirdische 
mit Erde bedeckte Altar des Gottes (Dion. II 
31. Plut. Rom. 14. Tertull. de spectac. 5), der 
an die alteste Art des Bergens der Feldfrucht 
erinnert, und schliesslich die in dem dreitagigen 



scrib. 16. Pollux I 131), waren Lanzenreiter, nach 
ihrer Hauptwaffe, dem Contus (s. d.), benannt. 
Arrian. tact. 44, 1 zufolge war diese Truppen- 
gattung den Sarmaten eigen. Von ihnen ilber- 
nahmen sic in der Kaiserzeit die Romer (Joseph, 
bell. Iud. Ill 96. Arrian. tact. 4, 7). Ein ganzes 
Regiment solcher C. bildete die ala I Ulpia con- 
tariorum miliaria e. R. tiber dieselbe s. Ci- 
chorius o. Bd. I S. 1239f. Nach Vegetius ID! 



Abstand der Consualia von den Opiconsiva und 40 16. 17 kampften die C. in der Schlacht auf den 



Opalia zum Ausdruck kommende Verbindung des 
C mit Ops (Wissowa De feriis anni Rom. ve- 
tust, Ind. lect. aest. Marpurg. 1891, 6f.) setzen 
es ausser alien Zweifel, dass C. unter die Gott- 
heiten des Ackerbaues gehort und dass speciell 
das Bergen der Feldfrucht unter seinem Schutze 
steht ( Consus = Condius von condere vgl. M o m m - 
sen CIL 12 p. 337. Jordan bei Preller Rom. 
Myth. II 2 324, 1). Veranlasst durch das an seinem 



Flugeln. Ihr Aussehen veranschaulicht eine Ab- 
bildung bei Daremberg-Saglio Diet. I 1495. 

[Fiebiger.] 

Contenebra, etruskischer Ort im Gebiet von 
Tarquinii, 389 v. Chr. von den ROmern erstiirmt, 
Liv. VI 4, 9. Lage ungewiss. [Hiilsen.l 

Contestani, Volk in Hispania Citerior an der 
Siidkiiste im ostlichen Teile des jetzigen Murcia 
und im westlichen von Valencia. Zuerst wird 



Feste stattfindende "Wettrennen, identiflcierte man 50 die Landschaft Contestania im sertorianischen 



ihn mit dem, wie man aus dem Beinamen irr- 
tiimlich schloss , in gleicher "Weise gefeierten IIo- 
asibmv "Ixjzio; (Liv. I 9, 7. Dion. I 33. II 30. 
31. Strab. V 230. Polyaen. VIII 3. Serv. Aen. 
VIII 635. 636. Lyd. de inag. I 30. Plut. Tertr-U. 
a. a. O.; vgl. Auson. p. 149, 87. 161, 46. 340, 9 
Peiper). Doch schon dem Dionys (II 31) erregtc der 
unterirdische Altar Bedenken, weshalb er den Gott 
der ara von dem der Spiele unterschied. And ere 



Krieg erwahnt (Liv. Frgm. des B. XCI), als mit 
Ilercavonia (s. d,) in der Hand des Sertorius. Pli- 
nius nennt nach Poseidonios und Varro in der Kiisten- 
beschreibung von Siiden beginnend erst Baxti- 
tania (s. Bd. Ill S. 113), dann Deitania (s. d,), dein 
Contestania und Carthago nova (I II 1 9) und nachher 
den Fluss Sucro als Contestaniae finis (III 20). 
Ebenso Ptolemaios Korreazavwr xagd/.to; (II 6, 
14) und exi fia/.iioon oiy.ovvzsg Kovxemavol (II 6. 



leitetenC.vone«wj7?M»*abundhieltenihnfuremen60 61). Der Name gilt fur keltisch (von Contextosy. 
<leusconsiliorumfi?est.e\).\>.4\. Ovid. fast. IH199. ' •■ . •■ « , ,. ,. • 

Plut. Rom. 14. Arnob.ni23. Ps.-Asc. p. 142 Or. Ter- 
tull. ad nat. n 11. Cyprian quod idola dii non sunt 
4. Anson, de fer. Rom. 20). Alle diese Combi- 
nationen der alten Forscher sind den oben ange- 
fiihrten Thatsachen gegeniiber vOllig bedeutungs- 
los, und aus demselben Grunde muss die Inschrift 
auf dem Altar im Circus: Consus consilio, Mars 



aber gerade in den Gegenden, die von den Con 
testanern bewohnt wurden, ist keine Spur einer 
keltischen Niederlassung , so dass die tTberein- 
stimmung des Namens, dessen iberische Urform 
von der griechisch-rOmischen Umformung verschie- 
den sein mochte, wohl zufiillig ist. Das Volk ist 
sicher fur iberisch zu halten, Dass die Munzen 
mit der iberischen Aufschrift qntlilqm (Mon. ling. 



1149 



Contiensis 



Contio 



1150 



Iber. nr. 103) — etwa Conticum — den Con- 
testanern gehorten, wie vermutet worden ist, bleibt 
unerweislich. Doch sind beide Namen vielleicht 
vom gleichen Stamm. [Hiibner.] 

Contiensis. Eumen. paneg. Constantii Caes. 2 
a ponte Bkeni usque ad Danuvii transitum, Con- 
tiensem. Gemeint wohl der Donauubergang bei 
Guntia, dem heutigen Giinzburg. Zeuss Die 
Deutschen 309. Mommsen CIL HI p. 721. S. 
Guntia. [linn.] 10 

Continentia urbis (urbi, extra urbem aedi- 
ficia) im Gegensatz zu der durch das pomerium 
begrenzten urbs die Vorstadte Roms, soweit that- 
sachlich die stadtisch angebauten Strassen reichen, 
bilden mit der urbs einerseits und den horti urbi 
iuncti (Paul. Dig. XXXIII 9, 4, 5) andererseits 
Rom in seiner factischen Ausdehnung, Frontin. de 
aq. 127 (SC. vom J. 743 = 11). 129 (lex Quinctia), 
vgl. 104 (qui in urbe essent intraque aedifieia 
urbi eoniuneta). Dig. L 16, 87 (Alfenus bei Mar- 20 
cellus). 16, 2 (Paul.). Mommsen St.-R. 13 63, 2. 
lis 1035. Die Grenze der C. fallt danach mit 
der des Stadtkreises propius urbem Romam pas- 
sus mille nicht zusammen (anders Karlowa RCm. 
R.-Gesch. I 87). Zu Lex Iulia munic. Z. 20: in ur- 
bem Rom(am) propiusm ufrbem) R(omam) p(as- 
susj M, ubei eontinente habitabitur, Z. 56: intra 
ea loca, ubi continenti habitabitur, vgl. Momm- 
sen St.-R. is 68, 2. 113 1035. Zu Dig. L 16, 
154 (Macer) : mille passus non a miliario urbis, 30 
sed a continentibus aedificiis numerandi sunt 
vgl. Jordan-Topogr. II 95. Hirschfeld Unters. 
z. r8m. Verwaltungsgeseh. 66, 4. Mommsen a. 
a. O. Ob Aufcnthalt intra c. als praesentia auf- 
zufassen ist, erertert Paulus Dig. Ill 3, 6 mit 
Bezug auf den procurator praesentis, Ulp. Dig. 
L 16, 173, 1 und anseheinend auch (Per nice 
Ztschr. d. Savigny-Stiftg. f. R.-G. XIV 182) Dig. L 
16, 199 hinsichtlich der Vormundbestellung nach 
der Lex Iulia et Titia (vgl. Karlowa Rem. 40 
Eechtsgesch. I 289). tJber Dig. L 16, 139, 147 
fUTpian und Terentius Clemens ad legem Iuliam 
et Papiara) vgl. Lenel Paling. II 337. 945). 

[Leist.] 

Continuum temnns heisst die fortlaufend be- 
zeichnete Frist im Gegensatze zu dem tempus 
utile, bei welchem nur solche Tage berechnet 
werden, die fur eine bestimmte, an die Frist ge- 
bundene Handlung brauchbar sind (z. B. die dies, 
quibiis scieris poterisque bei der cretio vulgaris 50 
s. Cretio). Ein solches tempus utile war die 
Frist fiir Geltendmachung eines heimlichen Mangels 
der gekauften Sache, bei der die Tage der Unkennt- 
nis dieses Mangels nicht mitgezahlt werden, Gai. 
II 173. ni 79. Ulp. XXII 32. Paul. V 2, 3. 
Dig. XXV 3, 1, 9. XL VIII 5. 12 (11), 4. 29, 5. 
XVI 1, 24, 3. XX 1, 19, 6. 55. 

[R. Leonhard.] 

Contio {concentio , conventus, vgl. SC. de 
Bacch. Z. 23: in coventionid. Fest. ep. p. 113:60 
in conrentione in contione. Varro de 1. 1. VI 88. 
Corp. gloss, ed. Getz \T 270) ist die von Magi- 
straten oder Priestern berufene und geleitete Ver- 
sanimlung, in welcher das Volk nicht nach den 
politischen Abteilungen gesondert ist, nicht Be- 
schliisse fassen kann, sondern lediglich Mitteilungen 
entgegennehmen soil. Fest. p. 38 : c. signified 
conventum non tamen alium qimm eum, qui a 



magistratu vel a sacerdote publico per praeconem 
eonvocatur. Dionys. IV 37. 76. V 57. Liv. XXXIX 
15, 1 (s. u.). So dienen die C. vornehmlich dazu, 
die Burgersehaft hinsichtlich der in den Comitia 
zu erledigenden Gesetze, Wahlen, Gerichte auf- 
zuklaren, jedoch nicht ausschliesslich ; denn C. 
haben auch stattgefunden, wie Mommsen St.-R. 
1 198 scharf hervorhebt, ohnedass Comitienfolgten, 
z. B. die C. im Lager, Liv. VII 36, 9. VIII 7, 
14 u. 8., die behufs politischer Agitation oder zur 
Teilnahme an Cffentlichen Acten (Liv. XLII 33, 2), 
so bei Hinrichtungen (Cic. pro Rab. ad pop. 11. 
15. Tac. ann. II 32) einberufene Versamrnlung. 
Die Formen haben sich in beiden Fallen nicht 
wesentlich unterschieden , waren jedoch strenger 
gebunden bei denjenigen C., welchen Comitia sich 
unmittelbar anschlossen, besonders in Bezug auf 
Beobachtung des Trinundinum und Vomahme von 
Auspicien; endlich war es dann unzulassig, dass 
mehrere Volksversammlungen zu gleicher Zeit 
tagten, Gell. XIII 16, 1 (Messalla) : si contionem 
habere volunt, uti ne eum, populo agant, quamvis 
multi magistratus simul contionem habere pos- 
sunt. Lange I 561. Sonst war natiirlich kein 
Hinderungsgrund, verschiedene C. gleichzeitig zu 
halten (Mommsen St.-R. I 199. Ill 374), doch 
darf eine solche nicht stattfinden, wenn die Ver- 
sammlungen des ganzen Volkes, die comitia, tagen. 
Das ius contionem habendi — die Bezeichnung 
cum populo agere hiefiir wird Gell. XIII 16, 2. 3 
(Messala) abgelehnt : aliud esse eum populo agere, 
aliud contionem habere, nam cum populo agere 
est rogare quid populum, quod suffragiis suis aut 
iubeat aut vetet, contionem autem habere est 
verba facere ad populum sine ulla rogatione; 
betreffs der mehrfach irrtumlich hieher gezogenen 
Stellen, Cic. in Verr. I 36. Macrob. sat. I 16, 
22. Liv. XLII 34, 1 vgl. Mommsen St.-R. I 
192 , 1 — , welches in der Konigszeit gewiss 
dem Herrscher allein zugestanden hat (Dionys. V 
11, vgl. Plut. Poplic. 3, wahrend nach Liv. I 16, 1. 
Cic. de rep. II 20 nach Romulus Tode ein Pri- 
vater in einer C. spricht), besassen die patrici- 
schen Oberbeamten des populus (Cic. ad Att. IV 
1, 6), die Censoren, die Aedilen, Quaestoren (Gell. 
XIII 16, 1. Schol. in Cic. in Clod, et Cur. p. 330 
Or.: [P. Clodius] cum illo anno potestate quae- 
storia fungeretur, apud populum ereberriinis 
eum [Ciceronem] contionibus lacesscbat, dazu die 
Bemerkung Mommsens St.-R. I p. XLX), selten 
die Promagistrate (Veil. I 10) und fur religiose 
Angelegenheiten die Priester (Varro de 1. 1. VI 28. 
Fest. ep. p. 38. Gell. II 12, 11. Macrob. sat. 1 15, 
9 — 12, vgl. Serv. Aen. VIII 654), endlich vor allem 
die Tribunen. Bei Collisionen hatte der hoher 
Stehende das grSssere Recht contionem avocare; 
so miissen vor der vom Consul berufenen C. alle 
andern ausser den von Tribunen anberaumten, 
denen also ein besonderer Schutz gewahrt war, 
znrtickstehen, vor der vom Praetor berufenen alle 
von niedern Magistraten angeordneten, Karlowa 

I 38(i. Dass aber, wenn ein Tribun C. hielt. auch 
die Comitien des populus zu unterbleiben hatten, 
ist trotz Liv. IV 25, 1 nicht anzunehmen, da ja 
zur C. nicht jedermann kommen musste, Momm- 
sen St.-R. II 289; anders Lange I 604. 826. 

II 716. Wollten die Tribunen Obstruction iiben. 
so boten intercessio und olmuntiatio bequemere 



1151 



Contio 



Contio 



1152 



Handliaben. Waren die C. auch nicht Versamm- 
lungen des ganzen Volkes (trotz der Ubertreibungen 
to Sallust. lug. 33. Cie. in Verr, I 45; pro 
Sest. 126. 114. 107), so konnten sie doch natur- 
gemass eine grosse Bedeutung haben, da in den- 
selben Gelegenheit geboten war, das Volk zu Worte 
komraen zu lassen (s. u.). 

Die Bemfung einer C. (vocare ad c, Li v. 
XXXIX 15, 11; populum advocare, Liv. I 59, 7. 
XLII 33, 2; o. advocare, Sallust. lug. 33. Cic. 10 
pro Sest. 28. Auct. ad Herenn. IV 55. Macrob. 
sat. I 16, 22; c. convocare, Gell. 1 15, 9) geschah, 
wenn sie nicht scion friiher in einer andern C. 
angekundigt war, wie Liv. XXXVIII 51, in ein- 
facher Weise durch praecones, Liy. I 59, 7. IV 
32, 1 (per vicos dimissi). Dionys. IV 37, 76. V 
57. Fest. p. 38; zu den im Feldlager sich ver- 
sammelnden erscholl das classicum, Liv. VII 36, 
9. VDI 7, 14. 32, 1. Tac. ann, II 32. Hinsicht- 
lich der Zeit sind unsere Nachrichten zwiespaltig. 20 
Mommsen St.-E. I 199 halt es fur wahrschein- 
lich, dass an den im Kalender als fur Comitien 
verbotenen Tagen auchC. nicht stattfinden durften, 
unter Berufung auf Macrob. sat. I 16, 22 : Iulius 
Caesar XVI auspieiorum libro negat nundinis 
contionem advocari posse, id est cum populo 
agi, ideoque nundinis Bomanorum haberi co- 
mitia non posse (vgl. Cic. ad Att. IV 3, 4) -, doch 
finden sich G. an den Nundinen (Cic. ad Att. I 
14, 1, vgl. Lex col. Genet, c. 81) und dies nefasti, 30 
Cic. ad Q. fr. II 3, 1. 2. Ascon. p. 41. Cic. ad 
Att. IV 1, 5. 6. Karlowa I 380. Dass die C. 
wie die Comitien (s. d.) nur raOglich war, solange 
die Sonne am Himmel stand, bezeugt Liv. XXXIX 
17, 4. 5. Plut. Aem. 30. Declam. in Catil. 19. 
Der Ort der Versammlung stand vollig im Be 
lieben des berufenden Magistrats, deshalb werden 
ganz verschiedene Localitaten genannt, Forum, 
area Capitolina (Liv. XXXIV 1,4), am Circus 
Flaminius, Liv. XX VII 21, 1. Cic. ad Att. I 14, 1 ; 40 
Sest. 33. Friiher stand der Magistrat am Vul- 
canal (Dion. II 50. VI 67. XI 39), spater anf den 
Eostra oder auf der Treppe des Castorternpels. 
Dass tibrigens C. nicht den Ort der Versammlung 
bedeutet, trotz Gellius, bemerkt Lange, wohl 
aber stent contio fur die Rede selbst (Ciceros 
zweite und dritte catilinarische) , Gell. XVIII 7, 
6. 7. Cic. in Vat. 3; ad Att. XIV 11, 1. 20, 3. 
XV 2, 3; ad fam. IX 14, 7. X 33, 2. Liv. XXIV 
22, 1 u. o. Teilnehmer durfte jeder Burger sein, 50 
doch war eine Verpfiichtung zum Erscheinen nicht 
geboten. Da der fehlenden Gliederung halber 
jede Controlle fehlte, konnten leicht sich auch 
Nichtbtirger einmischen , und spater hatten die 
schlechten und unwissenden Elemente oft genug 
das Cbergewicht , Cic. pro Sest. 104. 105. 106. 
127 ; pro Flacco 17 ; ad Att. I 16, 11. XIV 20, 2 ; 
pro Cluentio 110. Bei den C, welchen Comitien 
folgten, mussten die zur Abstimmung nicht Berech- 
tigten entfernt werden , soweit das mOglich war Q0 
(contionem summoveri), Liv. LT 56, 10: occupa- 
bant tribuni temphim . . consults nobilitasque ad 
impediendam legem in eontione consistunt . snb- 
moveri Laetorius iubet praeterquam qui suffra- 
gium ineant. Ill 11, 4. XXV 3, 15. Cic. pro 
Flacco 15. Ascon. in Corn. p. 70 : adstat populus 
confusus ut semper alias, ita et in coniione. 
Mommsen St.-R. Ill 390. 



Beziiglich der ausseren Formen ist weiter zu 
erwahnen, dass der leitende Magistrat sitzt, die 
Teilnehmer der C. stehen und zuzuhoren haben, 
vgl. auch die Bemerkung Mommsens St.-R. Ill 
396, 3. Der Auspicien bedurften die gewohnlichen 
C. nicht, doch war es iiblich, dass der vorsitzende 
Magistrat ein Gebet sprach, Liv. XXXIX 15, 1: 
eontione advocata cum sollemne carmen preca- 
tionis, quod praefari priusquam populum adlo- 
quantur solent magistratus, peregisset, consul ita 
coepit. Serv. Aen. XI 301. Auct. ad Her. IV 
68: cum Oraeehus deos inciperet precari. Gell. 
XIII 23, 1. Darauf erOffnete der Vorsitzende seine 
Mitteilungen dem Volke (Lange II 480), die bei- 
fallig oder auch mit Zeichen des Missbehagens auf- 
genommen wurden, Liv. X 19, 10. XXVII 51, 6. 
XXX 17, 5. XLV 2, 6. Dionys. IV 84. Sallust. lug. 
34. Cic. in Verr. I 45 ; ad Q. fr. II 3, 2. Wie 
tumultuarisch es zugehen konnte, zeigt Liv. XXXIV 
1—7, vgl. Mommsen St.-R. Ill 1178. Sprechen 
darf ausserdem in der C. aus dem coetus populi 
adsistentis (Gell. XVLTI 7, 8) nur, wem der Magi- 
strat es, wohl unter Bemessung der Redezeit, ge- 
stattet(Liv..XLV40, 9. XLII 34, 1. Dionys. V 11. 
Ascon. p. 34), wie z. B. dem Cicero das Wort ge- 
wahrt ward (contionem dare, ad Att. IV 1, 6. 2, 
3 ; verweigert ebd. II 24, 3 ; in contionem pro- 
ducer, Cic. ad Att. I 14, 1. XIV 20, 5; pro 
Sest. 132; in Vatin. 24. Liv. X 26, 1. Lange 
II 720. Mommsen St.-R. I 201). Solche Privat- 
personen mussen ex inferiore loco reden (Cic. 
ad Att. II 24, 3. Liv. VIII 32, 2. 33, 9), doch konnten 
ihnen auch die Rostra eingeraumt werden, uro 
den Worten mehr Gewicht zu verschaffen; Liv. X 
26. Cic. ad- Att. I 14, 1. II 24, 3. XIV 20, 5; pro 
Sest. 33. 107 ; in Vatin. 24. Cass. Dio XXXVIII 
4. Damit war doch die Mogliehkeit einer Dis- 
cussion (suasio, dissuasio, Quint. II 4, 33: Bo- 
manis pro eontione suadere ac dissuadere moris 
fuit) ilber Gesetzesantrage (Ciceros zweite und 
dritte Rede de lege agraria) und Candidatenfragen 
gegeben, Herzog I 1181. Die Entlassung der 
C. (dimitterc c. Cic. ad Att. II 24, 3) erfolgte 
durch den leitenden Magistrat (discedite). 

Die Veranlassungen zur Einberufung von C. 
waren naturgemass ausserordentlich verschieden- 
fache. Einige wichtigere nur noch seien erwahnt. 
GewOhnlich danken die Consuln beim Amtsantritte 
in C. dem Volke fur die Wahl (Cic. de leg. agr. 
II 1), legen ebenda ihr Amt unter Eidesleistung 
nieder, L an ge I 721 ; ferner fanden C. stets statt 
vor oder nach Triumphen, um den Bericht des 
siegreichen Feldherrn entgegenzunehmen (Liv. 
XLV 41. Veil. I 10, 4. Appian. Mac. 19. Dio- 
nys. VIII 70), besonders feierliche vor dem Cen- 
sus (Formel der Berufung bei Varro 1. 1. VI 86) 
vor der villa publica der Censoren (Liv. IV 22, 
7. XLLII 14. 5) , wobei dieselben die Gesichts 
punkte darlegten, nach denen sie ihre Geschafte 
vornehmen wollten (genauer Lange I 801. 
Herzog I 766): weiter, um dem Volke Edicte 
der Magistrate bekannt zu geben und iiber- 
haupt Mitteilungen zu machen , so im J. 568 
= 186, um die nach Entdeckung der Bacchanalia 
entstandene Erregung der Burger zu beschwieh- 
tigen (Cicero verzichtete in einer C. auf seine 
Provinz, ad fam. V 2, 3 : vgl. die von Livius XLI 
15 erzahlten Vorgange), besonders um die Massen 



i 



115a 



Contionacum 



(Jontorniaten 



1154 



fiber Vorgange auf dem Kriegsschauplatze aufzu- 
klaren (Liv. X 45. XXII 7, 8. XLV 1. Polyb. 
Ill 85, 7. 8), weiter zur Empfehlung und Be- 
kampfung von Candidaten, von Gesetzentwiirfen, 
deren Inhalt mitgeteilt wurde (die Erwahnungen 
solcher C. in altester Zeit wie Liv. II 41. Ill 34, 
1. Dionys. X 3 sind nicht gesichert), Cic. ad Att. 
I 11, 4. 14, 5; de leg. agr. Ill 1. 2. 16; zur Be- 
ratung iiber bevorstehende Gerichtsversammlungen 
— ilber diese drei C. Lange LI 721 und im Art. 
Comitia. Karlowa I 381. 

Mehr und mehr, besonders seit der gracchi- 
schen Zeit, wurden die C. von demagogischer 
Seite, von den domini contionum (Cic. pro Sest. 
127), benutzt, das Volk Sonderinteressen dienst- 
bar zu machen, Cicero nennt sie turbulentae, 
temerariae, furiosissimae, ad Att. IV 3, 4, und 
spricht von den Teilnehmern als eontionalis hi- 
rudo aerarii, misera ac ieiuna plebecula, ad Att 
I 16, 11. Lange II 723. 

Die vom Feldherrn einberufene C. hatte zu- 
meist den Zweck, Auszeichnungen Offentlich be- 
kannt zu geben, Liv. II 59, 4. VII 26, 10. 36, 9. 
37,1. XXIV 47. XL 32, 8; nahere Nachweise 
giebt Madvig LI 534. 

Noch in der Kaiserzeit sind C. gehalten, ge- 
wiss nur nach Genehmigung des Herrschers, der 
selbst dem Volke Kundgebungen in dieser Form 
zuweilen zugehen liess, Tac. hist. I 90. Hist. Aug, 
Sev. Alex. 3, 4. 25, 11. 

Litteratur. Lange Altert. I 398. 561. II 450. 
480. 521. 715ff. Soltau AltrCm. Volksvers. 37ff. 
Mommsen St.-R. I 191. 197ff. in 390. Herzog 
System I 634ff. 1057ff. 1181. 1183. 1187. II 911. 
Karlowa Rechtsgesch. I 48. 379. Humbert bei 
Daremberg-Saglio Diet. 11485. [Liebenam.] 

Contionacum , das heutige Conz bei Trier, 
Cod. Theod. II 4, 3 (vom J. 371). IX 3, 5 (= 
Cod. lust. IX 4, 4). XI 1, 17 (= Cod. lust. XI 
58, 4). Riese Rbein. Germanien 320. Holder 
Altkelt. Sprachschatz s. v. Bergks (Zur Geseh. 
u. Topogr. der Rheinlande 97ff.) Griinde fur die 
Annahme, dass C. der spatere Name des vieus 
Ambitarvius (s. d.) sei, sind nicht zwingend. 

[Ihm.] 

Contobris s. Contrebia. 

Contorniaten nennt man gewisse medaillen- 
ahnliche BroDzen aus der rOmischen Kaiserzeit, 
die in ziemlieh betrachtlicher Zahl erhalten und 
in alien Munzsammlungen zu finden sind. Sie 
sind von kreisrunder Gestalt, in dieser Hinsicht 
genauer gearbeitet als die Munzen, teils gepragt, 
teils gegossen. Der Durchmesser ist verschieden ; 
doch ist die gewohnlichste GrOsse 37 — 38 mm., 
zuweilen auch einige Millimeter mehT oder weniger ; 
Stiicke unter 30 mm. sind sehr selten, solche iiber 
40 mm. (45, 50 und etwas dariiber), mit den 
Bildern des Iulianus und spaterer Kaiser, etwas 
haufiger. Wie die Munzen sind auch die C. mit 
Bild und Schrift versehen, in der Kegel auf beiden 
Seiten, einseitige sind sehr selten; die Schrift 
kann auch fehlen. Ausnahmen bilden die C. mit 
vertieften Darstellungen und Inschriften und die- 
jenigen, bei denen die Schrift erst nachtraglich 
eingraviert ist. Die Hauptmasse ahnelt den grossen 
Kupfermunzen und sog. Medaillons ; und wenn sie 
sich von denjenigen der friiheren Kaiserzeit 
durch das flachere Relief besonders der ROckseite 

Pauly-Wissowa IV 



und den schlechteren Stil leicht unterscheiden 
lassen, so kann man bei den Kaisern des 4. Jhdts. 
zuweilen in Zweifel sein, ob man es mit einer 
Mtinze oder mit einem C. zu thun hat. In den- 
meisten Fallen sind aber die C. auch ohne Be- 
riicksichtigung des Stils leicht als solche zu er- 
kennen. Abgesehen von dem, was unten fiber 
die Zeit ihrer Herstellung und iiber ihre Bestim- 
mung gesagt werden wird, genftgen auch schon 

10 ihre ausseren Merkmale fast immer zur Unter- 
scheidung von den Munzen: die auf beiden Seiten 
ganz nahe am Rande mehr oder weniger tief ein- 
gegrabene Kreislinie und der uberstehende Rand. 
Dem ersteren Merkmal verdanken die C. ihren 
modernen Namen (vom ital. contomo), aber ur- 
sprttnglich ist wohl das andere das wichtigere 
gewesen; denn der uberstehende Rand ist gleich 
bei der Fabrication der C. mit hergestellt, wo- 
gegen die vertiefte Kreislinie erst nachtraglich 

20 eingerissen ist, was daraus zu erkennen ist, dass 
die Buchstaben der Umschrift oft von ihr durch- 
schnitten sind. Wozu die vertiefte Linie dientc, 
ist nicht klar; der erhohte Rand hatte, wie wir 
sehen werden, einen praktischeu Zweck bei der 
Benutzung der C. Bei sehr vielen Stucken kommt 
zu diesen beiden Merkmalen als drittes hinzu, dass 
sie, meistens auf der Vorderseite, mit eingravierten 
Zeichen versehen sind, die zuweilen mit Silber 
ausgelegt sind. Solche Zeichen sind ein Palmzweig, 

30Blatt, Kranz u. a., am haufigsten aber das Mo- 
nogramm ^ (oder ahnlich; EP oder PE, latei- 
nisch oder griechisch ?), das wie einige der ubrigen 
Zeichen auch auf anderen Denkmalern vorkommt, 
aber noch nicht zuverlassig erklart ist (vgl. B r u z z a 
Ann. d. Inst. 1877, 58— 72. Blanchet Revue num. 
1890, 480—486. Ihm Rom. Mitt. 1891, 216ff. 
zur Spieltafel -nr. 70, wo aber das zweimalige 
PER gewiss nur auf willkiirlicher AuflSsung des 
Monogramms durch Jucundus beruht). Auf 

40 Munzen finden sich diese eingravierten Zeichen 
ausserst selten ; sie beweisen dann , dass die so 
bezeichneten Stiicke zu demselben Zweck wie die 
C. benutzt worden sind. 

Wie bei den Munzen unterscheidet man auch 
bei den C. Vorderseite und Riickseite. Die eine 
Seite zeigt in der Regel einen Kopf oder ein Brust- 
bild; diese kOnnen wir hier um so mehr als die 
Haupt- oder Vorderseite bezeichnen, als auch das 
Relief meistens hoher ist als auf der andern Seite. 

50 Gewdhnlich ist es der Kopf eines Kaisers, wobei 
Nero und Traianus am haufigsten erscheinen (weit 
mehr als die Halfte aller bekannten C. zeigt ihr 
Bild) ; andere Herrscher und Mitglieder der Kaiser- 
hiiuser des 1. und 2. Jhdts. sind selten; von Kai- 
sern des 3. Jhdts. findet sich nur Caracalla, dann 
erst wieder aus dem 4. Jhdt. Constantin d. Gr. und 
seine Sohne Constans und Constantius, ferner Iu- 
lianus (Iovianus aber nicht, sein Name auf dem 
C. bei Sabatier IX 12 ist gefalscht; vgl. Cohen 

60 VIII 314), Theodosius I., Honorius, Valentinian III., 
Maiorianus und Anthemius, nach der Reichstei- 
lung also nur westrOmische Kaiser, was beachtens- 
wert ist. Von anderen PersSnlichkeiten ist am 
haufigsten Alexander d. Gr. dargestellt, auch der 
Kopf seiner Mutter Olympias findet sich, wenn auch 
nur selten; dann erscheint ziemlieh oft das con- 
ventionelle Portrat des Homer, wiihrend Euripides 
und Demosthenes nur je einmal nachweisbar sind. 

37 



1155 Contonriaten 

Das Stuck mit den Kopfen des Nikokreon und 
Anaxarchos (Saba tier XV 2) ist gefalscht (s. 
Cohen VIII 283). Von rCmischen Schriftstellern 
flndet sich am haufigsten Sallust, nachst ihm 
Horaz, aber auch Appuleius und Terenz; diese 
Portrats scheinen nicht willkurlich. erfunden zu 
sein, sondern. auf zuverlassige Vorlagen zuriickzu- 
gehen (fur Horaz vgl. 0. Kossbach Neue Jahrb. 
1899, 20). Auch der Kopf des Apollonius von 
Tyana findet sich einmal; er verdankt das viel- 
leicht weniger seiner Schriftstellerei als seinem 
Kuf als Wunderthater ; auch fiir Appuleius konnte 
dasselbe gelten. GstterkOpfe erscheinen selten; 
nur von Roma ist eine grCssere Anzahl, zum Teil 
beachtenswerter Darstellungen yorhanden. Von 
anderen Bildem der Vorderseiten sei noch das 
der zwei Masken und das besonders haufige eines 
Kutschers (?) mit seinem Pferde, gewohnlich in 
halber Figur, erwahnt. Die Inschriften geben 
die Namen der dargestellten PersOnlichkeiten an, 
gewohnlich im Nominativ, aber auch als Dedi- 
cation im Dativ; bei den Kaisern oft auch die 
Titel, aber mit so vielen Fehlern, dass schon da- 
durch der nichtofficielle TJrsprung dieser Denk- 
m'aler erwiesen wird. Die Sprache ist gewohn- 
lich die lateinische, auch bei den KOpfen Ale- 
xanders d. Gr. (mit einer Ausnahme), mit mancherlei 
Fehlern in der Schreibung der griechischen Eigen- 
namen. Die Namen der griechischen Schriftsteller, 
mit Ausnahme des Apollonius, sowie der Olympias 
und des Antinoos sind griechisch angegeben, der 
des Homer regelmassig CJMHPOC geschrieben; 
von Fehlern im Lateinischen verdient die Legende 
SALVSTIVS AV10R (so auf alien Exemplaren) 
Beachtung. 

Die Betrachtung der Riickseiten ergiebt schon 
beim ersten Uberblick, dass die Darstellungen, 
die sich auf Circus und Amphitheater beziehen, 
weit zahlreicher sind als alle anderen zusammen. 
Ausser den Gebauden selbst, deren Abbildungen 
nicht ohne Wert sind, flnden wir die verschiedenen 
Arten von Kampfen und Kampfern, besonders die 
Quadrigen dargestellt, wobei oft die Namen der 
Kampfer oder Sieger und auch der Pferde bei- 
geschrieben sind. Dazu kommen einige Typen, 
welche theatralische und musikalische Auffuhrungen 
wiederzugeben scheinen ; auch von den mythologi- 
schen und anderen Scenen mag einiges auf Dramtn 
zuruckgehen. Aber die Ansicht von Ch. Robert 
und Gnecchi, dass alle Darstellungen mytho- 
logischen, heroischen und historischen Inhalts 
von derBiihne hergenommen seien, also auch diese 
C. auf Offentliche Spiele Bezug hatten, ist sicher 
zu verwerfen; es handelt sich vielmehr sehr oft 
urn Wiedergabe von bekannten Miinztypen und 
Werken der bildenden Kunst. Von Gottern sind 
am haufigsten Dionysos (namentlich sein Zug), 
Kybele (gewohnlich mit Atys) und Herakles dar- 
gestellt, andere nur vereinzelt. Wertvoller sind 
die Illustrationen von Mythen und Sagen, wie 
die Bestrafung der Dirke, die Schindung des 
Marsyas, Endymion und Selene, Hero und Leander, 
Achill und Penthesilea, Odysseus in verschiedenen 
Scenen (Kirke ; Skylla ; unter dem Widder ver- 
borgen), die Flucht des Aeneas. Zuweilen stehen 
die Darstellungen nicht mit der gelaufigen Form 
der Sagen in Einklang; so findet sich Offers ein 
Bild, auf dem eine Frau mit einem Kinde im 



Contorniaten 



1156 



Arm entflieht, wahrend am Boden ein zweites 
Kind mit einer oder zwei Schlangen sitzt; man 
wiirde an Alkmene mit Iphikles und Herakles 
denken. wenn nicht die Umschrift YWIIIYAH 
lautete (s. Cohen nr. 236. 394. Gnecchi nr. 76. 
Cat. Robert nr. 1281. 1347 mit Abb. auf Taf. XVI 
und XX). Der Typus ist gewiss nicht von den 
untergeordneten Leuten erfunden, die die C. her- 
stellten, sondern er geht auf ein gutes Vorbild 

10 zuruck ; aber man konnte allenfalls annehmen, 
dass der Handwerker die Scene nicht erkannte 
und daher eine falsche Beischrift hinzufiigte, falls 
nicht doch eine besondere Version der Hypsipyle- 
Sage vorliegt. Auch sonst verdienten viele Bilder 
der C. grossere Aufmerksamkeit der Archaeologen ; 
nur ist bei der Behandlung grosse Vorsicht notig, 
weil die Exemplare oft iiberarbeitet sind. In 
manchen Fallen lasst sich aus der Gleichheit der 
Vorderseiten feststellen, dass zwei verschiedene 

20 Typen als Gegenstiicke zusammengehOren, so die 
Flucht der Hypsipyle und die Flucht des Aeneas ; 
doch ist es zweifelhaft, ob daraus etwas fiir die 
Erklarung gewonnen werden kann. Von histo- 
rischen Personlichkeiten bieten die Riickseiten 
der C. wiederum besonders gern Alexander d. Gr., 
und ein sehr beliebter Typus ist seine Mutter 
Olympias, auf der Klineliegend, vorihrdie Schlange ; 
ferner kommt hier die sitzende Figur des Pytha- 
goras einmal vor. Von rOmisehen Typen ver- 

30 client nur der ofters erscheinende Raub der Sa- 
binerinnen Erwahnung, die Darstellung geht viel- 
leicht auf ein theatralisches Vorbild zuruck; die 
von Cohen fiir Miinzen gehaltenen Stiicke des 
Constantius mit derselben Scene diirften eben- 
falls C. sein. Umgekehrt wtirde man das merk- 
wiirdige Stiick des Constans mit der Inschrift 
BONONIA OCEANEN(i. i. Boulogne) trotz der 
vertieften Kreislinien eher fiir ein Medaillon halten 
(Eckhel VIII 110. Cohen VIII 313 nr. 331 mit 

40 Abb.). Auf der Rilckseite eines Horaz-C. erscheint 
ein sitzender Mann mit der Beischrift AC CIVS; 
man will darin die Statue des Dichters Accius 
(Plin. n. h. XXXIV 19) erkennen. Von Scenen 
des taglichen Lebens flndet sich nur wenig; ein 
Typus zeigt drei Manner bei einem Fass mit Ge- 
treideO?) beschaftigt (Cohen nr. 201 mit Abb. 
Cat. Robert nr. 1254 mit Abb. auf Taf. XV); 
Mufiger ist ein anderer, bei dem drei Manner in 
einem Gewolbe um einen Tisch stehen, auf dem 

50runde Gegenstande liegen (Sabatier Taf. XIX 
3. Gnecchi Riv. ital. 1895, 32 und sonst); 
Gnecchi sieht darin ein Spiel mit C. Endlich 
sind als eine besondere Gruppe der C. diejenigen 
zu nennen, welche Miinztypen wiedergeben, Dar- 
stellungen jeder Art. mehr oder weniger genau 
den Miinzen nachgeahmt, oft sogar mit Heriiber- 
nahme der Buchstaben S. C .. des Zeichens der 
senatorischen Pragung. Die Inschriften geben 
wie die der Vorderseiten grosstenteils die Er- 

60klarung der Darstellung, die Namen der Gutter. 
Heroen und menschlichen Figuren, bei den Kam- 
pfern audi wohl die der Rosse und vereinzelt die 
Angabe der Faction (IX PRASIXO, IX VE- 
XETO) u. dgl., ofter lateinisch als griechisch, 
zuweilen beide Sprachen gemischt. Die Namen 
der Kampfer stehen Ofters aach im Vocativ, unter 
Beifugung der Acclamation VIXCAS oder NIK A 
(dafiir auch NIC A und selbst NICAS). Die ver- 



1157 



Contorniaten 



Contorniaten 



1158 



wandte Acclamation PL ACE AS flndet sich nur 
in zwei, vielleicht zusammengehorigen Fallen , in 
denen es sich um Vorfuhrung einer Orgel handelt 
(PETR ONI PL A CEA S ein ROmer mit dem Modell 
einer Orgel zwischen zwei anderen Romern, auf 
C. des Sallustius bei Sabatier X 4; PLACEAS 
PETRI eine grosse Orgel, von zwei Mannern be- 
dient, dahinter ein dritter, auf einem C. des Va- 
lentinianus bei Sabatier X 6). Zahlreich sind 



sind , diirften Fehler in der Titulatur _ u. s. w., 
wie sie oben geschildert wurden, nicht in soleher 
Menge vorkommen, wenn auch hin und wieder 
auch bei Miinzen Versehen der Stempelschneider 
nachweisbar sind. Ebensowenig ware es da mOg- 
lich, dass in so vielen Fallen Vorder- und Riick- 
seite eines Stiickes gar nicht zusammenpassen; 
es geniigt zu erwahnen, dass auf C. mit deni 
Kopfe Alexanders der Raub der Sabinerinnen, die 



auchauf der Riickseite die orthographischen Fehler, 10 romische Wolfin u. dgl. erscheint, oder dass auf 



namentlicft wieder bei der lateinischen Schreibung 
griechischer Namen. Dahin gehort vermutlich 
auch die bisher unverstandene Inschrift OLEXIVS 
{Sabatier XIII 17 und sonst); da es die Bei- 
schrift zu einem Odysseus - Typus ist, so darf man 
wohl eine Entstellung von Ulixes darin erkennen. 
Etwas Ahnliches mag auch bei der Inschrift SA- 
BVCIVS PINIAN. . . auf einem andern C. (Sa- 
batier XHI 16 und sonst) vorliegen, der wegen 



der einen Seite der Kopf des Nero und auf der 
anderen Faustina dargestellt ist; die Stempel- 
vertauschungen der sog. hybriden Miinzen sind 
etwas anderes. Endlich ist es undenkbar, dass 
die Miinzherren des 4. und 5. Jhdts. start des 
eigenen Bildes diejenigen verschiedener Kaiser der 
Vorzeit und anderer Leute auf ihre Mflnzen setzten, 
da es sich weder um Ehrung von Vorfahren noch 
um sog. restituierte Miinzen handelt. Es blieben 



seiner genau gleichen Vorderseite mit diesen zu- 20 also nur die C. mit den Portrats des Constantin 



sammengehort; sein Typus, ein Mann mit Stange 
an einem Baume, unten eine Leiter und eine 
Schlange, ist noch nicht erklart. Zuweilen sind 
die Inschriften auch ganz unverstandlich ; und 
es ist nicht unmoglich bei dieser Art von Denk- 
malern, dass es sich um absichtliche Spielereien 
handelt, so z. B. bei dem sitzenden Manne mit 
der Umschrift NVSMAGCON MONIMVS, der 
mit verschiedenen Vorderseiten vorkommt. 



und der spateren Kaiser ubrig, welche in der That 
unter der Regierung der auf ihnen abgebildeten 
Herrscher hergestellt zu sein scheinen. Aber auch 
von diesen konnten nur einige des Constantin und 
seiner Sohne allenfalls als Geld gedient haben; 
die der spateren Kaiser unterscheiden sich doch 
zu sehr von den Miinzen. Dagegen ware es m6g- 
lich, dass einige von den letzteren als Medaillen 
bei besonderer Gelegenheit hergestellt worden 



Um die Zeit festzustellen, aus der die C. 30 waren, wenn nicht von den Kaisern, so doch von 



stammen, darf man sich nicht daran halten, dass 
auf den Vorderseiten meistens historische PersOn- 
lichkeiten erscheinen. Es ist nicht nur die Zeit 
Alexanders d. Gr. ausgeschlossen , sondern auch 
noch die des Nero und Traianus und der andern 
Kaiser bis zu Caracalla einschliesslich. Ausser 
dem Stil beweisen die zahlreichen Fehler in der 
Titulatur und der Orthographie , dass kein uns 
bekannter C. in das 1. oder 2. Jhdt. gehoren kann 



anderen Stellen; namentlich die ganz grossen 
Stiicke, die durch bessere Portrats mit richtiger 
Titulatur ausgezeichnet sind und meistens auch 
den fruber fast immer fehlenden Perlkreis haben, 
konnte man wohl alsDenkmunzen betrachten. Wenn 
das richtig ist, so kann z. B. der merkwtirdige 
C. Valentinians III., auf dessen Riickseite sein 
Giinstling Petronius Maximus mit der Umschrift 
PETRONIVS MAXSVMVS V C CONS dar- 



und selbst an das 3. Jhdt. ist kaum zu denken. 40 gestellt ist (Sabatier XVI 4), eine Medaille sein, 



Wann ihre Herstellung begonnen hat, ist nicht 
sicher festzustellen; wahrscheinlich geschah es 
in der Zeit Constantins und seiner Sohne, weil 
gerade bei ihnen die Unterseheidung der C. von 
den sog. Medaillons mit Portrats desselben Herr- 
schers schwierig ist, wogegen bei den Stiicken 
mit Portrats der alteren Kaiser (bis Caracalla) 
und der spateren (seit Iulianus) eine Verwechs- 
lung mit ihren Munzen nicht gut moglich ist. 



die der letztere bei Gelegenheit seines ersten 
Consulats verteilt hat. Ahnlich sind vielleicht 
die C. aufzufassen, die auf der Vorderseite das 
behelmte Brustbild der Roma mit der Beischrift 
INVICTA ROMA FELIX SENATYS haben 
und auf der Ruckseite die Inschrift REPARATIO 
MVNERIS FELICITER mit verschiedenen Ty- 
pen (SabatierXl. XIX 1 3) ; diese waren dann vom 
Senat bei Erneuerung gewisser Spiele ansgegeben. 



Cohen wollte die Entstehung der C. bestimmter 50 Naturlich kOnnen solche Stiicke, wenn sie ursprung- 



unter Constans ansetzen, weil auf zwei Medaillons 
dieses Kaisers Merkmale erscheinen, die den C. 
zukommen, einmal ein Palmzweig und einmal die 
vertiefte Kreislinie (Med. imp. 12 Introd. S. XXV 
und Vn 2 405); aber das beweist nichts, weil 
auch auf sicheren Munzen alterer Kaiser, wie 
Gnecchi (Riv. ital. 1895, 285) nachgewiesen hat, 
solche Zeichen nachtraglich eingraviert erscheinen. 
Mit einiger Sicherheit kann man nur sagen, dass 



lich auch als Medaillen gedacht waren, nebenbei 
auch in derselben Weise wie die gewOhnlichen 
C. beniitzt worden sein. tjber diese gewfthnliche 
Verwendung sind friiher sehr verschiedene Ver- 
mutungen aufgestellt worden, die alle von dem 
Uberwiegen der Circus- und ahnlichen Typen aus- 
gingen; danach wollte man in den C. Preise fur 
die Sieger, Eintrittsmarken, Reklamen der Kampfer 
u. dgl., Talismane und Amulette sehen. Alle diese 



die Herstellung der C. im 4. Jhdt. begonnen hat 60 Erklarungen sind von FrShner und dann von 



und im 5. Jhdt. fortgefiihrt worden ist. Der 
spateste tragt das Portrat des Anthemius; und 
auch von den Stiicken ohne Kaiserbild scheint 
dem Stile nach keins in spatere Zeit zu gehoren. 
Es bleibt noch die Frage zu erOrtern , fur 
welchen Zweck die C. bestimmt waren. Sicher 
ist, dass sie nicht als Geld gedient haben. Denn 
bei staatlicnen Denkraalern, wie es die Munzen 



Gnecchi mit Recht abgelehnt worden. FrOhner 
schlug vor, in den C. Damenbrettsteine zu sehen, 
wahrend Gnecchi vielmehr Spielmedaillen, ge- 
wissermassen Vorlaufer der Spielkarten, in ihnen 
erkennen will. Gnecchi hat sich aber ohne Not 
gegen Friihners Vorschlag gestraubt; er be- 
dachte nicht" dass es sehr verschiedene Arten von 
Brettspielen gegeben hat, im Altertum so gut wie 



1159 



Contomiaten 



Contra 



1160 



heute, fur die zahllose verschiedene Brettsteine 
verwendet worden sein mussen. Es ist durchaus 
zutreffend, dass eine gewisse Ahnlichkeit zwi- 
schen den Elfenbeintesserae der ersten Kaiser- 
zeit und den spaten C. besteht, wie es Frohner 
hervorgehoben hat. Das wichtigste gemeinsame 
Merkmal war der iiberstehende Rand, der den 
Zweck hatte, die Typen beim Hinundherschieben 
der Steine auf dem Brett gegen zu schnelle Ab- 



num. 1899, 54ff.), heranzuziehen. Auf diese Weise 
konnte noch manche sichere Erkenntnis ttber die 
C. und die rOmischen Brettspiele gewonnen werden. 
Litteratur. Sammlungen : Sabatier Descrip- 
tion generale des M^daiEons Contorniates (Paris 
1860) und Cohen Me'dailles impCriales VIII 273 
—322; ferner Gnecchi Rivista Ital. di Numis- 
matica VIII (1895) 287—306 (besonders aus seiner 
Sammlung und der Brera) und Cat. Robert (Auc- 



scheuerung zu schiitzen. Wir haben oben ge- 10 tionscatalog von Sambon 1898 nr. 5; er enthalt 



sehen, dass auch die C. mit einem solchen Rand 
hergestellt wurden, der nur infolge der Abnutzung 
durch langen Gebrauch zuweilen nicht mehr er- 
kennbar ist. Ferner hat Gnecchi als eine Vor- 
stufe der C. jene grossen Kupfermiinzen der alteren 
Kaiserzeit nachgewiesen, deren Rand nachtraglich 
so gehammert ist, dass er uberstehend beide Seiten 
der Mfinze beschiitzt. Dieser iiberstehende Rand 
hatte keinen Zweck gehabt, wenn nicht diese 



unter nr. 1150—1356 die von Ch. Robert hinter- 
lassenen C). Bearbeitungen : Eckhel D. N. 
VIII 277—314. Sabatier a. a. O. F. Lenor- 
mant La monnaie dans l'antiquite I 49ff. und 
im Dictionnaire des ant. I 1485ff. Ch. Robert 
besonders Revue beige 1892, 97ff und 364ff. 
Blanchet Revue Num. 1890, 480ff. Frohner 
Annuaire de Num. 1894, 83ff. Gnecchi Rivista 
Ital. VIII (1895) 31ff. und 277ff. Scholz Wiener 



Munzen und die C. ebenso wie die alten Tesserae 20 num. Monatsblatt nr. 173f. 



dazu bestimmt gewesen waren, auf Spielbrettern 
bin und hergeschoben zu werden. Die C. scheinen 
also in der That als Brettsteine gedient zu haben. 
Den Munzen mit gehammertem Rand gegeniiber 
bezeichnen sie einen Fortschritt, weil sie eigens 
fiir diesen Zweck hergestellt sind und bei der 
Wahl ihrer Typen auf die Verschiedenheit der 
Spiele Rucksieht genommen werden konnte. Auch 
das hat FrOhner schon angedeutet, dass die uns 



[Pick.] 



Contosolia, Ort in Lusitanien, Station der 
rOmischen Strasse von Emerita nach Laminium 
(s. d.), wahrscheinlich in der Richtung auf Me- 
tellinum, das hier ausgefallen zu sein scheint (Itin. 
Ant. 444, 5). Dann wiirde der Ort dem heutigen 
Magacela entsprechen (Guerra Discurso a Saa- 
vedra 91). [Hiibner.] 

Contra, .gegeniiber', mit dem Namen einer 
Stadt verbunden bezeichnet vielfach, namentlich 



bekannten rOmischen Spieltafeln, die sog. tabulae 30 in Oberiigypten und Unternubien, eine Station 



lusoriae (gesammelt von Ihm Bonner Studien R. 
Kekule' gewidmet 223—239 ; Nachtriige Rem. Mitt. 
1891, 208 — 220), mancherlei Beziehungen zu den 
C. haben. Die verhaltnismassig zahlreichen Spiel- 
tafeln mit Inschriften wie CIRCVS PLENVS 
CLAMOR POPVLI u. s. w. (Ihm nr. 39—46) 
erinnern an die grosse Masse der C. mit Cireus- 
darstellungen, ebenso diejenigen mit der Accla- 
mation VINCAS; das war vielleicht ein Brett- 



der rOmischen Heerstrassen, die der betreffenden 
Stadt gegeniiber am jenseitigen Ufer des Nils 
lag. Vermutlich sehlossen sich die so benannten 
Stationen keiner alteren Ansiedlung von Bedeu- 
tung an, sondern waren nur Militarposten , die 
von den Romern der gegeniiberliegenden grdsseren 
Stadt wegen angelegt waren. Die Stationen, die 
in dieser Weise benannt waren, sind: 

1) Contra Apollonos (scil. poliri) oder Contrapol- 



spiel wie miser ,Wettrennspiel'. An die Inschrift 40 lonospolis maior, gegeniiber der Stadt Apollonos 



mit Erwahnung von Nahrungsmitteln (Ihm nr. 47: 
ABEMVS IN CENA PVLLVM PlSCEM 
PERN AM PAONEM) erinnern die C. mit Dar- 
stellung von Fischen (Sabatier XIX 4) oder mit 
Schinken, Schweinskopf, Brot und Messer (Cohen 
nr. 188 = Cat. Robert nr. 1253). Auch die Zei- 
chen zurTrennung der Gruppen auf den Spieltafeln, 
wie Zweig, Blatt und das Monogramm P , kehren 
eingraviert auf den C. wieder; einmal sind auch 



polis magna, dem heutigen Edfu, in Oberagypten 
(Thebais), Itin. Ant. 165, im J. 156 Standort der 
cohforsj I Augfusta) pr(aetoria) lMs(itanorum/ 
eqfuitata) , Aegypt. Urkunden d. Berl. Mus. II 
nr. 696, 1, 3 (Slommsen Ephem. epigr. VII 
p. 456ff.), nach der Not. dign. or. XXXI 51 
der ala prima Francorum. Die Station war 
wichtig wegen der 8 km. sudlich beim Dorfe Rede- 
sieh abgehenden Wiistenstrasse nach den Sma- 



die samtlichen Felder des Brettes mit jenem Mono- 50 ragdminen des Gebel Zebara (Sfiagaydos 6oo S ) 



gramm bezeichnet (Ihm nr. 76). Wir sind natiir- 
Uch nicht im stande, die Spielregeln fiir alle diese 
Brettspiele und die Verwendung der C. bei diesen 
Spielen zu erkennen. Manches hat Gnecchi 
schon richtig hervorgehoben: da die Rtickseiten 
meistens viel starker abgenutzt sind, darf man 
annehmen, dass sie beim Spiel unten lagen; die 
Seite mit dem Kopf war immer die Hauptseite; 
bei den einseitigen C. weist die leere Riickseite 



und der Hafenstadt Berenike (Nr, 5) am roten 
Meere (vgl. die griechischen Inschriften Lepsiu a 
Denkm. VI 81). Golenischeff Recueil de trav. 
rel. a la philol. et archeol. egypt. XIII 75ff. 

2) Contra Copto , gegeniiber der wichtigen 
Handelsstadt Koptos, Itin. Ant. 159, etwa in der 
Niihe des heutigen Ballas gelegen. 

3) Contra Lato(polin), gegeniiber der Stadt 
Latopolis, dem heutigen Esneh, Itin. Ant. 165, 



darauf , dass sie als Null oder Niete zu gelten 60 Standort der ala VII HercuHa voluntaria nach 



hatten, und anderes. Man wird weiter kommen, 
wenn einmal ein vollstandiges Corpus alle be- 
kannten C. genau beschreibt, wofiir Gnecchi 
gute Regeln aufgestellt hat. Zur Vergleichung 
waren die samtlichen Spielbretter , auch diejeni- 
gen ohne Inschriften, und alle Arten von Tesserae, 
besonders auch einige Gruppen von Bleimarken 
(vgl. uber diese namentlich Rostowzew Revue 



der Not. dign. or. XXXI 50. Bei El Hilleh, 
gegeniiber von Esneh finden sich sparliche Ruinen. 

4) Contra Ombos, gegeniiber der Stadt Ombos 
dem heutigen Kom Ombo, Itin. Ant. 160. 

5) Contra Pselcis, gegeniiber der Stadt Psekhis, 
dem heutigen Dakkeh in Unternubien, Itin. Ant. 
164. Bei dem Dorfe Kuban, schriig gegeniiber 
von Dakkeh , stehen noch die Ruinen einer ro- 



1161 



Contractus 



Contractus 



1162 



mischen Festung, mit Graben und Tiirmen, die 
wohl den Zugang zum Wadi Olaki mit seinen bis 
ins Mittelalter ausgebeuteten Goldminen beherr- 
schen sollte. Vgl. Wilkinson Modern Egypt 
II 320.' Baedekers Aegypten 1897, 377. 

6) Contra Syene, gegeniiber der am nOrdlichen 
Ende der Nilkatarakten gelegenen Stadt Syene, 
dem heutigen Assuan, Itin. Ant. 167 (vgl. Not. 
dign. or. XXXI 65). Der Ort weist noch spar- 
liche Ruinen aus dem Altertum auf, s. de Mor- 
gan Catalogue ge'n. des monuments de l'Egypte 
I 125ff. 

7) Contra Tafis, gegeniiber der Stadt Taphis in 
Unternubien, dem heutigen Tafeh, Itin. Ant. 164. 

8) Contra Talmis, gegeniiber der bedeutenden 
Stadt Talmis in Unternubien, dem heutigen Ka- 
labseheh, Itin. Ant. 164. 

9) Contra Thumuis in Oberagypten, gegeniiber 
einer sonst unbekannten Stadt Thumuis auf der 
Halfte des Weges zwischen Apollonospolis magna 
(Edfu) und Contra Ombos, Itin. Ant. 160. 

[Sethe.] 

10) Contra Aginnum, Ort der Suessiones in 
Gallia Belgica zwischen Augusta Viromanduorum 
und Augusta Suessionum (Soissons), Itin. Ant. 379. 
Vgl. Not. dign. occ. XLII 41 praefectus laetorum 
Batavorum Contragmnentium Nomomago Belgi- 
cae secundae. Beim heutigen Condren. Holder 
Altkelt. Sprachschatz s. Aginnum. [Dim.] 

11) Contra Aquincum (Not. dign. occ. XXXIII 
48) s. Trans Aquincum. 

12) Contra Florentiam (Not. dign. occ. 
XXXIII 44) s. Florentia. 

13) Contra Reginam, Donaucastell in Moesia 
superior, Not. dig. or. XLI 21: auxiliares Re- 
ginenses, contra Reginam. [Patsch.] 

Contractus bezeichnet den Vertragsschluss 
und seine Folgen, jedoch nur bei den nach alt- 
rOmischem Civilrecht verpfiichtenden klagbaren 
Vertragen im Gegensatze zu den pacta, die ent- 
weder keine Verpflichtungen erzeugen, sondern nur 
solche andern oder aufheben, oder doch nicht nach 
alterem Civilrechte, sondern nach praetorischem 
oder kaiserlichem Rechte klagbare Verbindlich- 
keiten nach sich Ziehen, s. Pactum. Die con- 
tractus zerflelen nach Beseitigung des alten Formal- 
geschaftes des nexum (s. d.) nach romischer Ein- 
teilung in 4 Classen, nach der Art ihres Abschlusses 
re verbis litteris consensu, Gai. Ill 89. Inst. Ill 
13, 2. Ein consensus war bei alien Contract- 
abschlussen n6tig, Consensualcontracte waren da- 
her nicht alle, die consensu entstanden, sondern 
die nudo consensu herstellbaren , d. h. die zur 
Entstehung nur des consensus (s. d. und Obli- 
gatio) bedurften. Es waren dies Kauf, Miete, 
Gesellschaftsvertrag und Auftragsuheraahme, s. 
Emptio, Conductio, Societas, Mandatum. 
t}ber den Vertragschluss litteris s. Acceptilatio 
und Tabulae. Der verbis abgeschlossene Ver- 
trag war die stipulatio, s. d. In den Verpflich- 
tungen, die re entstanden , sah man nicht bios 
solche, die durch Hingabe einer kflrperlichen Sache 
begrundet wurden, sondern res bedeutet hier so 
viel wie die thatsachliche Leistung (vgl. hierzu 
die bei Puchta-Kriiger Institutionen 10 349a 
Angefiihrten). Eine Hingabe der korperlichen Sache 
gehorte allerdings zu den vier benannten Real- 
contracten: tnutuum, depositum, commodatwm, 



pignus, s. d. Daneben gab es aber auch unbe- 
nannte Realcontracte, contractus innominati, die 
seit Labeo als klagbar angesehen wurden und mit 
einer actio praeseriptis verbis vor Gericht ver- 
folgbar waren, Dig. II 14, 7, 2. XIX 5, 2. Lenel 
Edictum perpetuum 238; Ztschr. der Savigny- 
Stiftung ES 181. Gradenwitz Interpolationen 
in den Pandekten 1887, 122ff. Pernice Ztschr.- 
d. Savigny-Stiftung IX 248ff.; Labeo III 88ff. 

10 Sie erschienen in vier Gruppen: do ut des, do ut 
facias, facio ut des, facio ut facias, Dig. XIX 
5, 5 pr. Dare heisst hierbei die Gewahrung eines 
dinglichen Rechtes, nicht die blosse Hingabe einer 
Sache zum Besitze oder zur Inhabung, Dig. XLV 
1, 75, 10. L 16, 175. 189. Innominati heissen 
diese contractus, weil sie nomen suum non habent, 
Dig. XIX 4, 1, 2, und weil bei ihnen appellationes 
nullae iure civili proditae sunt, d. h. in den 
Quellen des ius civile, Dig. XIX 5, 3 (vgl. hier- 

20 fiber Leonhard Institutionen 395). Diese Ver- 
trage waren darum Realcontracte, weil keine Partei 
die Erfullung auf Grand des blossen consensus 
verlangen konnte, sondern nur unter der Voraus- 
setzung, dass die andere Fartei die ihr gebuhrende 
Leistung angenommen hatte. In solchem Falle 
konnte sogar die geschehene Vorleistung bis zur 
erfolgten Gegenleistung zuruckgenommen werden 
(ius paenitendi). Die Stellen, in denen dies an- 
erkannt ist (Dig. XII 4, 3, 1. 2. 5 pr. § 1), gelten 

30neuerdings fiir interpoliert (Gradenwitz Inter- 
polationen in den Pandekten 146ff. Dernburg 
Pand.s II 20 § 7, 16), es ist aber nicht wahrschein- 
lich und entspricht dem Entwicklungsgange des 
rOmischen Rechtes nicht, dass dieses ius paeni- 
tendi erst spater aufkam. Es scheint vielmehr 
auf einer Unvollkommenheit der contractus in- 
nominati beruht zu haben, die an ihnen aus 
der alten Zeit ihrer Klaglosigkeit haften geblieben 
war (vgl. auch BernhOft Kauf, Miete und ver- 

40 wandte Vertrage 1889, 64), der dieses ius paeni- 
tendi daraus erklart, dass es sieh bei den con- 
tractus innominati nicht, wie bei den Consensual- 
contracten , um haufige Geschafte des taglichen 
Lebens handelte, sondern um seltenere Gelegen- 
heitsgeschafte , fiir die ein vollkraftiger Rechts- 
schutz nicht nOtig schien. 

Die ROmer stellen neben die obligationes ex 
contractu die obligationes quae quasi ex con- 
tractu nascuntur , d. h. Schuldverhaltnisse , die 

50 zwar nicht auf Vertragen beruhen , aber nach 
ihrem Inhalte gewissen Vertragspflichten ahnlich 
sind, z. B. die Anspruche aus der unbeauftragten 
Geschaftsfuhrang (negotiorum gestio) als Seiten- 
stiick der obligationes ex mandato und die Haf- 
tung aus dem Miteigentume als Seitenstuck 
des Gesellschaftsvertrags , Inst. HI 27 pr. 8. 
UnrOmisch und unlogisch ist der Begriff des Quasi- 
contracts fiir die Thatbestande, auf denen solche 
Verpflichtungen beruhen. Diese Schuldverhaltnisse 

60 sind nicht in der Entstehung , sondern nur in 
ihrem Inhalte den Vertragen ahnlich, quasi ex 
contractu nascuntur, nicht aber ex quasi-con- 
tractu nascuntur (Eisele Jahrb. f. Dogmatik 
XXV 449). Gai. Ill 88 erwahnt in seiner Ein- 
teilung diese Classe iibrigens nicht. 

Litteratur vgl. Puchta-Kruger Institutio- 
nen M H 348ff. §§ 271ff. Leonhard Institutionen 
314. 386ff., besonders 394ff. Schlossmann Der 



1163 



Contradis 



Contubernium 



1164 



Vertrag 1876. Pernice Labeo I 403ff. Voigt 
R6m.; Rechtsg. I 572ff. und insbesondere fiber die 
lex contractus Pernice Labeo HI 19ff. und Danz 
Die Auslegung der Rechtsgeschafte , Jena 1897, 
lOff. [E. Leonhard.] 

Contradis, Fuhrer einer Seerauberfiotte, der 
die Inseln und Ktisten des Mittelmeeres beun- 
ruhigt und im J. 438 n. Chr. gefangen und ge- 
totet wird, Marcell. chron. 438, 1; vgl. Prosper 
epit. chron. 1330. 1332 = Mommsen Chron. 
min. I 476. H 79. [Seeck.] 

Contraginnens.es s. Contra Nr. 10. 

Contrarete ist eine woM aus Gladiatoren- 
kreisen stammende Bezeichnung fur die verschie- 
denen Gegner der retiarii (s. d.). CIL VI 10180. 
In der Inschrift CIL VI 636 wird C. durch das 
sechs Gladiatorennamen beigefiigte Zeichen "yBET. 
ausgedriickt, Friedlander S.-G. 116 530. 

[Pollack.] 

Contrebia. 1) Caput gentis Celtiberorum 
(nach Liv. bei Valer. Max. VII 4, 5), sfld6stlich 
von Saragossa. Ihre Eroberung durch den Praetor 
Q. Fulvius Maecus erzahlt ausfuhrlieh naeh Poly- 
bios und rOmischen Annalen Livius (XL 33, 1 — 4); 
die Truppen sind von Aebura (s. d.) durch Car- 
petanien dahin gelangt. Vielfache Kampfe um C. 
hatte dann Q. Caecilius Metellus Macedonicus im 
J. 612 = 142 v. Chr., von denen nach Livius Vel- 
leius (II 5, 2), Valerius Maximus (II 7, 10. VII 4 
ext. 5), Floras (1 33, 10; vgl. Ampel. 18, 14. Victor 
de vir. ill. 61, 4) berichten. Wenn die in den 
Excerpten aus Diodor (XXXIII 24) erwahnte Stadt 
K6vto§qiq im Land der Lusitaner oder Keltiberer, 
wie wahrscheinlich, C. ist und der ihnen gegen- 
iiberstehende rOmische Consul [vnaxog) 'lovrios 
Decimus Brutus (im J. 616 = 138 v. Chr.), so ist 
sie nachher wieder unabhangig geworden; ihre 
drohende Antwort gleicht iibrigens der von Com- 
plega (s. d.) gegebenen (Appian. Hisp. 42). Nach- 
her wird die Stadt von Sertorius mit grossen Ver- 
lusten nach 44tagiger Belagerung erobert ; er zieht 
von da an den Hiberus und schlagt sein Lager 
auf bei dem oppidum, quod Castra Aelia vacatur 
(Liv. frg. 1. XCI). Auch die weiteren Bewegungeu 
des Sertorius sprechen dafur, C.s Lage etwas siid- 
lich von Bilbilis , im Thai des Jiloca , nordlich 
von Albarracin, anzusetzen. Es lag an der nur 
beim Geogr. Eav. verzeichneten Strasse von Caesar- 
augusta nach Leonica (s. d.) und wahrscheinlich Li- 
bisosa (310, 5. 12 ; an der zweiten Stelle Trebia), zu 
der wohl auch der Meilenstein des Tiberius von Mon- 
tizon, sudlich von Libisosa, gehort (CIL II 4935). 
Der Name scheint keltisch zu sein (vgl. den deus 
Contrebis auf britannischen Inschriften CIL VII 
284. 290). Die Miinzen mit den iberischen Auf- 
schriften qnthrpa — carpca (Hon. ling. Iber. 
nr. 100. 103) werden mit grosser Wahrschcinlich- 
keit Contrebia {Carpetanorumt) zugeteilt. 

2) Als verschieden davon wird in dem Bericht 
fiber den Feldzug des Sertorius bei Livius (frg. 
1. XCI) Contrebia quae Leueada appellator ge- 
nannt; nach dem Gebiet der Beronen zu (s. d.), 
also nordlich von dem andern C, vielleicht zwi- 
schen Logrofio und Piana, im Mittelalter Canta- 
bria (nach Sandoval, s. Ukert S. 458). 

[Hfibner.] 

Contrebis, Gsttername auf den britannischen 
Inschriften CIL VII 284 (Lancaster) Deo Mono 



Contrefbi) sanetissimo Iulius lanuarius emferi- 
tus) ex decufrionej. 290 (Overborough bei Lan- 
caster) Deo sancto Contrebi. Vgl. die spanische 
Stadt Contrebia. Steuding Eoschers Lex. I 927. 

[Ihrn.] 

Contrectatio s. Furtum. 

Contributa Iulia s. Ugultuniacum. 

Contributio bezeichnet jede Art von Beitrag 
oder Aufopferung. So heisst z. B. die compen- 
10 satio (s. d.) eine contributio, Dig. XVI 2, 1, weil 
bei ihr Hauptforderung und Gegenforderung zur 
beiderseitigen Tilgung aufgeopfert werden. Auch 
die Beitrage zu Seeschaden nach der lex Ehodia 
de iactu (s. d.) werden so genannt (Dig. XIV 2, 
1, 2, 7. 3), ebenso die Beitrage der Vermachtnis- 
nehmer zur Erganzung der sog. quarta Faleidia , 
die dem Erben von seinem Erbteile nach der lex 
Faleidia (s. d.) ungeschmalert verbleiben soil, 
Dig. XXXV 2, 30, 8, endlich auch Abgaben und 
20 Steuern, Dig. XXVI 7, 32, 6. Cod. Theod. XII 
1, 173, 1. [E. Leonhard.] 

Contributum s. Ipse a. 

Controversia , vorzugsweise der rechtliche 
Streit, und zwar der privatrechtliche im Gegen- 
satz zum criminellen , Cic. Caec. 6; orat. 104. 
Dig. XXXVII 10, 7, 3. Enger der rechtliche 
Streit, der noch nicht durch Contestatio zum 
eigentlichen Eechtsstreit geworden ist, Dig. V 2, 
6, 2. V3, 25, 7. Wlassak Z. Gesch. d. Cogni- 
30 tur in Festgabe fur Jhering (1892) 20. Als Gegen- 
stand der C. findet sich haufig im Genetiv oder 
mit de hinzugeftigt hereditas und status (libertas, 
ingenuitas u. s. w.), ausserdem proprietas, iter via 
aetus, fines, possessio, nie nomen obligatio u. dgl. 
Brissonius De formulis h. v. Danach scheint 
dem Wort C. eine ahnliche besondere Beziehung 
zum doppelseitigen Process (legis actio Sacra- 
mento des Centumviralgerichts und iudieia du- 
plieia) anzuhaften wie dem Wort d/n<f>to^rrjoig 
40 zur dtadtxaoia, Leist Attischer Eigentumstreit 
(1886) 6f. [Leist.] 

Contrua, Ort an derMosel, erwahnt von Venant. 
Fortun. carm. X 9, 45 hinc quoque ducor aquis 
qua se rate Contrua eomplet, quo fuit antiquum 
nobilitate caput. Nach allgemeiner Ansicht das 
heutige Gondorf (in mittelalterlichen Urkunden 
Contraue, Conderava, Gunderewa, Contreue und 
ahnlich, BOcking Bonn. Jahrb. VII 114). tjber 
daselbst gemachte Funde berichten die Bonn. 
50 Jahrb. mehrfach, vgl. LXXXIV 238ff. LXXXV 
157. LXXXVII 17ff. Holder Altkelt. Sprach- 
schatz s. v. [Bam.] 

Contrnbii. Nach den Acta triumph, a. 588 
CIL 12 p. 48 triumphierte M. Claudius M. f. M. 
n. Marcellus [de GJalleis Contrub[i]eis et Li- 
guribus [Eleajtibusque. Der Name der gallischen 
C, wird sonst nicht genannt; dass sie ins Alpen- 
gebiet gehoren, ergiebt sich aus Liv. epit. XLVI 
Claudius Marcellus consul Alpinos Gallos, C. 
60 Sulpicius Gallus Ligures subegit, [Ihm.] 

Contnberninm. 1) Zunachst das eheliche 
Zusammenleben unter Sclaven, Paul. H 19, 6. 21, 6, 
auch unter coloni ghbae adscripti, Cod. XI 69 
(68), 1. Derartige Verbindungen (serviks nuptiae 
Plant. Casin. 67—77 und dazu F. Eost Opusc. 
Plautina I 1836, 64—71) wurden vielfach von 
den Herren anbefohlen Colum. I 8 qualicunque vi- 
lico contubernalis mulier assignanda est. Mar- 



1165 



Contuccius 



Contumacia 



1166 



quardt Privatleb. 1 163. Beispiele eines C. CIL 
II 561. V 644. 2960. 3060. 5279. 5945. VIII 
1044. 3150. 1838. 2608. X 217. 385. 422. 756. 
3084. 4319. 6336. 7536. 7685. 7683. 7717. 5652. 
Als Ehen wurden die contubernia nicht angesehen, 
Cod. IX 9, 23 pr., daher gab es dabei auch keine 
Bestrafung wegen Ehebruches. Wurde der Mann 
freigelassen , so wurde diese Wohlthat zuweilen 
auch auf seine Lebensgefahrtin ausgedehnt, Di 



8). Das etymologisch zu e. gehorige contemnere 
stent auch technisch in dem entsprechenden Sinne 
(Ulp. Dig. XXV 4, 1, 3. Hermog. Dig. XLII 1, 
53, 1). Die Folgen des C. kOnnen je nach dem 
Inhalt des Befehls, dem gegenuber sie begangen 
wird, und nach den dariiber geltenden besonderen 
Satzungen sehr verschieden sein. Wenn der Be- 
klagte dem richterlichen Restitutions- oder Ex- 
hibitionsbescheid dolos nicht nachkommt, so hat 



XXXV 1, 81 pr. XL 5, 41, 15. Litteratur : Gund- 10 der Klager das Eecht, sein Interesse an dem Streit 

__ _ . .. _.. . „ , gegenstand eidlich zu erharten (ius iurandum in 

litem ; s. d.) und der Beklagte wird auf die 
beschworene Summe verurteilt (Paul. Dig. XII 
3, 2 [vgl. Ulp. Dig. VI 1, 68]). Wenn der Teil- 
erbe die Frage an heres sit vel quota ex parte 
nicht beantwortet, so trifft ihn der Nachteil, dass 
der Erbschaftsglaubiger ihn auf den ganzen Be- 
trag der Erbschaftsschuld in Auspruch nehmen 
kann (Ulp. Dig. XI 1, 11, 4). Allgemein lasst 



lingiana X 412ff. Schulin Lehrb. der Gesch, 
des rom. E. 257. 

Auch die dauernden Verbindungen von Freien 
mit Sclavinnen und freien Frauen mit Sclaven 
heissen contubernia, Paul. II 19, 6. Cod. V 5, 
3 pr. Hierauf bezieht sich das SC. Claudia- 
num (s. d.). 

C. bezeichnet auch die Lehensgemeinschaft, 
welehe zwischen den Principes, Heerfuhrern und 



Provincialstatthaltern und ihrem Gefolge (comites 20 sich nur sageu, dass wenn der anwe sonde Be 
■ ,-. -l._j_._3 /..-. „.. -ni.„. n. - n„„i kiagte einem zum Fortgang des Verfahrens er- 

lassenen magistratisehen Decret die Befolgung 
verweigert,inErmangelungbesondererVorschriften 
die gewOhnlichen Folgen der verweigerten defensio 
(s. d.) eintreten. Wenn einem gleichartigen De- 
cret der Klager den Gehorsam verweigert, so ist 
die regelmassige Folge die, dass der Magistrat 
ihm die weitere Eechtshulfe versagt, denegatio 
iurisdictionis (s. d.) (Ulp. Dig. IV 6, 26, 7; vgl. 



oder amici) bestand, Cic. pr. Plane. 27 ; p. Coel, 
73. Suet. Iul. 2. 42; Tib. 14; Vesp. 4. Es 
scheint dies auf einer weiteren Bedeutung des 
Wortes C. zu beruhen, in der es jede Art einer 
Zelt-, Hans- oder Lehensgemeinschaft umfasst, 
daher sein Sinn bei manchen der iiberlieferten 
Inschriften zweifelhaft ist, CIL III 5790 (eon- 
tuberniumMartieultorum). VIII 3201. 3246. 2354. 
2470. 2760. X 533. 2564. 5297. [R. Leonhard.] 



2) Rein militarisch bezeichnet C. zunachst 30 XXXVII 6, 1, 10. 13). 



das Lagerzelt (vgl. Caes. bell. civ. II 29, 4. Ill 
76, 2. Fest. ep. p. 38 M. Tac. ann. I 17. 41. 48. 
Veget. II 7), dann aber im besondern die in dem- 
selben campierende Truppenabteilung. Diese, wohl 
nach dem Vorbilde der altrOmischen decuria for- 
miert (Mommsen St.-R. Ill 104, 5), war dem- 
entsprechend zehn Mann stark (Hist. Aug. Pes- 
cennius Niger 10, 5. Veget. II 13; Ausnahmen 
hiervon kennt nur die spateste Zeit; vgl. Leo 



Eine genauere Darstellung kann in diesem 
Artikel nur der C. gegenuber einem Ladungs- 
decret gewidmet werden. Diese Materie gehort 
dem weiteren Gebiet der Abwesenheit einer Partei 
im Processe an. Indessen die einfache Abwesenheit 
und selbst das Sichverborgenhalten gegenuber dem 
su clienden Klager ist keine C. gegenuber der Obrig- 
keit. S. dariiber und fiber die missio in bona, welehe 
dem Klager in Bezug auf die Guter des Abwesenden 



tact. 20, 194), die zusammen eine Zeltgenossen- 40 oder Latitierenden gegeben wurde (wenn sich kein 



schaft bildeten und allabendlich zwei Mann zum 
Wachtdienst stellten (Hyg. de mun. castr. 1. 
Veget. II 19). Die Centurie zu 100 Mann zer- 
fiel somit in 10 (vgl. Joseph, bell. Iud. Ill 117), 
die zu 80 Mann in 8 solcher Contubernia (Hyg. 
a. a. O. Marquardt St.-V. 112 601), die, in 
der spateren Kaiserzeit wenigstens, wo sie auch 
den Namen manipuli fiihren (Veget. II 13), von 
je einem deeanus (s. d.) befehligt wurden (Veget. 



defensor fur ihn fand), die Artikel Absentia, 
Latitare, Defensio, Missio in bona, Ven- 
ditio bonorum. Nichtbefolgung der in ius 
vocatio (s. d.) ist wegen des private). Charakters 
der letzteren ebenfalls nicht C. Dasselbe gilt 
von der Versaumnis eines durch Vadimonium (s. 
d.) festgestellten Termins in hire. Die Versaumnis 
eines Termins nach der Litiscontestation ist unter 
Eremodicium zu suchen, die Versaumnis des 



II 8. 13. Marquardt St.-V. 112 607). tber 50 durch litis denuntintia anberaumten Termins unter 
-■ — - ~ ■ - — -• Denuntiatio (litis), die Versaumnis in der Ap- 

pellationsinstanz unter AppellatioBd.il S. 205f. 
Das Xichterscheinen einer Partei im Strafprocess 
behandelt Absentia Nr. 3. Der gegenwartige 
Artikel hat sich also auf das eigentlich sog. Con- 
tumacialverfalu'en des Civilprocesses, d. h. die 
Processeinleitung durch magistratische Ladung 
und die Folgen des Ausbleibens einer Partei in 
dem durch solche Ladung anberaumten Termin 



die Ven\ T endung der Contubernia zur Bedienung 
der Carrobalisten vgl. Veget. II 25. [Fiebiger.] 

Contuccius s. Sex. Cornelius Eepentinus. 

Contumacia ist absichtlicher Ungehorsam 
gegen ein Gebot des Magistiuts oder des Iudex, 
z. B. gegen den Restitutions- oder Exhibitions- 
befehl des Iudex (Paul. Dig. XH 3, 2. Scaev. 
Dig. XLIX 1. 28. 1). gegen das verurteilende End- 
urteil (Callistr. Dig. XLII 1, 31), gegen die An - 



ordnung der Collation (Ulp. Dig. XXXVII 6, l,60zu beschranken. 



10. 13), die Niehtbeantwortung der interrogatio 
in iure, welehe der Praetor stellt, oder deren Be- 
antwortung, nachdem der Klager sie gestellt 
hat, der Praetor verlangt (Ulp. Dig. XI 1. 11, 4 
[vgl. 9, 1]) vor allem aber die Missachtung des ma- 
gistratisehen Ladungsdecrets (Hennog. Dig. XLII 
1. 53. Paul. ebd. 54. 1. Paul. sent. V 5 a, 7. Ulp. 
Dig. XLVm 19, 5 pr. Diocl. Cod. lust. VII 43, 



1) Es gab im rOmischen Civilprocess eine magi- 
stratische evocatio, d. h. eine Ladung durch den 
Magistrat. welehe gegen den ort. anwesenden Be- 
klagten durch denuntiatio (s. d.l, gegen denjenigen, 
der sich an bekanntem anderen Orte aufhalt, 
durch Verniittkmg der mittels Eequisitionssclirei- 
bens daruin ersuchten Magistrate dieses Orts (lit- 
teris), und gegen _dcnjenigeii, dessen Aufenthalt 



1167 



Contumacia 



Contumacia 



1168 



unbekannt ist, durch o'ffentlichen Aushang einea 
Edicts bewerkstelligt wird (Paul. V 5 a, 7. Ulp. 
Dig. XL 5, 26, 9. V 3, 20, 6 [SC. Iuventian.]. 
Mare. Dig. XLVIII 17, 1, 2. Macer ebd. 4 pr. 
Diocl. Cod. lust. VII 43, 8. Ulp. Dig. XLVIH 
19, 5pr.; vgl. Kipp Litisdenuntiation 119—134), 
citare ist technisch nicht die Ladung (obwohl es 
spater auch diesen Sinn angenommen hat [Con- 
stantin. Cod. lust. Ill 19, 2 edietis legitimes 



praeco fiberliSrt hat (Marcell, [Anton. Pius] Dig. 
IV 1, 7 pr.). Wenn keine gehorige Ladung er- 
folgt ist (Diocl. Cod. lust. VII 73, 7), z. B. auch 
wenn die Ladung auf einen andern Ort lautcte, 
als wo die Cognition stattflndet (Philipp. ebd. 5), 
so ist das Urteil nichtig. Der Mangel der Pro- 
position des Edicts kann aber vielleicht nach 
Macer Dig. XLIX 8, 1, 3 durch anderweitige 
Kenntnis des Beklagten yon dem Edict ersetzt 



proponendis eum citare. lust. Cod. lust. VII 17, 10 werden. Ist die peremtorische Ladung gegen 
.j.^t .^_x.-i\ _._j.._. .-,.. . ..A...i. i_ --,. Pupillen, Minderjahrige, rei publioae causa Ab- 

wesende erlassen, so ist sie nichtig (Paul. Dig. 
XLII 1, 54). Folglich muss auch die Verurtei- 
lung, welche auf ihr beruht, ebenso nichtig sein. 
wie dies in den Fallen Dig. XLIX 8, 1, 3. Cod! 
lust. VII 43, 5. 7 ausgesproehen wird, und bei 
Verurteilung durch den unzustandigen Magistrat 
gilt (Cod. lust. VII 48). Liegt dagegen keine 
solche Eechtsverletzung , sondern nur ein Ent- 



1 , 2 edietis eitati]) , sondem der Aufruf des Ge 
ladenen durch den Praeco im Termin, um zu con- 
statieren, ob er erschienen ist (s. Marcell. [Anton. 
Pius] Dig. IV 1, 7 pr. Ulp. Dig. V 1, 73 pr.). 

2) Diese evocatio kann zweifellos zur ersteu 
Einleitung des Processes verwandt werden. S. 
insbesondere das SC. Iuventian.: Petitam autem 
fisco hereditatem ex eo tempore existimandam 
esse, quo prirnum seierit quisque earn a se 



peti, id est eum primum aut denuniiatum esset 20 sclmldigungsgrund auf Seiten des Beklagten vor, 



ei aut litteris vel edicto evoeatus esset; vgl. Kipp 
a. a. 0. 135 — 140. Die Ladung wird gewohn- 
lich, wenn der Beklagte nicht erscheint, dreimal 
ohne Androhung von Nachteilen vorgenommen, mit 
Zwischenfristen von mindestens 10 Tagen; die 
vierte Ladung ergeht dann als peremtorische 
(peremptorium edietum) d. h. mit der Androhung, 
dass beim Ausbleiben des Geladenen in seiner Ab- 
wesenheit werde verhandelt und entschieden wer- 



so hat es sein Bewenden dabei, dass Appellation 
gegen das Urteil zulassig ist (Ulp. Dig. V 1, 
73, 3), mOgticherweise auch in integrum resti- 
tutio stattflndet (Dig. IV 1, 7 pr.). Selbstver- 
standlich ist, wenn der entgenstehende Grand 
rechtzeitig zur Kenntnis des Magistrals gelangt, 
von dem Erlass der peremtorischen Ladung bezw. 
des Urteils abzusehen. Gegenfiber dritten, welche 
die Rechtskraft des contradictorischen Urteils bin- 



den. Nach Ermessen des Magistrats kann die 30 den wurde, wirkt das Contumacialurteil nicht (Ulp. 



Zahl der der peremtorischen vorangehenden La- 
dungen verringert, ja selbst die erste Ladung als 
peremtorische erlassen werden. 

3) Auf Grand der peremtorischen Ladung wird 
der Klager, wenn der Beklagte nicht erscheint, 
zur Ausfiihrung und zum Beweise seines Anspruchs 
zugelassen, und je nach dem Ergebnis voni Magi- 
strat geurteilt; also ist keineswegs der Ausge- 
bliebene ohne weiteres sachfallig, wie es nach 



[Divi fratres] Dig. XLIX 1, 14, 1. Ulp. Dig. XXX 
50, 1. Paul. Dig. V 2, 17, 1). 

5) Das geschilderte Verfahren ist jedenfalls 
zunachst dem Cognitionenprocess eigentumlich ge- 
wesen, d. h. cs fand statt in solchen Sachen, 
in welchen , auch wenn der Beklagte erschien. 
der Magistrat, ohne Geschworene zuzuziehen, selbst 
das Urteil sprechen konnte (Kipp Litisdenuntia- 
tion 139ff.). Ob es auch in solchen Sachen an- 



Hermog. Dig. XLII 1, 53 pr. scheinen konnte ; 40 gewandt werden konnte , in welchen beim Er- 



s. dagegen Ulp. Dig. V 1 , 73 pr. Wenn der 
Klager, der die peremtorische Ladung erwirkt 
hat, in dem Termin seinerseits ausbleibt, so wird, 
auch wenn der Beklagte erschienen ist, nicht ver- 
handelt; der Klager ist jedoch nach der von Ulpian 
gebilligten Ansicht nicht sachfallig, sondern der 
Process bleibt nur liegen, so dass der Klager ihn 
spater wieder aufhehmen kann (vgl. fiber alles 
vorige Ulp. Dig. V 1, 68—73. Hermog. Dig. XLII 



scheinen des Beklagten ein Schwurgericht 
niederzusetzen war, ist nicht unzweifelhaft, Einen 
sicheren Beleg filr diese Annahme giebt es nicht ; 
denn auch das a quo debitum petebatur bei 
Iul. Dig. V 1, 75 und das secundum morem pri- 
vatorum iudiciorum (Gegensatz : Strafprocess) bei 
Ulp. Dig. XLVIII 19, 5 pr. bietet einen sicheren 
Anhalt nicht. Andererseits giebt es aber auch 
keinen sicheren Grand der Verneinung. Der Unter- 



1, 53 pr. § 1. Antonin. Pius Cod. lust. VII 43. 1). 50zeichnete hat fruher (Litisdenuntiation 141) dar- 

A \ T &\- i\fl* ~D n\r\ n ™+ n. *« At n ai-.-. C« 11 ,-. T,.ftl,„n„ £ '. J _ _ _ _._ I .'_._._ 1 .. 1 . 1 1 1 



4) Ist der Beklagte in einem Falle wahrer 
C. ordnungsmassig verurteilt, so kann er nicht 
appellieren (Ulp. Dig. V 1, 73, 3. Carac. Cod. 
lust, VII 65, 1. lust. Cod. lust. Ill 1. 13, 4). 
C. liegt aber nicht vor, wenn der Beklagte der 
Gerichtsgewalt des Ladenden nicht unterworfen 
ist (Hermog. Dig. XLII 1, 53, 3), oder wenn ein 
triftiger Entschuldigungsgrund dem Beklagten zur 
Seite steht, wie Unkenntnis der Ladung (Pap. 



auf verwiesen, dass man keinen Anlass habe, dem 
Contumacialvcrfahren ein breiteres Anwendungs- 
gebiet zuzumessen als dem contradictorischen Cog- 
nition en verfahren , wenn man nur bedenke, dass 
dieses selbst in der classischen Zeit (namentlich 
in den Provinzen) das Geschworenenverfahren 
bereits stark zurikkgedrangt habe. Der Unter- 
zeichnete ist aber jetzt geneigt, anzunehmen, dass 
die Magistrate auch unter solchen Umstanden. 



Dig. XLIX 1, 23, 3), Krankheit oder Abhaltung 60 unter welchen sie beim Erscheinen des Beklagb 



durch ein Gesehaft von grSsserer Bedeutung als 
der Process, in welchem die peremtorische Ladung 
erging (Hermog. Dig. XLII 1, 53, 2, vgl. PauL 
ebd. 54, 1). Auch dann soil der Beklagte als 
entschuldigt gelten, wenn er nach Erlass des ver- 
urteilenden Erkenntnisses in derselben Geriehts- 
sitzung sich noch meldet, wcil dann die Mfiglich- 
keit besteht, dass er nur den Aufruf durch den 



bei dem alten Geschworenenverfahren stehen geblie- 
ben sein wiirden, geneigt gewesen sind, auf Antrag 
bei Abwesenheit des Beklagten zu dem beschrie- 
benen Contumacialverfahren zu schreiten, um den 
Unzuko'mmlichkeiten des alteren Verfahrens gegen 
den indefensus mit missio in bona und bonorum 
renditio aus dem Wege zu gehen. Dies stellte 
einen ahnlichen Fortschritt dar, wie die Zulassung 



1169 



Contumacia 



Conubium 



1170 



ii 

> i 
\ 



der pignoris capio (s. d.) statt der alten bonorum 
venditio, mag nun die pignoris capio fur magi- 
stratisches und Geschworenenurteil gleichzeitig 
eingefiihrt sein oder, was wahrscheinlicher ist, zu- 
erst auf Grand magistratischer Urteile stattge- 
funden haben und dann (von Antoninus Pius) auf 
die Geschworenenurteile ubertragen sein. 

6) Selbstverstandlich ist, dass in Fallen be- 
sonderer Art, wenn die Anwesenheit des Belang- 



macialurteil selbst dagegen ist auch unter Iusti- 
nian jedenfalls bei dinglichen Klagen unanfecht- 
bar, wenn es ordnungsmassig zu Stande gekommen 
ist und kein Grand der Wiedereinsetzung in den 
vorigen Stand obwaltet. Bei personlichen Klagen 
misst ihm Bethmann-Hollweg HI 304ff. nur 
provisorische Wirkung bei, und zwar in der Weise, 
dass der Beklagte bis zur Beendigung der Exe- 
cution (durch missio in bona und spater bono- 



ten unentbehrlich ist , auch sein Erscheinen re- 10 rum venditio) noch gegen Erstattung der Kosten 



mediis praetoriis erzwungen werden (Ulp. Dig. 
XXV 4, 1, 3), oder nach erfolgloser Evocation statt 
der Verurteilung ein Decret anderen Inhalts er- 
gehen konnte, z. B. Absetzung des evocierten 
Vormundes (Ulp. Dig. XXVI 10, 7, 3. XXXVIII 
17, 2 , 41. Tryph. Dig. XXVII 2,6), eine in 
integrum restitutio (Ulp. Dig. IV 4, 13 pr. Mod. 
ebd. 29, 2, vgl. ferner Ulp. [Pomp.] Dig. XVI 
3, 5, 2). In dem Falle des SC. Kubrianum (Dig. 



und Burgenstellung zur defensio zuzulassen war. 
Fur diese Ansicht spricht die Aufnahrne von Ulp. 
Dig. XLLT 5, 33, 1 in die Digesten, die an- 
scheinende besondere Betonung, mit welcher Iusti- 
nian Cod. lust. HI 1, 13, 3 bei Ausbleiben des 
Beklagten nach der Litiscontestation {im eremo- 
dicium) dem verurteilten Beklagten die nach- 
tragliche Verteidigung abschneidet, endlich die 
Zulassung derselben im Falle der Nov. 53, 4. 



XL 5, 26, 7) ist die Pronuntiation Mbertatem de- 20Dieser Fall ist aber ein besonderer (Hartmann 

■-• - J " • ''---- H2f.), und im ubrigen spricht die ganze (oben er- 

sichtliche) Behandlung des Contumacialurteils in 
den Digesten und im Codex fur die definitive 
Wirkung desselben auch im iustinianischen Becht. 
Litteratur: O.E.HartmannUberdasromische 
Contumacialverfahren, Gott. 1851. Bethmann- 
Hollweg Eom. Civilpr. H 769f. IH SOOf. Nicht 
mehr brauchbar Keller Eom. Civilproc. 354ff. 

[Kipp.] 

Contnmelia s. Iniuria. 

Contns. Als Waffe bezeichnet C. eine lange 

(Joseph, bell. Iud. Ill 96), starke (Nonius p. 556 M.), 

mit einer Eisenspitze versehene (Arrian. contra 

Alanos 16) Eeiterlanze in der Art der makedo- 

nischen Sarisse (Veget. Ill 24). Wie die Abbil- 

dung bei Daremberg et Saglio Diet. I 1495 

zeigt, wurde sie von dem Kampfenden mit beiden 

Handen erfasst (vgl. auch Tac. hist. I 79). Ur- 

spriinglich die Nationalwaflfe der sarmatischen 

40 Eeitervolker (Tac. ann. VI 35 ; hist. I 79. Sil. 



beri inhaltlich der Verurteilung eines sonstigen 
Schuldners gleich (vgl. Iul. Dig. V 1, 75); das 
Eigentiimliche des SC. besteht nur darin, dass 
auf Grund jenes Ausspruchs der Klager ohne 
weiteres als frei und zwar als libertus oreinus 
gilt. Uber Contumacialverfahren gegen den de- 
lator s. Mauric. Dig. XLIX 14, 15, 2. 4. Valens 
ebd. 42, 1. 

7) tiber das Alter des Contumacialverfahrens 
hat Baron (Der Denunciationsproccss, 1887, bes. 30 
68ff.) die Ansicht aufgestellt, dasselbe sei yon 
Marc Aurel "eingefuhrt; es ist aber erweislich 
alter (vgl. Kipp in Stammler und Kipp Festg. 
f. Windscheid 1888, 98ff.). Antoninus Pius (Cod. 
lust. VII 43, 1) citiert ein Eescript Hadrians, in 
dem es als ublich bezeichnet wird; er behandelt 
es auch an anderem Orte als feststehendes In- 
stitut (Dig. IV 1, 7 pr.). Es darf sogar behauptet 
werden, dass schon das SC. Eubrianum (im J. 103) 
es als gegeben voraussetzt (s. o.). 

8) Im iustinianischen Recht, in welchem die 
Ladung zum Process stets obrigkeitlich erfolgte, 
sind die oben dargestellten Satze, wie die Belege 
aus der Compilation zeigen, bestehen geblieben. 
Es kann aber statt des Contumacialverfahrens 
auch Zwang zum Erscheinen durch Strafen und 
zwangsweise Vorfuhrung des Beklagten eintreten 
(vgl. dariiber Bethmann-Hollweg LU 302f. 
249ff. u. s. Art. Exhibitio). Bei dinglichen 



Ital. XV 684. Stat. Achill. II 418. Val. Flacc. 
VI 162. Vaders De alis exercitus Eomani 19), 
gelangte sie in der Kaiserzeit auch ' bei der r6mi- 
schen Reiterei zur Einfuhrung (Joseph, bell. Iud. 
Ill 96. Arrian. tact, 4, 7. Marquardt St.-V. 
lis 469). Im besonderen hat die ala I Ulpia 
eontariorum miliaria e. B. (s. Cichorius o. 
Bd. I S. 1239f.) von dieser Waffe ihren Namen. 
Litteratur: Eich Hlustr. Wflrterb. 184f. Cagnat 



Klagen kann statt Erwirkung des Contumacial- 50 bei Daremberg et Saglio Diet. I 1495 f . 



urteils auch eine Einweisung des Klagers in den 
Besitz der streitigen Sache erfolgen , welche aus 
dem alten interdictitm quern fundum (s. d.) und 
den ihm gleichartigen Bechtsmitteln hervorge- 
gangen ist (Diocl. Cod. lust. VII 43, 8). Dass 
dieser Einweisung eine suminarischc Untersuchung 
voranzugehen hatte . ist wahrschcinlich wegen 
Constant. Cod. lust. LTI 19, 2. obwohl dort nicht 
vom Verfahren ges-en den Beklagten, sondem 



[Fiebiger.] 
ConvalHs s. Fortunatae insulae. 
Conubium ist die Fahigkeit mit einer andern 
Person eine vollgultige Ehe einzugehen, Gai. I 67. 
Serv. Aen. I 73 ius legitimi matrimonii, nach 
Ulpians O 7 3) ™ en g er Definition die uxoris du- 
cendae facultas , vgl. Karlowa Rom. Eechtsg. 
II 70. Boeth. z. Cic. top. p. 304 Orelli. Sie war 
urspranglich den Plebeiern den Patricieren gegen- 



gegen den von diesem benannten domimis die 60 iiber versagt und wurde von ihnen durch die Lex 
Eede ist. In der Sache selbst ist dem Abwesen- Canuleia 309 d. St. = 445 v. Chr. erworben, Liv. 

IV If. XXIII 4. Dionys. X 60. XI 28. Niebuhr 
B«m. G.3 380, 756. 424ff. Karlowa a. a. O. 69. 
167ff. Mommsen R, G.< I 287; St.-E. Ill 79, 



den durch jene Einweisung die Ausfiihrung seiner 
Bechte nicht abgeschnitten ; er muss aber als 
Klager auftreten (Cod. lust. VII 43, 8, vgl. Ill 
19, 2) , wenn er nicht binnen eines Jahres sich 
meldet und cautio suscipiendae litis stellt; im 
letzteren Falle bleibt ihm die Beklagtenrolle ge- 
wahrt (lust. Cod. lust. VII 39, 8). Das Contu- 



der jedoch annimmt, dass gewisse Ehen zwischen 
den AngehorTgen der beiden Stande schon vorher 
gultig gewesen sein mussen. Seitdem ist das C. 
mit Romern ein Vorrecht der romischen Burger, 



1171 



Conubium 



Conventio 



1172 



Sen. de benef. IV 35. Inst. I 10 pr. Isid. orig. IX 
8, oder der Angehorigen solcher Volksgemeinden, 
denen es besonders gew&hrt war, Ulp. V 4ff. X 3. 
Liv. IX 43. XXXI 31. XLIII 3. Eine solche Ge- 
wahrung war gegenuber den Volkern des alten lati- 
nischen Bundes geschehen und bei der AuflOsung 
dieses Bundes wieder aufgehoben worden , Liv. 
VIII 14. Dion. VI 1. Auch spaterhin fand sie 
mehrfach statt, Liv. IX 43. XXXI 31. XLIH 3. 



I 10 pr.). Eigentiimliche Ehebeschrankungen der 
spateren Zeit enthalten Cod. Theod. XIV 3, 2 und 
Cod. lust. XI 69 {68), 1. Die Ehe der eoloni mit 
Preien wurde von Iustinian verboten, Nov. 22, 17» 
Vorher war sie mOglich, Cod. XI 48 (47), 24, wor- 
auf sich Nov. lust. 54 pr. bezieht. S e e c k Ge- 
schichte des Untergangs der antiken Welt I 531, 34. 
In einer vereinzelten Redeweise bedeutet C. 
nicht die Fahigkeit zur Ehe, sondern die Ehe 



Aristid. 'Pdiung eyxmuiov 395. Prudentius contra 10 selbst, Coll. leg. VI 4, 3. 4. Andere Beweisstellen 



Symm. II 609ff. Auch eine Entziehung des C 
bestimmter Gemeinden unter einander kommt vor, 
Liv. XLV 29. Die Verleihung des C. an einen 
Peregrinen gewahrte diesem iibrigens noch keines- 
wegs die romischen Familienreehte, sondern nur 
die vollen Familienreehte seiner Rechtsgemeinde, 
Karlowa R6m. Rechtsg. II 71. Den Sclaven ist 
das C. ganzlich versagt, Ulp. V 5. Paul. II 19, 6. 
Cod. V 5, 3 pr. "Wie das C. uber die ro'mische Burger- 



schaft Mnaus erstreckt wurde , so war es inner- 20 429ff. 



aus alterer Zeit bei Forcellini s. v., vgl, auch 
CIL III 1759. 

Litteratur. B. Brissonius De vetere ritu 
nuptiarum et iure coimubiorum in Graevius- 
Thesaurus Trai. ad Rhen. 1698 p. lOllff. Hot- 
manus De veteri ritu nuptiarum observatio, ebd. 
1112. Schulin Lehrb. der Geschichte d. rOm. 
R, 30. 32. 179. 203. Ear Iowa Rem. Rechtsg. 
II 69ff. 167ff. Mommsen Rom. St.-R. Ill 79. 



halb derselben eingeschrankt. Dahin gehoren die 
Ehehindernisse , insbesondere wegen Verwandt- 
schaft, s. Matrimonium und Nuptiae, Cic. 
top. 4. Von besonderer Bedeutung war auf diesem 
Gebiete die Ehegesetzgebung des Augustus (Jors 
Die Ehegesetze des Augustus, Marburg 1894, 
s. Lexlulia et Papia Poppaea), Dio LIV 16. 
Dig. XXIII 2, 23. Wahrend man bisher annahm, 
dass Augustus den Senatoren hier die Eheschlies- 



[R. Leonhard.l 



ConTCctor, rOmischer Gott der Indigitamenta, 
unter dessen Schutz das abgemahte Getreide zu- 
sammengebracht und eingefahren wurde, ange- 
rufen beim Opfer des Flamen an Tellus und Ceres, 
Fabius Pictor beim Interpol. Serv. Georg. I 21. 

[Aust.] 

Convenae. Als Pompeius den sertorianischen 
Krieg beendigt hatte, siedelte er auf dem Ruck- 
weg Uberbleibsel des sertorianischen Heeres in 



sung mit Freigelassenen verboten habe , fiihrt 30 dem Pyrenaeenorte an , der unter dem Namen 



Mommsen St.-R. Ill 429ff. aus, dass vor Augustus 
ein Verbot der Ehen mit Freigelassenen fur alle 
Freigeborenen bestanden habe, das allerdings zu- 
letzt nicht mehr streng gehandhabt worden sei, 
Cic. pro Sest. 110. Augustus habe es auf die 
Senatoren beschrankt. Mommsen macht darauf 
aufrnerksam, dass nach Liv. XXXIX 19, 5 der 
Senat der Hispalla Fecenia wegen ihrer Verdienste 
um das Gemeinwohl gestattet hat, uti ei ingenuo 



Lugdunum Convenarum eine fiir diese Gegenden 
nicht unerhebliche Bedeutung erlangt hat, Hieron. 
advers. Vigilant. 4 = Migne XXIII 342 (vgl. Isid. 
orig. IX 2, 108) de latronum et convenarum natus 
est semim, quos On. Pompeius edomita Hispania 
et ad triumphum redire festinans in Pyrenaei 
iuyis deposuit et in unum oppidutn eongregavii, 
unde et Convenarum urbs nomen aecepit (aus 
Sallusts hist.? O. Hirschfeld S.-Ber. Akad. 



nubere liceret, ncii quid ei, qui earn duxisset, 40 Berlin 1896, 430. Desjardins Geogr. dela Gaule 



ob id fraudi ignominiaeve esset. Hiernach scheint 
freilich, als ob dies von Mommsen mit Recht 
angenommene Verbot ein unvollkommenes war, 
dessen Ubertretung nur Infamie, nicht aber Nichtig- 
keit der Ehe zur Folge hatte. 

Den Soldaten wurde zum grossen Teile in der 
Kaiserzeit das C. entzogen (s. o. Concubinatus) 
und dann wieder im einzelnen als Privileg gegeben, 
Mommsen GIL III p. 843—919; Ephem. epigr. 



II 347). Vgl. Strab. IV 190 node uh -zjj Ilvcr/vy 

rrjv x&v K(ovovsvu>v, 8 ion avvrjivdcov, sv fj nolig 
AovySovvov. Plin. n. h. IV 108 mox in oppidutn 
contributi Convenae (Schul ten Rh. Mus. L 1895, 
523). Nach Strab. IV 191 hatte die Gemeinde 
das Ius Latii, Ptolem. II 7, 13 nennt die xohg 
der Ko/iovevoi (lies Kwvovhai) AovySovvov xo- 
lavia. Lugdunum im Itin. Ant. 457. 462. 463. 
Die Not. Gall. XIV 5 verzeichnet in Novempopu- 



IV p. 495ff. CIL IX 2995. Ill Suppl. p. 1958ff. 50 lona die civitas Convenarum. Spatere Bezeich- 



Bruns Fontes^ 252ff. P. Meyer Der romische 
Concubinat nach den Quellen und Inschriften, 
Leipzig 1895, 118ff, ; Die agyptischeu Urkunden 
und das Eherecht der rOmischen Soldaten, Ztschr. 
d. Say.-Stiftg., Rom. Abt. XVHI 44tf. 

Ein C. mit Auslandern ist auch im iustinia- 
nischen Rechte noch nicht gewahrt, Inst. I 10 pr. 
Vielmehr war die Ehe des citis mit einer Aus- 
landerin kein vollgultiges (iustum) matrimonium, 



nungen sind Convenae, urbs Convenae, urbs Con- 
venica, urbs Convenielisis (Sidon. Apoll. ep. VII 
6, 7. Greg. Tur., vgl. Longnon Geogr. de la 
Gaule au Vie siecle 591ff.). Das heutige St. Ber- 
trand de Comminges, wo sich die Inschrift Murat. 
1041, 1 = 2049, 7 mit CIVITAS COXVEX. 
(Zeit des Claudius?) gefunden hat, ist ein nnbe- 
deutender Ort. In der Nahe lag der durch seine 
heissen Quellen bekannte Badeort Aquae Con- 



sondern ein blosses matrimonium iuris gentium, go venarum (Geogr. Rav. IV 28 p. 245 Agae Con- 



aus dem eine vaterliche Gewalt iiber die Kinder de: 
Ehebundes nicht entsprang, Inst. I 10 pr. Valen- 
tinian und Valens hatten sogar die Ehe der provin- 
dales mit einer uxor barbara streng verboten, 
Cod. Theod. IDI 14 de nuptiis gentiUum und dazu 
Gothofredus III 348f., auch Claudian. de bello 
Gildonico 190ff. Eunap. ed. Boissonade I p. 487 
(in Iustinians Sammlung nicht erwahnt; vgl. Inst. 



venarum. V 3 p. 340 Aquae Converantia. Guido 
80 p. 513 Aque Converantia). Vgl. Aqua Aquae 
Nr. 36 und 63. [Ihm.] 

Conventina s. Coven tin a. 

ConventiOj Cbereinkommen, Dig. II 14, 1, 3 
(Ulp.): Conventionis verbum generale est ad omnia 
pertinens, de quibtts negotii contrahendi transi- 
gendique causa consenthmt qui inter se agunt. 



1173 



Conventus 



Conventus 



1174 



Damit in Zusammenhang : C. = Litiscontestatio 
Dig. XLIH 24, 15 (Ulp.). C. in manum, Ein- 
tritt der Frau in die Manus des Ehemanns, Gai. 
1 110: olim tribus niodis in manum eonvenie- 
bant, usu, farreo, coemptions, s. Art. Confar- 
reatio, Coemptio, Manus. Karlowa R. 
R.-Gesch. II 154. [Leist.] 

Conventus heisst im allgemeinen jedes_ Zu- 
sammenkommen einer Anzahl Menschen an einem 
bestimmten Ort, multitudo ex compluribus ge- 
neribus hominum contractu in unum locum (Fest. 
ep. 41 M.)i "^M also synonym gebraucht mit 
eontio, concilium und alien Ausdrucken fllr An- 
haufungen von Menschen oder Versammlungen, 
Cic. in Verr. IV 110 eontio conventusque civium. 
V 100 hominum conventus atque multitudo; pro 
Archia 3 conventus frequentiaque; in Verr. IV 
138 Bomae in conventu Siculorum, sehr haufig 
in conventu palam in den Verrinen (IV 85. V 
139. HI 149. act. 1 18). Colum. I praef. 18 nun- 
dinarum c; Cic. in Verr. IV 138 wird so der 
syracusanische Senat genannt; weiter heissen die 
gewohnlich concilia (griechisch xoiva) genannten 
Bundesversammlungen oder Tagessatzungen meh- 
rerer Gemeinden oder Staaten gelegentlich c: 
Liv. XXXIII 34, 5 c. civitatum gentiumque. 
XXXIV 48, 3. 50, 8. 51, 1 c. Euboicarum civi- 
tatium. XLV 26, 11 ; auch die romischen Pro- 
vinciallandtage dieser Art, so c. arensis vom con- 
cilium trium Gattiarum (CIL XIII 1674), oder 
in den Rechtsquellen deT nachdiocletianischen Zeit, 
Cod. Theod. XII 12, 7 (380). 13 (392), vgl. die 
c. nobilium bei Cassiod. var. VI 21 (VII 37); im 
iibrigen s. Art. Concilium. 

In der Bedeutung Versammlung bezeichnet 
C. aber technisch: 

A. Die Versammlung eines Vereins (daruber 
Artikel Collegium), und zwar die Versamm- 
lung zu geschaftlichen Zwecken, CIL XIV 2112 1 
3. 11 23. VI 10234. 10294; vgl. Liebenam Rom. 
Vereinswesen 279. Joh. S c h m i d t Rh. Mus. XLV 
605f. (auch zu CIL VIII Suppl. 14683), nach 
dessen Ansicht concilium technisch die Versamm- 
lung .hoherer — staatlicher — Ordnung den c, 
den Versammlungen privaten Charakters, entgegen- 
gesetzt' ist, Cic. de domo 74 von den Versammlungen 
der pagani und montani: quoniam plebei quoque 
urbanae maiores nostri conventicula et quasi con- 
cilia quaedam esse voluerunt. ,Es war eine Folge 
der im Laufe der Zeit verminderten Bedeutung 
jener Korperschaften, dass ihre Versammlungen dem 
Staatsrechtslehrer am Ausgang der Republik schon 
mehr in die Kategorie der c. zu geheren schienen.' 
Von verbotenen Vereinsversammlungen (c. illiciti, 
c. interdicti) wird das Wort gebraucht abwech- 
selnd mit conventicula in der spateren Rechts- 
sprache, z. B. Cod. Theod. XVI 4, 5 und 6 (404). 
B. Die Versammlung zu Gerichtszwecken in 
der Provinz an den von den Statthaltern ausge- 
schriebenen Tagen, Fest. ep. 41 cum a magistra- 
tibus Midi eausa populus congregatur. Cic. in 
Verr. H 48. 58. 74. IV 67. 107 ; ad fam. IU 
8, 6. XV 4, 2. Hor. sat. I 7, 22ff. Den Her- 
gang beschreibt Livius XXI 29, 8f. : praetor Bo- 
mamis conventus agit; eo imperio evoeati con- 
veniunt ; excelso in suggestu (vgl, Cic. ad Quint, 
ft. I 1, 25 illo populari accessu ac tribunali) 
superba iura reddentem, stipatum lictoribus vi- 



dent; virgae tergo, secures cervicibus imminent; 
fiir den Osten vgl. die Schilderung von Dio Chry- 
sost. II p. 69 R. Man sagt conventum indicere, 
Liv. XXXI 29, 8. 9, oder edieere, XXXIV 48, fur 
das Abhalten conventum agere, Cic. in Verr. V 
28. Caes. bell. Gall. I 54 und otters. Liv. XXXI 
9, 8; perioch. CXXXIV. Plin. ep. X 66 (58 Keil) 
vgl. Iustin. XII 13, wofur auch forum agere ge- 
braucht wird (Cic. ad Att. V 16, 4. 17, 6. 21, 
10 9. VI 2, 4). Die griechischen Schriftsteller sagen 
entsprechend dafur ayogaiov (sc. avvoSov) jioisTv 
(Strab. XIH 629) oder ayciv (Joseph, ant. XIV 
245. Acta apost. 19) bezw. ayoQav ayeiv (Philo- 
strat. vit. Apoll. 1 12) oder avvdyetv (Strab. VHI 
341); Vgl. ayoQav xal avvodov imQexeiv (Dio 
Chrysost. II p. 69 R.). Der Statthalter bereist, 
um Recht zu sprechen, seine Provinz und macht 
in einzelnen Stadten Halt, um fiir einen bestimmten 
Bezirk Gericht zu halten. Im allgemeinen stehen 
20 die Stadte schon in der republicanischen Zeit fest 
(fur Sicilien: Cic. in Verr. V 28 oppidum esse 
in Sicilia, nullum ex Us oppidis, in quibus con- 
sister e praetor es et conventum agere sole ant; fiir 
Asien : Cic. pro Flacc. 71 cur non Pergami, Smyr- 
nae, Trallibus [negotiaris] ubi et multi cives^ Ro- 
mani sunt et ius a nostro magistratu dicitur; 
fur Kilikien : Cic. ad fam. Ill 8, 5. 6. XV 4, 2 ; ad 
Att. V 16, 2. V 20), aber der Statthalter brauchte 
nicht immer in alien Recht zu sprechen, sondern 
30 konnte in eine Stadt die Bewohner mehrerer Be- 
zirke zusammenrufen {evocare), Cic. ad Att. V 
21 , 9 forum institueram agere Laodiceae : Ci- 
byraticum et Apameense, ex idibus Martiis ibi- 
dem Synnadense, Pamphylium, hycaoniwm, Isau- 
ricum. VI 2, 4 atque hoc foro, quod egi ex idibus 
februariis Laodiceae ad Kal. Maim omnium 
dioeeesium praefer Ciliciae ; Laodicea war dem- 
nach nicht nur Gerichtsort fiir den cibyratischen 
Sprengel, sondern auch manchmal fur das ganze 
40 Gebiet ausserhalb des eigentlichen Blikiens. Es 
gab aber Bezirke, deren Bewohner vor der evo- 
catio sicher waren, und denen an Ort und Stelle 
Recht gesprochen werden musste, vgl. Cic. ad Att. 
V 21, 6. Die Zeit fiir die Abhaltung der Ge- 
richtsversammlungen lag in der republicanischen 
Zeit meist im Winter (Liv. XXXIV 48, 2. Cic. 
ad Att. V 14, 2. Caes. bell. Gall, pass.), da 
der Sommer der Kriegfuhrung und Verwaltungs- 
geschaften gewidmet war, in der Kaiserzeit aber 
50 im Sommer (Strab. in 167). Die Richter oder 
Geschworenen fiir die Processe wurden vom Statt- 
halter bestellt (Plin. ep. X 66 [58 Keil] ; s. Art. 
Iudex und Recuperator). Die Verhandlungen 
waren effentlich und dauerten oft langere Zeit 
(Gai. Inst. I 20: ultimo die cX 

Ubertragen bedeutet dann das Wort in dieser 
Richtung weiter: I. die Zeit der betreffenden Ge- 
richtsversammlung, also den oder die Gerichts- 
tage. Cic. ad fam. in 8, 6; II. den Ort, an dem 
60 die betreffende Versammlung gehalten wurde, Cie. 
in Verr II 160. V 16, vielleicht auch II 22. 44. 
Hirt. bell. gall. VIII 46 c. percurrere (vgl. 
aber Herzog z. d. St.). Suet, Caes. 7. Iuven. 
VIH 129. Fiir Sicilien waren Gerichtsstadte nach 
Livius (XXXI 29,8) Syracusae , Messana, Lily- 
baeum, nach- Cicero ausser diesen auch Agrigen- 
tum und Panormus (in Verr. II 63. V 16); in 
der Narbonensis z. B. Narbo selbst (Liv. per. 



1175 



Conventus 



Conventus 



1176 



CXXXIV: cum Augustus conventum Narbone 
ageret), in der Provinz Asia z. B. Pergamum, 
Smyrna, Tralles (Cic. pro Place. 71 j fur Tralles 
auch Joseph, ant. XIV 245), Ephesus (Cic 
ad Att. V 20, 1), Samus (Cic. ad fam. Ill 8, 4; 
ad Att. V 13, 1), in Kilikien Laodicea, Apa- 
mea, Synnada, PMlomelium, Iconium, Tarsus 
(Cic. ad fam. Ill 8, 5. 6. XV 4, 2; ad Att. V 16, 
2. 20); III. den Bezirk, fur den in einer be- 
stimmtcn Stadt Recht gesprochen wurde, also den 10 
Gerichtssprengel. Dergleichen begegnen uns zu- 
erst in den hellenistischen Gebieten des Ostens, 
wo sie Cicero aber noch nicht c, sondern dioe- 
ceses nennt (ad Att. V 21, 7. VI 2, 4; ad fam. 
Ill 8, 4. XIII 67, 1) ; es sind hier vielleicht alte 
Verwaltungsbezirke der vorrfimischen Eeiche, z. B. 
des pergamenischen (v. Wilamowitz bei Schul- 
ten De conventibus civ. Rom. 12, 2, vgl. 1281). 
In griechischen Schriftstellern ist diointjotg auch 



C. vero Cordubensis circa flumen ipsum u. s. w ) 
unnfitig gemacht (a, a. 0. 2811). Sein Stand- 
punkt, ,dass diese Convente compactegeographische 
Gebiete umfassten' (277), erhalt auch dadurch 
eine Stiitze, dass die Hiibnersche ,Zerreissung 
des cordubensischen Convents in Baetica und in 
ganz Spanien keine Analogie fur sich hat' (281). 
2. In Lusitania, welches in drei Sprengel 
zerfiel (Plin. n. h. IV 117): 

a) e. Emeritensis mit Augusta Emerita (Me- 
rida) als Hauptstadt, Plin. a. a. 0. Hiibner 
CIL II p. 52; Suppl. p. 820 tab. I; 

b) c. Pacensis mit Pas Iulia (Beja) als Haupt- 
stadt Plin. a. a. 0. Hiibner a. a. 0. p. 3; Suppl 
p. 781 tab. I; 

c) c. Seallabitanus mit Scallabis, Praesidium 
Iulium (Santarem) als Hauptstadt, Plin. a. a, 0. 
Hiibner a. a. 0. p. 35; Suppl. p. 810 tab. I. 

Der c. Emeritensis umfasste das binnenlan- 



• " :,„ , , . , , , — r "" «;"■"■•/«•».»""" -l-ci v. jxmvrtumtnis umiassre aas Dinnenian- 

immer derteebjusche Ausdruck furdiese Genchts- 20 dische Gebiet von Lusitanien, etwa zwischen dem 



sprengel geblieben (Strab. XIII 629. 631. Dio 
Chrysost. II p. 205. 208 E,, vgl. CIG 3902 b), 
wahrend zuerst bei dem alteren Plinius (s. u.) 
bezw. in der augustisch-agrippischen Reichssta- 
tistik e. in dieser Bedeutung auftritt, oft mit dem 
Zusatz iuridicus (auch iurisdictio). Es scheinen be- 
stimmte, festumgrenzte Gerichtssprengel, im Osten 
im Anschluss an die bezeichneten vorrCmischen 
Siotxtfosig, also erst mit Beginn der Kaiserzeit, we i C 
etwa von Augustus bei der besseren Ordnung der 30 18): 
Provincialverwaltung eingerichtet worden zu sein, 
und zwar noch nicht einmal in alien Provinzen. 
Wir kennen namlich c. iuridiei der Kaiserzeit 
nur in den folgenden Provinzen: 

1. In Hispania Baetica, welches in 4 Ge- 
richtssprengel zerfiel (Plin. n. h. Ill 7), 

a) c. Qaditanus mit Gades (Cadiz) als Haupt- 
stadt, Plin. n. h. Ill 7. 15. Hiibner CIL II 
p. 229; Suppl. p. 873 tab. I. Ill; 



Anas (Guadiana) und Durius (Duero), soweit es 
auf heutigem spanischen Boden liegt; der c. Seal- 
labitanus das Kustengebiet (Portugal) zwischen 
dem Durius (Duero) und Tagus (Tajo); und der 
e. Pacensis den vom Tagus siidlich sich erstrecken- 
den Teil von Lusitanien, Hiibner a. a. Suppl 
p. 781 und tab. I. 

3. In Hispania citerior (Tarraconensis), 
welches in sieben Sprengel zerfiel (Plin. n. h. Ill 

a) c. Carthaginiensis mit Carthago nova (Car- 
tagena) als Hauptstadt, Plin. a. a. 0., 65 Stadt- 
gemeinden umfassend, abgesehen von den zuge- 
horigen Inseln (ebd. 25, aufgezahlt sind die Insel- 
gemeinden, die hierhergehoren, ebd. Ill 76). Ehren- 
inschriften von diesem C„: CIL II 3412 (fur An- 
toninus Pius, besorgt durch einen flamen conven- 
tus). 3413 (fur Iulia Mammaea). 3418 (fur einen 
flwnen des Conventes, den Buchstaben nach aus 



m „ it- / • • T' tV- ,' ,„ .,. /«'«» u <=s ^uiiveiues, aen rmcnstaDen nacn aus 

b)e. Htspalensis mit Hispahs (Sevilla als 40 dem Anfang des 2. Jhdts. n. Chr ) , ve\ 3416 



Hauptstadt, Plin. a. a. 0. 7. 11. 13. Hiibner 
a. a. 0. p. 121; Suppl. 833 tab. I. Ill; 

c) e. Astigitanus mit Astigi (Ecija), Plin. a. 
a. 0. 7, 12. Hiibner a. a. 0. p. 185; Suppl 
p. 847 tab. a. a. 0.; 

d) c. Cordubensis mit Corduba (Cordova), Plin 
a. a. 0. 7. 10. 14. Hiibner a. a. 0. p. 269; 
Suppl. p . 878 tab. a. a. 0. 

Die Grenzen dieser baetischen Convente baben 



festTi^Ti™ T £ -»"» v r ™ • , ™ r larraciwnensis} sic), vermutlich aus der ersten 
?l£™fSS> ^ ch *, Detlefse " n Phll °} XXX 50 Kaiserzeit, vgl. Hiibner z. d. Inschr.). 4138 (fur 



Erwahnung des c. in Heimatbezeichnungen von 
Provincialpriestern in Tarraco (vgl. Art. Conci- 
lium), CIL II 4189. 4252. 4200. Hiibner CIL 
II p. 413; Suppl. p. 942 tab. I— III; 

b) c. Tarraconensis mit Tarraco (Tarragona) 
als Hauptstadt, Plin. a. a. 0.. und 42 Stadtge- 
meinden (ebd. 23). Ehreninschriften des C: CIL 
II 3840 (fur einen procurator Caesarum vom c. 
Tarraclwn(ensis) [sic], vermutlich aus der ersten 



(1870) 276ff. und Hiibner aa. 00. und" Suppl. 
p. 833. Pest stent, dass der c. Qaditanm in sehr 
langgestreckter Form an der Sudkuste sich hin- 
zog, der c. Hispaknsis den Unterlauf des Bae- 
tis mit Erstreckung vor allem nach Norden und 
Osten bis zur Grenze Lusitaniens, der c. Cordu- 
bensis den Mittel- und Oberlauf des Baetis bis 
ZUT Tarraconensis umfasste, der e. Astigitanus 
endhch siidlich vom Baetis, ohne allerdings den- 



^plKpr. w^ a •—------"'-." —^-""S" ^"- um uaiii provinciaien Aaisertempei (rlubner 

irt"rn h f etate( ? LiHem l 113 )- Endlich kommt der C. vor in 



einen praefectus orae maritumae). HiibnerCIL 
n p. 500; Suppl. p. 965 tab. II; 

c) c. Caesaraugttstanus mit Caesaraugusta (Za- 
ragoza) als Hauptstadt, Plin. a. a. 0., und 55 
Stadtgemeinden (ebd. 24). Ein censitor c. Caesar- 
augustani wird erwahnt CIL YE 7070; add. 
p. 965. CEL II 4073 ist gesetzt: Genio conven- 
tus Caesaraugustani, und zwar in Tarraco, offen- 
bar beim provincialen Kaisertempel (Hiibner 



tab. I. Ill in CIL II Suppl.). Hubners An- 
nahme einer Enclave des e. Cordubensis zwischen 
dem e. Astigitanus und Qaditanus (gegen die Tar- 
raconensis hin), welche von dem Hauptgebiet 
des Conventes vollstandig getremit sein soil, hat 
Detlefsen durch eine Interpunktionsanderung 
ira Texte des Plinius (n. h. E 10: omnia Baste- 
tarnae vergentis ad mare [Punkt, nicht Komma]. 



Heimatangaben von Provincialpriestern in Tar- 
raco, CIL n 4203. 4242. Hiibner ebd. p 401 ■ 
Suppl. p. 936 tab. II; 

d) c. Cluniensis mit Clunia Sulpicia als Haupt- 
stadt, Plin. a. a. 0., und 69 zum grSssten Teil 
nichtstadtischen Gemeinden (ebd. 261 und dazu 
Detlefsen Philol. XXXII [1873] 605). Nach 
CIL VI 1454 (aus dem J. 222) cooptiert sich das 



1177 



Conventus 



Conventus 



1178 



concilium conventus Cluniensis einen patronus 
(vgl. Art. Concilium); in Heimatbezeichnungen 
CIL II 4198. 4233; Suppl, 6093. HiibnerCIL 
II p. 377; Suppl. p. 924 tab. I; 

e) c. Asturum oder Asturieensis mit Asturica 
Augusta (Astorga) als Hauptstadt, Plin. a. a. 0., 
und 22 nichtstadtischen oder Volksgemeinden, 
welche in zwei Unterabteilungen zerfielen: die 
Astures Augustani und Astures Transmontani 
(ebd. 28). CIL II 4072: Genio conventus Astu- 10 
rum. Ein sacerdos Bomae et Augusti conventus 
Asturum wird erwahnt CIL II 4223, ebenso 6094; 
im iibrigen vgl. Art. Concilium. Hiibner CIL 

II p. 362; Suppl. p. 909 tab. I; 

f ) c. Lueensis mit Lucus Augusti (Lugo) als 
Hauptstadt, Plin. a. a. 0., und 16 Volksgemein- 
den (ebd. 28). Der C. kommt inschriftlich vor 
in der Heimatangabe eines Provincialpriesters in 
Tarraco, CIL II 4255; vgl. Hiibner ebd. p. 351; 
Suppl. p. 904 tab. I; 20 

g) c. Bracaraugustanus (auch nur Bracarus 
oder Augmtanus) mit Bracara Augusta (Braga) 
als Hauptstadt, Plin. a. a. 0., und 24 Volksge- 
meinden (ebd. 28). Ehreninschriften , die von 
diesem C. stammen, sind CIL II 2426 (fur einen 
sacerdos Romae Augusti Caesafrum]). 4123; 
Kaiserpriester dieses C. (sacerdos Bomae et Augusti 
conventuus Bracaraugustani) ebd. 2416. 4215; 
in Heimatangaben von Provincialpriestern ebd. 
4236. 4257. 4204. Hiibner ebd. p. 331; Suppl. 30 
p. 891 tab. I. 

Auch hier hat die Abgrenzung dieser Con- 
vente neben Hiibner (an den aa. 00.) Detlef- 
sen Philol. XXXII (1873) 600ff. versucht. Die 
Einteilung in Convente scheint sich in dieser 
Provinz angelehnt zu haben an eine iiltere (da- 
durch allerdings nicht beseitigte) Zerlegung der 
diesseitigen Provinz in drei grOssere Gebiete (Strab, 

III 1661), auch Dioecesen genannt (Ephem. epigr. 

IV p. 223) : Asturia et Callaecia, urspriinglich 40 
wohl nur Callaecia (CIL II 2422 zu Ehren des 

C. Caesar Aug. 1, vgl. ebd. Suppl. p. LXXXVt), 
unter einem Legaten mit zwei Legionen (legatus 
Aug. per Asturiam et Callaeciam CIL II 2634, 
ofter leg. Aug. iuridicus per u. s. w. CIL VIII 
2747. VI 1486. 1507. XII 3170, leg. Aug. et 
iuridicus Asturiae et Callaeciae CIL VI 1507), 
woraus wohl die drei nordwestlichen , in mehr- 
facher Beziehung enger zusammengehOrigen Con- 
vente gebildet sind; ein zweites Gebiet, Ostlich an 50 
Asturien sich anlehnend bis zu den Pyrenaeen, 
unter einem Legaten mit einer Legion, etwa das 
Gebiet des c. Cluniensis; endlich das fruhzeitig 
romanisierte und stadtisch organisierte Ebro- und 
Kustengebiet unter einem Legaten selbst in der 
ersten Zeit meist ohne Legion (in der bessern Zeit 
legatus citerioris Hispaniae, im Gegensatz zu 
■dem Statthalter der ganzen Provinz mit consu- 
larischem Rang nur ein Praetorier, aber immer ohne 
den Zusatz pro praetore, CIL V 6974ff., im 3. Jhdt. 60 
legatus iuridicus proeineiae Hispaniae Tarra- 
conensis, CIL II 3738, iihnlich 4113. XH 3167. 
IX 1572. VIII 8421, dixaiodortjs Zfmviagy dwi- 
xrjoeois TaQQanco[vfj]aiag auf einer grieschischen 
Inschrift Ephem. epigr. IV p. 223, dazu Momm- 
sen ebd. p. 224), etwa die C. Caesaraugustanus, 
Tairaconensis und Carthaginiensis umfassend. Es 
sind also auseinanderzuhalten die provincia Tar- 



raconensis (vor Diocletian richtiger prov. Hi- 
spania citerior), die dioeeesis Tarraconensis und 
der c. Tarraconensis. Von der zweiten der er- 
wahnten Dioecesen des Strabon fehlt bis heute 
noch der Name und die Erwahnung irgend eines 
Legaten auf Inschriften (Mommsen a. a. 0. 225. 
Hiibner CIL H Suppl. p. LXXXVI); vielleicht 
ist nach der Wegnahme der Legion aus dieser 
dioeeesis (bei Iuliobriga im Gebiet der Cantabrer, 
Hiibner a. a. 0.) zur Rechtsprechung kein be- 
sonderer Legat mehr hierher gesandt worden, da 
die Dioecese unserer Ansicht nach nur den einen 
c. Cluniensis umfasste, der vom Statthalter selbst 
oder auch von dem legatus der Dioecese Tarra- 
conensis versehen wurde. Die Convente dieser 
Provinz insgesamt sind aber — ■ offenbar infolge 
der grossen Ausdehnung der Provinz — fruhzeitig 
hinausgewachsen iiber ihren juristischen Zweck. 
Sie bilden — zuerst in den barbarischen Ge- 
bieten des Nordwestens, vgl. Art. Concilium 
— auch religiose Gemeinschaften um einen Altar 
der Roma und des Augustus, und sind auch, wie 
der censitor conventus Caesaraugustani zeigt, in 
Steuersachen verwendet worden, sind mit andern 
Worten nicht nur Gerichtssprengel, sondern auch 
kirchliche- nnd Steuer-Bezirke. 

4. In Dalmatia, welches in drei Sprengel 
zerfiel : 

a) c. Scardonitanus- mit der Hauptstadt Scar- 
dona , einem munieipium Flavium , Plin. n. h. 
Ill 139, fur die Iapydes et Jjiburnioruin civitates 
ZIF(Plin. ebd., vgl. Mommsen CIL III p. 365). 
CIL III 2809 berichtet von der Wiederherstellung 
eines praetorium in Scardona durch die Burnistae 
(und andere Gemeinden des C). Der sacerdos 
ad aram Augusti Libumiae ebd. 2810 (vgl. die 
gemeinsame Dedication einer Inschrift durch die 
civitates Libumiae unter Tiberius, ebd. 2808) be- 
weist, dass auch Liburnien, d. h. in der Hauptsache 
der c. Scardonitanus, wie die eben betrachteten 
spanischen c, zugleich ein religiOser Bezirk war; 

b) c. Salonitanus mit der Hauptstadt Salonae 
(Salona), Plin. n. h. Ill 1411, vgl. Mommsen 
CIL III p. 304; 

c) c. Naronitanus mit der Hauptstadt Narona 
(Viddo), Plin. a. a. 0. 142. In diesen beiden Con- 
venten wurde den dalmatinischen VolkeTschaften, 
die ihrerseits in Decurien zerfielen , Recht ge- 
sprochen. Jfach Varros Angabe (Plin. a. a. 0.) 
kamen einst nach Narona 89 Gemeinden, Momm- 
sen a. a. 0. p. 291. 

5. In der Provinz Asia, welche nach Plinius 
in neun Convente zerfiel: 

a) C. von Adramyttiura, Plin. n. h. V 122. 

b) c. Pergamenus (Hauptstadt Pergamum), 
Plin. ebd. 126. 

c) c. Smyrnaeus (Smyrna), Plin. a. a. 0. 120. 
Die von Aristides (I p. 527 D.) erwahnte diol- 
xrjaig fj ntQi SjivQvav hat mit diesem C. nichts 
zu thun, ist vielmehr ein grOsserer Bezirk unter 
einem legatus iuridicus (Schulten De conven- 
tibus 7. 129, vgl. o. Hispania citeriorj. 

d) c. Sardianus (Sardes), Plin. a. a. 0. 111. 

e) C. von Ephesus, Plin. a. a. 0. 120. Joseph, 
ant. XVI 172. Aristid. I p. 525 D. 

f) C. von Alabanda in Karien, Plin. ebd. 109. 

g) c. Cibyraticus mit der Hauptstadt Laodicea, 
Plin.' a. a. 0. 105. 



1179 



Conventus 



Conventus 



1180 



1181 



Conventus 



Conventus 



1182 



h) c. Apamensis mit der Hauptstadt Apamea I. Die Identitat der conventus eivium 

Cibotus, Pirn. ebd. 106. Dio Chrysost. II p. 68f. E. Romanorum mit den cives Bomani, qui 

i) c. Synnadmsis (Synnada), Plin. ebd. 105, consistunt. Zunachst seien die verschiedenen 

vgl. 95. Arten, vie diese c. eivium Romanorum bei Schrift- 

Gegeniiber den Verhaltnissen der Republik er- stellern und anf Inschriften bezeichnet sind , zu- 
giebt sich, dass bier bei der definitive!! Abgren- sammengestellt (die Belege bei Kornemann De 
zung fester Sprengel fur die Rechtsprechung civibus Romanis u. s. w. Appendix 97ff. und unten 
Tralles und Philomelium als Gerichtsorte (s. u. II). Bei Schriftstellern : Capua : c. Capuae oder 
S. 1175) in der Kaiserzeit aufgegeben waren, und e. Campanus; Syraeusae: c. eivium Romanorum 
dass die drei zuletzt genannten Convente, die 10 Syraeusis, c. Syracusanus ; Panormus: c. Pa- 
Cicero von Kilikien aus bereiste, jetzt zu der Pro- normitanus ; Lilybaeum : eivitas Lilybaetana . . . 
vinz Asia gehSrten. Marquardt (St.-Verw. I 2 maximusque c. eivium Romanorum; Utica: c. 
340) macht den grossen Fehler, dass er bei Fest- Uticensis ; erat in oppido . . . TJticenses . . . con- 
stellung der Convente Zeugnisse aus den ver- ventus is, qui u. s. w. ; Hadrumetum ; c. eorum 
schiedensten Zeiten zu vereinigen sucht(Schul- d. h. Hadrumetinorum; Thapsus ebenso ; Corduba : 
ten De conventibus 127, 1. 128). Im Laufe der Cordubae c. oder c. Cordubensis ; Hispalis: ems 
Kaiserzeit sind die Bezirke verkleinert worden, (sc. Hispalensis) e. cives Romani; Salonae: e. 
indem Teile der seitherigen C. selbstandig ge- Salonis; Lissus: c. eivium Romanorum, qui Lis- 
macht wurden. So wissen wir, dass Thyatira sum obtinebant, oder cives Romani, qui eius c. 
erst durch Caracalla 215 Hauptstadt ernes eigenen 20 erant. Auf Inscbriften : Masculula : c. eivium 
C. wurde (Bull. hell. X 404ff. 417ff.), wahrend Romanorum et Numidarum, qui Maseululae ha- 
es vorher zu Pergamum gehOrte (Plin. n. h. V bitant ; Brigantio : cives Romani de conventu ci- 
126). Vielleicht stent es ebenso mit Eumenia vium Romanorum; Helvetii: cives Romani c. 
wegen der daselbst gefundenen Inschrift CIG Helvetici; Thyatira: 6 xoiv c Pcouaia>v xorffevtog. 
39u2b, wonach eiu Erlass des Proconsuls von Mommsen sieht in diesen e. eivium Roma- 
Asien aufgestellt werden soil ir taXg a(pnyovfisvaig norum ,die innerhalb eines romischen Gerichts- 
t&v dioixrjoemv no).eoiv, weiter mit Cyzicus wegen sprengels verweilenden remischen Burger' (Herm. 
Aristides I p. 544 D. und Philadelphia (nach Plin. VII 319; vgl. Rom. GescL lis 407) oder ,die 
V 111 zu dem C. von Sardes) wegen ebd. I p. 529. gleichsam communale Organisation der innerhalb 
530. Da die Conventshauptstadte oft'enbar auch 30 eines romischen Gerichtssprengels peregrinischen 
die Prageorte der Landesmiinzen, der Cistophoren, Eeehts lebenden romischen Biirger' (Herm. XVI 
waren (dariiber Pinder Abh. Akad. Berl. 1855, 477, vgl. Ephem. epigr. VII [1892] p. 442), bringt 
5401), hat Marquardt a. a. O. beide neben also die c. eivium Romanorum in einen sach- 
einander gestellt. Danach ware in der Kaiserzeit lichen Zusammenbang mit den eben betrachteten 
auch noch Nysa Vorort eines C. gewesen. Das c. iuridici, etwa Ps.-Ascon. folgend, der zu Cic. 
Streben bei den Stadten Asiens zu dieser Ehre, in Verr. II 32 {ex conventu eivium Romanorum) 
die auch mit materiellen Vorteilen fur die be- sagt: ex Us civitatibus, ad quas cives Romani 
treffenden Communen verbunden war, zu ge- convenire solent agendae suae aut publieae ret 
langen, war sehr gross, wie die Worte des Dio causa. Dagegen haben sowohl Kornemann (De 
Chrysostomus (II p. 69 E.) und die Inschrift von 40 civibus Romanis 17ff. ; vgl. 21, 1) wie Schulten 
Thyatira (Bull. hell. X 404ff.) zeigen. (De conventibus 5. 7ff.), und zwar unabhangig 

Aus Africa kennen wir keine c. iuridici, von einander (vgl. auch Mitt eis Reichsrecht und 

sondern nur Dioecesen unter Legaten von der Art, Volksrecht 149), zu erweisen gesucht, dass die c. 

wie sie auch in Hispania citerior auftreten (Morom- eivium Romanorum mit den c. iuridici nur im 

8 en Ephem. epigr. IV p. 224. Marquardt St. -V. Ausdruck, nicht aber in der Sache etwas gemein 

IM66f.). FabjchlichhaltMarquardt(a. a.0.476) haben, dass vielmehr die ersteren auf bestimmte 

die bei Caes. bell. civ. II 36 und im bell. Afr. Stadt- oder sonstige Territorien localer Art sich 

97 erwahnten C. von Utica, Hadrumetum und beschriinkten. Die Hauptargumente gegen die 

Thapsus fftr Gerichtssprengel, wahrend es rSmi- Mommsensche These sind: 
sche Burgerverbande waren (vgl. Abschn. C). Offen- 50 1. Die locale Beschrankung dieser Convente 

bar sind diese conventus iuridici nicht in alien erweisen deutlich Ausdriicke wie c. eivium Ro- 

Provinzen bei der Neuordnung in der caesarisch- manorum qui Lissum obtinebant (Caes. bell. civ. 

augustischen Zeit eingerichtet worden. Stellen- HI 29) oder e. eivium Romanorum et Xumi- 

weise hat man durch Schaffung mOglichst grosser darum qui Maseululae habitant (CIL VIII Suppl. 

Gemeinden, wie z. B. in Form der nach Gauen 15775). nicht minder e. Syraeusis eivium Ro- 

organisierten civitates in den Tres Galliae, diese manorum (Cic. in Verr. V 94) oder kiirzer c. 

besonderen Gerichtsbezirke und Gerichtsstadte un- Syraeusis (ebd. Ill 136). c. Salonis (Caes. bell. 

nOtig gemacht. In der nachaugustischen Zeit hat civ. Ill 9), ipse Cordubae c. (ebd. II 19). c. Ca-. 

man durch Zerschlagung zu grosser Pro vinzen in puae (Cic. pro Sestio 9; von demselbeu Verband 
mehrere Teilprovinzen , manchmal unter Festhal- 60 wird hier gesagt: hoc tempore e idem homines 

tung der Einheit (vgl. Marquardt 12 310 fiber die nomine commutato coloni deeurionesque) . oder 

ZerlegungDakiensin3Provinzen),Ersatzgeschaffen. wenn es von Utica heisst (ebd. II 36j: in oppido 

C. Die Bedeutung nicht eines vorubergehenden . . . primitm Utieenses . . . deinde c. is. qui ex 

Confluxus,einerVersammlung.sonderaemesdauern- variis generibm constant. Die rechtliche Zu- 

den Zusammenseins hat endlich C. in der Ver- gehorigkeit von Conventen in Stadten oder den 

bindung c, eivium Romanorum, d. i. der Ge- Stadten gleichgeachteten Communen zu diesen 

samtheit der an einem Ort aus Geschaftsriick- Gemeinden wird ausgedriickt durch das Adjec- 

sichten zusammengestrBmten romischen Burger. tivum : c. Syracusanus, Panormitanus. Uticensis, 



Eelvetieus, und analog heisst es selbst da, wo stehenden bekampften Ansicht dazu gekommen, 

rechtlich keine Peregrinenstadt, sondern nur ein zwei Arten von Biirgerverbanden zu statuieren: 

vicus besteht, e. Cordubensis, Hispalemis. die nach den c. iuridici vereinigten cives Romani, 

2. Wenn Mommsens Ansicht die richtige das sind die e. eivium Romanorum, und die in 

ware, diirften c. eivium Romanorum nur in Vor- einer Ortschaft oder Stadt peregrinischen Eeehts 

orten von c. iuridici vorkommen. Aber die grOssere zusammenwohnenden rOmischen Burger, das sind 

Zahl von Ortschaften, deren c. eivium Roma- die mit cives Romani, qui consistunt und den 

norum bekannt sind, waren keine Gerichtsstadte: ahnlichen Ausdriicken bezeichneten, Ephem. epigr. 

Lissus gehorte zum Sprengel von Narona (Plin. VH 1892 p. 442 (bei Schulten 10, 3, bei Korne- 
n. h.ni 144), Thyatira wurde, wie S. 1179 gezeigt, 10 m ann 21, 1), wahrend Kornemann (20ff.) und 

erst215 Vorort eines c.iuridicus, die Inschrift mit Schulten (15ff.) durch ihre Anschauung von den 

dem Burgerconvent gehort dagegen ins 2. Jhdt. c. notgedrungen dahin gefuhrt werden, beide Be- 

(Kornemann 19f. Schultenll). DieBeziehung zeichnungsweisen auf dieselben Vereinigungen zu 
des c. Capuae auf die Dioecese der praefecti beziehen. Sie setzen also gleich c. dvium Ro- 

Capuam (Juntas durch Mommsen (Herm. VII manorum Syraeusis (Cic. in Verr. V 94) mit den 




retiorum, Brigantio 'oder gar Masculula Gerichts- toribus iudices nulli und de conventu ac ne- 
stadte gewesen. 20 gotiatoribus nulli iudices und die ErSrterung 

3 Wie in Abschnitt B nachgewiesen ist, ge- bei Kornemann 38ff.) oder c. Salonis (Caes. 

hort die Schaffung von c. iuridici erst dem Be- bell. civ. IH 1) mit den romischen Burgern im 

giim der Kaiserzeit an, wahrend die c. eivium bell. Alex. 43, 2, wo dieselbe Stadt genannt wird 

Romanorum schon in der republicanischen Zeit oppidum maritimum, quod cives Romani for- 

vorhanden waren. Mommsens Ansicht von der tissimi fidelissimique incolebant, bezw. verweisen 

gleichsam communalen Organisation der innerhalb auf conventus eivium Romanorum et Numi- 

der Gerichtssprengel lebenden romischen Burger darum qui Maseululae habitant, wo beide Be- 

nimmt im Widersprueh mit den Quellen die c. zeichnungsarten verbunden sind. Dass auch die 

iuridici fiir alter als die c. eivium Romanorum cives Romani, qui consistunt corporativ geeinigt 
an (Schulten 10ff.). 30 waren, ergiebt sich daraus, dasa sie gemeinsam 

4. Dass e. nicht nur die Bedeutung einer vor- handelnd auftreten, entweder allein oder, wie 
fibergehenden Versammlung, sondern auch einer namentlich in den hellenistischen Landern, zu- 
dauernden Gemeinschaft, eines Verbandes oder sammen mit den griechischen Stadtgemeinden, 
Vereins haben kann, also absolut unabhangig von in welchen sie ihren Sitz haben. Die Identitat 
der Zeit ist, ergiebt sich aus der an der Spitze ihrer Corporationen mit den c. eivium Roma- 
Ass Artikels angefiihrten Definition des Wortes norum wird aber am schlagendsten dadurch be- 
bei Festus. Allerdings ist ausser diesen c. eivium. wiesen , dass die namlichen Beamten , d. h. die 
Romanorum nur ein Beispiel bekannt, wo c. in curatores eivium Romanorum, sowohl bei den 
der Bedeutung Verband vorkommt, d. i. c. ma- e. genannten Verbanden r&mischer Burger (Thya- 
tronalis, (Senec. de matrim. HI p. 428, 49 Haase. 40 tira, c. Helvetian) als auch bei den cives Ro- 
Suet. Galba 5. Hist. Aug. Elagab. 4; vgl. Fried- mani consistentes , negotiantes {xaTomovvrsg, 
lander Rom. Sitten-Gesch. 15 423). Aber ganz xQayuaxmonevoi u. s. w.) vorkommen. Zur Er- 
denselben Bedeutungswandcl haben wir bei dem kliirang der Tbatsaehe, dass so selten die Be- 
entsprechenden griechischen Wort ovvodo; (s. nennung c. eivium Romanorum vor allem aul 
Kornemann 211'.). den Inschriften (hier nur viermal: in Masculula, 

5. Die einzige Stelle, aus der man einen Zu- Brigantio, bei den Helvetiern, in Thyatira) be- 
sammenhang zwischen e. eivium Romanorum und gegnet, wahrend sehr hauflg diese Verbande als 
c iuridicus bei oberfliichlicher Betrachtung viel- cives Romani qui consistunt oder mit einer der- 
leicht herleiten mochte, ist Cic. in Verr. II 32: artigen Forrael bezeichnet werden, hat Korne- 
selecti indices ex conventu eivium Romanorum*>Q mann (21) die Vermutung ausgesprochen, dass 
proponi solent (vgl. ebd. 34). Wie noch gezeigt die Bezeichming mit c. — wenigstens mder Kaiser- 
werden wird, wurden fiir gewisse Falle von den zeit — nicht die officielle war, wahrend Schulten 
Statthaltern Richter e civibus Romanis prorin- (16) dies zuruckweist, ohne eine andere Erklarung 
ciae (Gai. Inst. I 20) bestellt; diese Bestellung zu bringen. So viel steht fest, die Bezeichnungs- 
aber musste. da in Sicilien zu Verres Zeiten noch weise c. eivium Romanorum ist die haufigere, 
keine Burgergemeinden waren, e conventu (eivium was die Zeit betrifft, unter der Republik (bei 
Romanorum) d. h. aus den Biirgerverbanden er- Schriftstellern), in Bezug auf die Gegend, imOc- 
folo-en (Schulten 14. falsch Kornemann 16f. cident, wahrend in der Kaiserzeit (auf Inschriften) 
unfer Mommsens Einfluss. vgl. 21,1: das Richtige die anderen Formeln viel rnehr, im Osten des 
3gjj_^ go Eeiehes eigentlich ausschliesslich (eine Ausnahme 

Die Hauptstreitfrage. wie sich die c. eivium bildet nur der Convent von Thyatira), sich finden. 

Romanorum und die in Inschriften so haufig auf- II. Die uns bekannten conventus ci- 

tretenden cives Romani qui consistunt, qui ne- vium Romanorum bezw. cives Romani, 

qotiantur oder griechisch oi y.aroiy.ovrTm'Potuatoi, qui consistunt (vgl. Kornemann Appendix 

oi ^Qayuazsvofieroi 'Pcofiatoi u. s. w. (iiber diese 97ff.). 

Ausdriicke vgL Art. C oasis t ere) zu einander ver- 1. Im Western 

halten, ist damit eigentlich schon gelost. Mo mm- a) Die der republicanischen Zeit (die Angabe 

sen ist schliesslich unter Festhalten der im Vor- der Verleihung des romischen Stadtrechts an die 



1183 



Conventus 



Conventus 



1184 



betreffende peregrine Gemeinde deutet das Ende 
des c. an, daruber unten): 
Italien : 
Capua (seit 543 = 211 v. Chr.): Cie. pro Sestio 

IV 9. Caes. bell. civ. I 14, 5. HI 21 , 5. 
Cic. ad Att. XV 8, 1, im J. 695 = 59 v. Chr. 
Colonie. 

Sicilien: 
Halaesa : CIL X 7459, dem L. Cornelius Scipio 

(Praetor 561 — 193) gesetzt Ton Italieei, vgl. 

Cic. ad fam. XIII 32, 1; Municipium seit 

Augustus. 
Syracusae: Liv. XXIX 1, 16. Cic. in Verr. II 

70. in 32. 136. IV 55. 67. 70. 137. V 94. 

113. 155. 156. n 153. Colonie im J. 733 

= 21 v. Chr. 
Panormus: Cic. in Verr. V 140. II 153 (vgl. 

V 161). Colonie unter Augustus. 
Lilybaeum: Cic. ebd. V 10. II 153. Munici- 
pium unter Augustus. 

Agngentum: Cic. ebd. IV 93. II 153. 
Africa : 
Karthago: Appian. Lib. 92. Colonie durch Caesar. 
Utica: Sail. lug. 64, 5. Cic. in Verr. I 70. 

Val. Max. IX 10, 2. Caes. bell. civ. II 36. 

Auct. bell. Aft. 08. 90. Plut. Cato min. 59. 

61. Cass. Dio XLIII 10. Municipium im 

J. 718 = 36 v. Chr. 
Hadrumetum: Auct. bell. Afr. 97. Colonie unter 

Traian. 
Thapsus: ebd. 
Forum Thysdrus: ebd. 36, 
Vaga: Sail. lug. 47, 1. 
Cirta: ebd. 26, 3. 21, 3. 
Spanien, Baetica: 
Corduba: Caes. bell. civ. II 19, 3. 21. Auct. 

bell. Alex. 57-59. Colonie 708/9 = 46/5 

v. Chr. 
Hispalis: Caes. bell. civ. II 20. Colonie 709 = 

45 v. Chr. 
Italica: CIL II 1119. 
Tarraconensis : 
Carthago nova.: CIL II 3433; Suppl. 5927 = 

3434. 3408. Colonie 709 = 45 v. Chr. 
Tarraco: Plin. n. h. Ill 21 Scipionum opus 

(Solin. 23, 8). Hiibner Herm. I 103f. Co- 
lonie in demselben Jahr. 
Gallien : 

Tolosa: CIL XII 5388. LatinLsche Colonie 

durch Caesar. 
Illyricurn : 

Lissus : Caes. bell. civ. Ill 29. 40. Municipium 

unter Augustus, Plin. n. h. Ill 144. 
Narona: CIL III 1820. 1821. Colonie durch 

Octavian, -wahrscheinlieh vor 727 = 27 v. Chr. 
Salonae: Caes. bell. civ. Ill 9. Bell. Alex. 43, 

2. CIL III Suppl. 8958. Colonie 721 = 33 

v. Chr.? 
Xauportus: CIL III 3776. 3777. Tac. arm. I 

20. Uberflugelt von Emona, welches 720 = 

34 v. Chr. Colonie wurde. 
Iulium Carnicum (in Italien, Regio X): CIL V 

1829. 1830. Colonie unter Claudius. 
/?) Der Kaiserzeit: 
Africa: 

Masculula: CIL VIII Suppl. 15775 (unter Ti- 
berius). 
?Aubuzza: CIL VIII Suppl. 16367; die Ergan- 



zung cives Romani qui] Aubu%xa eonsistunt 
ist sehr unsicher; Schulten 78, 1. 
Tipasa: ebd. 17143 (aus dem J. 128) werden 
erwahnt cives Romani cultores Larum et 
imaginum Aug. 
Man vgl. noch aus 
Mauretanien : 

Rapidum: Ephem. epigr. V 955 (p. 459) und 
1302 (p. 561) aus dem J. 167 n. Chr. vete- 
10 rani et pagani eonsistentes aput Rapidum; 
dazu den pagus Mereurkdis veteranorum 
MedeUtanorum in der Provincia proconsu- 
lar, CIL Vm 885. 
Hispania Tarraconensis : 

Bracara Augusta: CIL II 2423. 
Tres Galliae: 

Aquitania: CIL XIII 1900 summits curator ci- 
mum Romanorum provinciae Aquitaniae. 
Auscii: CIL XIII 444. 
20 Petrocorii: ebd. 950—954. 965. 970. 
Santones: ebd. 1048. 

Bituriges-Cubi: ebd. 1194 (aus den J. 38—41 
n. Chr.). 
Lugudunensis : CIL XIII 1921 summus curator 
civium Romanorum provinciae Lugitdunensis. 
Belgica : 

Helvetii: Mommsen Inscr. Helv. 133. 122. 
CIL XII 2618. Anz. f. Schweiz. Altertumsk. 
1891, 429; vgl. CIL XII 2564. 
30 Britannia : 

Londinium : Tac. ann. XIV 33, 3 (aua dem J. 61 
n. Chr.). 
Alpes Maritimae: 

Brigantio: CIL XII 94. 
Raetia : 
CIL III 5212: cives Romani [e]x Italia et 
aliis prminciis in Raetia eonsistentes. 
Pannonia inferior : 

Vetussalinae : CIL III Suppl. 10305. 
40 Moesia inferior : 

Anadolkioi bei Tomi : CIL 111 7533 : cives Ro- 
mani . Jtlae eonsistentes vieo turrem u. s. w., 
vgl. 7536 mit magi[ster] vici Se . . . . 
Tomi: CIL III 7532. Liber die fvXtj 'Pco/iicov 
hier vgl. Schulten 59, 1. Dazu kommen 
dann in der Kaiserzeit die canabensischen 
Convente bei den Standlagern der Grenzen, 
-\voriiber im Art. Can abac gehandelt ist. 
2. Im Osten (sowohl der republicanischen wie 
50 der Kaiserzeit) : 

\ Of\ fl 1 fl " 

Argi : CIL III 531 (fur den Consul vom J. 685 
= 69 v. Chr.) Ralici quei Argeis negotiantur; 
Suppl. 7265 = 532 (aus dem J. 687 = 67 
v. Chr.). Le Bas-Foucart I 2 nr. 124a. 

Antigonea-Mantinea : Le Bas-Foucart I 2 
nr. 352f. 'A xoXis'Avztyorecov xai 'PcojiaToi nQay- 
[taTtvofisroi h aira, Bull. hell.XX (1896) 122f. 

Megalopolis: 'Eymi- aoyaio'/.. 1896, 102. 
60 Eli>: Dittenberger Archaeol. Zeitung 1877, 
38 'H xoXig ?; rtov 'H/.eiiov xai 'Pw[t[atoi] ol 
hyoQOVvts;. 

Megara: 'Adfjvmov II (1873) 481f. Die Ergan- 
zung der Insehrift CIL X 7350 cives Ro- 
mani et Ajthenienses ist zu unsicher, als 
dass sie Verwendung finden konnte. vgl. 
Schulten 57, 4. 

Eretria: Americ. Journ. Arch. XI (1896) 173ff. 



1185 



Conventus 



Conventus 



1186 



Macedonia : 

Beroea: Revue des soc. sav. 1858 p. 791 nr. 33 
(fur den Proconsul von Makedonien im J. 697 
= 57 v. Chr.) BeQmaoi xai ol svxsxrtj^oi- 
'PcofiaToi. 
Edessa: Le Bas 1345 jj noXts xai ol evfixgay- 
IMixsvofievoi 'PcofiaXoh. 
Thracia : 

Sestus: Bull. hell. IV (1880) 516. 
Inseln im aegaeischen Meer: 10 

Delos: Eine Masse Inschriften der Italici aus 
dem zweiten und ersten vorchristlichen Jahr- 
rmndert, zusammengestellt von Kornemann 
57f.; Append. 99ff. Schulten 38ff., die neue- 
sten im Nachtrag 130f. 
Lesbos : „ , 

Mytilene : CIL III Suppl. 7160 = 455 fur den 
Consul des J. 723 = 31 v. Chr. von den 
cives Romani qui Mytileneis negotiantur. 
Methymna: Bull. hell. IV 433. Athen. Mitt. 20 
XI 1886, 287. 
Chios: CIG 2222 = Dittenberger Sylloge 

I 276, vgl. Appian. bell. Mithr. 46. 47. 
Samos: CIL III 458. 
Cos: Pat on and Hicks The inscriptions ot 

Cos (1891) nr. 344. 
Creta: 

Gortyna: Ephem. epigr. VII p. 425 nr. 5 
(vgl. CLL DTI 4) aus dem J. 195 n. Chr. 
cives Romani qui Gortynae eonsistunt. 30 
Asien : 
Bithynia : 

Nicaea: Cass. Dio LI 20. 
Provincia proc. : Gr. Inscr. in the Brit. Mus. Ill 

p, 172 nr. 517 ol xara xrflvAoiav olxov[vrsg 
TtoftaToi. Athen. Mitt. XVI 145 ol &ri rfe 
'Aotas 'PfOfiatoi xai "EXXrjVK xai 6 drjpos 6 
AaoSixemv. Plut. Pomp. 37 ol h Aaiq 'Pco- 
aaloi, Vgl. CLL X 1797. 

Cyzicus: CIL III Suppl. 7061. Athen. Mitt. 40 

VI 41 - . ,. „ 

Lampsacus: Cic. in Verr. I 69. Appian. bell. 

civ. V 137. 

Ilium: LeBas-Waddingtonnr. 1743 (vgl. 
CIG 3598 b. 3614) 'PcofiaZot ol lv ElXico. 

Assus: Le Bas nr. 1034 a = Sterrett Papers 
of the American school I p. 45 nr. 20. 
Ephem. epigr. V p. 155 = Sterrett Papers 
I p. 50, der Eidschwur der Assier fur Gaius 
aus dem J. 37 n. Chr. : ffio&v xfj povXfi 50 
xai xotg HQayfiarevofisvoig Jiao' r\fjXv 'Poj- 
jiaioig xai ro~i drj/Mp Taiv'Aoolojr. Sterret 
Papers I p.' 30 nr. 13; p. 32 nr. 14 I; 
p. 33 nr. 14 II ; p. 45 nr. 19 ; p. 46 nr. 21 ; 
p. 55 nr. 28. 

Adramyttium: Appian. bell. Mithr. 23. 

Pergarnum: Cic. pro Flacc. 71. Appian. bell. 
Mithr. 23. Jahrb. d. konigl. preuss. Kunst- 
sammlungen in (1882) 86 = Altertumer 
von Perg. H Text p. 85. 60 

Thyatira: Bull. hell. X (1886) 422. 

Philadelphia: CIG 3418. 

Magnesia am Sipylus : Mono. x. /?i/W. Sfivqv. 
1886 p. 66 nr. <pvd" . 

Smyrna: Cic. a. a. O. 

Erythrae: Bull. hell. IV 161. Le Bas nr. 50. 

Teos: Bull. hell. IV 179f. 

Ephesus: Le Bas I nr. 143, vgl. Athen. 

Pauly-YTiBBOwa IV 



Mitt. XIV (1889) 101. Ephem. epigr. V 
p. 38. Appian. bell. Mithr. 23. Cass. Dio 
LI 20. 
Tralles: CIL HI 444. CIG 2930. Bull. hell. 

V 347. CIG 2927. Sterrett Papers I 
p. 108 nr. X = Athen. Mitt. VIII 328, vgl. 
XI 204. Cic. pro Flacc. 71. Appian. a. a. O. 

Priene: CIG 2906. 

Lagina beim Tempel der Hekate: Bull. hell. 

V 191 = XI 146 nr. 47. ebd. 147 nr. 48. 
148 nr. 51. 149f. 

Stratonicea beim Tempel des Iupiter Pana- 

maros: Bull. hell. XII 255. 
Caunus: Appian. bell. Mithr. 23. 
Cibyra: Bull. hell. II 598. ebd. 599 = XIII 
p. 333, 1 (vgl. fiber die Erganzung S ch ult en 
32, 2). XHI 333. Bull. hell. 1891, 554. 
Le Bas V 1218 = Journ. of Hell. Studies 
VIII 234. 
Antike Stadt an Stelle des heutigen Usuftcha 
(Name unbekannt), Sterrett An epigr. 
Journey II 37 nr. 36. 
Apamea Cibotus: CIL III 365 = Le Bas 
Til 746. Rev. Archeol. XII 221. Athen. 
Mitt. XVI (1891) 147. 148. Ephem. epigr. 
VII (1892) 436. 437. 442 nr. 3. 
Traianopolis : CIG 3874, vgl. Journal of Hell. 

Studies VIE 512. 
Prymnessus: CIL IH Suppl. 7043. 
Naus in Phrygien (heute Ineh): Journ. of 
Hell. Stud. IV (1883) 432 nr. 42 (aus 
dem J. 88 n. Chr.); vgl. Ramsay The 
cities and bishoprics of Phrygia II 610 
nr. 511 = Cagnat Rev. arch. XXXI (1897) 
160 nr. 71. 
Pisidien : 

Conana: Sterrett The Wolfe Eiped. IH 

339 nr. 473. 
Isaura: Bull. hell. XI 67 nr. 46. Sterrett 
The Wolfe Exped. Ill 107 nr. 181. 
Kilikien: Cic. ep. ad Att. V 21, 8. Tac. ann. 

XII 55. 
Cypern : Cic. ad Att. V 21, 6. Caes. bell. civ. 
Ill 103; vgl. auch CIL X 3847: 
Salamis: CIL IH 6051. 
Paphus : Journ. of Hell. Stud. IX (1888) 234. 
Mesopotamien : 
Ctesiphon: Cass. Dio LXVHI 30 (aus dem 
J. 116 n. Chr.). 
Syrien: Tac. ann. H 82, vgl. CIL X 1797: 
Antiochia: Caes. bell. civ. m 102 (vgl. Cass. 

Dio LXVHI 24). 
Hierosolyma: Joseph, ant. Iud. XIV 83 (vgl. 

100). 
Petra: Strab. XVI 779. 
Agypten : 
Alexandria: CLL HI Suppl. 7241 (aus dem 
Anfang des 1. Jhdts. v. Cbr., vgl. Schulte n 
48ff.). Bull. hell. VIII 107 = XHI 120f. 
faus dem J. 628 = 126 v. Chr.) ; vgl. CLL 
X 1797. 
Diese Zusammenstellung des Materials ergiebt 
einmal (worauf noch zraruckgekommen wird), dass 
im Westen des Reiches diese Burgerverbande eine 
voriibergehende Erscheinung waren, die mit fort- 
schreitender Romanisierung in den inneren Pro- 
vinzen durch rBmische Stadtgriindungen (vor allem 
in der caesarisch-augustischen Zeit) beseitigt wur- 

38 



1187 



Conventus 



Conventus 



1188 



den und nur (abgesehen von den Tres Galliae) 
in den Provinzen der Peripherie in der Kaiserzeit 
sich erhielten, wahrend sie in den alten Cultur- 
landern des Ostens neben den hellenischen Stadt- 
gemeinden eine dauernde Institution bildeten, und 
zweitens, dass es stellenweise auch Vereinigungen 
rOmischer Burger gab, die weiter als iiber die 
Territorien einzelner Stadt- oder Landgemeinden, 
namlich iiber ganze Provinzen sich erstreckten: 
Eaetien, Gallien (hier wenigstens Aquitanien und 10 
Lugudunensis), Asien, vielleicht auch Cypern. Die 
Falle sind nicht vollkommen gleich. Der Ver- 
band der in Eaetien consistierenden Bemer hatte 
vielleicht keine Teilverbande neben oder unter 
sich, wahrend in den genannten gallischen Pro- 
vinzen die Gesamtvereinigung aller romischen 
Burger, die sich einen summus curator erwahlte, 
den Zusammenschluss in Emzelverbanden nach 
den Volksgemeinden (eivitates) nicht ausschloss. 
Es handelt sich hier in Gallien, da auch die In- 20 
schrift des summus curator von Aquitanien in 
Lyon gefunden worden ist, offenbar um eine Ge- 
samtvertretung der Biirgerverbande der einzelnen 
Provinzen durch je einen summus curator beim 
concilium trium Qalliarum (vgl. Art. Conci- 
lium). In Asien endlich sassen Abgeordnete der 
romischen Burger der Provinz im xoivov x&v htl 
irje 'AoltK 'Etttjvcav (Athen. Mitt. XVI 145). 

III. Zusammensetzung und Organisa- 
tion der Convente. Vorbedingung zur Teil- 30 
nahme an einem solchen C. war vor dem itali- 
schen Bundesgenossenkrieg), d. h. vor dem J. 664 
= 90 v. Chr., Herkunft aus Italien, bezw. Zuge- 
horigkeit zu der italischen Wehrgenossenschaft 
(die siiditalischenGriechen miteingeschlossen, gegen 
Kornemann 5ff. und 61f. vgl. Schulten 52,2, 
wenn auch vielleicht nicht von Anfang an) — 
denn in dieser Zeit, ja bis bin zu Caesar, 
kommen immer Italici und nicht cives Romani 
verbandlich organisiert in den Provinzen vor (iiber 40 
die Bedeutung dieses Factums fur die Ausbildung 
der italischen Nation vgl. Mommsen St.-E. Ill 
645f.; ROm. Gesch, 118 407) — , nach dem Bundes- 
genossenkrieg oder richtiger dcflnitiv erst seit der 
im J. 705 = 49 v. Chr. erfolgten Verleihung des 
romischen Biirgerrechts auch an die Transpadaner 
der Besitz des romischen Biirgerrechts; denn seit- 
dem deckte sich der Begriff Italici und cives Ro- 
mani (vgl. CIL III Suppl. 7265 [aus dem J. 67]: 
Italian in Argi mit ebd. 7160 [aus dem J. 721 50 
= 33] : cives Romani in Mytilene). Jeder Nicht- 
Italiker oder spater Nicht-BOmer war also von 
der Gemeinschaft ausgeschlossen. Es ist eine nur 
in Africa und zwar erst in der Kaiserzeit vor- 
kommende Singularitat, dass neben den rOmischen 
Biirgern audi Einheimische in dem C. waren: 
CIL VIII Suppl. 15775 e. civium Bomanorum 
et Xitmidarum, qui Mascululae habitant (vgl. 
dazu Ephem. epigr. V p. 459 u. p. 561 veterani 
et pagani cnnsistent.es aput Rapidum). Wie die 60 
Ausdrucksweise zeigt, handelt es sich in Mascu- 
lula um einen fur sich bestehenden, nicht an eine 
peregrine Stadtgemeinde angelehnten C. (conventus 
ticanus von Schulten genannt), der offenbar in 
der Hauptsache aus aratores bestand (Schulten 
67f. 77), vielleicht Kleinbauern. Daher ist es 
moglich, dass in dem elassischen Land des Gross- 
grundbesitzes — wenigstens in der Kaiserzeit — 



die rOmischen Bauern die gleiche sociale Lage 
enger mit den einheimischen Berufsgenossen als 
das gemeinsame Eecht mit den rOmischen Lati- 
fundienbesitzern verband. Das bedeutete, dass 
in Africa in der Kaiserzeit der Gegensatz zwisclien 
Gross- und Kleingmndbesitzern grosser wurde, als 
der zwischen Bomern und NichtrOmern, dass die 
hier an Stelle der politischen und rechtlichen viel 
empflndlicher hervortretende sociale TJngleichheit 
die alten Gegensatze verwischt hatte. Zudem 
muss man beachten, dass es sich um Numidae 
in dem C. handelt. Die Inschrift beweist vielleicht 
auch, dass die eingewanderten cives Romani den 
Gegensatz zu den AngehOrigen dei berberischen 
Basse weniger scharf empfanden als zu den se- 
mitischen Puniern, und dass sie vielleicht jene 
als Gegengewicht gegen diese, die im Besitz der 
alten phOnicischen Cultur waien, an sich heran- 
zogen. Was man aber auch zur Erklarung der 
Inschrift vorbringen mag, festhalten muss man, 
dass hier eine Ausnahme vorliegt (ganzlich ver- 
feblt Schulten 2 und 112 turn demum c. fit, 
cum recipiuntur ad aliquam soeietat&m pere- 
grini: quod e. Maseululanus monstrat; das 
Eichtige S. 111). 

Was den Beruf der ConventsangehOrigen be- 
trifft, so herrschte in dieser Beziehung die grOsste 
Mannigfaltigkeit. Leute aller der Berufe, die die 
Italiker in die Feme lockten, waren in den Conven- 
ten vertreten: Steuerpachter (publicani), Bankiers 
und Grosskauf leute fur den Export von Getreide 
und anderen Landesproducten (feneratores und 
negotiatores), Schiffsrheder (navicular ii), Grund- 
besitzer und -Pachter (aratores) , Weide- und Her- 
denbesitzer (pecuarii), endlich Handler und Klein- 
kaufleute aller Art (mercalores) (iiber diese ver- 
schiedenen Kategorien rOmischer Burger in den 
Provinzen vgl. Cic. in V'err. II 6 und 17; pro 
Fonteio 12. Ernesti De negotiatoribus Romanis 
in Opuscula 3 — 20. Kornemann 2fl\). Darauf 
gehen die Worte bci Caesar (bell. civ. II 36) iiber 
den Convent vonUtica: qui ex earns generibus 
constaret. Utica, welches vor der Wiedererrich- 
tmig Karthagos dessen Stelle einnahm, beher- 
bergte als Handelsstadt und Ausfuhrhafen alle 
Arten von Hiindlern und Grosskaufleuten, zugleich 
aber auch wegen des fruchtbaren, sehr intensiv 
bewirtschafteten Hinterlandes eine Menge mit 
Ackerbau und Viehzucht beschaftigter cires Ro- 
mani. Anderswo waren die C. der Seestadte in 
der Hauptsache Kaufmannsverbande, wie z. B. in 
Delos unit den grossen Griechenstadten an derKiiste 
Kleinasiens oder in den dalmatinischen Kiisten- 
orten, diejenigen im Binnenlande dagegen bestan- 
den wohl iiberwiegend aus Ackerbauern (aratores). 

In der Organisation der Convente ist noch 
vieles dunkel. Von den altesten der republicani- 
schen Zeit sind uns etwas naher bekannt der 
Verband der Italici von Delos und der c. Capuae. 
Bei dem ersteren bestand ein Collegium von sechs 
Miinnern (di-ei Freigeborenen und drei Freigelas- 
senen), die sich als magistri, griechiscli'£o/<<«c;rm. 
bezeichnen und den Cult des Mercur und der 
Maia fur die Italici besorgten (CIL III 7218 
[2. Jhdt. v. Chr.]. 7217. 7212). Die Inschriftcn 
Bull. hell. IV 190 (aus dem J. 657 = 97) und 
VIII 146 (aus dem J. 680 = 74) zeigen, dass vor 
dem J. 97 v. Chr. mit diesem Mercur-Collegium 



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Conventus 



Conventus 



1190 



zwei andere zur Vcrehrung des Apollon und Neptun 
verbunden wurden und dass diese vergrOsserte 
Cultgenossenschaft fur die drei Gotter dann zwolf 
Manner an der Spitze hatte, welche sich als 
'EQixaioxal xal 'AztoXlcoviaoTal xal IloasiScoviaatal 
bezeichnen (Bull. hell. VIBE 146 bestehend aus 
5 Ingenui und 7 Liberti, ahnlich Bull. I 87; vgl. 
auch Bull. VIII 18, 6 , das Fragment CIL III 
7227. BuU. XI 268. 186. 145. 184. 175, endlich 



mindestens zwei, wenn nicht mehr: zwei magistri, 
oft mit dem Zusatz vici, meist zwei Freigelassene, 
in Iulium Carnicum, CIL V 1829. 1830, in Nau- 
portus, CIL III 3776. 3777, vielleicht in Salonae, 
CIL III Suppl. 8958, auch auf einer Inschrift 
aus Samos, CIL in 458, die Schulten (69) mit 
Eecht hierherzieht, zwei magistri mid zwei quae' 
stores endlich in Narona, CIL HI 1820. 1821 (je 
ein Freigeborener und ein Freigelassener), endlich 



CIL III 7235, wo Schulten 55 unter den hier lOvier ?wa0MZr*,_lauter Freigeborene , in dem als 



erwahnten collegia die Hermaisten, Poseidoniasten 
und Apollomasten versteht, anders Kornemann 
60, 8). Daneben bestand eine sacrale Genossen- 
schaft filr Sclaven, mit ministri (meist Sclaven) 
an der Spitze, Kofiitezahaatal genannt (Bull. hell. 
VII 12—14 aus dem J. 657 = 97), d. h. cultores 
Larutn compitalium. Kornemann (58ff.) glaubt, 
dass die Cultgenossenschaft der Hermaisten u. s. w. 
auch die Leitung des Convents tiberhaupt hatte 



oppidum bezeichneten Carthago nova, CLL II 
3408. Man sieht deutlich, besonders an den Ein- 
richtungen des views Narona und des oppidum, 
Carthago nova, den zwei in der Verstadtischung 
wohl am meisten fortgeschrittenen Conventen, 
dass es sich hier um Naehahmung der stadti- 
schen Collegien der Ilviri iure die. und Ilviri 
aediles bezw. der IVviri handelt. Diese ganze 
betrachtete Art der Organisation kennen wir 



dass also dieser ganze Convent eine sacrale In- 20 also bis jetzt nur in dorflichen Conventen der 



stitution war, wahrend Schulten (55f.) in der 
Inschrift CIL III Suppl. 7225 M. Orbius M. f. 
mag(ister) Italiceis nicht einen von den magistri 
Mercurii erblickt, sondern einen Einzelmagister, 
den eigentlichen Vorsteher der Italici. An und 
fiir sicb ware hiermit noch nichts bewiesen, wenn 
nicht die Analogie dieser Vermutung eine ge- 
wisse Wahrscheinlichkeit gabe. Schulten ver- 
weist zunachst auf die seiner Ansicht nach ahn- 



republicanischen Zeit, die, wie noch genauer ge- 
zeigt wird, allmahlich zu Landgemeinden (vici) 
und weiter zu Quasimunicipien (oppida) sich ent 
wickelten, und sie kehrt wieder in der Kaiserzeit 
in den canabensischen Conventen und DOrfern der 
Donauprovinzen, die eine ganz analoge Entwick- 
lung durchgemacht haben (vgl. Art. Canabae). 
Vielleicht war in der republicanischen Zeit, ent- 
sprechend der gekennzeichneten Entwicklung, zu- 



liche Organisation im conventus Capuae. Aber 30 niichst nur das Collegium von magistri zur Ehrung 



es darf nicht iibersehen werden, dass alles von 
hier zur Stiitze Beigebrachte sich nicht eigent- 
lich auf diesen C, sondern auf den zu dem C. 
gehorigen pagus Herculaneus bezieht. Von den 
nach der Aufhebung der Stadtgemeinde Capua 
(543 = 211) bestehen gebliebenen pagi hat nam- 
lich der pagus Tle-rculaneus, zu dem offenbar das 
zum vicus degradierte Capua selbst von da ab 
gehOrte, einmal ein eonlegium seive magistrei 



des Vereinsschutzgottes vorhanden, mithin der 
Convent zunachst eine sacrale Gemeinschaft, wie 
wir das in Delos sahen (der bei Athen. V 214 
erwiihnte azQatrjyog 'Po>fiaicor tpvlaoocav ttjv Aijlov 
war ein in der Not des mithridatischen Kriegs 
gewahlter ausserordentlicher Beamter, dariiber 
Mommsen zu CIL in Suppl. 7234), die zu vici 
civium Romanorum gewordenen Convente kenn- 
zeichnet das Vorhandensein von zwei magistri, 



Iovei Compagei (CIL X 3772ff.), also eine den 40 meist Freigelassenen, das besonders vorgeschrittene 



Hermaisten zu vergleichende Cultgenossenschaft, 
und ein collegium ministrorum La/rum (ebd. 
3789 aus dem J. 656 = 98) , vergleichbar den 
KofMiExaXiaoral , dann weiter aber auch einen 
nmgister pagi (CLL X 3772 u. s. w. Schulten 
71ff.), der mit dem magister (Italicorum) von 
Delos ganz unberechtigterweise verglichen wird. 
Mit dieser Analogie ist also wenig anzufangen, so 
lange das Verhaltnis des pagus Herculaneus zum 



quasimunicipale Stadium die Naehahmung des 
stadtischen Beamtentums. Doch darf man sich 
diese Dinge nicht zu schematisch vorstellen. Es 
mogen im einzelnen grosse Verschiedenheiten bei 
der ersten Begriindung, wie im Laufe der Ent- 
wicklung vorgekommen sein. 

Im Gegensatz zu den Verhaltnissen der republi- 
canischen Zeit begegnet in den Conventen der 
Kaiserzeit, wenigstens in den an der Seite der 



conventus Capuae ganzlich dunkel ist, Es ist 50 griechischen Stadt- und der gallischen Volksge 



moglich, dass bei den Beamten dieses pagus die 
Leitung des conventus lag, aber einen Beweis 
dafiir haben wir nicht. Was aber die ubrigen 
Convente der republicanischen Zeit betrifft, ao 
begegnet uns haufig das sacrale Collegium (so in 
Narona m(agistri) M(ercuriales), CIL HI 1769. 
1770. 1792. 1798ff. , alle allerdings erst aus 
augustischer Zeit, in Iulium Carnicum, CIL V 
1830, zehn magistri, neun Freigelassene und ein 



meinden bestehenden, fast immer nur ein und 
dieselbe Form des Beamtentums, d. h. Leitung 
durch einen curator, und zwar tritt dieser als 
curator civium Romanorum auf in Tralles (CIG 
2930 xovgaroQsvoas rav 'Pwfjwov), in Gortyna 
(Ephem. epigr. VII p. 425 curator e. R. Oortynae 
consistentium), bei den Auscii (CDL XHI 444), 
den Petrocorii (ebd. 950—954. 965. 970), den 
Santones (ebd. 1048), den Bituriges (ebd. 1194, 



Sclave, die eine aedes Herculis erbauen, in Tolosa, 60 man vgl. dazu den eurator civium Romanorum 



CIL XH 5388, mindestens acht magistrei oder 
ministrei, teils Freigelassene, teils Sclaven, in 
Carthago nova, CIL II 3433: Suppl. 5927 = 3434, 
neun magistri, das erstemal zwei ingenui, funf 
liberti, zwei servi, das zweitemal funf liberti und 
vier servi), und in den aus dorflichen Conventen 
entstandenen vici daneben auch besondere ma- 
gistri, aber niemals in der Einzahl, sondern 



Mogontiaci, s. Art. Canabae), als summus eura- 
tor civium Romanorum in den Provinzen Aqui- 
tania und Lugudunensis (CIL XH 1900. 1921), 
als curator civium Romanorum conventus in 
Tlivatira (Bull. hell. X 422) und bei den Helvetii 
(Mommsen Inscr. Helv. 133. 122. CIL XII 
2618. Anz. f. Schweiz. Altertumsk. 1891, 429), 
ohne jeden Zusatz bios als curator in Phila- 



1191 



Conventus 



Conventus 



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delphia (CIG 3418 xexovoazoQsvxwg <pdotelfia>s), absolut nicht genau die Zeit bestimmt, in die die 

in Magnesia {Move. x. /}»/&. Sftvgv. 1886 p. 66 Inschriffc gehSrt. Mommsen vermutetdas 2. Jhdt. 

xovQaxoQsvoas) und endlich in der Mehrzahl als Es hindeit aber nichts, sie auch in das 3. Jhdt.,. 

xovoaroosg in Apamea (Ephem. epigr. VII p. 436 wenigstens den Anfang desselben, zusetzen. Dann 

Z. 15ff.), welch letztere Momms en (ebd. p. 442f.) hatten wir in der Inschrift vielleicht einen Bei- 

mit den funf aofrvreg iv ty X' xal q hi 'Pco- trag zu dem noch ganz dunklen Capitel von dem 

uaZoi izocbzws (d. i. im J. 45/6 n. Chr.) der In- Verschwinden der Convente nach der comtitutio 

schrift Athen. Mitt. XVI (1891) 148 identificiert, Antoniniana (dariiber s. u. S. 1200). Tor allem 

wahrend Sclmlten (32) wohl richtiger die zu- aber ist, da schon an der Erwahnung nicht eines, 
letzt genannten fiinf KOmer dafiir danken lasst, 10 sondern mehreier Curatoren die Eigenart der 

dass sie als die ersten von den romischen Biirgern apamenischen Verhaltnisse erkannt wird, vor jedem 

in Apamea Amter der griechischen Gemeinde be- Versuch einer Verallgemeinerung von hier aus 

kleiden duriten. Im iibrigen hinterlasst die Stelle zu wamen. 

der apamenischen Inschrift, in der die xovodtoQsg Beziiglich der Creienmg des curator c. R. 
erwahnt werden (. . . ocb&iv xoxov SQa^iuaiov sk xo stehen sich drei Ansichten einander gegeniiber, 
x&v xovoaxoocov sniiiiuov to xaxa hog i)ji avtmv die von Morel (Les associations 41f.), der an 
SiSopevov, mars tov Xomov /itjxht uvaixovQazo- eine Ernennung durch den Statthalter, von Korne- 
$ag, xa&mg r\ nofag hpr)<ploaxo) , noch Dunkel- mann (28), der an die Wahl aus dem Schosse 
heiten, die bei dem jetzigen Stand unserer Kennt- der Convente, raid von Schulten (131f.), der an 
nisse nicht ganz aufzuhellen sind. Mommsen20die Einsetzung durch die Stadtgemeinde, zu der 
(a. a. 0. 440) interpretiert die Worte dahin, dass der Convent gehSrte, glaubt(anders 116). BewieseiL 
die apamenische Biirgerschaft die Zinsen eines ist durch die Inschriften, dass die meisten Curatoren 
ihr geschenkten Capitals zum Ersatz fur eine von solche romisehe Burger waren, die zugleich meist 
den Curatoren jahrlich gezahlte Geldbusse (lite- hohe Gemeindeamter bei den betreffenden peiegri- 
tyfiiov) bestimmt habe, wodurch die beschlossene nen Gemeinden bekleidet haben (vgl. die Zusam- 
Beseitigung der Curatoren seitens der Stadt menstellung bei Schulten 114f.);ja bei einzelnen 
ohne Nachteil fur die Gemeindecasse mOglich lasst sich deutlich darthun, dass sie ausserhalb 
war, und erlautert (a. a. 0. 443) diese Inter- des Convents stehende, zum romischen Biirger- 
pretation weiteT dadurch , dass der Biirgerver- recht gelangte Eingeborene waren, wie z. B. TL 
band von Apamea offenbar unter der Bedingung 30 Claudius Pannychus in Tralles (CIG 2930). Dar- 
concessioniert war, dass er jahrlich in die Stadt- aus haben sowohl Kornemann (28) wie Schul- 
casse eine bestimmte Summe zahlte, die im- ten (115f. 131f.) als Hauptaufgabe dieser Cura- 
KnfMov genannt werde, vielleicht deshalb, weil toren die Vertretung der zugewanderten romischen 
nach apamenischem Gesetz die Bildung eines Burger und ihres Verhandes bei den localen Ge- 
solchen Verbandes eigentlich untersagt und der meindeinstanzen erklart, wozu die zugleich mit 
rOmische Convent gegen Zahlung einer Busse nur dem Eeichs- wie mit dem betTeffenden Gemeinde- 
geduldet war. Schulten hat sich zunachst (De biirgerrecht ausgestatteten Leute am besten be- 
conventibus 31) diesen Ausfuhrungen Momms ens rufen waren. So richtig dies alles ist, so wenig 
angeschlossen , allerdings mit mehrfachen Be- scheint Schulten s Annahme der Bestellung. 
denken wie: die Beseitigung der romischen Cura- 40 dieser Beamten durch die einheimischen Stadt- 
toren, die doch wohl eine Aufhebung des C. be- gemeinden gerechtfertigt. Denn einmal musste 
deute, sei kaum denkbar ohne Zustimmung des man dann fur die dOrflichen Convente, die nicht 
Senates, weiter sei nnverstandlich, wie eine dem an der Seite einer Stadt- oder Volksgemeinde 
Verband fur die Concessionierung auferlegte Geld- sassen, z. B. den canabensischen Convent von Mo- 
busse to z&v xovoaxoorov imtrifiiov genannt wer- gontiacum, ein anderes Verfahren statuieren, und 
den kCnne. Spater (in den Addenda 132) nimmt dann wiirde dies der vorherrschenden Stellung 
er an, dass die Curatoren von der griechischen der romischen Burger und ihrer Yerbande in den 
Gemeinde hestellt wurden und infolgedessen auch Provinzen (s. S. 1196), wenig entsprechen. Das 
von dieser beseitigt werden konnten (dariiber unten einzig MOgliche bleibt die Wahl durch die Con- 
S. 1192), ja schliesslich kommt er noch mit einer 50 ventmitglieder selbst, und zwar war die Wahl 
dritten Ansicht, dass namlich diese xovgaxooeg ausserhalb des Convents stehender, aber mit 
fiberhaupt keine curatores eivium Romanorum dem romischen Biirgerrecht ausgestatteter Ge- 
seien unter Hinweis auf den xovqclxcoq eines Ver- meindebeamten (nicht nur aus der betreffenden 
bandes syrischer Kaufleute in Malaca in Spanien Peregrinengemeinde, zu der der Convent gehSrte, 
(CIL II p. 251), wobei er nicht bedenkt, dass sondern auch bei dorflichen Conventen aus den 
diese Genossenschaft von Orientalen im rein latei- nahegelegenen Romerstadten ; ein curator c. B. 
nischen Sprachgebiet absolut nichts beweist fur conventus Helvetici war hochster Beamter in No- 
die hellenischen Gebiete des Ostens. Aufmerksam viodunum, Inscr. Helv. 122, ein anderer in Vienna, 
zu rnachen ist noch auf zwei Dinge: die Auf- CIL XII 2618) nicht nur ein Act der Courtoisie, 
hebung der Curatoren geschah nicht durch den 60 sondern auch der politischen Berechnung, da der 
dijuog von Apamea, sondern durch i? nohg (Z. 18); Einfluss dieser localen Grossen dem C. nur Fbr- 
zu dieser gehorten aber auch die cites Romani, derung bringen konnte. 

denn ,die Stadt' ist rechtlich jj fiovXi] xal 6 dijpog Ausser den Curatoren trifft man noch einen 

xal ol xaxoixovvxes 'P<ofiaToi, wie es im Anfang ygafipazevg im Convent von Tralles (Athen. Mitt, 

der Inschrift und in so vielen ahnlichen heisst. Till 328), was eine Anlehnung an die griechi- 

Also fallt der Einwand hinweg, dass die griechische schen Stadt- und Vereinsverhaltnisse bedeutet, 

Gemeinde von Apamea einseitig die Curatoren in Gortyna, wo wir den Burgerverband erst im 

des Biirgerverbandes beseitigt habe. Dann ist J. 195 n. Chr., also in einem sehr fortgeschrit- 



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Conventus 



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1194: 



irncn Stadium kennen lernen, auch Decurionen. meinde, rechtlich naher den collegia, factisch den 

SeASt m Momm n sen S (Ephem. epigr. VH Stadten.. Mit den Collegien hat « r gemexr i den 

v 425 442ff.), es beziehe sich der auf der gor- Besitz emer Vereinscasse (area) OIL 111 buppl. 

tVensischen in'schrift erwahnte decurionatus auf 7235 Ephem. epigr VII p. £5 • ™»«£ oder 

/en ordo der Peregrinenstadt von Gortyna, ist curatores genarinte Beamte, die yerehrunp ; ernes 

Xesehen von anderen Griinden schon 'deshalb Schutzgottes der Gesamtheit, em V erern haus 

uicht zu bilUeen, weil auch der canabensische {schola , wenigstens in Delos und zwar schon 

^von Mogon^unl der ebenfalls sehr lange - im 2. Jhdt. v. Chr. in grossartagei ^Pracht mit 

fast noch das ganze 3. Jhdt. tiber - bestand, Saulenhallenu^s w. (Beschreibuugbe Homolle 
Decurionen aufzrfweisen hat (vgl. Art. Canabae),10Bull. heU. VIH 114; vgl auch Schulten 48ff.); 

ja HI I gSnnlichen e&ia der Kaiserzeit von den Collegien scheidet ihn die Z"™»- 

ein onb deLrionum sich fmdet (Liebenam setzung aus Leuten aller mfiglichen Berufe (vgl. 

ZnSes"inswesen 192f. und V S. 419f.). Fest.ep. p. 41 rnulHtudo ex complur^g^us 

In dem C. von Gortyna begegnen endlich Kominwn cm^rada »» urmmlocumxmi d» i schon 

noch \™7aceUos Dim A^gmti und ein sacerdos betrachteten Worte Caesars bell. civ. II 36Jber 

ZinZmDhi Traiani, woraus hervorgeht, dass den Convent von Utica qui ex varus aentribus 

£eTverband einen eigenen Kaisercult und eonstaret), die nur die Zugehorigkeit zur itahschen 

Sertempel hatte, und das stimmt sehr gut zu Eidgenossenschaft , spater der •Besitz de remi- 

dem sonst in dieser Beziehung Bekannten. Schon schen Bttrgerrechtes zusammenhalt, und da^ ^ Nicht- 
Au^uXs ubersrab zwei zu Ehren der Eoma und 20 gebundensein an erne Stadt oder erne rechtlich 

dVsmZ lulifs in Ephesus und Nicaea errich- der Stadt gleichgestell te Gemeinde, wie die gal- 

tete T?mpelden in diesen Orten wohnenden lische cimtas. . Ein colleawm ist rechthch ^ nur 

rOmischen P Burgern (Cass. Dio LI 20), d. h. wohl mOglich , wo eine solche Stadt- odei ^ aneAannte 

den Verbandenf wahrend er die Verehrung seiner Volksgemeinde vorhanden ist (s. Art Collegia m), 

eigenen Person nur den asiatischen Hellenen ge- ein C. kann auch ausserhalb ernes stadischen 

stfttete Aber nach seinem Tode hat sich das Territoriums auf romischem ager publteus selb- 

SfenbaV ffeandert, da wurden die cives Romani standig errichtet werden d i. dasjemge, w^s man 

£ vSSt und bald auch Italiens) die eifrig- einen dorflichen Convent « ^chulten con»*Uw 

sten Verehrer des Divus Augustus und der iibn- vicanus) nennen kann. Diese beiden Momente 
Sen apXolierten Caesaren, wie neben der In- 30 sind es aber andererseits ,_ die den Convent der 

IchriftTn Gortyna auch CIL HI Suppl. 7061 Stadt nahern, die ihn -»!»; ««<«r (Tac ann. 

(SSL) ftr den Divus Augustus (s. u.), CIL VIII I 20) rnachen. Vor allem smd die fur sich be- 

Suwl 17143 aus Tipasa in Numidien mit cives stehenden vicanen Convente dann immer weiter 

RoZani^cs Lafum et imaginum Aug. und zur Annaherung an die Stadt ^^Tl^te 

vor allem die Teilnahme der rOmischen Biirger lhnen wurden vtei cimum Romanorum unter 

In denirf ersler Linie doch im Dienste des Kaiser- magistri vici mitTempeln und sonstigen Cffent 

cuCstehenden Provinciallandtagen (s. o. S 1187 lichen Gebauden (Naupo^ Iuhum ^ Canucum) 

und Art. Concilium) beweist. Das religiose schliess hch durch Befestigung ^ ™ n ^ a 1 / s 1 

Element spielt also in den Conventen wie in der 1820, Lissus Caes. bell. civ. in 29, Corduba, Caes. 

SpSanTschen, so auch in der Kaiserzeit ^^^^ U1 ? ) 'T^TZ?TrTiZ^ 
eine grosse Eolle, nur steht anstatt der alten den genannten: Salonae, bell. Alex. j^JW^ 
VerbfndsschutzgBtter in der repubUcanischen Zeit dum marUimum, qmd cives BomamfirtMsinn 
(entweder in Kaufmannsconventen der allgemeine fidelissimique iwolebant; Carthage , nova UL 11 
Handelsgott Mercur , wie in Delos und Narona, 3408 genio opp^dl)m^t den *™™^J**^ 
bezw. Neptun in Delos und Nauportus, oder der collegien nachgebildetenVorstehern (Narona, Car- 
beklffendeLocalgott wie Apollon in Delos, Iuppiter thago nova s. oA, weiter mit stadtischen Em- 
ir! Eliswahrscheinlich Aphrodite in Salamis auf richtungen wie Theater, Spielen (so m Capua, CIL 
Cvpem' Aequoma in Nauportus, Belenus in Iulium X 3772. 3776. 3778. .3779, wo dies sich aus dem 
&™Bea Stanna bei den Petrocorii) Mheren Vorhandensein emer Sta^lt erklaren lasst 
der alles 'iiberragende Kaisercult in der Mitte, 50 aber auch m Carthago nova CIL H 3408^ja 
an Stelle jener betrachteten sacralen Collegien sogar ausnahmsweise mit Collegien ; ^^ 
von magis tri sind die sacerdotes und cidtores der in Capua, das allerdings als fruhere Stadt erne 
DiviTnStelle der vielleicht an manchen Orten gewisse Ausnahmestellung eirmimmt befindet sich 
rech unscheinbarenVereinsheiligtumer derrepubli- innerhalb des Convents das m d«^J ^ 
canischen Zeit (von aedes ist die Rede in Nau- X 3773 erwahnte ^X^m^nlt S 
portus, Iulium Carnicum und Tolosa) die sicher in dieser Bez^hung Sehal^n 117ft «nrtTor 
prachtigen Kaisertempel der Convente getreten. brmgt lasst slc A h K Mch , 1 ^ de ^ p e a r S^ V £^ 
Durch diese starke Beteiligong an dem officiellen C a n a b a e) Aber alles dies ^ brmgt die be 
Staatscult aber sind diese Biirgerverbande, die treffenden Convente mehr factisch als r^htlich 
schon unter der Eepublik durch ihre blosse Ezi-60den Stadten nahe. Zur Stadt geh5ren nicht nur 
stenz in den Provinzen fur die Romanisierung un- Menschen , Burger , sondern auch ^ Grund und 
encQich viel geleistet haben , man mOchte sagen Boden, ein Temtormm oder erne Stedtnwt Djr 
mehr bewnsst in den Dienst dieser grossen Auf- gegen das Pehlen eines ei ge nen Temtonm™ rut 
?abe, die seit dem genialen Caesar die Kaiser das Hauptmoment, wodurch Stadt und Convente 
Ibemommen haben, gestellt worden. sich rechtlich von einander scheiden. Aber ge- 
rV Die Kechtsstellung der Convente. rade in dieser Richtung hegt auch der Unter- 
Ein conventus eivium Romanorum ist ein Mittel- schied zwisChen den beiden Arten von t. be- 
ding jwischen Verein {collegium) und Stadtge- grundet. Die auf dem Territonum emer pere 



.1195 



Conventus 



Conventus 



1196 



grinen Stadt- oder Volksgemeinde (eivitas) befind- 
lichen C. entbehren jeglichen Badenrechts, stehen 
also den Collegien viel naher, dagegen die selb- 
standigen auf dem ager publicus Romanus er- 
richteten landlichen Convente hatten wenigstens 
ein Quasibodenrecht, indem sie sich durch Occu- 
pation ein Territorium geschaffen haben. Darauf 
basiert denn auch die Nachahmung der munici- 
palen Institutionen durch diese Convente, me die 



des conventus Helvetieus nach Schaffung der co- 
lonic/, Flavin, Eelvetiorum durch Tespasian im 
J. 74 n. Chr. Mom m sen (Herm. XVI 458ff.) 
halt durch den seiner Ansicht nach von ibm 
erbrachten Nachweis, dass die genannte Colonie 
latinisches Eecht gehabt habe, den Widerspruch 
fur gehoben (iiber die Unhaltbarkeit dieser An- 
sicht s. Art. Coloniae), wahrend Kornemann 
(Zur Stadtentstehung in den eheraals keltischen 



Bezeichnung rnagistri Naronae im Gegensatz zulOund germanisch. Geb. d. BOmerreichs 37ff.) dar- 



dem correcteren cti/rator civium Romanorum con- 
ventus deutlich zeigt. Denn diese Beamten be- 
ziehen sich wie im Collegium nur auf die Per- 
sonen, nicht auf die Ortlichkeit; die Bezeichnung 
rnagistri Naronae aber usurpiert den Besitz von 
Narona fur den Convent, "der rechtlich nicht be- 
grundet 1st. Von Lissus wissen wir allerdings, 
dass Caesar diese Ortschaft dem Convent uber- 
lassen hat (bell. civ. Ill 29 quod oppidum iam 



gethan hat, dass durch die Ausstattung nur des 
Vorortes Aventicum mit dem Tit el einer (rOmi- 
schen) Colonie der Fortbestand der galhschen 
Volksgemeinde der Helvetier {eivitas Helvetiorum) 
und damit des conventus Helvetieus nicht bertihrt 
wird. In Stadten latinischen Eechts war ein 
conventus civium, Romanorum rechtlich wohl m6g- 
lich, factisch aber wohl selten (Kornemann De 
civibus Bomanis 22ff., etwas abweichend Schul- 



antea Caesar adtribuerai muniendumque eura-20ten 19ff.); wir kennen nur drei solcher Convente, 



veraf). In einem solchen Falle war allerdings 
die Stadt fertig (bei Plin. n. h. Ill 144 wird 
Lissus noch oppidum civium Romanorum ge- 
nannt, was aber nichts beweist, da Plinius so 
auch die rOmischen Municipien nennt), es fehlte 
nur noch der Name eines munieipium oder einer 
colonia; von hier aus versteht man dann Aus- 
driicke wie eidem homines nomine commu- 
tato ccloni deeurionesque, die Cicero (pr. Sest. 9) 



1) in Bracara Augusta, CIL II 2423, wahrschein- 
lich aus dem 2. Jhdt. n. Chr., also nach der Ver- 
leihung des ius Latium an ganz Spanien durch 
Vespasian (Plin. n. h. Ill 30); 2) bei den Auscii in 
Aquitanien (CIL XIII 444), die latinisches Eecht 
wahrscheinlich von Augustus erhielten (Strab. IV 
191 j dazu 0. Hirschfeld Festschrift zur Griin- 
dungsfeier des archaol. Instituts 9); 3) in Bri- 
gantio im Gebiet der Caturiges in den cottischen 



von den AngehOrigen des zur Colonie erhobenen 30 Alpen, spater zu der prov. Alpium maritimarum 



conventus Capuae braucht, oder cognomento qui- 
dem coloniae non insigne, sed copia negotiato- 
rum et commeatuvim maxims celebre, womit Taci- 
tus (ann, XIV 33) den quasistadtischen Kaufmanns- 
verband von Londinium bezeichnet. Diese vicanen 
Convente, die iiberwiegend in den barbarischen 
Landern des Westens vorkommen, waren also, 
wie Mommsen (Herm. VII 322) sich ausdriickt, 
,Mittelzustande, in deren Natur es liegt, nicht zu 



|ehOrig (CIL XII 94, dazu Schulten 19fi\)- In 
den latinischen Gemeinden fehlte der grosse Unter- 
schied beziiglich des Privatrechts zwischen den 
zugewanderten oives Romani und den Einheimi- 
schen, wie er gegentiber Leuten und Gemeinden 
peregriner Bechtsstellung bestand. Die privile- 
gierte Stellung der Italiker und spater der cives 
Romani in den Provinzen ist mit ein Grund ge- 
wesen zu ihrem Zusammenschluss in der Diaspora 



dauern, sondern aHmahlich in die voile Entwick- 40 und dem Abschluss gegeniiber alien NichtrOmern, 



lung tiberzuleiten'. In der Kaiserzeit sind sie, 
wie wir schon sahen, in den inneren romanisierten 
Provinzen verschwunden und nur noch in den 
Provinzen der Peripherie, vor allem hier in Form 
der eanabae, vorhanden, um dann auch hier all- 
mahlich den Stadten Platz zu machen. Die Haupt- 
raasse der Convente in der Kaiserzeit sind solche 
in Stadt- oder anerkannten Volksgemeinden, und 
diese sind, nicht zum wenigsten durch den viel- 



vor allem denen peregrinischen Eechts (Korne- 
mann 24. 46ff., ebenso Sehulten 3, das Gegen- 
teil davon aber 77, 3). 

Von diesen Privilegien gegeniiber den Provin- 
cialen war das hauptsachlichste, dass die eives 
Romani von der Eechtsprechung der Gemeinden, 
auf deren Boden sie wohnten, eximiert waren und 
direct von den Statthaltern und von italischen 
Richtern Eecht erhielten (SC. de Asclepiade vom 



leicht von Seiten der Kegierung (dariiber unten50 J. 676 = 78, Bruns Fontes^ 158ff. Z. 20), mit 



S. 1197f.) iiberall eingefuhrten curator civium Ro- 
manorum, wieder viel mehr den collegia genahert ; 
ihr Ende musste eintreten mit dem Moment, da 
es keine Keichsbewohner und damit keine Stadte 
peregrinischen Eechts mehr gab. 

Denn die Existenz einer rOmischen Stadtge- 
meinde, sei es colonia oder munieipium, schloss 
das Bestehen eines C. aus; dieser war gewisser- 
massen fur den draussen weilenden rOmischen 



Ausnahme derer, die in eivitates libera^ consi- 
stierten. Diese waren wenigstens in der republi- 
canischen Zeit in Sachen der Criminal- wie der 
Civiljurisdiction den peregrinen Beamten unter- 
stellt (Cic. pr. Flacc. 71. CIG 2222. Korne- 
mann 47f,), wurden aber mit Beginn der Kaiser- 
zeit, zunachst in Strafsachen, auch hier der ein- 
heimischen Jnstiz entzogen (Suet. Tib. 37. Tac. 
ann. IV 36. Cass. Dio LVTI 24. LX 24. Momm- 



Burger nur das Surrogat fur eine wirkliche rOmi-60 sen St.-E. HI. 702f.). Bei eivitates foederatae 



sche Stadtgemeinde. Wir kennen zwei Ausnahmen 
von dieser Eegel: das Weiterbestehen einmal 
des conventus Capuae oder Campanus nach Er- 
richtung der Colonie Capua im J. 695 = 59 (Caes. 
bell. civ. I 14, 5. HI 21, 5. Cic. ad Att. VH 
14, 2), wofur bis heute noch eine hinreichende 
Erklarung fehlt (was Kornemann 53 und Schul- 
ten 76 vorbringen, befriedigt nicht), und zweitens 



waren in die betreffenden Veitrage zu Gunsten 
der Italiker bezw. rOmischen Burger besondere 
Bestimmungen aufgenommen, so beziiglich der 
Eechtsprechung (Lex Antonia de Termess., Bruns 
Font. 5 91ff. ii 19ff.) oder beziiglich der Freiheit 
von den Zollen, die die betreffende Gemeinde er- 
hob (Liv. XXXVIII44, 4. Les Antonia de Termess. 
a. a. 0. ii 31. Mommsen St.-R. HI 647f. 691 f.). 



1197 



Conventus 



Conventus 



1198 



Weiter hatten die Italiker iiberall ius commercii richtung der Convente m den Tres Galliae im 
(yifr xal olxlac iyxtnois, vgl. oi ivxexr Vf Jvoi Tw- Anschluss an die erst von Augustus constituierten 
LoXoi in Beroea , Eevue des societes sav. 1858, Volksgemeinden (eivitates) mit gleichzeitiger pro- 
791) Doch waren alle diese Eechte an die ein- vinzweiser Vertretung bei dem Lyoner concilium 
zelnen Eomer, nicht an ihre Gesamtheit, die con- die Hand des staatlichen Orgamsators sich zu 
ventus, verliehen (Schulten 61). Gestiitzt auf zeigen scheint. Ist das richtig, so haben wir 
ihre Privilegien und durch das moralische Uberge- auch hier das rm rOmischen Kaiserreich mehrtacn 
wicht, das sie als domini orbis (Mommsen zu verfolgende alhnahliche Hineinwachsen pnvater 
Ephem epigr VTI p. 442) besassen, spielten diese Institutionen in die staatliche Sphare zu consta- 
EOmer und ihre Verbiinde in den Peregrinenstadten 10 tieren (vgl. Art. C ollegium), nur mit dem Unter- 
eine hervomgende , vielleicht stellenweise eine schied, z. B. gegeniiber den Collegien, dass die 
fuhrende Eolle. Ihre Mitglieder, denen als con- Convente verschwanden, bevor der spatrOmiscne 
sistentes zum grOssten Teil das ius incolatus zu- Zwangsstaat sich voll ausgebildet hatte. 
kam (Schulten 103 gegen Kornemann llf.; Unterstiitzend fur diese Ansicht wirkt wonl 
vgl Art Consistere), hatten da, wo die Ver- auch der Hinweis darauf, wie friihzeitig diese Ver- 
bande in peregrinen Stadtgemeinden existierten, bande im Interesse der rOmischen Provmcialyer- 
Zutritt zu den Ehrenamtem der Gemeinden (Athen. waltung nutzbar gemacht wurden ohne naturlich 
Mitt 1891, 148 = Mommsen Ephem. epigr. VII dadurch zunachst irgendwie rechtlich der pn- 
p 442 nr 1, dazu Schnlten 32, vgl. 60, falsch vaten Sphare entriickt zu werden. Da, wie schon 
derselbe 115), nahmen teil an Vergiinstigungen, 20 erwahnt ist, den rOmischen Biirgern nur von den 
die den Gemeindemitgliedern zu teil wurden (vgl. Statthaltern oder ihren Mandataren Kecbt ge- 
z. B. die Inschriften von Megara und Lagina), sprochen werden durfte, so wurde naturgemass 
die Verbande endlich fassten gemeinsam Beschlusse auch die Geschworenenliste aus den in der iTo- 
mit Eat und Volk der Peregrinengemeinde ; vgl. vinz ansiissigen ewes Romani gebildet (Uai. Inst, 
die Masse der Inschriften aus dem Osten, die be- I 20), das Mess bei dem fast vollkommenen ienlen 
ginnen 'H Bovlh xal 6 dijftog xal ot nazomovrreg ausseritalischer Colonien in der republicamscnen 
'Pcouatoi. Das Pravalieren der cives Romani zeigt Zeit : ex conventu civium Romanorum (Lie. in 
sich beziiglich dieser Formel am deutlichsten darin, Verr. II 32-34. IE 28) ; und zwar musste z. B. 
dass auch manchmal die rOmischen Burger vor den in Sicilien jeder Statthalter beim Antritt seines 
Einheimisehen genannt werden, wie z. B. c«"»es30Amtes aus dem Convente (offenbar des b-ericnts- 
Romani qui Cyxici consistunt et Cyxiceni (CIL ortes) eine Geschworenenliste (album ludtcum) 
III Suppl. 7061), oder wenn es im Eidschwur der aufstellen, aus welcher dann vorkommenden falls 
Assier (Ephem. epigr. V p. 155 = Sterrett die Kichter und Geschworenen proponiert wurden 
Papers I 50) heisst: eSofrv rfj povkfi xal toig (Cic. a. a. 0., dazu Kornemann 38fl.). Das be- 
TtoaynaTevoftivots wog' foTv 'Peofiaioi; xal r<S Srj- schworenenalbum aber deckte sich mit der Liste der 
um z&v 'Aooiav xatamaMvai jioeopstav ex t<3v zum consilium des Statthalters iatugen _Leute 
xpdzcov xai delator •Ptopaia* re xal <EX)jva> V . . . (Cic. in Verr. II 70, vgl. Gai. I 18-21. Ulpian. 
In der zuerstgenannten Inschrift bedeutet auch frg. I 12—14. Mommsen St.-K. 1-i ill u. A. o). 
die Anwendung der lateinischen Sprache, wahrend Ausser fflr die Eechtsprechung sehen wir die Lon- 
doch die griechische Gemeinde Cyzicus mitdedi- 40 vente in folgenden Fallen, allerdings mehr ausser- 
ciert, eine Concession an die cives Romani; anders- ordentlicher Art, in der Verwaltung herangezogen: 
wo sind solche Inschriften wenigstens zweisprachig die Contribution, die nach Caes. bell. civ. JJlrf^ 
abgefasst, wie in Argi (CIL III Suppl. 7265), in von Scipio den rOmischen Burgern der ITovinz 
Prymnessos (ebd. 7043), in Delos (vgl. die Zu- Asien auferlegt wurde, geschah i «» sw&ulos con- 
sammenstellung der delischen Inschriften bei ventus singulasque eivitates. Die 300 KeicDsten 
Kornemann App. 99). In Tomi begegnet eine vom Convent von Utica, die fur denselben bcipio 
«U Tcouwv (dariiber Schulten 59, 1). Geld aufgebracht hatten (bell. Afr 88. 90) wurden 
Fiir die Frage nach dem Verhaltnis der Con- von Caesar mit der Bezahlung der fur den uti- 
vente zu der rOmischen Eeichsregierung ist es censischen Convent bestimmten Contribution be- 
von Wichtigkeit, zu wissen, ob die Convente staat- 50 lastet. Die Conscription der rOmischen Burger 
licher oder privater Initiative entsprungen seien. in den Provinzen geschah in denselben ieiten wie 
Schulten ist der ersteren Ansicht (106, anders nach Gemeinden so auch nach Conventen (bell, 
allerdings 121), Kornemann (24ff.) halt sie fur Alex. 56, 4). Veteranen, welche sich m den l*ro- 
SchOpfungen des privaten Unternehmungsgeistes, vinzen niederhessen (Caes. bell. civ. Ill 4), gne- 
weil in ihnen. ahnlich wie in den (privaten) Col- derten sich wohl, solange noch keine MiUtarcolome 
legien, das religiose Element eine so grosse Eolle daselbst gegriindet war, diesen Conventen an, 
spielt, dann auchwegen der mannigfachen Formen, bezw. wurden zur VergrOsserung der rJurgerver- 
in denen diese Convente besonders in ihrer Ent- bande von seiten der Machthaber angesiedelt (so 
wicklung zu vicanen und quasimunicipalen Ge- in Lampsacus, Appian. bell. civ. V 16 1, bezug- 
bilden sich zeigen. Ein tbergreifen des Staates 60 lich Tralles vgl. CIG 2923 und Boeckh dazu). 
auf diese anfangs privaten Verbande ist mOglicher- Vor allem Caesar hat die Bedeutung dieser m den 
weise etwa von Augustus an anzunehmen, da wir Conventen, besonders in den quasimunicipalen des 
von da ab die Convente so einheitlich, mehr an- Westens, vereinigten Bfirger der Provinzen senr 
genahert den Collegien, unter den curatores ci- hoch geschatzt, wenn er sich auch bei seiner demo- 
iium Romanorum organisiert sehen (die alteste kratischen ParteizugehOngkeit stellenweise, wie 
Inschrift mit curator c. R. ist diejenige aus dem z. B. in Spanien und Africa, nicht der bnter- 
Gebiet der Bituriges Cubi, CIL XIII 1194 aus stiitzung der in diesen Conventen oft praevalie- 
derZeit38— 41 n. Chr.), und da speciell in der Ein- renden ritterlicheii Geldanstokratie zu ertreuen 



1199 



Conventus 



Conventus 



1200 



gehabt hat. In den caesarischen Colonien Spa- 
niens, die er teilweise ohne Deduction von Vete- 
ranen griindete, bildeten diese Mheren Convents- 
angehorigen offenbar den Grundstock der Bevol- 
kerung (beziiglich Tarracos vgl. man die Ausfuh- 
rungen von Hiibner Herm, 1 102ff.), und wo er 
nicht bis zur Coloniegrtindung fortschritt, hat er 
doch, wie z. B. in Lissus, wie schon gezeigt ist, 
durch Verleihung eines Territoriams und Befesti- 
gung der dem C. verliehenen Ortschaft (Caes. bell. 10 
civ. Ill 29) die Romerstadt bis auf den Namen 
einer Colonie fertiggestellt. Wie aus dem Namen 
hervorgeht, ist etwas Ahnliches von ihm oder 
seinem Nachfolger Octavian (vor dem J. 727 = 
27) fur Iulium Carnicum geschehen. Auf Grund 
dieser Stellungnahme Caesars vor allem zu den 
landlichen Conventen des Westens hat dann viel- 
leicht Augustus allgemein auf die Organisation 
der Verbande staatuchen Einfiuss gefibt (s. o.). 

V. Verbreitung und Ende der Convente. 20 
Die conventus civium Romanorum kommen zu- 
nachst soweit vor, als der ager Romanus sich er- 
streckt. Aber wie zu alien Zeiten, hat auch zur 
Romerzeit der Kaufmann nnd Speculant, solange 
noch Expansionskraft im BOmervolke steckte, nicht 
an den Grenzen des Reiches Halt gemacht, son- 
dern hat, wo die in internationalen Vertragen aus- 
bedungene Verkehrsfreiheit {ins commercii) es ge- 
stattete — allerdings ward das bei dem stets exclu- 
siver werdenden Charakter des Romertums mit der 30 
Zeit immer seltener, Mommsen St.-B. Ill 600ff. 
— , auch Niederlassungen im Ausland gegriindet. 
Der zweite Handelsvertrag mit Karthago (Polyb. 
Ill 24) verbietet den italischen Kaufleuten Handel 
mad Wandel sowie die Grtindung von Stadten in 
bestimmten Gebieten des karthagischen Landes, 
macht ihnen aber andere Gebiete und Stadte, wie 
Sicilien und Karthago selbst, zuganglich und giebt 
ihnen in diesen gleiches Handelsrecht mit den 
eigenen Burgern. In Karthago selbst muss fruh- 40 
zeitig ein Zusammenstromen italischer Kaufleute 
stattgefunden haben (vgl. Appian. Lib. 92), und 
die Annahme einer gemeinschaftlichen Organi- 
sation derselben diirfte nicht zu gewagt sein. In 
Alexandria war schon im letzten Drittel des 
zweiten vorchristlichen Jahrhunderts ein Verband 
italischer Kaufleute, der Inschriften in Delos de- 
dicierte (Bull. hell. VIII 107, vgl. CTL III Suppl. 
7241), welches lange Zeit den Mittel- und Aus- 
gangspunkt fur alle Italiker im Orient war (vgl. 50 
zu CIL III 7241). Zur Zeit des iugurthinischen 
Krieges war nicht nur eine starke Italikervereini- 
gung in Vaga (Sallust. lug. 47, 1: ubi et inco- 
lere et mercari comueverant Italici generis -multi 
mortales), sondern auch in der Hauptstadt Nu- 
midiens, in Cirta, spielten die Italiker bereits 
eine ffihrende Kolle, und aus der Art der Schil- 
derung ergicbt sich, dass sie neben der Peregrinen- 
gemeinde einen eigenen Verband mit zahlreichen 
Mitgliedern bildeten (Sallust. a. a. 0. 26 : Italici 60 
. . . Adherbali suadent uti segue et oppidum Iu~ 
gurthae tradM ... At Me . . . quia penes eos- 
dem, si advorsaretur, cognndi potestas erat, ita 
ut censuerant Italici deditione.ni faeit, vgl. 21, 
2 multitude togatorum). Uber einen solchen Ver- 
band ausserhalb der Keichsgrenzen im Beginn der 
Kaiserzeit berichtet Tacitus (ann. II 62), welcher 
gelegentlich des Handstreiches des Catualda auf 



die Konigsburg des Marobod von dieser regia und 
dem castellum iuxta situm sagt: Veteres illie 
Sueborum praedae et nostris e provinciis lixae 
ac negotiatores reperti, quos im commercii, dein 
cupido augendi pecuniam, postremo oblivio pa- 
triae suis qwmque ab sedibus hostilem in agrum 
transtulerat. Ebenso waren nach Athenodoros 
(bei Strab. XVI 779) zahlreiche ROmer in Petra 
in Arabien schon ein Jahrhundert, bevor es rOmisch 
wurde, und auch schon vor Traians Eroberung 
von Mesopotamien scheinen Bomer in Ctesiphon 
gewohnt zu haben (vgl. Cass. Dio LXVI1I 30). 
Von da ab ist es im Eomerstaate allerdings mit 
dem tJberschreiten der Grenzen vorbei : ,Absperrung 
gegen das Ausland ist die Signatur seines Greisen- 
alters' (Mommsen St.-E. Ill 601). 

Aber zu alien Zeiten werden die im Auslande 
bestehenden Verbande verschwindend gering ge- 
wesen sein gegenuber denen innerhalb der Keichs- 
grenzen. Was das Ende dieser Bildungen auf 
rOmischem Boden betrifft, so wurden, wie schon 
dargethan ist, die landlichen Convente mit fort- 
schreitender Romanisierung durch Stadte ersetzt, 
so dass Provinzen wie Sicilien, Dalmatien, Gallia 
Narbonensis, der grosste Teil von Spanien und 
Africa, die in der republicanischen Zeit so recht 
die Sitze von Conventen waren, in der Kaiserzeit 
davon vollkommen frei sind. Dagegen die an pere- 
grinische Stadt- oder Volksgemeinden angeglie- 
derten Convente — offenbar die Mehrzahl der in 
der Kaiserzeit noch vorhandenen — haben zum 
grOssten Teil mit der coristitutio Antoniniana 
ihre Existenzberechtigung verloren. Da man heute 
mit Becht der Ansicht ist, dass dieser Erlass des 
Caracalla nicht alien Reichsbiirgern die civitas 
'Romano, brachte, sondern dass noch latinische 
oder peregrinische Bezirke iibrig blieben (Momm- 
sen Herm. XVI 474ff. Mitteis Reichsrecbt und 
Volksrecht 159f.), so kann die Inschrift von Bri- 
gantio (CIL XII 94) mit ihrem conventus civium 
Romanorum noch in constantinische Zeit gehoren, 
wohin sie Hirschfelds Erganzung versetzt (vgl. 
eine andere Vermutung desselben bei Korne- 
mann 76), wie ja auch der canabensische Con- 
vent von Mogontiacum bis auf Diocletian be- 
standen hat (vgl. Kornemann 86. 96). Aber 
im allgemeinen wird man behaupten durfen, dass, 
abgesehen von abgelegenen Gegenden und be- 
sonderen Verhaltnissen, die conventus civium Ro- 
manorum schon in der ersten Halfte des 3. Jhdts. 
ihr Ende erreicht haben. 

Litteratur: Mommsen Die rfimischen Lager- 
stadte, Herm. VII (1873) 319ff. ; Schweizer Nach- 
studien, Herm. XVI (1881) 477ff. C. Morel Les 
associations de citoyens Bomains et les curatores 
c. R. conventus Helvetici, Lausanne 1877 (vgl. 
Me"moires de la socie'te d'histoire de la Suisse 
Romande XXXIV [1879]). L. Mitteis Reichs- 
recbt und Volksrecht in den Ostl. Prov. des rOmi- 
schen Kaiserreichs 1891, 143ff. E. Kornemann 
De civibus Romanis in provinciis imperii consi- 
stentibus, Berl. Diss. 1891 = Berl. Stud, fur class. 
Phil, und Arch. XIV 1, 1892. A. Schulten De 
conventibus civium Romanorum sive de rebus pu- 
blicis c. R. mediis inter municipium et collegium, 
Gott. Diss. 1892. Nocheinmal Mommsen Ephem. 
epigr.VH(1892)p. 436ff. (unter Beriicksichtigung 
der Arbeit von Kornemann). [Kornemann.] 



1201 



Convicium 



Convivium 



1202 



Convicium s. Iniuria. 

ConvictolitaTis. Im J. 702 = 52 stritten bei 
den Aeduern C. und Cotus um das hochste, jahr- 
lich wechselnde Amt (Caes. b. G. VII 32, 2—6; 
vgl. 39, 2. 67, 7. Hirschfeld S.-Ber. Akad. 
Berl. 1897, 1116); nach der Priifung ihrer An- 
spriiche wurde C. als rechtmassiges Oberhaupt 
Ton Caesar eingesetzt (33, 3), aber er liess sich 
dennoch von den Arvernern fur die gemeinsame 



zufiihren. Ob das bei Athen. VIII 365 a er- 
wahnte deisivoy caio onvgidos hiermit identisch ist, 
bleibt zweifelhaft; nach dem Wortlaut konnte 
man darunter die Sitte verstehen, sich bei einem 
anderen unter Mitbringuug der Speisen zu Gast 
zu bitten. Spater, zur Zeit der neueren Komoedie, 
war das gewohnlichste das aus Geldbeitragen der 
Teilnehmer veranstaltete deinvov cbro avft^oXcov 
(Athen. VIH 365 d. Eust. II. XVI 764. XVII 578, 



Erhebung aller Gallier gegen die romische Herr- 10 &no ovn<poQ(bv , Lukian Lexiph. 6). Es wurde 



schaft gewinnen und zog zunachst einige junge 
Leute in das Geheimnis (37, 1 — 7). Wahrend 
diese versuchten, die an Caesar gesandten Hiilfs- 
truppen der Aeduer zum Abfall zu bewegen, reizte 
C. den ganzen Stamm dazu auf (42, 4). Es ge- 
lang zwar Caesar, noch eine Zeit lang die Aeduer 
festzuhalten, aber nach seiner Niederkge bei Ger- 
govia erfolgte ihr allgemeiner Abfall, bei dem 
sich C. neben Litaviccus offen an die Spitze stellte 



dann einer mit der Anorcbmng beauftragt, maneh- 
mal diesem auch die Wahl des Ortes uberlassen; 
bei Ter. Eun. 540 hat er es in der Wohnung 
eines Freigelassenen veranstaltet, konnte es aber 
auch in seiner eigenen Wohnung thun. So ver- 
einigen sich junge Manner bei einer Hetaere, Ter. 
Andr. 88. tiber die gemeinsamen Mahlzeiten ge- 
sehlossener Gesellschaften, der IJoavot und dlaooi, 
s. d. Besondere Erwahnung verdienen die an ge- 



(55, 4). Nach dem Falle von Alesia unterwarfen 20 wissen Tagen gemeinsam speisenden Philosophen- 



sie sich wieder und erhielten vollstandige Amnestie 
(90, 1). [Mimzer.]_ 

Convivium j aiivbtuivov , avuTtoaiov, gemein- 
sames Mahl, Gastmahl. In einigen griechischen 
Staaten war die Hauptmahlzeit immer ein C. ; s. 
hieriiber'Av 8 QeTa, ^i8iria,Svaaizia. Imiibri- 
gen fanden gemeinsame Mahlzeiten derBiirgerschaft 
(dtiuodotvlai) nur beibesonderen festlichen Gelegen- 
heiten statt, namentlich bei von Gemeindewegen 



schulen, die zum Teil eigene Mittel zur Bestrei- 
tung dieser C. hatten. So hatte Epikuros Geld 
vermacht zu monatlichen gemeinsamen Mahlzeiten, 
sowie zur Peier seines Geburtstages und anderer 
Gedenktage, Diog. Laert. X 18. AhnUch Theo- 
phrast; Xenokrates und Aristoteles schrieben vo- 
fioi fur solche Zusammenkunfte, Athen. V 186 a. b. 
Unter den auf Einladung eines einzelnen er- 
folgenden C. nehmen eine besondere Stellung ein 



dargebrachten Opfern ; Horn. Od. Ill 5. Doch 30 die Familienfeste, an denen auch bei den Griechen 



scheint in alterer historischer Zeit mehr die Ver- 
teilung von Fleisch und Brot (8aTs), erst spater, 
mit zunehmendem Luxus, das eigentliche SeTavov 
iiblich gewesen zu sein, Plut. qu. conv. II 10. 
Beide Arten kannten auch die Rcimer und unter- 
schieden sie als cena recta und sportula. S. hier- 
iiber unter Epulum (publicum). In Athen, und 
ohne Zweifel auch sonst, kannte man ausserdem 
Bewirtungen der Phyle {cpvleuxa Sclstva, Athen. 



die Frauen teilnehmen. Hierher gehoren haus- 
liche Opfermahle (s. Opfer), wie schon bei Homer 
II. II 402 Agamemnon eines veranstaltet; als 
Familienfest Arist. nub. 408 ; Teilnahme der Frauen 
Antiphon 1 16. Das haufigst genannte Fest dieser 
Art ist die Hochzeit. Hochzeitsmahle bei Homer 
Od. I 226. IV 3; spater oft erwahnt, s. nament- 
lich Plut. qu. conv. IV 3, ferner z. B. Aristoph. 
av. 132. Demosth. XXX 21. Athen. V 185 b. 



V 185 c. Demosth. XXXIX 7), des Demos (Athen. 40 Dass an ihnen auch die Frauen teilnahmen, ist 



a. O. Isaios IX 21), der Phratrie. Letztere ver- 
anstaltete nach der Hochzeit der Neuverheiratete 
oder sein Vater bei der Einfuhrung der Frau in 
die Phratrie, Isai. Ill 79. Im iibrigen wurden 
diese Speisungen als Leiturgien von einem laud- 
tcoq (Demosth. XXXIX 7) geleistet; so auch die 
Speisung der Frauen an den Thesmophorien, Isai. 
HI 50. Naheres wissen wir weder fiber diese 
Art Speisungen, noch fiber die der auf Staats 



mehrfach bezeugt, Plat. leg. VI 775 a. 784 d; doch 
speisten sie von den Mannern getrennt, Euangelos 
bei Athen. XIV 644 d. Bei Lucian. conv. 8 sind 
drei grosse xhvzfjge; hufeisenformig aufgestellt, 
von denen der fur den vor der offenen Seite Stehen- 
den rechte den Frauen, der linke den Ehren- 
gasten, der mittlere den ubrigen angewiesen ist. 
Bei dem grossen yauos des Karanos, Athen. IV 
128 d, ist zwar von den Frauen nicht die Rede, 



kosten imPrvtaneionbewirtetenverdienten Manner, 50 wenn es aber heisst, dass die Geladenen SvSqe; 



s. 2 iTt] a is (iv nQvzavsicp). Suidas s. /.doava weiss 
von einem Ort (in Athen*?), wo nach einem Offent- 
lichen Opfer den Buleuten das Mahl bereitet 
wurde. Die Bewirtung zweier Chore, also an einem 
Fcst, in Phigaleia beschreibt Harmodios von Leprea 
bei Athen. IV 148. Ebd. 149 e das sehr einfache 
Menu der Volksmahle bei Festen in Naukratis. 
Unter den privaten C. sind zu unterseheiden 
die von einer Gesellsehaft auf gemeinsame Kosten 



sixooiv sind, so wird daraus zu schliessen sein, 
dass auch Frauen, vielleicht in einem anderen 
Raume, bewirtet wurden. So speisen auch bei 
der Pontificalcena, Macrob. HI 13, 11, die Frauen 
an einem besonderen Triclinium, und es wird dies 
wohl auch altere romische Sitte gewesen sein. 
Ein anderes, mehrfach als durch ein C. gefeiert 
erwahntes Familienfest ist die Namengebung eines 
Kindes (nalboiv ETiirsUimoig, Plat. leg. VI 784 d, 



veranstalteten und die, zu denen einer einladt. 60 der-art), Isai. in 70); ferner Totenmahle, s. Be 



Erstere schon bei Homer (cgavo;. Od. I 226. XI 
415) und Hesiod, Sacs en y.oirov, op. et d. 722; 
spater oft erwahnt. Die primitivste Art eines 
solchen Eranos ist die, dass jeder seinen Bedarf 
an Speisen mitbringt und jeder das Seinige ver- 
zehrt, Xen. mem. Ill 14, 1, nach welcher Stelle 
Sokrates sich bemiihte, dafiir das gemeinsame Ver- 
zehren des von den einzelnen mitgebrachten ein- 



stattung. Dagegen ist dem Eukrates bei Lucian. 
Gall. 9 der Geburtstag seiner Tochter nicht in 
diesem Sinne ein Familienfest, sondern nur eine 
Veranlassung, seine Freunde zubewirten; die Frau 
ist in der Gynaikonitis geblieben, und ebendahin 
schickt er seWn Solm, um fur einen unerwarteten 
Gast Platz zu machen. 

An C, die nicht den Charakter des Familien- 



1203 



Convivium 



Convivium 



1204 



festes haben, nehmen nach griechischer Sitte die 
Frauen nicht teil, Cic. Verr. I 66. Nep. praef.; 
die Teilnahme gilt als Beweis, dass die Betreffende 
eine Hetaere ist, Isai. Ill 14. Demosth. LIX 24, 
wahrend sie bei den BOmern nichts AnstCssiges 
hatte , Nep. a. 0. ; so kommt bei Petron 65 Ha- 
binnas mit seiner Frau von einem C. Knaben 
nahmen bei Griechen und BOmern teU, aber sitzend, 
Xen. symp. I 8. Act. Arv. 27. Mai 218. Suet. 
Aug. 64, und zwar bei den ROmem an einem be- 
sonderen Tische, Tac. ann. XIII 16, der ad fulcra 
lectorum, d. h. an der oflenen Seite des Tricli- 
niums stand, Suet. Claud. 32. S. hieriiber Tri- 
clinium und einstweilen Mau Gott. Nachr. 1896, 
76. Plutarch freilich, qu. conv. VII 8, 4, erwahnt 
Frauen und Kinder avyxaraxelfisvot. Es mag 
wohl in der langen Zwisehenzeit eine Wandlung 
der griechischen Sitte eingetreten sein. Besonderer 
Veranlassung zu solchen C. bedurfte es naturlich 
nicht; es gab ihrer aber mancherlei. Mehrfach 
genannt werden imvixia, Bewirtungen zur Feier 
eines in einem Wettkampf errungenen Sieges, 
Plat. symp. 174 a. Xen. symp. 12—4. Plut.Phok. 
20. Ferner solche zum Empfang oder zum Ab- 
schied eines Gastes oder Freundes, &vi&iv, jiqo- 
jiifateiv, Plut. qu. conv. IV 3, 2. So schon bei 
Homer II. VI 174; Od. VII 190. Opferfest und 
Abschiedsmahl verbunden Antiph. 116. Auch be- 
liebige Gedenktage feierte man durch C. ; so Plu- 
tarch und seine Freunde die Geburtstage des 
Sokrates und Platons, qu. conv. VIII 1. 

Wie schon bei Homer H. II 404 die Teilnehmer 
am C. des Agamemnon nur acht sind, so waren 
auch in der classischen Zeit Athens die C, wie 
sie Freunde untereinander veranstalteten, klein. 
Am Symposion Platons nehmen sieben, an dem 
Xenophons neun Personen teil, zu denen als zehnter 
der Parasit Philippos kommt. Audi spater sind 
zu dem glanzenden Hochzeitsmahl des Karanos, 
Athen. IV 128 c, nur zwanzig Manner geladen. 
Archestratos bei Athen. I 4 e will nicht mehr als 
ffinf Tischgenossen. Doch fanden bei besonderen 
Gelegenheiten auch viel griissere C. statt, nament- 
lich wohl bei Familienfesten, Hochzeiten u. dgl. 
In Athen gestattete gegen Ende des 4. Jhdts. 
v. Chr. Demetrios von Phaleron, um der Neigung 
zu gTossen Gastereien zu steuem, hochstens 30 
Gaste ; die Gynaikonomen und der Areopag hatten 
dariiber zu wachen, Athen. VI 245 a — c. In Iasos 
soil gar verboten gewesen sein , mehr als zehn 
Manner und zehn Frauen einzuladen, Heracl. pol. 
39. Viel spater sind die Teilnehmer an einem 
von Lukian beschriebenen Hochzeitsmahl etwa 
vierzig, Luc. conv. 8. 9. Nach Vitruv IV 10, 3 
konnte man in grossen Speisezimmern griechischer 
Hauser vier Triclinien aufstellen, also bei regel- 
massiger Besetzung derselben etwa 36 Personen 
bewirten. Beispiel eines grossen C. aus frfiherer 
Zeit ist das 479 v. Chr. von dem Thebaner Atta- 
ginos dem Mardonios gegebene, an dem 50 Perser 
und 50 Griechen teilnahmen. Grossartiger noch 
verfuhren die hellenistischen KOnige. Zwar Kleo- 
patra bewirtete Antonius und seine Genossen auf 
zwClf Tgachva; es waren also nur 36 Personen. 
Aber Ptolemaios Philadelphos bewirtete in einem 
eigens dazu erbauten Zeit 200 Personen, Athen. 
V 197 b. Wenn Antiochos Epiphanes, Athen. V 
195 d, gar an mehreren Tagen 3000 oder 4500 



Personen bewirtete, so fallt dies aus dem Rahmen 
des C. und ist schon als Volksbewirtung zu be- 
trachten. 

Bei den BOmern sind, von den Volksspeisungen 
abgesehen, grosse Tischgesellschaften, so weit wir 
sehen, nie tiblich gewesen. Man lagerte sich der 
Begel nach auf einem Triclinium (s. d.), welches 
fur neun Personen berechnet war, freilich aber 
manchmal starker besetzt wurde, Cic. in Pis. 67. 

10 Es scheint, dass zwSlf eine beliebte Zahl war, 
Hor. sat. I 4, 86. Suet. Aug. 70. Hist. Aug. 
Verus 5, 1. Bei der Ermordung des Sertorius, 
72 v. Chr., war das Triclinium mit sieben Per- 
sonen besetzt, Sail. hist. Ill 4. Nach Varro bei 
Gell. Xin 11, 2 soil die Zahl zwischen drei und 
neun, den Zahlen der Gratien und Musen, bleiben; 
vgl. Hist. Aug. Verus 5, 1: septem convivium, 
novem vera convieium. Ausonius eph. 5, 5 be- 
zeichnet mit demselben Wortspiel sechs als das 

20 Maximum. Neun, Hor. sat. II 8, 20ff. Beschrankend 
wirkte auf die Zahl der Gaste intimer C. der Ge- 
brauch des Sigma (s. d.) statt des Triclinium; 
hier hatten je nach der GrOsse desselben sechs 
(Martial. X 59, 9), sieben (Martial. X 48, 6) oder 
acht (Martial. XIV 87) Personen Platz. Zuletzterer 
Zahl vgl. Hist. Aug. Heliog. 29, 3. Sidon. ep. 
I 11. An der Cena des Trimalehio nehmen, so 
weit kenntlich, 14 Personen teil. In Pompeii 
sind die Speisezimmer durchweg nur auf ein Tri- 

30 clinium berechnet; nur in sehr wenigen Hansern 
finden sich grOssere (s. Triclinium). Die Nach- 
richt von den Massenbewirtungen des Claudius 
(600 Personen, Suet. Claud. 32) stent vereinzelt, 
und es war dies wohl eine persOnliche Neigung 
dieses Kaisers. Officielle C, wie die eena ponti- 
ficalis Macrob. Ill 13, 11, fallen naturlich unter 
einen anderen Gesiehtspunkt, doch speisen auch 
hier auf drei Triclinien, wie es scheint, nicht mehr 
als 18 Personen. 

40 Die zwanglose Art der Einladung bei den 
Griechen zeigt besonders der Anfang von Xeno- 
phons Symposion; Kallias begegnet Sokrates und 
seinen Begleitern auf der Strasse und fordert sie 
ohne weiteres auf, mit ihm zu speisen. Schon 
bei Homer kommt zum Gastmahl Agamemnons 
Menelaos als ungeladener Gast, avrofiarog. Dies 
ist auch spater ganz gewohnlich. So Aristodemos 
bei Plat. symp. 174 b {axlrjrog). Liician. conv. 12. 
Parasiten und Spassmacher fiihrten sich auf diese 

50 Weise ein; so Philippos in Xenophons Symposion. 
Besonders aber war es tiblich, dass ein Geladener 
noch einen anderen mitbrachte, wie Sokrates bei 
Plat. a. O. den Aristodemos. Nach Alexis bei 
Athen. XII 510 a war bei den Kyrenaeern diese 
Sitte besonders stark entwickelt. Aus Plut. qu. 
conv. VII 6, der dieselbe ausfuhrlich bespricht, 
erfahren wir, dass es iiblich war, den Ehrengast, 
namentlich wcnn er ein Fremder war, so einzu- 
laden, dass man ihm die Einladung einer be- 

60 stimmten Zahl von Mitgasten uberliess. So lud 
Kleopatra den Antonius /(£#' wv ifiovXero; das 
Mahl war aber fur 36 bereitet. Athen. IV 147f. 
Diese Geladenen aus zweiter Hand hiessen km- 
yJ.tjToi, in Bom umbrae; bei Plut. a. O. ist axial 
wohl tjbersetzung. Unter naheren Freunden wird 
hierin grosse Freiheit geherrscht haben; sonst 
aber unterschied man Einladungen mit und ohne 
umbrae, und es war wohl nicht iiblich, sie ohne 



1205 



Convivium 



Convivium 



1206 



besondere Ermachtigung mitzubringen. Dies er- 
giebt sich aus Plut. a. O. 2 : xcd&v higovg i'Smxa 
note oxuig. So war zur Cena des Nasidienus, 
Hor. sat. II 8, Maecenas offenbar mit zwei Umbrae 
geladen und fiir diese der Platz vorgesehen. In 
der Einladung Hor. ep. I 5 wird 28ff. auch die 
Zahl freigegeben, aber um vorgangige Angabe 
derselben gebeten. 

Bei Homer sitzen die Teilnehmer eines C. auf 
Stiihlen, jeder mit seinem Tische vor sich, und 10 
zwaT i£s*»?s, Od. I 145. IX 8, in einer Eeihe, d. h. 
doch wohl an den Wanden des Megaron entlang; 
so bettelt auch Odysseus der Beihe nach, ivSe£ia, 
bei den Freiern herum, Od. XVII 365. Spater 
lag man durchaus auf Euhebetten, xXZvai (vgl. 
AsTxvov). Und zwar scheint man mit Vorliebe 
je zwei auf ein Buhebett gelegt zu haben. So 
beim Gastmahl des Attaginos, Herodot. IX 16, 
beiPlatons Symposion, 175 a. c und besonders 213 b. 
So standen auch in dem Zeit des Ptolemaios Phila- 20 
delphos vor jeder Kline zwei xQinoSeg, Athen. V 
197 b; es hatte also auch von den auf einer Kline 
gelagerten jeder seinen Tisch. Es gab aber auch 
Euhebetten fur drei, sieben, acht Personen: rgl- 
xhvov, zniaxhvov, oxrdxhvov; s. hieriiber KXivr). 
Uber die Art, wie die Klinen aufgestellt wurden, 
erfahren wir wenig; es ist aber wohl anzunehmen, 
dass sie hufeisenfOrmig an den Wanden des Speise- 
zimmers mit Ausnahme der Eingangswand standen. 
Ausdrucklich bezeugt ist dies wohl nur aus spater 30 
Zeit bei Lucian. conv. 8. 9. Aber im Zeit des 
Philadelphos, wo sie nur an den Langswanden 
stehen, wird das Fehlen derselben an der Riick- 
wand besonders motiviert, indem namlich hier 
eine vermutlich grosse Kline zur Ausstellung von 
allerlei Gerat stand. Ferner wird Athen. II 47f. 
fur xstq&xIivoi wohl Titvxaxhvoi zu lesen sein, so 
dass gesagt ist: es giebt Speisezimmer fiir 3, 5, 
7, 9 u. s. w. Betten, wobei die ungeraden Zahlen 
wieder darauf deuten, dass eines an der Schmal- 40 
wand, die anderen an den Langwanden standen; 
der Mittelraum blieb frei fur die Bedienung. Bei 
den BOmern war durchaus die hufeisenformige 
Anordnung dreier Lecti fiir je drei Personen, als 
Triclinium (s. d.) um einen gemeinsamen Tisch 
iiblich, wie namentlich aus den Speisezimmern 
und den in den Garten aufgemauerten Speise- 
betten in Pompeii erhellt. Wo ein Triclinium fur 
die Zahl der Gaste nicht ausreichte, wurden ihrer 
mehrere aufgestellt, Macrob. Ill 13, 11. So auch 50 
bei Volksspeisungen auf dem Fomm, Liv. XXXIX 
46, 2 (183 v. Chr.). Cic. pro Mur. 75. CIL XIV 
375. Es waren also auch die 22000 jgixhva 
Caesars (Plut. Caes. 55) Triclinien, nicht, wie 
der griechische Sprachgebrauch eigentlich ver- 
langt, Lecti fiir je drei Personen. Spater tritt 
an die Stelle der drei Lecti das halbrunde Sigma 
(s. d.) um einen runden Tisch; es ist schon bei 
Martial (z. B. X 48, 6) das gewohnliche Speise- 
lager. Es ist griechische Sitte, wenn Trimalehio, 60 
Petron. 34, jedem seiner Gaste einen besonderen 
Tisch vorsetzt. 

Es war wohl vorherrschende Sitte, dass der 
Wirt den Gasten ihre Platze anwies, wie Aga- 
thon in Platons Symposion; bei den BOmern ge- 
schah dies in vornehmen Hausern durch den No- 
menclator, Athen. II 47 e, wo es als ein Vorzug 
des Mahles unter Freunden bezeichnet wird, dass 



jeder Platz nimmt, wo er will; so auch Lucian. 
Cronosol. 17. Plutarch qu. conv. I 2 erCrtert 
ausfuhrlich diese Sitte; nach seiner Ansicht soil 
man unter naheren Fieunden jeden Platz nehmen 
lassen, wie er kommt, wenn man aber Respects- 
personen zu Gast hat, die Platze anweisen; er 
giebt Batschlage, wie man die dabei entstehen- 
den Empflndlichkeiten vermeiden kann. Von diesen 
ist 6fter die Rede, Plut. VH sap. 3. Lucian. 
conv. 9; deor. dial. 13, 1. Plutarch a. O. I 3 
spricht auch fiber die Platze, die fiir die ehren- 
vollsten galten: bei den Griechen im allgemeinen 
der erste am Ende des Hufeisens rechts fur den 
Davorstehenden, entsprechend dem rBmischen sum- 
mits in summo (s. Triclinium); in Herakleia 
am Pontus der mittelste; bei den BOmern der 
letzte auf dem mittleren Lectus (loeus consularis, 
praetorius, imus in medio), wahrend der Wirt 
summus in imo lag und die beiden Platze rechts 
von ihm (unter ihm) als die mindest geehrten 
seinen Familienangehorigen, auch wohl einem Frei- 
gelassenen zufielen. Bei Petron. 38 ist libertini 
locus der letzte Platz, imus in imo. Im iibrigen 
geht die Bangordnung von links nach rechts oder, 
nach antikem Sprachgebrauch, von oben nach 
unten, und die erwahnten Empflndlichkeiten drehen 
sich darum, dass einer nicht ,unter' einem Geringe- 
ren liegen will. Es kommt aber auch bei den 
Griechen die Auffassung vor, dass, wie bei den 
Bomern, der Ehrenplatz neben dem Wirt ist, 
Theophr. char. 21, naturlich ,uber' ihm. Am Sigma 
sind nach Iuvencus HI 614ff. die Ehrenplatze 
die an den Enden, cornua. Etwas anders und 
wohl genauer Sidon. ep. I 11, aus dem J. 461: 
der Kaiser ruht am rechten Ende (fur den aus 
demHalbrundHinaussehenden),man kann zweifeln, 
ob als der Vornehmste oder als der Wirt, letzteres 
ist aber wahrscheinlicher; am linken Ende, pri- 
mus, der Consul ordinarius als Ehrengast. Wieder 
anders Gregor von Tours (540—594) mirac. I 80; 
der Arianer nimmt far seinen Priester den Ehren- 
platz in Anspruch und cum presbytero dextrae 
partis cornu oecupat, d. h. doch wohl, er selbst 
ruht als Wirt am rechten Ende, der Priester ,iiber' 
ihm; der katholische Priester erhalt den linken 
Endplatz und die Frau des Wirtes sitzt auf einem 
Stuhle neben ihm. Hier sind also zwei Ehren- 
platze: der erste links und der vorletzte rechts, 
neben dem Wirt, und zwar ist dies der vorzfig- 
lichere. Vgl. Eustath. II. VI 241 : axqot xa&r)vtat 
ot agiorot. 

Es gait fflr schicklich, vor dem C. Toilette 
zu machen. So geht Socrates, Plat. symp. 174 a, 
zum C. des Agathon gebadet und gegen seine 
Gewohnheit beschuht; vgl. Xen. symp. I 7. Von 
einer eigenen Tracht fur solche Gelegenheiten bei 
den Griechen erfahren wir nichts, wohl aber bei 
den BOmern ; es ist die bei Martial oft genannte 
synthesis (s. d.); nach Cass. Dio LXIXI 13, 3 
{yjTwviov av&irov) vgl. mit Suet. Nero 55 (syn- 
tfiesina) wohl eine kurze bunte Tunica; vgl. Mar- 
tial. H 46. Sie wird weder vor Nero noch nach 
der Zeit Martials erwahnt; in den Arvalacten 
19. Mai 91; spater heisst es hier (27. Mai 218. 
219; 17. Mai 241) und sonst mit allgemeinerem 
Ausdruck cetiatjfrium, wie auch schon bei Martial. 
X 87, 12. XIV 135. In den Arvalacten wird 
das Cenatorium als weiss bezeichnet, doch kann 



1207 



Convivium 



Cooptatio 



1208 



dies ein besonderer Gebrauch der Arvalen oder treibung bei der Bewirtung des Antonius durch 

iiberhaupt der Priester gewesen sein. Zur Zeit Kleopatra, wo die Gaste aucil die Ruhebetten zum 

Martials (V 79, 2) pflegten elegante Leute wahrend Geschenk erhalten , Athen. IV 148 a. Ahnlich 

der C. die Synthesis Ofter zu wechseln. Ferner die goldenen Kranze raid Salbenflaschchen bei 

trug, wer zum C. ging, statt der Stiefeln (ealcei) Petron. 60; sonst tritt diese Vorstellung bei den 

Sandalen (soleae) , d. h. doch wohl , er ging in rsmischen Apophoreta nicht hervor. Ubrigens 

griechischer Tracht. Der tribulis Hor. ep. I 13, 5 sind dieselben bei Martial. XTV zum Teil recht 

tragt sie, um sie zu sehonen, unter dem Arm und kostbar: Sclaven verschiedenen Berufs, goldenes 

wird sie wohl erst im Vorzimmer anlegen, um sie und silbernes Geriit und anderes. Vgl. Hist. Aug. 
sich dann gleich im Speisezimmer wieder abnehmen 10 Veras 5, 2 — i; Heliog. 22. 
zu lassen. Bei den Griechen war das Symposion seit Xeno- 

Denn dem Kommenden werden zunachst die phon und Platon eine beliebte Litteraturform, 

Sandalen abgenommen, vito&vnv Plat. symp. 213 b, indent Philosophen und spater auch Grammatiker 

und die Fiisse gewaschen; dann erst legt er sich irgend welche Fragen in der Form von Tisch- 

auf die Kline, vorher sitzt er, a. 0. 175 a. Schon gespr&chen behandelten. Erhalten sind solche 

der Sohn des Phokion trieb solchen Luxus, dass Sehriften von Plutarch, Lukian, Athenaios, Iulian, 

cr seinen Gasten die Fiisse mit gewurztem Wein Macrobius und noch von dem 312 n. Chr. ver- 

waschen liess, Plut. Phok. 20. Auch bei den storbenen Methodius, Bischof von Tyrus. Doch 

Remern soleas deponere (Mart. Ill 50, 3), demere schrieben Symposien und ahnlich betitelte Schrif- 
(Plaut. Trucul. 367), und zum Schluss soleas 20 ten noch viele andere ; die bekanntesten sind Ari- 

poscere, Hor. sat. II 8, 77. Plaut. Most. 384. stoteles, Speusippos, Epikuros, von Grammatikern 

Aber bei Plin. ep. IX 17, 3 heisst es doch calceos Herodian und Didymos. S. fiber diese Litteratur 

poscunt, und Schuhe sind es auch, die auf dem M. Schmidt Didymus Chalcenterus 368. Platon 

pompeianischen Bilde Bull. d. Inst. 1885, 246, 13 Sympos. ed. Hug XVHI. [Mau.] 

dem ankommenden Comissator abgenommen wer- Cooptatio ist der technische Ausdruck fur 

den. Zum Abnehmen und Bewahren der Sandalen die Selbsterganzung einer KOrperschaft und steht 

brachte man einen Sclaven mit, der wahrend des im Gegensatze zu jeder Bestellung durch ausser- 

C. an der Eiickseite des Lectus, ad pedes, stand halb der Corporation stehende Factoren, sei es 

oder sass, Sen. de benef. Ill 27, 1. Martial. XH vermittels Wahl, sei es vermittels Ernennung; 
87, 2. Petron. 54. 68; an alien diesen Stellen ist 30 sie ist ihrer Wesenheit nach nie rein constitute, 

deutlich, dass es ein Sclave des Gastes ist; vgl. sondern immer nur supplierend, setzt also fur ihre 

Petron. 64. Plut. qu. conv. VII 8, 4. Lucian. Anwendung ein Ganzes schon voraus (daher un- 

conv. 36. Die Romer liaben diese Sitte von den genau Cic. de rep. II 16 von der Begrilndung des 

Griechen ubernommen; auch die Gaste des Kara- Augurates durch Romulus: ex singulis tribubus 

nos, Athen. IV 148 d.e, haben ihre Sclaven bei singulos cooptavit augures). Die C. gelangt zur 

sich, denen sie die empfangenen Geschenke uber- Anwendung in weitem Umfange bei der Ergan- 

geben. zung der collegia sacerdotum (s. o. S. 382f.), wo 

Uber den weiteren Verlauf des C. , nament- von ihr nur ausgeschlossen sind einerseits die der 

lich das Materielle desselben , ist hier nicht zu captio durch den Pontifex maximus (s. o. Bd. HI 
handeln; s. dariiberCena, Comissatio, /isin-iQS. 1509) unterliegenden kleineren Priestertumer 

vov. Zu erwahnen ist aber die Sitte, Speisen mit des pontificalen Amtskreises (Flamines, Res sa- 

nach Hause zu nehmen. Sie erscheint in unseren crorum, Virgines Vestales), andererseits, wie es 

Nachrichten wohl zuerst beim Hochzeitsmahl des scheint, die sacerdotia equestria der Kaiserzeit 

Earanos, wo die Gaste das, was sie nicht essen, (Mommsen St.-R. Ill 569). Bei alien iibrigen 

ihren Dienern hinreichen, Es werden sogar Speisen Priesterschaften gehOrte die Ausftillung der durch 

aufgetragen, die nur hierfiir bestimmt sind — fur Tod oder Exauguration von Mitgliedern entstan- 

jeden Gast eine junge Ziege — und der Wirt denen Liicken durch C. zur altesten Sacralver- 

liefert kostbare KCrbe zum Transport derselben. fassung (Dion. Hal. II 73 exXmovzog &s zivog 

Bei den Romern nahm der Sclave ad pedes die avzwv zbv (Siov freoog ck zbv exzivov xadiozazcu 
Speisereste in einer Serviette mit (s. Xeigofiax- 50 xonov ov% vnb tov dy/iov aigs-ftsk all' fct' avzwv 

zqov). In kleinen Verhaltnissen bezog sich diese ty.eivcov, og av sxiznSetozazog elrai doxij za>v no- 

Sitte wohl wesentlich auf Obst und Siissigkeiten hzcbr, von den Pontifices) -^ sie ist direct bezeugt 

des Naehtisches; diese mitzunehmen war allge- fur die Pontifices (Liv. XXXIX 46, 1. XL 42, 

mein iiblich, Petron. 60. 66. Schol. Iuv. VI 203. 11. Suet. Nero 2), die Augurn (Liv. XL 42, 13. 

Aber auch das Mitnehmen anderer Speisen war Cic. Brut, 1. 101; Philipp. XIII 12; epist, III 

offenbar unanstossig, nur uber den Missbrauch 10, 9. Plin. epist. IV 8, 3), die Epulonen (Liv. 

wird vielfach geklagt, Lucillius (Zeit Neros) Anth. XL 42, 7), die Decemviri sacris faciundis (Liv. 

Pal. XI 205. 207. Martial. H 37. HI 23. VH 20. XL 42, 12) und die Fratres Arvales (Hen z en 

Lucian. conv. 36. Acta fratr. Arval. p. 150ff.). Wenn auch der 

Uber die den Gasten mitgegebenen Geschenke 60 freiere Spraehgebrauch das Verbum cooptare haufig 

s. Apophoreta. Dem dort Gesagten sind hin- auf den einzelnen abstimmenden Priester anwendet 

zuzufugen die Geschenke, die die Gaste des Ka- (z. B. Cic. Brut. 101. Plin. epist. IV 8, 3j, so 

ranos, Athen. IV 128 eff., erhalten: goldene Kopf- kommt es doch streng genommen nur dem ganzen 

binden, eine silberne Trinkschale, sonstiges bronze- Collegium oder noch richtiger dem Obmanne des- 

nes und silbernes Tischgerat, goldene und silberne selben zu; daher lautet bei den Arvalbrudern die. 

Salbenflaschchen. Der hier zu Grunde liegende Formel in der alteren Zeit magister cooptavit, 

Gedanke , dass das , was der Gast benutzt hat, in den jiingeren Protocollen fratres Arvales per 

nun ihm gehCren soil, erscheint in sinnloser Uber- magistrwm cooptarunt (s. o. Bd. II S. 1469). 



1209 



Cooptatio 



Cooptatio 



1210 



Die Abstimmung des einzelnen Priesters (mea fratrem Arvalem cooptarunt et ad sacra voca- 
nommatime cooptabo Cic. Phil. XIH 12; qui verunt; ibique tabulae apertae signo signatae 
me nominationis die per hos eontmuos armos quod exprimit e[ajput Aug(usti), in quibus scrip- 
inter sacerdotes nominabat, tamqttam in locum turn fuit: imp(erator) Ga[e]sar Traianus Ha- 
suum cooptaret Plin. a. a. O.), die dieser voll- drianus Augfustus) fratribm Arvalibus collegis 
zieht unter der eidlichen Versicherung, nach bestem $[ui]s saMem. in locum _ Q. Bitii Proculi eol- 
Wissen und Gewissen den Wurdigsten zu nennen legam nobis mea sententia coopto P. Manlium 
(Cic. Brut. 1 iuratus indicium dignitatis meae Carbonem). So hatte sich aus der Stimme, die 
fecerat. Suet. Claud. 22 in cooptandis per col- der Kaiser als Mitglied des Arvalencollegiums 
legia sacerdotibus neminem nisi iuratus nomi- 10 wie jedes andere abzugeben befngt war, ein Vor- 
navit), heisst nominatio (s. &.), zu ihr verhalt schlagsrecht entwickelt, das ebenso bindend war, 
sich die C. ebenso wie die renuntiatw (s. d.) zum wie die bei Besetzung der magistratischen Amter 
Wahlacte der Comitien, sie ist die rechtsverbind- vom Kaiser geubte commendatio (s. d.), und wie 
liche Verkundigung des Ergebnisses, die darum sich die auf Grund dieses letztgenannten Actes 
in feierlicher Form (habita sollemni precatione ins Amt gelangten Magistrate selbst als candi- 
bei den Arvalen, die Formel mitgeteilt im Pro- dati prineipis bezeichnen (s. o. Bd. HI S. 1469ff.), 
tocolle des J. 218, CIL VI 2104b 21ff.) geschieht so wird auch in den Mitgliederlisten der Priester- 
und an die sich dann alsbald die Inauguration schaften (z. B. CIL VI 2004—2009) den auf 
(bei den Arvalen ad sacra voeatio) anschliesst. Grund kaiserlicher Empfehlung Cooptierten die 
Als dann durch die lex Domitia de saeerdotiis 20 Notiz ex litteris (imperatoris) beigefiigt. 
vom J. 651 = 103 die Wahl der Priester der Auf dem Gebiete der Magistrate ist die C. 
quattuor amplissima collegia an die Quasicomi- nachweisbar nur bei derjenigen Obrigkeit, die 
tien der siebzehn Tribus iibertragen worden war allein ein collegium im vollen technischen Sinne 
{cooptatio collegiorum adpopuli beneficium trans- bildet (s. o. S. 381f.), bei den Volkstribunen. Dass 
ferebatur, Cic. Lael. 96), schob sich dieser Wahl- bei diesen in alterer Zeit, falls die voile Besetzung 
act zwischen Nomination und Cooptation in der aller Stellen nicht durch eme Wahl zu stande 
Weise ein, dass die erstere aus einer Wahl zu kam, die Erganzung durch C. seitens der recht- 
einer Prasentation wurde (fiber das einzelne s. massig gewahlten Tribunen statthaft war, ist 
Art. Nominatio), die C. aber nur noch eine Re- nicht zu bezweifeln; Liv. HI 64, 10 giebt die 
nuntiierung des Gewahlten vor dem Collegium be- 30 ursprungliche Rogationsformel : tribunos plebei 
deutete (Cic de leg. agr. II 18 hoc idem de sa- decern rogabo; si qui vos minus hodie decern 
cerdotiis On. Domitius tribunus plebis tulit, tribunos plebei feeeritis,_ turn ut ii, qitos hi sibi 
quod populus per religionem sacerdotia mandare collegas cooptassint, legitimi eadem lege tribuni 
non poterat, ut minor pars populi vocaretur; ab plebei sint, ut illi, quos hodie tribunos plebei fe- 
ea parte qui esset foetus, is a eollegio eoopta- eeritis. Aber nachdem noch im J. 305 = 449 
retur). Seit Tiberius ging dieser Wahlact wie die nach dieser Regel verfahren worden war und funf 
iibrigen Wahlen der Comitien auf den Senat in gewahlte Tribunen sich eben so viele Collegen 
der Weise fiber, dass die comitia sacerdotum cooptiert hatten (Liv. ni 64, 8—65, 1), machte 
nur noch zusammentraten, um die renuntiatio im folgenden Jahre ein Gesetz des Volkstribunen 
der durch den Senat gewahlten Priester entgegen- 40 L. Trebonius diesem Brauche ein Ende durch die 
zunehmen ; dass auch im Collegium selbst die C. Anordnung, ut qui plebem Bomanam tribunos 
als Verkundigungsact noch vollzogen wurde, ist plebi rogaret, is usque eo rogaret, dum decern 
zwar nicht bezeugt, aber unbedingt anzunehmen. tribunos plebi faeeret (Liv. Ill 65 , 4). Wenn 
In den durch die Lex Domitia nicht betroffenen auch spater noch cinmal ein Beispiel von C. zweier 
Priesterschaften, zu denen u. a. die Fratres Ar- Tribunen bei nicht zu Ende gefuhrter Wahl vor- 
vales gehoren, bestand der Cooptationsact in der kommt (Liv. V 10, 10—12, 2 aus dem J. 353 = 
alten Form weiter, wurde aber wesentlich beein- 401 ; die bei Liv. IV 16, 3f. erzahlte Geschiehte 
flusst durch das (ubrigens auch bei den Priester- von der C. eines elften und zwar patricischen 
wahlen des Senates sich stark geltend machende) Tribunen im J. 315 = 439 ist apokryph) und 
kaiserliche Commendationsrecht; wahrend die alte- 50 Augustus nach tbernahme der tribunicia po- 
sten Cooptationsprotocolle der Arvalbriider die testas auf die alte Gepflogenheit zuriickgegnffen 
C. als das Ergebnis einer von den Anwesenden hat, um sich in Agrippa und Tiberius je auf 
mfindlich, von den Abwesenden schriftlich (per langeTe Zeit geeignete Collegen zu cooptieren 
tabellas cooptarunt [impferatorj Caesar] Augu- (Suet, Aug. 27 triimnieiam potestatem perpetuam 
stus, Ti. Caesar Augusti f, Oermanicus [Cae- recepit, in qua semel atque iterum per singula 
sar Ti. f.], Pazdlus Fabius Maximus, CDL VI lustra collegatn sibi cooptavit, s. zu der Stelle 
2023a 15) vollzogenen Abstimmung erkennen Mommsen Res gestae divi Augusti 2 p. 31), so 
lassen, geht die Sache seit der Zeit des Caligula ist doch rechtlich mit dem trebonischen Plebiscit 
haufig vielmehr so vor sich, dass ein die C. einer die C. aus der Bestellung der Magistrate ver- 
bestimmten Personlichkeit enthaltendes Schreiben 60 schwunden. Denn Mercklins Versuch (Coop- 
des Kaisers verlesen wird und dann, wohl ohne tation 183ff.), die C. auch innerhalb der patri- 
weitere Abstimmung, die C. des Genannten durch cischen Magistrate in weitem Umfange nachzu- 
den magister erfolgt (z. B. CIL VI 2080, 22ff. weisen, und die Auffassung der Ernennung des 
habita sollemni precatione per C. Vitorium Ho- Dictators als C. durch die Consulu (Mommsen 
sidium Getam magfistrumj in locum Q. Bitti St.-R. I 209) finden weder in der uberlieferten Ter- 
Proculi P. Manlium Carbonem ex litteris im- minologie noch in dem sonst deutlich erkennbaren 
p(eratoris) Caesaris divi Traiani Parthici f(ili) Wesen der C. eine Stiitze; dass die Ernennung 
divi Kervae nepotis Traiani Eadriani Aug(usti) des Magister equitum durch den Dictator von 



1211 



Copa 



Cophinus 



1212 



Livius einmal (VI 38, 4) mit dem Worte cooptat 
bezeichnet wird, kann gegenliber der sonst im 
technischen Gebrauche ganz iiber wiegenden Aus- 
drucksweise magistrum eq. dieere (Mommsen 
St.-R. II 166, 8) nichts beweisen. 

Als untechnisch muss die Anwendung des 
Wortes c. fur die Erganzung des Senates (vgl. 
Mommsen St.-E. Ill 855, 4) angesehen werden 
(Cic. de leg. Ill 27 sublata cooptatione censoria; 
de div. II 23 in eo senatu, quern, maiore ex parte 10 
ipse eooptasset), die namentlich mit Beziehung 
auf municipale Verhaltnisse nicht selten begegnet 
(Capua Liv. XXHI 3, 5; Puteoli Cic. Gael. 5; 
Halaesa, Agrigentum, Heraclea Cic. Verr. II 2, 
120—125. Lex Iulia munic. CIL I 206 Z. 85f. nei 
quis eorum quefmj in eo mtmicipio . . . [in] sena- 
tum decuriones conseriptosve legito neve sublegito 
neve eoaptato neve reeitandos curato), ebenso wie 
vereinzelt auch von einer cooptatio in patres (Liv. 
IV 4, 7) oder in patricios (Suet. Tib. 1) die Eede 20 
ist. Im spateren Sprachgebrauche lasst sich an 
zahlreichen Beispielen erkennen, wie das Verbum 
cooptare in die Begriffssphare von adoptare iiber- 
greift und an seine Stelle tritt (z. B. Apul. met. 
IV 26 quern, filium publicum omnis sibi civitas 
eooptavit. Flor. II 15, 2 cooptationem Iuliae 
gentis inhibere, mit Beziehung anf Octavian. Aurel. 
Vict. Caes. 41, 9 Martiniano in imperium eo- 
aptato; epit. 12, 9 Traianum in liberi locum 
inque partem imperii eooptavit) ; besonders deut- 30 
lien tritt dies hervor bei der Ernennung von Pa- 
tronen der Gemeinden (Mommsen Stadtr. von 
Salpensa und Malaca 452ff.) und Collegien (L i eb e- 
nam Vereinswesen 212ff., s. auch o. S. 424f.), 
fur welche noch die ciceronische Zeit allein den 
technischen Ausdruck patronum adoptare kennt 
(Cic. Seat. 9; Phil. II 107. VI 13, namentlich 
aber die Lex colon. Genet. CIL II 5439 c. 97. 
130. 131), wahrend spater die zuerst in einer In- 
schrift vom J. 742 = 12 (CIL VIII 68) nach- 40 
weisbare Wendnng patronum eooptaverunt die 
Tabulae Patronatus unbedingt beherrscht (Momm- 
s|en Ephem. epigr. II p. 147). 

Litteratur: Borghesi Memorie dell' Instit. 
I (1832) 272ff. 292ff. = Oeuvres III 409ff. 428ff. 
L. Meicklin Die Cooptation der Rdmer, Mitau 
und Leipzig 1848. A. Gemoll De cooptatione 
sacerdotum Eomanormn, Berolini 1870. W. Hen- 
zen Acta fratr. Arval. p. 154f. Mommsen St.-E. 
12 208ff. na 23ff. 1057f. [Wissowa.] 50 

Copa s. Vergilius. 

Cophantus (oder Cophas, dat. Cophanti), Berg 
in Bactriana, dessen Gipfel bei Nacht brennt oder 
leuchtet; Plin. II 237. Im Berggebiet siidlich 
vom Zarafsan, zur Bechten des Fan-darya, giebt 
es eine Anhohe, aus deren Schluchten Schwefel- 
dampfe und zuweilen helle Flammen hervordringen, 
Anzeichen von brennenden Schwefel- und Kohlen- 
lagern im Innern des Berges ; auch die arabischen 
Autoren wissen von leuchtenden Dampfen im 60 
Buttamgebirge (= Fan-tan) zu erzahlen: S.-Ber. 
Akad. Wien LXXXVII 87ff. [Tomaschek.] 

Cophinus (y.6<ptvog, mit langem i erst bei 
Nonn. Pan. met. ev. Ioann. VI 52), ein einfacher, 
starker, topf- oder sackfcrmig gestalteter, aus 
Weidenruten oder andern jungen Zweigen gefloch- 
tenerKorb; heute neugriechisch y.o<pinov — Korb, 
italienisch cofano = mehr tiefer als breiter Korb 



mit fiachem Boden und eoffa = Ballastkorb, fran- 
zOsisch eoffre, wovon unser ,Koffer' (fiber andere 
romanische Formen s. G. KOrting Lat.-roman, 
WOrterb. 1891, 220). H. Lewy (Die semit. 
Fremdw. im Griech. 1895, 115) leitet das Wort 
wohl mit Eecht aus dem Semitischen her, da es 
sich mit hebraisch )§h hofen fur *hgfn ,hohle 
Hand, eigentlich aber bios Hchlung' vergleichen 
lasse. In der Sprache des Talmud bezeichnet 
niSTp Kflrbe, in welchen Getreidegarben gesam- 
melt wurden (H. Vogelstein D. Landwirtsch. in 
Palaestdna z. Zeit der Misnah I 1894, 65), auch 
schalenformige KOrbe, in welchen Korner oder 
Stroh auf Lasttieren zu den Magazinen geschafft 
wurden, wahrend die quffi der arabischsprechen- 
den Fellachen im heutigen Agypten etwa 20 cm. 
Hohe und 50 cm. Durchmesser haben (ebd. 71 
Anm. 5). Etwa seit Beginn unserer Zeitrechnung 
war es bei den Juden Cultusbrauch, die fiir den 
Sabbat im voraus bereiteten Speisen und heisses 
Wasser in einem mit Heu gefilllten cophinus 
aufzubewahtfen (Iuv. in 14 u. Schol. VI 542 u. 
Schol.; vgl. H. Eonsch Jahrb. f. Philol. CXXLU 
1881, 692f. L.FriedlanderzuIuv.mi4), wes- 
halb Sidonius Apollinaris (ep. VII 6) sagen konnte : 
ordinis res est, ut Aegyptius Pharao ineedat 
eum diademate, Israelita cum, cophino. Und es 
ist vielleicht kein Zufall, dass hiefiir gerade diese 
Bezeichnung gebraucht ist. 

Einige Atticisten verwarfen das Wort xocpivog 
und wollten dafiir 8.q§ixos gesetzt haben (Bekk. 
An. gr. I 102, 1. Moir. 50), obwohl es von atti- 
schen Schriftstellern gebraucht war, wie denn 
auch ao'pixog als eine Art des xoqpivog erklart 
wird (Bekk. ebd. I 208, 25. 446, 30. Schol. Ar. 
av. 1309). Der C. war ein geflochtenes Gefass 
(Poll, VII 173. Isid. orig. XX 9, 9. Suid.), das 
tief und hohl (Etym. M. 534, 21), dem aQQiyog, 
einem Flechtwerk, worin Obst vom Lande in die 
Stadt getragen wurde, ahnlich war (Phrynich. bei 
Bekk. ebd. 67, 17) und zu den landwirtschaft- 
lichen Geraten gehQrte (Poll. I 245), wenn er 
auch andern Zwecken dienen konnte. So wurde 
er mit Federn angefiillt (Ar. av. 1310), wurde 
darin Diinger getragen (Xen. mem. ELI 8, 6. 
Plut. Pomp. 48. Poll. VII 134 ; vgl. Isid. 
a. a. O.; mit dem Zusatze stereoris bei Am- 
bros. de Isaac et vit. beat. I 1, 2. Schol. 
Leid. Iuv. Ill 14), sollten in xocpivoi von der 
Mauer einer belagerten Stadt Leute zum Aufsam- 
meln hinabgeschleuderter Steine herabgelassen 
werden (Aen. Tact. 38, 4), wurde ein xoqpivog bis- 
weilen in Boiotien einem insolventen Schuldner 
offentlich auf dem Markt iiber den Kopf gesttilpt, 
wodurch er ehrlos wurde (Nicol. Damasc. FHG 
III 458). In den Septuaginta wird das Wort 
gebraucht fur einen bei der Ziegelanfertigung 
durch die Israeliten iu Agypten gebrauchten Last- 
korb (Ps. 80, 7; ebenso~Vulg. u. Isid. a. a. 0.) 
und zur Aufbewahrung des Fleisches eines jungen 
Ziegenbockes (lud. 6. 19). Ferner wurden Speise- 
reste in einem y.otpivog gesammelt (Lucillius in 
Anthol. Pal. XI 207. 3. Math. 14, 20. Marc. 6, 
43. 8, 19. Luc. 9, 17. Joh. ev. 6, 13, dvwdexa 
y.iiyj.a xoyivwv bei Nonn. Pan. a. a. 0. Poll. VI 
94. Sibyll. orac. bei Lactant, inst. IV 15, 17). 
Bei der Obsternte wurde ein y.arpivog gebraucht 
(Poll. X 129; vgl. Geop. VI 11, 1); junge Hiihner 



1213 



Copia 



Coponius 



1214 



1 

i 



wurden in ihm gehalten (Geop. XIV 8, 3. 9, 1, 
wofur ein cribrum gebraucht bei Col. VLU 5, 
16); ein langer x6<pivog diente, in ein mit gesal- 
zenen Fischen gefulltes Gefass gesetzt, als Sieb, 
um das abgesonderte y&Qov aufzunehmen (Geop. 
XX 46, 2); in ihm oder wie heute in Topfen wur- 
den fruhzeitige Gurken (ebd. XII 19, 3. 4; vgl. 
Col. XI 3, 51; in tMmqoi bei Theophr. c. pi. V 
6, 6) oder Eosen gezogen (Geop. XI 18, 4), 



bei den Schriftstellern oft der Eigenname zu 
setzen, wo die Ausgaben den Gattungsnamen 
bieten, z. B. Hor. c. I 17, 14; epist. I 12, 28. 
Ihr Attribut ist das Fullhorn (eornu Oopiae 
Hor. c. saec. 60; ep. I 12, 28. Plin. n. h. praef. 
24. Gell. I 8, 2. XIV 6, 2, spater in einem Worte 
cornucopia; vgl. Amm. Marc. XXII 9, 1), von 
Hause aus ein griechisches Symbol (xsgag 'AfiaX- 
faiag), das auf die rOmische Gottin iibertragen 



Bei den Boiotern endlich war der xoyivog em 10 wurde und in dem die spatere Legende das von 

a nrv t .i.... Hercules dem Acheloos abgenommene Horn er- 
kannte. Von einem Cult der C. berichtet nur 
eine Inschrift zu Avignon (CIL XII 6023) : Sex. 
Veratius \ Priscae I. PlothufsJ | Copiae v. s. I. m. 
Nacb der Gottin benannt und also unter ihrem 
Schutze stehend gedacht sind die Colonien Copia 
an Stelle von Thurii (im J. 561 = 193) und Lug- 
dunum (im J. 711 = 43), von denen die erste 
das Fullhorn im Stadtwappen fuhrt (Mionnet 



Mass zu drei Choen, d. h. ein Mass von 9,09 Liter, 
fiir Trockenes wie Flussiges (Strattis bei Poll. IV 
169; vgl Geop. IX 10, 1. 8. Hesych. F.Hultsch 
Gr. u. r. Metrol.2 1882, 542). 

Von den EOmern wurde das Wort schon spa- 
testens in der erst-en Halfte des 1. Jhdts. v. Chr. 
ubernommen, da Laberius einem Mimus den 
Namen C. gab (bei GeU. XVI 7, 2. Non. 544, 
26) 



Identiflciert wird spater xotptvog (Corp. gloss. 20 Descr. de me"d. I nr. 697f. ; Suppl. II nr. 872f. 



lat. II 166, 15. 354, 32. Ill 322, 13. 461, 68; 
vgl, quasiUarius III 461, 74) oder eofinus (IV 
319, 47. 383, 13. Schol. Iuv. EI 14) mit qualus, 
bezw. qualum, xoyivog (Corp. gloss, lat. II 354, 
32) oder cophinus (Schol. Leid. Iuv. a. a. 0.) mit 
cordis und xotpivog mit corbula (Corp. gloss, lat. 
ebd. u. II 492, 65). Ausser den schon genannten 
Schriftstellern gebraucht noch Vegetius C. fur 
einen Korb, in welchem die Beutel mit der Halfte 



In spaterer Zeit tritt C. neben Fortuna und Abun- 
dantia in den Hintergrund, ihr Name lebt nur 
in ihrem Attribute fort. [Aust.] 

A copiis milltaribus oder castrensibus. 
Eaiserliche Unterbeamte dieses Namens kennen 
wir aus den Inschriften CIL VI 8537—8540 und 
Orelli 2922 (De la Berge bei Daremberg 
et Saglio Diet. I 1498). Lhres Standes waren 
sie kaiserliche Freigelassene oder Sclaven (Mom Hi- 



des den Soldaten einer Legion geschenkten Geldes30sen St.-E. IIS 1031, 2). Nach 0. Hirschfeld 



aufbewahrt (r. m. II 20), die beim Aufwerfen 
eines Grabens herausgenommene Erde fortgeschafft 
(ebd. 25), oder aus welchem Kreide in eine Art 
Eeitbahn geschtittet wurde (mulom. II 28, 38). 
E. Saglio giebt (bei Daremberg et Saglio 
Diet. 11497 fig. 1924 nach Dubois-Maison- 
neuve Introd. a l'e'tude des vases, pi. LIV 3) von 
der Malerei einer griechischen Vase, wo man Land- 
leute auf den Markt Lebensmittel tragen und Tiere 
fiihren sieht, die Abbildung eines Mannes, welcher 40 



auf den Schultern eine Stange wie eine Eimer- 

trage tragt, an welcher auf jeder Seite ein lang- 

licher, nach unten ziemlich oval gestalteter Korb 

herabhangt. Ein anderer, von ihm nach einem 

pompeianischen Gemalde abgebildeter (fig. 1925 

nach Antich. d'Ercolano II p. 175), liegender, mit 

zwei Henkeln versehener Korb, aus welchem der 

nicht bestimmbare Inhalt (wohl Friichte) heraus- 

fallt, hat die Form eines langlichen Bienenkorbes 

oder einer umgekelirten hohen Kappe, scheint noch 50 zu ermitteln, 

durch einige gefiochtene Eeifen oder Bander grtis- 

sere Festigkeit zu erhalten und soil nach Saglio 

dem noch heute in den sudlichen Landern unter 

dem Namen cofin, coufin, italienisch cofino (co- 

fanot) gebrauchten Korbe ganz ahnlich sein. Auf 

dem Relief einer Brunnenrinne sind zwei Jiing- 

linge, welche mit Trauben gefullte KOrbe zu einem 

calcatorium (s. o. Bd. Ill S. 1339 iiber die Abb. 

bei Zoega und Panofka) tragen, dargestellt; 

diese Kerbe haben auch die'selbe Gestalt wie der 60 



(Jahrb. f. Philol. XCVII 695) hatten sie, da copiae 
bei Tacitus hist. H 32. Veget. Ill 3 und sonst 
,Proviant fiir das Heer' bedeutet, fiir die Ver- 
proviantierung zu sorgen. Doch blieb ihre Thatig- 
keit wohl auf das 1. Jhdt. der Kaiserzeit be- 
schrankt. [Fiebiger.] 

Copillos, Hauptling der Tectosagen in Gallien, 
650 — 104 von Sulla gefangen genommen (Plut. 
Sull. 4, 2)._ [Munzer.] 

Coplanium {KoTtkdviov), in Hispania Citerior, 



heutige cofano (s. auch Guhl und Koner Leben 
der Gr. u. Eom.6, herausg. von E. Engelmann 
1 893, Fig. 337 f.). [Olck.] 

Copia. 1) Copia Thurii s. Thurii. 

2) Eemische Personification der Fiille, ur- 
spriinglich wohl in Beziehung auf die Ertrage 
des Landbaus, in der Litteratur zuerst erwahnt 
bei Plautus (Pseud. 671. 736), wahrseheinlich ist 



Gefild mit Bergen und Hiigeln in der Nahe von 
Pallantia (s. d.), nur in der Erzahlung vom numan- 
tinischen Krieg, die auf Polybios und den an jener 
Stelle genannten Teilnehmer und Geschichtschrei- 
ber dieser Ereignisse, den damaligen Tribunen 
P. Rutilius Eufus zuriickgeht, bei Appian er- 
wahnt (Hisp. 88 i'v tivi jzedioj zijg IIaX).avxlag 
oro/ia Koxiavup). Der Name ist wohl entstellt 
oder nicht genau fiber lief ert; die Lage ist kaum 
ermitteln. [Hiibner.] 

Coponius. 1) Rdmischer Bildhauer aus der 
ersten Halfte des letzten Jahrhunderts v. Chr. 
Die beim Theater des Pompeius aufgestellten Per- 
s oniric ationen von vierzehn Nationen, niimlieh der 
von Pompeius unterworfenenVClkerschaften, waren 
sein Werk. Varro bei Plin. n. h. XXXVI 41 ; 
vgl. SeiT. Aen. VIII 721. Suet. Ner. 46. Brunn 
Kunstlergesch. I 602. Overbeck Griech. Plast.* 
II 500. [C. Robert.] 

2) Coponius, rOmischer Eitter, wurde nach der 



Absetzung des Herodes Archelaus im J. 6 n. Chr. 
als erster Procurator (sTitxQOTiog; vgl. Hirschfeld 
S.-Ber. Akad. Berl. 1889, 326, der den Titel 
Praefect vermutet) cum iure gladii nach Judaea 
geschickt, zugleich mit dem Statthalter von Syrien, 
(P. Sulpicius) Quirinius, dem er unterstellt war. 
Sein Nachfolgef M. Ambivius starb noch vor 
Augustus (14 n. Chr.), Joseph, ant. Iud. XVII 



1215 



Coponius 



Cora 



1216 



133. XVIII ind. 2. 29. 31 (= Zonar. VI 3); bell. 
Iud. II 117; vgl. Dio LV 27, 6. [Stein.] 

3) C. Coponius. T. und C. Coponii, Enkel von 
Nr. 8 werden im J. 698 = 56 von Cicero (Cael. 
24; Balb. 53) als junge Manner von guter Bil- 
dung gerilhmt. 701 = 53 nahm einer von ihnen 
— es bleibt ungewiss, welcher — an dem par- 
thischen Feldzuge des Crassus teil, commandierte 
die Besatzung von Carrhae und nahm den Ober- 
feldherrn mit dem Beste seines Heeres nach der 
Niederlage in die Stadt auf (Pint. Crass. 27, 81). 
Der jiingere Bruder, C. Coponius, war 705 = 49 
beim Ausbruch des Biirgerkrieges Praetor und 
schloss sich an Pompeius an, der ihm im Februar 
befahl, sich mit den Consuln zu vereinigen raid 
nach Griechenland hiniiberzugehen (Denare mit 
der Aufschrift: C. Coponius pr[aetor] Momrn- 
sen Munzwesen 650. Cic. ad Att. VIII 12 A, 4). 
Er fiihrte mit C. Marcellus (s. oben Bd. Ill 
S. 2737 Nr. 217) zusammen den Befehl iiber 
die rhodisehen Scbiffe in der Flotte des Pom- 
peius , suchte 706 = 48 vergeblich den M. An- 
tonius am Ubergange nach Dyrrhachion zu hin- 
dem und bttsste sein Geschwader durch Sturm 
ein (Caes, bell. civ. Ill 5, 3. 26, 2. 27, Iff. Cic. 
div. I 68. II 114). Im J. 711 = 43 wurde C. 
von den Triumvirn auf die Proscriptionsliste ge- 
setzt, aber seine Gattin erlangte durch ihre Auf- 
opferung von Antonius seine Begnadigung (Appian. 
bell civ. TV 40 ohne Vornamen). Unter dem 
J. 722 = 32 erzahlt Veil, n 83, 3 von ihm: Co- 
ponius vir e praetoriis gravissimus, P. Silii 
soeer, cum recens tramfttga multa ac nefanda 
(L. Munatius) Planeus absenti Antonio in senatu 
obieeret: multa, inquit, mehercules fecit Anto- 
nius pridie quam tu ilium relinqueres. 

4) L. Coponius, Sohn eines L. aus der Tribus 
Collina, Senator, unterschrieb als Zeuge den Se- 
natsbeschluss, der iiber das Biindnis mit den Juden 
unter Hyrkan I. gefasst wurde und aller Wahr- 
scheinlichkeit nach ins J. 615 = 139 gehOrt (Joseph, 
ant. Iud. XIV 145). 

5) M. Coponius, hatte nicht lange vor 663 = 91 
einen Erbschaftsprocess mit M.' Curius, der da- 
durch Interesse gewann, dass beide Parteien durch 
hochberuhmte Anwalte vertreten waren, C. durch 
den grossen Juristen Q. Scaevola, sein Gegner 
durch den grossen Eedner L. Crassus (Cic. de or. 
I 180. II 140; Brut. 194). 

6) Q. Coponius. Als Beispiel altromischer 
Sittenstrenge fiihrt Plin. n. h. XXXV 162 an: 
Q. Coponium invenimus ambitus damnatum, quia 
vini amphoram dedisset dono ei, eui suffragi 
lotto erat. Vgl. Mommsen Strafrecht 668, 3 
und Nr. 7. 

7) Q. Coponius. Eine delphische Inschrift 
aus republicanischer Zeit, nach der Ansicht des 
Heiausgebers vielleicht noch vor 608 = 146 ge- 
setzt, meldet: [Id] xoivov zwv $wxzai[v] Kotviov 
Ko..a> . iov Kotviov vlov xqeo^evxtjv 'Postal \ [co]v 
dgerjj? Svtxev xal evvola? xrjg ! [s]i; avro 'Aizo?.- 
Xavi Ilv&twi (Haussoullier Bull. hell. VI 448). 
Da das Praenomen Q. bei den Cosconii anschei- 
nend noch nicht nachgewiesen ist, darf man viel- 
leicht eher Ko[n]d>[v]iov als Ko[ox]<b[v]iov er- 
ganzen; auch Nr. 6 kann in dieselbe Zeit ge- 
horen und vielleicht mit diesem Legaten identisch 



8) T. Coponius aus Tibur, Grossvater von 
Nr. 3 und Nr. 9, erhielt infolge eines gegen C. 
Papirius Maso erfolgreich durchgefiihrten Quae- 
stionenprocesses das rfimische Biirgerrecht (Cic. 
Balb. 53; vgl. Mommsen St.-E. Ill 642). Noch 
spater kommt der Name C. in Tibur vor (vgl. 
CIL XIV 3540. V 1027; vgl. Cauponii in Tibur 
XIV 3538. 3740). 

9) T. Coponius, s. o. unter Nr. 3. [Miinzer.] 
10 10) T. Coponius {Kamcbvioe) Maximus, Sohn 

des gleichnamigen Hierokeryx aus Hagnus, athe- 
nischer Archon 117—124 n. Chr., CIA III 2. Er 
war auch Priester des Demos und der Chariten 
und Agonothet der Kaisareen und Vorsteher der 
stoischen Schule, CIA III 661. Wohl nicht iden- 
tisch mit ihm (wie Dittenberger anzunehmen 
geneigt ist), sondern eher sein Sohn ist der Ephebe 
CIA III 1003. \y- Schoeffer.] 

Copori s. Capori. 
20 Cora {KoQa, Einwohner Goranus, Koqclvos), ur- 
alte feste Stadt am westlichen Abhange des Volsker- 
gebirges, jetzt Cori. Ihre Grtindung schreibt die 
Tradition teils mythischen Troianern (Dardanus: 
Plin. VI 63. Solin. 2, 7; Coras: Serv. Aen. VII 
670 672), teils den Latinern (Albanern: Diod. 
bei Euseb. chron. I 287 Schoene. Vergil. Aen. VII 
776. Origo gentis Bom, 17, 6) zu; noch andere 
hielten C. fur eine ursprunglich volskische, spater 
mit einer latinischen Colonie belegte Niederlassung 
30 (Liv. II 16, 8. 22, 2). Als Latiner betrachtete 
die Coraner auch Cato, wenn er (frg. 12 Jord., 
bei Prise. IV 4, 21) sie unter den Mitbegrundern 
des Heiligtums der Diana bei Aricia auffuhrt, 
ebenso Dionys. Ill 34 oder seine Quelle, wenn er 
als einen der Fiihrer der albanischen Stadteliga 
gegen Tullus Hostilius ien'Ayxog IIovjiXiHtog in 
aohscos Kooas nennt. In den unklaren und durch 
Wiederholungen getriibten Notizen iiber dieKriege 
Roms mit den Nachbarstaaten nach Sturz der 
40 Kenigsherrschaft erscheint C. unter den Feindcn 
der ROmer (Liv. II 16. 22; vgl. Propert. V 10, 26 
captae iugera tenia Corae). Der Name der Coraner 
kommt vor im Foedus Cassianum bei Dionys. V 61 
(Koqvfiv die Hs.); im J. 330 wird ein Einfall der 
Privernaten in das Gebiet von C. und Zerstiirung 
der Stadt gemeldet (Liv. VIII 19, 5). Die Silber- 
(und zweifelhaften Kupfer-)Miinzen von C. stam- 
men spatestens aus dem 5. Jhdt. der Stadt. Momm- 
sen Kom. Munzw. 210. 311. 319. CIL 1 12. Gar- 
50rucci Monete dell 1 Italia II 74. Spater wird C. 
von den Schriftstellern selten erwahnt (Liv. XXVI 
8, 10. 11 Appiae vieina. Strab. V 237. Luean. 
VII 392 Zerstiirung im Biirgerkriege unter Marius 
und Sulla. Flor. I 11, 6 Cora — quis credat — 
et Alsium terrori fuerunt [wo die Lesart Sora 
der Hs. nicht dadurch gestutzt wird, dass derselbe 
Irrtum sich schon bei dem Ausschreiber Iordanes 
Eom 124 findet; der Zusammenhang spricht deut- 
lich fflr die nahere Stadt]. Sil. Ital. VIII 380). 
60 Aus den Inschriften ersehen wir, dass C. in der 
Kaiserzeit ein Municipium war und unter vier 
Magistraten stand, die sich in alterer Zeit censores 
(CIL X 6509) und praetores (CIL X 6527), in 
spaterer quattuorviri nennen; die Decurionenver- 
sammlung fiihrt meist den Titel senatus. Ein 
curator r. p. Coranorum Ephem. epigr. IX 853 
= CIL VI 32275. Die Tribus von C. war die 
Papiria (Kubits chek Imp. Rom. tributim discrip- 



1217 



Coracinus 



Corbulo 



1218 



turn 17). In den Biographien der Papste aus dem 
4. Jhdt. wird zwar die oivitas C. und das terri- 
turium Coranum afters erwahnt (s. den Index zu 
Mommsens Ausgabe des Lib. pontific. 277), aber 
in der Folge scheint der Ort ganz verodet zu 
sein (Symm. ep. I 8 [Cora rustica]. II 3. VI 61), 
so dass erst vom 13. Jhdt. an seiner wieder haufiger 
gedacht wird (Tomassetti Campagna Romana 
I 67). 

Wohl infolge dieser Verfidung sind die antiken 
Reste in C. hOehst betrachthch; eine Ringmauer 
aus schimem Polygonalwerk umzieht in dreifachera 
Erase die Unterstadt, die Oberstadt und die 
Akropolis; ihr Alter pfiegt meist stark uberschatzt 
zu werden , ebenso wie das der antiken Briicke 
unmittelbar am Ausgange der Stadt, welche ein 
schoner Bogenbau aus dem Ende der Republik 
oder Anfange der Kaiserzeit ist. Besonders be- 
merkenswert aber sind der schOne kleine dorische 
Tempel (gewOhnlich ohne Grund dem Hercules 
zugeschrieben; Inschrift CIL X 6517: JM...ius 
M. f. L. Turpilius L. f. duomvires de senatits 
sententia aedem faciendum coeraverunt eisdem- 
que probavere) am hOchsten Punkte der Stadt 
und der tiefer gelegene korinthische , laut In- 
schrift (CIL X 6506, vgl. 6505) dem Castor und 
Pollux geweiht (s. auch Not. d. scavi 1887, 33). 
Vgl. G. B. Piranesi Antichita di Cora, Rom. 
o. J. fol. max. G. A. Antolini H tempio d' Ereole 
a C. Rom 1785 fol. Nibby Dintorni di Roma I 
487—512. CaninaEdiflzj di Roma VI Taf. 100. 
101. Lateinische Inschriften aus C. CIL X 6505 
—6552.8416." Neue Ausgrabungen in C: Not. d. 
scavi 1877, 273. 1880, 290. 1881, 168. [Hiilsen.] 

2) s. Chora Nr. 5. 

Coracinus, fingierte Personlichkeit, der Un- 
zucht nachgesagt wird, bei Mart. D7 43. VI 55. 

[Stein.] 

Coralis, eine Quelle an der mittleren West- 
kiiste Arabiens (Plin. VI 150). Glaser (Skizze 
87) sucht sie in der Nahe des Hafens von Halj. 

[D. H. Mttller.] 

Coralins. bithynischer Fluss ostlich vom 
Sangarios. Plin. n. h. VI 4. [R"ge-] 

Coralliba, Inselgruppe VIII m. p. von Bibakta 
(s. d.) gegenfiber dem Alesanderhafen (jetzt Ka- 
raci) westlich vom Indus , Nearchos bei Plin. VI 
80; gemeint sind die achtzig Fuss hohen Fels- 
klippen Andai oder .oyster-islands' sudlich von 
der Karacibucht; skr. kora ,Kapsel, Knospe, ge- 
schlossene Schale', dvtpa prakr. diba ,lnsel'. 

[Tomaschek.] 

Coranns. 1) Quinquevir (unbekannt, mit 
welchem Auftrag), dann scriba, tauscht die Hoff- 
nungeu seines Glaubigers und Schwiegervaters 
Nasica auf reiche Erbschaft, Hor. sat. II 5, 56f. 
64—69. 

2) Praetorianersoldat, dessen im Dienst er- 
worbenes Vennegen die Habgier seines Vaters 
erregt, Iuven. XVI 54 — 56. 

3) Willkiirlich gewahlter Name bei Mart. IV 
37, 1. LX 98, 3. [Stein.] 

Coras, Heros eponymos und Griinder der 
Volskerstadt Cora (Serv. Aen. VII 672, vgl. 670). 
Er wird neben seinen Brudern Catillus und Ti- 
burnus auch als Grander von Tibur genannt und 
sollte wie diese ein Sohn des alteren Catillus und 
Enkel des Amphiaraos sein (die Belegstellen s. 

Pauly-Wissowa IV 



unter Catillus Nr. 2). Verg. Aen. VII 670ff. 
fiihrt C. unter den Gegnern des Aeneas auf. 

[O. Rossbach.] 
Corax ist der Name vermutlich des linken 
Handpferdes (s. Principium) eines Rennge- 
spannes, das gleich beim Start seinen Lenker aus 
dem Wagen schleuderte und trotzdem den Sieg 
gewann, Plin. n. h. VIII 160. Friedlander 
S.-G. lis 335. 512. [Pollack.] 

10 Corbilon(-£bp/JtAe6j'), einst angeseheneHandels- 
stadt an der Miindung des Liger nach Polybios 
(Pytheas) bei Strab. IV 190, der dem Pytheas 
keinen Glauben schenkt. Die Lage ist nicht 
naheT bestimmbar. Ob phSnicischen Ursprungs? 
Desjardins Geogr. de la Gaule I 289f. II 139. 
Holder Altkelt. Sprachschatz s. v. [Dim.] 

Corbio. 1) Corbio {EoQ^twy, Einwohner Koq- 
plvrat Dionys. V 61), alte Stadt in Latium nicht 
weit vom Algidus, hauflg genannt in den Kriegen 

20 der Romer und Aequer (Liv. E 39, 4. Ill 28. 30, 8. 
24. 69. Dionys. V 61, 3. VI 3, 1. VLH 19, 3. X 66, 
6. 26. 30). Im J. 457 n. Chr. soil C. von dem Con- 
sul Horatius PuMUus zerstort worden sein (Liv. HI 
30), und obwohl es noch einmal im J. 446 (Liv. Ill 
66. 69) genannt wird, verschwindet es doch spater 
aus der Geschichte. Man setzt es seit Holsten 
(ad Cluv. 162) gleich Rocca Priora, am Gstlichen 
Abhange des Albanergebirges; doch beruht die 
Ansetzung nur auf einer Reihe von zum Teil un- 

30sicheren Combinationen. Vgl. Nibby Dintomi 
di Roma III 21—24. Abeken Mittelitalien 68. 

[Hiilsen.] 

2) Stadt der Suessetaner in Hispania Cite- 
rior, nur erwahnt in dem kurzen aus den Annalen 
geschopften Bericht iiber den Feldzug des A. Te- 
rentius Varro von 570 = 184 v. Chr. (Liv. XXXIX 
42, 1 in citeriore A. Terentius oppidum Cor- 
bionem vineis et operibus expugnavit, captivos 
vendidit). Die zerstOrte Stadt wird nachher nicht 

40 mehr genannt; das Gebiet der Suessetaner ist das 
von Osca (Plin. Ill 24 Oscenses regionis [S]ues- 
setaniae, so ist das uberlieferte Vessetaniae zu 
bessern). Dort also muss die Stadt gelegen haben. 
Corbis kommt als iberischer Mannsname vor (Liv. 
XXVTII 21, 6); vgl. auch das gallische Corbilon. 

[Hiibner.] 

3) s. Hortensius Corbio. 

Corbis, ein spanischer Hauptling, focht 548 
= 206 bei den von P. Scipio in Karthago nova 
50 veranstalteten Gladiatorenspielen freiwillig im 
Zweikampf mit seinem Vetter Orsua um die 
Herrschaft seines Stammes und blieb Sieger (Liv. 
XXVTII 21, 6—10). [Miinzer.] 

Corbitae. grosse, schwerfallige Kauffahrer. 
(Plant. Poen. 507. Cic. ad Att. XVI 6, 1. Non. 
p. 533), nach Festus ep. p. 37 so genannt, weil sie 
zum ZeichenKoVrbe am Masttopp aufhangten; viel- 
leicht diente solch ein Korb als Standpunkt des 
Ausgucks, schwerlich aber zur Benennung der 
60 Schiffsart. [Assmann.] 

Corbulo. 1) Von Iuven. TTI 251 als Beispiel 
fur einen besonders kraftigen Mann genannt. Dass 
damit der unter Claudius und Nero als Feldherr 
beruhmte Cn. Domitius Corbulo gemeint sei, ist 
undenkbar. Die Glossatoren (vgl. auch Janrb. 
f. Philol. Suppl. XXII 414) bezeichnen ihn als 
Athleten oder Lasttrager, wissen also auch nichts 
fiber ihn. 

39 



1219 



Corbulonis fossa 



Corda 



1220 



2) Beinarae des Cn. Domitius Corbulo , s. d. 8ia x , xfjg 8b nagaliag x&Qis dnexet otddm r() ; 

[Stein.] nach Scymn. 426ff. (<Pdgog 8k tovtmv ovx &7ia>- 

Corbulonis fossa s. Fossa. $ev xeiftevt] vrjoog ITagicov xxiatg saxlv, r\ xt Xs- 

Corcac (Geogr. Eav. 223,4) s. Corcoras. yo\dvr\ MsXaiva Kogxvg', rjv Kvi8ioi xaxcoxiaav). 

Corconiana, Ort in Sicilien, Itin. Ant., 95, Strab. VI 315 (. . . . & xoTg fibv nXr)otdt.u vrjoog 

13 mp. Sstlich landeinwarts von Agrigent. y fisXaiva Kogxvga xaXovftsvrj xal noXig, Kvidicov 

[Hiilsen.] xxla/jia, xoig 8b 'AgStaioig rj 0dgog, Ildgog Xsyo- 

Corconti (Kogxovxoi), Volk in Germania Magna, psvr] xgoxegov • Ilagimv ydg iaxi xxioua , vgl. II 

von Ptol. II 11, 10 vita t(p AaxifSovgylqi ogei an- 124 : r\ MeXaira Kogxvga xal <Pdgog) und Plin. 

gesetzt. Man hat damit den tschechischen Namen 10 n. h. Ill 152 (ab Issa Coroyra Melaena cogno- 

des Eiesengebirges KrkonoSe zusammengestellt, minata cum Cnidiorum oppido distal XXV m. 

der aber nach Zeuss Die Deutschen 123 slavische passuum) hatten hier die Knidier eine Colonie 

Etymologie hat. Mii 11 en ho ff Deutsche Alter- angelegt; A. Bauer Arch.-epigr. Mitt. XVIII 

tumskunde II 373. Nach Much Deutsche Stamm- 128ff. vermutet, dass dies .vielleicht zwischen 394 

sitze HOff. sollen die C. identisch sein mit den und 390 v. Chr.' geschehen ist. Spater (noch 

Marsingi des Tacitus (?) ; er halt Kogxovyoi fur im 4. Jhdt. ?) hahen, wie die im Osten der Insel 

die richtige Schreibung und deutet den Namen bei Lumbarda (siidostlich von Curzola) gefundene 

als ,Schwachlinge'. [Him.] Inschrift (Agramer Vjestnik hrv. arheol. drustva 

Corcoras, rechter Nebenfluss der Save in V 97. XIII 42; eine vollstandigere Publication 
Pannonia superior, jetzt Gurk (slovenisch Krka), 20 derselben bereitet J. BrunSmid fiir die Abhand- 

den sie bei Eann aufnimmt. Strabon (IV 207: lungen des arch.-epigr. Seminars in Wien vor) 

IIa.Qa.QQET ydg 8ij xbv Nainogxov (KoQxoQag} jto- lehrt, die Issaeer (Lissa) eine Colonie auf C. ge- 

xaube ex xfjg 'RXvgiSog <psg6/A.£vog xXaixog, ex- griindet. Unter Agron wird diese Insel wie auch 

fldXXsi 8' eig xbv Sdov , waxe sv/zagfig eig xf/v das benachbarte Pharos (Lesina, vgl.Bauer a.a.O. 

Seysoxixrjv xaxdyexai xal xovg Ilavvoviovg xal 135ff.) von den Illyriern occupiert worden sein. 

Tavgloxovg. VII 314: ID.r\oiov 8s xov NavTtog- Nach Appian. 111. 16 {Mslixnvovg xal Kogxvgr)- 

xov ztoxa/iog ioxi Kogxogag 6 8s%6fiEvog xa cpog- vovg, o'i vtjaovg wxovv, aveoxtjoev aQdr/v, ozt kXfj- 

xia • ovrog plv ovv eig xbv Sdjlov ififiaXXsi) ver- oxsvov xrjv ddXaooar • xal xovg jibv {jfitiivxaq avt&v 

wechselt ihn mit dem westlicheren Parallelfiusse sxxetvs, xovg 8' aXXovg daeSozo) hat Augustus die 

Laibach (Lublanca). Vgl. Kiepert Formae orbis 30 Corcyraeer wegen ihrer Eaubfahrten auf das em- 

antiqui XVII 6,71; Lehrbuch der alten Geo- pfmdlichste bestraft. Doch muss sich die Insel 

graphie 364. Mommsen CIL III p. 483. Iden- wieder erholt haben, denn wir finden Zeugnisse rS- 

tisch mit Geogr. Kav. 223, 4 : inter cetera flu- mischen Lebens und italischer Einrichtungen iiber 

vius qui dieitur Coreac*} vgl. Paulin. Aquileiens. die ganze Insel verbreitet: a) Im Osten: in Curzola, 

carm. II 1, 5: Natissa, Corca, gurgites Isontii. dem alten und neuen Hauptorte der Insel (CIL 

A. Holder Altkeltischer Sprachschatz s. v. Ill 3067 [vgl. p. 1644]: (se)vir$). 3071 [vgl. 

[Patsch.] 10086]. 3073 = 10088. 10090), Zrnova (CIL III 

Corcureti, Ort in Hibernia, nur erwahnt in 3065, vgl. 10082), und bei Lumbarda (CI1 10092). 

Adamnani vita Colnmbae (I 47 p. 89 in populo b) In der Mitte der Insel: bei Kcara (CIL III 

Korkureti), wahrscheinlich Corkaree in der Graf- 40 3072 , vgl. 10087) , in Smokvica (CIL III 3069. 

schaft Westmeath, nordlich von Mullingar (Hoi- 3070, vgl. 10085) und in Blatta (CIL III 3068 

der Altkelt. Sprachschatz 1118). [Hubner.] [vgl. 10084]. 10089. Sarajevoer Glasnik 1895, 

Corcyra nigra (Mela II 114: nigra Cor- 12 If.), wo sich ein Tempel der Venus Pelagia 

eyra. Agathera. 23: 17 (lilaiva KogxvQa. Ptolem. mit eigenem Priester befand (CIL III 3066 = 

II 16, 14: KoQxovga 1) /isXaiva. Itin. Ant. und 10083). c) Im Westen : in Poplot bei Valle grande 

Tab. Peut. Corcyra. Geogr. Eav. 407, 16: Cor- (CIL III 10091). CIL III p. 392. 1037. 1644. 

cora), die grosse dalmatinische Insel Curzola Kiepert Formae orbis antiqui XVLT und Lehr- 

(kroat. Korcula und Karkar; bei Constant. Por- buch der alten Geographie 360. H. Cons La 

phyr. de adm. imp. c. 30. 36 schon j? Kovgxga province Eom. de Dalmatie 58. 93. 244f. 358. 

ijxoi xb Kixeo), die sich, da sie von der Halb- 50 0stoich Compendio storico dell' isola di Cur- 

insel Sabbioncello nur durch den schmalen Canal zola 1878. Bull. Dalm. IV 90. 123. 187. X 73. 

di Curzola getrennt ist, fiir die Kiistenschifffahrt 75. XII 181. XIV 38. [Patsch.] 

trefflich eignete, und da sich nSrdlich von der ge- Corda. 1) Corda (Cordanum?), Insel ?n der 

nannten Halbinsel die Narenta in die Adria er- Westkuste Galliens beim Geogr. Eav. IV 23 p. 

' giesst, konnte von hier aus der Verkehr mit dem 442, der wie es scheint in der Richtung von Suden 

hercegovinischen und bosnischen Hinterlande leicht nach Norden aufzahlt Ollarione (jetzt Oleron), 

angebahnt und unterhalten werden (Mommsen Batis (jetzt lie de Ee'), Corda, Xoetoia. So 

K6m. Gesch. V3 184). Nach Apoll. Ehod. IV lesen die Herausgeber Pinder undParthey, an- 

567ff. (puXaivotihrjv 8i fiiv avbotg va.vx8.oi ex ndv- dere (vgl. Desjardins Geogr. de la Gaule I 273. 

tow xeXaivfj xdvzodsv vXg SeQxo/teroi KeQxvoav 60 Hold e r Altkelt Sprachschatz s. Cordanum) Cor- 

InixXxiovai M&aivav) bekam sie den Beinamen dano et Oia und beziehen Oia auf die Insel d'Yeu. 

von ihren schwarzen Waldbestanden. Siewurdeden Man vermutet in C. la tour de Cordouan an 

Griechen friihzeitig bekannt (Skyl. 23: .... xal der Miindung der Garonne. Vgl. Antros. 

higa vfjoog syyvg xavxr\g [MeXhrjg], fj oyofia Keg- [Ihm.] 

xvga fj yiXatva • xal iv.xgiyu x(S hi xwv axgco- 2) Stadt der Selgovae im nOrdlichen Britan- 

xtigUov vijoog avxrj xfjg jragaXiag y/bgag a<p68ga, nien nach Ptolemaios (II 3, 6 K6o8a, danach 

rot 8b hegco dxgcoxtjgi'a> xa&tjxu Lil xbv Xd- beim Geogr. Eav. 433, 20 Corda), etwa im Thai der 

gcova izoxa/xdv. Ano 8i xije MeXhr/g &ks%u axd- Nith; die Lage ist nicht ermittelt. [Hubner .] 



1221 



Cordius 



Corduba 



1222 



Cordius. 1) Cordius (bei Dio und in einigen wendig auf Marcellus bezogen zu werden. Andrer- 

Hss. der Hist, Aug. ist Gordim ttberliefert, doch seits beweist das Fehlen der Namen lulia und 

ist jene Form inschriftlich besser beglaubigt), Augusts,, trotz der priesterlichen Abzeichen auf 

Wagenlenker, eine der Creaturen Elagabals (218 den Munzen des Augustus, dass ihre Grundung 

— 222 n. Chr.), der ihn sogar zum Praefectus noch in republicanische Zeit fallt. Der Griinder 

vigilum machte, aber auf Verlangen der Soldaten der Colonie (vielleicht Cn. Pompeius oder seine 

wieder entfernen musste , Hist. Aug. Elag. 6, 3. Sohne) als eolonia civium Latinorum und liber- 

12, 1. 15, 2. Dio ep. LXXIX 15, 1. [Stein.] tinorum und der Name Patricia — auf die aus- 

2) M'. Cordius Eufus, IHvir (monetalis) urn gewahlten Colonen aus Italien und Hispanien 
das J. 705 = 49 v. Chr. (Mommsen Eom. Miinz- 10 kann er nattirlich nicht gedeutet werden — bleiben 

wesen 651. Cavedoni bei Borghesi Oeuvres I unsicher. Cicero gedenkt der Sparsamkeit des 

269, 3. Babelon Monn. de la rdpubl. Eom. I L. Piso, der als Praetor der Ulterior im J. 642 

382f. Bahrfeldt Numism. Ztschr. Wien XXVHI = 112 v. Chr. in C. auf offenem Markt sich vom 

1896, 92). Da einige seiner Miinztypen Ahnlich- Goldschmied einen Goldring mit zugewogenem 

keit mit pontischen Miinzbildern zeigen, schloss Golde herstellen liess (Verr. IV 56), und des Q. 

Cavedoni, dass C. Pompeius in den Orient be- Metellus Pius, Proconsuls der Ulterior in den J. 675 

gleitet habe (vgl. Mommsen 657, 557. Babe- — 682 = 79—72 v. Chr., der in C. geboTenen 

Ion a. a. O.). Wohl der namliche ist M.' Cor- Dichtern Geh6r schenkte (pro Arch. 26). In Caesars 

dius M.' f. Bufus, pr (actor) proco(h)s(ule) (vgl. beiden hispanischen Feldzugen wird C, wo ihn 
Mommsen St.-E. II 3 650, 2), aedfilisj lustrfa- 20 epileptische Anfalle zuerst heimsuchten (Plut. Caes. 

lis) monfitor) sacr(orum) in Tusculum (CIL XIV 20) , oft genannt. Hier Melt Caesar im J. 705 

2603 = Dessau 902 [Tusculum], wohl Grabschrift, =49 v. Chr. eine Versammlung von Vertretern 

erganzt von Mommsen). C. stammte wahrschein- aller Stadte der Provinz ab, die zur Unterwerfung 

lich aus Tusculum, wofiir auch das Erscheinen des Legaten des Pompeius M. Terentius Varro, 

der dort verehrten Dioscuren auf seinen Munzen des beriihmten Schriftstellers, und seiner beiden 

spricht (vgl. Borghesi I 270). [Groag.] Legionen fuhrte (Caes. bell. civ. II 19, 1—21, 3. 

Corduba (Kog8v§-rj) , grosse und beriihmte Liv. epit. CXI). Aber die Erpressungen und Ge- 

Stadt in Hispania Ulterior. In seiner Erzahlung waltsamkeiten des von Caesar in der Ulterior 

von den hispanischen Feldzugen des M. Claudius zuriickgelassenen Proconsuls Q. Cassius Longinus, 
Marcellus (zuerst 585 = 169 v. Chr., dann III eon- 30 die MeutereibeiderfriiherenLegionen des Varro und 

sul 602 = 152 v. Chr.), des Enkels des Eroberers des eigenen Quaestors des Longinus M. Claudius 

von Syrakus,- hatte Polybios vielleicht schon die Marcellus fuhrten zum Abfall der Stadt von Caesar 

durch ihn erfolgte Grundung der rSmischen Stadt und hatten den heftigsten Kampf vor und inner- 

erwahnt (XXX 2, 2, wo nur bemerkt ist, dass er halb ihrer Mauern hervorgerufen, wenn nicht durch 

iv KogSvfSa iiberwinterte). In den tlbrigen kurzen das Dazwischentreten des Proconsuls der Citerior 

Berichten fiber diese Feldziige (Liv. XLV 4, 1; M. Aemilius Lepidus eine Verstandigung erzielt 

epit. XL VIII. Appian. Hisp. 48—50. Eutrop. IV 9. worden ware (Caes. bell. civ. II 20. 21. Bell. Alex. 

Obsequ. 18) wird die Stadt nicht genannt. Auch 49, 1—64, 1. Dio XLI 15. 24. Appian. bell. civ. 

im Krieg gegen Viriat (612 = 142 v. Chr.) war II 104). Ebenso ist im Kriege gegen die Sohne 
sie Winterquartier des Quinctius und des Q. Fabius 40 des Pompeius C. der Ausgangspunkt von Caesars 

Maximus Servilianus (Appian. Hisp. 68. 67). Erst Feldzug im Herbst des J. 709 = 46. Dabei wird 

Poseidonios nannte sie MagxiXXov xxta/ia und pries das Bestehen der rOmischen Strasse von Castillo 

ihre Gr6sse, die Fruchtbarkeit ihres Gebietes und aus nach C. und Gades erwahnt, xa fisytaxa xmv 

die Vorteile ihrer Lage amBaetis; von Anfang an ifjmogicov (Strab. Ill 160). Es gelang ihm je- 

hatten 'Pcofiaiatv xe xal xcov imx<ogicov avdgeg doch nicht, die Stadt, in der sich Seitus Pompeius 

ijilXexiot sie bewohnt oder seien dort angesiedelt festgesetzt hatte, zu nehmen (Bell. Hisp. 2, 1 — 

worden: xal Stj xal stgmxrjv ajtoixiav xavxtjv eig 12, 3. 32, 4. 6. Dio XL1TI 32. 33). Nach der 

xovgde xovg xonovg saxedav 'Pmfiatoi (Strab. Ill Kunde von der Schlacht bei Munda verliess Sestus 

141). Auf den in republicanischer Zeit geschla- Pompeius die Stadt (Cic. ad Att. XII 37, 4. Bell. 
genen Munzen des Quaestors Cn. Iulius L. f. mit 50 Hisp. 32, 3. 4. Dio XLV 10) , die Caesar dann 

dem wohl auf Caesars Stammmutter beziiglichen nach dem freiwilligen Tode ihres Verteidigers 
Bild der Venus und des Cupido heisst die Stadt Annius Scapula mit Muhe einnahm (b. Hisp. 33, 1. 

schlechthin Corduba (Mon. ling. Djer. nr. 124a; Dio XLV 39. Appian. bell. civ. II 105). In dem 

auf einigen Exemplaren stent noch Bal, was man Epigramm, das die Unterschrift Seneca de se ad 

auf Cornelius Baltms bezogen hat, doch ist die patriam tragt (Anthol. Lat. 409 E.), wird der 

Deutung ganz unsicher); Marcellus konnte also Kampfe unter Caesar und Pompeius und mit ibe- 

nur einen vieus civium Romanorum oder Itali- rischen Stammen gedacht (Lusitanus quateret 

coram dort gegriindet haben (vgl. Italic a). Erst cum moenia latro, fyeret et portas lanceatorta 

auf den Munzen des Augustus (nr. 124 c. d) er- tuas). Nach Caesars Tod schrieb C. Asinius Pollio, 
scheint der Name eolonia Patricia und die Auf- 60 der Dichter und Geschicbtschreiber, damals Pro- 

schrift permusu Caesaris Augusti, den auch In- consul der Ulterior, dem Cicero aus C. zwei seiner 

schriften bezeugen (CIL II Index p. 1143). Sie bekannten Briefe, den dritten aus C.s Umgebung 

kann ihn nicht wohl von dem Plebeier Marcellus (Cic. epist. X 31. 32. 33). Sicherlich hat Caesar 

erhalten haben; die Angabe des Poseidonios, dass die Stadt nicht ohne Besatzung gelassen. Auf 

sie die erste dorthin gefiihrte r6misehe Colonie den unter Augustus geschlagenen Munzen von C. 

sei — mit Ausnahme des einige Jahre alteren sind der Adler, zwei Feldzeichen und die Namen 
Carteia , das eine besondere Art von Colonien der fiinften und zehnten Legion zu lesen (CIL II 

bildet (s. Bd. Ill S. 1618) — , braucht nicht not- p. LXXXVIII); zwei Cohorten der funften standen 



1223 



Corduba 



Cordus 



1224 



schon unter Q. Cassius Longinus dort (Bell. Alex. 
57, 5) ; wahrscheinlich haben Veteranen dieser oder 
anderer Legionen des Augustus liier Landlose er- 
halten. In den Inschriften von C. werden nur 
ein Centurio, ohne Angabe seines Truppenteils 
(CEL II 2215), ausserdem nur friihere Offloiere 
genannt, die zuletzt stadtische Amter bekleideten 
(CIL II 2222. 2224.2225). Aber schon zu Caesars 
Zeit gab es in C. einheimische Truppen (bell. civ. 
II 19, 3 eohortes duae, quae eolonicae appella- 
bantur), wie in der caesarischen Lex Iulia von 
Urso solcbe stadtische Bewaffnete vorgesehen sind 
(cap. CIII tab. HI 5, 2). Diese Truppen konnen 
in C. fortbestanden haben, auch seitdem unter 
Augustus die neue Provinz dem Senat gegeben 
worden. C. ist seitdem, obgleich es bei Strabon 
(III 166), wo er von der Verwaltung der Provinzen 
berichtet, nicht ausdriicklich gesagt ist, unzweifel- 
haft die eigentliche Hauptstadt der Provinz, wenn 
auch daneben Hispalis (s. d.) eine grosse Bedeu- 
tung hatte und Italica (s. d.) zeitweise militarisch 
besetzt war. Dies beweisen die hier zahlreich 
gefundenen Inschriften hoherer Provincialbeamter 
(CIL H 2203. 2204. 2205. 2208. 2209. 2210— 
2214. 5522); darunter eine Anzahl von Statuen 
fur die Kaiser von August bis zum jiingeren Con- 
stants und Constantius (II 2197—2207). C. war 
Sitz des concilium provinciae mit den Statuen 
der famines provinciae (CIL II 2220. 2221. 2224. 
2228, vgl. 2195. 5523) und anderer Beamter der 
Provinz (H 2230). 

In der Beschreibung der Provinz bei Mela 
und Plinius wird C. unter ihren bedeutendsten 
Stadten (Mela II 88) und als Hauptstadt des Ge- 
richtsbezirks hervorgehoben (Plin. Ill 7. 10. 13. 
14) ; eine basilica wird erwahnt im Bell. Alex. 
52, 2. Schon im Bellum Alexandr. ist vom Con- 
ventus Cordubensis die Eede (57, 5. 59, 1), und 
bei Strabon wird es tqoxov xiva fxrjXQOTxohg xov 
xonov zov&s genannt (Strab. EH 141, was sich auf 
C, nicht auf Munda bezieht; daher auch uijxqo- 
nohs in vielen Hss. des Ptolem. II 4, 9). Be- 
rtihmt wurde C. als Heimat des Lucan und der 
beiden Seneca (Martial. I 61, 7. Suet. frg. 47. 
87 Beiff. Anthol. Lat. 668 R.). Dichter aus C. 
werden schon unter Metellus Pius (Cic. pro Arch. 
26) und beim alteren Seneca genannt (suasor. 6, 
27). Eines Aemilius Aelianus aus C. , der als 
Feind des Augustus verklagt war, in Bom, ge- 
denkt Sueton (Aug. 51); unter den Verschworenen 
gegen das Leben des Gaius Caesar (Caligula) war 
ein Aemilius Regulua aus C. (Joseph, ant. XIX 
17. 19). Varro erwahnt, dass in C. wie in Lanu- 
vium und Falerii der Gebrauch des Wortes cena- 
cidum in seiner eigentlichen Bedeutung erhalten 
sei (de ling. Lat. V 162). Dem Varro folgend 
gedenkt Plinius der reichen Ernte von essbaren 
Disteln in Karthago in Africa und C. (XLX 152), 
sowie des aes Mariamim aus den Kupferberg- 
werken des mons Marianus (s. d.), das auch 
Gordubense heisse, offenbar von dem Hauptver- 
kaufsplatz (XXXIV 4). In dem Bezirk von C. 
lagen reiche Bergwerke (daher Martial. LX 61 
nativum metallum und Silius ubertreibend III 401 
nee deeus auriferae cessavit Corduba terras, vgl. 
XVI 470). Beriihmt war auch seine Schafzucht 

(Col. VII 2, 4 pretio commendabiles quos 

praebet . . . in Baetica Corduba. Martial. IX 



61, Iff. XII 63, 1 — 5). Im allgemeinen riihmt es 
Auson. urb. nob. 84. Es lag, wie schon bemerkt, 
an der grossen Strasse von der Grenze Baeticas 
nach Gades (Itin. Vicar. Itin. Ant. 402, 6. 409, 1. 
413, 1. 5. 415, 3._ Geogr. Eav. 315, 11); in seiner 
nachsten Nahe sind zahlreiche Meilensteine ge- 
funden worden (CIL II 4701—4733. 6208). Die 
Wegmasse von dort nach Carteia werden genau 
angegeben (Bell. Hispan. 32, 6. Strab. Ill 141); 

10 auch diente es als fester Punkt fur astronomische 
Berechnungen (Ptolem. VIII 4, 4). Obgleich die 
heutige Stadt nur wenige tTberreste von Bauten 
aus romischer Zeit aufweist (Mauern und Briicke 
uber den Baetis, CIL II p. 306. 886) — es ge- 
horen dazu nicht wenige und einige nicht unbe- 
deutende "Werke der rOmischen Plastik, Statuen 
und Busten von Kaisern u. s. w., in einem stadti- 
schen Museum gesammelt (s. Hiibner Antike 
Bild werke in Madrid u. s. w., Berl. 1862, 312^ 

20 die Sammlung Villa-Cevallos befmdet sich jetzt im 
Museum Loring bei Malaga) — , so sind doch die 
dort gefundenen Inschriften ein hinreichender Be- 
weis fur ihre Bedeutung. Sie enthalten Zeug- 
nisse ftir den iiblichen Offentliehen Cultus (auch 
der Magna Mater, CIL II 5521) und die Offent- 
liehen Spiele (5523), die Magistrate und Priester- 
tumer der Colonie (und einiger dazu gehOriger 
pagi und vici), deren romische Burger zur Tribus 
Galeria zahlten (Kubitschek Imp. Bom. tri- 

30butim discr. 173), erwahnen eine betrachtliche 
Zahl von Vertretern der Kiinste und Handwerke, 
darunter einen grammatieus Greeus — noch Sido- 
nius Apollinaris riihmt seine Schulen der Bered- 
samkeit (carm. IX 230ff.) — und einen medicus 
der Colonie (2236. 2348), sowie ziemlich viel dort 
wohnende incolae aus anderen Stadten der Provinz 
(vgl. CIL II p. 307 und Index p. 1143); die Grab- 
schriften zeigen vielfach altertumlichen Charakter. 
Auch blieb die Stadt bis in spate Zeiten stets 

40 Mittelpunkt der Provinz (in keiner der jiingeren 
geographischen Quellen fehlt sie, Divis. prov. 
p. 19, 5. Iul. Honor, p. 34, 2. Cosmogr. Aethici 
p. 79, 11 E.) und wird als Bischofssitz von den 
Chronisten (Sulpic. Sever. II 46, 8. Sozom. hist. 
eccl. I 10, 1. 16, 5) und in zahlreichen Conci- 
lienunterschriften seit dem 6. bis zum Ende des 
7. Jhdts. (Man si IX c. 1001 C u. s. w.) erwahnt. 
Auch an christlichen Grab- und Weihinschriften 
fehlt es nicht (Inscr. Hisp. christ. nr. 123. 125. 

50126. 128—134); Prudentius preist ihre Miirtyrer 
Acisclus und Zoilus (peristeph. IV 19ff.); doch 
ist von ihren Schicksalen unter den westgothischen 
Konigen nur wenig bekannt (Chron. Caesaraug. 
a. 568. Joh. Biclar. a. 572. 584, 2. 3). Auf ihren 
westgothischen Mflnzen wird der Name schon Cor- 
doba geschrieben (Heiss Monn. wisig. p. 49); 
Corduva hat die Cosmographia Aethici (p. 79, 
HE.); noch jetzt schwankt die Schreibung zwi- 
schen Cordoba und Cordova, wie gesprochen wird. 

60 [Hiibner.] 

Corduenus s. Aelius Nr. 41, 
Cordus. 1) Dichter einer Theseis, Iuven. I 2 
( Codri die geringeren Hss. und Serv. zur Aen. I p. 4, 
2 Th. und XI 458). Der Name auch bei Martial II 
57, 4. V 23, 8. 26 als der eines Stutzers ; willkurlich 
gewahlter Name ebd. Ill 15. 83. [Skutsch.] 

2) s. Aelius Nr. 42, Caesius Nr. 19, Cre- 
mutius, lulius, Marius, Valerius. 



1225 



Corellius 



CorfMum 



1226 



Corellius. 1) Eomischer Eitter aus Ateste 
(tribu Bomilia) , der ein Mittel zur Veredlung 
der Kastanie ersann, wonach die so gepfianzte 
Xastanienart den Namen Gorelliana erhielt, Plin. 
b. h. XVII 122. XV 94. [Stein.] 

2) Corellius Pansa, Consul ordinarius des J. 122 
n. Chr. mit M.' Acilius Aviola (CIL VI 10048 ; 
sonst in Inschriften und Fasten nur Pansa). Es 
ware denkbar, dass C, der nach der Sitte seiner 
Zeit eine grossere Anzahl von Namen gefuhrt 
haben diirfte, der Sohn der Corellia Hispulla war 
<s. Nr. 6). 

3) Q. Corellius Eufus (der ganze Name im 
Militardiplom), wahrscheinlich Consul suffectus im 
October (?) eines unbekannten Jahres unter Ve- 
spasian zusammen mit (L. Funisulanus) Vetto- 
nianus (CIL XIV 4276 Corellio et Vettoniano 
cos., vgl. Pallu de Lessert Fast. d. prov. Afr. 
I 163). Im J. 82 war C. Statthalter von Ger- 
mania (superior, CIL III Suppl. p. 1960 dipl. 
XIV vom 19. Sept. 82). Seit seinem 33. Lebens- 
jahre (etwa 63 n. Chr.) litt er an einem Fuss- 
leiden, das mit zunehmendem Alter sehr schmerz- 
haft wurde. Da die Krankheit auch auf den 
iibrigen Korper iibergriff, war C. zum Selbstmorde 
entschlossen, schob irtn aber auf, um, wie er sagte, 
diesen Banditen (Domitian) auch nur einen Tag 
zu iiberleben (Plin. ep. I 12, 4 — 8). Unter Nerva 
genoss er hohes Ansehen (vgl. Plin. I 12, 3. IV 
17, 4. 8. V 1, 5) und wurde vom Kaiser in die 
Commission fiir Landverteilungen in Italien auf- 
genommen (vgl. Dio LXVIII 2, s. o. S. 145); 
zu diesem Amte nahm er sich Ti. Claudius Pol- 
lio (s. o. Bd. Ill S. 2842 Nr. 275) als Hiilfs- 
beamten (Plin. VII 31, 4). Vielleicht noch im 
J. 97 oder 98 endete er durch freiwilligen Hunger- 
tod, nachdem er 67 Jahre alt geworden war (Plin. 
I 12, 1. 9—11, vgl. Mommsen Herm. HI 37. 
Asbach Eh. Mus. XXXVT 1881, 43f.; Asbachs 
Vermutung, dass C. von Nerva den zweiten, von 
Traian im J. 100 den dritten Consulat erhalten 
habe, ist kaum richtig, da Plinius I 12 nicht 
davon geschwiegen hatte). C. hinterliess die Gat- 
tin, Hispulla (Plin. I 12, 9), und eine Tochter, 
Corellia Hispulla (Nr. 6). Von seinen Schwestern 
(Plin. I 12, 3) ist Corellia (Nr. 5) bekannt. Er 
war ein vaterlicher Freund des jiingeren Plinius 
(vgl Plin. I 12. in 3, 1, IV 17, 4—10. V 1, 5. 
VII 11, 3. LX 13, 6); auch C. lulius Cornutus 
Tertullus (Plin. IV 17, 9) und C. Geminius (I 
12, 9) standen ihm nahe, [Groag.] 

4) (Corellius) Tereus, Freigelassener des Bit- 
ters Corellius (Nr. 1), der die von seinem Herrn 
erfundene Kastanienveredlung vervollkommnete, 
weshalb auch nach ihm eine Kastanienart Te- 
reiana genannt wurde, Plin. n. h. XVII 122. XV 
94. [Stein.] 

5) Corellia, Schwester des Corellius Eufus 
(Nr. 3), Gemahlin des Minicius Iustus, mit der 
Mutter des jiingeren Plinius befreundet. Bei den 
Spielen, die Plinius als Praetor (c. 93 n. Chr.) 
veranstaltete, fiihrte ihr Sohn den Vorsitz; viel- 
leicht ist derselbe mit L. Minicius Eufus cos. 88 
zu identificieren, Plin. ep. VII 11 (vgL 1 12, 3). 
14 (Brief des Plinius an C). 

6) Corellia Hispulla, Tochter des Corellius 
Eufus (Nr. 3) und der Hispulla (Plin. ep. I 12, 
3. 9. IH 3, 1. IV 17). Ihr Gatte ist unbekannt; 



Plinius nennt seinen Vater dams speetatusque, 
ihn selbst und seinen Bruder inhustri laude eon- 
spieui (III 3, 1). Fur ihren Sohn (vgl. 1 12, 3), 
einen Knaben von ausnehmender Schbnheit, empfahl 
Plinius den lulius Genitor als Lehrer der Ehetorik 
(III 3). Vielleicht ist Corellius Pansa (Nr. 2) 
dieser Sohn gewesen. Etwa im J. 103/4 vertrat 
Plinius die Saehe der C. in einem Process gegen 
C. Caecilius Strabo (IV 17). [Groag.] 

10 Coresnius. Aufidius Coresnius Marcellus s. 
Aufidius Nr. 18, wo die Inschrift von Sagalassos 
[tor] xq&xioxov 3iQeofSevxr}v xai avxiargaxnyov Ko- 
qsavtov MaQxsk?.or f\ Xa)4,3iQoxaxrj SayaXaaasav 
nohg xov idiov fSovlsvxijv xai svsQyhtjv u. s. W. 
(Lanckororiski Stadte Pamphyl. und Pisidiens 

II 227 nr. 204) hinzuzuftigen ist. [Groag.] 
Coresus, willkurlich gewahlter Name fur einen 

Eunuchen, Mart. VI 39, 21. _ [Stein.] 

Corfldius. 1) Einen merkwurdigen Fall von 

20 Scheintod erzahlt Varro (bei Plin. n. h. VII 176f. 
Licinian. p. 10 Bonn.) von einem rOmischen Eitter 
Corfldius, der mit einer Schwester von Varros 
Mutter verheiratet war und eine Tochter und einen 
jiingeren Bruder desselben Namens hatte. 

2) L. Corfldius, etwa Sohn eines der beiden 
Bruder, rOmischer Eitter und Freund des Q. Li- 
garius, wurde von Cicero in der Buchausgabe 
seiner fiir Ligarius im J. 708 = 46 gehaltenen 
Eede (33) infolge eines Gedachtnisfehlers als an- 

30wesend genannt, obgleich er damals schon tot 
war (ad Att. XIII 44, 3). _ [Miinzer.] 

Corfininm (Kogyiviov; Einwohner Corfmien- 
sis), Stadt der Paeligner im Aternusthal, 7 mp. 
nordlich von Sulmo. Ohne Zweifel schon zur Zeit 
der Selbstandigkeit der Paeligner bedeutend, tritt 
C. (uber dessen Unterwerfung unter die EOmer 
unsere Quellen ganzlich schweigen) in der_ Ge- 
schichte erst wahrend des Bundesgenossenkrieges 
90 v. Chr. auf. Die Italiker ersahen C. zu ihrer 

40 Bundeshauptstadt unter dem Namen Italia (Veil. 
Paterc. II 16. Strab. V 241. Diod. XXXVII 2 
bei Phot. p. 538), sahen sich aber bald ge- 
nOtigt, den Sitz der Centralgewalt nach Aesernia zu 
iibertTagen (Diod. a. a. O. 539). Den Namen 
der Stadt Italia, nicht Italica, verbiirgen die da- 
mals geschlagenen Miinzen (Garrucci Monete 
delT Italia 102ff. Berliner Mtazkatalog III 1, 
57ff.). Auch im Biirgerkriege erscheint es als ein 
wichtiger und fester Platz (Caes. b. c. 1 15 — 23. 

50 Appian. bell. civ. II 38. Cic. ad Att. VIII 3, 7. 
5, 2. IX 7, 1. 13, 7. 16, 1. Veil. H 50. Liv. 
epit. 109. Senec. de benef. IH 24. Flor. II 13. 
Oros. VI 15. Lncan. II 478. Suet. Caes. 33; 
Nero 2. Plut. Caes. 34. Cass. Dio XLI 10. 11). 
Auch in der Kaiserzeit war es ein Ort von 
Bedeutung, namentlich infolge seiner Lage an 
der Via Valeria, welche urspriinglich hier endigte 
(Mommsen CIL LX p. 586), spater aber durch 
Claudius eine Fortsetzung ins Aternusthal bis 

60Atenvum erhielt (Mommsen a. a. O. p. 588). 
Es war Municipium unter quattuorviri iure di- 
eundo (Mommsen CIL IX p. 297) und gehorte 
zur Tribus Sergia (Kubitschek Imp. Bom. tri- 
butim discr. 53) ; ausser von den Geographen (Plin. 

III 106. Ptolem. HI 1, 64) und Itinerarien (Ant. 
310. Tab. P«ut. Geogr. Eav. IV 35 p. 282 P.) 
wird es erwahnt im Liber coloniarum 228 (ager 
Corfinius lege Sempronia est adsignatus: iter 



1227 



Corfulenus 



Coriarius 



1228 



populo debeturped. LXXX). 255. 260. Der Zeit- 
punkt des Unterganges von C. ist unbekannt; 
im friihen Mittelalter flnden wir eine (inzwiachen 
auch wieder untergegangene) Bischofsstadt Valva 
(Ughelli It. sacr. I 1358. Jaff<§2 648 zum 
J. 494 — 495) an ihre Stelle getreten. Bedeutende 
Reste finden sicli bei der jetzt einsam stehenden 
stattlichen Kirche S. Pelino, der ehemaligen Ka- 
thedrale von Valva, 1 km. siidwestlich von Pen- 
tima. In der Umgegend sind neuerdings zahl-10 
reiche Meine Ausgrabungen gemacht, doch wegen 
unzureichender Mittel meist mit geringfiigigen 
Eesultaten. Die zahlreichen Berichte A. de N i n o s 
in den Not. d. scavi (hervorzuheben 1877, 211 
—216. 1878, 254—257. 1879, 182—186. 315— 
320. 1880, 143—146. 296—298. 382-389. 1883, 
89. 1886, 421. 1895, 93. 1896, 52. 170. 298. 374. 
492) betreffen fast nur Graber aus verschiedenen 
Zeiten, von der paelignischen Epoche bis Ausgang 
der Kaiserzeit. Nicht einmal der Umfang der 20 
Stadt nnd der Lauf der Mauem steht bis jetzt 
fest (uber die Untersuchungen desOberst S toff el 
vgl. Not. 1879, 318—320). Dialektische Inschrif- 
ten aua C. Zvetajeff Inscript. Ital. infer, dial. 
12 — 30 (hervorzuheben die von Biicheler Eh. 
Mus. XXXIII 271; Anth. epigr. 17 commentierte 
Weihinschrift in Saturniern) ; lateinische CIL IX 
3144-3301. 6322— 6346.6408b— 6412a. Ephem. 
epigr. VIII 146—156. [Hiilsen.] 

Corfulenus s. Statilius. 30 

Coria, Stadt der Damnonier im nb'rdlichen 
Britannien, nach Ptolemaios (II 3, 7 KoqIo), und 
der Otaliner (ebd.), was wohl auf einer Verwechs- 
lung bemht. Die genannten Volkerschaften sassen 
im siidlichen Caledonien siidlich vom Wall des 
Antoninus. Da das neunte Castell am Wall des 
Antoninus beim Geogr. Bav. 435, 11 Cibra ge- 
nannt wird, was dem C. des Ptolemaios entspricht, 
so ist es nicht unmOglich, dass dies der Name 
des Castells war. [Hiibner.] 40 

Coriallnm verzeichnet die Tab. Pent, als End- 
station der von Cenabum (Origans) iiber Caesaro- 
dunum (Tours) nach Iuliomagus (Angers) und von 
bier nordw&rts iiber Condate (Rennes) bis zur 
Ettste fuhrenden Strasse. Ein pagus Corioval- 
lensis in jener Gegend wird im Mittelalter er- 
wahnt. Nach d'Anville Not. 246 Goury bei La 
Hague, nach andern Cherbourg, sicherlich nicht 
Brest. Desjardins Table de Peut. 28; G6ogi. 
de la Gaule I 833ff. Holder Altkelt. Sprach-50 
schatz s. v. (Coriallum = Coriovalluml) [Ihin,] 

Coriarla Septimianla, in der XIV. Region 
Roms (trans Tiberim), genannt von der constan- 
tinischen Stadtbeschreibung (Jordan Top. II 
564); wahrscheinlich in der sudlichen Halfte zwi- 
schen der Insel und Porta Portuensis. Vgl. Gil- 
bert Top. in 447. [Hiilsen.] 

Coriarius, pvgoev;, pvQaodtyijs, Gerber. Die 
Gerberei war in Griechenland ein im Grossen be- 
triebenes und gewinnbringendes Gewerbe, durch 60 
das z. B. Kleon und Anytos (Xenoph. apol. 29. 
Schol. Plat. apol. 18 b) reich geworden waren. Die 
zu verarbeitenden Pelle bildeten einen starken 
Importartikel aus dem Pontos, Demosth. XXXIV 
10. XXXV 24. Strab. XH 493; vgl. Theophr. 
char. 4. Auch aus Kyrene wurden Felle einge- 
fiihrt, Athen. I 272, Biichsenschiitz Haupst. 
des Gewerbfl. 90. In Bom erscheinen die Gerber 



schon unter den Ztaften Numas: axvroSsy/scg, 
Pint. Num. 17; eoriarii in Inschriften CIL VI 
9280. 9281. X 1916; e. subactarius 9279. Das 
corpus eoriariorum magnariorum solata/riorum, 
Grosshandler und Fabrikanten von Sohlenleder, 
a. O. 1117. 1118. 1682, hatte seinen Betrieb in 
der 14. Region, trans Tiberim, s. Art. Coriaria 
Septimiana. Curiosum XIV. Iuven. 14, 202. 
Martial. VI 93, 4. De Rossi Bull. d. Inst. 1871, 
161. Eine abgelegene Gegend, AenQog genannt, 
war den Gerbem auch in Athen angewiesen, Schol. 
Aristoph. Ach. 724, und so auch sonst, Artem. I 
51. II 20, ohne Zweifel wegen des schlechten Ge- 
ruches. Eben deshalb und auch diet to vexftaiv 
ocofidrcov mpao&ai (Artem. aa. OO.) gait das Ge- 
werbe als ein schimpfliches, Poll. VI 128. 

Feines Leder wurde in der Kaiserzeit auch 
aus dem Orient eingefuhrt. Babylonisches Ed. 
Diocl. Vm 1. 2. Dig. XXXIX 4, 16, 7. Zonar. 
Xni 5 (HI 190, 11 Dind.). Hieron. ep. 107, 12; 
nach der Ezpos. totius mundi (B i e s e Geogr. 
Lat. min. 115) wurde es von Caesarea in Kappa- 
dokien aus vertrieben. Parthisches Dig. a. O. 
Corippus Io. IV 499; laud. lust. II 106. Lyd. de 
mag. II 13. Serisches, Peripl. mar. Er. 39 (Miiller 
Geogr. min. I 288, 2). Plin. n. h. XXXIV 145. 
Trallianisches Ed. Diocl. VIII 3. Als Tiere, deren 
Pelle verarbeitet wurden, nennt das Ed. Diocl. 
VCH 6 — 41 Binder, Schafe, Ziegen, Hyanen, Rehe, 
Hirsche, wilde Schafe, Wolfe, Marder, Biber, Baren, 
Schakale, Bobben, Leoparden, Lowen. Doch ist 
hier offenbar nicht zwischen Gerberei und Kursch- 
nerei unterschieden und wurden diese Pelle zum 
grossen Teil nur als Pelzwerk verarbeitet. S. hier- 
ttber Pelliones, 

Ober die Art des Betriebes ist sehr wenig 
uberliefert; doch ist sicher, dass sowohl Loh- als 
Weissgerberei geiibt wurden. Lohgerberei ergiebt 
sich aus der vielfach erwahnten Verwendung gerb- 
stoffhaltiger Vegetabilien : Binde von Nadelholz 
(Theophr. h. pi. in 9, 1) und Erlen (a. 0. Ill 
14, 3), Gallapfel (a. 0. HI 8, 6. Plin. n. h. XIH 
63. XVI 26. XXIV 109), die Kelche der Eicheln 
(Paul. Aeg. ID 42), Blatter des Sumachbaumes, 
frutex coriarius (Theophr. h. pi. Ill 18, 5. Diosc. 
I 147. Plin. n. h. XXIV 191. Galen. XH 115 K.), 
Granatapfelschalen (malicorium Plin. n. h. Xffl 
113. XXIII 107. XXIV 91) und anderes, Plin. 
n. h. XIV 98. XXIV 109. 175. Fest. ep. 164, 12. 

In Betreff der Weissgerberei ist die Verwendung 
des Alauns bezeugt und das so bereitete Leder 
danach benannt, s. Aluta. Weniger deutlich 
ist die Erwahnung des Salzes, Schol. Aristoph. 
nub. 1237. Cato de agr. cult. 135, 3; vielleicht 
ist hier unter sal Alaun zu verstehen. 

Als Zeugnis fur Fett- oder Samischgerberei 
kann nur angefiihrt werden Horn. H. XVH 389 ff.; 
doch handelt es sich hier nicht um Gerberei, son- 
dern um eine primitive Zubereitung der Haute. 
Dass diese auch zur Fettgerberei gefuhrt hat, ist 
wahrscheinlich; wo aber von Verwendung des 
Oles die Rede ist (Plin. n. h. XV 34. Lucian. 
Anach. 24), handelt es sich wohl nur um Ge- 
schmeidigmachen des Leders durch Einfetten. 

Die Pergamentgerberei , iiber deren Einzel- 
heiten nichts uberliefert ist, wurde von den mem- 
branarii (Ed. Diocl. VH 38), dupfiegonoioi (Corp. 
gloss. Ill 371, 28) besorgt. 



1229 



Coriarius 



Coriarius 



1230 



Von einzelnen Manipulationen beim Gerben 
wird gelegentlich erwahnt das Aufspannen, #ga- 
vsvsiv, Aristoph. equ. 360, auf dem Schabebaum, 
&q&vos, um mit dem Schabeisen die Fleischseite 
zu reinigen. Zum LOsen der Haare bediente man 
sich der Blatter des Maulbeerbaumes und des 
Urins, Plin. n. h. XVII 51. XXHI 140, auch der 
Frucht der rotfriichtigen Zaunrube {yitis alba, 
Bryonia dioeca L.), Diosc. IV 181. Plin. n. h. 
XXHI 22. Die so entstandene Jauche diente als 
Diinger, xotiqo; flvQaoSeyuxtf, axvroSsrpixrj, axvxo- 
deyiwv axa&aQala, eoriariorum sordes. Theophr. 
eaus. pi. HI 9, 3. 17, 5. V 15, 2. Plin. n. h. 
XVH 51. 258. Geopon. II 22, 1. Endlich wird 
erwahnt, dass man die Felle mit Stscken schlug, 
damit sie die Gerbstoffe besser aufnahmen, Schol. 
Aristoph. equ. 368. 



Thongefasse; ein siebentes nahe der Siidostecke 
neben einer der runden Gruben. Endlich zwischen 
jedem dieser Gefasse und der langlichen Grube 
ein enges cylinderfo'rmiges Loch, von der Tiefe 
der Grube und unten gegen diese geoffhet. Es 
scheint, als hatte Her eine ThonrOhre eingesetzt 
sein sollen; doch ist diese nirgends vorhanden. 
In den Thongefassen fanden sich Eeste einer 
Masse, die, soviel bekannt, nicht untersucht wor- 
10 den ist. Es ist wohl sicher, dass in den runden 
und langlichen Gruben die Felle mit den Gerb- 
stoffen in Beriihrung gebracht wurden. Und zwar 
dienten ohne Zweifel die grossen runden Gruben 
der Lohgerberei; fur die kleineren langlichen wird 
man an Weissgerberei denken diirfen, der Art, 
dass die dazu benutzten Gerbstoffe in den Thon- 
gefassen enthalten waren und durch die senk- 




In Pompeii ist im J. 1873 eine Gerberei aus- 
gegraben worden, Bull, d, Inst. 1875, 18. Sie 
liegt in nachster Nahe der Stadtmauer und nimmt 
die 5. Insula der 1. Region fast ganz ein. Bei- 
stehend Grundriss des die charakteristischen Vor- 
richtungen enthaltenden, ca. 8i/ 2 X 9 m. grossen 
Raumes. Der Pfeiler in der Mitte stiitzte das 
Dach. Der durch eine ganz niedrige Mauer ab- 
getrennte Teil enthalt 15 grosse, nicht ganz kreis- 
runde Gruben von 1,25— 1,60 m. Durchmesser und 
ca. 1,50 m. Tiefe, mit Stuck ausgekleidet, mit je 
zwei Loehern in den Wanden zum Ein- und Aus- 
steigen. Ferner, zwischen diesen, drei langlich 
viereckige Gruben, ca. 0,50 tief, einst, wie es 
scheint, mit Holz ausgekleidet, und neben jeder 
dieser letzteren zwei in den Boden eingelassene 



rechten Rohren in die Gruben geleitet wurden. 
Vier Instrumente, ahnlich den noch jetzt iiblichen, 
wurden hier gefunden : ein bronzenes gerades Schab- 
messer (.Blanchiereisen') mit Holzgriff am Riicken 
der Klinge; zwei eiserne gebogene concave Schab- 
messer mit Griff an jedem Ende und ein eisernes 
Instrument mit convexrunder Schneide (xeqixo- 
§§lievg, ,Halbmond'); Abbildung der Instrumente 
Bull. d. Inst. a. O., Blilmner Technol. I 280, 26. 
In einem anderen Teil des Hauses, einem auf den 
Garten geoffneten Porticus, flnden sich Vorrich- 
tungen, die vielleicht zur Bcreitung einer fur die 
Gerberei benutzten Fliissigkeit dienten. Um- 
stehend Grundriss : aus einem gemauerten Becken 
floss die Flussigkeit teils durch zwei Offnungen 
in ein niedrigeres Becken, teils in eine an der 



1231 



Coridorgis 



a Corinthiis 



1232 



Wand entlang gefilhrte gemauerte Einne, aus der 
sie durch drei seitwarts abzweigende, in kurzen 
Mauern enthaltene Kinnen in drei grosse Thon- 



die aus einem einheimischen Geschlechte hervor- 
gegangen sind (CIL III 2891) ; bei ihnen erhielt 
sich der alte Cult der Latra (CIL III 2857. 9970. 




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gefasse gelangte. Zwei Schabeisen wurden auch 
in Mainz gefunden, eines concav mit Griff an 
jedera Ende, das andere convex und rechtwinkelig 
zum Griff stehend; Abbild. Blumner a. 0. 281, 
29f.g. 

Blumner Teehnologie I 257ff. 279ff. Mar- 
quardt Privatl,2 588, 9. Daremberg-Saglio 
Diet, des ant. I 1505. [Mau.] 

Coridorgis [KoQiSogyls), Ort im inneren Ger- 
manien in der Nahe der Donau, Ptol. II 11, 15. 
lage unbestimmt. [Ihm.] 

Corinium. 1) Stadt in Dalmatien (Plin. n. h. 
Ill 140 : Cetera per oram oppida a Nesaetio Al- 
■vona .... Corinium. Ptolem. II 16, 3: Koqivlov) 
und Station der Strasse Burnum — Hadra — Nedi- 
num — Iader (Geogr. Rav. 223, 19: Coriton. 381, 
7: Corinthon. Guido 534, 4: Corintkion. Eie- 
pert Formae orbis antiqui XVII). Die Lagc der- 
selben in Karin (Gstlich von Iader — Zara) wird be- 
stimmt durch den jetzt ub lichen Namen und durch 
die in der Nahe gefundenen Inschriften CIL III 
2883. 9973. Bare Nachbargemeinde im Westen 
war Nedinum {jetzt Gradino bei Nadin), mit der 
sie in fortwahrenden Grenzstreitigkeiten lebte; 
ihre Grenzen wurden unter dem Legaten P. Cor- 
nelius Dolabella (14—18/19 n. Chr. W. Liebe- 
nam Forschungen zur Verwaltungsgeschichte I 
153f.) firiert (CIL III 9973: inter Neditas et Cori- 
nienses); unter Kaiser Gains (CIL III 2882, wo 
wohl ebenfalls inter Ned[itas et Corinienses] zu 
erganzen ist) und unter Nero (CIL m 2883. 9973. 
Liebenam a. a. 0. 158) mussten sie aufs neue 
geregelt werden. Die Fundorte dieser Termina- 
tionssteine sind nicht genauer bekannt, so dass 
sich die Ausdehnung der beiderseitigen Territo- 
rien nicht bestimmen lasst; gross waren sie jeden- 
falls nicht. Die Stadt ist, wie ihre Tribus Sergia 
(W. Kubitschek Imperium Romanum tributim 
discriptum 233, vgl. 232), die Grenzregulierung 
unter Dolabella und die zahlreichen Iulii (CIL III 
2885. 2886. 2894—2897. 9972. 9975. 9977. 9978) 
beweisen, bereits unter Augustus emporgekommen ; 
spater muss sie zuriickgegangen sein, weil die In- 
schriften fast durchweg dem 1. und dem Anfange 
des 2. Jhdts. angehOren. Bare Magistrate sind 
bis jetzt nicht bekannt (CIL III 9972 ist wohl 
auf Clambetae [s. d.] zu bezieheni ; unter den 
Biirgern nehmen die Calpurnii eine hervorragende 
Stelle ein (CIL III 2857. 2890—2892. 9970. 9976), 



20 9971). Diese Gottin hatte hier ebenso wie in 
Nedinum ein Heiligtum; in CIL III 9971 Z. 2 
VM- LATRA ist vermutlich [templjum Latra [e] 
zu erganzen. Ausserdem sind hervorzuheben der 
Altar des Ianus pater (CIL III 2881), der in diesem 
Teile Dalmatiens stark verebrt wurde (CIL III 2969. 
3030. 9932. 10072. 13208, vgl. 3158. Wissen- 
schaftliche Mitt, aus Bosnien und der Hercego- 
vina V 178) und die Widmung CIL in 2880: 
D(is) dmbusque secundum interpetrationem (sic) 

30 Clarii Apollinis, bei der L. Friedlander Sitten- 
geschichte Ills 562 auf die ganz analogen Stif- 
tungen in Borcovicus (Britannien CIL VII 633) 
und in Cuicul (Numidien CIL VIII 8351) ver- 
weist und meint, dass ,hier vielleicht an eine von 
Truppen verschiedener Provinzen vereinbarte Be- 
fragung dieses Gott (wie es scheint, in Hadrians 
Zeit) zu denken ist'. C. tritt militarisch in zwei- 
facher Hinsicht hervor : 1) war es die Heimat von 
Soldaten der coh. urbanae (CIL III 2886, vgl. 

40 2894. O. Bohn tber die Heimat der Praetori- 
aner 23) , der leg. VII CI. p. f. (CIL HI 2885) 
und der leg. XI C. f. p. (CIL HI 9974) ; 2) kommen 
hier (CIL in 2888 [vgl. p. 1634]) und in der Um- 
gebung (CIL III 2884. 2887. 13208. Wissensch. 
Mitt. V 209) Praetorianer vor, die nicht in Dal- 
matien zustandig waren, welche also fiir die zeit- 
weilige Anwesenheit einer ganzen Abteilung der 
Garde in diesem Teile Dalmatiens zu sprechen 
scheinen. CIL in p. 373. 1634. 2168. A. Hol- 

50 d e r Altkeltischer Sprachschatz s. Corinnion. 
H. C o n s La province Rom. de Dalmatie 196. 
tJber das dortige Amphitheater und sonstige rO- 
mische Uberreste S. Ljubic Archiv fiir Kunde 
osterr. Geschichtsquellen XXII 2, 233ff. 

[Patsch.] 

2) Corinium Dobunorum, Stadt der Dobuner 

im westlichen Britannien, nach Ptolemaios (II 3, 

12 Kooiwiov, danach beim Geogr. Rav. 427, 16 

Cirenium). Die Dobuner sassen in Gloucester- 

60 shire , daher man Cirencester fiir Cor inicast ruin 
halt. Doch vgl. Durocornovium. [Hiibner.] 
Corinthia. AemiliaCorinthia Maura s.Maura. 
a Corinthiis, der mit Aufbewahrung und In- 
standhaltung der korinthisehen Bronzegerate (s. 
Corinthium aes) betraute Sclave, kommt melir- 
fach in Inschriften vor. CIL X 692. 6638, 30 
diese zum kaiseiiichen Haushalt gehOrig; so audi, 
VI 5847, wenn die Inschrift echt ist. Wohl gleich- 



1233 



Corinthium aes 



Corioli 



1234 



bedeutend ist corinihiarius CIL VI 8756. 8757. 
Claudia eorinfthiaria] X 6637, 11; auch diese 
sind kaiserliche Sclaven. Ein corinthiarius eines 
Privaten VI 5900. Die Inschrift Orelli 4181 
(a eorinthis faber) ist unecht, s. Hen z en Comm. 
Mommsen. 636, [Mau.] 

Corinthium aes. Eine Bronze besonderer 
Mischung, nach Plin. n. h. XXXIV 5— 12,_ der 
ausfuhriich dariiber spricht, jtlnger als die delische 
und aeginetische, deren sich Polyklet und Myron 
bedient haben sollten, von besonderer Farbe, von 
der man glanbte, dass sie durch Beimischung von 
Gold und Silber erzielt sei. Und zwar gab es 
drei Arten der Mischung, je nach dem Vorwiegen 
des Goldes oder Silbers oder der gleiehmassigen 
Verwendung beider. Diese Meinung ist nicht ohne 
weiteres zu vervverfen, da sie sich auf die An- 
schauung der Farbe und vermutlich auf Nach- 
ahmungsversuche griindet. Doch war man nicht 
im stande, die Farbe des alten a. C. zu erzielen, 
und an dieser wussten Kenner echte und imitierte 
korinthische Bronzen zu unterscheiden, Plin. ep. 
HI 6, 3. Das von Plinius n. h. XXXIV 9 hepati- 
%on genannte Metall ist nicht korinthisch, sondern 
■wurde noch zu seiner Zeit aus Gold, Silber und 
Kupfer gemischt. Man glaubte, das a. C. sei ent- 
standen bei der ZerstOrung Korinths 146 v. Chr., 
indem durch den Brand Bronzestatuen mit golde- 
nen und silbernen Gefiissen zusamnienschmolzen, 
und dass aus der damals entstandenen Masse alle 
Corinthia gefertigt seien. Plin. a. O. 6, ausdriick- 
licher noch FJor. II 16. Oros. V 3; vgl. Pctron. 
50. Prop. IV 5, 6. Dies ist offenbare Fabeh Aus 
besserer Quelle berichtet Plin. n. h. XXXVII 12, 
die Liebhaberei fiir Corinthia sei aufgekommen 
nach dem Siege des Mummius, indem damals 
so wohl aus Korinth als auch aus anderen Teilen 
Griechenlands Bronzegerat nach Italien kam und 
als korinthisch bezeichnet wurde. So ist denn 
jene Fabel bei Plut. de Pyth. or. 2 dahin urn- 
gestaltet, dass eine Feuersbrunst zur Erfmdung 
des a. C. gefiihrt habej ebenda eine andere Fabel: 
ein Kupferschmied habe einen von ihm gefun- 
denen Goldschatz auf diese Weise verwertet. Nach 
Paus. Ill 3, 3 sollte gar das AblOschen in der 
Peirene eine Rolle dabei spielen. Offenbar wussten 
die Urheber dieser Fabeln, dass das a. C. alter 
war als die ZerstOrung Korinths. In der That 
kommt eine korinthische Erzschiissel schon um 
300 v. Chr. bei Athen. IV 128 d vor. Wann die 
Mischung aufgekommen, und wann diese Kunst- 
iibung erloschen ist, ob mit der ZerstOrung Ko- 
rinths oder schon friiher, ist nicht auszumachen. 

Man verstand unter a. C. Gerate und Figuren, 
von letzteren , wie es scheint, nur kleinere, die 
die Besitzer auf Reisen mitfiihren konnten, Plin. 
XXXIV 48; doch wird von den dort genannten 
Statuen nur die Sphinx, die Hortensius von Verres 
erhalten hatte, ausdriicklich als korinthisch be- 
zeichnet; statu ncula Petrou. 50; Plinius a. O. 7 
ist der Meinung, dass diese Figuren mit Unrecht 
als korinthisch bezeichnet werden und dieser Name 
nur den Geriten zukomme. Da er dies Urteil 
durch seine Meinung von der Entstehung des 
a. C. im J. 146 hegriindet , so ist auf dasselbe 
kein Gewicht zu legen. Dass man Statuen hatte, 
die als korinthisch galten. bezeugt er selbst a. O. 
48; eine solche — es war ein naturalistisch be- 



handelter Greis — hatte der jiingere Plinius ge- 
kauft, ep. Ill 6; er hielt sie fur echt wegen der 
Farbe; dass es aber auch unechte gab, geht aus 
seinen Worten hervor, und auch aus Martial. IX 
59, 11, wo der Kenner sie auf den Geruch priift 
(vgl. Petron. 50). Dass man ungenau auch spatere 
Werke als korinthisch bezeichnete, beweist die 
Inschrift CIL VI 8686 (imaginem Corintheam 
Traiani Caesaris); so darf auch gezweifelt werden, 

10 ob Martial XIV 172—177 wirklich altkorinthische 
Statuetten des Sauroktonos und des schlangen- 
wiirgenden Herakles und XIV 43 einen altkorin- 
thischen Candelaber als Apophoreta in Aussicht 
nahm. Nach Plin. n. h. XXXIV 12 gab es keine 
echt korinthisehen Candelaber; wir kiinnen dies 
Urteil nicht controllieren. "Waffen korinthischer 
Arbeit Cic. Verr. IV 97; ein Authepsa, zweifel- 
haft ob korinthisch oder delisch, Cic. Rose. Am. 
133; eine Pelvis CIL X 6; eine lanx Petron. 50. 

20 Corinthia werden oft erwahnt als kostspielige 
Liebhaberei, Cic. Verr. U 83. 176. IV 98; Tusc. 
H 32; Parad. I 13. Prop. IV 5, 6. Sen. de tranqu. 
an. 9, 6; de brev. vit. 12, 2; ad Helv. 11, 3. 
Suet. Aug. 70; -Tib. 34. 

Das korinthische Erz glaubte man zu erkennen 
in Bronzen der Nekropolen von Suessula und Al- 
lifae , deren Analyse eine Beimischung von Gold 
und Silber ergab. Doch sind diese Resultate in 
betreff der Bronzen von Suessula durch spatere 

30 Analyse widerlegt worden und miissen auch fur 
Allifae, wo die Angaben schon an sich unglaub- 
lich sind (bis zu 3/ 4 Silber) , als verfehlt gelten. 
Von Duhn Bull. d. Inst. 1878, 152. 1879, 142; 
Rom. Mitt. II 1887, 252. Dressel Ann. d. Inst, 
1884, 248. 

Blumner Gewerbl. Thiitigkeit der Volker des 
class. Altert. 74; Teehnologie IV 183. Btichsen- 
schiitz Hauptstatten des Gewerbfleisses 36. Mar- 
quardt Privatl. 2 688. Daremberg-Saglio 

40 Diet, des ant. I 1507. [Man.] 

Corinthon (Geogr. Rav. 381, 7) s. Corinium 
Nr. 1. 

Corinthus, ein bekannter Dummkopf, Iuven. 
Vni 197. [Stein.] 

Coriolaiius s. Marcius. 
Corioli (KoQiola Steph. Byz.; Einwohner Co- 
riolanus, Kogiolavog; aber Kogii.Xa bei Dionys. 
IV 45 scheint Corruptel aus 'AgiyJa, vgl. Liv. I 
50), Stadt der Volsker in Latium adiectum, nach 

50 den Annalen zugleich mit Longula und Pollusca 
493 v. Chr. eingenommen, und drei Jahre spater 
von demselben Cn. Marcius, der der Einnahme 
seinen Ehrenbeinamen Coriolanus verdankte, fur 
die Volsker zuriickerobert (Liv. II 33. 39. Dionys. 
VI 92—94. VII 19. Vni 30. Val. Max. VI 3, 4. 
Plut. Coriol. 8. Eutrop. I 14. Flor. I 5. Aurel. 
Vict, de vir. ill. 19). Dann verschwindet es aus der 
Geschichte : Plin. EU 69 zahlt es unter den Stadten 
auf qui interiere sine vestigiis. Die Reihen- 

60 folge der Operatkmen bei Liv. II 39 (Circei, Sa- 
tricum. Longula, Polusca, C, Mugilla, Lavinium) 
zeigt, dass C. zwischen dem Albanergebirge, dem 
Fiume di Astura und dem Meere zu suchen ist; 
der Grenzstreit zwischen Ardea und Aricia fiber 
ein Stuck Landes qui finium Coriolanarum fuisset 
(Liv. in 71) ,- dass C. im nordwestlichen Teile 
dieses Gebiets gelegen hat. Aber zur genauen 
Ansetzung fehlen die Mittel: Gell (Topogr. of 



1235 



Coriondi 



Corippus 



1286 



Rome 180—184) und Nibby (Dintorni di Roma 
I 512—514), die es nach Monte Giove siidlich 
vom Lacus Aricinus versetzen, riicken es viel zu 
nahe sowobl an Lanuvium wie an Aricia heran. 

[Hfilsen.] 

Coriondi, Volk an der Siidostkiiste von Hiber- 
nia nach Ptolemaios (II 2, 8 KoqiovSo! oder Ko- 
Qtovdaf); die Lage ist nicht genauer ermittelt, 
den Namen glaubt man in Carnsore Point er- 
halten, der Sttdspitze der Grafschaft Leinster. 

[Hiibner.] 

Corioiiototae , wahrscheinlich kaledonische 
Volkerschaffc im nGrdlichen Britannien , nur er- 
wahnt in der Weihinschrift eines romischen prae- 
feetus equittvm aus Hexham, einem der Castelle 
siidlich vom Wall des Hadrian, die gesetzt ist 
caesa Corionototarum manu (CIL YII 481). Ein- 
briiche nerdlicher Barbarenstamme gegen den rOmi- 
schen Wall beginnen schon im 2. und 3. Jhdt. 

[Hiibner.] 

Coriosolites, Yolk in Gallia Lngudunensis 
am Ocean, Caes. b. G. VII 75 eivitatibus quae 
Oeeanum attingunt quaeque eorum consuetudine 
Armoricae appellantur, quo sunt in numero 
Coriosolites, Bedones, Ambibarii, Cadetes, Osistni, 
Veneti, Lemoviees, JJnelli; vgl. II 34. Ill 7 Corio- 
solitas (var. Cwriosolitas). HI 11 Coriosolitas 
(var. Coriosolites). Der Name ist bei Plin. n. h. 
IV 107 verderbt in Coriosvelites und Cariosultes, 



Cortovallio. Itin. Ant. 375. 378 Corivallum. Heute 
vielleicht Korten. Desjardins Table de Peut. 16. 
Vgl. Coriallum. [Ihm.] 

Corippus, romischer Epiker des 6. Jhdts. 
Sein voller Name ilfavius) Cresconius Corippus 
stand nur in der verlorenen Ofener Hs., die andern 
nennen ihn bios Cresconius oder C, nur die Ma- 
drider fligt dem Namen den Beisatz zu Afrieanus 
grammatieus, d. h. nach dem Sprachgebrauch der 

10 iustinianischen Zeit (Parts ch p. XLIII Anm. 3) 
,Lehrer'. Hiervon abgesehen sind die einzige sichere 
Quelle fur die Biographie des C. seine Gedichte. 
Denn nichts ist anzufangen mit der oft heran- 
gezogenen Notiz in einer Hs. der Concordia cano- 
num des Cresconius, dem Vallicellianus A 18 saec. 
X, dieser Cresconius sei ein africanischer Bischof 
gewesen und zwar der, der des Johannes Patricius 
Kriege und Siege in Africa gegen die Saracenen 
(697) in Hexametern besungen habe. Schon die 

20 offenbare Verwechslung der Maurenkriege des corip- 
peischen Helden mit dem um anderthalb Jahr- 
hunderte jungeren Araberkrieg zeigt, dass der Ver- 
fasser dieser Notiz nicht gerade fiber sehr zuver- 
lassige Kenntnisse verfiigte. Man miisste aber, 
wenn man wirklich die beiden Cresconii identi- 
ficieren wollte, ihm noch einen zweiten Irrtum 
zur Last legen; wenn der Autor der Concordia 
unser C. war, dann war er nicht Bischof, und das 
ist freilich auch sonst nirgends bezeugt. Zeitlich 



in den Not. Tiron. 91 (Zangemeister Neue30wiirde der Identificierung nichts im Wege stehen, 



Heidelberg. Jahrb. II 9) Coriosultas (Var. curio 
sultae, coriosultis). Ptolemaios erwahnt sie auf- 
fallender Weise nicht, denn Mommsens Vermu- 
tung, die SanvXxai des Ptolem. II 8, 6 seien die 
C, bleibt unsicher. Sie sind anzusetzen im jetzigen 
dep. Cotes-du-Nord, der Name lebt fort in Corseul 
(arrond. Dinan). Dass Cor- nicht Cur- die richtige 
Schreibung ist, beweisen die Inschriften; ein c(ivis) 
Coriosolis auf einer Grabschrift von Bordeaux 



da ein Terminus post quern fur den .Bischof nur 
dadurch gegeben ist, dass er des Fulgentius Fer- 
randus Breviatio canonum benutzt hat. Indes 
thut man , zumal die betreffende Nachricht in 
alien anderen Hss. der Concordia canonum zu 
fehlen scheint, dem, der so geirrt hat, gewiss nicht 
zu viel, wenn man die Annahme ausspricht, er 
habe bios auf den Namen hin den Canonsammler 
und den Dichter Cresconius gleichgesetzt (vgl. 



(Jullian Inscr. romaines de Bordeaux 1 162 nr. 54. 40 F. Maassen Geschichte der Quellen und Littera- 



Mowat Bulletin histor. et archeol. de la Mayenne 
2. s<5r. VI 1892, 16); ein bei Corseul gefundener 
Meilenstein des imp. Caes. M. Piavonius Vietorinus 
Aug. bietet c(ivitate) Cor(iosolitum) (Murat. 461, 
1. Mowat a. O. 167), dieselbe Abkiirzung auf 
dem Meilenstein von Le Genest, dep. Mayenne 
(aus dem J. 305/306, Mowat a. O. 163). Manche 
wollen diese Civitas Coriosolitum trennen von 
der Civitas Coriosopitum der Not. Gall. Ill 7 



tur des canon. Eeehts, Graz 1870, I 807f£). Wir 
sind also fur den Lebensgang des C. einzig auf 
das Wenige angewiesen, was uns seine Werke, 
insbesondere die die beiden Epen einleitenden Ge- 
dichte erkennen lassen. Die Praefatio zur Johannis 
ist offenbar bestimmt, die Recitation dieses Epos 
oder auch nur des ersten Buches (v. 39f.) vor den 
proeeres (v. 1) von Karthago (v. 35) einzuleiten; 
dies ergiebt sich aus dem Gedicht an sich, zeigt 



(provincia Lugd. tertia, var. Coriosolitum, _ was 50 sich aber noch klarer bei einem Vergleich mit 



Seeck in den Text gesetzt hat), so d'Anville, 
Longnon, Desjardins (dagegen Zange- 
meister Neue Heidelberg. Jahrb. II 19). Nach 
Longnon sind die Coriosopites anzusetzen um 
Quimper (dep. Finistere, Landschaft Cornouaille). 
Desjardins GCogr. de la Gaule I 3221 H 486f. 
Longnon Ge"ogr. 314. Holder Altkelt. Sprach- 
schatz s. Coriosolites und Coriosopites. [Ihm.] 
Coriossedenses, Bewohner einer Ortschaft, 



den claudianischen praef ationes , die dem C, wie 
schon die distichische Form erweist, als Vorbild 
gedient haben (ich erinnere besonders an die Vor- 
rede zum Panegyricus auf Manlius Theodoras und 
zum Bellum Pollentinum, die auch in Gedanken 
und Worten anklingen: proeeres Manl. Theod. 
v. 2). C. hat sich damals zum erstenmal in der 
Stadt horen lassen, vorher nur ,auf dem Lande' 
gedichtet (und declamiert? ignarus quondam 



als deren Name Coriossedum oder Coriosedum 60 per rura locutus v. 25, Musa rustiea v. 28. 37). 



(Holder Altkelt. Sprachschatz s. v.) anzusetzen 
ware, genannt auf der in Collias (dep. Gard) ge- 
fundenen Inschrift CIL XII 2972 (vgL p. 832) 
lovi Coriossedenses et Budemcenses. Rev. 6pigr. I 
nr. 157. LT p. 60. Bull, epigr. I 56. V 197. [Ihm.] 

Cor io vallum, Stadt an der von Atuaca (Ton- 
gres) nach Agrippina (Koln) fuhrenden Strasse, 
zwischen Atuaca und Iuliacum (Jtilich), Tab. Peut. 



Danach mag die Johannis nicht sein erster poeti- 
scber Versuch sein, aber Mazzucchellis von 
andern wiederholter Gedanke, v. 25 spiele auf 
bukolische Dichtung an, den er unverstandlicher- 
weise durch Joh. II 336 stiitzen will, ist natur- 
lich grammatisch unmOglich. Die Abfassung und 
Declamation der Johannis muss kurz nach den 
darin geschilderten Ereignissen (548) fallen ; Kar- 



1237 



Corippus 



Corippus 



1238 



thago und der Dichter stehen noch unter dem 
frischen Eindruck des von Johannes fiber die 
Mauren errungenen Sieges und des neugewonnenen 
Friedens (praefat. und I 9ff.). Der favor, den C. 
fur die Johannis erhoffte, scheint ihm, namen t- 
lich wohl von ihrem Helden und andern darin 
Gefeierten, zu teil geworden zu sein; wenigstens 
begreift es sich so, dass wir ihn, als er sein Ge- 
dicht auf Iustinus, den Nachfolger Iustinians, aus 
Anlass seiner Thronbesteigung (565) und seines 
Consulats schreibt, im Besitz eines Hofamts treffen, 
eines principis offieium (paneg. Anast. v. 48). 
Und zwar scheint nach der lust. IV 173ff. ge- 
wahlten Ausdrucksweise C. zu denen zu zahlen, 
welche Iustin bei den Spenden aus Anlass der 
Consulatsiibernahme eonseriptis patribus aequos 
esse dedit, cum distet honor (18 If.), und welche 
Secretardienste zu verrichten haben (185). Aber 
ob er tribunus et notarius oder seriniarius ge- 
wesen ist, lasst sich nicht ausmachen, da an der 
entscheidenden Stelle (nach v. 172) die einzige 
Hs. liickenhaft ist. Auch hier ist die dichterische 
Behandlung den Ereignissen bald gefolgt; die 
ersten drei Bucher sind zwar, wie schon Foggini 
p. LXV auf Grand von I 60f. (vgl. IV 348ff.) 
bemerkt hat, erst nach der Hinrichtung der Ver- 
schwOrer Aetherius und Abdius, also friihestens 
Ende 566, ediert, aber andererseits auch nicht 
nach 567, da nach der Praefatio das Reich vor 
den Avaren (v. 8f.) und Langobarden (v. 12f.) noch 
Ruhe hat (Partsch p. XLVI); das 4. Buch ist 
spater als die. ersten (s. HI 402ff.), aber gewiss 
nicht lange nachher geschrieben. Zu dieser Zeit 
beflndet sich der Dichter bereits in vorgeriicktem 
Alter (senium fessum praef. 37, fessa seneeta 
paneg. Anast. 48); er wird also etwa im ersten 
Jahrzehnt des 6. Jhdts. geboren sein. Trotz des 
Amtes, das er bekleidet, klagt er uber seine 
drflckenden Verhaltnisse; er ist nudatus propriis 
et plurima vulnera passus (praef. 43) und bittet 
den Kaiser als den medieus verbo pestem qui 
summovet uno (45) : vinee meae saevam forturuw 
iram (41). Was den Dichter betroffen hat, wird 
weder hieraus vOllig klar noch aus seinen JLusse- 
rungen in dem Lobgedicht auf den quaestor et 
magister (so der Matritensis in der Uberschrift, 
vgl. v. 41. I 16. Becking Not. dign. I 247f.) 
Anastasius, das unsere Hs. ohne innere Berech- 
tigung zwischen die Praefatio und das erste Buch 
in laudem Iustini stellt. Die zuletzt nachFog- 
ginis Vorgang von Petschenig (praefat. p. VHI 
Anm. 7) vorgetragene Deutung der betreftenden 
Stelle verschliesst freilich ihr Verstandnis mehr 
als nfitig; das Richtige hat in einzelnem schon 
Barth zu Anast. v. 47, in allem Wesentlichen 
Partsch p. XLVI gesagt. Der Dichter vergleicht 
den Anastasius, bei dem er ubrigens ein beson- 
deres Interesse fur die Africaner voraussetzen zu 
durfen glaubt (v. 37ff.), in einem breit und ge- 
schmacklos ausgefiihrten Bilde mit einem frucht- 
tragenden Baum, der aus der Quelle der kaiser- 
lichen Huld seine Nahrung zieht; aus dieser 
Quelle wunscht auch er zu trinken und gesattigt 
im Schatten des Baumes Schutz zu finden (v. 23ft.). 
Quod labor indulsit, quod fessis provida Musis 
alma per insomnes meruit vigilantia (Anspie- 
lung auf den Namen der Kaiserin-Mutter, vgl. 
IV 182 u. 0.) nodes, hi sacri monstrant api- 



ces. Lege . . . . et eausam defends fneam. Tibi 
sanetio vestrum eommendat famulum. Vestro 
de fonte ereatur rivulus iste meus, sub cuius 
nomine gesto principis offieium. Sacri apices 
ist zu jener Zeit anerkanntermassen technischer 
Ausdruck fur kaiserliche Rescripte; somit kann 
es der Dichter hier auf keinen Fall von seinem 
eigenen Werke gebraucht haben. Dass er sich 
der ublichen' Terminologie angesehlossen hat, be- 

lOzeugt auch sanetio. Denn weder scheint das 
Wort je sonst in der von Petschenig ange- 
nommenen Bedeutung ,Widmung' belegt zu sein, 
noch kann es diese hier haben, da die Bucher in 
laudem Iustini natiirlich nicht dem Anastasius, 
sondern dem Kaiser selbst gewidmet sind; da- 
gegen ist es wiederum terminus technieus fur 
dieselbe Sache wie sacri apices (s. z. B. Dirks en 
Manuale s. v.). Aber Partschs Deutungen von 
sacri apices und sanetio schiitzen sich nicht nur 

20 gegenseitig , sie machen auch allein den rivulus 
sub cuius nomine verstandlich. Der Dichter 
bleibt in dem seit v. 1 festgehaltenen Bilde: die 
kaiserliche Gnade ist ein fans, und aus diesem 
ist auch fur ihn ein kleines Bachlein erflossen. 
Der ganze Zusammenhang, das hinweisende Pro- 
nomen rivulus iste meus zeigt, dass unter dem 
Bachlein wieder nur das kaiserliche Handschrei- 
ben gemeint sein kann, auf das er sich schon 
gerade vorher berufen hat und auf das hin (zum 

30 Ausdruck vgl. II 273) er principis gestat offieium. 
Die Erfiillung anderer Dinge, die ihm in dem 
Handschreiben verheissen, aber bisher durch die 
Verhaltnisse oder durch Neider verschrankt ist, 
hofft er durch die Vermittelung des Anastasius 
zu erreichen. Wir wissen weder, worum es sich 
hierbei handelt, noch ob Anastasius den Hoff- 
nnngen des Dichters entsprochen hat. 

Der dichterische Naohlass des C. ist ziemlich 
umfangreich. Das Epos Iohannis oder de bellis 

40 Libyeis (den ersten Titel gaben der Budensis und 
der VeTonensis, den zweiten der Casinensis, keinen 
der Trivultianus ; beide Titel stammen gewiss von 
C. selbst) schildert in acht Buchern und fast 
5000 Hexametern die Niederwerfung der Mauren 
durch Johannes in den J. 546 — 548. Es beginnt 
mit der Entsendung des genannten Feldherrn 
durch Iustinian und schliesst in unserer am Schluss 
verstummelten Cberlieferung mit der entscheiden- 
den Schlacht auf den Campi Catonis. Nach alter 

50epischer Sitte ist die Vorgeschichte der geschil- 
derten Ereignisse einer Person des Epos in den 
Mund gelegt; den grOssten Teil des dritten, die 
Halfte des vierten Buches fiillt des Tribunen Libe- 
ratus Erzahlung von des Maurenfursten Antalas 
Jugendjahren , von seinen Kampfen gegen das 
Vandalenreich, dessen Eroberung durch die Byzan- 
tiner (533) und der zehn Jahre spater erfolgenden 
Erhebung der Mauren gegen die RCmer. Einen 
weit weniger dankbaren Stoff behandelt das zweite 

60 Werk des C, die vier Bucher in laudem Iustini 
minoris, namlich den Hintrittlustinians, die Thron- 
besteigung seines Nachfolgers (14. Nov. 565) und 
die ersten Ereignisse seiner Regierung, wobei die 
ersten acht Tage die ersten drei Bucher fiillen, 
wahrend das vierte die Feierlichkeiten bei der Er- 
neuerung und- tbernahme des Consulats durch 
Iustinus (Foggini zu IV 90) besingt. 

Bei beiden Werken stent das poetische Interesse 



1239 



Corippus 



Corippus 



1240 



erst in zweiter oder dritter Linie; videtur histo- 
riam composuisse, non poema lasst sich. von C. 
mit ganz anderem Eechte sagen als von Lucan 
(Serv. Aen. I 382). Unter beiden Gesichtspunkten 
aber, dem historischen und dem poetischen, steht 
die Johannis weit iiber dem Werk des Alters. Fur 
byzantiniscb.es Hofceremoniell freilich fliesst in 
dem Gedicht auf Iustinus eine iiberaus reiche 
und, soviel ich sehe, noch nicht ganz nach Ge- 
biihr benutzte Quelle ; die Johannis aber ist nicht 
nur wertvoll durch ihren Bericht vom Untergang 
des Vandalenreiches und vom maurischen Kriege, 
sie bietet eine Schilderung von Land und Leuten, 
wie sie eben nur einem eingeborenen Beobachter, 
der seine Eindrficke gewissenhaft wiedergiebt, 
mOglich ist. Von dem, was Eumolpus far die 
Aufgabe des Epikers erklart (Petron. 118) non 
res gestae versibus eomprehendendae sunt, quod 
longe melius historiei faciunt, sed per ambages 
deorumque ministeria et fabulosum sententiarvm 
tormentum praecipitandus est liber spiritus, ut 
potius furentis animi vatieinatio apparent quam 
religiosae orationis sub testibus fides, hat C. 
ungefahr das Gegenteil fur sich verbindlich er- 
achtet. Schon der vollige Verzicht auf den iib- 
liehen mythologischen Apparat des Epos (man 
miisste derm Traumerseheinungen , wie die des 
Teufels Joh. I 241ff. und die lichtere lust. I 32ff. 
dahin rechnen), der oft bis zur Trockenheit schlichte 
Ton erwecken das giinstigste Vorurteil fur den 
Dichter als historische und ethnologische Quelle; 
es findet sich bis ins Detail hinein bestatigt 
namentlich durch den "Vergleich einmal mit Pro- 
kop (de bell. Vand. II 19ff., vgl. Partsch p. Vff.), 
dann durch das, was wir sonst von Ort und Art 
der Berbern, auch der modernen, wissen (Partsch 
p. "Vlllff. und ,Die Berbern bei C, Satura Via- 
drina, Breslau 1896, 20ff.). Zwei Beispiele aus 
vielen. Den Tod des Eebellen Stutias oder Stotzas 
beschreibt C. IV 178 hunc morte cadentem susci- 
piunt socii densaque sub arbore ponunt, Prokop 
II 24 oaoi zs avzqi stnovto . . . Sxot^av ohyo- 
yvxovvra em SsvSgov xivog t&svzo ; in einem 
modernen Berbernschwert konnte Partsch jene 
eigentumliche am linken Oberarm getragene Art 
wiedererkennen, von der C. II 126ff. 154 spricht 
(Sat. Viadr. 30), der ftberhaupt, ein dichteri- 
scher A. v. Werner, in minutiosen Uniformbe- 
schreibungen eicelliert (s. z. B. I? 489ff.). Die im 
ganzen geringen Differenzen zwischen Prokop und 
C. wagt Partsch in seinem Prooemium ab: sie er- 
ledigen sich bin und wieder zu C.s Gunsten; wo das 
nicht der Fall ist, kommt fast immer ein Factor in 
Kechnung, den zu ubersehen von vornherein un- 
nioglich ist. Das Epos nannte sich nicht bios de 
bellis Libycis, sondern auch Iokannis ; dem Helden 
und noch ein und dem andern General sonst zu 
Liebe wird manchmal recht dick aufgetragen: 
Johannes erlegt die Mauren zu Dutzenden (V 104ff. 
152ff.) und braucht also eigentlich sein Beer gar 
nicht, urn die Feinde in die Flucht zu schlagen 
(161f.); vgl. z. B. noch VI 618. VII 77f. VIII 
389ff. 534ff. Ja ein- oder zweimal wird wohl die 
Wahrheit, wenn sie fur Johannes nicht schmeichel- 
haft ist, in ihr Gegenteil verkehrt ; sein Anteil 
an der Schlacht bei Nisibis (541) ist nach Prokop 
de bell. Pers. II 17f. durchaus nicht der riihmliche 
gewesen, den C. ihm I 58ff. zuschreibt (P aTts eh 



p. XXVI, vgl. noch XXII f.). Immerhin steigt die 
Byzantinerei hier nie zu der Hohe der Abge- 
schmacktheit wie im Lobgedicht auf Iustin, in dem 
es z. B. heisst, wenn der Kaiser sich bis aufs Hemd 
auszieht, der Glanz seiner Glieder verstarke das 
Licht des Tages (II 90). Man erkennt in der 
Johannis durch den Weihrauchnebel doch den 
historischen Kern immer mit ziemlich derselben 
Sicherheit, wie etwa durch die conventionellen 

10 Ziige hindurch, mit denen C. V 50ff. u. 6. nach 
altem epischem Muster die Sehlachtschilderungen 
ausstattet. So ist es moglich geworden, auf 
Grand der Johannis so eingehende geschicht- 
liche, antiquarische, geographische, ethnologische 
Darstellungen zu geben, wie dies Partsch 
im Prooemium, in Satura Viadrina a. 0. (dazu 
Skutsch Berbernnamen bei C, Byzant. Ztschr. 
IX 1 52f.) und Herm. LX 292ff. Ch. D i e h 1 L' Afrique 
byzantine, Paris 1896, 58ff. 301ff. 363ff. u. a. 

20 gethan hat. Was fur historische Quellen C. be- 
nutzt hat, ob er iiberhaupt aus anderen als aus 
seinen eigenen Erlebnissen und etwa mundlicher 
Uberlieferung geschOpft hat, ist nicht ermittelt. 
Dass er Iustin. I 314ff. nicht auf Malalas p. 175 
Bonn, zuriickgeht, wie F. Cumont Eer, de l'in- 
struct. publ. en Belg. XXXVII 77ff.; Mithra II 70 
behauptet, ist bei der geringen Ahnlichkeit beider 
Stellen klar; bei der auffalligen TJbereinstimmung 
mit Lydus de mens. IV 30 aber (C. E. Gleye 

30 Byzant. Ztschr. IV 366f., namentlich C. 322—329 
ess Lyd. p. 90, 2 W.) wird man , da die Lydus- 
stelle nur durch Planudes erhalten ist, vielleicht 
besser eine Eeminiscenz des Planudes an seine 
C.-Lekture annehmen als Benutzung des Lydus 
(die chronologisch mOglich ware) oder seiner Quelle 
durch C. (Wiinsch Lyd. de mens. p. LIX und 
mundlich). 

Aber wenigstens dem C. der Johannis thate 
man Unrecht, wollte man behaupten, er sei bios 

40 ut historicus, rum ut poeta legendus. Es ist wa.hr, 
Ode wie fast das ganze Gedicht auf Iustinus, das 
manchmal das reine versificierte Staatsrecht ist 
(sebr komisch z. B. II 272f.), sind auch erhebliche 
Strecken in der Johannis. Die herkommliche 
Blutriinstigkeit des Epos steigert sich bisweilen 
zum Widerwartigen (V 104ff. 513ff., vgl. VII 348ff.), 
das dann nur etwa durch einen gelegentlichen 
Zug unf rei willi ger Komik gemildert wird, wie 
wenn man durch einen Schwabenstreich des Johan- 

50 nes zur Rechten wie zur Linken einen halben 
Berbern hinuntersinken sieht (medium rigido mu- 
erone tremendus dividit, inque lotus gemma de* 
flu&it utrumque parte eadens V 120, vgl. Wey- 
man Ztschr. f. vergleichende Litteraturgesch. 
VI 408); an diirr klappernden Asyndeta (IV 223f. 
586. VI 79f. 163, ebenso lust. I 169. 217. 309. 
Ill 74) hat der Dichter oft ebenso grosse Freude 
wie an sonderbar gespreizten oder preciOsen Aus- 
driicken (z. B. IV 457 = VI 677, ubrigens in den 

60 Worten anklingend an Verg. Aen. VI 515; ferner 
VII 322). Aber furdieseSpatzeit sind diepoetischen 
Tugenden der Johannis doch erstaunlicher als ihre 
Schwachen. Anschaulich weiss der Dichter die 
Dachtliche Flucht der Mauren VI 9ff. oder die Un- 
zufriedenheit der hungernden Soldaten VI 408ff. zu 
schildern, weihevoll wirkt der Feldgottesdienst VIII 
318ff. , fur die Helden findet er hier und da ein 
wiirdiges und schwungvolles Wort (IV 114ft. VIII 



1241 



Corippus 



Corippus 



1242 



497ft), dies sogar noch fur Iustin, der III 367 
mit besonderer Pragnanz ausspricht ,wir fiirchten 
Gott und sonst nichts'. Aber die eigentlichen 
poetischen Schenheiten liegen bei C. in den Gleich- 
nissen, die selbst in der Wfiste des Gedichts auf 
Iustin noch erfrischende Oasen bilden; hier zeigt 
der Dichter Phantasie und Natursinn, Namentlich 
sein Heimatland hat ihm einzelne vortreffliche 
Bilder geliefert, wie den Vergleich der Berbern 
mit einem einfallenden Heuschreckenschwarm (Joh. 10 
II 196ff., vgl. Partsch Herm. a. O.; Sat. Viadr. 
26), aber auch anderes ist im besten Sinne geist- 
reich, wie der Vergleich der kampfbereiten Schlacht- 
reihe mit dem Stier, der das rechte und das linke 
cornu bereit halt, um den Gegner zu fassen, wah- 
rend von der Mitte aus das Auge die StOsse 
dirigiert — gerade wie der in der Mitte des Heeres 
stehende General (Joh. IV 569fF.). Vgl. nament- 
lich noch etwa IV 320ff. ; lust. Ill 246. IV 256. 

Fanden wir C. vorhin im Zwiespalt mit Eu-20 
molpus, so denkt er in einem andern Punkt genau 
wie dieser: neque concipere aut edere partum 
mens potest nisi ingenti flumine litter arum inun- 
data. Er hat mit einem Gedachtnis oder — einem 
Zettelkasten gearbeitet, wie nur noch Ammian 
etwa sie hatte. Es ist nicht bios die Verwen- 
dung alterer Versanfange, -schlusse und sonstiger 
Versteile, die er weiter getrieben hat als irgend 
ein Fruherer; bei mythologischen Gegenstanden, 
bei bestimmten Situationen und Gedankenlaufen 30 
fallt ihm gewiss ein, wer schon fruher dieselben 
oder ahnliche -in Worte gefasst hat, und mit Be- 
hagen werden diese Eeminiscenzen dann der eigenen 
Dichtung einverleibt. Das Labyrinth wird IV 
606ff, mit catuUischen Worten (64, 1 10ff.) besungen, 
das Nachleben des Helden im Liede Johann. praef. 
5ff. mit properzischen (m 1, 23ff.). Soil be- 
schrieben werden, wie die Gattin eines Generals 
seinen Tod erfahrt (VII 150ff.), so muss Cornelia 
herhalten, wie sie von Pompeius die Nachricht40 
von der Niederlage bei Pharsalus erhalt (Lucan. 
VIII 50ffi). Auch der Aufstand im Lager mit 
der nachfolgenden Decimation VIII 50 — 160 tragt 
lucanische Farben (V 240 — 373), wie denn 6. 
v. 149 ausdiiicklich auf Caesar hinweist; nur darf 
naturlich Johannes ,mild und stark zugleich' die 
Decimation nicht wie Caesar anbefehlen, sondern 
die Soldaten mussen sich von selbst dazu erbieten! 
Sonderbarer noch als diese sachlichen Entleh- 
nungen , denen zu Liebe ubrigens hier und da 50 
wohl der wirkliche Verlauf der Dinge abgeandert 
sein mag, sind jene Falle, wo dem Dichter eine 
lange Stelle aus einer altern Dichtung im Ohr 
klingt und er nun fortwahrend, ohne irgendwelche 
sachliche Ubereinstimmung , Worte daraus ver- 
wendet (z. B. lust. IV 11 Iff. cns Hot. sat. I 1, 2ff. 
Amann II 14). In einer oder der andern Weise 
ist fast jeder einigermassen namhafte Dichter seit 
Lucrez in Contribution gesetzt, vorzugsweise Vergil, 
Ovid, Lucan, Claudian (unter dessen Einfluss z. B. 60 
das Prooemium zur Johannis steht, s. o.), auch 
mit ihren nicht epischen Werken, dann aber auch 
ausser den vorhin als Beispiel Herangezogenen 
Statins, Iuvencus, Prudentius (Arevalo Dissertat. 
Prudent, cap. 28, zu apoth. 278 u. 0.), Sedulius 
(Petschenig Ztschr. f. fisterr. Gymn. XXXVII 
190), Paulinus von Perigueux, Dracontius u. a. Die 
ersten Nachweise hierfur wurden in den Commen- 



taren, namentlich dem von Mazzucc hell i gege- 
ben, dann umfassender von E. Amann (De Corippo 
prior, poetar. lat. imitatore, Oldenburg 1885. 1888) 
und Manitius Ztschr. f. Osterr. Gymn. XXXVII 
82ff. Benutzung griechischer Vorbilder ist nicht 
nachgewiesen; immerhin wird man auf eine merk- 
wurdige Parallele aufmerksam machen diirfen: 
dem Berbern Carcasan weissagt Ammon VI 169ff. 
eelsas Garthaginis arees Carcasan duetor poriis 
ingressus apertis altior et plaeidus populo co- 
mitamte feretur urbem per mediam u. s. w., 
was sich dann in eigentflmlichern Sinn erfullt 
184ff. eelsas Garthaginis arees Careasan duetor 
populis eomitantibtis altus per medias ibat tunc 
cum eervice reeisa infixum rigido vidit caput 
Africa conto. In ahnlichem Gegensinn stehen 
Deutung und Erffilung der Voraussage bei Eurip. 
Bacch. 968 tpsgofievog ^f«? || a/Sedii;r' i/ttjv Xi- 
yeiS || ev X £ S ' /"FP^S u - S. W. 

Dass dem Heldenepos des C. der ubliche Ap- 
parat olympischer Gotter fehlt, ist schon gesagt. 
Es erklart sich das nicht nur aus der schlichten 
Thatsachlichkeit, die er offenbar anstrebte, son- 
dern auch aus seiner uberall zur Schau getra- 
genen christlichen FrOmmigkeit. Iacchus, Mars, 
Musa, Thetis, Vulcanus erscheinen nur in meta- 
phorischer Bedeutung (charakteristisch Joh. Ill 
324); irgendwelche PersOnlichkeit steckt auch 
hinter Bellona, Erinys III 36f. u. a. nicht. Wie 
der Tempel des Ammon III 82 mit dem Beiwort 
simulatus gekennzeichnet wird, so setzt der Dich- 
ter gern zu dem, was er von mythologischen 
Stoffen heranzieht, ein ferunt (IV 323), ausfuhr- 
licher ut veteres aiunt gentili carmine votes I 
452 (vgl. VI 658, wonach vielleicht auf ein be- 
stimmtes Gedicht tiber die Gigantomachie Bezug 
genommen ist). Ob er von einem Christen ge- 
sagt hatte, was VIII 506 von Putzintulus steht : 
socim Deciis infernos ibat ad umbras f Jeden- 
falls heisst es Stygias transmisit ad umbras 
ebd. 616 mit Beziehung auf einen Heiden. Diesen 
negativen Spuren seines Christentums Teihen als 
positive sich Anspielungen auf den Schrifttext an, 
wie Mazzucchelli sie zu VII 11. 38f. (Psalm 
126, 1) u. 0., Petschenig zu V 524 (Josue 10, 
12) angemerkt hat. lust. IV 294ff. findet man 
gar das ganze nicSnische Symbol in Verse ge- 
bracht. Dass VII 91 tempora permutas nee tu 
mutaris in illis an Dan. 2, 21. Psalm 101, 28 
anklingt, bemerkt Mazzucchelli; wie sich aber 
die doch nicht zufallige tJbereinstimmung mit 
tempora mutant ur et nos mutamur in illis er- 
klart, haben Weyman (der noch Cypr. Iud. 
156 P. Drac. land, dei II 587. HI 523 vergleicht) 
und ich so wenig ermitteln kOnnen, wie den Ur- 
sprung dieses Verses. 

tTberraschend gut ist fur seine Zeit die sprach- 
liche und metrische Form des C, was sich natur- 
lich aus dem eifrigen Stadium der alteren Dichter 
erklart; ein geborener Italiener wie Venantius 
Fortunatus fallt darin sehr gegen den Africaner 
ab. Verhaltnismassig selten bricht durch die 
den besten epischen Mustern abgelernte oder nach- 
geschriebene Sprache das spatlateinische Idiom 
hindurch, so im Gebrauch des Coniunct. Plus- 
quamperf. statt des Coniunct. Imperf., von ipse 
= idem lust. IV 60, mox als Coniunction (Pet- 
schenig 248, wo lust. I 76 fehlt), der Praepo- 



1243 



Corippus 



Corippus 



1244 



sitionen und der mit Praepositionen zusammen- 
gesetzten Verba und im Gebrauch einzelner WCrter 
(eigentumlich retrograde Bildungen : populus ,Pliin- 
derung', praeda ,Beutezug', manstteseere transitiv 
VII 484 u. 0. gegen 487 , fateri ,versprechen', 
properare ,sich nahern' Vlll 226 unter dem Ein- 
fluss von prope, also ein Pall jener bei dichteri- 
schen Epigonen sich oft findenden semasiologi- 
sehen Erscheimmg, fiber die Wackernagel 
Kuhns Ztschr. XXXIII 50ff. feinsinnig gesprochen 
hat). Vgl. Petschenig S.-Ber. Akad. Wien CIX 
636ff.; Arch. f. Lexik. Ill 150. 284. Auch im Pro- 
sodischen bat alles Studium den C. nicht immer 
vor den Fehlern seiner Zeit geschfitzt; nicht nur 
in griechischen Eigennamen verfehlt er des eftern 
die Quantitat, sondern einigemal auch in lateini- 
schen Namen (IXberatus Joh. Ill 52) und Worten 
(flagitare last. IV 260, ariete Joh. II 400; fiir 
den Imperativ arce, balatus, iuge, damns, no-vis 
u. a. geben Partsch 182. Petschenig 247, 
die auch fur alles folgende zu vergleichen sind, 
die Belege). Eine Anzahl harter Synizesen wie 
alvearia lanceas hat er friiheren Dichtern nach- 
geahmt; unsicher sind andere, fur die es bei Buch- 
dichtern sonst an Beispielen fehlt, wie miscuis- 
sem VII 177. Anlautendes h macht wiederholt 
Position (edoeuli haee Joh. I 132, quxs hominum 
lust. I 268 u. a.) neben zahlreicheren Fallen, in 
denen es fiir den Vers ungiiltig ist (z. B. VT 518. 
607, 610. VII 314. 333, Elision fiber h hinweg 
Joh. IV 450. 588. VI 319. 574 u. o.). Schliessen- 
des m ist zweimal nicht elidiert (quStn in Joh. 
I 102, omnium hie lust. HI 369, Her wohl unter 
der Einwirkung von halbconsonantischem h), ver- 
dachtig trotz Maurenbrecher Porsch. z. lat. 
Gramm. I 105 die Messung omnibu suffieiunt 
lust. II 254, die bis Cicero nichts Auffalliges 
Mtte. Was die Elisionen angeht, so hat sich mir 
L. Mfillers Behauptung (De re metr.2 p. 337), C. 
sei im Iustin vorsichtiger gewesen als in der Jo- 
hannis, bei einer Nachprfifung an dem ersten 
Buche beider Gedichte in keiner Weise bestatigt. 
Ja wahrend in der Johannis nur auf je 10 Verse 
etwa eine Elision kommt, sind sie im Iustin etwas 
haufiger; auf den ersten Daktylus entfallen hier wie 
dort etwa 40 °/ der Elisionen, hauptsachlich werden 
£ und kurzer Vocal 4- m elidiert, aber daneben 
(mit Ausnahme von ae in lust. I) auch alle ande- 
ren Vocale. Auch im Bau der Verse kann ich 
von einem Fortschritt des Iustinus gegeniiber der 
Johannis (L. Mfiller 143) nichts auffinden. Beide 
Gedichte zeigen so gut wie durchweg die Caesur 
im 3. Fuss, die weibliche ganz regelmassig von 
beiden Nebencaesuren begleitet. Die wenigen 
Ausnahmen (s. Partsch und Petschenig a. O.) 
sind grossenteils nur scheinbar. In Fallen wie 
Joh. 1 187 Flevit ut Aurora ingentis. II 299 Ae 
velut agrieola immistis. V 334. VI 196 Aid gen- 
tes tantum egerunt liegt ebenso gut caesura inter 
vocales coalescentes vor wie VI 448 Sed dubiam 
temptare fugam explorator ubique. VII 480 ; lust. 
I 200 Et laetum cer.inere diem alarumque. IV 
116 fur des Dichters Gefuhl trotz der Elision die 
zweite Nebencaesur hatten; an Selbstandigkeit 
der Proposition kCnnte man nur bei einem Teil 
dieser und der iibrigen Stcllen glauben, wahr- 
scheinlich liegt sie vor lust. Ill 212 con sistoria. 
Nur ganz wenige Verse lassen eine oder beide 



Nebencaesuren neben der weiblichen wirklich ver- 
missen (Joh. Ill 112. IV 157; lust. Ill 205). 
Wenn hier uberall L. Miillers Urteil nicht be- 
statigt wird, so zeigt in der Behandlung des 
4. Fusses bei miinnlicher Caesur im dritten die 
Laus geradezu geringere Sorgfalt als die Johannis : 
in der letzteren fehlt die Nebencaesur im 4. Fuss 
im ganzen nur zweimal, im 4. Buch der Laus 
allein achtmal (W. Meyer S.-Ber. Akad. Munch. 

10 1884, 1072). Ganz selten ist bei C. der Hexa- 
meter mit nur miinnlicher Caesar im 2. und 4. Fuss 
(V 336. VI 125. 413 und vereinzelt sonst, immer 
mit Wortschluss vor dem 3. Fuss ausser in dem 
vonMazzucchelli anscheinend nicht richtig her- 
gestellten Vers VI 514). Corrupt endlich ist der 
caesurlose Vers III 408 (vgl. Partsch Sat. Viadr. 
21). Einen besonderen Schmuck hat C. seinen 
Versen durch uberaus reiche Arrwendung der Al- 
litteration, in die er auch den Inlaut embezieht, 

20 und durch Paronomasie zu geben versucht; zu den 
Beispielen, die Partsch in seiner Ausgabe p. 182 
undPetsehenig p. 233 zusammengestellt haben, 
lasst sich manches besonders kunstvolle zufugen: 
V 189ff. (ob-, ven-, mag-, dann 192—194 Allit- 
teration mit v, p, t). VI 558 — 564 (t-r, p, f, v, 
e). 621 — 632, wo wie Ofters eine Bede mit diesem 
Lichte aufgehoht wird. VII 37—40. 514f. (ma). 
Nicht ganz so h&ufig ist die Allitteration im Iusti- 
nus, doch siehe z. B. praef. 44. Ill 250. 316f. 

30 und besonders IV 48, wo das wiederholte $-r das 
Geriiusch der Sagen ebenso geschickt wiedergiebt, 
wie Joh. VI 756f. das I die Schltipfrigkeit des 
sumpflgen Bodens. Gelegentlich wird des C. Vor- 
liebe fiir die Allitteration zu einem Hiilfsmittel 
der Kritik wie VI 761, wo sie allein schon die 
Uberlieferung gegenPetschenig schiitzt. Diesen 
Klangspielen sei ein Hinweis auf die zahlreichen 
Wortspiele bei C. angeschlossen; einiges davon 
beiPetschenig259, doch ware auch hier manches 

40 hinzuzufugen (lust. I 43 tuis oeeurro prima se- 
eundis ,Deinem Gluck'; eornu Joh. IV 570, s. o.; 
re.le.vat virtute humiles humilatque rebelles 
VIII 464; aries Joh. II 400 u. a.). 

Spuren von Lecture des C. sind bei Venantius 
Fortunatus, Eugenius von Toledo und Aldhelm 
nachgewiesen(Manitius S.-Ber. Akad. Wien CXII 
581. 626ff.). Uns sind seine beiden Gedichte auf 
ganz verschiedenen Wegen uberkommen. Langer 
bekannt ist die Laus, die Michael Ruyz Azagra, 

50 Secretar Kaiser Rudolfs II., zum erstenmal Antwer- 
pen 1581 aus der einzigen vollstandigen Hs. Matri- 
tensis bibl. nat. Caj. 14 num. 22 saec. X, geschrieben 
wahrscheinlich in Oviedo, herausgegeben hat. Die 
Hs., die auch Dracontius de deo, Iuvencus u. a. ent- 
halt, giebt vor dem C. eine prosaische Inhaltsan- 
gabe, deren Verfasser das Gedicht noch frei von den 
jetzt darin sich findenden Lficken (besonders I 27 
— 28) gekannt hat. Ausser dieser Hs. benutzte 
Ruyz einen jetzt verlorenen Ovetensis, der III 271 

60 — 307 und 317 — 398 enthielt und zum Matritensis 
in einem nahen Verwandtschaftsverhaltnis stand ; 
aus ihm sind ein Escorialensis saec. XVI, ein Ma- 
tritensis saec. XVII, ein Laurentianus saec. XII 
(nur 271 — 307 enthaltend) geflossen, aus letzterem 
wieder die Hs. von Saintes, aus der El. Vin etus die 
betreffenden Verse 1552 in seinem Sidonius Apol- 
linaris herausgab. Von Wert fiir die Kritik sind 
nur die beiden Hss. aus Oviedo , deren gemein- 



124£ 



Corippus 



Cornacum 



1246 



same Quelle vermutlich die in einem alten Ovieder 
Inventar genannte Hs. (Partsch LI. Ewald279) 
war. Vgl. fiber dies alles Partsch L ft. mit den 
wesentlichen Berichtigungen von P. Ewald N. 
Archiv f. alt. deutsche Gesch.VI316.581ff. Auch 
unser Text der Johannis beruht auf einer einzigen 
Hs. Demi verloren sind alle die, von denen wir 
gelegentlich sonst hOren, die Hs. von Monte Cassino, 
die der Abt Desiderius um die Mitte des 11. Jhdts. 
schreiben liess (Monum. Germ. hist. Script. VII 10 
1846 p. 747), derBudensis, aus dem Joh. Cuspini- 
anus (De Caesaribus et Imperatoribus p. 216) im 
J. 1540 den Anfang des 1. Buchs citiert, und 
eine vermutlich Veroneser Hs. , aus der einige 
Verse in ein Veroneser Florilegium (cod. 168) vom 
J. 1329 geflossen sind, mit dessen Hulfe G. Lowe 
(Rh. Mus. XXXIV 138ff.) die richtige Buchtei- 
lung der Johannis herstellen konnte. Die Nach- 
richt, der Corvinianus befinde sich in einer Privat- 
bibliothek zuMailand (G. L 6 we Rh. Mus. XXXVIII 20 
316. 479), beruhte natiirlich auf einer Verwechs- 
lung mit der Hs., die uns die Johannis gerettet 
hat, der Zierde der Bibliothek des Marchese 
Trivulzi in Mailand, aus der P. Mazzucchelli 
1820 die Johannis zum erstenmal herausgab. Sie 
ist (vermutlich aus einer der drei vorhin genann- 
ten Hss.) im 14. Jhdt. abgeschrieben und zwar 
zweifellos von Giovanni L. de Bonis aus Arezzo 
(fiber ihn s. E. Carrara Archivio storico lombardo 
II 1898, 261ff.). Denn von diesem fmden sich 30 
sowohl in der Hs. der Johannis wie in anderen 
Manuscripten derTrivulzianalateinische und italie- 
nische Gedichte, die in Schriftzfigen und Ortho- 
graphie genau zur Johannis stimmen und, soweit 
sie lateinisch sind, weitgehende Anleihen bei 
C. aufweisen. Dieselben Eigentiimlichkeiten der 
Schrift zeigen ferner die dem Text voraufgeschick- 
ten im barbarischen Latein des 14. Jhdts. ge- 
lialtenen Periochae, sowie einzelne Anmerkungen 
zum Text der Johannis , die zugleich inhalthch 40 
sich als Werk eines Mailanders aus dem 14. Jhdt. 
ausweisen (z. B. zu HI 345 hie deseribitur mor- 
talitas quasi sicut fuit 1348 und mit Bezug auf 
diese Stelle in der Periocha zum 3. Buch descri- 
bit mortalitatem et proprie sicut fuit 1348 et 
Mediolani 1360). Damit ist wohl de Bonis, der 
bald nach Beginn des 15. Jhdts. gestorben zu 
sein scheint und sich nachweislich mindestens in 
der letzten Zeit des 14. Jhdts. in Mailand auf- 
gehalten hat, als Schreiber derHs. erwiesen; seine 50 
Manuscripte scheinen zunachst an die Capitular- 
bibliothek und von da teils nach der Ambrosiana, 
teils nach der Trivulziana gegangen zu sein. Vgl. 
Giul. Porro Catalogo dei codici manoscritti d 11a 
Trivulziana (Bibliotheca storica italiana II), Tu- 
rin 1884, 101 (nicht frei von Irrtiiniem). 

Die Editiones principes beider Gedichte sind 
alles Lobes wert. Die Hss. sind verhaltnismassig 
sorgfaltig verglichen, verstandige Kritik geiibt 
und von Mazzucchelli viel Wertvolles zur Er- go 
klarung beigebracht. Aus der Zahl der Heraus- 
geber der Laus, die auf Euyz gefolgt sind (auf- 
gezahlt bei Partsch LIX), seien Barth und 
Foggini als solche genannt, die sich um Kritik 
und Erklarung besonders bemuht haben. All 
diese friiheren Leistungen fiir beide Gedichte (auch 
die Commentare, die ich denn auch oben nach 
den Seitenzahlen der Bonner Ausgabe citiert habe) 



sind dann bequem zusammengestellt von LB ekkei 
im Bonner Corpus der byzantinischen Historiker 
Bd. XXVIII (1836), nicht ohne mannigfache For- 
derung des Textes durchLachmannundBekker 
selbst. Dann hat J. Partsch 1879 in den Monum. 
Germ, histor. (auct. antiquiss. torn. IH pars 2) durch 
sorgfaltige Neucollation der Hss. die C.-Kritik auf 
das sicherste Fundament gestellt, den Text viel- 
fach verbessert und in den Prolegomena die wert- 
vollsten Beitrage zur Sacherklarung und zur Wflr- 
digung des C. gegeben. Nach anderer Seite er- 
warb sich Petschenig in seiner Ausgabe (Ber- 
liner Studien fiir kl. Phil. IV Heft 2, 1886) durch 
Beobachtung des Sprachgebrauchs und oft glfick- 
liche Conjecturalkritik Verdienste, aber nicht ohne 
hier und da die von Partsch sicher gelegte Grund- 
lage zu verlassen (vgl. Partsch BerL phil. Woch. 
VII 1887, 137ff.). [Skutsch.] 

Cori promunturium, eines der Vorgebirge 
an der Nordwestspitze von Hispanien, nur bei 
Ptolemaios an der Kiiste der lucensischen Kallaeker, 
also schon an der Nordkuste, zwischen Flavium 
Brigantium (la Corufia) und der Mundur^ des 
Flusses Mearos (jetzt Mera) genannt (n 6, 4 
Kwgov axgov z6 xai Tgihyxov; vgl. II 6, 73 
unter den Inseln des kantabrischen Meeres alxakov- 
lievai TqiXevxoi ottoneloi, die aber wohl verschie- 
den sind), also wahrscheinlich eine der Spitzen 
des Cap Ortegal oder Cap Vares. Ein in der 
Nahe liegender Ort Corine oder Cores scheint den 
alten Namen bewahrt zu haben. [Hubner.] 

Coritavi, Volk im ostlichen Britannien, bei 
Ptolemaios nach den Cornavii genannt (II 3, 11 
KoQtzavoi die besseren, einige Hss. Kogiravoi) mit 
den Stadten Lindum und Ratae (danach beim 
Geogr. Rav. 429, 6 Bate Coriori), d. i. Lincoln 
und Leicester. Danach sind ihre Wohnsitze im 
allgemeinen bestimmt. [Hubner.] 

Coriton (Geogr. Rav. 223, 19) s. Corinium 
Nr. 1. 

Corma, Fluss auf der assyrischen Seite des 
Zagros, westlich vom Gebirge Sanbulos, Tac. ann. 
XII l4 ; neupers. churma ,Dattel' ; gemeint ist 
der satt el-Adhem mit den beiden Stationen TazS- 
und Tuz-i-Cmirmati. [Tomaschek.] 

Cormata, ein Fluss Vorderasiens, Geogr. Rav. 
p. 7, 18, etwa der assyrische Corma (s.d.)? C. wird 
in der Reihe hyrkanischer Flfisse angefiihrt; ein 
linker Zufluss des Gurgan-rud heisst Churma-rud, 
Churma-lu; vgl. Napier Journ. geogr. soc. 1876, 
111. [Tomaschek.] 

Connones, das jetzige Cormons in der Graf- 
schaft GOrz, Bezirk Gradisca. Paul. hist. Langob. 
IV 37. VI 51. Auch Cormoneme castrum ge- 
nannt. HolderAltkelt. Sprachschatzs.v. [Dim.] 

Cornacates, ein Volksstamm in Pannonien 
(Plin. n. h. Ill 148), dessen Vorort ^vielleicht das 
inPannonia inferior beira jetzigen Sotin gelegene 
Cornacum (s. d.) war. O. Kammel Anfange 
deutschen Lebens in Osterreich 308. A. Holder 
Altkeltischer Sprachschatz s. v. [PatscL] 

Cornacum, Station der Donauuferstrasse in 
Pannonia inferior zwischen Acumincum (Stari Slan- 
kamen) und Teutiburgium (Dalja. Itin. Ant. 243, 
2 Cornaco. Tab. Peut. Cornaco. Geogr. Rav. 
219, 18 Corrmcum) und stark besetztes Castell 
(Not. dign. Occ' XXXH 3 Caniacu = 22 cuneus 
equitum scutariorum, Cornacii; 12 = 31 equites 



1247 



Comasidius 



Cornelianus 



1248 



Dalmatae, Cornaeo; vgl. V 122 = 272 Cornia- 
censes; VII 102 Cornacenses), das sich nacta der 
Angabe bei Ptolem. II 15, 2 y xaxa KoQvaxov 
enioiQoq/fj xov Aavov§iov noxafiov und 15, 5 tio- 
Xci? 8s siaiv ford fiiv xov Aavovfiiov noxajiov, .... 
TsvrojlovQyiov , Koqviikov , 'Axoifiiyxov in Sotin, 
siidostlich von Vukovar, festlegen liisst (CIL III 
p. 421. 1674f. Kiepert Formae orbis antiqui 
XVII. J. Brunsmid und I. W. Kubitschek 



schen GeschlechternbenanntenReihe, urspriinglich 
also der gemeinsame Landbesitz der Gens Cornelia, 
unbekannter Lage. Von Zuweisungen an diese 
Tribus bis zum Bundesgenossenkriege kennen wir 
nur die im J. 560 = 194 gegrimdete Colonie 
Croton (CIL X 110) und die alte Volskerstadt 
Arpinum, die 566 = 188 die eivitas cum suffragio 
erhielt (Liv. XXXVIII 36, 19) ; auch das urspriing- 
lich zu Arpinum gehOrigeDorfCereatae (Marianae) 



Arch.-epiffr. Mitt. IV 104), wo nach CIL HI 10250 10 wurde, als es eigenes Stadtrecht bekam, derselben 



em Detachement der leg. Ill Flavia felix ge- 
standen zu haben scheint. tfber die Reste der 
dortigen Ansiedlung sowie fiber die sehr zahl- 
reichen Kleinfunde in Sotin und in dem benach- 
barten Vukovar vgl. Brunsmid und Kubit- 
schek a. a. O. A. Holder Altkelt. Sprach- 
schatz s. Cornaeon. [Patsch.] 

Cornasidius. 1) T. Cornasidius, T.f., (tribu) 
Fabfiq), Sabinus, praef(ectus) cohfortis) I Mon- 



Tribus zugeschrieben (s. o. Bd. Ill S. 1969). Nach 
dem Bundesgenossenkriege gehoren zu ihr ausser- 
dem die unweit von Arpinum gelegene Hemiker- 
stadt Verulae (CIL X 5796), die Hirpinerstadt 
Aeclanum (Kubitschek Imper. Bom. tributim 
discript. 36), Teanum Apulum (CIL IX 705), bei 
den Bruttii Petelia (CIL X HSf.), endlich'in Um- 
brien Camerinum, Fulginium und Matilica (Ku- 
bitschek a. a. O. 70. 71. 72), ohne dass sich 



t(anorum), trib(unus) leg(ionis) II Aug (ustae), 20 ausser bei Aeclanum, das gegen die Earner ge 



praef. alaeveterftmae) Oallorfum), subpraeffectits) 
elassfis) pr(aetoriae) Ravenfnatis) , procurator) 
Alpium AtraetianarfiirnJ et Poeninarfum) iure 
glad(ii), procurator) Augfusti) Daciae Apulensis, 
efgregiaej mfemoriae) vfir) ; in Falerio qfuaestor) 
pecuniae) pfublicaej, aed(ilis) Ilvir q(uin)q(uen- 
nalis) , augur, Laur(ens) Lavinfas), pfatronusj 
eColoniae), CIL IX 5439 = Dessau 1368. Nach 
der Mitte des 2. Jhdts. n. Chr. Hubner Exempla 



script. Epigr. Lat. 551 weist die Inschrift nach 30bitschek 152). 



kampft hatte (s. o. Bd. I S. 444), iiberall mit 
Sicherheit sagen liesse, ob die Beception erst jetzt 
erfolgte oder bereits fruher eingetreten war (vgl. 
auch Mommsen Herm. XXII 104ff.). Von ausser- 
italischen Gemeinden kennen wir als zur C. ge- 
hsrig nur die wohl von den Triumvirn gegrun- 
dete (s. o. S. 529 nr. 99) Colonie Noviodunum 
in Gallia Belgica (Kubitschek a. a. O. 221) 
und die Stadt Mustis in Africa proconsularis (Ku- 



dem Schriftcharakter der Mitte des 3. Jhdts. zu. 
Sein Sohn ist 

2) T. Cornasidius Vesennfijus Clemens, equo 
publfieoj, Laurfens) LavinfasJ, patron(us) plebis 
et collegiorfuin) fabrum centon(aviorum) dendro- 
pkorforum), CIL IX 5439 = Dessau 1368 (Fa- 
lerio). Die ihm selbst angebotene Ehre der Auf- 
stellung einer Statue wurde auf seine Bitte seinem 



[Wissowa.] 



Cornelia castra s. Castra,Castrum Nr. 14. 

Corneliana s. Ovinius. 

Cornelian! Ligures s. Ligures Corneliani. 

Cornelianus. 1) Adressat des Briefes Plin. 
epist. VI 31. [Stein.] 

2) Griechischer Secretar (ijuatoXevg, Phrynich. 
Eel. p. 225. 379. 418 Lob.) in der kaiserlichen 
Kanzlei unter Marcus Aurelius und vielleicht Corn- 
modus, eifriger Atticist, Bewunderer des Xomikers 



Vater zu teil. [Stein.] 

(ornavii. 1) Volk im siidwestlichen Britan- 40 Menandros , von Phrynichos , welcher in seinem 
ien, bei Ptolemaios nach den Ordovices , west- Auftrag die 'ExXoyri (p. 1 Lobeck) verfasst und 



men 

lich von ihnen , aufgefiihrt (II 3, 1 1 KoQvavioi) 
mit den Stadten Deva und Viroconium (danach 
im Geogr. Rav. 428, 11 Utrieonion Comovio- 
ru/m); wonach ihre Wohnsitze in der jetzigen Graf- 
schaft Chester bestimmt sind. Eine Comovia ist 
erwahnt auf einer Inschrift etwa des 2. Jhdts. aus 
Ilkley in Yorkshire rEphem. epigr. Vn 922). Vgl. 
Duroeornovium una die gallischen Cornubii, von 



sie ihm gewidmet hat, gepriesen als der erste 
seit Demosthenes' Zeiten, welcher die Beredsam- 
keit wieder zur echten Klassizitat zuruckgefiihrt 
habe und darum auch von den Kaisern auf eine 
so hohe Stufe gestellt worden sei (p. 379 Lob.). 
A. Mai hat (Frontonis opera ined. p. 128, 3) 
wohl richtig, unter Beistimmung von Naber, den 

Bedner Cornelianus Sulpicius, welchen Fronto als 

denen wohl die BevOlkerung von Cornubia (Corn- 50 einen hochgeschatzten Freund in einem lateinischen 



wall) im siidlichen Britannien abstammt. 

2) Volk im nordlichen Britannien, nach Ptole- 
maios nach den Kairenern (s. d.) als noch west- 
richer aufgefuhrt (II 3, 8 Kogvaovtoi) , wonach 
sie etwa an der Nordspitze von Schottland, dem 
heutigen Caithness, wohnten. Die Notit. dign. 
occ. XL 34 setzt den tribunus cohortis I Cor- 
noviorum. Ponte Aelio, d. h. nach Newcastle an 
dem ostlichen Ende des Hadrianswalls. Das Volk 



Brief (p. 173 Naber) dem CI. Severus und in einem 
griechischen (p. 174) dem Apollonides empflehlt, 
fur dieselbe Person erklart. [W. Schmid.] 

3) Consul (suffectus) im 3Iai eines der J. 180 
—183 n. Chr. mit Aurelianus, CIL VIII 10570. 

[Groag.] 

4) Koovtj/.tavoc, athenischer Archon, wohl im 
3. Jhdt. n. Chr., CIA III 699. Hypothetisch in 
die Zeit des Alexander Severus angesetzt unter 



wd etwa seit Hadrian oder Pins die Cohorte ge-60der Voranssetzung, dass er identisch ist mit dem 



stellt haben, die zur Bewachung des Walls ver- 
wendet wurde. [Hubner.] 

Corn aus insula, im roten Meere, nahe dem 
Sabaeonarchipel (guzr-Farasan) und der Insel Saba ; 
Geogr. Eav. p. 391, 7. [Tomaschek.] 

Cornelia (iiber die ublichen ADkiirzungen des 
Namens s. Kubitschek De trib. Eoman. orig. 39), 
alte romische Landtribus der alteren, nach patrici- 



Sohne des Archon Aur. Kalliphron, dem M. Heren- 
nius Kalliphron <5 xv\ Koyvyhavd; (CIA III 698) ; 
auch wenn das nicht richtig, wird er nicht viel 
fruher im Amt gewesen sein. [v. Schoeffer.] 

5) Cornelianus s. A tidius Nr. 3 (Aelius At- 
tidius Cornelianus vgl. Eevue arche'ol. XXVII 
1895, 398. XXXV 1899, 35. Rev. biblique 1900, 
94). Nr. 4, Attius Nr. 14, Aurunculeius Nr. 5, 



1249 



Cornelius 



Cornelius 



1250 



Calpurnius Nr. 102, Claudius Nr. 119. 288, 
Fabius, Maenius, Marius, Mummius, Ovi- 
nius, Pomponius, Porcius, Servaeus, Scx- 
tius, Sulpicius, Volusius. 

6) Cornelianus, Cognomen der Consuln Q. Vo- 
lusius Flaccus Cornelianus, cos. ord. 174 n. Chr. 
mit L. Aurelius Gallus, und Mummius Cornelianus 
(mit ganzem Namen wohl L. Mummius Felix Cor- 
nelianus, CIL VI 1464), cos. ord. 237 mit Marius 
Perpetuus. [Groag.] 

Cornell forum s. Forum Corneli. 

Cornelius. . Die Gens Cornelia gehCrte zu 
den altesten romischen Patriciergeschlechtern und 
hat der Tribus Cornelia den Namen gegeben. Sie 
ist vielleicht das bedeutendste , sicherlich das 
grosste und am meisten verzweigte Geschlecht 
der rOmischen Eepublik gewesen; kein zweiter 
Gentilname kommt in den Fasten der Magistrate 
so hiluflg vor, etwa je ein Viertel aller bekannten 
Principes senatus und Pontifices maximi haben 
ihn gefiihrt, und die Namen mancher Cornelier 
gehOren zu den beriihmtesten der ganzen romi- 
schen Geschichte. Lange Jahrhunderte hindurch 
feierten die patricischen Cornolier ihre eigenen 
Feste (Macrob. sat. I 16, 7) und hielten wie an 
ihrem Cult , so auch an ihrem Bestattungsritus 
fest; sie wurden nach dem Zeugnis der Schrift- 
steller, das die Funde (s. u. S. 1426f.) bestati- 
gen, regelmassig begraben; Sulla war der erste, 
der verhrannt wurde (Cic. leg. II 561 Plin. n. h. 
VII 187). Friiher als irgend ein anderes Ge- 
schlecht teilten sich die patricischen Cornelier in 
mehrere durch eigene Cognomina unterschiedene 
Familien ; von dem Hauptstamm der Maluginenses 
zweigten sich zuerst die Cossi ab, spater die Sci- 
piones, dann die Eufini , die Lentuli , die Dola- 
bellae, die Blasiones, endlich die Cethegi und 
Merulae. Der Zusammenhang der einzelnen Stir- 
pes mit den alteren ist fast nirgends mehr zu 
errnitteln, umsoweniger, weil manche von ihnen 
die alteren Beinamen spater mit anderen ver- 
tauschten, so die Eufini sich Sullae umnannten 
u. a. Bei einigen Familien, wie den Cinnae, 
Mammulae und Sisennae , bleibt die ZugehOrig- 
keit zu dem patricischen Geschlecht fraglich (vgl. 
Mommsen Rom. Forsch. I 50. 113). Fur genea- 
logische Fragen muss auf die Einleitungen zu 
den einzelnen Familien verwiesen werden. Die 
Zahl der Vornamen , die bei den patricischen 
Corneliern gebrauchlich war, verringert sich mit 
der Zeit innner mehr; A. und M. koinmen fast 
nur in der alteren Zeit vor, Ti. nur einmal (vgl. 
u. S. 1357) , C. nur bei den Blasiones und 
Cethegi; bei den bedeutendsten Zweigen sind in 
spaterer Zeit nur Cn., L., P., Ser. in Gebraueh, 
und auch diese nicht bei alien gleichmassig, z. B. 
Cn. nicht bei den Sullae, Ser. nicht bei den 
Scipiones. Zu den patricischen Corneliern treten 
in spaterer Zeit noch viele plebeische, denn der 
Name hatte sich ausserordentlich verbreitet (vgl. 
z. B. Cic. Cornel. I 44 bei Ascon. p. 65f., unten 
Nr. 4). 

1) Cornelius. Unter Servius Tullius wollte ein 
sabinischer Landmann der Diana auf dem Aven- 
tin ein besonders grosses und schOnes Rind opfern, 
von dem geweissagt worden war, dem Volke werde 
die grosste Herrschaft zu teil werden , dessen 
Burger das Tier opfern wurde. Der rtfmische 

Fauly-Wissowa IV 



Priester schickte den Sabiner zum Tiber, am sich 
vorher zu reinigen, und brachte inzwischen selbst 
das Opfer dar ; zum Andenken daran, wie er das 
bedeutungsvolle Vorzeichen. seinem eigenen Volke 
zugewendet hatte, wurden die gewaltigen Hfirner 
des Rindes iiber dem Tempel befestigt, Die Sage 
erinnert an andere, die denselben Grundzug haben, 
dass ein derartiges .Vorzeichen einem anderen 
Volke durch List ab- und Rom zugewendet wird 

10 (vgl. die zwei bei Plin. n. h. XXVHI 15f. zu- 
sammengestellten ; Schwegler E. G. I 7711), 
und wird allgemein iiberliefert, ohne dass die 
Personlichkeiten bestimmte Namen fiihren (Varro 
bei Pint, quaest. Rom. 4. Liv. I 45, 4—7. Val. 
Max. VII 3,1. Auct. de vir. ill. 7, 10-14. Zo- 
nar. VII 9); nur Iuba (bei Plut. a. O. FHG III 
470, 12) nennt den romischen Priester C. und sieht 
in ihm jedenfalls den Ahnherrn der beruhmtesten 
rOmischen Familie, Vielleicht hat er den Namen 

20 C. von den Hornern (cornua) ableiten wollen. 

2) Cornelius. Zum J. 580 = 174 notiert Li- 
vius XLI 21, 2 : Cornelio prorogatum impermm, 
uti obtimret Sardiniam. Wahrscheinlich war 
dieser C. in einer der vorhergehenden Liicken des 
Testes als Praetor des J. 579 — 175 verzeichnet 
und kann fur Ser. Cornelius Sulla Nr. 388 ge- 
halten werden. 

3) Cornelius, rfimischer Eitter, lebte um das 
J. 664 — 90 auf Euboia (Licinian. p. 36 Bonn.), 

30 vielleicht verwandt mit Nr. 14. 

4) Cornelii. Wahrend der Dictator Sulla die 
Habe der von ihm Proscribierten sonst verkaufen 
liess, nahm er davon die jilngsten und kraftigsten 
ihrer Sclaven aus. Diese wurden von ihm mit 
demBurgerrecht beschenkt, als seine Fieigelassenen 
Cornelii genannt und bikleten eine starke Stiitze 
seiner Macht ; es sollen iiber 10 000 gewesen sein 
(Appian,. b. c. I 100. 104). Mommsen glaubt, 
dass diese Cornelii ihrem Patron die bei Min- 

40 turnaegefundene, aber wohl aus Eom verschleppte 
Inschrift gesetzt haben : L. Cornelio L. f. \ Sul- 
lae Feleici \ dietatori : leiberteini (CIL I 585 = VI 
1298 = X 6007 = Dessau 871), und dass sie 
als Collegium constituiert wurden. Denn die Er- 
richtung einer Statue durch sie setzt eine Art 
Organisation voraus, und Cicero sagt im J. 689 
= 65 , es gebe so viele Cornelier in Eom , dass 
schon ein eigenes Collegium von ihnen gebildet 
sei (Cornel, frg. 1 44 bei Ascon. p. 651, s. o. S. 390). 

50 5) Cornelius, ein scriba und vielleicht Frei- 
gelassener des Dictators Sulla, machte bei dessen 
Proscriptionen reiche Beute (Sail. hist. frg. I 45, 
17 Kr. = I 55, 17 Maur. [or. Lepidi]) und brachte 
es unter Caesars Dictatur zur stadtischen Quaestur 
(Cic. off. II 29, ohne den Namen zu nennen). 

6) Cornelius, Lictor des Verres, wurde 675 
— 79 bei einem Tumult in Lampsakos erschlagen 
(Cic. Verr. I 67. 72). 

7) Cornelius (Praenomen nicht iiberliefert), 
60 Sohn des Catilinariers C Cornelius Nr. 19, legte 

auf dessen Betreiben 692 = 62 Zeugnis gegen 
P. Cornelius Sulla Nr. 386 ab (verachtlich puer 
genannt, Cic. Sulla 511). 

8) Cornelius. Im Sommer 711 = 43 ruckte 
Octavianus nach den Kampfen bei Mutina und 
dem Tode der beiden Consuln vor Rom und for- 
derte fur sicE das Consulat. Als eine Deputation 
seiner Soldaten, die dem Senate diese Forderung 

40 



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Cornelius 



Cornelius 



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vortrug, abgewiesen wurde, zog em Centurio das 
verborgene Scliwert hervor und drohte, dieses 
wiirde dem Feldherrn zum Consulat verhelfen, 
wenn die Vater es nicht th&ten. Suet. Aug. 26 
nennt den Sprecher Cornelius; Dio XLVI 43, 4 
nennt seinen Namen nicht. [Mfinzer.] 

9) Cornelius. Martial I 35 rechtfertigt den 
Charakter seiner Gedichtevor einem C, der ^T.el- 
leicht eine fingierte Personlichkeit ist. 

10) Cornelius, rOmischer Soldat im Heere des 
Titus vor Jerusalem, Bruder des (Cornelius) Lon- 
gus (Nr. 243), Joseph, bell. Iud. VI 187. [Stein.] 

11) Bischof von Eom Marz 251 bis Juni 253. 
Der nach der Hinrichtung des Fabianus iiber ein 
Jahr lang unbesetzt gebliebene romisclie StuM 
wurde, als Decius Eom verlassen hatte, neu be- 
setzt , aber die sich nun erhebende Prage nach 
den Grundsatzen betreffend die Behandlung der 
lapsi seitens der Kirche brachte schlimme innere 
Kriege. Wahrend C. fur Wiederaufnahme der 
Bussfertigen war, verlangte die strenge Partei im 
Namen der Reinheit der Kirche Gottes deren end- 
giiltige Ausschliessung; als sie ihren Willen nicht 
durchsetzten, trennten sich sechs Presbyter, eine 
Menge von Confessoren und Laien von den Un- 
reinen, wahlten ihren Fiihrer Novatianus zum 
Bischof, indem ihnen C. nicht als rechtmassiger 
Nachfolger des Petrus ersehien, und das Schisma 
in Eom war fertig. In dem Kampf der beiden 
Bischofe von Eom hing der Sieg davon ab, wer 
die Mehrheit der auswartigen Bischofe fur sich 
gewinnen wiirde: Bemiihungen in dieser Eichtung 
fiillen die Regierungszeit des C. denn auch ziem- 
lich aus. Mit Cyprian, der fest zu ihm hielt, hat 
er zahlreiche Briefe gewechselt; von denen des 
Cyprian an ihn sind 8 (ep. 44. 45. 47. 48. 51. 
52. 59. 60) oder, wenn man den von Cyprian im 
Namen einer africanischen Synode geschriebenen, 
ep. 57, mitrechnet, neun erhalten, von C. an den 
Bischof von Karthago nur zwei, ep. 49. 40 unter 
den cyprianischen; mindestens fiinf andere sind 
verloren gegangen. Aber auch an Dionysios von 
Alexandrien hat C. (Euseb. hist. eccl. VI 46, 3) 
eine Streitschrift gegen Novatian gesandt und be- 
friedigende Antwort darauf erhalten; ebenso hat 
er mit Fabius von Antiochien in eifrigem Aus- 
tausch gestanden. Drei Briefe, die C. an Fabius 
geschrieben , lagen dem Eusebios vor (hist. eccl. 
VI 43), aus dem letzten giebt er dort wertvolle 
Ausztige. Die leidenschaftlichen, teilweis sicher 
verleumderischen Angaben iiber die Persfinlichkeit 
des Novatian, seine Praktiken und seine Misserfolge 
sind nicht das Interessanteste, umsomehr die zu- 
verlassigen Notizen fiber den Bestand des da- 
maligen romischen Klerus. Mehr als solche Ge- 
legenheitsschriftstellerei hat C. nicht getrieben 
(Hieron. de vir. ill. 66). Bemerkenswert aber ist, 
dass er als erster unter den romischen Bischofen 
und, soweit wir wissen, als einziger in den drei 
ersten Jahrhunderten eine lateinische Grab- 
schrift bekommen hat; da sein Epitaph nicht bei 
denen seiner Collegen, sondern, wenn auch in dem- 
selben Coemeterium , so doch in einer anderen 
Area sich flndet, wo zahlreiche Cornelii begraben 
liegen, hat man wohl nicht mit Unrecht auf ein 
Verwandtschaftsverhiiltnis zwischen ihm und der 
Gens Cornelia geschlossen {Caspari Quellen z. 
Gesch. d. Taufsymbols III 1875, 449f.) Ubrigens 



ist er nicht, wie der Liber pontine, will, ent- 
hauptet worden, sondern tragt den Ehrennamen 
des Martyrers schon bei Cyprian ep. 61, 3. 67, 6 
nur, weil er in der Verbannung zu Centumcellae 
gestorben ist; womit wiederum zusammenhangt, 
dass der Tag seiner depositio, die nur privatim 
vorgenommen wurde (14. September) , ziemlich 
weit von seinem Todestage entfernt liegt. 

[Julicher.] 
10 12) A. Cornelius, 295 = 459 Quaestor mit 
Q. Servilius, wollte mit ihm zusammen den M. 
Volscius, der die Verbannung des-Kaeso Quinctius 
durch sein falsches Zeugnis herbeigefiihrt hatte, 
vor Gericht ziehen (Liv. Ill 24, 3). Wie alles, 
was mit dieser Erzahlung zusammenhangt , sind 
auch die Namen der beiden Quaestoren unge- 
schichtlich. . 

13) A. Cornelius, als Oberpontifex 323 = 431 
erwahnt (Liv. IV 27, 1), vielleicht identisch mit 

20 A. Cornelius Cossus Nr. 112, von Borghesi 
Oeuvres IX 147 schwerlich mit Kecht filr den 
Vater von Nr. 118 mid demnach fur P. f. gehalten. 

14) A. Cornelius. Eine Siegerliste aus Chal- 
kis, die ins 7. Jhdt. d. St. gehort, verzeichnet als 
Sieger im Stadion bei den Wettkampfen zu Ehren 
des Herakles einen AvXog KoqvyjXios Avkov 'Pa>- 
[talo; (Jalireshefte des osterr. archaol. Inst. Bei- 
blatt I 49). Vgl. Nr. 3. 

15) C. Cornelius, bei Diod. XIII 38, 1 vgl. 
30 Cn. Cornelius Cossus Nr. 116; bei Diod. XIV 44, 1 

(bessere Hss.) vgl. Cn. Cornelius Cossus Nr. 117; 
bei Diod. XV 24, 1 vgl. L. Cornelius Nr. 27; bei 
Diod. XVI 56, 1 vgl. L. Cornelius Scipio Nr. 322. 

16) C. Cornelius , ein verdienter Primipilar, 
wurde von dem Triumvir capitalis C. Pescemiius 
wegen stuprum verhaftet, und musste sich, da 
die Volkstribunen ihm ihre Hiilfe versagten, im 
Gefangnis den Tod geben (Val. Max. VI 1, 10, 
vgl. Mommsen Strafr. 703, 3). Die Einsetzung 

40 der Triumviri capitales fallt ran 465 — 289; die 
Begebenheit wird in den erhaltenen Biichern des 
Livius nicht erzahlt, gehort also entweder in die 
Zeit des ersten oder in die des dritten punischen 
Krieges, was das wahrscheinliehere sein durfte. 

17) C. Cornelius, M. f. Stellatina (tribu), als 
Senator um 650 = 104 erwahnt (SC. de Adramytt. 
Viereck Sermo Graecus 23 nr. 15, 12, vgl. 
Mommsen St.-E. Ill 969 Anm.). 

18) C. Cornelius war Quaestor des Cn, Pom- 
50 peius Magnus , vermutlich in Spanien , gewesen 

(Ascon. Cornel, p. 50. 54) und gelangte 687 = 
67 zum Volkstribunat, Er stellte sich die Be- 
kampfung verschiedener lange eingewurzelter Miss- 
briiuche zur Aufgabe und zog sich dadurch die 
Feindschaft der herrschenden Optimaten zu. Er 
beantragte zunachst ein Gesetz: Xe quis legatis 
exterarwn nationum peewiiam expensam ferret, 
weil diese Anleihen den Zinsfuss steigerten und 
namentlich weil sie die Bestechungen begiinstig- 
60 ten und verhiillten. Der Senat lehnte aber im 
Interesse seiner Mitglieder ein Eingehen auf diesen 
Antrag ab, weil durch einen Beschlu».s vom J. 600 
= 94 bereits die Moglichkeit zur Bekampfung 
dieses Ubelstandes geboten sei (Ascon. p. 50). 
Ein zweiter Antrag des C, den Asconius in seiner 
zusammenhangcuden Darstellung p. 50ff. iiber- 
geht, richtete sich gegen den Ambitus; er wollte 
nicht nur die Candidate!! selbst, die wegen Wahl. 



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Cornelius 



Cornelius 



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bestechung verurteilt wiirden, mit den strengsten 
Strafen belegen, sondern auch das Verfahren auf 
ihre Gehiilfen, die Divisores, erstrecken(Cic. Cornel, 
frg. I 39. 40 bei Ascon. p. 66). Der Senat lehnte 
auch dieses Gesetz ab, liess aber wenigstens von 
den beiden Consuln M'. Acilius Glabrio und C. 
Calpurnius Piso ein ahnliches einbringen, das 
gegen die Candidaten milder war und das ent- 
gegen den geltenden Bestimmungen noch vor den 



versammlung nach der Lex Cornelia de maiestate 
an; der Process sollte 688 = 66 zur Verhandlung 
kommen. Aber am ersten Tage blieb der Praetor 
L. Cassius Longinus aus, der den Vorsitz fiihren 
sollte, und am zweiten Tage fehlten die Anklager, 
weil sie am ersten durch Drohungen und durch 
Gewalt vertrieben worden waren, und darauf er- 
klarte der Praetor die Klage fur nichtig (Ascon. 

w ^ „ P- 52; vgl. Cic. Corn. frg. 1 11—14. Tac. dial. 39). 

Warden, die unmittelbar bevorstanden , durchge- 10 Indes im folgenden Jahre 689 = 65 erneuerte P 



setzt wurde (Dio XXXVI 38, 1—39, 1. Cic. a. O. 
Ascon. p. 61; vgl. o. Bd. I S. 1801). Unwillig 
fiber die Zuriickweisung seiner Eogationen und 
fiber die Verfassungsverletzung , durch die das 
consularische Ambitusgesetz zu stande gekommen 
war, beantragte C, um zukfinftig Ahnlichem vor- 
zubeugen, die Wiedereinscharfung eines alten Ge- 
setzes, dass Dispensation von den Gesetzen nur 
der Volksversammlung und nicht dem Senate zu 



Cominius seine Anklage vor dem Praetor Q. Gallius 
(Cic. Brut. 271. Ascon. p. 52. 54); diesmal ge- 
langte sie wirklich zur Verhandlung und zwar im 
Sommer unter dem Vorsitz der beiden Consuln 
(vgl. Beck Quaest. in Cic. p. Corn. 16f.). Funf 
Consulare, die Haupter der optimatischen Partei, 
legten Zeugnis ab, dass C. durch sein Verhalten 
in jener Volksversammlung sich eines Majestats- 
verbrechens schuldig gemacht habe (Val. Mas. 



stehe (Ascon. p. 51. 64. Dio XXXVI 39, 2; vgl. 20 VIII 5, 4. Ascon. p. 53. 70. 71); dagegen trat 



Mommsen St.-E. Ill 337f. 1230). Die Senats- 
partei gewann nun einen Collegen des Tribunen, 
P. Servilius Globulus, um gegen diesen Antrag 
zu intercedieren. Doch als dieser bei der Volks- 
versammlung dem Herold die Verlesung des Ge- 
setzes untersagte, las C. es selbst vor. "Weil ihn, 
wahrend er als Tribun zum Volke spraeh, nie- 
roand unterbrechen durfte, war damit allerdings 
die Intercession abgeschnitten, aber weil die Ver 



dessen friiherer Amtsgenosse P. Servilius Globulus 
selbst fur ihn ein (Ascon. p. 54). Die Verteidi- 
gung ubernahm Cicero, teils um sich den Demo- 
kraten als Candidat fur das Consulat zu empfehlen 
([Q. Cic] pet. cons, 19. 51. Cic. Vatin. 5; dazu 
Schol. Bob. p. 315 Or.), teils um dem abwesen- 
den Pompeius, zu dem C. in Beziehung stand, 
gefallig zu sein. Da die von jenen Consularen 
noch besonders bezeugte Thatsache, dass C. seine 



lesung durch den Antragsteller unzulassig war, 30 Eogation selbst verlesen hatte, nicht zu leugnen 



hatte auch C. die Gesetze verletzt. Diesen Ge- 
sichtspunkt betonte sogleich der Consul Piso, in- 
dem er erklarte, die tribunicischen Kechte seien 
dadurch aufgehoben ; aber nun brach ein Tumult 
aus, der den Consul in Lebensgefahr brachte und 
C. veranlasste, die Versammlung zu schliessen (Cic. 
Vatin. 5 ; Corn. frg. I 5. 28 bei Quintil. inst. or. 
IV 4, 8. V 13, 18. 25. Ascon. p. 51. Dio XXXVT 
39, 3; vgl. Mommsen St.-E. I 284f. Ill 391f.; 
Strafr. 556), " ~ "" ~~ " " 

genei ' 

lungen im Senate seinen Antrag dahin, ne quis 
•in senatu legibus soheretur n-Ui CC non minus 
adfuissent, neve quis, cum quis ita solutus esset, 
intereederet, cum de ea re ad populum ferretur. 
In dieser Form wurde das Gesetz angenommen und 
trug den Anspriichen des Senats und der Volks- 
partei gleichmassig Eechnung (Ascon. p. 50f. 63f. 
zu Cic. Corn. fr. I 30—32. Dio XXXVI 39, 4). 



war, so musste der Verteidiger die daraus ge- 
zogenen Schliisse bekampfen (vgl. Quintil. inst. 
or. VI 5, 10). Unter seinen Argumenten war 
das, C. habe den Antrag non recitandi causa, 
sed recognoscew&i verlesen (Cic. Vatin. 5), viel- 
leicht. eines der schwachsten; mit mehr Recht 
konnte er sich darauf berufen, dass C. nachher 
selbst eingelenkt hatte. Auch die Beschuldigung, 
den Manilius zu seinem Gesetz veranlasst zu haben, 



r. 556). Nun war C. selbst zum Nachgeben 40 wies Cicero mit Gliick zuriick, ebenso einen dritten 
gt geworden und modificierte nach Verhand- Anklagepunkt , dessen Kern aus frg. I 44 bei 



Anklagepunkt , dessen Kern aus frg. 
Ascon. p. 66f. nicht sicher zu erkennen ist. Cicero 
selbst gedachte spater seiner Verteidigung des C. 
mit Befriedigung (Vatin. 5 mit Schol, Bob. p. 315 ; 
or. 108. 232); Ascon. p. 53 riihmt ihre Kunst 
und Geschicklichkeit aufs hoehste, und Quintil. 
inst. or. VIII 3, 3 urteilt; Xec fortibus modo, 
sed etiam ftdgentibus armis proeliatur in causa 
Cieero Cornelii. Die Verteidigung nahm vier 



Dagegen erregte ein viertes Gesetz, das C. be- 50 Tage in Anspruch; Cicero gab seine Rede in zwei 
antragte und durchbrachte , die Unzufriedenheit Teilen heraus (Ascon. p. 54. Plin. epist. I 20, 8), 
der Optimaten, namlich: ut praetores ex edictis ' ' ■ - - ■ ... 



suis perpetuis ius dieerent (Ascon. p. 52. Dio 
XXXVI 40, If.; vgl. Mommsen St,-E. I 208). 
Mehrere andere Gesetzesvorschlage des C. wurden 
durch den Einspruch seiner Amtsgenossen ver- 
eitelt, und sein Tribunat ging unter Kampfen 
daruber zu Ende. Von seinen Nachfolgern, die 
am 10. December 687 = 67 ihr Amt antraten, be- 



von denen der erste die Sache selbst, der zweite 
im allgemeinen deren politische Seite erOrtert. 
Cornelius Nepos, der die Eede selbst gehort hat, 
bezeugt, dass sie fast ganz ebenso gehalten wor- 
den sei, wie sie spater herausgegeben wurde (vit. 
Cic. frg. 2 aus Hieron. bei Peter Frg. hist. Eom. 
223), wahrend Plinius (a. O.) vermutete, sie sei 
in der Buchausgabe verkiirzt worden. Wir be- 



antragte C. Manilius sofort ein Gesetz fiber das tjQ sitzen die Eede nicht mehr, aber den Commentar 



Stimmrecht der Freigelassenen in Erneuerung des 
sulpicischen Gesetzes von 666 = 88 , und auch 
dieser Antrag soil eigentlich von C. veranlasst 
worden sein, wie wenigstens seine Anklager be- 
haupteten (Cic. Corn. frg. I 8 bei Ascon. p. 56f.). 
Diese Anklager waren die Bruder P. und C. Co- 
minii, sie klagten ihn wegen seines schon von dem 
Consul Piso geriigten Vorgehens in der Volks- 



des Asconius dazu mit vielen Citaten. ausserdem 
eine Eeihe zerstreuter Bruchstucke. Eine Eecon- 
struction des Ganzen unternahm E. G. Beck 
Quaestionum in Ciceronis pro C. Cornelio capita 
quattuor, Leipzig 1877. dessen Anordnung der 
Fragmente (8. 34ff.) in der Ciceroausgabe von 
C. F. W. Miiller IV 3, 238—259 angenommen 
ist. Cicero hatte mit seiner Verteidigung Erfolg, 



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Cornelius 



Cornelius 



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denn C. wurde mit grosser Stimmenmehrheit frei- 
gesprochen (Val. Max. VIII 5, 4. Ascon. p. 72). 
tiber sein spateres Leben ist nichts bckannt. 

19) C. Cornelius, ein romischer Ritter und Ge- 
nosse Catiliuas (Sail. Cat. 17, 4), iibernahm mit 
dem Senator L. Vargunteius die Anfang November 
691 = 63 geplante Ermordung Ciceros (Sail. Cat. 
28, 1. Cic. Sulla 18. 52, dagegen Cat. I 9 nur: 
duo equites Romani; abweichend Pint. Cic. 16, 1 ; 
vgl. C. Cornelius Cethegus Nr. 89). Er wurde 
angeklagt und niemand mochte ibn verteidigen 
(Cic. Sulla 6), aber aus Cie. Sulla 51 schliesst 
man, dass er sich durch Anzeigen Straflosigkeit 
verschaffte. Im J. 692 = 62 veranlasste er seinen 
jungen Sohn Nr. 7, Zeugnis gegen P. Sulla ab- 
zulegen (ebd.). 

20) C. Cornelius, ein Weissager in Patavium, 
soil an dem Tage der Schlacht bei Pharsalos, 
9. August 706 = 48, den Verlauf und Ausgang 
des Kampfes in einer Vision erblickt und ver- 
kundet haben. Diese Erzahlung hat der Historiker 
T. Livius, ein Landsmann und personlicher Be- 
kannter des C, zuerst iiberliefert, und sie ist dann 
in die meisten historischen Darstellungen tlber- 
gegangen (Gell. XV 18, 1—3. Obseq. 65. Lucan. 
VII 192—200 mit Schol. Bern. Sidon. Apoll. earm. 
1X194—196. Plut. Caes. 47, 2. Dio XLI61.5). 

21) Cn. Cornelius, als Gesandter in Make- 
donien und Griechenland 558 = 196 , vgl. Cn. 
Cornelius Lentulus Nr. 176. 

22) Cn. Cornelius, wuTde 580 = 174 zum Fla- 
men Dialis geweiht (Liv. XLI 28, 7) und behielt 
diese Wurde vielleicht nur kurze Zeit, da wenig 
spater P. Cornelius Scipio Nr. 331 damit bekleidet 
wurde (Mommsen CIL I p. 19 zu nr. 33). Sein 
Tod und die Inauguration seines Nachfolgers 
konnten 583 = 171 fallen, da in der Erzahlung 
des Livius iiber die Ereignisse dieses Jahres eine 
grosse Lucke ist, wo u. a. auch die Wahlen der 
Magistrate und Priester berichtet waren (nach 
XLIII 3, 7). 

23) Cn. Cornelius. Sein VermOgen wurde 676 
= 78 von dem Praetor L. Sisenna dem jungen 
P. Scipio Nasica , dem spateren Metellus Scipio 
(Nr. 352) zugesprochen (Cic. Cornel, frg. I 37 bei 
Ascon. p. 66). Vermutlich war er ein Client der 
Scipionen, und erhob deren Familienhaupt auf sein 
Erbe Ansprach. 

24-) Cn. Cornelius, Volkstribun 683 = 71 (Lex 
Antonia de Termess., CIL I 204 inscr. 1. Inschrift 
der Curatores viarum , CIL I 593 = VI 1299. 
31590 mit Hlilsens Anm.). 

25) Cn. Cornelius, von Cic. ad fam. VII 9, 3 
im J. 700 = 54 unter seinen oberflachlichen Be- 
kannten erwahnt. Vielleicht noch aus republi- 
canischer Zeit stammt eine "Weihinschrift an Her- 
cules, die Publicia L. f. Cn. Cornell A. f. uxor 
setzte (CIL VI 30899). [Munzer.] 

26) Cn. Cornelius, Architekt unter Augustus, 
Vitruv. I pr. 2. [Stein.] 

27) L. Cornelius. Der Codex Patmius Diodors 
XV 24, 1 nennt unter den sechs Tribuni militum 
consulari potestate des J. 367 = 387 einen Aevxiog 
KoQvrjhoe, wahrend die flbrigen Hss. raws Koo- 
vrjltog bieten und bei Liv. VI 5. 7, der freilich 
hier auch andere Abweichungen von Diodors Liste 
hat, ein Name ausgefallen ist. Die Lesung des 
Cod. Patmius ist hier jedenfalls zu bevorzugen, 



da C. als Vorname patricischer Cornelier nur spat 
und vereinzelt vorkommt und auch bei Diod. XIII 
38, 1. XIV 44, 1 falschlich iiberliefert ist. 

28) L. Cornelius , 558 = 196 an Antiochos 
nach Kleinasien geschickt; vgl. L. Cornelius Len- 
tulus Nr. 188. 

29) L. Cornelius, Duumvir navalis 576 = 178, 
vgl. L. Cornelius Dolabella Nr. 137. 

30) L. Cornelius, M. f. Romulia (tribu), Senator 
10 urn 650 = 104 (SC. de Adramytt. Viereck Sermo 

Graecus 23 nr. 15, 39f. ; vgl. Mommsen St. -Pi. 
Ill 969 Anm.). 

31) L. Cornelius, L. f auf der rhodi- 

schen Inschrift IGIns. I 48, vgl. Nr. 194. 

[Munzer.] 

82) L. Cornelius, Consul suffectus vom 1. Juli 

722 = 32 v. Chr. an (CIL 12 p. 66 Fasti Venusini. 

p. 68 Fasti min. X), gewOhnlich fur L. Cornelius 

Balbus (Nr. 70) gehalten, doch kaum mit Recht; 

20 vielleicht eher L. Cornelius Cinna, vgl. Nr. 104. 

[Groag.] 

33) L., M. und P. Cornelius aus Arretium, 
Fabrikanten von gepressten Reliefvasen. Ga- 
murrini Iscr. d. vasi fitt. Arretini 50. Not. 
d. scavi 1894, 48. Dragendorff Terra sigil- 
lata 27. [C. Robert.] 

34) M. Cornelius, nach Diod. XIII 43, 1 und 
Cassiod. Consul 341 = 413, vgl. A. Cornelius 
Cossus Nr. 113; M. Cornelius bei Appian. Lib. 63 

30 vgl. Cn. Cornelius Scipio Asina Nr. 341. 

35) M. Cornelius wurde wurde von dem alten 
M. Cato in einer Rede bekampft (Fronto ad Antonin. 
I 2 p. 99f. Naber, vielleicht auch Fest. p. 286; 
vgl. R i b b e c k Neues schweizer. Museum I 20 Anm.) ; 
wegen des Vornamens und der Zeit ist an M. 
Cornelius Scipio Maluginensis Nr. 348 gedacht 
worden, was natiirlich ganz unsicher bleibt (vgl. 
Jordan Catonis quae exstant p. LXVIII). 

36) M. Cornelius, von Cic. ad Att. 1 13, 1 im 
40 J. 693 = 61 erwahnt (vgl. Cornelius ebd. 12, 1). 

[Munzer.] 

37) M. Cornelius M. [f.], eroffnet die zweite 
Decurie in der Liste der Augurn , CIL 1 2 p. 60 
= VI 1976 (vgl. o. Bd. II S. 2319). Er gehoTt 
ohne Zweifel der republicanischen Zeit an; viel- 
leicht ist er ein M. Maluginensis. [Groag.] 

38) M. Cornelius s. Nr. 33. 

39) P. Cornelius, als Tribunus militum con- 
sulari potestate II im J. 360 = 394 von Liv. V 

50 26, 2 genannt. Da sein Name in den zuver- 
lassigeren Fasten Diodors (XIV 97. 1. XV 2, 1) 
fehlt, ist das Tribunat als gefalscht anzusehen, 
und es bleibt daher gleichgfiltig, ob der Falscher 
P. Cornelius Maluginensis Nr. 250. 252. P. Cor- 
nelius Cossus Nr. 120 oder P. Cornelius Scipio 
Nr. 328 im Auge hatte. die alle kurz vorher 
dasselbe Amt bekleidet haben (vgl. Mommsen 
Rom. Forsch. II 228. 415 A.). 

40) P. Cornelius. Tribunus militum consulari 
60 potestate 365 = 389 (Liv. VI 1. 8. Diod. XV 

22, li und 369 = 385 (Liv. VI 11, 1 ; Thog Kog- 
vijhog Diod. XV 28, lj. 

41) P. Cornelius. Im J. 443 = 311 wurde 
die Wahl von Duoviri navales durch das Volk 
festgesetzt (Liv. IX 30, 3), und im folgenden J. 444 
— 310 fiihrte P. Cornelius offenbar als einer der 
daraufhin zuerst gewahlten Officiere eine Flotte 
an die campanische Kiiste, unternahm einen Pliin- 



1257 



Cornelius 



Cornelius 



1258 



derungszug ins Land hinein, verlor aber bei der 
Riickkehr zu den Schiffen durch einen Oberfall 
■die gemachte Beute und einen grossen Teil seiner 
Mannschaft (Liv. IX 38, 2f.). Er konnte etwa 
mit P. Cornelius Arvina Nr. 66 oder mit P. Cor- 
nelius Scipio Nr. 316 identificiert werden, doch 
sind solche Falle, in denen Cornelier ein neuge- 
schaffenes Amt einweihen, stets etwas der Fal- 
schung verdachtig. 

42) P. Cornelius. Zonar. VIII 18 erzahlt, dass 
die Romer im J. 520 = 234 den einen Consul Sp. 
Carvilius Maximus (s. o. Bd. Ill S. 1630 Nr. 10) nach 
Corsica sandten, eg b~s trjv SoqSo} tor aaxwo^ov 
Uovxhov KoQrrjhov; der Consul habe aber auch 
Sardinien bezwungen, denn C. und viele seiner 
Soldaten waren an Krankheiten dort gestorben. 
Nach dem Sprachgebrauche Dios (Mommsen 
St.-R. II 194, 2) ist der aatwo/uos der Stadt- 
praetor, wie auch im J. 512 = 242 nach Zonar. 
Yin 17 ein dorvrofiaiv ein auswartiges Commando 
erhalten hatte. 

42a) P. Cornelius im SC. de Delphis von 642 
= 112 (Dittenberger Syll.2 930, 22) ist P. 
Scipio Aemilianus (Nr. 335) oder P. Scipio Na- 
sica Serapio (Nr. 354). 

43) P. Cornelius, von P. Cuspius im J. 698 
= 56 aus Africa an Cicero geschickt und von 
diesem weiter an den Statthalter von Africa, Q. 
Valerius Orca, empfohlen (ad fam. XIII 6 b). 

44) P. Cornelius, Volkstribun 703 = 51, inter- 
•cedierte mit drei anderen bei einem der gegen 
Caesar gerichteten Senatsbeschliisse (Gael, ad fam. 
VIII 8, 6). 

45) P. Cornelius diente als Evocatus unter 
Metellus Scipio, der uTsprunglich gleichfalls P. 
Cornelius hiess und ihm vielleicht das Biirger- 
recht verschafft hatte , 708 = 46 in Africa und 
fand ein ruhmvolles Ende (b. Afr. 76, 1). 

46) P. Cornelius. Einem Siculer Demetrius 
Megas hatte auf Cieeros Bitten dessen Schwieger- 
sohn P. Cornelius Dolabella (Nr. 141) bei Caesar das 
romische Bttrgerrecht ausgewirkt; daher nannte 
sich der Siculer P. Cornelius. Weil bei den Biir- 
gerrechtsverieihungen Caesars Betriigereien vor- 
gekommen waren, wurden die meisten fur un- 
giiltig erklart, aber nicht die an diesen Demetrius 
Megas. Das teilte Cicero im J. 708 = 46 dem 
sicilischen Statthalter M, Acilius in dem Empfeh- 
lungsbrief ad fam. XIH 36 mit. 

47) P. Cornelius, rftmischer Kaufmann in Gallia 
Cisalpina, erwahnt 708 = 44 (Cic. ad fam. XHI 
14, 1. [Munzer.] 

48) P. Cornelius (CIL IX 4395) s. P. Cor- 
nelius Dolabella Nr. 143. 

49) P. Come [litis], Brambacb. CIRh 1559. 
1560, s. P. Cornelius Anullinus Nr. 58. [Groag.] 

50) P. Cornelius s. Nr. 33. 

51) Q. Cornelius, als Pontifex minor genannt 
um 690 = 64 (Macrob. sat. m 13, 11. vgl. iiber 
diese Stelle Nr. 234) und 697 = 57 (Cic. har. resp, 
12). In Ciceros Briefwechsel aus diesen Jahren 
findet sich der Name Q. Cornelius im J. 692 = 
62 (ad fam. V 6, 1) und 700 = 54 (ad fam. Vn 
17, 3; vielleicht derselbe C. ebd. 8, 2), doch sind 
die dort genannten PersOnlichkeiten vielleicht 
unter einander und von dem Pontifex verschieden. 

52) Q. Cornelius, Quaestor urbanus 710 = 44 
(SC. bei Joseph, ant. Iud. XIY T 219). [Munzer.] 



_ 53) Q. Corfnelius] gehorte zu den pueri pa- 
trimi et matrimi senatorum fili, die den Arval- 
briidern im J. 155 n. Chr. ministrierten (CIL VI 
2086, 27 Acta Arv.); vgl. Q. Cornelius Senecio 
Proculus Nr. 367. [Groag.] 

54) T. Cornelius bei Diod. XV 28, 1; vgl. 
P. Cornelius Nr. 40. [Miinzer.] 

55) [CfbrneliuslJ] Aemilianus Calpurnius 
RufUianus, [v(ir) c(larissimw) , l]e[g(atusj] 

10 Augustorum von Britannia (CIL VII 98 Isca, dazu 
Hiibners Anm.). Ob wirklich C auf dem Steine 
stand und ob dies zu Cfornelius) zu erganzen ist, 
scheint sehr zweifelhaft. Zu den Namen Aemi- 
lianus Rufllianus vgl. Aemfilia) Rufilla CIL X 
8059, 18. [Groag.] 

56) Cornelius Alexander (Polyhistor) s. Ale- 
xandres Nr. 88. 

57) T. Cornelius Anneus Fuscus, im J. 170 
n. Chr. in das Collegium der Salii Palatini coop- 

20tiert (CIL VI 1978), vielleicht Nachkomme des 
Cornelius Fuscus (Nr. 158). 

58) P. Cornelius Anullinus. a) Name. P. Cor- 
nelfiusj P. f. Qal(eria) Anullinus CIL n 2073 
= 5506; P. Cornelius Anullinus CIL VI 2270; 
Cornelius- Anullinus CIL VIII 1170; 'AwlTvog 
Dio; Anulinus Aurel. Vict. epit. 20, 6; Anul- 
linus in den Consulatsdatierungen und Fasten. 

b) Leben. C. stammte aus Hiberris (Granada) 
in Baetica, wie die Inschrift angiebt, die ihm 

30 dort wahrscheinlich von seinen Mitbiirgern gesetzt 
wurde (CIL II 2073 = 5506 [vgl. Httbners und 
Mommsens Anm.] = Dessau 1139). Diese In- 
schrift enthalt auch seine Amterlaufbahn, deTen 
Anordnung nach Mommsen wohl so zu erklaren 
ist, dass zuerst die drei angesehensten Amter 
(Stadtpraefectur , Consulat und Proconsulat von 
Africa) angefuhrt werden, dann die stadtromischen 
Magistrate in absteigender Folge, endlich die 
praetorischen und consularischen Stellungen in 

40 aufsteigender Ordnung. Ist diese Erklarungrichtig, 
so bekleidete C. seine Amter in folgender Reihen- 
folge; qfuaestor), tribftmus) pUb(is), p[ra]et(orJ, 
legfatus) prov(inciae) Narbonensfis) , procofn)- 
[sfulj pro]v. [Ba]eti[e(ae}], l[e]g(atusj l[e]g(io- 
nis) VII. Gem(inae) — in Hispania Tarraco- 
nensis (dass C. das Legionscommando erst nach 
dem Proconsulat erlangte, ist nicht ohne Ana- 
logien, vgl. Nr. 61) — , [leg.] Aug(usti) prfo) 
prfaetore) pro[v . . . diese Legation kann auch 

50 in die Zeit nach dem Consulat gehoren], co(n)- 
s(ul suffectus in unbekanntem Jahre unter Marcus 
oder Commodus), curatfor) alvei et [ripfarumj 
Tiberis]. Im J. 193/194 war C. Proconsul von 
Africa (CIL VIII 1170 = Dessau 413 anno Cor- 
neli Anullini proeos. c(larissimi) v(iri); Bor- 
ghesis Lesung [Oeuvres V 225] ann[o tert]io 
ist wohl irrig, vgl. Pallu de Lessert Fast. d. 
prov. Afr. I 233ff.). Unmittelbar nachher finden 
wir ihn unter den Feldherren des Septimius Se- 

60 verus im Kriege gegen Pescennius Niger (194 n. 
Chr.); seine Stellung war wohl nicht die eines 
Statthalters von Syrien, wie friiher auf Grand 
einer irrigen Lesung seiner Ehreninschrift ange- 
nommen wurde, sondern eines dux exercitus, wie 
sie von den Generalen des Severus auch Marius 
Maximus (CIL VI 1450) und Claudius Candidus 
(o. Bd. ni S. 2691) bekleideten (Fabius Cilo [CIL 
VI 1408] und Claudius Claudianus [c. Bd. Ill 



1259 



Cornelius 



Cornelius 



1260 



S. 2695] waren praepositi vexillationum). In 
der Schlacht bei den kilikischen Thoren fuhrte 
C. zusammen mit Valerianus den Oberbefehl und 
brachte Niger die entscheidende Niederlage bei 
(Dio LXXIV 7); wahrscheinlich war er es, der 
Antiochia einnahm (Dio LXXIV 8, 3). Im J. 195 
nahm er an dem Feldzug des Severus gegen 
Adiabene und Osrhoene teil (Dio LXXV 3, 2; die 
Landschaft 'Aqx^ , die C. , Laetus und Probus 
ocoupierten, ist vielleicht der Archene des Plinius 
[n. h. VI 128] gleichzusetzen, vgl. o. Bd. II S. 457. 
1498). Htibner (Rhein. Jahrb. LV 1875, 156) 
identificiert C. mit dem in Inschriften von Ohringen 
(Brambach CIRh 1559. 1560) genannten Statt- 
halter von Germania superior, dessen Namen er 
P. Cor. An[uUinus] liest; nach Herzog (Ober- 
germ. raet. Limes nr. 42/42 l S. 27) ist jedoch 
P. Cor. N . . . zu lesen. Wahrscheinlich im J. 198 
wurde C. Praefectus urbi (damals wird ihm die 
Inschrift in Iliberris gesetzt worden sein, vgl. 
Heron de Villefosse bei Borghesi Oeuvres 
IX 334), im Jahre darauf (199) Consul II ordina- 
rius mit M. Aufldius Fronto (CIL VI 1352. 2270 
und sonst, vgl. Klein Fasti cons. z. J.). Er 
gehorte zu den Freunden des Kaisers Severus, der 
inn reich beschenkte (Aur. Vict. epit. 20, 6). Sein 
Sohn war der Folgende. 

59) P. Cornelius Anullinus (das Praenomen 
im Militardiplom), Sohn des Vorausgehenden, Sa- 
rins Palatums (als Neu-Patricier), wurde im J. 201 
Augur und trat deshalb aus dem Collegium der 
Salier aus (CIL VI 1982. 1983 Fasti sal. Pal.), 
Consul ordinarius im J. 216 mit P. Catius Sabinus 
cos. II (CIL n 2221. 2663. Ill 7531 [Cornelia 
et Catio cos.], dipl. XLIX p. 891. XIV 2596 und 
sonst). Zweifelhaft ist, ob der im J. 238 getotete 
Praefectus praetorio des Maximinus, Anoliims (der 
Name ist interpoliert, s. o. Bd. I S. 2651 Nr. 4, 
vgl. Borghesi Oeuvr. X 122. Klebs Prosop. I 
109 nr. 722) und der Senator Anullinus, als dessen 
Freigelassener Diocletian bezeichnet wird (o. Bd. I 
S. 2651 Nr. 3), der Familie der Cornelii Anullini 
angehorten; der zweitgenannte wird eher ein An- 
nius Anullinus gewesen sein. 

60) Corn. Aquila (CIL III Suppl. 6974 = 
12217) s. Cornutus Aquila. 

61) On. Cornelius Aquilius Niger, leg(atus) 
legfionis) I Mfineniae) pfiae) ffidelis), item 
proeonsul provincial Gal(liae) Narbonensis, item 
sodalis HadrianalfisJ , Brambach CIRh 463 
(Bonn ; es liegt kein Anlass vor, die Echtheit der 
Inschrift zu bezweifeln [so Klebs Prosopogr. I 
440 nr. 1068] ; die Bekleidung des Legionscom- 
mandos nach dem Proconsulat kommt auch sonst 
vor, vgl. Bd. Ill S. 1202 Nr. 64 und o. Nr. 58). 
C. war wahrscheinlich ein Verwandter der Aquilii 
Nigri (o. Bd. H S. 330). 

62) Cornelius Aquinus, Legat einer Legion 
in Germania inferior (vielleicht der legio V Alau- 
dae, vgl. zu Tac. hist. I 7 und 57 noch I 55 
[primani quintanique] ; in der zweiten Halfte 
des J. 69 war Fabius Fabullus Legat der Legion, 
Tac. IH 14), totete mit Fabius Valens, dem Le- 
gaten der Legio I, den Statthalter Fonteius Ca- 
pita (Ende 68 n. Chr.); ihre That wurde nach- 
traglich von Galba gutgeheissen, Tac. hist. I 7. 

63) Cornelius Archelaus, in einer Liste von 
elarissfimij viri genannt, die wahrscheinlich Pa- 



trone des Collegiums der saeerdotes domus Au- 
gustae Palatinae waren (CIL VI 2010). Die 
Liste gehCrt vielleicht in die J. 180 — 184 n. Chr. 
(vgl. Borghesi Oeuvres III 23. Henzen zur 
Inschrift; die Identificierung des Septimius An- 
tipater mit dem Antipatros aus Hierapolis [o. 
Bd. I S. 2517 Nr. 29] ist dann allerdings nicht 
zu halten). [Groag.] 

64) Cornelius Artemidorus aus Perge in Pam- 
10 phylien unterstiitzte 675 = 79 den C. Verres bei 

den Raubereien, die dieser sich als Proquaestor 
in Perge zu Schulden kommen liess (Cic. Verr. 
Ill 54, vgl. I 54). Vielleicht erhielt er seinen 
Gentilnamen von dem Vorgesetzten des Verres, 
Cn. Dolabella Nr. 135. Spater begleitete er den 
Verres als sein Arzt und nahm an seinen Er- 
pressungen und Schandthaten auf Sicilien teil 
(Cic. Verr. Ill 28. 54. 69. 117). 

65) A. Cornelius Arvina s. A. Cornelius Cossus 
20Arvina Nr. 122. 

66) P. Cornelius Arvina als A. f. P. n. (Fasti 
Cap.) Sohn von Nr. 122, war Consul 448 = 306 
(P. Corn[elius ....] Fasti Cap. ; Arvina Chronogr. ; 
Albino Idat. ; 'AXftlvov Chron. pasch. ; P. Corne- 
lius Arvina Liv. IX 42, 10. 44, 3 ; P. Cornelius 
Cassiod.; IloaHiog Koorrjkiog Diod. XX 73, 1). 
Die Gefahr fur Rom war in diesein Jahre gross 
infolge des Abfalls der Herniker, aber dem anderen 
Consul Q. Marcius Tremulus gelang es, diese ent- 

30 scheidend fllr immer zu besiegen. Inzwischen 
war Arvina in Samnium in eine schwierige Lage 
geraten, und es war hohe Zeit, dass Marcius ihm 
zu Htllfe eilte. Die vereinigten consularischen 
Heere schlugen nun auch die Samniten in einer 
grossen Schlacht, deren Bedeutung allerdings von 
unsem Berichterstattern ubertrieben worden ist, 
und verheerten darauf ffinf Monate lang das feind- 
liche Gebiet (Liv. IX 43, 1-22. Diod. XX 80, 
1—4). 460 = 304 war Arvina Censor (. . . Cor- 

\Qnelius A. f. P. n. Arvin[a] Fasti Cap.; P. Cor- 
nelius Arvina Liv. X 47, 2) und 466 = 288 zum 
zweitenmale Consul mit seinem alten Collegen 
Q. Marcius Tremulus (Arvina Chronogr. ; Albino 
Idat. ; 'Alfllvov Chron. pasch. ; P. Cornelius Cas- 
siod.). [Miinzer.] 

67) Cornelius Avitus (Hss. Abitus und Avitus), 
liess die Stadt Kalchedon in Bithynien zum Teil 
wieder aufbauen, nachdem sie unter Gallienus 
(253 — 268 n. Chr.) von den Gothen zerstOrt worden 

50 war, lord. Get. XX 107. [Stein.] 

68) Cornelius Balbus wird als Adressat eines 
Briefes genannt, den Kaiser Marcus iiber Pe- 
scennius Niger schrieb (Hist. Aug. Pesc. Niger 
4, 1). Dem Inhalt des Briefes zufolge ware C. 
Statthalter einer Provinz gewesen; aber wie das 
Schreiben ist wohl auch der Name des C. un- 
historisch. [Groag.] 

69) L. Cornelius Balbus. Hauptquelle far 
sein Leben sind die Schriften Ciceros, die im fol- 

60 genden ohne Autornamen angefuhrt werden, B. — 
oratio pro Balbo, A. = epistulae ad Atticum. Die 
Vaterstadt des Balbus war Gades, eine seit dem 
hannibalischen Kriege mit Rom verbiindete Stadt 
(B. 5. 6. 43 und after; A. VII 7, 6. Tac. ann. 
XI 24. Plin. n. h. V 36. VII 136. Dio XLVIII 
32, 2; vgl. die Darstellung des Hercules und 
seiner Attribute auf den Munzen des Balbus als 
Anspielung auf den Hauptcult von Gades); er 



1261 



Cornelius 



Cornelius 



1262 



stammte aus angesehener Familie (B. 6. Hist. 
Aug. Balbin. 7, 3). Phoinikische Herkunft wird 
furihngewohnlich angenommen (z. B. von Momm- 
sen R. G. Ill 490), und sein einheimischer Name, 
den er mit einem ahnlich klingenden bekannten 
rOmischen Cognomen vertauschte, wird aus dem 
Punischen zu erklaren gesucht (vgl. Baal = Her- 
cules; Balbus, Berg bei Karthago, Liv. XXIX 
31, 7 nach den schlechteren Hss.) ; Beweise dafiir 
giebt es nicht, und das Schweigen der Autoren 
spricht eher dagegen, wahrend Bezeichnungen 
wie Tartesius (A. VLT 3, 11) und Hispanus (Veil. 
II 51, 3) die Annahme iberischer Abstammung 
zu empfehlen scheinen. Der Vater des Balbus 
heisst in den Fasten (CIL 1 2 p. 60. 64) Lucius, 
wurde also mit ihm zusammen rOmischer Burger 
und starh erst nach 682 = 72. In rflmische 
Dienste trat Balbus als junger Mann wahrend 
des sertorianischen Krieges und war den Gegnern 
des kuhnen Parteigangers vielfach von Nutzen. 
Hauptsachlich schloss er sich an C. Memmius an, 
der 675 = 79 als Quaestor des Q. Metellus Pius 
nach Spanien kam und anscheinend spater unter 
Cn. Pompeius in ahnlicher Stellung weiterdiente ; 
Balbus machte in seiner Begleitung die Schlachten 
am Sucro und an der Tuna mit und blieb bei 
Pompeius bis zur Beendigung des Krieges 682 = 
72 (B. 5f., vgl. Jullien 9). In diesen Kampfen 
ist er zum Manne gereift und zum Romer ge- 
worden ; er empfing nun als Lohn fur seine Dienste 
das rOmische Burgerrecht auf Grund des Rechtes, 
das die Lex -Gellia Cornelia von 682 = 72 dem 
Pompeius verliehen hatte (B. 6. 19. 38. Plin. n. h. 
V 36. Hist. Aug. Balbin. 7, 3, vgl. Mommsen 
St.-R. Ill 135). Mit ihm erhielten alle die Sei- 
nigen das Burgerrecht; da sowohl er, wie sein 
Neffe Nr. 70, der allein von diesen naher bekannt 
ist, spater dem L. Cornelius Lentulus Cms (Nr. 
218) durch Freundschaft besonders verbunden und 
durch Wohlthaten verpflichtet erscheinen, so hat 
die schon von Manutius aufgestellte, von Jul- 
lien 15f. wiederaufgenommene Vermutung am 
meisten flir sich, dass dieser L. Cornelius, der 
damals in Spanien gedient haben kann, den Balbus 
zur Civitat empfahl, und dass der neue Burger 
sich zum Danke nach ihm nannte (vgl. iiber die 
spateren Beziehungen A. IX 7 b, 2. VIII 15 a, 2. 
Veil. II 51, 3). Der neue Romer gehorte zu- 
nachst einer der geringeren stadtischen Tribus 
an, bis ihm eine erfolgreiche Anklage de ambitu 
den Eintritt in die angesehenere Clustumina ver- 
schaffte (B. 57, vgl. Mommsen St.-R. Ill 175, 
2. 184); die Aufnahme in den Ritterstand dankte 
er seinem von jeher bedeutenden Vennogen. Schon 
friih trat er in Beziehungen zu C. Iulius Caesar 
(B. 63), vermutlich wahrend dieser als Quaestor 
686 = 68 in Hispanla ulterior weilte und sich 
langere Zeit in Gades aufhielt (vgl. Suet. Caes. 
7). 693 = 61 kehrte Caesar als Propraetor in 
dieselbe Provinz zuruck und ernannte Balbus zu 
seinem Praefectus fabrum : seitdem schenkte er 
dem Gaditaner unbedingtes Vertrauen (B. 63f.) 
und begiinstigte ihm zu Liebe auch seine Vater- 
stadt auf jede Weise (B. 43), die dafiir wieder 
ihrerseits den ehemaligen Mitbiirger zum Patron 
wahlte (B. 41f.. vgl. Mommsen Rtim. Forsch. I 
334). Mit Caesar kam Balbus nach Rom und 
bemiihte sich eifrig um das Zustandekommen des 



Triumvirats ; er gab dem Cicero im December 
694 = 60 im Auftrag seines Gebieters die be- 
stimmte Versicherung, dieser werde sich nach 
MOglichkeit in die Wiinsche des Cicero und des 
Pompeius schicken und eine VersOhnung zwischen 
Crassus und Pompeius herbeizufuhren suchen (A. II 
3, 3). Und wie damals die Machthaber durch 
Familienverbindungen ihr Biindnis star kt en, so 
thaten auch ihre Diener; Balbus, der Giinstling 

10 Caesars, liess sich von dem Geschichtschreiber 
Theophanes von Mytilene , der von Pompeius das 
rSmische Burgerrecht erhalten hatte und zu dessen 
treuesten Anhangern gehCrte, in aller Form adop- 
tieren. Cicero sagt dariiber 698 = 56 B. 57: 
et adoptatio Theophani agitata est (von den Geg- 
nern des Balbus), per quam Cornelius nihil est 
praeterquam propinquorum suorum hereditates 
adseoutus, und Anfang 704 — 50 A. VII 7, 6: 
annorum enim deeem imperium et ita latum 

20 placet : placet igitur etiam me expulsum et agrum 
Campanum perisse et adoptatum patricium a 
plebeio, Oaditanum a Mytilenaeo etLabieni divi- 
tiae et Mamurrae plaeent et Balbi horti et Tu- 
sculanum. Diese Ausserungen, die nach der Zeit, 
der Stimmung und den Zeitverhaltnissen so ver- 
schieden sind, lassen ahnen, dass diese Adoption 
einerseits dem Balbus materiellen Vorteil brachte, 
andererseits nicht der politischen Bedeutung ent- 
behrte. Sie war freilich nicht von Dauer, denn 

30 der Biirgerkrieg, in welchem Theophanes und 
Balbus auf verschiedenen Seiten standen, loste 
das kiinstliche Band zwischen ihnen, und nur 
der spatere Kaiser Balbinus erinnerte sich ihrer, 
indem er seinen Ahnherrn Cornelius Balbus Theo- 
phanes nannte und riihmte (Hist. Aug. Balbin. 7, 
3). Im J. 696 = 58 ging Cicero in die Ver- 
bannung und Caesar als Statthalter nach Gallien ; 
damals erwies sich Balbus jenem gefallig, indem 
er seine AngehOrigen unterstutzte (B. 58); von 

40 diesem erhielt er aufs neue die Stelle des Prae- 
fectus fabrum (B. 63f.). Aber mehr als in Gallien 
war er in Rom fur diesen thatig und wusste aus 
seiner Vertrauensstellung auch flir sich Vorteil 
zu ziehen. Von seinem Verhaltnis zu Caesar sagt 
Cicero B. 63: fuit hie multorum illi labor um 
soeius aliquando, est fortasse nunc nonnullorum 
particeps commodorum, und von dem zu Pom- 
peius spater A. IX 13, 8 : eui Gnaeus noster 
locum, ubi hortos aedificaret, dedit, quern cut 

50 nostrum non saepe praetulit ? In der Anlage 
jener Garten und in der Erwerbung des tuscu- 
lanischen Gutes von Q. Metellus (s. o.) documen- 
tierte sich der Reichtum des Balbus aufs glan- 
zendste und erweckte vielen Neid (B. 56f.). Auf 
ihn bezieht sich jedenfalls auch Val. Max. VII 
8, 7 : L. Valerius, cui cognomen Heptachordo 
fuit, togatum kostem Cornelium Balbum exper- 
tus, utpote opera eius et consilio compluribus 
privatis litibus vexatus ad ultimumqtie stibieeto 

GO aeeusaiore capilaii crimine accusatus, praete- 
ritis advocatis et patronis solum liercdem reli- 
qtrit, was zu combinieren sein diirfte mit Schol. 
Bob. p. 228 Or. : Decimus I^aelius repetundarum 
reum (L. Valerium) Flaceum fecerat subscri- 
bentibus L. Balbo et Apuleio Deeiano. L. Va- 
lerius Flaccus war namlich 685 = 69 Quaestor 
in Spanien (Cic. Flacc. 6) und kann dort eben- 
sowohl in unfreundliche Beziehungen zu dem 



1263 



Cornelius 



Cornelius 



1264 



reichen Provinc.ialen gekoramen sein, wie sein 
Nachfolger Caesar in freundliehe ; dass der Spitz- 
name Heptachordus sonst nicht uberliefert ist, 
hat nichts Auffalliges (vgl. den Spitznamen des 
C. Antonius Hybrida, den nur Plin. n. h. VIII 
213 angiebt [o. Bd. I S. 2577] u. a.), und es 
steht demnach nichts im Wege, in unserem L. 
Cornelius Balbus den einen Mitanklager des L. 
Valerius Placcus 695 = 59, den Cicero in seiner 
Verteidigungsrede fur Flacous wohl absichtlich 
nicht nennt, und den Erben seines Gegners zu 
sehen. Mitten in seinem Gliick sab sich Balbus 
von einer grossen Gefahr bedroht; seine ganze 
Existenz stand auf dem Spiele (vgl. die B. 5 an- 
gefuhrten Worte des Pompeius; dazu Plin. n. h. 
VII 136), als die Anklage wegen widerrechtlicher 
Anmassung des Biirgerrechts gegen ihn erhoben 
wurde. Von dem Klager erfahren wir nur, dass 
er ein Gaditaner von ziemlich schlechtem Kuf 
war (B. 25). Er konnte nicht bestreiten , dass 
Balbus das Burgerrecht in aller Form von Pom- 
peius erhalten habe, aber er bestritt principiell: 
ex foederaio populo quemquam potuisse, nisi is 
populus fundus factus esset, in hane civitatem 
■venire (B. 19, vgl. Mommsen St.-R. Ill 698). 
Diese rechtliche Grundlage der Anklage stand 
auf schwachen Ftissen, und es hatte vielleicht 
schon das Zeugnis der Gaditaner, die eine eigene 
Gesandtschaft fur den Angegriffenen schickten 
(B. 41ff.), geniigt, um sie zu entkraften. Es ist 
daher kein Zweifel, dass der Process einen poli- 
tischen Hintergrund hatte, und dass man in Balbus 
vielmehr seine GOnner, zugleich Caesar und Pom- 
peius, treffen wollte (vgl. B. 6—8. 58ff. und die 
Schlussworte der ganzen Rede). Dass die Ver- 
handlung ins J. 698 = 56 gehOrt, steht sicher 
fest (Drumann G. R. II 598, 37); dass sie nach 
der Zusammenkunf't der Triumvirn in Luca im 
April stattfand, ist gleichfalls zweifellos, aber 
ware damals erst die Anklage erhoben worden 
(so Lange E. Altert. Ill 335), so ware es eine 
zwecklose Demonstration gewesen. Daher trifft 
Jullien 64ff. jedenfalls das Eichtige mit der 
Annahme, es sei zwischen der Erhebung der An- 
klage und der Verhandlung daruber eine liingere 
Frist verstrichen ; die Gegner der Triumvirn wollten 
deren Zwist zu einem kraftigen Schlage benutzen, 
aber inzwischen erfolgte die AussOhnung der drei 
Gewaltigen, und der Schlag ging fehl. Caesar, 
der fern von Bom weilte, trat nicht direct als 
Beschutzer des Balbus auf, aber seine beiden Ge- 
nossen ubernahmen personlich die Verteidigung ; 
zuerst sprach Pompeius fur den Angeklagten (B. 
2. 5. 17. 59), dann Crassus (B. 17. 50) und als 
dritter Cicero, der sich in seiner noch erhaltenen 
Eede (vgl. uber deren Disposition Hoche 10-16) 
als gefiigiges Werkzeug der Triumvirn zeigte. 
Balbus wurde natiirlich freigesprochen. In der 
Praefectura fabrum wurde ungefahr um dieselbe 
Zeit Mamurra sein Nachfolger, aber er selbst 
blieb Caesars vertrautester Agent und war ab- 
wechselnd in Rom und in Gallien unermiidlich 
fur ihn thatig. Wie geschaftig er ihm Freunde 
warb nnd wie er durch das liebenswiirdigste Ent- 
gegenkommen namentlich Cicero sich zu ver- 
pflichten suchte, zeigen die Briefe, die dieser in 
den J. 700 = 54 und 701 = 53 nach Gallien 
an Caesar (ad fam. VII 5, 2; ad Caes. frg. I 2 



bei Non. p. 287, 25 [von Gurlitt in einem mir 
nicht zuganglichen Programm anders bezogen, vgl. 
Groebe bei Drumann G. R. I 2 427]), an seinen 
Bruder Quintus (ad Q. fr. II 10, 4. Ill 1, 9. 
12) und an C. Trebatius Testa (ad fam. VII 6, 
1. 7, 1. 8, 2. 9, 1. 16, 3. 18, 3) richtete. In 
Rom hatte Balbus damals grossen Einfluss; er 
konnte im J. 703 = 51 dem Consul Metellus 
Scipio Vorwiirfe iiber dessen Antrag machen, die 

10 Verhandlung iiber die gallischen Provinzen auf 
den 1. Marz des folgenden Jahres festzusetzen 
(Cael. ad fam. VIII 9, 5), und im April 704 = 50 
in Caesars Namen den Tribunen Curio bewegen, 
seinen Widerspruch gegen die Supplicationen fur 
Cicero fallen zu lassen (ebd. 11 , 2). Aus der 
ersten dieser Stellen und der gleich zu erwah- 
nenden A. VII 3, 11 hat O. E. Schmidt (Brief- 
wechsel des Cicero [Leipzig 1893] 177) geschlossen, 
dass Balbus damals schon Senator gewesen sei, 

20 aber ein bestimmter Beweis fur diese Meinung 
ist aus ihnen nicht zu entnehmen, wahrend Tac. 
ann. XII 60 entschieden ftir das Gegenteil spricht. 
Vor dem Ausbruch des Biirgerkrieges suchte Balbus 
im November 704 = 50 durch schmeiehelhafte 
Briefe Cicero auf Caesars Seite zu ziehen, aber 
der Redner war damals bereits misstrauisch gegen 
seine Liebenswurdigkeit geworden (A. VII 3, 11) ; 
gleichzeitig unterhandelte Balbus noch einmal als 
der Bevollmachtigte Caesars mit dem des Pompeius, 

30 dessen Schwiegervater Metellus Scipio (A. VII 4, 
11). Als die Wiirfel gefallen waren, der Krieg 
nicht mehr aufzuhalten, da zeigte er eine wiirdige 
und tactvolle Haltung, indem er von Caesar die 
Gunst erbat und erhielt, nicht das Schwert gegen 
alte Freunde und Wohlthater Ziehen zu mussen, 
sondern in Rom ftir ihn thatig sein zu diirfen, 
wobei er gleichzeitig jenen wahrend ihrer Ab- 
wesenheit niitzen konnte (A. IX 7 b, 2). In den 
nachsten Monaten, Anfang 705 = 49, unterhielt 

40 Balbus einen lebhaften Briefwechsel mit Cicero, 
- um den unentschlossen Schwankenden zu gewinnen. 
Zuerst erwahnt der Redner am 17. Februar einen 
Brief des Balbus (A. VIII 2, 1), dann einen zweiten 
am 25. Februar, worin ihm jener Caesars Friedens- 
liebe so iiberschwanglich anpries, dass der Em- 
pfanger sich des Misstrauens nicht erwehren konnte 
(A. VIII 9, 4). Am 3. Marz schickte er an At- 
ticus das Schreiben des Balbus, A. VIII 15a, 
worin ihn dieser dringend bittet, alles zur Her- 

50 beifuhrung einer VersOhnung der Gegner aufzu- 
bieten, worin er sich iiber den Consul Lentulus 
beklagt, der gegen seinen Rat Rom verlasseu 
habe, und worin er ihm endlich Caesars Milde 
bei Corfinium als Beweis fur dessen versohnliche 
Gesinnung vor Augen stellt. Cicero begleitet 
freilich die Zusendung dieses Briefes an seinen 
Freund mit der bittern Bemerkung, Balbus wolle 
seiner spotten (A. VIII 15, 3), und ausserte audi 
einige Tage spater, dass jener ihn tausche (A. IX 

60 5, 3). Ein Brief des Balbus, den er am 11. Miirz 
erwahnt, meldete nur, dass Lentulus Italien den 
Eiicken gekehrt habe (A. IX 6, 1). Aber inzwi- 
schen hatte Caesar nach der Einnahme von Cor- 
finium (20. Februar) an seine Vertreter in der 
Hauptstadt, Balbus und C. Oppius, eine Kund- 
gebung gerichtet, worin er im Einvernehmen mit 
ihnen die Schonung und VersOhnung der Gegner 
als seinen ersten Grundsatz bekennt (A. IX 7 c), 



1265 



Cornelius 



Cornelius 



1266 



und beide beeilten sich, vor allem Cicero davon 
in Kenntnis zu setzen. In einem von ihnen ge- 
meir^sam abgefassten Schreiben baten sie den 
Redner eindringlich, neutral zu bleiben, da Caesar 
den grSssten Wert auf Wiederherstellung des 
Friedens legte (A. IX 7 a). Kurz darauf wieder- 
holte Balbus allein unter Beilegung von Caesars 
Brief, dass sein Gebieter die freundschaftlichsten 
Gesinnungen far Cicero hege, und dass er per- 



nisses zu ihnen (ad fam. VII 24, 1; A. XII 13, 
2. XIII 49, 2). Namentlich mit Balbus stand 
er in regem Briefwechsel (A. XII 19, 2. 44, 3. 
XIII 21, 6. 45, 1. 50, 3) und ausserdem in ge- 
schaftlicher Verbindung (A. XII 12, 1. 47, 1. 
XIII 37, 4. 45, 3. 46, 3); er erfuhr von ihm alle 
wiehtigeren Nachrichten (ad fam. IX 17, 1) und 
war ihm vielfach verpflichtet, wenn er audi ge- 
legentlich eine boshafte Bemerkung fiber ihn nicht 



sonlich diesem unbedingt ergeben sei (A. IX 7b). 10 unterdriickte (ebd. 19, If.). Auch sein Verkehr 



Am 24. Marz schickte Cicero an Atticus einen 
Brief Caesars aus dem Lager bei Brundisium, 
wonach Caesar noch einmal mit Pompeius Ver- 
handlungen angekniipft hatte ; Balbus hatte dem 
Cicero diese wenigen Zeilen zugehen lassen und 
dazu bemerkt, wie sehr er selbst von dem Wunsche 
nach einer friedlichen LOsung beseelt sei und unter 
den gegenwartigen Verhaltnissen litte (A. IX 13 a, 
2). Cicero konnte sich nicht enthalten, eine iro- 



mit Caesar wurde durch dessen Stellvertreter ver- 
mittelt. So schickten sie im Juni 709 = 45 
dem Dictator Ciceros Rede fur Ligarius nach 
Spanien, weil sie mit den bier ausgesprochenen 
Ansichten teilweise ubereinstimmten (A. XHI 19, 
2). Etwa um dieselbe Zeit tibergab Balbus ein- 
mal dem Cicero einen Brief des Caesar und iiber- 
mittelte diesem eine Antwort des Redners, worin 
die beiden grossen Meister des Stils Oomplimente 



nische Bemerkung zu diesem Schlusse zu machen 20 iiber die Form ihrer Flugschriften fiir und wider 



(A. LX 13, 8), und mit Recht kam er am nach- 
sten Tage darauf zuriick (A. IX 14, 2), da die 
inzwischen eingetroffene Meldung von Pompeius 
Ubergang nach Griechenland jede Moglichkeit 
der friedlichen Losung vernichtet hatte, wie er 
auch am 3. April ziemlich geringschatzig von den 
Vermittlungsversuchen des Balbus, ohne diesen 
zu nennen, spricht (A. X 1, 2, vgl. 0. E. Schmidt 
a. 0. 166f.). In der folgenden Zeit blieb Cicero 



den jiingeren Cato wechselten (A. XIII 46, 2. 
50, 1). Doch als Cicero den beiden Regenten 
den Entwurf einer Denkschrift iiber die politische 
Lage fiir den Dictator vorlegte (A. XII 51, 2. 
XIII 1, 3), verhehlten sie ihm lhre Bedenken nicht 
(A. XIII 27, 1), so dass er in seiner bekannten 
Empfindlichkeit den Plan aufgab (A. XIU 28, 2. 
31, 3). Balbus war in diesen Jahren wiederholt 
leidend (A. XIII 47 b, 1 ; ad fam. VI 19, 2. XVI 



noch in Italien und dachte daran, auf Malta die 30 23, 1) , aber entfaltete offenbar eine bedeutende 



Entwicklung der Dinge abzuwarten ; als er den 
Balbus durch -Atticus daruber ausforschen liess, 
riet Balbus freundlich, doch entschieden davon 
ab (A. X 18, 2) ; indessen schliesslich ging Cicero 
doch zu Pompeius uber. Wahrend Caesar in diesem 
und den nachsten Jahren im Felde stand, waren 
Balbus und Oppius, die einfachen Tomischen Ritter 
ohne Amt und Stellung, in Rom thatsachlich die 
Regenten (Tac. ann. XII 60), so dass man wohl 



Thatigkeit. Seine geschaftlichen Beziehungen 
zu Cicero beweisen, dass ihm vornehmlieh die 
Sorge fiir die Finanzen iibertragen war (A. XIII 
52, 1), doch hatte er ohne Zweifel auch an anderen 
Zweigen der Reichsverwaltung bedeutenden An- 
teil. Man kann dies daraus entnehmen, dass ihn 
Cicero liingere Zeit vor der VerSffentlichung der 
Lex Iulia municipalis um Auskunft uber eine 
Einzelheit in dem Gesetzentwurf bat (ad fam. 



mit bitterem Hohn von der kSniglichen Macht40VI 18, 1; vgl. Mommsen bei Bruns Fontes 



des Balbus sprach (A. XII 12, 1; ad fam. IX 
19, 1; vgl. Mendelssohn z. d. St.). Chiffrierte 
Depeschen vermittelten regelmaasig den Verkehr 
des Dictators mit seinen Stellvertretern in der 
Hauptstadt (Gell. XVII 9, 1), und was sie ver- 
fiigten, wurde von ihm gutgeheissen (ad fam. VI 
8. 1). Sie waren es daher auch, an die sich 
Cicero wandte, als er nach der Schlacht bei Phar- 
salos nach Italien zuriickkehrte und Caesars Gnade 



iuris Romanie I 104, 1). Bei allem Einfluss blieb 
Balbus ein einfacher Privatmann, der dem Senat 
nicht angehcrte, welche Deutung man auch der 
Ausserung Ciceros A. X 11, 4 geben mag: eti- 
amne Balbus in senatum venire cogitat? (vgl. 
daruber Willems Le sdnat de la rep. rom. I 608 
Anm. O. E. Schmidt Briefwechsel des Cicero 
173f.). Dem Neide nnd Hasse vermochte der 
gliickliche EmporkOmmling trotzdem nicht zu ent- 



erbat (A. XI 6, 3. 7, 5. 8, If. vom Ende 706 = 48). 50 gehen ; das beweist das gehassige Geriicht, dass 



Seine Unruhe und Aufregung machte sich ofter 
in Klagen iiber sie Luft, die kauro gerechtfertigt 
waren (A. XI 9, 1 vom 3. Januar 707 = 47: 
quotidi-e iam Balbi ad me litterae languidiores ; 
XI 14, 2 vom 25. April; XI 18, 1 vom 19. Juni), 
bis er am 1. September von Balbus beruhigende 
Versicherungen erhielt (A. XI 22, 1) und bald 
darauf wirklich heimkehren durfte. Tiber die Be- 
ziehungen zwischen Cicero und Balbus in der 



er den Caesar veranlasst habe, den Senat Ende 
709 = 45 einmal sitzend zu empfangen, was vicl 
bOses Blut machte (nur von Suet. Caes. 78. Pint. 
Caes. 60, 1 als Klatsch verzeichnet) , und das 
zeigte sich noch mehr nach Caesars Ermordung. 
An Antonius, mit dem er schon bei den Lebzeiten 
des Herrschers nicht gut gestanden hatte, mochte 
sich Balbus nicht anschliessen (A. XII 19, 2); er 
nahm zunachst eine abwartende Stellung ein, so 



nachsten Zeit sind wir gut unterrichtet und konnen (50 schwer auch die Ungewissheit und TJnthatigkeit 



daher wenigstens vermuten, welche bedeutende 
Stellung Balbus und Oppius damals einnahmen. 
708 = 46 verwendete sich Cicero bei ihnen fiir 
die Riickkehr anderer Pompeianer, des A. Cae- 
cina (ad fam. VI 8, 1), Q. Ligarius (ebd. 14, 3 
ohne Namen), T. Ampius Balbus (ebd. 12, 2), 
P. Nigidius Figulus (ebd. IV 13. 5), und 709 = 
45 riihmt er sich des ausgezeichneten Verhalt- 



auf ihm lastete, und war darin voTlig einver- 
standen mit A. Hirtius, mit dem er damals in 
engster Verbindung stand (A. XIV 20, 4. 21, 2). 
Es ist daher nicht sicher, dass er bei der Be- 
ratung der Caesarianer am 16. Marz im Gegen- 
satz zu Hirtius fiir den Kampf gegen die Mflrder 
des Dictators stimmte, um sowohl dessen Tod zu 
rachen, wie seinen Anhang sicherzustellen ; diese 



1267 



Cornelius 



Cornelius 



1268 



Nachricht hat Schwartz (Herm. XXXIII 184) bei der willkiirlichen Stellenbesetzung in dieser 

durch Conjectur gewonnen, indem er bei Nic. Periode nichts Auffalliges hat (anders aber die 

Damasc. v. Caes. 27, 6 BaXfios fiir das iiberlieferte spanische Statthalterschaft Groagu. Nr. 70). Bal- 

aklog einsetzte. Aber als am 18. April Octavian bus war der erste Auslander, der zu der hochsten 

nachNeapel kam, traf Balbus am nachsten Morgen Wurde im romischen Staate gelangte; wahrend 

zu seiner Begrfissung hier ein (A. XIV 10, 3). seiner und seines Collegen P. Canidius kurzerAmts- 

Am Nachmittag besuchte er Cicero auf dessen ffihrung feierten glanzende Feste die Wiederher- 

Gut bei Cumae und verweilte hier zusammen mit stellung des Friedens zwischen Antonius und Octa- 

Hirtius und Pansa auch am nachsten Tage, wah- vian (Dio XL VIII 32, 4). In oder nach seinem Con- 
rend Octavian in nachster Nachbarschaft bei seinem 10 sulat wahlten die Capuaner ihn zu ihrem Patron 

StiefYater L. Marcius Philippus war (A. XIV 11,2). (CIL X 3854: L. Cornelio L. [f.] Balbo cos. 

Er hat sich jedenfalls schon in dieser Zeit be- patr[ono] d. e. d. = de conseriptorum deereto); 

stimmt fur den Anschluss an den jungen Caesar 722 = 32 wurde er von seinem alten Freunde 

entschieden, begleitete ihn nach Eom und sandte Atticus an dessen Sterbebett gerufen (Nep. Att. 

von hier aus in der nachsten Zeit dem Eedner 21, 4). Wie lange er ihn iiberlebte, ist unbe- 

wiederholt Berichte fiber die Lage der Dinge kannt; bei seinem Tode hinterliess er jedem rC- 

(A. XIV 4, 5. 5, 2. 6, 4. 8, 1. 9, 1). ttber den mischen Burger 25 Denare (Dio XL VIII 32, 2), 

Z week eines Aufenthalts in Aquimim, den Balbus ein Drittel von dem, was Caesar hinterlassen 

gemeinsam mit Hirtius machte, konnte Cicero hatte (gegen 22 Mk.), Sein fiirstliches VermOgen 
nichts Bestimmtes erfahren (ad fam. XVI 24, 2) ; 20 scheint auch er, freilich nicht in dem Masse wie 

er traute anfangs dem Balbus nicht ganz, aber sein Neffe, fiir Bauten verwendet zu haben (vgl. 

bat ihn im Juli um HQlfe in seinen financiellen A. XII 2, 2; Zusendung eines Architekten an Cicero 

Ncten (A. XVI 3, 5) und empfing auch wahrend A. XIV 3, 1), doch mehr Neigung als fiir Eunst 

seiner Abwesenheit von Eom im November Nach- hatte er fiir Litteratur. Ausser mit Cicero und 

richten von ihm (A. XVI 11, 8). Leider fehlen Atticus stand er mit M. Varro in freundschaft- 

weitere Notizen fiber die Dienste, die Balbus dem licher Verbindung (ad fam. IX 6, 1). Ciceros 

Erben Caesars leistete, aber sie konnen nicht ge- fiinftes Buch de finibus las er im Concept vor 

ring gewesensein, daer, der unter dem Dictator der endgfiltigen Ausarbeitung (A. XIII 21, 4. 

kein Amt bekleidet hatte, im J. 714 = 40 zum 22, 3), und seinen Freund Hirtius veranlasste er 
Consulat befOrdert wurde. Es ist eine Controverse, 30 in den ersten Monaten nach Caesars Tode, dessen 

ob er vorher unter dem Triumvirat zu einem Commentarien de bello Gallico das achte Buch 

andern Amt gelangt ist. Velleius II 51, 3 schliesst hinzuzufiigen (vgl. die Praefatio des Hirtius). Er 

eine Stelle, die sich unzweifelhaft auf Cornelius selbst wird als historiae seriptor bezeichnet (Hist. 

Balbus Minor (Nr. 70) bezieht, mit der Angabe, Aug. Balbin. 7, 3), und Balbi ephemeridem fuhrt 

er sei ex private consular is geworden, und man Apollinaris Sidonius ep. IX 14 unter den Quellen- 

hat vermutet, dass hier eine Verwechslung von werken fur Caesars Geschichte auf, womit er aber 

Oheim und Neffe stattgefunden habe, und diese nach Teuffel-Schwabe I 379 § 196, 1 das 

eine Angabe auf den alteren Balbus bezogen werden achte Buch de bello Gallico meint. Dagegen 

mfisse (vgl. Willems Le sfeat de la rep. rom. beruft sich Sueton Caes. 81 fur ein Vorzeichen 
I 608 Anm. Jullien 143); in diesem Falle wurde 40 des Todes Caesars auf Cornelius Balbus fami- 

es nicht angehen, die Miinzen des Triumvirs Oc- liarissimus Caesar -is , was schwerlich mit Peter 

tavian, die auf der Rfickseite die Keule des Her- (Hist. Eom. fragments XXI) auf die 'Etyytjxtxa 

cules und die Inschrift Balbus pro prfaetore) auf- des jiingeren Balbus (Macrob. sat. IH 6, 16) be- 

weisen, fiir ihn in Anspruch zu nehmen, wie es zogen werden darf (vgl. Teuffel-Schwabe I 

meistens geschehen ist (vgl. Mommsen Mttnz- 384 § 197, 4). Sonst ist nichts fiber die litte- 

wesen 659 A. 563; Ztschr. f. Numism. XI 75). rarische Thatigkeit des Balbus bekannt, und auch 

Aber die ISehauptung des Velleius kann sehr wohl fiber den Umfang und die Bedeutung seiner po- 

fiir den jiingeren Balbus gelten (vgl. Mommsen litischen konnen wir uns trotz der haufigen Er- 

E. G. V 631 Anm.), und wenn jene Mfinzen, wie wahnungen des Mannes bei seinem Zeitgenossen 
Mowat (bei Jullien 141) urteilt, spanischer Pra- 50 Cicero kein bestimmtes Urteil erlauben, weil ihr 

gung sind, also Balbus Statthalter von Spanien Schauplatz hinter den Coulissen lag. Em un- 

war, so darf man vielleicht hierher die Notiz des bedeutender Mann war der sicher nicht, der bei 

Appian bell. civ. V 54 Ziehen , es hatten in der Caesar eine iihnliche Stellung einnahm, wie Mae- 

ersten Halfte des J. 714 = 40 Q. Peducaeus und cenas bei Augustus. Uber sein Leben bis zu der 

ein Aovxiog in Octavians Auftrage die beiden Freisprechung im J. 698 = 56 handelt Hoc he 

Spanien verwaltet. Demnach ware Balbus von De L. Cornelio Balbo I., Halle 1882, ohne viel 

dem Sonne seines alten Herrn in seinem eigeneu fiber Drumann G. E. LI 594 hinauszukommen, 

Vaterlande als Statthalter eingesetzt worden, dann fiber sein ganzes Leben sorgfaltig, aber oft allzu 

zwar mit seinem Collegen Peducaeus zunachst breit Jullien De L. Cornelio Balbo maiore, Paris 
nominell dem L. Antonius unterstellt, aber bald 60 1886 ; fiber den Stil der erhaltenen Briefe des 

darauf abberufen worden. Gegen das Ende des Balbus vgl. Jullien a. O. 96ff. Hellmuth Uber 

Jahres starb namlich L. Antonius, und an seine die Sprache der Epistolographen Ser. Sulpicius 

Stelle trat Cn. Domitius Calvinus, der damals Galba und L. Cornelius Balbus, Progr. Wiirzb, 

Consul war; diesen selbst ersetzte als Consul 1888 (mirnur bekannt durch EussnerBerl. philol. 

suffectus L. Cornelius Balbus (f. augur, f. Colot. Wochenschr. VIII 1594—1600). [Mfinzer.] 

f. Biond. CLL 12 p. 61. 64.65. Dio XLVUI 32, 70) L. Cornelius Balbus der Jfingere. a) Name. 

2. Plin. n. h. VII 136), so dass er und Calvinus L. Cornelius P. f. Balbus CIL 12 p. 50 Acta 

gewissermassen ihre Platze vertauscht hatten, was triumph. Capitol.; Balbus Cornelius minor Cic. 



1269 



Cornelius 



Cornelius 



1270 



ad Att. XI 12, 1 ; Cornelius Balbus Veil. II 51, 3. (Strab. Ill 169). Da Asinius Pollio nicht den 

Plin. n. h. V 36 [= Solin. 29, 7]. XXXVI 60. Entschluss zu einer entscheidenden Stellungnahme 

Suet. Aug. 29. Dio LIV 25, 2; sonst Balbus minor gegeniiber den Parteien fand, hielt C. es fiir gut, 

oder Balbus. seine Sache von der des Pollio zu trennen, und 

b) Leben. C. war ein Spanier (Veil. II 51, 3) setzte am 1. Juni nach Mauretanien zu Konig 

aus Gades (Strab. IU 169. Plin. n. h. V 36 = Bogud (einem Anhanger des Antonius) fiber (Cic. 

Solin. 29, 7). Noch im Kindes- oder Knabenalter ad fam. X 32, 1). Nachher hat er sich Caesar 

wurde er gleichzeitig mit seinem sonst unbekann- dem Sohne angeschlossen und vielleicht als 

ten Vater P. (Cornelius Balbus) — vgl. die Namens- dessen Statthalter im J. 714 = 40 oder 715 = 39 

angabe in den Acta triumph. — und seinem Oheim, 10 in Spanien fungiert (vgl. die Mfinze spanischer 

L. Cornelius Balbus (Nr. 69) von Pompeius im Herkunft C. Caesar Illvir r. p. c. % Balbus 

J. 682 = 72 v. Chr. mit dem rdmischen Bfirger- pro pr(aetore) [auf der Eiickseite die Keule ala 

rechte beschenkt (Plin. a. a. 0. Tac. ann. XI 24, Anspielung auf den Hercules Gaditanus, Eckhel 

vgl. Jullien De L. Corn. Balbo maiore Diss., V 180. Babelon I 429f. Cohen P 121], die 

Paris 1886, 12ff. und o. Nr. 69). Als der Bfirger- nach dem Namen Caesars in diese Zeit gehflrt 

krieg zwischen Caesar und Pompeius ausbrach [Mommsen St.-E. LI 3 768]; die Identiflcierung 

(Januar 705 = 49 v. Chr.) , befand sich C. bei dieses Balbus mit dem Oheim des C. ist aller- 

ersterem. Caesar betraute ihn mit einer ge- dings nicht ganz ausgeschlossen [vgl. Nr. 69], 

heimen Mission an den pompeianisch gesinnten doch dfirfte hauptsachlich die in Gades wohl 

Consul L. Cornelius Lentulus Crus (Nr. 218), einen 20 gleichzeitig gepragte Mfinze mit Balbus pon- 

G8nner der Balbi (vgl. Jullien a. a. O. 15ff.), t(ifex) dagegen sprechen, s. auch Jullien 140ff.). 

um diesen der Partei des Pompeius abwendig zu Denkbar ware, dass der Propraetor Balbus, wie 

machen und zur Ettckkehr nach Kom zu veran- auch Mfinzer zu Nr. 69 vermutet, identisch ist 

lassen. Auf der Eeise zu Lentulus, den er aller- mit dem Aevmog, der nach Appian. bell. civ. V 54 

dings nicht mehr in Italien erreichte, hielt sich im J. 40/39 Spanien mit Peducaeus zuerst selb- 

C. am 24. Februar in Formiae bei Cicero auf, standig, dann unter L. Antonius verwaltete (die 

dem er eine Botschaft Caesars iiberbrachte (Cic. Gleichsetzung dieses Aevxios mit dem Legaten, 

ad Att. VLTI 9, 4. 11, 5. 15 A 3 [Brief des alteren der bald darauf im Kampfe gegen die Cerretaner 

Balbus an Cicero]. IX 6, 1 ; dass Caesar schon da- fiel [Ganter Provincialverw. der Triumvirn, 

mals damitumging, C. in den Senat aufzunehmen, 30 Strassburg 1892, 16], ware dann irrig). In der 

wieSchmidtBriefwechsel Ciceros 176f. aui'Grund Folge wird C. von Augustus unter die Consu- 

einer Conjectur- zu Cic. ad Att. X 11, 4 annimmt, lare aufgenommen worden sein (die Worte des 

ist unwahrscheinlich). Zu Anfang des folgenden Velleius II 51, 3, dass er ex privato consularis 

Jahres (706 = 48) stand C. in Caesars Heere an geworden sei, kSnnen kaum anders gedeutet wer- 

der illyrischen Kiiste; obwohl er verwundet wurde den; ohne zwingenden Grund nehmen Willems 

(Caes. bell. civ. Ill 19), setzte er die freilich er- Le Senat I 607, 8 und Jullien 143 an, dass 

gebnislosen Verhandlungen mit Lentulus fort, in- Velleius hier den jiingeren mit dem alteren Balbus 

dem er mit grosser Verwegenheit sieh zu diesem verwechselt habe: der Consul suffectus des J. 722 

ins feindliche Lager begab (Veil. II 51, 3 [wo = 32 L. Cornelius (Nr. 32) war eben ein anderer; 

Lentulus irrig als Consul bezeichnet wird]; vgl. 40 aber auch Mommsens Annahme, dass C. wegen 

Asinius Pollio bei Cic. ad fam. X 32, 3; C. selbst seiner spanischen Quaestur bei Augustus in Un- 

hat nachher seine damaligen Erlebnisse drama- gnade fiel und erst nach mehr als zwanzig Jahren 

tisiert, s. u.). Auch in der Folgezeit blieb C. in ausserordentlicherweise nach Africa geschickt 

der Umgebung Caesars; wir flnden ihn bei diesem wurde [E. G. V 631, 1], ist kaum haltbar). Wahr- 

Anfang 707 = 47 (in Alexandria) und im Friih- scheinlich im J. 733/734 = 21/20 war C. Procon- 

jahr 709 = 45 in Spanien, von wo er mit Cicero sul von Africa und unternahm (vielleicht in Ver- 

correspondierte (Cic. ad Att. XI 12, 1 [8. Marz bindung mit dem Proconsul von Kreta und Kyrene, 

47]. Xn 38, 2 = 44, 2 nach Schmidts Zahlung P. Sulpicius Quirinius) einen erfolgreichen Feldzug 

[6. Mai 45]). Im Sommer 45 befand er sich in gegen das Steppenvolk der Garamanten, dem er 

Rom (Cic. ad Att. XIII 37, 1. 49, 2 = 40, 1. 50 eine grosse Anzahl von Ortschaften wegnahm. 

43, 2 Schmidt). Im J. 711 = 43 war C. Quaestor Am 27. Marz 735 = 19 v. Chr. triumphierte er 

des Asinius Pollio in Hispania ulterior; wie Pollio ex Africa; der erste Triumphator, der nicht schon 

selbst, wird er bereits im J. 44 von Caesar de- von Geburt romischer Bfirger war, und zugleich 

signiert worden sein (vgl. Mommsen St.-E. I 3 der letzte Privatmann, dem die Ehre des Triumphes 

586. Eibbeck Senatores qui fuerint id. Mart. zu teil wurde (CIL I 2 p. 50 Acta triumph. Capitol. 

710, Diss. Berlin 1899,43). Seine Quaestur be- Strab. m 169. Veil. II 51, 3. Plin. n. h. V 36. 

nfitzte er , um sich in den Besitz grosser Geld- 37 = Solin. 29, 7 ; auf diese Vorgange spielt Dio 

mittel zu setzen und in seiner Vaterstadt Ga- LIV 12, 1 an; fiber den Feldzug vgl. Vivien de 

des, in der er das Amt eines Quattuorvirn be- Saint-MartinEev.arch.VI 1862,303ff. Cagnat 

kleidete , eine Ubermiitige und tyrannische Ge- 00 L'arme'e Eom, d'Afrique 4f. Pallu de Lessert 

waltherrschaft, vorgeblich nach dem Muster Cae- Fast. d. prov. Afr. I 74f. Mommsen Res gestae 

sars, auszuuben (wir haben dariiber den Be- d. Aug. 2 170f.; Rflm. Gesch. V 630f. Gardt- 

richt des Asinius Pollio an Cicero [ad fam. X hausen Augustus I 702). Vielleicht schon vor 

32, datiert vom 8. Juni 43], der freilich zum seiner Propraetur in Spanien war C. in das Col- 

Teil auf tibertreibende Geriichte zurfickgehen wird). legium der Pontifices aufgenommen worden (Veil. 

Doch hat C. in Gades auch nfitzliche Werke ge- II 51, 3; Miinzen von Gades mit der Legende 

schaffen; damals wird er seinen Mitbiirgern die Balbus pont/ifex) [Eckhel I 20f. Mionnet I 

Neustadt und einen neuen Hafen angelegt haben 14 nr. 109f. ; Suppl. 1 26 nT. 149f.], die im J. 40/39 



1271 



Cornelius 



Cornelius 



1272 



gepragt sein mOgen). C. baute in Rom em stei- 
nernes Theater und weihte es im J. 741 = 13, 
als Augustus aus Gallien zuriickkehrte, mit Spielen 
ein; um ihn hiefur zu ehren, befragte ihn Tibe- 
rius, damals Consul, als ersten im Senate um 
sein Votum (Dio LIV 25, 2; die im folgenden 
von Dio aufgezahlten Senatsbeschliisse gehen wohl 
zum Teil auf C.s Antrage zuriick; iiber das Theater 
[Plin. n. h. XXXVI 60. Suet. Aug. 29. Tac. ann. 
Ill 72. Dio LXVI 24, 2 und sonst] s. den Art. 
Theatrum Balbi, vgl. Crypta Balbi). Die Cor- 
nell! Balbi von Verona (CIL V 3574. 3575. Not. 
d. scavi 1893, 8) haben mit C. nichts zu thun. 
Litteratur: Drum ann Gesch. Roms II 608ff. 
De Vit Onomasticon II 423. Pallu de Lessert 
Fast. d. pr. Aft. I 70ff. Kl e b s Prosop. 1 440 nr. 1073. 
c) Litterarische Thatigkeit. C. verfasste eine 
Praetexta, die de suo itinere ad L. Lentulum 
procos. sollicitandum (hauptsachlich wohl von 
seinen Erlebnissen im feindlichen Lager) handelte. 
Als er sie im Jahre seiner Quaestur (43 v. Chr.) 
in Gades auffiihren liess, vergoss er Thranen, be- 
wegt durch die Erinnerung an seine Thaten (Cic. 
ad fam. X 32, 3 ; Asinius Pollio sandte das Stuck 
an Cornelius Gallus, von dem es Cicero verlangen 
sollte). Der Titel der Praetexta war vielleicht 
Iter (vgl. iiber dieselbe Welcker Griech. Tragoe- 
dienl402. RibbeckRom.Tragoedie625f.; Gesch. 
d. rem. Dichtung I 194. Teuffel-Schwabe R. 
Litt.-Gesch. 15 425. Schanz Gesch. d. r. Lit. 12 
101f., wo auf weitere Litteratur verwiesen ist). 
C. war auch sonst litterarisch thatig; Macrobius 
(sat. Ill 6, 16) citiert: Cornelius Balbus 'E^rj- 
yrjTtxwv libro octavo decimo ait apud aram ma- 
ximam observation ne leotisterniwm fiat (auf den 
Herculescult beziiglich [vgl. R. Peter in Roschers 
Lex. d. Myth. I 2929], dem C. als Gaditancr von 
Jugend auf nahe stand). Aus derselben Schrift 
wird Servius den Hymenaeusmythus, fur den er 
Cornelius Balbus citiert (Aen. IV 127) , ent- 
nommen haben. Mit Rucksicht auf das Priester- 
amt des C. wird man diese 'E'^rjyrjiiT'.a eber ihm 
als seinem Oheim zuschreiben (vgl. Teuffel- 
Schwabe a. a. 0. Schanz 387, 3), Dass das 
Werk ein Commentar zu Vergil gewesen sei, ver- 
mutet Peter Hist. Bom. frg. p. XXI kaum mit 
Recht. Peter will auch eine Notiz Suetons iiber 
Vorzeichen von Caesars Tode, fur welche Cornelius 
Balbus fatniliarissimus Caesaris als Quelle ge- 
nannt wird (Suet. Caes. 81), auf die 'E^rjy^ny.d 
zuriickfuhren; man wird hierin doch lieber einen 
Uberrest der historischen Schriftstellerei des alteren 
Balbus erblicken (vgl. Teuffel-Schwabe 15 384). 

[Groag.] 

71) Cornelius Barbatus vgl. P. Cornelius Sca- 
pula Nr. 316 und L. Cornelius Scipio Barbatus 
Nr. 343. 

72) C. Cornelius Blasio, Miinzmeister in der 
2. Halfte des 6. Jhdts. d. St. (C. Bias, auf Miinzen, 
vgl. Blacas bei Mommsen-Blacas Monnaie 
romaine II 280 nr. 80). 

73) Cn. Cornelius Blasio L. f. Cn. n. (Fasti 
Cap. zum J. 489), war Consul 484 = 270 (Lesio 
Chronogr.; Cn. Cornelius Cassiod.). Die Acta 
triumph. , deren Erganzung hier vollig gesichert 
ist, roelden zu diesem Jahre, dass Blasio de Be~ 
gifneis] triumphiert habe. Nach den Zeugnissen 
der Schriftsteller (Oros. IV 3, 5. Dionys. XX 16, 



vgl. Polyb. I 7, lOf. Liv. ep. XV) hatte vielmehr 
sein Amtsgenosse C. Genucius die abtrunnige 
campanische Legion in Rhegion, wo sie sich fest- 
gesetzt hatte, belagert und zur Ergebung ge- 
zwungen. Entweder hat demnach Blasio die von 
Genucius nur begonnene Unternehmung zu Ende 
gefiihrt (Henzen CIL 12 p. 52 zum J. 484), oder 
spatere Annalisten haben willkiirlich dem einen 
oder dem andern Consul das zugewiesen, was die 
10 alteren iiberliefert hatten, ohne einen bestimmten 
Namen zu nennen (Niese Herm. XXXI 502,4). 
489 = 265 war Blasio Censor (Fasti Cap.) und 
497 = 257 zum zweitenmale Consul (nur der Vor- 
name in den Fasti Cap. erhalten; Blesio II 
Chronogr. ; Blaeso Idat. ; BXsaov Chron. Pasch. ; 
On. Cornelius Cassiod.); er scheint die Geschiifte 
in Rom gefiihrt zu haben, wahrend sein College 
C. Atilius Regulus in Sicilien kampfte. 

74) Cn. Cornelius Blasio. Zum Ende des 
20 J. 554 = 200 bemerkt Liv. XXXI 50, 11: plebes 

Cn. Cornelia Lentulo et L. Stertinio pro eon- 
sulibus imperium esse in Hispania iussit, zum 
Anfang des J. 558= 196 Liv. XXXIII 27, 1: 
Oil. Cornelius Blasio, qui ante C. Sempronium 
Tuditanum citeriorem Hispaniam obtitiuerat, 
ovans ex senatus consulto urbem est ingressus, 
und die Acta triumph. : [Cn. Co]rnel[ius — /. 
Cnfijn. Blasio a[wno DLVII, eu]i, qufod Hispa- 
niam eitjeriforem extra ojrdinem [obtinuerat, 

30 permisswm est], ovans [de Celtibereis] . Dass bei 
Livius auch an der ersten Stelle Cornelius Blasio 
gemeint ist, kann keinem Zweifel unterliegen, und 
es ist nur fraglich, ob er von Livius oder dessen 
Quelle mit dem bekannteren Cn. Cornelius Len- 
tulusNr. 176 verwechselt (Weiss enborn z. d. St. 
Nissen Krit. Unters. 130f. Unger Philol. Suppl. 
Ill 2, 37f.) oder ob der Beiname Lentulus in den 
Hss. interpoliert worden ist (Henzen undMomm- 
sen CIL 12 p. 52). Die zweite Erklarung ist 

40 zwar einfacher , aber da in der vierten Dekade 
des Livius noch zweimal die Cognomina anderer 
Cornelier (Nr. 95 und 270) mit dem bekannteren 
Beinamen Lentulus vertauscht werden und da in 
diesen Fallen die Wiederholung des Irrtums bei 
den von Livius abhangigen Autoren eine Inter- 
polation ausschliesst, so kann man sich des Ver- 
dachts systematischer Falschung kaum erwehren. 
Cn. Blasio hat also dnrch besonderen Volksbe- 
schluss 554 = 200 Hispania citerior erhalten und 

50 sich durch gluckliche Kampfe eine Ovatio ver- 
dient. 560 = 194 verwaltete er darauf als Praetor 
Sicilien (Liv. XXXIV 42, 4. 43, 7). 

75) Cn. Cornelius Blasio, Cn. f., Miinzmeister 
gegen 650 = 104 (Mommsen Munzw.563nr. 181). 
Dass er den Kopf des alteren Scipio Africanus 
auf seine Miinzen setzte (vgl. Bernoulli Rdm. 
Ikonogr. I 55f.), erklart man damit, dass er ein 
Nachkomme des Vorigen war , der unter dem 
zweiten Consulat des Africanus 560 = 194 Statt- 

60 halter von Sicilien war (Mommsen a. O.). 

76) P. Cornelius Blasio, 584 = 170 zu den 
Carnern und Istrern als Gesandter geschickt (Liv. 
XLIII 5, 10) und 586 = 168 Mitglied einer Com- 
mission zur Entscheidung von Grenzstreitigkeiten 
zwischen Pisae und Luna (Liv. XLV 13, 11). 
Vielleicht identisch ist der Miinzmeister P. B!a- 
s(io) aus etwa derselben Zeit (Mommsen Miinzw. 
509 nr. 66; Trad. Blac. II 281 nr. 81). [Miinzer.] 



1273 



Cornelius 



Cornelius 



1274 



A 



77) L. Cornelius Bocchus s. Bocchus Nr. 3. 
Nachzutragen ist Ephem. epigr. VIII p. 356, 4 
= CIL II Suppl. 5617 = 2479; darnach war er 
nach dem Militartribunat pr(aefeotusJ fabriim 
und dann pontifex perpetuus und flamen per- 
petuus in einer Gemeinde, ehe er zum Flaminat 
der Provinz Lusitania aufstieg. Zugleich war er 
in Lusitania pr(aefeotus) Caesarum bis, vgl. p. 395, 
104 und Hiibner zu beiden Inschriften. 

[Stein.] 

78) (?. C(ornelius'i) Calp. Bufinus (CIL II 
2395 a— d) heisst richtig wohl C. Galpfumius oder 
Calpetanus) Bufinus (vgl. Rev. arch. XXXI 1897, 
438 nr. 86 nach Archeol. Portugues 1897, 59; 
■v. c. lost Leite de Vasconcellos zutreffend 
vfoti) cfomposj auf). [Groag.] 

79) P. Cornelius Calussa. Bei der Wahl des 
Oberpontifex P. Licinius Crassus 542 =212 er- 
wahnt Liv. XXV 5, 4; ante hune inter centum 



Der erste Schriftsteller, der ihn citiert, ist der 
Zeitgenosse des Seneca, Columella (I 1, 14. Ill 
17, 4. IV 8, 1). Vgl. Kissel A. Cornelius Cel- 
sus. Erste Abteilung. Leben und "Wirken des 
Celsus im allgemeinen, Giessen 1844. O. Jahn 
Berichte der sachs. Ges. der Wiss. 1850, 273f. 
M. Schanz Rh. Mus. XXXVI 362f. L. Schwabe 
Herm. XIX 385. Seine Encyklopadie zerfiel in 
6 Telle: 
10 1) Filnf Biicher iiber die Landwirtschaft (Col. I 
1, 14 : Cornelius Mum corpus diseiplinae [sc. rei 
rusticae] quinque libris eomplexus est). Er be- 
niitzte in diesem Werke vor allem des Hyginus 
Schrift de agricultura, die ihm mit ihrem reichen 
doxographischen Material eine Fiille von Gelehr- 
samkeit bot (Col. IX 2, 1 : venio nunc ad alveorum 
curam, de quibus neque diligentius quidquam 
praecipi potest quam ab Hygino iam dictum est 
nee ornatius quam Vergilio nee elegantius quam 



annos et viginti nemo praeter P. Cornelium Ca- 20 \ Celso ... Celstisutriusqwmemoratiadhibuitmo- 



lussam pontifex maximus ereatus fuerat, qui 
sella curuli non sedisset. Der Beiname dieses 
Oberpontifex ist ganz singular; seine Amtsiuh- 
rung bestimmt Bardt (Die Priester der vier 
grossen Collegien 3) annahernd als die Zeit zwi- 
schen 422 = 332 und 450 = 304. [Miinzer.] 

80) Cornelius Capitolinus, Geschichtschreiber; 
ein Citat aus ihm iiber Zenobia Hist. Aug. tyr. 
trig. 15, 8. _ [Stein " 



81) Cornelius Caudinus (Liv. XXVI 48, |9. 30 und Plinius. Nach Reitzenstems Vermul 
XXVII 21, 9) s. Cornelius Lentulus Caudinus (a. a. O. 34) war der Stoff auf die einzelnen 
Nr. 212. 214. [Munzer.] cher folgendermassen verteilt: Buch I de a, 



dum ; vgl. IX 14, 18), ferner den lulius Atticus (Col. 
Ill 17, 4. IV 1, 1; vgl. Reitzenstein De scrip- 
torum rei rusticae qui intercedunt inter Catonem 
et Columellam libris deperditis, Berl. Diss. 1884, 
27), den Mago in der verkiirzten tjbersetzung des 
Dionysius-Diophanes (vermutlich durch Vermitt- 
lung des Hygin, Col. IV 10, 1 u. 0.), die Sasernae 
(Colum. Ill 17, 4) und Cato (Col. Ill 2, 31). 
Sein Werk ist wieder Hauptquelle fiir Columella 
Nach Reitzensteins Vermutung 

Bii- 



81a) - . . Celer . . . [MJaximus Cornelius [Ce]l 
sinus (CIL VI 3831 = 31699) s. Maxim us. 

[Groag.] 

82) A. Cornelius Celsus, der bekannte Verfasser 
einer Encyklopiidie , des dritten Werkes dieser 
Art in der rOniischen Litteratur (Cato , Varro). 
Nach der hsl. tjberlieferung ffihrte es den Titel 



agro- 
rum cuitu; Buch II de vitibus et arboribus; 
Buch III de re pecuaria; Buch IV de villatiea 
pastione; Buch V de apibus. Die namentlichen 
Fragmente bei Reitzenstein a. a. O. 551 Vgl. 
Stadler Die Quellen des Plinius im 19. Buch 
der naturalis historia, Munch. Diss. 1891, 6f. 
2) Acht Biicher iiber die Arzneiwissenschaft. 



Artes (dagegen nimmt Bemays Ges. Abhdlg. 40 Dies Werk ist inhaltlich und formell von un- 



I 35 auf Grund eines von Ritschl Praef. Bacch, 
p. VI edierten Scholions den Titel xeazoe, cestui 
fur das Werk in Anspruch, vgl. Schanz Rh. 
Mus. XXXVI 373) und behandelte, dem Beispiel 
des Cato folgend, die nachbenannten Disciplinen : 
Landwirtschaft, Medicin, Kriegswissenschaft, Rhe- 
torik, Philosophie und Iurisprudenz. Von dem 
ganzen Werk sind nur die acht auf die Heilkunde 
beziiglichen Biicher erhalten, die sich an die ffinf 



schatzbarem Werte; wie es fur unsere Kenntnis 
der Medicin in der Alexandrinerzeit bis auf Askle- 
piades und die Anfange der methodischen Schule, 
insbesondere der alexandrinischen Chirurgie ne- 
ben Plinius, Soran und Galen die Hauptfund- 
grube ist, so bietet es uns in seiner einfachen, 
reinen, jedes rhetoriscben Anstriches entbehren- 
den Sprache ein Muster der Schriftsprache jener 
Zeit (elegans Col. IX 2, 1). Celsus war kein be- 



Biicher (Col. I 1, 14) uber Landwirtschaft, welche 50 rufsmassiger Arzt, ebensowenig wie Varro und 
-■>- r, t :. j. i..„ ,/-,.i :.i. plinius. Sein Werk ist ein Ausdruck der Uber- 



den Anfang des Ganzen bildeten (Celsus verweist 
auf sie in der Medicina V 28, 16 D.; dazu die 
tjberschrift in den Hss. : Cornelii Celsi artium 
liber VI idem medicinae I), anschlossen. Ver- 
fasst ist das Werk unter der Regierungszeit des 
Tiberius; der unter Caligula hingerichtete lulius 
Graecinus (t 39 n. Chr.) hatte die landwirtschaft- 
liche Schrift des Celsus bereits beniltzt (Plin. 
n. h. XIV 33), die jiingsten der ihm in seiner 



zeugung seiner Zeit, die bald darauf mit viel mehr 
Nachdruck von den Pneumatikern verfochten wurde 
und schon vorher in den Disciplinarum libri des 
Varro ausgesprochen war, dass die Kenntnis der 
Medicin zur Allgemeinbildung, d. h. zu den fiir 
das praktische Leben notwendigen Dingen gehore. 
Ich halte es deshalb fur verkehrt, von einem ei- 
genen medicinischen Standpunkte des Verfassers 



Medicin bekannten Arzte sind Menemachos von 60 zu reden: sein Werk ist eine eklektische Compi- 



Apbrodisias (von dem er ein Zahnmittel kennt, 
VI 9, 247 D.), ein Schiiler des unter Augustus 
lebenden Themison (Wellmann Die pneuma- 
tische Schule 7, 1), sowie Tryphon filius (VI 5, 
225, 1 : das Distinctiv pater setzt die Kenntnis 
des Tryphon fdius voraus), der Lehrer des Scri- 
bonius Largus, der 47—48 seine Compositiones 
verfasste (Buch el er Bk. Mus. XXXVII 327). 



lation. Es beginnt Buch I mit einer Einleitung 
uber die Geschichte der Medicin bis auf Themi- 
son, den Stifter der methodischen Schule (aus 
empiriscber Quelle, da er der empirischen Schule 
eine vollstandig selbstiindigeEntwicklung zuweist), 
und mit Zugrundelegung der Dreiteilung der Me- 
dicin in Diatetik, Pharmacie und Chirurgie, die 
fur sein Werk massgebend geworden, fiber di^ 



1275 



Cornelias 



Cornelius 



1276 



Geschichte der Diiitetik, wobei er ausfiihrlich die 
Gegensatze der rationalen, empirischen und dog- 
matischen Lehren behandelt (12, 32 stent seine 
eigene Meinung). Es folgen allgemeine diate- 
tiache Vorschriften fttr Gesunde mid Kranke unter 
steter Beriicksichtigung der Verschiedenheit des 
Korpers, des Geschlechts ; des Alters und deT 
Jahreszeiten. Buch II behandelt die Pathologie, 
zuerst allgemein den Einfluss der Jahreszeiten, 



mit Bianconis Abhandlung veraehene, Leiden 
1785. Ritter und Albers, Koln 1835. Am be- 
quemsten zu beniitzen die Ausgabe von Darem- 
berg, Leipzig 1859. ijbersetzung von B. Ritter, 
Stuttgart 1840. 

3. Kriegswissenschaft (Quintil. XII 11, 24). 
Dieser Abschnitt war nach Veget. epit. r. milit, 
I 8 nur kurz behandelt. Vegetius nennt ihn 
unter seinen Quellen. Der Vermittler scheint der 



Witterungsverhaltnisse, Korperbeschaffenheit auf 10 Jurist und Kriegsschriftsteller Tarrutenius Pa 



Erkrankungen, die guten und achlimmen Anzeichen 
einer Krankheit, dann speciell die Pathologie be- 
stimmter Krankheiten. Mit c. 9 beginnt die all- 
gemeine Therapie: das Aderlassen, Schropfen, Ab- 
fiihren, Brechen, Reiben, die passive Bewegung 
des Korpers, das Fasten, das Hervorbringen von 
Schweiss, sowie die verschiedenen Wirkungen der 
Nahrungsmittel auf den menschlichen Korper wer- 
den behandelt. Buch III und IY umfassen die 
specielle Therapie der Krankheiten, Buch IH die 20 
Therapie derjenigen, welche den ganzen KSrper 
befallen, Buch IV die Behandlung der Krankheiten, 
welche von einzelnen Kerperteilen aus ihren Ur- 
sprung nehmen. Buch V und VI behandeln die 
Arzneimittellehre mit einer kurzen Einleitung 
Tiber die Geschichte der Pharmacie und die chi- 
rurgischen Krankheiten, Buch VTI die chirurgische 
Therapie mit einer geschichtlichen Einleitung und 
Buch VIII die Knochenerkrankungen. Die Quellen- 



ternus (unter Marc Aurel) zu sein, vgl. M. Schanz 
Herm. XVI 137f. Die Monographic eines Celsus, 
6 'PcofiaTog raxzmog, fiber die gegen die Partner 
anzuwendende Kriegfiihrung, die nicht wohl vor 
63 n. Chr. geschrieben sein kann, wird von Ion. 
Lyd. de magistr. I 47 erwahnt. Zweifel an der 
Urheberschaft unseres Celsus haben M. Schanz 
Rh. Mus. XXXVI 375 und Reitzenstein a. a.O. 
31, 50 erhoben. 

4. Bhetorik, vgl. Quintil. Ill 1, 21. XII 11, 
24. Quintilian ist ihm nicht besonders gewogen 
und polemisiert des Ofteren gegen ihn. Frag- 
mente bei Kissel a. a. 0. 160f. 

5. Philosophic in 6 Biichcrn. August, de 
haeres. prol. : opiniones omnium philosophorum, 
qui sectas varias eondiderunt, usque ad tempora 
sua (neque enirn pltts poterat) sex non parvis 
voluminibus quddam Celsus absolvit. Nee red- 
arguit aliquem, sed tantum quid sentirenb ape- 



analyse des Celsus wird dadurch erschwert, dass 30 ruit ea brevitate sermonis, ut tantum adhiberet 



die Werke seiner Vorganger bis auf geringe Bruch- 
stiicke verloren gegangen sind. Sicher ist, dass 
er sich in seiner Chirurgie (Buch VII), dem wert- 
vollsten Teile seiner Compilation, an die Lehren 
des alexandrinischen ATztes Claudius Philoxenos 
aus dem Ende des 1. Jhdts. v. Chr. angeschlossen 
hat (vgl. M. Wellmann Die pneumatische Schule 
116f.). Das Charakteristische seiner Therapie 
beruht auf der Verbindung von hippokratischer. 



eloquii, quantum rei nee laudandae nee vitii- 
perandae nee affirmandae aut defendendae, sed 
aperiendae iudieanda-eque suffieeret, eum ferme 
centum phihsopJws nominasset . . . Die Identi- 
tat dieses Celsus mit dem Encyklopadiker ist 
von Schwabe Herm. XIX 385ff. erwiesen. Celsus 
beschrankte sich in diesem Abschnitt seines Werkes 
auf die blosse Zusammenstellung der Placita von 
ungefahr 100 Philosophen, ohne Kritik an ihnen 



empirischer (besonders Herakleides von Tarentj 40 zu iiben, mit Benfitzung einer owayaiyi) xeq'i raw 

und asklepiadeischer Doctrin; eine systematische -■ —■:-—• tr-i t\:.i.t^._ i™* 

Vergleichung mit den entsprechenden Partien des 
Soran (Caelms Aurelianus) fiihrt vielleicht weiter. 
Asklepiades und Themison sind sicher viel hau- 
figer benutzt, als es nach den Citaten scheint. 
Vielleicht hat er fur dicse Partien den medici- 
nischen Abschnitt der varronischen Encyklopadie 
benutzt (vgl. M. Wellmann a. a. O. 25, 3. 55, 
2). Fur seine Pharmacie benutzte er sicher eine 
Sammlnng von Compositiones in der Art, wie sie 50 



der apokryphe Brief des C. Celsus an Pullius Na- 
talis bei Marcellus Empiricus (20 H.) andeutet. 
Von Spateren ist er so gut wie gar nicht benutzt ; 
Plinius citiert ihn an drei Stellen (n. h. XX 29. 
XXI 176. XXYLT 132), Marcellus Empiricus in 
der praefatio (1 H.); eine weitergehende Beniit- 
zung der Medicin halte ich fiir ausgesehlossen. 
Die Hss. der Medicina gehen alle auf denselben 

Archetypus zuriick, da sie dieselbe Lucke in Buch ...___ , 

IV c. 27 aufweisen. Die Haupthss. sind: Cod. 60 nahme des Cognomens mindestens durch ihren 



aosoxovrow cpdoo6(pois. Vgl. Diels Doxogr. 183f. 
und dagegen M. Schanz Rh. Mus. a. a. O. 369f. 
Von diesen Placita sind zu trennen die von Quin- 
tilian (X 1, 124) erwahnten philosophischen Ab- 
handlungen im Sinne der Sextier: scripsii non 
parum midta C. Celsus, Sextios seeutus , non 
sine cultu et nitore (nicht Seeptieos, wie S. Sepp 
will Pyrrh. Stud. 5, vor dessen Arbeit hiermit 
gewarnt sei). 

6. Iurisprudenz. Die einzige Belegstelle da- 
fur bei Quintil. XII 11, 24, vgl. Teuffel EOm. 
Litt.-Gesch. § 280. M, Schanz Geschichte der 
rOm. Litteratur II 424f. [M. Wellmann.] 

83ff.) Cornelius Cethegus. Der Beiname Ce- 
thegus (alter Cetegus Cic. or. 160) findet sich 
zuerst bei M. Cornelius M. f. M. n. Cethegus 
Consul 550 = 204 (Nr. 92) und C. Cornelius L. f. 
M. n. Cethegus Consul 557 = 197 (Nr. 88). Da 
diese beiden offenbar Yettern sind, muss die An- 



Vatic. 5951 (s. X), Cod. Paris, n. 7028 (s. XI) 
und Cod. Laur. 73, 1 (s. XI). Ausgaben:' Edit. 
princ. Flor. 1478 und Mailand 1491. Die Rcihe 
der neueren kritischen und erklarenden Ausgaben 
beginnt mit der von J. Almeloveen, Amster- 
dam 1687. 1713, Chr. Krause (Lips. 1766), L. 
Targa (Patav. 1769. Veron. 1810 mit einem 
Lexicon Cels.) und die durch Ruhnken besorgte, 



gemeinsamen Grossvater, also etwa in der Zeit 
des ersten punischen Krieges erfolgt sein. Die 
Genealogie der Familie ist weiterhin nicht fest- 
zustellen. Bei Dichtern werden die Cethegi fast 
regelmassig durch Epitheta charakterisiert, die 
darauf himveisen, dass sie nach der altromischen, 
auch von dem jiingeren Cato beobachteten Sitte 
das Tragen des Untergewandes, der Tunica, ver- 



1277 



Cornelius 



Cornelius 



1278 



schmahten (Hor. ars poet. 50. Porphyr. z. d. St. 
Lucan. II 543. VI 794. Schol. Bern. z. d. St. 
Sil. Ital. VIII 585; vgl. Marquardt-MauPrivat- 
leben der Rfimer 550f.). Dies entspricht dem 
conservativen Zuge, der das patricische Geschlecht 
der Cornelii auszeichnet (vgl. o. S. 1249), doch 
haben auch sonst einzelne Zweige grosserer Fami- 
lien solche alte Sitten besonders bewahrt (vgl. 
Varro bei Plin. n. h. XIX 8 iiber die AtUii 
Serrani, o. Bd. II S. 2095). [Miinzer.] 

Cornelii Cethegi sind bis zum Ende des 2. Jhdts. 
n. Chr. nachweisbar (vgl. Nr. 85ff.). Es ist mOg- 
lich, dass diese Cethegi der Kaiserzeit nicht direct 
von den Cethegi der Republik, sondern von einem 
Zweige der Lentuli abstammen, wie Mommsen 
mit Bezug auf Lentulus Cethegus (Nr. 215) ver-. 
mutet (zu CIL VI 6072), vgl. u. zu den Cornelii 
Lentuli. Auf Verbindung mit den Scipionen weist 
der Name des Cethegus Scipio (Nr. 100). 

[Groag.] 

88) Cornelius Cethegus , von Sil. Ital. VIII 
575ff. als Fiihrer der Bundesgenossen aus dem 
Siidosten Italiens in der Schlacht bei Cannae er- 
wahnt, Der Dichter ist zur Einfuhrung eines 
Cethegus an dieser Stelle wohl durch die Erinne- 
rung an M. Cornelius Cethegus Nr. 92 veranlasst 
worden (vgl. den fiir diesen bei Hor. ars poet. 
50 als typisch angefiihrten Zug mit Sil. VIII 585), 
doch liegt ihm kaum eine geschichtliche Notiz 
zu Grunde. 

84) Cornelius Cethegus, Bruder des Catili- 
nariers C. Cethegus Nr. 89, stimmte im Senat 
dafur, diesen mit dem Tode zu bestrafen (Ampel. 
19, 12, wohl unverdachtig , obwohl sonst nicht 
uberliefert). [Miinzer.] 

85) (Cornelius Cethegus), Proconsul von Asia 
bald nach 170 n. Chr., Vater des M. Cornelius 
Cethegus, Consuls im J. 170 (Lucian. Demonax 
30, vgl. Nr. 94). 

86) Cornelius Cethegus, Salius Palatinus, trat 
im J. 180 n. Chr. aus dem Colleg aus (CIL VI 
1979), vielleicht Sohn des M. Cornelius Cethegus 
Nr. 94. 

87) (Cornelius?) Cethegus, vielleicht Bruder 
des Vorhergehenden (vgl. Nr. 94), palatinischer 
Salier, starb bald nach 190 n. Chr. (CIL VI 1981, 
beziiglich der Zeitbestimmung s. o. Bd. Ill S. 1260). 

[Groag.] 

88) C. Cornelius Cethegus, L. f. M. n., wahr- 
scheinlich als Privatmann zum Proconsul gewahlt 
und nach Spanien gesandt , wo er im J. 554 — 
200 erfolgreich gegen die Eingeborenen kampfte 
(Liv. XXXI 49, 7). Er wurde abwesend zum 
curulischen Aedilen gewahlt und in die Haupt- 
stadt zuriickgerufen , um dieses Aint 555 =199 
zu verwalten (Liv. XXXI 50, 6. 10. XXXII 7, 
14). Ohne Bekleidung der Praetur gelangte er 
557 = 197 sofort zum Consulat (Fasti Cap. Chro- 
nogr. Chron. Pasch. Idat, Liv. XXXH 27, 2. 
28, 1. Cassiod. Cic. Brut. 73; fiber eine Spende, 
die er dem Volke nach seiner Wahl im vorher- 
gehenden Jahre niachte, Plin. n. h. XIX 156), zog 
nach Gallien und schlug in einer grossen Schlacht 
die aufstandischen Insubrer und Cenomanen (Polyb. 
XVIII 11, 2. 12, 1. Liv. XXXII 29. 5—30, 13. 
Zonar. IX 16; vgl. Nissen Krit. Unters. 139. 
143). In diesem wichtigen Feldzuge gelobte ei- 
der luno Sospita einen Tempel (Liv. XXXII 30, 



10. XXXIV 53, 3); als wohlverdienten Lohn er- 
hielt er einen Triumph bewilligt (Liv. XXXIII 
22, 1—23, 8). 560 = 194 war er Censor (Fasti 
Cap. Liv. XXXIV 44, 4. XXXV 9, 1 . Antias 
frg. 37 Peter bei Ascon. Cornel, p. 61), 561 = 
193 ging er mit Scipio Africanus und M. Mi- 
nucius Rufus zur Schlichtung der Streitigkeiten 
zwischen Karthago und Massinissa nach Africa 
(Liv. XXXIV 62, 16). Ein kleines Inschriftfrag- 

lOment, in dem von den Cenom[ani] die Rede ist, 
kOnnte zu seinem Elogium gehOren (CIL 12 p. 341). 
89) C. Cornelius Cethegus. Durch Cicero er- 
fahrt man, dass er ein Vetter des L. Piso Caeso- 
ninus war (p. red. 10; de domo 62; vgl. Bd. Ill 
S. 1387 Nr. 90) und dass er mit Q. Metellus Pius, 
also vor 683 = 71, in Spanien war und dort bei 
einem Attentat gegen diesen der Teilnahme ver- 
dachtig erschien (Sull. 70, vgl. Bd. Ill S. 1224), 
durch Sallust, dass er zur Zeit der catilinarischen 

20 VerschwOrung noch in jiingeren Jahren stand (Cat. 
52, 33) und im Senate sass (ebd. 17, 3). Dass 
er damals Praetor gewesen sei, ist jedenfalls ein 
Irrtum Appians (bell. civ. II 2). Unter Catilinas 
Genossen war er wohl der kiihnste und gefahr- 
lichste, so dass nach gewissen Quellen L. Aemilius 
Paullus im J. 691 = 63, noch vor dem Einschreiten 
der Begierung, Catilina und Cethegus nach der 
Lex Plautia de vi anklagen wollte (Schol, Bob. 
Vatin. p. 320 Or.; vgl. Bd. I S. 564 Nr. 81). Cethe- 

30 gus wurde daher auch von Catilina bei seiner 
Abreise aus Rom zum Fiihrer der hier zuriick- 
bleibenden Genossen bestellt (Cic. Sulla 53. 75. 
76; Flacc. 96. Sail. Cat. 32, 2. Liv. ep. CIL 
Veil. II 34, 4. Cornel. Sever, bei Sen. suasor. 6, 26. 
Lucan. II 543. VI 794. Iuven. VIII 231. X 287. 
Schol. Bob. p. 302 Or. Hieron. zu Euseb. chron. 
II 135 w SchOne. Phit. Caes. 7, 2; Cat. min. 22, 1. 
Appian. bell. civ. II 2). Vielleicht hatte die ganze 
VerschwOrung einen andern Verlauf genommen, 

40 wenn nicht neben Cethegus und an Alter und 
Rang ihm weit iiberlegen P. Lentulus Sura (Nr. 240) 
gestanden und ihn durch bedachtige Schwerfallig- 
keit liberall gehemmt hatte. Denn er selbst war 
nach Sail. Cat. 43, 4 natura, ferox, vekemens, 
marvu promptus, maxumum bonum in celeritate 
putabat (vgl. Cic. Cat. Ill 16 fiber seine furiosa 
temeritas, IV 12 liber seinen furor); er klagte 
iiber die Feigheit und Saumseligkeit der Gefahr- 
ten, drangte unaufhOrlich zu rascbem Losbrechen 

50 und bekampfte ihren Plan, die Saturnalien dafur 
abzuwarten (Cic. Cat. Ill 10. Sail. Cat. 43, 3). 
Es spricht fur seine ruchlos thatkraftige Art, dass 
er fiir sich die schwierigste Aufgabe, die Ermor- 
dung Ciceros, in Anspruch nahm (Cic. Cat. IV 
13. Sail. Cat. 43, 2; fiber die im einzelnen von 
einander abweichenden Angaben bei Cic. Cat. I 9. 
Appian. bell. civ. II 3. Pint. Cic. 16, 1 vgl. 
Buresch Comment, Ribbeck. 232. Willrich De 
coniur. Catil. fontibus [Gottingen 1893] 29) und 

60 ausserdem den Tod raehrerer Consulare und Prae- 
toren forderte (Plut. Cic. 19, 1). Sein Haus wurde 
die Riistkammer der VerschwSrung (Cic. Cat. Ill 8. 
Plut, Cic, 18, 2. 19, 1). Die Auffindung der 
darin aufgespeicherten Waffen und die Vorlegung 
der Briefe, die er den Gesandten der Allobroger 
iibergeben hatte, waren hinreichende Beweise, um 
ihn verhaften "zu lassen und seiner Schuld zu 
iiberfuhren (Cic. Cat. Ill 6. 10. 14. Sail. Cat, 44, If. 



1279 



Cornelius 



Cornelius 



1280 



46, 3). Er wurde zunachst dem Q. Comificius 
in freie Haft gegeben (Sail. Cat. 47, 4), aber als 
er den Versuch machte, seine Anhanger zur Be- 
freiung aufzuwiegeln (ebd. 50, 2. Appian. bell, 
civ. II 5), beeilte man sich desto mebr, das Todes- 
urteil fiber ihn zu fallen, und sein eigener Bruder 
soil sogar die Stimme dafiir gegeben haben (Ampel. 
19, 12, s. Nr. 84). Er wurde in der Nacht des 
5. December ins Tnllianum gebracht und hier 
auf dieselbe Weise wie Lentulas Sura hingerichtet 
iCic. Sulla 70. Sail. Cat. 55, 6. Liv. ep. CII. Veil. 
II 34, 4. Plut. Cic. 22, 2. Appian. bell. civ. II 6). 

90) C. (Cornelius) Cethegus. Einer der An- 
klager Milos im J. 702 = 52 heisst in den Hss. 
des Ascon. Milon. p. 34 C- Geteius, was am leich- 
testen in C. Cethegus geandert werden kann, vgl. 
o. Bd. I S. 2275. 

91) L. Cornelius Cethegus, einer der Anklager 
des Ser. Sulpicius Galba wegen dessen Vorgehen 
gegen die Lusitaner 605 = 149 (Liv. ep. XLIX). 
Er kann ein Sotm von Nr. 88 sein, der in Be- 
ziehung zu Spanien getreten und selbst L. f. war. 

92) M. Cornelius Cethegus M. f. M. n. (Fasti 
Cap. Enn.) war Flamen und wurde als solcher 
wegen einer kleinen Nachliissigkeit im Dienste 
abgesetzt (Val. Max. I 1, 4. Plut. Marc. 5, 4). 
Doch wurde er im J. 541 = 213 Pontifex (Liv. 

XXV 2, 2. 5, 2), In demselben Jalire bekleidete 
er mit P. Scipio , dem spateren Africanus , die 
curulische Aedilitat , wie Liv. XXV 2 , 6 an- 
giebt, wahrend nach der schwerlich zuverlassigen 
Notiz des Polyb. X 4, 1. 5, 2 der Bruder Scipios, 
Lucius, damals dessen Amtsgenosse geweseu sein 
soil (vgl. Mommsen Bom. Forsch. I 98 A. 67). 
Als Praetor 543 = 211 wurde er zuerst nach Apu- 
lien geschickt (Liv. XXV 41, 12f.) und spater 
nach Sicilien, wo er sich bei der Ordnung mancher 
schwierigen Vcrhaltnisse bewahrte (Liv. XXVI 
21, 13. 17. Zonar. IX 6 irrig: Koovr/hos AoXo- 
piXlag), aber gegen seinen Vorganger M. Marcellus 
die Klagen der Eingeborenen unterstiitzte (Liv. 

XXVI 26, 8. 28, 10). 545 = 209 wurde er 
mit P. Sempronius Tuditanus Censor, obgleich 
beide Manner noch nicht Consuln gewesen waren 
(Liv. XXVII 11, 7. 36, 6). Sie gelangten zu- 
sammen erst 550 = 204 zum Consulat (Fasti Cap. 
Chronogr. Chron. Pasch. Mat. Enn. bei Cic. Brut. 
58, vgl. 60; Cato 10. Liv. XXIX 11, 10. 
XXXVI 36, 4. 6. Cassiod.). Cethegus erhielt Etru- 
rien als Provinz und hatte die von Hannibals 
Bruder Mago hier hervorgerufene Erregung zu 
beschwichtigen (Liv. XXIX 13, 2. 36, iOf. Zo- 
nar, IX 11 Ende). Zur Leitung der Wahlen 
kam er nach Rom, kehrte dann wieder nach Etru- 
rien zuiiick, wurde 551 = 203 abgelSst und als 
Proconsul nach Oberitalien gesandt (Liv. XXIX 
38, 2. 5. XXX 1, 7). Vereinigt mit dem Praetor 
P. Qaintilius Varus traf er hier im Gebiete der 
Insubrer mit Mago zusammen; in heissem Kampfe 
erlitten die Romer bedeutende Verluste, aber in- 
folge der Verwundung des feindlichen Feldherrn 
blieb ihnen der Sieg (Liv. XXX 18, 1—15; vgl. 
Zonar. IX 12). Cethegus starb 558 = 196 (Liv. 
XXXIII 42 , 5). Nach seinem Tode pries ihn 
der zeitgenossische Dichter Ennius als trefflichen 
Redner in den vielfach angefiihrten Versen: Ad- 
ditur orator Cornelius suatiloquenti ore Cethe- 
gus Marcus conlegae Tuditano Marci fdius und : 



7s dictust ollis popularibus olim, qui turn v he- 
bant homines atque aevum agitabant, flos deli- 
batus populi suadatque medulla (frg. IX 4 v. 304 
Vahlen aus Cic. Brut. 57—60, vgl. Cato 50. Senec. 
bei Gell. XII 2, 3. Quintil. inst. or. II 15, 4. XI 
3, 31; mit Cato zusammengestellt von Hor. ep. 
II 2, 117, vgl. ars poet. 50). 

93) M. Cornelius Cethegus, C. f. C. n., 583 
— 171 mit zwei anderen Gesandten abgeschickt, 

10 um den Consul C. Cassius Longinus , der ohne 
Erlaubnis des Senats in Makedonien einriicken 
wollte, aus Illyrien zuruckzurufen (Liv. XLIII 
1, 12). 585 =169 Triumvir coloniae deducendae 
(ebd. 17, 1). Als Consul 594 = 160 (Fasti Cap. 
Terent. Adelph. tit.) nahm er die Trockenlegung 
der pomptinischen Simrpfe in umfassender Weise 
in Angriff (Liv. ep. XL VI). [Munzer.] 

94) M. Cornelius Cethegus, Consul ordinarius 
im J. 170 n. Chr. mit C. Erucius Clarus {M. 

20 Cornelius Cethegus CIL VI 1978; M. Cornelius 
Caet[h]egus'KIQ19, sonst Cethegus). Wahrschein- 
lich ist er der Consular Cethegus, Legat seines 
Vaters (Nr. 85) in Asia, dessen Benehmen auf 
seiner Durchreise durch Griechenland den Spott 
der Griechen herausforderte ; als man ihn ein ftiya 
xdftaeua nannte, meinte der Philosoph Demonax 
ovSi fieya (Lucian. Demonax 30; vgl. Wadding- 
ton Fast. d. prov. Asiat. 734). Cornelius Cethe- 
gus, der im J. 180 aus dem Collegium der Salii 

30 Palatini ausschied (CIL VI 1979), war eher ein 
Sohn des C. als dieser selbst (vgl. Nr. 86); wenn 
der Salier Cethegus, der kurz nach 190 starb (CIL 
VI 1981, s. Nr. 87), gleichfalls ein Sohn unseres 
C. war, so lebte dieser damals noch (die Salier 
mussten patrimi et matrimi sein, vgl. lar- 
quardt-Wissowa St.-Verw. Ill 2 428; die Schrift 
fiber Demonax , die um 180 erschienen ist [vgl. 
Lucian. ed. Fritzsche II 1, 188f.], kann sehr 
wohl noch zu Lebzeiten des C. verfasst sein). Eine 

40 Tochter des C. war vielleicht mit Ti. Claudius 
Frontinus Niceratus vermahlt (s. o. Bd. Ill S. 2722 
Nr. 156). Sclaven eines Cor. Cetliegus werden 
auf Siegeln genannt, die in und bei Aeclanum 
gefunden wurden (CIL IX 6083, 63. 112). 

[Groag.] 

95) P. Cornelius Cethegus, L. f. P. n. (Fasti 
Cap. Plin.), vielleicht 565 = 189 in Asien (vgl. 
P. Cornelius Lentulus Nr. 214), curulischer Aedil 
567 = 187 (Liv. XXXIX 7, 8) , Praetor 569 = 

50 185 (Liv. XXXIX 23, 2), Consul 573 = 181. Da 
die Fasti Cap. (ebenso Chronogr. Chron. Pasch. 
Idat.), Cassius Hemina (bei Plin. n. h. XIII 85) 
und Sulpicius Blitho (bei Nep. Hann. 13, 1) iiber- 
einstimmend Cethegus als Beinamen des Consuls 
dieses Jahres P. Cornelius (so Val. Max. I 1, 12. 
Plut. Num. 22) angeben, so beruht die Meinung 
des Liv. XL 18, 1 (aus ihm Val. Max. II 5, 1 
und Cassiod.), er babe vielmehr Lentulus geheissen, 
auf einem einfachen Versehen (doch s. Cn. Cor- 

60 nelius Blasio Nr. 74). Das Jahr ist bekannt durch 
den Fund der angeblichen Biicher Numas (s. dar- 
uber Schwegler E. G. I 564ff.); die Namen der 
beiden Consuln C. und M. Baebius Tamphilus 
bewahrte das erste Criminalgesetz de ambitu, das 
sie unter Catos Mitwirkung erliessen (Liv. ep. XL 
19, 11; vgl. o. Bd. I S. 1801 und Lex). Sie er- 
hielten zusammen Ligarien als Provinz; da sie 
nichts ausrichteten, wurde ihnen das Commando 



1281 



Cornelius 



Cornelius 



1282 



ftir das nachste Jahr verlangert, nnd in diesem 
gelang es ihnen, die Apuaner zur Ergebung zu 
zwingen und nach Samnium zu verpflanzen, wo 
sie seitdem als Ligures Baebiani und Corneliani 
erscheinen. Die Consuln triumphierten als die 
ersten, die eigentlich. keinen Krieg gefiihrt hatten 
(Liv. XL 18, 3. 5. 26, 4—7. 35, 1. 36, 7. 37, 
9—38, 9; vgl. o. Bd. II S. 288). 581 = 173 ging 
Cethegus noch einmal als Decemvir fur die Land- 
verteilungen nach Oberitalien (Liv. XLII 4, 4). 

96) P. Cornelius Cethegus, Praetor 570 = 184, 
sprach zuerst inter eives et peregrinos Recht, 
tibernahm aber nach dem Tode seines Amtsge- 
nossen C. Decimius auch die stadtische Praetur 
(Liv. XXXIX 32, 14. 38, 2. 39, 15. 41, 7). Von 
Nr. 95, der im Jahre vorher Praetor war, ist er 
zu unterscheiden. 

97) P. Cornelius Cethegus, vielleicht der Miinz- 
meister Cethegus gegen 650 — 104 (Mommsen 
Miinzw. 539 nr. 136). Im J. 666 = 88 wurde 
er von Sulla geachtet und entfioh mit Marius 
nach Africa (Appian. bell. civ. I 60. 62. Plut. 
Mar. 40, 3); er kehrte mit ihm nach Rom zuriick, 
unterwarf sich aber nach Sullas Ruckkehr dem 
Sieger und suchte dessen Gunst durch nieder- 
trachtigen Verrat an seinen Parteigenossen zu 
gewinnen (Sail. hist. I 51, 20 Kr. = I 77, 20 
Maur. Val. Max. IX 2, 1. Appian. I 80). Trotz 
seiner moralischen Verworfenheit wusste er sich 
durch Geschaftskenntnis , Redegewandtheit und 
Intriguen wahrend des nachsten Jahrzehnts einen 
solchen Einfiuss bei Volk und Senat zu erwerben, 
dass die angesehensten Manner um seine Gunst 
buhlten (Cic. Farad. V 40 [dazu Plasberg Rh. 
Mus. LIII 81]; Brut. 178); 680 = 74 erhielt der 
Praetor M. Antonius durch ihn und den Consul 
M. Cotta den Oberbefehl gegen die kretischen 
Seerauber (Ps.-Ascon. Verr. p. 206 Or.) und der 
Consul L. Lucullus durch ihn und seine Dime 
Praecia, die er auf jede Weise zu gewinnen suchte, 
die Statthalterschaft von Kilikien und das Com- 
mando gegen Mithridat (Plut. Luc. 5, 6. 6, 1. 
4_6). Als Cicero (Cluent. 84f.) 688=66 Offent- 
lich die hinterlistige Handlungs weise des Cethegus 
gegen C. Staienus (680 = 74) brandmarkte, war 
er wohl schon tot. [Munzer.] 

98) Ser. (Cornelius Cethegus), Vater des Fol- 
genden (vgl. Dio ind. 1. LVII), sonst unbekannt. 
Nicht ganz ausgeschlossen erscheint seine Iden- 
tificierung mit Lentulus Cethegus (Nr. 215). 

99) Ser. Cornelius Cethegus, Consul ordinarius 
im J. 24 n. Chr. mit L. Visellius Varro (CIL 12 
p. 71 Fasti Arv. [Ser. Cojrmlius Cetliegus; VI 
10051 Ser. Cornelius Cethegus; I 765 Ser. Cor.; 
Dio ind. 1. LVII 2iqy. KoQvrjhog 2eQy. vi. Ke- 
■Ihjyog [Zigyios irrig statt SsQoviog ] ; Frontin. 
de aq. 102 Servius Cornelius Cetliegus; Tac. 
ann. IV 17 Cornelius Cethegus; sonst Cethegus). 

100) (Cornelius) Cethegus Scipio, auf einem 
Bronzebeschlag stadtrtimischen Fundortes genannt 
(CIL VI 31964 = XV 7147; wie Dressel an letz- 
terem Orte bemerkt, nach den Buchstabenformen 
nicht jiinger als das 2. Jhdt. n. Chr.). Ein in 
Gnathia (Apulien) gefundener Ziegel tragt den 
Stempel Cethegi et Seipionis (CIL IX 6078, 58). 

[Groag.] 

101) L. Cornelius Chrysogonus, bekannt aus 
Ciceros Rede fur Sex. Roscius aus Ameria vom 

Pauly-Wissowa IV 



J. 674 = 80 (vgl. noch Plin. n. h. XXXV 200. 
Hieron. zu Euseb. chron. II 135 b SchOne. Plut. 
Cic. 3, 2). Er war nach Ciceros Schilderung ein 
noch junger Freigelassener des Dictators Sulla 
und iibte auf diesen sehr grossen Einfiuss aus 
(aduleseens vet potentissimus hoe tempore nostrae 
civitatis Sex. Rose. 6, vgl. 35. 58. 60. 138. 140f.); 
er erwarb bei den Proscriptionen ein bedeutendes 
Vermogen, fiihrte ein iippiges Leben und trug 

10 den Ubermut des reichen EmporkOmmlings zur 
Schau (ebd. 133 — 135). Nach der Ermordung 
des alteren Sex. Roscius schloss er ein Bundnis 
mit den beiden T. Roscii , auf Grund dessen er 
die nachtragliche Aufnahme des Ennordeten in 
die Achtungslisten bewirkte und einen Teil von 
dessen Giitern zu einem Spottpreise an sich brachte 
(ebd. 6. 20f. 105ff. 125ff). Den Beschwerden der 
Ameriner suchte er entgegenzuarbeiten und seine 
Beute sich zu sichern, indem er die Klage gegen 

20 den jungeren Sex. Roscius wegen Vatermords unter- 
stutzte (ebd. 25f. 110). Infolge seiner Macht- 
stellung war dessen Lage sehr gefahrlich, und 
verdiente der Mut des Anwalts Cicero, der gegen 
den Giinstling des Herrschers aufzutreten wagte, 
alle Anerkennung. [Munzer.] 

102) P. Cornelius P. f. (tribu) Sab(atina) 
Oieatricula, primfus) pilfus) bis (vgl. Mommsen 
zu CIL V 867), praefectfus) equitfumj, prae- 
ffeetus) clasfsis) in Ravenna, praef. eohortium 

30 eivium Romanor(um) quatuor in HispanfiaJ, 
tribfunusj mil(itum) , JIvir et Hvir quinqfenna- 
lisj, pont(ifex), CIL XI 6344 = Dessau 2693 
(Pisaurum ; Ehreninschrift, von der Gemeinde ge- 
setzt), aus dem Anfang des 2. Jhdts. n. Chr., vgl. 
Hirschfeld Verw.-Gesch. I 125. [Stein.] 

103) Cornelius Cinna. Das Cognomen Cina 
findet sich auf Miinzen, die vielleicht noch einem 
alteren Mtinzmeister zuzuweisen sind, als dem 
ersten bekannten Manne dieses Namens Nr. 105 

40 (Mommsen Mtazwesen 510 nr. 67). 

104) (Cornelius) Cinna, fiihrte Ende 710 = 44 
funfhundert Reiter dem P. Dolabella (Nr. 141) 
nach Asien zu, doch wurden sie ihm in Thessalien 
von M. Brutus abspenstig gemacht (Plut. Brut. 25, 
1). Cic. Phil. X 13 vgl. XI 27 nennt den Namen 
des Befehlshabers dieser Reiter nicht, bezeichnet 
ihn aber als Quaestor des Statthalters Dolabella. 

[Munzer.] 
Vielleicht derselbe ist L. Cornelius, Suffect- 
50 consul im J. 32 v. Chr. (Nr. 32), und L. Cinna, 
der in den Arvalacten der J. 21/20 v. Chr. ge- 
nannt wird (Ephem. epigr. VIII p. 316 = CIL 
VI 32338, vgl. Nr. 107). Ist dies richtig, so war 
C. der iiltere Sohn des L. Cinna Nr. 107. 

[Groag.] 

105) L. Cornelius Cinna, L. f., Consul 627 
= 127 (Meilenstein der Via Latina unweit Vena- 
frum CIL I 558 = X 6905. Chronogr. Idat. Chron. 
Pasch. [Kexiwa]. Cassiod.). 

£0 106) L. Cornelius Cinna, als L. f. L. n. (Fasti 
Cap. 668. 669) Sohn von Nr. 105, bekleidete die Prae- 
tur (vgl. eine Vermutung dariiber bei L. Cornelius 
Lentulus Nr. 194) und war bald darauf Legat im 
Bundesgenossenkriege (Cic. Font. 43), wo er 666 
= 88 mit Q. Caecilius Metellus Pius die Marser 
endgultig unteuvarf (Liv. ep. LXXVI). In dem- 
selben Jahre erhielt nach Beendigung der Kampfe 
in Italien L. Sulla den Krieg gegen Mithridates, 

41 



1283 



Cornelius 



Cornelius 



1284 



P. Sulpicius Rufus veranlasste dagegen dessen 
tjbertragung an C. Marius; darauf folgte S alias 
Zug gegen Eom und die gewaltsame Wiederein- 
setzung des aristokratischen Regiments, wahrend 
Marius, Sulpicius und ihre nachsten Anhanger in 
die Verbannung gehen mnssten. Auf ihre Seite 
hatte sich auch Cinna gestellt, aber dennoch liess 
es Sulla geschehen, dass er bei den Comitien fur 
667 = 87 zusammen mit Cn. Octavius zum Consul 
gewahlt wurde. Der Gewahlte verpflichtete sich 
Offentlioh durch einen feierlichen Eid, die von 
Sulla eingesetzte Ordnung nicht anzutasten {Schol. 
Gronov. p. 410 Or. Plut. Sulla 10, 6f. Dio frg. 
100, 1 — 4), aber er machte keinen Held, daraus, 
dass er sich dadurch nicht fiir gebunden halte 
(Sail. hist. fxg. I 22 Kr. = I 26 Maur.). Gleich 
nachdem er 667 = 87 mit Octavius das Amt an- 
getreten hatte (Fasti Cap. [nur L. Cor ... er- 
halten]. Chronogr. Idat. Chron. Paseh. Eutrop. 
V 4. Cassiod.), veranlasste er einen Tribunen 
M. Verginius, gegen Sulla Klage zu erheben ; un- 
bekiimroert darum eilte Sulla auf den Kriegs- 
schauplatz, und Cinna erfiffnete in der Stadt die 
Feindseligkeiten gegen seine zuriickgebliebenen 
AnMnger, den Kampf, der nach deren Fuhrer, 
dem andern Consul, als helium Octavianum be- 
zeichnet wird. Cinna beantragte zwei Gesetze, 
die Sullas Anordnungen umstossen sollten, erstens 
in Wiederholung einer Rogation des Sulpicius 
die Aufnahme der Neubiirger und Freigelassenen 
in samtliche Tribus (Cic. Phil. VIII 7. Veil. II 
20, 2f. Schol. Gronov. p. 410. M. Esuper. 4 
p. 2 Burs. Appian. bell. civ. I 64; vgl. Momm- 
sen St.-R. Ill 180. 439) und zweitens die Zu- 
rilckberufung des Marius und der iibrigen Ver- 
bannten. Nur den zweiten Antrag erwahnen Flor. 

II 9, 9 und Auct. de vir. ill. 69, 2 und lassen 
dartiber den Biirgerkrieg ausbrechen. Das ist, 
wie sich namentlich aus Ciceros Zeugnis ergiebt, 
nicht genau, sondern richtig bemerkt Appian, dass 
jenes erste Gesetz tiber das Stimmrecht der Neu- 
biirger das Ttgool/ucov fur die Rflckkehr der Ver- 
bannten sein sollte, sein Erfolg die Gewahr fiir 
den des zweiten Antrags bieten musste. Cinna 
wollte mit Hulfe der zahlreich nach Rom ge- 
eilten Italiker jene Rogation durchbringen , Oc- 
tavius entschloss sich, der Gewalt mit Gewalt zu 
begegnen. An Zahl und Bewaffhung waren seine 
Anhanger denen des Gegners iiberlegen; vergebens 
rief dieser die Sclaven zur Freiheit und Hulfe 
auf; er wurde unter fuTchtbarem Bhitvergiessen 
vertrieben und aus der Stadt verjagt (Cic. Cat. 

III 24; Sest. 77. Liv. ep. LXXIX. Veil. II 20, 
3. Flor. H 9, 10. Schol. Gronov. p. 410. Iul. 
Exuper. 4. Plut. Mar. 41, 1; Sert. 4, 6f. Appian. 
bell. civ. I 64f.). Der Senat erklarte darauf Cinna, 
weil er die Stadt in Gefahr verlassen und den 
Sclaven die Freiheit verkundet habe, fiir des Bfir- 
gerrechts und folglich auch seines Amtes ver- 
lustig und wahlte an seiner Stelle L. Cornelius 
Merula zum Consul (Lip. ep. LXXIX. Veil. II 
20, 3. Auct. de vir. ill. 69, 2. Plut. Mar. 41, 
1. Appian. I 65); ein Spruch der sibyllinischen 
Bucher wurde bekannt gemacht, nach Vertrei- 
bung Cinnas wurde die Ruhe wiederkehren (Li- 
cinian. p. 23 Bonn.). Aber Cinna bestritt die 
Rechtmassigkeit seiner Absetzung, weil sie ein- 
seitig vom Senat ohne Befragung des Volkes ver- 



fiigt worden sei (Appian. a. 0.; vgl. Mommsen 
St.-R. I 630, 4) ; sechs Volkstribunen und andere 
Anhanger aus Rom, darunter Q. Sertorius, schlossen 
sich ihm an; er eilte durch die Stadte bis Cam- 
panien hm, warb iiberall Anhanger und brachte 
Geldmittel zusammen. Sehliesslich erschien er 
bei dem rOmischen Heere, das unter Ap. Clau- 
dius Pulcher bei Capua stand, und verstand es 
fiir sich zu gewinnen; in Masse stromten die 

10 Italiker unter seine Fahnen (Liv. ep. LXXIX. 
Veil. II 20, 4. Schol. Gronov. p. 410. Plut. Mar. 
41, 1 ; Sert. 4, 7. Appian. I 65f. ; vgl. Sail. hist. 
frg. I 27 Maur.). Er konnte es jetzt wagen, gegen 
Rom aufzubrechen und Marius aus Africa her- 
beizurufen (falsch Iul. Exuper. 4: ad Afrieam 

forte pervenit) ; seine Macht verstarkte er 

noch, indem er Iiberall die Sclaven freiliess und 
in sein Heer einreihte (Flor. II 9, 11. Auct. de 
vir. ill. 69, 2. Schol. Gronov. p. 410. Iul. Esuper. 

20 4. Appian. I 69). Marius landete mit seinen 
sich rasch vermehrenden Streitkraften in Etru- 
rien und zog von Norden vor Rom, Cinna kam 
von Siiden und vereinigte sich mit ihm vor der 
Hauptstadt; jener bedrohte sie vom Meere her, 
Sertorius auf dem linken, Cinna mit Cn. Papirius 
Carbo auf dem rechten Tiberufer (Liv. ep. LXXIX. 
Flor. II 9, 10—13. Oros. V 19, 8f. Licinian. 
p. 23. Appian. I 67; vgl. Dieckmann De Li- 
ciniani fontibus et auctoritate [Berl. Stud. XVI 

3Q 3] , Berl. 1896, 53f.). Sie verhandelten mit Cn. 
Pompeius Strabo, der ein doppeltes Spiel spielte, 
aber sich sehliesslich, vielleicht infolge eines Mord- 
versuches Cinnas (vgl. Plut. Pomp. 3, 1), fiir den 
Kampf gegen sie entschied (Liv. ep. LXXIX. Veil. 
II 21, 2. 4. Oros. V 19, 10. Licinian. p. 23); 
neuen Zuzug aber erhielten sie von den Samniten, 
Die Berichte iiber die folgenden Operationen und 
den Anteil der einzelnen demokratischen Fuhrer 
daran sind nicht iiberall klar. Irrig ist jeden- 

40 falls die Behauptung des Veil. II 21, 4, dass 
Cinna dem Pompeius ein Treffen geliefert habe, 
denn Licinian. p. 25 und Oros. V 19, 10 nennen 
als dessen Gegner vielmehr Sertorius, was wegen 
der Stellung der Heere wahrscheinlicher ist. Un- 
sicher ist dagegen, wie man die Angaben iiber 
die Ereignisse bei Arimmum zu vereinigen hat; 
nach Appian. I 67 wurde diese Stadt von Truppen, 
die Cinna dorthin sandte, genommen, um Hiilfe- 
sendungen von Gallia Cisalpina nach Rom den 

50Weg zu sperren; nach Licinian. p. 27 schlug 
Marius bei Ariminum den Servilius und brachte 
dessen Heer zum grOssten Teil auf seine Seite. 
Die Versuche, diese Nachrichten mit einander 
zu verbinden (vgl Dieckmann a. 0. 61f.), be- 
friedigen nicht; vielleicht ist hier Marius, wie 
die Bonner Herausgeber (p. 57 s. v.) vermuten, 
der jungere und stand nicht unter dem Ober- 
befenl seines Vaters, sondern unter dem Cinnas. 
Der altere Marius unterwarf in dieser Zeit aller- 

60 dings die latinischen Stadte in der Umgebung 
der Hauptstadt, aber die Hauptmacht bfieb vor 
Rom stehen, und bald vereinigte sich jener wieder 
mit Cinna zu einem Angriff auf das Ianiculum. 
Auch fiber dessen Einzelheiten gehen die Berichte 
auseinander (vgl. fiber ihre Unklarheit Jordan 
Topogr. I 1, 243f. A. 80). Auct. de vir. ill. 69, 
2 erwahnt nur kurz die Einnahme durch Cinna, 
Plut. Mar. 42, 3 die durch Marius, Flor. II 9, 



1285 



Cornelius 



Cornelius 



1286 



13 die Vertreibung der Mannschaften des Octavius. 
Appian. I 68 erzahlt allein, dass Ap. Claudius 
dem Marius das Thor geOfinet und dass dieser 
dann Cinna eingelassen habe; er fahrt fort, sie 
seien sofort von Octavius und Pompeius, die zu 
Hiilfe eilten , vertrieben worden, und stimmt darin 
iiberein mit Liv. ep. LXXX: Cinna et Marius 
cum Carbone et Sertorio Ianiculum oppugna- 
verunt et fugati ab Oetavio eonsule reeesserunt. 



19, 24. Iul. Exuper. 4. Plut. Mar. 44, 10; Sert. 
5, 5. Appian. I 74). Inzwischen ging das Jahr 
zu Ende, und fur das folgende, 668 = 86, renun- 
tiierten sich Marius und Cinna selbst ohne Teil- 
nahme der Comitien zu Consuln (Liv. ep. LXXX. 
Auct. de vir. ill. 69, 3, vgl. Mommsen St.-R. 
I 500f., 1- 626, 2); es war Cinnas zweites und 
Marius siebentes Consulat (Fasti Cap. Chronogr. 
Idat. Chron. Paseh. Tessera CIL X 8070, 2. Veil. 



Ausfuhrlicher ist die Darstellung des Licinian. 10 II 23, 1. Oros. V 19, 23 [falsch von Cinna: cos. 



p. 24f., aber unvollstandig erhalten und schwer 
zu erganzen, so dass sich kein klares Bild von 
den Vorgangen gewinnen lasst, Dass aber Cinna 
mindestens gleichberechtigt mit Marius dabei das 
Commando fiihrte, ergiebt sich aus Sisenna frg. 
129 bei Tac. hist. Ill 51, nach dem bei diesem 
Kampfe eine Episode vorfiel, die andere (wie Liv. 
ep. LXXIX. Oros. V 19, 121 Licinian. p. 25) 
bei einem andern erzahlen. Auch bei den Ver- 



III]. Cassiod. Schol. Bob. p. 250 Or. Appian. I 
75). Schon am 13. Januar starb Marius; eine 
Zeit lang war Cinna alleiniger Consul, denn sogar 
auf einer Inschrift aus Cales wird nur nach ihm 
datiert (CIL 1 1505 = X 4669) ; dann wahlte er 
sich L. Valerius Flaccus zum Amtsgenossen. In 
derselben Weise trat er sein drittes Consulat 669 
= 85 mit Cn. Papirius Carbo an (Fasti Cap. 
Chronogr. Idat. Chron. Paseh. Tessera CIL I 717. 



handlungen mit dem Senate, mit Pompeius, mit 20 Liv. ep. LXXXin. Cassiod. Auct. de vir. ill. 



Metellus erschien in dieser Zeit stets Cinna als 
das anerkannte Haupt der Demokraten (vgl. z. B. 
Licinian. p. 25. 27. 29. Diod. XXXVLU 2, If. 
Dio frg. 102, 1), und als sehliesslich nach man- 
chen Wechselfallen die Uneinigkeit der Fuhrer 
und die Unzuverlassigkeit der Truppen die Opti- 
maten zur tfbergabe zwang, war es wiederum 
Cinna, an den ihre Gesandten gingen. Er for- 
derte, ehe er sie anhOrte, vom Senate als Con 



3. Appian. I 75) und sein viertes 670 = 84 wieder 
mit Carbo (Fasti Cap. [L.Co.. erhalten]. Chronogr. 
Oros. V 19, 24. Auct. de vir. ill. 69, 4. Cassiod. 
quater consul Cic. Tusc. V 54f. Suet. Caes. 1 ; 
irrig Scribonio Idat. ; SxQtpatviov Chron. Paseh.). 
"Wahrend aller dieser Jahre war Cinna thatsach- 
lich der Alleinherrscher in Italien und den 
meisten Provinzen; mit vollem Rechte sprechen 
die spateren Rflmer von seiner dominatio (der 



sul anerkannt zu werden; erst nachdem das ge- 30 Ausdruck bei Cic. Phil. I 34 [vgl. II 108]. 



schehen war und Merula abgedankt hatte, empfing 
er eine zwei±e Gesandtschaft. Sie musste ihm 
die bedingungslose Capitulation bewilligen, wah- 
rend er nur versprach, das Leben der Gegner zu 
achten, ohne sich irgendwie zu binden. Darauf 
zog er ;in Rom ein und beantragte vor alien 
Dingen die Aufhebung der Verbannung des Ma- 
rius (Liv. ep. LXXX. Veil. II 21, 6. Diod. 
XXXVHI 1. 3. Plut. Mar. 43, 1—3 ; Sert. 5, 1. 



Veil. II 23, 3. Val. Max. VI 9, "6." Tac. ann. 
1 1. Auct. de vir. ill. 67, 6; vgl. Kiwa zov fio- 
vaQxfioavzog Plut. Caes. 1,1; auch Sail. hist, 
inc. frg. 52 Kr. = I 64 Maur. : Tyrannumque et 
Cinnam . . . appellans). Cic. Brut. 227 charak- 
terisiert diese Jahre als die , quibus ..... sine 
iure fuit et sine ulla dignitate res publico, (vgl. 
Plut. Sulla 22, 1); wohl wurde Ruhe und Ord- 
nung bis zu einem gewissen Grade aufrecht er- 



Appian. I 69f. Dio frg. 100, 8). Die Schreckens- 40 halten, aber in der ganzen Politik und den Ein- 



herrschaft, die Marius und Cinna iiber Rom ver- 
hangten, ist bekannt und beruchtigt genug (vgl. 
Cic. Cat. Ill 24. Liv. ep. LXXX. Val. Max. II 8, 
7. IV 3, 14. V 6, 4. Veil. II 22, 1-4. Flor. 
II 9, 13-17. Eutrop. V 7, 3. Oros. V 19, 19. 
Obseq.. 56. Ammian. Marc. XXX 8, 9. Schol. 
Gronov. p. 410 Or. Schol. Bob. p. 250 Or. Diod. 
XXXVIII 4, 1. Plut. Mar. 43, 4ff. Appian. I 
71 u. a.); beide hatten wohl gleichen Anteil an 



richtungen der Regierenden ist nirgends ein klarer 
Plan zu erkennen. Obgleich Cinna an der Spitze 
des Staates stand, ist von seiner persOnlichen 
Mitwirkung bei keiner der in dieser Zeit getroffenen 
Anordnungen ausdriicklich die Rede. Erst die 
Besorgnis vor der Heimkehr und Rache Sullas 
spornte ihn zu neuer Thatigkeit an. Schon im 
J. 669 = 85 begann er seine Riistungen in ganz 
Italien (Liv. ep. LXXXHI. Appian. I 76), und 



der Ermordung ihrer wichtigsten Gegner, und es50die Haltung des Senates, der sich zu einer selb- 



ist moglich, dass Cinna einzelne Blutthaten, wie 
den Tod des Octavius, ausdriicklich befahl (Cic. 
Tusc. V 55. Veil, n 22, 3. Auct. de vir. iU. 69, 2 ; 
vgl. Appian. I 71 ; Kopf des Octavius dem Cinna 
iiberbracht). Sallust. hist, I 51, 19 Kr. = I 77, 
19 Maur., lasst einen Optimaten im Senat erinnern 
an die scelera Cinnae, cuius in urbem reditu 
decus ordinis huius interiit, Val. Max. V 3, 3 
spricht von Cinnana proseriptio, Lucan. IV 822 



standigen Antwort auf Sullas Mitteilungen er- 
mannte, veranlasste ihn, sie noch energischer zu 
betreiben. Er sollte aber den Entscheidrmgs- 
kampf nicht mehr erleben. Im Fruhjahr 670 = 84 
wollte er sein Heer nach Illvrien ubersetzen ; die 
Soldaten weigerten sich, er eilte nach Ancona, 
wollte sie durch Drohungen zum Gehorsam zu- 
ruckfiihren, oflene Meuterei war die Folge, und 
in dem wilden Tumult wurde Cinna erschlageru 



von Cinna, cruentus ; auch Tac. hist. HI 83 nennt 60 Kiirzere Angaben iiber seinen Tod finden sich bei 



nur Cinna als Sieger und verantwortlich fur das 
Schreckensregiment (vgl. noch Cinna erudeiis 
Cic. Phil. XI 1). Aber wenigstens war Cinna 
des Mordens friiher miide als Marius (Plut. Mar. 
43, 7; Sert. 5, 4) und suchte dessen sinnloser 
Raserei eine Schranke zu setzen, indem er ge- 
meinsam mit Sertorius die blutdiirstigen Sclaven- 
banden der Vardaeer niederhauen liess (Oros. V 



Liv. ep. LXXXHI. Veil II 24, 5. Oros. V 19, 
24. Auct. de vir. ill. 69, 4. Iul. Exuper. 4. Plut. 
Sert. 6, 1, die ausfuhTlichste Darstellung bei Appian. 
I 78 ; ihr gegeniiber verdient die bei Plut. Pomp. 
5, If. (daraus Zonar. X 1) wegen ihrer inneren 
Unwahrscbeinlichkeit keinen Glauben (vgl. Dru- 
mann G. R. II 590, 78). Veil. II 24, 5 begleitet 
die Erzahlung von Cinnas Ende mit folgenden 



1287 



Cornelius 



Cornelius 



1288 



Bemerkungen : Vir dignior, qui arbitrio vietorum 
moreretur quam iraeundia militum. de quo vere 
did potest ausum eum quae nemo anderet bonus, 
perfeeisse quae a nullo nisi fortissimo perfici 
possent el fuisse eum in consultando temerarium, 
in exsequendo virum. Der Auct. de vir. ill. 69, 
1 sagt: Ginna flagitiosissimus rem publicum 
summa crudelitate vastavit. Aber ein wirkliches 
Urteil ilber die Begabung mid den Charakter 



es auf keine Erkl&rung und zerriss den unschul- 
digen Tribunen in Stiicke (Val. Max. IX 9. 1. 
Suet. Caes. 85. Hut. Brut. 20, 4; Caes. 68, 2. 
Appian. II 148. Dio XLIV 50, 4 vgl. XL VI 49, 
2. Zonar. X 12; vgl. Schwabe Philol. XLVII 
169f.). Von dem Praetor Cinna berichtet Nicol. 
Damasc. v. Caes. 22, 1 (FHG ILT 442), er habe 
die Zuriickberufung der von Caesar bestraften 
Volkstribunen L. Caesetius Flavus und L. Epi- 



Cirmas sucht man sowohl bei Autoren, die seiner 10 dius Manillas veranlasst, aber er verlegt diesen 



Zeit nahe stehen, wie Cicero, als auch bei Appian, 
der die Hauptquelle far seine Geschichte ist, ganz 
vergeblieh. Nur Appian. I 64 (d. h. wohl Posei- 
donios, vgl. Arnold Jahrb. f. Philol. Suppl. XIII 
105. 110) sagt von seinen Motiven, man glaubte, 
er sei von den Demokraten mit 300 Talenten be- 
stochen worden, was Mommsen E.G. II 305 
als bezeichnend ftir den Mann ansieht, auch wenn 
es nicht wahr sein sollte. Im ganzen liegt fiber 



Antrag nocli unter Caesars Regiemng, was nicht 
riehtig ist (vgl. Bd. Ill S. lSlOf. Nr. 4). Im 
December lobte Cicero (Phil. Ill 26) den Cinna. 
in iibertriebener Weise, weil er die ihm von An- 
tonius angebotene Provinz zuriickwies. Hula 
(Arch.-epigr. Mitt. XV 28) findet ihn wieder in 
einena Arvalen L. Cinna unter Augustus ; da aber 
die Ansetzung des Fragments der Arvalacten, in 
welchem sich dieser Name findet, auf das J. 733 



Cinnas PersCnlichkeit ein auffallendes Dunkel. Er20=21 Bedenken unterliegt, so bleibt auch die 



war vermahlt mit einer Annia (Veil. II 41, 2, s. 
o. Bd. I S. 2310 Nr. 101) ; seine Kinder sind 
Nr. 107. 413. 414. 

107) L. Cornelius Cinna, Sohn von Nr. 106, 
schloss sich noch sehr jung im J. 676 = 78 dem 
M. Aemilius Lepidus an, der die sullanische Ver- 
fassung umzustossen unternahm (Bd. I S. 554f. Nr. 
72), und fluchtete nach dessen Untergange mit 
anderen seiner Anhanger zu Sertorius nach Spanien 



Identification zweifelhaft (vgl. Mommsen und 
Hiilsen Ephem. epigr. VIII p. 304. 316. 318, 
auch Bormann Festschr. f. 0. Benndorf 281. 
282, 1). Cinna war vermahlt mit Pompeia, einer 
Tochter des Cn. Pompeius Magnus, denn sein 
Sohn Nr. 108 wird als dessen Enkel bezeichnet 
(vgl. Fasti Cap. 758. Sen. de clem. I 9, 3. Dio 
LV 14, 1). [Miinzer.] 

108) Cn. Cornelius Cinna Magnus, a) Name. 



Eine von Caesar, seinem Schwager, unterstutzte 30 On. Cornelius L. f. Magni Pompei n. Ginna 



Lei Plautia gestattete ihm, wahrscheinlich 681 
= 73, die Kuckkehr nach Eom (Suet. Caes. 5). 
Aber erst im J. 705 = 49 hob Caesar das Gesetz 
auf, das den Nachkommen der von Sulk Geaeh- 
teten die Fahigkeit zur Bekleidung von Amtern 
genommen hatte (vgl. Mommsen St.-E. I 493), 
und dnrch das bisher auch Cinna von solchen 
ausgeschlossen war. Nun gelangte dieser 710 
= 44 zur Praetur. Aber obgleich er mit Caesar 



Magfnua) CIL 12 p. 29 Fasti cos. Capitol.; TV. 
KoQvrjhog A . vl. Klvvag Mayvoq Dio ind. 1. LV ; 
rvoXos EoQvrjhog Dio LV 14, 1 ; (Cn. Cornelius) 
Magnus CIL VI 1961; Cn. Cinna Magnus II 
1343. VI 851. 10294; On. Cinna 12 p. 68 Fasti 
Gabini. VI 31701. Cassiodor. ; L. Cinna Sen. de 
clem. I 9, 2. 6 (irrig); Cinna Sen. de benef. IV 
30, 2; Magnus Pompeius Fasti Hydat; Magnus 
sonst in den Fasten, b) Leben. C. war der Sohn 



verwandt und ihm zu Dank verpflichtet war , er- 40 des Vorhergehenden und der Pompeia, der Toch 



schien er nach dessen Ermordung am 15. Marz 
zuerst von alien Magistraten bei den Verschwo- 
renen, legte sein Amtsgewand ab, weil es ihm 
von einem Tyrannen verliehen sei, schmahte von 
der Eednerbiihne aus den Toten, pries seine MOrder 
und forderte das Volk, freilich vergeblieh, auf, 
sie zu ehren (Val. Max. LX 9, 1. Suet. Caes. 85. 
Plut. Brut. 18, 4. 20, 4. Appian. bell. civ. II 
121). Ungenau ist dagegen die Angabe, er habe 



ter des grossen Pompeius (Fasti Cap. Sen. de 
clem, I 9, 3. Dio LV 14, 1). Seine Schwester 
war vielleicht (Cornelia) Magna (Nr. 440). Im 
Biirgerkriege (wohl dem zwischen Augustus und 
Antonius 722—724 = 32—30) focht er gegen 
Augustus; trotzdem gab ihm dieser nach dem 
Siege sein Vermogen heraus und verlieh ihm ein 
Priesteramt (Senec. a. a. O. I 9, 8. 11; de benef. 
IV 30, 2). Aber der vornehme, reiche und per- 



zu den Verschworenen gehort und an ihrer That 50 sOnlich angesehene Mann fiihlte sich, wie es scheint 



teilgehabt (Plut. Caes. 68, 2. Dio XLIV 50, 4, 
daraus Zonar. X 12). Am 17. Marz begab er 
sich wieder in seiner Amtstracht zu der Senats- 
sitzung in den Tellustempel ; unterwegs erkannte 
ihn die Menge, unter der viele Veteranen Caesars 
waren, und verfolgte ihn, wutend iiber sein Ver- 
halten, mit Steinwfirfen ; er fluchtete in ein Haus 
und ware bier verbrannt worden, wenn ihn nicht 
M. Lepidus geschutzt hatte (Appian. II 126, vgl 



als Erbe der Machtanspruche des pompeischen 
Hauses (dafur spricht auch, dass er in seiner 
vollstandigen Namensangabe nicht Cinna, sondern 
Pompeius als Grossvater nennt). Wahrend Au- 
gustus in Gallien weilte (738—741 = 16 — 13V 
stiftete er eine VerschwOrung gegen dessen Leben 
an, die jedoch im Keime erstickt wurde (die Zeit- 
angabe enthalt Senec. 9, 2; Dio hat die Ge- 
schichte der VerschwOrung beim J. 4 n. Chr. er- 



137; Plut. Brut. 18, 4 erzahlt Ahnliches schon 60 zahlt, weil C. in diesem zum Consul designiert 

beim 15. Marz). Aufs hochste stieg dann die ' ' " ~ ' 

Wut des Volkes gegen Cinna bei Caesars Be- 
stattung; es stiirzte sich auf den zufallig des 
Wegeskommenden Volkstribunen C. Helvius Cinna, 
der Caesar ergeben war und von Plut. Brut. 20, 
4 ; Caes. 68, 2 fur den Dichter gleichen Namens 
gehalten wird, und indem es glaubte, den ver- 
hassten Cornelius Cinna vor sich zu haben, horte 



wurde; nach Senecas Bericht scheint es, als ob 
C. den Kaiser nach Gallien begleitet hatte). Auf 
Anraten der Livia verzieh ihm Augustus aber- 
mals und begnugte sich, ihn persOnlich zur Eede 
zu stellen ; er gewann ihn dadurch so sehr, dass 
C. ihm fortan treu ergeben blieb f Senec de clem. 
I 9. Dio LV 14—22 ; beide Darstellungen gehen 
vermutlich auf dieselbe rhetorisierende Quelle zu- 



1289 



Cornelius 



Cornelius 






ruck). Im J. 5 n. Chr. bekleidete C. den Jahres- 
■consulat mit L. Valerius Messalla Volesus (Senec. 
I 9, 12; de benef. IV 30, 2. Dio LV 22, 1. 3; 
■die anderen Belegstellen s. o.); die beiden Con- 
suln blieben bis 1. Juli im Amt (Fasti Cap.). 
Als C. starb, hinterliess er Augustus als alleinigen 
Erben (Sen. 19, 12); er ist also vor dem J. 14 
(dem Todesjahre des Augustus) und als letzter 
seiner Familie gestorben. Der Name Cornelius 
Cinna findet sich auch CIL II 3425. 5525. IX 10 
477 bei Leuten, die nicht der Nobilitiit ange- 
hCren. 

109) Sex. Cornelius Sex. f. FalfernqJ Cle- 
mens (nach der Tribus zu schliessen, ein Italiker, 
vgl. Kubitschek Imp. Eom. tributim discr. 270), 
oo(n)s(ularis) et dux trium Daeiarum (CIL VIII 
9365, vgl. Ephem. epigr. V 967 = Dessau 1099 
Caesarea) im J. 170 n. Chr. (CIL III 7505 = 
Dessau 2311 Troesmis). Er war in der Statt- 
halterschaft Daciens der Nachfolger des M. Clau- 20 
dius Fronto, der wahrscheinlich im J. 170 fiel 
(s. o. Bd. Ill S. 2722 Nr. 157). Noch wahrend 
des ersten Markomannenkrieges (166 — 175) ver- 
weigerte C. dem vandalischen Stamme der As- 
dinger Wohnsitze in Dacien ; dies filhrte zu Kam- 
pfen zwischen Asdingern, Kostoboken und La- 
kringern, die mit Beunruhigung der Provinz ver- 
bunden waren und damit endeten, dass die As- 
dinger gegen das Versprechen der Heeresfolge 
dennoch (ob noch von C?) Sitze in Dacien er-30 
hielten (Dio LXXI 12, If.; an der Identitat des 
dort genannten KXrjfitjs mit C. ist nicht zu zwei- 
feln). Vgl. Heberdey Arch.-epigr. Mitt. XIII 
1890, 186ff. Jung Fasten d. Prov. Dacien 19. 
v. Domaszewski Heidelb. Jahrb. V 1895, 1241 
Sehmsdorf Germanen in den Balkanlandem 
1899, 51f. EappaportEinfalle der Goten 1899, 14. 

110) Cn. Pinarius Cornelius Clemens s. Pi- ^ 
narius. [Groag.] g 

111) Cornelius Cossus. Von der Schlacht am 40 £ 
See Eegillus 259 = 495, in der A. Postumius als 
Dictator die ROmer anfiihrte, erzahlt Floras I 
5, 3: Cossus equitum magister exuere frenos 
imperavit — et hoc novum — quo aerius _ in- 
currerent ; ebenso ohne den Namen des Magister 
equitum Auct. de vir. ill. 16, 2. Bei Liv. II 19, 
3 und Dionys. VI 2, 3 heisst der Keiteroberst 
vielmehr T. Aebutius (vgl. Bd. I S. 443 Nr. 15), und 
die Anwendung derselben Taktik wird von Liv. 
IV 33, 7 und die einer anderen zu demselben 50 g 
Zwecke von Frontin. strat. II 8, 9 dem Magister 
equitum A. Cornelius Cossus Nr. 112 im Fidenaten- 
kriege von 328 = 426 zugeschrieben. Es liegt 
also hier eine Verweehslung oder absichtliche Ver- 
doppelung der Erzahlung vor. 

112) A. Cornelius Cossus, wahrscheinlich Vater 
von Nr. 116 und 119 und demnach selbst M. f. 
(s. die Stammtafel S. 1290), war Consul 326 = 428 
(Liv. IV 30, 4. Cassiod. Dionys. XII 6 [wo dimsoor 
v.-zazevovTos sich auf seinen Collegenbezieht]. Diod. 60 
XII 75, 1. Chronogr. Idat. Chron. Pasch.) und 
Tribunus militum consulari potestate 328 = 426 
(Liv. IV 31, 1. Diod. XII 80, 1. Chronogr.). 
Er erwarb sich hohen Ruhm dadurch, dass er als 
Feldherr personlich im Zweikampf den Veienter- 
konig Lars Tolumnius iiberwand und dessen Eii- 
stung als Spolia opima dem Iupiter Feretrius 
weihte, was vor ihm Romulus in der Sagenzeit 



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Cornelius 



Cornelius 



1292 



und nach ihm in historischer Zeit nur M. Mar- 
cellus thaten (s. o. Bd. Ill S. 2739). Livius 
IV 19, Iff. {omnes ante me auctores seoutus) 
giebt an, dass C. diesen Sieg im J. 317 = 437 
als Kriegstribun unter dem Dictator Mam. Aemi- 
lius (Bd. I S. 570 Nr. 97) erfocht, und IT 31, 
5ff., dass er im J. 328 = 426, in dem er Consular- 
tribun war, von demselben Dictator zum Magister 
equitum ernannt worden sei und mit ihm einen 
neuen grossen Sieg uber die verbiindeten Veienter 
und Fidenaten davontrug. Von anderen Autoren 
bezeichnen den Cossus zur Zeit seines Zweikampfes 
Dionys. XII 5 als iiliaoxog, Serv. Aen. VI 841 
als tribunus militum, wozu der sog. Interpolator 
consvlari potestate fiigt, dagegen Val. Max. Ill 
2,4 als Magister equitum, Auct. de vir. ill. 25, 
1 als Magister equitum des Dictators Quinctius 
Cmcinnatus (vgl. Frontin. strat. II 8, 9 : Cossus 
Cornelius mag. equ. adversus Fidenates). Dio- 
dor. XIT 80, 7 weiss nur von einer unentschie- 
denen Schlacht gegen die Fidenaten im J, 328 
= 426, woran Cossus als Magister equitum des 
Dictators Aemilius teilnahm. Aber Livius IV 
20, 6f. fiigt seinem Bericht die Bemerkung hin- 
zu: Erstens habe Cossus, wenn er nicht selbst 
der Feldherr der Eomer war, nicht die rich- 
tigen Spolia opima darbringen konnen; zwei- 
tens: titulus ipse spoliis inseriptus illos (scil. 
auctores) meque arguit consulem ea Cos sum 
cepisse. hoc ego cum Augustum Caesarem, tem- 
plorum omnium conditorem ac restitutorem, in- 
gressum aedem Feretrii Iovis, quam vetustate 
dilapsam refeeit, se ipsum in thoraee linteo 
seriptum legisse audissem, prope sacrilegium 
ratus sum Cosso spoliorum suorum Caesarem, 
ipsius templi auetorem, subtrahere testem. Da- 
mit stimmt Pest. p. 189 uberein, und es ist damit 
zu vergleichen die bei Plut. Eom. 16, 33ff. zu 
Grunde liegende Anschauung, Cossus habe da- 
mals triumphiert, denn dies war nur einem Ma- 
gistrat mtiglich. Die Gewahrsmanner dieser drei 
Stellen, der Augenzeuge Augustus und die grossen 
Altertumsforseher Verrius und Varro, stehen also 
in einem gewissen Gegensatz zu der annalistischen 
Tradition. Die Angabe des Floras I 12, 9 scheint 
zwar der plutarchischen verwandt zu sein, ist aber 
wohl nur durch ungeschickte Zusammenziehung 
der livianischen entstanden; ohne selbstiindige 
Bedeutung sind endlich Ovid. frg. 3 bei Priscian. 
V 13 p. 149, 13 adn. Hertz. Manil. astron. I 788. 
Plut. Marcell. 8, 6. Ampel. 21. Serv. Aen. VI 855. 
859 und die ganz frei gestaltete poetische Dar- 
stellung bei Propert. V 10, 23ff. Eine eingehende 
Priifung der Berichte hat Mommsen Rom. Forsch. 
II 236ff. gegeben ; man wird mit ihm trotz aller 
ELnwendungen (vgl. Schwegler Pi. G. Ill 199 
Ihne E. G. 12 224) daran festhalten durfen, dass 
die Inschrift des Panzers den meisten Glauben 
verdient^ nnd dass Cossus in der That als Consul 
die Spolia opima errungen hat. Erst verhaltnis- 
massig spat ist die Uberlieferung von seiner Hel- 
denthat mit der der altesten Annalen in Zu- 
sammenhang gebracht worden. Diese wussten 
nichts mehr von einem Kriege wiihrend seines 
Consulate und wenig Gutes von dem wiihrend 
seines zweiten Magistratsjabres. Daher liess man 
ihn, ahnlich wie andere Helden, Valerius Corvus, 
Manlius Torquatus, Scipio Aemilianus, den Kampf 



als Kriegstribun bestehen, und als geltend ge- 
macht wurde, dass nur ein Magistrat die Spolia 
opima darbringen konnte, wurde der Zweikampf 
in das zweite Aintsjahr verlegt, die Dictator viel- 
leicht verdoppelt, damit Cossus als Magister equi- 
tum auftreten konnte, und der Pidenatenkrieg 
zum Kriege mit Veii und Pidenae erweitert. Viel- 
leicht hat gerade der Dichter (Propert. a. 0.) 
das Eichtige geahnt, indem er den Zweikampf 
10 bei der Belagerang Veiis stattfinden liess. trber 
einen anderen Zug der Uberlieferung von Cossus 
vgl. Nr. 111. Moglicherweise ist er der Ober- 
pontifex A. Cornelius, den Liv. IV 27, 1 im J. 323 
= 431 nennt (Nr. 13). 

113) A. Cornelius Cossus war Consul 341 = 
413 nach Liv. IV 51. 1, wiihrend Diod. XIII 43 7 
1 Mixqxos KoQvrjXiog und Cassiod. M. Cornelius 
geben(Chronogr.: Cosso). WelcherVornamerichtig 
ist, lasst sich nicht mit voller Sicherheit ent- 

20scheiden, obgleich das Praenomen M. bei dem 
Zweige der Cossi sonst nicht nachweisbar ist. 
Wenn der Consul A. hiess, so kann er mit Nr. 112 
oder 114 identiflciert werden; Borghesi Oeuvres 
IX 145 halt ihn vielmehr fiir [einen Sohn von 
Nr. 112. 

114) A. Cornelius Cossus, vielleicht identisch 
mit Nr. 113, wurde nach Livius (VI 11, 10—13, 
8) 369 = 385 zum Dictator ernannt und erfocht 
im pomptinischen Gebiet einen grossen Sieg iiber 

30 die Volsker, der ihm einen Triumph eintrug (ebd. 
16, p). Der Kern dieser Erzahlung ist wohl hi- 
storisch, denn in diesem Jahre wurde Satricum 
zur Colonie gemacht und bald darauf das ganze 
pomptinische Land von Eom in Besitz genommen 
(vgl. Mommsen E. G. I 345). Der Dictator 
wurde nach Eom gerufen wegen der Unruhen, 
die M. Manlius Capitolinus erregte ; er zog diesen 
zur Verantwortung und liess ihn verhaften, aber 
der allgemeine Unwille und die drohende Stim- 

40mung des Volkes nOtigten den Senat, schliess- 
lich Manlius aus dem Gefangnisse zu entlassen. 
Dies berichtet ausfiihrlich Liv. VI 14, 1. 15, 1 
— 17, 6. 18, 4, und die Einkerkerung und Frei- 
lassung des Manlius kennen auch Plut. Camill. 
36, der an Stelle des Cossus einen Dictator Quinc- 
tius Capitolinus nennt, und Auct. de vir. ill. 24, 
6, der keine bestimmte Personlichkeit als Gegner 
des Manlius nennt. Die Katastrophe des Em- 
powers verlegen die Berichte allgemein ins fol- 

50 gende Jahr unter die Dictator des Camillus, aber 
da dieser gewiss erst infoige tendenziBser Erfln- 
dung dem Manlius gegeniibergestellt wurde, so 
ist es nicht unmoglich, dass nach der echten Tra- 
dition Cossus es war, der als Dictator diesen 
Erhebungsversuch der Plebs durch Festnahme und 
Verurteilung des Fuhrers gewaltsam unterdrikkte 
(vgl. Mommsen Eom. Forsch. II 187f. 190f.). 

115) A. Cornelius Cossus, Tribunus militum 
consulari potestate 385 — 369 ( n. Cossus 

60 Fasti Cap.; A. Cornelius Liv. VI 36, 6; Av/.og 
Koovip.we Diod. XV 77, 1) und 387 = 367 ([, . . . 
CJossus II Fasti Cap.; Cosso II Chronogr.; i. 
Cornelius II Liv. VI 42, 3; bei Diod. fehlen 
die Tribunen dieses Jahres). 

116) Cn. Cornelius Cossus, A. f. M. n. (Fasti 
Cap.), Tribunus militum 340 = 414 (Cn. Cor- 
nelius Cossus Liv. IV 49, 7; raws Koovrf/.wg 
Diod. XIII 38, 1) und Consul 345 = 409 ([Cor- 



1293 



Cornelius 



Cornelius 



1294 



neliujs A. f. M. n. Cossfujs Fasti Cap. ; Cosso 
Chronogr.; Cosso Idat. ; Kaooov Chron. Pasch.; 
Cn. Cornelius Cossus Liv. IV 54, 1 ; rvaiog Hoy.- 
nrjio? Diod. XIII 80, 1). Tiber die kriegerischen 
Ereignisse dieses Jahres und den Anteil des Con- 
suls an ihnen stimmten die einzelnen Annalisten 
nach Liv. TV 55, 8 nicht uberein; was er als 
gesicherte Thatsachen angiebt, beweist nur, dass 
der Krieg gegen die Volsker damals mit wech- 
selndem Gliick fortgesetzt wurde. 

117) Cn. Cornelius Cossus, als P. f. A. n. 
(Fasti Cap.) vielleicht Sohn von Nr. 118, Halb- 
bruder des P. Licinius Calvus, der 354 = 400 
als erster Plebeier zum Militartribunat gelangte 
(Liv. V 12, 12), Tribunus militum consulari po- 
testate 348 = 406 ( Cossus Fasti Cap. ; Cn. 

Cornelius Cossus Liv. IV 58, 6. 59, 1 ; bei Diod. 
XIV 12, 1 ist der Name nur zufallig ausgefallen, 
weil der Gentilname zweimal in der Liste vor- 



halten. Nach der Darlegung Mommsen s (Eom. 
Forsch. II 222ff.) verdienen hier Diodors Fasten 
unbedingt den Vorzug vor alien anderen, und dem- 
nach war Ser. Cornelius Cossus in diesem Jahre 
Kriegstribun. 

122) A. Cornelius Cossus Arrina soil nach 
den Acta triumph. P. f. A. n. gewesen sein, so 
dass er trotz des grossen Zeitabstandes fur einen 
Sohn des P. Cornelius Cossus Nr. 119 gehalten 
10 werden miisste. Nach Livius, der ihn im siebenten 
Buche stets A. Cornelius Cossus nennt, war er 
im J. 401 = 353 Magister equitum des Dictators 
T. Manlius und noch einmal im J. 405 = 349 
(VII 19, 10. 26, 12) ; in den Fasti Cap. ist zu dem 
letzteren Jahre nur der Titel, nicht der Name 
des Eeiterobersten erhalten. Im J. 411 = 343 
war C. Consul mit M. Valerius Corvus (Liv. VII 
28, 10 ; Namensform: A. Cornelius Cic. de div. 
I 51. Liv. X 31, 10. Cassiod.; Avlog Kogvrjfaog 



kommt), 350 = 404 {[. . . Cosjsus II Fasti Cap. 20 Died- XVI 77, 1; Cornelius Cossus Auct. de 

Liv. TV 61, 4; bei Diod. XIV 19, 1 nochmals ~ : - : " aa 1 - "— r " nu rL "— ™~* • 

derselbe Fall) und 353 = 401 (J On. CJornelius 
P. f. A. n. Cossus III Fasti Cap. ; On. Cornelius 
Cossus II Liv. V 10, 1 ; ZVafoff KoQvrjhog Diod. 
XIV 44, 1). In diesem Jahre untemahm er einen 
Eaubzug ins Gebiet von Capena (Liv. V 12, 5) 
und bewilligte den Eeitern den dreifachen Sold 
der Fusssoldaten (ebd. 12). 

118) P. Cornelius Cossus, Tribunus militum 



vir. ill. 26, 1; Cosso III Chronogr.; Cbscoldat.; 
Kooxov Chron. Pasch.). Dieses Jahr ist das erste 
des sog. ersten Samniterkrieges; nach dem Bericht 
der rOmischen Annalen wurde C. damals in Sam- 
nium eingeschlossen und durch die heldenmiitige 
Aufopferung des Kriegstribuns P. Decius Mus aus 
der Gefahr befreit; darauf erfocht er einen grossen 
Sieg und konnte auf Grand dessen ebenso wie 
sein College fiber die Samniten triumphieren. Den 



339 = 415 (P. Cornelius [- fj P. n. . . . Pasti 30 ausfiihrlichsten und _ zusammenhangendsten Be- 



Cap. ; Cosso Chronogr. ; P. Cornelius Cossus Liv, 
IV 49, 1 ; Iloxhos Ko S v^hos Diod. XIII 34, 1) 
Wenn Cn. Cornelius Cossus Nr. 117 mit Eecht 
fiir den Sohn dieses P. gehalten wird, so ist der 
Vorname seines Vaters in den Fasti Cap. A. zu 
erganzen. Die Identitat mit Nr. 119 schliesst die 
Verschiedenheit der Grossvater aus. 

119) P. Cornelius Cossus, A. f. M. n. (Fasti 
Cap.), also Sohn von Nr. 112, Tribunus militum 
consulari potestate 346 = 408 (. . . . A. f. M. n. 
Cossus Fasti Cap. ; Cosso Chronogr. ; P. Cornelius 
Cossus Liv. IV 56, 2 ; Ilovahog Eoov^Xiog Diod. 
XIII 104, 1), soil sich mit seinem Amtsgenossen 
C. Iulius der Absicht des Senates, einen Dictator 
zu ernennen, heftig widersetzt haben (Liv. IV 56, 
9—57, 6). 

120) P. Cornelius Cossus, Tribunus militum 
consulari potestate 359 = 395 (. . . . Cossus Fasti 
Cap. ; Cosso Chronogr. ; P. Cornelius Cossus Liv. 



richt daruber giebt Livius VII 32, 2/34, 1—3. 36, 
10-37, 3, vgl. X 31, 10; Dionys. XV 10 erwahnt 
den raschen Einmarsch des KoQvrjhog in Samnium ; 
andere Berichte sprechen nur von der Helden- 
that des unter ihm stehenden Decius (Cic. de 
div. I 51 [A. Cornelius]. Plin. n. h. XVI 11. 
Frontin. str. 15, 14 = IV 5, 9. Auct. de vir. 
ill. 26, 1 [samtlich: Cornelius Cossus]). Den 
Triumph verzeichnen Liv. VII 38, 3 und Acta tr.: 
A. f. M. n. 40 [A. Corjnelius P. f. A. n. Cossus Arvina an. 
CDX [c]os. de Samnitibus VIII k. Oct. Unsere 
beste Quelle, Diodor, weiss von diesen Begeben- 
heiten gar nichts, und es ist namentlich seit den 
Bemerkungen Mommsens (E. G. I 3551 Anm.) 
niemandem mehr zweifelhaft, dass die ganze Dar- 
stellung der Annalen von diesem Kriegsjahr und 
von dem Samuiter- und Latinerkriege iiberhaupt zu 
verwerfen ist. Eine neuerdings gefundene Zeit- 
tafel (The Oxyrhynchus Papyri I 26 nT. XII) 



V 24, 1—3; Iloxfoog xai Kogvrihog Diod. XIV 50 bietet uber diese Kampfe folgende Angaben: zu 



94, 1 nach dem Cod. Patm. fur die beiden P 
Cornelii, die damals Tribunen waren, Cossus und 
Scipio). Borghesi (Oeuvres IX 213) weist auf 
die MOglichkeit bin, dass dieser P. Cossus ein 
Sohn des gleichnamigen Nr. 118 sein konnte ; wer 
dies annimmt, muss aber wohl die andere Ver- 
mutung fallen lassen, dass Cn. Cossus Nr. 117 
es gleichfalls ware, da dieser dem Praenomen 
nach jiingere Sohn viel fruher zum Tribunat ge- 
langte als P. 

121) Ser. Cornelius Cossus. Uber die epo- 
nymen Magistrate des J. 320 = 434 war die romi- 
sche tTberlieferung nicht einig, wie Liv. IV 23, 
If. unter Berufung auf Macer, Antias und Tubero 
zugesteht. Nach Diodor. XII 53, 1 wurden drei 
Tribuni militum consulari potestate gewahlt, da- 
runter SeQOv[/.]iog Kogrrj/.tog Kooaog , und dessen 
Cognomen Cosso ist auch beim Chronogr. er- 



01. 110, 1 (414 = 340) [Za]vveTxat [To>pa]i[oi]g 
^[a S ]e[ra]iavTO (Col. II 24f.); ZU 01. 110, 2 (415 
— 339) Aavet[vot J.Tt roiijg 'Pm[fi]aiovg avv- 
[ozdvicg ijxepijoav (Col. II 26—28) .... tore 
xai 'PoifiaTot s~ii Aaxtivovg eatQatevaav (Col. Ill 
7f.). Die abweichende Ansetzung des Samniter- 
krieges, die sich hier findet, liesse sich allenfalls 
aus dem chronologischen System der Tabelle er- 
klaren, aber ganz im Widerspruch mit Livius ist. 
60 dass hier fiir den Samniterkrieg nur ein Jahr 
gerechnet und der Latinerkrieg unmittelbar dar- 
auf ins folgende gesetzt wird. Das beweist jeden- 
falls, dass es in den antiken Darstellungen dieser 
Periode gr6ssere Differenzen gab, als die bisher 
bekannten, und ist ein neuer Beweis gegen 
die Glaubwiirdigkeit der livianischen. Die An- 
gaben der Zeittafel gehen vielleicht auf eine Tra- 
dition zuriick, die zwischen Diodor und Livius 



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Cornelius 



1296 



s»<nsss^^a^s gs? seines *"**"** CIL m 553 

Sod'xvn 11 ^ 17 !'- \H^fYrA U0S K ° e% t Wg B 125) Ei " Cornelius Dester ist S™* in dem 
Idaf k/L rw t ^ n , Gh ™™g*-; Cosso Fragment einer Namensliste, Bull. com. 1877 

£iv ym 17 U mefdet f^ktZ- 77 i ahre 3 °' 7 a ° sc . heilie ^ Mannner senatorischen Ranges 

Arvina als Dictator mit dem Reiterobersten m! Hadrit^eil^k" fe)^£trie &£ 
in welche, die Reiterei LTn^Sn^S ^ 2^r^ir£SSr 

aamnuen, me eDenso Dio Irg 33, 8 und Appian. und bisheriger Untersrebener P Blaesinq FpUt 
Samn. 4 1 berichten, ls t auch nach Zonar. VII 20 ffcnforfo, 4- // S2 LXhf seiner 
26 ie Folge der ihnen *^ l^A* ^jl™ Vaterstadt Saldae , deren Patron J? auch war 

£l£e?SSetSg^die^^ r^^S^^r-^ 
rischen Ereigni.se sind **fa^£S£Z, ^ £L*£ £ %T£™ ^t~VS 

uer iviage, aass nier merits leststehe und offenbar und desaen Sohn .sw n n ™„i ; o * T 

^w£L™^^ in de » Tempel schaffen, 

tfe Samnitibus triumphasse ; Fabium etiam in 127) Cornelius Dolabella h P i 7n„ir e T T J « 

ApuUam processisse atque ife magna, praedas t^hLTS^S^m^heimor 

Wsse ^c&screpat, qu in dictator eo anno A. I 45, 8 fur T. Labienus ? rMunzer 

Cornehus fuerti; id ambigitur, belline gerendi 128) (Cornelius) Dolabella Unter to ert in 

causa creatus sti, an u esset qui ludis Bomanis, der jungeren Recension des Lmatischen CorU 

qmaL. Plauhus praetor gravi morbo forte im- (Hss. PO) hinzugekommenen ^Sen X 

phcitus eraf, signum rmttendis quadrigis daret Lrzes Excerpt f . 302-304 die UberSrift el 

functmqm eo hand sane memorandi imperii libris Dolabellaef S . Label -Art Gromatici und 
mm^terto se dtctaturaabdicaret. Gerade well 40 fiber die geringe Zuverlas Lie i lL™rVe\L™r 

die Ernennung ernes Dictators aus so gcring- angaben vorlaufigMommse . RheinTahrb XCVI 

fugiger Ursache kaum erwahnenswert war, darf 1895, 283ff. S rwtnwa 1 

man den Quellen, die sie trotzdem berichteten, 129) (Cornelius) Dolahplla in kZ r ?Z J 

i™ T \ki ] in I ^ T h T S ^ Consuln Des gl«*en durften der Praetor R CornXs P 

m J 434 = 320 den Sammten uberhefern sollte, f. Dolabella, dem die Athener eine Statue setzten 

als der Senat den von ihnen geschlossenen Ver- (CIA TTT wri nJnn/wnT, 7 r 

tras verwarf Spin <^nT,n P r~„ : ■ a ■ ^ . &yi ^' ™ d ^o[laJbel[laJ leg(atus) hm- 

mg^verwart. bem bohn P. Cornelius Arnna p(eratoris)J Caesaris Augfusli, seit 27 v. dhr./ 

123)_ Cornelius Culleolus sagte die Scbrecken °°S (iLG^SSle^A.'SSS H S^ 

^i^cSii-^^^ ^ftSrU-ajen^S 

124) Cornelius Dpt^v ,,.„r /, U "- Zer J , f a , sten als P - /• p - «• bezeichnet wird, und der 
,,. *-*J wrneims Uextei, procurator)] Oal- Sohn des P. Dolabella cos 44 v fhr <\r uiv 
ff«™& e/ ©.yi^an,*?;, erwahnt in der die Annahme, Sfer Mt dem cos 10 ri. Si 



1297 



Cornelius 



Cornelius 



1298 



1 



identisch sei, ist abzulehnen; vgl. Klebs Prosop. des Quaestors als Proquaestor zur Seite stand, un- 

I 443 nr. 1089. _ [Groag.] gestraft geschehen und nahm selbst daran nicht 

131) Cn. Cornelius Dolabella, Rex sacrorum geringen Anteil. Er wurde deshalb nach seiner 
von 546 = 208 bis zu seinem Tode 574 = 180 Euckkehr von M. Aemilius Scaurus (Bd. I S. 588 
(Liv. XXVII 36, 5. _ XL 42, 8). Nr. 141) wegen Erpressungen angeklagt und ver- 

132) Cn. Cornelius Dolabella Cn. f. Cn. n. urteilt. Am meisten trug zu seiner Verurteilung 
(Fasti Cap.) war curulischer Aedil 589 = 165 die Treulosigkeit des Verres bei, der dem Gegner 
(Terent. Hecyr. tit.) und Consul 595 = 159 (Fasti das Material zu seiner Anklage lieferte und selbst 
Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Cassiod. Suet. als Belastungszeuge auftrat, um auch alle seine 
vita Terent.). Unter seinem Consulat wurde ein 10 eigenen Siinden dem Statthalter aufzubiirden. 
neues Gesetz iiber Ambitus erlassen (Liv. ep. Dieser ging in die Verbannung und liess seine 
XLVII, vgl. o. Bd. I S. 1801). Familie arm zuriiek (Cic. Verr. I 11 41ff 44ff 

133) Cn. Cornelius Dolabella, frater des L. 63. 72ff. 77. 90. 95ff. II 109. HI 177. Ascon. 
Appuleius Saturninus, also dessen Halbbruder p. 23. 65. Pseudo-Ascon. u. a. Scholiasten p 110 
oder Vetter, wurde mit ihm im J. 654 = 100 127. 129. 169. 181. 383. 387. 390 Or vgl 
getotet (Oros. V 17, 10). Drumann G. R. II 562, 8). Iuvenal sat.' VIII 

134) Cn. Cornelius Dolabella, von Drumann 105 nennt Dolabella als Typus eines raubgierigen 
(G. R. II 561) fur den Sohn des Vorigen gehalten, Statthalters und denkt wohl ebenso an diesen 
stand im Biirgerkriege auf der Seite Sullas, riet Dolabella, wie an Nr. 134 und 141. [Miinzer.] 
ihm im J. 672 = 82 von dem Sturm auf Rom 20 136) Cn. Cornelius Dolabella. a) Name. Das 
ab und fiihrte eine Zeit lang seine Flotte (Plut. Praenomen On. findet sich nur bei Sueton (Galba 
Sulla 28, 7. 29, 7; comp. Sull. et Lys. 2). Zum 12); man darf vielleicht zweifeln, ob es dasrichtige 
Lohn erhielt er von ihm das Consulat filr 673 = ist. Da C. mit Petronia vermahlt war (s. u ) 
81 (Fasti Cap. [erhalten nur: Cn. G. ...]. Chronogr. ist Ser. Dolabella Petronianus cos. 86 (Nr. 147) 
Idat. Chron. Pasch. Cic. leg. agr. II 35. Gell. gewiss sein Sohn gewesen; er selbst war der Sohn 
XV 28, 3. Appian. b. c. I 100) und verwaltete oder Enkel des P. Dolabella cos. 10 (Nr. 143). 
darauf die Provinz Makedonien, aus der er 676 = Hiess er nun Publius, so ist die Genealogie des 
78 als Tnumphator, jedenfalls infolge glucklicher Ser. Cornelius Ser. f. P. nep. P. prcmep. P. 
Kampfe mit den Thrakern, heimkehrte (Cic. Pis. abnepos Dolabella Metilianus Pompeius Mar- 
44. Suet. Caes. 4). Im folgenden Jahre wurde 30 cellus (Nr. 146) ohne weiteres verstandlich: Ser. 
er von dem juiigen C. Iulius Caesar wegen Er- Dolabella Petronianus war dann dessen Vater 
pressungen vor Gericht gezogen; die Zeitangabe unger (P.) Dolabella sein Grossvater. Halt man 
beruht auf Suet. a. O., wahrend Tae. dial. 34 dagegen das von Sueton iiberlieferte Praenomen 
die Anklage m das 21. Lebensjahr Caesars, also fur richtig, so miisste man annehmen, dass Vater 
675 = 79 setzt, was deshalb bedenklich ist, weil und Grossvater des Metilianus Pompeius Mar- 
iner auch die unmittelbar vorhergehende Angabe cellus sonst unbekannt wiiren; h6chstens konnte 
iiber das Alter des L. Crassus bei seinem ersten man dessen Grossvater mit dem Tac. ann. XI 22 
Process nachweisbar falsch ist (vgl. John z. d. genannten P. Dolabella (Nr. 144) identificieren, 
St.). Die Rede Caesars gegen Dolabella, von der wenn dieser von dem cos. 10 verschieden ist. 
aetionis I lib. I citicrt wird (Gell. IV 16, 8), ist 40 b) Leben. C. war mit Petronia vermahlt, die 
noch spater gelesen und geriihmt worden (Veil. II in erster Ehe mit dem spateren Kaiser A. Vitel- 
43, 3. Ascon. Scaur, p. 23. Tac. a. O. u. a., vgl. lius verheiratet war (Tac. hist. II 64, vgl Suet 
Caesar ed.Kubler III 135f.), aber der Angeklagte Vit. 6). Mit Galba verwandt (Tac. hist. I 88), 
vergalt ihm mit scharfem Holm (Suet. Caes. 49) und erregte er dessen Misstrauen, als ob er die ger- 
wurde ausserdem von den ausgezeichneten Rednern manische Leibwache, die in der Nahe seiner Garten 
0. Aurelms Cotta mid Q. Hortensius verteidigt lag, fiir sich gewonnen hatte (Suet Galba 12; 
(Cic. Brut. 317. Val. Max. VIII 9, 3), so dass der fiber die korti Dolabellae vgl. Gilbert Gesch. 
Process mit seiner Freisprechung endete (Plut. u. Topogr. d. St. Rom III 377, 1). Als Galba 
Caes 4, 1. Suet. Caes. 4. 55. Ascon. Scaur, p. (Anfang 69 a Chr.) mit dem Gedanken der Adop- 
24 ; Cornel, p. 65 u. a. ; falsch Auct. de vir. ill. 50 tion umging, empfahlen ihm einige seiner Freunde 
/8, 2: Caesar Dolabellam iudicio oppressit). den C. (Plut. Galba 23). Daher betrachtete ihn 
\on Ascon. p. 23. 65 wird dieser Dolabella von Otho (seit 15. Januar 69 Kaiser) als Rivalen und 
dem gleichnamigen Nr. 135 sorgfiiltig unter- verbannte ihn nach Aquinum (Tac. hist, I 88. 

ii a« da £ e S en sind beide von Pseudo-Ascon. Plut. Otho 5). Auf die Kunde von Othos Tode 

P ' ®?: 1 S < ? aesar o-Mescem in Dolabella (Mitte April 69) kehrte C. nach Rom zuriiek. 

reo ex Chlicia. qui quidem damnatus est ... . wurde aber infolge einer Anzeige seines ehemaligen 

Scaurus qui alterum Dolabellam consularcm Freundes Plancius Varus, der ihm Aufwiegelung 

trtumphalemque accusavit; vgl. auch Schol. Verr. der in Ostia stehenden Cohort* zur Last legte. 

p. 169 Or.) mit einander verwechselt worden. auf Befehl des Vitellius getfltet (Tac. hist. H 63. 64)! 

180) Cn. Cornelius Dolabella war 673 = SI CO [Groag.] 

Praetor und fallte als solcher ein ungerechtes 137) L. Cornelius Dolabella, Duumvir navalis. 

Lrteil im Process des P. Quinctius mit Sex. Naevius bewarb sich 574 = 180 um die durch den Tod 

(Cic.Quinct.30f.;Cornel.frg.I36beiAscon.p.65). des Cn. Dolabella Nr. 131 erledigte Wurde des 

In den beiden folgenden Jahren verwaltete er die Rex sacrorum; der Pontifex maxirnus C. Servilius 

Provinz Kihkien. Er liess die schamlosen Er- verlangte von ihm gemass den alten Bestim- 

pressungen und Verbrechcn seiner Untergebenen, mungen, dass er vor der Weihe sein Amt nieder- 

des Quaestors C. Malleolus und des C. Verres, legen sollte, C. weigerte sich, und es kam zu 

der ihm zuerst als Legat und nach dem Tode Zwistigkeiten , bis schliesslich die Wahl unter 



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Cornelius 



Cornelius 



1300 



einem Vorwande fiir ungiiltig erklart wurde (Liv. 
XL 42, 8—10, vgl. Mommsen St.-R. I 420f.). 
C. war noch im J. 576 = 178 Duumvir navalis 
und erhielt damals wahrend des istrischen Krieges 
den Auftrag, die Kliste von Ancona bis Tarent 
gegen die lllyrier zu schiitzen (L. Cornelius Liv. 
XLI 1, 3f., vgl. Mommsen a. 0. II 581, 1). 

138) L. Cornelius Dolabella, Praetor und Statt- 
halter des jenseitigen Spaniens, triumphierte nach 
seiner Riickkehr aus der Provinz im J. 656 = 98 
iiber die Lusitaner. Das einzige Zeugnis ist eine 
Stelle der Acta triumph., die erst eradiert und 
dann im Altertum wiederhergestellt worden ist 
(vgl. Henzens Anm. dazu): L. Cornelius P. f. 
L. n. Dolabell. procos. a. DCLV ex Hispania 
ulterior, de Lusitan. V. k. Feb. Die Ausmeisse- 
lung des Namens kSnnte im J. 69 n. Chr. ge- 
schehen sein, vgl. Nr. 136. 

139) P. Cornelius Dolabella war Consul 471 = 
283 (Idat. Chron. Pasch. Cassiod.) und kampfte 
gegen die Kelten. Tiber die Keltenkriege dieser 
Jahre giebt es eine doppelte tFberliefervmg: Po- 
lybios erzahlt, dass von den Semnonen der Con- 
sul Lucius, ohne Zweifel L. Caecilius Metellus 
Denter (o. Bd. Ill S. 1213 Nr. 92), bei Arretium 
geschlagen und getotet wurde, dass dannM'. Curius 
Dentatus an seine Stelle trat, die Semnonen, die 
durch Ermordung seiner Gesandten die ROmer 
noch mehr erbittert hatten, vollstandig besiegte 
und in ihrem G-ebiet die Colonie Sena anlegte 
(II 19, 7—13). Polybios fahrt fort, dass die 
Boier aus Furcht, es drohe ihnen ein ahnliches 
Schicksal, sich im Bunde mit den Etruskern er- 
hoben, aber am vadimonisclien See eine schwere 
Niederlage erlitten und dass sie im folgenden 
Jahre, noch einmal besiegt, endlich Frieden 
schlossen (II 20, 1 — 6). Die chronologischen 
Angaben lassen es als sieher erscheinen, dass 
der Krieg mit den Semnonen ins J. 470 = 284 
gehOrt und der Sieg fiber die Boier und Etrusker 
am vadimonischen See ins J. 471 = 283 unter 
das Consulat Dolabellas (vgl. Mommsen ROm. 
Forsch. II 369f.). In der rQmischen Tradition 
ist die Folge der Ereignisse ganzlich verschoben 
worden: Nach ihr wurde Dolabella gegen die 
Semnonen geschickt, weil sie den Caecilius be- 
siegt hatten, und weil ihr Hauptling Brittomaris 
die rfimischen Gesandten zur Siihne fur seinen 
Vater hatte schlachten lassen; es gelang dem 
Consul, durch den Sieg am vadimonischen See 
seine Aufgabe zu losen und das ganze Volk nicht 
zu unterwerfen, sondern v6llig auszurotten, so dass 
in ihrem verOdeten Gebiet Sena gegriindet wer- 
den konnte. So etwa lautete der Bericht der 
alteren Annalisten, der von Livius (bei Flor. I 
13, 21. Eutrop. II 10 [falschlich On. Dolabella], 
vgl. Oros. Ill 22, 12) und Dionys. XX 13 benutzt 
und von der Vorlage Appians (Samn. 6; Celt. 11), 
bei dem noch der Triumph des Dolabella und 
die Aufffihrung des Brittomaris unter den Ge- 
fangenen enviihnt sind, mehrfach umgestaltet 
wurde (vgl. Mommsen a. 0. 373ff.). Bei diesem 
Stande der Uberlieferung lasst sich jedenfalls 
annehmen, dass Dolabella einen bedeutenden Er- 
folg am vadimonischen See errungen hat, wenn 
er auch nicht der Vernichter der Semnonen ge- 
wesen ist und vielleicht jenen Sieg mit seinem 
Collegen zusammen erfochten haben mag. Als 



einer der bedeutendsten Manner Roms wurde er 
daher im J. 475 = 279 zusammen mit C. Fabri- 
cius und Q. Aemilius Papus wegen der Aus- 
wechslung der Gefangenen zu Kfinig Pyrrhos ge- 
schickt (Dionys. XIX 13). 

140) P. Cornelius Dolabella entschied als 
Praetor 685 = 69 im ersten Rechtsstreit zwischen 
A. Caecina und Sex. Aebutius (Cic. Caec. 23) und 
verwaltete darauf als Proconsul die Provinz Asien. 

10 Die Erinnerung an dieses sein Amt erhalt eine 
Ehreninschrift aus Pergamon, die eher ihm als 
regelmassigen Statthalter gesetzt sein wird, als 
seinem Sohne Nr. 141 wahrend dessen kurzen, 
unrechtm&ssigen und gewaltthatigen Regiments 
(Inschriften von Pergamon II 405), und eine 
Anekdote von einem merkwiirdigen TJrteilsspruch 
des athenischen . Areopags, dem er einen schwie- 
rigen Rechtsfall aus seiner Provinz zur Entschei- 
dung iiberwies (Val. Max. VIII 1 amb. 2; dar- 

20 aus mit Quellenangabe, aber mit Entstellung des 
Praenomens P. in On. Gell. XII 7, Iff.; ohne 
Praenomen Amxnian. XXIX 2, 19; vgl. Momm- 
sen Strafr. 236, 1). 

141) P. Cornelius Dolabella. Hauptquelle fiir 
sein Leben Cicero, dessen Schriften im folgenden 
ohne Autornamen citiert werden. Dolabella war 
Sohn eines P. (Fasti Colot. CIL 12 p. 64), viel- 
leicht von Nr. 140. Nach App. b, c, II 129 war 
er im J. 685 =-69 geboren, was richtig sein kann; 

30 die Bedenken dagegen bei Wegehaupt 4f. sind 
teilweise uhbegrimdet. Schon in seiner Jugend 
machte er sich durch Grausamkeit und Wollust be- 
riichtigt (Phil. XI 9f.) und wurde noch vor dem 
J. 703 = 51 zweimal von Capitalanklagen bedroht, 
bei welchen Gelegenheiten ihm Cicero Beistand 
leistete (ad fam. Ill 10, 5, vgl. VI 11, 1). Mitte 703 
= 51 wurde er Quindecimvir sacris faciundis (Cael. 
ad fam. VIII 4, 1). Anfang 704 = 50 wollte er 
sich nach der Sitte seiner Zeit die Sporen ver- 

40 dienen, indem er einen hervorragenden Mann vor 
Gericht zog; er wahlte dazu den mit Pompeius 
eng verbundenen Ap. Claudius Pulcher, dessen 
Mlikische Statthalterschaft kurz vorher auf Cicero 
iibergegangen war. Dem letzteren und seiner 
Familie hatte sich Dolabella schon seit einiger 
Zeit zu nahern gesucht (vgl. die Anspielungen 
bei Cael. ad fam. VIII 6, 2 und die nach 0. E. 
Schmidt Briefwechsel des Cicero 85f. im Feb- 
ruar oder Marz geschriebene Antwort an Volum- 

50 nius ad fam. VII 32, 3); er hatte wohl des Geldes 
wegen eine weit altere Frau Fabia geheiratet 
(Quintil. inst. VI 3, 73) und schied sich jetzt von 
ihr, um sich mit Ciceros einziger Tochter Tullia 
zu verloben (Cael. ad fam. VIII 6, 1). Nun er- 
fuhr Cicero gleichzeitig von dieser Bewerbung 
und von der Klage gegen Appius durch Caelius 
(ad fam. VIII 6, If. Ill 10, 5) und durch Appius 
selbst (ebd. Ill 10, 1. 5); da er mit seinem Arnts- 
vorganger und mit Pompeius in guten Beziehungen 

60 zu bleiben wiinschte, war ihm diese Verwicklung 
ausserst pemlich (vgl. die umgehende Erwiderung 
an Appius ebd. Ill 10 und die etwas spatere an 
Caelius ebd. II 13). Er hegte auch ein leider 
allzu begrundetes Misstrauen gegen Dolabellas 
Personlichkeit und Verm6gensverhaltnisse ; fast 
gegen seinen "Willen kam etwa , im Mai die Ver- 
lobung zu stande (bezeichnend die Ausserung ad 
Att. VI 6, 1 , der Gliickwunsch des Caelius ad 



1301 



Cornelius 



Cornelius 



1302 



fam. VIII 13, 1, die Antwort darauf II 15, 2 
und die auf den des Appius III 12, 2). Um die- 
selbe Zeit endeten die beiden Processe des Appius 
mit dessen Freisprechung (s. o. Bd. IDT S. 2852), 
demnach Dolabellas erstes Auftreten auf der poli- 
tischen Bfihne mit einer Niederlage. Die Ehe 
mit Tullia war fiir ihn eine reine Geldheirat; er 
gab dem Schwiegervater wenig Gelegenheit zu 
Lob (z. B. ad Att. VII 3, 12), mehr zu Klagen 
wegen seiner Forderungen auf Zahlung der Mit- 
gift (z. B. ad Att. XI 2, 2, vgl. O. E. Schmidt 
Jahrb. f. Phil. CLV 596f.) ; deshalb interessierte 
diesen seine Aussicht auf eine Erbschaft (ad Att. 
VII 8, 3, vgl. Mommsen Herm. Ill 65, 1). 
Gleich anderen liederlichen und ruinierten jungen 
Adeligen, wie M. Antonius, M. Caelius Rufus, C. 
Scribonius Curio, die ihn freilich an Begabung 
und Energie weit iiberragten, erwartete Dolabella 
nur von einer gewaltsamen Staatsumwalzung sein 
Heil und trat desbalb auf Caesars Seite. Nach 
dessen Eimiicken in Italien im Januar 705 = 49 
begab er sich als einer der ersten in sein Lager 
(briefiiche Ausserung Ciceros vom 22. Jan. ad 
fam. XIV 14, 1; ad Att. VII 13, 3; miindliche 
aus spaterer Zeit Macrob. sat. II 3, 8); von dort 
forderte er wie Caelius den Cicero zum Anschluss 
an ihre Partei auf (ad Att. VII 21, 3), und Caesar 
sagte dem Redner briefiich Liebenswiirdigkeiten 
iiber den Schwiegersohn (ad Att. IX 16, 3). Aber 
nach dem Einzug des Siegers in Rom erfullten 
sich die Hoffnungen noch nicht, die Dolabella 
auf seine Freigebigkeit gesetzt hatte; der Auf- 
enthalt in der Hauptstadt wurde ihm durch das 
Drangen der Glaubiger verleidet (ad fam. II 16, 
5ff.). Caesar, der jetzt auf den spanischen Kriegs- 
schauplatz abging, ubertrug ihm den Befehl iiber 
eine Flotte von mindestens 40 Schiffen (Appian. 
bell. civ. II 49; vgl. Kromayer Philol. LVI 
348, 54) und die Bewachung des adriatischen 
Meeres. Von den Flottencommandanten der Pom- 
peianer M. Octavius und L. Scribonius Libo wurde 
er his in den innersten Winkel des Meeres zuruck- 
gedrangt ; hier besetzte C. Antonius, um mit ihm 
gemeinsam operieren zu kOnnen, mit dem von 
Caesar in Illyrien gelassenen Landheer die Tnsel 
Curicta (jetzt slav. Krk, ital. Veglia), aber die 
Schiffe wurden vom Feinde genommen, Antonius 
eingeschlossen und, nachdem mehrere Entsatz- 
versuche gescheitert waren, zur Ubergabe ge- 
zwungen (vgl. o. Bd. I S. 2582f., fiber Dolabellas 
Anteil Suet. Caes. 36. Flor. II 13, 31. Oros. VI 
15, 8. Dio XLI 40, If. App. II 47 mit Men- 
delssohns adn.). Dolabella scheint entkoramen 
zu sein und machte dann Caesars Feldzug gegen 
Pompeius mit; aus dem Lager bei Dyrrhachion 
schrieb er im Sommer 706 = 48 den erhaltenen 
Brief ad fam. IX 9 (fiber dessen Sprache vgl. 
Schmalz Ztschr. f. d. Gymnasialwesen XXXV 
131 — 137) an Cicero, um ihn nochmals zum Ab- 
fall von Pompeius zu iiberreden, und nach der 
Schlacht bei Pharsalos, an der er teilnahm (Phil. 
II 75, vgl. ad Att. XVI 11, 2), fibermittelte er 
ihm die Erlaubnis zur Riickkehr nach Brundisium 
(ad Att. XI 7, 2). Auch Dolabella selbst kehrte 
nach Rom zuruck, vielleicht zunachst nur, weil 
er krank war (vgl, ad fam. XIV 9 vom Dec). 
Er bewarb sich um das Volkstribunat, nachdem 
er sich zu diesem Zwecke, wie friiher P. Clodius, 



von einem Plebeier hatte adrogieren lassen (Dio 
XLII 29, 1); da bei Ascon. Pis. p. 4. Macrob. sat. 
II 3, 3. Plut. Cic. 41, 4 er selbst und bei Cic. 
ad Att. XII 28, 3. 30, 1 , sein spater geborener 
Sohn Lentidus heisst, so wird meist angenommen, 
dass jener Plebeier einLentulus gewesen sei; aller- 
dings bleibt diese Erklarung unbefriedigend, zu- 
mal da sieher plebeische Lentuli nicht nachweisbar 
sind (vgl. Nr. 216. 228. 238), doch ist noch keine 

lObessere gefunden worden (Wegehaupt 8f.), denn 
die Beiuamen verschiedener Zweige des Geschlechts 
werden sonst nur nach dem Aussterben des einen 
verbunden und kaum jemals vor der Kaiserzeit. Am 
10. Dec. 706 = 48 trat Dolabella das Volkstribunat 
an, und mindestens Anfang Januar 707 = 47 be- 
gann er mit dem Programm einer Socialreform her- 
vorzutreten (ad Att. XI 10, 2). Er ahmte das von 
Caelius im vorhergehenden Jahre gegehene Beispiel 
nach und verfolgte denselhen egoistischen Zweck 

20 wie dieser, namlich fiir sich im Triiben zu fischen 
(s. o. Bd. in S. 1271). Der Augenhlick fiir eine 
solche Revolution schien gunstiger als damals: 
Caesar wurde in Alexandrien in schwierigster 
Lage festgehalten; von seinem — Consuln gab 
es nicht — einzigen Stellvertreter in Rom, dem 
Magister equitum M. Antonius, war eher Unter- 
stutzung als Feindschaft zu erwarten; die noch 
in Italien stehenden Truppen des Dictators waren 
in bedenklicher Stimmung (Schilderung der Situa- 

30tion Dio XLII 27, Iff. Hauptquellen fur das 
Folgende Liv. ep. CXLU. Dio XLII 29, 1—33, 2, 
vgl. XLV 29, 3. XLVI 16, If. Plut. Ant. 9, 1, 
vgl. Caes. 51, 2; kurze Andeutungen Cic. Phil. 
XI 2. B. Alex. 65, 1. App. b. c. II 92). Dola- 
bella erneuerte die von Caelius zu Gunsten der 
Schuldner eingebrachten Antrage auf Erlass der 
Schulden (novae tabulae) und der Wohnungs- 
mieten. Dim trat von seinen Amtsgenossen na- 
mentlich L. Trebellius entgegen, der sich aus 

40 ahnlichen Motiven als Verteidiger der Besitzen- 
den aufspielte. Beide Tribunen unterhielten Ban- 
den von Bewaffneten und massen ihre Krafte in 
bestandigen Strassenkampfen. Antonius wurde 
zwar vom Senat zum Einschreiten ermachtigt, sah 
aber selbst die Tumulte nicht ungern, musste 
auch eine Zeit lang wegen der Soldatenmeutereien 
in Campanien die Stadt verlassen. Je nachdem 
Nachrichten und Geriichte iiber Bedrangnis oder 
fiber Erfolge des Dictators aus dem Osten ein- 

50 liefen, steigerte oder verringerte sich die Heftig- 
keit der Kampfe, die bis in den Heibst hinein 
dauerten. Antonius hielt sich nach seiner Riick- 
kehr scheinbar unparteiisch, fing aber an, den 
Trebellius zu unterstiitzen, und entschloss sich 
zuletzt zum Vorgehen gegen Dolabella, der ihn 
durch Ehebrach mit seiner Gattin Antonia per- 
sSnlich gereizt hatte (Plut. Ant. 9, 1, vgl. Cic. 
Phil. II 99). Als der Tribun seine Rogationen 
zur Abstimmung bringen wollte, liess Antonius 

60gestutzt auf ein SC. ultimum durch seine Sol- 
daten die Versammlung gewaltsam auflOsen, wo- 
bei viel Blut vergossen wurde. Doch erst die 
Heimkehr Caesars Mitte September beendete die 
Unruhen vollstandig. Cicero hatte diese von 
Brundisium aus mit Sorge und Kummer be- 
obachtet, wie seine vertrauten Briefe an Atticus 
aus dieser Zeit bezeugen (XI 9, 1. 10, 2. 12, 4. 
14, 2. 15, 3. 18, 1); nur die Furcht hielt ihn ab, 



1303 



Cornelius 



Cornelius 



1304 



mit Dolabella zu brechen und die Ehescheidung 
zu veranlassen (ad fam. XIV 13). Ihn empOrten 
die Liebschaften des Dolabella, ausser mit der 
Frau des Antonius auch mit der des Lentulus 
Spinther Nr. 239, der beriichtigten Metella (ad 
Att. XI 23, 3, s. o. Bd. Ill S. 1235 Nr. 137), 
und alles Ungliick, das jener Tiber Tullia gebracht 
hatte; aber nichts scheint er so als die ausserste 
Krankung enipfunden zu haben, wie dass der 



50). Vermutlich hatte Dolabella damals, nachdem 
Caesars letzte Gegner gefallen waren, reicben 
materiellen Lohn fur seine Dienste empfangen; 
wain-end er gewohnlich nur Schulden hatte (vgl. 
z. B. Quintil. VI 3, 99), erscheint er jetzt im 
Besitz mehrerer Landguter (ad Att. XIII 52, 2. 
XIV 13, 5. Phil. XIII 11). 

Als hOchste Auszeichnung hatte Caesar dem 
Dolabella das Consulat fiir 710 = 44 in Aus- 



Schwiegersohn das Andenken seines Todfeindes, 10 sicht gestellt, aber er iibernahm es selbst mit 

- - ' * ■ ■" ™ ■■• •--!- jj-_ Antonius und wollte Dolabella erst bei seiner 

eigenen Abreise zum Partherkrieg eintreten lassen 
(Phil. II 79. Veil. II 58, 3. Plut. Ant. 11, 2. 
App. b. c. II 122. Dio XLIII 51, 8). Antonius 
widersetzte sich dieser Absicht; schon in der 
Senatssitzung am 1. Jan. griff er Dolabella aufs 
heftigste an und suchte dann durch seinen Ein- 
spruch die Giiltigkeit der Comitien, in denen jener 
gewahlt wurde, aufzubeben (Phil. I 31. II 79. 



des Vorkampfers der Anarchie P. Clodius wieder 
zu Ehren bringen wollte (ad Att. XI 23, 3: 
Audimus mim de statua Olodi nach den unab- 
hangig von einander gefundenen Verbesserungen 
von J. Ziehen Ehein. Mus. LI 591—594 und 
0. E. Schmidt Jahrb. f. Phil. CLV 599f. ; Ehein. 
Mus. LIII 213; vgl. auch Schiche Jahresber. 
des philol. Vereins 1899, 353). Caesar gewahrte 
dem Dolabella Verzeihung (Plut. Ant. 10, 1. Dio 



XLII 33, 3), hielt ihn aber fortan unter seiner 20 82f. 99. Ill 9. V 9. Plut. Ant. 11, 2). Caesar 

- ~ - ■ * ■' " ■■ ■ bewabrte beiden Giinstlingen trotz ihres Zwie- 

spalts sein Vertrauen (Plut. Caes. 62, 2; Ant. 11, 
2) und wollte in der Senatssitzung am 15. Marz 
zwischen ihnen entscheiden (Phil. II 88); da wurde 
er ermordet. Noch an demselben Tage entschied 
sich Dolabella fiir die Partei der MOrder: mit 
alien Amtsabzeichen eines Consuls fand er sich 
auf dem Capitol bei ihnen em, driickte ihnen 
seine entschiedene Billigung der That aus und 



eigenen Aufsicht. Zunachst nahm eT ihn Ende 
des Jahres nach Africa mit (Phil. II 75). Im 
Sommer 708 = 46 kehrte Dolabella von dort 
zurlick (ad Att. XII 5, 4; ad fam. IX 7, 2) und 
besuchte mit A. Hirtius Cicero auf dem Tuscu- 
lanum; beide benahmen sieh sehr_ artig gegen 
ihren Wirt und liessen sich von ihm in der Bered- 
samkeit unterweisen (ad fam IX 16, 2. 7. Quintil. 
XII 11, 6). Dolabella setzte diesen Verkehr und 



die Redeubungen auch in Eom fort (ad fam. VII 30 wurde als Gegner des Antonius von ihnen mit 



33, 2, vgl. iiber ihren damaligcn Verkehr auch XIII 
36, 1 o. Nr. 46) und suchte Cicero noch einmal 
auf dem Tusculanum auf, um die schon langer 
geplante Scheidung von Tullia endgultig zu regeln 
(ad Att. XII 8; s. 0. E. Schmidt Briefwechsel 
des Cicero 262, vgl. 40f. 273; Jahrb. f. Phil. 
CLV 600). Die Trennung der unglucklichen Ehe 
ging auf giitlichem Wege vor sich, aber wie dem 
Cicero bisher die Auszahlung der Raten der Mit 



offenen Armen aufgenommen (Veil. II 58, 3. 
App. II 119. 122. Dio XLIV 22, 1. Hieron. zu 
Euseb. chron. II 137 /? SchOne, vgl. fiber die 
Chronologie Drumann-Groebe G. B. a I 
407ff.). Da er weder das gesetzliche Alter fur 
das Consulat erreicht (App. b. c. Ill 88, vgl. iiber 
seine Jugend auch II 122. 129. Ill 7, iuvenis 
Cic. ad fam. IX 14, 2) noch die PraetuT bekleidet 
hatte (Dio XLII 33, 3, vgl. XLIV 22, 1. 53, 1), 



gift viele SorgeD gemacht hatte, so seitdem deren 40 so war es fiir ihn das vorteilhafteste, seine von 



Wiedererlangung; zahlreiche Anspielungen in den 
Briefen an Atticus beziehen sich auf diesen Punkt. 
Im iibrigen dauerte sein gutes Verhaltnis zu 
Dolabella fort; er richtete an diesen, der seit 
Ende 708 = 46 mit Caesar in Spanien verweilte 
und in den dortigcn Kampfen verwundet wurde 
(Phil. II 75f.), mehrere Briefe : in dem ersten (ad 
fam. IX 10, 1, citiert von Suet, gramm. 14) ver- 
sichert er ihn seiner steten Zuneigung und bittet 



Caesars Willkiir empfangene Wiirde zunachst von 
dessen Gegnern bestatigen zu lassen; daraufhin 
konnte ihm in der Senatssitzung im Tellustempel 
am 17. Marz auch Antonius die Anerkennung nicht 
mehr verweigern (Phil. I 31. App. II 132. Dio 
XLIV 53. 1 ; Dolabella als Consul suffectus Fasti 
Cap. Amitern. Amerin. Colot. CIL 12 p. 61. 63. 
64. Obseq. 68. Plin. n. h. II 99. Flor. II 14, 7. 
Joseph, ant. XIV 217. 221). Die Massregeln der 



ihn um Nachrichten; in dem zweiten (IX 13, 50 nachsten Zeit, die zum grossen Teil einen frei 



Iff.) empflehlt er ihm zwei gefangenePompeianer; 
in dem dritten, der nach dem Bekanntwerden der 
Schlacht von Munda im April 709 = 45 ge- 
schrieben ist, spricht er ihm die Hoffnung auf 
baldiges Wiedersehen aus und beantwortet seinen 
bei Tnllias Tode empfangenen Beileidsbrief (LX 
11). Ausser diesem hatte Dolabella ihm aus Spa- 
nien Mitteilungen iiber seinen Neffen gesandt (ad 
Att. XII 38, 2) und solche iiber Verleumdungen 



heitsfreundlicben Eindruck machten, wurden von 
beiden Consuln in Cbereinstimmung getroffen 
(Phil. I 5. Ill 9. V 9. Veil. II 60, 4. Nicol. 
Damasc. v. Caes. 28. Dio XLIV 51, 2. Zonar. 
X 12); beide gemeinsam brachten im April ein 
Gesetz iiber Veteranenansiedlungen ein (Phil. Ill 
25) und traten in die Commission ein, die das 
Ackergesetz des L. Antonius auszufiihren hatte 
(Phil. XI 13). Aber unmittelbar nachdem An- 



Ciceros selbst bei Caesar (ad fam. IX 11, 2); imGOtomus nach Campanien abgereist war, noch m 

~ den letzten Tagen des April (vgl. ad Att. XIV 

15, 1, geschrieben am 1. Mai), nahm Dolabella 
selbstandig eine Anordnung vor, die ganz im 
Sinne der CaesarmOrder war. Er verbot namlich 
den Cult des vergotterten Caesar an der Stelle, 
wo die Leiche verbrannt worden war, und zer- 
stOrte das bier errichtete Ehrendenkmal (womit 
iibrigens Eeparaturarbeiten an dem benachbarten 



Sommer kam er zuriick und bracbte ihm die Be- 
gnadigung des Trebianus mit (ad fam. VI 11, 1, 
vgl. 0. E. Schmidt Briefwechsel des Cicero 317. 
362). Er besuchte ihn wieder auf dem Tuscu- 
lanum (ad Att. XIII 9, If.) und ging spater zur 
Erholung und Zerstreuung nach Baiae, wohin ihm 
Cicero auf seine Bitte die Rede fiir Deiotarus 
schickte (ad fam. IX 12, If., dazu Bd. II S. 2774, 



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Cornelius 



Cornelius 



1306 



Castortempel zusammengehangen haben mfigen, 
da nach Obseq. 68 dort eine Inschrift mit den 
Namen beider Consuln angebracht war) ; die durch 
dieses Vorgehen erzeugten Auflaufe wurden von 
ihm streng unterdriickt und das Volk in einer 
Rede (ad Att. XIV 20, 2. 4; ad fam. IX 14, 7, vgl. 
Quintil. VIII 2, 4?) zur Ruhe ermahnt (Phil. I 
5. 30. II 107; ad Att. XIV 15, 1. 16, 2. 19, 4. 
20, 2. 4; ad fam. XII 1, 1. Lactant. inst. I 15, 
30. Dio XLIV 51, 2). Das Volk selbst soil 
Dolabella Beifall gespendet haben (Phil. I 30); 
jedenfalls war die Partei der Verschworenen von 
seinem Verhalten entztickt. Manche glaubten es 
auf Ciceros Einfiuss zuruckfiihren zu miissen (Phil. 
I 30; ad fam. IX 14, If.), und spater glaubte 
dieser selbst daran (ad Att. XVI 15, 1) ; zunachst 
richtete er am 4. Mai an Dolabella ein hOchst 
iiberschwangliches und deshalb fur den Schreiber 
nicht sehr riihmliches Dank- und Gliickwunsch- 
schreiben (ad fam. IX 14 = ad Att. XIV 17 A, 
vgl. 17, 4). Atticus warnte ihn vor solchen Ober- 
treibungen und riet ihm, die Gelegenheit zu be- 
nutzen, um zu seinem Gelde zu kommen, da 
Dolabella eben in giinstigen Finanzverhaltnissen 
war (ad Att. XIV 18, 1. 19, If. 4f. 20, 2. 4). 
Nach der Eiickkehr des Antonius nach Rom liess 
sich Dolabella rasch wieder bekehren und ganz 
auf dessen Seite ziehen (Phil. I 30. II 107); er 
wurde nicht so sehr mit Geld erkauft (Phil. I 29 ; 
ad Att. XVI 15, 1), als hauptsachlich durch die 
Uberlassung und Sicherung der reichen Provinz 
Syrien. Auf den Handel um die Provinzen, der 
in der Geschichte dieses Jahres eine so grosse 
Rolle spielt, kann hier nicht weiter eingegangen 
warden; vgl. dariiber den sehr beachtenswerten 
Aufsatz von Ed. Schwartz Herm. XXXIII 185ff. 
und Groebc bei Drumann G. E.2 I 432ff. In 
Betreff Syriens steht fest, dass Cicero Dolabellas 
Anspruch darauf schon am 18. April als berech- 
tigt anerkennt (ad Att. XIV 9, 3) und niemals, 
selbst in der XL Philippica (vgl. bes. 28, auch 
4) nicht, daran zweifelt; es ist daher wohl mog- 
lich, dass dieses Recht auf Caesars Verfiigungen 
beruhte, wie Schwartz (a. 0. 187. 226f) meint, 
und dass Antonius durch die von Appian. b. c. 
Ill 7. 8, vgl. 36. IV 57 ausfiihrlich geschilderten 
Machinationen es nur gegen die unberechtigte 
Anmassung des C. Cassius schutzte und sich so 
den Collegen verpflichtete. Von Ausserungen der 
Feindschaft gegen die Eepublikaner hielt sich 
Dolabella fern (Pbil. I 6. 27); deswegen liess sich 
Cicero, um einen Vorwand zu freier Bewegung zu 
haben, am 2. Juni von ihm eine Legatenstelle 
libertragen (ad Att. XV 8, 1. 11. 4, vgl. 18, 1. 
19, 2. Plut. Cic. 43, 1) und correspondierte Ende 
Juni mit ihm freundschaftlich fiber die Angelegen- 
heit der Butbrotier (ad Att, XV 14, Iff.). Am 
2. September hielt er dann die erste philippische 
Rede in dem unter Dolabellas Vorsitz tagenden 
Senat (vgl. 29f.) und behandelte ihn darin sehr 
achtungsvoll; auch in der nach dem 19. Septem- 
ber geschriebenen zweiten Eede behielt er ihm 
gegeniiber diesen Ton bei, um die beiden Con- 
suln gegen einander misstrauisch zu machen 
(79—84; zu 75 vgl. ad Att. XVI 11, 2). Bald 
darauf brach Dolabella nach dem Osten auf, um 
sich seine Provinz zu sichern, die Cassius schon 
in Besitz zu nehmen drohte. Am 25. October 



war Dolabella noch auf seiner Villa bei Formiae 
(ad Att. XV 13, 5), aber schon unterwegs nach 
der Provinz und kehrte nicht mehr nach Rom 
zuriick (ad Att. XVI 15, Iff.; ad fam. XVI 24, 
2, vgl. Euete Die Correspondenz Ciceros in den 
Jahren 44 und 43 [Marburg 1883] 35f.). Dass 
er noch als Consul Italien verliess, sagen Appian. 
Ill 24. 57. Dio XLV 15, 2. XLVII 29, 1. Als 
Consul bezeichnet ihn Gell. Ill 9, 4 wahrend 

10 seines Aufenthalts in Griechenland, Cicero Phil. 
XI 27 wahrend des Marsches durch Makedonien 
(quo iure equitatum a consule abdueeret), und 
Appian. Ill 26 sogar noch im Anfang seiner 
Unternehmungen in Asien {Tqs§(ovios .... dyo- 
Qav .... d>s vnaxfo iiQovrl&ei); der Erlass iiber 
die Juden vom 1. Lenaion d. h. nach Wadding- 
ton (Fastes des provinces asiatiques 679) 24. Januar 
711 =43 setzt voraus, dass Trebonius schon tot 
und Dolabella als Statthalter von Asia anerkannt 

20 war. Aus diesen Zeugnissen ergiebt sich, auch 
wenn das Appians als ungenau ausser Betracht 
bleibt, dass Dolabellas Marsch kiirzere und seine 
asiatische Statthalterschaft-langere Zeit gedauert 
haben muss, als meistens angenommen wird, wenn 
man nur die Angabe Dios XLVII 29, 1 iiber den 
Marsch (jpovtog xxL) und die Ausserung des 
Antonius beriicksichtigt 1 , Trebonius habe intra 
finem anni vertentis, also vor dem 15. Marz fiir 
Caesars Ermordung gebusst (Phil. XIII 22). Dem- 

30 nach wird der Zug Dolabellas bis zum Hellespont 
etwa den November uud December 710 = 44 be- 
ansprucht haben; er ging zunachst nach Griechen- 
land und kaufte in Argos ein Pferd, das fiir sehr 
vorziiglich gait, aber jedem Besitzer Unheil brachte 
(Gell. Ill 9, 4; iiber ein ungiinstiges Vorzeichen 
fiir Dolabella auch Obseq. 68), dann marschierte 
er durch Thessalien und Makedonien nach Thra- 
kien und biisste unterwegs seine ganze Reiterei 
ein, indem sie in zwei Abteilungen zu M. Brutus 

40 desertierte (Phil. X 13. XI 27. Plut. Brut. 25, 1. 
Dio XLVII 21,3. Zonar. X 18, vgl. Cornelius Cinna 
Nr. 104). Er hatte in der Hauptsache nur eine der 
makedonischen Legionen, die ihm von Antonius 
iiberlassen war (Phil. XI 4. 16. App. Ill 25), als 
er etwa um die Jahreswende nach Asien iiberging, 
wohin er seinen Legaten Octavius Marsus voraus- 
gesandt hatte. Die Provinz Asia war in den 
Handen des Caesarmorders C. Trebonius; dieser 
verweigerte dem Dolabella den Einlass in die 

50 festen Stadte Pergamon und Smyrna, gewahrte 
ihm aber Lebensmittel und freien Durchzug (Phil. 

XI 5. App. HI 26. Dio XLVII 29, 2). Dass 
Dolabella jetzt einen Befehl des Senats erhielt, 
nicht nach Syrien zu gehen, ist eine falsche Be- 
hauptung Dios (a. 0.), die mit dessen unrichtiger 
Darstellung der Provinzenverteilung ttberhaupt 
(vgl, Schwartz a. 0. 203ff.) zusammenhangt. 
Trebonius versprach Dolabella Aufhahme in Ephe- 
sos, und dieser ging scheinbar darauf ein; sobald 

60 er aber die Wachsamkeit der ihm nachgesandten 
Beobachtungstruppen eingeschliifert hatte, kehrte 
er mitten in der Nacht um und nahm Smyrna 
durch raschen Uberfall; Trebonius wurde in seinem 
Bett getotet und sein abgeschlagener Eopf auf 
dem Tribunal aufgepflanzt (ausfiihrlich App. in 
26. 64. IV 58.- Dio XLVII 29, 3; mit Uber- 
treibungen Phil. XI 5. 7-9. XII 25. XIV 8; ad fam. 

XII 12, 1. 14, 5. 15, 4; kiirzer Liv. ep. CXIX. 



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Cornelius 



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Veil. II 69, 1. Oros. VI 18, 6. Strab. XIV 646. 
Zonar. X 18). Die Nachricht von diesen Vor- 
gangen, die etwa Mitte Januar stattgefunden 
haben dtirften, kam ungefiihr einen Monat spater 
nach Rom und maehte hier den tiefsten Eindruck. 
Der Senat trat zusammen und nahm den Antrag 
des Q. Fufius Calenus an, dass Dolabella als Feind 
geachtet und seine Giiter eingezogen werden sollten 
(Phil. XI 9. 15f. 29. XIE 23. 36ff. ; ad fam. XII 



vor der gewaltigen tlbermacht des Cassius, warf 
er sich nach Laodicea, einer Stadt, die zu der 
Partei der Caesarianer hielt und durch ihre Lage 
auf einer Halbinsel gesichert erschien (ad fam. 
XII 13, 4. 14, 4. 15, 7. App. IV 60. Dio). Cas- 
sius sclmitt sie leiclit vollstandig vom Lande ab, 
indes hielt sie sich eine Zeit lang durch die Zufuhr 
zur See (App. IV 60f. Dio XLVII 30, 3f.); schliess- 
lich gewann der Feind auch hier die Oberhand 

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Cornelius 



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15, 2. Liv. ep. CXIX. CXXI. Oros. VI 18, 6. 10(Appian. IV 62. Dio XLVII 30, 5; vgl. Iro 



App. Ill 61f£ IV 58. Dio XLVII 28, 5. 29, 
4—6); am folgenden Tage wurde dariiber be- 
raten, wem die Ausfuhrung der Acht iibertragen 
werden sollte, und dabei hielt Cicero die elfte 
philippische Rede, die uber die Ereignisse manchen 
Aufschluss giebt und in dem Antrag gipfelt, dem 
Cassius den Befehl gegen Dolabella zu iiber- 
tragen (29—31), was jedoch abgelehnt wurde 
(ad fam. XII 7, If.). Inzwischen schaltete Dola 



mayer Philol. LVI 439f.), es stellte sich Mangel 
an Lebensmitteln bei den Belagerten ein (Cic. 
ad fam. XII 13, 4), ihre Ausfalle wurden zuriick- 
geschlagen (App. Dio), Verraterei begann miter 
ihnen zu spielen (App. IV 62. V 4. Sen. suas. 
1, 7). Ob damals oder friiher auch zwischen den 
Fuhrem Verhandlungen stattfanden, lasst sich aus 
dem Citat: C. Cassius in epistula quam ad 
Dolabellam scripsit (Charis. p. 123, 13 Keil), 



bella in Asien mit unbeschrankter Willkiir und 20 nicht mit Sicberheit entnehmen. Als Dolabella 



bemuhte sich auf jede Weise, Geld, Soldaten und 
Schiffe zusammenzubringen, um dem Cassius Sy- 
rien entreissen zu konnen; Schilderungen seines 
Regiments bieten besonders Phil. XI 6. 16. 25, 
ferner die Briefe, die Cicero in den nachsten 
Monaten aus dem Osten empfing, von C. Cassius 
(ad fam. XII 12, 1), von M. Brutus (ad Brut. I 
2, 1), von P. Lentulus Spinther (ad fam. XII 14, 
If. 15, If. 4f., vgl, Nr. 239) und von C. Cassius 



die UnmOglichkeit erkannte, sich noch langer zu 
behaupten, Hess er sich von einem seiner Getreuen 
den Tod geben (App. IV 62. Dio. Veil. II 69, 2; 
kiirzere Erwahnungen Liv. ep. CXXI. Gell. Ill 
9, 4. Oros. VI 18, 13. Strab. XVI 752. Zonar. 
X 18) ; Cassius gewahrte ihm ein ehrenvolles Be- 
grabnis (Dio). Schon am 2. Juni schrieb Lentulus 
Spinther aus Pamphylien, die Katastrophe miisse 
unmittelbar bevorstehen oder gar schon eingetreten 



Parmensis (ad fam. XII 13, 3), ausserdem Strab. 30 sein (ad fam. XII 14, 4, vgl. 15, 7); in Rom 



XIV 646 und App. Ill CO. Ein grosser Teil der 
kleinasiatischen Siadte schloss sich Dolabella be- 
reitwillig an und gewahrte ihm Unterstiitzung; 
er empfing Gesandte der Rhodier (ad fam. XII 
15, 4) und der Juden, denen er durch ein Decret 
vom 24. Januar (s. o.) Befreiung vom Kriegs- 
dienst- gewahrte; er nannte sich darin Imperator 
(Joseph, ant. XIV 225; uber die von Gardt- 
h aus en Augustus I 148e. II 62, 6 auf ihn be 



waren ahnliche Geriichte schon im Juni und im 
Juli in Cmlauf (ebd. 8, 2. 9, 1. 10, 1), aber da 
Octavian am 19. August die Acht gegen Dola- 
bella aufheben liess (App. Ill 95), war vermut- 
lich zu dieser Zeit noch nichts Sichcres bekannt. 
Trotz seiner verzweifelten Lage wird sich Dola- 
bella, der Anfang Mai in Syrien eingebrochen und 
noch in demselben Monat in Laodicea eingeschlossen 
sein mag, bis gegen Ende Juli behauptet haben. 



zogene Ehreninschrift aus Pergamon vgl. aber 40 Vielleicht ein Sohn Dolabellas aus erster Ehe war 

"KT_ 1in\ C1_:„ TT T T.i-„ — J ,1. j:~ 4.,.. "\T„ 1QA. TVllnn ™o1m,t. iVim im Mai 70^ — AQ 



Nr. 140). Sein Heer brachte er durch die Aus- 
hebungen in Asien auf zwei Legionen (App. IV 
60) ; aber ein Teil seiner Reiterei wurde freilich 
von Lentulus Spinther auf die Seite des Cassius 
gezogen (ad fam. XII 14, 6), die Flotte, mit der 
er im Falle eines Misslingens seiner syrischen 
Plane nach Italien dem Antonius xu Hiilfe ziehen 
wollte, von den Feinden zerstreut (Briefe des 
Lentulus Spinther und des Cassius Parmensis. 



Nr. 130; Tullia gebar ihm im Mai 705 = 49 
ein Kind, das bald nach der Geburt gestorben 
zu sein scheint (ad Att. X 18, 1), und nach der 
Scheidung, kurz vor ihrem eigenen Tode, im 
Januar 709 = 45 ein zweites (ad fam. VI 18, 5), 
Lentulus, das auch nur noch wahrend des nachsten 
Vierteljahres erwahnt wird (ad Att. XII 18 a, 
2 28, 3. 30, 1). Uber Dolabella handeln Dru- 
mann G. R. II 565ff. VI 699ff. ( jetzt vielfach zu . 



App.), und die vier agyptischen Legionen von 50 berichtigen) und Wegehaupt P. Cornelius Dola 



seinem Legaten A. Alienus (Bd. I S. 1535) dem 
Cassius ubergeben, der bereits samtliche in Sy- 
rien stehenden Truppen unter seinem Commando 
vereinigt hatte und nach dem Tode der Consuln 
bei Mutina auch vom Senat den Oberbefehl gegen 
Dolabella erhielt (s. o. Bd. Ill S. 1199. 1732). 
Der Brief des Cassius vom 7. Mai, der die ganze 
Lage scharf beleuchtet, meldet am Schluss den 
Vonnarsch Dolabellas nach Kilikien (ad fam. XII 



bella. Progr. Miinchen-Gladbach 1880 (meist von 
jencm abhangig, in der Polemik gegen ihn nicht 
sehr gliicklich). [Miinzer.] 

14-2) P. Cornelius P. f. Dolabella (CIA III 
591) s. Nr. 130. 

143) P. Cornelius Dolabella. a) Name. P. 
Cornelius P. f. P. n. Dolabella CIL 12 p. 29. 
Fasti cos. Capitol. ; P. Cornelius P. f. Dolabella 
CIL VI 1384; 77. Koovijuog 77. vi. AoloJJjlai 



12, 5. Dio XLVII 30, 1). Dolabella fand in 60 Dio ind. 1. LVI; P. Cornelius Dolabella CIL III 



Tarsos Aufnahme und Hiilfe (ad fam. XII 13, 4. 
Dio), iiberrumpelte die schwache Besatzung von 
Aigai (Dio; s. o. Bd. I S. 945 Nr. 6) und hatte 
damit den Weg nach Syrien frei. Antiochia ver- 
weigerte ihm die Aufnahme und schlug mehrere 
Sturmangriffe ab (ad fam. XII 14, 4. 15, 7. 
Dio XLVII 30, 2); geschwacht durch Verluste 
und Desertionen (ad fam. XII 15, 7) und besorgt 



1741. 2908. 9973. Miinzen; P. Dolabella CIL I 2 
p. 231 Fasti Praenest. Ill 3198. 3199 = 10156. 
10157. Tac. ann. IV 23. 66. XI 22. Cassiodor. 
Miinzen; [Cornjelius Dolabell(a) CIL 12 p. 72 
Fasti Antiat. ; sonst Cornelius Dolabella oder nur 
Dolabella. b) Leben. C. war mutmasslich der 
Sohn des (P.) Dolabella (Nr. 130. s. d.) und der 
Enkel des P. Dolabella cos. 44 v. Chr. (3r. 141). 



il 



Im J. 10 n, Chr. bekleidete er den Jahrescon- 
sulat mit C. Iunius Silanus flamen Martialis (die 
Belegstellen s. o.) und blieb bis 1. Juli im Amte 
(CIL I 2 p. 29 Fasti cos, Capitol.; auch in der 
Inschrift CIL IX 4395 wird dieser Consulat ge- 
meint sein , wenngleich der Name des Silanus 
sonst nicht eradiert ist). Die Namen der Consuln 
tragt noch heute ein von ihnen erbauter Bogen 
am Caelius, der wahrscheinlich zu einer "Wasser- 
leitung (Aqua Marcia) gehorte (CIL VI 1384, vgl. 
H iils en ebd. p. 3125. Lanciani Comm. di 
Erontin. lOOf. Gilbert Gesch. u. Topogr. d. St. 
Rom 189; Abbildung Reber Ruinen Roms 464). 
Augustus ernannte C. zum Legaten Dalmatiens 
(damals Illyricum superius). Als nach dem Tode 
des Augustus (19. August 14 n. Chr.) die Heere 
in Germanien und Pannonien revoltierten, wusste 
C. sein Armeecorps (die VII. und XL Legion) in 
Ruhe zu halten (Veil. II 125, 5). Noch im J. 18/19 
(CIL III 2908), wahrscheinlich sogar noch 19/20 
verwaltete er die Provinz, ordnete die Besitzver- 
haltnisse in derselben (CIL ni Suppl. 9973, vgl. 
2883) und legte im Auftrage des Tiberius von 
Salonae aus Strassen in das Innere des Landes 
an (Meilensteine CIL III 3198 = Suppl. 10156 
[J. 16/17]. 3199 = 10157 [vor dem J. 18]. 3200, 
vgl. 10158. 3201 = 10159 [J. 19/20], auf den 
beiden letzteren ist der Name des C. zu erganzen, 
vgl. Mommsen ebd. p. 407). Die civitates supe- 
rioris provincial Hillyrici setzten ihm eine Statue 
in Epidaurum (III 1741 = Dessau 938, vgl. Wiss. 
Mitt, aus Bosnien V 1897, 179). Im J. 21 befand 
er sich wieder in Rom und beantragte im Senate 
den kleinen Triumph fiir den aus Campanien zuriick- 
kehrenden Kaiser, wogegen sich jedoch dieser selbst 
aussprach (Tac. ann. Ill 47). Im folgenden Jahre 
stellte er im Anschluss an den Process gegen den 
Proconsul von Asia C. Iunius Silanus, seinen ehe- 
maligen Collegen im Consulate, den Antrag, nur 
vom Kaiser approbierte Bewerber zur Verlosung 
der proconsularischen Provinzen zuzulassen; aueh 
diesmal wies Tiberius selbst die ihm zugedachte 
Machterweiterung zuriick (Tac. Ill 69). Im J. 23/24 
war C. Proconsul von Africa (Tac. IV 23; vgl. 
die Miinzen einer unbekannten Stadt in Africa 
[Clypea?], die permis(su) P. Cortieli Dolabellae 
procos. gepragt sind, Mionnet VI 584 nr. 22 — 
25. 585 nr. 28. Cohen 12 208 nr. 218—221. 
219 nr. 16. Muller Numism. de l'anc. Afr. II 
156; mit Unrecht nimmt Klebs Prosop. I 445 
an, dass C. Africa zwei Jahre lang verwaltete; 
im J. 22 war der Proconsulat dem Q. Iunius 
Blaesus verlangert worden [Tac. Ill 58], im J. 24 
beendete C. nach Tacitus ausdrucklicher Angabe 
[IV 23] den Krieg). C. musste gegen den Nu- 
mider Tacfarinas, den Blaesus nur scheinbar un- 
schadlich gemacht hatte, wiederum zu den Waffen 
greifen, da Tacfarinas Unterstutzung bei Mauren 
und Garamanten fand. Er entsetzte die von den 
Numidern belagerte Stadt Thubuscum (Tupusuctu 
in Mauretanien), beugte einem drohenden Abfalle 
der Musulamier durch die Hinrichtung ihrer Haupt- 
linge vor und maehte im Verein mit den Truppen 
des KSnigs Ptolemaeus von Mauretanien durch den 
Uberfall bei Auzia, bei welchem Tacfarinas selbst 
flel, dem langwierigen Kriege ein Ende (Tac. IV 
23—25; ¥gl. Schiller Gesch. d. r. Kaiserzeit I 
280. Mommsen R. G. V 633f. C a gnat L'arrne'e 



Rom. d'Afr. 20ff. Pallu de Dessert Fast. d. 
prov. Afr. 1 109ff.). Die Ornamenta triumphalia, 
um die C. nachsuchte, verweigerte ihm Tiberius 
aus Rlicksicht auf Seian, um den Ruhm von dessen 
Oheim Iunius Blaesus nicht zu schmalern (Tac. 
IV 26). Im J. 27 erhob C. zusammen mit Domi- 
tius Afer eine Anklage gegen Quinctilius Varus, 
obwohl er mit diesem verwandt war (Tac. IV 66). 
Noch im J. 47 veranlasste C. (?) einen Senats- 

10 beschluss, dass die designierten Quaestoren zur 
Ausrichtung von Fechterspielen verpflichtet werden 
sollten (Tac. XI 22, vgl. Bd. Ill S. 2803; der hier 
genannte P. Dolabella wird allgemein fur den 
Consul des J. 10 gehalten ; die grosse Zeitdifferenz 
kennte jedoch die Vermutung rechtfertigen, dass 
er eher ein Sohn des letzteren war, vgl. Nr. 136). 
C. bekleidete die Priesteramter eines "VTIvir epulo 
und Sodalis Titiensis (CIL III 1741). Vielleicht 
ist er mit . . . Dolabella II[vir] von Praeneste 

20 (CLL XIV 2966) identisch. Als vir simpliei- 
tatis generosissimae wird er von Velleius (II 125, 
5) geruhmt; Tacitus legt ihm wiederholt Servilitat 
zur Last (III 47. 69). Sein Sohn oder Enkel ist 
Cn. Dolabella gewesen (Nr. 136, s. d.), seine Toch- 
ter vielleicht (Cornelia) Dolabellina (Nr. 435). 
Die Grabschriften CIL VI 5864. 10103 nennen 
Freigelassene eines P. Dolabella; einem P. Cor- 
nelius Dolabella ist die Grabschrift CIL VI 16193 
gesetzt. Vgl. de Vit Onomasticon II 429. 

30Peine Berl. Stud. II 35 5f. Klebs Prosopogr. I 
444 nr. 1092. 

144) P. (Cornelius) Dolabella (Tac. ann. XI 
22) s. Nr. 143. 

145) Ser. Cornelius Ser. f. Dolabella Metilia- 
nus {MeliUianus CIL VI 16450), cos. (suffectus 
in unbekanntem Jahre), errichtete in Corfinium 
ein Bad, das mit Hiilfe einer Beisteuer, die M. 
Atilius Bradua eos. et M.' Acilius Aviola cos. 
bonor(um) possessorfes) Dolabellae Metilicmi dazu 

40gaben, vollendet wurde (CIL IX 3152). Diese 
beiden Erben des C. sind wahrscheinlich die Con- 
suln der J. 108 und 122 (s. o. Bd. I S, 254 Nr, 23. 
II S. 2084 Nr. 43; der zweite Gentilname des 
M. Atilius Metilius Bradua weist auf Verwandt- 
schaft mit Dolabella Metilianus; vermutlich war 
dessen Mutter eine Metilia). C. wird von Momm- 
sen (zur Inschrift) und Klebs (Prosop. I 445 
nr. 1094) fiir den Bruder des Folgenden erklart 
(dessen Vater kann er nicht gewesen sein , da der- 

50 selbe der Enkel eines Publius, er selbst der Sohn 
eines Servius war); es scheint aber die MOglich- 
keit nicht ausgeschlossen , dass er mit diesem 
identisch ist (in CIL IX 3153, 3 ware dann ebenso 
wie 3152 sein abgekiirzter Name angegeben, in 
3153, 1 und 3154 die vollstandige Nomenclatur 
samt der Amterlaufbahn). Seiner nutrix et mam- 
mul(a) setzte C. die Grabschrift, CIL VI 16450. 
Sein Sohn war vielleicht Dolabella Veranianus 
(Nr. 148); derselbe diirfte vor dem Vater ge- 

00 storben sein, da dieser von Freraden beerbt wurde. 
14£) Ser. Cornelius Ser. f. P. nep. P. pronep. 
P. abnepos Dolabella Aletilianus Pompeius Mar- 
cellus (. . . [Mar]cel[l]us CIL IX 3153; betreffs 
der Genealogie des C. vgl. Nr. 136), IIMr aferej 
afrgentoj a(uro) f(lando) f(erhmdo), salius Pa- 
lat(inus, vgl. IX 3153), quaestor divi Traiani 
Parthici (98 — 117 n, Chr.), sevir equit(um) Ro- 
mfanorumj turmfaej III, prfaetor), cos. (suffectus 



1311 



Cornelius 



Cornelius 



1312 



1313 



Cornelius 



Cornelius 



1314 



in unbestimmtem Jahre unter Traian oder Hadrian), 153) Cornelius Fidus, Schwiegersolm des Ovid, 

flamfen) Quirfinalis) (Ehreninschrift, von der weinte im Senate, als ihn (Domitius) Corbulo 
Stadt Corfinium ihrem Patron gesetzt, CIL IX einen ,gerupften Vogel Strauss' nannte (Sen. dial. 

3154). Er errichtete in Corfiriium ein Bad (CIL II 17, 1). Ovids Tochter war zweimal verheiratet 

IX 3153). Vgl. den Vorhergehenden. und von beiden Gatten Mutter (Ovid, trist. IV 

147) Ser. Cornelius Dolabella Petronianus, 10, 75f.; das vierte Buch der Tristien ist Anfang 

Sohn des Cn. Dolabella (Nr. 136) und derPetronia, 11 n. Chr. herausgegeben). 
Consul ordinarius im J. 86 n. Chr. zuerst mit Kaiser 154) M. Cornelius Piimus, drittes Mitglied 

Domitian cos. XII, dann (bereits am 22. Januar) des Collegiums der euratores aquarum zur Zeit, 
mit C. Secius Campanus (Sex. [irrig] Cornelius 10 als A. Didius Gallus den Vorsitz fiihrte (38—49 

Dolabella Petronianus CIL III p. 856 dipl. XIII n. Chr., vgl. Frontin. de aq. 102). CIL VI 1248 

[vom 17. Pebruar]; Ser. Cornelius Dolabella CIL = 31559. 

VI 2064, 35 [22. Januar; isdem cos. Z. 48, 26. 155) Cornelius Flaccus, Legat einer Legion 

Februar] Acta Arv. VI 398. Censorin. 18, 15; (der VI Ferrata oder III Gallica, vgl. Tac. ami. 

Cornelius Dolabella Hist. Aug. Pius 1, 8; [Cor]- XIII 38. 40), kampfte im J. 58 n. Chr. unter 

melius Dolabella CIL VI 815; Dolabella in den Domitius Corbulo in Armenien (Tac. XIII 39). 
Consularfasten). _ 156) Q. Corn[elius . . . Lemjfoniayj Flae- 

148) [Cornelius -DolaJbeUaYeraniafnusJ ', unter mis . . . Noricus . . . Numisius . . ., neben Ster- 

den pueri patrimi matrimi praetextati in den tinia Cocceia Bassula Venecia Aeliana in einer 
Arvalacten des J. 105 n. Chr. genannt (CIL VI 20 Inschrift genannt, die von den municipes et [in- 

2075, 48 vom 17. Mai 105). Vielleicht war er ein colae] der Stadt Attidium und von (Q. Camurius) 

Sohn des Dolabella Metilianus (Nr. 145). [Groag.] Numisius Iunior, wahrscheinlich dem Gemahl der 

149) Flavius Maesius Cornelius Egnatius Se- Stertinia, gesetzt ist (CIL XI 5672). C. ist ent- 
verus Lollianus s. Lollianus. weder der Sohn des Numisius und der Stertinia, 

150) Cornelius Epicadus, L. Cornelii Sullae wie Klebs meint (Prosop. I 297 nr. 316; sein 
dictatoris libertus ealatorque in sacerdotio au- letztes Cognomen ware dann Iunior, vgl. XI 5670) 
guraliy filio quoque eius Fausto gratissimus fuit : oder der Bruder des Numisius. Sicherlich ver- 
quare numquam non utriusque se libertum edidit. wandt, wenn nicht identisch ist er mit Q. Nu- 
librum autem quern novissimum de rebus suis misius Aper Iunior, der auf einem Bronzesiegel 
imperfeetum reliquerat ipse supplevit (Suet, de 30 aus Forli genannt wird (CIL XI 6712, 294). Er 
gramm. 12). Er war vielleicht 6 im §ip.iodrjy.r}s geh6rt der hadrianischen Zeit an (vgl. o. Bd. Ill 
(scil. Sullanae), an den sich Tyrannio nach Strab. S. 1451 Nr. 3. IV S. 154 Nr. 23). Ein Dispen- 
Xni 609 wandte; vgl. Hillscher Jahrb. f. Phil. sator eines Q. Cornelius Flaccus wird CIL VI 
Suppl. XVIII 363 adn. Uber die Erganzung des 9366 (= Not. d. scavi 1892, ICO) genannt. 
sullanischen Werkes vgl. Peter Hist. rom. rel. [Groag.] 

p. CCLXXVII. Ausserdem haben wir von ihm 157) M. Cornelius T. f. Quir(ina) Fronto (so 

folgende Spuren: 1) Victorinus GL VI 209, 9 CIL VIII 5350 = Dessau 2928), vielbewunder- 

Cornelius Epicadus in eo libro quern de metris ter Ehetor und Kedner des 2. nachchristlichen 

scripsit. 2) Charis. GL I 110, 3 Epicadus in Jhdts., von Geburt ein Africaner (er selbst nennt 
cognominibus (es handelt sich urn den Namen 40 sich Aiflvg x&v AifHtov zcdv vo/udScov 242 Naber ; 

Sulla). 3) Macrob. I 11, 47 (wo es sich de si- vgl. noch 122), aus Cirta in Numidien (200. Minuc. 

gillaribus handelt) und Serv. plen. Aen. I 649 Fel. Oct. 9, 6. 81, 2. Niebuhr Ausg. 213, 3). 

(vestimenta aeanthina) deuten auf ein antiqua- Von seinem Geschlechte ist uns zuverlassig wenig 

risehes Werk hin ; darauf gehen vielleicht auch bekannt. Dass seine Vorfahren vaterlkherseits 

Varro de 1. 1. V 150 (Cornelius) und VII 39 (in aus Italien stammten , ist wahrscheinlich (Nie- 

Cornelii commentario; vgl. Osann Beitr. II 359), buhr XX); dagegen beruht Mais Vermutung, 

und vermutlich beziehen sich darauf auch die Worte dass seine Vorfahren mutterlicherseits in Chairo- 

des Arnob. I 59: quamvis Epicados (so mit Ge- neia zu suchen seien, auf dem verworrenen Zeug- 

lenius fur Epicam deos) omnes, Caesellios, nisse des Ioannes Saresberiensis , wonach unser 
Verrios, Scauros teneatis et Nisos. [Goetz.] 50 Fronto ein Enkel des Plutarch gewesen sein soil. 

151) C. Cornelius C. f. Quirin(a) Felix Italus, Verwandtschaftliehe Beziehungen zu alteren Tra- 
qmestfor) prov(inciae) Sieilfiae), [t]r(ibunus) gem dieses weitverbreiteten (Niebuhr XXXVIIf.) 
pl(ebis), praet(or), leg(atus) prov(ineiae) Aehaiae, Namens bei Tacitus, Iuvenal, Martial, Plinius 
iuridficus) per Fktmin(iamJ et Umbri [am] (nicht d. J., Dio Cassius u. a. — bei Aelian. de ordin. 
vor Marcus und Verus, vgl. Mommsen St.-R. inst. 1 ist ^qovtivoi zu lesen — und auf Inschrif- 
113 1085, nach Klein Verw.-Beamten von Sicil. ten (s. Borghesi Oeuvres III 380—385. Hen- 
u. Sard. 168f. unter diesen Kaisern). Patron von zen Acta fratr. arv. 182. Teuffel-Schwabe 
Ariminum (CIL XI 377 Ariminum, dem C. wahrend 809. 856) lassen sich nicht nachweisen. Sein 
seines Iuridicates gesetzte Inschrift). Vgl. Nr. 152. Vater mess Titus (CIL VIII 5350). Eines Bruders 
Ein C. Cornelius Felix wird auf Fassern genannt, 60 (s. u. Xr. 297), mit dem er in schonster Eintracht 
die in Rom und bei Bignano gefunden wurden lebte, gedenkt er selbst Offer ; dieser wurde von An- 
(CIL XV 2430f. XI 6691, 9). toninus Pius zu den hochsten Ehren erhoben und 

152) Sex. Camelius C. f[il] Quir(ina) Felix hatte der Freundschaft mit Marc Aurel und Verus, 
Pacat[us], [I]BIvir viaru[m c]urandar(um), unter deren Eegierung er noch lebte, ein ruhiges, 
tri[b(unusj I] atielavius leg(ionis) II[I Cy]re- sorgenfreies Auskommen zu danken (32. 61. 71. 
naicae, Patron von Simitthus (CIL VIII Suppl. 134, besonders 235). Frontos Geburtsjahr lasst 
14559 Simitthus), vielleicht Sohn des Voraus- sich nur annahernd bestimmen: Mommsen Herm. 
gehenden. VIII (1874) 216 setzt es zwischen 100 und 110; 



gewflhnlich riickt man es bis in die Zeit Domi- (179f.), Sextius Calpurnius Iulianus (170) den 
tians oder Nervas herab (Niebuhr XX. Wester- Sohn des Squilla Gallicanus (188), wahrschein- 
mann 311. Mai 1815, X). Die Vermutung Mais, lich Faustinianus (177), Volumnius Quadratus 
dass der junge Fronto in Alexandrien Studien (190f.), Montanus Lieinius (175), seine Landsleute 
gemacht habe, ist nicht so ohne weiteres von der die Afrer Servilius Silanus (200; cos. 189 Teuf- 
Hand zu weisen; von dort beruft er vor Antritt fel-Schwabe 911) und M. Postumius Festus 
seines Proconsulats familiares nach Athen, denen (201; dazu Mai bei Naber. Teuffel-Schwabe 
er als viris doctissimis die Besorgung der grie- a. O.), seinen spateren Schwiegersohn C Aufidius 
cbischen Correspondenz iibertragen will (169); in Victorinus aus Pisaurum (bes. 75. 96; cos II 183 
Alexandnen lernte er auch wohl den dorther 10 1 186. Teuffel-Schwabe 912 . Fronto selbst 
stammenden Historiker Appian kennen, mit dem spricht von einer seeta 95. Uberhaupt standen 
ihn vetus oonsuetudo et studiorum usus prope wohl alle Manner, welche damals als offentliche 
quotidianus verband (170. Priebe De M. C. F. Kedner wirkten, mehr oder minder unter dem 
lmitationem prisci sermoms latini adfectante I, Einflusse Frontos, so besonders auch der viel- 
Stettin Progr. 1885, 3). Fruhzeitig scheint er seitige Iulius Titianus (Sidon. Apoll. a O Nie- 
nach Rom iibergesiedelt zu sein und dort seine huhrXXni5. Teuffel-Schwabe 911f) Sein 
Studien fortgesetzt zu haben. Unter dem Ein- Haus war ein Sammelpunkt fur die gelehrte Welt 
flusse der damals vorherrschenden und vom Hofe Dort verkehrte u, a. auch der urn etwa 30 Jahre 
begunstigten antikisierenden Geschmacksrichtung jungere Gellius , der , wenn auch nicht gerade 
wandte er sich, uber 22 Jahre alt, den Autoren 20 Schiller , so doch aufrichtiger Verehrer Frontos 
aus der Anfangsperiode der romischen Litteratur war (XIX 8, 1. Kretzschmer De A Gellii fon- 
m ernsthaftem Studmm zu; bis dahin vixdum tibus, Greifswalder Diss., Posen 1860, 103f) Der 
qu%equam veterum lectionum attigeram 23. Ruf der hervorragenden Lehrthatigkeit Frontos 
Bald wurde er der Stimmfuhrer einer nach ihm drang bis an den Hof, und so wurde ihm die 
benannten Schule von Antiquaren , der Fronto- Erziehung der nachmaligen Kaiser Marc Aurel 
ntam (Sidon. Apoll. epist. I 1, 2). Unter seinen und L. Verus iibertragen. Da Fronto die Er- 
Lehrern nennt er den alten (parens) Philosophen ziehung des Marcus in dessen pueritia (103) flber- 
und Redner Athenodotos, von dem er ad exempla nahm und Marcus im J. 121 geboren ist so wird 
et imagines quasdam rerum, quas ille s\6va; man den Beginn der Hofmeisterstellung' Frontos 
appellabat, apte ammo eomprehendundas ad- 30 nicht weit iiber 130 hinausschieben durfen Auf 
comTOocfe^osgwe unterwiesen worden ist (73. 115. seine Thatigkeit als Prinzenerzieher nehmen die 
^44), und den Rhetor Dionysios Tenuior d. i. 6 meisten Quellen, die iiber ihn berichten, vomehm- 
/raroj, der in ihm den Wider willen gegen die lich Bezug, vgl. CIL XI 6334 = Dessau 1129 
Philosophie gepflanzt zu haben scheint (154, wo Dio Cass. LXXI 35. Hist. aug. Anton, philos 2-' 
o7/ a ^ temnor 6t schreiben will tenui arte; Ver. 2. Auson. grat. act. ad Grat. imp. pro cons' 
244). Das Gnechische tneb er weder intensiv noch VII 32f. p. 361f. Peiper. Eutrop. "VHI 12 Hieron 
dauernd, ja er schilt seinen Zogling Marcus, dass de vir. ill. XXIV p. 22 Richardson • Chion a O 
er gnecksch schrieb (252); zwar schrieb auch Cassiod. a. O. Wahrend Fronto zu dem unnah- 
er gnechische Bnefe, z. B. an die Mutter des baren Mars Qradivus Dis pater Hadrian in kuhler 
Marcus, Lucilla, bat sie aber «" zi twv ovopa- 40 Zuruckhaltung und Ehrfurcht kein rechtes Ver- 
xav . . . . etrj S.x.vqov r) pdgpagor ij ak?Mg dM- trauen fassen konnte, brachte er dem freundschaft- 
kiuov xai w naw Attixov _ nur auf den Gedanken lich entgegenkommenden Antoninus Pius die herz- 
zu sehen; oia&a yag on h> Slloig ovo/iaotv xal lichste Zuneigung entgegen (25f. 46 56f 87 163ff 
aXk n SiaMxry Stazg^co (242), und Marcus sollte 226). Das Verhaltnis zu den beiden Prinz'en war 
ihm als a graeais Uteris recentior Barbarismen ein geradezu zartliches. Wohl tadelt er auch zu- 
aus seinen gnechischen Briefen herauscorrigieren weilen (49. 53—55. 61ff. 78. 99 252) in der 
(24); dass_ er seine griechische Correspondenz Kegel aber ergeht er sich in uberschwenglicher 
wanrend seines Proconsulates alexandrinischen Ge- Bewunderung ihrer Talente (z B llf 22 96 
lehrten iibertragen wollte, ist eben gesagt worden. 150) und triumphiereDder Freude uber ihreLei- 
Als Lehrer der Beredsamkeit und Redner gelangte 50 stungen (z. B. 48. 54) ; seine oft iiberstrOmenden 
er fruh zu grossem Ansehem Urn 136 war er Gefuhlsergiisse wollen unserem Geschmacke wenig 
nach Dio Lassms LXIX 18 der erste bachwalter zusagen (bes. 73f. ; vgl. noch 27 55 85f 88 95) 
(eausvlieus nennt er sich 32 ; vgl. 193) Roms : An den herangereiften Mannern hing er mit der- 
toi XQ&™ laiv toze h dixais (p^QOfievo?. Als er, selben Hingabe wie an den Junglingen; er hoffte 
wahrschemlich dui-ch Krankheit veranlasst, die — und seine Hoffnung tauschte ihn nicht — , dass 
Absicht hat von der Advocatur zurflckzutreten, ihre Erfolge ihm zugute kommen und unsterb- 
da schreibt ihm Marcus 252: nee tu consilium lichen Ruhm eintragen wurden (102f. 119ff.). Die 
causarum agendarum dimiseris aid turn simul beiden Prinzen erwiderten die Liebe des Lehrers 
omnia ora taeeant (vgl. noch 83. 201j. Noch mit zartlichster Anhanglichkeit , die auch nach 
zum J. 105 (Abr. 2180) bemerkt Hieronymus 60 ihrer Thronbesteigung ungesehwacht fortdauerte. 
Chron.: Fronto tnsigms orator habetur j dasselbe Marcus erschfipfte sich geradezu in Bezeugungen 
zum J. 164 Cassiod. Chron. Eine grosse Anzahl schwarmerischer Verehrung, inniger Dankbarkeit, 
von Junglingen aus den edelsten Geschlechtern warmer Teilnahme an Frontos Schicksalen, be- 
hatte Fronto m seinem Hause (m eontubemio, sonders in bosen Tagen, und in masslosem Lobe 
contubepiales = : Schiiler, vgl. 180. 187. 170. 188) der Lei.stungen Frontos als Lehrer und Redner 
urn sich und bildete sie fiir das Forum aus , so (vgl. u. a. die Aureden suavissime, supra omnis 
die beiden Sonne des Sardius Saturninus (der eine res duleissime 61, sogar mellitissime 70 und 
mess Sardius Lupus , 180. 187) , Aemilius Pius Stellen wie 3f. 5. 18. 27. 30. 47. 56. 60f. 67. 78. 

Pauly-Wieaowa IV 42 



1315 



Cornelius 



Cornelius 



1316 



252ff,). Selbst als er unter dem Einflusse des 
Stoikers Eusticus, einige 20 Jahre alt, (um 147) 
von den geistlosen und unbefriedigenden rhetori- 
schen , poetischen und stilistischen Tandeleien 
sich losgerissen und der scit seinem zwfilften 
Jahre (Hist. aug. Anton, philos. 2) genahrten, 
durch Fronto unterdruckten Vorliebe fur die Philo- 
sophic cndgiltig zum Siege verholfen hatte (Mar- 
cus sk i. I 7. 17. Fronto 68. 75f. 95f. 97. 150), 
bewahrte er dem alten Lehrer seine alte Zu- 
neigung und Bewunderung (94. 101. 231) und zog 
ihn nach seiner Thronbesteigung , wo er ofter 
durch die Verhaltnisse gezwungen wurde, Eeden 
zu halten und Verfiigungen zu schreiben, als 
Autoritat zu Rate. Fronto beschr&nkte sich iib- 
rigens nicht auf das Unterrichten , sondern war 
in noch hOherem Masse Erzieher, und gerade 
dieses Yerdienst Frontos erkennt Marcus in seiner 
am Ende seines Lebens niedergeschriebenen Auto- 
biographic I 11 an, wahrend er des von Fronto 
genossenen rhetorischen Unterrichtes mit keiner 
Silbe gedenkt, ja den Gottern dankt, dass er 
durch sie vor grCsseren Fortschritten in der Bhe- 
torik bewahrt geblieben sei. Er bekennt, dass 
er von Fronto gelernt habe ota rj rvQavvixr] §ao- 
y.avia xal noixikia xal vnoxgiaig xal on &g ejii- 
Tiav oi xal.ovfievoi ovxoi Trap' rj/ur EVTiaxgCdai 
aoxogyoTSQoi ndx; rioi (vgl. damit 49. 135. 176. 
231). Uber das Yerhaltnis Marc Aurels zu Fronto 
vgl. Boissier La jeunesse de Marc-Aurele d'apres 
les lettres de F., Eevue des deux mondes LXXIV 
1868, 671—698. Ernst Miiller Marc Aurel in 
seinen Briefen an F., Gratulationsschrift d. Gymn. 
z. Eatibor 1869. fiber das Verhaltnis des Verus 
zu Fronto vgl. 10 If. 106. 116. 132. 138. 

Fronto halt amor honorque fur das Erstrebens- 
werteste im Menschenleben 137. Bcides ist ihm 
dank der Gunst der Kaiser in reichem Masse zu teil 
geworden. Satis abundeque Jionorum est, quos 
mihi oottidiano tribuis, scbreibt er an Marc 
Aurel (Frg. bei Charis. 197 K.). t)ber seine amt- 
liche Laufbahn vor dem Consulate erhalten wir 
genauen Aufschluss durch die Inschrift auf der 
von den Bewohnern von Gelma (Numidien) ibrem 
Patronus Fronto gestifteten Gedenktafel CIL VIII 
5350 = Dessau 2928. Darauf wird er als trium- 
vir capitalis, quaestor provinciae Siciliae, aedilis 
plebis und praetor bezeichnet. Da er unter Ha- 
drian Mitglied des Senates war (25), muss er die 
Quaestur vor 138 bekleidet haben (also Geburt 
vor 113). Im J. 143 stieg er zum Consulate 
empor, das er wiibrend der beiden Monate Juli 
und August verwaltete (34. 243. Auson. a. O., 
vgl. ausserdem 32f. CIL XI 6334 = Dessau 1129. 
Dio Cass. LXVLH 1; das J. 143 gewinnt man 
aus dem Briefe an Marcus I 8 p. 23. wo sich 
Fronto als Consul an den damals 22jiihrigen 
Prinzen Marcus wendet). Auch ein Proconsulat 
war Fronto zugedacht worden; aus dem Briefe 
des Marcus 86 folgt, dass Fronto die Provinz 
Asia zugefallen war. Mommsen a. O. 212 setzt 
das Proconsulat um 157, nach Aube" (s. u. 74. 
79) war Fronto designierter Nachfolger des Qua- 
dratus in der Verwaltung der Provinz Asia fur 
das J. 155. Zur Ubernahme des Amtes hatte 
Fronto bereits alle durch die Lage und Beschaffen- 
heit seiner Provinz geforderten Vorkehrungen ge- 
troffen und allerlei Verbindungeu angekniipft (die 



Schilderung 169 entspricht genau den tfberliefe- 
rungen des classischen Juristenrechts der EOmer 
beziiglich dieses Gegenstandes, s.DirksenHinterl. 
Schriften I, Leipzig 1871, 252f.); da wurde er 
durch einen unerwarteten , heftigen Gichtanfall 
gezwungen, den Kaiser um Enthebung von dem 
ubertragenen Amte zu bitten (169). Kranklich- 
keit zwang ihn auch, das Ehrenamt eines Pa- 
tronus seiner Vaterstadt in Bom niederzulegen 

10(200f. Niebuhr Ausg. 215, 1). Ausser Cirta 
vertrat er das obenerwahnte Gelma und gewiss 
noch manche andere africanische Stadt in Eom. 
Desgleichen nahm er die Interessen der Kilikier 
puhliee privatimqtte semper vor Pius war (169). 
Nicht bios Ehren , auch ansehnlichen Eeichtum 
brachte ihm seine Thatigkeit als Prinzenerzieher, 
Sachwalter und Lehrer. Den Tag des Eegierungs- 
antrittes des Pius feiert er als Geburtstag seiner 
solus, dignitas, seeuritas (167); pauca petii, non 

ZOpauea merui, sagt er in seiner Selbstcharak- 
teristik 235. Freihch besass er nicht so viel, um 
aus seinen Mitteln neben den betr&chtlichen Stan- 
desausgaben als Senator seinen Freunden nennens- 
werte Unterstiitzungen gewahren zu kOnnen (134, 
wo es heisst: nostrae res hand copiosae), und 
im Tergleiche zu den unermesslichen Beichtumern, 
die einzelne Bomer damals aufhauften, war sein 
VermOgen bescheiden, doch durfte er den hoch- 
ragenden, von herrlichen Parkanlagen umgefcenen 

30 Palast des Maecenas auf dem Esquilinus sein 
eigen nennen (23; einen geistreichen Vergleich 
zwischen den beiden Besitzern stellt an Hertz 
Benaissanee u. Eococo 71, ini Anschluss an Gell. 
XIX 10), und hatte vor, fur denselben eine Bade- 
einrichtung herstellen zu lassen, die von den Ar- 
chitekten auf 300 000 Sesterzien (liber 50 000 Mark) 
veranschlagt wurde (Gell. a. O.). Einer villa sttb- 
urbana gedenkt er 178; ein Weingut (in Cam- 
panien? Eckstein) wird 67. 83. 118 erwiihnt 

40 (als Liebhaber von Trauben bekennt er sich 182) ; 
auf Besitzungen in Africa schliesst Eckstein aus 
dem Briefe an Marcus V 34 (49) p. 86. Er war 
in langer, glucklicher Ehe verheiratet rait Gratia 
(= Kgaizla in den griechischen Briefen), die in 
nahen Beziehungen zu Lucilla stand (27. 32. 137. 
138, 242), Aus dieser Verbindung gingen sechs 
Kinder (kein Sohn 177. 232) hervor , von denen 
fiinf in zartem Alter starben (232). Die einzige 
Tochter, die am Leben blieb, nach ihrer Mutter 

50 Gratia genannt (zuerst 36 erwahnt, dann Ofter. 
bei Lucilla wohl gelitten 70. 86), vermahlte Fronto 
seinem vortrefflichen Schuler, einem der ange- 
sehensten und tiichtigsten Manner der Zeit, C. 
Aufidius Yictorinus (uber ihn 21. 24. 75. 80. 90. 
96. 112. 179. 181ff. 200. 232ff., er war als Stu- 
diengenosse des Marcus ziemlich gleichaltrig mit 
diesem , Hist. aug. Anton, philos. 3) und zwar 
gegen Ende der Eegierung des Pius; denn in 
dem ersten Briefe , den Marc Aurel als Kaiser 

60 an Fronto schreibt 94, begluekwiinscht er ihn zu 
der ineolumitas filiae, nepotum, generi. Damals 
also, bald nach 161, hatte Fronto mebrere Enkel 
(vgl. auch 181). Ein Enkel, in Germanien, wo- 
hin Victorinus bald nach 161 als Legat abging, 
um gegen die Chatten Krieg zu fiihren, geboren, 
starb dort dreijahrig, ohne dass der Grossvater 
ihn je gesehen hatte. Seinen Tod beklagt Fronto 
in de nepote amisso (236. 234. 137L), Ein andrer 



1317 



Cornelius 



Cornelius 



1318 



Enkel, M. Aufidius Victorinus Fronto, wurde in 
Abwesenheit der Eltern im Hause Frontos er- 
zogen (181f. 234). Der cos. 199 (M. Aufidius) 
Fronto auf der pisaurensischen Inschrift (CIL XI 
6334 = Dessau 1129), der seinem Sohne M. 
Aufidius Fronto einen Grabstein mit Inschrift ge 
setzt hat, wird von Niebuhr XXV fur einen 
dritten Enkel Frontos angesehen, Mommsen 
halt Identitat mit dem zweitgenannten fur wahr- 
scheinlich. Der cos. 200 C. Aufidius Victorinus ist 
vermutlich ein jiingerer Bruder des cos. 199. Aus 
der Verbindung seiner Tochter Aufidia (Victorina?) 
mit einem Petronius gingen die Petronii (Aufidii) 
Victorini Vater und Sohne hervor, denen die von 
Henzen Bull. d. Inst. 1881, 51—56 veroffent- 
lichte und besprochene pisaurensische Patronats- 
inschrift vom J. 256 gewidmet ist. Vielleicht ist 
der L. Cornelius L. ftt. Quir. Fronto Probianus 
auf der zu Philippeville (Numidien) gefundenen 
Inschrift CIL VIII 7963 (218—222?) ein Ver- 
wandter unseres Fronto. Ein Leo, an den Sidon. 
Apoll. epist. VIII 3, 3 schreibt, hat unsern Fronto 
zum atamts, d. i. Stammvater. tlber Frontos 
Familienverhaltnisse vgl. Mommsen a. O. 209f. 
Henzen a. O. , wo S. 54 ein Stammbaum 
der Familie zu nnden ist. Kurz nacheinander 
(paucissimis mensibus) hatte Fronto seine Gat- 
tin (f zwischen 166 — 169) und seinen Enkel ver- 
loren; zu dem tiefen Schmerze, den diese Ver- 
luste in seinem warm empfindenden Gemiite zu- 
riiekliessen, kamen ungewOhnlich lange und hef- 
tige kOrperliche Leiden (137), die dem vom Alter 
gedrfickten Manne das Leben noch unertraglicher 
machten (132). Schon fruh wurde Fronto von 
Gichtschmerzen geplagt; Artemidoros, der unter 
Hadrian geschrieben hat, berichtet uns de somn. 
IV 22 Hercher von einer Behandlung des ao&oi- 
tixos Fronto. Bei Gell. II 26. XIX 10 empfangt 
Fronto (an erster Stelle als Consular), wahrend 
er an Podagra leitet, Besuche von Freunden und 
fiihrt mit ihnen gelehrte Gesprache. Seine eigenen 
detaillierten Krankheitsberichte beziehen sich auf 
die Zeit nach dem Consulate, und da besonders 
in Buch V die Klagen kein Ende nehmen, auf 
die Zeit nach 147. Fast kein KOrperteil ist von 
der bosen Krankheit verschont; besonders sind es 
Hande, Ffisse, Kniee, Nacken und Schulter, doch 
auch Eiickgrat, Leisten- und Lendengegend, deren 
schmerzhafte Affection ihn am Arbeiten hindert, 
oft ans Bett fesselt und ihm schlaflose Nachte 
verursacht (45. 47. 71f. 78—84. 87—92. 99. 107. 
132. 134. 137. 149. 167. 169. 182. 184. 190f. 222. 
231f. 252; ein besonders starker Anfall 87f.). 
Trotz aller Gebrechen und schweren Schicksals- 
schlage (232) erreichte Fronto ein hohes Alter. 
Schon in dem Briefe, den er zu Beginn der Ee- 
gierung des Marc Aurel, also bald nach 161, an 
ihn schrieb, spricht er von sich als von einem 
lebensmuden Greise (94f. sat vitae est), und 
einige Jahre darauf. nach dem Verluste des Enkels, 
triistet sich der Greis damit, dass aetas {am prope 
edita et morti proxima (235) sei (vgl. ebd. in 
longo vitae meae spatio). Darnach sollte man 
annehmen, dass er kurz darauf aus dem Leben 
geschieden sei, und manches spricht anscheinend 
dafur, dass er Verus Tod (f 169) nicht iiberlebt 
habe (Mai 1815, XLIXf. Schanz 76). Da je- 
doch in de orat. 161f. im Gegensatze zu den 



numrni antiqui von dem minimus Antonini aid 
Commodi aut Pii die Eede ist und vor 175 keine 
Miinzen mit dem Namen des Kaisers Commodus, 
den allein Fronto gemeint haben kann, geschlagen 
worden sind, so gewinnt Mommsen 216 mit 
Eecht als Terminus post quem das J. 175 und 
nimmt an, dass Fronto bis nahe an Marcus Tod 
180 gelebt habe. Weshalb Aube 91 den Tod 
Frontos zwischen 168 und 172 setzt, ist nicht 

10 ersichtlich. Dass wir uber Verus Tod und die 
nachfolgenden Ereignisse bei Fronto keine Notiz 
finden , ist gewiss auffallend, erklart sich aber 
aus der Ltickenhaftigkeit der iiberlieferten Corre- 
spondenz (s. u.). Vermuth ch fur den toten Fronto 
beantragte Marc Aurel, wie sicher fur den toten 
Eusticus, ein Standbild beim Senate (Hist. aug. 
Anton, philos. 2. 3). 

Vor der Auffindung des Fronto-Palimpsestes 
durch Mai konnte man sich von der schrift- 

20 stellerischen Bedeutnng des Mamies aus 
seinen Werken weder ein richtiges noch ein voll- 
standiges Bild machen. Denn die ihm vielfach 
zugeschriebenen, noch von Mai in seine Front-o- 
ausgabe aufgenommenen Abhandlungen de nomi- 
num verborumque differ entiis (in dem einzigen 
Cod. Neapol. s. VH/VIII anonym tiberliefert; jetzt 
am besten bei Keil Gr. L. VII 517—532, vgl. 
Teuffel-Schwabe 894) und des Messius Aru- 
sianus Exempla eloeutionum (in einigen Hss. dem 

30 Fronto zugeschrieben, aber mit Unrecht, wie schon 
die Zusammenstellung der excerpierten vier Auto- 
ren Terenz, Cicero, Sallust, Vergil zeigt; Keil 
Gr. L. VII 449. Teuffel-Schwabe 1088f.; mit 
ihnen identificiert die elegantiae latinae des Fronto, 
die von Eaphael Volaterranus unter den 1494 in 
der Bibliothek von Bobbio gefundenen Buchern 
aufgefuhrt woTden sind, Niebuhr XXXITI) tragen 
falschlich Frontos Namen, und die Fragmente 
aus seinen Eeden und Briefen sind so unbedeu- 

40 tend, dass man aus ihnen auf Umfang und Wert 
der Schriftstellerei Frontos keinen Schluss Ziehen 
konnte (Mimic. Fel. Oct. 9, 6f. Charis. 138, 
11. 197, 3. 223, 8. 26 K. Eufinus 580 Halm 
aus Charisius, der Fronto zu einem Beispiele ver- 
wendet. Serv. Aen. I 409. VLT 30. 445 [unser 
Fronto ?]._ 668. Consentius V 349, lof. K.; die 
Citate bei Fulgent, expos, serm. ant. 35 p. 121 
Helm [aus Apul. met. IV 33?] und Isid. orig. 
XV 2, 46 sind immerhin lehrreiche Belege fur 

50 das Fortleben Frontos in spaterer Zeit). Sie 
zeigen, da sie fast alle nur grammatische Notizen 
enthalten, dass Fronto von den Grammatikern 
der folgenden Jahrhunderte fleissig excerpiert 
wurde. Er wird ihnen, wie dem Gellius, der aus 
Frontos grammatischen Forschungen und Ge- 
sprachen einiges wenige uns aufbewahrt hat (II 
26. XIII 29. XIX 8. 10. 13), als Autoritat auf 
sprachlichem Gebiete gegolten haben. Das war 
alles, im iibrigen war man fur die Wiirdigung 

60 Frontos als Eedner auf die Zeugnisse der Alten 
angewiesen. Natiirlich durfte ein Mann, der zum 
Prinzenerzieher erkoren, von seinen furstlichen 
Gonnern mit alien Ehren iiberhauft, von Marc 
Aurel sogar eines Standbildes fur wurdig gehalten 
worden war, keine unbedeutende Personlichkeit 
sein. Der Bedirer des im J. 297 in Trier ge- 
haltenen Panegyricus auf Constantius (14 p. 141 
Baehrens [Eumenius]) weist Fronto mit den Worten 



1319 



Cornelius 



Cornelius 



1320 



Romanae eloquentiae non secundum,, sed alterum 
decus in der Kangordnung der Eedner den Platz 
gleich nach Cicero an; in tanti te oratoris fa- 
stigium gloriosus attollis ? liest man bei Ansonius 
a. 0. in seiner 379 ebenfalls in Trier gehaltenen 
Dankrede an Gratian; bei seinem Zeitgenossen 
Eutropius heisst Fronto orator nobilissimus, wo- 
gegen das insignis bei Hieronymus und Cas- 
siodor nicht viel besagen will; vgl. auch Sidon. 



Kaiser Marcas (epistularum ad Antoninum 
imp. et invicem libri, 93 — 112), bestehend aus 
mindestens 5 Bfichern, da Charis. 223, 28 ein 
fiinftes Buch citiert. Vermutlich ist die Zahl 
noch grfisser gewesen (Niebuhr 67). Erhalten 
sind der Anfang des I. Buches und der Schluss 
von II, ferner die bei Naber ,unter dem tau- 
schenden Schein eines sog. II. Buches als epist. 
1 — 11 zusammengestellten , wahrscheinlich teils 



Apoll. epist. VIII 10, 3. Vielfach wird er als Bepra- 10 dem II. teils einem spateren Buche angehoreiiden 



sentant einer besonderen Redeweise bezeicb.net. 
Macrob. sat. V 1, 7 stellt neben das eopiosum 
genus dieendi Ciceros, das breve Sallusts, das 
pingue et floridum des Plimus (und Symmachus) 
das siccum, quod Frontoni adscribitur (also von 
friiheren Kritikem ; vgl. auch § 5 : tenuis quidam 
et siccus et sobrius amat quandam dieendi fru- 
galitatem). Claudianus Mamertus (um 470) epist. 
ad Sapaudum rhet. 206 Engelbrecht empfiehlt 



Reste' (Mommsen 199). Die Briefe fallen in 
die Zeit nach 7. Marz 161 (Regierungsantritt des- 
Marcus). Ausser Bezeugungen treuer Anhang- 
lichkeit auf beiden Seiten enthalten auch diese 
Briefe Urteile Prontos fiber die Lekture und Be- 
redsamkeit des Kaisers und Bitten desselben um 
neue Lekture. 

3) Correspondenz Prontos mit dem 
Kaiser Verus (epistularum ad Verum imp. 



stellern, Chrysippus und Cicero den Pronto fur 
die Aneignung von pompa, sein Zeitgenosse Apol- 
linaris Sidonius spricht in einem Briefe an ihn 
IV 3, 1 von der Frontoniana gravitas neben dem 
pondus Apuleianum. Qravitas riihmt an Fronto 
auch Hieron. ep. 12 (an Eusticus), an einer Stelle, 
wo er ihn zusammen mit Quintilian, Cicero und 
Plinius nennt. Mit Plinius wird er auch noch 
bei Mart. Cap. V 114 Eyss. = 452f. Halm zu- 



138). Wir besitzen davon den Schluss des ersten 
Buches und den Anfang des darauf folgenden. 
Die Briefe gehtiren samtlich in die Zeit des Verus 
als Kaiser 161—169. Die mit Sicherheit voraus- 
zusetzende Correspondenz mit dem Prinzen Corn- 
modus ist ganz verschwunden. Ausser den ub- 
lichen Artigkeiten, die sich beide Briefschreiber 
sagen, enthalt der Brief Frontos 113ff. hoch- 
interessante Urteile fiber Stileigentumlichkeiten 



sammengesteDt. Wir sehen, eine ganze Eeihe30bei Klinstlern, Dichtern (hierzu Hertz Philol. 



von Zeugnissen weist Fronto in der Geschichte 
der romischen Beredsamkeit einen Platz neben 
den gefeiertsten Eednern an. Entspricht der 
Fund Mais den durch diese Zeugnisse natur- 
gemass wachgerufenen hohen Erwartungen ? Ehe 
wir diese Frage beantworten, mtissen wir eine 
Besprechung der aufgefundenen Schriften voraus- 
schicken. Wir folgen der Anordnung bei Naber. 
Die Sammlung wird erOffnet durch die 



XXXIV 1876, 757), Geschichtschreibern, Eednern, 
Philosophen; ein anderer 119ff. giebt der freu- 
digen Genugthuung Frontos Ausdruck, Lehrer 
zweier so hervorragender Eedner, wie es die beiden 
Kaiser seien, gewesen zu sein (der Brief des Verus, 
auf den sich Pronto hier bezieht, ist nicht um 
165 [Naber], sondern 163/164 geschrieben und 
war ein officieller Kriegsbericht in Briefform, 
litterae laureatae, s. Jordan Herm. VI 1872, 



1) Correspondenz Frontos mit dem40 70f.); ein Brief des Verus endlich 131f. stellt 



Thronfolger Marcus (epistularum ad M. 
Cctesarem et invicem libri V, 3 — 93). Neben 
Freundschaftsbriefen beider Manner zum Ausdruck 
der Teilnahme an personlichen und hauslichen 
Verhaltnissen , Eeiseberichten des Marcus und 
Empfehlungsschreiben Frontos finden wir auf den 
rhetorisch-sprachlichen Unterricht beziigliche Briefe 
enthaltend des Marcus Berichte fiber seine Lek- 
ture und Stilarbeiten und des Fronto Eatschlage 



Fronto fflr die von ilim auf Verus' Wunsch zu. 
schreibende Geschichte des Partherkrieges alles 
irgendwie verwendbare Material in Aussicht, seine 
Berichte an den Senat, seine Ansprachen an das 
Heer, die Protokolle iiber die Verhandlungen mit 
den Parthern, Plane vom Kriegsschauplatze, Briefe 
seiner Generale, eigene Instructionsbriefe, die 
Specialrapporte der beiden Hauptfiihrer Cassius 
Avidius und Martius Verus fiber die Sitten und 



fiber angemessene Lekture und Stilfibungen und 50 Sinnesart der Parther; zum Schlusse giebt er 



Urteile fiber des Marcus Reden und stilistische 
und poetische Versuche. Ein solcher stilistischer 
Versueh ist eine Declamation des Marcus gegen 
den Schlaf (9ff.), zu der er durch eine Eede des 
Fronto fur den Schlaf angeregt worden ist, ein 
geschmackloses Machwerk, vor dem der hoch- 
befriedigte Ehetor sich unter den anerkennendsten 
Ausdrucken verneigt. Eine deutliche Vorstel- 
lung von der Urteilslosigkeit Frontos auf litte 



Fronto Eatschlage fiber die Anlage des Werkes. 

Die genannten drei Correspondenzen scheinen 
nach Mommsens Ausfiihrimgen 202ff. im wesent- 
lichen chronologisch angeordnet zu sein ; beziiglich 
des funften Buches ad M. Caesarem bestreitet 
dies Schanz 78. 

4) Ehetorische Specialcorrespondenz 
mit dem Kaiser Marcus, anscheinend in 
mehreren Buchem. Ein Titel ist nicht fiber- 



rarischem Gebiete gewinnt man aus IV 3 p. 61ff., 60 liefert. Gemeinhin nennt man sie de oratiom'bus. 



vgl. dazu E.M filler 10. Von den Briefen dieser 
Sammlung fallen nach Mommsen a. 0. die ersten 
vor Frontos Consulat, I 7. 8. II 1—4. 10. 11. 
5—9 in die Zeit des Consulate, II 12- 15. Ill 
ganz. IV 1—9 von Sept. 143 bis 145, IV 11. 
12 ins J. 146, IV 13 146/147, V in die Zeit von 
147—161 (V 51 p. 86 um 157). 

2) Correspondenz Frontos mit dem 



Hierzu gehOrt nach Mommsen 200 als integrie- 
render Bestandteil das Stuck, welchem Niebuhr 
den Titel de eloquentia gegeben hat (139 — 155; 
de orationibus 155 — 162). Dass die Correspon- 
denz an den Kaiser, nicht, wie Mai wollte, an 
Marcus Caesar gerichtet war, geht aus 145 her- 
vor: orbem terrae, quern vocalem acceperis, mil- 
ium a te fieri? (Naber; vgl. auch 141f.). In 



1321 



Cornelius 



Cornelius 



1322 



in einer Eeihe mit vorciceronianischen Schrift- 20 Aurelium Caesarem et invicem libri II, 113 bis ,? 



1? 

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• t 

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•dem Traktate de eloquentia nimmt Fronto die 
Beredsamkeit gegeniiber der Philosophie nachdriick- 
lich in Schutz und bemuht sich, den nach seiner 
Meinung zum Eedner vorziiglich veranlagten und 
von ihm grundlich vorgebildeten Kaiser von der 
Notwendigkeit ihrer Pflege zu fiberzeugen, indem 
•er ihm zugleich Fingerzeige zur Abstellung einiger 
stilistischen Mangel giebt. In der Abhandlung 
de orationibus bittet der um seinen Einfiuss und 
Euf besorgte Ehetor den Kaiser, wenn er ihn lieb 
liatte, die Beredsamkeit nicht zu vernachlassigen 
oder gar in verkehrter Weise zu pfiegen. Eine 
verkehrte Pflege sieht er in dem Mischmasch der 
Nachabmung des alten Cato und des modernen 
Seneca. Gegen letzteren und Schriftsteller gleichen 
Schlages , durch deren Nachahnrang des Marcus 
Stil gekfinstelt, geschminkt, unrein und schwiilstig 
zu werden drohe, zieht er schonungslos zu Felde 
und empfiehlt Marcus, zu den alten, echten Mustern 
zuruckzukehren und sich einer angemessenen.natur- 
lichen Ausdrucksweise zu befleissigen. Monetam 
Mam veterem seetator (161). Der Tractat de 
orationibus hat Servius vorgelegen, wenn anders 
Naber zu 162 richtig vermutet, dass Serv. Georg. 
II 209 daraus die Stelle aus Sallust hist. I 15 K. 
entnommen hat. 

5) Correspondenz mit Antoninus Pius 
(epistularum ad Antoninum Pium liber, 163 — 
171). Diese in der Form an den Briefwechsel 
zwischen Traian und Plinius erinnernde sehr kurze 
Correspondenz ist ziemlich vollstandig erhalten. 
Brief 1 und 2 sind aus Frontos Consulatsjahr, 
Brief 8 motiviert die Ablehnung des Proconsulats 
in Asien (s. o.). Ijber den weitl&ufigen Brief 3 
p. 164ff., in dem Fronto seinen bei Pius in Un- 
gnade gefallenen, nun verstorbenen Freund Niger 
Censorinus in Schutz nimmt, vgl. Niebuhr Kleine 
Schriften II 63f. ; auf denselben Fall beziehen sich 
Brief 4 und 7, die an die Adresse des Marcus 
Caesar und Gavius Maximus gerichtet sind. In 
Brief 5 begliickwtinscht Fronto den Kaiser zum 
Gedenktage des Eegierungsantritts , Brief 6 ent- 
halt des Pius gnadige Antwort. In Brief 9 end- 
lich empfiehlt Fronto Appian fur die Stelle eines 
Procurators (in Agypten?). 

6) Correspondenz mit Freunden (epistu- 
larum ad amicos libri II, 172 — 201), alles Briefe 
von (nicht auch an) Fronto. Sehr naufig schrieb 
Fronto an seine Freunde nicht, vgl. 186: nee 
qitisquam est hominum Bomanorum, qui rarius 
quam ego seripserit ad amices aut rescripserit. 
Die tiberlieferte Sammlung hat sich bis auf den 
Schluss in leidlicher Vollstandigkeit erhalten. So- 
weit sich die Briefe mit Sicherheit datieren lassen, 
stammen sie aus der Zeit der divi fratres. Buch I 
beginnt mit 10 Empfehlungsschreiben, darunter 
befindet sich ein griechisch gesehriebener Brief 174 
an einen Arzt Apollonides (s. Bd. II S. 119 Nr. 24 
und 121 Nr. 33). Die iibrigen Briefe sind fast 
durchweg nach den Empfangern geordnet, also 
nicht chronologisch. Hier begegnen uns audi 
Briefe an seinen Schwiegersohn Victorinus 179. 
181ff.; voll gemiitlichen Humors ist der Brief 181f., 
in dem der zartliche Grossvater fiber sein bei ihm 
lebendes Enkelchen berichtet; von besonderem 
Interesse ist Brief 183 wegen des darin behandelten 
Erbschaftsfalles der Matidia (s. u.). Aus alien 
Briefen spricht eine warme Anteilnahme Frontos 



an dem Lose seiner Freunde, die er angelegent- 
lichst seinen Gonnern und Freunden empfiehlt, zu 
Erfolgenbegliickwunscht, im Missgeschicke trOstet, 
in ihren Studien nach Kraften fordert. Als Freunde 
Frontos lernen wir in dieser Correspondenz kennen: 
Claudius Severas (172—174; vgl. Bd. Ill S. 2868 
Nr. 346), Cornelianus Sulpicius (173f. ; sehr eng be- 
freundeter Eedner, nach Naber derselbe, dem 
Phrynichos seine suloytj Qrifiaxcov xai ovdjiatcav 

K)'Attix(ov widmete), den obengenannten Griechen 
Ap. Apollonides (174), Lollianus Avitus (cos. 144; 
ihm als Procos. von Asien empfiehlt er seinen 
brustkranken Freund Montanus), Montanus Lici- 
nius (175f., vermutlich Schfiler Frontos), Aegrilius 
Plarianus (so Borghesi Arch. Ztg. IH 1845, 
11 Of. = Ehein. Jahrb. IX 1846, 21 Iff.; Cod. Aecri- 
lius; Legat und Procos. in Africa unter Pius, 
Gonnerbesonders der Philosophen 1761, vgl. Klein 
Eh. Mus. XXXI 1876, 639f.), Iulius Aquilinus 

20 (176f. Platoniker und Eedner), Claudius Iulianus 
Naucellius (177. 185f. = 59f.? Cos. unter Pius 
CIL IE dipl. 44 p. 886, Provinciallegat unter 
Marcus und Verus. Mommsen a. O. 205; vgl. 
Bd. Ill S. 2726f. Nr. 187. 188), Statiamis (177L. 
Vater des folgenden), Faustinianus (177f., Schiller 
Frontos? = Faustinianus Cerellius Hist. aug. Sev. 
13,6? Philibert-Soupe 20), Avidius Cassius 
(178, angesehener Feldherr, spater Usurpator fl75; 
Brief vom J. 165; fiber ihn Bd. I S. 2378ff.), 

SOlunius Maximus (178, Tribun unter Avidius Cas- 
sius) , Antoninus Aquila (179, beliebter Decla- 
mator, von Fronto seinem Schwiegersohne fur eine 
Stelle als Lehrer der Beredsamkeit in Gallien [in 
Dorocorthoro Consent, a. O.?] empfohlen, wohl 
nicht identisch mit dem Grammatiker Gr. L. VII 
525, 22; vgl. auch Bd. I S. 2571 Nr. 8), Pas- 
sienus Eufus (179f. ; Fronto empfiehlt ihm seinen 
jungen Schuler Aemilius Pius), (P.) Caelius Opta- 
tus (180, Legat von Numidien 166 n. Chr., Bd. IH 

40 S. 1265 Nr. 30), Sardius Saturninus (180. 187f., 
Vater der oben genannten Schuler Frontos), Petro- 
nius Mamertinus (180; nach Niebuhr Ausg. 199 
Vater des Schwiegersohnes des Kaisers Marcus, 
fiber den zu vgl. Hist. aug. Comm. 7, 5), Velius 
Eufus Senex (181; Mai dachte in seiner ersten 
Ausg. 1815, I 149 an den Schuler des Herodes 
Eufus bei Philostr. v. soph. II 17, spater schwankte 
er zwischen dem bei Marcus els &■ Xn 27 er- 
wahnten und dem von Commodus nach Hist. aug. 

50 Comm. 4 getflteten Eufus; Philibert-Soupe" 26 
macht sich die erste Vermutung Mais zu eigen), 
Praecilius Pompeianus (184f. , Landsmann Fron- 
tos?), Valerianus (186; im Index der Briefe 189 
Valerianus Clitianus, gemeinsamer Freund Frontos 
und des Claudius Iulianus Naucellius; identisch 
mit Valerianus in Hist. aug. Pertin. 12? Mail, 
Fulvianus (187 = 131?), Squilla Gallicanus (189, 
sein Sohn Frontos Schfiler, nach Mai der Cos. 
151), Ulpius (188; einen Eechtsgelehrten Ulpius 

60 Marcellus erwahnt Hist. aug. Ant. Pius 12, einen 
Feldherrn Ulpius Marcellus unter Commodus in 
Britannien Cass. Dio LXXH 8), Volumnius Qua- 
drature (190f., alterer Schuler? Niebuhr halt ihn 
fur identisch mit dem jungen Quadratus, dem 
Marcus den ihm zustehenden Teil der mutter- 
lichen Giiter uberlassen hat, Hist. aug. Ant. 
philos. 7 ; dieser Quadratus heisst aber nach Peter 
Mummius , nach Borghesi- Jordan Ummidius), 



1323 



Cornelius 



Cornelius 



1324 



Castrieius (190. 168, wohl der Rhetor T. Castricius 
unter Hadrian, s. Bd. Ill S. 1776 Nr. 7), Cor- 
nelius Eepentinus Contuccius (191, vielleicht der 
Vater des Hist. aug. Did. 3 erwahnten Stadt- 
praefecten und Schwiegersohnes des Kaisers Didius 
Iulianus), Fabianus (191, eng befreundeter Redner 
= Masticius Fabianus in Hist. aug. Sev. 13?), 
(C.) Arrius Antoninus (191—200; zwischen 161 
und 169 der erste Iuridicus per Italiam regionis 
Transpadanae mit dem Sitze in Concordia in Ve- 
netien, damals noch schr jung 192, 9. 194, 3. 
198, 18. 199, 3; spater von Commodus hinge- 
richtet im J. 188; Fronto bittet ihn, in Sacben 
des Decurionats des Tiber 70 Jahre alten, ihm 
befreundeten Volumnius Serenas eine Nachprijfung 
zu veranstalten, hierzu vgl. besonders Philibert- 
Soupe' 34ff. Dirksen 246f., im ubrigen Bd. II 
S. 1255 Nr. 13). Ausser diesen in der Corre- 
sponded ad amicos erwahnten Freunden lernen 
wir aus Frontos ubrigen Schriften als seine Freunde 
noch kennen seine Fachgenossen Antonius Iulianus 
aus Spanien (59. 60. Teuffel-Schwabe 89G. 
Bd. I S. 2632 Nr. 66), Favorinus aus Gallien (215. 
Teuffel-Schwabe 885f.), Herodes Atticus (60f. 
111. 138. 244, mit dem Fronto nach anfang- 
lichen, aus Eifersucht hervorgegangenen Reibungen 
schliesslich zu einem guten Einvernehmen kam; 
Teuffel-Schwabe 897), ferner den Historiker 
Appian (170. 244—251), den oben erwahnten 
Philosophen Rusticus (96), Gavius Clarus (133— 
135, practorius, jiinger als Fronto, mit ihm so 
inmg befreundet, dass er ihm nachst seinem Bruder 
und Schwiegersohne am meisten vertraute), Niger 
Censorinus (164—167, den Fronto unter der Rc- 
gierung des Pius beerbte; auf sehi Begrabnis be- 
zieht die Stelle 17, 2ff. Vahlen Naevius 7; vgl. 
auch Philibert-Soupe' 22, 4), Gavius Maximus 
(167f., Praef. praet. unter Pius), Iulius Senex aus 
Mauretanien (169, engbefreundeter Feldherr), Sex- 
tus Calpurnius Iulianus (170, wohl alterer Schiiler 
Frontos, vgl. Philibert-Soupe" 22, 6), Saenius 
Pompeianus (86, vgl. Praecilius Pompeianus 1841), 
Tranquillus(118f.), endlieh allgemein Freunde in 
Alexandrien (169), in Kilikien (169), am meisten 
in seiner Heimat Numidien (169). Bei Gellius 
werden von den vorgenannten Mannern als Freunde 
Frontos Favorinus (II 26) und Postumius Festus 
(XIX 13), ausserdem noch Sulpieius Apollinaris 
aus Karthago (XIX 13) und Celsinus Iulius aus 
Numidien (XIX 10) erwahnt. 

7) Principia historiae, 202-210, eineEin- 
leitung in die Gesehiehte des Partherkrieges (s. 
nr. 3). In Wahrheit ist die in sehr trurnmer- 
haftem Zustande fiberlieferte Scbrift ein sehr 
parteiischer Panegyricus auf Verus. Entsprechend 
den Weisungen seines Auftraggebers (132) malt 
Fronto die Verhaltnisse vor Ankunft des Verus 
mogliehst ins Schwarze, damit des Verus Yer- 
dienste urn so heller erstrahlen. Die Farther er- 
scheinen als der einzige von jeher gefurchtete 
und damals allein noch furehtbare Gegner Horns. 
Ihnen gegeniiber stehen Heere , bei denen eine 
beispiellose Sittenverderbnis und unglaubliche 
Disciplinlosigkeit eingerissen sind. Bei dem ersten 
Anblicke des Feindes ergreifcn sie feige die Flucht. 
Da gait es zunachst, dem volligen Verfalle der 
Disciplin zu steuern. Entgegen der geschicht- 
lichen Wahrheit wird Verus als das vollendete 



Muster eines Feldherrn gezeichnet (207), an dessen 
streng rnilitarischer Lebensweise sieh das Heer 
emporrichtet. Die Zeichnung erinnert in vielen 
Zfigen an die des Hannibal bei Livius, die wohl 
Fronto zum Modell gedient haben wird (Sch wier- 
czina Frontoniana, Diss. Breslau 1883, 32f.). Die 
von Verus bald nach seiner Ankunft den Parthern 
gemachten Friedensvorschlage werden naturlieh 
(208) als ein Ausfluss seiner Milde und Ffirsorge 
10 fur die Soldaten dargestellt, nicht als Wirkung 
der Furcht, was sie thatsaehlich waren (Nazarius 
Paneg. in Constant. 24, der nach Mais Behaup- 
tung Fronto gelesen hat). Auch sonst spielte 
Verus in dem Partherkriege eine ziemlich unrfihm- 
liche Rolle; trotzdem werden seine Verdienste 
weit fiber Gebfihr erhoben, wahrend die seiner 
Vorgiinger Traian und Hadrian bewusst geschmii- 
lert oder verdunkelt werden (vgl. Niebuhr Kl 
Schr. II 70f. Philibert-Soupe 72ft. Hauler 
20Serta Harteliana, Wien 1896, 268; Philol. Ver- 
samml. Koln 1895, 84f.). Diesem gustum, das 
Fronto durch Marcus dem Verus zustellen liess, 
sollte nach Eintreffen des von Verus in Aussicht 
gestellten Materials eine ausfuhrliche Bearbeitung, 
an die der Hofrhetor ex summis voluntatis opi- 
bus herantreten wollte, folgen (131f. 138. 202). 
Ob esdazu gekommen ist, lasst sich mit Sicher- 
heit nicht entscheiden. Gewohnlich nimmt man 
an, dass der Tod Fronto von der Last dieser 
30 Arbeit befreit hat. Da er jedoch bis nach 175 
gelebt hat und sofort an die Arbeit gehen wollte, 
ist es immerhin mOglich, dass er das Geschichts- 
werk geschrieben bat, es rnusste denn der Tod 
des Verus ihn von seiner driickenden Verpflich- 
tung entbunden habcn. Lucian de conscrib. hist. 21 
weist mit den dort angefiihrten Namen Satuminus, 
Fronto (vgl. auch 19 alloc: u s aoiSi,uog sjiI loyoyv 
dvv&fiu) und Titianus wahrscheinlich auf drei 
rSmischeDarsteller des parthischen Krieges bin, 
40braucht freilich nur die principia Frontos im 
Auge gehabt zu haben (Passow Lucian u. d. 
Gesehiehte, Progr. Meiningen 1854, 13, 2). 

8) Laudes fumi et pulveris (211 — 214) 
und laudes neglegeuliae (214—216). Diese 
einfaltigen Ubungsstiicke — nugalia aus seiner 
Jugendzeit nennt er sie selbst 228 — schickt er 
mit einleitenden theoretischen Bemerkungen fiber 
die Behandlung solcher aSog~a an Marcus, der, 
wie wir gesehen haben (nr. 1), seinem Lehrer die 
50 Freude macht, ein ahnliches Machwerk zu schreiben. 
Sie gehoren in das yhog LiiSsihtixov. In der 
griechischen Litteratur waren solche Themata von 
Polykrates an, der eine Lobrede auf die Mause, 
sowie auf Tiipfe und Stein chen hielt, bis in die 
byzantinische Zeit hinein ublich (Volkmann 
Rhetorik 2 31 61'.). Auf romischem Boden versuchte 
Fronto die Adoxographenlitteratur einzubfirgern ; 
vor ihm. bemerkt er ausdriicklich in der Einlei- 
tung 211, habe in rOmischer Sprache keine der- 
60artige nennenswerte Arbeit existiert; die Dichter 
der Komoedien und Atellanen batten gelegent- 
lich dieses Genre beruhrt. Nach den unbedeu- 
tenden Resten zu schliessen, brauchen wir den 
Verlust dieser Declamationen nicht zu bedauern. 
Immerhin yon Wert und Interesse sind die theo- 
retischen Vorsehriften , die er in der Einleitung 
21 If. gegeben hat. Ganz andeis wie in Gerichts- 
reden, wo Fronto sich geradezu bemfihte, die Satze 



1325 



Cornelius 



Cornelius 



1326 



zuweilen schroff und kunstlos zu schliessen (211), 
musse man hier auf concinne und subtile Ab- 
rundung der Gedanken, auf Glatte und Feile in 
der Ausarbeitung sehen. Vor allem sei Anmut 
(siiavitas) in der Diction anzustreben, weil es sich 
um facetiae et voluptas handele. Die anscheinend 
geringfiigigen Gegenstande mtissten amplificiert 
werden (so sind Fronto Rauch und Staub Gott- 
heiten wie Winde und Wolken). Der hochste 
Vorzug dieser Gattung liege in der asseveratio 
d. i. in der ernsthaften Behandlung der adoga. 
An geeigneter Stelle sollten Beispiele aus der 
Mythologie und Sagengescbichte, passende Dichter- 
worte oder Sprichworter oder eigens erdictitete 
Erzahlungen eingeflochten werden (also Anlehnung 
an das Chrieschema ; was Fronto in der Theorie 
nur fur das genus kidicrum verlangt, wendet er 
in der Praxis auch im Briefstile ziemlich fieissig 
an; vgl. fiber die Verwendung von Versen und 
Versteilen besonders Ehrenthal Quaest. Front., 
Diss. Konigsberg 1881, 31ff.). Wesentlieh end- 
licb sei eine verniinftige Gruppierung der Argu- 
mente ; alles Sprnnghafte musste aus der Beweis- 
ffihrung entfernt werden. Die auf den Ausdruck 
beziiglichen Bemerkungen Frontos sind lficken- 
haft iiberliefert; als Muster schweben ihm fur 
ein dulee ineorruptum ae pudicum Cato und 
Herodot vor (213). fiber die behandelten Themata 
vgl. Boissier 684f. 

9) De hello Parthieo 217—222 aus dem 
J. 161/162. Dies rhetorische tfbungsstiick ist ein 
Antwortschreiben Frontos auf einen Brief des 
Marcus, in dem dieser anschliessend an die Mit- 
teilung von der Niederlage, die seine Heere (vor 
der Expedition des Verus) durch die Parther er- 
litten hatten, schreibt, er konne vix quicquam 
nisi raptim et furtim legere prae euris prae- 
sentibus. Fronto sucht den gedriickten Kaiser 
aufzurichten ; er erinnert ihn an die grossen Nie- 
derlagen, die das Rom der Republik durch alle 
Jahrhunderte erlittenhabe, an die schweren Schick- 
salsschlage, die das eigene kaiserliche Haus von 
Traian an betroffen hatten, und erhebt sich zu 
dem allgcmeinen Gedanken : haudquaquam utile 
est homini nato res prosperas perpetuo evenire ; 
fortunae eariae magis tutae. Nalie lag der Fall 
des Polykrates von Samos, dessen Erzahlung der 
Rhetor, so bekannt er auch sein mochte, sich 
nicht entgehen lassen konnte. So wenig man 
im Glficke jubeln dttrfe. so wenig durfe man bei 
einem Misserfolge ermatten : vietoriam brevi 
spera'. Inzwischen empfiehlt er dem Kaiser als 
geeignete Lectfire die vorziiglichste laudatio, die 
er in der gricchisch-rOmischen Litteratur kenne. 
Ciceros Rede de imp. Cn. Pompei. 

10) Deferiis Alsiensibus 223-231. Marc 
Aurel brachte die Ferien in Alsium an der etru- 
rischen Kfiste zu. In der aus vier Bricfen be- 
stehenden Correspondenz ragt der dritte weit 
heraus, in dein Fronto seinen kaiserlichen Herrn 
unter Berufung auf die Vorgange in der Natur 
und die Lebensweise aller grossen Manner und 
besonders auch seiner Ahnen ernstlich ermahnt, 
wahrend seines Ferienaufenthaltes in Alsium sich 
die fur KOrper und Geist nach angestrengter Tha- 
tigkeit so notwendige Ruhe zu gonnen und vor 
allem nichts am Schlafe zu kfirzen. Daran knupft 
er, da er zu einer vollstandigen laus Somni sich 



nicht mehr fahig halt, in derselben Absicht die 
Fabel von der Erschaffung des Schlafgottes durch 
Iuppiter (vgl. fiber diesen Brief Boissier 695ff.). 
11) Be nepote amisso 231-236, bestehend 
aus einem kurzen Beileidschreiben des Marc Aurel 
an Fronto und einem langen Briefe Frontos an 
den Kaiser. Dieser Brief ist wohl der schonste, 
den Fronto je geschrieben. Der Grundton ist der 
Situation angemessen ernst und wtirdevoll; der 

10 Ausdruck im ganzen massvoll (vgl. jedoch Nie- 
buhr Kl. Schr. n 69f.). Boissier 69 7f. nimmt 
Einfluss des Marcus auf den alternden Fronto 
an. Der Greis klagt die Vorsehung an, die ihm 
nach so vielen traurigen Erfahningen eines langen 
Lebens den Schmerz des Verlustes eines Enkels 
nicht erspart habe. Er trOstet sich mit der Nahe 
des Todes, angesichts dessen er einen Riickblick 
auf sein vergangenes Leben wirft. Die nun fol- 
gende Selbstcharakteristik 235f. stimmt im ganzen 

20 zu dem Bilde, das wir uns aus sonstigen Ausse- 
rungen in seinen Schriften und gelegentlichen 
Urteilen anderer (vgl. namentlich Marcus stg e. 
I 11) machen. Danach war Fronto ein ausser- 
ordentlich weich angelegter Gemutsmensch. Voll 
wanner Nacbstenliebe (die er in Rom, wo man 
nicht einmal einen Ausdruck fur das griechische 
(pdooxoQyia habe, vermisste; vgl. 135. 176 und 
Marcus 231 und elg 1. 1 11), nahm er ohne Ruck- 
sicht auf personliche Vorteile oder Nachteile (saepe 

30 cum periculo capitis, dazu 165) an dem Wohl 
und Wehe seiner Freunde innigen Anteil (185) 
und half ihnen, so gut und so oft er konnte, 
ohne auf Dank zu rechnen oder gegenfiber Un- 
dank empflndlich zu sein (vgl. die vielen Empfeh- 
lungsschreiben). Im Bewusstsein der eigenen 
Menschcnwilrde verschmahte er alle niedrigen und 
unlauteren Mittel zur Erreichung seiner Zwecko 
und wollte lieber rnissachtet sein und darben, als 
sich durch Verstellung, Heuchelei, Kriecherei (248. 

40£gamx6g 255ff.) und Bettelei (249) Vorteile ver- 
schaffen. Walrrheitsliebe und Offenherzigkeit sind 
hervorstechende, von seinen Scbulern besonders 
hoch geschatzte Zfige seines Wesens (49. 130. 
165. 167. 171. 182. 184. 243). Nur wo die <pi- 
loorooyia mit der Wahrheitsliebe in Conflict ge- 
rat, da halt er ein Abweichen vom geraden Wege 
fiir erlaubt. Im Interesse eines Clienten vor Ge- 
richt halt er artificia sogar fur geboten (52). Aus 
Liebe zu Verus falscht er die Gesehiehte (s. ur. 7) ; 

50 im Interesse der Faustina, der Gattin des Marcus, 
versckmaht er in der Nachlassangelegcnheit ihrer 
Grosstante Matidia, mag er auch pcrsSnlich von 
Unregelmassigkeiten bei der Vollziehung des frag- 
lichen Codicills iiberzeugt gewesen sein, weder 
die Grfinde der Sophistik noch priift er die be- 
ziiglichen Regeln des geltenden Rechtes mit Un- 
befangenheit (Dirksen a. O. 250f.). Die Lobes- 
erhebungen, mit denen er seine Zoglinge nicht 
selten in iiberschwenglicher Weise fiberhauft, gehen 

GOuber das erlaubte Mass liebevoller Anerkennung 
hinaus, und Stellen, wie 98, wo er den Kaiser 
Marc Aurel als Redner feiert, streifen hart an 
Schmeichelei. Hier spielt freilich noch mehr als 
die Liebe zu seinen ZogUngen die zu seiner Kunst 
hinein. Er weiss sich eben vor Freude nicht zu 
fassen, wenn «■ seine Rhetorik geaehtet sieht, 
wie er umgekehrt aus seinem Missmut und seiner 
Gereiztheit kein Hehl macht, wenn er sie bedroht 



1327 



Cornelius 



Cornelius 



13 28 



1329 



Cornelius 



Cornelius 



1330 



oder gar verachtet sieht (145f. 150. 155). Aus 
derselben Eingenommenheit fur seine Kunst sind 
bei dem sonst so bescheiden fiber das Mass seine? 
KOnnens und Wissens urteilenden Menschen (184. 
239. 242) so selbstgeffilige Ausserungen zu ver- 
stehen, wie 55 : me vade, me praede, me sponsore, 
celeriter te in eaeumine eloquentiae sistam. Noch 
sagt er uns in seiner Charakteristik , und wir 
wollen es glauben, dass er die Ausbildung des 



sich nicht bestimmen (Mommsen 201f. ; vgl. fur 
die Corresponded Frontos und Marc Aurels ausser 
Boissier und Ernst Miiller a. 0. noch Cross- 
ley Hermath. V 1879, 67—91, auch in dessen 
Ausg. der Meditationen Marc Aurels, London 1882, 
und zur Chronologie ausser Miiller noch Naber 
XX — XXX). Ebensowenig lasst sioh sagen, ob 
neben dem Corpus epistularum noch ein Corpus 
orationum bestanden habe. Durch die aufge- 



Geistes und die Aneignung von Wissen der Pflege 10 fundene Correspondenz ist unsere Kenntnis urn 



des Korpers und dem Erwerbe ausserer Giiter vor- 
gezogen habe. Bescheiden in seinen Ansprfichen, 
entwickelte er keine verschwenderische Pracht, 
anderseits war or aueh von Knauserei weit ent- 
fernt (s. o.). Dazu stimmt, dass er sich von Hab- 
sucht frei weiss (249). Anhangsweise sei erwahnt, 
dass er von klein auf viel Preude an Vogeln 
hatte (eine Liebhaberei, die sich auf seinen bei 
ihm lebenden Enkel forterbte, 182. 87), und dass 



einige neue Titel frontonianischer Eeden be- 
reichert worden. Im ganzen kennen wir jetzt 
folgende verlorene Eeden und zwar zunachst S e - 
natsreden: 

1) Mehrere Lobreden auf den Kaiser Ha- 
drian; sunt orationes istae frequentes in om- 
nium manibus (25). 

2) Mehrere Lobreden auf den Kaiser 
Antoninus Pius, darunter eine designate, eine 



ihn selbst Gichtschmerzen nicht hinderten, seinem 20 andere inito consulatu (105). Aus der ersten 



Vergniigen an den Circusspielen nachzugehen. 

12) Arion 237f. Fronto erzahlt die ihm aus 
dem Herodot (s. nr. 8) wohl bekannte G-eschichte 
von der wunderbaren Eettung des Arion durch 
einen Delphin. Dieselbe Geschichte erziihlt viel 
genauer und ausfiihrlicher unter Berufung auf 
Herodot Gellius XVI 19. Von einer Abhangig- 
keit des Gellius von Fronto kaun bei den wenigen 
nur unwesentlichen Ubereinstimmungen keine Rede 
sein (Kretzschmer a. 0. 103f.). 

18) Griechischc Stiicke 239—259. Die 
Sammlung enthalt zunachst zwei Entschuldigungs- 
schreiben an die Mutter des Marcus Lucilla aus 
der Zeit des Consulats. Es folgt nach einem 
verstiimmelt iiberlieferten Trostbriefe vermutlich 
an_ Herodes Atticus (Niebuhr Ausg. 229, 9) ein 
Brief Appians an Fronto, in dem er ihn bittet, 
zwei Sclaven als Geschcnk anzunehmen, unter 
Hinweis darauf, dass auch im offentlichen Leben 



Eede teilt Fronto zwei Satze in einem Briefe an 
Marcus (21) mit. Die zweite verschob er, weil 
er etwas mdglichst Vollendetes und Bleibendes 
schaffen wollte, auf die Iden des August (25f.). 
Die fertige Eede (in dem Briefe an Lucilla 239 
Xoyog uieqi row jusydXov fiaaiMoii; , 241 kyxm/xiov, 
ovyyQaf-ifia genannt) iibersandte er dem Kaiser, 
der dafiir in den anerkennendsten Ausdriicken 
dankte (163f.). Marcus gar feiert vollBegeisterung 
30 Fronto wegen dieser. Rede als decus eloquentiae 
Ilomanae 28f. (diesen Brief scheint Pseudo-Eu- 
menius vor Augen gehabt zu haben, vgl. sein o. 
S. 1318f. angefiihrtes Urteil fiber Fronto). In der- 
selben pries Fronto nicht bios den Kaiser, son- 
dern in grosser Ausffihrlichkeit auch Marcus (29. 
105. 241), ferner Lucilla (241) und Faustina (164, 
wahrscheinlich die jfingere, die Gattin des Marcus, 
nicht die 140/141 verstorbene Gattin des Pius, 
vgl. Mommsen 203f.). Lobreden auf Pius waren 



Geschenke anstandslos angenommen wiirden (SeT 40 Fronto eine trita et assidua (assueta Cornells 

i'jiea&ai xoXg xowois Ta Iditmixd). In seinem ^ ' "' " "" n ' " 

langen, ablehnenden Antwortschreiben 246—251 
widcrlegt Fronto zunachst den vorstehenden Satz 
Appians und stellt sich dann, selbst wenn er den 
Satz gelten lassen wollte, die Frage, el xqtj /ue- 
ydka teal jiol/.rjg nfifjg agta Saiga naoa rwv <pi- 
'/.a>v 8i%e<r&a.t ; er kommt zu dem Kesultate, dass 
die Annahme grosser Geschenke von Freunden 

ein Zeichen von Unbescheidenheit, Gewinn- und ... ... __.., 

Habsucht sei. Das letzte Stuck, ein an Platons 50 Abschnitt in einer der genannten Eeden hinge 

Phaidros ankniipfender bqwuxos an Marcus 255 ™°»«" t>"*>» — — J » 1 -- '■-"'■ ^i-^-— 

— 259, in dem er seine ideale Liebe zu ihm der 
der ioaozai gegeniiberstellt, wird eingeleitet durch 
zwei lateinische Briefe des Marcus (aus der Zeit 
von Frontos Consulat?). 

Cberblickt man den Fund Mais, so ergiebt 
sich, dass ausser einigen rhetorischen Prunk- und 
Ubungsstiicken , die der Correspondenz als Bei- 
lagen angeschlossen waren, nur Briefe von Fronto 



sen) •materia 163; sonach darf man annehmen, 
dass er ausser den erwahnten zwei noch nianche 
andere gehalten hat. Ob freilich aus Ps.-Eumenius 
a. 0. eine besondcrc Rede de victoria Britannica, 
in der Fronto den Kaiser zu dem Siege Tiber die 
Britanner im J. 140 begliickwiinscht hatte, mit 
Mai, dem Meyer und Naber folgen, heraus- 
zulesen sei oder der Panegyriker vielmehr mit 
der laus belli in Britannia confecti auf einen 



wiesen habe, muss dahingestellt bleiben. 

3) Qratiarum actio in senatu pro Car- 
thaginiensibus, wahrscheinlich nach dem 
Brande des Forums in Karthago (Hist. aug. Ant. 
Pius 9) aus dem J. 153 (Meyer). Unverstandliche 
Eeste dieser Dankrede hat Mai in einem palati- 
nischen Palimpsest gef'unden (mitgeteilt bei N a - 
ber 260f.). 

4) Fiir eine Senatsrede mOchte Schanz R. 
erhalten sind. Den Mittelpunkt der Correspon- 00 Litt.-Gesch. Ill 76 Frontos Eede gegen die 
,^„, k;i,w a„. xi„f ,._j j. „-„j- t,t ,_ Christen (als oratio ausdriicklich bezeichnet bei 

Minuc. Fel. Oct. 9, 6) halten : sie scheint jedoch 
mehr eine Declamation gewesen zu sein. Uber 
diese Schrift vgl. Aube Hist, des persecutions 
de l'Sglise. La polemique paierme a la fin du 
second siecle, Paris 1878, Vllf. 74—104. Da- 
nach ist Fronto der erste heidnische Schriftsteller, 
der die Feder gegen das Christentum gefflbrt hat. 



denz bildet der Hof und da wieder Marcus als 
Prinz und Kaiser. In der umfangreichen Corre- 
spondenz mit dem Hofe sind selbst geringfiigige 
Billets zahlreich, in der verhaltnismassig ver- 
schwindenden mit Freunden ist eine strenge Aus- 
wahl getroffen. Von wem die Sammlung zu- 
sammengestellt worden ist, ob von Fronto oder 
erst nach seinem Tode von seinen Freunden, lasst 






Den Anstoss zu der Schrift mag ihm das Be- 
diirfnis, vor Abgang in seine Provinz Asia (um 
155) auch der Frage der Christenbehandlung, 
die damals in Asien besonders brennend war, naher 
zu treten, gegeben haben. Lcichtglaubig machte 
er sich die ungeheuerlichsten Verleumdungen , die 
bei der kritiklosen Masse gertichtweise circulierten, 
zu eigen (Min. Fel. a. 0.). Sein Material ver- 
arbeitete er zwischen 155 und 165 zu einer De- 
clamation, die im allgemeinen mehr den Cha- 10 
rakter, einer Invective und Satire (convicium) als 
den einer ernsten kritischen Studie hatte (Min. 
Fel. 32, 2). Der Hypothese von M. Schanz (Eh. 
Mus. L 1895, 114£), dass im Octavius des Mi- 
nucius, den Aube" 81ff. geradezu fiir eine piece 
de I'eeole de Fronton halt (vgl. auch Mai 1815, 
LVIII 4), das Plaidoyer des Cirtensers Caecilius fiir 
den Polytheismus und gegen das Christentum im 
wesentlichen die Argumente seines Landsmannes 
Fronto wiedergebe, unterliegt ernstlichen Bedenken, 20 
vgl. C. Weyman Beil. d. Allg. Zeit. 1895 nr. 120. 
Nach unserer Kenntnis von dem Geiste und Cha- 
rakter Frontos waren es nicht weitgehende staats- 
mannische Erwagungen, nicht religiose Intole- 
ranz oder gar Fanatismus, die ihm die Feder in 
die Hand driickten, um die staatsgefahrliche Secte 
zu befehden und ihrc Anhanger der blutigen 
Strenge der Gerichte zu iiberantworten , sondem 
einzig das Bedurmis, in einer schonen Declama- 
tion auszufuhren, wie wenig die altbewiihrte Na- 30 
tionalreligion von dem lichtscheuen , nach seiner 
Ansicht vOllig aussichtslosen Treiben der fremden 
Nenerer zu furchten habe. Vielleicht durch Fron- 
tos Schrift veranlasst, iiberreichte Melito, Bischof 
von Sardes (f um 175), dem Kaiser Verus, qui 
Frontonis oratoris discipulus fait, einen liber 
pro Christiana dogmate (Hieron. de vir. ill. 24). 
Auch konnte aus dieser Schrift Frontos das Frag- 
ment bei Isid. orig. XV 2, 46 herriihren (Wester- 
mann 313). Von Gerichtsreden sind uns be- 40 
kannt : 

5) Eine Eede fiir die Bithyner (oratio Bi- 
thyna 183; pro Bithynis 184). In dieser Eede 
mit Conjecturalstatus suchte Fronto die Anschul- 
digung mandatae caedis zu widerlegen. Die 
Ausfiihrung war teilweise der in Ciceros Eede 
pro Sulla nachgebildet. Bei einer spiiteren IJber- 
arbeitung machte Fronto manche Zusatze, so be- 
sonders beziiglich der acta vita (183f.). 

6i Eine Rede fiir die Bewohner von Pto- 50 
lemais in Cyrenaica, citiert von Charis. 138, 
11 K. 

7) Mehrere Verteidigungsreden fur Sae- 
n i us PompeianusfLandsmann Frontos?), vgl. 86. 

8) Eine Eede fiir Demo(n)stratus Peti- 
lianus (aus Cirta? Mai 1815, LV). Als er von 
Marcus, dem Fronto die Eede zuerst iiberreicht 
hatte, erfuhr. dass Asklepiodotos, den er in der- 
selben angriff, bei Verus beliebt sei, hatte er sie 
am liebsten vernichtet, abcr sie war bereits in 60 
den Handen zu vieler Leute ; so hofft er denn, 
dass es ihm mit Asklepiodotos ahnlich gehen werde, 
wie mit Herodes Atticus, der summus (d. i. ami- 
cissimus) nunc mens, quamquam extet oratio 
(111. 138). Gemeint ist die 

9) Anklagerede gegen Herodes Atticus. 
Sie fallt nach September 143 und vor 145. Marcus, 
der auch des Herodes Schuler war, legte grosses 



Gewicht darauf, dass die zwischen seinen Lehrern 
schwebende Streitsache in mOglichst schonender 
Weise erledigt werde. Auf seine Vorstellungen 
bin (40f.) versprach Fronto, Marcus zuliebe iiber 
alles, was nicht gerade zur Sache gehSrte, also 
de moribus et cetera (Herodis) vita zu schweigen 
und jede persSnliche Gereiztheit mSglichst zu 
unterdrflcken, so schwer es auch fiele, da die Sache 
(homines erudeliter verberati et spoliati, units 
vero etiam occisus etc.) das Innerste .heftig er- 
regte (42f. 44). 

10) Eine Eede gegen Pelops (den Nie- 
buhr fur den von Aelius Aristides und Galenos 
erwahnten beriihmten Arzt halten mOchte, Ausg. 
XXX). Nach Apoll. Sid. epist. VIII 10, 3 iiber- 
traf Fronto in dieser Rede sich selbst. 

11) Ein grflsseres Fragment -einer Eede (?), 
die wir nach dem Vorgange Mais kurz de <e- 
stamentis transmarinis betiteln wollen, 
findet sich in einem Briefe des Marcus an Fronto 
14—17. Naber XXXH verweist dasselbe in die 
Rede pro Bithynis. Niebuhr nahm an, es liege 
eine Parteischrift vor, welche Fronto als Patron 
der Kilikier (169) in der vereinzelten Erbschafts- 
angelegenheit eines Kilikiers dem Pius iiberreicht 
und hinterher seinem Zfiglinge Marcus als ein 
oratorisches Musterstiick zur Kenntnisnahme mit- 
geteilt habe (vgl. auch Philibert-Soupe' 29ff., 
und fiber die unzulangliche Lesung der dort be- 
handelten Ecchtsfrage Dirksen a. O. 247f. 276ff.). 

Von Eckstein und Meyer (vgl. auch Phili- 
bert-Soupe" 31ff.) wird nach Mais Vorgange 
unter den Eeden noch aufgefiihrt (12) de here- 
ditate Matidiae. Sie erblicken in der Zuschrift 
Frontos an Marcus 37f. die Bruchstiicke einer 
fSrmlichen Rede. Dieser Ansicht kommt scheinbar 
die That sache zu statten, dass in dem Antwort- 
schreiben des Marcus 39 Frontos Ausfiihrung 
eine oratio genannt wird. Da jedocJi Fronto selbst 
183 diesem Schriftstiicke die Bezeichnung litterae 
gegeben, so haben wir es gewiss nur mit einem 
gutachtlichen Schreiben zu thun (fiber den frag- 
lichen Beerbungsfall vgl. Dirksen 248 — 252; 
s. auch o. nr. 11). Die Rede endlich (13) fiir 
die Bewohner von Nuceria (der Metropolis von 
Cirta), erwahnt von Fulgentius a. 0., wird von 
Lersch (Ausg. d. Fulgent.) und Meyer als Er- 
findung des Fulgentius mit Eecht angezweifelt. 
Dass Fronto noch in vielen andern Processen 
thiitig war, versteht sich von selbst; er selbst 
erzahlt uns in dem Briefe ad Anton. Pium 169, 
dass er in dem Jahre, in dem er das Proconsulat 
antreten solltc, duas amieorum causas non mi- 
nimi laboris vor Pius verhandelt habe ; vgl. aueh 
83, 21. 201, 17. Cass. Dio LXIX 18. 

Sind uns auch gauze Eeden von Fronto nicht 
erhalten, so konnen wir uns doch aus den Briefen 
ein Bild von dem Eedner machen, an dem ein 
neuer Fund wenig andern wiirde. Denn was er 
in seinen Briefen seinen Schiilern und Freunden 
ans Herz legt, das wird in erster Linie fiir ihn 
selber massgebend gewesen sein. wenn sich auch 
Theorie und Praxis durchaus nicht immer bei 
ihm decken. Die fiber seine Briefsammlung zer- 
streuten Bemerkungen iiber die Beredsamkeit hat, 
nachdem bereits Philibert-Soupe 98ff. An silt ze 
zu einer solchen IJntersuchung gemacht hat , sorg- 
Mtig gesammelt und zu einer Art institutio 



1331 



Cornelius 



Cornelius 



1332 



oratoria vereinigt Droz De M. C. P. institutione so empflehlt er Eiickkehr zu den vorciceroniani- 

oratoria, Pariser Thesis, Besancon 1885 (mir be- schen Mustern, die darauf. dass Wort und Be- 

kanntdurchBurkhard Jahresber. LXXXIV 1895, griff znsammenflelen , noch Wert gelegt hatten 

192—195); er handelt S. 13-34 de eloquentia (62f. 161); nur dann halt er es fur besser vul- 

in universum considerata, 35—54 de inventione, garibus et mitatis quam remotis et requisitis 

de dispositions, 55—85 de eloeutione. Die Ziige uti, si parum signifieent (63. 152). Von einer 

eines festbegriindeten Systems sucht man in Prontos Nachahmung der Alten erhofft Pronto eine Ee- 

Briefen vergebens ; er loht die Beredsamkeit mebr, naissance des Stiles, ja der romischen Litteratur 

als dass er sie lehrte ; im Grande beschrankt er iiberhaupt. Sie sind ihm kostbare Fundgruben 
sie auf die Auswahl der Worte. Seinem Untcr- 10 eines sorgfaltig gewahlten Ausdruckes, aus ihnen 

richte legt er die Ehetorik des Theodoros (46. macht er selbst und lasst er seine Schiiler Ex- 

159), vermutlich des bekannten Gadareners, zu cerpte machen (34. 49. 56. 105. 107 n. o.), ihnen 

Grunde. Seine Terminologie ist im ganzen die entlehnt er Worte, Wendungen, Verse, um damit 

allgemein iibliche (vgl. 150. 14. 54. 146. 184. seine Schriften aufzuputzen und ihnen ein alter- 

212. 247). Aus derLehre von der inventio ver- tumliches Colorit zu geben (151f. 154. 99; eine 

dient als eigenartig hervorgehoben zu werden, Piille von Entlehnungen enthalt der Brief de fer. 

dass er in Anlehnung an seinen Lehrer Atheno- Als., vgl. Priebe II Stettin Progr. 1886, 1, 4). 

dotos (s. o.) die elxoveg bevorzugt (45ff. 73. 97. Zu seinen Lieblingsschriftstellern , deren Lecture 

241; eine reine Musterkarte von stxovse giebt er er auch seinen Schulern empflehlt, zahlen unter 
uns in dem griechisch geschriebenen Briefe 239 20 den Eednern Cato {fundi agendique laudibus 

—242, den er selbst mit den Worten sehliesst: longe praestantissimus omnium 203; Muster ele- 

xavoo/tai nt)dsv Sxsqov yqaaprnv dW rj slxovag); ganter Anwendung der jtagdfaiyjis 98f. ; von Marcus, 

er schOpft sie aus denselben Quellen, aus denen der von ihm als seinem patronus 36 sprioht, auf 

man die argumenta zu entnehmen pflegte (46, eine Stufe mit Demosthenes gestellt 28 ; vgl. noch 

ausdenfoe*'eomOTMmw)undverwendetsiegr(5ssten- 29. 32. 36. 62. 68. 69. 93. 105. 114. 129. 145. 

teils auf Kosten der notwendigen argumenta. 149. Schwierczina Off. Priebe II 10f.), Sal- 

Auch fur die Auswahl der WSrter miissen die lust (wegen der in sein Geschichtswerk einge- 

loei communes herhalten (139f. 159). Um die wobenen Reden 62; vgl. noch 49. 93. 105. 149) 

Geschicklichkeit im Erfinden zu vermehren, em- und C. Sempronius Gracchus (54. 56. 61. 105. 
pflehlt er als geeignete tlbungen tjbersetzungen 30 114), unter den Historikern die alten Annalisten 

aus dem Griechischen (154), Variierung desselben (besonders Coelius Antipater 62. 104. 114. 253, 

Gedankens, besonders der yvwfiai (48f. 92f. 106. Claudius Quadrigarius 114, weniger Valerius An- 

151; Verzeichnis von yv&fiai bei Schwierczina tias, Pabius Pictor, Cornelius Sisenna 114. 62), 

9)_, Aufsuchen synonymer Ausdrilcke (151. 154), Cato (114.203) und vornehmlich Sallust (an dem 

Bildung von imagines (45ff. 151), Behandlung er neben seinen Archaismen besonders die yvw/mi 

von Gemeinpliitzen (92f.), Ausarbeitung von con- 48, Antitheta und Paronomasien 107 bewundert; 

troversiae in -utramque partem (76. 82ff.), ja zumal in den princ. hist, und ad Ver. 119ff. zeigt 

selbst das Versemachen (24. 34. 49. 253). Die Pronto Bekanntschaft mit dem Stile des Sallust, 

Vorschriften Tiber die dispositio enthalten nichts vgl. Niebuhr Ausg. 239. Schwierczina 15ff. 
Neues. Weitaus den breitesten Eaum nehmen 40 Priebe II 11), unter den Dichtern in erster 

in seiner Correspondenz die Vorschriften iiber die Linie Plautus (62.224. Seyffert Philol. XXIX 

eloeutio ein, in die er den Schwerpunkt der Be- 1870, 398f. Studemund Epist. crit. XXXf., 

redsamkeit legt. Er verbreitet sich fiber die Wahl 1. Klussmann a. O. 78. Ehrenthal 36ff. 

und Stellung der Worte (vgl. 64ff. 96ff. 139ff. Schwierczina 19ff. Priebe II2ff. ; besonders 

146. 152f. 158ff.), iiber den Wohlklang, die Kunst- scheint der Pseudolus dem Fronto und Marcus 

mittel, diesen zu erhShen (annominatio, homoio- gefallen zu haben, Priebe II 6, 51) und Bnnius 

teleuton), die Figuren oder figurationes , wie er (62. 224. 149. 105. 114. Schwierczina 21. 

sie gewohnlich nennt (150f. 98ff. 107f. 146; dabei Priebe II 7), nachst diesen Lucrez (62. 224. 

lasst er irrtumlicherweise die Tropen und Fi- 149.105.114.148. Schwierczina 22. Priebe 
guren zusammenfallen, oder vielmehr er rechnet 50 II 7f.), Accius (62. 224. 149. 54. 114), Naevius 

die Tropen zu den Wortflguren 181; dazu Volk- (62. 33. 27), Laberius (62. 19. 30. 150), Caecilius 

mann Ehetorik2 416). Was den Wortschatz (62. 31. 237. 133. Schwierczina 22), endlich 

anlangt, so halt Fronto (wie Celsus) Ncubildungen fair gewisse Specialitaten Novius (62. 69) , Pom- 

von WOrtern fiir unerlaubt (162. Volkmann ponius (62), Atta (62), Lucilius (62. Priebe II 

414; in Wahrheit fehlte es ihm an Geist, um 10). Der Name des Terenz wird bezeichnender- 

neue Wortbilder zu schaffen ; doch begegnen Worte weise nie genannt, doch hat Fronto auch ihm, spe- 

und Wendungen, die, soweit wir wissen, vor Fronto ciell seinem Phormio, manehes entlehnt (Sch wier- 

nicht gebraucht worden sind, s. die Sammlung czina 22f. Priebe II 2). Auch auf Excerpte 

bei Klussmann Emend. Front., Berlin 1874, aus Atellanen und Mimen weisen Spuren in Fron- 
Excurs II 75f., erganzt durch Schwierczina 60 tos Schriften (Priebe II 2). Besonderes Inte- 

37f.). Da nun aber das Alltagliche und Gebriiuch- resse erregt Prontos Verhiiltiiis zu Cicero. Er 

liche als Gemeingut bei der Menge keinen Ein- will seine Schriften alle studiosiasime gelesen 

druck mache und auribus servmtdum (159. 20f.) haben (63) und hat fiir sich und seine Schiller 

Hauptaufgabe des Eedners sei, so venveist er eine kritische und commentierte Ausgabe cicero- 

ihn auf den Sprachschatz der alteren Litteratur nischer Schriften angelegt (190). Er riihmt ihm 

(50. 161), und da von der Zeit Ciceros ab eine Schonheit, Fiille und Schmuck der Eedc nach 

gewisse Nachlassigkeit und Sorglosigkeit in der (G3. 114) und gesteht zu (107), dass er ange- 

Auswahl und Stellung der Worte eingerissen sei, messene Figuren, besonders die s!zava<fogd ge- 



1333 



Cornelius 



Cornelius 



1334 



schickt angewandt habe (Citat aus Cic. pro Cael.). Ironisch nennt er sich bei dunklen Wortgebilden 

Speciell die Eede pro Sulla und de imp. Cn. Pomp. einen Setiecae Annaei sectator 224 ; vgl. auch 

hebt er gelegentlich lobend hervor (184. 221f.). o. S. 1321. Bei allem Streben, seinem Stile einen 

Aber demAntiquar steht Cicero nicht auf der altertumlichen Anstrich zu geben, hat er sich von 

Hflhe, weil er sich in seinen Eeden nicht um dem Einflusse seiner und der zunachst liegenden 

verba insperata atque inopinata bemiiht habe Zeit in seinem Sprachschatze nicht frei machen 

(Grunde dafiir 63). Diesen vermeintlichen Vorzug konnen (Schwierczina 36f.); seine Sprache er- 

vermisst er am wenigsten in Ciceros Briefen, daher scheint vielmehr im wesentliehen als die der sil- 

stellt er sie am ho'chsten (epistulis Ciceronis bernen Latinitat, nur barock und buntscheckig 

nihil est perfeetius), macht aus ihnen Excerpte 10 verziert mit allerhand archaischen Flittern. Da- 

und empflehlt sie seinen Schulern zum Studium nach mag dahingestellt bleiben, ob man mit Recht, 

(52. 107. 104^93. 114. 145. 149); aber nicht wie vielfach geschieht, mit Fronto das Spatlatein 

eine Stelle bei Fronto lasst sich mit Sicherheit als beginnen darf. Fronto als den TJrheber der ar- 

aus Ciceros Briefen entlehnt nachweisen (Priebe chaisierenden Stilbewegung anzusehen, ist ein zu- 

II 10). So hoch Fronto auch Cicero stellt, wenn letzt von Valmaggi I precursori di Fronto, Ivrea 

er ihn zusammen mit Cato und Gracchus (114. 1887 berichtigter Irrtum (vgl. auch besonders 

145. 125 summum supremumque os Romanae Hertz Renaissance 19ff.). Die Vorliebe fiir das 

hne/uae) oder_ Cato und Sallust (149) oder allein Alte bei Schriftstellem und Gelehrten ist als Ee- 

hinter den Dichtern (224) auffuhrt, sympathisch action gegen die modeme Geschmacksrichtung 

war er ihm nicht; das fiihlt man, das zeigt auch 20 in Poesie und Prosa im augusteischen Zeitalter 

die etwas geringschatzige Anwendung des Wortes gleichzeitig mit dieser entstanden und hat sich 

Tullianus 23. 25. 76. 98. Fronto braucht Cicero, neben ihr bis auf Frontos Zeit ununterbrochen 

um durch das hervorragende Ansehen seiner Be- und, je mehr wir uns Fronto nahern, in immer 

redsamkeit diese vor einer verachtlichen Behand- deutlicheren und weiterverzweigten Spuren er- 

lung durch die Philosophen zu schiitzen (145). halten. Als den bekanntesten und beruhmtesten 

Entlehnungen aus Cicero s. bei Schwierczina Vorlaufer Prontos hebt Valmaggi 17f. aus der 

30. Priebe II 12. Von den Schriftstellem der Masse der Antiquare des 1. Jhdts. M. Valerius 

augusteischen Zeit nennt er kaum den einen oder Probus aus Berytos heraus. IhrehfichstenTriumphe 

andern; so wenig sagen diese Modernen seinem feierte diese Richtung in dem Zeitalter Hadrians, 

Geschmacke zu; doch hat er sie nicht vollig ig- 30 der selbst Cato dem Cicero, Ennius dem Vergil 

noriert und auch aus ihnen einiges wenige ent- vorzog (Hist. aug. Hadr. 16). Ihr Hauptvertreter 

lehnt^am meisten noch aus Vergil, dessen Name war damals Fronto; nach ihm nannte sich die 

zwar in Frontos Schriften nirgends aufstOsst, der Secte der Frontoniani, die noch lange nach 

jedoch nach Gell. II 26 dem Pronto poeta ver- Prontos Tode fortbesteht. Spatere Schriftsteller, 

borum diligentissimus war und bei den Fron- besonders des 3. Jhdts. bilden sich weiter an den 

fconianern in hohem Ansehen stand (Valmaggi altclassischen Stilmustern des Fronto, den idonei 

Quaest. Front., Ivrca 1889, VIHf.) ; vgl. mit Be- (Gcll. XI 6, 3), bevorzugen sie in ihren Schriften 

zug auf ihn Schwierczina 31. Priebe II 2. und erreichen damit Beifall bei ihren Zeitge- 

81; mit Bezug auf Ovid Priebe 119; auf Horaz nossen (naheres bei Valmaggi Quaest. Front. 

23. 34 (17 ist nach Studemund XX Herodi 40 XIII— XV; bei SidoniusApollinaris glaubt Spuren 

fihus viatus zu lesen) Hertz Renaissance 47, von Nachahmung Frontos zu entdecken Niebuhr 

76 ; Analecta ad carm. Horat. hist. Ill Ind. lect. Ausg. XXIII 5 ; beziiglich des Minucius Felix 

Breslau 1879,4—5. Schwierczina 31. Priebe vgl. Mai 1815, LVIII 4 und Aube 81ff.). Das 

1 J- T ¥. 9f - Valmaggi Quaest. Front. 10—12; Archaisieren beschriinkte sich nicht auf die Aus- 

auf Livius Schwierczina 32f. Priebe II 11, wahl der Worte, sondern crstreckte sich auch auf 

13. Novak Wien. Stud. XIX 1897, 251, 16. ihre Schreibweise (s. Ind. orthogr. bei Naber 

253, 18_. Unter den Schriftstellem der silbernen 277—282, worin auf Archaismen in der Schrei- 

Latinitat nimmt Tacitus eine Ausnahmestellung bung hingewiesen ist; dazu Weiss b rod t Quaest 

ein; zwar wird auch er nie genannt, doch ist er gramm. II, Lekt. Kat. Brauusberg 1872, 18f.), 

Fronto wohlbckannt. Auf eine offenkundigo Ent- 50 auf grammatische Formen und Constructionen. 

lehnung aus hist. IV 6 = de eloqu. 144 hat be- Unter den Gesichtspunkt des Archaismus gehOren 

reits Roth 8, 11 aufmerksam gemacht; vgl. zu auch die Alliteration und die Figura etymologica 

derselben Stelle Mayor Journ. of class, and sacr. (Ehrenthal 35—39). Uber Frontos Sprachge- 

plulol. I 1854, 20. Schneidewin Philol. X 1855, brauch und Wortschatz vgl. Ebert De M. C. F. 

321. Cobet Mnem. V 1856, 232; sonstige An- syntasi, Diss. Erlangen 1880 = Act. sem. philol. 

klange bei Schwierczina 33. Priebe II 11. 13. Erlang. II 1881 , 311-354 (darin am Schlusse 350ff. 

Im ubrigen verwirft Fronto die Litteratur dieser Beispiele von Asyndeta, Ellipsen , Abundanz des 

Zeit, die ihm welk und absterbend erscheint, 123. Ausdrucks, Alliteration); dazu wertvolle Nachtriige 

Den starksten Widerwillcn, der sich in den schiirf- und Berichtigungen beiBesprechung einiger Stellen 

sten Ausdriickeu Luft macht, zeigt er gegen Se- CO von Novak a. O. 242ff. Nachtrage zu den Lexicis 

neca und seine Nachahmer, die, in ihrem Ge- aus Fronto giebt Ebert Bl. f. d. bayr. Gymn.- 

schmacke durchaus modeni, auf die antike Lit- Wes. XIX 1883, 527—530. Priebe a. O. zahlt 

teratur verachtlich herabsahen (Gell. XII 2, 1). I lOff. die Worter auf, die Fronto in einer von 

An Seneca und Lucan tadelt er besonders, dass dem sonstigen Sprachgebrauche ahweichenden 

sie uicht miide wiirden, einen und denselben Ge- Weise verwendet hat, 12ff. die Worter, die er 

danken in tausend Gestaiten zu variieren. dabei hiilt aus dem Altlatek, besonders aus den Komikeni 

er sich selbst von dem Fehler der Wiederholung und unter diesen vorzugsweise aus Plautus ent- 

durchaus nicht frei (157. Schwierczina 34, 1). lehnt hat, 17ff. die Worter, die er mit Dichtern 



1335 



Cornelius 



Cornelius 



1336 



der frfiheren und spateren Zeit gemein hat, die 
jedoch von besseren Prosaschriftstellern nicht ge- 
bTaucht werden. Ein Verzeichnis griechischer 
Werterund Wendungen, die Pronto in seine Briefe 
einzustreuen liebte, flndct sich bei Schwier- 
ezina 18f. (vgl. Fronto 12 und die Vorschriften 
iiber den Briefstil bei Iul. Vict. 448, 29f. H.), 
bei demselben eine Sammlung von Synonyma 58 
-61 tind Deminntiva 61f. ; vgl. ausserdem Kluss 



praecepta sapientiam nicht fibergehen, er setzt 
sie aber an letzter Stelle hinter orationes, poe- 
mata, historiae und uberlasst es dem Kaiser, zur 
Abwechslung aueh Syllogismen aufzulOsen, indem 
er mit Bitterkeit hinzuffigt, si perpeti potes. Der 
einzige Platon findet Gnade vor ihm (vgl. u. a. 176), 
aber Platon ist auch hervorragender Stilist; aus 
demselben Grande lasst er sich Iulius Aquilinus, 
den Platoniker und Redner, gefallen (176f.). So 



mann Emend. Fr. 54 (fiber Parallelismus sich ent- 10 sehr er alle Vorziige an seinen kaiserlichen Schiilern 



sprechender Ausdrficke) undExcurse 73ff. Ehren 
thai 27, 64 (Spielerei mit ahnlich klingenden 
WOrtern). tlber &rot| Xsyo/isva s. o. S. 1331. Auch 
hybride Bildungen begegnen, wie Plautinotato 
156; slxove Abl. 47; politia 53 (dazu Ehren- 
thal 17f.). 

Bei einem Manne, der das Hauptgewicht auf 
den Kultus der Form legte und sich und seine 
Schiller in Sammlungen von Phrasen und stilisti- 



schatzt, die hCchste und ureigenste Freude bereitet 
ihm ihre Besehaftigung mit der Beredsamkeit ; 
seine Freude kennt keine Grenzen, wenn er Spuren 
seiner secta in ihren Reden wiederflndet (95). So 
sehr ist ihm die Kunst der Rede das HOchste im 
Leben, der verus imperator generis humani (122. 
128. 141 f. 175). Es ist als ware in der Welt 
nichts der Rede wert als eben die Rede selbst. 
Verba venditat et voces et praeterea nihil, sagt 



schen tbungen erschOpfte, wird man vergeblich 20 nicht mit Unrecht Nab er III von Fronto. XJnter 



nach bedeutenden Gedanken suchen. Nach den 
Proben seiner Correspondenz und den stilistischen 
Spielereien darf man sich von den Reden in dieser 
Hinsicht keinen allzu hohen Begriff machen. An 
der hervorstechendsten aller seiner Reden, zu der 
Fronto sich besonders viel Zeit nahm, der Dank- 
rede inito consulatu, preist sein begeisterter Jiinger 
Marcus in einem Schwall von Worten im Grunde 
nur die gliinzeiide Form, 28. Wie mtihselig wird 



solchen Umstiinden kann man die allgemeine 
Enttauschung verstehen, die nach Herausgabe 
des Mai schen Fundes iiberall Platz griff. Man 
hatte eine bedeutende Bereicherung vieler Wissens- 
gebiete erwartet und ging nun fast iiberall leer 
aus. Relativ den meisten Gewinn trug noch die 
Sprach- und Litteraturgeschichte davon. Abge- 
sehen von den genaueren Aufschlussen iiber das 
Leben und Wirken Frontos, waren die Briefe 



der Wortkfinstler an dieser Rede herumgefeilt, 30 dreier Kaiser, der Brief Appians, Fragmente des 



wie grundlich seinen aus veralteten Autoren zu 
sammengetragenen Hausrat ausgekramt haben, 
™ ihr eolorem vetusculum adpingere, "wie zier- 
lich wird er die Worte gestellt, wie emsig Sen- 
tenzen und Gleichnisse zum Ersatz fiir Arguments, 
Figuren, Synonyma, gleich klingende und gleich 
auslautende Wftrter gesucht haben! Im iibrigen 
wird die Rede so gedankenarm gewesen sein, wie 
seine meisten Briefe. Woher sollte auch Fronto 



Theodoros (von Gadara), Reste aus der archaischen 
Litteratur der Romer, wie das langere Fragment 
aus Cato de sumtu suo 99f. und das kurze aus 
der sonst nirgends citierten Rede desselben gegen 
Lepidus 223 immerhin bemerkenswert. Der Brief 
an Verus 126 enthalt das wichtigste Zeugnis iiber 
die fast verschollene politische Gelegenheits- und 
Tendenzschrift des Q. Lutatius Catulus fiber sein 
Consulat (Jordan Herrn. VI 1872, 68—81). Auch 



bedeutende Gedanken genommen haben? Der 40 hat eine Vergleichung des Palim'psestes fiir die 
Kreis seines Wissens und KOnnens war sehr be- " "" ' .... ,^. ....... . 

schrankt. Mag er sich auch mitmancherlei Kfinsten 
und Wissenschaften beschaftigt haben, nirgends 
ist er tiefer in ihr Wesen eingedrungen. Bios 
oberflachlich und widerwillig beschaftigt er sich 
mit _ griechischer Sprache und Litteratur. Wie 
wenig wir von seinen juristischen Ausserungen zu 
halten haben, ist von Schrader Krit. Ztschr. f. 
Rechtswiss. I 2 (1826), 140-142 und besonders 



Ausziige Frontos aus Sallusts Bella 108 — 111 
durch Hauler Rh. Mus. LIV (1899) 161—170 
ergeben, dass ein Leitcodex fiir die Textesrecen- 
sion der Bella nicht ausreicht, dass diese viel- 
mehr auf eine breitere Basis gestellt werden 
miisste, da unser Sallusttext trotz der im grossen 
und ganzen bestatigten Zuverlassigkeit unserer 
besten Hss. doch von Umstellungen und kleineren 
Auslassungen oder Zusatzen nicht frei ist. Auf 



w^l^f" a f\v°' 2 f- 3— F 5 ? - 2 . 76 ~ 28° darge- 50 dem von Fronto mit besonderer Liebe angebauten 
*""" "" TT " '"^ " ' '' Felde der Rhetorik hatte man eine ergiebigere 

Ausbeute erwarten kOnnen; als neu und eigen- 
tumlich hebt Droz her vor, dass sie ,den Redner 
von jeder Gelehrsamkeit ausschliesse und ihn bei 
Vernachlassigung oder Entstellung der Inventio 
in die Elocutio wie in eine Stampfmiihle stosse' 
(Burkhard 195). Die Rechtskunde fand wenig 
Gewinn (vgl. Schrader und Dirksen a. O.), 
am wenigsten die Philosophic, und die Geschichte 



legt worden. tber die Art seiner Geschicht 
schreibung haben uns die principw historiae zur 
Geniige aufgekliirt. tberall ist er Rhetor, nichts 
als Rhetor. Die ,gottriche' (174) Philosophie 
vollends venvirft er als unfruchtbar und zwecklos 
(139—155. 174. 184); er beschriinkt ihr Gebiet 
auf engste , fast nur auf das Spiel mit Syllogis- 
men, Trug- und Haufelschlussen (1 14. 146, 154); 
er rnacht sich lustig fiber die Geschraubthcit der 



Sprache der PhOosophen, durch die jeder erhabene 60 suchte vergebens nach neuen Thatsachen , aus 

Autschwung verkiimmert wfirde (148), und ihre ■ .■ ..... 

Dunkelheit, durch die ihre Jiinger gezwungen 

wfirden. ihr Leben lang in Abhangigkeit von ihnen 

zu leben (152). Besonders auf die Vertreter der 

Stoa hat er es al.gesehen (184. 227. 155ff.). In 

der Stufenfolge der Lecture, die er dem mit Vor- 

liebe philosophischen Studien obliegenden Kaiser 

Marc Aurel vorschlagt 221, konnte er fiiglich die 



genommen etwa die sonst nirgends uberlieferte 
Niederlage romischer Heere in Britannien unter 
Hadrian (218). Aber das Bild, das man sich von 
der Zeit der Antonine und besonders von dem 
Philosophen auf dem Kaiserthrone gemaeht hatte, 
wurde in vielen Punkten erganzt und nicht un- 
wesentlich berichtigt. Was diese Zeit besonders 
charakterisiert , die TJberschatzung der Rhetorik 



1337 



Cornelius 



Cornelius 



1338 



verbunden mit dem thSrichten Bemuhen, das Alte 
und Vergangene in Sprache und Litteratur neu 
zu pflanzen in der Gegenwart, tritt wohl nirgends 
so deutlich hervor, als in Frontos Schriften (Roth 
5ff.). Wie arm an Geist und Geschmack muss 
eine Zeit gewesen sein, in der ein Fronto trotz 
seines mediocre ingenium (184) und beschrankten 
Wissenskreises eine fuhrende Rolle spielen konnte! 
Aus diesem Gesichtswinkel betrachtet, ist Frontos 
Briefwechsel allerdings ein kostbarer Schatz fiir 10 
den Historiker. Nach dem Gesagten steht das 
TJrteil fiber Fronto ziemlich fest. Er mag immer- 
hin ein vortrefflicher Mensch {homo optimus nennt 
ihn Marcus 55) und tuchtiger Erzieher gewesen 
sein. Als Rhetor hat er den Ruf, dessen er sich 
erfreute, nicht verdient; ein neues System hat er 
nicht begrundet, und das wenige Eigentiimliche 
in seiner institutio oratorio, (s. o. S. 1331) bedeutet 
einen Ruckschritt in der Geschichte der Rhetorik ; er 
war vielmehr kleinlicher Grammatiker (besonders 20 
64 — 66), minutieux eplueheur de mots (Aube" 75) 
und Antiquar. Als Redner hatte er bei der ein- 
seitigen Bevorzugung der Form zu anderer Zeit 
und unter andern Verhaltnissen nie die Berfihmt- 
heit erlangt, die er thatsachlich bei seinen Zeit- 
genossen und wenigstens eine Zeit lang selbst 
bei einem so besonnenen Manne wie Marc Aurel 
genoss, auch wenn ihm ein vorzfiglicher Vortrag 
(44. 188) eigen gewesen sein sollte. In der Folge- 
zeit war das Urteil fiber den Redner Fronto keines- 30 
wegs geklart; die einen (s. o.) riihmten ihm gra- 
vidas (vgl. dazu Boissier 697) nach, andere 
empfahlen seine pompa (vgl. Fronto 55), wieder 
andere machten ihn zum V r ertreter des siecum 
genus dieendi. Vielleicht wies er in den ver- 
schiedenen Redegattungen einen verschiedenen 
Stil auf; in seiner Correspondenz uberwiegt jeden- 
falls den Pomp und Schwulst, der uns zuweilen 
an die Schreibweise der Declamatoren beim Rhetor 
Seneca und an die seiner africanischen Lands- 40 
leute erinnert, weitaus Dime und Nuchternheit. 
Die Neuzeit hat, nachdemMai den von ihm zu- 
erst ans Licht gezogenen Schriftsteller in einer 
leichtverstandlichen Voreingenommenheit in jeder 
Hinsicht weit fiber Gebfihr gefeiert hatte (1815, 
XXXVff.) , von Niebuhr bis auf unsere Tage 
fiber den Redner Fronto fast durchweg ungunstig, 
zuweilen zu hart geurteilt (vgl. z. B. Niebuhr 
Kl. Schrift, I 326. II 56. Roth 4. Westermann 
311. Eckstein a. O. Bernhardy 783f. Madvig50 
Advers. crit. II 613. Herwerden Mnem. I 1873, 
294. PriebeI2. Teuff el- Schwabe 891. 
Schanz 81—84). 

Die Schriften Frontos sind uns iiberliefert in 
einem Codex rescriptus oder vielmehr ter scriptus 
des Klosters Bobbio , von dem der grOssere Teil 
in die Ambrosiana, der kleinere in die Vatican a 
gekommen ist. Er enthalt die Acten des Concils 
von Chalcedon vom J. 451; die Schrift scheint 
auf das 7. — 8. Jhdt. hinzuweisen. Ausser Fronto 60 
hatte man zum Reseribieren verwendet Reden 
des Symmachos, Schol. Bob. zu Cicero, gothische 
Fragmente , einen Tractat iiber die arianische 
Haeresie, ein Fragment von Persius und von 
Iuvenal, einen Teil des Panegyricus von Plinius. 
Tjnter dem Froutotext, umgekehrt zur Fronto- 
schrift und parallel zur Concilhand erkannte 
Hauler auf einer von ihm entzifferten Seite fiber 



Hadrians Thatigkeit jmigst noch altere Zeicheu, 
in denen er eine Schrift (vielleicht Rede) Hadrians 
mit aller Reserve vermutet (Philol. Vers. Koln 
1895, 85). Der Frontocodex gehOrt ins 6. Jhdt. 
(Mai 4., Niebuhr Anfang des 7. Jhdts.); der 
Schreiber war ein Monch (Naber 248, 2), ein 
Romer, wie aus den griechischen Proben hervor- 
geht (Niebuhr XXXVI). Die Gesamtzahl der 
Blatter betrug 340, davon sind 141 in Mailand, 
53 in Rom vorhanden, 146verloren; von den er- 
haltenen 194 Seiten harren viele noch der voll- 
standigen Entzifferung. Fiir die Textverbesserung 
ist festzuhalten, dass die Columne 24 Zeilen zu 
15 — 20 Buchstaben, also im ganzen hOchstens 
480, die Seite hochstens 960 Buchstaben enthielt. 
Einige Briefe werden zweimal iiberliefert (Naber 
239. 243f. 252). Unmittelbar nach der Nieder- 
schrift wurde der Codex von einer zweiten Hand 
emendiert, die nicht bios die eine oder andere 
bemerkenswerte Sentenz am Rande wiederhott 
oder etwas seltenere WOrter herausgeschrieben 
oder Urteile fiber das, was im Teste stand, hin- 
zugesetzt, sondern auch an 14 Stellen Varianten 
anderer Hss. angefuhrt hat (Ehrenthal 16f. 49). 
Der Name des Correctors Caecilius, den Mai am 
Ende des 3. Buches ad Marc. Caes. 57 gelesen 
haben will, ist jetzt ganzlich unsichtbar; Mai 
denkt an den Grammatiker Caecilius Vindex 
(Naber 57, 6). An der Erganzung der Sub- 
scripts Caecilius s(ae)pe (r)ogatus legi emendavi 
nimmt Jahn Ber. sachs. Gesellsch. 1851, 360f. 
Anstoss; er vermisst einen weiteren Namen oder 
Titel. Havet Rev. philol. X 1886, 189 schlagt 
vor Caecilius pr. pr. (= praefectus praetorio) 
togatus und verweist fiir togatus auf Mommsen 
Rem. Feldm. II 175, 39. Tiber den Zustand und 
die Collationen der Hs. vgl. Niebuhr, der die 
zerstreuten Bemerkungen Mais gesammelt hat, 
XXXI Vff. Naber IX— XX. S t u d e m u n d Epist. 
crit. Hauler Philol. Vers. Koln 78—86. Eine 
Schriftprobe des Cod. Vatic. 5750 pag. ult. findet 
sich bei Zangemeister-Wattenbach Exempla 
cod. lat. Taf. 31. Die Mailander Stiicke ver- 
offentlichte zuerst Mai Mailand 1815 in 2 Bdn. 
(Abdruck Frankfurt a./M. 1816). Eine neue besser 
angeordnete und vielfach verbesserte Ausgabe der- 
selben besorgte unter Mithulfe von Buttmann 
und Heindorf Niebuhr, Berlin 1816. Bald 
fand Mai in der Vaticana die anderen Bruch- 
stttcke der Hs. und verOffentlichte sie mit den 
alten in einer neuen wesentlich besseren Ausgabe, 
Rom 1823 (1 846 2 ; besonderer Abdruck Celle 1832). 
Eine vortreffliche Chrestomathia Frontoniana von 
Orelli findet sich hinter seiner Ausgabe des 
taciteischen dial, de or. Zfirich 1830. 115—173. 
Auf Grund einer neuen Collation seines Lands- 
mannes Du Rieu gab NabeT eine neue Recen- 
sion des Fronto, Leipzig 1867, heraus (fiber die- 
selbe Klussmann Diss. 7. 19ff. Schwierczina 
47—49 Anm. 1. Ehrenthal 5, 29). Bald darauf 
wurde der Palimpsest von Studemund muster- 
haft verglichen, freilich nur 60 leichter lesbare 
Seiten des Ambrosianus; die gewonnenen Resul- 
tate hat er in der Epist. crit. ad Klussmannum 
vom J. 1873 verOffentlicht. Neuerdings hat sich 
Hauler der muhsamen Entzifferung der Hs, im 
Sinne und Geiste Studemund s unterzogen; als 
Probe seiner Untersuchung der Frontoreste er- 



1339 



Cornelius 



Cornelius 



1340 



1341 



Cornelius 



schien Seite 251 des Palimpsestes = princ. hist. 
205f. N. in den Serta Hartel. 263—269 u. Philol. 
VeTs. Koln 81—85; im Eh. Mus. a. 0. folgte 
eine Nachvergleichung der Sallustexcerpte 108— 
111 N. Studemunds und Haulers Collationen 
haben erwiesen, dass Mais und auchDuEieus 
Vergleichung der Hs. ungenau, unzuverlassig und 
unvollstandig ist. Mit begreiflicher Spannung 
sieht man daher der von Hauler vorbcreiteten 



Cornelius 



1342 



f. Philol. LXXXXIII 1866, 579f.; vindic. Gcll 
alt. = Jahrh. f. Philol. Suppl. VII 1873, 23, 52. 
53; de ludo talario (wofftr F. 160 wiohtige Quelle) 
Ind. leet. Breslau 1873, 11, 2; Eh. Mus. XXIX 
1874, 367. Dilthey Ann. d. Inst. XXXIX 1867 
176, 2. L. Miiller Jahrb. f. Philol. LXXXXV 
1867, 752. Ellis Journ. of philol. I 1 (1868) 
15—20. Wordsworth ebd. I 2, 160. E. KIuss- 
mann Philol. XXVII 1868, 240. Kiessling 



Meuausgabe des Pronto entgegen. Eine franzo- 10 (= Anonymus) Philol. Anz. 1 1869, 60f., in Stude 

SISChe UDersetzilTW alls TVTni = TmllofSnrlin'oi. Ano_ ^n-nnAc U«;„+ ™:i TVTTTT. I.-: t> •_■!. _ t in 



sische tibersetzung aus Mais vollstandiger Aus- 
gabe mit dero lateinischen Texte und Anmer- 
kungen von Armand Cassan erschien Paris 
1830 in 2 Bdn. Die griechischen Briefe hat Mai 
in seiner Ausgabe ins Lateinische, einige Briefe 
aus der Correspondenz mit Marcus E. Miiller 
a. O. ins Deutsche iibersetzt. Die Fragmente 
der Reden sind zusammengestellt bei Meyer 
Orat. Eom. frg.2, Ztirich 1842, 609—617. Naber 



munds Epist. crit. XXXIII; bei Priebe I 13 
n 6, 48. Leutsch Philol. XXX 1870, 176. 
Eussner Eh. Mus. XXY 1870, 541-547; Litt 
Centralbl. 1871, 10851; Jahrb. f. Philol. CVII 
1873, 522f. CXI 1875, 766; Bl. f. d. bayr. Gymn.- 
Wes. XXIV 1888, 75f. Bibbeck Trag.2 praef. 
LXX; Com.''! 117. r_ Klussmann Emend. F. 
part., Diss. Getting. 1871, Vorlaufer zu d. Emend. 
F., Berl. 1874, mit Studemunds Epist. crit. vom 



^60—264. Da m der Naberschen Ausgabe die 20 J. 1873; Jahrb. f. Philol. CIX 1874, 636—638- 
kntischen Beitrage vor 1867 weder vollstiindig Tulliana, Progr. Gera 1877, 3; Curae Africanae 
noch gewissenhaft beniitzt worden sind, erscheint Progr. Gera 1883, 3—7. O. Hirschfeld in 
es angemessen. die betreffende Litteratnr sett R+,nrlptnnnrl a tt™+ «•;+ yyttt -r«„-v,„i„. 



es angemessen, die betreffende Litteratur seit 
Mai in miiglichster Vollstandigkeit folgen zu 
lassen: Cramer und Bekker (letzterer fur die 
griechischen Stiicke) in Niebuhrs Ausg. 293— 
295. Eichstadt M. C. F. operum nuper in lucem 
protractorum notitia et specimen, Jena 1816. 
He in rich Auctarium emendationum in F. reli 



Studemunds Epist. crit. XXXII. Biicheler 
Jahrb. f. Philol. CV 1872, 565; in Rib becks 
Com.2 271. Bahrens Jahrb. f. Philol. CV 1872, 
632—634. Jordan a. O. Eeinhardt De retract, 
fab. Plaut., Diss. Greifswald 1872, thes. 3. Mad- 
rig Advers. crit. II Kopenh. 1873, 613—616. 
Cornelissen Mnem. N. S. I 1873, 91—96. XIII 



„, „ U , UUU .„ UU „ IUU xll j... Lyjil - uumcusBcii jxuitmi. i\. d. i loto, »i — yo. Alll 

quias ex nupera editione Berolinensi, Kiel 1817. 30 1885, 115—134. van Herwerden ebd I 293f. 

Annnvn-ma .Tpn T,i+f 7+n- 1QT7 laofp v™ inotv n~\.~j. .1. .i t on^ -\t i i -, t t -. ^^ . ~~J 



Anonymus Jen. Litt. Ztg. 1817, 162ff., bes. 173ff. 
Jacobs in Wolfs Litterar. Analekten I, Berlin 
1817, 108-127. 246-250; Z. f. Alt.-Wiss. V 
1838, 1019—1027. Kessler De locis, qui in F. 
epistolis .... litura corrupti deprehenduntur, pro- 
babili coniectura sarciendis, Eossleben Progr. 
Klostersch., Leipzig 1828. Lobeck Aglaoph., 
Konigsberg 1829, 707. Orelli a. O. Schopen 
Emend. Front., Progr. Bonn I 1830. II 1841 



Cobet ebd. I 305. Naber ebd. II 1874, 225 
—227 (unter Benutzung einer Collation Kiehls). 
XXIV 1896, 396. Hercher Herm. IX 1875, 255. 
Schenkl Z. f. ost. Gynrn. XXVI 1875, 30-34. 
Ebert a. O. Appendix 355—357. Ehrenthal 
1—30. Georges Jahrb. f. Philol. CXXIII 1881, 
807; Jahresber LV 1888, 240. Schwierczina 
40- 57. Wolfflin Arch. f. Lexic. II 1885, 10. 
Volkmann EhetorikS, Leipz. 1885, 318. 416. 



Haupt Ausg. v. Ovid Halieut., Leipzig 1838, 40 Desrousseaux Eev. philol. X 1886, 149—154 
40: emend Prnnnrt TnH Wf T!q,.1i\i ibkc o /,!„„ n:n vin nn i. .: m . __ .e i> i n . v i „~„ 



40; emend. Propert. Ind. lect., Berlin 1 856, 9 _ 
Opusc. II 108f.; analecta Herm. I 1866, 23f. 33 
= Opusc. Ill 316f. 326f.; de emend, libr. F. Ind. 
lect., Berlin 1867 = Opusc. II 346—357; coniec- 
tanea Herm. VI 1872, 388. VIII 1874, 15. 178 
= Opusc. Ill 563. 616. 619f. Alanus Coniec- 
turae_ animadversionesque crit. in F. . . . reliquias, 
Dublin 1841; observations in loca (!) aliquot 
Cic. Accedunt in Caes., F. (22f.), Gell., Plin. non 



(das Citat XVI 159 bei Teuffel-Schwabe 896 
fur eiiie zweite Abhandlung D.s ist falsch). No- 
vak Listy fllol. a paedag. XIII 1886, 17f. 202 
—207; Wicn. Stud. XLX 1397, 242—257. FrCh- 
ner Philol. Suppl. V 1889, 49— 52. Schanz Litt.- 
Gesch. Ill 84 Anm. Hauler a. O. 

Uber Fronto im allgemeinen vgl. M a i Comment, 
praevius im I. Bd. s. Ausg. 1815, I— CXII; De 
edit, princ. Mediol. frg. Cic. atque operum F. 



ii ^ iTi- ^ ' ucll > *■""■ Iluu " cuii. pnuu. meuioi. irg. Lie. atque operum x 

nulla, Dublin 1863; observationes in F. nuper- 50 comment, Mailand 1817. llff. Eichstadt a. O 

rime Lins. editum. Dublin 1867 TTiU P V>rQT,^ TTT VTn h.t;„k„i,» iis.1 „ „ i„„„ a-t^ 



rime Lips, editum, Dublin 1867. Hildebrand 
Ausg. d. Apuleius, Leipzig 1842, s. Index II 719. 
S chafer De loc. nonnullis Cic., Plin., Front.. 
Festschr. d. Vitztumschen Gymn. Dresden 1844J 
12—16, teilweise wiederholt Philol. XXVI 1867, 
574f. Jahn Eh. Mus. EH 1845. 156; Philol. 
XXYILT 1869, 7. Borghesi s. oben S. 1322. 
Vahlen Cn. Naev. de bello Pun. rel., Leipzi" 
1854, 6f, ; Z. f. Ost. Gymn. XIX 1868, 10; Herm. 



Ill— VIII. Niebuhr Einl. z. s. Ausg. XIX— 
XXXVHI ; Kleine hist, und philol. Schriften, erste 
Samml., Bonn 1828, 325ff.; zweite Samml., Bonn 
1843, 52—72. Roth Bemerkungen lib. d. Schr. d. 
M. C. F. u. iib. d. Zeitalter der Antonine, Nuraberg 
1817. Bahr Eom. Litt.-Gesch. n+ 623ff. 536fff. 
Westermann Gesch. d. Bereds. II 310—314. 
Eckstein in Ersch u. Gruber Encycl. I 51 (1850) 
442—446. Philibert-Soupe" De Frontonianis 



;,'"'"," ■ - «o.. ^_ U11 ,. ^ i.i iuw, iu, iiciju. «i— mo. rnniDerr-boupe ve j*Tontoruanis 
Vo}» 7f.'J 5 l- Mi3tze11 Z - f - G.vmn.-Wes. XIII 60 reliquiis , Paris. Thes., Amiens 1853. Bern- 

1859. n40_ rai'limPTin inert rl Innvnci T3r.«l.« U ^ -. T>:; T :.i r\ 1_ . nin r.r»r» rnnl. i-.^.^ 



1859, 640. Lachmann Ausg. d. Lucrez, Berlin 

1860, 264. 405. Mahly Philol. XVH 1861, 176 
—178. XIX 1863, 159—161. Eiese Jahrb. f. 
Philol. LXXXXI 1865, 146. Usener ebd. 267 
-268. C. F. W. Miiller Eh. Mus. XX 1865, 156; 
krit. Bern, zu lat. Pros., Progr. Landsberg a. d. W. 
1865 (darin F. 8f.); Jahrb. f. Philol. LXXXXIII 
1866, 487-491. CVII 1873, 350. Hertz Jahrb. 



hardy Eom. Litt.-Gesch. 4 318— 322. 783f. 788. 
Hertz Renaissance und Eococo in d. rom. Litt.. 
Berlin 1865, bes. 6ff. 26ff. Teuffel-Schwabe 
Eom. Litt.-Gesch.s 891—897. 910—912. Schanz 
Eorn.^ Litt.-Gesch. Ill 75-85. [Brzoska.] 

158) Cornelius Fuscus, Praefectus praetorio 
unter Domitian. Er stammte aus vornemner 
Familie, hatte abeT schon friihzeitig in jugend- 



• I 



lichem Leichtsinn den Senatorenrang abgelegt, 
um die Carriere des Eitterstandes einzuschlagen 
(Tac. hist. II 86). In den Ereignissen des J. 69 
n. Chr. spielte er eine hervorragende und nicht 
unruhmliche Rolle. Galba hatte ihn, der damals 
im kraftigsten Mannesalter stand, zur Belohnung 
fur ftiiher geleistete Dienste (pro Galba dux 
eoloniae suae ist nicht ganz klar) als Procurator 
von Pannonien eingesetzt. In dem Kampfe rwi 



er sich nach den Stiirmen des J. 69, die ihm 
Ehre und Eeichtum brachten, einem ruhigeren 
Leben hingegeben zu haben. Iuven. a. a. O., der 
auch ihn unter den Personen erwahnt, die an 
dem spasshaften Consilium Domitians teilnahmen, 
spricht von strategischen Studien, die er in seiner 
Villa betrieben habe; der Scholiast (ed. Heinrich 
I 194f.) scheint seine fruheren Kriegstbaten nicht 
zu kennen ; ein andcres Scholion (Jahrb. f. Philol. 



, T7 ., „. », TT . .„. £ , ~w...v,i, cm OHUV.1DO oouuuuii ijauru. i. rnuoi. 

schen Vitellms und Vespasian ergnff C, den 10 Suppl. XXII 421) sagt in trbereinstimmung mit 

SPIT! rmT.&rT>£»l"iTYinTin.ctlna+,r#n*. 1n.iV«.rt«; r .rtlT«« CN«« «.. .1 rn . j _1 T-i' t.t , — ._ e, _ 



sein unternehmungslustiger, kriegerischer Sinn zu 
immer neuen Thaten antrieb, fur letzteren Partei, 
Tac. a, a.O. In dem Kriegsrat der Flavianer 
zu Poetovio war er nebst dem Legionslegaten 
(M.) Antonius Primus einer der eifrigsten Ver- 
fechter des Krieges gegen Vitellius, gegen den 
er unerschrocken und rucksichtslos aufs heftigste 
eiferte. Er veranlasste auch den greisen und zag- 
haften Statthalter von Pannonien (L.) Tampius 



Flavianus, sich in dem Kriege gegen Vitellius an 20 Rom (CIL VI 30914) 
die Spitze zu stellen, und opferte damit in selbst- ----- 

loser Weise seinen eigenen Ehrgeiz dem Interesse 
der Sache, Tac. hist. Ill 4. Der Flottenpraefect 
(Sex.) Lucilius Bassus iibertrug nach dem Verrat, 
den er an Vitellius veriibte (vgl. Tac. hist. II 
lOOf. Ill 36. 40), das Commando iiber die raven- 
natische Flotte an C, der rasch herbeieilte, Tac. 
hist. Ill 12. Schon war das Kriegsgltick der 
Vitellianer im Schwinden begriffen, Verrat und 



dem Text des Dichters, dass er den Feldzugsplan 
am grtinen Tisch entworfen habe. Ein Grab- 
epigramm fur C. giebt Martial. VI 76 (geschrieben 
im J. 90, nach dem dakischen Triumph Domi- 
tians, vgl. Friedlander z. St.). [Stein.] 

159) Cornelius Gaetulicus s. Lentulus Gaetu- 
licus Nr. 220ff. 

160) P. Cornelius Gaipor, Freigelassener eines 
P. Cornelius auf einer alten Weihinschrift aus 



[Miinzer." 



161) Cornelius Gallicanus , von dessen Frau 
Phlegon (sibqI &avfiaoia>p FHG III 623 frg. 52) 
berichtet, dass sie im J. 65 n. Chr. in Eom ein 
Kind mit einem Anubis(Schakal-)Kopfe geboren 
haben soil. Vielleicht war auch der Folgende 
ein Sohn des C. 

162) C. Cornelius Gallicanus (das Praenomen 
im Militardiplom), vielleicht Sohn des Vorher- 
gehenden, leg(atusj Aug(usti), wohl der Provinz 



,,. , ., : "" — b~ "i ■"*!•» "■"" gciicnu.cn, LBy(tj,vus/ jxuycusvtf/, worn uer rrovinz 

i lucht ihrer hervorragendsten Filhrer gestalteten 30 Gallia Lugdunensis, im J. 83 n. Chr. (CIL XII 



die Lage immer verzweifelter, und C. kam gerade 
zurecht, um einen vernichtenden Stoss gegen sie 
auszufuhren. Er schloss eine fiihrerlose Trappen- 
abteilung der Vitellianer in Ariminum ein und 
bekam durch eine gleichzeitig zu Wasser und zu 
Land ausgefiihrte Action Umbrien und Picenum 
in _ seine Gewalt, Tac. hist, in 42. Fiir diese 
Kriegsthaten , die einen entscheidenden Einfluss 
auf den Gang des Krieges ausubten, wurden ihm 



2602 = Dessau 2118 [Genf], Inschrift seines 
cornicularius aus der cohors I urbana, die in 
Lyon lag). Consul suffectus im September 84 
mit C. Tullius Capito Pomponianus Plotius Firmus 
(CIL III Suppl. p. 1963 dipl. XVI vom 3. Sep- 
tember 84). Wahrscheinlich im J. 101/102 fiihrte 
C. als ausserordentlicher Commissar die Alimentar- 
Institution Traians in einem Teile Italiens durch 
(CIL XI 1147 n 37. m 12. v 38. 56. vn 31 



— u 3 a i »«&<~. c^ou^u^i., „uiucu nun i^vjiu ai uii ii oi. 111 is. v an. oo. Vll 31 

nach dem Sturz des Vitellius (December 69) die 40 Urkunde iiber die in Veleia fur die Alimentationen 



praetorischen Insignien verliehen (Tac. hist. IV 4; 
unter den Heerfuhrexn der vespasianischen Partei 
wird er auch III 66 neben M. Antonius Primus 
und C. Licinius Mucianus genannt). Unter Do- 
mitian begegnen wir ihm als Praefectus praetorio 
(als solcher auch Lyd. de mag. II 19. Ill 22 er- 
wahnt) und Feldherrn gegen die Daker. Nach- 
dem Domitians erster Dakerfeldzug unter C. Oppius 
Sabinus gescheitert war, zog der Kaiser selbst zu 



*elde, schickte aber C. voraus iiber die Donau. 50 St.-E. lis 949. Hirschfeld Verw.-Gesch. 114ff 

Til CiOAT <-1t1i-*-+ ™.t^..i^ J rt _ T\ - 1 1_-_-._ • -. TAT -mr ii»t. ^..^» - . . _ 



angelegten Gelder; wie Bormann ebd. p. 220 
wohl mit Eecht ausfiihrt, besorgte C. die Ein- 
richtung der Stiftung in der regio VIII [Aemi- 
lia] und wohl auch in anderen Districten Italiens, 
der in derselben Urkunde genannte T. Pomponius 
Bassus [vgl. CIL VI 1492. Jahreshefte d. Osterr. 
arch. Inst. I 1898, 172f.] in der regio I wad VII; 
einen besonderen Amtstitel scheinen beide nicht 
gefiihrt zu haben; s. Mommsen Herm. ni 124f.; 



Dieser erlitt gegen den Dakerkonig Diurpaneus 
(Oros. VII 10, 4 nach Tacitus in den nicht er- 
haltenen Partien der Historien. lord. Get. XIII 
77; zur Namensform vgl. CIL VI 16903; Petr. 
Patr. FHG IV 185, 4 nennt Decebalus [allge- 
meine Bezeichnung fiir den Dakerkonig?] als den 
Sieger; vgl. auch Dio ep. LXVJJ 6) eine furcht- 
bare Mederlage; die Daker erbeuteten das ge- 
samte rCmische Lager und die Feldzeichen; C. 



Marquardt-Dessau St.-Verw. 112 146. Bor- 
mann a. a. O. Kubitschek o. Bd. I S. 1484ff.). 
Der Zeit nach ware denkbar, dass C. eine Person 
ist mit dem Gallicanus, der als Militartribun 
unter Vespasian im jiidischen Kriege (J. 67) 
diente (Joseph, bell. Iud. ITI 344). [Groag.] 

163) Cornelius Gallus, Praetor in spatrepubli- 
canischer oder augustischer Zeit, vermutlich mit 
Kr. 164 verwandt, wird nur wegen seines merk- 



., , « . , ' O— ~"~ ^ iw ^v.^-...,^.., v.. 1U. ±<J*± IClYldLUL, Willi I1U1 WCgCll SClIlcS Uiefli 

fi b T !L ° el ln der ^chlacht (Suet. Dom. 6. Dio ep. 60 wiirdigen Todes erwahnt (Val. Max. IX 12, 8 

LXVTTT 9. R: vcrl TTVTT « O. 1?„+^t, VTT OQ A Til.-. „ X. i/TT 1IW T^._ A'._ ! r,TT 'tti 



LXVHI 9, 3; vgl. LXVII 6. 3. Eutrop. VII 23. 4. 
Oros. a. a. O. lord. Get. XIII 78. Iuven. IV 11 Of. 
und Schol. daza; vgl. Tac. Agr. 41). Seinen 
Charakter schildert Tac. hist. II 86 als den eines, 
ruhelosen Geistes (die Lesart inquies cupidtne 
entspricht am reeisten Tacitus tibrigen Worten), 
dessen unstillbarer Thatendurst ihn an Gefahren 
und Kampfen Gefallen flnden lasst. Doch scheint 



Plin. n. h. VII 184). Der Name auch CIL ' VI 
16223: L. Cornelius L. f. Polflia tribuj GaZlits. 

[Miinzer.] 
164) C. Cornelius Cn. f. Gallus, rOmischer 
Eitter, erster Praefect von Agypten. a) Name. 
Alle drei Namen'sind in der ncugefundenen tri- 
linguen Inschrift aus Philae, S.-Ber. Akad. Berl. 
1896, 475 (auch Comptes rendus de l'acad. 1896, 1 10 ; 



1343 



Cornelius 



Cornelius 



1344 



1345 



Cornelius 



Cornelius 



1346 



vgl. P. Mahaffy Athenaeum 1896, I 352, teil- 
weise mitgeteilt von 0. Crusius Philol. LV 122. 
S. Ricei Atti deila Reale Accadem, di Torino 
1896 p. 677ff. A. Wilhelm Archaol.-epigr. Mitth. 
XX 83 und bes. U. Wiloken Ztschr. f. agypt. 
Sprache XXXV 70ff. H. Schaefer ebd. XXXIV 
91), sowie in der wahrscheinlich auf ihn zu be- 
ziehenden Bull. com. 1896, 332 nr. 1367 ange- 
geben; ebenso ist bei Hieron. a. Abr. 1985, in 



= Ammian. XVII 4, 5). c) Spatere Laufbahn, 
Mehr als 10 Jahre spater bethatigte sick Gallus 
als Octavians Feldherr im alexandrinischen Krieg. 
Er eroberte mit den vier Legionen des (Pinarius) 
Scarpus Paraetonium und schlug Antonius' Be- 
miihungen, das Heer und die Stadt zuriickzu- 
gewinnen, erfolgreich ab (Dio LI 9. 10, 1. Oros. 
VI 19, 15; die hier erwahnte Bcsiegung des An- 
tonius bei Pharus gehort zu den Kampfen vor 



einem Fragment aus Lydus de mens. p. 179, 1 "W., 10 Alexandria; nach Plut. Ant. 79 wurde Gallus 



in der griechischen Ubersetzuug des Eutrop von 
Paeanius und in einigen Hss. des Eutrop selbst iiber- 
liefert, wahrend die sonst besscren Hss. Cn. Cor- 
nelius Gallus haben. b) Jugend. Geboren wurde 
er in Forum Iulii (unbestimmt welches, vgl. 
Pascal 399, 1) im J. 685 = 69 oder 686 = 68 
(Hieron. a. Abr. 1990, s. u.). Aus ganz arm- 
lichen Verhaltnissen (Suet. Aug. 66) scheint er 
sich friihzeitig zu eiuer angeseheuen Stellung 



dann gegen Cleopatra geschickt; vgl. auch Flor. 
II 21, 9. Zonar. X 31). Zur Belohnung dafttr 
erhielt er nach der endgultigen Unterwerfung 
Agyptens das Land als der erste Statthalter dieser 
Provinz, 724 = 30 (Strab. XVII 819. Suet. Aug. 
66. Dio LI 17, 1. Eutrop. VII 7 = Hieronym. 
1985, vgl. 1990 = Fest. brev. 13. Synkell. I 583 r 
18. Inschrift von Philae; irgendwie hangt da- 
mit die thOrichte Nachricht bei Lydus de mens. 



emporgearbeitet zu haben. Denn schon im J. 20 p. 179, 3ff. W. zusammen). Was bisher nur aus 



713 = 41 finden wir ihn unter den Gonnern Ver- 
gils, dessen Mitschiiler er auch gewesen war 
(Prob. in Verg. eel. p. 6 Keil; wahrscheinlich in 
Rom bei M. Epidius, dann wurde auch der junge 
Octavian [dass er ein Freund des Augustus ge- 
wesen sei, sagt Serv. eel. 10 praef. und bezcugt 
auch Suet. Aug. 66] und M. Antonius zu seinen 
Mitschfilern gehOrt haben; vgl. vita Verg. Bern. 
Ha gen Jahrb. f, Phil. Suppl. IV 745. Suet, de 



sparlichen Nachrichten bei den Autoren iiber seine 
Verwaltung Agyptens bekannt war, empfiingt jetzt 
neues Licht durch die vor wenigen Jahren ge- 
fundene Inschrift von Philae, eine von C. gesetzte- 
Weihinschrif't an die heimischen Gotter und an 
den Flussgott Ml, worin er die Besiegung eines 
Aufstandes der Thebais riihmt; insbesondere findet, 
was Dio LIII 23, 5 erzahlt, slxovag eavrov sv 
olrj dig sbcsiv xfj Aiyvnxm sartjos xax za spya 



rhet. 4 p. 124 Eeiff.). Als den Soldaten Octa- 30 ooa msnoirjHsi is rag jivQa/.udag easygayje dureh 



vians nach der Schlacht bei Mutina (711 = 43) 
das Gebiet von Cremona, deren Bewohner fur 
Antonius Partei ergriffen hatten, angewiesen 
wurde und, da dies nicht ausreichte, auch die 
Gegend von Mantua herhalten musste (Verg. eel. 
9 , 28 Mantua vae miserae nimium vicina 
Cremonae und dazu Serv. ortis bellis civilibtis 
inter Antcmium et Augusium Augustus victor 
Cremonensium agros, quia pro Antonio sense- 



jene Inschrift Bestatigung, denn der (arg ver- 
stiimmelte) Reiter an ihrcm Kopfe stellt gewiss, 
wieWilcken gesehen hat, nicht Augustus, son- 
dern Gallus selbst dar. Aus der Inschrift, die 
(zufolge des hieroglyphischen Textes) am 15. Marz 
725 = 29 gesetzt ist, ersehen wir, dass der Steuer- 
aufstand in der Thebais , von dem Strab. a. a. 0. 
spricht und ausserdem nur nach Eusebios Hieronym. 
a. 1990 (Euseb. arm, 1991 oder 1992) und Synkell. 



rani, dedit militibus suis; qui cum non suffe-40a.. a. 0., nach Hieronym. Ammian. a. a. 0., noch 



cissent, his addidit agros Alantuanos, sublatos 
non propter civium culpam , sed propter viei- 
nitatem; vgl. auch Serv. prooem. eel. p. 2f.; 
prooem. Aen. p. 2 Thilo; Prob. a. a. 0. giebt die 
ganz irrige Zeitangabe nach der Schlacht bei 
Actium), busste auch Vergil seinen Besitz ein, 
verdankte es aber dem Eingreifen des C. und 
anderer machtiger Freunde, dass er nach der 
Schlacht bei Philippi (November 712 — 42) wie- 



im ersten Jahr von C.s Verwaltung Agyptens 
ausbrach und nach 15tagigem Kampfe (Strabo 
h' pQazei) unterdriickt wurde. C. eroberte fiinf 
Stiidte der Thebais, Boresis, Koptos, Keramike, 
Diospolis megale (= Thebae) und Ophieon (vgl. 
Hirschfeld Sitz.-Ber. a. a. 0. 482), liess die An- 
stifter der EmpOrung hinrichten und fiihrte sein 
Heer fiber den ersten Katarakt, also iiber die bis- 
herige Siidgrenze Agyptens hinaus, wo er die Ge- 



der in seine Giiter eingesetzt wurde (Prob. a. 50 sandten des Konigs von Aethiopien empfing, die 



a. 0. und vita Verg. p. 53 Reiff. Donat. p. 743 
Hagen vita Verg. und danach Phocas p. 70 
Eeiff.; im Januar 43 war C. noch in Bom, vgl. 
Cic. ad fam. X 32, 5 ; eine Umdatierung der Er- 
eignisse nimmt ohne hinreichende Griinde Thilo 
Jahrb. f. Phil. CXLIX 291. 300-302 vor). tber 
die amtliche Stellung, die C. damals einnahm, sagt 
Serv. eel. 6, 64, dass er von den Triumvim beauf- 
tragt wurde, Geld von den Gemeinden einzutreiben, 



Schutzherrschaft iiber das Land aussprach und 
einen Unterkonig desselben in der Triakon- 
taschoinos einsetzte (dies Gebiet kann nicht iden- 
tisch sein mit der Dodekaschoinos, wie Maspe"ro 
Comptes rendus a. a. 0. 107 glaubt, weil letztere 
schon in der Ptolemaerzeit bestand; vgl. Wiloken 
Henn. XXHI 595, 3j. Strab. a. a. 0. erwahnt 
auch die ebeiifalls in kurzer Zeit erfolgte Er- 
oberung des aui'standischeiiHeroonpolis, ohne dass 



deren Felder nicht aufgeteilt worden waren; damit 60 wir wissen, oh dies vor oder nach der thebanischen 



lasst sich ganz gut vereinbaren, dass ihn Donat. p. 
743 Hagen als III tir agris dividmdis bezeichnet, 
vgl. Donat. vit. Verg. p. 59 Pieiff. Prob. v. Verg. 
a. a. 0. Serv. eel. p. 3 Th. — Hauptsiichlich 
um seinen Gonnern zu danken. schrieb Vergil die 
Bucolica (Donat. v. Verg. a. a. 0. Prob. p. 6 K. ; 
vgl. Schanz Rom. Lit, 112 38f.) ; dem C. ist 
die 10. Ecloge gewidmet (vgl. Hieronym. a. 1985 



Erhebung geschah. Die Art, wie C. seine Thaten 
selbst pries, wie uberhaupt sein Ubermut, der 
sich auch in unvorsichtigen Reden gegen den 
Kaiser ausserte (vgl. Ovid, trist. II 446 sed 
Unguam nimio iton tenuisse mero und amor. 
Ill 9, 63f.), nvusste ihn missliebig machen und 
fuhrten im Verein mit anderen Dingen (nach Suet, 
de gramm. 16 p. 112 Keiff. wurde ihm die freund- 



schaftliche Aufnahme, die er dem verbannten Q. 
Caecilius Epirota angedeihen liess, zur Last ge- 
legt; _ weniger Glauben verdient die Nachricht 
Ammians a. a. 0., dass er der Erpressung an- 
geklagt worden sei) seinen Sturz herbei. Sein 
Waffengenosse Valerius Largus iibernahm die An- 
klage; C. wurde von Augustus aus alien kaiser- 
lichen Provinzen verwiesen (vielleicht liegt in 
dem Ausdruck rJTi/j,co&rj , dass er auch aus dem 
Ritterstand ausgestossen wurde), durch Senats- 
beschluss zur Verbannung (aus Rom und Italien) 
und zur Confiscation seiner Giiter verurteilt; aus 
Schmerz dariiber totete er sich selbst im J. 728 
= 26, in seinem 43. Lebensjahr, Dio LIII 23, 
5 — 7. Suet. Aug. 66. Hieronym. a. a. 0. Serv. 
eel. 10, 1. d) Privatleben. C. scheint einem 
grossen Freundes- und Dichterkreis angehort zu 
haben. Nicht nur zu Vergil stand er in engen 
Beziehungen, auch Asinius Pollio nennt ihn 
seinen familiar is, Cic. ad fam. X 32, 5, und 
der fiir ihn verderblichen Freundschaft mit dem 
Grammatiker Q. Caecilius Epirota ist schon ge- 
dacht worden. Ihm widmet Parthenios das Buch 
jisqi iom-iix&v 7ia{h)(idrcov praef. p. 152 Western).; 
vielleicht war er auch mit M. Furius Bibaculus 
befreundet, wofern er Suet, de gramm. 11 p. 110 
Reiff. gemeint ist. Sein Verhaltnis zu Octavian 
ist oben beriihrt worden. Als eine Episode seines 
Privatlebens erfahren wir sein Liebesverhaltnis 
zur schOnen Tanzerin Kytheris, einer Freigelassenen 
des P. Volumnius Eutrapelus (Serv. eel. 10, 1 
p. 118 Th. Gr. Lat, VII 543. Cic. ad fam. IX 
26 ; sie Mess daher mit ihrem biirgerlichen Namen 
Volumnia, Cic. Phil. II 58), die friiher dem An- 
tonius (Cic. Phil. II 58. 62; vgl. Dio XLV 28, 
2; ad Att. X 10, 5. 16, 5; vgl. XV 22. Plin. n. h. 
VIII 55. Plut. Anton. 9, in den Jahren 49-47; 
spater entliess er sie, um Fulvia zu heiraten, 
Cic. Phil. II 69. 77) und Brutus angehangen 
hatte (de vir. ill. 82, 2), und die auch C, der 
sie in seinen Gedichten unter dem Namen Lycoris 
verherrlicht hatte (Verg. eel. 10. Serv. z. St.; Aen. 
VIII 642. Gr. Lat, a. a. 0. Ovid, trist. II 445; 
amor. I 15, 30: ars amat. Ill 537. Mart. VIII 
73,__6. Propert. Ill 34, 9 If. Porphyr. zu Hor. epod. 
3, 7 p. 148 M.), spater untreu wurde (dass sie, wie 
Serv. eel. 10, 1 schreibt, dem Antonius wieder ge- 
folgt sei, ist kaum richtig; dagegen Flach 
Jahrb. f. Phil. CXIX 793ff. Kolster ebd. CXXI 
626ff. Mommsen S. 548 Anm.), weshalb Vergil 
den betriibten Freund zu trosten suchte (s. die 
eben citierten Stellen). Vergil hat urspriinglich 
auch das 4. Buch der Georgica a medio usque 
ad finem mit eiuer Verherrlichung des C. aus- 
geftllt, diese aber nach seiner Verurteilung auf 
Befehl des Augustus gestrichen und dafiir die 
Anstaeusepisode eingesetzt (Serv, eel. 10, 1 ; Georg. 
IV 1). [Man sieht so deutlich, wo dieses Enko- 
mions Anfang und Anlass gelegen hat (namlich 
bei der Erwahnung Agyptens v. 287ff. ; die Geor- 
gica sind publiciert. als Gallus etwa ein Jahr 
Praefectus Aegypti wan, und fiihlt die Fuge voi- 
der Geschichte des Aristaeus v. 314ff. so merk- 
lich klaffen, dass die modernen Zweifel an dem 
servianischen Bericht (s. namentlich X. Pulver- 
macher De Georgicis a Verg. retractatis, Diss. 
Berlin 1890, 32ff.) umsomehr verstummen mussen, 
Pauly-Wiseowa IV 



als es nicht abzusehen ist, wie er hatte erfunden 
werdenkOnnen(s.u.). Skutsch.] Erwahnt ist C. auch 
Isidor. etymof. VI 10, 5 = Suet. rel. p. 132 Reiff., 
vgl. p. 419f. : eine Papiersorte wurde nach ihm Cor- 
neliana genannt (s. Wiinsch o. Bd. Ill S.2190). 
e) Litteratur. Klebs Prosopog. imp. Rom. I 448 
-450. Hirschfeld a. a. 0. 480f. Wilcken a. 
a. 0. C. Pascal Riv. di filol. XVI (1888) 399— 
413. Becker-Goll Gallus I 19—22. Gardt- 
lOhausen Augustus und seine Zeit I 1, 406f. 454. 
787f. II 446f. Mommsen Cosmopolis IV544C 

[Stein.] 
Wo Quintilian von den Provincialismen spricht 
(inst, I 5, 8), fiihrt er den Gallicismus easnar 
,asseetator' aus einer oratio Labiervi sive ilia 
Gornelii Qalli est in Pollionem an (vgl. Serv. Eel. 
9, 10). Reiehlichere und zum Teil wenigstens 
auch bestimmtere Angaben haben wir iiber den 
Dichter Gallus, das Beste aber zu seiner Kenntnis 
20 kann uns nur eigene Combination geben. Hier 
konnen nur die Resultate solcher Combination 
und ihr Weg in Kiirze vorgefiihrt werden ; beziig. 
lich alles Naheren muss ich auf meine demnachst 
an anderer S telle zu gebende ausfuhrliche Be- 
handlung dieser Fragen verweisen. Ausdriick- 
lich bezeugt sind uns fiir Gallus vier Biicher Ele- 
gien auf Lykoris (Serv. Eel. 10, 1 und die andern 
oben citierten Stellen, namentlich Ovids), wie 
Gallus anklingend an den Apollon Avxcogevg (vgl. 
30 Euphorion frg. LIII) und den Parnassgipfel Avxto- 
Qeia und in fjbereinstimmung mit dem Bentley- 
schen Gesetz seine geliebte Cytheris (s. o.) nannte. 
Aus diesen Elegien stammt jedenfalls der einzige 
unter dem Namen des Gallus iiberlieferte Vers, 
der Pentameter uno tellures dividit amne duas, 
der sich auf den Hypanis bezieht (Vib. Sequest. 
in Rieses Geogr. lat. min. p. 148, 26). Als ihr 
Vorbild werden von Diomedes GL I 484, 22 Kalli- 
machos und Euphorion genannt, und obwohl bei 
40 Serv. a. 0. anscheinend die Ubersetzungen aus 
Euphorion von den Elegienbuchern geschieden 
sind und mit den verschwommenen Worten des 
Probus zu Eel. 10, 50 nicht viel anzufangen ist, 
wird man wohl dem Diomedes glauben mussen, 
wenn man in Betracht zieht, was Vergil selbst 
Eel. 10, 50 den Gallus sagen lasst : ibo et Chaleidico 
quae sunt mihi condita vereu mrmina pastoris 
Siculi modulabor avena. Denn das stellt doch 
anscheinend den euphorionischen Vers in Gegen- 
50 satz zum theokriteischen oder, mit andern Worten, 
das Distichon zum Hexameter, wie etwa Propert. 
I 9, 11 den Mimnermi versus in Gegensatz zu 
Homer. Gallus muss also wohl erst Elegien im 
euphorioneischen Geschmack geschrieben, dann 
aber ahnliche Stoffe in bukolischer Einkleidung 
behandelt haben (vgl. G. Schultze Euphorionea, 
Diss. Strassburg 1888, 54f.). So wurde sich der 
starke Einfluss, den Gallus auf Vergils bukoli- 
sche Dichtung geiibt hat und den wir ausser in 
60 anderem weiterhin zu Besprechenden z. B. schon 
in den bukolischen Namen Vergils erkennen (vgl. 
Wissowa bei C. Wendel De nomin. bucolicis, 
Jahrb. f. Phil. Supplem. XXVI 46 f.), nicht bios 
aus den perscinlichen Beziehungen der beiden 
Dichter zu erklaren brauchen. Aber es scheint 
auch, als hatten wir aus diesen elegischen Dich- 
tungen in bukolischer Einkleidung noch Reste. 

43 



1S4Y 



(Jomelius 



Cornelius 



1348 



1349 



Cornelius 



Cornelius 



1350 



Denn einmal ist ganz klar, dass die Klagen des 
Gallus bei Verg. Bel. 10, 22f. 35—43. 44f. 46f. 
ronoi der Elegie sind; schon J. H. Voss bat zu 
der ersten und letzten Stelle Properz I 8, 7f. ver- 
glichen, mit den andern halte man z. B. Tibull I 5, 
20ff. II 3, Sff. I 10, 11-14 zusammen. Zweitens 
aber bemerkt Servius zu v. 46 hi omnes versus Galli 
stmt de ipsius translati earminibus, und wir 
werden gleich sehen, dass man das obne jede Ab 



nius herstamrnt und nach anderen (vgl. J. Fop- 
tanini Histor. litterar. Aquileiensis, Rom 1742, 
32) zuletzt von J. H. Voss (zn Eel. 6, 74) und 
Merkel (zum Ibis p. 368ff.) naehdriicklich ver- 
treten worden ist. Wir besitzen ja ein Epyllion 
Ciris, das Skylla, des Nisus Tochter, besingt, 
unter den kleineren vergilischen Gedichten; haben 
wir hier etwa das Werk des Gallus noch vor 
uns? Ich glaube, dass sich auf diese Frage be- 



schwachung und Umbiegung zu verstehen be- 10 stimmt mit ja antworten lasst, muss aber den 



rechtigt, ja fast gezwungen ist. Dann ergiebt 
sieh also auch bier wieder, dass Gallus elegische 
Stoffe im Hexameter, im Verse Tbeokrits behan- 
delt hat. 

Dass in Gallus eigenen Augen diese elegisch- 
bukolischen Gedichte nur eine niedere Stufe seiner 
poetischen Leistungen waren, zeigen Vergils Verse 
Eel. 6, 64ff. Man hat es wiederholt schon aus- 
gesprochen (z. B. Reitzenstein Herm. XXXI 



Leser bitten, den, wic icb glauben darf, evidenten 
Beweis in der erwahntenj baldigst erscheinenden 
Arbeit nachzusehen. Wo zwischen Ciris und Ver- 
gil wortliche Ubereinstimmungen bestehen, ist 
allemal Vergil der Nachahrner; das reicbe Mass 
seiner Entlehnungen ist bei seinem persOnlichen 
VerMltnis zu Gallus durchaus begreiflich (vgl. die 
Zusammenstellungen bei Bahrens Poet. lat. min. 
II 186ff.; bier p. 127ff. und in Ribbecks Vergil 



194f. und, in einem wichtigen Punkte allerdings 20 Bd. IV die beste kritische Grundlegung, wol'ur 



von der naturgemassen Interpretation abirrend, 
Maass ebd. 408f.), dass diese Verse Gallus eigene 
Einleitung zu einem Epyllion uber den gryne- 
ischen Hain wiedergeben mfissen, eine Art Dichter- 
weihe also in der Art der hesiodischen und noch 
mehrderkallirnacheisch-ennianischen. DeTDichter, 
der am Permessus bisher sich ergangen hat, wird 
von den Musen auf den Helikon gebolt und ihm 
dort die Hirtenpfeife Hesiods iibergeben, damit 



er nun eben jenen Staff besinge, den einst auch 30 riodisierung der Ciris lasst manchmal die Glatte 



im ubrigen der Artikel P. Vergilius Maro zu 
vergleichen ist). 

Jetzt erst sind wir in die Lage gesetzt, uns 
ein eigenes Urteil fiber Gallus als Dichter zu 
bilden. Der Versbau ist etwas barter als der 
des Catull und der bukoliscben Gedichte Vergils, 
wie das nicht verwunderlich ist; auch Gallus 
Elegie war ja nach Quintilian X 1, 93 durior 
als die des Tibull und Properz. Auch die Pe- 



Hesiod (frg. 188 Ez.) behandelt hatte. Dass der 
Permessus hier die elegische Poesie, die Hohen 
des Helikon die epische (oder wie man das nennen 
will) bezeichnen, wird vollig klar durch die Stelle 
des Properz II 10, 25, die man nicht (wic Roth- 
stein Properz II p. 341 und vorher Herm. XXIV 
22) auf Vergil, sondern direct auf Gallus (Reitzen- 
stein a. O. 195) oder auf sein nachstes Vorbild 
Euphorion zurfickfuhren muss. 



anderer augusteischer Dichtungen vennissen. Aber 
im ubrigen darf ich wohl hoffen, dass man statt 
,Unbehfilfiichkeit<, .Nfichternheit', ,Unklarheit' des 
Gedichtes und ahnliche Subjectivitaten gegen 
meine Ansicht ins Feld zu fiihren, ihr vielmehr 
den Anlass entnehmen wird, das Gedicht endlich 
voll zu wurdigen. Ich nehme keinen Anstand, 
es als ein Meisterstiick alexandrinischer Erzah- 
lungskunst zu bezeichnen, das in seinen uns an- 



Der Zusammenhang der vergilischen Ekloge 40 mutenden Teilen unmittelbar neben Catulls Epyl- 



macht dann aber so gut wie sicher, was in den 
letzten Jahren wiederholt ausgesprochen worden 
ist (Ribbeck Rom. Dicbt. 112 28. Maass a. O. 
421f. Wendel a. 0. 48f.), dass nicht bios dieser 
eine Stoff von Vergil dem Gallus entlehnt ist, 
sondern alles das, was Vergil den Silen singen 
lasst, von Gallus gesungen war. Damit gewinnen 
wir fur diesen eine Fiille von Stoffen. Er hatte 
die Weltschopfung in epikureischem Sinn (31-40), 



lion treten darf, mit dem es so viel Verwandt- 
schaft hat, in den uns minder erfreulichen wahr- 
scheinlich nach dem Urteil der Euphorionsj finger 
Catull sogar weitaus iibertraf. Indes auch fur 
alles dies muss ich bitten, die Nachweise an der 
angedeuteten Stelle aufzusuchen. 

Dass auch die Epyllien des Gallus auf grie- 
chische Vorbilder zurfickgehen, zeigen schon ihre 
alexandrinischen Eigenheiten, die wir eben an- 



Deukalion und Pyrrha (41), das Reich Saturns 50 deuteten. Es wird uns aber ausserdem auch fur 



(41), Prometheus (42), die Argonauten und Hylas 
(43f.), Pasiphaes Liebe zum Stier, anscheinend 
mit einer Einlage fiber die Proitiden (46—60), 
Atalantes Wettlauf (61), Phaethon (62), Skylla, 
des Nisus Tochter (74—77), Tereus (78—81) und 
Hyakinth (denn so sind 82f. gewiss zu verstehen, 
vgl. Maass 421) dichterisch behandelt. In wel- 
cher Form war das geschehen? war das alles 
ein zusammenhangendes Werk? Die Frage be 



eben jenes Gedicht fiber den gryneischen Hain, 
dem Gallus seine Dichterweihe vorausgehen liess, 
ausdriicklich durch Serv. Eel. 6, 72 Euphorion 
als Quelle bezeugt. Und zwar setzte Meineke 
Anal. Alex. 79 die Erzahlung ins letzte Bucb der 
Chiliaden, andere, so schon Fontanini a. 0. 31, 
haben sich durch die Rohrpfeife Hesiods, die 
Gallus bei der Dichterweihe erhalt, veranlasst 
gefuhlt, an Euphorions 'Hotobos zu denken ; mog- 



antwortet sich dadurch, dass das von Vergil zwi- 60 lich, dass die Einkleidung von hier, die Erzah- 



schen Phaethon und Skylla mitten inne gestellte 
Gedicht fiber den gryneischen Hain, wie wir 
sahen, seine eigene Einleitung hatte ; Gallus hatte 
jenen Themen einzelne Epyllien gewidmet. 

Ist man erst einmal so weit, so gewinnt sofort 
ein neuerdings fast vollig in Vergessenheit ge- 
ratener Gedanke Bedeutung, der, wie C. Barth 
Adversar. HI 21 behauptet, von Obertus Gifa- 



lung selbst, die, obwohl sie auf Hesiod zuruck- 
geht, doch schwerlich in einem nach ihm be- 
nannten Gedicht gestanden haben kann, aus den 
Chiliaden stammt. Fur die Ciris steht ein anderer 
als Gewahrsmann so gut wie sicher; das ist Par - 
thenios, der, wie man langst gesehen hat, in den 
Metamorphosen die Geschichte der Skylla bis in 
die Einzelheiten hinein genau wie Cornelius Gallus 



erzahlt hatte (Meineke Anal. Al. 270. Rohde 
Roman 93 = 2 99). Man darf vielleicht schliessen, 
dass von jenen in der sechsten Ekloge genannten 
Epyllien noch eine Reihe weiterer auf dasselbe Werk 
des Parthenios zurfickgeht. Sie behandeln ja fast 
samtlich Metamorphosen ; und ihn als Stoffsamm- 
lung zu beniitzen, hatte Parthenios dem Gallus 
in der Vorrede zu den igainxa, na&rjfiaza warm 
genug ans Herz gelegt. Nur fur Hyakinth (Eel. 
6, 82f.) wird man diesen Schluss nicht ziehen 
mOgen ; nicht nur, dass ein Epyllion dieses Stoffs 
von Euphorion bezeugt ist, gerade dies seheint 
Cornelius Gallus auch ffir seine Elegien benutzt 
zu haben (vgl. frg. XXXIII M. mit Properz H 
34, 91. G. Schultze a. 0. 54). 

Was die Zeit der Dichtungen des Gallus an- 
langt, so hat Haupt Opusc. Ill 206 das spfit- 
tische eantores Euphorimiis bei Cic. Tusc. ni 
45 auf Gallus vor anderen beziehen wollen. Dann 
ware Gallus bereits 710 = 44, also als etwa 25- 
Jahriger mit Poesien hervorgetreten. Anderer- 
seits sind im J. 39 Vergils Eklogen abgeschlossen, 
die, wie wir gesehen haben, nicht nur die Ele- 
gien, sondern auch die Bucolica des Gallus ebenso 
wie eine Reihe seiner Epyllien, darunter die Ciris, 
bereits voraussetzen. 

Die Unsterblichkeit , die Ovid der Poesie des 
Gallus und insbesondere den Lykorisliedern pro- 
pbezeite (am. I 15, 29f.), ist letzteren gar nicht, 
einer andern Dichtung, wie wir gesehen haben, 
nur dadurch zu teil geworden, dass sie sich bei 
Zeiten unter jenen Erzeugnissen versteckt hatte, 
die dem Altertum mit mehr oder weniger Recht 
als Vergils Jugendgedichte galten. Die Nach- 
welt hat sich fur den, wie es scheinen musste, 
vollstandigen Verlust dadurch zu entschadigen 
gesucht, dass sie Dichtungen verschiedenster Art 
teils bona teils mala fide auf Gallus Namen taufte. 
Zwar wenn die Lydia bella puella Candida hsl. 
als Oalli poetae ioei bezeichnet wird (Fonta- 
nini 58. Riese Anthol. lat. II, XL), so wird das 
wohl auf einfacher Homonymie und nicht auf einer 
Absicht der einen oder der andern Art beruhen. 
Dagcgcn hat dann gerade unserem Gallus neuer- 
dings F. Jacobs Anthol. gr. XIII 897 die beiden 
Epigramme Anth. Pal. V 48 und Anth. Planud. 
89 zuweisen wollen. Bei dem ersteren, das in 
der Pfalzer Hs. rod Smai'ov rdU.ov fiberschrieben 
ist, lasst sich dafiir gar nichts wciter anfiihren. 
Das zweite, nur rd)lov fiberschriebene , wfirde 
allerdings, was Jacobs nicht einmal bemerkt, 
ein eigenartiges Relief bekommen, wenn es von 
dem Mann, dessen Vergehen war linguarn nimio 
iwn tenuisse msro (Ovid, trist. II 446), etwa 
nach seinem Sturz und der Verbannung von des 
Gottes Tafel geschrieben ware ; ein zwingender 
Beweis fur Jacobs kann das aber schwerlich ge- 
nannt werden. Das Gebiet der Falschungen be- 
treten wir mit der naiven Titulierung des Ge- 
dichtes Anth. lat. nr. 242 R. = Poet. lat. min. 
IV nr. 185 ; sie lautet in einer alteren Hs. (des 
11. JMts,) Deeastic/ta Cornelii poetae praefeeti 
Aegypti u. s. w., in jiingeren Hss. (des 14. und 
15. Jbdts., Bahrens p. 22f.): supplicat Cor- 
nelius Gallus ad Augustum ne comburatur 
Aeneis. Bosartiger ging Pomponius Gauricus 
zu Werke. Er strich in den Elegien Maximians, 
deren zweite eine formosa Lyeoris feiert, das Di- 



stichon IV 25f., in dem Maximian sich nennt , und 
gab sie dann (Venedig 1501) als Cornelii Galli 
fragmenta heraus, obwohl sie unter dem richtigen 
Namen sogar schon gedruckt worden waren (Fon- 
tanini a. 0. 42ff. Traube Eh. Mus. XLVHI 
287). Eine noch frechere Falschung sind Asinii 
Cornelii Galli elegiae, zuerst herausgegeben von 
Aldus Manutius (Florenz 1582 u. o"., vgl. Fon- 
tanini 59ff.), neuerdings abgedruekt in Rieses 

lOAnthologie nr. 914—917. Diese Centonen aus 
Catull, Horaz, Tibull, Ovid u. s. w., die 914, 3 
die Lycoris zu nennen wagen, aber schon in der 
Prosodie ihr wahres Gesicht zeigen {virgo 917, 
1), sind zweifellos erst unmittelbar vor dem ersten 
Druck entstanden ; der ungeheuerliche Name Asi- 
nius Cornelius Gallus beruht auf der interpolier- 
ten Stelle in der Vergilvita des Donat (Reiffer- 
scheid im Apparat zu Suet. p. 60, 5) hums Pol- 
lionis filiimi C. Asinium Cormlium Galium,, wo 

20 erst Fabricius et einffigte; die Falschung ist 
zuerst energisch nachgewiesen von Scaliger 
(Opuscula, Frankfurt 1612, II 37ff. und 411; vgl. 
Bernays Scaliger 299f.). Im ganzen vgl. Teuf- 
fcl E. Litt.-Gesch.5 § 232. [Skutsch.] 

165) P. Cornelius Geminus, Frater Arvalis 
unter Hadrian nach dem J. 122 (CII VI 2079. 
2081 [Magister des Collegiums]. 32378 Acta Arv., 
vgl. Hula Arch.-epigr. Mitt. XVII 1894, 72f.). 

[Groag.] 

30 166) Cornelius Hispanus, auch bios Hispanus 
(Sen. contr. I 1, 20. II 3, 17. VII 1, 24. IX 2, 
22), ein anscheinend nicht unbedeutender Decla- 
mator aus der Zeit des Augustus. Wenigstens 
fiberliefert der Rhetor Seneca, durch den allein 
wir ihn kennen, eine verhaltnismassig grosse Zahl 
von Proben aus seinen Declamationen (fiber 30, 
meist kurze; langere contr. I 1, 9. VII 6, 5; s. 
Indices in d. Sen.-Ausg. von Kiessling 537 und 
Miiller 598). Diese erstreckten sich auf Sua- 

40 sorieu und Controversien; in mehreren wird das 
ffir und wider desselben fraglicben Gegenstandes 
erOrtert und durch colores die strafbare Hand- 
lung beschonigt. Von einem color heisst es contr. 
I 1, 20, dass C. ihn yemistius als Latro ausge- 
fuhrt habe; ein anderer, dunes, den er per totam 
declamationem durchgeffihrt hat, displicebat pru- 
dentibus contr. VII 1, 24. In der oft fibertriebenen 
Anwendung von Figuren und der merklichen Vor- 
liebe ffir eine pointierte und pathetische Dar- 

50 stellungsweise verrat C. Abhangigkeit von der 
" damals vorherrscbenden asianischen Geschmacks- 
richtung. Von Figuren begegnen besonders haufig 
Anaphern,Antithesen, rhetorische Fragen, daneben 
Antistrophen , Klimax , Exclamationen , Apostro- 
phen. [Brzoska,] 

167) Sex. Cornelius Honoratus. Sex. Cor- 
nelius, Sex. fil., (tribu) Quir(ina), Honoratus, 
Porl(umagnensis), milit(iis) equestrib/iisj exor- 
iiatits , procfurator) sexagenarius proi'(inciae) 

60 Mesopotamiae, e(gregiae) mfemoriae) vfirj, CIL 
Vni 9760 = Dessau 1388, Grabschrift, gesetzt 
in seiner Heimat Portus Magnus von seinem Erben 
M. Caecil(ius) Caeeilianus , der auch zufolge 
testamentariscber Bestimmung des C. dem Caesar 
Geta (zwischen 198 und 209 n. Chr.) CIL VIII 
9757 ebendort errichtete. C. hat Mesopotamieii 
wohl unmittelbar nach der Wiedereroberung der 
Provinz verwaltet, vgl. Hirschfeld S.-Ber. Akad. 



1351 



Cornelius 



Cornelius 



1352 



Berl. 1889, 422; Dessau a. a. 0. halt ihn nur fur 48ff. — an und fahrt dann fort: Indus oraculi 

einen kaiserlichen Finanzbeamten, da Mesopota- vim numinis nominisque interpretatiotiem, qua 

mien von Praefecten verwaltet wurde, kaum riclitig, Liber pater et Sol 'lady signifioatur , exsecutus 

denn auch in Sardinien fiihrt der ritterliche Statt- est Cornelius Labeo in libra cui titultts est de 

halter den Titel praefeetus und procurator. oraculo Apollinis Glarii), ahnlich wie es Por- 

[Stein.] phyrios in seinem grossen Werke sisqI zi/g ex Xo- 

168) Cornelius Labeo, antiquarisch-theologi- yioiv ydoooyiag that (G. Wolff Porphyr. de 

scher Schriftsteller der spateren Kaiserzeit, wichtig philos. ex orac. haur. libr. reliqu. p. 38ff.) , die 

als Vermittler alterer romischer Gelehrsamkeit an andere Schrift aber behandelte nach dent Zeug- 
die christlichen Apologeten und an spatere Compi- 10 nisse des Serv, a. a. 0. (Labeo in libris qui ap- 

latoren. Mit vollem Namen nennt ihn nur Ma- pellantur de dis animalibus : in quibus ait esse 

crobius (Sat. I 12, 20. 21. 16, 29. 18, 21. Ill 4, 6), quaedam sacra quibus animae humanae vertan- 

doch beweist die "Ubereinstimmurig von Macr. Ill tur in deos, qui appellantur animales , quod de 

4, 6 mit Interp. Serv. A en. I 378, dass der an animis fiant. hi autem sunt di penates et viales) 

letzterer Stelle genannte Labeo ebenfalls Corne- die Entstehung gbttlicher Wesen, wie z. B. der 

lius Labeo ist, und weiterhin zeigt dasjenige, was Penaten und Laren, aus menschbehen Seelen, also 

Serv. Aen. I 378, ferner Augustinus (de civ. dei eine Daemonologie in der Art, wie sie zuersfc 

II 11. 14. IH 25. VIII 13. IX 19. XXII 28), in den Ausfiihrungen des Apul. de deo Socr. 15 

Fulgentius (serin, ant. p. 112, 11 Helm) und Jo- p. 15, 15 Liitj. (= August, c. d. IX 11, vgl. 

harnies Laurentius Lydus (de mens. p. 11, 16. 20 Mart. Cap. II 162f.) liber die Herkunft der Lares, 

47, 18. 63, 8. 83, 8Wiinsch; de ost. p. 8, 25. Larvae, Lemures und Manes vorliegt (vgl. auch 

93, i Wachsm.'<2) unter dem Namen Labeo anfiihren, August, c. d. XXII 28 Labeo etiam dieit, duos 

sowohl unter sich als mit den bei Macrobius vor- una die fuisse defunctos et oceurrisse invieem 

liegenden Fragmenten des Cornelius Labeo eine in quodam compito, deinde ad eorpora sua iussos 

so grosse innere Verwandtscbaft, dass man alle fuisse remeare et constituisse inter se amicos 

diese Stellen mit Sicherheit auf den letztgenannten se esse victuros, atque ita esse factum, donee 

Autor zuruckfuhren kann. Endlich hat G. Kettner postea morerentur) ; dass Cornelius Labeo dabei 

(Cornelius Labeo, ein Beitrag zur Quellenkritik auch bereits christlichen Vorstellungen Rechnung 

des Arnobius, Progr. v. Pforta 1877), dessen Be- trug, beweist August, c. d. IX 19: nonnulli isto- 
weisfiihrung dann von Jac. Miilleneisen (DeSOrum, ut ita dixerim, daemonieolarum, in quibus 

Cornelii Labeonis fragmentis studiis adsectatoribus, et Labeo est, eosdem perhibent ab aliis angelos 

Diss. Marburg 1889), namentlich aber von W. did, quosipsi daemonesnuneupant. bonos angelos 

Kahl (Cornelius Labeo, ein Beitrag zur spat- isti esse non negant, sed eos bonos daemoties vo- 

romischen Litteraturgeschichte, Philol. Suppl. V care quam angelos malunt. In den labeonischen 

719ff.) und Alex. Rohricht (Die Seelenlehre des Fragmenten bei Augustin tritt uns als charakte- 

Arnobius nach ihren Quellen und ihrer Entstehung ristisch namentlich die Scheidung von numina 

untersucht, Hamburg 1893, 30ff.) revidiert und bona und mala entgegen (August, c. d. II 11 

verstarkt worden ist, an der Vergleichung mit Labeo quern huiuseernodi rerum peritissimimi 

den genannten Autoren dargethan, dass Arnobius praedicant, numina bona a numinibus malis 

den Cornelius Labeo, ohne ihn je zu nennen, in 40 ista etiam eultus diversitate disti-nguit, ut malos 

ziemlich weitem Umfange beniitzt und zugleich deos propitiari eaedibus et tristibus supplica- 

zu widerlegen versucht hat (bestritten von K. tionibus adserat, bonos autem obsequiis laetis 

Buresch Klaros 128, dessen dort in Aussicht atque iucundis, qualia sunt, ut ipse ait, lud.i 

gestellte Widerlegung nie erschienen ist). Diese eonvivia leetistemia ; vgl. Ill 25. VIII 13; da- 

versteckte_ Polemik des Arnobius gegen Cornelius nach bei Arnob. VII 23 di laevi und dexteri), 

Labeo, bei der wir den Eindruck gewinnen, dass die ebenso neuplatonisch ist (vgl. Kahl a. a. O. 

es sich hier um ,die Kritik eines jungst erschie- 780ff.) wie die Tendenz, verschiedene Gottheiten 

nenen, von vielen genannten und viele verfuhrenden mit einander zu identificieren und auf die Grund- 

Werkes' (Kettner a. a. 0. 34, dazu A. Reiffer- krafte Sonne, Mond, Erde zurfickzufuhren (Macr. 
scheid Coniectanea, Ind. lect. hib. Vratisl. 1879,501 12, 21 Maia = Bona Dea = terra = Fauna = 

9) handelt, gibt nicht nur einen Terminus ante Ops = Fatua; I 18, 21 Liber = sol = 'law; vgl. 

quem, sondern macht es auch wahrscheinlicb, dass Wissowa De Macrob. Saturn, fontibus 35ff.). 

Cornelius Labeo kurz vor Arnobius, also um die Was aber den Schriften des Cornelius Labeo einen 

Mitte oder in der zweiten Halfte des 3. Jhdts. besonderen und dauernden Wert verlieh, war der 

schrieb (anders Buresch a. a. 0. 54ff.), wozu Umstand, dass er — ahnlich wie auf griechischem 

es sehr wohl passt, dass er nicht nur den Platon Gebiete Porphyrios — seine Speculationen auf 

unter die HalbgOtter rechnet (August, c. d. II 14. sehr umfassende und eindringende antiquarische 

Vm 13), sondern auch ganz offenbar in seiner Studien stiitzte und sich nicht damit begnugte, 

theologischcn Gesamtanschauung bereits unter dem seine eigenen Deutungen vorzutragen, sondern 

Einflusse des Neuplatonismus stent. Dahin weisen 60 auch mit grosser Gelehrsamkeit die in der alteren 

die beiden sicher bezeugten Titel seiner Werke, Litteratur niedergelegten Meinungen tiber Wesen 

de oraculo Apollinis Clarii (Marc. I 18, 21j und und Bedeutung der Gottheiten beibrachte ; ein 

de dis animalibus (Serv. Aen. Ill 168); denn Musterbeispiel dafttr ist seine Zusammenstellung 

in dem ersteren wurde allem Anschein nach ein der alteren 86£ai fiber die (von Cornelius Labeo 

System der Theokrasie und Theosophie im An- selbst als di animates gcdeuteten, s. o.) Penaten, 

schlusse an Orakel des klarischen Apollon vorge- die Arnob. Ill 40 direct , Macr. Ill 4 , 6ff. und 

tragen (Macr. a. a. 0. fuhrt ein Orakel dieses der Interp. Serv. Aen. I 378. II 296. 325. HI 

Gottes von ffinf Versen — s. Buresch a. a. 0. 119. 148 durch Vermittlung eines Vergilcommen- 



1353 



Cornelius 



Cornelius 



1354 



tars beniitzt haben und die sich aus dicsen Pa- Cornelius Labeo den Namen falsch vervollstSndigt 

rallelberichten vollstandig wiederherstellen lasst habe. Trotz des von mehreren Seiten (Schwabe 

(Wissowa Herm. XXII 1887, 33ff.); ausserdem zu Teuff el Litt.-Gesch. § 390, 1. Miilleneisen 

beruft er sich zum Beweise fur seine Speculationen a. a. 0. 12. Wachsmuth Ausg. von Lyd. de 

"auf Einzelheiten des Rituals (Macr. I 12, 20), ost. a p. XXVIII n. 31) erhobenen Widersprncb.es 

beniitzt fur die Deutung ausgiebig die Beinamen scheint mir noch heute dies die beste Losung der 

{imxlrjosig) der Gottheiten nach den Indigitations- thatsachlich bestehenden Schwierigkeit zu sein, 

formularen (Macr. 112, 21 hane eandem Bonam und was Schanz (Rom. Litt.-Gesch. Ill 164) 

Faunamque et Opem, et Fatuam pmtifieum libris als das einzig Bedenkliche hervorhebt, dass wir 
indigitari. Lyd. de mens. I 21 p. 11, 15 Wilnsch: lOkeine Schrift des Antistius Labeo unter diesem 

TQtaxooioig iyyvg ovouaaiv eiiQiaxofisv xalouuevnv Titel nachweisen kSnnen, will nicht viel besagen ; 

xfjv 'Ayqohhnv, xsttai 8k naoa Aaftetivi xa ovo- jedenfalls passt der Gegenstand gut for einen 

paxa ; Aufzahlung der Cognomina des Ianus ebd. Juristen, da ja auch Masurius Sabinus (s. d.) de 

IV 1) und kennt die diseiplina Etrusca, welcher fastis schrieb, und die Streitfrage, ob die nun- 

er seine Theorie von den di animales entlehnt dinae als feriae anzusehen seien, in das Gebiet 

zu haben scheint, wie der Vergleich von Serv. des ius pontificium fiel, iiber das Antistius Labeo 

Aen. Ill 168 Labeo . . . ait esse quaedam saera, ausfuhrlich handelte (s. o. Bd. I S. 2550). Wohl 

quibus animae humanae vertantur in deos, qui aber scheinen gegen meinen Losungsversuch zwei 

appellantur animales, quod de animis fount, mit der bei Lydus erhaltenen Labeofragmente zu spre- 
Arnob. II 62 Etrusea libris in Acheronticis pol- 20 chen ; die Etymologie des Namens Februarius 

lieetur, eertorum animalium sanguine, nuini- (6 8s Aaflswv and xoH jih&ovg liyst xln&rjvai xbv 

iiibus eertis data, divinas animas fieri et ab <Pef}Qov6.Qiov ■ <psfisQ yaQ jxaga 'Paifiaiois xo niv-' 

legibus mortalitatis eduei ergiebt (vgl. Miiller- -do? siQogayoQsvexat, de mens. IV 25 p. 83, 8 W.) 

Deecke Etrasker II 26f.). Dass Varros Antiqu. und noch mehr die Angabe iiber die urspriing- 

rer. div. eine Hauptquelle fur Cornelius Labeo liche Tageszahl der einzelnen Monate (on o Aa- 

waren, steht sicher (R. Agahd Jahrb. f. Philol. fismv cpnai xov'IavovaQiov teal $>e§QOvaQi.ov,'AnQ0.- 

Suppl. XXIV 1 1 3ff.) , aber auch Nigidius Figulus foov xe xal 'lovviov, Se'Sxlkkiov ZsnxeupQiav who 

de diis (A. Swoboda P. Mgid. Figuli oper. ivvia xai eikooiv ^fiegmv xo nalai kaxsiv, Maf)- 

reliqu. p. 25ff.), Granius Flaccus u. a. m. hat er xiov 8s xal Mcuov, KvvxD.hoy xs xal 'Oxtoj^qwv 
herangezogen. 30 and (uag xal zgmxovxa, 6&ev xovg and ivvia xal 

Von den genannten beiden Werken scheint s'ixooi ^usga>v Tisuntalag fysiv xag Nwvag u.s. w., 

das de dis animalibus das einrlussreichere ge- de mens. Ill 10 p. 47, 18 W.) sehen wirklich so 

wesen zu sein; wir kennen als Ausschreiber des- aus, als seien sie einem Werke de fastis ent- 

selben Arnobius, Augustinus und einen Vergil- nomrnen. Aber wollte man sie als Bruchstiicke 

commentator des 4. Jhdts., auf den sowohl Macr. dem von Macr. I 16, 29 citierten Werke des Cor- 

III 4, 6ff. und die entsprechenden Stellen des nelius Labeo zuweisen, so kame man in neue 

Interp. Serv. (s. o.) als audi Serv. Aen. Ill 168 Schwierigkeiten ; denn Lyd. de mens. p. 47, 18ff. 

zuriickgehen; Bemitzung des Buches de oraculo deckt sich wSrtlich mit Macr. I 13, 6f., wo an 

Apollinis Clarii lasst sich mit Sicherheit nur eine LoslSsung aus der suetonischen Umgebung 
bei einem Schriftsteller nachweisen, der im 4. Jhdt. 40 nicht gedaeht werden kann. Die Entscheidung 

unter Zugrundelegung von Iamblichs Schrift wird erst dann getroffen werden kflnnen, wenn 

Tisqi &ed>v und Heranziehung einiger anderer die Frage nach der Zuverlassigkeit des Lydus in 

Quellen , namentlich eben des Cornelius Labeo, den Angaben iiber seine Gewahrsmanner in vollem 

eine Darstellung der neuplatonischen theokrasti- Umfange gelost sein wird. 

schen Gotterlehre gab (Wissowa De Macr. Sat. Wenn bei demselben Lydus de ost. 3 p. 8, 25 

font. 35ff.) und von Macrobius (I 17—23. 12, Aafawv neben Capito, Fonteius, Apuleius, Vi- 

20—29. 8, 4—12. 9, 1—16) sowie wahrscheinlicb. cellius, (Nigidius) Figulus und Plinius unter denen 

— wohl indirect — von Job. Laur. Lydus de mens. aufgefiihrt wird, Sooi tovtovg — d. h. xovg Gov- 

compiliert worden ist. Schwierigkeiten bereitet axovg — r/Qfirjvsvoav und dementsprechend vor 
eine angebliche dritte Schrift des Cornelius Labeo, 50 c. 42 die Cberschrift steht xaftohxr) imxrJQnmg 

die Macr. I 16, 29 citiert : Cornelius etiam Labeo stgog OE/.rjvrjv xsqI xegavvcav xal aV.a>v xaxaatt]- 

primo fastorum libro nundinis ferias esse pro- fiaxiav ix z&v Aapeoivog xa& epfinvetav Tt^og 

nuntiat : das Citat steht namlich innerhalb eines ).i£iv (fiber Herstellung und Beziehuug dieser Uber- 

Abschnittes, der sicher ganz aus einer erheblich schrift s. Wachsmuth a. a. 0. p. XXLXf.), so 

alteren Quelle (Sueton) geschopft ist (Wissowa ist damit gewiss unser Cornelius Labeo ebenso 

a. a. 0. 16ff.), und lasst sich keineswegs so leicht gemeint, wie in dem Citat des Fulgentius serm. ant. 

auslosen, wie dies sonst bei den von Macrobius p. 112, 11 Helm Labeo qui diseiplinas^ Etruscas 

aus anderer Quelle aufgeflickten Zusatzen (Wis- Tagetis et Bacitidis quindeeim voluminibus ex- 

sowa a. a. 0. 9f. 16f. 35f.) der Fall ist; dazu planavit, ita ait fibrae iecoris sandaracei coloris 
kommt, dass eine Erorterung fiber die sacral- 60 dum fuerint, manales tunc verrere opus est pe- 

rechtliche Natur der nundinae und uberhaupt ein tras'. Mit dem wirklichen Cornelius Labeo haben 

Werk de fastis zu Zeit und Personlichkeit des Cor- aber beide Citate, von denen das zweite jedenfalls 

nelius Labeo wenig passen will. Darum habe ganz erschwindelt ist (vgl. auch Bd. II S. 2723), 

ich a. a. 0. 28 einen Irrtum des Macrobius an- nichts zu thun, sondern der Name des angesehenen 

genommen, der in seiner Vorlage gemnden habe Schriftstellers, von dessen Beschaftigung mit etrus- 

etiarn Lalieo (namlich Antistius Labeo, der Jurist) kischen Dingen man wusste , deckt fremdes und 

frimo fastorum libro und in Erinnerung an den minderwertiges Gut. 

vorher I 12, 20. 21 aus anderer Quelle citierten DassderinSchol.Stat.Thcb.IV482=Mythogr. 



idot) 



(Jorneims 



Cornelius 



Vatic. II 41 fur die Genealogie der quattuor Mer- 
eurii citierte Corvilius, (lessen Namen 0. J aim 
(Eh. Mus. IX 627) in Cornelius andern und dann 
auf Cornelius Labeo beziehen wollte, mit diesem 
nichts zu thun hat, geht schon daraus hervor, 
dass Cornelius Labeo unmoglich schlechthin als 
Cornelius citiert werden konnte. Da die Stelle 
aus dem Interp. Serv. Aen. 1 297 wortlich abge- 
sehrieben ist (nicht riehtig beurteilt von Gu. Mi 



1356 



1357 



Cornelius 



Cornelius 



1358 



eben durch ihre aussere Erscheinnng, denn P. 
Oppius dixit de genere Lentulorum, cum assidue 
minores parentibus liberi essent, naseendo inter- 
iturum (Quintil. mat. or. VI 3, 67). Lentulitas setzt 
m dieser Periode Cicero (ad fam. Ill 7, 5) wie spater 
Iuvenal (s. Nr. 173) als einen der .Superlative der 
rflmischen Nobilitat' (Mommsen Rom. Forsoh. I 
287). Nach einer Grabschrift aus guter Zeit (CIL VI 
16251: L. Cornelius P.f. Pol Lentulus) scheinen 



pViboKc ri a „,,-„■ - 3- ■ ~-—"""" ■"" "-*; "" «""• -"• uornemuts tr. . roi. nenmius) scnemen 



Diss. Berol. 1898, 21f.), so steckt in Corvilius 
{Cormfietus Osann, Corvinus M. Hertz, Cor- 
mdvs Vollmer) wohl der Name, unter dem der 
Statiusscholiast diesen erweiterten Vergilcommentar 
* as - [Wissowa.] 

169) Cornelius Laco, Praefectus praetorio unter 
Galba. Wahrend dessen Statthalterschaft im 
diesseitigen Spanien hatte er sich als sein Ad- 
sessor das Vertrauen Galbas in so hohem Grade 



erworben dass dieser, zum Kaiser erhoben, An 20 fuisse auetorem senatui redimendae auro a Gallis 



ordentliche Verzweigung der Familie erschwert die 
Feststellung der genealogischen Beziehungen zwi- 
schen ihren Angehorigen ungemein. Schon der Zu- 
sammenhang mit den alteren Corneliern ist kaum 
zu ermitteln. Der erste, der das Cognomen Len- 
tulus fnhrt, ist L. Cornelius lentulus, Consul 427 
= 327 (Nr. 186). Diesem legt Liv. IX 4, 8 die 

Worte in den Mund: Patrem meum saepe 

audivi memorantem se in Capitolio unum non 



zum Praefeetus praetorio ernannte und sich von 
ihm und zwei andern Mannern, dem T. Vinius 
und dem freigelassenen Icelus, in alien' Dingen 
vollstiindig leiten liess (Suet. Galb. 14. Plut 
Galb. 13. 29. Epit. de Caes. 6, 2. Tac. hist. I 
6. 13. 14, s. u.). Doch waren diese Manner unter 
emander uneinig, und namentlich widersetzte sich 
C. bios aus Feindschaft auch den besseren Eat 
schlagen des Vinius (Tac. hist. I 13. 26. Plut, 



civitatis. Aber in seiner eigenen Darstellung hat 
Livius V 48, 8 die Senatssitzung, worin 364 = 
390 der Loskauf beraten wurde, nur fluchtig er- 
wahnt und keine einzelnen Redner dabei ange- 
fuhrt, Es stand also nur bei einem bestimmten 
Annalisten, dem er selbst fur jene Periode kein 
Vertrauen geschenkt hatte, ein ausfiihrlicher Be- 
richt dariiber, gegen dessen Glaubwiirdigkeit eben 
diese Ausfuhrlichkeit bedenklieh macht. Ausser- 



Poiv. oc» fT-k i, i A . coc n.uaiuuiui;iui.eii ueueuxucn macnt. Ausser- 

Galb. 26). Uberhaupt war C. von emer unertrag- 30 dem spricht dagegen der zeitliche Abstand des 
lichen Anmassunp' nnd an Moo ™J a™.™!™ ^„„„ t t „_1_i S. a ,-,. , ^ , . . _. ° 



lichen Anmassung und so trage und sorglos, dass 
er den Vorgangen urn ihn in pflichtvergessener 
Weise seine Augen verschloss (Tac. hist. I 6 
ignavissimus ; 24 socordia. Suet. a. a. 6. ar- 
rogant™, socordiaque intolerabilis). Nichts an- 
deres war es, was ihn bewog abzulehnen, als der 
Senat beschloss, ihn mit einer senatorischen Depu- 
tation an den Ehein zu schicken, um den Auf- 
stand der germanischen Heere beizulegen (Tac. 



L. Lentulus von der gallischen Katastrophe. Diesen 
Anstoss hat Mommsen (CIL I p. 15) allerdings 
zu beseitigen gesucht; er halt fur den Vater des 
Lentulus den Ser. Cornelius Maluginensis , der 
zwischen 368 = 386 und 393 = 361 die hdchsten 
Amter bekleidete und zur Zeit des gallischen 
Brandes ein jungerer Mann gewesen sein muss 
(Nr. 254), und stellt auf diese Weise den Zu- 
sammenhang der verschiedenen Cornelier her. 



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rV 19 > x Er nahm mcht das Genngste von 40 Aber auch dagegen erheben sich Bedenken: nur 
der Verschworuns? a-psrm Gnll.!,. -ornl^ „i c A^ r ,„ „:„„ n i:^. 6 -.^... , T T , . "V ". 



der Verschworung gegen Galba -srahr, als diese 
schon ein offenes Geheimnis geworden war, und 
wollte noch am Tage vor Galbas Ennordung nichts 
von den Geruchten wissen, die in der Luft schwirr- 
ten (Tac. hist. I 24. 26). Zu spat raffte er sich 
zu energischerem Handeln auf, als die Gefahr 
unmittelbar drohte. Als sein Rat, die Erhebung 
zu Gunsten Othos als Gegenkaiser im Keime zu 
ersticken, von Vinius verworfen wurde, war er 



eine Generation jiinger als L. Lentulus, Consul 
427 = 327, ist Ser. Cornelius Lentulus, Consul 
451 = 303. Dieser war nach den Fasti Cap. Cn. 
(■ Cn. n. ; das Verwandtschaftsverhaltnis zwischen 
ihm und L. Lentulus kann also, wenn es nicht 
noch entfernter war, nur das zwischen Neffen 
und Oheim gewesen sein; wenn aber das riehtig 
ist, so ergiebt sich nicht nur, dass der Vater des 
L. Lentulus den Vornamen Cn. gefuhrt hat, son- 



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wohl mehr aus Feindschaft gegen ihn, als um 
seinem Herrn zu helfen (Tac. hist. I 33. 39 
Plut. Galb. 25). Nach dem Sturze Galbas wurde 
auch er auf Befehl Othos getotct, Januar 69 n 
Chr. (Tac. hist. I 46. Plut. Galb. 27). 

170) Ulpius Cornelius Laelianus s. Ulpius. 

.... „ [Stein.] 

1<1) Cornelius Latinianus, an den ein Rescript 
Hadrians. Ulpian. Dig. XLVUI 5, 28, 6. 

[Groag.] 
l<2ff.)CorneliiLentuli. Dieser wichtige Zweig 
der patricischen Gens Cornelia empfing seinen 
Bemamen von den lentes , den Linsen, die seine 
Mitglieder in altester Zeit viel gebaut haben sollen 
(Plin. n. h. XVin 10, vgl. den Witz Ciceros ad 
Att. I 19, 2 Tiber Nr. 217). In den letzten Zeiten 
der Republik zeichneten sich verschiedene Lentuh 
als Redner aus (Tac. dial. 37), dagegen nicht 



alterer Vorfahr den Beinamen Lentulus ange- 
nommen und seinen verschiedenen Sehnen ver- 
erbt haben muss. Die Verknupfung dieser beiden 
altesten Lentuli mit den tibrigen patricischen 
Corneliern ist also unmCglich, und mindestens 
ganz unsicher ist auch die Verkniipfung des dritten 
in den Fasten vorkommenden mit ihnen. Es ist 
L. Lentulus Caudinus Consul 479 = 275, nach 
den Acta triumph. Ti. f. Ser. n.; man konnte 
60 ihn mit L. Lentulus. Consul 427 = 327, nur, wie 
auch Mommsen gethan hat, als Urenkel und 
mit Ser. Lentulus, Consul 451 = 303, nur als Enkel 
in Beziehung setzen, aber beide MSglichkeiten, die 
sich gegenseitig ausschliessen, werden wieder in 
Frage gestellt durch den geringen Zeitabstand, 
der uns beim Fehlen der Filiation hochstens in 
Lentulus Caudinus einen Enkel des ersten oder 
einen Sohn des zweiten Lentulus erblicken liesse. 



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Die Voraussetzung allcr Combinationen ist die 
Zuverlassigkeit der capitolinischen Fasten und 
Triumphalacten; aber auch sie ist nicht einmal 
einwandfrei, weil der hier dem Vater des Caudi- 
nus beigelegte Vorname Ti. den patricischen Cor- 
neliern sonst vSllig freind ist. Von jenem Len- 
tulus Caudinus an lasst sich der Stammbaum 
der Famine im Zeitalter der punischen Kriege 
ziemlich sicher feststellen, obwohl noch immer 
einige Lentuli sich nicht in die genealogische 10 
Folge einreihen lassen. Aber in der gracchischen 
Zeit verlieren wir diese Faden vollig, und es ist 
kaum meglich, die zahlreichen Lentuli der cicero- 
nischen mit den alteren zu verkniipfen. Neue 
Inschriftenfunde haben in manchen Fallen zwar 
Aufklarung gebracht, aber in anderen das Dunkel 
noch vermehrt; vielleicht wird auf diese Weise 
unsere Kenntnis mit der Zeit noch besser werden. 
Um den Oberblick zu erleichtern, enthalt die auf 
S. 1359f. beigegebene Stammtafel neben den Len- 20 
tuli, deren verwandtschaftliche Beziehungen zu ein- 
ander gesichert oder wahrscheinlich sind, auch noch 
die tibrigen , der Zeit nach geordnet ; sie enthalt 
manches Unsichere, und deshalb sind stets die 
betreffenden Artikel zu vergleichen. [Miinzer.] 

Zu Anfang der Kaiserzeit existierten die Len- 
tuli noch in mehrereri Linien, von denen eine den 
Namen der Scipionen, die damals ausstarben, an- 
nahrn (auch die Begrabnisstatte der Scipionen 
ging in den Besitz der Lentuler iiber, vgl. Momm- 30 
sen CIL I p. 14). Die altesten Beinamen der 
Cornelier, Maluginensis und Cossus, wurden von 
den Lentulern gleichfalls wieder verwendet, ersterer 
als Cognomen, letzterer als Vorname; vielleicht 
nahmen die Lentuli auch den Namen der Cethegi 
an (vgl. Lentulus Cethegus Nr. 215). Sie haben 
das 1. Jhdt. n. Chr. nicht fiberdauert. Zur Er- 
lauterung der nicht mit vOlliger Sicherheit auf- 
geklarten Verwandtschaftsverhaltnisse diene die 
Stammtafel. Vgl. iiber die Lentuli der Kaiser- 40 
zeit: Borghesi Oeuvr. V 215. 300. Mommsen 
CIL I p. 14f. de Vit Onomast. II 433ff. Klebs 
Prosop. I 450ff. [Groag.] 

172) Cornelius Lentulus, verwaltete 617 = 137 
als Praetor Sicilien und wurde von den aufstan- 
dischen Sclaven unter Eunus geschlagen (Flor. LT 
7, 7; vgl. Wilms Jahrb. f. Philol. CLI 213). 
Von zwei fiber seine PersSnlichkeit aufgestellten 
Vermutungen schliesst je die eine die andere aus. 
Entweder war er der Vater von Nr. 178 und Sohn 50 
von Nr. 177; dann hiess er mit Vornamen Cn. 
(Mommsen Ephem. epigr. IV p. 254. Henzen 
CIL 12 p. 36 zum J. 657). Oder er ist identisch 
mit Nr. 192 und fiihrte das Praenomen L. (Klein 
Verwaltungsbeamte I 46f. Henzen a. O. p. 35 
zum J. 624). In die Stammtafel ist die eTste 
Vermutung aufgenommen worden. 

1 72 a) Cornelius Lentulus, Sohn des P. Dolabella 
und der Tullia, wurde nur wenige Monate alt; 
vgl. Nr. 141 am Ende. [Miinzer.] 60 

173) (Cornelius) Lentulus. Als allgemeine Be- 
zeichnung fur einen hohen Aristokraten wird Len- 
tulus Iuv. VI 80. VTn 187 verwendet, ohne dass 
an eine bestimmte Person zu denken ware (die 
Bemerkung des Scholiasten zu VIII 187 hie Len- 
tulus . . . depreliensus in falso crueifixus eat ist 
natiirlich nur falsche Interpretation der Worte Iuve- 
nalsj; iiber Iuven. VH 95 vgl. Nr. 220. [Groag.] 



174) C. Cornelius Lentulus. Diod. XI 52, 1 
nennt den einen Consul des J. 276 = 478, iiber 
dessen Namen auch die ubrigen erhaltenen Con- 
sularfasten nicht einig sind, Pdiog Koqvfjltog Aiv- 
rovAos. Die Ansicht, dass dies unter den ver- 
schiedenen abweichenden Angaben die alteste und 
allein richtige sei (Weber Philol. XLIV 698. 
713), lasst sich keinesfalls festhalten, da das 
Praenomen C. bei den patricischen Corneliern, 
abgesehen von den Blasiones und Cethegi, nicht 
vorkommt und Cornelii Lentuli sich sonst erst 
anderthalb Jahrhunderte spater flnden. 

175) C. Cornelius Lentulus. Nach Polyb. XXXII 
1, 4 gingen im J. 593 = 161 IIoTifoos 'Anovoxiog 
xal r&iog AivrXog als rOmische Gesandte nach 
Kyrene. Wie eben erwahnt, ist das Praenomen 
C. den patricischen Corneliern fremd; ferner ist 
der Name des ersten Gesandten in der Hs. nicht 
gut iiberliefert {'Aotovfiios). Deshalb darf man 
vielleicht rdiog in rvaxog andern und in diesem 
Gesandten den Consul von 608 = 146 sehen 
(Nr. 177). 

176) Cn. Cornelius Lentulus war nach den 
Fasti Cap. L. f. L. n. , demnach Sohn des L. 
Lentulus Caudinus Consuls 517 = 237 (Nr. 211) 
und Enkel des gleichnamigen Consuls von 479 
= 275 (Nr. 210). Weder Cn. noch sein Bruder 
L. (Nr. 188) scheinen den Beinamen Caudinus je 
gefuhrt zu haben, wahrend ihre Vettern Nr. 212 
und Nr. 214 ihn noch beibehielten. Cn. Lentulus 
nahm als Militartribun an der Schlacht bei Cannae 
538 = 216 teil und wollte den verwundeten Consul 
L. Aemilius Paullus retten, was dieser selbst aber 
verschmahte (Liv. XXII 49, 6 — 12; daraus Frontin. 
strat. IV 5, 5. Plut. Fab. 16, 5f.). 542 = 212 war 
Lentulus Quaestor des Ti. Gracchus in Lucanien; 
nachdem der Feldherr in einen Hinterhalt ge- 
raten und gefallen war, ubernahm er den Befehl 
iiber den Rest des Heeres (Liv. XXV 17, 7. 19, 4). 
549 — 205 war er curulischer Aedil zusammen mit 
seinem Bruder L. (Liv. XXIX 11, 12) ; 553 = 201 
Consul mit P. Aelius Paetu's (Fasti Cap. Fasti 
fer. Lat. CIL 1 2 p. 57. Chronogr. Idat. Chron. 
Pasch. Liv. XXX 40, 5. 44, 2. Oros. IV 19, 5. 
Cassiod, Plin. n. h. XVIII 166). Er wiinschte 
sehnlichst, den Krieg in Africa gegen Karthago 
fiihren zu diirfen, und erhielt schliesslich den Be- 
fehl fiber die bei Sicilien gesammelte Flotte mit 
der Erlaubnis, notigenfalls nach Africa uberzu- 
setzen; doch bevor es dazu kam, wurde der Friede 
mit Karthago unterzeichnet (Liv. XXX 40, 7 — 
16. 43, 1, 44, 13. XXXI 14, 2. App. Lib. 56. 
62). Von P. Scipio Africanus wird die mit seiner 
ganzen Politik kaum vereinbare Ausserung be- 
richtet, die Kriegslust zweier Consuln, erst des 
Ti. Claudius Nero 552 = 202 und dann des Cn. 
Lentulus 553 = 201, habe ihn abgehalten, den 
zweiten punischen Krieg mit der Vernichtung 
Karthagos zu beschliessen (Liv. XXX 44, 3). 554 
= 200 ware Lentulus nach Liv. XXXI 50, 11 
nach Spanien gegangen; wie bei Cn. Cornelius 
Blasio Nr. 74 dargelegt wurde, ist diese Angabe 
falsch, wenn nicht gar gefalscht. Dagegen hat 
Cn. Lentulus 555 = 199 als Triumvir gemeinsam 
mit seinem Collegen im Consulat und dessen 
Bruder Sex. Aelius Paetus die Angelegenheiten 
der Colonie Narnia geordnet (Liv. XXXII 2, 7) 
und ist vermutlich auch in dem Cn. Cornelius 



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zu sehen, der als Mitglied cler Zehnercommission 
des Senats unter Leitung des T. Flaminiims 558 
= 196 in Griechenland thatig war. Damals traf 
er zuerst in Thessalien mit Philipp von Make- 
donien zusammen und riet ihm, um Aufnalime in 
die rfimische Bundesgenossenschaft nachzusuchen 
(Polyb. XVIII 48, 3—5; daraus Liv. XXXIII 35, 
3 — 7); dann begab er sich nach Thermon zu der 
aitolischen Bundesvexsammlung und ermahnte sie, 
Eom die Treue zu bewahren und ihre Bescbwerden 
ordnungsgemass dem Senate zu unterbreiten (Polyb. 
6—10. Liv. 8—12; vgl. Nissen Exit. Untersuch. 
29). Er starb 571 = 183; nur bei dieser Ge- 
legenheit wird erwahnt, dass er Augur war (Liv. 
XXXIX 45, 8). 

177) Cn. Cornelius Lentulus, war vermutlich 
593 = 161 als Gesandter in Kyrene (vgl, Nr, 175). 
Im J. 608 = 146 war er Consul mit L. Mummius 
und scheint Italien als Provinz erhalten zu haben, 
da er nur als eponymer Beamter dieses Jahres, 
aber nirgends wegen seiner Teilnahme an dessen 
wichtigen Ereignissen genannt wird (Cn. Gor- 
[nelius - f. - n.] Lentulus Fasti Cap. ; On. Cor- 
nelius Lentulus Veil. I 12, 5. Censorin. de die 
nat. 17, 11. Oros. IV 23, 1. V 3, 1; Cn. Cor- 
iielius Cic. ad Att. XIII 33, 3. Cassiod.; Len- 
tulus Chronogr. Idat. Chron. Pasch.). Henzen 
(CIL 12 p. 34 zum J. 608) verzeichnet zwei ver- 
schiedene altere Ansichten iiber seine Herkunft, 
aber diese kommen in Wahrheit auf dasselbe 
hinaus, dass namlich Lentulus ein Soln von Nr. 176 
und Bruder von Nr. 224 gewesen sei, was nieht 
zu beweisen, aber ganz wohl mfiglich ist. 

178) Cn. Cornelius Lentulus, als Cn. f. Cn. n. 
(Fasti Cap.) Enkel von Nr. 177, vielleicht Sohn von 
Nr. 172, war Consul 657 = 97 (Fasti Cap. Delische 
Inschrift bei Dittenberger Syll.2 321. Aufge- 
malte Amplioreninschriften Bull. comm. 1877, 168. 
Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Obseq. 48. Cassiod. 
Plin. n. h. X 5. XXX 12). [Mflnzer.] 

179) Cn. (Cornelius) Lentulus wird in der 
folgenden (uberlieferten) Inschrift aus Urbino ge- 
nannt: T. Mario C. f. Stel. Sieulo . . . prae- 
ffectq) dku>r(wm) prinfeipum;, praefeet/oj in 
cl(aase) Cn. Lentul/i) praet(oris'i) in Sicilm 
(CIL XI 6058). Die Erganzung ruhrt von Bor- 
mann her, der in den beiden prineipes Augustus 
und Agrippa vermutet; doch ist vielleicht eher 
an ersteren und Antonius zu denken. Die Flotte 
des Praetors Cn. Lentulus, der sonst unbekannt 
zu sein scheint, hatte dann im Kriege gegen Sex. 
Pompeius an der siciliscben Kuste operiert, Aller- 
dings ist nicht vOllig ausgeschlossen , dass prae- 
ffeeto) in Sieilia auf dem Steine stand und ein 
besonderes Amt des T. Marius damit gemeint ist. 

180) Cn. Cornelius Lentulus. aj Name. Fv. 
Koorrjhos A. vl. AevtovIos Dio ind. 1. LIV; Cn. 
C[ornelitui] CIL 12 p. 64 Fasti Colot.; NaTo; 
Koovri'/.ios [AJsvt/.o; CIA III 585 (diese Inschrift 
einer Statuenbasis kann sich nicht auf Cn. Len- 
tulus augur Nr. 181 beziehen, da der Augurtitel 
nicht fehlen diirfte); Cn. Lefntulus] CIL I'- p. 65 
Fasti Biond.; Cn. Lentulus Mon. Ancyr. lat. I 
37. HI 40; graec. Ill 12. IX 21. Tac. ann. I 27. 

11 32. in 68. IV 29. 44. Dio LIV 12, 4. Cassiod.; 
Cornelius Fasti Hydat. Chron. Pasch. (vgl. CIL 

1 2 p. 162); sonst Lentulus. b) Leben. Sohn eines 
Lucius (Dio ind. 1. LIV), moglicherweise des L. 



Lentulus Cms cos. 705 = 49 v. Chr. (Nr. 218). 
Consul ordinarius im J. 736 = 18 v. Chr. mit P. 
Cornelius Lentulus Marcellinus (die Belegstellen 
s. 0,; duobus Lentulis cos. Fasti Hydat., Fasti Vind. 
CIL XV 4539). Mit entsprechender Reserve mag 
man auf Grund der africanischen Inschrift CIL VIII 
16456 vom J. 3 n. Chr., die einen Cn. Cornelius 
Cn. f. Corfnelia) Rufus nennt, vermuten, dass C. 
den Proconsulat von Africa bekleidete. Vermutlich 

10 als Legat von Pannonien unternahm er im Auf- 
trag des Augustus — wie es scheint, um das 
J. 11 n. Chr. — einen Feldzug gegen die Dacier 
und Geten. Er uberschritt die Donau und drang 
langs der Marosch in das Innere des dacischen 
Reiches ein; der Zweck der Expedition, die Dacier 
zum Einstellen der gewohnten Einfalle in romisches 
Gebiet zu zwingen, wurde auf litngere Zeit hinaus 
erreicht. Nachher schlug C. noch die Sarmaten 
zuriick. Fiir seine Thaten wurden ihm die Trium- 

20 phalornamente zuerkannt (Flor. II 28. 29. Tac. 
ann. IV 44; von demselben Feldzug ist die Rede, 
ohne dass C. genannt wurde: Mon. Ancyr. lat. V 
48f.; graec. XVI 14f. Strab. VII 304. 305. Suet. 
Aug. 21. Oros. VI 22, 2; vgl. Schiller Gesch. 
d. r. Kaiserz. I 236. Mommsen Res gest. d. 
Aug. 2 128ff.j R. G. V 38. Peine Berl. Stud. II 
1885, 335f. v. Premerstein Jahrosh. des ost. 
arch. Inst. 1 1898 Beibl. 166ff.; nach Mommsen 
unternahm C. den dacischen Feldzug im J. 6 n. Chr. 

30 als Legat Moesiens, die obige Darstellung beruht 
auf den Ausfiihrungen v. P rem erst ein s). C. ge- 
hOrte zu den primores eivitatis (Tac. ann. I 24, 
vgl. IV 29), die im J. 14 n. Chr. den Sohn des 
Tiberius, Drusus, zu den revoltierenden Legionen 
nach Pannonien begleiteten. Von den Legionaren, 
die in ihm einen einflussreichen Gegner ihrer 
Forderungen sahen, personlich bedroht, geriet er 
in Lebensgefahr (Tac. I 27). In den Processen 
gegen M. Scribonius Libo Drusus (16 n. Chr.) 

40 und C. Iunius Silanus (22 n. Chr.) ergriff C. im 
Senate das Wort (Tac. II 32. Ill 68). Im J. 24 
beschuldigte ihn der jiingere Vibius Serenus der 
Teilnahme an einer Verschworung gegen Tiberius, 
obwohl C. zu den intimen Freunden des Kaisers 
gehSrte und damals bereits in hohem Alter Btand. 
Tiberius schlug die Anklage sofort nieder (Tac. 
IV 29. Dio LVLT 24, 8). Im J. 25 starb C. (Tac. 
IV 44). Tacitus sagt von ihm: Lentulo super 
consulatum et triumplialia de Getis (in der Hs. 

50degetes, vgl. Nipperdey-Andresen z. St.) glo- 
riae fuerat bene tolerata paupertas, dein magnae 
opes innoeenter partae et modeste habitae (IV 44) ; 
Dio (a. a. 0.) nennt ihn (pvou imeixr/g. Nach 
der Meinung Zippels (Losung d. consul. Prov. 
9f.) und Mommsens (Res gest. d. Aug.2 131, 
1) wiisste man von C. nichts, als dass er im 
J. 18 v. Chr. Consul war; alle sonstigen Nach- 
richten von diesem beziehen sie auf Cn. Lentulus 
augur cos. 14 v. Chr. (Nr. 181). AbeT Nipper- 

60dey (zu Tac. I 27) und Klebs (Prosop. I 454} 
weisen mit Reeht darauf bin, dass dieser bei den 
Autoren (audi Tac. Ill 59} immer mit dem Priester- 
titel genannt wird ; was Suet. Tib. 49 von seinem 
Verhaltnis zu Tiberius sagt, ist iiberdies unver- 
einbar mit der Freundschaft. die zwischen diesem 
Kaiser und C bestand. Ubereinstimmend_ wird 
von beiden Lentulern nur berichtet, dass sie ur- 
spriinglich arm waren, spater jedoch grossen Reich- 



1363 



Cornelius 



Cornelius 



1364 



1365 



Cornelius 



Cornelius 



1366 



turn erlangten. Des C. Sohn war wohl Cossus 
Lentulus cos. 1 v. Chr. (Nr. 182). 

181) Cn. Cornelius Lentulus augur, a) Name. 
Ti>. Kogvyfaog Pv. vl. Asvrovlog Dio ind. 1. LIV; 
[Cn. Cornelijus Cn. f. Lentulus augur CIL VI 
2023; C[n. Cojrnfelius] CIL ia p. 65 Fasti 
Biond.; rvoXog KoQvi]lwg Dio LIV 24, 1; (Cn. 
Cornelius) Lentulus augur CIL IX 3099; Cn. 
Lentulus augur Mon. Ancyr. lat. Ill 23. Sen. de 
benef. II 27. Suet. Tib. 49; Nalog Ahxkog 10 
avyovQ Mon. Ancyr. gr. VIII 20. CIG II 2943, 
12. 15; Cn. Lentulus in Consulatsdatierungen 
CIL I 745. 797. VI 23532. X 885. 886. 1938. 
XI 6673, 21. Cassiod.; augur Lentulus Tac. ann. 
Ill 59; Lentulus augur Tertull. de pallio 4; Len- 
tulus Fasti Hydat. Chron. Pasch.; augur Chro- 
nogr. a. 354 (vgl. CIL 12 p. 162). Das Priester- 
amt fiigte C. seinem Namen wohl zur Unter- 
scheidung von seinem Verwandten Cn. Lentulus 
cos. 18 v. Chr. (Nr. 180) hinzu; mit Ausnahme 20 
von Jahresangaben , bei denen das Fehlen des 
Priestertitels nicht weiter auffallt, wird er iiberall 
augur genannt, auch in griechischen Inschriften 
(ahnlich wie sein jungerer Zeitgenosse L. Piso 
augur [o. Bd. Ill S. 1383 Nr. 74], vgl. die neu- 
gefundene Inschrift aus Mytilene, die diesem als 
Proconsul von Asia gesetzt ist IGIns. II 219). 
Vgl. Nipperdey-Andresen zu Tac. ami. Ill 59. 
Klebs Prosop. I 454. 

b) Leben. Sohn eines Cn. Lentulus (CIL VI 30 
2023. Dio ind. 1. LIV); vielleicht war Cn. Len- 
tulus Clodianus (Nr. 217) sein Vater, Cn. Lentulus 
Clodianus cos. 682 = 72 v. Chr. (Nr. 216) demnach 
sein Grossvater, C. scheint sich urspriinglich als 
Eedner (Sachwalter?) bethatigt zu haben; mut- 
masslich verhinderte ihn seine Armut, die offent- 
liche Laufbahn einzuschlagen. Erst die Liberalitat 
des Augustus ermOglichte ihm den Eititritt in den 
Staatsdienst (so wird Sen. de benef. II 27, 2 zu 
verstehen sein). Seitdem gestaltete sich sein 40 
Leben derart, dass er zur Stellung eines princeps 
eivitatis et peeunia el gratia und in den Besitz 
des grSssten, aus dem Altertum bekannten Ver- 
mOgens, von 400 Millionen Sesterzen, gelangte 
(divitiarum maximum exemplum Sen. a. a, O. 
II 27, 1 ; eui census maximus fuerit Suet. Tib. 
49, vgl. Friedlander S.-G. Ills 12). Mit dem 
Praetor und Flottencommandanten Cn. Lentnlus 
(Nr. 179) ist er wohl nicht zu identificieren. Er 
bekleidete im J. 740 = 14 v. Chr. den Jahres- 50 
consulat mit M. Licinius Crassus (s. o. zum Namen). 
Im J. 752/753 = 2/1 v. Chr. verwaltete er Asia als 
Proconsul (CIG II 2943 Fragment eines Schreibens 
des C. an die Nysaeer vom 12. August 753, vgl. 
"VVaddington Fast, nr. 61. Zippel Losung d. 
cons. Prov. 9). Im J. 22 n. Chr. sprach er zu 
einer sacralen Frage im Senate (Tac. ann. Ill 
59); in unbekanntem Jahre veranlasste er einen Se- 
natsbeschluss gegen die Unzflchtigkeit der Frauen- 
kleidung (Tertull. de pallio 4). Von Priester- 60 
amtern versah er das eines Augurs und eines 
Frater Arvalis; die Arvalacten des J. 14 n. Chr. 
nennen ihn als Magister des Collegiums (CIL VI 
2023; irrig erganzt Gatti seinen Namen in den 
Arvalacten des J. 20, vgl. Hill sen zu VI 32340). 
Obwohl er durch seine Freigelassenen wieder 
einen Teil seines Vermogens eingebiisst hatte 
(iibertreibend sagt Seneca a. a. 0. antequam ilium 



libertini pauperem faeerent), wurde er angeblich 
von Tiberius, der ihn allein zu beerben wiinschte, 
metu et angore ad fastidium vitae actus (Suet. 
Tib. 49; es ist mehr als zweifelhaft, ob dies be- 
deutet, dass der damals schon hochbetagte C. sich 
selbst das Leben nahm). Ein Zerrbild des Mannes 
entwirft Seneca (a. a. 0.), der ihn als geistig und 
seelisch unbedeutend, kleinlich und geizig schildert. 
Wiederholt ist der Getensieg des Cn. Lentulus 
cos. 18 v. Chr., und was sonst von diesem uber- 
liefert wird, dem C. zugeschrieben worden: doch 
vgl. Nr. 180. 

c) Familie. Aus den oben citierten Worten 
Suetons (Tib. 49) wird man kaum schliessen diirfen, 
dass C. keine Nachkommen hinterlassen habe; 
vielmehr werden wahrscheinlich P. Lentulus Scipio 
cos. 2 (Nr. 235) und Ser. Lentulus Maluginensis 
cos. 10 (Nr. 226), die heide als Cn. f. Cn. n. 
bezeichnet werden, als seine Sehne zu betrachten 
sein. Freigelassene des C. werden genannt CIL 
IX 3099 (Sulmo), vielleicht auch VI 32277. Vgl. 
fiber ihn Klebs Prosop. I 454 nr. 1132. 

182) Cossus Cornelius Lentulus. a) Name. 
Kooaog KoQvtjhog py. vl. Aevxovlog Dio ind. 1. 
LV; Koaaog [KJofeJvqkios AsvniXot: CIG II 2943; 
Cossus Cornelius Lentulus CIL V 3257; Cossus 
Cornelius CIL 12 p. 69 = VI 10395 (Fasti min. 
XIII). VI 8738; KogvrjXws Koaaog Dio LV 28, 4; 
[Cornejlius CIL 12 p. 70 Fasti Arval.; Cosstis 
Cn. f. Lentulus Miinzen BabelonI430 nr. 79; 
Cossus Lentulus Cassiod. Miinzen Babelon nr. 
80; Lentulus Chronogr. a. 354. Fasti Hydat. 
Chron. Pasch. (vgl. CIL 12 p. 164); Cossus CIL 
VI 1439. Veil. II 116, 2. Sen. ep. XH 1, 15. 
Flor. H 31. Oros. VI 21, 18. Cossus war ohne 
Zweifel das Praenomen des C. (vgl. Klebs Prosop. 
I 451 nr. 1124), nicht, wie friiher allgemein an- 
genommen wurde, sein Cognomen; dass er nach 
seinem Siege iiber die Gaetuler den Beinamen 
Qaetulicus angenommen habe, ist unwahrschein- 
lich (s. u.). 

b) Leben. C. war wohl der Sohn des Cn, 
Lentulus cos. 18 v. Chr. (Nr. 180). Im J. 736 
= 18 v. Chr. oder kurz danach pragte er als 
IHvir monetalis Denare mit den Portrats des 
Augustus [cos. XI) und des Agrippa (cos. ter., 
als engere Zeitgrenzen sind anzusehen die Ertei- 
lung der tribunicischen Gewalt an Agrippa, 736 
= 18 [vgl. Borghesi Oeuvr. V 300. Mommsen 
St.-R. lis 830, 3], und Agrippas Tod, 742= 12; 
Babelon I 430 nr. 79f. II 78 nr. 234f. 557 nr 4 
Cohen 12 121 nr. 418. 177 nr. 1; die Miinzen 
wurden von Traian restituiert, Babelon II 575 
nr. 17f.). Im J. 753 = 1 v. Chr. war C. Consul 
ordinarius mit L. Calpurnius Piso augur (die Be- 
legstellen s. o.). Im J. 56 n. Chr. unternahm 
er als Proconsul von Africa zur Unterstutzung 
des Konigs Iuba von Mauretanien einen Feldzug 
gegen die Musulamier und Gaetuler und no'tigte 
sie ihre Pliinderungsziige einzustellen, nahm ihnen 
auch einen Teil ihres Gebietes ab; zum Lohne 
erhielt er die omamenta triumphalia (Veil. II 
116, 2. Flor. II 31. Dio LV 28, 3. 4 [zum J. 6]. 
Oros. VI 21, 18; irrig las man friiher Tac. ann. 
TV 44 triumphalia de Gaetulis, s. o. Nr. 180; 
iiber den Feldzug vgl. Schiller Gesch. d. rOm. 
Kaiserz. I 209. Mommsen B. G. V 629. 638. 
Cagnat L'armee Rom. d'Afr. Iff. 6f. Pallu de 



Lessert Fast. d. prov. Afr. I 88ff.). Zur Erin- 
ij nerung an den Sieg gab er seinem (jtingeren) 

Sohne (s. u.) den Beinamen Gaetulicus (Veil. a. 
* a. O.; nach Florus und Dio hatte schon C. selbst 

das Cognomen Qaetulicus angenommen; doch 
wird er nirgends mit diesem genannt). C. durfte 
der Lentulus sein, der im J. 31 einen Senats- 
beschluss gegen die Belangung kaiserlicher Statt- 
halter wahrend ihrer Amtsfuhrung veranlasste 
(Dig. XLVEH 2, 12 pr.; an Lentulus augur Nr. 
181 ist wohl nicht zu denken. da dieser damals 
kaum mehr am Leben war; eber kame etwa der 
altere Sohn des C. in Betracht). Tiberius er- 
nannte Cossus zum Praefectus urbi (Sen. ep. XII 
1, 15) an Stelle des L. Aelius Lamia, als dieser 
Ende 33 starb (s. o. Bd. I S. 522 Nr. 76). Bor- 
ghesi Oeuvr. IX 260 identrficiert den Stadtprae- 
fecten Cossus mit dem Sohne des C, Cossus Len- 
tulus cos. 25 (Nr. 183); dagegen weist Klebs 
a. a. O. darauf hin, dass Cossus Vorganger, L. 
Piso pontifex (o. Bd. ni S. 1397) und Lamia, 
erst lange nach dem Consulate zu dieser ange- 
sehensten senatorischen Stellung gelangten. Sein 
Nachfolger, L. Piso cos. 27, wurde allerdings 
schon im neunten Jahre nach seinem Consulate 
Praefectus urbi (s. o. Bd. Ill S. 1384); dennoch 
wird .man annehmen diirfen, dass Tiberius die 
Stadtpraefectur damals eher einem alteren Manne 
als einem jungen Consular iibertragen haben wird. 
Seneca sagt von Cossus, er sei ein vk gravis, 
moderatus gewesen, aber so sehr dem Trunke 
ergeben, dass.er einst, in tiefen Vfeinschlaf ver- 
sunken, aus dem Senate fortgebracht werden 
musste. Dennoch genoss er das besondere Ver- 
trauen des Kaisers und missbrauchte es nie (Sen. 
a. a. O.). Er starb wahrscheinlich im J. 36 (in 
diesem finden wir schon L. Piso als Stadtprae- 
fecten, s. o.). C. ist mit den Cossi gemeint, die 
Augustus unter den Vornehmsten seiner Zeit nennt 
(Sen. de clem. 19, 10 , auf Vorgange aus den 
J. 16—13 v. Chr. bezuglich); als Bezeichnung 
fiir einen hochadeligen Mann wird Cossus auch 
Iuven. Ill 184. VIII 21 gebraucht (dagegen hat 
der Erbschleieher Cossus Iuven. X 202 mit den 
Cossi Lentuli nichts zu thun). C. Sohne waren 
Cossus Lentulus cos. 25 (Nr. 183) und Cn. Len- 
tulus Gaetulicus cos. 26 (Nr. 220); er wird noch 
genannt in der Genealogie seines Urenkels M. Iunius 
Silanus Lutatius Catulus (CIL VI 1439, vgl. die 
Stammtafel der Lentuler S. 1359f.). Dem Freige- 
lassenen L. Cornelius Primigenius Cossi [n(ostri)] 
libert. ist die Grabschrift CIL VI 16287 gesetzt 
(der Freigelassene konnte naturlich nicht das ex- 
clusive Praenomen Cossus fiihren, vgl. Klebs Pro- 
sopogr. I 453 nr. 1129; der Vorname L. diirfte 
auf den Grossvater des C. zuriickgehen). 

183) Cossus Cornelius Lentulus, Consul ordi- 
narius im J. 25 n. Chr. mit M. Asinius Agrippa 
(Kooaog Kogvrjhog Koooov vl. Aivrov/.og Dio ind. 
1. LVII; Cossus Cornelius Lentulus CIL I- p. 71 
Fasti Arval. p. 73 Fasti Antiat. XI 3613; Cor- 
nelius Le[?itulus] CIL V 5594 [iiberliefert ist 
Cornelius L. f.] ; Cossus Cornelius Cassiod. ; Cor- 
nelius Cossus Tac. ann. IV 34; in den Fasti 
Hydat. und bei Epiphan. haeres. I 445 Dind. sind 
die Namen der Consuln mit denen des J. 22 ver- 
mengt); im September des Jahres war an seine 
Stelle C. Petfronius) getreten (CIL I 766). Bor- 



ghesi hat ihn mit dem Stadtpraefecten Cossus 
(33—36 n. Chr.) identificiert , doch vgl. Nr. 182. 
Er war der Sohn des Vorhergehenden und Vater 
des Folgenden. 

184) Cossus Cornelius Lentulus, Sohn des 
Vorausgehenden, Consul ordinarius im J. 60 n. Chr. 
mit Kaiser Nero eos. IV (Cossus Lentulus Cossi f. 
CIL VI 396. 2042, 4 [1. Januar]. 23 [3. Januar]. 
32 [11. Januar] Acta Arv. Rom. Mitt. VIII 1893, 

10 30 [6. Februar]; Cossus Cossi f. Frontin. de aq. 
102; Cornelius Cossus Tac. ann. XIV 20; Cossus 
und Cossus Len[tulus] CIL IV Suppl. p. 392 
tab. cer. CXLIV [8. Mai]; Cornelius Cassiod. 
Prosper; . . . us Lentulus CIL VI 30469, 1; Len- 
tulus sonst in den Fasten). Vielleicht blieb er, wie 
der Kaiser (vgl. Suet. Nero 14), bis 1. Juli im 
Amt. 

185) Kooaog [KoQvrjkiog Aivxlog\ wird neben 
Bovlovfivla und Tafcipia in einer Inschrift aus: 

20 Erythrae genannt (Le Bas-Waddington III 48). 
Wie Waddington vermutet, war erstere viel- 
leicht die Mutter, letztere die Gemahlin des Cossus; 
mit welchem der Cossi Lentuli der letztere zu 
identificieren ist, wissen wir nicht. [Groag.] 

186) L. Cornelius Lentulus, Consul 427 = 327 
(Liv. VIII 22, 8. Cassiod. Diod. XVII 110, 1. 
112, 1. Chronogr. Idat. Chron. Pasch.), wurde 
nach Campanien gegen die Samniten gesandt und 
spater zur Ernennung eines Dictators aufgefordert 

30 (Liv. VIII 22, 9f. 23, 13tf.). Er ist wohl auch 
der L. Lentulus, qui turn princeps legatorum 
virtute atque honoribus erat, dem Livius IX 4, 
7—16 eine Rede an das 433 = 321 bei Caudium 
eingeschlossene romische Heer in den Mund legt, 
es sei besser durch eine Capitulation sich mit 
Schande zu bedecken, als durch nutzlose Auf- 
opferung das Vaterland seiner Verteidiger zu ent- 
blOssen. Die Scharte von Caudium wurde nach 
der Darstellung des Livius bald darauf wieder 

40ausgewetzt; wie bedenklich dieser Bericht iiber 
das J. 434 = 320 ist, zeigt der Schluss IX 15, 9f.: 
ceterum id minus miror , obseurum esse _ de 
hostium duee dedito missoque; id magis mira- 
bile est, ambigi Luciusne Cornelius dictator cum 
L. Papirio Cursore magistro equitum eas res 
ad Caudium atque inde Luceriam gesserit ultor- 
que unieus Bomanae ignominiae hand sciam 
an iustissimo triumpho ad earn aetatem secun- 
dum Furium Camillum triumphaverit, an con- 

50 sulum Papiriique praeeipuum id decus sit. Auch 
die Fasti Cap. verzeichnen zu diesem Jahre einen 
L. Corn([eliusJ, mehr nicht erhalten) als Dic- 
tator, aber auch wenn dieser mit dem Consul von 
427 = 327 identisch ist, so bleibt der livianische 
Kricgsbericht doch erlogen (vgl. Ihne R. G. 2 I 
37 8f.) und die vielfach geteilte Annahme, dass 
dieser Lentulus den Beinamen Caudinus erwarb, 
sicher falsch (vgl. Mommsen Rem. Forsch. n 
295f., 118 u. Nr. 210). Eine Falschung ist nament- 

60 lich auch, dass Livius die Revanche fiir Caudium 
sofort im nachsten Jahre auf die Niederlage folgen 
lasst; die neu gefundene griechische Zeittafel (The 
Oxyrhynchus Papyri I nr. XII Col. VI 20—25) 
setzt den Sieg der ROmer erst ins zweite Jahr 
nach der Capitulation. Ein kurzlich entdecktes 
Bruchstuck der Fasti Cap. giebt die Schlusszeile 
der Liste des J. 422 = 332 : qui postea [C]au- 
dinus apell(atas) [est]. Der erste Herausgeber 



1367 



Cornelius 



Cornelius 



1368 



G-atti bezog dies auf den einen Censor des Jabres, 
Sp. Postumius Albums, der spater als Consul II 
433 = 321 die caudinische Niederlage verschul- 
dete; dagegen vermutet Hiilsen (Archaol. An- 
zeiger 1900, 6), dass hier vielmehr eine sonst nicht 
bezeugte Magistratur dieses Lentulus genannt ge- 
wesen sei, also etwa ein Reiterfuhreramt. Aber 
erstens haben die Fasti Cap. dem Postumius den 
Beinamen Gaudinus beigelegt, wie der Chronogr. 



26, 2). Nach Beendigung des makedonischen 
Krieges ging er 558 = 196 in wichtiger diplo- 
matischer Mission nach dem Osten ; die Berichte 
nennen ihn hier nur L. Cornelius, weil sie aus 
griechischer Quelle stammen, doch ist jedenfalls 
nur an L. Lentulus zu denken und nicht an 
einen andern Mann , etwa wie L. Scipio , der spa- 
tere Asiagenus, war, den weder sein Geist noch 
sein damaliger Rang dazu befahigten. DerrOmische 



zum J. 420 beweist, und zweitens verzeichnen 10 Gesandte reiste von Selymbria nach Lysimacheia 



sie in den Jahren, wo es ausser den ordentlichen 
und eponymen Jahresbeamten sowohl ausserordent- 
liche Magistrate wie Censoren gegeben hat (so 
336. 391. 442. 474), stets die Censoren an letzter 
Stelle. Die Beziehung des Fragments auf Postu- 
mius erscheint daher gesichert, und fur das Auf- 
kommen des Beinamens Gaudinus bei den Cor- 
nelii Lentuli ist es ohne Belang. 

187) L. Cornelius Lentulus, war 543 = 211 



zur Conferenz rait Konig Antiochos Tiber die agyp- 
tische Frage. Rom trat als Beschiitzer der Ptole- 
maier und der kleinasiatischen Griechen sehr ent- 
schieden auf, ebenso wahrte der KCnig seine 
Rechte mit aller Scharfe, und beide Parteien 
konnten nicht verkennen, dass der Conflict un- 
vermeidlich wurde ; auf die falsche Meldung vom 
Tode des agyptischen Ksnigs wurden die Ver- 
handlungen eilig abgebrochen (Polyb. XVIII 49, 2 



Praetor und Statthalter von Sardinien (Liv. XXV 20 — 52, 5; daraus Liv. XXXIII 39, Iff. 41 Iff) 

41, 12. XXVI 1, 11. 28, 12) und 545 = 209 nach ~~ ' • " ~ ' ■ - '- > 

einem freilich sehr unglaubwiirdigen Bericht 

(Liv. XXVII 14, 4; vgl. o. Bd. in S. 2752) 

Legat des M. Marcellus in Unteritalien. Er muss 

unterschieden werden Ton zwei gleichaltrigen Ho- 

monymen, dem Consul von 555 = 199 (Nr. 188) 

und dem curulischen Aedilen von 549 = 205 (Nr. 

176). Unentschieden bleibt es, welcher von den 

dreicn der L. Lentulus ist, der von 541 = 213 



Wenn Appian. Syr. 3 von z&v jcgiofismv tvaXog 
■fjyov/xevos spricht, so hat er wahrschcinlich nur 
die gleichzeitige Sendung des Cn. Lentulus an 
die mit Antiochos verbtindeten Aitoler mit der 
seines Bruders L. Lentulus an den Konig selbst 
zusammengeworfen. Ob dieser Decemvir sacrorum 
war, ist nicht zu ermitteln (vgl. Nr. 187). 

189) L. Cornelius Lentulus, irrig von Liv. 
XXXII 26, 8 und Zonar. IX 16 als Praetor 556 



bis zu seinern Tode 582 = 172 Decemvir sacrorum 30 = 198 genannt statt L. Cornelius Merula (s. diesen 



war (Liv. XXII 2, 2. XLII 10, 6). 

188) L. Cornelius Lentulus war der zweite Sohn 
des L. Lentulus Caudinus Nr. 211 (L. f. L. n. Fasti 
Cap.). Er diente unter P. Scipio in Spanien und 
fuhrte nach dessen Abberufung Ende 548 = 206 
dort als Privatmann mit proconsularischem Im- 
perium den Oberbefehl (Liv. XXVIII 38, 1). Fiir 
das folgende J. 549 = 205 wurde er zwar zusam- 
men mit seinem alteren Bruder Cn. Lentulus 



Nr. 270 und Cn. Cornelius Blasio Nr. 74). 

190) L. Cornelius Lentulus wurde 586 = 168 
von L. Aemilius Paullus mit dessen eigenem Sohne 
Q. Fabius Aemilianus und mit Q. Caecilius Me- 
tellus, dem spateren Macedonicus, nach Rom ge- 
schickt , um die Nachricht von dem Siege bei 
Pydna zu uberbringen (Liv. XLIV 45, 3. XLV 
1, I — 2, 7). Da alle drei noch junge Manner 
waren, so ist es leicht mSglich, dass Lentulus 



Nr. 176 zur curulischeD Aedilitat befordert, blieb 40 derselbe ist, der erst 614 = 140 zur Praetur ge 
aber^auf seinem Posten in der Provinz (Liv. XXIX langte (Nr. 191) 



11, 12). Er besiegte gemeinsam mit L. Manlius 
Acidinus in einer grossen Feldschlacht die auf- 
ruhrerischen Stamme der Ilergeten und Ausetaner 
unter Indibilis und zwang sie zur Anerkennung 
der rfimischen Herrscbaft (ebd. 2, 1—3, 5). 
Das Imperium wurde ihm daher in den nachsten 
Jahren regelmassig prolongiert (ebd. 13, 7. XXX 
2, 7. 41, 4f.). Erst 554 = 200 kehrte er nach 



191) L. Cornelius Lentulus war Praetor 614 
= 140 (Frontin. de aquis I 7). Die Identification 
mit dem Quaestor L. Cornelius Ser. f. Lentulus 
auf einer delischen Inschrift (Nr. 193) ist jetzt 
als aufgegeben anzusehen; sehr moglich ist die 
mit dem Siegesboten von Pydna (Nr. 190) und 
mit dem Consul von 624 = 130 (Nr. 192). 

192) L. Cornelius Lentulus. Als Consuln des 



Rom zuriick und forderte auf Grund seiner Erfolge 50 J. 624 = 130 werden gewohnlich nur C. Claudius 

den Triumph. Man erkannte seine Verdienste ~ ' " " " " " 

an, aber verweigerte ihm die Ehre, weil es gegen 

das Herkommen verstiess, sie einem Promagistrat 

mit ausserordentlichem Commando zu bewilligen ; 

indessen setzte er es schliesslich durch, dass er 

im kleinen Triumphe (ovans) einziehen durfte, 

ganz so wie einige Jahre spater unter denselben 

Verhaltnissen Cn. Cornelius Blasio Nr. 74 (Liv. 

XXXI 20, 1 — 7; vgl. uber diese spanischen Statt- „ ...„. „„.„„ „„„„„ „.. ... 

halter Mommsen St.-R, I 131. II 652). Darauf 60 CTL 12 p. 35"zurn J. 624i. Wir kennen'inTieser 

erhielt Lentulus das Consulat fur 555 = 199 (Fasti ~ "" " " " " - -■■ 

Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Liv. XXXI 

49, 12) und leitete die Geschafte in Rom. Auf 

die Nachricht von der Niederlage des Praetors 

Cn. Baebius Tamphilus cilte er auf den ober- 

italienischen Kriegsschauplatz und blieb hier bis 

ins nachste Jahr hinein, ohne viel auszurichten 

(Liv. XXXII 1, 2f. 2, 7. 7, 1. 7f. 8, 3. 9, 5. 



Pulcher und M. Perperna genannt, aber der Chro- 
nograph giebt als Cognomen des einen Consuls 
Lentulus an und in den Fasti Cap. ist der An- 
fang eines L. erhalten , das keinem von jenen 
beiden als Praenomen gehort. Demnach hat da- 
mals kurze Zeit ein L. Lentulus das Consulat 
mit M. Perpenia gefiihrt und ist gestorben oder 
aus irgend einem Grunde abgetreten, worauf C. 
Claudius Pulcher seine Stelle einnahm (Henzen 



Zeit einen Praetor L. Lentulus 614 = 140 (Nr. 191) 
und einen Praetor Lentulus 617 = 137 (Nr. 172); 
einer von beiden durfte der Consul sein, und zwar 
der erste, falls der zweite, dessen Praetur nicht 
eben ruhmlich war, etwa ein anderes Praenomen 
fuhrte. 

193) L. Cornelius Lentulus. Eine Statuen- 
basis auf Delos (Lowy Inschriften griech. Bild- 



1369 



Cornelius 



Cornelius 



1370 



hauer 250) tragt die Inschrift: Ae.vx.wv Koovr\- 
Xtov 2eoovlov vlov Ahzzkov \ za/Aiav 'Pcoftaicov 
'Izakol xal "Ehlrjves \ Atj/tootoazog Ar^ioozQazov 
'AdrjvaTos inoisi. Die Herausgeber setzten sie zu- 
nachst gegen das Ende des 6. Jhdts. d. St. und 
identificieiten den Quaestor L. Lentulus mit dem 
gleichnamigen Praetor von 614 = 140 (Nr. 191), 
als dessen Vater dann Ser. Lentulus Praetor 585 
= 169 (Nr. 208) gelten konnte (so Homolle Bull, 
hell. IV 219. S. Reinach ebd. IX 383, 3. Dit- 
tenberger Syll. 239). Aber nicht nur der Schrift- 
charakter empflehlt eine spiitere Ansetzung, son- 
dern auch ein anderer Umstand. Von demselben 
Kunstler Demostratos ist namlich noch eine zweite 
Statue auf Delos gearbeitet worden, die des Pam- 
botaden Ammonios, Sohnes des Ammonios und 
Priesters des Apollon (Inschrift bei Lowy a. O. 
251), und dessen Zeit wird genau bestimmt durch 
CIA II 985 D v. 5f.: er war Priester des deli- 
schen Apollon im J. 102/101 v. Chr. Demnach 
hat der Quaestor L. Lentulus etwa zu derselben 
Zeit auf Delos verweilt und ist um 652 = 102 
anzusetzen. Man kann ihn vielleicht in dem 
Praetor L. Lentulus um 668 = 86 (Nr. 195) wieder- 
finden und wird ihn fur einen Sohn des gleich- 
falls auf Delos durch eine Statue geehrten Prae- 
tors Ser. Lentulus Nr. 208 b halten durfen. 

194) L. Cornelius Lentulus. Zwei Cornelier 
republicanischer Zeit werden auf einer rhodischen 
Inschrift genannt. Diese Inschrift hat seit ihrer 
Auffmdung durch Hiller v. Gaertringen eine 
ganze Litteratur hervorgerufen, die sich nament- 
lich auch mit der Feststellung der beiden Cor- 
nelier beschaftigt: Mommsen S.-Ber. Akad. Berl. 
1892,846ff. Hiller v. Gaertringen Arch. Jahrb. 
IX 26; IGIns. I 48. Th. Reinach Mithradates 
Eupator. Zusatz der deutschen Ausgabe (Leipz. 
1895) 474 Anm. C. G. Brandis Gott. gelehrte 
Anzeigen 1895, 647f. Hiller v. Gaertringen 
Jahresheftc des Csterr. arch. Instituts, Beiblatt 
I 92f. Willrich Herm. XXXLTI 658ff. Th. 
Reinach Herm. XXXIV 159f. Foucart Revue 
de philologie XXIII 266ff. Dittenberger Syll.a 
332. Erhalten ist der untere Block einer Statuen- 
basis. Auf dem verlorenen oberen stand der Name 
des Geehrten und die Beziehung, in die er zu 
einer Reihe weitcrhin aufgezahlter PersOnlich- 
keiten getreten war. Mitten in dieser Aufzahlung 
beginnt die Inschrift des erhaltenen Steines, und 
zwar folgen hier die Namen von fiinf romischen 
Beamten: teal [xojzi Asvxtov Koovrjhov Asvxiov 
vlo[v .... J | argarayov avdvxaxov 'Pwij.a[i]<ov 
xal .W Aevxtov KoQvr)hov Aevxiov vwfvj ] Aei>- 
zs/.ov ardvxazov | r.ai tioxI Aevxiov Aiy.lnov Aev- 
xiov vlov MovQf)v[av] | 1/ixEQazoga .tqosevov xai 
Evsgysrar zov &d[/zov] | xal .-rozl Aevxiov Aixiviov 
Aevxiov vlov Aevxof/./.ov] \ drnza^iiav j xal .toti 
Av'/.ov Teoivziov Av'/.ov (v)ibv OvdoQG>v[aJ | TtQea- 
fievzav 'Poj/ialwv j ^loo^evov xal eveQyszav zov Sd- 
fiov. Mit Sicherheit zu bestimmen sind die beiden 
Licinier. Dem Murena kommt der Imperatortitel 
nicht vor dem J. 672 = 82 zu (vgl. Mommsen 
a. O.) und dem Lucullus der Titel Proquaestor 
nicht nach dem J. 674 = 80, weil er im folgen- 
den curuliseher Aedil war. Aus diesen beiden 
festen Punkten lasst sich aber das Princip der 
Anordnung der Namen nicht mit voller Bcstimmt- 
heit erschliessen, und doch hangt wesentlich davon 



die Richtigkeit weiterer Identificationsversuche ab. 
Handelt es sich — wenn der unbekannte Rhodier 
etwa als Gesandter zu den verschiedenen rOmi- 
schen Beamten gegangen ist — um eine Anzahl 
zeitlich getrennter Reisen, oder handelt es sich 
um eine einzige Reise, bei der er mit alien diesen 
Beamten in Berilhrung kam? Im ersten Falle- 
wiirden die Beamten in chronologischer Folge auf- 
gezahlt sein und konnten nach einander in der- 

lOselben Provinz thatig gewesen sein; im zweiten 
Falle wurden sie alle ungefahr gleichzeitig im 
griechischen Osten beschaftigt gewesen sein, und 
konnte der Anordnung etwas anderes zu Grunde 
liegen, wie z. B. das Alphabet, die geographische 
Lage ihrer Residenzen oder, was am wahrschein- 
lichsten sein durfte, ihr Rang. Mit beiden MOg- 
Iichkeiten lasst sich die Anordnung der beiden 
Licinier vereinigen. Mommsen hat die erste 
angenommen und deshalb in den beiden Corneliern 

20 vorsullanische Statthalter der Provinz Asia ge- 
sehen; er wies die Vermutung, der erste L. Cor^ 
nelius, dessen Cognomen auf dem Stein nicht 
mehr zu erkennen ist, sei L. Sulla, deshalb zuruck, 
weil zwischen Sulla und seinem unmittelbaren 
Amtsnachfolger in der asiatischen Statthalter- 
schaft Murena nicht ein anderer eingeschoben wer- 
den konnte. Zu Gunsten dieser Ansicht liesse 
sich geltend machen, dass vor den erhaltenen 
Namen rOmischer Beamten noch mehrere andere 

30 gestanden haben k6nnen, so dass verschiedene ein- 
ander folgende Gesandtschaften verzeichnet waren; 
in diesem Falle liesse sich der erste L. Cornelius 
passend mit dern viermaligen Consul L. China 
(Nr. 106) identificieren, denn dieser war L. f., 
hat kurz vor 666 = 88, dem Anfangstennin von 
Sullas Statthalterschaft, die Praetur bekleidet, und 
fur seinen Beinamen reicht der leere Raum in 
der ersten Zeilc der Inschrift ebenso aus, wie fur 
den Sullas; mit ebensoviel Recht konnte auch 

40 an L. Scipio (Nr. 338) gedacht werden, der L. f. 
war und 666 — 88 Makedonien verwaltete. Die 
neueren Behandlungen der Inschrift setzen dagegen 
samtlich bewusst oder unbewusst das voraus, was 
Brandis deutlich ausgesprochen hat, dass der un- 
bekannte Rhodier auf einer einzigen Reise zu den 
Beamten gekommen sei. Dann muss man die eben 
hervorgehobene Schwierigkeit, dass auf dem ver- 
lorenen Blocke noch andere Namen standen, durch 
die Hypothese beseitigen, es seien keine solchen 

50 von rOmischen Beamten, sondern von griechischen 
Stadten u. dgl. gewesen, weshalb auch dem ersten 
Beamten 'Pcopaicov hinzugesetzt werde. Brandis 
hat daran gedacht, dass die beiden Cornelier Statt- 
halter von Makedonien gewesen seien, deren einen 
der Rhodier beim Abgang aus der Provinz be- 
griisst habe, den andern beim Eintritt in dieselbe. 
Dagegen hat Hiller v. Gaertringen (Jahresh.) 
jetzt wieder seine urspriingliche Ansicht aufge- 
nommen, der erste L. Cornelius sei Sulla, und 

60 hat Morn rnsens Bedenken dagegen teilweise rich- 
tig widerlegt (iibereinstimmend Foucart); da die 
Titulatur des L. Cornelius fur Sulla nur vor No- 
vember 672 — 82 zutrifft, so miisste die Inschrift 
bezw. die Gesandtschaftsreise zu den samtlichen 
RGmern in dieses Jahr zwischen die Annahme 
des Imperatortitels durch Murena und die des 
Dictatortitels durch Sulla fallen, etwa wahrend 
Sulla auf dem Wege nach Italien in Athen Station 



1371 



Cornelius 



Cornelius 



1372 



machte. Auch Th. Eeinach und Willrich gar entnehmen, dass Lentulas der dritte Nach- 

nehrnen die Identitat des L. Cornelius mit Sulla folger des Metellus , also Praetor 668 = 86 war. 

durchaus an, und die Vorstellung hat in der Es ist moglich, dass er der auf einer delischen 

That manches filr sich, dass Ehodos nach Be- Inschriftum 652 = 102 genannte Quaestor gleichen 

endigung des mithridatischen Krieges zum Dank Namens ist (ygl. Nr. 193), und unter gewissen Vor- 

fiir die ihm damals von Sulla gewahrten Vorteile aussetzungen ist auch die Identitat mit Nr. 194 

(vgl. Appian. Mithr. 61) nicht nur diesen selbst, zuliissig. Poucart (Bevne de philol. XXIII 264. 

sondern auch alle seine Unterfeldherren , die zu- 267) halt ihn filr den Sohn des Quaestors und 

gleich seine Parteigenossen waren, zu ihren Er- nimmt die Identitat mit Nr. 194 folgerichtig an. 
folgen durch einen besonderen Gesandten begliick- 10 196) L. Cornelius Lentulus wurde 695 = 59 

wiinschen liess. Was sich iiber den fiinften Be- von Vettius beschuldigt, mit Wissen seines Vaters 

amten, A. Terentius Varro, ermitteln lasst, nament- L. Lentulus Niger Nr. 234 an der erdichteten Ver- 

lich bei Hinzuziehung einer neuerdings in Con- schworung gegen Pompeius teilgenommen zu haben 

stantinopel gefundenen Inschrift (vgl. die gleich- (Cic. ad Att. II 24, 2; in Vatin. 25 [beidemale 

zeitig erschienenen Untersuchungen von Hi Her ohne Vornamen]). Im J. 700 = 54 klagte er den 

v. Gaertringen Jahresh. und Willrich, sowie A. Gabinius, der damals bei der Bewerbung urns 

die noch neuere von Foucart; die Beziehung Consulat seinen Vater geschlagen hatte, wegen 

beider Inschriften auf denselben Varro auch schon Majestiitsverbrechcn an, aber so ungeschickt und 

erkannt Histor. Ztschr. N. F. XLV [LXXXI] 351), kindisch, wie Cicero sagt, dass man glaubte, er 
lasst sich damit wohl vereinen, aber auf den20habe sich von ihm bestechen lassen (ad Att. IV 

zweiten, L. Cornelius Lentulus, fallt noch immer 18, 1: L. Lentulus L. f.; ad Q. fr. Ill 1, 15: L. 

kein Licht. Zuletzt haben Th. Eeinach (Herm.) Lentulus flaminis filius; III 4, 1: Lentulus). 

und Poucart die Vermutung aufgestellt, dass Vgl. Nr. 205. 

Lentulus bei der Abreise Sullas aus Asien ebenso 197) L. Cornelius Lentulus wird von Cicero 

als Statthalter von Kilikien zuriickgelassen worden Phil. Ill 25 als einer seiner Freunde und einer 

sei, wie Murena als soldier von Asien, und dass von denen genannt, die sich 710 = 44 weigerten, 

er jene Provinz von 671 = 83 bis 673 = 81 ver- von M. Antonius eine Provinz anzunehmen, woraus 

waltet habe. Das ist zwar mOglich, aber doch man schliessen kann, dass sie damals Praetoren 

nicht zu beweisen, denn die Stelle des Suidas waren. Wenn man nicht an L. Lentulus, den 
(s. 'A)J^av5Qos 6 Mdrjoios I 203 a Bernh.), die 30 Sohn des mit Cicero befreundeten L. Lentulus 

Eeinach heranzieht, ist verschiedener Deutung Niger (Nr. 234), denken will, so wird man diesen 

fahig und ergiebt nicht mit Sicherheit, dass Ale- Praetor in Lentulus Cruscellio Nr. 219 wieder- 

xander Poljhistor von einem Cornelius Lentulus finden dflrfen, der im Jahre darauf von Antonius 

in Asien gefangen genommen wurde, sondern nur, proscribiert wurde und leicht denselben Vornamen, 

dass er als Kriegsgefangener an einen Cornelius wie sein Vater L. Lentulus Crus gefuhrt haben 

Lentulus verkauft wurde und in (lessen Hause kann. Einem dieser L. Lentuli aus der Trium- 

in Eom als Paedagog lebte (vgl. Susemihl viralzeit kOnnte auch die in den Anfang der 

Litt.-Gesch. d. Alexandrinerzeit II 357), woraus Kaiserzeit gesetzte Ehreninschrift aus Thyatira 

kein Schluss auf die Personlichkeit des Lentulus in Lydicn (Bull. hell. XI 457, vgl. Nr. 199) ge- 
oder auf einen Aufenthalt desselben in Asien 40 hdren. [Mtmzer.J 

mOglich ist. Erwahnt sei dagegen in diesem 198) L. Cornelius Lentulus. a) Name. Koq- 

Zusammenhang, dass im Anfang der Kaiserzeit vrjhos A. vl. Aivxovlvg Dio ind. 1. LV (vgl. u. 

im lydischen Thyatira ein L. Lentulus als Patron zu CIA III 586j ; [L. Lentuljus flamfen) Martfia- 

der Stadt [ex 3iQojy6va>v geehrt wird (Bull. hell. XI lis) CIL VI 31772; L. Lentulus flamen Mar- 

457, vgl. Nr. 199) und dass sich ehendort auch tialis Miinzen; L. Lentu[lus] CIL 12 p. 69 Fasti 

eine Inschrift des L. Licinius Lucullus aus der min. XIII; L. Lentulus Mon. Ancyr. lat. ill 29; 

Zeit seiner Proquaestur gefunden hat (ebd. X 399), graec. IX 7. CIL I 748. IV 2450; Ludus Len- 

so dass die Beziehungen der Lentuli zu Thyatira tulus Inst. lust. II 25; Cn. Lentulus Suet. Galb. 4 

und der Provinz Asien wohl auf den L. Lentulus (irrig); C. Lentus Cassiod. (gleichfalls unrichtig); 
zuriickgehen kflnnten, dessen Name auf der rho- 50 sonst Lentulus. b) Leben. C. war der Sohn eines L. 

dischen Inschrift mit dem des Proquacstors Lu- (Lentulus), vielleicht des im J. 700 = 54 erwahnten 

cullus zusammen erscheint. Doch im allgemeinen (Nr. 196), demnach wohl der Enkel des L. Len- 

muss man eingestehen, dass weder die Provinz, tulus Niger flamen Martialis (Nr. 234). Wie dieser 

die Lentulus nach Bekleidung der Praetur mit bekleidete er das Priesteramt des Flamen Mar- 

proconsularischemlmperiumverwaltet haben kann, tialis; er fiigt dasselbe in einer Inschrift aus 

noch der genaue Zeitpunkt der Verwaltung fest- seinem Consulate (CIL VI 31 772) und auf seinen 

zustellen sind. Wer sich gegen die Ansicht Denaren seinem Namen hinzu. Diese Miinzen 

Mo mms e ns entscheidet, fiir den fallt die Schwie- zcigen auf dem Avers das Portrat des Augustus 

rigkeit weg, diesen Lentulus mit dem folgenden (mit der Legende Augustus), auf der Eiickseite 
zu identificieren. " 60 den Kaiser, ihn selbst in priesterlicher Tracht, und 

195) L. Cornelius Lentulus wird von Cic. gestutzt auf den cflipeus) v(irtidi$) neben einer 

Arch. 9 als Praetor, entweder urbanus oder pere- Statue des Divus Iulius (Babelon I 431. II 80 

grinus. erwahnt und war es nach 665 = 89, weil nr. 241. Cohen 12 121 nr. 419, vgl. Gardt- 

er dem Q. Metellus Pius, der das Amt in diesem h aus en Augustus I 975. II 589, 82). Mommsen 

Jahre verwaltete, folgte, und vor 670 = 84, weil ist der Ansicht, dass C. die Miinzen als lllvir 

Metellus, der spatestens in diesem Jahre Italien monetalis zwischen 734 = 20 und 739 = 15 v. Chr. 

verlassen hat, personlich bei ihm eine Anzeige gepragt habe (Ztschr. f. Numism. Berl. XI 1884. 

raachte. Vielleicht lasst sich aus der Stelle so- 80); die Mtinze mag vielleicht in Zusammenhang 



1373 



Cornelius 



Cornelius 



1374 



stehen mit der Errichtung des Mars Ultor-Tem- 202) P. Cornelius Lentulus war L. f. L. n. 

pels, den Augustus im J. 20/19 v. Chr. auf dem (f. Cap.) und demnach Sohn von Nr. 188. Im 

Capitol erbaute, als er von den Parthem die rOmi- J. 582 = 172 wurde er nach Griechenland ge- 

sehen Feldzeichen zuruckerhielt (Dio LIV 8, vgl. sandt und bereiste mit Ser. Lentulus Nr. 208 den 

Gilbert Topogr. d. St. Eom III 229f. Gardt- Peloponnes, urn Bundesgenossen zu werben (Liv. 

hausen I 828f.). VermCge seines Priesteramtes XLII 37, 1. 3. 5. 7f., vgl. Appian. Mac. 11, 4). 

wird C. auch an der Griindung des Mars Ultor- Im Anfang des Winters traf er in Argos mit Q. 

Tempels auf dem Forum Augustum (752 = 2, Marcius Philippus und A. Atilius zusammen und 

vgl.Gardthausen I 972ff.) hervorragenden Anteil kehrte mit ihnen nach Eom zuriick (Polyb. XXVII 
gehabt haben. Im J. 751 = 3 v. Chr. bekleidete 10 2, 12; vgl. Liv. XLII 44, 8). Sofort bei der 

C. den Jahresconsulat mit M. Valerius MessallaMes- Eroffnung der Peindseligkeiten 583 — 171 er- 

sallinus (vgl. zu den oben angefiihrten Stellen noch schien er wieder in Griechenland und iibernahm 

CIL 12 p. 164f.). Die beiden Consuln leiteten die mit nur 300 Mann italischer Bundesgenossen die 

Wiederherstellung eines unbekannten Baues in Uberwachung Boiotiens. Er begann sogar Hali- 

Eom (CIL VI 31772, in der Area der Diocletians- artos zu belagern und trat erst nach dem Ein- 

thermen gefundene Inschrift). Vielleicht im J. 4 treffen des rOmischen Admirals, der die weiteren 

n. Chr. verwaltete C. als Proconsul Africa (dass er Operationen zu leiten hatte, zuriick. Dies be- 

Proconsul war, ist zwar Inst. lust. II 25 pr. nicht richtet Liv. XLII 47, 12. 56, 3f. , aber derselbe 

ausdriicklich gesagt , aber kaum zu bezweifeln, nennt auch einen P. Lentulus unter den illustres 
vgl. Pallu de Lessert Fast. d. prov. Air. I 87f.). 20 iuvenes, die damals den Consul P. Licinius Cras- 

Als er noch in seinem Proconsulatsjahr starb, sus ins Feld begleiteten (ebd. 49, 9). Man hat 

hinterliess er ein Codicill , in welchem er den deshalb zwei verschiedene P. Lentuli unterschieden 

Kaiser in Form eines Pideicommisses um gewisse (Weissenborn z. d. St. Nissen Krit. Unters. 

Leistungen ersuchte ; dadurch, dass Augustus seinen 254), hides ist das unnotig. Es liegt nur ein 

Willen erfullte, wurde die Rechtsgiiltigkeit von Co- germgfiigiger Widerspruch zwischen dem iiber die 

dicillen und Fideicommissen das erstemal officiell Vorgange in Griechenland sehr genau berichten- 

anerkannt (Inst. lust. a. a. O., vgl. Puchta den und sehr gut unterrichteten Polybios und der 

Institution. 119 477ff. und oben S. 175f.). Da an der zweiten Stelle beniitzten rOmischen Quelle 

die Tochter des C. seine Haupterbin gewesen zu vor, die nichts Naheres iiber die Teilnahme des 
sein scheint (Inst. a. a. O.), durfte er keinen Sohn 30 Lentulus an dem Feldzuge wusste; Livius hat 

hinterlassen haben. In der priesterlichen Wurde diesen Widerspruch nicht ausgeghchen; wirmiissen 

folgte ihm C. Iunius Silanus (als flamen Martialis seine zweite Angabe einfach fallen lassen. 585 = 

in seinem Consulatsjahre 10 n. Chr. genannt, 169 war Lentulus mit P, Scipio Nasica Nr. 353 

Fasti Cap. und CIL VI 1384, vgl. Borghesi curulischer Aedil ; sie liessen bei ihren glanzenden 

Oeuvr. V 184). C. ist wohl der Asvxios [Koq- Spielen zum erstenmale africanische Raubtiere 

vr\hoq] Aevklo[v vlog] AevtXos, dem die Athener auftreten, filr die bis zum Jahre vorher ein Ein- 

eine Statue setzten (CIA III 586). fuhrverbot bestanden hatte (vgl. Plin. n. h. VIII 

199) M. (Cornelius?) Lentulus. In der Inschrift 64 combinicrt mit Liv. XLIII 8, 2. XLIV 18, 8). 
CIL III 7332 (Olynth) ist kaum ein M. Lentulus ge- 586 = 168 nahm Lentulus dann wieder am make- 
nannt, sondern, wie auch de Vit Onomast. IV 90 40 donischen Kriege teil und fu'hrte nach der Ent- 
vermutet, M. Lentidius Communis. [Groag.] scheidungsschlacht bei Pydna gemeinsam mit 

200) P. Cornelius Lentulus erhielt 540 = 214 zwei anderen Gesandten die Verhandlungen mit 
als Praetor Westsicilien, das schon seit dem ersten Kiinig Perseus (Liv. XLV 4, 7). In einem der 
punischen Kriege rOmische Provinz war, und blieb naehsten Jahre zwischen 587 — 167 und 590 = 
in den naehsten Jahren als Propraetor auf diesem 164 war er Stadtpraetor ; er erhielt als solcher 
Posten bis zu seiner Abbcrufung 543 = 211 (Liv. den Auftrag, den Ager Campanus wieder voll- 
XXIV 9, 4. 10, 5. 44, 4. XXV 3,6, vgl. 5, 10. stiindig zum Gemeindeland zu inachen und dann 
41, 13. XXVI 1, 7—9). Bei den Senatsverhand- als solches zum Besten der Staatskasse zu ver- 
lungen iiber das von Scipio Africanus beftirwortote pachten. Der erste Teil dieses Auftrags hatte 
Friedensgesuch der Karthager im J. 553 = 201 50 zwei Seiten: der von Privaten occupierte Ager 
trat nach Appian. Lib. 62—65 IToM.iog KoQvtj- publicus sollte gegen eine Abflndungssumme wie- 
hos, KoQvnUov AivTlov ovyyevrjs rov rdrs wtog der zu vollem Staatseigentum werden und der 
vxarov als Haupt der Kriegspartei auf. Da der Privatgrundbesitz in derselben Gegend vom Staate 
Vetter des Consuls Cn. Lentulus , P. Lentulus angekauft und mit jenem vereinigt werden. _ Len- 
Caudinus Nr. 214, damals nicht in Eom war, so tulus loste die schwierige Aufgabe zur Zufrieden- 
muss man an diesen P. Lentulus denken, aber heit aller Beteiligten mit grosster Unparteilich- 
die Eede ist sicherlich erfunden, und Verdacht keit (Cic. leg. agr. II 82. Licinian. p. 14 Bonn., 
erregt, dass auch vor dem Beginn des hanni- vgl. Mommsen E. G. II 92; St.-B. II 195, 3. 
balischen Krieges ein Lentulus dieselbe Rolle 435, 3. Ill 1114). Im J. 592 = 162 wurde Len- 
spielte, wie hier vor dem Friedensschluss (vgl. 60 tulus Consul mit Cn. Domitius Ahenobarbus an 
L. Lentulus Caudinus Nr. 211). Cber den im Stelle von P. Scipio Nasica Coreulutu Nr. 353 
J. 565= 189 genannten P. Lentulus (Liv. XXXVII (s. d.j und C. Marcius Figulus, die wegen eines 
55, 7) vgl. Nr. 214. Fehlers bei der Wahl abdanken mussten (f. Cap. 

201) P. Cornelius Lentulus. von Liv. XL 18, Idat. Licinian. a. 0.). 598 = 156 weilte er an 
1 (daraus Val. Max. II 5, 1. Cassiod.) als Con- der Spitze einer rOmischen Gesandtschaft an den 
sul 573 = 181 genannt. Das Cognomen ist ver- kleinasiatischen KonigshOfen (Polyb. XXXII 28, 
schrieben(?) fur Gethegus , vgl. Nr. 95 und Cn. 1. XXXIII 1,1). Seine Weisheit und Vaterlands- 
Cornelius Blasio Nr. 74. liebe werden vielfach geruhmt; er bethiitigte sie 



1375 



Cornelius 



Cornelius 



1376 



1377 



Cornelius 



Cornelius 



1378 



besonders als Princeps senatus, welche Wurde 
er seit 629 = 125 inne hatte (Cic. div. in Caec. 
69; leg. agr. II 82; Phil. IV 14; Brut. 108; de 
or. I 211. Dio XL VI 20, 5; vgl. Marx Stadia 
Luciliana [Bonn 1882] 59, 2). Seiner ganzen Ge- 
sinnung nach musste er zu den entschiedenen 
Gegnern der gracchisehen Bewegung gehOren; 
noch 633 = 121 kampfte er trotz seines hohen 
Alters in den Beihen der Optimaten gegen C. 
Gracchus und trug dahei eine Verwundung davon 
(Cic. Cat. in 10. IV 13; Phil. VIII 14. Val. Max. 
V 3, 2f.). Valerius Maximus erziihlt dies unmittel- 
bar nach dem Ende des P. Scipio Nasica Serapio, 
des Gegners des Ti. Gracchus (Nr. 354) und be- 
richtet in ganz ahnlichen Wendungen von beiden 
Mannern, der Hass des Volkes habe sie veranlasst, 
unter dem Vorwande einer Legatio libera Rom 
zu verlassen, und sie flatten dann, Nasica in 
Asien und Lentulus in Sicilien , ohne Sehnsucht 
nach dem undankbaren Vaterlande bis an ihrcn 
Tod gelebt. Fiir Nasica steht das durch andere 
Zeugnisse fest, fur Lentulus kann es aber der 
Rhetor leicht nach demselben Schema erfunden 
haben. Als Redner geherte Lentulus zu den ge- 
achteten seiner Zeit (Cic. Brut. 108) und sprach 
noch tun 630 = 124 in einem Processe gegen 
M'. Aquilius (Cic. div. in Caec. 69, vgl. o. Bd. II 
S. 324). Als Beweis seiner Uneigenniitzigkeit 
erwahnt Licinian. p. 14 Bonn, die geringe Mit- 
gift, die er seiner Tochter mitgab. Sein Enkel 
war der Catilinarier P. Lentulus Sura Nr. 240, 
sein Sohn vielleicht Nr. 203. 

203) P. Cornelius Lentulus, adskcpog, also wohl 
Halbbruder oder Vetter des L. (Appian falsch: 
Sex.) Iulius Caesar, Consuls von 664 = 90, und 
im Bundesgeuossenkriege dessen Legat (Appian. 
bell. civ. I 40), stand ebenso wie Caesar auf 
seiten der Optimaten und wurde deshalb 667 = 
87 von den Marianern ermordet (ebd. 72). Er 
konnte der Sohn von Nr. 202 und der Vater des 
Catilinariers P. Lentulus Sura Nr. 240 sein, der 
spater die Tochter jenes L. Caesar heiratete. 

204) P. Cornelius Lentulus. P. LentftilusJ 
P. f. L. n. qfuatstor) urn 680 = 74 (Miinzen bei 
Mommsen Munzwesen 611 nr. 243). t'ber die 
Versuche, ihn zu identificieren, vgl. P. Lentulus 
Spinther Nr. 238. 

205) P. Cornelius Lentulus. Unter denen, die 
im J. 700 = 54 beim Process des M. Scaurus 
(o. Bd. I S. 589) fur den Angeklagten baten, 
wird P. Lentulus Lentuli Nigri flaminis filius 
genannt (Ascon. Scaur, p. 25, 8). Ob dies ein 
anderer Sohn des L. Lentulus Niger ist, als Nr. 196, 
oder ob, wie Manutius zuerst annahm, dessen 
Vorname L. in P. verschrieben ist, lasst sich 
nicht entscheiden, ebensowenig, welcher von den 
beiden und zu welcher Zeit der Betreffende in 
Athen studiert hatte, was man aus Cic. ad Att. 
XII 7, 1 schliessen kann. 

206) Ser. Cornelius Lentulus On. f. Cn. n., 
Consul 451 = 303 (Fasti Cap. Idat. Chron. Pasch. ; 
ohne Cognomen Liv. X 1, 1. Cassiod. Diod. XX 
102, 1; Rufo Chronogr.). 

207) Ser. Cornelius Lentulus war 547 = 207 
curuliscber Aedil (Liv. XXVIII 10, 7) und 549 = 
205 Militartribun in Spanien unter L. Lentulus 
Nr. 188 (Liv. XXIX 2, 8—12 ohne Cognomen). 
Wenn er dessen Brader ware, hatte es Livius 



wohl erwahnt; doch ist er gewiss nahe mit ihm 
verwandt, da er sonst schwerlich unter ihm ge- 
dient hatte, obwohl er vor ihm die Aedilitat er- 
langt hatte. Vermutungen liber seine Nachkommen 
s. unter Nr. 208. 

208 a. b) Ser. Cornelius Lentulus wurde 582 
= 172 mit P. Lentulus Nr. 202 nach Griechenland 
geschickt, urn die kleineren Staaten zum Bunde 
gegen Perseus zu vereinigen (Liv. XLII 37 , 1. 

10 3, 5, vgl. Appian. Mac. 11, 4). Beide waren ge- 
meinsam in diesem Sinne im Peloponnes thatig 
(Liv. XLII 37, 7f.); dann wurde Seivius von den 
anderen Mitgliedern der rOmischen Gesandtschaft 
nach Chalkis berufen und hier zuriickgelassen 
(Polyb. XXVII 2, 8. Liv. XLII 44, 6). 585 = 
169 war er Praetor und Statthalter von Sicilien 
(Liv. XLIII 11, 7. 15, 3). Dass er ein Bruder 
des P. Lentulus gewesen sei, mit welchem er ge- 
meinsam Griechenland bereist hatte, ist eine durch 

20kein Zeugnis zu stutzende Vermutung; sie ist, 
da Lentulus dann L. f. L. n. sein musste, un- 
vereinbar mit einer andern Hypothese. Eine 
Ehreninschrift aus Delos lautet: Seqovlov Kog- 
vrjXtov Ssqovlov vlov Asvxokov atQatnyov j avd-i- 
Jiazov 'Pco^iaitov Aiovv\aiog Nixwvog 'A&ijvaTog 
rov | eavxov g~ivov xai qpikov dixaio\ovrng svsxsv 
xfjg tig iavrov \ 'AnoXXomi. Ihr Herausgeber S. 
Beinach hat sie in seinem eingehenden Com- 
mentar (Bull, hell, IX 379—387) auf diesen Ser. 

30 Lentulus bezogen und nur darin eine Schwierig- 
keit gefunden, die Anwesenheit des Lentulus auf 
Delos wahrend seiner Praetur und sein procon- 
sularisches Imperium zu erklaren. Er halt es 
fiir mOglich (a. 0. 384), dass im Bericht des Livius 
iiber das J. 585 = 169 die Commandos zweier 
Praetoren, des Ser. Lentulus und des C. Marcius 
Figulus mit einander verwechselt worden seien, 
und dass jener nicht Sicilien verwaltet, sondern 
die romische Flotte im makedonischen Kriege 

40 gefiihrt habe. Diese Annahme ist unzulassig, da 
das Plottencommando des C. Marcius Figulus 
durch das Zeugnis des Polybios (XXVIII 16, 3. 
17, 10; aus Polyb. Liv. XLIV 1, 3. 10, 5ff.) 
durchaus sicher beglaubigt ist. Wenn die In- 
schrift dennoch diesem Ser. Lentulus gchoren 
sollte, so musste sie ihm auf Grund seiner alteren 
Beziehungen zu Griechenland wahrend seiner Prae- 
tur gesetzt sein, ohne dass er damals wieder dort 
weilte. Wahrscheinlicher ist aber, was auch Kei- 

50nach als mOglich hinstellte und Mommsen (St.- 
R. II 650, 3) angenommen hat, dass der Ser. 
Lentulus der Inschrift von dem andern zu unter- 
scheiden ist. Dafiir spricht schon der Umstand, 
dass sich der athenische Gastfreund des Praetors, 
der ihm die Statue errichtete, erst wahrend des 
zweiten Drittels des 7. Jhdts. d. St. in offent- 
lichen Amtern nachweisen lasst (vgl. v. Schef- 
fer De Deli insulae rebus [Beri. Studien IX] 
Berl. 1889, 226); es spricht ferner dafiir vielleicht 

60 der Titel des Lentulus Diese Inschrift und die 
gleichfalls auf Delos gefundene eines C. Cluvius 
(s. d. Nr. 2) galten bisher als die altesten Belege iiir 
das Vorkoinmen des Titels azQax^yo; avDrnaxog 
(vgl. Mommsen a. 0.); jetzt hat er sich aber nach 
zweifelloser Ergiinzung auf einer 1898 entdeckten 
Inschrift des Q. Caecilius Metellus Macedonicus 
(s. o. Bd. Ill S. 1213ff.i in Thessalonike im J. 
606 = 148 nachweisen lassen (Athen. Mitt. XXIII 



1641). Er durfte seit Metellus und der von ihm 
vorgcnommencn Einrichtung Makcdoniens zur 
romischen Provinz den Statthaltern von Make- 
donien und Achaia verhlieben sein, wie er spiiter 
iiberhaupt von solchen Beamten gefiihrt wird, und 
da deren Liste noch viele Liicken aufweist, so 
wird man in Ser. Lentulus vielleicht einen der 
ersten von ihnen zu sehen haben. Vermutlich 
ist er der Sohn des alteren Ser. Lentulus und 



L. f. Ti. n. (Fasti Cap.) der altere Sohn von 
Nr. 210. Im J. 517 = 237 war er Consul (Fasti 
Cap. Chronogr. Eutrop. Ill 2, 1. Cassiod. Zonar. 
VIII 18; Claudius bei Idat. und Chron. Pasch. ver- 
schrieben fiir Caudinus) und kampfte mit seinein 
Amtsgenossen Q. Fulvius Flaccus gegen die Gal- 
lier (Zonar. ; vgl. Polyb. II 21, 3). Eutropius ver- 
legt falschlich in dieses Jahr den Triumph fiber 
die Ligurer, den P. Lentulus Caudinus, der Bru- 



der Vater des Quaestors L. Lentulus Nr. 193. Zu 10 der und Nachfolger des Consuls (Nr. 213), im fol 



wescntlich demselben Ergebnis ist von anderen 
Ausgangspunkten her ganz neuerdings Foueart 
(Revue de philologic XXIII 1899, 263f.) gelangt, 
doch will er in Ser. Lentulus eher einen Statt- 
halter von Asien, als von Makedonien sehen und 
ihn nach M'. Aquillius 628 = 126 ansetzen. Der 
Titel wird nach Foucarts Darlegungen nur in der 
Zeit von 608 = 146 bis 670 = 84 von den Grie- 
chen und von den Statthaltern selbst, die sich 



genden Jahre erwarb. L. Lentulus Caudinus ist 
damals, 518 = 236, vielmehr ohne Zwischenraum 
vom Consulat zur Censur gelangt (Fasti Cap.). 
535 = 219 sprach er im Senate zuerst seine 
Meinung aus, dass Bom an Karthago den Krieg 
erklaren und gleichzeitig in Africa und Spanien 
angreifen mfisse, wahrend Q. Fabius Maximus 
zunachst Unterhandlungen mit den Gegnern 
empfahl (Zonar. VIII 22, vgl. Dio frg. 54, 5). 



an Griechen wenden, gebraucht, so dass nur die20Es folgt aus diesem durchaus unverdiichtigen Be- 



Provinz des Lentulus, aber nicht die Zeit zweifel- 
haft bleibt. 

209) Cn. (Cornelius) Lentulus Batiatus hielt 
in Capua eine GladiatoTenschule, aus der 681 = 
73 wegen schlechter Behandlung eine Anzahl 
Fechter unter Fiihrung des Spartacus ausbrachen 
und das Signal zu der bekannten Erhebung der 
Sclavon gahen (Lentulus Liv. ep. XCV ; Cn. Len- 
tulus Oros. V 24, 1 ; Aivxlog Baxiazog Plut. Crass. 



richte anscheinend, dass Lentulus damals Prin- 
ceps senatus war; das ist bisher noch nicht be- 
merkt worden, entspricht aber der Begel, dass 
damals der alteste patricische Censorier diese 
Wurde bekleidete; er wird sie bei der Lectio 
senatus von 534 = 220 erhalten haben .und ist 
in der Liste der uns bekannten Principes senatus 
nach M. Fabius Buteo einzureihen, der 513 — 
241 Censor gewesen und vielleicht von Lentulus 



8 2). Kaum zwei Jahrzehnte spater findet sich 30 selbst oder in einem der nachsten Lustra dazu 



ein Lentulus mit demselben Vornamen und mit 
dem Beinamen Vatia (Nr. 241); vielleicht ist nur 
eines der beiden Cognomina, Batiatus oder Vatia, 
richtig iiberliefert und hangen diese zwei Cn. 
Lentuli zusammen. Der Beiname Vatia findet 
sich bei den Serviliern, Batiatus anscheinend 
nirgends, und eine Verderbnis ist natiirlich bei 
dem Griechen wahrscheinlicher als bei dem Romer. 
210) L. Cornelius Lentulus Caudinus, Ti. f. Ser. 



erhoben worden war. 537 =217 wird Lentulus 
als Pontifex maximus erwahnt (Liv. XXII 10, 1), 
das ist er wahrscheinlich 533 = 221 geworden 
(vgl. Bardt Die Priester der vier grossen Col- 
legien 4) und ist es bis zu seinein 541 = 213 
erfolgten Tode geblieben (Liv. XXV 2, 1). 

212) L. Cornelius Lentulus Caudinus. Livius 
XXVII 21, 9 verzeichnet als curulischen Aedilen 
545 = 209 L. Cornelius Caudinus. Dieselbe 



n., Consul 479 = 275 (Cornelius Lentulus Eutrop. 40 Namensform bietet er nur noch cinmal, indem er 



II 14, 3; L. Lentulus Cassiod.; Lentulus Chronogr. 
Idat. Chron. Pasch.), riickte zusammen mit seinem 
Amtsgenossen M'. Curius Dentatus ins Feld (Eutr.) 
und kampfte, wahrend dieser den entscheidenden 
Sie-g fiber Pyrrhos errang, glficklich gegen dessen 
italische Bundesgenossen. Die einzigen Zeugnisse 
sind Plin. n. h. XXXIII 38: hano (scil. eivicam) 
coronam ex praeda dedit L. Lentulus consul 
Servio Cornelio Merendae Samnitum oppido 



apto, sed huic quinque librarum und Acta tri- 50 Praetor war (Nr. 214). 



XXVI 48, 9 einen 544 — 210 in Spanien dieneu- 
den P. Cornelius Caudinus verzeichnet. Beide 
Manner werdeii fiir Bruder und Sonne des P. 
Lentulus Caudinus Nr. 213 zu halten sein. Da 
aber der Aedil L. Caudinus spater nicht wieder 
vorkommt und sein Vorname im Puteanus fehlt, 
so hat vielleicht iiberhaupt nur ein einziger Sohn 
des P. Lentulus Caudinus existiert, der den Vot- 
nainen P. fuhrte, 545 = 209 Aedil und 551 = 203 



umph. : [L. Cornelius] Ti. f. Ser. n. Lentul. a. 
CDLXX1LK [Gauditi. co]s. de Samnitibus et \ 
[Lucaneis] k. Mart. Da die Erganzung des 
zweiten Cognomens in den Acta triumph, not- 
wendig ist (vgl. CIL 12 p. 52 z. d. St.), so lasst 
sich annehmen, dass Lentulus den Satnniten Cau- 
diuin entrissen habe, wobei sich Ser. Cornelius 
Merenda au.szeichnete, und dass dieser Erfolg ihm 
den Ehrenbeinamen Caudinus und den Triumph 



213) P. Cornelius Lentulus Caudinus als L. f. 
Ti. n. (Fasti Cap. Acta triumph.) Sohn von Nr. 210 
und jiingercr Bruder von Nr. 211, gelangte ein Jahr 
nach diesem 518 = 236 zum Consulat (Fasti Cap. 
Chronogr. Idat. Censorin. de die nat. 17, 10. 
Cassiod.). Er riickte mit seinem Collegen C. 
Licinius Varus gegen die Boier und ihre trans- 
alpinischeii Stamnies- und Bundesgenossen, die 
Ariminum bedrohten. Die Consuln wagten keine 



enitrug (vgl. auch Mommsen Rom. Forsch. II 60 Schlacht, aber wahrend sie mit den gefahrlichen 



295f., 118). Seine Enkel fuhrten den von ihm 
auf die Sonne Nr. 211 und Nr. 213 vererbten Ehren- 
beinamen nur noch teilweise; in der nachsten 
Generation ist er dann verschwunden , weil der 
Name Caudium ihr weniger von einem Siege als 
von einer Niederlage der Romer her im Andenken 
war. 

211) L. Cornelius Lentulus Caudinus war als 

Pauly-Wissowa 1Y 



Feinden zu unterhandeln begannen, brach unter 
diesen Zwist aus und veranlasste sie zum Riick- 
zuge (Zonar. VILT 18, vgl. Polyb. II 21, 5). Len- 
tulus fiel darauf in das Gebiet der Ligurer ein 
und errang dort einige Erfolge (Zonar.), die ihm 
die Ehre des Trimphes eintrugen (Acta triumph. 
Eutrop. Ill 2, 1 meldet dies irrig zum vorher- 
gehenden Jahre). Eine alte Weihinschrift aus 

44 



1379 



Cornelius 



Cornelius 



1380 



dam Quirinustempel auf dem Quirinal lautet: 
P. Cornfelios] L. f. eosofl] proba[vit] Mar[te 
saeromj. Obgleich sie audi einem andern Con- 
sul desselben Namens aus dieser Zeit zugewiesen 
werden kann (Nr. 95, 139, 202 kommen in Be- 
tracht), so ist es doch leicht mCglich, dass sie 
von diesem zum Dank fur seinen Sieg titer die 
Ligurer gesetzt ist (CIL I 41 mit Mo mm sens 
Anm. = VI 475, vgl. 30767 a). 

214) P. Cornelius Lentulus Caudinus. Nach 10 
Liv. XXVI 48, 9. 13 diente P. Cornelius Caudinus 
544 = 210 unter P. Scipio in Spanien ; wahrsehein- 
lich ist er ein Bruder des L. Cornelius Caudinus, 
der im folgenden Jahre curulischer Aedil war, 
oder gar mit ihm identisch (vgl Nr. 212), und 
ein Solm des P. Lentulus Caudinus Nr. 213. Er 
wird sonst regelmassig nur P. Cornelius Lentulus 
genannt. 551 = 203 verwaltete er als Praetor 
Sardinien und unterstutzte von hicr aus durch 



tutus verwaltet hatte; ausserdem Hesse sieli ilir 
ziemlich entgegengesetztes Verhaltnis zu P. Scipio 
Africanus zur Stiitze dieser Vermutung anfiihren. 

[Miinzcr.] 

215) (Cornelius) Lentulus Cethegus, in der 
Grabschrift seiner nutrix genannt (CIL VI 6072; 
das Grabmal gehort ungefahr der Zeit des Augu- 
stus an, vgl. ebd. p. 9821). Ohne Grand wird 
angenommen, dass C. als Kind gestorben sei; 
s. o. Nr. 98 und die Vorbemerkung zu den Cor- 
nell! Cethegi S. 1277. [Groag.] 

21G) Cn. Cornelius Lentulus Clodianus. Den 
Beinamen Clodianus geben ihm Cic. ad Att. 1 19, 2 
und Sail. hist. IV 50 Kr. = IV 1 Maur. (aus 
Gell. XVIII 4, 4). Im J. 688 = 66 nennt Cicero 
(imp. Cn. Pomp. 58) einen Cn. Lentulus unter 
denen, die in einem Jahre Volkstribunen und iin 
folgenden Legaten waren; es kann wohl kauni 
ein anderer Cn. Lentulus gemeint sein als Clo- 



Sendung von Truppen und Lebensmitteln die 20 dianus, der demnach vor seiner Adoption Plebeier 

afncanische Expedition Scipios (Liv. XXIX 38, ' 

4. XXX 1, 9. 2, 4. 24, 5). 552 = 202 wurde 

ihm sein Commando verlangert und seine Flotte 

verstarkt; er ging nun selbst nach Africa Tiber, 

traf nach der Schlacht hei Zama ein und ver- 

einigte seine Schiffe mit denen Scipios (Liv. XXX 

36, 2f. mit Weissenborns Anm.). 553 = 201 

wurde er abgelfist (Liv. XXX 41, 2). 558 = 196 

gehOrte er zu den zehn Commissaren, die mit T 



gcwesen sein muss und nicht zu der patricischen 
Gens Claudia gehOrt haben kann. Von wem er 
adoptiort wurde, steht nicht fest; Dmmann 
G. B. II 546 vermutete von Nr. 178, und wohl 
nur dcshalb wird als gesichert angesehen. dass 
er Cn. f. war, und wird die Ehreninschrift aus 
Oropos auf ihn bezogen IGS I 311: 'O dijuos 
Qgcojtioyv Fvaiov Kogvtffoov rvai'ov vlov ! 



_ . Aevxiov 

. . , vkjjvov Aevrlov xbv iazov jtatQcovn ! xal eiepyeznv 

JUamimnus die gnechischcn Angelegenheiten ord- WA/Mpiagay xal'Yyieia. Nur eine von beiden An- 

neten. ^ wurde nach Kleinasien gesandt, um liahmen kann richtig sein, da der Lentulus der 



der Stadt Bargylia in Karicn die Freiheit wieder- 
zngeben (Polyb. XVIII 48, 1; daraus Liv. XXXIII 
35, 1; vgl. 24, 7. 30, 1. Plut. Flamin. 12, 1); 
von dort ging er nach Lysimacheia zuriick, um 
an den Verhandlungen mit KOnig Antiochos-teil 
zunehmen (Polyb. XVIII 50, 1, Liv. XXXIII 39, 
2). Nach dcssen Besiegung 565 = 189 wurde 
wieder eine Commission von zehn Senatoren zur 



Inschrift Cn. f. L. n. war und ein Adoptivsohn 
von Nr. 178 vielmehr Cn. f. Cn. n. sein miisste. 
Die Frage nach dem Adoptiwater ist also an- 
scheinend noch nicht rait Bestimmtheit zu be- 
antworten. Wahrend der Herrschaft der Marianer 
war Lentulus von Rom abwescnd und kehrte erst 
672 = 82 im Gefolge Sullas zuriick (Cic. Brut. 
..--_- 308.311, der dies von den als Rednern bekannten 
Kegelung der Verhaltnisse in Kleinasien einge- 40 aduleseentes M. Crassus at Lentuli duo d h 
setzt, und zu ilir gehOrte wieder ein P. Cornelius Clodianus und Nr. 240 berichtet). Im fole< 



berichtet). Im folgenden 
Jahrzehnt bekleidete er vermutlich die niederen 
Amter, nachdem er bereits vor der Adoption Volks- 
tribun gewesen war (s. o.), und gelangte 682 = 
72 mit L. Gellius Poplicola zum Consulat (Lex 
Antonia de Termess. CIL I 204 = Dessau In- 
script. Lat. selectae 38 v. 3. Tessera gladiatoria, 
Proceedings of the society of antiquaries XIII 
329. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Cassiod.). 



Lentulus (Liv. XXXVII 55, 7). Wegen der Ver 

trautheit des fruheren Praetors mit diesen Dingcn 

mfichte man an ihn zu denken versucht sein; 

dagegen spricht aher, wie Willeins (Le se'nat de 

la rep. rpm. II 506, 2) mit Eecht geltend macht, 

die Stellung des Mamies fast am Ende der nach 

dem Range geordneten Liste der Gesandten, die 

auf einen jiingeren Mann fuhrfc. Aber P. Len- „ „ .. 

tulus Nr. 202, an ^len Willems denkt und Tiber 50 Die Consutn brachten gemeinsam"ehT'naThThneii 
' " ' " benanntes Gesetz durch, das den von Cn. Pom- 

peius vorgenommenen Verleihungen des romischen 
Burgerrechts voile Gultigkeit gewahrte (Cic. Balb. 
19; vgl. 32. 33); sie suchten ferner durch den 
Antrag an den Senat, es sollten Provincialen nicht 
abwesend wegen Capitalverbrechen belangt wer- 
den, die Ungerechtigkeit und Grausamkeit des 
sicilischen Statthalters C. Verres in einem ein- 
zelnen Falle zu ziihmcn (Cic. Verr. II 95). Len- 



den er ganz unrichtig urteilt, ist zu jung, und 
andere P. Lentuli dieser Zeit sind nicht bekannt. 
Es fragt sich dalier, ob nicht dieselbe Falschung 
vorliegt wie bei Liv. XL 18, 1, eine Vertauschung 
der Beinamen Lentidus und Cethegus ; dort wird 
der Consul von 573 = 181 P. Cornelius Lentulw 
statt Cethegus genannt (Nr. 95); derselbe Cethegus 
kflnnte sehr wohl 565 = 189, zwei Jahre vor seiner 

Aedilitat, als Quaestorier zu jener Commission ge- __ ..„ _.. ,_. ._. ^ ..„ ^ ij . 

hort haben. Dagegen ist P. Lentulus der Praetorier 60 tulus allein beantragte sodann dielsintreibune 



wohl derselbe, den Cicero Brut. 77 unter den 
Eivalen Catos nennt. Vielleicht bezieht sich auf 
ihn auch die Rede Catos apud censores in Len- 
tulum (Gell. V 13, 4), da sich Cato in ihr irgend 
welcher Clienten gegen den Patron anzunehnieii 
scheint, und da beide Manner zu den Einwohnern 
einer Provinz gleichmassig Beziehungen batten, 
namlich zu Sardinien, das Cato kurz nach Len- 



der Kaufgelder fur Guter der Proscribierten, die 
Sulla den Kaufeni erlassen hatte (Sail. hist. IV 50 
Kr. = IV 1 Maur.). Beide Consuln wurdee dar- 
auf gegen das Sclavenheer des Spartacus mit 
grosser Macht ausgesandt; Gellius und sein Unter- 
fcldherr Q. Arrius vernichteten /war einen Teil 
der Gegner, der sich voni Hauptheere getrennt 
hatte, aber Lentulus, der diesem den Weg nach 



1381 



Cornelius 



Cornelius 



1382 



t 



Norden verlegcn wollte, erlitt im mittelitalischeii 
Appennin eine vollstandige Niederlage, und wurde 
auch nach der Vereinigung mit seinem Collegen 
nochmals geschlagen, worauf ihnen der Senat be- 
fahl, das Commando niederzulegen (Sail. hist. Ill 
80 Kr. = III 106 Maur. Liv. ep. XCVI. Flor. 
II 8, 10. Eutrop. VI 7, 2. Oros. V 24, 4. Plut. 
Crass. 9, 10. 10, 1. Appian. b. c. I 117). Trotz- 
dem wurden beide zusammen bei der Wieder- 
herstellung der von Sulla abgeschafffcen Censur 
im J. 684 = 70 zu Censoren gewahlt (Cic. Verr. 
V 15; Cluent. 117—134; Flacc. 45; de domo 124. 
Pseudo-Ascon. Verr. p. 150 Or. Plat. Pomp. 22, 
4 ; apophth. Pomp. 6). Sie waltetcn ihres Amtes 
mit grosser Strenge, indem sie den Senat von 
den vielen zweifelhaften Elementen, die in den 
letzten anderthafb Jahrzehnten hineingekommen 
waren, reinigten; nicht wenigcr als 64 Senatoren 
wurden ausgestossen (Liv. ep. XCVIII), darunter 
der Consul des vorhergehenden Jahres P. Len- 
tulus Sura (vgl. Nr. 240) und Ciceros spaterer Ge- 
nosse im Consulat C. Antonius (Ascon. in tog, 
cand. p. 75; vgl. Bd. I S. 2577f.). Im Seerauber- 
kriege von 687 = 67 ttbertrug Pompeius dem 
Gellius und Lentulus die Sauberung des Meeres 
bei Italien von den Piraten {FvoXog Ahxlos App. 
Mithr. 95; sein Name fehlt in der unvollstan- 
digen Liste der Legaten bei Flor. I 41, 9f.); im 
folgenden Jahre unterstutzte Lentulus die Ro- 
gation des C. Manilius. Bei dieser Gelegenheit 
erwahnt ihn Cicero (imp. Cn. Pomp. 68) mit Aus- 
driicken der grossten Hochachtung , ebenso bei 
einer anderen Gelegenheit in demselben Jahre 
(Cluent. 118; vgl. auch Verr. V 15: vir claris- 
simus); spater ist von ihm dagegen nicht mehr 
die Bede ; also ist er wohl bald darauf gestorben 
(Cic. ad Att. I 19, 2 beweisst nicht, dass er 694 
= 60 noch lebte; dass er im folgenden Jahre 
sicher tot war, zeigt Cic. Flacc. 45). Er war 
Patron von Oropos (s. o.) und von Temnos (Cic. 
Flacc. 45). Seine geistige Begabung war gering 
(Cic. Brut. 234. Sail. hist. IV 50 Kr. = IV 1 
Maur.), aber er hatte einen so ausgezeichneten 
Vortrag, dass dieser seine tibrigen Mangel ver- 
gessen liess und ihm als Redner Ansehen ver- 
schaffte (Cic. Brut. 230. 234; daraus Quintil. 
inst. or. XI 3, 8). 

217) Cn. Cornelius Lentulus Clodianus, Sohn 
des Vorigen. Im J. 694 = 60 wurde er mit dem 
hochangesehenen Q, Metellus Creticus und mit 
L. Valerius Flaccus nach Gallien in diplomatischer 
Mission entsandt (Cic. ad Att. I 19, 2: legati 
sunt Q. Metellus Creticus et L. Flaccus et, to 
im rjj qpaxf/ fivQov, Lentulus Clodiani filius; An- 
spielung auf die Ableitung des Beinamens Len- 
tulus) und war 695 = 59 Praetor (Cic. Vatin. 27: 
dum C. Antonius reus fieret apud Cn. Lentu- 
lum Clodianum; vgl. o. Bd. I S. 2581. Holzl 
Fasti praetorii 53f.). 

218) L. Cornelius Lentulus Crus wird von 
Dio XLI ind. als Sohn eines Publius bezeichnet. 
Da auch fiber die Herkunft des wenig alteren P. 
Lentulus Spinthcr Nr. 238 nur das mit Sicher- 
heit bekannt ist, dass er P. f. war, so koimte. 
man geneigfc sein, Crus und Spinther fur Bruder 
zu halten. Doch wird jede derartige Vermutung 
schon dadurch hinreiehend widerlegt, dass Spin- 
thers Sohn von den Rhodicrn sagt (Cic. ad fam. 



XII 14, 3): lidem UK, qui patrem meum, qui 
L. Lenhdtim, qui Pompeium, qui oeteros viros 
clarissimos non receperunt. In einem solchen 
Falle ist es zweifellos zulassig, aus dem Schweigen 
auf das Nichtvorhandensein eines naheren Ver- 
wandtschaftsvcrhaltnisscs zu schliessen. Mit dem 
Beinamen Crus wird L. Lentulus von Cael. ad 
fam. V1LT 4, 1 bezeichnet, wo die Bezeichnung 
komisch wirken soil; obwohl der Name gewiss 

10 nur wie Sura (vgl. Nr. 240) ein Spottname war, 
ist er doch in die Fasten iibergegangen, denn der 
Chronogr. bietet beim J. 705 Cruseello, las also 
in seiner Vorlage die von Val. Max. VI 6, 3 er- 
haltene Form Cruseelio (vgl. Nr. 219). Bei L. 
Cornelius Balbus Nr. 69 wurde bemerkt, dass 
dieser Gaditaner dem L. Lentulus die Empfehlung 
zum rOmischen Biirgerrecht und seinen rOmischen 
Namen verdankt zu haben scheint; ist das richtig, 
so muss Lentulus schon im sertorianischeu Kriege 

20 unter Cn. Pompeius gedient und zu ihm in naheren 
Beziehungen gestanden haben. Im J. 693 = 61 
war er der Hauptanklager des P. Clodius Pulchcr 
wegen desscn tSeruchtigten Religionsfrevels , der 
Entweihung des Festes der Bona Dea (Cic. har. 
resp. 37. Schol. Bob. Clod, et Cur. p. 330. 336 
Or. Val. Max. IV 2, 5; unrichtig ist die Angabe 
bei Plut. Caes. 10, 3, der Kliiger sei einer der Volks- 
tribunen gewesen). 696 = 58 war er Praetor 
und suchte sich fur Cicero zu verwenden (Cic. 

30 ad Q. ft 12, 16; Pis. 77). Bei den Priester- 
wahlen des J. 703 = 51 bewarb er sich um 
die Wurde eines Quindecimvirn, unterlag aber dem 
P. Cornelius Dolabella Nr. 141 (Cael. ad fam. 
VIII 4, 1). Fur 705 = 49 wurde er mit C. Clau- 
dius Marcellus zum Consul gewahlt (Fasti Cap. 

[erhalten: L, Cor ]. Chronogr. Idat. Chron. 

Pasch. Figlina Veleias CIL I 793. Munzen bei 
Mommsen Miinzw. 650. Cic. Phil. II 51; ad fam. 
VII 3, 1; ad Att. XV 3, 1. B. Alex. 68, 2. Veil. 

40 II 49, 1. Schol. Bob. p. 336. Flor. II 13, 15. 
Cassiod. Joseph, ant. Iud. XIV 228. 237. Dio 
XLI ind. 1, 1). Caesars Gegner jubelten iiber 
die Wahl, denn Lentulus war noch mehr wie 
Marcellus entschicdenec Feind Caesars und An- 
hanger der Kriegspartei (Hirt. b. Gall. VIII 50, 

4. Suet. Caes. 29); deshalb gab er schon als 
designierter Consul 704 = 50 durch seine persOn- 
liche Teilnahme dem damaligen Consul C. Mar- 
cellus, der dem Pompeius gegen die Verfassung das 

50 Imperium ttbertrug, seine Billigung zu erkennen 
(Plut. Pomp. 59, 1. Dio XL 66, 2, s. o. Bd. Ill 

5. 2735). Seine Motive und Tendenzen charak- 
terisiert Caesar h. c. I 4, 2: Aeris alieni ma- 
gnitudine et spe exereitus ae provinciarum et re- 
gum appeUamlorum largitionihus movetur, seqite 
alterum fore Sullam inter siws glorialur, ad 
quern summa imperii redeat (vgl. die auf Orakel- 
spriiche gegrlindeten Hoffnungen des P. Lentulus 
Sura Nr. 240); Velleius II 49, 3 urteilt kurz and 

60scharf: cum Lentulus salvo, re publico, salvus 
esse non pnssef. Man wird diesen gegnerischen 
Stimmen den Glauben nicht versagen diirfen, da 
auch Cicero ad Att. XI 6, 6 offen von den cigen- 
nutzigen Absichteu des Lentulus spricht (vgl. noch 
Nissen Histor. Ztschr. XLVI 79). Am Tage 
des Amtsantritts" der neuen Consuln, dem 1. Jan. 
705 = 49, flel die Entscheidung; vor alien andern 
forderte Lentulus die unbedingte Verwerfung von 



1383 



Cornelius 



Cornelius 



1384 



Caesars Friedensvorschlagcn mid die Ausweisung 
seiner Vertreter aus dem Senat; ganz im Tone 
seines Vorgangers C. Marcellus erklarte er, werm 
der Rat nicht ohne weiteres gegen Caesar Partei 
ergreife, so werde er nach seinem persOnlichen 
Ermessen mid Vorteil handeln (Caes. b. c. I 1, 
2f. 5. Hirt. b. G. VIII 52, 5. Oros. VI 15, 2. 
Petron. 124 v. 289. Plut. Pomp. 59, 3; Caes. 29, 
1. 30, 3. 81. 33, 1; Anton. 5, 3. Appian. b. c. 
II 32f. _ Dip XLI 3, 2). Es war begreiflich, dass 
ihm bei dieser Lage der Dinge Zeit und Lust 
fehlte, sich mit Ciceros Triumph zu befassen (Cic. 
ad fain. XVI 11, 3); bald war das gar nicht mehr 
mSglicli, da Caesar schon gegen Rom marschierte. 
Auf die Kunde von seinem Nahen liess Lentulus 
den Staatsschatz, den er dem Pompeius ausliefern 
wollte, im Stich (Caes. b. e. I 14, 1) und entfloh 
in grosster Hast (ebd. 6, 7. Suet. Caes. 34. Plut. 
Pomp. 61, 3; Caes. 34, 1. Appian. b. c. II 36. 37. 
Dio XLI 6, 2. 8, 4. 9, 1). Die Versuehe des 
alteren Balbus, ihn zurfickzuhalten, waren vergeb- 
lieh gcwesen (Cic. ad Att. VUl 15 A, 2); er hatte 
sich offenbar zu sehr compromittiert, um von Ver- 
handhingen mit Caesar fur sich etwas hoffen zu 
diirfen, aber den schwierigen Verhaltnissen , die 
er selbst hatte schaffen belfen. zeigte er sich 
imnmehr in keiner Weise gewachsen. Cicero 
erupting bei persOnlichen Begegnungen, in For- 
miae im Januar und in Capua Anfang Februar, 
von ihm den Eindruck, dass er vor Angst und 
Verwirrung vOllig den Kopf verloren habe. In 
Capua, das zum Sammelplatz der Pompeianer aus- 
ersehen war, wollte Lentulus Caesars Gladiatoren 
gegen ihren Herrn aufbieten (Caes. b. c. I 10, 1. 
14, 4f. ; vgl. Cic. ad Att. VII 14, 2), aber weder 
hier, noch tlberhaupt in Italien war lange seines 
Bleibens. Als der jiingere L. Cornelius Balbus 
zu ihm eilte, um ihn durch lockende Versprechungen 
auf Caesars Seite zu ziehen, kam er zu spat (Cic. 
ad Att. VIII 9, 4. 11, 5. IX 6, 1). In den ersten 
Tagen des Marz waren die beiden Consuln , die, 
wie Cicero kurz vorher schrieb, pluma aut folio 
faeilius moventur (ad Att. VIII 15, 2; vgl. die 
Ungewissheit iiber die Plane des Lentulus ebd. 
14, 3 und oben Bd. Ill S. 2737), von Pom- 
peius mit dem grossten Teilo der Truppen in 
Brundisium eingeschifft und nach Epirus voraus- 
gesandt worden (Caes. b. c. I 25, 2. Plut. Cic. 
38, 4; Pomp. 62, 2; Caes. 35, 1. Appian. II 39. 
40. Dio XLI 12, 1). Wiihrend der Frist, die 
Caesars spanischer Feldzug seinen Feinden ge- 
wahrte, war Lentulus in Asien und brachte hier 
zwei Legionen fur Pompeius zusammen (Caes. b. 
c. Ill 4, 1); durch ein besonderos Decret gewahrte 
er dabei den jiidischen Gemeinden Befreiung von 
der Aushebung (Joseph, ant. Iud. XIV 228. 234. 
236. 238, vgl. 232). Noch vor Caesars Ubergang 
nach Epirus vereinigte er sich wieder mit Pom- 
peius, denn niclit nur Lucan. V 16ff. lasst ihn 
zu dieser Zeit auftreten und die Cbertragung des 
Oberbefehls an Pompeius beantragen, sondern 
auch Dio XLI 43, 2 erwalint die Anwesenheit 
beider Consuln in Thessalonike, und wiihrend der 
Kiimpfe bei Dyrrachion machte der jiingere Bal- 
bus nochmals den Versuch, Lentulus fiir Caesar 
zu gewinnen oder vielmehr geradezu zu erkaufen 
(Veil. II 51, 3, vgl. Cic. ad fam. X 32. 3). Im 
ganzen scheint sich Lentulus bis zur Schlacht 



von Pharsalos nur dem Genuss (Caes. b. c. Ill 
96, 1) und der Hofmung auf Sieg hingegeben zu 
haben (vgl. Cic. ad Att. XI 6, 6). Ob er oder 
P. Lentulus Spinther Nr. 238 in der Schlacht 
eineu Flfigel des pompeianischen Heeres fiihrte 
— nach Appian. II 76 den rechten, nach Lucan. 
VII 218 den linken — ist nicht zu entscheiden, 
aber beide entflohen zusammen mit dem Feld- 
herrn aus der Niedeiiage. Lentulus Crus ging 

10 zuerst nach Rhodos , doch wurde ihm dort die 
Aufnahme verweigert (iiber beide Lentuli Cic. 
ad fam. XII 14, 3. Veil. II 53, 1. Plut. Pomp. 
73, 4; iiber L. Lentulus Caes. b. c. Ill 102, 7); 
er setzte darm die Fahrt iiber Kypros nach Agyp- 
ten fort. Von triiben Ahnungen ergriffen landete 
er bei Pelusion, nnr einen Tag nach der Ermor- 
dung des Pompeius ; unmittelbar darauf wurde 
er auf Befehl des Konigs Ptolemaios festgenom- 
men und im Gefangnis getotet (Caes. b. c. Ill 

20 104, 3. Val. Max. I 8, 9. Oros. VI 15, 28. Lu- 
can. VIII 328ff. Plut. Pomp. 80, 4). Er war kcin 
Redner, aber so oft er im Senat oder vor Ge- 
richt zu sprechen hatte, zeigte er sich ganz tuch- 
tig (Cic. Brut. 268; vgl. har. resp. 37). Im 
J. 711 = 43 brachte ihn der jiingere Balbus auf 
die Buhne, indem er in Gades praetcxtam de suo 
itinera ad L. Lentulum proeos. solliaitandum 
prosuit (Pollio an Cicero ad fam. X 32, 3. 5, s. o. 
S. 1271). 

30 219) Cornelius Lentulus Cruscellio, wurde im 
J. 711 = 43 von den Triumvirn geachtet und 
entkam nach Sicilien zu Sex. Pompeius. Seine 
Gattin Sulpicia suchte ihn gegen seinen Willen 
und den der Ihrigen unter vielen Gefahren dort 
auf, um sein Geschick zu teilen {Lentulus Cru- 
scellio Val. Max. VI 6, 3 ; Aivrlog Appian. b. c. 
IV 39). Da der Vorhergehende beim Chronogr. 
Oruseello heisst, so wird er denselben Beinamen 
gefuhrt haben, von dem Crus nur eine familiare 

40 Abkiirzung sein mag. Es ist daher wahrschein- 
lich, dass dieser Proscribierte sein Sohn ist. Ausser- 
dem kann Cruscellio sehr wohl der Praetor des 
J. 710 = 44 L. Lentulus Nr, 197 sein (vgl. Klove- 
korn De proscriptionibus a triumviris factis [Ko- 
nigsbg. 1891] 68). [Miinzer.] 

220) Cn. Cornelius, Cossi filius, Lentulus Gae- 
tulicus, Consul im J. 26 n. Chr. Der Name ist 
nirgends vollstandig angegeben. On. Lentulujt 
Gaetulieus in der Inschrift seines Freigelassenen 

50 Cn. Cornelius Atimetus, CIL VI 9834, in den 
Arvalacten CIL VI 2029 d. 12 p. 71, in der An- 
gabe seines Consulats CIL VI 343 (in den drei 
letztgenannten Inschriften lflckenhaft iiberliefert) 
und Suet. Gai. 8 ; Cn. Cornelius Gaetulieus CIL 
II 2093; Lentulus Gaetulieus Tac. ann. IV 42. 
VI 30. Dio LIX 22, 5; Cn. [Lentidm oder Oae- 
fuiieusj CIL X 896 ; Cn. Gaetulieus Cassiod. 
Chron. min. II 135; sonst meist Gaetulieus. 
C. ist der jiingere Sohn des Cossus Cornelius Len- 

60 talus Nr. 182, Consuls im J. 753 = 1 v. Chr. (CIL 
VI 1439), der nach dem Siege fiber die Gaetuler 
(im J. 6 n. Chr.) den Beinamen Gaetulieus erhielt. 
ihn aber auf C, einen adulescens in omnium 
virtutum exempla genitus, ubertrug, Veil. II 116. 
2. Flor. n 40. Dio LV 28, 4. Da bei C. zwi- 
schen Praetur und Consulat nur das gesetzliche 
Intervall liegt, so scheint es, dass er diese Amter 
suo anno, also die Praetur im laufenden 30. Le- 



Cornelius 



Cornelius 



138G 



bensjahr bekleidete und daher im J. 746 = 8 oder 
wenig fruher geboren wurde. 

Im J. 23 n. Chr. war C. Praetor peregrinus 
(CIL 12 p. 71 Fasti Arvalium), im J. 26 Consul 
ordinarius mit C. Calvisius Sabinus (Tac. aim. 
IV 46. CIL II 2093. Ill Suppl. 7153. VI 343. 
X 896. XI 3805. XV 4531 und die Consular- 
fasten). Einen Antrag, den er im J. 25 als Consul 
designates im Senat stellte, teilt Tac. ann. IV 
42 mit. Im J. 29 (da er nach Dio LIX 22, 5 
[zum J. 39] die Provinz 10 Jahrc lang verwaltete) 
wurde er Statthalter von Germama superior, Dio 
a. a. O. Tac. ann. VI 30; vgl. Suet. Galba 6 
= Epit. de Caes. 6, 3. Nach dem Sturze Seians, 
31 n. Chr., schien ihm Gefahr zu drohen, da er 
seine Toehter, allerdings auf den Rat des Kaisers 
Tiberius, mit Seians Sohn (Aelius Gallus) ver- 
lobt hatte; doch traf zunachst seinen Anklager, 
den ihm unterstehenden Legionslegaten Abudius 
Ruso, das Verderben, eine Wendung, die C. einem 
glaubhaften Gerucht zufolge seiner eigenen Ent- 
schlossenheit verdankte, Tac. ann. VI 30, zum 
J. 34 n. Chr. Aber seine allzuweitgehendc Milde 
gegeniiber den Truppen, deren unbegrenzte Zu- 
neigung er sich dadurch erwarb, erregte schliess- 
lich den Verdacht des Kaisers Gaius, der ihn 
unter dem Vorwand einer VerschwOrung gegen 
sein Lcben im J. 39 n. Chr. toten liess, Dio a. 
a. O. Suet. Claud. 9 ; vgl. Tac. ann. VI 30 ; die 
Auffassung Rieses Heidelberg. JaliTb. VI 155- 
159 scheint mir ebensowenig begriindet wie sein 
Zeitansatz 40 n. Chr.; vgl. auch Ritterling 
Arch.-epigr. Mitt. XX 7f. Suet. Galba 6 = Epit. 
de Caes. 6, 3; in den Protocolien der Arval- 
brfider, CIL VI 2029 d, wird am 27. October 39 
eine Opferung verzcich.net ob deteeta nefaria con- 
[silia in C. Ca-esarfem) AugfustumJ Germani- 
e]um Cn. Lentuli Gaeftulici,]. 

Vermahlt war C. mit der Toehter des L. Apro- 
nius (Tac. ann. VI 30). Von seinen Kindern, die 
das Cognomen Gaetulieus erbten, sind uns bekannt 
Cossus Cornelius Lentulus Gaetulieus Nr. 222 (CIL 
VI 9834), D. (Tunius) Silanus Gaetulieus (CIL VI 
1439), Cornelia Gaetulica Nr. 438 (CIL VI 1392); 
uller Wahrscheinlichkeit nach sind es auch Cn. (Cor- 
nelius) Lentulus Gaetulieus (der Folgende) und Cor- 
neliaCaesia (Gaetulica?) Nr. 431. Seinem Freigelas- 
senen und Procurator Cn. Cornelius Atimetus sctzt 
der erstgenanntc seiner Sohne das Grabmal CIL 
VI 9834. Zu seinen Freundcn gehorte der Phi- 
losoph Seneca, dem die Freundschaft mit C. bei 
Kaiser Gaius nicht geschadet hat, Sen. nat. quaest. 
IV praef. 15. Oh C. der bei Iuvenal. VII 95 
genannte Gfinner Lentulus ist, wie manche wollen, 
wird sehr zu bczweifeln sein. Ein Cornelius 
Gaetulieus ist in der stadtromischen Inschrift 
Not. d. scavi 1899, 227 genannt. [Stein.] 

Gaetulieus wird als Dichter lasciver Epigramme 
von Martial praefat. I mit (Doniitius) Marsus und 
(Albinovanus) Pedo zusammen genannt (die gleiche 
Gruppierung bei Apoll. Sidon. carm. IX 259f. wird 
wohl aus Martial entlehnt sein). So kann sich 
denn Plinius ep. V 3, 5 auch auf Gaetulieus dafiir 
berufen, dass man sich derlei poetische Scherze 
auch als ernst- und ehrenhafter Mann gestatten 
darf. Der Gegenstand mindestens eines Teils 
dieser Dichtungen des Gaetulieus war Caesennia 
seine Gattin oder Geliebte, von der Sidouius an 



einer zweiten Stelle (ep. II 10, 6) zu melden weiss, 
dass sie dem Dichter bei seinen Versen geholfen 
habe, wie Corinna dem Naso, Lesbia dem Catull, 
Argentaria dem Lucan u. s. w. Unserm Gaetu- 
lieus sind wiederholt (s. z. B. Lipsius zu Tac. 
ann. IV 44) neun Epigramme der griechischen 
Anthologie mit der tberschrift raixovhxov zu- 
gewiesen worden. Dass dazu die Bereehtigung 
fchlt, hat Jacobs Anthol. gr. XIII 896 gezeigt. 
10 Nicht nur ist nicht bezeugt, dass Gaetulieus gne- 
chisch geschrieben habe, sondern es ist an den 
Weihepigrammen VI 190 und 331 (Bogen des 
Alkon) so wenig wie an den Grabepigrammen auf 
die Medeakinder VII 354, Archilochos 71, die 
Thermopylenkampfer 244 u. 245, das kretische 
Kenotaphion 275 oder die trunksuchtige Vettel XI 
409 irgend etwas zu erkennen, was gerade auf unsern 
Gaetulieus wiese ; das einzige erotische Epigramm 
der Reihe V 16 weist sogar ziemlich bestimmt 
20 in andere Richtung, weil es statt Caesennia eine 
Eidothca nennt. Zieht man nun noch in Betracht, 
dass das Cognomen Gaetulieus in der Kaiserzeit 
nicht gerade selten ist (z. B. CIL V 1667. XIV 
685; besonders haufig natiirlich in CIL VIII, s. 
die Indices, und vgl. Bull. arch. com. 1878, 31ff.), 
so wird man gewiss vorziehen, die beiden Dichter 
Gaetulieus neben einander hergehen zu lassen. 
Drei Hexameter unseres Gaetulieus tiber die in Bri- 
tannien sichtbaren Sternbilder bei Probus zu 
30Georg. 1227. Damit combiniert Jahn (Persms 
p. CXUT) die Notiz bei Sueton Gai. 8, Gae- 
tulieus habe die Geburtsstatte des Caligula nicht 
wie andere nach Germanien verlegt, und schliesst, 
dass Gaetulieus, fiber dessen Aufenthalt in Ger- 
manien oben gesprochen ist, ein episches Gedieht 
iiber germanische und britannische Feldziige (viel- 
leicht die des Germanicus) geschrieben habe. Das 
ist, wenn moglich, noch unsicberer als der Schluss 
anderer auf ein historisches Werk des Gaetulieus. 
40 Teuffel R. Litt.-Gesch.* § 291, 1. [Skutsck] 
221) Cn. (Cornelius) Lentulus Gaetulieus, Sohn 
des Vorhergehenden, Consul snffectus mit T. Cur- 
tilius Mancia im (November und) December wahr- 
scheinlich des J. 55 n. Chr. (CIL VI 2037 = 
32352 Acta Arv. [11. Dec], vgl. Hulsens Anm. 
IV Suppl. p. 401 tab. cer. CXLVIII [6. Dec.]. 
p. 294 tab. XV [12. Dec.], p. 295 tab. XVI [30. 
Dec.], p. 296 tab. XVII. p. 298 tab. XVIII ; das 
Jahr ergiebt sich daraus, dass Curtilius Mancia 
50 [s. d.] im J. 56 bereits Legat von Germania su- 
perior war, und femer daraus, dass es ein Census- 
jahr gewesen ist, vgl. Mommsen CIL X p. 92. 
IV Suppl. p. 401 , 6). fCorJnelia On. LentuJ[i 
Gajetulieif. Caesia (CIL VI 1391) ist wohl eher 
C.s Schwester als Toehter gewesen. 

222) Cossus Cornelius Cn. [f.] Lentulus Gae- 
tulieus (CIL VI 17170: Cossus Gaetulim-s), wahr- 
scheinlich Sohn des Cn. Lentulus Gaetulieus (Nr. 
220), setzte seinem Procurator und Erzieher Cn. 

60 Cornelius Atimetus, einem Freigelassenen seines 
Vaters, die Grabschrift (CIL VI 9834, zum Grab- 
mal der Scipionen gehorig). Seine Concubine Eon 
erhielt mit Erlaubnis seiner Toehter Cornelia (Nr. 
425) eine Grabstiitte (CIL VI 17170). Er besass 
eine villa Brutiana in Sahinis (VI 9834). 

223) Cornelius (Lentulus?) Lupus, cos. 42 
n. Chr., s. Cornelius Lupus Nr. 244. [Groag.] 

224) L. Cornelius Lentulus Lupus, Cn. f. L. 



IDS/ 



Cornelius 



Cornelius 



1388 



n. (Fasti Cap.), also Sohn von Nr. 176, war 591 
= 163 eurulischer Aedil (Terent. Heautontim. 
tit.; vgl. Lucil. sat. I 17 Lachm.) und im fol- 
genden Jahre Mitglied einer Gesandtschaft von 
drei Mannern in Griechenland (Polyb. XXXI 23, 
9f.). Etwa 594 = 160 war er Praetor urbanus 
und gab den Tiburtinern Gelegenheit, sich vor 
dem Senat gegen gewisse Beschuldigungen zu ver- 
teidigen; den Text seiner Antwort an die Ge- 
sandten von Tibur giebt eine dort gefundene, jetzt 10 
verschollene Bronzetafel (SC. de Tiburtibus CIL 
I 201 = XIV 3584 = Dessau 19). 598 = 156 
bekleidete er das Consulat (Fasti Cap. Cic. Brut. 
79. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Obseq. 16. 
Cassiod.). Kurz darauf wurde er wegen Erpres- 
sungen angeklagt und verurteilt (Val. Mas. V 
9, 10. Fest. p. 285; nacb Willems Le senat de 
la rep. rom. II 277 ira J. 600 = 154); trotzdem 
gelangte er 607 = 147 zur Censur (Fasti Cap. 
Val. Max. Fest.) und wurde 623 = 131 Prineeps 20 
senatus (Aero zu Hor. sat. II 1, 68; vgl. Marx 
Studia Lnciliaua [Bonn 1882] 59f.). Er scheint 
628 = 126 gestorben zu sein (vgl. Marx a. O. 
61), denn damals dichtete Lucilius das erste Buch 
seiner Satiren, worm er die Versammlung der 
Getter liber den Untergang des Lupus ratschlagen 
Iiess und diesen als Schwelger und Prasser, Mein- 
eidigen und schlechten Eichter mit dem scharf- 
sten Spott verfolgte, wie auch noch in seinen 
spateren Biichern (vgl. besonders Serv. Aen. X 104 30 
iiber den Inhalt des ersten Buches und die Re- 
construction von Marx a. O. 54—67. Cic. nat. 
deor. I 63. Hor. sat. II 1, 68. Pers. sat. I 116 
u. a.). ^ Ausser diesem litterarischen Portrat des 
Lupus ist uns vielleicht auch sein kiinstlerisches 
erhalten in einer Marmorbiiste, die in Tibur zu- 
sammen mit jener Inscbrift aufgefunden wurde 
und jctzt in England ist (vgl. Bernoulli Rom. 
Ikonogr. I 70. 290. Michaelis Ancient Marbles 
318, 53). Cic. Brat. 79 erwahnt ihn alsEedner40 
und Tusc. Ill 51 als Gegner Catos in der kar- 
thagischen Frage. Vielleicht ist auch die bei 
Nr. 214 angefiihrte Rede Catos in Lentulum hierner 
zu Ziehen, doch ist das wenig wahrseheinlich. 

[Munzer.] 

225) (Cornelius Lentulus) Maluginensis, Sohn 
des Folgenden, folgte dem Vater im J. 23 n. Chr. 
in der Wurde des Flamen Dialis (Tac. aim. IV 16). 

226) Ser. Cornelius Lentulus Maluginensis. 
a) Name. Ser. Cornelius On. f. On. n. Lentul(us) 50 
Maluginensis) flam(en) DialfisJ CIL I* p. 29 
Fasti Cap.; Ser. Lentulus CIL 12 p. 72 Fasti 
Antiat. ; Ser. Tjenlulus Maluq. CIL VI 4418 
20006; Ser. Lent. X 8070, 4;' Maluginensis VI 
25617; Servius Maluginensis Tac. ami. Ill 58 
71. IV 16. b) Leben.' On. f. On, n. (Fasti Cap.), 
ilaher vielleicht (der jiingere) Sohn des Cn. Len- 
tulus augur (Nr. 181). Flamen Dialis (Fasti Cap. 



Tac. a. a. O.). Im J. 10 n. Chr. hatte er vom 
1. Juli an den Consulat inne zusammen mit Q. 
Iunius Blaesus (die Belegstellen s. o.). Im J. 22 
verlangte er, entgegen der Tradition, die dem 
Flamen Dialis verbot, Italien zu verlassen, zum 
Proconsulate von Asia zugelassen zu werden. Der 
Senat iiberliess die Entscheidung dem Kaiser Ti- 
berius, der das Ansuchen des C. ablehnte (Tae. 
ann. Ill 58. 59. 71, vgl. Marquardt-Wissowa 
St.-Verw. III2 328f. Herzog St.-Verf. II 841, 
2). Im J. 23 starb C. (Tac. IV 16); sein Sohn 
(Nr. 225) folgte ihm in der Priesterwurde. Ent- 
weder er oder sein Sohn ist der (Cornelius) Ma- 
luginfensisj, der in der Grabschrift einer Frei- 
gelassenen (CIL VI 7700) genannt wird. 

227) Cornelius (Lentulus) Maroellfinus) wird 
in folgender Inschrift genannt: libertorum et fa- 
m.iliae Seriboniae Caesarfis) et Corneli Marcel- 
IfiniJ f(ili) eius (CIL VI 26033; die Erganzung 
Marcellfi) ist unwahrscheinlich). Es ist dieselbe 
Scribonia, von der Sueton (Aug, 62) sagt mox 
(Caesar) Soriboniam in matrimonium aceepit 
(im J. 714 = 40 v. Chr.), nuptam ante duobus 
eonsularibus , ex altera eliam matrem, und die 
Properz (V 11) als Mutter der Cornelia (Nr. 419), 
der Gattin des Paullus Aemilius Lepidus cos. 34 
v. Chr., nennt. Da Cornelia nach den Angaben 
des Dichters dem Hause des Scipio Aemilianus 
angehfirte (v. 30. 38) und in dem Consulatsjahr 
ihres Bruders starb (v. 66), wird die gewohnlichc 
Annahme, dass Scribonia mit einem Scipio, wohl 
dem cos. 716 = 38 v. Chr., vermahlt gewesen 
sei und diesem den P. Scipio cos. 16 v. Chr. 
(Nr. 333) und die Cornelia geboren habe , zu 
billigen sein (vgl. Borghesi Oeuvr. II 33u. 
Klebs Prosopogr. I 458 nr. 1147. Eibbeck 
Seuatores qui fuerint id. Mart. 710, Diss. Berlin 
1899, 20). Dessaus Vcrmutung (Prosopogr. 
Ill 187), dass Cornelia die Tochter der Scribo- 
nia aus deren Ehe mit Cn. Lentulus Marcelli- 
nus cos. 698 = 56 (Nr. 228) gewesen sei, diirfte 
kaumzutreffen; Properz hatte sie dann nicht als 
Enkelin der Africaner bezeichncn kGnnen, und 
der Consulat ihres Bruders ware nicht unterzu- 
bringen. da P. Lentulus Marcellinus cos. 18 v. Chr. 
der Sohn eines Publius war (s. Nr. 223). Man 
wird daher die Notiz Suetons fur unrichtig cr- 
klaren und die Familienverhaltnisse der Scribonia 
nach dem unten folgenden Stammbaum*) recon- 
struieren diirfen ; denn die Moglichkeiten, die sich 
sonst noch darbieten — dass die Ehe der Scri- 
bonia entweder mit einem Marcellinus oder mit 
Scipio der mit Augustus folgte oder dass Mar- 
cellinus ihr Stief- bezw. Adoptivsohn war — sind 
aus verschiedenen Griinden abzulehnen. Marcelli- 
nus selbst ist sonst unbekannt; mit dem Quaestor 
gleichen Nameiis (Nr. 232) kann erder Zeitverhiilt- 
nisse wegen nicht identificiert werden. [Groag.] 



227) (Lentniusj Marcellinus) 



*) Scribonia ess 
1) 228) Cn. Lentulus Marcellinus cos. 698 = 56 
a ) 332) P. Scipio cos. 716 = 38 
3 ) Caesar (Augustus) 



2) 833) P. Scipio 
cos. 738 = 16 

319) Scipio. 



*) 410) Cornelia 
oj Paullus Aemilius Lepidus 
cos. 720 = 34 



3 ) Iulia 



1389 



Cornelius 



Cornelius 



1390 



228) Cn. Cornelius Lentulus Marcellinus, Sohn 
von Nr. 230, schlug Miinzen zuerst als Miinzmeistcr 
urn 670 = 84 (Mom m s en Miinzwesen 605 nr. 232 ; 
Trad Blac. II 435 nr. 229) und dann als Quae- 
stor 680 = 74 (ebd. 611 nr. 242), also in dem- 
selben Jahre, inwelchem auch sein Bruder Nr. 231 
Quaestor war. Als Nachkomme des M. Marcellus, 
des Eroberers von Syrakus, priigte er mit der si- 
cilischen Triquetra und trat 684 = 70 als Patron 
Siciliens beim Processe des Verres auf (Cic. div. 10 
in Caee. 13; Verr. II 103. IV 53. Ps.-Ascou. 
p. 105 Or.). 687 = 67 war er Legatus pro prae- 
tore des Pompeius im Seerauberkriege und hatte 
die Piratcn aus dem Meere an der africanischen 
Kiiste zu vertreiben (Flor. I 41, 9. Appian. Mithr. 
95) ; zum Dank ist ihm eine Statue im Apollon- 
tempel zu Kyrene errichtet worden (InschTift der 
Basis die ihn als jtatoava xai acoiijQa bezeichnet, 
bei Dittenberger Syll.« 343, vgl. Mommsen 
St.-R. II 656, 2 ; eine mit der Inschrift zusammen- 20 
gebrachte Buste hat nichts mit Marcellinus zu 
thun, vgl. Bernoulli E6m. Ikonogr. I 182). 
693 — 61 unterschrieb er mit L. Lentulus Nr. 
234 die Klage, die L. Lentulus Crus gegen P. 
Clodius wegen des beim Feste der Bona Dea be- 
gangenen Religionsfrevels erhob (Schol. Bob. p. 336 
Or. Val. Max. IV 2, 5). 694 = 60 war er Praetor 
und verwaltete in den beiden folgenden Jahren 
Syrien, das er gegen die Raubziige der Araber 
zu verteidigen hatte (Appian. Syr. 51, vgl. Cic. 30 
ad Q. fr. I 2, 7. Holzl Fasti praetorii 52). 
697 = 57 wurde er zum Consul fur das nachste 
Jahr gewahlt und als designierter Consul am 
1 . October im Senat an erster Stelle befragt, als 
die Rechtmassigkeit der Weihung von Ciceros 
Hausplatz durch die Pontiflces zur Verhandlung 
kam; er drang mit seinem fur Cicero gunstigen 
Antrage durch (Cic. ad Att. IV 2, 4; har. resp. 
13). Auch im December wurde er zuerst befragt ; 
or lehnte es ab, in der Abwesenheit des Pom- 40 
perns fiber die campanischen Ackerverteilungen 
zu verhandeln, die diesen nahe angingen und auf 
der Tagesordnung standen, aber er sprach sich 
mit grosser Scharfe und Entschiedenheit gegen 
die Wiihlereicn des P. Clodius aus (Cic. ad Q. 
fr. II 1 , If. ; ad Att. IV 3, 3). Das Consulat 
bekleidete er mit L. Marcius Philippus 698 = 56 
(Fasti Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Figlina 
Veleias CIL I 788. Tesserae ebd. I 1537. 731 
= XI 1021. Not. degli scavi 1897, 7. Cic. har. 50 
resp. 11; Brut. 247; ad Att. V 21, 11. IX 9, 4; 
ad Q. fr. II 4, 4. Ascon. Pis. p. 2. Schol. Bob. 
Sest. p. 304 Or. Cassiod. Dio XXXIX ind. 16, 3. 
18, 1. 40, 1). In der Angclegenheit des Ptole- 
maios Auletes von Agvptcn war er einer der Wort- 
fiihrer der Optimaten, die den Wiinschen des Pom- 
peius und des P. Lentulus Spinther Nr. 238, den 
Konig mit Waffcngewalt in sein Reich zuruckzu- 
fiihren, erfoltrrciohen Widerstand entgegensetzten 
(Cic. ad fam. I 1, 2. 2, 1; ad Q. fr. II 4, 5). 60 
Bei den megalensischen Spielen, die P. Clodius als 
eurulischer Aedil im April gab, trat er dessen 
Sclavenbanden an der Spitze der Senatoren und 
Ritter energisch entgegen (Cic. har. resp. 22), und 
er hatte Mut genug, in offener Volksversammlung 
Ober die Macht der Triumvirn, die eben durch 
die Conferenz in Luca ncu gestarkt worden war, 
Klage zu fiihren (Val. Max. VI 2, 6. Dio XXXIX 



28, 5) und im Senate den Pompeius und Crassus 
iiber die Vereinbarungen von Luca zur Eede zu 
stellen (Dio XXXIX 30, If. Pint. Pomp. 51, 4f.; 
Crass. 15, 2 ; apophth. Pomp. 12). Die Erfolg- 
losigkeit des Widerstandes gegen die Triumvirn 
mag ihn bewogen haben, sich nach seinem Con- 
sulat vom politischen Leben zuriickzuziehen ; viel- 
leicht ist er aueh kurz darauf gestorben , da er 
nicht weiter erwahnt wird. Spater nannte ihn 
Cicero (Brut. 247) nee imquam indisertus et in 

consulatu pereloquetis non tardus senlen- 

tiis, non inops verbis, voce eanora, facetus satis. 
Sein Andenken scheint eine Inschrift aus CTusium 
zu bewahren, CIL XI 2103: Cn. Cor[nelio P. 
f.] Lentulo Marcellino. Nach Cic har. resp. 21 
war er Septemvir epulonum. Bei der geringen 
Zahl der uns bekannten Epulones mSchte man 
annehmen, dass dieses Priesteramt ihm zugang- 
lich war, weil es Patriciern und Plebeiern offen 
stand, und dass es ein Zufall ist, dass wir ausser 
ihm keinen patricischen Epulo kennen. Gegen 
die Ansicht von Willems (Le senat de la rep. 
rom. I 444), dass Marcellinus als Plebeier zu 
diesem Amte fahig war und dass er deshalb der 
Volkstribun Cn. Lentulus bei Cic. imp. Cn. Pomp. 
58 sei (vgl. Nr. 216), spricht das sehon von Bar dt 
(Die Priester der vier grossen Collegien 32) geltend 
gemachte Argument, dass bereits der Vater dieses 
Marcellinus in die patricische Familie der Cornelii 
Lentuli eingetreten war. [Munzer.] 

229) [rjvdios KoQvrjliog Aivxoloi JJojiXico 
vtdg MaqxellTvog , Legatus pro praetore in Ky- 
rene (Smith-Porcher Hist, of discov. at Cyrene 
1864, 109 = Bull. d. Inst. 1874, 111), wahrsehein- 
lich identisch mit Cn. Lentulus Marcellinus cos. 
698 = 56 (Nr. 228, wo iibrigens alles gesagt ist). 

[Groag.] 

230) P. Cornelius Lentulus Marcellinus , leib- 
licher Sohn des M. Claudius Marcellus, der 652 
= 102 unter Marius im Kriege gegen die Teu- 
toren diente (o. Bd. Ill S. 2760 Nr. 226), Bruder 
des M. Claudius Marcellus Aeserninus, war ebenso 
wie sein Vater als Redner geachtet (Cic. Brut. 
136). Von welchem (P.?) Lentulus er adoptiert 
wurde , ist unbekannt. Er war gegen 664 = 90 
Mtinzmeister und nennt sich auf seinen Miinzen 
zum Unterschiede von P. Lentulus Sura nacb 
seinem leiblichen Vater Lentfulus) Marfielli) f(i- 
lius); vgl. Mommsen Miinzwesen 577 nr. 204; 
Trad. Blac. II 401 nr. 207. Seine Gemahlin Cor- 
nelia s. Nr. 411, seine Sonne Nr. 228 und 231. 

231) P. Cornelius Lentulus Marcellinus, nach 
Sail. hist. II 43 Maur. Quaestor 680 = 74, viel- 
leicht der altere Sohn des P. Lentulus Marcel- 
linus Nr. 230. Vgl. iiber ihn P. Lentulus Spinther 
Nr. 238. 

232) P. Cornelius Lentulus Marcellinus, Sohn 
von Nr. 228, vermutlich der Marcellinus, der^ in 
einem unbestimmbaren Jahre Miinzen zur Ver- 
herrlichung seines Abnherrn M. Marcellus, des 
Siegers iiber Virdomarus und des Eroberers von 
Syrakus, priigte (Mommsen Munzwesen 648 nr. 
303). 706 = 48 diente er als Quaestor unter 
Caesar und hatte mit dessen neunter Legion einen 
Teil der Verschanzungen bei DyrracMon besetzt ; 
Pompeius griff diese Befestigung an und die Cae- 
sarianer, deren Fiihrer damals leidend war, wurden 
mit grossem Verlust zur Raumung des Postens 



1391 



Cornelius 



Cornelius 



gezwungen; vielleicht ist Lentulus selbst dabei 
urns Leben gekommen (Caes. bell, civ. Ill 62, 4. 
63—65. Oros. VI 15, 19). Der Vorname ist nur 
beim Namen seines Sohnes Nr. 233 iiberliefert. 

[Miinzer.] 
333) P. Cornelius P. f. Lentulus Marcellinus, 
wohl Sohn des Yorausgehenden, Consul ordinarius 
im J. 736 = 18 mit Co. Lentulus (der ganze Name 
Dio ind. 1. LIV; P. Cornelius P. f. CIL 12 p. 64 
Fasti Colot.; P. Cornelius 12 p. 65 Fasti Biond.; 
P. Lentulus Mon. Ancyr. lat. Ill 40 ; graec III 
12. IX 22. Dio LIV 12,4. Cassiod.; sonst 'Len- 
tulus, vgl. CIL la p. 162). [Groag.] 

234) L. Cornelius Lentulus Niger, war Flamen 
Martialis (L. Lentulus flamen Mart-Mis Cic. har. 
resp. 12; in Vatin. 25; Lentulus Niger flamen 
Ascon. Scaur, p. 25 [nur hier das zweite Cog- 
nomen]). Einen ausfuhrlichen Bericht des Me- 
tellus Pius fiber das Festmahl der Priester a. d. 
IX kal. Sept., quo die Lentulus flamen Mar- 
tialis inauguratus est (gegen 690 = 64, vgl 
Mo mm sen Rom. Forsch. I 87, 34) hat Macrob! 
sat. Ill 13, 1 erhalten, worans sieh u. a. ergiebt, 
dass Niger mit einer Publicia vermahlt war. Ver- 
mutlich ist er der L. Lentulus, der mit Cn. Len- 
tulus Marcellinus Nr. 228 im J. 693 = 61 Mie 
Klage des L. Lentulus Crus Nr. 218 gegen P. Clo- 
dius unterzeichnete (Sehol. Bob. p. 336 Or.; vgl. 
Val. Max. IV 2, 5). Er muss auch die niedern 
curulisehen Amter bekleidet haben, denn 695 = 
59 bewarb er sich um das Consulat fur das fol- 
gende Jabr. Um ilin zu beseitigen, wurde er 
in das angebliche Complott gegen Pompeius ver- 
wickelt ; der falsche Anklager Vettius behauptete, 
dass Lmhdus flaminis fUius conscio patre zu 
denen gebOre, die sich gegen das Leben des Pom- 
peius verschworen hatten (Cic. ad Att. II 24, 2 ; 
in Vatin. . 25). Er gehorte 698 = 56 zu den 
Richtern im Process des P. Sestius (Cic. in Vatin. 
25) und starb bald darauf in demselben Jalire, 
von Cicero als trefflicher Mann von guter Ge- 
sinnung betrauert (ad Att. IV 6, 1. 2 [nur len- 
tulus genannt], vgl. XII 7, 1 aus dem J. 709 = 45, 
wonach Cicero seinem Sohne ebensoviel geben 
wollte, quantum flamen Lentulus filio). Seine 
SOhne Nr. 196 und 205. [Miinzer.] 

235) P. Cornelius Lentulus Seipio, a) Name. 
P. Cornelius Cn. f. Cn. n. Seipio CIL 12 p. 29 
Fasti Cap.; P. Lentulus Cn. f. Seipio CIL VI 
1385; P. Lentulus Seipio X 2039 a, vgl. Auct 
p. 1009; P. Unfulus CIL 12 p. 68 Fasti Gabini 
b) Leben. Da C. als Cn. f. Cn. n. bezeichnet 
wird, diirfte er als der (filtere) Sohn des Cn. Len- 
tulus augur cos. 14 v. Chr. anzusehen sein (vgl. 
Kleb.s Prosopogr. I 456 nr. 1142; die kurze 
Zwisehenzeit zwischen den Consulaten des Vaters 
und Sohnes erklart sich durch den Adel des C. 
und dadurch, dass Lentulus augur spiiter als iib- 
lich die senatorische Laufbahn betreten zu haben 
scheint, s. Nr. 181). Im zweiten Halbjahre 2 
n. Chr. bekleidete C. den Consulat mit T. Quinc- 
tius Crispinus Valerianus (die Xachweise s. o.) ; 
die Consuln haben wahrscheinlich den Bau einer 
Wasserleitung geleitet (CIL VI 1385 Inschrift eines 
nicht mehr vorhandenen Bogens vor der Porta 
Trigemina, vgl. Lanciani Comm. di Frontino 
lOOf. Hulsen CIL VI p. 3125. Gilbert Gesch 
und Topogr. d. St. Rom III 188). Entweder C. 



1392 



oder sein gleichnamiger Sohn, cos. 24 (Nr. 236), 
ist der Proconsul von Asia Tlonlioq AivxXog 2xi- 
m[a>]v, dem die Inschrift CIG II 3186 in Smyrna 
gesetzt ist (vgl. Waddington Fast. nr. 66). 

236) P. Cornelius Lentulus Seipio. a) Name. 
P. Cornelius LenftulusJ Seipio CIL V 4329; 
P. Seipio CIL 12 p. 71 Fasti Arval. ; [P. GJofr- 
nehus Scipjio CIL XV 4568; Cornelius Seipio 
Tac. ann. Ill 74. XII 53; Seipio Tac. XI 2. 4. 
10 b) Leben. Sohn des Vorausgehenden, Nach der 
Inschrift CIL V 4329, die ihm in Brixia gesetzt 
wurde, war er pr[aet(or)] aerari, hierauf legatus 
Ti. Caesarts Augfusti) legfionisj Villi Hispa- 
nfaej; in dieser Stellung focht er im J. 21/22 
n. Chr. unter dem Proconsul Q. Iunius Blaesus 
gegen den Numider Tacfarinas (Tac. ann. Ill 74) ; 
er war es wohl, der die Legion im J. 20 von Pan- 
nomen fiber Rom nach Africa (Tac. HI 9) und 
im J. 23 wieder von Africa weg (nach Spauien '?) 
20 fuhrte (Tac. IV 23, vgl. die zuin Teil irrigen Aus 
fuhrungen Pfitzners Kaiserlegionen 23ff.). Un- 
mittelbar nachher gelangte er zum Consulat, den 
er im J. 24 als suffectus mit C. Calpurnius Aviola 
bekleidete (CIL 12 p. 71. V 4329. XV 4568). 
Ob er der CIG II 3186 genannte Proconsul von 
Asia ist, scheint unsicher (vgl, Nr. 235). Er ge- 
horte zu den Senatoren, die im J. 32 nach dem 
Sturze Seians und der Livia Iulia deren Andcnken 
verfolgten (Tac. VI 2, wo es allgemein Scipiones 
30 heisst). Wohl in zweiter Ehe (s. u.) heiratete C. 
die schonste Frau ihrer Zeit, Poppaea Sabina, die 
zuerst mit dem in den Untergang Seians ver- 
wickelten T. Ollius vermahlt gewesen war (vgl. 
Tac. XIII 45). Als Poppaea im J. 47 von Messa- 
lina zum Selbstmorde gezwungen wurde, wusste 
sich C. eleganti temperamento inter coniugalem 
amarem et senatoriam necessitatem in die ge- 
fahrlicbe Situation zu linden (Tac XI 2. 4). Am 
23. Januar 52 beantragte er im Senate, dem Frei- 
40 gelassenen Pallas den Dank auszudrueken , dass 
er trotz holier Abstammung in den kaiserlichen 
Dienst getreten sei (Tac. XII 53, vgl. n. Bd. I 
S. 2634 Nr. 84). Er hatte die Priesteramter eines 
Pontifex und Fetialis inne (CIL V 4329). Seine 
Sonne diirften P. Seipio cos. 56 (Nr. 237) und P. 
Seipio Asiaticus cos. 68 (Nr. 340) gewesen sein,' 
jener wohl aus seiner ersten Ehe, Asiaticus viel- 
leicht von Poppaea geboren. 

237) P. Cornelius (Lentulus?) Seipio, wohl 
50 Sohn des Vorhergehenden, Consul ordinarius mit 

Q. Volusius Saturninus im J. 56 n. Chr. (P. Cor- 
nelius Seipio CIL X 1574. IV Suppl p 301 
tab. cer. XXI. Phlegon mir. FHG III 623 frg. 56; 
P. Cornelius CIL X 1401. IV Suppl. p. 299 
302 tab. cer. XIX. XXI; P. Seipio Tac. ann. XIII 
25; Corn. Sefijp. Westd. Ztschr. II 1883, 431. 
vgl. Korr.-Bl. Ill 1884, 32; [Seipijo CIL IV 
Suppl. p. 305 tab. cer, XXIII). Die beiden Con- 
suln veranlassten am 2. Miirz das SC. Volusianum 
60 (CIL X 1401 = Bruns FontesG nr. 51) und 
blieben bis 1. Juli im Amte (tab. cer. XXI vom 
24. Juni, vgl. Zangemeister CIL IV Suppl. 
p. 435). Unter den alten Geschlechtern, die in 
der Zeit Neros sich erniedrigten, nennt Dio (LXI 
17, 5) auch die Scipionen. [Groag.] 

238) P. Cornelius Lentulus Spinther. Ober 
seine Familienverhaltnisse ist zur Zeit kaum ins 
Klare zu kommen. Es steht nur durch das Zeugnis 



1393 



Cornelius 



Cornelius 



1304 



Dies (XXXIX ind.) und der Mfinzen von Apamea 
und Laodicea (Pin der Cistophoren 570. CIL I 
525) fest, dass er P. f. war, und mehr als P. 
Cornelius P. f. ist auch auf den Fasti Cap. zum 
J. 697 nicht erhalten. Ausserdem wird berichtet, 
dass C. den Beinamen Spinther von seiner Ahn- 
lichkeit mit einem Schauspieler dieses Namens 
erhalten, also nicht urspriinglich gefuhrt hat (Val. 
Max. IX 14, 4. Plin. n. h. VII 54. Quintil. inst. 
or. VI 3, 57) ; daher hat Cicero diesen Beinamen 
nie gebraucht, wohl aber kommt er bei den Zeit- 
genossen Caesar, Nepos und Sallust und auf der 
Grabschrift eines Soldaten , der unter Spinther 
gedient hat, vor (CIL III 6541 a = Dessau 2224). 
lommaen (Miinzwesen 611 nr. 243) weist ihm 
die Denare mit der Aufschrift P. LentfulusJ P. 
f. L. n. Qfuaestor) zu, die. urns J. 680 = 74 ge- 
schlagen sein mussen und nahe Verwandtschaft 
mit denen des Quaestors Cn. Lentulus Marcelli- 
nus zeigen, der Spinthers Nachfolger im Consulat 
wurde. Willems (Le senat de la re"p. rom. I 
444ff.) spricht dem Spinther zwar die Urheber- 
schaft dieser Miinzeii ab, nimmt aber fur ihn 
ein Fragment der Historien Sallusts in Anspruch 
(p. 127 Jord. = LT 43 Maur.) : Publiusque Len- 
tulus Marcellinus eodem wuetore quaestor in no- 
vum provinciam Curenas missus est, quod ea 
mortui regis Apionis testamento nobis data pru- 
dentiore quant Mas per gentis et minus gloriae 
avidi vnvperio eontinenda fuit. Mo mm sen (a. 
O. 577 zu nr. 204) hatte in diesem P. Lentulus 
Marcellinus einen- alteren Bruder jenes Cn. Len- 
tulus Marcellinus gesehen; "Willems ist derselben 
Ansicht, aber erblickt in P. zugleich den Mann, 
der spater den Beinamen Spinther erhielt und 
dafiir den alteren, ererbten Mareellinus verlor. 
Beide Ansicbten lassen sich sogar vereinigen, da 
sich das Sallustfragmcnt nicht, wie meistens an- 
genommen wird, auf das J. 679 — 75, sondern 
nach Marquardt (Staatsverw. I 460, 1) auf 680 
= 74 bezieht, also auf dasselbe Jahr, dem die 
Munzen des Quaestors P. Lentulus zu gehoren 
schcinen. Dass derselbe erst in Rom thatig war 
und dann nach Kyrene geschickt wurde, ware 
nicht undenkbar, aber es erheben sich doch andere 
Schwicrigkeiten gegen diese Vermutung, wahrend 
die von Willems zu ihren Gunsten geltend ge- 
machten Angaben des Idat. und Chron. Pasch 
zum J. 697 ohne Belang sind. Der Vater der 
beiden Lentuli Marcellini hiess P., und es war die 
Regel, dass der Adoptivsohn auch das Praenomen 
des Vaters annahm ; hiess aber dieser Publius, so 
kiinnte Spinther nicht, wie die Munzen angeben, 
L. n., sondern nur P. n. gewesen sein. Sallust 
(Cat. 47, 4) bezeichnet ihn nicht als Marcellinus, 
sondern mit dem allein iiblichen Cognomen Spin- 
ther, und keine der fur diese Zeit ziemlich reich 
fliessenden Quellen deutet darauf hin, dass er 
mit seinem Nachfolger im Consulat in einem sol- 
chen Verwandtschaftsverhaltnis stand; ja, wenn 
Cicero ad fam. I 1, 2 ihm schreibt: Marcellhmm 
tibi iratlim esse scis : is hoc regia causa ex- 
eepta ceteris in rebus se acerrimum iui defen- 
sorem fore ostoulit, so ist hier wohl aus dem 
Stillschweigen ein nicht geringes Argument da- 
gegen zu entnehmen, dass Marcellinus und Spin- 
ther Bruder gewesen sei en. Es bleibt also die 
Frage, falls nicht neue insehriftliche Fnnde Licht 



geben, offon , ob der Quaestor P. Lentulus, der 
die Munzen schlug, von dem nach Kyrene etwa 
um dieselbe Zeit gesandten verschieden oder mit 
ihm identisch ist, ob einer von ihnen oder beide 
mit dem spater als P. Lentulus Spinther bekann- 
ten Manne zu identificieren sind, und ob zwischen 
diesen Personlichkeiten und Cn. Lentulus Maicel- 
linus enge Verwandtschaftsbande bestanden. Jeden- 
falls sehr bedenklich ist die Annahme von Wil- 

lOlems, dass sowohl Cn. Marcellinus wie P. Spin- 
ther Plebeier gewesen seien ; da boreits P. Len- 
tulus Marcellinus, der Vater des einen von ihnen 
oder bei der, durch Adoption in die patricische 
Familie der Cornelii Lentuli getreten ist, so 
scheint es vollig undenkbar, dass seine SOhne 
noch zur Plebs gehort haben sollten. Fiir Spin- 
ther wird als Beweis Diodor XL 1, 2, eine iibri- 
gens nicht unbedingt glaubwiirdige Erzahlung 
(vgl. Bd. I S. 2594 Nr. 29), angefubrt, wonach 

20 die Kreter, die etwa im J. 684 — 70 die Freund- 
schaft mit Rom wiederherzustellen wiinschten, 
einen Senatsbeschluss in diesem Sinne erzielten: 
axvQOV 8h rd 86y/.ia emoitjos AsvrXog o snixalov- 
fierog Smv&tjQ. Die Ungiiltigkeit des Senats- 
beschlusses babe Spinther nur als Volkstribun 
bewirken konnen, sei also Plebeier gewesen. In- 
dessen gab es ausser der tribunicischen Interces- 
sion noch mehrere formale Mangel, die die Un- 
giiltigkeit eines Senatsconsults herbeifiihren konn- 

30 ten (vgl. Mommsen St.-R. Ill 998, 1), und wenn 
Spinther z. B. einen solchen zur Sprache bracbte, 
so konnte er dadurch schon die Aufhcbung des 
Beschlusses veranlassen. Auch andere Moglich- 
keiten sind vorhanden , um Diodors Angabe zu 
erklaren ; wenn man alien Angaben gleiches Ver- 
trauen schenken will, so kann man beispielsweise 
aus Plut. Caes. 10, 3 auch schliossen, dass L. Len- 
tulus Crus im J. 693 = 61 Volkstribun und folg- 
lich Plebeier gewesen sei, wie man in demselben 

40 auch wieder einen Bruder Spinthers vermuten 
konnte (vgl. Nr. 218). Unter diesen Umstiinden 
beginnt die wirkliche Kenntnis der Geschichte 
Spinthers erst mit dem J. 691 = 63. Damals 
war er curulischer Aedil, unterstiitzte den Consul 
Cicero bei der Unterdriickung der catilinarischen 
Verschworung (Cic. ad Quir. 15) — der Catili- 
narier P. Lentulus Sura Nr. 240 wurde ihm zur 
Bewachung iibergeben (Sail. Cat. 47, 4) — und 
gab die Spiele mit besonderer Pracht und Ver- 

50 schwendung (Cic. off. II 57. Nepos bei Plin. n. 
h. IX 137. XXXVI 59). Auch wahrend seiner 
Praetur, fiir die sich das J. 694 = 60 aus denen 
der Aedilitiit und des Consulats mit Sicherheit 
ergiebt, zeigte er bei den Apollinarspielen die 
Biihne und den Zuscbauerraum in einer bis da- 
hin nie gesehenen glanzenden Ausstattung (Val. 
Max. II 4, 6. Plin. n. h. XIX 23). Im folgen- 
den Jahre verwaltete er die Provinz Hispania 
citerior (Cic. ad fam. I 9, 13. Caes. b. c. I 22, 3). Er 

60 dankte dies der Unterstutzung Caesars, der auch 
als Obcrpontifex seine Aufnahme nnter die Pon- 
tifices befurdert hatte (zwischen 691 = 63 und 
G97 = 57, Caes. a. O. Cic. har. resp. 12) und 
seine Bewerbung um das Consulat begunstigte. 
Cicero, der damals verbannt war, freute sicli uber 
den Erfolg dieser -Bewerbung, denn er hoffte von 
Spinther seine Erlosunsr aus dem Exil (liar. resp. 
15; ad Att. Ill 22, 2 fad Q. ft. I 4, 5), und er 



1395 



Cornelius 



Cornelius 



1396 



tiiuschte sich nicht. Spinther mid Q, Metellus Ne- 
pos (o. Bd. Ill S. 1217 Nr. 96) bekleideten das Con- 
sulat im J. 697 = 57 (Fasti Cap. Inschriften 
GIL I 604 = X 219. X 8098. Tessera Bull. d. 
Inst. 1865, 103. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. 
Cassiod. Dio XXXIX ind. 1, 1. Val. Mas. IX 
14, 4. Plin. n. h. VII 54. Ascon. Milon. p. 43, 3. 
Schol. Bob. Sest. p. 291 Or. Plut. Cic. 33, 2). 
Schon vorher, namentlich als designierter Con- 
sul, hatte er sich aufs eifrigste der Saclie Ciceros 
angenommen (Cic. Sest. 70. Schol. Bob. p. 288 
Or.); nun brachte er sofort am 1. Januar dessen 
Zuriickbemfung im Senate zur Sprachc (Cic. Sest. 
72; Pis. 34. Dio XXXIX 8, 2), bot alien scincn 
Binfluss bei Pompeius dafiir auf (Cic. Sest. 107, 
vgl. 147) und erreichte sein Ziel. Cicero wurde 
nicht miide, ilin dafur zu riihmen und seiner un- 
auslOschlichen Dankbarkeit zu versichern (vgl. 
Ausserungen wie Sest. 144: deum ac parentem 
fortunae ae nominis mei et fratris liberorwrn- 
que nostrorum; Mil. 39: clarissimus ac fortissi- 
mus eonsul, inimicus Glodio [vgl. Dio XXXIX 

6, 2], ultor sceleris illius, propuffnator senatus, 
defensor vestrae voluntatis, patromis publici con- 
sensus , restitutor salutis meae; p. red. 5. 8f. 
27f.; ad Quir. 11. 15. 17f.; de domo 7. 30. 70f. 
75; har. resp. 12; Sest. 117; ad fam. I 1, 1. Ill 

7, 5). Auch iiber die Weihung von Ciceros Haus- 
platz referierte Spinther in einem fiir den Eedner 
gunstigen Sinne an den Senat (har. resp. 11. 13), 
doch lasst eine Aussemng Ciceros, nur seine 
Dankesschuld halte ihn ab , dem Lentulus zu 
ziirnen, darauf schliessen, dass dieserhierin keines- 
wegs alle seine Wiinsche erfiillte (ad Q. fr. II 
2, 3). Beide Consuln zusammen brachten ferner 
ein Gesetz zu stande, das dem Pompeius fiir fiinf 
Jahre die Sorge fiir das Getreidewesen mit ausser- 
ordentlichen Vollmachten iiberwies (Cic. ad Att. 
IV 1, 7); manche sahen darin eine List Spinthers, 
der den Triumvirn beschaftigen wollte, urn selbst 
freie Hand in der agyptischen Frage zu bekom- 
men (Plut. Pomp. 49, 5), aber er hatte sich da- 
niit venechnet, denn Pompeius dankte ihm dieses 
Entgegenkommen nicht, und dessen Gegner wur- 
den dadurch so verstimmt, dass Spinther es offen- 
bar mit beiden verdorben hatte. Eine genauere 
Darstellung der agyptischen Frage giebt Dio 
XXXIX 12ff. , wozu einzelne Notizen wie Fene- 
stella frg, 21 Peter (aus Non, p. 385) und Lucan. 
VIII 824 mit Schol. Bern, erganzend hinzutreten; 
namentlich geben aber die Briefe, die Cicero im 
Laufe des Januar und Februar 698 = 56 an 
Spinther richtete (ad fam. I 1 — 7, darunter I 3 
ein blosses Bmpfehlungsschreiben) die beste Aus- 
kunft fiber die verschiedenen Phasen, die die An- 
gelegenheit damals durchlief. Hier kann nur 
kurz gesagt werden, dass Spinther noch wahrend 
seines Consulats den Auftrag erhielt, im folgen- 
den Jahre, fiir das ihm Kilikien nebst Kypern zur 
Provinz bestimmt war (Cic. ad fam. I 7, 5), von 
dort aus den Konig Ptolemaios Auletes in sein 
Reich zuriickzufuliren (Dio XXXIX 12, 3. Cic. ad 
fam. I 1,3. 7, 4), und dieser Senatsbeschluss ist 
rechtlich nicht aufgehoben worden (Cic. ad fam. I 
7, 4). Aber da wurde das Standbild des Iuppiter 
auf dem Albanerberge vom Blitze getroffen, und 
als man desbalb die sibyllinischen Biicher be- 
fragte, fand man die Weissagung, man solltc 



zwar dem vertriebenen Konig hclfcn, aber nicht 
mit Heeresmacht, da sonst Rom selbst Gefahr 
drohe (Dio XXXIX 15, If.). Die Weissagung war 
den verschiedenen Parteien und PersOnlichkeiten, 
die bei dem Handel nur den eigenen Nutzen und 
den Schaden ihrer Gegner im Auge hatten, zu 
willkommen , um nicht erfunden zu sein und 
ihnen als Vorwand zu dienen (Cic. ad fam. I 1, 

1. 4, 2). "Wahrend Spinther vor dem Ende seines 
10 Consulatsjahres, in das noch seine Weihung von 

zwei Colossalbiisten auf dem Capitol gehOrt (Plin. 
n. It. XXXIV 44), in die Provinz abgereist war, 
wurde in Rom sein Auftrag naturlich als ungiiltig 
angesehen und die ganze Frage aufs neue ver- 
handelt, wobei es sich denn zeigte, dass er kaum 
einen Freund hatte, dass Pompeius, der den Auf- 
trag selbst zu erhalten wiinschte, ein doppeltes 
Spiel spielte (Cic. ad fam. I 1, 3. 4. 2, 3. 5 b, 1. 
7, 3; ad Q. fr. II 4, 5), und dass auch Cicero 
20 trotz seiner iibertriebenen Dankbarkeitsversiche- 
rungen (z. B. 14, 3: si vitam pro tua digni- 
tate profundam , tmllam, partem vidcar rneri- 
torum tuorum assecutus; vgl. ad Q. fr. II 

2, 3) aus Angst vor den Triumvirn nichts fiir 
ihn that, als dass er ihm leeren Trost spendete 
und an sein cigenes Schicksal erinnerte (I 6, 2. 
7, 2). Es sind daher diese Briefe ziemlich un- 
erfreulich , denn auch der Rat , den Cicero dem 
Spinther schliesslich gab (I 7, 5), auf eigene Ver- 

30 antwortung zu handeln und dem Erfolge seine 
Rechtfertigung zu iiberlassen, war kaum ernst 
zu nehmen. Spinther begniigte sich damit, dass 
Catos Versuch , ihm auch die kilikische Statt- 
halterschaft zu nehmen, scheiterte (Cic. ad fam. 
I 5 a, 2; ad Q. fr. II 3, 1; Sest. 144), und 
dass er in ruhigem Besitz derselben blieb, Ob- 
gleich man annehmen sollte, dass er durch die 
grossen Ausgaben wahrend seiner Acdilitat und 
Praetur sich ruiniert und den Zug naeh Agypten 

40 fur die Aufbesserung seiner Finanzen gewunseht 
hatte, so scheint er doch in der Provinz seine 
Hande rein erhalten zu haben, denn er nahm die 
Provincialeu gegen die Publicanen in Schutz (Cic. 
ad fam. I 9, 26) , wurde nach seiner Riickkehr 
von keinem seiner vielen Gegner angefeindet und 
verkaufte damals sogar fast sein en ganzen Besitz, 
weil er eben nichts heimgebracht hatte (Cic. ad 
Att. VI 1, 23). Im Anfang 699 = 55 schricb 
ihm Cicero den Brief ad fam. I 8, einen blossen 

50 Hiiflichkeitsbrief, worin er am Schluss (§ 7) die 
Kunde von den kriegerischen Erfolgen Spinthers 
erwahnt. Solclie waren damals in Kilikien leicht 
zu erwerben ; daher begrusste Cicero den Freund, 
der sich ihm wieder genahert hatte, in seinem 
letzten , sehr ausfiihrlichen Briefe (19,2 und 
Aufschrift) als imperator, und diesen Titel geben 
ihm auch die Miinzen kilikischer Stiidte (Pinder 
Cistopboren 570. CIL I 525. Grabschrift eines 
Soldaten, der damals unter Spinther diente, aus 

60Athen CIL III 6541a = Dessau 2224), und 
nachdem er im Sommer 701 = 53 seinem Nach- 
folger Ap. Claudius Pulcher (o. Bd. Ill S. 2851) 
bei seiner personlichen Begegnung die Provinz 
formlich iibergeben hatte (Cic. ad fam. Ill 7, 
4f.), kehrte er heim mit dem Anspruch auf den 
Triumph , den er jedoch erst 703 = 51 feiern 
konntc (Cic. ad Att. V 21, 4). Der letzte Brief 
Ciceros an ihn (ad fam. I 9) beweist, wie gut 



1397 



Cornelius 



Cornelius 



1398 



beide damals mit einander standen; daher unter- 
stiitzte Spinther audi im April 704 = 50 nach- 
driicklich Ciceros Verlangen nach Bewilligung 
von Supplicationen fur seine eigenen Erfolge in 
Kilikien (Cael. ad fam. VIII 11, 2). Auch im 
Biirgerkriege beobachteten beide eine ahnliche 
Haltung , obwohl Lentulus sich sofort dem Pom- 
peius anschloss und zuerst Caesar in Waffen gegen- 
iibertrat. Er stand im Anfang 705 = 49 in As- 
cnlum Picennm, raumte die Stadt bei Caesars 
Anniiherung, wurde von einem grossen Teil seiner 
Truppen verlassen und iibergab den Rest dem L. 
Vibullius Rufus (Caes. b. c. I 15, 3f. 16, 1. Lu- 
can. II 468—471). Darauf begab er sich nach 
Corflnium zu L. Domitius , verhandelte als Ge- 
sandter im Namen der hier eingeschlossenen Pom- 
peianer mit Caesar und wurde nach der Capitu- 
lation der Stadt von diesem ungekrankt entlassen 
(Caes. b. c. I 21, 6. 22, Iff. 23, 2f. Cic. ad Att. VII 
23, 1. Liv. ep. CIX). Die Verpflichtung, die ihm 
diese Milde des Siegers auferlegte, empfand er 
wohl und blieb deshalb wie Cicero eine Zeit lang 
sehwankend, was er thun sollte. Der Redner 
fragte wiederholt bei Atticus an, was Spinther 
thate und plante (ad Att. VIII 12, 6. 14, 3. IX 
1, 2. 3, 1. 7, 6); es war ihm eine Beruhigung, 
als er erfuhr , Lentulus sei noch in Italien , in 
Puteoli , und werde von Zweifeln gequalt , wem 
er sich anschliessen sollte (ebd. IX 11, 1. 11 A, 3. 

13, 7. 15, 4). Spinther entschied sich schliess- 
lich ebenso wie Cicero ; er war bei Pompeius vor 
der Schlacht bei Pharsalos im Sommer 706 = 48 
und erhob damals ebenso wie Metellus Scipio und 
Domitius Anspruch auf die Oberpriesterwurde fiir 
den wahrscheinlichen Fall, dass ihr Besitzer Cae- 
sar unterliegcn wurde (Caes. b. c. Ill 83, 1. Plut. 
Pomp. 67, 6 ; Caes. 42, 1). Ob Spinther der Len- 
tulus war, der bei Pharsalos den rechten Flugel 
der Pompeianer fiihrte (Appian. b. c. II 76, nach 
Lucan. VII 218 vielmehr den linken), ist unge- 
wiss ; ausser seinem Imperatortitel gab ihm dazu 
wohl nichts gr8sseres Recht als dem L. Lentulus 
Crus (Nr. 218). Gleich diesem folgte er dem Pom- 
peius auf der Flucht nach der Niederlage (Veil. 
II 53, 1. Plut. Pomp. 73, 4) und fand in Rhodos 
keine Aufnahme (Caes. b. c. Ill 102, 7 ; vgl. die 
Bemerkung seines Sohnes bei Cic. ad fam. XII 

14, 3), aber Anfang Miirz 707 = 47 erfuhr Cicero, 
dass er dort sei (ad Att. XI 13, 1). Er fand 
noch wahrend des Burgerkrieges sein Ende. Cicero 
spricht davon nur in Andeutungen (ad fam. IX 
18, 2; Phil. Xin 29; Brut. 268), aber der Auct. 
de vir. ill. 78, 9 sagt, indem cr Caesars Milde 
gegen seine iiberwundenen Feinde rtthmt: nam 
Lentuhim tantum et Afranium et Faustum Sul- 
lae ftlium iussit occidi, und kann damii wohl 
nur Lentulus Spinther meinen, der wie Afranius 
zweimal dem Caesar bewaffneten Widerstand 
leistete und das zweitemal keine Gnade mehr er- 
warten durfte. Noch nach seinem Tode gedachte 
Cicero (Brut. 268) lobend des Lentulus als nostra- 
■rum iniuriarum ultor, auctor salutis, der es 
ohne naturliche Begabung durch seinen Fleiss 
und seine Charakterfestigkeit dahin brachte, zu 
den hervorragenden Mann em im Staate zu ge- 
hOren; sein Leben beweist in der That, dass er 
zu den besseren der Optimaten gehort haben muss, 
ohne dass er auf Bedeutung Anspruch machen 



konnte. Auch die Anekdote, die Val. Max. VII 
8, 8 erzahlt , zeigt ahnlich wie sein Verhalten 
Cicero gegenuber, dass seine Freundschaft ein 
wertvolles Gut war. 

239) P. Cornelius Lentulus Spinther, Sohn des 
Vorigen, empfing unter dem Consulat seines Vaters 
697 = 57 die Toga virilis und wurde damals 
unter die Auguren aufgenommen (Cic. Sest. 144. 
Schol. Bob. zu d. St. p. 313 Or.; vgl. den Au- 

10 gurenstab auf seinen Miinzen). Da bereits Faustus 
Sulla (Nr. 377) diesem Collegium angehSrte und 
da nicht zwei Mitglieder derselben Gens gleich- 
zeitig darin sein durften, wurde Spinther zum 
Schein einem Manlius Torquatus in Adoption go- 
geben (Dio XXXIX 17, If.; vgl. Bardt Priester 
der vier grossen Collegien 34). An dem iippigen 
Festrnahl, das die Auguren zu Ehren ihres neuen 
Genossen abhielten, nahm auch Cicero toil (ad 
Att. VII 26, 2; die Einwendungen von O. E. 

20 Schmidt Briefwechsel des Cicero 261 gegen die 
Datierung dieses Briefes werden dadurch hinfallig, 
dass eben zwei verschiedene Cornelii Lentuli nicht 
Auguren sein konnten). Im Anfang des folgen- 
den Jahres, als sein Vater bereits in Kilikien war, 
weilte Lentulus noch in Rom und legte Trauer 
an, weil der Volkstribun Cato beantragt hatte, 
jenem seine Provinz wieder zu nehmen (Cic. ad 
Q. fr. II 3, 1 vom Anfang Febr.; Sest. 144 vom 
Anfang Marz). Aber ein Brief Ciceros an den 

30 Vater vom Ende Marz, worin er ihm seine grosse 
Zuneigung zu dem Sohne ausspricht, deutet wohl 
an, dass auch dieser damals in die Provinz reiste 
(ad fam. I 7, 11), denn auch die Ratschlage und 
Erkundigungen in Betreff seiner Ausbildung in 
einem Schreiben vom Herbst 700 = 54 setzen 
voraus, dass er bei seinem Vater war (ad fam. 
I 9, 23. 24). Tiber seine Teilnahme am Burger- 
kriege zwischen Caesar und Pompeius ist nichts 
bekannt; erst im Marz 707 = 47 erwahnt Cicero 

40 (ad Att. XI 13, 1): P. Lentulum patrem B/wdi 
esse aiunt, Akxandreae filium, und dann wieder 
im Sommer 709 = 45 (ad Att. XII 52, 2): Sed 
quid est, quod audio Spirttkerem feeisse divor- 
tium'i und (ebd. XIII 7, 1): Lentulum cum 
Metella certe feeisse divortium. Spinther ist 
demnach von Caesar begnadigt worden und lebte 
als Privatmann in Rom, ohne durch etwas an- 
deres als durch seine Ehescheidung von der iibel- 
beriichtigten Caecilia Metella (vgl. oben Nr. 141) 

50 Aufsehen zu erregen (noch erwahnt um dieselbe 
Zeit bei Cic. ad Att. XIII 10, 3: hodie Spinthe- 
rem exspecto). Als aber am 15. Marz 710 = 44 
die MOrder Caesars das Capitol besetzten, da 
eilte Spinther herbei, um sich ihnen anzuschliessen, 
und ruhmte sich, als ob er teil an der blutigen 
That gehabt habe (App. b. c. II 119. Plut. Caes. 
67, 2; vgl. Cic. ad fam. XII 14, 6). Am 21. April 
schreibt Cicero von seinem Cumanum (ad Att. 
XIV 11, 2): Lentulus Spinther hodie apud me; 

60 eras mane vadti. Spinther reiste damals fast 
gleichzeitig mit C. Trebonius als dessen Quaestor 
und offener Anhanger der CaesarmSrder nach 
Asien; was er dort erlebte und vollbrachte, hat 
er selbst in zwei Briefen, die unter denen Ciceros 
ad fam. erhalten sind, berichtet. Beide sind am 
2. Juni 711 = 43 m demselben ruhmredigen Tone 
geschrieben, der eine (ad fam. XII 14) privatim 
an Cicero, der andere (XII 15) als officieller Be- 



1399 



Cornelius 



Cornelius 



1400 



richt an den Senat (vgl. A. K (Shier fiber die 
Sprache der Briefe des P. Cornelius Lentulus 
Spinther. Niimberg 1890 [mir nicht zugiinglich]). 
Trebonius erlag bereits im Januar 711 = 43 dem 
P. Cornelius Dolabella (Nr. 141), und sein Quaestor 
musste zu M. Brutus nach Makedonien fiiichten, 
von wo er bald mit neuer Macht nach Asien 
zuriickkehrte. Unterwegs erfuhr er, dass Dola- 
bella in den lykischen Gewassern cine Flotte 



1401 



Cornelius 



etw&rjaar ot ncuSeg, oxav iv rq~ oq)ai(j{£eiv a/idg- 
tcooiv. in tovtov Sovqoq jiaoo>vo/tda-&t] ' oovqciv 
yaf) oi 'Poffiacoi rr/v xv^fitjv Xkyovai. Jedenfalls 
war Sura nur cin Spitzname, wie der in der Be- 
deutung verwandte des L. Lentulus Crus Nr. 218, 
nnd ist daher von Cicero nur ausnahmsweise ge- 
braucht worden (z. B. Brut. 230). Nach Cic. ad 
Att. I 16, 9 ist Lentulus zweimal vor Gericht 
freigesprochen worden, und Plut. Cic. 17, 2 kniipft 



Cornelius 



1402 



sammle, und wandte sich dorthm; er beklagt sich lOan die eben angefiihrte Anekdote eine zweite: 



bitter fiber Ehodos, das ihm den Beistand gegen 
jenen versagte, und rechnet es sich zum Verdienst 
an, Asieti fur die Partei des Senats und der Caesar- 
morder gewonnen zu haben und den Cassius so 
wirksam unterstiitzt zu haben, dass ihm auch der 
Gewinn Syrians zu danken sei. Dies etwa er- 
giebt sich aus den Briefen, die von Perge in 
Pamphylicn datiert sind und in denen sich Spinther 
als Proquaestor pro praetore bezeichnet und als 



vialw Si dlxtjv i'%cov xai Sicup&eiQag irtove x&v 
Sinaotbiv ijtsi Svoi fiovaig axetpvye tprjcpois erprj 
TtaQavaXoi^a ysyovsvai to datf-pco xQirfj dodiv • do- 
xeiv yag et xai fuq ytqqxp /idvov djiM-dtj. Die 
Zeit dieser zweiten Anklage ist unbekannt. Schon 
unter Sulla erfreute er sich eines gewissen An- 
sehens als Eedner (Cic. Brut. 230. 308. 311). 
Die Praetur bekleidete er 679 = 75 und fiihrte 
den Vorsitz bei den Eepetundenprocessen (Pseudo- 



den rechtmiissigen Statthalter von Asien betrachtet. 20 Ascon. div. in Caec. p. 109 Or.- im J. 691 = 63 



Damals schlug er auch Miinzen zur Verherrlichung 
des Brutus und Cassius' und der neuen Freiheit 
(Mommsen Miinzwesen 653. Borghesi Oeuvres 
I 186—190). Nachdem Dolabella von Cassius 
besiegt und getotet worden und Brutus in Asien 
eiugetroffen war, war das selbstandige Commando 
des Spinther zu Ende. Nur als Unterfeldhcrr 
des Cassius konnte er an den Khodiern fur ihr 
fruheres Verhalten gegen seine Partei Rache 



als praetor iterum bezeichnet von Veil. II 34, 4 
und Plut. Cic. 17, 1). Wahrscheinlich im folgen- 
den Jahre — denn 681 = 73 kam Verres nach 
Sicilien — verwaltete er die Provinz Sicilien 
(Plin. n. h. VII 55, vgl. Val. Max. IX 14 ext. 
3. Miinzer Beitrage zur Quellenkritik des Pli- 
nius [Berl. 1897] 112) und wurdc 683 = 71 Con- 
sul (Inschrift CIL X 3783. Tesserae CIL I 720. 
X 8070, 3. Chronogr. Idat, Chron. Pasch. Eutrop. 



iiehnien (App b. c. IV 72) und leitete er die 30 VI 8, 1. Cassiod., vgl. die' Bezeichnung als Con 

eriolgreiche Unternehmung gegen Myra in Ly- - ■ ■"-•—-■ ■ -■ *?- 

kien (ebd. 82). tiber sein Ende ist nichts niiheres 
bekannt; er muss nach der Schlacht bei Philippi 
712 = 42 seinen Feldherrn bald in den Tod ge 



sular bei Veil. II 34, 4. Dio XXXVII 30, 4). 
Im f'olgenden Jahre wurde er aber bei der grossen 
Sauberung des Senats durch die Ccnsoren On. 



folgt sein, denn Plutarch und Appian sagen von 
ihm, wo sie seinen raschen Anschluss an die 
Caesarmorder erwahnen, er habe an dem Ruhm 
ihrer That keinen Anteil gehabt, sei aber gleich 
ihnen der Bache des Octavian und Antonius zum 



Lentulus Clodianus (Nr. 216) und L. Gellius Pop- 
licola wegen seines unsittlichen Lebcnswandels 
aus dem Senat ausgestossen (Plut. Cic. 17, 1. 
Dio XXXVII 30, 4; vgl. Cic. Cluent. 120. Li v. 
ep. XCVIII). Um wieder in den Senat zu kom- 
men, wurde er 691 = 63 zum zweitenmale Prae- 



Opfer gefallen. Man hat, dagegen cine Munze40tor (Dio a. O.; vgl. Plut. a. O. Veil. II 34 4) 



des Augustus mit Spinthers Namen gcltend ge 
macht, indes ist diese nach Borghesis Dar- 
legung (a. O., wo die ganze Geschichte Spinthers 
behandelt wird) eine wertlose antike Falschung. 
240) P. Cornelius Lentulus Sura, Enkel von 
Nr. 202 (Cic. Cat. HI 10. IV 13. Dio XLVI 20, 
5), nicht dessen Sohn, wic Pseudo-Ascon. div. in 
Caec. p. 124 Or. meint. Der Vater bless viel- 
leicht gleiclifalls P. und kann Nr. 203 sein. Im 



indes der gesetzmassige Weg, auf dem er zu 
Macht und Einfluss gclangen konnte, genugtc 
ihm nicht, und daher wurde er der vornehmste 
Genossc des L. Catilina. Sowohl seine Abkunft, 
wie sein Bang und sein Alter verschafften ihm 
unter den Teilnehmern der Versehworung einen 
Platz, fur den ihn seine Begabung nicht befiihigt 
hatte (vgl. z. B. die Schilderung bei Dio XLVI 
20, 3—5; iiber deren Quelle vgl. Schwartz o. 



J ' 6 w-11 81 W f er - Q uaestor - Die Bedenken 50 Bd. Ill S. 1719); er glaubte offenbar, wic es 



von Willems (Le senat de la rep. rom. I 447) 
gegen diese Annahme Drumanns (G. R. II 529f.) 
sind belanglos, da gerade dabei die Amterlauf- 
bahn des Lentulus als durchaus regelmassig er- 
scheint. Das Jahr ergiebt sich aus der Angabe 
C'iceros Verr. I 37, C. Verres, der im J. 672 — 82 
Quaestor des demokratischen Consuls Cn. Carbo 
gewesen, habe den Stadtquaestoren P. Lentulus 
und L. Triarius, offenbar seinen von Sulla be- 



fruher Crassus und Caesar gethan hatten, sich 
Catilinas nur als des Werkzeugs seiner eigenen 
Plane bedienen zu konnen und auf dessen Schul- 
tern selbst den Gipfel der Herrschaft ersteigen 
zu konnen. Daher nahm er fiir sich die angeb- 
liche Weissagung der sibyllinischen Biicher in 
Ansprueh, dass drei Corneliern die Herrschaft 
iiber Rom bestimmt sei, und gedachte sich als 
Dritter an Cinna und Sulla zu reihen fCic. Cat. 



stiramten Nachfolgern, Rechenschaft iiber seine 60 III 9ff. 16. IV 2. 12; Sulla 70. SalL Cat. 47 



Kassenfuhnmg ablegen mussen. Dieselbe Zeit hat 
auch Plut. Cic. 17, 2 im Auge, der von Lentulus 
Sura crzahlt: iv zots xatk SiOlav "/qovoi; ra- 
fueycov av%va rS>r Sy/wouov yjit}iidroiv cuidj/.eoe 
y.ai deigjdeiger. ayaraxrovriog de zov Sv'/la xai 
Xoyov axanovi'To; iv rjj ovyx/J/rqj, jiQoz/.ftwv 
ohyojQtoe Tiavv xai xaraip(>ovrjTtxcds loyov fiiv 
ovx tcprj Stdorai , 7iaQiye.iv bii zr)v xvtj/iijv, (oojieq 



2. Flor. II 12, 8. Quintil. inst. or V 10, 30. 
Plut. Cic. 17, 4. App. b. c. II 4); daher wurde 
er stets als das Haupt der Versehworung neben 
Catilina betrachtet und ist es auch, nicht zum 
Gluck des Untemehmons, nach Catilinas Abreise 
von Rom gewesen (vgl. •/,. B. Cic. Sulla 16. 80. 
33. 53. 75. 76; Flacc. 95. 97. Sail. Cat. 17, 3. 
32, 2. 39, 6. 43, 1. 51, 7. 52, 17. Liv. ep. OH. 



<* 



4 



Veil. II 34, 4. Flor. II 12, 8. Iuven. X 
287. Hieron. zu Euseb. chron. II 135 w Schone. 
Diod. XL 5 [M tiller FHGII, XXVI]. Plut. Cic. 
17, 1. 18, 1. 24, 1 ; Caes. 7, 2 ; Cato min. 22, 1. App. 
b. c. II 2. Dio XXXVII 30, 4. 34, 1. XXXVIII 
14, 5). Der Brief, den er als der Ftihrer der 
Verschworenen in der Stadt an den in Etrurien 
weilenden Catilina sandte, ist fast in dem Tone 
eines Vorgesetzten, der zu einem Untergebenen 
spricht, gehalten (Cic. Cat. IDT 12. Sail. Cat. 44, 10 
6; der Wortlaut nicht genau iibereinstimmend), 
und der folgenschwerste Schritt, der in der Ab- 
wesenheit jenes von den Genossen in Rom unter- 
nommen wurde, ist anscheinend aus der person- 
lichen Initiative des Lentulus hervorgegangen. 
Catilina hatte zwar in ganz Italien Verbindungen 
angekniipft und einzelne Faden mogen noch weiter 
gereicht haben (vgl. Cic. Cat. IV 6), aber die 
Entscheidung lag in Rom, und auf ihre Vor- 
bereitung sollte sich nach seinen Anordnungen 20 
die Thatigkeit der dort gebliebenen Genossen be- 
schranken. Statt dessen wollte Lentulus die Sache 
in gro'sserem Massstabe angreifen und liess sich 
in Unterhandlungen mit den Gesandten der Allo- 
broger ein (Sail. Cat. 40, 1). Diese verrieten 
ihn an die Regierung, und der Consul Cicero 
that rasch die notigen Schritte zur Onschadlich- 
machung der RadclsfiihreT. Sowie er die Beweise 
ihrer Schuld in Handen hatte, verhaftete er sie ; 
am Morgen des 3. December liess er sie zu sich 30 
bescheiden und festnehmen, zuletzt den Praetor 
Lentulus, den er selbst in den Senat brachte 
(Cic. Cat. Ill 6. Sail. Cat. 46, 3. 5). Dessen 
Verhor war der am meisten dramatische Teil der 
Senatsverhandlung, aber sein Leognen war den 
erdriickenden Schuldbeweisen gegeniiber nutzlos, 
und schliesslich legte er cin offenes Gestandnis 
ab (Cic. Cat. Ill 10—12. Sail. Cat. 47, 2; vgl. 
John Jahrb. f. Philol. CXXXI 851ff.). Er wurde 
darauf zur Abdication gezwungen (vgl. Momm-40 
sen Staatsr. I 627, 2) und dem Aedilen P. Len- 
tulus Spinther (Nr. 238) zur Bewachung uber- 
geben (Cic. Cat. HI 14f. IV 5. Sail. Cat. 47, 
2—4. Plut. Cic. 19, 2. App. b. c. II 5. Dio 
XXXVII 34, 2). Die Entscheidung iiber sein 
Geschick wurde mit dadurch beschleunigt, dass es 
Mess, seine Freigelassenen und Clienten mochten 
ihn mit Gewalt befreien (Cic. Cat. IV 17. Sail. 
Cat. 50, 1. App. b. c. II 5. Dio XXXVII 35, 
3); das Todesurteil wurde trotz Caesars Wider- 50 
stand gefallt und der Consul selbst brachte wieder- 
um am Abend des 5. December Lentulus nach 
dem Tullianum, wo er erdrosselt wurde (Sail. Cat. 
55, 1—6. Liv. ep. CIL Veil. II 34, 4. Schol. 
Bob. Milon. p. 277 Or. Plut. Cic. 22. If.; Cato 
min. 26, 1. App. b. c. II 2. Dio XXXVII 36, 
4. XLVI 20, 5). Seine Gemahlin war Iulia, eine 
Tochter des L. Iulius Caesar. Consuls 664 = 90, 
die in erster Ehe mit M. Antonius Cretkus ver- 
heiratet gewesen war (Cic. Phil. II 14. Schol. 60 
Gronov. Catil. p. 412; vgl. o. Bd. I S. 2595); 
ihr Sohn, der Triumvir Antonius, behauptete 
spater, Cicero habe ihm zuerst nicht einmal 
den Leiehnam des Lentulus ausliefern wollen, 
doch ist dies nicht wahr (Cic. Phil. II 17. 
Plut. Ant. 2, 1). Sallust Cat. 58, 4 lasst Cati- 
lina nach dem Falle seiner Genossen in Rom 
sprechen; scitis equidem, milites, socordia atque 



ignavia Lentuli quantum ipsi nobisqtte eladem 
adtulerit; dieses tJrteil ist im wesentlichen rich- 
tig und daher auch von den Neueren angenommen 
worden. Cicero, dessen TJrteil sonst getrubt ist, 
wo er von seinen Gegnern redet, bemiihte sich 
bisweilen, unparteiisch zu erscheinen; so erwahnt 
er Cat. Ill 11 von den Eigenschaften des Len- 
tulus: ingenium illud et dieendi exeroitatw . . . 
impudentia , qua superabat omnes (ein Beispiel 
dafiir Sen. de ira III 38, 2) und schildert ihn 
spater Brut. 235 : cuius et exeogitandi et loquendi 
tarditatem tegebat formae dignitas, corporis mo- 
tus plenus et artis et venustatis, voeis et suavi- 
tas et magnitude*. Kinder scheint Lentulus nicht 
gehabt zu haben, denn der im J. 709 = 45 von 
Cic. ad fam. V 11, 1 erwahnte Sura hat offenbar 
nichts mit ihm zu thun; das Cognomen findet 
sich in republicanischer Zeit auch bei Bruttius 
Sura Bd. Ill S. 915 Nr. 10. 

241) Cn. (Cornelius) Lentulus Vatia, von Cicero 
(ad Q. fr. II 3, 5) im J. 698 = 56 erwahnt. Vgl. 
Cn. Lentulus Batiatus Nr. 209. [Munzer.] 

242) Pomponius Cornelius Lollianus Hedianus 
s. Pomponius. 

248) (Cornelius) Longus, Bruder des Cornelius 
Nr. 1 0, Soldat im Heere des Titus, durch gewaltige 
KOrperkraft ausgezeichnet; von den Juden um- 
ringt, totete er sich, um nicht in die Hande der 
Feinde zu fallen, Joseph, bell. Iud. VI 186. [Stein.] 

244) Cornelius Lupus (so lautet der Name 
ausser bei Tac. ann. XIII 43 auch auf den Miinzen, 
Lupus Senec. apocol. 13 und Gaius III 63; wie 
Borghesi Oeuvr. I 437 vermutet, hiess C. mit 
vollstandigem Namen Cornelius Lentulus Lupus 
[vgl. Nr. 224] und gehOrte der Familie der Len- 
tuler an), Proconsul von Kreta und Kyrene unter 
Tiberius (Munzen folgender kretensischer Stadte 
mit den Bildnissen des Divus Augustus oder des 
Tiberius und dem in verschiedener Weise abge- 
kiirzten Namen des C: Axos Rev. numism. Ill 
1885, 159 nr. 3; Eleuthernae Eckhel II 302. 
Mionnet II 276 nr. 153; Suppl. IV 317 nr. 144. 
Greek coins in the Brit. Mus. , Crete 35 nr. 18; 
Gortyn Eckhel II 302. Mionnet II 258 nr. 4 
= Suppl. IV 321 nr. 170; Hierapytna Eckhel 
II 301. Mionnet II 285 nr. 217 = Suppl. IV 
296 nr. 1. Berliner Museum [nach Klebsj; Ky- 
donia Eckhel II 302. Mionnet II 258 nr. 5 
[nr. 2 = 274 nr. 132 ist nach Klebs falsch]; 
Suppl. IV 313 nr. 120f. Imhoof-Blumer Monn. 
gr. 215 nr. 17. Greek coins 32 nr. 37; Polyrrhenion 
Eckhel II 301. Mionnet II 257 nr. 1; Suppl. 
IV 336 nr. 265). Consul (suffectus) mit Largus 
(Gaius III 63), wahrscheinlich mit C. Caecina 
Largus im J. 42 n. Chr. (vor ihm waren Kaiser 
Claudius und C. Cestius Gallus die Collegen des 
Largus gewesen, s. o. Bd. Ill S. 2792. 2006). 
Unter Claudius wurde er auf Grand einer An- 
klage des P. Suillius Rufus getotet (Senec. apocol. 
13, 5. Tac. ann. XIII 43), vielleicht im J. 46 
(s. o. Bd. Ill S. 2801). Vgl. Klebs Prosop. I 
457 nr. 1145. 

245) D. Cornelius Maecianus , Legat (der 
legio VII Gemina) in Hispania Tarraconensis 
im J. 79 n. Chr,. (CIL II 2477, vgl. 5616 Aquae 
Flaviae). [Groag.] 

240) M. Cornelius Maluginensis, Decemvir legi- 
bus scribendis 304 = 450 (M. Corn[dius . . . f. 



1403 



Cornelius 



Cornelius 



1404 



Se]r. n. Malugin[es]is Fasti Cap.; M. Cornelius 
Maluginensis Liv. Ill 35, 11; Maoxoq KoovrjAtog 
Diod. XII 24, 1. Dionys. X 58. XI 15). Bei Liv. 
Ill 40, 8 und Dionys. XI 16 erscheint er als 
Brader des Consuls von 295 = 459 L, Cornelius 
Maluginensis Uritinus (Nr. 256), aber dieser war 
nach den Acta triumph. Ser. f. P. «.., wahrend bei 
dem Namen des Decemvirs in den Fasti Cap. Ser. 
n. erhalten ist. Das Verhaltnis beider war also, 
wie Borghesi Oeuvres IX 86 mit Recht annimmt, 
vielmebr das von Vater und Sohn (s. die Stamm- 
tafel o. S. 1290 bei den Cornelii Cossi) und ist von 
den Annalisten willkiirlich verandert worden. Mit 
mehreren seiner Amtsgenossen soil M. Malugi- 
nensis gegen die Aequer gesandt worden sein (Liv. 
Ill 41, 10. Dionys. XI 23). 

247) M. Cornelius Maluginensis, Consul 318 
= 436 (M. Cornelius Maluginensis Liv. IV 21, 1 ; 
Avlog KoQvrjhoq MaxsQivog Diod. XII 46, 1 ; 
Maluginense Chronogr.; Maloginense Idat.; Ma- 
Xoyswrjoiov Chron. Pasch.). 

248) M. Cornelius Maluginensis, P. f. M. n. 
(Fasti Cap.), also Sohn von Nr. 250, wurde im 
J. 362 = 392 nach dem Tode des einen Censors 
C. Iulius Vopiscus an dessen Stelle gewahlt; es 
blieb dieser Fall aus religiosen oder praktischen 
Griinden der einzige einer Erganzung des Cen- 
sorencollegiums (Fasti Cap. Liv. V 31, 6. IX 34, 
20; vgl. Mommsen St.-R. I 216. II 341). 368 
= 386 nennt Diod. XV 25, 1 den einen Tribunus 
militum consulari potestate, der sonst Ser. Cor- 
nelius Maluginensis heisst (Nr. 254), Maoxo; Koq- 
vrjXtoe; wenn seine Fasten hier vor den andern 
den Vorzug verdienen, so kOnnte vielleicht jener 
Censor suffectus damals das Tribunat bekleidet 
haben. 

249) M. Cornelius Maluginensis, vielleicht mit 
Nr. 248 identisch, Tribunus militum consulari 
potestate 385 = 369 ([. . . Maljucinensis Fasti 
Cap.; M. Cornelius Liv. VI 36, 6; Maluginense 
Chronogr.; M&Qxog Kogvrjktog Diod. XV 77, 1) 
und 387 = 367 ([. . . MJaluginms. II Fasti Cap.; 
M. Cornelius II Liv. VI 42, 3; die Tribunen 
dieses Jahres fehlen bei Diodor). 

260) P. Cornelius Maluginensis, Tribunus mi- 
litum consulari potestate 350 = 404 ([. . . Ma- 
luginensis Fasti Cap.; P. Cornelius Malugi- 
nensis Liv. IV 61, 4; Maluginense Chronogr.; 
Iloiikiog KoQvrjXiog Diod. XIV 19, 1), ist wahr- 
scheinlich nicht als identisch mit Nr. 252 zu be- 
trachten, sondem als der Vater dieses P., des M. 
Nr. 248 und des Ser. Nr. 254; demnach war er 
selbst M. I"., also Sohn von Nr. 247 (vgl. Bor- 
ghesi Oeuvres IX 210f.). Vgl. Nr. 39. 

251) P. Cornelius Maluginensis. Als Consuln 
des J. 361 = 393 werden L. Lucretius Flavus 
und Ser. Sulpicius Camerinus genannt (Liv. V 
29, 2. Diod. XIV 99, 1. XV 8, 1. Idat. Chron. 
Pasch.), aber der Chronograph verzeichnet an 
deren Stelle vielmehr Potito et MaUuginen.se, und 
auf Grund dieser Angabe lassen sich die hier 
sehr zerstOrten Fasti Cap. erganzen: [L. Valerius 
L. f. P. n. Potitus P. Corneljiits [. . . f. . . n. 
Maluginensis] \ [nan inierujnt, in e[orum I. 
faeti sunt] | [L. Lucretius . . . f. . . n. Flavus 
Ser. Sulp]icius Q. f. Se[r. u. Camerinus] . Man 
kOnnte versucht sein, in der Lesart der schlech- 
teren Hss. bei Diod. XIV 99, 1 SeooviXtog K6aaa>v 



cine Verschmelzung der Namen zweier Consuln 
Ser. Sulpicius und P. Cornelius Cossus zu sehen 
und dem abgetretenen Consul die beiden Cogno- 
mina Maluginensis Cossus zuzuschreiben ; indes 
da diese sich sonst nicht vereinigt finden und 
die hsl. Beglaubigung so unzuverlassig ist, scheint 
die Annahme doch gewagt. Vielleicht ist dieser 
Consul mit Nr. 252 identisch. 

252) P. Cornelius Maluginensis, als P. f. M. n. 
10 (Fasti Cap.) alterer Bruder von Nr. 248 und 254, war 

357 = 397 Tribunus militum consulari potestate 

(P. Cornelius P. f. Fasti Cap.; P. Cornelius 

Maluginensis Liv. V 16, 1; IlonXiog Koqvrjliog 
Diod. XIV 85, 1) , dankte mit seinem Collegen 
vor Ablaut des Jahres ab (Liv. V 17, 1^3) und 
wurde im folgenden nach den Fasti Cap. Magister 
equitum des Dictators L. Furius Camillas (erhalten : 
.... f.M.n. Maluginensis mag ....), wahrend 
die Schriftsteller hier an seiner Stelle den ersten 
20 P. Cornelius Scipio nennen (vgl. Nr. 328). 364 
= 390 war er zum zweitenmale Tribunus militum 
consulari potestate (P. Cornelius Maluginensis 
Liv. V 36, 11; nojihog Koovty.wg Diod. XIV 
110, 1. XV 20, 1). 

253) Ser. Cornelius Maluginensis, Consul 269 
= 485 (Ser. Cornelius Liv. II 41, 12. Dionys. 
VIII 77, 1. Cassiod. ; Seooinog KoovrjXiog TqI- 
xoatog Diod. XI 27, 1 ; Malucinense Chronogr. ; 
Maloginense Idat. ; MaXoyewnoiov Chron. Pasch.). 

30 Nach' Dionys. VIII 82, 1 machte er einen Einfall 
ins Veientergebiet. Liv. Ill 32, 3 meldet zum 
J. 301 = 453 den Tod des Flamen Quirinalis Ser. 
Cornelius, der mit diesem Ser. Cornelius Malu- 
ginensis, dessen Cognomen die Schriftsteller nicht 
kennen, identisch sein diirfte. 

254) Ser. Cornelius Maluginensis wird in den 
crhaltenen Consularfasten siebenmal als Tribunus. 
militum consulari potestate verzeichnet, namlich 
zu den J. 368 = 386 (Ser. Cornelius Maluginensis 

40 Liv. VI 6, 3. 15; Aluginense Chronogr. ; Mdoxog 
Koovfjhog Diod. XV 25, 1; vgl. Nr. 248), 370 = 
384 (Ser. Cornelius Maluginensis II Liv. VI 
18, 1), 372 = 382 (Ser. Cornelius Maluginensis lit 
Liv. VI 22, 1 ; KoQvrjhog Diod. XV 41, 1), 374 = 
380 (Ser. Cornelius P. f. M. n. Malugin. IIII 
Ncues Frg. der Fasti Cap. Archaol. Anzeiger 1900, 
6; Ser. Cornelius Maluginensis Liv. VI 27, 2), 
378 = 376 (ZtQovLog KogvrjXtog Diod. XV 71, 1; 
bei Liv. fehlen die Tribunen dieses Jahres), 384 

50 = 370 ([. . . Maljuginens. VI Fasti Cap.; Ser. 
Cornelius Liv. VI 36, 3; 2cQovtog KoQvrjXiog Diod. 
XV 76, 1), 386 = 368 ([.... M]alugin. VII Fasti 
Cap.; Ser. Cornelius Liv. VI 38, 2; JSegovwg 
KoQvf/hog Diod. XV 78, 1). Am meisten erregt 
das zweite dieser Tribunate Verdacht, weil der 
Name des Ser. Cornelius in Diodors Liste XV 
36, 1 nach den guten Hss. fehlt (vgl. Mommsen 
R8m. Forsch. II 231); beim vierten, wo dasselbe 
.stattflndet , ist sie in den Hss. zu zerriittet, als 

60 dass man sofort eine Falsehung annehmen mochte. 
Im J. 393 = 361 wurde zu einem von den Anna- 
listen verschieden angegebenen Zwecke ein Dictator 
T. Quinctius ernannt; sein Magister equitum war 
nach Liv. VII 9, 3 Ser, Cornelius Maluginensis, 
und uljereinstimmend lautet die verstummelte 
Angabe der Fasti Cap.: 31. n. Malugi- 
nensis mag. cq. Jedenfalls dachte man sich diesen 
Magister equitum als identisch mit dem sieben- 



m 

s 



1405 Cornelius 

maligen Tribunen. Da er P. f. M. n. war, so ist 
als sein Grossvater Nr. 247 und als sein Vater 
Nr. 250 zu betrachten (vgl. Borghesi Oeuvres 
IX 211. 244). 

255) Ser. Cornelius Maluginensis, cos. lOn.Chr., 
s. o. Lcntulus Maluginensis Nr. 226. 

256) L. Cornelius Maluginensis Uritinus, Ser. 

f. P. n. (Acta tr.), war Consul 295 = 459 ( 

Maluginensis Ur[itinus] Fasti Cap.; L. Corne- 
lius Maluginensis Liv. Ill 22, 1 ; Aevxios Koq- 
vrjlwg KovQixTvog Diod. XI 86, 1 ; Aevxwg Kog- 
vrjhog Dionys. X 20. XI 16. 63; L. Cornelius 
Cassiod.; Malluginense Chronogr.; Maloginense 
Idat.; MaloyEvvrjoiov Chron. Pasch.; Cognomen 
Uritinus hergestellt von Borghesi Oeuvres IX 
13; Bedeutung unsicher). Der Amtsgenosse des 
Maluginensis Q. Fabius Vibulanus unternahm 
einen Feldzug gegen die Aequer, und die Colonie 
Antium fiel von Rom ab. Soweit stimmen die 
Kriegsberichte iiber dieses Jahr iiberein (Liv. Ill 
23, 7). Naeh der Hauptquelle des LMus ver- 
einigte sich Maluginensis erst mit Fabius, als 
der Krieg gegen die Aequer fast beendigt war, 
verheerte mit ihm gemeinsam das feindliche Ge- 
biet und erhielt dafiir einen Triumph (Liv. Ill 
23, 7. 24, 8). Nach anderen Annalisten hat er 
dagegen vielmehr Antium bekriegt und zuruck- 
erobert. Livius verwirft diese Behauptung, quia 
nulla apud vetustiores scriptores eius rei mentio 
est, und wir miissen uns seinem wohlbegrundeten 
Urteile anschliessen (vgl. Schwegler R. G. II 
721. Mommsen- CIL X p. 660: Be rebus An- 
tiatium quae in annalihus Romanis traduntur 
ante quintum saeculum omnia parum fida). 
Aber diese unglaubwurdige Angabe liegt nicht 
nur dem detaillierten Bcricht des Dionys. X 21 
zu Grunde, sondem hat auch ihren Eingang in 
die Acta triumph, gefunden , nach denen Malu- 
ginensis de Volsceis [A]ntialih(us) triumphierte. 
Im J. 305 = 449 tritt er bei Livius (III 40, 8. 
41, 4) und Dionys (XI 16—21. 44) zu Gunsten 
des zwciten Decemviralcollegiums auf, weil nach 
der Anschauung dieser Autoren sein Bruder Marcus 
zu dessen Mitgliedern gehorte. Dass diese Ver- 
wandtschaft rein erdichtct ist, ergeben die Fasten, 
nach denen der Decemvir eher der Sohn des Ma- 
luginensis Uritinus sein kann (vgl. Nr. 246). 
Selbstverstandlich andert diese MOglichkeit nichts 
an der Thatsache, dass jene Senatsdebatten, in 
denen man den Bruder oder Vater auftreten liess, 
jeder geschichtlichen Realitat entbehren und voll- 
standig erfunden sind. 

257) A. Cornelius Mammula gelobte als Praetor 
537 = 217 im Auftrage von Senat und Volk ein 
Ver sacrum — der einzige derartige Fall aus histo- 
rischer Zeit (Liv. XXXIII 44, 2; vgl. Marquardt 
St.-V. Ill 265), Im folgenden Jahre erscheint er 
als Propraetor von Sardinien an der Spitze einer 
Flottc und fordertvom Senate Geld undGetreide; 
doch konnte ihm in dieser Zeit der grossen Not 
nach der Niederlage von Cannae nichts bewilligt 
werden, und er musste suchen, etwas von den 
Bundesgenossen zu erhalten (Liv. XXIII 21, 4. 7. 
Val. Max. VII 6, 1). Anfang 539 = 215 kehrte 
er aus der Provinz wieder heim (Liv. XXIH 32, 8. 
34, 10). 

258) A. Cornelius Mammula erhielt als Praetor 
im J. 563 = 191 Bruttium als Provinz und ein 



Cornelius 



1406 



Hcer, mil die sudOstlichen Kiistenlandschaften 
Italiens vor etwaigen Angriffen zu schiitzen (Liv. 
XXXV 24, 6. XXXVI 2, 6f. 3, 14). Im Jahre 
darauf erhielt er den Befehl, seine Truppen nach 
Aitolien hiniiberzufiihren, aber nur Valerius Antias 
weiss davon , dass dies wirklich geschehen und 
dass C. das Commando als Propraetor in Aitolien 
gefiihrt habe (Liv. XXXVII 2, 7. 4, 1. 48, 5), 
daher ist die Angabe verdachtig (vgl. Ed. Meyer 
10 Rh. Mus. XXXVI 121). 

259) M. Cornelius Mammula wurde 581 = 173 
an die Hofe von Makedonien und Agypten als 
Gesandter gescluckt (Liv. XLII 6, 5). Derselbe 
Name findet sich auf einer alten tusculanischen 
Inschrift (CIL I 1046 = XIV 2691). 

260) P. Cornelius Mammula, Praetor undStatt- 
halter von Sicilien 574 = 180 (Liv. XL 35, 2. 8). 

[Mtinzer.] 

261) Cornelius Marcell(inus) (CIL VI 26033) 
20 s. o. Lentulus Marcellinus Nr. 227. 

262) L. Cornelius Marcellus, qfitaestor) prfbj 
prfaetore) des Proconsuls M. Haterius Candidus 
in Sicilien (CIL X 7192 Agrigent), l[eg(alus) 
pr(o)] pr(aetore) provfineiae) eiusd(em) , pr(ae- 
tor) d[es(ignatus)] (CIL X 7266 Panormus ; aus 
dieser von C. selbst gesetzten Weihinschrift kann 
man kaum schliessen, dass er Aedilitat oder 
Volkstribunat nicht bekleidet habe). Vf ahrschein- 
lich derselbe ist der Senator Cornelius Marcellus, 

30 der im J. 65 n. Chr. in den Process gegen C. Cassius, 
L. Iunius Silanus und Iunia Lepida verwickelt 
wurde, aber der Strafe entging (Tac. ann. XVI 8). 
Im J. 68 wurde er von Galba in Spanien getotet 
(Tac. hist. I 37; vermutlich hatte er dort eine 
Legion commandiert). Vgl. Klein Verw. Beamte 
von Sicil. u. Sard. 105f. 163. Municipalbeamte 
dieses Namens CIL II 3426 (Carthago nova). Ill 
6833 (Antiochia in Pisidien). X 7518 (Sulci). 

[Groag.] 

40 263) Cornelius Martialis, Tribun (in der Prae- 
torianergarde) , wird nach der pisonischen Ver- 
schworung, 65 n. Chr., degradiert, Tac. ann. XV 
71. Daher finden wir ihn im J. 69 als primi- 
pilaris bezeichnet, als welcher er eine Mission 
des (Flavius) Sabinus an Vitellius ausrichtet und 
nach der Erstiirmung des Capitols durch die Vitel- 
lianer gegen diese kampfend den Tod findet, Tac. 
hist. IH 70. 71. 73. An eine regelmassige Ite- 
rierung des Primipilats nach dem Tribunat, wie 

50Klebs Prosopogr. imp. Rom. I 458 nr. 1140 mit 
Berufung auf Mommsen zu CIL V 867, annimmt, 
ist gerade bei C. schwerlich zu denken. [Stein.] 

264) Q. Cornelius Maximus war der Lehrer des 
Juristen C. Trebatius Testa, gehOrte also der cice- 
ronischen Zeit an (Pomp. Dig. I 2, 2, 45; vgl 
Cic. ad fam. VII 8, 2; auch ebd. 17, 3 deutct 
auf nahe Beziehungen hin). Aller Wahrschein- 
lichkeit nach ist er auch der C, von dem Al- 
fenus (Dig. XXXIII 7, 16, 1) ein Responsum an- 

60 fiihrt. Dieses zeigt ihn als Zeitgenossen des Ser. 
Sulpicius Rufus, was zu jenen Angaben des Cicero 
und Pomponius stimmt. Dagegen 1st er selbst- 
verstandlich mit dem bei Gaius I 136 genannten 
Maximus (Consul 743 = 11 v. Chr.) nicht zu vcr- 
selbigen (vgl. Teuffel R. Litt.-Gesch. § 154, 7). 

[Jors.] 

265) Cn. Cornelius Merenda, Praetor und 
Statthalter von Sardinien 560 = 194 (Liv. XXXIV 



1407 



Cornelius 



Cornelius 



1408 



1409 



Cornelius 



Cornelius 



1410 



42, 4. 43, 7), vielleicht als Gesandter in Asien und wurde 667 — 87 von dem Consul Cn. Octavius 

565 = 189 (vgl. Nr. 268). nacli der Vertreibung des L. Cornelius Cinna 

266) P. Cornelius Merenda bewarb sich vcr- (Nr. 106) an dessen Stelle zu seinem Collegen 
gebens urns Consulat fiir 538 = 216 (Liv. XXII ernannt (Veil. II 20, 3. Plut. Mar. 41, 1. 45, 4. 
35, 1). Appian. bell. civ. I 65f.). Bei der Biickkehr der 

267) Ser. Cornelius Merenda wurde 479 = 275 Demokraten nach Eom legte er unter dem Druck 
wegen der Tapferkeit, die er bei der Einnahme der allgemeinen Verbaltnisse das Consulat nieder 
von Caudium bewies, von dem Consul L. Corne- (Veil. II 22, 2. Diod. XXXVIII 3. Appian. I 70; 
lius Lentulus mit einem goldenen Kranze belohnt consularis Val. Max. IX 12, 5). Trotzdem musste 
(Plin. n. h. XXXIII 38, vgl. Nr. 210) und ge- 10 er darauf gefasst sein, der Schreckensherrschaft 
langte im folgenden Jahre selbst zum Consulat des Marius und Cinna als einer der ersten zum 
(Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Cassiod.). Opfer zu fallen; es wurde nur zum Schein ein 

268) Cn. Cornelius Merula, 565=189 Mit- gerichtliches Verfahren gegen ihn eingeleitet, denn 
glied der Zehnercommission zur Ordnung der sein Tod war beschlossene Sache. Er legte daher im 
kleinasiatischen Verhaltnisse (Liv. XXXVII 55, 7). capitolinischenluppitertempel die Abzeichen seiner 
Aller Wahrscheinliclikeit nach ist das Cognomen Priesterwiirde nieder, verfluchte seine Feinde und 
verscbrieben und ist hier Cn. Cornelius Merenda schnitt sich darauf selbst die Adern durch. Sein 
Nr. 265 gemeint (vgl. Willems Le senat de la Amt blieb nach seinem Tode 75 Jahre lang wi- 
rep. rom. n 506, 1). besetzt (Veil. Val. Max. Tac. ann. III 58. Flor. 

269) Cn. Cornelius Merula (rvalos Manilas), 20 II 9, 16, daraus Augustin. civ. dei III 27. Appian. 
wurde 592 = 162 mit dem Consular T. Manlius I 74. Dio LIV 36, 1). 

Torquatus abgeschickt, um Ptolemaios Physkon 273) L. Cornelius Merula wird von Varro in 

auf den Thron von Cypem zuruckzufiihren (Polyb. seinem dritten Buche vom Landbau, wo sich die 

XXXI 18, 9f.). Die Gesandten reisten mit dem ins J. 700 = 54 verlegte Unterhaltung haupt- 

Priitendenten bis Rhodos, dann ging Merula in- sachlich mit der Geflugelzucht beschaftigt, als 

folge einer Anderung des ursprflnglichen Planes Hauptsprecher eingefiihrt (Cornelius Merula con- 

rnit ihm nach Kreta und von da nach Kyrene, sulari familia, ortus III 2, 2 , Lueius Merula 

wahrend Torquatus sich an den Hof nach Ale- 2, 8, sonst nur Merula genannt). Vielleicht einer 

xandreia begab (ebd. 26, 8). Merula suchte ohne seiner Freigelassenen ist L. Cornelius Merul(ae) 
Erfolg zwisehen Ptolemaios Physkon und seinem 30 l(ibertus) Antioc(hus), der mit mehreren anderen 

altoren Bruder, dem Konige Ptolemaios VI. Philo- Freigelassenen eines L. Cornelius auf einer In- 

mctor, zu vennitteln und kehrte schliesslich, nacli- schrift aus Minturnae genannt wird (CIL X 6028). 

dem er in Alexandreia gewesen, von der Kyre- [Miinzer.] 

naika aus mit Gesandten des Priitendenten nach 274) C. Cornelius, G. f., (tribu) VotfuriaJ, 

Eom zuriick (ebd. 27, 3. 28, Iff. XXXII 1, 2). Minicianus (den vollen Namen giebt die Inschrift), 

Im J. 600 = 154 ging er in ahnlicher Mission Freund und Landsmann des jiingeren Plinius, der 

noch einmal an der Spit/.e einer grasseren Ge- fur ihn den Militartribunat erbittet, ep. VII 22, 

sandtschaft nach dem Osten (ebd. XXXIII 8, 6). und an ihn ep. Ill 9 und IV 11 richtet. Ge- 

Unter dem Schein der Vermittlung trug er doch naueres iiber die Laufbahn des C. erfabren wir 
dazu bei , den Bruderzwist in dem agyptischen 40 aus der Inschrift einer ihm von der plebs urbwna 

Konigshause zu verscharfen, von Bergomum gesetzten Statue, CIL V 5126 = 

270) L. Cornelius Merula, L. f. (Fasti Cap.), Dessau 2722. Daraus, wie aus den Worten des 
war Stadtpraetor 556 = 198 und unterdriiekte als Plinius und aus der Tribuszugehorigkeit orkennen 
soldier einen von karthagischen Geiseln und Gc- wir, dass er aus Bergomum stammte, aus reichem 
fangenen angestifteten Sclavenaufstand in Setia Hause nach Plin. VII 22, 2. Er w&r praeffeetusj 
und Praeneste , ehc er weiter um sich griff (L. cohfortis) primfae) flamascferwrum), Iribfunus) 
Cornelius Merula Liv. XXXII 7, 13. 8, 5; da- mil(itum) legionis III August(ae) ', praef. fa- 
gegen L. Cornelius Ijmtulus Liv. XXXII 20, 8 br(um), curator rei p(ublime) Otesinorum ; dann 
— 16 und KoQvijhos Afatov/.o; Zonar. IX 16, vgl. in seiner Heimat Illlvir i(urc) d(icimdo), pontifcx 
iiber diesen absichtlichen oder zufalligen Irrtum 50 und patron tis, sowie flamen des dortigen Claudius- 
Nr. 74). 560 = 194 war er Triumvir coloniae tempels und flamen des Traianstempels in Medio- 
deducendae (Liv. XXXIV 45, 5) und 561 = 193 lanum. Er hat also Traian (gest. 117 n. Chr.) 
Consul (Fasti Cap. Liv. XXXIV 54, 1. 55, 1. iiberlebt, um das J. 90 war er von Eom abwesend 
Nep. Hann. 8, 1. Chronogr. Idat, Chron. Pasch.). (Plin. epist. IV 11, 15); auch zur Zeit, als Plinius 
Er erhielt Gallien als Provinz, vcrheerte das Ge- epist. IV 11 an ihn schrieb (zwisehen 102 und 105 
biet der Boier und schlug sic in einer grossen nach Mommsen), hielt er sicb in seiner Vater- 
und blutigen Schlacht bei Mutina, worauf er zu stadt auf. Seinen Cbarakter schildcrt Plinius in 
den W allien nacli Eom reiste (Liv. XXXIV 55, 5. dem Empfehlungsschreiben der Tendenz des Briefes 
56, 12f. XXXV 4, 1—5, 14. 6, 5—7). Trotz der angemessen wohl in etwas zu gliinzenden Farben, 
entscheidenden Bedeutung dieses Sieges (Momm- 60 wenn er ihm bei grossen Fahigkeiten eine unge- 
sen B, G. I 666) wurden gegen den Feldherrn. wohnliche Liehe zum Studium nachruhmt und 
namentlich von seinem Legaten M. Marcellus, Vor- ihn ornametitum regionis ineae, rectissimt/s iu- 
wiirfe erhoben, die den Senat bewogen, ihm den dex, fortissimus achocatus, amicus fidelissimus 
geforderten Triumph zu versagen (Liv. XXXV 6, und mudestissimus vir nennt. [Stein.] 
9f. 8, 1—9. 20, 5). . 275) Cornelius Nepos, w«»«'eeps des Vibius Se- 

271) L. Cornelius Merula, euruliseher Aedil vcrus (s. d.) und des Insubrers T. Catius (Plin. 
593 = 161 (Terent. Eunuch, tit.: Phorm. tit). epist. IV 28, 1). was, wenn man die Bezeiclmung 

272) L. Cornelius Merula war Flamen Di'alis als Padi aceola bei Plin. n. h. Ill 127 wOrtlich 



nimmt, auf Ticinum als Vaterstadt fiihren wiirde das Citat Varro in Nepole haee praescpes dixit 

(Mommsen Herm. Ill 62; dagegen Unger Der (Charis. p. 59, 15 K.) auf einen nach Nepos be- 

sog. Cornelius Nepos 134f'.), jedenfalls aus nannten Logistoricus des Varro beziehen darf, 

dem transpadaniscben Gallien und damit Lands- bleibe dahingestellt. 

mann des Catull (quern Gallia praebuit Ca- Unter seinen Werken waren , abgesehen von 

tullo, Auson. eel. 1, 9), der, ihm eine Samm- kleineren lyrischen Productionen, deren Plin. epist. 

lung seiner kleineren Gedichte (c. 1) widmete V 3, 6 beilaufig gedenkt, das alteste (denn sie 

(anerkennende Erwahnung Catulls bei Nepos vit. lagen dem Widrnungsgedichte des Catull um ge- 

XXV 12, 4). Seine axfxr) setzt Hieron. chron. a. raume Zeit vorans, Catull. 1, 3ff. namqus tu so- 
Abr. 1977 ins J. 714 = 40: Cornelius Nepos 10 lebas mean esse aliquid putare nugas, iam turn 

seribtor historieus clarus habetur. Doch muss er sum misus es unus Italonim omne aevum iribus 

damals schon in hoheren Jahren gestanden haben, explicate cartis, doelis, luppiter, et laboriosis) 

denn er bezeichnete Dinge, die unter der- Regie- die drei Biicher (tribus cartis Catull.) Chronica 

rung des Ptolemaios X. Lathyros von Agypten (f 81 (so Auson. epist. 12 p. 238, 4 Peip.; in primo 

v. Chr.) vorgefallen waren, als sua aetate geschehen clironico Gell. XVII 21, 3), der erste Versuch 

(Plin. n. h. II 169) und rechnete die Aedilitat des dieser Art (unus Italorum Catull.), in dem es 

P. Lentulus Spinther (691 = 63) als bereits ge- vor allem darauf ankam, durch eine Reihe von 

raume Weile nach seiner eigenen Junglingszeit Synchronismen eine allgemeine Zeittafel der Haupt- 

gelegen (Plin. n. h. IX 137); im J. 689 = 65 ereignisse der griechischen und romischen Ge- 
horte er in Rom Ciceros Verteidigungsrede fiir 20 schichte aufzustellen. Vorbild und Quelle war 

C. Cornelius mit an (Hieron. c. Ioann. Hierosol. fur ihn in erster Linie die Chronik des Apollo- 

12 = Mignelat. 23, 365 refert Cornelius Nepos doros (Solin. 1, 27; vgl. E. Eohde Rh. Mus. 

se praesente isdem paene verlris, quibus cdita XXXVI 534), und wie dieser hat er auch die 

est , earn pro Cornelia seditioso tribuno defen- Chronologie der Litteraturgeschichte besonders 

sionem peroratam), ein senatorisches Amt hat er ausfuhrlich berucksichtigt (Homer Gell. XVII 21, 

nie bekleidet (Plin. epist. V 3, 6), gestorben ist 3; Archilochos ebd. 21, 8); die Griindung Roms 

er nach 712 = 32 , dem Todesjahre des Atticus setzte er wie Polybios u. a. 01. 7, 2 = 750 v. Chr. 

(vit. XXV 19, 1: lime hactenus Attico vivo a (Solin. 1, 27; vgl. G. F. Unger Rh. Mus. XXXV 

nobis edita sunt; nunc quoniam fartuna nos ei 13ff.), aber er begann nieht (wie Atticus) erst mit 
superstites esse voluit, reliqua perscquemur) und 30 ihr , sondern aueh die mythische Zeit war be- 

zwar divi Augusti principatu (Plin. n. h. IX 137. handelt (Saturnus als Konig von Latium, Minuc. 

X 60), d. h. wohl nach dem J. 727 = 27. Wah- Fel. 21, 4, Tertull. apol. 10; ad nat. II 12. Lact. 

rend er mit Atticus durch langjahrige intime inst. I 13, 8), und darauf geht vielleicht die Be- 

Freundschaft verbunden war (vit. XXV 13, 7 zeichnung des Werkes als einer Art von apolor/i 

atque hoe non auditum scd eognitum praedi- bei Auson. a. a. O. apologos Titiatii et Nepotist 

camus : saepe enim propter familiaritatem do- chronica quasi alios apologos (nam et ipsa, instar 

mesticis rebus interfuimus), datiercn die offenbar sunt falndarum) ad nobilitatem tuam mi si gau- 

durch Atticus vermittelten Beziehungen zu Cicero dens atque etiam glorians fore aliquid, quod ad 

(iiberschatzt von Gell. XV 28, 1 M. Ciceronis ut insiitulionem tuorum scdulitatis meae studio 
qui maxime amicus familiaris fuit), wie es 40 confer atur. Die Stelle beweist auch, dass das 

scheint, nur aus den letzten Lebensjahren des Buch noch in spiiterer Zeit zur Orientierung und 

letzteren und sind nicht allzu cnger Natur; noch zum Nachschlagen beniitzt wurde; in der Litte- 

im November 710 = 44 weiss Cicero liber die ratur ist die Chronik des Nepos, wie es scheint, 

hauslichen Verbaltnisse des Nepos nicht besonders durch das selbstandigere Werk des Atticus zu- 

gut Bescheid (ad Att. XVI 14, 4 male narras ruckgedrangt worden, doch konnen wir Benutzung 

de Nepotic filio; valde mekereide moveor et mo- ausser bei Cicero (Rohde a. a. O. 533) mit Sicher- 

leste fero. nescieram omnino esse istum puerum), heit bei Gellius und Solin (bei letzterem ist sie 

und die Stelle ad Att. XVI 5. 5 (Juli 710 = 44) eine indirecte) nachweisen, und auch in derNatur- 

Nepotis cpistulam exspecto. cupidus ille meorwn? geschichte des Plinius ist eine Zeittafel beniitzt, 
qui ea , quibus mnxime, yavQtw , legenda non 50 die auf der Chronik des Nepos als Grundlage bc- 

putct. et ais ,/itr' a/wuom' : tu vero a/ivuon', ille ruhte (F. Miinzer Beitr. z. Quellenkritik d. Natur- 

quidem a/iftooros klingt etwas kiihl ironisch; die geschichte d. Plinius 334ff.). 
Correspondenz beider lag spater in einer minde- Aus einem Werke Exempla besitzen wir drei 

stens zwei Biicher umfassenden Sammlung vor Fragmentc, die mit ausdriicklicher Angabe des 

(Cicero in libro epishtlarum od Corndiuni Ne- Titels citicrt werden, ein ganz farbloses ans dem 

potem seeundo Macrob. Sat. II 1, 14; Cicero . . . zweiten Buche (Charis. p. 146, 19 K. Nepos Exem- 

. . ad Cornelium Nepotem Suet. Caes. 55 , vgl. plorum IJ ,a virgine Vcstale' inquit), aus Buch V 

Animian. Marc. XXI 16, 13. XXVI 1, 2. Prise. die Geschichte von den nach der Schlacht bei 

G. L. II 383, 1 K.; Nepos Cornelius ad Cicero- Cannae zu Austauschverhandlungen nach Rom ge- 
nem Lact. inst. Ill 15, 10); vielleicht hat Nepos, 60 scliickten Gefangenen Hannibals (Gell. VI 18, 11), 

wie er eine Biographie Ciceros schrieb (s. u.), sich endlich ohne Buchzahl und sogar ohne Namen 

auch an der Veranstaltuiig der Gesamtausgabe des Verfassers (in Exemplis reposiium est), aber 

seiner Werke beteiligt und geht darauf die Be- mit Sicherheit auf dies Werk zuruckzufiihren, die 

merkung des Fronto epist. p. 20 Nab.: eontigisse Erzahlung von der grossherzigen Handlungsweisn 

quid tale M. Porcio auf Q. Ennio u. s. w. quid des alteren Ti. Sempronius Gracchus gegenuber 

M. Tidlio tale usw venit? quorum libri pretio- Scipio Asiaticus" und dem Africanus maior (Gell. 

stores habentur, si sunt {a) Lampadione ant VI 19, 1); wir haben uns das Werk also als eine 

Staherio u. s. w. aid Attico ant Nepnte. Ob man nach sachlichen Gesichtspunkten geordnete Anek- 



Panly-Yv'iasowa IV 



45 



1411 



Cornelius 



Cornelius 



1412 



dotensammlung vorzustellen, von der Art, wie sie Arbeiten, mid zwar, da wir eine mehrbandige 
uns in dem Werke des Valerius Maximus vor- Biographie Ciceros (Gell. XV 28, 1 in librorum 
liegt, der gewiss das Buch des Nepos ausgiebig prima, quos de vita illius composuit) und eine 
beniitzt hat (Traube S.-Bcr. Akad. Munch. 1891, ausfiihrliche Lebensbeschreibung des alteren Cato 
405); ja wenn wir die Disposition von Nepos (vit. XXIV 3, 5 huius de vita et moribus plura 
Werke de viris illustribus vergleichen (s. u.), ist in eo libra perseeuti sumus, quern separatim de 
es sehr wahrscheinlich , dass Valerius Maximus eo feeimus rogatu T. Pomponii Attici) mir aus 
gerade ihm die Einteilung derBeispiele in rOmische fliichtigen Erwiihnungen kenrien, auf dem grossen 
und auslandische entlehnt hat. Aus den Exempla Werke de viris illustribus [Cornelius Nepos in 
stammt vielleicht (Traube a. a. 0.) das von H. 10 eo libro, qui Vita inlustrium inscribitur Zu- 
Dessau Herm. XXV 471f. nachgewiesene Nepos- satzscholion zu Serv. Aen. I 368), vgl. Hieron. 
fragment bei Augustin. contra sec. Iulian. respons. de vir. ill. prol. feeerunt quidem hoc idem . . . 
IV 43 (= Migne lat. 45, 1362) iiber die Kyno- apud Latinos . . Varro, Santra, Nepos, Hyginus 
gamie des Krates und der Hipparchia, dagegen et ad cuius nos exemplar provoeas Tranquillus. 
ist es sehr fraglich, ob die zahlreichen, unter Die Citate mit Buchzahl (Nepos de inlustribus 
dem Namen des Nepos bei Plinius erhaltenen viris II Charis. p. 220, 12 K.; in libro Cornelii 
culturgeschichtlichen Notizen (s. dariiberMiinzer Nepotis de inlustribus viris XIII Gell. XI 8, 5; 
a. a. 0. 322ff.) nicht vielmehr einem eigenen Cornelius Nepos inlustrium XV Charis. p. 141, 
Werke angehcren, das von dem Steigen des Luxus 24 K.) reichen bis zum 16. Buche (Cornelius 
auf alien Gebieten des Lebens handelte (Bauluxus 20 Nepos inlustrium virorum libro XVI Charis. 
Plin. n. h. XVI 36. XXXVI 48, auch XVII 3f., p. 141, 13 K.), die Citate beweisen ferner, dass 
wo Nepos nicht direct genannt ist, aber Traube die dargestellten PersCnlichkeiten nach Gattungen 
a. a. 0. die Herkunft aus ihm erkannt hat, ferner gcordnet waren, und zwar die romischen Vertreter 
Priscian. G. L. II 383, 4 K. und dazu Munzer jeder Gattung gesondert von den griechischen, 
a. a. 0. 327 ; Edelmetalle und Edelsteine XXXIII bezw. auswartigen; dem auf uns gekommenen 
146. XXXVI 59; Purpur IX 137; Speise und Buche von den ausserromischen Feldherrn folgtc 
Trank X 60. IX 61. XIII 104. 106). Dass wir ein solches iiber die romischen Feldherrn (vit. 
den Titel des Werkes nicht kennen, hat nichts XXIII 13, 4 sed nos tempus est huius libri faeere 
Bcfremdliches , da das Gleiche der Fall ist bei finem et Bomanorum explieare imperatores, quo 
ciner weiteren Schrift des Nepos, deren Spuren 30 faeilius eollatis utrorumque factis qui viri prae- 
sich bei Pomponius Mela und ebenfalls bei Plinius ferendi sint possit iudieari; aus diesem Buche 
(indirecte Beniitzung des Nepos nimmt fur beide stammen die Fragmente iiber Marcellus Plut. 
ohne ausreichenden Grund C. Wag ener Comment. Marc. 30 ; comp. Pelop. c. Marc. 1, Africanus maior 
Woelfflin. 3ff. an) verlblgen lassen; es muss eine Serv. Aen. I 368, Lucullus Plut. Luc. 43, Augustus 
Chorographie des gesamten Erdkreises gewesen Suet, Aug. 77), dem de Minis historieis, von dem 
sein, denn die Bruchstiicke beziehen sich auf den Bruchstiicke vorliegen (s. u.), entsprach ein solches 
Okeanos (Mela III 45. Plin. II 170) , den Weg de historieis graeeis (vit. X 3, 2 sed de hoc in eo 
vom Arabicus sinus nach Gades (Mela 111^90. Plin. libro plura sunt exposita, qui de historieis graeeis 
III 169), Mauretanien (Plin. V 4), Gallia cis- eonsariptus est), ein Buch handelte de regibus 
alpina (Plin. in 125. 127. 132, auch VI 5; vgl. 40 graeeis (vit. XXI 1, 1 hi fere fwrunt graecae 
0. Hirschf eld S.-Ber. Akad. Berl. 1894, 348ff. gentis duces . . . praeter reges; namque eos at- 
Miinzer a. a. 0. 334f.) u. a.; besonders treten tingere noluimus, quod omnium res gestae sepa- 
die bestimmtcn Zahlenangaben hervor, so fur die raiim stmt relator). Da die NichtrCmer voran- 
Breite des fretum Oaditanum (Plin. Ill 4) und standen und nach Ausweis des Fragmentes aus 
der Alpen (Plin. Ill 132) , fur die Entfernung Buch XIII (Gell. XI 8, Iff. iiber A. Albinus), das 
des thracischen vom kimmerischen Bosporos (Plin. dem Buche de historieis Minis angehOren muss, 
VI 77) und des Pontos vom Caspischen Meer(Plin. die ungeraden Zahlen den Rftniern zufielen, hat 
VI 31), fur den Umfang der Insel Cerne und ihren Nepos, offenbar ebenso wie Varro in seinen Ima- 
Abstand von Karthago (Plin. VI 199); es war gines, denen er ja auch in der TTennung sach- 
also wohl ein Periplus, der vielleicht zu der ps.- 50 licher Gruppen und von RCmern und Auslandern 
apollodoreischen yfjs szeoiodog (o. Bd. I K. 2862) folgtc, ein allgemem einleitendes Buch vorange- 
in demselben Verhaltnisse stand, wie Nepos Chro- schickt, das wahrscheinlich die ganze Anlage des 
nica zu Apollodors Chronik; die Annahme jeden- Werkes und die Scheidung der einzelnen Kate- 
falls, dass das Buch einen specifisch paradoxo- gorien rechtfertigte und auf das sich vielleicht 
graphischen Charakter getragen habe, wird durch Suet, de gramm. 4 Cornelius quoque Nepos in 
nichts gerechtfertigt (denn Plin. V 4 portentosa libello, quo distinguit litteratum ab erudito be- 
Graeeiae mendacia . . . nostros nuperque paulo zieht. Wir wiirden dann eine Gesamtzahl von 
minus monstrifica quaedam de iisdem tradidisse mindestens 17 Buchern, d. h. einem Einleitungs- 
geht nur auf Nepos Leiehtglaubigkeit in Bezug buche und acht Buchpaaren anzunehmen haben. 
auf iibertriebene GrOssen und Entfernungsangaben 60 Von diesen stehen inhaltlich sicher nur die drei 
fiber die Stadt Lixos), und vollends unmOglich ist Paare der reges, duces und kistorici, dazu kommt 
es, wie F. Cipolla Rivista di filologia XI 1883, nach dem auf Terenz bezriglichen Citate Suetons 
372ff. es versucht, die Fragmente dieses Werkes vit. Terent. p. 27, 6. 31, 2 Reiff. eine Abteilung 
alle in der Chronik unterzubringen (die Abhand- de poetis ; eine Behandlung der Staatsmanner 
lung von G. M. Columba Bollettino di filologia kann unmoglich gefehlt haben (Rosenhauer 
classica V 1898, 11—16 ist mir nicht zuganglich). Philol. Anz. XIII 740 vermutet als Titel nach 
Aber der Schwerpunkt von Nepos schriftstelle- Ampel. 19 qui in toga fuerunt inlustres; vgl- 
rischer Thatigkeit liegt in seinen biographischen auch A. Hafner Quaestiunculae Plinianae, cum 



1413 



Cornelius 



Cornelius 



1414 



appendice de Cornelii Nepotis librorum de viris gewiesen werden; da dessen Vita (ein Citat aus 

illustribus numero, Neuburg 1898), auf litterari- ihr auch bei Plut. Ti. Gracch. 21) jedenfalls 

schem Gebiete ergeben sich die fehlenden Kate- in der Abteilung ,Staatsmanner' stand, so deutet 

gorien der philosophi, oratores, grammatici von die Bezeichnung in eodem libro nur das Ge- 

selbst. Dass auch die bildenden Kunstler eine samtwerk an und ist erst nacMier, wegen des 

eigene Gruppe ausmachten, wird durch Plin. n. h. unmittelbar vorausgehenden Stuckes , falschlieh 

XXXV 16 hune [der korinthische Maler Ekphan- auf de Minis historieis bezogen worden. In 

tos] eodem nomine alium fuisse quam quern dem ersten Teile, dem sogen. ,Feldherrnbuche', 

iradit Cornelius Nepos seeutum in Italiam De- heben sich die ersten 20 Biographien von den 
maratum, Tarquini Prisci Romani regis patrem, 10 drei letzten Abschnitten sehr deutlich ab (vgl. 

fttgicntem a Corintho tyranni iniurias Cypseli, namentlich XXI 1 und 5), und da wir XXIII 

niox docelnmus durchaus nicht erwicscn (Oeh- 13, 1 ein Citat aus der Chronik des Atticus in 

mieben Plinian. Studien 205. Robert Archaeol. einer Form vorgebracht finden, die den Tod des 

March. 123f.; das Fragment gehort wahrschein- Verfassers voraussetzt (namque Atticus . . m 

lich in das culturhistorische Werk, vgl. Munzer annali suo seriptum reliquit; vgl. Asbach 

Herm XXX 542f.), und damit ist der Hypothese Anal. hist, et epigr. lat., Diss. Bonn. 1878, 34), 

Brunns (S.-Ber. Akad. Munch. 1875, 311ff.; vgl. so rechtfertigt sich die Annahme, dass diese drei 

Furtwangler Jahrb. f. Philol. Suppl. IX 25ff.), Abschnitte (mCglicherweise auch die Vita des 

nach der Nepos eine wichtige Quelle des Plinius Datames [XIV], des einzigen Nichtgriechen mner- 
insbesondere fur die Biographien der Maler ge- 20 halb der ersten 20 Stiicke, deren Aufhahme audi 

wesen ware, der Boden entzogen. Dass das ganze XIII. 4, 5f. eigens motiviert wird) erst bei der 

Werk auf einmal publicicrt wurde, zeigen Ausse- zwciten Auflage hinzugefugt wurden (vgl. B. Lupus 

rungen wie vit. praef. 8 sed hie plura persequi Jahrb. f. Philol. CXXV 397). Denn eine solehe 

cum magnitude voluminis psroMbet him festi- Neubearbeitung bezeugt fur die Atticusvita Nepos 

natio, ui ea explieem, quae exorsus sum; quare selbst XXV 19, 1 haee haetenus Attico vim edita 

ad propositum veniemus et in hoo explieemus a nobis sunt, nunc, quoniam fortuna nos super- 

libro de vita exceltentium imperatorum, , und stites ei essevoluit, reliqua persequemur ; erfiigte 

namentlich Verweisungen auf spatere Teile des damals die vier Schlusscapitel 19— 22 hinzu. Fiir 

Werkes als auf bereits vorliegende (vit. X 3, 2 die Chronologie der ersten Ausgabe ist es von 
sed de hoe in eo libro plura sunt exposita, qui 30 Wichtigkeit , dass Nepos die Verheiratung der 

de historieis graeeis conseriptus est). Da das Tochter des Atticus mit M. Vipsanius Agrippa 

r'anze Werk dem Freunde Atticus gewidmet war schon in dieser erwahntc (XXV 12, If.), dagegen 

(die feierliche Widmung stand offenbar am An- die Verlobung der aus dieser Ehe hervorgegangenen 

fange des ersten Buches, in den Vorreden der Tochter mit dem nachmaligen Kaiser Tiberius, 

einzelnen Biicher konnte dann eine formlosere welche erfolgte, als jene kaum ein Jahr alt war 

Anrede Platz greifen; darum hat Heerwagen (vix anniculam), erst in den Zusatzcapiteln (XXV 

Munch, gel. Anz. 184(5, 243 mit Unrecht das 19, 4); diese Heirat scheint in das J. 717 = 3* - 

blosse Altiee vit. praef. 1 beanstandet), so muss zu fallen (Dessau Prosopogr. Ill 439). Dass 

es vor dem Tode dieses Mannes (722 — 32) heraus- der Vermittlung des M. Antonius bei diesem Ehe- 
gegeben sein; es ist aber spiiter noch eine zweite 40 bunde mit der cntschuldigenden Wendung mm 

Ausgabe erfolgt, deren Spuren sich in den er- est enim celandum (XXV 12, 2) gedacht_ wird, 

haltenen Teilen an zwei Stellen deutlich zeigen. weist auf die Zeit des Zerwiirfnisses zwisch™ 

Auf uns gekommen sind in zusammenhangender Antonius und Octavian bin , so dass alles mit 

Uberlieferung 1) unter dem Titel de exeellentibus grosser Wahrscheinlichkeit auf die J. 719 oder 

ducilms cxterarum gentium (so die beste Form; 720 = 35 odor 34 fiihrt. Die zweite Ausgabe ist 

dass der Titel nicht urspriinglich ist, zeigt das jedenfalls vor 727 = 27 erschicnen, da der Kaiser 

starkc Schwanken der Hss.) 20 Biographien grie- XXV 19, 2—4. 20, 3. 5 nnr Caesar (die Bezeich- 

chischer Feldherrn (Miltiades, Themistocles, Ari- nung impcrator DM filius XXV 19, 2 giebt keine 

stides, Pausanias, Cimon, Lysander, Alcibiades, genauere Datierung, da die Bchauptung des Cass. 
Thrasvbulus, Conon, Dion, Iphicrates, Chabrias, 50 Dio LII 41, Augustus habe das Praenomen Impr- 

Timotheus, Datames, Epaminondas, Pelopidas, rator erst im J. 725 = 29 angenommen , dureh 

Agesilaus, Eumenes, Phocion, Timoleon), an die die Urkunden widerlegt wird, vgl. Mommsen 

sich nach einer kurzen tbersicht fiber die bereits St.-E, IF 744, 2) , nicht Augustus heisst. \ on 

in dem Buche de regibus graeeis beliandelten dem Buche de Minis histor icis besitzen wir ausser 

kGniglichen Feldherrn (XXI) anhangsweise die den BiogTaphien des Cato und Atticus und emem 

Viten des Hamilcar und Hannibal (XXII. XXIII) Citate bei Suet. rhet. 3 noch ein, offenbar in die 

anschliessen; 2) mit der Uberschrift excerptum Vorrede gchoriges Stuck, welches in warmenWjrten 

c libro Cornelii Nepotis de Minis historieis eine des Verlustes gedenkt, den der Tod des Cicero 

kurz<> Bicraphie des iilteren Cato und eine aus- auch fiir die Kunst der lateimschen Gescnichts- 
fuhrliche "des Atticus (XXIV. XXV); 3) fiber- 60 schreibung bedeutet habe ; es findet sich auf dem 
schrieben verba ex episiula Comeliae Oraceho- Vorsatzblatte der Wolfenbiitteler Hs. von Ciceros 
rum matris ex eodem. libro Cormlii Nepotis philippischen Reden (Gudian. 278 saec. XIllj; 
exeerpta zwei Bruchstiicke eines Briefes der Cor- in dassclbe Buch wurde auch das von Giac. Cor- 
nelia (s. u. Nr. 407) an ihren Sohn C. Gracchus tese (Rivista di filol. XII 1884, 396ff.) aus einem 
(vgl iiber diesen Brief und die ziemlich reiche Palimpsestblatte mitgeteilte anonyme Stuck uber 
Litteratur iiber die Echtheitsfrage die Ausfiih- die Historike* A. Postumius (cos. 603 ,- 151) und 
rungen von Munzer unten S. 15941'., wo die A. Albinus (auf den sich das Ncposfragment bei 
Zweifel an der Authenticitilt mit Recht zuruck- Gell. XI 8 bezieht, s. o.) gehoren, wenn mclit 



1415 



Cornelius 



Cornelius 



1416 



gegen die vom Entdecker versuchte Zuweisuug 
an Nepos schwerwiegende Bedenken geltend ge- 
macht worden waren (F. Buecheler Rh. Mus. 
XXXIX 622f.). 

Ungebiihrliche Schwierigkeiten hat lange Zeit 
die Thatsache bereitet, dass in den Hss. zwar die 
Lebensbeschreibungen des Cato und Atticus (so- 
wie die epistula Corneliae) als aus Cornelius Nepos 
excerpiert bezeichnet sind, das Feldherrnbuch aber, 
sowolil an der Spitze wie in der Subscription, 
nicht diesen Namen, sondern den des Aemilius 
Probus tragt, wahrend zugleich ein der Subscrip- 
tion vorangehendes Epigramm von 6 Distichen 
die Widmung des Buches von einem Probus an 
den Kaiser Theodosius II. (408 — 450) gerichtet 
cnthalt. Daher geben auch die altesten gedruckten 
Ausgaben die Vitae unter dem Namen des Aemilius 
Probus, bis 0. Gifanius (Ausg. d. Lucrez, Ant- 
werpen 1566) und Dion. Lambinus (Ausg. von 
1569) die Meinung zum Durchbruche brachten, 
(lass die Vitae samtlich demselben Verfasser, und 
zwar einem Schriftsteller nicht des 5. Jhdts. n. 
Chr. , sondern des Uberganges von der Republik 
zur Kaiserzeit, also dem Cornelius Nepos ange- 
horen; in neuerer Zeit ist dann namentlich W. F. 
Rinck (1818, dann in den Prolegomena der Roth- 
schen Ausgabe, 1841) wieder dafiir eingetreten, 
dass das Feldherrnbuch Bigentum des Aemilius 
Probus sei, der es mit der Absicht verfasst habe, 
den verlorenen Teil de ducibus exterarum gen- 
tium der viri illustres des Nepos zu erganzen. 
Die Frage kann jetzt als gelOst gelten, nachdem 
L. Traube (S.-Ber. Akad. Munch. 1891, 409ff., 
s. o. Bd. I S. 581f.; die ganz kiinstliche Erklii- 
rung von F. Vogel Jahrb. f. Philol. CLI 1895, 
779ff. hezeichnet gegen T r a u b e einen Ruckschritt) 
festgcstcllt hat, dass nach dem deutlichen Wort- 
laute des Epigramms Probus (samt seinem Vater 
und Grossvater) nicht Verfasser, sondern Schreiber, 
bezw. Sammler der historischen Schriften ist, 
zwischen denen sein Epigramm steht, und dass 
sein Name nur irrtumlich den des wahren Ver- 
fassers im ersten Teile verdrangt hat. Dass der 
Verfasser des ersten Teiles kein anderer gewesen 
sein kann, als der des zweiten, liegt in der ganzen 
Natur der Sainmlung, die sich doch unmSglich 
aus den Bestandteilen verschiedener Werke de viris 
illttstrilnis zusammensetzen konnte. Darum ent- 
behrt die von G. F. Unger (Der sog. Cornelius 
Nepos, Miinchen 1881 = Abh. Akad. Munch. I CI 
XVI Bd. I Abt. 129ff.) mit grosser Gelehrsamkeit 
verfochtene Ansicht, dass der Verfasser der Lebens- 
beschreibungen des Cato und Atticus zwar Cor- 
nelius Nepos, der des Feldhermbuchs aber C. Iulius 
Hyginus (s. d.) sei, schon von vornherein der inneren 
Wahrscheinlichkeit ; dazu ist ihm aber der von 
ihm S. lOOff. unternommene Beweis einer durch- 
gehenden sprachlichen Verschiedenheit zwiscben 
beiden Gruppen von Biographien entschieden miss- 
gliickt; vgl. B. Lupus Jahrb. f. Philol. CXXV 
1882. 379ff. H. Rosenhauer Philol. Anzeig. XIII 
733ff. R. Bitschofskv Jahresber. LXXII 1892, 
90ff. Das von Unger a. a. 0. 146ff. aufge- 
stellte Siindenregister von Anachronismen, Ver- 
wechslnngen , historischen und geographischen 
Schnitzern reduciert sich bei genauerer Nachprfi- 
i'ung auf einen etwas geringeren Umfang, jeden- 
falls beweist es nichts gegen die Autorschaft des 



Cornelius Nepos am Feldherrnbuche, sondern lehrt 
uns nur, ihn als Historiker geringeren Ranges 
einschatzen. In der That stehen die Biographien 
des Nepos nach Auffassung, Inhalt und Darstel- 
lung auf einem ziemlich niedrigen Niveau; dass 
die Biographien des Cato und Atticus sich vor 
denen des Feldherrnbuches einigermassen aus- 
zeichnen, erklart sich leicht daraus, dass die 
erstere auf der Vorarbeit einer viel umfassendcren 

10 Lebensbeschreibung desselben Mannes beruht (s. 
o.), die zweite aber den nachsten Freund und 
Vertrauten des Verfassers zum Gegenstande hat. 
Aber diese Stiicke lassen die Grundfehler der 
iibrigen Biographien nicht verkennen, das Fehlen 
einer grflsseren historischen Anschauung, die 
mangelnde Ordnung und Disposition, die Unfahig- 
keit Wesentliches und Nebensachliches zu unter- 
scheiden, die Vorliebe fiir Anekdoten und sog. 
,culturhistorisches' Detail (dafiir ist die Vorrede 

20 des Feldherrnbuches lehrreich), das platte Morali- 
sieren (XXV 19, 1 quantum poterimus, rerum 
exemplis leetores docehimus, suos cuiqtte mores 
plerumque ooneiliare fortunam); vgl. aussev den 
Darlegungen von Nipperdey in der Einleitung 
dei grosseren (p. XXIVff.) Ausgabe die kurze, 
aber treffende Charakteristik bei C. Wachsmuth 
Einl. in die alte Gesch. 212f. und E. Norden 
Antike Kunstprosa I 204if. Nepos wendet sich 
nicht an einen feineren litterarischen Geschmack, 

30 sondern an das breite Publicum, auf dessen Bil- 
dungsniveau er hinabsteigt (XVI 1, 1 cuius de 
virtutibus dubito quemadmodum exponam, quod 
vereor, si res explicare ineipiam, ne non vitam 
eius enarrare, sed kistoriam videar scribcre ; si 
tantummodo summas attigero, ne rudibus grae- 
carum litterarutn minus dilucide appareat quan- 
tus fuerit ille vir. itaque utrique rei oceurram. 
quantum potuero, et medebor eum satietati turn 
ignorantiae lectorum); seine ganze Darstellung 

40 beruht auf der Aufgabe der Rhetorenschule viros 
inlustres laudare vol vituperare (Suet. rhet. 1), 
darum sind seine Quellen nicht sowohl die Histo 
riker grossen Stiles, als rhetorisierende Geschichts- 
werke und die panegyrisch gefarbte oder pikante 
Biographienlitteratur (zur Quellenfrage Go e the 
Die Quellen Cornels zur griechischen Geschichte, 
Gr. Glogau 1878 und namentlich E. Lippelt 
Quacstiones biographicae, Diss. Bonn. 1889, 37ff.; 
vgl. auch Wachsmuth a. a. 0. 213. Norden 

50 a. a. 0. 205). Beniitzung des biographischen 
Wcrkes ist mit Sicherheit nachzuweisen bei Plu- 
tarch (W. Soltau Jahrb. f. Philol. CLIII 1896, 
123ff. 357ff.) und in den Bobienser Ciceroscholien 
(p. 311 — 312 Or.), auch darf es trotz gegenteiliger 
Behauptung als gesichert gelten, dass die gemein- 
same biographische Quelle des Ampelius und der 
nnter dem Namen des Aurelius Victor uberlieferten 
Schrift de viris illustribus Nepos war (nach den 
iilteren Arbeiten von H. Haupt 1876 und H. 

60Hildesheimer 1880 vgl. namentlich J. Rosen- 
hauer Symbolae ad quaestionem de fontibus libri 
qui inscribitur de viris illustribus urbis Romae, 
Kempten 1882. K. Sehiiller G.Fr.Dngers Hypo- 
these iiber das Feldherrnbuch des Cornelius Nepos, 
GOrz 1897). 

Die sehr zahlreichen Hss. des Cornelius Nepos 
(Cbersicht in der Ausgabe von Roth p. 207ff.) gc- 
horen fast durchweg erst dem 14. oder 15 Jhdt. 



1417 



Cornelius 



Cornelius 



1418 



an (auch die Excerpte aus 16 Vitae in einem 
Codex Patavinus, ttber welche J. Freudenberg 
Jahrb. f. Philol. CXI 1875, 495ff. handelt), die 
wichtigste von ihnen ist der von Roth (Rh. Mus. 
VIII 1853, 626ff.) erst nachtraglich aufgefundene 
Codex Parcensis (P) zu LOwen, der eine wenn auch 
verderbte, so doch selbstandige Uberlieferung dar- 
stellt. Die alteste und beste je bekannt ge- 
wordene Handschrift ist die jetzt verlorene D, von 
P. Daniel (seine Collation wurde von J. Bongar- 
sius an Gottfr. Jungermann verliehen und ist 
hinter der Frankfurter Ausgabe von 1608 abge- 
druckt) und 0. Gifanius verglichen (Mittei- 
lungen aus seinen Notizen, sowohl von ihm selbst 
in den Collectanea seiner Lucrezausgabe 1566, 
als in des P. Manutius Scholia in Attici vitam 
[bei dem Comment, in epist. Cic. ad Att. 1547] 
und durch Vermittlung des CI. Puteanus in den 
Neposausgaben des J. Savaro 1602 und Andr. 
Schottus 1609, sowie in den Randbemerkungen 
des P. Petavius zum Cod. Vatic. Regin. 768), 
wahrscheinlich in Frankreich im 11. oder 12 ; Jhdt. 
geschrieben. D und P, vielleicht auch ein von 
J. fl. Boeder (Strassburger Ausg. von 1640) be- 
niitzter Leidensis (L), reprasentiert jede fiir sich 
eine eigene Uberlieferung, alle andern Hss., unter 
denen der Gudian. 166 (A) zu Wolfenbuttel schon 
durch sein Alter (saec. XII— XIII) hervorragt, 
bilden eine einzige, in verschiedene Gruppen sich 
spaltende Familie. S. dariiber ausser Roth a. 
a. 0. Nipperdey Opusc. 3ff. G. Gemss Zur 
Reform der Textkritik des Cornelius Nepos, Berlin 
1888; Berl. philol. Wochenschr. 1889, 801 ff. H. 
Muzik Wien. Stud. XVI 1894, 47ff. A. Gercke 
Jahrb. f. Philol. Suppl. XXII 1895, 34f. Von den 
alteren Ausgaben, unter denen die des D. Lam- 
binus (Paris 1569) eine ehrende Hervorhebung 
verdient, kommt heute praktisch nur noch die 
Sammelausgabe von A. van Staveren, nament- 
lich in der erweiterten Neuherausgabe durch G. 
H. Bardili, Stuttgart 1820, in Betracht. Die 
Grundlage fur die Textkritik schuf die Ausgabe 
von C. L. Roth, Basel 1841, auf die sich so- 
wohl die kritische Ausgabe von C. Halm (Leipz. 
1871), als die mit knappem Apparate versehene 
Recension von C. Nipperdey (Berlin 1867) 
o-riindet ; Textesrecognitionen u. a. von C. G. C obe t 
(Leiden 1881), M. Gitlbauer (4. Aufl. Freiburg 
1893), A. Fleckeisen (Leipz. 1884); beste er- 
klarende Ausgabe von C.Nipper dey (1849, 2. Aufl. 
von B. Lupus 1879; kleinere Ausgabe, 10. Aufl. 
von B. Lupus 1895). Die neuere Litteratur 
(Teuffel-Schwabe Rom. Litt.-Gesch. § 198, 9 
—12) zur Textkritik (darunter von noch heute 
unvermindertem Werte C. Nipperdey In Cor- 
nelio Nepote spicilegium criticum , Leipz. 1850 
und Spieilegii alterius pars I — VI, Jena 1868 — 
1871 , jetzt zusammen Opusc. 3—196) und zum 
Sprachgebrauche des Cornelius Nepos (grundlegend 
B. Lupus Der Sprachgebrauch des Cornelius Nepos, 
Berlin 1876) ist kaum zu iibersehen; vgl. die 
guten Berichte von G. Gemss Jahresber. d. Berl. 
philol. Vereins (Ztschr. f. Gymn.-Wesen) 1892, 
40ff. 1894, 56ff. 1897, 82ff. 1899, 90ff. 

[Wissowa.] 
276) M. Cornelius M. f. Gal(eriaJ Nigrinus 
Ouriatius Maternus, co(n)s(vl), leg(atus) Au- 
g(usti) pro pr(aetore) prociiicfiaej Moes(iae), 



provine(im) Syriae (CIL II 3788 [die Lesung 
nach 6013 zu corrigieren]. 6013 Liria). C. gehort 
eher dem 2. als dem 3. Jhdt. n. Chr. an (litteris 
saec. Ill ist zu II 6013 bemerkt); ob der Consul 
des J. 185, Maternus, eine Person mit C. war, 
wie Muratori (Thesaurus 343, 1) dachte, oder 
etwa mit Triarius Maternus identificiert werden 
muss (so Dessau Prosopogr. II 353 nr. 273), 
bleibt unsicher. Das Heimatland des C. war wohl 
10 Hispania Tarraconensis (zu seiner Tribus vgl. Ku- 
bitschek Imp. Rom. trib. discr. 189ff.); ob Iulta 
M. f. Gorneli(a) Materna mater W. Chr. Agri- 
colae (CIL II 2034, vgl. 2653) seiner Familie an- 
gehorte, ist fraglich. Der Name Curiatius Maternus 
geht auf den Dichter der flavischen Zeit zuriick 
(vgl. o. S. 81 Nr. 42). [Groag.] 

277) M. Cornelius Oetaviamis, v(ir) p(er- 
fectissimus) , praef(eetus) classis praet(oriae) 
Misen(ensis), dux per Africam Numidiam Mau- 

20 retaniamque, patronus von Bisica, CIL VIII 8435 
(Sitifls); Suppl. 12296 = Dessau 2774 (gesetzt 
von dem Decurionensenat in Bisica). Rev. arch. 
XXXI (1897) 157, 61 (Sitifls; unvollkommen mit- 
geteilt). Die Titulaturen weisen in das 3. Jhdt. 
n. Chr. [Stein.] 

278) Ser. Cornelius Orfitus s. Ser. Cornelius 
Scipio Salvidienus Orfitus Nr. 359ff. 

279) A. Cornelius Palma. a) Name. A. Cor- 
nelius Palma CLL VI 2186; Afvkog) [KoQvr\lio<i 

30 ndkfiag] Le Bas 2305; A. Pal(ma) CIL III 7017 ; 
KoQVf)Xiog ITdl/Ms Le Bas 2296f.; Cornelius Pal- 
m[a] CIL XV 2166 (in Ostia gefundener Ziegel- 
stempel, der sich wohl auf C. bezieht) ; sonst Palma. 
b) Leben. Consul ordinarius im J. 99 n. Chr. mit 
Q. Sosius Senecio (Fasten). Statthalter von Hispania 
Tarraconensis im J. 101 oder bald nachher (Mart. 
XII 9, an Traian gerichtetcs Epigramm; ttber die 
Zeit vgl. Fricdlander in seiner Ausgabe I 14. 
05ff.). Statthalter von Syrien(DioLXVni 14, 5, vgl. 
40 Le Bas III 2296f. 2305) wahrscheinlich seit 104 
(sein Vorganger war Antius Iulius Quadratus ge- 
wesen, s. o. Bd. I S. 2565), unterwarf er in Traians 
Auftrag im J. 105 und 106 das Konigreich der 
Nabataeer und bildete daraus die Provinz Arabia 
(Dio a. a. 0.; vgl. Festus brev. 14, 3. Ammian. 
XIV 8, 13. EutTop. VIII 3, 1. 2. Miinzen bei 
EckhelVI420. Cohen 112 20). Auch mit der 
Einfuhrung der rOmischen Cultur hat bereits C. 
begonnen ; so liess er vom Hauran nach Kanatha 
50 und Arra Wasserleitungen anlegen (Le Bas III 
2296. 2297. 2301. 2305 mit Waddingtons Be- 
merkungen; s. o. Bd. II S. 359ff. und die dort 
angefuhrte Litteratur, ausserdem vgl. Dierauer 
in Budingers Untersuch. z. r. Kaisergesch. I 
lllf. P. Meyer Herm. XXXII 1897, 488; daw 
Werk des C. wurde von dem ersten Statthalter 
der Provinz, C. Claudius Severus, durch die An- 
legung der Strassen fortgefuhrt, s. o. Bd. Ill 
S. 2868 Nr. 347). Traian liess ihm eine Statue 
60 (in Rom) errichten (Dio LXVIII 16, 2), womit 
ohne Zweifel die Erteilung der Triumphahnsignien 
verbunden war (irrig Peine Berl. Stud. II 320); 
daher bezog Borghesi Oeuvres V 31 wahrschein- 
lich mit Recht auf C. das Inschriftfragment CIL 
VI 1386: scnutus supplicationes dis rmmortali- 
bfmj, [ipsi aute]m a[u]e[iore] imp. Caes. Nerva 
Traiaiio Aug. Oerm. Doric, [zwischen 103 und 
114] semtus ornament(a) triumphalfiaj dccr(e- 



1419 



Cornelias 



Cornelius 



1120 



1421 



Cornelius 



Cornelius 



1422 



vit) statuamq(ue) in foro AugfitstiJ poncndam 
censuit (die Erganzung nach Mommsen). Im 
J. 109 bekleidete C. den Jahresconsulat zum zwei- 
tenmal mit Tullus (vgl. CIL III 7006. 1017. 7022f. 
und die fasten; dass sich CIL VI 2186 auf den 
zweiten Consulat des C. bezieht, ist keineswegs 
sicher). Er geho'rte dem Collegium der Ponti- 
fices an (wie Domaszewski und Dessau mit 
Recht aus dem Namen des A. Cornelius Heras, 
der in Listen der lealatores pontiftcum et flami- 
nivm aus den J. 101 und 102 genannt wird, ge- 
schlossen haben, CIL VI 31034. 32445). Durch 
Einfluss, Eeichtum und Euhm zu den Ersten seiner 
Zeit gchOrig (vgl. Dio LXVIII 16, 2. LXIX 2, 5), 
scheint er Trajans Gunst in dessen letzter Zeit 
docll eingebusst zu haben, vielleicht weil' er in 
Verdacht geriet, die Nachfolge anzustreben, und 
den priisuinptiven Thronfolger, Hadrian, anfeindete 
(Hist. Aug. Hadr. 4, 3; dass auf dem Triumph- 
bogen von Benevent, der ein kiinstlerisches Bild 
der Regierungsthatigkeit Traians bis 114 bietet 
[vgl. v. Domaszewski Jahreshefte II 1899, 
173ff.], jede Beziehung auf die militarische und 
civilisatorische Gewinnung Arabiens fehlt, ist 
vielleicbt eine Bestatigung dieser Nachricliten). 
Nach dem Regierungsantritt Hadrians wurde 0. 
(wahrscheinlich zu Anfang 118) in Tarracina ge- 
totet, indem gleichzeitig auch (L. Publilius) Celsus, 
(C. Avidius) Nigrinus und Lusius Quietus ihren 
Untcrgang fanden (Hist. Aug. Hadr. 7, Iff. Dio 
LXIX 2, 5; vgl. o. Bd. I S. 502); die Todes- 
urteile wegen VerschwCrung gegen das Leben des 
Kaisers waren vom Senate erwirkt worden (senatu 
iubentc Hadr. 7, 2; vgl. Dio LXIX 2, 6). Der 
wahre Grund wird gewesen sein, dass man die 
Rivalitat der gefeierten Generale Traians fiirchtete. 

[Groag.] 

280) (P. Cornelius) Pausanias, Freigelassener 
des P. Lentulus Spinther Nr. 238, diente dessen 
niichsten Nachfolgern in der kilikischen Statt- 
lialtersehaft Ap. Claudius Pulcher und M. Tul- 
lius Cicero als accensus (Cic. ad fain. Ill 7, 4). 

281) Cornelius Phagita (Beiname nur bei Suet.), 
machte an der Spitze einer Soldatenschar wah- 
rend der sullanischen Proscriptionen 672 = 82 
auf die Geachteten Jagd. Ihm Hel dabei im Sa- 
binerlande C. Iulhis Caesar in die Hitnde, wurde 
von ihm g-'gen ein Losegeld freigelassen und ver- 
schmahte es spater, sich an C. irgendwie zurachen 
(Suet. Caes. 74. Pint. Caes. 1,2). [Munzer.] 

282) Cn. Cornelius Philixcus, Freund (und 
Freigelassener?) des Cn. Cornelius Pulcher Nr. 295, 
CLG I 1186. 

283) Cornelius Pinus, Maler, war unter Vespa- 
sian in Rom thatig, Plin. n. b. XXXV 120. 

[Stein.] 

284) Cornelius Plotianus, Legat der Legio II 
(Adiutrix) in Aquincum (CIL III 10 507 Aquin- 
cum) in der Zeit zwischen Marcus und Caracalla 
(wie die M. Aurelii der Inschrift und anderer- 
seits das Fehlen des Kaisernamens bei der Legion 
beweisen). 

285) C. Iavolenus Calviims Geminius Kapito 
Cornelius Pollio Squilla Q. Vulkacius Souppidius 
Verus (CIL XIV 2499) s. Iavolenus. 

2S0) I). Cutius Balbinus M. Cornelius l'oti- 
tus L. Attius Iunianus Romulus s. Cutius. 

[Groag.J 



287) Cornelius Primus, Client des spateren 
Kaisers Vespasian. In seiner Wohnung im Vela- 
brum hielt er den vor den Vitellianern fliehendeii 
jungen Domitian verborgen, Tac. hist, III 74, 
vgl. 73 alii fide clicntium protceti; anders be- 
richtet Suet. Dom. 1; vgl. auch Dio ep. LXV 
17, 4. 

288) Cornelius Priscianus, Anwalt des Vibius 
Zeno in einem Erbschaftsprocess vor Kaiser Mar- 

10 cus, im J. 166 n. Chr., Dig. XXVIII 4, 3. 

[Stein.] 

289) Cornelius Priscus, Gemahl der Sulpicia 
C. f. Platorina (CIL VI 31761), der fruhen Kaiser- 
zeit angehorig (vgl. Lanciani Not. d. scav. 1880, 
129f.) Die nicht mehr erhaltene Inschrift CIL 
VI 1606 ist G. Cornelio Prisci f. habenti equum 
publicum gesetzt. 

290) Cornelius Priscus, vielleicht Nachkomme 
des Vorausgehenden, gab als Consular im Process 

20 gegen Varenus Rufus (um 105 n. Chr.) sein Vo- 
tum ab (Plin. ep. V 20, 7; wahrscheinlich kurz 
vorher war er Consul suffectus gewesen). Im 
J. 120/121 war 0. Proconsul von Asia (Henri. 
IV 1870, 178f. = Greek Inscr. in the Brit. Mus. 
Ill 149 nr. 486 = Dittenberger Syll. 12 386 
Schreiben Hadrians an die yegovala der Ephesier 
vom 27. September 120; vgl. Waddington Fast, 
d. prov. Asiat. nr. 125). Der jiingere Plinius 
schrieb an ihn flber den Tod Martials (ep. Ill 

30 21 , urn das J. 104). Ein L. Cornelius Priscus 
(ob der namliche?) wird auf Zicgeln aus Rom 
und Ostia genannt (CIL XV 951. 952, saec. I 
bemerkt Dress el); denselben Namen enthalt die 
Liste der Pontiflces von Sutrium (CIL XI 3254). 

291) Cornelius Proculus, Statthalter von Pau- 
nonia (superior) im J, 133 n. Chr. (Militardiplome 
CIL III Suppl. p. 1978 dipl. XLVII vom 2. Juli 
133; Arch.-epigr. Mitt. XX 1897, 156 vielleicht 
aus demselben Jahre; das Praenomen PfubliusJ, 

40 das dem C. beigelegt wurde, beruht auf falscher 
Lesung; vgl. Bormann und Ritterling Arch.- 
epigr. Mitt. a. a. O. 19); s. Nr. 294. 

292) Cn. Arrius Cornelius Proculus, s. o. Bd. II 
S. 1256 Nr. 18. Die lykische Statthalterschaft 
des C. gehort in die J. 138—140 (vgl. Heber- 
dey Opramoas 70); [i.-zi KogvyUov] IIqox/.ov iov 
oEfirozaTov ijye,uovo[;] erganzt Lanckororiski 
auch in einer Inschrift von Sagalassos (Stadte 
Pamphyl. u. Pisid. II 226 nr. 200). Das Frag- 

50 ment der Arvalacten, das C.s Consulat nennt, ist 
ivieder abgedruckt CIL VI 32379. 

293) Cornelius Proculus, gehort zu den Na- 
men des Bruttius Praesens cos. II 180, s. o. 
Bd. Ill S. 913 Nr. 6, wo in Z. 38 und 56 L. f. in 
C. /"., in Z. 54 [C]r[i]spinae Aug. soccr in [pater 
C]r[i]spinae Aug. zu iindern ist. 

294) L. Stertinius Quintilianus Acilius Strabo 
Q. Cornelius Rusticus Apronius Seneeio Proculus, 
proconsul provincial Asiae, CIL VI J 387 (vgl. 

60 31641) = Dessau 1089, Grabschrift, von semen 
Tociitern Corwliae Proeida et Plaeida gesetzt, 
Letztere i*t mutmasslich identisch mit Cornelia 
Q. f. Plaeida, die auf einer Amphora aus dem 
.). 191 n. C'lir. genannt wird (s. u. Nr. 447), wo- 
durcli sich audi die Zeit des C. migefahr be- 
sHininr. Wahrscheinlich zu gleichor Zeit wie O- 
starb .sein Sohn Q. Cornelius Seneeio Proculus, 
der Legat (wohl des Vaters) in Asia gewesen war 



I ' 



(s. Nr. 367, vgl. Waddington Fast. nr. 150); 
es ware denkbar, dass beide von der Pest, die 
seit dem J. 166 wiitete, hinweggerafft wurden 
(vgl. Friedlander S.-G. I« 40). Wie es scheint, 
war C. der leibliclic Bruder des L. Stertinius 
Quintilianus Acilius Strabo C. Curiatius Mater- 
nus Clodius Nummus (o. S. 81 Nr. 42), und wurde 
von einem Cornelier (vielleicht Cornelius Proculus 
Nr. 291) adoptiert; nach den Namen seiner Kinder 



mit Pegasus Consul suffectus war (Gaius I 31. 
II 254. Inst. lust. II 23, 5). 

297) Cornelius Quadratus. Wasserleitungs- 
rehren, die am Esquilin gefunden wurden, tragen die 
Aufschrift Oorndiofrum) Frontofnis) et Quadrali 
(Lanciani Sill. aq. nr. 44f. = CIL XV 7438). 
Mit Recht halt Lanciani Fronto fur den bekann- 
ten Redner (Nr. 157) und Quadratus fur dessen 
(jiingeren) Bruder, von dem Fronto (de nep. amisso 



zu schliessen, Mess er in abgekiirzter Nomen- 10 2 p. 235 Naber) sagt: cum fratreopHmo mn 



clatur Q. Cornelius (Seneeio) Proculus (vgl. Klebs 
Prosop. I 460 nr. 1163). Er ist vielleicht iden- 
tisch mit dem Cornelius Proculus, der als Pro- 
consul — von Asia? — (Ulp. de off. procos. Dig. 
XLVDII 18, 1, 4) und piraeses provinciae (Paul. 
Dig. XXVI 5, 24; auch bier kann dor Proconsulat 
von Asia gemeint sein, vgl. Klebs a. a. O.) 
Rescripte der Kaiser Marcus und Verus (161—169) 
empfing; die Identificierung mit Cn. Arrius Cor 



nelius Proculus (Nr. 292) ist allerdings nicht ganz 20 imp. II 7 p. 134 N 



cordissime vixi, quern patris vestri (Kaiser Pius 
138— 161 n. Chr.) bonitate summos honores adep- 
tum gaudeo (Quadratus war also zum Consulat 
gelangt, und zwar als suffectus inunbekanntem 
Jahre), vestra vero amieitia satis quietum et 
multum seeurum video (unter Marcus und Verus 
161—169). Frontos Bruder wird ausserdem noch 
genannt ad M. Caes. H 7 p. 32 N. (Juli-August 
143). IV 2. 8 p. 61. 71 N. (145/146); ad Verum 



[Groag.] 



ausgeschlossen. ' Der Name Cornelius Proculus 
frndet sicb u. a. CIL X 8059, 377 (Sermoneta) 
auf dem Siegel eines Sclaven und XV 4274 auf 
einer Amphora aus dem J. 153. [Groag.] 

295) Cn. Cornelius, Ti. filius, (tribu) Fabia, 
Puleher, Tribun der leg(ioJ IV Scythica, nach 
Bekleidung verschiedener Stadt- und Provincial- 
amter in Achaia Procurator des Kaisers, GIG I 
1186 (Ehreninschrift aus Argos). Von seinen 



298) Cornelius Repentinus, Schwiegersohn des 
Kaisers M. Didius Severus Iulianus, der ihn nach 
seiner Thronbesteigung (28. Marz 193 n. Chr.) 
zum Praefectus urbi an Stelle des (T. Flavms) 
Sulpicianus einsetzte, Hist. Aug. Did. Iul. 3, 6. 
8, 6. Seine Gemahlin ist wahrscheinlich Didia 
Clara ; eine andere Tocbter des Iulianus aber ist 
die, deren Vermablung mit dem Brudersohn des 
Kaisers Hist. Aug. Pert. 14, 4; Did. Iul. 2, 3. 4 



Hod (Jttinrenmscnriix aus urgusi. »«" acme. ^»™° *_!«....«.-,,•_ --> -> - .- 

Zwischenstellungen ist erwalmenswert , dass er 30 erwabnt wird. Seinem kaiserlichen Scnwiegei- 
. . . ° -wr . n _„ / _„i-„„ vi;„"u n nn^li ttyi 1 lTurlnflr t.rpii . a. s inn 



<V uv&q&v avrtaTQdtriyos in Koricth war ( - prae 
fcotus duumvirum nach Klebs Prosopogr. imp. 
Rom. I 4601 nr. 1167), Strateg des achaeischen 
Bundes, Archiereus von Achaia und als soldier 
Agonothet verschiedener zum Kaisercult gehoriger 
Spiele. Die Inschrift ist nachtraianiscri, da die 
Spiele fur den Cult Traians erwiihnt werden, und 
wahrscheinlich unter Hadrian gesetzt, da noch 
von diesem ein panhellenisches Synhedrion ins 



vater blieb C. auch im Ungluck treu, als ihn 
schon fast alle andern verlassen batten, Did. Iul. 
8, 6 ; er wird wohl zu den AnMngern Iulians ge- 
hOren, die Septimius Severus gleich darauf teten 
liess, Hist. Aug. Sever. 8, 3; vgl. Borghesi 
Oeuvres IX 329. Wahrscheinlich Solm des Fol- 
genden (vgl. Borghesi Oeuvres VII 541). 

299) Sex. Cornelius Repentinus, Praefectus 
praetorio unter Kaiser Pius, CIL XV 7439 (Blei- 



von aiesem em paiuieiiuiiiswico ojiiu^uv,, ». M ^. >~ »- : ;. in „i„ « ono\ 

Leben gerufen wurde. C. ist daher wohl iden-40riihre aus Rom; vgl. die Anm. Dress els p. 909), 



tisch mit dem Cornelius Pulcher, dem Plutarch 
seine Schrift xws &v ng vti hyfiQ&v dxpeXotto 
widmet, und dessen Erfahrung in Verwaltungs- 
angelegenheiten er (c. 1) ruhmt. | Stein.] 

290) L. Cornelius L. f. Qalferia) Pusio, 
III[I]vir viarfum) curandarfum), tr(ibunus) mi- 
l(itum) leg(ionis) XIV Gemmae (vor dem J. 61, 
in welchcm die Legion den Beinamen Martia 
Victrix orhielt, vgl. Bierikowski ROm. Mitt. VII 



VI 1564 = Dessau 1452: Cornell Be[pentini pr. 
pr.]. Fronto richtet an ihn den Brief ad amic. II 4 
Cornelio Repentino [p]r. [pr.] ; er nennt ihn mit 
der bei ihm beliebten Redeweise frater Contueeius. 
Nach Hist. Aug. Pius 8, 8 war er als Praefectus 
praetorio Nachfolger des (C.) Tatftjius Maximus, 
der 158 zu diesem Amte gelangte (Pius 8, 7); fiber 
die verderbte Namensiiberliefening an dieser Stelle 
vgl. Borghesi Oeuvres VI 190. X 54ff. C. wurde 



victrix ormeir, vgi. r>ienh.owBM xwiu. min. *^ - e - =.,.;„./, I „ ■ ■ , ,-„■. „, 

189? 201f • ob schon vor dem J. 43, in dem sie 50 spater, wie die Iitulatur e(larissimusjvfir) ai 



die Mainzer Garnison verliess — wie Ritter 
ling Korr.-Bl. XII 1893, 153 annimmt — , ist 
zweifelhaft), quaestor, trfibunus) plfebis), pr(ae- 
tor) , legat(us) Augusti legfwnis) XVI (die yon 
Vespasian aufgclost wurde, vgl. Bierikowski a. 
a. O.). Inschrift einer Bronzetafel, in Rom zu- 
sammeii mit Teilen einer Bronzestatue des C. ge- 
funden und wohl mit dieser gestiftet von M. Vi- 
brius Mareellus, Centurio der legio XVI, deren 
Legat C. damals war (CIL VI 31706; der Kopf 60 
der Statue ist Rom. Mitt. 1892 Taf. VI abge- 
bildet). Mit Rucksieht auf die Haartracht der 
Statue weist Bien'kowski den C. der Zeit des 
Tiberius oder Caligula zu; doch noch Claudius 
trug eine alvnliche Haartracht. Es ist daher nicht 
von vornherein ausgeschlossen , dass C. mit dem 
Pusio zu identificieren ist , der unter Vespasian 
und zwar wohl zu Anfang von dessen Regierung 



zeigt (CIL VI 654. XV 7439), in den Senatoren- 
stand aufgenommen. Dass er durch unlautere 
Mittel zur Wurde des Gardecommandanten ge- 
langt sei, wird berichtet Pius 8, 9. Wahrschein- 
lich Vater des Vorhergehenden. 

299 a) L- Cornelius Restitutus, praef(ectns) 
elassis Flaviae Pannonieae in der Zeit des Sep- 
timius Severus, CIL VIII 7977 (Rusicade). 

[Stein.] 

300) L. Cornelius Rufinus, bei Frontin. strat. 
Ill 9, 4, vgl. L. Cornelius Scipio Nr. 323. 

301) P. Cornelius Rufinus, 421 = 333 zum 
Dictator ernannt, legte infolge eines Fehlers bei 
der Ernennuiig das Amt sofort nieder (Liv. VIII 

if, 3f -l- ,. , ™ 

302) P. Cornelius Rufinus, wabrsdieinlich 1. 
f., also Sohn von Nr. 301 (Mommsen CIL I p. 22 
zu nr. 41), war zum erstcmnal Consul 464 = 290 



1423 



Cornelius 



Cornelius 



1424 



1425 



Cornelius 



Cornelius 



1426 



mit M\ Curius Dentatus (Rufino Chronogr. ; P. 

Cornelius Cassiod. ; Bufinus Cornelius Veil. I 

14, 6) und beendete mit ihm zusammen durch 

mehrere grosse Siege den Krieg gegen die Sam- 

niten (P. Cornelius Bufinus Eutrop. II 9, 3\ 

Ohne ihn mit Namen zu nennen, spielt Plinius 

zweimal auf die Ausstossung des Rufinus aus dem 

Senat (s. u.) an; dabei spricht er n. h. XVIII 39 

von triumphales und XXXIII 142 von dem trium- -hvushs wuiurum visum amisu, cum w aim ae- 

phahs senex, und lediglich diese Stellen, an denen 10 eidere somniaret. Uber die Nachkommen des 

aber schwerhch Gedachtnisfehler vorliegen, be- Rufinus vgl. den Stammbaum S. 1515 



Plin. n. h. XVIII 39. XXXIII 142. Tertull. apol. 
6; unrichtig von dem Collegen des Fabricius in 
der Censnr Schol. Iuven. IX 142; zur Sache 
Mommsen R. G. I 448 Anm.). Nur Plin. n. 
b. VII 166 erzahlt: P. Cornelius Bufus [diese 
Form des Cognomens nur hier von Rufinus und 
bei Macrob. sat. 1 17, 27 von dessen Enkel Nr. 382 
gebraucht], qui consul eum M'. Curio fuit, dor- 
miens oeulorum visum amisif, eum id sibi ae- 



weison , dass Ruflnus einmal triumphiert haben 
muss. Wahrscheinlich that er es in seinem ersten 
Consulat gemeinsam mit seinem Amtsgenossen. 
Falsch combiniert die verschiedenen Angaben 
S ch 6" n (Das capitolin. Verzeichnis d. rom. Triumpbe 
[Wien 1893] 23), C. sei aus dem Senat gestossen 
worden wegen des bei seinem Triumphalschmause 
verwendeten Silbergerats ; die censorische Bestra 



. "","". ~"~~&"»"- > -"^ ^ovimouo iJcnL.a,- ouoj / v- uorjneaus, m. fi[iijus. (triouj yut- 

lung lallt vierzenn Jahre spater als der Triumph. 20 rina, Rustieus, equo publico exornatus, Lehrer 



303) Cornelius Rufus, bei Macrob. sat. I 17, 
27, vgl P. Cornelius Sulla Nr. 383. [Miinzer.] 

304) Cornelius Rufus, Adressat eines Rescriptes 
der Kaiser Marcus und Verus (161—169), Callistr. 
Dig. XLIX 14, 2, 2. [Groag.] 

305) P. Cornelius Rufus, bei Plin. n. h. VII 1 66, 
vgl. P. Cornelius Ruflnus Nr. 302. [Miinzer.] 

306) [Q. Corjnelius, M. fiflijus. (tribuj Qui- 



Bei derWiedergabe derselben Erzahlungbezeichnen 
andere Autoren Rufinus als Dictator (Val. Mai. 
II 9, 4. Gell. IV 8, 7. XVII 21, 39. Dionys. XX 
13); auch uber die Zeit, in der er dieses Amt 
erhielt, wird nichts uberliefert, doch fallt die Dic- 
tatur vermutlich in die nachsten Jahre nach dem 
ersten Consulat, da von 470 = 284 bis 475 = 279 
die capitolinischen Fasten in Bruchstiicken er- 
halten sind (CIL 12 p. 22) und fiir die folgende 



des Q. Geminius Marcianus, der ihm im J. 211/2 
die Grabsch rift setzt, CIL VIII 5528 (Thibilis). 
Grabschriften von Mitgliedern derselben Familie 
CIL VIII 5529. 5569. 5957. Der Name Q. Cor- 
nelius Rustieus auch bei Nr. 294. [Stein.] 

307) P. Cornelius Rutilus Cossus, M. f. L. n. 
(Fasti Cap.), Dictator 346 = 408 (. . . . M. f. L. 
n._ Rutilus Cossus diet. Fasti Cap.; P. Cornelius 
Liv. IV 57, 6 — 8) und Tribunus militum consu- 



-■—-— \"— - r- ~y «"~ "" "« iuigcimu jjiv. xi i>(, o — o) una inounus mintum consu- 

/eit des _ pyrrhischen Kneges die Quellen uber- 30 lari potestate 348 = 406 ([. . . Rultilus Cossus 



haupt reichlichcr ftiessen. ~ Die Gef'ahr , in die 
Rom durch diescn Krieg geriet, lenkte die Blicke 
auf Rufinus, der als Feldherr erprobt war (vgl. 
Veil. II 17, 2), aber durch seine Habgier beriich- 
tigt. Selbst C. Fabricius, der deshalb und aus 
anderen Grimden sein Feind war, unterstiitzte 
daher seine "Wahl zum Consul, lehnte aber den 
Dank dafiir mit dor Bemerkung ab, er wolle 
lieber von einem Mitbiirger ausgepliindert wer 



den, als vom Laudesfeinde (Cic. de or. II 26840'miterschiedes von ihnen. 



Fasti Cap.; P. Cornelius Cossus Liv. IV 
58, 6 ; Cosso Chronogr. ; Honhos KoQvrjhos Diod. 
XIV 12, 1), soil in diesem Jahre mit den Volskeru 
gekiimpft haben (Liv. IV 59, 3). Die in der 
Stammtafel (s. oben S. 1290) befolgto Ansicht 
Borghesis (Oeuvres IX 148), dass er ein Bruder 
des M. Cornelius Maluginensis Nr. 247 und des 
A. Cornelius Cossus Nr. 112 gewescn sei, ist 
etwas bedenklich wegen des scheinbaren Alters- 



[ohne Cognomen]. Quintil. inst. or. XII 1, 43 
Gell. IV 8, 1-6. Dio frg. 34. 35 [samtlich Ru- 
fmus}). Wahrend seines zweiten Consulats 477 
= 277 (P. Cornelius Cassiod. ; Rufino II Chro- 
nogr. ; Rufino Mat. ; 'Povytvov Chron. Pasch.) er- 
oberte er Kroton, nachdera er die Stadt lange 
bestflnnt und schliesslich durch seincn schein- 
baren Abzug und falsche Nachrichten ihre besten 
Vcrteidiger veranlasst hatte, sie zu verlasscn (Fron 



tin. strat. Ill 6, 4. Zonar. VIII 6 in Einzelheiten 50 LIX 29, 6. Ebenso widerriet auch er nach der 



.- [Miinzer.] 

308) Cornelius Sabinus, Hauptteilnehmer an 
der Verschwiirung gegen Gaius. Gleich Cassius 
Chaerea war auch er Tribun einer Praetorianer- 
cohorte (Suet. Gai. 58. Dio LLX 29, 1 = Zonar. 
XI 7. Io. Ant. FHG IV 572, 84). Ihm vertraute 
sich daher Chaerea zunachst an (Joseph, ant. Iud. 
XIX 46. 48). C. war derjenige, der gleich nach 
Chaerea mit seinem Schwert auf den Kaiser los- 
sturzte, Suet, a, a. O. Joseph. XIX 110. Dio 



abweichend; beide Rufinus); da aber nicht er, 
sondern sein AmtsgenosseM. lunius einen Triumph 
erhielt, bezweifelt Niese (Herm. XXXI 501, 1; 
Gesch. d. griech. u. maked. Staaten II 48, 6) 
die Zuverlassigkeit der Uberlieferung. Weit be- 
kannter als durch seine kriegerischen Thaten ist 
Rufinus dadurch geworden, dass ihn C. Fabricius 
als Censor 479 — 275 aus dem Senate stiess, 
weil er zehn Pfund silbemes Tafelgcschirr besass, 



Ermordung des Gaius, einen andern Kaiser ein- 
zusetzen, und bcide erscbienen in der Offentlich- 
keit, obwohl ihnen dies durch den von Claudius 
neu ernannten Praetorianerpraefecten (Rufrius) 
Pollio untersagt worden war f Joseph. XIX 261. 
267). Dennoch wurde C. von Claudius nicht nur 
begnadigt, sondern sogar in seiner alten Stellung 
belassen, wollte aber den Tod seiner Mitver- 
ichworenen nicht iiberleben und stiirzte sich da- 



-- -.- . ; , *«»v» eM n,ui.»i raaoo, oi-unuiciicu iiit-uii uuerieuen unu siurzie sicu ua- 

eine iur jene emfacheii Zeiten unerhorte und un- 60 her selbst in sein Schwert, Joseph. XLX 273 



erlaubte Uppigkeit (Rufinus bei dieser Gelegen- 
hcit als zweimaliger Consul und Dictator bezeich- 
net bei Val. Mas. II 9, 4. Gell. IV 8, 7. XVII 
21, 39. Dionys. XX 13, als Consular bei Liv. ep 
XIV. Flor. I 13, 22. Ampel. 18, 9. Plut. Sulla 
1,1; Erwahnungen und Anspielungen auf diese 
Anekdote Varro de vita p. R. II bei Non. p. 465, 
21. Ovid. fast. I 208. Seneca v. beat. 21, 3. 



Dio LX 3, 5 = Zonar. XI 8. " [Stein.] 

309) P. Cornelius Saecularis, Praefectus urbi 
von 258—260 n. Cbr. (Chronogr. a. 354), Consul 
II ordinarius im J. 260 mit (.'. Imiius Donatus 
cos. II (CIL XI 5748. 5750. Fasten). Da er diese 
Stellungen untc-r Valeriauus und Gallienus beklei- 
dete, ware denkbar, dass er ein Verwaudter der Gat- 
tin des letzteren, Cornelia Saloniua, war. [Groag.] 



i 



I 



310) P. Licinius Cornelius Saloninus (Vale- 
rianus?) Caesar, jiingerer Sohn des Kaisers Gal- 
lienus (253—268 n. Clvr.), s. Licinius. [Stein.] 

311) L. Octavius Cornelius P. f. Salvius Iu- 
lianus Aemilianus, der beriihmte Rechtsgelehrte 
(Compt. rend, de l'Acad. d. inscr. et bell, lottr. 
1899, 368 = Rev. arch. XXXV 1899, 389) s. 
Salvius. 

312) L. Cornelius Salvius Tuscus (CIL VI 
1979) s. Salvius. 

313) Cornelio Saturnino v. o. las Gudius 
in einer stadtrCmischen Inschrift (CIL VI 1389), 
wahrscheinlich irrig statt C. Caelio Saturnino v. 
e. (CIL VI 1705, vgl. Hfllsens Bemerkungen zu 
VI 31642. 31905) [Groag.] 

314) Cornelius Saturninus, Bildhauer in Oea 
in der Zeit des Kaisers Pius, Apul. apol. 61 — 63. 

[Stein.] 

315) (Cornelius) Scapula. Der Name des Ma- 
gister equitum, der im J. 392 = 362 dem Dictator 
Ap. Claudius Crassus (o. Bd. Ill S. 2697 Nr. 122) 
zur Seite stand, ist von Livius VII 6, 12 (ibergangen 
worden ; in den Fasti Cap. ist nur sein Cognomen 
Scapula erhalten , das an P. Cornelius Scapula 
Nr. 316 denken lasst. Die Dictatur ist vielleicht 
unbistorisch und daher die Identification des Ma- 
gister equitum gleichgultig (vgl. Clason R. G. 
I 344). Die in ciceronischer Zeit vorkommenden 
Scapulae geliSren jedenfalls nicht der Gens Cor- 
nelia an (vgl. Quinctius Scapula und Scapula). 

316) P. Cornelius Scapula. Die Namen der 
beiden Consuln des J. 426 = 328 stehen in der 
Uberlieferung nicht fest : von dem einen ist sogar 
der Gentilname zweifelhaft, denri bei Diodor XVII 
87, 1 heisst er Avlog IIootov/mos , wahrend die 
iibrigen Fasten wenigstens darin ubereinstimmen, 
dass er ein Plautius war. Von seinem Collegen, 
den Diodoros a. O. IIoTthog KoQv^Xiog nennt (eben- 
so Cassiod.), wird das Cognomen verschieden uber- 
liefert. Livius VIII 22, 1 bictet: P. Cornelius 
Scapula, dagegen Chronogr. Barbato; Idat. Sei- 
piune; Chron. Pasch. 2xi7ii<orog, woraus sich fur 
die capitolinischen Fasten P. Cornelius Seipio 
Barbatus ergiebt. Ganz unzuliissig ist die An- 
sicht, dass Scapula ein Beiname der Scipionen 
gewesen sei (Willems Le senat de la rep. rom. 
I 90 bis, Anm. 4); denn in den Fasti Cap. ist 
zum J. 392 — 362 .... Scapula mag. eq. und 
zum J. 448 — 306 . . . . n Seipio Barbatus er- 
halten, und in beiden Fallen ist leicht zu ersehen, 
dass auf dem Stein kein weiterer Beiname ge- 
standen haben kann. Der Consul von 426 = 328 
hiess also entweder P. Cornelius Scapula und konnte 
dann mit dem Magister equitum von 392 = 362 
(Nr. 315) trotz des weiten Zeitabstandcs identisch 
sein, oder er hiess P. Cornelius Seipio Barbatus 
und durfte mit dem Dictator fur die Veranstal- 
tung der Warden von 448 = 306 identificiert 
werden, dessen Name viillig ubereinstimmte , da 
er bei Liv. IX 44, 1 P. Cornelius Seipio lautet; 
auch in diesem Falle erscheint der Zeitabstand 
noch ziemlieh gross. Da die altesten Fasten keine 
Cognomina boten. sind diese in splitorer Zeit hin- 
zugefugt worden, und zwar in diesem Falle von 
verschiedenen Quellen verschieden. Fiir die Rich- 
tigkeit der von Livius befolgten Ansicht kann 
geltend gemacht werden, dass die Scipionen auf 
jede Weise den Ruhm ihres Gcschlechts durch 



Erfindungen zu vergrossern und hflher hinaufzu- 
datieren suchten (vgl. Wolfflin S.-Ber. Akad. 
Munch. 1892, 203ff.) ; in einem Falle nennen die 
Fasti Cap. einen Cornelius Maluginensis und 
Livius einen Seipio (vgl. Nr. 252 und 328) und 
in diesem umgekehrt Livius den Cornelius Sca- 
pula und die Fasti Cap. einen Seipio. Nimmt 
man nun an , dass beidemale der Scipionenname 
an die Stelle der Beinamen alterer Zwcige des 

10 cornelischen Gescblechts gesetzt worden ist , so 
bleibt die Schwierigkeit, dass die beiden Quellen 
sich nur je einmal von dem Falscher beeinflussen 
liessen, aber moglich ist das immcrhin. Wird da- 
gegen die livianische Angabe uber den Consul 
von 426 = 328 verworfen oder corrigiert, so kann 
auch noch der von Liv. IX 46, 6 beim J. 450 
= 304 erwahnte Pontifex maximus Cornelius Bar- 
batus mit ihm in Verbindung gebracht werden. 
Spater fiihrt das Cognomen Barbatus nur noch 

20 der Consul von 456 = 298 L. Seipio Barbatus ; 
dessen Vater hiess Gnaeus, und Publius, Consul 
426 = 328 und Dictator 448 = 306, musste sein 
Oheim (etwa Sohn des P. Seipio Nr. 329) sein. 
Der Oberpontifex kann, da sein Vorname nicht 
uberliefert ist, sowohl Publius wie Gnaeus sein. 
Eine sichere Entscheidung ist bei diesen Fragen 
nicht moglich. 

317ff.) Cornelii Scipiones. Die Vermutungen 
Tiber ihren Zusammenhang mit den alteren Cor- 

30neliern bleibeu unsicher. Da sich noch in der 
zweiten Halfte des 6. Jhdts. d. St. ein Cornelier 
mit den beiden Beinamen Seipio und Malugi- 
nensis findet (Nr. 348) , so lasst sich annehmen, 
dass die Scipionen die directen Nachkommen des 
Zweiges sind, der friiber das Cognomen Malugi- 
nensis fiihrte , und dass der neue Beiname , der 
zuerst ein Individualnaine war (Macrob. sat. I 
6, 26, vgl. Nr. 328), erst allmahtich den alteren 
verdrangte , je hoher der Ruhm dieses Zweiges 

40 des Geschlechts stieg. Die Zahl der Vornamen 
bei den Scipionen ist sehr klein; nur jener Seipio 
Maluginensis hiess M., sonst finden sich als Prae- 
nomina Cn. L. P., und einzelnc Zweige scheinen 
sich noch mehr beschrankt zu haben, so die Sci- 
piones Nasicae auf P., die Nachkommen des L. 
Seipio Asiagenus auf L. (vgl. die Gegeniiberstel- 
lung der Lucii und A'asicae Hist. aug. Prob. 2, 
4). Die Glanzzeit der Scipionen war das Zeit- 
alter der punischen Kriege; nachher ging es mit 

50 ihrem Ruhme bergab. Ihr Familiengrab befand 
sich nach litterarischen Zeugnissen (Cic. Tuse. I 
13, vgl. Arch. 22. Liv. XXXVIII 55, 2. 56, 4. 
Suet, bei Hieron. zu Euseb. chron. II 127 c Schoene) 
an der Via Appia vor Porta Capena intra pri- 
mum ab urbc miliarium. Dort sind zuerst 1614 
einzelne aus dem Grabe stammende Funde ge- 
macht und ist dann 1780 in der Vigna Sassi die 
ganze Anlage aufgedeckt worden. Die Leichen 
waren in den unterirdischen Felskammern gemass 

60 der cornelischen Sitte (vgl. Cic. leg. II 57. Plin. 
n. h. Vn 187) unverbrannt beigesetzt. Nach 
Ausweis der Inschriften diente das Erbbegrabnis 
der Familie (lurch vier Jahrhunderte von ihrem 
ersten Auftreten bis zu ihrem Erloschen ; es fehlen 
aber die Familien, die sich vom Hauptzweige 
gelfot haben, wie die Asinae uud Nasicae, ferner 
u. a. die griissten aller Scipionen, die beiden Afri- 
cani, von denen der altere fern von Rom seine 



1427 



Cornelius 



Cornelius 



1428 



1429 



Cornelius 



Cornelius 



1430 



Kuhestatte gefunden hat. Schon im Altertum 
ist das ehrwiirdige Denkmal beschadigt worden; 
jetzt ist es noch mehr entstellt. Die Insehriften, 
die hier gefunden sind, befinden sich ausser einer, 
die im Palazzo Barberini aufbewahrt wird (vgl. 
Nr. 323), samtlich in einem Zimmer des Belve- 
dere im Vatikan zusammen mit dem Peperin- 
sarkophag des L. Scipio Barbatus und der gleieh- 
falls in den Scipionengrabern gefundenen sog. En- 
niusbiiste. Vgl. iiber die Scipionengraber CIL I 
p. llff., wo auch die altere Litteratur angegeben 
ist (p. 15); die Insehriften ebd. I 29—39 = YI 
1284 — 1294; die bei den Scipionengrabern ge- 
fundenen Insehriften geringerer Leute ebd. YI 
16 122—16 146. Das Erloschen der Familie ist 
ungefahr gleichzeitig mit dem Ende der Eepublik ; 
ihr Beiname und ihr Erbbegrabnis wurden da- 
mals Ton den Cornelii Lentuli in Besitz genom- 
men. Die spateren Scipionen stammten alsonicht 
mehr in directer Linie von dem beruhmten Ge- 
schlechte der republicanischen Zeit ab, und reine 
Erdichtung war es vollends, wenn man noch im 
3. Jhdt. n. Chr. z. B. den Stammbaum der Gor- 
diane auf jenes zuriickfuhren wollte (Hist. aug. 
Gord. 9, 4, vgl. L. Scipio Asiagenus Nr. 337). 

317) Cornelius Scipio. Auf einem aus den 
Scipionengrabern stammenden Sarkophagfragment 
sind nur die geringen Eeste saturnischer Verse: 
1 . . . . s. 2 . . . . [Seijpionem 3 . . . , [qu]o. ad 
veixei erhalten (CIL I 37 = VI 1292 = Dessau 
9 = Bficheler Carm. Lat. epigr. I 8 nr. 10). 

318) Cornelius Scipio. An dem Aufstandsver- 
suche des M. Aemilius Lepidus, Consuls von 676 
= 78 (o. Bd. IS. 554 Nr. 72) nahm nach Oros. V 
22, 17. 24, 16 ein Sohn desselben mit Namen Scipio 
teil; er fliichtete nach der Niederlage seines Vaters 
nach Alba, wurde hier gefangen und hingerichtet. 
Wenn die Angabe richtig ist, so kann er ein leib- 
licher Sohn des Lepidus und von einem Scipio 
adoptiert worden sein; dass diese beiden Familien 
in der letzten republicanischen Zeit in naheren 
Beziehungen zu einander standen , folgt aus der 
Heirat des letzten Nasica, des spateren Metellus 
Scipio, mit einer Aemilia Lepida (o. Bd. Ill S. 1224 
Nr. 99) und der Abfassung einer Familienge- 
schichte der Aemilii durch Atticus fur einen 
Scipio (Nep. Att. 18, 4, vgl. Nr. 357). 

[Mfinzer.] 

319) (Cornelius) Scipio, in den Sturz der Mia 
(752 = 2 v. Chr.) verwickelt (Veil. II 100, 5. 
vgl. Dio LV 10, 15), vermutlich Sohn des P. Seipio 
cos. 16 v. Chr. (Nr. 333). [Groag.] 

320) Cn. Cornelius Scipio, Sohn des P. Scipio 
Africanus Maior, Praetor 577 = 177, vgl. L. Cor- 
nelius Scipio Nr. 325. 

321) Cn. Cornelius Scipio, Hispaii filim, er- 
hielt als Praetor durchs Los Spanien zur Pro- 
vinz. Der Senat bestimmte ihn , nicht dorthin 
zu gehen, weil sein Vorleben nichts Gutes von 
ihm als Statthalter erwarten liess (Val. Max. VI 
3,3b, vgl. Mommsen St.-B. Ill 1226,4). Der 
Mann muss ein Sohn des Cn. Scipio Hispanus 
Nr. 347 sein, und demnach ist seine Praetur un- 
gefahr mil 645 = 109 anzusetzen (Mommsen 
CIL I p. 13). 

322) L. Cornelius Scipio. Im J. 402 = 352 
wollten die Patricier angeblich die Wahl eines 
plebeischen Consuls verhiudern und verschleppten 



sie langere Zeit; erst der elfte Interrex, L. Cor- 
nelius Scipio, hielt auf Anweisung des Senats die 
Comitien ab (Liv. VII 21, 1 — 4). L. Cornelius 
Scipio heisst dann bei Liv. VII 23, If., vgl. 24, 
10 der patricische Consul des J. 404 = 350, der 
wegen einer schweren Krankheit seinem plebei- 
schen Collegen die Fiihrung des Keltenkrieges 
iiberlassen musste, und er mag mit jenem iden- 
tisch sein. Aber sein Name steht nicht ganz 

10 sicher fest, denn Chronogr. Idat. Chron. Pasch. 
haben nur das Cognomen, aber Diod. XVI 56, 1 
rdios KoQvrjhog und Cassiod. P. Cornelius, und 
man muss bei beiden Textverderbnisse annehmen. 
Veil. II 8, 2 sagt : eensura Metellorum patruelium 
non germanorum fuit (vgl. o. Bd. Ill S. 1208 
Nr. 84), quod solis comtigerat Seipionibus. Diese 
Angabe kann sich kaum auf eine andere Zeit als 
die dieses Mannes beziehen, und da ausser ihm 
von den gleiehzeitigen Scipionen P. Scipio Nr. 329 

20 als der bedeutendste erscheint, so werden gewOhn- 
lich diese beiden als Briider (SOhne des P. Scipio 
Nr. 328) und Censoren des J. 414 = 340 ange- 
sehen (vgl. De Boor Fasti censorii 731). Un- 
sicher bleibt diese Bestimmung immerhin, und 
da die sonstigen Notizen fiber dieses BrMerpaar 
Verdacht erregen, so kOnnte auch die Nachricht 
des Velleius uberhaupt zu den Falschungen der 
Familie geho'ren und als solche verworfen werden 
miissen. 

30 323) L. Cornelius Scipio. Die beiden auf ihn 
bezuglichen und zusammengehOrigen Insehriften 
aus den Scipionengrabern sind zu verschiedenen 
Zeiten aufgefunden worden, daher beflndet sich 
die poetische jetzt von der andern getrennt im 
Palazzo Barberini. Die altere ist die nur rot 
aufgemalte L. Cornelio L. f. Scipio \ aidiles, 
eosol, cesor; unabhangig davon und jiinger sind 
die sechs Saturnier : hone oino ploirome eosentiont 
B[omai] j duonoro optumo fuisse viro \ I/ueinm 

40 Scipione. filios Barbati, \ eonsol, censor, aidilis 
hie fuel a[pud vos] | hee eepit Corsica Aleria- 
que wbe, | dedet Tempestatibus aide mereto (CIL 
I 31/2 = VI 1286/7 = Dessau 2. 3 = Biicheler 
Carm. Lat. epigr. I 5 nr. 6, vgl. WOlfflin S.- 
Ber. Akad. Munch. 1892, 192—194. 205f. 210f.; 
mit dem Anfang vgl. die ahnlichen Verse fiber 
A. Atilius Calatinus, Cic. Cato 61; fin. II 116 
o. Bd. II S. 2081, unten Nr. 350, auch Norden 
Antike Kunstprosa I 178, 1). Jedenfalls steht 

50 diese Grabschrift als die al teste von den poeti- 
schen Elogien der Familie der Zeit des Scipio 
ziemlich nahe und ist daher eine durchaus glaub- 
wurdige Quelle fur sein Lcben. Dass Scipio Sohn 
von Nr. 343 war, melden mit diesen Insehriften 
fibereinstimmend Fasti Cap. und Acta triumph, 
zum J. 495, dagegen ist seine Kekleidung der 
curulischen Aedilitat anderweitig nicht iiberliefert. 
Consul war er 495 = 259 mit C. Aquillius Florus 
(Fasti Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Cas- 

60 siod.). Wahrend Polybios trotz der oft hervor 
gehobenen, den Scipionen freundlichen Tendenz 
seiner Darstellung seinon Namen fiberhaupt nicht 
nennt und nur auf die Ereignisse in Sardinien 
hinweist (I 24, 5—7), ist der Bericht des Zona- 
ras VIII 11 besomlers wichtig: Scipio segelte 
nach Corsica, nahm die Hauptstadt Aleria mit 
Gewalt eiu und unterwarf mtihelos die iibrige 
Insel. Von hier wandte er sich nach Sardinien ; 



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1431 



Cornelius 



Cornelius 



1432 



eine karthagische Flotte kam in Sicht, zog sich 
aber vor der rCmischen ohnc Kainpf zuriick. Da- 
rauf schickte sich Scipio an , Olbia zu belagern, 
dessen Hafen cler einzige Italien zugewandte ist 
aber nach einiger Zeit erschien eine uberlegene 
feindliche Flotte, und er kohrte unverrichtcter 
Sache heitn. Die von Livius abhangigen Autoren 
liaben die Erfolge Scipios in Sardinien nicht wenig 
iibertrieben , dagegen die Einnahme von Aleria 
kaum beachtet (auaser Flor. I 18, 15f.) ; beson- 
ders ist darin cine offenbare Erfindung zu sehen, 
dass sie beliaupten, Seipio habe Olbia wirklich 
erobert (Val. Max. V 1, 2. Flor. a. 0., vgl. Fron- 
tin. strat. Ill ft, 4: L. Cornelius Rufinus [Irr- 
tura des Autors] consul eomplura Sardiniae co- 
pit oppida; III 10, 2 fiber die Einnahme einer 
ungenannten sardinischen Stadt). Sie heben ausser- 
dem den tapfem Widerstand des karthagiscben 
Commandanten von Olbia, Hanno, hervor (Liv. 
ep. XVII. Oros. IV 7, 1 1) und ruhmen, dass der 
Consul diesem ein ehrenvolles Begrabnis zu teil 
werden liess (Val. Max. a. 0. Sil. It. VI 671f.); 
Eutrop. II 20, 3 erwahnt noch die zahlreichen 
Gefangenen und den Triumph , den er nach den 
Acta triumph. dePoeneiset Sardin. Corsica feierte. 
Die Angaben des Elogiums sind also hier gegen- 
iiber der spateren verfalschten Geschichtschrei- 
bung ganz besonders einfach und zuverlassig; 
zwar ist ihr Schweigen von gewissen Unterneh- 
mungen nicht ohne weiteres als Beweis gegen 
deren Geschichtlichkeit zu betraehten, zeigt aber 
deutlich, dass sie keinen rechten Erfolg hatten 
(vgl. Mommsen CIL I p. 18. Nissen Khein. 
Mus. XLI 486. Meltzer Gesch. der Kartliager 
TI 283f. 566f.). Eine Einzelheit aus dem Feld- 
zuge, die die Historiker nicht erwahnen, lebrt die 
Weihung des Tempels der Tempestas kennen. 
Das Elogium erwahnt sie am Schluss, und Ovid, 
fasti VI 193f. begriindet sie mit den Worten: 
eum paene est Corsis obruta classis aquis. Der 
Tempel lag in der Nahe der Porta Capena und 
dor Seipionengriiber. Die in beiden Grabschrif- 
ten erwahnte Censur Scipios fallt ins J. 496 = 258, 
wo auch in den Fasti Cap. erlialten ist ... n. 
Scipfio]. 

324) L. Cornelius Scipio, war nach seiner Grab- 
schrift (CIL I 35 = VI 1290 - Dessau 5) Sohn 
des L- Scipio Asiaticus (Nr. 337), Tribunus mili- 
tum und Quaestor. Als soldier erhielt cr iin 
J. 587 = 167, als Konig Prusias von Bithynien 
nach Eom kam, den Auftrag, diesem bis Capua 
entgegenzureisen und fiir ihn als einen Gast des 
romischen Volkes wahrend seines ganzen Aufent- 
halts in Italien auf das beste zu sorgen (Liv. 
XLV 44, 7. 17; daraus Val. Max. VI, le [falsch- 
lich P. Cornelius Scipio]). Nach der Grabschrift 
ist Seipio im Alter von 33 Jahren gestorben, also 
ungefiihr 593 = 161, vielleicht noch 1'riiher. Dei- 
Consul von 671 = 83 Nr. 338 war wohl sein 
Enkel, dooh von einem andern Sohne als Nr. 339. 

32>!>) L. Cornelius Scipio. Eine sichere That- 
sache ist es, da.ss wiihrend des Rrieges der Ruiner 
mit Antiochos cin Snhn des P. Scipio Africanus 
in feindliche Gefangcnschaft geriet, dort aber 
ehrenvoll behaiidelt und schliesslich noch vor der 
Entscheidungsschlacht bei Magnesia 564 — 190 
ohne Losegeld seineni Vater ausgeliefert wurde. 
Die Eiuzelheiten der Gei'angennahme und die 



PersSnlichkeit sind dagegen fraglich. tJber jene 
bemerkt Livius XXXVII 34, 4-7. 36, 2. 6. 37, 6-8 
(vgl. XXXVIII 51, 2. 53, 10), dass Ort, Zeit und 
nabere Umstande in den Quellen verschieden be- 
richtet werden: alii principio belli, a Chaleide 
Oreum petentem, eircumventum ab regiis navi- 
bus tradunt ; alii postquarrftransitum in Asiam 
est, eum turma Fregellana missum exploratum 
ad regia eastra, effuso obviam equitatu eum re- 

10 eiperet sese, in eo twmultu delapswrti ex equo cum 
duobus equitibus oppressum, ita ad regem dedue- 
tum esse (vgl. Oros. IV 20, 22 : utrum exploran- 
tem an in proelio eepisset, ineertum est). Die 
erste dieser beiden Angaben stammt ohne Zweifel 
von Polybios, wie dessen Excerpte (XXI 15, 2f. 
5. 11) und Diodor XXIX lOf. beweisen; seinem 
Berichte stehen Iustin. XXXI 7, 4ff. und Auct. 
de vir. ill. 54, 4 ziemlich nahe, Appian. Syr. 29f. 
geht wohl auch auf Polybios zuriick , hat aber 

20 den Sohn des Africanus mit dessen Enkel , dem 
spateren Africanus Minor , verwechselt , und Dio 
frg. 59, 2. Zonar. IX 20 nahert sich dadurch der 
zweiten livianischen Darstellung, dass er den Zeit- 
punkt der Gefangennahme gegen den der Aus- 
lieferung hin verschiebt (vgl. Nissen Krit. Unter- 
such. 194ff. Mommsen Rom. Forsch. II 515ff. 
Ed. Meyer Rhein. Mus. XXXVI 125). Diese 
zweite Darstellung ist von Nissen mit hoher 
Wahrscheinliehkeit auf Valerius Antias zuriick- 

30gefiihrt worden (vgl. Liv. XXXVII 48, 2); die 
Angabe des Plinius n. h. XXXV 22 : L. Seipio 
tabulam victoriae suae Asiaiicae in Gapitolio 
posuit, 'klque aegre tulisse fratrem Africanum 
limit immerito, quando filius eius illo proel'io 
captus fuerat, ist zwar mit ihr verwandt, aber 
durch Absicht oder Fluchtigkeit entstellt , und 
ebenso steht es bei den zwei Stellen des Valerius 
Maximus, die daven handeln. Dieser Rhetor beniitzt 
die Erziihlung einmal, ran die selbst den Feinden 

40 Ebrfurelit einflossende Gestalt des Africanus her- 
vorzuheben (II 10, 2), ein anderesmal, um die 
Entartung des Sohnes einos solchen Helden zu 
beweisen (III 5, 1 mit dem Schlusse: dii boni, 
quas tenebras e quo fulmine nasei passi estis .'), 
und er hat dementsprechend den Kern der Er- 
zahlung nach eigenem Gutdiinken ausgestaltet. 
An der zweiten Stelle erziihlt er drei Anekdoten 
von diesem Sohne des Africanus, namlich ausser 
der Gefangennahme durch Antiochos als zweite, 

50 dass er nur durch die Unterstiitzung des Cicereius, 
der ein Schreiber seines Vaters gewesen war, zur 
Praetur gelangte. und als dritte, dass seine eigenen 
Verwandten fanden, er verwalte dieses Amt nicht 
gut , ihn deshalb an jeder Amtshandlung ver- 
hindern und selbst den Siegelring mit dem Bilde 
seines Vaters wegnehmen wollten. Dass ein Sohn 
des Africanus nur dadurch zur Praetur befordert 
wurde, dass sein glucklicherer Mitbewerber C. 
Cicereius , ein friiherer Schreiber des Africanus. 

60 vor ihm zuriiektrat , erzahlt Val. Max. IV 5, 3 
und nennt hier den Praetor On. Seipio. Ein Mann 
dieses Nameus begegnet als Praetor und Statt- 
lialter von Gallien bei Liv. XLI 8, 1. 3 im J. 577 
= 177 und wird von Mommsen (CIL I p. 13) 
fiir den von Val. Max. geineinteii gehalten. Da- 
gegen verzeichnet Liv. XLI 21, 1. 27, 2 zum 
J. 580 = 174 einen Freindenpraetor L. Cornelius 
Scipio (an der ersten Stelle nur [Scijpio erhal- 



1433 



Cornelius 



Cornelius 



1434 



ten), der von den Censoren dieses Jahres mit einer 
Riige bestraft wurde und auch nur ein Sohn des 
Africanus sein kann, so dass dieser zwei miss- 
ratene Stihne gehabt haben mflsste. Wie Weis- 
senborn (zu Liv. XLI 8, 1) richtig bemerkt, 
passt aber die Angabe des Val. Max. in 5, 1, 
die Verwandten des unwiirdigen Praetors hatten 
verhindern wollen, ne aut sellam. ponere aid ius 
dicere auderet, nur auf einen Fremdenpraetor, 



Mom msen zu CIL I 34). Die Wortspiele und son- 
stigen kiinstlichen Formen des Gedichts empfehlen 
die'Ansetzung um 600 = 154, was besser zu der 
ersten Annahme passt (vgl. zur Erklarung Wolff- 
lin S.-Ber. Akad. Munch. 1892, 199—202. 216 
—218. Biicheler a. O.). 

327) L. Cornelius Scipio, Sohn des Consuls 
L. Scipio Asiaticus Nr. 338 und mit diesem im 
J. 671 = 83 von Sulla gefangen und entlassen 



wie es L. Scipio, und nicht auf einen Statthalter, 10 (Appian. bell. civ._ I 85). 



wie es Cn. Scipio nach Livius war. Ferner ist 
C. Cicereius ein Jahr nach diesem L. Scipio selbst 
zur Praetur gelangt, und es ist doch wahrschein- 
lich, dass er sofort nach seinem freiwilligen Riick- 
tritt den Lohn dafiir erhielt, indem er das nachste- 
inal wiedergewahlt wurde. Aus diesen Griinden 
scheint es fast notwendig, den Vornamen Gnaeus 
bei Val. Max. IV 5, 3 zu verwerfen und Lucius 
dafiir einzusetzen. Aber dass dies nicht eine 



328) P. Cornelius Scipio. Da er der erste be- 
kannte Cornelier ist, der das Cognomen Scipio 
fiihrte, so kann man die Angabe des Macrob. sat. 
I 6, 26 auf ihn beziehen: Cornelius, qui eogno- 
minem patrem luminibvs carentem pro baeulo 
rtyp.bat , Scipio cognominatus nomen ex cogno- 
mine, posteris dedit. Nach Livius V 19, 2 und 
Plut. Oamill. 5, 1 war er im Jahre der Einnahme 
Veiis 358 = 396 Reiteroberst des Dictators Ca- 



Textverderbnis , sondern eine Falschung ist, er-20millus; dies ist eine Falschung, da die Fasti Cap 



giebt sich aus der Betrachtung der Praetorenliste 
des Livius fiir 577 = 177. Nach einer kurz vor- 
her getroffenen Bestimmung hatten damals nur 
vicr Praetoren gewahlt werden sollen; Livius nennt 
sechs, aber die Namen der beiden letzten, eben 
des Cn. Cornelius Scipio und des C. Valerius 
Laevinus, fniden. sich schon untcr den Praetoren 
von 575 =179 (vgl. Nr. 346), diese beiden lassen 
sich nicht identificieren, und sie erhalten eine 



vielmehr P. Cornelius Maluginensis Nr. 252 nennen 
(Hirschfeld Festschrift fur L. Friedlander 138, 
58). Als Tribunus militum consulari potestate 

359 = 395 ( Seipio Fasti Cap. Liv. V 24, 

1 _3. Diod. XIV 94, 1 ; vgl. P. Cornelius Cossus 
Nr. 120) unternahm cr einen Pliinderungszug ins 
Gebiet von Falerii (Liv.). Dass er das Consular- 
tribuuat noch einmal im J. 360 = 394 bekleidet 
habe, ist nnrichtig (vgl. o. P. Cornelius Nr. 39), 



Provinz, Gallien, gemeinsam , die sonst in dieser 30 und seine beiden von Livius (V 31, 8. VI 1, 8) 

Zeit niemals an Praetoren gegeben wird. Es 

sind also ihre beiden Namen interpoliert (vgl. 

Munzer De gente Valeria [Berl. Diss. 1891] 70). 

Damit fallen die Schwierigkeiten hinsichtlich der 

Sohne des Africanus. Ein Sohn desselben Namens 

Gnaeus hat nicht existiert; die Notiz des Livius 

iiber einen solchen ist zu verwerfen, die des Val. 

Max. ist auf Lucius zu beziehen. Dieser Lucius 

ist also im Kriege gegen Antiochos gefangen wor- 



zu den J. 362 = 392 und 365 = 389 verzeich- 
neten Interregna sind mindestens sehr verdiichtig 
(vgl. Miinzer De gente Valeria 67. Hirschfeld 
a. O.). Fiir seine Sohne halt man Nr. 329 und 
322. 

320) P. Cornelius Scipio, wird von Livius (VII 
1, 2) als einer der beiden ersten im .1. 388 = 366 
fungierenden curulischen Aedilen und im J. 404 

350 als Magistcr equitum des Dictators L. 



den, denn sein alterer Bruder Publius Nr. 331,40Furius Camillas erwahnt (VII 24, 11). Die Rich 

- - - - tigkeit beider Angaben ist zweifelhaft, denn zn 

den Bedenken, die diese auch in den Fasti Cap. 

verzeichnete (erhalten Jdjicl-. und [m]ag. eq.) 

Dictatur erregt, tritt die Ubereinstimmung in den 
Namen des Dictators und des Reiterobersten mit 
den wohl sicher gefalschten von 358 = 396 (vgl. 
Nr. 328). IJber die auf Veil. II 8, 2 beruhende 
Ansicht, dass er der altere Bruder des Consuls 
von 404 = 350 gewesen und mit diesem gemoin- 



an den man auch denken kfinnte (vgl. Monim 
sen Eom. Forsch. II 517. 3), hat vielleicht wegen 
seines schwachlichen Korpers keine Kriegsdienste 
geleistet. Seine Gefangennahme erfolgte bald 
nach Beginn der Feindseligkeiten im J. 562 = 192 
zur See bei Oreos, und er blieb in den Handen 
der Feinde bis ins J. 564 = 190 hinein. Viel- 
leicht hat ihm dies in der oflentlichcn Meinung 
geschadet, denn nur die Bescheidenheit des Ci- 



cereius verhalf ihm im J. 580 = 174 zur Praetur, 50 sam 414 = 340 die Censur verwaltet habe, vgl 



und die Censoren dieses Jahres, die auch einen 
andern Scipio (Nr. 348) bestraften, schritten gegen 
ihn ein, da er selbst seinen Verwandten Argernis 
bot. Eine ahnliche Nachricht iiber einen andern 
Praetor Cn. Scipio (Nr. 321) kann zur Entstehung 
der Verwirrung hinsichtlich seines Namens bei- 
getragen haben. 

326) L. Cornelius Scipio. Aus den Seipionen- 
grabern stammt eine Platte , die den Namen L. 



L. Cornelius Scipio Nr. 322. [Munzer.] 

330) P. Cornelius L. f. (CIL 12 p. 25) Scipio, 
Sohn von Nr. 323. jungerer Bruder des Cn. Corne- 
lius Scipio Calvus (Nr. 345), Consul im J. 536 
= 218, war mit Truppenaushebungen in Italien 
beschaftigt. als der in Verbindui.g mit der Anlage 
der Colonien Placentia und Cremona stehende 
Gallieraufstand eine so bedrohliche Wendung nahm, 
dass er die ihm zugewiesenen Truppen unter 



Cornelius Cn. f. Cn. n. Seipio und ein Gedieht 60 fremder Fiihrung auf den Knegsschauplatz in 
- ~ ■ • "-■ ' ..-■-. ,* Oberitalien schicken musste und selbst neue Aus- 

hebungen veranstaltete. Die Zahl der ihm zu- 
gehorigen Soldaten nennt Livius XXI 17,8: zwei 
Legionen mit der dazu gehflrigen Reiterei, 14000 
soidi zu Fuss und 1600 Reiter; die Macht, mit 
der er aus Italien abfuhr, also ohne die in Ober- 
italien belassenen Truppen einzureclmen, veran- 
sehlagt Appian. lb. 14 auf 10000 Mann Infantcrie 



in Saturniern enthalt, demzufolge dieser Mann zu 
vielen Hoffnungen berechtigte , aber noch ehe er 
ein Amt erlangt hatte . im Alter von 20 Jahren 
starb (CIL I 34 = VI 1289 = Dessau 7 = Bii- 
cheler Carm. Lat. epigr. I Op. 7f.). Wegen der 
Filiation kann er fiir einen jungeren Sohn von 
Nr. 346 gehalten werden , doch auch fur einen 
Enkel desselben und Sohn von Nr. 347 (vgl. 



1435 



Cornelius 



Cornelius 



1436 



und 700 Eeiter. Beide Schrit'tsteller gemeinsam 
geben die Zahl der Schiffe auf 60 an. 

Infolge der oben erklarten Verzogerung ver- 
liess Scipio Italien so spat, dass tx Hannibal in 
Spanien nicht vorgefunden hatte. Als er nach 
fflnftagiger Fahrt von Pisa aus an der Milndung 
der Rhone (am Arme von Massilia) landete, war 
Hannibal ebenfalls schon an diesem Flusse er- 
schierien. Ein Recognoscierungszug romischer 



Senat im gleielien Jahre den P. Scipio als Pro- 
consul dera ursprimglichen Plane entsprechend 
nach Spanien zu gemeinschaftlichem Vorgchen 
mit soinem Bruder, Polyb. Ill 97. Liv. XXII 22. 
Appian. lb. IS. Er setzte auf 20 (Liv.: 30) 
Schiffen seine Truppen (Liv. 8000 Mann) nach 
Spanien uber. Beide Bruder iiberschritten — das 
erstemal in diesem Kriege — den Ebro und zogen, 
von der Plotte begleitet, gegen Sagunt. Dort 



Reiter geriet zwar mit Hannibals Reiterei ins 10 spielte ihm Abehix (Zonar. IX 1 : Abel'us) die 

Gefecht. Zu weiteren Kampfen kara es jedoeh * ' " " ' ' " ■ • - — 

nicht, da Hannibal mit seiner Hauptmacht einen 
Vorsprung von etwa drei Tagen hatte. Scipio • 
zog deshalb an das Meer zuriick. Seinen Bruder 
Cn. schickte er mit der Mehrzahl seiner Truppen 
in die ihm zugewiesene Provinz Spanien, er selbst 
fuhr naeh Italien zurfick, lief vielleicht unter- 
wegs Genua an (Liv. XXI 32, 5; aber XXI 39, 
3 = Polyb. Ill 56) und landete in Pisa. Die zum 
Gallierkriege detachierten Truppen zog er an sich 20 



•29. 



(Polyb. Ill 40. 41. 45. 49. 56. Liv. XXI 26 
Zonar. VIII 23). 

Scipio uberschritt den Po, iiberbruckte den 
Tessin und marschierte stromauf (staga rdv noza- 
nov, womit nur der Po gemeint sein kann, W e i s s e n- 
born-Miiller zu Liv. XXI 45, 3. Mommsen 
Rom. Gesch. 1 8 588f.) am nOrdlichen Ufer dem 
aus dem Gebiete der Tauriner kommenden Han- 
nibal entgegen. Hier, eine Meile von Victumulae, .„ ... ^ ,. 

bei Vercelli (Liv. XXI 45, 3), kam es zur Schlacht ; 30 treffenden Briefe dringend weitereMittel "fir Loii 



spanischen Goiseln in Sagunt in die Hande. Scipio 
entliess sie und gewann sich dadurch die Herzen 
der Spanier. Das Jahr ging zu Ende, die Riimer 
zogen wieder ab. 

Vom J. 538 = 216 an verlasst uns 1 eider der 
polybianische Bericht, dem der livianische an Zu- 
verlassigkeit nachsteht, wenn er auch wohl im 
ganzen nach Abzug der rhetorischen Ubertrei 
bungen glaubhaft erscheint. 

Der Versuch Hasdrubals, Spanien auf dem 
Landwege zu verlassen, fuhrte zu einem Zusammen- 
stosse beider Truppen bei der Stadt Hibera am 
Ebro, wobei nach Oros. IV 16, 14 der Ubergang 
der Keltiberer zu den fiOmern eine Rolle spielte. 
Die Bruder besiegten Hasdrubal, hinderten ihn 
dadurch an der Ausfuhrung seines Planes und 
meldeten die frohe Botschaft nach Rom. Liv. XXIII 
28f. Trotz dieses Erfolges forderten die Bruder 
in einem am Ende des Sonmiers in Rom ein- 



die Romer erkgen der Ubermacht. Scipio selbst 
wurde verwundet, sein 17jahriger Sohn P. (Nr. 
336) oder ein ligurischer Sclave rettete den Consul 
(Polyb. X 3; vgl. Wslfflin Herm. XXIII 1888, 
307—310. 479). Diese Vcrwundung Scipios ver- 
legt Appian (Hann. 7) versehentlich in die Schlacht 
an der Trebia, Nepos (Hann. 4) kennt nach der 
Schlacht an der Trebia noch ein Gefecht bei Cla- 
stidium , das auch stattgefunden haben m ag — Polyb. 



nung, Kleidung und Verpfiegung des erschopften 
Heeres. Die Mittel wurden mit Miihe in Rom 
aufgebracht und langten in Spanien an. Nun 
ruckten die Bruder in das Gebiet des Baetis vol 
und entsetzten mit 16000 Mann das von drei kar- 
thagischen Heeren belagerte Iliturgi, dann ebenso 
Intibili. Der Ubergang fast aller (?) span ischer Vol- 
kerschaften war der Lohn des Sieges. Liv. XXIII 
48f.;_ Zonar. IX 3 spricht sogar von der Scndung 



III 89 und Liv. XXI 48 sprechen von einem ge- 40 spanischer Hiilfstruppen nach Italien, von der 
lun£rnTi«nTTftndatTfticliPlT fl .TiniV. ! il sa nf^5oc»fifo^+_ Rfickgabe der Stadt Sagunt an die frflheren Be- 



lungenen Handstreiche Hannibals auf diese Stadt 
und lasst den Scipio dort seine Wunde empfangenl 
Scipio ging infolge der Niederlage uber den 
Po zurfick und lagerte westlich der Trebia. Die 
Verraterei gallischer Hiilfstruppen, die aus seinem 
Lager in das Hannibals ubergingen, dazu die un- 
zuverlassige Haltung der gallischen Stamme ver- 
anlassten ihn, einen besser gcdeckten Platz zu 
wiihlen. Es gelang ihm, auf das rechte Ufer der 



wohner, was Livius in spatere Zeit verlegt, und 
verbindet damit das Lob der Enthaltsamkeit der 
Scipionen gegeniiber der Beute. Trotz dieser Er- 
folge auf romischer Seite, deren Bedeutung Livius 
(XXIII 49, 14) hOher einschatzt als die Ereignisse 
des J. 539 =215 in Italien, drangen die Kar- 
thager im J. 540 = 214 von neuem vor, so dass 
die Bruder zwar gegen sie bis Castrum Album 



Trebia hinaberzukommen ; dort verschanzte er sich. 50 voniickten (Liv. XXIV 41; Castrum Album = 



Beim Eintreffen seines aus Sicilien herbeieilenden 
Amtsgenossen Sempronius war seine Wunde noch 
nicht geheilt. Vergebens warnte Scipio den Sem- 
pronius, der infolge seiner Erkrankung das Com- 
mando fuhrte, vor einer Schlacht. Der Erfolg 
gab Scipio Recht: das romisehe Heer wurde an 
der Trebia geschlagen, Scipios Heer musste sich 
zunachst nach Placentia, dann (nach Liv. XXI 
56, 9 und Nepos Hann. 7) nach Cremona zu- 



Lucentum? Hiibner CIL II p. 479. Weissen- 
born-Miiller zu Liv. XXIV 41), jedoeh den vor- 
geschobenen Posten nicht halten konnten und 
sich nach dem Mons Victoriae (nnbekannter Lage) 
zuruckzogen. Ein Streifzug, den P. von hier 
unternahm, brachte ihn in eine gefiihrliche Lage; 
sein Bruder Cn. befreite ihn daraus. Nach der 
Einnahme von Iliturgis und Bigerra durch Cn. 
iegten die Romer bei Munda, bis die Vcrwun- 



riickziehen. Dort bezog sein Heer die Winter- 60 dung des Cn. dem Vordringen ein Ziel setzte 



lager. Polvb. Ill 64—70. 74. Liv. XXI 45-48 
52. 53. 56. Zonar. VIII 23f. Eine Wiiidigung 
der kriegerischen Thatigkeit des Scipio im J. 218 
bis zum Eintreffen des Sempronius giebt Momm- 
sen Rom. Gesch. 18 590. 

Auf die Nachricht von dem Seesiege, den Cn. 
Scipio (Nr. 345) im Beginne des J. 537 = 217 an 
der Ebromiindung erfochten hatte, sandte der 



Liv. XXIV 42. Noch mehrcre Siege, von denen 
Liv. a. a. O. spricht, verdrangten die Karthager 
nicht aus Spanien, wenn auch die Eroberung von 
Sagunt und die Rache an deren alten Feinden, 
den Turdetanern, den Rsmern gelang. 

Um die Feinde ganzlich aus Spanien zu ver- 
treiben, kniipften die Bruder im J. 541 = 213 
mit Syphax von Numidien an; die Karthager 



1437 



Cornelius 



Cornelius 



1438 



riefen zuerst Massinissa gegen ihn ins Feld (Liv. 
XXIV 48), mussten aber auch Hasdrubal (Bare, 
f.) mit einem Teile der Truppen aus Spanien zu- 
ruckziehen (Appian. lb. 16). Auf romischer Seite 
erfolgte jedoeh kein energischer Vorstoss; wenig- 
stens weiss Liv. XXIV 49, 7 nicht von etwas 
wesentlichem zu melden. 

So kam das J. 542 = 212 oder 543 = 211 
heran. Uber die chronologische Frage s. bei Cn. 



net wird, so kann dies aus der Liickenhaftigkeit 
seiner letzten erhaltenen Bucher erklart werden 
(vgl. Cn. Cornelius Nr. 22). ' Zu Gunsten der 
Identitat lasst sich ausserdem die Ubereinstim- 
ruung des Hauptgedankens der Inschrift mit den 
angefiihrten Ausserungen Ciceros fiber den sonst 
ganz unbekannten Sohn des Africanus geltend 
machen (vgl. Wclfflin a. O. 196f. 214f.), aber 
als zweifellos darf diese Identitat nicht gelten 



Cornelius Scipio Calvus (Nr. 345). Um den durch 10(vgl. Mommsen CIL I p. 19: summa res to 



die Riickkehr des Hasdrubal (Bare, f.) (nach der 
Niederlage des Syphax) verstiirkten Truppen wirk- 
sam entgegen zutreten, trennten sich die Bruder 
bei Amtorgis, das nach Appian. Ih. 16 am oberen 
Baetis gelegen sein muss, P. zog den Fluss ent- 
lang (Liv. XXV 32) und wuTde von Hasdrubal 
(Gisg. f.), Mago und Massinissa hier festgehalten. 
Um seine vOllige Einschliessung durch den heran- 
riickenden Indibilis zu verhindern, verliess P. 



redit, id nihil fere in lapide insit , quod Afri- 
eani filio recte tribui nan possit , neque tamen 
quicquam certa ratione ad ipsum ilium P. Sei- 
<pionem ducat praeter ttomen). [Mfinzer.] 

332) [P.] Cornelius (Scipio) ergiinzteBiondi 
den Namen . . Cornelius des Consuls suffectus im 
J. 716 = 38 v. Chr. (CIL I_2 p. 65 Fasti Biond.). 
Seine Vermutung ist allgemein angenommen ; man 
identiflciert diesen C. mit dem Gemahl der Scri- 



nachts das Lager, geriet aber dabei zwischen drei 20 bonia und Vater des P. Cornelius P. f. P. n. 



feindliche Heere. wurde verwundet und fand in 
diesem Kampfe den Tod, Liv. XXV 34. [Henze.l 

331) P. Cornelius Scipio, altestor Sohn des 
P. Scipio Africanus, wurde im J. 574 = 180 
Augur (Liv. XL 42, 13), adoptierte den spateren 
P. Scipio Africanus M.inor vor dem J. 586 = 168 
(Veil. I 10, 3), und war im folgenden Jahre noch 
am Leben (da sein Tod in den erhaltenen Biichern 
des Livius nicht gemeldet wird). Velleius a. O. 



Scipio cos. 16 v. Chr. (Nr. 333) und der Cornelia 
(Nr. 419); vgl. o. zu Lentulus Marcellinus Nr. 227. 
Ob C. mit Scipio Pomponianus Salvitto (Nr. 357) 
identisch war, erscheint fraglich. 

383) P. Cornelius Scipio. a) Name: IJ. Koq- 
vrjhog II. vi. II. eyy. Zxmimv Dio ind. 1. LIV 
(vgl. CIA III 580) ; Ildjihos KoQvrjXio; 2[xiJitcov] 
Bull. hell. X 1886, 400; P. Gorne[liusJ CIL I a 

p. 65 Fasti Biond.; P. Co CIL I 2 p. C4 

sagt, dass er nihil ex paterna maiestate praeter 30 Fasti Colot. ; IJovjthoe Sxuziwv Dio LIV 19, 1 ; 



speeiem nominis vigoremque eloquentiae besessen 
babe; der Grund dafiir, dass er sich am politi- 
schen Leben nicht beteiligte, lag nach Cicero in 
seiner Gebrechlichkeit, vgl. Brut. 77: filius {Afri- 
cani)^ is qui minorem Scipionem adoptavit, si 
eorporc valuisset, inprimis habitus esset disertus; 
indicant cum oratiunculac, Him historia quaedam 
Oraeea scripta dulcissimc (Vermutungen uber 
deren Inhalt bei Teuffel-Schwabe I 205 § 127, 



P. Scipio CIL XV 4608. Cassiod. Munzen. 
b) Leben: Sohn cines Publius (Dio ind. 1. LIV), 
wohl des Vorhergehenden und der Scribonia; 
wahrscheinlich Bruder der Cornelia (Nr. 419). 
Er diirfte der II6ji/uos Ko(n-^hog UrmUov vio[<;] 
JUxtntaiv, tafias xai avTiaTQaxrjyog (quaestor pro 
praetore von Achaia) sein, dem die Athener eine 
Statue errichteten (CIA III 580). C. war Prae- 
tor (vgl. Prop. V 11, 65 vidimus et fratrem sel- 



3) ; Cato 35 : quam fuit imbecillus P. Africani 40 lam geminasse curulem) , Consul ordinarius im 



fdius, is qui te adoptavit, quam tenui aut nulla 
potius valetudine; quod ni ita fuisset, alterum 
illud exstitisset lumen civitatis; ad paternam 
enim magnitudinem animi doctrina ubtrior ac- 
cesserat; de off. I 121: superioris filius Africani, 
qui hunc Paullo natum adoptavit, propter infir- 
mitatem valetudinis non tam potuit patris seni- 
lis esse," quam ille fuerat sui. Auf ihn wird 
die Inschrift in saturnischen Versen bezogen, die 



J. 738 = 16 v. Chr. mit L. Domitius Aheno- 
barbus (vgl. zu den oben angefiihrten Nachweisen 
noch Prop. V 11, 66 und CIL 1 2 p. 162f.) und 
Proconsul von Asia (Munzen von Pitane in Mysien 
mit dem Bilde und Namen [77. Zximwva] des 
C. auf der Riickseite, vgl. Mi on net VI 670 nr. 401. 
Waddington Fast. nr. 56. Klebs Prosop. I 
403 nr. 1175) in der Zeit, da es den Proconsuln 
von Asia und Africa erlaubt war, ihr Portrat auf 



auf zwei Peperinplatten als der Vorderseite eines 50 die Munzen zu setzen (vgl. Mommsen St.-R. II 3 



Sarkophags aus den Scipionengriibern steht (CIL 
I 33 = VI 1288 = Dessau 4 = Biichelei Carm. 
Lat. epigr. I 8 p. 7). Die dazugehorige Aufschrift, 
die den vollen Namen und die Wurden des Mannes 
enthielt, ist verloren gegangen; von den sieben 
Versen beklagen die sechs letzten den friihen Tod 
des P. Cornelius P. f. Scipio, der bei langerer 
Lebensdauer den Ruhm seiner Ahnen weit iiber- 



261, 4), vermutlich bald vor dem J. 748/9 = 6/5 
v. Chr., in welchem C. Asinius Gallus cos. 746 
= 8 Asia verwaltete (vgl. Klebs a. a. O.). Als 
Proconsul crliess er ein zum Teil erhaltenes 
Schreiben an die Stadt Thyatira (Bull. hell. X 
1886, 400). C. war kaum der unter den Lieb- 
habern der Iulia (seiner Halbschwester) genannte 
Scipio (s. Nr. 319), wie Borghesi Oeuvr. V 215 
annahm, sondern wohl dessen Vater. Auf Leute 



troffen hatte. Der erste Vers, der ihn als Flamen 
Dialis bezeichnet, ist nachtraglich hinzugefiigt, 60 seines Gesindes durfte sich die Grabschrift CIL 
wie neuerdings mit Bestimmtheit erkannt worden VI 16 203 beziehen; Cornelia Prima nutrix Sci- 
ist (vgl. Welfflin S.-Ber. Akad. Miinch. 1892, pionis war die Freigelassene eines dieser letzten 



197f. Bucheler a. O.). Durch diese Erkenntnis 
wird ein Argument gegen die Identification dieses 
P. Scipio mit dem Sohne des Africanus jedenfalls 
abgeschwiicht, dass niiirilich das Augurat auf der 
Inschrift fehlt. Wenn andererseits P. Scipio von 
Livius nicht unter den Flamines Diales verzeich- 



Scipionen oder eines Lentulus Scipio (CIL I p. 14 
= VI 16128 beim Grabmal der Scipionen ge- 
fundene Grabschrift der Cornelia Prima). 

334) P. Cornelius Scipio. Die Consuln der 
J. 2, 24 und 56 n. Chr, s. o. bei Lentulus Scipio 
Nr. 235ff. Bei geringen Leutcn spaterer Zeit 



1439 



Cornelius 



Cornelius 



1440 



fmdet sich der Name Cornelius Scipio CIL V 
4462 (Brixia) und Athen. Mitt. XXIV 1899, 184 
(Pergamon). [Groag.] 

335) P. Cornelius Scipio Aemilianus Africa- 
nus. Quellcn: Von den Zeitgenossen hat nament- 
lich Polybios das Leben Scipios eingehend dar- 
gestellt, indem er inn in den letzten Teilen seines 
Geschichtswerkes durchaus in den Vordergrund 
stellte; bezeichnend ist, wie er sich XXXII 16, 
1 — 3. XXXVI 8, 5 selbst deswegen entschuldigt. 
Von Polybios und seinem Fortsetzer Poseidonios, 
der durch ihn und durcli Panaitios in demselben 
Sinne beeinflusst wurde, sind die nns voiiiegen- 
den Berichte wenigstens in letzter Linie und zum 
grossen Teil abhangig, auch Cicero, der in den 
Biichern de republica Scipio zur Hauptperson des 
Dialogs machte, ihn in der Schiift Cato maior 
gleichfalls am Gespriich teilnehmen und im Lae- 
lius die Unterlialtung an seinen kurzlich erfolgten 
Tod anknfipfen liess. Eine Biographie Scipios 
citiert Gell. Ill 4, 1 : In libris, quos de vita P. 
Seipionis Afrieani composites le.gim.us, scrip- 
turn esse animadvertimus, viellcicht ist dies zu 
verbinden mit VI 1, 2 (vgl. 6): C. Oppius et 
Iidius Hyginus aliique, qui de vita et rebus 
Africani (sell. Maioris) scripserunt, so dass man 
an die Behandlung Scipios in den audi I 14, 1 
angefiihrten libri de vita rebusque inlustrium, 
virorum Hygins denken kann. Eine Biographie 
Scipios schrieb ferner Plutarch; er citirt sic Ti. 
Gracch. 21, 3; C. Gracch. 10, 4 und hat wohl 
einfach daraus die zahlreichen Apophthegmata 
Seipionis Minoris (Mor. p. 19!) Pff.) wiederholt; 
er hatte Scipio mit Epaminondas zusammengc- 
stellt. Von Inschriften, die Scipios Laufbahn ver- 
zeichneten, ist die des Fornix Fabianus im 10. 
Jhdt. aufgefunden und copiert worden (CIL I 2 
p.l98el.XXV = VI1304c = Dessau43),wahrend 
die zu der Statue auf dem Augustusforum ge- 
horige nur von Plin. n. h. XXII 13 angefuhrt 
wird. 

Monographische Litteratur: E. Lincke P. 
Cornelius Scipio Aemilianus. Progr, Dresden 1898. 
Die dort S. 2 A. 17 verzeichneten alteren Mono- 
graphien, sowie die (nach Jahresber. d. Geschichts- 
wissensch. 1878 I 84 , 1 wertlose) von Person 
(Diss. Paris 1877) sind mir durchweg nicht zu- 
giinglich. 

Familie: Scipio war nach zahlreichen Zeug- 
nissen, die niclit erst angefuhrt zu werden brauchen, 
der jungere (Polyb. XXXII 10, 3. Liv. XLIV 41. 
1. Diod. XXX 22. Pint. Aem. Paull. 5, 1) Sohn 
des L. Aemilius Paullus (Bd. I S. 576— 580) aus 
seiner ersten Ehe mit Papiria und wurde von ihm 
noch als Knabe dem Sohne des alteren Africanus, 
P. Cornelius Scipio Nr. 331 , zur Adoption ge- 
geben, dessen Namen er auch empfing, walirend 
er die Erinnerung an seinen leiblichen Vater in 
dem Cognomen Aemilianus bewaln-te. Er heis^t 
gelegentlich Bruder des Q. Fabius Maximus Aemi- 
lianus (Cic. Lael. 96), Oheim von dessen Sohn 
Q. Fabius Maximus Allobrogicus (Cic. Mur. 75. 
daraus Val. Max. VII 5, 1. VIII 15, 4), ferner 
Oheim der Suhne seiner leiblichen Schwestern 
(Bd. I S. 590 Nr. 151. 152*. des Q. Aelius Tu- 
bero (Cic. Brut. 117; de or. II 341; Mur. 75, 
daraus Val. Max. VII 5, 1) und des C. Porcius 
Cato (Cic. Brut. 108). 



Geburtsjahr: Zur Zeit der Schlaeht bei Pydna 
4. September 586 = 22. Juni Julian. 168 heisst 
Scipio cudmodum aduleseentulns bei Cic. rep. I 
23, neptunium decumum annum agens bei Liv. 
XLIV 44, 3, rios Siv xo/udfj bei Polyb. XXIX 
18 , xouiSfj vsos, d>g av jisql to sjixaxcudsxaxov 
ysyovcos e'xos bei Diod. XXX 22; demnach musste 
er damals seinen ersten Kricgsdienst gethan haben 
(vgl. Marquardt Privatleben 2 133, 4) und Ende 

10 569 = 185 oder Anfang 570 = 184 geboren sein. 
Eine sichere Entscheidung zwischen diesen beiden 
MOglichkeiten lasst sich kaum treffen, da fiir jede 
von ihnen ein Teil der ubrigen Zeugnisse zu 
sprechen scheint. Polybios sagt von seinem ersten 
Zusammentreffen mit Scipio in Bom, das nicht 
vor den Anfang 588 = 166 gesetzt werden kann 
(vgl. Nissen Rhein. Mus. XXVI 272): genofois 
xf\ xov fieigaxtov xaxaQfJl xmv X6yo>v — ov yaQ etxe 
xle.ov ex&v oxxcoxaldsxa xoxs (XXXII 10, 1; vgl. 

2011. 12: fisiQaxtov. Diod. XXXI 26, 5: ysyovoK 
xaxa xovxov roe svtavxov oxxwxaibe.xa f.x&v), was 
auf den spiiteren Termin fiihrt. Der Tod Scipios 
fiillt nacli den Feriae Latinae (Zeit des Dialogs 
Cic. rep. I 14), d. h. nacli April odor Mai (vgl. 
Marquardt Staatsvcrw. Ill 298) 025 = 129; 
die unmittclbar vorhorgehende Zeit hat Cic. rep. 
VI 12 im Auge: cum aetas tua septenos octiens 
solis anfraetus reditusque connerterit, dtmqne 
ii nunncri, quorum uterque plenus alter altera 

30 de causa habeiur , circuilu naturali siimmam 
tibi fatalem. eonfecerrnl, in te unum atquc in 
tuum ni) men se iota eonvertet ei vitas, wozn 
Macrob. comm. in somn. Scip. I 6, 83 bemerkt: 
per septenos octies satis anfraetus reditusque 
quinquaginta et sex signifieat annos. Man darf 
aus dieser Stelle schliessen, dass Scipio noch vor 
Vollendung seines 50. Lebensjahres starb, aber 
nicht lange vorher, und wird so eher auf das Ge- 
burtsjahr 569 = 185 gefiihrt; daher sagt Schol. 

40 Bob. Milon. p. 283 Or.: Exccssit sex et quinqua- 
ginta. annos natus. Vielleicht war man schon 
im Altertum fiber Scipios Alter im Zweifel, da 
Veil, II 4, 7 seine melir fiir 570 = 184 sprechende 
Angabe bewcisen zu miissen glaubt: Decessit 
anno ferine sexto et quinquagesimo : de quo 
si quis ambiget, reeurrat ad priorem cons?/- 
latum eius, in quern creatus est anno XXX]'I: 
ita dub/tare desinet: reelmet man von 570 = 184 
nicht bis zu dem Consulat selbst, sondem bis zu 

50 der Walil zum Consulat 606 = 148 und legt 
man auf ferme den Ton, so kann man alien- 
falls beide uberlieferten Zablen festhalten. Die 
Angaben der Griechen Plut. apophth. Scip. Min. 
1 : heesi xerTi/xovra xai Teaoagot. oh ffliojoe, und 
Aelian. v. h. XI 9, 5: xixxaqa xal ^ci'Ti'/xorra 
?zt] (iiiooa; beruhen wahrscheinlich auf einer 
Flikhtigkeit, Verwechslung der lateinischen Zahl- 
zeichen L VI mit LIV. Olme Wert ist die all- 
gemeine Bemerkung iiber Scipios Alter bei Gell. 

60 III 4, 2. 

586 = 168. Scipio nahm an der Schlaeht bei 
Pydna teil und liess sich bei der Yerfolgung des 
fliehenden Feindes soweit hinreissen, dass er erst 
mitten in der Nacht zuriickkchrte und seinen 
Vater, der schon in grosser Sorge urn diesen seinen 
Lieblingssohn war, davon befreite (vgl. Cic. rep. 
I 23. Liv. XLIV 44, 1-3. Auct. de vir. ill. 58, 
1. Polyb. XXIX 18. Diod. XXX 22. Pint. Aem. 



1441 



Cornelius 



Cornelius 



1442 



Paull. 22, 3—7). Solange das Heer in Make- 
donien blieb, widmete er sich mit Eifer der Jagd 
(Polyb. XXXII 15, 3—7); dann begleitete er im 
Herbst 587 = 167 den Vater auf dessen Rund- 
reise durch Griechenland (Liv. XLV 27, 6) und 
nahm in Bom an dessen Triumph teil (ebd. 40, 
4. Eutrop. IV 8, 1, s. o. Bd. I S. 578). Die 
folgenden Lebensjahre Scipios hat Polybios XXXII 
9, 2-15, 12 (daraus Diod. XXXI 26, 3ff.) ge- 



24), die man aber jedenfalls spater als die 
im Zusammenhang bei Polyb. XXXII 9, . 2 — 15, 
12 erzahlten Ereignisse (Tod der Papiria etwa 
595 = 159) ansetzen muss, und vielleicht vor 
599 = 155, weil Scipio damals, als die athenische 
Philosophengesandtschaft nach Bom kam, daheim 
war (Cic. de or. II 155). Polybios begleitete dann 
auch den Scipio bei seinem ersten offentlichen 
Auftreten, namlich nach Spanien und Africa, und 



schildert indem er darlegte, wie sich der Jiing- 10 ist die Hauptquelle der Berichte daruber 

:. . .' ^ -, •_.__ i.i. A :i;„„ fiAQ _ 1S1 Tlio T.o™ in Snnnien V 



603 = 151. Die Lage in Spanien wird mit 
den dflstersten Farben geschildert, damit sich die 
glanzende Gestalt Scipios von dem dunklen Hin- 
tergrunde gut abhebe. Bei der allgenieinen Furcht 
vor dem Kriege und der Aushebung sind Consuln 
und Senat ratios, bis Scipio sich erbietet, als 
Kriegstribun oder Legat nach Spanien zu gehen ; 
er verzichte auf seine von den Makedonen ge- 
einem iVlumcipmm untergeDiacrK wurue, souueiu wunschte und bereits beschlossene Entsendung 
in Eom bei Paullus bleiben durfte (Polyb. XXXII 20 nach Makedonien (ebenso Oros.; vgl die Sendung 
9 4f) Das Gespriich, in dem Scipio sich dem des Nasica Corculum Nr. 353 an Scipios Stelle) 
Polybios ganz erdffnete und ihn urn seine Freund- und wahle den gefahrlicheren Posten.^ Sem hoch- 



ling jede Tugend zu eigen machte. Aemilius 
Paullus hatte seinen Sohnen die Bucher des Perseus 
geschenkt (Plut. Aem. Paull. 28, 9), wie er uber- 
haupt fiir ihre Bildung bemtiht war (vgl. Plin. 
n. h. XXXV 135), und Gesprache iiber Biicher 
gaben den Anlass zu der ersten Bekanntschaft 
zwischen den Sohnen und Polybios, der deshalb 
nicht wie die anderen gefangenen Achaeer in 
einem Municipium untergebracht wurde, sondern 



schaft bat, muss man bei Polybios selbst nach 
lesen (XXXII 9, 6—10, 12). Zuerst habe dann 
Scipio sich im Gegensatz zu seinen Alters- und 
Standesgenossen eines tugendhaften Lebenswandels 
befleissigt und in etwa fiinf Jahren erreicht, dass 
seine ema^la xal owyQoovvn allgemein geruhmt 
wurden (ebd. 11, 1-8. Diod. XXXI 27, 1); dar- 



herziges Beispiel findet nicht nur Beifall, sondern 
auch Nachahmung bei alien: die Mannschaften 
drangen sich zur Aushebung, die jungen Adeligen 
zu den Officierstellen. Wie Polyb. XXXV 4, 1-14 
erzahlt dies auch Livius (ep. XLVIII. Oros. IV 
21, 1; vgl. Val. Max. Ill 2,6), fiigt aber hinzu, 
die Strenge der Consuln bei der Aushebung habe 



auf habe er sich den Ruhm der Hochherzigkeit 30 einen ernsten Conflict mit den Tnbunen herbei- 
_ _ — . _....,. /-, ^ -i _ _i .1 — £.■;! — j- ....;] \ ««:.-.« Tl. AQ a-rcrunvr. rti^sA I iar- 



und der Uneigennutzigkeit in Geldsachen erworben, 
was durch die Darstellung der einzelnen Falle 
bewiesen wird" (ebd. 11, 9): 592 = 162 starb seine 
Adoptivgrossmutter Aemilia, die Gemablin des 
alteren Africanus; was sie an Schmuck, Haus- 
rat, Sclaven hinterliess, schenkte Scipio seiner 
leiblichen Mutter Papiria (ebd. 12, 1—10. Diod. 
XXXI 27, 3f.) und einige Jahre spater nach 
deren Tode seinen leiblichen Schwestern (ebd. 14, 



gefiihrt, und Appian lb. 49 erganzt diese Dar- 
stellung dahin, dass infolge der Beschwerden fiber 
die Consuln anstatt des namentlichen Aufrufs 
eine Auslosung der Soldaten verfiigt worden sei 
(vgl. Marquardt St.-V. II 382). Mehr als 
Scipios Aufopferung (iibertragen auf den alteren 
Africanus 544 = 210; vgl. Ihne R. G.2 II 322, 
2) diirften also gewisse Zugestandnisse die Miss- 
stimmung im Volke beschwichtigt haben. Der 



deren Tode semen leiDiienen cenwestern i^euu. it, aummuiig im ■ ^».^ "7 ;-»- ■ „ 

7—9 Diod 27,7); ausserdem zahlte er den bei- 40 Consul L. Licinms Lucullus ging nunmehr aul 



den Schwiegersohnen der Aemilia, Tib. feempro 
nius Gracchus und P. Scipio Nasica Corculum 
(Nr. 353), den ihnen zukommenden Teil der Erb- 
schaft bei dem ersten Termin sofort aus unter 
Verzieht auf die betriichtlichen Zinsen, die ihm 
noch zufiiessen konnten (ebd. 13, 1 — 16. Diod. 
27, 5). 594 = 160 starb sein Vater Aemilius 
Paullus; Scipio und sein leiblicher Bruder Fabius 
verkauften den Nachlass, urn seiner zweiten Frau 



den Kriegsschauplatz ab, mit ihm Scipio, und 
zwar nach Liv. ep. XLVIII als Tribunus militum, 
nach Auct. de vir. ill. 58, 2. Ampel. 22, 3 und 
Appian (lb. 49 : xQeojlevxrji, dagegen Lib. 71 nur : 
vnooroaxevojuvo?) als Legatus , doch scheint es, 
als ob in dieser Zeit die Legatenstellen eben ge- 
wohnlich den Kriegstribunen iibertragen wurden 
(vgl. Mommsen St.-R. II 678, 3. 699f.). Wahrend 
die Reiner Intercatia im Gebiet der Vaccaeer be- 



verkaunen den jNacniass, urn seiner zweiteu nau u io x^^. ^..^^... .... -•---— --- . 

ihre Mitgift zuruckzuerstatten (Polyb. XVIII 35, 50 lagerten, forderte ein femdhcher Reiter sie wieder 
., i^:.j b i"i"i'T na i x\; n f-„ rr ii. s,.i,im linlt zum Zweikamnf heraus : nur bcipio nahm an 



6. Diod. XXXI 26, 1. Dio frg. 66, 1); Scipio 
verzichtete zu Gunsten seines Bruders auf den 
iliui zufallenden Teil der Erbschaft (Polyb. XXXII 
14, i_4. Cic. parad. 6, 48. Diod. XXXI 27, 5f. 
Plut. Aem. Paull. 29, 8) und trug ausserdem noch 
die Halfte der Kosten bei den Leichenspielen, die 
jener veranstaltete (Polyb. XXXII 14, 5f. Diod. 
XXXI 27, 6 ;. vgl. Tit. Terent. Adelph. und Hec)T.). 
So erlangte Scipio liohe sittliche Vorziige und 



holt zum Zweikampf heraus; nur Scipio nahm die 
Herausforderung an und besiegte den Gegner 
(Polvb. XXXV 5, If. Liv. ep. XLVTfl. Oros. IV 
21, 2. Flor. I 33, 11 [ungenau: rex und spolta 
opinio]. Ampel. 22, 3. Veil. I 12, 4. Val. Max. 
in 2, 6. Plin. n. h. XXXVII 9. Auct. de vir. 
ill. 58, 2. Appian. lb. 53), obwohl sein Pferd 
dabei sturzte (Polvb.), und der Gegner ihm an 
GrSsse und Kriiften weit iiberlegen war (Veil. 



So erlangte Scipio none sirtncne vorzuge uhu uiuasc m.u nioi"-- ■■-"_ -~ „*>.,. „ •■ , 
ausserdem eine kraftige Gesundheit, die er durch 60 Appian.; derselbe Zug bei den Zweikampfen des 
; .. ... »•-, ° iu-1- i v. t„„j t "Manilla Tnrnii ohi = und M. Valerius Corvus). 



korperliche tbungen. namentlich durch Jagden. 
noch starkte (Polyb. XXXII 14, 10—15, 12. Diod. 
XXXI 27, 7f.). Mit Polybios unternahm Scipio 
ausscr den Jagdausflugen in der Nahe Roms auch 
grossere Reisen, namentlich eine nach Oberitalien 
und we iter nach Siidgallien (Polyb. XXXIV 10, 
6f. aus Strabon IV 190), deren Zeit strittig ist 
(vgl. Susemihl Litt. d. Alexandrinerzeit II 86, 
Pauly-Wiasowa IV 



T. Manlius Torquatus und M. Valerius Corvus). 
Bei der Erstiirmung von Intercatia fiberstieg 
Scipio als erster die Mauer, in die man eine 
Bresche gelegt hatte (Liv. Val. Max. Auct. de 
vir. ill. 58, 3) und erhielt dafur eine Corona 
muralis (Veil.). Doch wurden die Romer wieder 
hmausgeschlagen, die Bresche geschlossen, und 
nur die beiderseitige Erschopfvmg fiihrte den 

46 



1443 



Cornelius 



Cornelius 



1444 



Frieden herbei. Dessen Vermittlung libernahm XLIX und Oros. IV 22, 7 in der Hauptsache 
Scipio als Sohn des in Spanien so beliebten (s. iiberein, verscharft aber den Gegen satz zwischen 
o. Bd. I S. 576f.) Aemilius Paullus und bestimmte der Vorsicht Scipios und dem Leichtsinn des Con- 
den habgierigen Consul zu billigen Bedingungen suls, wahrend Livius nur yon der Unbesonnenbeit 
(Appian. lb. 54). Von Spanien aus sandte Lu- zweier Tribunen spricht. Etwas spater, als Cen- 
cullus den Scipio nach Africa, um fur den kelti- sorimis nach Bom abgereist war, wurde in einer 
berischen Krieg Elefanten (imgenau Val. Max. : Nacht das Lager des Manilius uberfallen, das auf 
Hiilfstruppen) zu holen. In Africa hatte Scipio der Landenge zwischen dem Festland und der 
Gelegenheit, Arifang 604 = 150 die grosse Schlacht Stadt errichtet war; in der allgemeinen Ver- 
zwischen Numidern und Karthagern von einem 10 wirrung raffte Scipio einen Teil der Eeiterei zu- 
Berge herab mit anzusehen, gleichwie — so sammen, verliess das Lager auf der der Stadt 
pflegte er selbst zu sagen (Appian. Lib. 71) — abgewandten Seite und fuhrte seine Leute um 
Zeus vom Ida und Poseidon von Samothrake die dasselbe berum, so dass sie den Peinden den Riick- 
Kampfe um Ilion (Horn. H. VIII 51f. XIII lQff.). weg abzuschneiden drohten und sie zur Umkehr 
Von dem greisen Massinissa, dem Gastfreunde notigten (Appian. 99. Liv.). Manilius unternahm 
seines Grossvaters, wurde Scipio (mit Polybios, nun Streifziige ins Binnenland, ura zu fouragieren, 
vgl. Polyb. IX 25, 4. XXXIV 16, 2. XXXVII und wurde dabei von dem jungen und energischen 
10, 12) mit grossen Ehren aufgenommen und von Himilko Phameas, dem Fuhrer der kartliagischen 
den in jener Schlacht unterlegenen Karthagern Eeiterei (Charakteristik bei Polyb. XXXVI 8, 1), 
gebeten, den Frieden zu vermitteln. Dies ge- 20 viel belastigt; nur wenn Scipio den Befehl tiber 
lang ihm nicht, und er kehrte mit den empfange- die Fouragierenden hatte, der zwischen den Tri- 
nen Elefanten wieder nach Spanien zuriick (Ap- bunen wechselte, traf er seine Dispositionen mit 
pian. Lib. 72. Val. Max. II 10, 4. V 2 ext. 4). solcher Umsicht, dass der Feind sich gar nicht 
Ob die Lebensrettung des Paeligners M. Allie- hervorwagte (Appian. 100, vgl. Zonar. IX 27). 
nius durch Scipio (Cic. Tusc. IV 50) in den Weil Phameas ihn nicht angriff, behaupteten die 
spanischen Feldzug gehOrt (Lincke 12, 22), ist anderen Tribunen aus Neid, beide stunden von 
nnbekannt. Noch im J. 604 = 150 (nach Nis- ihren Vorfahren her in einem Gastfreundschafts- 
sen Rhein. Mus. XXVI 27 If. Ende des Sommers) verhaltnis (Appian. 101 aus Polyb. XXXVI 8, 2). 
kehrte Scipio nach Rom zuriick und verwandte Noch mehr steigerte es Scipios Ruhm, dass er 
sich erfolgreich bei Cato fur die Riickkehr des 80 allein von alien Tribunen bei der Capitulation 
Polybios und der anderen achaeischen Verbannten feindlicher Burgen den Besatzungen, wie bedungen 
(Polyb. XXXV 6, 1 aus Plut. Cato 9, 2; apophth. war, freien Abzug gewahrte, anstatt sie treulos 
Cat. 28). zu iiberfallen (was Iibrigens von den ROmern sonst 
605 = 149. Scipio als Kriegstribun in Africa. dem Hannibal vorgeworfen wurde; vgl. Liv. XXTTT 
Die Abhangigkeit unserer Hauptquelle Appian 19, 16. Plin. n. h. VIII 18); sie wollten stets 
von Polybios ist durch dessen Fragmente ge- nur noch mit ihm verhandeln, und seine Ehren- 
sichert; Scipio steht durchaus im Mittelpunkt haftigkeit wurde nicht weniger geriihmt als seine 
der Darstellung (vgl. die Entschuldigung des Tapferkeit (Appian. 101, noch etwas ausfuhrlicher 
Polyb. XXXVI 8, 5), die in erster Linie zeigen Diod. XXXII 7; auch Dio frg. 69, 4 hat Ahnliches 
will , wie sein Ruhm bestandig wuchs, und er in 40 im Auge, obwohl nichts bei Zonar. IX 27). Nach der 
Bat und That, den Freunden und Feinden gegen- Riickkehr in das Lager vor Karthago rettete Scipio 
fiber sich auszeichnete. Von Polybios hfingt Dio- wiederum bei einem nachtlichen Uberfall durch 
dor ganz ab, ebenso Livius in alien wesentlichen eine Kriegslist das Heer (Appian. Liv. topogra- 
Punkten, doch seine und andere romische Berichte phisch nicht ganz klar); Appian hebt zum funften- 
erganzen jenen gelegentlich (vgl. z. B. die Corona male hervor, wie es in aller Munde war, dass 
obsidionalis). Bei Zonar. IX 26f. wird Scipio Scipio seines Vaters Paullus und des Scipionen- 
nicht hervorgehoben, doch hatte Dio selbst die hauses wilrdig sei! Manilius unternahm nun einen 
Dinge vielleicht anders gruppiert. Vgl. uber die Zug gegen den karthagischen Parteiganger Has- 
Rolle Scipios in dem ganzen ersten Feldzug I line drubal nach Nepheris bei Henschir Bu Beker im 
R. G. HI 295, auch 299, 1. Von den beiden Con- 50 Siiden des Meerbusens von Tunis (vgl. CIL VIII 
suln leitete M'. Manilius den Angriff vom Westen, Suppl. 1275); der Feind hatte eine sehr gilnstige 
vom Festlande her, L. Marcius Censorinus den Stellung auf einer wohlverschanzten dominieren- 
vom Suden her, denn er hatte auf der Landzunge den Anhobe inne, und Scipio widerriet den An- 
festen Fuss gefasst, die als sudostliche Ver- griff, wurde aber im Kriegsrat von den iibrigen 
langerung der karthagischen Halbinsel den Golf auf ihn neidischen Tribunen uberstimmt. Seine 
von Tunis vom Meere trennt. Hier gelang es Vorhersagung erfiillte sich; die Romer richteten 
zuerst, die Mauer zu durchbrechen ; doch als die gegen die Verschanzung Hasdrubals nichts aus, 
Romer durch die notdurftig wieder geschlossene mussten sich unter schwierigen Verhaltnissen zu- 
Bresche am folgenden Tage eindrangen, batten ruckziehen und wurden nun beim Ubergange uber 
die Karthager einen dahinter liegenden Platz 60 einen Fluss angegriifen. Nur Scipios Geschick 
(vgl. dariiber Meltzer Gesch. d. Karthager II gelang es, den Feind davon abzuziehen, so dass 
175. 540) und dessen Umgebung so stark besetzt, der Riickzug ohne allzu schweren Verlust bewerk- 
dass sie die Eingedrangenen von alien Seiten an- stelligt werden konnte (Appian. 102f., iiberein- 
greifen und wieder hinaustreiben konnten; nur stimmend Liv. und auch Zonar., der hier die bei 
Scipio hatte seine Cohorte aueserhalb der Mauer Dio frg. 69 , 1—6 viel vollstandiger erhaltene 
gehalten und verteilt uhd konnte nun den Romern Charakteristik Scipios einflicht). Aber bei Be- 
einen geordneten Ruckzug sichern. Der Bericht ginn des Gefechts waren einige Cohorten abge- 
des Appian. Lib. 98 stimmt hier mit Liv. ep. scbnitten worden, nach Liv. zwei, nach dem Elog. 



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Cornelius 



Cornelius 



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und Varro bei Plin. n. h. XXII 13 drei, nach es nachher wieder moglich, die Situation auf dem 

Appian vier, nach Auct. de vir. ill. 58, 4 acht, Kriegssehauplatz weit ungmistiger darzustellen, 

was sicher tibertrieben ist. Scipio raeinte, dass als sie sich wahrend einer kiirzeren Zeit gestalten 

nun die Kiihnheit ebenso am Platz sei, wie vor- konnte; Scipio ging wohl erst zur Zeit der Wah- 

ber die Bedachtsamkeit (Appian, vgl. Dio 69, 2) len fur 607 = 147 nach der Heimat ab. Er 

und wagte es mit wenigen Reitergeschwadern wollte sich namlich um die Aedilitat bewerben, 

(drei Cohorten nach Plin.), sie zu befreien. Es fur die er iibrigens seinem Alter nach schon einige 

gelang ihm, in den Rficken des Feindes zu kom- Jahre friiher befahigt gewesen ware, aber das 

men, der jene auf einem Hugel festhielt, und ihn Volk wunschte ihn zum Consul zu wahlen, wozu 
zum' Abzuge zu zwingen (Appian, dessen Quelle 10 er noch nicht alt genug war. Nach langeren 

Polyb. XXXVI 8, 3f. Liv., vgl. die verwandten Verhandlungen wurde er schliesslich durch den 

Erziihlungen von M. Calpurnius Flamma, o. Bd. Senat von den Gesetzen entbunden, so dass die 

III S. 1373 Nr. 42 und P. Decius Mus). Von Wahl Gfiltigkeit erhielt (Auct. ad Herenn. Ill 2. 

dem ganzen Heere; das ihn jubelnd begriisste und Cic. Phil. XI 17. Liv. ep. L. Veil. 1 12, 3. Val. 

durch die GStter unterstutzt wahnte (Appian. 104), Max. VIII 15, 4. Flor. 131, 12. Eutrop. IV 12, 

erhielt Scipio eine corona obsidionalis grami- 1. Auct. de vir. ill. 58, 5. Diod. XXXH. 9a. 

nea (Plin. n. h. XXII 7. 13); Veil. I 12, 4 spricht Plut. apophth. Scip. Min. 4. Appian. Lib. 112; 

nur von der corona obsidionalis, Auct. de vir. lb. 84; b. c. I 19. ILL 88. IV 92. Zonar. IX 29; 

ill. 58, 4 von der corona obsidionalis aurea, die vgl. Mommsen St.-R. I 539, 1. 565, 2. 580, 2. 
die befreiten Cohorten verliehen hatten (vgl. 20 III 367). Auch von der Losung um die Provinzen 

Marquardt St.-V. II 576). Durch einen Brief wurde Scipio entbunden und erhielt ganz ausser- 

Scipios wurde darauf Hasdrubal veranlasst, die ordentlicherweise das Commando in Africa {extra 

gefallenen romisehen Tribunen ehrenvoll zu be- sortem Liv. LI, nach Val. Max. vom Senat, nach 

statten (Appian. Diod. XXXII 8, trotz kleiner Appian durch Volksbeschluss; vgl. Mommsen 

Abweichungen wohl aus gemeinsamer Quelle). a. O. I 58), ausserdem Truppen zum Ersatz der 

Scipios Erfolge hatten den Neid verstummen Verluste und das Recht, Freiwillige von den Bun- 

lassen, und eine Senatsgesandtschaft, die damals desgenossen auszuheben , die ihm auch gestellt 

ins Lager vor Karthago kam, erhielt iiber ihn wurden (Appian). 

von alien Seiten die glanzendsten Zeugnisse, die 607 = 147. Erstes Consulat Scipios (Fasti Cap. 

durch sie auch in Rom bekannt wurden (Appian. 30 Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Obseq. 20. Cassiod.). 

105). Als dort der alte Cato davon horte, ge- Er ging nach Sicilien und von da nach Utica 

brauchte er (im Senat Liv., als Antwort auf eine hiniiber (Appian. Lib. 113); in seiner Begleitung 

Frage Diod.) von Scipio den homerischen Vers befand sich Polybios, der von nun an den Krieg 

(Od. X 495): olog ninvvtai, tot 8k axial aiaaovaiv als Augenzeuge darstellte (Belegstellen s. u.; vgl. 

(Polyb. XXXVI 8, 6. Liv. Diod. XXXII 9 a. Plut. auch Arrian. tact. 1, 1. Nissen Rhein. Mus. 

Cato 27, 6f.; apophth. Scip. Min. 3). Bald dar- XXVI 273). Als Scipio eintraf, hatte eben der 

auf starb Massinissa; dass sein Tod bereits ins Legat L. Hostilius Mancinus versucht, Karthago 

J. 606 = 148 gehort, ergiebt sich aus der Be- durch einen Handstreich zu nehmen, indem er 

zeichnung des Manilius als Proconsul bei dieser an den schroffen Klippen beim heutigen Kap Sidi 
Gelegenheit bei Val. Max. V 2 ext. 4; Appian. 40 bu Said gelandet und iiber die hier vernachlassigte 

106 verlegt ihn absichtlich in das vorhergehende Mauer in die Stadt eingedrungen war (Appian. 

Jahr (vgl. Schwartz o. Bd. II S. 220). Der Lib. 113. Zonar. IX 29, vgl. Meltzer a. O. II 

KOnig wollte dem Scipio seine letzten Wunsche an- 191. 534). Jetzt war er aber in Gefahr, ohne 

vertrauen und befahl seinen Sb'hnen, sich dessen Lebensmittel und ohne Verbindung mit dem 

Entscheidungzuunterwerfen; Scipio traf ihn nicht Hauptheer vernichtet zu werden. Appian und 

mehr am Leben und verteilte nun die Herrschaft Zonaras stimmen in der Hauptsache iiberein, 

Massinissas unter dessen legitime Sohne (Polyb. dass die Karthager durch Scipios Eintreffen ein- 

XXXVII 10, 10. Liv. ep. L. Val. Max. a. O. geschuchtert zuiuckwichen; doch nach Appian 

Eutrop. IV 11. Oros. IV 22, 8. Appian. 105f. nahm Scipio den Mancinus sofort auf und schickte 
Zonar. IX 27, vgl. zur Kritik Lincke 15, 25). 50 ihn sogleich nach Rom, nach Zonaras versorgte 
Ein neues Verdienst erwarb sich Scipio angeb- er ihn anscheinend zunachst nur mit Lebensmitteln 
lich dadurch, dass er zu dem Ubertritt des Pha- und liess ihn in der Vorstadt Megara stehen, bis 
meas auf die romische Seite beitrug; unsere Be- der von den Karthagern in die Stadt aufgenom- 
richte stellen dies so dar, als ob nur seine per- mene Hasdrubal den Mancinus in solche Bedrang- 
sOnliche Ehrenhaftigkeit, der sogar die Feinde nis brachte, dass Scipio wiederum eingreifen und 
nnbedingt vertrauten, es herbeigefiihrt habe (Ap- die Position raumen musste. Romische Berichte 
pian. 107f. Liv. ep. L. Diod. XXXII 17, 1. Zonar. heben hervor, dass sich Mancinus zuerst in einem 
IX 27; nach Appian geht Phameas mit 2200, Teil der Stadt festsetzte (Plin. n. h. XXXV 23. 
nach Diod. mit 1200 Reitem, nach Zonar. /«#' Liv. ep. LI). Nachdem Scipio und die Karthager 
Ix.-rioiv nvojv iiber). Auch auf dem Riickwege 60 unweit der Stadt einander gegeniiber ihre Lager 
von Nepheris, wo sich Phameas zu den Romem aufgeschlagen hatten (Appian. 114), stellte er mit 
geschlagen hatte, zeichnete sich Scipio bei einem grosser Energie die zerruttete Disciplin im romi- 
Beutezuge aus und wurde nun mit dem Punier schen Heere wieder her und verwies alle unnutzen 
an den Senat gesandt, begleitet von den Wfln- Elemente aus dem Lager, begann also seine Thatig- 
schen des Heeres, er mOge als Consul zur Uber- keit mit ebenso griindlichen Reformen bei den 
windnng Karthagos zuriickkehren (Appian. 109). eigenen Truppen, wie spiiter vor Numantia (Ap- 
Die Riickkehr nach Rom wird von Appian vor- pian. 115ff.). Von zwei Seiten her unternahm 
datiert (vgl. Schwartz a. O.); infolgessen ist er nun einen Angriff gegen den Stadtteil Megara 



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Cornelius 



Cornelius 



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und drang fiber die einfache nfrdliche Mauer hier und fanden nun, als sie am dritten Tage eine 

em, wahrend ein Teil seines Heeres die dreifache Seesehlacht anboten, den Feind in Schlachtord- 

westliche Mauer bestiirmte ; nach Zonaras gelang nung aufgestellt sich gegeniiber. Die leichten 

das Eindringen infolge der Fiihrung durch feind- punischen Pahrzeuge thaten den schwerfalligeren 

liche Uberlaufer. Nach einigem Widerstande zogen rbmischen viel Schaden, zogen sich aber am Abend 

sich die Karthager in die innere Stadt (BvQoa, in solchem eiligen Drangen zuriick, dass die Hafen- 

vgl. iiber diese Bedeutung des Nam ens Mom in- einfahrt bald von ihnen verstopft wurde. Die 

sen R. G-. II 29 Anm. Lincke 17,34) zuriick, grOsseren Schiffe legten sich. an dem trapez- 

wohm auch Hasdrubal mit den Seinigen eilte. formigen Aussenquai an der Sudostecko der Hafen, 
Das vielfach durchschnittene , mit Gartenhecken 10 der mit einer Brustwehr versehen war, vor Anker,' 

und Graben bedeckte Terrain machte aber auch die Vorderseite den Peinden zugekehrt (vgl' 

dem Scipio ein weiteres Vorgehen unmoglich; Meltzer a. 0. II 201f.); so konnten sie sich nicht 

er wich schliesshch zuriick (Appian. 117. Zonar. nur gut verteidigen, sondern auch die romischen 

IX 29 mehrfach abweichend; vgl. Meltzer a. 0. Schiffe beim Wenden angreifen, bis funf Schiffe 

II 173. 188f. 192). In der Stadt wiitete nun aus Side inPamphylienfar^Ufa^^Wos slkovro 

Hasdrubal gegen die romischen Gefangenen und d. h. als bundesgenOssisch.es Contingent) und nach 

gegen seine politischen Gegner und riss alle Ge- deren Muster die iibrigen sich in einiger Ent- 

walt an sich (Appian. 118. Zonar.), wahrend sein fernung verankerten, so dass sie sich an ihren 

bisheriges Lager in Brand gesteckt wurde. Sei- Ankertauen zuriickwinden konnten, ohne wenden 
pio dagegen errichtete binnen zwanzig Tagen auf20zu miissen. Obwohl die Romer jetzt im Vorteil 

der Landenge westlich der Stadt eine grosse Be- waren, gelang es doch nach Einbruch der Nacht 

festigung, um den Feind von jeder Verbindung dem Kest der feindlichen Plotte, sich in den 

.mit dem Lande abzuschneiden; er zog zwei pa- Hafen zu retten (Appian. 122f. Liv.). Mit Tages- 

rallele 25 Stadien lange Canale, zwischen denen anbruch wandte sich Scipio gegen jenen Aussen- 

sich das Lager in Form eines langgestreckten quai, denn von dieser Operationsbasis semen ein 

Rechtecks erhob, nach der Stadtseite, doch ausser Vorstoss gegen die an der Seeseite nur einfache 

Schussweite der Verteidiger, geschiitzt durch eine Stadtmauer gute Aussichten zu bieten (vgl. Melt- 

hohe, mit Tiirmen versehene Mauer, auf den an- zera. 0. II 175); die Belagerungsmaschinen arbei- 

deren Seiten durch Palissaden und Erdwalle teten mit Erfolg. Nach Meltzer und Lincke 
(Appian. 117. Zonar.; vgl. Meltzer a. 0. II 162). 30 7. 18,43 gehort in diesen Zusammenhang die 

Die nachste Folge dieser Absperrung war Hungers- Anekdote, dass Polybios - dem Scipio Vorsichts- 

not bei den Belagerten; auf dem Landwege konnte massregeln gegen einen feindlichen tlberfall em- 

ihnen kein Proviant mehr zugefiihrt werden, auf pfohlen, Scipio aber diese voller Siegesgewissheit 

dem Seewege aber nur unregelmassig und mit verschmaht habe (Polyb. XXXVIII 3 aus Plut. 

Miihe, da es den Schiffen nur bei giinstigem apophth. Scip. Min. 5; ohne Nennung des Polyb. 

Winde gelang, die Blockade durch die romische nnd etwas abweichend Val. Max. Ill 7, 2). In 

Flotte zu brechen; die wirklich anlangenden Vor- der That unternahmen die Karthager in der 

riite nahm aber Hasdrubal fur die Kampffahigen nachsten Nacht einen sehr verwegenen Uberfall, 

in Anspruch (Appian. 120. Zonar.; vgl. iiber Has- steckten die Maschinen in Brand und brachten 
drubals Schwelgerei wahrend der allgemeinen 40 das ganzc romische Lager in Verwirrung (Appian 

Not Polyb. XXXVIII 2, llff. Diod. XXXII 22). 124). Die zerstorte Mauer bauten sie wieder auf 

Um Karthago auch von der See vollstandig ab- und verstiirkten sie mit Tiirmen (Appian. 125. 

zuschneiden, beschloss Scipio, die Hafeneinfahrt Flor. I 31, 15). Endlich gelang es den Rflmern, 

zu sperren durch einen grossen von der Land- den Quai in ihre Gewalt zu bekommen; eine 

zunge ausgehenden Steindamm; die Karthager eigene Befestigung und eine Besatzung von 4000 

beobachteten zwar den Beginn der Arbeit mit Mann beherrschten ihn nun, aber der Sommer 

Sorglosigkeit und Spott, aber der unermiidlichen war dariiber hingegangen (Appian). Im Anfang 

Energie des Feldherrn und des Heeres gelang ihre des Winters begann Scipio die Dntemehmungen 

Vollendung (Appian. 121. Zonar.). Die in jungster gegen die Bundesgenossen der Karthager im Bin- 
Zeit angestellten sorgfaltigen Vermessungen und 50nenlande wieder aufzunehmen ; er selbst bedrohte 

Untersuchungen im Gebiet der karthagischen Nepheris von dem See, dem heutigen Golf von 

Hafen haben bisher diesen Sperrdamm Scipios nicht Tunis, her, C. Laelius von der Landseite : wahrend 

festgestellt , sind aber noch nicht abgeschlossen der zeitweiligen Ruckkehr Scipios in das Lager 

(vgl. e h 1 e r Archaol. Anzeiger 1898, 171ff. vor Karthago leitete Gulussa hier die Operationen 

1899, 7ff. Schulten ebd. 1898, 112. 1899, 66. und hatte bedentenden Anteil an ihrem Ergeb- 

Oehler Berl. philol. Wochenschrift XIX 1899, nis: erst wurde das Lager der hier noch stehen- 

1586). Um die Anstrengungen der Romer zu- den karthagischen Truppen ersturmt und diese fast 

nichte zu machen, gruben die Karthager ihrer- ganzlich aufgerieben. dann wurde nach langerer 

seits einen Canal von dem Kriegshafen direct Belagerung mitten im Winter Nepheris genorn- 
zum Meere, ohne dass die Rfimer etwas davon 60 men, so dass das gauze Land in Scipios HiLnden 

bemerkten, und bauten aus altem Holz eine neue war (Appian. 126. Liv.. vgl. Polyb. XXXVLTI 1, 

Flotte. Mit dieser erschienen sie, sobald der 9; wichtig ist hier Zonar. IX 30). In diesen 

Durchbruch des Canals vollendet war , plotzlich Winter miissen auch die Verhandlungen zwischen 

auf der hohen See (Appian. 121. Liv. ep. LI. Gulussa und Hasdrubal fallen, die ausfiihrlich 

Flor. 131, 14; vgl. Meltzer a. 0. II 214). Aber von Polyb. XXXVIH 1, 1—2, 15, tibereinstim- 

anstatt sich die erste Uberraschung der Romer mend, doch kiirzer von Diod. XXXII 22 gescb.il- 

zu nutze zu machen, kehrten sie nach einer dert werden; man sieht daran, wie stark der 

blossen Probefahrt wieder in den Hafen zuriick polybianische Bericht bei Appian verkurzt ist. 



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Cornelius 



Cornelius 



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Nach Zonaras IX 30 Anf. mochte man diese und etwas anders als der des Appian. 131, wo 
Verhandlungen noch vor den Zug nach Nepheris die Erzahlung mit Uyovoiv eingeleitet und mit 
setzen. , Scipio war seines Sieges so gewiss, dass tpaolv geschlossen wird, also wohl aus einer Mittel- 
«r Verhandlungen iiber Karthago als lacherlich quelle stammt ; vgl. sonst Diod. XXXII 23. Zonar. 
ablehnte (Polyb. XXXVIII 2, Iff., vgl. die Sieges- 1X30. Flor. 131, 17. Oros. IV 23, 4). Be- 
zuversicht XXXIX 3) ; nur dem Hasdrubal mit riihmt ist die Episode, wie Scipio auf den Triim- 
seinen AngehOrigen sicherte er das Leben und mern Karthagos in den homerischen Worten: 
«ine Belohnung zu, worauf jener nicht einging 'Eoasrai f/fiag xxl. (II. IV 164f. VI 448f.) den 
(vgl. noch XXXIX 4, 3). traurigen Ahnungen iiber Roms einstiges Geschick 
608 = 146. Im Anfang des Friihlings griff 10 Worte lieh (Polyb. XXXIX 5, 1—3 und etwas 
Scipio die innere Stadt und den Hafen Kothon vollstandiger 6, 1—3 aus Appian. 132. Diod. 
an. Hasdrubal sah ein, dass er den ausseren vier- XXXII 24). Siebzehn Tage brannte die Stadt 
eckigen Handelsbafen nicht behaupten konnte, und (Oros. IV 23, 5 j Thetorisch ausgeschmuckt Flor. 
steckte die umliegenden Magazine in Brand; von I 31, 18); sie wurde vollstandig zerstort und ihre 
hier drang dann La«lius zuerst fiber die Mauer Statte verflucht (Cic. leg. agr. II 51. Appian. 
in das Gebiet des inneren kreisformigen Kriegs- 135 ; bell. civ. I 24. Veil. I 12, 5. II 4, 2f. Eutrop. 
hafens ein und bemachtigte sich desselben (Appian. IV 12, 1. Oros. IV 23, 6. Ampel. 18, 1. Auct. 
127). Nach Zonar. IX 30 gaben die Karthager de vir. ill. 58, 5 [chronologisch unrichtig]. Euseb. 
die ganze Hafenstadt, indem sie sie anziindeten, chron. LT 128 a. 129h Schone). Die Einwohner 
auf, so dass die Romer sie besetzen und weiter 20 wurden als Sclaven verkauft (Oros. IV 23, 7; 
vorgehen konnten. Nach Oros. IV 23, 1 bemach- anders Zonar. IX 30). Den Soldaten hatte Scipio 
tigte sich Scipio des Kothon und nach Ammian. gestattet, zu pliindern ; nur Gold, Silber und Weih- 
XXIV 2, 16f. personlich mit Polybios und nur geschenke mussten sie abliefern (Appian. 133. 
dreissig Mann eines Thores (vgl. Lincke 19, 53). Plut. apophth. Scip. Min. 7); alle ausser den 
Jedenfalls waren die Mauern zwischen den Hafen Pliinderern des sog. Apollontempels erhielten Be- 
und der innern Stadt im Besitze Scipios (vgl. lohnungen (Appian). Die sicilischen Stadte wurden 
Meltzer a. 0. II 540); er rustete sich jetzt zum aufgefordert, die ihnen einst von den Karthagern 
Sturm gegen den westlich oder nordwestlich vom entfiihrten Anathemata zuriickzuholen, und Scipio 
Kriegshafen liegenden Markt (vgl. fiber den Schau- ffigte noch neue Weihgeschenke hinzu (Cic. Verr. 
platz der folgenden Kampfe Meltzer a. 0. II 30 1 11. II 3. 85ff. Schol. Verr. p. 158. Schol. Gronov. 
214ff.), aber am nachsten Tage pliinderten seine p. 392 Or. z. d. St. Liv. ep. LI. Eutrop. IV 12, 
Soldaten erst jein nahegelegenes reiches Heiligtum 2. Diod. XXXII 25. Appian. 133. Plut. apophth. 
(des Apollon? Appian). Vom Markt bis zum Scip. Min. 6). So kam nach Akragas der sog. 
Burglmgel hinauf fuhrten drei enge, von sechs- Stier des Phalaris zuriick (Diod.), nach Himera 
stOckigen Hausern eingefasste Strassen, die in eine Reihe von Bildwerken, die aus der alteren 
entsetzlicbem Ringen zu ebener Erde und auf den Stadt Himera geraubt worden waren, und die jetzt 
Dachern Schritt fiir Schritt den verzweifelten unter dem Namen der scipionischen znsammen 
Karthagern entrissen und dann vollstandig zer- aufgestellt wurden, wie die griechische Weihiu- 
stOrt werden mussten, um ein nochmaliges Fest- schrift bezeugt (vgl. Kaibel und Mommseu 
setzen der Feinde zu verhindern und den eigenen 40 Herm. XVIII 156f. IGI 315. Dittenberger 
Soldaten Raum zum Sturmangriff zu geben. Die Syll.2 311). Eine lateinische lnschrift aus Mar- 
grauenvollen Scenen bei diesen Kampfen und den ruvium Marsorum : Cornelius Scipio Carthagine 
Demolierungsarbeiten schildert Appian 128f. an- capta ist, wenn echt, so jedenfalls viel spater und 
scheinend meist wortlich nach Polybios, kurz auch vielleicht mit Unrecht zu einem Weihgeschenk 
Zonaras. Sechs Tage und sechs Nachte wahrte gesetzt worden (CIL IX 6348 = Dessau 67). 
diese Arbeit; die Truppen losten sich ab, nur Die unbrauchbare Beute, die nicht verkauft 
Scipio blieb unermiidlich thatig. Auch er musste wurde, Hess Scipio zu Ehren des Mars und der 
sich schliesslich ermattet niedersetzen, um von Minerva verbrennen (Appian. 133). Gemeinsam 
einer AnhOhe alles zu iibersehen. Am siebenten mit einer Senatscommission von zehn Mannem 
Tage boten die in der Byrsa Eingeschlossenen 50 verfugte Scipio die bereits erwahnte Zerstorung 
ihre Unterwerfung an und ergaben sich gegen der Stadt und die Einrichtung der neuen Provinz 
die Zusicherung des nackten Lebens (nach Appia"n. Africa (Appian. 184. Cic. de leg. agr. II 51. 
130: 50 000 Menschen, nach Flor. I 31, 16: 36000 Veil. II 38, 2, vgl. Mommsen St.-R, II 643, 2). 
Manner, nach Oros. IV 23, 2f.: 30000 Manner Dann wurden Festspiele nach dem Vorbild des 
und 25000 Frauen [traditum est}). Nur den etwa Aemilius Paullus gefeiert (Liv. ep. LI. Val. Max. 
900 romischen tberlaufern war diese einzige Be- II 7, 13. Appian). Auch die Aussendung des 
dingung nicht bewilligt worden; sie zogen sich Polybios mit einigen Schiffen zu einer Entdeckungs- 
mit Hasdrubal und dessen Familie in das die fabxt an der africanischen Kiiste entlang (Polyb. 
Burg krCnende Heiligtum des Eschmun (Askle- XXXIV 15, 7 aus Plin. n. h. V 9) wird in diese 
pios) zuriick, und als sie auch den heiligen Be-60Zeit gehoren. Erst gegen das Ende des J. 608 
zirk nicht mehr halten konnten, in und auf das = 146 scheint Scipio heimgekehrt zu sein und 
Tempelgebaude selbst (Appian. Zonar.). Da ergab feierte einen glanzenden Triumph, bei dem Has- 
sich auch Hasdrubal dem Scipio; aber die anderen drubal mit aufgefuhrt wurde (Elog. Cic. rep. VI 
legten Feuer an den Tempel und fanden in den 11. Liv. ep. LII. Val. Max. IV 3, 13. Plin. n. h. 
Flammen ihren Tod, vor allem Hasdrubals Gattin XXXIII 141. Gell. Ill 4, 1. XVI 8, 10. Eutrop. 
mit ihren Kindern, indem sie die Rache der Getter IV 14, 2. 19? 2. Appian. 135). Er erhielt den- 
fiber den Verr&ter herabrief (der Bericht des Polyb. selben Ehrenbeinamen Africanus, den sein Gross- 
XXXIX 4, 1—12 im Original ist ausfuhrlicher vater gefiihrt hatte, wegen seiner eigenen Ver- 



1451 



Cornelius 



Cornelius 



1452 



dienste (Cic. rep. VI 11. Val. Mas. II 7, 1. Veil. 
I 13, 2. Eutrop. IV 12, 4. Zonar. IX 30); von 
der Beute hatte er nichts fflr sich genommen 
(Polyb. XVIII 35, 11. Cic. off. II 76). 

610 = 144. Die beiden Consuln Ser. Sul- 
picius Galba und L. Aurelius Cotta beanspruchten 
das Commando in Spanien, aber der Senat schloss 
sich der Meinung Scipios an: Neutrum mihi 
mitti placet, quia alter nihil habet, alteri nihil 



nicht Scipio, sondern Mummius jenes Opfer dar- 
brachte (vgl. Scipios eigene Antwort bei Cic. de 
or. II 268 auf den ihm von Asellus gemachten 
Vorwurf bei Gell. IV 17, 1); in dem von dem 
Censor wirklich gesprochenen Gebet mOgen jene 
beiden Wendungen neben einander enthalten ge- 
wesen sein (vgl. die ahnlichen von Mommsen 
Ephem. epigr. VIII p. 264ff. zusammengestellten 
Formeln). In demselben Jahre 612 — 142 unter- 



est satis (Val. Mas. VI 4, 2_b). Dass infolge- 10 sttitzte Scipio die Bewerbungen des Laelius urns 



dessen Scipios Bruder Q. Fabius Maximus Aemi 
lianus und sein Freund C. Laelius in ihren Com- 
mandostellen fur das Jahr bestatigt wurden, muss 
zur Erlanterung seiner Haltung hinzugeffigt werden. 
612 = 142. Scipios Censur. Bei der Be- 
werbung hatte er als Eivalen Ap. Claudius Pul- 
cher ; seinen Sieg fiber diesen dankte er der Gunst 
des Volkes, obwohl er die eifrige Bemilhung darum 
verschmahte (Plut. Aem. Paull. 38, 3f. ; praec. 



Consulat fur das folgende ; er sagte dem Q, Poni- 
peius die Freundschaft auf, als dieser gegen sein 
Versprechen nicht die Wahl des Laelius ffirderte, 
sondern seine eigene durchsetzte (Cic. Lael. 77. 
Plut. apophth. Scip. Min. 8). 

Nach 613 = 141. Scipios Gesandtschaftsreise 
in den Orient. Die Eeise wird von Cic. acad. pr. 
II 5 ante censuram gesetzt, wahrend einzelne 
Neuere sie auf Grand von Cic. rep. VI 11 (cfe- 



reip. ger. 14, 10; apophth. Scip. Min. 9, vgl. 20ligere iterum consul absens) bis dicht vor das 



Bd. Ill S. 2848 Nr. 295). Als Censor mit L 
Mummius (Fasti Cap. Elog. Cic. div. in Caec. 69; 
Brat. 85; rep. VI 11; off. II 76. Gell. XVI 8, 
10) vergab er den Ausbau des Pons Aemilius (Liv. 
XL 51, 4, vgl. Bd. I S. 593) und die weitere 
Ausschmiickung des capitolinischen Tempels (Plin. 
n. h. XXXIII 57, vgl. VIII 37). Das Verhaltnis 
zwischen den beiden Censoren wird so dargestellt, 
als ob Mummius die energischen Massregeln Sci- 



zweite Consulat hinabriicken wollten. Beides ist 
unrichtig, wie Man (Rh. Mus. XXXIX 68— 71) 
und, ohne dessen Ausfuhrungen zu kennen, linger 
(Philologus LV 97 — 99) bewiesen haben; linger 
selbst, sowie Willems (Le senat II 502, 3) gehen 
jedoch auch noch etwas zu tief hinab. Nach 
[Lucian.] macrob. 12 besuchte Scipio in Per- 
gamon Attalos II. Philadelphos ; da dieser im 
J. 616 = 138 starb (vgl. Bd. II S. 2175), ist die 



pios durch Nachsicht und Milde abgeschwacht, 30 Zeit nach unten begrenzt ; die Censur Scipios als 



sogar hintertrieben hatte (Dio frg. 75, 1 ; unsichere 
Erganzung bei Fest. p. 286) und ihm damit das 
Recht zu bitterer Beschwerde gegeben (nach Val. 
Max. VI 4, 2 a pro rostris, nach Auct. de vir. 
ill. 58, 9 in senatu). Durch Fragmente der spa- 
teren Rede Scipios gegen Ti. Claudius Asellus 
ist erwiesen, dass dieser Mann allerdings von 
Mummius gegen die strenge von seinem Collegen 
verhangte Strafe in Schutz genommen wurde (Lucil 



obere Zeitgrenze ergiebt sich aus den anderweitig 
bekannten Lebensverhaltnissen der drei Gesandten. 
Wertlos ist die Ansetzung der Reise nach dem 
zweiten Consulat bei Val. Max. IV 3, 13. Scipio 
war das Haupt der Gesandtschaft, deren andere 
Mitglieder der Consular L. Metellus Calvus (vgl. 
Bd. Ill S. 1208 Nr. 83) und Sp. Mummius waren 
(Iustin. XXXVin 8,8; vgl Plut. apophth. Scip. 

Min. 13f. ; ixjtefKf^evra <S' avrov djio zijg fSovXfjg 



bei Gell. IV 17, 1. Cic. de or. II 258. 268. Gell. AOxqItov. Diod. XXXIII 28 a, 1: ot tizqI xor 2xi 



II 20, 5f. Ill 4, 1. VI 11, 9, vgl. Bd. m S. 2676 
Nr. 63). Auch C. Licinius Sacerdos entging der 
ihm zugedachten Ausstossung aus dem Ritterstande 
wegen Meineid, weil sich ausser dem Censor Scipio 
selbst kein anderer Anklager meldete (Cic. Cluent. 
134, daraus Val. Max. IV 1, 10 b und Quintil. 
V 11, 13. Plut. apophth. Scip. Min. 12). Eine 
Kede an das Volk richtete sich gegen die fiber- 
handnehmende Sittenlosigkeit und Uppigkeit und 



nicova toy 'A<pgixar6r xQeaflevzai). Ihre Voll- 
machten miissen nach den Andeutungen bei Polyb. 
frg. inc. 166 und Posidon. frg. 12 (= Athen. VI 
p. 273 a). Iustin. Diod. Strab. XIV 669. Plut. 
a. O.; cum princ. philos. 1, 12 sehr ausgedehnt 
gewesen sein ; die Schlichtung von Thronstreitig- 
keiten in einzelnen Vasallenstaaten und die Er- 
zielung energischen Vorgehens gegen die See- 
rauber standen unter ihren Aufgaben obenan. 



ermahnte zur Beobachtung alter Zucht und Ehr- 50 Uber die Ausdehnung und Richtung der Reise 



barkeit (Gell. IV 20, 10. V 19, 15. Fest. p. 151). 
In denselben Zusammenhang wird die auf P. Sul- 
picius Gallus bezugliche Schilderung unmann- 
licher Weichlichkeit (Gell. VI 12, 4f.) und die 
Bestrafung eines anderen jungen Ritters (Plut. 
apophth. Scip. Min. 11) gehsren. Besonders cha- 
rakteristisch fur Scipio erschien frfiher die Er- 
zahlung Val. Max. IV 1, 10 a: Als bei dem feier- 
lichen Schlussopfer nach Abhaltung des Census 



hat Marx durch Heranziehung der Bruchstiicke 
des XIV. Buches des Lucilius einiges ermittelt: 
die Gesandten gingen zuerst nach Agypten; der 
Aufenthalt in Alexandreia, wo Scipio allgemeine 
Aufmerksamkeit erregte, wird mehrfach bezeugt 
(Posidon, frg. 11 = Athen. XII p. 549 d. e. Diod. 
Plut. Iustin.) ; sie reisten aber auch den Nil auf- 
warts bis Memphis (Diod.). Darauf wurde die 
Fahrt uber das karpathische Meer nach Rhodos 



die Gebetsformel vorgelesen wurde, quo di im- 60 (Lucil. Cic. rep. Ill 48), Kypros, Syrien (Diod. 



nwrtales ut populi Romani res meliores amplio- 
resque faeerent rogabantur, habe der Censor den 
scriba unterbrochen : Satis bonae et magnae sunt; 
itaque precor ut eas perpetuo ineolumes servent, 
und diese Formel sei spater beibehalten worden. 
F. Marx (Rh. Mus. XXXIX 65—68) hat diese 
Anekdote als unhistorisch erwiesen ; ausser inneren 
Grfinden ist dafur namentlich entscheidend, dass 



Strab. Cic. rep. VI 11) fortgesetzt, weiter zu Lande 
bis Ekbatana und Babylon (Lucil,) und der Rfick- 
weg durch Kleinasien fiber Pergamon und Grie- 
chenland genommen (Cic. rep. VI 11). Mars 
nimmt eine etwa zweijahrige Dauer der Reise an ; 
wenn Scipio sie kurz nach seiner Censur antrat, 
traf er 615 = 139 oder im folgenden Jahre in 
Rom ein. Vielfach ist von seiner Begleitung die 



1453 



Cornelius 



Cornelius 



1454 



Rede. Auf einer Verwechslung beruht es nattir- 
lich, dass er den Poseidonios mitgenommen habe 
(Athen. XII 549 d. XIV 657f.), doch mit Unrecht 
glaubt noch Unger an eine Verwechslung mit 
Polybios ; vielmehr ersuchte Scipio den Panaitios, 
an der Keise teilzunehmen (Plut. cum princ. 
philos. 1, 12), und machte sie in dessen Gesell- 
schaft (Cic. acad. pr. II 5. Pint. ; vgl. Philodem. 
Col. LVI p. 85 Comparetti mit Anm.). Die viel- 
fach befremdende Thatsache, dass Panaitios und 
nicht Polybios ibn begleitete, erklart sich dadurch, 
dass Polybios dieselben Landschaften nicht lange 
vorher besucht hatte (vgl. liber die ganze Frage 
Schmekel Philosophie der mittleren Stoa 
[Berlin 1892] 4-7). Ausser Panaitios hatte Scipio 
nur ffinf Sclaven bei sich (Polyb. Posidon. Plut. ; 
ohne Wert Val. Max., der . sieben Sclaven , und 
Auct. de vir. ill. 58, 7, der C. Laelius und zwei 
Sclaven nennt). Auf Panaitios gehen in letzter 
Linie die Einzelheiten, die fiber die Reise fiber- 
liefert werden, zuriick; namentlich ist Diodors 
Bericht sachlich wichtig. 

617 = 137 soil Scipio die Einbringung der 
Lex Cassia tabellaria (vgl. Bd. HI S. 1742 Nr. 72. 
Mommsen Strafr. 170. 173) veranlasst und den 
Tribunen M. Antius Briso zur Aufgabe seines 
Widerstandes dagegen bewogen haben, was ihm 
von den Optimaten verdacht wurde (Cic. leg. Ill 
37 ; Brut. 97). Etwa in diese Zeit kann auch die 
von Ti. Claudius Asellus gegen ihn erhobene An- 
klage fallen (s. o. die Belegstellen beim J. 612). 

618 = 136 trat Scipio gegen die Ratification 
des von C. Hostilius Mancinus mit den Numan- 
tinern geschlossenen Vertrages auf, zugleich aber 
auch gegen die Auslieferung seines dafur mitver- 
antwortliehen Schwagers Ti. Gracchus an die 
Feinde (Plut. Ti. Gracch. 7, 4) ; diese Unehrlich- 
keit dankte ihm Gracchus keineswegs, sondern 
von diesem Zeitpunkt an trennen sich die Wege 
Scipios und der Gracchen, wie nach LangeROm. 
Altert. lis 349 besonders Ed. Meyer Untersuch. 
zur Gesch. der Gracchen (Festschriften, Halle 
1894) 20f. betont. 

620 = 134. Scipios zweites Consulat. Die 
Iteration des Consulats war 603 = 151 gesetz- 
lich untersagt worden, und es bedurfte einer ausser- 
ordentlichen Dispensation von diesem Gesetz, am 
Scipios "Wiederwahl zu ermOglichen (Liv. ep. LVI, 
vgl. Cic. imp. Cn. Pomp. 61. Mommsen St.-R. 
I 521, 1). Diese Dispensation ist von Appian. 
lb. 84 (vgL bell. civ. I 19) und Plut. Mar. 12, 
1 mit der von den Altersgesetzen bei der ersten 
Bewerbung urns Consulat 607 = 147 verwechselt 
worden. Die Wahl erfolgte ohne Zuthun Scipios, 
nach Cic. rep. VI 11 in dessen Abwesenheit, nach 
Cassiod. chron.: cum eandidatits non esset (vgl. 
Cic. Lael. 11), nach Val. Max. VIII 15, 4 : cum 
quaestoriis comUiis sujfragator Q. Fabii Ma- 
ximi fratris filii in eampum descendisset. Diese 
letzte Angabe liesse sich zwar in der von Momm- 
sen St.-R. I 580f., 2 gegebenen Auslegung fest- 
halten, steht aber im Widerspruch mit der cice- 
ronischen, und diese durfte den Vorzug verdienen. 
Der Grand der aussergewflhnlichen Wahl Scipios 
war die allgemein gehegte Hoffhung, er werde 
den spanischen Krieg beendigen; daher wurde 
ihm wie fraher Africa, so jetzt Spanien durch 
einen besonderen Senatsbeschluss ubertragen (Val. 



Max.). Das zweite Consulat oder die zweimaligc 
Bekleidung des Consulats bezeugen u. a. Elog. 
Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Cassiod. Cic. div. in 
Caec. 69 ; Lael. 11 ; Mur. 58. Veil. II 4, 2. Val. Max. 

IV 3, 13. Gell. XVI 8, 10. Eutrop. IV 17, 2. Oros. 

V 7, 1. Ohseq. 27, vielleicht das SC. aus Delphi 
II 5. II, Bull. hell. XXIII 1899, 14, vgl. 40 = 
Dittenberger Syll.2 930. Uber den von Scipio 
gefuhrten Krieg gegen die Numantiner stimmen die 

10 Berichte nicht in alien Punkten iiberein. Der aus- 
fuhrlichste ist der Appians lb. 84—98; er beruht, 
wie wohl auch die ubrigen griechischen, wesent- 
lich auf Poseidonios und stellt Scipio ahnlich in 
den Vordergrund, wie Polybios in der Geschichte 
des dritten punischen Krieges es thut. Die auf 
Livius zuriickgehenden rOmischen Darstellungen 
bieten manche bei Appian fehlenden Nachrichten 
und zeigen ein gewisses Interesse fto die helden- 
miitigen Gegner. Neue Aushebungen fur den 
20 Feldzug wurden Scipio nicht gestattet, auch Geld- 
mittel nicht gewahrt (Plut. apophth. Scip. Min. 
15); nur 4000 Freiwillige stellten sich ihm zur 
Verfugung, darunter 500 Clienten und Freunde, 
die er zu einer besonderen Elitetruppe (ylkcov 
iXn) vereinigte, einer Vorlanferin der spateren 
Gardetruppen (Appian. lb. 84. Fest. p. 223, vgl. 
Welfflin Philologus XXXIV 413. Mommsen 
Herm. XIV 26). Eine ganze Reihe von bedeu- 
tenden Hannern haben unter seiner Fuhrung da- 
30mals gedient, sein Bruder Q. Fabius Maximus 
Aemilianus (Appian. lb. 90), sein Neffe Fabius 
Buteo (ebd. 84), sein Schwager C. Sempronius 
Gracchus (Plut. Ti. Gracch. 13, 1), ferner Sem- 
pronius Asellio (Gell. II 13, 3) und P. Rutilius 
Rufus (Cic. rep. I 17. Appian. lb. 88), die da- 
mals beide Militartribunen waren und spater in 
ihren Geschichtswerken den Krieg darstellten, 
der Dichter C. Lucilius (Veil. II 9, 4), C. Marius, 
dem Scipio seine kunftige GrOsse vorhergesagt 
40 haben soil (Veil. II 9, 4. Val. Max. VIII 15, 7. 
Plut. Mar. 3, 2—4. 13, 2), und als Fuhrer des 
numidischen Contingents Iugurtha, der gleich- 
falls die Aufmerksamkeit des Feldherrn in hohem 
Masse auf sich zog (Sail. lug. 7, 4—9, 3. Veil. 
II 9, 4. Appian. lb. 89). Die an sich wahr- 
scheinliche Ansicht, dass auch Polybios ihn wieder 
ins Feld begleitet habe, stiitzt sich. besonders 
auf die Nachricht von einer Monographic des Po- 
lybios uber den numantinischen Krieg (Cic. ad 
50fatn. V 12, 2). Ausser von Numidien empfing 
Scipio auch von anderen verbfindeten St&dten und 
Konigen Unterstiltzung (Appian. Tb, 84), solche 
in Geld nach Cic. Deiot. 19. Schol. Ambros. z. 
d. St. p. 372f. Or. von Attalos III. von Pergamon, 
nach Liv. ep. LVII von Antiochos VII. von Sy- 
rien, was beides richtig sein kann. Den Zustand, 
den er beim Eintreffen vor Numantia vorfand, 
charakterisiert Flor. I 34, 9: aerius in castrts 
quam in eampo, nostra cum milite quam cum 
60 Numantino proeliandum fuit. Die kleine Berg- 
stadt Numantia (bei Garray nOrdlich von Soria 
am obern Duero, vgl. uber ihre Lage besonders 
Oros. V 7, 2. 10 ; neuere Litteratur CIL II p. 388; 
Suppl. p. 929f.) mit ihrer schwachen Besatzung 
(10000 Mann nach VelL II 1, 3 ; 8000 nach Appian. 
lb. 97 ; 4000- nach Oros. V 7, 3) hatte nicht seit 
vielen Jahren den romischen Heeren so erfolg- 
reich Trotz geboten, wenn diese nicht vollstandig 



1455 



Cornelius 



Cornelius 



1456 



verwildert und zerriittet gewesen waren. Scipio 
begann seine Reform mit der Ausweisung der 
Dirnen, Wahrsager, Handelsleute , Marketender 
aus dem Lager, Hess darauf alles entbehrliche, 
der Bequemlichkeit und dem Luxus dienende Gerat 
abschaffen und gewShnte nun die Soldaten wieder 
an strenge Manneszucht und an die Strapazen 
des Krieges durch Schanzarbeiten, tFbungsmarsche, 
Entbehrungen und Strafen. "Verschiedene Anek- 



mag. Nach Veil. II 4, 2 war yon dem Eintreffen 
Scipios yor Numantia bis zur Ubergabe der Stadt 
ein Jahr und drei Monate vergangen, so dass man 
die trbergabe Anfang Herbst 621 = 133 setzen 
kann. Ohne einen Befehl von Rom abzuwarten, 
liess Scipio die Stadt von Grund aus zerstoren, 
ihr Gebiet unter die Nachbarn verteilen und die 
iiberlebenden Einwohner mit Ausnahme weniger, 
die fur den Triumph aufgespart wurden, in die 



doten schildern, wie er gegen die Missstande ein- 10 Sclaverei verkaufen (Liv. ep. LIX. Veil. Val. 



schritt und durch sein eigenes Vorbild zu wirken 
suchte (Liv. ep. LVII. Flor. I 34, 9—11. Eutrop. 
IV 17, 2. Oros. V 7, 4. Val. Max. II 7, 1. Frontin. 
strat. IV 1, 1. 5. 8, 9. 7, 27. Veget. I 15. Ill 10. 
Hist. Aug. HadT. 10, 2. Auct. de vir. ill. 58, 6. 
Appian. lb. 85f. Plut. apophth. Scip. Min. 16-19. 
Polyaen. VIII 16, 2ff. Aelian. v. h. XI 9, 5; un- 
sicher Rutil. frg. 13 Peter). Gegen Numantia 
ging er langsam und methodisch vor; zunachst 



Max. II 7, 1. Ampel. 18, 1. 24. Euseb. chron. 
II 128h. 1291Schoene. Appian. 98). Nach der 
Neuordnung der Provinz (Eutrop. IV 17, 2. App. 
98f.) kehrte er nach Eom zuriick und feierte im J. 622 
= 132 (vgl. iiber die Zeit Cic. Phil. XI 18. Liv. ep. 
LIX. Eutrop. IV 19, 2) seinen zweiten Triumph 
(Elog. Cic. rep. VI 11. Liv. ep. LIX. Veil. II 
4, 5. Val. Max. II 7, 1. IV 3, 13. Plor. I 34, 
17. Oros. V 7, 18. Gell, XVI 8, 10. Appian. 98. 



isolierte er die Stadt durch Unterwerfung der 20 Plut. apophth. Scip. Min. 22). Der geringen 



umliegenden Landschaft und Abschneidung aller 

Zufuhr (Appian. lb. 87f.), und dann schloss er sie 

mit gewaltigen, weit ausgedehnten Befestigungen 

rollstandig ein (Appian. 90ff. Oros. V 7, 8ff.). 

Mit den vorbereitenden Massregeln war das J. 620 

= 134 und der Winter vergangen (Oros. V 7, 

5 ; vgl. Appian. 89), der iibrigens dort so rauh ist, 

dass er notwendigerweise einen Stillstand der 

Operationen zur Folge haben musste (vgl. Th. 

Fischer in Kirchhoffs Landerkunde von Eu- 30 

ropa II 2, 660). An Kampfen fehlte es keineswegs, 

doch bewahrten sich die rOmischen Soldaten noch 

immer so wenig, dass Scipio jede oftene Schlacht 

nach Moglichkeit vermied (Oros. V 7, 6f., vgl. Liv. 

ep. LVII. Frontin. II 8, 7. Appian. 89. 93 u. a.). Der 

sichere Weg zum Siege war fur ihn die Aushungerung 

derBelagerten, aberfreilichauch der langwierigere ; 

es werden verschiedene Ausserungen Scipios be- 

richtet, die sein Verhalten rechtfertigen sollten 

(Sempron. Asell. frg. 5 Peter bei Gell. XIII 3, 40 Charakteristik u. a. Neumann 'Gesch. Eoms 



Beute (Flor. Oros.) entsprach der geringe Bctrag 
des an die Soldaten bei dem Triumphe verteilten 
Geldgeschenks (Plin. n. h. XXXIII 141). Scipio 
empfing den neuen Siegesbeinamen Numantinus 
(Appian. lb. 98. Plin. ep. VIII 6, 2. Auct. de 
vir. ill. 58, 6. Ampel. 18, 1. 24 u. a.), der jedoch 
in dem Elogium und, soviel wir selien, in den 
Fasten keine Aufhahme gefunden hat und auch 
bei Cicero nie vorkommt. 

Letzte Lebensjahre und Tod. Noch wahrend 
der Belagerung Numantias hatte sich in Bom 
das Scliicksal des Tib. Gracchus entschieden. Als 
die Kunde davon ins Lager gelangte, sprach Scipio 
die homerischen Worte (Od. I 47): d>s asio'/.oizo 
xai a/log, oxig zoiavta ye gil,oi, (Diod. XXXIV 
7, 3. Plut. Tib. Gr. 21, 3). Seine Stellung zu 
der gracchischen Bewegung ist hierin mit aller 
Seharfe und Deutlichkeit ausgesprochen, und er 
hat sie bis zu seinem Ende bebauptet (vgl. zur 



6. Hist. Aug. Antonin. Pius 9, 10. Appian. 87. 
Plut. apophth. Scip. Min, 20. Liv. ep. LVII. 
Frontin. strat, IV 7, 16. Veget. Ill 21), vielleicht 
Antworten auf Vorwurfe, die ihm wegen des lang- 
samen Fortschritts der Operationen gemacht wurden 
(vgl. auch Sen. de ira I 11, 7). Als die Numan- 
tiner einen letzten Versuch gemacht hatten, Hiilfe 
von auswarts zu erlangen, und die erste Eegung 
zu ihren Gunsten von Scipio mit barbarischer 



wahr. d. Verfalls d. Rep. I 135ff. 213ff.). In einem 
gewissen Zusammenhang damit stand es, dass er 
nicht lange nach seiner 622 =132 erfolgten Rfick- 
kehr den L. Aurelius Cotta wegen Erpressungen 
anklagte, und dass dieser freigesprochen wurde, 
nicht weil die Richterihre Unparteilichkeit gegen- 
iiber der machtigen Autoritat des Klagers docu- 
mentieren wollten, sondern weil sie bestochen 
waren (Cic. Brut, 81; Mur. 58; div. in Caec. 69. 



Hiirte unterdriickt worden war (Appian. 94). boten 50 Ps.-Ascon z. d. St. p. 124 Or. Val. Mas. VIII 



sie ihre Unterwerfung an. Doch die Hoffnung, 
dass der Gegner ihren Mut ehren wurde, trog 
sie; er forderte bedingungslose Ergebung (Appian. 
lb. 95. Flor. I 34, 12) und bestand auch auf der 
Verweigerung einer Schlacht. Die Hungersnot 
war bei den Eingeschlossenen aufs ausserste ge- 
stiegen ; grauenvolle Einzelheiten weTden davon 
erzahlt, und alle Berichte stimmen darin fiberein, 
dass nur dieser Umstand schliesslich die Capi- 



1 abs. 11. Tac. arm. Ill 66; besonders wichtig 
Appian. bell. civ. I 22, vgl. Klebs o. Bd. II 
S. 2485 Nr. 98). 623 = 131, als es sich urn die 
Entsendung eines Feldherrn nach Asien handelte 
und die beiden Consuln durch ihre Priestertumer 
an Rom gefesselt schienen, gaben zwei Tribus 
Scipio ihre Stimme (Cic. Phil, XI 18). Zum 
offenen Auftretcn gegen die Demokraten entschloss 
er sich in diesem Jahre gelegentlich der Gesetz- 



tulation erzwang (Liv._ep. LVII. LIX. Flor. 1 60 antrage des Tribunen C. Papirius Carbo, speciell 



34, 12ff. Eutrop. IV 17, 2. Oros. V 7, 12ff. Val. 
Mai. VIII 6 ext. 2. Veil. II 4, 2. Auct. de vir. 
ill. 58, 6. Appian. 96f.); dass bei einem letzten 
verzweifelten Ausfall (Flor. Oros.) und durch 
eigene Hand (Liv. ep. LIX. Flor. Oros. Appian.) 
noch viele Numantiner den Tod fanden, ist ge- 
wiss richtig, wenn auch ein Spanier, wie Orosius, 
im einzelnen ihren Heldenmut zu grell ausmalen 



desjenigen, der die Iteration und Continuation des 
Tribunats ermSglichen sollte. In einer Rede, 
deren graritas besonders geriihmt wird, und die 
auch spater noch gelesen wurde, empfahl er die 
unbedingte Verwerfung der Rogation (Cic. Lael. 
96. Liv. ep. LIX). Carbo suchte die Wirknng 
dieser Rede zu zerstoren , indem er dem Scipio 
die Frage vorlegte, wie er fiber die Ermordung 



1457 



Cornelius 



Cornelius 



1458 



des Tib. Gracchus denke, und die Antwort war 
die von ihm erwartete ; sie lautete nach Veil. II 
4, 4: Si is oeeupandae rei publicae animttm 
habuisset, iure caesum, wovon die ubrigen Be- 
richte nur den Hauptsatz : iure eaesum videri 
wiedergeben (Cic. de or. II 106; Mil. 8. Liv. ep. 
LIX [von dem Epitomator ungeschickt verkiirzt 
und der Rede zugewiesen]. Val. Max. VI 2, 3 
[rhetorisch ausgeschmiickt]. Auct. de vir. ill. 58, 



ad vesperum est a patribus conseriptis, populo 
Romano, soeiis et Latinis. Mit der Schreibtafel 
in der Hand, um sich fiir eine am folgenden Tage 
in der Volksversammlung zu baltende Rede vor- 
zubereiten, zog er sich in sein Schlafgemach zu- 
riick (Appian. I 20 ; /.isza SeTuvor Plut. Rom. 27, 
8); hier wurde er am nachsten Tag als Leiche 
aufgefunden. ,Die Angaben iiber Scipios Tod er- 
schopfen alle MOglichkeiten' (Ed. Meyer Unter- 



8. Plut. Tib. Gr. 21 , 3 [in andern Zusaramen- 10 such, zur Gesch. d. Gracchen 28 , 8) ; obwohl 

hang gebracht]). Die Entrfistung der Men ge -■■■ - ™_- -i.-^ -^ — ~i=-i- -*■ --"«- «- 

machte sich in lautem Toben Luft, worauf ihr 
Scipio zurief, er fiirchte die nicht, denen Italien 
nur eine Stiefmutter sei, und die er selbst in 
Ketten herbeigebracht babe (im Wortlaut nicht 
genau iibereinstimmeiid Val. Mas. Veil. Auct, 
de vir. ill. Polyaen. VIII 16, 5. Plut. apophth. 
Scip. Min. 22, wieder in anderm Zusammenhang). 
Da C. Gracchus fiir das Gesetz und gegen Scipio 



eine Entscheidung nicht mOglich ist, sollen we- 
nigstens die Zeugnisse hier zusammengestellt 
werden. Als das wichtigste gilt der Schluss der 
von Laelius verfassten Leichenrede, den Schol. 
Bob. Milon. p. 283 erhalten hat, aber leider sind 
hier gerade die entscheidenden Worte schlecht 
uberliefert: Cum eo morborum te movit et in 
eodem tempore petiit, was gewOhnlich mit Orelli 
in co tnorbo mortem obiit et . . . periit geandert 



auftrat (Liv., vgl. Plut.), so wird er darauf wohl20wird, wahrend z. B. Vollmer (Jahrb. f. Phil. 



dem Scipio zugerufen haben, er sei der Tyrann, 
der den Tod verdiene, was Scipio mit dem stolzen 
Wort erwiderte, wohl musse man ihn toten. wenn 
man das Vaterland verderben wolle (Plut. apophth. 
Scip. Min. 23, hierher gezogen von Ed. Meyer 
Untersuch. zur Gesch. d. Gracchen 24, 2). Die 
Rogation Carbos wurde durch Scipio zu Falle ge- 
bracht (Liv.), doch auch weiterhin suchte er die 
verderblichen Folgen der gracchischen Gesetz 



Suppl. XVIII 481f.) vorschlagt : quod nee morbo 

mortem obiit et oppetiit. Cicero, der Mur. 

75 die vorhergehenden Worte der Laudatio citiert, 
lasst den Laelius in den einleitenden Abschnitten 
der nach ihm benannten Schrift (Lael. 5. 10— -12. 
14) nichts sagen, was gegen die Annahme eines 
natiirlichen Todes Scipios sprache, und lasst ihn 
sogar auf den Argwohn der Menge, d. h. offenbar 
das Geriicht von der Ermordung, als etwas Un- 



sebung zu verhiiten. Dadurch, dass den Trium- 30 begriindetes hinweisen (12). Allerdings sagt er 



virn fiir die Ackerassignationen die Entscheidung 
der Besitzfragen auch bei den Bundesgenossen 
iiberlassen wurde, war ein schwerer Eingriff in 
deren Rechte geschehen ; Scipio sctzte einen neuen 
Volksbeschluss durch, der den Triumvirn die Ge- 
richtsbarkeit entzog ; damals hielt er seine Rede 
contra legem iudiciariam Ti. Gracchi (Appian. 
bell. civ. I 19. Macrob. Ill 14, 6f. ; vgl. Schol. 
Bob. Milon. p. 283 Or. Mommsen R. G. II 99 



spater Lael. 41 : Hum (scil. Tib. Oraeclium) etiam 
post mortem seouti amici et propinqui quid in 
P. Scipione effecerint, sine laorimis non queo 
dieere, und dies geht zusaminen mit den Worten, 
die Scipio selbst im Traume von seinem Ahn- 
herrn gehort haben will, rep. VI 12: Dictator 
rem publicam emistituas oportet, si impias pro- 
piivquorum manus effugeris (vgl. 14: perterriius 
non tarn mortis metu, qurnn insidiarum a meis), 



Ed. Mever Untersuch. zur Gesch. der Gracchen 40 lasst also mindestens darauf schliessen, dass Lae 



14; HandwOrterbuch der Staatswissensch. Suppl. 
II [Jena 1897] 447). Da die Jurisdiction von 
den Triumvirn auf C. Sempronius Tuditanus, den 
einen Consul von 625 = 129, iibertragen wurde, 
muss die Verhandlung kurz vor oder nach dessen 
Amtsantritt stattgefunden haben. Doch Scipio 
plante noch weitere Schritte gegen das Acker- 
gesetz des Tib. Gracchus, und zwar in seiner 
doppelten Eigensehaft als Vertreter der Interessen 



lius, wie Scipio selbst (vgl. Oros. V 10, 9), iiber- 
zeugt war, dass ihm Nachstellungen bereitet wurden. 
Die Ansicht, dass er ermordet worden sei, ist nach 
Val. Max. IV 1, 12 sofort von Q. Metellus Ma- 
cedonicus ausgesprochen worden : Scipioni Mri- 
cano intra suos penates quiescenti nefaria vis 
aUata est ; ein Jahrzehnt spater nannte L, Licinius 
Crassus den C. Carbo offentlich P. Afri^ani neei's 
socius (Cic. de or. II 170), und spater erscbeint die 



der Bundesgenossen und als Haupt der Senats- 50 Ermordung durch Carbo bei Pompeius (bei Cic. ad 
partei. Die Schilderung der Lage zur Zeit der QJr.113,3) und Cicero (Mil. 16;defatol8; adfam. 
Feriae Latinae, also im April oder Mai 625 = 



129, bei Cic. rep. I 14. 81. VI 12 lasst iiber 
diese Absicht keinen Zweifel; es war demnach 
sogar der Gedanke aufgetaucht. Scipio zum Dic- 
tator zu ernennen. Nach Appian. I 19 waren 
auch die Gegner von den Planen Scipios unter- 
richtet und benutzten dies, um das Volk gegen 
ihn aufzuhetzen. In einer Volksversammlung 



IX 21, 3) als die von den Optimaten allgemein an- 
genommene Version. Veil. II 4, 6 constatiert zwar, 
dass die meisten Berichte einen natiirlichen und 
nur einige einen gewaltsamen Tod annehmen, 
neigt aber selbst der letzteren Ansicht zu : matte in 
leehdo repertus est mortuus, ita ut qtutedam eli- 
sarum f murium in eerviee reperirentur notae. 
de tanti riri morte nulla habita est qwwstio 



fiihrte Scipio offentlich Klage iiber die Anfein- 60 eiusque corpus velato capite elatum est.^ Mit dem 



dungen und Nachstellungen, denen er ausgesetzt 
sei (Oros. V 10, 9); nach Plut. C. Gr. 10, 4 er- 
widerte ihm damals M. Fulvius Flaccus mit Schma- 
hungen. und man hat deshalb auch in diesen Zu- 
sammenhang den bei Plut. apophth. Scip. Min. 
23 (s. o.| erwahnten Wortwechsel bringen wollen. 
Von demselben Tage berichtet ferner Cic. Lael. 
12 iiber Scipio ; Senatu dimisso domum reductus 



Schluss stimmt uberein Auct. de vir. ill. 58, 10: 
obvohito capite elatus, ne livor in ore appa- 
reret, vgl. Schol. Bob. a. O. : in eiusque faucibus 
vestigia liroris inventa sunt, und dass keine UnteT- 
suchung fiber die Todesursache stattfand, bestatigen 
Cic. Mil. 16. Liv. ep. LIX. Plin. n. h. X 123. In 
beiden Punkten widerspricht Plutarch den romi- 
schen Berichten insofern, als er Rom. 27, 9 sagt, 



1459 



Cornelius 



Cornelius 



1460 



der Leichnam habe offcn zur Schau gestanden, nahme des Q. Metellus Macedonieus , seines poli- 

und 0. Gr. 10, 4, erne Untersuchung sei einge- tischen Gegners, hervorgehoben (Val. Max. IV 1 

leitet worden. Aber da er gleichzeitig berichtet, 12. Plin. n. h. VII 144. Pint, apophth. Met 3' 

die Anzeichen des gewaltsamen Todes seien vor- vgl. Dio frg. 83, 1). Die Besorgung der Leichen- 

handen gewesen und die Durchfiihrung der Unter- feierlichkeiten hatten die beiden Neflen des Toten 

suchung sei von der gracchischen Partei hinter- Q. Pabius Maximus und Q. Aelius Tubero tiber- 

tneben worden, so stimmt er in der Hauptsache nommen; die tibertriebene Einfachheit des Lei- 

mit jenen uberem. Plutarch und Appian regi- chenschmauses wurde dem Tubero als Geiz aus- 

strieren sonst nur die verschiedenen Versionen, gelegt und veriibelt (Cic. Mur. 75f., daTaus Val 
die lmUnilauf waren, ohne sich fur eine zu ent- 10 Max. VII 5, 1, vgl. Sen. ep. 95, 72f. 98, 13; o. 

scheiden: 1. oi /thavTOftdzcos ovxa tpvoei voamdrj Bd. I S. 536). Die Leichenrede Melt nach Cic. 



xov (paQp&xoig axodavsTv (Plut. Eom.) ; 3. ge- wenn Cic. de or. II 341 sagt: Q. Tuberoni Afri- 

waltsamer Tod, und zwar Erdrosselung durch canum avunculum, laudanti scripsit 0. Laelius, 

Feinde, die Urn nachts uberfallen liessen (Plut. so wird man dies mit Vollmer (Jahrb. f Phil. 

Rom., etwas ausffihrhcher Appian, tibereinstim- Suppl. XVIII 460, 2) fur einen Gedachtnisfehler 

mend mit Veil., vgl. Val. Mas. VIII 15, 3: mors Ciceros halten diirfen. Scipios letzte Ruhestatte 
clandeshms irdata tnsidvis, auch Cic. Mil. 16), 20 ist unbekannt; in dem Erbbegrabnis der Familie 

oder Vergiftung (Liv.) durch die Frauen seiner hat er sie so wenig gefunden wie der altere Afri- 

Familie, seine Schwiegermutter Cornelia, die Mutter canus. • 

der Gracchen (Nr. 407), und seine Gemahlin Sem- Scipio war, wie schon erwahnt, vermiihlt mit 

pronia, deren Schwester (Appian. Liv. ep. LIX. Sempronia, der Sch wester der Gracchen, und zwar 

Oros. V 10, 10. Schol. Bob.), oder gewaltsamer bereits vor der Einnahme Karthagos nach Plut. 

Tod ohne nahere Bezeichnung der Todesart durch Tib. Gracch. 4, 2 (vgl. ebd. 1, 3. 8, 4. Val Max 

die Fiihrer der Gegner, die ausser Carbo gegen III 8, 6. VI 2, 3. Oros. V 10, 10. Schol. Bob 

Scipio aufgetreten waren, M. FulviusFlaccus(Plut. Milon. p. 283 Or.); er hinterliess keine Kinder 

C. Gr. 10, 4) oder C. Gracchus selbst (Plut. ebd. (Hist. Aug. Sever. 21, 1). fiber seinen Freundes- 

Schol. Bob.). Diese letzteren Angaben sind zum 30 kreis sprieht Cicero vielfach. In jiingeren Jahren 

grossten Teil vollig wertlos, so der Selbstmord und hat sich Scipio eng an den alten Cato ange- 

dieBeschuldigungderVerwandtenjsolcheGeruchte schlossen (Cic. Cato 3ff.; rep. II 1; in v. I 5); 

sind sogar wahrscheinlich nur kunstliche Combi- durch sein ganzes Leben hindurch war er in un- 

nationen spater Historiker (vgl. die freilich nicht zertrennlicher Freundschaft mit C. Laelius ver- 

durchweg iiberzeugenden Ausfuhrungen von Ed. bunden, so dass sie als Freundespaar sprichwCrt- 

SchwartzGott. gel. Anz. 1896, 794f.). Doch wenn lich wurden, und dass Cicero ihr Verhaltnis zu 

man sich auf die Frage beschrankt, ob ein natiir- dem Ausgangspunkt seiner Schrift Laelius de 

licher oder ein gewaltsamer Tod das Wahrschein- amicitia wahlte (vgl. bes. Lael. 15 u. 0. ; de or. 

lichere ist, so diirfte die unbedingte Verwerfung II 22; rep. I 18. Val. Max. VIII 8, If.); wie 

der zweiten Moglichkeit , zu der z. B. Ihne R. G. 40 der Spott der Gegner beweist, war Scipio iibrigens 

V 456—460 (Excurs fiber den Tod des Scipio keineswegs dabei nur der Gebende (Plut. praec. 

Aemihanus) und Lincke Scipio Aemilianus 32f. reip. ger. 11, 5; an seni sit ger. resp. 27, 7. 

gelangen, leicht zu weit gehen. Das Zeugnis des Iulian. or. VIII 244 C). Vgl. uber andere Freunde 

Laelius kCnnte, selbst wenn sein Wortlaut fest- Scipios Lincke 8f. Zu den Gegnern Scipios ge- 

stande, nicht absolut beweiskraftig sein, weil im hOrten Q. Caecilius Metellus Macedonicus (Cic. 

FaUederErmordungeinabsichtlichesVerschleiern rep. I 31. Hor. sat. II 1, 67, s. o. Bd. Ill S. 1215f.), 

der Wahrheit sowohl der Personlichkeit des Ver- L. Lentulus Lupus (Hor. a. O., vgl. Nr. 224), P. 

fassers wie der Gelegenheit der Rede angemessen Sulpicius Gallus (Gell. VI 12, 4f., s. o.). In freund- 

gewesen ware ; der Verdacht des Mordes ist bei schaftlichem Verhaltnis hatte Scipio auch zu Te- 

den Parteigenossen Scipios sofort aufgetreten und 50 renz gestanden , so dass man ihm wie dem Lae- 

allgemein verbreitet gewesen ; obwohl keine Wunde lius sogar einen Anteil an dessen Komoedien zu- 

sichtbar war (Appian), hat es doch an gewissen ver- schreiben wollte (vgl. die Erorterungen der antiken 

dachtigen Anzeichen nicht gefehlt (gehOrt hierher Gelehrten daruber bei Suet, vita Terent.); spater 

das Frg. einer Rede beim Auct.adHerenn.il 44?!; geherte namentlich Lucilius zu seinem Kreise 

dagegen fehlen uns sichere Beweise fur den natur- (Hor. sat. II 1, 65—74 mit Schol.), doch kann 

lichen Tod, deren Herbeischaffung den Demokraten bier die Einwirkung Scipios auf die Litteratur 

ebenso erwiinscht gewesen sein musste, wie den nicht weiter ertatert werden. Schriftstellerische 

Gegnern die von Beweisen fur die Ermordung. Mit Thatigkeit bat er selbst nicht entfaltet, aber als 

allgemeinen Betrachtungen lasst sich die eine wie Partner war er sehr bedeutend. Seine Reden 

die andere Ansicht stutzen; doch da wir selbst in 60 wurden noch spater gelesen; die meisten Frag- 

Zeiten, die uns viel naher liegen, das den Tod rnente daraus sind bereits angefuhrt worden, voll- 

mancher bedeutenden geschichtlichen Personlich- standige Sammlung bei Meyer Orat. Rom. frg. 2 

keit umhullende Geheimnis nicht durchdringen (Zurich 1842) 176—193. Antike Urteile fiber 

kSnnen, ist es am richtigsten , sich mit einem Scipios Beredsamkeit besonders bei Cic. Brut. 82ff. 

Non liquet zu begnfigen. Ein funus publicum Veil. II 9, 1. Gell. II 20. 5; von Neueren vgl. 

wurde Scipio nicht zu teil (Appian. I 20), doch Teuffel-Schwabe I 207 § 131, 1. Norden 

wurde er unter allgemeiner Trauer zu Grabe ge- Antike Kunstprosa I 170. 186. Beriihmt sind 

tragen (Cic. Lael. 11); namentlich wird die Teil- die Beziehungen Scipios zu den hervorragenden 



1461 



Cornelius 



Cornelius 



1462 



Vertretern griechischer Bildung, Polybios und dio Motive zu geben versucht habe, entnehmen; 

Panaitios. Wie allgemein bekannt die Freund- Griechen und Romer haben gewetteifert , ihn 

schaft mit Polybios war, bezeugt dieser selbst zu verherrlichen , und die Summe aus ihren Be- 

XXXII 9, 3; die meisten darauf beziiglichen Stellen richten Ziehen etwa die Worte des Veil. 112, 

sind bereits oben angefuhrt. Uber die Beziehungen 3: omnibus belli ae togas dotibus ingeniique 

zu beiden Griechen vgl. besonders noch Cic. rep. ae studiorum eminentissimus saeeuli sui, qui 

I 34. Veil. I 13, 3, liber die zu Panaitios nament- nihil in vita, nisi laudandum aut fecit aut dixit 

lich Cic. rep. I 15 ; off. I 90. II 76 ; fin. IV 23 ; ae sensit. Auch uns erscheint Scipio als der 

Tusc. I 81; Mur. 66; ad Att. IX 12, 2 u. a., grSsste Mann seines Volkes in seiner Zeit, weil 
von Neueren Schmekel Philosophie der mitt- 10 sein Volk und seine Zeit in ihm ihre vollendetste 

leren Stoa 6f. 378. 442, wo der Einiluss, den Verkorperung fanden. Mehr als irgend eine andere 

Scipio und sein romischer Kreis auf Panaitios, einzelne Personlichkeit dieser Periode hat er zum 

besonders auf dessen Staatslehre ausiibten, dar- Entstehen des romisch-hellenistischen Weltreichs- 

gelegt und die ganze Stellung Scipios zur Phi- und seiner Cultur beigetragen und zwar mit be- 

losophie charakterisiert wird. An der ronrischen wusster Absicht ; er sah die Fehler, die sich daraus 

Staatsreligion hielt er bei aller Geistesfreiheit ergeben mussten, aber er hielt sich persOnlich von 

fest; ausser seinen weltlichen Amtern hatte er auch ihnen frei. In ihm erscheint die harmonische 

die Wurde eines Augurs (Elog., vgl. Cic. rep. I 63: Verbindung der Vorziige des rOmischen National- 

in nostris libris = Sen. ep. mor. 108, 31: inaugural charakters mit denen der hellenischen Geistesan- 

libus libris, auch Lael. 77 : a eollega nostro) ; un- 20 lage wirklich erreicht. [Miinzer.] 

sicher ist die Notiz, er habe einen Tempel der 336) P. Cornelius P. f. L. n. Scipio (CLL I 2 

Virtus erbaut (Plut. fort. Rom. 5), da diese Gottheit p. 25 zum J. 560 und p. 134 zum gleichen Jahr) 

meist mit Honos zusammen verehrt wurde. Im Africanus (maior). 

Privatleben war er von einer harmlosen Liebens- Amter und Wurden: Trib. mil. 538 = 216 

wurdigkeit (Cic. de or. II 22, daraus Val. Max. (Liv. XXII 53), aed. cur. 542 = 212 (Liv. XXV 2), 

VIII 8, If. Hor. sat. II 1, 71ff.), die ihm so cons. 549 = 205 (Liv. XXVHI 38, 6), cens. 555 = 

viele Freunde erwarb, wenngleieh er in der Unter- 199 (CIL 12 p. 25), cons. II 560 = 194(CILI2p.25); 

haltung sokratische sigmveia zu zeigen wusste vgl. CIL 12 p. 201 elog. 37. Er war vom J. 199 bis 

(C. Fannius frg, 7 Peter) , gastfrei (Cic. de fato zu seinem Tode Princeps senatus wahrend dreier 
frg. 5 aus Macrob. sat. HI 16, 4), sorglos (Gell. 30 Censurperioden (Liv. XXXIV 4, 3, vgl. XXXII 7. 

Ill 4, 1, vgl. Plin. n. h. VII 211) und von grosster XXXVIII 28). Ausserdem gehorte er zur Priester- 

Einfachheit der Lebensweise (vgl. die Schilde- schaft der Salier, Polyb. XXI 13. Liv. XXXVH 33. 

rungen seiner Lebensweise auf der Gesandtschafts- Familie: Seine Gattin Aemilia (o. Bd. I 

reise und vor Numantia, auch Frontin. stoat. IV S. 592 Nr. 179), die Schwester des Siegers von 

3, 9). Seine Uneigennutzigkeit und Massigkeit Pydna, gebar ihm 2 (3 ?) SOhne : P. (Liv. XL 42 ; 

gehoren zu den Tugenden, die Polybios (XVIII dessen Grabschrift CIL VI 1288; vgl. Momm- 

35, 9ff. [daraus Aelian. v. h. XI 9, 5]. XXXn sen CIL I p. 19) und L. oder Cn. (Liv. XLI 27. 

11, 9ff., s. o.) und Panaitios (bei Cic. off. II 76) Val. Max. EI 5, 1, IV 5, 8), sofern Scipio nicht 

am meisten riihmten; infolgedessen war seine zwei Sonne, L. und Cn., gehabt hat (Mommsen 
Hinterlassenschaft sehr gering (Plin. n. h. XXXIII 40 CIL I p. 13), und zwei Tochter, deren altere sich 

141. Auct. de vir. ill. 58, 14. Plut. apophth. mit P. Cornelius Nasica verheiratete, deren jiingere 

Scip. Min. 1 ; iiber sein Landgut Lavernium bei die Mutter der Gracchen wurde (Liv. XXXVIII 

Formiae vgl. Cic. de fato frg. 5 mit ad Att. VII 57. CIL I a p. 201 nr. 39. Gell. n. a. XII 8). 

8, 4). Stets war er thatig und beschaftigt und Leben: Scipio hat in dem Griechen Polybios 

wusste seine Mussestunden aufs beste zu nfltzen und in vielen seiner Landsmanner (Gell. n. a. VI 

(Cic. rep. I 14. Veil. I 13, 3). Als Feldherr 1) begeisterte Verehrer und Herolde seiner Thaten 

zeigte er nach dem Vorbild seines Vaters die gefunden. Seine eigenartige Personlichkeit ver- 

grdsste Bedachtsamkeit und Besonnenheit (Sem- schaffte ihm bald den Ruf, als stehe er unter be- 

pron. Asellio frg. 5 Peter aus Gell. XIII 3, 6. sonderem Schutze der Getter (Liv. XXVI 19f. = 
Dio frg. 69, Iff., vgl. sein systematisches Vor- 50 Cass. Dio frg. 57,38), eine Auffassung, der sein 

gehen bei beiden grossen Belagerungen) , er war eigenes Benehmen Vorschub leistete. Er berief 

imperator, non bellator (Frontin. strat, IV 7, 4) sich auf gOttliche Anweisungen, die er im Traume 

und ist wohl auch der Scipio, der den Ausspruch empfangen habe, und weilte taglich eine Zeit 

that, malle se unum civem servare, quam mille lang im Tempel des Iuppiter Capitolinus (Li». 

kostes oceidere (Hist. Aug. Anton. Pius 9, 10); XXVI 19). Polybios (X 2. 9) verwahrt seinen 

von seiner personlichen Tapferkeit hatte er aber Helden gegen die Auffassung, als verdanke er 

in jiingeren Jahren genug Proben abgelegt (Cic. seine Thaten gSttlicher Mitwirkung, nicht seiner 

Tusc. TV 50 u. a.). In der innern Politik hatte eigenen Tuchtigkeit. Die verstreut erzabiten Cha- 

er trotz seiner conservativen Grundanschauungen rakterzuge des Seipio vereinigt Mommsen (R. 
fur fortschrittliche Bestrebungen richtiges Ver- 60 G. 1 8 6321 zu einem einheitlichen BU.de; vgl. 

standnis, so dass auch revolutionare Parteien sich auch Ihne R. G. 112 323f. Dnzweifelhaft hat 

gem auf ihn beriefen (Cic. acad. pr. II lSi; seine sich fruh urn den persOnlich sympathischen und 

Popularitat war allgemein (Appian. bell. civ. I in seinen Leistungen ungewOhnlichen Mann ein 

19. Dio frg. 69, 6). Solche einzelne Ziige lassen Sagenkranz von seiner Geburtsgeschichte bis zum 

sich noch zahlreich aus den Quellen belegen (vgl. Ende seines Lebens gewoben, der uns berechtigt, 

besonders noch Dio frg. 69, 1—5) oder aus der von einem Scipionenromane zu sprechen. Die 

oben dargestellten Geschichte seines Lebens, bei Abgrenzung des geschichtlich Wahren von den 
der ich absichtlich nur die Thatsachen , nicht dichterischen Zuthaten ist allerdings damit dem 



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Cornelius 



Cornelius 



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subjcctiven Ermessen tiberlassen und wird sich raco und vou da zu den Winterlagern des Heeres. 

mit der wiinschenswerten Scharfe nicht ermog- Hier liess er dem Marcius, der die Triimrner des 

lichen lassen. Heeres bei dem Untergange der Scipionen gerettet 

218—212: Jugend. Scipio ist zu der Zeit, batte, alle Ehre widerfahren, ersetzte den Nero 

da er zum erstenmale auftritt, im J. 218, nach durch seinen Propraetor Silanus und wies den von 

der von Poiyb. X 3 dureh Sg h'oixev eingeschrankteu ihrn mitgebrachten Soldaten die Winterquartiere 

Angabe siebzehnjahrig, nach anderer Angabe (Liv. an. Er selbst kehrte nach Tarraco zuriick, Liv. 

XXVI 18, 7; vgl. Weissenborn-Miiller zu XXVI 19. Dem Silanus iiberliess er die Deckung 

Liv. XXI 46, 7) 18 Jahre alt, mithin etwa 235 dieses Teiles von Spanien und brach im Fruhling 
geboren. Auf das gleiche Jahr fiihrt die Angabe 10 210 mit 25 000 Soldaten und 2 500 Reitern gegen 

des Val. Max. Ill 7, 1, wonach er im 24. Lebens- Neukarthago auf. Am siebenten Tage — doch vgl. 

jahre stand, als er nach Spanien abgehen wollte. Ihne E. G. II 325, 1 — kam er vor der Stadt 

Etwas alter erscheint er nach Polyb. X 6, wo- an, gleichzeitig seine Flotte unter Fiihrung des 

nach er beim Beginne seiner Thatigkeit in Spa- C. Laelius. Es gelang ihm, mit Benutzung der 

nien, 211/210, im 27. Jahre steht. In der Schlacht Ebbezeit von der Wasserseite her in die Stadt 

am Ticinus (218) beteiligte er sich an der Bet- einzudringen. Dem Vorbilde 'seiner Verwandten 

tung seines Vaters, des damaligen Consuls (Nr. folgend, behandelte er die spanischen Geiseln, die 

330), wurde auch von ihm offentlich als sein Eetter seine Kriegsgefangenen wurden, freundlich und 

belobt (Polyb. X 3, 6), lehnte jedoch die corona schiokte sie in ihre Heimat zuriick, Polyb. X 
civioa als ihm nicht zustehend ab (Plin. n. h. 20 9— 17. 34. Liv. XL VI 41—49. Die Anord- 

XVI 14; vgl. Wolfflin Herm. XXIII 1888, 307 nungen, die er in Neukarthago traf, bedingten 

—310. 479) und erkannte damit wohl das Ver- einigen Aufenthalt ; dann kehrte Scipio nach Tar- 

dienst eines ligurischen Sclaven (Liv. XXI 46, raco zuriiek , Liv. XXVI 51 ; die Siegesbotschaft 

10 nach Coelius) als grosser an. Unter den nach brachte C.. Laelius nach Rom , Liv. XXVII 7. 

der Schlacht bei Cannae nach Canusium gerluch- Das Commando wurde ihm im Winter dieses Jahres 

teten Rcmern befand sich auch der jugendliche auf unbestimmte Zeit verlangert, Liv. XXVII 7, 

Kriegstribun P. Scipio; ihm und dem Ap. Claudius 17; doch vgl. XXVII 18. Im J. 209 traf Scipio 

Pulcher iibertrug man, nachdem Scipio gegen den auf Hannibals Bruder Hasdrubal bei Baecula un- 

Plan, Italien zu verlassen und die romische Sache weit des oberen Baetis und besiegte ihn iu einer 
damit aufzugeben , heftig aufgetreten war , vor- 30 zweitagigen Schlacht. Von einer Verfolgung des 

laufig den Oberbefehl, bis der Consul Varro, an nach Nordost abziehenden Gegners glaubte Scipio 

den sie die Rettung dieses Truppenteiles gemeldet mit Riicksicht auf die beiden anderen noch im 

hatten, persOnlich erschien und Anordnungen traf Pelde stehenden karthagischen Heerfuhrer absehen 

(Liv. XXII 53f. Cass. Dio frg. 57, 28). Im J. 212 zu miissen. Die ihm von den Spaniern angebotene 

wurde er Aedilis curulis (Liv. XXV 2); als seinen Konigskrone lehnte er ab, Polyb. X 38—40. Liv. 

Amtsgenossen nennt Livius den M. Cornelius Ce- XXVII 18f. Cass. Dio frg. 57, 48. Sollte die 

thegus. Auch dieses Ereignisses in seinem Leben Schlacht den Erfolg haben , den beabsichtigten 

hat sich die ausschmuckende Erzahlung bemach- Ubergang Hasdrabals iiber die Pyrenaen zu ver- 

tigt. Livius berichtet von den Bedenken, die sich hindern, so ist dem Scipio diese Aufgabe miss- 
an die Jugend des Bewerbers knlipften, und von401ungen. Immerhin auffallend ist es, dass Has- 

ihrer Beschwichtigung durch einen kecken Aus- drabal sich durch eine Niederlage den Weg nach 

spruch des Scipio. Polybios (X 4f.) erzahlt, wie Gallien eroffnete , wenngleich die Berufung auf 

er seinem alteren Bruder L. dureh seine Anwesen- die drohende Nahe der beiden andern feindlichen 

heit zur Wahl zum Aedilen verholfen habe, stellt Heerfiihrer bei Polyb. X 39 wie eine Rechtferti- 

aber den Erfolg so dar, als sei P. zusamroen mit gung erscheinen mag. Dieses Bedenken hat Keller 

seinem Bruder Aedil geworden, was, da bei Li- (Der zweite punische Krieg und seine Quellen 

vius ausdriicklich der Namen des Mitaedilen des 67—77) dahin gefuhrt, auf Grand ahnlicher Zflge 

P. angegeben ist, als ein Versehen des Polybios er- in den Beschreibungen des Polybios und des Li- 

scheint, zumal da Polybios die Bewerbung und>die vius von dieser Schlacht bei Baecula und einer 
Wahl beider Bruder in die Zeit des Beginnes der 50 spateren, die nach Polybios bei Ilipa, nach Livius 

spanischen Unternehmungen des Vaters, also auf bei Baecula im J. 206 dem Hasdrubal, Gisgos 

217, verlegt. Sohn, geliefert wurde, die erste Schlacht als eine 

211—206: Spanien. Nach dem Tode seines Doublette zu betrachten, die zur Rechtfertigung 

Vaters P. (Nr. 830) und seines Oheims Cn. (Nr. dessen, dass Scipio seine Hauptaufgabe in Spa- 

345) in Spanien wurde Scipio vom Volke zum nien nicht erfiillt hatte, in den Reihen seiner 

Proconsul mit dem Commando nach Spanien ge- Parteigenossen erfunden worden sei. Danach sei 

wahlt, 211 nach Liv. XXVI 18, 7, und begab also Hasdrubal, Hamilcars Sohn, nie bei Baecula 

sich im selben Jahre dorthin. Ist der Tod der von Scipio besiegt und ernstlich am Ubergang 

beiden Scipionen erst 211 eingetreten (s. Nr. 345), iiber die Pyrenaen behindert worden. Appian 
so bleibt fur die Meldung von ihrem Tode und 60 (lb. 25—27) kennt jedenfalls nur eine Schlacht 

ffiT die Entsendung des Praetors Claudius, der in Baetica, die bei Carmo, in der Scipio den Has- 

Scipio ablosen soil, nicht genugend Zeit. Nach drubaL Gisgos Sohn, besiegte (Keller a. a. O. 

Livius Angabe — abweichende Datierung er- 61), an der auch, wie in der zweiten Schlacht 

wahnt Livius spater (XXVII 7,5) — sind die bei Baecula (s. n.), Mago und Massinissa teil- 

heiden Scipionen 212 gefallen, dann hat die nahmen. Jedenfalls ist mit Hasdrubals Abzug 

Wahl im J. 211 stattgefunden. Auf 30 Schiffen die Aufgabe Scipios wesentlich kleiner geworden, 

fuhr Scipio mit 10 000 Soldaten und 1000 (?) so dass ihm der Senat im J. 208 die Abgabe von 

Reitern bis nach Emporiae, marschierte nach Tar- einer Reihe von Schiffen nach Sardinien zumuten 



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konnte, Liv. XXVII 22. Die Nachricht von der 205—200: Italien, Sicilien, Africa. In 

Entsendung mehrerer Tausende nach Italien an Italien empfing ihn der Senat ausserhalb Roms 

M Livius zurHiilfe gegen Hasdrubal beruht auf im Tempel der Bellona; cin Triumph, den ihm 

dem Zeugnis einiger von Liv. XXVn 38, 11 nicht Appian. lb. 38 zuerkennt, stand ihrnm saner 

namhaft gemachter Schriftsteller. Von seinem Stellung als Proconsul mcht zu, Liv XX VIII 38 

Hauptquartier in Tarraco aus unternahmen Scipio Spiele in Rom feierten seinen Sieg, Liv. XXVHI 

oder seine Unterfeldherrn in den J. 207 und 206 45, 12. Fiir das J. 205 wurde Scipio zum Consul 

erfolgreiche Vorstosse gegen die karthagischen gewahlt, und da sein Amtsgenosse P. Licinius- 

Peldherrn: Silanus besiegte den Mago in einer Crassus als Pontifex maximus Italien nicht ver- 
Schlacht in Keltiberien und nahm dabei den neuen 10 lassen durfte, so verzichtete dieser auf die^ Ver- 

Fiihrer Hanno gefangen, L. Scipio, des P. Bruder, losung der Amtsbezirke und Iiberliess dem Scipio- 

eroberte die Stadt Orongis (= Aurgi? CIL II Sicilien, Liv. XXVIII 38. Der Senat scheint dem 

p 452) ; P. Scipio selbst siegte im J. 206 bei jungen Helden nicht sehr geneigt gewesen zu sein, 

Ilipa (? nach Polyb. XI 20—24) oder bei Baecula Plut. Fab. Max. 25. Weder gestattete er ihm 

(Liv. XXVni 13—16) oder bei Carmo (Appian. lb. eine Aushebung, sondern wies ihn auf freiwillige 

25. CIL II p. 188) iiber Hasdrubal, Gisgos Sohn, Leistungen fur Heer und Flotte an (Liv. XXVLII 

in dessen Heere Mago, Hannibals Bruder, und 45f.), noch gab er seinem Wunsche, Africa als 

Massinissa kiimpften. Hasdrubal verliess infolge- Provinz zu erhalten, nach. Die Drohung Scipios, 

dessen Spanien und fuhr nach Africa. BeimKonig sich iiber den Senat hinweg mit dem Volke zu 
Syphax soil er mit Scipio zusammengetroffen sein, 20 verstandigen, erzielte eine Abmachung dahin, dass 

der zuerst durch seinen Freund C. Laelius mit Scipio, falls er es im Interesse des Staates fiir 

dem Konige hatte verhandeln lassen und dann angebrachthalte, die Erlaubnis erhielt, nach Africa 

auf des Konigs Wunsch persOnlich zum Abschlusse hinliberzugehen. So ging Scipio im J. 205 nach. 

eines Biindnisses am Hofe erschienen sein soil, Sicilien, Liv. XXVIII 40 — 46. Dem Rate Mas- 

Polyb. XI 24. Liv. XXVHI 17f. Der Vorstoss sinissas, baldigst nach Africa uberzusetzen (Liv. 

gegen das letzte Bollwerk der karthagischen Macht, XXIX 4), konnte Scipio nicht folgen. Er plante 

gegen Gades, wurde verzogert durch die Zilch- einen Uberfall auf Locri und entschied durch seme 

tigung dreier romerfeindlich gesinnter Stadte, Anwesenheit den Kampf zu Gunsten der Romer. 

Castulo, Iliturgi und Astapa, alle drei im Gebiete In seiner Abwesenheit mordeten und pliinderten 
des Baetis gelegen (Liv. XXVHI 19—23), durch 30 seine Soldaten in Locri und versagten dem Ple- 

den Kampf gegen die abtrunnigen Ilergetenhaupt- minius den Gehorsam ; dieser wieder handelte 

linge Mandonius und Indibilis (Polyb.: Andobales; spater aus privater Rachaucht gegen Scipios Be- 

Polyb. XI 31—33. Liv. XXVIII 31—34) und fehl. Die Anklage der Locrer gegen Plemmms 

durch einen Soldatenaufstand im Lager bei Sucro, gab im Senate dem Q. Fabius Anlass, auf die 

den Scipios Erkrankung hervorgerufen hatte und Lockerung der Disciplin in Scipios Heere hinzu- 

seine persOnliche Anwesenheit wieder dampfte weisen und mit Unterstutzung von Scipios eigenem 

(Polyb. XI 25—30. Liv. XXVHI 24—29). End- Quaestor Cato (Plut. Cat. min. 3) eine auch gegen 

lich konnte Scipio dem vorausgeschickten Marcius' Scipio gerichtete Untersuchung durchzusetzen. 

folgen ; in einer Unterredung gewann er den Mas- Ganz unbereehtigt ist dieser Vorwurf mangelnder 
sinissa fiir die romische Sache ; Mago verliess 40 Disciplin in Scipios Heere — damit verbunden 

Gades, und die Stadt ergab sich den ROmern, der einer offen zur Schau getragenen Vorliebe 

Liv. XXVIII 35—37. Scipios Aufgabe in Spanien fiir griechisches Wesen (Cass. Dio frg. 57, 62) — 

schien damit fur den Augenblick gelost; die Wett- nicht; aus seinem africanischen Feldzuge be- 

spiele die Scipio schon vor dem Zuge nach Gades richtet Appian. Lib. 15 ahnliches bei der Erobe- 

in Neukarthago veranstaltete (Liv. XXVIII 21), rung der Stadt Locha, auf die Vorkommnisse bei 

sollten wohl die bisherigen grossen Erfolge feiern. Sucro in Spanien lasst Livius den Fabius selbst 

Die Stadt Italica besiedelte Scipio von neuem hinweisen. Der mit der Untersuchung betraute 

und gab ihr den Namen (Appian. lb. 38). Das Praetor des J. 204 M. Pomponius traf den Scipio 

J. 206 neigte sich seinem Ende zu, und Scipio in Syrakus. Der Anblick von Scipios Heer und 
begab sich eilends zur Consulwahl nach Rom. Die 50 von seiner Kriegsbereitschaft ftberzeugte den Pom- 

Provinz iiberliess er der Fiirsorge zweier seiner ponius ; auf Grund seines Berichtes gestattete der 

Feldherrn, Polyb. XI 33. Liv. XXVHI 38. Die Senat dem Scipio ausdrucklich den Ubergang nach 

Chronologie, der Livius folgt, giebt an verschie- Africa, Liv. XXIX 6—9. 19—22. Zwar traf in- 

denen Stellen zu Bedenken Anlass. Schon das zwischen von Syphax, den Hasdrubal, Gisgos Sohn, 

Jahr der Ubernahme des Commandos ist nicht mit der Hand seiner Tochter fur die karthagische 

sicher (s, o), die erste Schlacht bei Baecula Sache gewonnen hatte, ein Absagebrief in Sy- 

gegen Hasdrubal, Hamilcars Sohn, ware nach rakus ein ; doch setzte Scipio seine Vorbereitungen 

Kellers Ansicht (s. o.) zu streichen, das J. 206 zum Ubergange nach Africa fort und wahlte von 

scheint mit Ereignissen uberlastet (Wei s sen- den in Sicilien liegenden Legionen gerade die 
born zu Liv. XXVHI 16, 14. Ihne R. G. H60funfte und sechste aus, die das Ungluck von 

371, 2). Eine befriedigende Losung der Zeit- Cannae miterlebt hatten und seitdem als degra- 

fiagen hat sich nach Beschaffenheit unserer Quellen diert erschienen. Entscheidend mag fur ihn dabei 

bisher nicht gefunden. Als fester Punkt ist nur auch die Erwagung gewesen sein, dass diese Truppen 

Scipios Abreise nach Rom in der zweiten Hiilfte durch mehr als zehnjahrigen Dienst die meiste 

des J. 206 anzusehen. Uber die Thatigkeit Scipios Ubung im Waffenhandwerk haben mussten. Jede 

in Spanien vgl. Mommsen R. G. 18 633—637. der beiden Legionen hatte 6200 pedites und 300 

Ihne R. G. H 324—330. 349—351. 365 (hier equites. Ebenfalls aus dem exereitus Cannensw 
namentlich die Charakte ristik der Quellen) —376. entnahm Scipio Cavallerie und Infanterie der socii 



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Cornelius 



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iwmifvis Latim, Liv. XXIX 23—24. Uber die Poljb. XV 5 (Liv. XXX 29) fiinf Tagemarsche 

Gesamtzahl seiner Truppen lasst sich Sicheres westlich von Karthago angiebt, das aber auch 

nicht feststellen, 40 Kriegsschiffe (vgl. auch Liv. nach Liv. XXIX 9 nicht weit von Naraggara ge- 

XXX 41) und gegen 400 Transportschiffe bewerk- legen sein muss. Appian. Lib. 40 giebt die Stadt 

stelligten den TJbergang, Liv. XXIX 26, 3. Nach Cilia als in der Nahe des Schlachtortes gelegen 

feierlichem Gebete ging die tfberfahrt im ganzen an; vgl. Mommsen E. G. I s 658 Anm. Ihne 

giinstig, nach Coelius dagegen sehr ungiinstig von R. G. II 2 414. Die Zusammenkunft beider Feld- 

statten; man landete im J. 204 bei Utica, Liv. herrn forderte kern Ergebnis, die Schlacht ent- 

XXIX 25— 28. Ihne E. G. II 393 Aran. Das schied(am 19. Oct. 202? Zonar. IX 14. Weissen- 
imperium ist dem Scipio alljahrlich verlangert 10 born zu Liv. XXX 32, 4 — 6; vgl. dazu XXX 
worden; fur das J. 204 sagt es Liv. XXIX 13, 36, 8, jedoch Mommsen R. G. is 658 Anm.) 
3. Die Erteilung des Commandos ohne zeitliche zu Gunsten Scipios. Die romische Flotte fuhr 
Beschrankung, die nach Liv. XXX 1 im Beginn nun von Utica, dessen Einnahme noch immer 
des J. 203 erfolgt ist, steht mit der erneuten An- nicht gelungen war, da die Belagerung von der 
frage an das "Volk im Beginne des J. 202 (Liv. Landseite von Scipio verschiedentlich aufgegeben 

XXX 27) im Widerspruche. Fur das J. 202 und worden war (vgl. z. B. Appian. Lib. 30), nach 
201 liegen wieder Livius ausdriickliche Angaben Karthago, das HeeT riickte bis Tunis vor. Dort 
vor (XXX 27. 41). Nachdem Massinissa zum begannen, nachdem auch Syphax Sohn Vermina 
rOmischen Heere gestossen war (Liv. XXIX 29), dem Scipio erlegen war, die Priedensverhand- 
folgte Seipio seiner Plotte nach Utica und be-201ungen, Polyb. XV 6—14. Liv. XXX 30—36. 
gann die Belagerung dieser Stadt. Zwar besiegte Appian. Lib. 43—48. Der neue Consul des J. 201 
Massinissa den karthagischen Feldherrn Hanno Cn. Lentulus, der mit einer Plotte an der Kfiste 
bei Salaeca unweit Utica und nahm ihn gefangen, Africas die Unternehmungen Scipios unterstutzen 
wobei Verrat im Spiele war (Appian. Lib. 14); sollte, suchte, wie schon der Consul des J. 202, 
doch notigte das Erscheinen der beiden Heere Ti. Claudius, den Euhm der Beendigung des Krieges 
des Hasdrubal und des Syphai den Scipio, die (Liv. XXX 27, 5), die Ehre des Priedensschlusses 
Belagerung, die bereits 40 Tage gedauert hatte, dem Scipio streitig zu machen; doch entschied 
vor Beginn des Winters aufzngeben. Er ver- das Volk, bei Appian. Lib. 65 der Senat, auf 
schanzte sich jedoch unfern der Stadt auf einer Antrag zweier Tribunen fiir Scipio. Er schloss 
Landzunge, Liv. XXIX 34f. Das J. 203 begann 30 den Frieden ab und fuhr nach Lilybaeum mit 
mit vergeblichen, vielleicht nicht ganz ehrlich seinem Heere zuTuck, Polyb. XV 181'. Liv. XXX 
gemeinten Verhandlungen mit Syphax. Ein nacht- 43f. Appian. Lib. 56. Scipio kehrte nach Italien 
licher Angriff auf die Lager der beiden feind- zuriick und zog im Triumphe , dem Syphai folgte 
lichen Feldherrn war von Erfolg begleitet, doch (Polyb. XVI 23 ; dagegen Liv. XXX 45. Weissen- 
sammelten 8ich die Heere bald wieder, und auf born z. d. St.), in Eom ein. Scipio ffihrte seit 
den Magni Campi, die nach Polyb. XIV 8 flinf jener Zeit den Beinamen Africanus, Polyb. XVI 
Tagemarsche von Utica entfernt liegen, besiegte 23. Liv. XXX 45; wenn ihn Polyb. XVIII 18 
Scipio die Karthager, Polyb. XIV 1—8. Liv. ,der Grosse' nennt, so ist darin wohl kein offlcieller 
XXX 3—8. Einem neuen Entsatzversuche von Titel zu sehen, ebensowenig wie z. B. bei Pint. 
Utica, den die Karthager zu Wasser unternahmen, 40 Cat. min. 3. Die Soldaten, die mit Scipio in 
konnte Scipio, der bereits nach Tunis vorgerttckt Africa gesiegt hatten, erhielten Landanweisungen 
war, nur durch schleunige Ruckkehr entgegen- in Italien; dieselbe Vergiinstigung wurde spater 
treten und trotzdem nicht verhindern, dass die auch auf die Truppen ausgedehnt, die an seinen 
karthagisehe Plotte einen kleinen Vorteil fiber spanischen Feldzvigen teilgenommen hatten. Die 
die rOmische errang, Polyb. XIV 9f. Liv. XXX in Spanien gelobten Spiele feierte Scipio im J. 200, 
9f. Inzwischen war dem Massinissa die Gefangen- Liv. XXXI 4. 49. Das Einschreiten gegen Han- 
nahme des Syphax am 24. Juni 203 gelungen, nibal, das man in Rom auf Veranlassung von 
und Scipio ordnete den Laelius mit der Beute dessen personlichen Gegnern beschloss, fand die 
zur Berichterstattnng nach Italien ab, Ovid. fast. Billigung Scipios nicht, Liv. XXXIII 47. Uber 
VI 761. Liv. XXX llf. 16. Appian. Lib. 26; 50 Scipios Thiitigkeit seit seiner Ruckkehr aus Spa- 
die durch Sophonisbe ins Wanken gebrachte Bun- nien bis zum Friedensschlusse vgl. Mommsen 
destreue des Massinissa wusste er sich geschickt R. G. 1 8 652—660. Ihne R. G. II 8 380—405. 
zu eihalten. Liv. XXX 13—15. Ein Waffenstill- 411—423. 

stand von 45 Tagen wurde wahrend einer Friedens- 199—189: Italien, Africa, Asien. Im 

gesandtschaft den Karthagern bewilligt, Liv. XXX J. 194 wunschte Scipio als Consul, da der Krieg 

24f. Appian. Lib. 31. Eutrop. Ill 21. Gegen gegen Antiochus bevorstand, dass einer der beiden 

Ende des J. 203 landete Hannibal bei Leptis in Consuln Makedonien als Provinzerbielte; der Senat 

Africa (Liv. XXX 25) oder vielleicht auch bei jedoch bestimmte beiden Consuln Italien. So 

Hadrumetum; auf diesen Ort weist das Erho- hatte Scipio venig oder gar keine Gelegenheit 
lungsbedurfnis seiner Soldaten, denen in Hadru-60zu kriegerischen Thaten — entweder hat er mit 

metum nach der Seefahrt Rast gegOnnt wurde, seinem Amtsgenossen gemeinsara in Oberitalien 

hin, Liv. XXX 29 und Weissenborn z. d. St. Krieg gefiihrt oder ist gar in Rom geblieben — 

Von Hadrumetum zog er — Zwischenglieder in und hielt die Wahlcomitien fur das kommende 

den Unternehmungen beider Parteien fehlen hier Jahr ab, Liv. XXXIV 43. 48. 54. Nach Pint, 

wohl bei Polybios und Livius, wahrend Appian. Cat. min. 11 soil Scipio dem Cato das Commando 

Lib. 36 ein fiir die Romer siegreiches Reitertreffen in Spanien haben abnehmen lassen und selbst 

bei Zama und Lib. 39 die Einnahme der ,grossen' dort kurze Zeit ohne besonderen Erfolg den Ober- 

Stadt Parthos kennt — nach Zama, dessen Lage befehl gefiihrt haben ; nach Nep. Cat. 2 hat Scipio 



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Cornelius 



(jornelms 



14YU 



seine dahin gehende Absicht beim Senate nicht bensjahre Scipios sind ausgefullt mit pohtischen 

durchzusetzen vermocht, womit die Notiz von der Kampfen mit der Partei des Cato und des llamini- 

Auiosung des spanischen Heeres des Cato bei nus, die in den sog. Scipionenprocessen, Anklagen 

Livius (XXXIV 43) zu vereinigen ware. Urn einen gegen L. und gegen P. Scipio, den Sieg uber inre 

Grenzstreit zwischen den Karthagern und Mas- Gegner davontrag und den P. Scipio dazu tneb, 

sinissa zu schlichten, ging Scipio im J. 193 mit seiner Vaterstadt den Riicken zu kehren. Auslunr- 

zwei andern Gesandten nach Africa, hatte aber lichen Bericht darfiber giebt Livius (XXXV1JI 50— 

wohl den Auftrag, die strittige Prage offen zu 56) aus der wenig verlasslichen Quelle des Valerius 

lassen und handelte danach, Liv. XXXIV 62. Antias, eine kurzere Darstellung enthalt Appian 
Ebenso soil Scipio nach Livius Quelle Acilius 10 (Syr. 40). Gelegentliche Erwahmmgen flnden sich 

und Claudius — die Nachricht findet sich auch bei bei Gell. IV 18. VI 19, bei Val. Mai. in 7, lc. 

Appian. Syr. 9f. — als Gesandter zu Konig An- V 3, 2d; bei Sen. cons, ad Pol. 33,3. Erne em- 

tiochus nach Ephesus gegangen sein, und dort gehende ErOrterung der Quellen, der Rechts-, 

soil das Gesprach mit Hannibal fiber den grOssten Sach- und Zeitfragen giebt Mommsen ROm. 

Feldherrn stattgefunden haben, Liv. XXXV 14. Forsch. II 417-510 (vgl. Miinzer u. S. 1475ff.), an 

Als im J. 190 sein Bruder L. mit C. Laelius dessen Darstellung (459—476) sich das Folgende 

Consul war, verschaffte P. Scipio, als der Senat anschliesst. BeiderRechenschaftsforderungwegen 

zwischen den beiden Consuln schwankte — nach der Ablieferung von Geldern nach dem Kriege 

Cic Phil XI 17 erst, nachdem die Entscheidung gegen Antiochus, die, sachlich unberechtigt, sich 
schon gegen L. Scipio gefallen war — seinem 20 nominell gegen L. Scipio richtete, abeT zugleich 

Bruder das Commando gegen Antiochus durch ein Misstrauensvotum gegen beide Bruder ent- 

das Anerbieten, selbst mit ins Feld zu Ziehen ; hielt, rechtfertigte P. seinen Bruder dadurch, dass 

nach Cic. pro Mur. 32 ersuchte Ihn sogar der er die Rechnungsbucher zwar holen liess, sie aber 

Senat darum, seinen Bruder zu begleiten, Liv. vor den Augen der Senatoren zerriss. Nun ging 

XXXVII 1. Appian. Syr. 21. Vor seiner Abreise im J. 184 (Ihne R. G. IV 262: in den letzten 

liess Scipio auf dem Capitol als Abschluss des Tagen des J. 185) der Trib. pleb. M. Naevius gegen 

vom Forum auf das Capitol fuhrenden Weges einen P. Scipio wegen Bestechung von seiten des An- 

Bogen erbauen, der mit zwei Pferden und sieben tiochus vor. Im ersten Termine entzog ihm Scipio 

goldenen Bildsaulen geschmiickt wurde und vor allerdings sein Publicum ; es war der Jahrestag 
dem zwei marmorne Becken Aufstellung fanden, 30 von Zama, und das Volk folgte Scipios Aufforde- 
Liv. XXXVII 3. In Griechenland zog P. als Legat rung, ihn zu einem Dankopfer auf das Capitol zu 
seines Bruders nach Amphissa voraus. Im Lager geleiten. Der Process erlitt dadurch jedoch keinen 
bei Amphissa wandten sich athenische Gesandte Aufschub. Vor dem Endtermine verhess P. Rom, 
im Interesse der schwer bedrangten Aitoler an sei es im Auftrage des SeDates, der ihn nach 
Scipio und hatten auch ihr Ziel erreicht, wenn Etrurien schickte, sei es, dass er auf eigene Ver- 
mont L. Scipio an seinen ungiinstigeren Bedin- anlassung nach Liternum ging, wo ihm angebhch 
gungen festgehalten hatte; doch erwirkte ihnen Gesundheitsrdcksichten die Ruckkehr nach der 
Scipio einen sechsmonatlichen Waffenstillstand, Hauptstadt verboten, so dass der Process vorlaufig 
Polyb. XXI 4. Liv. XXXVII 6f. Beim Uber- sistiert wurde. Seine, Ruckkehr nach Eom erfolgte, 
gange des Heeres von Europa nach Asien ver- 40 als sein Bruder, der nun ebenfalls vor Gericht 
anlasste die Rucksicht auf Scipios Stellung als gezogen und rechtskraftig verurteilt worden war, 
Salius, der seinen jeweiligen Aufenthalt noch nicht ins Gefangnis gebracht werden sollte, eine Mass- 
verlassen durite, eine Verlangsamung des Marsches, regel, gegen die der Tribun Sempromus Gracchus 
Polyb. XXI 13. Liv. XXXVII 33. Im Verlaufe hindernd auftrat. Darauf verliess P. Scipio Rom 
des Feldzuges war Scipios Sohn — Appian. Syr. 29 und ging auf sein Landgut Liternum in Cani- 
verwechselt ihn mit Scipios Adoptivenkel — Ge- panien. Dort sfcarb er, nach der wahrscheinlich- 
fangener des Antiochus geworden. Des Konigs Ge- sten Angabe (Polyb. bei Liv. XXXIX 52) im J. 183 
sandter Heraklides hatte den Auftrag, hieraus fiir (dagegen Liv. a. a. O. Cic. Cat. m. 19) , und 
giinstige Friedensbedingungen Vorteil zu ziehen. ist auch nach seiner Verfugung dort begraben, 
Die Zumutungen, die Heraklides an Scipio stellte, 50 Liv. XXXVIII 53. 56 ; dort will Seneca (ep. 86) 
auch die Bestechungsversuche wies Scipio ab. Als seine Grabstatte gesehen haben. Die Nachricht, 
aber Scipio kurz darauf in Elaea unweit Pergamum dass Scipio in Rom gestorben und begraben sei, 
an der kleinasiatischen Kuste krank lag, schickte ist wohl einem Schlusse aus dem Vorhandensein 
ihm Antiochus den Sohn zu. Zum Danke dafflr der Scipionengraber vor der Porta Capena (CIL 
soil Scipio dem KOnige den Rat gegeben haben, VI 1288) entnommen; da fehlt aber die Inschnft 
nicht vor der Ruckkehr Scipios ins Lager eine fur den Africanus maior. Die Wahrscheinhchkeit 
Schlacht zu wagen. Der Sinn dieses Eates ist wird dadurch nicht gerade grosser, dass dort neben 
nicht recht durchsichtig, Ihne R. G. in 123f. den beiden Bildsaulen des P. und L. auch die 
Antiochus befolgte ihn nicht. und so nahm Scipio des Dichters Ennius gestanden (Liv. XXXVIII 
an der Entscheidungsschlacht bei Magnesia nicht 60 56) oder dass Q. Terentius Culleo vnederum, wie 
teil, sondern traf von Elaea aus erst nach der bei Scipios Triumphe, als dankbarer Befreiter dem 
Schlacht mit seinem Bruder in Sardes wieder zu- Sarge das Ehrengeleit gegeben haben soil Von 
sarnmen und beteiligte sich an den Friedensver- seinen Reden ist nichts auf die Nachwelt ge- 
handlungen, Liv. XXXVII 34—37. 45. Appian. kommen, Cic. de off. Ill 1 ; was spater unter dem 
Svr. 29f. Polyb. XXI 15. Die Bruder kehrten Namen des Scipio als Rede in seinem Processe 
zu Schiffe nach Brundisium und von dort nach ging, hat die Folgezeit bald als falsch erkannt. 
Eom zurfick Liv. XXXVIIf- 56. Gell. IV 18; vgl. Meyer 

188—183: Process. Tod. Die letzten Le- Orat. Rom. frg. 109 IV. [Henze.l 



1471 



Cornelius 



Cornelius 



1472 



887) L. Cornelius Scipio Asiagenus war der 
zweite Sohn des P. Scipio Nr. 330 und der jtingere 
Bruder des P. Scipio Africanus Nr. 336. Obwohl er 
nach Auct. de vir. ill. 53, 1 inflrmo corpora und 
nach Val. Max. V 5, 1 imbettis war (vgl. Cic. Phil. 
XI 17. Appian. Syr. 21; s. u.), nahm er scion 
an den spanischen Feldziigen seines Bruders als 
Legat teil (Liv. XXVIII 28, 14. XXXVIII 58, 8). 
Im J. 547 = 207 leitete er die Belagerung Ton 



mit der Nachlassigkeit des Livius zu viel zuge- 
mutet wird, sondern auch weil der Aufenthalt 
Scipios in Griechenland jetzt sicher bezeugt ist. 
Die delische Schatzmeisterurkunde, Bull. hell. VI 
39 = Dittenberger Syll.2 588 verzeich.net nam- 
lich kurz nach Weihgeschenken des A. Atilius 
Serranus und des C. Livius Salinator, die als 
rOmische Admirale 562 = 192 und 563 = 191 nach 
Delos kamen (vgl. Liv. XXXV 20, 11. XXXVI 



Oringis im Gebiet der Bastetaner und ging nach 10 2, 6. 43, 1), und unmittelbar nach einem Weih- 



der Einnahme der Stadt selbst zur Berichterstat 
tung nach Rom (Liv. XXVIII 3, 1—4, 4. Zonar. 
IX 8). Bei seiner Ruckkehr nach Spanien konnte 
er dem Bruder schon berichten, dass er Aussicht 
habe , die Fiihrung des Krieges in Africa zu er- 
halten (Appian. Iber. 29). Dann wurde 548 = 
206 das letzte karthagische Heer vernichtet, das 
noch auf der iberischen Halbinsel gestanden hatte, 
und wieder wurde Lucius als Siegesbote nach 



geschenk des T. Quinctius Flamininus, der wah- 
rend deTselben zwei Jahre in Griechenland thatig 
war (vgl. iiber seine Ruckkehr Liv. XXXVII 1, 
1), in Z. 90 : a).).og oxirpavog %Qvoovg, ov dvtdvjxsv 
Aevxiog KoQvrjXiog Sxmloiv axQarrjyog 'Pco/iaicov 
und: aXXog oretpavog %Qvoovg eXaiag ov dvifhjxav 
AfjXidSeg x°Q £ i a orsqpavco&slaat vmo Aevxiov Koq- 
vr\liov Sxinlayvog oxQaxrjyov 'Pco/taicov. Es kann 
hier nur L. Scipio, der Bruder des Africanus, ge- 



Rom gesendet (Liv. XXVIII 17, 1. Zonar. IX 8 20 meint sein, den die Griechen damals ebenso un- 



Ende). Darauf begleitete er den Bruder auf den 
neuen Kriegssehauplatz ; 549 = 205, wahrend dieser 
fur kurze Zeit nach Locri eilte, fiihrte er an seiner 
Statt das Commando in Messana (Liv. XXIX 
7, 2) , 550 = 204 ging er mit ihra nach Africa 
hiniiber (ebd. 25, 10), zeichnete sich angeblich 
dort sogar im Felde aus (Auct. de vir. ill. 53, 1; 
vgl. Liv. XXXVIII 58, 8) und war 552 = 202 
wieder unter den Gesandten, die den Sieg bei 



genau Praetor statt Praetorier nennen, wie einige 
Jahre spater Consul auch nach Ablauf des Con- 
sulats (s. u.). Wenn Scipio von den Thermopylen 
erst nach Delos segelte , so erklart es sich, dass 
Cato, der zwar nach ihm abgereist war, aber 
direct und sehr rasch reiste , noch vor ihm in 
Rom eintraf. Sein Dienst unter Glabrio hat aber 
nichts Befreradendes , da auch dieser zur scipio- 
nischen Partei gehOrte (vgl. Mommsen Rom. 



Zama in der Hauptstadt verkiindeten (Liv. XXX 30 Forsch. II 456, 84). Fur 564 = 190 wurden L 



38, 4, vgl. 40, Iff.). Ein kleines Fragment seines 
Elogiums vom Augustusforum (CIL I 2 p. 194 
elog. XIV) enthalt den Anfang seiner in absteigen- 
der Folge verzeichneten Amterlauf balm : [aed. 
eu]r. q(uaestorj tr, [mil,]; Militartribunat und 
Quaestur fallen in diese oder die nachstfolgenden 
Jahre, die Aedilitat oline Zweifel 559 = 195, weil 
nur in diesem Jahre die curulischen Aedilen von 
Livius nicht verzeichnet werden und damals als 



Scipio und C. Laelius zu Consuln gewahlt (Fasti 
Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Liv. XXXVI 
45, 9. XXXVII 1, 1. Eutrop. IV 4, 1. Obseq. 1. 
Cassiod. Gell. XVI 4, 2). Nach Liv. XXXVII 
1, 7—10 (vgl. XXXVIII 58, 8) uberliessen sie 
dem Senat die Verteilung der Provinzen, und 
zwar Laelius aus eigenem Antriebe, Scipio da- 
durch gezwungen und auf Rat seines Bruders; 
dann habe dieser Bruder erklart, wenn man dem 



in einem varronisch ungeraden Jahre Patricier 40 Lucius den Krieg gegen Antiochos anvertraue, so 



gewesen sein mflssen. Dazu stimmt, dass Scipio 
561 = 193 die Praetur erhielt (Liv. XXXIV 54, 2). 
Er verwaltete als Praetor Sicilien (ebd. 55, 6), 
und Cicero macht gelegentliche Angaben iiber 
seine Thatigkeit daselbst (Verr. II 123; de or. 
II 280); man bezieht auf ihn ausserdem, doch 
nicht mit voller Sicherheit, die Ehreninschrift 
aus Halaesa , die noch ganz dem griechischen 
Sprachgebrauehe gemass verfasst und vielleicht 



werde er selbst als Legat mit ihm gehen ; unter 
dem Eindrucke seiner Erklarung habe der Senat 
die Teilung vorgenommen. Ahnlich berichtet Ps.- 
Ascon. p. 173 Or. Noch ungiinstiger fiir den Con- 
sul L. Scipio ist die Darstellung bei Cic. Phil. 
XI 17 und Val. Max. V 5, 1, es sei ihm Asien 
durehs Los als Provinz zugefallen, aber der Senat 
habe sie ihm wegen seiner notorischen Unfahig- 
keit abnehmen wollen und nur auf die Fiirbitte 



die alteste ihrer Art in lateinischer Sprache ist: 50 und jenes Anerbieten des Africanus davon abge- 



Italicci | L. Cornelium Sc[ip]i[one]m | honoris 
causa (CIL I 533 = X 7459 = Dessau 864). 
562 = 192 bewarb sich Scipio ohne Erfolg fiir 
das folgende Jahr urns Consulat (Liv. XXXV 
24, 4). 563 = 191 wurcte er nach Liv. XXXVI 



standen. Das ist vielleicht aus der Geschichte 
eines spateren Scipio (Nr. 321) auf den Asiaticus 
iibertragen. Auf eine dritte Version deutet Cic. 
Mur. 32 hin : neque vera cum P. Afrieano sena- 
tus egisset, ut legatus fratri profieiseeretur, 



21, 7 von dem Consul M'. Acilius Glabrio an den nisi Mud grave helium ct vehemens puta- 

Senat geschickt, um die Kunde von dessen Siege retur; damit stimmt ■ ziemlich iiberein Iustin. XXXI 

bei den Thermopylen zu uberbringen, doch kara 7, 2: creatur constd L. Scipio eique 

ihm Cato zuvor. Abgesehen von dem Verdacht, datur legatus frater Africanus, und Appian. Syr. 
den die Regelrnassigkeit der Verwendung Scipios 60 21 : oT ok Mario) /dv aloovvrai didSo^ov til tijv 
fiir solche Missionen erregen konnte, hat Nissen ozoaxtjyiav Atvxiov Zxtzteova, o; tote avtoig vxa- 



(Kritische Untersnch. 183f.) gegen die Glaub- 
wurdigkeit des livianischen Berichts andere Be- 
denken geltend gemacht und vermutet, Scipio 
sei vielmehr von dem andern Consul , seinem 
Vetter P. Scipio Nasica (Nr. 350), aus Oberitalien 
als Siegesbote geschickt worden. Diese Vermu- 
tung ist aber zurtickzuweisen, nicht bios weil da- 



rog fjv , a^oaxxco o orxi xai amtQo^o/.s/.ia> avit- 
fiovXov aigovvrat xbv dde/.<for IJo.-i/uov Sxmianxx. 

Diese auf Polybios zuriickgehende tJberlieferung 
kommt jedenfalls der Wahrheit am nachsten. 
Das Los hatte zu Gunsten Scipios entschieden, 
aber der Senat stellte an ihn die nicht wohl ab- 
zulehnende Forderung, seinem Bruder eine Lega- 



1473 



Cornelius 



Cornelius 



1474 



tenstelle zu iibertragen. Der Consul solltc den das polybiamsche Original getreuer als Livius 

Befehl iiber das bereits in Griechenland stehende wiederzugeben (vgl. Nissen Krit. Unters. 195 — 

Heer ubernehmen und dazu ziemlich bedeutende 197. Ed. Meyer Rh. Mus. XXXVI 123f.). Der 

Verstarkungen erhalten; die neuen Truppen, mit Tag der Schlacht bei Magnesia ist nicht be- 

denener im Fruhjabj 564=^ 190inEpiruslandete, kannt; sie fallt ganz ans Ende des Jahres (vgl. 

waren 13000 Mann zu Fuss und 500 zu Pferd Liv. XXXVII 39, 2). Die syrische Armee war 

(Liv. XXXVII 2, 2. 3, 8. 4, 1 — 3). Er vereiiiigte der rfimischen an Zahl weit iiberlegen, und ihr 

sie mit den bisher von M'. Acilius Glabrio be- reenter Flugel unter personlicher Fiihrung des 

fehligten vor Amphissa, das dieser belagerte; KOnigs war eine Zeit lang im Vorteil; aber das 
Scipio wollte freie Hand gegen den Hauptgegner 10 vermochte das siegreiche Vordringen der Rtimer 

Antiochos bekommen, brach deshalb die Opera- auf der ganzenLinie nicht aufzuhalten; der Kainpt 

tionen hier ab und bewilligte den Aitolern nach endete fiir Antiochos mit einer ganzlichen Nieder- 

langeren Verhandlungen einen sechsmonatlichen lage unter ungeheuren Verlusten (Liv. XXXVII 

Waffenstillstand (Polyb. XXI 4, 1—5, 13. 8, 1 38, 1—44, 2. Appian, Syr. 33—37. Zonar. IX 20. 

—3. 30, 4. Liv. XXXVII 6, 1—7, 6. Zonar. 1X20). Iustin. XXXI 8, 5—7. Flor. I 24, 14—17; kiirzer 

Verschiedene Erwagungen bestimmten ihn, nun Cic. Verr. I 55; Mur. 31. Veil. II 38, 5 Eutrop. 

den Landweg nach Asien zu wahlen. In lang- TV 4, 1. Auct. de vir. ill. 53, 1. 54, 5; aus der 

samem Marsche und mit mancherlei Aufenthalt zog Grabschrift des Sohnes Scipios Nr. 324: pater 

er durch Thessalien, Maiedonien, Thrakien an regem, Aniiceo subegit. Weihgeschenk derAchaier 
den Hellespont (Liv. XXXVII 7, 7 — 16. XXXIX 20 avrayarriadfievoi xr/v h> AvSca nagd xov <pQvytor 

28, 8f.; nach Claud. Quadrig. XXXVIII 41, 11. noxannv /taxir Inschriften von Pergamon I 64 

Appian. Syr. 23. Zonar. IX 20, vgl. Polyb. frg. = Dittenberger Syll.2 286). Mit einem Schlage 

137?); da er nach Lysimacheia erst gelangte, als war der ganze Krieg zu Ende; die Stadte des 

der Feind diese Stadt infolge der Seeschlacht bei westlichen Kleinasiens Offneten dem Sieger ihre 

Myonnesos geraumt hatte, kann er nicht vor dem Thore, die feindliche Flotte wich zuruck, Scipio 

Herbst iiber den Hellespont gegangen sein (Liv. hielt seinen Einzug in Sardes, wohin auch der 

XXXVII 33, 1—7. 47, 3. Diod. XXIX 5. Appian. wieder genesene Africanus kam (Liv. XXXVII 

Syr. 29). Wahrend des Marsches hatten die Sei- 44, 3—45, 3. Tac. ann. Ill 62. Zonar. IX 20, 

pionen mit Prusias von Bithynien Veibindungen vgl. Appian. Syr. 38). Hier empfingen die Bruder 
angekniipft (Polyb. XXI 11, 3. Liv. XXX Vn 25, 30 die Gesandten des Antiochos, die dessen Unter- 

8); ehe sie die Meercnge uberschritten, empfingen werfung unter die Bedingungen der Romer an- 

sie Friedensanerbietungen von Antiochos , aber boten ; wieder fiihrte hauptsachlich P. Scipio die 

die Verhandlungen zerschlugen sich, und die Le- Verhandlungen und dictierte den Frieden , den 

gionen riickten auf dem von keinem romischen der Konig annehmen musste und den Senat und 

Heere zuvor betretenen Erdteil vorwiirts (Polyb. Volk bestatigten (Polyb. XXI 16, Iff. 24, 2. Liv. 

XXI 13, 2-14, 9. Liv. XXXVII 34, 3—35, 10. XXXVII 45, 4—21. 55, 2. Iustin. XXXI 8, 8. 

Iustin. XXI 7, 3—9. Appian. Syr. 29. Zonar. Flor. I 24, 18. Diod. XXIX lOff. Appian. Syr. 

IX 20). In Ilion bekraftigte der Consul die tra- 38f.; die Friedensbedingungen s. o. Bd. I S. 2469). 

ditionelle Blutsverwandtschaft der Romer und Die Winterquartiere bezog der Consul in Ephesos 
Troianer, indem er der BurggOttin ein feierliches 40 und dessen Umgebung; hier loste ihn im Friih- 

Opfer brachte (Liv. XXXVII 37, 1—5; vgl. Iustin. jahr 565 = 189 sein Nachfolger im Amte und im 

XXXI 8,1 — 4). Eumenes stiess zu ihm, Antiochos Commando Cn. Manlius Vulso ab (Polyb. XXI 

nahm seine Stellung am Sipylos bei Magnesia, 25, 1. Liv. XXXVII 45, 20. 50, 2. XXXVIII 3, 1. 
alles drangte zur Entscheidung, da erkrankte Scipio 12, 2). Auf der Riickreise brachte er dem deli- 

Africanus. Er war nach der im Altertum allge- schen Apollon ein Weihgeschenk dar (Z. 100 der 

mein herrschenden Ansicht die Seele der ganzen oben angefiihrten Schatzmeisterurkunde: drd&ejia 

Unternelimung, der Consul nur dem Namen nach Aevxiov KoQvt)Xlov 2xuiicovos oxQaTtjyov vjidxov 

der Oberfeldherr; dennoch ist es zweifellos, dass 'Pa/iaicov). In Rom feierte er 566 = 188 mense 

jener wahrend der wichtigsten und glanzendsten interkalari pridie fad. Martias (Liv. XXXVII 
Action des ganzen Feldzugs fern in Elaia an der 50 59, 1) , anno fere post quam conmlatu abiii 
Kuste weilte (Liv. XXXVII 37, 6f. 45, 3. XXXVIII (ebd. 6), einen glanzenden Triumph, verherrlicht 
53, 10. 58, 9. Appian. Syr. 30. 38). Bei Livius durch viele vomehme Gefangene und eine unge- 
erscheint dalier L. Scipio in der Schlacht selb- mein reiche Beute (Polyb. XXI 24, 16f. Cic. prov. 
standig und der Sieg als sein Verdienst; Frontin. cons. 18. Liv. XXXVII 58, 6 — 59, 6. XXXVIII 
strat. IV 7, 30 berichtet von Africanus: exhor- 59, 3. XLV 39, 1. Val. Max. Ill 5, 1. IV 1, 8. 
tatus est frairem, ut postero die eommitteret V 3, 2c. 5,1. VIII 1 damn. 1. Plin. n. h. XXXIII 
proelium, was mit der Cberlieferung von seiner 148. XXXVII 12. Gell. VI 19, 3. 7. Eutrop. IV 
Krankheit nicht vereinbar ist, da er in Elaia, wie 4, 3. Ampel. 24. Plut. Cato 18, 1). Ein Votiv- 
Liv. XXXVin 58, 9 richtig bemerkt , dierum gemalde mit der Darstellung seines Sieges stellte 
aliquot via vom Schlachtfeld entiernt war; nach 60 er auf dem Capitol auf (Plin. n. h. XXXV 22) 
Appian und Plut. reg. et imp. apophth. p. 197 D und vielleicht gleichzeitig ebendort seine eigene 
gab Africanus dem Bruder einen kriegskundigen Statue in griechischer Tracht (Cic. Rab. Post. 27. 
Berater in der Person des Cn. Domitius Aheno- Val. Max. Ill 6, 2), beides Werke griechischer 
barbus bei, fiihrte dieser aus personlichem Ehr- Kiinstler, deren er manchen in seinen Dienst 
geiz die Entscheidung heibei (Appian) und war nahm (vgl. Liv. XXXIX 22, 10). Ferner legte 
der eigentliche Leiter der Schlacht. Man wird er sich nach_ dem Vorbilde seines Bruders , des 
Appian in diesem Punkte Glauben schenken diirfen, Africanus, einen Ehrenbeinamen von dem besiegten 
denn sein Schlachtbericht sclieint im allgemeiiien Asien bei. Von ihm selbst fehlen gleichzeitige 

Pauly-Wissowa. IV 47 



1475 



Cornelius 



Cornelius 



147G 



Zcugmsse fur dieses Cognomen, und sein Solm wird auf Grund von Mommsens Darlegungen, 

Nr. 324 hat es nicht geftihrt. Zuerst flndet es wo auch die Belegstellen vollstandig gesammelt 

sich auf der Grabschrift seines Enkels Nr. 339 sind, nur eine Darstellung von der Entwicklung 

in der Form Asidgenus, dann in der wohl ebenso der Tradition gegeben; dabei werden einzelne 

aufzulOsenden Abkiirzung Asiag. auf den Mfinzen bisher nicht genug beachtcte Punkte scharfer be- 

seines Urenkels Nr. 338. In den Fasti Aug. heisst tont und mehrfach abweichende Ansichten auf- 

dieser Asiagenes, und dieselbe Form findet sich gestellt, ohne den Gegensatz zu alteren besonders 

bei Diod. XXXIV 33, 1. Liv. XXXIX 44, 1. hervorzuheben. Die Angriffe, denen die Scipionen 

Eutrop. IV 4, 3. Sidon. Apoll. carm. VII 80. schliesslich erlagen, riehteten sich nicht nur in 

Asiagenus ist gut lateinisch, Asiagenes gut gric- 10 erster Linie , sondern auch in der ersten Zeit 

chisch; jene Form hat wohl Scipio selbst gewahlt, direct gegen Scipio Africanus. Daruber bericlitet 

aber fur Kenner des Griechischen hatten beide vor allem Polybios XXIII 14, 1—4. 7—11 (aus 

Formen cinen ganz andern Sinn, als den Ton ihm ihm Diod. XXIX 21, vgl. Mommsen Strafr 769 

gewttnschten (ygl. Mommsen zu CIL I 36; E. 4), es seien je einmalin der Volksversammlung und 

G. I 862 Anm.) , deshalb vermeidet z. B. Cicero im Senate Anklagen gegen Africanus erhoben und 

das Cognomen flberhaupt (vgl. u. a. Mur. 81: hier wie dort von ihm durch wenigef stolze Worte 

belli vtcior L. Scipio aequo, parta cum Publio niedergeschlagen worden ; die Verehrung, die das 

fratre gloria, quam laudem ille Africa oppressa Volk, das Vertrauen, das der Senat ihm entgegen- 

eognomtne ipso prae se ferebat, eandem hie sibi brachte, werden dadurch, wie es die Absicht des 

ex Asiae nomine adsumpsit). Erst seit der 20 Autors ist, ins hellste Licht gestellt. Dieselben zwei 

augustischen Zeit scheint die friiher mehr ver- Erzahlungen giebt in derselben Eeihenfolge Gellius 

einzelt gebrauchte Form Asiatieus die alteren IV 18, 3—5. 7—12, und zwar sicherlich aus den 

verdrangt zu haben; L. Scipio selbst wird so ge- Exempla des Cornelius Nepos. Eine Vergleichung 

nannt in dem oben erwahnten Fragment seines der ersten Anekdote bei Polybios und Nepos ergiebt 

Elogiums (erhalten: [L. Cornell] us P. f. S[cipio folgende Diffenzen : der Anklager wird von Polybios 

Asiajticus) und in den Fasti Cap. zum J. 564 nicht genannt, von Nepos als M. Naevius tribunus 

(qm postea Astatieus appellatus est; ebenso zum plcbis bezeichnet; der Grund der Anklage fehlt bei 

J. 671 von seinem Urenkel: Asiatieus) und bei Polybios, ist bei Nepos Bestechung durch Antiochos, 

den Schriftstellern z. B. fast an alien fur den damit dieser giinstigere Friedensbedingungen er- 

Triumph citierten Stellen (vgl. auch Auct. do vir. 30 langte ; die Worte Scipios sind bei Polybios, es zieme 

ill. 53, 1. Zonar. IX 20 u. a.). dem romischen Volke nicht, Klagen gegen P. Corne- 

Auf Scipios Triumph folgte sehr bald sein lius Scipio anzuhSren, der den Klagern iiberhaupt 

Sturz. Die Ereignisse, die diesen herbeifuhrten, erst wieder die Moglichkeit gegeben habe, den Mund 

sind bekannt unter dem Namen der Scipionen- aufzuthun, wahrend Nepos diese Ausserung im 

proccsse und gehOren mehr in die Geschichte des Sinne hat, wenn er sagt: Scipio pauea prae fatus. 

Scipio Africanus als in die seines Bruders. Sie quae dignitas vitas suae atque gloria postulabai 

sind in nahezu abschliessender und erschOpfender und dann in director Rede fortfahrt: Memoria. 

Weise behandelt worden von Mommsen (Die inquit, Quirites repeto, diem esse hodiernum, 

Scipionenprocesse, Bo"m. Forsch. II 417—510); quo Ilannibalem Poenum imperio veslro inimi- 

durch seine Arbeit sind die fruheren, von denen 40 cissimum magna proelio viei in terra Africa 

die von Nissen (Krit. Untersuch. 213—220) sehr pacemque et vietoriam vobis peperi speetabilem . 

sorgfilltig ist, iiberholt worden, aber auch die Non igitur simus adverswn deos ingrati, et, 

Bemerkungen, welche spilter von Niese (De an- eenseo, relinquamus nebulonem himo, eamus hinc 

nalibus Romanis observationes alterae, Marbg. protinus Iovi optimo maxima qratulatum; die 

iml.lect. 1888) gegen Mommsen gerichtet Wirkung der Eede ist bei Polybios und Nepos 

worden sind, vermogen m. E. dessen Ergebnisse in dieselbe , denn die Volksversammlung lost sich 

keinem wesentlichen Punkte zu erschuttern, und sofort auf und lasst den Anklager allein sitzen, 

uberall, wo im folgendem Nieses Einwendungen nur folgt sie bei Nepos naturlich ausserdem dem 

unbeachtet geblieben und Mommsens Ansichten Scipio aufs Capitol. Die polybianische Erzahlung 

wiedergegeben sind,_ haben sich jene bei naherer 50 ist also bei Nepos vollstandig aufgenommen wor- 

Prfifung als nicht stichhaltig erwiesen. Mir nicht den , aber um wesentliche Ziige bereichert aus 

zuganghch sind die neueren Arbeiten von Pascal einer zweiten ausffihrlicheren Darstellung. Diese 

(Studi romani. I II processo degli Scipioni. Ill ist offenbar der polybianischen an Alter und Wert 

1/ esiho di Scipione Africano Maggiore, Turin ebenburtig, aber romischen Ursprungs. Einen 

1896); nach dem Eeferat Holzapfels daruber dritten Bericht giebt Liv. XXXVIII 50, 4 51 14 

(Berl. philol. Wochenschr. XVI 1587ff. XVII627ff.) und fiihrt ihn sofort als den des Valerius Antias 

durften mre Resultate gleiehfalls geringe tber- ein. Dieser Bericht stimmt in den Grundzugen 

zeugungskraft besitzen. Ebensowenig ist mir eine durchaus mit dem zweiten von Nepos benutzten 

Kenntnisnahme der Arbeit von Niccolini mog- iiberein: der Charakter der Anklage als einer ge- 
hch: La questione dei processi degli Scipioni, 60 richtlichen ist scharfer betont, die Anklagerede 

Rivista di storia antica III (1898), sowie der Ton breit ausgefiihrt, desgleichen die von Nepos in 

Pascal daran geknilpften Bemerkungen ebd. IV directer Rede mitgeteilten Worte Scipios. wahrend 

(1899). Von sonstiger Litteratur sei noch ver- dessen von Polybios erwiihnte Ausserung ganz 

wiesen auf die Bemerkungen von A n s p a c h (Jahrb. fehlt. Alles das sind Ausschmiickungen und kei ne 

f. Philol. CXXXIX 357) fiber Anspielungen auf Anderungen. aber neu ist bei Antias erstens die 

die Scipionenprocesse in Plautus Bacchides und Ansetzung der Sache ins J. 567 = 187 und zweitens 

von Kniep (Societas publicanorum [Jena 1896] die Einffihrung von zwei Volkstribunen die beide 

146ff. 1541) fiber die Rechtsfrage. Im folgenden Q. Petillins hiessen, als Anklagern. Nach Hinzu- 



1477 



Cornelius 



Cornelius 



1478 



ziehung anderer Quellen bemerkt Liv. XXXVIII Gegenstfick. Nur die gefalschte war gesondert 

56, 2 selbst: non de accusatore eonvenit : alii iiberlief ert , die echte kannten alle Autoren nur 

M. Naevium, alii Pelillios diem dixisse scribunt, aus einem alteren annalistischen Berichte, auch 

und giebt auch die Erklarang dafur ebd. 6: in- Livius, der sich ebendicses Berichts gegen Antias 

dex orationis P. Seipionis nomen M. Naevi bediente ; ob er den alteren Annalisten direct oder 

tribuni plebis habet, ipsa oratio sine nomine durch Vermittlung des Nepos benutzte, ist hier 

est aecusatoris; modo nebulonem, modo nuga- nicht zu erkennen. Bis hierher ist die gute alte 

torem appellat , und XXXIX 52, 3 , wo er sich Tradition und die Anderung, die Antias mit ihr 

gegen die Ansetzung des Todes des Africanus vornahm, klar zu erkennen; jetzt setzt bei Antias 
ins J. 567 = 187 wendet: Antiaiem auctorem 10 die reine Erfindung ein. Sein ganzer weiterev 

refellit tribunus plebis M. Naevius , adversus Bericht fiber diesen ersten Angriff gegen Africanus, 

quern oratio inseripta P. Africani est. hie Nae- wie ihn Liv. XXXVIII 52, 1 — 53, 8 wiedergiebt, 

mus in magistratuum libris est tribunus plebis ist einfach zu streichen; der Process des Africanus 

P. Glaudio L. Poreio consulibus (570 = 184), war zu Ende, und was hier fiber seinen Fortgang 

sed iniit tribunatum Ap. Claudia M. Sempronio erzahlt wird , ist nur die Verdoppelung des Be- 

ennsulibus (569 = 185) ante diem quartum idus richts vom Process des L. Scipio. Zu ihren sich 

Decembres. inde tres menses ad idus Martins von selbst ergebenden Folgen gehorte der Rollen- 

sunt, quibus P. Claudius L. Porcius consulatum tausch der Bruder; wie Publius in Wahrheit fur 

inierunt. ita [et] vixisse in tribunatu Naevi vide- Lucius die Tribunen anrief , so nach Antias bei 
tur diesque ei dici ab eo potuisse, deeessisse 20 dieser Gelegenheit Lucius fur Publius. Die Er- 

aidem ante L. Valeri et M. Porci eensuram. findung ware zu durchsichtig gewesen, wenn Antias 

Es war also eine Eede des Africanus uberliefert, nicht zwischen beiden Processen den Publius hatte 

die sich gegen jemand wandte, der nicht mit sterben und deshalb fur Lucius nicht ihn selbst, 

Namen genannt , sondern nur als nugator und sondern seinen Doppelganger und Vetter P. Nasica 

nebulo bezeichnet wurde. Da der letztere Aus- (Nr. 350) appellieren lassen. Antias hat nicht 

druck in der von Gellius aus Nepos entnommenen nur Neues erfunden , um das Ganze wohl abzu- 

Eede vorkommt und der erstere in dem nicht randen, sondern hat sich auch dazu verstanden, 

wOrtlich wiedergegebenen Anfang gestanden haben tfberliefertes aufzugeben, wenn er dadurch diesen 

kann, so ist ohne Zweifel diese Rede gemeint. Zweck besser erreichte. Er hat deshalb die ganze 
Sie wurde aber uberliefert unter dem Titel : Oratio 30 Erziihlung von der zweiten im Senat erhobenen 

in M. Naevium trib. pi., und da Naevius im Anklage gegen Africanus heseitigt. Ffir diesen 

J. 569= 185 Tribun war, muss die ganze Be- Angriff gegen die Scipionen ist zunachst wieder 

gebenheit von alteren Annalisten, wie der Quelle Polybios die Hauptquelle. Aus ihm schOpft ausser 

des Nepos, unter diesem Jahre erzahlt worden Diodor auch Livius XXXVIII 55, 10 — 12 in einer 

sein. Valerius Antias nun erklarte die Uber- Anmerkung zu dem Berichte des Antias; Livius 

schrift der Rede fur falsch und konnte das, weil hat sich hier allerdings einen argen Eechenfehler 

der Name des Naevius in der Kede selbst nicht zu Schulden kommen lassen, aber seine Abhangig- 

vorkam; cr behauptete ferner, aus Grunden, die keit von Polybios ergiebt sich mit voller Sicher- 

wir noch kennen lernen werden, der Process falle licit schon daraus, dass er § 13 in demselben Zu- 
schon 567 =187, und Scipio habe seine Abwehr 40 sammenhange wiePolyb. §5 eine zweite Anekdote 

gegen zwei Tribunen dieses Jahres gerichtet. So von Africanus erzahlt, die der annalistischen Tra- 

hangen seine beiden Neuerungen zusammen, und dition ganz fremd ist. Mit dem polybianischen 

zu ihrer Unterstutzung konnte er noch etwas Berichte ist aber wieder der des Nepos zu ver- 

geltend machen. Nepos bei Gellius schliesst seinen g'.eichen. Beide stimmen darin iiberein, dass die 

Bericht: fertur etiam oratio quae videtur habita Klage im Senat erhoben wurde, dass sie Rechen- 

m die a Scipione, et qui dicunt earn non reram, schaft fiber gewisse den Scipionen von Antiochos 

noil eunt infitias, quin haec quidem verba fuerint, gezahlte Summen von den Scipionen forderte, dass 

quae dixi, Seipionis. Es wurde also ausser jener Africanus die Eechnungsbucher vorwies , dass er 

bei den Annalisten aufgenommenen Rede, die den sie aber dann vor aller Augen zerriss , weil er 
Gegner nicht mit Namen nannte, noch eine zweite 50 auch ohnehin fiber jeden niedrigen Verdacht er- 

selbstandig uberliefert, die Nepos als unecht ver- haben war. Im einzelnen weichen aber beide hier 

warf. Die Grfinde der Verwerfung kennen wir sehr von einander ab; Polybios ist ausffihrlichcr 

nicht, aber gewiss gehorte zu den Dingen, worm und genauer, indem er die Gelder, um die es sich 

sich diese Eede von der andern unterscbied, auch handelte, bezeichnet als die, welche Scipio B.a^s 

die Neimung des Gegners. In der That citiert ;rag' 'Arxioyov xq6 zwr avvdqxwr dg zl]v %ov 

Cic. de or. II 249: Quid hoe Naevio ignarius? oigaToxidov fua&odoaiav, wenn er den Gegner 

severe Scipio. Cicero hat allerdings im Brutus 77 und Scipio je zweimal sprechen lasst , wenn er 

und de off. Ill 4 erklart, es seien keine Eeden den letzteren als Vcrtreter seines Bruders handeln 

des Africanus erhalten, aber zwischen der Schrift, und diesen die Bficher herbeischaffen lasst, vor 
die das Citat entha.lt, und diesen Schriften liegt 60 allem , wenn er eine sehr charakteristische Eede 

ein Jahrzehnt, in dem er wohl, vielleicht grade Scipios kurz wiedergiebt, in der auch der Betrag 

durch Nepos belehrt, seine Ansicht fiber die unter der Summen vorkommt; den Schluss, dass alle, 

Africanus Namen fiberlieferte Eede geandert haben selbst der Klager daraufhin verstummten, hat er 

kaun. Jenes Wortspiel stammt also aus dieser allein. Bei Nepos ist die ganze Erzahlung fliicli- 

Rede, und deren Esistenz konnte dem Antias den tiger, ungenajier und mehr auf den Effect bin 

Beweis erleichtem, dass die andere echte gar gearbeitet; deswegen ist L. Scipio bei ihm ver- 

nichts init Naevius zu thun habe, sondern dass schwunden, entbehrt die Rede jeder individuellen 

ihre Uberschrift ebenso gefiilscht sei, wie ihr Farbung und beschr&nkt sich auf einen allgemeinen 



1479 



Cornelius 



Cornelius 



1480 



Gedanken, der Scipios Handlungsweise motivieren 
soil. Die Summen werden einfach als peeunia 
Antiochina bezeichnet (ebenso bei Gell. VI 19, 8); 
aber doeh linden sich wieder einige Angaben, die 
den polybianischen erganzend zur Seite treten 
und den selbstandigen Wert dieser Darstellung 
trotz der eben beriihrten Mangel erkennen lassen. 
Erstens heisst es , dass Rechenschaft gefordert 
wurde iiber jene Gelder und die in dem Kriege 



hoben; da Africanus sie abwehrte, wurde spater 
569 = 185 zuerst gegen ihn fOrmliche Anklage 
erhoben. Nachdem er zum zweitenmale die Be- 
miiliungen der Gegner vereitelt hatte, begannen 
diese den dritten Vorstoss gegen Lucius, diesmal 
mit besserem Erfolg. Leider versagt uns hier die 
beste der bisher benutzten Quellen Polybios; da- 
gegen bringt Gellius VI 19, 1—7 aus den Exempla 
des Nepos den Berieht darfiber im Wortlaut, aber 



1 



1481 



Cornelius 



Cornelius 



1482 



gemachte Beute, zweitens, dass die Anklager Pe- 10 ohne den Anfang und Schluss, und fugt diesem 

^;,v™.^™w^.„„-„;„7„-„„„. : ~ J - u - Berieht §8 die wichtigsten Abweichungen des 

Antias hinzu. Er will durchaus nicht die samt- 



tillii quidam tribuni plebis ge wesen seien, drittens, 
dasa diese a M., ut aiunt, Catone inimico Sci- 
pionis eoniparati in eum atque immissi seien. 
Alle drei Punkte sind gewiss vollkommen glaub- 
wurdig und kOnnen mit der Darstellung des Po- 
lybios combiniert werden zu einer dritten, die 
den wirklichen Sachverhalt wiedergiebt. Jetzt 
durchsohauen wir klarer als zuyor die Falschungen 
des Antias. Auf welche Weise er den Tribunen 



lichen Differenzen zwisehen seinen beiden Quellen 
in der ganzen Darstellung der Scipionenprocesse 
aufzahlen, sondern nur die, welche bei dem von 
ihm aufgenommenen Bruehstficke nachweisbar sind, 
ganz ahnlich, wie er VII 8, 6 nur die Parallelstelle 
des Antias zu der ebd. 3 erzahlten Anekdote von 
Scipio Africanus nachgelesen hat. Was er aber 



Naevius beseitigte, haben wir gesehen, aber noch 20 hier als Abweichung des Antias von Nepos, d. h. 
nicht, woher er den Ersatz dafiir und seine Ghro- wohl auch von alteren Annalen, hervorhebt, das 



nologie nahm. Er hat zwar diesen Angriff gegen 
die Scipionen im Senat gestriehen, aber die Namen 
der Manner, die ihn unternahmen, an Stelle des 
Naevius eingesetzt; da sie 567 — 187 Volkstri- 
bunen waren, verlegte er den ganzen Process aus 
dem Tribunatsjahr des Naevius in das ihrige. 
Dass hinter den Petilliern Cato stand, gaben die 
alteren von Nepos benutzten Annalen als un 



beweist schlagend, dass der Hauptbericht des 
Livius fiber diese Begebenheiten aus Antias stammt 
(XXXVIII 54, 1—55, 8. 58, 1—60, 10); an der 
Stelle, wo Livius ihn unterbrieht, nennt er auch 
ausdriicklich Antias als seine Quelle (XXXVIII 
55, 8). Er unterbrieht ihn namlich, um cine andere 
altere Tradition einzulegen, die zunachst mit 
Nepos verglichen werden muss. Sowohl Nepos, 



sicheres Gerucht (ut aiunt) ; Antias (bei Liv. 30 wie diese livianische Einlage (XXXVIII 56, 8 



XXXVIII 54, If.) behauptete es bestimmt und 
brachte dafiir auch einen Beweis (§ 11): exstat 
oratio eius de pecunia regis Antiochi. Es ist 
durchaus wahrscheinlich , dass Livius den Titel 
dieser Rede Catos ebenso aus seiner Vorlage Qber- 
nommen hat, wie den der Rede Scipios gegen 
Naevius; hatte er jene selbst gelesen, so wurde 
er wohl etwas daraus anfuhren ; da aber nirgends 
Fragments davon erhalten sind, so kann sogar 



13. 57, 3f.) handeln nicht von dem Process des 
L. Scipio, sondern von den darauffolgenden Er- 
eignissen, deren Voraussetzung die Verurteiluug 
des Angeklagten ist. Beiden gemeinsam ist be- 
sonders gegenuber dem Berieht des Antias, dass 
Africanus zu Gunsten seines Bruders eingreift, 
dass der Volkstribun, der die Verurteilung be- 
wirkt hat, von seinen Amtsgenossen unterstutzt 



wird, und dass nur einer von ihnen, Tib. Gracchus, 
das Citat eine Falschung des Antias sein. Dass 40 auf die Appellation des Africanus hin dem L. Scipio 
Livius XXXIX 43, 1 einmal seine vielleicht auch zu Hulfe kommt. Im tihrigen kommt es aber 



nur aus eineni andern Annalisten geflossene Kennt 
nis einer Rede Catos gegen Antias gebraucht, ist 
cine Ausnahme und kann fur den vorliegenden 
Fall nichts beweisen. Antias bezeichnet hier noch 
nicht die letzte Stufe der Entwicklung der Tra- 
dition; sondern beim Auct. de vir. ill. 49, 17 
sind die beiden verschiedenen Erfolge Scipios 

fiber seine Anklager insofern zu einer Scene ver- 

schmolzen , als der Held auf dem Forum vor 50 dessen Bruder Hulfe zusagt. Livius und Nepos 



tihrigen 
jedem von beiden Autoren auf etwas anderes an; 
Nepos bringt im Wortlaut ex annalium rnonu- 
meniis exsoripta das Decret der acht Tribunen, 
die ihrem Collegen freie Hand gegen L. Scipio 
liessen, und das des Gracchus, der gegen ihn 
intercedierte; Livius bringt eine sehr eigentum- 
liche Rede des Gracchus, die verschiedene An- 
klagen gegen Africanus erhebt und nur am Schluss 



allem Volke erst die Rechnungsbiicher zerreisst 
und dann zu dem Zuge aufs Capitol auffordert. 
Das ist spate Combination, ebenso wie hier die 
Nachricht, er sei repetundarum accusatus ge- 
wescn , unbrauchbar ist. Dass Antias nicht so 
erzahltc, sondern jenen Zug, das Zerreissen der 
Biicher, fallen liess, beweist ausser Livius auch 
die Darstellung Appians (Syr. 40). Die beiden 
Angriffe gegen Africanus hat Polybios ohne Zeit- 



stellen diese Documente in den Vordergrund und 
berichten von der ganzen Angelegenheit nur das, 
was mit ihnen im Zusammenhang steht; alles 
andere ubergehen sie, und zwar ganz natiirlich 
der eine immer das, worauf der andere das Haupt- 
gewicht legt, so dass ihre Darstellungen trotz 
der gemeinsamen Grundlage ein voTtig verschie- 
denes Aussehen erhalten haben. Wahrend aber 
die von Nepos angefuhrten Urkunden audi bei 



angabe erziihlt und nach sachlichen Gesichts- 60 anderen Autoren ihre Spuren hinterlassen haben 



punkten angeordnet, um xaga fttr rote 6%/,oi_ 
evpotav, .-raoa dk ra> ovveb(>i<p xloziv zu beweisen 
(14, 1); Nepos hat diese Anordnung beibehalten, 
weil er in seinen Exempla ahnliche Zwecke ver- 
folgte. Chronologisch gehOren aber die Begeben- 
heiten in die umgekehrte Reihenfolge; die Be- 
schwerden im Senat wurden kurz nach der Riick- 
kehr der Scipionen 567 = 187 gegen beide er- 



weiss von der Rede des Gracchus und dem durch 
sie beglaubigten gewaltsamen EiDgreifen des Afri- 
canus nur Livius, aus dem sie Seneca cons, ad 
Polyb. 14, 4 entnahm. Cicero (Brut. 79) kamite 
keine lateinische Rede des Gracchus, und das, 
was Livius aus der damals gehaltenen wieder- 
giebt, beweist nach Mommsens iiberzeugender 
Darlcgung (Rom. Forsch. II 502ff.), dass es in 



caesarischer Zeit gefalscht ist. Die angebliche 
Rede hangt aber so eng mit einer eigentumlichen 
Darstellung der Thatsachen zusammen, dass sie 
ebensowenig wie die von Livius citierten iibrigen 
Reden ein selbstandiges Product gewesen sein 
kann, sondern von ihm aus einem Geschichtswerk 
entlehnt sein wird. Eine Vermutung iiber dessen 
Verfasser ist vielleicht erlaubt. Es kann Q. Aelius 
Tubero sein, den Soltau (Herm. XXIX 631; 
Jahrb. f. Philol. CLV 414ff.) schwerlich mit 10 
Recht aus der Reihe der Annalisten streichen 
will. Er ist namlich der einzige Historiker aus 
der Zeit Caesars, den Livius in den erhaltenen 
Buchern zweimal citiert (IV 23, 2f. X 9, 10), 
und zwar fur Notizen der Beamtenlisten; IV 23, 
2f. wird Tubero zur Unterstiitzung einer Ansicht 
des Antias angefiihrt, weil er sich dafiir auf 
die libri lintei berief, die nach IV 20, 8 zu den 
libri magistratuum gehCren; in der Geschichte 
der Scipionenprocesse wird XXXIX 52, 3f. (s. o.) 20 
die Autoritat der libri magistratuum gegen Antias 
ins Feld gefuhrt; folglich kann in beiden Fallen 
dieselbe Mittelquelle zu Grunde liegen, die auf 
Grand derselben Urkunden Behauptungen ihrer 
Vorganger bald bestatigte, bald berichtigte. End- 
lich passt die politische Gesinnung, die Momni- 
sen (a. O. 507ff.) bei dem Verfasser der Rede des 
Gracchus nachweist, sehr gut zu dem, was iiber 
Tuberos persenliches Verhaltnis zn Caesar bekannt 
ist (s. o. Bd. I S. 534. 537). Nach Abzug der.30 
Falschungen Tuberos bleibt als Kern der liviani- 
schen Einlage eine Darstellung, die im wesent- 
lichen mit der des Nepos oder seiner Quelle iiber- 
einstimmt. Von ihr ist auch Cicero in der 698 
= 56 gehaltenen Rede de prov. cons. 18 abhangig; 
er vergleicht hier sein eigenes Verhaltnis zu Caesar 
mit dem Verhalten anderer Manner, die dem all- 
gemeinen Wohle ihre Privatzwistigkeiten zum 
Opfer gebracht hatten, z. B. mit dem des Gracchus, 
und nimmt natiirlich aus der ganzen Geschichte 40 
der Scipionenprocesse nur die hierfiir charakte- 
ristische Stelle heraus, aber darin stimmt seine 
Angabe genau mit Nepos iiberein (vgl. z._B. alic- 
num sibi videri dignitate imperii Cic. mit: alie- 
num videtur esse dignitate rei publicae Nep.). 
Dass er das iibrige beiseite gelassen hat, beweist 
nichts fur Benutzung einer anderen Darstellung, 
als der auch von Nepos zu Grunde gelegten; 
ebenso ist die Anderung im Wortlaut des Decrets 
des Gracchus bei Liv. XXXVIfJ 57, 4 (Einsetzung 50 
des Africanus statt seines Bruders, der die feind- 
lichen Feldherren ins Gefangnis fiihrte) nur eine 
willkiirliche Conectur des Tubero oder des Livius 
selbst, die nicht auf eine andere Urquelle schliessen 
lasst. Die Angaben Spaterer vollends, wie Val. 
Max. IV 1, 8. Plin. n. h. praef. 10. Ampel. 19, 3, 
denen man gelegentlich selbstandigen Wert bei- 
messen wolltc , vertreten nirgends eine selbstan- 
dige altere Tradition, sondern bieten nur Notizen 
aus den erhaltenen Berichten in ungeschickter 60 
Verkiirzung oder nachlassiger Wiedergabe. Es 
bleibt also die alteste fur uns erkennbare Dar- 
stellung die annalistische , welche Cicero, Nepos 
und Tubero gleichmassig zu Grunde legten und 
von der Antias am starksten abwich. Auch Tubero 
hat sie abgeandert, und es ist wohl mSglich, dass 
sie auch von Nepos modificiert wurde , aber das 
konnen wir nicht mehr feststellen. Nach dieser 



Tradition ist L. Scipio von dem Volkstribunen 
C. Minucius, der jedenfalls ein College des Naevius 
war, also im J. 570 = 184, angeklagt worden; der 
Process war ein tribunicischer Multprocess, der 
erste seiner Art (vgl. Mommsen St.-R. I 702. 
II 322; Strafr. 172, 1. 769, 2), und endigte mit der 
Verurteilung Seipios. Der Tribun forderte die Stel- 
lung von Biirgen und wollte auf die Weigerung des 
Verarteilten hin ihn ins Gefangnis fuhren. Da- 
gegen rief sein Bruder Africanus die iibrigen Tri- 
bunen zur Intercession auf; acht von ihnen erklar- 
ten, dass sie ihrem Collegen nicht entgegen sein 
wollten, der neunte aber, Tib. Gracchus, gewahrte 
seinen Beistand, obwohl er personlich mit den Sci- 
pionen verfeindet war, weil jetzt fur die Gerechtig- 
keit genug geschehen war und man die Denmtigung 
verdienter Manner nicht bis zumAussersten treiben 
durfe. So, wie es in diesen Berichten dargestellt 
war, wird die Sache sich auch verhalten haben, 
und es bleibt nun noch flbrig, die Falschungen 
des Antias ins Auge zu fassen, dem Livius seinen 
Hauptbericht entlehnt hat (XXXVHI 54, 1-55, 7. 
58, 1—60, 10). Gellius hebt als die folgenreichsten 
Falschungen des Antias hervor, dass er erstens 
den Process des L. Scipio nach dem Tode seines 
Bruders angesetzt und dass er ihn zweitens in 
einen Peculatprocess umgewandelt habe. Die erste 
von diesen beiden Falschungen hatte zur Folge, 
dass die Rolle des Africanus im Process des L. 
Scipio eine andere Personlichkeit ubernehmen 
musste; dazu wahlte Antias den P. Scipio Nasica 
und verschleierte seine Verdoppelung derselben 
Erziiblung (s. o.). Da er durch die Beseitigung 
des Tribunen Naevius den Process des Africanus 
und durch jene Verdoppelung zugleich das Tri- 
bunat des Gracchus ins J. 567 = 187 verschohen 
hatte und da er Gracchus nicht fallen lassen 
konnte, musste auch der Process des L. Scipio 
in dasselbe Jahr hkaufgeriickt werden. Das ergab 
freilich eine enge Zusammendrangung der Be- 
gebenheiten, aber dafiir gewann die Abgeschlosson- 
heit des Ganzen. Africanus musste in jenem Jahre 
sterben und der Tribun Minucius seinen Platz 
den in jenem Jahre amtierenden Petilliern iiber- 
lassen, die Antias demnach gegen beide Bruder 
Klage erheben liess. Die zweite der von Gellius 
betonten Falschungen des Antias ermeglichte diesem 
sehr mannigfache Erflndungen, die Einfiihrung 
neuer Personen wie des deu Process leitenden Prae- 
tors Q. Terentius Culleo, gegen den sich nun die 
Intercession des Gracchus richten musste, und vor 
allem auch den Beweis der volligen Unschuld des 
L. Scipio, die sich bei der Versteigerung seiner 
Habe herausstellte. In Wahrheit war durch die 
Intercession des Gracchus das Verfahrea gegen 
L. Scipio aufgehoben ; aber die zwei Thatsachen, 
dass er verurteilt worden ist, und dass Antias 
eine besondere Erfindung fur nOtig hielt, um die 
Ungerechtigkeit des Urteils zu beweisen, erregen 
den Verdacht, dass L. Scipio nicht ganz schuldlos 
war, obwohl daruber natiirlich keine Entschei- 
dung moglich ist. Um ihn in ein gunstiges Licht 
zu setzen, konnte Antias nach seiner Verschie- 
bung des Processes aus dem Fruhjahr 570 = 184, 
wo er wirklich stattfand, ins J. 567 = 187 auch 
noch eine Thatsache benutzen, namlich die von 
Scipio 568 = 186 gefeierten Votivspiele. Er er- 
zahlte, Scipio hatte zwar aus dem Kriege in Asien 



1483 



Cornelius 



Cornelius 



1484 



nicht einmal die Mittel fur diese Spiele heim- 
gebracht, aber als er jetzt nach seiner Verurtei- 
lung noch einmal dorthin als Gesandter reiste, 
brachten die Fiirsten und Stadte Asiens durch 
freiwillige Beitrage so viel zusammen, dass er 
nachtraglich sein Geliibde erfiillen konnte (Liv. 
XXXIX 22, 8—10). Abweichend berichtet Plin. 
n. h. XXXIII 138: populus Romanus stipem 
spargere eoepit Sp. Postumio Q. Marcio eoss., 
tanta abundantia pecuniae erat, ut earn conferret 
L.Scipioni, ex qua is ludos fecit; hatte dies auch 
bei Antias gestanden, so ware es noch ehrenvoller 
fiir Scipio, aber man kann bei einer solchen aus 
dem Zusammenhang gerissenen Notiz die eigent- 
liche Bedeutung nicht recht erkennen. Damit 
die Eehabilitation Scipios so vollstandig wie mSg- 
lieh erschiene, liess Antias ihn sogar an zwei 
diplomatischen Missionen naeh Asien teilnehraen; 
erstens an der zur Schlichtung der Streitigkeiten 
zwischen Antiochos nnd Eumenes 568 = 186, 
zweitens an der , welche von Prusias Hannibals 
Auslieferung fordern sollte (Liv. XXXIX 56, 7. 
Pint. Flamin. 21, 9); weil kein anderer Bericht 
etwas davon wusste, citiert Livius beidemale aus- 
driicklich seinen Gewahrsmann. Thatsachlich war 
das Ansehen der Scipionen nach dem Process ver- 
nichtet; das beweist auch die einzige historische 
Nachricht fiber das spatere Leben des L. Scipio, 
dass ihm der Censor Cato im J. 570 = 184 das 
Ritterpferd nahm, ohne ihn aber aus dem Senat 
zu stossen (Liv. XXXIX 44, 1 aus guter Quelle 
wegen der Form des Beinamens Asiagenes. Auct 
devir. ill. 53, 2. Plut. Cato 18, 1). Dass sich 
Scipio vorher mit Cato zusammen um die Censur 
beworben habe, ist moglich (Liv. XXXIX 40, 2), 
ganz wertlos dagegen, nur eine rhetorische Phrase, 
die Behauptung, er sei noch vor Africanus ge- 
storben (Seneca cons, ad Polyb. 14, 4). Diesein 
seinem beruhmten Bruder dankte Scipio nach den 
ubereinstimmenden Berichten der Alten alles; 
er war selbst ein ganzlich unbedeutender Mensch. 
Nicht recht vereinigen lasst sich damit freilich 
die Notiz von dem vorziiglichen Gedachtnis eines 
L. Scipio, die man zunachst auf ihn beziehen 
mochte (Plin. n. h. VII 88); doch ist die Be- 
ziehung nicht richer, vielleicht auch der Vorname 
verschrieben. Eine Portratstatue Scipios stand 
auf dem Capitol (s. o.) ; dagegen wurde ihm ein 
Standbild bei den Scipionengrabern mit Unrecht 
zugeschrieben (Liv. XXXVIII 56, 4), zumal da 
er, wie es scheint, seine Grabstatte dort nicht 
gefunden hat. Unglaubwfirdig ist die Behauptung, 
Gordian III., dessen Bildnis wir besitzen, sei ihm 
ahnlich gewesen (Hist. Aug. Gord. 21, 5; vgl. 
Bernoulli Rom. Ikonographie II 3, 131); sie 
hangt damit zusammen, dass sich die Gordiane 
von den Scipionen ableiten woliten (Hist. Autr 
Gord. 5, 5-7. 9, 4-6. 17, 2). 

338) L. Cornelius Scipio Asiagenus. Der voile 
Name Fasti Cap. zum J. 671: L. Cornelius L. f. 
L. (Nr. 324) n. Scipio Asiaticus (vgl. Chronogr. : 
Asiatico II), der Keiname auf den Miinzen: L. 
Soip(io) AsiagfcnusJ und in den Fasti augur.: 
Asiagenefs] ; sonst heisst der Mann stets nur I. 
Cornelius Scipio. Mnnzmeister war er zwischen 
650= 104 und dem Bundesgenossenkrieg(Momm- 
sen Miinzw. 575 nr. 201; Tr. Bl. II 378 nr. 187), 
654 = 100 kampfte er mit den anderen Opti- 



meten gegen Saturninus und Glaucia (Cic. Rab. 
perd. 21). 664 = 90 brachte er gemeinsam mit 
L. Acilius (Bd. I S. 252 Nr. 8) die Angelegen- 
heiten der Stadt Aesemia in Ordnung; als die 
emporten Italiker anrflckten, retteten sich beide 
in Sclaventraeht durch eilige Flucht (Appian. b. 
c. I 41). Im J. 666 = 88 wurde Scipio Augur 
(Fasti augur. CIL 12 p. 60: [. . . . Seipjio 
Asiagenefs aooptatus]). In demselben Jahre ver- 

10 waltete er als Praetor Makedonien und Achaia, 
besiegte die Skordisker, die im Bunde mit den 
Maidern und Dardanern in Griechenland einge- 
brochen waren, und beendigte die Kampfe mit 
ihnen, indem er sie bis liber die Donau zuriick- 
trieb (Appian. El. 5, vgl. Mommsen R. G. II 
171, 2. Pomtow Rhein. Mus. LI 369f„ der ebd. 
373 eine ausfuhrlichere Behandlung in Aussicht 
gestellt hat; vgl. auch Nr. 194). Zum Triumph 
ist Scipio in den folgenden Jahren unter Cinnas 

20 Gewaltherrschaft nicht gelangt, aber nach dessen 
Tode erhielt er im J. 671 = 83 zusammen 
mit C. Norbanus von den Marianern das Con- 
sulat (Fasti Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. 
Cic. Quinct. 24. Tac. hist. Ill 72. Flor. II 
9, 18. Obseq. 57. Cassiod.). Auf die Nach- 
richt, dass L. Sulla nach der glucklichen Be- 
endigung des mithridatischen Krieges sein Heer 
nach Italien iibersetzte, verlieh ein Senatus con- 
sultum ultimum den Consuln die Vollmacht zu 

30 Riistungen gegen ihn (Iul. Esuper. 7 p. 4 Burs. 
Appian. b. c. I 82; vgl. Cic. Verr. I 37). Nor- 
banus ruckte zuerst dem Feinde, der sich durch 
den Zulauf zahlreicher Optimaten bestandig ver- 
starkte, cntgegen, wurde geschlagen und in Capua 
eingeschlossen. Darauf brach Scipio zu seinem 
Entsatz auf und begegnete bei Teanum Sidici- 
num dem Sulla, der ihm den Weg verlegte. Da 
Scipios Soldaten sich unzuverlassig und dem 
Kampfe abgeneigt zeigten, beschloss Sulla, sie 

40 auf seine Seite zu Ziehen. Er bot dem Consul 
Friedensverhandkngen an (vgl. dariiber Cic. Phil. 
XII 27. XIII 2) und zog diese nach Moglichkeit 
in die Lange, wahrend er duTch seine Agenten 
und Soldaten die Truppen Scipios mit Ver- 
sprechungen und Geschenken bearbeiten Hess. 
Vergeblich warnte der Praetor Sertorius den Con- 
sul und suchte vergeblich das Heer bei der 
Sache der Demokraten festzuhalten ; die Kopf- 
losigkeit jenes verdarb, was er etwa gutmachte, 

50 und das schliessliche Ergebnis war, dass das 
ganze Heer zu Sulla iiberging, sobald dieser eine 
feindliche Demonstration machte. Der Consul 
mit seinem Sohne wurde in seinem Zelte ge- 
fangen genommen, aber da er sich gefugig zeigte 
und abdankte, ungekrankt entlassen (Liv. ep. 
LXXXV. Flor. II 9, 19. Eutrop. V 7, 4. Iul. 
Exuper. 7 p. 4. Burs. Veil. II 25, 2. Schol. 
Bob. Sest. p. 293 Or. Diod. XXXVni 16. Plut. 
Sulla 28, 1—4; Sertor. 6, 1. Appian. b. c. I 85f.). 

60Jedoch Scipio hielt sein Wort nicht und reiztc 
durch seinen Treubruch Sulla zu weit grosserer 
Harte gegen seine Feinde (Appian. I 95); er 
sammelte niimlich ein neues Heer, um dem Cn. 
Pompeius in Picenum cntgegenzutreten , wurde 
aber wiederum von den Seinen im Stich gc- 
lasson und musste sich durch die Flucht rotten 
(Plut. Pomp. 7, 4). Infolgedessen wurde er im 
J. 672 = 82 als einer der ersten von Sulla auf 



1485 



Cornelius 



Cornelius 



1486 



die Proscriptionsliste gesetzt (Oros. V 21, 3, vgl. 
die Anspielung darauf Cic. ad Att. IX 15, 2); 
er entkam nach Massilia und ist dort, jedenfalls 
nicht lange darauf, gestorben (Cic. Sest. 7, wo 
ein parteiisches, allzu giinstiges Urteil fiber ihn 
gegeben wird. Schol. Bob. z. d. St. p. 293). Als 
Redner war er nach Cic. Brut. 175 nicht ohne 
Gewandtheit und Erfahrung. Seine KindeT sind 
Nr. 327 und Nr. 416. 



Pelopidas), mit den Worten VIII 1, 9: aaQojih)- 
aia Si zovzotg xal PvaTog o 'Pajimcov orgartjyds 
&rmfte xara xbv Sixslixov noXepov, dloycog avzov 
eyxeiQioag tolg noXe/iioig. Dieser Nachtrag des 
Polybios stimmt mit der annalistischen Tradition 
iiberein, die bei Livius und seinen Nachfolgern 
vorliegt (Liv. ep. XVII. Val. Max. VI 6, 2, vgl. 
9, 11. Flor. I 18, 11. Eutrop. II 20, 2. Oros. 
IV 7, 9. Ampel. 36, 1. Appian. Lib. 63 [falsch- 



339) Cornelius Scipio Asiagenus Comatns war 10 lich Maoxog KoQvrjhog]. Polyaen. VI 16, 5. Zonar. 



nach seiner in den Scipionengrabern gefundenen 
Grabschrift (CIL I 36 = VI 1291 = Dessau 
8) als L. f. L. n. wahrscheinlich Sohn von Nr. 
324 und starb im Alter von sechzehn Jahren. 
Er kann also nicht der Vater des Consuls von 
671 — 83 Nr. 338 gewesen sein, sondern muss 
noch einen, sonst unbekannten Bruder L. gehabt 
haben, der dafur zu halten ist (vgl. Mommsen 
CIL I p. 13). [Munzer.] 



Vni 10. 12). Der uberall deutlich hervortretende 
Grundzug ist, dass der Consul zu einer Unter- 
redung auf das feindliche Admiralschiff gelockt 
und hier festgenommen wurde ; im einzelnen fin- 
den sich kleine Differenzen der Berichte (z. B. 
im Namen des punischen Fuhrers: Boodcs, wie 
bei Polyb., bei Zonar., Hannibal bei Oros., Hanno 
und Mago bei Ampel. ; dessen angebliche Krank- 
heit als- Motivierung bei Appian und Polyaen). 



340) P. Cornelius Scipio Asiaticus, vielleicht 20 In dieser Form giebt die Erzahlung die Folie 
" T ' ' " ' ' --- "■ — ■ J J — fur eine andere, wenige Jahre spater spielende 

ab, worin das Verhalten der Rsmer in ahnlicher 
Lage der Treulosigkeit der Karthager gegenuber- 
gestellt wird (Val. Max. VI 6, 2. Zonar. VIH 12). 
In "Wahrheit bietet aber, wie Ihn e (R. G. 2 II 51, 3) 
richtig empfindet, das ganz ahnliche Verhalten 
des Romers C. Claudius beim Beginn des Krieges 
das passendste Gegenstuck (vgl. oben Bd. HI 
S. 2669 Nr. 18). Man wird demnach die Er- 



Sohn des P. Lentulus Scipio cos. 24 und der 
Poppaea Sabina (s. Nr. 235), Consul suffectus in 
den vier letzten Monaten des J. 68 n. Chr. mit 
C. Bellicus Natalis (CIL VI 8680. 30469 [Bel- 
lido Natale o. V. Octobres]. 471 [15. Oc- 
tober]; Militardiplome vom 22. December: CIL 
III p. 847f. dipl. IV. V [hier nur P. Cornelio 
Seipione]; Suppl. p. 1958 dipl. VI). [Groag.] 
341) Cn. Cornelius Scipio Asina war als L. 



f. Cn. n. (Fasti Cap. Acta tr.) Sohn von Nr. 343 30 zahlung von der tjberlistung Scipios fur erfunden 
' ■" ' "* T ana ' ' n ..-.l-i. _•- -:- halten diirfen, weil sie erstens die Remer iiber- 

haupt und zweitens den Consul entlastet und da- 
fur einen Schatten auf die Gegner wirft; aller- 
dings erscheint dabei die Schifl'sbemannung der 
Romer ebenso kopflos wie bei dem polybianischen 
Bericht ihr Fiihrer. Niebuhr (R. G. Ill 677) 
und Ihne a. O. haben mit dessen Benehmen 
seinen Beinamen Asina erklaren wollen; dass 
er mit diesem von vornherein in den Fasti Cap. 



und Bruder von Nr. 323, hat aber nicht wie sie 
sein Grab in -dem Erbbegrabnis der Familie er- 
halten. Seinen zweiten Beinamen erklart Macrob. 
sat. I 6, 29 vOllig unbefriedigend mit einer spat 
und schlecht erfundenen Anekdote: Asinae co- 
gnomentum Corneliis datum est, quoniam prin- 
eep.s gentis Corneliae empto fundo seu filia data 
marito, cum sponsores ab eo solemniter po- 
seerentur, asinam cum pecuniae onere prodwxit 



in forum quasi pro sponsoribus praesens pi- 40 erscheint , wurde nichts dagegen beweisen, und 

™ ■ h-h-'ij. o_- i„„ ^j e we Hji; c he Form des Tiernamens ist nicht 

ohne Analogie (vgl. Cn. Tremellius Scrofa). Da- 
gegen hat Wolfflin (Archiv f. lat. Lexikogr. 
VII 279f.) das Cognomen daraus abgeleitet, dass 
den ROmern als die typische Eigenschaft der 
Eselin deTen Wasserscheu erschien (vgl. Plin. n. 
h. VIII 169): Scipio und seine Mannschaften seien 
der Seefahrt wenig gewohnt gewesen, batten des- 
halb, aus Wasserscheu, den Hafen von Lipara 



gnus. Das Consulat bekleidete Scipio zum ersten- 
male mit C. Duilius 494 = 260 (Fasti Cap. 
Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Flor. I 18, 7. 
Eutrop. II 20, 1. Oros. IV 7, 7. Cassiod.). Man 
riistete damals eine starke Flotte aus, um den 
Karthagern zur See gewachsen zu sein, und Sci- 
pio segelte mit den zuerst fertig gewordenen 
17 Schiifen nach Messana. Unterwegs lockte ihn 
die Aussicht, Lipara zu nehmen, und er fuhr in den 



Hafen der Insel ein; aber da erschien bei Nacht, 50 aufgesucht und sich hier so leicht fangen lassen; 

aus diesem Grande sei ihm der Spitzname an- 
gehangt worden. Erinnert man sich, wie hoch 
sein gliicklicherer Amtsgenosse Duilius gepriesen 
worden ist, weil er zuerst einen Sieg zur See 
errang, so erscheint jene Deutung in der That 
bestechend; sicher ist sie naturlich keincswegs. 
Jedenfalls haben die Zeitgenossen Scipios Schuld 
nicht allzu schwer gefunden, denn nacbdem er 
zu unbekannter Zeit ausgelost worden war, ist er 



von Hannibal aus Panormos abgesandt, ein puni- 
sches Gesch wader von 20 Schiffen und versperrte 
den ROmern den Ausgang: r/fiegag S h ejiiyevof^irrjg 
ra [tkv jilrjodifiaza .too? <pvy?jv mgurjosr tig rrjv 
yfjv. 6 oe rvaiog £xn).ayt]g yevofievog xal Tioislv 
f.yo>v ovbtv xflcig xansdeoxsv avror zolg xo/.r/uoig. 
oi be Kag%>]d6riot zdg ze vavg xal zor ozoazijyov 
t(T>v v^svarzicav v^oxuqiov Ijrovres jiaoaxQtjua 
.Toog zoy 'Arvlflav axijgar. So berichtet Polyb. I 



21, 4—9 und vergleicht damit die Lage, in die60im J. 500 = 254 zum zweitenmale mit A. Atilius 



Hannibal selbst bald darauf geriet, indem er bei 
einer Recognoscierungsfahrt sich pl8tzlich der 
ganzen romischen Flotte gegenuber sah, die durch 
ein Vorgebirge verdeckt in Schlaehtordnung auf- 
gestellt war. Aber derselbe Polybios schliesst 
einen Plxcurs Tiber Feldherren, die durch die 
Hinterlist ihrer Gegner iiberwunden wurden (Tib. 
Gracchus 542 = 212, Archidamos V. von Sparta, 



Calatinus Consul gewesen (Fasti Cap. Chronogr. 
Idat. Chron. Pasch. Cassiod.), und es gelang ihm, 
durch glanzende Erfolge seine Schmach vergessen 
zu machen. Beide Consuln gingen mit einer 
neuen Flotte nach Messana, nahmen Kephaloidion 
und wandten -sich nach einem misslungenen An- 
griff auf Drepana gegen Panormos; sie eroberten 
zuerst die Neustadt und zwangen dann die Alt- 



1487 



Cornelius 



Cornelius 



1488 



i™,f d r,h It&T p Re, *fT g ^J^le, antragte, nur an den Schutz der Stadt zn denken 
worauf auch andere Punkte der Nordkiiste Sici- und dazu alle Heere herbeizurufen. 

£ SW W" (? vttt \f' 5 T 10 - „ m) L " Cornelius ^i* Barbate ist als erster 
Mn?S' v7 P L,£ £ 7/ n U ' l gl - -°- der J Sci P ionen in dem Erbbegrabnis beigesetzt 
« I ? ■ " Vl ^ leich * h tte S0 ^ ar Sci P 10 worden und S alt al s ihr eigentlicher Stammvater 

grOsseren Anted an diesen Erfolgen als sein Col- Der grosse Peperinsarkophag, der se^^heine 
lege denn nur er hat nach den Acta triumphalia enthielt, ist unter dem Einflns'e griechlcher 
im folgenden Fruhjahr tnumphiert, und Tiel- Architektur gearbeitet (jetet im Vatikan vgl 
leicht ist auch Frontin stoat. I V 7 , 9 (On. Baumeistei *Denkmaler des Mass. Al tertums ffi 
Scipio bello navali) auf semen Feldzug zu be- 10 1556f. mit Abb. Helbig Ffihrer durch die Offent- 
Z±o\ t> n r a • • » • • ^ ^ „ r. , lichen Samralungen in Rom 3 I 73 nr. 128); die 

v™^?£i Comel ™ s&cl p oA s^J e . den feUsSohn darauf befindliche Inschrift ist die wicht gste 
IZ m -Jt\T Gonsal A mjt M Minncms Rufus Quelle ftlr die Geschichte des Barbatus (CIL I 
7 - il \ (Ulronogr.: ism; Idat.: Se^wwe 29. 30 [mit Mommsens Commentarl = VI 1284f 
Aanca; Chron .Pasch.: JSxuU^og to ff [weil [vgl. S1587f.] = Dessau 1 = Biicheler Carm.' 

wrvnfTo P^ ]; E r r0P " n 11 7 i°T' 1 Lat e P^" * 6 m - 7 )- A » f d em Deckel ist mit 

Zonar VIII 20: P. Cornelius; Oros. IV 13, 16: roten Buchstaben aufgemalt: [L. Corndilo On. f. 

SS^l" ^ 6 H 6 U pf nahm ? T m - ^f«en fejwo; auf dem Sarkophag selbst sind andert- 

dieHistrer die denEomern als Seerauber lastig halb Zeilen eradiert und dann beginnt in der 
Z ^'^^^^(^V-Oros.Zo^r 20M\tte der zweiten Zeile die aus sechs Saturniern 

w« 91 « P ' ' i ■ t s^Mtemnt). Im J. bestehendeeingemeisselte Inschrift: Cornelius Lu- 

a1? = * -i ^J? 1 "™? 8 Comml f are fiir «*" &v*» &!*!*«, Gnawed poire I proqnatus, 

rietw te ai U r D g roW ° IT 1 * 311 , 611 ^ i 6r Ein " f^ ™ ™V™1™> quoiJfJ&ZSM 

wSfU £ Tf Z- ^ I 13 ™ d TJ Crem v 0I1 , a P™*™™ f™t; emsol, tensor, aidilis quel fuit 

MW t: ,"/! K R n - e V ° n v^T*?^ ^ W ^ Taurasia Oisauna\ Samnio cipit, 

TriSr fl ,*tl £ mT MSbra , Chi di6 S**** m Louamam opsidlsqm abdoucsil 

Inunmrn fluchteten nach Mutma, wurden von Bereits Eitsehl und Mommsen haben aus 

vZJ^T* ZU i e !" + er Unterredung aus der Sprache und Schrift dieses Gedichts gescilossen, 

Pestung berausgeloekt und dann festgehalten. dass es nicht zur Zeit des Todes dl Barbatus 
Uber Are Namen sagt Polyb. Ill 40, 9: &, & 30 eingemeisselt , sondern nach dem fode setnes 

f uv V v raw; Avmnog xm tt)v Jtmxov d QX yv Sohnes Nr. 323 der alteren Inschrift des Deckels 

« W (Consul 534 = 220) of 8h Mo rjv lf«- hinzugefugt worden sei; auf den eradierten Zeilen 

%£F\\ ^ Prae T tur V V #]-o? I T mSen ^" K J hat Hiilsen neuerdings die Buchstaben eso ge- 

r tfli- geg n n ^-r l ^V 4 ; tn i mm ^ ■■■: lesen Md ™ ']e*>[r erganzt. Demnach darf man 

G. iMtahus O. kermhus, M. Annius. Lutatt als sicher mit Wolfflin (S.-Ber. Akad Miinch 

mmen hand didnum est ; pro Annio Ser-vilio- 1892, 190f.) annehmen , dass ursprunglich nur 

que M. Aeihumet C. H&renntum habent qui- der Name des in dem Sarkophage Beigesetzten 

dam annates aim P. Ckrrnehwn Asinam et O. aufgemalt war, dass spater seme Amterlaufbahn 

laptrtum Masonem ; Ascon. Pison. p. 3 (nach darauf verzeichnet, und dass endlich in noch 
annates eorum, qui Pumcum bellum secundum 40 spaterer Zeit die poetische Grabschrift an die 

senpserun | : tnummri P. Cornelius Asina, P. Stella dieser prosaischen Aufzahlung gesetzt wurde. 

Papjtus Maso ^Oornehm Swpio, Von C. Nach Wolfflins iiberzeugenden Darlegungen ist 

bervihus giebt Lw XXVII 21 10 an, er sei im die Hinzufiigung des Cursus honorunf auf dem 

J. . 545 = 209 noch in der Gefangenschaft der Steine geschehen, als der Sohn des Barbatus seine 

™ e J S ew f m ' ? nd y°" £™ und C - Lu tatius prosaische Inschrift erhielt, also urn 514 = 240- 

i 19, 7-9, dass sie endlich im J. 551 = 203 die Ausmeisselung dieser Zeilen und die Dich- 

daraus befreit worden seien. Da hier ausserdem tung und Eingravierung der Saturnier, die sie 

gesagt wird dass Servilras em curuhsches Amt ersetzen sollten, sei erst um 554 = 200 erfokt 

bekleidet hatte, so ist er jedenfalls einer der (a. O. 194f. 207. 213f.). Wieweit die Skepsis 
zwei von Polybios erwiihnten Praetorier gewesen, 50 gegeniiber dem Inhalt der Verse (vgl z B a O 

und wir mfissen derselben Tradition den Vorzug 190 Anm. 191) berechtigt ist, muss die Ver- 

W^;„ 6r A • V1US • ga y- ,o! p6Cie i!o P A Cor ? e - ? leickn S mit den Angaben der Schriftsteller 

bus Scipio Asma war im J. 536 = 218 Consular lehren 

yytt^ to p% ie ?, J - 537 = .217 Interres (Liv. Dass der Vater dieses Scipio Gnaeus hiess, 

•IT ■ t\ : S- Lo ™ Kl *w> Anna] ; jenes vertragt zeigen ausser den beiden Inschriften die Angaben 

sich nicht mit der Angabe des Polybios iiber den der Fasti Cap. ttber seine Sohne Nr. 323 und 

i.ang der gefangenen Tnmnvirn, dieses nicht mit 341. Das Cognomen Barbatus fiihrt er selbst 

I « S -n T vl dle •P au , er der Gefan & en - nnr in seinem eigenen Elogium und in dem seines 

schart. Der Annalist, der ihn hier einfuhrte und Sohnes; bei den Autoren h^i^st er cinfach I 
nacn den \\ orten des Ascomus Coelius Antipater 60 Cornelius Scipio, und zwar auch bei den von 

sem koimte, gab damit eine Doublette der Ge- den Fasti Cap. abhangigen Chronogr Idat 

fangennahme seines Vaters Cn. Scipio Asina, die Chron. Pasch., obgleich Fasti Cap. Chronogr' 

nach der Valgartradit.on anf gam ahnliche Weise Liv. anderen Corneliern den Beinamen Barbatus 

erfolgt sen soil (vgl. Nr. 841). Spater wird /'. geben (vgl. P. Cornelius Scapula Nr. 316). Die 

™' ,s ' m As : im * cognomen erat, von Liv. Bekleidung der Aedilitat, womit natiirlich die 

a ,u U °v ^' U J- 5 , = 2U erwahnt - W0 curulische gemeint ist (Mommsen St.-R. II 480, 

er durch Hannibals Marsch gegen Rom in solchen 2), durch Barbatus erwahnt nur das Elogium 

Schrecken gesetzt wurde, dass er im Senat be- tlber sein Consulat berichtet Liv. X 11, 10-13' 



1489 



Cornelius 



Cornelius 



1490 



1: im J. 456 = 298 schickten die Lucaner Ge- haben Mommsen und Ihne hervorgehoben; die 
sandte nach Rom, um Hiilfe gegen ihre Bedranger, poetische Grabschrift, die mindestens zwei Men- 
die Samniten, zu erbitten: se quamquam bello schenalter nach den Ereignissen verfasst ist, hat 
mm Samnitibus suscepto necessaria iam facta sie iibertrieben, aber die Thatsache, dass nur 
adversus Bomanos fides sit, tamen obsides dare Fulvius einen Triumph erhielt, liess sie auch wie- 
paratos esse. Es wurde ein Bundnis mit ihnen der in noch spaterer Zeit vollstandig in yer- 
geschlossen und den Samniten der Krieg erklart: gessenheit geraten, was gleichfalls zu weit ging. 
consults inter se provineias partiti sunt : Sei- Der Etruskerkrieg war wohl wenig bedeutend, 
piani Etruria, Fulvio Samnites obvenerunt, di- braucht aber kaum mit Ihne_v8llig verworfen 
versique ad suum qwisque bellum pro ficiscuntur. 10 zu werden; vielleicht traf Scipio aus dem ent- 
Scipio lieferte den Etruskern bei Volaterrae ein fernteren Lucanien spater in Etrurien ein als 
unentschiedenes Treffen; da aber jene ihr Lager Fulvius und unterstiitzte dessen Pliinderungszuge 
raumten, durfte er sich den Sieg zuschreiben. Er nur wenig. Die Schlacht bei Volaterrae wird 
selbst ging darauf nach Falerii zuriick und ver- allerdings preiszugeben sein, und geringes Ver- 
heerte von hier aus, ohne Widerstand zu finden, trauen erwecken auch die Einzelheiten von Schlacht- 
weit und breit das feindliche Gebiet: On, Fulvii berichten aus den nachsten Jahren, bei denen Sci- 
eonsidis elara pugna in Samnio ad Bovianum pio eine Rolle spielt. Zweimal soil er unter Q. 
haudquaquamambiguae victorias fuit. Bovianum Fabius Maximus Eullianus gedient haben, im J. 
itide adgressus nee ita multo post Aufidenam 457 = 297 als dessen Legat durch eine geschickte 

v i cepit Fidvius consul de Samnitibus 20 Umgehung der Feinde einen grossen Sieg iiber 

triumphavit. Von den Lucanern ist also bei die Samniten entschieden (Liv. X 14, 14ff„ daraus 
Livius in dem Kriegsbericht nicht die Rede, da- Frontin. str. II 4, 2), dagegen_ 459 = 295 als 
gegen erzahlt Frontin str. I 6, 1 eine Kriegslist Lagercommandant mit propraetorischem Impenum 
des Fulvius Nobilior, cum ex Samnio in hum- in der Abwesenheit des Fabius eine grosse Nieder- 
nos exereitum duceret, was wohl in dieses Jahr lage durch die Senonen bei Clusium erlitten haben 
gehort (vgl. auch I 6, 2. 11, 2 weitere Kriegs- (Liv. X 25, 11. 26, 7ff.; vgl. Mommsen St.-R. 
listen desselben Mannes). Die Acta triumph, zu I 681, 2), was er dann bei Sentinum wieder gut 
diesem Jahre melden: On. Fulvius Cn. f. On. n. gemacht habe (Liv. X 29, 5). 461 = 293 soil 
Maxim. Centumalus cos. de Samnitibus Etru- er dann als Legat des _ L. Papirius Cursor 
sceisque idibus Nov., sagen also auch nichts von 30 bedeutenden und erfolgreichen Anteil an der 
den Lucanern, wahrend diese in den Resten der grossen Schlacht bei Aquilonia genommen haben 
Erzahlung des- Dionvs XVI 11 eine grOssere Rolle (Liv. X 40, 7. 41, 9. 12ff., vgl. 44, 5). Wenri 
spielen und hier auch der Abschluss des Bund- auch das Schweigen der Grabschrift uber diese 
nisses mit ihnen und die Stellung der Geiseln Thaten Scipios nicht als Beweis gegen ihre Ge- 
erwahnt werden. Man hat auf verschiedene "Weise schichtlichkeit angesehen werden kann, ja sogar 
versucht, den Widerspruch der verschiedenen Be- bei seiner Niederlage von 459 = 295 fiir die 
richte unter einander und namentlich mit der Richtigkeit des livianisehen Berichts angefiihrt 
Grabschrift Scipios zu lOsen (vgl. z. B. Niebuhr worden ist (Ihne R. G.2 I 442, 1), so lasst sich 
R. G. Ill 424f. Mommsen ClLIp. 16f. Ihne doch von den ausgefuhrten Schlachtbeschreibungen 
R. G.2 I 436ff.); die Entstehung des scharfsten 40 des zehnten Buches des Livius im allgemeinen 
Widerspruchs zwischen ihr und Livius (auch Fron- sagen, dass sie lediglich der Phantasie der Anna- 
tin) durfte Niese (De annalibus Romanis obser- listen sullanischer Zeit entsprungen sind und fast 
vationes [Marbg. 1886] p. IV) zutreffend erklart jeder historischen Grundlage entbehren. Nament- 
haben: die altesten annalistischen Darstellungen lich auch von den Unterfeldherren der Consuln 
batten die kriegerischen Ereignisse dieses Jahrcs und von ihrem Anteil an den Ereignissen wussten 
ohne namentliche Hervorhebung der Feldherren die alteren Darstellungen in der Regel nichts; 
erzahlt; die Verteilung der Provinzen unter die erst die spateren haben sie gewohnlich emgefuhrt, 
Consuln ist erst von jfingeren Annalisten ganz indem sie hauptsachlich Namen einsetzten, die 
willkurlich vorgenommen worden. Halt man nun sich in den Consularfasten der kurz vorhergehen- 
die Grabschrift und Livius zusammen, so ergiebt 50 den Jahre fanden. Nur aus dem_ Elogium des 
sich, dass Scipio sowohl gegen die Samniten, wie Barbatus erfahrt man , dass er die Censur ver- 
gegen die Etrusker gekampft haben soil; dasselbe waltet habe. Nachdem der Versueh, als das Jahr 
behaupten die Acta triumph, von seinem Amts- seiner Censur 464 = 290 zu bestimmen, ge- 
genossen. Es ist in diesem Falle vielleicht rich- scheitert ist, weil das Fragment der capitolim- 
tig, einmal die Regeln kritischer Methode ausser schen Fasten, an das er anknupfte, an anderer 
acht zu lassen und anstatt durch strenge Sonde- Stelle einzusetzen ist (vgl. CIL I2_p. 33f.), ver- 
rung der verschiedenen Berichte vielmehr durch dient der Versueh de Boors (Fasti censoru 77f.) 
ihre Vereinigung und Verschmelzung zur Wahr- besondere Beachtung, der den Namen bei Fest. 
heit vorzudringen : beide Consuln haben auf bei- p. 237 einsetzen ([. . . Domitius Cortie] liwquc 
den Kriegsschauplatzen den Befehl gefuhrt, nur 60 fcensores feccrunt P. Valerio Ti] Corun[canio 
war der Anteil des Fulvius auf beiden grosser cos ....]) und demnach die Censur dem J. 474 
als der des Scipio , und dieser selbst hat immer = 280 zuweisen will. Auch fur den unbekannten 
noch auf dem sudlichen verhaltnismassig grossere Collegen des Q. Caedicius Noctua (o. Bd. II S. 
Erfolge erzielt, als auf dem nOrdlichen. Im ein- 1240 Nr. 10) in der Censur von 471 = 283 kSnnte 
zelnen hat dann die Tradition je nach Belieben man den Barbatus halten. Von den lobenden Be- 
diese oder jene Seite starker betont. Dass die merkungen iiber ihn, die sein Elogium sonst noch 
Thaten Scipios in Lucanien neben denen seines enthalt, ist vir fortis sapiensque nach Wolfflin 
Collegen in Samnium hergegangen sein kOnnen, (a. O. 213f.) auf die Rechnung des Dichters zu 



1491 



Cornelius 



setzen, und auch der Inhalt des folgenden Verses 
ist ganz conventionell. Bei Auffindung des Sarko- 
phags waren die Gebeine des Barbatus noch vor- 
handen. 

,o^ 3M ^ P - Cornelius Scipio Barbatus, Consul 

426 = 326, vgl. P. Cornelius Scapula Nr. 316. 

... [Miinzer.] 

<*45) On. Cornelius Scipio Calvus (CIL 12 

p. 24 zum J. 532 = 222), L. f. (vgl. auch CIL 



Cornelius 



1492 



12 p. 23 zum J. 549 = 205) Sohn von Nr 328 1ft d M T, TT" ™ J ' , ^J™?' der Brudel 
Consul des J. 532 = 222. ft* tern* IlZ^lf.' 10d %J*"n?_ Spamei. nnd ubernahm den Ober- 



Consul des J. 532 = 222, fiihrte mit seinem Amts- 
genossen M. Claudius Marcellus gegen die Insubrer 
Kneg, belagerte Acerrae in der Poebene und nahm 
es, nachdem Marcellus die gallischen Entsatz- 
truppen bei Clastidium geschlagen hatte. Erfolgtc 
den Femden nach Mailand und trug durch die 
Eroberung dieser Stadt wesentlich zur Beendi- 
gung des Krieges bei, Polyb. II 34. Pint. Marc 
6, 8. Zonar. VIII 20 D 



des Scipio auf die Sicherung des Ktistengebietes 
von den Pyrenaen bis zur Ebromiindung, die im 
Vergleich zur ganzen Aufgabe zwar gering, immcr- 
hm das Urteil des Appian (lb. 15) nicht gerecht 
erscheinen lassen, dass namlich Cn. Scipio bis 
zur Ankunft seines Bruders ,nichts Nennenswertes' 
vollbracht habe. Es birgt sich dahinter wohl 
Appians eigene Unkenntnis. 

Jetzt erschien im J. 538 = 216 P., der Bruder 



xmj.5do = 218 fuhrer, wahrend sein Bruder 20 Jahre verwundet Liv XXIV 41 f 



] — t.i ' "» ule " u sem rjruaei 

von der Rhonemiindung nach Italien umkehrte 
urn dem Hannibal entgegenzutreten , nach Em- 
poriae in Spanien, gewann durch Giite oder mit 
Gewalt die Kustenplatze bis zum Ebro und zog 
dann ins Innere des Landes. Hier besiegte er bei 
Gissa (Cissis, Liv. XXI 60) den karthagischen 
fuhrer Hanno und nahm ihn und den spani- 
scnen Hauptling Andobales gei'angen. Er musste 
aber zum Schutze der an der Kiiste zuruckge- 



befehl. Cn. wirkte neben und mit ihm ; seine Le- 
bensschicksale sind mit denen seines Bruders (s 
d. Nr. 330) so eng verkniipft, dass sie sich nicht 
davon trennen lassen. Erst im J. 540 =214 
spielt Cn. in unsern Berichten wieder cine selb- 
standige Eolle, als er seinen in eine gefahrliche 
Lage geratenen Bruder befreit und die von den 
Karthagem belagerte Stadt Iliturgis und ebenso 
Bigerra entsetzt. Bei Munda wurde er im gleichen 



Nach Verlauf von zwei Jahren, also 542 = 212 
(Liv. XXIV 49 und XXV 32f.), wollten die Bruder 
einen Hauptschlag unternehmen und trennten sich 
zu diesem. Zwecke. Cn. blieb gegen Hasdrubal, 
Hannibals Sohn, bei Amtorgis im Felde. Aus 
dem Eintreffen der beiden andern feindlichen Fuhrer 
im Lager Hasdrubals schloss Cn. mit Recht auf 
em Ungluck, das seinen Bruder getroffen habe 
und wich mit seinen durch den Abfall der Kel- 



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Hasdrubal uberfallen worden waren, zuriickkehren 
und bheb den Winter 218/217 in Tarraco. Li- 
vius, der XXI 60 mit Polyb. Ill 76 iiberein- 
stirnmt, lasst ebd. 61 noch in demselben Jahrc 
den Scipio wieder nach Emporiae ziehen und ihn 
nach Eroberungsziigen im unteren Ebrogebiete 
iiach Tarraco in die Winterquartiere zuriiekkehren 
Das Schweigen des Polybios und die Doublette 
des Marscb.es von Emporiae nach Tarraco legen 



macht bei Nacht. Doch am Abend holte ihn die 
Reiterei der Peinde ein. Die Notverschanzung 
aus Satteln und Gepackstiicken hielt nicht lange 
stand, das rfimischo Heer erlag, mit ihm sein 
Feldherr Cn., der entweder in der Schlacht oder 
auf der Flucht in oinem Turme sein Ende fand 
(Liv. XXV 34-36. Appian. lb. 16), 30 Tage 
spater als sein Bruder. Die Trauer urn seinen 
lod soil wegen seiner grosscren Beliebtheit bei 



SS^wa^-ssSSSiW* s 



pionenkampfe in Spanicn, einer der erfindungs- 
rcichen rOmischen Annalisten als Quelle gedient 
Im J. 537 = 217 brach Scipio gegen Has- 
drubal von Tarraco auf und besiegte ihn in einer 
Seeschlacht vor der Ebromundung, wobei er 25 
von dessen 40 Schiffen (die letztere Zahl nur bei 
Livius) kampfnnfahig machte. Moglich ist es, dass 
das von Frontin. strat. IV 7, 9 von einem Cn 



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Gefasse mit BrennstofFen in Brand zu stecken 
in dieser Seeschlacht zur Anwendung gekommen 
ist. Dem Berichte des Polvb. Ill 95f = Liv 
XXII 19. 20, 1-3 fugt Liv. XXII 20-22 fur 
das J. 537 = 217 ein Vordringen bis an die 
Mauern von Neukarthago, eine Fahrt nach den 
lityusen und Balearen, some einen Marsch des 
Landheeres bis zum Saltus Castulonensis hinzu 
Dieser Erzahlung, die schon durch die Grosse der 



_ Dieser Zeitangabe, wonach der Tod der Sci- 
Pionen in das J. 542 = 212 fallt, widerspricht 
Livius- (XXV 36, 14) selbst, wenn er Cn. Scipio 
im achten Jahre seit seiner Ankunft in Spanien 
sterben lasst. Danach waren dann die Scipionen 
erst im J. 543 = 211 gestorben. Genzken De 
rebus a P. et Cn. Scipionibus in Hispania gestis 
ireiberg i. S., 1879 sucht einen Ausweg: er findet 



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spncht Polybios Angabe (III 97), dass erst die 
beiden Bruder gemeinschaftlich ' zum erstenmale 
m diesem Kriege den Ebro uberschritten hatten 
Livms Bencht entstammt wohl der gleichen Fedcr 

T , ' ie o 1 ( o e ,r Doub i ette der Thaten des Cn - Scipio im 
J. 218 (Liv. XXI 61). 

ILassen wir die nur livianischen Berichte bei- 

seite, so beschranken sich die Errungenschaften 



des J. 540 = 214 bei Livius, so dass die Erobe- 
™S von Iliturgis und Bigerra in das J. 542 = 
212, das Ende der Scipionen in das J. 543 = 211 
fiele Auch Mommsen (E. G. I« 630) verlcgt 
den lod der Scipionen in das J. 543 = 211 wali- 
rend Ihne (R. G. II 257-260) die Zahlcn dw 
livianischen Berichtes beibehalten hat, den er 
im ubngen 258, 238 auf seine Glaubhaftigkeit 
hin charaktcrisiert. Einen Versuch, den Irrtum 



vius zu erklaren, macht Soltau (Herm XXYI 

*J-H»JLn.CorneliusScipioHispal]us,SohndesCn 
bcipic i Calvus Nr. 345 (Fasti Cap.) ist jedenfalls der- 
s v e J, b '' *;"• Sci P 10 ' dcr 555 = 199 zum Pontifex (Liv. 
XXXII 7, 15 vgl. XLI 16, 4) und filr 575 = 179 zum 
i remdenpraetor gewahlt wurde (Liv. XL 44 2 
7). 578 = 176 war er Consul (Fasti Cap. Liv. 



1493 



Cornelius 



Cornelius 



1494 



f 

* 



XLI 14, 4. 7: On. Cornelius Scipio Hispallus; 
Chronogr.: Spalo; Idat. : Soipione; Chron. Pasch.: 
Sxuticavos; Cassiod.: On. Cornelius; Obseq. 9: 
Cornelius), wurde bei der Buckkehr von def Feier 
der Feriae Latinae vom Schlage getroffen, suchte 
vergeblich in Cumae Heilung und wurde, nach- 
dem er dort gestorben war, in feierlichem Zuge 
nach Bom gebracht und beigesetzt (Fasti Cap. 
Liv. XLI 15, 1. 4. 16, 3f. Obseq.). Sein Sohn 
Nr. 347 weist in seiner Grabschrift auf die Thaten 
des Vaters hin. Vielleicht seine Gemahlin ist 
Nr. 445. 

347) Cn. Cornelius Scipio Hispanus, Sohn von 
Nr. 346. Wahrend fur den Vater durch Fasti 
Cap. Liv. und Chronogr. die Form des Beinamens 
Hispallus gesichert erscheint, wird der Sohn nur 
bei Val. Mas. [Iul. Par. und Nepotian.] I 3, 3 
(vgl. VI 3, 3 b) Hispalus genannt. Die beiden 
Inschriften, Appian. Lib. 80 und Diod. XXXIV 
33, 1, der von diesem Zweige der Familie der 
Scipionen im allgemeinen redet, bieten Hispanus. 
Von dem Sarkophage dieses Scipio aus dem Erb- 
begrabnis der Scipionen stammen drei Platten, 
die erstens den Cursus honorum in absteigender 
Beihenfolge und zweitens zwei Distichen ent- 
halten (CIL I 38 = VI 1293 = Dessau 6 = 
Biicheler Carm. Lat. epigr. II 440 nr. 958). 
Demnach war Scipio Decemvir sacris faciundis 
und ist dies erst nach dem J. 587 — 167, mit 
welchem die erhaltenen Biicber des Livius ab- 
brechen, geworden. Seine politische Laufbahn 
begann er als Quindecimvir stlitibus iudicandis, 
welches Amt hier zuerst erwahnt wird, war dann 
zweimal Kriegstribun und Quaestor. Wahrend 
er eine dieser letzten Stellungen innehatte, wurde 
er im J. 605 = 149 mit P. Scipio Nasica Nr. 354 
nach Karthago geschickt, um die von Bom ge- 
forderte Entwaffnung dieser Stadt durchzufuhren 
(Appian. Lib. 80: rvaio; KoQvr)Xio; 6 'Iojravo; 
sjzlxXijoiv). Es war dies vielleicht nicht seine 
erste diplomatische Mission, denn in den vorher- 
gehenden Jahren hatte Rom Gelegonheit gehabt, 
sich um die Angelegenheiten auf Kreta zu kiim- 
mern (vgl. Mommsen B. G. II 63), und dort 
ist eine Ehreninschrift dieses Scipio gefunden, 
die ihm noch keinen Amtstitcl beilegt (Journal 
of Hell. Stud. XVI 1896, 181 = Revue arch. 
1896, 400: PvaTov Kogvrjhov \ rvaiov vim' Sxi- 
niatva | ' Iojiavov eveQystav a TtoXts). Nach der 
Grabschrift beklcidete Scipio ferner die curulische 
Aedilitat und die Praetur; Val. Max. (Iul. Par., 
vgl. Nepotian.) I 3, 3 beriehtet, dass er letzteres 
Amt im J. 615 = 139 verwaltete und durch ein 
Edict, das er offenbar als Fremdenpraetor erliess, 
alle Chaldaeer und Juden aus Rom und Italien 
auswies. Die poetische Grabschrift fugt diesen 
Thatsachen nur die eine hinzu, dass Scipio Kin- 
der hinterliess, und ruhmt ihn im ubrigen ledig- 
lich als wiirdigen Erben des Ruhmes seiner Ahnen. 
Da er das Consulat nicht erreichte, mag er bald 
nach der Praetur gestorben sein; von den Kiudern 
ist nur ein Sohn bekannt (Nr. 321). 

34S) M. Cornelius Scipio Maluginensis. Sein 
Verwandtschaftsverhiiltnis zn den anderweitig be- 
kannten Scipionen, denen sonst das Praenomen 
M. fremd ist, liisst sich nicht ermitteln. Eine 
Ausserung von unfreiwilliger Komik wird von 
ihm bei den Consulwahlen fur 575 = 179 be- 



riehtet (Cic. de or. II 260, vgl. Mommsen 
St.-R. Ill 409, 4). 578 =176 war er Praetor 
und erhielt das jenseitige Spanien zur Provinz, 
aber nach dem Vorgange seines Collegen P 
Licinius Crassus, dem das diesseitige zugefallen 
war, weigerte er sich, in die Provinz zu gehen, 
da er durch die Verpflichtung zu feierlichen 
Opfem in Rom festgehalten werde. Beide be- 
schworen dies eidlich vor der Volksversammlung, 
10 aber es stellte sich heraus, dass es bei Scipio nur 
ein Vorwand gewesen war, und er wurde deshalb 
bei der nachsten Lectio senatus 580 = 174 von 
den Censoren mit einer Ruge bestraffc (Liv. XLI 
14, 5. 15,5. 10. 27,2; vgl. Mommsen a. O. II 
380, 2). Vgl. Nr. 35. 

349) C. Cornelius Scipio Nasica s. P. Cor- 
nelius Scipio Nasica Corculum Nr. 353 Ende. 

350) P. Cornelius Scipio Nasica. Wiederholt 
wird ausdriicklich angegeben, dass er der Sohn 

20 des Cn. Scipio Calvus Nr. 345 und der Vetter des 
alteren P. Scipio Africanus gewesen sei (Fasti 
Cap. Liv. XXIX 14, 8. XXXI 49, 6. XXXV 1, 
3. 10, 9. 24, 4. XXXVI 1, 1. XXXVII 57, 10. 
XXXVIII 58, 4. Veil. II 3, 1. Sil. It. XVII llf. 
Appian. Hann. 56. Dio frg. 56, 64). Der Beiname 
Nasica bedeutet nach Arnob. VI 10 das Gegen- 
teil von displosae nares, vielleicht Spitznase, und 
ist in dem Zweige der Scipionen, die von diesem 
ersten P. Nasica abstammen, erblich geworden. 

30 Ein mit ihm gleichzeitiger L. Nasica (erwahnt 
von Cic. de or. II 260; vgl. Gell. IV 20, 3—6) 
gehOrt schwerlich derselben Familie an; ebenso 
ist es nicht wahrscheinlich, dass der von Hor. 
sat. II 5, 57ff. cTwahnte Nasica ,ein herunter- 
gckommenes Glied des edlcn Geschlechtes' gewesen 
sei, wie u. a. Kies sling z. d. St. meint. Aus 
den letzten anderthalb Jahrhunderten der Repu- 
blik sind sechs Manner mit Namen P. Cornelius 
Scipio Nasica bekannt, von denen jeder der Sohn 

40 des vorhergehenden war. Obgleich es nicht schwer 
ist, sie auseinander zu halten, sind doch ver- 
schiedene Verwechslungen vorgekommen. Beson- 
ders haufig wird der erste Nasica mit seinem 
Sohne Nasica Corculum zusammengeworfen, so 
von Liv. ep. XLIX, wo offenbar der Epitomator, 
nicht Livius selbst die Schuld tragt, ferner von 
Diod. XXXIV 33, 1—6. Auct. de vir. ill. 44, Iff. 
Ampel. 19, 11. Augustin. civ. dei II 5, vielleicht 
auch von Pompon. Dig. I 2, 2, 37 (s. Nr. 353), 

50sodann mit seinem Sohn und Enkel an den zu- 
sammengehorigen Stellen Plin. n. h. VII 118 und 
120 (vgl. Schol. Iuvenal. Ill 137), endlich mit 
Sohn, Enkel und Urenkel von Val. Max. VII 5, 
2. Wenn bei jenen diese Verwirrung noch als 
blosser Irrtum zu erklaren ist, so scheint dagegen 
bei Val. Max. und Plin. nicht bios ein Irrtum, 
sondern eine bestimmte Absicht vorzuliegen. Die 
Verschmelzung der verschiedenen Nasicae zu einer 
Person ergab ein glanzendes Musterbeispiel ronii- 

60scher Tugend (vgl. Miinzer Quellenkritik der 
Naturgesch. des Plin. [Berlin 1897] 322—325). 
In einem Falle vermOgen wir die von den Au- 
toren geschaffene Unklarkeit nicht mehr aufzu- 
hellen; nach Diod. XXXIV 33, 1 soUen Gross- 
vater und Vater des Consuls von 643 = 111 die 
Wurde eines Prlnceps senatus bekleidet haben; 
da der Grossvater von Diodor fur identisch mit 
dem Urgrossvater gehalten wird, und da ander- 



1495 



Cornelius 



Cornelius 



1496 



weitig nur fur den Grossvater die Wurde bezeugt 
ist (vgl. Nr. 353), so bleibt die MOglichkeit offen, 
dass der Urgrossvater oder der Vater jener zweite 
Princeps senatus unter den Vorfahren des Con- 
suls von 643 = 111 sein konnte. Aber beides 
erschehit unmOglich (Tgl. Mommsen Rhein. Mus. 
XIX 455; St.-E. Ill 970, 2), Diodor muss einen 
Irrtum begangen haben, und zwar hat er wohl 
den vaterlichen Urgrossvater jenes Consuls mit 
dem miltterlichen, dem Vater seiner Grossmutter, 
verwechselt ; diese zwei waren die gleichnamigen 
Vettern Scipio Nasica und Scipio Africanus Maior, 
der in der That Princeps senatus gewesen ist. 
In den Nachrichten fiber das Leben des alte- 
sten P. Scipio Nasica verrat sich mehrfach die 
Hand des Annalisten Valerius Antias, der in ihm 
wohl eine Art Doppelganger seines Lieblings- 
belden Scipio Africanus, nur mit schwacheren 
Farben darstellte. Als im J. 550 = 204 das 
Bild der grossen Gottermutter von Pessinus nach 
Eom gebracht wurde, war vom delphischen Orakel 
oder nach anderer Version von den sibyllinischen 
Biichern die Weisung erteilt worden, der beste 
Mann in Eom sollte die Gottin empfangen. Durch 
Senatsbeschluss wurde Nasica, der damals noch 
ein ganz junger Mann war und noch nicht die 
Quaestur bekleidet hatte, fur den besten Mann der 
Biirgerschaft erklart und erhielt den ehrenvollen 
Auftrag, die Gottin von dem Schiffe in die Stadt 
zu tragen, nicht in sein Haus, wie einige Autoren 
angeben. Bs versteht sich von selbst, dass diese 
Auszeichnung zu den hOchsten Ehrentiteln des 
Scipionenhauses gerechnet wurde; schon der An- 
fang des Grabgedichts des L. Scipio Nr. 323: 
hone oino ploirume consentiont R[omai] duo- 
noro optumo fuise viro Lueiom Scipione ist 
sicherlich unter dem Eindruck jenes Urteils des 
Senats ilher seinen Enkel entstanden (vgl. da- 
gegen die Grabschrift des A. Atilius Calatinus: 
unum hunc plurimae consentiunt gentes populi 
primarium fuisse virwm). Worauf sich das 
Urteil grtindete, ist unbekannt ; Livius macht die 
charakteristische Bemerkung XXIX 14, 9: id qui- 
bus virtutibus inducti ita iudicarint, si-eut tra- 
ditunt a proximis memoriae temporum illoruni 
seriptoribus likens posteris traderem, ita meas 
opiniones coniectando rem vetustate obrutam non 
interponam; was andere von der Friimmigkeit 
und ahnlichen Tugenden Scipios reden, sind nur 
solche Vermutungen. Gewiss hat das Andenken 
seines Vaters, der in Spanien den Heldentod ge- 
storben war, und die Stellung seines Vetters, der 
imBegriff war, nach Africa iiberzugehen, das Urteil 
des Senats nicht weniger bestimmt, wie die mora- 
lischen Vorzilge des Jiinglings selbst. Berichte 
und Erwahnungen der Sache: Cic. har. resp. 22. 27 -, 
Brut. 79; fin. V 64. Liv. XXIX 11, 6. 14, 8-11. 
XXXV 10, 9. XXXVI 36, 3. 40, 9 ; ep. XLIX. 
Veil. II 3, 1. Val. Max. VII 5. 2. VIII 15, 3. 
Plin. n. h. VII 120. Auct. de vir. ill. 44, 1. 
46, 3. Ampel. 24. Augustin. civ. dei II 5. Ovid, 
fast. IV 347. Sil. Ital. XVII 5-12. Iuven. in 
137f. mit Schol. Diod. XXXIV 33, 1—3. Appian. 
Hann. 56. Dio frg. 56, 64. Im J. 554 = 200 
war Nasica Triumvir fdr die Verstarkung der 
Colonie Venusia (Liv. XXXI 49, 6), 557 = 197 
curulischer Aedil (Liv. XXXIII 25, 1) und 560 
= 194 Praetor. Als solcber erhielt er das jen- 



seitige Spanien zur Provinz (Liv. XXXIV 42, 4. 43, 
7; bei Plut. Cato 11, Iff. wird falschlich P. Scipio 
Africanus fur diesen Statthalter gehalten), zwang 
durch * gluckliche Kampfe zahlreiche Stadte zur 
Ubergabe (Liv. XXXV 1, 3), beschaftigte seine 
Soldaten wahrend des Winters mit dem Bau von 
Schiffen (Prontin. strat. IV 1, 15), vertrieb durch 
einen Sieg bei Ilipa die in die Provinz einge- 
drungenen Lusitaner und gelobte bei dieser Ge- 

10 legenheit die Festspiele, die er spater als Consul 
feierte (Liv. XXXV 1, 4 — 12 mit starken Cber- 
treibungen. XXXVI 36, If.). Cm dieses Amt be- 
warb er sich nach seiner Riickkehr fur das J. 
562 = 192, wurde aber trotz seiner eigenen Ver- 
dienste und trotz der nachdriicklichen Unter- 
stiitzung von seiten des Scipio Africanus noch 
nicht gewab.lt (Liv. XXXV 10, 2. 9), sondern 
hatte erst bei einer erneuten Bewerbung far 563 
=r 191 Erfolg (Liv. XXXV 20, 4f. XXXVI 1, 1. 

20 Eutrop. IV 3, 1. Oros. IV 20, 20. Cassiod. Fasti 
Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch.). Er erhielt 
Italien als Provinz zugewiesen, stellte beim Volke 
den Antrag auf Kriegserklarung gegen Antiochos 
und beschaftigte sich langere Zeit mit der Ord- 
nung der inneren Angelegenheiten (Liv. XXXVI 
1, 6. 2, 1. 3, 2. 36, 1—3. 37, 1. 5). Darauf be- 
gab er sich nach Oberitalien und lieferte hier 
den Boiern eine grosse Schlacht. Zwar ist deren 
Bedeutung wieder von Antias ubertrieben worden, 

30 aber doch war das Ergebnis, dass sich die Boier 
vollstandig unterwarfen und Geiseln stellten (Liv. 
XXXVI 37, 6. 38, 5—7. 39, 3. Oros. IV 20, 21) ; 
daher wurde dem Consul der geforderte Triumph 
trotz des Einspruchs eincs Yolkstribunen bewilligt 
(Liv. XXXVI 39, 3—40,14; in den Acta triumph. 
ist nur [Co]rnel[ius] erhalten). Im Anfang des 
nachsteh Jabres kehrte er noch einmal in das 
Gebiet der Boier mit proconsularischem Imperium 
zuriick (Liv. XXXVII 2, 5). Ein Sechsgespann 

40 von vergoldeter Bronze, das er auf dem Capitol 
stiftete, war wohl ein aus der reicben Beute er- 
richtetes Weihgeschenk (Liv. XXXVIII 35, 4 mit 
Weissenborns Anm.). Das hochste Staatsamt 
hat Nasica nicht erreicht; er ist nacb Liv. XXXVII 
57, 10. XXXIX 40, 2 565 = 189 und 570 = 184 
bei der Bewerbung am die Censur unterlegen, und 
auch Plin. n. h. VII 120 nennt ihn in toga Can- 
dida bis repulsa notatus apopulo, wobei die erste 
Niederlage bei den Consulwahlen noch nicht ein- 

50 mal erwahnt wird. Dass Nasica bei den Cen- 
sorenwahlen durchfiel, hangt damit zusammen, 
dass in diesen Jahren die Stellung der Scipionen 
schwer erschuttert wurde. In der livianischen 
Darstellung der Scipionenprocesse erscheint Na- 
sica neben seinen beiden Vettern als einer der 
vornehmsten Mitwirkenden, derm er ist es hier, 
der die Volkstribunen dem L. Scipio Asiaticus 
zu Hulfe ruft und diesen in langer, trefflicher 
Rede verteidigt (Liv. XXX VIII 58, 3—59, 11); 

60 aber diese wichtige Eolle hatte in der alteren 
Uberlieferung vielxnehr der altere Africanus als 
Bruder des Angeklagten gespielt (Liv. XXXVIII 
56, 9f. Gell. VI 19, 5; vgl. Nr. 337), und nur 
Valerius Antias hat Nasica an dessen Stelle ge- 
setzt, weil er die Verbarmung und den Tod des 
Africanus vor den Process des Asiaticus verlegte 
und dann in dem Vetter den passendsten Ersatz- 
mann fand (vgl. Mommsen ROm.Forsch. II 473, 



1 



1497 



Cornelius 



Cornelius 



1498 



112. 495f.). Antias liess ferner den Nasica im 
J. 571 = 183 mit jener Gesandtscbaft," die Han- 
nibals Auslieferung von Prusias fordern sollte, 
nach Asien reisen (Liv. XXXIX 56, 7); zu der- 
selben Zeit ist Nasica aber zum Triumvir colo- 
niae deducendae gewahlt worden und wirkte in 
dieser Stellung 573 = 181 bei der Griindung von 
Aquileia mit (Liv. XXXIX 55, 6. XL 34, 3). Nur 
zehn Jahre spater wird er noch einmal erwahnt; 
damals ist er mit M. Cato, L. Aemilius Paullus 
und C. Sulpicius Gallus als Patron der Spanier 
gegen die von diesen angeklagten Statthalter auf- 
getreten (Liv. XLIII 2, 5. 7). Der Tod des Afri- 
canus hatte auch Nasicas Zuriicktreten von der 
politischen Biihne zur Folge gehabt, Filr ein 
naheres Verhaltnis- beider zu einander spricht 
namentlich auch die Thatsache, dass sie ihre 
Kinder mit einander vermahlten. Auch Nasica 
.stand in freundschaftlichen Beziehungen zu En- 
nius, wie eine Anekdote bei Cic. de or. II 276 
beweist. 

351) P. Cornelius Scipio Nasica, Sohn von 
Nr. 355, war Praetor und Statthalter von Hispania 
ulterior im J. 661 = 93 und unterdriickte hier 
einen Aufstand (Obseq. 51: per Nasieam Hi- 
spaniae prineipes, qui rebellabant, supplieio 
consumpti urbibus dirutis; vgl. dazu Vf ilsdorf 
Leipz. Studien I 112f.). Aus Cic. Brut. 211f. ; 
de or. Ill 134 (beidemale nur der Name Scipio) 
und Dio XL 51, 3 (Name Nasica uberliefert) er- 
giebt sich ferner, dass er mit Licinia, einer der 
zwei TOchter des Eedners L. Crassus, vermahlt war 
und von ihr zwei Sflhne hatte; der eine ging durch 
testamentarische Adoption in die Familie der 
Caecilii Metelli fiber, der andere wurde scbon 
weit fruher von seinem miltterlichen Grossvater 
im Testamente adoptiert, und beide bewahrten 
von ihrem alten Namen nur das beriihmte Cog- 
nomen Scipio (vgl. den Stammbaum o. Bd. Ill 
S. 1225f.). Im J. 674 = 80 wird von Cic. Eosc. 
77 ein P. Scipio neben einem M. Metellus als 
Beistand des Sex. Roscius aus Ameria genannt; 
dessen Beziehungen zu diesen Familien werden 
ebd. 15 erwahnt und die beiden Manner ebd. 119 
als homines nobilissimi atque integerrimi ge- 
ruhmt. Es ist keineswegs sicher, aber doch wahr- 
schcinlich, dass P. Scipio der Praetor von 661 
= 93 ist; viel langer hat er jedoch nicht gelebt, 
da im J. 676 = 78 nicht mehr er selbst, sondem 
sein iilterer Sohn Nr. 352 als Familienhaupt er- 
scheint (Cic. Cornel, frg. I 3-7 bei A scon. p. 66). 

352) P. Cornelius Scipio Nasica, iilterer Sohn 
von Nr. 351 , fiihrte diesen Namen etwa bis zu 
seinem dreissigstcn Lebensjahre, um 690 = 64, 
und hiess seitdem infolge seiner Adoption durch 
Metellus Pius vietmehr Q, Caecilius Metellus 
Pius Scipio (vgl. Bd. Ill S. 1224ff.). 

353) P. Cornelius Scipio Nasica Corculum. 
Von seinem Vater Nr. 350 wird Nasica z. B. bei 
Cicero sorgfaltig unterschieden , vgl. Brut. 79: 
P. Seipionem Xasicam , qui est Corcuhim ap- 
pellatus, qui bis eonstd et censor fuit, liabitum 
rtoquentem aiunt, illius qui sacra aceeperit filium ; 
ebd. 212: duorum abavorum (des Metellus Scipio) 
quam est inhestre nomen, P. Scipionis, qui bis 
consul fuit, qui est Corcidum dictus , alter ius 
omnium sapientissimi , G. Laeli; Tusc. I 18: 
cor ipsum animus videtur, ex quo exeordes, vac- 



eordes concordesque dieuntur et Nasica ills pru- 
dens bis consul Corculum et ,egregie cordaius 
homo, Gains Aelius Sextus\ womit Plin. n. h. 
VII 118 ubereinstimmt : reliquis animi bonis 
praestitere ceteros mortales, sapientia, ob id Cati, 
Goreuli apud Bomanos cognominati; ferner Fest. 
ep. 61: Corculum a corde dieebant antiqui sol- 
lertem et aeutum, und Auct. de vir. ill. 44, 6: 
eloquentia primus, iuris scientia consultissimus, 

\0ingenio sapientissimus , unde vulgo Corculum 
dictus. Sonst fmdet sich der Beiname Corculum 
weder bei den Schriftstellern, noch in den Fasten. 
Zuerst erregte Nasica 585 = 169 als curulischer 
Aedil durch seine Tierhetzen Aufsehen (Liv. XLIV 
18, 8, vgl. P. Cornelius Lentulus Nr. 202). Iin 
Jahre darauf zeichnete er sich im makedonischen 
Kriege aus. Er fiihrte mit 5000 Mann die gluck- 
liche Umgchung des feindlichen Heeres aus, welche' 
dieses zur Annahme der Entscheidungsschlacht 

20 bei Pydna zwang, forderte dann im Kriegsrate 
den Consul L. Aemilius Paullus zum Angriff auf 
und kampfte in der Schlacht tapfer mit. Nach 
dem Siege wurde er abgeschickt, um das wich- 
tige Amphipolis zu besetzen, und trat von hier 
aus mit dem nach Samothrake geflilchteten Per- 
seus in Verhandlungen wegen dessen Capitulation 
ein ; dann beteiligte er sich noch an dem kurzen 
illyrischen Feldzuge und schloss sich erst wieder 
im J. 587 = 167 in Orikon dem heimkehrenden 

30 Paullus an. Die uns vorliegenden Berichte des 
Livius (XLIV 35, 14. 36, 9—11. 38, Iff. 46, 1. 
XLV 33, 8. 34, 8) und Plutarch (Aem. Paull. 15, 
3-6. 16, 1—3. 17, If. 18, 2. 26, 6; apophth. 
Aemil. Paul. 5) iiber diese Kampfe und Nasicas 
Anteil daran gehen nach Plutarchs eigenem Ein- 
gestiindnis nur teilweise auf Polybios (frg. XXIX 
14, 1 — 3. 15,3) zuriick, teilweise auf Nasica selbst, 
ysygaqpojg ntgl xS>v 7iqo.^(.cov tovtcov iniaxoliov 
tioos tivo. x&v paodsscor (Plut. Aem. Paull. 15, 3, 

40 vgl. 21, 3. Peter Frag. hist. Eom. 115—117). 
Vermutlich war diese Schrift an Massinissa ge- 
riehtet und nicht frei von Entstellungen der Wahr- 
heit, zu denen die persOnliche Eitelkeit den Ver- 
fasser verleitete (vgl. Nissen Krit. Unters. 267ff. 
300ff. Soltau Herm. XXXI 155ff.). Nasica wurde 
fur 592 = 162 mit C. Marcius Figulus zum Con- 
sul gewahlt und war bereits zum Heere nach 
Corsica abgegangen, als sein Schwager Ti. Grac- 
chus, der die Wahlen als Consul geleitet hatte, 

50 nachtraglich meldete , es sei dabei gegen die 
Auspicien gefehlt worden; Nasica und Figulus 
wurden nach Eom zuriickberufen und als vitio 
facti zur Niederlegung des Amtes genOtigt (Fasti 
Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Cic. nat. deor. 
n lOf. ; div. I 33. H 74; ad Quint, fr. n 2, 1. 
Licinian. p. 10 Bonn. Val. Max, I 1, 3. Obseq. 
15. Ampel. 19, 11. Auct. de vir. ill. 44, 2. Cas- 
siod. Plut. Marcell. 5, 1—3; vgl. Mommsen St.- 
E, I 103, 4. 116, 1). 595 = 159 gelangte Nasica 

60 mit M. Popillius Laenas zur Censur (Fasti Cap. 
Cic. Brut. 79. Gell. IV 20, 11. Non. p. 168, 18 
[beide aus Masurius Sabinus]. Fest. p. 285); 
namentlich wird von ihrer Bauthatigkeit berichtet. 
Nasica liess die Ehrenstatuen, die anf dem Forum 
ohne Genehmigung von Senat und Volk errichtet 
worden warcn, wieder beseitigen (Piso frg. 37 bei 
Plin. n. h. XXXIV 30. Auct. de vir. ill. u, 3. 
Ampel. 19, 11) und stellte, wabrscheinlich cben- 



1499 



Cornelius 



Cornelius 



1500 



dort, die erste Wasseruhr in Bom auf (Plin. n. h. 
VII 215. Censorin. de die nat. 23, 7, beide nach 
Varro; da Censorinus davon sagt: et ipsum ex 
eonsuetudine noseendi a sofa haras solarium 
eoeptum voeari, so wird darauf auch Varro 1. 1. 
VI 4 zu beziehen sein: solarium dictum id, in 
quo horae in sole inspieiebantur, quod Cornelius 
in basilica Aemilia et Fulvia inumbravit) ; ferner 
erbaute er auf dem Capitol eine Saulenhalle (Veil. 
II 1, 2. 3, 1; an der ersten Stelle die Zeitangabe 10 
ungenau, weil auch die Porticus des Cn. Octavius 
vor der ZerstSrung Karthagos erbaut wurde). Zum 
zweitenmal erhielt Nasica das Consulat 599 = 155 
(Fasti Cap. Chronogr. Idat. Chron. pasch. Cic. 
acad. prior. II 137. Cassiod. ; bis consul bei Cic. 
s. o.) und damit den Oberbefehl im Kriege gegen 
die Dalmater. Es gelang ibra, dieses Volk voll- 
standig zu unterwerfen und seine Bundeshaupt- 
stadt Delminium zu zerstoren, so dass sie seit- 
dem aus der Geschichte verschwindet (Liv. op. 20 
XLVII. Frontin. strat. Ill 6, 2. Ampel. 19, 11. 
Auct. de vir. ill. 44, 4. Strab. VII 315. Zonar. 
IX 25 Ende). Nach den Acta triumph., von deuen 
hier nur geringe Reste erhalten sind(Z. 1: [P. 
Cornelius] P. f. C[n. n.J; Z. 2: [d]e DeflmaleisJ) 
hat er triumphiert, dagegen hericbtet Auct. de 
vir. ill. 44, 5: imperatoris nomen a militibus et 
ah smatu triumphum oblatum- recusant, und 
Ampcl. 19, 11: oblatum a senatu triumphum re- 
pudimit. Man kann beide Angaben dahin ver- 30 
einigen, dass Nasica trotz seines anfanglichen 
Widerstrebens die Ehre schliesslich angenommen 
habe; man kann aber auch in der zweiten An- 
gabe eine tendenziose Erfindung sehen, die ihn 
in ein gunstiges Licht stellen sollte. Beriihmter 
als diese kriegerischen Erfolgc ist ein Beweis der 
Sittenstrenge, den Nasica bald darauf gab. Die 
Censoren M. Valerius Messalla und C. Cassius 
Longinus unternahmen namlich den Bau eines 
festen Theaters ; Nasica erhob dagegen als gegen 40 
eine den Sitten schadliche Neuerung Einspruch 
und setzte durch sein entschiedenes Auftreten 
durch, dass der angefangene Bau auf Grand eines 
Senatsbeschlusses eingerissen werden musste. Es 
kniipfen sich an diese Erzahlung gewisse bisber 
nicht geniigend beachtete Schwierigkeiten. Die 
Censur der beiden genannten Manner fallt 600 
= 154; das Verbot des Theaterbaues hat Livius 
nach dem iibereinstimmenden Zeugnis von ep. 
XLVIII und Oros. IV 21, 4 unter dem J. 603 50 
= 151 erzahlt; Val. Max. II 4, 2 nennt die Namen 
der Censoren und den Nasicas, dagegen Augustin. 
civ. dei II 5 nur den des letztercn, den er wieder 
mit seinem Vater zusammenwirft. Bei den von 
Livius unabhangigen Autoren Veil. I 15, 8 und 
Appian. bell. civ. I 28 meint F. S eh oil (Rhein. 
Mus. LIII 512f.) eine ganz abweichende Tradi- 
tion zu finden. Beide sprechen nur von einem 
Censor, namlich Cassius, beide bezeichnen die 
den Einspruch erhebende PersOnlichkeit als Con- 60 
sul und beide nenneu sie nach den Hss. Caepio, 
hicht Seipio, wie die Ausgaben bieten. Appian 
erzahlt ausserdem die Anekdote bei der Geschichte 
der Gracchenzeit und nennt den Censor Asixto; 
Kaaawg statt rdioe, so dass man auf den Ge- 
danken konimen kiinnte, seine Quelle habe etwa 
die Sache unter dem J. 629 = 125 berichtet und 
den einen Censor dieses Jahres , Cn. Servilius 



Caepio, gegen seinen Collegen L. Cassius Longi- 
nus Bavilla auftreten lassen. Aber gegen diese 
Annahme spricht die Bezeichnung des Caepio als 
vnarog, und fiir die Einfiigung der Nachricht in 
die Geschichte einer spiiteren Zeit hat Busolt 
(Jahrb. f. Philol. CXL1 348) unter der Voraus- 
setzung , dass sie sich auf Seipio beziehe , eine 
freilieh fast allzu scharfsinnige Erkliirung gegeben. 
Bei Velleius wird eine Datierung des Ereignisses 
allerdings gebracht, jedoch die Rechnungsart des 
Autors ist so compliciert , und die Uberlieferung 
der Zahlen bei ihm so unsicher, dass es kaum 
mfiglich ist, das von ihm gemeinte Jahr sicher 
zu bestimmen. Halt man sich aber an die Be- 
zeichnung der Einspruch erhebenden PersOnlich- 
keit als Consul, so vermag man weder einen* 
Caepio zu finden, der wahrend der censorischen 
Amtsperiode eines der beiden Cassii — C. Cas- 
sius 600—606, L. Cassius 629—633 — das Con- 
sulat bekleidet hatte, noch bei der Anderung des 
Namens in Seipio einen Seipio, der diese Be- 
dingung erfiillte, da das Consulat Nasicas ein 
Jahr vor die Censur des C. Cassius fallt. Die 
Vertauschung der Cognomina Seipio und Caepio 
mit einander hat keine Schwierigkeit ; z. B. nennt 
das Chron. Pasch. die Consuln der J. 551, 614 
und 648, die zu den Servilii Caepiones gehoren, 
samtlich Seipio; aber die ganze Tradition iiber 
den vereitelten Theaterbau bereitet eine Eeihe 
von Schwierigkeiteu, die ich hier darzulegcn ver- 
suchte, aber nicht zu lOsen vermag. In den Jahren 
nach seinem Consulat wandte Nasica seine Auf- 
merksamkeit in erstev Linie der Entwicklung der 
karthagischen Frage zu; er war der anerkannte 
Fiihrer der Partei , die seines Schwiegervaters 
Seipio Africanus Maior Politik weiter verfolgte, 
und unbedingt fiir die Erhaltung Karthagos gegen 
Cato und dessen Gesirmungsgenossen eintrat. In 
der antiken Uberlieferung wird als Nasicas Haupt- 
argument hervorgehoben, dass die Existenz Kar- 
thagos eine der vornehmsten Bedingungen fiir die 
gliickliche Entwicklung des rOmischen Staates und 
Volkes selbst sei; sicherlich hat er noch andere 
gewiclitige Griinde fiir seine Meinung vorzubringen 
gewusst. Als Gesandter in Africa im J. 602 
— 152 musste er sich allerdings durch den Augen- 
schein von der Gefiihrliehkeit der Lage iiber- 
zeugen lassen ; Schritt fiir Schritt musste er vor 
den starkeren Beweisgriinden der Gegner zuriick- 
weichen; aber noch als der Krieg vor der Thiir 
stand, machte er unter dem Einfluss platonischer 
Theorien einen letzten Vermittlungsvorschlag, die 
Verlegung der Stadt Karthago von der Kiiste 
hinweg ins Binnenland; sogar nach der Einnahme 
der Stadt empfahl er noch die Schonung der Be- 
wohner (Liv. ep. XLVIII. XLIX. Flor. I 31, 5. 
Oros. IV 23, 9. Ampel. 19, 11. Diod. XXXIV 33, 
3—6. Plut. Cato 27, 3f. App. Lib. 69. Zonar. 
IX 26. 30 [chronologisch unrichtig], vgl. Meltz er 
Jahrb. f. Philol. CXLffl 685—688). Vielleicht 
um ihn anderweitig zu beschaftigen, schickte man 
ihn im J. 604 =150 vor dem Ausbruch des Krieges 
nach Griechenland. Er sollte dort den Umtrieben 
des falschen Philippos (Andriskos) entgegenwirken 
und stellte sich selbst an die Spitze des achaei- 
scben Aufgebots, mit dem er wenigstens Thessa- 
lien gegen die Ubergriffe des Pratendenten schiitzte ; 
seine Bericbte veranlassten die Entsendung eines 



1501 



Cornelius 



Cornelius 



1502 



rOmischen Heeres unter P. Iuventius im folgenden 
Jahre (Liv. ep. L. Zonar. IX 28). In demselben 
J. 604 = 150 wurde Nasica Pontifex niaximus 
(Cic. Cato 50; nat. deor. Ill 5; de or. Ill 134; 
vgl. Bardt Die Priester der vier grossen Col- 
legien 4) und im J. 607 = 147 Princeps senatus, 
in welcher Wiirde er bei der folgenden Lectio 
senatus von 612 = 142 bestatigt zu sein scheint 
(Val. Max. Vn 5, 2. Diod. XXXIV 33, 1; vgl. 



Manner war allerdings der Consul von 643 =111, 
aber dennoch empfiehlt es sich, die Anekdote auf 
dessen Vater zu beziehen , weil auf diesen die 
ciceronische Bezeichnung und die Unpopularitat 
des Mannes besser passt. Das Jahr seiner Be- 
werbung um die Aedilitat ist nicht bekannt. Das 
Consulat erhielt Nasica im J. 616 = 138 zu- 
sammen mit Dec. Iunius Brutus und zeigte sich 
damals besonders als hochmutigen, plebejerfeind- 



Polyb. XXIX 14, 1 = Plut. Aem. Paull. 15, 3. 10 lichen Junker. Namentlich geriet er mehrfach 



Mommsen Khein. Mus. XIX 455. Willems Le 
s^nat de la rep. rom. I 113, 3). Kurz darauf ist 
er jedenfalls gestorben, derm die gracchische Be- 
wegung hat er nicht mehr erlebt. Seine Bered- 
samkeit wird geriihmt (s. o.), und einzelne Beden, 
wie die im Kriegsrat bei Pydna, die gegen den 
Theaterbau und mehrere iiber die karthagische 
Frage gehaltene werden bei den Historikern citiert, 
waren aber schon dem Cicero nicht mehr aus 



in ernsten Streit mit dem Volkstribunen C. Cu- 
riatius, und dieser hiingte ihm den Beinamen 
Serapio wegen seiner Ahnlichkeit mit irgend 
einem verachteten Sclaven oder Freige lassen en 
dieses Namens an (Liv. ep. LV. Val. Max. IX 
14, 3. Plin. n. h. VII 54. XXI 10 [dazu Herm. 
XXXII 471]), welches Cognomen nicht bios in der 
Umgangssprache, sondern auch in dem Elogium 
Nasicas (Cic. ad Att. VI 1, 17) und in den Fasten 



eigener Lecture bekannt (vgl. Brut. 79). Weil 20 Aufnahme fand (entstellt zu Nasica Rabione 



er wegen seiner Kenntnis des geistlichen und 
weltlichen Eechts gelobt wird (Cic. Cato 50, vgl. 
Auct. de vir. ill. 44, 6, s. o.), konnte er der bei 
Pompon. Dig. I 2, 2, 37 genannte Jurist Seipio 
Nasica sein , eui etiam publics domus in sacra 
via data est, quo facilius consult posset. Demi 
der hier iiberlieferte Vorname C. ist der Gens 
Cornelia fremd, also sicher falsch, und die Ver- 
wechslung Nasicas mit seinem Vater, qui opt 



mus a senatu appellatus est, flndet sich ziemlich 30 (Cic. Brut. 85 



bei Idat., dagegen nur Nasica Chronogr. Chron. 
Pasch.; P. Cornelius Cassiod.; vielleicht ist er 
der Consul P. Cornelius auf dem neugefundenen 
Senatsconsult aus Delphi II 5 , vgl. 11 , Bull. 
hell. XXIII 1899, 14. 40 = Dittenberger 
SylL 2 930). Beiden Consuln gemeinsam wurde 
durch Senatsbeschluss die Untersuchung iiber die 
Mordthaten im Silawalde iibertragen, bei denen 
gewisse Staatspachter stark compromittiert waren 



haufig (vgl. o. Nr. 350). fiber die Schriftstellerei 
und die philosophischen Interessen Nasicas ist 
bereits gesprochen worden ; in der Politik hat er 
das Erbe seines Schwiegervaters und Vaters an- 
getreten und ihre Partei geleitet, bis Seipio Aemi- 
lianus seinen Platz einnahm. Die triimmerhafte 
Uberlieferung iiber diese Zeit lasst nicht crkenncn, 
ob sein Bild von einer bestimmten Hand mit ge- 
wissen Ziigen gezeichnet worden ist. Charak- 



sodann hatten sie Truppen 



auszuheben fiir den Krieg in Spanien, dessen 
Fiihrung Brutus erhielt. Es geschah mit Zu- 
stimmung der Tribunen, dass die Consuln einen 
dabei ergriffenen Deserteur mit Offentlicher Aus- 
peitschung und Verkauf in die Sclaverei bestraf- 
ten (Liv. ep. LV. Frontin. strat. IV 1, 20), aber 
dem Antrag der Tribunen, zehn Mann von der 
Aushebung zu befreien, widersetzten sie sich, und 
es kam dahin , dass sie von Curiatius ins Ge- 



teristisch ist die ihm zugeschriebene ironische 40 fangnis abgefuhrt wurden (Cic. de leg. in 20, 



Ausserung nach dem Falle von Karthago und der 
Unterjochung von Hellas, jetzt sei Rom wahrlich 
sicher, da es vor niemand mehr Furcht und vor 
niemand mehr Scham zu haben brauchte (Plut. 
de inimic. util. 3). Seine Gemahlin Nr. 406, sein 
Sohn Nr. 354. 

354) P. Cornelius Seipio Nasica Serapio. Er 
war der Sohn des Seipio Nasica Corculum Nr. 353 
und begann seine Laufbahn noch bei dessen Leb 



Liv. ep. LV). Als derselbe von ihnen Massregeln 
zur Bekampfung einer Teuerung forderte, ant- 
wortete ihm Nasica in der Volksversammlung, 
wobei er der tobenden Menge mit dem stolzen 
Worte Schweigen gebot, er wisse besser als sie, 
was dem Staate niitzlich sei (Val. Max. Ill 7, 3). 
Bei einer solchen Gesinnung konnte es nicht aus- 
bleiben , dass Nasica an die Spitze der Aristo- 
kraten trat, die sich gegen die Reformen des Ti. 



zeiten , denn im J. 605 = 149 wurde er bereits 50 Gracchus zusammenschlossen. Wohl nur die Geg- 



mit Cn. Seipio Hispanus Nr. 347 nach Karthago 
gesandt, um die von Rom geforderte Auslieferung 
der Waffenvorrate zu iiberwachen (App. Lib. 80). 
Um die Aedilitat bewarb er sich vergeblich. Cicero 
Plane. 51 sagt, dass ein P. Nasica, quo cive 
mminem staiuo in ha-c re publim fortiorem, bei 
der Bewerbung um dieses Amt durchgefallen sei, 
aber trotzdem zum Consulat gelangte, ganz iihn- 
lich wie in derselben Zeit C. Marius und mehrere 



ner haben den Eigennutz als sein treibendes Mo- 
tiv hingestellt (Plut. Tib. Gracch. 13, 2); man 
mag seine That beurteilen, wie man will, die 
Uberzeugung von der Gerechtigkeit seiner Sache 
wird man ihm nicht bestreiten durfen. Nasica 
setzte im Senate durch, dass dp r Commission fiir 
die Ackerverteilung fast alle notwendigen Mittel 
versagt wurden (Plut. a. O.), und bekampfte heftig 
den Vorschlag, die attalische Erbschaft den Z wecken 



andere. Val. Max. VII 5, 2 erzahlt, dass einer 60 der Reformpartei dienstbar zu machen (Oros. V 



der vier Manner mit Namen P. Seipio Nasica, 
die er zusammenwirft, als Bewerber um die cu- 
rulische Aedilitat, die rauhe Hand eines Bauern 
druckend, diesen fragte, ob er auf den Handen 
zu gehen pflegte, und dass er nicht gewahlt wurde, 
weil sich die Landtribus durch den unpassenden 
Witz beleidigt fuhlten und gegeti ihn stimmten. 
Zeitgenosse der anderon von Cicero genannten 



8, 4). Die Tribunenwahlen des J. 621 = 133 
brachten die Katastrophe, an der er in hervor- 
ragender Weise beteiligt war. Wahrend auf dem 
Capitol vor dem Iuppitertempel die sturmische 
Volksversammlung stattfand, harrte der Senat im 
Heiligtum der Fides in dem Bezirk des capito- 
linischen Iuppiters selbst (vgl. Hulsen Fest- 
schrift f. H. Kiepert 211—223) der Entscheidung. 



1503 



Cornelius 



Cornelius 



1504 



1505 



Cornelius 



Cornelius 



1506 



Nur unsichere Kunde von dem , was dort vor- P. Lieinius Grassus consul, eum idem pontifex 

ging, scheint hierher gelangt zu sein; eine Be- maximus esset, qiiod nunguam antea factum er 'at, 

wegung des Gracchus konnte, weil seine Stimme extra Italiam profectus proelio viclus et oceisus 

nieht gehort wurde, gedeutet werden, or fordere est, bietet keinen entscheidenden Gegenbeweis, da 

das Diadem. Der Consul P. Mucius Scaevola Livius selbst vieileicht nicht in der Sendung extra 

weigerte sich , Gewalt gegen ihn anzuwenden, Italiam, sondern in dem gewaltsamen Tode eines 

wie es daraufhin die Mehrheit des Senats unge- Pontifex maximus etwas bisher UnerhCrtes ge- 

stiim verlangte; da rief Scipio Nasica, wer den sehen haben kann (vgl. auch Bardt Die Priester 

Staat letten wolle, solle ihm folgen, giirtete sein der vier grossen Collegien 5f.). Fin- die geringe 
Gewand, ergriff das nachste Stuck Holz als Waffe 10 Bekantrtschaft der Spateren mit der Laufbahn Na- 

und eilte alien voran auf den Wahlplatz. Der sicas ist daneben charakteristisch, dass Metellus 

Kampf war kurz , die Gegenwehr war schwach ; Scipio, als cr diesem seinem TJrgrossvater (proa- 

Gracclius und sein Anhang wurden erschlagen. vus Cic. Brut. 212; ad Att. VI 1, 17) eine 

Spatere haben behauptet, Gracchus sei von Na- Statue crrichtete, sein Bild und seine Amterlauf- 

sicas eigener Hand gefallen; die Mutter beider bahn mit denen des alteren Africanus verwech- 

waren Schwestern , und die That erschien dann selte und vertauschte (Cic. ad Att. VI 1, 17, vgl. 

wie ein granger Brudermord aus einer alten Sage. CIL I 2 p. 186). Im J. 622 = 132 nahm Nasica 

Das Wahre daran mag gewesen sein, dass sich an der Verfolgung der Anhanger des Gracchus 

Nasica laut und Cffentlich zu der Eolle, die er teil (Plut. Tib. Gracch. 20,4; vgl. o. Bd. Ill S. 571 
gespielt hatte, bekannte; das Volk verstummte 20 gegen Ed. Meyer a. O. 23, 4), wurde aber an- 

vor ihmin zitternder Ehrfurcht (Diod. XXXIV 33, scheinend selbst von M. Fulvius Placcus mit einer 

7 ; derselbe Zug in der Geschichte seines Con- Anklage bedroht (Cic. de or. H 285). Jedenfalls 

sulats Val. Max. Ill 7, 3). Die erhaltenen Be- war der Unwille des Volkes jetzt zu solchem Hass 

richtc und Urteile iiber Nasica gehen hauptsach- emporgewachsen, dass die Entfernung dos Nasica 

licli auf die Gegner der gracchischen Bcwegung wenigstens fur einige Zeit ratsam schien. Er 

und der durch sie eingeleiteten Eevolution zuriick; ging unter dem Vorwande einer Legatio libera 

Cicero und Livius mussten ihrer ganzen politi- (an der Spitze einer Fiinfercommission, Strab. XIV 

schen Gesinnung nacb seine That des Ruhmes 646) nach Asien und ist hier in Pergamon noch 

wert achten und preisen, wenn ihnen auch sein in demselben Jahre nach kurzer Zeit gestorben 
starrer Fanatismus unheimlich erscheinen mochte. 30 (Cic. Flacc. 75 ; vgl. rep. I 6. Val. Max. V 3, 2e. 

Die Darstellungen der Griechen stehen zum Teil Plin. n. h. VII 120. Auct. de vir. ill. 64, 9. Plut. 

unter dem Einfluss des Poseidonios, der Nasica Tib. Gracch. 21, 2). Er hatte als Eedner sich 

schon wegen dessen Hinneigung zur Stoa (Cic. einer grossen Achtung erfreut , weil er ebenso 

Tusc. IV 51) in giinstigem Licht sah. Diesen sprach, wie er dachte und fiihlte; Leidenschaft- 

Stimmen gegeniiber bewahrt Rhet. ad Her. IV lichkeit und Harte vcrriet sein Reden wie sein 

68 ein voni furchtbarsten Hasse der Demokraten Handeln (Cic. Brut. 107; de off. I 109). 

gezeichnetes Zerrbild Nasicas (vgl. Marx Pro- 355) P. Cornelius Scipio Nasica Serapio, Sohn 

leg. seiner Ausgabe 105f.), und auch anderweitig von Nr. 354. Dass er gleiehfalls den Beinanien 

(z. B. bei Plut.; s. o.) begegnen Spuren ahn- Serapio fuhrte, wird zwar nicht ausdriicklich iiber- 
licher Auffassung. Ausfiihrlichere Darstellungen 40 licfert, ergiebt sich aber aus Plinius n. h. XXI 

Ehet. ad Her. IV 68. Veil. BE 3, 1. Val. Max. Ill 10, wo er mit seinem Vater zusammengeworfen 

2,17. Diod. XXXIV 7, 2. 33, 6f. Plut. Tib. Gracch. wird, und aus der Angabe des Chron. Pasch. 

19, 2f. Appian. bell. civ. I 16 ; kiirzere Berichte NaoataQjiov, was aus ±\asiea Serapio entetanden 

Cic. Catil. I 3; de domo 91; Plane. 51 (s. o.). 88; ist (vgl. Herm. XXXII 471). Im J. 643 = 111 

Phil. VIII 13; de or. II 285; Brut. 107. 212; war er Consul mit L. Calpurnius Bestia (o. Bd. Ill 

rep. VI 8 (aus Macrob. somn. Scip. I 4, 2); Tusc. S. i366 Nr. 23); es wurde damals dem Iugurtha 

IV 51; de off. I 76. 109. Liv. ep. LVIII. Val. der Krieg erklart, ein Iustitium deswegen angc- 
Max. I 4, 2. V 3, 2 e. VII 5, 2. Quintil. inst. or. sagt und Bestia zur Fuhrung des Krieges nach 

V 13,24. Flor. II 2,7. Oros. V 9, 1. Auct, de Africa gesandt, dagegen dem Nasica ltalien als 
vir. ill. 64, 7. Ampel. 26, 1 ; zur Kritik der tjber- 50 Provinz angewiesen (Lex agrar. CIL I 200 v. 05. 
lieferung Ed. Meyer Untersuch. zur Geseh. der Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Sail. lug. 27, 4. 
Gracchen (Halle 1894) 7. 26f. Ed. Schwartz Got- Val. Max. VII 5, 2. Oros. V 15, 1. Eutrop. IV 
ting. gel. Anzeigen 1896,794. Verschiedene Zeugen 26,1. Obseq. 39. Cassiod. ; iiber das Iustitium 
bezeichnen Nasica schon zur Zeit der Ennordung Cic. Plane. 33. Schol. Bob. z. d. St. p. 259 Or., 
des Gracchus als Oberpontifex (Cic. Catil. 13; vgl. Mommsen St.-R. I 263, 3. Ill 1156, 1). 
Tusc. IV 51 ; vgl. nat. deor. HI 5. Val. Max. I Noch wahrend seines Consulates starb Nasica 
4, 2. Appian. bell. civ. I 16), Plutarch (Tib. und wurde feierlich bestattet, wofiir die Kosten 
Gracch. 21, 2) erst bei seiner Abreise aus ltalien, durch freiwillige Beitriige aufgebracht wurden 
und Velleius II 3, 1 schiebt in seine Erzahlung (Cic. Brut, 128. Plin. n. h. XXI 10. Diod. XXXIV 
von dem Auftreten Nasicas gegen Gracchus den 60 33, 1. 8). Obwohl von seinem Leben nichts Riihm- 
Satz ein: oh eas virtutes primus omnium ab- liches bekannt ist, so wird ihm doch viel Lob 
sens pontifex maximus foetus est. Dieser Aus- gezollt, Cicero riilrmt seine Liebenswiirdigkeit 
druek darf nicht allzu wortlich genommen und und Leutseligkeit , die ganz das Gegenteil von 
die Wahl Nasicas zum Oberpontifex trotzdem vor dem Wesen seines Vaters gewesen sei (off. I 109), 
seine Gesandtschaftsreise , moglicherweise sogar seine Rednergabe, von der er nur wenig Gebrauch 
vor die Katastrophe des Gracchus noch ins J. 621 gemacht habe, und namentlich seinen Witz mid 
= 133 gesetzt werden ; auch die Bemerkung des Humor (Brut. 128). Plinius nennt ihn, iiberein- 
Livius ep. LV fiber seinen niichsten Nachfolger: stirnmend mit der crsten Angabe Ciceros, hocli- 



beliebt bei dem niederen Volke und wflrdig seiner iiberging und mit vollem Namcn Cornelius Sci- 

grossen Ahnen, ebenso hebt Diodor XXXIV 33, pio Pomponianus Salvitto geheissen hatte. Von 

1. 8 hervor, dass er sich dieser stets wert gezeigt wem er adoptiert wurde und wie sein Praenomen 

und durch seine TJnbestechlichkeit, seine politische lautete, bleibt freilich unbekannt (vgl. Momm- 

Tuchtigkeit und sein wahrhaft philosophisches sen CIL I p. 13, 17). Der Beiname Pomponia- 

Leben Ruhm erworben habe. Wenn auch in die- nus kOnnte dazu fiihren, an einen mit T. Pom- 

sem Nachrufe Gedanken des Poseidonios nach- ponius Atticus befreundeten Scipio zu denken, 

weisbar sind (vgl. Busolt Jahrb. f. Philol. CXLI vgl. Nep. Att. 18, 4: M. Bruti rogatu Iuniam 

331. 348), so klingen die Urteile der Schrift- familiam a stirpe ad liano aetatem ordinc enu- 
stelier doch auch etwas an die poetischen Grab- 10 meravit, notans, guis a quo ortus quos honores 

sohriften alterer Scipionen an. Charakteristisch quibusque temporibus cepisset : pari modo Mar- 

ist auch fur Nasica die von Cic. Plane. 33 er- eelli Claudii Mareellorum, Seipionis Cornelii 

zahlte Anekdote (s. o.), dagegen scheint die ebd. et Fabii Maximi Fabiorum et Aemiliorum. In- 

51 berichtete Thatsache ehcr in die Geschichte des alle derarfcigen Vermutungen bleiben not- 

seines Vaters zu gehiiren, obwohl nicht dieser, wendig unsicher, und es scheint nicht moglich, 

sondern er als Zeitgenosse des C. Marius anzu- die Verbindung der Scipionen im Anfang der 

sehen ist. [Miinzer.] Kaiserzeit mit den alteren herzustellen. 

356) P. (Cornelius) Scipio Orestinus, auf einem [Miinzer.] 
Grenzstein in Telesia genannt (CIL IX 2219, auf 358ff.) Cornelii Scipiones SaMdieni Orflti. 
der einen Flache des Steines nur P. Scipio), wo 20 Die Namen dieser Familie sind entweder so zu 
er demnach Besitzungen hatte. "Wie es scheint, erklaren, dass ein Salvidienus Orfitus zu Anfang 
war er der Vater oder Bruder der Cornelia Ore- der Kaiserzeit von einem Cornelius Scipio adop- 
stina (Nr. 443); von wem er selbst stammte, tiert wurde, oder dadurch, dass ein Scipio indie 
wissen wir nicht. [Groag.] Familie der Salvidieni eintrat. Vieileicht war 

357) Cornelius Scipio Pomponianus Salvitto. Orfitus clarissimus civis, den Plinius (n. h. VII 
Die Hauptlinie der Scipionen scheint in der letz- 39) als dritten Gemahl der Vistilia nennt, der 
ten Zeit der Republik erloschen zu sein , doch erste, der diese Namen fuhrte (vgl. Nr. 359) ; sie 
miissen einige Nachkommen noch existiert haben, blieben dann wohl alien Mitgliedern der Familie 
deren genealogischer Zusammenhang aber nicht gemeinsam. Die Scipiones Orflti, die zur hOch- 
nach weisbar ist. Im J. 738 = 16 begegnet ein 30 sten Aristokratie Roms gehflrten (vgl. Tac. hist. 
Consul P. Cornelius P. f. P. n. Seipio, fur dessen IV 42 Begulum snbversa, . . . Orfiti domus in 
Vater gewChnlich Cornelius Consul suffectus 716 summum odium extulerat. Philostr. v.^ Apoll. 
= 38 gehalten wird, der demnach P. Cornelius VII 14, 136 zovg (.myioxovs xwv xaxa rr/r 'Pw/ir/v 
P. f. Scipio geheissen haben mtisste (KlebsPro- otxcov) und durch Verschwagerung mit den Pi- 
sopogr. imp. Rom. 1 462f., s. Nr. 332f.). Fiir diesen sonen (s. o. Bd. Ill S. 1401f.) und anderen Fa- 
Suffectconsul mOchte Willcms (Le senat de la milien (s. u. zu Nr. 362 und zuVettius Scipio 
rep. rom. I 611, 9, vgl. P. Ribbeck Sena- Orfitus) in Verbindung traten, sind bis zum Ende 
tores Romani qui fuerint Id. Mart. a. u. c. 710, des 3. Jhdts. nachweisbar (vgl. Nr. 358). Ubcr 
Berl. Diss. 1899, 20) den Cornelius Scipio Sal- dieses Haus haben gehaiidelt Borghesi Oeuvr. 
vitto halten, der ein Jahrzehnt vorher eine ge-40III 58ff. de Vit Onomast. II 453. Klebs Pro- 
wisse Rolle gespielt hat, doch ist die Identifi- sopogr. I 463f. 

cation rein willkurlich. Diesen Scipio Salvitto, 358) L. Cornelius Seipio (Salvidienus) Or- 

einen ganz verachteten und unbekannten SprOss- fitus (CIL VI 402 nur Scipio Orfitus), r(ir) c<la- 

ling der Scipionenfamilie, nach Plut. Caes. 52, 2 rissimus), augur, weihte im J. 295 n. Chr. drei 

aus dem Hause der Africani, zog Caesar im J. 707 Altare (CIL VI 402. 505 [Abbild. Roschcr Lex. 

= 47 bei seinem Ubergange nach Africa aus dem d. Myth. H 1671]. 506, vgl. Add. 30755. 30781. 

Dunkel hervor, um das Gerede, das sich Metel- 30782; nur VI 505 ist datiert, vom 26. Februar 

lus Scipio zu nutze machte , es konne in Africa 295) ; der Stiftung von zweien derselben war ein 

kein Scipio besiegt werden, lacherlich zu machen von C. dargebrachtes Taurobolium vorangegangen. 

(Suet. Caes. 59. Plut. a. O. Dio XLn 58, 1). Der 50 Nach den Fundorten der Altare schloss Httlsen 

Beiname Salvitto wird allgemein als Spottname (zu CIL VI 30782), dass sich dieselben in Garten 

angesehen und ist nach Plin. n. h. Vn 54 seinem des C. an der Via Appia (bei S. Sebastiano) be- 

Trager wegen der Ahnlichkeit mit einem Schau- funden batten. 

spieler des Namens beigelegt worden. Plinins 359) Ser. Cornelius (Scipio) Salvidienus Or- 

n. h. XXXV 8 giebt ferner an, dass der alte M. fitus. a) Name. Servius Cornelius {Orfitus) 

Valerius Messalla Rufus, der bis in die Zeit des Tac. ann. XII 41 (vgl. Nipperdey-Andrcsen 

Augustus hinein gelebt haben kann (vgl. T e u f f e 1- z. St.) ; Ser. Cornelius Orfitus CIL VI 353. 1984 ; 

Schwabe I 3921 § 199, 2), zu seiner Schrift Ser. Cornelius Orphitus CIL 12 p. 247 = X 

de familiis veranlasst worden sei, cum Scipio- 6638 Fasti Antiates; Ser. Cornel CIL II 

nis Pomponiani tramisset atrium vidissetque 60 4095; Cornelius Orfitus Plin. n. h. II 99. Tac. 

• adoptione testamentaria Salvittonis — hoe enim ann. XVI 12; Salvidienus Orfitus Suet. Nero 3/ ; 

fuerat cognomen Africanorum dedecori — inre- Orfitus Tac. hist. IV 42; in den Fasten Orfitus 

pentes Scipionum nomini. Man wird schwer- oder Orphitus. b) Leben. Vieileicht Sohn des 

lich den Scipio Pomponianus von dem Scipio Sal- Orfitus und der Vistilia (vgl. Plin. n. h. VII 39; 

vitto als dessen Adoptivvater zu sondern haben, der [dritte] Gemahl der Vistilia selbst kann cr 

sondem der letztere selbst ist es wahrscheinlich, nicht gewesen .sein, da der Sohn derselben aus 

der aus der Gens Pomponia durch testamenta- vierter Ehe, P. Suillius Rufns, lange vor C. deii 

rische Adoption in die Familie der Scipionen Consulat bekleidete). Consul ordinanus des J. 51 

Pauly-Wissowa IV 



1507 



Cornelius 



Cornelius 



1508 



n. Chr. mit Kaiser Claudius cos. V (die Nach- 
weise s. zum Namen); C. blieb vielleicht bis zum 
1. Juli ira Amte (s.o. Bd. Ill S. 2810). Im 
J. 65 beantragte er im Senate die Umnennung 
der Monate Mai und Juli in Claudius und Qcr- 
manicus zu Ehren Neios (Tac. ann. XVI 12). 
Anscheinend im darauf folgenden Jahre (da Dio 
davon im LXII. Buche schrieb, in dem erhaltenen 
Teile von Tacitus Annalen aber dariiber noch nicht 
berichtet wird) fiihrte eine Anklage des M. Aquilius 
Regulus, die wahrscheinlieh auf Majestatsver- 
letzung lautete, den Untergang des C. herbei, in 
welchen auch seine Pamilie verwickelt wurde (Tac. 
hist. IV 42. Suet. Nero 37. Dio LXII 27, 1 ohne 
Nennung des Namens). Nach Sueton und Dio 
wurde dem C. zur Last gelegt, dass er von seinem 
Hause in der Nahe des Forums drei Tabernen an 
Gemeinden vermietet habe, was vom Anklager 
wohl unter anderem vorgebracht worden sein mag; 
dass er, wie Schiller Nero 374 vermutet, an 
der VerschwOrung des (Annius) Vinicianus be- 
teiligt war, ist kaum anzunehmen. Sein Sohn 
wird der Folgende gewesen sein. Ein Freige- 
lassener, vielleicht unseres Orfitus, S[e]r. Cor- 
nelius Orfiti lib. Bestitutus wird CIL IX 6116 
(Brundisium) genannt. Ob auch Crescentianfus) 
actor Orfiti c(larissimi) p(ueri) , CIL VI 3714 
== 31007, der Sclave eines dieser Orfiti war, ist 
ungewiss. 

3(H)) (Ser. Cornelius Scipio) Salvidienus Or- 
fitus (diese beiden Namen Suet. Dom. 10; bei 
Philostrat. nur "Og<ptxog), wohl Sohn des Voraus- 
gehenden, Als Consular (Suet. a. a. O. ; er war 
Consul suffectus in unbekaimtem Jahre gewesen) 
wurde er, wahrscheinlieh im J. 93, mit Cocceius 
Nerva und (Mettius?) Rufus der VerschwOrung 
gegen Domitian beschuldigt, auf eine Insel ver- 
bannt und nachher getotet (Suet. a. a. O. Phi- 
lostrat. v. Apoll. VII 8ff., 132. 33, 146. VIII 7, 
160; die Zeitbestimrnung nach Stein o. S. 135). 
Er gehorte zu den Verehrern des Apollonios von 
Tyana ; als verstiindiger Mann, dem cs jedoch an 
Energie fehlte, wird er in angeblichen Reden des- 
selben bezeichnet (Philostrat. VII 33, 146. VIII 

7, 160). 

361) Ser. (Cornelias) Scipio Salvidienus Or- 
fitus, wahrscheinlieh Sohn des Vorhergehenden 
und Vater des Folgenden, Consul ordinarius im 
J. 110 mit M. Peducaeus Priscinus (Ser. Scipio 
Salvidienus Orfitus CIL IU p. 868 dipl. XXV 
vom 17. Februar ; Ser. Salvidienus Orfitus CIL VI 
10243, vgl. Klein Fasti cons. z. J.). Als Piac- 
fectus urbi erbat und erhielt er von Kaiser Pius 
die Enthebung von diesem Amte (Hist. Aug. Pius 

8, 6, wo er nur Orfitus genannt wird) Vermut- 
lich war er im J. 138 von Hadrian zum Nach- 
folger des Catilius Severus (s. o. Bd. Ill S. 1788) 
in der Stadtpraefectur ernannt worden und wurde 
wieder abgelSst von Sex. Erucius Claras, der im 
J. 146 bereits diese Stellung inne hatte (vgl. Bor- 
ghesi Oeuvr. IX 292f.). Der Hitarbeiter des 
Salvius Iulianus (vgl. Nr. 362) kann er nicht ge- 
wesen sein wegen des Unterschiedes an Rang und 
Alter, der zwisehen beiden bestand. 

362) Ser. Cornelius Scipio Salvidienus Orfitus, 
anscheinend Sohn des Vorhergehenden. Sein Name 
ist in den Datierungen nach seinem Consulat in 
folgenden Formen (iberliefert: A. Segyiog 2xu- 



srWOeyiros IGIns. Ill 325 = Atherj. Mitt, XXI 
256 (SsQyioe irrig statt Zsqovios ; fur Afovxios) 
spricnt vielleicht der Name des L. Scipio Orfitus 
Nr. 358 ; denkbar ware etwa, dass Cs vollstandige 
Nomenclatur Ser. Cornelius Scipio L. Salvidienus 
Orfitus gelautet habe) ; Sal§t8t]v6s Sxiitimv "Oq- 
9?irosBorghe si Oeuvr. VIII 276 = EranosVindob. 
1893, 84 j Ser. Scipio Orfitus CIL VI 327; 
. . . 2xEima>v "0@[q>iTos] Le Bas-Waddington 

10 2307 ; Scipio Orphitus CIL VI 644 (die Schrei- 
bung Orphitus schon X 6638); Scipio (in den 
Hss. yerderbt) Orfitus Lib. col. 244. 253; Or- 
fitus in den Fasten. Auf Grand einer Stelle in 
der hxkoyri vopmv vom J. 920 (Zachariae Ius 
Graeco-Romanum II 280), 'Adgiavo; 6 fiaodevg 
iaiTQSJisi 'Iovliavrp T<j5 ro/iinip (isxa. Segfilov Kog- 
veXiov av7.1s^aa&ai imjj.eX&g xai xaxa rd^tv imo- 
xixitooat xa voutxd, ausserte C uq (Consilium princ, 
Mem. pre's. par div. sav. a l'acad. d. inscr. et 

20 b. lettr. IX 1884, 330f.) die ansprechende Ver- 
mutung, dass unser Orfitus der Mitredacteur des 
Edictum perpetuum gewesen sei (abweichend 
Kriiger Quellen und Litt. d. r. Rechts 86, 8). 
Salvius Iulianus redigierte das Edict anscheinend 
als quaestor Augusti (vgl. in seinem jiingst be- 
kannt gewordenen Cursus honorum [Rev. arch. 
XXXV 1899, 489]; quaestori imp. Hadriani, 
cui divos Hadrianus soli solarium quaesturae 
duplieavit propter insignem doetrinam); vicl- 

301eicht hat C. in der gleichen Stellung an dem 
Werke mitgearbeitet. C. war Consul ordinarius 
des J. 149 mit Q. Nonius Sosius Priscus. Im 
J. 162/3 oder 163/4 verwaltete er Africa als 
Proconsul (Ser. Cofrneliujs Orfitus proeos. CIL 
VIII 24, vgl. 10999, Inschrift des von C. dedi- 
cierten, von C. Calpurnius Celsus errichteten 
Triumphbogens von Tripoli [Oea] ; die Zeit er- 
giebt sich aus den Namen der Kaiser Marcus und 
Verus, vgl. Pallu de Lessert Fast. d. prov. Afr. 

40 1 208f.). Wahrend seines Proconsulates hielt Apu- 
leius eine Rede an ihn, die zum Teil erhalten 
ist (Florida III 17 [Scipio Orfite]). In der- 
selben wird auch ein Gedicht erwahnt, das Apu- 
leius zu Ehren des C. verfasste. Auf ihn und 
seine Kinder bezieht sich wahrscheinlieh die (fiber- 

licferte) Inschrift : Ser. Cor. Scip. Orfi[t]i 

cos. [fijliae Ni (wohl verlesen) . . . Orfiti cos. 
(178 n. Chr.) sorori L. Lueilitts Pansa Pri- 
scilianus [uxoril] sanetissim[a]e fecit (CIL LX 

50 663 Ausculum ; Priscilianus war wohl der Vater 
des im J. 223 erwahnten Senators L. Lucilius 
Priscilianus IX 338, 20). Mommsens Vermutung, 
dass diese Inschrift mit der an demselben Orte ge- 
fundenen der Corn. L. f. Marullina c. f. (IX 
662) zu verbinden sei, durfte kaum zutreffen (vgl. 
Klebs Prosopogr. I 471 nr. 1219). Doch wird 
Marullina mit den Orfiti verwandt gewesen sein; 
vielleicht war sie die Tochter einer Cornelia aus 
diesem Hause und eines L. Eggius Marullus. 

60 Demselben Verwandtschaftskreise werden L. Cos- 
sonius Eggius Manillas cos. 184 und C. Passlenus 
Cossonius Scipio Orfitus (CIL X 21 lj angehoren. 
Eine Tochter des C. heiratete vielleicht in die 
Familie der Pisonen (s. o. Bd. Ill S. 1401f., vgl. 
1407 Nr. 133). Zu seinen oder eines anderen 
Scipio Orfitus Freigelassenen gehorte Salvidena 
Ser. I. Corinthia (CIL XIV 2369 ager Albanus). 
363) Ser. (Cornelius) Scipio (Salvidienus) Or- 



1509 



Cornelius 



Cornelius 



1510 



iitus, Sohn des Vorhergehenden (vgl. CIL IX 663), 
Consul ordinarius im J. 178 mit D. Velius Rufus 
(CIL III Suppl. p. 1993 dipl. LXXVI vom 23. Marz 
[Ser. Seipio Orfitus] ; dass der Consul des J. 178, 
der sonst nur Orfitus genannt wird, der Gens 
Cornelia, der cos. 172 [gleichfalls Orfitus] der 
Gens Calpurnia angehort haben durfte, hat Klebs 
gezeigt, Prosopogr. I 289 nr. 262, vgl. o. Bd. Ill 
S. 1402). C. gab dem SC. Orfitianum iiber das 
Erbrecht zwisehen Mutter und Kindern seinen 
Namen (vgl. Haenel Corpus legum 130. Bruns 
Fontes6 nr. 61). Ob er der Orfitus ist, den 
Kaiser Marcus trotz Ehebruchs mit der Kaiserin 
Faustina zu Ehrenstellen beforderte (Hist. Aug. 
Marc. 29, 1), erscheint ungewiss. 

364) (Ser.) Cornelius Scipio (Salvidienus) Orfitus, 
anscheinend Sohn des Vorhergehenden, im J. 189 
in das Collegium der Salii Palatini aufgenommen 
(CIL VI 1980). Kurz nach 190 wurde wieder ein 
anderer an seiner Statt cooptiert (CIL VI 1981 
[in] locum Corneli Seipio [nis] . . . ; zur Zeit- 
bestimrnung vgl. o. Bd. Ill S. 1260). [Groag.] 

365) Cornelius Senecio, rOmischerRitter.Freund 
des Philosophen Seneca. Aus bescheidenen An- 
fangen hatte er sich zu angesehener Stellung und 
grossem Reichtum emporgeseliwungen , da er es 
bei iiberaus massiger Lebensweise wie kaum ein 
zweiter verstand, Geld zu erwerben, aber auch zu 
behaupten und zu mehren. Aufopfernde Freundes- 
liebe zierte diesen Mann, der eines plotzlichen 
Todes starb, Sen. epist. XVII 1, 1—4. 

[Stein.] 

366) Q. Cornelius Qalferiq) Senecio Annianus, 
qu[a]estor urbanus, tribun[us] plebis, pr[a]etor, 
curator viae Latinae, legatus legionis VII Ge- 
minae Felifcjis (in Hispania Tarraconensis), cu- 
rator viae Appiae, proeofn)s(ul) Ponti et Bi- 
t[h]yniae (vor Kaiser Marcus, s. o. Bd. Ill S. 529f.), 
cos. (suffectus in unbekaimtem Jahre), sacerdos 
Ilerculis (sc. Oaditani), CIL II 1929 Carteia 
(vgl. Hiibners Anm.; die Aniter sind in uinge- 
kelirter Reihenfolge angegeben). C. stammte wahr- 
scheinlieh aus der Baetica ; er war vielleicht Nach- 
konune des Cornelius Senecio (Nr 365) und Ver- 
wandter des Q. Cornelius Senecio Proculus (Nr, 294). 

367) Q. Cornelius Senecio Proculus, prae- 
toricius legatus provinciae Asiae, dem seine 
Schwestern Gorne/iae Procula et Placida die 
Grabschrift setzten (CIL VI 1388 = Dessau 
1090), vgl. Nr. 294. Vielleicht ist er mit Q. Cor- 
nelius Nr. 53 zu identificieren. [Groag.] 

368) Cornelius Sencx, im Testament des Da- 
sumius (108 d. Chr.) mit einem Legat bedacht 
(CIL VI 10229, 28). Derselbe Name CIL XII 
4319 (Narbo). [Groag.] 

369) Cornelius Severus, epischerDichter, Freund 
des Ovid, der an ihn ex Ponto IV 2 richtet (aber 
schwerlich 18, da IV 2 nach Ovids eigener Aus- 
sage v. 3ff. sein erster poetischer Brief an diesen 
Severus ist). Seine dichterischen Fahigkeiten 
wurden hoch geschatzt; Ovid rQhmt seine reich 
quellende poetische Ader (v. 12 uberius nulli 
provenit ista seges), und Quintilian inst. X 1, 89 
meint zwar. er sei versificator quam poeta me- 
lior, stimmt aber dem tjrteil bei, dass Severus 
den zweiten Platz unter den romischen Epikern 
beanspruchen durfte, si ad exemplar primi libri 
bellum Siculum (wohl gegen Sex. Pompeius 38 



— 36) perscripsisset , d. h. entweder wenn seine 
Schilderung dieses Krieges iiber das erste Buch 
hinausgekommen ware oder wenn sie sich auf der 
Hohe des ersten Buchs gehalten hatte. Ausser- 
dem wird von ihm citiert rerum Romanarum 
liber I (Hexameterbruchstuck bei Val. Prob. GL 
IV 208, 16) und bei Ovid ein carmen regale er- 
wahnt (dedit Latio carmen regale ex Ponto IV 16, 
9, vgl. vates magnorum maxime regum ebd. IV 2, 

10 1). Wie weit diese drei Werke mit einander zu iden- 
tificieren sind, bleibt zweifelhaft. Daraus, dass 
Ovid nur das carmen regale nennt, kann schwer- 
lich gefolgert werden, dass das bellum Siculum 
ein Teil davon war (Teuffel-Schwabe Litt.- 
Gesch. 5 § 252, 5) ; es widersetzen sich dieser An- 
nahme beide Auffassungen der Quintilianstelle 
gleichmassig. Auch kann man an einer Stelle 
wie ex Pont. I 8, 21 sehon, wie fern es Ovid ge- 
legen hat, bei rex an die rBmischen Grossen seiner 

20 Zeit und gar an Octavian zu denken (vgl. auch 
G. Wartenberg Quaestiones Ovidianae, Diss. 
Berlin 1884, lOOff.). Zwei Gedichte des Severus 
wird man also wenigstens zu unterscheiden haben. 
Ausser einer Anzahl kleinerer Bruchstticke in He- 
xametern (FPR 352ff.: frg. 2 freie Wiedergabe 
von Hesiod, J. a\ iy. 289, frg. 10 ein anov8siat,a>r, 
frg. 11 Schilderung eines Biwaks am Vorabend der 
Schlacht) ist durch den Rhetor Seneca (suas. 6, 26) 
eine Reihe von 25 Hexametern erhalten, Betrach- 

30tungen beim Anblick des auf den rostra aufge- 
steckten Hauptes Ciceros. Seneca leitet sie mit 
den Worten ein : nemo tamen ex tot disertissimis 
viris melius Ciceronis mortem deploravit quam 
Severus Cornelius ; fur unser Gefiihl sind sie nur 
eine schlagende Bestatigung von Quintilians Ur- 
teil versificator quam poeta melior. Ob sie 
einem der genannten Epen angehort haben, ist 
ganz ungewiss und iiberhaupt iiber den Stand- 
ort der Bruchstticke keine einigermassen sichere 

40 Vermutung gestattet. Nur darf man wohl an- 
nehmen, dass die Beschreibung des Aetna, die 
Seneca ep. 79, 5 erwahnt, im bellum Siculum 
gestanden haben wird (vgl. Appian. bell. civ. V 
117. Haupt Opusc. I 332). Jedenf alls lie gt 
schon nach der Art der Erwahnung bei Seneca 
keinerlei Berechtigung vor, diese Beschreibung 
mit dem uns erhaltenen Gedichte Aetna zu iden- 
tificieren, wie in der Renaissance und wieder von 
Scaliger geschah (s. Wernsdorf PLM IV 7ff.). 

50 Trifft jene Vermutung Haupts das Richtige, so 
gewinnt man einen Terminus post quem fur das 
Epos fiber das Bellum Siculum; der Aetnabe- 
schreibung des Severus ist die im 15. Buch der 
ovidischen Metainorphosen (v. 340ff.) nach dem 
deutlichen Zeugnis Senecas vorausgegangen. Vgl. 
im allgemeinen O. Haube De carmin. epicis sae- 
culi Augusti, Diss. Breslau 1870, lOff. (rnehr- 
fach irrig). [Skutsch.] 

370) M\ Acilius Glabrio Cn. Cornelius Severus 
60 s. o. Bd. I S. 258 Nr. 42. 

371) (Cornelius) Sisenna. Da das Cognomen 
Sisenna sich in republicanischer Zeit nur bei den 
Corneliern zu finden scheint, so ist es vielleicht 
moglich, dass der nur Sisenna genannte Sohn 
des A. Gabinius Consuls 696 = 58 nicht dessen 
leiblicher Sohn, -sondern etwa ein Stiefsohn war 
und zu den Cornelii gehorte. Sein wirklicher 
Vater konnte in diesem Falle Nr. 374 gewesen 



1511 



Cornelius 



Cornelius 



1512 



1513 



Cornelius 



Cornelius 



15U 



sein. Im J. 698 = 56 war er mit seinem Vater 
in Syrien ; nach Dio XXXIX 56, 5 liess Gabinius, 
wahrend er selbst gegen Aristobulos II. von Iudaea 
ins Feld zog, in seiner Provinz Sioevvav re zov 
vlov xo/Aidfj viov ovza xai azgazicozag fisz 1 avzov 
jiaw dliyovg, nach Joseph, ant. Iud. XIV 92 
schickte er vielmehr gegen Aristobulos ozQazicbzas 
xal fiyefiovag Siatvvav re xal 'Avzwvior xai 2s- 
Qovihov. Im J. 700 = 54 warf Sisenna sich bei dem 
ersten Processe des Gabinius dem Anklager C. 
Memmius zu Fiissen ; der Ubermut, mit welchem 
dieser, seines Sieges gewiss, ihn behandelte, em- 
porte die Eichter und trug dazu bei, dass sie den 
schwerbelasteten Angeklagten freisprachen (Val. 
Max. VIII 1 abs. 3 : fUius Gabinii Sisenna). 

[Miinzer.] 

372) Cornelius Sisenna musste sich im J. 741 
= 13 v. Chr. wegen Zuchtlosigkeit seiner Gemablin 
im Senate verantworten und verletzte Augustus 
durch die Erklarung, dass er diese auf den Eat 
desselben geheiratet habe (Dio LIV 27, 4 in den 
Hss. KoQvrjlCov Swsvziov). Er dilrfte der Sisenna 
sein, der mit Apronius, Messalla und Galus Hlvir 
afere) a(rgento) afuro) f(ld,ndo) f(eriundo) unter 
Augustus war (Babelon I 432f. 210f. II 98f. 
522f. Bahrfeldt Numism. Ztschr. Wien XXIX 
1897, 95) und zwar nicht vor dem J. 742 = 12, 
da Augustus auf der Munze eines dieser Miinz- 
meister, des Volusus Valerius Messalla, bercits 
pontifex maximus genannt wird (Babelon II 
522 nr. 24, vgl. Mom m sen R. Miinzw. 744, 15). 
Klebs Prosopogr. I 4651 halt es fur unwahr- 
scheinlich, dass der Miinzmeister mit dem bei 
Dio genannten Sisenna, der bereits im J. 741 
Senator war s identisch sei. Aber mit Recht weist 
Klein Verw.-Beamt. v. Sie. und Sard. 97f. darauf 
hin, dass sich gerade in dieser Zeit ein Mangel 
an Bewerbern fur den Vigintivirat bemerkbar 
inachte (vgl. Dio LIV 26) und die Bekleidung 
desselben unmittelbar nach der Quaestur auch 
sonst vorkam (CIL IX 2845). Eine Person mit 
dem Senator (Quaestorier?) des J. 741 und dem 
Munzmeistcr, etwa des folgenden Jahres, ist wahr- 
scheinlich auch Sisenna prfo) coftijsful), der auf 
Miinzen wohl sicilischer Herkunft (mit Bild und 
Namen des Augustus auf dem Avers) genannt 
wird (Borghcsi Oeuvr. II 324. Numism. Chro- 
nicle XIV 1852, 123 vgl. XVII 1855, 218. Berliner 
Museum [nach Klebs]). War derselbe, wie wohl 
anzunehmcn ist, der Patron des L. Cornelius 
Siseunae libert. Hilarus (CIL VI 1900), so fiihrte 
er das Praenomen lAieius. Er wird der Enkel 
des Geschichtschreibers Sisenna (Nr. 374) und der 
Vatcr der Cornelia (Nr. 420) gewcsen sein. Mit 
dem bei Hor. sat. I 7, 8 genannten Sisenna hat 
er nichts zu thun. [Groag.] 

373) Cn. Cornelius Sisenna. Auf Miinzen aus 
dem ersten Drittel des 7. Jhdts. d. St. begegnet 
als Miinzmeister Cn. CornclftusJ L. f. Sisenu 
(Mommsen Mfinzwesen 540 nr. 137), und in einem 
neuerdings in Delphi gefundenen Senatsbeschluss 
vom J. 642 = 112 wird auf eine Entscheidung 
Bezug genoinmen, die hit rvaiov KoqvtjMov Zi- 
aevva nzQartjyofv] i) dr&vnazov (IV 8f., vgl. . . . 
avflvxarcm Iraitai KoorrjUoji Siaiwax V 5) ge- 
fallt wurde (Colin Bull. hell. XXIII 1899, 20. 
49 = Dittenberger Syll.2 930). Dieser Sisenna 
war offenbar Statthalter von Makedonien, und zwar 



im ersten Jahre als Praetor und im folgenden mit 
prorogiertem Irnperium (vgl. Foucart Revue de 
philol. XXHI 1899, 261); Colin (a. O. 40) ver- 
mutet, dass seine Statthalterschaft zeitlich zu- 
sammenfallt mit dem gleichfalls in der Inschrift 
erwahnten Consulat eines P. Cornelius, und dass 
dieser P. Cornelius entweder P. Scipio Nasica 
Consul 616 — 138 oder P. Scipio Aemilianus 
Consul II 620 — 134 ist. Da kein anderer Cn. 

10 Sisenna bekannt ist, wird die Identitat des Miinz- 
meisters mit dem Praetor festzuhalten und die 
Miinze ziemlich in den Anfang des 7. Jhdts. zu 
setzen sein. [Mtinzer.] 

374) L. Cornelius Sisenna, einer der namhaf- 
testen rbmischen Historiker der alteren Zeit. Nach 
urkundlichem Zeugnisse (SC. de Asclepiade CIL I 
203; vgl. Asconius p. 66 Scholl) war er 78 v. Chr. 
Praetor urbanus, ist also 118 v. Chr. oder etwas 
friiher gehoren (vgl. Cic. Brut. 228). Daraus 

20 geht hervor, dass ihn Velleius II 9, 3f., wenn er 
ihn zum Zeitgenossen des numantinischen Krieges 
macht, zu hoch hinaufriickt. Nach der Praetur 
scheint er Sicilien verwaltet zu haben (Cic. Verr. 
II 110). Im Seerauberkriege war er Legat des 
Pompeius.ihm wurde dieBewachungder griechisch- 
makedonischen Ktiste ubertragen, und als der Streit 
des Pompeius und Metellus tiber Kreta ausbrach, 
ging cr im Auftrage seines Imperators auf die 
Insel hiniiber und versuchte den Metellus zur 

30 Schonung der kretischen Stadte zu veranlassen. 
Hier erkrankte er und starb (67 v. Chr. Appian. 
Mithr. 95. Cass. Dio XXXVI 18f.(lf.) p.368f.Boiss.). 
Sisenna gehSrte also der vornehmsten Gesell- 
schaft Roms an, wie er auch sehr reich war. 
Seiner politischen Gesinnung nach war er An- 
hanger der Optimaten, insonderheit Verehrer Sul- 
las (Sallust. lug. 95, 2). Er zahlt zu den nam- 
haftesten Rednern seiner Zeit; u. a. verteidigte 
er den C. Hirtuleius (ehirtilius die Hss.) und C. 

40 Verres (Cic. Brut. 260; Verr. II 110. IV 33. 43). 
Er war witzig und sprach gutes Latein, aber den 
ersten Platz hat er nach Ciceros Urteil (Brut. 
228) doch nicht erreicht, da es ihm an Fleiss und 
auch an Uhung fehlte. Ohne Zweifel aber ist er 
fiir einen ROmer seines Standes vielseitig interes- 
siert und litterarisch , d. h. griechisch gebildet. 
Er war mit Atticus befreundet (Cic. de leg. I 7 ; 
Brut. 260); auch mit der griechischen Philosophie 
hat er sich beschaftigt und bekannte sich zu den 

50 Lehren Epikurs (frg. 5. 123). So wandte er sich 
auch der Schriftstellerei zu. Wie sein Meister 
Sulla hatte er eine Vorliebe fur leichtere Litteratur 
und iibersetzte die Milesiaka des Aristeides ins 
Lateinische , jene Sammlung leichter , zum Teil 
sehr schliipfriger Geschichten (Ovid, trist. II 443 ; 
vgl. Bd. II S. 886). Sein Hauptwerk aber war 
ein Geschichtswerk, historiae betitelt, Geschichte 
seiner Zeit, d. h. des marsisehen und sullanischen 
Burgerkrieges u. s. w., also der Ereignisse etwa 

60 von 91—79 v. Chr., vielleicht bis zum Tode Sullas. 
Es war ein umfangreiches Werk , von dem ein 
12., ja sogar, wenn nicht ein Fehler der t'ber- 
lieferung vorliegt, ein 23. Buch citiert wird. Die 
erhaltenen Bruchstucke sind leider diirftig und 
beschranken sich fast ganz auf die ersten vier 
Biicher; langere wOrtliche Stiicke sind nicht er- 
halten. Die- Anordnung war chronologisch ; schon 
das erste Buch begann mit den Anfangen des 



marsisehen Krieges (frg. 6). Die griechischen und 
asiatischen Ereignisse wurden im Zusanrmenhange 
besonders behandelt (frg. 127). Einige Stiicke 
(frg. 1 — 3) beziehen sich auf die rOmische Vor- 
geschichte. Moglich ist, dass Sisenna, ahnlich 
wie Sallust, zur Einleitung einen kurzen tiber- 
blick uber die fruhere Geschichte Roms gab; wahr- 
scheinlicher ist jedoch, dass diese Bruchstucke, die 
eingehendere Behandlung voraussetzen , aus ge- 



tum auseinander. Quintilian. inst. or. I 4, 25 ver- 
zeichnet origines nominum quae ex habitu cor- 
poris Rufos Longosque fecerunt; ubi erit aliud 
seeretim, Bullae, Burrhi, Galbae, Plauti, Pan- 
sae, Soauri taliaque, ebenso Plut. Coriol.ll, 5 
raw 8e owfiazixoiv ov ftovov SvXXag ovdk NlyQovg 
ov8s 'Povyovg akka xai Kaixovg xai KXa>8wvg 
ijicDvvfilag zi&svxai. Von dem Dictator Sulla 
meldet Plut. Sulla 2, 1, sein Gesicht sei durch 



legentlichen antiquarischen Escursen innerhalb 10 rote Flecken entstellt gewesen: x<>6g S xai zov- 
" T ' ' tt>_. _■ i j.v.-.u-j!--!.- yofia kfyovatv avt<5 ysvia§ai zfjg XQoag sjitdezov, 

xai rmv 'Ad-tjvtjoi yE(pVQtata>v exsaxoiyjs zig slg 
zovzo jiotrjaag • avxafiivov eoff 6 SvkXag alfpizm 
jtExaofihov. Obgleich es unrichtig ist, dass der 
Dictator dieses Cognomen empfangen hatte, da 
er es vielmehr ererbt hatte, stimmt doch die Ab- 
leitung von einer kOrperlichen Eigenschaft mit 
den anderen Stellen uberein. Ihr steht die zweite 
Etymologie gegeniiber, die Macrob. sat. I 17, 27 



des Werkes stammen. Der einmal iiberlieferte 
Titel ab urbe condita (frg. 3) beruht wohl auf 
einem Versehen. 

Die Darstellung war sehr ausfuhrlich und breit 
(Sail. lug. 92, 2. Fronto p. 114 N.). Sisennas 
Muster war Kleitarchos, der viel bewunderte Ale- 
sanderhistoriker (Cic. de leg. I 7) ; diesem ist er 
gewiss auch in der Zurichtung des Stoffes gefolgt. 
Er hat dafiir gesorgt, nach diesem beriihmten 



Beispiel, seiner Geschichte die den Lesern so er- 20 in einer sonst wesentlich mit Liv. XXV 12, 3ff. 



wiinschte Mannigfaltigkeit des Inhalts zu geben 
durch Reden (frg. 10. 109—115), ausfuhrliche 
Schilderungen von Schlachten und Belagerungen 
(frg. 33. 40. 70. 107), durch Traume und Vor- 
zeichen (frg. 5), Excurse (frg. 99f.) und andere 
Einlagen. Das Eomantische und gelegentlich das 
Sehliipfrige war nicht ausgeschlossen (frg. 13; 
vgl. Ovid, trist. II 443. Fronto epist. p. 62 N.). 



ubereinstimmenden Erziihlung uber den Ursprung 
der Apollinarspiele giebt: hello enim Punico hi 
l/udi ex libris Sibyllinis primum sunt instituti 
xuadmte Cornelio Rufo decemviro, qui propterea 
Sibylla eognom-inatus est et postea eorrupto no- 
mine primus eoepit Sylla vocitari. Diese Ety- 
mologie ist sehon fruh in der Familie selbst an- 
genommen worden, da bereits P. Sulla, vielleicht 
der Sohn jenes ersten Sulla, den Kopf der Sibylle 



Die Sprache Sisennas ist nach Ausweis der Frag „ _ 

mente einfach und klar; Cieero tadelt seine Vor- 30 an einem Schiffsvorderteil auf scinen Miinzen dar- 

liebe fiir gekiinstelten und ungewOhnlichen Aus- stellte (Mommsen Munzwesen 518 nr. 68; Tr. 



gekiinstelten und ungewOhnlichen 
druck; wir finden ziemlich viele FremdwOrter. 
Das Werk ist, wenn man sich auf den Standpunkt 
jener Zeit stellt, ohne Zweifel eine bedeutende 
Leistung, und an Anerkennung hat es dem Autor 
nicht gefehlt. Cicero lobt ihn freilich nur be- 
dingt, gesteht ihm aber zu , dass er alle seine 
Vorgiinger iibertroffen habe. Varro hat einen 
seiner Logistorici nach ihm betitelt: Sisenna de 



Bl. II 269 nr. 67, vgl. Wiener numismat. Ztschr. 
XXVIII 93f.); aber das Alter be weist noch keines- 
wegs ihre Richtigkeit (Mommsen Rom. Forsch. 

1 44). Der Dictator Sulla selbst berichtete (frg. 

2 Peter aus Gell. I 12, 16): P. Cornelius cui 
primum cognomen Sullae impositum, est flamen 
Dicdis captus, und riickt den Ursprung des Na- 
mens jedenfalls hoher hinauf , denn der Flamen 



historia (A. Riese M. Ter. Van. sat. Men. rell. 40 Dialis kann nicht mit dem Praetor, der zuerst 



32. 256). Sallust endlich, der ihn lug. 95, 2 mit 
Achtung erwahnt, zugleich aber seine Parteilich- 
keit fiir Sulla tadelt, hat ihn in seinen Historien 
fortgesetzt. Dann ist er, wie alle alteren Prosai- 
ker, in Vergessenheit geraten, und ob Tacitus, 
der ihn erwahnt (dial. 23; hist, in 51), ihn selbst 
gelesen hat, ist zweifelhaft. In der archaisieren- 
den Zeit Hadrians und der Antonine kam er dann 
wieder zu Ansehen; bei Fronto, besonders aber 



die Apollinarspiele fiihrte, identisch sein, weil die 
Reihenfolge der Flamines in dessen Zeit aus Li- 
vius bekannt ist (Mommsen CIL I p. 19 zu 
nr. 33, vgl. Bardt Die Priester der vier grossen 
Collegien 38). Livius giebt dem Praetor von An- 
fang an den Beinamen Sulla und weiss nichts 
von dessen Erwerbung wahrend der Praetur (vgl. 
Nr. 383). Ein Freigelassener des Dictators Sulla, 
der Herausgeber seiner Memoiren (Suet, gramm. 



bei Gellius wird er ofters angefflhrt, und die Gram- 50 12) , hielt zwar die Ableitung des Namens von 



matiker haben ihn fur alteres Latein ausgebeutet. 
Ihnen verdanken wir die meisten Bruchstucke. 
Einem Sisenna werden schliesslich noch einige 
Erlauterungen zu Plautus beigelegt. Da jedoch 
dieser Sisenna allem Anscheine nach (Peter Rell. 
p. 298) den Vergil citierte, so kSnnen, wie Bergk 
(Philol. XXIX 328) ausgefuhrt hat, diese plauti- 
nischen Studien nicht dem Historiker zugeschrie- 
ln*n werden, sondern miissen einem gleichnamigen 
spateren Grammatiker gehoren. 

Litteratur: C. L. Roth L. Sisennae vita, Basel 
1834. H. Peter Hist. rom. rell. I p. CCCXXIIIf. 
277f. Teuffel-Schwabe Rom. Litt. § 156. 
Schanz Rom. Litt.-Gesch. I 160. [Niese.] 

375) P. Cornelius Sisenna, Praetor urbanus 
571 = 183 (Liv. XXXIX 45, 2. 5). 

376ff.) Cornelius Sulla. Uber den Ursprung 
des Beinamens gingen die Meinungen im Alter- 



der Sibylle aufrecht, konnte aber die einfachere 
nicht in Abrede stellen und kam bei dem Ver- 
suche, beide zu vereinigen, zu einer ganz thorich- 
ten Behauptung: Sibyllam Epicadus de cogno- 
minibus ait appellatum qui ex Sibullinis libris 
primo sacrum fecit, deinde Sijllam; qui quod 
flavo et compto eapillo fuit, similes Syllae sunt 
appellati (Charis. p. 110, 13 Keil). Vermutlich 
hat der Beiname in der That eine ahnliche Be- 
60deutung gehabt, wie Rufus, Rufinus , und ist 
vielleicht von dem Sohne des P. Rufinus Nr. 302 
angenommen worden ; die geflissentlich bevorzugte 
falsche Deutung vermochte sich nicht auf die 
Dauer zu behaupten (Drumann G. R. II 427f., 
wo Anm. 90 andere Erkliirungsversuche. Momm- 
sen Rom. Forschrl 44: ,Sullae, das ist Surulae'). 
Der Dictator war nach Veil. II 17, 2 sextus a 
Cornelio Bufino, qui bello Pyrrhi inter eeleber- 



1515 Cornelius 

rimos fuerat duces (vgl. Plut. Sulla 1, If'.); dem- 
nach lasst sich der Stammbaum mit einiger Wahr- 
scheinlichkeit herstellen : 

301) P. Cornelius Eufinus 
diet. 421 



Cornelius 



1516 



302) P. Cornelius Ruflrms 
cos. 464. 477 



382) 



P. Cornelius Sulla 
flamen Dialis 



383) P. Cornelius Sulla 

praetor 542 

i 



384) P. Cornelius Sulla 
praetor 568 



388) Ser. Cornelius Sulla 

praetor 580? 

Gesandtcr 587. 

379) L. Cornelius Sulla 

[Miinzer.] 

Die Nachkommenschaft des Dictators, die zur 
Erinnerang an diesen das Cognomen Felix oder 
das Praenomen Faustus fuhrte, erlosch mit dem 
Consul des J. 52 n. Chr. (Nr. 391); der andere 
Zweig der Sullae war wohl sehon friiher ausge- 
storben. Cornelii Sullae niedrigen Standes werden 
in folgenden Inschriften genannt: CIL III 11216 
(Carnuntum). V 3582 (Verona). VIII 3093 (Lam- 
baesis). [Groag.] 

376) Cornelius Sulla, musste im J. 17 n. Chr. 
wegen selbstverschuldeter Verarmung aus dem 
Senate austreten (Tac. ann. II 48). Vielleicht 
Sohn des L. Sulla cos. 5 v. Chr. (Nr. 380). [Groag.] 

377) Faustus Cornelius Sulla. Caecilia Me- 
tella, die vierte Gemahlin des Dictators L. Sulla 
(o. Bd. Ill S. 1234f. Nr. 134), gebar diesem Zwil- 
linge vor dem J. 668 = 86, denn Plut. Sull. 22, 2 
berichtet zu diesein Jahre: Mtxilla jiokts Sta- 
xkhpaoa eavitjv xai rove jiaidas, wahrend er ebd. 
34, 5 den Anschein orweckt, als oh die Geburt 
erst unter der Dictatur erfolgt sei, was sich mit 
der Amterlaufbahn des Sohnes nicht vereinigen 
liesse. Der Vater nannte die Kinder Faustus 
und Fausta entsprechend dem Beinamen Felix, 
den er selbst angenommen hatte; Faustus war 
ein altes Praenomen (auct. de praen. 4) und ist 
von dem Sohne nur als solches gefuhrt worden, 
nicht als Cognomen, wie nachlassigere Autoren 
angeben (vgl. Mommsen Rom. Forsch. I 34 
Anm. 50). Die einzige Inschrift, die wir von ihm 
besitzen , giebt ihm ausserdem den von dessen 
Schutzg&ttin Aphrodite abgeleiteten, im griechi- 
schen Sprachgebrauch officiellen Beinamen des 
Vaters (IGS III 143: ['()] Safioz 'ELclteov 4>av- 
oto[v KoQVtj?.tov | Amxiov] vlov Svkiav 'Exatpno- 
fiiTor a[viiia(dav xal | a]vrtOTQarrjyov xov haxov 
f.jv] Foyhar daoTfs]; vgl. iiber den Beinamen 
Mars' Neue Jahrbiicher fur Philol. Ill 1899, 543). 
Beim Todc seines Vaters 676 = 78 war Faustus 
noch ein Kind (Plut. Sulla 37, 4: reohazo; Appian. 
bell. civ. I 106) und kam unter die Vormund- 
schaft des L. Lucullus (Plut. Lucull. 4, 6). Eine 
Anekdote aus seiner Schulzeit ist mchr charak- 
teristisch fur C. Cassias als fur ihn (Val. Max. 
Ill 1, 3. Plut. Brut. 9, 1). Die Reaction gegen 
das sullanische Regiment fuhrte wiederholt zu 
der Forderung, dass Faustua iiber die Gelder, die 



sein Vater aus dem Staatsschatz fur sich ge- 
nommen hatte, Rechenschaft ablegen und sie er- 
setzen sollte (Ascon. Cornel, p. 65); namentlich 
einer gerichtlichen Anklage von seiten eines Tri- 
bunen entging er im J. 688 = 66 nur durch den 
Beistand des Gerichtshofes (Cic. Cluent. 94), und 
die Rogation des Servilius Rullus im J. 691 = 63 
bedrohte ihn aufs neue (Cic. de leg. agr. I 12, vgl. 
Mommsen Strafr. 765, 1). Gegen 690 = 64 war 

10 er Miinznieister und verherrlichte auf seinen Miinzen 
die Erfolge seines Vaters (Aufschrift; Faustus. 
Mommsen Munzwesen 623 nr.263). Im folgenden 
Jahre diente er als Kriegstribun unter Pompeius; 
bei der Erstiirmung des Tempels von Jerusalem war 
er mit den Seinen der erste auf der Mauer und er- 
hielt dafiir eine reiche Belohnung (Joseph, ant. XIV 
69; bell. I 149. 154). Dass er aber auch sonst 
Beute zu maehen rerstand, zeigt seine Aneignung 
des wertvollen Kopfschmucks des Mithridates (Plut. 

20 Pomp. 42, 2). Freilich hatte er Geld notig, weil 
er nach dem Testamente seines Vaters dem Volke 
noch Spiele zu geben hatte; er wandte sich schon 
691 = 63 an seine Freunde in Rom wegen der 
Anwerbung von Gladiatoren (Cic. Sulla 54f.) unci 
gab die Spiele mit grosser Pracht, Bewirtung des 
Volkes und Geschenken an die Burger im J. 694 
= 60 (Dio XXXVII 51, 4). Augur wurde er vor 
697 = 57 (Dio XXXIX 17, 2) und Quaestor 700 
= 54; als solcher bat er fur seinen Stiefbruder 

30 M. Aemilius Scaurus , der wegen Erpressungen 
angeklagt wurde (Ascon. Scaur, p. 18. 25; vgl. 
Bd. I S. 589), und schlug Miinzen zur Verherr- 
lichung des Pompeius (Mommsen Munzw. 628 
nr. 269), dessen Tochter er einige Jahre vorher 
geheiratet hatte (Suet. Caes. 27. Plut. Pomp. 
47, 4; Caes. 14, 3). Nach der Ermordung des 
Clodius im J. 702 = 52 stand er seinem Schwager 
Milo bei (Ascon. Milon. p. 30) und wurde mit 
dem Neubau der von seinem Vater erweiterten 

40 Curia Hostilia beauftragt, die kiinftig nach ihnen 
benannt werden sollte (Dio XL 50, 2f.; vgl. XLIV 
5, 2. Jordan Topogr. I 2, 253. 332). Faustus 
war arg verschuldet, einmal hatte er schon cinen 
grossen Teil seiner Habe, darunter auch die wert- 
volle von seinem Vater hinterlassene Bibliothek, 
versteigern miissen (Cic. ad Att. IV 10, 1. Plut. 
Cic. 27, 2; apophth. Cic. 13), und jetzt war ihm 
der Ausbruch des Biirgerkrieges willkommen, weil 
er davon Rettung aus seinen financiellen Noten 

50erhoffte (Cic. ad Att. IX 11, 4). Der Antrag des 
Pompeius, ihn nach Mauretanien zu schicken, 
wurde vereitelt (Caes. b. c. I 6, 3f.), doch leitete 
er die Aushebung einer Legion, vielleicht in Unter- 
italien (Cic. ad Att. VIII 3, 7. 12 A, 5), und er be- 
gleitete seinen Sehwiegervater auf den Ostlichen 
Kriegsschauplatz, wo er im Friihjahr 706 = 48 
an den Operationen in Makedonien teilnahm (Dio 
XLI 51, 3 abweichend von anderen Berichten; 
vgl. o. Bd. Ill S. 1227). Da er nur die Quae- 

60 stur bekleidet hatte, war er damals Proquaestor, 
wie Cic. ad Att. IX 1, 4 angiebt, aber eine in 
dieser Zeit in Elatea gesetzte Inschrift is. o.) 
nennt ihn ausserdem auch Propraetor. Aus der 
Niederlage von Pharsalos fliichtete er iiber Patrae 
nach Africa (Dio XLII 1 3, 3) und aus der Nieder- 
lage bei Thapsus im April 708 = 46 iiber Utica 
nach Mauretanien (b. Afr. 87, 8). Er gedachte 
mit L. Afranius (Bd. I S. 710ff. Nr. 0) weiter 



1517 



Cornelius 



Cornelius 



1518 



nach Spanien zu fliehen, aber sie Helen dem Cae- 
sarianer P. Sittius in die Hande und wurden nach 
wenigen Tagen von den Soldaten Caesars bei 
einem Tumult getotet (b. Afr. 95, 1—3). Nach 
Suet. Caes. 75 glaubte man, ihre Ermordung sei 
ohne Caesars Wissen geschehen, nach Livius (ep. 
CXIV. Flor. II 13, 90. Eutrop, VI 23, 2. Oros. 
VI 16, 5) und Auct. de vir. ill. 78, 9 erfolgte sie 
auf seinen Befehl, aber die Epitomatoren des 



des P. Cornelius Rufinus und der erste, der den 
Beinamen Sulla fuhrte, Flamen Dialis etwa um 
die Zeit des ersten punischen Krieges (Sulla frg. 2 
Peter bei Gell. I 12, 16, vgl. Mommsen CIL 
I p. 19 zu nr. 33; o. S. 1514). 

383) P. Cornelius Sulla hatte als Praetor 542 
= 212 die Rechtsprechung inter eives und die 
inter eives et peregrinos (Liv. XXV 2, 5. 3, 2) 
und fuhrte wahrend der Abwesenheit der Consuln 



Livius berichten zum teil auch, Pompeia, die Ge- 10 die laufenden Geschafte in Rom (ebd. 15, 4. 41, 8). 



mahlin des Faustus, und ihre beiden Kinder seicn 
hingerichtet worden (Flor. Oros.), wahrend der 
Verfasser des b. Afr. 95, 3, nach dem sie den 
Faustus begleiteten, und Appian. bell. civ. II 100, 
nach dem sie in Utica gefangen wurden, vielmehr 
angeben, sie seien ungekrankt entlassen worden. 
Das ganze Leben des Faustus zeigt deutlich, dass 
er ein unbedeutender Mensch und seinem Vater 
wenig ahnlich war. Einen Witz, den er iiber 



Scin Vorganger hatte ihm die Weissagungen des 
Sehers Marcius iiberliefert, und deren Priifung 
ergab in Ubereinstimmung mit den sibyllinischen 
Biichern, dass dem Apollon von dem Praetor ur- 
banus Votivspiele gefeiert werden sollten; dem- 
gemass wurden die Ludi Apollinares angeordnet 
und von P. Sulla zum erstenmale abgehalten (Liv. 
XXV 12, 3-15. XXVII 23, 5; vgl. Fest. p. 326). 
Nach Macrob. sat. I 17, 27 gehorte dieser auch 



seine Schwester machte, erzahlt Macrob. sat. II 20 selbst zu dem Decemviralcollegium, das die sibyl- 



2, 9, seine Beziehungen zu Cornelius Epicadus, 
dem Freigelassenen seines Vaters, erwahnt Suet. 
gramm. 12. [Miinzer.] 

378) Faustus Cornelius Sulla, anscheinend 
Sohn des Sulla Felix (Nr. 390), Consul suffectus 
im J. 31 n. Chr., vom 9. Mai bis 1. Juli mit 
Sex. Teidius Valerius Catullus , vom 1. Juli bis 
1. October mit L. Fulcinius Trio (Faustus Cor- 
nelius Sulla CIL X 1233 Fasti Nolani; Faustus 



linischen Bucher zu befragen hatte, und jeden- 
falls war er bei der ganzen Angelegenheit stark 
beteiligt , denn die offenbar gefalschten Weis- 
sagungen des Marcius und der Sibylle erweiter- 
ten den Competenzkreis des Stadtpraetors, indem 
sie ihm die Leitung der ludi Apollinares ttber- 
trugen (vgl. Mommsen St.-R. II 236); daher 
wurde dieses Ereignis auf den Miinzen seines 
Sohnes Nr. 384 verherrlicht und die Erklarung 



Co [r ] 'n [e] 'lius S[ull] a XIV 2466; [Faustus Cor] '-30 des Beinamens Sulla daran angekniipft, vgl. o, 
nclius [Sulla] VI 2298 Fasti Vail.; Faustus S. 1514, 



Sulla 12 p. 71 Fasti Arv.; Sulla Dig. XL VIII 
2, 12 pr.). Er wird der Vater der Fausta, deren 
Amine Cornelia Fausti I. Urbana in der In- 
schrift CIL VI 16470 genannt wird, und des 
Faustus Sulla Felix cos. 52 (Nr. 391) gewesen 
sein. Letzterer wird von Dio (bei Zonar. XI 9) 
als atel<p6g der (Valeria) Messalina bezeichnet; 
bedeutet dies hier (Halb-) Bruder, so ist anzu- 
nohmen, dass C. mit deren Mutter Domitia Le-40 
pida vermahlt war. [Groag.] 

379) L. Cornelius Sulla, nur als Vater des 
Dictators bekannt, der in den Fasti Cap. von 672 
und 674 L. f. P. n. heisst (L. f. auch Fast, augur. 
CIL 12 p. 60 und auf zahlreichen Inschriften, z. B. 
Dessau 869a— 874) und nach Plut. Sulla 1, 2 
h ovx d<pftovois itQCHprj zotg tioiqwois. [Miinzer.] 

380) L. Cornelius P. f. Sulla, wahrscheinlich 
Sohn des P. Sulla (Nr. 387), Vllvir eptd(onum), 



384) P. Cornelius Sulla. Ohne Zweifel iden- 
tisch ist der Miinzmeister P. Sula um 560 = 194 
(Mommsen Miinzw. 518 nr. 68; Trad. Blac. II 
269 nr. 67 ; vgl. Bahrfeldt Wiener numism . Ztschr. 
XXVIII 93f.) und P. Cornelius Sulla Praetor und 
Statthalter von Slcilien 568 = 186 (Liv. XXXIX 
6, 2. 8, 2). Er ist vermutlich der Sohn von 
Nr. 383 und der Grossvater des Dictators L. Sulla. 

385) P. Cornelius Sulla, Ser. f. Sail. Cat. 17, 3 
zahlt unter den Mannern von senatorischem Range, 
die sich an der catilinarischen Verschworung be- 
teiligten, auf: P. et Ser. Sullae Ser. filii, und 
Cicero sagt in seiner Rede pro P. Sulla 6: quis 
nostrum Ser. Sullam, quis Publium, quis M. 
Laeeam, quis C. Cornelium defendendum puta- 
vit, quis Us Iwrum adfuit? Nur solange die 
Lesart dieser Stelle nicht aufs beste und sicherste 
beglaubigt war, konnte man bezweifeln, dass der 



pr(aetor), cos. (CIL VI 1390, dem C. von seinen 50 von Cicero verteidigte P. Sulla Nr. 386 von dem 

Clienten gesetzte Inschrift). Den Consulat be- - 1 --'- 1 - =— c. -■>--- j— a— c.-"- t---j — 

kleidete C. im J. 749 = 5 v. Chr. als ordinarius 
mit Augustus cos. XII (L. Cornelius Sulla CIL 

IX 4644. X 2381 ; L CIL 12 p. 69 Fasti 

Lucer.; /.. Sulla Plin. n. h. VII 60; L. Sylla 
Cassiod. ; Sulla oder Sylla sonst in den Fasten). 
Vielleicht derselbe diirfte Aovxtog 2v).las sein, 
der zu Anfang der Regierung des Claudius als 
alter Mann dem Senate angeh&rte (Dio LX 12, 3), 



gleichnamigen Sohne des Ser. Sulla verschieden 
ist. Auch Sallust hat den Anteil jenes P. Sulla, 
den er nur Cat. 18, 2 erwahnt, an der Verschwo- 
rung absichtlich verschwiegen, fiihrt also sicher- 
lich nur einen anderen unter den fiberwiesenen 
Teilnehmern daran auf. Cic. off. II 29 nennt den 
von ihm verteidigten P. Sulla einen Verwandten 
des Dictators (propinquus), Dio XXXVI 44, 3 
dessen Neffen (adslf^ovs); es ware denkbar, dass 



Borghesi Oeuvr. V 116 halt C. ftir den Vater 60 Dio die beiden Homonymen verwechselt hatte 



des Tac. ann. Ill 31 genannten L. Sulla; da 
dieser jedoch anscheinend mit dem cos. 33 L. 
Sulla Felix (Nr. 393) identisch ist, wird man eher 
in [Sulla] Felix (Nr. 390) den Vater desselben 
erblicken durfen. Vgl. Nr. 376. 

381) L. (Cornelius) Sulla (Tac. ann. Ill 31) 
s. L. Sulk Felix Nr. 393. [Groag.] 

382) P. Cornelius Sulla, wahrscheinlich Sohn 



und dass P. Sulla Ser. f. ein Neffe des Dictators 
und der andere ein entfemterer Verwandter ge- 
wesen sei, aber das Umgekehrte ist ebensowohl 
mSglich. 

386) P. Cornelius Sulla. Hauptquelle: Ciceros 
Rede pro P. Sulla, im folgenden stets mit S. 
bezeichnet. Sein Vater und der Grad seiner Ver- 
wandtschaft mit dem Dictator L. Sulla sind nicht 



1519 



Cornelius 



Cornelius 



1520 



mit Sicherheit zu ermitteln (vgl. Nr. 385) ; es ist 
nnr bekannt, dass er sich diese Verwandtschaft 
zu nutze machte, urn sich bei den Proscriptionen 
durch billige Guterankaufe zu "bereichern (Oic. 
de off. II 29). Nach dcr parteiischen Darstel- 
lung seines Anwalts hatte er freilich seinen Ein- 
ftuss bei dem Dictator auch zu besserem Zweck, 
fur die Rettung einzelner Gegner, geltend ge- 
macht (S. 72). Als Triumvir filhrte er eine Colonie 



bruch und wurde unterdriickt; darauf erhob 692 
= 62 derselbe jiingere L. Torquatus , der fruher 
die Verarteilung Sullas wegen YVahlbestechungen 
veranlasst hatte, gegen ihn eine neue Anklage 
wegen Teilnahme an den beiden Verschwfirungen. 
Die vorsichtige Zuriickhaltung des Angeschul- 
digten trug ihm jetzt ihre Friichte, denn die be- 
deutendsten Redner, Hartensius und Cicero, lichen 
ihm ihren Beistand. Hortensius rechtfertigte ihn 



sullanischerVeteranen nach Pompeii (s. u.). In den 10 wegen jener ersten VerschwOrung (S. 12—14. 51) 



nachsten anderthalb Jahrzehnten muss er die me 
deren Amter bekleidet haben, denn 688 = 66 wurde 
er zusammen mit P. Autronius Paetus (o. Bd. II 
S. 2612 Nr. 7) zum Consul fur das folgende Jahr ge- 
wahlt. Der Sohn seines Mithewerbers L. Manlius 
Torquatus (nicht dieser selbst, wie Ascon. Cornel, 
p. 66 und Dio XXXVI 44, 3 meinen) klagte ihn 
darauf nach der Lex Calpurnia de ambitu an und 
erreichte seine Verurteilung, deren Folgen die Cas- 



Cicero ubernahm es, ihn von der Anklage, an 
der maxima coninratio des J. 691 = 63 teilge- 
nommen zu haben, zu reinigen (S. 13). Br lieferte 
zunachst einen mittelbaren Beweis fur die Un- 
schuld Sullas, indem er die gegen seine eigene 
Person erhobenen Vorwiirfe des Klagers zuruck- 
wies: grade weil er selbst die wirklichen Teil- 
nehmer des Complotts ermittelt und bestraft habe, 
miisse schon die Thatsache, dass er fur Sulla ein- 



sierungderWahlunddieEntziehungderWahlbar-20trete, zu dessen Rechtfertigung geniigen (S. 13 



keit, sowie der Mitglicdschaft des Senats waren 
(Cic. S. 49f. und Oft. ; tog. cand. und Ascon. z. d. St. 
p. 79; Cornel, und Ascon. z. d. St. p. 66; de fin. 
II 62. Sail. Cat. 18, 2. Liv. dp. CI. Suet. Caes. 9. 
Dio XXXVI 44, 3; vgl. Mo rams en St.-E. I 492, 
3 ; Strafr. 874). Auch Autronius erfuhr dasselbc 
Schicksal, und an Stelle beider wurden M. Aurelius 
Cotta und jener altere L. Manlius Torquatus zu 
Consuln gewiihlt. Es bildete sich nun die Ver- 



35). _ Ein eigentiimliches Licht fallt auf diese 
mit vielem Pathos vorgetragenen Erklarungen 
Ciceros durch eine von (Ml. XII 1, 2ff. aufbe- 
wahrte Anekdote: er habe grade damals von dem 
angeklagten Sulla eine grosse Summe fur den 
Kauf eines Hauses geborgt und auf Vorwiirfe, 
die ihm deswegen gemacht wurden, erwidert: adeo 
verum sit, aeeepisse me pecuniam, si domum 
emero; als er dann das Haus doch kaufte und 



sehworung, die nicht ganz passend als die erste 30 offentlich der Luge bezichtigt wurde, habe er 



catilinarischc bezeichnet wird, weil sie nach der 
Darstellung Sallusts Cat. 18, 5 dem Catilina und 
Autronius das Consulat fur 689 = 65 verschaffen 
sollte, nachdem die beiden Consuln Cotta und 
Torquatus am Tage ihrcs Amtsantrittes, 1. Januar, 
crmordet waren. Sallust erwahnt iiberhaupt nicht, 
dass Sulla an dieser Verschwo'rung beteiligt war; 
diese Thatsache steht aber zweifellos fest durch 
die Zeugnisse des Liv. ep. CI. Suet. Caes. 9. Dio 



sich mit einem Witz aus der Verlegenheit ge- 
zogen: prudentis et cauti patris familias esse, 
quod emere veiit, empturum sese negare propter 
competitores emplionis. Damit stimmt der gegen 
Cicero von dem Verfasser der Invect. in Cic. 3 
erhobene Vorwurf, es hatte ihm einer der Catili- 
narier ein Haus gekauft. Der zweite Toil der 
Verteidigungsrede fiir Sulla sucht mit ziemlicli 
schwachen Beweisen dio einzelnen Punkte der 



XXXVI 44, 3f. und vor allem durch das Ciceros, 40 Anklage zu widerlegen, aus denen sich die Ver 



dem der Anklager Sullas im J. 692 = 62 vor 
hielt, er habe in der an Pompeius gerichteten 
Schrift uber sein Consulat bewiesen: Sullam in 
ilia fuisse mperiore eoniuratione (S. 67). Eher 
kann die Angabe Suetons Caes. 9 Misstrauen 
hervorrufen, dass das Consulat von den Verschwo- 
renen nicht dem Catilina, sondern dem Sulla 
neben Autronius bestimmt war, doch auch dies 
ist bereits im J. 692 = 62 von dem Anklager 



bindung mit Catilina im vorhergehenden Jahrc 
ergeben sollte: das Zeugnis der Allobroger (S. 
36ft.), die Anwesenlieit in Rom bei den Consular- 
comitien (S. 51), die Werbung einer Fechterbande 
in Neapel (S. 54f.), die Beziehungen zu dem ver- 
dachtigen P. Sittius (S. 56—59), die Umtriebe in 
Pompeii , wohin Sulla unter seinem Verwandten, 
dem Dictator, als Triumvir eine Colonie gefiihrt 
hatte und wo er daher als Patron der Stadt 



Sullas bestimmt behauptet worden (S. 68), und50grossen Einfluss hatte (S. 60-62). Vermutlich 



nach den grundlichen Darlegungen von John 
(Jahrb. f. Philol, Suppl. VIII 708ff.) liisst es sich 
schwerlich noch in Zweifel ziehen. Der Umstand, 
dass Sulla selbst sich zuriickliielt, und dass die 
Ausfiihrung der Anschlage dem Catilina iiber- 
tragen wurde, war fiir jenen insofern giinstig, als 
er dem Cicero die Verteidigung und dem Sallust 
die Verhullung der Schuld Sullas erleichterte. 
Auch lebtc Sulla nach seiner Verurteilung an 



waren dies alles Schritte, die mindestens zwei- 
deutig erscheinen konnten, aber seine Vorsicht 
und Bedachtsamkeit hatte Sulla davor bewahrt, 
sich allzusehr blosszustellen. Zuletzt sucht der 
Anwalt aus dem Vorleben seines Clienten dessen 
Unschuld darzuthun (S. 69ff.) und wirft scbliess- 
lich das Gewicht seiner Autoritiit aufs neue in 
die Wagschale, indein er die Versicherungen wie- 
derholt, es sei ihm als Consul nicht das geringste 



seheinend. harmlos und ruhig in Neapel (S. 15. 60 Beweisstiick fur Sullas Schuld zugekommen, und 



17. 74) und liess selbst erklaren, er wiinsche 
nicht die Annahine der Rogation seiner Kehabi- 
litierung, die von seinem Halbbruder L. Caecilius 
Rufus im December 690 = 64 eingebracht worden 
war und ungiinstig aufgenommen wurde (S. 62ff. 
Dio XXXVII 25, 3; vgl. o. Bd. II S. 2012. Ill 
S. 1232 Nr. 110). Im folgenden Jabre kam die 
eigentliche Verschworung des Catilina zum Aus- 



er wurde ihn nicht verteidigen, wenn er nicht 
vollstandig von seiner Schuldlosigkeit uberzeugt 
ware (S. 85. 87, vgl. 13). Sulla wurde freige- 
sprochen und das Urteil seiner Richter war auch 
fiir die Geschichtschreiber massgebend, da Sallust 
nnd die Spateren ihn nicht unter Catilinas Ge- 
nossen nennen. Im J. 697 = 57 diente Sullas 
Haus dem P. CTodius als Festung (Cic. ad Att. 



i 



1521 



Cornelius 



Cornelius 



1522 



IV 3, 3). . 700 = 54 wollte Sulla ,_ indem er den 
P. Gabinius wegen Ambitus vor Gericht zog, durch 
die Erzielung einer Verurteilung desselben sich 
selbst rehabilitieren (Cic. ad Att. IV 18, 3; ad 
Q. fr. Ill 3, 2), doch wurde Gabinius schon vor 
derEinleitung dieses Processes wegenErpressungen 
verurteilt. Im Biirgerkriege trat Sulla auf Caesars 
Seite; als Lagercommandant schlug.er 706 = 48 
in Abwesenheit des Oberfeldherrn einen Angriff 
der Pompeianer auf einen Teil seiner Verschan- 
zungen bei Dyrrhachion glucklich zuriick (Caes. 
b. c. Ill 51, 1 — 5), und bei Pharsalos fiihrte er 
den rechten Fliigel der Caesarianer (ebd. 89, 2. 
99, 3. Appian. hell. civ. II 76). Im Herbst 707 
= 47 sollte er mit anderen die Uberfiihrung der 
Truppen aus Italien nach Sicilien und Africa leiten 
und geriet bei der deshalb ausbrechenden Meuterei 
der Soldaten in Gefahr (Cic. ad Att. XI 21, 2. 
22, 2). Beim Yerkauf der Giiter der geachteten 
Pompeianer machte er ebenso, wie ein Menschen- 
alter vorher unter Sulla, reiche Beute (Cic. de off. 
II 29; ad fam, XV 19, 3). Als daher die Nach- 
richt kam, er sei gestorben, ungewiss ob an einer 
Ubcrladung des Magens oder durch die Hand von 
Kaubern, freute sich das Volk, und sein ehemaliger 
Verteidiger Cicero ausserte nicht das mindeste 
Bedauern, sondern gab die Nachricht mit bitteren 
Bemerkungen weiter (Cic. an Cassius fam. XV 
17, 2. Antwort des Cassius XV 19, 3. Cic. an 
Dolabella IX 10, 3; vgl. L. Gurlitt Philol. 
LVIII 45ff., dessen Auslegungen jedoch ziemlich 
kiihn scheinen,-da ein unsittliches Verhaltuis zwi- 
schen Caesar und Sulla wegen des etwa gleichen 
Alters beider kaum eine glaubliche Erfmdung ge- 
wesen ware). Er hatte einen gleichnamigen Sohn 
(Nr. 387) und einen Stiefsohn Memmius (Cic. ad 
Q. fr. Ill 3, 2). 

387) P. Cornelius Sulla, Sohn des Vorigen, 
wurde bei dessen Processe 692 = 62 als Knabe 
den Richtern vorgefuhrt (Cic. Sulla 88f.) und 
unterstiitzte im J. 700 = 54 die Anklage seines 
Vaters gegen Gabinius (Cic. ad Q. fr. Ill 3, 2). 
Aus der Bezeichnung des Vaters als P. Sulla pater 
im J. 709 = 45 bei Cic. ad fam. XV 17, 2 ergiebt 
sich, dass der Sohn denselben Vornamen fiihrte, 
der direct nicht iiberliefert ist, und dass er da- 
mals noch am Leben war. 

388) Ser. Cornelius Sulla, Mitglied der Zehner- 
commission zur Ordnung der griechischen und 
makedonischen Verhiiitnisse nach dem Siege uber 
Perseus 587 = 167 (Liv. XLV 17, 3). Vgl. Cor- 
nelius Nr. 2. 

389) Ser. Cornelius Sulla, Scr. f., also Bruder 
von Nr. 385, Senator, als Teilnehmer an der cati- 
linarischen Verschwo'rung bestraft (Cic. Sulla 6. 
Sail. Catil. 17, 3. 47, 1). [Munzer.] 

390) (Cornelius) [Sulla] Felix, in einem Frag- 
ment der Arvalacten, das Ilenzen dem J. 21 
n. Chr., Hill sen dem J. 16 zuweist. (als /lament) 
genannt fCIL VI 2023 b vgl. 32339 ; der in unscrcni 
Fragment als Magister genannte T. Quinctius 
Crispinus Valerianus war auch im J. 21 Magister, 
vgl. VI 32 340). C. war anscheinend Enkel des Fau- 
stus Sulla (Nr. 377) und Vater des Faustus Sulla 
cos. 31 (Nr. 378) und des L. Sulla Felix cos. 33 
(Nr. 393); da der letztere wohl mit dem Tac. aim. 
M 31 zum J. 21 erwahnten L. Sulla zu identifl- 
cieren ist und als dessen patruus simul ar vitriciis 



Mamercus Scaurus (o.Bd.I S.583f.) bezeichnet wird, 
miisste C. von mutterlicher Seite Halbbruder des 
Scaurus gewesen sein, und seine Frau (Sextia? vgl. 
Tac. VI 29) in z weiter Ehe diesen geheiratet haben. 

391) Faustus Cornelius Sulla Felix, a) Name. 
Faustus Cornelius Sulla Felix Acta Arv. CIL 
III p. 844 dipl. I; Cornelius Faustus Sulla Zonar. 
XI 9 p. 30 Dind. ; [Faustus Corjnelms Sulla CIL 
VI 2040, 17 Acta Arv.; Faustus Cornelius Ephem. 

10 epigr. 1 176; ... Cornelius Sulla tab. cer. IV; Cor- 
nelius Sulla Tac. ann. XIII 23. 47; Faustus Sulla 
Tac. XII 52. Suet. Claud. 27 ; sonst Sulla, b) Leben. 
Sohn des Faustus Sulla cos. 31 (Nr. 378), Bruder der 
(Valeria) Messalina, der Gattin des Kaisers Claudius 
(Zonar. a. a. O.), d. h. wohl Halbbruder von der- 
selben Mutter, Domitia Lepida (doch vgl. Nr. 378). 
Ungefahr im J. 47 heiratete der nobilissimus in- 
vents Antonia, die Tochter des Kaisers Claudius (Suet. 
Claud. 27. Tac. ann. XIII 23. Zonar. a. a. O.; vgl. 

20 o. Bd. Ill S. 2801), Claudius verlieh ihm den Con- 
sulat fiir das ganze J. 52 ; er hatte zuerst L. Salvius 
Otho Titianus (CIL IV Suppl. p. 283 tab. cer. IV 
[vgl. Ill] vom 31. Marz; Ephem. epigr. I 176 vom 
10. April, vgl. die FaHten), dann Barea Soranus (s. 
o. Bd. Ill S. 12f.), endlich L. Salvidienus Rufus Sal- 
vianus (CIL III p. 844 dipl. I vom 1 1. December) zu 
Collegen. Er gehorte dem Colleg der Arvalbriider 
an, dessen Acten ihn in den J. 55, 57 und 58 
als anwesend nennen (CIL VI 2037 = 32352. 

30 2039. 2040 = 32353). Vor Nero, dessen Miss- 
trauen er durch seine Abkunft und Heirat erregtp, 
wurde er bereits im J. 55 verleumdet , diesmal 
noch ohne Erfolg (Tac. X11I 23). Dagegen fiihrte 
die Anklage , die der kaiserliche Freigelassene 
Graptus wegen angeblicben Attentatsversucb.es 
gegen ihn erhob, im J. 58 zu seiner Verbannung 
nach Massilia (Tac. XIII 47; vor dem 19. Mai 58, 
da er seitdem in den Arvalacten nicht mehr ge- 
nannt wird, vgl. CIL VI 2041). Dort wurde er 

40 im J. 62 auf Neros Befehl getotet (Tac. XIV 57. 
59). Antonia hatte dem C. noch unter Claudius 
einen Sohn geboren (Zonar. a. a. O.; vgl. Suet. 
Claud. 12), der das Kindesalter nicht uberlebt 
haben dilrfte. C. war schlaff und energielos (Tac. 
Xin 47. XIV 57), wenigstens in der Zeit seiner Ver- 
bannung auch unbemittelt (Tac. XIV 57). [Groag.] 

392) L. Cornelius L. f. P. n. Sulla Felix (Enkel 
von Nr. 384) wurde im J. 61 6 = 138 geboren (Veil. 
II 17. Plut. Sull. 6. Val. Max. IX 3, 8. App. 

50 1 105). Von seiner Abstammung sagt Sallust 
(b. lug. 95) ; gent-is patriciae iwbilis fu-it familia 
prope exstineta maiorum igyiavia. Nach Velleius 
(a. O.) war er in der Familie der sechste nach 
P. Cornelius Ruflnus, der in seinem ersten Con- 
sulat (464 = 290) mit seinem Collegen M.' Curius 
Dentatus die Sanmiterkriege beendet und wahrend 
des Krieges mit Pyrrhus in seinem zweiten Con- 
sulat (477 = 277)" den Lucanem durch eine List 
Croton entrissen hatte, vgl. Nr. 302. Seit diesem 

60 bedeutenden Mamie hatte kein Glied der Familie 
mehr das hochste Amt bekleidet; aber die Er- 
innerung an den Ahnherrn, der die Samniten be- 
zwungen hatte, scheint in dem Hause lebendig 
geblieben zu sein; wenigstens war Sulla in der 
Geschiehte seiner Vorfahren wohlbewandert (Gell. 
I 12). Von sehiem Vater wurde ihm so wenig 
hinterlassen , dass er als junger Mann fiir einen 
bescheidenen Preis zur Miete wohnen musste (Plut. 



1523 



Cornelins 



Cornelius 



i24 



Sull. 1) ; doch in der Erziehung brauchte er hinter 
seinen Standesgenossen nicht zuruckzustehen. Un- 
gemein befahigt, erhielt er gelehrten Unterricht 
im Griechischen so gut wie im Lateinischen (Sail. 
a. 0.) und eignete sich einen hohen Grad von 
Bildung an. 

Seine Lebensfuhrung frerlich musste von vorn- 
herein Anstoss erregen. Ernster Beschaftigung 
wenig hold (Sail. a. 0.) und mehr zum Genuss 



mehr darura, mOglichst viele Schuldner zu haben. 
Er hatte ein scherzendes oder ernstes Wort auch 
fur den Geringsten iibrig ; bei dem Arbeitsdienst, 
auf dem Marsch und auf der Wache maclite er 
sich viel zu schaffen, ohne indessen (worauf man- 
cher in dem verkehrten Bestreben, sich beliebt 
zu machen, verfallt) den Euf des Consuls oder 
eines andcrn Ehrenmannes anzutasten, nur dass 
er im Rat und im Felde niemanden vor sich lassen 



der fh'icbtigen Stunde neigend, setzte er sich am 10 vvollte und wirklich die meisteri iiberholte. Unter 



liebsten mit Schauspielem zusammen ; mid mochte 
er bei ihnen auch zuniichst nur griechische An- 
mut und heitere Geselligkeit suchen, so gewfihnte 
er sich doch in ihrem Kreise das Trinken an und 
wurde ein Preund wuster Zechgelage, um so mehr, 
als er im Umgang wenig wahlerisch (amicitia 
faeilis, Sail. a. 0.) war und sich auch mit Kfinst- 
lern zweiten Eanges einli ess. Mit der Unmassig- 
keit im Trinken verband er eine sittenlose Lebens- 



diesen Verhiiltnissen macbten ihn seine Fabig- 
keiten bald zum Liebling des Marius und der 
Soldaten '. Wie von manchcm bedeutenden Manne, 
so wird auch von Sulla erzahlt , dass er nach einer 
in Saus und Braus verlebten Jugend als Mann 
die Welt mit seinen Gaben iiberraseht habe (Val. 
Max. VI 9, 6). Sulla erwarb sich also das Ver- 
trauen seines Vorgesetzten ; er wurde zum Fiihrer 
der Reiterei ernannt und entschied mit dieser 



weise (Val. Max. VI 9, 6). Mit seinem blonden 20 Waffe die Schlacht bei Cirta durch seine Geistes- 



Haar und seinen blauen Augen auffallend schon 
(vgl. Bernoulli Rom. Ikonogr. I 87) bildete, 
er sich auf sein Aussehen viel ein (Plut. Sull. 6) 
und suchte bei den Frauen sein Gliick zu machen ; 
von ihrer Gunst umschmeichelt, lebte er sich in 
die Vorstellung ein , er sei der auserkorene Lieb- 
ling der Venus (Plut. Sull, 34). Plutarch erzahlt 
von ihm folgende Gescjjichte (Sull. 2) : ,Zuweilen 
brachte ihm seine Liebe auch etvvas ein. Er ver- 



gegenwart (Sail. lug. 101). Als fiinf Tage nach 
der Schlacht KOnig Bocchus von Maurctanien die 
Bitte aussprach, ihm zwecks Einleitung von Unter- 
handlungen zwei Vertrauensmanner zu senden, 
schickte der Consul auf der Stelle seinen Quae- 
stor Sulla in Begleitung des Legaten A. Manlius 
ab. Am Hofe des KCnigs angekommen, fuhrte 
Sulla, trotzdem er j linger war als sein Begleiter, 
doch im Einverstandnis mit diesem, da er besser 



liebte sich z. B. in die Nicopolis, eine gcmeine, 30 sprach, das Wort; Sallust legt ihm. eine eindrucks- 



aber begiiterte Dime, und gewann durch sein ge- 
fiilliges Wesen mnd die Keize seiner Jugend ihre 
Gegenlicbe in dem Grade, dass er von ihr bei 
ihrem Tode zum Erben cingcsctzt wurde'. Plu- 
tarch erzahlt weiter, Sulla habe auch seine Stief- 
nmtter, die ihn wie ihren eigenen Sohn geliebt 
habe, bcerbt ; viclleicht wurde er erst durch diese 
Aufbesserung seines Vermogens in den Stand ge- 
setzt, sich um Staatswiirden zu bewerben. 



voile Rede in den Mund. Als Sulla zuriickge- 
kehrt war, ersehienen nach einer Weile fiinf Ver- 
traute des Konigs Bocchus in dem romischen 
Winterlager; der Consul Marius war damals ge- 
rade auf einem Streifzuge begriffen und hatte 
mit seiner VertTctung den Quaestor Sulla betraut. 
Dieser ualun die Gesandten, die unterwegs einen 
t'lberfall durch Riiuber erlitten hatten, freundlichst 
auf und behielt sie ungefahr 40 Tage bei sich ; 



Quaestor im J. 647 = 107. Als im iugur- 40 er machte sie durch Uberweisung von Geschenken 



thinischcn Kriege der Plebeier C. Marius zum 
grossen Arger des Adels fur das J. 647 = 107 
das Consulat erhielt, liess sich Sulla, dessen Ge- 
nusssucht von seiner Ruhmsucht noch ubertroffen 
wurde (SalL a. 0. cupidits voluptalum, scd glorias 
eupidior), ohne je gedient zu haben, in dem friihe- 
sten Alter fur das Amt, im 30. Lebensjahr, zum 
Quaestor wahlen; er wurde durch das Los dem 
Consul Marius beigegeben. Als Marius zum Heere 



so vertranensselig, dass sie ihm die Absichten 
ihres Kfinigs cnthiillten und sich von ihm vor- 
sehreiben liessen, was sie nachher dem Consul 
Marius und dem romischen Senat sagen sollten. 
In der Beratung, die Marius nach seiner Riick- 
kehr ansctzte, stimmte Sulla fur die Weitersen- 
dung der Gesandtschaft nach Rom und die An- 
nahme des von Bocchus orbetenen Waffenstill- 
standes. Nach der Ruckkehr dieser Gesandtschaft 



znriickkehrte, wurde Sulla von ihm in Rom zuriick- 50 bat Bocchus, der sich dem freigebigen Sulla per- 



gelassen, mit dem Auftrage, in Latium und den 
andern bundesgenCssischen Gebieten Keiterei zu 
sammcln; er brachte diese Waffe auf eine an- 
sehnliche Starke und kam damit zu Marius ins 
Lager. Da er nur als Genussmcnsch bekannt war, 
weckte er bei seinem Vorgesetzten nicht die giin- 
stigsten Erwartungen ; aber der venneintliche 
Schwiichling bewies bald, dass eine unverwfist- 
liche Kraft in ihm steckte. Sallust entwirft von 



sonlich verpflichtct fiihlte, ihm wieder diesen zu 
senden, damit die Friedensbedingungen verein- 
bart wiirden, und schickte ihm seinen Sohn Volux 
entgegen. Nach einem verwegenen Zuge durch 
die Wflst-e, bei dom er sich und seine wenigen 
Begleiter nur durch seine Kaltblutigkeit vor der 
Gefangennahme durch Iugurtha bewahrte, gelangte 
Sulla zum zweitenmal an den Hof des KOnigs 
von Mauretanien. Dorthin hatte auch Iugurtha 



seinem ersten Auftreten folgendes Bild (a. 0.): GO seinen Vertreter geschickt, in der Hoffnung, in 



,Vorher ohne jede Kenntnis des Krieges, wurcle 
er in kurzer Zcit der allertuchtigste im Heere. 
Dazu sprach er die Soldaten freundlich an, erwies 
vielen auf Wunsch, andcrn von selbst Vergiinsti- 
gungen, straubte sich aber gegen ihre Annahme 
und beeilte sich mit der Vergeltung mehr als mit 
Schuldenbezahlen ; er selbst verlangte von nie- 
mandem einen Gegendienst und bemiihte sich 



den Frieden einge.schlossen zu werden, und Sulla 
liess ihn auch zum Schein an seinem Empfange 
teilnehmen ; aber in einer geheimen Unterredung 
zu nachtlicher Stunde setzte Sulla dem Konig 
auseinander, dass Bom als Preis des Friedens den 
Verrat an seinem Schwiegersohn Iugurtha ver- 
langc ; so sehr hatten sich die Zeiten seit den 
Tagen des Fabricius geandert! Es kam so, wie 



1525 



Cornelius 



Cornelius 



1526 



man es erwarten musste. Eines Tages naherte 
sich Iugurtha ohne Waffen einem Hiigel, wohin 
ihn Sulla und Bocchus zu einer Unterredung be- 
stellt hatten; da brachen plOtzlich aus einem 
Hinterhalt Bewaffnete hervor, hieben die Begleiter 
des Konigs nieder und lieferten ihn selbst in 
Pesseln dem Quaestor Sulla aus, der ihn' dem 
Consul Marius zufuhrte. Die Darstellung der 
zweimaligen Sendung des Sulla an den KOnig 



krat Q. Lutatius Catulus gewahlt wurde, liess 
er sich zu dessen Heer versetzen (Plut. de reip. 
ger. praec. 12) und diente unter ihm bis zum 
Ende des Krieges (652—653 = 102—101). Auch 
in diesem Kriege wusste er als Untergebener des 
Marius durch geschickt gefiihrte Schlage seiner 
Feinde Herr zu werden. In Gallien nahm er als 
Legat den Anfuhrer der Tectosagen (am Nord- 
fusse der Pyrenaen) gefangen, als Kriegstribun 



Bocchus ist der Erziihlung des Sallust (lug. 102 10 gewann er durch guteWorte den machtigen Stamm 



— 113) gefolgt; danach sind die Angaben bei 
Plutarch (Sull. 3) und Appian (Num. frg. 4 u. 5) 
zu berichtigen. 

So listig Iugurtha war, Sulla war doch noch 
listiger gewesen. Gleich seinen ersten namhaften 
Erfolg verdankte Sulla jener bedenklichen Mischung 
von wahrem Heldenmut und arger Verschlagen- 
heit, die spater einer, der ihn durchschaute, mit 
dem Ausspruch gekennzeichnet hat, in Sullas Seele 



der Marsen fur ein Bunduis mit Rom. In Ober- 
italien zum erstenmal dem Befehlsbereich des 
Marius entriickt, scheint er weniger gliicklich ge- 
wesen zu sein. Catulus konnte sich an Feldherrn- 
gaben mit Marius nicht messen; darum ist es 
durch aus glaubhaft, was Plutarch (Sull. 4) an- 
deutet, dass Sulla zum eigentlichen Leiter des 
Feldzuges an die Seite des Catulus berufen worden 
sei. Dann hat er aber den auf ihn gesetzten Er- 



hausten ein L5we und ein Fuehs, und der Fnchs 20 wartungen nicht entsprochen. Die Hauptaufgabe 



mache denen, die mit ihm zu thun hatten, am 
rneisten zu schaffen (Plut. Sull. 28). Im wesent- 
lichen hatte seine offene Hand gegen die Hof leute 
des Konigs Bocchus und seine Verstellungskunst, 
die jede Untcrhandlung mit ihm gefahrlich machte, 
das Verderben iiber Iugurtha gebracht. Zur Ver- 
stellung befahigte ihn die Unergrundlichkeit seines 
Wesens (Sail. lug. 95 altitudo ingenii incredi- 
bilis) ; mit einem ahnlichen Bilde sagte man von 



des oberitalischen Heeres war die Deckung der 
Alpenpasse gegen die iiber den Brenner vor- 
riickenden Cimbern; aber die Leitung begnflgte 
sich mit einer Stellung an der Etsch unterhalb 
der Stadt Trient. Als dann die Cimbern einen 
Angriff machten, lOste sich das consularische Heer 
in einer wilden Flucht auf, die erst auf der rechten 
Seite des Po zum Stillsiand kam (652 = 102). 
Die Fehler der aristokratischen Kriegfuhrung 



dem'Geschaftstrager des Cardinals Richelieu auf 30 musste Marius wieder gut machen. Er fuhrte 



dem Regcnsburger Reichstage (1630), dem Pater 
Joseph, er habe gar keine Seele, sondern an ihrer 
Stelle Untiefen und Lachen, in die jeder geraten 
iniiase, der mit ihm verhandle. Arm war Sulla 
ausgezogen, undmit vollen Taschen kehrte er heim. 
Er that jetzt auf einmal sehr gross und zeigte 
cine so auffallende Veriindcrung in seinem Be- 
nehmen, dass er einen scharfen Tadel iiber seine 
fSereicherung in Africa einstecken musste (Plut. 



seine schlachterprobten Legionen aus Gallien uber 
die Alpen zuriick und ubernahm den Oberbefehl 
iiber die vereinigten Heere; dann iiberschritt er 
den Po und besiegte die Cimbern (653 = 101) 
wie das Jahr zuvor die Teutonen (Plut. Mar. 23 
— 27). Wenn also Sulla von Catulus an den 
ersten Platz gestellt wurde, so war er an dem 
Unterlassen des Vormarsches bis zum Brenner und 
an der Flucht von den Alpen bis iiber den Po 



Sull li. Nach dem Friedensschluss mit Bocchus 40 nicht ohne Schuld. Von dieser Flucht scheint 

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iinderte sich auch sein Verhaltnis zu Marius. Von 
seinen Standesgenossen in Rom iiber Marius ge- 
stellt, vergass er bald, dass er in dessen Auftrag 
gehandelt hatte (Veil. II 12 Marius per Sutlam 
Iugurtha potitus est, vgl. Diod. frg. XXXIV 39), 
und spielte sich so auf, als ob er den Krieg be- 
endet hatte. In seiner Eitelkeit ging er dann 
so weit, dass er die Auslieferung Iugurthas an 
ihn auf einem Ring darstellen liess und standig 



aber Sulla in seinen Aufzeichnungen geschwiegen 
zu haben, denn Plutarch, dem diese fur die Kampfe 
Sullas unter Catulus vorlagen, erzahlt davon (Sull. 
4), Sulla habe gluckliche Streifzuge gegen die 
Alpenvolker unternommen und sich durch Rege- 
lung der Verpflegung ein grosses Verdienst er- 
worben; ja, er habe sogar das Heer des Marius 
nut Lebensmitteht versorgt, und Marius dies sehr 
iibel genommen. In dieser Darstellung ist das 



damit siegelte (Plut. Sull. 3 ; Mar. 10. Val. Max. 50 Wesentliche, Sullas Mitschuld_ an dem Zuriick 



VIII 14, 4. Plin. n. h. XXXVII 9, vgl. die Miinze, 
die Iugurtha und Bocchus zu seinen Fiissen zeigt, 
Babelon I 421). Auch spater liess ihn seine 
Cberlistung des schlauen Africaners nicht zur 
Euhc kommen. Er fiihlte sich geschmeiehelt, als 
Bocchus aus Gefalligkeit fiir ihn eine Gruppe von 
goldenen Bildsaulen, die dem Beschauer die Uber- 
gabe Iugurthas an ihn vor Augen fuhrte, auf 
dem Capitol aufstcllen liess ; und Marius war nur 



weichen vor den Cimbern bis uber den Po, mit 
Stillschweigen ubergangen; dafiir wird Marius 
als Heerfuhrer und fiberhaupt als Mensch bei 
der Nachwelt vcrdiichtigt. Man kann sich gegen 
die Annahme nicht verschliessen , dass Sulla in 
seinen Lebenserinnerungen die Verdrehung der 
Thatsachen, soweit sein Verhaltnis zu Marius in 
Frage kommt, bis ins Ungeheuerliche und Ge- 
chmacklose getrieben hat. Es ist schwer be- 



im Reeht, wenn er sich gegen diesen Unfug, der 60 greinich, wie ein Mann von seiner Bildung fol 



unrGmischer Denkweise entsprang, zur Wehr setzte 
(Plut, Sull. 6; Mar. 32). 

Legat im Cimbernkriege 650-653 = 104-101. 
In dem Feldzuge gegen die Germanen diente Sulla 
zwar zunachst noch unter dem Consul Marius 
weiter, im J. 650 — 104 als Legat, im J. 051 
= 103 als Kriegstribun ; als aber fiir das fol- 
gende Jahr zum Collegen des Marius der Aristo- 



gendes schreiben konnte (Plut. Mar. 25. 26) : Ma- 
rius habe den Platz auf dem rechten Flugel (der 
ihm doch als dem HCchstcommandierenden zu- 
kam) nur deshalb gewahlt und Catulus in die 
Mitte gestellt, damit dieser nicht zum Schlagen 
kommc ; aber fiir seine Siegeszuversicht habe ihn 
die Strafe des Himmels getroffen. Denn eine 
Staubwolke habe ihm den Anblick des foindlichen 



1527 



Cornelius 



Cornelius 



1528 



Heeres entzogen, so class er, zum Angriff vorgehend, 
an seinem Gegeniiber vorbeigelangt und lange 
Zeit auf dem Schlachtfeld umhergeirrt sei; zu- 
fallig seien dann die Barbaren auf das Mittel- 
treffen unter Catulus gestossen, und hier, wo er, 
Sulla, selbst als Legat commandierte, sei dann 
die Entscheidung gefallen. Mit Recht wird von 
Th. Lau L. Cornelius Sulla, Hamburg 1855, 99 
hervorgehoben, dass Sulla unter Catulus in der 
Hauptsache versagt habe. ,Es unterliegt keinem 
Zweifel, dass Sulla den Euf, den er im iugurthi- 
nisehen Kriege sich erworben, jetzt weder ver- 
mehrt sah, noch sein Ansehen und Einfluss iiber- 
haupt sich durch den Krieg mit den Cimbern ge- 
hoben hatten. Als Legat des Marius hatte er 
allerdings in den beiden ersten Jahren sich in 
Gallien ausgezeichnet, ein Verdienst, das die beiden 
fclgenden Jahre, vor allem des Catulus schimpf- 
liche Flucht von der Etsch, in Vergessenheit 
brachten. Demgemass lebte er wahrend der nach- 
sten Zeit wenig beaehtet in Rom'. Vielleicht 
darf noch bemerkt werden, dass Velleius unter 
den Stellungen, in denen sich Sulla hervorgethan 
habe, wohl seine Dienstleistung unter Marius in 
Gallien, nicht aber die unter Catulus in Ober- 
italien anfiihrt (II 17 post praeturam illustratus 
hello Italieo et ante in Gallia legations sub Mario, 
qua eminentissimos duces hostium fuderat). 

Praetor im J. 661 = 93. Sulla hatte sich 
in dem fruhesten Alter, im 30. Lebensjahr, zum 
Quaestor warden Iassen ; hatte er audi die hoheren 
Wurden rechtzeitig erlangt, so hatte er im 40. Le- 
bensjahr (656 = 98) die Praetur und im 43. (659 
= 95) das Consulat angetreten. Er bewarb sich 
aber erst fur das J. 660 = 94 um die Praetur 
und ftel durch (Val. Max. VII 5, 5). Nach seiner 
eigenen Angabe (Plut. Sull. 5) wollte das Volk 
ihn zwingen, erst Aedil zu werden, da es auf 
die Spiele, die er in dieser Stellung hatte geben 
miissen, deshalb nicht habe verzichten wollen, 
weil es seine Freundschaft mit Bocchus gekannt 
und von diesem eine Sendung wilder Tiere zu 
den Spielen erwartet habe. Diesmal glaubt selbst 
Plutarch nicht an die Ehrlichkeit Sullas. Bei 
seiner zweiten Bewerbung, im folgenden Jahre, 
ging Sulla sicherer, und er wurde fur das J. 661 
= 93, in dem er 45 Jahre alt wurde, zum Praetor 
gewahlt ; doch erregte sein Stimmenkauf so iibles 
Aufsehen, dass er dafur in seinem Amtsjahr, als 
er einmal auf seine praetorische Gewalt pochte, 
von einem Iulius Caesar eine kraftige Zurecht- 
weisung hinnehmen musste (Plut. a. O.). Als er 
gewiihlt war, liess er sich von Bocchus 100 LOwen 
schenken und ffihrte sie ohne Ketten , was neu 
war, im Kampfe mit geiibten Speerwerfern, die 
Bocchus mitgeschickt hatte , der Menge im Circus 
vor (Plin. n. h. VIII 53. Sen. de brev. vit. 13). 

Propraetor von Kilikien 662 = 92. Nach Ab- 
lauf seines Amtsjahres wurde Sulla nach Kilikien 
geschickt mit dem Auftragc, in Kappadokien gegen 
Mithridates einzuschreiten. Dort hatte Mithri- 
dates nach Vernichtung des einheimisclien KOnigs- 
hauses seinen Vertrauten Gordius als Statthalter 
eingesetzt ; diesen sollte Sulla vertreiben und dem 
Lande in dem angesehenen Kappadokier Ariobar- 
zanes einen neuen Konig geben (Iustin. XXXVIII 
2, 8 rex illis a senatu Arioharzams statuitur). 
Sulla fiberstieg den Taurus und warf mit geringer 



Heeresmacht den poutischen Statthalter samt 
dessen armenisehen Hulfstruppen zuriick; dann 
entledigte er sich seines Auftrages (Appian. Mithr. 
57) und verfolgte die Armenier bis an den Grenz- 
fluss zwischen beiden Beichen, den Euphrat. Als 
sich Sulla dort einige Zeit aufhielt, erschien bei 
ihm ein Abgesandter des dem KOnige Tigranes 
im Siiden benachbarten Partherk6nigs Arsaces 
und bat um Preundschaft mit dem rCmischen 

lOVolke (Liv. ep. 70). Es war die erste Begeg- 
nung zwischen ROmern und Parthern (Veil. II 24). 
Zu dem Empfange, so wird erzahlt, liess Sulla 
drei Sitze herrichten und nahm selbst in der 
Mitte zwischen dem neuen Konig Ariobarzanes 
und dem Vertreter des PartherkOnigs Platz ; dieser 
ftihlte die Unterordnung seines Gesandten sehr wohl 
heraus und liess ihn nach seiner Ruckkehr hinrichten 
(Plut. Sull. 5). Bemerkenswert ist die Einwirkung 
des Ostens auf Sullas Anschauungen. Die Uberhe- 

20 buDg, von der Sulla schon nach seiner Ruckkehr 
aus Africa augenfalligeProben gegeben hatte, wurde 
dureh seine blendenden Erfolge in Asien noch 
erheblich gesteigert. Uazu trug audi die Schmei- 
chelei bei, die hier im Osten, wo er Kfinige de- 
mtitigte, an sein Ohr schlug. Ein Chaldaeer aus 
dem Gefolge des parthischen Abgesandten soil 
dem stolzen Sulla seharf ins Gesicht gesehen und 
ihm die Herrschaft iiber seine Mitbiirger geweis- 
sagt haben (Plut. Sull. 5). Dieses Erlcbnis scheint 

30 einen tiefen Eindruck auf Sulla gemacht zu haben : 
die Erinnerung daran beschaftigte ihn noch in 
seinen letzten Tagen (Plut. Sull. 37). 

Die Offentliche Meinung iiber Sullas Amtsfiih- 
rung. Sulla hatte zwar mit Gliick in Kappado- 
kien gefochten, doch kaum hatte er dem Osten 
den Ruck en gekehrt, so zerrannen seine Erfolge 
in nichts ; Mithridates trat aus seiner Zuriick- 
lialtung heraus und stellte seine Herrschaft in 
dem umstrittenen Lande wieder her. Der eigent- 

40 liche Gegner war also nicht getroffen, andrerseits 
der ParthcrkGnig unnOtig verletzt und dem romi- 
schen Volk die Bundesgenossenschaft mit einem 
miichtigen Reiche gegen einen gefahrlichen Feind 
verscherzt worden. Sullas Verfahren am Euphrat 
enthiillte sich jctzt in seiner nachteiligen Be- 
deutung fur den Staat, als eine Befriedigung 
seines eigenen Hochmuts (Plut. Sull. 5). Noch 
grOsseres Argernis erregte seine Unredlichkeit 
gegen die Bundesgenossen. Auch Marius, der 

50 nach Ablauf seines sechsten Consulats (654 = 100) 
den Osten aufgesucht hatte, war in Kappadokien 
(Cic. ad Brut. I 5) den Ubergriffen des Mithri- 
dates entgegengetreten ; er verschmahte unerlaubte 
Einnahmen und hatte sich dadurch bei Mithri- 
dates Achtung verschafft (Plut. Mar. 31). Sulla 
dagegen hatte sich schon fruher einen schweren 
Vorwurf iiber seine Bereicherung in Africa ge- 
fallen Iassen miissen und zog sich jetzt nach seiner 
Riickkehr aus Asien eine offentliohe Anklage wegen 

60 Erpressungen in dem bundesgenOssischen Kappa- 
dokien zu. Es kam freilich nicht zur Untersu- 
chung, da der Klager, C. Censorinus, seinen An- 
trag auf Sullas gerichtliche Verfolgung zurtickzog 
(Plut. Sull. 5). Gleichwohl scheint ihm Sulla 
nicht verziehen zu haben, denn Censorinus ist 
unter der sullanischen Alleinherrschaft eines ge- 
waltsamen Todes gestorben (Cic. Brut. 237. 311). 
Legat im Bundesgenossenkriege 664 — 665 = 



1529 



Cornelius 



Cornelius 



1530 



90^—89. In die Zeit nach Sullas Ruckkehr aus 
Kilikien fallt die schon erwahnte Aufstellung dor 
von Bocchus geschenkten Gruppe, die eine Ver- 
herrlichung Sullas auf Kosten des Marius be- 
zweckte. Diese Gruppe stellte die Ubergabe Iu- 
gurthas an Sulla vor ; sie musste den Schein er- 
wecken, als ob bei der Gefangennahme des nu- 
midischen K6nigs nicht der Consul Marius, sondern 
dessen Quaestor Sulla die eigentlich handelnde 



hat und die Sulla auch hier will ernten Iassen, 
was Marius gesaet hat. Dass ersterer keine be- 
deutenden Erfolge in diesem Feldzuge zu riihmen 
hatte, das weist schon das Schweigen der Quellen 
geniigend aus'. Auch von E. Marcks (Die Uber- 
lieferung des Bundesgenossenkrieges, 1884, 48), 
wird das Zeugnis Appians verworfen. 

Erst im zweiten Kriegsjahr (665 = 89) gelang 
es Sulla, die Samniten, die nach der Einnahme 



Person gewesen sei. Wenn wirklich der Wider- 10 Aesernias in Campamen emgedrungen waren, durch 
i_ j__ in : ™„™«„ ^; nt ,n Jr. cini. nyimoViro oinB Rflilift von Gefechtmi und die Wesnahme 



spruch des Marius gegen diese in sich unwahre 
und unbescheidene Schaustellung selbst einen 
offenen Kampf befiirchten liess, so wurde jeden- 
falls der Austrag des Streites verschoben, als die 
frevle Ermordung des edlen M. Livius Drusus 
(663 = 91) den italischen Bundesgenossen das 
Schwert gegen das undankbare Rom in die Hand 
driickte (Plut. Sull. 6). Angesichts der furcht- 
baren Gefahr, die der Stadt von aussen drohte, 



eine Reihe von Gefechten und die Wegnahme 
wichtiger Platze zu schwachen. Er eroberte und 
zerstorte die campanische Stadt Stabiae bereits 
am 30. April (Plin. n. h. Ill 70) ; dann begann 
er die Belagerung des nCrdlich davon gelegenen 
Pompeii. Als der Samnitenfuhrer L. Cluentius 
zum Entsatz der Stadt herbeieilte, schlug ihn 
Sulla nach anfanglichem Zuriickweichen am Siid- 
fuase des Vesuvs zuriick, und als der Eeind, durch 



Daren ueianr, uie uer i3i<a,ut vou aueocu uiuu«o, i^^ ^„ ,^m, u «.« ., -...- ~~ -— , 

traten die inneren Gegensatze furs erste zuriick ; 20 gallischen Zuzug verstarkt, wiederkam, machte 



als der marsische Krieg ausbrach, stellte sich 
Marius so gut wie Sulla und mit ihnen viele andere 
Manner, die auf hohe Wurden zuriickblicken konnten 
(Cic. pro Font. 43), dem Senat zur Verfiigung. 
Sulla wurde dem Siidheer als Legat uberwiesen 
und focht im ersten Feldzuge (664 - 90) unter 
dem Consul L. Iulius Caesar (Appian. I 40. Cic. 
a O.), im zweiten (665 = 89) unter dem Consul 
L. Porcius Cato (Diod. frg. XXXVII 2, 8). In 



sich Sulla gegen ihn auf, zwang ihn abermals 
zur Flucht und verfolgte ihn um die Ostseite des 
Vesuvs herum bis in sein im Norden des Berges 
vor Nola liegendes Lager; dies eroberte er und 
jagte den Feind weiter bis unter die Mauern der 
Stadt; dort richtete er ein gewaltiges Blutbad 
an, in dem auch der Fiihrer erschlagen wurde 
(Cic. de divin. I 73. H 65. Liv. ep. 75. Val. 
Max. I 6, 4. Eutrop. V 3). Die Zeiten der Sam- 



ilem ersten Jahr scheint Sulla den von Frontin 30 niterkriege schiencn wiedergekehrt zu sein ; wenn 



(I 5, 17) erwahnten Streifzug zum Entsatz der 
im Innern Samnmms angelegten rOmischen Festung 
Aesernia unternommen zu haben. Der gegen die 
Bclagerer beabsichtigte Streich schlug fehl ; Sulla 
liess sich in einem Engweg ttberraschen und 
musste froh sein, dass er bei Nacht unter An- 
wendung eincr Kriegslist entweichen konnte. Bei 
Orosius (V 18) heisst es, er habe Aesernia ent- 
setzt; wenn ihm das selbst gelajg, so war es 



Appian die Wahrheit berichtet (I 50), so ging 
dem Kampf der Massen der Zweikampf eincs 
schmachtigen Numidiers aus dem sullanischen 
Heere mit einem riesigen Gallicr von der gegne- 
rischen Seite voran; als der Gallier wider Er- 
warten unterlag, ergriff seine Landsleute ein wilder 
Schrecken, und sie flohen davon, ihre Verbiindeten, 
die Samniter, sich selbst uberlassend. Und Sulla 
selbst riihmt sich (Plin. n. h. XXII 12), nach er- 



setzt: wenn mm uas seiusu t;cia#g, »u nm co ou™. i^^.lu „^^ v ~ - — ,, - 

nur ein voriibergehender Erfolg, denn die Stadt 40 fochtenem Siege habe ihn sein Heer angesichts 



ist noch in demselben Jahr, von Hungersnot er 
schflpft, den Aufstiindischen in die Hande gefallen 
(Liv. ep. 73). Appian erzahlt (I 46), Sulla habe 
nach einem Siege des in dem Nordheer ebenfalls 
als Legat dienenden Marius uber die tapferen 
Mavser. die Vorkiimpfer der italischen Eidgenossen, 
durch die Verfolgung des Feindes erst einen vollen 
Erfolg herbeigefiihrt ; Marius habe namlich an 
einem Weinberge Halt gemacht, und Sulla auf der 



der Stadt Nola mit dem Graskranz {corona gra- 
minea) beschenkt; er nimmt damit dieselbe Eh- 
rung fur sich in Anspruch, wie sie einst in den 
Samniterkriegen unter dem Beifallsruf der Sol- 
daten dem P. Decius Mus, dem altesten der be- 
ruhmten Decier, zu teil geworden war (Liv. VII 
37 z. J. 411 = 343); beide waren Retter aus der 
Samnitennot geworden. Wie grossen Wert Sulla 
auf die Verleihung dieser Auszeichnung legte, 



einem weinoerge nan geinacni, uim ouua, aui «ci »». «-v ivnvm».. e -~ — - — — •■ — o -c . 

andern Seite sein Lager gehabt. Drumann hat 50 geht daraus hervor, dass er den Vorgang aut 



diese Angabe Appians iiberhaupt nicht in seine 
Darstellung (II 433) aufgenommen , und in den 
sorgfaltigen Untersuchungen von A. Kiene (Der 
rtim. Bunde.sgenossenkrieg, 1845) wird Appians 
Mitteilung gebuhrend zuriickgewiesen. Es heisst 
dort (241) in einem Cbcrblick iiber das erste Kriegs- 
jahr: ,Auffallend ist, dass unsere Quellen von 
Sulla in diesem Jahre nichts zu erzahlen haben, 
cs sei denn die von Orosius erwahnte Befreiung 



einem Gemalde in seinem tusculanischen Land- 
hause (das spater Cicero gehOrte) darstellen liess 
(Plin. a. O.). Die Eroberung des Samniten - 
lagers bildete so gut wie die Ergreifung Iugur- 
thas einen Hohepunkt in seinem Leben. Als 
dank seiner Thatkraft in Campanien kein sam- 
nitisches Heer mehr gegen die Romer im Feldc 
stand, konnte er daran denken, die Samniter 
in ihrem eigenen Lande anzugreifen. Ohne sicli 



CS I-'Cl UeiHl UiC VUli U1WS1U3 tmaiuivi- "'■"'-'""b '" -. D -.-^.- - - 

Aesernias. Diese, wenn sie stattfand, hinderte 60 mit der Belagerung Nolas und der anderen 



indes die Aushungerung und Eroberung der Stadt 
im Laufe des Sommers nicht. Wenn aber Sullas 
Name beim Siege des Marius auftaucht, wenn 
er den fliehenden Feind ganzlich vernichtet (vgl. 
S. 198, 2), so fuhlt man sich geneigt, die fal- 
schende Hand des Parteihasses, des Neides und 
der Schmeichelei geschaftig zu sehen, die sich 
nach Sullas Endsiege der Zeitgeschichte bemachtigt 



den Samniten in Campanien noch verbliebenen 
Platze aufzuhalten, wendete sich Sulla zunachst 
gegen die Hirpiner. Er nahm mit Unterstutzung 
eines aus Aeclanum stammenden Vorfahren des 
Velleius, der ihm schon mit einer Legion, die 
er in seiner Heimat ausgeboben hatte, bei der 
Besturmung Porapeiis zu Diensten gewesen war, 
die Stadt Compsa ein (Veil. II 16), eroberte 



1531 



Cornelius 



Cornelius 



1532 



Jen nordlieh davon an der Via Appia gele- 
gcnen Hauptort Aeclanum und verhangte fiber 
ihn ein so furchtbares Strafgericht, dass sich die 
Landschaft, am Gelingen weiteren Widerstandes 
verzweifelnd, ohne das Eintreffen des lucanischen 
Zuzuges abzuwarten, unterwarf (App. I 51. Aur. 
Vict. vir. ill. 75). Dann ging Sulla gegen das eigent- 
liche Samnium vor. Er drang mit Umgehung 
des von dem samnitischen Hauptanfiihrer C. Papius 
Mutilus besetzten Engpasses auf ungebahnten, 
wenig betretenen Gebirgspfaden in das Land ein, 
griff den Peind mit Erfolg im Rilcken an und 
brachte zum Schluss durch einen dreistundigen 
Kampf die Hauptstadt der Samniter, das feste 
Bovianum (Bojano), in seine Gewalt. Als dann 
das Nahen des Winters zum Einstellen weiterer 
Bewegungen nOtigte, verliess Sulla das Heer und 
begab sich nach Rom, um dort den Lohn fur 
seine Miihen zu erlangen (App. a. 0.). 

Consul im J. 666 = 88. Sullas Urahnen hatten 
in den Samniterkriegen einen Ruf als Heerfiihrer 
genossen (vgl. Liv. VIII 17 zum J. 420 = 334); 
aber seitdem der bedeutendste unter ihnen, Sullas 
atavus, mit seinem Collegerf* M.' Curius Dentatus 
die Samnitcrkriege beendet hatte (464 = 290), 
hatte er selbst zwar noch einmal im Kriege mit 
Pyrrhus das Consulat bekleidet (477 = 277), doch 
war nach ihm kein Glied des Hauses mehr zu 
der hoehsten Wurde emporgestiegen. Erst die 
erneuten Kampfe mit den Samnitern brachten 
diesen Zweig des cornelischen Geschlechts wieder 
zu Ehren. Als 200 Jahre nach der Unterwerfung 
der Samniter wieder rOmische Heere gegen das 
freiheitliebende Bauernvolk ins Feld zogen, war 
Sulla, getreu den Oberlieferungen seiner Pamilie, 
einer der eifrigsten Anfflhrer, zwar nur als Legat, 
aber doch, da sich die Ro'iuer auf den sog. kleinen 
Krieg beschrankten, selbstiindiger als einst unter 
Marius, um so mehr, als im zweiten Kriegsjahr 
der ihm vorgesetzte Consul L. Porcius Cato am 
Fucinersee im Kampfe mit den Marsern fiel. Dem 
be.sonderen Eifer Sullas in diesein Kriege ent- 
sprachen seine Fahigkeiten. Er hatte die ihm 
anvertrauten Truppen im Felde wie in dem grosse 
Vorsicht erfordernden Gebirgskriege mit vieler 
Geschicklichkeit geftihrt, und wenn er auch den 
Krieg keineswegs beendet hatte — Bovjamun 
ging im folgenden Jahr (666 = 88) wieder ver- 
loren (Obs. 56), und die Samniter verharrten im 
Widerstand — so hatte er doch dem Feinde man- 
chen Vorteil abgewonnen. Jetzt glaubte er den 
richtigen Augenblick gekommen, bei dem Volke 
seine Bewerbung um das Consulat anzubringen 
(Veil. II 17 dm ita se gessit, ut mil lam petendi 
eonsulatum cogitationem habere videretur: dcinde 
post praeturam illustratus bello Italico . . . ex 
suecessu animum sumpsit), er stellte sich den 
Biirgern in dem frisehen Glanze seiner Waffen- 
thatcn vor und wurde neben dem ebenfalls ari- 
stokratischen Q. Pompeius Rufus fast einstimmig 
zum Consul fur das J. 666 = 88 gewahlt, in dem 
er 50 Jahre alt wurde (Veil. a. O. Plut. Sull. 6. 
Diod. frg. XXXVII 25). Zu der hoehsten Stelle 
im Staat erhoben, traf Sulla auch in seinen haus- 
lichcn Vcrh&ltnissen eine Anderung. Er trennte 
sich von seiner bisherigen Gemahlin, einer Cloelia, 
die er nach seinen beiden ersten Frauen, einer 
Ilia und einer Aelia, geheiratet hatte, um wenige 



Tage darauf mit der Nichte des beriihmten Q. 
Caecilius Metellus Numidicus (cos. 645 = 109), 
des Todfeindes des Marius, eine neue Verbindung 
einzugehen. Das Volk, das ihn an die Spitze des 
Staates gestellt hatte, sang damals Spottlieder 
auf seine Vermahlung, und auch viele Vornehme 
hielten sich daruber auf, als ob seine Wahler, 
nach dem Ausdruck des Livius, ihm zwar die 
Erlangung des Consulats, aber nicht die Heim- 

10 fuhrung der Caecilia Metella gtinnten (Plut. Sull. 
6 nach den niitigen Berichtigungen, ygl. Bd. Ill 
S. 1234). Aus seiner ersten Ehe hatte Sulla eine 
Toehter, die mit dem Soline seines Collegen, dem 
jungen Q. Pompeius Rufus, vermiihlt war; erst 
Caecilia, die schon aus einer fruheren Ehe Sohne 
hatte, schenkte ihm mannliche Nachkommen. 
Wenn Sulla dadurch, dass er die Hand der Cae- 
cilia gewann, in das engste Verhaltnis zu den 
fiihrenden Kreisen innerhalb des Adels trat, so 

20 wurde die Wahl zum Consul darum fur ihn so 
aussichtsvoll, weil im Fruhling des J. 666 = 88 
der Krieg mit Mithridates seinen Anfang nehmen 
musste; an einen der beiden Consuln war also 
Asien als Provinz und der Oberbefehl gegen den 
KOnig von Pontus zu vergeben. Das Los entschicd 
fiir Sulla, wahrend seinem Collegen Italien als 
Provinz verblieb (Veil. II 18. App. b. c. I 55 ; 
Mithr. 22). 

An eine ernsthafte Kriegfuhrung in Asien war 

30 nur dann zu denken, wenn in Italien der Friede 
wiederhergestellt wurde. Das konnte aber nur dann 
geschehen, wenn samtlichen italischen Bundesge- 
nossen der unverkiirzte Genuss des Biirgerrechts 
zugestanden wurde. Wenn je, so war jetzt, wo 
sich Rom ein em gewaltigen auswartigen Feinde 
gegeniibergestellt sah, der Augenblick gekommen, 
den Gediuiken zu verwirklichen, fiir dessen lnann- 
hafte Verfechtung C. Sempronius Gracchus und 
M. Livius Drus^us ihr junges Leben hatten lasseti 

40 niussen. Rom bedurfte der vereinigten Krafte 
Italien s, wollte es dem asiatischen Eroberer wirk- 
sam entgegentreten; anderseits vergab es sich 
nichts, wenn es den Bundesgenossen endlich ihre 
alte Forderung bewilligte, da es soeben im Kriege 
mit ihnen seine Waffenehre behauptet und durch 
das Zusammenhalten allcr Parteien gegen die 
Bundesgenossen die Uberlegenheit seines Staats- 
gedankens erwiesen hatte. In richtiger Beurtei- 
lung der allgemeinen Lage entschloss sich damals 

50 der 35jahrige P. Sulpicius Rufus , der in dem 
marsischen Kriege als Legat des Cn. Pompeius 
Strabo (cos. 665 = 89) die ROmer wiederholt 
zum Siege gefuhrt hatte, fiir die Rechte der 
Bundesgenossen einzutreten. Ein Patricier so gut 
wie Sulla, legte er seinen Adel ab und Hess sich 
fiir das J. 066 = 88, fiir das Sulla das Consulat 
erhielt, zum Volkstribun wahlen. Als solcher be- 
antragte er die vodlige Gleichstellung der Italiker 
mit den Romern und forderte auch fiir die Frei- 

60 gelassenen, die gegen die Bundesgenossen gedient 
hatten (Liv. ep. 74. App. I 49. Macrob. sat. I 
11, 32), das romische Biirgerrecht (Liv. ep. 77. 
App. I 55. Veil. II 18). Sulla hatte bisher nur 
in militarisehen Stellungen eine nennenswerte 
Thatigkeit entfaltet; er stand jetzt als Consul 
zum erstenmal in seinem Leben vor der Aufgabe, 
in einer politischen Frage das entscheidende Wort 
zu sprechen. Wie dies ausfallen wurde, konnte 



1533 



Cornelius 



Cornelius 



1534 



allerdings'kaum zweifelhaft sein. Ein Schfingeist 
und selbst nicht ohne Sinn ftir Wissenschaft, war 
Sulla zwar feiner als Marius; gleichwohl liess er 
das Verstandnis des Staatsmannes fiir die Zeichen 
der Zeit vermissen. Er unterschatzte die Gefahr, 
die im Osten gegen alles, was lateinisch sprach, 
heraufzog, und sah, unfahig sich iiber den Stand- 
punkt vergangener Jahrhunderte zu erheben, gleich 
den Altvordern den argsten Feind des rSmischen 
Wesens in den Samnitern. Er that einmal die 
Ausserung, er kenne den Geist dieses Volkes ; nie 
werde Rom Ruhe haben, solange noch ein Sam- 
niter am Leben sei, darum miisse der samnitische 
Name von der Erde vertilgt werden (Strab. V 
249). Bei solcher Gesinnung, die auf dem leiden- 
schaftlichen Hass des hoehgeborenenROmers gegen 
den selbstbewussten italischen Bauer beruhte, 
dachte Sulla nicht daran, auf die Wiinsche der 
Bundesgenossen einzugehen, und brauchte mit 
seinem Collegen gegen Sulpicius seine Amtsge- 
walt. Freilich wussten sich beide Consuln nicht 
anders zu helfen, als dass sie den Buchstaben des 
Gesetzes heranzogen: sie setzten namlich ausser- 
ordentliche religiose Feiertage (feriae) an, wah- 
rend deren die Geschafte ruhten (iustitium). 
Durch kluge Ausnutzung des formalen Rechts 
glaubten sie also die Abstimmung iiber die sul- 
picischen Antrage hintertreiben zu konnen (App. 
I 56. Plut. Sull. 8). Dieses unsachliche Vorgehen 
in einer ernsten Frage war aber ein verhangnis- 
voller Schritt: der Wendepunkt in Sullas Leben 
war gekommen. Sulpicius hatte nicht darum mit 
seiner Vergangenheit gebrochen, um sioh leichthin 
abfertigen zu lassen. Er erschien mit bewaffnetem 
Gefolge auf dem Markte, wo die Consuln vor dem 
Castortempel eine Versammlung abhielten, und 
forderte die Aufhebung der Ansage von Feiertagen. 
Als die Consuln die Zurueknahme ihrer Anord- 
nung verweigerten, drang die Menge auf sie ein. 
Pompeius konnte noch rechtzeitig entfliclien, aber 
sein Sohn, Sullas Schwiegersohn, der sich in die 
Gegenreden eingemischt hatte, nrasste seinen Vor- 
witz mit dem Todc biissen. Sulla selbst sah sich 
in der Richtung nach dem nahe dem Markt er- 
bauten Hause des Marius verfolgt und rettete sein 
Leben nur dadurch, dass er dort hinein schltipfte ; 
wahrend dann seine Verfolger in der Eile vorbei- 
rannten, wurde er von Marius zu einer anderen 
Thiir sicher hinausgelassen und entkam gliicklich 
zu seinem Heere vor Nola. So lautet die glaub- 
wiirdigste Nachricht (Plut. Mar, 35;. Sull. 10). 
Sulla selbst schrieb in seinen Denkwiirdigkeiten, 
man habe ihn mit Gewalt in das Haus des Marius 
geschleppt, und Sulpicius ihn dort mit dem blossen 
Degen bedroht; in dicser Not habe er sich dazu 
verstanden, auf den Markt zuriickzugehen und die 
consularischen Massnahmen zu widerrufen (Plut. 
Mar. a. O.; Sull. 8. App. I 56). Gleichviel, ob 
Sulla gezwungen nachgegeben hat oder nicht, die 
Antrage des Sulpicius auf ungeschmalerte Ge- 
wiihrung des Biirgerrechts an die Bundesgenossen 
und Freigelassenen wurdeu vom Volk genehmigt, 
und Sulla suchte Schutz bei seinen zum Kriege 
gegen Mithridates in Campanien versammelten 
Legionen. Sulla war so gliicklich, sein Lager bei 
Nola noch vor den beiden Tribunen zu erreiehen, 
die im Narnen des Volkes die Ubergabe des Heeres 
an Marius verlangten. Denn dahin war es ge- 



kommen, dass Marius zum Retter in der Not 
werden musste; da Sulla die Hiilfe der Bundes- 
genossen von sich gestossen hatte, wurde der Held 
von Aquae Sextiae dazu ausersehen, das geeinte 
Italien gegen den Feind der Nation zu fuhren. 
Wenn in den Darstellungen dieser Zeit in der 
Regel das Alter des Marius bemangelt wird — 
er zahlte damals 67 Jahre — , so mag man zum 
Vergleich bedenken, dass er noch nicht so alt 

10 war wie Bliieher, als dieser mit der Fuhrung der 
schlesischen Armee gegen Napoleon betraut wurde. 
Bei weissem Haar war Marius an KOrper und 
Geist noch frisch wie ein Jiingling, und mochte 
er gegen die Bundesgenossen, seine alten Waffen- 
gefahrten aus dem Kriege gegen die Teutonen, 
nur mit halbem Herzen gefochten haben, so er- 
griff das Verlangen , dem herrschsiichtigen Bar- 
barenfursten die Spitze zu bieten, seine ganze 
Seele (Plut. Mar. 34). 

20 Sulla aber war weit davon entfernt, den Wider- 
stand gegen die Einigung Roms mit den Bundes- 
genossen aufzugeben, und warf sich, da die Ge- 
setzesmaschine in der Handhabung gegen den 
Volkswillen versagt hatte, mit Hintansetzung des 
mithridatischen Krieges dem ihm unterstellten 
Heer in die Arme. Schon im vorhergehenden 
Jahr hatte er, wahrend er die iiber wundenen Italiker 
mit einer abstossenden Harte, ohne Gefuhl fiir 
ihre Stammverwandtschaft mit den ROmern be- 

30handelte, eine bedenkliche Nachsicht gegen die 
Zuchtlosigkeit seiner Soldaten gezeigt, als diese 
seinen Legaten A. Postumius Albinus, einen Con- 
sular, den er nach der ZerstOrung von Stabiae 
nach Pompeii zwecks Einleitung der Belagerung 
vorausgeschickt hatte, aus Hass iiber seine Strenge 
steiuigten ; damals hatte Sulla auf eine Bestrafung 
der Schuldigen verzichtet und sich mit der Er- 
mahnung an die Gesamtheit begniigt, durch tapferes 
Verhalten vor dem Feind die Erinnerung an den 

40 Fall auszulOschen (Liv. ep. 75. Oros. V 18. 22. 
Plut. Sull. 6. Poly a en. VIII 9, 1). Dass man 
ihn damals einen Heerverderber schalt, hatte ihn 
wenig gekiimmert, da ihm die Gunst der Truppen 
den Weg zum Consulat bahnen sollte (Plut. Sull. 
6. 12. Sail. Cat. 11, 5). Als jetzt die Volks- 
versammlung in Rom durch zwei Tribunen Ge- 
horsam gegen ihren letzten Beschluss verlangte, 
versammelte Sulla die Mannschaften in seinem 
Lager (Val. Max. IX 7, 1) und entfesselte selber 

50 durch die Verdachtigung , Marius werde die in 
Asien zu erwartende reiche Beute liebcr andem 
Truppen gonnen wollen, eine solche Wut, dass 
die beiden Tribunen gesteinigt wurden. Am er- 
schreckendsten aber trat die Verwilderung, die 
der zweijahrige Krieg im eignenen Lande in den 
Gemiitem angerichtet hatte, in dem Rufe der 
Soldaten zu Tage, Sulla solle Mut fassen und sie 
geradezu gegen Rom fuhren; sie wussten, dass 
sie Sulla damit nur entgegenkamen, dass sie das 

60 nur ausspraclieii, was er zu horen wiinschte (Plut. 
Sull. 9; Mar. 35. App. I 57. Oros. V 19). 

Zwar sah Sulla sein unerhortes Beginncn auf 
der Stelle gerichtet, indem samtliche hoheren 
Officiere, mit Ausnahme eines Quaestors, sich von 
ihm lossagten (App. a. O.), aber er hielt es nur 
noch mit seinen Legionen und setzte sich gegen 
Rom in Bewegung. Als zwei Praetoren, die ihm 
der Senat entgegenschickte, so mutig waren, ihm 



1535 



Cornelius 



Cornelius 



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Cornelius 



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1538 



ernste Vorhaltungen zu machen, liess er zu, dass 
sie von seinen Soldatcn auf das schwerste ge- 
misshandelt wurden; auch alle iibrigen Gesandt- 
schaften machten auf ihn keinen Eindruck. Durch 
eine letzte Abordnung bat ihn der Senat, niclit 
weiter als bis auf eine Meile von der Stadt vor- 
zugehen. Zwar versprach er, Halt zu machen, 
und gab den Befehl, ein Lager abzustecken, doch 
dies Benehmen war nur auf Tauschung des Senats 
berechnet; denn kaum hatten ihra dessen Boten 
den Riicken gekehrt, so liess er von neuem an- 
treten, um den Eingang in die Stadt zu erzwingen 
(Plut. Sull. 9. App. I 57). Auf seinen Befehl 
besetzte eine Legion unter L. Basillus und C. 
Mummius das esquilinische , eine andere rechts 
davon unter seineni Collegen Q. Porapeius Rufus, 
der sich ihm vor der Stadt angeschlossen hatte, 
das collinische Thor am Fusse dea Quirinalis, 
eine dritte die Tiberbriicke, eine vierte riickte 
als Reserve nach, wahrend er selbst sich die Fiih- 
rung der beiden letzten Legionen vorbehielt. Der 
Mittelpunkt des Kampfes wurde der Esquilin. Die 
Angreifer gingen bis zu seiner Hohe vor, wurden 
aber von den Dachern der Hauser mit Steinen 
und Ziegeln beworfen und nach der Mauer zuriick- 
getrieben. .Inzwischen', so iahrt Plutarch fort 
(Sull. 9), ,kam Sulla selbst herbei, und da er sah, 
was vorging, schrie er, man solle die Hauser in 
Brand stecken, lief mit einer brennenden Fackel 
vor den fibrigen her und befahl seinen Bogen- 
schiitzen, Brandpfeile auf die Ditcher zu werfen. 
So sehr raubte ihm die Hitze der Leidenschaft 
alle verntinftige Cberlegung, dass er hier bios 
an die Befriedigung seiner Bache dachte und nur 
seine Peinde vor Augen hatte, aber auf seine 
Preunde und Verwandten nicht die geringste 
Kiicksicht nahm, sondern ohne Schonung durch 
Feuer und Flammen, die doch zwischen Feindcn 
und Preunden keinen Unterschied machen, einzu- 
dringen versuchte'; vgl. Flor. II 9, 7. Oros. V 
19, 4. App. I 58. Die Truppen gelangten jetzt 
his auf den esquilinisehen Marktplatz (bei Santa 
Maria Maggiore), wo sich ihnen Marina und Sul- 
picius mit einer eiligst zusammengerafl'ten Schar 
entgegenwarfen (App. a. 0.). Die Sullaner, einon 
Augenblick aufgehalten, erhielten von den Thoren 
Verstarkungen und bedrohten die Verteidiger durch 
eine Umgehung auf der Suburastrasse im Riicken: 
Marius musste den Platz raumen (App. a. 0.). 
Auch eine zweite Stellung am Tempel der Tcllus, 
wo der Esquilin sich gegen das Forum zu senken 
beginnt , konnte Marius trotz verzweifelter An- 
strengungen nicht halten; so wurde er denn ge- 
notigt, sich dein ungleichen Kampfe durch die 
Fluent zu entziehen, solange noch nicht alle Thore 
besetzt waren (Plut. a. 0.). Als kein Feind mehr 
in den Strassen stand, riickte Sulla in schnellem 
Marsche fiber die Sacra via auf das Forum und 
vi.'i'sichei'te sich des Capitoliums (Flor. Oros. a. (».). 
Einige Plunderer mussten bestral't werden , uiid 
z weeks Verlmtung weiterer Unordnungen wurdm 
in der Nacht Patrouillen durch die Strassen ge- 
schickt. wahrend er selbst mit seinem Collegen 
wach blieb (App. I 59). 

Einst hatte sich Coriolan seinem Hasse gegen 
Plebs und Tribunat soweit uberlassen . dass er 
ein feindliches Heer gegen seine Vaterstadt heran- 
fiihrte; er war dann aber im letzten Augenblick 



mngekehrt, und wahrend er selbst untorging, Kom 
gerettet worden; Sulla dagegen hielt vor den 
Mauern nicht inne und machte sich durch die 
zum Kriege gegen den Landesfeind bestimmten 
Legionen in einem regelrechten Angriff ,unter dem 
Schall von HCrnern und Trompeten' (App. I 58) 
zum Herrn der Stadt. Soweit hatte noch nie 
ein EOmer die Pflicht gegen den Staat vergessen. 
Wenn man nach einer Erklarung fiir Sullas un- 

10 rOmische Handlnngsweise sucht, so daTf man nicht 
den Anteil vergessen, den orientalische Religions- 
vorstellungen daran hatten. Boten diese in jenen 
erregten Zeiten iiberhaupt dem Aberglauben neue 
Nahrung, so war Sulla, vermCge seines Wesens 
und seiner Erlebnisse, besonders empfanglich da- 
fur. Er hat es zeitlebens nicht vergessen, dass 
ihm einst in Kappadokien ein Chaldaeer verkiindet 
hatte, er werde in seiner Heimat der erste Mann 
werden , und die Erinnerung an die verheissene 

20 Machtfiille trug gewiss dazu bei, ihm seinen ver- 
derblichen Entschluss zu erleichtern. Es wird 
erzahlt, so berichtet Plutarch (Sull. 9), Sulla habe 
vor dem Sturm auf Bom eines Nachts im Traum 
die kappadokische Gettin gesehen, die die Romer 
Bellona nannten: sie habe ihm einen Blitzstrahl 
uberreicht, mit dem Befehl, damit seine Feinde 
der Beihe nach zu zerschmettern; er habe es 
gethan, und einer nach dem andern sei versunken. 
Durch dicse Erscheinung, iiber die er sich am 

30 Tage zu seinem Collegen geaussert habe , sei er 
in seinem Vorhaben best&rkt worden. Im Gefiihl 
seiner Unwiderstehliebkeit , in dem schmeicheln- 
deu Wahn befangen , er sei das Werkzeug der 
rachenden Gottheit, hatte er sich also gegen 
seine Feinde in Bom aufgemacht; man muss sich 
dies vergegenwartigen, um nur einigermassen zu 
begreifen, woher er den Mut zu den folgenden Hand- 
lungen nahm. Sulla liess die Haupter der ihm 
entgegengesetzten Bewegung, voran ihren Wort- 

40 fiihrer Sulpicius , dann den greisen Marius samt 
seinem Sohn, auch die beiden Praetoren, die ihn 
zur Umkehr ermahnt hatten , im ganzen zwolf 
Manner, durch den Senat in die Acht erklaren 
(hostem iudicare) und sandte hinter ihnen seine 
Beiter her (Liv. ep. 77. Veil. II 19. App. I (50). 
Plutarch erinnert daran, wie anders wenige Tage 
zuvor Marius an Sulla gehandelt hatte (Sull. 10), 
und dem fleissigen Sammler Valerius Maximus 
verdanken wir die wertvolle Nachricht, dass wenig- 

50 stens in einem Senator das Gewissen starker war, 
als die Furcht vor Sulla. Es heisst boi ihm (III 
8, 5) von dem ehrwiirdigen Augur Q. Mucius 
Scaevola, einer Zierde der Nobilitat: Bullae volun- 
tatis nidlo obviam ire audente solus Soaevola 
intcrrogatus de hac re sentcntwm dicere noluit. 
Quin etiam triteulentius sibi minitanti Sullae: 
,Lir:et, inquit , mihi agmina miUtnm, qwibus 
titriam eirr-nmsedisti. ostentcs, licet mortem, iden- 
tidem milliter is, nunquam tameu cfficiea , ut 

60 propter exiguum senilemquc sanguincm ntemn 
Marium, a quo urbs ct Italia conserrata est. 
hostem ivdicem.' Der Uberwinder der Cimbern 
entging mit. genauer Not dem Tode durch Henkers- 
hand und blieb selbst auf den Sden Strandduuen 
Numidiens von der Verfolgung nicht verschont. 
Sulpicius wurde bei Laurentum von den Haschcrn 
aufgegriffen und nicdergemacht; seinen Kopf liess 
Sulla nach Rom schicken und dort auf dem Markt 



auf der Bednerbiihne ausstellen, wo er selbst noch 
vor wenigen Tagen inmitten des fur Marius be- 
geisterten Volkes seine gewaltige Stimme erhoben 
hatte (Val. Max. VI 5, 7. Plut. Sull. 10). 

Sulla war nicht damit zufrieden, die ihm ent- 
gegenstehenden Personen seinem Rachegelust zu 
opfern, sondern er; zerstOrte auch die Einrich- 
tungen, auf denen eine volksfreundliche Gesetz- 
gebung, wie die des Sulpicius, beruht hatte. Er 
hobsamtlicheunterSulpiciusergangenenBeschliisse 
auf (Cic. Phil. VIII 7) und traf folgende Be- 
stimmungen (App. I 59): 1) Kein Antrag eines 
VoBistribunen diirfe ohne vorausgegangene Zu- 
stimmung des Senats (auetoritas patrum) vor die 
plebs gebracht werden. Damit wurde eine Vor- 
schrift neu eingescharft, die bereits seit dem hor- 
tensischen Gesetz (um 467 = 287) keine Geltung 
mehr hatte (vgl. Mommsen St.-R. Ill 158, 2). 
2) Das Volk solle bei den Wahlen nicht mehr in 
Tributcomitien (wie seit 513 = 241), sondern 
wieder in Centuriatcomitien abstimmen, wie es 
einst Servius Tullius angeordnet hatte; vgl. E. 
Meyer Herm. XXXin 1898, 652. 3) Der Senat 
solle um 300 Mitglieder aus der Nobilitat ver- 
mehrt werden. 

Neben diesen drei von Appian erwahnten Ge- 
setzen werden noch folgende zwei zwei genannt: 
1) ein Gesetz iiber die Ausfuhrung von Colonien 
(Liv. ep. 77); 2) ein Schuldengesetz (lex unaiaria 
bei Festus), wahrscheinlich in Erneuerang eines 
Gesetzes von 397 = 357 eine Herabsetzung des 
Zinsfusses (8V2 °/o f Qr das lOmonatige, 10 u / fur 
das 12monatige Jahr) betreffend. Vgl. Mommsen 
R. G. II 258 Anm. und Billeter D. Zinsfuss im 
Altertum (Lpz. 1898) 155—157. 

Noch wahrend Sullas Aufcnthalt in Rom trat 
die Unzufriedenheit mit seiner Regierung in zwei 
Fallen hervor. Als Sulla den Versuch machte, 
dem Nordheer, das unter dem Proconsul Cn. Pom- 
peius Strabo stand, seinen Collegen Q. Pompeius 
Rufus als Fiihrer aufzudrangen, wurde dieser von 
den Soldaten erschlagen (Liv. ep. 77. Veil. II 20. 
Val. Max. IX 7, 2. App. I 63). Das Volk gab 
ihm aber dadurch sein Missfallen zu erkennen, 
dass es zu Consuln des nachsten Jahres (667 = 
87) nicht die von ihm aufgestellten Candidaten, 
Servius und seinen Schwestersohn Nonius (vgl. 
Mommsen R. Miinzw. 536. 626 und Babelon 
II 256), sondern neben dem Optimaten Cn. Octavius 
einen entschiedenen Anhanger der Volkspartei, L. 
Cornelius Cinna, wahlte. Sulla verbarg zwar 
seinen Arger iiber diesen Misserfolg durch eine 
schonklingende Bemerkung, sah sich aber doch 
genOtigt, dem ihm verhassten Cinna unter un- 
gewfthnlichen Fonnen das eidliche Versprechen 
abzunehmen, dass er keine Feindseligkeit gegen 
ihn begehen wolle (Plut. Sull. 10. Dio frg. 102, 
1 — 4). Freilich musste sich Sulla bald davon iiber- 
zeugen , dass er nicht Herr der Gewissen war ; 
denn kaum hatt« Cinna im J. 667 = 87 sein 
Amt angetreten , so nntemahm er den Kampf 
gegen den von Sulla herbeigefnhrten Zustand und 
griff auch seine Person an, indem er den Volks- 
tribunen M. Vergilins (Cic. Brut. 179) zur An- 
klage gegen ihn anstiftete (Plut. a. O.). Nach 
den mannigfachsten Gewaltsamkeiten war Sulla 
wieder auf dem Punkt angelangt, wo er vor einem 
Jahr gestanden hatte; wie damals, so warteten 

Pauly-Wiasowa IV 



auch jetzt seine Legionen, die er inzwischen von 
Bom nach Capua (App. I 63) zuriickgeschickt 
hatte, in Campanien auf den Augenblick, wo sie 
nach Brundisium abmarschieren sollten, und aber- 
mals war Sulla vor die Frage gestellt, ob er sie 
gegen seine politischen Gegner verwenden solle. 
Jetzt musste er indessen den Rachezug fiir spatere 
Zeiten aufschieben und erst das ihm unterstellte 
Heer seiner Bestimmung zufuhren, dem Zriege 

10 gegen Mithridates. 

Im Frilhling des J. 666 = 88 hatte Mithri- 
dates den Halys uberschritten und Bithynien be- 
setzt, auch Kappadokien behauptet; darauf hatte 
er die romische Provinz Asien erobert und in 
ihrer Hauptstadt, in Pergamon, seinen Hof auf- 
geschlagen. Der Marsch des Consuls Sulla gegen 
Rom hatte dann jede Spur von Achtung fiir die 
rOmische Macht in ihm getilgt und ihn dazu 
ermutigt, in Ephesos den Mordbefehl zu erlassen, 

20 dem alles , was innerhalb seines Machtbereichs 
lateinisch sprach, zum Opfcr flel, nicht nur die 
romischen Biirger, sondern auch die Italiker, denen 
Sulla das Biirgerrecht missgonnte. Danach hatte 
er, gleich Antiochus von Syrien nach Europa 
hiniibergreifend, mit einem Landheer die thracische 
und makedonische Kiiste besetzt und mit einer 
Flotte den Mittelpunkt des eigentlichen Griechen- 
lands, Athen, in seine Gewalt gebracht. Statt 
dem TJrheber des ephesischen Mordbefehls auf den 

30 Leib zu gehen, gefiel sich Sulla darin, die Griechen 
fiir ihren Abfall von Rom zu ziichtigen. In 
Griechenland war bereits eine Wendung zu Gunsten 
der Rfimer erfolgt. Als der Feldherr des Mithri- 
dates, Archelaus, von Athen durch Boiotien nach 
Thessalien vorzudringen versuchte, natte ihn der 
tapfere Legat des Statthalters von Makedonien, 
der Quaestorier Q. Bruttius Sura (Bd. Ill S. 915) 
in drei Gefechten bei Chaeronea festgehalten und 
auf das Meer zuriickgeworfen. Er hatte also die 

40 romischen Waffen wieder zu Ehren gebracht, und 
da er iiberdies durch seine gute Haltung das Ver- 
trauen der Griechen gewonnen hatte, so waren diese 
bereits geneigt, zur rOmischen Herrschaft zuriick- 
zukehren. Als nun nach Sullas Laudung in Epirus 
die Spitze seines Heeres in Boiotien eintraf , er- 
hielt Bruttius durch den Fiihrer der sullanischen 
Vorhut, den Quaestor L. Licinius Lucullus, den 
Befehl, weitere Bewegungen in Griechenland ein- 
zustellen, und ging nach Makedonien zuriiek (Plut. 

50SuU. 11; vgl. App. Mithr. 29). Sulla Offnete sich 
durch ein Treffen (Paus. I 20, 5) den Weg nach 
Attika und versuchte Athen durch einen Hand- 
streich zu nehmen, wurde aber unter empfind- 
lichen Verlusten zuruckgeschlagen. Jetzt bezog 
Sulla bei Eleusis und bei Megara ein festes Lager 
und begann die Belagerung; die Stadt wurde von 
Aristion (Bd. II S. 900), der Hafen Piraeus von 
Archelaus (Bd. II S. 448) verteidigt (App. Mithr. 
30. Plut. Sull. 12). Wahrend sich Sulla der 

60 Stadt gegeniiber auf eine enge Umschliessung be- 
schrankte, griff er den Piraeus mit grosser Heftig- 
keit an. Aber Sulla hatte seinen Gegner unter- 
schatzt; er sah sich zu einer langwierigen Be- 
lagerung gezwungen und musste ausseTgewOhnliche 
Anstrengungen dazu machen. Durch den hartnacki- 
gen Widerstand gereizt, fiihrte Sulla den Krieg 
mit einer Riicksichtslosigkeit , die die Griechen 
um so mehr gegen ihn erbittern musste, als sie 

49 



1539 



Cornelius 



Cornelius 



1540 



einst von Flamininus und Aemilius Pauhis die dem Kerameikos niedermachen (Paus. I 20, 6); 

mildeste Behandlung erfahren hatten. Als das der Hauptschuldige aber, Aristion, war auf die 

vorhandene Holz fur die Belagerungswerkzeuge Akropolis entkommen und musste weiter belagert 

nicht ausreichte, liess er die Gotterhaine fallen; werden. Nach dem Pall der Stadt berannte Sulla 

die prachtigen Baumreihen des Lyceums und die den Hafen von neuem, diesmal mit dem Erfolge, 

ehrwiirdigen Platanen der Akademie sanken unter dass sich Archelaus nach Munycbia zuriickzog 

den Axtschlagen seiner Soldaten dahin. Urn die (Pint. Sull. 14. 15. App. Mithr. 40). Der Piraeus 

Kosten fur den Krieg aufzubringen, beraubte Sulla war geraumt; das darin von Philon erbaute Zeug- 

ohne Seheu die beriihmten Tempel des Asklepios haus, ein vielbewundertes Bauwerk, liess Sulla 
zu Epidaurus, des Apollon zu Delpbi und des 10 niederbrennen (Plut. Sull. 14). Sulla pries sich 

Zeus zu Olympia ihrer reichen Schatze und goss spater glucklieh, dass er die Stadt Athen nicht 

bitteren Hohn iiber die Fiirsprecher der Heilig- eingeaschert habe (Plut. apophth. imper. Eom.); 

turner aus; dass er sie spater zum Teil von dem aber den Piraeus hat er so grimdlich zerstOrt, 

Gute der Thebaner entschadigte , konnte seiner dass der athenische Handel seine Stellung im 

Handlungsweise das Gehassige nicht nehmen (Plut. Ostlichen Mittelmeer fur immer verlor. trber den 

Sull. 12. 19. App. Mithr. 54. Diodor. frg. XXXVHI endgultigen Verfall des Piraeus vgl. Strab. IX 396. 

7. Paus. IX 7, 4). Das geraubte Gold wurde in Seit der Eroffnung des Feldzuges war ein 

dem Peloponnes zu Geld gepragt (Plut. Luc. 2; Jahr vergangen, und noch immer behauptete in 

vgl. Babe Ion I 406 nr. 28. 29). ,Da Sulla zu- Griechenland das Heer des Konigs das Feld. 
gleich andere Soldaten zur Verraterei und seine 20 Taxiles , ein anderer Feldherr des Mithridates, 

eigenen zur Liederlichkeit verfiihrte, so brauchte riickte von Norden gegen Athen heran ; er stand 

er auch immer viel Geld, besonders bei dieser vor der phokiscben Stadt Elatea, die ihm deu 

Belagerung von Athen' (Plut. Sull. 12). Der Weg versperrte, da erfuhrer, dass Sulla am l.Marz 

Winter kam heran, und noch "war nichts gewonnen. Athen erobert hatte. Sulla seinerseits verliess 

Sulla zog sich in sein festes Lager bei Eleusis das bergige Attika, das ihn nicht mehr ernahren 

zuriick. Noch im Winter versuchte er einen neuen konnte — die Belagerung der Akropolis wurde 

Sturm auf den Piraeus, wurde aber auch diesmal einem Legaten fibertragen — und stieg trotz der 

abgewiesen. Mittlerweile hatte in der Stadt die tlberlegenheit der pontischen Eeiterei in die boio- 

Hungersnot furchtbar aufgeraumt. Eine Gesandt- tische Ebene hinab. Er besetzte hier Chaeronea 
schaft, die ihn urn Frieden bat, liess Sulla un-30und den Engpass zwischen Phokis und Boiotien, 

verrichteter Sache umkehren (Plut. Sull. 13); bald so dass sich der Feind aus dieser Landschaft nor 

darauf wurde er durch einen Zufall auf einen nach dem Meere hin, in der Eichtung auf die 

schwachen Punkt in der Verteidigungslinie der euboeische Stadt Chalkis, zuriickziehen konnte. 

Stadt aufmerksam gemacht (Plut. de garr. 7) und Als Archelaus, der nach Sullas Abmarsch Munychia 

setzte fur die Mitte der Nacht zum 1. Marz (Plut. verlassen und den Oberbefehl in Boiotien fiber- 

Sull. 14) den Sturm an. Er liess ein Stuck nommen hatte, wirklich Miene machte, nach Osten 

Mauer zwischen dem piraeischen und dem heiligen auszuweichen , griff ihn Sulla an und warf ihn 

Thor niederreissen und drang unter dem Schall auf den schmalen Meeresarm zwischen Boiotien 

von HOrnem und Trompeten und dem lauten Ge- und Euboia, den Euripus, zuruck. tlber diese 
schrei seiner Soldaten in die Stadt ein. Da es 40 Schlacht bei Chaeronea giebt Plutarch einen auf 

nichts mehr zu kampfen gab, liess Sulla seine genauer Kenntnis der Ortlichkeit — Chaeronea 

Soldaten morden und plundern. ,Die Zahl der war seine Vaterstadt — beruhenden eingehenden 

GetOteten', erzahlt Plutarch (a. O.), ,lasst sich Bericht (Sull. 15—19); er sah auch noch die 

nicht berechnen, sondern noch jetzt pflegt man Siegeszeichen, die Sulla nach gewonnener Schlacht 

sie nach dem Raum, wie weit das Blut geflossen errichtet hatte. Im ubrigen vgl. Appian. Mithr. 

ist, zu beurteilen. Denn ohne diejenigen zu rechnen, 41 — 45 und fiber die Sehlachtordnung Frontin 

die in anderen Teilen der Stadt umgebracht wur- str. II 3, 17; Plan des Schlachtfeldes bei Th. Bei- 

den, uberschwemmte das auf dem Markte ver- nach Mithridates, deutsch von A. Goetz (1895) 

gossene Blut den ganzen Kerameikos auf der 162. Von Chaeronea ging Sulla nach Athen zu- 
Innenseite des Dipylons, ja, wie viele behaupten, 50 nick und hielt sich dort nach dem Fall der Akro- 

strSmte es durch das Thor bis in die Vorstadt. polis so lange mit der Bestrafung der EmpOrer 

Obgleich aber so viele auf diese Weise ums Leben (Licinian. p. 33) und dann in Thessalien mit der 

kamen , war doch die Zahl derer nicht geringer, Beobachtung de8 demokratischen Gegenheeres auf, 

die sich selbst, weil sie ihr Vaterland far ganz dass er Mithridates Zeit liess, ein zweites Heer 

verloren hielten, aus Jammer und Betriibnis um- aus Asien iiber Euboia in die Kephissosebene zu 

brachten. Denn das setzte die bestcn Burger in werfen (Plut. Sull. 20). Daher musste es Sulla 

Verzweiflung, dass sie sich von Sulla weder Men- in derselben Landschaft abermals auf eine Schlacht 

sehenliebe noch Massigung versprechen konnten.' ankommen lassen. Der Feind hatte eine Stel- 

So furchtbar liess Sulla die Stadt ihren hart- lung gewahlt, wo er seine Reiterci ungehindert 
nackigen Widerstand biissen. Erst durch den 60 entfalten konnte; es war die tiefer als Chaeronea 

Fussfall zweier von Aristion verbannter Athener liegende baumlose Ebene von Orchomenos. Aber 

und die Fiirbitte der romischen Senatoren in seinem auch hier wusste Sulla so geschiekt Graben an- 

Lager liess er sich umstimmen. ,Da sagte er zulegen, dass er die Hauptwaffe des Feindes in 

viel zum Lobe der alten Athener und erklarte ihrer Bewegungsfreiheit einschrankte. Die pon- 

endlich, er wolle vielen um weniger willen und tische Eeiterei musste befurchten, von dem festen, 

den Lebenden um der Toten willen verzeihen' zum Eeiten tauglichen Boden abgeschnitten und 

(Plut. a. O. Flor. I 40, 10). Von den Gefangenen auf die Sumpfe am Kopaissee zurfickgedrangt zu 

liess er auch jetzt noch jeden zehnten Mann auf werden, daher suchte sie ihr Gegenuber beim 



1541 



Cornelius 



Cornelius 



1542 



Graben zu stflren. Ihre Geschwader warfen sich 
mit solchem Ungestiim auf die rOmischen Arbeits- 
truppen, dass diese samt der ihnen beigegebenen 
Bedeckung die Flucht ergriffen. Da konnte nur 
ein persOnliches Eingreifen des Feldherm eine 
Wendung herbeifiihren. Plutarch erzahlt (Sull. 
21): Sulla sprang selbst vom Pferd, ergriff eine 
Fahne und drangte sich mitten durch die Fliehen- 
den gegen den Feind, indem er schrie: ,Fur mich, 



wustet hatten (Plut. Sull. 22). Nach seinem ge- 
waltsamen Vorgehen gegen Marius hatte er nichts 
anderes erwarten kSnnen und von vornherein die 
Belagerung Athens mit grosser Hast betrieben, 
um den Krieg schleunigst zu beenden und sich 
von neuem gegen das geeinte Italien zu wenden 
(Plut. Sull. 12). Als er dann die Stadt erobert 
und den Feind in zwei Schlachten aus dem Felde 
gejagt hatte, dachte er nicht mehr an eine emst- 



ETmerHst^s riihmlich, hier zu sterU; aber 10 lich< , Kriegfuhnmg sein Sinn stand nur noch 
wenn man eueh zu Hause fragt, wo ihr euren auf Bache zunachst an den abgefallenen Gernem- 
Teldherrn im Stich gelassen habt, so vergesst den und Landschaften des Ostens (Plut. bull, ^o) 
nicht, zu antworten: Bei Orchomenos!' Vgl. App. und dann an seinen politischen Gegnern in Eorn 
Mithr 49 Frontin. II 8, 12. Polyaen. VIII 9, 2. und Italien. Daher war es ihm sehr erwimscht, 
Ammian Marc. XVI 12, 41. Diese schneidenden dass ihm Mithridates nach dem Verlust Griecnen- 
Worte brachten die fliehenden Earner wieder zur lands die Hand zum Frieden bot (nach Memnon 
Besinnung: sie machten Front, liessen sich gegen frg. 35 trug er selbst auf Frieden an) und er 
den Fein! fiihren und zwangen ihn zur Flucht. beeilte sich dem Vertreter des Konigs Archelaus, 
Dann wurde die Schanzarbeit so lange fortgesetzt, der von Euboia auf das Festland ^heruberkam, 
bis das feindliche Lager ringsum eingeschlossen 20 seine Bedingungen zu nennen. Nachdem dies an 
war; am andern Tag! wurde es erobert. Viele der boiotischen Kuste zu Delium (Plut. Sull. 22) 
Feinde ertranken im Kopaissee. Noch zu Plutarehs geschehen war - Granius Licinianus nennt das 
Zeiten, beinahe 200 Jahre nach der Schlacht bei nordlich davon der euboeischen Stadt Chalkis 
Orchomenos, fand dort der Bauer im Schlamm gegenuberhegende Auhs (p. 33) — .^ehrte bulla 
manches Waffenstlick, ein tberbleibsel aus jenem nach Thessalien zuruck, wo er nach dem Siege 
Kamnfe (Plut Sull 21) » ei Orchomenos Winterquartiere bezogen hatte, 

Durch die* zweite Schlacht in Boiotien wurde und setzte sich dann fiber Makedonien, von Arche- 
zwar das Heer des KOnigs endgiiltig aus Griechen- laus begleitet, gegen Fimbria in Bewegung. Als 
land verdrangt, aber noch war Mithridates per- Mithridates durch eine Gesandtschaft gegen zwei 
sonlich ungebeugt, solange er nicht selbst das30Pankte der Festsetzungen von Delium die Eau- 
tbergewicht der romischen Waffen gefuhlt hatte. mung Paphlagomens und die Auslieferung von 
Die lauptarbeit sollte also erst beginnen. Wirk- Kriegsschiffen, Emspruch erhob begab sich ^Arche- 
lich kam im weiteren Verlauf des Krieges ein laus selbst zum Kanig und brachte die Erklarang 
Augenblick herbei, wo es mOglich gewesen ware, zuruck, dass dieser erne frsanliche Unte edung 
Mithridates in Asien, wie einst in Africa Iugurtha, mit Sulla wunsche (Plut Sull. 23). Sulla war 
gefangen zu nehmen und damit fur immer un- damit zufneden, und nachdem er von dem thraci- 
schadlich zu machen. Der KOnig hatte nach einem schen Chersones aus, wo Lucullus mit seinem Ge- 
Siege des marianischen Gegenheeres unter Fimbria schwader zu ihm gestossen war , den Hellespont 
von Pergamon nach dem nachstgelegenen Hafen iiberschntten hatte gewahrte er dem Ktoig auf 
Pitane fflehen mftssen und war eben dabei, sich 40 dem Boden des alten Troas, zu Dardanos zm- 
dem rettenden Meere anzuvertrauen, da erschien schen Abydos und Ilium, die erbetene Z^ammen- 
in diesen Gewassern, von Chios kommend, Sullas kunft Hier verstand sich Mithridates dazu^ das 
Legat L. Licinius Lucullus mit einer Flotte. Sulla mit Archelaus zu Delmm getroffene Abkommen 
hatte ihn im Winter 667-668 = 87-86 wahrend in vollem Umfange anzunehmen. Er erlangte da- 
der Belagerung Athens aufs Meer geschiekt, mit mit immer noch einen bilhgen Frieden denn 
dem Aufteag, aus den Schiffen der Bundesgenossen Sulla hatte sich mit der Forderung begnttgt, dass 
eine Flotte zu bilden (Plut. Luc. 2), und eben im wesentlichen der Besitzstand vor dem Aus- 
jetzt, wo Fimbria den Konig zu Lande verfolgte, bruch deg Kneg^ wied erherge^teUt ; werde; _ auf 
traf Lucullus auf der Seeseite ein. Er hatte es eine gebuhrende Bestrafung des Mithridates hatte 
in der Hand gehabt, durch Schliessung des Hafens50er vemehtet (Plut. Sull. 24. App. Mithr. 56- 
den Konig im Entrinnen zu verhindem, und 58). Selbst Sullas Soldaten, so entartet sie waxen, 
Fimbria beschwor ihn, die inneren Gegensatze zu fuhlten doch heraus, dass durch diesen Frieden 
vergessen und zur Festnahme des Landesfeindes der romische Name beschrmpft wurde. ,Sie hielten 
mitzuwirken, aber Lucullus segelte voriiber. Das es fur eine Schande den femdseligsten unter alien 
hochherzige Ansinnen des Demokraten fand in Komgen, auf dessen Veranstaltttng hundertfunfeig- 
seiner stolzen Brust keinen Wiederhall, und so tausend in Asien lebende RCmer an einem 1 age 
ging der grosse Augenblick ungenutzt voriiber; ermordet worden waren, mit Beute und Eeich- 
der Schander des romischen Namens entkam un- tiimern beladen aus Asien absegeln zu sehen, das 
versehrt nach Mytilene auf Lesbos (App. b. Mithr. er voile vier Jahre hindurch geplundert und aus- 
52 Plut Luc. 3. Liv. ep. 83. Veil. II 24, 1. 60 gesogen hatte- (Plut. a. C ».). )Unn auch in semen 
Oros VI 2 10) LucuUus handelte aber durchaus Feldherm besiegt, brauchte sich Mithridates doch 
im Sinne 'seines Vorgesetzten. Wahrend Sulla nicht als niedergeworfen anzusehen; jede Gebiets- 
vor Athen lag, war gleich der Mehrzahl des Adels abtretung blieb ihm erspart, und die Kraft semes 
(Veil II 23, 3) seine Gattin Metella mit ihren Eeiches wurde kaum geschwacht Die in Per- 
Kindern zu ihm gefliichtet und hatte ihm selbst gamon geraubten Schatze durfte er behalten, und 
die Ungliicksbotschaft uberbracht, dass die Gegner fur den Massejimord an der asiatischen BevOlke- 
in Eom ihn fur einen Staatsfeind erklart, sein Haus rung lateinischer Zunge wurde keine Suhne i von 
in der Stadt zerstOrt und seine Landgiiter ver- ihm verlangt. Sein Stolz war ungebrochen (ball. 



1543 



Cornelius 



Cornelius 



1544 



hist. frg. IV 69, 12), und niemand konnte elir- 
lich daran glauben , dass er sich in Zukunft 
Rom unterordnen werde. Mit Kecht urteilt daher 
Banke iiber die zu Dardanos angenoramenen 
Abmachungen (Weltgeschiehte II 2, 119): ,Der 
Friedensschluss kann nur als eine Vertagung des 
femeren Krieges angesehen werden'. Der sach- 
lichen Bedeutung des Friedens entsprach Sullas 
personliche Haltung. Er vergass aich soweit, dass 



dem 23. September 669 = 85 beginnt, s. Kubi- 
ts chek o. Bd. I S. 638. Vgl. iiber die Ordnimg der 
Provinz AsienMo mm sen Athen. Mitt. XXIV 1899, 
196f. und zu der Inschrift von Priene (ebd. S. 290 
Z. 83, vgl. das bei Thyateira gefundene Frag- 
ment S. 234 nr. 74 Z. 5) 282f. Von dem ange- 
gebenen Datum ist die zeitliche Bestimmung der 
Schlacht bei Orchomenos (Herbst 668 = 86) und 
des Friedens zu Dardanos (spatestens August 669 



er Mithridates zum Dank fiir sein Entgegenkom- 10 = 85) abhangig zu machen; darnach ist Momm- 



men am den Hals flel und ihn kiisste (Pint. Sull. 
24); iiber dieser Gefiihlsaufwallung wurde eine 
schriftliche Abfassung des Vertrages versaumt 
(App. Mithr. 64); es war, als wenn zwei Souverane 
die Beziebungen ibrer Staaten zu einander auf 
gegenseitige Freundschaft grtindeten (Diod. frg. 
XXXVIII 6). Wie anders hatte sich der eben 
beendete Krieg in dem Kopfe des Marius gemalt, 
der bis in seine letzten Fieberphantasien hinein 



sens Aufstellung (R. G. II295Anm.) zu berich- 
tigen, vgl. H. Bernhardt Chronologie der mithri- 
datischen Kriege (Marburg 1896) und Dieck- 
m a n n De Granii Liciniani fontibus (Diss. Berl. 
1896) 79f. Die Pliinderungen, die sich Sulla und 
seine Soldaten erlaubten, haben den Wohlstand 
des Landes stellenweise fiir immer vernichtet; 
viele Stadte sind damals der Verodung anheim- 
gefallen. Dazu trug auch das Piratentum bei, 



von dem Gedanken verfolgt wurde , er comman- 20 das mit dem Kriege aufgekommen war ; Kiisten 



diere gegen Mithridates eine Schlacht (Plut. Mar. 
45). 

Nach der Begegnung mit Mithridates setzte 
Sulla den Zug gegen Fimbria fort und traf bei 
Thyatira in Lydien, nicht weit von Pergamon, 
auf sein Lager. Sulla legte sich davor und forderte 
von Fimbria die Abtretung seiner beiden Legionen. 
Zwar fand er damit bei Fimbria selbst kein Ge- 
hOr, aber dessen Truppen begannen, sich mit den 



und Inseln wurden von Seeraubern verheert. Sulla 
that aber nichts zu ihrer Unterdrilckung (App. 
Mithr. 61. 63. Plut. Pomp. 24); vielmehr fiihrte 
die durch seine Erpressungen hervorgerufene Ver- 
armung der Provinz den Seeraubern neue Krafte 
zu. Seine Kurzsichtigkeit ist schuld daran, dass 
das Unwesen zu einer ernsten Gefahr fiir das 
EOmertum auswuchs, die spater nur durch eine 
die Verfassung untergrabende Ausnahmegewalt 



seinen zu verbriidern. Er entging dem von Fim- 30 beseitigt werden konnte (Bd. II S. 1560). 



bria gegen ihn gerichteten Mordversuch und lehnte 
es dann ab, zu einer Unterredung zu kommen, 
sondeni beschrankte sich darauf, ihm durch einen 
dritten freien Abzug fiir seine Person zu ver- 
sprechen. Dies Anerbieten schlug Fimbria aus; 
er entwich nach Pergamon und gab sich dort im 
Tempel des Aesculap den Tod (App. b. Mithr. 
59. 60. Plut. Sull. 25. Veil. II 24, 1. Oros. VI 
2, 11). Statt den Urheber der in Asien veriibten 



Nachdem Sulla seine Habgier in Asien ge- 
niigend befriedigt hatte, trat er endlich (im Som- 
mer 670 = 84) von Ephesos aus die Eiickfahrt 
an. Am dritten Tage lief er in den Hafen Piraeus 
ein. Er nahm aus Athen viele Kunstschatze mit 
(Nep. Att. 4. Paus. X 21, 6. Luc. Zeux. 3), und 
fiir die Wissenschaft des Abendlandes ist es be- 
deutungsvoll geworden, dass er sich die Biblio- 
thek des Apellikon von Teos (Bd. I S. 2693) 



Greuelthaten zu ziichtigen, hielt sich Sulla an 40 aneignete, worin sich die meisten Schriftcn des 



denen schadlos , die sich als seine Werkzeuge 
hatten missbrauchen lassen. Er verhiiiigte in 
Ephesos, wohin er die Abgeordneten der klein- 
asiatischen Stadte beschieden hatte. iiber die aufs 
ausserste erschOpfte Provinz ein furchtbares Straf- 
gericht (Licin. p. 35) ; es war die Vergeltung fiir 
die Bereitwilligkeit, mit der die meisten Gemein- 
den dem ephesischen Mordbefehl des Mithridates 
nachgekommen waren. Von der Aussaugung ier 



Aristoteles und Theophrastos befanden, die da- 
mals noch sehr wenig bekannt waren (Plut. Sull. 
26. Strab. XIII 609f.). Sein Verstandnis fiir 
griechische Bildung bewies er auch damit, dass 
er sich in die eleusinischen Mysterien einweihen 
liess (Plut. a. 0.), und ihm zu Ehren hat man 
in Athen, das er so hart gestraft hatte (Vgl. CIA 
II 628, 12. 27), Spiele gehalten (ta ZvikeXa CIA 
II 481, 58). Sein Aufenthalt in Griechenland 



ungliicklichen Provinz giebt Plutarch folgende 50 wurde durch einen schweren Gichtanfall noch 



Schilderung (Sull. 25): ,Sulla legte Asien eine 
Geldstrafe von 20 000 Talenten auf (das Zehnfache 
der von Mithridates geforderten Summe, Sull. 22) ; 
ausserdem aber richtete er noch fast jedes einzelne 
Haus durch den Ubermut und die Habsucht der 
einquartierten Soldaten zu Grunde. Denn er be- 
fahl, dass der Wirt dem Soldaten, der bei ihm 
im Quartier lag, taglich 16 Drachm en (das Vierzig- 
fache der gewohnlichen Lohnung) und nicht nur 



langer ausgedehnt; er suchte Heilung davon in 
den warmen Batlern zu Aedepsus im Norden der 
Insel Euboia (Plut. a. 0., vgl. Strab. X 447). 
Wiederhergestellt, zog er unter Aushebungen durch 
Thessalien und Makedonien nach Dyrrhachium 
und setzte von da, nachdem seine Flotte iiber 
Patrai zu ihm gelangt war (App. I 79), im Friih- 
jahr 671 = 83 nach Brundisium iiber (Plut. Sull. 
27). Vgl. die Miinze mit der Darstellung seiner 



ihm, sondern auch seinen Freunden, so viele er60Landung (Babelon I 408). 



einladen mOchte, zu essen geben sollte. Ein Haupt- 
mann musste taglich 50 Drachmen bekommen 
und zudem noch 2 Kleider, das eine zum haus- 
lichen Gebrauch, das andere zum Ausgehen'. 
Zwecks Eintreibung der Strafgelder teilte er die 
Provinz in 44 Steuerbezirke (Cassiod. chron. zum 
J. 670 = 84), vgl. Bd. II S. 1544-46; iiber die an 
diese Einrichtung gekniipfte Zeitrechnung, die mit 



In einem noch aus Asien an den Senat ge- 
sandten Bericht hatte Sulla erklart, seine Feinde 
in Rom dfirften nicht auf seine Gnade rechnen 
(App. I 77), und denselben Inhalt hatte die Ant- 
wort, die er einer Gesandtschaft des Senats gab 
(App. I 79). Kurz vor der L'berfahrt nach Italien 
hatten dann seine Soldaten in Dyrrhachium ge- 
schworen, die Treue, die sie ihrem Vaterlande 



1545 



Cornelius 



Cornelius 



1546 



schuldeten, ihm zu halten, d. h. auch nach der 
Landung in der Heimat bei der Fahne zu bleiben 
(Plut. Sull. 27). Wie aber ein Liebesdienst den 
andern fordert, so war vorauszusehen, dass Sulla 
seinem verwilderten Heere zum Dank fiir die be- 
wiesene Anhanglichkeit den italischen Grund und 
Boden ansliefern werde. Selbst wenn er daher 
den Italikern das Biirgerrecht liess, wie er ver- 
sprochen hatte (App. a. 0.) , so musste doch die 
Massenansiedelung seiner Veteranen erne Plage 
fiir das ganze Land werden und alle Besitzver- 
baltnisse umwalzen. So kam es, dass die ver- 
schiedenen Stamme der Halbinsel nach wie vor 
ihr Heil von den Demokraten in Rom erwarteten ; 
sahen diese Leben und Ehre gefahrdet, so drohte 
den italischen Gemeindebewohnern mindestens der 
Verlust von Haus und Hof. So starke Streit- 
krafte auch gegen Sulla aufgeboten wurden (Exup. 
7. App. I 82), so wenig konnten sie ihm schaden, 
weil sie nicht einheitlich gefiihrt wurden (Plut. 
Sull. 27). Als es in Campanien bei dem Berge 
Tifata Ostlich der Stadt Capua zum Schlagen kam, 
war nur der eine der beiden Consuln, C. Norbanus, 
zur Stelle; er musste das Feld raumen und sich 
in das feste Capua zuriickziehen (Plut. a. 0. Liv. 
ep. 85. Flor. II 9, 19. Obsequ. 118. Eutrop. V 7, 4. 
Oros. V 20, 2). Zum Dank fiir diesen Sieg weihte 
Sulla die Heilquellen und die Landereien dieser 
Gegend der Gottin Diana, der die Umwohner auf 
der H6he des Berges einen Tempel erriehtet hatten 
(Veil. II 25, 4, vgl. CIL X 3828). Appian giebt 
unrichtig Canusium in Apulien als Schlachtort 
an (I 84). Nach dem Sieg fiber Norbanus iiber- 
schritt Sulla (bei Casilinum) den Volturnus und 
riickte auf der appischen Strasse, da der andere 
Consul, L. Cornelius Scipio Asiagenus (Nr. 838), 
Teanum Sidicinum (2—3 Tagemiirsche von Capua 
entfernt) erreicht hatte, bis Cales vor. Ehe es Sulla 
am Berge Tifata auf die Entscheidung durch die 
Waffen ankommen liess, hatte er durch eine Ge- 
sandtschaft an Norbanus einen friedlichen Aus- 
gleich herbeizul'iihren versucht; aber Norbanus 
war auf seinen Wunsch nicht eingegangen. Auch 
den andern Consul bat Sulla um eine Verstiin- 
digung, und diesmal hatte er mit seinem An- 
liegen mehr Gliick. Scipio, demselben Adelsge- 
schlecht wie sein Gegner angehorend, ein Urenkel 
des Antiochussiegers , kam mit Sulla zwischen 
beiden Lagem zu einer Unterredung zusammen 
und besprach mit ihm allerlei politische Fragen, 
wie die Befugnis des Senats, die gesetzliche Ge- 
walt der Volksversammlung und die Ausdehnung 
des Biirgerrechts (Cic. Phil. XII 27 ; pro Fonteio 6). 
Diese Erorterungen wurden mehrere Tage fort- 
gesetzt, und am Elide Scipio dazu vermocht, eiiien 
Boten nach Capua abzusenden, damit die Ansicht 
seines Collegen bekannt werde. Aber der tapfere 
Q. Sertorius, den Scipio fur den Mittlerdienst 
ausersehen hatte, ging nicht nach Capua, sondern 
entriss Sulla die Stadt Suessa (vgl. CIL X 4751) 
und zwang Scipio durch diese offene Feindselig- 
keit dazu, endlich die Verhandlungen mit Sulla 
abzubrechen und den Waffenstillstand zu kiindigen. 
Sertorius hatte den Consul von vornherein vor den 
Verfuhrungskiinsten Sullas gewarnt (Plut. Sert. 6. 
Dio frg. 107, 3. Sull. frg. 91. Exup. 7); als Scipio 
sich dann wirklieh von Sulla losriss, war es bereits 
zu spat. Denn jetzt hatte er sein Heer nicht 



mehr in der Hand ; wahrend er seine Zeit_ mit 
Auseinandersetzungen iiber den kiinftigen Frieden 
verlor, hatten Sullas Soldaten, die von ihrem Fiihrer 
die Verstellung gelernt hatten, den Verkehr von 
Lager zu Lager dazu benutzt, dem Consul mit 
alien erdenklichen Mitteln seine Truppen ab- 
spenstig zu machen. Als dann Sulla nach dem 
Scheitern weiterer Verhandlungen zum Angriff 
iiberging, sah sich der Aristokrat Scipio von seinem 
10 Lager ebenso verlassen , wie einst der Demokrat 
Fimbria von seinen Untergebenen. Nur bewies 
Scipio weniger Mut als Fimbria; er liess sich in 
seinem Zelt gefangen nehmen, legte willig die 
Zeichen seiner Wurde ab und nahm das ihm und 
seinem Sonne von Sulla angebotene freie Geleit 
an (App. I 85. 86. Plut. Sull. 28. Diod. frg. 
XXXVffl 16). Sullas Soldaten hatten ihre Bolle 
als ,LockvOgel' gut gespielt, und iiber Sulla selbst 
ausserte Carbo damals das beriihmte Wort von 
20 dem Fuchs und dem LOwen in seiner Seele (Plut. 
a. 0.). Welche Anziehungskraft die militarische 
Macht ausiibt, hatten Sullas Gegner gleich im 
Beginn des Feldzuges zu ihrem Nachteil erfahren 
miissen. Sulla erhielt damals Zuzug von Partei- 
genossen; gleich dem angesehenen Q. Caecilius 
Metellus Pius, dem Sohne des Numidicus und 
Vetter seiner Gemahlin (Dio frg. 106), stiess M. 
Licinius Crassus aus Africa mit Truppen zu ihm 
(Plut. Crass. 6), und viele andere Optimaten, dar- 
30 unter L. Sergius Catilina(Sall. frg. 46), erschienen 
in seinem Lager (Plut. Sull. 27—29). Aber auch 
tJberlaufer fanden sich ein, wie der Consular L. 
Marcius Philippus (Liv. ep. 86) und von jiingeren 
Senatoren C. Verres, der als Quaestor im J. 670 
= 84 effentliche Gelder unterschlagen hatte (Cic. 
Verr. act. II 1, 34. 36. 38), ferner der Eitter Q. 
Lucretius Ofella (Veil. II 27. Dio frg. 108) und 
der Patricier P. Cornelius Cethegus (App. I 80), 
einer der Zwolf, die Sulla im J. 666 = 88 geachtet 
40 hatte (s. Nr. 97); beide wurden gleich Catilina und 
Verres als Legaten in dem sullanischen Heer be- 
schaftigt. Am meisten aber wurde Sullas Stel- 
lung durch den Dbertritt des jugendlichen Cn. 
Pompeius verstarkt (Diodor. frg. XXXVIII 10). 
Dieser war von Hause aus so wenig ein Anhiinger 
der Aristokratie wie sein Vater Cn. Pompeius 
Strabo und hatte in Cinnas Heer Dienste ge- 
nommen ; als aber Sulla in Italien landete, schlug 
er sich, von Bewunderung fur Sullas Feldherrn- 
50 kunst erfullt , entschieden auf dessen Seite. Er 
ging nach der ihm ergebenen Landschaft Picenum, 
stellte dort durch Werbungen unter den Veteranen 
seines Vaters ein Heer in der ansehnlichen Starke 
von drei Legionen auf und wies alle von Rom aus 
erfolgende Angriffe auf die von ihm selbst ge- 
schaffene Streitmacht siegreich zuruck. Als sich 
Sulla mit Pompeius vereinigte, wurde er von ihm 
als Imperator begrflsst und grfisste den noch 
nicht 23jahrigen Feldherrn mit demselben Ehren- 
60 titel wieder (Plut. Pomp. 6—8. Dio frg. 107, 1). 
Mit dem Ubertritt des Pompeius hatte Sulla zu 
Apulien und Campanien im Siiden noch Picenum 
im Norden dazu gewonnen; die meisten andern 
Landschaften suchte er durch besondere Vertrage 
mit den einzelnen Gemeinden auf seine Seite hin- 
iiberzuziehen (Liv.ep.86. Exup. 7. App. I 86. Diod. 
frg. XXXVIII 13). Aber die \olkspartei raffte 
sich zu einem letzten Kampfe auf und nahm noch 



1547 



Cornelius 



Cornelius 



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Cornelius 



Cornelius 



J.OOV 



eirnnal alle ihre Krafte zusammen. Dass man 
den Weg der Vermittelung, der zum Abfall des 
eigenen Heeres gefiihrt hatte, nicht raehr be- 
treten werde , dafur biirgten die neuen Consul- 
wahlen. Sie flelen auf Cu. Papirius Carbo, der 
schon 669 und 670 = 85 und 84 dies Amt be- 
kleidet hatte, und den noch nicht 30jahrigen C. 
Marius. Beide waren Plebeier und durften nach 
ihrer Vergangenheit auf keine Gnade rechnen. 

Nach einem strengen Winter riickte Sulla von 
Campanien nach Latium vor und warf hiei in 
der Schlacht bei Sacriportus (Hafen des Sacer), 
unvveit der Stadt Signia, den jungen Marius auf 
dag stark befestigte Praeneste zurfick (Plut. Sull. 
28. App. I 87. Diod. frg. XXXVIII 15. Eutrop. 
V 8. Oros. V 20, 6). Mit der Einschliessung der 
Stadt beauftragte Sulla den tjberlaufer Ofella und 
wendete sich selbst iiber Rom, wo der Stadt- 
praetor Damaaippus auf ein noch vor der Schlacht 
ergangenes Geheiss des Consuls Marius eine An- 
zahl Aristokraten hingemordet hatte, nachEtrurien 
gegen den andern Consul. Nach einer unent- 
schiedenen Schlacht bei Clusium (App. I 89. Liv 
ep. 88. Veil. II 28; vgl. CIL I 586) kehrte Sulla 
wieder nach Latium zuruck, um die Belagerung 
Praenestes gegen ein von Suden heranmarschie- 
rendes, aus Lucanern und Samnitern bestehendes 
Entsatzheer zu sichern (App. I 90. Plut. Sull. 29. 
Veil. II 27). Beide Heere lagen sich eine Zeit 
lang unthiitig gegeniiber; als aber im Norden der 
Consul Carbo nach dem Verlust des oberitalischen 
Galliens aus Etrurien tiber das Meer davonfloh 
(Sail. frg. 38) und Pompeius Anstalten traf, dem 
Entsatzheer in den Rticken zu kommen (Plut. 
a. 0.), wurde es den Samnitern klar, dass der 
Fall Praenestes nicht mehr aufzuhalten war. In 
der Verzweiflung (iber das Misslingen des Ent- 
satzes und selbst in die Enge getrieben, folgten 
die Verbundeten dem wilden Rufe des Samniter- 
fubrers Pontius Telesinus, ,wolle man die Wolfe, 
die Italien die Preiheit geraubt batten, los werden, 
so miisse man den Wald ausroden, der ihr Schlupf- 
winkel sei' (Veil. II 27), und zogen aus ihrer 
Stellung vor Eraeneste auf der latinischen Strasse 
gegen" Rom ab. In der Nacht zum 1. November 
bezogen sie angesichts der Stadt ein Lager, etwa 



y 4 deutsche Meile (d. h. kaum eine halbe Stunde) 
von der im Nordosten gelegenen Porta Collina 
entfernt (Plut. Sull. 29. App. I 92). Am andern 
Morgen, dem 1. November (Veil. a. 0.), versuchte 
zwar eine Schai von Freiwilligen , meist junge 
Adelige zu Pferde, einen Ausfall, aber sie wurden 
zuriickgewiesen, und ein Appius Claudius fand 
dabei mit vielen andern den Tod. In der ge- 
angstigten Stadt machte man sich schon auf das 
Ausserste gefasst; da erschien endlich die Spitze 
des sullanischen Heeres, 700 Reiter, die in seharfem 
Trabe heransprengten. Ihr Fiihrer, Cornelius Bal- 
bus, wartete nur so lange, bis der Schweiss an 
den Pferden abgetrocknet war; dann liess er wieder 
aufzaumen und stiirzte sich ins Gefecht, Ihm 
folgte in beschleunigteni Marsch Sulla selbst mit 
der Hauptmaeht: gegen Mittag traf er ein und 
bezog nahe dem collinischen Thor, an dem Tempel 
der Venus Erycina (unweit Porta Pia), ein Lager. 
Die vordersten Truppen hatten kaum in aller Eile 
gefruhstuckt, so wurden sie auch schon zur Schlacht 
geordnet; vergebens baten Sullas Legaten, die 



von dem Gcwaltmarsch hart mitgenommenen Legio- 
nen nicht gegen den allergefahrlichsten Feind der 
Romer zu fuhren; noch am spaten Nachmittag, 
zwischen 3 und 4 Uhr (Oros. V 20, 9. Plut. Sull. 
29) Hess Sulla mit der Trompete das Zeichen zum 
Angriff geben. Es war ein morderischer Kampf. 
.Sullas linker Flugel kam ins Gedrange und wurde 
tibel zugerichtet, weswegen Sulla auf einem feurigen 
Schimmel, der sehr schnell auf den Beinen war, 
10 zur Hulfe herbeieilte. An dem Pferd erkannten 
ihn zwei von den Feinden und hoben schon ihre 
pila auf, um nach ihm zu werfen. Er selbst 
wurde es nicht gewahr, aber sein Reitknecht hieb 
mit der Peitsche auf das Pferd, welches durch 
einen Satz so weit vorkam, dass die Spiesse neben 
dem Schwanze bin tief in die Erde fuhren' (Plut. 
a. 0.). Die samnitischen Bauern waren wehr- 
hafter als die Kriegsknechte des Mithridates; 
diesmal gelang es Sulla nicht, wie bei Orcho- 
20menos, die erschiitterten Glieder durch seine 
Gegenwart zum Stehen zu bringen; er wurde in 
die Flucht seines linken Fliigels verwickelt und 
rettete sich nur muhsam nach starken Verlusten 
unter seiner unmittelbaren TJmgebung in sein 
Lager. ,Daher glaubte er schon, es sei vflllig 
um die Stadt geschehen, und beinahe ware auch 
die Einschliessung des Marius aufgehoben worden. 
Denn viele Fliichtlinge drangten sich nach Prae- 
neste hin (noch nicht 5 deutsche Meilen von Rom 
30 entfernt!) und rieten dem Lucretius Ofella, der 
die Belagerung fiihrte , schleunig aufzubrechen, 
weil Sulla umgekommen und Rom von den Fein- 
den erobert sei' (Plut. a. 0.). Erst eine Stunde 
nach Sonnenuntergang liess die Heftigkeit des 
samnitischen Gegenstosses nach (Veil. II 27). 
Spat in der Nacht ging dann bei Sulla die Mel- 
dung ein, Crassus habe nach langem Ringen auf 
dem rechten Flugel gesiegt und den Feind nach 
Norden bis Antemnae am Tiber verfolgt; zugleich 
40 liess der siegreiche Legat um Ubersendung von 
Lebensmitteln fur seine hungernden Soldaten bitten 
(Plut. Sull. 30). Sulla begab sich selbst nach 
Antemnae und kam dort am friihen Morgen, am 
2. November, an; er fand viele Gefangene vor 
und vollendete den Sieg damit, dass er eine starke 
Abteilung durch das Versprechen, das Leben der 
Mannschaft zu schonen, zur Waffenstreckung iiber- 
redete (Plut. a. 0.). Der Schutzling des delphi- 
schen Apollon, der das goldene Bildnis des Gottes 
50 in jeder Schlacht auf der Brust trug (vgl. Frontin. 
strateg. 1 11, 11) und es diesmal ini Augenblick 
der hflchsten Not unter einem Stossgebet gekusst 
hatte (Plut. Sull. 29) , sah die Reste des samni- 
tischen Heerhaufens, der auf den Trummem Roms 
hatte untergehen wollen, in seine Hand gegeben. 
Circensische Spiele, die Sulla nach der Schlacht 
stiftete , sollten die Erinnerung an seinen Sieg 
fur immer festhalten (Veil. II 27, 6. Ascon. p. 79, 
21. 83, 13; vgl. CIL 12 p. 333). Vgl. E. Linden 
60 De bello civili Sullano, Diss. Freiburg 1896. 

So gewiss es ist, dass in Sulla das allgemein 
gebildete Romertum iiber den dagegen gerichteten 
Sondergeist gesiegt hat, so sehr wird sich doch 
immer das menschliche Gefiihl gegen Sullas Be- 
handlung der Besiegten empOren. Sulla puleher- 
rimam virtoriam emdelitate , quanta in nullo 
hominum fuit, inquinazit (Liv. ep. 88). Die 
Gefangenen liess Sulla am Tage nach der end- 






giiltigen Entscheidung, am 3. November, in eine 
Einhegung auf dem Marsfeld, das stadtische Meier- 
haus {villa publico. Liv. ep. 88) fuhren und dort 
gegen sein Versprechen samtlich, weil es grossten- 
teils Samniten waren, durch Speerwurfe nieder- 
strecken {za alxf.ialoiza ZvMas, on ZavvTzai to 
jiXiov jjv, xart]x6vriaev App. I 93): es waren 
mehrere Tausend. Das Achzen und Stohnen der 
wehrlos Hingemordeten drang bis zum nahen 



giinstigung, wie das Erweisen von Gastfreuud- 
schaft, jeden, fiir den dies zutraf, erklarte Sulla 
nach Kriegsrecht (Flor. II 11, 3) vor den zittern- 
den Biirgern fur vogelfrei (App. I 95). So ge- 
hassig die Achtung von Gegnern, die ihm nicht 
mehr schaden konnten, an und fiir sich war, noch 
dazu in diesem Umfang, so war doch das Er- 
schreckendste daran die Dehnbarkeit des von Sulla 
aufgestellten Schuldbegriffes; was konnte unter 



Tempel der Bellona, so dass die Senatoren, die 10 Begunstigung der Volkspartei nicht ; alles 

Leiuyei uci jjciiuiic, ,._.._ •„ „i„„^„r. moT^onl Die TTTiViestimmtneit des 



Sulla dort versammelt hatte, sich entsetzten; sie 
mussten sich aber von dem Sieger sagen lassen, 
,sie sollten auf seine Rede achten und sich nicht 
um das kiimmern, was draussen vorgehe ; er lasse 
nur einige schlechte Leute ziichtigen' {hoe agamus, 
P. C, seditiosi paueuli meo iussu occiduntur), 
und ohne eine Miene zu verziehen, fuhr der An- 
ordner des Blutbades in seinem Vortrag fort (Plut. 
Sull. 30. Oros. V 21, 1. Val. Mai. IX 2, 1. Dio 



standen werden! Die Unbestimmtheit des Um- 
fanges der erfolgten Achtrmgen musste gemeine 
Naturen dazu reizen, unter dem Deckmantel der 
politischen Verfolgung die eigene Rachsucht oder 
Habgier zu befriedigen, vgl. Ciceros Rede fur 
Cluentius. Sulla aber, der mit dem Leben romi- 
scher Burger arger spielte (Flor. II 9, 26) als em 
orientalischer Herrscher (vgl. Dio frg. 109, 8), 
war gefallig genug, seinen Creaturen jede Eigen- 



Sull 30 Oros. V 21, i. vai.mai.iAB,!. i/i« " al ^"•"•■b & — o> ~-~ ~ ™ , a n" QV1 ai 
frg -109 5 Dion. Hal. V 77. Sen. de clem. 1 20 miichtigkeit zu gestatten (Plut Sull. 31) Als 
rrg. iuw, o. ifiun. iicu. j„i lm . floe, mraop Wmmn erst beffonnen hatte, 



12, 2; de ben. V 16, 3. Aug. de civ. Dei III 28). 
Die Roheit, mit der Sulla nach erfochtenem 
Siege selbst den Senat behandelte, liess nichts 
Gutes ahnen; aber selbst die schlimmsten Be- 
fiirehtungen wurden von der Wirklichkeit noch 
flbertroffen. Mochten die Schrecken desvoran- 
gegangen Biirgerkrieges noch so gross sein, all 
die ausgestandene Not war doch nur ein kleines 
Ubel gegeniiber den unsagbaren Leiden, mit denen 



daher das grosse Wiirgen erst begonnen hatte, 
gab es kein Einhalten mehr, und nicht nur unter 
den Demokraten wurde furchtbar aufgeraumt, son- 
dern auch vielen TJnschuldigen (Veil. II 28, 4) 
deshalb ein gewaltsames Ende bereitet, weil sie 
einen Feind hatten {quis illos potest computer e, 
quos in urbe passim quisquis voluit oecidit? 
Flor. II 9, 25). So kam es, d,ass selbst viele 
Parteigenossen Sullas, und gewiss waren^ dies 



OUlia an aei dluwciic uw x i* _ ,_. _ /n— « v 01 i\ Wa w viol Rlnt vprcnsspn wurde. 



Land durch seine unersattliche Rachgier heim- 
suchte (Veil. II 28 videbantur fmita belli eivxlis 
mala, mm Sullas erudelitate aueta sunt). Der 
Held von Aquae Sextiae, auf den Sulla einst seme 
Reiter losgelassen hatte. ruhte seit mehr als vier 
Jahren im Grabe, aber selbst dort liess ihm sein 
ehemaliger Quaestor keine Ruhe. Sulla liess das 
Grab des Marius wieder aufreissen und die Ge- 
beine des grossen Toten in den Anio streuen (Cic. 



(Oros. V 21, 1). Wo so viel Blut vergossen wurde, 
schien die Schiindung von Frauen und Knaben 
kaum noch ein nennenswertes Verbrechen (Dio 
frg. 109, 11). Allen niederen Trieben, die in 
eiDem geordneten Staatswesen durch Recht und 
Sitte in Schranken gehalten werden, war Thiir 
und Thor geoffnet. 

Gegen diese Anarchie wurden alsbald aus Sullas 
eigenem Lager Stimmen laut. Der junge C. Cae- 



beine des grossen Toten in aen .aiuu sueucu ^. "B — „Tfi rni ttt « I9n^l mat, es an 
,1p l PD . TT "ffi Val Max IX 2, 1); die Denkmaler 40 cilms Metellus Bd. HI S. 1-JOrf) wagte es, an 
de leg. nob. vai. Jiax. ia a, 11, « o SAnntsversa-mmluns die Fraee zu 



seiner Siege iiber Africaner und Gennanen, die 
auf dem Capitol aufgestellt waren , wurden um- 
gestiirzt und alle seine Verordnungen fiir nichtig 
erklart (Veil. II 43. Suet. Caes. 11. Plut. Caes. 6). 
Damit ist der Geist gekennzeichnet, der jetzt in 
Rom einzog. Wer in seiner Verfolgungswut nicht 
einmal vor dem Grabe Halt machte, wessen war 
der gegen die Lebenden fahig? In der Schlacht 
am collinischen Thor war das letzte bundesge 



Sulla in voller Senatsversammlung die Frage zu 
richten, wie lange die allgemeine Verwirrung noch 
danern solle. ,Wir bitten nicht', so fuhr er mit 
eisiger Scharfe fort, ,ftir diejenigen, die du zu 
toten beschlossen hast, sondem wir bitten, die- 
jenigen, die du am Leben lassen willst, von der 
Furcht und Ungewissheit zu befreien' (Plut. Sull. 
31). Und Q. Lutatius Catulus, dessen Vater 
Sulla schrecklich rachte, stellte die Frage: ,Wer 



usssr. r.r? ^TLttv*;*-- r'xif^r^ss 



gestanden hatte, verblutet; selbst die Gefangenen 
hatte Sulla bis auf den letzten Mann umbnngen 
lassen. Das Ganze war driiben vernichtet; es 
lebten nur noch einzelne, die gegen ihn gefochten 
hatten. Aber auch diese wollte Sulla vom Erd- 
boden vertilgt wissen. Bellum erat, ut qui ferie- 
batur, si posset, feriret: pax autem. non ut 
qui evaserat vireret. sed ut moriens non re- 
pugnant (Aug. d. civ. D. Ill 28). Nicht nur 
jeden, der nach dem seiner Behau^ 
rechtmassig abgeschlossenen Waffenstillstand zwi- 
schen ihm und Scipio (671 = 83) in dem Heere 
der Verbundeten noch weiter eine Fiihrerstelle 
bekleidet hatte, sondern iiberhaupt jeden, der seit- 
dem noch fur die Sache des Demokratie thatig 
gewesen war, sei es im biirgerlichen Amt oder 
im Dienst mit der Waffe oder durch eine Unter- 
stiitzung mit Geld oder durch irgend eine Be- 



im Kriege die Bewaffneten und im Frieden die 
Wehrlosen toten?' (Oros. V 21, 2). Als Sulla 
dafur nur die Antwort ubrig hatte, er wisse nicht, 
wen er am Leben lassen solle, wurde ihm erwidert, 
er solle dann wenigstens diejenigen nennen, die 
er bestrafen wolle. Diesen Vorschlag machte ent- 
weder Metellus oder der Centurio L. Fufldius, 
den Sulla zu der Wurde eines Senators erhoben 
hatte (Plut. Sull. 31). Der Centurio soil Sulla 



V n^h dem^r Behau^pt^g zufolg, 60durch die ^Be^ung^umgestimmt h £ man 



musse deshalb Leute am Leben lassen, damit man 
weiter commandieren konne (Flor. II 9, 25. Oros. 
V 21, 3. Aug. d. civ. D. Ill 28: donee StiJIae 
suggereretur sinendos esse aliquos vivere, ut essent, 
quibus possent imperare. qui rieerant). Nach 
dem Zwischenfall im Senat wurden die Namen 
der Geachteten durch offentliehen Anschlag auf 
dem Markt bekannt geinacht, d. h. proscribiert. 



1.00L 



Lorneuus 



An und fur sich war auch dies Verfahren in seiner 
Rechtlosigkeit unerhort {poena in cives Romanes 
nominatim sine iudieio constituta, Cic. de domo 
43) ; aber so weit war es in dem freien Rom nun 
emmal gekommen, dass die Anzeige der wider- 
rechtlich Geaehteten als ein Zugestandnis erschien 
(Mommsen St.-R. II 736; vgl. iiber den Begriff 
prosoriptio Strafrecht 938, 1). Freilieh wurde 
der Zweck der Proscription, dem Morden ein Ziel 
zu setzen, von vornherein dadurch vereitelt, dass 
Sulla die Liste bestandig erganzte. Dem ersten 
Verzeichnis, das 80 Namen enthielt, darunter die 
der Consuln des laufenden und des vorhergehenden 
Jahres, auch die des gefurchteten Praetoriers Q 
Sertorms, liess Sulla, aufgebracht iiber seine Ver- 
urteilung dureh die offentliche Meinung, bereits 
am andern Tage ein neues mit 220 Namen und 
Tags darauf wieder ein neues mit ebensoviel Namen 
folgen. Dann sagte Sulla in einer offentlichen 
Rede an das Volk, er habe jetzt nur die, auf die 
er sieh besinnen kOnne, in die Acht erklart; die 
andern, die ihm entfallen seien, wolle er ein 
anderestnal verdammen (Plut. Sull. 31). Die ent- 
setzliche Ungewissheit wurde also nicht beseitigt, 
um soweniger, als Sulla seinen Werkzeugen auch 
jetzt jede Willkur nachsah. Ne in ipsis quidem 
tabulis fides ae finis malorum videbatur. nam- 
qw alios, quos proscripserant, iugulabant; alios 
autempostquam iugulaverant, prosoribebant (Oros. 
V 21, 5). So wenig sich Sulla in den Achtser- 
klarungen an die Mitwirkung des Senats band, 
so wenig beschrankte er sich auf die bis dahin 
mit der Achtung verbundenen Strafen, die Ab- 
erkennung von Leben und Vermogen. Er erklarte 
die Sohne und Enkel eines Geaehteten fur ehrlos 
und schloss sie damit von den Amtern aus ; waren 
sie senatorischen Standes, so wurden sie gleich- 
wohl verpflichtet, die senatorischen Lasten zu iiber- 
nehmen (Plut. Sull. 31. Yell. II 28, 4). Mit den 
Geaehteten wurden diejenigen gleichgestellt, die 
bereits im Kampfe gegen ihn gefallen waren (Cic 
pro Rose. Amer. 126). So hart wurden nach dem 
altesten Recht selbst diejenigen nicht gestraft 
die die Waffen gegen ihr Vaterland getragen hatten! 
bolus omnium post memoriam hominum sup- 
plieia 'in post futuros composuit, quis prius 
inmria quam vita eerta esset (Sail. frg. 55, 6). 
,Mit berechtigtem Selbstgeftthl machten die Rc'mer 
der Republik den Griechen gegenfiber geltend, 
dass es bei lhnen unerhort sei, fiber die Einziehung 
des vaterlichen Vermogens hinaus die Kinder und 
die Nachkommen noch personlich biissen zu lassen 
fur die Verschuldung ihrer Yater; Sulla dagegen 
wich von diesem ehrbaren Herkommen ab und 
entzogden Nachkommen der von ihm Geaehteten 
die Wahlbarkeit' (Mommsen Strafrecht 593). 
,Der von Sulla befolgte Ausschluss der Nach- 
kommen der Proscribierten von den politischen 
Rechten und die Erstreckung des Majestatsver- 
brechens von den Eltern auf die Kinder lassen 
sich unter den Begriff der Strafe nicht bringen 
Dass diese die Erben und die Kinder der Schul- 
digen nicht treffen kann, sprechen die Rechts- 
biicher (Digesten) bestimmt aus' (ebd. 986, 1) 
Wer sich eines Geaehteten annahm, und war ps auch 
der nachste Verwandte, wurde mit dem Tode be- 
straft ; wer dagegen einen Geaehteten aus dem Wege 
raumte, erhielt zwei Talente, d. h. fiber 9000 JK. 



Cornelius 



1552 



vom Quaestor ausgezahlt (Senec. de provid. Ill 
8), auch ein Sclave durfte sich diesen Preis gegen 
seinen Herrn verdienen (Plut. Sull. 31. Cat. min. 
17). Primus ilk, et titinam ultimus, exemplum 
proscriptions invenit, tit, in qua civitate petu- 
lantis omviei judicium histrioni exoleto redditur, 
in ea iugulati civis Romani publice eonstitue- 
retur auetoramentum, plurimumque haberet, qui 
plunmos interemisset, neque oceisi hostis quam 
10 civis uberirn foret praemium, fieretque quisque 
merces mortis suae (Veil. II 28, 3). Die Kopfe 
der Ermordeten liess Sulla in sein Haus bringen 
(Plut. Cat. min. 3. Val. Max. HI 1, 2) und Sffent- 
lich auf dem Markt ausstellen, zunachst auf der 
Rednerbiihne (App. I 94) und dann, als hier der 
Raum fehlte, am servilischen Brunnen, da wo der 
Vicus iugarius in den Marktplatz einmundete 
(Cic. pro Rose. Amer. 89. Senee. de prov. 3, 7). 
Die eingezogenen Giiter wurden gleich der feind- 
20 lichen Beute auf dem Markt offentlich versteigert, 
und dafiir die hohe Summe von 350 Millionen 
Sesterzen (iiber 80 Millionen Mark) eingenommen 
(Liv. ep. 89). Den Hauptgewinn trugen aber 
Sulla selbst und seine Giinstlinge aus den Ver- 
steigerungen davon. Er ftthrte in der Regel per- 
sfinlich den Vorsitz bei dem Geschaft, und es kam 
ihm nicht darauf an, einem, der ihm gefallig war, 
und war es auch nur sein Gesellschafter, die 
schonsten Besitzungen fur ein Spottgeld zuzu- 
30sehlagen oder gar zu schenken; mochten dann 
andere noch so viel bieten, so kehrte er sich nicht 
daran, denn was er verkaufte, war ja, wie er selbst 
sagte, ,seine Beute' (Cic. Verr. Ill 81. Plut. Sull. 
33; comp. Lys. c. Sulla 3. Veil. II 22, 5). So 
erstand Sullas Freigelassener Chrysogonus die 
Giiter des Sex. Roscius im Werte von 6 Millionen 
Sesterzen (1 371 000 JQ fur 2000 Sesterzen (456^), 
d. h. er zahlte nur den dreitausendsten Teil des 
Wertes (Cic. pro Rose. Amer. 6). Ein sullani- 
40scher Centurio brachte es zu einem VermOgen 
von 10 Millionen Sesterzen (2183000 Jt_), Ascon. 
p. 81, 16. Keiner aber bereicherte sich damals 
schamloser als M. Licinius Crassus (Plut. Crass. 
2; comp. Nic. c. Crasso 1). Sullas leichtfertiges 
Treiben inmitten des allgemeinen Elends, seine 
unausgesetzte Verhohnung der Besiegten verleitete 
aber seine Helfershelfer zu unnatiirlichen Grau- 
samkeiten. Es wird der Fall berichtet, dass die 
Verfolger kein Schwert zur Hand hatten und den 
50 Geaehteten, wie die Hunde ein Stuck Wild zer- 
reissen, mit ihren Handen zerfleischten (Aug. d 
civ. D. HI 28. Flor. II 9, 26). Am widenv&r- 
tigsten trat die Verworfenheit des Herrn wie des 
Dieners in der Behandlung des Praetors M. Ma- 
rius _ Gratidianus , eines Adoptivneffen des alteren 
Marius, zu Tage. Es war ein Mann, der wegen 
seiner Giite und Milde gegen Arme bei der Biir- 
gerschaft sehr beliebt war (Cic. de off. Ill 80 : 
nemo unquam multitudini fiat carior); jetzt 
60 wurde er aus einer Ziegenhiitte, in die er sich 
vor Sullas Schergen gefliichtet hatte, hervorge- 
zogen und dann auf Sullas Befehl gebunden und 
uber den Tiber auf den Ianiculus zum Grabmal 
des Q. Lutatius Catulus geschleppt, der der Wut 
seines ehemaligen Collegen, des alteren Marius, 
nur durch Selbstmord entgangen war. Zur Siihne 
fur den Tod des Catulus wurde Gratidianus an 
dessen Grabe wie ein Opfertier unter ausgesuchten 



1553 



Cornelius 



Cornelius 



1554 



Martern langsam hingeschlachtet. Als ein Senator 
beim Anblick dieser Unmenschlichkeit in Ohn- 
macht fiel, wurde er ebenfalls umgebracht, denn 
die vermeintliche Weichherzigkeit machte ihn in 
den Augen des Henkers strafwiirdig (Q. Cic. de 
petit, cons. 10. Sail. frg. 44f. Liv. ep. 88. Val. 
Mai. IX 2, 1. Flor. II 9, 26. Oros. V 21, 6ff. 
Sen. de ira III 18. Lucan. Pharsal. II 173-191). 
Der Henker aber war kein anderer als der Pa- 



in Italien mit den hartesten Strafen (Cic. de dom. 
79). Nach der Schlacht bei Orchomenos (668 = 
86) hatte Sulla drei boiotische Kfistenstadte zer- 
stort; als ihm dann wahrend seines Aufenthaltes 
in Aedepsus auf Euboia (670 — 84) Fischer aus 
einer dieser Stadte, aus Halae, schone Fische zum 
Geschenk brachten, und Sulla hOrte, woher die 
Fischer seien, hatte er sie verwundert gefragt, 
ob denn noch ein Halaeer am Leben sei, so dass 



tricier L. Sergius Catilina. Er hatte noch vor 10 die Fischer vor Schreck . verstummten (Plut. Sull. 



der Entscheidung des Krieges seinen Bruder er 
mordet und dann Sulla mit Erfolg gebeten, den 
Ermordeten, als wenn er noch lebte, in die Acht 
zu erklaren. Seine Erkenntlichkeit bewies er jetzt 
mit der grauenvollen Verstiimmelung und Totung 
des Gratidianus. ,Er brachte den Kopf dem Sulla, 
der eben auf dem Markte sass, und ging dann 
zu dem Weihkessel des nahegelegenen Tempels 
des Apollon, wo er sich die Hande wusch' (Plut 



26). Der Geist schonungsloser Yerfolgung, der 
aus Sullas verwunderter Frage spricht, entlud sich 
jetzt fiber die italischen Stadte, die ihm wider- 
standen hatten. Mit der Vernichtung des sam- 
nitischen Entsatzheeres war das Schicksal der 
latinisehen Stadt Praeneste besiegelt. Den toten 
Fiihrern, wie dem Praetor Damasippus und dem 
heldenmfitigen Pontius Telesinus, dem Aristo- 
menes Italiens, liess Sulla den Kopf abschneiden 



Sull. 32). Nur wenige Geachtete entgingen dem 20 und noch an demselben Tage (Dio frg. 109, 4), 

Tode, wie L. Cornelius Scipio (cos. 672 =82) " ' ^ 

und der ebenfalls patricische C. Iulius Caesar. 

Dessen Tante Iulia war die Wittwe des alteren 

Marius, und er selbst hatte sich in dem Jahr der 

Landung Sullas mit der Tochter des L. Cornelius 

Cinna <cos. 667—670 = 87—84) vermahlt. Da 

er sich, weniger nachgiebig als Pompeius, seine 

junge Gattin Cornelia zu verstossen weigerte, 

wurde er von Sulla geachtet, aber nach seiner 



am 2. November, nach Praeneste bringen; dann 
warden die Kopfe von Ofella urn die Mauer herum- 
getragen (App. I 93). Dasselbe geschah mit dem 
Kopf eines Opfers der sullanischen Achtungen, 
des so grausam gemordeten Praetors M. Marius. 
Gratidianus, eines Adoptivvetters des jungen Ma- 
rius. Da sah dieser, dass auch seine Stunde ge- 
kommen sei, und ging im Yerein mit einem jilngeren 
Bruder des Pontius Telesinus in den Tod (Oros. 



Fluent aus Rom, da ihm seine vornehme Geburt30 V 21, 8. 9. Val. Max. VI 8, 2); den tlberlebenden 



hohe Ftirsprache verschaffte, nicht weiter verfolgt. 
Es wird erzahlt, Caesars GOnner hatten Sulla 
gesagt, er brauche doch den jungen Menschen 
— Caesar zahlte damals hochstens 20 Jahre — 
nicht zu fiirchten, und Sulla erwidert, sie sollten 
sich huten, in dem schlechtgegurteten Knaben 
stecke mehr als ein Marius (Suet. Caes. 1. Plut. 
Caes. 1. Dio XLIII 43, 4). Sulla hehielt es sich 
vor, die Achtungsliste erst am 1. Juni 673 = 81 



aber entsank der Mut, und sie glaubten den Yer- 
heissungen des verraterischen Cornelius Cethegus 
(Yal. Max. IX 2, 1), Sulla werde sie begnadigen, 
und Offneten Ofella die Thore. Aber Sullas Seele 
kannte kein Erbarmen ; er zeigte den abgeschnit- 
tenen Kopf des Consuls Marius, den Ofella hatte 
nach Rom schicken miissen, allem Volk auf der 
Rednerbiihne und begab sich selbst nach Prae- 
neste, urn fiber die Stadt und ihre Verteidiger 



zu schliessen (Cic. pro Rose. Amer. 128) ; inner- 40 das Urteil zu fallen. Von Rdmern die Senatoren 



halb dieser langen Frist wurden 4 700 Namen 
aufgeschrieben (Val. Max. IX 2, 1). Man zahlte 
darunter die Namen von mehr als 40 Senatoren 
und mindestens 1600 Rittern (App. b. c. I 95. 
Flor. II 9, 25). Von den geaehteten Senatoren 
sagt Augustin : Sullana tabula plures iugulavit 
senatores quam Oothi vel spoliare potuerunt (III 
29). Die Ritter, die Geldmanner des damaligen 
Roms. sassen seit der Gesetzgebung des C. Grac- 



und Anfuhrer, so gut wie alle Praenestiner und 
samtliche Samniten wurden umgebracht (App. I 
94). Plutarch berichtet fiber diese Massenhin- 
richtung (Sull. 32): ,Sulla fing an, jedem beson- 
ders den Process zu machen. Weil ihm dies aber 
zu lange dauerte, liess er alle zusammen, gegen 
zwolftausend Menschen, an einen Platz bringen 
und niedermachen, mit Ausnahme eines einzigen, 
bei dem er wohnte. Dem schenkte er das Leben, 



chus fiber die Senatoren zu Gericht; von ihren 50 aber der Mann besass so viel Edelmut, um Sulla 



Speculationen wahrend der marianischen Conns- 
cationen wurden sie die Einsackler (saecularii) 
genannt; jetzt traf sie furchtbare Yergeltung 
(Ascon. p. 80, 12 — 16). Die genaueren Angaben 
fiber die Bluttafel s. bei Mommsen R. G. II 
339 Anm. Aus den Sclaven der Geaehteten wahlte 
Sulla die jungsten und kraftigsten aus und schenkte 
ihnen Freiheit und Biirgerrecht; es waren mehr 
als 10 000. Durch diese Cornelii (s. Nr. 4) hielt 



zu sagen, er wolle sein Leben nicht dem Henker 
seines Vaterlandes zu verdanken haben. Er mischte 
sich freiwillig unter seine Mitburger und ward 
mit ihnen niedergemetzelt'. Nach diesem grass- 
lichen Strafgericht an denen, die es gewagt hatten, 
gegen ihn die Waffen zu tragen, wurde die Teiche 
Stadt der Plunderung preisgegeben und_ ihr Ge- 
biet eingezogen und an Veteranen verteilt (App. 
a. O.). Sulla verfuhr mit der Besatzung von Prae- 



Sulla seine Herrschaft fiber die Stadt aufrecht und 60 neste ebenso unmenschlich wie mit den gefangenen 



beherrschte die Yolks versammlung (App. I 100). 
Folgende Inschrift ist eihalten, die die zu einem 
Collegium vereinigten Freigelassenen ihrem Patron 
gesetzt haben: L. Corneh'o L. f. Bullae Feleici 
dictator* leiberteim (CIL X 6007, vgl. I 585). 
Sulla begnfigte sich uicht damit, einzelne Per- 
sonen innerhalb des romischen Reiches zu ver- 
folgen, sondern er belegte auch ganze Gemeinden 



Samnitern ; das musste die Stadte, die sich noch 
nicht ergeben hatten, zum iiussersten Widerstande 
reizen. Die latinische Stadt Norba nahm M. 
Aemilius Lepidus nachtlicherweile durch Yerrat 
,ein; die Burger zundeten selbst ihre Hauser an 
und toteten einander (App. I 94). In Campanien 
wurde Capua eingenommen und die demokratische 
Colonie aufgehoben ; Nola unterwarf sich erst im 



1555 Cornelius 

J. 674 = 80 ; so lange liatte der tapfere Sarn- 
nitenftihrer C. Papius Mutilus darin ausgehalten 
(Liv. ep. 89). Am langsten dauerte der Wider- 
stand in Etrurien, dort Offnete das unbezwing- 
liche Volaterrae erst im J.675 = 79 seine Thore ; 
die Besatzung hatte sich gegen das Versprechen 
freien Abzuges ergeben , aber die Consuln liessen 
sie unterwegs durch einen Reitertrupp nieder- 
hauen (Licinian. p. 89. Strab. V 223. Liv. ep. 



Cornelius 



1556 



1557 



Cornelius 



Cornelius 



1558 



waren also tot (App. I 98). Naeh dem Herkonirnen 
hatte der Senat jetzt einen ZwischenkCnig zu 
warden, und in der That forderte Sulla den Senat 
auf, diese Handlung vorzunehmen. Die Wahl flel 
auf den Princeps senatus L, Valerius Flaccus, 
der schon zur Zeit der cinnanischen Herrschaft 
eine vermittelnde Stellung zwischen Sulla und 
der Volkspartei eingenommen hatte. Wahrend- 
deasen hatte Sulla des guten Scheins halber die 
89). Am schlimmsten durften Sullas Soldaten 10 Stadt verlassen, als ob erjedeNotigung des Senats 



in Samnium hausen. Hier wurde wahrscheinlich 
die ehemalige latinische Colonie Aesernia (im 
J. 674 = 80) eingenommen und zerstort (Liv. ep. 89) 
und das yolkreiche Land in eine EinOde verwan- 
delt; zur Zeit des Augustus sah man statt der 
bluhenden Stadte von einst nur noch Wusteneien 
oder elende Dorfer (Strab. V 249), und in diesem 
herabgekommenen Zustand ist das Land bis auf 
den heutigen Tag geblieben. Der Euin Italiens 



vermeiden wolle, und wirklicb hoffte man dort, 
der ZwischenkCnig werde unverziiglich die Con- 
sulwahlen abhalten. Aber auch diesmal hatte 
man sich in Sulla getauscht, denn er schrieb dem 
ZwischenkOnig, er solle dem Volk vorstellen, dass 
das Staatswohl die Einsetzung eines Dictators 
erfordere ; er selbst sei bereit, dieses Amt zu uber- 
nehmen (App. I 98). Flaccus that, wie ihn Sulla 
geheissen hatte; er brachte ein Gesetz fiber die 



bezeichnete Sullas Spuren ; die Zeiten des hanni- 20 Notwendigkeit einer Dictatur zu stande (Cic. de 



balischen Krieges schienen wiedergekehrt zu sein 
(Val. Max. IX 2, 1). 

Samnium sollte fur immer von Menschen ver- 
lassen sein und wurde daher nicbt wieder be- 
vOlkert; in den andern italischen Landschaften 
dagegen mussten die Bewohner der von Sulla 
bestraften Stadte seinen Veteranen Platz macben 
und Grundbesitz und Biirgerrecht an die Ein- 
dringlinge abgeben (Cic. de dom. 79). So sah 



leg. agr. Ill 5) und ernannte dann Sulla zum 
Dictator (Cic. ad Att. IX 15, 2). In dem vale- 
rischen Gesetz wurden alle Handlungen genehmigt, 
die Sulla als Consul und als Proconsul vollzogen 
hatte (App. I 97), z. B. seine Anordnungen in 
Asien (Plut. Sull. 33), seine Proscriptionen (Cic. 
pro Rose. 126), seine Conflscationen und Assig- 
nationen. Alle rechtliche Gewalt war auf ihn 
fibertragen, Leben und Gut jedes Burgers in seine 



man in Lucanien bald nur noch Romer (Strab. 30 Hand gegeben , und ihm auf unbestimrate Zeit 



VI 254). Im ganzen wurden 23 (App. I 100, 
nach Liv. ep. 89 sogar 47) Legionen versorgt, und 
120000 Ackerlose verteilt (App. I 104). Am 
breitesten ergoss sich der Strom der Einwande- 
rung in die Landscbaft, die sich am langsten 
gegen Sullas Herrschaft gewehrt hatte, nach Etru- 
rien; besonders Faesulae wurde stark mit Vete- 
ranen belegt (Cic. in Catil. II 20. Ill 14; p. Mur. 
49). Sulla mocbte meinen, aus dem unsteten 



unbeschrankte Vollmacht erteilt ,zur Abfassung 
von Gesetzen und zur Ordnung des Gemeinwesens' 
(kgibus scribundis et reipublieae constituendae) 
(App. I 99). Den Namen fur seine Wurde ent- 
lehnte Sulla der seit dem hannibaliscben Kriege, 
genau seit 120 Jahren, thatsachlich abgeschafften 
Dictatur (Plut. Sull. 33. Veil. II 28 ; vgl. CIL 18 
p. 23), wie er denn auch seinen Geschaftstrager, 
den Princeps senatus und Interrex L. Valerius 



Sflldner einen sessliaften Bauern macben zukOnnen, 40 Flaccus, zum Magister equitum ernannte (CIL 



wenigstens verbot er den neuen Ansiedlern den 
Verkauf ihres Grundstiicks (Cic. d, leg. agr. II 
78), aber wie verkehrt seine Annahme war, zeigt 
gerade das.Beispiel Etruriens. Die zahlreichen 
Missvergnfigten in diesem Lande, auf die sich 
spater Catilina mit seinen Verschworenen stutzte, 
wurden von einem ehemaligen Centurio der sul- 
laniscben Armee "gegen die Eepublik (Sail. Cat. 28) 
geftihrt, 



Noch nie hatte ein ROmer das Recht, am von 50 einzog (Liv. ep. 89). 



I 2 p. 27. 36); verrieten aber die ihm zuerkannten 
Befugnisse (leg. scrib. et reip. const.), die zu seiner 
formlichen Amtsbezeichnung gehorten, dass es 
sich bei Sulla um mehr als um ein militarisches 
Amt handelte, so setzte sich Sulla auch dadurcb 
recht augenfallig fiber das Herkommen hinweg, 
dass er mit 24 Lictoren, doppelt so vielen als 
dem Dictator innerhalb des Pomeriums zustanden 
(Mommsen St.-R. I 383, 4. II 710) in die Stadt 



anderem zu schweigen, in dem Masse gemissachtet, 
wie Sulla, seine Proscriptionen und sein Vorgehen 
gegen die italischen Gemeinden waren beispiel- 
lose Gewaltthaten ; damit sie aber wenigstens 
nachtraglich mit einem Schein von Gesetzlichkeit 
umkleidet wurden, liess sich Sulla bei passender 
Gelegenheit ein seiner Stellung entsprechendes 
Amt fibertragen (dass die Proscriptionen vor der 
tTbernahme der Dictatur begannen, wird fiberein- 



Erst jetzt durften die Consulwahlen erfolgen ; 
ja man musste froh sein, dass Sulla dazu iiber- 
haupt die Erlaubnis gab. Wahrscheinlich spielte 
sich schon damals der Fall des Ritters Q. Lu- 
cretius Ofella ab. Vgl. Lengle Unters. u. d. 
Sullan. Verfassung (Freiburg, Dissert. 1899) 22 A. 
Er hatte Praeneste in Sullas Gewalt gebracht 
und glaubte zum Lohn fur diesen Dienst, ohne 
je ein curulisches Amt bekleidet zu haben, das 



stimmend in alien Quellen berichtet; ein Grand 60 Consulat beanspruchen zu durfen. Aber so viel 
aber, dieses Zeugnis anzuzweifeln, liegt nicht vor ; ~ " ...- — - - - - 

daher ist Mommsens Darstellnng in der rOmi- 
schen Geschichte [II 338] zu berichtigen, wie 
Mommsen das in seinem Staatsrecht [II 736, 5] 
bereits selbst gethan hat). Der eine Consul, C. 
Marius, hatte sich selbst das Leben genommen, 
der andere, Cn. Papirius Carbo, wurde auf Si- 
cilien von Pompeius hingericbtet. Beide Consuln 



Sulla auch bei andern flbersah, so wollte er doch 
von dem alten Marianer nichts hinnehmen. Er 
verbot ihm die Bewerbung ; aber Ofella trat trotz- 
dem eines Tages auf dem Markt vor das Volk 
und brachte viele Stimmen hinter sich. Sulla 
sass wahrenddessen in der Vorhalle des Castor- 
tempels auf seinem Amtssessel ; er sah den Vor- 
gang mit zornfunkelnden Augen und geroteten 



Wangen an und entsandte einen Senator aus seiner 
standigen TJmgebung, einen Onkel des Catilina, 
L. Bellienus, mit dem Befehl, den Ungehorsamen 
niederzustossen (Ascon. p. 81, 20; vgl. Bd. Ill 
S, 253 Nr. 5). Der Senator gehorchte und that das- 
selbe an Ofella, was einst im J. 315 = 439 v. Chr. 
der Reiteroberst des Dictators L. Qumctius Cin- 
cinnatus, C. Servilius Ahala, an dem volksfreund- 
lichen Sp. Maelius vertibt hatte. Als das em- 
porte Volk den MCrder unter lautem Ruf nach 10 
Siihne vor Sullas Richterstuhl schleppte, gebot 
der Dictator Stillschweigen und wies die irrenden 
Burger durch die Erklarung zurecht, dass er die 
That befohlen habe (Plut. Sull. 33; comp. Lys. 
c. Sull. 2. Liv. ep. 89). Er liess den Bellienus 
in Freiheit setzen und schfichterte die Versamm- 
lung durch folgende nicht misszuverstehende Er- 
zahlung ein: ein Bauer sei beim Pfiiigen von 
Lausen geplagt worden und habe seinen Rock 
ausgezogen und gereinigt. Er habe dies noch 20 
ein zweitesmal gethan; als aber auch dann das 
Beissen nicht aufgehOrt habe, habe er Rock wie 
Lause verbrannt (App. I 101). Das Consulat er- 
hielt fur 673 = 81 neben dem Plebeier M. Tullius 
Decula der Patricier Cn. Cornelius Dolabella 
Nr. 134 (CIL 12 p. 154), der in der Schlacht am 
coliinischen Thor unter Sulla als Legat gefochten 
hatte (Plut. Sail. 29). 

Mitten in dem allgemeinen Elend, das er ange- 
richtet hatte, zu einer Zeit, wo die Achtungsliste 30 
noch nicht abgeschlossen war, im Besitz der dic- 
tatorischen Gewalt, die einer Alleinherrschaft 
gleichkam, feierte Sulla Ende Januar 673 = 81 
(CIL I 2 p. 49) einen zweitagigen Triumph (Plin. 
n h XXXIII 16). Er sollte der Besiegung des 
Mithridates gelten (App. I 99. Val. Max. II 8, 
7), aber die wirklichen Verhaltnisse im Osten 
waren zu einer solchen Feier gerade damals am 
wenigsten angethan. Denn kurz zuvor hatte L. 
Licinius Murena, den Sulla nach dem eilfertig40 
abgeschlossenen Frieden zu Dardanos mit den 
beiden von Fimbria abgefallenen Legionen in Asien 
als Stattbalter zuriickgelassen hatte, auf einemRaub- 
zuge gegen Mithridates eine schmahliche Nieder- 
lage erlitten, die den Verlust Kappadokiens be- 
deutete. Nicht der auswartige Feind lag am Boden 
(vgl. Cic. p. leg. Manil. 8. Flor. I 40, 11). son- 
dern die romische Volkspartei, die Marius zu ihrem 
Helden erhoben hatte; daher wurde in diesem 
Triumph eigentlich Sullas Sieg im Bfirgerkriege 50 
verhen-licht. Das zeigte sich unter anderem auch 
darin, dass an dem zweiten, dem Haupttage, an 
dem Sulla selbst auftrat, die Vertriebenen vom 
Adel, die dem Dictator ihre Ruckkehr verdankten, 
mit Kranzen geschmuckt seinem Wagen folgten 
und ihn als ihTen Wohlthater priesen (Plut. Sull. 
34). Vgl. die Munzen mit dem an seinen Triumph 
erinnernden Viergespann und der Aufschrift L. 
Sulla Imperator (Babelon II 177f.). 

Sulla war durch seine Sinnesart wie durch 60 
seine Erlebnisse frflh zu dem Glauben gekommen, 
er musse in allem seinem Thun das Beste vom 
Zufall erwarten (Plut. Sull. 6); er zeigte daher 
die grCsste Verehrung flir die Gottheit, deren 
Gunst die Spieler um das Gelingen des grossen 
Wurfes anriefen, die sieghafte Gottin Venus (vgl. 
Plut. Snll. 19, auch die Munzen mit ihrem Bildnis 
Babelon I 406—412), und fand ein besonderes 



Vergniigen daran, sich -ein Gltickskind nennen 
zu horen (App. I 97). Die Bezeichnung .derGliick- 
liche' hatte er aber erst nach dem Tode des jungen 
Marius als formlichen Beinamen angenommen (Veil. 
IE 27, 5. Aur. Vict, de vir. ill. 75); er teilte 
dies an dem Tage seines Triumphes nach been- 
detem Aufzuge dem versammelten Volk in einer 
Rede mit und sprach zum Schluss das Verlangen 
aus, dass man sich kunftig in seiner Benennung 
nach seinem Vorgange richte (Plut. Sull. 34). 
Als man ihm daher auf dem Markt vor der Redner- 
buhne ein vergoldetes Reiterstandbild setzte — er 
war der erste Romer, der sich in dieser Weise 
ehren liess (Cic. Phil. IX 13) — versah man es 
mit der Inschrift: Cornelio Sidlae, Felici dieta- 
tori (App. I 97. vgl. CIL I 584 und das Reiter- 
standbild mit der Inschrift: Lttcio Suliae Feltet 
dietatori auf der Ruckseite einer Goldmilnze, Ba- 
belon II 179). Wenn er an die Griechen schrieb, 
so nannte er sich 'EnatpgoStTos, Gfinstling der 
'A<pQo8h v (vgl Diodor. frg. XXXVIII 15; Plu- 
tarch sah noch in seiner Heimat Boiotien aul 
Siegesdenkmalern Inschriften mit diesem Beinamen ; 
in den letzten Jahren sind solche Inschriften, von 
der Hafenstadt Oropos gesetzt, wieder zu Tage 
getreten, IGS I 264. 372.413; vgl. Mommsen 
Herm. XX 283, auch 'Eyw. &e%- 1891, 137 nr. 59). 
Sullas Glfick schien sich zu vollenden, als ihm 
Metella Zwillinge gebar, er nannte sie Faustus 
und Fausta (Plut. Sull. 34). 

Sullas Gesetzgebung. Leben , Gut und Enre 
hatte Sulla seinen politischen Gegnern genommen, 
aber bei der Vernichtung der Personen blieb er 
nicht stehen ; auch die Einrichtungen, aus denen 
sie ihr Recht abgeleitet hatten, sollten fallen. 
Vgl. fiber seine Gesetzgebung H. Fritzsche Die 
sullanische Gesetzgebung, Essen 1882, und J- 
Lengle Untersuchungen iiber die sullanische Ver- 
fassung , Freiburg Diss. 1899. Die seit vierzig 
Jahren bestehende graccbische Verfassung wurde 
von Grand aus beseitigt. Sulla schaffte die regel- 
massige Getreideverteilung an die hauptstadtische 
Plebs ab (Sail. frg. 55, 11); den Rittern entzog 
er durch die Verwandlung der asiatischen Ge- 
falle in feste Abgaben ihre Haupteinnahrnen und 
nahrn ihnen die Geschworenengerichte wieder ab 
(Cic. in Verr. act. I 37). Auch das Gesetz des 
Cn. Domitius Ahenobarbus (eines Ahnen des 
Kaisers Nero) yom J. 650 = 104, das die Wahlen 
zu samtlichen hoheren Priesteramtera dem Volk 
uberliess (Dio XXX VII 87, 1), sowie ein bedeutend 
alteres fiber die Wahl des Oberpontifex und des 
Obercurio durch das Volk hob Sulla auf und gab 
den Priestercollegien das Recht der Selbstergan- 
zung (Cooptation) zurfick (Ps.-Ascon. p. 102, 23). 
Sulla ging in der AuflOsung der geltenden Ord- 
nungen noch weiter, er legte seine Hand auch 
an die Schepfung des rOmischen Geistes, die Jahr- 
hunderte hindurch den Schutz des Schwachen 
gegen den Starken gesichert hatte. Den Eck- 
stein der rOmischen Verfassung bildete seit vielen 
Generationen das Recht des Tribunen, mit seinen 
Standesgenossen nach eigenem Ermessen zu ver- 
handeln, entweder, um einen ungetreuen Beamten 
vor Gericht zu ziehen oder um ein Gesetz her- 
beizufiihren; alle. burgerliche Freiheit in Rom be- 
ruhte darauf. Das Volksgericht wurde von Sulla 
im Zusammenhang mit der Xeuordnung des Ge- 



1559 



Cornelius 



Cornelius 



1560 



1561 



Cornelius 



Cornelius 



1562 



richtswesens , wo niclit fOrmlich, so doch that- 
sachlich abgeschafft (Cic. Verr. act. I 38); aber 
auch das Recht, einen bindenden Beschluss zu 
fassen, wurde dem Volk verkummert. Sulla 
scharfte eine alte Verordnung wieder ein, dass 
die Tribunen gehalten seien, zur Verhandlung iiber 
einen Antrag die Brlaubnis des Senate einzu- 
holen; das war so gut, als wenn den Tribunen 
jedes Recht der Gesetzgebung genommen werde 



9 (seit 454 = 300) auf 15 (8 Plebeier und 7 Pa- 
tricier) und erweiterte das Collegium der Decem- 
viri sacris faciundis, dem die Uberwachung der 
fremdon Gottesdienste oblag, zu dem der Quin- 
decimviri (Lengle a. 0. 1 — 9). Die Amterlauf- 
bahn unterwarf Sulla alten Vorschriften, die bis 
in die Zeit des ersten Samniterkrieges zuriick- 
reichten. Damals (im J. 412 = 342) war die Be- 
stimmung ergangen, dass man sich nur nach Ab- 



(Liv. ep. 89 tribunis omne ius legum ferenda- lOlauf von zehn Jahren zum zweitenmal um das 



rum ademit, vgl. Veil. II 30, 4 tribuniciae po- 
testatis Sulla imaginem sine re reliquit und 
App. I 100). Sulla griff damit auf Zustande zu- 
riick, wie sie vor dem hortensischen Gesetz (um 
467 = 287) geherrscht batten; es war eine un- 
geheuerliche Restitution, fiir die die Geschichte 
nur wenige Beispiele bietet. Auch das Einspruchs- 
recht der Tribunen (ius inter cedendi) wurde wesent- 
lich beschrankt (Cic. Verr. act. II 1, 155), und 



Consulat bewerben durfe (Liv. VTI 42) ; die Inne- 
haltung dieser Frist machte Sulla wieder zur 
Kegel (App. I 100). Schon vor dem hannibali- 
schen Kriege war der unmittelbare Ubergang von 
ehiem patricischen Amt zum andern verboten wor- 
den (Mommsen St.-R. I 524); dann hatte im 
J. 574 = 180 die Lex Villia annalis ein bien- 
niutn zwischen der Bekleidung zwcier verschie- 
denen Amter verlangt und mit Aufstellung des 



so blieb ihnen ungeschmalert nur ihr urspriing- 20 eertus ordo magistratuum die Reihenfolge der 



liches Recht, mit dem sie nach der Auswande- 
rung auf den heiligen Berg in das Offentliche 
Leben eingetreten waren, das ius auxilii ferendi 
(Cic. de leg. Ill 22). Am meisten aber suchte 
Sulla das Volkstribunat durch die Bestimmung 
herabzuwiirdigen, dass die Ubernahme dieses Amts 
unfahig mache zur Bewerbung um die urspriing- 
lich patricischen Amter, die Praetur und das Con- 
sulat (App. I 100. Ascon. in Cic. Cornel, p. 59, 



Amter geregelt (Mommsen a. O. 529). Dieses 
Gesetz erneuerte Sulla (App. I 100 oTQarrjyeiv 
(Ltecte jiqiv ra/.tisvaat v.al vxaTSVEiv jcqiv orQaxrj- 
yijaai, vgl. 121) und setzte als Altersgrenze fiir 
die Praetur das vierzigste, fur das Consulat das 
dreiundvierzigste Lebensjahr fest (nach Momm- 
sen St.-R. I 567). Fiir die Quaestur forderte 
Sulla wahrscheinlich das siebenunddreissigste 
Lebensjahr (Mommsen a. 0. 570); an die Be- 



6. 70, 1). tlber die Schwachung der tribunici- 30 kleidung dieses Amies band Sulla den Eintritt 



schen Gewalt vgl. Lengle a. 0. 10 — 16. Die 
Rechte, die Sulla den Rittern und in der Schwachung 
des Tribunate dem Volke nahm, gab er dem Se- 
nat zuriick. Er verlieh ihm wieder die Gerichts- 
barkeit und machte die Beantragung eines Ge- 
setzes von seiner Zustimmung abhangig. Ein in- 
schriftlich erhaltenes Plebiscit vom J. 683 =71 
tragt den Vermerk ,nach dem Gutachten des Se- 
nats (de senatus sententia)' (CIL I p. 114, vgl. 



in den Senat (Tac. ann. XI 22) und nahm da- 
mit dem Censor seine wichtigste Befugnis , die 
Erganzung (lectio) des Senate. 

Wie Sulla das Volkstribunat schwachte, so 
beschrankte er auch die urspriinglich patricischen 
Amter, Consulat und Praetur, indem er die mili- 
tarische Gewalt von der biirgerlichcn scliied. 
Kiinftig sollten die heiden Consuln gleich samt- 
lichen acht Praetoren ihren Dienst nur in der 



Bruns Font. iur. Rom. p. 94). Da fiir den (Jm- 40 Hauptstadt versehen und erst dann, nach Ablauf 

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fang der in den Gerichten und in der Verwaltung 
zu leistenden Arbeit die bisherige Starke des Se- 
nate nicht ausreichte, erhohte Sulla die Zahl 
seiner Mitglieder auf das Doppelte, von 300 auf 
600 (App. I 100. Liv. ep 89); vgl. Mommsen 
R. G. II 348 A. Sulla bestimmte zu Senatoren 
nicht nur AngehOrige des Ritterstandes, sondern 
auch Centurionen und andere Leute ohne poli- 
tische Bildung, von denen er keinen Widersprueh 



ihres Amtsjahres, als Proconsuln, wie die Prae- 
toren als Propraetoren, ein jeder auf ein Jahr in 
eine der zehn Provinzen gehen (Mommsen St.- 
R. II 200). Wurde die Erstreckung der Amts- 
frist auf ein zweites Jahr auch die Regel, so ent- 
schied daruber doch jedesmal der Senat; er allein 
bestimmte auch, welche beiden Provinzen die Con- 
suln im zweiten Jahr zu iibernehmen hatten, und 
diese mussten sich dann vereinbaren oder losen 



zu erwarten hatte (Dionys. Hal. V 77) : die von 50 (Cic. de prov. cons. 3). Im Zusammenhang mit 



ihm aufgestellten Candidaten Mess er durch das 
Volk zu ihrer neuen Wiirdc wahlen (App. I 100). 
Wie bei dem Senat, so erforderten erst recht bei 
den Beamten die seit langem gesteigerten An- 
forderungen an die Leistungen eine Vermehrung 
der vorhandeneu Krafte. Sulla begnugte sich da- 
mit, die Zahl der Quaestoren, die sicher mehr als 
8 betrug, auf 20 (Tac. ann. XI 22, vgl. Momm- 
sen R. G. II 347 A. 356 A.) und die der Prae 



der neuen Geschaftsordnung der Beamten wurde 
festgesetzt, dass jeder Statthalter birmeri dreissig 
Tagen nach Eintreffen seines Nachfolgers die Pro- 
vinz zu verlassen habe (Cic. ad fam. Ill 6, 3). 
Es kam Sulla darauf an , das militarische Com- 
mando (das imperhim) durehaus dem Senat unter- 
zuordnen (Cic. ad fam. I 9, 25) und auch durch 
dieses Mittel die Macht des Senate zu steigem. 
Da nach der Vertreibung zahlreicher italischer 



toren von 6 auf 8 zu erhohen (nach Mommsen 60 Grundbesitzer und der dafiir erfolgten Ansiede- 



St.-R. II 200). Von dem Quaestorengesetz ist 
noch die achte Tafel rorhanden, die die Vor- 
schriften fiir die Unterbeamten (Apparitores) ent- 
halt (CIL I 202 und Bruns Fontes 96). Es ist 
bezeiehnend fiir Sulla, dass er aueh die Priester- 
stellen vermehrte, und zwar in verhaltnismassig 
grOsserem Umfang als die Staatsamter. Er er- 
hohte die Zahl der Pontifices und Augures von 



lung der Veteranen ganz Italien nur noch von 
rSmischen Biirgem bewohnt wurde, stellte Sulla 
das Land dem Stadtgebiet gleich; es sollte wie 
die Hauptstadt fortan nur von den ordentlichen 
Beamten, den Consuln, verwaltet werden und eben- 
falls keine Truppen dulden diirfen. Thatsachlich 
hielt ja Sulla das Land durch seine Veteranen 
nieder; mit ihrer Ansiedelung war eine gewalt- 



same Romanisierung Italiens verbunden. Wo die 
alten italischen Eidgenossenschaften noch bestan- 
den, wurden sie fiir immer aufgelosst. An die 
Stelle der bisherigen ortsiiblichen Obrigkeiten 
wurden den rimiischen Consuln entsprechend in 
alien Municipien zwei oberste Beamte gesetzt, die 
als die ordentlichen Richter Duumviri iure di- 
cundo genannt wurden; sie wurden unterstiitzt 
von zwei Marktrkhtern, Duumviri aedilicia pote- 
state (Lie ben am Stiidteverwaltung im R5m. 
Kaiserreiche 1900, 255), Wie in dem Gemeinde- 
wesen, so trat auch auf anderen Gebieten mit 
dem VoTdringen des riimischen Geistes die Ein- 
fOrmigkeit an die Stelle der Mannigfaltigkeit. 
Die alten Landessprachen , das Etruskisehe und 
das Oskische, unterlagen der anziehenden Kraft 
des Lateinischen. Ein Beispiel fiir den Ubergang 
von dem urspriinglichen Volkstum zu dem neuen 
rOmischen Wesen bieten die Denkmaler von Pom- 
peii, das zu den mit sullanischen Veteranen be- 
legten Stadten gehOrte (Nissen Pompeianische 
Studien 93). Die Grenze Italiens riickte Sulla 
im Norden fiber den Aesis hinaus bis an den 
Rubico vor. Fiir diese Erweiterung des der Stadt 
gleichgestellten italischen Gebietes durfte Sulla 
den Mauerring, das pomerium, von Rom selbst 
verschieben (Senec. de brev. vitae 13, 8 Sullam 
ultimum Romanorum protulisse pomoerium, quod 
nunquam provineiali, sed Italieo agro acquisito 
proferre moris wpud antiquos fuit. Dio XLIII 
50), vgl. Mommsen R. G. II 353 A. Das ober- 
italische Gallien richtete Sulla als Provinz ein, 
so dass es jetzt'deren zehn gab; die Sonder- 
stellung der Transpadaner — man hatte ihnen 
im J. '665 = 89 nur das latinische Recht ge- 
wahrt — hob Sulla nicht auf; vgl. Mommsen 
a. O. 354 und III 4. 

Sullas Hauptverdienst ist der Ausbau des 
Strafrechts durch Vermehrung der stehenden Ge- 
richtshofe (quaestiones perpetuae). Schon seit 
dem J. 605. = 149 bestand ein eigener Gerichts- 
hof fiir Erpressungen; auch Mord und andere 
Amtsvergehen als Erpressung wurden sicher schon 
vor Sulla in Sehwurgerichten abgeurteilt. Nach 
Sullas Vermehrung der Gerichtshofe gab es deren 
sieben, vier fur folgende Amtsvergehen: 1) Er- 
pressungen (quaestio repetundarum) , 2) Wahl- 
bestechung (quaestio ambitus), 3) Unterschlagung 
Sffentlicher G elder (quaestio peculatus), 4) jede 
Verletzung der Hoheit des rOmischen Namens 
(quaestio maiestatis) , und drei fur folgende ge- 
meine Verbrechen: 5) Mord (quaestio inter si- 
carios = Meuchelmorder und quaestio veneficii 
= Giftmischerei ; s. die Zusammenstelhmg der 
einzelnen Bestimmungen bei Bruns Fontes 93), 
6) Falschung von Testamenten und MQnzen (quae- 
stio de falsis), 7) Ehrverletzung (quaestio^ in- 
iuriarum). Zu Vorsitzern der Schwurgerichte 
wurden die nach der Vermehrung der Stellen ver- 
fiigbaren sechs Praetoren bestimrnt -- dem Prae- 
tor urbanus wie dem Praetor peregrinus blieben 
die biirgerlicheii Rechtsstreitigkeiten — , und da 
ihre Zahl noch nicht ausreichte, zu ihrer Aushulfe 
gewesene Aedilen als indices quaestionis bestellt, 
namentlich fiir das stark belastete Mordgericht, 
das nicht nur fiir Meuchelmord und Giftmischerei, 
sondern auch fiir Brandstiftuug und falsches 
Zeugnis zustandig war. Zu dem sullanischen 



Mordgesetz bemerkt Mommsen (Strafrecht 258, 
2): ,Sulla hat wohl die Proscriptionen angeordnet, 
aber zttgleich sie fur die Zukunft mit der Mord- 
strafe belegt'. Bezeiehnend fiir Sulla ist auch, 
dass er dem Begriff ,Majestatsverbrechen' den 
weitesten Umfang gab; nicht nur Hochverrat, 
sondern auch jedes Amtsvergehen sollte darunter 
verstanden werden. Zwar sagt Tacitus im Ver- 
gleich zur Kaiserzeit: facta arguebantur, dicta- 
10 impmie erant (ann. I 72) , aber die Gefahr bOs- 
williger Augeberei war doch schon mit dem sul- 
lanischen Majestatsgesetz verbunden; das meint 
Cicero mit seiner Ausserung: ea est maiestatis 
vis, et sie involuta, ut in quemvis impune de- 
clamare lieeat (ad fam. HI 11). Soweit die Be- 
amten kiinftig nicht mehr von dem Volksgericht, 
sondern von einem standigen Gerichtshof zur Ver- 
antwortung gezogen wurden, ging dem Volks- 
tribunat eine seiner wichtigsten Befugnisse ver- 
20 loren. Vgl. iiber Sullas Strafgesetze ausser Mom m- 
sens Strafrecht (1899) besonders die eingeheiiden 
Untersuchuugen von J. Lengle a. O. 17—70. 

Sulla hatte von der Macht des Staates einen 
so starken Begriff, dass er auch die Sittenver- 
besserung in den Kreis seiner Gesetzgebung zog. 
Er bekampfte den Ehebruch (Plut. comp. Lys. c. 
Sull. 3) und die namentlich bei Gastmahlern und 
Begrabnissen (Plut. Sull. 35) hervortretende Ver- 
schwendungssucht (Gell. II 24, 11. Macrob. sat. 
30 HI 17, 11); auch im Leben des einzelnen wurde 
eine Umkehr zu den alten Zeiten verlangt. 

Sullas dictatorische Gesetzgebung, zu der aller- 
dings in der Regel Volk und Senat mitwirken 
mussten, geh6rt im wesentlichen dem J. 673 = 81 
(vgl. Cic. pro Rose. Amer, 139) an. Im folgen- 
den Jahr (674 = 80) bekleidete Sulla bereits 
wieder mit Q. Caecilius Metellus Pius das ordent- 
liche Oberamt, das Consulat, und fur das Jahr 
darauf (675 = 79) verzichtete Sulla selbst auf 
40 diese Wurde (App. I 103). Bald nach dem Amts- 
antritt der neuen Consuln, der beiden Patricier 
P. Servilius Vatia, der spater den Beinamen Isau- 
ricus erhielt, und App. Claudius Pulcher, legte- ■ 
Sulla fOrmlich die Dictatur nieder. Er teilte 
seinen Entschluss dem versammelteh Volk mit 
und erklarte sich zur Rechenschaft bereit. In 
dieser Ausserung schien echter ROmersinn zu liegen , 
und doch war sie nichts als ein Spiel mit schOnen 
Worten; denn seine Gegner hatte Sulla umge- 
50 bracht, den Tribunen den Mund geschlossen und 
zehntausend handfeste Freigelassene zu seiner Be- 
wachung in der Hauptstadt angestellt, wie er 
Italien durch seine Veteranen im Zaum hielt (App. 
I 104). ,Dies Erbieten zur Rechenschaft klingt 
wie ein Hohn iiber die zerschmetterte Nation. 
Der Freistaat war eigentlich dahin, als man sein 
Bestehen der Gnade Sullas verdankte' (Hoeck 
R. G. I 82. 86). 

Nach seiner Abdankung bezog Sulla sein cu- 
60 manisches Landgut (sperni eoeptus Puteolos con- 
cessit, Aur. Vict. v. ill. 75) und kehrte dort zu den 
Unterhaltungen und Zerstremmgen seiner Jugend 
zuruck. Wieder verbrachte er seine Tage in 
lustiger Gesellschaft: Jagd und Fischfang (App. 
I 104) wechselten mit ausgedehnten Zechgelagen 
ab (Plut. Sull. 36); dabei fand. Sulla doch noch 
Zeit, mit Hiilfe eines gebildeten Griechen, seines 
Freigelassenen Cornelius Epicadus, seine Lebens- 



1563 



Cornelius 



Cornelius 



1564 



erinnerungen zu schreiben (Suet, de gramm. 12). 
Sulla hoffte, er werde noch das nach dem Brande 
von 671 = 83 neuerbaute Capitol weihen kOnnen 
(Plin. n. h. VII 138); aber als er in sein sech- 
zigstes Lebensjahr eintrat (Val. Max. IX 3, 8), 
ereilte ihn der Tod. Durch einen Traum an sein 
Ende gemahnt, verfasste Sulla noch an dem fol- 
genden Tage in aller Eile sein Testament ; nach 
dem Siegeln wurde er vom Fieber befallen und 
starb in der Nacht darauf. So berichtet Appian 
{I 105). Plutarch erzahlt (Sull. 36), Sulla habe 
sich durch seine Ausschweifungen die Liiusekrank- 
heit (Phthiriasis) zugezogen, d. h. aus Darm- 
geschwiiren hatten sich Lause entwickelt, und 
diese den ganzen KOrper allmahlich verzehrt; 
dasselbe bezeugen Plinius (n. h. VII 138), Pau- 
sanias (I 20, 1) und Aurelius Victor (75). Uber 
•das Vorhandensein einer solchen Krankbeit be- 
stehen freilich nur Vermutungen; Thatsache ist, 
dass man sie Sulla nachsagte, wie ja die erregte 
Einbildungskraft auch andere Peiniger ihres Vol- 
kes, so den Judenkanig Herodes, an dieser ekel- 
liaffcen Krankheit sterben liess. J. Ziehen meint, 
Sulla habe es der Erzahlung von dem Ackers- 
mann und den Lausen, die er dem Volk nach 
der Ermordung Ofellas vortrug, zu verdanken, 
dass man ihm den Tod durch Lause zugeschrieben 
liabe (Philol. LVII 1898, 189). Als unmittelbare 
Ursache seines Todes giebt Plutarch (Sull. 37) in 
Dbereinstimmung mit Valerius Maximus (IX 3, 8) 
einen Blutsturz • an. Nach ihrer Darstellung hatte 
Sulla gehort, dass der Gemeindevorsteher von 
Puteoli Namens Granius den Beitrag der Stadt 
zum Wiederaufbau des Capitols zuriickhalte, in 
der Erwartung, Sulla werde bald sterben; da 
liess Sulla den Onvorsichtigen zu sich ins Zimmer 
kommen , stellte seine Bedienten urn ihn herum 
und befahl, ihn zu erdrosseln. Aber der Jahzorn 
rachte sich, Sulla hatte so laut geschrieen und 
so heftige Bewegungen gemacht, dass er eine 
Menge Blut speien musste; davon wurde er so 
entkraftet, dass er die Nacht schlecht zubrachte 
und dann starh. Dieser Nachricht zufolge war 
Sullas letzte Handlung ein Mord. Zwei Tage vor 
seinem Tode hatte Sulla noch das 22. Buch seiner 
Denkwiirdigkeiten vollendet; das ganze Werk war 
damit freilich nicht abgeschlossen. Sulla wid- 
mete seine Selbstbiographie dem hochgebildeten 
L. Licinius Lucullus ; er bestimmte ihn auch zum 
Vormund seiner Kinder, des Zwillingspaares Fau- 
stus und Fausta {s. unter Nr. 377 und 436), denn 
deren Mutter, Caecilia Metella (Bd. Ill S. 1234), 
war bereits gestorben. Auch ein Sohn von ihr 
war Sulla in den Tod vorangegangen (Senec. con- 
sol, ad Marc. 12. Plut. Sull. 37). Nach Sullas 
Tode gebar seine letzte Gemahlin , die fiinfte, 
Taleria, eine Tochter, die nach romischem Brauch 
Postuma (Nr. 448) genannt wurde (Plut. a. 
O.). Uber die drei ersten Frauen Sullas vgl. 
S. 153 If. 

Als Sulla starb. war Spanien im Aufruhr, 
durch seine Schuld (Flor. II 10, 1 helium, Serto- 
rianwm quid amplius quam Sullanae proscrip- 
tionis kereditas fuit ?) : auch im Osten des Reichs 
standen schwere Kampfe bevor. Zwar hatte Sulla 
im J. 673 = 81 in Agypten den jungen KOnig 
Alexander II. in sein vaterliehes Elbe eingesetzt, 
aber die Alexandriner hatten ihn in einem Auf- 



lauf ersehlagen (App. I 102); ,noch waren die 
Seerauber, die den Orient in Atem hielten, nicht 
besiegt, und niemand glaubte an die Zuverlassig- 
keit des Mithridates'. S. den Uberblick in Ran- 
kes Weltgeschichte II 2, 137. Der gefahrlichste 
Feind des sullanischen Systems war die in Sullas 
eigenem Lager herrschende Verderbtheit, der er 
selbst durch sein leichtfertiges Gebaren Vorschub 
geleistet hatte. Der Mangel an Zucht war schuld 

lOdaran, dass die Sullaner ihre Waffen gegen ein- 
ander kehrten. Gleich in dem Process des Sex. 
Eoscius aus Ameria vom J. 674 = 80, dem ersten, 
der vor dem von Sulla neugeordneten Gerichtshof 
fiir Mord gefiihrt wurde, standen sich in Wirk- 
lichkeit zwei Glieder der sullanischen Partei als 
Klager und Beklagter gegeniiber, und der junge 
M. Tullius Cicero durfte in diesem Process mit 
dem allmachtigen Gunstling Sullas, mit L. Cor- 
nelius Chrysogonus, nur deshalb so schonungslos 

20 verfahren, weil die ZugehSrigkeit des ermordeten 
Eoscius zur sullanischen Partei ausser Zweifel 
stand (Cic. pro Eosc. Amer. 15); vgl. Herzog 
EOm, Staatsverfassung I 524. Bald trat der 
Zwiespalt innerhalb der sullanischen Partei auch 
im politischen Leben hervor. Der Patricier M. 
Aemilius Lepidus hatte zu Sullas Anhangern ge- 
h6rt und sich aus den Giitern der Proscribierten 
bereichert; als er aber wegen Erpressungen in 
der Provinz Sicilien (im J. 674 = 80) eine An- 

30 klage befiirchten musste , hatte er sich auf die 
gegnerische Seite geschlagen. Dieser wurdelose 
Mann, jetzt ein erbitterter Feind Sullas, bewarb 
sich fiir das J. 675 = 79 um das Consulat und 
erfreute sich dabei der Empfehlung des jungen 
Cn. Pompeius, einer der Hauptstutzen des sulla- 
nischen Regiments, dem Sulla seine Stieftochter 
Aemilia zur Frau gegeben hatte (Plut. Sull. 34). 
Sulla argerte sich zwar fiber diese dreiste Oppo- 
sition, aber er war gegen seine Giinstlinge macht- 

40 los. Hatte er doch dem L. Licinius Murena trotz 
seiner schmahlichen Niederlage gegen Mithridates 
(673 = 81) und eben dem ehrgeizigen Pompeius 
in einem Alter, wo dieser noch nicht einmal Se- 
nator war (675 = 79), den Triumph bewilligt 
(CIL 12 p. 178); ja, er hatte sich dazu verstanden, 
den eitlen Jungling als den ,Grossen' zu begriissen 
(Plut. Pomp. 13). M. Aemilius Lepidus, den 
Sulla selbst als Unruhestifter (seditiosus) bezeich- 
nete , wurde doch , weil es Pompeius wiinschte, 

50 neben dem zuverlassigen Q. Lutatius Catulus fur 
das J. 676 — 78 zum Consul gewiihlt. Noch bei 
Sullas Lebzeiten horte man auf dem Markt den 
Consul Lepidus mit dem ganzen Eifer eines Ab- 
trtmnigen den ,karikierten Romulus' (seaevus Ro- 
mulus) und seine Gesetzgebung verhohnen (Sail, 
or. Lepidi 5). Vgl. Bd. I S. 554. Als Sulla 
starb, wagten Lepidus und seine Anhanger den 
heftigsten Widerspruch gegen ein offentliches Be- 
grabnis, aber Pompeius, der sich jetzt als Erben 

60 von Sullas Macht fiihlte, trotzdem ihn Sulla in 
seinem Testament ubergangen hatte, wiinschte 
noch einmal alien Glanz der sullanischen Herr- 
schaft zu entfalten und braehte, auf das Heer 
gestutzt, im Bunde mit dem andern Consul die 
entgegengesetzten Stimmen zum Schweigen (Plut. 
Sull. 38). Pompeius holte die Leiche in feier- 
lichem Zuge nach Rom ein (App. I 105), dort 
wurde sie zunachst auf dem Marktplatz nieder- 



1565 Cornelius 

gesetzt, und der ,erste Redner seiner Zeit' (wahr- 
scheinlich L. Marcius Philippus) hielt die Leichen- 
rede. Dann nahmen Senatoren die Bahre auf ihre 
Schultern und trugen sie zum Marsfeld , wo die 
Grabei der alten KOnige lagen. Hier wurde Sul- 
las Leiche verbrannt (App. I 106). Bisher waren 
alle ComelieT nach altera Geschlechtsgebrauch 
unverbrannt beigesetzt worden, und auch Sulla 
wollte so begrabensein; aber der Senat bescnloss 
auf Antrag des L. Marcius Philippus bei Sulla 
davon abzusehen, damit der Frevel, den Sulla an 
der Leiche des Marius veriibt hatte, nicht an mm 
vergolten werde (Gran. Licin. p. 43 emvU corpus 
iusserat, non comburi; darnach ist Ciceros An- 
gabe de leg. II 56, Sulla habe die Verbrennung 
selbst befohlen, zu berichtigen). Vgl. Dieck- 
mann De Granii Liciniani fontibus (Diss. Berol. 
1 896) 84—86. Eine ausfuhrliche Schilderung 
der Bestattung Sullas giebt Appian (I 105. 106). 
Die romischen Frauen haben ein ganzes Jahr um 
ihn getrauert (Gran. Licin. a. O.). Zu Plutarchs 
Zeiten sab man noch Sullas Grabdenkmal auf 
dem Marsfeld; von der daran beflndlichen In- 
schrift hiess es, Sulla liabe sie selbst schriitlich 
hinterlassen. Sulla sagte darin, keiii Freund habe 
ihm so viel Gutes, kein Feind so viel BOses er- 
wiesen, dass er sie nicht in beiden noch iiber- 
troffen hatte (Plut. 'Sull. 38). Bei Euripides sagt 
die kolchisehe Konigstochter Medea (807): ,Es 
soil mich keiner achten schwachlich und genng, 
gutmiitig nicht; ich bin gemacht aus anderm 
Stoff, den Feinden schrecklich und den Freunden 
liebevoll' . Hier spricbt ein leiden schaftliches Weib ; 
wenn aber ein Mann, der an der Spitze eines 
grossen Staates gestanden hat, am Schlusse seines 
Lebens ebenfalls nur seine Bethatigung im Lieben 
und im Ilassen zu rulimen weiss, so ist das be- 
fremdend. Sullas PersOnlichkeit ist von jeher em 
Problem fur die Geschichtschreibung gewesen; 
Seneca sagt von ihm (dial. VI 12, 6) : istud inter 
res nondum iudieatas abeat, qualis Sulla fuerit, 
und Drumann bemerkt zu seiner Abdankung 
(Geschichte Eoms II 495): ,Er ist dadurch ein 
Katsel fiir alle Zeiten, eine unerklarliche Erschei- 
nung geworden'. Sulla nabm die Dictatur an und 
wollte doch nicht herrschen ; er kannte nicht das 
dem Politiker eigene Bedurfnis, die Macht in der 
Hand zu behalten. Daher sagte Caesar von ihm, 
er habe von der Regierungskunst nicht die Ele- 
mente verstanden {Sullam -nescisse litteras, qui 
dictaturam deposuerit Suet. Caes. 77). Die eigene 
Person ging Sulla uber alles, jedes Mittel war 
ihm recht, sein Ich zu erhohen. Selbst die Reli- 
gion musste diesem Zwecke dienen; Sulla hatte 
im Felde stets Priester um sich , die geschaftig 
aller Welt verkundeten . dass sein Vorhaben das 
Gottgewollte sei (vgl. Drumann II 5021). Diese 
Selbstzufriedenheit stand aber bei ihm einer hoheren 
Auffassung vom Staat im Wege. Mochte Sulla 
daher auch eine kOnigliche Stellung einnehmen 
(Mommsen E. G. II 337). so fiihlte er sich doch 
nicht als Konig, wie Caesar, auch nicht als 
Staatsmann, der seinem Vaterlande dient, sondern 
nur als Parteihaupt. Aus diesem Gefiihl heraus 
hat er unbedenklich Tausende geopfert. Ranke 
meint in seiner franzosischen Geschichte (I 238) 
die Greuelscenen der Bartholomausnacht und die 
danach uber ganz Frankreich ausgedehnten Huge- 



Cornelius 



1566 



nottenverfolgungen nur mit den sullanischen Pro- 
scriptionen vergleichen zu konnen, von denen Rom 
und Italien heimgesucht wurde. Ranke scheint 
mit diesem Vergleich das Richtige getroffen zu 
haben. Katharina von Medici blieb auch auf 
dem franzosischen Thron eine rachsiichtige Ita- 
lienerin, ,sie fiihlte nur wie ein Parteihaupt, nicht 
wie eine geborene Konigin, sie befand- sich in 
der Lage eines durch die Umstande emporge- 
10 hobenen Gewalthabers, der sich jeden Augenblick 
gefahrdet sieht und seine ganze Thatigkeit dar- 
auf richten muss , sich nur zu behaupten'. Fur 
ihren Vater, Lorenzo von Medici, hatte Macchia- 
velli das Buch vom Fiirsten geschrieben ; er sagt 
darin im 18. Abschnitt: .Weil es notwendig ist, 
dass der Fiirst sich darauf verstehe , die Bestie 
zu spielen, so muss er beides davon nehmen, den 
Fuchs und den Lowen; denn der Lowe entgeht 
den Schlingen nicht, und der Fuchs kann sich 
20 gegen den Wolf nicht wehren. Die Fuchsgestalt 
ist also netig, um die Schlingen kennen zu lernen, 
und die Lowenmaske, um die Wolfe zu verjagen. 
Diejenigen, welche sich allein darauf legen, den 
Lowen zu spielen, verstehen es nicht. Ein kluger 
Fiirst kann und darf daher sein Wort nicht hal- 
ten, wenn die Beobachtung desselben sich gegen 
ihn selbst kehren wurde.' Die Doppelseitigkeit 
des Wesens, die der Florentiner von dem kiinf- 
tigen Befreier Italiens verlangt, war aber gerade 
30 Sulla eigentiimlich; gerade er gab seinen zeit- 
genSssischen Gegnern Anlass zu dem Vergleich 
mit dem Lowen und dem Fuchse (Plut. Sull. 28), 
und wie er sein Wort hielt, mussten die gefangenen 
Samniter erfahren (Oros. V 21: tria milia ho- 
minum, qui se per legatos dedideramt, contra 
fas contraque fidem datam inermes seaurosque 
interfeeit). Plinius sagt einmal (n. h. VII 137) 
non melioris sortis tune fuere pereuntes pro- 
scripti, quorum miseremur hodie, cum Sullam 
40 nemo non oderit? So ist es geblieben; nicht die 
leges Gorneliae, so viel Zweckmassiges sie ent- 
halten mOgen, sondern die sullanischen Pro- 
scriptionen sind in der Geschichte lebendig, ,ihr 
Schrecken zittert heute noch nach' (Mommsen 
St.-R. II 735). [Frohlich.] 

393) L Cornelius Sulla Felix, vielleicht Sobn 
des Sulla Felix (Nr. 390), prfaetorj [per(egrinus)l 
im J. 29 n. Chr. (L. Sulla CIL I* p. 71 Fasti 
Arv.), Consul ordinarius des J. 33 mitSer. Sul- 
50 picius Galba (Aovxio; Kogv-qltoi Dio LVIII 20, 5; 
L. Sulla Felix CIL X 1233 Fasti Nol.; L. Sulla 
I 770. 771. Tac. ann. VI 15; Sulla oder Sylla 
in den Fasten). Er wird der L. Sulla nobilis 
iutenis gewesen sein, der im J. 21 (damals offen- 
bar noch nicht Senator) in einen Streit mit Do- 
mitius Corbulo geriet, bei welchem sein Oheim 
und Stiefvater Mam. Aemilius Scaurus, ferner L. 
Arruntius und andere Verwandte fiir ihn eintraten 
(Tac. ann. Ill 31), vgl. Nr. 380. [Groag.] 
60 S94) Cornelius Tacitus, rSmischer Bitter, Pro- 
curator von Gallia Belgica, Plin. n. h. VII 76; 
von einem seiner Sonne erwahnt Plinius, der ihn 
selbst gesehen hatte, ein krankhaft schnelles 
Wachstum und fruhzeitigen Tod. C. ist nach 
der gewohnliehen Annahme auch der Vater des 
Geschichtschreibers. t [Stein.] 

895) P. Cornelius Tacitus, der Geschicht- 
schreiber. Sein Vor name Publius ist im Cod. 



li)t>Y 



Cornelius 



Cornelius 



1568 



1569 



Mediceus I (s. u S. 1581) uberliefert, und zwar in tus, wenn auch nicht aus altadeliger Familie 

}" C0RYF?7. ITJTZ r^V^niTJ^ ^h-nach seiner Bildung, Laufbahrl unS at 

(P. CORJ,ELI; unter Buch 1 ist P CORNELI - aus gutem und vomehmem (dann also aus 

SSrT ^n geschriebenenj PRO einem rifterlichen) Hause stammtf Zudem eind 

U-Hvu ' i i S< * nft P?*? bei , E - Chate " Ooraelii Taciti ausserst selten (auch das Cojmo- 

Zh w tf . Cl T T*\ ^ p t 145; V ^ L men Tacitus ist "<*t eben haur>) nur Twei 
9^ W - s *J d .e^»d Boa H 224 . H erm. VIII Trager dieses Namens s i„d noehbekannt Zu 
232). Die Memung dass der Vorname Publius Rom in der Scipionengrnft fand sich Te einem 
ZoLT T n ft b r 61 My l aS ^l n m Ka , rien 189 ° ent " ^«jahrigen Knaben [CORNEL] WTAOIToZ 
deckte Inschrift (g u. S. 1570) bezeugt.werde, 10 setzte Grabschrift (wo der Geschle^htename fast 
beruht auf deren irnger Lesung S eite ns der ersten zerstSrt ist, CIL VI 16126 oTelH 561? und 

Vic KVfJMHAlU 1AKITQ anstatt des nchtigen einer verschollenen Tn«>hritt v™ p,h™ v„- 

&v^dTQKOPNHAIQ TAKITQ; s. da s Falsi- JWich CIEh 623; vgl j Braun Bonner JahA 

OBM?M InS r chrift . h S - B r- ^ Wien CXXXII XIX 97; dieselbe VlSlscht be^Th 7e?„esh^ 

(1895) 18. Gegenuber dem doppelten Zeugnisse Syiit. inscript. p. 103, 53 und danach bei Orelli 

des Mediceus I kann Apollinaris Sidonius keinen 1169). U m P S owahrscheinlLher ist es das I I r 

Glauben beanspruchen, der den Tacitus zweimal ' Geschichtschreiber und jener rOrmsche Eitter ver- 

Gaius Taczhw bezw Gains Carnelim (Taci- wandtschaftlich zusammenhingen 
tus) nennt (ep IV 14. 22), und C. heisst er - 20 Das Geburtsj ahr des Tacitus lasst sich eenau 

otexCorwhus Twitm genannt, so auch in der floreres, te sequi, tibi,longo sed ■froximus inter- 

XZr >X 10229 • V • SEGV^DVS, Tacitus dem im dialogus de oratoribus, wie er 
™- • t I ••;•■■' W ? ne ?v n , d T J un g eren3 0sagt, wiedergegebenen und in das J 75 (s u 
I T dazu PHn I™ "ft, LegatbcdachteBchemt; S 1570) geeeVten Gesprach ™ s a( ^L» 
s. aazu run ep VII <i0). dann also im 20. Lebensj ahr) beigewohnt haben 

Uber das Leb .en des Tacitus fliessen die Quel- und Agric. 9 sagt er: eonsJ (AgricZ im J 77> 
UrS " ?a w • Y f emer M,ensbe8chrei- egregd turn spli filiam iu»£FZd (2 fde2 

Sr Schrtft X vfrtll ^'k S 7 t0 t ha / te ? 22 J ahri & en ) V»^* et post eomulatum im J. 7?) 
seiner Schriftde vms illustribus i den Tacitus als eolloeavit. Diese Tochter wurde dem Azricola 

fehireine CtT/fh "?* "f ■ b f "f' dahW im J " 63 - 64 ^°™< als er Q^estor £*£ 
iehlt erne ^otiz uber ihn auch m des Hieronymus war (Agric. 6. Waddin^ton Fastes d'Asie 1171 
lateimscher Eusebioschronik. Der Geburtsort Demnach war sie, al sk ,L tit TaSe 5 £ 
^f" «nbekan„t Selbstverstandlich 40 raahlte , 14-15 Jahre alt (ygl da u L Frild- 
folgt furdieHemiat desGeschichtschreibersdaraus lander Sittengesch. 16 565) D e Ehe des Tacitus 

sf 8 79^ aSS , , l er , K T r J\ Ct T^°-, Bd -- m Zei ^' dass « in tle « angesehfnsten Kr e S 

S.2872ffO,'welcherdenGe S chieht S chreiberalsseinen Roms eine geachtete Stellun^ einnahm Diese 

Verwandten ansah H,st. Aug. Tac. 10, 3), in Inte- Verbindung mochte fur ihn von aSSm Wer e 

ramna Oieu e Terni) begiitert war (Hist. Aug. Tac. se in, wie, Lch seinen eigenen Worten (Agric 6) 

i VI rCTL -^'m 1 '-. Ebensowen 'g is* es er- die Ehe mit der vornehmen Domitia Decidiana 

Ske^ ™u W d , JS p mlt v ma " chen ^f" <?r Agricola: « moW^^^^SS' 

italikern (Plmius dein jungeren, Vergmms Rufus, deem ao robur fuit. Sie war. wie aus dem Atrri- 

Agncola in Verbmdung gestagen, auch ihn fur cola deutlich erhellt , eine senr gliicMiche d£n 

3l '« ol/^h^ (X ^ ba ° h R ° m P KaiSer " 50 mit Kindern ' scheint es - «ch glle^e t WenTg 
turn 128), oder deshalb well emeques Rmnanus stens waren beim Tode des Agricola im J 03 
den ihm persOnl.eh unbekannten Tacitus im Circus und bei Abfassung seiner Biograph e m J 98 

^X g se[%lin n' S kX™ -°\ Pr °- l alS ° im 15 - ™ d 20 - Jahre derW des Tacitus) 
S^be Sd^eifeM^artTlfS ^uZ ^^L^SLZiif^t 
in Rom geboren verraten (M Budinger Univer- ^^dSteT^^Xi'^'SSe 

^ifnnTvsleLTJJfh^ 61 ™ dh ^ . deS , h f ' ^ 3. Jhdts. den Geschichtschreibe? farenZ 
well ann. IV 3 Seian sp6ttisch mumcipahs adulter suum nannte (s. o. S. 1567) und der Praef oraet 
genannt wird, den Tadtus als nicht in einem Galliarum Polemius gegen Ende des 5 ?h n u?te 

DefbeT'PH,! " der V^7S ebore " -/ laUb ^- 60 ?, eine '~ s -chnele^Apollin. Sid ep ?V 14)! 

T»Jf d" VI " 6 - gena " n * e C ^"f'* MS Das Bild des Tacitus befahl der gleichnamige 

lr£ aTfi. ^"^^caeGan ™ ration* Kaiser in alien Bibliotheken aufznfteS (S ft! 

proenrans (JNr. d94), dessen unnaturhch fruh ent- Aur Tac Id 1- t n S insn\ n« i. 

wickelten und Wverstorbenen Sohn Plinius ge- da^aJliwe ^ ^^SShS^SS 

when hatte (™ w „ „ ^ w «* ww ,), ist sehr noch vorhanden. Eine Gemrae .mit unbirtiger an 

wahrseheinhch auch der Vater des Geschicht- Napoleon I. erinnernder BflsW Z der mofernen 

schreibers gewesen. Fiir diese Annahme spricht Inschrift G. TAC. Endet sich nach dem Abdruck 

das Zusammentreffen der Zeit, ferner dass Taci- bei Cades V 213 verzeichnet von J J B e - 



Cornelius 



Cornelius 



1570 



noulli Ban*, ttonographie I 288; sie verdient 
selbstwjSrwilich keinen Glauben. 

0«JSkt'des Tacitus gelangte nicht indie 
hOb^t^ ^ ^rWhfl Carriere, wohl aber lacitus 
seftst Obwohl homo novus, durchlief er sie ganz. 
0be* dfe'ersten Stufen seiner ffe n 1 1 i c h e n L a u f- 
baiuB'istdie Hauptstelle hist. I 1: dignitatem, 
nosiram, a Vespasiano incohatam, a Tito auctam, 
a Domitiano Umgius provertam non abnuerim, 



oben S. 1567 erwahnte Inschrift aus Mylasa ge 
stattet es, die Offentliche Laufbahn des Tacitus 
noch weiter zu verfolgen. Tacitus ereichte noch 
die hOchste einem Senator zugangliche Ehrenstelle, 
wekhe z. B. seinem Schwiegervater Agricola durch 
Domitian versagt worden war (Agric. 42). Auf 
j ener Inschrift wird Tacitus als Proconsul bezeichnet 
(dv&vTidm KOPNHAIQ TAKITQ). Demnach 
war Tacitus auf ein Jahr Proconsul der Provinz 



d, h. nach der wahrscheinlichsten , aber keines- 10 Asien , und zwar wohl, wenn man die damals 



..-„- sicheren Erklarung der verschieden aufge- 
fassten Worte (so Borghesi Oeuvr. VII 322; vgl. 
L.UrlichsDeT.yitaethonoribus, Wiirzb. 1879, 2. 
ProsopogT. Imp. Rom. I 467) : von Vespasian er- 
hielt Tacitus das Militartribunat , von Titus die 
Quaestur, entweder im J. 80, dem friihesten fur 
ihn rnSglichen Termin (namlich seinem 25. Jahre), 
oder im J. 81, und von Domitian das Volkstribunat 
oder die Aedilitat und weiterhin die Praetur, und 



ilbliche Ordnung berucksichtigt (vgl. Wadding- 
ton Fastes d'Asie 12), etwa urns J. Ill — 112. 
Uberdies sind die spateren Jahre Traians bereits 
mit andern Proconsuln ziemlich besetzt (Wad- 
dington a. a. O. 182). Vielleicht war Tacitus 
im Proconsulat von Asien der Vorganger des Vet- 
tius Proculus. 

Ausserdem ist wenig von einzelnenErlebnissen 
des Tacitus uberliefert. Wir erfahren nur noch, 



zwar erhielt er diese Amter auf Empfehlung (eom- 20 dass, als die Provinz Africa ihren Bedi'ucker Marius 



mendatio) der Kaiser, wie der mit Absicht ge 
wahlte Ausdruck a Vespasiano, a Tito, a Dotni- 
tiano und der allgemeine Gedanke des Satzes zeigt. 
Praetor war Tacitus im J. 88: ann. XI 11 is quo- 
que (Domitian) edidit ludos saeeidares (im J. 88; 
s. Censor, de die nat. 17, 11) Usque intentius 
adfui saeerdotio quindecimvirali pi-aeditus ac 
tune praetor (also in seinem 33. Lebensjahre ; zur 
Bekleidung dieses Amtes war damals mindestens 



Priscus im J. 100 verklagte, Tacitus zusammen 
mit dem jungeren Plinius bestellt wurde, urn die 
Sache der Provinz zu fiihren; vgl. Plin. ep. II 11, 
besonders § 17 : respondit Cornelius Tacitus elo- 
quentissime et, quod eximium eius orationi inest, 
cs/iv&s. Plinius und Tacitus vermochten es, die 
Verurteilung des Angeklagten zu erwirken, in- 
iuncta advocalione diligmter et fortiter functi 
(Plin. a. a. O. § 19). Plinius erwahnt oft und 



das 30, Jahr erforderlich). Aus dem Wortlaut 30 mit Stolz seine Freundschaft mit Tacitus; vgl. das 



der Stelle geht hervor, dass Tacitus dem sehr an 
gesehenen Collegium der Quindecimviri schon an- 
gehOrte, ehe er Praetor wurde, was eine Aus- 
zeicbnung fiir ihn war. Nach Verwaltung der 
Praetur war Tacitus mit seiner Frau vier Jahre 
fern von Rom gewesen (Agric. 45 tarn Imujae ab- 
sentiae oondicione ante quadriennium), als sein 
Schwiegervater Agricola starb (im August des 
J. 93); doch gewiss, weil er in den J. 89—93 in 



gelegentlich Angefiihrte und ep. IV 15 Asinium 
Rufum singidaritcr amo. est homo eximius et 
boiiorum apiantissimits. our enim nan me quo- 
qiie inter bonosnumerem?idem Cornelium Taci- 
turn (scis quern virumj arta familiaritate com- 
plexus est. proinde si utrumque nostrum probas, 
de Rufo quoque necesse est 'idem sentias. Dass 
Tacitus ein eifriger Jiiger war, scheint aus Plin. 
ep. I 6. IX 10 hervorzugehen. Wann er ge- 



einer praetorischen Provincialstellung verwendet 40 storben, ist unbekannt. Da er aber in den letzten 

worden war. Wegen der von ihm in seinen Schrif- TI f. ._•._._ -■"--'- »-*• 

ten bewiesenen genauen Kenntnis Gernianiens liegt 

die Vermutung nahe, ihn damals in dessen Nach- 

barschaft thatig zu denken, etwa als legatus pro 

praetore provincial Belgicae. Es konntc fiir die 

kaiserliche Berufung zu einem solchon Amt von 

Einfluss sein, wenn Tacitus friiher mit seinem 

Vater, dem Procurator derselben Provinz (s. o. 

S. 1567) , sich dort aufgehalten und Land und 

Lcute kennen gelernt hatte. 50 



Audi zum Consulat gelangte Tacitus, aber 
erst verhaltnisrniissig spat (Mommsen Herm. Ill 
88). Seine Laufbahn wird ins Stocken geraten 
sein durch die zunehmende Verkiihlung zwischen 
seinem Schwiegervater und Domitian. Tacitus 
wurde Consul (suffectus), als Nachfolger des L. 
Verginius Rufus : Plin. ep. II L, 6 laudatus est 
(Verginius Rufus) a consuls Coruelio Tacilo: nam 
hie supremus felicitali eitis cumidius aceessit, 
laudator eloquentissimus. Tacitus heisst consu- 60 
laris bei Apollin. Sid. ep. IV 14. Die Zeit des 
Consulate ist nicht iiberliefert, wahrscheinlich war 
es im J. 97. Vgl. E. Klebs Rh. Mus. XLIV 273. 
Ph. Fabia Rev. de philol. XVII 164. O. Hirsch- 
feld Rh. Mus. LI 474; J. Asbach Anal. hist, 
et epigr., Bonn. 1878, 16 einpfahl das J. 98, hat 
aber selbst diese Vermutung zuriickgezogen (Rom. 
Kaisertum und Verfassung, Ktiln 1896, 191). Die 

Pauly-WiBsowa IV 



Jahren Traians, selbst im Anfange seiner sechziger 
Jahre stehend, die ersten Biicher der Annalen 
geschrieben hat (s. u. S. 1578), so wird er noch 
einige Jahre unter Hadrians Regierung gelebt 
haben, in denen er sein umfangreicBes Werk ab- 
schliessen konnte. Uber das Leben des Tacitus 
s. B. Borghesi Oeuvres VII 320. L. Urlichs 
De Tac. vita et honoribus, Wiirzb. 1879. Proso- 
pogr. Imp. Rom. I (Berl. 1897) 467. 

Schriften: 1) Cornelii Taciti dialogus de 
oratoribus, gewidmet dem auch mit Plinius dem 
jungeren befreundeten L. Fabius Iustus (Consul 
im J. 102). Die, Zeit, in die das Gesprach verlegt 
ist, welches Tacitus, wie ei vorgiebt, wiederholt, 
erhellt aus c. 17 adice sextain tarn felicis hunts 
principatus staiionem qua Yespasianus rem 
publicum focet (=1. Juli 75 bis dahin 76): CXX 
anni (vgl. c. 24 extr.) ab interitu Ciceronis 
(7. Dec. 43 v. Chr.) in lame diem colliguniur 
(= J. 77/78). Von diesen beiden nicht genau zu- 
sammenstimmenden Angaben verdient wohl ihrer 
Natur nach, weil auf das nicht zu verfehlcnde 
kaiserliche Regierungsjahr bezogen, die erstere den 
Vorzug. Tacitus will dem Gesprach iuvenis ad- 
modum (dial. 1) beigewohnt haben, also muss er 
bei Abfassung^ der Schrift alter gewesen sein. 
Dnter Domitian hat Tacitus nichts veroilentlicht 
(Agric. 3), und unter Nerva oder Traian den Dialog 

50 



1571 



Cornelius 



Cornelius 



1572 



veroffentlicht zu glauben, erregt Bedenken, weil 
er dann dem Agricola und der Germania zeitlich 
so nahe kame, dass der bedeutende stilistische 
Unterschied zwisehen ilim und diesen sich schwer 
erklaren liesse. Denn die Annahme, es habe Taci- 
tus gleichzeitig in verschiedenen Stilarten, bald 
zeitgenossisch modern, bald ciceroniscb, geschrie- 
ben, unterliegt den erheblichsten Zweifeln, auch 
in Hinblick auf den Charakter des Tacitus, der 



nius und der Dialogus, Schw. Hall 1896). Nur 
die sprachliche Form des Dialogs ist, verglichen mit 
den iibrigen taciteisclien Schriften, abweichend, 
Sie ist im Dialog runder, Mssiger, ciceronischer. 
Der jugendliehe Vcrfasser war noch der damals 
durch Quintilian aufs neue und kraftig in Gang 
gebracbten ciceronischen Schreibweise zugethan 
und war noch nicht zu dem Mstorischen Stil ge- 
langt, den er sich spater schuf. Wegen dieser 



einer solchen Spielerei der Schule, und zwar in 10 Verschiedenheit der Darstellung sprachen seit J. 



reifem Lebensalter, wenig geneigt und zugang- 
lich sein konnte. Darum ist es am geratensten, 
die Veroffentlichung des Dialogs unter Titus in 
das J. 81 (in das 26.-27. Lebensjahr des Taci- 
tus) zu setzen, um so mehr, als dann auch die 
Binkleidung des Dialogs naturlich erscheint. Denn 
Tacitus sagt, er habe jenes friiher gehOrte Ge- 
sprach genau (iisdem numeris iisdemque ratio- 
nibus servato ordine disputationis, dial. 1) wieder- 



Lipsius viele, im Widerspruch mit alien ausseren 
und inneren Griinden, die Schrift dem Tacitus 
ab und rieten auf Quintilian, Sueton, Plinius und 
andere als Verfasser. Diese iibrigens immer noch 
nicht verstummenden Zweifel (s. z. B. 0. Ribbeck 
Gesch. d. rom. Dicht. in 89 und E. B. Steele 
Americ. journ. of philol. XVII 289) beruhen auf 
einseitiger tlberscnatzung des stilistischen Ge- 
sichtspunkts. Litteratur: s.Teuffel-Schwabe 



gegeben. Die Schrift behandelt das Thema: cur 20 Gesch. d. rom. Lit. § 334, 1, und dazu E. Hirzel 



nostra aetas deserta et laude eloquentiae orbata 
vix nomen ipswm oratoris retineat (1; vgl. 15. 
24. 27) in Form eines Gesprachs, dessen Teil- 
nehmer zeitgenossische Litteraten sind, namlich 
der liebenswiirdige, feinsinnige und warmherzige 
Dichter Curiatius Maternus als Verteidiger der 
Dichtung im Gegensatz zur Beredsamkeit , der 
leidenschaftliche Draufganger M. Aper als Ver- 
treter der Beredsamkeit gegeniiber der Dichtung 



Dialog II 47. Ausgaben des Dialogs von A. 
Michaelis (ad codd. denuo collates), Lpz. 1868. 
C. Peter, Jena 1877. H. Goelzer, Paris 1890. 
W. Peterson, Osf. 1893. A. Gudeman, Boston 
1894. Ubersetzt und erlautert von C. J o h n , Urach 
1886. Hall 1892. Abhandlungen vonL.Leveghi, 
Trientl890. H.Buchholz,Hof 1891. K. Dienel, 
St. Polten 1895 und Ztschr. f. esterr. G. 1895, 481. 
2) Cornelii Taeiti de vita et marihus Iulii 



und speciell der Beredsamkeit der neueren Zeit 30 Agricolae, von Tacitus im J. 98 herausgegeben, 



und der Gegenwart, der ernsthafte und massvolle 
Vipstanus Messalla als Verteidiger der alten Be- 
redsamkeit, endlich der als Schiedsrichter genannte, 
aber sich zurucklialtende und zuriicktretende Iulius 
Secundus. Vortrefflich ist namentlich der erste 
Teil, besonders auch in der Schilderung der erst 
allmahlich zum eigentlichen Thema gelangenden 
gelebrten Unterhaltung. Spater scheint die Durch- 
l'uhrung des Themas selbst etwas zu ermatten. 



und zwar nach dem Tode Nervas (+ 27. Jan. 98), 
als Traian schon Kaiser war : Agric. 3 quamquam 
prima statim beaiissimi saeculi ortu Nerva Cae- 
sar res olim dissociabiles miscuerit, prineipa- 
tum ae libertatem, augeatqtw quotidie felioitatem 
temporum Nerva Traianus. 44 durare in hone 
felicissimi saeculi lucem ac principem Traianum 
videre. An der ersten Stelle konnte Nerva divus 
heissen, musste es aber nicht (Mommsen Herm. 



Doch ist nicht zu ubersehen, dass nach c. 35 40 HI 106). Liesse sie noch einen Zweifel, so ent- 



eine grosse Liicke klafft (deerant in exemplari 
sex pagellae vetustate eonswnptae heisst es im 
Leidensis und ahnlich in anderen Hss.). Der Dia- 
log ist die be4eutendste Einzelschrift zur rOmischen 
Litteraturgeschichte , die wir aus dem Altertum 
.besitzen, gegriindet auf umfassende Beherrschung 
des Sachlichen, weite und grosse Gesichtspunkte 
mit Gliick hervorkehrend, anziehend, fesselnd und 
mit jugendlichem Feuer geschrieben. Das Ge- 



schiede ihn die zweite, welche zeigt, dass Traian 
nicht mehr Mitregent, sondern bereits Kaiser war. 
Am Ende von c. 3 wird diese Lebensbeschreibung 
als Vorlauferin grOsserer geschichtlicher Werke 
bezeichnet, welche mcmoriam prioris servitutis 
(unter Domitian) ae testimonium praesentium 
bonorum (seit Nerva, vgl. hist. I 1) enthalten 
sollen. Tacitus setzt in dieser Schrift seinem 
Schwiegervater ein Denkmal kindlicher Liebe und 



sprach enthalt eine Fulle treffender und geist- 50 Verehrung. Er verflicht Agricolas Leben mit der 



reicher Gedanken undfeine undsprechendeCharak- 
teristiken. Dahinter blickt iiberall die ernste und 
vornehme Anschauung des Verfassers hervor und 
dieselbe Begabung fur psychologische Beobach- 
tung, wie sie Tacitus sonst eigen ist. Anch alle 
iibrigen Verhaltnisse, besonders auch die zeitlichen, 
empfehlen denjenigen als Verfasser, den die Hand- 
schriften nennen, Tacitus. Ad. G. Lange Acta 
semin. et societ. philol. Lips. I (1811) 77 und in 



Zeitgeschichte und betont deshalb besonders dessen 
Thatigkeit und Leistungen in Britannien. Er 
schildert das Land und die Vorgeschichte der 
Provinz ausfuhrlich (wohl unterstutzt durch seine 
Vorarbeiten fur die Historien, wofflr ihm Agri- 
colas Mitteilungen — Agric. 24 — und Aufzeich- 
nungen zu Gebote standen), um den Leser Agri- 
colas Verdienst um so lebhafter fiihlen zu lassen 
{quia turn [Britannia] primwm perdmnita est, 



seinen Vermischten Schriften, Lpz. 1832, 3 wies 60 Agric. 10) und weiss dadureh fur seine Schrift 



darauf hin, dass Plinius in einem Briefe an Taci- 
tus (ep. IX 10, 2 poemata quiesount, quae tu 
inter nemora et lucos commodissime perfici pu- 
tas) deutlich auf dial. 9. 12 anspiele. Diese An- 
nahme ist sehr wahrscheinlich, wenn auch (wie 
bei dem vorliegenden Thatbestand naturlich) nicht 
streng beweisbar (vgl. z. B. F. Haase vor seiner 
Ausg. I p. XV und C. John Die Briefe des Pli- 



ein allgemeineres Interesse zu gewinnen , schon 
hier seine Neigung fur Landerkunde und Ge- 
schichte bethatigend. Vgl. ann. IV 33 nam situs 
gentium, varietates proeliorum, eJari ducum 
exitus retinent ae redintegrant legentium animum, 
Nebenher geht ein apologetischer Zug durch die 
Biographic Tacitus rechtfertigt Agricolas Zu- 
riickhaltung {obsequium ac modestia 42), welche 



1573 



Cornelius 



Cornelius 



1574 



sich scheute den Kaiser zu reizen , und recht- 
fertigt so mittelbar dieselbe Haltung, womit er 
selbst nach Agricolas Beispiel durch die gefahr- 
liche Zeit sich durchgeholfen hatte (vgl. ann. IV 
20 inter abruptam contumaciam et deforme ob- 
sequium pergere iter ambitione ac perieulis va- 
cuum). "Wain-end in dem ersten Teile das fort- 
wahrende Betonen der Musterliaftigkeit Agricolas 
auf den Leser etwas erkaltend wirkt, gewinnt die 
Schilderung dessen ganzes Interesse von da an, 
wo Agricola als ein Opfer der Missgunst und des 
Misstrauens Domitian s gezeichnet wird. In sti- 
listischer Beziehung stellt sich Tacitus jetzt dem 
Ciceronianismus freier gegeniiber und zeigt manche 
Anklange an Sallust, dessen Monographien ihm 
auch sonst, z. B. in der Composition, fur den 
Agricola vorbildlich waren, daneben aber bricht 
in sehr vielen Einzelheiten der moderne, besonders 
durch Seneca in Schwung gebrachte Stil hervor. 
Dem Gegenstand entsprechend hat die Schrift eine 
gehobene rhetorisehe Form voll innerlicher Warme, 
mit bediichtiger Kunst gegen das Ende gesteigert. 
Litteratur: s. Teuffel-Schwabe Gesch. d. 
rom. Lit. § 335. Ausgaben von C. F. Wex (ad 
fidem codd. denuo collatorum rec. et enarr.), Braun- 
schweig 1852. C. L. Urlichs (ad codd. Vatic, ed. 
et rec), Wurzb. 1875. F. Kritz, Berlins 1874. 
C. Peter, Jena 1876. E, Schoene. Berl. 1889. 
C Wunderer T. nach seinem Agricola, Blatter 
f. bayr. Gymn. XXXIII 209. 

3) Die sog. Germania, Der urspriingliche Titel 
ist mit Sicherheit nicht zft ermitteln. Nicht recht 
glaublich ist, dass Tacitus die breitspurige Auf- 
schrift wahlte, welche die Leidener Hs. giebt: 
Corneli Taeiti de origirw situ moribus ae po- 
pulis Germanorum (mit nicht uberzeugenden Griin- 
den verteidigt von E. Wolff lin Rh. Mus. XL VIII 
312 und C. Weyman Deutsche Ztschr. f. Ge- 
schichtswissensch. XI 151). Die vaticanischen Hss. 
geben Corneli Taeiti de origine et situ Germa- 
norum (anaere Germaniae). A. Eeifferscheid 
Bresl. ind. schol. 1877/78 , 9 hielt de situ Ger- 
maniae fur das Urspriingliche ; vgl. im allge- 
meinen Mommsen S.-Ber. Akad. Berl. 1886, 
40—46. Verfasst ist die Schrift im J. 98, viel- 
leicht in den ersten Monaten des Jahres, wenn 
die c. 37 vorgenommene Eechnung {ad alterum 
imperatoris Traiani constdatum = Januar und 
Fcbruar des J. 98 ; das dritte Consulat Traians fallt 
ins J. 100) so genau gemeint ist. Sie zerfallt in 
zwei Hauptteile, der erste (c. 1—27) handelt in 
commune de omnium Germanorum origine ac 
moribus, der zweite (c. 28—46) besprichtdie ein- 
zclnen Volkerschaften (singularunt gentium in- 
stituta ritusque qua tenus differant). Diese Schil- 
derung von Land und Leuten Germaniens beweist 
aufs neue das Interesse des Tacitus fur Lander- 
und Velkerkunde, welches, bereits in Agricola in der 
Schilderung Britanniens bekundet (s. o. S. 1572), 
auch in den spateren grosseren Geschichtswerken 
sich lebhaft iiussert. Auch hierin beweist Tacitus 
Geistesverwandtschaft mit Sallust (Iugurtha, Histo- 
riae). Tacitus ist sehr gut mit Germanien ver- 
traut, doch wohl anch, weil er das Land oder 
Teile desselben aus eigener Anschauung (s. o. 
S. 1569) kannte; allerdings findet sich dafiir in 
der Schrift selbst kein unzweifelhafterBeleg. Sonst 
wird Tacitus durch Mitteilungen von romisehen in 



Germanien thatig gewesenen Bcamten und von 
Landeseinwohnern unterstutzt worden sein. Da- 
neben verwertete Tacitus die einschlagigen litte- 
rischen Hiilfsmittel, vor allem Caesars gallischen 
Krieg (Caesar wird einmal — c. 28 — namentlich 
angefuhrt), dann gewiss des alteren Plinius bello- 
rum Germaniae libri XX u. a. Auch bei dieser 
Schrift mOgen friiher (fur die Historien?) ange- 
legte Sammlungen fiber Germanien von dem Ver- 
10 fasser benutzt worden sein. Da Germania und 
Agricola rasch hinter einander veroffentlicht wur- 
den, ist anzunehmen, dass es dem •'Verfasser far 
beide an eigenen forderlichen Vorarbeiten nicht 
fehlte. Die Darstellung ist auch in dieser Schrift 
oft rhetorisch gefarbt und gesteigert, sentenzen- 
reich und stark sub.jectiv, sofern sie fortwahrend 
— ausgesprochen oder nicht — die Deutschen mit 
den damaligen Romern in Vergleichung setzt, wo- 
bei es ohne patriotische Wallungen des um die 
20 Zukunft seines Volkes besorgten Gesch.ichtscb.Tei- 
bcrs nicht abgeht. Trotzdem ist die Germania 
keine politische Tendenzschrift. Aber ihre aussere 
Veranlassung findet man am ungezwungensten in 
der Thatsache, dass zur Zeit ihrer Abfassung der 
neue Kaiser sich zur Ordnung der dortigen Ver- 
waltung und Grenze noch in Germanien befand, 
damals also aller Augen dorthin gerichtet waren. 
Dem dadureh fair Germanien erregten Interesse kam 
die Schrift des Tacitus entgegen, der die Gelegen- 
30heit beniitzte, den E8mem zugleich einen Spiegel 
vorzuhalten und auf die von Norden drohenden 
Gefahren hinzuweisen. Als scbriftstellerische Lei- 
stung steht die Germania, so unschatzbar auch 
die darin gegebenen Nachrichten sind, bedeutend 
hinter dem Dialog und dem Agricola zuruck. 
Litteratur: s. Teuffel-Schwabe Gesch. d. 
rem. Litt-Gesch. § 336. Ausgaben von M. Haupt, 
Berlin 1855. K. Mullenhoff, Berl. 1873. H. 
Schweizer-Sidler, Halle 5 1889. A. Baum- 
40 stark (ausfiihrliche Erlauterung), Lpz. 1875— 80 
(2Bde.). A.Holder, Lpz. 1878. U.Zernial,Berl.2 
1897. A. Pais, Turin 1890. H.Furneaux, Oxf. 
1894. E. Wolff, Lpz. 1896. Neueste Abhand- • 
lungen: F. Weinberger Entsteh«ig und Ten- 
denz der Germ., Olmiitz 1890—91. A. Liicken- 
bach De Germ. Tac. fontibus, Marburg 1891. 
B. Sepp Blatter f. bayr. Gym. Wes. XXVHI 169. 
4) Historiae. Unter diesem Namen wird das 
Werk angefuhrt von Tertullian apol. 16 und in 
50 einer gleichlautenden Stelle ad nation. I 11: Cor- 
ttelius Tacitus in quinta (irrig quarta ad nat 
a. O.) historiarum (= hist. V 2). Vgl. auch Plin. 
ep. VII 33 an Tacitus auguror . . . . historias 
twos immortahs futuras und Apollin. Sidon 
ep. IV 14, 1 Gaius Tacitus in historia sua ret 
tuiit (er citiert dort hist. V 26). Das Wort historic 
findet sich — von diesem Titel abgesehen — bei 
Tacitus nur einmal, dial. 3 historias nostras 
(d. h. r&mische) et Romana nomina. In del 
60einzigen Hs., welche uns das Werk uberliefert, 
dem cod. Med. II (s. u. S. 1582) hat es keinen 
Sondertitel, sondern die Historienbiicher I— V 
tragen als Fortsetzung der Annalen nur die Buch- 
zahlen XVII- XXI (unter Buch 1 der Historien 
stand Cornelii Taeiti liber XVII explicit, mcipit 
XVIII und Entsprechendes steht unter Buch 2—4). 
Die hier vorliegende V'erbindmig der friiher (s. 
S. 1575) verfassten Historien mit den Annalen zu 



1575 



Cornelius 



Cornelius 



1576 



1577 



Cornelius 



Cornelius 



1578 



einem Werke, welches die Geschichte vom Tode Aus der oben S. 1575 angefiihrten Stelle des Hie- 

des Augustus bis zum Ende Domitians enthielt, ronyirms in Verbindung mit der Thatsache, dass 

ist wohl erst nach Tacitus erfolgt, scheint aber von denAnnalen sich noch der Anfang des Euclies 

schon von Hieronymus comm. ad Zachar. 3, 14 XVI erhalten hat, schliesst man, dass die Historien 

(VI 2, 913 ed. Vallars.) bezeugt zu werden: Cor- aus vierzehn (bezw. zwolf) Biichern bestanden. S. 

nelius Tacitus, qui post Augustum usque ad darttber unten S. 1577. Die Behandlung in den 

mortem Domitiani vitas Oaesarum trigiiUa vo- Historien war betrachtlich weitlauflger als in den 

luminibus exaravit, moglicherweise auch Hist. Annalen, sofern dort in 14 Buchern 27 Jahre, hier 

Aug. Tac. 10, 3, wo die kistoria Augusta des 54 Jahre in 16 Buchern befasstwaren. Ausserdem 
Tacitus als liber bezeichnet wird (s. u. S. 1580). 10 waren, soviel sich am Erhaltenen erkennen lasst, 

Mit den Historien loste Tacitus den einen Teil die Historienbiicher durchschnittlich um ein Drittel 

des im Agric. 3 (s. o. S. 1572) gegebenen Ver- umfanglicher als die der Annalen. Die grossere 

sprechens ein, memoriam prioris servitutis dar- Ausfiihrlichkeit der Historien erkliirt sich daraus, 

zustellen , aber er hat bei der Ausfuhrung den dass hier Tacitus die Geschichte seiner Zeit schrieb. 

Plan erweitert. Er giebt nicbt nur die mit diesen Es ist nach dem Vorgange anderer Darstellungen 

Worten zunachst gemeinte Zeit Domitians, son- gleichzeitiger Geschichte zu vermuten, dass sich 

dern er beginnt mit 1. Jamjar 69 und bringt die die durchschnittliche Ausfiihrlichkeit in der zweiten 

Ereignisse seit Neros Tod (Juni 68) in einer ge- Halfte der Historien, der Schildenmg der domi- 

drangten Ubersicht nach. Dass die Historien vor tianischen Zeit, noch steigerte. Litteratur: s. 
den Annalen verfasst sind, beweist ann. XI 11 20 Teuffel-Schwabe Gesch. d. rom. Litt. tj 337. 

utriusque principis rationes (des Claudius und Ausgaben von C.Heraeus, Lpz.4 1885. E.Wolff, 

des Augustus beziiglich der Saecularfeier) prae- Berl. 1886. 88. W. A. Spooner, Lond. 1891. 

termitto satis narratas libris quibus res impera- 5) Die sog. Annalen oder, wie der eigent- 

toris Domitiani eomposui: nam is quoque edi- liche durch den Cod. Med. I iiberlieferte Titel 

dit ludos saccular es. Erhalten sind die vier ersten lautet, Ab excessu divi Augusti; doch nennt Ta- 

Biicher und der Anfang des fiinften. Sie schildern citus selbst das Werk annates (IV 32 annates 

die ereignisreiche Zeit der J. 69 und 70, kommen nostras; vgl. Ill 65. XIII 31; auch Iordan. Get. 

aber mit letzterem noch uicht zu Ende. Die Be- 2, 13 Cornelius annalium scriptor), nicht um 

handlung des Ganzen war gewiss eine streng an- seinen Titel zu nennen, sondern der annalistischen 
nalistische. Dafiir spricht schon die Wahl des30Anlage wegen, welche das ganze Werk beherrseht; 

sachlich durch nichts empfohlenen 1. Januar 69 vgl. IV 71 ni mihi destinatum foret suum quae- 

als Anfangstermin. Verfasst wurden die Historien que in annum referre , avebat animus antire 

unterTraian, wie aus ihrer Einleitung erhellt (1 1), statimque memorare exitus. Daher verweist er 

worin T. nach Bczeichnung der Aufgabe des gegen- fur Spateres mit dern jetzt Erzahlten zusammeu- 

wiirtigen Werkes — aus Eiicksicht fur den regie- hangendes auf die Behandlung in dem spiiteren 

renden Kaiser? — noch ein zweites in Aussicht Jahr (I 58 in tempore memorabo; vgl. IV 71. 

stellt, das er aber nicht verfasst hat: si vita sup- VI 28. II 4 in loco reddemus; vgl. hist. IV 67). 

peditet , principalum divi Nerrae et imperium Doch entzieht sicli Tacitus in manchen Fallen 

Traiani, uberiorem securioremque materiam, se- dem in dieser ausserlichen Anordnung liegenden 
neehtti seposui. In den von J. 97—109 iu Biicher- 40 Zwange aus hsheren Eficksichten , was er aber 

gruppen herausgegebenen Briefen des jiingeren dann gewohnlich erkliirt oder entschuldigt: VI 44 

Plinius, in deren Such I - IV Tacitus nur als be- quae duabus aestatilms gesta coniunxi quo re- 

riihmter Eedner erscheint, finden sich von Buch VI quiesceret animus a domesticis malis. XII 40 

an (herausgegeben im J. 109? J. Asbach Eh. (nach der zusammenfassenden Schilderung der 

Mus. XXXVI 38) Mitteilungen , welche sich auf Kampfe in Britannien der J. 50—58) zum J. 50: 

die Historien des Tacitus beziehen. Plinius liefert liaec a duobus propraetoribus plures per annos 

dazu Beitriige: VI 16 an Tacitus: petis id tibi (und sogar unter zwei Kaiscrn) gesta coniunxi, lie 

avmtculi mei exitum — t 24. August 79 beim divisa haud perinde ad memormin sui valerent : 

Ausbrnch des Vesuv — scribam, quo verius tra- ad temporum ordinem redeo. XIII 9 quae in 
dere poster is possis; VI 20 an Tacitus, ein Nach- 50 alios consul es egressa coniunxi. Andere Ab- 

trag zu dem vorigen Brief; VII 33 an Tacitus : weiehungen von der strengen Zeitfolge erlaubt sich 

Plinius wunscht sich wegen seines Auftretens im Tacitus gelegentlich , ohne den Leser besonders 

Process gegen Baebius Massa liri J. 93 in Tacitus darauf aufmerksam zu machen (vgl. O. Hirsch- 

Historien verewigt zu sehen. Tacitus iibersendet feld Herm. XXV 363). Das Werk behandelte 

Teile der Historien dem Plinius zur Begutach- die Geschichte vom Tode des Augustus bis zum 

tung: Plin. ep. VII 20, 1 an Tacitus: lihrum Tode Neros und schloss mit seinem Ende un- 

tuum legi et, quam diligentissime potui, adno- mittelbar an den Beginn der Historien an. Er- 

tari quae commutanda, quae eximenda arbi- halten sind uns nach der zum Teil fehlerhaften 

trarer. VIII 7 an Tacitus: librum m.isisti . . . Bucheinteilung der ersten mediceischen Hs. durch 
sumam personam magistri exseramquc in librum 60 eben diese Hs. Ab excessu divi August) liln-i 

tuinn ius quod dedidi. Es hat demnach Tacitus I—V, d. h. in Wirklichkeit Buch I — IV, dann von 

im ersten Jahrzehnt des 2. Jhdts. die Historien Buch V der Anfang, dann folgt eine bedeutende 

verfasst und wohl allmahlich etwa vom J. 104 an Liicke, welche uns den grossten Teil dieses Buches 

herausgegeben. Nach der Herausgabe der Histo- und den Anfang von Buch VI entzogen hat (F. 

rien und vor der Arbeit an den Annalen wird Haase Philol. Ill 152), endlich besitzen wir den 

Tacitus im J. Ill — 112 als Proconsul die Provinz Rest von Buch VI. Damit schliesst der Cod. Med, I. 

Asia verwaltet haben (s. o. S. 1570). Die Buch- Es fehlen uns ganz die Biicher VII — X und der 

zahl der Historien ist direct nicht iiberliefert. Anfang von Buch XI. Dann ist uns durcli Cod. 



♦ 



# 



Med, II der Rest von Buch XI erhalten, ferner den persischen Meerbusen mare rubrum; zur 
Buch XII— XVI, Buch XVI aber am Ende unvoll- Sache vgl. Cass. Dio LXVIII 28. Eutrop. VHI 
standig. Die Abteilung in Bucher riihrt vom Ver- 3, 2. Mommsen Rom. Gesch. V 400). Diese 
fasser her (VI 27 in prioribus libris, ebenso in den Erweiterung wurde aber von Hadrian sogleich im 
Historien; vgl. ann, XI 11). Buch I- VI behan- Anfang seiner Eegierung (im August des J. 117) 
delten die Geschichte des Tiberius, Buch VII— XII wieder aufgegeben (Fronto p. 206 Naber. Eutrop. 
des Caligula und Claudius, der Eest die Neros. VIII 6, 2. Hist. Aug. Hadr. 5, 1—4. S. Ruf. 14. 
Von der Eegierungszeit des Tiberius fehlen uns Augustin. de civ. dei IV 29. Mommsen a. a. O. 
die J. 29—31 fast ganz, sodann fehlt die Zeit 403). J. Asbach EOm. Kaisertum und Verfas- 
des Caligula ganz, die des Claudius bis in das 10 sung 153 rneint, dass Tacitus unter jener Eeichs- 
J. 47, endlich von der neronischen der Schluss des erweiterung ad mare rubrum nicht die Erweite- 
J. 66 und die J. 67—68. Ob das Werk mit dem rung his zum persischen Meerbusen verstehe, son- 
(uns am Ende unvollstandig erhaltenen) Buch XVI dern die bis zum arabischen , welche im J. 106 
abschloss? Aus der oben S. 1575 angezogenen bei der Einriehtung der Provinz Arabia durch 
Stelle des Hieronymus erhellt, dass Annalen und A. Cornelius Palma erfolgte (H. Schiller Gesch. 
Historien zusammen 30 Biicher ausmachten. Aber d. rom. Kaiserzeit I 554. Mommsen a. a. O. V 
unsicher ist, wie sich diese auf die bei den Werke 480; vgl. auch P. Meyer Herm. XXXII 488). 
verteilten, da beide, Historien und Annalen, an Sicher unrichtig. Denn es reichte schon seit der 
ihrem Ende verstummelt iiberliefert sind. Ge- Einriehtung der Provinz Agypten (30 v. Chr.) das 
wohnlich giebt man den Annalen 16, den Histo- 20 romische Eeieh bis zum arabischen Busen, und an 
rien 14 Bucher. Da aber in der verlorenen zweiten diesen konnte Tacitus hier gar nicht denken, nach- 
Halfte des Buches XVI der Annalen die Ereignisse dem er eben bei Erwahnung der agyptischen Eeise 
der J. 66—68 nicht eben leicht Raum finden des Germanicus als fernste Punkte von Rom Ele- 
kOnnten, so meinte F. Ritter (Taciti editio Can- phantine und Syene genannt hat und hinzufiigen 
tabrig. vol. I p. XXII) eine grossere Zahl von will, dass man jetzt weit iiber diese Grenze hinaus- 
Biichern fur die Annalen annehmen zu mttssen, gekommen sei. Ausserdem wiirde Tacitus, wenn 
namlich achtzehn. Dann hatte das Werk in drei er wirklich die Provinz Arabia im Sinne gehabt 
Gruppen von je sechs Buchern die Eegierungen hatte, nicht das rote Meer (Sin. arab.) sondern 
von Tiberius, von Caligula und Claudius und von den Osten der Provinz (etwa Petra, Bostra) ge- 
Nero behandelt. Vgl. O. Hirschfeld Ztschr. f. 30nannt haben. Die ersten Bucher der Annalen 
d. osterr.Gymn. XXVIII 812. E. WolfflinHerm. sind also in den J. 115 bis Mittc 117 verfasst 
XXI 157. Doch ist der Eitterschen Vermutung und wohl auch verflffentlicht worden. Denn es 
nicht giinstig", dass bei Annahme von 18 Buchern ist wahrscheinlich, dass das Werk von Tacitus in 
die Erzahlung in Buch XVI— XVIII so ausfuhrlich einzelnen Biichergruppen herausgegeben wurde, 
gewesen sein miisste, wie in keinem einzigen friihe- ferner dass sich der Abschluss des umfanglichen 
ren, und es lasst sich ebenso gut denken, dass Werkes bis in die ersten Jahre Hadrians hinaus- 
Tacitus, vielleicht in einem etwas umfanglicheren schob (s. o. S. 1570). Litteratur: s. Teuffel- 
Buche den bis zum Anschluss an die Historien Schwabe Gesch. d. rom. Litt. § 338. Ausgaben 
noch ubrigen Stoff zusammengedrangt habe. Das von K. Nipperdey (und G. Andresen) I». II 5 , 
war um so eher mOglich, als Tacitus bereits in 40 Berlin 1892. E. Jacob, Paris 1875. 77. H. Pur- 
den Historien eine knappe tbersicht der Ereignisse neaux 12. Ill, Oxf. 1896. 91. A. Drager (und 
seit Neros Tod gegeben hatte (s. o. S. 1575). F. Becher)6, Lpz. 1894. Neueste Abhandlungen 
Ausserdem ist es psychologisch wahrscheinlicher, zur Kritik und Erklarung von F. Bee her, Halle 
dass Tacitus, in vorgerucktem Lebensalter stehend, 1894. C. Bardt Herm. XXIX 451. F. ZOch- 
als er gegen das Ende des fiir die Annalen be- bauer, Wien 1893. 1894. F. Leo Die staats- 
stimmten Stoffs und damit in die Nahe des An- rechtlichen Excurse in Tac. ann., Gott. Nachrich- 
schlusses an die Historien gelangt war, die Voll- ten 1896, 191. 

endung des gewaltigen Werkes eher beschleunigte Das litterarische Verdienst des Tacitus an 

als durch ungewohnlich ausfiihrliche Behandlung einer Vergleichung der von ihm in den Historien 
jenes Restes verzOgerte. Auch der Umstand, dass 50 und Annalen benutzten Quellcn zu messen, ist 

im Cod. Med. II das erste Buch der Historien bei deren Verluste nicht moglich. Meistens unter- 

* die Unterschrift hatte Cornelii Taciti liber X VII lasst es Tacitus sich auf Gewahrsmanner zu be- 

explicit, incipit XTVZZund Entsprechendes unter rufen, oder er bezeichnet sie nur im allgemeinen 

den folgenden Buchern steht (s. o. S. 1574), spricht als seriptores temporum qui monumenta huius 

dafflr, dass in der schon von Hieronymus und der belli eomposuerunt (hist. II 101) , eelcberrimi 

Hist. aug. (s. o. S. 1575) gekannten und besonders auctores (hist. IH 51), seriptores senatoresque 

auch eben durch den Cod. Med. II verbiirgten eorundem temporum (ann. II 88), lemporis cius 

Vereinigung der Annalen und Historien in 30 auctores (ann. V 9 und sonst), temporum illorum 

einheitlich fortgezahlten Buchern die Annalen mit seriptores (ann, XII 67. XIII 17), plurimi maxi- 
Buch 16 abschlossen. SQmeque fidi auctores (ann. IV lOj, seriptores an- 

Verfasst wurden die Annalen nach den Histo- nalium (ann. TV 53), oder begniigt sich mit Wen- 

rien (s. o. S. 1575). Das spateste in den Annalen dungen wie omnes , plerique, plurimi, mitlti, 

erwahnte Ereignis ist die Erweiterung des rGmi- quidam, alii auctores tradunt und ahnlichen (s. 

schenReichesbis zum persischen Meerbusen, welche H. Nissen Eh. Mus. XXVI 525). Genauer und 

nnter Traian im J. 115—116 erfolgte (ann. II 61 mit Namen bezeichnet Tacitus seine Quellcn nicht 

exin ventum Elcphantincn et Syencn, claustra eben hiiufig, sp die acta diurna (aim. Ill 3. XIII 

olim Rotnani imperii, quod nunc rubrum, ad 31. XVI 22), acta *enatus (ann. V 4. XV 74), 

mare patescit; auch ann. XIV 25 nennt Tacitus Agrippinae commentarii (ann. IV 53), C. Plinivn 



1579 



Cornelius 



Cornelius 



1580 



1581 



Cornelius 



Cornelius 



1582 



(hist. HI 28; ann. I 69. XIII 20. XV 53), Cor- 
bulo (ann. XV 16), Vipstanus Messalla (hist. Ill 
25. 28), Cluvius (ann. XIII 20. XIV 2), Fabius 
Rusticm (ann. XIII 20. XIV 2. XV 61). Audi 
miindlich eingezogene Nachrichten werden Otters 
erwahnt (ann. Ill 16 audire me memini ex senio- 
ribus, vgl. XI 27. XV 73), besonders mag Tacitus 
solche in den yerlorenen Biichern der Historien 
genutzt haben. "Wie Tacitus bei Zeitgenossen fur 
seine Historien Erkundigungen einholte, erhellt 
aus dem Briefwechsel des jiingeren Plinius (s. o. 
S. 1575). Die Versuehe, der Quellenbeniitzung, 
wie sie Tacitus iibte, dadurch. beizukommen, dass 
man hinsichtlich der Historien die plutarchischen 
Lebensbeschreibungen des Galba und Otho, be- 
ziiglich der Annalen die betreffenden Partien des 
Cassius Dio verglich, welche man von den nam- 
lichen Quellen, die Tacitus gebrauchte, abhangig 
glaubte, haben bis jetzt zu annehmbaren Ergeb- 
nissen nicht gefiihrt und konnten um so weniger 
dazu fflhren, als sich herausgestellt hat, dass 
Plutarch und Dio den Tacitus selbst (wenn auch 
natiirlich neben anderen) benutzt haben. Lit- 
teratur fiber die Quellen des Tacitus: s. Teuf- 
fel-Schwabe Gesch. der rOm. Litt. § 337, 4. 
§ 338, 7 und dazu Ph. Fab i a Les sources de Tac. 
dans les hist, et les ann., Paris 1893. Chr. Baier 
Tac. und Plutarch, Frankf. 1893. A. Gercke 
Jahrb. f. Phil. Suppl. XX 200. 230. 237. E. Groag 
Zur Kritik von T.s Quellen in den Historien, 
Jahrb. f. Philol. Suppl. XXUI. 

In Sprache und Stil zeigen die Historien 
und Annalen, ganz besonders die letzteren, den 
End- und HOhepunkt taciteischer Eigenart und 
Kunst (s. u. S. 1589), Litteratur iiber die 
Sprache des Tacitus: s. Teuffel-Schwabe Gesch. 
d. rSm. Litt. § 333, 16. A. Gerber und A. Greef 
Lexicon Taciteum, Lpz. 1876ff. (noch unvollendet). 
Neuestes: E. Norden Antike Kunstprosa I 321. 
L. Cons tans Etude sur la langue de Tac, Par. 
1893. L. Valmaggi L'arcaismo in Tac, Turin 
1891. A. Czyczkiewicz Dc Tac. sermonis pro- 
prietatibus praecipue de eis quae ad poetarum 
dicendi genus pertineant, Brody 1890; Quibus 
poeticis vocabulis T. sermonem suum ornaverit, 
Brody 1891; De dativi usu Taciteo, Brody 1896. 
O. Uhlig Die consecutio temporum im indirec- 
ten Fragesatz bci T., Schneeberg (Festschrift) 
1891, 49ff. R. Macke Die rom. Eigennamen bei 
T., Hadersleben 1886—93 (4 Teile). 

Nicht ausgefuhrt hat Tacitus den Plan, die 
Geschichte Nervas und Traians zu schreiben, den 
er sclion im Agric. 3 mit den Worten andeutet, 
er wolle testimonium praesenti/um bonorum com- 
ponere (s. o. S. 1572), spater aber, wie er wenig 
stens hist. I 1 sagt, sich fur das Greisenalter auf- 
gespart hatte (s. S. 1575), ebensowenig die Ge- 
schichte des Augustus, die er, falls er die Annalen 
triucklich vollendet, sich zu schreiben vorgenommen 
hatte (ann. Ill 24 cetera illius aetatis — der 
augustischen Zeit — memorabo . si effectis in 
quae tetendi phires ad euros vitam produxero). 
Die sachlich sehr bedenkliche Angabe des Schwind- 
lers Fulgentius de abstr. serin, p. XXIV Lersch 
Cornelius Tacitus libro faeetiartun ,eessii itaque 
morum elogio in filiis derelicto' verdient, da andere 
Bestatigung fehlt, keinen Glauben. 

Ein Schriftsteller wie Tacitus, der nicht fur 



das grosse Publikum schrieb , sondern fur einen 
kleinen Kreis gleichgesinnter Patrioten, konnte 
nicht popular sein. Er wurde bewundert, aber 
wenig gelesen, und um so weniger gelesen, als 
ziemlich gleichzeitig mit dem Abscbluss der taci- 
teischen Kaisergeschichte Suetonius sein auf das 
hequeme Verstandnis des grossen Publikums be- 
rechnetes Werk de vita Caesarum herausgab, dessen 
Inhalt sich, ausserlich betrachtet, mit dem des 

10 taciteischen Werkes fast deckte. tjber die Be- 
kanntschaft der Spateren mit Tacitus s. F. Haase 
vor seiner Ausg. I p. LV. Ph. Fabia Rev. de 
philol. XIX 1. E. Cornelius Quo modo Tac. in 
hominum memoria versatus sit usque ad rena- 
seentes litteras saec. XIV et XV, Marburg (Wetz- 
lar) 1888. Die spateren Geschichtschreiber, so- 
weit sie sich mit Tacitus stofflich beruhrten, konn- 
ten freilich an ibm nicht vorubergehen. So findet 
er sich benutzt (selten genannt) bei Plutarch, 

20 Sueton, Cassius Dio, Floras (?), in den Scriptores 
Historiae Augustae, Ammianus Marcellinus (der mit 
Tacitus nach Charakter und Stil in maneher Hin- 
sicht verwandt, sein Werk da begann, wo Tacitus 
abgeschlossen hatte), bei Aurelius Victor, Hegesip- 
pus, Sulpicius Severus, Orosius, Cassiodorius und 
Iordanis, doch ist die Benutzung bei den meisten 
eine geringfugige und gelegentliche. Aber auch 
bei Nichthistorikern finden sich Spuren von der 
Lesung des Tacitus. So bei dem Geographen Ptole- 

30maios (in dessen geogr. II 11, 12 aus den Worten 
des Tac. ann. IV 73 ad sua tutanda digressis 
rebellibus mit schcrzhaftem Irrtum eine Ortschaft 
2iaxovtav6a gemacht ist), bei Tertullian, Servius, 
Hieronymus, Apollinaris Sidonius (hier verhaltnis- 
massig haufig), bei den Scholiasten zu Iuvenal 
und Lucan, endlich bei Fulgentius (s. o. S. 1579). 
Da die Grammatiker den nicht schulgerechten 
Stil des Tacitus von der Schule feme hielten, so 
verschmahen sie ihn anzufuhren; es findet sich 

40 kein Citat aus Tacitus bei einem lateinischen 
Grammatiker. Danach ist es nicht zu verwundern, 
wenn die Werkc des Tacitus wenig verbreitet und 
immer weniger abgeschrieben wurden. Darauf 
weist auch ein Befehl des Kaisers Tacitus hin: 
Hist. Aug. Tac. 10, 3 Cornelium Taciturn, scripto- 
rem historiae Augustae, quod parentem suum 
eundem dieeret, in omnibus bibliothecis colloeari 
(s. o. S. 1568) iussit et, tie lector um incuria 
deperiret, librum (s. o. S. 1575) per annos singultus 

50 decics scribi publieitus in cunotis (so Casau- 
bonus: euicos die Hss.) arehiis iussit et in 
bibliothecis poni. Diese Anordnung konnte aber 
um so weniger etwas andern, als Tacitus nur ein 
halbes Jahr regierte. 

Im Mittelalter ist Tacitus fast verscholkn. 
Erst bei Einhard (f 840) findet sich Bekannt- 
sehaft mit der Germania und den Historien (M. 
Manitius N. Arch. f. altere deutsche Gesch. VII 
527. XI 59), dann bei Rudolf von Fold a (t 865) 

60 Benutzung der GeTmania in der Translatio S. Ale- 
landri (Mon. Germ. hist. Script. II 675) und der 
Annalen des Tacitus in den annales Fuldenses, 
besonders vom J. 852 (Mon. Germ. hist. Script. 
I 368, 9): in loco qui appellatur Mimida (Min- 
den) super amnem, quern Cornelius Tacitus, 
scriptor rerum a Romania in ea gente gestarum, 
Vi-surgim (s. Tac. ann. I 70. II 9. 11, 12. 16. 
17), modemi vero Wisaraha vacant, habito con- 



■* 



ventu gemrali. Auch die annales Fuldenses vom 
J. 858 und 894 (von dem eben genannten Rudolf 
und weiterhin von Fortsetzern geschrieben) ver- 
raten Benutzung des Tacitus. Demnach besass 
das Kloster Fulda gewiss die Germania und die 
Annalen, und zwar wahrscheinlich in einer Hs., 
die samtliche uns heute noch erhaltenen Werke des 
Tacitus befasste : spater ist die hsl. tjberlieferung 
der drei kleinen Scbriften von jener der beiden 



und F. Philippi Philol. XLV 380). Schrift- 
proben aus dieser Hs. bei Vitelli und Paoli 
Collez. florent. paleogr., Fir. 1884, Lat. Tav. 2. 
E. Chatelain Paleogr. des class, lat. pi. 145 
und P. HochaTt De .'authentic-., des ann. et 
hist, de Tac, Paris 1890 zu p. 64. Gegen Ende 
des 10. Jhdts. schrieb Widukind in Corvey , der 
in seiner Sachsengeschichte (Mon. Germ. Script. 
HI 408) Bekanntschaft mit Tacitus Annalen, Histo- 



aer arei Kiemen Dcuni-eu mu jcuci v«=i -iu™ •" .^ ; „«. — -— — „„„__.--_-_--- — , 
GescMchtswerke gesondert. Aber diese Bekannt- 10 nen und der Germania verrat (M. Manitius N. 



schaft der Monche zu Fulda mit Tacitus ist etwas 
ganz vereinzeltes. In keinem der zahlreichen 
Kataloge mittelalterlicher Bibliotheken findet sich 
eine Tacitus-Hs. verzeichnet. 

Mit jenen altesten mittelalterlichen Verwer- 
tungen des Tacitus ziemlich gleichzeitig ist die 
alteste uns erhaltene Hs. des Tacitus, die einzige, 
der wir die ersten Bucher der Annalen verdanken 
(s o. S. 1576). Sie befand sich in dem Kloster 



Arch. f. altere d. Gesch. XI 59). Aus dem 11. Jhdt. 
stammt die zweitalteste Hs. des Tacitus, jetzt 
gleichfalls in Florenz aufbewahrt als Laur. LXVDH 
2 = Medieeus II, wohl in Monte Cassino zwischen 
1058—1087 in sog. longobardischer Schrift ge- 
schrieben (s. Poggii ep. ed. Tonelli I 213. H. 
Keil Rh. Mus. VI 145), enthaltend von den An- 
nalen Buch XI— XVI und von den Historien Buch 
I— V (s. das Niihere o. S. 1574) und fur beides 



S. O. H. 10/01. OUJ UBiauu HUM! in ucm m»»' a — i v=- ^c™ ^.M,.. u .~ -. -. .-.^ -— --- 

Corvey an der Weser in Westfalen (L. Urlichs 20 die emzige uns erhaltene Textesquelle. Der Med. 11 



Eos I 243. II 223. A. Viertel Jahrb. f. Philol. 
CXXin 423. F. Philippi Philol. XLV 376), 
wurde von dort gestohlen und kam per multas 
manus in den Besitz des Papstes Leo X., der 
sie magno pretio (magna mercede) kaufte. Von 
ihrer Anwesenheit in Rom giebt die erste Kunde ein 
Brief des Cardinals Franc. Soderini vom 1. Januar 
1509 (darin z. B. ex Germania nobis allatus fuit 
proxime pervetustus in membrana aodex , der 



gelangte auf nicht ganz vorwurfsfreiem Wege, wie 
es scheint (s. Poggii ep. ed. Tonelli I 195. 212. 
213. 217 ; vgl. G. V o i g t Wiederbelebung des class. 
Altertums 13 250) in den Besitz von Niccolo de' 
Niccoli in Florenz (vor dem J. 1426) und kam dann 
mit dessen Bibliothek in die dortige Bibliotheca 
Marciana und endlich mit dieser in die Lauren- 
tiana. Wenn wirklich die Hs. einst in Monte 
Cassino war, so k6nnte man deren Entwendung 



nroxtme perveiusius *•» 7/winvru-na c«c«^, ^± "•»"'" "•"•■< "" "%' """ * — " ------ _—..-- „ 

Brief beflndet sich in der Bibliothek Chigi in 30 gut aus dem verwahrlosten Zustand der dortigen 
t> „v>™ n ^.„ n irf ;« n Tfooo Miacoiianaa R.nm RiWiotbekprklaren. den Boccaccio bei einem Besuch 



Rom, abgedruckt in C. Feas Miscellanea, Rom 
1790, 1 cccxxvii und in der Ztschr. Eos I, Wiirzb. 
1864, 244). B. Rhenanus sagt in seiner Tacitus- 
ausgabe, Basel 1533, 125, dass quaestor quidam 
pontificius quum e Dania rediret, in Corbeiensi 
bibliotheca repertum (namlich exemplar Mud Sa- 
xonicum, vgl. Rhenanus a. a. O. im Vorwort: 
repertum apud Corbeiam in Saxonibus und Cor- 
beia Visurgi fluvio vicina) Romam detulit, und 



Bibliothek erkliiren, den Boccaccio bei einem Besuch 
antraf (Muratori Antiq. Italicae 1 1296). Schrift- 
proben aus dieser Hs. bei Vitelli und Paoli 
Collez. fiorent. paleogr. Lat. Tav. 14. Chate- 
lain Pale"ogr. des class, lat. pi. 146. Hochart 
a. a. O. zu p. 48 (vier Seiten). Cber die beiden 
mediceischen Hss. vgl. noch W. Pfitzner Verhdl. 
der Rostocker Philol.- Vers. , Lpz. 1876, 83. C. 
Meiser Jahrb. f. Philol. CXXV 133. G. Andresen 



oem Yisurqi jmvw inwmj numum iuh.-vu.-w., uu« j_i C io _*«■».««. *.-■.». ~- "~- -•- -- 1Qno 

dass ihm Leo X. dafur quinqentos dueatos ge-40De codd. Mediceis annaUum lac, HerL 18. _ 

,,, , , m- a.... ....j. ;_ in nil „„t n o„-„.-,,w, 5+„^l;,, «,;f ^ti MpiI Tac ennn. 



zahlt habe. Eine andere erst im 17. Jhdt. auf 
tauchende, weniger glanbhafte Angabe iiber die 
Fundumstande s. bei Bayle Dictionn. histor. s. v. 
Tacitus Note D. Vgl. auch den Brief des B. Rhe- 
njanus vom 30. Miirz 1515 (in seinem Briefwechsel, 
herausg. von Horawitz und Hartfelder, Lpz. 
1886, 71). Rhenanus sagt darin, dass die funf 
ersten Annalenbiicher superioribus annis Romam 
fuisse ex Qermania delates. Davon , dass sie 



C. Heraeus Studia crit. in Med. Tac. codd., 
Cassel 1846. Zwei durch Ausfall je eines Blattes 
entstandene Liicken des Med. II (enthaltend hist. 
1 69—75 und 1 86— H 2 ; s. Jahrb. f. Philol. CXXV 
139) werden durch Abschriften, welche von dem 
Medieeus vor jenem Verluste genommen sind, er- 
ganzt. Den Verlust von Blattern im Med. II er- 
wahnt schon Poggius ep. Ill 17 vom 5. Juni 1428. 
Sonst haben die jflngeren Hss. von ann. XI— XVI 



nnsse ex vtermuniw ikjhmcw. vmuu, u»o ^ kjv»_u _.„„„.. «.- j-- a --. - 

unterdessen am 1. Miirz 1515 bereits gedruckt 50 und hist. I-V (alle saec. XIV. XV), deren es 

, . , i tv- »i -n:_i. _:_:«._ J« n ^ nn ;n> /»!nlAf Iroinon comarnTtHiorATi Wprt. 



waren, wusste er noch nichts. Die iiber den Dieb- 
stahl unwilligen MOnche von Corvey (abbas et 
conventus nwnasterii Corwiensis ordinis S. Bene- 
dicti Padebornensis dioeeesis) wurden von Leo X. 
beschwichtigt; er liess ihnen ein Exemplar der in 
seinem Auftrag von Ph. Beroaldus 1515 ver- 
(jffentlichten editio princeps des yervollstandigten 
Tacitus nan inornate ligatum ubersenden , quod 
in eorum bibliotheca loco subtracti reponere pos- 



einige dreissig giebt, keinen selbstandigen Wert, 
weil sie alle unmittelbar oder mittelbar vom Med. II 
abstammen (s. n.,S. 1583). 

Im Anfang des 12. Jhts. hat die vita Hein- 
rici IV (Monum. Germ. hist. Script. Xn 270) 
Tacitus Annalen benutzt (M. Manitius N. Arch, 
f. altere deutsche Gesch. XI 61). Dagegen be- 
weist die Notiz bei Guglielmo Pastrengo (t am 
1360) de viris illustr. foL 18 Cornelius Tacitus, 



sent und schickte ihnen zugleich pro eeclesia 60 quern Titus imperator suae praefeett biblwtheme, 
. ■■ ■-,..! i.- <„„™ lo A aa Tiw»7ji i„jniif; tivsin AvssrinsiA ataue Dominant kerne 



monasterii indulgentiam perpetuam (s. das Breve 
des Papstes vom 1. December 1517, jetzt in Berlin, 
abgedruckt Philol. XLV 377). Heute beflndet sich 
die Hs. in Florenz als Laur. LXVHI 1 = Medi- 
eeus I. Sie ist in dem 9. Jhdt. geschrieben (s. 
uberihr Alter ausserPaoli undChatelain an den 
im folgenden angefiihrten Stellen W. Studemund 
Herm. VIII 233. F. Ruhl Rh. Mus. XXXVI 25 



Augusti gesta descripsit atque Domitiani keinc 
eigene Lesung des Tacitus von seiten des Ver- 
fassers. Sie beruht vielleicht (abgesehen von der 
wunderlichen, ihrer Herkunft nach dunklen An- 
gabe iiber das Bibliothekamt) auf ungenauer Er- 
innerung an die oben S. 1575 erwahnte Stelle des 
Hieronymus. Wohl aber*hat Boccaccio (t 1375) 
selbst eine Tacitus-Hs. besessen (schon vor 1371) 



1583 



Cornelius 



Cornelius 



1584 



1585 



Cornelius 



Cornelius 



1586 



und verrat an zahlreichen Stellen seiner Werke 
Bekanntschaft mit Tacitus (A. Hortis Studj snlle 
opere latine di Boccaccio, Triest 1879, 424. P. de 
Nolhac Boccace et Tacite, in den Melanges 
d'arcMol. et d'histoire XII 125), ebenso kennen 
den Tacitus Domenico d'Arczzo (um 1374), deT 
bemerkt: historias (des Tacitus) cum multo le- 
pore legimus (Nolhac a. a. 0. 146), und Benve- 
nuto Rambaldi in seinem liber Augustalis (ab- 
geschlossen im J. 1386, Freher-Struve Rerum 
Germanicarum script., Strassb. 1717, II 6 de 
Messalina scribit Cornelius Taeitus) und in seinem 
Dante-Commentar (zu inferno c. 4 beruft er sich 
auf Tac. ann. XV 56). Boccaccio aber und die 
beiden zuletzt Angefiihrten kennen nur die letzten 
Bticher der Annalen und die ersten der Historien. 
Ihre Kenntnis davon wird mittelbar oder unmittel- 
bar auf den Cod. Med. II zuriickgehen, ebenso die 
Kenntnis des Lionaido Bruni in seiner latidatio 
Florentinae urbis (Terfasst vor 1401), des Jean 
de Montreuil (f 1418) und des Sicco Polentone de 
scriptoribus latinis gesphrieben um 1420. Vgl. 
Bandini Catal. lat. bibl. Medic. Laur. II 831. 
S. Dos son Rev. de philol. XV 56. In der Mitte 
des 15. Jhdts. waren die genannten Bueher des 
Tacitus in Abschriften (s. o. S. 1582) schon recht 
verbreitet: Codex Vatic. 1958 ist im J. 1448 ge- 
schrieben, Vatic. 2965 im J. 1449, ein Harleianus 
im J. 1452, cod. Bessarionis in Venedig im J. 1453, 
Osfordiensis coll. Christi im J. 1458, Middlehil- 
lensis friiher Drury im J. 1460 (C. L. Urlichs Eos 
1 247), Guelferbytanus vor dem J. 1461, Bodleianus 
im J. 1463 (Eos a. a. 0. 249), cod. F. Bernardi bei 
Montfaucon Bibl. mss. I 683 im J. 1463. Von 
diesen Abschriften des Med. II haben viele die Auf- 
schrift Gorwlii Taciti aetorum diurnalium kisto- 
riae Augustae liber XI (und entsprechend bei den 
i'olgenden) aus willkurlicher Erfmdung eines Ab- 
schreibers, welcher dem im Med. II ohne Namen 
iiberlieferten WeTke (s. S. 1574) einen Titel geben 
wollte. Die Ansicht P. Haases (Ausg. p. LVI), 
dass jener Titel nocb aus dem Altertum (etwa aus 
der Zeit des Kaisers Tacitus) stamme, liesse sich 
nur dann halten, wenn man die Annahme recht- 
fertigen kdnnte, dass diese Hss. nicht aus Med. II 
geflossen seien, sondern yon einem Zwillingsbruder 
desselben abstammten. Dies ist abcr bis auf weiteres 
ganz unwahrscheinlich (s. o. S. 1582), obwohl man 
einraumen muss, dass jene Hss. bisher nicht ge- 
ntigend untersucht sind. 

Im Gegensatz zu den beiden grosseren Ge- 
schichtswerken sind die drei kleinen Schriften nur 
durch ganz junge Hss. (saec. XV) erhalten. Sie 
stammen wahrseheinlich alle Ton einer einst in 
Deutschland befindlichen , langst verlorenen ab. 
Diese kam selbst oder wahrscheinlicher nur in 
einer Abschrift gegen das J. 1460 nach Italien 
und zwar nach dem zwiefachen Zeugnis des Zeit- 
genossen Iovianus Pontanus (im Lcid. Q. 21, s. u.) 
durch Henoch von Ascoli, welchen Papst Niko- 
laus V. 1451 nach Deutschland entsendet hatte, 
um Classikerhandschriften zu erwerben (vgl. G. 
Voigt Wiederbelebung des klass. Altert. 113 200). 
Wie es scheint, gelang es Henoch in Hersfeld von 
derselben Handschrift Abschrift zu nehmen, welche 
aliqua opera Corneiii Taciti nohin ign-otn ent- 
hielt und um welche sich Poggio Braeciolini in 
den J. 1425—1429 vergebens bemiilit hatte, wie 



aus seinem Briefwechsel mit Niccolo de' Niccoli 
hervorgeht (s. Poggii epistolae, ed. Th. de Tonel- 
lis Vol. I, Plor. 1832, p. 43. 168. 172. 175. 187. 
207. 210. 218. 268, die Stellen sind auch zusam- 
mengedruckt in A. Michael is Ausg. des Dial, 
p. XIX; auch vgl. L. Urlichs Eos II 230. 351). 
In Italien warden die Schriften in weiteren Copien 
verbreitet, am haufigsten die Germania, am spar- 
lichsten der Agricola. Die wichtigsten dieser er- 

lOhaltenen Abschriften sind fur Dialogus und Ger- 
mania Vatic. 1862 (Schriftprobe bei Chatelain 
a. a. 0. pi. 148) und 1518, Leid. Q. 21 (Perizo- 
nianus, geschrieben von Iov. Pontanus, Schrift- 
probe bei Chatelain pi. 147) und Parnesinus 
in Neapel. Der Agricola ist nur in dTei Abschrif- 
ten erhalten, Vatic. 3429 (geschrieben von Pom- 
ponius Laetus um 1470) und 4498 und in Toledo 
(aus J. 1468 ; Herm. XXXII 59). Es ist sehr wohl 
moglich, dass die verlorene (Hersfelder?) Hs. der 

20 kleinen Schriften und die noch erhaltene Corveyer 
der Annalen I — VI = Med. I aus jenem im 9. Jhdt. 
in Fulda (s. S. 1581) vorhandenen Codex des Taci- 
tus geflossen sind, um so mehr als die drei Bene- 
dictinerklOster Fulda, Hersfeld und Corvey von 
einander nicht allzu entfernt lagen und zwischen 
ihnen ein lebhafter Verkehr bestand , der leicht 
auch zu Austausch und Abschrift der hsl. Schatze 
der einzelnen fiihren konnte. Vgl. F. Scheuer 
De T. dialogi codicum nesu et fide in den Bresl. 

30 philol. Abb. VI (1891) , 1. Th. Ave-Lalle- 
m a n t Verhaltnis u. Wert der Hss. zu T. Dialog, 
Pyritz 1895. B. Tagmann De T. Germ, apparatu 
critico, Bresl. 1847. H. Schefczik De T. Germ, 
appar. crit., Troppau 1886. E. Wiinsch De T. 
Germ, codicibus Germanicis, Marb. 1893; Zur 
Textgesch. der Germ., Herm. XXXII 42. 

Tacitus ging von rhetorischen Studien aus, 
welche er mit grflsstem Eifer betrieb (dial. 2 
mira stndiorum, cupidifate fit ardore qnodam 

40 iuvenili). Dass er, wie der jiingere Plinius, sein 
fast gleichalter Studiengenosse und Freund, ein 
Schiller Quintilians war, liegt nahe zu vermuten, 
schon wegen der ciceronischen Farbung des Dia- 
logs, ist aber nicht uberliefert. Dass Tacitus eine 
Zeit lang der neuciceronischen Kichtung anhing. 
zeigen ausser dem Dialog die Worte des Plinius, 
der dieser Richtung stets treu blieb, ep. VII 20, 4 
(an Tac.) tu mihi maxime imitabilis, maxime 
imitandus videbaris. Tacitus gewann als Redner 

50 bald das hCchste Ansehen (s. o. S. 1568. 1570; 
vgl. Plin. ep. IX 23, 2), und wie er sich einst an 
M. Aper und Iulius Secundus angeschlossen hatte, 
die er in iudieiis non modo studiose audiebat, 
sed do-mi quoqiie et in publico adsectabatur (dial. 
1. 2), so scharten sich sparer um ihn bewundernd 
junge Leute, die von ihm lernen wollten: Plin. 
ep. IV 13, 10 (an Tac.) rogo ut ex coyia studio- 
sorum , quae ad te ex admiratione ingenii ttti 
convenit. eireurnspicias praeceptores qu«s solli- 

60 citare possimus, dass sie eine Lehrstelle in Co- 
mum annehmen. Aber. obwohl Tacitus auch in 
seinen spateren Werken — iibrigens ganz frei von 
der gemeinen Schulschablone — die Mittel der 
Rhetorik mit Meisterschaft verwertet, auf die 
Dauer geniigte die Rhetorik und der Beruf als 
Sachwalter dem hohergestimmten und hoherstre- 
benden Geiste des Tacitus nicht. Dies zeigt 
schon die kritische Stellung, welche Tacitus, wie 



4 



der Dialog ausweist, schon friih gegenuber dem 
Rednerberuf eingenommen hatte, obgleich er sich 
diesem noch langere Zeit hindurch widmete. Es 
hat grosse Wahrscheinlichkeit, dass Quintilian da, 
wo er von den lebenden hervorragenden Rednern 
spricht, in erster Linie Tacitus und Plinius den 
jiingeren im Sinue hat: inst. orat. X 1, 122 habe- 
bunt qui post nos de oratoribus scribmt magnam 
eos qui nunc vigent materiam vere laudandi. 



moderne (sachlich ilbrigens sehr anfechtbare) Ge- 
danke, dass der Geschichtschreiber nicht seine 
Zeit, sondern eine ihm feme liegende schildern 
solle, um seinem Gegenstande unbefangen gegen- 
iiber zu stehen, konnte einer so subjectiv ange- 
legten PersGnlichkeit wie Tacitus gar nicht kom- 
men. Tacitus wahlte sich die Aufgabe seiner 
Eigenart bewusst oder mit dem Instincte des 
Genies. Zu einer einheitlichen alien Fragen gegen- 



sunt enim summa hodie quibus illustratur forum 10 fiber sicheren und sich sichernden Weltanschau- 



vngema. namque et eonsummati iarn patroni 
veteribus aetmdantur et eos iuv&num ad optima 
tendentium imitatur ac sequitur industria (s. o. 
S. 1584). Ob Tacitus auch Reden verOffentlicht 
hat, wissen wir nicht. 

Allmahlich bereitete sich der Umschwung vor, 
welcher Tacitus der Geschichtschreibung zufiihrte. 
Am Agricola, einem gleichsam personlichen Aus- 
schnitt aus der Geschichte der jungsten Zeit, 



ung ist Tacitus so wenig wie irgend einer seiner 
Zeit- und Volksgenossen vor- und durehgedrungen. 
Dem Studium der Philosophic .hat v er in lasslicher 
Weise, soweit es Romano et senatori (vgl. Agr. 4) 
wohlanstandig war, gehuldigt. Zwischen den 
Lehren der Philosophen, zwischen niichterner Auf- 
geklartheit, zwischen den Anschauungen des Durch- 
schnitts-Aristokraten, der an das Schicksal in den 
Sternen , an Prophezeiungen , Wunder und Vor- 



haben die Gebiete der Beredsamkeit und der Ge- 20 zeichen glaubt , gelegentlich auch die romische 



schichtschreibung ziemlich gleichen Anteil. Die 
Germania, trotz ihrem vorwiegend geographischen 
Inhalt, steht der letzteren sehr nahe, aber auch 
bier wirkt noch die rhetorische Haltung stark, 
gelegentlich fast aufdringlich. Die oft auf Tacitus 
bezogenen Worte Quintilians in der Aufzahlung 
der romischen Geschichtschreiber (inst. orat. X 
1, 104) lassen diese Bezieh ung nicht zu: superest 
adkuc et ornat aetatis nostrae gloriam vir saecu 



Gefiihlsharte durchblicken lasst und den Vorrang 
des adeligen Blutes in Erinnerung bringt, zwi- 
schen Glaubigkeit, peinlichem Zweifel und Frei- 
geisterei sehen wir Tacitus im Schwanken. 

Tacitus beinfiht sich emsthaft das Thatsach- 
liche im einzelnen und im Zusammenhange zu 
ermitteln, aber sein Hauptinteresse erschflpft sich 
damit nicht. Archivalische und quellenkritische 
Ermittlungen in weiterem TJmfange selbst anzu- 



lorum gloria digitus, qui olim nominabitur, nunc 30 stellen, hielt er nicht fiir seine Aufgabe. Seine 



intellegitur. Im Munde eines etwa 65jahrigen 
Mannes klingt ein solches Lob eines etwa 35- 
jahrigen auffallig. Ausserdem scheinen die Worte 
superest adhuc auf einen alteren Mann, nicht einen 
Dreissiger, hinzuweisen. Quintilian schrieb jenen 
Satz lange Zeit (ungefahr acht Jahre) vor Ab- 
fassung auch der altesten historischen Schriften 
des Tacitus (Agr. und Germ.), zu lange, als dass 
er von historischen Planen des Tacitus hatte Kunde 
haben kOnnen, endlich ist wegen der ganz ver- 
schiedenen Stellung, die Quintilian und Tacitus 
zu Domitian einnahmen, zu vermuten, dass Quin- 
tilian sich dem Geschichtschreiber Tacitus gegen- 
uber kuhler verhalten hatte. 

Das erste Geschichtswerk grossen Stils , das 
Tacitus in reiferen Jahren schrieb, waren die 
Historien. Er schreibt darin die Geschichte der 
Zeit, die er selbst mit durchlcbt hat. Nattirlich 
gait sein Interesse besonders der Eegierung Do 



Arbeit ruht vorzugsweise auf seinen Vorgangern 
in der historischen Litteratur. Nur ganz selten 
erwahnt er Dinge als solche, welche sich dort 
nicht fanden (ann. IV 53. VI 13). Aber den von 
seinen Vorgangern gelieferten Stoff priift und 
sichtet er und gestaltet ihn neu. Diese formale 
kunstlerische Gestaltung ist fiberhaupt dem anti- 
ken Geschichtschreiber viel wichtiger als dem 
modemen , wenigstens dem modernen deutschen, 
40 denn die modernen Geschichtschreiber z. B. ro- 
manischer Zunge denken darfiber ahnlich wie die 
alten. Dem antiken Historiker ist die Ermittlung 
des Thatsachlichen nur Vorarbeit. Daher z. B. 
auch das von Tacitus wie von den and em alten 
Historikern geiibte Verfahren , den auftretenden 
Personen Worte und Reden in den Mund zu legen, 
die sie so nicht gesprochen haben, ja es ausdriick- 
lich anzumerken, wann wOrtlich citiert wird (hist. 
Ill 39; ann. VI 12. XIV 59. XV 67. XVI 4; 



mitians. Nach den furchtbaren Jahren des Duldens 50 vgl. auch ann. XV 63; hier verzichtet Tacitus 



und Schweigens schrieb sich Tacitus von der Seele 
die Last und Qual, die ihn wie ein Alp so lange 
niedergedruckt hatte. Nichts ist mehr zu be- 
klagen, als dass gerade die Bueher iiber die domi- 
tianische Zeit verloren sind, einst gewiss der Hohe- 
und Glanzpunkt des Ganzen. Dass Tacitus diesen 
Stoff zuerst fur ein umfangliches Werk wahlte, ver- 
rat mit unverkennbarer Deutlichkeit sein innerstes 
Wesen und seine Anschauung von der Aufgabe 



darauf, die wfirtlich verflffentlichten letzten Aus- 
spriiche Senecas inverters, d. h. in den Stil seines 
Werkes umzusel^en). Die ganze Darstellung soil 
eben von cinheitlicher Haltung und Stimmnng 
sein. Ein besonders merkwiirdiges Beispiel ist 
die Rede des Kaisers Claudius uber das ius hono- 
rum der Gallier ann. XI 24, welche von der uns 
grOsstenteils inschriftlich (Bruns Fontes iuris'' 
177) iiberlieferten wirklich gehaltenen oder doch 



des Geschichtsehreibers. In erster Linie interes- 60 veroffentlichten Rede formell durchaus abweicht 



siert ihn das Selbsterlebte, die jiingste Vergangen- 
heit,_eine Thatsache, die sich durch die drei kleinen 
Schriften bestatigt. Erst in vorgeriickterem Lebens- 
alter geht Tacitus daran, die seiner eigencn Erinne- 
rung voran liegende Zeit, worin die Wurzeln und 
Ursprunge der eigem-n lagen, die Zeit seit dein 
Abschluss der Neuordnung des rOmischen Staates 
durch Augustus, in den Annalen darzustellen. Der 



Dass der Wortlaut dieser kaiserlichen Rede offi- 
ciell festgestellt und bekannt gemacht war, wusste 
Tacitus sehr wohl. Trotzdem nahm er keinen 
Anstand, sie dem Charakter seines Werkes anzu- 
passen und umzubilden (P. K. Schmidtmayer 
Ztschr. f. ii. iisterreiclt Gymn. XLI 869). Es 
ware fiir uns von grosser Wichtigkeit zu wissen, 
ob Tacitus in der von ihm als reifem Manne durch- 



1587 



Cornelius 



Cornelius 



1588 



lebten Zeit, also in der domitianischen, audi als 
selbstandiger Erforscher des Thatsachlichen sich 
bemuht lind bewahrt habe, aber ihre Schildorung 
ist verloren (s. o. S. 1575). Tacitus schreibt 
Reichsgeschichte, nicht Fiirstengeschichte. Aber 
natiirlich treten die leitenden Manner, besonders 
die Kaiser, ihr Kreis und Rom, dann die aus- 
wartigen kriegerischen Angelegenheiten in den 
Vordergrund, dagegen mehr zuriick die allge- 
meinen, die volkswirtschaftlichcn und socialen Ver- 
hiiltnisse des Reichs, die Staatsverwaltung, nament- 
lich die Verwaltung der Provinzen. Darans dem 
Geschichtschreiber einen Vorwurf machen, heisst 
ihn ungerecht beurteilen, wie denn uberhaupt die 
meisten derjenigen Beurteiler, die an Tacitus 
herummakeln , ihm darin Unreeht thun, dass sie 
von ihm die Anforderungen erfiillt sehen wollen, 
welche man heute an den historischen Forscher 
stellt. Sie lassen also ihm gegenilber die erste 
Pflicht der Billigkeit ausser acht, welche ver- 
langt ihn aus den Gesichtspunkten und mit den 
Massstaben seiner Zeit zu messen. 

In die Seelenstimmungen und die Beweg- 
griinde der Handelnden sucht Tacitus einzudringen, 
um deren Handlungen zu begreifen und begreifen 
zu lassen. Bine Fiille der treffendsten und fein- 
sten Bemerkungen zeigt zu stets ncuer tjber- 
raschung des Lesers, wie tief Tacitus die mensch- 
licbe Natur , zumal ihre Schwachen , ergriindet 
hat. Seine nachdenkliche Natur getraut sich 
in die Seelen der Handelnden die Sonde der 
kritischen Betrachtung einzufuhren, um auch 
die verborgcnsten Regungen zu ergriinden, ein 
Verfahren , dessen bestrickenden Reiz man dem 
Geschichtschreiber nachfiihlen kann , obne die 
darin liegenden Gefahren zu verkennen. Die Me- 
thode des Tacitus ist so in erster Reihe eine 
psychologische, und in der spiirenden eindringen- 
den psychologischen Analyse bewahrt sich Tacitus 
als Meister. Es giebt auf dem weiten Gebiete 
der antiken Geschichtschreibung niemanden, der 
ihm diese Meisterschaft streitig machen kOnnte. 
Das ausgefiihrteste Beispiel dieser Methode ist 
die Schilderung des Tiberius in den ersten Biichem 
der Annalen. Hier hat Tacitus allerdings jene 
Methode iiberspannt und die PersOnlicbkeit des 
Kaisers einseitig dargestellt, und es setzen darum 
auch hier die neueren ubertriebenen Angriffe gegen 
Tacitus ein . von dcncn heute noch die derben 
"Worte von D. F. Strauss gelten kfinnen (Aus- 
gewahlte Briefe, Bonn 1895, 503): .Die Ta.citu.s- 

krittelei ist Modegeschwiitz und nun 

wollen die Schulmeister zeigen, dar.ss sie auch auf 
der Hohe der Zeit sin«L- Siehe die bei Teuffel 
Gesch. d. rom. Litt. § 333, 13 angefiihrte Littera- 
tur, und dazu A. Gercke Seneca-Studien, Jahrb. 
Suppl. XXII 159. 

Tacitus will die Wahrheit erforschenund sagen. 
Das bezeugt schon die vom ersten bis zum letzten 
Wort ernste und wiirdigeHaltung seiner Erzahlung. 
Tacitus bedauert , dass oft gerade bei den wieh- 
tigsten Dingen es nicht moglich ist, die voile Wahr- 
heit zu ergriinden (vgl. ann. Ill 19), er bemuht 
sich, falsche Gerfichte zu widcrlegen (vgl. ann. 
IV 11), er verwahrt sich gegcu den Vorwurf, etwas 
miraculi causa zu erzahlen, d. h. uin Sensation 
zu machen fann. XI 27). Gleich im Anfang der 
Historien (I 1) giebt er seine Richtschnur mit 



den Worten an: ineorruptam veritatem professis 
neque amore quisquam et sine odio dieendus est, 
und auch in der Einleitung der Annalen ver- 
spricht er zu schreiben: sine ira (ohne Privat- 
hass) et studio (Voreingenommenheit) , quorum 
eausas proaul habeo. Er ist diesen Grundsatzen 
treu geblieben. Aber diese finden ihre naturge- 
masse Schranke bei Tacitus wie bei jedem Meister 
der Geschichtschreibung (freilich nicht bei ihren 

10 urteilslosen und urtcilangstlichen Handlangern) 
an semen allgemeinen sittliehen und politischen 
Anschauungen, welche ihm die Massstabe fur die 
Beurteilung der Ereignisse und Personen liefern 
und liefern miissen. Tacitus will nicht einer 
fliichtigen und bequemen Unterhaltung dienen 
(hist. II 50), er betrachtet vom Standpunkt des 
hochgestellten rCmischen Staatsmannes die Ge- 
schichte mit starker, imraer wiederkehrender Her- 
vorhebung des Guten und Schlechten, beides mit 

20 unbestechlichem Urteile begleitend (vgl. ann. Ill 
65 praecipuum rnunus annalium reor ne vir- 
tutes silcantur titque pravis dietis faetisque ex 
posteritate et infamia metus sit). Tacitus ist 
nach Herkunft und persOnlicher Neigung Aristo- 
krat und Republikaner , und will dies nicht ver- 
leugnen. Er fiihlt sich ebenso von der Herrschaft 
der Masse wie von der des Einen peinlich be- 
ruhrt. Aber da er das Wiederaufleben der aristo- 
kratischen Republik fur unmoglich halt, so sieht 

30 er , wie andere hervorragende Manner (z. B. der 
Philosoph Seneca), in der kraftvoll, gerecht und 
milde gefiihrten Alleinherrschaft, welche der Frei- 
heit des Individuums Raum lasst, das in der 
Gegenwart erreichbar Beste, ist voll Anerkennung 
und Dankbarkeit den Kaisern Nerva und Traian 
gegeniibcr und fusst in seiner historischen Be- 
trachtung auf dem Boden ihres Regiments. Trotz 
alledem aber steht ihm das aristokratisch-republi- 
kanische alte Rom wie ein femes Ideal immer 

40vor Augen (vgl. z. B. hist. Ill 51; ann. I 74. 
II 82. Ill 00. 76. IV 63. XII 43); an ihm misst 
cr, oft unbewusst, seine Zeit und die, welche er 
schildert. Er empfindet es schmerzlich, wie viel 
besser es die Geschichtschreiber der alten Zeit 
batten, wie sie wurdigere uM grOssere Stoffc vor- 
fanden, er selbst eintonige und geringeres Interessc 
erweckende behandeln miisse (ann. IV 32 nobis 
in arto et inglorius labor. IV 33 nos saeva 
iussa. continuas accusationes, fallaces amieitias, 

50 perniciejn innocent him et easdem exifii eausas 
coniungimus obvia rerutn similitudine et satie- 
laie; vgl. ann. XVI 16). Wieder und wieder be- 
klagt Tacitus den Verlust der Freiheit, den Knecht- 
sinn und die cingerissene Schmeichelei. Mit Vor- 
liebe erwahnt Tacitus die AngehOrigen des Adels 
und verweilt bei ihren Schicksalen, hier, wo seine 
Neigung ist, gerne zur Anerkennung bereit, aber 
ebenso oft den Entarteten gegenilber mit scharfein 
Tadel nicht zamckhaltend. 

60 Der geschilderte innerliche Zwiespalt nagt dem 
ernsten patriotischen Manne , der wie ein nach- 
geborner Altrotner erscheint, am Herzen und ver- 
leiht seiner Darstellung, obwohl sie nie aus dem 
Rahmen vornehmer und kiihler Zuriickhaltung 
herausfiillt. hier den 'J'on wehmiitiger Entsagung, 
dort den Ton der oft bis zur atzenden Schiirfe 
und Bitterkeit gesteigerten Strenge. Und seine 
Bilder farben sich um so leiehter ins Dustere und 



1589 



Cornelius 



Cornelius 



1590 






Dunkle, als Tacitus eine criminalistische Ader 
besitzt. Daher lockt ihn die das einzelne zer- 
gliedernde, Punkt fur Punkt wie in einer An- 
klageschrift vorbringende und etwaniger Entschul- 
digung soTglich vorbauende Schilderung der Ver- 
brecher auf dem Throne, uberhaupt der Nacht- 
seiten der menschlichen Natur und der Menschen. 
Gewaltig und einzig in ihrer Art ist die Kraft 
der taciteischen Darstellung, ihr Ernst und ihre 



tus auch im Stil als ein Kiinstler ersten Rangs 
bewiesen, wenn er auch gar manchmal die Klip- 
pen, die in dem eingeschlagenen Wege liegen, 
nicht vermieden hat und nicht selten die Kunst 
zur Kiinstelei verschroben ist. Tacitus gehOrt wie 
Lucretius zu den einsamen GrOssen der Litteratur, 
die abseits vom Wege stehen. Sie miissen sich 
an einer kleinen Gemeinde geniigen lassen, die 
sich liebevoll in ihr Studium versenkt und be- 



Wucht, nicht minder ihre Kunst. Vor dem ge- 10 wundernd sich ihrer Leistung freut. Der grosse 
staltenden Blicke des Tacitus scbiesst die Ver- Q " w " — ™ WA •"> ' , ' M '" , ;llT " TTn M rctan<Hifib fi Ti 



gangenheit zu Bildem zusammen, die durch Un- 
mittelbarkeit und Anschaulichkeit ergreifen. Er 
giebt sie, wie er sie sieht, ihm sind sie die voile 
Wahrheit. Aber es ist kein Wunder, dass vor dem 
durchdringenden Blicke dieses Richters mancher 
schlechter besteht als vor dem Auge eines mild 
abwagenden und entschuldigenden Betrachters. 
Wir glauben die Handelnden leibhaft und greif- 
bar wie auf der Biihne zu sehen, wir folgen dem 20 
Erzahler mit einer Spannung und mit innerlicher 
Erschiitterung, wie sie sonst nur die dramatische 
VerkOrperung eines Vorgangs bewirkt, und fuhlen, 
wie viel Wahrheit in dem Worte Quintilians ist 
(inst. orat. X 1, 31): est proxima poetis historia 
et quodam modo carmen sotutum. Nur darf man 
diesen Zug im Bilde des Tacitus nicht so Qber- 
treiben, dass man Tacitus einen der wenigen grossen 
Dichter der ROmer nennt (F. Leo Tacitus 13). 



Schwann wird an diesen ihm Unverstandlichen 
stets voriiber eilen. Trotzdem ist und bleibt es 
Tacitus , der die Geschichte des ersten kaiser- 
lichen Jahrhunderts fiiT alle Zeit geschrieben hat. 
Wie er sie sah und schilderte , sehen wir sie, 
miissen wir sie sehen, mOgen wir auch um ein- 
zelnes mit ihm markten, und durch seine Werkc 
und in seinem Geist wird das Bild dieser Zeit 
auch in der Zukunft leben. 

Einige ausgewahlte Litteratur, besonders 
neuere (ausfuhrliche Angaben dariiber in den Hand- 
buchern der romischen Litteraturgeschichte, z. B. 
von J. Chr. F. Bahr IH 213. 510. Ill 226. G. 
Bernhardy 5 734. Teuffel-SchwabeS 824): 
Allgemeines:F.W. SiivernDerKunstcharakter 
des T., Abh. Akad. Berl. 1822/23, 75. K. Hof f- 
meister Weltanschauung des T, , Essen 1831. 
R. v. Bosse tjber und wider T. , Jahns Archiv 
XI 452. E. P. Dubois-Guchan T. et son siecle, 



Daran ist nur das richtig, was selbstverstandlich 30 Paris 1861 (2 Bde ; ). Nrpperdey und Haase vor 
ist, dass Tacitus, der die Ursachen und die Ver- " ' ' " T * T " li 1 "" 

kniipfung der. Thatsachen , die Einwirkung und 
die Charaktere der Handelnden begreifen und dar- 
stellen will, diese Aufgabe ohne bestandige schopfe- 
rische Verbindung und Verwertung des Gegebe- 
nen, die auch der Phantasie nie entbehren kann, 
nicht zu losen vermag. 

Die sachliche Darstellung empfangt noch be- 
sonderen Reiz durch die sprachliche , durch den 



ihren Ausgaben. L. v. Ranke Weltgeschichte III 
Analekten 280. C. Wachsmuth Einleitung in 
das Studium der alten Gesch., Lpz. 1895, 677. 
J. Asbach Rom. Kaisertum und Verfassung, eine 
historische Einleitung zu den Schriften des T., 
Koln 1896. H. Peter D. geschichtl. Litteratur 
iiber d. r(Sm. Kaiserzeit, Leipz. 1897, II 42 u. sonst. 
F. Leo Tacitus, eine Festrede, Gott. 1896. Ge- 
samtausgaben: Editio princeps von Johannes 



Stil, den sich Tacitus allmahlich geschaffen hat, 40 de Spira in Venedig um 1470 (enthalt ann. XI 



Man kann ihn sein eigenstes Werk nennen , so 
sehr hat er das Ifberkommene zu einem Neuen 
um- und ausgestaltet. Absichtlich geht er an 
der gewfihnlichen Schreibweise voriiber, uberhaupt 
an dem Alltaglichen. Er vermeidet gefiissentlich 
das ausgeglichene Ebenmass des Satzes und seiner 
Teile, der Satz- und Wortverbindung, und strebt 
nach inhaltsvoller Kiirze, besonders kiihn und 
glucklich im Ausniitzen des Participiums. Er um- 



XVI, hist. I— V, Germ. dial), ed. F. Puteo- 
lanus (ebenso, aber noch mit Agr.), Mailand um 
1475 (Drucker Christ. Valdarfer). Ph. Beroal- 
dus (erste durch Hinzufiigung der ersten Annalen- 
biicher aus cod. Med. I vervollstandigte Ausgabe: 
P. Cornelii Taciti libri quinque nuper inventi 
atque cum reliquis eius operibus editi), Rom 1515. 
B. Rhenanus, Basel 1533. J. Lipsius, Antverp. 
1574 und Ofters. I. Bekker (erklarende Sammel- 



geht technisehe Bezeichnungen, namentlieh auch 50 ausgabe). Lps. 1831. F.Ritter,Cantabrigiael848; 

° .1.1- • 1 IV- .1. . T7>' .._ 11 _•! .... f~l__l. _• 1..L T lOCJ T n f\.„li; r„A fi^nm *nAA Moili_ 



militiirisch- technisehe Einzelheiten , fiihrt nicht 
gerne Zahlen an, vermeidet es fremdartige Namen 
(7. B. in der Germania die Namen der deutschen 
Gotter) zu nennen, uberhaupt Fremdw6rter zu 
brauchen (z. B. griechische ; vgl. ann. Ill 65. VI 
26. XV 71), da dies alles mit dem hoheren von 
ihm angeschlagenen Tone nicht stimmt. Uber 
das Gemeine schwingt er sich auf in das Reich 
des erhabenen Stils (des o£[irov, das man auch 
an seinen Reden riihmte, s. o. S. 1570), des dich- 60 
terischen Ausdrucks , auf eigenartige Kraft , ge- 
drungene Gedankenfulle und Neuheit der Wen- 
dungen und Verbindungen bedacht, mit schweren 
Schritten dahin wandelnd, unbekiimmert um das 
bequeme Verstandnis seiten.s des Lesers, eher ihn 
durch eingestreute geistreiche Ratsel des vertieften 
Ausdrucks, die zur Auflftsung reizen, zum Ver- 
weilen einladend und nOtigend. So hat sich Taci- 



LpsT 1864. J. C. Orelli (ad fidem codd. Medi- 
ceorum denuo excussorum ceterorumque optimorum 
librorum rec. fit, interpretatus est), Zurich 1846, 
davon editio II, Zurich-Berlin: I Ann. ed. J. G. 
Baiter 1859; II Germ. dial. Agr. hist. edd. H. 
Schweizer-Sidler, G. Andresen. C. Meiscr 
1877—1895. Neuere Textausgaben (mit knapper 
adnot. crit.) von F. Haase (Lps. 1855), K. Halm 
(Lps. 4 1884) und K.Nipperdey (Berl. 1871—76). 

[Schwabe.] 

396) Cornelius Titianus, Freund des jiingeren 
Plinius. An ihn gerichtet epist. I 17; er ist wahr- 
scheinlich auch der Titianus, an den epist. IX 32 
geschrieben ist. [Stein.] 

35)7) Cornelius Tlepolemus. Zwci Bruder aus 
Cibyra in Pamphylien, ein Malor Tlepolemus und 
ein Wachsbildner Hiero, die in ihrer Heimatstadt 
wegen Tempelraub verfolgt werden sollten, fluch- 



1591 



Cornelius 



Cornelius 



1592 



teten zu dem Proquaestor C. Verres und traten 
in seine Dienste. Er verwendete sie erst in Asien, 
dann wahrend seiner sicilischen Statthalterschaft, 
nra Kunstwerke fiir sich auszuspiiren, und als Ge- 
hiilfen bei seinen Riiubereien (Cic. Verr. IV 30 — 
33. 47. 96). Tlepolemus nahm, ohne rCmisches 
Bilrgerrecht zu besitzen, den Namen C. an (ebd. 
Ill 69). [Mtinzer.] 

SM>8) Cornelius (Tuscus?). Cornelius und Servi- 
lius waren nach Tac. ann. YI 29 die Anklager des 10 
Mamercus (Aemilins) Scaurus ; beide wurden noch 
im selben Jahre, 34 n. Chr., verbannt, weil sie 
sich durch Bestechung von einer andern Anzeige 
hatten abhalten lassen, Tac. ann. VI 30. Als 
einen Anklager des Scaurus nennt Senec. suas. 
2, 22 einen Tuscus homo qaam improbi animi 
tarn infelicis ingenii, von dem er cine Rede citiert. 
Es ist also zweifelhaft, welchem der beideri das 
Cognomen Tuscus zukommt. [Stein.] 

399) [Corjnelius Volenti [nits HJahestianus lu- 20 
nianus, [qfuaestor) prov(inciae) AJchaiae, trfibu- 
nus) pl(tbis), [praet(or), cu]rat(or) via[e . . . CIL 

VIII Suppl. 18269 Inschriftfragment aus Lambaesis. 
Vgl. Nr. 461. Einer spateren Zeit (kurz vor 367 n. 
Chr.) gehOrt Cornelius Valentinus an, der im Album 
ordinis Thamugadensis unter den v(iri) cflaris- 
simi) genannt wird (CIL VIII 2403). [Groag.] 

400) Cornelius Valerianus, Autor des Plinius 
im VIII., X., XIV. und XV. Buch, n. h. Index der 
genannten Biicher und X 5 (als Quelle fiir ein 30 
Ereignis aus dem J. 36 n. Chr.). XIV 11 ; vgl. F. 
Mtinzer Beitrage zur Quellenkritik d. Naturg. d. 
Plin., Berlin 1S97, 370-384, der die auf ihn zuriick- 
gehenden Partien in der Naturalis historia genauer 
zu bestimmen sucht. Ein Valerianus wird III 108 
(vgl. ind. Ill) fiir eine Nachricht ganz anderer Art 
citiert, ist daher kaum mit C. identisch, sein "Name 
ausserdem wahrscheinlich unrichtig iiberliefert, 
Mflnzer a. a. O. 376, 1. Ebenso ist aber audi 
fraglich, ob C. eine Person ist mit dem Q. Cor- 40 
nelms Valerianus CIL II 2079. 3272 (die sich viel- 
leicht nicht einmal beide auf denselben beziehen), 
wie Miinzer a. a. 0. 380 will. 

401) P. Licinius Cornelius Valerianus Caesar, 
alterer Sohn des Kaisers Gallienus (253 — 268 n. 
Chr.), s. Licinius. 

402) Cornelius Victorinus, Hist. Aug. Pius 8,8 un- 
richtigiiberliefert, s. Cornelius Repentinus(Nr.299). 

403) Cornelius Ursus, Freund des jiingeren 
Plinius , an den er ep. IV 9 und V 20 schreibt. 50 
Von den Briefen mit der Adresse Urso sind VI 5 
und 13 sicher, VIII 9 wahrscheinlich an ihn ge- 
richtet. K ; [Stein.] 

404) Cornelia war eine der romischen Matronen, 
die 423 — 331 der Giftmischerei beschuldigt wur- 
den; sie trab sich selbst durch den von ihr be- 
reiteten Trank den Tod (Liv. VIII 18, 8f.). 

405) Cornelia, Tochter des Cn. Scipio Calvus 
Nr. 345unddemnachSchwesterdes P. Scipio Nasica 
Nr. 350. Im J. 540 = 214 bat ihr Vater, ihm60 
die Heimkehr aus Spanien zu gestatten. weil er 
die Mitgift fiir Cornelia zusammenbringen wollte; 
darauf beschloss der Senat, sie auf Staatskosten 
auszustatten, damit der Feldherr, von hauslichen 
Sorgen befreit, seinen Dienst thun kenne iVal. 
Max. IV 4, 10. Ammian. Marc. XIV 6, 11. Zonar. 

IX 3 Ende; vgl. den ithnlichen Senatsbeschluss 
fur M. Atilius Regulus o. Bd. II S. 2087). Un- 



genau sagen Prontin. strat. IV 3, 4 und Apul- 
apol. 18, Cn. Scipio sei so arm gestorben, dass 
er nicht einmal eine geniigende Mitgift fiir seine 
Tochter hinterlassen habe und diese vom Staate 
ihre Aussteuer erhielten; ganz ungenau und will- 
kurlich ubertragt Seneca (cons, ad Helv. 12, 6f.; 
nat. quaest. I 17, 8f.) die letztere Notiz, die 
ubrigens auch von den TOchtera des C. Fabricius, 
M\ Curius und L. Mummius iiberliefert wird, auf 
die des alteren Scipio Africanus. 

406) Cornelia, altere Tochter des P. Scipio 
Africanus Maior, noch bei dessen Lebzeiten mit 
P. Scipio Nasica Corculum Nr. 353 vermablt 
(Liv. XXXVIII 57, 2; Corculum als Schwieger- 
sohn des Africanus bczeichnet von Polyb. XXIX 
14, 1 [= Plut. Aem. Paull. 15, 3]. XXXII 13, 
1 — 7; sein Sohn P. Scipio Nasica Serapio Nr. 354 
als oonsobrinus des Tib. Gracchus von Veil. II 
3, 1 ; vgl. auch Cic. ad Att. VI 1, 17). 

407) Cornelia war die jiingere der bciden 
Tochter des P. Scipio Africanus und seiner Ge- 
mahlin Aemilia Tertia (Liv. XXXVIII 57, 2). 
Eine unglflckverheissende Beobachtung bei ihrer 
Geburt erzab.lt Plin. n. h. VTI 69. Sie vermahlte 
sich in friiher Jugend mit dem weit alteren Tib. 
Sempronius Gracchus. Nach der bestimmten Ver- 
sicherung des Polybios (XXXII 13, Iff. und bei 
Plut. Tib. Gracch. 1, 1. 4, 1) fand nicht nur die 
Heirat, sondern auch die Verlobung erst nach dem 
571 = 183 erfolgteh' Tode des Africanus auf Be- 
schluss der Pamilie statt. Livius XXXVIII 57, 
3 zweifelt, ob diese Angabe Glauben verdiene 
oder die der rtimischen Annalisten, die die Ver- 
lobung mit den Scipionenprocessen in Zusammen- 
hang brachten und gewissermassen als die Be- 
lohnung darstellten, die Gracchus von Africanus 
fiir sein edelmiitiges Bcnchmen ernpfmg (Liv. 
XXXVIII 57, 2—8; daraus Val. Max. IV 2, 4. 
Gell. XII 8, 1—4. Dio frg. 62. vgl. Sen. controv. 
V 2, 3). Fiir uns kann in diesem Falle die Ent- 
scheidung nicht zweifelhaft sein. Die roman- 
hafte Erzahlung der romischen Berichte gehort 
ins Reich der Erfindungen ; zu ihrer Bntstehung 
hatte die Rhetorik beigetragen (vgl. Cic. de inv. 

I 91), und die Einzelheiten waren, wie schon Plu- 
tarch (Tib. Gracch. 4, 1) bemerkte, einer Erziih- 
lung von der Verlobung des jiingeren Tib. Grac- 
chus entlehnt, die ubrigens vielleicht selbst un- 
goschichtlich ist (vgl. Mommsen Rom. Forsch. 

II 478, 129. 492f., 158. Niese De annalibus 
Romanis observations alterae VIII Anm.). Die 
Behauptung Senecas. die Tochter des Africanus 
batten ihre Mitgift aus dem Staatsschatz erhalten, 
ist falsch (iiber ihre Entstehung vgl. Cornelia 
Nr. 405) : vielmehr hatte der Vater jeder von ihnen 
funfzig Talente hinterlassen. Davon erhielten 
sie die Halfte bei der Verheiratung von ihrer 
Mutter, die andere Halfte nach deren Tode 592 
= 162 von ihrem Enkel und Erben P. Scipio 
Aemilianus unverziiglich ausgezahlt (Polyb. XXXII 
13, Iff.). Damals war Cornelia hochstens drei 
Jahre verheiratet, was Mommsen (a. 0. 489—491) 
durch Combination folgender Thatsachen ermittelt 
hat : Cornelia gebar ihrem Gemahl zwo'lf Kinder, 
abweehselnd Knaben und Madchen (Sen. cons, ad 
Marc. 16, 3: ad Helv. 10, 6. Plin. n. h. VII 57. 
Plut. Tib. Gr. 1, 2); der alteste Sohn war der 
dem Vater gleichnamige Tiberius, zugleich das 



1593 



Cornelius 



Cornelius 



1594 



f 



alteste oder zweitalteste Kind; seine Geburt fallt 
592 = 162 und der Tod des Vaters nicht lange 
nach 601 = 153. Cornelias Gatte war ein Mann 
von strenger Religiositat (s. ein Beispiel bei P. 
Scipio Nasica Corculum Nr. 353) ; er sah einst auf 
seinem Ehebette ein Schlangenpaar , die Often- 
barung der Genien des Hausherrn und der Haus- 
frau, und befragte deswegen die Haruspices. Sie 
rieten, eines der Tiere zu toten, das andere zu 



Tiberius im J. 621 = 133 xr)v zs jxryiiqa xai rot 
Tiatbia eg to nlfj-Bog nagrjyE ovvSsofieva, wird gesagt, 
dass Cornelia durch Thaten die Gracchen unter- 
sttitzt habe ; an beiden Stellen wird, wie an der 
angefiihrten , hervorgehoben , dass nur gewisse 
Quellen diese Angaben machten ; in beiden Fallen 
stehen ihnen andere Berichte gegenuber und werden 
diese durch innere und aussere Griinde als die 
weitaus glaubwiirdigeren erwiesen. Die eine An- 



entlas'sen- von dem Ehepaar werde dann der Teil, 10 gabc ist die, dass C. im Verein mit ihrer Tochter 

_.. .ii T 1*1.1*11 _J 1- IT i^i^ C ^l.n-i* n nminnli)i Uni t\i i"i \ Arm linnnn tYV\ I nVh 



dessen Genius getotet werde, gleichfalls sterben 
Darauf beschloss Gracchus das Weibchen freizu- 
lassen, weil C. junger war und ihn uberleben 
sollte, und starb nach knrzer Frist. Diese Be- 
gebenheit hat C. Gracchus iiberliefert (bei Cic. 
div I 36. II 62) und haben ihm Spatere Ofter 
nacherziihlt (Val. Max. IV 6, 1. Plin. n. h. VII 
122. Auct. de vir. ill. 57, 4. Plut. Tib. Gr. 1, 
2); sie ist nur verstandlich, wenn man sie in Zu- 



ihrcn Schwiegersohn Scipio Aemilianus im J. 625 
= 129 umgebracht habe, um zu verhindern, dass 
er die Gesetze des Tib. Gracchus umsturze (Appian. 
bell. civ. I 20); von den verschiedenen Partei- 
lttgen iiber den Tod des Scipio (s. o. S. 1458f.) ist 
dies die gemeinstc und erlogenste. Die zweite An- 
gabe ist, dass sie ihrem Sohn Gains 633 = 121, 
als die Entscheidung bevorstand, Soldner als 
Schnitter verkleidet zuschickte ; ravra j>dj> sv xotg 



sammenhang mit verwandten religiosen Anschau- 20 smyroXm; avzrjs yviytisva yeygaqptfai jiqos tor 

ungen betrachtet (vgl. Preller- Jordan Rom. -■»- ^-+ " «-- - * « "• >•«- >«* «»•" « s 

Myth. II 196f.). Nach dem Tode des Gemahls 

ging C. keine zweite Ehe mehr ein, sie ver- 

schmahte sogar die Hand des wiederholt in Rom 

weilenden agyptischen Thronpratendenten , des 

spatern KOnigs Ptolemaios VIII. Euergetes II. 

(Plut. Tib. Gr. 1, 3, vgl. Pauly R.-E. VI 220, 1). 

Sie widmete sich ganz der Erziehung ihrer Kinder, 

von denen nur drei am Leben blieben, die spa- 



vlor (Plut. C. Gracch. 13, 1); hier hat man es 
ohne Zweifel mit boswilliger Auslegung vonharm- 
losen Worten zu thun, -wodurch man die Behaup- 
tung stiitzte, Gracchus habe zuerst zu gewalt- 
samen Mitteln gegriffen. Plutarch fiigt selbst 
bei, dass nach anderen Darstellungen C. das Ver- 
halten ihres Sohnes vielmehr missbilligte. Das 
ist ohne Zweifel das Riehtige, denn es wird durch 
eine von Freund und Feind beglaubigte Ausse- 



teren Tribunen Tib. und C. Gracchus und eine 30 rung des C. Gracchus selbst bewiesen; er stellte 



Tochter Sempronia, die sich mit P. Scipio Aemi- 
lianus Nr. 335 vermahlte (Plut. Tib. Gr. 1, 3; 
ungenau Sen. cons, ad Marc. 16, 3 ; ad Helv. 16, 6). 
Cornelia war eine hochgebildete Frau und ausge- 
zeichnete Mutter; die SoTine sollen sogar ihre 
glanzende Rednergabe zum guten Teil ihr ver- 
dankt haben (Cic. Brut, 104. 211. Tac. dial. 28. 
Quintil. inst. or. II, 6. Plut. Tib. Gr. 1, 3). 
Allgemein bekannt ist die Ausserung, die sie zu 



Ende 630 = 124 sofort nach dem Antritt seines 
crsten Tribunats einen Antrag, der sich speciell 
gegen M. Octavius, den friiheren Amtsgenossen 
und Widersacher seines Bruders, richtete ; er liess 
den Antrag fallen mit den Worten, er begnadige 
den Octavius, weil seine Mutter fiir ihn gebeten 
habe (Diod. XXXIV 25, 2. Plut. C. Gr. 4, 1). 
Dazu stimmen nun auch die beiden Bruchstiicke 
von Briefen der C, die kurz vorher, als sich Gaius 



mit ihren Kleinodien prunkenden Campa-40um das Tribunat bewarb, gesenneben sinil una 



nerin gethan haben soil, ihre Kinder seien ihr 
Schmuck ; sie wird allein von Val. Max. IV 4 Anf. 
unter Berufung auf eine Apophthegmensammlung 
des sonst nirgends erwahnten Pomponius Rufus 
angefuhrt und scheint inir nur von der Gemahlin Pho- 
kions auf Cornelia ubertragen (vgl. Plut. Phoc. 19, 
wo auch die lonierin der Campanerin entspricht. 
weil beide wegen ihrer Uppigkeit beriichtigte 
Landschaften vertreten). Auch der hochstrebende 



ihn abmahnen, den Bruder zu rachen und dic- 
selbe Balm zu betreten. Diese zwei Brieffrag- 
mente sind schon dadurch iimerlich als echt be- 
glaubigt; auch die iiusseren Umstiinde sprechen 
dafiir. Denn Cicero (Brut. 211 ; daraus ohne eigene 
Kenntnis Quintil. inst. or. I 1, 6) hat Briefe der 
Cornelia, vielleicht an die Sohne gerichtete, ge- 
lesen, und der mit ihm befreundete Cornelius Nepos 
hat diese Stucke erhalten (vgl. o. S. 1413f.) offenbar 



Ehrgeiz ihrer SOhne wurde auf die Mutter zu- 50 in deinBucht/ewrjfortVw/s/yoim^'.obwohlsicmden 

- " Hss. am Schluss nach den Viten des Cato und At- 

ticus stehen, die ausdem Buche de Idstoricis Latinis 
stainmen' (abgedruckt in den Ausgaben des Nepos, 
auch bei P e t e r Frg. hist. Rom. 222). Die Echt- 
heit der Bruchstiicke ist wiederholt bestritten 
worden, so von Merck lin in der jetzt ganz wert- 
loscn Dissertation De Corneliae vita moribus et 
epistolis i.Dorpat 1844) 27ff.: sie ist in iiberzeu- 
gender Weise verteidigt und bewiesen worden von 



riickgefuhrt. Sie habe sich oft vor ihnen beklagt, 
dass man von ihr nur als der Schwiegermutter 
Scipios und nicht als von der Mutter der Grac- 
chen sprache. Plutarch (Tib. Gr. 8, 4) sagt aus- 
drucklich, dass dieser Aussprueh nur von einigen 
Gegnern iiberliefert werde; er klingt ohnehin, 
als ob er erst in spaterer Zcit erfunden worden 
ware, als man Cornelia in der That die Mutter der 
Gracchen nannte (z. B. auf der Statuenbasis, s. 



Ihr Verhiiltnis zu den politischen Bcstre- 60Nipperdey Opuscula 95—118 (vgl. auch Jor- 



bungen der Stihne sucht e Xipperdey (Opuscula 
104 — 109) naher zu beleuchten und kam zu dem 
Ergebnis, dass sie wohl die von ihnen verfochtene 
Sache, aber nicht ihre Absichten billigte. Er 
hat dabei nicht genug beachtet, dass tendenziose 
Darstellungen ihr Bild entstellt haben. An zwei 
Stellen, ausser an der eben angefiihrten und etwa 
Dio frg. 82, 8, wonach der sich gefiihrdet glaubende 



dan Herm. XV 530-534 ; andere Litteratur bei 
Teuffel-Schwabe I 202 § 123, 6; nur dem 
Titel nach kenne ich bisber: K. Hubel Die Brief- 
fragmente der Cornelia, der Mutter der Gracchen, 
Diss. Erlangen 1900. H. Schlelein De epistolis, 
quarum fragmenta in Cornelii Nepotis libris tra- 
duntur, Corneliae Gracchorum matri vindicandis, 
Diss. Miinchc-n 1900). Allerdings hat sich Ed. 



1595 



Cornelius 



Cornelius 



1596 



Meyer (Untersuchung. zur Gesch. der Gracchen 
[Halle 1894] 4, 6) entschieden gegen diese An- 
sicht ausgesprochen ; doch dass Verleumdung 
Zeugnisse, die ihr unbequem sind, einfacli un- 
beachtet lasst, ist nichts Ungewoimliches und 
kein Beweis gegen ihre Authenticitat. Auch 
der von Plut. C. Gr. 13, 1 erwahnte Brief ist, 
wie schon gesagt wurde, nicht firr gefalscht zu 
halten, sondern nur falsch ausgelegt. Wie Cornelia 
schon bei Lebzeiten von den Gegnern ihrer Sohne 
angegriffen wurde, zeigt die Erzahlung bei Plut. 
ebd. 4, 2, wo, beilauflg bemerkt, C. Gracchus sie 
ebenso mit dem Namen nennt, wie sie selbst in 
dem zweiten Brieffragment ihren alteren Sohn. 
Eine Erwahnung der Mutter flndet sich ausser- 
dem in dem Brnchstiick eincr andern Rede des 
G. Gracchus bei Cic. de or. Ill 214; es ist un- 
bekannt, wann diese Rede gehalten worden ist, 
aber man hat zu viel Gewicht darauf gelegt, dass 
sie die Anwesenheit der C. in Rom voraussetzt, 
Nach Oros. V 12, 9 hatte sich C. schon nach 
dem Tode des Tib. Gracchus nach Misenum zu- 
riickgezogen, was auch den Briefwechsel mit Gams 
erklart, aber trotzdem kann sie zeitweilig auch 
in Rom gelebt haben. In Misenum traf sie die 
Nachricht von dem Untergange ihres zweiten 
Sohnes; sie ertrug ihr schweres Geschick mit 
SeelengrOsse und lebte noch langere Zeit im Ver- 
kehr mit bedeutenden und edlen Mannern, stolz 
auf ihre Kinder, fiir die, wie sie sagte, die Tempel, 
in denen sie gefallen, wiirdige Grabmaler seien, 
von alien verehrt und bewundert (Veil. II 7, 1. 
Sen. cons, ad Marc. 16, 3 ; ad Helv. 16, 6. Oros. 
V 12, 9. Plut. C. Gr. 19, 1—3). Sie gait als 
das Muster einer Rflmerin und wert, der Pene- 
lope gegeniibergestellt zu werden (Aelian. v. h. 
XIV 45, 1). Von ihrem hohen Anschen zeugt 
die Errichturig einer bronzenen sitzenden Portrat- 
statue mit Aufschrift in der Porticus Metelli (Plin. 
n. h. XXXIV 31. Plut. C. Gr. 4, 1). Hier ist 
1878 die Basis mit der Aufschrift : Cornelia Afri- 
eani f(ilia) Gracehorum (scil. mater) gefunden 
worden ; die Statue selbst ist schon ziemlich friih 
untergegangen, da nach einer zweiten Inschrift 
die Basis spiiter zur Aufstellung cines Werkes 
des alteren Bildhauers Teisikrates benutzt wurde 
(Ephem. epigr. IV 816 = CIL VI 31610, vgl. 
Bernoulli Rom. Ikonogr. I 72ff.). Dass C. im 
J. 653 = 101 noch am Leben war, wird oben 
Bd. II S. 264, 38 irrtumlich gesagt ; es handelt 
sich dort um ihre Tochter Sempronia. 

408) Cornelia, Tochter des P. Lentulus Con- 
suls 592 = 162 (Nr. 202), erhieK von ihm nur 
cine sehr geringe Mitgift (Licinian. p. 14 Bonn.). 

405)) Cornelia, Gemahlin des M. Lirius Drusus 
Consuls 642 = 112 und Mutter des gleichnamigen 
Volkstribunen von 663 = 91. Sie iiberlebte den 
Solm, der in diesem Jahre seinen Tod fand, und 
ertrug dieses Missgeschick ruing (Sen. cons, ad 
Marc. 16, 4, vielleicht unzuverlassig). 

410) Cornelia. Sex. Nonius heisst Lei Plut. 
Sulla 10, 5 adektpiSovg des Dictators Sulla ; seine 
Mutter war also dessen Schwester. 

411) Cornelia. Cic. bar. resp. 22 bezeiclmet 
P. Scipio Nasica, der die Mater Idaea empflng 
(Nr. 350) als abavus des Cn. Lentulus Marcellinus 
Nr. 228. Wahrscheinlich war Nasica vielmehr 
alarms des Marcellinus, indem dessen Mutter, die 



Gemahlin von Nr. 230, eine Tochter des P. Scipio 
Nasica Serapio Nr. 355 war (vgl. Drumann G. 
R. II 405). 

412) Cornelia war die Tochter Sullas aus seiner 
ersten, in fruher Jugend geschlossenen Ehe mit 
Ilia (Plut. Sulla 6, 16). Sie vermahlte sich mit 
Q. Pompeius Rufus, der 666 = 88 mit Sulla Consul 
war und Ende dieses Jahres ermordet wurde -, sie 
hatte ihm zwei Kinder geboren, die als Enkel 

10 Sullas bezeichnet werden, Q. Pompeius Rufus, 
den spateren Volkstribunen von 702 = 52 (Ascon. 
Milon. p. 28), und Pompeia, die zweite Gemahlin 
Caesars (Suet. Caes. 6). Wahrscheinlich zur Zeit 
der sullamschen Proscriptionen kaufte sie fiir einen 
ziemlich geringen Preis die scbone Villa des Marius 
bei Misenum und verkaufte sie spater mit grossem 
Vorteil an L. Lueullus (Plut. Mar. 34, 4). Ihre 
Habgier bewies sie noch im J. 503 = 51 gegen 
ihren eigenen Sohn in so hartherziger Weise, dass 

20 es sogar dessen Gegner riihrte (Val. Max. IV 2, 
7; vgl. Bd. IK S. 1269). Vielleicht lebte sie audi 
damals noch in der Nahe von Misenum, da der 
Sohn in Bauli seinen Unterhalt suchte (vgl. Cael. 
ad fam. VIII 1, 4, dazu Graeven Neue Jahrb. 
f. Phil. I 1898, 332f.). 

413) Cornelia war die Tochter des L. Corne- 
lius Cinna Nr. 106 und wurde mit Caesar ver- 
mahlt, als dieser erst 16 Jahre alt war, also 670 
= 84 oder 668 = 86 ; bald darauf gebar sie ihm 

30 seine einzige Tochter Iulia (Suet. Caes. 1. Plut. 
Caes. 1, 1. 5, 3, vgl. Veil. II 41, 2. Val. Max. 
IX 9, 1. Appian. bell. civ. II 121. 126). Sulla 
vcrlangte, dass Caesar sich von ihr trenne, aber 
er weigerte sich dessen standhaft (Veil. Suet. 
Plut.). Sie starb um die Zeit seiner Quaestur, 
etwa 686 = 68, und er hielt ihr die Leichenrede 
(Suet. Caes. 6. Plut. Caes. 5, 2). 

414) Cornelia. Oros. V 24, 16 nennt Cn. Do- 
mitius Ahenobarbus, der 673 = 81 als junger 

40 Mann in Africa seinen Tod fand, Oinnae gener. 
Er war also mit einer Schwester der Vorigen vW- 
mahlt. 

415) Cornelia. Eine alte Inschrift von einem 
Grabe der Via Salaria lautet : [Cornjelia L. Sci- 
pionfis ffilia)} Vatieni (uxor) (CIL VI 1296). 
Wer der Vater und wer der Gemahl dieser Frau 
waren, ist nicht festzustellen, doch gehOrte jener 
wohl zu den Nachkommen des L. Scipio Asiagenus 
Nr. 337, bei denen das Praenomeu L. hauptsiieh- 

50 lich in Gebrauch war. 

416) Cornelia, Tochter des L. Scipio Asiaticus 
Consuls 671 = 83 (Nr. 338), noch bei Lebzeiten 
ihres Vaters mit P. Sestins vermahlt, folgte mit 
diesem dem Vater im J. 672 = 82 nach Massilia 
(Cic. Sest. 7) und war 692 = 62 in Rom, wahreud 
ihr Gatte als Proquaestor in Makedonien weilte 
(Cic. ad fam. V 6, 1). 

417) Cornelia wurde dem P. Cornelius Scipio 
Nasica Nr. 352 vou seiner Gemahlin Aemilia Le- 

60 pida geboren, ehe er in die Familie der Meteller 
iiberging und den Namen Q. Caecilius Metellus 
Pius Scipio annahm. Im J. 699 = 55 vermahlte 
sie sich mit P. Licinius Crassus, dem Sohne des 
Triumvirn Crassus. Die Zeit ergiebt sich daraus, 
dass P. Crassus im vorhergehenden Jahre noch unter 
Caesar in Galliendienteundim Anfangdesfolgenden 
seinem Vater nach Syrien folgte, wo er mit ihm zu- 
sammen im Kampf gegen die Parther seinen Tod 



1597 



Cornelius 



Cornelius 



1598 



fand (Lucan. VIII 90ff., dazu Schol. Bern. : Iluno 
loewm poeta de Livio tulit [frg. 46 in B. CXII ge- 
horig]. Plut. Pomp. 55, 1. 74, 3. Appian. bell. civ. II 
83. Zonar. X 9 [aus Plut.]). Die junge Witwe, 
deren Schonheit, Tugend und Bildung besonders 
von Plut. Pomp. 55, 1 (daraus Zonar.) geriihmt 
wird, vermahlte sich ein Jahr spater, Anfang 702 
= 52, zum zweitenmale mit Cn. Pompeius, der 
bedeutend alter war (Lucan. Ill 21ff. Plut. Pomp. 
55, If., vgl. 76, 5. Dio XL 51, 3 ; falsche Zeit- 10 
bestimmung bei Veil. II 54, 2; vgl. auch Bd. Ill 
S. 1225). Als Pompeius im Friihjahr 705 = 49 
Italien verlassen musste, sandte er Cornelia mit 
seinem jtingsten Sohne Sextus nach Lesbos (Lucan. 
V 722ff. VIII 40ff. Plut. Pomp. 66, 2). Wah- 
rend ihres Aufenthalts auf der Insel bezeugte sie 
dem nahen Pergamon ihre Gunst, und es wurde 
ihr dort eine Ehrenstatue Sid xt ztjv jieqi avti/v aa>- 
cpQOovvrjv xal zijv xgog zov dij/xov evvoiav errichtet 
(Dittenberger Syll. 2 345 = Inschriften von Per- 20 
gamon II 412). Vom Schlachtfelde bei Pharsalos 
hinweg eilte Pompeius im August 706 = 48 nach 
Mytilene, um die Seinigen abzuholen. Nach Li- 
vius (frg. 46 bei Schol. Bern. Lucan. VIII 91) 
empflng ihn Cornelia mit den Worten: Vicit, 
Magne, felieitatem tuam mea fortuna. quid enim 
ex funesta Crassorum domo reeipiebas, nisi ut 
minueretur magnitudo tual Diese Wiedersehens- 
scene ist von Geschichtschreibern und Dichtern 
weiter ausgemalt worden (Plut. Pomp. 74, 1 — 75, 30 
1 ; daraus Zonar. X 9. Lucan. VIII 40ff., vgl. 
Veil. II 53, 2, Appian. bell. civ. II 83. Dio XLTI 
2, 3), wie iiberhaupt Cornelias trauriges Geschick 
sich fiir poetische Behandlung eignete und in 
dem Epos des Luean eine solche gefunden hat. 
Von Lesbos begleitete Cornelia den Pompeius auf 
der weiteren Plucht nach Agypten und musste 
von dem Schiffe aus seine Ermordung mit an- 
sehen (Lucan. VIII 577ff. Plut. Pomp. 76, 1. 77, 
1. 78, 2. 79, 2. 80, 1 ; apophth. Pomp. 15. Appian. 40 
bell. civ. II 85. Zonar. X 9). Sie entfloh mit 
Sex. Pompeius nach Kypros, kehrte dann mit 
Caesars Erlaubnis nach Italien zuriick und setzte 
die Asche ihres Gemahls, die ihr ausgeliefert 
wurde, auf seinem albairisch.cn Gute bei (Liv. ep. 
CXII. Oros. VI 15, 28. Lucan. IX 51 ff. 171ff. 
Plut. Pomp. 80, 5. Dio XLII 5, 7). 

418) Cornelia, cuius castitas pro exemplo 
habita est, soil nach Ascon. Milon. p. 38, 5 Ge- 
mahlin des M. Aemilius Lepidus , Interrex 702 50 
= 52, des spateren Triumvirn, gewesen scin. Uber 
die Schwierigkeiten, die diese Angabe bietet, und 
deren mOglichen Losungen vgl. v. Rohden o. 
Bd. I S. 560f. [Munzer.] 

419) Cornelia, Tochter der Scribonia, wahr- 
scheinlich aus deren Ehe mit Scipio cos. 38 v. Chr. 
(vgl. Nr. 332), Halbsch wester der Iulia, der Tochter 
des Augustus (vgl. die Stammtafel zu Nr. 227), 
vermahlt mit Paullus Aemilius Lepidus cos. 34 

v. Chr., dem sie drei Kinder gebar (s. o. Bd. 160 
S. 565f.). Sie starb im Consulatsjahre ihres Bru- 
ders, wohl des P. Scipio cos. 16 v. Chr. (Nr. 333). 
Auf ihren Tod dichtete Properz eine Elegie (V 
11), der die Angaben fiber sie entnommen sind. 

420) (Cornelia). Aus dem Namen des Sisenna 
Statilius Taurus cos. 16 n.Chr. und seiner Tochter 
(Statilia) Cornelia (s. Nr. 427) kann man schliessen, 
dass die Mutter desselben und Gemahlin des T. Sta- 



tilius Taurus, Miinzmeisters um 10 v. Chr., eine Cor- 
nelia Sisennae filia war, vermutlich die Tochter des 
L. Sisenna (Nr. 372) ; vgl. D e s s a u Prosop. Ill 263ff. 

421) (Cornelia), Tochter des L. Lentulus cos. 
751 = 3 v. Chr. (Inst. lust. II 25 pr.), s. Nr. 198. 

422) Cornelia wurde im J. 23 n. Chr. zur 
virgo Vestalis emannt und erhielt eine Aussteuer 
von zwei Millionen Sesterzen (Tac. ann. IV 16). 

423) Cornelia Seipionum gentis, Gemahlin 
des L. Volusius Saturninus cos. 3 n. Chr., dem 
sie in seinem 62. Lebensjahr, 25 n. Chr., den 
Q. Volusius Saturninus cos. 56 gebar (Plin. n. h. 
VII 62; das Jahr ergiebt sich daraus, dass ihr 
Gemahl im J. 56 im Alter von 93 Jahren starb, 
vgl. Tac. ann. XIII 30). Dieselbe ist Cornelia 
L. [ Volujsi (CIL VI 7387 Grabschrift einer Sclavin, 
vgl. 9343) und Cornelia L. f. Volusi Saturnini 
pfraefecti?) (Inschrift einer WasserleitungsrOhre 
CIL XV 7441, vgl. Dressels Anmerkung); doch 
ist zu bemerken, dass alle uns bekannten Sci- 
piones und Lentuli Scipiones dieser Zeit das Prae- 
nomen Puhlius fiihrten. Mit Licinia Cornelia 
M. f. Volusia Torquata (CIL VI 31726) ist sie 
nicht zu identificieren (anders Stevenson Bull, 
d. Inst. 1885, 25f.); vgl. Dessau Prosopogr. Ill 
487. Eine Tochter der C. und des Volusius war 
wohl Volusia Cornelia (CIL VI 7296. 7308). Der 
Patron des L. Cornelius Torquati I. Philetus, 
dessen Grabschrift beim Scipionengrab gefunden 
wurde (CIL VI 16125). wird gleichfalls ein Volusius 
Torquatus gewesen scin, s. bei Volusius. 

424) Cornelia, Gemahlin des C. Calvisius Sa- 
binus cos. 26 n. Chr. (o. Bd. Ill S. 1412 Nr. 15). 
Wahrend der Statthalterschaft ihres Mannes in 
Pannonien betrat sie in militarischer Tracht das 
Lager, revidierte die Wachtposten und gab sich 
schtiesslich im Hauptquartier dem Militartribunen 
T. Vinius hin. Nach Rom zuriickgekehrt, wurde 
sie deshalb im J. 39 angeklagt und tOtete sich 
selbst zugleich mit ihrem Gatten (Tac. hist. I 48. 
Plut, Galba 12. Dio LIX 18, 4). Welcher Linie 
der Cornelier sie angehorte, ist unbeka-nnt. 

425) Cornelia ex familia Cossorum wurde im 
J. 62 zur virgo Vestalis ernannt (Tac. ann. XV 
22). Vermutlich dieselbe ist Cornelia Cossi Qae- 
tulici (o. Nr. 222) fil(ia) vfirgo) Vestalis), CIL 
VI 17170, vgl. Klebs Prosopogr. I 470 nr. 1211. 
Nicht ausgeschlossen ist ihre Identificierung mit 
der Folgenden. 

42C) Cornelia, virgo Vestalis maxima, wurde 
um das J. 91 n. Chr., nachdem sie schon vorher 
angeklagt, aber freigesprochen worden war, von 
Domitian wegrii Unkeuschheit verurteilt und 
lebendig begraben (Plin. ep. IV 11, 6ff. Suet. 
Dom. 8. Euseb. arm. ad a. Abr. 2106 = Hieron. 
ad a. 2107 [91 n. Chr.]; vgl. Dio LXVII 3, 3. 
Philostr. v. Apoll. VII 6, 132. Iuv. IV 8—10 mit 
Friedlanders Anm.). 

427) (Statilia) Cornelia, Tochter des Sisenna 
Statilius Taurus cos. 16 n. Chr., s. Statilius (auf 
diese und nicht auf die Gemahlin des Taurus be- 
zieht sich IGS I 1854, vgl. CIL XV 7440). 

428) [Val] eric- Mar[cia] Hostilia Orispina 
Moeeia Cornelia s. Valerius. 

429) Volusia Cornelia s. Volusius. 

430) Ta .' . . a Cornelia Asiana Nummi 
Faustiniani (sc. uxor). CIL VI 32329 Acta lud. 
saec. vom J. 204 n. Chr. 



599 



Cornelius 



Cornelius 



1600 



430a) Servenia Cornuta Cornelia Calpurnia Va- 
leria Secunda Cotia (?) Procilla . . . Luculla s. 
Servenius. [Groag.] 

431) [Corjnelia Oaesia (Oaetulieal), Cn. 
Lentulfi Gajetulici f(Uia) , CIL VI 1391. Sie 
hat wohl eher fur die Tochter des Cn. Cornelius 
Lentulus Gaetulicus, Consuls im J. 26 n. Chr. 
(Nr. 220), als des Consuls suffectus im J. 55 (Nr. 221) 
zu gelten ; denn der Schwagerdes ersteren, L. Apro- 



Gell. XVII 18) iiberlieferte, in Zweifel zieht (o. 
Bd. I S. 2276), so ist Fausta dennoch zu den 
verrufensten Frauen der letzten republicanischen 
Zeit zu zahlen. [Mllnzer.] 

437) Fausta (Cornelia) (CIL VI 16470), ver- 
mutlich Tochter des Faustus Sulla (Nr. 378), s. d. 

[Groag.] 

438) Cornelia Gaetulica, Tochter des (Cn. 
Cornelius Lentulus) Gaetulicus, des Consuls im 



nius Caesianus, diirfte sein Cognomen gerade so wie 10 J. 26 n. Chr. (Nr. 220), CIL VI 1392. [Stein.] 
Cornelia ihren zweiten Namen nach der Gattin des l,m " 1 ™"' ; " 1 a "" f; " ' TW ^' A °° M ''■■ 

L. Apronius hahen.*) Dann hat wohl auch Cornelia 
gleich den ubrigen Kindern des alteren Gaetulicus 
das Cognomen Gaetulica gefuhrt. [Stein.] 

432) Cornelia Cethegilla, Tochter des M. Ga- 
vius Squilla Gallicanus (des Consuls 127 n. Chr. 
oder des Consuls vom J. 150) und der Pompeia 
Agrippinilla, Enkelin des M. Pompeius Macnnus 
Theophanes, eines Nachkommen des Geschicht 



439) (Cornelia) Gratia, Tochter des M. Cor- 
nelius Fronto (Nr. 157) und der Gratia, s. Gratius. 

440) ■ (Cornelia?) Magna. In der Inschrift 
CIL VI 1961 (aus dem J. 5 n. Chr.) werden 
neben einem Freigelassenen des Cn. Cinna Mag- 
nus (Nr. 108) auch Antipho Magnae (sc. servus) 
und Synhettts Magnae l(Aertus) a manu genannt. 
Vennutlich ist diese Magna die Schw ester des 
Cinna Magnus gewesen. Ein Sclave einer Cornelia 



schreibers Theophanes von Mytilene. Griechische 20 Magna setzte die Weihinschrift CIL V 3296 in 
Ehreninschrift der Cornelia, von der Stadt My- Verona. 



tilene gesetzt (Ephem. epigr. II p. 6 nr. XXIII 
[vgl. Kaibel ebd. S. 19ff.] = IGIns. II 237). Der 
Name der Cornelia ist vielleicht so zu erklaren, 
dass ihre Grossmutter vaterlicher- oder uiQttcr- 
licherseits eine Cornelia Cethegilla war. 

433) Cornelia Cethegilla Aemilia Plancina 
setzte ihrer Freigelassenen Cornelia Pia die Grab- 
schrift, CIL VI 16431 



441) Cor(nelia) L. f. MarulKna, e(larissima) 
f(cmina), der die (nicht mehr erhaltene) Inschrift 
CIL IX 662 (Ausculum) gesetzt ist; vgl. zu Ser. 
Scipio Orfitus Nr. 362. [Groag.] 

442) [CJornelia Ocdfla] setzt ihrem Gatten 
M. Arrecinus Clemens die Grabschrift Ephem. 



epigr. VIII 79 (Rubi). [Stein.] 

443) Cornelia Orestina (so lautet der Name 

4^4) Lucia Lorenia Cornelia Crispina s. Lo-30bei Dio [codex Marcianus, vgl. Boissevain z. 

St.], daraus bei XiphiHnus und Zonaras, Koqvtj- 
iiov 'Oq(otov dvyaTrjQ bei Ioann. Antioch. [ohfje 
Autoritat], aber IAvia Orestilla bei Sueton; die 



renius. 

435) (Cornelia) Dolabellina, in der Grabschrift 
einer Freigelassenen genannt (CIL VI 5096, die 
Grabstiitte stammt aus der Zeit des Tiberius und 
Claudius, vgl. ebd. p. 927), vielleicht Tochter des 
P. Dolabella Nr. 143. [Groag.] 

436) Fausta (Cornelia), Tochter des Dictators 
Sulla und Zwillingsschwester des Faustus Sulla 
Nr. 377 (s. d.; Plut. Sulla 34, 5). Sie war 



Form Cornelia Orestina wird gestutzt durch den 
Namen des P. Scipio Orestinus Nr. 356, docli 
ware denkbar, dass C. auch das Gentile Lima 
gefuhrt habe), vermutlich Tochter oder Schwester 
des Scipio Orestinus, heiratete im J. 37 n. Chr, 
den C. Calpumius Pisu. Unmittelbar nach der 



in erster Ehe mit C. Memmius verheiratet, ver- 40 Hochzeit wurde sie von Caligula ihrem Gatten 



mutlich sehr jung, da hereits gegen Ende 700 
54 der Sohn beider als Fiirsprecher fur M. Aemi- 
lius Scaurus auftrat. Wenige Monate vorher war 
die Ehe Faustas mit C. Memmius aufgelost wor- 
den, und sie hatte eine neue mit T. Annius Milo 
geschlossen (Ascon. Scaur. 25, vgl. Cic. ad Att. 
IV 13, 1). Diesen begleitete sie im Anfang 
702 = 52 auf der Reise nach Lanuvium, die 
durch das Zusammentrcffen mit P. Clodius ver 



entfuhrt, aber nach wenigen Tagen verstossen und 
zwei Jahrc nachher verbannt, weil sie mit Piso 
wieder Gemeinschaft gepflogen hatte (Suet. Cal. 
25. Dio LIX 8, 7. Zonar. XI 5. Schol. Iuv. V 
109, vgl. o. Bd. Ill S. 1377). 

444) Seia Modes [ta Uljpia (?) . . . . ia Cor- 
nelia Patruina Publiana (Rev. arch. XXXIII 
1898, 442 nr. 112) s. Seius. [Groag.j 

445) Paulla Cornelia. Das Fragment eincs 



inenisvoll wurde (Cic. Mil. 28. 55. Ascon. Mil. 50 Travertinsarkophags aus den Scipionengrabern 



p. 27. 29f.); nach seiner Verurteilung hlieb sie 
in Rom (Cic. ad Att. V 8, 2f.). Sie hatte ihm 
und gewiss auch ihrem erstecl Gatten nie die 
Treue hewahrt; ihr eigener Bruder spottete iiber 
ihre Sittenlosigkeit (Macrob. sat, II 2, 9), und 
noch in der Triumviralzeit war sie stadtbekannt 
(Hor. sat. I 2, 64). Auch wenn man die Er- 
ziihluiig von ihrem Ehebruche mit dem Geschicht- 
schreiber Sallust, die der Zeitgenosse Varro (bei 



*) L. Apronius o> (Caesiai 

L. Apronius Caesianus (Apronia) co Cn. Cornelius 

Lentulus 
j Gaetulicus 
! cos. 26 
| (Nr. 220) 

Cornelia Caesia (Gaetulica"?) 



tragt die Inschrift: [PJaulla Cornelia Cn. f. 
HispalU (scil. uxor). Da das Cognomen Hi- 
spallus nur fur den Consul von 578 =176 (Nr. 
346) feststeht, so kOnnte diese Cornelia dessen 
Frau und etwa die Tochter des Cn. Cornelius 
Lentulus Nr. 176 oder des Cn. Cornelius Dola- 
bella Nr. 131 sein. Das Material des Sarkophags 
und die Orthographic der Inschrift lassen aber 
vermuten, dass sie spater anzusetzen und der Ge- 
60mahl unbekannt ist (Mommsen CIL I 39 p. 21, 
vgl. VI 1294. Dessau lu). [Miinzer.] 

446) Iulia Cornelia Paula Augusta, erste Ge- 
mahlin des Kaisers Elagabal (218— 222 n. Chr.), 
s. Iulius. [Stein.] 

447) Cornelia Placida setzte mit ihrer Schwester 
Cornelia Procula (Nr. 451) dem Vater Q. Corne- 
lius Proculus (Nr. 294) und Bruder Q. Cornelius 
Senecio Proculus (Nr. 307) die Grabschrift (CIL 



1001 



Cornelius 



Cornicines 



1C02 



VI 1387. 1388). Sie wird identisch sein mit 
Cornelia Q. f. Placida, die auf Amphoren ge- 
nannt wird (CIL XV 3845 [aus dem J. 191]. 3846. 
3847). [Groag.] 

448) (Cornelia) Postuma. Valeria, die fiinfte 
Gemahlin Sullas, gcbar nach seinem Tode eine 
Tochter, die deshalb Postuma genannt wurde 
(Plut. Sulla 37, 5). [Miinzer.] 

449) Cornelia Praetextata setzte dem Kaiser 
Gordian (III.) im J. 239 die Inschrift CIL VI 
1089 (vgl. 31238). Wahrscheinlich dieselbe ist 
Cornelia Praetextata c(larissima) f(emina), die 
auf WasserleitungsrOhren in Ostia genannt wird 
(CIL XIV 1986 = XV 7750); dagegen ist un- 
sicher, oh Cornelia mit Buf [el] 'lia (?) Arria Cor- 
nel[ia] Sextia Praetextata (Nr. 459) identiflciert 
werden darf. 

450) Cornelia L. f. Privigna, Gemahlin des 
Volkstribunen L. Iulius Larcius Sabinus (etwa 
zur Zeit des Commodus), dem sie einen Sohn 
gebar, CIL XI 1431 Pisa, Inschrift auf dem Sar- 
kophag des Sabinus; die Lesung ist nicht ganz 
sicher, s. Iulius. 

451) Cornelia Procula, Tochter des Q. Corne- 
lius Proculus (Nr. 294), Schwester des Q. Corne- 
lius Senecio Proculus (Nr. 367) und der Cornelia 
Placida (Nr. 447), CIL VI 1387. 1388. Die 
Cornelia Q. f. Procula, die ihrem Sonne M. 
Vibullius P. f. Pub(lilia) Proculus die Grab- 
schrift CIL V 7791 (Albingaunum) setzte, ist kaum 
von senatorischem Staude und mit Cornelia daher 
wohl nicht identisch. 

452) (Cornelia) Publiana, angeblich Abkomm- 
ling der Scipionen, Gemahlin eines Consuls Arrius 
(metrische Grabschrift aus Rom, Kaibel Epigr. 
Gr. 674 = IGI 1960), wohl identisch mit Seia 
Modesta Cornelia Patruina Publiana; s. Seius. 

453) Oscia Modesta Cornelia Publiana s. 
Oscius. [Groag.] 

454) Cornelia Quinta, Gattin des P. Livius La 
rensis, dem sie die Grabschrift setzt, CIL VI 2126. 

455) Iulia Cornelia Salonina, Gemahlin des 
Kaisers Gallienus (253 — 268 n. Chr.), s. unter 
Iulius. [Stein.] 

456) Cornelia Salvia (Cod. lust. 19, 1) s. 
Salvius. 

457) Aemilia Cornelia C. f. Scribonia Ma- 
xima, s. o. Bd. I S. 591 Nr. 162, wo der Name 
Cornelia ausgefallen ist. 

458) Cornelia P. f. Severina, flaminiea 
Aug(usti) — in Iliberris — , mater Valerii 
Vegeti [cjonsulis (im J. 91 n. Chr.), CIL II 2074 
Iliberris (Granada). 

459) Euf[el]lia (?) Arria Cornel[ia oder 
Corneliana] Sextia Praetextata, auf einem Ziegel- 
stempel aus Viterbo genannt (CIL XI 6689. 32), 
vielleicht Verwandte der Cornelia Praetextata 
(Nr. 449) oder identiseh mit dieser. [Groag.] 

460) Gaia Cornelia Supera Augusta, Gemahlin 
des Kaisers M. Aemilius Aemilianus (253 n. Chr.). 
Sie ist n ur aus Munzen bekannt, Eckhel VII 
374—376. Mionnet Suppl. V 406. VII 577. 
Cohen V2 295— 297, nr. 1—8. Numism. Chronicle 
2. ser. II (1862) 40 = Cohen nr. 3. Griechische 
Munzen aus Aegae in Kilikicn (Eckhel VII 375 = 
Mionnet III 547, 51. Peez Numism. Ztschr. 
XIV 8 — 12 [vielleicht dassclbe Exemplar?]) sind 
datiert nach dem J. 299 der Localaera = 253 n.Chr., 

Pauly-Wissowa IV 



genau so wie die Munzen Aemilians (Mionnet 
a. a. O. - S a d e" e De imperatorum Romanorum 

III p. Chr. n. saeculi temporibus constituendis, 
Diss. Bonn. 1891, 37f. Kubitschek o. Bd. I 
S. 645), die auch in anderer Hinsicht mit denen 
der C. voTlige Ahnlichkeit aufweisen; vgl. Cohen 
V2 296, 8 mit 294, 74. Deshalb hat schon 
Eckhel (a. a. O. und III 39f.) unzweifelhaft 
richtig angenommen , dass Supera die Gemahlin 

10 Aemilians sei, was audi durch Munzen Aemilians 
und der Supera mit dem Revers aeterhitas Augg. 
und Concordia Augg. (Eckhel VII 372. Cohen 
a. a. O. nr. 1) bestatigt wird. Eine Cornelia L. 
f. Supera ist genannt CIL V 7727. [Stein.] 

461) Aufldia Cornelia Valentilla, auf stadt- 
romischen WasserleitungsrOhren genannt (CLL XV 
7398), vielleicht Verwandte des Cornelius Valcn- 
tinus (Nr. 399). 

462) Licinia Cornelia Volusia Torquata s. 
20Licinius. [Groag.] 

Corncta, Ortlichkeit in Rom inter sacram 
mam et macellum (Varro de 1. 1. V 152) , ge- 
nannt nach einem friiher dort bestehenden Haine 
von Corn elkirschen; von demselben sagt Placidus 
25 Deuerl. : quern nunc ex parte magna templum 
*baeios oceupavit, wo der verderbte Name (bacios 
hat der Lib. gloss., itarios oder ueios die jungeren 
Hss.) eher in Pacts als (wie die Herausgeber wollen) 
in Ioeis (was ohne Beiwort keinen Sinn hat) zu 
30 emendiercn ist. Demnacb wohl etwa hinter dem 
Tempel des Antonin und der Faustina zu suchen. 

[Hulsen.] 

Ooruetus campus in agro Faliseo, via Cam- 
pana, nur erwahnt von Vitruv. VIII 5, 17 (in 
C. e. est lucus in quo fons oritur, ibique avium, 
et laeertarum reliquarumque serpentium ossa 
iacentia apparent). [Hulsen.] 

Cornicines, griechisch jivxaviaxai (Dion. Hal. 

IV 17, 3. VII 59, 7) oder xafuivlooakxiazai (Phi- 
40loxen. Gloss.), hiessen die Hornbliiser des riimi- 

schen Heeres. Ihr Instrument, ein Horn aus ge- 
krummtem Metall (Veget. II 7), rief, in den ersten 
Zeiten wenigstens, alle Waffenfahigen zu den 
Centuriatcomitien (Gell. XV 27); sie selbst bil- 
deten in jener Wehrverfassung eine besondere 
Centurie, die mit den 30 Centurien der fiinften 
Classe stimmte (Liv. I 43, 7. Mommsen St.-R. 
Ill 282, 4). Im Kricge marschierten die C. dicht 
bei den Feldzeichen (Joseph, bell. Iud. V 48. 

50Cichorius Die Reliefs der Traianssaule Bild 5. 
40. 61. v. Domaszewski Die Fahnen im r8m. 
Heere 7), die auf ihren Hornruf sich in Bewegung 
setzten oder Halt machten (Veget. II 22). In der 
Schlacht selbst verstarkten die C. den Klang der 
Tuben (Veget. II 22. Liv. IX 41, 17. XXX 33, 
12. Tac. aim. I 68. IT 81). Auch riefen sie die 
Nachtwachen von den Posten ab (Veget. Ill 8). 
Ihren Dienst thaten die C. durchweg zu Fuss. 
Nur ganz ausnahmsweise machte T. Quinctius 

60 468 v. Chr. , urn den Feind zu tauschen , seine 
C. beritten (Liv. II 64, 10). UrsprQnglich unbe- 
waffnet (Dion. Hal. IV 17, 3), fuhrten die C. der 
Kaiserzeit Schwert und Schild und trugen , wie 
die Signiferi, auf dem Kopfe ein iiber die Schul- 
tern, auf denen ihr Horn ruhte, herabhiingendes 
Fell, zu Constantins Zeiten auch den Helm, vgl. 
die Abbildungen bei Daremberget SaglioDict. 
I 1512f. v. Domaszewski a. a. O. Wieviel C. 

51 



1603 



Cornicula 



Corniculum 



bei den einzelnen Legionen standen, lasst die In- 
schrift CIL VIII 2557, die von 36 C. — unter 
lhnen ein Optio -~ der Legio III Augusta er- 
riclitet ist, vermuten. trbrigens gab es auch auf 
der Flotte C, vgl. CIL X 3416. Nach Orclli 
4105 bildeten die C. der Kaiserzeit ein Collegium 
(Mommsen St.-R. in 288). Ira Range standen 
sie unter den Tubicines, wie die Wortfolge der 
Aufzahlungen bei Cie. de rep. I 40. CIL III 7449 
VIII 2564. Orclli 4105 zcigt (Mommsen St.- 
E. Ill 287, 7. v. Domaszewski a. a. 0. 8, 5). 
Zu der Zusamraenstellung der uris aus Inschriften 
bekannten C., die Cauer Ephem. epigr. IV p 376ff 
giebt, ist CIL III 7449 und Rev. arch. 1896, 268 
nr. 14 nachzutragen. Litteratur; Marquardt 
St.-V. IP 329. 515. 547, 2. 552. Pettier bei 
Daremberg et Saglio Diet. I 1512ff. 

[Fiebiger.l 
Cornicula s. Annius Nr. 38. 
Cornieulanenses, Bewobner einer Ortschaft 
in Mauretania Caesariensis, von der ein Bisehof 
nn J. 484 genannt wird (Not. episc. Maur. Caes 
nr. 4 in Halms Victor Vit. p. 68). [Dessau.] 

Corniculani (oder zu lesen Cornicula Hi, d. h 
Distanz zur Station Neronia 3 mp.?), Station der 
Strasse von Altinum nach Ravenna, 6 mp. sudlich 
von Hadria, Tab. Peut.; nach Kiepert (Karte 
zu CIL V) in der Nahe von Ariano, nordlich 
des Val di Comacchio. [Hulsen. 

Cornicularii. Unter den romischen Snldaten 
nahmen die C. , griechiscli xoonxovMgtoi (CIG 
III 4453. Agypt. Urk. 106. 435), so genannt nach 
dem lhnen verliehenen Corniculum (s. d. Nr. 2; 
vgl. Salmasius Exercit. Plin. 386), einen er' 
hohten Rang, etwa nach Art unserer Gefreiten, 
ein. Selbstandig wurde ihre Stellung, als die 
heheren Officiere sie zu Ordormanz- und Schreiber- 
diensten (Mommsen Eph. epigr. IV p. 233. C a u e r 
ebd. IV p. 412) verwendeten, so in den Zeiten 
der Republik die Legionstribunen (Val. Max. VI 
1, 11. Frontin. strat. Ill 14, 1), in der Kaiser- 
zeit die Statthalter consularischen (CIG III 4453 
CIL II 4122. 4155. Ill 1106. 2052. 3543. 4412); 
wie praetorischen (CIL III 118. 252. 767 VIII 
2750. 2793. XII 2602) Ranges, die Lesrati legio- 
num (CIL III 887. 4363. 4405. XIV 2255. CIRh 
149), die Praefecti castrorum (CIL III 1099. 
6023 a), die Praefecti legionum (CIL III 3565), 
die Tribuni militum (CIL III 1681. 4322. 4558 
5974. VIII 2551. 2930. 4642). die Praefecti prae- 
tono (Wilmanns 1568. CIL II 2664. Ill 3846 
VI 1645. 2775. 2776. VIII 4325. IX 5358. X 
1763), die Tribuni cohortium praetoriarum (Wil- 
manns 1598. CIL II 2610. in 385. 2887 VI 
2440. 2560. 3661), die Tribuni cohortium urba- 
narum (CIL VI 2869. 3884. IX 1617), vielleicht 
audi deren Praefecten. vgl. CIL VI 1340. Cauer 
Ephem. epigr. IV p. 413f„ obwohl dieselben nach 
Mommsen St.-R, Us 1067 ohne militiirisehes 
Gefolge waren, die Praefecti (Wilmanns 692 
Cn XI 414. 1057. 1058). Subpraefecti (CIL VI 

1058. 2997) und Tribuni vigilum (CIL VI 1057. 

1059. 2984), die Praefecten von Auxiliarcohorten 
(CIL V 7897. CIRh 1412), sowie die Flotten- 
adrmralc (CIL X 3415). Doch standen C. audi 
nn Dienste von Verwaltungsbeamten , z. B. der 
Praefecti annonae (CIL XI 20), der Procuratores 
annonae Ostiis (CIL XIV 160) und der Procura- 



1604 



tores provinciarum (Wilmanns 1272 CIL II 
3323. Ill 3275. X 1679). Jedem der genannten 
war wohl nur je ein Cornicularius attachiert, aus- 
genommen den Statthaltern (Cauer Ephem. epigr 
IV p. 418), die iiber mehrere C, die zusammen 
ein officium eornieulariorum (CIL JII 894 3543 
10437. VIII 1875) bildeten, verffgten (CIL II 
4122. Ill 252. CIG III 4453). Dem Range nach 
waren die einzelnen C, denen fiberdies Adiutores 
10 (Cauer Ephem. epigr. IV p. 419) oder Sub C. 
(CIL VI 3596) zur Seite standen, ungleich (Cauer 
a. a. 0. p. 473-475), da z. B. die C. von Praefec- 
ten gleich Centurionen (Wilmanns 692 CIL 
VI 414. 1645. XI 20), die C. von Tribunen zu- 
nachst erst Evoeati (Wilmanns 1598. CIL II 
2610) wurden. In der spaten Kaiserzeit wurden 
die C. ausschliesslich im Civildienst, in dem sie 
hervorragende Stellen bekleideten, beschaftigt 
(Ps.-Ascon. in Cic. Verr. p. 179 Or. Gothofredus 
20 zu Cod, Theod. Vm 4, 10). Hier standen sie 
den cornibus secretarii praetoriani vor (Cassiod. 
var. XI 36, 4, der um deswillen C. von cornu 
ableitet). Auch hatten sie die euro, damnato- 
rum (Finnic. Matern. math. Ill 6) und die euro, 
annonae (Cod. Theod. VII 4, 32). Litteratur- 
Cauer Ephem. epigr. IV p. 412—420. 473—475. 
Pottier bei Daremberg et Saglio Diet I 
1509. Marquardt St.-V. 112 546f. [Fiebiger.j 
Corniculum. 1) Alte Stadt in Latium (Kogvi- 
30 xolov, KoQvixlog Steph. Byz., Einwohner Cornicu- 
lani, KoovixXavoi), erwahnt in den Erzahlungen von 
Tarquinius Priscus, der die Stadt erobert haben 
soil, wobei die Ocresia, Mutter des Servius Tullius, 
als Gefangene nach Rom gefiihrt worden sei (Liv' 
I 38. 39. Dionys. Ill 50. IV 1. Ovid, fast VI 
628. Aurel. Vict, de vir. ill. 7). Spater wird sie 
nur erwahnt von Flor. I 11, 6 und unter den 
verschwundenen Stildtcn Latiums bei Plin. Ill 68. 
Fur die Lage kommt ernstlich nur in Betracht 
40 Dionys. I 16 (die Aboriginer griindeten) 'Aviefiva- 
zag xal Tellrjveig (scr. <Pet$r]vaiovg) xal $ixoXviovg 
rovg nQog zotg xalovuevoig Kogrixkoig ogeai xal 
Tifiovozivovg. Die monies Corniculani pflegt man 
seit Ath. Kirch er (Vet. Lat. 222) mit den Bergen 
von Monticelli und S. Angelo in Capoccia zu 
identificieren; was, wieBormann Altlatin. Choro- 
graphie 255 richtig ausfiihrt, mit dem Zeugnis 
des Dionysios gar nicht stimrat, dessen Worte 
vielmehr nur auf die Hohen zwischen Ficulea 
50 (la Cesarina) und Tivoli, also in der Tenuta di 
Marco Simone, passen. Trotzdem setzen Nibby 
(Dintorni di Roma II 366—369) und Abekeii 
(Mittelital. 78) C. auf den Hiigel von Monticelli, 
Gell (Topogr. of Rome 56) auf den von S. Angelo. 
Das angebliche Elogium des Servius Tullius ex 
Cornwulo, welches im vorigen Jahrhundert in 
Monticelli gefunden sein soil, ist eine alberne 
Falsehung (CIL XIV 424*;. [Hulsen.] 

2) Corniculum war ein militarisches Abzeichen. 
60 das dem romisehen Soldaten fur bewiesene Tapfer- 
keit verliehen wurde. Diese Auszeichnung, mit 
der eine bevorzugtere Stellung (s. Cornicula- 
rii) verbunden war, verdienten sich z. B. die 
Reiter des Consuls Papirius Cursor 293 v. Chr. 
bei Aquilonia (Liv. X 44, 5), ferner M. Aemilius 
Scaurus (Aur. Vict. vir. ill. 72, 3) und L. Orbi- 
lius Pupillus (Suet, gramm. 9). Vgl. auch Fronto 
205, 19 Naber. Bildliche Darstellungen des C. 



1605 



Cornidius 



Cornificius 



1606 



fehlen (Pottier bei Daremberg et Saglio 
Diet. I 1510). Cavedoni (Bull. d. Inst. 1851, 
95) denkt sich dasselbe in der Art der Helm- 
abzeichen auf den Abbildungen Mon. d. Inst. V 
16, 3. VIII 21, 1. [Fiebiger.] 

Cornidius (Hss. Chomidius und Chonidius), 
Centurio im Heere des M. (Licinius) Crassus in 
Moesien 725/6 = 29/8, Flor. H 26, 16. [Stein.] _ 

Cornificius j plebeisches Geschlecht. Die 



genannt; dieselbe tfbersetzung fur dicselbe Sache 
finden wir ad Her. IV 25; dorther mag sie C. in 
sein Buch de figuris herubergenommen haben. 
Wiederum wendet sich Quintilian IX 3, 91 gegen 
C, weil auch er die /initio, die Iiberhaupt keine 
Figur sei, als schema Xi^scog gelten lasse (etwas 
abweichend definitio ad Her. IV 35). Unter den 
quidam Quintil. IX 2, 27, die eine Art simu- 
latio eiclamatio nennen und diese unter die Wort- 



Miinzen von Nr. 8 bieten die Namecsform Cornu- lOfiguren reclinen, konnte im Zusammenhange C 



ficius, die Inschriften (vgl. Nr. 5 und 8) dagegen 
Cornificius. [Miinzer.] 

1) Rhetor, von dem Quintil. Ill 1, 21 in der 
Ubersicht der Gesehichte der griechiscn-rOmischen 
Rhetorik berichtet : scripsit de eadem materia (d. i. 
de rhetorica) nonpauca Cornificius. Derselbe Ge- 
wahrsmann hebt ihn IX 3, 89 unter den Verfassern 
von Specialschriften iiber die Figuren heraus: 
haee omnia eopiosius sunt exseeuti, qui non ut 



zu verstehen sein (= ad Her. IV 22). Sein Name 
wird gleich darauf bei Besprechung der oratio 
libera genannt, quam C. licentiam vocat (= ad 
Her. IV 48), Oraeci Jiagqrjoiav (= Iul. Ruf. 46, 
17 H. offenkundig aus Quintilian). Endlich wird 
des C. Name ausdriicklich erwahnt Quintil. IX 
3, 70f. bei Besprechung der adnominatio. Quin- 
tilian verurteilt die frostigen Wortwitze und wun- 
dert sich, dass man dergleichen iiberhaupt in der 



partem operis transcurrerunt, sed proprie2Q Theorie anfuhre; dabei hat er nach dem Zusam- 



libros huic operi dedicaverunt , sieut Caeeilius, 
Dionysius, Butilius, C, Visellius aliique non 
pauci. Wahrend Marx Incerti auctoris de rat. 
die. ad C. Her. libri IV, Leipzig 1894, Proleg. 71 
leugnet, class Quintil. Ill 1, 21 von einer ars des 
C. zu verstehen sei, und C. nur als Verfasser einer 
Schrift iiber Figuren gelten lasst, halt Thiele 
Getting, gel. Anz. 1895 II 723f. (= Rec. v. 
Marx Ausgabe) die Schrift de figuris fur einen 



menhange wohl C. (Auct. ad Her., SpengelRh. 
Mus. XVI 1861, 402) im Auge; aus ihm sind 
jedenfalls die beiden ersten Beispiele (— ad Her. 
IV 21 unter traductio, IV 29 unter adnominatio) 
entlehnt; ob auch das dritte , ovidische , das er 
dann an Stelle des beim Auctor IV 29 stehenden 
sehr treffenden Beispieles oder ausser diesem in 
seine Schrift aufgenommen hatte, ist fraglich ; im 
Anschlusse an die drei Beispiele heisst es 71: 



Teil und zwar fur den wertvollsten und ausfuhr- 30 C. haec traductionem vocat, wahrend nach dem 



lichsten Teil der in 1, 21 erwahnten ars ( = rhet. 
ad Her.). Beiden gegeniiber folgert Am mon 
Bl. f. d. bayr. Gymn.-Wes. XXXIII 1897, 409f. 
(vor' ihm schon Kammrath De libr. rhet. ad C. 
Her. auctore, Progr. Holzminden 1858, 29ff.) aus 
dem Zusammenhange und Wortlaute der Quin- 
tilianstellen mit Recht, dass C. der Verfasser so- 
wohl einer vollstandigen (?) lateinischen Rhetorik 
als eines Specialwerkes fiber Figuren gewesen ist. 



Auctor nur das erste zur traductio, die beiden 
andern zur adnominatio zu rechnen waren. Nach 
dem gehassigen Tone, den Quintilian gegen C. 
meist anschlagt, scheint auch das mit pessimum 
aero eingefuhrte Beispiel ebd. 72 aus C. ent- 
nommen, zumal es sich ad Her. IV 30, wenn auch 
nicht wortlich genau, wiederfindet; Marx Proleg. 
72. 88 weist auch das ebenso wie 70 unvermittelt 
angeschlossene zweite Beispiel raro evenit, sed 



In ahnlicher Weise haben auch die an beiden 40 vehementer veniX dem C. zu, indent er das ahn 



Quintilian^lellen genannten Rhetoren Caeeilius und 
Dionysios eine xtyyr\ und ein Werk tisqI oyrnia- 
za>r verfasst. Ob aber Ammon recht hat, an 
der von Marx bestrittenen, von Thiele lebhaft 
verfochtenen Identitat dieses C. mit dem Auctor 
ad Herennium festzuhalten, ist sehr fraglich. Den 
Anlass zur Identificierung hat die auffallende Uber- 
einstimmung von Citaten aus C. bei Quintilian 
mit Stellen aus ad Her. IV gegeben. Am auf- 



liche Beispiel ad Her. IV 26 u. a. vergleicht. 
Endlich werden von C. bei seiner Abhiingigkeit 
vom Auctor auch die drei Beispiele fiir die grar* 
datio (Quintil. IX 3, 56 = ad Her. IV 34), fur 
die complexio (Quintil. IX 3, 31 = ad Her. IV 
20; der Schlussgedanke fehlt bei Quintilian) und 
fiir die dubitatio (Quintil. LX 3, 88 = IV 40,un- 
vollstandiges, nicht genau iibereinstimnpides Citat) 
herriihren, und zu den Latinorum quidam, die 



fallendsten ist die mit dem Auctor genau uber- 50 sermones hominibus adsimulatos nicht den per 



cinstimmende Aufeinanderfolge gleichbenannter 
Figuren des C. bei Quintil. IX 3, 98; dort schcidet 
Quintilian zwei Gruppen von je fiinf Figuren, von 
denen die eine falschlich zu den Wortfiguren ge- 
rechnet wurde: inJ,errogatio (= ad Her. IV 22), 
ratiocinatio (— 23), subiectio (= 33), transitio 
(— 35), occultatio {= 37), die andere mit Unrecht 
iiberhaupt zu den Figuren gezahlt wurde: sen- 
tentia (= 24), memhrum (= 26), artieulus (= 26 1. 



sonarum fictiones = xqooo>xo7iodai unterordneten, 
sondern sie mit dem besonderen Namen sermo- 
cinationes =.Atakoyoi bezeichneten (Quintil. IX 
2, 31), zahlte gewiss auch unser Rhetor (vgl. ad 
Her. IV 65. 55); dagegen ist es fraglich, ob 
Quintil. IX 3, 85 das Beispiel fiir die dvufisra- 
§oXfj, das dem fur die commutatio beim Auctor 
IV 39 entsprieht, aus C. oder einem griechischen 
Rhetor entlehnt hat (Marx a. O. 72). Ist diiTch 



interpretatio (= 38), conclusio(— 41); danach ist CO die angefthrten Stellen die Identitat des C. mit 

die Anlage der Figurenschrift des C. zweifellos " ' ' •» " " ,111 ---'- 

der im 4. Buche des Auctor gleich (vgl. Thiele 

725f.). Zu denen, qui etiam, quae sunt argu- 

mentorum, figuris adscripserunt (Quintil. IX 3, 99), 

gehort auch unser C. In dem Capitel de argumen- 

tis Quintil. V 10, 2 heisst es namlich, C. habe, 

weil id demum, quod pugna constat, als Enthy- 

mema anzusehen sei,^_das Enthymema contrarium 



dem Auctor zweifellos erwiesen? Thiele 722- 
727 bejaht, nachdem er die von Marx 69ff. gegen 
die Identificierung vorgebrachten Grunde bekampft 
hat, besonders unter Vergleichung von Quintil. 
IX 3, 98 mit den entsprechenden Stellen im 
Auctor die Prage (so schon Kroenert De rhetor, 
ad Her., Diss. Konigsberg 1873, 41f.). Die sach- 
liche Discrepanz IX 3, 70f. fiihrt er darauf zuriick, 



1607 



Cornificius 



Coraificms 



1608 



dass Quintilian ,nur etwas fliichtig excerpiert oder rhetorischen Schriften zu Grunde legte, kann bei 

aus dem Ged&chtnis citiert' habe (dagegen Marx den gleichen politischen Anachannngen der Gens 

70; die Genauigkeit und Sorgfalt, mit der Quintil. Comiflcia und des Auctor (s. u.) nicht befremden 

IX 3, 98 den C. verglichen hat, steht damit im Rhetorik an Herennius. Der Titel des 

Widersprnche) ; iiber sprachliche Abweichungen Werkes ist verloren gegangen. Der tibliche Titcl 

gcht Thiele ganz hinweg. Einen andern Weg Rhetorieorum artC. Herenmum libri IV ist un- 

zur Losung der Aporien versucht Amnion 41 Of. richtig. Mit grosser Wahrscheinlichkeit stellt 

Br macht auf den unverhaltnismassig grossen Marx 75ff. aus dem Prooemium des ganzen Werkes 

TJmfang des vierten Buclies der Herenniusrhetorik unterBeriicksichtigungdes ausgesprochen national- 

aufmerksara, das nahezu die Halfte des ganzen 10 romischen Wesens des Verfassers den lateinisclien 

Werkes ausmache und in unserer gesamten hsl. Titel de ratione dicendi her; dies war auch der 

Uberlieferung in drei Biicher zerlegt sei, und ver- Titel des leider verlorenen , von unserem Autor 

mutet, dass in derselben bcide Werke des C, die vermutlich bentitzten Lehrbucbes des M. Antonius 

ars und die Specialschrift de figuris contaminiert (Cic. Brut. 163). Der A dress at gehorte der 

seien; die ars habe bis IV 19 (= Buch IV in Marius ergebenen plebeischen Gens der Herennier 

der Uberlieferung), wo eine Lficke unverkennbar an (Pint. Mar. 5. Bochmann De C. auctoris ad 

sei, gereicht; die Schrift uber die Figuren habe Her. qui vocatur rerum Komanarum scientia, Leip- 

aus zwei Buchern bestanden: IV 19—47 (= V, ziger Diss., Zwickau 1875, 10; etwa der spatere 

Wortfiguren), IV 47 bis Schluss (= VI, Sinnfigu- Volkstribun des J. 62? Kammrath a. 0. 35). 

ren); bei der Vereinigung oder vielmehr Einschal- 20 Bchon daraus kann man folgern, dass auch der 

tung (beachte das Schlusscapitel 56 !) sei ein Teil ihm durch leibliche und geistige Verwandtschaft 

der alten Rhetorik, namlich die kurzgefasste Dar- eng verbundene Verfasser (ad Her. IV 69) ein 

legung der Figuren, und der Anfang der Figuren- Freund des Marius und Anhanger der Volkspartei 

lehre verloren gegangen. Ich fur meinen Teil war. Das wird noch auf das bestimmteste be- 

kann chronologische Bedenken, die mir bei un- statigt durch eine Reihe von Beispielen in der 

befangener Lecture der betreffenden Quintilian- Schrift selbst, die von seinen Sympathien fur die 

stellen aufgestossen sind, nicht mrterdriicken. Ge- Gracchen, Apuleius Saturninus, M. Livius Drusus, 

wiss ergiebt sich aus III 1, 21, wo C. vor den Sulpicius und fur die Bundesgenossen Zeugnis 

Autoren nostrae aetatis und hodie atari auctores ablegen (schon Kayser zu II 45 audis hominem 

aufgefiihrt wird, und aus dem Zusatze IX 3, 89 30 Marianarum partiwn; vgl. besonders IV 31, ferner 

sed non minor erit eorum, qui vivunt, gloria, IV 22. 38. 42. 66—68. I 25. IV 13. 16. 37) 

dass C. vor Quintilians Zeit gelebt hat. Ist es v. Scala Jahrb. f. Philol. CXXXV 1885, 223 

aber nicht gewagt, ihn bis in die sullanische sieht in der Rhetorik ad Her. geradezu eine .gegen 

Zeit — Bueh IV des Auctor muss vor 82 abge- die sullanische Partei gerichtete Satire, wie' sie 

schlossen sein (s. u.) — hinaufzurucken'? An bitterer nicht gedacht werden kann, ein Zeugnis 

beiden Quintihanstellen wird er mit Schriftstellern, eines Zeitgenossen, das in wunderbarer Unmittel- 

die der augusteischen und der naehstfolgenden barkeit zu uns spricht und, aus der Tiefe eines 

Zeit angehfiren , zusammengenannt. Man lose redlichen Herzens kommend, tiefen Groll iiber das 

auch IX 3, 90—100, wo Quintilian iiberzahlige Misslingen aller heilsamen Reformversuche zeigt.' 

oder falsch eingeordnete Figuren zunachst bei40Dabei lasst Scala ausser Betracht, dass der 

Cic. de or. und or. nennt und dann 98 fortfahrt: Mann, dessen ,freies Manneswort aus den Rheto- 

adicit his Qaeeilius TieQiqpQamr, Cornificius .... rica den von der imperii cupiditas Bescssenen 

(s. o.), 99 item Rutilius praeter ea, quae apud (II 29) als unbequemer Mahnruf entgegentflntc' 

alios quoque sunt ; danacb fiillt es schwer (222), in unverstandlicher Inconsequenz doch ge- 

zu glauben, dass des C. Figurenschrift vor Cicero legentlich die Optimaten als das bessere Element 

de or. und or. abgefasst sei (vgl. iibrigens Weid- hinstellt (IV 45. 12. I 21. H 17); Marx Ind 

ner Cic. art. rhet. libri duo, Berlin 1878, Proleg. schol. Greifswald 1892/93 XVI; Proleg. 153 ver- 

XIII). Vielleicht ist unser C. identisch mit dem gleicht hiermit die Handlungsweise des Marius, 

in die augusteische Zeit gesetzten Grammatiker der ebenfalls die Optimaten bald hef'tig angriff, 
Cornificius Gallus, an den, wenngleich in anderem 5<> bald accommodato ad tern-pus ingenio consensu i 

Zusammenhange, auch Marx 156 denkt (doch bonorum sese immiscuit (Oros. V 17 , 6). Lasst 

s. unten S. 1629). Alsdann ware directe, teil- sich aus der warmen Teilnahme des Verfassers 

weise sclavische Abhiingigkeit des C. von der an den Parteikampfen Roms und aus der Wahl 

Herenniusrhetorik anzunehmen, wenn man nicht der Beispiele, die er mit Vorliebe und fur die 

etwa vorzieht, mit Marx die Ubereinstim- Controversien fast ausschliesslich dem Zeitraume 

mungen auf eine gemeinsame Quelle (Schule des vom Ende des jugurthinischen bis zum Ende des 

Plotius) zuriickzufiihren. Wie Quintilian in der niarianischen Krieges entlehnt (Kammrath 35 

Figurenlehre nur indirect durch Vermittelung —39. Bochmann 11— 33. Marx Proleg. 102ff.) 

des C. auf die Rhetorik ad Her. zuruckgeht, so seine Zeit im allgemeinen bestiitimen, so fehlt es 
schOpft er auch sonst, wo sich Anklange an die-60 fur eine genauere Fixierungder Abfassungszeit 

selbe finden (Kayser Munch, gel. Anz. XXXIV seiner Schrift nicht an sioheren Indicien. Das 

18o2, 502f. Teichert De font Quintil. rhet, zeitlich jiingste Ereignis des ersten Buches ist 

Konigsb. Diss., Braunsberg 1884, 36ff. , dazu der Tod des Sulpicius im J. 88 (I 25); nach 

Becher Jahresber. LI 1889, 14f.) indirect ent- diesem Jahre kann (nicht: muss) also die Rhetorik 

weder aus der III 1, 21 erwahnten ars des vom in Angriff genommen worden sein. Buch IV ist 

Auctor abhangigen C. oder vielmehr aus der von sicher erst nach 86 fertig gestellt worden. Denn 

ihm bevorzugten parallelen Rhetorik des Cicero. das zur Erlauterung der brevitas angefuhrte Bei- 

Dass ein C. gerade die Herenniusrhetorik seinen spiel am Schlusse des vierten Buches (IV 68). das 



1609 



Cornificius 



Cornificius 



1610 



vielfach mit Schiitz, zuletzt von Weidner a. 0. dicselbe Sache die Ausdriicke (man beachte das 

XVIIff. auf Sulla bezogen worden ist , geht, wie hauflge id est, hoe est) und, ran uber die Anlage 

besonders Marx (Rh.Mus.XLIII 1888, 398. XLVI des Ganzen ja keinen Zweifel zu lassen, beob- 

1891,423, 1; Proleg. bes. 153ff.) iiberzeugend achtet er in den Ubergangen von einem Teile oder 

nachgewiesen hat, auf Marius letzte Thaten, auf Punkte zum anderen eine fast pedantische Ge- 

die es schon der Auctor rocensionis E und die nauigkeit und Umstandlichkeit. Gegen diese 

alten Veneter Erklarer bezogen hatten, d. h. da Peinlichkeit im ganzen contrastiert , dass or im 

Marius siebentes Consulat S6 fiillt, auf dies Jahr. einzelnen an der einmal aufgestellten Reihenfolge 

Viel spater kann die ganze Schrift nicht erschienen der Punkte in der Ausfiihrung nicht immer streng 
sein, denn IV 47 werden Zustande vorausgesetzt, 10 festhalt (vgl. z. B. I 2f. 6ff. 24. II 21ff. 23f. 35. 

wie sie vor der Ncuordnung der Geschworenen- HI 6. 10. 15; dazu Radtke Observationes crit. 

gerichte durch Sulla d. h. vor 82 bestanden. Wir in C. libros de arte rhet., Diss. Kfinigsberg 1892, 

werden demnach die VerOffentlichung nach 86 bes. 16. 28. 31. 42f.); sehr instructiv istIV 53 

und vor 82 zu setzen haben , also etwa um 85, die Anordnung der signa in dem Beispiel der 

und da sich der Verfasser beeilen will (TII 1. 1 1. frequentatio , verglichen mit der Theorie II 3— 

27. II 1), fur die Abfassung einen nicht zu weiten 13, s. Spengel a. 0. 394f.); einem ahnlichen 

Spielraum annehmen (Weidner Xllf.). Weitere Wechsel begegnen wir zuweilen in der Termino- 

Litteratur: Kroenert 29. 43f. Jordan Herm. logie (z. B. seriptum et sententia neben seriptum 

VIII 1874,77—80. Fowler Joum. of philol. X et voluntas I 19. II 13f.) und im Wortschatze. 
1882, 197—205. Roch De C. et Ciceronis artis20Wo es sich iibrigens um eine schwierigere und in 

rhetoricae praeceptoribus , Progr. Baden (Ost.) der Praxis besonders hauflg vorkommende Materie 

1884, 36ff. Den Anlass zur Abfassung der wie i. B. die constifutio eoniecturalis handelt, 

Schrift giebt uns der Auctor I 1 an. Nicht Hoff- wo es gilt, den angehenden Reiner auf Abwege 

nung auf Gewinn , nicht Ruhmsucht , sondern aufmerksam zu machen und davor zu warnen, da 

einzig und allein der dringende Wunsch des Heren- finden wir eine verhaltnismassig breite Ausfiih- 

nius, sich in der Beredsamkeit auszubilden, hat rung. Vor jedes der vier in kuTzen Zeitabschnit- 

ihn dazu bestimmt. Obgleich er, durch negotia ten einzeln nach einander erschienenen Biicher 

familiar ia (1 1; vgl. I 27: oeeupationes) sehr in hat der Verfasser bei der Zusendung an Herennius 

Anspruch genommen, kaum genugend Mussezeit ein Vorwort gesetzt, das uber seine Absichten und 
fur wisseuschaftliche Thatigkeit findet, will er.30den Inhalt des Buches kurz aufklart; weitaus am 

dennoch Herennius zuliebe die schwierige Aufgabe langsten ist, der Lange des Buches entsprechend, 

auf sich nehmen und, ohne Muhe und Zeit zu das Vorwort zu IV; vgl. iiber Herausgabe und 

sparen, so gut und schnell als mOglich zu lOsen Anlage des Werkes I 27. LT If. II 50. Ill 1. 

suchen (1 1. 16. 27. II 50. Ill 1. 27. IV 10. 69). 15. 16. Buch I-HI 16 handeln von der diffi- 

In seiner Ab sich t liegtes, nur einen kurzen Leit- eillima pars rhetoricae (III 15), der Stoffauffin- 

faden zu liefern; nahere Details behalt er den dung inventio fur jede der drei Redegattungen 

neben der Theorie unumganglich notwendigen und zwar fur das genus iudiciale I. II, delibera- 

praktischen Cbungen vor, die er gern mit dem tivum III 2—10, demonstrativum III 10 — 16; 

strebsamen Janglinge anstellen will (I 3. LT 7. bei jeder Gattung werden die sechs Redeteile (ex- 
12. 50. Ill 1. 27. 39f. IV 69). Worin diese exer- 40ordium, narratio, divisio, eonfirmatio, confutatio, 

citatioties (spater' declamationes) damals bestan- conclusio) entsprechend berttcksichtigt. Das wich- 

den, hat Marx Proleg. 102—111 aus Andeutungen tige Capitel iiber die constitutiones (unser Autor 

der Schrift scharf erschlossen; es waren Progym- sagt immer eonstitutio, nicht status) wird richtig 

nasmen, Suasorien (damals deliherationes) , vor- bei der causa (= genus) iudicialis abgehandelt, 

nehmlich Controversien (damals eausae). Seiner aber an ungehorigem Platze, namlich in der eon- 

Absicht entsprechend sehliesst der Auctor aus firmatio und confutatio 1 18 — II 27. Ill 16—19 

seineni auf das praktische Bedurfnis eines zu- enthalt die Lehre von der Stoffanordnung dispo- 

kiinftigen Redners berechneten Lehrbuche alien sitio. Es folgt, von der gewOhnlichen Ordnung 

ungehOrigen Ballast aus, womit die Griechen in abweichend, III 19—28 die Lehre vom Vortrage 
eitler Prahlsucht ihre zs/vai zu beschweren pfleg- 50 pronuntiatio vor der vom Gedachtnisse memoria 

ten (I 1. LII 38), und weist selbst jede Gelegen- IH 28 bis Schluss, und erst zuletzt, nicht wie ge- 

heit, vom Gegenstande abzuschweifen , so ver- wohnlich (vgl I 3. Ill 1) an dritter Stelle, die 

lockend sie auch fur ihn sein mochte, von der vom rednerisehen Ausdrucke elocutio, das ganze 

Hand (II 16. Ill 3. 28. 34. IV 17). Neben der IV. Buch fullond; 11— 17 von den Stilarten, 17ff. 

Kiirze (I 1. 27. II 1. 2. 7. Ifl 3. 7. 34. 39. IV von den Stilvorziigen und zwar 17 elegaittia., 18 

1. 62) erstrebt er ausdriicklich Klarheit und Deut- compositio verborurn, 19ff. dignitas, letztere zer- 

lichkeit (I 27. II 2. Ill 34). Mit aller Schiirfe fallcnd in verborurn exornationes = Wortfiguren 

wendet er sich gegen das kindische Gebaren der bis 42, darunter xu>).ov , xofifia, xnQiodog (dazu 

Dialektiker im Haschen nach Amphibolien (II 16). Thiele 725f.), und Tropen bis 47, und in sen- 
Des leichteren Verstandnisses wegen ersetzt er 60 tentiarum exornationes = Sinnfiguren bis Schluss. 

die griechischen Tennini durch lateinische (nur Zur Erlauterung des Lehrsystems, speciell der 

selten sind die griechischen Bezeichnungen bei Statuslehre bei unserem Autor vgl. ausser den 

gefiigt, wie I 6. 26. II 2. 47) und fiihrt mit Vor- einscbliigigen Abschnitten in Volkmauns Rhe- 

liebe aus der romischen Geschichte der jiingsten torik d. Gr. u. Rom. 2 Leipzig 1885 Kayser 

Vergangcnheit entnommene oder auf rOmisehe Ver- a. 0. 475ff.; Separatausgabe praef. IXf.; notae 

haltnisse ubertragene fremde Beispiele an. Da- 217—312. B-ader De Cic. rhet. libr., Diss. Greifs- 

mit jeder Irrtum ansgeschlossen bleibe, hauft er wald 1869, 6ff. Kroenert Anfange d. Rhet. b. 

in etwas schulmeisterlicher Manier fur ein und d. Roinern, Progr. Memel 1877 (darin eine L'ber- 



1611 



Cornificius 



Cornificius 



1612 



sicM dor Statuslehre 27). Netzker Hermag. Cic. 
C. quae docuerint de statibus, Diss. Kiel 1879, 
und liber die eonstitutio legitima Jahrb. f. Philol. 
CXXXIII 1886,411-416. Weber Ub. d. Quellen 
d. Ehet. ad Her. d. C, Diss. Zurich 1886, 46ff. 
(eitft wahrend des Druckes zugegangen). R o c h a. 0. 
5-33. Thiele Quaest. de C. et Cic. art. rhet., Diss. 
GTeifswald 1889; Hermagoras, Strassburg 1893. 
Radtke a. 0. Marx a. 0. W. Schmid Rh. 



zur vollen Entfaltung kommt. In der Stillehre 
erschliesst Marx 133 aus verwandten Vorschriften 
bei unserem Autor IV 43. 18 einerseits und Cha- 
risius, Diomedes, Donatus anderseits, wofern die 
genannten drei Grammatiker von Terentius Scau- 
rus abhangen, fiir diesen und unsern Autor ge- 
meinsame vorsullanische Varroquellen ; die Drei- 
teilung elegantia, compositio, dignitas IV 17 geht 
auf Theophrastos zuriick, die Lelire von den Stil- 



Mus. XLIX 1894, 133ff. (zur Lehre von den dreilOarten IV 11 vermutlich auf stoische Quellen. 



Stilarten). Hinsichtlich der Studien und Quel- 
len unseres Autors sind bis jetzt trotz der ge- 
nauesten Analysen seines Werkes allgemein fiber- 
zeugende Resnltate nicht gefOrdert worden; be- 
sonders fiber das Mass selbstandiger Arbeit gehen 
die Ansichten weit auseinander. Von der Viel- 
seitigkeit seiner Interessen legen mannigfache An- 
deutungen in seinem Werke Zengnis ab. So mOchte 
er seine Mussezeit lieber dem Philosophiestudium 



Stoische Bestandteile sind neben alteren anaxi- 
meneisch-aristotelischen und jiingeren hermagorei- 
schen besonders in dem Abschnitte fiber die in- 
ventio festgestellt worden (anaximeneische beson- 
ders von Weber a. 0.). Hier beriihrt sich die 
Quellenfrage mit der Frage nach dem Verhii.lt- 
nisse Cieeros in de inventione zur Rhetorik 
des Herennius , speciell mit der Auffassung der 
viel citierten Stelle ad Her. I 16, an welcher der 



als dem der Rhetorik widmen, zumal er in red-20Auctor die I 9 aufgestellte , auch bei Cic. I 23 



nerischerVirtuositat keineswegs den Gipfel mensch- 
lichen Gliiekes sehen kann (I 1. IV 69); gegen 
das Gebaren der Dialektiker gedenkt er sich in 
einer Specialschrift zu wenden (II 16); Sonder- 
schriften stellt er femer in Aussicht fiber Mne- 
monik (III 28. 34), fiber Militarwesen und Staats- 
verwaltung (HI 3), fiber Grammatik (IV 17; vgl. 
fiber seine grammatisch-metrischen Studien Marx 
Proleg. 95ff. 99ff.). Mit der romischen Geschichte 



vorkommende Dreiteilung deT insinuatio als neu 
und eigene Brflndung bezeichnet. Cber das Ver- 
haltnis der beiden Schriftsteller bestehen drei An- 
sichten (Marx Proleg. 119ff.): 1. Der Auctor ad 
•Her, hat aus Cicero abgeschrieben (so die moisten 
alteren Herausgeber , z. B. Burmann Praef. 
XXVII; von Neueren Osann Jahrb. f. Philol. 
LXXV [1857] 77Pff. Giam belli De rhet. ad 
Her. auctore, Massa 1878, 36 — 39; weniger ent- 



die griechische ignorierfc er — zeigt er sich 30 sehieden Weidner VIHff. XIV, dessen Argu- 



gut vertraut, wenn auch seine Glaubwfirdigkeit 
durch die Verarbeitung der Beispiele zu rhetori- 
.schen Zwecken und durch seine politische Stellung- 
nahme wesentlich beeintrachtigt ist. Von Histo- 
rikern nennt Bochmann 43ff. als Quellen Catos 
Origines und fiir den hannibalischen Krieg Coelius. 
Antipater (dazu Marx 138). Von den vorcicero- 
nischcn Rednern, aus denen er nach eigener An- 
gabe Beispiele entnehmen kfinnte (IV 7), werden 



mente bekampt werden von Hoffmann De verb, 
transpositionibus in C. rhet. ad Her. libris, Progr. 
Mlinchen 1879, 7—11 und Roch a. 0. 36—40; 
dieser Standpunkt darf heute als iiberwunden 
gelten). 2. Beide Schriftsteller sind unabhangig 
von einander; Ubereinstimmungen erklaren sich 
daraus , dass beide bei demselben lateinischcn 
Rhetor in Rom Unterricht genossen haben (so schon 
Badius Ascensius in den Proleg. z. s. Ausg. 



ihm besonders Cato und C. Gracchus unter den 40 Paris 1508, neuerdings nach Hand und Moser 



alteren, Crassus und Antonius unter den jiingeren 
als Vorbilder vorgeschwebt haben. Ennius Anna- 
len und Tragoedien, Pacuvius, Plautus, Lucilius 
und Accius (wenn er auch aus den beiden Letzt- 
genannten nichts citiert) sind ihm bekannt (Boch- 
mann 7ff. IV 18 ist Gaelius, nicht Litciliiis zu 
lesen); Terenz nennt er bezeichnenderweise nie. 
Auch in der griechischen Litteratur ist er nicht 
unerfahren. Homer und Sophokles und unter den 



unter Kiesslings Anleitung Thiele Diss., Re- 
sultat 90—95). 3. Cicero hat die Biicher ad Her. 
excerpiert oder compiliert (die weitaus verbreitetste 
Ansicht, von Neueren besonders vertreten durcli 
Schfitz, Westermann, Walz, Kayser, 
Spengel Rh. Mus. XVIII 1863, 495. Bader 6 
—18. Kroenert Diss. 35—40. Jordan a. 0. 
Roemer Jahrb. f. Philol. CXIX 1879, 831. 
Teuffel-Schwabe Rom. Litt.a 272. Amnion 



Rednern besonders Demosthenes, der von Antonius 50 a. 0. Schanz Rom. Litt. I 2 389f. 287). Keine 



der Jugend zur Nachahmung empfohlen wurde, 
und Aischines (de cor.) ahmt er ofters nach. Wer 
seine Gewahrsmanner in der Rhvtorik gewesen 
sind, ist schwer zu entscheiden. tjber pronuntia- 
tio will er, da niemand vor ihm diligenter darfiber 
geschrieben hatte, eigene Vorschriften mitteilen 
(III 19); Piotius Schrift de gestu kann ihm vor- 
gelegen haben. In der Lehre vom Gediichtnis 
beruft er sich III 38 auf griechische Autoren, 



der drei Ansichten lasst Marx gelten. Wohl 
fuhrt er die Ubereinstimmungen in der lateini- 
schen Terminologie und in manchen Beispielen 
auf altere lateinische artes, wie die des Antonius, 
die vor 91 erschienen ist, zuriick und halt es fur 
wahrscheinlich, dass Cicero und der Auctor oder 
vielmehr ihre Lehrer aus Antonius geschopft haben, 
im iibrigen nimmt er wegen der mannigfachen 
Verschiedenheiten in den Systemen (auf die bereits 



die er jedoch bekampft. In dem durftigen Ab- 60 Kayser naher eingegangen war) und wegen des 



schnitte fiber die dispositio III 16ff. stellt er 
zwei Arten der Aufeinanderfolge der sechs Rede- 
teile nebeneinander, eine nach dem Schema der 
Rhetorik festgelegte (s. o.) und eine nach den 
jeweiligen Umstanden wandelbare; hierin -sehen 
wir den Gegensatz der isokratischen und aristo- 
telischen Rhetorik fortleben, der spater in dem 
apollodoreischen und theodoreischen Lehrsystem 



gegensatzlichen Standpunktes . von dem aus der 
Stoff behandelt wurde, verschiedene Schulen an, 
aus denen die beiden artes stammten. Eine kurze 
Zusammenfassung seiner etwas complicierten Hypo- 
these findet man Proleg. 161f. Danach hiitten 
in Rhodos zwei nicht naher bestimmbare Lehrer 
der Beredsamkeit gelebt, die in ihren xiy*vm ein- 
ander bekampften. Die altere Rhetorik in knap- 



1613 



Cornificius 



Cornificius 



1614 



perer Fassung habe der I 18 erwahnte doctor 
(150ff.) des Anonymus seinen Lehrvortriigen zu 
Grunde gclegt, als rhetor Latinus ein ausge- 
sproch*ner Griechenfcind, seiner politischen Ge- 
sinnung nach Anhanger der Volkspartei , seiner 
Weltanschauung nach wahrscheinlich Epikureer 
(83f., nach gewohnliche-r Annahme Stoiker), der 
Schule des Marianers L. Piotius Gallus nahe- 
stehend, wenn nicht Piotius selbst. Die Rhetorik 
ad Her. sei nichts weiter als die Ausarbeitung 
eines nach Dictat in dieser lateinischen Schule 
niedergesehriebenen Heftes mit nur sehr wenig 
eigenen Zusatzen , der unbekannte Verfasser ein 
aduleseentulus immaturus et satis indactns (82). 
Die jfingere rhodische Rhetorik auetior et quasi 
provectior (130) habe der unbekannte Lehrer 
Cieeros beniitzt, wahrscheinlich Peripatetiker (M. 
Pupius Piso? 80), dessen Lehrvortriige der junge 
Cicero vor Ausbruch 'des marsischen Krieges 94 
—91 gehort habe. Wann sein oxohxov vjioprrina 
her'ausgegeben worden , sei nicht zu bestimmen 
(76ff.). Die Rhetorik ad Her. mit ihrer Abwehr 
alles Griechischen verhalte sich zu der des Cicero 
wie eine Togata des Afranius zu eines Palliata 
des Terenz (129; Rh. Mus. XLVI 1891, 425. 
Kroenert Diss. 25. 35f.). Beide Werke seien 
nach der Absicht ihrer Verfasser nicht fiir die 
dnentlichkeit bestimmt gewesen. Soweit Marx! 
Wahrscheinlich ist die Annahme rhodischer von 
einander grundverschiedener xeyvai als Vorlagen 
fiir unsere beiden artes. Unabweisbar ist zur Er- 
klarung der mannigfachen Ubereinstimmungen die 
Annahme gemeinsamer lateinischer Quellen und 
zwar nicht bios mfindlicber {doctor I 18) , son- 
dern auch schriftlicher. Lateinische Lehrbiicher 
der Rhetorik gab es schon seit der Gracchenzcit ; 
das des Antonius hat unserem Autor hOchstwahr- 
scheinlich vorgelegen (s. Kroenert Diss. 21ff., 
der Antonius fur den Lehrer der Auctor lialt, und 
Radtke a. 0.5—11; dagegen Weber a. 0. 22 
—33. Thiele Diss. 94). Marx gegeniiber bleibt 
Thiele Rec. 730 auf seinem friiheren Stand- 
punktc stehen, dass der Auctor und Cicero ein und 
dieselbe Schule besucht haben; beiden gegeniiber 
halt Schanz die Abhangigkeit Cieeros vom Auc- 
tor aufrecht, doch will er Cicero nicht als ge- 
wohnlichen Abschreiber aufgefasst wissen , son- 
dern nimmt an, dass Cicero, dessen Arbeitsweise 
von jehcr eine eklektische gewesen (vgl. seine 
eigenen Worte de inv. II 4), neben andern Qaellen 
auch unsern Auctor hcrangezogen habe. Chrono- 
logische Bcdenken stehen dieser Annahme nicht 
im Wege, wenn wir selbst mit Weidner die 
VerOfTentlichung von de inv. 84/83 ansetzen , erst 
recht nicht, wenn Philippson reeht hatte, der 
in andcrem Zusammenhange vermutet, dass Cieeros 
Lehrbuch erst nach seiner Rfickkehr von Rhodos, 
d i. 77 heraUBgegeben worden sei (Jahrb. f. Philol. 
CXXXIII 1886. 422f.). Zur Quellenfrage vgl. noch 
Marx Bed. phil. Woch.-Schr. X 1890, 999-1009. 
Susemihl Gr. Litt.-Gesch. II 477. 93. 494. Die 
Anhanger der oben erwiihnten dritten Ansicht 
stutzen sich besonders auf die Insinuationspartie. 
Auch Marx giebt im Gegensatze zu Weidner 
XV zu, dass beim Auctor die altere Lehre fiber 
die insimtatio vorliegt, doch bestreitet er die 
Glaubwfirdigkeit des Verfassers und seine Fiihig- 
keit etwas zu neuern und fuhrt deshalb die altere 



Lehre auf das hohere Alter der griechischen Rhe- 
torik zuriick, an die sich sein Lehrer angeschlossen 
habe. Den harten Vorwurf der Unglaubwiirdig- 
keit — fraus, impudentia, insolentia, arrogantia 
variieren promiscue — begriindet Marx damit, 
dass er sagt, der Auctor habe in der Vorrede zum 
vierten Buche versprochen, nur eigene Beispiele zu 
liefern, und entlehne thatsachlieh viele — optima 
et plurima ist eine starke Ubertreibung — aus 
10 dem Griechischen (vgl. dazu Thiele Rec. 728). 
Dieser Vorwurf miisste sich bei der yon Marx 
angenommenen hochgradigen Unselbstandigkeit 
des Verfassers an die Adresse seines doctor richten, 
dem der ,unreife' Schiller hier bona fide gefolgt 
ware. Doch auch diesem gegeniiber ware der 
schwere Vorwurf nicht gerechtfertigt. Schanz 
389f. sieht mit Recht in der tjbersetzung, zumal 
in der freien, welche sich Anderungen an dem 
Originale gestatte — und das ist fast durch- 
20weg der Fall — eine eigene Thatigkeit und 
glaubt es dem Auctor nachsehen zu konnen, 
wenn er fibertreibend auch diese fibersetzten Bei- 
spiele als eigene ausgebe (vgl. auch Weber 
27 f.). Zuweilen macht die Umbildung der 
Originalstellen und Ubertragung auf heimische 
Verhaltnisse dem Geschicke des Auctor inBil- 
dung von Beispielen sogar alle Ehre (Thiele 
Rec. 730). WOrtliche Entlehnungen von Beispielen 
aus romischen Autoren, die einen solchen Vor- 
30 wurf gerechtfertigt erscheinen liessen , sind ihm 
bis jetzt nicht nachgewiesen worden, von Bei- 
spielen fiir stilistische Fehler abgesehen, die er 
ausdriicklich ausnimmt (IV 18). Wenn er ge- 
legentlich Reminisccnzen aus Reden seiner und 
der nachstvorhergegangenen Zeit in seine Beispiele 
hineinarbeitet (Kroenert Diss. 29£f.. Jordan 
7 5ff.) , so dfirfen derartige Anlelmungen an Vor- 
bilder nicht Entlehnungen gleichgeachtet und 
gegen die Glaubwfirdigkeit des Verfassers ins Feld 
40 gefiihrt werden. Wir werden sonach dem Auctor, 
der im iibrigen seine Ubereinstimmung mit d. h. 
seine Abhangigkeit von artis scriptorex offen ein- 
gesteht, seine ausdriickliche Erklarung, dass er 
allein praeter eeteros die insinuatio in drei Zeiten 
getcilt habe, glauben dfirfen. Oder sollten seine 
geistigen Fahigkeiten wirklich so gering gewesen 
sein, dass wir ihm nicht einmal diese rhetorischc 
Kleinigkeit zutrauen konnen*? Man schiesst gewiss 
weit fiber das Ziel hinaus, wenn man behauptet, 
50 dass der Verfasser nicht im stande gewesen sei, 
eine griechische zi/rn zu lesen, ja sogar die Er- 
mahnungen zum Fleissigsein aus den Vorschriften 
seines lateiniBehen Schulineisters mit ubernommen 
habe. Wenn er sich einmal in einer Streitfrage 
auf die Autoritat seines Lehrers beruft, muss er 
darum alles Wort fur Wort dictando nachge- 
schrieben haben (Amnion 412)? Wurde jener 
doctor es sich haben ruhig gefallen lasscn, dass 
man snn Heft herausgab und damit seinen Unter- 
60richt brach legte (Schanz 391)? Es ^11 zuge_ 
geben werden, dass der Auctor to Sdralheft 
seines doctor seiner Arbeit Ju Grunde legte; das 
*ar jedoch seine einzige Quelle mAt; man , t«- 
stiinde sonst das conquis^***^*™* 11 ™ 
und onuvs rationes . . . s ^ ko ^^Z% i ^ 
69 nicht r ebensowenig f^J^SS^J^l 
sicherungen intensiven ylOHm+.tomm ach ein 



Plagiator schlechterdings 



nicht rthroen konnte. 



iuw OUrilliHULlS 

es miisste denn schon der abgefeimteste Soli windier 
sein. Worin hatte audi die Schwierigkeit der 
Aufgabe gelegen, derentwegen er den langsamen 
Portgang des Werkes zu entschuldigen bittet? 
Gerade aus dem eiligen Ineinanderarbeiten ver- 
schiedener Quellen erklaren sich Unachtsamkeiten 
und NachlSssigkeiten, Widerspriicbe und Unklar- 
lieiten, wie sie in Menge Vol k maun z. B. 100f., 
Thiele Diss. bes. 69ff. und Eadtke nachge- 
wiesen haben. Sie sind ein Beweis eher fur als 
gegen die Selbstandigkeit des Verfassers, der, 
kein Rhetor von Profession, trotz redlichen Be- 
miihens, in das Chaos seiner Quellen Ordnung 
und Licht zu bringen, den rOmischem Fassungs- 
vermOgcn ohnehin fremdartigen Stoff in der Kurze 
der Zeit nicht gleichmassig durchdringen und ver- 
arbeiten konnte. Auch so bleibt, was er geleistet 
hat, eine respectable Leistung (vgl. bes. das Ur- 
teil Eoemers 823f). Jene auf praktiscben Er- 
wiigungen beruhende Dreiteilung der insinuatio: 
causa turpis — animus auditoris persuasus — 
auditor defessus kiinnen wir dem im praktischen 
Leben stehenden Manne, wenn er sie als seine 
Neuerung in Anspruch nimmt, auch ruhig be- 
lassen, mag er auch im ubrigen von der bisherigen 
Ephodostheorie abhangig gewesen sein. Doch soil 
der Verfasser nach Marx ein adulescentulus im- 
maturus sein. Aber ein solcher wird nicht leicht 
aufgefordert, ein Lehrbuch de ratiotie dieendi zu 
schreiben, Auch scheint aus alien Stellen, an 
denen unser Auctor den Hercnnius anspricht, 
hervorzugehen , dass wir einen reifen Mann im 
Verkehr mit einem Jiinglinge vor uns haben (IV 
69 ist mit H confirtnavit zu lesen; das consue- 
vimus I I bewetst, dass der Verfasser nicht erst 
seit kurzem sich dem Philosophiestudium widmet). 
Was hatten ferner bei einem unreifen Jiinglinge 
die Worte am Eingange unserer Schrift negotiis 
familiaribus inpediti rix satis otium studio 
suppeditare possumus fiir einen Sinn? Wiirde 
endlich ein adulescentulus so oft das puerile 
tadeln, ohne zu befiirchten, sich damit lacherlich 
zu machen (II 16. IV 4. 27. 32; im ubrigen Am- 
nion 41 2f. Bochmann 6f.)? Anderseits stand 
der Auctor nicht in hohero Alter; noch ist er voll 
von litterarischen Zukunftsplanen (s. o.). Marx 
hat bei seiner Annahme, dass der Anonymus ein 
adulescentulus sei, auch consequent seinen Stil 
als knabenhaft und unausgebildet charakterisieren 
miissen. Unleugbar ist der Stil nicht immer 
flussig; das lallt besonders in den Vorschriften, 
Definitionen, Begriindungen auf. Doch diirfte da 
der sprode Stoff und die Abhangigkeit von grie- 
chischen Quellen eine gewisse Scn'werfalligkeit 
und Unbeholfenheit im Ausdrucke hinreichend er- 
klaren. Anderes liisst sich mit der Eile der Aus- 
arbeitung und dem Streben nach Kurze cntschul- 
digen. Wieder anderes. wie das auffallige Haschen 
nach synonymen Ausdrucken (Marx Bh Mus 
XLVI 1891, 420-425), erscheint nur unserem Ge- 
fiihle albern und geschmacklos, war aber damals 
keinesfalls nur Schiilennanier und darf als Beweis 
fur das jugendliche Alter des Verfassers nicht 
gel ten, selbst nicht in dem seit Gruter allge- 
mein ausgeschalteten, von Marx Proleg. 90ff. dem 
Auctor wiedergegebenen Elaborat am Schlusse 
des Ganzen; Marx selbst verweist fiir die Syno- 
nyms auf die Verse des Pacuvius beim Auctor 



Lornihcms 



1616 



1617 



Cornificius 



Cornificius 



II 36. Man hat es in der Regel mit stilistischen 
Eigenheiten der Zeit, nicht des Alters zu thun. 
Gar manches, was dem Auctor zur Last gelegt 
wird, fiiidet sich bei Zeitgenossen, selbst bei 
Cicero (Thiele 728). In den Beispielen vollends 
wird man Troekenheit und Durftigkeit schwer- 
lich finden; da ist die Spraohe im Gegen teil meist 
glatt, lebhaft und farbenreich ; zuweilen begegnet 
man sogar bewussten Stilfeinheiten in der Stel- 
10 lung der Worter und Satzglieder und in der Wahl 
derRhythmenje nach dem Stilcharakter (Sie vers 
Eh. Mus. XXVIII 1873, 568f. Marx Ind. schol. 
Greifswald 1891, XIHff.; Proleg. 99ff.). Es ist 
gewias kein Zufall, dass IV 27 alle drei Beispiele 
fur die Periode auf einen Dichoreus ausgehen; 
vgl. auch IV 26 die Beispiele fur membrum und 
articulus. In dem Beispiele fiir den erhabenen 
Stil (figura gravis IV 12) herrscht, wie Marx 
schon beobachtet hat, der Ditrochaeus im Perioden- 
20 schlusse vor, wahrend diese Clausel in dem Bei- 
spiele fiir den schlichten Stil (figura attenuate/, 
IV 14) nicht vorkommt. Da der iibermassige Ge- 
brauch des Ditrochaeus als Clausel ein besondcrcs 
Merkmal der asianischen Beredsamkeit ist, kfinnte 
man versucht sein, den Verfasser, der diesern Ein- 
flusse in einem Punkte nachweislich nachgegeben, 
unter die Asianer zu rechnen. Indes weiss der 
Auctor im Gegensatze zu den Asianern Mass zu 
halten, Ausserdem unterscheidct er streng zwi- 
30 schen Theorie und Praxis. So warnt er bei der 
Behandlung der Piguren davor, cum in veritate 
dicimus , zuviel und an unrcchtem Platze von 
ihnen Gebrauch zu machen (IV 32. 38. 41; vgl. 
fur die Composition IV 18). Dass er IV 25 zu 
seltcnem Gebrauche von sententiae (yvwuai) mahnt, 
beweist, da Sentenzen erst durch don Asianismus 
in Menge zur Anwendung kamen , eine gesunde 
Reaction gegen die herrschende Richtung. Auf 
dasselbe Blatt ist zu schreiben, dass er den da- 
40 maligen Hauptvertreter des Asianismus in Rom, 
Coelius Antipater, wegen seines bestandigen Ge- 
brauches von traiectiones tadelt \\N 18) , wie- 
wohl er selbst eine unverkennbare Vorliebe fiir 
die traiectio zeigt. Coelius mag er auch im Auge 
haben, wenn er vor nova verba warnt (I 15. IV 
15. 42. Marx Proleg. 140). Von der Zerstucke- 
lung der Periode in kleine Satzchen, wie sie seit 
Hegesias bei den Asianern zur Manier geworden 
ist, findet sich bei unserem Auctor keine Spur. 
50 Als das alteste prosaische Litteraturdenkmal, 
wenn man von Cato de agriculture absieht, bc- 
ansprucht unsere Rhetorik ein hohes sprachge- 
schichtliches Interesse. Es ist kein Werk auf 
uns gekommen, das uns iiber den Sprach ge- 
brauch der sullanischen Zeit besser orientierte. 
Aus den altesten und besten Hss. hat Marx die 
Orthographic berzustellen gesucht, deren sich unser 
Auctor vermutlich bedient hat (Proleg. 162—167; 
hierzuAmmon 414f). Er ist ein Preund wenn 
60 nicht gerade der vulgaren, so doch der plebeischen 
Redeweise mit ihrer Vorliebe fiir Composite, pleo- 
nastische Verbindungen. altertiimliche, ungewOhn- 
liehe Ponnen und Construction en, eigentiimliche 
Wortbildungen. Er erinnert in vielen Ausdrucken 
und Wendungen an die Komiker und Ennius; 
Wendungen wie quo setiiis, conquisite hat er 
nur mit Afranius gemein, andere scheint er allein 
aus Plautus, dem Meister der Umgangssprache, 



1618 



t 



i) 



entlehnt zu haben; im ubrigen nahert sich seine 
Prosa mehr der Sprache des Nepos (die Oberein- 
stiimnungen mit ihm dem Gallier betont Marx 
zu stark), Livius, Sallust, Varro als der des Cicero. 
Manche ungewOhnliche Fornien erklaren sich aus 
der Vorliebe fiir stilistische Feinheiten, wie z. B. 
fiir ouoioteXevto. und naoofioia audaeiter .... 
humiliter IV 28 (neben audacter III 19), casu 
et fortuitu I 19 (neben fortuito et necessario II 



und dedicierte sie dem reichen Kaufherrn mtd 
GSnner Augustins Romanianus von Tagaste. Mit 
diesern kam sie gegen Ende des 4. Jhdts., als er 
nach Cassiacum bei Mailand iibersiedelte , nach 
der Lombardei, wohin alle Spuren unserer hsl. 
Uberliefcrung zu weisen scheinen. Auffallend ist 
das Schweigen der Commentatoren von Cic. de 
inv. Marius Victorinus (Mitte des 4. Jhdts,) und 
Grillius (4./5. Jhdt.). Sicher bekannt war das 



25). Zu der grossen Anzahl aus dem Griechi- 10 Werk und zwar unter Ciceros Namen dem Hiero- 



schen iibertragener Termini (Thielmann 94 — 96) 
werden noch vicle Graecismen treten mussen 
(Marx Proleg. 167f. Thiele Rec. 733f.). Im 
Anschlusse an seine Ausgabe hat Marx den ganzen 
Wortschatz fiir den Hertzschen Thesaurus ge- 
sammelt und verarbeitet (dariiber Wolf f lin Arch. 
f. Lexicogr. IX 1894, 320—322). Am eingehend- 
sten hat unter Vergleichung der ziemlich gleich- 
zeitig fallenden, ein viel feineres und strengeres 



nymus, der es zweimal praef. in Abdiam VI 361 
Vail, etwa a. d. J. 395 und apol. c. Rufin. I 16 = 
II 471 Vail. a. d. J. 402 citiert, und dem gleichzeitig 
lebenden Grammatiker Rufinus (G. L. VI 577f. = 
Rhet. lat. min. 584 H. = ad Her. IV 26 membrum; 
G. L. VI 568, 19 = Rhet. 577 = ad Her. IV 44 
transgressio). Priscian (um 500) scheint das Werk 
auf seltene Formen grundlich durchsucht zu haben, 
wenn er nicht etwa seine Citate aus Flavius Caper 



Stilgefuhl bekundenden Erstlingswe'rke Ciceros 20 entnommen hat (Jeep a. O.; G. L. II 96, 17 = ad 



(de inv., pro Quinct,, pro Rose. Am.) den Sprach- 
gebrauch unseres Auctor untersucht Thielmann 
De sermonis proprietatibus quae leguntur apud C. 
et in primis Ciceronis libris, Diss. Strassburg 
1879 = Diss. phil. Argent. II 349—454; Bl. f. d. 
bayr. Gymn.-Wes. XVI 1880, 202—213; vgl. auch 
Bcrgk Ind. schol. Halle 1858/59 VII. Kroenert 
Diss. 4—19. Wolfflin Philol. XXXIV 1876, 142. 
144; Archiv f. Lexicogr. IV 1887, 403. Marx 



Her. II 7. 523, 24 = II 20. 355, 17 = III 3. 95, 
18 = III 18. 104, 6 = IH 24. 307, 19 = III 32. 
495, 19 =IV 5. 357, 6 = IV 7. 108, 9 = IV 9. 95, 
14 = IV [V] 25. 495, 21 = IV [V] 42. 383, 10 = IV 
[VI] 53. 197, 16 = IV [VI] 61); vielleicht hat er 
auch de metr. Ter. G. L. Ill 424 die Verse des 
Ennius aus ad Her. II 34 entlehnt. Ausser den 
Genannten verrat kein alter Grammatiker oder 
Rhetor eine Bckanntschaft mit unserer Rhetorik; 



Rh. Mus. XLVI 1891, 606—612; Ind. lect. Greifs- 30 zu Servius G. L. IV 435, 13 = ad Her. IV 7 ver- 



wald 1892/93 XIV— XVI; Proleg. 162ff. 

Schicksale der Schrift. Marx hat die 
wenig wahrscheinliche Behauptung aufgestellt, 
dass die Rhetorik nur fiir den Privatgebrauch, 
nicht fur die Offentlichkeit bestimmt gewesen sei ; 
dagegen sprechen u. a. die gelegentlichen Lob- 
spriiche auf die Optimaten , die bei ciner Be- 
schrankung auf die Gens Herennia vollig unan- 
gebracht erscheinen. Von Sulla bis Theodorich 



gleicht Marx Charis. I 141, 32, zu Fortunatianus 
Rhet. lat. min. 97, 29 = ad Her. I 19. Cic. de inv. 
I 17. II 116. Dass Isidores (f 636) und Baeda 
(t 735) in ihren rhetorischen Schriften auf ad 
Her. nicht Bezug nehmen, deutet Marx dahin, 
dass das Werk damals in den Bibliotheken der 
Gelehrten Spaniens und Britanniens nicht exi- 
stiert habe. Daraus, dass Alcuin (f 804) in seiner 
Disputatio de rhet. nur de inv. hier und da ausge- 



sei die Rhetorik in Rom nicht bekannt gewesen, 40 schrieben hat(HalmRhet.lat.min. XIII. 527, 38ff. 



weil weder Grammatiker noch Rhetoren sie je- 
mals beniitzt hatten Nach der gewohnlichen 
Annahme hat aber Cicero unsere Rhetorik ein- 
gesehen (auch sprachliche Anklange hat man da- 
liin gedeutet, s. Thielmann Bl. f. bayr. Gymn.- 
Wes. a. O. 202ff.), und nach ineinem Dafiirhalten 
hat sie in augusteischer Zeit ein C. ausgepliindert, 
wahrend sie Quintilian nicht vorgelegen zu haben 
iclieint. ' Gellius (XIII 6. V 20 vgl. mit ad Her. 



= ad Her. I 25 = de inv. II 72) erschliesst Marx, 
dass die Herenniusrhetorik auch in Gallien um 
diese Zeit nicht bekannt war. Erst durch einen 
Brief des Abtes Servatus Lupus an Einhard vom 
J. 830 erhalten wir Kunde von der Existenz ver- 
stummclter und luckenhafter , mit zahlreichen 
Fehlern behafteter Exemplare im Frankenlandc. 
Solche Hss., wie die von Servatus Lupus erwiihn- 
ten , cxistieren noch und zwar vier aus dem 



IV 17) kannte unsere Rhetorik nicht. am aller- 50 9./10. Jhdt., cod. Herbipolitanus oder Virceburgen 



wenigsten unter Ciceros Namen, vielleicht Flavius 
Caper (2. Jhdt., s. u.). Um 350 ist in Nordafrica 
ein Exemplar unserer Rhetorik — nach Marx 
das einzige noch vorhandene aus der Biicherei 
eines Herennius oder einer verwandten Familie — 
aus Licht gezogen worden. Wenigstens scheint 
die Subscription in H Fcmiamane chat nach 
Africa zu weisen (Marx Proleg. Iff.; dazu Jeep 
DLZ 1897, 492). Der erste Herausgeber, kein 



sis H (zuerst verglichen von Halm Anal. Tull. I 
Miinchen 1852. Marx Proleg. llf.), 2 Parisini P 
(zuerst verglichen von Baiter Varietas lectionis 
ad rhet. ad Her. 1. IV, Zurich 1844. Marx 12ff.) 
II (Marx 19f.), Bernensis B (zuerst von Simon 
verglichen; Marx 14f.). einer aus dem 10./11. Jhdt. 
Corbeiensis C, jetzt in Petersburg (Marx Rh. 
Mus. XLni 1888, 376—385; Proleg. 15ff.). Eine 
genaue Beschreibung des Archetyjius dieser Hss.- 



(jrammaticus illustris, sondern ein homo satis 60 Classe giebt Marx 20— 32; ihnen alien ist gemein, 
iiidoctus ct hiseilus (Marx), teilte die Rhetorik dass sie uxtrpa/.oi sind (der Anfang bis tria sunt 

tempora I 9 fehlt) und dass auch sonst der Text 



trotz der ausdrucklichen Angabe des Verfassers 
III 1. IV 1 in sechs Bucher (s. o.), schrieb sie 
wohl nicht, wie Eayser u. a. annahmen, aus 
buchhandlerischer Speculation, sondern bona fide 
wegen der Ahnlichkeit des Inhaltes mit den Buchcrn 
de inventione dem Cicero zu, unter dessen g-lau- 
zendem Namen sie bis Mitte des 15, Jhdts. ging, 



mannigfache Lucken, die besonders durch Ho- 
moioteleuta entstanden sind, aufweist, daher Mu- 
tili (bei Kayser in Fainilic I). H gcht direct 
auf M, den Archetypus der Mutili, zurflck, die 
vier andern alio apograplw quodam interposito. 
Mit H verwandt sind die beiden verlorenen Gry- 



1619 



Cornificius 



Cornificius 



1G20 



phiani BC. Neben den Mutili sind fur die Text- 
reconstruction und zwar nicht bios filr den in M 
fehlenden Anfang heranzuziehen die vervollstan- 
digten Hss. (nach Marx Expleti; bei Kayser in 
Familie II, III und mixtae originis). Ein Buch- 
handler des 4. oder 5. Jhdts. hat eine Ausgabe 
von Cicero de inv., ad Her., de or., or., Brut, 
anfertigen lassen. Eine Abschrift dieser Ausgabe 
in vollem Umfange war der Laudensis (Marx 
32f.), der, 1422 in Lodi aufgefunden, wicder ver- 10 
schollen ist, ohne dass unscre Rhetorik daraus 
abgeschrieben oder eine Ausgabe derselben darauf 
begriindet worden ware; er ware, wenn wir ihn 
hatten, vielleicht die einzige Grundlagc der Text- 
kritik. Eine Abschrift nur des ersten Teiles, ent- 
haltend de inv. und ad Her. , ist der verlorene 
codex integer, aus dem im 12. Jhdt. der Arche- 
typus der Expleti E, ein H sehr ahnlicher Cod. 
mutilus am Anfang und sonst erganzt, durch- 
corrigiert und, mit eigeneri Vermutungen und Ver- 20 
besserungen des Schreibers versehen , herausge- 
geben worden ist. Aus dieser Classe, die in un- 
zahligen Exemplaren aus dem 12. — 15. Jhdt. in 
den Bibliotheken Italiens, Prankreichs, Englands, 
Deutschlands vertreten ist, hebt Marx 3 aus dem 
12./13. Jhdt. heraus , den Bambergensis b (34f.), 
Leidensis 1 (35), Darmstadiensis d (36). In den 
Hss. dieser Classe fmdet sich de inv. in der Regel 
an erster Stelle, an zweiter ad Her., wie in dem 
verlorenen Archetypus der codtl. integri. Schon 30 
vom 12. Jhdt. an werden die Bucher de inv. als 
rhetorica -prima, die ad Her. als secwida be- 
zeichnet; man las am Schlusse von de inv. II quae 
rest ant , in reliquis dicemus und bezog diese 
Notiz auf die unter Ciceros Namen gehende Heren- 
niusrhetorik, die, wie man damals lehrte (Schol. 
Bamberg. 8 Marx), ad ittorum (sell, de inv. Khro- 
rum) eorrectionem von Cicero spater geschrieben 
worden sei. Brunetto Latini aus Florenz, der 
Freund Dantes, hat nicht, wie man hie und da 40 
annahni, ad Her. IV, sondern nur einen Teil aus 
de inv. I ins Italienische iibersetzt. Eine t'Jber- 
setzung der Herenniusrhctorik ist urn die Mitte 
des 18. Jhdts. von Guidotto da Bologna oder 
Bono Giamboni gemacht worden. Diese tiber- 
setzung fuhrte den Namen rettorica nuora di 
TSillio. Dieser vorher nicht gebrauchliche Titel 
wurde jetzt gewOhnlich; er scheint von Gelehrten 
des 13. Jhdts. erdacht, die an Stelle der rlie/orica 
prima und secunda die Bezeiclmungen -vetus und 50 
nova setzten. Beide Rhetoriken waren Dante und 
Petrarca bekannt. Das Capitel iiber das Gedacht- 
nis ad Her. Ill 16 bis Schluss wurde um dieselbe 
Zeit von einem byzantinischen Gelehrten (Maxi- 
mos Planudes oder Theodoros Gazes, vgl. Ktura- 
bacher Byz. Litt.-Gesch. a 545l iibersetzt; altere 
Ausg. s. bei Orelli- Baiter Onomasticon Tull. 
I 383; neueste Ausg. von Marx in Prolog. 54 
— 59. Da der Ubersetzer einen Cod. expletus, der 
nicht besser war als die uns bekannten, zu Grande 60 
legte, so hat seine Ubersetzung fur die Textes- 
recension keincn besonderen Wert. Die unge- 
wOhnlich grosse Menge von Hss. (schon Kayser 
ziihlt in seinem Index codicum XXV— XXX 91 
Hss. auf; viele sind nach ihm collationiert wor- 
den) ist der sicherste und beste Beweis fur das 
aussergewohnliche Interesse, das man der Rhetorik 
das ganze Mittelalter hindurch entgegenbrachte. 



Sie war ein Schulbuch geworden, das viel gelesen, 
erklart, iibersetzt, mit ciceronischen Schriften ver- 
glichcn. und aus ihnen corrigiert, zum Teil versi- 
ficiert wurde (vgl. die Litteratur bei Simon Die 
Hss. der Rhet. an Her. I, Sehweinfurt 1863, 7, 2). 
Auch von den Juristen wurde cs viel beniitzt nach 
der damals herrschenden Ansicht von dem innigen 
Zusammenhange der Jurisprudenz und Rhetorik, 
so von dem beruhmten Freiburger Rechtslehrer 
Ulrich Zasius irn Anfange des 16. Jhdts. (Simon 
a. O. 7f.). Unter diesen Umstanden darf man 
sich nicht wundern, wenn der urspriingliche Text 
(besonders in den fur den Gebrauch bequemeren 
Expleti) mit Randnoten, Interlinearglossen , In- 
haltsangaben , Interpolationen jeder Art (s. die 
Aufzahlung bei Kayser Ausg. XIII — XV. Simon 
11) vielfach vermengt wurde (Simon II Schwein- 
furt 1864 behandelt die Veranderungen des ur- 
spriinglichen Textes durch Einschiebung einer 
Conjunction in den jungeren Hss.). Weil sich in 
jungeren Hss. sehr viele Conjecturen von Ge- 
lehrten des Mittelalters flnden, ist grosse Vorsicht 
bei ihrer Benutzung geboten; sie vollig zu ver- 
werfen, wie Halm Rh. Mus. XV 1860, 536—573 
gethan, ist durchaus verfehlt (vgl. Spengelebd. 
XVI 1861, 391—413, dem sich alle folgenden 
Kritiker anschlossen). fiber die Hss. vgl. ausscr 
den Ausfiihrungen der Herausgebcr und Simons 
noch Destinon De cod. Cornif. ratione, Diss. 
Kiel 1874 und Schmidt Probe einer neuen Ausg. 
der Rhet. ad Her. (Prooemium zu IV), Progr, Gum- 
binnen 1878, nach dessen Ansicht eine kritisclic 
Ausgabe nur auf HPBb ziubasieren und zwar b 
nur zur Verbesserung der Schreibfehler und zur 
Ergiinzung der Liicken jener drei Hss. heranzu- 
ziehen sei. Nur jiingere Hss. liegen den altesten 
Ausgaben zu Grande. Die Ed. princ. der rhet. 
nova et vetus des Om nib on us Vicetinus 
Venedig 1470 beruht auf einem d verwandten 
cod. E. Nach dem Vorgange des Omnibonus 
haben die meisten Herausgeber beider Rhetoriken 
die ad Her. vorangestellt. Alle rhetorischen Schrif- 
ten gab auf Grand neuer Collationen (Classe E) 
Aldus Venedig 1524 heraus. Grosses Ansehcn 
genoss die von Cratander besorgte Baseler Ausg. 
der rhet. Schriften Ciceros vom J. 1528; am ver- 
dienstvollsten jedoch ist die des sospitator Cice- 
roni's Petrus VictoTius Venedig bei Junta 1537. 
Von den folgenden Ciceroherausgebem Lambin us 
(Paris 1566J, Scotus (Ley den 1588j, Gruter 
(Hamburg 1618), Gronov(Leyden 1692), Ernesti 
(Leipzig 1737) hat bei weitem am meisten fur 
die Bucher ad Her. geleistet Gruter. Von ilnn 
riihrt ilie Einteilung des Textes in Capitel, wiih- 
rend Scotus ihn in Paragraphen oder Sectionen 
geteilt hatte; beide Teilungen flnden sich in der 
ersten Gronovsehen Ausgabe, an die als Vul- 
gata sich die spateren Herausgeber alle ange- 
schlossen haben. Die Notizen Graeves, der eine 
grosse Ausgabe beider Rhetoriken begonnen hatte, 
beniitzte nach dessen Tode P. Bur m annus Se- 
cundus in seiner Ausgabe Leyden 1761 (in Deutsch- 
land neu aufgelegt von Lindemann, Leipzig 
1828); die Ausgabe behalt ihren Wert wegen der 
lesenswerten Ausfiihrungen iiber die Schicksale 
der Biicher ad Her. in der Praef. dedicatoria I — 
XXXVII, wegen der Animadversiones des Michael 
Brutus 485ff. aus dessen Ausgabe beider Rhe- 



1621 



Cornifichis 



Cornificius 



1622 



toriken Leyden 1570, weil dersclbe die seither 
verschollenen Gryphiani benutzt hatte, und wegen 
der Lectiones Oudendorps aus Leydener Hss. 
517ff. In den Anfang unseres Jahrhunderts fallt 
die verdienstvolle Ausgabe der rhetorischen Schrif- 
ten von Schiitz Leipzig 1804—1808, darin ad 
Her. I 1, 1804. Eine neue Aera fur die Text- 
kritik beginnt mit der zweiten Ciceroausgabe von 
Orelli-Baiter Zurich 1845, da dort fiir ad Her. 
gute, ja die besten Hss., so Pb, freilich in sclilech- 
ten Collationen, verwendet sind. Auf der Or e Hi- 
Bait erschen Recension fusst die Ausgabe von 
Klotz Leipzig 1851ff. Eine Separatausgabe 
unserer Rhetorik unter dem Namen des C. gab 
dann Kayser Leipzig (Teubner) 1854 heraus. 
Mit dieser Ausgabe war eine Grundlage fiir alle 
weiteren Forschungen fiber diese Sehrift gegeben, 
aber eine noch unsichere, da das erdriickende Hss.- 
Material noch nicht gesichtet und zum Teil auf 
nachlassigen und unvollstandigen Collationen ba- 
siert war. Zusammeh mit den rhetorischen Schrif- 
ten Ciceros ist die Rhetorik ad Her. herausge- 
geben worden von Kay serin der Baiter- Kay ser- 
schen Ciceroausgabe, Leipzig (Tauchnitz) 1860, und 
von Friedrich in der Ausgabe des Cicero von 
C. F. W. Miiller I 1, Leipzig (Teubner) 1884. 
Wahrend Kaysers auf griindlicher Kenntnis der 
rhetorischen Technik beruhender Commentar 217 
— 232 bleibenden Wert behalt, ist die Textrecen- 
sion durch die m usterh afte, auf sorgfaltigen eigenen 
Collationen und umfassenden einschlagigen Kennt- 
nissen begriindete Sonderausgabe von Marx (s. o.) 
weit iiberbolt. Eine Aufzahlung der altereu Aus- 
gaben findet man bei Orelli-Baiter Onomasti- 
con I 197 — 225, besonders von 218 ab, eine kri- 
tische Auswahl bei Marx Proleg. 60ff. Von 
neuereu Ubersetzungen nenne ich die dcutsche 
von Walz Metzlersche Sammlung XXVI, Stutt- 
gart 1842, und die franzOsische von Delcasso = 
Oeuvres compl. de Cic. II Paris (Gamier) 1866. 
Die Frage nach dem Antor beschaftigte die 
Gelehrten seit der Mitte des 15. Jhdts. und wird 
wohl eine allgemein befriedigende positive Liisung 
nie flnden. Nachdem bereits Laurentius Valla 
die Rhetorik an Herennius als Ciceros kaum wiir- 
dig bezeichnet hatte (Marx Proleg. 62), sprach 
sie der Humanist Raphael Regius in der be- 
deutsameri Abhandlung ,utrum ars rhet. ad Her. 
Ciceroni falso inscribatur' Venedig 1491 dem 
Cicero fiirmlich ab. Gleichzeitig vermutete er 
neben Virginius Rufus (z. Z. Neros) und Timolaus 
(z. Z. Aurelians) , die schon aus chronologischen 
Grunden unmoglich die Rhetorik geschrieben haben 
konnen, Quintilians Comifieius als Verfasser. In 
dem erbitterten Streite , der um die Autorschaft 
des Cicero unter den Gelehrten entbrannte, traten 
die hervorragendsten Kritiker auf des Regius 
Seite. Auf Grund einer Notiz des Aldus, der 
erfahren haben will, dass ein uralter Codex der 
Palatina in Rom die Aufschrift gefiihrt habe M. 
Gallionis rhetorieorum ad C. Hcrcnnium liber 
primus, hielt diesen Rhetor aus Senecas Zeit J. 
Caesar Scaliger fur den Verfasser. Mit grosserer 
Bestimmtheit bezeichnetc Petrus Victorius den 
O. als Autor. nachdem bereits Riccobonus gegen 
Marius Mattius seine Autorschaft verfochten 
hatte. In den Prolegomena zu seiner Ausgabe 
suchte Schiitz den Antonius Gnipho als Verfasser 



. zu erweisen, indem er von der falschen Voraus- 
setzung ausging, der Verfasser miisste Ciceros 
Lehrer gewesen sein, was aber bei der Verschie- 
denheit der Systeme ausgeschlossen ist. Aus dem- 
selben Grunde ist das Resultat von vanHeusdes 
Disquisitio de L. Aelio Stilone, Cic. in rhet. 
magistro, rhet. ad Her. ut videtur auctore, Utrecht 
1839 verfehlt. Wahrend Orelli die Frage der 
Urheberschaft unentschieden liess, bekannte sich 

10 Klotz wieder zu der Cberzeugung, dass die Rhe- 
torik von Cicero herriihre. In der Recension der 
Klotzschen Ausgabe, Miinch. gel. Anz. XXXIV 
1852, 473E , erwies Kayser, dass die Rhetorik 
von Cicero nicht verfasst sein kOnnte; 489ff. suchte 
er unter Verwerfung aller bisherigen Autornamen 
C. wieder in seine alten Rechte einzusetzen (vgl. 
auch Ausg. praef. Vlff.). Seitdem gait C. wieder 
ziemlich allgemein fiir den Autor; nur fiber die 
Person des C. war man nicht einig. Kayser hielt 

20 den Richter im Process des Verres und Mitbewerber 
Ciceros um das Consulat Q. Cornificius (Nr. 7) 
fur den Verfasser (so auchKammrath 33f. und 
, Roch 40—42); Kroenert Diss. 41—44 und 
Jordan 81 bezweifelten die Identitat; Boch- 
mann 7 nahm an, dass ein alterer Verwandter 
dieses C, der, um 123 geboren, in der Zeit der 
sullanischen Proscriptionen umgekommen sei, die 
Rhetorik verfasst habe. Vereinzelt stehen die 
Versuche, andere Autornamen ausfindig zu machen. 

30 So vermutete Graff Melanges Greco-Romains II 
1866, 320, dass Ateius Capito der Verfasser sei, 
indem er sich auf die als Glosse langst erkannto 
Lesart der cod. E I 18: noster doctor [Hermes], 
dessen Schiller Ateius war (vgl. auch Osann 
a. O. 792f.), stiitzte. Vollends gescheitert ist der 
Versuch Giambellis, unsern Autor mit dein 
Dcclamator und Philosophen Papirius Fabianus 
z. Z. des Kaisers Tiberius zu identificieren. Marx, 
der anfanglieh mit Kayser C. fur den Verfasser 

40gehalten hatte, gab Berl. phil. Woch.-Schr. X 
1890, 1008 die Autorschaft des C. auf und ver- 
focht seinen ablehnendcn Standpunkt ausfiihrlich 
Proleg. 69ff. Thiele und A mm on halten trotz 
Marx an C. fest; Schanz, der in der ersten Auf- 
lage seiner Iitteraturgeschichte fiir die Autorschaft 
cines C. eingetreten war, lasst sie in der zweiten 
unter dem Gewichte der Marxschen Argumente 
fallen. Zur Geschichte der Autorfrage vgl. ausser 
Burmann (s, o.) und Kayser van Heusde und 

50Giambelli 1 — 17. Durch die Untersuchungen 
von Marx lauft der friiher etwas iiberschatzte 
Autor Gefahr, sehr unterschatzt zu werden. Sein 
Werk bleibt jedenfalls, gleichviel ob Marx Reclit 
behalt, der an die Stelle des Autors fast fur das 
ganze Werk seinen unbekannten Lehrer setzt, oder 
ob wir den Autor als litterarische Individualist fiir 
das Ganze in Ansprach nehmen (s. Schanz 391f.), 
nach wie vor als Lehrbuch der Rhetorik , zumul 
in Enuangelung anderer vollstiindiger Lehrbiicher 

60 aus so friiher Zeit, als crste Rlietorik in vollstan- 
dig runvischem Gewande, als zweitalteste.> Prosa- 
denkmal der riimischen Litteratur ein liber auro 
pretwsior (Spengcl Rh. Mus XVI 391;. Bei- 
trage zur Herstellung des Textes und zum Ver- 
standnis des Schriftstellera haben seit Erscheinen 
der Kayserschen Ausgabe, von den Ausgaben 
abgesehen, ge lief ert Osann a. O. 777ff. Kayser 
Heidelb. Jahrb. XLVII 1854, 411—414; Philol. 



1623 



Cornificius 



Cornificius 



1624 



n w -l /?' Halm ' Spengel, Simon Marsch quer liber die Nordostspitze Siciliens fuhrte 

?oi/ 1 1 W 1 ei l dncr Cnt - scn Pt- s P ec -> Pr °g r - Coin er sie unter grossen Strapazen glucklich an die 

t t I V D! ; -; , Sg nJv ars rhet " XVI[ — XX °; Nordkuste, wo sie sich mit dem Heere Agrippas 

Jaiirb. 1. Piulol. GXIX 1879, 127f. ; Ausg. von vcreinigten und damit gerettet waren (Appian. V 

FnedrichPraef.XXVI. Hans el Jahrb.f. Philol. 111—115. Dio XLIX 5, 4—7,5. Veil. 1179,4; 

w II VTTT 86 ior7o 51 ~~ 854 ' Eubner B1 - f - ba y r - G -" T g!- Oardthausen Augustus 'i 270ff.). Er'er- 

vTtrm ' 372— 874 - Teuff el Eh. Mus. hielt die Auszeichnung, dass er in Rom von Mahl- 

XXV111 1873, 496. Sie vers ebd. 568—580. zeiten auf einem Elefanten heimreiten durfte 

Kroenert Destinon, Jordan a. 0. Hertz (Dio XLIX 7, 6; vgl. Gardthausen a. 0. I 284), 
Jahrb. f. Philol. CXI 1875, 785f. Ostmann De 10 und das Consulat fur das folgende J. 719 = 35 

additamentis, quae m rhet. ad Her. inveniuntur, (Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Cassiod. Dio XLIX 

vv-S^ 1 ^ 8 ' D . la8 - BreslaU 1876 - Lan S en Phil01 - ind. 18, 6. 33, 1). Spater war er Statthalter von 

q« X ^ J 87 L 4 . 4S r 487 - 577 " 596 - XXXVI I 1878, Africa und triumphierte ex Africa III. Non. Dee. 

Itv~A™ X hle i 1 j; a ? T I1 ^ iss - 104 -H3; Henn. jedenfalls des J. 722 = 32 (Tab. triumph. Barberin. 

n loo ° 29 ~ 632 " Hoffmann a. 0. Eoemer mit Commentar CIL 12 p. 77f.). Auf Veranlas- 

roi, « \ Hermann Emendat. Cornif. (z. sung des Augustus erneuerte er den alten Tempel 

Jj^hljo^o^ 1 ^^, 1880 ' Marx Rh Mus - der Diana auf dem Aventin, der seitdem nach 

?«o? VJ^J' W ^T^ 8 ^ 42 , * 606ff - XLVI1 ihm benannt wurde ( Suet - Au &- 29; eia aediiuus 

vt??2* « i ^ Sch ^ L Gl ' elfewald 1891; 1892/93 Dianae Cornif(ieiae) GIL VI 4305; Grundriss 
fi. 1 ^- Kadtke a. 0. Skutsch Herm. XXXII 20 des Tempels mit Beischrift: Cornificia Forma 

J 897, 97f. Uber den Auctor Uberhaupt vgl. ausser urbis frg. 2 Jord. = CIL VI 29844, 2; vgl noch 

den oit citierten Abhandlungen von Kayser (bes. Gardthausen a. 0. I 983. II 596 8) 
Munch, gel. Anz. a. 0.), Kroenert, Thiele (Diss. 6} P. Cornificius, beschuldigte 702 = 52 nach 

u. Gott gel Anz a. 0. 717—735), Marx (bes. der Ermordung des P. Clodius den Milo im Senat, 

i'roleg. 1—184), Am in on a. 0. 407-415 aus der dass er heimliche Waffen bei sich ftthre (Ascon 

it w ^^ WestermannGesch.d.Bereds. Milon. p. 32). Vielleicht ist das Praenomen ver- 

qoko - j • z - s ' ubersetzun g 3339 schrieben und C. identiseh mit L. Cornificius Nr. 4 

— Ji52, aus der neuereri Blass Griech. Bereds. 7) Q. Cornificius war Volkstribun 685 = 69 

121f. 1 euffel-Sch wabe Rom. Litt.5 271—273. (Cic. Verr. I 30) und Praetor 687 = 67 oder 688 
Schanz Bom. Litt. 12 387-394. 286f. 30 = 66, denn er bewarb sich 690 = 64 zusammen 

„. n .„ . [Brzoska.] mit Cicero fur das folgende Jahr urns Consulat. 

2J Lormhcius, bcnba des C. Verres wahrend Er war wie dieser ein homo'novus und ein Mann 

seiner stadtischen Praetur 680 = 74 (Cic. Verr. vonanerkannterEhrenhaftigkeit,aberCiceromeinte 

owi •£ • doch, dass seine Candidatur nicht ernst zu nehmen 

% , Corni fl. c ms iiberbrachte am 17. Marz 711 sei (ad Att. I 1, 1. Ascon. tog. cand. p. 73; Uber 

= 43 dem Cicero einen Brief des Q. Cornificius seinen Charakter vgl. auch Cie. Verr. 130) Im 

aus Africa am 22. Tage (Cic. ad fam. XII 25, 1). J. 691 = 63 wurde ihm als Praetorier der Cati- 

Er wird also ein Verwandter (sehwerlich ein Frei- linarier C. Cethegus zur Bewachung ubergeben 

gelassener) von Nr. 8 gewesen sein, vielleicht (Sail. Cat. 47, 4; vgl. Cic. ad fam. XH 28, 2. 
ideiitisch mit Nr. 5. 40Appian. bell. civ. II 5). 692 = 62 brachte er 

4} L Urnificms klagte im J. 702 = 52 den zuerst den von P. Clodius beim Feste der Bona 

77 ers * . mit meh J eren anderen de ambitu an Dea begangenen Religionsfrevel im Senat zur 

(Ascon. Milon p 34; s. o. Bd. I S. 2275) und Sprache (Cic. ad Att. I 13, 3). Im J. 709 = 45 

dann mit Q. Patulcius de vt (Ascon. Milon. p. 48). war er anscheinend nicht mehr am Leben (ebd. 

«i t' n -c ■ , r ~ XII 14, 2); noch spater gedachte aber Cicero ihrer 

. ,?l f 1 ; V orni ncius, als L. f. (Dio XLIX ind.; gemeinsamen Bekampfung der Feinde des Staates 

vielleicht ist m einem SC. de Aphrodis. [Aevxiov (ad fam. XII 28, 2). Seine Kinder Nr. 8 und 12 
KogvovyiHijov Aevxiov view als Name des einen 8) Q. Cornificius, war Q. f. nach CIL VI 

Consols zuerganzen, vgl. Vi ere ck Sermo Graecus 1300a, und zwar Sohn von Nr. 7 nach Cic. ad 
p. VII add. ad n XIX) wohl Sohn von Nr. 4. 50 fam. XII 28, 2; vgl. ad Att. XII 14, 2. Elide 

Im J. 711 = 43 klagte er auf Veranlassung Octa- April 704 = 50 verlobte er sich mit der Tochter 

vians den abwesenden M. Brutus wegen der Er- der beriichtigten Aurelia Orestilla (Cael. an Cic. 

inordung Caesars an (Plut. Brufc 27, 2). Im ad fam. VIII 7, 2, vgl. o. Bd. H S 2544 Nr 261) 

Kricge Octaves gegen Sex. Pompeius war er Er war damals noch ein ganz junger Mann (adu- 

1 lottencommandant ; Anfang 716 = 38 fuhrte er lescens) und erhielt erst im J. 706 = 48 die Quae- 

die ilotte von Ravenna nach Tarent (Appian. stur. Caesar schickte ihn im Sommer dieses 

bell civ V 80) , wo Octavian selbst den Uber- Jahres mit propraetorischem Imperium und mit 

betebl ubernahm. In der Meerenge von Messina zwei Legionen nach IUyricum, wo er die ersten 

wurden die Schiffe plotzlich von denen des feind- Proben seiner Umsicht und Tuchtigkeit ablegte 
lichen Admirals Deruochares angegriffen und kamen 60 Es gelang ihm, durch Einnahme der festen Platze 

in die hflchste Bedrangms, bis C. ohne Befehl die Provinz fur Caesar zu gewinnen mid die 

scinerseits zum Angriff vorging und sogar das Schiffe der Pompeianer, die sich nach der Nieder- 

leindliche Admuakchiff nahm (Appian. V 86). lage bei Pharsalos (9. August) nnter dem Befehl 

Noch grOssere Verdienste erwarb er sich 718 = des M. Octavius hierher fluchteten. vor ihrer Ver- 

4b; er erhielt damals den Befehl liber die bei einigung grtsstenteils abzufangen (Bell. Alex 

lauromemon ans Land gesetzten drei Legionen, 42, 2f.; vgl. Caesars Rede bei Pharsalos: d>g 8vo 

die Jon jeder Verbindung abgeschnitten in der ,^r amy tdy/tara KoowIvlo? aymv tyyvg ioxiv 

geiahrhchsten Lage waren, und durch einen kiihnen Plut. Caes. 43, 1). Da aber Caesar erwarten 



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Cornificixis 



Cornificius 



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musste, dass fur viele seiner unterlegenen Gegner oerti ecmstituturum , id ego et speraram cet. 

IUyricum der bequemste Sammelplatz sein werde, 19, 1 : Bellum, quod est in Syria/ Shpiamqw 

wahrend er selbst im Orient festgehalten wiirde, provinciam tibi tributam esse a Caesare ex- tids 

sandteerden aus der Verbannung zuriickberufenen litteris eognovi. Aus diesen Stellen ist zuerst 

Consular A. Gabinius dorthin. Aber dessen allzu von Holzl a. 0. geschlossen worden, dass C. als 

kuhnes und unvorsichtiges Vorgehen liess die Statthalter nach Kilikien gegangen sei, da die 

Caesarianer in kurzer Zeit alle errungenen Erfolge Statthalter der anderen Syrien benachbarten 

einbiissen und in die grCsste Bedrangnis geraten. Provinzen in diesem Jahre bekannt sind; deshalb 

Gabinius selbst starb, als er in Salonae belagert weist ihn Cicero 19, 2 auch auf das VorMld des 

wurde; C, der so lange unter seinem Befehl ge- 10 M. Calpurnius Bibulus, der dieselbe Provinz ver- 

standen hatte, ubernahm wieder das Commando waltet hatte, hin. Aber das Commando in Syrien, 

und schickte dringende Httlfsgesuche an P. Vati- d. h. den Kampf gegen die Erhebung des Q. Cae- 

mus nach Brundisium (Bell. Alex. 43, 4. 44, 1). cilius Bassus (s. o. Bd. Ill S. 1198) hat C. jeden- 

Noch im Winter, in den ersten Monaten des falls nur als der nachste Nachbar Syriens pro- 

J. 707 = 47, kam Vatinius mit einer eilig zu- visorisch bis zum Eintreffen eines neuen Statt- 

sammengerafften und notdtirftig ausgeriisteten halters und eines neuen Heeres erhalten; aus 

Flotte herbei und gewann einen grossen Sieg bei Mangel an Mitteln konnte er auch nichts thun, 

der Insel Tauris fiber die weit iiberlegene des als seine eigene Provinz schiitzen, wie die Ver- 

Octavius; damit waren die Pompeianer endgultig gleichung von 19, 2 mit Dio XL VII 27, 1 ergiebt. 

aus der Adria verjagt, und die ganze Provinz 20 Im J. 709 = 45 scheint C. in Bom gewesen zu 

IUyricum unterwarf sich wieder dem C. (Bell. sein, vielleicht als Praetor. Die einzige Anspie- 

Alex. 47, 5). Im Sommer 707 = 47 kehrte dieser lung auf ihn aus dieser Zeit macht allerdings 

dann nach Rom zuruck und wurde von Caesar dagegen bedenklich: ein Gl&ubiger des C. will 

durch die Verleihung der Praetur und des Augu- sich an Cicero halten, der fur ihn Burgschaft ge- 

rates belohnt. Beide Titel giebt ihm die stadt- leistet habe (oder fur seinen Vater, Cic. ad Att. 

rOmische Inschrift CIL VI 1300 a ; augur heissfc XII 14, 2 aus Astura am 8. Marz 709 = 45). Im 

eraufseinenMunzen(MommsenMunzwesen653), J. 710 = 44 erhielt C. als Statthalter mit pro- 

und die Zeit der Verleihung dieser Wurde ergiebt consularischem Imperium die Provinz Africa vetus ; 

sich daraus, dass ihn Cicero in den beiden ersten da er sie nach seiner ausdrucklichen Erklarung 

Briefen (ad fam. XII 17. 18) mit eollega, nam- 30 bei Appian. boll. civ. IV 53 Tom Senat erhalten 

lich im Augurat, anredet (vgl. ad fam. XII 22, 1: hat, aber zugleich, wie sich aus allem ergiebt, 

Antonius als- Augur gemeinsamer eollega beider, mit Zustimmung des M. Antonius, so hat Ganter 

ebenso 25, 6 Hirtius und Pansa). Dass C. in (Philol. LIU 142) mit Recht vermutet, dass die 

den letzten Monaten von 707 = 47 Praetor ge- Verleihung in den ersten Tagen nach Caesars 

wesen sei, ist eine Vermutung von Holzl (Fasti Ermordung auf Grand der acta Caesaris erfolgt 

praetorii 86); wenn man aber die Sendung in den sei. Im Sommer ging C. in die Provinz ab und 

Orient als eine ausserordentliche betrachtet, so zeigte seine Hinneigung zur Senatspartei so deut- 

wird man eher zu der alteren Ansicht neigen, lich, dass Antonius, der sich mit ihr vOllig Tiber 

dass die Praetur erst ins J. 709 = 45 gehOre (vgl. worfen hatte, ihn zu beseitigen suchte; er griff 

auch Willems Le senat de la rep. rom. I 590, 40 ihn in seinen Reden an (22, 1) und wusste ihm 

13). Wahrend seines Aufenthalts in der Haupt- in der Provinz Schwierigkeiten zu bereiten (23, 1). 

stadt 707 = 47 nahm er von dem Hause des Pom- Als in der abendlichen Senatssitzung am 28. No- 

peius (dem in den Carinen? vgl. dariiber Bd. Ill vember Antonius, ehe er Rom verliess, eine neue 

b. 1590) Besitz und begann es umzubauen (Plut. Verlosung der praetorischen Provinzen durchsetzte, 

Caos.51,2Jr«e9>/woff wie 43,1, s. o. S. 1624,67); er wurde die des C. dessen Vorganger C. Calvisius 

tratdamalsinfreundschaftlichenVerkehrmitCicero. Sabinus (s. o. Bd. Ill S. 1411 Nr. 13) aufs neue 

Dessen Briefe an C. liegen von diesem Zeitpunkt iibertragen (Cic. Phil. Ill 26). Am 20. December 

an vor, ad fam. XII 17-30 (im folgenden nur wurde diese Verteilung der Provinzen durch einen 

nach den Nummem citiert). Flir den altesten neuen Senatsbeschluss aufgehoben und C. auf 

halt O.E. Schmidt (Briefwechsel des Cicero 252) 50 seinem Posten bestatigt, bis der Senat ihn ab- 

das Heme im Senat geschriebene Billet 20, worin lasen lasse (22, 3. 25, 2). Als der anerkannte 

von einer uber Sinuessa, Cumae, Pompeii ffihren- Fflhrer der Senatspartei unterhielt Cicero in diesen 

den Reise des C. die Rede ist; aber ebensowohl und den folgendtn Monaten einen lebhaften Brief- 

wie die Reise in den Orient, im Anfang 708 = 46, wechsel mit C, dessen Hauptzweck es war, den 

kann es die nach Africa 710 = 44 sein, wie Ganter Statthalter zu standhaftem Aushalten bei der 

(Philol. LIII 141f.) vermutet, so dass dieser Brief guten Sache zu ermuntern (z. B. Ende December 

indernchtigenchronologischenReihenfolgestehen 22, 4: Haec res magna est: fac ut provinciam 

wurde. Zeithch gehOren die drei ersten Briefe 17— retinem in potestate rei publicae. Januar 711 

19 zusammen; sie fallen in die letzten Monate von = 43, 24, 1 : Te tamen Iwrtor, ut omni cum in 

708 = 46 (wesentlich iibereinstimmend Schmidt 60 rem ptiblieam incumbas}. Cicero stellte ihm 

a. O. 252—256. Ganter a. 0. 137f.). 17, 1 auch eine Belohnung in Aussicht und erwirkte 

schreibt Cicero: Ex Syria nobis tumultmsiora sie. Am 19. Marz 711 = 43 wurde dem C. nach 

quaedam nuntiata sunt, quae quia tibi sunt Ablauf seines Amtsjahres durch einen ehrenvollen 

propiora. quam nobis, tiia me catisa magis mo- Senatsbeschluss das Imperium prorogiert (Haupt- 

vent, quam niea. 18, 1: Quod mihi vidmr ex inhalt von 25^ If.) und gleichzeitig oder bald 

tuis litteris intellegere, te nihil commissurum nachher eine der drei Legionen des Statthalters 

esse temere nee ^ ante quam seisses, quo iste von Africa nova, T. Sextius, iiberwiesen (Appian. 

neseio qui Caedlius Bassus erumperet, quidquam bell. civ. Ill 85), worauf Calvisius auf seine An- 



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Cornificius 



Cornificius 



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spriiche endgultig verzichtete (25, 2). Es scheint, wie Ehegion in Unteritalien (Cic. ad fam. XII 

dass sich C. gelegentlich schwankend gezeigt 25, 2), doch ist diese nicht bekannt. [Munzer.] 

hatte (vgl. die unklaren Andeutungen tiber die Als Redner bezeichnet ' den C. Cicero (vos 

Sache des Sempronius 22, 4. 25, 2. 5); jetzt nach., magnos oratores ad fam. XII 18, 1 [verfehlt die 

seiner Bestatigung seharfte ihm Cicero seine Ver- darauf beziigliche Bemerkung von A. Cima Ri- 

pflichtung gegen den Senat noch nachdrficklicher vista di fllologia XVI 1888, 301f.]; vgl. 17, 2 

ein (25, 5: Tu fae ut magna animo sis et ex- wo er sein Urteil iiber den Orator als das eines 

eelso cogitesque omnem dignitatem tuam cum doetus homo bezeichnet, und 20, wo er ihn zu 

re publiea coniunetam esse debere), und C. er- litterarischer Auseinandersetzung auffordert), als 

widerte mit einem Geliibde der Treue (28, 2), 10 Dichter Hieron. chron. a. Abr. 1976 Cornificius 

schien auch, wenngleich bedenklieh, bessere Garan- poeta a militibus desertus interiit, quos saepe 

tien dafiir zu geben, als bisher (28, 1). Die Schlacht fugientes galeatos lepores appellarat. Da Ovid 

bei Mutina und ihre Folgen verschlimmerten je- in der bekannten Aufzahlung erotischer Dichter 

doch auch seine Lage. wie namcntlich der letzte neben Catull, Calvus, Cinna, Anser u. a. auch das 

im Juni geschriebene Brief Ciceros lehrt. C. be- leve Cornifici . . opus (trist. II 436) erwahnt, so hat 

schwerte sich, dass Cicero ihn nur mit Empfeh- man ihn mit Sicherheit identificiert (s. naroent- 

lungen processfiihrender Lente behellige (30, 1) lich Schwabe Quaest. Catull. 298ff.) mit dem C, 

— die Briefe 21. 24, 3. 26. 27. 29 sind sokhe an denCatulleinGedichtvolleifersuchtigerFreund- 

Empfehlungsschreiben — und nicht das fur die schaft (c. 38) gerichtet hat, das in der Bitte urn 
Riistimgen notwendige Geld beschaffen konne 20 eine poetische Ausserung des Mitgefiihls im Stile 

(28, 2. 30, 4. 6) ; er scheint auch mit seinen eines simonideischen $qtjvos (v. 7f. paulum quid- 

Legaten Schwierigkeiten gehabt zu haben (30, 7). lubet adlocutionis maestius lacrimis Simonideis) 

Cicero aber vermochte niehts zu thun, als gute gipfelt. "Wir haben also einen Angehorigen des 

Worte zu geben ; er schloss wieder (30, 7) : Velim Kreises der vecoreooi vor uns, der wie Calvus u. a. 

tibi persuadeas non esse mihi meant dignitatem, rednerische und dichterische Interessen vereinigte; 

tua cariorem. Der Absehluss des Triumvirats in der Redekunst war er wahrscheinlich wie dieser 

entschied das Schicksal beider, nnr nicht gleich Atticist, denn Cic. ad fam. XII 17, 2 deutet 

rasch. C. weigerte sich, das Triumvirat anzu- auf Verschiedenheit des wissenschaftlichen Stand- 

erkennen; er nahm fliichtige Proscribierte bei sich punktes hin (te a iudicio nostra . . . paulum di-ssi- 
auf (Appian. bell. civ. IV 36) und leistete dem 30 dare). Zu diesem Bilde stimmen auch die sparlichen 

Sex. Pompeius Zuzug (Dio XLVIII 17, 6); auf Fragmente, ein Vers aus einem Epyllion Glaueus 

die Aufforderung des T. Sextius im Namen der (Macrob.Sat. VI 5, 13), ein Hendecasyllabus (ebd. VI 

Triurnvirn, seine Provinz abzugeben, antwortete 4, 12) und ein Bruchstiick aus einem, wie es scheint, 

or mit der Berufung auf den Senatsbeschluss vom in katalektischen daktylischen Trimetern ab- 

20, December 710 = 44 (Appian. IV 53, vgl. Cic. gefassten Gedichte (Interp. Serv. Georg. 155; 

ad fam. XII 22, 3). Es kam zum Kriege zwischen dass es ein Dichtercitat ist, hatte schon nach dem 

C. und Sextius. und zwar nahm dieser Krieg den Zusammenhange des ganzen Scholions nicht ver- 

grOssten Teil des J. 712 = 42 in Anspruch. Die kannt werden sollen). Wahrend die beiden ersten 

erhaltenen Berichte dariibcr Liv. ep. CXXIII. Verse als angeblich von Vergil nachgeahmt an- 
Appian. bell, civ. IV 53 — 56. Dio XLVIII 21, 1 40 gefiihrt werden, haben die Vergilexegeten den C. 

— 6. Hieron. zu Euseb. chron. II 139 n Schone in andrer Weise mit Vergil zusammengebracht, 

sind von Ganter Provincialverwaltung der Trium- indem sie den Eel. 7, 22 von Corydon riihmend 

vim (Strassbg. 1892) 18 — 21, vgl. Philol. LIII und freundschaftlich erwahnten Dichter Codras 

144ff. richtig behandelt worden : Sextius drang mit C. identificierten (diese Identification ver- 

zuerst gegen Hadrumetum vor, wurde aber von teidigt Bergk Kl. philol. Schriften I 553ff., dessen 

den iiberlegenen Streitkriiften des C. wieder ver- Behandlung des Scholions aber eine gauz ver- 

trieben und bis in seine eigene Provinz verfolgt. ungliickte ist), Schol. Veron. Verg. eel. 7, 22: 

C. nahm infolgedessen den Imperatortitel an Codrum plerique Vergilium accipiunt, alii Corni- 

(Munzen mit Aufschrift: Q. Cornufici. augur. fieium, nonnulli IMvium Cinnam putant, de 
imp. Momma en Miinzwesen 653), und sein Heer 50 quo bene seiitit; denn dass hier unser C. gemeint 

belagerte den Gegner in Cirta (Constantine, s. o. ist, zeigt die Zusammenstellung mit Helvius Cinna. 

Bd. Ill S. 2586f.). Doch durch den Ubertritt Wenn in der spateren Vergilerklarung aus dem 

der friiher von P. Sittius gefuhrten Truppen und Freunde des Dichters ein obtrectator Vergilii 

von dessen Morder, dem Numider Arabio, auf die wurde, so war der Ausgangspunkt der, dass man 

Seite des Sextius, wandte sich das Kriegsgliick ; aus den Worten des Thyrsis Eel. 7, 26 rumpantur 

die Legaten des C. mussten nach Africa vetus ut ilia Codro unter Festhaltung der Gleichung 

zuruckweichen; bei Utica kam es zu einem ent- Codrus = Cornificius schloss, der letztere musse 

scheidenden Kampfe, in dem C. selbst fiel (vgl. ein Gegner Yergils gewesen sein. So erscheint 

norh Uardthausen Augustus I 142f.). Da die dann der Name dieses angeblichen Widersaohers 
Anhanger des C. teilweise nach Sicilien zu Sex. 60 und Nebenbuhlers, den keine der alteren Scholien- 

Pompeius fluchteten (Appian. IV 56, der freilich sammlungen kennt, haufig in den sog. Scholia 

von Proscribierten spricht). kCnnte man die Frei- Bernensia , welche nicht nur den Codrus der 

gelassenen eines Q. Cornificius auf zwei syrakusani- 7. Ecloge (Schol. Bern, zu v. 26), soridern auch 

schen Inschriften (CIL X 8314. 8315) dazu rechnen; den Thyrsis desselben Gedichtes (Schol. Bern, 

vielleicht hangt auch der Q. Cornificius Q. f. Eel. 7 Argum. und zu v. 16. 18. 44. 51. 57. 65. 

Arn(ensi tribu), der in einer Stadt der Africa 69), ferner den Amyntas der 2. und 5. Ecloge 

vetus einen Tempel baute (CIL VIII 1441), mit (Schol. Bern, zu eel. 2,39 allegoriee Gornifidum 

ihm zusammen. C. gehSrte zu derselben Tribus, dieit, qui contra Vergilium eonatus est seribere. 



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Cornificius 



Cornificius 



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5, 8. 15; vgl. auch die jungen Zusatzscholien zu dass er eine grosse Rolle spielt in den ana der 

Servius in Thilos Apparat zu p. 24, 23 und 54, Humanistenzeit stammenden Zusatzen der inter- 

29) und den Antigenes Eel. 5, 89 auf C. deuten polierten Recension von Donats VergilMoj^apMe 

und seinen Namen gem da einsetzen , wo die (Suet. ed. Reifferscheid p. 66. 67 unter dem Teste), 

alteren Scholien von Bavius, Mevius, Anser u. a. wahrend die echte Donatvita seinen Namen nicht 

reden, vgl. z. B. Serv. eel. 7, 21 et multi volunt nennt. [Wissowa,] 

in hac eeloga esse allegoriam, ut Daphnis sit 9) Cornificius Gallus s. S. 1629, 21. 

Caesar, Corydon Vergilius, Thyrsis vero, qui 10) Velius Cornificius Gordianus (Hist.. Aug- 

vincitur, Vergilii obtrectator, scilicet aut Bavius Tac. 3) s. Velius. 

aut Anser aut Mevius mit Schol. Bern. eel. 7 10 11) Cornificius Longus wird citiert vom Interp. 

Arg. allegoriee certamen poetarum. intettegitur ; Serv. Aen. ILT 332 invenitur tamen apod Qor- 

Corydon enim Vergilium, Thyrsis Comificium nifieium, Longum , lapydem et Icadium profec- 

inimicum Vergilii, Meliboeus Cornelium Galium tos a Greta in diver sas regiones venisse, lojpy- 

poetam optimum iudieantem inter eos signi- dem in Italiam, leadium vero duee delphino ad 

ficat, Daphnis vero allegoriee Caesarem). Wenn montem Parnasum et a duee Delphos cognomi- 

daher die Autorschaft des bekannten (durch Verg. nasse, et in memoriam gentis, ex qua profeetus 

Eel. 5, 36 hervorgerufenen) Spottverses liordea erat, subiacentes compos Crisaeos vel Oretaeos 

qui dixit superest ut tritiea dicat, die der Interp. appellasse et aras eonstituisse. Da es sich hier 

Serv. Georg. I 210 Bavio et Mevio zuschreibt, urn die Etymologie der Namen Delphi und Crisa 
von dem spaten Grammatiker Cledonius (G. L. V 20 handclt, darf man diesen Cornificius Longus un- 

43, 2 K.) einem Cornificius Gallus beigelegt wird, bedenklieh gleichsetzen mit dem von Macrobius 

so ist dies Zeugnis urn so verdachtiger, als, wie (Sat. I 9, 11 Cornificius Mymorum libro tertio. I 

langst erkannt worden ist (R. Unger De C. Valgii 17, 62 Cornificius in Etymis retulit; bios Cor- 

Rufi poematis 392), das Cognomen Gallus jeden- nifieius I 17, 9. 33. 23, 2) und Priscian (inst. 

falls nur auf einer falschen Reminiscenz an Cor- gramm. VT 73, G. L. II 257. 6 K. Cornificius 

nelius Gallus beruht. Statt daher mit Ribbeck in I de etymis deorum) als Verfasser eines min- 

(Proleg. in Vergil. 96) die Autoischaft des C. fur destens drei Biicher umfassenden etymologischen 

die besser bezeugte zu halten, mOchte ich glauben, Werkes genannten C. Bei Macrobius stehen die 

dass der Vers wie andere Bosheiten des obtreeta- Bruchstiicke aus diesem C. ausschliesslich in einer 
tores Vergilii autorlos umlief, so dass der Interp. 30 Partie , in der ein AutoT compiliert wird , unter 

Serv. die bekanntesten Vertreter dieser Gruppe dessen lateinischen Quellen Cornelius Labeo (a. 

Bavius und -Mevius zur allgemeinen Bezeichnung d.) obenan stand ; da derselbe Cornelius Labeo 

des Kreises der Entstehung bentitzte, wahrend auch Gewahrsmann des Arnobius ist, so hat er 

die jiingere Vergilexegese den bei ihr so beliebten offenbar diesem das III 38 stehende C.-Citat 

C. dafiir einsetzte. Asconius, dessen Schrift contra (Deutung der Novensiles als novitatum praesides, 

obtrectatores Vergilii (s. o. Bd. II S. 1525) wohl quod eurantibus his omnia novitate integrentur 

allein der Nachwelt die Kenntnis von diesen et constant) vermittelt , und wenn in demsclbcn 

Gegenstromungen iiberliefert hat, hat den C. als C. in Gemeinschaft mit Piso , Granius , Aelius 

Widersacher Vergils nicht gekannt; auf keinen (Stilo), Varro, Manilius, Cincius erscheint, so kann 
Fall darf man dafiir das Scholion des Philargyrius 40 dieser C. nicht verschieden sein von demjenigen, 

zu Eel, 3, 106 anfuhren dieit Cornificms ab ipso der bei Fest, p. 170 b 24 fur die Etymologie von 

Vergilio audisse (se), quod Caelium Mantuanum nuptiae zusammen mit Santra, Curiatius, Aelius 

quendam tctigit, qui consumptis omnibus faeul- und Cincius angefiihrt wird; es sind also auch 

tatibus nihil sibi reliquit nisi locum trium ulna- die iibrigen Stellen des Festus , die einen C. 

rum ad sepulturam .... item Ascmius Pedia- nennen (im ganzen 8) , auf denselben Autor zu- 

nus ait se audisse Vergilium dicentem in hoc ruckzufiihren. Seine Zeit bestimmt sich dadurch, 

loco se grammaticis crucem fixisse: quaesituros dass er einerseits die Anfang 710 = 44 veroffent- 

eos, si quid studiosius occultaretur (s. dazu lichten Biicher Ciceros de nat. deor. citierte (Ma- 

Kiessling Coniectan. spicil. I, Gryphisw. 1883, crob. I 9, 11 Cornificius Etymirum libro tertio: 
hi.) ; denn einerseits ist die Lesung des Namens 50 Cicero, iuquit, non Ianum, sed Eanum nominal 

Cornificius sehr unsicher, da die Berner Scholien ab eundo — de nat. deor. II 67), andererseits von 

bei sonst wBrtlicher Obereinstimmung statt dessen Verrius Flaceus beniitzt wurde (s. darflber nament- 

Cornutus geben (Cornelius liest Hagen [vgl. lich H. Wilters De Verrio Flacco glossarum 

Jahrb. f. Philol. Suppl. IV 712], indem er mit interprete, Diss. Halis Sax. 1898, 26ff.)._ Von den 

Ribbeck a. a. O. 97 an Cornelius Gallus denkt); 16 erhaltenen Bruchstucken lassen drei (Prise, a. 

ist aber der Name Cornificius der richtige, so a. O. ipsis vero ad Cereris memoriae novandae 

ist die Stelle nicht ein Zeugnis fiir die Gegner- gratiam lectus sternuntur. Fest. p. 182a 15. 

schaft des C. und Vergil, sondern fur freund- 217b 18, wo der blosse Name des Antors er- 

sehaftliche Beziehungen, tritt also zu dem oben halten ist) die nahere Beziehung nicht melir er- 
behandelten Schol. Veron. Eel. 7, 22. Da die 60 kennen, von den ubrigen 13 beziehen sich 9 auf 

3. Ecloge eine der altesten der Sammlung ist, Namen oder Beinamen von Gottem (#eos Macrob. 

standen der Erzahlung nicht gerade unuberwind- I 23, 2f. ; lanus ebd. 19, 11 j Apollo ebd. I 17, 

Hche chronologische Schwierigkeiten entgegen, 9; Phoebus I 17, 33; Pythius I 17, 61f.; Mi- 

immerhin erweckt das ganze Scholion in seiner turva Fest. ep. p. 123; Noneruiles Arnob. in 

stark verkiirzten und entstellten Fassung kein be- 38; Redieulus Fest. p. 282 a 23; Talassus Fest. 

sonderes Vertrauen. Jedenfalls aber gehort der p. 359 b 10)-entsprecliend dem von Priscian a. a. 

obtrectator Vergilii C. erst der jiingsten Phase O. gebotenen Titel in I de etymis deorum , der 

antiker Vergilerklarung an, und es passt dazu, nicht ein SondertaM des ereten Buches gewesen 



1631 



Coroificras 



Cornificius 



1632 



sein kann , da das Citat aus Buch III (Macrob. 
I 9, 11) sich auf Ianus bezieht. Man wird da- 
lier anzunehmen haben, dass die nicht unter dieses 
Thema fallenden Etymologien von Delphi und 
Orisa (Serv. a. a. 0.), nare (Pest. p. 166 b 26), 
nuptiae (Fest. p. 170 b 24) und oscillate (Post. 
p. 194b 10), die ja grOsstenteils mit dem Culte 
eng zusammenhangende Dinge betreffen, hiilfs- 
weise herangezogen waren. Die Ableitungen selbst 



grossmutter Vibia Sabina benannte jiingste Toch- 
ter Vibia Aurelia Sabina, vgl. Borghesi Oeuvres 
III 289. C. verdankt allem Anschein nach ihren 
Namen der jtingeren Schwester ihres Vaters, Annia 
Cornificia Faustina, hat daher wohl Annia Aurelia 
Corniflcia (Faustina?) geheissen. Sowie in betreff 
des Commodus (vgl. Hist. Aug. Marc. 19 ; Coram. 
1, 1) bestanden auch fiber die Legitimitiit ihrer 
Geburt Zweifel (Dio V p. 214 D.), die wohl in den 



zeigen die aus anderen Beispielen der gleichen 10 bOswilligen Geriichten fiber den Lebenswandel 



Zeit bekannte Willkiir und Gewaltsamkeit (Mi- 
nerva minitans armis Fest. ep. p. 123; nuptiae 
quod nova petantur coniugia Fest. p. 170b 
24; oscillare quod os eelare sint soliti Fest. p. 
194 b 10), bei griechischen Gottheiten greifen sie 
aufs Griechische zuriick (Apollon duo tov avano- 
Istv Macrob. I 17, 9; &otf}os duo xov ipoitav jttq 
ebd. I 17, 33); beachtenswert ist der Anschluss 
an die stoische Philosophic (er citiert Posidonius 



Faustinas ihren Ursprung hatten. Dass C. noch 
unter der Regierung des Pius geboren ist, er- 
giebt sich daraus, das Marcus in einem Briefe an 
Fronto, ep. ad Antonin. imp p. 94 N. bald nach 
seiner Thronbesteigung, von der Feier ihres Ge- 
burtstages spricht. Andererseits ist sie jiinger 
als Fadilla, weil diese zufolge Herodian. I 13, 1 
nach dem Tode Lucillas die alteste Schwester 
des Commodus war. Da aber vor Fadilla min- 



und Cleanthes, Macrob. I 23, 2; vgl. auch ebd. 20 destens drei andere Kinder des Marcus geboren 



die allegorisehe Interpretation der Homerstelle II. 
I 423—425 und die Erklarung der Ableitung von 
Jli&tog cog xv/narov ftimv , Macrob. I 17, 61f.), 
die dem jtingeren Zeitgenossen des Varro wohl 
ansteht. Alle diese Zfige weisen auf eine litte- 
rarische PersOnlichkeit , die mit Q. Cornificius, 
dem Dichter aus dem Kreise der vecorsooi (oben 
Nr. 8) nichts gemeinsam hat; zudem verbietet 
sich die von Bergk (Kl. philol. Schrift I 545ff. ; 



wurden und dessen Ehe mit Faustina im J. 145 
n. Chr. erfolgte (vgl. v. Rohden o. Bd. I S. 2286), 
so fallt die Geburt der C. friihestens in das J. 149, 
aber kaum viel spater, weil sie bei ihrem Tode 
unter Caracalla (212 — 217 n. Chr.) als nQtafSmis 
bezeichnet wird, Herodian. rV 6, 3. Bei dreien 
von den SchwiegersChnen des Kaisers Marcus 
kfinnen wir die beziiglichen Gemahlinnen nicht 
mit Sicherheit angeben, daher bei der grossen 



etwas wirre Epikritik von J. Becker Ztschr. f. 30 Zahl seiner TSchter (wir kennen deren sechs; 



Altert.-Wiss. 1847, 1060ff.) verfochtene Identifi 
cation schon aus dem chronojogischen Grande, 
dass Q. Cornificius in den J. .710—712 = 44—42, 
in welche wir die Schrift wegen des Citates von 
Cic. de nat. deor. setzen miissten, ganz gewiss 
keine Musse zur Abfassung eines so umfangreichen 
und gelehrten Werkes gehabt hatte. [ Wissowa.] 

12) Cornificia. An drei Stellen werden Frauen 
dieses Namens genannt, alle in derselben Zeit 



doch ist ans Herodian. I 2, 1 zu folgern, dass 
ihrer mehr waren, weil er sagt, es seien dem 
Kaiser wahrend seiner Eegierung mehrere Tochter 
geboren und wir von diesen jflngsten nur eine, 
Vibia Aurelia Sabina, kennen) auch nicht ver- 
muten, wie C.s Gatte geheissen habe. Wahrend 
sie als Tochter des Marcus von alien Kaisern bis 
Caracalla geehrt wurde (doch giebt es auch Ver- 
sionen, wonach diese Ehrung die Grenze des Er- 



und jede als Q. f. bezeichnet. Der Vater muss 40 laubten uberschritt: Pertinax soil strafliche Be- 



Nr. 7 sein, doch ob es sich um eine, zwei oder 
drei verschiedene Tochter handelt, ist nicht zu 
entscheiden. Cic. ad Att. XIII 29, 1 erzahlt, 
dass im J. 711 = 45 Cornificia Q. f., vetida sane 
et multarum nuptiarum, einen Heiratsantrag des 
M. Iuventius Thalna ablehnte, weil ihr sein Ver- 
mtigen zu gering war. Eine stadtrOmische In- 
schrift (GIL VI 1300 a) nennt eine Cornificia 
Q. f., Gemahlin femes Camerius, neben ihrem 



ziehungen zu ihr unterhalten, Hist. Aug. Pert. 
13, 8, Commodus nach Lucillas Tode alle Schwe- 
stcrn geschandet haben, Hist. Aug. Comm. 5, 8 ; 
moglicherweise lassen sich beide Nachrichten auf 
cine zuriickfuhren) , trieb dieser sie in den Tod, 
weil sie iiber die Hinrichtung ihres Sohnes bei 
der Kaiserinmutter (Iulia Domna) klagte, Dio a. 
a. O. Herodian. a. a. 0. Ihr Name ist in der 
Inschrift eines Sclaven, CIL VI 8721, genannt 



Bruder Q. Cornificius Nr. 8. Hieron. zu Euseb. 50 Cornificia Aug(usti) soror (der Kaiser kann Com 

chron. II 139 n Schone (aus Suet.) sagt von dem " ----- — — 

letztcrcn : Huius soror Cornificia, cuius insignia 

exstant epigrammata. [Mfinzer.] 

t 13) Cornificia, Tochter des Kaisers Marcus 

und der jflngeren Paustina. In Hinsicht der 

Namengebung der Kinder des Kaisers Marcus 

scheint es, dass alle das spatere Gentile des Vaters, 

Aurelius, erhielten. So ist der Name der Tech 

ter nach Angehflrigen der Familie gebildet, je 



doch zwischen die daduich eutstandenen Namen 60 Nr. 109. 



modus oder Septimins Severus sein). Eine Wasser- 
leitungsrShre, CIL XV 7442, entha.lt den Namen 

Cornificia a, ist also nicht sicher auf C. 

zu deutcn. [Stein.] 

14) Ummidia Faustina Cornificia s. Ummi- 
dius. 

15) Volteia Cornificia (CIL VIII 2630) s. 
Volteius. 

16) Annia Cornificia Faustina s. A n n i u s 



das Gentile Aurelia eingeschoben. Freilich ist 
dies nur von der jungsten und altesteu Tochter 
iiberliefert; die nach der Mutter Annia Galeria 
Faustina genannte alteste Tochter heisst namlich 
Annia Galeria Aurelia Faustina, die nach der Ur- 



17) (Cornificia) Faustilla, genannt in der Grab- 
schrift einer Freigelassenen, CIL VI 16481. Sie 
gehort wohl zur Familie der Annia Cornificia 
Faustina, der jiingeren Schwester des Kaisers 
Marcus. [Stein.] 



<° Schluss des siebenten Halbb andes. °>