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Full text of "Sammelbände der internationalen Musikgesellschaft 10 1908-09"

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SAMMELBANDE 


DER 


INTEMATIONALEN  MUSIK- 
GESELLSCHAET 

»  V.) 

Zehnter  Jahrgang  1908-1909 


Horausgegeben  von 

Max  Seiffert 


LEIPZIG 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  BREITKOPF  &  HARTEL 


INHALT. 


Seite 
Altmann,  Wilh.   (Berlin). 

Aus  Gottfried  "Weber's  brieflichein  Nacblafi 477 

Arnheim,  Amalie  (Berlin). 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  einstimmigen  weltlichen  Kunstliedes 

in  Frankrcich  im   17.  Jahrbundert 399 

Ghybiriski,  Adolf  (Krakau). 

Zur  Gescbichte  des  Taktscblagens  und  des  Kapellmeisteramts  in  der 

Epocbe  der  Mensuralmusik 385 

Cummings,  William  H.  (London^ 

Dr.  John  Blow , 421 

De  la  Laurencie,  L.  (Paris). 

Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra 159 

Engelke,  Bernhard  (Magdeburg). 

Johann  Friedrich  Fasch,  Versuch  einer  Biographic 263 

Flood,  W.  H.  Grattan  (Enniscorthy). 

The  English  Chapel  Royal  under  Henry  V  and  Henry  VI ...    .    563 
Gregor,  Josef  ;Wien). 

Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  von  Musik  unci  Dich- 

tung.     W.  H.  Wackenroder 505 

Hirschberg,  Leopold  (Berlin). 

Der  Tondichter  Adolf  Bernhard  Marx 1  • 

Hirzel,  Bruno  (Mtinchen). 

Dienstinstruktion  und  Personalstatus  der  Hofkapelle  Ferdinands  I. 

aus  dem  Jahre  1527 151 

Kamienski,  Lucian  (Charlottenburg). 

Mannheim  und  Italien 307 

Leichtentritt,   Hugo   (Berlin:. 

Zur   Verzierungslehre    (Besprechung    der   Biicher   H.  Goldschmidt's 

und  Ad.  Beyschlag's) .613 

Ludwig,  Friedrich  (Strafiburg  i.  E.).  \ 

Besprechung    von    Joh.   Wolf's    Ausgabe    der    Weltlichen    Werke 

H.  Isaak's 320 


—       IV      — 

Maclean,  Charles  (London).  86it* 

Sir  George  Smart,  Musician-Diarist 287 

Marnold,  Jean  (Paris). 

Les  Fondcments  naturels  de  la  Musique  Greequc  antique  ....    323 

Nagel,  Wilibald  (Darmstadt). 

Das  Leben  Chriatoph  Graupner's 568 

Zu  Nikolaus  Erich 634 

Nef,  Karl  (Basel). 

Die  Stadtpfeiferei  und  die  Instrumentalmusiker  in  Basel  (1385 — 1814)  395 
Die  Musik  in  Basel.     Von  den  Anfangen  ira  9.  bis  zur  Mitte  des 
19.  Jahrhunderts o32 

Preibisch,  Walter  (Halle  a.  8.). 

Quellenstudien  zu  Mozart's   »Eutfuhrung  aus  dem  Serail*   ....    430 

Riemann,  Hugo  (Leipzig). 

Kleine  Studien  zu  Joh.  "Wolfs  neuem  Isaak-Band 115 

Sachs,  Curt  (Berlin). 

Die  Hofmusik  der  Ftirsten  Solms-Braunfels 284 

Scheurleer,  D.  F.  (Den  Haag). 

Jean  Marie  Leclair  L'aine  in  Holland 259 

Schtinemaun,  Georg  (Berlin). 

Zur  Frage  des  Taktschlagens  und  der  Textbehandlung  in  der  Men- 
suralmusik ;    .    .      73 

Seiffert,  Max  (Berlin). 

Besprechung   von  Curt  Sachs'    »Musikgeschichte   der   Stadt  Berlin 

bis  zum  Jahre  1800« .'    .    317 

Waschke,  H.  (Zerbst). 

Eine  noch  unbekannte  Komposition  J.  S.  Bach's 633 

"Wolf,  Johannes  (Berlin). 

Bemerkungen  zu  Hugo  Riemann's  Isaak-Studien 147 


+  ♦» 


Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

Von 

Leopold  Hirschberg. 

(Berlin.) 

So  glanzend  and  zahlreich  die  Namen  der  Dichter  und  bildenden  Kiinst- 
ler  sind,  die  gleichzeitig  strong  wissenschaftlich  tatig  waren,  so  gering  ist 
die  Zahl  derer,  die  in  der  Musik  als  Schriftsteller  und  zugleich  als  schaffende 
KUnstler  Bedeutsames  geleistet  haben.  Lessing's  sprachwissenschaftliche  and 
kunstkritische,  Goethe's  naturwissenschaftliche,  Schiller's  historische  Werke  — 
and  noch  viel  Beispiele  waren  anzufuhren  —  schlossen  dichterische,  in  hftchster 
Begeisterang  empfangene  und  geschaffene  Werke  nicht  aus ;  Lionardo  da  Vinci 
malte  die  Mona  Lisa  and  das  Abendmahl  und  schrieb  den  Traktat  iiber  die 
Malerei  — :  als  leuchtende  Vertreter  der  Vereinigung  von  Schriftstellerei  and 
masikalischer  Schopferkraft  aber  werden  immer  nor  Robert  Schumann  and 
Richard  Wagner  zu  gelten  haben;  Carl  Maria  v.  Weber's,  Ludwig  Spohr's 
u.  a.  Schriften  stehen  nicht  auf  der  Hohe  ihrer  Tondichtangen.  Vielmehr 
zeigt  sich  recht  haufig  die  auffallige  Tatsache,  dafi  beide  Gebiete  einander 
fast  vollig  ausschliefien.  Kaum  gibt  es  einen,  der  phantastischere  und  glut- 
Tollere  Gedanken  iiber  die  Meister  and  Meisterwerke  der  Tonkanst  gehabt 
und  niedergeschrieben  hat,  als  E.  Th.  A.  Hoffmann;  kaum  liefie  sich  eine 
feinsinnigere  Musikasthetik  denken  als  die,  welch e  man  sich  aus  den  Schriften 
der  Bettina  Arnim  zusammenstellen  konnte  —  und  wie  ungemein  fallen 
ihre  musikalischen  Kompositionen  gegen  ihre  Gedanken  und  Worte  ab! 

In  diese  letztere  Kategorie  hat  man  nun  auch  —  wenn  man  es  uberhaupt 
der  Miihe  wert  gehalten  hat,  ein  paar  Worte  dariiber  zu  verlautbaren  —  den 
Mann  gestellt,  dessen  Beethoven-  and  Gluck-Werk  noch  heate  anerreicht  da- 
steht  —  Adolph  Bernhard  Marx.  Seine  Bedeutung  als  Schriftsteller  wird 
nicht  einmal  von  dem  hamischsten  Verkleinerer  seiner  kompositorischen  Tatig- 
keit,  Robert  Eitner1),  angetastet;  fur  Marx'  Leistungen  als  schaffender  Kiinst- 
ler  ist  bis  heute  die  von  dem  treff lichen  Ledebur2)  getane  AuCerung  giiltig 
gewesen,  daC  er  es  darin  ebenso  wenig  wie  die  andern  Theoretiker  Berlins  zu 
groEerem  Erfolge  hat  bringen  konnen.  Mendel3)  und  Fetis4)  geben  nur  einen 
Auszug  aus  Ledebur's  Abhandlung.  Wenn  aber  K.  Storck5)  in  einem 
Werke,  das  moderne  Gesichtspunkte  verfolgen  will,  in  zwei  Zeilen  nur  er- 
wahnt,    dafi   Marx  mit   den  Oratorien    > Johannes  der  Taufer«    und    > Moses* 


1)  Allgemeine  Deuteche  Biographie,  Bd.  20,  p.  533—539, 

2)  Tonkunatler-Lexikon  Berlins.     Berlin   1861,  p.  351—353. 

3)  Musikal.  Konvers.-Lexik.,  1877,  Bd.  7,  p.  94/95. 

4)  Biogr.  univ.  des  musiciens.      Paris  1864,  Bd.  6,  p.  13. 

5)  Geschichte  der  Musik  1904,  p.  714. 
8.  d.  DIG.   X. 


2  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

in  der  Reihe  von  Bruch  and  Re  in  thaler  stent,  so  beweist  das  nur,  daft  die 
Basis  dieses  apodiktiscben  Orakelspruches  eine  sehr  scbwankende  ist,  und  dafi 
Storck  die  beiden  Werke  iiberhaupt  niemals  geseben,  gescbweige  studiert  hat; 
beim  » Johannes «  war  dies  schon  deshalb  nicht  moglich,  weil  er  nur  hand- 
schriftlich  im  Besitz  von  Marx'  Witwe  Therese  existiert;  hatte  er  aber  das 
andere  —  gedruckte  —  Werk  auch  nur  angesehen,  so  wiirde  er  wenigstens 
den  Titel  richtig  >Mose«  geschrieben  haben.  So  macht  man  >Musikgeschichte«. 
Eine  Ftille  yon  Gehassigkeit  und  absichtlicher  Unwahrheit,  verbunden  mit 
totaler  Unkenntnis  der  Marx'schen  Tonschopfungen  (er  selbst  erklart,  nur  den 
>Mose<  und  die  Sonate  Op.  16  zu  kennen),  zeigt  sich  aber  in  Robert  Eit- 
ner's  Ausfuhrungen,   aus    denen  ich   nur  folgende  Stellen    hervorheben  will: 

»Die  Natur,  die  ihn  mit  scharfem  Verstande  ausstattete,  hatte  ihm  die  Fan- 
tasie  verwehrt.  «  —  » Er  war  urteilslos  seinen  eigenen  Kompositionen  gegeniiber. 
Um  der  unsaglichen  Muhe  willen,  die  sie  ihm  gemacht  hatten,  betrachtete  er  sie 
mit  einer  wahren  Affenliebe.  Einen  Tadel  gegen  seine  Kompositionen  konnte  er 
nicht  ertragen. « 

Nach  diesen  vollig  unparlamentarischen  Ausdriicken  beriihrt  Ed.  B  ems- 
dor  fa1)  Aufierung  wohltuend:  »Als  Komponist  ist  Marx  eigentliches  schopfe- 
risches  Talent  nicht  zuzusprechen ;  doch  interessirt  er  zuweilen  durch  geist- 
reiche  Intention.* 

Stellen  wir  nun  diesen  oberfTachlichen,  durch  Kenntnis  ungetriibten  Urteilen 
andere  gegeniiber,  die  sich  teils  auf  eingehendes  Studium  der  Werke,  teils 
auf  liebevolles  und  verstandiges  Eingehen  in  die  besonderen  Eigentumlich- 
keiten  des  Tondichters  griinden.  In  einem  mit  E.  K.  unterzeichneten  Artikel 
des  Jahres  1845 2)  ist  zu  lesen: 

»Wir  finden  es  im  allgemeinen  beachtenswerth,  wenn  der  Theoretiker  sich  auch 
im  Praktischen  versucht,  und  glauben,  daB  gerade  Marx,  der  auch  die  Theorie  mit 
kunstlerischem  Blick  auffaBt,  unter  vielen  Theoretikern  am  meisten  zur  Komposition 
berufen  ist.< 

Aus  dem  Jahre  1846  s)  stammen  folgende  beide  bemerkenswerte  Aufierungen: 
♦  Marx  hat  seit  einigen  Jahren  (es  sind  20,  Anm.  d.  Verf.)  angefangen,  sich 
auf  dem  Gebiete  der  schaffenden  Musik  mit  einem  Gewichte,  einer  Tiichtigkeit. 
Kraft  und  Vielseitigkeit  geltend  zu  machen,  wie  das  wohl  nur  in  auBerst  seltenen 
Fallen  bei  eminenten  Autoritaten  im  theoretischen  Fache  vorgekommen  sein  mag.<  — 
»Noch  ein  halb  Dutzend  solcher  Gaben,  wie  diese  hier4),  und  es  wird  den  Saddu- 
caern,  die  ihn  nur  als  grundgelehrten  Theoretiker  und  Reflexionskomponisten  gelten 
lassen  wollen,  der  Mund  gestopft  sein. « 

Am  bedeutsamsten  in  dieser  Hinsicht  aber  erscheint  ein  anonymer  Artikel 
yon  1844 6),  aus  Berlin  eingesandt,  den  ich  —  mit  Auslassung  von  Spezial- 
besprechungen  einzelner  Werke,  die  erst  spater  ihren  Platz  finden  werden 
—  hier  in  toio  einzuriicken  mich  verpflichtet  fiihle.  Er  ist  iiberschrieben 
»A.  B.  Marx  als  Komponist*  und  lautet,  nachdem  die  Einleitung  liber  Genie 
und  Talent  einer-  und  die  durch  Studium  erlangte  kunstlerische  Durchbildung 
andrerseits  im  allgemeinen  sich  ausgelassen  hat,  folgendermaBen: 

1)  Neues  Universal-Lexikon  der  Tonkunst.     Dresden  1857,  Bd.  II,  p.  906. 

2)  Neue  Zeitechr.  f.  Musik,  Bd.  23,  Nr.  8. 

3)  Allg.  Musikal.  Zeitung  1846,  Nr.  22  und  49. 

4)  » In  der  Friihe «,  Op.  20.    S.  spater. 

5)  Neue  Zeitschr.  f.  Musik,  Bd.  20,  Nr.  27,  28. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Berohard  Marx.  3 

» Doch  es  steht  noch  nicht  so  schlecht  um  die  Musik  und  namentlich  urn  die 
deutsche  Musik  unserer  Zeit,  daB  es  nicht  auch  Manner  gabe,  deren  Werke  in  Be- 
geisterung  empfangen  und  in  echt  kiinstlerischer  Vollendung  geboren  worden  sind. 
Wir  zahlen  zu  diesen  Mannern  einen,  dessen  Verdienste  um  die  Wissenschaft  ge- 
nugsam  anerkannt,  dessen  Kompositionen  sich  aber  bis  jetzt  einen  zu  kleinen  Kreis 
von  Verehrern  erworben  ha  ben.  Es  ist  A.  B.  Marx.  Schreiber  dieses  kennt  von 
seinen  Kompositionen  das  Oratorium  Mose1),  drei  Gesange  fiir  Mannerchor2), 
endlich  Nahid  und  Omar8).  Er  findet  in  diesen  Werken  eine  so  wahre  und 
scharf  gezeichnete  Charakteristik,  daB  dem  sinnigen  Zuhorer  mit  den  Tonen 
zugleich  das  wirkliche  Bild  des  durch  die  Musik  Ausgesprochenen  klar  vor  die  Seele 
tritt.  Er  findet  in  denselben  ferner  eine  so  vollendete  musikalische  Durch- 
bildung,  daB  kein  Gedanke  auf tritt,  der  sich  nicht  fertig  und  in  groBartiger  Fiille 
aussprache.  Die  musikalischen  Formen  sind  mit  Kuhnheit  gehandhabt,  nicht  in 
angstlicher  Weise  am  Herkommlichen  festhaltend,  nicht  in  sklavischer,  geistloser 
Nachahmung  sich  schwachlich  an  das  Bestehende  anklammernd;  aber  ebensowenig 
in  thorichtem,  knabenhaftem  Muthwiilen  zertriimmernd,  um  ein  Nichte  an  die  S telle 
des  Vorhandenen  zu  setzen.  Marx  fuBt  in  seiner  Wissenschaft  und  Kunst  auf  dem 
festen  Boden  der  Vergangenheit.  Die  Geschichte  und  die  unsterblichen 
Werke  unserer  Heroen  sind  seine  Lehrmeister.  Aber  er  hat  ihre  Offenbarung 
nicht  in  der  Weise  aufgefaBt,  daB  sie  uns  eine  pedantische  Norm  und  jedem  leben- 
digen  Fortschritt  ein  Hemmschuh  sein  soil,  sondern  er  hat  sie  in  sich  verarbeitet, 
sich  geistig  zu  eigen  gemacht.  In  diesem  fruchtbaren  Boden  wurzelnd,  von  seinen 
nahrenden  Saften  bis  in  das  innerste  Mark  durchfruchtet  und  in  dem  herrlichen 
Sonnenschein  einer  frischen,  jugendlichen  Phantasie,  eines  tiefen,  gesunden  Gefiihls 
konnten  Friichte  reifen,  wie  wir  sie  jetzt  in  seinen  Kompositionen  vor  uns  sehen. 

»Es  ist  meine  Absicht  gewesen,  meine  Meinung  klar  und  offen  darzulegen. 
Sie  ist  "die  Frucht  einer  genauen  Kenntniss  und  vorurtheilsfreien  Priifung  der  ge- 
nannten  Werke  und  weder  durch  eine  dilettantische  Vorliebe  fiir  dieselben,  noch 
unter  dem  EinfluB  personlicher  oder  anderweitiger  Rueksichten  entstanden.  Ob  sie 
die  richtige  ist,  das  mogen  die,  denen  wirklich  das  lebendige  Gedeihen  und  Vor- 
wartsschreiten  der  Kunst  am  Herzen  liegt,  das  mag  die  machtige  Stimme  der 
kommenden  Zeit  entscheiden.  Mir  scheinen  die  Marx'schen  Werke  das  schlagende 
Zeugniss  abzulegen,  daB  sein  letzter  und  hochster  Beruf  die  Komposition 
ist.  Wie  er  selbst  dariiber  denkt,  wciB  ich  nicht;  ich  kann  jedoch  nicht  umhin, 
hier  den  heiBen  Wunsch  auszusprechen,  daB  er,  selbst  mit  Hintansetzung  seiner 
wissenschaftlichen  Thatigkeit,  sich  vorzugsweise  dem  schopferischen  Drange  hin- 
geben  moge. 

»  Es  reiht  sich  der  Wunsch  an,  daB  seine  Werke,  mehr  als  es  bisher  geschehen, 
dem  Publikum  in  offentlichen  Auffiihrungen  vorgefiihrt  wiirden.  —  Ich  schlieBe 
mit  dem  Wunsche,  daB  musikalische  Blatter  die  neu  erscheinenden  Kompositionen 
von  Marx  sorgfaltig  prufen  und  ausfuhrlich  besprechen  mogen.  Die  hier  aufgestellten 
Ansichten  sollen  keineswegs  die  Kritik  gewinnen.  Wer  anders  denkt,  der  erklare 
sich  dariiber.  Aus  dem  offenen  Kampfe  der  Meinungen  geht  die  Wahrheit  siegreich 
hervor;  sie  soil  aber  nicht  durch  boswilliges  Geschwatz  und  klein- 
■  tadtische  Klatschereien  getriibt  und  entstellt  werden.  * 

Wir  unterlassen  es  vorlaufig,  derartig  widersprechende  Urteile,  wie  wir 
sie  jetzt  gelesen  haben,  auf  ihren  Wert  hin  zu  priifen,  und  wollen  nun  noch 
Marx'  eigene  AuBerungen  iiber  seine  Kompositionen  zusammenstellen,  um  zu 
ermitteln,  woraus  sich  Eitner  eine  »Affenliebe«  konstruiert  hat.  Aus  des 
Autors  eignem  Munde  hat  er  ein  solch  lacherliches  Selbstlob,  wie  er  es  seinen 
Lesern  aufnotigen  will,  sicherlich  nicht  gehort;  seine  Weisheit  muB  also  aus 


1)  Op.  10,  s.  spater.  2)  Op.  6,  s.  spater.  3)  Op.  9,  s.  spater. 

1* 


4  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

Marx7  Schriften  stammeD,  nnd  wir  wollen  zu  seiner  Ehre  annehmen,  dafi  er 
sie  mit  gleicher  Gewissenhaffcigkeit  daraufhin  geprtift  hat,  wie  es  der  Sckreifeer 
dieses  von  sich  sagen  darf.  In  seinen  theoretischen  Hauptwerken,  der  >Lehre 
von  der  musikalischen  Kompositionc  *),  der  »Allgemeinen  Musiklehre«  *),  der 
>Alten  Musiklehre  im  Streit  mit  unserer  Zeit«  8),  der  »Chorschule«4),  der 
»Gesanglehre«5)  redet  er,  wenn  er  auf  Komponieren  nnd  Komponisten  zu 
sprechen  kommt,  niemals  von  sich  selbst;  in  den  trefflichen  Werken  »T7ber 
Malerei  in  der  Tonkunst* 6),  »Das  Ideal  und  die  Gegenwart*  *)  and  der 
»  Organisation  des  Musikwesens*  8)  werden  nur  allgemeine  Gesichtspunkte  in 
grofizugigster,  geistreichster  Weise  erortert.  So  bleiben  nns  nor  noch  »Die 
Musik  des  neunzehnten  Jahrhunderts  und  ihre  Pflege.  Methode  der  Musik«  •) 
und  die  »Erinnerungen« 10).  Im  ersteren  Werke  kommt  fur  uns  lediglkh 
folgende  Stelle  (p.  191),  wo  Marx  von  dem  »Oratorium  der  Zukunft«  spricht 
und  dabei  seines  »Mose<  gedenkt,  in  Betracht: 

>Ich  selber  habe  die  Last  dieses  Zweifels  neben  manchem  begliickenden  Erfolg 
on  jenem  Werk  erfahren  mussen.« 

Grdfier  ist  die  Ausbeute  naturgemafi  in  den  »Erinnerungen«.  Ich  zitiere 
folgende  Stellen  daraus: 

Bd.  1,  p.  9,10:  »Spater  erst,  damals  noch  ganz  unvorhergesehen,  zeigte  sich  der 
groBe  Einflufi,  den  die  vertraute  Bekanntschaft  mit  der  Bibel  auf  mich  als  Kom- 
ponisten und  Schriftsteller  aufiern  sollte.« 

Bd.  1,  p.  62:  »Der  Gedanke,  den  Lebensbedarf,  —  und  schon  hatte  die  Ver- 
armung  meiner  El  tern  den  Blick  des  jungen  Auges  nach  dieser  Richtung  hingezwangt, 
—  durch  Komposition  zu  gewinnen,  erschien  mir  als  Entwiirdigung  der  heiligen 
Kunst,  etwa  als  sollte  ein  frommer  Christ  im  Abendmahl  leibliche  Nahrung  erblicken  «. 

Bd.  2,  p.  219  f.:  »Die  Laufbahn  des  Komponisten,  —  sie  mufite  aufgegeben 
werden.  Die  Pflicht  fiir  die  Meinen  forderte  das  gebieterisch.  Ich  muBte  mich 
unterwerfen.  Zwar  ward  noch  viel  komponirt,  manches  auch  herausgegeben,  aber 
den  groBen  Unternehmungen,  den  Oratorien  und  Opern  muBte  entsagt  werden. 
Zum  Gliick  ist  nur  Wenigen  auferlegt,  zu  erfassen,  was  dies  heimliche  Morden  in 
eigner  Brust  bedeutet.  Zwar  —  es  blieb  noch  ein  Weg  offen.  Ich  konnte  mich 
zu  Zugestandnissen  gegen  die  Fassungskraft  der  Ausfuhrenden  und  der  Zeitgenossen, 
wie  sie  besonders  seit  1848  geworden  war,  herbeilassen.  Allein  dies  war  kein  Weg 
fiir  mich.  Ihn  zu  gehen  ware  leicht  gewesen,  aber  ihn  zu  betreten  mufite  meiner 
Sinnesart  und  der  strengen  heiligen  Pflicht  der  Wahrhaftigkeit,   die  mir  stets  als 

unverbruchliches  Gesetz  des  Kunstlers  gegolten,   schlechthin  unmoglich  sein. 

Nein!  Die  Wahl  von  den  idealen  Gebilden,  die  mich  umschwebt  und  noch  heute 
nichts  von  ihrem  Glanze  verloren  haben,  zuriickzutreten,  oder  sie  zu  umliigen  und 
treulos  zu  falschen,  diese  Wahl  war  fiir  mich  keine.  So  war  damals  mein 
Sinn,  so  ist  er  bis  heute  geblieben  und  wird  sich  in  mir  nimmer  andern.*11) 

Auf  speziellere  Aufierungen  des  Tondichters  zu  einzelnen  seiner  Werke 
werden  wir  bei  der  Besprechung  dieser  stoflen;  die  hier  angefuhrten,  welche 
allgemeinerer  Natur  sind,  lassen  wohl  ein  hohes  BewuBtsein  von  den  idealen 
Pflichten  eines  Komponisten  erkennen,  aber  keine  torichte  Selbstbespiegelung. 


1)  Leipzig  1837 — 1847  und  zahlreiche  Neu-Auflagen,  4  Bde. 

2)  Leipzig  1839.  3)  Leipzig  1841.  4)  Leipzig  1860. 

5)  »Die  Kunst  des  Gesanges,  theoretisch-praktisch.«      Berlin  1826. 

6)  Berlin  1828.  7)  Jena   1867.  8)  Berlin  1848.  9)  Leipzig  1855. 
10;  2  Bande,  Berlin  1865. 

11)  Es  ist,  als  ob  Richard  Wagner  hier  sprache! 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Berahard  Marx.  5 

Wir  werden  deshalb  jetzt  die  Werke  selbst  einer  objektiven  Beurteilung  zu 
unterwerfen  und  zu  untersuchen  haben,  was  von  ihnen  »lebensfahig«  ist  oder 
nicht. 

I.  Im  Druck  erschienene  Kompositienen. 

Samtliche  im  Druck  erschienenen  Marx'schen  Kompositionen  zuaammen- 
zubringen,  war,  trotzdem  ihre  Zahl  nicht  groB  ist,  eine  recht  miihsame  Arbeit. 
Dabei  ergab  sich,  daB  Op.  27  die  letzte  Publikation  des  Tondichters  war, 
daB  aber  in  der  Reihe  der  Opuszahlen  die  Nummern  1,  3,  6,  7,  8,  9,  10 
fehlten.  Es  ist  mir  gelungen,  die  Lucken  durch  gedruckte  ohne  Opuszabl 
erschienene  Werke  insofern  auszufullen,  als  die  Zeit  ihres  Erscheinens  genau 
festgestellt  werden  konnte.  Nur  ein  als  Op.  8  einzureihendes  gedrucktes 
Werk  war  nicht  zu  ermitteln. 

Bei  der  nun  folgenden  bibliographisch  genauen  Zusammenstellung  der 
Werke,  welche  die  erste  ihrer  Art  ist,  sind  die  von  mir  mit  Opuszahlen 
versehenen  durch  eine  (  )  bezeichnet. 


(Op.  1).  Drey  Chorges&nge,  vier-  and  seohsstimmig  mit  Piano- 
fortebegleitung,  componirt  und  Herrn  Hofmaler  Wilhelm  Hensel  nebst 
seiner  Grattin  Fanny  Hensel  gewidmet.  Bei  Breitkopf  &  Hartel  in 
Leipzig.    Pr.  1  Rthlr.  8  gr.     (30  Seiten).     Qu.-Fol.    Erschienen  1830. 

Die  Opusbestimmung  war  hier  dadurch  sehr  einfach,  daB  dieses  Werk 
in  der  untern  Ecke  jeder  Platte  die  Verlagsnummer  5031,  das  als  Op.  2 
gleichfalls  bei  Breitkopf  &  Hartel  gedruckte  die  Nummer  5051  aufweist. 
AuBerdem  ist  mir  durch  die  Freundlichkeit  von  Frau  Professor  Therese  Marx, 
der  ich  hier  gleich  meinen  Dank  darbringen  mochte,  die  Orchesterpartitur 
des  ersten  der  Gesange  in  der  Handschrift  des  Komponisten  mit  der  Jahres- 
zahl  1830  ubermittelt  worden;  wir  kommen  darauf  noch  zurtick. 

Nr.  1.     Morgengesang  der  Parsen. 

Die  Dichtung  stammt  nach  dem  Titelblatte  der  Origin alpartitur  von  Hein- 
rich  Stieglitz  *),  einem  intimen  Freunde  unseres  Tonsetzers,  und  muB 
letzterem  von  dem  Dichter  handachriftlich  mitgeteilt  worden  sein,  was  ofters 
geschehen  ist2).  In  keinem  der  in  Betracht  kommenden,  von  mir  durch- 
forschten  Werke3)  findet  sich  dasselbe  gedruckt;  nur  folgende  Bemerkungen 
in  den  Briefen  von  Heinrich  Stieglitz  an  seine  Braut  Charlotte4)  waren  zu 
berucksichtigen : 

Th.  2t  p.  128.  Brief  vom  12.  Marz  1827:  »Ich  hatte  diesen  Morgen  eben  den 
ParsengruB  >An  die  Morgenrothe*  gesungen. «  —  Th.  2,  p.  456.  Brief  vom  9.  Juli 
1828:  »In  diesen  Tagen  sind  mir  einige  kurze  energische  Chore  fiir  Marx  zur  Kom- 
poaition  —  nicht  » Orients  seit  dem  Herbste  das  erste,  was  ich  auBerhalb  diesem 
gemacht  —  recht  gelungen. « 

Geheimnisvoll  und  leise  wogend,  wie  ferner  Harfenklang,  beginnt  das 
Klavier: 


1)  1801 — 1849.    Bekannt  ist  der  tragische  Selbstmord  seiner  Gattin  Charlotte. 

2)  S.  spater. 

3)  Gedichte  zum  Besten  der  Griechen,  Leipzig  1823;  Bilder  des  Orients,  4Bande, 
Leipzig  1831—1833;  Berliner  Musenalmanach  fiir  das  Jahr  1830,  Berlin  1830. 

4)  2  Teile,  Leipzig  1859. 


6  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

Andante. 


am  SchluB   des   vierten  Taktes   steigert  sich   das  leise  Harfenspiel  zu  fremd- 
artigen  Akkordfolgen : 


als  wenn  das  grell  erstrahlende  Sonnenlicht  die  Augen  der  frommen  Beter 
blendete,  urn  schnell  beruhigend  wieder  in  C-dur  einzulenken,  worauf  dann 
mit  dem  achten  Takte  die  Bafistimmen  in  milder  Abgeklartheit,  umzittert 
von  der  Begleitungsfigur  des  Anfangs,  den  Gesang  anheben: 


%ESa=^ 


m^ 


-**  * 


»'      0- 


3E?E 


£=£ 


*=fc= 


Des  Morgens  fri-scher  0  -  dem  went,  und  wek-ket  Dtif-  te     rings  urn  -her. 

die  Altstimmen  losen  die  ersten  Sanger  ab  und  fiihren  das  Thema  weiter 
aus,  wobei  die  Begleitung  anschwellend  in  hohere  Tonlagen  sich  begibt.  Leise 
fliistern  nan  noch  die  hohen  Fraaenstiminen : 


3EE£ 


£ 


:t 


E*£ 


Und    wek-ket     Duf  -  te    rings    urn    -    her! 

dann  aber  vereinen  sich  alle  zu  kraftigeren  Akzenten,  die  Begleitung  wird 
vollstimmiger  bis  zum  Einsatz  des  Fortissimo  beim  Sonnenaufgang.  Noch 
einmal  beginnt,  nach  langen  Fermaten,  ein  feierlich-liebliches  Wechselspiel  der 
▼ier  Stimmen: 

Sopran — Alt. 


i 


^s=^ 


pTfft^ 


i 


Das  Au  -  ge  wen-det  sich  zum  Licht! 
Tenor. 


*g^F« 


=9=S= 


Das  Au-ge  wen  -  det  sich  zum 


BaB. 


m 


££* 


:t 


Wen-det  aich       zum       Licht! 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Man. 


m 


Dae  Au  -  ge  wen  -  det  sich   zum    Licht! 


*=* 


Zj^Z 


=ES= 


itm 


m=M 


fc 


en    -    det 


sich 


Licht! 


i 


=fe 


Licht! 


m 


3 


Wen  -   det 

In  prachtvollen  Harmonien  von  hochster  Starke  endet  der  ungemein  wirkungs- 
volle  Chorge8ang. 

Die  handschriftliche  Partitur  tragt  auf  dem  Titelblatt  den  Yermerk: 
»  Sein  em  Freunde  Felix  Mendelssohn-Bartholdy«;  die  Widmung  an  Mendels- 
sohn's Schwester  and  Schwager  ist  also  erst  kurz  vor  dem  Drnck  erfolgt1). 
Das  Orchester  besteht  aus  Streichquintett,  FlSten,  Oboen,  Klarinetten,  Hornern, 
Trombone  alto,  tenore  und  basso;  letztere  erklingen  nur  wahrend  der  acht 
Schlufitakte. 


Nr.  2.     Heuer. 

Ein  lustiger,  im  Yergleich  zum  ersten  aber  nnbedeutender  Chor  »Frisch 
nun,  greift  das  Tagwerk  anc,  in  den  Singstimmen  gnt  gearbeitet,  in  der 
Begleitung  etwas  diirftig,  vielleicht  absichtlich  als  einfaches  Erntelied,  vom 
Volkschor  zu  singen,  anfgefafit.  Der  Dichter  war  trotz  heiflen  BemUhens 
nicht  zu  ermitteln. 

Nr.  3.     Nach  dem  Siege  von  Heinrich  v.  Kleist. 
Die  Uberschrift  stammt  von  Marx  selbst;    die  prachtigen   Worte   stehen 
in  Kleist's   »Penthesileac  (Tubingen  1809,  p.  99): 

Chor  der  Jungfraun  (mit  Musik). 
Ares  entweicht! 
Seht  wie  sein  weifies  Gespann 
Fernhin  dampfend  zum  Orkus  niedereilt! 
Die  Eumeniden  offnen,  die  scheufilichen: 
Sie  schliefien  die  Thore  wieder  hinter  ihm  zu. 

Eine  Jungfrau. 
Hymen!    Wo  weibt  du? 
Ziinde  die  Fackel  an,  und  leuchte!  leuchte! 
Hymen!  wo  weilst  du? 

Chor. 
Ares  entweicht!  usw. 


1)  Von  dem  Verhaltnis  beider  Tonkiinstler  wird  noch  spater  die  Rede  sein 
mussen ;  Marx  berichtet  dariiber  ausf uhrlich  in  den  »Erinnerungen<  Bd.  1,  p.  168f ., 
248f.;  Bd.  2,  107  ff. 


8 


Leopold  Hrrachberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Man. 


An  die  Vorschrift  des  unsterblichen  Dichters  hat  sich  Marx  nicht  gehalten  ; 
nicht  von  einem  Frauen-,  sondern  einem  sechsstimmigen  gemischten  Chor 
(je  zwei  Soprane  und  Tenore,  Alt  und  BaB)  laBt  er  die  Worte  singen.  Die 
Anordnung  ist  im  allgemeinen  so  getroffen,  daB  die  Mannerstimmen  als  erster, 
die  Frauenstimmen  als  antwortender  zweiter  Chor  aufzufassen  sind.  Zwei 
gesonderte  Themen  —  dem  Sinn  der  Dichtung  entsprechend  —  in  verschiedenen 
Ton-  and  Taktarten  gelangen  zu  trefflichster  thematischer  Durchftihrung.  Das 
erste,  Allegro  brioso,  im  kriegerischen,  schmetternden  D-dur,  ist  folgender- 
maBen: 


Vq^tlfWlO^Usyj^p 


& 


Der  Mittelsatz,   im  namlichen  ZeitmaB,   wird  fast  nur   vom  Frauenchor  ge- 
BttDgen: 


$3t 


* 


-r-1  r    iH  ^» 


-r 

Hy  -  men,     Hy  -  men,  wo    weilst     du? 

Erst  zehn  Takte,  bevor  das  erste  Thema  wieder  einsetzt,  treten  auch  die 
Mannerstimmen  leise  begleitend  hinzu,  urn  zum  AUgesang,  der  bis  zum  Schlnfi 
» Maestoso  «  anhalt,  iiberzuleiten.  Es  diirfte  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen, 
daB  auch  dieses  Stuck  von  Marx  fur  Gesahg  und  Orchester  gedacht  und 
geeohrieben  wurde;  das  Klavier  wird  immer  nur  unvollkommen  die  Trom- 
peten  des  Anfangs-  und  SchluB-,  sowie  die  trillernden  Floten  des  Mittel- 
satces  wiedergeben  konnen.  Das  sehr  effektvoUe  Werk  ist  fur  das  noch  nicht 
baarbeitete  und  ziemlich  materialarme  Thema  »Kleist  in  der  Musik<  besonders 
interessant. 

Op.  2.  Zwolf  Ges&nge  fur  eine  Singstimme  mit  Begleitung  des 
Pianoforte  in  Musik  gesetzt  und  Madame  Sophie  Cossmann  gewidmet. 
Bei  Breitkopf  &  Hartel  in  Leipzig.  2»  Werk.  1",  2"  Heft.  Pr.  12  Gr. 
11  +  13  Seiten.     Qu.-FoL    Erschienen  1830. 

Nr.  1.     Schlummerlied. 

Die  Dichtung  stammt  von  Heinrich  8  tie  glitz  (s.  vorher)  und  ist  ein  am 
Freitag  den  28.  Dezember  1827  abends  an  seine  Braut  geschriebener  Brief, 
uberschrieben  »  Schlummerlied  an  Lottchen«  *).  TJnter  dem  Titel  >  Schlummer- 
lied«  ist  es  1830  gedruckt  erschienen2).  Fur  die  innigen  Dichterworte  hat  der 
Komponist  eine  gleich  seelenvolle  Sprache  gefunden.  Das  Lied  ist  ganz  ein- 
fach,  strophisch  geschrieben,  die  Begleitung  durchweg  wiegend  und  pp : 


Sempre  pp  e  legatissimo  una  corda. 
Harmonische  Yeranderungen  zeigen  sich  nur*  voriibergehend  in  der  Form  von 


1)  Brief e  an  seine  Braut  Charlotte.     Leipzig  1859,  T.  2,  p.  290. 

2)  Berliner  Musen-Almanach  fur  das  Jahr  1830,  p.  210. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


9 


Vorhalten;   Melodienfuhrung  und  StimmuDg  erinnern  sebr  an  Ahnliches  von 
Peter  Cornelius. 


Nr.  2.     Im  Sommer. 

Goethe's  aufjauchzendes  Gedicht1)  »Wie  Feld  and  Au  so  blinkend  im 
Thau!*  ist  sehr  haufig  komponiert  worden.  Marx  hat  sich  nicht  auf  Kunste- 
leien  eingelassen,  sondern  den  einfach  volkstumlichen  Ton  sinngemafi  wieder- 
gegeben.  Der  Gegensatz  der  beiden  Strophen  wird  dnrch  eine  ganz  geringe 
Anderung  der  Begleitung  erzielt,  die  wahrend  der  ersten  Halfte  der  zweiten 
Strophe  —  znm  Ansdruck  der  Depression  —  eine  Oktave  tiefer  als  in  der 
ersten  gesetzt  ist. 

Nr.  3.     Aus:   »"Was  ihr  wollt«  von  Shakespeare. 

Ich  stebe  nicht  an,  die  Marx'sche  Betonung 2)  des  beruhmten  Narrenliedes 
als  die  beste  mir  bekannte  zu  erklaren;  sie  ubertrifffc  selbst  die  schone  Kom- 
position  des  Peter  Cornelius3).  Ohne  KUnstelei  gibt  das  herbe  G-moll  und 
die  straffe  Rhythmik,  der  Singstimme  sowohl  wie  der  Begleitung,  den  Grimm 
and  die  Verzweiflung  des  Mannes  mit  der  ScheUenkappe  wieder.  DieBe 
Bigolettostimmung  —  wenn  ich  mich  so  ausdrttcken  darf  —  atmei  auch  das 
Kompositionsfragment  Karl  Loewe's4).  Der  Marx'sche  Gesang  ist  durchaus 
Bzenisch  gedacht;  das  schnelle  Tempo  (Agitato)  schildert,  da£  der  Narr  un- 
luatig  ans  Werk  geht  und  schnell  damit  fertig  sein  will.  Im  Gegensatz  zu 
dem  lauten: 


m 


Komm  her 
stent  das  leise,  gedehnte 


P^£ 


£= 


bei,  komm  her  -  bei_ 


Tod 


l 


W 


E 


und   rer  -  senk    in      Cy  - 
Erschutternd  wirkt  die  wilde  Stelle: 


pres-sen   den       Leib. 


i 


$=& 


9- 


e£ 


mich  er  -  schlagt  ein  hold  -  se  -  li  -  ges    Weib. 

TJnd  nun  folgt  eine  grofiartig  empfundene  Chromatik  in  der  Oberstimme  der 
Begleitung  —  ganz  ahnlich  wie  in  Franz  Schubert's  unvergleichlichem  »"Weg- 
▼eiser«  5)  —  ist  es  doch,  als  h&tte  der  Sprecher  den  geistigen  Blick  hier 
ebenso  unverruckt  auf  das  Ende,  den  Tod,  gerichtet,  wie  der  einsame  Wan- 
derer der  »Winterreise«. 


1)  Goethe's  Werke.    Ausg.  letzter  Hand.    Stuttgart  und  Tubingen  1827,  Bd.  1, 
p.  88. 

2)  Goethe 'scher  Sprachgebrauch ;  ein  fur  allemal  in  dieser  Arbeit  an  Stelle  des 
grafilichen  »Vertonung«. 

3)  Duette  fur  Sopran  und  Bafl.    Op.  16,  Nr.  3. 

4)  Gesamtausgabe,  Breitkopf  u.  Hartel,  Bd.  2,  p.  76. 

5)  Die  Winterreise,  Nr.  20. 


10 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


Die  Ubersetzung  des  Liedes  ist  die  noch  immer  unerreichte  yon  August 
Wilhelm  Schlegel  *).  

Nr.  4.     Sinesischer  Poetenklub. 
Das  origin  ell  e  Gedicbt  ist  von  Heinricb  Stieglitz2). 
Ergotzlich  gibt  die  Musik  die  fade,  gelangweilte  Stimmung  der  Teegesell- 
schaft  wieder;  nur  flinf  Akkorde  zeigen  sicb  in  den  acbt  Takten: 

-I- 


i 


fe 


*C3E 


E£ 


ls=hz 


& 


wm 


-1 1-3 


^ 


W 


«= 


1       i  II'  .  ■         ■         .. 

Sie   saCen    zusam-men  und  tranken  The,  und  machten  flan-e  Ge-eioh-ter;  die 


=S=ft*-t 


i 


u*± 


■*=$ 


i^S^ 


1*42= 


p*    *    *■ 


-#*—#- 


ei-nen  sprechenvom  A     B     C,    die  an-dern         putz-ten  die  Lich    -    ter. 


3= 


£ 


3 


=J=^ 


t=t 


t— i— r 


im  ubrigen  geben  Singstimme  und  Begleitung  durcbaus  unisono.  Die  Tempo- 
bezeicbnung  beifit  einfacb  »Faul«.  In  ganz  ahnlicher  Weise  ist  Loewe  bei 
der  Komposition  der.Goethe'schen  Farce  >Gutmann  und  Gutweib*3)  vor- 
gegangen. 

Nr.  5.     In  der  Feme. 

Von  Heinricb  Stieglitz  gedicbtet  und  unter  dem  Titel  >Scbifferlied< 
gedruckt4). 

Hiibscbe  kurze  Barkarole  fur  eine  weicbe  Baritonstimme.  In  der  Begleitung 
ist  auBer  der  interessanten  Harmonisierung  das  viertaktige  Nacbspiel  be- 
merkenswert,  welches  im  ppp  wie  das  tranenerfullte  Auge  des  vom  Vater- 
land  Gescbiedenen  anmutet. 

Nr.  6.     Jagers  Hoffen,    aus  Undinens  GruB   von  L.  M.  Fouque\ 

Uber  Marx9  Festspiel  »  Undinens  GruB«  wird  im  dritten  Teil  dieser  Ab- 

bandlung  (bei  den  ungedruckten  Werken)  nocb  die  Rede  sein.    Das  bier  vor- 

liegende  einfacbe  Jagerliedcben  ist  stropbisch  komponiert,  anmutig,  docb  obne 

besondere  Eigentumlichkeiten. 

Nr.  7.     Auf  der  Wanderung. 

Das  nur  acbt  kurze  Zeilen  umfassende  Gedicbt   von  H.  Stieglitz5)  ist 


1)  Shakespeare's  dramatische  Werke.     Berlin  1797,  T.  2,  p.  214. 

2)  Berliner  Musen-Almanach  1830,  p.  150. 

3)  Gesamtausgabe.  Bd.  11,  p.  116. 

4)  Berliner  Musen-Almanach  1830,  p.  45. 

5)  Ebendaselbst,  p.  289. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


11 


tief  empfunden.  Bei  der  Komposition  ist  besonders  die  relativ  grofle  Lange 
des  Yor-  und  Nachspiels  zu  erwahnen :  je  acht  Takte  umfassend,  bei  vier- 
zehn  Takten  Singstimme.  Die  durchweg  imitatorisch  gehaltene  Klavierfltimme 
drtickt  sehr  treffend  die  Unermiidlichkeit,  zugleich  aber  auch  die  Hoffnungs- 
losigkeit  des  Wandernden  aus: 

Con  moto. 


-y-#- 


->n=s 


at 


— w- 


3=5=*- 


3E5 


l=E 


££5E 


T^\—1TTV 


-*> — N; 


S 


-rrr- 


*t 


ai 


=5=*= 


ryzs   it       -jp^: 


* 


^f^F — y=9= 


EE 


In  der  ganzen  Stimmung  und  Anlage  scheint  mir  der  Gesang  viel  Ahn- 
lichkeit  mit  Robert  Schumann's  bertihmtem,  1840  komponierten  >Zwielicht« 
zu  haben1). 

Nr.  8.  Luther's  letzte  "Worte  (nach  einer  Sage).  Virgil's  Aene- 
ide:  B.  4,  V.  653. 

Heinrich  Stieglitz  macht  zu  seinem  kleinen,  zweistrophigen  Gedichte2) 
folgende  Bemerkung: 

»Es  geht  eine  Sage,  die  beiden  letzten  der  Virgilischen  Verse: 
Dukes  exuviae,  dum  fata  Deusque  sinebant, 
Accipite  hanc  animam,  meque  his  absolvite  curie. 
Vizi,  et  quern  dederai  cursum  fortuna,  peregi; 
Et  nunc  magna  mei  sub  terras  ibit  imago 
seven  Luthers  letzte  Worte  vor  seinem  Hintritt  aus  der  Welt  gewesen.  —  Obgleich 
nichts  Authentisches  dariiber  hat  ermittelt  werden  konnen,  ist  doch  die  Sage  zu 
schon  und  bedeutungsvoll,  als  daB  sich  das  Herz  erwehren  konnte,  ihr  Glauben  bei- 
zumessen. « 

Die  schonen  Worte    des  romischen  Dichters  lauten   in  der  TJbersetzung    von 
Johann  Heinrich  Vofl3): 

»Theuere  Liebcsgeschenk\  als  Gott  und  Geschick  es  vergonnte, 

Nehmt  die  ermudete  Seel*,  und  befreit  mich  solcher  Betriibniss! 

Ja  ich  lebt\  und  vollbrachte  den  Lauf,  den  das  Schicksal  mir  anwies; 

Und  nun  wandelt  mein  Geist,  ein  erhabenes  Bild,  zu  den  Schatten. « 

ZweifeUos  ist  diese  zu  den  lateinischen  Worten  gesetzte  Komposition  (aber- 
mals  fur  Bariton)  der  bedeutendste  der  zwolf  Gesange ;  man  darf  wohl  weiter 
ohne  XJbertreibung  sagen,  dafl  diese  Betonung  in  die  bedeutenden  Stttcke 
der  deutschen  Gesangsmusik  uberhaupt  gehort.    Und  sie  ist  vollig  vergessen. 

1)  Liederkreift  von  Eichendorff,  Op.  39,  Nr.  10. 

2)  Berliner  Musen-Almanach  1830,  p.  281. 

3)  Des  Publius  Virgilius  Maro  Werke,  Braunschweig  1799,  Bd.  2,  p.  257. 


12  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Mux. 

Die  grofie  Menge  wird  sie  allerdings  ebenso  wenig  beruhren,  wie  Franz 
Schubert's  » Fragment  aus  dem  Aschylus* ;  fur  Kenner  aber  gewahrt  sie  den 
gleichen  Genufi  wie  letzteres.  Schwer  (Andante  sostenuto,  quasi  Adagio)  and 
vollstimmig  setzt  das  Klavier  ein  und  bleibt  bis  zum  Schlufi  durcbweg  im 
strengsten,  vierstimmigen  Satze.  Der  Yergleich  mit  Bach  liegt  hier  so  nahe, 
dafi  man  Marx1  ungeheure  Verdienste  um  die  Bach-Forschung 1)  und  sein 
eingehendes  Studium  des  Meisters  weiter  gar  nicht  zu  erwahnen  benotigt  ist. 
Dafi  die  Deklamation  der  schwierigen  hexametrischen  Form  eine  meisterhafte 
ist,  braucht  bei  einem  so  hochgebildeten  Manne,  wie  Marx  es  war,  auch  nicht 
besonders  betont  zu  werden.  Sehr  interessant  ist  es  nun,  die  dem  Stieglitz- 
schen  Gedichte  beigefugte  Koinposition  Zelter's  mit  der  Marx'schen  zu  ver- 
gleichen.  Der  Vergleich  fallt  sehr  zum  Nachteil  Zelter's  aus,  wenn  er  sein 
"Werk  auch  mit  >Yespera  Lutheri«  und  »Pathetice*  tiberschrieben  hat.  Schon 
die  Wahl  der  Taktart  (6/8)  bei  Zelter  beweist,  dafi  er  die  Rhythmisierang 
des  Hexameters  sich  gar  nicht  anders  als  in  der  hergebrachten  Weise  denken 
konnte  (Marx  hat  4/4-Takt  gewahlt);  dazu  ist  die  Begleitung  in  seiner  be- 
kannten  Manier  sehr  diirftig.  Am  abstofiendsten  jedocb  wirken  die  der  Wurde 
eines  solchen  Gesanges  total  ins  Gesicht  schlagenden  Koloraturen  der  Sing- 
stimme  (5  voile  Takte  bei  im  ganzen  27);  Marx  hat  dies  selbstverstandlich 
vollig  vermieden.  Es  ware  dankenswert,  wenn  dieser  Gesang  wenigstens 
durch  einen  Neudruck  bekannt  gemacht  wurde. 


Nr.  9.     Der  15*  May. 

Goethe's  wundervolle  Dichtung2)  tragt  nur  die  Uberschrift  >May«. 

Auch  diese  Betonung  ist  als  gliicklich  gelungen  zu  bezeichnen.  Nach 
einem  Harpeggiando-'V orspiel  von  8  Takten  (Allegretto  con  moto,  4/8l  F-dur) 
in  luftigsten  Sechszehnteln  bildet  sich  die  Begleitung  derart,  dafi  ihre  Ober- 
stimme  konform  mit  der  Singstimme,  nur  eine  Oktave  hoher,  geht,  wahrend 
die  Unterstimme  orgelpunktartig  in  Sechszehnteln  beharrt.  Sehr  hiibsch  ist. 
ein  zweimaliges,  echoahnliches  Zwischen  spiel;  bemerkenswert,  dafi  die 
Modulation  auf  das  geringstmoglichste  Mafi  beschrankt  ist:  Takt  1 — 21 
durchweg  F-dur,  Takt  22  und  23  kleine  Modulation,  Takt  24—34  (Schlufi) 
abermals  F-dur. 

Nr.  10.  Aus:  Chinesisch-deutsche  Jahres-  und  Tageszeiten, 
von  Goethe. 

Es  ist  Nr.  VII  des  beruhmten  Zyklus 3) ;  die  Loewe'sche  Betonung  dea- 
selben  Gedichtes  tragt  die  Uberschrift  »Canzonette«.4) 

Die  Marx'sche  Komposition  ist  durch  besondere  Innigkeit  gekennzeichnet ; 
nach  den  kr&ftig  gesungenen  AYorten 

Allegretto. 


P 


feE 


-V 


-t5^- 


War   scho-ner     als    der    schon  -ste      Tag 


1)  Siehe  den  Schlufi  dieser  Arbeit. 

2)  Goethe's  Werke.     Ausgabe  letzter   Hand.     Stuttgart    und    Tubingen   1827. 
Bd.  3,  p.  38. 

3)  Berliner  Musen-Almanach  1830,  p.  9. 

4)  Gesamtausgabe,  Bd.  11,  p.  64. 


Leopold  Hirtchberg,  Der  Tondichter  Adoiph  Bernhard  Marx.  13 

deren  Begleitung  nor  aus  zwei  starken,  kurz  abgeriasenen  Akkorden  im 
zweiten  Takte  beateht,  beginnt  alsbald  erne  sanfte,  rieeelnde  Begleitungsngur 
einzusetzen : 


dolce 


die  nun  bis  zum  Schlufl  der  Strophe  beharrt  and  das  Heimlich-drangende 
der  Liebesworte  sehr  schon  zum  Ausdruck  bringt.  Nach  kurzer  TTnterfarechung 
tritt  sie  wieder,  doch  verandert,  hervor ;  die  Singstimme  steigert  sich  in  fiber 
zwei  Takte  ausgebreiteter  Koloratur: 


i 


^^3z-gg 


-0  *0? 

SB 


it 


ganz zu        ei  -  gen 

zu  hohem  Jubel,  urn  —  genau  wie  in  Franz  Schubert's  »Ungeduld«    —    in 
stiller  Seligkeit  zu  verklingen. 

Nr.  11.     Bheinweinlied  von  M.  Veit. 

Der  Dichter  dieses  Gesanges1)  gab  mit  Heinrich  Stieglitz  zusammen  den 
>  Berliner  Musen-Almanach  fur  das  Jahr  1830«  heraus. 

Ein  strophisches,  kurzes  und  urwuchsiges  Studentenlied,  nur  funf  Takte 
Gesang  im  Polonaisentempo  (zechenden  Burschen  angemessen)  umfassend;  nach 
der  dritten  Strophe  des  durchweg  larmend  gesungenen  Liedes  folgt  ein  langes, 
nicht  minder  lautes  Klaviernachspiel  von  nicht  weniger  als  13  Takten.  Zur 
Aufnahme  ins  Kommersbuch  wohl  geeignet. 


Nr.  12.     Eine  Nacht  auf  Kamtschatka. 

Diese  Ballade  hat  abermals  Heinrich  Stieglitz  zum  Verfasser2)  und  ist 
der  umfangreichste  der  zwolf  Gesange,  als  Balladenkomposition  von  nicht 
geringer  Bedeutung.  Marx1  vertraute  Freundschaft  mit  dem  Meister  der 
Gesangsballade,  Carl  Lo ewe,  mit  dem  er  zusammen  die  Schule  und  den 
musiktheoretischen  Unterricht  bei  Tiirk  in  Halle  besuchte3),  konnte  nicht 
ohne  EinfluB  auf  sein  ktinstlerisches  Empfinden  bleiben.  In  seiner  Zeitschriffc4), 
die  er  sieben  Jahre  redigierte,  hat  Marx  sehr  haufig  auf  die  Bedeutung  der 
Loewe'Bchen  Balladen  hingewiesen  und  in  feinsinniger  Weise  ihre  Eigentum- 
lichkeit  und  Originalitat  hervorgehoben.  Das  wichtige  Erfassen  dessen,  was 
in  Loewe's  Meisterwerken  neu  war  und  diesen  deshalb  zum  Begrunder  der 
klassischen  Balladenkomposition  machte,  konnte  fur  einen  Mann  wie  Marx 
keine  Schwierigkeiten  haben  und  muBte  zugleich,  wenn  er  sich  vor  eine 
ahnliche  Aufgabe  gestellt  sah,  sein  Schaffen  bestimmen.  Und  so  sehen  wir 
auch'bei  dieser  Ballade,  die  eine  umfangreiche  Bafistimme  verlangt,  die  Ein- 
heitlichkeit,  die  Herausbildung  des  Ganzen    aus  einem  einzigen  Thema   aufs 


1)  Berliner  Musenalmanach  1830,  p.  144. 

2)  Ebendaselbst,  p.  116  und  »Bilder  des  Orients «,  Bd.  4,  p.  76 f.    Leipzig  1833. 

3)  Erinnerungen,  Bd.  1,  p.  17. 

4)  Berliner  Allgemeine  Musikalische  Zeitung  1824 — 1830. 


14  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

beste  gewahrt.  Die  B-moll-Tonart  ist  zur  Schilderung  grausender  Nachtbilder 
ganz  besonders  geeignet;  nimmt  man  nun  noch  das  fast  konstante  Unisono 
der  Begleitung  bei  dem  hartnackig  wiederkebrenden  Thema: 


binzu,  ferner  die  kiibnen  Harmonien,  die  Ubergange  nacb  Fis-  und  H-moll, 
die  sinngemafie  Deklamation  —  so  erkennen  wir  ein  "Work,  das  sicb  kluge 
Sanger  ebenso  wenig  entgeben  lassen  diirften,  wie  Heinricb  Marschner's  da- 
moniscbe   »Mondubr«  1). 

tJber  die   Widmungsempfangerin    dieses   Opus    mogen    Interessenten    das 
Nahere  in  Marx  »Erinnerungen«2)  nacblesen. 


(Op.  3).  Evangelisohes  Choral-  und  Orgelbuoh.  235  Chorale  mit 
Vorspielen  zunachst  in  Bezug  auf  das  neue  Berliner  Gfesangbuch.  Berlin 
1832  bei  H.  Reimer.  Seiner  Majestat  dem  Konige  von  PreuBen  Fried- 
rich  Wilhelm  III.  seinem  allergnadigsten  Konig  und  Herrn  in  tiefster 
Ehrfurcht  gewidmet  vom  Verfasser.  Stich  und  Druck  v.  M.  Westphal. 
272  Seiten  +  4  Seiten  Register.     Qu.-Fol.    Erschienen  1832. 

"Wir  wollen  zunachst  Marx  selber  sprecben  lassen;  die  "Worte  seiner  Vor- 
rede  sind  so  schon,  daB  sie  noch  heute  voll  und  ganz  verdienen,  ans  Tages- 
licbt  gezogen  zu  werden: 

»Der  Antrag,  das  neue  Berliner  Gesangbuch  mit  einem  Choral bucbe  zu  be- 
gleiten,  das  die  gefoderten  Lieder  fiir  Gemeine-Chorgesang  und  Schulubung,  nebst 
Orgeleinleitungen,  enthielte,  —  traf  zu  nahe  mit  der  innigsten  Neigung  und  den 
wichtigsten  Planen  zusammen,  denen  mein  Leben  gewidmet  ist,  als  daB  micb  die 
Schwierigkeit  der  Leistung  hatte  zuriickschrecken  konnen.  Einer  so  groBen  und 
zusammengesetzten  Aufgabe  gegeniiber  scbwindet  allerdings  das  Vermogen  des  Ein- 
zelnen  in  Unzulanglicbkeit  zusammen;  er  muB  sich  bescheiden.  daB  sein  Wirken 
nur  ein  Beitrag  zu  dem  Vorhandenen,  nur  eine  Vorarbeit  fiir  Nachfolger,  nimmer- 
mehr  ein  Vollendetes  darstellen  kann:  er  muB  im  Voraus  der  Genugthuung  entsagen, 
jedem  Anspruche,  alien  Momenten  des  weiten  Unternehmens  gerecht  zu  werden;  im 
Voraus  muB  er  darauf  gefaBt  sein,  einzeme  Theile  seiner  Aufgabe  seiner  besondern 
Gemutbs-  und  Geistesrichtung  fremd  zu  finden,  die  gleichwohl  nach  der  Bestimmung 
des  Ganzen  unentbehrlich  sind.  Die  Idee,  die  er  von  diesem  Ganzen  gefaBt  hat, 
die  ihm  zugewendete  Liebe  mussen  ihn  beruhigen  und  vertreten  in  alien  einzelnen 
Punkten,  wo  es  seine  Leistung  nicht  vermag.  Der  Anspruch,  daB  sein  Werk  in 
alien  Theilen  Kunstwerk  sei,  kann  er  nicht  machen  und  erfullen;  er  tritt  von  dem 
Standpunkt  des  einzelnen  Kunstlers  in  den  Dienst  der  Kirche,  in  die  Reihe  derer% 
die  von  Ihrem  Geiste  zu  Tonen  erweckt  wurden. 

♦  Die  Lieder,  die  er  bewahren,  darstellen.  in  den  Zusammenhang  des  Gottes- 
dienstes  einfiihren  soil,  sind  das  Werk  aller  Jahrhunderte  der  Kirche  und  das  Eigen- 
thum  aller  Mitglieder  der  Gemeine.  Der  Einsame  fiihlt  sich  bei  ihnen  in  Gemein- 
schaft  der  Liebe,  der  Verzagende  ermuthigt,  der  Gebeugte  und  Verzweifelnde  auf* 
gerichtet  und   erhalten;  der   Verhartete  fiihlt  sein   Herz  in  Milde  schmelzen.     Sie 

1)  Op.  102,  Nr.  2. 

2)  Bd.  1,  p.  196. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  15 

haben  die  verfolgten  ersten  Gemeinen  in  die  Zuflucht  der  Graber  begleitet  und  da 
hinab  neue  Briider  zum  wahren  Leben  gerufen;  den  Preis  der  Martyrer  haben  sie 
aos  den  Flam  men  verkiindet  und  in  der  Hochfeier  des  Gottesdienstes  das  dem  Wort 
Unerreichte  ausgesprochen.  Und  wie  sie  dort  dem  Mysterium  der  alten  Kirche  ihre 
Zunge  liehen,  so  zogen  sie  hier  der  Reformation  vorauf,  gleich  predigenden  Panieren 
geistlicher  Ritterschaft,  und  erhohten  im  Herzen  der  Volker  die  Kraft  des  Glaubens 
und  der  Liebe.  Keine  vom  Christenthum  erweckte  oder  geweihte  Empfindung,  keine 
Angelegenheit,  kein  VerhaltniB  im  christlichen  Leben,  keine  der  Kirche  wichtige 
Zeit,  die  nioht  in  den  Kirchenliedern  gereinigten  Wiederklang  gefunden  hatte.  Und 
so  besitzt  die  Kirche  noch  nach  vierzehn  Jahrhunderten  jene  Hymnen,  die  der  be- 
(Jrangten  Gemeine  des  Ambrosius  Ausdauer,  und  den  gesicherten  Nachfolgern  weihe- 
volle  Glaubigkeit  verliehen.  Neben  Psalmen  Goudimels  und  der  schmerzlich-herben 
Klage  der  bohmischen  Briider  bewahrt  Luther  selbst  uns  Hussens  Liedesandenken ; 
in  altbewahrter  Kraft  begeistern  seine  eignen  Gesange  die  evangelischen  Gemeinen 
in  den  schwersten  Prufungen  und  Kampfen;  die  mannlich-strenge  Weise,  die  ihm 
nachtonte,  ihr  gegeniiber  die  innige  Gemuthsversenkung  finden  verwandte  Herzen; 
unsre^  neu  gekraftigte  Zeit  bietet  neukraftige  Gabe. « 

Es  ist  fuglich  iiberfltissig,  diesem  wahrhaft  bedeutenden  Werke  unseres 
Komponisten  das  Wort  zu  reden.  Leider  ist  es  im  Handel  vollig  vergriffen 
und  kommt  aucb  antiqnarisch  so  selten  vor,  dafi  nur  die  Wenigsten  von  der 
Fiille  und  Gtite  des  Gebotenen  sich  werden  iiberzeugen  konnen.  Hier  ist 
ein  wtirdiges  Feld  fiir  die  Verleger  von  Kirchenmusikwerken;  ein 
Neudruck  dieser  ungemein  mannigfaltigen  235  Choralvorspiele  ware  nicht 
nur  ein  dem  grofien  Musiktheoretiker  schuldiges  Opfer  der  Pietat,  sondern 
ein  wahrer  dauernder  Gewinn  fur  die  Musik  beim  Gottesdienst.  Da  Marx, 
wie  er  selbst  des  weiteren  in  seiner  Vorrede  ausfuhrt,  wie  er  es  hundertfach 
in  Schrift  und  Tat  bewiesen  hat,  durchaus  im  Geiste  Sebastian  Bach's  zu 
schaffen  sich  miihte,  so  kann  auch  von  einer  Antiquierung  der  einzelnen  Stiicke 
nicht  im  entferntesten  die  Rede  sein.  Die  Vorspiele  selbst  sind  naturlich 
ganz  verschieden  imUmfang;  neben  dem  sanften  nur  16  Takte  umfassenden 
>Ach  bleib  bei  uns  Herr  Jesu  Christ*  stehen  lang  ausgedehnte,  unter  denen 
besonders  die  Vorspiele  zu  »Ach  was  soil  ich  Sunder  machen«,  >Gieb  dich 
zufrieden  und  sei  stille «  und  »Erhalt  uns  Herr  bei  deinem  Wort«  durch 
Gediegenheit  der  Arbeit  und  tiefe  Empfindung  hervorragen.  Ein  Schw&tzer 
rugt  in  der  »Neuen  Zeitschrift  fur  Musik*  J)  Vollgepfropftheit  mit  kontra- 
punktischen  Kiinsteleien  und  Mangel  an  »Einfalt«.  Leeres  Gewasch!  —  Als 
ob  wir  bei  Bachfs  Choralvorspielen  die  »Einfalt<  bewnnderten !  —  Voll  und 
ganz  gilt  vielmehr  das  Urteil  des  Mitarbeiters  von  Schilling's  Universal -Lexikon 
der  Tonknnst2)  noch  heute: 

♦  Das  ernste  religiose  Stadium,  welches  hier  auf  die  Herstellung  der  wahren, 
ursprunglich  bez  week  ten,  einem  tiefen  Sinn  angemessenen  Musik  gerichtet  worden, 
giebt  diesem  Werke  eine  hohe  Stellung  und  lafit  es  als  eines  der  interessantesten 
von  M.  erscheinen. « 

Auch  die  Harmonisierung  der  Chorale  stammt  naturlich  von  Marx  selbst,  und 
sie  weist  vieles  Schone  auf. 

Als  Erganzung  dieses  Werkes  erschien  dann  noch: 


1)  Bd.  14,  1841,  Nr.  15. 

2)  Stuttgart  1840.  Bd.  4,  p.  581  f. 


16  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Man. 

(Op.  3a.)  Melodienbuoh,  235  Choralmelodien  nach  dem  evangelischen 
Choral-  und  Orgelbuch  von  A.  B.  Marx,  alle  im  neuen  Berliner  Gesang- 
buch  erfoderten  Melodien  in  sich  fassend.  Zum  Gebrauche  bei  dem 
Gottesdienst  und  hauslicher  Andacht.  Berlin,  bei  G.  Reimer,  1833. 
(71  Seiten).  8°.  

Op.  4.  Zwei  Motetten  fur  sechsstimmigen  Mfinnerchor.  Partitnr. 
Pr.  1  Rthlr.  Berlin,  bei  T.  Trautwein,  breite  Str.  8.  Diese  Motetten 
sind  auch  in  ausgesetzten  Stimmen  zum  Subscriptionspreise  von  27a  Sgr. 
pro  Bogen  und  jede  Stimme  in  beliebiger  Anzahl  zu  haben.  Steindr.  v. 
Moritz  Weigel.     23  Seiten.     Qu.-Fol.    Erschienen  1834. 

Nr.  1.     Nach  einer  Weise  des  heil.  Ambrosius. 

Nachdem  der  Tondichter  im  >  Choral-  und  Orgelbuch «  den  Beweis  er- 
bracht  hatte,  dafl  er  in  alien  Satteln  des  strengen  Satzes  gerecht  sei,  bedarf 
es  weiter  keines  Hinweisea,  dafi  auch  diese  Komposition  alles  erfullt,  was 
man  nur  von  kunstvollster  thematischer  Arbeit  verlangen  kann.  Daft  die 
Ausfuhrung  eines  derartigen  A  cappella-Gesanges  zu  den  Priifsteinen  eines 
Chora  gehort,  wurde  bei  der  Aufitthrung  des  Werkes  im  Markischen  Gesang- 
verein  am  6.  Juni  1834  besonders  hervorgehoben  *J : 

>  Mehr  Schwierigkeiten  in  der  Ausfuhrung  bot  die  Motette  des  Herrn  Professor 
Dr.  Marx  dar,  welche  sechsstimmig,  ohne  Begleitung  gesetzt  war  und  in  Hinsicht 
der  Modulation  und  Verflechtung  der  Stimmen  eine  Nachbildung  der  alteren,  christ- 
lichen  Kirchengesange  zu  bezwecken  schien.  Dafi  die  Ausfuhrung  dieser  schweren 
Motette  dennoch  meist  gelang,  macht  den  Sangern  alle  Ehre.  Wir  wiirden  indefi 
eine  schwache,  unterstiitzende  Orgel-Begleitung  bey  so  kunstvollen  Gesangen  sehr 
angemessen  finden. « 

Marx  selbst  berichtet2): 

♦  Die  erste  meiner  sechsstimmigen  Motetten  war  offenbar  das  schwerste  von 
alien  gewahlten  Gesangsstiickcn.  Aber  der  eigensinnigste  Komponist  hatte  keine 
sorgfaltigere  Vorbereitung  und  fiir  seine  Direction  keine  grofiere  Achtsamkeit  und 
Bereitwilligkeit  wunschen  konnen. « 

Der  Ambrosianische  Hymnus  war  lange  Zeit  das  Lieblingsstuck  des  Ton 
Marx  begriindeten  akademischen  Chors. 


Nr.  2.     Aus  dem  6t6n  Psalm. 

Die  streng  kirchliche  Form  des  vorigen  Stiickes  ist  in  diesem  von  Marx 
in  der  deutlichen  Absicht  dramatischer  Gestaltung  verlassen  worden,  in  der 
gleichen  Weise,  wie  wir  es  spater  beim  >Mose<  und  anderen  Werken  an- 
treffen  werden.  Es  kam  ihm  eben  darauf  an,  den  ganzen  tiefen,  oft  leiden- 
schaftlichen  Inhalt  der  alten  Psalmendichtungen  musikalisch  zu  erschdpfen. 
Mit  tiefen,  leisen,  schnell  starker  werdenden  Seufzern  beginnen  die  drei  Bafi- 
und  Tenorstimmen  wechselnd: 


1)  AUgem.  Musikal.  Zeit.   1834,  Bd.  36,  p.  434. 

2)  Ebendaselbst,  p.  471. 


Leopold  Hirachberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


17 


m 


3  Tenore, 


P&f 


ptikf 


n 


Ach! 


Herr! 


Herr! 


3  Basse. 


piu  f 


piu  f 


EQC=^-—-—ttSL 


gag 


*4 


AchL 


Herr! 


* 


#-r* 


^=fft£f=*=* 


Herr! 


Nun  hebt  eine  streng  kanonische  Durchfuhrung  in  den  sechs  Stimmen  an, 
langere  Zeit  anhaltend,  am  dann  dramatischen  Ausdruck  zu  gewinnen.  "Wahrend 
namlich  die  beiden  ersten  Tenore  sowie  der  erste  und  dritte  BaB  wie  in  lauter 
Yerzweiflung  die  "Worte: 

^u/^  -  *  - 


3 


f 


3e£ 


weiierhin  klagend  zu: 


Tenor  I. 


Tenor  H 
Bafi  I. 
Bafi  HX 


I 


1= 


f**~ 


=3 


Ach   Herr!  ach    Herr! 


#*#- 


fe^ 


^fii  sn,i 


Ach  Herr! 


Ach  Herr! 


s=i 


Use 


Ach  Herr! 

-^ ? 


Ach  Herr! 

-^ . 


3E 


Ach! 


Ach! 


Ach! 


Ach! 


sich  steigernd,  ausrufen,  antworten  sich  der  dritte  Tenor  und  zweite  Bafi 
gegenseitig,  wie  die  BilBenden  im  Tempel  des  Herrn  dumpf  flusternd  sich 
an  die  Brnst  schlagend: 

Tenor  III. 

sempre  p  usw. 


3=tezfc 


SLsM.-iMb^ 


=$=£ 


SE 


£ 


Ach  strafe  mich  nicht  in  deinem  Zorn 
BaB  n. 


und  ziichti-ge  mich  nicht  in 


'Jf=F 


3^£ 


=£ 


3Z=P= 


Ach  strafe  mich  nicht  in  deinem  Zorn 

Dann  sammeln  sich  drei  Bafisolostimmen  zu  tranenvollem  Gebet,  wobei  weiter- 
hin  sehr  schon  die  tiefste  derselben  durch  den  hochsten  Tenor  ersetet  wird, 
and  der  Chor  die  Worte  der  Einzelnen  nachdriicklich  wiederholt.  Nach  aber- 
maliger  fugierter  Durchfuhrung  schliefit  das  ergreifende  Werk  mit  dem  kraftig 
gesnngenen  Choral  »Ich  dank  dir  Christ,  o  Gottessohn*. 


Op.  5.     Der  erste  Psalm  far  vierstimmigen  M&nnerohor  mit  Be- 
gleitung  des  Piano-Forte,    Bei  H.  Wagenfiihr  in  Berlin,  Charlotten-StraBe 
s.  4.  IMG.   x.  2 


18  'Leopold  Hinchbetg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

Nr.  57  u.  68.  220.  Partitur  und  Stimmen  Preis  1  Rthl.  15  Sgr.  NB. 
Jede  Stimme  einzeln  a  5  Sgr.  19  Seiten.  qu.  fol.  Erschienen  wahr- 
scheinlich  1837. 

Marx  erzahlt  in  seinen  »Erinnerungen«  *),  dafi  Robert  Schumann  seinen 
»kunstbruderlichen  Antheil«  in  der  Beurteilung  obigen  Werkes  zu  erkennen 
gegeben  habe.     Die  betreffenden  Worte  Schumanns-2)  lauten : 

>Kein  kleiner  Geist  kann  in  dem  wohnen,  der  einem  Johann  Sebastian  Bach 
nachzufiihlen   im  Stande  ist,   und  nur  dieeen  erwahlte  der  Componist  seit  langen 

Jahren    sich    zu    seinem  Vorbilde. Wer    sich    so    in  die  Schopfungen  eines 

listers  versenkt,  der  kann  nichts  Werthloses  liefern,  da  er  sich  selbst  untreu 
werden  miiOte.  Aber  wie  Bach,  zwar  von  Vielen  gekannt,  doch  von  Wenigen  nur 
Terstanden,  nicht  Allen  zu  gefaUen  vermag,  so  ist  es  auch  bei  seinem  treuen  Jiinger 
vorauszusehen,  denn  auch  das  vorliegende  Werk  des  Componisten,  gleich  denen  von 
Bach,  ist  nicht  der  selbstgefalligen  Eitelkeit  der  Sanger  gewidmet  und  bietet  keinen 
so  gem  gewiinschten  Ohrenkitzel  dar.  Dpch  wer  nicht  den  fliichtigen  Sinnenrausch 
fiir  das  Ideal  der  Kunst  halt,  sondern  ein  hoheres  wahrgenommen  hat;  wer  noch 
empfinden  kann.  was  der  Sanger  fuhlte,  als  er  sein  hohes  Lied  anstimmte,  dem 
wird  sich  ein  trefer,  reicher  Born  heiligen  Gesanges  hier  erschliefien.  Fern  sei  es 
von  uns,  auf  die  ausgezeichnete  Fuhrung  der  Stimmen  hinzuweisen,  die  sich  auf 
ihrem  kleinen  Raum,  wie  in  das  Unendliche  ausdehnen,  und  eben  so  fern,  hier 
aufzustellen,  wie  und  auf  welche  Weise  es  dem  Componisten  so  trefflich  gelungen 
sei,  den  Kuhnen,  der  wandelte  auf  nie  betretenen  Bahnen,  und  seiner  Zeit  auf  des 
Adlers  Fliigeln  vorauseilte,  zu  belauschen  und  sein  ganzes  Wesen  in  sich  aufzu- 
nehmen.  Wer  Bach  liebt,  weiB  sicher  diesen  Psalm  zu  wiirdigen,  und  nur  seine 
Verehrer  sollten  durch  diese  Zeilen  darauf  hingewiesen  werden. « 

Wir  haben  dieser  begeisterten  Kritik  des  Meisters  eigentlich  nichts  hinzu- 
zufugen.  Das  in  der  Reihe  der  Kirchenmusiken  einen  hohen  Rang  bean- 
gpruchende  Werk  zerfallt  in  mehrere  Teile.  Auf  einen  lang  ausgedehnten 
ruhigen  Chorsatz  (D-dur  4/4)  folgt  ein  starker  und  eifriger  (G-dur  4/4), 
in  dem  bereits  ein  Wechsel  von  Soli  und  Tutti  sich  zeigt.  Nach  einem 
Wechselsolorezitativ  von  Bafi  und  Tenor  tritt  ein  kurzes,  gewaltiges  Maestoso 
des  Chors  ein,  das  bald  betvegter  (D-dur  %)  wird  und  mit  einem  abermaligen 
Maestoso  zum  Schlusse  fuhrt. 


(Op.  6).  Die  Schmiede  des  Prometheus.  Opfergeeang  in  der 
Mondnaoht.  Wanderlied.  Drei  Gesange  gedichtet  von  Gk>ethe.  In 
Musik  geeetzt  fiir  vier  Mannerstimmen  mit  Begleitung  des  Pianoforte 
und  Herrn  Musikdirector  Mosevius  freundschaftlich  zugeeignet.  Nr.  2764. 
Leipzig,  im  Bureau  de  Musique  von  C.  F.  Peters.  Pr.  1  Rthlr.  12  Gh\ 
Partitur  und  Stimmen.  NB.  Die  Letzteren  sind  in  beliebiger  Anzahl 
auch  einzeln  zu  haben.     19  Seiten  fol.    Erschienen  1841 

Nr.  1.     Die  Schmiede  des  Prometheus. 

Text:  Der  groBartige  Gesang  der  Schmiede  aus  Goethe's  Festspiel  » Pan- 
dora*  (Erster  Aufeug)8]. 

1)  Bd.  2,  p.  11. 

2)  Neue  Zeitechr.  f.  Musik  1837,  Nr.  43. 

3)  Goethe's  Werke.   Ausg.  letzter  Hand.    Stuttgart  und  Tubingen  1830,  Bd.  40, 
p.  382. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


19 


»So  gewifi  ich  in  meinen  Kompositionen  Gluck  nie  nachgeahmt  habe,  so 
leuchtete  doch  sein  erhabenes  Vorbild  iiber  meiner  ganzen  kiinstlerischen 
Laufbahn*  *).  Dies  sind  Marx9  eigene  Worte;  sie  geben  uns  den  Schliissel 
zum  Yerstandnis  dieses  ersten  machtigen  Gesanges.  Nicht  Nachahmung  des 
Furienchors  im  Orpheus  ist  die  Tonfolge: 
/ 


gt 


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EE 


Ziin-det    das      Feu  -  er       an! 


Zttn  -  det    das     Feu  -  er 


an! 


§i 


-#*- 


*=S 


ztci 


-P^- 


Feu  -  er      ist      o  -  ben  -  an,  Hochstes  er     hats     ge-  tan,    der   es    ge-raubt 

wohl  aber  eine  geistige  Wiedergeburt  der  seelisch  aufgenommenen  unsterb- 
lichen  Klange.  Das  Charakteristikum  des  ganzen  Stiickes  ist  eine  herbe, 
energische  Kraft,  die  sich  heftig  akzentuiert  in  fast  jedem  Takte  aufiert, 
gleichsam  ihr  Leben  aus  dem  Erklungenen  immer  neu  gewinnt  und  vor  der 
groUten  Starke  nicht  zuruckschreckt.  Selbst  die  —  nur  einen  kleinen  Raum 
einnehmenden  —  Sologesange  entbehren  dieser  Straffheit  des  Ausdrucks 
nicht.  Und  so  mogen  sich  tuchtige  Mannergesangvereine  die  beim  Verleger 
noch  erhaltliche  Komposition  nicht  entgehen  lassen  und  namentlich  den  pr&ch- 
tigen  SchluB: 


i 


&E£ 


!?=*-— 4  R— «- 


-?=& 


3- 


* 


-?—•/- 


Der  es    ent-ziin-de- te,schmiedete,  riin-de-te      Kro  -  nen,  Kronen  dem Haupt. 
mit  Kraft  und  Begeisterung  herausschmettern ! 


Nr.  2.     Opfergesang  in  der  Mondnacht. 

Die  "Worte  dieses  von  Marx  eigenmachtig  —  iiber  die  Berechtigung  dazu 
liefie  sich  streiten  —  mit  neuer  Uberschrift  versehenen  Gesanges  sind  die 
ersten  vier  Zeilen  der  herrlichen  Goethe'schen  Elegie  »Einsamkeit«,  die  sich 
als  siebentes  der  Gruppe  >Antiker  Form  sich  n&hernd«J)  in  seinen  Gedichten 
findet.  Im  Gegensatz  zu  dem  ersten  atmet  dieser  zweite  Gesang  eine  klassisch 
zu  nennende  Ruhe  und  Still e  und  bewegt  sich  fast  durchweg  im  grdflten 
Pianissimo;  darauf  deutet  schon  die  Uberschrift  » Andante  religioso*.  In  der 
Tat  lagert  etwas  wie  Bocklin'sche  »Heiliger  Hain« -Stimmung  iiber  dem 
Ganzen.  Wie  schon  ist  die  Stimme  des  hohen  Tenors  iiber  den  iibrigen 
gefuhrt: 

pianissimo 


air1 


jr 


=?=*= 


=!st 


*=t 


Die      ihr    Fel  -  sen    und       B'au 


m 


me     be    -    wohnt, o 


3^SS 


iM^zr 


heil 


=£: 


-ET 


sa  -  me      Nymphen,  heil  -  sa  -  me      Nym-phen! 


1)  Erinnerungen,  Bd.  1,  p.  135. 

2)  Goethe's  Werke.     Ausg.  letzter  Hand.     1827,  Bd.  2,  p.  130. 


2* 


20 


Leopold  Hirachberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


Nur  bei  des  Dichters  Worten: 

>Und  dem  Liebenden  gonnt,  daB  ihm  begegne  sein  Gluck« 

eteigert  sich  der  Gesang  fur  einige  Takte,  ohne  jedoch  das  Forte  zu  erreichen 
und  urn  bald  im  Fllisterbauch  zu  ersterben. 


Nr.  3.     Wanderlied. 

Das  letzte  der  unter  der  Aufschrift  >Lyrisches«  *)  von  Goethe  gesammelten 
Gedicbte. 

Seines  durchaus  personlichen  Inhaltes  wegen  scheint  mir  gerade  dieses 
zur  Bebandlung  als  Ghorgesang  ungeeignet;  und  iiber  diese  Schwierigkeit  ist 
der  Tondichter  nicht  hinweggekommen.  Denn  was  hilft  es,  nach  der  ersten, 
vom  Chor  gesungenen  Strophe  allgemeinen  Inhalts  nun  bei  der  zweiten  ein 
Solo  eintreten  zu  lassen,  das  dann  der  Chor  aufnimmt?  Da  hilft  selbst  die 
treffliche  Deklamation  der  schmerzzerrissenen  Worte: 


i 


Tenor  I  Solo, 


m 


es 


te 


t*=* 


&- — #- 


3es 


Denn  die    Ban  -  de    sind  zer-ris  -  sen,     das  Ver-trau  -  en     ist  ver-letzt! 

nichts;  da  hilft  ebenso  wenig  eine  wenn  auch  noch  so  charakteristisch  aus- 
gestaltete  Begleitung.  In  der  letzten  Strophe  dagegen  —  einem  der  beriihm- 
testen  Sinnspriiche  Goethe's  —  erscheint  die  Anordnung  des.  Komponisten, 
dieselbe  erst  ganz  von  einem  Solo: 


Maestoso. 
BaC  I  Solo. 
/ 


a5as=tf=t 


T    f 


*r 


£ 


t- 


m 


^+- 


Blei-be  nicht  am  Bo-den  hef-ten,    frisch  ge-wagtundfrischhin-aus! 

singen  und  dann  vom  Chor  wiederholen  zu  lassen,   recht  gliicklich   ersonnen 
und  ausgefuhrt. 

Wenn  ich  nun  noch  ein  zeitgenossisches  Urteil  aus  Schumann's  Zeitschrift 
fiber  diese  Gesange  im  Auszuge  folgen  lasse  2),  so  geschieht  dies  in  der  schwachen 
Hoffnung,  meiner  Empfehlung  dieses  "Werkes  an  die  Gesangvereine  einen 
groBeren  Nachdruck  zu  geben: 

♦  Ein  besonderes  Interesse  knupft  sich  an  die  Gesange  dadurch,*dafl  ihr  Ver- 
fasser,  als  Schriftsteller  und  Theoretiker  langst  bekannt,  in  der  Musikliteratur  in 
den  ersten  Reihen  steht,  von  seiner  Composition  aber  noch  kaum  etwas,  seinen 
nachsten  Wirkungskreis  vielleicht  ausgenommen,  bekannt  wurde.  Von  Manner  - 
quartett-  und  Liedertafelgesangen  der  gewohnlichen  Gattung  unterscheidet  diese 
Gesange  schon  die  Beschaffenheit  der  Texte,  deren  vorherrschender  reflectirender 
Ernst  auch  in  der  Musik  ein  Unterordnen  der  sinnlichen  Wirkung  unter  die  Auf- 
fassung  und  sich  selbst  getreue  Verfolgung  verlangt.  Mit  dieser  folgerichtigen  Aus- 
fiihrung  ist  keineswegs  eine  kunstreich  contrapunctische  gemeint,  die  immer  auch 
nur  ein  Formelles,  somit  nicht  minder  Aufierliches,  als  rein  sinnliche  Klangeffeote, 
melodischer  oder  harmonischer  Natur,  sein  wurde.     An  der  erstern  strengern  Styl- 


p.  65. 


1)  Goethe's  Werke.    Ausg.  letzt.  Hand.    Stuttgart  und  Tubingen  1827,  Bd.  3, 


2)  Neue  Zeitschrift  fur  Musik,  1841,  Bd.  15,  Nr.  2. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  21 

gattung  fehlt  es  in  alien  drei  Geeangen  allerdings  bo  wenig,  als  an  der  letztern; 
sie  sind  aber  nicht  Selbstzweck,  sondern  eben  nur  dienstbar  der  Aussprache  und 
Gestaltung  der  Idee.  Dafi  ubrigens  die  Fuhrung  der  Stimmen  nicht  iiberall  kunst- 
reich  verflochten,  aber  stets  selbststandig  und  folgericbtig  gehalten,  dafi  iiberhaupt 
die  Ausfuhrung  des  Technischen  correct  und  solid  sei,  wiirde  uberflussig  sein  im 
Einzelnen  dem  Verfaaser  der  Tonsatzlehre  nachzuweisen.  —  Wir  empfehlen  die  Ge- 
sange  alien  Mannergesangvereinen. « 

Yon  Mosevius,  dem  dieses  Opus  gewidmet  ist,  werden  wir  spater  noch 
ein  Mebreres  boren. 

(Op.  7).  Gebet  fur  die  Verstorbenen  fur  Chor-  und  Solostimmen. 
Nr.  6470.  Leipzig,  bei  Breitkopf  &  Hartel.  Pr.  12*/,  Ngr.  (10  gGr.). 
9  Seiten.  gr.  8°.    Erschienen  1841. 

.  Der  Text  ist  die  deutscbe  tlbersetzung  der  bekannten  Requiem- Worte : 
*  Requiem  aeternam  dona  eis,  Domine,  et  lux  perpetua  luceat  eis*.  *Ein  ein- 
facbes  Andante  4/i  Asdur,  in  leicht  imitatoriscber  Haltung,  wie  sie  dem 
Kircbengesang  eigen  ist,  bildet  das  Ganze,  dessen  Cborgesang  nur  zweimal 
von  einem  kurzen  Sologesang  der  vier  Stimmen,  nicht  von  der  ergriffenen 
Stimmenverbindung  abweichend,  unterbrochen  wird.  Das  imitatorische  Gewebe 
ist  nirgends  verwickelt,  woraus  sich  unter  anderem  ergiebt,  dafi  die  AusfUbrung 
keiner  Schwierigkeit  unterworfen  ist.*1). 


(Op.  8}.     VacaU 


Op.  (9).  Nahid  und  Omar  eine  Novelle  aus  den  Bildern  dea 
Orients  erleeen,  fur  Geeang  und  Pianoforte.  Laden-Pr.  2  Tblr.  Berlin 
bei  C.  A.  Challier  &  Co.  qu.  fol.    41  Seiten.     Erschienen  1844. 

Ledebur  (a.  a.  0.)  verzeichnet  als  Erscheinungsjahr  irrtiimlich  1843.  Durch 
die  Freundlichkeit  des  Herrn  Yerlegers  Challier  in  Berlin  war  mir  die  Einsicht 
in  vier  Originalbriefe  von  Marx3),  die  von  dieser  Angelegenheit  handeln, 
vergonnt;  aus  ihnen  geht  hervor,  dafi  das  besonders  schon  ausgestattete  Werk 
in  der  ersten  oder  zweiten  Marzwoche  1844  erschien  (noch  vor  dem  »Mose«1 
wie  ebenfalls  zu  ersehen  ist).  Auch  dem  ganz  ausdriicklichen  Wunsch  des 
Komponisten,  »ja  nicht  einen  seiner  Titel,  auch  nicht  Dr.  auf  dag 
Titelblatt  setzen  zu  lassen«,  ist  willfahrt  worden.  Die  Bezeicbnung 
»0p.«  ist  vorgedruckt,  die  Zahl  aber  nicht  hinzugesetzt  worden. 

Die  Komposition  selbst  ist  schon  Anfang  der  dreifiiger  Jahre,  sicherlich 
vor  1834,  wo  Charlotte  Stieglitz  sich  den  Tod  gab,  en  ts  tan  den.  Denn  der 
Tondichter  hat  sein  Werk  recht  eigentlich  fur  diese  edle  und  ungliickliche 
Frau  geschrieben.     In  den   >Erinnerungen«  3)  heifit  es: 

>Meine  ,Nahid  und  Omar*  habe  ich  fiir  ihre  holdselige  Stimme,  fur  ihre, 
edelsten  Gesanges  voile  Seele  geschrieben.  Sie  war  fiir  Nahid  die  erste  und 
eigenste  Sangerin,  so  schon  ich  es  auch  spater  von  beriihmtern  Sangerinnen  gehort  « 


1)  Allgem.  Musikal.  Zeitung  1841,  Bd.  43,  p.  312. 

2)  Vom  12.,  14.,  21.  Februar  und  13.  Marz  1844. 

3)  Band  I,  p.  198. 


22  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

Bereits  am  8.  September  1826   schreibt  Stieglitz1)   iiber   die  ersten  Anfange 
des  Werkes  an  seine  Brant: 

♦  Marx  hat  das  Gedicht  ,Nahid'  auf  sehr  bedeutende  Weise  in  Tone  gefaOt 
mit  voller  Orchesterbegleitung*),  eine  herrliche  Nachtphantasie ;  doch  will  er  fur 
mein  Lottchen  auch  einen  Klavierauszug  machen;  gern  indent'  ich  Dich  es  singen 
horen.     Also  bald  singen  wir  zusammen?* 

Es  dtirfte  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafl  fur  die  endgiiltige  Gestaltung  der 
>Novelle  in  Liedern*  dem  Tondichter  Franz  Schubert's  unsterbliches  "Werk 
>Die  schone  Mullerin*  vorgeschwebt  hat.  Ein  ihm  zusagendes  Gedicht  in 
der  Art  des  beruhmten  Zyklus  von  Wilhelm  Muller3)  hat  Marx  offenbar  nicht 
gefunden,  und  so  entechloii  er  sich  —  auf  sein  feinsinniges  Geschick  konnte 
er  sich  dabei  verlassen  —  selbst  aus  den  >Bildern  des  Orients «  seines 
Freundes  Stieglitz  sich  eine  solche  Novelle  zu  »erlesen.«  Wie  er  schreibt4), 
bildete  er  eine  musikalische  Novelle,  einen  dramatischen  Vorgang,  nicht  zu 
buhnenhafter  Darstellung  bestimmt,  sondern  nur  in  den  lyrischen  Haupt- 
momenten  erfaBt,  die  zu  einander  in  innere  Beziehungen  treten  und  so  ein 
zusammenhangendes  Ganzes  bilden.  —  Wir  werden  bei  den  einzelnen  Nummern 
den  Standort,  den  eine  jede  in  dem  Dichtangswerke  hat,  genau  verzeichnen. 
Das  zweite  Titelblatt  des  Druckes  gibt  den  Inhalt  an:  eine  Einleitung 
(Ouvertiire)  und  neun  einzelne  Nummern,  die  samtlich  auch  einzeln  gedruckt 
wurden  oder  werden  sollten5).  Die  Fabel  selbst  ist  eine  durchaus  einfach- 
ruhrende:  Omar  und  Nahid  lieben  sich;  vom  Yater  Nahids  gedungene  Morder 
lauern  dem  Jungling,  als  er  nachts  von  der  Geliebten  scheidet,  auf  und  er- 
schlagen  ihn;  von  Peris  wird  die  Seele  Omars  in  die  Gefilde  des  Paradieses 
getragen. 

Einleitung.  (Ouvertiire.)  Sie  ist  ein  Lied  ohne  Worte  und  soil  den 
Horer  in  den  duftereichen,  farbengliihenden  Orient  einfuhren.  Melodie  und 
Tonart  sind  gliicklich  gewahlt:  nach  einem  kurzen  Larglietto  (Bdur,  3/4),  das 
nach  sechs  kraftigen,  wie  Trompetenton  erklingenden  Akkorden  in  leisere 
Floten-  und  Oboenklange  iibergeht,  tritt  alsbald  ein  Phi  moto  in  Fis  dur  ein. 
in  welchem  sich  auf  weitgegriffenen  Harpeggiando-Figuren  des  Basses  eine 
edel  geschwungene  Kantilene  erhebt.  Sie  steigert  sich  zu  grolierer  Lebhaftig- 
keit  und  macht  herberen  Akzenten  des  Diskants  Platz,  um  nach  mehreren 
Fortissimo-Harpeggien  in  ein  leises  Fliistern  ilberzufuhren  (die  Anfangstonart 
ist  inzwischen  wieder  eingetreten),  das  im  Pianissimo  erstirbt.  Trotz  einzelner 
Schonheiten  zeigt  sich  doch  ein  gewisser  Formenmangel ;  die  vielen  Gedanken 
■cheinen  sich  nicht  vollig  in  abgeschlossenem  Satze  zu  ordnen,  so  dafi  ein 
durchweg  klarer  Eindruck  nicht  entsteht.  Die  Ausfuhrung  des  Stiickes  selbst 
erfordert  ubrigens  einen  technisch  durchaus  firmen  Spieler. 

Nr.  1.  Omar.  Text  mit  der  Uberschrift  » Omar's  Nachtlied«  in  den  »Bil- 
dern  des  Orients*  (Leipzig  1831),  Bd.  2,  p.  100. 

Ein  schones,  nur  zu  lang  ausgedehntes  und  durch  einige  Striche  sehr 
gewinnendes  Lied,  in  welchem  Omar  (Tenor)  den  Sternen  der  Nacht  und  den 

1)  Brief e  an  seine  Braut  Charlotte.     Leipzig  1859.  Bd.  2,  p.  60. 

2)  Scheint  verloren  gegangen  zu  sein. 

3)  Erschien  zuerst  in  »  Siebemindsiebzig  Gedichte  aus  den  hinterlassenen  Papieren 
eines  reisenden  Waldhornisten.«     Dessau  1821,  p.  3 — 50. 

4)  Erinnerungen,  Bd.  1,  p.  189. 

5)  Mir  sind  Einzeldrucke  nirgends  zu  Gesicht  gekommen. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  23 

Blumen  des  Gartens  seine  Liebe  zu  der  holden  Nahid  kiindet.    Voll  sUdlicher 
Schwarmerei  und  heLBer  Sinnenglut  ist  die  Melodie  durchhaucht: 


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:*=*: 


3^=*EEfctE£Efe 


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It 


Hell      glii  -  hen   die      Ster  -  ne      im      dunk-len      Blau 

in  der  Begleitung,  wie  der  bekannte  Kritiker  Keferstein  sich  ausdrftckt1), 
tritt  deutlich  >Violoncellogesang  und  Flotenzauber«  bervor.  Trotz  aller  Weich- 
heit  and  Lieblicbkeit  wird  der  Gesang  docb  niemals  schwachlich-sentimental, 
sondern  weist  durchweg  eine  edle,  kraftvolle  Mannlichkeit  auf. 

Nr.  2.    Nahid.     Text  ebendaselbst,  p.  97. 

Die  ubermafiige  Lange  des  Gedichts  und  der  vielfache  Wechsel  des  Vers* 
mafies  haben  den  Tondichter  dazu  gezwungen,  die  Form  des  Liedes  zu  ver- 
lassen  und  eine  vollstandige  Arie  zu  bilden.  In  einzelnen  Momenten  sehr 
lohnend  und  an  die  Sangerin  (Sopran)  recht  erhebliche  Anforderungen 
stellend,  entbehrt  dieser  Gesang  doch  der  Einheitlichkeit.  Ungemein  schttn 
aber  wirkt  hier  wieder  die  Tonart  (Emoll)  durch  ihre  eigentiimliche  Klang- 
farbe : 


&*-F$^r?^E^-^^mm£ 


Hau-chest     80      su  -  Ben  Duft,  sau  -  seln  -  der     A  -  bend  -  wind 

Dabei  malt  die  Begleitung  sehr  treffend  die  Geheimnisse  der  orientalischen 
Sommernacht.  Nach  mehreren,  teilweise  leidenschaftlich  bewegten  Satzen  bringt 
der  SchluB  wieder  das  Thema  des  Anfangs. 

Nach  diesen  beiden  einleitenden  Solo-Gesangstiicken,  welche  uns  die  beiden 
Hauptpersonen  in  ihren  Empfindungen  durchaus  plastisch  vorftihren,  treten 
wir  nunmehr  in  die  eigentliche  Handlung  ein. 

Nr.  3.  Unterm  Fenster.  (Omar  mit  Begleitern.)  Text  ebendaselbst, 
p.  140,  »Standchen«  uberschrieben ;  der  dort  vorkommende  Eigenname  »Ali« 
in   »Omar«   verandert. 

Ein  kurzea,  sehr  ansprechendes  Musikstiickchen  fur  Tenorsolo  und  vier- 
8timmigen  Mannerchor,  welcher  aber  nur  als  Begleitung  der  Solostimme  in 
der  letzten  Strophe  leise  einsetzt  und,  bevor  diese  geendigt,  verhallt.  In  ihrer 
Faktur  und  dem  Alia  Polacca-Tempo  erinnert  es  an  zahlreiche  ahnliche  Kom- 
positionen  "Weber's  und  Spohr's. 

Nr.  4.  Mit  Omars  Selam.  (Nahid  liest.)  Text  ebendaselbst,  p.  154 
mit  der  IJberschrift  »Blumengrufi«. 

Eine  kleine  Perle  lyrischer  Zartheit,  ganz  kurz  und  dadurch  doppelt  wirk- 
sam.  In  dem  Selam  (Blumenstraufi)  hat  Nahid  ein  Briefchen  des  Geliebten 
gefunden  und  selig-flusternd  liest  sie  die  sehnsiichtigen  Worte.  Beizend  ist 
namentlich  die  stockende,  beklommene  Madchenhaftigkeit  Nahids  wieder- 
gegeben,  indem  zwischen  den  Gesangslauten  ein  leises  Staccato-Legato  der 
Begleitung  ertont;  ist  es  doch,  als  wenn  die  Holde  da  immer  den  Blick  seelen- 
voll  nach  oben  wendet: 


1)  Allgem.  Musikal.  Zeit.  1844,  Bd.  46,  Nr.  20,  p.  329. 


24 


Leopold  Hirechberg,  Ber  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


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Der  war  -  me    KuB 


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3: 


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*     *     * 

Das  Ganze  erinnert  lebhaft  an  die  schone  Liebesszene  (Margiana  and  Nureddin) 
in  Peter  Cornelius'   »Barbier  von  Bagdad*. 

Nr.  5.  Im  Garten.  (Omar.)  Text  ebendaselbst,  p.  143.  (Nr.  5  des 
Zyklus   >Ali  und  Fatme«  mit  der  TJberschrift  >Er.    [Im  Garten.] «) 

Feurig  belebt  ertont  dieser  Liebesruf  durch  die  Nacht;  nur  drei  knrze 
Strophen  in  Ddur  (3/4).  Ein  Vergleich  dieser  Komposition  mit  der  gleichen 
Carl  Loewe's *)  ist  auBerst  interessant  und  lafit  vieles  Gleichempfundene  zutage 
treten. 

Nr.  6.  LauschendeFeen.  Text  ebendaselbst,  p.  142  (Nr.  4  des  Zyklus 
»Ali  und  Fatme«  ohne  Uberschrift). 

Lustig  und  elfenhaft,  genau  wie  Franz  Schubert's  unvergleichliches  » Stand- 
chen«  2),  schwebt  dieser  dreistimmige  Frauenchor  voriiber.  Wie  rosiges  Dam- 
merlicht  scheint  es  sich  um  die  beiden  Liebenden  zu  breiten;  pbantastiscbe 
Wesen  der  Marchenwelt  nahen  sich  leisen  Trittes,  lauschen  neugierig  und  den 
Liebesbund  segnend.     Die  Klavierbegleitung  sowohl: 


Tli1!  VH 


Sempre  pp  una  corda. 


wie  der  Chor  erfordern  grofite  Prazision  in  der  AusfUhrung. 

Nr.  7.    Getauschtes  Erwachen.    (Omar.)     Text  ebendaselbst,  p.  150. 

Melodiose  Abrundung  und  angenehme  Gefalligkeit  bilden  das  Charak- 
teristikum  des  kurzen  Stiickes.  Hier  schlieBt,  wie  ein  Beferent  richtig  be- 
tont3),  das  Interesse  ab,  welches  das  Treiben  zweier  Liebenden  dem  fremden 
Auge  gewahrt.     Die  folgende 


1)  Gesamtausgabe,  Bd.  6,  p.  120. 

2)  Op.  135. 

3)  »Der  Freihafen*,  1844,  Bd.  1,  p.  293. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


25 


Nr.  8.  Nachts.  (Vor  der  Gartenmauer)  bringt  die  Katastrophe.  Der 
Text  ist  der  dramatischen  Szene  »Ein  Tag  in  Ispahan «  entnommen,  welche 
den  Schlufl  des  zweiten  Bandes  der  Orientbilder  (p.  155 — 246)  bildet;  und 
zwar  hat  Marx  die  Szene  (p.  163 — 165)  gewahlt,  welche  der  Dichter  iiber- 
schrieben  hat:  »Yorstadt  Julfa.  Kahle  Gartenmauer,  dem  Kloster  der  Armenier 
gegeniiber.  Drei  Banditen  begegnen  einander.«  Die  Namen  der  letzteren 
(Kerim,  Babu,  Scherr)  hat  Marx  beibehalten,  aus  der  »Stimme  aus  dem  Garten* 
>Nahid«,  aus  der  »andren  Stimme*  >Omar«  nnd  aus  »0  Sulamith*  »Gelieb- 
teste*  gemacht.  Die  lange,  9  Druckseiten  umfassende  Szene  beginnt  mit 
einem  charakteristischen  Allegro  agitato: 


fcfr-r 

.    ,?2  ■ 

=£=F 

3 — |- 

1            1           |    ^                      "" 

V 

-*-: r» 

r-4=f 
— i-t — 

0 

-- — t 

^F 

^^XZD 

Ifl— 5ar-j 


^^^^s^TirgrTtf^M 


s 


C£ 


r~- 

im  ganzen  leise  daherrollend  und  nur  vereinzelte  Akzente  aufweisend.  "Wie 
die  Lumpen  sich  alsbald  gegenseitig  Yorwurfe  iiber  ihre  Feigheit  zu  machen 
beginnen,  z.  B.: 

Kerim.    (BaC).  .-. 


9^- 


m 


+—p± 


1 


■$=$-- 


V=f- 


5=p= 


Dahabtihr  nun  die  ganze  Nacht  gepaGt,    dahabtihr  nun  die  ganze  Nachtge- 
♦  a  *  *  A  -ih 


»ijH=£tefcJ=PfF=F=S=S 


£f£ 


m 


=&- 


paCt, 


da  habt  ihr  nun  die   gan-ze  Nacht  ge-paGt  und  ihn  doch  nicht  gefaCt. 


das  ist  kostlich  und  dabei  grimmigen  Ernstes  nicht  ermangelnd.  Im  Gegen- 
satz  dazu  die  heimliche,  angstvoll  flehende  Stimme  Nahids,  die  des  Vaters 
Zorn  fiirchtet;  das  durchgehende  Vorherrschen  der  Molltonart  in  dem  Satze 
wirft  tiefe  Schatten  iiber  die  bald  so  jah  endende  Liebesszene.  Nur  bei  den 
Worten  des  arglosen  Omar,  der  nicht  aufhort,  die  Geliebte  mit  holder  Rede 
zu  uraschmeicheln,  tritt  die  Durtonart  vorubergehend  hervor.  Endlich  scheidet 
er  —  beider  Stimmen  verhallen  im  sehnsttchtigen  Abschiedsgesang  —  da  ein 
plotzliches  dreimaliges  FFF  in  wilden  Oktavengangen  —  unter  den  Dolchen 
der  feigen  Meuchelmorder  haucht  Omar  seine  Seele  aus. 

Nr.  9.    Heimwarts.     (Gesang    der   Peri's).     Text  mit  letzterer  TJber- 
schrift  ebendaselbst,  p.  49  (aus  dem  Zyklus   »Schah  und  Schenke«). 


26 


Leopold  Hirechberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


Wie  Schubert  dem  unseligen  Knaben,  der  sein  Leid  in  den  Flu  ten  be- 
grabt,  vom  Bacbe  das  bolde  Wiegenlied  singen  laBt,  so  ertont  nun  bier  zum 
SchluB  wieder  ein  entziickend  dreistimmiger  Frauenchor.  Wie  bingehaucht 
sind  diese  Klange: 


Wiegt  ihn  hin-ii 


0    * 
ber,    wiegt  ihn  hin-U    -  ber 


lie  -  bend  undlind! 


Harfenklang  begleitet  die  wie  in  blauen  Atherwellen  verschwimmenden  Tone 
der  Singenden. 

Die  Originalitat  des  Werkes,  die  eigentiimliche  Gestaltung  des  Stoffes  und 
dessen  kiinstlerische  Darstellung  sind  ohne  Zweifel  bedeutend,  und  ich  wiifite 
in  der  Tat  kein  einziges  Werk  dieser  Art  aus  der  klassischen  und  roman- 
tischen  Zeit  anzugeben.  Wie  Keferstein  richtig  hervorbebt,  gehort  die 
Tondichtung  weder  in  das  Gebiet  der  Oper,  noch  in  das  des  Oratoriums  oder 
der  Kantate,  sondern  bildet  vielmehr  ein  besonderes  Genre,  das  eine  Art 
Vorlaufer  in  den  alteren  sogen.  Liederromanen  hat.  Uber  letztere  geht  diese 
Lieder-Novelle  aber  insofern  hinaus,  als  das  Lied  zur  Arie  ausgebaut  und 
der  Chor  herangezogen  wird. 

Im  Buchhandel  ist  das  Work  vollig  verschwunden ;  ein  Neudruck  des- 
selben,  mit  Hinweglassung  verscbiedener  Langen,  aber  wttrde  sicherlich  eine 
erfreuliche  Gabe  fur  diejenigen  sein,  denen  die  AusfUhrung  gediegener  Haus- 
musik  am  Herzen  liegt. 

(Op.  10).  Mose.  Oratorium  aus  der  heiligen  Schxift.  Partitur. 
fol.  324  Seiten.  BQavierauszug  vom  Komponisten.  fol.  174  Seiten.  Leip- 
zig, bei  Breitkopf  &  Hartel.     7014.     Erschienen  1844. 

Dieses  Werk  bedeutet  nicht  nur  den  Kulminationspunkt  von  Marx'  kunst- 
lerischem  Schaffen,  sondern  auch  einen  Wendepunkt  in  der  Geschichte  des 
Oratoriums,  ja  der  neueren  Musik  ilberhaupt.  Wir  werden  noch  spater  zu 
erlautern  haben,  inwiefern  der  >Mose«  als  eins  der  ersten  Musikdramen  im 
"Wagner'schen  Sinne  zu  gelten  hat.  DaB  es  heute  fast  ebenso  vergessen  ist 
wie  Ludwig  Spohr's  »Kreuzfahrer«  *),  die  allgemein  als  das  erste  wirklicbe 
Musikdrama  gelten,  diirfte  verschiedene  Grtinde  haben.  Der  wichtigste  ist, 
daB  Marx  nicht  die  impulsive  Energie  und  unermudliche  Hartnackigkeit 
B-ichard  Wagner's  besaB,  um  sein  Werk,  das  seine  Widersacher  als  eine  Zer- 
triimmerung  der  alten  Formen  betrachteten,  gegen  diese  zu  verteidigen;  ein 
weiterer,  daB  es  nicht  in  alien  Teilen  den  Fortschritt  aufweist,  den  man 
von  einem  weltbewegenden,  bahnbrechenden  Werke  verlangt. 

Zunachst  eine  kurze  Untersuchung,  ob  die  Gestalt  eines  der  groBten 
Menschen  der  Weltgeschichte,  Mose,  tiberhaupt  dramatisch  verkorpert  werden 
kann.  An  dem  klaglichen  Macbwerk  Rossini's2)  sieht  man,  was  unter  Um- 
standen  daraus  werden  kann.  Andererseits  sind  die  asthetisierenden  Betrach- 
tungen   Chrysander's3),    der   eine    Verkorperung    von   ttbermenschen    vom 

1)  OroBe  Oper  in  3  Akten  (1845). 

2)  Ernstes  Drama  in  3  Aufzugen  (1818). 

3)  F.  Chrysander,  Handel's  biblische  Oratorien,  Hamburg  1897. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  27 

Schlage  des  Moses  und  Elias  in  dramatischer  Form  verwirft  und  nur  in 
epischer  zulaBt,  auf  den  ersten  Blick  zwar  recht  bestechend,  jedoch  etwas 
einseitig.  Ob  Moses  Finsternis  und  Heuschreckenplage  tiber  Agypten  herein- 
brechen  laBt,  ob  er  den  Strom  in  Blut  verwandelt,  ob  Elias  Regen  vom 
Himmel  zaubert,  tote  Kinder  erweckt  und  lebendigen  Leibes  gen  Himmel 
fahrt  —  oder  ob  Josua  die  Sonne  stillstehen  laBt1),  ob  Samson  mit  seiner 
Leibeskraft  den  Philisterpalast  zusammenstiirzen  laBt2),  ob  Daniel  die  schrei- 
bende  Flammenhand  Belsazars  deutet3),  ob  die  Hexe  von  Endor  den  Geist 
Samuels  heraufbeschwort4)  —  das  ist  einerlei.  Handel  hat  die  beiden  ersten 
Wunder  episch  bzw.  gar  nicht5),  die  vier  anderen  dramatisch  behandelt.  Auch 
Bach,  der  Jesus  redend  einfuhrt,  wtirde  nach  Chrysander's  Theorie  schlecht 
fortkommen.  Somit  meinen  wir,  dafl  die  Losung  dieser  Frage  nur  darin  zu 
suchen  ist,  dafi  ein  Tondichter  (vom  Dichter  ware  abzusehen)  berechtigt  ist, 
derartiges  dramatisch  darzustellen,  wenn  er  sich  streng  der  Bibelworte 
bedient.  Das  hat  Bach  getan,  das  wollte  Richard  Wagner  in  seinem  » Jesus 
von  Nazareth*  6j,  das  hat  Marx  im  »Mose<  voll  und  ganz  durchgefUhrt. 

Er  hat  sich,  was  Wort  und  Ausdruck  betrifft,  streng  an  die  Bibel  ge- 
halten,  nicht  sowohl  an  die  funf  ;Biicher  Mosis  allein,  sondern  er  hat  den 
ganzen  Reichtum  des  a  1  ten  Testaments  fur  sich  in  Anspruch  genommen 
und  davon  benutzt,  was  er  gebrauchen  konnte 7).  Er  trug  das  Werk  in  seinem 
Geiste  von  fruhester  Jugend  an.     Lassen  wir  ihn  selbst  erzahlen8): 

» Schon  in  Halle,  in  meinem  funfzehnten  bis  achtzehnten  Jahre,  richtete  sich 
vor  meiner  Phantasie  die  hohe  Gestalt  des  Mose  empor  und  wollte  nicht  von  mir 
lassen,  bis  ich  ihr,  nach  meiner  Kraft  und  Richtung,  genug  zu  thun  versucht  hatte. 
Damals  stellte  sich  mir  der  Stoff  in  rein  dramatischer  Form,  und  zwar  als  Dilogie 
in  zwei  zusammengehorigen  Opera*)  vor.  Ich  erinnere  mich  nur  der  ersten  Scene, 
die  ich  bei  hochst  unzulanglicher  Lokalanschauung  in  den  Vorhof  eines  agyptischen 
Tempels  verlegt  hatte.  Ich  stellte  ihn  mir  mit  Obelisken,  Sphinxen,  Gotterbildern 
besetzt  vor.  Nach  kurzer  Einleitung  des  Orchesters  trat  paarweise  der  Zug  der 
Priester  ein  und  wand  sich  in  feierlichem  Umgange  um  die  heiligen  Bilder,  bis  er 

im  Tempel  verschwand. Hinter  dem  letzten  Paare  schloB  sich  der  Jungling 

Mose,  der  Zogling  der  Priester,  dem  Umgang  an,  blieb  aber  an  der  Pforte  des 
Tempels  zurtick  und  sprach  in  zorniger  Ungeduld  die  Unertraglichkeit  des  Tempel- 
dienstes  fur  seine  freie,  thatendurstige  Seele  aus.  Nur  dicse  Scene  hatte  ich  kom- 
ponirt;  zu  welchen  Worten  weifi  ich  nicht  mehr.  Ich  hatte  ohne  Plan  fiir  das 
Ganze  begonnen  und  mufite  auf  das  Weitere  verzichten,  wahrscheinlich,  weil  mir 
die  Unvertraglichkeit  des  Stoffes  mit  der  erwahlten  Form  fiihlbar  wurde.  Kein  Ton 
des  ersten  Versuchs  ist  mir  geblieben;  nur  der  Stoff  hatte  seine  Macht  uber  mich 
behauptet  und  bewahrt. « 


1)  Handel's  Oratorium   »Josua«. 

2)  Handel's  Oratorium    »Samson«. 

3)  Handel  s  Oratorium  »Belsazar«. 

4)  Handel's  Oratorium  »Saul«. 

5)  Handel's  Oratorien   »Israel  in  Agypten*   und   »Athalia«. 

6)  Leipzig  1887. 

7)  G.  v.  Alvensleben.  Uber  die  Idee  dramatischen  Fortgangs  im  Oratorium. 
Bei  Gelegenheit  der  Auffuhrung  des  » Moses «  von  A.  B.  Marx.  Neue  Zeitschr.  f. 
Musik  1842,  Bd.  16,  Nr.  17—22. 

8)  Erinnerungen  I,  p.  59. 

9)  Wagner!! 


28  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

Lange  nicht  —  seine  auf  Broterwerb  angewiesene  Armut  hinderte  — 
konnte  Marx  an  die  weitere  Gestaltung  dessen,  was  seinen  Geist  so  unablassig 
beschaftigte,  denken.  Dieser  Geist  war  nicht  gering;  schreibt  doch  Heinrich 
Stieglitz  bewundernd  an  seine  Braut1): 

»Diesem  Marx  ist  der  Geist  doch  tausendmal  naher  als  all  den  Mattherzigen, 
Halben.  « 

Durch  unsaglichen  FleiB  errang  er  sich  die  Mitt  el,  den  Lieblingsplan  der 
Jugend  aufzunehmen3).  »DaB  er  keine  Doppeloper  werden  konne,  da£  er 
die  aoBere  Form  des  Oratoriums  annehmen  nnd  die  Bibel  den  Text  dazu 
geben  musse,  stand  fur  mich  fest.  Meine  Belesenheit  in  der  Bibel  lieC  mir 
die  Ausfuhrung  des  Textes  nicht  schwierig  erscheinen.«  Mit  Felix  Mendels- 
sohn wurde  Bats  gepflogen  und  endlich  beschlossen,  sich  gegenseitig  die 
Texte  zu  verfassen;  denn  Mendelssohn  wollte  den  > Paulas*  komponieren. 
Die  von  Marx  gegen  letzteren  vorgebrachten  Vorstellungen  fan  den  bei  Mendels- 
sohn kein  Gehor3);  so  schrieb  er  denn  den  Text  zum  >Paulus«,  Mendelssohn 
im  August  1832  den  zum  > Moses*;  Marx  teilt  letzteren  fragmentarisch  mit4). 
>Als  ich  ihn  durchlas  und  wieder  las,  fuhlte  ich  mich  wie  vom  Donner  ge- 
riihrt.  Das,  das  also  der  Mose!  von  dem  Du  so  lange  getraumt  und  arglos 
zu,  wer  weifl  wem,  gesprochen!  und  jetzt  stehst  Du  ihm  kalt,  fuhllos  gegen- 
iiber!  kein  Fulsschlag  hebt  sich  ftir  ihn,  keine  Anschauung  dammert  empor! 
Ich  fuhlte  mit  wahrhaftem  Schrecken,  daB    ich  das  Werk  nicht  komponieren 

konne. Hier   ward   mir   klar,    auf  wie  weit   geschiedenen  "Wegen  wir 

gewandelt,  der  Freund  und  ich.  GewiB  hatte  er  in  Treue  und  nach  fester 
Uberzeugung  fur  mich  gearbeitet.  Er  hatte  den  Text  geschaffen  wie  vor  uns 
so  viele  geschaffen,  und  von  den  groBten  Meistern  unbedenklich  angenommen 
worden  waren5).«  Es  war  eben  ein  Gemisch  von  Erzahlung,  lyrischem  ErguB 
und  dramatischen  Momenten.  Es  gait,  den  Mose  in  voile r  lebendiger 
"Wahrhaftigkeit  darzustellen.  »Dafur  aber  kennt  die  Musik,  die  nicht 
erzahlen  und  nicht  beschreiben  kann,  nur  eine  Form:  die  dramatische;  sie 
wurde,  anfangs  mir  unbewuBt,  die  nothwendige  fur  den  Mose6).*  An  szenische 
Darstellung  war  dabei  naturlich  nicht  zu  denken. 

Drei  Teile  hat  Marx  seinem  Werke  gegeben;  wir  werden  sie  gesondert 
besprechen. 

I.  Die  Berufung. 

Dieser  erste  Teil  gibt  die  Exposition  des  Dramas  in  meisterhafter  Weise.  Wie 
die  grofie  Passion  Bach's  beginnt  er  ohne  Ouverture  —  sie  ware  hier  iiberfluseig 
—  mit  einem  breit  angelegten  und  ausgefuhrten  Chor;  das  Elend  der  im  Frohndienst 
schmachtenden  Israeli  ten  wird  ergreif end  geschildert ;  auf  den  ersten  Jammerruf  der  Basse : 


^^S===f=TTF^^f#=g 


5 


We   -   he!  ich     er   -   lie  -  ge! 

folgen,  in  kanonischer  Form  sich  aufturmend,  die  iibrigen  Stimmen ;  immer  schmerz- 
vollere  Akzente  ringen  sich  aus  dem  schwellenden  Stimmengewirr  hervor: 


1)  Brief e  an  seine  Braut  Charlotte,  Bd.  II,  p.  318. 

2)  Erinnerungen  II,  p.  138—144. 

3)  Erinnerungen  II,  p.  143. 

4)  Ebendaselbst,  p,  171.  5)  Ebendaselbst,  p.  174. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


29 


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WehlDie  Last,  die  Last    reis  -   set  mich      hin!     Die  Last  reiBt  mich   hin! 


Um  den  Horern  das  Wehe  recht  nachdriicklich  zu  Gemute  zu  fiihren,  bildet  der 
Tonmeister  noch  eine  grofie  Fuge,  die  in  dem  lauten  Jammerruf  »Siehe  da  mein 
Mend*  im  ff.  endet.  Bald  steigert  sich  das  Klagen  zum  Grimm,  und  Korah  mit 
seinem  hohnischen: 


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EEEIEEIE 


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Ich    bin    ein        Wurm 


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und  kein       Mensch, 


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Spott 


der    Leu  -  te 


und  Ver  -  ach-tung    des        Volks! 


reizt  immer  mehr,  so  dafi  die  Menge  endlich  in  einen  machtigen  Verwunschungs- 
Chor,  an  dem  man  abermals  die  tuchtige  Arbeit  zu  bewundern  Gelegenheit  hat, 
ausbricht.  Da  ertonen  Posaunenklange ;  der  agyptische  Vogt  naht  und  kiindet  der 
»bdsen  Art«,  daB  ihrer  unter  dem  jungen  Konig  Pharao  noch  schlimmere  Qualen 
harren.  Ungemein  charakteristisch  ist  dieses  rauhe  und  harte  Rezitativ  des  Vogtes 
und  der  darauf  folgende,  nur  zu  lang  ausgesponnene  Jubel-  und  Spottchor  der 
Agypter,  in  dem  alle  nur  moglichen  Kunstmittel  der  Harmonie,  Rhythmik  und 
Instrumentation  zur  Geltung  kommen;  groBartig  ist  der  Schmerz  der  Israeliten: 


m^^mm^fW^mi&^m 


Schauet  an   die  bo-sen    Greu-el,  sie  be-ten   an  Wiirmerund  Tie  -  re! 


zu  dem  heidnisch-iippigen  Wesen  der  Agypter: 


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Ni 


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£ 


i^Sis 


fefe: 


Singt     zu    Sai  -  ten    und      Pfei  -  fen,    zu     Sai  -  ten    und    Pfei  -  fen 

in  Gegensatz  gestellt. 

Aus  der  Schwule  des  qualvollen  Tages  versetzt  uns  der  Tondichter  in  die 
abendliche  Kiihle  eines  einsameren  Ortes *) ;  Mirjam  klagt  im  Kreise  der  Jungfrauen 
iiber  das  Elend  ihres  Volkes.     Die  Oboe  und  die  erste  Violine: 


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sprechen  abwechselnd  diese  Klage  ergreifend  aus ;  dann  hebt  in  ahnlicher  Weise  — 
tief  ergreifend  —  die  Singstimme  an;  sie  steigert  sich  in  einem  Mitteisatze  zum 
Allegro  appassionato  und  wird  dann  von  einem  Frauenchor  (2  Soprane)  gekront. 
Die  Szene  findet  ihren  AbschluB  in  dem  von  Aaron  abgehaltenen  Abendgotteedienst, 
von  Alvensleben 2)  als  eine  der  schonsten  Nummern  bezeichnet:  »Der  dunkelrothe 
Schein  des  Abendrothes  in  den  gehauften  Blechinstrumenten  verleiht  dieser  ganzen 
Scene  eine  romantische  Farbung. «  In  der  Tat  steht  der  Chor  mit  seinem  innig- 
bittenden: 


1)  Neue  Zeitschr.  f.  Mus.  1842,  Bd.  16,  Nr.  17—22. 


2)  Ebenda. 


3Q 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Mux. 


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-i — ^-bepfi-i — &=ia^: 


Herr,    er  -  bar  -  me    dich    un  -  ser,      er  -  bar  -  me    dich    un  -  ser! 
und  seinem  spater  nach  jiidischer  Sitte  sich  neigenden  und  an  die  Bnist  scblagenden: 
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Ver-wirf  mich  nicht  von    dei  -  nem      An  -  ge  -  sicht! 

in  bedeutsamem  Kontrast  zu  den  gewaltigen,  eines  nationalen  Beiklangs  nicht  ent- 
behrenden  Akzenten  der  Solostimme. 

Die  Szene  verwandelt  sich;  Tremolos  der  Geigen  durchzittern  die  Luft;  pp.  er- 
tont  ein  pastorales,  Handel  abgelauschtes  Thema: 


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dolcis8. 


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wir  werden  ihm  spater  an  bedeutender  Stelle  noch  einmal  begegnen  —  Mose  naht. 
Zu  der  Lenzespracht  der  Natur  steht  die  Klage  des  gewaltigen  Mannes  uber  das 
Elend  seines  Volkes  im  wirksamen  Gegensatz.  Da  ertont  mit  einem  Mai  in  ge- 
heimnisvollen  Quintengangen  die  Stimme  Gottes,  von  Tenor,  Alt,  Sopran  des  Chors: 


§ 


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Mo  -  se!     Mo   -   se! 


Mo  -  se! 


Wie  er  die  Stimme  Gottes  zu  versinnbildlichen  habe,  das  war  fiir  Marx  ein  Gegen- 
stand  langer  t)berlegung.  »Was  sie  verkiindete,  war  Ziel  und  Gipfel  des  Werks. 
Die  Stimme  mu&te,  treu  den  alten  Schriften,  alien  Wendungen  des  menschlichen 
Gedankens  und  Gefuhls  Ausdruck  geben,  sie  muttte  Erhabenheit,  Milde  und  Troet, 
sie  mufite  den  Zorn  Jehovas  wiederetromen1). «  Mendelssohn,  ihn  auf  Raphaels 
bildliche  Darstellungen  hinweisend,  schlug  vor:  »Du  nimmst  einen  Ba"B!*  Spontini 
hielt  den  Canto  fermo,  die  uralten  Melodien  des  gregorianischen  Gesanges,  fiir  das 
Richtige ;  da  aber  der  » Mose «  nichts  mit  dem  Kirchendienst  zu  tun  hatte,  so  war 
auch  dies  fiir  Marx  unannehmbar.  DaB  der  Chor  die  einzig  mogliche  Verkorperung 
des  Hochsten  daretellen  kann,  das  sah  Mendelssohn  spater  ein  und  hat  es  sich  fur 
•einen  Paulus,  wie  allbekannt,  zunutze  gemacht;  auch  Carl  Loewe  laBt  in  seinem 
»Hiob«2)   die   Stimme   des  Herrn  aus  den  Wettern  heraus  im  Chor  ertonen.     Die 


1)  Erinnerungen,  Bd.  2,  p.  177f. 

2)  Komponiert  1848,  ungedruckt.  Der  in  Rede  stehende  Chor  ist  als  Beilage 
meiner  Arbeit  »Carl  Loewe  als  Kirehenkomponist*  in  der  »Musik«  (1905,  J.  13) 
erschienen. 


Leopold  Hiraohberg,  Der  Tondiohter  Adolpb  Bernbard  Mar*. 


SI 


zitternde  Antwort  »Hier  bin  ich«  ist  groBartig  getroffen,  ebenso  die  weitere  Ver- 
kundigung  des  Gottlichen.  Es  ist  unmoglich,  hier  des  Ausfuhrlichen  auf  die  merk- 
wurdigen  Modulationen,  den  kuhnen  Wechsel  der  Tempi  einzugehen.  Die  Betonung 
der  beriihmten  Hiob-Stelle:  »  Wer  ist,  der  so  fehlet  und  redet  bo  mit  Unverstand?*  usw. 
ist  sch  lech  thin  unerreicht,  und  wir  konnen  mit  gutem  Gewissen  uns  den  Worten 
Alvenleben's  anschlieBen:  »Nun  breitet  sich  ein  Tongemalde  vor  uns  aus,  dessen 
Gewalt,  Hoheit  und  Reichthum  man  mit  Worten  vergebens  nachschildern  wiirde. 
Solches  zu  wirken  ist  nur  der  Musik  und  nur  mit  solchen  Mitteln  moglich.  —  Die 
Stimmung,  welche  dieses  gewaltig  voruberrauschende  Tonmeer  zuriicklaBt,  ist  so, 
als  hatte  man  eine  Vision  gehabt,  als  ware  uns  Gott  selbst  erschienen,  nicht  in  der 
abstracten,  monotonen  Hoheit  nordlandischer  Vorstellung,  sondern  im  vollen  Glanze 
orientalischer  Majestat,  als  waren  Seraphim  und  Cherubim  zurnend  vor  uns  auf- 
und  niedergestiegen  und  Schaaren  liebender  Engel  an  uns  vorubergezogen.  « 


II.  Das  Gericht. 

Dieser  zweite  Abschnitt  stent  an  Bedeutsamkeit  dem  ersten  sehr  nach  und 
muB  es,  weil  die  Schilderung  so  ubernaturlicher  Vorgange  wie  die  durch  Mose  aus- 
gefuhrten  Strafen  des  Ewigen  notgedrungen  aus  der  Sphare  der  absoluten  Musik 
heraustreten  und  in  das  Gebiet  der  Programmmusik  iiberleiten.  Daran  sind  schbn 
groBere  gescheitert  als  Marx.  Doch  muB  man  die  der  Zeit  vorauseilende  Kiihnheit 
des  Komponisten  in  der  Instrumentation  bewundern,  andrereeite  sich  an  der  Schon- 
heit  einiger  lyrischer  Stellen  erfreuen.  Hierher  gehort  namentlich  eine  ausdrucksvolle 
Arie  der  Mirjam  und  eine  hochst  seltsame  der  » Mutter  der  Pharaonen*.  Eine 
hundertjahrige  Furstin,  die  Warnerin  des  ubermutigen  Pharao,  tritt  hervor:  eine 
bis  zum  Schlufi  immer  wiederkehrende,  zitternde,  eintonige  Geigenfigur: 


schildert  den  gebrechlichen,  schwankenden  Gang  der  Greisin,  die,  auf  den  Stab 
gestutzt,  zum  Sohne  tritt,  ganz  unubertrefflich.  Wer  dachte  bei  diesem  Orgelpunkt 
nicht  an  ems  der  groBartigsten  Werke  der  Opernmusik,  an  die  Orest-Arie  aus 
Gluck's  taurischer  Iphigenie  »Die  Ruhe  kehret  mir  zuriick*?!  Ein  gliicklicher  Ge- 
danke  des  Tondichters  war  es  weiterhin,  uns  auch  den  Pharao  menschlich  nahe  zu 
bringen.  In  ihm  sollte  »der  jugendlichc  Herrscher  erscheinen,  dessen  edlere  Krafte 
in  der  Schwiile  des  morgenlandischen  Thrones  langst  verkohlt,  dessen  gute  Ent- 
schlusse  in  heiBen  Nach  ten  und  unter  den  Diebesgriffen  unablassiger  Schmeichelei 
friih  verfliichtigt  sind,  und  tTberdruB,  Jahzorn,  zaghafte  Unbestandigkeit  hinter- 
lassen  ha  ben1). «  So  tritt  er  uns  mit  dem  charakteristisch-unruhig  instrumentierten 
Gesang: 


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SF»r  r i r  f 


#  * 


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3E& 


5=2? 


Un-ser  Le-ben  fahretda-hin 


als  war  ei-ne  Wol-  ke  da-ge  -  we-sen 


der  Blasiertheit  und  MiBbehagen  deutlich  an  der  Stirn  tragt,  entgegen.    Unter  den 

1)  Marx'   eigne   Worte   in:    Mosevius,    Uber  das    Oratorium    Moses.     Leipzig 
1843,  p.  7. 


32 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


Chdren  dieses  Absohnittes  verdienen  der  uppige  Agypter-Chor  »Lafit  tins  Krauze 
tragen  von  jungen  Rosen  It,  der  Chor  der  Finsternis  und  die  Foge  »Ich  will  dem 
Herrn  frohlich  singen  «,  worin  der  Dank  der  Israeliten  iiber  die  Errettung  zum  Aus- 
druck  kommt,  ruhmende  Erwahnung. 


III.  Der  Bund. 

Nun  zieht  das  Volk  ruhigen  Sohrittes  durch  die  Wuste: 


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rfrc  r  r  r-^4  ff^  ^ 


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aber  bald  zeigt  sich  wieder  die  Verzagtheit  ob  der  Beschwerlichkeiten  der  Wanderung; 
Seufzer  werden  laut  und  Korah  steigert  das  Murren  zu  offener  Emporung.  Seine 
Rotte  wird  von  der  Erde  verschlungen  und  biiBend  wirft  sich  das  Volk  zu  Boden. 
Boten  verkunden  den  nahenden  Feind ;  mit  prachtvollem,  kriegerischem  Chor  (Ddur,  */♦) 
Ziehen  die  Waffenf ahigen  von  dannen,  indessen  Mose  und  die  andern  in  brunstigem 
Gebet  zuriickbleiben.  Der  Sieg  wird  mit  der  Hulfe  des  Ewigen  errungen;  in  einer 
harfenbegleiteten  Vision; 

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Die  Herrlichkeit    Got  -  tes 


geht  auf 


ber    mir 


heiligt  Mose  das  Volk,  da£  es  die  Gebote  des  Herrn  vernehmen  kann.  Und  nun 
folgt  eine  der  ergreifendsten  Stellen  des  ganzen  Werkes:  Mirjam,  bislang  nur  die 
sanfte  Jungfrau,  erhebt  sich  aus  ihrer  Demut  zu  prophetischem  Spruoh.  Die  Btnde 
fallt  von  ihren  Augen,  der  Stern  in  der  Nacht  beginnt  ihr  zu  leuchten.  Und  jene 
sanfte  Pastoral-Melodie,  die  uns  im  ersten  Teil  auf  Mose  vorbereitete,  erscheint  jetzt 
zu  eifernder  Verkiindigung  gesteigert;  sie  bildet  das  Vor-  und  Zwischenepiel  zu 
Mirjams  grofiartigem  Gesang  aus  dem  Jesaias: 


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Wer       ist,         der       da  kommt, 


mit    roth  -  li  -  chen    Klei-dera 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  33 


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an  -  ge-  than    und    ein  -  her-tritt   in      sei  -  ner      gro      -     Ben     Kraft? 

Mit   einem    kolossalen    Doppelchor,    in   welchem   der   Tondichter  noch    einmal  sein 
ganzes  grofies  formales  Konnen  zusammenfafit,  schlieBt  das  Werk. 

Die  erste  Aufftihrung  des  »Mose«  fand  am  2.  Dezember  1841  in  Breslau 
unter  der  Leitung  yon  Mosewius  statt,  der  zu  diesem  Zwecke  eine  treffliche 
Analyse  des  Oratoriums  (in  der  ersten,  spater  mannigfach  geanderten  Form)  ver- 
offentlichte  (s.  vorher).  Am  6.  Mai  1843  folgte  Neustrelitz,  wo  der  Eindruck 
allgemein  war1),  am  14.  Oktober  1843  Erfurt  unter  Marx'  eigener  Leitung. 
Nach  Keferstein's  ausfuhrlichem  Bericht2)  bildete  diese  AuffUhrung  >einen 
der  glanzendsten  Lichtpunkte  in  Erfurts  musikalischer  Chronik*  und  zugleich 
eine  Fiille  von  Ehrungen  fur  den  Tondichter.  Spater  kamen  Berlin,  Elber- 
feld  und  Prag.  Am  bedeutsamsten  aber  durfte  die  AuffUhrung  vom  3.  Juni 
1853  in  "Weimar  unter  Franz  Liszt's  Direktion  sein,  bemerkenswert  ein- 
mal durch  das  Erkennen  des  Neuen,  Bahnbrechenden  durch  den  Meister, 
dann  durch  den  begeisterten  Bericht  Joachim  Raff's3),  der  darin  das  Rich- 
tige,  den  Kernpunkt,  traf.  Die  zahllosen  sonstigen  Besprechungen  in  alien 
moglichen  Blattern  nur  aufzufiihren,  ware  undenkbar.  Fast  samtliche,  be- 
Bonders  das  Organ  des  »jungen  Deutschlands«,  der  von  Theodor  Mundt 
redigierte  »Freihafen«  4),  betonen  das  Neue,  den  unleugbaren  Fortschritt  in 
der  Kunst.  Aber  dabei  blieb  es;  im  allgemeinen  war  das  Gebotene  zu  sehr 
von  dem  Bisherigen  abweichend,  als  da£  es  ohne  tatkraftige  Propaganda  tiefer 
hatte  wurzeln  konnen.  Marx  war  nicht  Richard  "Wagner,  der,  wie  ich  schon 
hervorhob,  mit  zaher  Begeisterung  seine  "Werke  immer  wieder  und  wie  der, 
unbekummert  um  die  tobende  Horde  der  Gegner,  durch  die  Schrift  und  die 
Tat  verteidigte.  Man  mufi  Marx'  Bericht5)  lesen,  um  die  Tiefe  seiner  Ent- 
tauschungen,  zugleich  aber  auch  die  seiner  prophetischen  "Worte  zu  wiirdigen: 
>Sei  denn,  wenn  diese  Zeit  gekommen,  meinem  "Werke  Fortdauer  beschieden, 
oder  trete  fur  mich  ein  Andrer  ein:  ich  will  freudig  den  begriifien,  der  voll- 
bringt,  was  ich  gewollt,  oder  Hoheres.« 

Und  diese  Zeit  ist  gekommen,  sie  ist  da,  und  eine  Pflicht  des  deutschen 
Volkes  ist  es,  das  im  Todesschlummer  begrabene  "Werk  zu  erwecken.  Heute 
—  wo  seine  Erziehung  zum  Yerstandnis  des  wahren  Wort-Tondramas  durch 
Richard  Wagner  vollendet  ist.  Zur  selben  Zeit,  wo  "Wagner  » seine  Lauf- 
bahn  als  Dichter«  begann6),  hatte  Marx  den  Mose  vollendet.  Bewun- 
dernswert  bleibt  es  bei  alledem,  dafl  der  >Mose«  nicht  noch  mehr  "Widerspruch 
fand.  An  der  Spitze  der  Gegner  steht  Robert  Schumann7),  der  sich  absolut 
nicht  hereinfindet  und  bitter  tadelt.  Aber  man  kennt  ja  Schumann's  Brief 
an  Mendelssohn  liber  den   >Tannhauser< 8),  man  kennt  seine  ungeheure  Vor- 


1)  Allg.  Musikal.  Zeitung  1843,  Bd.  45,  p.  432, 

2)  Ebendaselbst,  p.  620  und  866  ff.  und  Bd.  46,  1844,  Nr.  40. 

3)  Neue  Zeitschr.  f.  Mus.  1853,  Bd.  39,  Nr.  1. 

4)  1843,  Heft  2,  p.  279. 

5)  Erinneningen,  Bd.  2,  p.  217  ff. 

6)  Drei  Operndichtungen    nebst   einer  Mittheilung    an  seine  Freunde.     Leipzig 
1852,  p.  62. 

7)  Neue  Zeitschr.  f.   Mus.  1844,  Bd.  21. 

8)  Schumann,  Briefe.     Neue  Folge.     Leipzig  1866,  p.  220. 

&  d.  DfO.   X.  3 


34  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

liebe  ftir  den  Komponisten  des  »Paulus«,  urn  auch  dieses  zu  verstehen.  Ein 
mit  H.  T.  unterzeichneter  Referent l)  hat  von  der  Berliner  Auffiihrung  >keinen 
groBen  und  nachhaltigen  Eindruck  gehabt*.  Das  Werk  sei  »  nicht  aus  innerem 
Drange  einer  groBen  primitiven  Tonseele  hervorgegangen « ,  mache  vielmehr 
den  Eindruck  eines  groBartigen  Experiments  eines  geistreichen  Musikgelehrten, 
dem  >die  Technik,  Routine  und  Empirik  eines  Musikers  von  Profession 
mangelt«.  Wahrend  diese  beiden  Gegner  ernst  zu  nehmen  sind,  ist  dies  bei 
awei  anderen  nicht  notig.  Eitner  (a.  a.  0.),  den  wir  als  absichtlichen  Ver- 
kleinerer  Marx'  kennen,  auBert  sich: 

» Weder  Erfindung  noch  die  technische  Behandlung  ist  irgendwie  hervortretend 
und  die  Singstimmen  werden  in  einer  Weise  miBhandelt,  daB  es  allerdings  der  vollen 
Beredsamkeit  M.  bedurft  haben  mufi,  um  den  Chor  zum  Weitersingen  zu  bewegen. « 

Einer,  der  eine  »Geschichte  des  Oratoriums*  zu  schreiben  vorgibt,  der  sonst 
so  genaue  und  bienenfleiBige  F.  M.  Bohme,  schreibt  beinahe  ebensoviel  Un- 
richtigkeiten  wie  Worte2): 

Marx  hat  ein  religioses  Drama  in  seinem  Moses(!)  hervorgebracht  (man  denkt 
dabei  etwa  an  Ftillen  und  Kalber),  das  viel  Interessantes  enthalten  soll(!).  Nach- 
dem  es  1852(!)  in  Weimar  unter  Liszt  und  vorher  in  Berlin  aufgefiihrt  worden, 
scheint  es  der  Vergessenheit  anheimfallen  zu  sollen. « 

Nun  —  wenn  der  Verfasser  nicht  einmal  zwischen  der  ersten  und  zweiten 
Auflage  seines  Buches  Zeit  fand,  wenigstens  einen  Blick  in  das  Werk  zu  tun, 
und  sich  noch  immer  mit  dem  »soll«  begntigt  —  was  soil  man  dazu  sagen? 
Auf  solche  Weise  bringt  man  dem  Autor  nur  Unehre;  da  ist  das  ganzliche 
Schweigen  besser.  Joachim  Raff  (a.  a.  0.)  trifft  das  Richtige,  wenn  er 
sagt:  »Der  Mose  ist  die  poetisch-musikalische  Darstellung  eines  weltgeschicht- 
lichen  Vorganges,  der,  seines  national-hieratischen  Gewandes  entkleidet,  in 
wahrer  reinmenschlicher  Gestalt  und  Bedeutung  zur  Anschauung  gebracht 
wird  und  zwar  in  einer  dramatischen  Form,  welche  den  der  gegenwartigen 
Biihne  nicht  darstellbaren  StofF  dem  menschlichen  Wahrnehmungsvermogen 
durch  die  einzigen  auBer  ihr  noch  iibrigen  Mittheilungsmittel  erfaBbar  macht.  « 
Er  verwirft  deshalb  auch  die  Bezeichnung  des  Werkes  als  »Oratorium«,  ohne 
indeB  eine  neue  vorzuschlagen.  Wir  brauchen  nicht  lange  danach  zu  suchen: 
wie  Richard  Wagner's  >Liebesmabl  der  AposteU  moge  es  »Biblische  Szenen* 
oder  >Biblisches  Drama «  ktinftig  benannt  werden. 

>Klinftig<  sage  ich  —  denn  ich  vertraue  fest  darauf,  mit  meinen  Aus- 
fuhrungen  den  AnstoB  zu  einer  Wiederaufnahme  dieses  durch  und  durch 
neuzeitlichen  (»modernen«  konnte  miBverstanden  werden)  Werkes  zu 
geben.  Die  Leiter  der  Gesangvereine  lassen  sich  sonst  wirklich  etwas  Eigen- 
artiges  entgehen.  Hat  doch  der  bedeutendste  der  jetzt  lebenden  Musikgelehrten, 
Hermann  Kretzschmar,   dem   »Mose«   warm   das  Wort  geredet3): 

» Marx  entwirft  geistreich,  phantasievoll ;  er  erfindet  treffend  und  anschaulich ; 
er  erregt,  erfreut,  setzt  in  Staunen,  wo  es  sich  um  bewegte  Szenen  handelt.  Aber 
es  haften  unter  den  Ghoren.  mit  denen  er  sie  ausfiihrte.  nur  wenige  so  in  der  Er- 
innerung,  daB  sie  unwillkiirlich  zu  ihnen  zuriickkehrt. Doch  aber  bleibt  der 


1)  Allgem.  Musik.  Zeit.  1846,  Bd.  48,  Nr.  24. 

2)  F.  M.  Bohme,  Die  Geschichte  des  Oratoriums.    2.  Aufl.    Gutersloh  1887,  p.  W. 

3)  H.  Kretzschmar,    Fiihrer   durch    den   Konzertsaal.     2.  Aufl.     Leipzig  1899, 
p.  280  f. 


Leopold  Hinchberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


85 


Mose   durch   den    Geist,   der   in   dem  Werke  herrscht,  und  die  Selbstandigkeit  des 
groBten  Teiles  der  Musik  eines  der  achtungswertesten  Oratorien  der  neuen  Periode. « 

Sei  es  zum  Schlusse  gestattet^eine  zwar  nicht  unmittelbare ,  immerhin 
aber  recht  vernehmlich  sprechende  Aufierung  Richard  Wagner's  fiber  Marx' 
grofite  Schopfung  hinzuzufiigen.  Wahrend  er  sich  direkt  nirgends  ttber 
Marx  ausspricht,  (Glasenapp's  Beal-Encyklopadie  verzeichnet  auch  Nichts  dar- 
iiber)  fand  ich  in  einem  Briefe  Wagners  an  Wilhelm  Fischer  (Leipzig  1888, 
p.  323)  folgenden  Passus: 

Ubersende  mir  gelegentlich  mit  Fracht  folgendes: 

1.  Bach's  achtstimmige  Motetten.  2.  Beethoven's  9.  Symphonic.  3.  Mozart, 
3.  Symphonie.     4.  Die  beiden  Passionsmusiken  von  Bach.     5.  Marx,  Moses  .  .  .  . 

Alles    Dbrige    kannst    Du   nach    Belieben    vernichten,    verbrennen  und  —  ver- 

brauchen 

Die  gute  Gesellschaft ,  in  die  Wagner  hier  unsern  Tondichter  bringt, 
charakterisiert  deutlich  die  nicht  geringe  Wertschatzung,  die  er  fur  den  »Mose« 
offenbar  hegte. 


Op.  11.  Am  Nordgestade.  Fantasia  fiir  das  Pianoforte  zu  vier 
Handen.  Leipzig,  bei  Friedrich  Hofmeister,  Paris,  bei  Simon  Bichault. 
3076.     Pr.  25  Ngr.  Fol.  19  Seiten.     Erschienen  1845. 

Was  der  Komponist  hier  in  Tonen  ausdrucken  wollte,  geht  aus  ihnen  klar 
hervor:  einsam,  gehtillt  in  einen  weiten  Mantel,  steht  er  am  Gestade  des 
Nordmeers,  schaut  dem  ewig  wiederkehrenden  und  ewig  wechselnden  Spiel 
der  Wellen  zu  und  vergleicht  das  Sinneu  und  Trachten  der  Menschenseele 
mit  dem  Gewoge  des  Wassers.  So  konnte  als  Motto  dieser  Tondichtung 
Goethe's  Wort  gelten: 

♦  Seele  des  Menschen, 

Wie  gleichst  du  dem  Wasser! 

Schicksal  des  Menschen, 

Wie  gleichst  du  dem  Wind!« 

Dem  Secondo-Spieler  fallt  zunachst  die  Aufgabe  zu,  das  leise  Murmeln  der 
Wellen  und  das  unruhige  Platschern,  mit  dem  sie  sich  am  Ufer  brechen,  zum 
Ausdruck  zu  bringen.  Der  Emoll-Akkord  kehrt  mehrere  Male  pp,  durch  drei 
Oktaven  auseinandergezogen  auf,  dann  beginnt  ein  fast  tonlos  zu  nennendes 
Fliistern.  Erst  mit  dem  16.  Takte  haucht  der  Diskant-Spieler  pianissimo 
possibile  einzelne  Harpeggiandos  hinein,  worauf  alsbald,  immerfort  vom  Fliistern 
*les  Basses  einformig  umspielt,   das  Hauptthema:  ^____^ 


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schiichtern  hervortritt,  um  der  Weise  des  An  fangs  nochmals  Platz  zu  machen. 
Nun  nimmt  auch  der  BaC  das  Thema,  wenn  auch  nicht  im  vollen  Umfange, 
auf;   die  Akzente  des  Diskants  werden  kraftiger  und  leidenschaftlicher : 


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36 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


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senken  sich  jedoch  wiederum  nach  diesem  kurzen  Aufwallen  zuruck.  Solite 
nun  bis  hierher  die  aufiere  Situation  geschildert  werden  —  and  dies  iit 
meisterhaft  geschehen  —  so  beginnt  nunmehr  das  innere  Leben  des  Schanen- 
den  seinen  Ausdruck  zu  finden,  und  zwar  durch  das  Eintreten  eines  nenen, 
dem  Hauptthema  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ahnlichen  Themas,  welches  — 
als  ein  Zeichen  des  Denkens!  —  leicht  fugiert  wird: 


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Diese  Gedanken  aber  werden,  da  nunmehr  auch  die  Elemente  sich  zu  emporeo 
Bcheinen: 


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strepuo80  col.  8 

wilder  und  wilder,  bis  endlich  Wut  und  Verzweiflung  in  dreifacbem  Forte 
hervorbrechen.  Doch  den  wahren  Mann  vermag  das  Schicksal  nicht  zu  beugen; 
entschlossen  nimmt  er  den  Kampf  mit  ihm  auf;  wie  heroische  Trompeten 
klingt  es  heraus: 

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bu^Utf" 


Der  Kampf  wird  durchgefochten,  die  Beruhigung  tritt  ein;    nach  einem  fur 
sich  selbst  sprechenden  Rezitativ: 


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5±S=>: 


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und  einer  milden,  verklarten,  entsagungSTollen  Klage: 

Adagio.  — ^  -v  ^  ^7S^ 


ru.  espress. 

verlafit  der  Wanderer,  versohnt  mit  der  Welt  und  dem  Geschick,  das  Gestade, 
wahrend  die  Wellen,  in  Fluatern  ersterbend,  ihm  das  Lied  von  ewiger  Ruhe 
nachsingen. 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daB  das  Studium  von  Beethoven'* 
Sonaten  und  Symphonien  die  Yeranlassung  zu  dieser  Tondichtung  war,  — 
dieser  unverganglichen   Bilder  menschlichen   Bingens,   das  durch  Nacht  ram 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  37 

Licht,   durch  Kampf  zum  Siege  fiihrt.     TJber  sie  sollte  Marx  vierzehn  Jahre 
spater1)  bo  schon  schreiben,  wie  es  nocb  keiner  wieder  getan. 


Op.  12,  Urn  Mitternacht.  Fantasie  fur  das  Pianoforte  zu  4 
Handen.  Leipzig,  bei  Friedrich  Hofmeister.  Paris,  bei  Simon  Bichault. 
3077.    Pr.  20  Ngr.    Fol.  15  Seiten.    Erschienen  1845. 

Eine  ausfuhrlichere  Besprechung  dieses  Stiickes  ist  nicht  vonnoten,  da  aucb 
bier  der  Gedankengang  klar  und  anschaulicb  zum  Ausdruck  kommt.  Sein 
vorwiegend  reflektierender  Charakter  ist  schon  dadurcb  geniigend  gekenn- 
zeicbnet,  daB  es  mit  einer  langsamen,  nach  alien  Regeln  stronger  Kunst  ge- 
arbeiteten  Fuge  beginnt,  auf  welcbe  dann  ein  liedartiges  Andante  con  moto 
folgt.  Der  Hauptsatz  ist  ein  groBes,  vortrefflich  klingendes  Agitato  (Fmoll,  %), 
in  seiner  ganzen  Anlage  der  Appassionato  abgelauscbt.  Die  leise  verklingende 
Coda  baut  sich  auf  dem  Fugenthema  des  Anfangs  auf. 

Eine  in  Schumann's  Zeitschrift2)  veroffentlichte,  nur  zum  Teil  zu  billigende 
Besprechung  von  Op.  11  und  12  moge  hier  nicht  fehlen: 

»  Die  vorliegenden  Kompositionen  lassen  iiberall  den  bedeutenderen  tieferen  Geist 
erkennen,  welcher,  weit  entfernt  von  der  modernen  AuBerlichkeit,  Geistiges,  Poetisches 
zu  geben  strebt,  und  auch  fur  eine  kleinere  Schopfung  das  Bewufitsein  von  der 
Wurde  kunstlerischer  Thatigkeit  mitbringt.  Kommt  alles  dies  nicht  immer  ent- 
sprechend  zur  musikalischen  Erscheinung,  und  miissen  wir  hin  und  wieder  an  der 
harmonischen  Gestaltung,  an  der  nicht  ganz  handgerechten  und  modernen  Instru- 
mentirung  fur  Pianoforte,  auch  an  minder  interessanten,  etwas  trockenen  Stellen 
AnstoB  nehmen,  so  ist  dies  theils  im  Allgemeinen  die  Folge  einer  uberwiegenden  Be- 
schaftigung  mit  der  Theorie,  welche,  je  mehr  sie  das  BewuBtsein  entwickelt,  umso 
mehr  die  Unmittelbarkeit  des  Schaffens  zuriicktreten  laBt,  theils  im  Besondern  Folge 
des  Standpunktes  des  Verf.,  auf  welchem  bei  dem  Streben  nach  geistigem  Ausdruck 
und  Charakteristik  das  zweite,  nothwendige,  ewige  Element  aller  Kunst,  die  sinnliche 
Schonheit,  zu  wenig  eine  gerechte  Wiirdigung  und  Anerkennung  findet.  Denen  ins- 
besondere,  welche  sich  f iir  den  Schriftsteller  Marx  interessiren,  werden  beide  Werke 
eine  willkommene  Gabe  sein. « 

Sie  seien,  da  sie  bei  dem  Original- Verleger  noch  zu  haben  sind,  alien 
>Quatre-mains«-Spielern  warm  empfohlen.  Jede  Bereicherung  dieses  Zweiges 
der  Musik  mit  gediegenen  Original werken  isf  nur  mit  Dank  zu  begruBen. 


Op.  13.  Die  Zigeunerinnen.  Gedicht  von  L.  Muhlbach.  Duett 
fur  Sopran  und  Alt  mit  Begleitung  des  Pianoforte.  Leipzig,  bei 
Friedrich  Hofmeister.  3796.  Pr.  20  Ngr.  Fol.  11  Seiten.  Erschienen 
1845. 

Das  Gedicht  hat  Marx  von  der  bandereichen  Luise,  der  Gattin  Theodor 
Mundts,  in  dessen  Hause  er  viel  verkehrte,  offenbar  handschriftlich  erhalten; 
wenigstens  konnte  ich  einen  Druck  nirgends  aufBnden.  In  keeker,  launiger, 
bisweilen  formlich  wildbewegter  Weise  schildert  es  die  Schadenfreude  einer 
jungen  und  einer  alten  Zigeunerin,  die  sie  uber  die  Leichtglaubigkeit  der 
Stadter  empfinden.  Die  Junge  hat  hauptsachlich  von  dem  Scharwenzeln  junger 
Gecken,  die  Alte  vom  Prophezeien  Vorteil  gezogen. 


1)  Marx'  unsterbliches  Beethoven -Werk  erschien  zum  ersten  Male  im  Jahre  1859. 
2)'Neue  Zeitschr.  f.  Musik  1845,  Bd.  23,  Nr.  8. 


38 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


In   flottestem  Tempo   beginnt   und  beharrt  das  eigentilmliche  Sttick.     Zu 
dem  Ubermiitigen  "Wesen  der  jungen: 

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I 


Eij^-r^ 


Efei 


3c 


fe|fe 


Zj=l*l 


Zur  KirmeB  drunten  bin   ich  g'west,  war  dir    ein    lustig  Hopsen ! 

ist  das  bedachtig-schlaue  der  alien  Zigeunerin: 


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* 


E£EE 


3S 


Ich  brom-mel  -  te     und    brom-mel  -  te, 


und    brom-mel  -  te     und 


i 


:£: 


zi  -  schelt    leis      und    brom  -  mel  -  te 

in  treff lichen  Gegensatz  gebracht;  es  fehlen  nicht  interessante  Harmonien  and 
fast  extravagant  zu  nennende  Tonfolgen: 


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TTfTT 


K 


«S?e! 


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Stiehlt  sich      ein     Ian    -    ker    Blan  -  ker,  blafi, —     her-bei  auf  Spindel- 


t 


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^^^^^g 


^=5r- 


^. 


bei  -  nen, 


die 


Bril    -    le        auf 


der 


ro    -    then  Nas 


Den  SchluB  bildet  ein  tolljubelndes  Presto  im  •/$  Takt. 

Keferstein1)  betracbtet  das  Duett  als  einen  interessanten  Zuwachs  zu  den 
schon  vorhandenen  Zigeunermusiken  "Weber's  (Preziosa)  und  Loewe's  Johann 
Hu£2)  und  Zigeuner-Sonate3)  und  erklart  es  fur  ein  echt  zigounermaBig  ge- 
haltenes  Stiick.  Bei  einer  Besetzung  mit  guten  Sangerinnen  verspricht  er 
sich  davon  eine  hochst  eigentumliche  Wirkung  und  schlieBt: 

»Wir  mochten  dieses  Duett  auf  dem  Theater  horen  und  sehen,  denn  da  allein 
kann  und  wird  dieses  interessante  Genrebild  seine  voile  Wirkung  hervorbringen.« 


Op.  14.  Ein  Fruhlingsspiel.  In  dreimal  drei  Gedichten  von 
Heinrich  Heine  fur  eine  Singstimme  mit  Pianoforte.  Drei  Hefte, 
componirt  und  seiner  Therese  gewidmet.  Leipzig,  bei  Breitkopf  &  Hartel. 
Pr.  15  Ngr.     7304.     5  u.  6.    Fol.  9,  11,  11  Seiten.     Erschienen  1845. 

Die  Texte  sind  samtlich  dem  >Neuen  Friihling*  entnommen,  enthalten  in 
»Neue  Gedichte  von  H.  Heine.  Hamburg,  bei  Hoffmann  und  Kampe. 
1844. « 

Einen  Liederkreis  zu  bilden,  wie  er  es  schon  bei  »Nahid  und  Omar*, 
wie  es  Robert  Schumann  in  seinen  beruhmten  Liederkreisen  des  Jahres  1840 
getan  —  das  bestimmte  unsern  Tonmeister,  einige  der  gerade  erschienenen, 
ein  gleiches  Aufsehen  wie  die  fruheren  erregenden  Heine'schen  Gedichte   zu 


1)  Allgem.  Musikal.  Zeit.  1846,  Bd.  48,  Nr.  49. 

2)  Op.  82. 

3)  Op.  107. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  39 

be  ton  en.  Die  vom  Dichter  gegebene  Anordnung  hat  Marx  ebensowenig 
beriicksichtigt  wie  beim  »Nahid«  von  Stieglitz,  weil  sie  mit  seinen  Absichten 
nicht  zusammentraf.  Die  Anordnung  ist  nun  derart,  dafi  immer  je  drei 
Lieder  so  zusammengehoren,  dafi  sie  hintereinander  (ohne  Zwischenpause)  zu 
singen  sind.     Jeder  der  drei  Kreise  ist  aber  in  sicb  abgeschlossen. 

Die  "Widmung  des  Kranzes  an  das  Weib  seiner  Liebe  laBt  uns  erkennen, 
dafi  der  Tondichter  mit  seinem  ganzen  Herzen  an  das  Werk  gegangen  ist 
und  seinen  eigenen  Liebeslenz  darin  zu  begeistertem  Ausdruck  gebracht  hat. 

Erstes  Heft.  I.  Leise  zieht  durch  mein  Gemuth.  (Neue  Gedichte, 
Nr.  VI,  p.  11.) 

Mit  diesem  nachst  der  »Loreley«  volkstumlichsten  der  Heine'schen  Lieder 
beginnt  der  erste  Kranz.  Und  volkstumlich  (natiirlich  strophisch)  und  ganz 
reizend  ist  es  komponiert.  Felix  Mendelssohn's  Betonung  steht  es  in  keiner 
Weise  nach;  das  Lauten  ist  durch  die  Figur: 


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die  bis  zum  £nde  in  immer  neuen  Umformungen  erklingt,  sinngemafi  illustrieri 
Ohne  Aufenthalt  geht  es  zu 

II.  Der  Schmetterling  ist  in  die  Rose  verliebt.  (Ebendaselbst, 
Nr.  VH,  p.  12.) 

Zwei  leichte  Figuren: 

schildern  das  Flattern  des  verliebten  Tierchens;  die  erste  (dieser  Schilderung 
gewidmete)  Strophe  ist  durchweg  in  Emoll,  die  zweite,  welche  es  mit  der 
Rose  zu  tun  hat,  in  G  dur  gehalten.  Nach  nochmaliger  "Wiederholung  dieses 
"Wechselspiels  in  Strophe  3  und  4  tritt 

HI.  In  dem  Walde  spriefit  und  griint  es  (Ebendaselbst,  Nr.  II> 
p.  7)  mit  Feuer  und  Kraft  hervor: 

Alio  brioso. 

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In  dem  Wal-de  spriefit  und  grunt  es    fast  jungfr'aulich  lust-be-klommen 

Dem  musikalischen  Ausdruck  des  Nachtigallenschlages  ist  durch  lang  an- 
haltende  Triller  in  der  Begleitung  (im  ganzen  18  Takte)  in  weitem  Mafie 
Bechnung  getragen. 

Zweites  Heft.    Die  Grundstimmung  dieses  Kreises  ist  im  Gegensatz  zum 
vorigen  eine  ernstere,  melancholische. 

I.  Gekommen  ist  der  Maye.  (Ebendaselbst,  Nr.  V,  p.  10.) 
Auch  hier  zeigt  sich,  wie  bei  II.  des  ersten  Heftes,  eine  Symmetrie  in 
der  Betonung  von  je  zwei  und  zwei  Strophen:  Strophe  1  und  3  volkstiimlich- 
einfach,  2  und  4  leidenschaftlich-schmerzvoll.  Etwas  Besonderes  ist  nicht 
zu  erwahnen;  die  Erfindung  der  beiden  Themen  ist  wenig  bedeutend.  Da- 
gegen  ist 


40 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


II.  Was  treibt  dich  umher  in  der  Fruhlingsnacht?  (Ebendaselbst, 
Nr.  XV11,  p.  24}  durchaus  in  grofiem  Stil  gehalten;  der  Tondichter  hat  die 
geradezu  wundervollen  Dichterworte  mit  edler  Leidenschaft  beseelt.  Schon 
der  Anfang  mit  seinem  drangvoll-heifien  Flttstern: 

Allegretto  agitato. 


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Was      treibt    dich   urn  -  her      in      der         Fruh  -  lings  -  nacht?     Da 


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hast    die    Bin  -  men  ganz       toll      ge  -  maoht 

zeigt  dies  klar  an;  im  weitern  Yerlauf  steigert  sich  die  Aufregung  zum  FFF, 
nnd  in  einem  langen  Nachspiel  (15  Takte)  lafit  der  Komponist,  ganz  ahnlich 
wie  es  Robert  Schnmann  so  oft  und  schon  verstanden,  diese  erregten  Ge- 
danken  zu  hochster  Kraft  anschwellen  nnd  im  pp  austdnen.  Und  so  kann  sich  in 
HI.  Wie  des  Mondes  Abbild  zittert  (Ebendaselbst,  Nr.  XXIII, 
p.  31)  in  einem  lang  nnd  edel  gefuhrten  Adagio,  das  bernhigte  Gemut  in 
die  still e  Andacht  der  Natur  versenken  und  zu  den  >ewigen  Lichtern«  auf- 
blicken 1). 

Drittes  Heft.  I.  Es  drangt  die  Noth,  es  lauten  die  Glocken. 
(Ebendaselbst,  Nr.  XI,  p.  18.) 

Ein  ausgedehntes,  leidenschaftlich  bewegtes  Yorspiel  (12  Takte)  deutet 
auf  Besonderes  hin.  Die  Yerschworung  der  heterogensten  Dinge,  des  Frfih- 
lings,  der  Rosen,  der  Nachtigall  und  zweier  schSner  Augen  gegen  den  lieben- 
den  Jungling  —  alles  dies  soil  im  Yor-  und  Nachspiel  erlautert  werden.  Bei 
aller  Leidenschaft  entbehrt  dieser  Gesang  .ebensowenig  des  Humors,  wie  Schu- 
mann's alte  Geschichte,  die  ewig  neu  bleibt2).     Aber  in 

II.  Wenndumir  voriiber  wan  deist  (Ebendaselbst,  Nr.  XIY,  p.  21) 
zeigt  sich  nur  selige  Begluckung  beim  Anschauen  der  Qeliebten.  Dabei  ist 
die  Deklamation  apart  und  treffend: 


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Dann  drehst  du  dich  urn,     und  schaust  mich  mit  den  gro-Oen  Au-gen   an 

m.  Wie  die  Nelken  duftig  athmen!  (Ebendaselbst,  Nr.  XXYI, 
p.  34),  der  Schlufigesang  der  >Trilogie  der  Leidenschaft*,  ist  das  bedeutendste 
Stuck  von  alien,  so  durchaus  orchestral  gedacht,  dafi  wir  ruhig  von  einzelnen 
Instrumenten  sprechen  diirfen,  und  hat  die  typische  zweiteilige  Arienform  an- 
genommen.  Der  erste  langsame  Teil  entrollt  una  ein  Naturbild  Ton  hoher 
sinnlicher  Schonheit;  ppp-Tremolos  der  Qeigen,  unterbrochen  von  kursen, 
dumpfen  Paukenschlagen  beginnen;  dann  setzt  eine  sanfte  Hornmelodie: 


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1)  Man  lese  dazu  Marx'  Erlauterungen  zum  Largo  der  Beethoven 'echen  Adur- 
Sonate  Op.  2  und  dem  Andante  der  1.  Symphonie!  2)  Op.  48,  Nr.  11. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


41 


immer  von  den  gleichen  Instrumenten  begleitet,  ein,  so  da£  sich  ein  Vergleich 
mit  dem  Nocturno  aus  dem  >Sommernacht8traum«  unabweislich  aufdrangt. 
Nun  ergreift  die  Singstimme  die  Hornkantilene  in  geringer  Veranderung,  wird 
aber  in  der  Detailmalerei  bald  selbstandig: 


ein  Gewimmel  goldnerBienen,  angstlich  schimmernan  dem  veilchenblauen  Himmel 

Nun  ein  Nachspiel  des  Horns  und  fast  plotzlicher  Ubergang  in  den  zweiten 
Teil  (Allegro  agitato,  Emoll).  Nur  solange  die  Umrisse  des  Landhauses,  in 
dem  das  Liebchen  wohnt,  verscbwommen  sind  und  das  Gerausch  vom  Klirren 
der  Glastiir  sich  undeutlich  horen  laflt,  bleibt  die  Molltonart  bestehen  — 
dann  geht  es,  zwischen  Freude  und  geheimer  Angst  anfangs  noch  wechselnd: 


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hoi  -  des    Zit-tern,  sii-Ces    Be -ben,  furchtsam  zart-li-ches  Umschlin-gen 

unaufhaltsam   bis   zum  Ausbruch   des   hochsten   Entziickens,   in  welcKen  der 
jauchzende  Triller  der  Nachtigall  hineintont. 

Moge  zum   Schlufi  noch   ein   Teil   der  etwas  weitschweifigen,  jedoch  das 
E.ichtige  treffenden  Keferstein'schen  Kritik1)  Platz  finden: 

>Jedes  dieser  interessanten  Hefte  bildet  fiir  sich  insofern  ein  abgeschlossenes, 
rundes  Ganzes,  als  der  Verfasser  die  ergriffenen  Texte  so  geschickt  zusammengestellt 
und  aneinander  gereiht  hat,  daC  immer  ein  Lied  in  das  andere  hiniiberleitet,  die 
Situation  des  einen  die  des  andern  bedingt  und  vorbereitet,  eines  aus  dem  andern, 
wie  etwa  die  Kelche  gefiillter  Primeln  und  Aurikeln,  scheinbar  frei  und  doch  mit 
innerer  Nothwendigkeit  hervordringt.«  —  »So  sind  hier  eng  verflochtene  Liederkranze 
zu  erwarten,  ein  Punkt,  den  man  wohl  ins  Auge  zu  fassen  hat,  wenn  man  dem 
geistvollen  Verfasser  sein  gutes  Recht  gewahren  und  sich  den  GenuB  und  die  Freude 
an  diesen  dankenswerthen  Gaben  nicht  verkiimmern  will. « 

Marx  selbst  ergreift  zu  seinem  Werke  in  den  x Erinnerungen «  2)  das  Wort: 

»Hatte  ich  mich  doch  in  dem  ,FruhlingBspiel'  nicht  dazu  verstehen  konnen, 
die  Begleitung  leichter  zu  setzen,  als  ihr  Antheil  an  den  Bildern,  die  sich  entrollen, 
gestattete.  Und  doch  wuCte  ich  wohl,  wie  gem  unsere  Pianisten  es  sich  bequem 
machen,  wenn  sie  nicht  die  Aussicht  habcn.  ihre  ,Bravour*  zur  Schau  zu  stellen. « 

Exemplare  des  Werkes  sind  beim  Verleger  noch  vorhanden. 


Op.  15.  Schlummerlied  »Buhe,  sufi  Liebchen,  im  Schatten*  von 
Ludwig  Tieek  fiir  vier  Solostimmen  (Sopran,  Alt,  Tenor  und  BaB)  und 
Pianoforte  ad  libit.  Leipzig,  bei  Siegel  &  Stoll.  23.  Pr.  1  Thlr.  5  Ngr. 
Fol.  15  Seiten.     Erschienen  1846. 

Die  beruhmte  Dichtung  Tieck's  steht  im  zweiten  Band  der  >Yolksmahrchen, 
herausgegeben  von  Peter  Leberecht*  (Berlin  1797),  und  ist  enthalten  in 
>Wundersame  Liebesgeschichte  der  schonen  Magelone   und  des  Grafen  Peter 


1)  Allgem.  Musikai.  Zeit.  1846,  Bd.  48,  Nr.  48. 

2)  Bd.  2,  p.  220. 


42 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


aus  der  Provenced);  sie  ist  zahllos  komponiert  worden2).  Auch  Marx  kann 
mit  hohen  Ehren  in  der  Reihe  dieser  Tondichter  bestehen.  Es  zeigen  sich 
zwei  gesonderte  Themen:  ein  lauschiges  im  4/4  und  ein  wiegendes  im  %  Takt. 
Dabei  ist  zu  bemerken,  da£  dieser  Wechsel  nicht  mit  den  Strophen-Enden 
bzw.  -Anfangen  der  Dichtung  zusammenfallt,  sondern  in  den  letzten  beiden 
Verszeilen  der  ersten  und  zweiten  Strophe  eintritt.  Die  letzte  behalt  ganzlich 
den  %-Takt  bei,  formt  aber  die  "Wiegenmelodie  sehr  glucklich  zu  bewegter 
"Weise  um.  Wie  ein  Referent8)  richtig  betont,  hat  Marx  das  reizende  Gedicht 
in  seiner  ganzen  Z  art  he  it  und  Anmut  ergriffen;  der  schone  Gesang,  leicht 
dahinschwebend,  wie  >Fruhlingshauch  von  Blumenduft.geschwangert«,  wird 
bei  entsprechendem  Vortrag  von  trefflicher  Wirkung  sein. 


Op.  16.  Grosse  Sonate  fur  Pianoforte  componirt  und  Seiner  Konig- 
lichen  Hoheit  dem  Regierenden  GroBherzog  Georg  von  Mecklenburg- 
Strelitz  ehrfurchtsvoll  gewidmet.  Leipzig,  bei  Siegel  &  Stoll.  London, 
bei  Ewer  &  Co.  St.  Petersburg,  bei  M.  Bernard.  20.  Pr.  iy2  Thlr.  Fol. 
33  Seiten.    Erschienen  1846. 

Viele  Vorziige,  leider  aber  auch  viele  Schwachen  weist  dieser  erste  und 
letzte  Versuch  Marx',  ein  Klavierwerk  im  grofien  Stil  zu  schreiben,  auf. 
Die  Vorziige  bestehen  in  der  poetischen  Idee,  sagen  wir  in  der  Tiefe  der 
Gedanken ;  die  Schwachen  in  dem  auffalligen  Mangel  grofierer  Kombinationen, 
in  der  Yerkennung  des  Wertes  der  ersonnenen  Themen.  Dafi  der  gedankliche 
Inhalt  den  groOen  Sonatenwerken  Beethoven's  entspricht,  liegt  zu  klar  auf 
der  Hand,  als  da£  es  geleugnet  werden  konnte;  die  Gestaltungskraft  aberr 
die  Durchfuhrung  der  teilweise  sehr  schonen  Themen  wird  vielfach  vermiBt. 

Der  Hauptwert  der  Sonate  (man  konnte  sie  auch  eine  » pathetische «  nennen) 
liegt  zweifellos  im  ersten  Satze.  Dieser  beginnt  mit  einer  langsamen,  tPesatUe* 
iiberschriebenen  Einleitung,  deren  erste  schwergewichtige  Takte: 


wie  eine  bange,  vorwurfsvolle  Frage  an  das  Schicksal  sich  vernehmen  lassen.  In 
dieser  Weise,  unterstiitzt  von  einem  schnell  verloschenden,  klagenden  Sang,  spinnt 
sich  die  Introduktion  weiter  fort,  um  nach  einem  heftigen  Aufschrei  und  blitzartig 
in  die  Tiefe  stiirzenden  Gangen  zum  Hauptsatz  (Allegro  asmi  ed  agitato)  iiberzuleiten, 
dessen  pracht voiles  Thema: 


1)  a.  a.  O.  p.  216. 

2)  Besondere  schon  von  Franz,  Brahms  und  Marschner. 

3)  Allgem.  Musikal.  Zeit.  1846,  Bd.  48,  p.  299. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondicbter  Adolph  Bernhard  Man. 


43 


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ein  leidenschaftliches  und  leidenvolles  Drangen,  Ringen  und  Kampfen  ausdriickt. 
Dieses  so  treffende  Motiv  wird  aber  von  dem  Komponisten  zu  wenig  ausgenutzt. 
Wohl  kehrt  es  noch  einmal  in  der  Oktave  wieder,  taucht  auch  spater  voriibergehend 
auf,  mufi  aber  zugunsten  eines  anderen,  weit  weniger  bedeutenden: 


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weichen.  Dadurch  schwacht  sich  das  Interesse  an  dem  so  schwungvoll  und  viel- 
versprechend  eroffneten  Satze  ab,  der  indes  in  seiner  technischen  Durchfuhrung  noch 
vieles  Interessante  darbietet.  Der  zweite  Satz  (Adagio  religioso)  ist  —  wie  bei 
Beethoven  —  ein  inniges  Gebet  um  Prieden  und  Erlosung;  das  Thema: 


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ist  gesangreich  und  bote  zu  groBerer  Entfaltung  Platz,  als  der  Tondichter  ihm  hat 
angedeihen  lassen;  es  verliert  sich  unter  einem  UbermaB  von  etiidenhaften  Gangen. 
»Neue  Stacheln*1)  bringt  der  dritte  Satz,  ein  Scherzo  (Prestissimo  possibile);  be- 
schwichtigend  erklingt  das  Trio: 


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das  Scherzo  kehrt  wieder  und  geht  ohne  Aufenthalt  in  das  Finale  iiber,  welches 
(AUegro  fuocoso)  das  Scherzo-Thema  zunachst  im  4/4  Takt  und  wilder  Aufregung 
ausfuhrt,  dann  aber  zu  einem  »BriUante«  iiberleitet,  welches  in  der  Tat  nur  diese 
virtuosenhafte  Bezeichnung  verdient.  Wie  Brendel2)  richtig  hervorhebt,  verflacht 
es  sich  in  AuBerlichkeiten. 

So    sehen   wir   also,  daB  dieeer  Versuch  Marx'  im  ganzen  als  gescheitert 
zu  betrachten  ist.    Sicher  hat  er  dies  selbst  gefiihlt  und  demzufolge  das  Ge- 


1)  Allgem.  Musikal.  Zeit.  1846,  Bd.  48,  Nr.  22,  p.  366. 

2)  N.  Ztschr.  f.  Mus.  1846,  Bd.  25,  Nr.  10. 


44  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

biet  verlassen.  Wir  meinen  mit  Unrecht.  Denn  der  geistige  Inhalt  ist,  wie 
schon  hervorgehoben,  docb  so  bedeutend,  dafi  ein  neuer  und  wieder  neuer 
Versucb  den  Tondichter  zu  immer  groBerer  Yollkommenheit  auch  darin  ge- 
fuhrt  haben  wiirde.  Zu  den  Schmahungen  aber,  die  Eitner  dem  Werke  an- 
gedeihen  laBt,  liegt  auch  nicht  die  Spur  einer  Berechtigung  vor. 


Op.  17.  Meine  Seele  1st  still e  zu  Gtott.  Hymne  fur  vierstim- 
migen  Chor  mit  Pianofortebegleitung.  Minden,  Musikalien-Magazin  bei 
W.  FiBmer  &  Comp.  Pr.  der  Partitur  ohne  Stimmen  15  Sgr.  Fol.  11 
Seiten.     Erschienen  1846. 

Die  Worte  aus  Psalm  62,  V.  2,  3  und  8. 

Eine  kontrapunktisch  ganz  vorziiglich  ausgefuhrte  Arbeit,  durchweg  fur 
den  Chor  allein,  aus  zwei  Teilen  bestehend.  Der  erste  langere  geht  in  mafliger 
Bewegung  (4/4),  der  zweite  feurig  bewegt  und  stark  (6/4).  Eine  vom  Baum 
der  Theorie  gepnuckte,  vollsaftige  Frucht. 


Op.  18.  Wanderlied  von  Wilh.  Muller  fiir  vier  Solostimmen 
(Sopran,  Alt,  Tenor  und  BaB)  und  Pianoforte  ad  libit,  componirt.  Leip- 
zig, bei  Siegel  &  Stoll.  32.  Pr.  1  Thlr.  Fol.  13  Seiten.  Erschienen 
1846. 

Das  Gedicht  ist  nicht  von  Wilhelm  Muller,  sondern  von  Joseph  v. 
Eichendorff;  in  des  letzteren  »Gedichten«  (Berlin  1837,  p.  4)  steht  es 
unter  der  Uberschrift  »Allgemeines  Wandern*. 

Ein  dankbareres  Stuck  fiir  vier  Solostimmen  als  dieses  laGt  sich  kaum 
denken.  Mit  frohlicher  Munterkeit,  flott  und  leicht,  nur  in  der  Mitte  an 
einer  kleinen  Stelle  sinnig  zuriickhaltend,  schreitet  das  melodiose  Werk  bis 
zum  Ende  fort.  Die  sehr  kunstreiche  Arbeit  tritt  dabei  nirgends  aufdringlich 
hervor;  seinen  Eindruck  bei  den  Zuhorern  wird  es  bei  nur  einigermafien 
sinngerechtem  Vortrag  nie  verfehlen  konnen. 


Op.  19.  In  banger  Zeit.  Vierstimmiger  Chor  mit  Pianofortebe- 
gleitung. Minden,  Musikalien-Magazin  bei  W.  FiBmer  &  Comp.  Pr.  der 
Partitur  mit  Stimmen  25  Sgr.     Fol.     19  Seiten.    Erschienen  1846. 

Text:  Die  bekannten  Choralworte   »Verleih  uns  Frieden  gnadiglich*  usw. 

IJber  die  Bedeutung  der  Kirchenmusikwerke  unseres  Ton di enters  haben 
wir  uns  bereits  so  weitlaung  ausgelassen,  dafi  wir  hier  nur  schon  Gesagtes 
wiederholen  mufiten,  wenn  wir  eine  ausfiihrlichere  Analyse  des  ziemlich  um- 
fangreichen  Werkes  geben  wiirden.  Uber  die  Kunst  des  Satzes  deshalb  hier 
kein  Wort.  Bemerkenswert  ist  in  diesem  Stlick  vor  allem  das  Hervortreten 
und  die  Selbstandigkeit  des  begleitenden  Instrumentes.  Schon  das  Vorspiel 
yon  nicht  weniger  als  56  Takten  weist  darauf  hin,  dafi  wir  einen  breit  an- 
gelegten  Gesang  zu  erwarten  haben.  Neben  feierlichen  A  kk  or  den,  die  auf 
inbriinstiges  Gebet  hindeuten,  zeigen  sich  darin  auch  bewegtere  Stellen,  die 
die  »schwere  Noth  der  Zeit*  treffend  zum  Ausdruck  bringen.  Der  Wechsel 
von  Solo  und  Chor,  die  mannigfachen  instrumentalen  Zwischenspiele,  dabei 
der  fast  durchweg  choral-  oder  wenigstens  kirchenliederartig  gehaltene  Satz 
der  Singstimmen  —  all   dies  fuhrt  uns   mit  fast  dramatischer  Gewalt  in  ein 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  45 

altes  Klosterrefektorium,  wo  Monche  und  Nonnen  (Soli)  und  angstvolles  Yolk 
(Chor)  den  Herrn  um  das  Ende  der  Kriegsnot  anflehen. 

Es  sind  wirklich  viel  Schatze  vergraben  —  nicht  bloB  im  Yatikan. 


Op.  20.  In  der  Fruhe.  Oedioht  von  Gothe,  fur  sechs  Solo- 
stimmen  (2  Soprane,  Alt,  Tenor,  2  Basse)  und  Pianoforte  ad  libit,  com- 
ponirt.  Leipzig,  bei  Siegel  &  Stoll.  33.  Pr.  V/A  Thlr.  Fol.  15  Seiten. 
Erschienen  1846. 

Goethe's  Gedicht  steht  ohne  Uberschrift *)  in  der  »Lieder  fiir  Liebende* 
uberschriebenen  Gruppe.  Wenn  eines,  so  verlangt  dieses  die  Musik;  denn 
auf  das  Stan  deb  en,  das  Manner  (von  auflen)  bringen,  antworten  Frauen  (von 
innen).  Der  scbon  in  der  Dichtung  reizende  Gegensatz  zwischen  beiden 
Stimmen,  die  von  der  beabsichtigten  bimmelweit  entfernte  Wirkung  des  Ge- 
sanges  auf  die  schlafenden  Frauen,  welcbe  —  anstatt  erweckt  zu  werden  — 
sich  yon  dem  »schonen  Getone*  vielmebr  einschlafern  las  sen,  hat  durcb  die 
uberaus  liebliche  und  scherzende  Musik  ein  neues,  frisches  Leben  gewonnen. 
Das  Stiick  beginnt  mit  dem  mannlichen  Terzett,  recht  jung  und  morgenschon 
in  D  dur,  wobei  durch  die  Anordnung  der  Singstimmen  ein  orchestraler  Effekt 
(Hornklang)  erreicht  wird.  Besonders  eindringlich  lafit  sicb  dabei  der  erste 
Ba£  vernehmen.  Lieblich  antworten  die  Frauen  im  weichen  Bdur;  wahrend 
der  erste  Sopran  die  Weise  des  Standchens  sanft  hervorhebt,  iibernimmt  der 
zweite  den  Ausdruck  des  Einlullens  und  Wiegens.  Nacb  nochmaliger  (ver- 
kiirzter)  Wiederholung  dieses  Wechselgesanges  werden  nun  alle  sechs  Stimmen 
hochst  kunstreicb  miteinander  verflochten;  die  Manner  ziehen,  wie  ja  nicht 
anders  zu  erwarten,  den  Klirzeren  und  das  ganze  verungliickte  »grofie  Wirken* 
endet  im  Pianissimo,  indem  die  Frauen  sicb  auf  die  »andere  Seite*  legen 
und  die  Manner  mit  ziemlich  langen  Nasen  und  recht  kleinlaut  abziehen. 
Keferstein2)  hat  recht,  wenn  er  am  Schlufi  seiner  kleinen  Besprechung  her- 
vorhebt, daB  man  dem  Komponisten  fur  seine  Gabe  uberall  Dank  wissen 
wird. 

Mit  diesem  holden  Scherz  endet  das  fruchtbare  Scbaffensjabr  1846.  Scheint 
es  doch,  als  wenn  Marx  sich  nach  der  anstrengenden  Tatigkeit  des  voran- 
gegangenen,  in  welchem  der  dritte  Band  der  Kompositionslehre  vollendet 
wurde,  in  eigenen  Schopfungen  erholen  wollte. 


Op,  21.  Gebet  urn  Kirchenfrieden.  Vierstimmiger  Chor  mit 
Pianoforte-Begleitung.  T.  Trautwein'sche  Buch-  und  Musikalien-Hand- 
lung  (J.  Guttentag)  in  Berlin,  Breite  StraBe  Nr.  8.  Petersburg,  bei  M. 
Bernard.  Leipzig,  bei  C.  F.  Leede.  Preis  der  Partitur  17 */»  Sgr.  Preis 
jeder  Chorstimme  5  Sgr.     Fol.     13  Seiten.     Erschienen  1847. 

Die  Dichtung  (zwei  schwungvolle  Strophen)  scheint  von  Marx  zu  stammen; 
sie  ist  auf  der  Innenseite  des  Titelblattes  ohne  Nennung  des  Autors  abge- 
druckt. 

Der  Gesang  hebt  nach  zwei  vollakkordigen  Einleitungstakten  des  Klaviers 
vollstimmig    an    und   beginnt   bald   sich   kontrapunktiscb    zu  gliedern.     Nach 


1)  Goethe's    Werke.      Ausg.    letzter    Hand.      Stuttgart    und    Tubingen    1835. 
Bd.  47,  p.  38. 

2)  vgl.  Keferstein's  Besprechung  von  Op.  13. 


46 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


der   Beendigung    der   so   vom   ganzen  Ghor  gesungenen  ersten  Strophe  folgt 
ein  langeres  Zwischenspiel  in  Sebastian  Bach's  Art: 


i 


J30JL 


f*    •*■ 


worauf  >Ein  Einzelner«  (Bali)  mit  der  gleichen  reich  figurierten  Begleitung 
die  zweite  Strophe  anhebt.  Der  Chor  fallt  leise  voller  Andacht  ein;  der 
»Einzelne«  tut  die  nachdrucksvollen  Fragen  »Ob  Gott?  —  ob  Weltgeist?, 
worauf  dann  abermals  der  Chorgesang  das  Anfangsmotiv  aufnimmt  und  den 
Gesang  stark,  in  ruhiger  Erhebung,  zum  Ende  ffthrt.  Sehr  schon  wirkt  eine 
12  Takte  wahrende  harfenartige  Begleitung. 


Op,  22.  Spanisohe  Lieder  ubertragen  von  Emanuel  Oeibel  for 
eine  Singstimme  und  Piano.  Berlin,  bei  Stern  &  Cie.,  JagerstraBe 
Nr.  36.  Heft  I  Nr.  1—6.  Pr.  2/3  Thlr.  Heft  II  Nr.  7—12.  Pr.  ■/,  Thlr. 
Fol.  15,  17  Seiten.     Erschienen  1847. 

Samtliche  Gedichte,  bis  auf  das  erste,  sind  in  »Volkslieder  and  Romanzen 
der  Spanier  im  Versmafie  des  Originals  verdeutscht  durch  Emanuel  Geibel« 
(Berlin  1843)  enthalten,  aus  welchen  bekanntlich  auch  Robert  Schumann  seine 
bekannten  »Spanischen  Lieder  «  *)  geschopft  hat.  Auch  hier  herrscht,  wie 
beim  »Fruhlingsspiel«  (Op.  14),  offenkundig  das  Bestreben  vor,  fortlaufende 
Liederkranze  (2)  zu  bilden;  im  ersten  Heft  finden  wir  (abgesehen  vom  ersten 
Lied  als  Einleitung  des  Ganzen)  die  Kreuz-,  im  zweiten  die  B-Tonarten  vor- 
herrschend,  so  dafi  ein  unmittelbarer  Ubergang  von  einem  Lied  in  das  andere 
erfolgen  kann. 

Erstes  Heft.  Nr.  1.  Sehnsucht.  Gedicht  von  E.  Geibel,  als 
Einfuhrung. 

Die  Wahl  dieses  aufierhalb  des  Eahmens  der  iibrigen  liegenden,  bereits 
in  Geibel's  erster  Gedichtsammlung2)  enthaltenen  Liedes  beweist,  dafi  auch 
Marx  ein  >Liederspiel«  beabsichtigte.  Die  volkstumliche,  strophische  Kom- 
position  des  auch  von  Schumann  betonten  Gesanges  >Ich  blick  in  mein  Hen 
und  blick  in  die  Welt*  3)  driickt  dem  Inhalt  des  Zyklus  das  charakteristische 
Geprage  auf:  Sehnsucht,  Lieben  und  Leiden,  Todesverlangen. 

Nr.  2.  Bedeckt  mich  mit  Blumen.  (Volkslieder  XTTT,  Cubridme  de 
flores,  p.  17.) 

Es  ist  ein  siifier  Liebestod  unter  Blumen,  den  sich  das  Madchen  wunscht; 
der  Tondichter  hat  darum  die  im  Einleitungslied  vorherrschende  Moll  ton  art 
ganz  verlassen ;  in  dem  einfachen,  seelenvollen  Gesang  zeigt  sich  der  Schmerx 
der  Liebe  durch  die  SttBe  ihrer  Qualen  verschleiert. 


1)  Op.  138. 


2)  Berlin  1840,  p.  119. 


3)  Op.  51,  Nr.  1. 


Leopold  Hirachberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


47 


Nr.  3.  Meine  Seel'  in  Schmerz  befangen.  Vom  Infanten  Don 
Juan  Manuel.     (Ebendaselbst  XII,  Mi  alma  mala  se  para,  p.  16.) 

Zartlichkeit  und  Stolz  sind  in  gleicher  Weise  pragnant  durch  eine  charak- 
teristische  Melodie  gekennzeichnet. 

Nr.  4.  Nelken  wind'  ich  und  Jasmin.  (Ebendaselbst  XXXVII,  Gojo 
jazmin  y  davd7  p.  58.) 

>Zart  und  weilend«  hat  Marx  sehr  passend  als  Tempo-  und  Ausdrucks- 
bezeichnung  gegeben.  Die  Gedanken  des  liebenden  Madchens  sind  nur  auf 
den  Geliebten  gericbtet;  selbst  eine  so  mecbaniscbe  Arbeit  wie  das  Winden 
des  BlumenstrauGes  wird  dadurch  beeintrachtigt;  und  diese  Zerstreuung,  dieser 
Mangel  an  Sammlung  wird  sehr  sinnreich  durch  einen  immerwahrenden  Takt- 
wechsel  angedeutet:  1.  Takt  </4>  2.  Takt  »/4l  3.  Takt  %,  4.  Takt  »/4l  8.  Takt 
4/i,  9.  Takt  */Al  10.  Takt  4/4  usw.  Von  dem  Moment  aber,  wo  das  Madchen 
die  Bedeutung  des  gewundenen  StrauBes,  als  eines  Boten  an  den  Jungling 
ihrer  "Wahl,  kundgibt,  bleibt  die  Einheit  des  Taktes  langer  bestehen;  kleine 
Koloraturen  wie: 


Und  ihrwei 


Ben  Bltiten  werth,  sanft  mit  Duf 


ten  gruBet  ihn 


geben  dem  Ganzen  ein  sehr  zartes,  Begleitungsfiguren  wie  hier: 


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a-,  j.  t-m?  ■  f; 


j^tfi^#^ip^ 


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^frgcgR 


*fc 


ein  tranenvolles  Geprage. 

Nr.  5.  Komm  o  Tod.  Vom  Kommendador  Escriva.  (Ebendaselbst 
XXI,    Ven  muerte  tan  escondida,  p.  31.) 

Ein  inniges  Sterbelied  ohne  besondere  Eigentumlichkeiten. 

Nr.  6.  Klinge,  klinge  mein  Pandero.  Alvaro  Fernandez  de 
Almeida.  (Zigeunerlied.)  (Ebendaselbst  XVHI,  Tango  vos  el  mi  pandero , 
p.  26.) 

Bereits  in  den  »Zigeunerinnen«  (Op.  13)  hatte  Marx  seine  Fahigkeit  und 
Sicherheit  fur  dergleichen  charakteristische  Vorwlirfe  bewiesen ;  er  beweist  sie 
von  neuem  in  diesem  Gesange,  dem  zweifellos  wertvollsten  der  ganzen  Samm- 
lung, und  geeignet,  die  bekannte  Jensen'sche  Komposition  in  den  Schatten 
zu  stellen.  Eine  wilde  Figur,  die  bis  zum  Schlufi  anhalt,  ist  das  Signum 
dieses  Stiickes;  das  Tonen  des  Pandero  selbst  wird  durch  das  Motiv: 


pfe^ 


X 


gemalt. 


48  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

Zweites  Heft.  Nr.  7.  Unter  den  Baumen.  Antonio  deVillegas. 
(Ebendaselbst  XLI,  En  la  pena,  suso  la  pena,  p.  64.) 

Ein  schones  Wiegenlied,  wie  der  Text  es  vorschreibt. 

Nr.  8.  Wohl  aus  hartem  Felsgestein.  (Ebendaselbst  XXVII,  De 
piedra  pueden  dedr,  p.  39.) 

Ein  hartes,  strenges  Lied,  in  der  Begleitung  an  Schumann's  »Ich  kanns 
nicht  fassen,  nicht  glauben«  1)  lebhaft  erinnernd. 

Nr.  9.  Alle  gingeri  Herz  zur  Ruh.  (Ebendaselbst  VIII,  Todos  duermen 
coraxon  p.  11.) 

Still  nnd  traurig,  langsam,  wie  todesmatt,  erklingt  gleich  das  Vorspiel 
mit  seinen  Staccatos  im  pp;  dann  setzt  die  Singstimme  mlide  ein,  immer 
yon  Staccato  begleitet.  Nur  im  Mittelsatz  scheint  —  fur  eine  kurze  Zeit 
—  ein  Hoffnungsschimmer  zu  leuchten;  aber  bald  erlischt  auch  der,  und  das 
Lied  endet,  wie  es  angefangen. 

Nr.  10.  Tief  im  Herzen  trag'  ich  Pein.  Luis  de  Camoens.  (Eben- 
daselbst IV,  De  dentro  tengo  mi  mal,  p.  6.) 

Bei  diesem  Gesang  befremdet  die  Wahl  des  Polacca-Tempos.  Zwar  zeigt 
sich  im  Bafi  der  Begleitung  durch  eine  Violoncell-Imitation : 


die  schmerzvoll-unruhige  Erregung ;  ebenso  lassen  spaterhin  Staccato -Synk open 
das  Spriihen  des  Funkens  gut  hervortreten  —  im  ganzen  aber  hinterlafit  das 
Stiick  einen'nur  wenig  befriedigenden  und  nachhaltigen  Eindruck. 

Nr.  11.  Hoch,  hoch  sind  die  Berge.  Pedro  de  Padilla.  (Eben- 
daselbst XXXVI,  La  sierra  es  alia,  p.  57.) 

Schon  empfunden  dagegen  und  durch  den  sinngemafien  Wechsel  von  Ton- 
art  und  Takt  besonders  anmutig  ist  dieses  Madchenlied.  Anfanglich  in 
Fmoll  (%))  zur  Schilderung  der  Bergeshohe,  tritt  bei  der  Bitte  an  das 
Miitterlein  das  verwandte  Asdur  (4/4)  ein.  Die  unbefriedigte  Sehnsucht,  die 
das  Ganze  beherrscht,  gibt  sich  schon  dadurch  zu  erkennen,  daO  das  Lied 
mit  der  Dominante  beginnt  und  endigt. 

Nr.  12.  Dereinst  dereinst.  Cristobal  de  Castillejo.  (Ebenda- 
selbst III,  Alguna  vex,  p.  5.) 

Ein  breit  ausgefuhrter ,  beruhigender  SchluBgesang ,  dessen  die  Unrast 
des  Lebens  schildernden  Synkopen  endlich  friedlichen  Gangen  und  Akkorden 
weichen  mussen. 

Im  ganzen  ist  dieser  Liederkranz  weniger  bedeutend  und  eindrucksvoll 
als  das  »Fruhlingsspiel«. 

Op.  23.  Morgenruf  von  G,  Herwegh  fiir  Mannerchor,  achtetimmig. 
Minden,  bei  W.  FiBmer  &  Comp.  Leipzig,  bei  R.  Friese.  Pr.  25  Sgr. 
gr.  8.    20  Seiten.    Erschienen  1848. 

Georg  Herwegh'8  hochberiihmtes  Freiheitslied  ziert  seine  anonym  er- 
schienenen  >Gedichte  eines  Lebendigen«  2). 

1)  Op.  42,  Nr.  3. 

2)  Zurich  und  Winterthur  1843,  Bd.  2,  p.  4—6. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


49 


In  diesem  und  dem  folgenden  begeisterungsvollen  Gesange  hat  Marx  seine 
freiheitlichen  Gesinnungen  im  Jahre  1848  ausgesprochen.  Wenn  wir  ihn 
horen  (wann?),  so  wttrden  wir  ebenso  wenig,  wie  es  jetzt  beim  Spielen  der 
Pall  ist,  an  die  kunstvolle  Durcharbeitung  denken;  nur  die  hohe  Glut  der 
Begeisterung  wiirde  uns  daraus  entgegenleuchten.  Wie  sinnyoll  ist  der  Be- 
ginn  durch  die  Molltonart  geschaffen;  bei  aller  Kraft  und  straffen  Rhythmik 
markiert  sie  doch  die  noch  dampfenden  Nebel  des  Morgens,  aus  denen  der 
Lerchengesang  unser  Ohr  beriihrt;  wenn  sich  dann  der  Sonnenball  in  vollem 
Glanz  erhebt,  beginnt  die  Durtonart  einzutreten,  —  jetzt  ist  der  Tag  er- 
wacht  —  plotzlicher  Ubergang  aus  G-  nach  Es  dur.  In  feuriger  Lebhaftigkeit 
beginnt  und  endet  der  SchluBsatz  der  Strophe: 


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Her  -  aus,      wer  ans     e     -     wi 

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ge     Licht     noch      glaubt! 


£=--=f=-^PT5F 


Der  Chor  ist  (in  der  letzten  Strophe  mit  geringfugigen  Abweichungen)  stro- 
phisch  komponiert.  

Op.  24.  »Hinaus  mein  Lied«  Preiheitsgesang  fur  Baryton  mit 
Pianoforte.  Minden,  bei  W.  FiBmer  &  Co.  Leipzig,  bei  B.  Friese.  Pr. 
7Vi  Sgr.  gr.  8.     11  Seiten.    Erschienen  1848. 

IJber  den  Dichter  (Weber  Witte)  konnte  ich  nichts  ermitteln. 

Das  einstimmige  Analogon  des  vorigen;  voll  Mut  und  Starke  setzt  der 
Gesang  nach  langem  Yorspiel  ein  und  wird  durch  fiinf  Strophen  geffihrt.  Der 
Stimme  werden  nicht  geringe  Anstrengungen  zugemutet. 

Op.  25,  Seohs  Gesange  far  vier  Mfinnerstimmen.  Minden,  bei 
W.  FiBmer  &  Comp.  Leipzig,  bei  R.  Friese.  Pr.  der  Partitur  7y2  Sgr. 
Stimmen  V/2  Sgr.  gr.  8.     12  Seiten.    Erschienen  1848. 

Nr.  1.  Wenn  die  Nacht  mit  suBer  Buh\  H.  W.  v.  Bamford.  Ein 
nicht  korrigierter  Setzerfehler  hat  den  Namen  des  Dichters  entstellt.  Es 
handelt  sich  um  Heinrich  Wilhelm  v.  Stamford,  einen  Generallentnant;  in 
seinen  >Nachgelassenen  Gedichten «  (Hannover  1808)  findet  sich  der  Text  mit 
der  Uberschrift  »Standchen«   (p.  30). 

Ein  anspruchsloses  kurzes  Abendlied,  mit  schoner  Melodik  und  trotz  seiner 
Kurze  fein  gearbeitet. 

Nr.  2.    Der  tadellose  grofie  Herr.     Mohammed  Schemseddin. 

> Mohammed  Schemseddin*,  die  Sonne  des  Glaubens,  mit  dem  Beinamen 
Hafis,  der  Bewahrer  des  Koraiis,  weil  er  dies  heilige  Buch  von  einem  Ende 
sum  andern  auswendig  wuflte,  war  geboren  zu  Schiras  und  lebte  daselbst 
Ton  den  ersten  bis  zu  den  letzten  Dezennien  des  14.  Jahrhunderts  hin,  in 
Zeiten  also,  wo  es  bei  uns  im  Occident  noch  tief  nachtete.*  Diese  Stelle 
aus  der  Yorrede  eines  der  kbstlichsten  BUcher1)  macht  uns  mit  dem  Dichter, 

1)  Richard  Wagner  an  Theodor  Uhlig  (Briefe,  Leipzig  1888,  p.  220f.)t  WJetzt 
8.  d.  IMQ.   X.  4 


50 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernkard  Marx. 


bzw.  Nachdichter  des  in  Rede  stehenden  and  einiger  noch  folgender  Gesange 
bekannt.  Es  ist  Georg  Friedrich  Baumer,  der  beriihmte  Erzieher  des  Find- 
lings  Kaspar  Hauser,  liber  dessen  dichterische  Bedeutung  von  Interessenten 
ein  kleiner  Aufsatz  von  mir1)  nachgelesen  werden  kann.  Daumer's  »  Hafts  «, 
ein  einzigartiges,  bisher  noch  nicbt  wieder  erreichtes  Buch,  erschien  im  Jahre 
1846  2j}  aus  ihm  hat  Marx  die  prachtvollen  Worte  fiir  seine  Chore  entnommen. 
»Der  tadellose  grofie  Herr«  steht  als  Nr.  CVI  auf  Seite  64. 

Die  Tempobezeichnung  »Pathetisch«  ist  natiirlich  von  der  komischen  Seite 
zu  nehmen.  Die  Komposition  ist  derart  gehalten,  dafi  von  den  4  Strophen 
des  Gedichtes  je  2  und  2  zusammengefafit  werden.  Der  zweite  Ba£  ist  in 
der  ersten  Strophe  als  eine  Art  Vorsanger  zu  betrachten,  indem  er  die  drei 
ersten  Yerszeilen  vorspricht,  die  dann  von  den  iibrigen  drei  Stimmen  wieder- 
holt  werden,  wahrend  in  der  zweiten  der  erste  Tenor  den  Vorspruch  iiber- 
nimmt  and  seine  gottlich-sorgenlose  Weisheit  sich  vom  Chor  mit  einem 
kraftigen  »Nimmermehr«  bestatigen  lafit.  Ein  ausgezeichnet  dankbares  Stuck 
fur  gebildete  Leute. 

Nr.  3.    An  Selene.     Sappho. 

Als  Gedicht  Sappho's  apokryph. 

In  dieser  schlechthin  vollendeten  Komposition  findet  sich  alles  vereint: 
vollkommene  Durchgeistigung  des  Inhalts,  ungemeine  Zartheit  der  Tonsprache, 
prachtvolle  Harmonik  und  Bhythmisierung,  staunenswerte  formale  Behandlung. 
Wundervoll  ist  z.  B.  zwecks  Erzielung  des  eigentUmlichen  Tonfalls,  der  das 
sapphische  Metrum  auszeichnet,  der  Wechsel  zwischen  dem  3/4  und  4/4  Takt: 

Jim — j__j — ^__ ^ — h, — r — + 


Welch  herrliche  harmonische  Folge  in  diesem: 


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t=s: 


j.  j 


n 


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*=*: 


m£=p 


qp: 


3ar 


F= 


rJ^ 


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TOU 

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a. 


im    hei-ter-sten  Licht  da  -  hin  strahlt  u  -  ber   den    Erd-kreis. 


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a^Ai^  «U 


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Jin  L  i     u  pi     1 1    ' 


~p — p~ 


hore:  Mensch!  Mensch!  Mensch!  Schaff  Dir  Hafis  an,  (Hafis  Gedichte,  Samm- 
lung  von  Daumer.)  I.  Bei  Campe  in  Hamburg.  II.  Neuerdings  in  Nurnberg  er- 
Bchienen.  Dieser  Pereer  Hafis  ist  der  groBte  Dichter,  der  je  gelebt  und  gediohtet 
hat.  —  Wenn  Du  Dir  ihn  nicht  augenblicklich  anschaffst,  verachte  ich  dich  in 
Grand  und  Boden:  Scfcreib  die  Kosten  zu  den  Tannhauser-Auslagen.  Danke  nur 
fiir  diese  EmpfehtoflgU 

1)  Hirschberg,  L.    Ein  unbekannnter  deutscher  Dichter.    Nordd.  Allgem.  Zeit., 
1903,  Nr.  5,  9.  2)  Hamburg  bei  Hoffmann  u.  Campe. 


Leopold  Hirochberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  51 

Nicht  allein  eine  stille  Feier  der  Mondnacht  erleben  wir,  nein,  auch  die  dunkel 
lodernde  Glut  brUnstiger  Liebe  gibt  sich  una  zu  erkennen.  Mit  Karl  Loewe's 
trefflichen  Betonungen  horazischer  Oden  *)  steht  dieses  "Werk  auf  gleicher 
Hohe.  Es  ist  auBerdem  interessant,  Marx,  der  bekanntlich  eine  »  griechische 
Musikc  mit  Becht  als  apokryph  bezeichnet3)  and  dessentwegen  manche  Fehde 
auszufechten  hatte3),  als  Komponisten  eines  antik  griechischen  Textes  in 
solcher  Meisterschaft  kennen  zu  lernen. 

Nr.  4.  Holder  West,  beschwingter  Bote.  Mohammed  Schem- 
seddin. 

Die  Dichtung  von  Daumer  nach  Hafis  findet  sich  a.  a.  0.  -p.  25  als 
Nr.  XLIII,  nur  mit  dem  TJnterschied,  dafl  dort  » Holder  Ostc  stent.  Aus 
diesem  Grunde  moge  die  von  Klitzsch4)  zu  Becht  aufgestellte  Behauptung, 
dafi  die  »morgenlandische«  Sehnsucht  nicht  gut  genug  darin  durchklinge, 
ihre  Entschuldigung  durch  den  Tondichter  finden.  Der  Gesang  ist  ohne  Be- 
deutung. 

Nr.  5.  Nicht  diistre,  Theosoph,  so  tief.  Mohammed  Schemseddin. 
Text  bei  Daumer  ebendaselbst  p.  125,  Nr.  CXCII. 

Ein  bis  zur  Ausgelassenheit  heiterer  Gesang,  ein  gefundenes  Fressen  fur 
»Schweinchen  aus  der  Heerde  Epikurs*,  nirgends  aber  ins  Gemeine  oder 
Unanstandige  ausweichend. 

Nr.  6.  Es  fliegt  manch  Voglein  in  das  Nest.  Geibel.  Zu  finden 
als  Nr.  II  der  »Lieder  eines  fahrenden  Sch tilers*  (Gedichte,  26.  Aufl.,  Berlin 
1851,  p.  297). 

Ein  volkstttmlich-launiges,  dabei  einer  gewissen  Wehmut  nicht  entbehren- 
des  Lied.  Nur  ist  schwer  zu  verstehen,  wie  der  doch  so  feinsinnige  Musiker 
darauf  gekommen  sein  mag,  dieses  typisch  von  einem  Madchen  zu  sprechende 
Gedicht  fur  vier  Mannerstimmen  zu  setzen ;  es  m  u  B  darum  wirkungslos  ver- 
hallen. 

Op.  26.  Sechs  Gesange  fur  Sopran,  Alt,  Tenor  und  Bass.  Minden, 
bei  W.  FiBmer  &  Comp.  Leipzig,  bei  R  Friese.  Pr.  der  Partitur  mit 
Stimmen  20  Sgr.,  Stimmen  allein  10  Sgr.  gr.  8.  15  Seiten.  Erschienen 
1848. 

1.  Zu  der  Bose,  zu  dem  Weine  komm!  Hafis.  Dichtung  von 
Daumer  nach  Hafis  (a.  a.  0.  p.  56,  Nr.  XCIV). 

Dieses  unter  die  sch  oris  ten  der  vielen  Ghasele  gehorige  Gedicht  hat  Marx 
in  zart  erregte  Tone  gekleidet.  Die  Grundlage  ist  eine  strophische,  doch 
finden  sich  in  jeder  Strophe  so  feinsinnige  Umbiegungen  des  Hauptmotivs, 
da&  man  immer  wieder  von  neuem  liber  eine  Vielseitigkeit,  die  ganzlich  in 
Vergessenheit  geraten  ist,  erstaunen  mull. 

2.  Ich  dachte  dein  in  tiefer  Nacht.  Hafis.  (Ebendaselbst,  p.  31, 
Nr*.  LI.) 


1)  Op.  57. 

2)  Schilling,  Universal- Lexikon  der  Tonkunst,  Artikel:  Griechische  Harmonie. 

3)  >An  Herrn  Professor  Marx  iiber  griechische  Musik«   von  Drieberg  (Cacilia, 
Bd.20,  1839,  p.  73  ff,). 

4)  Neue  Zeitschr.  f.  Musik  1849,  Bd.  30,  Nr.  9,  p.  46. 

4* 


52 


Leopold  Hinchberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


Ein  sinniges,  inbrunstiges  Lied  der  Sehnsucht,  an  Karl  Loewe's  Jugend- 
komposition  von  Goethe's  »Ich  denke  dein«  *)  fliichtig  erinnernd2). 

3.  Pie  Trauben  reifen.  Lowenstein.  Unter  der  ttberschrift  >Herbst- 
lust*  gedruckt  in  > Kindergarten «.  Gedichte  von  Rudolph  Lowenstein.  (Berlin 
1846,  p.  35.) 

Ala  Kinderlied  vom  Dichter  gedacht,  vom  Tondichter  aber  zu  kunstreich 
ausgefuhrt. 

4.  Peierabend.  Geibel.  Gedruckt  in  den  >Gedichten«  (26.  AufL, 
Berlin  1851,  p.  37). 

Ein  sanftes  Abendlied,  in  dem  schon  Traumeswirren  ihre  magischen  Netze 
auazustrecken  scheinen,  einfach  und  klar  verstandlich. 

5.  Nicht  mit  trister  Miene.    Hafis.    (A.  a.  O.  p.  82,  Nr.  CXXXVII.) 
Der  Dichter  verbietet   denen,   die  ihn  zu  Grabe  tragen,  mit  trtibseligen 

Mienen  zu  erscheinen;  mit  einem  Becher  Wein  und  einem  frohlichen  Liede 
sollen  sie  kommen;  dann  werde  er  aus  dem  Grabe  steigen  und  mit  ihnen 
tanzen  und  springen.  Zweifellos  ein  Gedicht  voll  (auch  musikalisch)  wirksamer 
Gegensatze,  von  Marx  richtig  ergriffen.  »Schleichend  und  geduckt*  beginnt 
der  Alt  allein: 


i 


* 


is 


^=&=r=i 


WW: 


*=& 


Nicht  mit 


tri  -  ster        Mie-ne,      nicht  mit     Tra  -  nen      tru  -  be 


leicht  und  hiipfend,  dann  zu  lebhaftestem  Ausbruch  sich  steigernd,  folgen 
die  anderen  Stimmen.  Die  zweite  Strophe  ist  analog  gebaut,  nur  dafi  hier 
der  BaB  beginnt  und  ergotzlich  das  Aufsteigen  des  unermiideten  Trinkers 
malt: 

t-^r-r-^ 


^£^P=$=» 


^dsm=£ 


^ 


m 


Stei  -  gen        aus      dem 


Duft 


wird    der        al    -    te 


Ze  -  cher. 


6.  Abendschiffahrt.  Justinus  Kerner.  Unter  diesem  Titel  zum 
eratenmal  gedruckt  in  »  Gedichte  von  Justinus  Kerner «  (Stuttgart  und  Tu- 
bingen 1826,  p.  157). 

Auch  diesen  Gesang  mttssen  wir  unter  die  hervorragenden  der  Chor- 
literatur  zahlen.  Schon  der  Gedanke,  ein  rein  trochaisches  Gedicht  im 
12/g  Takt  zu  komponieren,  ist  bemerkenswert  und  in  diesem  Fall©  auch  von 
ganz  eigentumlicher  Wirkung.  Wahrend  die  drei  Oberstimmen  die  ruhig- 
andachtsvolle  Melodie  in  schSnster  Formenkunst  ausfuhren,  fallt  dem  BaB 
die  Aufgabe  zu,  durch: 


grrm 


3s=± 


* * * — ■ *— * * * n- 

Wenn  von  hei  -  li  -  ger    Ka  -  pel  -  le,  wenn  von  hei  -  li  -  ger    Ka  -  pel  -  le. 

das    Lauten    der   Abendglocken    zu    malen.     Wundervoll    ist   Harmonie    und 
Stimmfuhrung  bei  der  Stelle: 


1)  Gesamtausgabe,  Bd.  11,  p.  6. 

2)  Die  eingehende  Besprechung    von  E.  Klitzsch  findet  sich  in    »Neue  Ztachr. 
f.  Musik«  1849,  Bd.  30,  p.  273. 


Leopold  Hirschberg,  Dor  Tondichter  Adolph  Bornhard  Man. 


53 


Dann  f&hrt  das  Schiff,   »durch  Mond  and  Sterne  znr  Kapelle  iungewandelt«, 
weiier  in  das  nachtige  Dunkol  hinein. 

Elitzsch  (a.  a.  0.)  sagt  von  diesem  Opus:  »Diese  Gesange  atmen  den  kunst- 
reich  schaffenden  Geist,  der  sich  mitLiebe  der  Behandlung  seines  Stoffeshingibt.< 


Op,  27.  Festgesftnge  fox  M&nnerchor  (flir  die  Feste  der  Berliner 
Universitat  gesetzt).  Partitur  und  Stimmen.  Drei  Hefte.  Leipzig,  Breit- 
kopf  &  Hartel.     11,  11,  9  Seiten.    Erschienen  1858. 

Zehn  Jahre  Pause  im  Schaffen!  Was  alles  entstand  in  ihnen!  Die  sich 
immer  neu  wiederholenden  Auflagen  der  vierb&ndigen  »Kompositionalehre«, 
die  »Musik  des  neunzehnten  Jahrhunderts*,  der  >  Beethoven*,  die  Vorarbeiten 
der  »Chorschule«  und  des  »Gluck«.     Da  war  zu  anderem  nicht  viel  Zeit. 

Erstes  Heft.  (Pr.  15  Ngr.)  Verkundigung  Haggai.  (Der  Prophet  Haggai, 
Kapitel  2,  V.  7  u.  8.) 

Zweites  Heft.  (Pr.  15  Ngr.)  Segen  der  Eintracht.  (»Siehe,  wie  fein 
und  lieblich  ist,  daC  Briider  eintrachtig  bei  einander  wohnen  «,  Psalm  133,  V.  1  u.  3.) 

Drittes  Heft.    (Pr.  15  Ngr.)    Nisi  dominus.    (Vulgata-Text  von  Psalm  127.) 

Den  schon  wiederholt  gegebenen  Ausfuhrungen  fiber  die  in  streng  kirch- 
licher  Form  ausgefuhrten  Marx'schen  Kompositionen  ist  auch  betr.  dieser  drei 
AVerke  nichts  mehr  hinzuzufugen,  da  sie  die  formaJe  Gewandtheit  ihres 
SchSpfers  wieder  aufs  beste  hervortreten  lassen. 


Anhang.    GesSnge  aus  der  »Chorschule«.    Erschienen  1860. 

Als  Anhang  zu  diesem  bedeutsamen  theoretischen  Werk  hat  Marx 
62  Ubungssatze  in  Partitur  gegeben,  die  auch  in  ausgeeetzten  Stimmen  er- 
schienen sind1).  Yon  diesen  gehoren  51  Stiicke  seiner  eigenen  Komposition 
an,  und  zwar: 

Nr.  1.  Schritt  fiir  Schritt!  Nr.  2.  Bindet  linde  Ton  an  Ton.  Nr.  3.  Heiter 
eteigen  unsre  Lieder.  Nr.  4.  Leichten  Trittes  strebt  empor.  Nr.  5.  Morgenlied. 
Nr.  6.  Festliche  Klange.  Nr.  7.  Tanz.  Nr.  8.  Mondesglanz  kommt  still  gefloesen. 
Nr.  9.  Tanzlied  von  J.  H.  Vofl.  Nr.  10.  Andacht.  Nr.  11.  Stille.  Nr.  12.  Ruhrig 
und  frisch.  Nr.  13.  Frieden.  Nr.  14.  Abendlied.  Nr.  15.  Das  deutsche  Vater- 
land  v.  Matth.  Claudius.  Nr.  16.  Reigen  zum  Ballspiel.  Nr.  17.  Tanzreigen  v. 
J.  H.  VoB.  Nr.  18.  Die  Wasche  (ein  Scherz).  Nr.  19.  Terzenlauf.  Nr.  20.  Terzen- 
klang.    Nr.  21.  Zum  neuen  Jahr  von  Goethe2).   Nr.  22.  Stiller  Wunsch  von  Goethe3). 

1)  Ausgesetzte  Stimmen  zu  den  Cbungssatzen  der  Ghorschule  von  A.  B.  Marx. 
Leipzig,  Breitkopf  &  Hartel.     Preis  1  Thlr. 

2)  Werke.     Ausg.  letzt.  Hand.     Stuttg.  u.  Tub.  1827,  Bd.  1,  p.  119. 

3)  Nicht  von  Goethe. 


54  Leopold  Hinchberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

Nr.  23.  Lenzes  Ankunft.  Nr.  25.  Wandern.  Nr.  26.  Tanzlied  (cf.  Nr.  9).  Nr.  27. 
Mailied  von  Goethe  *).  Nr.  29.  Die  Nacht.  Nr.  30.  Waldnacht  von  Tieck.  Nr  31. 
Jagerlust.  Nr.  32.  Mondnacht.  Nr.  33.  Vanitas!  vanitatum  vanitas!  von  Goethe2). 
Nr.  34.  Der  Musensohn  von  Goethe*).  Nr.  36.  Stille  Fahrt.  Nr.  38.  Waldklang. 
Nr.  39.  Aus  dem  Kloster.  Nr.  40.  Denkspruch.  Nr.  41.  Lobgesang.  Nr.  42.  Mutter 
Natur  von  Stolberg.  Nr.  43.  Bitten.  Nr.  45.  Verkiindigung.  Nr.  46.  Der  Herr 
ist  mein  Licht.  Nr.  47.  Beschreibung.  Nr.  49.  Morgengesang.  Nr.  50.  Lobgesang. 
Nr.  52.  Naturfreude.  Nr.  53.  In  Bedrangnis.  Nr.  54.  In  Noth.  Nr.  55.  Abend- 
lied.  Nr.  56.  Gute  Nacht  von  Th.  Korner.  Nr.  57.  Bergfahrt.  Nr.  61.  Abend- 
glocken. 

Der  Vergleich  dieser  Kompositionen  mit  denen  aus  einem  ahnlichen 
Zwecken  dienenden,  erst  neuerdings  wieder  ans  Licht  gezogenen  Werke,  der 
Gesang8chule  von  Karl  Loewe4),  ergibt  vdllige  tJbereinstimmung.  Beide 
soil  en  im  wesentlichen  TJbungszwecken  dienen ;  aber  ebensowenig  wie  sich  bei 
Loewe  in  einer  Unzahl  von  Ubungs-Liedern  und  -Liedchen  der  wahre, 
schaffende  Tonmeister  verleugnen  kann,  so  hat  auch  Marx  in  verschiedenen 
dieser  Stttcke  —  sicherlich  ohne  den  entferntesten  Anspruch  darauf  zu  er- 
heben  —  Kompositionen  geliefert,  die  iiber  das  Niveau  von  einfachen  tfbungen 
hinausgehen.  Hierher  gehoren  namentlich  die  Kompositionen  Goethe'scher 
Dichtungen  (Nr.  21,  27,  33,  34),  die  Tieck'sche  »Waldnacht«  (Nr.  30),  vor 
allem  aber  die  grofi  angelegten,  kirchlichen  Chorsatze  Nr.  50,  53  und  54, 
die  den  Lernenden  den  »weiteren  Ausbau  der  Harmonie*  vermitteln  sollen. 
Ganz  reizend  ist  Nr.  39,  wo  ein  Wechsel  von  » heller  und  dunkler  Stimmec 
vorgesehen  ist.  Es  wird  in  den  Schulen  noch  so  viel  Schlechtes  geiibt  und 
gelernt,  dafi  man  gar  nicht  genug  auf  die  gediegenen  Werke  von  Loewe  und 
Marx  hinweisen  kann. 


II.  Ungedruckte  Werke. 

'"^"Wir  werden  sinngemaB  drei  Gruppen  zu  unterscheiden  haben;  und  zwar 
umfaBt  die  erste  Gruppe  die  vor  1830  (Op.  1)  geschriebenen  Werke,  die  zweite 
die  Zeit  von  1830—1858  (Op.  1—27),  die  dritte  die  nach  1858  entstandenen  Kom- 
positionen. 

A.  Erste  Gruppe.    (Vor  Op.  1  komponiert). 
1.  De  profundis.    Vierstimmiger  Chor.    kl.  qu.  4  Seiten.    Kompo- 
niert (Berlin  am  5.  Februar)  1823 »). 

Ein  erster  Yersuch  des  jungen  Tondichters  im  strengen  Satz,  noch  nicht 
auf  der  Hohe  der  spateren  Werke  stehend,  aber  doch  schon  das  Bestreben 
erweisend,  nicht  nur  der  Form,  sondern  auch  dem  geistigen  Inhalt  gerecht 
zu  werden.  In  letzterer  Hinsicht  ist  namentlich  der  ganz  dumpfe,  wie  aus 
tiefsten  Tiefen  aufsteigende,  bei  dem  *damavi*  sich  steigernde  Einsatz  der 
Basse  bemerkenswert. 


1)  Ebendaselbet,  p.  80. 

2)  Ebendaselbet,  p.  145. 

3)  Ebendaselbet,  p.  25. 

4)  Gesanglehre  theoretisch  und  praktisch.     4.  Aufl.     Stettin  1851. 

5)  Im  Besitz  der  Konigl.  Bibliothek  zu  Berlin. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  56 

2.  Jery  and  Bately.  Bin  Singspiel.    Von  Goethe.    Komponiert  1824. 

Davon  vorhanden :  Orchesterstimmen,  1  Dirigierstimme  von  Nr.  4 *),  Sing- 
stimme  (Rolle)  des  Yaters  und  des  Jery2).     Parti tur  fehlt. 

Goethe's  Singspiel  erschien  als  Einzeldruck 3)  zum  ersten  Male  1790,  wo- 
nach  auch  die  folgenden  Zitate  gegeben  sind.  Vor  Marx  ist  es  nicht  weniger 
als  siebenmal  komponiert  worden,  und  zwar  von  Peter  v.  Winter,  (Mttnchen 
1790),  J.  v.  Schaum  (Ols  1795),  Friedr.  Reichardt  (Berlin  1801,  die  be- 
kannteste  und  beruhmteste  Betonung),  G.  B.  Bierey  (Dresden  1803),  Konr. 
Kreutzer  (Wien  1809),  M.  Frey  (Mannheim  1810)  und  F.  L.  Seidel 
(Berlin  1815)*). 

Tiber  Entstehung,  Vollendung  und  Auffuhrung  des  Werkes  berichtet  Marx 
ausfuhrlich  5) : 

»Ich  fuhlte  mich  eines  Morgens  unwohl,  wollte  mich  ausruhn  und  schickte  zu 
einem  nachbarlichen  Freunde,  —  er  moge  mir  irgend  ein  leichtes  Buch  senden. 
Ich  erhielt  einen  Band  von  Goethe.  Auf  dem  Sopha  liegend  blatterte  ich  ihn  durch 
und  stieB  auf  das  Singspiel  Jery  und  Bately,  das  ich  zufallig  noch  nicht  kannte. 
Ohne  besondern  Antheil  fing  ich  an  zu  lesen.  Da  faftte  mich  bei  dem  kleinen 
Gedicht: 

Gehe! 

Verschmahe  .  .  . 

die  Stimmung  und  Melodie  des  Augenblicks  unabsichtlich  und  fast  unwissentlich. 
Ich'  langte  ein  Notenblatt  herbei  und  zeichnete  die  Weise  auf.  Sogleich  war  Krank- 
heit  und  alles  vergessen.  Als  einige  Stunden  spater  der  Freund  kam,  nach  mir 
zu  sehn,  hatte  ich  die  ersten  fiinf  Gesange  komponirt.  Er  gab  ihnen  Beifall  und 
schon  bedurfte  es  seines  Zuredens  nicht  mehr,  —  das  ganze  Singspiel  ward,  bis 
auf  die  Ouverture,  in  ein  paar  Wochen  vollendet,  —  nur  im  Entwurfe,  aber  mit 
bestimmter  Vorstellung  der  Instrumentation. 

»Friihere  und  spatere  Unternehmungen  waren  nie  zur  Verwirklichung  gekommen, 
ohne  daft  ich  sie  zuvor  langere  Zeit  in  mir  hatte  reifen  lassen.  Diesmal  war  das 
Ganze  gleichsam  aus  dem  Stegreif  und  ohne  vorherigen  Entschluft  entsprungen,  ich 
wuftte  kaum  wie.  Nun  erst,  von  Freunden  und  Musikverstandigen  angeregt,  be- 
schloft  ich,  das  Werk  zu  offentlicher  Auffuhrung  darzubieten.  Die  Partitur  der 
Gesange,  zuletzt  die  Ouverture,  lag  bald  vollendet  vor  mir. 

»Ich  kann  wohl  sagen,  daft  ich  von  Goethe's  Dichtung  erfullt  war  und  daft 
mir  jeder,  vom  Dichter  fur  Komposition  ausersehene  Moment  tief  in  das  Herz  ge- 
drungen  war.  Allein  eins  kam  mir  nicht  zum  Bewufttsein,  als  bis  es  zu  spat  war. 
Die  Gesange  des  groBen  Dichters,  so  innig,  so  charakterwahr,  sind  fiir  Komposition 
—  unbrauchbar;  sie  sind  zu  kurz,  um  dem  Musiker  Raum  zu  geben  fur  tiefere, 
oder  nur  bestimmte  Wirkung;  und  wiederum  sind  sie  zu  charaktervoll  und  tief- 
ergreifend,  als  daft  man  sie  fliichtig  nach  Art  des  Vaudeville  oder  Iiederspiels  leicht 
abfertigen  konnte.  Das  Letztere  hatte  Reichardt  versucht,  und  der  wiirdige, 
herrliche  Alte  durfte  es  in  seiner,  der  vormozartischen  Zeit,  in  welcher  Iiederspiel 
und  Operette  gar  nicht  mit  Ernst  und  Tiefe,  sondern  als  ein  artiges  >Musenspiel< 
behandelt  wurden.     Mozart   hatte   uns   auf  andere  Wege  gewiesen6).     So  konnte 


1)  Im  Besitz  der  Konigl.  Bibliothek  zu  Berlin. 

2)  Im  Besitz  der  Bibliothek  des  Konigl.  Opernhauses  zu  Berlin. 

3)  Achte  Ausgabe.     Leipzig,  bey  Georg  Joachim  Goschen,  1790. 

4)  H.  Riemann,  Opern-Handbuch.     Leipzig  1887,  p.  245. 

5)  Erinnerungen,  Bd.  2,  p.  33—39. 

6)  Marx   irrt  hier,    wenn   er   die   Komposition   Reichardt's   der  Zeit  nach  als 
>vormozartisch«  bezeichnet.     Sie  ist  erst  10  Jahre  nach  Mozart's  Tod  entotanden. 


56  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bemhard  Marx. 

auoh  ich  nicht  anders,  als  mich  diesen  innigen  Momenten,  die  der  Dichter  fluchtig. 
wie  den  ersten  Strahl  der  jungen  Sonne  emporleuchten  l&Bt,  mit  Innigkeit  und 
ganzlicher  Vertiefung  hinzugeben.  Allein  der  Widerspruch  des  gefliigelten  Wortes 
und  der  weiligen  Melodie  blieb  bestehn  und  muBte  sich  vom  Theater  her  fuhlbar 
machen. 

»Dazu  kam  —  eine  Sunde  von  meiner  Seite,  ein  Vergehn  an  dem,  was  ich 
fur  wahr  und  recht  erkannt.  Von  meinem  musikalischen  Freunde  Nikolai1),  der 
fur  meine  Komposition  lebhaften  Antheil  gefaBt,  liefl  ich  mich  bestimmen,  da  und 
dort  einiges  zuzufugen,  das  den  Sangerinnen  Gelegenheit  gab,  ein  wenig  Koloratur 
zu  zeigen.  Ohne  dies,  meinte  er,  wurde  ich  keine  Sangerin  bereit  finden.  So  ging 
denn  meine  Partitur  der  Musikdirektion  zu  und  ward  angenommen.  Jetzt  soUf 
ich  am  Kleinen  lernen,  daB  es  leichter  ist,  eine  erste  Oper  zu  schreiben,  als  zur 
Auffiihrung  zu  bringen. 

♦Nachdem  die  Oper  angenommen  war,  besuchte  mich  Kapellmeister  Seidel, 
Mitglied  der  Direktion,  welche  angenommen  hatte,  und  bezeichnete  mir  eine  Beihe 
von  S  tell  en,  deren  Instrumentation  ihm  unstatthaft  erschien.  Ich  muflte  mich 
schriftlich  verpflichten,  die  Kosten  der  Ausschreibung  zu  tragen,  wenn  die  Instrumen- 
tation sich  nicht  bewahren  sollte.  Besonderes  Argerniss  nahm  der  ganz  wohlwollende 
Mann  an  der  Begleitung  des  ersten  Liedes: 

♦Singe,  Vogel,  singe  .  .  .« 
in   der   ich   die   Floten   in   die    zweite  und  die  Geigen  in  die  dritte  Oktave  gelegt 
hatte.     Die   Instrumentation    erwies   sich    ubrigens   ganz   meinen  Absichten   gemafl 
und,  wenn  auch  vom  Gewohnten  vielfach  abweichend,  doch   durchaus  kunstm&Big. 

»Hierauf  machte  ich  dem  Generalintendanten  Graf  en  Briihl  meinen  Besuch. 
Er  nahm  mich  freundlich  auf,  erklarte  mir  aber,  er  konne  durchaus  nichts  fur  mein 
Sing8piel,  sondern  werde  alles  Mogliche  gegen  die  Auffiihrung  desselben  thun.  Zwar 
habe  er  nicht  daa  Mindeste  gegen  mich  oder  meine  Komposition,  allein  sein  ver- 
ewigter  Freund  Reichardt  habe  bekanntlich  dasselbe  Gedicht  in  Musik  gesetzt 
und  dessen  Komposition  sei  Eigenthum  des  Theaters,  es  konne  ihm  nicht  lieb  sein, 
eine  andre  an  deren  S telle  treten  zu  sehen.  Ich  erinnerte  in  aller  Beach eidenheit. 
daB  Reich ardt's  Singspiel  schon  seit  einer  Reihe  von  Jahren  von  der  Buhne  ver- 
schwunden  sei.  »Ich  werde  es  sogleich  in  Szene  gehn  lassen«,  war  seine  schnelle 
Antwort.  Es  geschah,  fand  aber  nicht  den  mindesten  Anklang  und  muBte  nach 
einmaliger  Auffiihrung  fur  immer  zuruckgelegt  werden.  Jetzt  kam  meine  Kompo- 
sition an  die  Reihe,  —  das  heiBt,  nach  mancherlei  Verzogerungen. 

>Der  Abend  der  Auffiihrung  erschien  und  ich  fand  mich  hinter  der  Szene  ein. 
Dafi  die  Komposition  keinen  entscheidenden  Erfolg  haben  konne,  hatte  ich  bereits 
erkannt,  seitdem  mir  die  Unangemessenheit  des  Gedichts  fur  musikalische  Behandlung 
einleuchtend  geworden  und  meine  Versundigung  gegen  die  eigene  Uberzeugung  mir 
den  heiteren  Sinn  getrubt  hatte.  Allein  Furcht  oder  Besorgniss  blieb  mir  fern ;  ich 
hoffte  jedenfalls  zu  lernen. 

»Nun  sollte  ich  erfahren,  daB  ich  mir  bereits  Feinde  genug  gemacht  hatte,  und 
zwar  durch  meine  Auf  rich  tigkeit  in  der  musikalischen  Zeitung2),  von  der  bald  die 
Rede  sein  wird.  Vor  der  Auffiihrung  trat  eine  unserer  ersten  Sangerinnen,  Frau 
Seidler,  mit  der  Frage  zu  mir  »Nun,  schlagt  das  Herz  noch  nicht?*  Ich  fragte 
verwundert,  warum?  und  sie  machte  mit  ihren  FiiBchen  die  Pantomime  des  Aus- 
pochens  mit  so  viel  Bosheit,  ach,  und  so  viel  Reiz  in  dem  fast  griechischen  Ge- 
sichtchen,  daB  ich  nichts  als  Bewunderung  und  Vergnugen  empfand.  Ich  hatte  die 
vollendet  schone  Frau  mit  der  Silberstimme  und  ihrer  unfehlbaren  Glockenreinheit 


1)  Gustav  Nikolai;  verfaBte  zahlreiche  musikalische  Schrif ten,  Novellen  und 
Oratorien-Texte. 

2)  Die  Berliner  Allgemeine  Musikalische  Zeitung  unter  der  Redaktion  von  Marx 
eraohian  von  1824—1830. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Man.  57 

nnd  Koloratur  state  bewundert  und  in  meinen  Beriohten  gebuhrend  anerkannt,  aber 
auch  naeh  meiner  ehrlichen  Uberzeugung  ausgesprochen,  dafi  sie  nicht  mit  v  oiler 
Hingebung  und  Leidenschaft  in  den  Sinn  groBerer  Partien  eindringe.  Das  konnte 
mir  nicht  verziehen  werden. 

»Dieamal  kam  es  anders.  Kein  Zeichen  dee  MiBfallens  ward  vernommen  und 
weit  uber  die  Halfte  der  Musikstucke  fand  lebhaften  Beifall.  Ganz  gewiB  gehorte 
derselbe  zum  groBten  Teil  der  Leistung  der  Ausfuhrenden,  der  gliihenden  Schulz, 
dem  edelsten  Tenor,  Bader,  dem  launigen  Spiel  und  Gesang  Blume's. 

»Das  mag  Dem  und  Jenem  unerwartet  gekommen  sein ;  man  muBte  nachhelfen. 
Bei  der  zweiten,  ziemlich  lange  verzogerten  Auffuhrung1)  setzte  die  Ouverture  ihren 
blofi  von  aushaltenden  Blasinstrumenten  zu  intonirenden  Akkord,  der  sie  eroffnet 
mid  einleitet,  ohne  BaB  und  Grundton  ein,  —  man  hatte  die  Schluasel  zu  dem 
Fagottkasten  versteckt.  In  einer  Szene,  wo  der  Gesang  Bately's  zum  geofrneten 
Fenster  ihrer  Hiitte  hinaus  erschallen  sollte,  fand  sich  das  Fenster  vernagelt;  eine 
Zeitlang,  bis  die  Sangerin  um  die  Hiitte  herum  auf  die  Szene  gelangt  war,  vernahm 
man  nicht*,  als  eine  ziemliche  Reihe  von  Takten  hindurch,  die  vollendete  Be- 
gleitungsfigur  der  Geigen.  Genug  von  diesen  Possen.  Das  Singspiel  ward  zuriick- 
gelegt;  die  Ouverture  ward  noch  einigemal,  ohne  mein  Zuthun,  vor  das  Publikum 
gebracht.* 

Das  Werk  besteht  aus  15  Nummern. 

1.  Ouverture.     a)  Andante  (Adur,  3/*)«     b)  Allegro  con  moto  (*/*)• 

2.  Lied  der  Bately  (p.  3*);  Allegretto,  Bdur,  3/s):  Singe,  Vogel,  singe. 

3.  Duett:    Vater   und   Bately  (p.  7;  Agitato,  A  moll,  */s):   Jeden  Morgen 
neue  Sorgen. 

4.  Duett:  Bately  und  Jery  (p.  10;  Allegretto,  Fdur,  */s):  Es  rauschet  das 
Wasser. 

5.  Arie:   Jery   (p.  12);   Andante  con  moto,  Adur,  »/*);   Icb   verschone  dich 
mit  Klagen. 

6.  Arie:   Jery   (p.  13;  Allegro  agitato,  Emoll,  Vs):    Gehe!    Verschmahe   die 
Treue. 

7.  Lied:    Thomas   (p.  17;   Allegretto,    Gdur,    V*):    Ein   Madchen   und   ein 
Glaschen  Wein. 

8.  Arie:  Thomas  (p.  18;  Andante  tostenuto,  Cdur,  2/4):   Es  war  ein  fauler 
Schafer. 

9.  Duett:  Jery  und  Thomas  (p.  22;  Andante  con  moto,  Bdur,  */*):  Neue 
Hoffnung,  neues  Leben. 

10.  Duett:  Thomas  und  Bately  (p.  25;  Allegro,  Gdur,  */s):  Nicht  so  eilig, 
liebes  Kind! 

11.  Lied:    Thomas  (p.  29;  Allegretto,  Gdur,  */4):    Ein    Quodlibet,   wer  hort 
es  gem. 

12.  Terzett:    Vater,    Thomas,    Bately    (p.  30;  Allegro,  Esdur,  */4);   w*« 
gibt's?  was  untersteht  ihr  euch? 

13.  Duett:    Jery   und   Thomas   (p.  37;  Allegro  con  brio,  Cmoll,  V4):   D©m 
Verwegnen  zu  begegnen. 

14.  Arie:  Jery  (p.  43;  Adagio,  Asdur,  3/4):  Endlich,  endlich  darf  ich  hoffen. 

15.  Finale:  Alle  (p.  48—56;  Andante,  Amoll  3/8;  Con  moto,  */si  Pi*  moto, 
Adur,  V4;  Allegro,  */*;  Vivace,  «/8):  Ich   bin  lang\  sehr  lang*  geblieben. 

Es  iat  unmoglich,    aus  dem  leider  nur  noch  vorhandenen  Torso   sich   ein 
Bild  von  dem  Ganzen  zu  machen.    "Wir  miissen  daher  zunachst  zwei  objek- 

1)  Die  erste  fand  am  7.  Mai  1825  im  Konigl.  Opernhaus  zu  Berlin  statt. 

2)  Die  Seitenangaben  beziehen  sich  auf  die  »Achte  Au9gabe.     Leipzig  1790.« 


58  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

tive  Berichte  (in  Marx9  eignem  Blatte1)  wird  selbstverstandlich  keine  Notiz 
von  dem  Werke  genommen)  bringen.  Der  eine2)  lobt  besonders  die  Intro- 
duktion,  das  Duett  Nr.  4,  die  Arie  Nr.  8,  das  Duett  Nr.  10  und  die  Arie 
Nr.  14.     Der  zweite3)  lautet  folgendermafien : 

»Es  waren  acht  schweizerische  Nationalanschauungen  darin  niedergelegt,  die 
yielleioht  in  dem  Gedicht  weniger  ausgesprochen,  als  durch  die  Situation  gegeben 
sein  mochten.  Wenn  das  Stuck  nicht  bleibend  wirkte,  so  war  dies  mehr  in  einer 
Opposition  zu  suchen,  die  der  Redakteur  der  Zeitung  durch  unpartheiisohe  Riige 
fehlerhafter  Auffuhrungen  wider  sich  hervorgerufen  hatte.  Durch  abeichtliche  Ver- 
sto&e  bei  der  Darstellung,  namentlich  der  spateren,  wurde  der  Effekt  des  Stuckes 
geschwacht,  wenn  nicht  ganz  aufgehoben,  und  philisterhafte  Mittelmafiigkeit  MiB- 
wollender  konnte  so  den  Versuch,  nach  Reichardt  in  dieser  Komposition  aufzutreten, 
leicht  bei  denen  in  ein  abenteuerliches  Licht  setzen,  die  weder  Zeuge  des  hier  Ge- 
leisteten  noch  iiberhaupt  von  irgend  gultigem  Urtheil  iiber  Musik  waren.< 

Zweifellos  hat  auch  hier  Marx  durchaus  selbstandig  neue  Bahnen  be- 
schritten.  Ohne  sich  von  schoner  Melodik  zu  emanzipieren,  vor  allem  aber 
auch  ohne  die  leichte  Gattung  des  Singspiels  aufzubauschen,  hat  er  die  lieb- 
lichen  Worte  des  Dichters  mit  Innigkeit  vertieft  und  ist  dabei  der  teilweise 
derberen  Komik  einzelner  Situationen  nichts  schuldig  geblieben.  Soweit  eine 
Konstruktion  sich  ermoglichen  laBt,  ist  —  neben  anmutigster  Instrumentation 
—  der  Volkston  namentlich  in  Nr.  2  und  4  reizend  getroffen.  In  Nr.  8  wirken 
besonders  Synkopen  hochst  ergdtzlich.  Das  Duett  Nr.  13  ist  rhythmisch  in- 
teressant  und  dramatisch  wirksam;  in  der  Ouverture  erscheint  uns  namentlich 
der  langsame  Einleitungssatz  stimmungsvoll. 

DaB  etwas  Neues,  Ungewohntes  geleistet  war,  geht  schon  aus  dem 
aufierst  erbosten  Briefe  hervor,  den  Zelter  am  7.  Januar  1826  an  Goethe 
schreibt4): 

»Ungeheure  Kleinigkeiten  oder  vielmehr  kleine  Ungeheuer  treten  auf ;  Sperlinge 
wollen  sie  schiefien  mit  Canonen.  Da  hat  Einer  Dein  Jery  und  Bately  neu  com- 
ponirt  und  wie  ich  vernehme  im  grofien  Styl,  es  soil  aber  auch  danach  abgelaufen 
seyn  und  man  hat  Reichardt's  Composition  wieder  gefordert.  Der  neue  Componist 
redigirt  die  hiesige  musikalische  Zeitung.  In  dieser  war  weit  und  breit  von 
Reichardt's  schwacher  Arbeit  gesprochen,  die  einst  Beyfall  gehabt  hat.  Die  Leute 
aber  merken's  schon  wenn  das  Land  durch  Postmeilen  und  der  Thaler  durch  so- 
genannte  Silbergroschen  grofier  werden  soil  en. « 

Wie  vieler  positiver  Unwahrheiten  Zelter  sich  in  diesen  wenigen  "Worten 
aus  Ha£  gegen  Marx,  dem  seine  Unterweisungen  in  der  Theorie  nicht  ge- 
niigten6),  schuldig  macht,  kann  nach  dem  Vorangehenden  leicht  festgestellt 
werden. 

Wo  die  Partitur  des  Werkes  hingeraten  ist,  weiB  der  Himmel.  Fande 
sich  doch  bald  Einer,  der  aus  dem  groBen  Fragment  etwas  Schones  neu 
erschufe! 

3.    Das  Siegesmahl.    Gedicht  von  H.  S  tie  glitz.    1826.    Yierstim- 


1)  Berl.  Allgem.  Musikal.  Zeitung. 

2)  Allgemeine  Musikal.  Zeitung  1825,  Bd.  27,  p.  404. 

3)  Schilling,  Uni versa!- Lexikon  der  Tonkunst.     Stuttgart  1840,  Bd.  4,  p.  581  if. 

4)  Briefwechsel  zwischen  Goethe  und  Zelter,  4.  Teil,  p.  129  (Berlin  1834). 

5)  Erinnerungen,  Bd.  2,  p.  107  ff. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


59 


miger  Mannerchor  mit  Orchesterbegleitung.  qu.  4.  40  Seiten.  Kompo- 
niert  1826 1). 

Das  Gedicht  ist  erst  1831  unter  der  Uberschrift  9  Die  Blutrache«  in  den 
schon  mannigfach  erwahnten  »Bildern  des  Orients «3)  gedruckt  erschienen, 
vom  Dichter  alsa  dem  eng  befreundeten  Komponisten ,  wie  der  »Morgen- 
gesang  der  Parsen*3),  handschriftlich  mitgeteilt  worden. 

Das  Werk  weist  eine  bemerkenswerte  Empfindungskraft  und  eine  gewandte 
Behandlnng  des  nicht  stark  besetzten  Orchesters  auf.     Das  Hauptmotiv: 

Allegro  con  brio. 


PeeIe 


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-:   44  * 


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hat  vermoge  der  Taktart  und  des  diistern  H-moll  einen  fremdlandisch-wilden 
Charakter,  der  durch  das  ganze  Stiick  anhalt  nnd  selbst  bei  Pianissimo- 
stellen  wie: 


sich  nicht  verleugnet.  Einheitlich  und  straff  gehalten,  wie  ein  Nachtbild  schnell 
voruberschwebend,  dem  Chor  eine  dankbare  Aufgabe  stellend,  erscheint  das 
Stack  des  Druckes  wohl  wert. 


4.     Der  hunderteiebenunddreissigste   Psalm.    Yierstimmiger  Chor 
mit  Orchesterbegleitung.  qu.  4.    47  Seiten.    Komponiert  etwa  1827 4). 
TJber  dieses  Werk  liegen  interessante  Selbstbekenntnisse  von  Marx6)  vor. 

»DaB  ich  nie  aufgehort  zu  komponiren,  versteht  sich.  Das  bedeutendste 
Unternehmen  auf  diesem  Felde  war  die  Komposition  des  137.  Psalms  fur  Ghor 
und  Orchester.  Dieses  Gedicht,  in  dem  die  Gluth  unversohnlicher  Bachgier  auf- 
flammte,  wie  nur  der  Orientale,  der  gequalte  Hebraer  sie  hegen  kann,  durchloderte 
mich,  dafl  ich  mich  wohl  dem  Dichter  nahe  gehoben  fiihlen  konnte.  Allein  die 
Kunstbildung  entsprach  nicht  der  geistigen  Anregung.  Ich  selbst  erkannte  das  und 
das  Werk  durfte  nicht  in  die  Offentlichkeit.  Gleiches  Schicksal  hatte  eine  Sym- 
phonic').* 


1)  Im  Besitz  von  Frau  Prof.  Therese  Marx  in  Jena. 

2)  Bd.  I,  p.  32. 

3)  Op.  1,  Nr.  1. 

4)  Abechrift.     Im  Besitz  von  Frau  Prof.  Therese  Marx  in  Jena. 

5)  Erinnerungen,  Bd.  2,  p.  26. 

6)  S.  spater. 


60 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


Gerade  urn  die  Zeit  der  Komposition  das  Werkes   began  n   die  Freundschaft 
mit  Mendelssohn1). 

»Ich  nahm  Gelegenheit,  Felix  meinen  137.  Psalm  vorzuspielen,  welchen  ich 
eben  vollendet  und  in  dem  ich  zu  den  Worten:  ,Vergefl  ich  Dein,  Jerusalem4  sogar 
eine  Fuge  gewagt  hatte,  —  eine  Form,  die  mir  noch  nicht  weiter  aufgehellt  war, 
als  etwa  aus  Marpurg's  Lehre  und  das  rathsel  voile  Vorbild  des  wohltemperirten 
Klaviers  von  Bach  fiihren  konnten.  Felix  sah  die  Parti  tur  durch,  erst  mit  er- 
stauntem  Blicke,  dann  mit  Kopfschutteln;'endlich  brach  er  aus:  ,Das  —  das  geht 
gar  nicht!  Das  ist  nicht  recht!  Das  (die  Fuge  bezeichnend)  ist  gar  keine  Musik!* 
Ich  war  entziickt.  Verletzt  konnte  ich  nicht  sein,  denn  wohl  war  mir  bewuflt, 
dafi  meinem  heifien  Verlangen  und  meiner  etwaigen  Begabung  das  dritte  fehle:  die 
Kunstbildung.  Aber  entziickt  war  ich,  denn  hier  fand  ich  Offenheit!  Und  die 
schien  mir  die  erste  Bedingung  fiir  jedes  menschliche  VerhaltnisB  *). « 

Interessante  Momente  zeigt  diese  breit  angelegte  Komposition,  die  ein 
routinierter  Theoretiker  mit  Leichtigkeit  von  ihren  offen  zu  Tage  liegenden 
formalen  M&ngeln  zu  befreien  and  dadurch  zu  einer  hSrenswerten  machen 
konnte.  Den  ersten  Teil  (G-moll  3/4)  mochte  ich  »Die  Klage*  iiberechreiben; 
in  das  eintonige  Geriesel  von  Babels  WasserflUssen,  welches  die  zweite  Vio- 
line  und  die  Viole  malt: 


IpsffflPp 


dringen  Klagelaute  der  ersten  Geige: 


m 


^s 


& 


^s 


wehevoll  hinein,   und  ganz  leise,  wie  schluchzend  abgebrochen,   beginnen  zu- 
erst  die  Frauenstimmen. 


gleich  darauf    3£& 
die  Manner:     ^H*- 


An  den  Was-sern 


An  den  Was-sern 


Dann  verbreitet  sich  die  Klage  immer  weiter  und  weiter ;  einzelne  Solostimmen 
leuchten  auf  zu  groBerem  Nachdruck.  Ein  ganz  kurzer  Adagio-Satz,  noch 
immer  sehr  leise,  bringt  ergreifend  —  ohne  jegliche  Wiederholung  —  die 
erschiitternden  Worte :  >Unsere  Harfen  hingen  wir  an  die  Weiden,  die  darinnen 
sind.c  Nun  wird  die  Schilderung  belebter;  markiert  erklingt  —  nach  einem 
kurzen  Tenorrezitativ  —  der  ganze  Chor:  >Wie  sollten  wir  des  Herren  Lied 
singen  im  fremden  LandeU     Zu  hoher  Realistik   steigert  sich  das  Ganze  in 


1)  Erinnerungen,  Bd.  2,  p.  111. 

2)  Eitner  (a.  a.  O.)  schlachtet  diese  harmlose  Episode,  welche  fiir  Marx*  Offen - 
herzigkeit  ein  so  schones  Zeugnis  ablegt,  zur  Beurteilung  von  M.'s  Kompositionen 
aus,  ohne  zu  erwahnen,  dafi  es  sich  hierbei  um  ein  ganz  fruhes  Jugendwerk  handelt 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  61 

einem  Appassionato-^  2/4)-Satze  bei  den  "Worten :  »Meine  Zunge  mufi  an  meinem 
Gaumen  kleben« ;  man  vergleiche  einmal  die  Prust-Gesange Alberich's  in  der 
eraten  Rheingoldszene  damit,  and  man  wird  iiberraschende  Ahnlichkeiten  ent- 
decken.  Yor  dem  SchluB  (Allegro  furioso,  */A)  zeigt  sich  noch  ein  in  seiner 
Monotonie  ergreifender  Bufigesang,  in  dem  die  Anwendung  der  Triolen  die 
tiefe  Zerknirschung  zum  Ausdruck  bringt.  Das  Oanze  ein  Jugendwerk  mit 
seinen  Schwachen,  docb  von  nicht  geringer  Genialitat. 


B.  Zweite  Gruppe.    In  der  Zeit  yon  1830—1855  komponiert. 

5.  Carmina  quae  nataliciis  sexagesimis  quartis  Borussorum  regis 
Friderici  Guilelmi  III.  Die  III.  Aug.  a.  MDCCCXXXIII  ab  Univer- 
sitate  Fr.  G :  ma  celebrandis  a  choro  Academico  canentur.  Auctor  poematis 
Fr.  Ouil.  Ludo.  Oeyer i).  Zwei  vierstimmige  Mannerchore  mit  Orchester- 
begleitung.  qu.  4.    44  Seiten.    Komponiert  (24.  und  27.  JuU)  1833 «). 

a.  0  semper  memoranda  dies. 

b.  Turn  gens  nostra  tuos  late  celebrabit  honor es. 

Beide  Cbore  iiberragen  das  Niveau  sogenannter  Gelegenheitskompositionen 
durcb  die  Tiichtigkeit  des  Satzes  und  den  ernsten  FleLB  der  Arbeit  betracbt- 
licb,  zeigen  aber  zugleicb  die  respektable  Leistungsfabigkeit  des  von  Marx 
gegriindeten  akademiscben  Chors.  wenn  er  ibm  derartig  scbwierig  auszufubrende 
Aufgaben  stellte.  Besonders  der  erste  Cbor  ist  weit  ausgefUbrt ;  auf  ein 
Allegro  pomposo  (D-dur  4/4)  folgt  ein  Vivace  (3/4),  alsdann  ein  Andante 
soetenuto  (G-dur  3/4),  in  welcb  letzterem  sogar  das  (aucb  von  Beetboven 
im  »Fidelio«  angewendete)  eigentumlicbe  alte  Instrument,  der  » Serpent*, 
hervortritt. 

6.  Am  Tage  Johannes  des  Taufers.  Fiir  den  akademiscben  Chor 
der  Univeraitat  zu  Berlin.  Oratorium  fiir  Mannerchor  mit  Begleitung 
der  Orgel.  qu.  4.     58  Seiten.    Komponiert  1834.  *) 

Zweifellos  hat  dies  merkwurdige  Stuck  als  ein  Vorlaufer  —  nicht  als 
Voriibung  —  des  Mose  zu  gelten;  die  Charakteristika  des  grofien  treten  in 
diesem  kleinen  Werke  bereits  deutlicb  zu  Tage.  Eigentiimlich  ist  zunachst 
der  Satz  fiir  Mannerstimmen  allein;  Karl  Loewe  bat  dasselbe  —  sogar  noch 
obne  Begleitung  der  Orgel  —  in  seinen  beiden  Oratorien  »Die  eherne 
Schlange*3)  und  »Die  Apostel  von  Philippi« 4)  mit  bobem  Erfolge  getan. 
Ein  vortrefFlich  gearbeitetes,  nicht  kurzes  Vorspiel  (D-moll,  Yi)  leitet  ein, 
schliefit  mit  einer  Fermate  und  lftfit  dann,  nach  einigen  freien  Kadenzen, 
den  berubmten,  bekanntlich  aucb  von  Wagner  in  den  »Meistersingern<  be- 
nutzten  Choral  » Christ  unser  Herr  zum  Jordan  kam«  ganz  einfach,  aber  in 
schoner  Harmonisierung  ertonen.  »Ein  hoher  Reiz  waltet  in  der  Scharfe 
der  Darstellung.  Solos  und  Chore  durchweg  in  bedeutender  geistreicher 
Deklamation,   nicht  in  konventionellen  Tonanhaufungen,   son  dem   strong  aus 

1)  Gesange  zum  64.  Geburtstag  Friedrich  Wilhelms  III.,  Konigs  von  PreuBen, 
bei  der  Universitatsfeier  vom  Akademischen  Chor  am  3.  August  1833  gesungen. 
Dichtung  von  Fr.  Wilh.  Ludw.  Geyer. 

2)  Im  Besitz  von  Frau  Prof.  Therese  Marx  in  Jena. 

3)  Op.  40,  komponiert  1834. 

4)  Op.  48,  komponiert  1835. 


62  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

dem  Sinne  des  Wortes  die  Musik  entwickelnd. « *)  In  der  Zusammenstellung 
de8  Textes,  wobei  eine  erstaunliche  Bibelbelesenheit  hervortritt,  zeigt  sich 
eben falls  schon  der  Schopfer  des  »Mose<;  altes  und  neues  Testament  mttssen 
ihm  in  gleicher  Weise  dienen.  Ganz  reizend  ist  besonders  ein  Pastorale- 
Intermezzo,  die  szeni8che  V e ran de rung  wirksam  illustrierend.  Der  Schlufi 
des  Ganzen  besteht  abermals  in  dem  Taufer- Choral. 

Wie  alles  Neue  begegnete  natiirlich  auch  diese  Komposition  geringem 
Verstandnis,  wie  ein  Bericht2)  liber  die  Auffuhrung  des  Werkes  am  24.  Juli 
1834*)  verdeutlicht: 

»Das  Werk  ist  theilweise  so  eigenthiimlich  behandelt,  dafi  den  Zuhorern  axis 
dem  mystischen  Dunkel  noch  nicht  ein  hell  leuchtendes  Licht  aufgehen  wollte.  Be- 
sonders schien  dem  Ref.  die  Vereinzelung  der  musikalischen  Perioden,  wie  die  Ab- 
sonderung  der  Rede-Satze  zu  wenig  zusammenzuhangen  und  den  FluB  der  Melodie 
zu  haufig  zu  unterbrechen.  Sollte  es  ein  wahrer  Gewinn  fur  die  Kunst  sein,  den 
Gesang  in  die  alteste  Zeit  zuruckzufuhren,  aus  welcher  sich  erst  langsam  das  hohere 
Geistige  in  harmonischer  Kombination  entwickelte?  Handel  diirfte  fur  den  wahren 
Oratorienstyl  ein  noch  mehr  sicheres  Vorbild,  als  selbst  der  tiefsinnige  (metaphy- 
sische,  wie  ihn  Rahel4)  in  ihren  Brief  en  treffend  bezeichnet)  Johann  Sebastian  Bach 
sein,  dessen  speculativer  Forschergeist  von  Nachahmern  selten  zu  erreichen  sein 
mochte,  welche  nicht  ein  gleich  machtiger  Genius  beseelt.  Deshalb  ist  in  der  Kunst 
der  naturliche  Weg  wohl  der  sicherste  zum  Ziel,  von-  dem  Kunstelei  und  spitz - 
findiges  Grubeln  eher  entfernt,  als  eine  Annaherung  herbeifuhrt.« 

Einer  Zeit,  die  Bach  eben  noch  als  »spekulativen«  Musiker  betrachtete, 
mufite  das  Neue,  Unerhorte  und  nie  wieder  Erreichte  dieses  Meisters  natiir- 
lich ein  Buch  mit  sieben  Siegeln  sein,  und  eine  solche  Zeit  konnte  auch 
den  Werken  eines  Mannes,  der  nur  in  den  Bahnen  Bach's  zu  wandeln  red- 
lich  bemiiht  war,  nicht  ohne  bedenkliches  Kopfschiitteln  entgegentreten. 


7,     Zwei  lateinisohe  Kirohenlieder  fiir  Mannerchor  und  Orohester. 
qu.  4.     5  Seiten.    Komponiert  (17.  6.)  1840*). 

a.  Corpus  sepulcro  tradimus.  Dichter  weder  aus  »Mone,  Lateinische  Hymnen 
des  Mittelalters*  (Freiburg  1853),  noch  aus  >Simrock,  Lauda  Sion<  (Koln  1850), 
noch  aus  »Kdnigsfeld,  Lateinische  Hymnen  und  Gesange*  (Bonn  1847)  zu  er- 
mitteln.  Nach  einem  Paukenwirbel  ein  Fortissimo  des  ganzen  Orchesters; 
dann  leiser  Gesang  der  Klarinetten,  Horner  und  Fagotten,  worauf  die  Oboe 
ein  au8drucksyoll-klagendes  Motiv  anhebt: 


i 


tfc«-p-f 


rP=^»- 


=f=I3=I 


und  in  dumpfem,  choralartigem  Gesange  —  wie  Monche  bei  den  Exequien 
eines  toten  Fraters  —  folgt  der  Chor  leise,  begleitet  vom  vollen  Orchester, 
und  singt  dreimal  die  acht  Takte.     Ein  interessantes  Nachtbild. 

1)  Schilling,  Univereal-Lexikon  der  Tonkunst.    Stuttgart  1840.    Bd.  IV;  p.  581  ft 

2)  Allgem.  Musikal.  Zeitung  1834,  Bd.  36,  8.  August,  p.  563. 

3)  In  der  Dreifaltigkeitskirche. 

4)  Rahel  Varnhagen  v.  Ense,  geb.  Lewin. 

5)  Im  Besitz  der  Konigl.  Bibliothek  zu  Berlin. 


Leopold  Hirsohberg,  Der  Tondiohter  Adolph  Bernhard  Marx. 


63 


b.  In  pace  laeius  himnigro.     Dichter  nicht  zu  ermitteln  (a.  oben). 

Folgt  ohne  Yorspiel  in  vier  Strophen  als  Berubigungsgesang  des  vorigen. 


8.  Klage  der  Verbannten.  Chorgesang  (G-emischter  Chor  mit  Be- 
gleitung  des  Pianoforte),  qu.  4.  14  Seiten.  Fragment.  Komponiert 
ungefahr  1824 i). 

Die  Herkunft  der  Dichtung  ist  nicht  zu  ermitteln;  bibliscbe  Worte  sind 
as  keinesfalls. 

Es  ist  sehr  bedauerlich,  dafi  dieses  reife,  im  strengen  Satze  ausgeflihrte 
Werk  nor  als  Torso  vorliegt;  doch  scheinen  nur  wenige  Takte  zu  fehlen, 
die  auf  dem  letzten,  durcb  den  Zabn  der  Zeit  abgetrennten  Blatte  standen. 
Sie  sind  nicht  schwer  nach  dem  Yorbandenen  zu  erganzen.  Zunachst  ein 
leiser  langsamer  Satz  (F-dur,  8/4),  ein  demiitiges  Gebet  versinnbildlichend ; 
dann  ein   »Mit  TJngestum«  uberschriebener  Mittelsatz  (D-moll,  3/2): 


lH^f-4 


=t 


*E^ 


Sen  -  de      dei  -  ne     Hand!    Dei-  ne    Hand    aus    der      Hoh! 

der  aber  bald  einen  innig  flehenden  Cbarakter  annimmt,  mit  prachtigen  Har- 
monien  und  einem  schonen  Ubergange: 

I    .    ^  ;  i        "  .  I  l  J     .       ,   I 


^^^^^^^ 


r 


is- 


m> 


4- 


*>gij 


en 


pg=|=^g 


m 


Eine  kurze  Fuge  liber  das  Thema: 


^=^M^^^f^~T^3:^V^ 


Und  fah  -        -  .     -        -        -     re  her-ab 


her-ab! 


fuhrt  zu  dem  Schlufi,  der  das  Motiv  des  Anfangs  in  leicbten  Yeranderungen 
zurUckbringt. 

9.  Zur  Zeit  der  Auferstehung.  Fiir  das  Sangerfest  der  vereinten 
Mecklenburg-Strelitzer  Lehrer  und  ihrer  Zoglinge  (am  21.  April  1843). 
Cantate  fiir  Solostimmen  und  Chor  mit  Orchesterbegleitung.  Partitur. 
Fol.  60  Seiten.    Komponiert  1842/1843  *). 

Das  grofie,  durchweg  auf  Bibel-  und  Choralworte  gegriindete  Werk  be- 
steht  aus  vier  Nummern: 

Nr.  1.  Arie  (fur  Tenor).  Die  orchestrate  Begleitung  bestebt  aus  Streich- 
quintett  und  zwei  Fagotten.    Ein  leises,  langsames  Yorspiel  eroffhet,  und  dann 


1)  Im  Besitz  der  Konigl.  Bibliothek  zu  Berlin. 


64 


Leopold  Hirochberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


setzt,  mit  ahnlichen  Worten  wie  die  Zionstochter  zu  Beginn  des  zweiten  Teils 
der  Matthauspassion,  die  Singstimme  ein: 

dolce  espr. 


H 


w 


»'  *-**. 


sag 


Ttrtr 


£=S 


tt 


=t 


Wo    ist  dennmeinFreundundHei-land     hin  -  ge    -    gan    -    gen? 

In  Trauer  und  Wemut  wird  der  kurze  Gesang  zum  Ende  gefuhrt  and  als- 
bald  folgt: 

Nr.  2.  Chor  mit  vollem  Orchester.  Ein  hochst  merkwurdiges  Stuck  in- 
sofern,  als  der  nach  alien  Regeln  der  Kunst  gearbeitete  Gesangssatz  ziemlich 
plotzlich  mit  den  Worten  >und  in  FinsterniB  wand  ein  wir«  abbricht  and 
ein  em  langen  Nachspiel  fur  grofies  Orchester  (darunter  drei  Posaunen,  vier 
Trompeten  und  vier  Horner)  Platz  macht.  Dieses  Nachspiel  beginnt  mit  einem 
ausdrucksvollen  rezitativen  Fagottsolo  senza  tempo  und  geht  zu  einem  ganz  ge- 
waltigen,  schnellen  Satz  liber,  der  in  seinen  sieghaften  Klangen  die  Auf- 
erstehung  des  Herrn  in  wirklich  ergreifender  Weise  malt. 

Nr.  3.  Choral.  Die  eigentiimlichen,  selten  gehorten  Worte  P.  Herbert's 
aus  dem  Jahre  1566  (laut  Zahn's  Kirch enliedermelodi en,  Bd.  5,  p.  211): 

♦Heilig  und  zart  ist  Christi  Menschheit, 

Gar  edler  Art  voll  aller  Gnad  und  WahrheiU 

sind  von  Marx  wundersam  rhythmisiert  und  harmonisiert  worden  und  werden 
nur  vom  Sopran  gesungen;  bedeutsam  tritt  ein  Oboen-  und  Hornsolo  dabei 
hervor.  Diese  Nummer  ist  zweifellos  die  originellste  und  ergreifendste  der 
Kantate. 

Nr.  4.  Rezitativ  (Tenor)  mit  Chor.  In  grofiartiger  Begeisterung  er- 
tdnt  die  letzte  Strophe  des  schonen  Liedes  vom  ganzen  Chor: 

♦Christ  ist  nicht  todt,  o  Treat  der  Schwachheit! 
Der  litt  den  Tod,  ward  durch  den  Tod  lebendig! 
Der  starb  in  Schmach,  fahrt  auf  in  Hoheit. 
Gen  Himmel  hoch,  zur  Herrlichkeit  bestandig.* 

Und  in  wirksamstem  Gegensatze  stehen  dabei  die  unermildlichen  Gauge  der 
Streicher: 


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-*-* 


+-*- 


zu  den  breit  ausgelegten  Akkorden  der  Blasinstrumente. 


C.  Dritte  Gruppe.    (Nach  Op.  27  komponiert.) 
10.    Festkantate  zur  Jubelfeier  der  Universitat,  fur  den  1.  Festtagr 
den  15.  Oktober  1860,   auf  Worte  der  Schrift  gesetzt.    Fiir  Chor  und 
Orchester.  gr.  4.     53  Seiten.    Komponiert  (Angef.  den  11.,  beendet  den 
20.  September)  1860 1). 

Die  Textworte   sind   aus  verscniedenen  Bib  el  ste  lien  von  Marx  selbst  zu- 
sammengestellt. 


1)  Im  Besitz  von  Frau  Prof.  Therese  Marx  in  Jena. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 


65 


a.  Erster  Chor.     Schon  das  Orchestervorspiel   atmet  eine  hohe  Festes- 
freude,  die  namentlich  in  einer  Figur  der  Holzblaser: 


fc^=ag^i^g=iy#s^ 


=3: 


=*= 


zum  Ausdruck  kommt;  auch  die  Blechmusik  wird  im  weiteren  Verlaufe  nicht 
gespart.  Ein  langsamerer  Mittelsatz  mit  einem  trefflich  gearbeiteten  Kauon 
der  Mannerstimmen : 


* 


* 


S 


=S=5C 


** 


tr. 


:£: 


Sie  -  he,        sie  -  be, 


m^EEg 


?=*-, 


es  urn  -  fin  -  gen  mich  des  To  -  des    Ban  -  de 


und   einer  prachtvollen  Steigerung  »Wach  auf!    Mache  Dich  auf!«    fiihrt  zu 
einem  knrzen  Maestoso-Schlufi. 

b.  Schluflchor.  Im  Gegensatz  zum  ersten,  der  vor  der  Festrede  gesungen 
wurde,  ertonte  dieser  Chor  nach  der  Rede;  bedeutend  kiirzer  wie  der  erste, 
lafit  er  doch  gediegen-strenge  Arbeit  nicht  vermis  sen. 


11.  Meiden  und  Pinden.  Zwei  Gediohte  von  Karl  Martell  fur 
eine  Singstimme,  Violoncell  und  Piano,  qu.  4.  23  Seiten.  Komponiert 
urn  18601). 

Tiber  den  Dichter,  der  sich  hinter  diesem  heroischen  Pseudonym  versteckt, 
hat  sich  Nichts  ermitteln  lassen. 

I.  Meiden.     Nach  einem  schonen  Cellosolo: 


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PPi 


3 


* 


i-_ -: 


v  g  fe 


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'}         I — t — g>    I     & 


5*e 


Eg^l^E 


wird  dieses  zuerst  rezitativisch  gebrachte  Thema  in  gebundene  Kantilene  tiber- 
gefuhrt  und  begleitet  die  sanfte  Gesangsmelodie,  die  im  weiteren  Yerlauf  zum 
Allegro  agitato  ed  appassionato  wird  und  anmutig  uberfuhrt  zum 
II.  Finden,  dem  originelleren  Satz.     "Wahrend  die  Cellofigur: 


$::g?&Pf^^rMP&E]W 


iii 


t=B± 


ganz  von  ferae  an  das  Finale  von  Beethoven's  beruhmter  Barentanzsonate  (Op.  30, 
Nr.  3)  zu  erinnern  scheint,  gemahnt  das  verhaltene  Jauchzen  des  Gesanges: 


§i 


-*--& 


* 


--¥ 


Wer    nur    hat    dies  Won  -  ne  -  klin  -  gen     in      den    Luf  -  ten       an  -  ge  -  facht? 

1)  Im  Besitz  von  Frau  Therese  Marx  in  Jena, 
s.  d.  IMG.   x.  5 


66  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

an  desselben  Meisters  Chorphantasie  (Op.  80).  In  schonster  Steigerung  ent- 
wickelt  sich  der  fur  Sanger  und  Spieler  gleich  dankbare  Gesang,  der  des 
Druckes  wohl  wert  ware. 

III.  Verlorengegangene  Werke. 

1.  Die  erste  Szene  des  Jugendentwurfs  von  »Mose«.  Bereits  er- 
wahnt  in  der  Einleitung  der  Besprechnng  von  Op.  10. 

2.  Die  Rache  wartet,  Melodram  in  drei  Akten  von  Willibald 
Alexis.  Komponiert  1828.  Der  Text  teilweise  abgedruckt  im  »Berliner 
Conversationsblatt*    1829,  Nr.  39  und  42. 

Die  Auffiihrung  fand,  wie  Ledebur l)  angibt,  am  21.  Februar  1829  im 
Konigsstadtischen  Theater  zu  Berlin  statt,  wahrend  Schilling  (a.  a.  0.)  irrtum- 
lich  1827  schreibt.     Marx  erzahlt  dariiber2): 

♦Willibald  Alexis  hatte  eine  Preis-Novelle 3)  von  60  oder  70  Zeilen  verfafit  und 
dieselbe  fur  das  eben  entstandene  Konigstadter  Theater  zu  einem  Melodram  benutzt. 
Der  Inhalt  war  die  Liebe  eines  jungen  franzosischen  Offiziers  zu  einer  edlen  Polin, 
die  sich  bei  dem  Durohzug  der  grofien  Armee  nach  RuBland  in  Warschau  entziindet 
hatte  und  bei  dem  Ruckzuge  der  Armee  ihr  tragisches  Ende  nahm.  Irre  ich  nicht, 
so  starb  der  todtwunde  Krieger  zu  den  FiiBen  der  Geliebten.  Die  Novelle  ubrigens 
war  talentvoll  und  ergreifend ;  vom  Melodram  konnte  ich  nicht  so  giinstig  urtheilen, 
meinte  auch  vorher  zu  sehen,  dafl  dasselbe  sich  so  wenig  auf  der  Biihne  behaupten 
wiirde,  wie  alle  Arbeiten  dieser  Art.  Allein  der  Dichter,  mir  befreundet  und  fur 
meine  Plane  willfahrig,  trug  mir  die  Komposition  an,  und  ich  ware  gar  nicht  im 
Stande  gewesen,  eine  Gelegenheit  zu  meiner  Obung  zu  versaumen.  Die  liebe  des 
Paares  war  der  Hauptinhalt  fur  die  Buhne ;  den  Hintergrund  bildete  der  riesengrofie 
Heereszug  und  sein  Untergang.  Dies  erkor  ich  mir  als  Hauptaufgabe  fur  die  Musik ; 
besonders  Ouvertiire  und  Zwischenakte  hatten  diese  Momente  zu  bezeichnen.  Die 
Komposition  schien  nicht  zu  mifif alien;  das  Melodram  vcrschwand,  wie  ich  voraus- 
gesehen,  nach  wenig  Auffuhrungen.t 

Bei  Schilling  ist  zu  lesen,  da£  die  Musik  von  bedeutenden  Musikern 
>gro£artig  und  tief«  gefunden  wurde.  »Namentlich  war  in  der  Ouverture 
der  Charakter  des  Winterfeldzugs  1812  erschutternd  ausgedriickt. «  Hochst 
intere8sant  aber  ist  ein  Brief  Zelter's  an  Goethe  vom  26.  Februar  1829 4), 
der  folgendermafien  lautet: 

♦Einer  der  dreyzehn  Biihnendichter,  unser  Willibald  Alexis,  hat  soeben  die 
Muse  der  Konigsvorstadt  mit  einem  Melodram  uberschattet,  woriiber  die  Anlage 
(der  Berliner  Courier  Nr.  622 5)  redet.  Melodram  ist  es  genannt,  weil  es  seiner 
ernsthaften  Tendenz  wegen  auf  diesem  Theater  nicht  durfte  gegeben  werden.  So 
hat  denn  ein  bekannter  Ungenannter  (die  Redaction  der  hiesigen  musikalischen 
Zeitung)  eine  ganz  homogene  Musik  dazu  gemacht,  die  ich  gestern  vernommen 
habe.  Wenn  der  Componist  nicht  gewuBt  hat  wohin?  so  hat  er  genug  gezeigt 
woher  er  kommt;  denn  sein  muhbeladenes  Flickwerk  besteht  in  lauter  Graten  und 
Abwurf  von  Beethoven's  Tischen,  in  wiisten  Larm  gewickelt,  dafi  einen  die  Ganse- 
haut  iiberlauft.     Mir  war  es,  als  wenn  ich  die  Beyspieltafeln  sammtlicher  musika- 

1)  a.  a.  O.  2)  Erinnerungen,  Bd.  2,  p.  42. 

3)  Ein  Druck  dieser  Novelle  war  nicht  zu  ermitteln. 

4)  Briefwechsel  zwischen  Goethe  und  Zelter.  5.  Teil,  p.  150  (Berlin   1834). 

5)  In  diesem  von  Saphir  herausgegebenen  Blatte  kanzelt  ein  mit  E.  O.  unter- 
zeichneter  Kritiker  das  Stuck  gewaltig  herunter,  nennt  es  ein  »hochst  unmoralisches 
Grauelconvolut«.  In  Nr.  632  wird  es  nochmals  gcgoilk»lt,  el)enso  in  Nr.  635  und 
642;  von  der  Musik  ist  nirgends  die  Rede. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bemhard  Marx.  67 

lischen  Lehrbiicher  nach  einander  aus  ihren  verschiedenen  Tonarten  abhaapeln  horte, 
und  die  Orch ester- Leu te  sahen  nachher  aus,  als  ob  sie  ihren  Grabern  entlaufen 
waren.  Eigentlich  hat  mich  das  Opus  erbaut,  —  wie  sich  dieser  Bruder  Markus 
(jetzt  Marx)  dabey  abgemartert  und  sein  Fortepiano  abgerammelt  hat,  da  ich  dem 
Schaker  etwas  gdnne;  denn  das  nieht  vollzahlige  Konigsvorstadtische  Publicum  liefi 
auch  kein  Merkmal  der  WiBbegier  entfallen,  um  den  Thater  des  confusen  Mord- 
spectakels  zu  erkunden.     So  wollen  wir  auch  nicht  weiter  da  von  reden.« 

Wenn  man  sich  das  vergegenwartigt,  was  ich  bei  der  Besprechung  von 
>Jery  and  Bately*  tiber  das  Verhaltnis  Zelter's  zu  Marx  gesagt  habe,  so  wird 
diese  Expektoration  leicht  erklarlich. 

3.  Festsinfonie  zur  Vermahlung  des  Prinzen  Wilhelm  von  Preofien, 
den  11.  Juni  1829  im  Konigsstadischen  Theater  aufgefuhrt1).  Komponiert 
1829. 

4.  TJndinens  GruB,  Festspiel  von  Friedrich  Baron  de  la  Motte 
Fouque\     Komponiert  1829. 

Von  dieser  Dichtung  scheint  nnr  ein  Textbuch2)  (Berlin,  14  Seiten)  ge- 
druckt  zu  sein,  das  folgende  StUcke  bezeichnet: 

Nr.  1.  Romanze'  (Aliena):  Vor  vielen  Hundert  Jahren.  Nr.  2.  Lied  (Walther): 
Frohlich  zog'  in  Morgen-Frische.  Nr.  3.  Chor-Reigen:  Sanft  hebt  una  Rauschen. 
Nr.  4.  Melodrama.  Nr.  5.  Duett  (Kuhleborn,  Undine):  Hei,  ich  strome,  fluthe 
bandenlos.  Nr.  6.  Solo  mit  Choren  (Kuhleborn):  Herauf!  herauf !  Nr.  7.  Allgemeiner 
Chor:  Hoheit,  Ruhm  und  Glanz  des  Sieges.  Nr.  8.  Oft  wenn  sich  schwarz  drangt 
Wolkennacht.  Nr.  9.  Gebet.  Solo  mit  Chor  (Aliena):  O,  du  dort  oben,  hold  ge- 
sinnt.  Nr.  10.  Gesang  (Undine):  Tief  im  Herzen  wohnt  die  Liebe.  Nr.  11.  SchluB- 
chor:  Im  Freien!  zum  Reihen! 

Von  der  Musik  hat  sich  nur  Nr.  2  erhalten,  das  unter  der  tlberschrift 
tjagers  Hoffen*  als  Nr.  6  des  Op.  2  erwahnt  wurde.  Auch  tiber  dieses  Werk 
gibt  uns  Marx  kurze  Nachricht8): 

»Das  letzte  dramatische  Unternehmen  war  ein  Festspiel  zur  Vermahlung  des 
damaligen  Prinzen  von  PreuBen,  Undinens  GruB.  Ich  hatte  die  Personen  des  be- 
ruhmten  Zaubermarchens  fur  cine  landliche  Scene  benutzt;  mein  Vorschlag  gewann 
den  greisen  Dichter  Fouque,  der  seitdem  mich  immer  seinen  ,lieben  Kriega- 
kameraden*  nannte.  Wenigstens  war  er  in  den  Befreiungskriegen  ein  wackerer 
Krieg8kamerad  gewesen,  —  wenn  auch  ich  damals  noch  nicht  reif  war,  sein  Kamerad 
zu  sein.  Unser  Werk  ward  am  Festtage  aufgefuhrt  und  hatte  den  gewohnlichen 
Erfolg  solcher  Gaben.« 

Sei  der  Vollstandigkeit  halber  —  da  wir  leider  auf  eine  personliche 
Beurteilung  verzichten  mtissen  —  noch  folgender  Bericht4)  erwahnt: 

»Der  Vermahlung8- Abend  selbst  am  11.  Juni  wurde  offentlich  nur  im  Konigs- 
stadter  Theater  durch  ein,  leider  die  beabsichtigte  Wirkung  verfehlendes  Festspiel: 
,Undinen'8  GruB*  von  Fouque,  mit  Musik  von  Marx,  gefeyert«5). 

1)  Erwahnt  in  Ledeburs  »Tonkunstler-Lexikon  Berlins*  (Berlin  1861). 

2)  In  der  Barth'schen  Sammlung  der  Bibliothek  des  Konigl.  Opernhauses  zu 
Berlin. 

3)  Erinnerungen,  Bd.  2,  p.  43. 

4)  Allg.  Musikal.  Zeit.   1829,  Bd.  31,  Nr.  31,  p.  509. 

5)  Die  handelnden  Personen  waren:  Die  Mutter  (Mad.  Huray);  Aliena,  Erd- 
muthe,  ihre  Tochter  (>Dle.  Holzbecher,  Steger);  Walther,  Jager,  Alienens  Verlobter 
(Hr.  Diez) ;  Undine  (Mile.  Herold) ;  Kuhleborn  (Herr  ZschieHche) ;  Fiirst  (H.  Meier)  ; 
Fiirstin  (Mad.  Elfiler) ;  Chor  der  Wassergeister,  der  Luftgeister,  des  Hofstaates,  der 
Landleute. 


68  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

5.  Dramatische  Szene:  Zenobia  in  Palmyra.  Fiir  Frau  Milder- 
Hauptmann  komponiert  etwa  1830.  Die  drollige  Szene,  wie  er  das  Opus 
zu  der  begeistert  verehrten  Sangerin  brachte,  wird  von  Marx  sehr  lebendig 
erzahlt 1). 

»Ihr  brachte  ich  denn  freudig  und  erwartungsvoll  meine  Scene.  Ein  groBes 
Recitativ  eroffnete  sie,  dann  stUrmte,  in  Esdur,  der  Chor  der  Romer  heran,  dann 
wandte  sich  die  Modulation  in  das  goldhelle  Edur  zu  dem  Adagio  der  Konigin, 
und  das  Allegro  verband  den  Sologesang  mit  dem  Chor  der  Manners timmen.  Die 
Sache  konnte  herrlich  werden.« 

6.  Symphonie  bei  Yeranlassung  des  Falles  von  Warschau.  Kom- 
poniert 1832. 

>Die  Musik  schildert  hochst  ergreifend  den  raschen  chevaleresken  leicht- 
sinnigen  Charakter  der  Polen,  ihre  Freiheitslust  unter  dem  Kanonendonner, 
ibren  tiefen  Sturz  in  der  blutigen  Niederlage,  das  Hinwegziehn  aus  dem 
Vaterlande,  die  Vereinsamung  auf  fremder  Erde,  das  schwere  Gericht  tiber 
dieses  Volk.«   (Schilling,  a.  a.  0.) 

7.  Musik  zu  Ludwig  Tieck's  Tragodie  >Leben  und  Tod  des 
kleinen  Rothkappchensc     Komponiert  1843. 

Tieck's  herrliche  Dichtung  ist  zum  ersten  Male  in  den  >  Romantischen 
Dichtungen  (T.  2,  p.  465 — 605,  Jena  1800)  gedruckt.  In  einer  kurzen  Notiz, 
offenbar  einer  Berliner  Korrespondenz,  der  Allgem.  Musikal.  Zeitung2)  findet 
sich  die  lakonische  Notiz:  >Marx  in  Berlin  hat  zu  Tieck's  Bothkappchen  eine 
allerliebste  Musik  geliefert* ;  sonst  wuBten  wir  iiberhaupt  Nichts  von  dem  Werk. 
Eine  Anfrage  bei  Frau  Professor  Therese  Marx  in  Jena  wurde  dahingehend 
beantwortet,  daB  Marx  diese  Musik  for  eine  private  Auffuhrung  in  der  be- 
freundetenFamilieTheodorMundt's3)  schrieb,  und  daB  dieselbe  sehr  gefiel.  "Wenn 
der  Verlust  irgendeines  Werkes  unsres  Tondichters  zu  bedauern  ist,  so  ist  es 
dieser;  denn  hier  hatten  wir  Gelegenheit  gehabt,  ihn  auf  einem  ganz  speziellen 
Gebiete  kennen  zu  lernen.  Zudem  gibt  es  bisher  iiberhaupt  keine  Musik  zu 
dem  wundersamen  Drama,  einem  der  riihrendsten  Werke  der  romantischen 
Literatur. 

8.  Festouverture  zur  Feier  des  Geburtsfestes  des  Konigs  von  PreuBen 
am  14.  und  15.  Oktober  1844  in  Erfurt.     Komponiert  1844. 

Von  der  Existenz  auch  dieses  Werkes  werden  wir  nur  durch  eine  kurze 
Zeitungsnotiz4)  belehrt,  die  —  da  ungliicklicherweise  der  Referent  in  der 
Pause  offenbar  zu  viel  Bier  trank  und  nur  einen  Teil  der  Komposition  zu 
horen  bekam  —  besagt,  daB  sie  >aus  zwei  ganz  verschiedenartigen  Satzen 
zu  bestehen  schien*. 

IV.  Gcplante  Werke. 

1.  Frau  Venus.     Musikalisch-dramatische  Dichtung. 

ITber  diesen  fruhen  Jugendplan  finden  wir  Ausfuhrliches  in  Marx'  Memoiren5) 
aufgezeichnet.  Wer  sich  uber  dieses  Analogon  zum  Tannhauser  genauer  informieren 
will,  der  lese  die  betreffende  Stelle  nach. 

2.  Otto  III.     Oper. 

1)  Erinnerungen,  Bd.  2,  p.  65.  2)  1844.  Bd.  46.  Nr.  7,  p.  118. 

3)  Der  bekannte  »jungdeutsche«  Schrifts teller  und  nachmalige  Berliner  Uni- 
versitatsprofeasor. 

4)  Allg.  Musikal.  Zeit.   1844,  Bd.  46,  Nr.  48.  p.  797. 

5)  Erinnerungen,  Bd.  1,  p.  163—167. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  69 

AuBer  Marx*)  erzahlt  auch  noch  Eduard  Devrient2)  von  diesem  Plan  unseree 
Tondichters,  der  der  Ansicht  war,  daB  die  Opernkomposition  sich  bedeutender 
historischer  Vorgange  bemachtigen  miisse  (bekanntlich  im  Gegensatz  zu  Richard 
Wagner  3):  »Er  selbst  war  mit  groBer  Vorliebe  und  mit  groBen  Voraussagungen  mit 
finer  Oper:  Otto's  III.  Romfahrt  und  Tod  beschaftigt.* 

3.  Achilles  auf  Skyros.     Ballet. 

Interessenten  mogen  sich  die  anmutige  Beschreibung  dieses  Planes  von  Marx 
selbst4)  erzahlen  lassen. 

V.  Ausgaben  and  Bearbeitangen  klassischer  Werke. 

1.  Zwei  Gesiinge  aus  Handels  Messias  gesungen  von  Madame 
Milder  im  Klavier-Auszuge.  Berlin,  im  Magazin  fur  Kunst,  Geographic 
und  Musik  Nr.  29.     Pr.  12  gr.  qu.  fol.  10  Seiten.     Erschienen  ca.  1826. 

Nr.  1.  Wechselgesang  ( »Er  weidet  seine  Heerde*).  Fur  2  Stimmen. 

Nr.  2.  Aria.     ( »Ich  weiB,  daB  mein  Erloser  lebet«). 

Eine  von.  Marx  veranstaltete  Ausgabe  Handel'scher  Klavier-Fugen 
auf  die  er  in  der  Vorrede  seiner  Bach-Auswahl  (Nr.  8  b  dieses  Verzeich- 
nissesj  hinweist,  konnte  durchaus  nicht  ermittelt  werden. 

2.  Sechzehn  Sologesange  von  G.  F.  Handel  aus  dessen  samtlichen 
Werken  ausgewahlt  zur  Forderung  und  Veredelung  der  Gesangbildung  mit 
einer  Einleitung  tiber  Geltung  Handel'scher  Sologesange  fur  unsre  Zeit  (als 
Anhang  zur  Kunst  des  Gesanges).  Lief.  I,  II.  Pr.  a  3/4  Rth.  Berlin,  in 
der  Schlesinger'schen  Buch-  und  Musikhandlung,  TJnter  den  Linden  Nr.  34, 
1513.     13,  17  Seiten.    Erschienen  1828. 

Lief.  I.  Nr.  1.  Aus  Otho.  Nr.  2.  Aus  Rodelinda.  Nr.  3.  Aus  Casar.  Nr.  4. 
Aus  Floridant.  Nr.  5.  Aus  Tamerlan.  Nr.  6.  Aus  einer  Cantate.  Nr.  7.  Aus 
Rhadamist.     Nr.  8.    Aus  Agrippina. 

Lief.  II.  Nr.  9.  Aus  Pastor  fido.  Nr.  10.  Aus  Theseus.  Nr.  11.  Aus  Theseus. 
Nr.  12.  Aus  dem  Alexandersfest.  Nr.  13.  Aus  Saul.  Nr.  14.  Aus  Semele.  Nr.  15. 
Aus  Semele.     Nr.  16.    Terzett  aus  Acis  und  Galathea. 

3.  GroBe  Passionsmusik  nach  dem  Evangelium  Matthaei  von 
.lohann  Sebastian  Bach.  Yollstandiger  Klavierauszug.  Seiner 
Konigl.  Hoheit  dem  Kronprinzen  von  Preufien  in  tiefster  Ehrfurcht  gewidmet 
vom  Verleger.  Preis  der  Partitur:  Rh.  18,  Preis  des  Klavierauszugs :  Rh.  ll/2. 
Berlin,  1830.  In  der  Schlesinger'schen  Buch-  und  Musikhandlung,  Unter 
den  Linden  Nr.  34,  1571,  qu.  fol.  190  Seiten.     Erschienen  1830. 

Vbev  den  Wert  dieser  von  Marx  besorgten  Erst-Ausgabe  des  unsterblichen 
Meisterwerkes  eriibrigt  es  sich  zu  reden.  Sichert  schon  die  Tatsache  allein,  daB 
Marx  es  war,  der  Bach's  Werk  zum  ersten  Mai  dem  Druck  iibergab,  dem  Heraus- 
geber  einen  bleibenden  Platz  in  der  Musikgeschichte,  so  noch  mehr  die  Vorzuglich- 
keit  des  Klavierauszuges,  der  fur  alle  spateren  Ausgaben  und  Bearbeitungen  maB- 
gebend  geblieben  ist. 

4.  Kirchenmusik  von  Joh.  Sebast.  Bach.  2  (3)  Bande.  Preis  9  und 
10  frs.  Bonn  bei  N.  Simrock.  2745.  2765.  2857.  2884.  2885.  2886. 
Fol.  64,  67  Seiten.     Erschienen  1830. 

1)  Erinnerungen,  Bd.  1,  p.  171—176. 

2)  Meine  Erinnerungen  an  Felix  Mendelssohn- Bartholdy  und  Seine  Briefe  an 
mich.     Leipzig  1872.  p.  44. 

3)  »Oper  und  Drama.*     Leipzig  1852,  Th.  2,  p.  154  f. 

4)  Erinnerungen,  Bd.  2,  p.  39. 


70  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

Der  1.  Band  en  thai  t: 

Nr.  1.    Litaney  von  Martin  Luther  und  Johann  Sebastian  Bach.    Preis 

2  Francs.    Partitur.    15  Seiten.    (Nimm  von  uns,  Herr,  du  treuer  Gott). 
Nr.  2.    Herr   deine  Augen   sehen  nach  dem  Glauben.     Kirchenmusik 

von   Johann    Sebastian   Bach.     Preis   3   Francs    50  Cs.     Partitur. 

24  Seiten. 

Nr.  3.    Ihr  werdet  weinen  und  heulen,  aber  die  Welt  wird  sich  freuen. 
Kirchenmusik    von   Johann    Sebastian    Bach.     Preis    3    Francs 

25  Cs.     Partitur.     24  Seiten. 
Der  2.  Band  enthalt: 

Nr.  4.    Du  Hirte  Israel  hore.     Kirchenmusik  von  Johann  Sebastian 

Bach.     Prix  3  Francs,    Partitur.    23  Seiten. 
Nr.  5.    Herr    gehe    nicht    ins    Gericht.      Kirchenmusik    von    Johann 

Sebastian  Bach.     Prix  3  Francs.    Partitur.    27  Seiten. 
Nr.  6.    Gottes  Zeit  ist  die  alierbeste  Zeit.    Kirchenmusik  von  Johann 

Sebastian  Bach.     Prix  3  Francs.     Partitur.    27  Seiten. 

5.  Johann  Sebastian  Bach's  noch  wenig  bekannte  Orgelkompo- 
sitionen  (auch  am  Pianoforte  von  einem  oder  zwei  Spielern  ausfuhrbar). 
Pr.  (a)  18  Gr.  Leipzig,  bei  Breitkopf  &  Hartel.  Qu.  fol.  19,  17,  19  Seiten. 
5469,  5470,  5471.     Erschienen  1833.  *) 

1.  Heft.  Nr.  1.  Pracludium  (A  moll).  Nr.  2.  Praeludium  und  Fuge  (Edur). 
Nr.  3.    Praeludium  und  Fuge  (Dmoll).     Nr.  4.    Fantasia  (Gmoll). 

2.  Heft.  Nr.  5.  Praeludium  und  Fuge  (Gdur).  Nr.  6.  Praeludium  und  Fuge 
(Ddur). 

3.  Heft.  Nr.  7.  Praeludium  und  Fuge  (Esmoll).  Nr.  8.  Fuge  (Gmoll).  Nr.  9. 
Toccata  (Dmoll). 

6.  Die  Hohe  Messe  in  H-moll  von  Joh.  Sebastian  Bach  fur  zwei 
Sopran,  Alto,  Tenor  und  BaB.  Im  Klavierauszug.  Preis  des  Klavier- 
auszugs  Frs.  20.  Preis  der  5  Chorstimmen  Frs.  11,  75  Cs.  Bonn  bei  N.  Sim- 
rock.  Zurich  bei  H.  G.  Nageli.  In  demselben  Yerlage  ist  auch  die  Partitur 
dieses  Werkes  zu  48  Francs  erschienen.  3038.  Qu.  fol.  126  Seiten.  Er- 
schienen 1834.     (Kirchenmusik  3.  Band,  vergl.  No.  4.) 

Hiervon  gilt  wortwortlich  das  bei  der  Mat thkus- Passion  Gesagtc.  Auch  dieses 
ewige  Werk  hat  Marx  zum  ersten  Male  uberhaupt  herausgegeben. 

7.  Le  Clavecin  bien  temper 6  ou  48  Preludes  et  Fugues  dans  tons  les 
tons  majeurs  et  mineurs  pour  le  Clavecin  ou  Pianoforte  composees  par 
J.  Seb.  Bach.  2  Parties.  Pr.  -a;  2\2  Rthlr.  Berlin,  chez  J.  J.  Biefen- 
stahl,  Spandauerstr.  Nr.  9.  Hambourg,  chez  Jean  Aug.  Boehme.  Vienne, 
chez  Anton  Diabelli  &  Co.  J.  J.  R.  161.  Qu.  fol.  109,  85  Seiten.  Er- 
schienen 1838. 

Diese  von  dem  Organisten  Haupt  besorgte  Ausgabe  hat  Marx  sorgfaltig 
durchgesehen  und  iiber  ihre  Korrektheit  am  Schlufi  des  Vortworts  ein  Testat  aus- 
gestellt. 

8a.  Auswahl  aus  Sebastian  Bach?s  Kompositionen,  zur  ersten 
Bekanntschaft  mit  dem  Meister  am  Pianoforte.  Berlin  bei  C.  A.  Challier  &  Co. 
Preis  iy3  Thlr.     Qu.  4.     2  (Vorwort)   -f-  25  Seiten.     Erschienen   1844. 

Vorwort.  Nr.  1.  Praeludium  (Cdur).  Nr.  2.  Praeludium  (Ddur).  Nr.  3.  Figu- 
rirter  Choral.     (Wer   nur   den  lieben  Gott  laBt  walten,)     Nr.  4.    Invention  (Fdur). 

1)  Vergl.  hieriiber  die  treffliche  Arbeit  von  Max  Schneider  im  Baeh-Jahrbuch 
1906,  p.  91. 


Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx.  71 

Nr.  5.  Gigue  (Bdur).  Nr.  6.  Sarabande  (Gmoll).  Nr.  7.  Figurirter  Choral.  (Vater 
unser  im  Himmelreich.)  Nr.  8.  Gavotte  (Gdur).  Nr.  9.  Fuge  (Emoll).  Nr.  10. 
Sarabande  (Dmoll).  Nr.  11.  Gigue  (Dmoll).  Nr.  12.  Praeludium  (Gmoll).  Nr.  13. 
Fantasie  (Cmoil).  Nr.  14.  Gigue  (Gdur).  Nr.  15.  Praeludium  und  Fuge  (Fmoll). 
Nr.  16.    Figurirter  Choral.     (Das  alte  Jahr  vergangen  ist.) 

8b.  Auswahl  aus  Sebastian  Bach's  Kompositionen  veranstaltet 
und  mit  einer  Abhandlung  iiber  Auffassung  seiner  "Werke  am  Pianoforte 
eingeleitet.  Zweite  vermehrte  Ausgabe.  Eingefuhrt  im  Konservatorium 
der  Musik  zu  Berlin.  London,  Bob.  Cocks  &  Co.,  6  New  Burlington  Street. 
Berlin,  C.  A.  Challier  &  Co.  14.  Spittel-Briicke.  Pr.  l*/3  Thlr.  844.  Fol.  X 
+  36  Seiten.     Erschienen  1853. 

Hinzugekommen  sind: 

Nr.  5.  Fughette.  (Dies  sind  die  heil'gen  zehn  Gebot.)  Nr.  7.  Praeludium  und 
Fuge  (Gdur).  Nr.  8.  Figurirter  Choral.  (Wer  nur  den  lieben  Gott  laBt  walten, 
2.  Fassung.)     Nr.  17.    Praeludium  imd  Fuge  (Dmoll).     Im  ganzen  18  Nummern. 

8c.  Dasselbe.  Neue  unveranderte  Ausgabe.  Pr.  3  Mk.  netto. 
Berlin,  C.  A.  Challier  &  Co.  2757.  Lith.  Anstalt  von  C.  Or.  Roder,  Leipzig. 
Or.  4.     VII  +  36  Seiten.     Erschienen  1873. 

Die  Vorrede  gehort  zu  Marx*  schonsten  schriftstellerischen  Leistungen  und  wird 
in  einer  von  mir  vorbereiteten,  bald  erscheinenden  erstmaligen  Sammlung  von  Marx' 
kleineren  Schriften1)  zum  Abdruck  kommen. 

9.  Sammlung  vorziiglicher  Chorsatze  fur  den  Gebrauch  in  Sing- 
vereinen  und  Chorschulen.  Klavierauszug  und  ausgesetzte  Stimmen. 
Klavierauszug  Pr.  2  Thlr.  Stimmen  Pr.  1  Thlr.  20  Ngr.  Leipzig,  Breitkopf 
&  Hartel.     10062.     gr.  8.     79  Seiten.     Erschienen  1861. 

1.  Choral.     »Was  mein  Gott  will.*     Tonsatz  von  Hieronymus  Pratorius. 

2.  Derselbe  Choral.     Tonsatz  von  Seb.  Bach. 

3.  Choral:  »Ich  will  dich«  (Es  ist  das  Heil).     Tonsatz  von  Johann  Ekkard. 

4.  Derselbe  Choral.     Tonsatz  von  Seb.  Bach. 

5.  Festlied:  Auf  das  Pfingstfest.     Von  Johann  Ekkard. 

6.  Festlied:  Darbringung  des  Christ  kinds  im  Tempel     Von  Johann  Ekkard. 

7.  Chor  aus  Handel's  Messias.    In  Mozart's  Bearbeitung  und  deutschen  Aus- 
gaben  nicht  aufgenommen.     (Lobsing'  dem  Herrn,  Engelschaar.) 

8.  Aus  einer  Kirchenkantato  von  Handel.     (Heilig  ist  Gott.) 

9.  Aus   Deborah    (Chor   der  Israeliten,  Verwiinschung  der  Unterdrucker)  von 
Handel. 

10.  Aus  Deborah  von  Handel.     (Wirf  ab  die  Scheu!) 

11.  Aus  Herkules,  Oratorium  von  Handel.     (Eifersucht!    Du  Hollengast!) 

12.  Aus  Esther,  Oratorium  von  Handel.     (Ihr  Sonne  Juda's,  klagt!) 

13.  Aus   der   Kirchenkantate   »Du   wahrer    Gott   und   Davids  Sohn«   von  Seb. 
Bach. 

14.  Aus  der  Osterkantate  »Bleib  bei  uns«  von  Seb.  Bach. 

15.  >I)e  profundis*  von  Gluck. 

Wenn  jemand  als  Vorarbeiter  Richard  Wagner's  zu  gelten  hat,  zu  einer 
Zeit,  wo  dieser  iiber  den  Umfang  seines  Beformwerkes  noch  nicht  vollig  im 
Klaren  war,  so  ist  es  Adolph  Bernhard  Marx.  Nur  von  diesem  Gesichtspunkte 
aus  laCt  sich  ein  zwar  nur  beilaufiger,  darum  aber  nicht  minder  merkwiirdiger 
Ausspruch  Franz  Brendel's  verstehen2): 

1)  Berlin  und  Leipzig,  bei  Schuster  und  Loeffler.     2  Bande. 

2)  Geschichte  der  Musik.    6.  Aufl.    Leipzig  1878,  p.  464. 


72  Leopold  Hirschberg,  Der  Tondichter  Adolph  Bernhard  Marx. 

»Auf  dem  letzten  Standpunkt  endlich  erblicken  wir  die  Verneinung  jener  auf 
der  vorangegangenen  sinnlichen  Stufe  geltenden  Bedingungen.  Der  kiinstlerische 
Geist  vermeidet  die  naturlichsten  Verbindungen  der  Accorde,  die  trivial  zu  erscheinen 
beginnen,  und  erbaut  auf  immer  scharfer  eindringenden  Negationen  des  unmittelbar 
zum  Ausdruck  sich  Darbietenden  sein  letztes  kiihnes  Gebaude,  und  wir  sehen  dem 
entsprechend,  wie  die  Theorie  sich  von  der  Angstliehkeit  friiherer  Regeln  befreit, 
und  —  unter  den  Handen  von  Marx  z.  B.,  der  hierin  die  Aufgabe  der  Zeit  er- 
griffen  hat,  —  statt  das  Ohr  als  hochsten  Richter  zu  setzen,  Alles,  was  fur  einen 
bestimmten  Ausdruck  nothwendig  ist,  was  an  sich  selbst  und  als  Einzelnes  vielleicht 
verwerflich,  der  Erreichung  des  Hauptzweckes  und  der  Idee  des  Ganzen  jedoch 
forderlich  sein  kann,  erlaubt.« 

Eigentiimlich  aber  ist  es,  da£  beide  wahrend  ihres  Lebens  in  personliche 
Beriihrung  nicht  gekommen  sind1),  wobei  sie  ihre  Ansichten  und  Plane  in 
gewifi  hochst  interessanter  Weise  hatten  durchsprechen  konnen.  Zwar  erwahnt 
Marx  den  j  linger  en  Meister  mehrfach  in  seinen  Schriften,  doch  ohne  vollige 
Erkenntnis  des  Machtigen  in  Wagner.  Beide  wollten  eben  von  ganz  ver- 
schiedenen  Standpunkten  aus  das  Neue  bilden  und  erreichen;  Wagner  als 
Dramatiker  —  Marx  ohne  diese  Befahigung  im  Buhnensinne.  Darum  ging 
Marx  vom  Oratorium  aus;  Johannes  der  Taufer  und  Mose  sind  »Oratorien 
der  Zukunft«.  Yon  den  strengen  Theoretikern  der  Zeit,  zu  denen  Marx 
zum  Schaden  seiner  produktiven  Tatigkeit  allgemein  gerechnet  wurde,  war 
ein  Yerstandnis  seiner  kompositorischen  Ideen  nicht  zu  verlangen  und  zu 
erwarten.  Wir  haben  die  Pflicht,  das  Yersaumte  nachzuholen,  um  nicht 
hinter  dem  Dichter  Heinrich  Stieglitz  zuriickzustehen,  der  schon  1838 *) 
das  Neue  in  dem  Tondichter  verherrlicht  hat: 

♦Greift  Bernhard  Marx  mit  seinem  heifien  Streben 

Jetzt   mchr   als  sonst  thatkraftig  ein  ins  Leben? 

Er,  dessen  tiicht'ger  Brust  ein  ganzer  Chor 

Inwohnt  von  klanggeschwangerten  Ideen, 

Warum  nicht  tritt  er  aus  sich  selbst  hervor 

Und  laBt  die  stolzen  Siegesfahnen  wehen, 

Die  er  mit  Recht  sich  zum  Panier  erkor? 

Doch  sollt'  auch  nimmer  diese  pralle  Kraft 

Zur  Harmonie  des  Weltchors  sich  entfalten, 

Wie  sie  gerungen  treu  und  unerschlafft, 

Nicht  scheu'  ich  mich,  aufrichtig  zu  bekennen, 

DaB  ich,  in  diesem  rathselhaften  Wesen 

Des    Klangreichs  neue    Aera  zu  erkennen, 

Der  erste  aller  Glaubigen  gewesen.« 


1)  Frau  Prof.  Marx   antwortete    auf  eine  diesbeziigliche  Anfrage  in  negativem 
Sinne. 

2)  »GruB  an  Berlin.     Ein  Zukunftstraum.«     Leipzig  1838,  p.  108. 


Georg  Schiinemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw.  73 


Zur  Frage  des  Taktschlagens  und  der  Textbehandlung 
in  der  Mensuralmusik. 

Von 

Georg  SchOnemann. 

(Berlin.) 


Die  Griechen,  die  fur  die  Rhythmik  des  Gregorianischen  Chorals  das 
Vorbild  gegeben  hatten,  lieferten  auch  die  Grundlage  fiir  das  Schaffen  der 
Mensuralisten.1)  In  der  Perotinischen  Zeit  (Ende  des  12.  Jahrhunderts), 
wo  noch  keine  bestimmte  Fixierung  der  Notenwerte  vor  sich  gegangen 
war,  hing  die  musikalische  Rhythmik  noch  von  der  Metrik  des  Textes  ab.2) 
Erst  zur  Zeit  der  Franconen  (nach  1260)  begann  eine  feste  Bestimmung 
der  Notenwerte  unabhangig  vom  Text.  Es  wurde  eine  Abgrenzung 
gewisser  Werte  festgesetzt.  Joh.  Garlandia  braucht  zu  diesem  Zweck 
einen  Strich3),  ebenso  Aristoteles4)  und  Franco*).  Petrus  de  Cruce, 
ein  Zeitgenosse  Franco's,  wendet  einen  Punkt 6)  an,  der  ein  arithmetisches 
Abteilungsmittel  im  Sinne  eines  Taktstriches  ist.  Fiir  die  Sanger  bildete 
eine  solche  Einteilung  der  Werte  sicher  eine  groBe  Erleichterung. 

Wirkliche  Taktzeichen  finden  sich  erst  vom  14.  Jahrhundert  ab.  Das 
Eindringen  des  zweiteiligen  MaBes  —  ein  EinfluB  der  italienischen  Kunst7) 
—  in  die  Mensuralmusik,  die  vorher  nur  dreiteilige  Messung  kannte, 
machte  diese  Taktzeichen  notwendig.  Philipp  deVitry  wendet  folgende 
Zeichen  an8): 


1)  Die  Lehre  der  5  modi  des  Franco  (Coussemaker,  Script.  I  p.  118b  und 
119a)  ist  den  griechischen  VersfUBen  genau  nachgebildet. 

2)  intellego  istam  longam,  intellego  illam  brevem dicebant :  punctus  illc  supe- 
rior sic  concordat  cum  puncto  inferiori;  Coussemaker,  Script.  I  p.  344a  (Ano- 
nymus  IV). 

3)  Coussemaker  I  p.  104 b.  Divisio  modorum  est  tracius  aliquo  modo  positus. 

4)  Coussemaker  I  p.  271  b. unum parvum  tractulum  in  forma  et  longituditie 

semisuspirii. 

5)  Co useemaker  I  p.  120a.  quidam  tractidus,  qui  signum  perfectionis  dicitur;  vgl. 
hierzu  Joh.  Wolf:  Geschichte  der  Hensuralnotation  I  p.  11  ff. 

6)  Coussemaker  Script.  I  388a  und  I  424a;  vgl.  auch  das  Beispiel  in  Wolfs 
Gesch.  d.  Mensural  not.  Bd.  II,  Nr.  1  von  Petrus  de  Cruce;  durch  diese  Taktpunkte 
ist  auch  die  tfbertragung  wesentlich  erleichtert.  DaB  diese  Punkte  und  Strichel- 
chen  mit  den  Punkten  fur  Arsis  und  Thesis  des  Anonymus  Belle rmann's  (Avtovupou 
au-pfpctjjiua  Trept  fiouatx?];  Berlin  1841)  zusammenhangen,  ist  bei  der  groBen  Abh&ngig- 
keit  von  den  griechischen  Theoretikern  vielleicht  anzunehmen. 

7)  Wolf  a.  a.  0.    I  p.  91. 

8)  Coussemaker,  Script.  Ill  19 ff.  Vgl.  liber  die  Taktzeichen  Wolf  a.  a.  0. 
I  p.  92ff.,  p.  97;  uber  Taktbuchstaben  ebenda  p.  274. 


74  Georg  Schunemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw. 

|1TT[  modus  perfectus,        d.  h.  die  Longa  ist  3-zeitig  zu  messen. 

I17]  modus  imperfectus,     >>>         >         »     2      >         >         > 

j_l±  tempus  perfectum,      >    »     »     Brevis   »    3      »        »        » 

1 1  tempus  imperfectum,  »>>        >        »     2      »        »        » 

Sollte  in  einem  Stiick  noch  die  vorgezeichnete  Messung  durchbrochen 
werden,  so  konnten  die  nach  den  Mensur-Regeln  zusammengehorigen 
Werte  durch  einen  Punkt  (punctus  divishnis)  getrennt  werden,  andere 
zweiteilige  Werte  durch  den  Punkt  (punctus  perfectionis)  perfekt,  d.  h. 
dreiteilig  gemacht  werden.  Eine  f ortgesetzte  Abgrenzung  der  Werte  durch 
Taktpunkte  oder  ahnliches  war  nunmehr  uberfliissig.  Man  nahm  eine  be- 
stimmte  Noteneinheit  an,  und  durch  diese  wurden  die  anderen  gemessen, 
ahnlich  dem  xpovo;  7rpu>To;  der  Griechen. 

z.  B. :   » Tempus  annonicum  est  mensura  omnium   notarum   qua  scilicet  una- 
quaeque  mensuratur  iwta*  1). 

GjundmaB  war  anfangs  die  Longa,  wie  aus  der  praktischen  Musik  er- 
sichtlich  ist2);  erst  um  die  Zeit  der  ars  nova  (14.  Jahrh.)  kam  die  Brevis 
als  Takteinheit  in  weiteren  Gebrauch.  Nahere  Hinweise  auf  die  Leitung 
des  Gesanges  habe  ich  bei  den  Theoretikern  nicht  gefunden;  daB  man 
aber  auch  in  dieser  Zeit  beim  Gesang  sich  nach  einem  praecentor  oder 
director  richtete,  steht  fest.  »Wenn  auch  alle  gleich  gute  Sanger  sind,  so 
erkennen  sie  doch  einen  als  praecentor  und  director  an,  auf  den  sie  sebr 
peinlich  achten3).*  Ferner  lernte  man,  daB  in  alien  modis  (unseren  Takt- 
arten  entsprechend)  immer  im  Anfang  des  Taktes  Konkordanzen  sein 
muBten4).  WuBten  die  Sanger  mit  den  Intervalls-  und  Proportionslehren 
Bescheid  —  dies  gehorte  damals  zum  Riistzeug  eines  jeden  Sangers  — , 
so  boten  die  Kompositionen  fiir  die  Ausfiihrenden  keine  Schwierigkeiten 
weiter,  zumal  wenn  Instrumente  die  Stimmen  stiitzten  oder  die  Fiihrung 
der  Unter8timmen  ubernahmen,  wie  es  Riemann 5)  annimmt.    Die  weitere 


1)  Hier.  v.  Mahren  (Couss  emaker  Script.  I  81b.)  oder  Joannes  Hauboys 
Coussemaker  Script.  I  p.  404)  Mensura  est  liabitudo  quant itatem.  longiiudinem  et 
brevitatem  cuiuslibd  cantus  mensurabilis  manifestans. 

2,  z.  B.  Wolf,  Geschichte  der  Meneuralmusik  II  Nr.  1  wiire  in  Longatakt  zu 
tibertragen,  da  6onst  Dissonanzen  im  Anfang  des  Taktes  entstlinden. 

3)  Hieron.  v.  Mahren  (Coussemaker  Script.  I  p.  93):  Secundum  est,  ut 
quantumcumque  sint  omncs  equaliter  boni  cantores,  union  tamen  preccntorem  et  direc- 
torem  sui  constituant,  ad  quern  diligentissime  attendant. 

4)  Franco  (Coussemaker  Script.  I  132b):  ///  omnibtts  modis  uiendum  est 
semper  concordantiis  in  principio  perfectionis  Taktes ,  licrt  sit  longa,  breris  rel  semi- 
brevis. 

5)  Hugo  Kiemann:  Das  Kunstlied  im  14.— 15.  Jahrhundert.  Sammelbd.  d. 
I.  M. G.  1906,  Jahrg  .VII,  Heft  4  p.  529ff.;  derselbe:  Handbuch  far  Musikgeschichte II.  1 
(Zeitalter  der  Renaissance)  Leipzig  1907,  vor  allem  Kapitel  XVIII,  §  56. 


Georg  Schunemann,  Zur  Frage  dee  Taktschlagens  usw.  75 

Entwicklung  der  Mehrstimmigkeit,  vor  allem  die  Entwicklung  des  sogenann- 
ten  durchimitierenden  Vokalstils  machte  nun  mehr  denn  je  ein  exaktes  Zu- 
sammengehen  aller  Stimmen  notwendig.  Waren  nicht  ganz  gute  und  gelibte 
Musiker  beisammen,  so  muBte  die  Mensur  den  Sangern  sichtbar  gemacht 
werden.  Man  schlug  mit  der  Hand  den  Takt.  Im  Lauf e  des  16.  Jahrhunderts 
gehort  fast  in  jedes  theoretisch-praktische  Werk  auch  ein  Kapitel  iiber 
den  Takt  (de  tactu).  Adam  von  Fulda  (ca.  1490),  der  Theoretiker,  der 
eine  eingehende  Erorterung  der  »kmdischen«  Mutationsregeln,  die  doch 
bisher  einen  so  groBen  Raum  bei  den  Theoretikern  einnahmen,  ablehnt 4), 
der  auch  die  bisherigen  so  schwierigen  Transpositionslehren  vereinfacht2), 
ist  auch  der  erste,  der  ein  Kapitel  iiber  den  Takt  bringt3).  Eine  noch  friihere, 
indeB  nur  kurze  Nachricht  vom  Taktschlagen  bringt  im  15.  Jahrhundert 
llamis  de  Pareia4).  Der  Dirigent  solle  den  Takt  mit  der  Hand  oder  dem 
FuB  oder  dem  Finger  schlagen.  Trotz  dieser  spaten  Nachrichten  zeigen 
uns  bildliche  Darstellungen,  daB  auch  schon  vorher  der  Takt  mit  der 
Hand  geschlagen  wurde,  denn  die  zum  Teil  schon  recht  verzwickte  Rhythmik 
z.  B.  eines  Du  Fay  forderte  dazu  schon  auf.  Auf  dem  linken  Altarwerk 
der  Briider  van  Eyk  taktiert  ein  Sanger  mit  niederschlagender  Hand5). 
Bernard.  Pinturicchio  (1454 — 1513)  malt  einen  Ohor  von  10  Engeln, 
die  aus  einem  Notenblatt  singen,  einer  von  ihnen  gibt  mit  der  erhobenen 
rechten  Hand  deutlich  den  TaktB).  Dies  Bild  fuBt  sicherlich  auf  der 
Praxis  der  Zeit.  Sandro  Boticelli  (1447 — 1500)  malt  zwei  Chore  von 
je  drei  Engeln,  die  aus  einem  Notenblatt  singen,  der  mittlere  taktiert 
mit  leicht  niederschlagender  Hand7).  Ein  »Baum  Jesse* ,  der  im  kirchen- 
musikalischen  Jahrbuch8)  reproduziert  ist,  zeigt  ein  »himmlischesKonzert«. 
Alle  moglichen  Instrumente  sind  vertreten,  ein  Konig,  dem  Zuschauer 
den  Kiicken  kehrend,  taktiert  durch  Zusammenschlagen  der  Hiinde.  Das 
Bild  stammt  aus  dem  15.  Jahrhundert.  In  der  Ausgabe  von  Gafurius' 
Praetica  masica,  1496  befindet  sich  auf  fol.  a  1  unten  ein  Knabenchor 
mit  seinem  magister,  ein  Knabe  steht  im  Vordergrund  und  schlagt  den  Takt, 


1)  Gerbert  Script.  Ill  p.  346:  Nolui  autem  pueriles  Mas  regular  de  mtUationibus 
casus  notarum  dictas  huic  frpusculo  nmtro  adjungere. 

2)  Gerbert  Script.  Ill  p.  358.  In  dieser  Hinsicht  Ut  er  jetzt  von  Riemann: 
Handb.  d.  Musikgesch.  Bd.  Ill,  p.  34ff.  gewUrdigt  worden. 

3)  Gerbert,  Script.  Ill,  p.  362ff. 

4)  Neuausgabe  von  Joh.  "Wolf  p.  83. 

5;  Original  im  Kaiser  Friedrich  Museum  in  Berlin. 

6)  Chiesa  di  S.  Maria  Maggiore.    Rom  (Original;. 

7)  Sa.  Verging  col  Bambino  ed  angcli.  Rom.  Bei  den  erwahnten  Bildern  sind 
die  Engel  nicht  kleine  >Kinderchen«,  sondern  groOe  erwachsene  Gestalten. 

8]  Jahrg.  1884  p.  30.  Erwahnt  sei  noch  auf  dem  einen  Teil  des  Reliefs  des 
Florentiner  Doms  (Lucca  dellaRobbia)  [Sangertribflne]  der  kleine  Junge,  der  die 
Bewegungen  des  Taktierendcn  nachahmt;  er  schlagt  mit  dem  Zeigefinger  der 
Rechten  in  die  hohle  Linke. 


76  Georg  Schiinemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw. 

alle  singen  nach  einem  groBen  auf  einem  Pult  stehenden  Notenbuch. 
Auch  bei  zweistimmigen  Stiicken  schlug  man  Takt.  Ein  anonymer  Holz- 
schnitt  aus  dem  15.  Jahrhundert  zeigt  einen  Mann  und  eine  Frau,  beide 
mit  einem  Buch,  der  Mann  taktiert  mit  der  rechten  Hand1).  Auf  einem 
andern  Holzschnitt  sieht  man  eine  Lautenspielerin  und  einen  taktierenden 
Sanger2).  Nahere  Nachrichten  iiber  die  Art  und  Weise  des  Taktierens 
und  iiber  die  Form,  in  der  der  Takt  gegeben  wurde,  erhalten  wir  allerdings 
erst  im  16.  Jahrhundert,  und  leider  bringen  die  Werke  infolge  des  un- 
seligen  Abschreibens  in  jener  Zeit  fast  durchweg  dasselbe.  Trotzdem  soil 
hier  eine  Ubersicht  iiber  diese  Takterklarungen  gegeben  werden. 

Tactus  est  continua  rnotio   in  mensura  contenta  rationis.     Tactus  autem 
per  figuras  et  signa  in  singulis  musicae  gradibus  fieri  habet.     Nihil  enim  ali- 
ud  est,   nisi   debita  et    conveniens  niensura  modi,  temporis  et  prolationis*).* 
Adam  von  Fulda  (Gerbert,  Script.  Ill,  p.  362); 
zum  Teil  ebenso  oder  iihnlich: 

Sim.  Brab.  de  Quercu,    15094);    Wollick,    1501 5);    Mich.   Ros- 

wick,  1514 6);  Bern.  Bogentantz,15157);  Joann.  Cochlaus,15128). 

Tactus  est  successiva   cantiis  /  mensur  am  eim  ad  aequalitatem   regulans. 

Jo.  Knapp,   15139); 

ahnlich:     Heinr.    Faber,    1550 10);    Lucas    Lossius,     1563  u)\     Grallus 

DreBler,  1571 «). 


1)  Unter  >Meister  der  Liebesgarten<  im  Egl.  Eupferstichkabinett  zu  Berlin. 
15.  Jahrhdt. 

2)  Unter  >Meister  mit  dem  Zeichen  P.P.W.*  Niederlandische  Meister  des 
15.  Jahrhdts.  Kupferstichkabinett,  Berlin.  Allerdings  hat  hier  der  Sanger  den  Arm 
so  weit  erhoben,  daB  es  fast  wie  ein  Deklamieren  aussieht. 

3)  Der  Takt  ist  eine  bestandige  auf  die  rechte  Mensur  gerichtete  Bewegnng. 
Der  Takt  hat  unter  den  Figuren  und  Zeichen  nach  den  jemaligen  Musikwerten  zu 
gescbehen.  Nicbts  anderes  ist  er,  als  die  notwendige  und  passende  Messung 
des  Modus,  Tempus  und  der  Prolation  (Messung  nach  Longen,  Breven  und  Semi- 
breven). 

4)  Simon  Brab.  de  Quercu:  opusctdum  musices.  Wien  1509,  fol.  dll;  andere 
Ausgaben  1513,  1516,  1518  mit  Holzschnitt:  Ein  Mann  und  eine  Frau  von  Noten 
singend,  ein  anderer  Mann  hdrt  zu. 

6)  Nicolaus  Wollick  de  Servilla:  opus  aurcum de  gregoriana  et  figuraiira 

cantu.    C6ln  1501,  fol.  GI. 

6)  Micbael  Eos  wick  (Roswick),  competidiaria  musicae  artis.  Lipsi.  1516,  fol. 
L II,  cap.  V.  a.  Ausgabe  schon  1514. 

7)  Bernardin  Bogentantz:  collectanea  utriusque  cantus.    Coin  1615,  II  12. 

8)  Johann.  Code  us  (Cochlaus):  tetrachordum  musices.    Ntirnberg.  1512,  II  6. 

9)  Johann  Enapp:  institutio  in  musieen  mensur alem.    Erfurt  1513,  fol.  C1II. 

10)  Henricus  Faber:  Ad  musicam pract.  introduction  non  modo  praecepta,  sedexem- 
pla  quoque  ad  usum  puerorum  accomodata,  quam  brevissime  continens.  1556  a.  Aus- 
gabe 1550.    NQrnberg.    Eap.  V. 

11)  Lucas  Lossius:  erotemata  mus. practicae  ex  probatissimis  huius artis  scripto- 

ribus  accurate  et  brevUer  sclecta ad  usum  scholae  Luneburgiensis  et  aliorum 

puerilium  —  NQrnberg  1563,  II  Eap.  X. 

12)  M.  Gallus  DreBler:  Music,  practicae  clementa.  Magdeburg  1571,  III  Eap.  HI. 


Georg  Schiinemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw.  77 

.  .  .  vel  est  quidam  rnotus  j>r  accent  oris  signorum  indicia  f ormolus  can- 
turn  dirigens  mcnsuralitcr.     Andr.  Ornitoparch,  1517  *); 
ebenso  oder  ahnlich:  Herm.  Fink,   15562);  Georg  Rhaw,   15203);  Euch. 
Hoffmann,  1572*); 

Perpetiio  motu  tactum  signare   necesse  est.     Philomates,  Vencesl.5). 

3)er  Sact  obbcr  fdjtag  /  h>ie  cr  attljie  genomen  h>irb  ift  cine  ftete  tmb 
meffige  betoegung  bet  Ijanb  bed  fengerS  /  burdj  toetdje  gteidjfam  ein  ridjtfdjeit  / 
nadj  aufweifung  ber  jetdjen  /  bie  gteidjeit  ber  jtymmen  onb  Stoten  bed  gefangS 
redjt  geleitet  onb  getneffen  hrirb  /  benn  e3  miiffen  fid)  atte  ftynunen  /  fo  ber 
gefang  toot  fol  tauten  /  barnadj  ridjten  /.    Mart.  Agricola6). 

Der  Takt,  nach  dem  sich  Sanger  wie  Spieler  richten  miissen,  besteht 
aus  den  Schlagen  mit  der  Hand  auf  und  ab.     Sancta  Maria,  1565  7). 

La  battuta  la  qual  e  un  eerto  segno  formato  a  imitatione  del  Polso  ben 
sano  per  elevatione  et  depositione  delta  Mano  di  quel  die  governa. 
Lanfranco,   15338J. 

.  .  .  la   misura  d'un  tempo  diviso   in   duoi  moti  alia  misura  del  polso 
humano,  cioe}  ascendendo  et  Valtro  descendendo.     Picitono,  1547  9). 

La  batatta  ha  due  teste,  una  a  lo  scendere  et  Valtra  a  al  satire.  Lusi- 
tano,   1558  »°). 

.  .  .  un  esqual  abbaissement  et  eflevation  ist  der  Takt  nach  Pierre  Da- 
vantes,  156011). 

.  .  .   nulus  acqualis  cerium  temporis  tractum  in  vices  aequales  dividens. 
Andr.  Kaselius,   1589 12). 

Tactus  est  motus  regulatus  Praecentoris  manu  factusj  sonorum  tempora 
metiens.     Cyr.  Snegassius,  1591 13). 


1)  Andreas  Ornitoparch:  musicc  active  micrologus  1517   (bei  Valentin  Schu- 
mann), II  Eap.  VI. 

2)  Hermann  Fink :  practica  musica  —  exempla  variorum  signorum con- 
linens.     Wittenberg  1556,  lib.  II. 

3)  Georg  Rhaw:  enchiridion  musices.    Leipzig  1618,  enchiridion  utriusque  musi- 
cae practicae.  Leipzig  1520,  enchiridion  musicae  mensuralis.  Leipzig  1520,  Kap.  VII. 

4)  Eucharius  Hoffmann:  musicae  practicae  praecepta  communiora  in  usum  ju- 
ventutis  conscripta.    Wittenberg  1572,  Eap.  X. 

5)  Venceslaus  Philomates:  musicorum  libri  quattuor.  Vienne  Pannoniae.  1523. 
III.  Eap.  2,  a.  Ausgabe  schon  1512. 

6)  Martin  Agricola:  musica  figuralis  deudsch.    Wittenberg  1532.    Eap.  VI. 

7)  Thomas  de  Sancta  Maria:  Arte  de  tarier  Fantasia,  Valladolid  1665.    Fol. 
VII  y.  f.    Auf  dieses  Werk  machte  mich  Herr  Einkeldey  zu  Berlin  aufmerksam. 

8)  Giov.  M.  Lanfranco:  Scintille  di  musica  1633.    Brescia,  p.  67. 

9)  Angelo   da  Picitono:  Fior  angelico  di  musica.    Venedig  1547,  II  1.    Fol. 
Q  IV. 

10)  Vincentio  Lusitano:    introduttione  facilissima  e  novissima  di  canto  fermo, 
ftgurativo,  contrapunto  —  Venedig  1558,  fol.  9. 

11)  Pierre  Davantes:  nouvelle  et  facile  methode  pour  chanter.    (Mitgeteilt  in  den 
Monatsheften  far  Musikgeschichte,  1869  Nr.  XI  p.  163  ff.) 

12)  M.  Andrea  Raselius:  Hexachordum  seu  quaestiones  Musicae  practicae  Nfirn- 
berg,  1689,  fol.  E  3. 

13)  M.  Cyriacus  Snegassius  (Schneegass) :  Isagoges  Musicae    libri  duo   Erfurt, 
1691,  I  6. 


78  Georg  Schunemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  ubw. 

Die  Battuta  ist  *quel  segno,  che  si  fa  con  la  mano,  il  quale  dimostra 
il  modo,  channo  da  tenere  quelli  che  cantano,  nel  proferire  la  Voce  con 
misura  di  tempo  veloce  d  tardo  che  con  le  figure  cantabili  si  dimostra*. 
Tigrini,  1588  *). 

Der  Takt  geschieht  *aequali  sublationis  el  depressionis  tempore*  nach 
dem  Anonymus  des  16.  Jahrhdts.2) 

La  prima  misura  non  c  altrimenti,  che  pronontiare  la  nota  con  uguale 
spatio,  dimostra  con  la  mono.     Aron,  ca.  1545 3). 

Jan  Blahoszlav,  1569  4):  >Das  Wort  (tactus) bezeichnet  eine  bestimmte 
Zeitabmessung,  in  der  entweder  der  Gesang  oder  die  Pausen  stattfinden*. 

Der  Takt  *non  c  altro  che  un  picciol  moto  simile  al  moto  del  polso 
humano  overo  al  pulpitar  del  core:  col  quale  osservando  i  cantori  il  valor 
dellc  figure  cantano  le  Musique  figurate.     Zacconi,  1596 5). 

Neben  der  Hand  konnte  auch  durch  Heben  und  Senken  eines  Fingers 
der  Takt  moglichst  unauffallig  sichtbar  gemacht  werden: 

Tactus  est  digit i  motus,  ant  nutus  .  .  .     Seb.  Hey  den,  1540  6J. 

Tactus  est  ordo,  quo  digitus  aequali  sublationis  et  depressionis  tempore 
motus  omnium  notarum  et  pausarum  quantitates  metitur.  Anonymus  des 
16.  Jahrhdts.  loc.  cit. 

Est  digiti  .  .  .  motus  aut  nutus  aequalis  ...     M.  An  dr.  Raselius  1.  c. 

Tactus  ift  cine  gletdjformige  beroegung  etneg  fingerg  obcr  #anb  /  borauff 
attc  %oten  onb  $aufen  nad)  if)rem  valore  ober  tucrt^  gefungen  toerben  /. 
Wilfflingseder,  15597). 

Daneben  bediente  man  sich  zum  Taktschlagen  auch  eines  Taktstockes 

und  ahnlicher  Hilfsmittel,Vas  anandererStelle  einmal  behandelt  werden  soil. 

Bei  der  Instrumentalmusik  wurde  der  Takt  mit  dem  FuB  getreten: 


1)  R.  M.  Oratio  Tigrini:  Compendiolo  delta  musica  Ven.  1588,  Kap.  XVI, 
p.  123. 

2)  Anonym:  De  signis  tnusicalibus.  Cod.  msc.  XVI  saec.  der  Kgl.  Bibliothek 
zvl  Berlin.  Eap.  VIII.  Der  Kodex  schlieBt  Rich  oft  an  Sebald  Hey  den:  de  arte 
canendi  (1540)  an. 

3)  Pietro  Aron:  Compendiolo.    Nach  1645,  Kap.  38. 

4)  Jan  Blahoszlav  schrieb  eine  >musica<  und  >Erganzungen«  dazu;  er  wurde 
spater  Bischof  der  Sekte  der  b&hmischen  Brilder,  in  welchem  Amte  er  1571  starb- 
Die  musica  erschien  in  erster  Auflage  1558,  in  der  zweiten  1569.  Erhalten  ist  nur 
die  zweite  in  Prag  (vgl.  Kap.  VIII).  Die  >Erganzungen<  stammen  aus  der  Zeit 
zwischen  1560 — 64.  Die  Schrift,  die  in  bdhmischer  Sprache  abgefaGt  ist,  ist  ab- 
gedruckt  bei  Otakar  Ho  s  tin  sky:  >Jan  Blahosxlav  a  Jan  Josquin  (Pseudonym  eines 
bOhmischen  Priesters).  Ein  Beitrag  zur  Musikgeschichte  Bohmens  und  zurTheorie 
der  Kiinste  im  16.  Jahrhundert.  Prag  1896. «  Die  Mitteilung  und  Ubersetzung  ver- 
danke  ich  Herrn  Wladimir  Helfert  aus  Prag. 

5)  Lud.  Zacconi:  Prattica  di  musica  Venedig,  1596.  1622;  I  Kap.  32. 

6)  Sebald  Heyden:  de  arte  canendi.  Nurnberg  1540.  p.  40.  Eine  frtihere 
Ausgabe  erschien  1537  (vgl.  Sandberger:  Bemerkungen  zur  Biographie  H.  L. 
Hasslers  und  seiner  Brilder.  —  Denkm&ler  der  Tonkunst  in  Bayern.  V.  Jahrgang, 
2.  Teil  p.  XIV). 

7)  Ambrosius  Wilfflingseder:  Teutsche  Musica  /  der  Jugend  zu  gut  gestellt. 
Nurnberg  fol.  D  VII  v.  (nach  Eitner  Qu.  L.  a.  Ausg.  1559). 


Georg  Schiinemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw.  79 

» Was  die  Sanger  mit  der  Hand  machen,  das  miissen  die  Instrumentisten, 
da  sie  die  Hande  nicht  frei  haben,  mit  den  FilBen  tun1).*  »Hauptsachlich  fur 
Anfanger  ist  es  sehr  wichtig  und  notwendig  beim  Spielen  mit  dem  Fu£  den 
Takt  zu  geben,  da  man  die  Hande  zum  Taktschlagen  nicht  hochheben  kann«  2). 

Deshalb  heiCt  es  auch  bei  Pietro  Aron  (a.  a.  0.  cap.  38) :  La  prima  mi- 
sura  non  c  altrimenti  che  pronontiare  la  nota  con  la  mano,  0  col  piede  .  .  . 
und  bei  Pierre  Day  antes  (a.  a.  0.  p.  168):  un  esqual  abaissement  et  ener- 
vation de  la  main  ou  du  pied. 

Natiirlich  hat  man  sich  eine  maBige  Bewegung  des  FuBes  zu  denken, 
wie  wir  hier  und  da  noch  heute  im  Orchester  einen  Spieler  sich  selbst 
den  Takt  »einpragen«  sehen.  Ferner  ahmten  die  Instrumentisten  wohl 
auch  mit  ihren  Instrumenten  die  Taktbewegungen  nach,  z.  B.  durch 
Heben  und  Senken  der  Posaunen  oder  Violen3). 

Man  unterschied  nun  im  16.  Jahrhundert  gewohnlich  drei  Taktarten: 
den  Tactus  maior  (auch  generalise  integer,  totalis  genannt),  den  Tactus 
minor  (speciaMs,  Semitactus,  diminutus)  und  den  Tactus  proportionatus 
(dessen  Unterteilung  Sesquialter  genannt).  Takteinheit  war  im  16.  Jahr- 
hundert zum  groBten  Teil  die  Semibrevis;  sie  gait,  von  Proportionen  wie 
Augmentationen  abgesehen,  einen  Tactics  integer. 

*In  omnibus  signis  semibrevis  tactu  mensuretur  integro  augmentatione  et 
proportionibus  demptis.€  Rhaw,  a.  a.  0.  Kap.  VII  (ebenso  oder  ahnlich: 
Cocleus,  a.  a.  0.  T.  II,  Kap.  VI;  Ornitoparch,  a.  a.  0.  II,  6;  Knapp, 
a.  a.  0.  fol.  CIV;  Listenius3  1533;  Faber,  a.  a.  0.  Kap.  V  und  viele 
andere). 

Der  Tactus  maior  bekam  eine  Semibrevis  oder  die  ihr  entsprechenden 
Minimen,  der  Tactus  minor  eine  Minima,  der  Proportionatus  3  Semi- 
breven,  der  Sesquialter  3  Minimen. 

3)er  wganfce"  Zatt  [Tactus  maior)  „3ft  /  ioeldjer  eine  tmgeringerte  (Semi- 
brenem  obber  eine  SSredem  in  ber  Jjelfft  geringert  /  mit  feiner  betoegung  be* 
grcifft  /  ". 

3)er  „ljalbe"  $aft  (Tactics  minor)  „3ft  bag  Ijalbe  teil  bom  ganfcen  /  SSnb 
toirb  au$  barumb  atfo  genennet  /  bad  er  Ijalb  fo  Diet  /  ate  ber  ganfce  Jact  / 
ba§  tft  /  eine  ©emibreoem  inn  ber  Ijetfft  geringert  /  obber  eine  tmgeringerte  3Rini- 
mam  mit  feiner  beroegung  /  bad  ift  /  mit  bem  nibberfdjtagen  tmb  auffljeben  be- 
grcifft  /  ". 

S)er  „$Proporcien  $act"  „3ft  /  toetdjer  bret)  ©emibretoeS  aid  in  Jrtyta  /  obber 
bret)  9Rinima3  ate  inn  ^rotation  perfefta  /  begreifft" 5).  — 


1)  Sed  quod  canenlcs  manu  faeiunt,  id  musicis  instruments  ludentes,  quia  manu 
nan  possunt,  pede  facere  cogimtur.    Fr.  Salinas:    de  tnusica  libri  VII   1677   V  4. 

2)  St.  Maria:  a.  a.  0.  fol.  8 v.    es  may  importante  y  necessario  Uevar  el  com- 
pos eo  el  pie  pues  que  tanendo  no  se  pue  Uevar  la  mono. 

3)  L.  Zacconi:  a.  a.  0.  I  Kap.  33.  —  per  che  nel  sonar  delle  Viole  0  de  Tromboni 
essi  sonatori  fanno  attione  simile  alle  attione  det  tatto  — 

4)  Nicolau8  Listenius:  rudimenta  musicae  in  graiiam  studiosae  iuventutis  dili- 
genter  comportata,  Wittenberg  1533,  fol.  B  v. 

5)  Agricola:  a.  a.  0.  Kap.  VI. 


80  Georg  Schiinemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw. 

» —  Semibrevem  non  diminuiam  suo  motu  eomprehendit  [tactus  maior],  vel 
brevem  in  duplo  diminuiam  — «  tactus  minor  —  » semibrevem  in  duplo  dimi- 
nuiam suo  motu  mensurat — « l)  (auch  Faber,  a.  a.  0.  Kap.  II:  Hoffmann, 
a.  a.  0.  Kap.  10). 

Die  geraden  Taktarten  schlug  man  so,  daB  die  Halfte  der  Noten  auf 
den  Auf-  und  die  andere  auf  den  Niederschlag  kam.  Beim  ungeraden 
Takt  wurden  —  wie  es  die  Griechen  vielleicht  schon  machten  —  die 
ersten  zwei  Taktteile  auf  den  Nieder-,  der  dritte  Taktteil  auf  den  Aufschlag 
genommen2).     Wir  wurden  fur  das  Taktschlagen  folgendes  Bild  erhalten : 

Tactus  maior:  v    =    ▼    J 

0  ?    O 

i      i 
Tactus  minor:  *.'    =    I    i 

*      t  t 

It  It 

Tactus  proportionatus:  =      — 

HO  0  0   0 

[Sesquialtery.  0  J"  ~  A  ? 

Eine  besondere  Stellung  nimmt  der  Breventakt  ein  V  =  J  £ ,  den 
ich  noch  ausfiihrlich  behandeln  werde. 

Als  Taktzeichen  fiihrt  schon  Adam  von  Fulda  (Gerbert,  Script  HE, 
lib.  in  cap.  Vn  p.  362)  folgende  an: 

©  2.  ©.  (•.  In  his  tribus  tactum  facit  minima,  ut  hie  ^ ;  O-  C  •  ®-  In  his 
tribus  tactum  facit  semibrevis,  ut  hie  0 ;  (£ .  O  2.  C  2.  In  his  tribus  tactum  facit 
brews,  ut  hie   0. 

Der  Ausdruck  >  tactum  faciU  bedeutet  nichts  weiter  als :  macht  einen 
Auf-  und  Niederschlag  aus.  In  dem  folgenden  Beispiel  gilt  also  im  Sopran 
und  BaB  die  Brevis  einen  Auf-  und  Niederschlag,  im  Tenor  die  Semibrevis. 

Alexander  Agricola  (Eade.  Ambr.  p.  180). 

It  It  I  t  It  I 


p=<&- =giz3^g 


-^JT 


■-&- 


It 


W- 


BE 


~^_ 


It , 


m—r  r  t-^-^m 


-#— #- 


ZStL 


Ein  vollstandiges  Beispiel  fiir  das  Taktschlagen  gibt  Agricola  (a.  a.  0. 
Kap.  VI.  Vom  schlag  odder  Tact). 

1)  Ornitoparch  a.  a.  0.  II  6. 

2)  Agricola  a.  a.  0.;  Lusitano  a.  a.  0.  fol.  9v.;  St.  Maria  a.  a.  0.  fol.  8; 
Tigrini  a.  a.  0.  Kap.  XVI   p.  123;   Henningus    Dedekind:  Praecursor  metricus 


Georg  Schiinemann,  Zur  Frage  des  TakUoUagtns  uiw. 


81 


Bom  gaitfcen  bnb  Ijaftett  $act  ein  gigur. 

Item  /  ba£  nibberfdjtagen  Dnb  bad  auffteben  ju  Ijauff  /  ma$t  attjett  etnett 
Xact  /  SSnb  toirb  bcr  £at6e  nodj  fo  rifd>  /  at*  bcr  gaitfc  jact  /  gefdflagen  /  ttrie 
tootgt: 


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tact 


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Der  Proporcien  Tact 
tnid: 


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inid:  2au/i        a 

I   j  |l|t        I  T 


H2l 


ein  proporc.-tact 


ein  proporc-tact 


g-HP 


™'{  i  M  f  I  i  1 1    »**  {  *  *    !  E 


ein  proporc-tact. 

Agricola  sagt,  daB  der  »halbe«  Takt  »noch  so  risch«  geschlagen  werde 
als  der  »ganze«,  es  ist  also  zu  schlagen  $  I  o  in  der  Dauer  gleich  *0T 
des  »ganzen«  Takts,  so  daB  also  der  Unterschied  zwischen  dem  O-Takt 


mus.  artis  1690  Erfurt  foL  B  6;  DreBler  a.  a.  0.  Ill  3;  Wilfflingseder  a.  a.  0 
fol.  D  VII  v.  und  viele  andere.  Lanfranco  a.  a.  0.  gibt  fBr  fttnfzeitigen  Takt: 
3  |  2  |,  siebenzeitig:  4  |  3  f,  neunzeitig:  5  |  4  f.  Diese  Teilnngen  haben  nor 
auf  dem  Papier  gestanden. 

1)  Ein  Vergleich  mit  den  von  Adam  v.  Fulda  gegebenen  Taktzeichen  (s.  oben) 
zeigt,  daB  nur  O  und  C  ftir  den  Tactus  maior  fibereinstimmen.  Ernst  Pratorius 
(Die  Mensuraltheorie  des  Fr.  Gafurius  und  d.  folgenden  Zeit  bis  zur  Mitte  des 
XVI.  Jhdts.,  Leipzig  1905,  Beih.  d.  IMG.,  2.  Folge  II.)  hat  versucht,  die  Taktzeichen 
der  verschiedenen  Theoretiker  in  Einklang  zu  bringen  (Eap.  VII — IX).  In  vorliegen- 
der  Arbeit  ist  vor  allem  die  praktiscbe  Seite  des  Taktschlagens  ins  Auge  gefaBt 
worden. 


s.  d.  MO. 


6 


&£  Georg  Sohftnemann,  Zur  Frage  dee  Taktsohlagena  u»w. 

und  $  I  <>  nur  in  dem  zweimaligen  Auf*-  und  Niederschlagen  bei  letzterem 
Jbesteht.  Hier  sieht  man  recht  eigentlich,  daB  das  Wort  *  tactus*  absolut 
nichts  mit  unserm  Begriff  Takt  zu  tun  hat,  nichts  von  »schwerem«  und 
»leichtem«  Taktteil  ist  ihm  eigen,  er  ist  nur  ein  auBeres  Orientierungs- 
mittel  fiir  die  Sanger.  >Das  nidderschlagen  vnd  das  auffheben  zu  hauff 
macht  allzeit  einen  Tact*  (Agricola,  a.  a.  0.).  Wurde  nun  noch  z.  B.  die 
Diminution  angewendet,  d.  h.  das  Taktzeichen  des  ganzen  Taktes  C  durch- 
strichen  (£,  so  sollten  jetzt  statt  einer  2  Semibreven  auf  den  Taktkommen, 
und  man  konnte  jetzt  wieder  folgende  Arten  des  Taktschlagens  an- 
wenden:  entweder 

i  it        u  lUt 
I  o  o  loder    I  o     o  j. 

Im  ersten  Falle  mliBte  noch  einmal  so  langsam  geschlagen  werden  wie 
im  zweiten,  da  die  Dauer  (H)  die  gleiche  sein  muB.  Zur  ersten  Ansicht 
bekennt  sich  Bogentantz1):  Der  Takt,  d.  h.  das  Auf- und  Niederschlagen, 
miisse  langsamer  gegeben  werden;  oder  0  mi  to  parch2):  er  solle  in  lang- 
Bamer  gleichsam  >reziproker«  Bewegung  geschlagen  werden.  Andere 
halten  an  der  zweiten  Ansicht  fest.  Entweder  miiBten  die  Noten  schneller 
vorgetragen  werden  oder  zwei  Auf-  und  Niederschlage  anstatt  eines  ge- 
nommen  werden 3).  Die  Wahl  zwischen  beiden  Arten  des  Taktierens  war 
aber  nicht  der  Willkur  anheimgegeben,  sondern  richtete  sich  nach  dem 
AfEekt  des  Stuckes.  H.  Gerle  (Musica  Teutsch  —  1532  fol  E.  IV)  sagt, 
daB  man  bei  bewegteren  Stlicken  >eine  langsamere  Mensur«  gebrauche,  die 
Minima  fiir  eine  Semibrevis  singe  etc.,  wenn  man  das  Stuck  nicht  so  schnell 
singen  konne.  Bei  folgendem  Stlick  wiirde  man  unter  dem  Zeichen  (£ 
der  Yorschrift  gemaB  je  eine  Brevis  auf  Auf-  und  Niederschlag  zu  rechnen 

haben  H  =  ^  J . 


1)  Bogentantz  a.  a.  0.  II  Kap.  12:  —  signo  hoc  modo  (0)  mensuretur  tactu 
iangendo  tardius  — . 

2)  0  mi  to  parch  a.  a.  0.  II  6:  Maior  est  mensura,  tardo  ae  motu  quasi  reciproco 
facta.  Sal  in  a  8  a.  a.  0.  V.4  p.  242:  in  spaiio  temporis,  quod  in  brevis  cantu  consu- 
tnitur,  nonnunquam  semel  manus  toUiiur  et  ponitur,  in  eo  quern  ipsi  compassum  ma- 
iortm  apellanty  nonnunquam  bis  in  eo,  quern  minorem  dicunt  Also  in  derselben  Zeit 
entweder  \  f   oder  \  f  |  f 

3)  Rhaw  a.  a.  0.  Kap.  VII:  Eine  est  quod  in  signis  vol  notae  celocius  tangi  debent 
pel  semper  duo  tactus  [0]  accipi  pro  una;  Roswick  a.  a.  0.  Kap.  V:  cantus  (actum 
esse  debere  velociorem;  Code  us  a.  a.  0.:  Velocior  namqtie  sic  est  tactus  quam  si  vir- 
gula  circtdum  non  inter secct. 


Georg  Schunemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  u»w. 


83 


Hit    It 


HUM 


o§^=i 


I 

* 


4=t 


Eleazar  Genet-Carpentras. 
(Ambros  V,  p.  212.) 


t       I 


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I  t 

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In 


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Dagegen  wiirde  folgendes  Lied  L.  Senfl's,  das  die  gleiche  Vortragg- 
bezeichnung  besitzt,  nach  Bhaw's  Regel:   duos  tactus  (Auf-  und  Nieder- 

tTTI 

0      0 


schlage)  acdpi  ■pro  uno  so  taktiert  werden  miissen:  d 


it     i    t        It 


It     I     t 


ZOTi 


=pg gtzjT" — : -T^p 


Ludwig  Senfl  (vgl. 
AmbroB  V,  p.  I 


=G 


itit. 


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It    I     t 

73 


-* 


^ 


.Wol 


kumpt 


der      May         mit 


Es  ist  naturlich,  daB  man  den  Breventakt,  sobald  man  ihm  nur  einen 
Auf-  and  Niederschlag  zuerteilte,  auch  als  selbstandige  Taktart  ansah; 
man  nannte  ihn  dann  den  Tactus  maior  und  den  Semibreventakt  Tactus 
minor.  So  Fink,  a.  a.  0.  lib.  II,  oder  Lossius,  a.  a.  0.  II 101).  Agri- 
cola  benannte  den  Breventakt  noch  nicht,  er  sah  ihn  nur  als  diminuiert 
an2).  Hieraus  erklaren  sich  also  die  verschiedenen  Bezeichnungen  der 
Theoretiker  und  auch  ihre  eigene  Praxis.  DreBler,  a.  a.  0.  1H.  3  sagt 
z.  B.  vom  Breventakt,  daB  er  am  haufigsten  zu  seiner  Zeit  gebraucht 
werde,  da  die  diminuierten  Zeichen  am  gebrauchlichsten  seien,  er  schlug 

1)  Hoffmann  a.  a.  0.  Kap.  X  [de  tactu)  ebenso,  Lossius  a.  a.  0.  sagt  aus- 
drficklich,  dafi  diese  Art  der  Benennnng  in  den  Schulen  eingefuhrt  sei.  Gegen 
Ende  des  16.  Jahrh.  war  diese  Einteilnng  der  Takte  weit  verbreitet. 

2)  a.  a.  0.  Kap.  VI  wtlnscht  er,  daB  stets  eine  »virgul«  oder  die  Ziffer  2  den 
Breventakt  angeben  solle. 

6* 


84  Gtoorg  Schttnemann,  Zur  Frage  des  Taktachlagens  usw. 

It 
ihn:    6  0*);   Eh  aw  (a.  a.  0.  Kap.  VII)  bezeichnet  den  Semibreventakt 

H 
als  den  verbreitetsten  (is  volgatissimus  dicitur),  er  wird  also  den  Breven- 

takt:    0     0    geschlagen  haben   (s.   auch  vorige  Seite)2.    Vom  Minimen- 

fl 
takt,   wo  die  Zahlzeiten  natiirlich  schon  Viertel  (f)  sind,  sagt  Ornito- 
parch  (a.  a.  0.  II  6),   er  sei   den   Ungelehrten   so  willkommen    (indoctis 
tantum probatus);  dagegen  Faber  (a.  a.  O.  Kap.  V):  zu  seiner  Zeit  herrsche 
er  bei  den  Sangern  vor  (solus  nunc  apud  cantores  regnans).  Letzterer  wird 

also  den  Semibreventakt  in  dieser  Weise :      ^-^      schlagen  gesehen  haben  3) . 

0      <> 

Diese  verschiedenen  Ansichten  der  Theoretiker  sind  aus  der  prak- 
tischen  Musikiibung  heraus  entstanden  und  lassen  sich  auch  durch  die 
Entwicklung  der  Musik  erklaren.  In  der  Friihzeit  der  Mensuralmusik 
hat  wohl  eine  Messung  durch  die  Longa  bestanden  (s.  u.).  Im  14.  und 
15.  Jahrhundert  noch  (zum  Teil)  gait,  wie  wir  gesehen  haben,  die  Brevis 
als  MaBeinheit.  Durch  die  ars  nova  war  ja  das  Verhaltnis  der  Longa 
zur  Brevis  auf  die  Brevis  und  Semibrevis  iibertragen  worden.  Schon 
gegen  Ende  des  15.  und  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  hatte  aber  die 
Semibrevis  die  Herrschaft  angetreten.  Die  MaBeinheit  ist  gewissermaBen 
schneller  geworden4).  Damit  hangt  aber  eine  andere  Notierungs weise, 
ein  Vernachlassigen  der  groBeren  Notenwerte  zusammen.  Einige  Beispiele 
mogen  erlautern: 

I.  Petrue  de  Gruce  (ca.  1260.) 

Lfoung  nach  Longa  takt  en,  nach  der  Regel:  In  omnibus  modi's  utendum  est 
semper  concordantiis  in  principio  perfectionis  (vgl.  oben  p.  44). 


B== J£=g 


-*- 


3Z= 


dt 


Wolf.  a.  a.  0.  II,  1. 


m 


3S 


1)  a.  a.  0.  in  his  (J)  ft  ducts  Semibrevesy  alteram  depressi/me  alteram  elevations. 
Auch  Hans  Gerle  (Musica  teutsch  auf  die  Instrument  der  groBen  und  kleynen 
Gey  gen.  Nflrnberg  1532  fol.  £  II)  sagt,  da£  (im  Gegensatz  zur  Tabulatur)  im  Getang 
eine  Brevis  einen  >schlag«  (tactus)  gelte. 

2)  Glarean  [Dodekachordon.  Basileae  1547  III  7.  Ubersetzung  nach  Bohn 
p.  149)  behauptet,  daG  ein  groBer  Teil  Galliens  die  Semibrevenmessung  bevor- 
mge. 

3)  Er  selbst  halt  den  O-Takt  fttr  den  geeignetsten  proprius  et  verus  omnium 
cantilenarum). 

4)  Vgl.  die  Wertbestimmung  in  Wolf's  Gesch.  d.  Mensur.  I  S.  69.  Verul.  de 
Anagnia  und  die  unsrige  p.  88. 


Georg  Schonemaon,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  nsw. 


86 


II.  Joh.  Dunstaple. 

Ldsung  nach  der  Theorie  des  15.  Jahrhunderta  in  Brevistakten. 


5 


SE 


IP^Tl" 


rfc 


3^ 


Wolf  a.  a.  0.  II,  73. 


IftFF^rpr 


e== 


itj. 


^^^ 


3EE 


III.  Josquin.    LOsung  nach  der  Theorie  des  16.  Jahrhunderto. 


0=*  Auf- 

und  Nieder- 

schlag. 


ESE 


aj^s*  f~a'   '    &  JJ^ J  J, 


it.    it, 


^PF5^ 


-g-?- 


:i=zc 


9-       Z  Petracci  1603, 

annee.  Et  in 
terra  pax. 

*  ;   m\ 


Man  konnte  auch  unter  den  Theoretikern  zwischen  antikisierenden 
(die  fiir  Breventakt  eintreten)  und  modemisierenden  (die  sogar  den  Mini- 
mentakt  befiirworten,  der  fiir  Dngeiibte  zweif ellos  der  beste  war  —  denn 
je  kleiner  die  Anzahl  der  Noten,  die  anf  Auf-  und  Niederschlag  zu  ver> 
teilen  ist,  desto  leichter  ist  der  Gesang  auszufiihren  — )  unterscheiden. 
In  der  Praxis  aber  wird  der  Affekt  des  Stiickes  die  Wahl  des  Taktes 
bestimmt  haben.     Man  sehe  nur  die  Beispiele,  die  Vicentino1)  gibt: 


Essempio  di  batter  alia  breve. 


!!    Alia  semibreve. 


a=* 


@B= 


;t ;t  ;t  +  t  + 


t  i 


ititnititit  4 


Wendet  man  ein,  daB  die  Taktzeichen  z.  B.  O  und  C  fttr  dreiteiligen 
und  zweiteiligen  Takt  bei  dieser  Art  der  Deutung  keinen  Sinn  mehr  haben, 
so  ist  zu  erwidern,  daB  diese  Zeichen  nur  auf  die  Noten  selbst,  nicht  auf 
den  Takt  Bezug  haben,  daB  z.  B.  eine  Brevis  unter  dem  Zeichen  O  drei 
Auf-  und  Niederschlage  hindurch  ausgehalten  werden  miisse,  unter  dem 
Zeichen  C  zwei  Auf-  und  Niederschlage  usw.  Hierdurch  riicken  die  Takt- 
zeichen in  eine  neue  Beleuchtung.  Sie  haben  nichts  mit  einem  »modernen 
Gruppentakt*  zu  tun,  der  ja  in  der  a  cappella-Musik  garnicht  existierte,  und 
den  man  dieser  Musik  auf oktroyiert  hat,  sie  setzen  nur  die  Noten  in  ein 

lj  Nicolo  Vicentino:  Vaniiea  musica  ridotta  alia  moderna praUiea.  Rom  1665 
IV  8  fol.  76. 


86  Georg  Schiinemann,  Zur  Frage  dee  Taktschlagens  usw. 

fest  geregeltes  Verhaitnis  dem  Auf-  und  Niederschlag  gegeniiber.  Schon 
hier  erkennt  man  fur  Neuausgaben  die  Forderung,  die  Taktstriche  auf- 
zugeben. 

Aus  dem  Gesagten  ergibt  sich'meines  Erachtens  die  Tatsache,  dafl 
die  verschiedenen  Takt-Unterschiede  und  -Bezeichnungen  keine  allgemem 
gultigen  sind,  sondern  lediglich  die  aus  eigener  Praxis  geschopfte  Ansicht 
des  jeweiligen  Theoretikers  darstellen.  Die  Folge  daraus  wiirde  seiri, 
nicht  jedes  Stuck,  das  z.  B.  (£  bezeichnet  ist,  auch  in  unsern  Ubertra- 
gungen  nach  Breviswerten  abzuteilen,  sondern  je  nachdem  es  mehr  oder 
weniger  lebhaft  ist,  nach  Semibreven-  oder  Minimen-Takten.  Ebenso  hajt 
man  bei  den  anderen  Taktzeichen  zu  verfahren.  In  meinen  Ubertragungen 
ist  dies  Prinzip  zur  Anwendung  gekommen  (s.  Beilagen  I/II).  Ein 
Vergleich  mit  der  tJbertragung  der  Josquin-Messe  hier  und  bei  Eitner 
(Publicat.  VI)  wird  den  Unterschied  deutlich  machen.  Der  erste  Satz 
hat  in  alien  Stimmen  die  Yorzeichnung  O.  Nach  Eitner  heiBt  das: 
3  Semibreven  oder  H*  gehoren  in  einen  Gruppentakt,  wahrend  bei  uns  das 
Zeichen  darauf  hindeutet,  die  punktierte  Brevis  (oder  die  ihr  entspre- 
chenden  Werte)  seien  auf  3  Auf-  und  Niederschlage  zu  verteilen.  Man 
konnte  die  weitaus  groBte  Zahl  unserer  Neudrucke  alter  a  cappella-Musik 
von  diesem  Standpunkt  aus  als  verkehrt  bezeichnen.  Darauf  werden  wir 
spater  noch  zuriickkommen.  Auch  von  der  rein  praktischen  Seite  aus 
muB  man  zu  der  Uberzeugung  kommen,  daB  auch  in  alterer  Zeit  so  diri- 
giert  worden  sei,  denn  Bhythmen  wie: 

rprt  r  irrrrTtr  rcr  rTrrrTr^ 

auf  einen  Nieder-  und  Aufschlag  zu  verteilen,  ist  wohl  unmoglich.  Hier 
muB  nach  Semibrevenwerten  dirigiert  werden. 

Hier  sei  noch  eine  Tafel  eingeschaltet,  auf  der  ich  die  Ansichten  der 

bedeutenderen  Theoretiker  iiber  den  Takt  zu  erklaren  versuche  (s.  p.  87). 

Eartnackigkeit,  mit  der  man  glaubte,  sich  a  priori  oder  prinzipiell  fiir 

oder  Semibreventakt  (Gruppe  I  und  II  auf  p.  87)  entscheiden 

en,  —  wovon  auch  abhing,  ob  man  nach  Ganzen  und  Halben  oder 

alben  und  Vierteln  zahlen  sollte  —  ging  nun  urn  das  Jahr  1540 

daB   man   auf   die   Madrigalsammlungen   gleich   drucken  lieB: 

ra  di  breve*  oder  *a  note  blanche*  beziehungsweise  »a  note  negre* 

.Bellermann:  Die  Mensuralnoten  u.  Taktzeichen  des  XV.  u.  XVI.  Jhdr 
K)6.  (2.  Auflage)  p.  63.  System  3  des  Tenors.  Fur  die  Obertragung  naoh 
entakten  ist  schon  Ernst  Pratorius  a.  a.  0.  eingetreten.  Aber  anch  er 
n  er  z.  B.  des  Agricola  •foetus*  als  einen  Takt  »aus  gntem  und  schlechtem 
bestehend«  (p.  70)  ansieht. 


Georg  Sohunemann,  Zur  Frage  des  Taktichlagena  uiw. 


87 


(Nach  Vierteln   zu   zahlen).    Eine   Liste  von  Madrigalsammlimgen  mit 
aolchen  Titeln  ist  von  Theod.  Kroyer1)  zusammengestellt  wordeu. 


H 

0 

? 

I 

Kann  nur  als    diminu- 
iert  aus  dem  O-Takt  an- 
gesehen  warden.  Agri- 
cola  n.  a.  benennen ihn 
nicht,     nur    Dre filer 
nennt  ihn  Tactus  minor. 

Tactus  integer  (a.  o.  p.  79) 
{proporiione    et    augmenta- 
tions  demptis),   er  ist  die 
eigentliche   Messung    der 
Noten,  wird  daher  auch 
Tactus  maior  genannt,  z.  B. 
DreBler,     Agricola, 
Ornitoparch,     Faber, 
Hoffmann. 
Raselius:  Binaria. 

Tactus  minor,  aus  dem 
Tactus   maior   entstan- 
den,    ygl.   Agricola, 
Ornitoparch,Faber, 
Hoffmann. 

11 

Tactus  maior,  er  ist  die 
eigentliche  Messung  der 
Noten.       Vgl.     Fink, 
Lossius,  Wilfflings- 
e  d  e  r  und  viele  andere. 
(s.  o.  p.  83.) 

Tactus  minor,  aus  dem  Tac- 
tus maior   entstanden,   8. 
Wilfflingseder,  Fink, 
Lossius. 

Eann  nur  durch  Aug- 
mentation     entstehen, 

statt  0  (©3)  wird 
geschlagen    $00 
z.B.Rhaw.  |  f  |  f  |  f 

Der  Tactus  Proportionate  hatte  weniger  in  den  Benennungen  Venchiedenes, 
man  nannteihn  sowie  den  Sesquialterh&ufig  >Triplum<;  Sneegass  (a.  a.  0. 1  5.)  unter- 
scheidet  sie  nach  >Tripla  maior <  und  >Tripla  minor*. 

Die  Lehre  vom  tactus  trat  durch  das  Eingreifen  von  Sebald  Hey  den 
in  ein  neues  Stadium.  Er  ist  der  Theoretiker,  durch  dessen  energischen 
Protest  gegen  alle  »Takttifteleien<  ein  Grund  gelegt  wurde  zu  unserer  mo- 
dernen  Taktauffassung.  Heyden  verlangt,  daB  alle  Gresange  sich  nach 
einer  einzigen  festgesetzten  Art  von  Schlagen  richten  sollen,  und  daB  die 
Semibrevis  als  Takteinheit  iiberall  angewendet  werde;  alle  Proportionsver- 
haltnisse,  Augmentationen  wie  Diminutionen,  sollen  auf  die  Semibrevis 
bezogen  werden2).  Es  gibt  also  nur  eine  Taktdauer.  Kommt  nun  in 
einer  Stimme  ein  Augmentationszeichen  vor,  oder,  urn  ein  Beispiel  zu  ge- 
brauchen,  war  das  Taktzeichen  diminuiert,  etwa  (£,  so  hatte  der  Sanger 
keine  Schwierigkeiten  zu  iiberwinden,  er  wufite,  daB  er  jetzt  2  Semibreven 

1)  Th.  Kroyer:  Die  Anfange  der  Ghromatik  im  italienischen  Madrigal  des 
XVI.  Jahrhunderts.  (Beiheft  der  Publikat.  d.  I.M.G.  IV).  Leipzig  1902.  p.  46,  47  a. 
48  Anm.  6. 

2)  Epistol.  Nuncupatoria:  fol.  A  III  v.  Non  plures  Tactuum  species  esse  posse 
4n  Proportionum  ratione,  sed  unicam  ac  eandem,  quae  sibi  perpetuo  similis  sit,  esse 
oportere.  —  p.  119:  Ut  omnis  Augmentatio  ac  Diminutio  quantitatis  Notularum  ad 
essentialem  Semibrevis  Notulae  integrum  factum  relative  intelligi  et  aestimari  debet  — 
p.  100:  In  omnis  generis  Gantiontbus,  quod  ad  veram  artem  pertinet,  non  nisiunicum 
adeoque  simplicissimum  modum  Tactuum  observandum  esse. 


88  Georg  Schtinemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw. 

(anstatt  friiher  1)  auf  den  Takt  verteilen  miisse.  Kam  ein  Zeichen,  das 
den  dreiteiligen  Takt  verlangte,  so  sang  er  3  Semibreven  auf  dieselbe 
Taktdauer.  Es  wurde  also  nicht  das  Taktschlagen  modifiziert,  sondern 
die  Noten  selbst  wurden  schneller  vorgetragen  resp.  langsamer,  wie  es 
auch  schon  Eh  aw  (s.  o.  p.  82 3)  angedeutet  hatte.  Die  Proportionszeichen 
waren  jetzt  durchaus  notwendig,  da  sonst  eine  Verzogerung  oder  ein 
Schnellerwerden  im  Gesange  nicht  zu  erreichen  war.  Die  kasuistischen 
Proportioned  wie  sie  sich  bei  einigen  Theoretikern  finden  !),  wie  |  $  etc., 
haben  keinen  praktischen  Wert  erlangt. 

Die   Dauer   eines   Taktes,   d.  h.  des  einmaligen  Nieder-  und  Auf- 

schlagens  (  0  ),  war  genau  festgelegt.  Sie  betrug  nach  H.  Buchner*) 
(ca.  1550):  Die  Zeit,  die  zwischen  zwei  Schritten  eines  maBig  Gehenden 
vergeht  (tantum  moram,  quantum  inter  duos  gressus  viri  mediocriter  in- 
cedentis  intercurrit);  die  Zeit,  die  man  gebraucht  zum  »mefjtgen<  Senken 
und  Heben  der  Hand  (Agricola  8.  o.  p.  77)  oder:  die  Zeit,  die  man  ge- 
braucht, um  die  Hand  oder  den  FuB  zu  senken,  an  irgend  etwas  zu 
schlagen  oder  etwas  zu  beriihren,  und  sie  wieder  zu  heben  (Pierre 
Dav  antes3).  Hermann  Fink  gibt  bei  der  Prolatio  perfecta  den  Wert 
der  Minima  an:  »fo  ttrirt  eine  SRtmnta  einen  gcmeinen  Sxauti)a&txi\tyn 
©djlag  gelten*4).  Am  bestimmtesten  von  alien  Angaben  ist  die  des 
Gafurius:  Die  Semibrevis  gilt  solange  als  der  Pulsschlag  eines  ruhig 
Atmenden5).  Nehmen  wir  72  Pulsschlage  in  der  Minute  als  Durch- 
schnitt,  so  batten  wir  die  Dauer  der  Semibrevis  M.M.  =  72.  Natiirlich 
soil  diese  Bestimmung  kein  Gesetz  sein,  Modifikationen  nach  80  wie  60 
zu  werden  sicher  stets  stattgefunden  haben6). 

Es  ist  im  Laufe  der  Arbeit  schon   des   ofteren   darauf   hingewiesen 
worden,   daB  der  Taktbegrifi  der  alien  Zeit  ein  wesentlich  anderer  als 


1)  In  diese  Reihe  gehdren  z.  B.  Lu  sciniu  s,  Agricola  (Im  Anhang  zur  mm.  Fig. 
Von  den  Proporcionibus),  Coclicus,  Lossius,  Picitono,  Lanfranco  and  andere. 
So kennt  Franchinus  Gafurius  (musica  utriusque  cantus  practica.  Brixiae  1497  z.  B. 
folgende  Verhaltnisse :  V*  4/5»  7/e,  6/?,  ^/u,  16/i8,  10/9  etc.  (Buch  IV)  oder  sogar  (IV 
(Kap.  VII)  7/6»  9/7,  7/4»  i0hi  w/7»  Vis  (die  •proportio  supersexcupartie?Ueseptimas*\l).  DaB 
man  solche  Verhaltnisse  aus  einzelnen  Perioden  des  Notenbildes,  daB  jeder  Spar- 
tierung  entbehrte,  herauslesen  kann,  ist  erkl&rlich. 

2)  Carl  Paesler:  Fundamentbuch  von  Hans  von  Constanz.  V.  f.  M.  1889.  p.  28. 
3j  Pierre  Davantes,  a.  a.  0.  p.  168:  autani  de  temps  qu'on  demeure  a  baisserla 

diie  main  ou  pied,  pour  f rapper  ou  toucher  a  quelque  chose  et  a  la  lever. 

4)  Fink,  a.  a.  0.  (fol.  Kv.j.  Perfecta  prolatio  est,  ubi  semibrevis  integro  tactu 
iuxta  veterum  Musicorum  consuetudinem  mensuratur,  jo  ttrirt  eine  .  .  . 

6)  Pract.  mus.  Ill  4:  Semibrevis  —  plenam  temporis  mensuram  consequent:  in 
modum  scilicet  pulsus  aeque  respirantis,  auch  Lanfranco  a.  a.  0.  p.  67  —  a  imitations 
del  Polso  ben  sano  — 

6)  Johannes  Verulus  de  Anagnia  14.  Jahrh.)  laBt  auch  eine  Zeitbestimmung 
festlegen,  die  im  Verh&ltnis  zu  der  des  16.  Jahrh.  viel  langsamer  ist  (vgl.  Wolf, 
Gesch.  d.  Mens.  I  p.  69). 


Georg  Schiinemann,  Zur  Frage  des  Taktachlagens  usw.  89 

der  unsrige  ist.  Wir  verstehen  —  bei  ganz  anderen  rhytbmischen  und 
metrischen  Verhaltnissen  —  unter  »Takt«  eine  Gruppe  von  Semibreven 
oder  anderen  Zeiteinheiten  mit  bestimmten  Akzenten.  Der  tactus  des 
16.  Jahrhunderts  ist  nur  ein  Orientierungszeichen  flir  die  Sanger,  eine 
MaBeinheit  der  Noten  und  —  nach  der  Lehre  Heydens  und  seiner  Schiiler 
—  identisch  mit  einer  Semibrevis.  Er  kennt  keine  schweren  oder  leichten 
Taktzeiten.  Der  Taktschlager  der  alten  Zeit  konnte  demnach  nur  das 
Tempo  und  dessen  Modifizierungen  angeben.  Deshalb  schlug  man  den 
Takt  auch  ganz  gleichmafiig,  fast  mechanisch.  Wir  finden  daher  den 
Vergleich  mit  dem  Puis,  der  bei  den  Griechen  schon  iiblich  war1),  sehr 
haufig2). 

Der  Anonymus  des  16.  Jahrhdts.  betont:  Studiosi  tactuum  tempora 
aequalia  esse  debere,  nam  hoc  est  omnium  accidentium  Musicae  fundamentutn. 
Oder:  »das  Auf-  und  Niederschlagen  soil  ganz  gleichmaBig  geschehen*,  sagt 
St.  Maria3).  Ferner  sagt  Faber,  a.  a.  0.  Rap.  V:  Oportet  enim  in  canen- 
tium  coetu,  ne  fiat  confusio  unam  certam  et  aequalem  esse  mensuram}  qua 
reddimur  certiores  de  qaantitak  notvlaram  ac  pausarum,  quantum  scilicet  cor- 
ripi  out  product  debeant.  Besonders  gem  wird  auch  der  Vergleich  mit  einer 
TJhr  gemacht:  motus  aequus  qualis  horologii  motus  (Stephan  Vanneo4)  —  hand 
aliter,  atque  horologiis  singula  hot  arum  momenta  discuntur  (Luscinius, 
a.  a.  0.,  Kap.  IX,  p.  83 5).  Hermann  Fink  (a.  a.  0.,  lib.  II  de  tactu)  fuhrt 
den  Vergleich,  um  die  Lehre  vom  Takt  recht  klar  zu  machen,  bis  ins  kleinste6): 


1)  vgl.  Gevaert:  Hist,  et  Tfiiorie  de  la  mus.  de  Vantiquite  Tom.  II  p.  8  Anm.  1. 

2)  z.  B.  Picitono  a.  a.  0.  II  1,  Lanfranco  a.  a.  0.  p.  67,  Giovanni  Spataro, 
Tractate  di  musica,  Vinegia  1531,  p.  67,  Zarlino:  instil,  harm.  Kap.  49.  Ausg.  1589, 
S.  256. 

3)  necessario  alxar  y  baxar  la  mano  con  una  misma  yqualdat  (fol.  8)  —  Lan- 
franco a.  a.  0.  p.  67:  La  elevatione  et  depositione  ugualmente  fatta.  Vgl.  auch  eben- 
da  p.  112. 

4)  Stephan  Vanneo,  Becenatum  de  musica  aurea,    Rom  1533,  118. 

5)  Zacconi:  pratt.  1596  I  Eap.  32  sagt,  dafl  daB  Wort  » tempo*  von  denen  far 
den  Takt  gebraucht  werde.  die  an  die  Ahnlichkeit  mit  einer  Uhr  denken.  AnfQhren 
will  ich  noch,  daB  durch  diese  vollkommene  GleichmaCigkeit  des  Taktgebens  die  Syn- 
kope  nicht  den  Sinn  erhalt,  den  wir  ihr  heute  beilegen,  nichts  von  Herauskehren 
eines  Akzents  ist  ihr  in  dieser  Zeit  eigen. 

6)  »Ich  mOchte  der  Schuler  Sinne  auf  die  Uhren  lenken,  die  nach  bestimmten 
Zeiten  die  Stunden  durch  (Hammer-)  Schl&ge  angeben,  und  zwar  so,  daC  die  Schl&ge 
immer  in  gleichen  Abstanden  gegeben  werden,  d.  h.  niemals  langsamer  oder 
schneller,  wahrend  man  aber  auf  diese  Schl&ge  bisweilen  mehr  oder  weniger  Silben 
sprechen  kann.  Wir  reden  hier  von  der  deutschen  Sprache,  da  diese  zu  unserer 
Auseinandersetzung  geeigneter  ist.  Entweder  kann  man  nun  zwei  oder  mehr  Silben 
auf  einen  solchen  Uhrschlag  aussprechen,  der  Schlag  bleibt  doch  derselbe  und 
zwar  so,  daC  er  weder  durch  viele  Silben  verlangert,  noch  durch  wenige  Silben 
schneller  wird.  Ebenso  muC  man  es  sich  im  Gesang  denken,  wo  vor  allem  beachtet 
werden  muC,  daC  hier  immer  derselbe  Takt  beobachtet  wird,  daC  er  niemals  lang- 
samer, niemals  bewegter  werde,  und  zwar  so,  daft,  m&gen  nun  eine,  zwei  oder  mehr 
Noten  auf  einen  Takt  zu  singen  sein,  jene  Noten  gut  auf  diesen  gesungen  werden.* 
Fur  die  Cbersetzung  der  folgenden  Stelle  verweise  ich  auf  die  auf  der  n&chsten 
Seite  zitierte  Stelle  H.  Gerle's. 


00  Georg  Schiinemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw. 

Velim  igitur  adolescentes  cogitationes  suae  referre  ad  horologia  Mechanika,  quae 
post  eerta  temporis  intervatla  horas  denunciani  in  quibus  quando  horae  malieo  edente 
sonum  audiuntur,  sic  itte  sonus  redditur,  ut  foetus  mallei  inpingentis  in  aes  semper 
aequalis  sit,  hoe  est,  ut  non  alieubi  tardior,  alieubi  velocior  sit,  cum  tamen  ad  Mum 
taetum  semper  sibi  aequalem  alias  plures  alias  paueiores  syllabae  pronunciari  possint. 
Loquimur  autem  de  pronuneiatione,  quae  per  germanieas  dictiones  fit,  nam  ilia  ad  no- 
strum negotium  est  aeeomodatior.  Sive  igitur  ad  unum  istius  modi  mallei  taetum  auat 
vel  plures  numerando  syllabas  aceomodes,  taetus  tamen  idem  manet,  eundem  semper 
servans  quantitatis  rationem,  ut  nee  syUabarum  pluritate  extendatur,  nee  contra  syllo- 
barum  paucitate  velocior  effidatur:  eodem  modo  cogitandum  est  de  eantu,  ubi  in  primis 
hoc  observandum  est,  ut  in  eanendo  idem  semper  observetur  taetus,  ne  is  modo  lentior 
Sit,  modo  concitatior,  ita  ut  sive  una  sive  duae  vel  plures  etiam  notulae,  ad  unum 
taetum  canendae  sint,  iUae  scilicet  notulae  odeum  recte  accomodentur.  Exempli  cause 
quando  horologium  incipit  sonare,  tunc  numerus  eins,  quod  idem  est,  ac  si  ponatur 
ista  nota  0,  quae  apud  recentiores  uno  tactu  valet.  Si  vero  illius  loca  pausa  coUocetur. 
tarn  diu  est  silendum,  quantus  est  ipsius  notulae  valor.  Quod  sipergas  numerare  hero- 
logii  taetus  usque  ad  quattuor  ibi  duae  syllabae  pronunciandae  erunt,  aid  nemltdj  inert, 
Ba  duae  syllabae  eodem  celeritate  exprimendae  sunt,  qua  expressisti  unieam  syllabam 
eins.  Et  sic  deinceps  cogitandum  est  de  notis,  quorum  duae  talent  unum  taction,  relut 
istae  duae  $  $  .  .  . 

Gleichsam  als  TJbersetzung  fiihre  ich  eine  Stelle  aus  Hans  Gerle's 
Musika  Teutsch  (1532,  fol.  Bill  v.)  an:. 

„(£ttt  $rob  tote  bit  bie  Sttenfnr  foljt  Iernen.41  „Xl)it  $m  atfo  /  tern*  Don  einer  fetyag 
gloden  /  bte  bie  fhmbt  anja^gt  /  ©ami  fte  anljebt  git  fdjtagen  /  fo  f$Ied)t  fte  ein  fides 
f$lag  /  ein  aid  (ebenfo)  lang  aid  ben  attbent  /  faft  aber  banno$  ein  mal  mer  fttten  $k 
$elen  barnt  bad  anbermal  /  tutb  bletybt  bod)  bie  ©loct  in  jrem  fteten  f$tdg  /  bu  $etp  trie 
toil  foBben  bu  todHeft  /  Sttfo  tfju  9m  and)  mann  bn  ge^gft  /  fo  trit  bie  menfnr  mit  bent  ftt&f)  / 
ein  brit  (Xritt)  aid  (ebenfo)  lang  aid  ben  anbern  /  ed  funtmen  bretj  ober  oier  bucfflaben  in 
ber  Stabulatur  bie  auff  ein  fdjlag  geljoeren  bie  muftu  getyjen  onb  bodj  nur  ein  brit  (Iritt) 
barflntljun  /  nidjt  fooiel  britt  tljnn  fooiel  bn  jiig  tyuft  /  mie  idj  bann  oft  toon  mtmdjen  ge» 
feljen  $ab  /  toelc^e  aid  offt  fte  ein  jug  tijeten  aid  offt  tyeten  fte  and)  ein  britt  /  bad  foil  aber 
gar  nid&td  fetpt *) 

„9tun  mer!  toeiter  toenn  bie  ©loci  anfaljt  gu  fdjlagen  /  fo  fprit^ftu  nur  ein  toort  /  Bern- 
li$  eind  /  auff  ben  felben  fa)Iag  /  Blfo  muftu  audj  tfiun  /  mann  bit  ein  budjftab  ober  ein 

jiffer  befumbt  ben  muftu  auff  ein  britt  ober  ein  fdjlag  getygen  /  Hlfo  n. 

„JBeTumbt  bir  bann  eine  ganfce  pan]  alfo  j_",  fo  foil  bann  ber  Spieler  auftdrett  ju 
geigen,  tool)!  aber  nidjt  oergeffen,  mit  bent  gufj  ben  Xatt  $u  fcfylagen 

„2Rercf  toann  bu  ber  fdjlag  or  nadj  toilt  mere  $elen  /  fo  $afht  #pei  folben  am  oie»  re  §« 
foremen  I  bie  felbigen  gtou  mfiffen  gleidrf o  balb  geff>ro$en  toerben  aid  ba&  eind . . ." 


1)  vgl.  oben  p.  14/15. 

2)  vgl.  auch  Hans  Neusidler:  (Sin  SRetogeorbnet  Mnft.  Sautenbu$  (1586),  foL 
B  IIIv:  „(£inen  folt^en  ftrtc^  tote  ba  |  ben  muftu  fdjlagen  bad  er  toeber  lenger  noo^  tafra? 
pxumbt  I  aid  tote  bie  nr  ober  glocten  auff  bent  Xurm  fc^le^t,  gerab  biefelbe  leng  /  ober  old 
roan  man  gelt  fein  gemac^  §elt  /  onb  fpridfit  eind  /  jtoe^  /  bre^  /  nier  /  ifi  eind  aid  oil  aU 
bad  anber  /  ber  gloden  ftric^  ober  mit  bem  gelt  $elen  /  ba9  bebeutt  ber  lang  ftrid)  /  tote 
ba  |  onb  toirb  ein  fdjtag  genant  /  . . . 


Georg  Sohiinemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw.  91 

Kara  aach  die  vier  Silben  des  »fibenaene«  mfissen  auoh  auf  diesen  einen 
>fd)fog«  gesprochen  werden,  mit  der  Musik  ist  es  genau  so.  Gerle  gibt  folgende 
Tabelle  (fol.  BIIII): 

1  r    r      E    5    F       BF    F  E    V 

n         c    n      4    d    o       6    o    d    4 

(£in3      Dierc     bre^eljne       ©tben^ene 

1  r 

r  o 

Beim  Lernen  gewOhne  man  sich  erst  an  einen  langsamen  Takt  (fol.  B II1I  v.). 

Dies  gleichmaBige  Taktschlagen')  bietet  flir  uns  den  Schliissel  zum 
Verstandnis  der  alten  Musikpraxis.  Es  war  nichts  weiter  als  ein  rein 
auBerliches  Orientierungsmittel  und  ersetzte  den  Musikern  vollstandig  die 
Taktstriche.  Wurde  den  Sangern  z.  B.  die  Fuga  trium  vocum  von 
Josquin3)  vorgelegt,  so  sang  der  Diskantsanger,   da  seiner  Stimme  ein 

Diskant 


Proportionates 

-^  h  ■  ^»=g=»r-{-^-r-*-°  °  y-»-|^=T"t'  t  ?  * 


m 


^PLAJU^^f4)L^=bB^g^^| : 


Tenor  (integer) 


-CC3H 


Bassns  {diminutus) 


^ror-^— "HG£E=I^^^i^^^^^^g 


<t  3  vorgezeichnet  war,  3  Semibreven  auf  einen  »Schlag«,  der  Tenor  unter 
diesem   Zeichen  C    eine  Semibrevis,   der  BaB   nach   dem  diminuierten 

1)  Er  ffihrt  noch  eine  fur  die  Laaten  gebrfiuchliche,  fur  Geigen  nur  selten  vor- 

kommende  Figur:  rFFrrrrr 

cn4dod4n 

an,  die  aach  auf  einen  »fd)lag«  verteilt  werden  mAsse  (fol.  B  IV). 

2)  Gerle  (a.  a.  0  fol.  BII)  vergleicht  das  Taktgeben  mit  dem  »  Schmieden*. 
„9&  ttmim  brety  ober  titer  mit  einonber  fd)miben,  ba  ntfiffen  fte  ein  fteten  f  d)lag  fOren  ein  aM 
long  att  ben  anbem  /  bann  too  etner  lenger  ober  turner  fcr>lcc^t  bann  bte  anbern  /  fo  toerben 
fie  aS  get  (in)  /  Stlfo  ift  e*  and)  toartn  bu  md)t  auff  bie  menfnr  ober  ben  fd)lag  getygefi . . ." 

3)  Aub  der  Missa  Vomme  arme  super  voces  musicalesi  Agnus  Dei,  bei  Seb.  Hoyden 
■Is  Beispiel  gedrnckt  p.  112.    Im  Petrucci-Druck  yon  1602  ist  nur  der  Diskant  ge- 

C3 
druckt  unter  den  Zeichen:  Q 


92  Georg  Schunemann,  Zur  Frage  des  Taktaohlagens  u«w. 

Zeichen  (f  2  Semibreven  auf  einen  Takt,  d.  h.  auf  einen  Auf-  und  Nieder- 
schlag. 


f)     I 


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mun    - 


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)  Eigentlich  hfttte  ich  3  Ganze  (Semibreven)  schreiben  mfisten,  da  aber  natnr- 
6  die  Semibrevi8  hier  fast  noch  kfirzer  gesungen  wird  als  eine  Halbe  (Minima), 
ich  in  |  fibertragen,  ahnlich  ist  im  BaC  statt  J,  2  Halbe  fibertragen. 


Georg  Schunemann,  Zur  Frsge  dtt  Taktschlagena  uaw. 


93 


-    -     re  mi  -  se  -  re    -       -       -     re      no 

(fiber  die  Textunterlage  siehe  spftter  p.  99  ff.) 


/bii) 


Bei  der  praktischen  Ausfuhrung  ware  hier  »ganztaktig«  zu  schlagen, 
oder  der  Sopran  miiBte  —  wenn  den  Regeln  gemaB  eine  Minima  (des 
Basses)  auf  den  Nieder-  die  andere  auf  den  Aufschlag  gesungen  wird  — 
kurz  nach  dem  Aufschlag  die  dritte  Minima  bringen.  Dies  Singen  unter 
verschiedenen  Taktzeichen,  vor  allem  des  ungeraden  Taktes  gegen  den 
geraden,  machte  nun  im  16.  Jahrhundert  schon  Schwierigkeiten  — 
wenig8tens  fiir  die  Theoretiker.  Diese  tadeln  zum  Teil  diesen  Gebrauch1), 
zum  Teil  suchen  sie  durch  allerhand  —  allerdings  sehr  unkiinstlerische 
—  Klligeleien  dem  Verst&ndnis  entgegen  zu  kommen.  Faber2)  sagt, 
daB  man  in  solchen  Fallen,  wo  ungerader  Takt  gegen  geraden  zu  singen 
sei,  so  singen  solle,  als  ob  alien  Stimmen  dasselbe  Zeichen  vorgesetzt  sei, 
bis  langere  tJbung  von  diesem  Hiilfsmittel  befreie.  Fink3)  dehnt  den 
oben  erwahnten  Vergleich  mit  der  Uhr  auch  auf  den  ungeraden  Takt 
aus;  das  Wort  lffed)}el)en1'  enthalt  namlich  3Silben8),  sie  seien  auf  den 
Takt  so  zu  verteilen,  daB  die  erste  Silbe  den  halben  Takt  einnehme,  die 
andern  beiden  Silben  den  andern,  in  dieser  Weise  6  A  ♦• 


1)  Adrian  Petit  Coclicus:  compendium  musicum,  1652  Nttrnberg  (fol.  HIIv.): 
•  .  .  multa  extant  exempla  difficilia  cantu  cum  una  pars  habeat  triplum  altera  out 
binarium  out  iempus  sive  aliud  signum.  .  .  .  sed  haec  ad  perspicue  canendum  nihil 
eonducunt,  verum  magis  ad  disceptandum  et  vixandum. 

2)  a.  a.  0.  Kap.  V:  Quia  vero  prolatio  maior  et  tripla  proportio  et  sesquialtera 
(caeterae  omnes  optitne  quadrant)  maiori  iactui  non  exacts  convenire  praesertim  rudi- 
oribus  videntur,  poieris  ad  tempos  ruditati  subservire  et  communi  more(!),  quando 
omnibus  vocibus  eadem  signa  praeseripta  sunt,  canere,  donee  usus  te  ab  haec  molestia 
Kberaverit. 

3)  Praeterea  si  f edfte^en  dictionem  numerare  vis,  ibi  tres  syllabas  habes,  quae  simili 
cderitate,  qua  unum  expressisti  ad  horologii  tacium  pronunciandae  sunt,  quamvis  prior 
syUaba  dupliei  quantitate  super  at  reliquas;  sie  etiam  metiendum  est,  quando  tres  notae 
ad  unum  tactum  inciderint,  ex  quibus  prima  dimidio  taetu,  reliquae  duae  etiam  dimidio 

toctu  mensurantur  hoc  pacto  Uf.  Vgl.  auch  p.  91    (Hans  Gerle)   das   Beispiel   zu 


94 


Georg  Schunemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  new. 


Diese  Bemerkung   Fink's  fiihrt  una  auf  eine   noch  im  18.  Jahrhundert 
ilbliche  Schreibmanier,  namlich  f  *   als    \f  zu  notieren.     Beispiele  hierfur 

findet  man  namentlich  bei  S.  Bach  sehr  haufig1).  Em.  Bach3)  sagt  hierzu: 
»Seit  dem  haufigen  Gtebrauche  der  Triolen  bey  dem  sogenannten  Vier  Viertheil- 
Takte,  ingleichen  bei  dem  Zwey-  oder  Dreyviertheil-Takte  findet  man  viele 
Stiicke,  die  statt  dieser  Takt-Arten  oft  bequemer  mit  dem  Zwolf,  Neun  oder 
Sechs-Achttheil-Takte  vorgezeichnet  wtirden.  Man  theilt  alsdann  die  bei 
Fig.  XTT  befindlichen  Noten  wegen  der  andern  Stimme  so  ein,  wie  wir  allda 
sehen.  Hierdurch  wird  der  Nachschlag,  welcher  oft  unangenehm,  alleseit 
aber  schwer  fallt,  vermieden.  c 


Fig.  XII. 


&. 


(Tab.  VI.) 


^8 


Mehr  sagen  die  praktischen  Beispiele  der  alten  Theoretiker.  Das 
oben  gegebene  Beispiel  Josquins  suchen  sie  » vera iinf tig*  zu  losen,  mochten 
die  Mensuralregeln  biegen  oder  brechen.  Ich  gebe  hier  eine  Zusammen- 
stellung  der  Losungen  des  Anonymus,  Kap.  VIII  und  des  Eucharius 
Hoffmann:  a.  a.  O.  (fol.  K  v.)*) 
Seb.  Hey  den. 


|=B=3Sqp0i 


fl3E$i!^E 


3E=C: 


m 


~*=*4+ 


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Mscr.  Cod.  XVI  saec. 
Resolutio  valoris  proportionati 


^^^E^S^^S 


^FFQ= 


m$: 


EfEE^S 


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Each.  Hoffmann: 
Resolutio  5) 


^(t^^|sgSEr=MfJJ=Ef:^^^l^ 


1)  z.  B.  Bach.   Ges.-Ausgabe  Jahrg.  XXII,  p.  123,  Takt3: 


Originalpartitur. 


•^ —  =  Autograph. 


ferner  Jahrg.  XXIII  p.  271—299,  p.  310-313  usw. 

2)  Versuch  fiber  die  wahre  Art  das  Clavier  zu  spielen,  Aufl.  1787,  p.  98  §  27  (Teil  I}. 

3)  ygl.  hierzu:  Ernst  Pr&torius:  Die  Mensural theorie  des  Fr.  Gafurius,  S.  117. 
Aus  meiner  Zusammenstellung  wird  man  sehen,  daft  fttr  die  Lftsung  des  ungersden 
Taktes  in  einen  geraden  keine  festen  Typen  aufzustellen  sind,  vielmehr  herncht 
den  Mensuralregeln  gegentlber  grofte  Willkur. 

4)  Nach  Fink  ware  der  Anfang  von  Josquins  •  Agnus*  aucn  so  gemeint: 


Georg  Schunemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  new. 


95 


Heyden: 


Cod.  Mscr. 


Hoffmann 


pr^-^yf±^^±3I?g^^^^^ 


Pi  °  r  T I  inz&flttZttZf^ 


^^f^E^a^frt^^^a^^^ 


— .  >  .      F  — — —  ^— — T-^— ^— — — 


3=S      ;  o       ~a~? 


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t  ° iT7H^!E!^^g^^fp^^=^ 


L-=^r^T!^r^^^^#^fa^^M 


E5=*TB^^^^^^^^^ 


jiT^T^^5^^^ 


m 


^S^^lEE^T^r^^^^^: 


Fasse  ich  die  Ergebnisse  der  bisherigen  Untersuchungen  zusammen, 
so  lauten  die  wichtigsten:  Der  >tactus*  ist  nur  ein  auBerliches  Orientie- 
nmgsmittel,  eine  Stiitze  des  Tempos  fiir  die  Sanger,  schweren  und  leichten 
Taktteil  unterscheidet  er  nicht,  er  wurde  so  gleichmaBig  geschlagen,  wie 
eine  Uhr  die  Stunden  gibt,  oder  so  genau,  als  ob  man  oben  wie  unten 
auf  etwas  scbliige1).  Wie  die  Stimmen  aussahen,  aus  denen  gesungen 
wurde,  ist  oben  (p.  91  usw.)  gezeigt  worden.  Das  Auffallende  gegen  den 


ll 


-O * — w 


ZStL 


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-^- 


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5)  Exemplum  Triplae  ex  quo  simul  probate  volunt  necessario  ad  unieam  iactus  speciem 
*igna  mtegra,  DimimUa  et  Proportionata  cantari  oportere. 
1)  St  Maria,  a.  a.  0.  fol.  8. 


96  Georg  Schiinemann,  Zur  Frage  dan  TakUchlagens  ngw. 

heutigen  Gebrauch  ist  das  Fehlen  der  Taktstriche,  das  von  selbst  eine 
gute  Deklamation  des  Textes  gewahrte  und  die  Musik  nicht  in  die  engen 
Schranken  des  schweren  und  leichten  Taktes  drangte,  ihr  vieknehr  jene 
Torn  Irdischen  ganz  losgeloste,  nur  rein  musikalische  Rhythmik  gab,  die 
den  "Werken  so  oft  den  ihnen  eigenen  kirchlichen  Charakter  lieh.  Noch 
bis  ins  17.  und  18.  Jahrhundert1)  hat  sich  der  Brauch,  die  Taktstriche 
fortzulassen,  gehalten.  Das  gleichmaBige  Taktschlagen  ersetzte  die  Takt- 
striche. Jeder  Taktteil  konnte  von  einer  betonten  Silbe  in  Anspruch 
genommen  werden,  auch  ein  Beweis  daftlr,  daB  unser  Gruppentakt  fiir 
die  a  cappella-Periode  nicht  existiert.  Auch  konnen  viele  Stticke  im  per- 
fekten  wie  imperfekten  MaB  gesungen  werden,  ohne  etwas  am  Klang  zu 
andern.  Der  Schliissel  zum  Verstandnis  der  damaligen  Praxis  bleibt  das 
vollstandig  gleichmaBige  nur  der  Orientierung  dienende  Taktschlagen.  Die 
Dauer  eines  Auf-  und  Niederschlagens  war  genau  bestimmt.  Hierauf 
hatte  der  Sanger  den  vorgesetzten  Taktzeichen  gemaB  die  Noten  zu  verleiten. 

Der  gerade  Takt  wurde:   jj[   J  geschlagen,  der  ungerade:  —       .    Da- 

ii  0  0     0 

neben  gab  es  Praktiker,  die,  nur  dem  Notenbilde  folgend,  sich  bald  eines 
langsamen  Taktierens  JNieder-  und  Aufschlag  =  *0' ),  bald  eines schnel- 

leren  I  zweimal  Nieder-  und  Aufschlag  =  ▼.>  )  bedienten.  Auch  diese 
muBten  vollstandig  gleichmaBig  schlagen  und  vorher  den  Sangern  den 
Sinn  ihres  Taktgebens  (o  «=  J  J  oder  Q  =   ^  ^  |  angeben. 

Die  Chore  der  alteren  Zeit  waren  nun  keine  Massen-Chore,  wie  wir 
sie  heute  haben.  Selbst  an  bedeutenden  Orten  wie  Rom  (papstliche  Ka- 
pelle)  und  Venedig  (S.  Marco)  war  die  Zahl  der  Sanger  nur  gering, 
zwischen  ca.  20  und  30 2).  Wichtig  ist  auch,  daB  die  Chore  meist  Solisten- 
Ensembles  waren.  So  bestimmt  Papst  Julius  III.  einmal  (1553),  daB  die 
Zahl  der  Sanger  in  der  papstlichen  Kapelle  auf  24  reduziert  werden  solle 
und  nur  >klangvolle  und  gutgeschulte  Kraft e«  hinzugezogen  werden 
sollten 3).  Auch  die  Tatsache,  daB  schon  damals  in  den  Choren  von  den 
Sangern  Verzierungen  in  den  Stimmen  improvisiert  wurden,  beweist,  daB 
es  sich  nur  urn  kleine  Chore  von  Solisten  handelte4).  Die  von  mir  schon 
zitierten  Bilder  van  Eycks,  Pinturicchios,  Boticellis  fs.  o.  p.  75)  und  andere 
(s.  spater  p.  98 — 99)  werden  eine  weitere  Vorstellung  von  der  Besetzung 
der  Chore  geben. 

1)  Bei  Tunder,  Buxtehude,  Mich.  Bach  usw. 

2)  vgl.  Haberl:  Die  rOmische  schola  cantorum  etc.  V.f.M.  1887. 

3)  Haberl:  a.  a.  0.  p.  281,  vgl.  hierzu  E.  Celani:  /  cantari  delta  capella  pontifica 
net  secoli  XVI—XYHI.    Rivista  musicale  XIV,  1  und  4. 

4)  vgl.  Max  Euhn:  Die  Verzierungs-Kunst  in  der  Gesangs-Masik  des  16. — 18. 
Jahrhundert*.  Beih.  d.  IMG.  Bd.  VIII.  Leipzig  1902.  p.  39ff.  und  die  von  mir  p.  97 
zitierte  Stelle  Zacconi's. 


Georg  Schunemann,  Zur  Frage  de*  Taktschlagena  usw.  97 

Man  muB  sich  nun  nicht  vorstellen,  daB  ein  Diligent  in  unserem  Sinne 
die  Auffiihrungen  friiher  geleitet  habe,  sondern  einer  der  Sanger,  der 
womoglich  mitsang,  schlug  den  >gleichraaBigen«  Takt  und  zwar  moglichst 
unauf f allig !).  Der  Taktgebende  soil  nach  Philomates  die  Sanger  erat 
richtig  aufstellen. 

(a.  a.  0.,  Ill  2.)  Gum  pueris  occentores  simul  atque  seorsum  /  Et  sue- 
centores  stent  cum  excentoribus  una.  Soil  vielleicht  heifien:  Diskant  und 
Tenor  zusammen  (cum  pueris  occentores)  und  Alt  und  BaB  zusammen  (sue- 
eentores  cum  excentoribus),  die  e  in  z  ein  en  Gruppen  jedoch  etwas  auseinander. 
Philomates,  halt  fur  den  Taktgebenden  die  BaBstimme  fur  die  beste,  sie  vermag 
als  Fundament  die  anderen  gut  zu  stiitzen.  (Vox  gravis  in  fundo  versanda 
regentibus  odas  j  Harmonicas  frugi  est,  et  conduxit  vehementer.) 

Dann  soil  der  Dirigent  den  Sangern  den  Ton  angeben  und  nun2) 
beginnen.  Auch  Zacconi,  der  allerdings  schon  zum  Teil  mit  seinen 
Lehren  in  das  17.  Jahrbundert  gehort,  bringt  allerlei  niitzliche  Vorschlage 
fiir  den  »Dirigenten«,  von  denen  ich  einiges  wenigstens  anfiihren  will. 
Der  Dirigent  soil  ganz  gleichmaBig,  ohne  jedes  Schwanken  dirigieren, 
selbst  dann,  wenn  die  Sanger  Verzierungen  improvisieren8),  er  soil  nicht 
vor  Beginn  »los«  oder  ahnliche  Worte  laut  sagen4),  durch  die  Bewegungen 
der  Instrumentisten  (s.  o.  p.  79)  sich  nicht  beirren  lassen5)  usw. 

Noch  einige  bildliche  Darstellungen  aus  dem  16.  Jahrhundert  seien 
hier  nachgetragen. 

1)  motus  (tactus)  tamen  caute,  quantum  fieri  potest,  monstrandus  est,  nee  omnium 
audiiorum  oculis  exponendus.  {Biciniorum  libr.  duo.  Galvisiana  [1602]  M.  f.  M.  1901.. 
p.  90  Nr.  19)  (8.  0.  p.  78). 

2)  Voce  subinde  sustirranti  da  cuique  seorsum  initium  parti,  quo  eoneepto  incipe 
tandem. 

3)  Zacconi,  a.  a.  0.  I  33  (fol.  21  v.).  H  debito  de  queUi  che  lo  reggano  e  di  reggerlo 
ehiaro.  sicuro,  senza  pausa,  e  senxa  veruna  titubatione  pigliando  Yessempio  del  polso  6 
dot  moto  che  fa  il  tempo  dell  Orologgio  e  han  da  fare  eke  si  come  dal  tatto  si  reggano 
e  s'informano  di  suono  le  figure  Musieali,  che  cosi  ancora  i  cantori  Vhabbiano  a  se- 
guire,  e  esser  soggetti:  Ne  mai  a  qual  si  voglia  voce  di  cantore  piegar  si  deve;  perche 
il  piegarsi  alle  voglie  di  questo  e  di  quello  per  darli  tempo  ch'empiano  i  canti  di  vag- 
hexxe,  fa  che  Vharmonie  divenghino  debole  e  lente ;  e  ehe  i  cantori  si  stanchino  fuor  di 
proposito  odiando  queUa  ritardanxa  e  mat  gradita  attione  e  se  bene  per  vaghexxe  del 
eaniarey  cantori  alle  volte  ritardano  alquanto,  egli  non  deve  riguardar  a  quella  ritar- 
danxa:  ma  attendere  al  officio  suo  aeciache  i  cantandi  vedendo  la  sicurezxa  del  tatto 
8*inanimischino  e  prendino  ardire,  che  s'cgli  vuole  ritardar  col  tatto  fin  che  il  cantore 
habbia  verfeltamente  informato  le  figure  di  suono,  in  ogni  tatto  convera  ritardare; 
perche  u  cantore  si  piglia  aultoritii  sempre  di  pronuntiar  la  figura  dopo  il  tatto:  per 
farla  sentire  con  maggior  vaghexxa. 

4)  (fol.  22.)  Ancora  sibiasmano  i  rettori  del  tatto  che  sono  pigri  net  far  principiare 
e  quellipiu  che  inanxi  al  dor  principio  dicano  alcune  parole.  Gome  seria  a  dire,  d  su 
d  via,  6  altre  simile,  massimamente  quanto  le  dicano  si  forte,  che  quasi  tutti  i  circum- 
stanti  Yodano.  — 

6)  (fol.  21  v./22.,  Oltra  di  questo  nasce  alle  volte  occasione  di  sumministrar  quesfatto 
eoYintervento  de  gli  instruments :  e  perche  nel  sonar  delle  Viole  0  de  Tromboni  essi 
sonatori  fanno  cUtiotie  simile  alle  attione  del  tatto:  per  questa  bisogna  esser  arertito  di 
non  lasciarsi  co  gYatti  loro  cavar  di  tempo  e  uscir  di  misura  .  .  . 

s.  d.  IMG.    x.  7 


98  Gfceorg  Schiinemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw. 

Joat  Amman  (1539 — 1591)  zeigt  auf  einem  Holzschnitt !)  zwei  Engel- 
paare,  die  aus  einem.  dicken  Notenbuch  singen,  bei  jedem  schlagt  ein  Engel 
mit  erhobenem  Finger  den  Takt.  Ein  sehr  schemes  Bild  befindet  sicb  auf 
dem  Titelblatt  zu  Seb.  de  Felstin's:  Opusculum  musicae  men^uralis,  1519  (?). 
Sechs  Manner  singen  von  einem  Blatt,  drei  sitzen,  die  andern  stehen  da- 
hinter,  der  Sanger  recbts  schlagt  mit  der  Hand  deutlich  den  Takt  anf  das 
Blatt;  auBerlich  ist  seine  Stellung  als  »taktgebender  Sanger «  durch  eine 
Amtskette  und  einen  scbweren  Pelz  angedeutet  (siebe  Abbildung).     In  einer 


Liederbandscbrift  aus  dem  Jabre  1592 2)  ist  ein  Bild  gemalt  von  5  Instru- 
mentisten  (Cembalo,  eine  Art  Cello,  Posaune,  Tbeorbe,  Armgeige)  and 
einem  Sanger,  die  urn  einen  Tiscb  sitzen d  musizieren.  Der  Sanger  schlagt 
mit  der  Hand  (den  Zeigefinger  bat  er  ausgestreckt)  den  Takt  aus*  einem 
Buch.  Theodor  de  Bry  (1561 — 1623)  stellt  auf  einem  Kupferstich  »  Spiegel 
der  Schlemmer  und  vollen  Rott«  ein  Liebespaar  dar,  beide  aus  einem  Noten- 
buch singend,  der  Mann  taktiert  mit  der  Hand,  abseits  spielen  Theorbo  and 


1)  Holzschnitt  zu»Eirchen  Gesang  /  so  bey  der  H.  Sakrament  in  den  Kirchen 
Augspurgiecher  Konfession  /  gebraucht  werden<  .  .  .  M.  Eucharius  Zinkeisen 
Frankfurt  a.  M.  1583,  befindlich  im  Kupferstichkabinett  Berlin    J.  Amman  Bd.  IV:. 

2)  >Alleg  Einweil*  von  Sebastian  Eber  von  Nurnberg,  befindlich  in  der 
Handschriften-Abteilung  der  Eg.  Bibliothek  Berlin,  Signatur  Msc.  Germ.    40.    733. 


Georg  Schimemann,  Zur  Frage  dee  Taktschlagens  utw.  g9 

Kniegeige *).  Eine  Unterrichtsstunde  sieht  man  auf  dem  Titelbild  zu 
G  an  as  si's  Fantegara  (Venedig  1535).  Der  Lehrer  klopft  dem  neben  ihm 
stehenden  Flotisten  den  Takt  mit  dem  Finger  auf  die  Schulter1).  Ahnlich 
macht  es  der  Harfner  auf  dem  rechten  FlUgel  dee  Genfer  Altarwerki 
(t.  Eyck).  Auf  andere  Darstellungen  aus  dieser  Periode  werde  ich  einmal 
an  anderer  Stelle  zuruckkommen.  Nachtragen  will  ich  hier  noch  das  Titelblatt 
der  musica  practica  des  Herm.  Fink  (Ausg.  1550).  Ein  Mannerchor  (etwa 
14  Pers.),  ein  Knabenchor  (etwa  7),  eine  PoBaune  und  2  Zinken  konzertieren. 
Sie  musizieren  nach  einem  grofien,  auf  einem  schonen  Pult  stehenden  Noten- 
buch.     Der  »Capellmeister«   schlagt  den  Takt  mit  der  Hand. 

Nach  meiner  Darstellung  erweist  sich  die  Behauptung  E.  Vogels8), 
man  habe  in  der  geistlichen  Vokalmusik  nach  der  Textdeklamation  diri- 
giert,  da  bald  dieser.  bald  jener  Taktteil  eine  betonte  Silbe  enthalte,  als 
hinfallig.  Sie  bietet  aber  Veranlassung,  auf  die  Frage  der  Textdeklamation 
naher  einzugehen  und  dabei  durch  praktische  Vorschlage  einem  Zuriick- 
greifen  auf  die  altere  Praxis  zu  Hilfe  zu  kommen;  ferner  wird  auch  ge- 
zeigt  werden  konnen,  wie  die  Begriffe  des  schweren  und  leichten  Takt- 
teils  allmahlich  auch  in  die  reine  Vokalmusik  eingefuhrt  wurden. 

Es  ist  die  allgemeine  Ansicht  verbreitet,  daB  die  Komponisten  der 
a  cappella-Periode  »barbarisch«  deklamiert  hatten,  und  es  werden  dafiir 
>Entschuldigungen-  vorgebracht4).  Schuld  daran  sind  vor  allem  die 
modernen  Partitur-Neuausgaben,  in  denen  die  Kompositionen  in  unseren 
Takt  mit  den  schweren  und  leichten  Zeiten  gebracht  werden,  und  —  die 
alten  Theoretiker.  Um  mit  letzteren  anzufangen,  will  ich  hier  einige 
Stellen  aus  ihnen  anfuhren. 

Erasmus  von  Rotterdam5)  wirft  den  Komponisten  vor,  daB  sie  bei  mehr- 
stimmigem  Gesange  die  Dauer  der  Silben  nach  ihrem  Gutdunken  messen. 
Der  Schiiler  Josquin's  Coclicus6)  klagt,    daQ  den   belgischen  Musikern  die 

1)  Im  Egl.  Kupfcrstichkabinett  Berlin.  Erwahnen  will  ich  wenigstens  noch  eine 
»£atzenmu8ik«  von  Th.  de  Bry.  Aus  einem  Cembalo  sehen  Katzen  und  Hunde 
heraus,  2  Sanger  —  einer  von  ihnen  taktiert  —  1  Gambia t,  etc.  konzertieren  mit 
dem  Cembalospieler. 

2)  Das  Bild  ist  schon  reproduziert  worden  von  Max  Kuhn,  a.  a.  0.  Kuhn  irrt 
aber,  wenn  er  das  Bild  als  Beispiel  fur  Sologesang  mit  Instrumentalbegleitung 
(1  Sanger  und  4  Instrumentisten)  anftthrt.  Das  Bild  stellt  eher  eine  Unterrichts- 
stunde dar.  Der  Lehrer  (vielleicht  Ganassi  s  el  bet)  klopft  den  Takt  seinem  Schttler 
laut  zahlend  auf  die  Schulter. 

3)  E.  Vogel:  Zur  Gesch.  d.  Taktschlagens.    Pet.  Jahrb.  1898.  p.  70. 

4j  Proske.  Mm.  divina.  1863  Regensburg.  I  p.  XLVI  Anm.  34.  Molitor:  Nach- 
Trident.   Choral-Reform.   Bd.  I  p.  199. 

5)  E  r.  Rotterdam:  De  recta  latini  graecique  sermonis  pronuntiatione  1628.  In  der 
mir  vorliegenden  Ausgabe,  {twv.  aeditio,  Lutetiae  1647  p.  82):  .  .  .  in  eantu,  siquando 
vocibus  imparibus  utuntur,  inaequalitatem  earn  non  ox  natura  syllabarum,  sed  ex  suo 
arbitrate  metiimtur. 

6j  Coclicus,  a.  a.  0.  (fol.  M.  IV  v.):  Maxime  etiam  musico  vitio  datur,  si  brpvem 
syUabam  addat  longac  notac.  Quia  musica  multum  commertii  cum  poesia  habct.  Et 
non  video  qtiid  magis  decider ari  possit  in  Musicis  Belgis  quam  quod  syllabarum  qaan~ 
tiias  pluribus  incognita  est. 

7* 


100  Georg  Scbiinemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw. 

Quantitat  der  Silben  unbekannt  eei,  —  Vanneo1)  riigt,  daB  lange  Silben 
auf  einer  Minima  st&nden,  kurze  dagegen  auf  einer  Semibrevia,  —  Giov. 
del  Lago1)  behauptet,  nor  wenige  Komponisten  beachteten  die  Grammatik 
beim  Komponieren,  —  Vicentino3),  ferner  Zarlino4),  Zacconi5),  Sali- 
nas6), Tigrini7),  Tbomas  Morley8)  warnen  alle  vor  solcben  »gram- 
matiscben  Barbarismen«,  and  vollends  im  17.  Jabrbundert  wimmelt  es  von 
Forderungen  einer  guten  Deklamation. 

Der  Grund  ftir  alle  diese  Proteste  liegt  in  dem  Aufkommen  eines 
neuen  Musikstils.  Die  Instrumentalmusik  hatte  seit  der  Wende  des  15. 
und  16.  Jahrhunderts  einen  ungeheuren  Aufschwung  genommen.  War 
sie  friiher  nur  bei  festlichen  Gelegenheiten  benutzt  worden  zur  Ver- 
starkung  oder  Unterstiitzung  von  Singstimmen,  bestand  ibre  Selbstandig- 
keit  friiher  nur  in  der  Tanzmusik  oder  darin,  daB  einige  Trompeten, 
Floten  und  Pauken  die  Festmusik  eines  Turniers  oder  Einzugs  bestritten*), 

1)  Vanneo,  a.  a.  0.  lib.  Ill  Kap.  40  f.  93  v.:  Saepe  enim  nonnuUi  solent  eorum 
eantilenis  ineptissime  breves  syllabas  semibrevibus  notulis,  ac  longas  minimis  seu  quod 
idem  est,  breves  minimis,  et  longas  semiminimis  coliocare,  itaque  cantores  longas  syllabas 
breves  ac  breves  longas  proferre  coguntur,  quod  quidem  barbarici  quantum  habeai  erudite 
grammati  iudieandum  relinquo. 

2)  Lago:  brev.  introd.  di  mus.  misur.  1540.  Im  ScbluGkap:  Modo  et  osservatume. 
di  comporre  qualcunque  canto.  .  .  Benche  sono  pochi  compositori,  che  osservano  li  ac- 
centi  grammatici  nel  comporre  le  notule  sopra  le  parole  .  .  . 

8)  Vicentino:  L'antica  musica  rid.  all.  mod.  pratt.  —  1665.  (IV  29  fol. 86v.) 
MoUi  compositori  che  nelle  loro  compositioni  attendono  a  far  un  certo  procedere  di 
compositione  a  suo  modo  senxa  considerare  la  natura  delle  parole,  ne  i  loro  accenti,  ne 
quali  siUabe  lunghi  ne  brevi  .  .  . 

3)  Vicentino,  a.  a.  0.  (IV  18  fol. 80 v.)  .  .  .  s'io  dicesse  de  gVincorrettione  delle 
note  e  delle  parole  che  sono  sotto  poste,  a  canti  fermi  con  le  pronuntie  barbare  e  le  sil- 
lobe  che  debbono  essere  lunghe  sono  fatte  brevi,  e  le  brevi  lung  he,  e  como  fa  brutto  udire 
a  sentir  cantar  molte  note  sotto  una  vocale  con  la  replica  di  quelle  in  questo  modo  dette 
a  a  a  a  a  a  e  e  e  ee  e  iiiiii  o  o  o  o  o  o  uuuuuu  che  muoveno  piu  gToditori  alle 
risa  che  a  divotione. 

4)  Zarlino,  a.  a.  0.  IV  33:  Hora  vede  sotto  due  sillabe  contenersi  molte  figure,  e 
hora  sotto  due  figure  molte  sillabe.  Ode  hora  una  parte,  che  cantando  in  alcun  ktogo 
fara  Vapostrofre  o  collisions  nelle  lettere  vocali  .  .  . 

5)  Zacconi,  a.  a.  0.  Kap.  65  (fol.  67)  .  .  .  che  se  non  fosse  lui  nel  canto  molte 
parole  bisogneria  pronunciare  barbarescamente  e  contra  ogni  rissonanxa  grammati- 
cole  .  .  . 

6)  Salinas,  a.  a.  0.  V  2  (p.  238 — 40):  Quod  mirum  est  quam  cum  nostri  saeculi 
musicorum  praeceptionibus  atque  usu  conveniat  qui  syllabicos  pedes  et  syUabarum  quan- 
titatem  negligunt  et  breves  pro  longis  et  rursus  longas  pro  brevibus  canendo  efferrunt. 

1)  Tigrini,  a.  a.  0.  II  24:  Et  perche  Vaccomodare  le  figure  cantabUi  alle  parole  e 
di  grandissima  importanxa  .  .  mediante  i  quali  il  piu  delle  volte  aviene,  che  i  Cantanti 
restano  tanto  confusi,  che  non  sanno  ritrovare  se  modo  da  poterle  proferire. 

8)  Th.  Morley:  plain  and  easy  imtr.  1697,  (Nacbdruck  1771  III  p.  903)  .  .  .  but 
in  this  fault  do  le  practicioners  erre  more  grossely,  then  in  any  otJier,  for  y  on  shall 
sind  few  songs  wherein  the  penult  syllables  of  these  toords  Dominus,  Angelus,  filius, 
miraculum,  gloria,  and  such  like  are  not  expressed  with  a  long  note  yea  manic  times 
with  a  whole  dossen  of  notes,  and  though  one  should  speak  of  fortie  he  should  not  say 
much  amisse:  which  is  a  grosse  barbarisme  .  .  . 

9)  Man  sehe  die  berrlicben  Holzschnitte  Jost  Amman's  oder  Lucas  Cr  ana  en's, 
die  haufig  solche  Turniere  und  Einzfige  darstellen. 


Georg  Schunemann,  Zxa  Frage  des  Taktschlagens  utw.  101 

so  war  sie  jetzt  zu  einer  Macht  geworden.  Die  groBeren  Hofe  in  den 
Stadten  begannen  stehende  Eapellen  mit  Instrumentalmusik  einzurichten, 
und  eine  neue  Literatur  entstand  fiir  sie1).  Die  der  Instrumentalmusik 
eigenen  Frinzipien  der  Betonung  einzelner  Taktteile,  knrzum  das,  was 
wir  mit  dem  »Gruppen-Takt«  bezeichneten,  iibte  seinen  EinfluB  auf  die 
Vokalmusik  aus2).  Und  ferner  waren  die  Forderungen  des  logischen 
Akzents  die  der  musikalischen  Renaissance.  Die  humanistischen  Stu- 
dien  forderten  auch  in  der  Musik  jene  Ubereinstimmung  des  Wortes 
mit  der  Melodie,  den  Sprachgesang,  der  allerdings  erst  yon  den  Floren- 
tiner  Hellenisten  erreicht  werden  sollte3).  Aus  diesen  Bestrebungen  vor 
allem  erklaren  sich  jene  Froteste  der  Theoretiker,  —  die  bezeichnender- 
weise  zum  groBen  Teil  Italiener  sind  —  sie  fallen  also  gegen  die  Kom- 
ponisten  der  a  cappella-Periode  nicht  ins  Gewicht. 

Was  nun  in  neuester  Zeit  zur  Losung  der  Frage  nach  der  richtigen 
Textdeklamation  getan  ist,  das  befindet  sich  auf  einem  falschen  Weg. 
Die  Entschuldigungen  fiir  die  Komponisten,  man  habe  sich  damals  nur  yon 
dem  in  dem  Text  »verborgenen  Grundgedanken*4)  leiten  lassen,  oder  man 
habe  bei  dem  gegenseitigen  >Suchen  und  Fliehen«5)  der  einzelnen  Stimmen 
nicht  auch  auf  eine  gute  Deklamation  achten  konnen  und  ahnliches,  ist 
nur  zum  kleinen  Teil  richtig.  Auch  die  PdUographie  musicals  (1901 
bis  1905  Bd.  VII  §  II  p.  37 — 128)  irrt,  wenn  sie  aus  vielen  Beispielen, 
die  ihr  in  modernen  Ubertragungen  (!)  vorliegen,  den  Satz  aufzustellen 
sucht,  in  der  a  cappella-Periode  kamen  immer  die  leichten  Wort- 
silben  auf  den  schweren  (!)  Taktteil  (jux\td  cru\c6m  sed\U  Jes\us  (!)  )7 
und  darauf  dann  ihre  Theorie  des  Chorals8)  baut.  Der  einzige  Weg, 
sich  tiber  die  Frage  klar  zu  werden,  kann  nur  an  der  Hand  der  Denk- 

1)  vgl.  fiber  frflhe  Instrumental  musik  Pierre  Aubry:  Estampies  et  danses 
royales,  Us  plus  anciens  ttxtes  de  musique  instrumental  au  moyen  age  (Mercure  musical 
1906,  September-Heft  p.  169 ff.);  ferner  die  Quellen,  die  Job.  Wolf  in  der  Einleitung 
zum  14.  Jahrgang  der  Denkm&ler  der  Tonkunet  in  Osterreich  (Bd.  Heinrich  Ieaak  I 
p.  XI/XII)  gibt.  Die  kurze  Gliederung,  die  vielen  kleinen  Cadenzen  (Pun eta)  und 
▼or  allem  die  Betonung  des  era  ten  Taktteil  8  sind  in  den  von  Aubry  mitgeteilten 
Stflcken  gut  zu  erkennen. 

2)  So  eagt  Zacconi  (a.  a.  0.  I  32):  Die  Mensur  wflrde  von  einigen  >tatto*  ge- 
nannt,  da  sie  glauben,  die  Taktbewegung  b&tte  heftig  und  forziert  {forzate  e  vehe- 
menie)  zu  geschehen.  —  Zacconi  selbst  kann  dieser  Erkl&rung  nicht  zustimmen. 

3)  Ala  einen  friihen  Niederechlag  dieser  Bestrebungen  kann  man  die  durch 
Konrad  C  e  1 1  e  8  ins  Leben  gerufene  Scbule  der  antiken  Oden-Eomponisten  betrachten 
(Tritoniue,  Senfl,  Hofhaimer  etc.). 

4)  Proske:  EinfQhrung  zur  Musica  divina.  Bd.  I  (Regensburg  1853,  p.  XLVI 
Anm.  34). 

6)  Molitor:  Die  Nach-Tridentinische  Choral-Reform.    (Leipzig  1901)  I  p.  199. 

6)  Den  Franzosen  liegt  diese  Art  der  Aussprache  naher  als  una,  trotzdem 
durften  sie  nicht  mit  schweren  und  leichten  Taktteilen  operieren.  Die  Paleo- 
graphie  hatte  beaser  getan,  aus  der  Behandlung  des  Tenors  in  den  alten  Motetten- 
passionen  Schlflsse  auf  die  Rhythmik  des  Chorals  zu  ziehen. 


X02  Georg  Schunemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  u*w. 

maler  vor  sich  gehen,  wobei  man  sich  stets  gegenwartig  halten  muB,  daB 
es  schwere  und  leichte  Taktteile  fur  die  kirchliche  Musik  nicht  gab.  In 
den  Messen,  deren  Text  jedem  Sanger  vertraut  war,  sind  meist  nur 
wenige  Worte  untergelegt,  am  besten  ist  meist  der  Diskant  bedacht.  Oft 
steht  nur  der  Textanfang  fiir  den  ganzen  Satz  vorgedruckt  z.  B.  Et  in 
terra  pax  fiir  das  >  Gloria*.  Anders  liegt  es  bei  den  Chansons,  Motetten 
und  Hymnen;  hier  sind  haufig,  wenn  der  Text  den  Sangern  unbekannt 
war,  die  Worte  reichlicher  untergelegt,  doch  auch  nur  in  groBeren  Ab- 
schnitten  und  haufig  nicht  so,  daB  das  Wort  auch  unter  die  zugehorige 
Note  kommt,  oft  stehen  sogar  unter  den  Pausen  Worte.  Hier  sowie  in 
den  textreichen  Abschnitten  der  Messen  ist  fiir  uns  heute  eine  verstan- 
dige  Unterlage  der  Worte  immer  noch  leicht  moglich.  Den  damaligen 
Sangern  war  es  ganz  iiberlassen,  den  Text  richtig  unterzulegen.  Dies  ge- 
horte  entschieden  mit  zu  den  selbstverstandlichen  Kenntnissen  des  San- 
gers1).  Leider  sind  uns  aber  hieriiber  nur  wenig  Nachrichten  tiber- 
kommen2),  trotzdem  wissen  wir  aber  aus  dem  Munde  des  Coclicus, 
daB  Josquin  auf  eine  richtige  Unterlage  der  Worte  groBen  Wert  legte*). 
Ausfiihrlichere  Regeln  werden  aber  erst  aufgestellt  von  Vicentino, 
Tigrini  und  vor  allem  von  Zarlino.  Obgleich  diese  Autoren  in  die 
zweite  Halfte  des  16.  Jahrhunderts  gehoren  und  ihre  Ansichten,  wie  ich 
oben  ausgefiihrt  habe,  schon  Vorboten  der  musikalischen  Renaissance 
sind,  so  sehe  ich  dennoch  nicht  ein,  weshalb  deren  verniinftige  und 
praktische  Regeln  nicht  auch  fiir  die  Zeit  vorher  gelten  sollen4).  Es 
brauchten  ja  die  durch  miindlichen  Unterricht  der  Gesangsmeister  iiber- 
lieferten  Regeln  der  Textunterlegung  nicht  schriftlich  fixiert  zu  werden, 
so  lange  noch  diese  Praxis  zum  Riistzeug  der  Sanger  gehorte,  und  die 
Theoretiker  des  15.  Jahrhunderts  hatten  mit  ihren  Spekulationen  tiber 
Kirchentone  und  Proportionen  genug  zu  tun.     Erst  ein  Abnehmen   der 

1)  Coclicus,  a.  a.  0.  fol.  BIIv.:  Der  Schtiler  mOge  lernen,  quamlibet  syllabam 
suo  in  loco,  sui8  sub  notis  collocate.  Fink,  a.  a.  0.  Lib.  V  [De  arte  elcganier  et  suaviter 
canendi.):  Dcinde  textus  commode  applicetur,  n<m  tit  direct e  capUi  iiotarum  insistat,  qui 
mos  choralis  Musicae  est,  sed  ut  ab  uno  utii  fugae  aptetur,  reliqui  co-nsimiliter  textum 
accommodent.  Nominatim  et  hoc  tencatur,  si  notae  textum  multitudinc  rxcedunt,  turn  tibi 
sit  in  bucca  a  o  aut  u,  sed  semper  quantum  fieri  potest,  i  vel  e  concinne  et  dextre 
applicetur.    Auch  Sneegass,  a.  a.  0.  Kap.:  De  canendi  elegantia  Rcgel  5  .  .  . 

2;  Biaher  gibt  es  nur  eine  Arbeit  uber  Text  unterlage:  Jak.  Qnadflieg: 
«Ober  Textunterlage  und  Textbehandlung  in  kirchl.  Vokalwerken*.  Kirchenmua. 
Jabrb.  1903  p.  95ff.,  1906  p.  197  (Die  Modernenj.  Im  ersten  Aufsatz  beginnt  Qu. 
mit  der  Epoche  Lasso-Palestrina,  in  der  die  Textunterlage  schon  fast  v6llig  ge- 
s i chert  ist. 

3)  Coclicus,  a.  a.  0.  fol.  F1I  v.:  Cum  autem  rideret  utcwique  in  canendo  firmos 
belle  promt nciare,  ornate  canere  et  textum  suo  loco  applicare  docuit. 

4)  In  der  Neuausgabe  der  Trienter  Codices  werden  die  Regeln  ale  auf  das 
16.  Jahrhundert  nicht  anwendbar  bezeichnet.  Denkmaler  der  Tonkunst  in  Osterreich, 
XI.  Jahrg.    Einleitung  zu  Bd.  1  p.  XXVI. 


Georg  Schunemann,  Zur  Frage  des  Taktichlagens  usw.  103 

alten  Tradition  und  ein  Unsicherwerden  mag  die  Regeln  des  Zarlino 
usw.  gezeigtigt  haben.  DaB  man  mit  einem  einfachen  Unterlegen  der  ein- 
zelnen  Worte  bei  den  schon  gedehnteren  Satzen,  z.  B.  eines  Dufay, 
nicht  mehr  auskommt,  zeigt  die  Ausgabe  der  Trienter  Codices  (Denkm. 
d.  Tonk.  in  Osterreich  VII,  XI.  Jahrg.)  hinlanglich,  oder  soil  man  denken, 
daB  z.  B.  auf  Do-  in  >Dominus*  18  Takte  kommen,  dann  5  Takte 
Pausen  und  dann  -minus,  wie  es  dort  geschieht  (I  p.  140  [2. — 4.  System])? 
Ich  gebe  zunachst  einen  Auszug  der  Regeln  der  Zarlino,  Vicentino,  Ti- 
grini.     Zarlino  stellt  folgende  10  Hauptregeln  auf  *): 

1.  Unter  lange  wie  kurze  Silben  setze  man  entsprechende  Notenfiguren,  und 
zwar  so,  daB  man  keine   »Barbarismen<  hort. 


t^^E* 


za=p 


a)  falsch)    in   ter-ra    pax  -        -  b)  richtig)    in ter     -     ra  pax 

2.  Jede  Ligatur   von    mehreren   Noten    bekommt  im  Cantus  planus  wie   im 
figurierten  Gesang  nur  eine  Silbe  am  Anfang. 


b^3EE  £^= 


t*3=— -=e=  ^ 


E?^E 


a)  falsch)    homi-ni-bus  b)  richtig;     ho  -  mi-nibua  (a.  8  pa  ter; 

3.  Der  Punkt  neben  der  Note,  auch  wenn  er  gesungen  werden  muB  (Aug- 
mentation spun  kt,  bekommt  keine  Silbe. 


%= 


:oi=p=9-rg=^  — — 0^— y~ {^ir$— 


!¥ 


a)  falsch)    fili  -  us    De-    -  b)  richtig)    fi  -  li  -  us 

4.  Selten  pflegt  man  eine  Silbe  auf  eine  Semiminima  oder  eine  noch  kleinere 
Note  zu  setzen,  ebensowenig  eine  Silbe  auf  die  Figur,  die  unmittelbar 
folgt. 


^^=^!=iE3E^  \^Ej=$=*=£=t 


ajfalsch)  be-ne-di  ci     -     mus  b)  richtig)  be     -        -    ne  -  di  -  ci  -  mat 

5.  Diejenigen  Noten,  die  unmittelbar  den  Augmentationspunkten  der  Semi- 
brevis  und  der  Minima  folgen,  —  wenn  diese  kleinere  Werte  haben  als 
die  Punkte  —  z.  B.  die  Semiminima  nach  der  Semibrevis  usw.  be- 
kommen  keine  Silben,  ebenso  die  nicht,  welche  unmittelbar  diesen  Figu- 
ren  folgen. 


Ef=Ff^E  PEEES^E^ 


x  foi-c^     Do -mi   -     -     -  nus         b;  richtig)     Do     -        -     mi -nun 
;    Do    -     -    mi   -  nus 

6.  Setzt  man  —  durch   die   Not  gezwungen   —   eine  Silbe   auf  die  Semi- 
minima,  so  kann  man  auch   auf  die   folgende  Figur   eine  Silbe  bringen. 


1)  Ins  tit.  harm.  IV  33:    R  modo  che  si  ha  da  tencre  n*l  porre  le  Figure  eantabiti 
sotto  le  parole.    Ich  gebe  im  Text  nur  einen  Auszug. 


104 


Georg  SchSnemann,  Znr  Frage  des  Taktschlagens  rum. 


m^^^^E^E     fe^^^^j 


ms 


a)  falsch)   ho -mi  -  ni-bus  bo   -   nis         b)  richtig)  ho  -  mi- ni-bus  bo 

7.  Jede  Figur,  sie  sei  welche  sie  wolle,  bekommt  eine  Silbe,  wenn  sie  sum 
Anfang  des  Gesanges  steht  oder  in  der  Mitte  nach  einer  Pause. 


W 


E£ 


PS 


Glo  -  ri  -  a        Glo    - 

8.  Wiederholungen  von  einzelnen  Worten  im  fignrierten  Gesange  sind  nicht 
schon,  Satze,  deren  Gedanke  abgeschlossen  oder  die  einen  wicbtigeren 
Ge  dank en  enthalten,  konnen  wiederholt  werden. 


■^^^^3^^F^=pr^^^ 


=?EE 


a)  falsch)   et  no  -  li     no  -  li    tar    -    da      -         -       re  tar-da  re 

b)  richtig}  et   no  -  li     tar-  da  -  re    et  no    -        -        -  li  tar-da      -        -        -      re 

9.  Wenn  man  alle  Silben  untergelegt  bat  und  es  bleiben  zum  Schlufi  noch 
die  vorletzte  and  letzte  Silbe  iibrig,  so  kann  diese  vorletzte  Silbe  noch 
kleinere  Noten  unter  sich  haben,  v orausgesetzt ,  daft  sie  lang  ist.  1st 
diese  kurz,  so  wird  man  dann  einen  Barbarismus  begeben.  Kommt  man, 
wenn  man  in  dieser  "Weise  singt,  an  ein  Neuma  (Tongruppe  vieler  Noten) 
und  setzt  man  dann  die  Figuren  in  der  angegebenen  "Weise,  so  wird 
man  gegen  die  erste  Kegel  verstoften. 

vorletzte  Note  lang  vorletzte  Note  kurz 


W 


-s=n 


m 


ti~ 


richtig)  San   -   etas  Dominns 


rich  tig)  Sanctus  Do-mi-nus 


10.  Die  letzte  Silbe  des  Teztes  lege  man  unter  die  letzte  Note  des  Gesanges. 

Vicentino  bringt  folgende  Hauptregeln : 

Setzt  man  den  Vokal  einer  Silbe  auf  eine  Semiminima  oder  Chroma, 
dann  soil  man  die  nachste  Silbe  nicht  gleich  auf  die  erste  weifie  Note  nach 
der  schwarzen  setzen,  sondern  auf  die  zweite  weifte.  Ferner:  kommen  Sprunge 
in  der  Komposition  vor,  z.  B.  Quinten  oder  Oktaven,  so  gibt  man  jeder 
Note  eine  Silbe  und  nicht  eine  Silbe  auf  zwei  derartige  Noten.  Vicentino 
gibt  folgendes  Notenbeispiel  als  Muster: 


ijfet:: 


E^^EPfEgE^=!E^^f^EfE!E|E^E^ 


Gau-de  -  a    - 


nes    in    do 


ti-L^ 


em  fee 


turn  di 


m 


em  f es- turn   di  -  em  fes-tum 


mi-no  di- 

+  (si  pronuntia  la  silla- 
ba  sotto  la  nera  per 
bi80gno) 


1)  a.  a.  0.  Kap.:    liegola  di  scrivere  le  parole  sotto  le  note  ehe  siano  aggevoH  al 
Canlantc.   fol.  86v.ff. 


Georg  Schimemann,  Zur  Frage  dee  Taktschlagens  usw. 


105 


Orazio  Tigrini  lehnt  sich  an  Zarlino  und  Vicentino   an,    er  bringt 
folgendes  Musterbeispiel: 


g^^^a-^-^t-JF^f^^^ 


zs=±: 


A  -  ye    Ma  -  ri 


A-ve    Ma-ri 


Mit  diesen  Begeln  kommt  man  bei  der  Textunterlage  in  den  Motetten, 
Chansons  usw.  meist  aus.  Trotzdem  wird  man  vor  allem  in  den  wort- 
armen  Messensatzen  die  einzelnen  Worte  viel  wiederholen  miissen,  was 
tier  auch  angebracht  ist;  z.  B.  bei  dem  Kyrie,  wo  die  Komposition  oft 
auf  solche  Wiederholung  der  Worte  gebaut  ist.  Ferner  wird  man  oft 
gleich  nach  der  »Schwarzen«  eine  Silbe  auf  die  erste  »WeiBe«  bringen 
miissen;  man  kann  sich  aber  bier  sehr  gut  helfen,  wenn  man  die  Silbe 
erst  nach  Erklingen  der  WeiBen,  z.  B.  nach  ihrer  halben  Dauer  aus- 
spricht,  ich  habe  das  so  angedeutet: 


BE 


m^=t-^-£E£ 


ho -mi       -        -        -       ni    -    fbus        (vgl.  die  Kegel  9  des  Zarlino) 

In  dieser  Weise  untergelegt,  bleibt  eigentlich  von  schlechter  Deklar 

mation  nicht  viel  mehr  ubrig.  Zum  SchluB  will  ich  noch  Stellen  anfiihren, 

wo  der  Text  untergedruckt  ist  und  die  Verteilung   der  Silben   auf   die 

einzelnen  Noten  ganz  sicher  ist  (da  sie  zwischen  Pausen  stehen). 

vivos  et  mortuo8 

I  Pierre  de  la  Rue,  .Mm. 

I      0      ^      A       ~  de  beat  virgine.   Petrucci 


If 


0- 


vi-vos    et     inor-ptu-os 

cuius  regni  non  erit  finis 
101 


1503,  Diskant  fol.  2  v. 


s^m^mmk 


V 


cu  -lus   re-gm  non    e  -  nt    fi-  ms 

III  i.   I     I     !  i~ 

oder:  (cu  -ms  re     -     gni  non  e  -  nt  finis) 


Pierre  de  la  flue, 

Miss.  debecU.  virg.  Petrucci 

1608.  Diskant  fol.  2  v. 


$= 


ZQ- 


*=fc±I: 


g-fcl-Oi^: 


EEE 


ca-ris-si-ma  su-sci-pe    pi -a   laudum  pre-co-ni-a 
oculi  mei 


"a — r  Motetti,  6  lib. 

— etc-  (Petrucci  1606). 


Tenor  fol.  24  y. 


$E£Ek^E= 


o  -  cu  -  li      me  -  fi 


Motetti  del  Frutto  (Qardano 

1638)  c.  6  voc. 

prima  vox.  p.  II;  Jachet 


w 


3E£ 


i^ 


Motetti  del  frutto 
ebenda  p.  IL 


et   me  -  di  -  ta  -  tus  sum  no 


cte 


1)  Auch  gesangstechnisch  bietet  diese  Weise  des  Vortrags  Vorteile. 


106  Oeorg  Schunemann,  Zur  Frage  dee  Taktscblagens  uew. 


Motetti  del  frutto 


hji-* — ^^ — )>      Y — ?      ?      $— o— — —    prima  vox.  \\  VIII    Gombert 
quern  di  -  li  -  ge  -  bat  Je  -  ;~sus 

Flos   florum   pr.    lib. 


, a __z rios    norum    pr.    no. 

1      0      a~0      0  ~~° — 9      I       i     °""?~t~  c.4voc.(Gardanol646) 
$=?—  o^= ? =+ T-I=  Drima  vox.  i>.  XXVI. 


lF=t=c=t==fcfc=±=f^^  prim;%or  7  xxvi: 

pre-pa- ra-vit   pre-pa  -  ra  -  vit    in    he- re   -   mo      Archadelt. 

Solche  und  ahnliche  Stellen  konnte  ich  viele  anfuhren;  singt  man  sie 
sich  vor,  ohne  an  unsern  Takt  zu  denken,  so  wird  man  wohl  nicht  viel 
>Barbarisches«  finden. 

Ferner  wirft  z.  B.  Thomas  Morley1)  den  Komponisten  vor,  daB  sie 
Worte  durch  Pausen  unterbrachen.  Er  fiihrt  folgende  Stelle  aus 
Dunstaple  an: 

'm 


^^^^g£ES^^±^-^d=^.JjAJ_g^ 


Jp-sum    re-gum  an-gelo    -    -  rum  so    -  la  vir-go  la-cta-bat 

Dies  ist  aber  eine  Untugend,  die  sich  bis  in  die  Neuzeit  erhalten 
hat2).  Will  man  nach  Entschuldigungen  fur  die  Komponisten  uberhaupt 
suchen,  z.  B.  bei  den  Belgiern  und  Franzosen,  so  kann  man  ihre  Natio- 
nalist in  Anschlag  bringen  und  weiter,  bedenkt  man,  wie  ihre  Vorganger 
den  Text  behandelten,  z.  B.: 

Aus  dem  Roman  de  Fauvel. 


— — Wolf:  Gesch.  d.  Mensural- 

.     _        ^^=l^="=j^=¥^=l==      Notation  II  p.  2. 


*F 


Fan  vel  la  -  di     vi  -  ci  -  um 
so  wird  man  bei  ihnen  sicher  einen  Fortschritt  feststellen  miissen. 


1)  Th.  Morley,  a.  a.  0.  (Neuausgabe  1771  III  p.  203):  We  must  also  take  heed  of 
separating  any  part  of  a  word  from  another  by  a  rest,  as  som  dunces  (!)  have  not  slacht 
to  do,  yea  one  whose  name  is  Johannes  Dunstaple  .  .  Iiath  not  only  divided  the  sentence 
but  in  the  verie  middle  of  a  word  hath  made  two  long  rests  thus,  in  a  song  of  foure 
parts  upon  these  tcords,  Nesciens  virgo  mater  virum  . .  Ahnliche  Stellen  wie  die  hier 
sitierte  Morley's  siehe:  Trienter  Codices  I.  .Denkmaler  der  Tonkunst  in  Osterreich) 
p.  186,  197,  201  uew.  Auch  Herr  Professor  J.  Wolf,  der  eine  Reihe  Kompositionen 
Dunstaple's  kopiert  hat  best&tigte  mir,  daG  Morley  Dunst.  gegenQber  im  Recht 
ist;  vgl.  ferner  Wolf:  Gesch.  d.  Mensuralnotation.  Bd.  II.  p.  133  (2.  System  yon 
unten)  und  p.  135  '4.  System  von  unten). 

2)  Wollte  man  sich  eine  Reihe  solcher  Falle  aufstellen,  so  kOnnte  man  sie  fiber 
Gluck,  Steffani,  Neefe,  Dittersdorf  etc.  bis  auf  Schumann  und  wohl  noch  weiter 
fdhren.  TJber  die  Bebandlung  des  Testes  bei  den  Meistern  dee  15.  Jahrhunderts 
lese  man  die  Bemerkung  Herm.  Fink's  a.  a.  0.  Lib.  V:  Dr  arte  eleganter  et  sua- 
viler  cancndi):  Ftiamsi  autem  haec  quoque  diligeniia  ;in  der  Textbehandlung)  vete- 
ribus  omnino  detraJtmda  est,  tamen  fatendum  est,  liberiores  eos  aliquanto  fuisse  nee  se 
intra  septa  ac  limites  continuisse  sicut  recentiores.  Nam  artes  inrrntac  srmelque  traditae 
paulatim  magis  magisquc  excoluntur.  Quare  nrmini  mirum  rideri  debet,  si  uberiorem 
ac  dexteriorem  artis  huius  usum  recentioribus  tribuamus,  qui  tot  praestanies  artifices, 
quos  cum  singulari  delectu  imitentur,  propositos  habent  qua  re  primi  artis  inventores 
destituti  fuerunt. 


Georg  Schiinemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw.  107 

In  den  Beilagen  zu  dieser  Arbeit  habe  ich  Werke  der  a  cappella- 
Periode  nach  den  gegebenen  Ausfiihrungen  ubertragen.  Die  Taktstriche 
sind  fortgelassen,  kleine  Striche  oberhalb  der  Zeile  ersetzen  sie.  (Die 
historische  Berechtigung  dieser  kleinen  Striche  isrt  durch  den  Gebrauch 
dieser  Striche  im  17.  Jahrhundert  gegeben.)  Der  Dirigent  hat  womoglich 
den  Takt  bei  der  Ausfiihrung  vollstandig  gleichmafiig  zu  schlagen.  Es 
bleibt  ihm  immerhin  noch  die  Temponahme  und  ihre  Modifizierung,  An* 
deutungen  von  Akzenten,  Bitardieren  und  Akzelerieren,  was  aber  meist 
schon  durch  die  Notenwerte  selbst  und  durch  ihre  Beziehung  zum  gleich- 
maBigen  Taktschlag  ausgedriickt  ist.  Das  Fehlen  der  Taktstriche  in  den 
Stimmen  wird  yon  selbst  eine  bessere  Deklamation  gewahrleisten.  Zum 
SchluB  waren  noch  einige  Mahnungen  und  Vorschlage  an  die  Herausgeber 
alter  a  cappella-Musik  zu  richten: 

1.  Den  hier  gemachten  Ausfiihrungen  und  Vorschlagen  gemaB  die  Takt* 
striche  aufzugeben,  sie  entweder  durch  Punkte  auf  der  fiinften  Linie  oder 
durch  kleine  Strichelchen  oder  durch  Auseinanderrucken  der  Semibreven- 
werte  usw.  zu  ersetzen  (vgl.  die  Beilagen). 

2.  Die  Textunterlage  sorgfaltiger  als  bisher  zu  behandeln  und  nicht  nach 
dem  Grundsatz:  die  Textunterlage  sei  den  alten  Meistern  gleichgiltig  ge- 
wesen,  weiter  zu  verfahren. 

Die  Dirigenten  ihrerseits  sollten  sich  nicht  mehr  von  dem  Notenbild  be* 
einflussen  lassen  und  alle  langen  Noten  als  langsam  ansehen,  wodurch  haufig 
weltliche  Stiicke  einen  choralen  Anstrich  bekommen.  Allein  der  Affekt  des 
Stuckes  bestimmt  die  Temponahme  (Semibreven-  oder  Breven-Takt).  Die 
Sanger  haben  auf  keine  schweren  oder  leichten  Taktteile  zu  achten,  nur  der 
"Wortakzent  hat  die  Betonung  zu  geben.  Bei  der  Auffuhrung  von  "Werken 
der  a  cappella-Periode  ware  auch  noch  auf  die  Chiavette  zu  achten.  Diese 
war  in  jener  Zeit  das  Transponiersystem.  Man  gebrauch te  statt  der  gewdhn* 
lichen  Schlussel  die  die  Tonbedeutung  des  Liniensystems  erhohenden  oder 
erniedrigenden  Schlussel 3).  Man  konnte  auf  diese  Weise  aus  alien  Tonarten 
singen  ohne  die  vielen  damals  zum  Teil  noch  unbekannten  Vorzeichnungcn 
hinzuschreiben.  Den  Sangern  wurde  der  Ton,  aus  dem  das  Stuck  gesungen 
werden  sollte,  angegeben,  und  sie  sangen  dann  nach  den  vorliegenden  Stim- 
men. Auch  unsere  Dirigenten  sollten  bei  Auffiihrungen  auf  die  Chiavette 
mehr  achten,  sie  konnen  sich  dadurch  oft  ihre  Aufgabe  sehr  erleichtern.  "Was 
die  Besetzung  der  Altstimme  betrifft,  so  ware  vielleicht  vorzuschlagen ,  sie 
durch  einige  Ten  ore  zu  unterstutzen2). 

1)  vgl.  Kiesewetter  in  der  Vorrede  zum  Katalog  der  >Galerie  alter  Kontra- 
punktisten*,  Ambros:  Gesch.  d.  M.  Ill  p.  86  if.,  Paolucci,  Giue :  Arte  prattica  di  con- 
trapunto.   Venedig  1765—66.  185  I,  u.  a. 

2)  In  Schein's:  Dilctti  pastorali  ;Neu-Ausgabe  von  Arthur  Prflfer  Bd.  Ill)  ist  z. 
B.  die  doppelte  Besetzung  des  Alts  fiir  K  nab  en-  oder  Frauenstimmen  und  fur 
Mannerstimmen  (Tenure    eingefuhrt. 


106  Georg  Schunemann,  Zur  Frage  dee  Taktschlagens  usw. 

Beilagen. 
I. 

Mutetarum  Divinitatis  liber  primus  quae   quinquae  absolutae  vocibus  ex  multii 
praettanti88imorum  muaicorum  academiis  colleotae  sunt.    (Bernardinus  Caluschos. 

1543.    Mediol.) 
Courtoia:  Veni  Domine  (p.  3). 


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Georg  Sohftnemann,  Zur  Frage  dee  Taktachlagens  utw. 


109 


n. 

A.  Kyrie.    M.  M.  o  =  72  (ca.) 

Missa  l'omme  arme  super  yores  musicales.   Joaquin  (Petrucci  1602.  Nr.  1). 

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*)  Die  erste  Unterlage  iet  die  richtigere,  da  unter  die  nachste   Figur  naoh 
Petrucci  >benedicimus«  kommen  soil. 

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Georg  Sohunemann,  Zur  Frage  des  Taktschlagens  usw. 
NB:  gesehw&rzt. 


113 

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NB  vielleicht  auch  dem  BaC  entsprechend: 


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B.  2.    Et  in  terra  pax. 


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NB.  Das  Rezitieren  des  zweiten  Tenors  laDt  sich  dadurch  vermeiden,  daB 
man  nach  den  Pansen  in  der  Stimme  die  Worte  unterlegt,  mit  denen  die  anderen 
Stimmen  gerade  beschaftigt  sincL    Dann  wurden  aber  Lucken  im  Text  entstehen. 

8.  d.  DIG.    x.  8 


114 


Georg  Sohunemum,  Zur  Frage  des  TaktacUagens  usw. 


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Hugo  Riemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuem  Isaak-Band.  115 


Eleine  Studien  zu  Joh.  Wolf's  neuem  Isaak-Band, 

Von 

Hugo  Riemann. 

(Leipzig.) 


I. 

Ein  verkannter  Kanon. 
TJnter  den  als  Jahrgang  XIV,  1  von  Johannes  Wolf  in  den  »Denk- 
malern  der  Tonkanst  in  Osterreich*  herausgegebenen  weltlichen  Komposi- 
tionen  von  Heinrich  Isaak  findet  sich  als  Nr.  4  der  italienischen  Ballaten 
das  Stiick  Lasso  quel  cW  altri  fugge,  das  auffalligerweise  nur  zweistimmig  ist; 
doch  gibt  Wolf  im  Revisionsbericht  eine  in  der  Yorlage  stehende  dritte 
Stimme  (Bassus)  mit  der  Bemerkung,  dafi  sich  dieselbe  »mit  den  beiden 
andern  nicht  vereinigen  lasse*.  Diese  dritte  Stimme  ist  aber  doch  wirklich 
zu  den  beiden  andern  gehorig,  nur  freilich  nicht  einfach  wie  sie  dasteht, 
sondern  nach  Mafigabe  des  Kanons  behandelt,  den  wie  so  oft  im  IS.  Jahr- 
hundert  der  an  sich  sinnlose  Text  enthalt.     Der  Text  lautet: 

(Ripresa.)    Lasso  quel  ch'  altri  fugge 
I  eercho 

Et  disiandg  el  cor  si  mi  distrugge. 
(Piedi.)    Mic  morte  eercho  ne  vestri  oechi  begli 
Ma  donna  tuiie  Vore, 
Ne  posso  viver  senxa  veder  quegli 
Cosi  nCa  eoneip  amore. 
(Cauda.)    Non  m'£  morir  dolore 

Anxi  morte  bramanie  el  cor  si  strugge. 
Ripresa:  Lasso  etc. 
II.    Z>'  estc  dolce  venen  mio  cor  nutriscko 
Ch'  altro  cibo  non  cura 
E  tanto  e  ingordo  del  tenace  vischo 
Che  quanta  puo  ne  fura 
Cost  mentre  cite  dura 
Mia  vita  seguire  quel  ch'  altri  fugge, 

DieBer  Text  bestatigt  zunachst,  dafi  in  der  Tat  die  notierte  dritte  Stimme 
zu  den  beiden  andern  nicht  pafit  (altri  fugge),  fordert  aber  zugleich,  dafi  sie 
der  zur  Erganzung  des  Satzes  notigen  als  Yorlage  zu  dienen  hat.  Freilich, 
die  Art  ihrer  Benutzung  ist  nur  ungefahr  angedeutet.  Das  » lasso  eercho  € 
konnte  man  etwa  mit  »lassig  [mlide]  verfolge  ich<  iibersetzen,  denn  es  handelt 
sich  darum,  dafi  das  Ablesen  der  Bafistimme  mit  wiederholten  Unter- 
brechungen  stattzufinden  hat,  worauf  weiter  durch  das 

Mie  morte  eercho  ne*  vestri  occhi  begli, 

d.  h.  >wahrend  meiner  Pausen  schaue  ich  in  deine  schonen  Angen«  hin- 
gedeutet  ist  (ich  nehme  an,  dafi  nicht  }mi  &  morte1,  sondern  }mie  morte1) 
Plural  von  }mia  morta*  zu  verstehen  ist  [etwa  }voce  morta1  oder  ,baUuJa  morta1 
im  Sinne  von  to  ten,  d.  h.  tonlosen  Strecken,  also  Pausen].    Liest  man  }mi& 

8* 


116  Hugo  Riemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfe  neuem  Isaak-Band. 


morte1,  so  ist  der  Sinn  derselbe,  aber  die  Konstruktion  komplizierter:  »Ich 
verstumme,  sehe  ich  in  deine  schdnen  Augen«.  Yielleicht  ist  aber  mit  dem 
>in  die  Augen  blicken*  ein  >aus  den  Augen  lesen*  angedeutet,  d.  h.  ahn- 
lich  wie  in  einigen  der  Kanons  urn  1400  die  dritte  Stimme  als  Spiegelbild 
einer  der  beiden  notierten.  Damit  konnte  fur  die  allein  in  Betracht  kommen- 
den  SteUen  zu  Anfang  der  Ripresa  und  zu  Anfang  der  Piedi  aber  nicht 
der  Cantus,  sondern  nur  der  Tenor  gemeint  sein,  dessen  Spiegelbild  die  von 
mir  mit  kleinen  Noten  angedeuteten  Ftthrungen  fur  die  Lticken  ergibt.  Fur 
die  2  Takte  Pause  kurz  vor  dem  Ende  ergibt  aber  keine  der  beiden  Stimmen 
ein  braucbbares  Spiegelbild.  Ich  zweifle  deshalb,  dafi  die  Spiegelungen  ge- 
meint sind,  zumal  der  Tenor  mit  Sopranschliissel  gelesen  werden  mflflte, 
um  dieselben  zu  ergeben;  man  wird  deshalb  die  kleinen  Noten  besser  ganz 
ignorieren  und  das  ^mie  martei  wortlich  nehmen.  Der  ganze  dreistimmige 
Satz,  wie  er  bo  herausspringt,  entspricht  durchaus  Isaak  s  Technik  in  solcfcen 
homophonen  Stucken. 

Ballata. 


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Et   di  -  si  -  ando  el  cor  Si      mi    di-strog-ge 


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jiJifrJi  fla  j,  j^3=^ 


Mie  morte    cer  -  cho  nevestrjo-chi    be     -     gli 

Ne  pos-so    vi   -  ver  sen-za  ve-der    que    -    gli 


mrmuf  trrrrri*^ 


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Hugo  Riemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuexn  Isaak-Band.  117 


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PTXTJ1  J_jlLJB 


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Ma    don  -  na      tnt  -  te    To  -  re 
Go  -  Bi      m'a  concio  a  -  mo  -  re 


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L=^LL&3^X=±=$^^=T=% 


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§§§ 


(c?  f?)  NB. 


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Non         m'e  mo  -  rir    do  -  lo 


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An  -  zi  mor  -  te    bra- 


m^-r-rFf-tj^.  i  \jW?=?-r  1  Hrl 


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3i: 


Meine  vermeintliche  Entdeckung,  dafi  auch  das  von  Wolf  (S.  41)  nur  ale 
einzelne  Bafistimme  mitgeteilte  Or'  e  di  Maggio  ein  Kanon  sei  (dreistimmig 
im  Einklang  und  der  Oktave,  im  Abstande  von  vier  Takten)  gebe  ich  preie 
angesichts  der  mir  erst  verspatet  bekannt  gewordenen  Tatsache,  dafi  Wolf 
1907  einen  vollstandigen  vierstimmigen  Tonsatz  Isaak's  mit  derselben  Bafi- 
stimme in  der  Nationalbibliothek  zu  Florenz  aufgefunden  and  in  der  Nuova 
musica  (XII,  138-39)  mitgeteilt  hat.  Meine  dreistimmige  Kanonldsung  wies 
eine  Reihe  Keckheiten  auf  (gegen  Ende,  wo  das  Oktavensprungmotiv  dee 
Scherzo  der  Neunten  auftritt,  anhaltende  Unisoni),  die  ich  als  humoristisch, 
fibermutig,  deuten  zu  mussen  glaubte.  Immerhin  will  ich  nicht  unterlassen 
auf  den  auffalligen  Umstand  hinzuweisen,  dafi  der  Kanon  beinahe  einwandr 
frei  moglich  ist.     Der  vierstimmige ,  von  Wolf  gefundene  Tonsatz  legt  aber 


118  Hugo  Riemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuem  Isaak-Band. 

die  Vermutung  nahe,  dafi  das  Or*  c  di  Maggio  eine  freie  Paraphrase  einer 
volksmafiigen  Liedgrundlage  ist,  die  wahrscheinlich  nur  die  zwei  Melodie- 
glieder  gehabt  hat: 


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che  ri  -  ver  disce  ogn1  her  -  ba. 
fatti  al  -  la  fi  -  ne-strel  la. 
la    quel    e       la     piu    bel  -  la. 


welche  gegen  Ende  (6/s)  auch  in  verkurzten  Notenwerten  (aber  Prolatio  major) 
auftreten.  Ich  habe  deshalb  meine  Bedenken  gegen  Wolfs  Textunterlegung. 
Ist  fLberhaupt  etwas  vokal  gemeint,  so  sind  es  sicher  nur  diese  im  Stil  stark 
abstechenden  Teile;  aber  wie  gesagt,  vielleicht  ist  das  ganze  nur  als  freie 
Paraphrase  und  ganz  instrumental  gemeint.  Ich  gebe  den  Satz  hier  so,  wie 
ich  ihn  schreiben  wiirde.  Man  beachte,  dafi  tatsachlich  bis  auf  den  ange- 
hangten  zweitaktigen  Schlufi  das  ganze  Stuck  nur  diese  beiden  viertaktigen 
Phrasen  ohne  jede  Unterbrechung  (!)  kontrapunktiert : 


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Hugo  Biemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuem  iBaak-Band.         119 


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120  Hugo  tUemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  nenem  Isaak-Band. 


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Hugo  Riemann,  Xleine  Studien  zu  Job.  Wolfs  neuem  Isaak-Band.         121 


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Mensur  und  Takt. 

Musik  ist  nicht  erst  seit  dem  17.  oder  18.  Jahrhundert  Ausdruck,  sondern 
ist  von  Anbeginn  nichts  anderes  gewesen.  Tritt  die  Musik  in  Verbindung 
mit  dem  Worte  auf,  so  bedarf  ihre  Ausdrucksbedeutung  keiner  Erklarung; 
hochstens  konnte  in  Frage  kommen,  inwieweit  der  Komponist  den  Ausdruck 
verfehlt  bat.  Gegenuber  der  Instrumentalmusik  alterer  Zeit  vergifit  man 
eben  nur  allzuleicht,  daft  aucb  in  ihr  nacb  bestem  Konnen  die  Komponisten 
ihr  Empfinden  ausgesprocben  batten;  wiU  man  ernstlicb  sagen  konnen,  dafi 
man  derselben  naher  getreten  ist,  so  wird  man  mit  heiflem  Bemuben  ibrem 
Ausdrucksgebalte  nacbgeben  miissen.  Dazu  gebbrt  aber  mebr  als  die 
blofie  Umscbreibung  der  alten  eckigen  Noten  in  moderne  runde  in  einer 
korrekten  Partitur.  Das  eigentlicb  Ausdrttckende  sind  docb  schliefilich  die 
einzelnen  Gesten  des  Ausdrucks,  die  Motive,  die  Pbrasen.  Diese  in  Ton- 
Btficken  aus  einer  Jabrbunderte  zuriickliegenden  Zeit  sicber  zu  erkennen,  ist 
zwar  durcb  mancberlei  TJmstande  sebr  erscbwert,  aber  schliefilich  docb  nicbt 
unmoglich.  Sowenig  das  Empfinden  der  Dichter  vergangener  Zeiten  dem 
Menschen  der  Gegenwart  unverstandlich  ist,  kann  aucb  das  des  Musikers  in 
seinen  Elementen  ja  nie  derart  ein  anderes  gewesen  sein,  dafi  es  dem  beutigen 
zuwiderliefe.  Die  a  cappelkir-V okalmuB'ik  des  16.  Jabrbunderts  bat  sich  langst 
die  Wertscbatzung  aucb  in  der  Gegenwart  errungen,  die  ihr  als  ecbter,  wabr 
empfundener  Musik  gebubrt.     Sollte   die  Instrumentalmusik  jener  Zeit   uns 


122  Hugo  Riemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuem  Isaak-Band. 

wirklich  so  viel  fremder  gegeniiberstehen  ?  Es  ist  wohl  des  Versuchefl#wert, 
der  Sache  etwas  auf  den  Grand  zu  gehen  und  nachzuforschen ,  ob  nicht 
auch  unter  den  alten  Instrumentalkompositionen  sich  Stticke  befanden,  die 
geeignet  sind,  das  landlaufige  abfallige  Urteil  zu  korrigieren.  Freilich, 
Werke  von  der  FormvoUendung  und  Abgeklartheit  der  Sonaten  oder  Sym- 
phonien  unserer  Klassiker  darf  man  nicbt  zu  finden  boffen;  aber  die  Kluft 
zwischen  Einst  und  Jetzt  ist  docb  vielleicht  nicht  so  groB,  wie  sie  gewohn- 
licb  dargestellt  wird. 

Der  ricbtigen  Beurteilung  von  Werken  aus  dem  16.  Jabrbundert  oder 
nocb  alterer  Zeit  stebt  vor  allem  hindernd  im  Wege,  daB  dieselben  ganzlich 
der  Vortragsbezeichnungen  entbehren,  welche  erst  die  Zeit  nacb  1600 
allmahlich  eingeburgert  bat.  Selbst  Tempobestimmungen  feblen  ganz  und, 
was  nocb  scblimmer  ist,  es  feblt  der  Taktstricb.  Man  irrt  nun  aber  gar 
sebr,  wenn  man  wahnt,  dem  letzteren  Mangel  sei  einfacb  damit  abgeholfen, 
da£  man  nacb  MaBgabe  der  vorgezeicbneten  oder  aus  vorkommenden  Pausen 
oder  farbigen  Noten  (Color)  ersicbtlicben  Mensurbestimmungen  die  fehlen- 
den  Taktstricbe  einfiigt.  Fiir  eine  Zeit,  in  welcber  die  ganze  Taktnote  Schlag- 
zeit  (tactus)  war,  also  das  vorstellte,  was  beute  das  Viertel  ist,  kommt  man 
natiirlicb  nicht  weit,  wenn  man  fortgesetzt  im  Abstand  von  je  einer  Ganzen 
Taktstricbe  einsetzt.  VerkUrzt  man  aber,  wie  es  heute  wenigstens  auBer- 
balb  der  monumentalen  Denkmaler-Ausgaben  mebr  und  mehr  gebrauchlich 
wird,  die  "Werte  soweit,  daB  die  Zablzeiten  sich  in  der  gewohnten  Weise  als 
Halbe  (im  Allabreve),  Yiertel  oder  gar  Achtel  prasentieren ,  so  stellt  sich 
beraus,  daB  die  Einfiigung  von  Taktstricben  nacb  beutiger  Gewohnung  auf 
ganz  merkwtirdige  Scbwierigkeiten  stoBt,  daB  namlicb  die  Alten  gar  nicbt 
so  sklaviscb  wie  etwa  unsere  Klassiker  um  1800  an  der  einmal  gewahlten 
Taktart  festhalten,  sondern  viel  mehr  recbt  oft  den  Takt  wecbseln.  DaB 
das  wirklich  so  gewesen  ist,  hatten  ja  freilich  die  Instrumentalkanzonen  der 
Zeit  kurz  nacb  1600  langst  lehren  konnen,  in  welcben  Takt-  und  auch 
Tempowecbsel  etwas  auBerordentlich  haufiges  sind.  EinigermaBen  iiberrascheu 
muB  es  aber  docb,  wenn  sich  ergibt,  daB  in  ganz  ahnlicher  Weise  wie  bei 
den  italienischen  Sonatenkomponisten  zu  Anfang  des  17.  Jahrbunderts  (Fres- 
cobaldi,  Eossi,  Marini  usw.)  auch  schon  iiber  100  Jahre  friiher  in  In- 
strumentalwerken  Takt-  und  Tempounterschiede  (trotz  gleichbleibender  Men- 
sur)  angetroffen  werden.  Es  bestatigt  sich  damit,  daB  die  Mensurvor- 
schriften  durchaus  nicht  radikal  die  Taktart  bestimmen,  sondern 
nur  die  relativen  Dauerwerte  der  Tone  regeln.  Die  in  Bd.  XIV,1 
der  Denkmaler  der  Tonkunst  in  Osterreich  (Johannes  Wolf)  enthaltene  vier- 
stimmige  textlose  Komposition  »La  Morra«  von  Heinrich  Isaak  mag  uns  in 
der  Erkenntnis  dieses  Sachverhalts  ein  Stiick  vorwarts  bringen.  Das  Stuck 
stent  S.  90  ff.  des  Denkmalerbandes  in  Partitur  und  8.  151 — 55  in  zwei  ver- 
einfachten  Lautenarrangements.  Die  Frage,  ob  der  Komposition  eine  Lied- 
melodie  zu  grunde  liegt,  mag  auf  sich  beruhen;  die  Existenz  einer  Kopie 
(i.  d.  Cappella  Julia)  mit  der  Uberschrift  Dona  gentil  deutet  darauf  allerdings 
hin,  doch  steht  sie  isoliert  da.  Die  Mensurbestimmung  (^  ist  alien  Stimmen 
gemein  und  bleibt  durch  das  ganze  Stiick.  Da  wir  aber  um  1530  Gaillar- 
den,  fur  welche  der  Tripeltakt  auBer  Frage  steht,  mit  der  gleichen  Mensur- 
vorschrift   kennen1),    so    bedeutet    diese    zunachst    nichts    weiter,     als    eine 

1)  Vgl.  meinen  Aufsatz  »Tanze  des  16.  Jahrbunderts  a  double  emploi<  (Musik  VI,  3, 
November  1906). 


Hugo  Biemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuem  Isaak-Band.  123 

ziemlich  lebhafte  Temponahme  fur  die  Schlagzeiten  und  die  Abwesenheit 
irgendwelcher  Perfektionsbestimmungen.  Halten  wir  an  diesem 
Gesichtspunkte  fest  und  suchen  wir  aus  der  motivischen  Zeichnung  des 
Stiickes  selbst  dessen  rhythmische  Natur  im  Detail  zu  ergriinden,  so  sind  vor 
allem  als  wichtigstes  Hi]  fs  mitt  el  die  Klaus  el  n  ins  Auge  zu  fassen.  Wolf 
gibt  die  Ubertragungen  nach  den  in  den  osterreichischen  Denkmalern  ein- 
gehaltenen  Prinzipien  unverkiirzt  und  setzt  nach  jeder  Brevis  einen  Takt- 
strich.  Dadurch  werden  sogleicb  die  Takt  6  einsetzenden  Sequenzbildungen 
zu  dem  Takt  widersprechenden,  fortgesetzt  sich  verschiebenden,  was  zwar  an 
sich  nicht  unmoglich,  aber  auf  alle  Falle  etwas  sehr  kompliziertes,  ausnahms- 
weises  ist,  das  fur  den  Horer  in  den  seltensten  Fallen  zur  Geltung  kommen 
kann.  Dasselbe  ereignet  sich  wieder  Takt  25  ff.  und  Takt  5  Iff.,  und  nur 
die  Sequenz  Takt  35  ff.  deckt  sich  mit  der  Taktart.  Ich  habe  gewLB  von 
den  Kiinsten  der  alten  Kontrapunktiker  eine  hohe  Meinung,  bezweifele  aber, 
dafi  jene  Konfliktbildungen  zwischen  Metrum  und  imitiertem  Mottv  vom 
Komponisten  gemeint  sind.  Die  Originalnotierung  zeigt  natiirlich  den  Kon- 
flikt  nicht,  da  eben  keine  Taktstriche  da  sind  und  die  gleiche  Figur  fort- 
gesetzt das  gleiche  Gesicht  zur  Schau  tragt,  so  dafi  der  Spieler  ohne  weiteres 
den  Bhythmus  empfinden  kann,  den  die  Motivbildung  an  die  Hand  gibt. 
Fiir  den  Horer  aber  existieren  die  Taktstriche  iiberhaupt  nicht,  sondern  ist 
eben  die  Gliederung  nach  dem  imitierten  Motive  absolut  selbst verstandlich. 
Die  Intavolierungen  sind  freilich  mit  dem  schlechten  Beispiele  der  die  Zeich- 
nung zerstbrenden  Taktstriche  vorangegangen.  Fiir  sie  und  ebenso  fur  jede 
ihrem  Beispiele  folgende  Ubertragung  gilt  darum  allerdings  das  Wort 
Kretzschmar  s ,  dafi  die  durch  die  vorgeschriebene  Mensur  sich  ergeben- 
den  Takte  nur  eine  Art  Zollstock  vorstellen,  mit  welchem  alle  Stimmen 
gleichmafiig  messen  miissen,  um  zusammen  zu  bleiben.  Daraus  aber  zu 
schliefien,  dafi  unserBegriff  des  Taktes  den  alten  Kompositionen  fremd 
sei,  ware  ein  arger  Fehlschlufi.  Werden  wir  uns  doch  vor  allem  dariiber 
vollst&ndig  klar,  dafi  die  Stellung  eines  Motivs  im  Bhythmus  (d.  h.  im 
Takt)  eine  seinen  Ausdruck  ganz  wesentlich  bedingende  Eigen- 
schaft  ist  und  dafi  ein  fortgesetztes  Wechseln  dieser  Stellung  ein  fort- 
wahrendes  Wechseln  seiner  Ausdrucksbedeutung  in  sich  schliefit;  steht 
aber  das  fest,  so  ist  die  Annahme  eines  Taktwechsels,  die  dem  gleichen 
Motiv  seine  gleiche  Bedeutung  sichert,  zweifellos  die  einfachere  und  den 
Konnex  zwischen  der  notierten  uud  der  gehorten  Struktur  besser  gewahr- 
leistende  Auskunft,  und  jene  aufierste  Komplikation  des  Widerspruchs  zwischen 
Bhythmus  und  Motivbildung  bleibt  zweckmaQiger  fiir  ganz  ausnahmsweise  Falle 
in  Reserve.  Die  Textur  unseres  Stucks  weist  aber  ganz  deutlich  darauf  hin, 
dafi  bei  den  Stellen,  wo  diese  im  Takt  verschobenen  Sequenzen  in  Wolfs 
TJbertragung  auftreten,  Teile  von  kontrastierendem  Charakter  einsetzen.  Man 
sehe  nun  meine  Ubertragung  an.  Dieselbe  enthiillt  Isaak's  Instrumental- 
satz  als  ein  feingegliedertes  Werkchen,  das  durchaus  mit  den  Kanzonen  der 
Zeit  nach  1600  auf  einer  Stufe  steht,  allerdings  dieselben  sogar  in  einigen 
Wagnissen  iibertrifft,  welche  spater,  nach  Einfiihrung  des  Taktstrichs,  kaum 
mehr  vorkommen  (vgl.  die  verkiirzten  Motivschliisse  des  von  mir  mit  Alle- 
gretto 8cherzando  bezeichneten  Teils). 

Ich  habe  den  Satz  um  einen  Ganzton  nach  oben  transponiert,  um  ihn 
fur  Steichquartett  spielbar  zu  machen ;  aus  demselben  Grunde  habe  ich  den  Tenor 
nicht  der  Bratsche ,  sondern  der  zweiten  Violine  gegeben  (natiirlich  aber  ohne 


124  Hugo  Biemann,  Kleine  Stndien  zu  Job.  Wolfs  neuem  Isaak-Band. 


jede  Anderung  der  relativen  Lage  der  Stimmen).  Den  Eingang  bildet  ein 
knrzes  Satzchen  im  Pavanenstil  (Largo  C),  das  im  Auftakt  unisono  mit  der 
Dominante  anhebt  and  einen  zweimaligen  Schlufi  auf  der  Tonika  macht  (die 
Triller  sind  yon  mir  zugesetzt  aber  sicher  zu  verantworten ,  da  ibre  An- 
bringung  auf  der  Penultima  bis  ins  13.  Jabrbundert  verbflrgt  ist).  Der 
Eintritt  des  Motivs: 


markiert  nun  so  deutlicb  wie  nur  moglich  einen  neuen  Teil  von  abweichen- 
dem  Gbarakter;  die  Bewegung  erscbeint  lebhafter,  aucb  wenn  die  Werte  der 
Viertel  beibebalten  werden  (so  bitte  icb  meine  Tempobezeichnungen  aufra- 
fassen),  und  der  Tripeltakt  ist  durcb  die  Motivbildung  des  Tenors  ausdrfick- 
licb  bestatigt.  Die  diese  Sequenz  abschliefiende  Klausel  macht  dem  s/4  Takt 
ein  Ende  und  leitet  zum  geraden  Takt  zuriick  (ritardando).  Wieder  beginnt 
ein  Teil  ganz  anderen  Cbarakters  (Andante  mosso),  der  fiber  dem  breiten 
ScbluBse  die  bereits  im  vorhergehenden  Teile  im  Kontrapunkt  aufgetauchte 
Scbleiferfigur  durcb  dreifacbe  Imitation  (Via.,  2.  V.,  B.)  in  den  Vordergrund 
riickt.  Den  thematischen  Hauptfaden  hat  der  Tenor  (2.  V.);  er  bringt  die 
Modulation  zur  Parallele  (Cdur),  die  aber  wieder  zugunsten  der  Haupttonart 
aufgegeben  wird: 

NB.  •  fr 


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Den  zweiten  Sopraneinsatz  bei  NB. 
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bitte  ich  besonders  zu  beachten!  Dafi  der  phrygische  Schlufi  das  gis  bedingt, 
ist  zweifellos,  ebenso  zweifellos  aber,  dafi  mit  ^g  weitergegangen  werden 
mufi.  Bezuglich  der  Akzidentalienfrage  sehe  ich  mit  Interesse  den  von 
Th.  Kroyer  verheifienen  Auseinandersetzungen  entgegen.  Dafi  nicht  einige 
>  fortechrittliche  Theoretiker*  die  Yerstofie  gegen  das,  was  man  so  biaher  far 
jene  Zeit  als  rechtsgiltig  angesehen  hat,  aufgebracht  baben,  sondern  dafi 
vielmehr  >recbt  viele  sehr  beriihmte  Komponisten«  die  Attentater  warent 
wissen  wir  doch  aus  Tinctoris  ganz  genau.  Gewifi  wird  sich  mancher  uber 
die  Tritoni  Takt  2  und  4  des  Presto  (zwischen  den  Motiven!  tote  Inter- 
valle)  und  Takt  3,  6  und  7  des  Allegretto  scherxando  (ebenso)  und  Takt  5  dee 
Schlufi-Presto  (ebenso)  wie  uber  die  verminderte  Quarte  Takt  5  vonn  Ende 
aufregen  —  um  Bchliefilich  doch  einzusehen,  dafi  das  alles  gar  nicht  anders 
sein  kann. 

Noch  mancherlei  ware  fiber  das  Stfick  im  Detail  zu  sagen,  so  z.  B.  fiber 
die  so  ungezwungen  den  Wechsel  zwischen  3/4  und  2/4  bedingenden,  den 
Schlufi  aus  der  Parallele  in  die  Tonika  zuruckverlegenden  Anhange  des  An- 
dante mosso,  fiber  den  letzten  Schlufi  daselbst  (Bratsche  und  Bafi),  fiber  die 
beiden  5/4-Phrasen  des  Allegretto  scherxando  und  seinen  freien  Schlufi  (Nach- 


Hugo  Riemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuem  Isoak-Band. 


125 


spiel  der  Bratsche),  liber  die  wahrhaft  modern  erfundenen  Phrasen  des  Alle- 
gro C: 


deren  Yerstandnis  aber  beim  ersten  Auftreten  der  Bafi  so  handgreiflich  deut- 
lich  erschliefit,  und  vor  allem  liber  die  prachtigen  Schlufitakte  mit  der  zwischen 
pis,  fis  and  t[g,  tf  wechselnden  Bafifuhrung: 


Doch,  ich  denke,  die  ausfiihrliche  Bezeichnung  meiner  TJmschreibung  des 
Stuckes  macht  weitere  Kommentare  iiberflussig.  DaC  in  derselben  von  irgend- 
welcher  Willkiir  nicht  die  Rede  sein  kann,  sondern  daC  dieselbe  von  An- 
fang  bis  zu  Ende  das  Ergebnis  des  Zuruckgehens  auf  die  vom  Komponisten 
verarbeiteten  ausdrucksvollen  Motive  ist,  glaube  ich  durch  meine  einleiten- 
den  Bemerkungen  hinlanglich  plausibel  gemacht  zu  haben.  'Ich  hoffe,  daB 
mein  Yersuch  zu  zeigen,  was  ich  unter  musikalischer  Textinterpretation 
verstanden  wissen  mochte,  eine  kraftige  Anregung  gibt,  in  den  alten  Kom- 
positionen  mehr  zu  such  en,  als  korrekt  ausgefuhrte  Rechenexempel. 


V.l° 


V.  2° 


Yla. 


B. 


Heinrich  Isaak,  Sintonia  >La  Morra*. 


(Largo] 


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126  Hugo  Riemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuem  Isaak-Band. 


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128  Hugo  Eiemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuem  Isaak-Band. 


{Allegretto  sckerxando) 


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Hugo  Riemann,  Kleine  Studien-zu  Joh.  Wolfs  neuem  Isuk-Band.         129 
[Andante  mosso.) 


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[Allegro) 


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130  Hugo  Biemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfe  neuem  Ieaak-Band. 


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Hugo  Riemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuem  Isaak-Band.  131 


[Presto) 


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adagio 


dim.      P 


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adagio 


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NB. 


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adagio 


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jrr-7prr~Bm^gp^fcfrjw=i 


in}  mgn^g^M^  ^icg^^ 


9* 


132  iLugo  Riemann,  Kleine  Studien  zu  Job.  Wolfs  neuem  Isaak-Band. 


Ein  weiteres  wertvolles  Material  fur  die  Kl&rung  unseres  Urteils  fiber 
die  Musik  des  15.  Jahrhunderts  mogen  die  vier  Bearbeitungen  des  Rondeau 
*Tai  pris  amours*  in  demselben  Bande  der  D.  d.  T.  i.  O.  (XIV,  1)  bilden. 
Joh.  Wolf  halt  nur  zwei  derselben  (die  S.  185  aus  Paris  B.  N.  nouv.  acq. 
fr.  4379  mitgeteilte  [wohl  nicht  von  H.  Isaak]  und  die  im  Text  S.  29  — 
beide  dreistimmig)  fur  vokal,  legt  aber  bei  beiden  nur  der  Oberstimme  Text 
unter;  die  beiden  andern  (S.  77  und  S.  78)  sind  ihm  schlechtweg  Instrument 
talstucke.  Die  Textunterlegung  der  beiden  dreistimmigen  Tonsatze  verteilt 
den  Text  auf  den  gesamten  Cantus,  so  dafi  also  die  ganze  Stimme  durch- 
aus  zu  singen  ware  (nur  der  Schlufi  des  ersten  Teiles  ist  textlosj.  Diese 
Ansicht  teile  ich  nicht,  zumal  die  von  Wolf  offenbar  getreu  wiedergegebene 
Textbeischrift  in  Paris  4379  mir  ziemlich  deutlich  zu  verraten  scheint,  welche 
Partien  die  eigentlich  vokalen  sind,  freilich  in  der  bekannten  Manier  wie 
schon  bei  den  Florentiner  Trezentisten,  dafi  Yor-  und  Nachspiel  mit  der  An- 
fangs-  und  Schlufisilbe  der  Zeile  bedacht  sind.  Ich  trete  statt  weiterer  Vor- 
bemerkungen  direkt  in  die  Betrachtung  der  vier  Tonsatze  ein,  welche  ergibt, 
dafi  die  Satze  S.  185  und  S.  78  in  zwei  Stimmen  vokal  sind,  die  S.  29  und 
S.  77  nur  in  einer,  dafi  aber  auch  in  ersteren  die  Yokalstimmen  mit  Vor-, 
Zwischen-  und  Nachspielen  durchsetzt  Bind. 

Nr.  1  ist  in  zwei  Stimmen  vokal  (Tenor  und  Cantus)  und  zwar  mit 
ziemlich  strengen  Imitationen,  Partien,  welche  ich  als  allein  vokal  ansehe. 
Dafi  diese  Imitationen  nicht  noch  strengere  sind,  deutet  wohl  auf  eine  noch 
fcltere  Vorlage  hin,  welche  wahrscheinlich  der  Tenor  von  Nr.  1  am  getreu- 
esten  konserviert.  Vielleicht  kommen  wir  der  Wahrheit  nahe,  wenn  wir  an- 
nehmen,  dafi  die  urspriingliche  volksmaBige  Liedweise  etwa  die  folgende 
Gestalt  gehabt  hat  (als  Espringale  im  Tripeltakt): 


a) 


m 


-& 


J<i.<    p 


s-rj-r-rjc 


3± 


Jai      pris 


mours 


en      ma       de 


i 


se 


Hugo  Riemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuem  Isaak-Band.         133 


*±^ 


-«- 


4= 


Pour   con    -    que       -     rir  io  -  ieu    -    se 


te. 


-^- 


m 


1 


Heu-reulx        se 


en    cest1 


ste 


£ 


m 


Se    pais         ve 


* 


£=£: 


t=f=f*?J^-tf==£ 


mon    em 


pn  -   se. 


So,  oder  doch  ahnlich  wird  die  einstimmige  Vorlage  ausgesehen  haben. 
Die  erste  dreistimmige  Bearbeitung  gesellt  der  Tenormelodie  einen  durchweg 
vorausimitierenden  Cantus  zu,  wobei  die  Frage  offen  bleiben  mag,  ob  nicht 
etwa  teilweise  der  Cantus  die  urspriinglicbe  Melodie  treuer  kouserviert  hat, 
als  der  Tenor ,  z.  B.  konnte  der  An  fang  der  zweiten  Zeile  vielleicht  gelautet 
haben: 


«♦ 


£=P 


£=£ 


Diese  Vermutung  legt  das  Nachspiel  im  Kantus  des  ersten  Teiles  nahe. 

c) 


^^£ 


Vielleicht   ist  aber  die   erste  Zeile  ursprunglich  noch  einfacher  gewesen, 
namlich : 

d)  


$ 


3 


fcff=R=F3 


Jai  pris     a  -  mour   a      ma    de  -  vi  -  se 

Dann  ware  das  Motiv 

e) 


m 


£3 


eine  geniale  Yorausandeutung   des   Anfangs   der  zweiten   und  zwar  rein  in- 
strumental : 


Jai  pris  a-mours 

7 


en  ma  de-vise 


^■ijr^r'r" 


(Instr.)      |  ^r  f 


T~  + 


(Bafi  entsprechend.) 


Dafi  solche  vergniigliche  motivische  Arbeit  der  Zeit  nicht  fremd  ist,  be- 
weisen  die  andern  Tonsatze  liber  das  Lied  mehr  als  zur  O-enUge.    Sowohl  der 


134         Hugo  Riemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuem  Isaak-Band. 


erste  als  der  zweite  Teil  werden  durch  kleine  Yorspiele  breiter  Haltung 
(Largo-Charakter)  eingeleitet,  wie  sie  dauernd  den  reinen  Instrumentalstucken 
vertraut  bleiben  bis  tiber  das  17.  Jahrhundert  hinaus.  Den  zweiten  Teil 
schlieBt  zudem  ein  Nacbspiel  von  leidenschaftlicbem  Ausdruck  ab,  das  sein 
zweimaliges  Hinauflangen  urn  eine  Quarte  der  letzten  Gesangsphrase  entnimmt: 

g) 


frh^+fi^^^  UEg 


Der  Contratenor  erganzt  in  schlich tester,  aber  durchaus  nicbt  schema- 
tischer  Weise  (nur  Takt  7,  15,  18,  21  en  fauxbourdon)  den  Satz.  An  den 
Imitationen  nimmt  er  nicht  teil  und  nur  Takt  11 — 12  tritt  er  einmal  mit 
einem  auffalligen  Motiv  vereinzelt  beraus  (b), 


das  vielleicbt  dem  in  der  4.  Bearbeitung  eine  Hauptrolle  spiel  en  den  (i)  die 
Entstebung  gegeben  bat.  Weshalb  die  erste  Gesangsphrase  nicbt  stronger 
vom  Cantus  vorimitiert  wird,  scbeint  ratselbaft: 

k) 


I 


^ 


mz 


* 


fir 


(aucb  in  Nr.  2).     Da  Nr.  3  die  Imitation  streng  macbt,  so  babe  icb  aucb  fur 
1  und  2  dieselbe  Lesart  im  Cantus  eingestellt. 

Nr.  2   zeigt  ein   ganz   anderes   Gesicbt.     Wie   Wolf  sebr  ricbtig   betont, 
ist   aus   Nr.  1   der   Cantus   fix  und  fertig   ubernommen ,   Tenor  und   Contra 
sind  vollig  neu  geschaffen.     Bei  der  einzigen  S telle,  welcbe  im  Cantus  mit 
Nr.  1  nicht  genau  ubereinstimmt,  am  Ende  des  ersten  Teils: 
1)  Btatt 


i 


3 


m 


*j     & 


i: 


ist  aber  der  Satz  uberbaupt  in  Unordnung  geraten  und  hat  der  Copist  einer 
wabr8cbeinlich  scbon  feblerbaften  Vorlage  eigenmachtig  zu  belfen  versucht, 
aber  mit  wenig  Gliick.  Mein  Versucb,  auf  den  genauen  Anscblufi  an  Nr.  1 
zuriickzugeben ,  macbt  freilicb  auch  Anderungen  notig  und  beseitigt  den 
Scbliisselfehler  der  letzten  Takte  nicht.  Das  Charakteristische  dieser  Bear- 
beitung ist  der  Versucb,  das  Kopfmotiv  des  Kantus: 

m)  i       i 


»^- 


in  auf  die  Halfte  verkurzten  Werten,  nach  Art  eines  Motet-Tenors  obstinat 
durcbzufuhren  (in  der  als  Contra  bezeichneten  Stimme,  die  besser  Tenor 
hieCe).    Naturlicb  ist  dieselbe  absolut  instrumental.    Aber  aucb  die  als  Tenor 


Hugo  Biemann,  Kleine  Studien  zu  Job.  Wolfs  neuem  Isaak-Band. 


135 


bezeichnete  dritte  Stimme  tragt  ausgesprochen  instrumentales  Gepr&ge.  Ihr 
hervontechendstes  Motiv  ist  ein  synkopiert  ansetzender  Schleifer,  der  wohl 
Takt2— 3  yon  Nr.  1  entstammt: 


»). 


fr 


m 


* 


*= 


*=k 


m^ 


t^53 


Nr.  3  (vierstimmig)  schlieCt  sich  insofern  noch  stronger  als  Nr.  2  an  Nr.  1 
an,  als  es  Cantus  and  Tenor  benntzt  und  somit  auf  zwei  Singstimmen  rechnet, 
die  ebenso  wie  in  Nr.  1  imitierend  gearbeitet  sind;  das  tritt  erst  bei 
meiner  Art  der  Textunterlegung  deutlich  bervor,  welche  durcb  Stficke  wie 
dieses  eine  sebr  starke  Stiitze  erhalt.  Man  beachte  ganz  besonders,  wie  die 
zweite  Textzeile  behandelt  ist.  Der  Tenor  bringt  dieselbe  erst  drei  Takte 
nachdem  der  Cantus  sie  beendet  hat,  and  zwar  in  einer  offenbar  an  die 
TJrform  stronger  anschliefienden  Oestalt  (!).  Der  Grund  der  Verspatung  ist 
naturlich  das  geistvolle  Zwiscbenspiel  mit  dem  immer  langer  werdenden 
Bafiansatz : 

o) 


ss 


7    £J 


P=9= 


SSfe 


der  entsprechende  Bildungen  der  drei  andern  Stimmen  mit  sich  bringt.  Das 
ganze  Stack  ist  von  einer  fur  die  Zeit  wahrhaft  erstaunlichen  Freiheit  and 
Kuhnheit  der  Anlage,  mufl  aber  anbedingt  als  eine  Art  Variation  von  Nr.  1 
bezeichnet  werden.  Man  sehe  z.  B.  was  Nr.  3  aus  dem  Yorspiel  des  zweiten 
Teiles  macht!  Naturlich  handelt  es  sich  um  einen  drastischen  Ausdruck  des 
nachfolgenden  Reureukt  serai  bei  diesem  jauchzenden  Sechzehntelschleifern  des 
Cantus  and  Tenor  and  den  dazwischen  geworfenen  tiefen  and  hohen  e  der 
beiden  Contras.  Die  schon  in  Nr.  2  eine  Rolle  spielende  synkopiert  an- 
setzende  Schleiferfigor  steigert  sich  in  diesem  Stuck  geradezu  zu  modernen 
Streichereffekten.  Schon  im  1.  Teile  tritt  nach  der  einem  Keime  des  Pre- 
stissimo der  3.  Leonorenouvertiire  gleichenden  eben  besprochenen  Stelle 
Takt  10 — 12  ein  einzelner  Takt  (3/4)  mit  iiberzeugender  Ungezwungenheit 
ein;  der  Schlufl  des  2.  Teils  aber  geht  ganz  und  gar  in  %  Takt  fiber  und 
zwar  mit  einer  Sequenz  ineinandergeschobener  Klauseln,  die  auf  einer  Art 
doppelchoriger  Behandlung  der  vier  Stimmen  beruht,  die  ich  durch  SchloB- 
triller  zu  verdeutlichen  gesucht  habe.  Dabei  kommt  es  schlieBlich  zur  un- 
umganglichen  Einfuhrung  der  neapolitanischen  Sexte  (im  vorletzten  Takte j. 
Eine  vereinfachte  Oestalt  wiirde  etwa  so  aussehen: 


p]  -4  moll  (?dur 


.Fdur 


-4  moll 


ZJmoll 


Cdur 


Bdur 


136       *  Hugo  Kiemann,  Kleine  Studien  zu  Job.  Wolf's  neuem  Isaak-Band. 

An  eine  tonale  Sequenz  (Talea1)  ist  hier  sicher  nicht  zu  denken;  dazu 
ist  die  .imoll-Kadenz,  welche  an  den  durch  Trugfortschreitung  des  Basses 
(h  c)  vereitelten  phrygischen  SchluB  zu  Ende  der  letzten  Q-esangszeilen  an- 
schlieBt,  zu  normal  und  zu  vollstandig: 


ebenso  offenkundig  aber  wieder  ihre  Vernichtung  durch  den  zu  d  kadenzieren- 
den  Diskant: 

r) 


m 


d= 


DaB  der  Bafl  fortgesetzt  Trugschliisse  macht,  kompliziert  die  Verschran- 
kungen  noch  weiter;  die  Funktionsbezeichnung  der  letzten  5  Takte  ist  nicht 
einfacher  moglioh  als  so: 

°S  |  {)Tp  T  D  [D)  |  [l)S]  "Dp(D)  [D)  \  [{)Tp]  T  "Sp  [D)  [D)  \  [&]  [S)  "S  D  \  T 

<-^  <- 

Nr.  4  (vierstimmig)  bringt  zwar  keinerlei  Taktwechsel,  schlieBt  sich  viel- 
mehr  wie  Nr.  2  und  Nr.  3  strong  an  die  Taktordnung  von  Nr.  1  an,  dessen 
Tenor  es  notengetreu  ubernimmt  und  getreulich  konserviert;  nur  Takt  6  zeigt 
den  Tenor  in  strengerem  Anschlusse  an  die  Bhythmik  des  Cantus  von  Nr.  1, 
welche  man  versucht  ist,  auf  Nr.  1  zu  iibertragen: 


8)     N— p^ 


da  die  Festhaltung  der  Lesart  von  1  fur  4  nicht  mehr  angangig  ist;  doch 
mag  die  kleine  Abweichung  mit  Absicht  gemacht  sein.  Vielleicht  darf  man 
aber  aus  ihr  schlieBen,  daB  die  zweite  Zeile  der  volksmaBigen  Melodie  die 
Endung  e  c  gehabt  hat  (vgl.  oben  d): 

t) 


Hlfe 


it 


-P— 


m 


en     ma  de  -  vi  -  se 


1)  Eine  griindliche  Untersuchung,  was  eigentlich  Muris  Coussemaker,  Script.  ILL. 
58  und  99)  und  Prosdocimus  de  Beldemandis  (das.  226)  mit  ihren  Versuchen  der  Ver- 
tiefung  der  Definition  von  Color  und  Talea  meinen,  diirfte  wohl  zu  dem  Ergebnis 
ftihren,  daB  schon  dem  14.  und  15.  Jahrhundert  der  Unterschied  der  tonalen  und  der 
harmonischen  Sequenz  als  Problem  bekannt  ist. 


Hugo  Biemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolfs  neuem  Isaak-Band.         137 


Das  spezieU  Charakteristische  dieser  Bearbeitung  ist  die  fortgesetzte  Ver- 
bramung  mit  dem  zierlichen  Trillermotiv  (natttrlich  obne  Bezeichnung  des 
Trillers,  den  eben  die  Punktierung  sear  nahe  legt): 


das  fast  unausgesetzt  auf  dem  Plane  ist  and  zwar  bald  in  dieser,  bald  in 
jener  der  $rei  neugeschriebenen  Stimmen,  oft  auch  in  zweien  gleichzeitig, 
sei  es  in  Parallel-  oder  auch  Engfuhrung  (2.  Teil,  Takt  8 — 4).  Daneben 
macht  sich  besonders  bemerklich: 


v)  bzw. 

*rW\~rtfam 


* 


(and  ahnlich) 


(T«kt  4 — 6,  11—12,  17  ft,  21—29),    auch  werden  beide  Motive  zu  einer 
Bweitaktigen  Bildung  verbnnden: 


.  An  Schumann  (2?dur-Symphonie)  und  Schubert  (Cdur-Symphonie)  zugleich 
gemahnt  das  Spiel  mit  Ansatzen  von  v)  und  dem  vollstandigen  w)  zn  Anfang 
des  zweiten  Toils: 

3  ■*  re  ri  r: 


Dafi  wir  hier  eine  wirkliche,  regelrechte,  sogar  hochst  raffinierte,  moti- 
viscbe  Arbeit  vor  uns  haben,  die  den  Kanzonenkomponisten  der  Zeit  Fres- 
cobaldi's  sehr  wacker  vorarbeitet,  wird  niemand  bestreiten,  ebenso  auch  aber, 
dafi  diese  Kunst  mit  dem  a  cappella-Vokalstile  nichts  zu  tun  hat,  sondern 
aus  dem  begleiteten  Liedsatze  des  14. — 15.  Jahrhunderts  herausgewachsen  ist. 

Der  Zweck  meiner  skizzenhaften  Ausfiihrungen  ist,  die  Notwendigkeit 
fuhlbar  zu  machen,  dafi  wir  unsere  Art,  Denkmaler  der  Musik  vergangener 
Zeiten  zu  untersuchen,  griindlich  andern.  Mit  den  alten  verbrauch- 
ten  Bedensarten  von  der  horizontalen  Melodieerfindung  des  Zeitalters  der 
Polyphonie  im  Gegensatz  zu  unserer  angeblich  vertikalen,  harmonischen  Kon- 
strnktion  kommt  man  nicht  weit.  Je  mehr  es  gelingt,  die  wirklich  bedeuten- 
den  "Werke,  welche  altere  Epochen  vollwertig  reprasentieren,  herauszufinden, 


138  Hugo  Biemann,  Kleine  Studien  zu  Joh.  Wolf's  neuem  Ieaak-BandL 

also  die  Spreu  vom  Weizen  zu  sondern,  desto  mehr  wird  sich  meine  einst- 
weilen  recht  skeptisch  aufgenommene  Behauptung  bewahrheiten ,  dafl  die 
Grundlagen  des  musikalischen  Ausdrucks  natiirlich  gegebene,  von  jeder  Will- 
kttr  unabhangige  sind,  and  daB  wir  daher  unsere  durch  ungeniigende  und 
ungeschickte  Formulierungen  der  Tbeoretiker  in  vieler  Beziehung  miBleiteten 
Ansichten  von  der  Beschaffenheit  alterer  Werke  durch  vertieftes  Stadium 
der  Denkmaler  selbst  rektifizieren  miiesen.  DaB  wir  dabei  auf  hochst  frap- 
pante  Beruhrungen  zwischen  alteren  und  neueren  Werken  stoBen,  ist  ganz 
und  gar  nicht  verwunderlich;  wundern  mtiBte  man  sich  nur,  wenn  es  anders 
ware.  DaB  die  Technik  der  Komposition  starke  Wandlungen  durchgemacht 
hat,  daB  trotz  Flut  und  Ebbe  einzelner  Stilperioden  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte  die  musikalische  Kunst  wirkliche  Fortschritte  gemacht  hat,  daB 
wir  weitere  Bogen  span n en  gelernt  haben,  liber  groBere  Proportionen  ver- 
fugen  und  groBere  Apparate  auszunutzen  verstehen,  ist  wohl  sicher;  zum  min- 
desten  steht  feat,  daB  das  Aufkommen  der  realen  Mehrstimmigkeit  der  musi- 
kalischen Technik  Aufgaben  gestellt  hat,  deren  sie  nur  nach  langem,  muhe- 
vollen  Ringen  allmahlich  Herr  wurde.  Aber  wir  miissen  aufhoren,  uns  durch 
die  AuBerlichkeiten  der  Aufzeichnungsweise  alterer  Zeiten  dermaBen  irre  machen 
zu  lassen,  daB  wir  den  Wald  vor  Baumen  nicht  sehen.  Fur  die  Beproduk- 
tion  von  Denkmalern  behufs  Bewahrung  vor  dem  TJntergange  ist  gewiB  die 
unverf&lschte  Konservierung  derselben  in  ihrer  Originalgestalt  erwiinscht  und 
sogar  unerlaBlich;  aber  mehr  und  mehr  wird  wenigstens  fur  altere  Zeiten 
die  Photographic  diesem  Zwecke  dienstbar  gemacht  werden.  Unentbehr- 
lich  wird  natiirlich  auch  jederzeit  die  genaue  Feststellung  der  Oeltungswerte 
der  alten  Notenzeichen  sein,  ohne  welche  jede  Spartierung  unmoglich  ist. 
Sind  aber  diese  Yorbedingungen  erledigt,  so  fdngt  die  eigentliche  Unter- 
suchung  der  Denkmaler,  die  Feststellung  ihres  kiinstlerischen  Gebaltes  und 
Wertes  Uberhaupt  erst  an.  Lebendig  wird  Musik,  gleichviel  aus  welcher 
Zeit  sie  stammt,  erst  mit  dem  Moment,  wo  die  Einzeltone  sich  woblerkenn- 
bar  zu  ausdrucksvollen  Gebarden  (Motiven)  aneinanderfiigen  und  voneinander 
scheiden.  Yon  diesem  Gesichtspunkte  aus  bitte  ich  meine  Bezeichnung  der 
hier  mitgeteilten  Stucke  zu  betrachten.  Ob  ich  mit  der  Abgrenzung  der 
durch  •<  ^=^  als  zusammengehorig  charakterisierten  Bildungen  iiberall  das 
Bechte  getroffen,  ist  eine  Frage,  iiber  die  sich  debattieren  laBt;  vollends  sind 
die  dynamischen  Gradzeichen  (/*,  p}  mf)  natiirlich  nur  Yersuche,  auch  die 
Yerlaufe  im  GroBen  zu  deuten.  DaB  in  dieser  Hinsicht  die  Deutung  bereits 
gegeniiber  Werken  Bach's  und  seiner  Zeit  einen  weiten  Spielraum  hat,  lehrt 
jede  Yergleichung  zweier  Neuausgaben.  Aber  daB  erst  durch  den  Yersuch, 
von  musikalischen  Buchstaben  (Einzeltonen)  zu  sinnvollen  musikalischen 
Worten  und  S&tzen  vorzudringen,  die  alten  Werke  zu  Musik  werden,  sollte 
verniinftige  Uberlegung  nicht  bestreiten. 


Heinrich  Isaak. 

Rondeau:  cJ'ai  pris  amours  en  ma  devise*. 


139 


D.d.T.i.O.XIV.l. 
J'ai        pris  a  . 


4. 

(S.  77.) 


6*"Jlfa 


&       ftljj 


-    eresc,    w*        ■= 


J'ai     pris 


^       7 


mj>- 


140 


mours  en       ma  de  vi  se 


A  wf 


10 
Pour    con     .      que.rir    io      .      ieu     .     se  .  te 


141 


Se    puis  ve  .  nir 


pocof 


A.  J'ai  pris  amours  en  ma  devise 
Pour  conquer! r  ioieusete 

B.  Heureulx  serai  en  cest'este 
Se  puis  venir  a  mon  emprise. 

A?  Si*  1  est  aucun  qui  m'en  deprise 
II  me  doit  estre  par donne. 
A.  Jai  pris  amours  en  ma  devise 
Pour  conquerir  ioieusete. 
A**  II  me  samble que  oest  la  guise 

Qui  n'a  riens,  il  est  deboute. 
B?  Et  nest  de  personne  honoure. 
N'esse  pas  droit  dont  que  g'y  vise 

A.  J'ai  pris  amours  en  ma  devise 
Pour  conquerir  ioieusete. 

B.  Heureulx  serai  en  cest'  este 
Se  puis  venir  a  mon  emprise. 


Johannes  Wolf,  Bemerkungen  zu  Hugo  Riemann's  >Iaaak-Studien«.  147 

Bemerkungen  zu  Hugo  Riemann's  »Isaak-Studienc 

Von 

Johannes  Wolf. 

(Berlin.) 

Die  kollegiale  Liebenswiirdigkeit  des  Verfassers  vorstehender  interessanter 
Studien  vermittelte  mir  ihre  Kenntnis  vor  der  VerSffentlichung.  Eb  ist  nicht 
abzuleugnen,  daB  eine  Fulle  von  Belehrung  und  Anregung  aus  den  Betrach- 
tungen  Riemann's  herausspringt,  daB  sich  aber  auch  darin  so  manches  Urteil 
findet,  zu  welchem  ich  als  Herausgeber  des  benutzten  Materials  Stellung  zu 
nehmen  mich  verpflichtet  halte. 

Gleich  die  Losung  des  nach  R.'s  Ansicht  kanonisch  verdunkelten  Lasso 
quel  cKaltri  fugge  befriedigt  mich  nicht.  DaB  streckenweis  die  als  dritte 
Stimme  iiberlieferte  Melodie  sich  mit  den  beiden  andern  Stimmen  verbinden 
l&Bt,  ist  mir  keineswegs  entgangen.  Was  aber  R.  mit  Hilfe  eingeschobener 
Pausen  und  rhythmischer  VerSnderungen  als  dritte  Stimme  fertig  stellt, 
schliefit  sich  doch  mit  den  andern  beileibe  nicht  zu  einem  Satze  zusammen, 
der  der  Technik  Isaak's  entspricht.  Solche  Ungelenkheiten  wie  in  Takt  7 
der  R.'schen  Partitur,  die  Fiihrung  der  nun  zur  Mittelstimme  gestempelten 
zweiten  Stimme,  die  Quartsextakkorde  auf  schwerem  Taktteile  in  11  und  15, 
die  schulerhafte  Stimmfuhrung  in  12/13,  16  und  23  wird  man  bei  Isaak 
vergeblich  suchen.  Angesichts  dieser  Losung  vermag  ich  meine  Ansicht, 
dafi  dem  Kopisten  eine  Verwechselung  der  dritten  Stimme  untergelaufen  ist, 
nicht  aufzugeben. 

Ein  gutes  Beispiel  dafur,  daB  nicht  alles,  was  wir  in  die  Form  des 
Kanons  zu  zwingen  vermogen,  auch  ursprtLnglich  kanonisch  gefugt  gewesen 
sein  muB,  ist  Or  c  di  Afaggio,  bei  dem  Hugo  Biemann  freimutig  gesteht, 
daB  er  eine  kanonische  Losung  aus  der  BaBstimme  gefunden  hatte,  bevor 
ihm  der  spater  anonym  entdeckte  vollstandige  Satz  bekannt  wurde.  Wenn 
Biemann  von  der  von  ihm  vertretenen  Anschauung  des  begleiteten  Liedes 
im  14.  und  15.  Jahrhundert  aus  Bedenken  gegen  meine  Textunterlegung 
ausspricht,  so  muB  dem  gegenuber  betont  werden,  daB  diese  sich  auf  zwei 
Quellen  aus  der  Zeit  und  der  Wirkungssphare  Isaak's  stiitzt,  daB  Biemann 
also  die  zeitgenossische  Anschauung  korrigiert  und  sich  gewissermaBen  mit 
Isaak  selbst  in  Widerspruch  setzt.  Weder  von  falscher  Textunterlegung  noch 
von  reiner  Instrumentalmusik  kann  hier  die  Bede  sein. 

Wertvoll  sind  Riemann's  Darlegungen  uber  Takt  und  Rhythm  us  der  In- 
strumentalmusik veranschaulicht  an  La  morra  und  fay  pris  amours.  Aber 
bietet  er  denn  hier  so  durchaus  Neues  und  gibt  es  denn  unter  den  ernst 
zu  nehmenden  Musikgelehrten  noch  wirklich  solche,  denen  die  alten  Kom- 
positionen  nicht  mehr  bedeuten  als  korrekt  ausgefuhrte  Bechenexempel  ?  Das 
Festhalten  an  der  alten  Darstellungsart  kann  doch  hierfur  kein  Beweis  sein. 
Bei  der  Umsetzung  in  Tone  belebt  sich  sofort  das  alte  Schriftbild,  indem 
die  einzelnen  Stimmen  unter  Beobachtung  der  der  Melodik  innewohnenden 
Akzente,  der  Motivbildung  und  des  der  Auffassung  entsprechenden  Tempos 
Leben  gewinnen.  Das  ist  doch  gerade  das  Herrliche  an  der  alten  Musik, 
daB  sie  in  praxi  uber  die  Schranken  der  den  Gang  der  Stimmen  regelnden 
Taktverhaltnisse  hinwegflutet,   daB   ein  reiches   rhythmisches   Leben   sich   zu 

10* 


148         Johannes  Wolf,  Bemerkungen  zu  Hugo  Riemann's  »Isaak-Studien«. 

entfalten  vermag,  ohne  durch  "Wechsel  der  Taktzeichen  in  starre  Fesseln  ge- 
echlagen  zu  werden.  Ich  wunsche,  R.  hatte  1906  der  AuftUhrung  Isaak'scher 
Instrumentalkompositionen  in  der  Berliner  Ortsgruppe  beigewohnt,  urn  zu 
verstehen,  dafi  trotz  des  Festhaltens  am  alten  Notenbilde  in  praxi  doch  seiner 
Darstellung  Yerwandtes  resultieren  kann.  Warnm  mu£  denn  das  Empfinden 
der  Yortragenden  bis  aufs  kleinste  in  Formeln  gefafit  werden?  Da  waren 
die  Alten  doch  grofiztigiger.  Auch  ihnen  standen  Mittel  der  Darstellung  zu 
Oebote.  Aber  sie  entschlugen  sich  haufig  derselben,  wie  wir  uns  derselben 
•ntschlagen  konnen.  Zeigen  doch  die  vielen  Quellen  von  La  morra  auch 
nicht  einmal  jenes  rhythmische  Bild,  welches  Riemann  fur  jenen  Satz  fixiert 
wissen  will.  Uberdies  fuhrt  uns  die  metrische  Zeichnung  manchmal  Wege, 
die  nicht  mehr  gangbar  sind,  wollen  wir  ihnen  mit  dem  Taktstriche  folgen. 
Ich  verweise  nur  auf  die  Takte  9 — 11  der  dritten  Fassung  von  Tay  pris 
amours  in  Riemann's  Partitur,  wo  die  Motive  sich  stetig  auswachsen  und  wo 
man  einem  4/8-Takte  einen  5/s~  unc*  %-Takt  folgen  lassen  miifite.  Doch 
noch  einmal  zurUck  zu  La  morra.  Stehe  ich  hinsichtlich  der  Anwendung 
der  semiionia  subintellecta  auch  seit  langer  Zeit  auf  dem  gleichen  historischen 
Grande  mit  Riemann,  so  vermag  ich  fur  seine  Anwendung  der  tritoni  im 
Presto  usw.  angesichts  der  originalen  Niederschrift  keine  Rechtfertigung  zu 
finden.  Auch  die  fruhzeitige  Betonung  des  Leitetons  im  Bafi  der  Schhifi- 
takte  ist  durchaus  nicht  verpflichtend. 

"Was  weiter  das  Rondeau  fay  pris  amours  angeht,  so  riihrt  die  aus  Paris 
nouv.  acq.  fr.  4379  mitgeteilte  ^Composition  nicht  von  Isaak  her  und  ist 
nur  herangezogen  worden,  um  die  Arbeitsweise  jener  Zeit  zu  beleuchten. 
Sie  wurde  daher  so  abgedruckt,  wie  sie  in  der  Quelle  vorlag.  Wie  nun 
diese  Fassung  jene  Textunterlegung  offenbaren  soil,  die  Riemann  unter  Nr.  I 
in  der  vergleichenden  Partitur  abdruckt,  ist  mir  unverstandlich.  Ein  Satz 
von  allgemeiner  Bedeutung  fur  die  Textunterlegung  ist  iibrigens  doch,  dafi 
dasselbe  Motiv  moglichst  mit  den  gleichen  Worten  ausgestattet  werden  soil. 
Im  zweiten  und  dritten  Melodieabschnitte  stehen  wir  nun  aber  offenbar  den 
gleichen  Motiven  gegeniiber,  und  doch  wendet  Riemann  beide  Male  ver- 
schiedene  Texte  auf  denselben  melodischen  Gang  an.  Ahnlich  beim  Schlusse, 
wo  R.  durch  Anderung  der  Melodie  nach  dem  Motiv  des  Basses  Parallelitat 
von  Melodiegliedern  konstruiert,  ohne  sie  mit  dem  gleichen  Texte  zu  be- 
denken. 

Riemann  erblickt  in  dem  von  mir  auf  Seite  78  der  Denkmaler  der  Ton- 
kunst  in  Osterreich,  Jahrgang  XIY,  1  mitgeteilten  Satze  ein  in  zwei  Stimmen 
vokale  Partien  aufweisendes  Stuck,  wahrend  er  bei  dem  Satze  auf  Seite  77 
sich  nur  in  einer  Stimme  Instrument  und  menschliche  Stimme  mischen  laBt. 
Beide  Stucke  wurden  von  mir  in  alien  Stimmen  ohne  Text,  also  in  instru- 
mentaler  Fassung  aufgefunden  und  demgemaC  in  die  Abteilung  Instrumen- 
talsatze  verwiesen.  Doch  betonte  ich  Seite  206,  dafi  nicht  alle  unter  £ 
(Instrumentalsatze)  mitgeteilten  Stucke  vokale  Ausfuhrung  ausschliefien.  So 
konnte  man  in  Satz  4  den  Tenor  singen  lassen,  ganz  oder  teilweise  in  dem 
von  Riemann  vorgeschlagenen  Sinne.  Aber  ich  glaube  nicht,  dafi  man  dem- 
gemafi  vorgegangen  ist.  Die  ruhig  und  unverschnorkelt  dahinstromende 
Tenorweise  dient  den  iibrigen  rhythmisch  reich  belebten  und  motivisch  be- 
seelten  Stimmen  dem  Brauche  der  Zeit  gemafi  als  Riickgrat,  als  solide  Grund- 
lage.  £ben8owenig  kann  ich  mich  in  Nr.  18  davon  uberzeugen  lassen,  dafi, 
wenn  durch  das  Instrumentenspiel  Partikel  der  alten  Chanson  durchleuchten, 


Johannes  Wolf,  Bemerkungen  zu  Hugo  Riemahn's  >l8aak-Studien«.         149 

diese  gleich  von  Singstimmen  ausgefuhrt  werden  sollen.  Ware  das  Oemisch 
ein  so  buntes  gewesen,  hatte  auch  jene  Zeit  es  fiir  angezeigt  gehalten,  die 
Rollen  der  verschiedenen  beteiligten  Faktoren  deutlicher  voneinander  abzu- 
grenzen.  Wie  sollte  denn  sonst  der  Fernerstehende  die  Absicht  des  Kom- 
ponisten  erkennen  ?  Es  konnen  doch  nicht  einfach  alle  ruhigen  Partien  der 
Singstimme  und  alle  bewegteren  den  Instrumenten  zuerteilt  werden  oder 
jeder  Anklang  an  eine  Liedweise  gleich  vokaliter  ausgefuhrt  werden.  Denken 
wir  doch  nur  an  die  heutige  Praxis.  Kniipft  unsere  Instrumentalmusik  nicht 
ebenfalls  haufig  an  das  Lied  an?  Und  lassen  wir  da  auch  gleich  die  mensch- 
liche  Stimme  in  Aktion  treten?  Ich  halte  es  fiir  eine  Gefahr,  das  Prinzip 
zu  verallgemeinern.  SchlieBlich  sei  hinsichtlich  der  Takteinteilung  noch  be- 
merkt,  dafl,  wenn  man  schon  die  Brevis-Takte  aufgibt,  ich  aber,  geleitet 
durch  die  Oberstimme ,  den  Satz  nach  meinem  Empfinden  ohne  Auftakt 
schreiben  wiirde,  ungeachtet  einiger  weiblichen  Kadenzen. 

Doch  genug.  So  geistvoU  und  so  gewinnbringend  vom  methodisohen 
Gesichtspunkte  aus  die  feinsinnigen  TJntersuchungen  Riemann's  sind,  Beweis- 
kraft  dafur,  daB  die  in  Frage  stehenden  Werke  in  seinem  Sinne  aufgeftihrt 
worden  sind  und  demgemaB  aufgefuhrt  werden  miissen,  haben  sie  nicht.  Be- 
arbeitungen  in  diesem  Sinne  haben  Wert  als  praktische  Ausgaben,  sind 
wohl  geeignet,  Werke  der  Yergangenheit  dem  Verstandnis  nahezubringen. 
Fiir  wissenschaftliche  Ausgaben  miissen  wir  aber  dabei  verharren,  den  Text 
originalgetreu  mitzuteilen,  nicht  wie  er  sich  in  der  Empfindung  des  Einzelnen 
widerspiegelt. 


Herausgeber:  Prof.  Dr.  Max  Seiffert,  Berlin  W.,  Qobenstr.  28. 


Dienstinstruktion  und  Fersonalstatus  der  Hofkapelle 
Ferdinand's  I.  aus  dem  Jahre  1527. 


Von 

Bruno  Hirzel. 

(Miinohen.) 


Bei  meinen  Arbeiten  im  k.  Kreisarchiv  zu  Miinchen  geriet  mir  in  Fas- 
zikel  H.  L.  Freising  317  ein  schmach  tiger  Band  in  die  Hande,  der  sich  als 
die  Abschrift  einer  vollstandigen  Hofordnung  des  Konigs  von  Bohmen  und 
Ungarn  vom  1.  Januar  1527  erwies.  Auf  welche  Weise  diese  bisher  nicht 
bekannt  gewordene  Kopie  in  den  Faszikel  gelangte,  liefi  sich  nicht  feststellen; 
es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dafi  ein  wittelsbachischer  Ftirst  sie  sich  ausgebeten 
hat,  um  mit  ihr  eine  Vorlage  fur  den  eigenen  Hofstaat  zu  gewinnen.  —  Der 
Akt  besteht  aus  zwei  aneinandergebundenen  Heften,  von  denen  das  erste  die 
allgemeinen  Dienstinstruktionen  fur  das  hohe  und  niedere  Ho f personal  ent- 
halt,  das  zweite  eine  Aufzahlung  desselben  unter  Angabe  der  Naraen  und 
der  Zahl  der  dem  einzelnen  zugebilligten  Pferde  gibt.  Ob  die  beiden  Teile 
zusammen  gehoren,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  zumal  der  zweite  eine 
Datierung  nicht  tragt;  immerhin  ist  zu  beachten,  dafi  die  Reihenfolge  der  in 
der  Instruktion  aufgefiihrten  Chargen  der  im  Personalstatus  angegebenen 
ziemlich  genau  entspricht. 

Was  den  erste n  Teil  unsers  Hofstaates,  die  Dienstordnung ,  betrifft,  so 
besitzt  das  k.  k.  Staatsarchiv  in  Wien  denselben  in  einer  gleichzeitigen  und 
einer  Kopie  aus  dem  17.  Jahrhundert  *) ;  beide  Schriftstucke  stimmen  mit 
dem  unsrigen,  von  wenigen  Worten  und  orthographischen  Besonderheiten 
abgesehen,  genau  uberein.  Anders  steht  es  mit  einem  ebenfalls  in  den 
Veroffentl.  d.  Komm.  f.  n.  Gesch.  Osterreichs  S.  147 — 157  abgedruckten  Hof- 
staatenverzeichnis  Ferdinands  I.,  das  dort  mit  [1527 — 1528]  datiert  und  als 
gleichzeitige  Abschrift  bezeichnet  ist2).  Eine  Vergleichung  des  Miinchner 
Status  mit  dem  Wiener  ergibt  wesentliche  Unterschiede  z\fischen  beiden, 
sowohl  hinsichtlich  der  Namen,  der  Reihenfolge  der  aufgefiihrten  Stellen,  als 
auch  hinsichtlich  der  Besoldungen.  Man  konnte  das  Miinchner  Schriftstiick 
vielleicht  als  einen  Entwurf  bezeichnen,  was  besonders  angesichts  der  Tat- 
sache  einiges  fur  sich  hatte,  daB  bei  ihm  manche  Besoldungsposten  nicht 
ausgefullt  sind,  die  in  Wien   gebucht  werden.     Dieser  Annahme   aber  steht 

1)  K.  K.  H-.,  H-,  u.  Staatsarchiv  Wien,  Hofstaatenfaszikel  1495—1537.  Abge- 
druckt  in:  »Veroffentlichungen  der  Kommission  fur  neuere  Geschichte  Osterreichs*. 
Band  6:  Die  osterreichische'  Zentralverwaltung,  von  Th.  Fe  liner  u.  H.  Kretsch- 
mayr  (2.  Halfte:  Dokumente),  S.  100—116. 

2)  Staatsarchiv  Wien.    Hofstaatenfaszikel  1495—1537. 

s.  d.  IMG.    x.  11 


152     Br.  Hirzel,  Dienstinstruktion  und  Personahtatus  der  Hofkapelle  usw. 

gegeniiber  die  Unwahrscheinlichkeit,  daB  ein  Entwurf  an  ein  Definitivum  ge- 
hangt  wird,  wie  das  in  Mtinchen  geschelien  ist;  jene  fehlenden  Zahlen  lassen 
sich  aufierdem  ungezwungen  aus  einer  Nachlassigkeit  des  Kopisten  erklaren. 

Aus  Griinden,  die  weiter  unten  naher  ausgefiihrt  werden,  mochte  ich  viel- 
mehr  behaupten,  daft  wir  es  in  Mtinchen  mit  einem  frtiheren  Status  —  nur 
auf  diesen ,  nicht  auf  die  Instruktion  beziehe  ich  mich  hier  —  als  in  "Wien 
zu  tun  haben.  Wahrend  jener  ungefahr  gleichzeitig  mit  der  Dienstordnung 
entstand,  ware  danach  dieser  in  das  Jahr  1528  oder  noch  spater  zu  verlegen. 

Den  Musikhistoriker  interessiert  der  Fund  besonders,  da  er  in  seinen 
beiden  Teilen  auf  die  Hofkapelle  Ferdinands  I.  eingeht  und  ein  liickenloses 
Yerzeichnis  einer  solchen  aus  jener  Zeit  bis  heute  nicht  bekannt  ist.  — 

Einer  der  ersten  Hofe1),  die  eine  eigene  Sangerkapelle  einrichteten,  war 
der  habsburgische.  Schon  im  14.  Jahrhundert  bestand  eine  solche,  aus  einer 
SchloBkaplanei  hervorgegangen  und  als  ausschlieBlich  geistliches  Institut  der 
Hofhaltung  angegliedert ;  Maximilian  I.  unterzog  diese  »cantarey«  einer  Re- 
formation, die  schlieBlich  zu  einer  Neuschopfung  wurde.  »Das  Geburtsdatum 
der  Wiener  kaiserlichen  Hofmusikkapelle ,  dieses  flir  die  Tonkunst  spater  so 
richtunggebenden  und  hochwichtigen  Instituts,  ist  der  7.  Juli  1498.  <  (Man- 
tuani  a.  a.  0.).  Sie  bestand  zu  jener  Zeit  aus  dem  >Singmaister«,  6  Mu- 
tantenknaben  und  2  Bassisten,  welche  Zahl  aus  den  geistlichen  Sangern 
zu  der  tiblichen  Stimmenzahl  vervollstandigt  zu  denken  ist.  Regelm&fiig 
scheinen  12  Kapellpersonen  mitgewirkt  zu  haben;  die  Yerpflichtungen  dieser 
Knaben  und  Singer  erstreckten  sich  auf  Kirchenmusik  und  weltlichen  Dienst 
Die  Kapelle,  die  mit  dem  Ho f lager  des  Kaisers  ihren  Standort  wechselte, 
nahm  in  den  nachsten  Jahren  an  Starke  zu;  in  Innsbruck  fin  den  wir  bei- 
spielsweise  1508/09  20  Knaben  und  29  Gesellen,  die  allerdings  wohl  nicht 
alle  als  standige  Mitgieder  zu  betrachten  sind.  —  Wenn  nach  den  Namen 
geurteilt  werden  darf,  die  in  einem  am  20.  Juli  1498  entworfenen  Personal- 
status  aufgefuhrt  sind,  so  befanden  sich  in  der  Kapelle,  mit  Ausnahine  zweier 
Knaben  aus  Mons  und  Liittich,  nur  Deutsche. 

Die  kiin8tlerische  Leitung  der  neuen  Griindung  war  von  Maximilian  in 
die  Hiinde  des  humanistisch  gebildeten,  hochmusikalischen  Georg  von  Slat- 
konia,  des  spiiteren  Bischofs  von  Wien,  gelegt  worden.  Unter  der  Agide 
dieses  ganz  hervorragend  kunstverstandigen  Mannes  wirkten  die  Hofkompo- 
nisten  Heinrich  Isaac  und  Ludwig  Senfl,  so  wie  der  erklarte  Liebling 
Maximilians,  der  Hoforganist  Paul  Ho fh aimer.  —  Der  Tod  des  Kaisers, 
der  am  12.  Januar  1519  zu  Wels  erfolgte,  wurde  seiner  Schopfung  verhang- 
nisvoll;  1520  loste  Karl  Y.  die  Kapelle,  die  jederzeit  als  eine  Privatlieb- 
haberei  des  jeweiligen  Regenten  zu  betrachten  ist,  auf:  es  begannen  schwere 
Jahre  fur  die  ehemaligen  Mitglieder1).  Aus  der  Zeit  gleich  nach  dem  Tode 
Maximilians  ist  uns  ein  Hofstaatsverzeichnis  erhalten,  aus  dem  ich  die  auf 
die  Hofkapelle  bezuglichen  Stellen  hier  wiedergebe3).  Die  Kapelle  befindet 
sich  unter  den   >Personen,   so  zu  Innsprugg  sein«. 

1)  Vgl.  zum  folgenden :  J.  Mantuani,  Die  Musik  in  "Wien.  (Geschichte  d. 
Stadt  Wien  hrsgb.  von  A.  Starzer.     Bd.  Ill,  1.  Halfte., 

2)  N'aheres  dariiber  bei  Mantnani  a.  a.  0.;  bei  Fr.  Waldncr,  Nachrichten  fiber 
die  Musikpfle^e  am  Hofe  zu  Innsbruck,  M.  f.  M.  97/98;  bei  Tb.  Kroyer,  Einleitung 
zur  Senfl-Ausgabe,  D.  T.  B.  Ill,  Bd.  2. 

3)  Gleichzeitige  Kopie  im  Staatsarchiv  Wien,  Hofstaatenfaszikel  1495—1637. 
Gedruckt  in  den  Yeroffentl.  d.  Kommission  f.  n.  Qeschichte  Osterreichs,  S.  139—147. 


Br.  Hirzel,  Dienstinstruktion  und  Personals tatus  der  Hofkapelle  usw.      153 

Capellnpersonen. 
Tenori8ten 
{>regoriu8  Valentinan  capelnverweser1)  Melchior  Eisenhert 

Lieuhardus  A  cat  Mathias  Rauber 

Michel  Taschinger  Hanns  Cabay 

Bassisten 
Georg  Paumh'ackl  Nicodemas  Kulwagner 

Caspar  Burckher  Petrus  Seepacher 

Priamus  Jar  as  Bartolome  To  bier 

Altisten. 
Gregorius  Vogl  Georgius  Bassitz 

Sigmundus  Vischer  Johannes  Anger 

Ludowicus  Sennstl2)  Herr  Hans  Vischer 

Lucas  Wagenrieder3) 

Singerknaben 

Ludovicus  Gitterhofer  Gerhardus  Mell 

Georgius  Peig  art  earner  Rupertus  Frueauf 

Johannes  Pantzer  Sebastianus  Slauersbach 

Petrus  Staudacher  Bartholomeus  Reichensperger 

Mathias  P laser  l^artinus  Alfantz 

Bartholomeus  Merssw anger  Heinricus  Friesenberger 

Balthasar  Aster  Georgius  Teschinger 

Nicolaus  Schinckho  Georgius  Stoltz 

Martinus.Heutaller  Sebastianus  Gstalter 

Lucas  Tillger  Ruepertus  Hunger 
Laurentiu8  Wagner 

Ftir  die  Zeit  von  1519  bis  zum  1.  Januar  1527,  dem  Datum  unseres 
Aktes,  8ind,  wenigstens  vorlaufig,  keine  Hofstaatsverzeichnisse  vorhanden, 
das  Bestehen  einer  Kapelle  am  habsburgischen  Hofe  laBt  sich  also  urkund- 
lich  nicht  nachweisen.  Aber  auch  aus  innern  Giiinden  scheint  die  Existenz 
einer  solchen  zum  mindesten  zweifelhaft.  Denn  Erzherzog  Ferdinand,  dem 
sein  kaiserlicher  Bruder  bereits  1521  die  deutsch-habsburgischen  Besitzungen 
zum  Erbe  Uberlassen  hatte,  wird  erst  1526,  nach  der  Erwerbung  der  bohmischen 
and  ungarischen  Konigskrone,  Karl  V.  an  Wiirde  gleich:  jetzt  erst  ward  fur 
ihn  eine  glanz voile  Hofhaltung,  zu  der  eben  eine  Hofkapelle  gehorte,  zur 
Notwendigkeit. 

Ich  lasse  nun  zuerst  die  in  dem  Munchner  und  Wiener  Exemplar  gleich- 
lautende  Dienstordnung  fur  die  Kantorei  folgen,  die  freilich  im  Vergleich  zu 
solchen  aus  spateren  Zeiten  etwas  mager  erscheint,  sodann  die  Zusammen- 
8tellung  der  beiden  dififerierenden  Personalverzeichnisse. 

Vermerckt  Kunigclicher  Maiestat  Zu  Hungern  vnnd  Behaim  etc.  dewtschen 

Hofstat  durch  Ir  Konigclich  Maiestat,  Anno  Domini  etc.  im  Sibenundzwantzigislen 

am  Ersstn  tag  Januarij  aufgericht  dem  also  auff  kur:  Mt:  verrer  Beuelh  gelebt 

vnnd  nachkomen  werden  soil, 
f.  14 


1)  cf.  Mantuani  a.  a.  0.  S.  393. 

2)  Natiirlich  identisch  niit  Ludwig  Senfl.    Vgl.  Kroyer  a.  a.  0. 

3)  t5iber  ihn  vgl.  Sandberger,  Beitr.  zur  Gesch.  d.  bayr.  Hofkf.pelle  I,  S.27. 

11* 


154     Br.  Hirzel,  Dienstinstruktion  und  Personalstatas  der  Hofkapelle  usw. 

Cappel  OrdnuDg. 

Ainen  obristen  Caplan  vnnd  sonnst  vier  Caplen,  die  guet  Stimb  haben  vnnd  singeD 
konnden. 

Ain  Meaner 

Cantores  Newn  vnnd  ain  Capelmaister  der  sol  der  knaben  Preceptor  sein  vnnd  sy 
lernen 

Enaben  Zehen 

Organist  Ainer 

Zwen  knecht  so  der  gesellen  vnd  knaben  warten 

Prediger  ainer  oder  Zwen 

Ain  Capelschreiber 

Dem  Capelmaister  Zway  Pferdt 

Vier  Caplanen  Yedem  ain  Pferdt 

Mesner  ein  Pferdt 

Vnnd  die  anndern  Personen  Faren  auf  den  Wagen 

Es  soil  auch  die  ganntz  Capell  Ir  gehorsam  dem  Obristen  Caplan  thun.  Der  soil  sein 
guet  Ordnung  der  Ceremonien  mit  Euangeli  Puech,  Pacem,  Weichwaaser,  vnnd 
annderes,  wie  sich  gegen  ainen  sollichen  kunig  vnnd  Fuersten  gebuert  Zn  Credentzen 
halten.  Auch  die  Capelldiener  vnd  knaben  mit  guetter  Stimb  vnnd  khunst  des 
gesanngs  antzunemen  haben. 

Item  die  Cantores  und  Enaben  soUen  durch  den  Capellschreiber  angedingt  werden 
in  den  herbergen.  Vnnd  der  soil  mit  vleisz  aufsehen  haben,  das  khain  vbriger  Cosstn 
auflauf,  sondern  gnet  Ordnung  in  der  Zeerung  gehaltn  werde. 

f.  15  Trumetter 

Neun  Yedem  ain  Pherdt.  Ain  HeerPaugkher  Ain  Pherdt,  vnd  ain  JarClaidt  gegeben 
werden.    Die  soUen  ordenlich  all  mall  zu  tisch  plasen 

f.  1  Vermerckt  die  Ambter  vnnd  personen  so  Innhalt  Eunigclicher  Mt:  Newen 
Dewtschen  Hofstadts  an  Irer  Mt:  Hof  gehalten  werden  sollen 

Mimchner  Vcrxeichnis. 

Cappeln  Obrister  Caplan 

Bischof  von  Wienn pherdt 

capplan  vier 

Herr  Niclas  Fabri*) pherdt  —  1 

Herr  Rueprecht >        —  1 

Herr  Jhann >        —  1 

Herr  Cristof  Lanngkusch >        —  1 

Messner  2 

Bartlme  Castillo phert  —  1 

Nicklas  de  Prawreis »      —  1 

Organist 

Melle 

vnnd  Blasij  sein  brueder  Zufuesz   .  4  fl 

Cappeln  personen 

Cappelmaister 

Hainrich  Fiingkh 

1)  Vielleicht  mit  dem  von  Sandberger,  BeitrUge  I,  S.  14—15  erwahnten  Niko- 
laus  Faber  identisch. 


Br.  Hirzel,  Dienstinstruktion  und  Personalstatus  der  Hofkapelle  usw.      155 
Bassisten 


Georg  Paumbhackl    . 
Martin  Drosendorfer 
Petrus  Sepacher.   .   . 
Tenoristn 

Cunrat  Grosz 

Laurentz  Liseregkher 
Johannes  Kratzer    .   . 


Altistn 

Christof  Hofmann 

Benedikt  Purger 

Clemens  de  Gratz 

Discantisten 

Niclaus  Spat  Lasarus  Hertnhamer 

Johannes  Hueber  Joris  Wuertzner 

Jacob  Graf  Thomas  Lemetz 

Johannes  Tiffer  Michael  Dotl 

Martin Loder  Steffan  Mayer 

Trumetter  Nfcwn 

Jhann  Francishkus phert  —  1 

—  1 

—  1 

—  1 

—  1 

—  1 

—  1 

—  1 


Peter  Anthoni  von  Padua 

Loy8  Perignan 

Johann  Babtista 

Anthoni 

Potter  von  Mantua 

,   Carolus  von  Padua 

Jhann  Dominicus    . 

Ain  Horpaughker 

Sigmund  Paugkher phert  —  1 

•  Wiener  Verxeichnis. 

Obrister  caplan 
Capl'an 

Herr  Niclas  Eabri  pfert .1 

Herr  Jhann  Puess  pfert 1 

Bneprecht  Bandl  pfert 1 

Don  Rode  rig o  monathlichen  9  fl 
Capellendiener 

Barthlme  Cast  el  la  pfert 1 

Niclas  Deurains  pfert 1 

Hofmessner 

Peter  Gnynad  pfert 1 

Cantores 

Capellmai8ter  Arnoldt  von  Prigkh1)  hat  iiber  essen 
und  trinken  alle  monath  zu  sold  10  fl. 
Chorcaplan 

Christof  Lanngkhutsch 

Paulus  Rei8acher  pfert 1 


1)  Sollte  diese  merkwurdige  Schreibweise  darauf  hindeuten,  daB  der  -Geburtsort 
Arnolds  doch  Brugge  gewesen  sei? 


156     Br.  Hirael,  Dienstinstruktion  and  Personalstatus  der  Hofkapelle  usw. 


Bassisten 

Martin  Dressntorffer 
Sigmundt  Faber 
Gregor  Liephardt 

Tenoristen 

Conrad  Gross 
Mathias  Gruenwaldt 
Hanns  Wiesinger 

Altisten 


Hanns  Nies 
Georg  Bartmayr 


Lorentz  Riser  eg  kh 
Hanns  Sixf elder 


Chri8tof  Dennkh 
Clement  Hohitzer 
Peter  Gollitz 


Christof  Ho f man 
Benedict  Burger 
Sigmundt  Pfanndl 

Die  obbemelten  singer  hat  jeder  des  inonath  10  fl. 

Discantisten 

Der  sein  drei  und  zwainzig  knaben,  die  werden  auf 
raitung  underhalten. 
Der  singerknaben  praeceptor 

Christof  Hiersch  alle  monat  4  fl. 
Notist  der  cantherei 

Georg  Piiechl  alle  monat  4  11. 
Expenditor  der  capellen 

Mauricius  Schacher 
Organist 

Hanns  Branendorffer  hat  jedes  monath  15  fl. 

Kach  ime  auf  ein  calcanten,  des  monath  4  fl. 
Trummeter  neun. 

Loys  Peroso  pfert 

Jhan  Francisco 

Peter  Anthoni 

Jheronimu8  de  Carpi 

Jhan  Damiico 

Peter  de  Mantua    .  . \   . 

Mariat  de  Mantua 

Malatesta  Per  us  a 

Anthoni  von  Mantua 

Horpauker 

Sigmundt  Neuner  phert 

Beztiglich  der  Besoldiing  aller  Hofstellen,  mithin  auch  der  Kapellmitglieder, 
gibt  ein  Passus  der  Instruktion  AufschluB.  »Vnnd  soil  alien  obgeschriben 
auf  ain  Pferdt  des  Monats  Zehen  gulden  geben«.  Daraus  geht  hervor,  daft 
der  auf  ein  Pferd  ent  fallen  de  Betrag  von  10  Gulden  gleichsam  als  der 
Normaltarif  fur  die  Ansetzung  der  Gehalter  zu  betrachten  ist,  eine  Art  der 
Berechnung,  die  auch  noch  in  einem  zwischen  1546 — 1550 l)  zu  setzenden 
Status,  sowie  in  einem  solchen  von   1554  angewandt  ist 2). 

1)  Abgedruckt  von  K.  Oberleitner  im  Archiv  fur  Kunde  osterreich.  Geschichts- 
quellen,  Bd.  22,  S.  224  if.  Oberleitner  datiert  diesen  Status  von  1543—46;  er  kann 
aber  nicht  vor  1545  geschriebcn  sein,  da  erst  von  diesem  Jahre  ab  Petrus  Massenus 
als  Kapellmeister  erscheint.  Von  1543-45  war  derselbo  Vizekapellmeister.  —  Die 
von  Oberleitner  abweichende  Datierung  Fe  liner's  a.  a.  0.  ist  hiernach  fur  diese  Ord- 
nung  ebenfalls  richtig  zu  stellen  auf  1546—50. 

2)  Abgedruckt  von  F.  Firnhaber  im  Archiv  f.  Kunde  osterr.  Gesch.quellen, 
Bd.  26,  S.  13  fif. 


Br.  Hirzel,  Dienstinstruktion  und  Personalstatus  der  Hof  kapelle  usw.      157 

Wie  sich  zeigt,  hat  die  Kapelle  auch  unter  Ferdinand  I.  ihren  teilweise 
geistlichen  Charakter  bewahrt;  wie  unter  Maximilian  besitzt  sie  ein  geist- 
liches  Oberhaupt,  den  obersten  Kaplan,  im  Miinchner  Status  als  Bischof  von 
Wien  bezeichnet.  Seit  dem  29.  November  1523  war  dies  Johannes  von 
Revel  lis,  gestorben  1530.  Zu  seinen  Pflichten  in  der  Kapelle  gehorte 
augenscheinlich  die  Prufung  des  durch  den  Kapellschreiber  in  den  »herbergen« 
angedingten  Personals;  von  den  andern  Kompetenzen  dieser  obersten  Ver- 
waltungsperson  erfahren  wir  nichts  weiter.  Der  eigentliche  Leiter  des  Sanger- 
chores  aber  war  der  Kapellmeister.  Der  Miinchner  Status  nennt  auf  diesem 
Posten  »Hainrich  Fungkh*.  Ich  glaube  nun  nicht  fehlzugehen,  wenn  ich 
diesen  Namen  mit  Heinrich  Finck  identifiziere.  Der  Z7-bogen,  der  sich  im 
Original  tiber  dem  u  von  Fungkh  befindet,  wird  in  unserer  Handschrift  sehr 
haufig  als  Ersatz  fur  das  Dehnungs-e  gebraucht;  laiit  man  das  auch  an  dieser 
Stelle  gelten,  so  ergibt  sich  ohne  jeden  Zwang  Fungkh  =  Finck.  DaB  dieser 
Mann  zu  jener  Zeit  in  Wien  war,  kann  als  sehr  wahrscheinlich  angenommen 
werden.  Er  gibt  in  seinem  letzten  uns  erhaltenen  Briefe,  geschrieben  aus 
Salzburg  am  10.  Mai  1524,  die  Absicht  kund,  diese  Stadt  zu  verlassen;  das 
scheint  verwirklicht  worden  zu  sein,  denn  er  kam  spater  nach  Wien  zu  den 
Schotten,  woselbst  er  starb.  (Mantuani  a.  a.  0.)  —  Das  Wiener  Verzeichnis 
nennt  als  Kapellmeister  Arnold  von  Prigkh,  was  natiirlich  als  Bruck  zu 
detiten  ist.  Diese  beiden  Namen,  Heinrich  Finck  und  Arnold  von  Bruck, 
bilden  einen  der  Hauptgriinde,  warum  ich  die  Miinchner  Liste  fur  eine 
friihere  halten  mochte  als  die  Wiener  DaB,  wenn  von  einer  Tatigkeit  Finck1  s 
als  Leiter  der  Hof  kapelle  die  Rede  sein  kann,  diese  friiher  anzusetzen  ist 
als  die  Arnold's  von  Bruck,  erschoint  zweifellos.  Zugleich  aber  ist  die  Zeit, 
von  der  ab  Arnold  als  Hofkapellmeister  zu  fin  den  ist,  durch  die  Angabe  in 
diesem  Status  mindestens  um  einige  Jahre  hinaufgertickt  worden;  man  nahm 
bisher  als  Beginn  seiner  Wirksamkeit  das  Jahr  1534  ah. 

Eine  weitere  Sttitze  erbalt  die  Annahme  der  friiheren  Entstehung  des 
Miinchner  Status,  wenn  die  Zahlen  der  Sanger  miteinander  verglichen 
werden.  Zu  den  4  Kaplanen,  die  beide  Listen  gemeinsam  haben,  treten  in 
Wien  2  Chorkaplane ;  was  die  weltlichen  Sanger  sowie  die  Singerknaben  an- 
geht,  so  stent  das  Miinchner  Verzeichnis  dem  Wiener  fast  armlich  gegeniiber. 
Ebenso  verhalt  es  sich  mit  den  iibrigen  Chargen:  Uber  all  tritt  die  Miinchner 
Ordnung  als  die  bescheidenere  auf,  und  dieses  Faktum  findet  gewiB  seine 
ungezwungenste  Erklarung,  wenn  wir  den  Status  in  einer  weniger  anspruchs- 
vollen,  weil  friiheren  Zeit  angel egt  sein  lassen. 

Von  den  Mitgliedern  der  ehemaligen  maximilianischen  Kapelle  von  1519 
weist  Miinchen  nur  noch  die  Bassisten  Paumhiickl  und  Sepacher  auf, 
ferner  Sigmund  Neuner,  den  »horpaugkher« ;  ein  Zusamraenhang  existiert 
vielleicht  zwischen  Maximilians  Singerknaben  Me  11  und  dem  Organisten 
Me  lie  des  Miinchner  Verzeichnisses.  —  Die  Vergleichung  der  Wiener  und 
Miinchner  Listen  mit  denen  Kochel's  in  >Die  kaiserliche  Hofmusikkapelle  in 
Wien  von  1543  —  1867*  zeigt,  daB  aus  dem  Miinchner  Status  nur  der  Bassist 
Drosendorffer  und  der  Altist  Burger  bei  Kochel  vorkommen.  Aus  der 
Wiener  Ordnung  fiihrt  Kochel,  der  bekanntlich  nach  den  Hofzahlmeisteramts- 
rechnungen  von  1543  an  gearbeitet  hat:  Merten  Drosendorffer  ('=  Dressn- 
torffer);  Sigmund  Fabri  (=  Faber) ;  Gregor  Liebhart  (=  Liephardt); 
Benedict  Burger;  Peter  Goltz  (=  Gollitz);  Sigmund  Phendl  (=  Pfanndl) ; 
den  Notisten  Georg  Puechl  und  den  Organisten  Hans  Grauendorffe  r 
(=  Brauendorffer). 


158     Br.  Hirzel,  Dienstinstruktion  und  Personals  t&tus  der  Hofkapelle  usw. 


1638—1561 
1663—1668 


Zum  SchluA  mochte  ich  nicht  versaumen,  auf  das  reichhaltige  Material 
hinzuweisen,  das  die  Hofsiaatenfaszikel  des  Wiener  Staatsarchiys  zweifelsohne 
noch  bergen.  Ich  gebe  hier  nach  dem  oft  zitierten  Werke  Th.  Fellner's 
und  H.  Kretschinayr's  ein  Verzeichnis  der  bisher  fur  die  Zeit  von  1519 — 1637 
bekannt  gewordenen  Dokumente. 

Hofstaat  Maximilians  I.  Wels,  Januar  1519:  Hofstaatenfaszikel  1498—1637 

Ferdinands  I.  (1527—28) :  Kopie  in 

(zwischen  1528  u.  1536): 
1639: 
1541: 
1644: 
1645: 
(nicht  datiert; 

zwischen  1545— 1560) :  Hofkanimerarchiv  Wien,  Herrschafts- 
akten  Faszikel  W  V 
1551: 
1553: 
1564: 
1557: 
1558: 
1559: 
(nicht  datiert;  ver- 
mutlich  1562— 1564): 
Maximilians  II.     1567* 
RudolfsIL  Linz, 

12.  Dezember  1676: 


Hofstaatenfaszikel  1638—1661 
»  >         » 

>  »         » 
Kopie  in               »  >         » 

>  >         » 
Hofbiblioth.  Wien,  cod.  suppl.  3325 

Hofstaatenfaszikel  1560—1576 
Hofbibl.  Wien,  cod.  14458,  suppl.  2083 


Original  u.  Kopie  in  Staatsarchiv  Wien, 
Hofstaatenfaszikel  1568—1576.  —  Voll- 
standiger,  aber  fehlerhafber  Abdruck  in 
Riedler's  »Osterreich.  Archiv  f.  Ge- 
schichte«,  1831. 


Auszug  aus  einera  Hofstaatenverzeichnis  von 

1588,  angelegt  ungefahr  gleichzeitig : 
Hofstaat  Rudolfs  II.  (urn  1600): 

Mathias',  29.  Marz  1616: 
»        Ferdinands  II.  (nicht  datiert;  ver- 
mutlich  1627—28): 
Status  particularis   S.    C.   Maiestatis   Ferdi- 
nand! U.  1637: 

(1st  der  Fundort  nicht  angegeben,  so   handelt  es  sich  bei  dicsen  Augaben  stets  um 
das  K.  K.  H.-,  H.-,  u.  Staatsarchiv  in  Wien.) 


Hofstaatenfaszikel  1576—1600 
>  »         » 

1600—1669 

Universitatsbibliothek  Wien  I.  271404. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra.  159 


Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre  Campra, 

par 

L.  de  la^Laurencie. 

(Paris.) 

Les  notes  que  nous  publions  ci-apres,  et  qui  embrassent  la  vie  d'Andre  Campra 
de  1660  a  1700,  n'ont,  en  aucune  facon,  la  pretention  de  constituer  une  biographie 
partielle  de  ce  musicien.  Dans  Tetat  oil  se  trouvent  actuellement  les  depouillements 
de  nos  divers  fonds  d'archives  et  l'inventaire  de  nos  sources  musicologiques,  il  ne  sau- 
rait  etre  question,  en  effet,  de  produire,  a  1'egard  d'un  artiste  qui  habita  longtemps 
la  province,  autre  chose  qu'ane  esquisse  provisoire  appelee  a  etre  rectifiee  et  com- 
pleted par  des  decouvertes  ulterieures.  Notre  travail  se  presente  done  comme  une 
simple  contribution  a  Thistoire  de  la  jeunesse  d'un  des  plus  interessants  successeurs 
de  Lully*). 

I. 
Andr£  Campra  naquit  h  Aix-en-Provence,  et  fut  baptise  le  4  d^cembre 
1660  en  l'eglise  de  la  Madeleine  de  cette  ville: 

c  Andre  Campra,  fils  de  Jean  Francois  et  de  damoyselle  Louyse  de  Fabre, 
a  este*  baptize  ce  4  decembre  1660;  le  perrin  mr  Andre"  Guiraman,  et  la  me- 
rine,  damoiselle  Anne  de  Fabre.  [Signe*].  Raybaud,  pretre»J). 

L'^tude  de  Roux-Alpheran  sur  les  rues  d'Aix  nous  apprend  que  Campra 
naquit  dans  une  maison  de  la  rue  du  Puits-Neuf3).  Son  pfcre,  Jean 
Francois  Campra  (5tait  Italien,  et  originaire  des  environs  de  Turin;  fixe 
ii  Aix,  il  y  occupait  l'emploi  de  chirurgien,  ainsi  qu'en  temoigne  son  con- 
trat  de  mariage  passe  le  25  fevrier  1659  par  devant  Me  Jean  Andre, 
notaire  *L  Aix.  Voici  de  quelle  fagon  cet  acte  qualifie  les  parents  d'Andre 
Campra: 

«...  mariage  a  este"  traite  par  parolles  de  futur  entre  Jean  Fran$oys 
Campra,  chirurgien  residant  en  cette  ville  d'Aix,  fils  legitime  et  naturel  de 
feu  Rustin  et  Jeanne  Ruere,  du  lieu  de  Gaillet  au  diocese  de  Thurin,  d'une 
part,  et  damoyselle  Louise  Fabry,  fille  legitime  et  nature  lie  de  feu  Charles 
Fabry,  bourgeois,  et  damoyselle  Marguerite  Dalphe>an  vivant  marine  dudict 
Aix,  d'autre  [parti  .  .  .  »4). 

1)  Nous  exprimons  ici  toute  notre  reconnaissance  aux  personnes  qui  ont  bien 
voulu  nous  seconder  dans  nos  recherches  sur  Campra,  et  notamment  a  MM.  les 
abbea  Marbot  et  Calier  a  Aix,  Chailon  a  Aries,  a  MM.  Fournier  et  Jacqmin,  ar- 
chivistes  des  Bouches-du-Rhdne ,  Aude,  conservateur  de  la  Bibliotheque  Mejanes 
&  Aix,  Mireur,  archiviste  du  Var,  Pasquier  et  Moudenc,  archivistes  de  la  Haute- 
Garonne,  Michel  Brenet,  &  Paris. 

2)  Registres  de  la  Madeleine  d'Aix.  Actes  de  bapteme  de  1660,  f°  41*«.  D6- 
pot  du  greffe. 

3)  Roux-Alpheran:  Les  Rues  d'Aix,  ou  recherches  historiques  sur  Vancienne  capi- 
tate de  la  Provence,  Aix,  1847.    T.  I,  p.  469. 

4)  Arch.  dep.  des  B.  du  Rh.  Dep6t  d'Aix.  Sen6chauss6e  d'Aix.  Sic  B.  Registre  54 
des  Insinuations  (1659;,  f°  285™. 


160  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre*  Campra. 

Lors  de  la  passation  du  contrat,  Louise  Fabry  dtait  assistee  de  son 
frfcre  Claude  Fabry,  bourgeois  d'Aix,  et  le  texte  de  Tacte  ne  prete  qu'une 
seule  fois  Torthographe  «de  Fabry*  au  nom  de  la  future.  Fabry,  de  Fabry, 
Fabre,  de  Fabre  dtaient  des  appellations  ^quivalentes  et  l'adjonction  de  la 
particule  ne  constitue  point  un  signe  de  noblesse.  Toutefois,  Louise  Fabry, 
alliee  aux  Duperier  et  aux  Bonfils  par  sa  mfcre  Marguerite  Alpheran, 
appartenait  k  une  famille  de  bonne  bourgeoisie  aixoise1). 

Au  surplus,  le  contrat  de  1659,  va  nous  renseigner  sur  la  condition 
de  fortune  des  parents  de  Campra.  La  dot  de  la  future  se  monte  k 
1200  livres  <k  elle  legudes  par  ledict  feu  Charles  Fabry,  son  pfcre,  en 
son  dernier  testament  reyeu  par  Mtre  Augier  notaire  audict  Aix,  Tan  et 
jour  y  contenus*.  Pour  assurer  le  payement  de  cette  dot,  Claude  Fabry 
vendait  aux  futurs  dpoux  deux  vignes  et  deux  censes ;  la  premiere  vigne, 
sise  au  quartier  de  Malvallat,  avait  une  contenance  de  7  hommdes2);  la 
deuxifcme,  situee  au  meme  endroit,  comprenait  environ  2  carteirades3).  Quant 
aux  censes  avec  leurs  droits  de  «directe»,  respectivement  de  6  livres  et  d* 
1  livre  10  sols ,  elles  etaient  imposees  sur  deux  autres  vignes  appartenant 
k  des  tiers.  Le  futur  prenait  ces  vignes  et  ces  censes  en  payement  de 
partie  des  1200  livres  de  dot  ci-dessus  enoncees,  suivant  l'estimation  qui 
en  serai t  faite4),  et  pour  le  surplus  de  cette  somme,  le  frfcre  de  la  future, 
Claude  Fabry,  cedait,  k  raison  du  denier  vingt,  c'est-k-dire  k  raison  du 
5%,  une  portion  du  revenu  d'une  maisou  qu'il  posscdait  au  quartier  du 
Bourg  St.  Andrd  de  la  ville  d'Aix.  Claude  Fabry  s'engageait  encore  a 
fournir  la  somme  de  60  livres  pour  «Thabit  nuptial  de  ladicte  damoyselle 
Louise »  et  les  6poux  se  faisaient  reciproquement  une  donation  entre  vifs 
k  prendre  par  le  survivant  sur  les  biens  du  premier  mourant,  k  savoir, 
Jean  Francoys  Campra,  300  livres  k  sa  femme,  et  Louise  Fabry  150  livres 
k  son  mari.  Passd  en  la  maison  de  Claude  Fabry,  le  contrat  £tait  signe 
des  parties  et  de  leurs  t&noins,  Mtre  Jean  Louys  Burle,  avocat  k  la  Cour, 
et  Jean  Baptiste  Mignard,  maitre  chirurgien  a  Aix5).  On  le  voit,  par 
les  dispositions  qui  pr£cfcdent,  la  situation  du  futur  manage  se  pr&entait 


1)  La  famille  Alpheran  appartenait  a  la  vieille  bourgeoisie  d'Aix;  on  trouve 
un  Antoine  Alpheran  notaire  en  1624.  Cette  famille  etait  alliee  aux  Duperier  dont 
un  des  membres,  Scipion  (1688—1667),  fut  un  des  plus  celebres  avocats  de  Pro- 
vence; elle  £tait  encore  alliee  aux  Bonfils  qui  donnerent  deux  lieutenants  generaux 
a  la  senexhaussiSe.  Roux-Alpheran  peut  dont  assurer  a  bon  droit  que  les  allian- 
ces de  Campra  «excluent  l'opinion  ou  Ton  est  qu'il  etait  d'une  extraction  pen  re- 
levee  .  .  .»     Cf.  Roux-Alpheran.     Loc.  cit.  I.  p.  618  et  II.  pp.  83/84. 

2   L'hommee  ou  journal  vaut  59»res,  32™. 

3;  La  carteirade  vaut  23a™»,  73™. 

4)  Cette  estimation  devait  etre  faite  par  Francois  Audibert,  Escuyer  d'Aix,  et 
Mtre  Gilles  Bayon,  secretaire  ordinaire  de  la  chambre  du  roi,  auxquels  les  parties 
avaient  donne  pouvoir  de  visiter  et  d'estimer  les  proprietes  en  question. 

6}  Le  contrat  fut  insinue  le  2  mai  1669. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Gampra.  161 

comme  assez  modeste.  —  Nulle  mention  n'y  apparait  des  biens  propres 
de  Jean  Francois  Campra,  dont  le  plus  clair  des  revenus  provenait  vrai- 
semblablement  de  son  emploi  de  chirurgien. 

Andre  Campra  fiit  Tain^  des  enfants  issus  de  ce  manage.  Un  second 
lils,  Joseph,  naquit  deux  ans  plus  tard,  en  1662,  ainsi  qu'il  ressort  de 
Facte  baptistaire  suivant: 

« Joseph,  fils  de  Jean  Francois  Campra  et  de  Louyse  de  Fabre,  a  este 
baptist  le  10"  septembre  1662.  Le  perrin  a  este*  Joseph  Fabre  et  la  merrine 
Elisabet  Audibert.  [SignS],  Auban,  ptre»  *). 

Nous  retrouverons  Joseph  Campra  dans  la  suite  de  ce  travail. 

On  sait  fort  peu  de  choses  sur  les  dispositions  plus  ou  moins  grandes 
pour  la  musique  qu'  Andre  Campra  aurait  manifestoes  durant  son  enfance. 
A  en  croire  Tabbd  de  Fontenay,  il  eut  6te  tout  le  contraire  d'un  enfant 
precoce : 

« Jamais  homme  ne  fut  plus  tardif  que  lui.  Jusqu'a  l'age  de  16  ans, 
il  n'avoit  rien  pu  apprendre,  pas  meme  a  lire.  Son  esprit  se  developpa 
tout- a- coup.  Dans  1  espace  d'un  an,  il  apprit,  non  seulement  a  lire  eta 
ecrire,  mais  aussi  la  musique  et  toutes  les  regies  de  l'harmonie  si  parfaitement 
qu'il  composa,  a  17  ans,  son  Deus  noster  refugium  a  grand  chceur  qui  est 
encore  fort  estim6»  2) 

Nous  donnons  cette  assertion  de  Fontenay  pour  ce  qu'elle  vaut;  Fon- 
tenay aime  les  anecdotes  qu'il  enregistre  sans  esprit  critique,  et  son  livre 
a  paru  32  ans  apr&s  la  mort  de  Campra.  A  cote  des  dires  plus  ou  moins 
vagues  de  cet  auteur,  un  document  precis  vient  fixer  la  date  de  la  re- 
ception de  Campra  comme  enfant  de  choeur  de  1  eglise  S1  Sauveur.  Ce 
fut  en  1674  (il  avait  done  14  ans)  que  le  chapitre  de  S1  Sauveur  l'admit 
en  cette  quality3),  et  la  date  que  fournit  le  ms.  868  de  la  Bibliothfeque 
Mejanes  a  Aix  se  concilie  assez  mal  avec  les  renseignements  donnas  par 
Fontenay  sur  la  paresse  desprit  de  Campra.  II  est  probable  que  si  Andr^ 
n'avait  temoigne  d'aucune  disposition  pour  la  musique,  see  parents  ne  se 
seraient  pas  resolus  a  le  faire  entrer  a  la  maitrise  de  la  metropole  aixoise4). 

Mais  tous  les  auteurs  s'accordent  pour  reconnaitre  que  ses  progrfcs 
f  arent  rapides  et  soutenus5);  il  travaillait  sous  la  direction  d'un  excellent 

1)  Registre  des  Baptemes  de  TEglise  de  S*«  Madeleine  d'Aix,  annee  1662.  f°  31. 

2)  Fontenay,  Dictionnaire  des  artistes,  I.  p.  309.  Le  Deus  noster  refugium, 
motet  a  5  voix  et  symphonie,  se  trouve  a  la  Bib.  du  Conservatoire. 

3)  L6on  G.  Pelissier,  Notes  et  Extraits  de  quelques  manuscrits  de  la  Bibliotheque 
Mejanes.    [Revue  des  Bibliothtques,  4e  ann£e,  1894,  p.  345.) 

4)  <Le8  dispositions  heureuses  d' Andre*  pour  la  musique,  ecrit  M.  Marbot,  le 
firent  confier  de  bonne  heure  a  la  Maitrise  de  notre  Metropole.  C'etait  alors  chez 
nous  la  grande  £cole  de  l'art.>  (Abbe*  Marbot,  Oilles,  Cabassol  et  Campra,  Aix, 
1903,  p.  10.) 

5)  Voir:  Sentiment  d*un  harmoniphile  sur  differents  outrages  de  musique.  p.  41. 
Dans  ses  Miettes  de  VHistoire  de  Provence,  Stephen  d'Arve  (V*«  de  Catelin),  assure 
que  l'enfant  de  choeur  posse dait  une  voix  superbe  et  qu'il  avait  des  dispositions 


162  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andr£  Campra. 

maitre,  Guillaume  Poitevin,  qui  a  &e  Tobjet  d'une  interessante  monographic 
due  k  la  plume  Erudite  de  M.  l'abbe  Marbot1),  et  qui  doit  retenir  un  peu 
notre  attention. 

Originaire  d' Aries,  Poitevin  rempla^a  Gal  k  la  maitrise  de  S*  Sauveur 
en  1667 2)  et,  durant  sa  longue  carrifcre,  il  donna  Fexemple  d'une  ^difiante 
piete  et  du  plus  inlassable  devouement;  «c'est  une  des  physionomies  les 
plus  sereines  de  la  maitrise  >,  ecrit  l'abbe  Marbot.  Pendant  35  ans, 
Guillaume  Poitevin  se  consacra  k  l'enseignement,  etranger  k  toute  ambi- 
tion, rempli  seulement  d'une  tendre  sollicitude  a  regard  de  ses  eleves. 
Aprfcs  26  ann£es  de  services,  il  avait  fait  r&ilier  sa  charge  en  faveur 
de  son  disciple  Gilles  (1693),  mais  Gilles  d'abord,  et  Cabassol  en- 
suite,  ayant  abandonne  la  direction  de  la  maitrise,  le  chapitre  aixois 
s'adressa  de  nouveau  au  vieux  Poitevin  en  lui  demandant  de  reprendre 
sa  charge  «attendu  qu'on  ne  peut  choisir  une  personne  qui  s'en  acquitte 
plus  dignement  et  avec  plus  de  zfcle  que  lui»  (1698) 3). 

Poitevin  forma  une  pleiade  de  compositeurs  de  merite  et  mourut  k 
Aix,  en  grande  odeur  de  saintetd,  le  7  Janvier  1706 4). 

Dans  la  plaquette  que  nous  visions  tout  k  l'heure,  l'abbe  Marbot  disait 
qu'on  ne  connaissait  pas  les  messes  de  Poitevin.  Depuis,  il  en  retrouva 
deux  et  rectifia  sa  premiere  assertion  dans  la  brochure  consacre'e  par  lui, 
en  1903  k  Gilles,  Cabassol  et  Campra5).  Grace  &  Tobligeance  de  M. 
l'abbe  Calier,  maitre  de  chapelle  k  Sl  Sauveur,  nous  avons  pu  obtenir 
communication  de  manuscrits  appartenant  a  la  maitrise  de  la  me'tropole 
aixoise  et  parmi  lesquels  se  trouve  de  la  musique  de  Guillaume  Poitevin. 
Malheureusement,  ces  manuscrits  ne  contiennent  que  des  fragments  des 
messes  composees  par  le  maitre  de  Campra,  et  ne  permettent  pas,  par 
suite,  de  se  faire  une  ide'e  complete  du  talent  de  ce  musicien.  Les  frag- 
ments que  noui  avons  eus  entre  les  mains  sont  constitues  par  2  fascicules 
in-f°,    copies  de  la  main  de  Barralis6)  et  numtfrotes,  le  premier  516  k 

romarquable8  pour  le  contrepoint  [Miettes  de  VHistoire  de  Provence %  Aix,  1902,  pp. 
139,  146).  Choroii  et  Fayolle,  de  leur  c6te\  disent  qu'il  fit  des  progres  rapides 
dans  l'art  de  la  composition.    {Dictionnaire  hiatorique  des  musiciens,  I,  p.  115.) 

1)  Qol  et  Uuulaume  Poitevin,  Discours  prononce  a  la  distribution  des  prix  le 
12  aout  1887  par  l'abbe  Marbot  (Aix,  1887). 

Sur  Poitevin  voir  aussi:  le  P.  Bougerel,  Memoir es  pour  Vhisioire  de  plusieurs 
hommes  iUustres  de  Provence,  1762,  Dictionnaire  de  la  Provence  et  du  Comti  Venaissin 
par  une  societe  de  gens  de  lettres  (Achard),  1787.  I.  p.  98,  Fetis,  VII,  p.  86. 

2)  La  Deliberation  est  du  23  aout  1667.    (Cf.  Marbot,    Loc.  cit.) 

3)  Don  du  5  mars  1698  (Marbot,  Loc.  cit.  p.  8). 

4)  Ibidem  —  p.  9. 

5)  Abbe"  Marbot:  Gilles,  Cabassol  ct  Campra,  Aix,  1903. 

6)  D'apres  M.  Marbot,  ce  Barralis  ne  serait  autre  que  Banal,  un  des  successeurs 
a  la  maitrise  d'Aix  de  Tabb6  Claude  Mathieu  Pellegrin  (Abbe  Marbot,  Les  Maitrcs 
de  chapelle  dp  Saint-Sauveur  au  XVIII*  sivcle,  Aix,  1905,  p.  7,  en  note.)  Pellegrin 
mourait  en  1763. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andrg  Campra. 


163 


523,  le  second  530  k  541.    Les  fascicules  suivants  comprennent  de  la 
musique  d'autres  musiciens  aixois  dont  Pellegrin  et  Campra. 

En  tete  du  ler  fascicule  (516  k  523),  on  lit  l'inscription  suivante: 

Quatre  Messes 

Mises  En  Musique  a  quatre  parties 

sans  Simphonie  par  Mre  Ouillaume 

Poitevin,  pretre  Beneficier  Et  Maitre  de  Musique  En   VEglise  Metropolitaine 

S*  Sauveur  &  Aix-en-Provence,  dans  Lequel  ont  6te  formes    Les   Mrs  Qilles, 

Campra,  PeUegriny  Etienne,  Et  autres. 

Ce  l*r  fascicule  contient  des  fragments  d'une  messe  a  4  voix  en  re"  majeur; 
le  2°  des  fragments  d'une  messe  aussi  a  4  voix,  en  sol  mineur.  Nous 
transcrivons  ci-apres  le  Kyrie  de  la  lre  messe: 


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son,  Ky-ri  -  e_ 


E  -  le  -  y-  son,  Ky-ri  -  e, 

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y  -  son,  Ky  -  ri  -  e,    Ky  -  ri- 


164  L.  de  la  Lanrencie,  Notes  sur  la  jeunease  d' Andre1  Campra. 


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le  -  y  -  son,    E  -  le     -     y   -   son,Chri     -     ste    E-le-y -son,  E-le-y- 


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L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra.  165 

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son. 


Cette  page  n'est  pas  seulement  de  la  musique  de  bon  maitre  de  chapelle. 
On  en  gout  era  certainement  l'onction  melancolique,  le  recueillement  et  la  squ- 
plesse  melodique.  Au  reste,  ces  caracteres  paraissent  dominants  dans  ce  que 
nous  connaissons  de  l'oeuvre  de  Poitevin.  lis  ne  vont  pas,  sans  doute,  sans 
s'accompagner  de  quelque  in  oil  esse  et  de  quelque  fadeur,  mais  ils  d£peignent 
bien  Tame  tendre  et  devote  du  vieux  musicien. 

Nous  8ommes  ici  en  presence  d'un  ensemble  vocal  moins  massif  que  ceux 
de  Lully;  T^criture  de  Poitevin  n'a  pas  cet  aplomb  &  toutes  les  parties,  cette 
verticalite  systematique  que  denote  celle  du  Florentin;  on  rencontre  en  elle 
un  peu  de  cette  souplesse  et  de  cette  independance  qui  caracterisaient 
l'ancienne  polyphonic  et  qui  sont  encore  sensibles  dans  les  compositions 
d'Henry  Du  Mont  par  exemple  *).  Mais,  il  n'y  a  point  de  doute  que  Poitevin 
ait  adopte  l'esthetique  qui  se  fait  jour  a  partir  de  la  deuxieme  moitie"  du 
XVIP  siecle,  et  qui,  en  simplifiant  progressivement  la  trame  polyphonique, 
va  aboutir,  dans  les  ensembles  de  voix,  a  laisser  pr&lominer  une  melodie 
principale  que  les  autres  parties  accompagneront  harmoniquement.  Ecrites 
vraisemblableraent  entre  1670  et  1695,  les  messes  de  Poitevin  refletent  assez 

1)  Sur  Henry  Du  Mont,  consulter  l'ouvrage  de  M.  Henri  Quittard:  Un  musi- 
cien en  France  au  XVII*  si&cle,  Henry  Du  Mont  Paris,  1906. 


166 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre1  Campra. 


exactement  revolution  qui  s'opere  au  sein  des  compositions  a  plusieurs  par- 
ties. Le  Kyrie  que  nous  venons  de  transcrire  present*  le  theme  an  mperius 
avec  simple  accompagnement  de  la  basse;  puis,  au  bout  de  8  mesures,  les 
deux  voix  intermediates  font  leur  entree,  avec  une  seconde  presentation  du 
theme  par  le  tenor;  mais,  tou jours,  la  m£lodie  s'epanche,  rggulatrice  a  la 
partie  superieure;  certains  dessins,  plus  caractlristiques  et  plus  calins,  sont 
soulignes  par  la  haute- con tre  et  donnent  naissance  a  des  guirlandes  de  sixtes 
qui  marquent  bien  nettement  la  dependance  des  parties  secondaires  a  l'egard 
du  chant,  de  la  melodie  qu'il  s'agit  de  mettre  en  relief.  Ces  parties  secon- 
daires sont  toutefois  trait£es  avec  soin,  et  elles  conservent  une  certaine  liberie* '). 
La  meme  preoccupation  melodique  se  manifesto  aussi  clairement  dans  le 
Gloria,  Ici,  Poitevin  opere  fr£quemment  par  couples  de  voix;  tantot,  ce  sont 
le  mperius  et  la  basse,  tantot  ce  sont  les  deux  voix  intermediates  qui  reV 
lisent  une  sorte  de  dialogue  que  coupent  des  tutti  destines,  semble-t-il,  a 
donner  plus  de  force  a  une  affirmation,  a  rassembler,  dans  un  but  expressif, 
les  adhesions  de  l'ensemble  vocal. 

Le   Gloria  de  la  l*ro  messe  debute  de  la  facon  suivante: 

Gloria. 


£ 


* 


^£-*rH- 


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33 


* 


Et    in  ter-ra  pax  ho-mi-ni-bus    bonae  vo  -  lun-ta     -     tis. 

+ 


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y>    '*>    V    '*■ 


Et    in  ter-ra  pax  ho-mi-ni  -  bus   bonae  vo-lun  •  ta 


tis.  Lan-da-mus 


m 


SLUilm^^ 


£s. 


^^ 


m 


Et    in  ter-ra  pax  ho-mi-ni -bus  bonae  vo-lun  -  ta     -     tis.  Lau-da  -  mus 


ESES 


^-ir^ 


nrir-t? 


£ 


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Et    in  ter-ra   pax  ho-mi-ni-bus  bonae  vo-lun  •  ta 


P 


tis. 

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35 


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A  -  do  -  ra-mus  te,    jrlo  -  ri  -  fi  -  ca  -  mus  te, 


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»    P     r* 


-<g        . 


fcfcfc^a 


te  be-ne-di   -   ci  -  mus   te. 


— «— !j     j    *    v*         — I- 


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te  be-ne-di-ci 


mus  te. 


3 


-»  #*- 


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A  -  do -ra-mus  te,   glo-ri  -  fi  -  ca-mus    te, 


1)  LY'criture  en  harmonie  plaquee  de  la  plupart  des  ensembles  vocaux  de  Lull? 
fut,  du  reste,  un  peu  abandonnee  par  ses  successeurs. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeuneese  d'Andre  Campra. 
+  + 


167 


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A 


ti-as    a  -   gi-mue, 


gimus  ti    -    bi       propter  magnam 


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P=&= 


J — U-Vt=3 


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gra- ti-as   a-gi-mus,     a  -  gi-mns  ti  -  bi        propter  magnam glo 


£^£ 


e£ 


glo  -  ri  -  am    tu  -  am. 


m 


^M=W-?-y=& 


m 


Do -mi  -ne  De  -  us,    rex    coe  -  lea  -  tis,    Deus, 


-0 m r- 


£ 


:t=|: 


E*" 


Do-mi-ne  De-us,  rex    coe  -  lea -tis,     Deus 


m 


tu  -  am. 


s  d.  IMG.    x. 


Do  -  mi  -  ne     fi  -  li 


12 


168 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 


Poitevin,  autant  que  nous  avons  pu  en  juger  par  les  fragments  de  ses 
(Buvres  que  nous  avons  eus  sous  les .  yeux ,  respecte  g£neralement  la  loi  da 
syllabisme.  L'exemple  precedent  montre  cependant  quelques  infractions  a  ce 
principe.  Voyez  l'avant-derniere  syllabe  de  « voluntatis  »  et  de  «benedicimus>; 
le  groupe  de  4  croches  qui  accompagne  le  mot  «Deus»,  comme  la  figuration 
de  <glorificamus»  au  superius  relevent  6videmment  detentions  d6coratives; 
il  y  a  la  un  ho  mm  age  expressif  rendu  a  la  Divinity,  et  une  floraison  melo- 
dique  sugge>6e  par  l'id^e  de  glorification.  Les  mots  « gloria*,  <agnus»,  <Jesu 
Christe*  s'accompagnent  tou jours  d'une  vocalise  caracteristique  en  croches  on 
en  doubles  croches.  Dans  le  Gloria  de  la  2°  messe  en  sol  mineur,  les  mots 
«Domine  Deus,  rex  coelestis>   supportent  l'ornementation  ci-apres: 


m 


a 


I2^Z 


£=£ 


P-tf-ff-1? 


Do  -  mi  -  ne 


De   -   us 


rex      coe 


le 


stis 


La  r6p6tition  de  certains  fragments  melodiques  s'affirme  commandee  par 
des  intentions  expressives.  Poitevin  veut-il  depeindre  la  joie  qu"  excite  dam 
le  cceur  du  chrStien  la  resurrection  du  Christ,  il  6crira  une  formule  jubila- 
toire  qu'il  redoublera  avec  allggresse: 


H.  C. 


3=^ 


^ 


=P=P= 


Et      re  -  sur  -  re  -  xit     ter  -  ti  -  a 


i 


i^ 


4j=p= 


^s 


J2=P= 


di    -    e     8e-cun- 


Et      re  -  sur  -  re  -  xit     ter  -  ti  -  a       di 


I 


e^ 


fc-{4-i-i3-»ffP 


dumscrip-tu  -  ras. 


Et      a   -   scendit.2) 


•J     j.: 


3tf: 


n=t 


zsiz 


dum  scrip-tu  -  ras.     Et        a  -  seen  -  dit      in 

Ici  encore,  la  preoccupation  de  degager  une  melodie  unique  apparait  en 
toute  evidence;  la  haute -contre  et  le  t6nor  chantent  en  duo,  pendant  que 
les  deux  autres  voix  font  silence ;  la  formule  jubilatoire  s'expose  en  tierces  et 

deux  voix  en  se  repassant  le  groupe  «Et  ascendit»,  qui  franchit  d\m 
bond   une   octave,  ne   laissent   entendre   qu'une   melodie   bien  marquee. 

l  saillante,  la  haute-contre  reprenant  au  t£nor  le  fragment  de  theme  qu'il 

it  de  souligner,  et  l'une  continuant  l'autre. 

Au  surplus,  en  ce  qui  concerne  la  facon  de  concevoir  et  de  re*aliser  l'ex- 

sion  musicale,   Poitevin  semble  s'attacher  bien  plus   au  contenu  du  texte 

1)  2«  Messe  de  Poitevin.     Gloria.    (Arch,  de  la  maltrise  de  8*  Sauveur,  f*  630 
1). 

2)  lre  Mesee  d°.    Credo. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeuneese  d' Andre"  Canipra. 


169 


qu'a  sa  traduction  litter  ale  au  moyen  des  artifices  symboliques  si  a  la  mode 
au  XVII®  siecle  *) ;  sans  doute,  il  lui  arrivera  de  sacrifier  a  ce  symbolisme 
et  d'etablir,  comme  la  plupart  des  musiciens  de  son  temps,  des  relations  entre 
des  id£es  de  direction,  de  mouvement,  prises  au  propre  et  au  figure  et  les 
motifs  musicaux  appel£s  a  les  caracteriser.  C'est  sur  un  traij:  montant  qu'il 
place  le  mot  «ascendit»,  rendu  plus  marque  encore  par  le  dynamisme  des 
croches;  parfois  meme,  en  diminuant  la  valeur  des  notes  employees,  il  accen- 
tuera  l'idee  de  vitesse,  la  precipitation  du  mouvement;  c'est  ainsi  que,  dans 
sa  deuxieme  messe,  il  traduira  renvoi  de  l'ascension  du  Christ  par  la  vocalise 
suivante : 

3at 


I 


J>— *-& 


tt 


*=5at 


*3 


-#i- 


^*=^, 


Et    as  -  cen 


dit    in       C83  -  lis 


C'est  ainsi  encore,  qu'il  laissera  choir  la  melodie  sur  les  mots  «descendit 
de  coelis»,  et  que  par  analogie,  par  m£taphore,  il  adjoindra  des  formules  des- 
cendantes  aux  id£es  d'humilite,  de  supplication,  de  peche\  Mais,  a  cote  de 
ces  concessions  consenties  a  l'esthetique  de  l'epoque,  Poitevin  sait  aussi  s'ins- 
pirer  de  l'idee  generale  qu'exposent  les  paroles;  il  a  des  trouvailles  inge^- 
nieuses  et  6mouvantes,  par  exemple  dans  le  Credo  de  sa  seconde  messe,  ou, 
en  proferant  «Et  homo  factus  est»,  le  cantus,  le  tenor  et  la  basse  s'abi- 
ment  en  une  meditative  et  respectueuse  vocalise  tandisque  la  haute-contre 
clame  solennellement  sur  une  seule  note  le  miracle  de  l'incarnation  divine: 


H.  C. 


B. 


i 


l>-a — i- 


■t=k 


^ 


JU-Ci-^-L£^g 


^^= 


E3E! 


Et    ho mo      fac 


tus 


est. 


m3EE= 


*=*= 


y^rr 


Et 


ho -mo 


t=9=fr 


SE^ 


fac   -   tus 


68t. 


WSji^S* 


im 


$*z 


Et    ho    -        -  -        -        -    mo 


fac  -  tus 


est. 


3*3E=3 


-M 


5& 


=E* 


w- 


Et     ho mo       fac -tus 


est. 


L'harmonie  de  Poitevin  est  une  harmonic  sage,  ennemie  des  alterations 
trop  cruelles;  cependant,  le  maitre  d' Aries  n'ignore  point  le  pouvoir  expressif 
des  dissonances  et  il  en  use  au  besoin:  il  n'ignore  pas  davantage  ce  qu'on 
peut  tirer  d'expression  d'une  modulation  heureuse,  et,  dans  le  Kyrie  de  la 
ldr*  messe,  il  passe,  sur  un  mouvement  ascendant  des  trois  voix  superieures, 
du  ton  de  sol  majeur  a  celui  de  mi,  donnant,  de  la  sorte,  a  cet  episode,  une 
tension  nouvelle  et  aussi  une  vive   clarte.     Enfin.    nous   le   voyons   pratiquer 


1)  Sur  ces  artifices  voir  plus  loin:  Musu/ue  reltgieuse. 

2)  2«  Messe. 

3)  2«  Messe :  Credo. 


12* 


170  L*  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 

les  grands  intervalles  melodiques,  et  les  bonds  d'octave  ne  sont  pas  rarea 
dans  sa  musique. 

En  resume,  musicien  tendre,  d'une  grande  fertility  melodique,  et  attentif 
a  traiter  ing^nieusement,  au  moyen  de  contre-chants  et  de  courtes  imitations, 
toutes  les  parties  de  la  polyphonic  vocale,  sans  pourtant  perdre  de  vne  la 
mise  en  relief  de  la  melodie  principale. 

Nous  avons  cru  n£cessaire  d'ouvrir  cette  longue  parenthese,  d'abord  afin 
de  faire  connaitre  un  musicien  presque  ignore*  jusqu'a  ce  jour  et  ensuite, 
afin  de  degager  de  l'ceuvre  de  celui  qui  fut  le  premier  maitre  de  Campra 
quelques  particularity  qui  semblent  bien  avoir  passe1  dans  la  musique  de 
son  Sieve. 

Revenons  maintenant  au  musicien  aixois. 

La  maitrise  de  Saint-Sauveur,  oft  il  entra,  £tait  une  des  plus  an- 
ciennes  de  France,  puisqu'elle  naquit  au  XJHe  sifccle1).  D'abord 
appetes  pr&centor  (grand  chantre)  et  subcentor  (sous  chantre),  les  chefs 
de  la  maitrise  prirent  en  1558  les  qualifications  de  «capiscol»  (caput- 
sckolae)y  et  de  «sous  capiscol*2).  Le  personnel  des  fonctionnaires  com- 
prenait,  en  outre,  le  maitre  des  enfants,  ou  maitre  de  grammaire,  le 
maitre  de  musique  et  l'organiste8),  auxquels  on  adjoignait  parfois  des 
sous-maitres.  Le  nombre  des  enfants  eleves  a  la  maitrise  de  la  metro- 
pole  etait  de  8  a  10,  et  on  se  montrait  tr&s  exigeant  sur  la  quality  de 
leurs  voix4).  C'etait  la  famille  de  l'enfant  qui  pourvoyait  aux  premiers 
frais  du  vestiaire  et  qui  fournissait  Thabit  de  chceur.  L'abbe  Marbot, 
dans  le  travail  auquel  nous  empruntons  ces  divers  details,  nous  apprend 
que,  primitivement  violet,  le  vetement  de  chceur  devint  rouge  en  1589 5). 
Proprete,  hygifcne  et  nourriture  faisaient  l'objet  de  prescriptions  trfcs- 
strictes6),  et  le  bon  Poitevin,  malgre  toutes  ses  qualites,  se  voyait  trois 
ans  aprfcs  son  entree  en  fonctions,  gourmands  par  le  chapitre  pour  avoir 
touchy  au  vin  reserve  a  ses  eleves7;.  Quant  a  la  discipline  du  chceur, 
elle  parait  avoir  ete  fort  severe;  aussi,  la  maitrise  de  St.  Sauveur  jouis- 
sait-elle    d'une    grande   reputation  qui   se  prolongea  fort  avant  dans  le 

1)  L'histoire  de  la  maitrise  m6tropolitaine  d'Aix  a  ete  ecrite  par  M.  l'abbe 
E.  Marbot,  vicaire  general,  grand  chantre  de  la  Metropole.  (Aix-Makaire).  Cette 
histoire  se  distribue  en  6  fascicules  dont  chacun  comprend  une  de  ses  p Anodes, 
et  consiste  en  discours  de  distribution  de  prix  prononces  par  l'auteur  en  1876, 
1877,  1878,  1879,  1881,  1882  [Bib.  nat.  8<>  V.  4896].  I/acte  d'origine  de  la  maitrise 
se  trouve  dans  un  ms.  de  la  Bib.  Mejanes  d'Aix,  n°  1050:  Statuta  Ecclesiac  Aquensis. 
M.  Marbot  serait  porte  a  croire  que  cette  origine  remonte  a  l'annee  1259. 

2)  E.  Marbot,  Histoire  dc  la  Maitrise  metropolitaine  d'Aix.  1876.  p.  8. 

3)  Ibidem,  p.  8. 

4)  Les  deliberations  capitulaires  du  6  nov^re  1581  et  du  17  mai  1690  sont  carac- 
t^ristiques  a  cet  egard. 

5)  E.  Marbot,  Loc.  cit..  p.  11. 

6}  Les  soins  de  proprete  etaient  regies  par  deliberation  capitulaire  du 
25  nov*re  1620. 

7;  La  defense  faite  au  maitre  de  musique  de  boire  le  vin  des  enfants  de  chceur 
est  du  1<*  octobre  1670.    Voir  Marbot,  Loc.  cit.  p.  12. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  je unease  d1  Andre  Campra.  171 

XVIIIe  siecle !).  Justement  jaloux  de  leur  corps  de  musique,  les  cha- 
noines  n'autorisaient  pas  facilement  les  enfants  k  chanter  ailleurs  qu'ft, 
l'e'glise,  d'autant  plus  que  le  service  h  Saint-Sauveur  e'tait  extremement 
charge.  H  arrivait  meme  au  chapitre  d'opposer  une  fin  de  non  rece- 
voir  aux  sollicitations  des  Consuls.  Naturellement,  comme  d'ailleurs 
dans  toutes  les  [maitrises  de  France2),  defense  expresse  e'tait  faite  au 
maitre  de  musique  de  donner  des  lemons  en  ville  et  d'assister  aux  fetes 
profanes,  et  cette  double  interdiction  occasionnait  de  fre'quentes  re'pri- 
mandes  adresse'es  aux  maitres  trop  independants 3),  quand  elle  n'entrainait 
pas  Texclusion  des  delinquants.  Nous  verrons  plus  loin  que  Campra, 
tout  le  premier,  se  mit  dans  le  cas  d'etre  renvoye  pour  avoir  desobei  k 
ces  prescriptions. 

Scholastique  Pitton,  rhistorien  d'Aix,  n'a  pas  manque*  de  rendre 
hommage  au  merite  artistique  de  la  maitrise  me'tropolitaine4).  Sans  re- 
monter  jusqu'a,  la  reception  du  due  de  Savoie,  le  17  novembre  1590,  k 
laquelle  elle  participa5),  nous  savons  que,  Fannie  meme  de  la  naissance 
de  Campra,  le  17  Janvier  1660,  lors  de  Pentree  de  Louis  XIV  h  Aix, 
le  Te  Deum  fut  chants  *h  double  corps  de  musique*.  Quelques  jours 
apres,  le  3  fdvrier,  pour  celebrer  la  conclusion  de  la  paix  des  Pyre'ne'es,  le 
roi  serendit  h  Saint-Sauveur  avec  toute  la  cour  et  Pitton  de  narrer  ainsi  la 
somptueuse  ce'remonie  qui  s'y  deroula.  «Apres  que  le  Te  Deum  fut  chants 
en  Musique  sur  les  Orgues,  la  fanfare  des  Trompettes,  le  son  des  Tam- 
bours et  le  bruit  des  Mousquetaires  du  Roy  ranges  dans  la  place  Saint- 
Sauveur  se  furent  metes  &  Tarmonie  des  instruments  de  Musique  et  &  la 
voix  des  Pretres,  tout  ce  que  nous  eilmes  de  Canons  et  de  Boites  fit  feu6).» 
Des  temoignages  ulterieurs  viennent  confirmer  l'excellente  reputation  de 

1)  £.  Marbot,  Loc.  cit.  p.  20.  Le  ras.83  de  la  Bib.  Mejanes  a  Aix,  intitule:  Regie- 
meni  de  S*  Sauveur,  ms.  qui  est  du  XVIH8  siecle,  montre  a  quel  point  le  chapitre 
aixois  entendait  sauvegarder  les  droits  de  l'oreille,  puisqu'il  prescrivait  a  l'organiste 
de  jouer  dansle  ton  des  cloches,  quand  celles-ci  sonnaient.  Sur  l'orgue  de  St  Sauveur, 
voir  E.  Marbot.  Loc.  cit. ,  et  abbe  E.  F.  Maurin ,  Notice  historique  et  descriptive  de 
Veglise  metropolitaine-  St  Sauveur  d'Aix.    Aix,  1839.  p.  44. 

2)  Notamment,  par  une  deliberation  du  6  novbre  1665. 

3)  Sur  ce  point,  consulter  l'abbS  Clerval,  Vancienne  maitrise  de  Notre-Dame  de 
Chartres,  1889,  Abb£s  A.  Collette  et  A.  Bourdon ,  Histoire  de  la  maUrise  de  Rouen, 
1892,  Abbe*  E.  Marbot,  Notre  maitrise  mitropolitaine,  1883,  p.  66,  67  et  notre  ouvrage, 
V Academic  de  musifjue  ct  le  Concert  de  Nantes,  1906.  —  Introduction.  —  En  ce  qui 
concerne  Aix,  ces  interdictions  remontaient  a  la  deliberation  du  4  novembre  1581. 

4)  «La  Metropole  d'Aix  est  composee,  ecrit-il,  d'un  tres  auguste  chapitre  dont 
le  chef  est  TArcheveque,  d'un  Prevost,  d'un  archidiacre,  de  deux  personnats  cabiscol 
et  sacristain,  de  16  chanoines.  11  y  a  pour  le  service  de  l'Eglise  20  B<§n£ficier8 
ou  Semi-Pr6bendez  et  un  plus  grand  nombre  de  clers  et  une  trte-banne  musique,* 
(Annates  de  la  S**  Eglisc  d'Aix,  a  Mgr  V Eminentissime  Cardinal  Qrimaldi  par  M.  Jean 
Scholastique  Pitton,  Lyon.    1668.  —  Preface,  p.  4 . 

5)  Scholastique  Pitton.  Histaire  de  la  Ville  d'Aix,  Aix,  1666,  pp.  348-349. 

6)  Ibid.  pp.  488,  489. 


172  L.  de  la  Lauren*ie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 

la  maitrise  de  Saint-Sauveur,  en  nous  apportant  d'interessants  details  sur 
ces  executions  «k  double  corps  de  musique*.  Elles  consistaient  en  vastes 
ensembles  auxquels  prenaient  part  la  « musique*  proprement  dite,  c'est-fc- 
dire  le  corps  des  chanteurs  de  la  Metropole,  et  une  bande  d'instrumentistes 
qui,  en  outre,  collaboraient  aux  diverses  manifestations  de  la  vie  munici- 
pale;  c'est  ainsi,  qu'*\  Toccasion  des  nombreuses  fetes  donnees  k  Aix  en 
1687  «pour  l'heureux  retour  de  la  Sant6  tant  desiree  de  Louis  le  Grand  >r 
une  messe  d'actions  de  graces  est  c416bree  k  S*  Sauveur,  «dans  laquelle  la 
Musique  de  cette  £glise  soutint  si  bien  sa  reputation  d'etre  une  des 
meilleures  du  royaume» 1).  Puis,  lorsque  le  Parlement  s'associe  aux  re- 
jouissances,  il  fait  elever  dans  le  fond  d'une  des  salles  de  son  palais  un 
vaste  theatre  destine  k  la  musique:  «H  £tait  divise  en  trois  portions,  celle 
du  milieu  pour  la  Musique,  et  celles  des  cotez,  Tune  pour  les  violons  et 
les  hautbois,  et  l'autre  pour  les  trompettes,  les  fifres  et  les  tambours  »2). 
Voil&  done  trfcs  nettement  indiqu^e  la  composition  des  corps  de  musique. 
Quant  &  la  messe  du  S*  Esprit,  «elle  fut  chantee  par. la  Musique  avec 
une  tr£s  grande  solennit£,  et  les  excellantes  voix  qu'on  avait  choisies 
secondfcrent  si  bien  par  leurs  admirables  accords  Tart  et  la  beauts  de  la 
composition  des  Motets  qu'un  trfcs  habille  Maitre3)  avait  faits  sur  le  sujet 
de  la  joye,  et  de  la  reconnaissance  publique,  qu'elles  augmentoient  tou- 
jours  par  de  nouveaux  charmes  l'admiration  des  assistans  .  .  .  le  Te  Beam 
fut  continue  par  les  deux  corps  de  musique,  parmi  les  bruits  agreables 
des  Violons,  des  Trompfctes  et  des  Hautbois  qui  se  suceddoient  mutuelle- 
ment,  ce  qui  faisoit  tout  ensemble  une  m^lodie  surprenante*4). 

Eendant  compte  d'une  ceremonie  c&ebree  au  Parlement,  k  la  meme 
intention,  de  Haitze  vante  YExaudiat  «qui  fut  continue  par  les  deux 
corps  de  musique,  par  les  violons,  les  hautbois  et  les  trompettes,  s'entre- 
melant  et  se  reprenant  agr£ablement»5).  Ceux-ci  se  faisaient  entendre 
«dans  les  pauses  de  la  Musique*6). 

C'est  vraisemblablement  &  des  c£r£monies  de  cette  nature  et  de  ce 
caractfcre  que  fait  allusion  le  lyonnais  Menestrier  en  parlant  de  «Fesp£ce 
de  chant  dramatique  compost  de  divers  passages  de  l'Ecriture  sainte  que 
Ton  appliquait  k  divers  sujets,  et  qu'on  chantoit  a  plusieurs  parties  et  a 


1)  Relation  generate  et  veritable  des  Files  de  la  Ville  cTAix  pour  Vhrurcux  retour 
de  la  Sante  tant  desiree  de  Louis  le  grand,  A  Monsieur  Louis  Antoine  de  Ruffi%  OentH- 
homme  de  Marseille,  par  Pierre  Joseph  de  Haitze,  Aix,  1687.  Lettre  da  10  fe>rier 
1687.   p.  6. 

2)  Ibid.,  Lettre  du  11  fe>rier  1687,  p.  15. 

3)  Le  «tres-habille  Maitre*  n'est  autre  que  Guillaume  Poitevin  qui,  ainsi  que  sous 
l'avons  vu,  ne  se  d<§mit  de  ses  fonctions,  et  encore  provisoirement,  qu'en  1693.  — 
II  ne  reste  rien  des  motets  auxquels  fait  allusion  de  Haitze. 

4)  De  Haitze,  Loc.  cit.  p.  15. 

5}  De  Haitze.    Loc.  cit.    Lettre  du  11  fevrier  1687,  p.  17. 
6)  Ibid.    Lettre  du  16  fevrier  1687,  p.  43. 


L.  de  la  Lauren cie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra.  173 

plusieurs  cfueurs*1).  De  son  cot6,  Pierre  Perrin,  dans  la  preface  de  ses 
Cantica  pro  Capella  Regis,  signale  qu'en  Languedoc  et  en  Provence,  «oii 
les  peuples  sont  plus  adonnez  et  entendus  k  la  musique*,  les  eglises 
retentissaient  de  pieces  composees  sur  des  textes  non  liturgiques  2).  Telles 
etaient  la  maitrise  et  le  milieu  artistique  oil  le  jeune  Campra  devait 
poursuivre  son  education  musicale.  A  Tage  de  18  ans,  ses  progrfcs 
s'affirment  si  rapides  qu'il  obtient  de  porter,  non  plus  la  robe  rouge 
des  ecoliers,  mais  la  robe  noire  des  clercs  (1678). 

« Monsieur  l'Administrateur  a  diet  que  Andre  Campra,  Gaspard  Gille  et 
Joseph  Boullet,  enfants  de  choeur,  demandent  a  Messieurs  qu'il  leur  plaise  leur 
donner  la  robe  noire,  attendu  leur  age. 

Surquoy  a  este*  delibere*  que  la  robe  noire  sera  donn£e  aux  dits  Cam- 
pra, Gille  et  Boullet,   sans  prejudice   de  Tantienete  des  autres  serviteurs 3). » 

Mais,  avec  la  science,  l'esprit  de  Campra  s'ouvre  &  d'autre  mu- 
sique  que  celle  qu'il  entend  k  Saint-Sauveur.  H  va  en  ville,  chante  des 
ceuvres  profanes,  assiste  probablement  meme  k  des  representations  th£a- 
trales.  D£s  1660,  on  avait  fonde  k  Aix  un  jeu  de  paume  oti  les  troupes 
ambulantes  .qui  parcouraient  le  midi,  jouaient  la  comedie4).  Nous  savons 
par  ailleurs,  qu'en  Provence,  le  mouvement  dramatique  prenait  une  grande 
intensite  dans  la  seconde  moitie  du  XVIIe  sifccle.  En  1646,  1'abbS  de 
Mailly  faisait  representer  k  Carpentras  Topera  (TAckebar,  roi  duMogol*). 
Le  Provencal  Pierre  Gaultier  avait  obtenu  de  Lully,  l'autorisation  de 
monter  un  opera  k  Marseille,  oft  on  ex^cuta  sous  sa  direction,  le  28  Jan- 
vier 1682,  un  opera  en  3  actes,  dont  il  etait  Tauteur,  Le  Triomphe  de 
la  Paix*).  Ce  Gaultier  promenait  sa  troupe  dans  la  vallee  du  Rhone  et 
meme  en  Languedoc,  et  nous  connaissons  une  partie  du  repertoire  qu'il 
interpretait,  repertoire  qui  comprenait  plusieurs  operas  de  Lully.  «L'an 
susdit  (1687),  rapporte  le  Manuscrit  Languet  de  Carpentras,  l'op&a  de 
Marseille  a  este  joue  pendant  Teste  k  Avignon  soubs  M.  Gautier,  orga- 
niste  dudict  Marseille,  ou  Ton  a  joue  pendant  les  mois  de  juillet  et 
aoiit,  l'opera  de  Phaeton,  et  pendant  les  mois  de  septembre  et  d'octobre, 
l'opera  d'Harmide,  et  pendant  les  mois  de  novembre  et  commence- 
ment de  d^cembre  Font  continue   et  ils  sont  retournds   k  Marseille7).* 


1)  Le  P.  Menestrier,  Des  representations  en  musiquc  anciennes  et  modernes,  1681, 
p.  136.  «C'etait  particulierement  aux  Solemnitez  des  Noces  et  aux  fun^railles  des 
Princes  que  ces  Motets  en  Dialogues,  en  recits  et  a  divers  chceurs  se  chantoient.>  —  d°  — 

2)  Voir  H.  Quittard,  Un  musicien  en  France  au  XVII*  stick*  Henry  Du  Mont. 
1906,  p.  152.  3)  Arch,  des  Bouches  du  Rh6ne  —  Delib.  capitul.  du 
chapitre  de  S*  Sauveur  d'Aix,  Registre  23  f<>  162™.     Delib™  du  4  Mai  1678. 

4)  Ce  renseignement  nous  a  6te  fourni  par  M.  Tabbe  Marbot. 

5)  Menestrier.  Loc.  cit.  pp.  177,  178.  6)  Sur  Pierre  Gaultier, 
voir  Titon  du  Tillet,  Le  Pamasse  francois,  p.  477,  Dangeau,  Journal,  I.  p.  119, 
A.  Rostang,  Memoires  de  V Academic  de  Marseille,  1872—1874,  p.  371. 

7)  Bibliotheque  de  Carpentras,  Manuscrit  de  Languet  de  1682  a  1697.    N°  1208. 


174  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 

M.  Andr£  Gouirand  nous  entretient,  d'autre  part,  des  bandes  de  violons 
qui  pullulaient  en  Provence  et  qui  pretaient  leur  concours  aux  fetes,  cere- 
monies et  divertissements  de  toute  nature1).  A  Lyon,  les  archives  de  la 
Charity  revfclent  Texistence  d'une  «Acad&nie  royale  de  musique>,  orga- 
nist dfcs  1671  par  les  frfcres  Salx  et  Nicolas  Le  Vasseur2).  Malgr£ 
Tabsence  de  documents  explicites,  il  faut  admettre  que  la  ville  d'Aix, 
capitale  de  la  Provence,  cit6  parlementaire  et  Erudite,  n'etait  pas  privee 
de  pareils  spectacles.  En  1662,  Fassemblee  des  Consuls  fixe  le  prix  des 
places  pour  les  «nouvelles  pifcces»,  entendez  par  Ik  les  operas,  et  revient 
sur  cette  question  le  20  mai  1666 3).  Probablement,  la  troupe  de  Gaul- 
tier  s'en  fut  donner  des  representations  k  Aix. 

Mais,  k  cot6  des  entreprises  laiques,  d'autres  compagnies  contribuaient 
k  propager  k  Aix  le  gotit  des  operas  et  ballets.  C'est  ainsi  que  le  college 
des  J&uites,  non  content  de  servir  de  theatre  aux  tragedies  scolaires 
classiques,  donnait  encore  l'hospitalit^  k  des  ballets  avec  musique.  Une 
curieuse  plaquette,  dat^e  de  1686  et  imprim^e  k  Cologne,  apporte  lfc- 
dessus  les  plus  grandes  precisions4). 

Les  Pfcres  J^suites  d'Aix,  pour  feter  la  nomination  du  nouvel  arche- 
veque,  avaient  fait  repr^senter  en  1686  un  ballet  od  le  successeur  du 
cardinal  Grimaldi  apparaissait  sous  les  traits  d'un  h^ros  environn^  de 
personnages  mythologiques,  Jupiter,  Hercule,  Orphee,  Apollon,  Mercure,  etc. 
Et  le  factum  en  question  de  s'indigner  de  cette  reception  «si  profane  et 
si  payenne*,  de  ce  divertissement  oil  «l'Innocence,  laV^rit^  et  la  Religion 
ne  paraissent  que  pour  etre  deshonor£es»5).  II  reprochait  durement  aux 
J&uites  d'inspirer  k  la  jeunesse  une  dangereuse  passion  pour  la  danse 
que  condamnent  les  saints  Docteurs. 

Les  occasions  ne  manquaient  done  pas  &  Campra  de  s'initier  k  la 
musique  dramatique.     H  faut  croire  qu'il  en  abusa,  car  le  chapitre,  fort 

On  savait  deja  que  Pierre  Gaultier  avait  sejourne  a  Avignon.  Une  piece  de  ses 
Symphonies,  publiees  par  Ballard,  en  1707  est  intitulee:  «Les  Prisons>,  et  porte 
Tindication  ci-apres:  «L'Auteur  composa  cette  piece  dans  les  Prisons  d' Avignon* 
(pp.  14, 15].  Le  texte  du  ms.  de  Carpentras  nous  apprend  de  plus  un  detail  encore 
in<§dit,  a  savoir  que  Pierre  Gaultier  £tait  organiste  a  Marseille. 

1)  Consulter  a  ce  sujet  Andre  Gouirand,  La  Musique  en  Provence  et  le  Conser- 
vatoire de  Marseille,  1908,  pp.  49  et  suiv. 

2)  Voir  Arch,  de  la  Charite  de  Lyon:  F.  13  (1671—1699),  K.  299  .1687—1688;  et 
E.  Vingtrinier,  Le  Theatre  a  Lyon  au  XVJIF  sieele,  1879,  pp.  3,  4  et  suiv. 

3)  Renseignements  fournis  par  M.  Jaqmin,  archiviste  departemental  a  Aix. 
II  6tait  defendu  aux  comddiens,  en  1666,  de  reclauier  pour  le  prix  des  places,  une 
somme  superieure  a  la  taxe  reglementaire  15  sols,  et  cela,  sous  peine  de  300 
livres  d'aniende. 

4)  Aris  aux  Peri  rends  Pi  res  Jisuites  d  Aix-m-Provcnee,  sur  un  Imprimt-  qui  a 
pour  litre'.  Ballet  dansv  a  la  Iteccption  de  Monseigncur  I'Arcltvrequc  dAix,  Cologne. 
1686.    Bib.  nat.    Ld*»  217;. 

5}  Ibid.  p.  14. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra.  175 

des  r&glements  auxquels  nous  faisions  allusion  plus  haut,  prit,  en  mars 
1681,  la  determination  de  le  congedier.  Mais  Campra  fit  amende  hono- 
rable; il  «demande  k  Messieurs  qu'il  leur  plaise  voulloir  le  recepvoir  au 
pardon  de  sa  fautte  protestant  voulloir  etre  plus  sage  k  Tadvenir  que 
par  cy-devant,  si  le  chapitre  a  la  bont£  de  le  reprandre*. 

Les  chanoines  se  laissent  toucher  et  reprennent  l'enfant  prodigue;  ils 
decident  que  Campra  rentrera  au  chapitre  aux  memes  conditions  et  gages 
que  pr^demment,  seulement,  ils  prononcent  une  fois  de  plus  l'interdic- 
tion  d'assister  aux  representations  profanes: 

«Deffences  sont  faites,  dit  la  deliberation  capitulaire  du  26  mars,  a  luy 
et  a  tous  les  autres  serviteurs  du  Chapitre  de  faire  ny  d'adcister  aux  op6- 
rats  qui  se  font  dans  la  ville,  soit  pour  y  jouer  des  instruments  ou  pour  y 
chanter,  soubz  payne  de  congg,  sans  que  M.  l'Administrateur  puisse  leur  en 
donner  la  permission)  et  que  l'hors  quails  seront  employes  pour  aller  chanter 
ii  des  processions  ou  a  d'autres  eglises,  ne  pourront  y  aller  sans  l'expresse 
permission  dudit  Sieur  Administrateur  soubz  les  memes  peines  de  conge*  et 
la  presente  deliberation  sera  lue  a  la  table  de  la  communaute*  par  le 
greffier*  1). 

Voil&  done  Andre  Campra  rentrd  en  grace  aupr&s  du  chapitre,  et  cela 
si  bien,  que  le  27  mai  1681,  les  capitulants,  pour  lui  t^moigner  leur  bien- 
veillance,  le  nomment  ben^ficier  de  leur  eglise.  Messire  Jean  Baptiste 
Armand,  pretre,  sous-sacristain,  nomme  k  un  benefice  vacant,  s^tait  d&nis 
k  cette  occasion,  «de  la  chappellanie  fondle  au  grand  autel  soubz  le 
tittre  du  S*  Esprit,  de  laquelle  il  estoit  recteur» 3).  Les  chanoines  con- 
fferent  cette  chapellenie  k  « Messire  Andre  Campra,  clerc  tonsur£  comme 
plus  entien  serviteur  du  chapitre*4). 

Campra  ne  devait  pas  profiter  longtemps  des  avantages  que  lui  accor- 
dait  ainsi  le  chapitre.  Un  peu  plus  de  deux  mois  aprfcs  etre  entr£  en 
posession  de  sa  chapellenie,  le  7  aout  1681,  il  quitte  Aix  pour  Aries  oti 
le  chapitre  de  St.  Trophime  l'appelle  en  qualite   de  maitre  de   musique. 

«Monsieur  1' Administrateur  a  diet  que  Andre*  Campra,  serviteur  de  l'Eglise 
vient  prendre  conge*  de  luy  le  septiesme  du  courant  pour  aller  jouir  de  maistre 
de  musique  au  Chapitre  d' Aries,  de  quoy  en  a  vollu  donner  cognoissance  a 
Messieurs.  Sur  quoy  a  este  dellibgre*  que  ledit  Campra  ne  sera  plus  re$u  au 
service  de  ceste  Eglise »4). 

La  Borde  rapporte  que  Campra  fut  appel£  k  Toulon  en  1679  pour 
remplir  des  fonctions  de  maitre  de  musique  de  la  cath^drale5)  et  cette 
allegation,  acceptee  par  FtStis,  a  ete  rep^tee  par  la  plupart  des  biographes 
de  notre  musicien.    Les  documents  que  nous  venons  de  citer  la  rendent 


1)  DeUib.  capit.  du  chap,  de  St  Sauveur  d'Aix.    Reg.  23.  fo  219.    29  mars  1681. 

2}  Ibid.,  Reg.  23.  fo  222*0,  27  mai  1681. 

3i  Ibid. 

4)  Delib.  cap.  du  chap,  de  St  Sauveur.    Reg.  23,  fo  225*0,  10  aout  1681. 

6;  La  Borde,  Essai  sur  la  musique  ancienne  et  moderne,  III.  p.  401. 


176  L»  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 

bien  improbable,  car  ils  se  concilient  mal  avec  une  absence  de  Campra 
entre  1678  et  1681.  —  En  1678,  en  effet,  Campra  re^oit  la  robe  noire; 
en  1681,  il  est  pourvu  d'une  chapellenie  «en  quality  de  plus  ancien  ser- 
viteur*,  circonstances  qui  amfenent  Pabbe  Marbot  k  infirmer  le  dire  de 
La  Borde  et  de  F&is1).  Cependant,  La  Borde  declare  que  la  notice 
donn£e  par  lui  sur  Campra  est  de  la  propre  main  du  musicien.  H  se 
pourrait  done  que  celui-ci  ait  fait  un  court  sejour  k  Toulon  en  1679, 
comme  maitre  de  musique  provisoire. 

«S*  Sauveur,  Scrit  M.  Marbot,  l'aurait  prete  a  Sl  Marie  de  la  Seds  de 
Toulon,  pour  remplacer  momentanement  son  maitre  de  musique,  comme  il 
lui  avait  prete*  son  organiste  Eustache  Foudr6,  en  1661  et  1664,  pour  le 
relevage  de  ses  orgues*2). 

Observons  n^anmoins  que  les  registres  du  chapitre  d'Aix  restent  muets 
sur  cette  absence  de  Campra,  et  qu'aucun  document  des  archives  de 
Toulon  ne  contient  mention  du  sejour  que  le  musicien  aurait  fait  dans 
cette  ville  en  16793). 

II. 

Le  sejour  de  Campra  k  Aries,  comme  maitre  de  musique  de  la  me- 
tropole  de  S*  Trophime  dura  deux  annees,  de  1681  k  1683.  Nous  avons 
vu  que  notre  musicien  avait  quitte  le  chapitre  d'Aix  le  7  aout  1681.  Le 
22  aoilt,  le  chapitre  d' Aries  lui  confiait  la  direction  de  sa  maitrise: 

«  Cedit  jourd'hui,  le  chapitre  a  receu  pour  Maistre  de  chapelle,  Mr  Andre* 
Campra,   aux  gages  ordinaires*  4). 

Quels  etaient  ces  gages  ordinaires  et  comment  etait  compos<5e  la 
maitrise  de  S*  Trophime  ?  Un  manuscrit  des  Archives  d' Aries,  va  nous 
permettre  de  r^pondre  k  ces  deux  questions. 

Nous  y  lisons,  en  effet,  que  le  « corps  de  musique >  se  composait: 
(a)  d'un  maitre  de  musique  qui  avait  pour  ses  honoraires:  1°)  la  table 
commune  avec  les  autres  ecclesiastiques  attaches  au  chapitre,  2°)  150  livres 
en  argent,  40  en  casuel,  et  environ  150  livres  de  casuel  supplementary 
en  assistant  aux  processions  des  confreries;  (b)  de  4  enfants  de  choeur, 
nourris,  loges,  «et  entretenus  sains  et  malades*  par  le  chapitre,  excepte* 
seulement  pour  la  fourniture  des  bas.  Ces  enfants  n'avaient  pour  toute 
recompense   que   les   modiques    etrennes   que    quelques   chanoines   leur 

1)  Abbe*  Marbot,  Qilles,  Cabassol  et  Campra,  p.  11. 

2)  Ibid.  —  Le  22  mai  1663,  on  vote  200  livres  pour  remonter  les  orguee  de  la 
cathedrale.    Arch.  man.  de  Toulon,  BB.  63  f°  66. 

3i  Les  recherches  effectives  a  notre  intention  par  M.  Mireur  archiviste  du  Var 
sont  demeur6es  negatives,  et  on  ne  trouve  an c une  mention  da  passage  de  Campra 
a  Toulon  dans  l'ouvrage  que  Msr  Tortel  a  consacre  a  la  cathedrale  de  cette  ville: 
Ms*  Tortel,  Notice  historiquc  sur  Veglise  S**  Marie  de  Toulon,  Toulon  1896. 

4)  Arch.  dep.  des  Bouches-du-Rh6ne.  —  Delib.  du  Chapitre  d'Arles.  22  aout 
1681,  fo  263vo. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesee  d' Andre  Campra.  177 

donnaient,  et  qui  ne  s'&evaient  pas  k  plus  de  9  livres.  Lorsqu'ils 
quittaient  la  maitrise,  le  chapitre  leur  fournissait  un  habit  complet,  2 
ou  3  chemises  et  60  livres  en  argent 

Outre  les  4  enfants  titulaires,  il  y  en  avait  2  ou  3  surnumeraires ; 
ceux-ci  n'^taient  point  entretenus  et  avaient  seulement  Tespoir  d'obtenir 
une  place,  au  fur  et  k  mesure  des  vacances1). 

Tel  etait  done  l'etat  de  la  maitrise  lorsque  Campra  y  entra.  Pour 
les  organistes,  le  chapitre  proc^dait  par  contrat  pass6  par  devant  notaire. 
Ainsi,  le  20  septembre  1619,  Francois  Trouche,  maitre  organiste  d' Aries 
s'engageait  k  toucher  des  orgues  k  S*  Trophime,  les  dimanches  et  jours 
de  fetes,  moyennant  un  salaire  de  120  livres.  La  convention  comptait 
pour  3  annees,  et  l'organiste  s'obligeait,  en  outre,  k  donner  tous  les 
jours  une  le^on  k  un  des  enfants  de  choeur2). 

Le  s^jour  de  Campra  k  la  maitrise  d'Arles  parait  s'etre  effects  en 
toute  tranquillite.  Nulle  mention  ne  figure,  dans  les  registres  capitu- 
laires,  de  difficult^  survenues  entre  le  maitre  de  musique  et  les  cha- 
noines.  Campra  assagi  ne  merita  aucune  r^primande  pendant  les  deux 
annees  qu'il  passa  k  S*  Trophime.  En  revanche ,  il  eut  k  exercer  ses 
talents,  non  point  seulement,  conform&nent  aux  devoirs  de  sa  charge, 
mais  encore  pour  des  fetes  profanes  auxquelles  il  preta  sa  collaboration, 
avec  Passentiment  du  chapitre. 

H  existait,  en  effet,  &  Aries,  une  «Academie»  dotee  de  Lettres  patentes 
par  Louis  XIV  en  septembre  1668 3).  Cette  Academie,  qui  fut  affiliee 
ii  1' Academie  frangaise,  le  5  fevrier  1670,  avait  coutume,  k  chaque  com- 
mencement d'annee,  de  faire  dire  une  messe  du  S*  Esprit,  laquelle  6tait 
chantee.  En  1682  et  1683,  on  celfcbra  cette  messe  aux  Cordeliers,  et  la 
partie  musicale  en  fut,  sans  doute,  confiee  k  Campra.  Lors  de  la 
naissance  du  due  de  Bourgogne,  petit-fils  de  Louis  XIV  (6  aoilt  1682), 
la  ville  d' Aries,  comme  toutes  les  autres  villes  de  France,  se  livra  k  des 
rejouissances.  «On  chanta  un  Te  Deum  apres  vespres,  et  Ton  fit  ensuite 
la  procession  de  Saint- Gen^s  k  l'accoustumee4)*.     L' Academie,  de   son 

1)  Recherche  pour  Serrir  a  Vhistoire  ecclesiastiquc  (T Aries  par  Veran  (Ms.  Arch. 
d'Arles).  T.  I.,  p.  209.  —  Communique  obligeamment  par  M.  l'abbe*  Chailon,  cure 
de  l'Albaron.  L'archeveque  d'Arles,  au  moment  ou  Campra  fut  nomine*  titulaire 
de  la  maitrise  m^tropolitaine,  6tait  Mp*  de  Monteil  de  Grignan.  Voir  abbe*  Tri- 
chaud,  Histoire  de  la  S*<  Eglise  <T Aries,  1867.    pp.163— 174. 

2)  Contrat  du  20  7™  1619.    Notaire  Claude  Saxy  d'Arles,  f<>  261. 

3)  Voir  sur  ce  point  U  Academic  d'Arles  au  XVII*  si&cle,  tfapres  les  documents 
originaux,  Etude  historique  et  critique  par  A.  J.  Ranee,  3  vol.  in-8o.  Paris,  1886 — 1890. 
Des  l'annee  1622,  sous  Inspiration  de  M.  de  Grille  d'£stoublon,  il  s'etait  forme*  a  Aries 
une  sorte  de  cour  d'amour,  sous  le  titre  d  Academie  du  bel  esprit  et  de  la  belle  go- 
lanterie.  Cette  Academie  n'eut  qu'une  existence  £ph6mere,  mais  elle  donna  peut- 
etre  l'idee  de  celle  qui  la  suivit  et  qui  se  fonda  en  1666.    (Eance.  I.   p.  166). 

4)  Arch.  d'Arles.  Livre  B.  Sacristie  p.  369.  Signe  «Boche  Sacristain*.  Nous 
savons  par  le  ms.  788  de  la  Bibliotheque  Mejanes  d'Aix  (Annales  de  la  ViUe  cTAix) 


178  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 

cote,  organisa  une  fete  particulifcrement  brillante1),  dont  les  registres  de  la 
compagnie  ont  conserve  le  detail.     Le  programme  en  fut  arrete  dans  la 
seance  du  ler  octobre  1682.     M.  d'Ubaye  etait  charge  de  prononcer  le 
panegyrique  du  roi,  et  la  ceremonie  devait  comprendre  une   importante 
partie  musicale    «La  musique  commencera  un  recit,   disent  les  registres, 
dont  M.  Giffon  s'est  charge  k  Thonneur  de  M.  le  due  de  Bourgoigne  et 
de  la  maison  royalle2)*.     On  fit  des  repetitions  en  presence  des  Acade- 
miciens  les  plus   competents  en  matifcre  musicale,  et  la  fete  fut  fix^e  au 
19  octobre.    «MM.  de  Boche,  de  Cays  et  Giffon  et  M.  de  Gageron  qui 
s'entendent  bien  en  concert,  prennent  la  peine  de  voir  F  essay  de  Pop£ra  que 
ces  messieurs  de  la  musique  doitvent  faire;   ils  ont  rapporte  que  le  tout 
serait  comme  il  faut3)».    Les  < messieurs  de  la  musique*,  que  mentionne 
le  registre   academique,    sont   les    chanteurs  de  la  cathedrale   auxquels 
s'etaient  joints  quelques  symphonistes  «externes»  de  la  ville4).    Ce  meme 
registre   decrit   minutieusement  le  dispositif  arrete  pour  Tamenagement 
du  local  des  Penitents  oti  se   deroula  la  c6r&nonie,  et  entre  autres,  la 
decoration   de  Templacement  reserve  h  la  musique5).     Puis,  il  relate  les 
diverses  particularites  de  la  fete.     Aprfcs  le  panegyrique  du  roi,   « Mes- 
sieurs   de    la  musique  se  firent  ouir,    et  Ton  admira  la  douceur   et  la 
variete  de  la  Symphonie,  aussi  bien  que  les  recits  et  vers  qui  la  com- 
posoient.     M.  Giffon  les  avait  faicts  et  heureusement  adjusts  aux  hon- 
neurs  du  roi  et  du  prince  nouveau-nai».     La  musique  acheva  la  seance, 
aprfcs  quoi,  on  reconduisit  les  personnages  de  distinction  qui  y  avaient 
assist^6).   L'« opera*  execute  en  cette  circonstance  se  composait  de  parties 
symphoniques,   de  recitatifs   et  d'airs;    e'etait  quelque  chose  comme  une 
cantate,  un  prologue  succinct  de  tragedie  lyrique,  une  de  ces  compositions 
de  circonstance,  aliegoriques  et  courtisannesques,  oti  la  mythologie  relevait 
de  majeste  olympienne  les  compliments  de  rigueur.    Quant  h  Tauteur  de 
la  musique,  il  n'etait  vraisemblablement  autre  que  Campra.    Nous  voyons, 

que  les  rejouissances  faites  pour  celebrer  la  naissance  du  due  Bourgogne  occasion- 
nerent  a  la  ville  d' Aries  une  defense  de  435  livres,  11  sols,  10  deniers. 

1)  Ranee.    Loc.  cit.  Ill,  p.  405. 

2)  Regist.  de  l'Academie  f°  217,  Seance  du  ler  octobre  1682,  et  Ranee,  III,  p.  408. 

3)  Ibid. 

4)  II  ne  semble  pas  qu'il  y  ait  eu  a  Aries  de  corps  de  musique  profane  de  1680 
a  1685.    La  musique   de  S*  Trophime  devait  faire  les  frais  des  fetes  arlesiennes. 

5}  «On  avait  mis  une  tapisserie  de  point  fort  fine  et  desliee  depuis  la  voute 
jusqu'au  balustre  en  cette  partie  de  laChappelle  [des  Penitents  gris],  ou  Ton  devoit 
loger  la  musique*.    Regist.  de  TAcademie  i°  217. 

6)  II  v  avait  la,  outre  des  prelats  as6ez  nombreux,  des  dilettanti  fort  distingues, 
entre  autres  le  marquis  de  Chateaurenard,  grand  amateur  de  musique,  qui  possedait 
un  luth  ayant  coute  110  pistoles ;  cgeul,  rapporte  M.  Ranee,  M.  Jean  de  S*  Martin 
d'Arles  se  vantait  d'en  posseder  un  meilleur*  (Ranee,  Loc.  cit.  II,  p.  412,  en  note. 
La  Oaxettc  de  France,  No  106,  p.  723  et  le  Mercure  galant  de  novembre  1682,  pp.  289 
a  295  donnent  des  relations  de  cette  fete. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra.  179 

en  effet,  quelques  annees  plus  tard,  lors  d'une  c&dmonie  analogue  (Fete 
en  Thonneur  du  retablissement  du  roi  le  8  fevrier  1687),  TAcaddmie 
d'Arles  demander  au  meme  Griffon  les  paroles  d'un  cantique  k  la  gloire 
de  S.  M. ,  paroles  qu'elle  fait  mettre  en  musique  « par  le  Sr  Aubert, 
maistre  de  chapelle  de  la  cathedrale  d' Aries,  Tun  des  plus  c&febres  com- 
positeurs et  du  meilleur  gout  qu'il  y  ait  en  France1)*.  Plus  loin,  le 
Mercure  galant  nous  apprend  qu'il  y  avait  un  prelude  symphonique  suivi 
du  motet  ou  cantique  dont  les  paroles  dtaient  dues  k  M.  Griffon  2).  Ainsi, 
c'etait  au  maitre  de  musique  de  la  cathedrale  que  les  Acad&niciens  avaient 
confix  en  1687  la  partie  musicale  de  leur  fete,  et  ils  avaient  sans  doute 
agi  de  meme  en  1682.  De  sorte  que  M.  Griffon  aurait  6\6  le  premier 
librettiste  de  Campra,  et  que  notre  musicien  aurait  fait  ses  debuts  dans 
le  genre  divertissement,  lors  de  son  sdjour  k  Aries. 

Mais  Campra  put  utiliser  ses  talents  en  d'autres  circonstances  et, 
notamment,  lors  de  la  soutenance  des  thfcses  au  college  des  Jesuites. 
Ces  soutenances  s'accompagnaient,  en  effet,  de  musique;  et  nous  le  savons 
par  le  rdcit  qui  nous  a  et<5  conserve  d'une  solennitd  littdraire  c£lebr6e 
au  college  le  26  aout  1683,  peu  de  temps  aprfcs  que  Campra  ent  quitte 
Aries3).  Arnaud  Eymin  y  soutenait  une  thfcse  de  rhetorique  d^dide  k 
PAcademie  d' Aries,  et  la  seance  s'ouvrit  par  «un  concert  d'instruments 
pour  desennuyer  1' Assemble,  en  attendant  qu'on  commen$at4)>. 

H  n'y  aurait  done  rien  d'etonnant  k  ce  que  Campra  eilt  collabord 
k  quelque  fete  du  meme  genre,  ou  k  quelque  representation  thdatrale 
donnde  par  les  It.  R.  P.  P. 

Le  sejour  de  Campra  h  Aries  ne  parait  pas  s'etre  prolonge  au-delk 
du  mois  de  mai  1683,  car  une  deliberation  capitulaire,  en  date  du  14  mai, 
decide  la  nomination  d'un  autre  maitre  de  chapelle: 

«Ce  jourd'huy  14  may  1683,  a  est£  tenu  chapitre  par  messieurs  cy- 
dessous  escrits  —  —  — 

Ce  jourd'huy,  le  chapitre  a  receu  pour  maistre  de  Chapelle  M.  Fauconet 
aux  gages  ordinaires*  5). 

Ce  fut   sans  doute  Fauconet,    successeur    de  Campra   k   la   maitrise 

1)  Voir  a  ce  sujet  le  Mercure  galant  de  mars  1867,  pp.  66 — 76.  —  Cost  encore 
la  musique  de  la  cathedrale  dirigee  par  M.  Aubert,  maitre  de  chapelle  qui  se  fait 
admirer  &  la  ceremonie  celebr£e  chez  les  Penitents  bleus  en  la  mSme  circonstance. 
Mercure  galant,  fevrier  1687,  p.  177. 

2)  Ibid. 

3)  Nous  verrons  plus  loin  que  Campra  quitta  Aries  en  mai  1683.  Les  Jesuites 
dirigeaient  le  college  d'Arles  depuis  1636.  La  plupart  des  Academlciens  de  cette 
ville  avaient  ete  leura  eleves. 

4)  Bib.  Mejanes.  Ms.  839.  Mercure  galant  de  nov^o  1683,  p.  113.  —  Voir  aussi 
Ranee,  VAcadimie  d Aries  au  XVII*  Steele,  II.  pp.  468—477  et  Une  thtee  de  rheto- 
rique  au  College  des  Ji  suites  d'Arles,  Marseille,  1887. 

5'1  Arch.  dep.  des  Bouches  du  RhOne.    Deliberations  du  Chapitre  d'Arles,  1683, 

fo  19vo. 


180  L.  de  la  Lauren  cie,  Notes  sur  la  jeunesse  d1  Andre*  Campra. 

m&ropolitaine,  qui  dirigea  l'execution  des  « concerts*  dont  s'accompagna 
la  soutenance  de  thfese  du  jeune  Eymin. 

HI. 
En  quittant  Aries,  Campra  s'dtait  rendu  h,  Toulouse  oh  il  avait  su 
que  la  maitrise  de  S*  Etienne  etait  vacante,  et  oh  il  devait  demeurer  11 
ans,  en  qualite  de  maitre  de  musique  de  cette  (Sglise.  Les  registres 
des  deliberations  du  chapitre  m^tropolitain  conserves  aux  archives  de- 
partementales  permettent  de  reconstituer  le  cadre  oil  Campra  v6cut 
alors.  Sans  presenter  Taspect  important  qu'il  devait  revetir  au  XVJLLL6 
sifccle,  aspect  dont  le  chevalier  du  Mfege  a  retrace  le  tableau  *),  le  chceur 
de  S*  Etienne ,  par  le  nombre  et  la  qualite  des  voix  qui  s'y  f aisaient 
entendre,  pouvait,  &  juste  titre,  passer  pour  un  des  meilleurs  et  des  plus 
founds  de  France.  Les  ceremonies  du  culte  se  deroulaient  dans  une 
pompe  grandiose,  digne  de  l'antique  et  glorieuse  cite  et,  sans  aucun 
doute,  l'atmosphere  artistique  de  la  ville  des  Capitouls  n'alla  point  sans 
influencer  profondement  le  genie  du  jeune  maitre  de  chapelle.  Tou- 
louse n'£tait  alors  que  po£sie  et  musique.  Fetes  publiques,  entrees 
princieres  s'environnaient  d'ex^cutions  musicales.  Les  Capitouls  ne  sor- 
taient  point  sans  se  faire  pr£c£der  de  leur  «Vergier»  portant  la  verge 
d'argent,  de  leurs  «Trompetes  et  Hautbois  dits  Mdnestriers2)>.  A  la  ca- 
thedrale,  le  chapitre  prenait  le  plus  grand  soin  de  l'entretien  des  belles 
orgues  de  la  tribune ;  le  29  ddcembre  1677,  ils  en  confiait  la  reparation, 
moyennant  600  livres,  k  un  sieur  Joyeuse  de  P^zenas3).  La  maitrise 
^tait  l'objet  de  toutes  ses  attentions;  l'entretien  s'en  prenait  &  bail  de 
durde  variable  (2  ou  3  ans)  et  renouvelable,  et  le  fonds  du  chapitre 
des  archives  notariales  de  Toulouse  a  conserve,  notamment,  un  des  con- 
trats  intervenus  k  cet  effet  entre  les  celieriers  du  chapitre  et  M°  Pierre 
Mourgue  dit  Cousin,  pretre  et  prebendier  de  S*  Etienne.  H  s'agit  du 
bail  de  la  maitrise  de  S*  Etienne,  passe  le  25  novembre  1644,  par  de- 
vant  Me  Hugues  Brassac,  notaire.  Cette  pifcce,  fort  interessante,  indique 
les  conditions  auxquelles  le  chef  de  la  maitrise  devait  se  soumettre: 

1)  <Dan8  les  c6r£monies,  £crit  M.  du  Mege,  le  chceur  de  la  metropole  devait  ren- 
fermer  98  ecctesiastiques ;  et  si  on  ajoute  a  ceux-ci,  lorsque  Tarcheveque  etait  pre- 
sent, ses  8  grands  vicaires,  on  atteindra  le  chiffre  de  105  et  Ton  aura  une  id6e  de 
la  pompe  des  ceremonies,  de  l'aspect  imposant  que  pr£sentait  ce  chceur  dans  Jet 
tribunes  duquel  etait  placee  la  chapelle  de  musique  .  . .  .»  [Histoire  des  institution* 
de  Toulouse,  par  le  chevalier  Are  du  Mege,  Toulouse,  1844,  III,  pp.  149 — 150;.  —  Sur 
l'^glise  S*  Etienne,  consulter  aussi  d'Ald^guier,  Notice,  dans  les  Memoires  de  la 
societe  archeohgique  du  midi  de  la  France.    T.  I.  1832. 

2)  Relation  de  Ventree  d'Anne  de  Montmorency,  gouverneur  de  Languedoc, 
28  juillet  1533.  {Annates  de  la  Ville  de  Toulouse  par  de  Rozoi,  Toulouse,  1772.  II. 
pp.  18.  19;.  Sur  les  men£triers  de  Toulouse,  cf.  Morin,  Les  associations  cooperatives 
de  joucurs  d  instruments  a  Troyes,  au  XVII'  Siecle.  Troyes,  1896.  Les  statute  des 
m en es triers  toulousains  remontaient  a  Tan  1492.     (Morin.  Loc.  cit.  p.  23 . 

3)  D61ib.  du  Chapitre  de  S*  Etienne.  —  29  decembre  1677. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeonesse  d1  Andre"  Campra.  181 

c  Preincrement,  sera  tenu  d'entretenir  de  la  depense  de  bouche  huit  en- 
fants  portant  robe  et  un  autre  supernum6raire  pour  prendre  la  robe  et  en- 
trer  dans  le  choeur  pour  supplier  a  celui  qui  pourra  etre  malade.  Plus  sera 
tenu  de  nourrir  un  sous-maitre  capable  d' enseigner  les  enfants  a  la  musique 
et  de  chanter  sur  le  livre. 

Plus  sera  tenu  de  nourrir  un  maitre  de  grammaire  qui  lui  sera  bailie* 
par  Messieurs  du  Chapitre  pour  enseigner  les  lettres  de  grammaire  et  e*criture 
auxdits  enfants. 

Plus  sera  tenu  de  tenir  blancs  et  nets  lesdits  enfants  et  faire  aussi 
blanchir  le  linge  n6cessaire  pour  l'usage  de  lad.  maitrise  .  .  . 

Sera  aussi  tenu  led.  Mourgue,  a  la  fin  de  cette  charge,  laisser  un  livre 
de  messes  et  magnificats  pour  servir  au  choeur. 

De  plus  sera  tenu  a  enseigner  a  son  possible  auxd.  enfants  la  musique 
et  composition  d'icelle  et  en  avoir  tel  soin  qu'un  bon  maitre  doit  avoir >1). 

Les  conditions  materielles  auxquelles  le  bail  ^tait  consenti  pr&entent 
pour  nous  un  certain  int^ret,  car,  vraisemblablement,  elles  ne  furent  gufcre 
modifies  lorsque  Campra  prit  la  maitrise. 

<Et  pour  subvenir  aux  susdites  charges  et  son  salaire,  ledit  Chapitre 
sera  tenu  lui  faire  bailler  tous  les  jours  huit  pains  mofflets  et  quatre  miches 
de  la  boulangerie  dud.  Chapitre,  qu'il  prendra  pour  son  droit  d'entrSe  comme 
pretre  de  choeur,  ensemble  la  miche  dud.  sons- maitre.  Plus  lui  sera  bailie* 
tous  les  ans  la  quantity  de  huit  pipes  vin  pur,  et  outre  ce,  lui  sera  bailie" 
la  somme  de  150  livres  en  argent,  pour  le  retranchement  de  quatre  miches 
que  les  precedents  maitres  avaient  accoutume*  de  prendre  par  dessus  les  sus- 
dites. Comme  aussi,  lui  sera  bailie"  la  somme  de  50  livres  pour  les  trois 
pipes  vin  retranchees  des  onze  qu'on  avait  accoutume  de  bailler  aussi  auxd. 
precedents  maitres.  Et  de  plus,  la  somme  de  60  livres  pareillement  accou- 
tume' de  bailler  chaque  ann£e  pour  la  nourriture  du  maitre  de  grammaire ». 

Les  registres  des  deliberations  du  chapitre  de  S*  Etienne  montrent 
que  ces  conditions  changfcrent  peu  depuis  1644  jusqu'k  Parriv6e  de 
Campra.  Nous  voyons,  en  effet,  que  le  10  Janvier  1681,  Passembl^e 
capitulaire  fait  un  reglement  pour  la  maitrise;  elle  donne  une  place  de 
pretre  h  Cousin  qui,  depuis  1678 2),  remplissait  les  fonctions  de  maitre 
de  musique  et  lui  octroie  200  livres  de  gages,  moyennant  quoi  il  doit 
entretenir  9  enfants  de  choeur3).  On  reconnaitra  dans  ces  200  livres 
de  gages,  les  200  livres  qui  figurent  d£j&  au  contrat  Mourgue  en  rem- 
placement  de  d^livrances  en  nature  (pain  et  vin).  Aprfcs  le  depart  de 
Cousin,  le  17  avril  1682,  on  nomme  k  sa  place  Bouteiller,  maitre  de 
musique  au  Mans.  Mais  le  nouveau  titulaire  semble  peu  press£  de  se 
rendre  k  son  poste;  au  commencement  de  mai,  il  ne  Pa  pas  encore  rejoint, 
et  comme  le  chapitre  a  Phabitude  de  faire  composer  un  motet  pour  la 

1)  Arch,  dee  Notaires.  —  Fonda  du  Chapitre  de  S*  Etienne.  —  Registre  de 
Hugues  Brassac,  notaire. 

2)  Arch.  de>  de  la  Hte  Garonne.  S'e  G.  Deliberation  du  15  avril  1678;  il  £tait 
nomme  pour  2  ans. 

3}  D61ib°n  du  10  Janvier  1681. 


182  L,  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 

fete  de  la  Pentecote,  c'est  le  fils  de  son  organiste,  le  sieur  Lanes  qu'il 
charge  de  soin ').  L'absence  de  maitre  de  musique  avait  pour  resultat  de 
provoquer  de  nombreuses  auditions  de  candidats  qui  venaient  se  pro- 
poser et  faire  chanter  dans  le  choeur.  Campra  eut  vent  de  la  vacance 
de  St  Etienne  et  accourut  k  Toulouse.  Le  11  juin  1683,  il  est  charge  de 
la  maitrise  de  l^glise  pour  un  an  seulement,  moyennant  un  contrat. 
Voici  le  texte  de  la  deliberation: 

«Le  Yendredy  lle  Jour  de  Juin  1683,  a  huit  heures  du  matin,  dans 
la  salle  et  lieu  capitulaire  de  l'Eglise  mStropolitaine  de  Toulouse,  ont  6te 
presents  et  assembles  en  chapitre,  suivant  la  coustume  MM  .  .  .2). 

Monsieur  de  Rudelle,  chantre,  a  propose  que  le  sieur  Campra,  maistre 
de  musique  qui  a  desja  fait  chanter  plusieurs  fois  dans  le  choeur,  prie  la 
Compagnie  de  vouloir  luy  donner  la  maistrise  d'icelle  Eglise.  Sur  quoy 
il  prie  la  Compagnie  de  delibe>er.  Et  ayant  este*  opinS,  il  a  este*  arrests 
que  led.  Sr  Campra  est  nomine*  a  la  maistrise  de  cette  Eglise,  et  que  le  con- 
trat luy  en  sera  passe"  pour  un  an,  par  Monsieur  le  chantre  et  par  Monsieur 
le  Cellerier>  3). 

Les  recherches  effectudes  h  Toulouse  pour  d£couvrir  le  contrat  passe 
entre  Campra  et  le  chapitre  n'ont  pas  permis  de  mettre  la  main  sur 
cette  pifcce;  nous  savons,  cependant,  qu'elle  figurait  dans  les  minutes  de 
Thomas,  notaire  et  secretaire  du  chapitre  de  S*  Etienne4).  Aussi,  avons- 
nous  transcrit  plus  haut  les  parties  essentielles  d'un  contrat  analogue 
pass£  en  1644. 

Au  choeur  de  S*  Etienne,  Campra  trouvait  comme  organiste  ce  Ma- 
thieu  Lanes  que  nous  avons  vu  composant  le  motet  de  la  Pentecote. 
Mathieu  Lanes  venait  d'etre  nomme  organiste  pour  5  ans,  en  remplace- 
ment  de  son  pfcre  ddc£de5).  Nous  connaissons  aussi  les  noms  de  quel- 
ques-uns  des  musiciens  qu'il  allait  dinger.  C'est  ainsi  que  la  musique 
comprenait  deux  joueurs  de  serpent,  dont  Tun,  de'jii  ancien,  Nadal,  avait 
6te  augmente  en  1680 6),  et  dont  le  second  £tait  entr<5  la  meme  annee 
k  S*  Etienne7).    H  y  avait  aussi  un  sieur  Solier  «musicien»,  aux  gages  de 

1)  Delibons  du  23  Janvier  1682,  du  17  avril  1682  et  du  8  mai  1682. 

2)  Nous  donnons  ci-apres  les  noms  des  membres  du  Chapitre  presents  a  cette 
deliberation:  MM.  de  Corny nihan,  archidiacre,  de  Comere,  arcbidiacre,  de  Ru- 
delle,  Cbantre,  de  Pelauque,  de  Catel,  Daussonne,  de  Flotte,  de  Lautrec,  de  Glatens, 
J.  B.  de  Catelan,  P.  de  Comere,  Daspe,  Despaigne,  et  de  Julliard,  chanoinee. 

3)  Arch.  dep.  delaHte  Garonne.  S**  G.  Registre  N<>151.  Le  registre  n'est  pasfoliote. 

4)  La  collection  des  minutes  de  Me  Thomas  presente  des  lacunes;  ces  minutes 
ne  sont  conservees  que  dans  le  4e  registre  de  ce  notaire,  qui  commence  en  1690; 
les  3  premiers  registres  ont  disparu. 

6)  Arch.  dep.  de  la  Hte  Garonne.  S'«  G.    Don  du  22  octobre  1682. 

6  Par  deliberation  en  date  du  2  juin  1680,  les  gages  du  serpent  Nadal  furent 
augmented  de  40  sols  par  mois.  11  est  a  remarquer  qu'on  trouve  un  Francis 
Nadal  cite  avec  Campra  dans  une  deliberation  du  chapitre  de  N.  D.  de  Paris  du 
31  decembre  1696.    (Arch.  nat.  L.  L.  226  fo  750—751). 

7)  Arch.  dep.  de  la  H^  Garonne.  Do*  du  13  aout  1680.  Ce  deuxieme  serpent 
touchait  8  livres  de  gages  par  mois. 


L.  de  J  a  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunease  d' Andre*  Campra.  183 

15  livres  par  mois1),  et  une  basse-taille  du  nom  de  Thonin,  engage  le 
22  novembre  16802).  La  chapelle  possedait  encore  un  joueur  de  basse 
de  viole,  qui  s'acquittait  de  ses  f emotions  h  la  satisfaction  du  chapitre, 
puisque  celui-ci  6lhve  son  salaire  en  1681 3). 

Pour  les  grandes  fetes,  on  faisait  appel  k  des  <musiciens  externes*, 
residant  dans  la  ville,  ou  venus  du  dehors ;  ainsi,  k  l'occasion  de  la  fete 
de  S*  Etienne,  le  chapitre  decidait,  en  1681,  de  faire  venir  une  basse- 
taille  de  Rodez  et  de  lui  payer  son  voyage4).  D'ailleurs,  Toulouse  ne 
manquait  ni  de  chanteurs,  ni  d'instrumentistes,  et  on  s'en  apergoit  bien, 
en  parcourant  la  relation  des  fetes  qui  s'y  c£16brfcrent  en  1682,  en  l'hon- 
neur  de  la  naissance  du  due  de  Bourgogne.  Ce  ne  sont  que  concerts 
de  toute  espfcee.  A  Tarchevechd,  lors  du  feu  d'artifice  dress6  dans 
l'avant-cour  du  palais  archidpiscopal,  « les  hautbois  et  les  trompfctes>  se 
font  entendre  tour  h  tour  des  fenetres5).  Chez  le  premier  President,  il 
y  a  une  magnifique  collation  «avec  un  concert  de  voix  mel£  de  sym- 
phonic6)*; concert  encore  avec  tambours,  trompettes  et  hautbois  donn6 
par  Me  Baladier,  capitoul,  au  couvent  de  FObservance  de  S*  Francois 7). 
Les  strangers  s'associent  aux  rejouissances  nationales,  et  le  s&ninaire 
des  Irlandais,  tquoique  pauvre*,  c&fcbre  magnifiquement  la  fete.  De  nom- 
breux  instrumentistes  y  ex^cutent  un  brillant  concert,  dans  lequel,  se 
souvenant  sans  doute  de  la  harpe  qui  figure  sur  les  armes  de  la  verte 
Erin,  ils  introduisent  cet  instrument: 

♦Pendant  les  trois  jours  des  rejouissances  publiques,  il  y  eut  devant  leur 
Porte  un  grand  Feu  de  joye  et  sur  une  Galerie  qui  repond  a  la  B.iie,  estoit 
un  Concert  de  Harpes,  Guitarres,  Flageolets  et  Flutes  douces,  le  tout  accom- 
pagne  de  quelques  voix  qui,  quoyqu'^trangeres,  ne  laissoient  pas  de  former 
une  harmonie  agr^able  qui  duroit  jusqu'a  minuit»8). 

Chez  les  Jesuites  de  la  maison  prof  esse,  les  deux  chapelles  de 
Sl  Etienne  et  de  S*  Saturnin  se  reunissent  pour  chanter  les  vepres: 

«TJn  Concert  de  Trorapetes,  de  Hautbois  et  de  Violons  commenca  les 
vespres  qui  furent  chantees  par  une  excellente  Musique  composee  de  toutes 
les  plus  belles  voix  des  deux  Chapitres  (S*  Etienne  et  Sl  Saturnin),  et  de 
la  Ville ••). 


1)  Arch.  dep.  H*e  G»*.    D°»  du  13  aout  1680. 

2}  Ibid.  Don  du  22  nov^e  1680.  Les  gages  de  Thonin  etaient  fixes  a  100  ecus 
par  an,  avec  la  «miche»,  evaluee  a  2  pistoles. 

3;  Don  du  26  avril  1681 ;  le  joueur  de  viole  touche  40  sols  de  plus  par  mois. 

4)  Don  du  5  juillet  1681. 

5,  Mercure  galant,  octobre  1682.  T.  I.  p.  218. 

6)  Ibid.  p.  220. 

7)  Ce  concert  eut  lieu  le  2  aeptembre.    Ibid.  p.  236. 

8)  Ibid.  pp.  238—239. 

9;  Ibid.  p.  243.  Chez  les  Dames  chanoinesses  de  S*  Pantaleon,  «les  hautbois 
et  les  trompettes..  placez  dans  le  Ravelin  de  leur  eglise,  faisaient  un  agreable  con- 
cert* (p.  247,. 

s.  d.  IMG.    x.  13 


184  L*  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 

Ces  divers  documents  montrent  que  Toulouse  6tait  riche  en  ressour- 
ces  musicales  et  que  la  musique  y  6tait  activement  cultivee. 

A  peine  install^  dans  ses  nouvelles  fonctions,  Campra  manifeste  des 
vell&t£s  de  musique  instrumental.  Sur  sa  proposition,  le  chapitre  de- 
cide, le  25  juin  1683,  que  deux  violons  seront  achet^s  «pour  enseigner 
aux  enfants1)*. 

Ainsi  Campra,  qui,  plus  tard,  devait  introduire  les  violons  au  choeur 
de  Notre  Dame  de  Paris,  s'employait  d6jk  k  propager  Fusage  de  ces 
instruments  dans  la  musique  de  St.  Etienne.  Les  violons  devenaient  en 
effet  n^cessaires  pour  l'execution  des  motets,  dans  lesquels  la  voix 
s'appuyait  fr^quemment  sur  deux  dessus  de  violons.  Nous  rencontrerons 
des  exemples  de  ce  dispositif  dans  la  propre  ceuvre  de  Campra.  Peut-etre 
aussi,  le  maitre  de  chapelle  songeait-il  k  la  musique  profane  et  aux  fetes 
qui  se  c£l£braient  k  Toulouse  meme,  dans  le  college  des  Pfcres  de  la 
Congregation  de  la  Doctrine  chr£tienne;  Ik,  on  repr&entait  k  l'occasion 
de  la  distribution  des  prix  que  le  Maire  et  les  Capitouls  donnaient  tous 
les  ans  aux  &&ves  de  rh^torique,  des  tragedies  accompagn^es  de  chants 
et  de  ballets2).  II  y  avait  aussi  des  fetes  musicales  k  Toccasion  des 
Jeux  flcraux.  Le  5  avril  1684,  on  chante  dans  le  grand  consistoire  de 
P  Hotel  de  Ville  une  pifcce  du  sieur  Aphroidise,  maitre  de  musique  de 
Tdglise  S*  Sernin,  intitule:    VOuverture  des  Jeux  flcraux  de  Toulouse*). 

Pendant  cette  premiere  annee  de  la  direction  de  Campra,  le  chapitre 
s'attache  d^finitivement  la  basse-taille  Thonin;  ce  chanteur  est  nomme  a 
vie,  k  raison  de  20  livres  par  mois,  «tant  qu'  il  conservera  sa  voix4)*. 
Puis,  le  9  juin  1684,  k  l'expiration  de  Tann^e  pour  laquelle  Campra  avait 
6t6  engage,  celui-ci  sollicite  et  obtient  le  renouvellement  de  son  contrat, 
dont  quelques  particularity  nous  sont  signalees  dans  la  deliberation  ca- 
pitulaire  intervenue  k  cet  effet.  Nous  y  voyons  que  Campra,  comme 
ses  pr£d£cesseurs,  touchait  des  d&ivrances  en  nature,  et  non  pas  seule- 
ment  des  «miches>  comme  Mourgue,  mais  bien  du  ble: 

«Le  Vendredy  neufviesme  jour  de  Juin  1684,  a  Tissue  des  offices  du 
choerfr,  dans  la  salle  et  lieu  capitulaire  de  l'Eglise  m£tropolitaine  de  Tou- 
louse .  .  .  Monsieur  de  Rudelle,  chantre,  a  propose*  que  le  sieur  Campra. 
maistre  de  musique  de  la  Chapelle  de  cette  Eglise,  prie  la  Compagnie  de 
lui  renouveler  son  contrat  et  de  luy  accorder  les  douze  setiers  et  demy  de 
bled  qu'on  donnoit  aux  pr6c6dents  maistres,  au  dessus  des  vingt  portes  par 
son  dernier  contrat.  Sur  quoy,  ayant  este  opin6,  il  a  estc*  delibere*  que  le 
contrat  sera   renouvelle*    pour    quatre    annees    audit   sieur  Campra    et    que  la 


1)  Arch.  dep.  de  la  Hte  Garonne.    Serie  G.    Reg.  151.    Do*  du  26 juin  1683. 
2,  Mercurc  galanU  septembre  1697,  pp.  235  et  suiv. 

3   Aphroidise   fut  nomine   inaitre  de  musique  a  S*  Etienne  en  1696;  il  y  pre- 
c6da  Farinelli.     Cf.  Beauchamp.  Ill,  p.  184. 
4^  Don  du  26  Janvier  1684. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra.  185 

Compagnie,  luy  accorde  les  douze  setiers  et  demy  de  bled  au-dessus  des  vingt 
portes  par  son  prudent  contrat,  faisant  en  tout  trente-deux  setiers  et 
demy  »  1). 

Le  premier  contrat  de  Campra  portait  done  la  mention  d'une  de- 
livrance  de  20  setiers  de  ble.  La  decision  de  l'assembiee  capitulaire  est 
tout  k  Thonneur  de  notre  musicien;  elle  montre  qu'on  etait  satisfait  de 
ses  services  k  Sl  Etienne,  car,  non  settlement  on  augmentait  ses  gages, 
mais  encore,  on  se  Tattachait  pour  une  periode  de  4  annees. 

Toujours  preoccupe  de  perfectionner  l'education  musicale  des  enfants 
confies  k  ses  soins  et  aussi,  de  ddvelopper  au  choeur  l'eiement  sympho- 
nique,  Campra  propose,  en  1685,  de  faire  l'acquisition  d'une  «vieille 
ba8se>  pour  apprendre  k  ses  elfcves  k  en  jouer2).  Sa  reputation  a  dtl 
s'etendre  et  se  confirmer,  car  nous  le  voyons  appele,  en  quality  de  maitre 
de  musique,  aux  Etats  de  Languedoc  qui  se  tinrent  k  Montpellier,  du 
23  octobre  au  10  decembre  1685 3). 

La  tenue  solennelle  des  Etats  comportait  une  partie  musicale  plus  ou 
moins  importante,  Te  Deum,  Messe  du  Saint-Esprit  et  Procession*).  Ces 
diverses  ceremonies  necessitaient,  non  seulement  un  corps  de  chanteurs, 
que  Ton  r^unissait  k  Toccasion  de  la  session  des  Etats,  mais  encore  des 
groupes  d'instrumentistes.  C'est  ainsi  que,  pendant  la  tenue  de  1628  k 
Toulouse5),  un  sieur  Mathelin  participe  aux  fetes  avec  sa  bande  de  vio- 
lons  et  de  hautbois.  On  lui  delivre  une  gratification  de  37  livres,  10  sols 
pour  avoir  joue,  lui  et  ses  compagnons,  k  la  procession  generate  des 
Etats6).  Nous  retrouvons,  11  ans  aprfes,  le  meme  Mathelin  en  fonctions 
et  touchant,  pour  le  meme  motif,  une  gratification  de  30  livres7). 

Disons  de  suite  que  la  partie  vocale  Temportait  de  beaucoup  sur  la 
partie  instrumentale  dans  les  fetes  musicales  qui  accompagnaient  la  tenue 
des  Etats.  On  chantait  tous  les  jours  k  la  messe;  aussi,  les  sommes 
destinees  k  la  remuneration  des  chanteurs  sont  elles  plus  considerables 
que  celles  qu'on  alloue  aux  instrumentistes,  dont  le  role  parait  plus  in- 
termittent.   Pendant  la  tenue  de  Beziers  en  1637,  les  Etats  decident  que 

1)  Don  du  9  juin  1684. 

2)  Don  du  7  avril  1684. 

3)  Ce  furent  le  Cardinal  de  Bonzy  et  le  due  de  Noailles  qui  presiderent  a  la 
tenue  des  Etats.  [Histoirc  de  la  Villc  de^MontpeUier  par  Charles  d'Aigrefeuille,  1737, 
T.  XIX.  pp.  458,  460. 

4)  Sur  le  ceremonial  des  Etats  consulter:  Ceremonial  des  Etats  generatix  de 
la  Province  de  Languedoc  par  M.  de  Scudier,  consul  de  Ni£mes.  Bib.  de  Toulouse, 
ms.  989,  f°  179  et  aussi:  Ceremonial  des  Estats  generaulx  de  la  province  de  Languedoc. 
Bib.  d' Aries,  ms.  9,  fos  561—577. 

5)  Les  Etats  se  tinrent  a  Toulouse  en  1628,  du  2  mar6  au  23  juin.  Arch.  dep. 
de  la  lite  Garonne.     Etats  de  Languedoc.    C.  2300. 

6)  Arch,  de  la  Hte  Garonne.    C.  2300.  fo  167  a  233.  Inventaire  sommaire  p.  242. 

7)  Ibid.  C.  2302.  Inv.  sorn.  p.  264.  —  Etats  de  1639  (du  21  novembre  au  16  de- 
cembre). 

13* 


186  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeuneese  d' Andre  Campra. 

le  maitre  de  musique  de  B^ziers  et  ses  compagnons  recevront  600  livres 
pour  avoir  chants  h  la  procession  des  Etats  et  tous  les  jours  h  la  messe. 
Seulement,  on  ajoutait,  qu'a,  Tavenir,  il  serait  accords  seulement  300  livres 
pour  la  musique,  pendant  la  duree  de  la  session.  Les  Etats,  on  le  voit, 
n'ignoraient  point  Teconomie 1). 

Durant  cette  session  de  1637,  Torganiste  touchait  38  livres  de  grati- 
fication pour  sa  participation  k  la  procession,  et  les  joueurs  de  hautbois 
qui  avaient  assists  k  la  c^remonie  recevaient  une  gratification  de  32 
livres  *). 

La  satisfaction  que  les  deputes  ressentaient  de  ces  diverses  mani- 
festations musicales,  se  traduisait  parfois  par  des  distinctions  concedees 
aux  maitres  de  musique  qui  avaient  su  leur  plaire.  Ainsi,  lors  de  la 
tenue  de,  Carcassonne  en  1666 — 1667,  les  Etats  temoignaient  de  la  vive 
admiration  qu'ils  ressentaient  pour  le  sieur  Molinier,  maitre  de  musique, 
en  le  nommant,  k  vie,  «intendant  et  maistre  de  musique  des  Etats »  et 
cela,  moyennant  un  salaire  de  5000  livres  par  an,  «&  charge  de  com- 
poser une  musique  des  16  meilleures  voix  de  la  province3)*.  Molinier 
prit  comme  survivancier  le  maitre  de  musique  du  due  d'Orllans,  le 
sieur  des  Sablifcres,  pendant  la  session  qui  se  tint  &  Montpellier  en  1675 
— 1676 4).  —  H  s'agissait  ici  de  Jean  Granouillet,  sieur  des  Sablifcres, 
Passocte  de  Perrin  et  de  Guichard  pour  la  gestion  de  POpera5). 

Lorsque  Campra  fut  appele  k  Montpellier  pour  diriger  la  musique 
des  Etats  pendant  la  session  de  1685,  il  ne  remplissait  lit  que  des  fonc- 
tions  d'int^rimaire,  car  le  maitre  de  musique  titulaire  etait  Malet,  depuift 
la  fin  de  l'annfe  1684  •). 

Ce  Malet  ne  parait  pas  devoir  etre  confondu  avec  Andr6  Mallet, 
maitre  de  musique  de  la  chapelle  des  Etats  depuis  la  fin  de  Pann^e  1705, 
oil  il  remplagait  le  sieur  Moreau,  demissionnaire,  que  son  homonyme  avait 
pris   comme  survivancier7).     II  est  possible   que  le  Malet  qui  occupait 

1)  Arch.  dep.  de  la  H*e  G»*.  C.  2302^  a  Beziers.  —  Stance  du  15  decembre  1637. 
lnv.  som.  p.  737. 

2)  Ibid.    Seance  du  16  decembre  1637. 

3)  Ibid.  C.  2315.  f°  258.  Session  de  Carcassonne,  du  29  novembre  1666  an 
7  mare  1667.    Inv.  som.  p.  368. 

4]  Ibid.  C.  2320.  Session  de  Montpellier,  de  novembre  1675  a  f^vrier  1676L 
Inv.  som.  p.  394. 

5)  Sur  des  Sablieres,  voir  Les  Origtnes  de  V  Optra  fran^ais  par  Ch.  Nuitter  et 
Er.  Thoinan,  Paris,  1886,  pp.  184  et  suiv.,  320  et  suiv.  Un  sieur  de  la  Sabliere, 
maitre  de  musique  des  Etats  de  Languedoc,  meurt  a  la  fin  de  1684  et  une  pension 
de  600  livres  est  accordee  a  sa  veuve  (Arch.  dep.  de  la  H*«  Garonne,  C.  2329).  — 
(Test  probablement  le  me  me  musicien. 

6    Arch.  dep.  H*e  Garonne.     C.  2329.  —  (Nov^e,  Decembre  1684). 

7.  Le  6ieur  Malet  ou  Mallet,  nonime  en  1684  en  remplacement  de  la  Sabliere,  eat 
comme  survivancier  le  sieur  Moreau  a  la  fin  de  1692.  [Etats  de  Languedoc.  C.  2337 
session  de  Pezenas  du  20  nov*»™  1692  au  17  Janvier  1693.    Inv.  som.  p.  442],    U  ne 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra.  187 

I'emplai  de  maitre  de  musique  des  Etats  en  1685,  n'etait  autre  que  ce 
Malet  <T  Avignon  que  nous  voyons  prendre  part  en  1683  au  fameux 
concours  institu^  pour  recruter  des  maitres  de  la  chapelle  royale1).  Si 
cette  hypothfese  est  exacte,  on  voit  que  Campra  devait  jouir  d6]k  d'une 
grande  reputation,  pour  que  Tassembl^e  provinciale  l'appelat  k  remplacer 
un  maitre  qui  avait  eu  l'honneur  d'etre  mand£  k  Versailles.  On  trouve 
un  echo  de  cette  reputation  pr^coce  dans  le  Sentiment  (Tun  harmoni- 
phUe  de  1756.  L'auteur,  traitant  des  particularity  de  la  vie  de  Campra, 
s'exprime  ainsi: 

«Son  genie  pour  la  Musique  s'etant  developpl,  il  g'appliqua  de  bonne 
heure  a  la  composition.  A  peine  avait -il  25  ans,  (1685)  que  sa  reputation 
voloit  de  toutes  parts*  2). 

Quoi  qu'il  en  soit,  avant  de  se  rendre  aux  Etats,  Campra  demandait 
un  cong£  pour  aller  k  Aix.  Cest  ce  que  nous  apprend  la  deliberation 
capitulaire  du  13  septembre  1685: 

«  Monsieur  de  Rudelle,  chantre,  a  propose  que  le  sieur  Campra,  maistre 
de  musique,  prie  la  Compagnie  de  luy  accorder  la  permission  et  la  presence 
pour  aller  a  son  pays,  et  ensuite  aux  Estats  ou  il  est  oblige  de  faire  chanter. 
Sur  quoy  ayant  opine,  il  a  este  delibere  que  la  Compagnie  accorde  le 
conge  et  la  presence  aud.  Campra  jusques  a  huit  jours  avant  les  festes  de 
NoeM). 

Les  cbanoines  voulaient  bien  preter  leur  maitre  de  chapelle,  mais  ils 
tenaient  k  ce  qu'il  eut  rejoint  son  poste  pour  pouvoir  preparer  la  so- 
lennite  de  Noel.  Campra  ne  fut  pas  d'ailleurs  le  seul  representant  de  la 
maitrise  de  S*  Etienne  k  Montpellier,  car,  le  6  octobre  1685,  le  chapitre 
accordait  un  conge  k  la  basse-taille  Thonin,  pour  lui  permettre  d'aller 
chanter  pendant  la  tenue  des  Etats4). 

Nous  ne  savons  rien  de  precis  sur  le  role  que  Campra  joua  k  Mont- 
pellier et  sur  le  salaire  qui  lui  fut  alloue  pendant  la  tenue  des  Etats. 

L'annee  1686  voit  surgir  un  differend  entre  Campra  et  les  quatre 
cantoraux    de    8l  Etienne,    differend    dont   les   archives   capitulaires   ne 

semble  pas  devoir  etre  le  meme  que  le  sieur  Andre  Mallet  «nomme*  maitre  de  mu- 
sique des  Etats  a  la  place  du  sieur  Moreau  demissionnaire>  [C.  2350  a  Montpellier, 
du  10  decembre  1705  au  8  fevrier  1706.  Inv.  som.  p.  478].  Cest  Andre  Mallet  qui 
composa  ?  Impromptu  de  Nismes,  pastorale  representee  le  9  decembre  1714  chez 
M.  le  Marquis  de  Maillebois,  Lieutenant  general  pour  le  roi  en  Languedoc  (de  Beau- 
champs.  Loc.  cit.  p.  89).  —  Cest  peut-etre  le  meme  personnage  qui  a  compose  la 
Cantate  patoise  et  les  Psaumes  des  mss.  1182  et  1185  de  la  Bibliotheque  d* Avignon. 
Voir:  A.  Gastoue,  La  Musique  a  Avignon  et  dans  le  Comtai  du  XIVe  au  XVITP  sticle 
(Mvista  musicals  italiana,  T.  XI,  1904). 

1)  Sur  le  concours  de  1683  auquel  36  musiciens  prirent  part,  voir  M.  Brenet, 
La  Musique  sacree  sous  Louis  XIV.    1899.    p.  11. 

2)  Sentiment  (Tun  harmoniphile  sur  differ ents  ouvrages  de  musique,  1756,  p.  41. 

3)  Arch.  dep.  de  la  Ht«  Garonne.  S*e  G.  Regiatre  N°  161.  —  Don  du  jeudi, 
13  septembre  1685,  a  Tissue  des  offices  da  chceur. 

4)  Ibid.  Don  du  6  octobre  1686. 


188  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 

disent  pas  la  nature;  une  plainte  contre  Campra  faisait  l'objet  d'une 
requete  adress^e  par  les  cantoraux  au  chapitre.  Aprfcs  lecture  de  cette 
requete  k  l'assemblee  capitulaire,  deux  chanoines  et  les  celleriers  sont 
nommes  commissaires  afin  de  mettre  d'accord  le  maitre  de  musique  et  les 
cantoraux1).  Une  semaine  apres,  la  paix  regnait  derechef  au  choeur  de 
S*  Etienne,  les  adversaires  ayant  reconnu  devant  M.  de  Madron  et  les 
autres  commissaires  que  leurs  griefs  reciproques  n'existaient  plus1). 

A  cette  epoque,  Campra  provoque  1' achat  d'une  haute- contre  de 
violon,  et  le  choix  d'un  joueur  de  basse 3).  En  meme  temps,  le  chapitre 
prend  des  mesures  contre  les  chantres  peu  disciplines  qui  montraient  de 
la  mauvaise  volonte  k  chanter  le  plain-chant4). 

Mais,  Campra  lui-meme  laissait  enfreindre  par  les  £lfcves  la  discipline 
de  la  maitrise,  et  il  s'entend  menacer  par  le  chapitre  qui  ne  veut  point 
que  les  enfants  chantent  au  dehors  sans  une  permission  speciale.  Le 
samedi  23  mars  1686,  l'assemblee  capitulaire  lui  adresse  un  bref  et  de- 
cisif  avertissement. 

«Sur  la  proposition  de  Mr  le  Chantre,  il  a  este*  delibere  qu'en  renou- 
velant  les  anciens  regie  mens,  il  est  deTendu  au  maistre  de  musique,  a  peine 
d' est  re  mis  for  is,  de  permettre  que  les  enfans  aillent  chanter  hors  de  l'eglise 
sans  Texpresse  permission  de  la  Compagnie*5). 

Nous  ne  tarderons  pas  k  constater  que  Campra  ne  sembla  pas  tenir 
un  compte  assez  s&ieux  de  cet  avis.  Et  pourtant,  le  chapitre  de 
S*  Etienne  se  montre  d'une  large  tolerance  et  accorde  volontiers  les  per- 
missions exig^es  par  les  r^glements,  lorsqu'il  s'agit  de  faire  chanter  les 
enfants  en  dehors  de  l'tSglise.  C'est  ainsi,  qu'au  mois  de  juin,  il  donne 
au  maitre  de  musique  1'autorisation  de  les  emmener  chez  les  Penitents 
blancs6). 

Les  documents  que  nous  fournissent  les  archives  capitulaires  paraissent 
montrer  que,  si  Campra  s'acquittait  bien  des  devoirs  artistiques  de  sa 
charge,  il  n'^tait  point  sans  temoigner  d'une  certaine  negligence  k  regard 
de  l'administration  de  la  maitrise.  En  aoilt  1686,  il  fait  cong^dier  des 
enfants  de  chasur  depourvus  de  voix  et  le  chapitre  le  charge  de  pourvoir 
k  leur  remplacement.  Mais,  en  meme  temps,  les  chanoines  proc£dent  a 
la  nomination  de  deux  intendants  qui  devront  remedier  au  d&ordre  qui 
rfcgne  dans  la  maitrise7). 

1)  Arch.  d£p.  de  la  H*e  Garonne.    Don  du  vendredi  18  Janvier  1686. 

2)  Ibid.    Don  du  vendredi  25  Janvier  1686. 

3)  Ibid.     Don  du  8  fevrier  1686. 

4)  Ibid.  —  M§me  Don. 

5)  Ibid.  S'«  G.  —  Chapitre  de  S*  Etienne.  Registre  no  161.  —  Don  do  23  man 
1686.  —  Cette  prohibition  £tait  alors  d'ueage  general.  On  la  retrouve  formulae 
par  tous  les  chapitres,  notamment  a  Rouen,  a  Nantes  et  a  Blois. 

6)  Ibid.    Don  du  14  juin  1686. 

7)  Ibid.    Don  du  9  aout  1686. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesee  d' Andre  Campra.  189 

Campra  ne  tient  pas  la  main  &  ce  que  les  r^glements  soient  stricte- 
ment  observes;  il  laisse  faire,  et  la  discipline  s'en  ressent.  Aussi,  le 
chapitre  lui  adresse-t-il,  k  nouveau,  une  verte  reprimande  pour  sa  negli- 
gence: 

<M.  de  Rudelle,  chantre,  a  propose  qu'il  a  este*  averti,  qu'au  prejudice 
des  defenses  que  la  Compagnie  a  fait  au  Sieur  Campra,  maistre  de  musique, 
de  laisser  sortir  les  enfans  que  pour  le  service  de  cette  eglise,  il  a  entrepris 
neanmoings  d'en  faire  sortir  quelqu'un,  mesme  la  nuit,  a  quoy  il  serait  im- 
portant de  pourvoir.  Sur  quoy  ayant  este*  opin£,  il  a  este*  delibere"  qu'avant 
d'ordonner  quelque  peine  contre  led.  Campra,  il  sera  mande"  par  le  bedau 
pour  venir  sur  l'heure  comparoistre  devant  le  chapitre  >. 

Aussitot,  le  bedeau  d'aller  chercher  Campra  et  de  l'amener  devant  le 
chapitre.  Lk,  M.  de  Comynihan,  archidiacre  et  president,  l'interroge  sur 
les  faits  qui  lui  sont  reproch^s: 

«A  quoy  led.  Campra  auroit  respondu  qu'il  estoit  vray  que  Louis,  en- 
fant de  chouir,  estoit  sorty  un  soir  seulement,  en  chaise,  parce  que  Mon- 
seigneur  l'Archevesque  Tavoit  souhaite'  ainsy,  et  que  mesme  led.  Louis  estoit 
revenu  dans  la  mestrise  a  fort  bonne  heure  et  auroit  d£ni£  sous  suportation 
les  autres  faits.  Apres  quoy,  led.  Sieur  de  Comynihan  luy  ayant  ordonn£, 
de  la  part  du  Chapitre,  de  ne  plus  entreprendre  cela,  a  peine  d'estre  puny, 
luy  auroit  enjoint  de  se  retirer*. 

On  le  voit,  Campra  cherche  k  se  tirer  habilement  d'affaire  en  impu- 
tant  la  sortie  nocturne  d'un  de  ses  elfcves  k  un  d&ir  exprimi  par  l'ar- 
cheveque  lui-meme.  —  Malgr£  1'excuse  qu'il  invoque,  le  chapitre  reitfcre 
les  anciennes  prohibitions  et  menace  Campra  de  congddiement,  en  cas  de 
recidive: 

«Et  ayant  este  opine  sur  cette  affaire,  il  a  este  d£lib£re  qu'en  confirmant 
les  anciens  rSglements  pris  sur  ce  sujet,  il  est  de  nouveau  deTendu  au  maistre 
de  musique  de  laisser  sortir  les  enfants  hors  du  service  de  l'^glise,  a  peine 
d'estre  congSdie^1). 

Nous  avons  clit  plus  haut  que  le  chapitre  donnait  volontiers  k  tout 
ou  partie  de  ses  chanteurs  des  autorisations  pour  aller  chanter  au  dehors. 
On  en  a  une  nouvelle  preuve  au  mois  d'avril  1688,  oti  l'assembl^e  ca- 
pitulaire  permet  k  6  musiciens  du  choeur  de  se  rendre  k  Pamiers,  afin 
d'y  chanter  le  jour  de  la  S*  Antoine,  fete  patronale  du  diocese.  C'etait 
l'eveque  lui-meme  qui  avait  sollicitd  cette  collaboration  des  chanteurs 
de  S*  Etienne,  demarche  des  plus  flatteuses  pour  la  musique  que  diri- 
geait  Campra2).  Le  chapitre  veillait  aussi  k  ce  que  les  pr^bendiers  et 
les  pretres  du  cha3ur  apprissent  le  plain-chant;  il  prenait  meme  des 
mesures  £nergiques  pour  vaincre  leur  apathie,  d^cidant  que,  si  au  bout 
de  trois  mois  ils   n'avaient  pas  satisfait  &  ses   injonctions,   ils  seraient 

1)  Arch.  de>  de  la  H*®  Garonne.    S'«  G.    Don  du  24  Janvier  1687. 

2)  Delib°n  du  3  avril  1688.  —  Le  22  octobre  de  la  meme  annSe  1688,  le  Chapitre 
de  St  Etienne  renouvelait  pour  5  annees  le  contrat  qui  le  liait  a  l'organiste  Lanes. 


190  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre*  Campra. 

cong£di6s  *).  En  1690,  Campra  fait  renvoyer  k  leurs  families  des  enf ants 
de  choeur  sans  voix2),  et,  probablement  par  suite  de  l'importance  crois- 
sante  du  service,  le  chapitre  £tudie  la  question  de  la  nomination  d'un 
sous-maitre  de  musique  h  la  maitrise3),  pendant  qu'il  renouvelle  le  bail 
pass£  avec  un  des  meilleurs  musiciens  du  choeur,  le  sieur  Thonin,  qui 
regoit  dorenavant  16  livres  par  inois4). 

Dans  son  prdcieux  Dictionnaire  critique,  Jal  a  narr£  la  singuli&re 
histoire  arrivde  h  Campra  &  Toulouse,  en  mars  1690.  —  H  s'agit  d'un 
enrolement  forc6  dont  le  musicien  aurait  (Ste  victime  de  la  part  d'un 
enseigne  de  vaisseau,  le  chevalier  de  Julliard,  charge  de  recruter  des  marins 
pour  l^quipage  du  vaisseau  Le  Strieux*).  Jal  cite  k  1'appui  de  son 
r^cit  un  grand  nombre  de  pieces  des  archives  de  la  Marine  que,  jusqu'a 
present,  nous  n'avons  pu  retrouver6),  k  V  exception  de  la  lettre  ci-aprfcs, 
ecrite  par  Tarcheveque  de  Toulouse  &  Pontchartrain,  pour  se  plaindre  des 
agissements  du  trop  z6\6  officier: 

A  Toulouse,  ce  15**  mars  1690. 
Monsieur, 
<  II  y  a  icy  le  Sieur  Chevalie  de  Juliard,  enseigne  de  vaisseaux  qui,  sous  le  pretexts 
d'one  recriie  qu'il  vient  faire  icy,  a  faict  toutes  les  violances  imaginables,  nonobstant 
toutes  les  remonjrances  que  Ton  luy  ayt  pu  faire  et,  afin  que  vous  en  ayez  une  cog- 
noissance  parfaicte,  vous  s$aures  qu'ayant  passe  icy  de  la  part  du  roy  douze  charpen- 
tiers  et  fabricateurs  de  rame  pour  aller  a  Rochefort  travailler  aux  nouvelles  galeres,  le 
Sieur  Juliard  enleva  de  force  un  des  charpentiers  pour  le  mener  a  la  guerre ;  le  com- 
missaire  de  la  marine  qui  conduisoit  les  dix-huict  homines  me  vint  trouver  sur  le  soir 
pour  me  prier  de  luy  donner  main  forte  et  du  monde  pour  chercber  dans  toute  la 

1)  Delibon  du  4  d<§cembre  1688. 

2)  D&ibon  du  20  Janvier  1690. 

3)  Delibon  du  11  fe>rier  169a 

4)  Deliberation  du  26  fe>rier  1690.  —  Un  maitre  de  «dessus  de  violon*  du 
nom  de  Tbonin  babitait  a  Paris,  rue  de  la  Verrerie,  en  1691.  (A.  du  Pradel,  Lkrt 
commode  des  adr esses  de  Paris;  p.  48). 

5)  II  y  avait  au  cbapitre  de  S*  Etienne  un  cbanoine  du  nom  de  Julliard.  La 
famille  de  Juliard  a  donne  des  conseillers  au  parlement  de  Toulouse;  c'est  ainsi 
qu'en  1589,  Denis  de  Juliard  est  conseiller  au  Parlement  (Arch,  de  la  Hte  Garonne, 
C.  1562.  Inv.  som.  p.  253),  que  de  1623  a  1630,  Gilles  de  Julliard  est  conseiller  au 
Parlement  (Ibid.  B.  435.  fo  511,  B.  452.  f<>  239,  B.  501.  f»  480,  B.  505.  f<>  333,  —  En 
1686,  il  y  a  encore  un  conseiller  du  meme  nom.  (Ibid.  C.  2331.  Inv.  som.  p.  429). 
—  Nous  n'avons  pas  trouv6,  aux  Archives  de  la  Marine,  de  dossier  au  nom  du 
Chevalier  de  Julliard. 

6)  Voici  les  pieces  citees  par  Jal  et  qui  se  rapportent  a  TafFaire  Campra: 
Lettre   de  M.  de  La  Moignon   de  Basville,  Montpellier,  16avril;  —   lettre  du 

Ministre  a  M.  de  La  Moignon,  7  mars;  requetes  de  Campra;  lettre  de  M.  de  La 
Moignon,  18  mars;  dire  de  M.  de  Juliard,  12avril;  affirmation  sur  les  Saints  Evan- 
giles  de  noble  Gaudens  La  Forgue,  faisant  profession  de  porter  les  armes.  Cf. 
Jal,  Dictionnaire  critique  de  Biographic  et  a" Histoire,  p.  311.)  —  Ces  diverses  pieces 
etaient  classees  sous  la  date  du  16  avril  1690,  aux  Documents  historiqucs  des 
Archives  de  la  Marine,  lorsque  Jal  les  a  consultees.  Depuis,  on  a  adopts,  pour 
ces  archives,  un  autre  cadre  de  classement,  et  il  se  pourrait  que  le  dossier  Campra 
ait  £te  disperse. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andr£  Campra.  191 

ville  son  charpentier;  je  luy  ay  donne*  beaucoup  de  monde  pour  aller  par  toute  la.  ville 
et  particulierement  chez  les  capitaines  et  ofnciers  qui  faisoient  des  recrues;  il  s'y 
trouva  le  charpentier  dans  la  maison  du  Chevalie  de  Juliard  qu'il  avoit  mis  en  pri- 
son par  force  et  fust  conduit  dans  mon  archevesche*  et  il  le  remit  entre  les  mains  du 
commissaire  de  la  marine,  qui  n'ayant  nulle  habitude  a  Toulouse,  s'adressa  a  moy  de 
vostre  part;  le  Sieur  Chevali6  de  Juliard  a  faict  plus;  de  chagrin  de  ce  que  Ton  avoit 
oste  le  charpentier,  il  a  pretendu  avoir  enrole  le  maistre  de  musique  de  mon  eglise 
cathedrale;  Ton  luy  a  demande  quelle  preuve  il  avoit  de  son  enrolement;  il  a  dit  qu'il 
l'avoit  enrole  de  son  authorite;  cela  estant,  Ton  la  faict  consigner  par  une  ordonnance 
du  subdel6gue  de  Monsieur  de  Basvil  i),  qui  cognoist  icy  de  la  contestation  qui  arrive 
des  enrolemens;  il  n'a  rien  respondu,  Tordonnance  ayant  este  encore  a  Monsieur  de 
Basvil,  il  a  donne1  une  autre  ordonnance  qui  ordonne  qu'il  prouvera  dans  trois  jours 
le  pr£tandu  enrolement;  il  n'y  a  rien  respondu,  et  dit  qu'il  ne  recognoit  icy  nulle 
justice  que  la  nostre;  Monsieur  de  Basvil  a  toutes  les  procedures  concernant  cette 
affaire  qu'il  ne  manquera  pas  de  vous  envoyer;  Ton  ne  peut  s'imaginer  la  hardiesse 
du  Sieur  Juliard  disant  partout  qu'ayant  Madame  d'Arpajon  pour  sa  protectrice; 
Vous  luy  enverrez  un  ordre  du  roy  pour  qu'il  soit  obey;  ce  sont  gens  d'un  pays  un 
peu  chaud  dont  il  faut  reprimer  l'impetuosite  et  leurs  faire  cognoistre  qu'il  se  faut 
<jonduire  autrement;  comme  le  Sieur  Chevalier  de  Juliard  est  un  ofncier  de  marine, 
J 'ay  cru  Monsieur  que  je  debvois  vous  instruire  de  ce  detail  afin  que  le  roy  et  vous  y 
mettiez  l'ordre  que  vous  jugeres  a  propos.  Voila  la  verity  de  ce  qui  s'est  passe*  tant 
pour  les  charpentiers  et  fabricateurs  de  rame  qui  ont  passe*  par  icy  pour  aller  Roche- 
fort  que  pour  le  maistre  de  musique  de  1' eglise  cathedrale  de  Toulouse.  Je  suis  tou- 
jours  avec  beaucoup  de  respect,  Monsieur,  Vostre  tres  humble  et  tres-obeissant  ser- 
viteur.    J.-B.  M.  Colbert,  arch  v.  de  Toulouse2*). 

Ce  Juliard  £tait  en  effet,  un  personnage  qui  ne  manquait  pas  d'aplomb; 
en  depit  des  ordres  exprfcs  du  roi,  il  se  livrait  k  Toulouse,  pour  le  compte 
de  son  chef,  le  commandeur  de  Bellefontaine  de  la  Malmaison  comman- 
dant le  vaisseau  Le  Stirieux  en  armement  &  Toulon3),  k  une  veritable 
«presse  de  matelots*.  II  s'etait  adress^  k  Campra  dans  le  but  de  decider 
deux  des  choristes  de  la  cathedrale  k  s'enroler,  et,  sur  le  refus  de  ceux- 
ci,  il  pretendait  enroler  de  force  Campra  lui-meme4).  En  reponse  aux 
protestations  du  maitre  de  musique,  Juliard  manifesta  purement  et  sim- 
plement  Fintention  de  le  faire  emprisonner.  D'ou,  intervention  de  Parche- 
veque;  le  27  fevrier,  un  juge  ordonne  que,  danp  trois  jours,  Tenseigne  prou- 
vera que  Tenrolement  nie  par  Campra  est  veritable;  Juliard  reste  coi,  et 
le  18  mars,  M.  de  Basville,  l'intendant  de  la  province,  declare  nul  ce 
pretendu  enrolement.  Mais,  comme  Juliard  menace  encore,  Pontchar- 
train  fait  communiquer  le  dossier  de  Taffaire  k  Basville,  et  c'est  alors 
que  l'enseigne  recalcitrant  imagine  tout  un  roman.    A  Ten  croire,  Campra 

1)  M.  de  La  Moignon  de  Basville,  intendant  de  Languedoc  a  Montpellier.  — 
Sa  correspondance  pour  Tannee  1690  est  dans  B3  62.     (Arch,  de  la  Marine.} 

2)  I/archeveque  de  Toulouse  etait  Mg«"  Jean-Baptiste-Michel  Colbert  de  Villa- 
cerf.  —  Arch,  de  la  Marine.     B3  62.  fos  74,  75,  76.  —  Voir  aussi  B3  62,  fo  73. 

3)  Sur  le  Serieux,  voir  Arch,  de  la  Marine  B»  65.  48.  49.  —  II  s'agissait,  en 
Tespece,  de  la  flotte  qu'armait  Tourville. 

4)  Cf.  Jal.    Loc.  cit.  p.  310. 


192  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre"  Campra. 

est  ,un  libertin  qui  a  seduit  une  jeune  fille  et  qui  trouve  ingenieux  de 
se  soustraire  k  la  vengeance  de  [la  famille  de  sa  victime,  en  s'en  allant 
faire  campagne  au  loin.  Juliard  possfede,  en  la  personne  de  Gaudens  la 
Forgue,  un  temoin  de  l'aveu  de  Campra.  Fort  heureusement,  tout  cet 
echafaudage  de  mensonges  s'ecroule,  et  le  pauvre  musicien  recouvre  en- 
fin  la  liberty1). 

II  peut  alors  reprendre  k  la  maitrise,  et  en  toute  tranquillity  ses 
occupations  favorites.  Le  7  avril,  on  lui  adjoint,  conformement  k  la 
deliberation  prise  au  mois  de  fevrier,  un  sous-maitre  charge  d'apprendre 
la  musique  et  la  grammaire  aux  enfants  et  aussi,  de  jouer  de  la  basse 2). 
C'est  un  sieur  Duton  qui  se  voit  nomme  aux  appointements  de  3  livres 
par  mois3). 

Que  se  passe-t-il  au  choeur  durant  l'annde  suivante  1691?  H  semble 
que  certaines  pieces  de  la  composition  de  Campra  n'aient  pas  eu  Theur 
de  plaire  au  chapitre.  C'est  au  moins  ce  qui  parait  pouvoir  se  deduire 
d'une  deliberation  prise  le  4  aout,  et  aux  termes  de  laquelle  Tassemblee 
capitulaire  ordonne  au  maitre  de  musique  de  lui  faire  connaitre  les  mo- 
tets qu'il  compose,  avant  d'en  diriger  l'execution4). 

Mais  le  sejour  de  Campra  k  Toulouse  ne  durera  plus  longtemps  d£- 
sormais.  Dfcs  le  debut  de  1694,  le  musicien  demande  un  conge,  et  voici 
ce  que  decide  la  Compagnie: 

«M.  Daussonne,  chantre,  a  propose*  que  le  Sieur  Campra,  maistre  de  mu- 
sique de  la  Chapelle  du  Chapitre.  prie  la  Compagnie  luy  dormer  quelques 
mois  de  cong£,  pour  aller  a  Paris,  ou  il  espere  se  rendre  plus  capable  de 
rendre  des  services  a  la  compagnie,  ayant,  sous  le  bon  plaisir  de  la  com- 
pagnie, charge  Me  Malefette,  prestre  du  choeur,  du  soin  de  lameuagerie  de 
la  maistrise,  et  le  Sieur  Thonin,  musicien,  de  la  direction  de  la  musique; 
sur  quoy,  ayant  est6  opine,  il  a  este"  deliber6  que  la  Compagnie  accorde  le 
conge"   aud.  Sieur  Campra  jusques  au  prochain  mois  de  may>5). 

A  quelles  preoccupations  obeissait  Campra  en  demandant  ce  conge 
de  quatre  mois?  Etait-ce,  ainsi  qu'il  le  pretendait,  afin  de  «se  rendre  plus 
capable  de  rendre  ses  services*  au  chapitre,  soit  en  s'entourant  des  con- 
seils  de  musiciens  renommes  de  la  capitale,  soit  en  allant  s'y  approvi- 
sionner  d'oeuvres  qui  y  jouissaient  de  la  faveur  publique?  Nous  savons 
que  nombre  de  maitres  de  musique  de  province  sollicitaient  des  assem- 
blies capitulaires  de  leurs  residences  l'autorisation  de  faire  le  voyage  de 
Paris,  k  l'effet  de  se  tenir  au  courant,  de  prendre  connaissance  des  nou- 
veautes  parues  et  d'en  laisser  beneficier  leurs  maitrises  respectives  •). 

1)  Jal,  Loc.  cit.    p.  311.  2)  Don  du  7  avril  1690. 

3)  Don  du  26  mai  1690. 

4)  Don  du  4  aout  1691. 

6)  Arch.  dep.  de  la  Hte  Garonne.  Serie  G.  Chap,  de  St  Etienne.  Reg.  n*  162. 
Don  du  8  Janvier  1694. 

6)  C'est  ainsi  qu'a  Nantes,  par  exemple,  les   organistes  Julien  Louin  et  Jean 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeuneese  d' Andre*  Campra.  193 

Mais  l'intention  secrete  de  Campra  n'&ait-elle  pas  toute  autre,  et  son 
ambition  ne  le  poussait-elle  pas  k  invoquer  un  pretexte  de  perfectionne- 
ment  personnel  ou  de  services  k  rendre,  pour  prendre  pied  k  Paris  et 
s'y  installer  definite vement  ?  En  agissant  de  cette  manure  prudente,  il 
ne  brtilait  pas  les  ponts  derrifere  lui,  et  se  m^nageait  une  porte  de 
rentree.  Ce  que  nous  apprendrons  par  la  suite  du  caractfcre  de  Thomme 
incite  k  penser  que  Campra  manquait  de  sinc&itd  en  masquant  son  ddsir 
de  quitter  Toulouse  sous  une  apparence  de  d^vouement  au  chapitre 
de  S*  Etienne. 

Toujours  est-il  que  les  chanoines  confiaient,  en  son  absence,  la  direc- 
tion de  la  maitrise  k  ce  Thonin  dont  il  a  d6jk  6te  question  k  plusieurs 
reprises. 

Campra  revint-il  k  Toulouse  k  Texpiration  de  son  cong£,  ou  bien 
resta-t-il  k  Paris?  Les  deliberations  capitulaires  ne  nous  fixent  pas  k  cet 
egard.  Mais,  au  mois  de  juillet  1694,  c'est-k-dire  deux  mois  apr&s  la  termi- 
naison  de  son  cong£,  la  maitrise  de  S*  Etienne  £tait  d£clar£e  vacante,  par 
suite  de  sa  nomination  comme  maitre  de  chapelle  de  Notre-Dame  de 
Paris.  L'assemblee  demandait  de  faire  connaitre  la  vacance  au-dehors 
et  de  s'enquerir  de  bons  sujets  capables  de  la  combler.  On  confiait  Tin- 
t£rim  k  Torganiste  Lanes1). 

Un  mois  apr&s,  le  7  aoilt  1694,  la  place  de  Campra  dtait  mise  au 
concours : 

«Le  l6rSamedi,  septieme  jour  du  mois  d'aout  1694,  a  une  heure  apres- 
midi,  daus  la  salle  et  lieu  capitulaires  de  l'Eglise  M6tropolitaine  de  Tou- 
louse .  . .  M.  Daussonne,  chantre,  a  propose*  que  la  compagnie  a  6te*  in  form ee 
que  le  Sieur  Campra,  Maitre  de  musique  de  cette  Eglise,  a  6t6  nomine* 
maitre  de  chapelle  du  Chapitre  de  Notre-Dame  de  Paris,  et  que,  par  la,  la 
maitrise  de  la  Chapelle  de  cette  Eglise  etant  vacante,  il  faudrait  delib£rer 
sur  ce  que  la  Compagnie  trouvera  a  propos  de  faire  sur  ce  sujet;  sur  quoi 
ayant  este*  opinS,  il  a  este  delibe>e  que  la  charge  de  maitre  de  musique  de 
cette  Eglise  sera  mise  au  concours  le  25  octobre  1694  pour  estre  donnSe  a 
celui  qui  en  sera  trouve*  le  plus  capable,  Messieurs  lesdits  cell6riers  6tant 
pri£s  d'en  ecrire  dans  toutes  les  principales  villes  du  royaume*2). 

Le  successeur  de  Campra,  Bart,  ne  fut  nomme  que  le  10  fevrier  1696, 
aux  gages  de  18  livres  par  mois3). 

Ainsi,  soit  basard,  soit  tactique,  le  sejour  de  Campra  k  Paris  entraine 

sa  rupture  definitive  avec  le  chapitre  de  St.  Etienne.     C'est  maintenant 

\ 

Picot  e'en  vont  a  Paris,  soit  seuls,  soit  avec  les  maitres  de  musique,  «afin  de  se 
perfectionner  dans  la  profession*  et  «pour  apprendre  les  nouvelles  modes*  en  1685, 
1688,  1713  et  1715.  Voir  notre  ouvrage,  ISAcademie  de  musique  et  le  Concert  de 
Sanies  a  V hotel  de  la  Bourse,  p.  XL     lis  obtiennent,  dans  ce  but,  des  cong£s. 

1)  Arch.  de>  de  la  Hte  Garonne.  Serie  G.  Reg.  n<>  152.  Don  du  3  juillet 
1694. 

2)  Ibid.  Don  du  7  aout  1694. 

3)  Ibid.  Don  du  10  fevrier  1696. 


194  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre*  Campra. 

k  Notre-Dame  qu'il  va  falloir  suivre  le  musicien  pour  examiner  les  di- 
verses  p&ip£ties  de  sa  carrifcre. 

IV. 

Nous  venons  de  voir  que,  dfcs  le  3  juillet  1694,  Tassembl^e  capitulaire 
de  St.  Etienne  enregistre  la  nomination  de  Campra  en  qualite  de  maitre 
de  musique  de  l^glise  m^tropolitaine  de  Paris.  Cest,  en  effet,  le 
21  juin  1694,  qu'  Andrd  Campra  fut  promu  k  cette  dignity.  II  n'avait 
pas  encore  34  ans,  et  la  distinction  dont  il  etait  Tobjet  lui  ouvrait  une 
voie  aussi  brillante  qu'enviee1). 

Voici  le  texte  de  la  deliberation  du  chapitre  de  Notre-Dame  relative 
k  la  nomination  de  Campra.  Apr£s  avoir  accord^  k  son  prddecesseur 
Jean  Mignon2),  ancien  enfant  de  choour  de  la  maitrise  et  maitre  de  mu- 
sique k  Senlis8),  le  canonicat  de  S*  Aignan,  le  chapitre  ajoute: 

*Postmodum,  acta  sunt  gratia  per  Domitws  organo  Domini  Decani  ipsi 
Domino  Joanni  Mignon  de  tntmere  Magistri  Musices  et  SymphoniarcJiae  Eccle- 
siae  Parisiensis,  per  ipsum,  per  triginta  annos  digne  laudabiliter  et  sapienter 
gestof  ac  Ulico}  receptus  fuit  per  Dominos  in  iUius  locum ,  Magister  Andrceas 
Campra,  Clericus  diocesis  Aquisextiensis,  nuper  symphoniarcha  Ecclesice  Metro- 
politans Tolosance,  in  Magistrwm  musices  et  SymphoniarcJiam  Ecclesiae  Parir 
sioisis,  ad  hujusmodi  munus  gerendum  ad  stipendia  assueta  et  qu<zmdiu  Do- 
minis  placuerit*4). 

Si  Ton  rapproche  ce  texte  de  ceux  des  deliberations  capitulaires  de 
St.  Etienne  de  juillet  et  d'aout  1694,  on  constate  que  le  maitre  de  mu- 
sique toulousain  passa  directement  de  sa  maitrise  provinciate  k  celle 
de  Notre-Dame,  et  qu'entre  ces  deux  situations,  il  ne  remplit  aucune 
autre  fonction.  Cest  done  k  tort  qu'un  grand  nombre  de  biographes 
ont  soutenu  que  Campra,  avant  d'entrer  k  Notre-Dame,  occupait  chez 
les  J&uites   (k  la  Maison  Professe  de  Paris)  la  place  laissee  libre  par 


1)  Campra  n' etait  pas  le  premier  maitre  de  chapelle  de  St  Etienne  qui  fut 
passe*  a  N.  D.;  en  1575,  cet  honneur  etait  accorde  a  Raymond  de  la  Cassaigne. 
L'abbe"  Chartier  (F.  L.)  V ancien  chapitre  de  N.  D.  de  Paris  et  sa  maitrise,  cTaprts 
les  documents  capitulaires.     (1326—1790)  Paris,  1897,  p.  80. 

2)  On  connaft  de  Jean  Mignon: 

10)  5  messes  a  4,  5  et  6  voix  qui  furent  imprimees  chez  Ballard.  Dans  l'Ap- 
pendice  musical  qui  termine  l'ouvrage  precite,  l'abbe  Chartier  a  public  le  Eyrie, 
le  Gloria  et  le  Sanctus  de  la  Messe  Johannes  est  nomen  ejus  et  le  Domine  sal- 
vum  de  la  Messe  L&titia  sempiterna  (p.  263  et  suiv.). 

20)  Des  Airs  a  4  parties  publics  par  Robert  Ballard  en  1664.  Jean  Mignon 
fut  nomm6  maitre  de  musique  le  30  aout  1664. 

3)  Cf.  L'abbe  Chartier  loc.  cit.  p.  112.  —  La  prebende  de  S*  Aignan,  dans  This- 
toire  de  Notre-Dame,  a  un  caractere  constant;  elle  est  toujours  accordee  aux 
chantres  ou  beneficiers  dont  les  chanoines  desirent  recompenser  les  bons  et  fideles 
services.  Cf.  Chartier  loc.  cit.  p.  63,  p.  183  et  suiv. 

4)  Arch.  nat.  Registres  capitulaires  de  N.  D.  de  Paris.  —  Deliberation  du 
lundi,  21  juin  1694.  LL.  225  f<>  118.  119.  —  Le  titre  de  csymphoniarque*,  donne 
au  maitre  de  musique,  remontait  au  16  Janvier  1645. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra.  195 

la  demission  de  Charpentier1).  De  tous  les  auteurs  du  XVIII#  sifccle, 
la  Borde  est  le  seul  k  garder  le  silence  sur  cette  particularite,  silence 
d'autant  plus  significatif,  qu'ainsi  que  nous  l'avons  dej&  dit,  il  assure 
tenir  sa  notice  biographique  sur  Campra  de  la  main  meme  de  celui-ci2). 
La  reception  de  notre  musicien  au  chceur  de  Notre-Dame  ne  parait 
pas  avoir  6t6  pr^cedee  du  concours  auquel  Tusage  subordonnait  le  choix 
de  tout  maltre  de  musique.  On  Fa  tax£e  d'irr^guli&re,  et  il  semble  bien 
qu'elle  suscita  quelque  cabale.  C'est,  du  moins,  ce  qui  r&ulte  de  plu- 
sieurs  textes.  II  y  a  d'abord  le  passage  suivant  du  Diaire  de  l'abbl 
Claude  Chastelain: 

«Le  Lundi  21  juin  1694,  M.  Mignon,  maitre  de  musique,  fut  fait  chanoine 
de  Saint-Aignan  et  M.  Campra  d'Aix,  qui  venoit  de  Toulouse,  maitre  de 
musique,  qui  n'eut  contre  lui  que  les  intendants  de  la  musique*5). 

II  y  a  ensuite  les  vers  ci-apr&s   dus  h  la  muse  didactique  de  Serre 

de  Rieux: 

« Campra  charge  d' accords  moissonnes  a  Toulouse, 
Allarma  dans  Paris  une  brigue  jalouse, 
Qui  par  de  vains  efforts  osa  lui  disputer 
Un  prix  que  son  scavoir  eut  droit  de  remporter. 
Bientot,  a  ses  rivaux  il  devint  redoutable, 
De  ses  premiers  Motets  le  souvenir  durable, 
Dans  son  ecart  prophane  a  la  Cour  conserve, 
Le  conduisit  enfin  dans  un  poste  ^leve*)>. 

Ainsi,  la  « brigue  jalouse*  dirigee  contre  Campra  s'alimentait  auprfcs 
des  intendants  de  la  musique  de  Notre-Dame5);  mais,  le  musicien,  trfcs- 

1)  Jal  et  l'abbe  Chartier  ont  fait  justice  de  cette  allegation  qu'on  trouve  re- 
produce dans  Titon  du  Tillet  (2®  Suppl*  au  Pamasse  francais.  p.  19),  dans  le  Die- 
tionnaire  des  artistes  (I.  p.  309),  dans  les  Anecdotes  dramatiques  (111.  p.  89 j,  dans  le 
Dictionnaire  de  la  Provence  d'Achard  (111.  p.  166:,  dans  F6tis,  A.  Pougin  [Revue  et 
gazette  musicale  de  Paris,  22  7b"  1861),  dans  la  biographie  Michaud,  dans  la  Grande 
Eticyclopedie,  etc. 

2)  La  Borde,  Essai  sur  la  musique  ancienne  et  moderne,  III.  p.  401. 

3)  Vabbe  Claude  Chastelain  et  son  Diaire  ou  Journal,  par  l'abbe*  Valentin  Dufour. 
(Mtmoires  de  la  Sociite  de  Vhistoire  de  Paris  VIII,  1885  p.  315.)  L'etude  de  l'abbe 
Dufour  a  ete  etablie  au  moyen  des  notes,  malbeureusement  fort  courtes,  prises  dans 
le  Diaire  de  Chastelain  par  M.  Gilbert  qui,  pendant  30  ans,  fut  le  conservateur  de 
la  cathedrale  de  Paris.  —  Le  Diaire  de  Claude  Chastelain,  chanoine  de  N.  D.  con- 
serve* dans  les  archives  de  cette  e^Hse,  etait  un  volume  de  559  pages  qui  s'eten- 
dait  du  27  fevrier  1658  au  3  avril  1711;  il  fut  lacere  par  la  populace  le  14  fevrier 
1831. 

4)  Serre'  de  Rieux:  Dons  des  Fnfans  de  Latone;  La  Musique,  Chant  IV.  p.  114 
(1734.  —  L'auteur,  par  «poste  eleve\  entend  la  charge  de  maitre  de  musique  de  la 
chapelle  du  roi  qu'occnpait  Campra  lorsqu'il  ecrivit  son  poeme. 

5)  En  principe,  le  Chantre  de  N.  D.  avait  la  haute  surveillance  sur  la  maltrise; 
mais  les  Chanoines  choisissaient  parmi  eux  des  <intendants  de  la  Maltrise* 
charges  d'exercer  un  controle  sur  c-tte  institution  et  de  diriger  le  jury  qui  exa- 
minait  les  candidats  maitres  de  musique,  lors  du  concours  essaye"  pour  la  ldre  fois 
en  1568.     (Chartier,  loc.  cit.  p.  79.;  • 


196  L.  de  la  Lauren cie,  Notes  Rur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 

manceuvrier,  avait  su  se  concilier  des  intelligences  dans  le  sein  du  cha- 
pitre.  Ceci,  nous  le  savons  de  sa  propre  bouche,  car  il  nous  apprend 
lui-meme  que,  s'il  put  entrer  de  plain-pied  k  la  maitrise  de  la  cathe- 
drale,  il  dut  cette  faveur  k  la  protection  d'un  des  chanoines  les  plus 
influents  de  l^glise.  Campra,  d^die,  en  effet,  sa  premiere  ceuvre,  son 
ler  Livre  de  Motets  (1695)  k  M.  de  Lagrange  Trianon,  Abb£  de  S*  Sever, 
Chanoine  de  TEglise  de  Paris  et  Conseiller  au  Parlement,  qui  avait 
tout  particulifcrement  apprdcid  sa  musique,  et  sa  d^dicace  explique  aussi 
clairement  que  possible  de  quelle  fagon  il  obtint  le  poste  si  convoit^  de 
maitre  de  musique  de  la  mdtropole1): 

€  Monsieur, 
<En  donnant  pour  la  premiere  fois  mes  ouvrages  au  public,  mon  principal  devoir 
est  de  luy  apprendre  que  vous  etes  la  personne  du  monde  a  qui  j'ay  le  plus  d1  obliga- 
tion. Au  milieu  de  r attention  serieuse  que  vous  donnez  au  service  des  Autels  et  au 
ministere  de  la  Justice,  vous  avez  ecoute  mes  chants  et  vous  les  avez  favorise*  d'une 
approbation  si  eclatante,  qu'elle  a  entraine  celle  de  tout  vostre  auguste  Ghapitre.  C'est 
par  vous,  Monsieur,  qu'il  m'a  rec,u  comme  s'il  m'avait  attendu,  et  c'est  a  vous  encore 
a  qui  je  dois  les  agremens  que  je  trouve  chaque  jour  au  service  de  cette  majestueuse 
Eglise.  Enfin,  c'est  vous  qui,  en  m'llevant,  avez  redouble*  en  moi  Tardeur  et  le  genie 
que  Dieu  m'a  donne  pour  les  chants  sacrez.  Que  ceux  qui  prendront  gout  a  ces 
Motets  scachent  done  que  e'est  a  vous  qu'ils  ont  obligation  de  ce  qu'ils  y  trouveront 
de  meilleur;  qu'ils  entrent  de  part  dans  la  reconnoissance  que  je  vous  dois  et  qu'ils 
m'aydent  a  publier  la  sensibilite  et  le  respect  avec  lequel  je  suis,  Monsieur, 

Vostre  tres-humble,  tres-ob&ssant  et  tres-oblige  serviteur, 
Campra*)*. 

Yoilk  done  le  mystfcre  un  peu  £clairci;  grace  k  la  protection  et  a 
l'influence  de  M.  de  Lagrange  Trianon,  le  chapitre  a  «regu  Campra,  comme 
s'il  l'avait  attendu »;  mais  le  procede  ne  s'etait  point  impose  sans  pro- 
voquer  quelques  protestations. 

Le  lendemain  de  sa  reception,  le  mardi  22  juin,  Campra  est  installe 
par  M.  le  Chantre;  il  «commen$a  k  battre  la  mesure  k  l'antienne  de 
Magnificat  de  Saint  Fargeau*,  rapporte  le  Chanoine  Chastelain3).  Le 
r^glement  que  le  nouveau  maitre  doit  faire  appliquer  date  du  15  novembre 
1632;  il  present  Tentretien  de  12  enfants  de  chamr,  d'un  maitre  de 
musique,  d'un  maitre  de  grammaire,  de  deux  serviteurs,  et  entre  dans  de 
minutieux  details  relatifs  aux  prestations   en  nature  (pain,  vin,  viande, 

1)  Charles  de  Lagrange  Trianon,  Conseiller  clerc  au  Parlement  de  Paris  le 
13  mai  1682,  Abbe  de  S*  Sever  et  Chanoine  de  l'Eglise  m£tropolitaine  de  Paris 
mourut  le  10  juillet  1733  k  Tage  de  83  ans.  II  £tait  fils  de  Louis  de  La  Grange, 
Conseiller  au  Parlement  et  President  en  la  2«  chambre  des  Requetes.  Cf.  La 
Chesnaye  Desbois,  IX.  p.  686. 

2)  D^dicace  de  la  1*™  edition  des  Motets  a  I.  II  ct  III  rotx,  arte  la  Basse  con- 
tinue par  Monsieur  Campra,  Maitre  de  Musique  de  V Eglise  de  Paris.  1695.  Christophe 
Ballard  (Bib.  nat.  Res.  VmJ  103,.  —  La  2«  Edition  (1700;  porte  l'indication :  Livre 
premier.  —  (Bib.  nat.  Vm.i  1086). 

1)  Vabbt  Claude  Chastelain  ei  son  Diaire  ou  Journal,  p.  316. 


L.  de  la  Laurencie,  Notefl  sur  la  jeunesse  <PAb4t6  Camera.  197 

Epicene,  chauffage,  vetements),  que  le  chapitre  accorde  k  la  maitrise1). 
En  meme  temps,  Campra  va  etre  charge  de  diriger  la  musique  des  nom- 
breux  Te  Deum  chantes  k  l'occasion  des  victoires  remport^es  par  les 
armies  royales.  Dfcs  le  mois  de  juillet,  pour  la  prise  de  Gerone,  on 
l'autorise  k  se  procurer  des  «musiciens  externes*  mais,  k  condition  qu'ils 
soient  de  bonne  tenue: 

<Ad  dictum  Te  Deum  pleniori  choro  decantandum  placet  Dominis  ut  .  .  .  . 
Magister  Andrews  Campra,  Magister  musices  puerorum  chori  assumat  quosdam 
Cantor es  extemos,  modestos  quidem  nee  inverrecandos  qui  musice  ea  propter  se 
junganU*). 

De  plus,  il  assiste  k  des  auditions  de  candidats  chantres;  le  2  juil- 
let, il  est  present  k  Texamen  que  passe  devant  le  chapitre  Frangois 
Franquefort 3). 

Les  frais  necessites  par  l'engagement  des  «musiciens  externes»  ne  se 
chiffrent  pas  par  de  grosses  sommes.  Ainsi,  le  tr&orier  de  la  Compagnie, 
le  sieur  Dumeynet,  rembourse  k  Campra  12  livres  pour  les  musiciens 
Strangers  qui  ont  collabor£  au  Te  Deum  chants  aprfcs  la  prise  de  Pa- 
lamos4).  Ces  musiciens  sont  gen^ralement  pay£s  sur  le  pied  de  1H  10s 
par  musicien  et  par  stance5);  le  prix  de  12  livres  correspond  done  k 
l'engagement  de  8  musiciens.  C'est  Campra  qui  en  fait  Tavance,  quitte 
k  en  poursuivre,  auprfcs  du  tresorier,  le  remboursement  moyennant  la  pre- 
sentation d'un  in&noire6).  Parfois,  Timportance  de  la  solennit^  exige 
la  participation  d'un  plus  grand  nombre  de  musiciens  strangers  &  la 
niaitrise  et  la  somme  d^pensee  k  cet  effet  peut  alors  s'accroitre  consid£- 
rablement.  Ainsi,  aprfcs  la  signature  du  traite  de  Byswick,  un  Te  Deum, 
chants  k  Notre-Dame,  y  amfene  des  chanteurs  externes  pour  lesquels  le 
chapitre  paie  70  livres7).  Campra  qui,  en  sa  quality  de  maitre  de  musique, 
logeait  k  la  maitrise,  dans  l'hotel  Gaillon 8),  tenait  k  ce  que  son  apparte- 
ment  filt  propre  et  en  bon  etat.  En  septembre  1694,  le  chapitre  prend 
une  deliberation  pour  faire  ex^cuter  des  reparations  dans  la  chambre  de 

1)  Abbe  Chartier.    Loc.  cit. 

2)  Arch.  nat.  LL  225.    f°  138.    Don  du  24  juillet  1694. 

3)  Arch.  nat.  LL  225.    f°  131.    Don  du  2  juillet  1694. 

4)  Arch.  nat.  LL  225.    \«*  146.  147.    Don  du  30  juillet  1694. 

5)  On  voit,  en  effet,  que  2  musiciens  externes  sont  pay£s  3  livres,  et  que  8 
musiciens  externes  touchent  12  livres.  (Dons  du  30  juillet  1694  et  du  11  decembre 
1697.  Arch.  nat.  LL  226  f°  176).  —  Voir  aussi:  Don  du  21  juin  1697  (Prise  d'Ath) 
LL  227  fo  122,  Don  du  26  aout  1697.    (Prise  de  Barcelone)  LL  227  fo  172. 

6  «Ut  patet  ex  memoriali  super  hoc  exhibito*,  dit  le  texte  des  deliberations 
relatives  aux  remboursements. 

7)  Don  du  10  Janvier  1698.  LL  227  fo  269.  —  Sur  la  celebration  de  la  paix, 
voir  Mercure  galant,  nov.  1697/  p.  210  et  suiv. 

8)  Le  transfert  de  la  niaitrise  dans  la  maison  donnee  par  Roger  de  Gaillon,  ancien 
gup6rieur  du  College  d'Harcourt  fut  decide  le  14  mars  1455.  —  La  maitrise  se  trou- 
vait  la  a  proximite  dc  realise,  pres  de  la  petite  porte  de  N.  D.  dite  porte  rouge.  La 
maison  fut  completement  refaite  au  XVIII6  siecle.    (Chartier,  loc.  cit.  pp.  53,  54.) 


198  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre*  Campra. 

son  musicien;   on  decide  que  le  manteau  de  la  cheminee,  qui  tombe  de 
vetust6,  sera  remis  k  neuf  et  £tabli  de  fagon  plus  ^l^gante1). 

Mais  le  maitre  de  musique  temoignait  aussi  de  ses  tendances  artistiques 
en  proposant  aux  chanoines  d'introduire  certaines  modifications  dans  la 
disposition  du  chceur.  Au  mois  d'octobre  1694,  il  demande  qu'il  soit 
apportd  un  changement  k  Templacement  des  chanteurs  de  la  «schola> 
pendant  les  vepres.  II  desire  que,  dans  l'int^ret  de  Fensemble  vocal,  et 
pour  assurer  une  meilleure  execution,  ceux-ci  se  groupent  autour  da 
lutrin.  Les  chanoines,  fiddles  traditionnalistes,  repoussent  la  proposition 
de  Campra: 

*Magistro  Andrcea  Campra  Ecclesice  Symvhoniarcha  petente  ut  in  vesperis 
quibus  musice  canitur  schola  cantorwn  ad  majorem  vocum  unionem  et  con- 
sonantiam  ad  Aquilam  descehderet,  conclusum  fuit  nihil  esse  innotxtndum*1}. 

Les  registres  des  deliberations  capitulaires  renferment  peu  de  details 
concernant  Campra  durant  Tann^e  1695.  A  cette  dpoque,  il  s'est  lie 
avec  une  famille  de  luthiers,  la  famille  Cheron,  et  le  6  fevrier  1695, 
d'aprfes  ce  que  rapporte  Jal,  « Andre  di  Campra  (sic)  maitre  de  musique 
de  N.  D.  de  Paris  fut  parrain  k  Sfc  Pierre  aux  Boeufs  d'un  fils  de 
Jn  B.  Cheron* 3).  H  nous  semble  vraisemblable  d  admettre  que  ce  jeune 
Cheron  n'est  autre  qu'  Andre  Cheron,  le  futur  maitre  de  composition  de 
J.  M.  Leclair  qui,  en  1734,  entra  k  l'opdra  en  qualite  de  joueur  de 
clavecin,  et  qui,  par  la  suite,  devint  batteur  de  mesure,  ler  maitre  du  chant 
et  inspecteur  de  Torchestre4].  Andre  Cheron  mourut  k  Paris,  au  mois 
d'octobre  1766 5).  Quelques  mois  aprfcs  le  bapteme  d' Andre  Cheron,  ud 
autre  representant  de  cette  famille,  Louis  Cheron,  entrait  k  la  maitrise 
de  N.  D.  en  qualite  d'enfant  de  choeur8). 

A  la  fin  de  l'annee,  k  l'occasion  de  la  nomination  de  M**  de  Noailles 


1)  Arch.  nat.  Don  du  24  7br«  1694.    LL  225,  fo  196. 

2)  Do.  Don  du  22  octobre  1694.    LL  225,  fo  254. 

3)  Jal.  loc.  cit.  p.  310.  —  Un  Nicolas  Cheron  est  luthier,  a  Paris  en  1658.  le 
19  mai  de  cette  annee,  en  presence  de  son  frere  Jean  aussi  luthier,  il  fait  bapti«?r 
un  fils  a  St  Andre  des  Arts  (Herluison,  Actes  d'etat  civil  d  artistes  musiciens,  p.  9\ 
Un  Charon,  luthier  renomme*  pour  ses  bonnes  cordes,  habite  en  1691,  rue  de  Is 
vieille  Bouclerie  (Abraham  du  Pradel,  Litre  commode  des  adresses  de  Paris,  p.  112}. 
Un  autre  Cheron,  rue  Dauphine,  figure  pour  5  livres  sur  le  r6le  de  la  Capitation 
des  musiciens  symphonistes  pour  Tann6e  1696  (Arch.  nat.  Z*H  657). 

A'  Cf.  Arch,  de  TOpera:  Ms.  Amelot  et  (Euvres  melees  de  Travenol,  1775,  p.  97.  Andre 

a  laisse  des  Sonates   de  flute  (op.  I.  1727.    op.  II.  1729;.    II  a  compose  la 

e  d'un  ballet  militaire  joue*  le  3  aout  1735  au  college  Louis  le  Grand  [Mer- 

>ut  1735,  p.  1834),  et  un  motet  a  grand  choeur  de  lui  fut  execute  le  8  7>» 

i  concert  spirituel.  [Mercure,  7ore  1735,  p.  2111). 

Sa  lettre  d'enterrement  se  trouve  au  cabinet  des  titres  de  la  Bib.  nat  Ms- 
34. 

Don  du  22  7bre  1695.  Arch,  nat  LL  226,  fo  443.  Un  Jacques  Michel  Cheron, 
is  et  musette  de  Poitou  de  TEcurie,  mourut  en  1740  et  fut  remplace  par 
i  de  Machy  (Arch,  nat.,  9  novembre  1740.     0*  84,  fo  506; . 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesae  d' Andre*  Campra.  199 

au  siege  archie'piscopal  de  Paris,  en  remplacement  de  M**  de  Harlay1), 
Campra,  conformement  k  l'usage,  regoit,  ainsi  que  tous  les  membres  de 
la  maitrise,  quelques  liberality  du  nouveau  pr^lat2).  Le  «Maistre  de 
musique*  touche,  en  effet,  6  escus  blancs,  soit  21  livres  16  sols,  et  la 
somme  total e  distribute  par  Mgr  de  Noailles,  k  son  joyeux  avenement, 
s'elfcve  k  525  livres,.  6  sols3). 

Pour  celebrer  la  m&noire  de  M*1  de  Harlay,  le  chapitre  decide  quil 
sera  chants  une  messe  solennelle,  et  18  livres  sont  accorde'es  aux  musi- 
ciens  strangers  qui,  dans  cette  circonstance,  se  joignent  k  ceux  de 
l'e'glise*). 

Campra  semble  s'acquitter  de  ses  fonctions  k  la  satisfaction  du  cha- 
pitre, puisque  celui-ci  l'admet  au  nombre  des  prebendiers,  en  lui  octro- 
yant  le  canonicat  de  Sl  Jean-le-Rond,  que  Ton  re*servait  aux  bons  et 
fiddles  serviteurs,  comme  celui  de  S*  Aignan  (mail696): 

« Canonicatus  et  Prccbenda  subdidconales  S.  Joannis  Botundi  in  Ecclesia 
Parisiense  ad  collation&n  provisionem  et  guamvis  aliam  Dominorum  dispo- 
sitionem  pleno  jure  existentes,  vacuntes  nunc  per  dimissionem  pur  am  et  sim- 
plicem  Magistri  Caroli  Laurent,  illorum  ultimi  pacifici,  in  manibus  Dominorum 
factam  et  admissam,  collati  sunt  per  Pmfatos  Dominos  in  communi,  latis  de 
more  per  scrutinium  suffragiis,  Magistro  Andreae  Campra,  clerico  diocesis 
Aquisextiensis,  Magistro  musices  ac  symphoniarcha  Ecclesia,  deque  ejus  gremio 
existenti  aliasque  suffieienti  capaci  et  idoneo,  qui  juravit  et  fait  instaUatus  in 
propria  a  parte  sinistra  chori  servatis  solemnitatibus  asmetis**). 

Quelque  temps  apres  (de'cembre  1696),  le  chapitre  adresse  k  Campra 
ainsi  qu'k  Gerome  Hynel  et  k  Francois  Nadal,  un  avertissement  pour 
engager  ces  trois  detenteurs  de  benefices  sousdiaconaux  k  regulariser 
leur  situation  en  devenant  sousdiacres6).  Toujours  est-il  que,  sur  Ten-tete 
de  son  2eLivre  de  Motets,  public  en  1700,  Campra  porte  le  titre  de 
cChanoine  de  S*  Jean-le-Rond ».  % 

Mais,  en  depit  de  ses  fonctions  professionnelles  et  de  ses  dignity's 
ecclesiastiques,  notre  musicien,  tourmente  par  le  demon  du  theatre,  s'occupe 
h  ecrire  des  pieces  lyriques.  Avant  que  VEurope  galante  ne  vienne 
triompher  k  TOpe'ra,  Campra  s'essaye  dans  le  genre  plus  modeste  du 
•  Divertissement*;  il  ecrit  de  la  musique  pour  des  fetes  particulieres,  cher- 

1)  MP*  Francois  de  Harlay  mourut  le  6  aofit  1695;  il  etait  archevSque  de  Paris 
depuis  le  3  Janvier  1671.  Son  remplacant,  Louis-Antoine  de  Noailles,  quittait,  pour 
venir  a  Paris,  le  siege  episcopal  de  Chalons. 

2)  On  trouvera  dans  le  livre  de  l'abbe  Chartier  la  liste  des  gratifications 
accordles  lors  de  Installation  de  Msr  de  Juigne,  le  5  avril  1782.  pp.  180 — 181. 

3)  Arch.  nat.  10  novembre  1695.  LL  225,  f°  495. 

4)  Arch.  nat.  Don  du  26  novembre  1696.     LL  225,  f°  604. 

6)  Do.  Don  du  il  mai  1696.  LL  225,  fo  614.  Laurent  avait  demissionne  apres 
deux  avertissements ,  au  Chapitre  general  de  Paques,  le  7  mai  1696.  LL  225. 
fo  610. 

6)  Do-  Don  du  31  decembre  1696.  LL  226,  fo*  750.  751. 
s.  d.  Mia.   x.  14 


200  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 

chant,  semble-t-il  par  1&,  &  preparer  sa  voie  et  k  amadouer  Topinion,  avant 
de  f rapper  le  grand  coup  qu'il  mddite.  Bien  certainement,  le  projet  de 
V Europe  galante  a  transpire  dfes  Pete  de  1697;  nous  n'en  voulons  pas 
d'autre  preuve  que  Tentrefilet  suivant  du  Mercure,  relatif  k  un  divertisse- 
ment execute  chez  le  due  de  Sully: 

«Le  divertissement  dont  vous  allez  lire  les  paroles  a  fait  partie  d'une 
Fete  que  Mgr  le  Due  de  Sully  donna  il  y  a  quelque  temps,  a  S.  A.  R. 
M*r  le  Due  de  Chartres. 

II  a  este  compose*  par  l'Auteur  de  V Europe  galante  qui  est  un  Balet  que 
Ton  propose  pour  cet  hiver  et  dont  on  dit  beaucoup  de  bien  dans  le  monde. 
Vous  jugerez,  par  cette  piece,  des  espgrances  que  l'on  doit  concevoir  de 
Tauteur*. 

Ainsi  done,  l'auteur  de  Y Europe  galante  est  dejSt  connu  au  mois  de 
septembre  1697  *),  et  on  fait  grand  cas,  de  [son  talent,  dans  le  monde. 
Nous  retrouvons  encore  ici  le  Campra  manceuvrier  et  insinuant  que  nous 
avons  d£j&  vu  &  l'ceuvre.  II  ne  veut  pas  se  devoiler  devant  le  chapitre 
de  N.  D.,  mais  il  soigne  au-debors  une  personnalite  d^guisee. 

II  n'est  pas  sans  interet  d'examiner  le  sujet  de  la  premiere  composition 
profane  donn£e  par  Campra  a  Paris.  Consultons  done  le  Mercure  qui,  sur 
ce  point,  va  nous  fournir  tous  les  details  desirables.  Le  « divertissement*, 
mis  en  musique  par  notre  musicien,  comporte  comme  personnages,  la  Nuit, 
Apollon,  Mars;  l'auteur  des  paroles  n'a  pas  juge  a  propos  de  se  faire  con- 
naitre,  et  sa  reputation  n'a  rien  a  perdre  de  cet  exces  de  modestie,  car  le 
scenario  qu'il  a  confix  a  Campra  ne  brille  ni  par  1' origin  alit  6,  ni  par  le  style. 
Les  lieux  communs  y  abondent  et  la  versification  en  est  plate;  tel  quel, 
toutefois,  il  ne  se  prete  pas  trop  mal  a  la  musique,  car,  en  mettant  en  action 
trois  personnages  tres-difFe*rents,  la  Nuit,  Apollon  et  Mars,  il  permet  au  com- 
positeur de  varier  ses  airs,  de  passer  de  la  douce  calinerie  d'un  «sommeil>, 
a  l'harmonieuse  vivacite  des  jeux  dApollon,  et  a  l'allure  heroi'que  du  Dieu 
de  la  guerre.  ^ 

cSommeil  qui  me  suivez  san9  cesse, 
Eloignez  de  ces  lieux  vos  languissans  pavots, 
J'y  veux  voir  regner  rall£gresse>. 

C'est  en  ces  termes  que  la  Nuit  appelle  Apollon  pres  du  heros  (le  due  de 
Chartres),  et  tous  deux  de  chanter  un  duo  par  ou  ils  assurent  que: 

cLe  jour  est  le  temps  de  la  gloire, 
La  nuit  est  celuy  de9  plaisirs.» 

Arrive  Mars;  selon  lui,  la  presence  d' Apollon  n'est  point  conforme  aux 
d^sirs  de   claimable  vainqueur*,   car: 

«Le  bruit  et  le  fracas  des  armes 
Sont  le  seul  Concert  qui  luy  plait >. 

A  quoi,  Apollon  repond  que  le  heros  aspire  a  se  delasser  de  ses  exploits 
sur  le  Parnasse;    apres   un  duo  de  Mars    et   d' Apollon,  une   nouvelle   inter- 

1)  Mercure  galant,  septembre  1697.  pp.  228—229. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra.  201 

vention  d'Apollon  provoque  les  «ris  et  les  chansonnettes*;  enfin,  pour  conclure, 
un  trio  rassemble  tous  les  personnages  da  divertissement1). 
La  musique  de  cette  piecette  parait  perdue. 

Si  Campra,  en  tant  qu'«auteur  de  Y Europe  galante*  preparait  de  la 
sorte  le  succ&s  de  sa  future  pifcce,  le  meme  Campra,  en  tant  que  maitre 
de  chapelle  de  Notre-Dame,  prenait  bien  garde  de  ne  point  effaroucher 
la  susceptibility  des  chanoines  du  chapitre. 

Le  24  octobre  1697,  V Europe  galante  passait,  en  effet,  k  l'Op^ra  sous  le 
couvert  de  lanonyme;  voici  le  titre  de  la  l6re  edition  de  1697,  sortie  des 
presses  de  Christophe  Ballard: 

V Europe  \\  galante  \\  Ballet, 
mis  en  musique  ||  Par  Monsieur  ****** 
A  Paris. 
Chez  Christophe  Ballard,  1697. 
Avec  Privilege  de  S.  M.2). 

Le  pofcme  en  etait  du  k  Antoine  Houdard  de  Lamotte  qui,  par  une 
assez  singuli&re  coincidence,  semble  avoir  ete,  comme  Campra,  un  trans- 
fuge  du  sacre  au  profane,  car  Voltaire  et,  aprfcs  lui,  la  plupart  des  bio- 
graphes  du  futur  academicien,  ont  rapporte  qu'avant  de  s'abandonner 
tout  entier  k  la  carrifcre  dramatique,  Houdard  avait  tate  de  Fhabit 
monastique3). 

U Europe  galante  faisait  son  apparition  &  l'Acadlmie  royale  de  mu- 
sique dans  des  conditions  tr&s  favorables.  Elle  venait,  en  effet,  aprfcs 
une  periode  de  marasme,  remplie  par  des  oeuvres  sans  relief,  et  contrasta 
vivement  par  son  tour  vif,  par  son  elegance  affinee,  avec  la  lourde  me- 
diocrite  des  productions  qui  Tavaient  precedee.  —  Nous  reviendrons, 
plus  loin,  sur  les  caracteres  musicaux  de  ce  ballet.  Bornons-nous,  pour 
l'instant,  a  constater  le  demi-succes  ou  Pechec  des  operas  et  ballets  joues 
en  1695,  1696  et  durant  le  premier  semestre  de  1697.  Le  Ballet  des 
Saisons  de  l'ajbbe  Pic  et  Colasse4)  n'avait  abouti  qu'&  exciter  la  verve 
satirique  de  J.  B.  Rousseau,  et,  par  une  juste  reciprocity,  le  Jason  du 
meme  Rousseau,  mis  en  musique  par  Colasse,  aiguisait  celle  de  Gacon5). 

1)  Mercure  galant,  septenibre  1697.  pp.  228  et  suiv. 

2)  ln-4<>  obi.,  Bib.  nat.  Vm*  144.  Dans  une  3®  edition,  datee  de  1699,  le  nom 
de  Campra  figure  sur  le  titre.    Bib.  nat.  Vm2  146. 

3)  File  d'un  chapelier  et  ancien  eleve  des  Jesuites,  Antoine  Houdard  de  la 
Motte  qui,  en  realite\  s'appelait  Houdard,  naquit  a  Pari*  le  16  Janvier  1672.  D'apres 
Voltaire,  il  aurait  ete  un  an  novice  a  la  Trappe.  La  Biographie  Michaud  attribue 
cette  retraite  a  l'insucces  de  son  premier  ouvrage  dramatique,  la  comSdie  des 
Originaux,  qui  tomba  irremediablement  au  Theatre  itaiien  en  1693.  (Voir  aussi  Bio- 
graphic Didot,  XXIX.  p.  263).  Cf*.  Vie  de  J.-B.  Rousseau  dans  les  (Euvres  de  Vol- 
taire et  Jal  Dictionairc  critique,  pp.  687,  688. 

4j  Le  Ballet  des  Saisons  fut  represents,  pour  la  ldre  fois,  le  18  octobre  1695. 
b)  Jason  ou  la  Toison  d'or,  Trag.  lyr    en  5  actes  et  prologue,  fut  representee, 
d'apres  les  freres  Parfaict,  le  6  Janvier  1696. 

14* 


202  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 

\jAriane  et  Bacchus  de  Marais  ne  reussit  pas  mieux  en  1696  *)  que  la 
Naissance  de  V&nus  de  Pic  et  Colasse2).  Avec  la  Mtduse  de  Gervais, 
on  put  esp^rer  que  la  serie  noire  etait  close,  mais  la  pifece,  apr&s  un  assez 
bon  d£but,  ne  se  maintint  pas8).  Enfin,  V&nus  et  Adonis  de  J.  B. 
Rousseau  et  Desmarets  ne  remporta  qu'un  demi-succfcs 4). 

Tout  au  contraire,  VEurope  galante  s'affirma  de  suite  comme  un  tri- 
omphe,  et  le  «bien  qu'on  en  disait  dans  le  monde*  avant  son  apparition, 
fut  confirm^  aussitot  aprfcs  la  premiere  representation.  La  cour  s'y  in- 
teressa,  et  c^tait  la  un  gage  important  de  bonne  fortune.  Dangeau  ra- 
conte,  en  effet,  que  le  grand  Dauphin,  aprfcs  avoir  assiste  au  conseil  a 
Versailles,  «allait  ensuite  a  Paris  (le  27  octobre)  au  nouvel  opera  de 
VEurope  galante  oti  madame  la  princesse  de  Conti  le  yint  trouver*  6). 

D'autre  part,  nous  savons  par  Lecerf  de  la  Vieville,  pourtant  peu 
suspect  d'indulgence  a  regard  des  successeurs  de  son  idole  Lully,  que 
le  ballet  de  Campra  avait  remporta  tous  les  suffrages;  le  «Comte»  des 
Dialogues  declarant,  que  les  nouveaux  operas  ne  lui  font  point  plaisir, 
s'attire  cette  question  du  « Chevalier*. 

«Quoi,  dit  le  Chevalier,  VEurope  galante  ne  vous  en  a  point  fait?  Pour 
celui-la,  repondit  M.  du  B . .  J'avoue  qu'il  est  privilegie*  et  que  je  vais  vo- 
lontiers  a  1' Opera  toutes  les  fois  qu'on  le  joue». 

«C'est  toujours  quelque  chose,  reprit  le  Chevalier,  et  vous  faites  bien  de 
l'excepter;  car  il  y  auroit  de  la  t6me>ite*  a  aller  contre  le  gout  general  et  M. 
de  Francine  qui  le  sait  bien,  vous  dira  qu'aucun  opera,  meme  de  Lulli,  n'a 
6t6  plus  suivi  que  F  Europe  galante**). 

Lecerf  ne  se  borne  pas  a  admirer  VEurope  galante  en  bloc;  il  de"- 
couvre  a  ce  ballet  des  beautes  particulifcres;  ainsi,  «le  Comte*  trouve 
que  «les  accompagnements  de  nos  Airs  de  mouvement  ont  un  chant 
aussi  suivi  qu'ils  doivent  P  avoir,  lies  comme  ils  sont  aux  airs  qu'ils 
accompagnent,  et  qu'ils  jouent  et  travaillent  quelquefois  d'une  manifere 
fort  s$avante»;  et,  de  cette  «mani£re  fort  s^avante*,  il  donne  comme 
exemple  le  ler  air  du  IIe  acte  de  VEurope  galante:  «Descendez  pour  r^gner 
sur  elle»7). 

1)  Ariane  et  Bacchus,  Trag.  lyr.  en  5  actes  et  prologue  de  Saint-Jean  et  Marin 
Marais  fut  representee  le  8  mars  1696. 

2)  La  Naissance  de  Vtnus,  Trag.  lyr.  6  actes  et  prologue  —  l*r  mai  1696. 

3)  Meduse,  Trag.  lyr.  6  actes  et  prologue  par  l'abb6  Boyer  et  Gervais :  13  Jan- 
vier 1697. 

4)  Venus  et  Adonis,  Trag.  lyr.  5  actes  et  prologue;  17  mars  1697.  Le  ballet 
eTArieie  de  Tabbe*  Pic  et  Lacoste,  joue  le  9  juin  1697  eut  le  meme  sort. 

6)  Journal  de  Dangeau  —  Dimanche  27  octobre  a  Versailles,  VI.  p.  217.  Ed«» 
Soulil. 

6)  Lecerf  de  la  VieVille,  Comparaison  entre  la  musique  italienne  et  la  musiqme 
francaise.    3«  Dialogue,  p.  97. 

7)  Ibid.  2«  Dialogue,  p.  75.  —  Voici,  d'apres  le  catalogue  de  M.  de  Lajarte, 
quelle  etait  la  distribution  de  VEurope  galante  en  1697: 

Prologue:  La  Delie  Clement  (Venus),  le  Sr  Desvoyes  (La  Discorde). 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre1  Campra.  203 

A  la  reprise  de  1725,  le  succfcs  n'dtait  pas  encore  dpuis6  et  le  Mer- 
eare  faisait  le  plus  grand  £loge  de  la  pifcce: 

<A  l'Ope>a  ...  on  donne  V Europe  galante  le  Mardi  etle  Jeudi.  Ce 
Ballet  est  extremement  goute\  Le  Sieur  Muraire  y  chante  un  air  Italien 
<Tune  beauts  parfaite  et  dont  1' execution  est  tout-a-fait  ravissante  » *) 

De  son  cotd,  Titon  du  Tillet  ne  marchande  pas  les  compliments  au 
talent  de  Campra.  Aprfcs  avoir  rappele  combien  on  goiltait  ses  motets 
k  Notre-Dame  «oii  il  y  avoit  toujours  un  grand  concours  de  monde  pour 
les  entendre*,  il  ajoute: 

«Mais  lVtendue  de  son  genie  se  trouvant  trop  resserrge  dans  la  compo- 
sition des  Motets,  il  s'ouvrit  une  carriere  plus  vaste  et  composa  des  opera. 
II  suivit  les  traces  du  grand  Lulli  et  devint  presque  son  egal  par  la  varied, 
les  graces,  la  beaute*  et  1' excellence  de  sa  Musique.  II  debuta  par  V Europe 
galante,  Opera-ballet  en  4  Entries  et  un  Prologue  (1697),  qui  eut  un  succes 
prodigieux;  on  peut  meme  regarder  ce  Ballet  comme  le  plus  parfait  qui  ait 
paru  sur  le  theatre*2). 

Maupoint  n'est  pas  moins  dithyrambique  et  fait  heureusement  ressortir 
une  des  caracteristiques  les  plus  frappantes  de  la  manifcre  du  musicien, 
k  savoir  son  italianisme: 

•  C'est  (V Europe  galante) ,  le  premier  OpSra  de  M.  Campra  et  un  des 
meilleurs  qui  aient  paru  depuis  Lully.  Cet  opera  fit  connaitre  que  l'heureux 
g£nie  de  M.  Campra  n'etait  pas  borne*  a  la  seule  Musique  d'Eglise,  et  quelque 
reputation  qu'il  eut  deja  acquise  par  les  beaux  Motets  qu'il  avait  fait  chanter 
en  TEglise  de  Paris,  ce  nouveau  genre  de  Musique  ne  lui  en  fit  rien  perdre 
et  justifia  qu'il  6toit  propre  a  l'une  et  a  1' autre  Musique,  toujours  varied  et 
nouvelle  par  le  gout  des  Musiques  6trangeres  qu'il  a  scu  allier  aux  manieres 
Prancoises*3). 

Comme  bien  Ton  pense,  la  situation  de  Campra,  musicien  deglise 
preoccupy,  dans  lexercice  de  ses  fonctions,  de  son  labeur  dramatique, 
nalla  point  sans  donner  lieu  h  des  anecdotes,  et  de  Fontenay  se  fait 
r^cho  de  Tune  d'elles,  en  racontant  l'dpisode  suivant: 


1'"  Entree  (La  France):  La  D*Ne  Desmatins  (CSphise),  le  S*  The>enard  (Syl- 
vandre),  le  Sr  Boutelou  (Philene). 

2«  Entree  (L'Espagne):  Le  S'Cbapelet  (Don  Pedro),  le  S*  Hardouin  (Don  Carlos). 

5«  Entree  (L'ltalie):  La  D«n«  Moreau  (Olympia),  Le  8r   du  Mesny  (Octavio). 

4'  Entree  (La  Turquie):  La  D«u«  Desmatins  (Zaide),  la  d«u«  Rochois  (Roxane), 
le  S*  Thevenard  (Zuliman). 

Ballet:  Les  D*""  Subligny,  Dufort,  Carre,  le  S*  Balon.   (Lajarte  I.  pp.  83—86.) 

1)  Mercure,  fevrier  1725,  p.  365. 

2)  Titon  du  Tillet,  Deuxieme  Supplement  du  Parnasse  francais,  pp.  19 — 21.  — 
Cette  phrase  a  ete*  reproduite  textuellement  par  1'abbe  Paul  dans  le  Dictionnaire 
de  la  Provence  et  du  Comtat  Venaissin  par  une  Societe  de  gens  de  lettres  ( Achard).  III. 
p.  156. 

3)  Maupoint,  Bibliotheque  des  Theatres,  1733.  p.  124.  —  On  retrouve  l'allusion 
au  caract£re  de  la  musique  de  Campra  et  a  la  conciliation  qu'il  a  tentee  entre  le 
gout  francais  et  le  gout  italien  dans  Durey  de  Noinville  [Histoire  du  Thedtre  de 
r Opera  en  France,  II.  p.  23.) 


204  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 

«I1  (Campra)  s'endormit  un  jour  pendant  les  vepres,  en  revant  de  cet 
opera  (V Europe  galante).  Ayant  £te"  salue,  selon  la  coutume,  par  un  sous- 
chantre  qui  lui  entonna  un  demi-verset  de  l'antienne,  il  se  re>eilla  en  sur- 
saut,  et,  la  tete  remplie  de  son  opera,  il  repondit  en  chantant  ces  paroles 
franques  qui  terminent  la  piece:  «Vivir,  vivir,  gran  Sultana »  etc.  On  ne  lui 
en  fit  point  de  crime.  Mais  il  mit  cet  opera  sous  le  nom  de  son  frere  pour 
ne  pas  s'exposer  a  perdre  sa  place  a  Notre-Dame.  Cependant,  se  trouvant 
a  une  des  repetitions  ou  il  y  avait  un  passage  qui  n'alloit  pas  a  son  gre, 
sa  vivacite"  naturelle  l'emporta;  il  sauta  sur  le  theatre  en  disant  qu'il  n' avait 
pas  fait  ce  morceau  pour  etre  execute  de  la  sorte.  Cette  aventure  fit  du 
bruit  et  l'obligea  de  quitter  l'Stat  ecclesiastique.  Le  succes  prodigieux  de 
cet  op£ra  le  dedommagea  bien  amplement  de  la  perte  de  sa  place  et  le  fit 
connaitre  comme  un  des  plus  grands  compositeurs  de  son  temps*1). 

Quoiqu'il  en  soit  de  l'aventure  narree  par  de  Fontenay,  il  semble 
bien  que  celui-ci  se  trompe  en  rattachant  k  une  repetition  de  V Europe 
galante  l'algarade  du  maitre  de  chapelle,  sautant  sur  le  theatre,  en  une 
attitude  peu  compatible  avec  le  port  du  petit  collet.  Le  repetitions  de 
V Europe  galante  eurent  lieu,  vraisemblablement,  durant  les  derniers 
mois  de  l'ete  de  1697,  et  c'est  seulement  en  octobre  1700,  ainsi  que  nous 
le  verrons  plus  loin,  que  Campra  quitta  Notre-Dame.  La  sc£ne  rapporte'e 
par  Fontenay  ne  saurait  done  s'appliquer  k  cet  opera;  elle  s'appliquerait 
mieux  k  Hfeione  qui  passa  en  decembre  1700  et  dont  les  repetitions 
durent  s'effectuer  k  l'automne  de  cette  ann£e. 

Campra,  afin  de  sauvegarder  sa  situation  au  choeur  de  Notre-Dame, 
8'etait  imagine  d'attribuer  Y Europe  galante  k  son  frere  cadet  Joseph,  dont 
nous  avons  donne  precedemment  l'acte  de  bapteme.  Au  temoignage 
de  Fontenay,  on  peut,  k  cet  egard,  ajouter  ceux  de  la  Borde2)  et  des 
frfcres  Parfaict.     Ces  derniers  disent: 

•N'osant  faire  paroitre  cet  op£ra  sous  son  nom,  il  le  mit  sous  celui  de 
son  frere  cadet,  ce  qu'il  observa  pour  les  suivants  jusqu'au  temps  qu'il 
quitta  la  place  dont  nous  venons  de  parler.  Ainsi,  nulle  difficult^  au  sujet 
du  titre  que  portent  plusieurs  operas  de  l'aine  qui  sont  marques:  De 
M.  Campra  le  cadet.  Ce  cadet,  qui  £toit  fort  honnete  homme,  n'a  jamais 
scu  une  note  de  musique*8). 


1)  De  Fontenay ,  Dictionnaire  des  Artistes,  I.  pp.  309.  310. 

2)  La  Borde,  Essai  sur  la  Musique  aneienne  et  moderne,  III.  p.  401. 

3)  Freres  Parfaict,  Histoire  de  V Academic  royale  de  musique,  Ms.  Arch.  0p6ra 
(Copie  Nuitter).  pp.  292.  293.  Les  freres  Parfaict,  a  propos  de  V Europe  galante, 
commettent  une  inexactitude.  lis  disent,  en  effet:  «Ce  Ballet  qui  est  le  raodele 
et  le  chef-d'oeuvre  des  ouvrages  de  ce  genre,  le  coup  d'essai  de  la  musique  lyrique 
de  la  Motte,  et  la  premiere  musique  sur  des  paroles  franeaises  de  Campra  .  .  .»;  les 
mots  que  nous  avons  soulignes  expriment  une  erreur,  puisque  nous  avons  vu 
qu'avant  de  donner  Y Europe  galante  k  l'Ope>a,  Campra  avait  compose,  sur  des  pa- 
roles francaises,  le  divertissement  jou£  chez  le  due  de  Sully.  En  outre,  il  est  tres 
probable,  qu'ainsi  que  nous  Tavons  dit  plus  haut,  le  premier  librettists  de  Cam- 
pra fut  M.  Giffon  d'Arles.  La  encore,  Campra  avait  mis  en  musique  des  paroles 
francaises. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra.  205 

Arretons-nous  un  peu  sur  la  declaration  des  frfcres  Parfaict.  Les  deux 
premieres  editions  de  Y Europe  galante  (1697  et  1698) l)  sont  anonymes;  la 
troisifcme  celle  de  1699,  porte  Indication  «parMr  Campra*,  indication  ren- 
due  Equivoque  par  le  titre  du  Carnaval  de  Venise  oil  on  lit  textuellement : 
« Ballet  mis  en  musique  par  M.  Campra  le  Cadet*.  Ici,  Tattribution  k 
Joseph  Campra  est  bien  explicite,  et  le  M.  Campra  tout  court  de  la 
3e  edition  de  Y Europe  galante  peut  fort  bien  passer,  aux  yeux  des  per- 
sonnes  mal  informees  pour  Mr  Campra  le  cadet.  Mais,  comme  lecrit 
M.  Arthur  Pougin,  nul  n'ignorait  la  paternite  de  Campra  et  son  secret 
etait  vraiment  celui  de  Polichinelle.  Dfcs  Tapparition  de  la  piece,  il  cou- 
rait  dans  Paris  une  chanson  que  Ton  chantait  sur  l'air:  «0  filii  et  filise* 
afin  d'en  bien  souligner  lironie. 

«Quand  notre  Archevesque  scaura 

L'Auteur  du  nouvel  Opera, 

De  sa  Cathedrale  Campra 

Decampera*. 

II  existe  plusieurs  versions  de  ce  quatrain.  Outre  celle  qui  precede, 
et  qui  provient  du  chansonnier  de  Maurepas2],  le  ms.  Tralage  donne  la 
variante  suivante: 

«Quand  notre  Archevesque  scaura 

L'Auteur  du  nouvel  Opera, 

Aussitost  il  decampera 

De  Campra*  3i. 

M.  Weckerlin  a  publie  le  texte  ci-aprfcs  qui  s'augmente  de  4  nou- 
veaux  vers: 

«Quand  notre  archeveque  saura  iRejouissez-vous,  Parisiens, 

Que  Campra  fait  un  Opera,  Et  vous  heureux  diocesains, 

Alors  Campra  decampera,  D'avoir  un  si  sage  Prelat, 

Alleluia.  Alleluia*  *,. 

Enfin,  M.  Arthur  Pougin,  dans  la  preface  de  Tancrede  de  Tedition 
Michaelis,  adopte  une  autre  version  tres  legerement  differente: 

«Quand  notre  archeveque  saura  Monsieur  Campra  decampera, 

L'Auteur  du  nouvel  opera  Alleluia*  !). 

1)  La  2e  Edition  de  YEurope  galante  se  trouve  k  la  Bib.  de  TOpera.  Voir 
plus  loin. 

2)  Chansonnier  de  Maurepas:  Chansons  (1697;.  —  Bib.  nat.  Ms.  fr.  12624.  f°  269. 
«Sur  Topera  de  V Europe  galante,  auquel  le  Sr  Campra,  Provencal,  Maitre  de  la  Mu- 
sique de  TEglise  de  N.  D.  de  Paris  avoit  travaille.» 

3)  «Sur  Topera  de  YEurope  galante,  dont  une  partie  de  la  musique  a  este  faite 
par  M.  de  Campra,  maitre  de  musique  de  N.  D.  de  Paris,  Tan  1697  »  [Notes  et  Do- 
cuments sur  Vhistoire  des  Theatres  de  Paris,  Extraits  du  Ms.  Tralage  par  le  Biblio- 
phile Jacob,  p.  104.)  On  voit  qu'ici  on  joue  sur  la  particule  sont  s'affuble  Campra. 
11  y  a  encore  cette  variante: 

«Tout  aussi  tost  de  Campra 
Decampera*. 

4)  J.  B.  Weckerlin,  Nouveau  Musiciana  p.  49. 


206  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre"  Campia. 

On  ^tait  done  bien  et  duement  fix£  sur  le  subterfuge  employ^  par 
le  maitre  de  musique  de  Notre-Dame. 

Joseph  Campra,  auquel  les  frfcres  Parfaict  d^nient  toute  culture  mu- 
sicale,  ne  merite  point  pareille  appreciation. 

Le  supplement  k  la  Biographie  de  F£tis  assure  qu'en  1686,  Joseph 
Campra  remplissait  les  fonctions  de  chef  d'orchestre  du  theatre  d'opera 
de  Marseille,  sous  la  direction  de  Pierre  Gaultier2).  Et  M.  Alexis 
Rostang  raconte  meme,  k  ce  propos,  une  plaisante  anecdote  qui  nous 
montre  Campra  triomphant  par  son  habilete  de  chef  d'orchestre,  de 
Tavarice  et  du  mauvais  vouloir  de  son  directeur3).  A  l'epoque  de  l'JSti- 
rope  galante,  Joseph  aurait  occupe  k  Fopfra  un  emploi  de  joueur  de 
basse4).  Plus  tard,  il  retourna  en  province,  et  e'est  vraisemblablement 
lui  que  nous  rencontrons  k  Dijon  en  1731.  Cette  annee-l&,  en  effet,  on 
representa,  en  cette  ville,  un  divertissement  «pour  la  feste  de  M**  le 
Comte  de  Tavannes,  brigadier  des  armees  du  Roi  et  son  premier  lieu- 
tenant general  en  Bourgogne,  dont  la  musique  est  du  Sieur  Campra, 
ordinaire  de  notre  Academic  »5).  Ainsi,  Campra  appartenait  alors  a 
rAcademie  de  musique  de  Dijon.  M.  de  Gouvenain,  qui  relate  ce  fait, 
ignore  le  nom  de  l'auteur  du  po&me  du  divertissement  en  question,  le- 
quel  mettait  en  sc&ne  Comus,  Daphnis  et  la  Victoire6). 

En  1732,  les  dilettanti  de  Dijon  entendent  une  nouvelle  composition 
du  meme  Campra.  C'est  une  pifcee  allegorique  intitulee:  *Le  G6nie  de 
Bourgogne*  et  imprimee  la  meme  annde  chez  Auge,  imprimeur  et  libraire 
de  rAcademie7). 

Enfin,  la  quality  de  musicien  resulte  de  Tacte  de  deefcs  de  Joseph 
Campra,  sur  lequel  figurent,  en  outre,  les  signatures  de  trois  «ordinaires» 
de  la  musique  royale: 

«L'an  mil  sept  cent  quarante  quatre,  le  trente  et  unieme  jour  de  Mars. 


1)  A.  Pougin ,  Preface  de  Tanerbde  dans  l'edition  Michaelis,  p.  3. 

2)  A.  Pougin ,  SuppU  a  la  Biographie  general*  des  musiciens,  1.  p.  146. 

3)  Ibid. 

4)  Cf.  F£tis,  Pougin,  de  Lajarte  (Preface  de  YEurope  galante  de  Ted**  Michaelis;. 
F6tis  (article  Campra)  dit  que  Joseph  Campra  etait  basse  de  violon  a  Popera  depuis 
1699;  cette  date  parait  trop  tardive. 

5)  Louis  de  Gouvenain:  Le  Tliedtre  a  Dijon.  1888.  p.  137.  Bib.  de  Dijon.  Im- 
primes,  n°  12.779.  —  L'Academie  de  musique  de  Dijon  avait  et6  f on  dee  en  1726; 
les  statute  furent  tftablis  en  1728. 

6)  L.  de  Gouvenain,  Loc.  cit.  p.  137.  Une  indication  que  nous  devons  a  l'obli- 
geante  erudition  de  M.  Ecorcheville  semble  de  nature  a  faire  connaitre  le  nom  du 
poete.  Le  catalogue  de  J.  B.  Mercier,  libraire  a  Dijon  pour  le  mois  de  d^cembre 
1906,  porte,  en  effet,  la  mention  du  Divertissement  donne  en  Phonneur  du  C*«  de 
Tavannes,  avec  la  rubrique  suivante:  «Musique  de  Le  Jolivet,  Dijon,  Aug£.  in-4° 
de  11.  pp.»  —  N'est-ce  pas  la  le  nom  du  poete,  qu'on  aurait  pris,  par  erreur, 
pour  celui  du  musicien  V 

7;  L.  de  Gouvenain:  Loc.  cit.  p.  137. 


♦ 
L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andrg  Campra.  207 

Joseph  Campra,  age*  de  quatre-vingt  deux  ans,  mugicien  (sic),  d£c£de*  d'au- 
jourd'hui,  a  este  inhume*  par  nous,  prestre  soussign6,  faisant  les  fonctions 
curialles  en  cette  paroisse,  en  presence  de  Messire  jacque  delaunai  !),  prestre 
ordinaire  de  la  musique  du  roy,  de  Guillaume  Audiberet  (Vic)2),  ordinaire 
de  la  musique  du  roy  et  d' Augustin  lepintre 3),  aussi  ordinaire  de  la  musique 
du  roy  qui  ont  signed  avec  nous. 

Delaunay.         Audibert. 

Chevalier  Roussin,   prestre. 

Augustin  Lepeintre»4). 

L'eclatant  succ&s  remporte  par  V Europe  galante  s'affirme  encore  par 
la  rapidity  avec  laquelle  s'enlevfcrent  les  editions  successives  de  la  pi&ce. 
II  y  en  eut  trois  k  Paris,  chez  Ballard,  de  1697  k  1699,  sans  compter  celle 
qui  parut  k  Amsterdam,  sans  date,  chez  Le  One,  et  qui  semble  devoir 
se  placer  vers  17006). 

De  plus,  k  partir  de  1698,  les  Recueils  (Fairs  strieuz  et  a  boire  de 
diff&rents  auteurs,  publics  mensuellement  par  Ballard,  contiennent  des 
airs  d£tach£s  de  V Europe  gaUrnte,  airs  adapts  k  des  chansons  k  boire, 
parodies,  comme  on  disait  alors,  ainsi  que  des  airs  nouveaux  ajouWs  k 
la  partition  originate. 

1)  Jacques  de  Launay  avait  remplacS,  comme  chantre  a  la  musique  du  roi,  le 
a*  Miracle  mort  le  7  novembre  1728.  Une  ordonnance  de  payement  est  rendue  en 
sa  faveur  le  3  juin  1729.     (Arch.  nat.  Oi  73,  f°  180.) 

2)  Campra  comptait  un  Guillaume  Audibert  au  nombre  de  sea  compatriotes. 
Nous  connaissons,  en  effet,  un  musicien  de  ce  nom,  qui,  apres  avoir  He  eleve*  a  la 
maitrise  de  St  Sauveur  d'Aix-en-Provence,  sous  la  direction  de  Tabbe*  Pellegrin, 
devint  «pensionne  du  concert  de  Toulon*,  puis  maitre  de  musique  a  l'Acad^mie 
royale  de  Lyon,  d'ou  il  ecrivait  en  1746  au  ministre  des  affaires  etrangeres  pour 
lui  proposer  l'adoption  d'un  chiffre  musical.  (Voir  F6tis  I.  et  Marbot,  Les  Maitres 
de  Chapelle  de  S*  Sauveur  au  XVIII*  sidcle,  p.  11.  Voir  aussi  notre  ouvrage,  VAca- 
demie  de  musique  et  le  concert  de  Nantes,  pp.  160 — 161.)  Nous  ne  saurions  affirmer 
que  ce  Guillaume  Audibert  est  le  meme  que  celui  qui  assista  a  la  mort  de  Joseph 
Campra. 

3)  11  y  a  eu  plusieurs  violcnistes  du  nom  de  Lepeintre  a  la  musique  royale. 
Celui  qui  figure  ici  semble  etre  Augustin  Lepeintre,  nomine*  le  19  aout  1711  a  la 
musique  de  la  chambre.     (Arch.  nat.  O1  65.  f°  117. 

4)  Mat  civil  de  Versailles  —  Sepultures.  —  Paroisse  Notre -Dame,  1744.  — 
f<>18. 

5)  Nous  avons  donne  ci-dessus  le  titre  de  la  ldre  edition.  Voici  ceux  des  Edi- 
tions suivantes: 

a)  V  Europe  1 1  Galante  //  Ballet  //  En  Musique  //  Seconde  Edition  Augmcntee  // 

A  Paris,  chez  Christophe  Ballard,  1698,  in-4<>  obi.  (Bib.  de  l'OpSra). 

b)  VEurope  //   Qalante  //  Ballet  //  En  Musique  //  Par  Monsieur  Campra  // 

Troisieme  edition,  revue  et  corrigee  //. 
A  Paris,  chez  Christophe  Ballard,  1699,  in-4<>  obi.    (Bib.  nat.  Vm*  146). 

c)  IS  Europe  //  Galante  //  Ballet  //  Mis  en  Musique  1 1  Par  Monsieur  Campra  //. 

Quatrihne  Edition  Revile  Corrigee  et  Augmeniec  de  Plusieurs  Airs  Italiens. 
A  Amsterdam,  chez  Michel  Charles  Le  Cene,  s.  d.  in-4°  obi. 
(Bib.  de  l'Opera). 
Ces  trois  editions  sont  des  partitions  reduites  pour  le  chant  et  la  basse.    La 
partition  d'orchestre  complete  parut  en  1724  chez  J.  B.  Ch.  Ballard.    JBib.  nat. 
Vm2  147]. 


208  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre*  Gampra. 

C'est  ainsi  que  la  livraison  de  mai  1698  renferme  un  air  h  boire  con- 
sistant  en  une  «parodie>  du  2e  air  des  Paysans  de  la  ldr-  Entree,  et  que 
celle  de  juin  1698  pr^sente  des  « couplets  sur  des  Airs  de  V Europe  galante*. 
Ici,  on  a  utilise  Tair  des  masques  de  la  3e  Entree,  la  Loure  «pour  les 
Bis  et  les  Plaisirs>  du  Prologue  et  le  2e  air  pour  les  Espagnols  de  la 
2e  Entree  i). 

Mais  \k  ne  se  bornent  par  les  manifestations  de  la  faveur  dont 
jouissait  auprfcs  du  public  l'ceuvre  de  Campra.  Celle-ci  eut  un  tel  re- 
tentissement  chez  les  artistes,  que  Tun  d'entre  eux  lui  delivra,  par  une 
sorte  d'hommage  indirect,  un  temoignage  de  son  admiration.  En  mai  1698, 
apparaissent,  en  effet,  dans  la  meme  publication,  deux  «Airs  ajout^s  a 
V Europe  gala?ite  par  M.  Le  Marchand,  Organiste  de  S*  Benoist2]*. 

Or,  ce  M.  Le  Marchand  n'est  autre  que  Louis-Marchand,  le  fameux 
organiste,  qui  occupait  pnScisement  en  1698  les  orgues  de  S*  Benoit  et 
des  Cordeliers3).  Dfcs  1695,  Marchand  comptait,  nous  dit  M.  Andr6 
Pirro,  parmi  les  maitres  de  clavecin  les  plus  reputes  et  les  plus  recher- 
ches,  et,  en  1697  et  1698,  il  alimentait,  lui  aussi,  les  Becueils  de  Ballard 
d'airs  h  boire  de  sa  composition4).  Son  espfcce  de  collaboration  h 
YEurope  galante  etait  done  tout  particulifcrement  flatteuse  pour  Campra. 

Le  premier  des  «airs  italiens*  ajoutes  par  Marchand  au  ballet  du 
maitre  de  musique  de  Notre-Dame  a  ben£fici6  de  son  temps  dune  vogue 
extreme;  cet  air  est  justement  le  celfcbre  Io  provo  dont  le  succfes  a 
trouv6  un  £cho  dans  la  2*  Partie  de  la  Comparaison  de  Lecerf  de  la 
Vieville.  Lecerf,  voulant  donner  un  exemple  de  la  fa^on  adroite  dont 
les  musiciens  frangais  s'entendaient  k  pasticher  la  musique  italienne  ecrit, 
en  effet: 

«Et  cet  autre  [air]  qui  a  tant  couru  et  qui  a  eu  tant  de  reputation  de- 
puis  sept  ou  huit  ans: 

Io  provo  nel  cuore 
Un  lieto  ardore,  etc. 

est  de  Marchand  l'organiste  des  Cordeliers  de  Paris*8). 

L'air  vis£  par  Lecerf  £tait  si  habilement  pastiche,  il  revetait  un 
aspect   tellement    transalpin   que   les   musiciens   italiens   eux  memes  s'y 


1)  L'air  des  Masques  de  la  3*  Entree  [V Italic)  est  employ 6  comme  air  a  boire. 
p.  23  de  la  livraison  de  ftvrier  1698.  La  Loure  du  Prologue  remplit  le  m&me  ob- 
jet,  p.  43  de  la  livraison  de  mars;  enfin,  le  2«  air  pour  les  Espagnols  de  la  2*  En- 
tree [VEspagne)  est  transforme  en  air  a  boire,  p.  70  de  la  livraison  d'avril  1698. 
Voir:  Recueil  fairs  serieux  et  a  boire  de  different  auteurs  pour  1698.  (Bib.  nzt 
Vm"  531). 

2)  Ibid.  pp.  91  et  97. 

3)  A.  Pirro.  —  Louis  Marchand:  Bulletin  trimestriel  de  1'I.M.G.,  oct.  dec.  1901 
p.  144. 

4)  Ibid.  p.  143. 

6)  Lecerf  de  la  Vieville:  Comparaison,  etc.    2*  Partie,  (1705)  p.  100. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre*  Camp r a. 


209 


laissaient  prendre,  temoin  ce  chanteur  dont  parle  Lecerf,  qui  le  chan- 
tait  en  simaginant  roucouler  un  morceau  venu  en  droite  ligne  du  pays 
de  Carissimi: 

<TJn  musicien  italien,  qui  chant  a  deux  fois  a  l'opera  de  Paris  devant 
Monseigneur  qui  fut  bientot  las  de  lui  et  qui  alia  ensuite  a  Rouen  ou  on 
ne  tarda  pas  a  s'en  lasser,  chantait  Io  provo  avec  la  confiance  d'un  homme 
qui  reconnait  le  g£nie  de  son  cher  pays*1). 

Au  dire  de  Lecerf,  qui  l'a  entendu  probablement  de  la  bouche  du 
chanteur  en  question,  VIo  provo  de  Marchand  est  un  « savant  air»2). 

Cet  air  a  echappe  aux  recherches  de  M.  Pirro,  et  en  raison  de  sa 
c^lebrite  et  des  circonstances  dans  lesquelles  il  prit  naissance,  nous  le 
transcrivons  ci-dessous,  d'aprfes  la  version  qu'en  donne  le  Recueil  de 
Ballard  de  1698.  II  s'accompagne  de  2  violons  et  de  la  basse,  et  de- 
bute par  une  introduction  symphonique  de  10  mesures: 

^ 

Ti , 


1^^^^ 


Violons 


B1 


'*=*- 


£S 


■0-±- 


* 


Reprise 


a^g^—^ 


Basse-continue. 


I  Petite  reprise. 


gj^^^^=s£ga^f 


-*-•' 


1)  Lecerf.  Loc.  cit.  p.  101. 

2)  Ibid.  p.  103. 


210 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  snr  la  jennesse  d'Andr^  Campra. 


m 


+-Vrsd 


+-*- 


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5=9= 


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Io  pro-vo   nel  cuo-re 
Fes-teg -gia  mio  cuo  -  re 


m 


Un  liet  -  to     ar  -  do  -  re. 
D'una   al-ma    A -man  -  to. 
.       7  6+ 


m 


JLIip 


p^Vf-^ 


^3* 


m 


Io  pro-vo  nel  cuo-re  Un  liet -to  ar- 

Fea-teg-giamio  cuo-re      D'una  al  -  ma  A- 

.     7  6+ 


SE 


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do  -   re,    Un    liet 
man  -  te,D'una  al 

08 


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79 


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to      ar  -  do 
ma     A  -  man 


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L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeuneese  d' Andre*  Campra.  211 


m 


re,  Un   liet 

te,      D'nna   al 

6 


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to      ar    -    do 
ma     A    -    man 


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212  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 

Fine. 


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-h — *- 


Mi  su-ono  gra-di-te 

Non  eu-omo  le    pe-ne 

Fine.  o  8 

^  7tt  + 


La  dolce 
Ma  solo 

«      + 


feri 
Cate 


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C5s^: 


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ne  Del  nu-me  In -fan 
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Del  Dio  d'A-mo 
Del  nume  In-fan 


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L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 


213 


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Festeggia  mio 


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-#— #- 


Da  capo. 

Le  2°  air  italien  ajoute  &  V Europe  Oalante  comporte,  de  meme,  un 
accompagnement  symphonique  confie  k  2  violons  et  k  2  flutes  qui,  tantot 
jouent  en  tutti,  tantot  ex^cutent  un  Trio  avec  la  basse,  les  intruments 
k  archet  alternant  avec  les  instruments  k  vent.  La  voix  entre  en  action 
k  la  24e  mesure  et  debute  comme  il  suit: 

Chant. 


-pf^:^=t^z 


B.  c. 


A-mor,    Amor  da  mi  con-  si   -  gliQ,Chede 


£gfeg^ 


gio  far 


teg^tet 


*=M 


Zf§& 


£ 


£ 


Ces  deux  airs  sont  k  reprises  et  k  «da  capo*;  ils  appartiennent  au 
plus  pur  type  italien,  et,  k  ce  point  de  vue,  font  grand  honneur  k  l'in- 
geniosite  et  k  la  souplesse  du  talent  de  Marcband. 

Si  le  grand  organiste  collabora  d'une  fa^on  toute  indirecte  au  ballet 
de  Campra1),  un  autre  musicien  apporta  k  Tauteur  de  Y Europe  gakrnte 
un  concours  plus  effectif.  Si  Ton  en  croit  quelques  biographes  du 
XVIII6  sifccle,  trois  airs  de  la  partition  originale  reviendraient  en  propre 
k  Destouches: 

«La  Mothe,  raconte  Morambert  d'apres  Titon  du  Tillet,  qui  e*tait  Auteur 
des  Paroles  de  cet  admirable  Ballet  [V Europe  galante],  se  trouvait  quelque- 
fois  chez  Campra  dans  le  meme  temps  que  Destouches,  ce  qui  lia  ami  tie 
entre  eux.     Campra  etoit  si  satisfait  de  1' excellent  gout  que  son  eleve  avoit 

1}  Ces  deux  airs,  en  effet  ne  furent  pas  ajoutes  a  Tedition  de  1699.  Cette  Edition 
comprend  une  table  «d'Airs  qui  se  peuvent  detacher >  sur  laquelle  on  releve  Tair 
espagnol  «E1  esperar  en  ainor»,  les  airs  italiens:  «Ad  un  cuore  tutto  geloso>, 
«Si  scherzi,  si  rida>,  et  Tair  de  la  fete  turque:  «Vivir  gran  Sultana>,  mais  cette 
table  ne  mentionne  aucun  des  airs  de  Marchand,  airs  qui  ne  sont  pas  davantage 
incorpores  dans  le  texte.  La  table  dont  il  s'agit  est  suivie  de  Tobservation  suivante : 
«Dans  la  longue  espace  de  Temps  que  cette  piece  a  este  representee,  on  y  ajoute 
plusieurs  Airs  Italiens  qui  se  trouvent  dans  le  Recueil  des  meilleurs  Airs  Italiens 
imprime  pour  cette  an  nee  1699;  ainsi,  il  ne  les  faut  point  chercher  dans  la  Table 
cy-dessus.* 


214  L.  de  1&  Laurencie,  Notes  stir  la  jeunesse  d'Andre*  Campra. 

pour  la  musique  vocale  qu'il  lui  donna  trois  airs  a  composer  dans  son  Balletr 
celui  de  «Paisibles  lieux,  agr£ables  retraites*,  dans  le  Pr  Acte;  celui  de  «Nuit 
soyez  fidele»,  Acte  II,  et  celui  de  «Mes  yeux,  ne  pouvez-vous  jamais  forcer 
mon  vainqueur  a  se  rendre*,  Acte  IV*1). 

Le  meme  fait  se  trouve  rapports  dans  les  Anecdotes  dramatiques]  il 
y  est  dit  que  le  mousquetaire  Destouches  s'apercevant,  en  composant  des 
chansons,  qu'il  lui  manquait  une  solide  instruction  musicale,  quitta  le 
service  en  1696  et  pria  Campra  de  parfaire  son  education.  Celui-ci  l'ayant 
pris  comme  6lkve,  se  montra  si  satisfait  de  ses  progrfcs  et  de  ses  heu- 
reuses  dispositions  qu'il  le  chargea  d'ecrire  trois  airs  de  son  ballet2). 

Mais,  d'aprfcs  une  autre  version  de  cette  histoire,  VEurope  galante 
aurait  primitivement  6t6  destin£e  k  Destouches  et  ce  serait  sur  les  obser- 
vations adress^es  par  Campra  k  La  Motte,  que  celui-ci  en  aurait  d^fini- 
tivement  confix  la  composition  au  musicien  du  chapitre  de  Notre-Dame. 

Voici  en  effet,  ce  qu'on  peut  lire  dans  le  Sentiment  (Tun  harmoni- 
phile: 

«On  m'a  raconte*  une  petite  anecdote  tou chant  cet  op6ra  que  le  Public 
ne  sera  peut-etre  pas  fach6  de  scavoir.  Houdard  de  la  Mothe  ayant  com- 
post le  Poeme  de  VEurope  galante,  le  donna  a  mettre  en  musique  a  Des- 
touches qui  commencait  a  se  faire  une  certaine  reputation  par  plusieurs  jobs 
Airs  qu'il  avait  composes,  dont  le  Public  6toit  fort  satisfait.  Destouches  ap- 
prenoit  des  lors  la  composition  sous  Campra.  Ce  dernier,  qui  £toit  encore 
maitre  de  musique  de  Notre-Dame,  demanda  a  La  Mothe  pourquoi  il  avait 
donne  son  Ballet  a  un  Scolier  qui  ne  scavait  pas  assez  de  composition  pour 
le  mettre  en  Musique.  A  force  d'etre  tourment£,  La  Mothe  le  retira  d'entre 
les  mains  de  Destouches,  sous  pr£texte  d'y  faire  quelques  changements  et  le 
donna  a  Campra  qui  le  travailla  furtivement.  Destouches  1' ay  ant  scu,  en 
porta  ses  plaintes  a  Campra  et  a  La  Mothe;  celui-ci,  pour  l'appaiser,  lui 
donna  le  poeme  (TIssS  a  mettre  en  Musique,  et  Campra  lui  promit  qu'il  con- 
serveroit  les  morceaux  qu'il  avait  composes;  en  effet,  il  tint  parole  ..  .»'). 

Si  cette  version  est  vraie,  elle  eclaire  d'un  jour  assez  piquant  les 
relations  du  professeur  et  de  l'£lfeve,  le  maitre  travaillant  en  cachette  sur 
un  pofcme  confix  k  son  ecolier,  et  consentant  ensuite  k  transiger,  tout 
en  laissant  d'ailleurs  imprimer  les  airs  de  Destouches  sous  son  propre  nom. 

Quoiqu'il  en  soit,  enhardi  par  le  succ&s  et  tranquillise  du  cot6  de 
Notre-Dame,  grace  k  Tattribution  de  VEurope  galante  k  son  frfcre, 
Campra  se  lance,  lui  aussi,  dans  la  composition  de  ces  «airs  s£rieux  et  a 
boire»  qui  faisaient  alors  fureur.  A  partir  del698,  les  Recueils  de  Ballard 
donnent,  sous  le  nom  de  «Mr  Campra  le  cadet  4)»  un  certain  nombre  de 


1)  Titon  du  Tillet,  2*  Suppl*  au  Parnasse  franems  (article  Destouches).  p.  64  et 
Sentiments  dun  harmoniphile  sur  differents  ouvrages  dc  musiqu*.  1766.  pp.  37  a  41. 

2)  Anecdotes  dramatiques,  1776,  111.  pp.  333.  334. 

3)  Sentiments  dun  harmoniphile,  etc.  pp.  39.  40. 

4)  LTauteur  y  est  d6sign6,  tantot  par  la  mention :  M.  Campra  le  cadet,  tant6t  de 
la  facon  suivante:  M.  Campra  L.  C.  [Le  Cadet]. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunease  d'Andrg  Campra. 


215 


ces  petites  pieced.  On  en  compte  6  de  1698  5,1700,  dont  nous  6tablis- 
sons  ci-aprfcs  la  table.  A  qui  convient-il  reellement  d'en  attribuer  la 
paternite?  Sont-elles  vraiment  de  Campra  le  cadet,  qui  aurait  voulu 
donner  ainsi  plus  de  vraisemblance  aux  subterfuge  de  son  frfcre,.  en 
prouvant  son  talent  de  compositeur,  ou  bien  appartiennent-elles  en  propr$ 
a  Taine  qui,  desireux  de  publier  des  morceaux  de  musique  profane,  aurait 
continue  k  s'abriter  derriere  son  cadet?  Nous  avouons  pencher  pouj 
la  seconde  hypothese1): 

Printemps  serieux  de  M.  Campra  le  cadet,  (juin  1698).   .-■•,. 
Recueil  Vm7531,  p.  122. 


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Prin- temps,  vous  n'es -  tes    plus     la    sai-son    des   combats;        La 


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Paix  joint     ses     dou-ceurs. 
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Air  h  boire  de  M.  Campra  L.  C.  (Janvier  1700).    Recueil  Vm  7  53,  p.  10. 

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Sans  toy    Bacchus,  il  n'est  point  douxde  vi-vreL'amourvient  en    ces  lieux 


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Air  serieux  de  M.  Campra  L.  C.  (fevrier  1700)  meme  recueil,  p.  26. 


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Ah! Comment n'etre  point     ja-loux?Il  est  vrai  vous m'aimezetmon sort 
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1)  On  ne  comprendrait  pas,  en  effet,  pour  quelle  raison  Campra  le  cadet  aurait 
attendu  Panne e  1698  pour  se  faire  connaitre  comme  compositeur  d'airs  &  boire. 

s.  d.  IMG.    x.  15 


216 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  je unease  d' Andre1  Campra. 


Air  k  boire  de  Monsieur  Campra  le  C.  (k  2  voix)  (fevrier  1700), 
meme  recueil,  p.  27. 


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Aux  ar-mes,    Aux  ar-mes,tout  est  pret,  A-miscou-rons 


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Aux  ar-mes,  tout  est  pret,   A-miscou-rons,  couronscou- 


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Air  serieux  de  Monsieur  Campra  le  C.  (Mai  1700),  meme  recueil,  p.  ! 


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I  -  ris      ou  bli  -  ant     sa     ri  -gueur,  Dans  un  songe    a      £at- 
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Air  sdrieux  de  Monsieur  Campra  L.  C.  (juillet  1700),  meme  recueil  p.  128. 

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L.  de  la  Laurencie,  Notes  snr  la  jeunesse  d' Andre  Campra.  217 

L'annee  1698  apporte,  dureste,  un  nouveau  temoignage  de  l'activit£ 
qui  de\ore  Campra,  depuis  la  representation  de  V Europe  galante1).  II 
va,  avec  une  oeuvre  plus  importante,  donner  un  pendant  au  Divertissement 
execute"  en  presence  du  due  de  Chartres  durant  V6t6  de  1697.  Mais, 
cette  fois,  il  aura  Thonneur  de  compter  parmi  ses  auditeurs  le  dauphin 
en  personne.  C'est  encore  le  Mercure  qui  nous  renseigne  en  la  cir- 
constance: 

«A  une  fete  donn6e  le  27  Janvier  [1698]  chez  la  Duchesse  de  la  Fert6, 
le  lendemain  du  jour  que  M*r  le  Cardinal  de  Furstemberg  fit  chanter  le  Te 
Deum  pour  la  Paix  entre  la  France,  l'Empereur  et  l'Empire,  M*r  le  Dau- 
phin ayant  bien  voulu  lui  faire  l'honneur  de  venir  diner  chez  elle,  apres 
le  repas,  on  passa  dans  un  autre  appartement  ou  l'on  joua,  apres  quoi,  il 
y  eut  un  divertissement  intitule  V&nus,  Feste  galante,  dont  voicy  le  Pro- 
logue •  *). 

Suit  le  Prologue  de  la  piece.    Un  peu  plus  loin,  le  journal  ajoute: 
«Les  vers  de  ce  Divertissement  sont   de  M.  Danchet,   et  la  Musique  est 
de  M.  Campra »  3). 

Antpine  Danchet,  Pauteur  des  paroles,  venait  de  quitter  Chartres,  oh 
il  enseignait  la  rhe*torique,  pour  se  fixer  k  Paris  oil  Madame  de  Turgis 
lui  avait  confie*  l'dducation  de  ses  deux  enfants,  en  lui  assurant  une 
rente  viag&re  de  200  livres.  Comme  poete,  il  ne  s'&ait  encore  fait 
connaitre  que  que  par  de  «legers  essais  pour  la  Poesie  fran$aise».  On 
lui  demanda,  assure  son  biographe,  des  vers  pour  un  ballet  represents 
devant  Monseigneur,  et  cette  tentative  lui  re*v£la  ses  propres  forces,  en 
l'encourageant  k  ecrire  Tope'ra  <¥H6sioneA). 

VinuSy  Feste. galante  comprenait  un  Prologue  et  un  seul  acte  entierement 
consacrg  a  l'exaltation  de  la  beaute*  de  la  princesse  de  Conti.  A  la  scene  II, 
l'auteur  met  dans  la  bouche  de  Pallas  ces  vers  suffisamment  explicites: 

1)  L' Europe  galante  ne  fut  pas  seulement  un  grand  succ&s  artistique.  Elle  mar- 
que une  date  dans  1'histoire  financiere  de  l'OpSra,  car,  selon  les  freres  Parfaict,  ce 
serait  a  partir  de  ce  ballet  qu'on  accorda  des  honoraires  fixes  aux  auteurs  d'ou- 
▼rages  lyriques.  «L,nsage  6tait  alors  qu'on  donnait  aux  auteurs  des  Paroles  et  de 
la  Musique  une  certaine  somme  qui  6tait  plus  ou  moins  forte  selon  le  in£rite  de 
leur  ouvrage.  La  Motte  et  Campra  furent  trait6s  en  inconnus  et  on  leur  offrit  une 
somme  tres  modique  qu'ils  refuserent.  Quelques  personnes  proposerent  des  arrange- 
ments a  ce  sujet,  et  on  s'en  tint  a  celuy  qui  est  devenu  depuis  un  siecle  une 
espece  de  loi.  Ce  fut  d'accorder  au  poete  et  au  musicien,  chacun  en  particulier, 
100 livres  par  jour  des  10 premieres  representations  de  leur  piece  et  60  livres  de  memo 
par  jour  jusqu'a  la  vingtieme,  apres  laquelle  l'opgra  appartient  a  l'Acad6mie  royale 
de  musique.*     (Parfaict,  Copie  Nuitter,  p.  292.  294.    Bib.  de  TOp6ra). 

2)  Mercure  galant,  Janvier  1698.  p.  274. 

3)  Ibid.  p.  281. 

4)  Discours  sur  la  vie  et  les  outrages  de  M.  Danchet,  servant  de  Preface  au  Thidtre 
de  M.  Danchet  1751.  p.  IV  et  V.  —  Voir  aussi  Biographies  Michaud  et  F.  Didot,  X. 
p.  87  et  XII.  p.  896.  —  Venus,  Feste  galante  se  trouve  dans  le  tome  II  des  GEuvres 
de  Danchet,  6d°°  de  1761.  Antoine  Danchet,  n£  a  Riom  le  7  septembre  1671,  avait 
compose1  en  1691  une  piece  de  vers  latins  qui  lui  valnt  la  chaire  de  rh£torique  du 
college  de  Chartres.    II  quitta  cette  situation  en  1696  et  vint  a  Paris. 

15* 


218  L»  <?e  la.  Lauren cier  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 

«On  vient,  c'est  Venus  qui  s'ayance. 
Lea  Amours  empressez  la  suivent  en  cea  lieux 
Laissons-la  s'applaudir  d'une  vaine  puissance. 
Que  luy  vont  ravir  d'autres  yeux>*). 

«Personne,  rapporte  le  Mercure,  n'eut  peine  a  deviner  a  qui  Pallas  faisait 
ainsi  allusion  et  Ton  entendit  aussitot  retentir  le  nom  de  Madame  la  Prin- 
cesse  de  Conty»2). 

Tandisque  les  Graces,  lea  Amours  et  les  Plaisirs  chantent  la  victoire  de 
V6nus  qui  vient  de  recevoir  la  pomme  d'or  dea  mains  du  berger  Paris,  et 
que  Mars  declare  sa  flam  me  a  la  deesse,  Jupiter  clot  le  divertissement  en 
men a$ ant  celle-ci  d'une  rivalite*  dont  elle  ne  saurait  triompher. 

« Venus,  ne  pensez  pas 

Avoir  seule  en  partage 

Les  plus  charmants  appas. 
J'ay  vu  dans  ce  sejour  briller  une  Mortelle 
Tout  cede  a  ses  attraits  si  doux>  3). 


Bref,  c'etait  la  le  type  du  divertissement  de  cour  avec  sa  grace  affectee 
et  ses  allusions  courtisannesques. 

Vtnus  parut  chez  Ballard,  la  meme  annee,  sous  le  titre  qui  suit: 

Vinus  ||  Feste  galante  ||  Giantee  devant  Monseigneur  \\  le  27  Jan- 
vier 1698,  chez  Madame  ||  la  Duchesse  de  la  Ferte  || 

A  Paris,  Christophe  Ballard  1698*). 

On  voit  done  qu'elle  n'etait  pas  signee.  Nous  n'en  connaissons  qu'une 
seule  Edition. 

En  gardant  l'anonymat  au  moins  officiellement,  sinon  officieusement, 
Cainpra  agissait  assurement  au  mieux  de  ses  interets  en  un  temps,  ou 
au  nom  de  la  morale,  PEglise  fulminait  contre  l'opera  et  contre  les 
« lieux  communs  de  morale  lubrique>  qui  excitaient  Tindignation  du  sage 
Boileau 5).  L'archeveque  de  Paris  ne  semblait  pas  cependant  tenir  rigueur 
a  son  musicien  des  incursions  qu'il  dirigeait  en  cachette  sur  le  terrain  du 
divertissement  lyrique,  dont  la  Sorbonne  avait  stigmatise  «rh£donisme 
pompeux6)*.  Ce  qui  le  prouve,  [e'est  que  Campra,  peu  de  temps  aprfcs 
la  fete  donnee  chez  la  duchesse  de  la  Ferte,  s'en  allait,  le  23  mai  1698, 
diriger  un  concert  de  musique  religieuse  a  Conflans,  en  presence  du  ma- 
rechal  de  Noailles: 

« Domino  Marcscallo   de  Noailles,  percupienti  id  hodie  pomeridianis  hori$ 

1)  Mercure  galant,  Janvier  1698,  p.  279. 

2)  Melle  de  Blois.  <La  princesse  de  Conty,  dit  Dangeau,  se  surpass  ait  dans  les 
contredanses  et  danses  a  l'allemande>  [Journal,  VII.  p.  20;. 

3)  Mercure,  loc.  cit.  p.  280. 

4)  ln-4°  obL    Bib.  nat.  Reserve.    Vm2  80  et  Bib.  de  l'OpSra. 

5)  Sur  ce  point  voir  J.  Ecorcheville  f  De  Lulli  a  Rameau  (1690—1730).  U Bathe- 
tique  musieale.  pp.  55  et  suiv. 

6)  Ibid.  p.  63. 


L.  de  la  Laurenoie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andrd  Campra.  219 

Magister  Andrews  Campra,  Eeclesice  symphoniarcha  mittetur  apud  Conflmntium  *) 
una  cum  duobus  a  pueris  Ghori  ad  aliquem  Psalmum  musice  decantandum, 
Domini  annuerunt*2). 

Exception  faite  pour  les  sommes  remboursees  k  Campra  en  1698,  a 
T  occasion  du  Te  Deum  de  la  Paix,  les  registres  des  deliberations  capi- 
tulaires  de  Notre-Dame  ne  mentionnent  rien  qui  int^resse  notre  musi- 
cien  cette  annde-lil;  Campra  travaillait  aJors  k  un  autre  ballet  qui  parut 
explicitement  sous  le  nom  de  son  frfcre  au  commencement  de  1699.  — 
Voici,  en  effet,  le  titre  de  Tedition  in-4°  du  Carnaval  de  Venise,  imprimee 
par  Ballard  en  1699,  et  ornee  dun  frontispice  de  Guerard,  representant 
la  place  St.  Marc  k  Venise: 

Le  Carnaval  \\  De  Venise  ||  Ballet  ||  Mis  en  Musique  \\ 
Par  M.  Campra  le  Cadet  \\ 

A  Paris  \\  Chez  Christophe  BaUard  \[  1699*). 

Dangeau,  dans  son  Journal,  donne  comme  date  de  la  l*re  represen- 
tation du  Carnaval,  celle  du  20  Janvier  1699: 

«Mon8eigneur  alia  mardi  de  Meudon  a  l'Opera  de  Paris;  on  joua  pour 
la  premiere  fois  le  Carnaval  de   Venise*4). 

Cette  mention  dtant  du  mercredi  21  Janvier  k  Marly,  il  s'en  suit  que 
le  ballet  de  Campra  avait  passd  la  veille,  20  Janvier5). 

Le  dauphin  s'interessait  vivement  k  la  musique  de  l'auteur  de  V Europe 
galante.  Nous  l'avons  vu  applaudissant  V&nus  chez  la  duchesse  de  la 
Ferte;  k  partir  de  la  fin  de  Janvier  1699,  il  multiplie  ses  voyages  k  Paris, 
et  chaque  fois,  il  va  h  l'opera  oh  on  joue  avec  sucefcs  le  Carnaval  de  Venise. 
Le  25  Janvier,  Dangeau  signale  que  M*r  est  alie  de  Meudon  k  Paris,  k 
l'opera.  Madame  la  princesse  de  Conti  ne  Yj  suivit  point,  se  trouvant 
indisposde6).  Le  27,  le  Dauphin  fait  encore  le  voyage  de  Paris,  mais 
cette  fois,  avec  le  due  et  la  duchesse  de  Bourgogne: 

«Monseigneur  alia  a  l'opera  a  Paris  et  y  mena  monseigneur  le  due  de 
Bourgogne  et  madame  la  duchesse  de  Bourgogne.  (Test  la  premiere  fois 
que  la  duchesse  de  Bourgogne  ait  e*te  a  l'opera  a  Paris*7). 


1)  11  s'agit  ici  de  Conflans  l'Archeveque,  village  du  departement  de  la  Seine, 
arr*  de  S*-  Denis,  canton  et  commune  de  Charenton-le-Pont.  Les  e>eques  et 
archeveques  de  Paris,  seigneurs  du  lieu,  y  6taient  possesseurs  d'une  maison  de 
campagne. 

2}  Deliberation  du  vendredi  23  mai  1698.  Arch,  nat.  LL  227  fo  349  et  LL  228 
fo  34*°.  Le  marechal  de  Noailles,  Annes-Jules,  due  de  Noailles,  ne*  a  Paris  le 
5  fe>rier  1650,  £tait  le  frere  de  Louis- An toine,  archeveque  de  Paris. 

3)  In-4o  obi.  Bib.  nat.  Reserve.  Vm2.  63.  II  ne  parait  pas  y  avoir  eu  d'autre 
edition. 

4)  Dangeau,  Journal,  VII.  p.  12.  (edon  F.  Didot). 

6)  On  attribue  d'ordinaire  a  la  l*r«  representation  de  ce  ballet  la  date  du 
28  fevrier  1699.  Of.  Chouquet,  Histoirc  de  la  musique  dramatique  en  France  et  Pou- 
gin.     Loc.  cit. 

6)  Dangeau,  Loc.  cit.  p.  14;  du  dimanche  25  Janvier  16!K)  a  Versailles. 

7)  Ibid.  p.  15.  du  mardi  17  Janvier  a  Versailles. 


220  I*»  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 

Ainsi,  la  duchesse  de  Bourgogne  £trennait  l'Academie  royale  de  mu- 
sique  avec  un  ballet  de  Campra.  Le  dauphin  ne  cesse  de  se  rendre  au 
Carnaval  de  Venise;  il  y  retourne  deux  fois  dans  le  courant  de  fevrier, 
tant  est  grande  son  admiration  pour  cette  musique  alerte,  gracieuse,  forte- 
ment  teintee  d'italianisme 1). 

La  pifcce  se  passe,  en  effet,  en  pleine  Italie  k  Yenise,  et,  comme  le 
dit  Maupoint,  elle  consiste  en  une  «comedie  du  contraste  des  amours  d'un 
cavalier  frangois  et  d'un  noble  V£nitien*).»  Campra  y  a  meme  introduit 
tout  un  petit  op£ra  italien,  sur  lequel  nous  reviendrons,  Orphte  aux  enfers; 
cette  concession  consentie  au  gofit  italien  devait  vraisemblablement  exciter 
la  curiosite  du  public  et  contribuer  fort  heureusement  k  assurer  le  succ£s 
du  nouveau  ballet.  Du  k  sa  plume  de  Jean-Francois  Regnard,  le  Car- 
naval  de  Venise  comprenait  un  Prologue  et  3  actes8);  c'est  au  3e  acte 
que  se  trouve  le  petit  opfra  italien,  £crit  tout  entier  en  italien  sous 
le  titre: 

Orfeo  neW  inferni  \\  Opera  \\  Regia  di  Plutone  ||  4). 

La  secotide  apparition  d'une  oeuvre  de  Campra  k  l'Academie  royale 
de  musique  eut  lieu  sans  encombre;  l'autorit£  ecclesiastique  ne  parut 
pas  plus  s'en  dmouvoir  que  des  representations  de  V Europe  galante,  deux 
ans  auparavant.  Sans  doute,  on  s'elevait  en  principe  contre  un  art  oil 
«l'on  attaque  le  coeur  par  tous  les  endroits  oil  il.est  d'ordinaire  ouvert5)», 
mais  il  est  avec  le  ciel  des  accommodements,  car,  par  une  singuli&re  con- 
tradiction, la  musique  d'opera,  condamnee  d'un  point  de  vue  dogmatique, 
penetrait  insidieusement  k  Teglise  et  se  laissait  admirer  dans  le  sanctuaire 
par  ceux-l&  memes  qui  lui  jetaient  anatheme.  Nous  n'en  voulons  d'autre 
preuve  que  la  surprenante  annonce  parue  dans  le  Mercure  galant  de  mai 
1699,  et,  aux  termes  de  laquelle,  on  livrait  au  public  des  «airs  spirituels, 
composes  dans  le  gout  de  l'op^ra. »  Bien  plus,  le  recueil  en  question  etait 
d£die  k  Tarcheveque  de  Paris: 

«On  vient  de  donner  au  Public  un  recueil  d'Airs  spirituels  et  nouveaux 
a  une,  deux  et  trois  parties,  composez  dans  le  goust  des  Airs  de  1' opera.  Cet 
ouvrage  est  dedie  a  Mr  l'Archevesque  de  Paris*. 

Et  tranquillement,  le  Mercure  avertit  ses  lecteurs  que  l'auteur  ne 
s'en  tiendra  pas  1&,  mais  qu'il  publiera,  au  commencement  de  chaque 
mois  un  recueil  semblable,  «dans  lequel  il  y  aura  deux  airs  choisis  des 

1)  Ibid.  p.  22,  du  8  fevrier  et  p.  26,  du  15  fcvricr  1699. 

2)  Maupoint,  Bibliotheque  des  Theatres,  1753.  I.  p.  65. 

3)  Jean-Francois  Regnard  naquit  a  Paris  le  8  fevrier  1665;  il  est  mort  a  Grillon 
pres  Dourdan  le  3  7br«  1709.  Le  Carnaval  de  Venise  se  trouve  dans  le  Tome  IV  de 
ses  (Euvres  (Ed°n  de  1820)  p.  307. 

4)  Comme  YEurope  galante,  le  Carnaval  de  Venise  eii  un  grand  succes. 

5)  Gerbais,  Lettre  dun  docteur  de  Sorbonne  a  une  personne  de  qualite,  1694,  p.  56. 
Cf.  Ecorcheville,  Loc.  cit.  p.  58. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre*  Campra.  221 

Operas  anciens  et  nouveaux  sur  des  paroles  de  devotion1)*.  VoiHt  done 
la  devotion  associee  h  la  musique  profane!  Etonnez-vous  apres  cela 
qu'un  maitre  de  musique  de  Notre-Dame  travaille  avec  ardeur  h  satis- 
faire  k  ce  gout  de  l'ope*ra,  si  puissant  dans  les  dernieres  annees  du 
XVIIe  siecle,  qu'il  conquiert  les  ecclesiastiques  eux-memes. 

Mais  Campra  ne  va  pas  tarder  &  prendre  son  parti  et  sa  carriere  de 
chef  de  maitrise  touche  maintenant  h  sa  fin.  Le  mercredi  9  septembre  1699, 
il  demande  et  obtient  un  conge*  pour  s'absenter  de  l'^glise  pendant  8 
jours2).  Evidemment,  notre  musicien  s'occupe  bien  encore  de  ses  Aleves, 
puisqu'on  lui  rembourse  une  somme  de  12  livres  qu'il  a  avanc^e  pour  un 
livre  de  musique  necessaire  aux  enfants  de  choeur3).  Toutefois,  on  sent 
que  son  esprit  sechappe  peu  k  peu  de  ses  fonctions  officielles,  malgr6 
qu?il  s'efforce  de  sauvegarder  les  apparences  en  assurant,  avec  une  bonne 
foi  assez  douteuse,  semble-t-il,  l'archeveque  et  le  chapitre  de  son  d&roue- 
ment.  A  ce  point  de  yue ,  la  de*dicace  de  son  2e  Livre  de  Motets  paru 
chez  Ballard  en  1700,  nous  parait  typique.  Quelques  mois  avant  de. 
jeter  le  froc  aux  orties  et  de  s'abandonner  entierement  h  la  musique 
profane,  Campra  va  deposer  aux  pieds  de  M^  de  Noailles  un  temoi- 
gnage  de  fidelite  dont  les  evdnements  ne  manqueront  pourtant  pas  de 
contredire  les  effusions  suspectes.  H  y  a  lit  une  manifestation  nouvelle 
du  caractere  un  peu  sinueux,  un  peu  hypocrite  de  l'auteur  de  VEurope 
galante4). 

«A  Monseigneur  Louis- Antoine  de  Noailles,  Archeveque  de  Paris,  Due 
de  Sfc  Cloud,  Pair  de  France,  Commandeur  de  l'Ordre  du  8k  Esprit: 

Monseigneur. 
«Permettez-moi  d'offrir  a  votre  Grandeur  ce  Reciieil  de  Motets  ou  j'ai  tache  de 
suivre  les  vttes  qu'elle  m'a  donnees  avec  tant  de  bonte\  Elle  m'a  fait  comprendre, 
Ms*,  que  la  Musique  ne  doit  servir  qu'a  elever  Tesprit  a  Dieu  en  touchant  le  coeur 
de  ces  mouvements  vifs  et  tendres  que  la  Religion  inspire.  U  n'est  guere  de  moyen 
plus  capable  de  produire  cet  effet  que  d'animer  par  de  beaux  chants  des  Paroles  de 
l'Ecriture,  qui  sont  si  propres  par  elles-memes  a  remuer  Tame  et  a  Tembraser  comme 
faisoient  les  Musiciens  que  le  S*  Esprit  a  daigne  loiier  (Ecclesiast.  44.  V*  5).  On  en 
doit  croire  Sfc  Augustin  qui  l'avoit  eprouve.  Tout  spirituel  qu'il  6toit,  le  chant  des 
Pseaumes  allumoit  en  lui  un  feu  sacre,  une  douceur  qu'il  ne  sentoit  pas  lorsque  les 

1)  Mercure  galant,  Mai  1969.  pp.  260—261.  Ce  recueil  se  vendait  chez  Claude 
Roussel  graveur,  rue  Sl  Jacques,  au  Lion  d'argent,  pres  les  Mathurins. 

2)  Deliberation  du  mercredi  9  septf>'«  1699.  Arch.  nat.  LL  228.  2«  partie. 
fo  65f<>. 

3)  Deliberation  du  vendredi  7  octobre  1699.  Arch.  nat.  LL  229.  fo  160;  voici 
le  texte:  «Restituat  Magister  Antonius  Dumeynet,  Receptor  Capituli,  Magistro 
Andreas  Campra,  Canonico  Subdiacono  Sti  Joannis  Rotundi  et  musices  Magistro, 
8ummam  duodecim  librarum  pro  libro  musicae  pueris  chori  necessario,  juxta  memo- 
rial e  per  Dominum  Guichon  visum  ac  subscriptum>. 

4)  Le  caractere  de  Campra  ne  semble  pas,  en  effet,  avoir  6te  a  labri  de  tout 
reproche.  Divers  petits  faits,  poste>ieurs,  il  est  vrai,  a  la  p6riode  que  nous  etu- 
dions,  l'eclairent  d'un  jour  assez  defavorable. 


222  !*•  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jennesse  d' Andre"  Campra. 

Pseaumes  n'etoient  que  recites  (Livre  10  des  Confessions,  Ch.  33).  Telle  est  la  force 
de  la  Musique  quand  elle  exprime  bien  un  sujet  grand  et  touchant  qu'elle  traite.  U 
vous  est  aise  de  voir,  M&r,  que  votre  coeur  est  p^netre  de  cette  meme  douceur  celeste 
que  ressentoit  ce  grand  Saint,  lorsqu'  apres  tant  de  travaux,  dont  tout  autre  serait 
peut-etre  accable*,  nous  vous  voyons  assister  aux  offices  de  la  nuit  et  du  jour,  avec  une 
piete  qui  nous  edifie  et  nous  confond.  Que  je  m'  estimerois  heureux  si  ma  Musique 
pouvoit  faire,  selon  vos  dSsirs,  les  chastes  deiicee  des  Ames  Saintes !  Je  puis  an  moins 
assurer  votre  Grandeur  que  je  suis  bien  determine  a  consacrer  a  Dieu,  pour  le  reste 
de  mes  jours,  le  pen  de  talent  qu'il  m'a  donne,  dont  je  suis  persuade  ne  devoir  me 
servir  que  pour  sa  gloire.  C'est  le  meilleur  moyen  de  vous  temoigner  mon  profond 
respect  et  ma  vive  reconnaissance. 

Je  suis  etc.  .  .  .     Campra. 

Tout  cela  n'est  pas  mal  tourne.  Le  chanoine  de  St.  Jean-le-Rond 
a  Tonction  ndcessaire ;  il  connait  ses  auteurs  et  sait  placer  h  propos  une 
reference.  De  plus,  son  manifeste  ne  manque  pas  d'interet  k  1'egard  de 
Festh£tique  qu'il  expose  en  matifcre  de  musique  religieuse,  et  nous  revien- 
drons  sur  ce  point.  Mais  Campra  s'aventure  beaucoup,  dans  le  dernier 
'  paragraphe,  quand  il  affirme  k  M*r  de  Noailles  sa  determination  de  « con- 
sacrer h  Dieu,  pourle  reste  de  ses  jours*,  le  peu  de  talent  qu'il  poss£de. 
Nous  savons  d4jh  que  son  id^al  ne  consist e  pas  exclusivement  k  faire 
«les  chastes  d^lices  des  ames  saintes*,  ainsi  qu'il  le  dit  en  une  langue 
caressante  et  devote.  —  Au  mois  d'octobre  de  Tann^e  oti  il  pronongait  des 
vocux  aussi  aust&res,  Campra  quittait  Notre-Dame  h  destination  de  l'opera l). 
Son  2e  Livre  de  Motets,  publie  en  1700,  et  que  preface  cette  belle  lettre 
de  bon  aputre,  porte  le  titre  suivant: 

Motets'  ||  A  7,  77,  777  voix  \\  Et  instruments  \\  Avec  la  Basse 
Continue  Dediez  ||  A  Monseigneur  V Arelievesqae  de  Pans  ||  Par 
M.  Campra,  Chanoine  de  S.  Jean  le  Bond  ||  Et  Maistre  de  Musique 
de  VEglise  de  Paris  ||  Livre  Second  ||  A  Paris  ||  Chez  Cfiristophe 
Ballard  1700  \\ 

La  meme  annee,  il  donne  encore  chez  Ballard  une  messe2)  h  4  voix 
(D.  H.  C.  T.  B.). 

Missa  ||  Quatuor  vocibus  \\  Cui  titulus  \\  Ad  majorem  Dei  gloriam'} 
Authore  ||  Andrea,  Campra  \\  Insignis  a/-  Metropolitans  Ecclesur  Pari- 
siensis  Musirjes  \\  Prcpferio,  et  in  eadem  Ecclesia  Saneti  Joannis'{ 
llotundi  Canonico  ||  Parisiis  ||  Ex  offkina  Chrvttophori  Ballard  uniri 
Bcgice  Musicce  Typographi.  \\  1700  ||  3). 

Cette  messe  «ad  majorem  Dei  gloriam*  nest  pas  la  seule  qu'ait  laissee 
Campra.  On  connait  d'autres  messes  de  lui;  seulement,  les  dates  de  ces 
compositions  demeurent  encore  incertaines.  II  y  a  une  Messe  de  Requiem, 
dont  la  Biblioth&que   du  Conservatoire   de  Paris  possede  une  copie  ma- 

1;  Voir  plus  loin.    Campra  quitta  Notre-Dame  le  13  octobre  1700. 

2)  In  fo  Bib.  nat.  Vm1  1086. 

3)  In  fo  Bib.  nat.  Vm1  852**.  Cette  messe  est  on  partition  a  la  Bib.  nat.  sous 
la  cote  Vm1  927  (in-4<>  obi.). 


L.  de  la  Laurencie,  Notes'  mr  la  jeunesae  d' Andre  Campra.  223 

nuscrite1);  il  y  a  encore,  dans  les  archives  de  la  maitrise  de  S*  Sauveur 
h  Aix,  une  Messe  de  mart  manuscrite  due  k  la  collaboration  de  Campra 
et  de  Gilles,  dans  laquelle  la  part  qui  revient  h  Oilles  consiste,  d'apres 
Tabbe  Marbot  auquel  nous  empruntons  ce  detail,  en  Tintroit  (en  fa  majeur), 
le  graduel  et  l'offertoire,  tout  le  reste  etant  de  la  composition  de  Campra2). 
Enfin,  la  Bibliothfcque  nationale  conserve  dans  un  recueil  manuscrit  in- 
titule: Messes  de  divers  autetirs,  une  copie,  due  probablement  &  une  re- 
ligieuse,  d'une  messe  en  plain* chant  de  Campra,  dont  nous  indiquons 
ci-aprfcs  les  themes;  les  versets  sont  executes  alternativement  par  Torgue 
et  les  chantres3): 

Kyrie: 
lTorgue.  E~ 


Ky-ri-e       E le-i-son. 

Gloria'. 


L'orgue.  ft=£^=^==f=£ZM=*^g=i$z 


Credo:  +  + 

Voix  seule.  ^^zz^^zz;^^0-^^  g  ^TlZ^~#^:#^^^TChoBur'/ 
Patrem  om-ni-poten  -  tern    facto-rem  coe-li    et  ter  -  rae  .  .  . 
Sanctus: 

L'orgue.   ^Z^J?_^.f  Choeur:  [zgiz^^t^5^— J=g=^[  fih™»r  ~ 


-& 


*^ar 


Sanc-tus  Sane      -  tug. 

Agnus: 
I/orgue.   [c'^^flgll^f"^^^^^^ 

Ag  -  nua  De    -    i           Qui  to!      -      lis          pec-ca   -    ta      mundi. . . 

Voici  encore,   du  meme  recueil,  et  de  la  meme  main,  un  «0  salutaris»   et  un 
«Pour  le  Roy>. 

0  Salutaris:  Pour  le  Roy: 


*LaL-iB-jz=. ^-m~^ -=T^:     er-^-g—^ngrg 


&-rj     -       -m     &    *—& 


Sw "— 


E^E^S    ^^^^=B=E^^^. 


0    Sa   -   lu   -    ta      -      ris  hos  -  ti  -  a  Do-mi-ne    Salvum  fac  re-gem. . . 


1)  Messe  a  5  voix  et  quatuor,  ms.  in-4°  (Bib.  du  Conservatoire  de  Paris,  n°  24.  869 . 

2)  Abbe  Jfarbot,  Gilles,  Cabassol  et  Campra,  1903,  p.  8.  Jean  Gilles,  ne  a  Ta- 
rascon  en  1669,  fut  le  condisciple  de  Campra  a  la  maitrise  de  St  Sauveur.  Sue- 
cessivement  maitre  de  musique  a  Agde  et  a  St  Etienne  de  Toulouse,  outilsucc6da 
&  Farinelli  le  14  decembre  1697,  Gilles  mourut  le  5  fevrier  1705  &  Toulouse  ou  il 
fut  inhume.  Sa  Messe  des  Moris  jouit  longtemps  d'une  grande  reputation,  et  e'est 
elle  qu'on  ex^cuta  au  service  de  Rameau  cel^bre  a  Toratoire  en  1764.  —  Cf.  M. 
Brenet,  Les  Concerts  en  France  sous  Vancien  regime ,  p.  126,  et  Leon.  G.  Pelissier, 
Notes  et  Exiraits  de  quelques  manuscrHs  de  la  Bibliothcque  Alejanes,  dans  la  Revue  des 
Bibliotheques,  4«  annee,  1894.  p.  346.  3)  Ms.  in  4<>  obi.  Bib.  nat.  V*i  395.  La 
messe  de  Campra  commnence  a  la  page  9  et  se  termine  a  la  page  18. 


224  -L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jaunesse  d' Andre"  Campra. 

La  messe  dont  il  s'agit  ici,  semble  bien  avoir  6M  6crite  pendant  le 
temps  que  Campra  se  trouvait  h  Notre-Dame;  elle  est  accompagn£e,  dans 
le  recueil  de  la  Bibliothfcque  nationale,  d'une  messe  du  Sl  Sacrement, 
de  deux  messes  d'Henry  Du  Mont,  d'une  messe  italienne,  d'une  messe  de 
Lalande,  d'une  messe  de  David,  etc. 

Les  36,  4e  et  5elivres  de  Motets  de  Campra  parurent  respectivement 
en  1703,  1706  et  1720;  une  2e  edition  des  deux  premiers  livres  fut  lanc£e 
par  Ballard  en  1700 x)  et  une  3e  edition,  comprenant  les  3  premiers  livres, 
a  paru  en  1703 2).  Le  ler  livre  eut  une  4e  edition  qui  date  de  1710  *). 
Ballard  imprime  en  1711  une  «nouvelle  Edition*  du  2°  livre4)  et  en  1717 
une  «nouvelle  edition*  du  3e  livre6).  Enfin,  en  1734,  le  4e  livre  fait 
l'objet  d'une  edition  speciale,  avec  cette  mention:  «4e  livre  corrigd  et 
augmente  d'accompagnements  de  violons  ou  flfites  et  de  deux  nouveaux 
motets  6) » .  C'est  assez  dire  la  vogue  qui  s'attacha  aux  motets  de  notre  musicien. 

Le  13  octobre  1700,  il  quittait  definitivement  le  choeur  de  Notre- 
Dame.  Danchet  lui  avait  confie  le  pofcme  (VH&ione,  sur  lequel  il  tra- 
vaillait  activement,  et  il  estima  sans  doute  qu'en  d£pit  de  ses  promesses 
solennelles,  le  moment  etait  venu  pour  lui  d'abandonner  sa  situation  de 
musicien  d'eglise,  afin  de  se  consacrer  exclusivement  au  theatre  oil  il 
n'avait  connu  qu'une  heureuse  fortune. 

Le  mercredi  13  octobre,  le  chapitre  assemble  donne  satisfaction  &  la 
demande  formulee  par  Campra  d'etre  releve  de  ses  fonctions: 

*Magistro  Andrea  Campm,  Musices  et  puerorum  diori  moderati  petenti  ab 
his  fivnctionibus  et  ab  Ecclesia  recedere  licentia  facta  est  et  commissus  est  M. 
Petrus  Pierrot,  vicarius  Sli  Aniani  ut  ejus  locum  statim  atque  abierii  tcneat 
dance  aliter  Domini  providerint*1). 

Deux  jours  plus  tard,  les  chanoines  declarent  vacante  la  chapellenie 
de  S*  Aignan  par  la  demission  d' Andrtf  Campra8)  et,  par  deliberation 
du  18   octobre,  en  accordent   le  benefice    k  un  sieur  Sillier9 .     Le  mer- 

1)  Bib.  nat.  in  fo  1700,  Livres  1—2.  Vmi  1086  et  Vm1  1098.  Voir  aussi  Reserve: 
Vm1  105  et  Vm1  106. 

2)  Bib.  nat.  in  fo  1703,  Liv.  1—2—3.  Vm1  1087  et  Vm1  1109.  Voir  ausei  V«> 
1097  et  Reserve  Vm1  108. 

3)  Bib.  nat.  in  fo    1710,  Liv.  ler.    Vm1  1099.  (4  autres  exemplaires). 

4)  Bib.  nat.  in  f°  1711.    Livre  2.  Vm  l  1100.     (4  autres  exemplaires!. 

5)  Bib.  nat.  in  fo  1717.    Livre  3.  Vm1  1101  et  Vm1  1106. 

6)  Bib.  nat.  in  fo  1734.    Liv.  4.    Reserve  Vm1  109  et  aussi  Vm1  1088. 

7)  Arch.  nat.  LL  229.  fo  373  —  DSlibon  du  mercredi  13  octobre  1700. 

8)  Don  du  vendredi  15  octobre  1700:  «Capellania  subdiaconalis  S^  Aniani  in 
Ecclesia  Parisiense,  actual  em  personalemque  residentia  requirens  ad  collationem 
provisionem  et  quamvie  aliam  dispositionem  Dominorum  declarata  est  vacans  per 
puram  et  simplicem  demissionem  Magistri  Andreae  Campra  ultimi  possessore  paci- 
fic i  factam  et  ad  mi  as  am  ad  barram  Capituli.  et  remissum  est  ad  diem  Lnnse  proxi- 
mum  ut  dicto  beneficio  provideatur.»     Arch.  nat.  LL  229.  fo  374. 

9)  Arch.  nat.  LL  229,  fo  375.  Delibon  du  lundi  18  octobre  1700.  Elie  Sillier, 
pretre,  avait  ete  recu  comme  basse  le  l«r  juin  1696.     LL.  226.  fo  43). 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra.  225 

credi  17  novembre,  rinterim  de  Pierrot  prenait  fin,  et  Lalouette  rem- 
plagait  Campra  k  Notre -Dame *).  Cabassol,  auquel  le  chapitre  avait  permis 
de  faire  executer,  concurremment  avec  Lalouette,  des  motets  au  choeur, 
se  voyait  elimine,  et  devait  ceder  le  pas  a  l'ancien  secretaire  de  Lully2). 

II  n'est  pas  sans  int&et  de  connaitre  quelques  uns  des  enfants  de 
choeur  et  des  chantres  qui  furent  les  subordonnfe  de  Campra  k  N.  D.,  de 
1695  k  1699. 

Ce  sont:  Louis  Cheron  (1695),  Henri  de  la  Janifcre,  Francois  Lespy, 
Pierre  Chevalier,  Andr6  Blondeau,  Elie  Sillier,  Pierre  Villette,  Francois 
Marchand,  Claude  Laisn£,  Pierre  Boucher  (1696),  Charles  Julien  Eiaux, 
Martin  Casenave,  Claude  Ludovic  Masson  (1697),  Charles  Herv6,  Hubert 
Paulin,  Simon  Ab&ard,  J.  B.  Francois  Estienne  (1698),  Pierre  Jean 
Baptiste  Bourgoin,  Balthasar  Avril,  Pierre  Guignard  (1699) 3). 

La  carriere  de  Campra  va  dor^navant  se  dcrouler  sur  un  autre  terrain;  il 
est  age  de  40  ans  et  compte  dejk  a  son  actif  deux  succfcs  a  la  sc£ne, 
V Europe  galante  et  le  Carnaval  de  Venise.  Nous  arretons  ici  notre  travail, 
et  nous  allons  maintenant  etudier  les  oeuvres  que  Campra  a  publiees  au 
cours  de  la  periode  que  nous  avons  envisagee,  c'est-a-dire,  pendant  qu'il 
c'tait  un  musicien  d'eglise. 

V. 
A)  Musique  religiense. 

La  musique  religieuse  de  Campra  imprimee  avant  1' apparition  d'Hesione 
(21  decembre  1700)  comprend,  comme  nous  l'avons  dit,  2  Livres  de  Motets  et 
une  Messe  a  4  voix.  II  est  plus  que  probable  que  les  3  Livres  de  Motets 
donnes  par  lui  jusqu'en  1720,  se  composent  d'ceuvres  Scrites  alors  qu'il  rem- 
plissait  les  fo  net  ions  de  maitre  de  musique  a  Aries,  a  Toulouse  et  a  Paris. 
Au  contraire,  ses  Motets  a  grand  chwur  semblent  dater  de  l'epoque  ou  il  se 
mit  a  composer  de  la  musique  d'eglise  pour  la  chapelle  royale,  e'est-a-dire, 
de  1722  et  des  annees  suivantes  4j.  Les  Psaumes  a  grand  orchestre  que 
nous  possedons  de  lui  paraissent  egalement  appartenir  a  la  meme  periode 
de  sa  vie,  car  le  ler  Livre  de  ces  Psaumes  porte  une  dedicace  au  roi5}. 

Nous  ne  nous  occuperons,  dans  ce  qui  suit,  que  des  oeuvres  publiees 
jusqu'en  1700  inclusivement.  Un  assez  grand  nombre  de  compositions  reli- 
gieuses  de  Campra  sont  demeurees  manuscrites,  et  nous  n'en  connaissons  que 
des  copies  con  datees,  circonstance  qui  empeche  de  les  attribuer  a  telle  od 
telle  epoque  de  la  carriere  du  musicien  de  YEurope  galante. 

1)  Liable  Claude  Chastelain  et  son  Diaire,  p.  316.  Jean-Francois  Lalouette,  le 
succeeseur  de  Campra  etait  ;un  ancien  enfant  de  choeur  de  Sl  Eustache.  (Abbe* 
Chartier,  L'ancien  chapitre  de  N.  D.  de  Paris  et  sa  maitrise,  p.  113.) 

2)  Ibid,  et  Arch.  nat.  LL  229,  fo  383.  Sur  Jacques  Cabassol ,  voir  Abbe  Mar- 
bot ,  Gilles,  Cabassol  et  Campra,  pp.  5  et  suiv. 

3)  Arch.  nat.  LL  226,  227,  228,  passim. 

4)  Exception  faite,  toutefois  pour  le  Deus  nostcr  refugium,  qu'au  dire  de  Fonte- 
nay,  Campra  aurait  compose  a  Tage  de  17  ans. 

5)  Bib.  du  Conservatoire  de  Paris,  in  fo,  grave,  No  639. 


226  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 

Un  recueil  ms.  de  la  Bibliotheque  nationale  intitule:  Recite  et  Duos  de 
M.  de  La  Lande  et  de  quelques  autres  mattres  (1765) ])  contient  5  pieces  de 
Campra,  maie  en  raison  de  la  date  (1765)  ou  ce  recueil  fut  Stabli,  et  de  la 
presence  de  morceaux  religieux  de  Lalande,  nous  serions  assez  porte  a  croire 
que  les  compositions  de  Campra  contenues  dans  cette  collection  datent  de 
la  seconde  partie  de  sa  vie. 

II  parait  en  etre  de  meme  des  quelques  pieces  que  possede  en  manuscrit 
la  Bibliotheque  du  Conservatoire,  dont  une  Elevation:  «0  Panis  Deus»,  un 
Hymne:  «Pange  lingua  gloriosi*,  une  Antienne:   «Regina  coeli*   etc.2). 

La  lecture  du  motet  a  grand  choeur  Detts  noster  refugium  (Psaume  45) 
n' incite  guere  a  voir,  dans  cette  importante  composition,  une  oeuvre  de  jeu- 
nesse; il  se  peut,  cependant  qu'il  en  soit  ainsi,  ou  encore,  que  Campra  ait 
retouch^,  par  la  suite,  son  travail  d'ecolier. 

Voici  le  plan  du  Dens  nosier  refugium  tel  qu'il  resulte  de  l'examen  da 
ms.   du  Conservatoire3): 

1°)  Gracieusement,  (V.  Symphonic  et  Solo  de  tenor  \  puis,  Vivement,  2, 
«Propterea  non  timebimus>,  avec  des  effets  descriptifs  realises  par  la  symphonie. 
Cet  air  renferme  de  longues  vocalises  tres-accident^es  et  souvent  modulantes. 

2°)  Cfmur  3,  a  5  voix:  «sonuerunt  et  turbataB  sunt  aquae.*  Ensemble 
tres-sonore  et  tres-intrigue,  accompagne  d'une  basse  tumultueuse. 

3°)  Gracieusement  sans  lenteur,  2,  Air  d? alto:  «Fluminis  impetus.  >  Dessin 
continu  de  crocbes  a  la  basse. 

4°)  Solo  de  dessus  avec  Symphonic,  (j,  « Vacate,  Vacate*;  ici,  l'harnionie 
se  resserre.  Campra  procede  par  accords  plaques,  largement  etales;  tout  le 
morceau  est  empreint  d'une  gravite  recueillie4). 

5°)  Choeur,  Vivement,  2/4  a  5  voix:  «Conturbata3  sunt*  soutenu  par  une 
symphonie  agit£e  et  remplie  d'intentions  descriptives. 

6°)  Dialogue  et  choeur,  3.  —  Prelude  symphonique,  dans  lequel  2  haut- 
bois  alternent  avec  toute  la  masse  instrumentale.  Un  petit  chceur  (3  voix 
superieures),  accompagne  par  2  hautbois  ou  par  les  violons,  alterne  de  meme 
avec  un  grand  choeur  ecrit  en  harmonie  verticale,  d'une  belle  sonorite*  et  d'un 
caractere  majestueux. 

Les  deux  premiers  livres  de  Motets  (1695  et  1700)  comprennent  des 
motets  k  voix  seule,  a  deux  voix  et  h  trois  voix,  avec  basse  continue. 
Ce  genre  de  composition  comptait  en  France  de  nombreux  pr£c£dents. 
Boesset,  Moulinier,  Pechon,  Bousignac  avaient  ecrit,  au  cours  du 
XVIIe  sifccle,  des  motets  a  basse  continue,  [et  les  travaux  de  M.  Henri 
Quittard  montrent  qu'il  ne  faut  nullement  considerer  Henry  Du  Mont 
comme  Timportateur  dans  notre  pays  de  cette  espece  de  motet5).    Entre 

1)  Bib.  nat.  Vm1  3123,  in-4<>  obi. 

2)  Bib.  du  Conservatoire,  N°  644,  in  4°,  Reserve  et  N°  645  in  f°. 

3j  Bib.  du  Conservatoire  de  Paris.  Ms.  vol.  E,  in  f°  641  et  vol.  F.  obi.  642, 
Reserve.    M.  Weckerlin  croit  ce  ms.  de  la  main  de  Campra. 

4)  Sur  «Exaltabor>,  la  symphonie  execute  des  lnelismes  ascendants  a  limitation 
de  ceux  qui  supportent  «Et  ascendit*  du  Credo  de  la  l*™  messe  de  Guillaume 
Poitevin. 

5)  Voir:  Henri  Quittard,  Un  mu&icien  en  France  au  XVIIs  sucle,  Henri  Dm 
Mont  (1906;,  et  du  meme  auteur,  Un  musifien  oublu'  du  XVIIe  stele  francais,  G. 
Bousignac;  (Bulletin  trimestriel,  d'avril— juin  de  1'l.M.G.  1906.  p.  356). 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  aur  la  jeunesse  d1  Andre  Campra.  227 

1660  et  1663,  Thomas  Gobert  composait  des  motets  fc  basse  continue 
sur  des  paroles  de  Perrin,  et  chaque  maitre  de  chapelle,  a  Toccasion  des 
di verses  ceremonies  du  culte,  avait,  de  meme,  apport£  son  contingent 
de  motets  ou  d'tUevations ;  mais  il  est  reste  fort  peu  de  toute  cette  litt&- 
rature  religieuse  qui  appartenait  aux  maitrises  et  qui  ne  fut  presque 
jamais  imprimee. 

Lully,  outre  ses  Motets  a  2  chceurs  pour  la  Chapelle  du  Roy  (1684), 
aurait,  selon  Brossard,  laisse  10  petits  motets  k  3  voix  avec  basse  con- 
tinue; ces  petits  motets  ont  ete  coritestes  et  attribues  a  Lalouette1)  Sans 
parler  ici  des  motets  de  Charpentier  et  des  morceaux  pour  voix  de 
femmes  qu'il  destinait  a  des  couvents,  nous  pourrions  encore  signaler  les 
Motets  de  Lalande  qui  offrent  une  grande  ressemblance  avec  ceux  de 
Campra2).  On  connait,  enfin  les  Motets  a  voix  settle  et  Basse  continue 
que  G.  G.  Nivers  faisait  graver  en  1689 3),  de  plus,  la  2e  partie  du  Pro- 
dromus  musicalis  ou  Elevations  et  motets  a  voix  seule  et  Basse  continue 
de  Brossard,  parut  chez  Ballard  en  1698. 

Ajoutons,  et  ceci  presente  au  cas  actuel  une  grande  importance,  que 
de  nombreux  motets  italiens  s'etaient  alors  repandus  en  France.  Campra 
les  connut  certainement  et  se  penetra  d'influences  transalpines  qu'il  dut 
subir  des  sa  jeunesse;  il  s'y  plia  d'autant  plus  facilement  que,  n£  d'un 
pfcre  piemontais,  il  se  trouvait  ainsi  &  demi  italien. 

Quelques  bibliotheques  de  ce  Midi  de  la  France,  qu'il  habita  longtemps, 
conservent  des  copies  d'ceuvres  de  Carissimi;  celle  de  Carpentras  poss&de  un 
Miserere  et  un  Memento  Domine  d'A.  Scarlatti4)  A  Aix,  oil  Campra  fit 
son  education  technique,  Tart  italien  etait  en  honneur ;  Bononcini,  Luigi 
Rossi,  Cavalli,  Legrenzi,  Colonna,  Alessandro  Melani,  Stradella  comptaient 
presque  partout  en  France  des  admirateurs,  et  les  echos  des  concerts 
de  l'abbe  Mathieu  retentissaient  bien  loin  de  Paris 5).  Enfin,  las  maitres 
drItalie  publiaient  de  leurs  (euvres  en  France,  t£moin  Paolo  Loren- 
zani  dont  les  Motets  avec  symphonie  et  B.  C.  parurent  chez  Ballard  en 

1)  H.  Quittard,  H.  Du  Mont.  p.  199. 

2)  Comme  Campra,  Lalande  manifeste  de  fortes  tendances  italiennes.  On  8 ait 
qu'il  avait  acquis  une  importante  collection  d'ceuvres  italiennes,  et  on  a  rapproche* 
le  debut  de  son  De  Profundis  (1689)  d'un  air  de  Carissimi.  (H.  Quittard,  Revue 
musicale,  juillet  1902.) 

3}  Motets  u  voix  seule,  accompagnes  de  la  B.  C.  et  quelques  autres  motets  a  2  voix 
propres  pour  les  Religieuses  .  . .  par  le  Sr  Nivers.  Organiste  de  la  Chapelle  du  Roy  et 
de  l'eglise  S*  Sulpice,  1G89.    Bib.  nat.  Vm1  1058. 

4)  Bib.  de  Carpentras,  1036,  fo»  31  et  55. 

5)  Voir  a  ce  sujet  M.  Brenet,  Les  Concerts  en  France  sous  Vancien  regime,  et 
Sere  de  Rieux ,  Les  Dons  des  enfants  de  Latone,  p.  112,  en  note.  « Vous  avez  a  Paris 
et  surtout  dans  les  provinces,  ecrit  a  son  tour  Lecerf,  quantite  de  jeunes  adora- 
teurs  de  la  Musique  d'ltalie,  qui  admirent  souvent  sur  le  nom  de  l'Auteur  en  i 
ou  en  o.»     (Lecerf-Bourdelot  T.  III.  p.  76. 


228  L.  de  la  Laurencie,  Notes  lur  la  jeunesse  d'Andre*  Campra. 

1693  l).  Campra  ne  les  ignora  sans  doute  pas  plus  que  les  compositions  reli- 
gieuses  de  Giovanni  Battista  Bassani  qui  datent  de  1690  et  1692  *).  De  toutes 
parts,  le  gout  italien  envahissait  les  maitrises,  les  couvents  et  les  concerts 
profanes,  et  l'Avertissement  que  Ballard  met  en  tete  du  ler  Livre  de 
Motets  de  Lochon  (1701)  est  suffisamment  caracteristique  &  cet  £gard. 
L'editeur  declare  d'abord  que  «par  l'execution,  on  avouera  que  l'Auteur 
a  trouve  le  secret  par  son  genie  d'allier  le  dessein,  l'intrigue  et  l'ex- 
pression  de  la  Musique  Italienne  avec  le  tour,  la  delicatesse  et  la  dou- 
ceur de  la  Fran^oise*.  Ensuite,  il  indique,  d'aprfcs  Lochon,  la  manifere 
qui  convient  k  Fexecution  des  pieces  de  son  recueil: 

«Pour  entrer  dans  ce  gout  Francois-Italien,  il  [l'auteur]  donne  pour  regie 
generale  que  toutes  les  dernieres  syllabes  doivent  etre  breves  >  .  .  .'). 

A  la  suite  de  l'Avertissement,  Ballard  a  placd  une  table  des  «termes 
des  mouvemens  consacr£s  a  l'art»,  termes  exprim£s  en  langue  italienne, 
dont  Brossard  s'etait  dejk  occupe  lors  de  la  publication  de  ses  motets. 

Enfin,  les  musiciens  frangais  pastichaient  fort  habilement  la  musique 
italienne  (nous  en  avons  rencontr£  un  exemple  avec  March  and),  ef  les 
recueils  d'airs  publies  par  Ballard  contiennent  un  grand  nombre  d'airs 
italiens. 

Les  puristes,  comrae  Lecerf  de  la  Vi^ville,  ne  cachaient  point  leur 
mecontentement,  en  voyant  la  musique  frangaise  se  p£n6trer  dWments 
strangers  et  de  tours  k  l'italienne.  «SiM.  Brossard,  ecrit  Lecerf,  s'etoit 
moins  rempli  d'e'rudition  italienne,  il  en  aurait  6t6  plus  coulant  et  plus 
suivi4)*.  Et  de  critiquer  la  science,  les  basses  travaillees  de  Bernier, 
de  s'indigner  en  voyant  Mignon,  «non  content  du  triple  noir>,  mettre 
«gayement»  au  Kyrie  d'une  de  ses  messes5). 

L'examen  de  la  musique  religieuse  de  Campra  va  nous  montrer  nette- 
ment  ses  tendances  italiennes. 

Ses  Motets  temoignent  d'abord  de  revolution  qui  s'est  effectuee  au 
XVII6  sifccle  dans  le  sens  de  P  expression  dramatique  par  le  seul  moyen 
de  la  monodie.  lis  sont  ecrits,  en  effet,  «en  style  d'Air»,  et  rentrent 
assez  bien  dans  la  definition  que  Perrin  donnait  du  motet  dans  TAvant- 
propos  de   ses  Cantica  pro    Capella  Regis1);    le   motet,  dit-il    «est  une 


1)  Motets  a  1,  2,  3,  4  et  5  parties,  avec  symphonies  et  B.  C.  par  Monsieur  Loren- 
zani,  Mais t re  de  Musique  de  la  feue  Reyne.     1693.    (Bib.  nat.  Vm1  101.  R6s.) 

2)  Metri  sacri  resi  armonici  in  motetti  a  voce  sola  con  riolini,  di  G.  Bassani, 
Bologne,  1690  (Bib.  nat.  Vm1  1062).  Bassani  avait  donne  aussi,  en  1602,  des  Con- 
certi  sacrij  motetti,  etc. 

3)  Avertissement  du  ler  Livre  de  Motets  en  musique  par  M.  Lochon,  Ballard,  1701. 
(Bib.  nat.  Vm*  1122.) 

4)  Lecerf:  III®  partie,  p.  133. 

5)  Do  III.  p.  134. 

6)  Les  Cantica  pro  Capella  Regis  de  Perrin  parurent  en  1666. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  j  eunesse  d'Andr6  Campra.  229 

pi&ce  vari£e  de  plusieurs  chants  ou  Musiques  liees,  mais  diffdrentes1)*. 
Leur  caract&re  est  souvent  nettement  dramatique  et  se  rapproche  ainsi 
de  celui  des  airs  d'op£ras;  ce  n'est  plus  a  la  polyphonic,  aux  artifices 
contrapuntiques,  que  recourt  l'auteur,  afin  de  traduire  F expression  du 
texte;  ce  soin,  il  le  confie  a  la  m£lodie  proprement  dite,  m£lodie  qui 
prend  un  aspect  plus  musical,  qui  se  caract£rise  et  trouve  en  elle-meme 
des  Elements  de  developpement.  Ainsi  que  l'£crit  justement  M.  Quittard, 
«c'est  surtout  a  la  mdlodie  qu'il  appartiendra  desormais  d'etre  l'eloquente 
interprfete  des  sentiments  et  des  pens£es.  Les  combinaisons  des  contre- 
points  lui  vaudront  un  surcroit  d'intensitd;  elles  dlargiront  sa  signification 
originelle  plutot  qu'elle  ne  lui  apporteront  des  donnees'nouvelles2)*. 

Ecrits  le  plus  souvent  sur  le  texte  meme  des  Psaumes,  les  Motets  de 
Campra  adoptent  cependant  parfois  des  paroles  composes  a  Pinten- 
tion  du  musicien,  ainsi  que  Ballard  l'expose  dans  son  avertissement  du 
2e  Livre3).  Dans  les  Motets  a  1  voix,  la  m£lodie  expressive  se  suffit  a 
elle  meme  avec  le  secours  harmonique  de  la  basse  continue.  Les  pifeces 
a  2  et  3  voix  prennent  quelquefois  la  tournure  d'un  dialogue  dramatique, 
tel  le  motet  9  du  4e  Livre  (Mea  voluptas).  Frdquemment,  ils  adoptent  la 
forme  de  Pair  frangais  a  2  parties  avec  le  mouvement  harmonique  to- 
nique  dominante  —  dominante  tonique  (Motets  2  et  4  du  ler  Livre);  dans 
d'autres  cas,  la  structure  se  complique  et  nous  nous  trouvons  en  presence  de 
•plusieurs  chants  lids*,  comme  dit  Perrin.  C'est  ainsi  que  le  36  motet 
du  l"  Livre  se  ddroule  en  4  mouvements:  Lentement,  Qravement,  Ten- 
drement,  Gay,  avec  une  alternance  rdgulifcre  de  rythmes  binaires  et  ter- 
naires4).  Quelques-uns  enfin,  se  coulent  dans  le  type  lied  A,  B,  A  de 
Pair  italien,  type  dont  on  rencontre  ddja  des  exemples  dans  Tceuvre  de 
Du  Mont,  notamment  dans  son  0  fideles  a  voix  seule5). 

Chaque  incise  du  discours  correspond  a  une  formuft  melodique  dif- 
ferente.  Voyez,  par  exemple,  le  ler  motet  du  1"  livre  (Paratum  cor  meum) ; 
il  y  a  un  thfcme  distinct  sur  «Paratum»,  sur  «Exurge  gloria*,  sur  «Con- 
fitebor  tibi»,  sur  «Quia  magna  est*.  —  Les  changements  de  mouvement 
a  l'int&rieur  des  motets,  se  conforment   au  sens  general  des  paroles,  et 

1J  Avant-propos  des  Caniica.    Cf.    Quittard,  Loc.  cit.  p.  152  en  note. 

2)  H.  Quittard.    Loc.  cit.  p.  116. 

3)  «Je  n'ay  rien  a  dire  sur  le  Merveilleuz  qui  est  repandu  dans  ce  Livre  de- 
puis  le  ler  Motet  jusques  au  dernier,  6crit  Ballard;  le  nom  de  M.  Campra  suffit. 
Comme  la  plus  grande  partie  de  ces  Motets  sont  Pseaumes,  je  n'ay  pas  manqu6 
de  bonnes  traductions.  Pour  les  Paroles  composers,  je  crois  que  Ton  n'y  aura  pas 
ma)  r6nssi.>    {Motets,  2*  livre,  Avertissement.) 

4)  Motets,  Livre  I:    Quemadmodum  desiderat  cervus  a  voix  seule. 

6)  Motets  a  deux  voix  de  1668.  CM  par  M.  Quittard,  loc.  cit.  p.  157.  En  Alle- 
magne,  les  estheticiens  font  le  plus  grand  cas  de  l'air  italien  a  da  capo,  non  seule- 
ment  dans  la  musique  dramatique,  mais  encore  dans  Tart  religieux  (A.  Pirro,  Esthe- 
Hque  de  J.  S.  Bach.  p.  313.) 


23Q 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 


le  inouvement  de  la  pensee  se  transpose  en  mouvement  musical.  Inter- 
ruptions, repos  de  la  voix  sont  choses  fr&juentes1),  animent  la  phrase, 
la  rendent  vivante  et  expressive,  contrairement  a  l'habitude  du  style  lie 
employ^  dans  les  anciennes  oeuvres  polyphoniques,  contrairement  meme 
au  caract&re  de  la  melodie  coulante  de  Lully.  Souvent  aussi,  Campra  fait 
usage  de  marches  diatoniques  modulantes,  et  transporte  un  th&me  on 
un  simple  fragment  m&odique  &  diff ^rentes  hauteurs  de  l'echelle2). 

Mais  sa  melodie  offre  des  caract&res  plus  particuliferement  italiens  que 
nous  voudrions  indiquer. 

D'abord,  elle  est  souple,  facile;  elle  aime  a  se  rep&er,  h  se  replier 
sur  elle-meme,  ^*s' entendre  chanter,  en  quelque  sorte.  Certains  inter- 
valles  melodiques,  la  quarte  ascendante,  avec  retour  sur  le  7e  degr£  de 
la  gamme  par  exemple,  lui  sont  familiers,  et  ici,  Campra  se  rapproche 
parfois  de  son  maitre  Poitevin.  II  n'est  pas  sans  interet,  dans  cet  ordre 
d'id^es,  de  comparer  le  debut  de  son  Usque  quo,  de  celui  du  Kyrie  de 
la  l*re  Messe  de  Poitevin. 

Campra : 

Usque  quo. 


gigsfegg 


-v*-*- 


#•-# — I- 

4— i^- 


-^- 


m 


■*>*- 


p 


AOL  Sj 


Poitevin: 


'^m 


** 


T^*- 


m 


Ky  -  ri    -    e 

Comme  Poitevin,  Campra,  dans  les  pieces  a  plusieurs  voix,  distribue 
ingenieusement  les  parties,  et,  tout  en  laissant  predominer  une  melodie 
principale,  il  n'emploie  point  le  style  harmonique  de  Lully.  Bien  au 
contraire,  il  distribue  ses  dessins  melodiques  h,  diverses  hauteurs,  procfede 
par  groupes  de  voix  qu'il  oppose  les  uns  aux  autres  et  qu'il  fait  dialo- 
gues    Ainsi,  dans  Yin  te  Domine  spes  du  l*rlivre,  le  Tenor  expose  le 

1)  Dan 8  le  motet  Laudate  (Psaume  CL)  du  ler  Livre,  la  voix  presente  la  m£lodie 
a  Tetat  morcele,  avec  de  longs  silences  entre  ses  diverses  incises,  silences  que 
remplissent  les  parties  instrumental. 

2)  On  trouve  dos  exemples  d'un  pareil  dispositif  dans  les  Motets  de  Nivera,  ou 
he  lit  le  passage  suivant:  (Motet  a  voix  seule  0  pm  dcttas  p.  63  de  Pedition 
de  1689;: 


^ 


Sus  -  pi  -  ro,        Sus-pi  -  ro,        Sus  -  pi      -     ro,        Sus-pi-ro, 

3)  Motet  Usque  quo,  Ms.  de  la  Maitrise  de  S*  Sauveur  d'Aix. 

4)  Voir  plus  haut  pour  ce  Kyrie  de  Poitevin. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeuneise  d' Andre*  Campra. 


231 


th&me,  que  reprend  ensuite  la  Haute-contre;  puis,  les  deux  voix  sont 
traitee8  en  imitations  jusqu'&  l'entr^e  de  la  Basse1).  II  arrive  aussi 
que  c'est  la  Basse  qui  debute  dans  Pexposition  mflodique;  alors,  les 
voix  supdrieufes  entrent  successivement  du  grave  k  l'aigu2). 

La  melodie  de  Campra,  avons-nous  dit,  aime  k  se  r6p£ter;  non  seule- 
ment,  elle  affecte  la  forme  k  reprises  et  k  da  capo,  mais  encore,  dans 
les  details  de  sa  constitution  in  time,  elle  manifeste  des  insistances  bien 
italiennes;  certaines  incises  se  repfctent  2,  3  fois  de  suite,  quand  bien 
meme  les  paroles  que  supportent  ces  incises  different. 

Campra  ecrira,  par  exemple: 


=$=i=t= 


Ad  te 

ou  encore,  en  insistant  da  vantage: 


■& 


ZM 


«} 


Sus  -  pi    -    ra     -     mus 


-fc 


"=*=? 


-#■    #- 


gg^g-^Tfr- 


£iBfe 


=fe 


*) 


Et    Ian  -  guen  -  ti,  Sus  -  pi  -  ran 


Da,   so  -  la   -   men  -  -  • 


On  retrouve  d'ailleurs  ces  repetitions,  ces  redoublements  d'incises 
xnelodiques  dans  l'&riture  instrumental  de  Campra6). 

Frdquemment,  pour  exprimer  une  id£e  de  force,  de  tranquillity  ou  de 
joie  exultante,  il  dessine  sa  melodie  en  arp^geant  l'accord  parfait.  Les 
motifs  prennent  alors  un  caractere  tonal  et  consonant  bien  net;  ils 
s'appliquent  particulifcrement  k  l'expression  des  sentiments  heureux.  En 
voici  un  exemple: 


=t= 


1 


Lau  -  da  -  te 


so  -  no 


H  affectionne  aussi  les  mouvements  vifs,  d'une  rythmique  alerte,  ce 
qu'on  appelait  alors  les  <vitesses»,  et  il  est  rare  que  chaque  motet  ne 
presente  pas  un  «gay»  bien  caracteristique  de  sa  nianifcre  et  des  ten- 
dances italiennes  qu'elle  reflete.  Ces  «gayst,  en  notes  piquees  et  Jegfcres, 
s'exposent  generalement  dans  des  rythmes  ternaires.     Campra  y  repute 

1)  Motels.    Livre  I.:  In  te  Domine  spcs,  a  3  voix. 

2)  D°:  Dissipa  Domine,  a  3  voix. 

3)  Motets,  Livre  I:  Salve  regina,  a  voix  seule.  p.  19. 

4)  D°,  Livre  II:  Florcte  prata,  a  voix  seule.  p.  34. 

5]  Bassani  pratique  frequemment  ces  repetitions  dans  les  ritournelles  de  violon. 
Cf.  Metri  sacri,  p.  28.  de  l^dition  de  Bologne. 

6)  Motets.  Livre  I.:  Laudate,  laudate  Dominum  a  voix  seule  et  2  dessus  de 
violon,  p.  25.  Dans  la  musique  dramatique  de  Campra.  on  releve  des  motifs  6ta- 
blis  de  meme  sur  l'accord  parfait.  Voir,  Carnaral  de  Venise  (Orfeo  nell1  Inferni, 
scene  2,  p.  219.) 

s.  d.  IMG.    x.  16 


232 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre*  Campra. 


les    notes   ay  ant  une  signification  tonale,   la  tonique,  la  doininante,  la 
tierce,  proc^de  que  Rameau  reproduira  plus  tard  (Le  Sigaudon  de  Dar- 
danus  p.  ex.). 
Gay. 


A}  ft    3    *-fr-rf- 
'tr  Pa 


-t=± 


ra-  turn    cor      me  -  urn,    pa   -   ra  -  turn   cor  , 


Gay. 


SI 


X 


£ 


!?*> 


In  -  tro  -   i"  -   te       in      cons  -  pec  -  tu       e   -  jus 

On  trouve  meme,  dans  une  ritournelle  instrumentale  confiee  aux  vio- 
lons,  le  passage  suivant: 

fe 


i 


JRT=£ 


* 


g^^F=F=^ 


£ 


ZJSZ^Z  9> 


L'ornementation  melodique  de  Campra  le  range  bien  aussi  au  nombre 
des  musiciens  frangais-italianisants.  Son  ecriture  vocale  apporte  de  nom- 
breuses  exceptions  au  principe  du  syllabisme;  elle  s'orne,  se  complique, 
devient  plus  figuree,  plus  manieree  que  celle  des  anciens  motettistes 
fran^ais.  On  sait  k  quel  point  Lully  reprouvait  les  passages,  les  doubles, 
les  diminutions,  <T  accord  en  cela  avec  l'esthetique  classique  dont  Lecerf 
de  la  Vteville  est  un  des  repr&entants  les  plus  int^ressants 4).  Campra, 
k  l'exemple  des  Italiens,  multiplie,  au  contraire,  les  traits  de  virtuosity 
yocale,  tenues,  vocalises,  passages.  Tantot,  l'artifice  de  virtuosity  tenue 
ou  roulade,  ne  cherche  d'autre  but  que  le  plaisir  de  faire  valoir  une 
belle  voix;  les  tenues,  en  particulier,  se  placent  alors  sur  des  voyelles 
ou  des  diphtongues  bien  sonores  a,  o,  ou,  an ;  d'autres  fois,  la  vocalise  ou 
la  tenue  remplissent  une  f onction  expressive ;  c'est  ainsi  que  les  tenues,  par 
l'allongement  qu'elles  conffcrent  au  son,  s'associent  aux  idees  de  dur&, 
de  temps,  d'£ternite,  et  nous  savons  que  Bach  et  Rameau  ont  adopte  la 
meme  esth^tique5). 

Ainsi  Campra,  pour  exprimer  le  repos  eternel,  fera  chanter: 


1)  Motets,  Livre  I:  Paraium  cor  meum,  a  voix  seule. 

2)  Do  Livre  II :  Jubilate  Deo,  a  voix  seule,  p.  2. 

3)  D°  Livre  II,  p.  37.  Lorenzani  pratique  frequemnient  ces  redonblements  de 
notes.  Dans  le  ler  choeur  de  son  Deus  noster  refugium,  Campra  fait  un  emploi 
presque  continu  des  notes  redoublees  dans  la  symphonie  d'accompagnement. 

4j  Consulter  sur  ce  point  Particle  de  M.  Henri  Prunieres,  Lecerf  de  la  Yievilk 
et  VEsthetique  musicale  classique  au  XV IF  Steele,  S.I.M.  16  juin  1908.  pp.  619 
et  suiv.  et  aussi  le  livre  de  M.  Hugo  Goldschmidt,  Die  I^ehre  von  der  vokalen  Orna- 
mentik.    Band  I  (1907)  pp.  69  et  suiv. 

6)  Consulter  sur  tout  ce  qui  concerne  Bach  l'ouvrage  de  M.  Andre*  Pirro,  VEs- 
thetique de  J.  S.  Bach.  1907.  Pour  Rameau,  voir  le  livre  de  M.  Louis  Laloy,  Rameau, 
Paris,  Alkan,  1908,  et  notre  ouvrage  de  la  oollection  des  Musiciens  ctUbrts,  1908. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesae  d1  Andre*  Campnu 


233 


zfesairjE 


£e 


=t 


gI~AV_ 


in      ae 


ter  num    qui  -  es        -        cat  . . . 

Dans  le  meme  Motet,  il  place  une  longue  tenue  vocale  sur  le  deu- 
xifcme  o  de  « possessionem 

II  multiplie  les  roulades,  les  traits  agiles;  void  une  vocalise  situ^e 
sur  Van  de  «dominantium»,  vocalise  modulante  et  non  pas  de  simple 
remplissage2). 


-TV- * *-*Z=pI#_ 


Do-minus    do  -  mi  -  nan 


nan       ......... 


tk^^^£ 


ti  -  um  .  .  . 

Ce  passage  revet  surtout  une  couleur  decorative;  c'est  un  ornement 
vocal  qui  ne  pretend  point  h  la  description,  comme  ceux  qu'il  etait  alors 
de  regie  d'adjoindre  k  quelques  «mots  distingues  dans  toutes  les  langues 
et  auxquels  les  musiciens  ont  egard  d'ordinaire»3).  Mais  il  rentre  bien 
dans  l'application  de  la  conception  representative  de  la  musique  si  en 
honneur  au  XVIIe  sifccle,  et  selon  laquelle,  celle-ci  doit  commenter  £troi- 
tementles  paroles  du  texte.  Schiitz,  Praetorius,  Wolfgang  Schonsleder 
( Volupius  Decorus)  en  donnent  des  exemples  ou  en  formulent  les  principes. 
Far  Schonsleder,  nous  possedons  meme  le  catalogue  complet  des  proc^des 
du  langage  musical:  1°)  Verba  affeetuum  (Etats  d'ame),  2°)  Verba  motus 
et  locorum  (Mouvements  et  situation  des  objets  dans  Tespace),  3°)  Ad- 
verbia  temporis  numeri  (adverbes  de  temps  et  de  nombre),  4°)  Acetates 
hominum  (ages  et  qualites  de  Thomme)4).  Plus  tard,  en  1697,  un  autre 
repertoire  des  mots  generateurs  de  formules  musicales  caracteristiques  est 
dresse  par  Daniel  Speer5),  et  c'est  ce  repertoire  dont  Lecerf  accepte  une 
partie,  la  partie  purement  descriptive6). 

1)  Motets.  Livre  I.  Dissipa  Domine,  p.  99.  Cette  tenue  est  executee  par  la 
Haute-Contre. 

2)  Motets.  Livre  III.  11  s'agit  du  motet  a  la  maniere  italienne:  Qttis  ego  Do- 
mine?  p.  119. 

3)  Lecerf  de  la  Vieville.  Comparaison.  IIIe  partie,  p.  70.  Lecerf  s'eleve  verte- 
ment  contre  Tabus  des  vocalises  meme  descriptives. 

4)  Architectonice  Musices  universalis  ex  qua  Melopoeam  per  universa  et  solida 
Fundamenta  Musicorum  .  .  .  Autore  Volupio  Decoro  Musagete  .  .  .  (1631).  C'est  au 
chapitre  de  textu  que  sont  exposes  les  proc£d£s  usuels  de  description  musicale. 
Cf.  Pirro,  loc.  cit.  pp.  18  et  suiv. 

5)  Daniel  Speer,  Qrundrichtiger  Unterrieht  der  Musiealischen  Kioist .  .  .  (1697). 
p.  283. 

6)  «Tout  roulement,  declare  Lecerf,  qui  n'est  fonde  que  sur  la  commodity 
d'une  lettre  et  non  sur  le  sens  d'un  mot  ne  se  scauroit  excuser ....    La  musique 

16* 


234  L-  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre  Campra. 

Campra,  h  l'imitation  des  Italiens  et  de  son  maitre  Poitevin,  n  emploie 
point  Tornement  vocal  dans  des  limites  aussi  etroites  que  celles  qui  resul- 
tent  de  Tobjectivisme  de  Lecerf.  Avant  lui,  du  reste,  des  musiciens 
frangais  avaient  generalise  le  systfeme,  etendu  le  metaphorisme  du  lan- 
gage  musical  et  decouvert  d'heureuses  formules  d'expression  psycho- 
logique J). 

Ceci  nous  am&ne  h  examiner  de  quelle  fa$on  Campra  comprend 
Interpretation  du  texte  verbal  et  aussi,  les  critiques  que  les  classiques 
purs  lui  adress&rent  k  ce  sujet. 

Un  important  passage  de  Lecerf  de  la  Vteville,  qu'il  faut  toujour* 
citer  en  la  matifere,  car  sa  comprehension  de  la  musique  est  presque  ex- 
clusivement  litt^raire,  nous  renseigne  de  manifcre  inWressante  sur  les 
interpretations  musicales  des  Motets  de  Campra: 

«Je  me  suis  applique^  Scrit  Lecerf,  a  examiner  Campra,  parce  qu'on  ne 
scauroit  mieux  temoigner  sa  bonne  foi  qu'en  critiquant  ceux  qui  nous  font 
le  plus  d'honneur.  H  exprime  je  ne  scai  ou  Solemnitatem  par  une  Musique 
longue  et  brod£e.  (Test  apparemment  pour  marquer  que,  dans  les  grandes 
Fltes,  rOffice  est  long  et  les  c£r£monies  magnifiques.  Dans  Lauda  Jerusalem 
Dominum,  il  exprime  ante  faciem  frigoris  e;W  par  une  Musique  imitee  dea 
trembleurs  d'lsis2).  II  devait  songer  que  Lauda  Jerusalem  est  un  Pseaume  de 
joie,  et  que  ante  faciem  frigoris  etc.,  n'est  la  qu'un  passage  peu  important 
et  sur  lequel  il  ne  sied  point  de  s ' arret er;  car,  il  faut  avoir  egard,  non  sett- 
lement aux  paroles,  mais  meme  au  terns  et  au  lieu  ou  sont  ces  paroles,  et 
qui  doute,  par  ex  em  pie,  que  le  de  profundis  de  l'Offtce  de  Noel  ne  demande 
un  autre  tour  que  le  de  profundis  de  l'Office  des  Morts?»s). 

Ce  sont  lhy  assurement  de  sages  observations,  mais  nous  verrons  que 
Campra,  tout  en  s'attachant  au  detail  verbal,  et  en  s'effor^ant,  selon  la 
juste  remarque  de  l'abbe  Du  Bos,  de  «jouer  sur  les  mots*,  ne  manque 
pas  aussi  de  s'inspirer  du  sens  g£n£ral  des  textes  et  de  l'&notion  d'en- 
semble  que  chacun  deux  se  propose  de  susciter. 

D'autres  critiques  de  Lecerf  portent  £galement  assez  juste: 

etant  une  peinture,  elle  demande  une  expression  grande  on  petite.  Or  un  roule- 
ment  sur  le  mot  chaine  repr&ente  les  anneaux  d'une  chain e,  sur  le  mot  foudre, 
Teclat  et  la  chute  de  la  foudre  ...»  (Comparaison.  III.  pp.  186,  187.) 

1)  Nous  voyons,  par  exemple,  Du  Mont  appliquer  une  vocalise  a  one  simple 

preposition,   afin  de  souligner  rintensite*    du   mouvement  qu'elle  contribue  4  ex- 

mer.    Ainsi,  voulant  rendre  Tardent  d6sir  de  Tame  chretienne  qui  tend  violem- 

nt   vers  Dieu,  il    ecrit   dans  son  motet  Quemadmodum  desiderai   cervus  [MoUU 

r  la  ChapeUe  du  Roy,  1684). 


2)  C'est  le  fameux  passage  de  Ylsis  de  Lully,  ou  le   musicien  traduit  par  an 
molo  de  croches  le  claquement  des  dents  de  personnages  transis  de  froid. 
3   Lecerf.    Loc.  cit.  IIle  partie,  p.  135. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  aur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra.  235 

«Dans  m  exitu  Israel ,  a  non  clamabunt  in  gutture  suo,  Campra  fait  un 
duo  qui  crie  longtemps  et  a  pleine  tete.  £st-ce  bien  exprimer  que  lea  Dieux 
<Tor  et  d'argent  ne  crieront  point?  II  ne  s'apergoit  pas,  en  tous  ces  endroits, 
qu'il  prenoit  a  gauche  le  sens  du  Latin*.  Et  le  severe  censeur  d'aj outer 
«  Expressions  Italiennes*1). 

Le  motet  Salve  regina  lui  donne  l'occasion  de  s'elever  contre  ce 
qu'il  appelle  «la  paresse  des  musiciens  frangais*,  contre  la  negligence 
avec  laquelle  ils  procedent  h  la  traduction  musicale  des  paroles: 

<Dans  le  Salve  Regina  de  Campra,  a  cette  fin  6  pia,  6  dulcis,  Campra 
joint  I'd  de  dvlcis  a  celui  de  pia,  apres  lequel  il  met  un  demi-souir.  Par 
consequent,  le  Chanteur  dit  6  pia,  o,  et  le  demi-soupir  le  force  de  s'arreter 
sur  le  second  6  et  de  l'eloigner  de  dulcis.  Ainsi,  a  moins  que  le  Chanteur 
ne  prononce  le  p  de  pia  tres-distinctement,  on  croit  entendre  un  wi,  et  c'est, 
6  mia,  o,  ce  qui  fait  un  miaulement  de  Chat,  et  l'Auditeur  rit.  Campra 
place  son  demi-soupir  apres  le  second  o,  il  n'avoit  qu'a  le  placer  devant, 
pour  le  separer  de  Va  de  pia\  le  sens,  la  prononciation  auroient  ete  jus  tea. 
Bagatelle,  sans  doute,  mais  bagatelle  desagreable  dans  le  Motet  de  Cam- 
pra .  .  .»2). 

Voici  le  passage  incrimint*: 


dul  -  cis     Vir  -  go ! 


Sans  doute,  l'effet  produit  n'est  pas  des  plus  heureux,  mais  le  mou- 
vement  rapide  attenue  sensiblement  le  «miaulement»  que  signale  Lecerf. 
Dans  tous  les  cas,  sa  remarque  te'moigne  de  son  erudition  et  du  soin 
avec  lequel  il  a  etudi£  les  textes  dont  il  parle. 

Une  observation  du  meme  genre  va  nous  montrer  que  Lecerf,  pr&- 
occup£  avant  tout  de  Texactitude  de  la  declamation,  ne  prete  qu'une 
attention  mediocre  h  lexpression  de  la  musique  proprement  dite,  parce 
qu'il  ne  ressent  celle-ci  qu?&  travers  la  signification  des  paroles. 

Campra,  en  effet,  pratique  souvent  avec  bonheur  la  dissonance  ex- 
pressive qu'il  s'entend  fort  bien  h  placer  aux  points  ou  elle  porte  le 
plus.  Ainsi,  dans  le  motet  In  te  Domine  du  ler  livre,  on  relive  le 
passage  ci-apres: 


1)  Ibid.  —  II  8'agit  ici  du  motet  a  grand  choeur  In  exitu  dont  la  Bib.  nat. 
possede  la  partie  de  dessus.  (Vm1  1103.)  Le  passage  cite  par  Lecerf  se  trouve  a 
la  page  33. 

2)  Lecerf.    II1«  partie.  pp.  160-161. 

3)  Motets.  Livre  I.  n°  4.  p.  18.  Le  passage  ci-dessus  se  trouve  a  la  page  20 
de  Petition  de  Ballard;  il  est  repete  4  et  5  fois.  On  le  rapprochera  des  affecta- 
tions dont  Perrin  fait  grief  &  la  musique  italienne  qu'il  qualifie  de  « Musique  de 
gouttieres*,  dans  sa  lettre  de  1669  a  l'archeveque  de  Turin. 


236  I*  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 


OldtlCBE^SE^agEe 


_*-._**_ 


In    te  Do  -  mi  -  ne,    Spes      u  -  ni  -  ca      me  -  a  .  , 

5     4 

b    « 

*7 


iS 


zzzzz 


Or,  Lecerf,  qui  goftte  cependant  vivement  ce  motet,  «le  meilleur  de 
tous  les  Motets  que  je  connaisse,  et  qui  est  d'une  bonte  exquise  et  veri- 
table, ou  je  suis  trompe,  expressif,  simple,  agr^able,  d'un  chant  devot  et 
gracieux* 2),  s'^tonne  de  l'arret  indiqud  par  le  musicien  entre  spes  et 
unica. 

Mais  ici,  la  modulation  r£alis£e  i\  la  basse  et  qui  s'affirme  pr^cise- 
ment  sur  l'^pith&te  unica,  en  vient  renforcer  considerablement  Texpression; 
et  encore,  la  pause  intercalee  entre  spes  et  unica  depeint-elle  de  fagon 
dramatique  Tanxiete  du  chrdtien  et  le  seul  espoir  qui  lui  reste,  espoir 
qu'il  place  dans  le  secours  divin.  La  modulation  mineure  ajoute  une 
grande  puissance  h  ce  debit  sanglotant. 

Les  exemples  abondent,  chez  Campra,  de  semblables  dispositifs.  Et 
ce  ne  sont  pas  seulement  les  voix  qui  se  froissent,  dans  les  pieces  a 
plusieurs  parties,  lorsqu'un  sentiment  de  douleur  ou  de  tristesse  s'ex- 
hale  du  texte;  Taccompagnement  de  la  basse  ne  manque  pas,  lui  aussi, 
de  souligner  d'une  dissonance  le  trouble  psychologique. 

Sous  ces  mots:  Adjuva  me,  adresses  d'une  voix  suppliante  au  Seig- 
neur, Campra  introduira  une  quinte  diminu^e3);  il  ddploiera  des  series 
de  7e8,  comme  Corelli  qui,  h  la  grande  indignation  de  Lecerf,  en  place 
12  k  la  suite  (4);  il  fera  etat  de  formations  harmoniques  raffin£es,  de 
celles  qui  horripilent  les  classiques  frangais  et  qu'ils  stigmatisent  dans  la 
musique  italienne,  «la  fausse  septi&me  et  une  fausse  quinte  ensemble*  5)r 
c'est  i\  dire  Taccord  de  septifcme  diminu^e.  —  II  module  avec  hardiesse, 
sans  passer  par  les  tons  voisins.  On  trouve  chez  lui  de  ces  sauts  brus- 
ques de  tonalite  si  typiques  de  la  maniere  des  compositeurs  de  l'£cole 
romaine.  Dans  le  motet  Insere  Domine,  il  quitte  le  ton  de  sol  majeur 
pour  s'dtablir  immediatement  en  celui  de  la  majeur6). 

1)  Motets.  Livre  I.  C'est  un  motet  a  3  voix;  la  citation  est  emprunt£e  a  la 
partie  de  Tenor,  p.  83. 

2)  Lecerf.  Loc.  cit.  Ill6  ptle  p.  193.  II  ajoute  meme :  « Je  me  persuade  que 
le  plaisir  que  cette  Piece  nous  fit  deux  fois  de  suite  a  trente  personnes  et  a  moi 
chez  Mr  .  .  .  qui  voulut  bien  que  nous  la  recommandassions,  se  seroit  change  en 
nous  tous  a  la  vue  de  l'Autel,  en  violente  emotion  de  piete.» 

3)  Motets,    Livre  II.  Deiis  in  adjutoriwn  p.  125. 

4)  On  remarquera  4  7"  consecutives  a  la  page  3  du  Livre  I,  3  7ei  de  suite  a 
la  page  16  du  meme  livre,  etc. 

5)  Lecerf.    Loc.  cit.  III.  p.  83. 

6)  Motets.    Livre  L    Insere  Domine  pectori  meo  p.  32. 


L.  de  la  Lauren cie,  Notes  stir  la  jeunesse  d' Andre  Campra.  237 

Lorsque  la  signification  du  texte  commando  l'inquietude,  lorsque  lea 
paroles  se  pressent  en  interrogations  angoissees,  les  modulations  se  pre- 
cipitent,  s'accumulent.  Frdquemment,  elles  s'effectuent  au  relatif  mineur, 
et  s'enchafnent  par  une  progression  continue  qui  endeuille  progressive- 
ment  la  tonality.  JjJJbi  es,  Dens  metis  laisse  tomber  sa  question  sur 
la  sensible: 


ffl™=E? 


* m 


U  -  bi     es,  De  -  us      me  -  us?  . . . 

et  ce  motet  pr&ente  un  tour  si  italien,  que  Lecerf  le  reproche  k  Campra, 
en  soutenant  qu'ici,  le  musicien  s'est  simplement  born£  k  imiter  une  com- 
position sur  les  memes  paroles,  due  k  un  auteur  dont  les  oeuvres  dtaient 
alors  assez  apprecides,  Danielis: 

«Le  Motet  de  Campra,  Ubi  es,  Deus  metis?  n'est  que  le  Motet  de  Da- 
nielis sur  les  memes  paroles,  revu,  corrige  et  augments.  Voila  le  genie  Fran- 
cois ente"  sur  l'ltalien,  d'une  bonne  main,  et  d'une  main  qui  n'est  pas  no- 
vice a  imiter  »2). 

Ailleurs,  (Quemadmodum  desiderat  cervus) ,  Campra,  sur  des  interro- 
gations rep£t£es,  hachees,  accentue  l'inquigtude  sugger^e  par  le  texte,  au 
moyen  de  modulations  accumulees;  il  passe  de  fa  majeur  en  t6  mineur 
puis  en  si  1?  majeur,  en  mi  b  majeur,  en  ut  mineur,  en  sol  mineur,  etc.8). 

On  trouve  souvent  aussi,  dans  sa  musique  religieuse,  de  ces  mouve- 
ments  chromatiques  que  Lecerf  d£non$ait  comme  prdcieux  et  de  mauvais 
go  tit,  et  que  les  musiciens  de  ce  temps  associent  aux  id£es  de  tristesse, 
de  ddploration,  de  deuil  et  aussi  d'abaissement  moral,  de  degradation4). 

1)  Motets.   Livre  II.  Ubi  es,  p.  9.   Motet  a  voir  seule  pour  le  Saint-Sacrement. 

2)  cJe  ne  dirai  pas,  continue  Lecerf,  que  le  Motet  de  Campra  ne  vaut  rien,  il 
a  8on  prix;  mais  je  dirai  qu'il  n'est  pas  tel  que  je  l'aurais  esp6re  de  Campra,  tra- 
vaillant  sur  un  fond  si  riche.  J'entendis  d'abord  le  Motet  de  Danielis  qui  me 
parut  fort  bon  en  gros;  celui  de  Campra,  que  j' en  ten  die  ensuite,  ne  me  parut  point 
preferable.  Si  Campra  en  avoit  ote  plusieuis  dSfauts,  ceuz  qu'il  avoit  pris  etoient 
devenus  plus  sensibles,  et  il  avoit  ete  contraint  d'affoiblir  extremement  plusieurs 
des  traits  qu'il  en  avoit  copied:  vice  de  cet  alliage  des  deux  gouts. >  (Lecerf.  Ill* 
partie.  p.  164.) 

Nous  savons  peu  de  choses  sur  ce  Danielis.  Fetie  n'en  parle  pas.  Le  Quellen- 
Lexikon  d'Eitner  en  fait  un  francais  (wahrscheinlich  Franzose)  (III.  p.  141).  Mais 
Lecerf  lui-me'me  nous  apprend  qu'il  etait  Italian,  et  le  met  au  nombre  des  compo- 
siteurs «recommandables»  en  musique  sacr£e,  a  cdte  de  Lorenzani  et  de  Carissimi 
(Bourdelot,  IV.  p.  175.) 

La  Bib.  nat.  possede,  en  manuscrit,  un  certain  nombre  de  motets  de  Danielis 
d'une  ecriture  aisee,  tres-m&odique.  En  voici  quelques-uns:  Ad  arrfia  fideles  (3 
voix),  Vm1  1710,  Adjuro  vos  (a  1  voix,  2  violons  et  Basse),  Vm1  1276,  Caleste  con- 
vivium  (del  Signor  Danielis  (3  voix),  Vm1  1272,  Domine  qui  habitabit  (3  voix),  Vm1 
1273,  Errate  per  colles  (4  voix),  Vm1  1277,  Occurite  calestes  (3  voix),  Vm1  1274,  Qui 
reminiseimi  (a  1  voix,  2  violons  et  Basse),  Vm1 1275.  En  outre,  la  Bib.  nat.  possede 
la  partie  de  basse  de  10  autres  motets.  [Motets  a  3  voix  de  divers  auteurs,  Vm1 
1641.)  3)  Livre  I.    Motet  3. 

.4)  La  plupart  des  musiciens  francais  de  la  fin  du  XVII6  siecle  emploient  ce 


238  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 

Tantot,  le  chromatisme  ge'ne'ralement  applique  k  un  motif  descendant 
compris  dans  l'intervalle  de  quarte,  ne  se  fait  sentir  qvCk  la  basse,  comme 
dans  le  motet  HE  du  ler  Livre,  ou  la  declamation  quale  trisiis  es  anima 
mea  se  de'ploie  en  une  ligne  unie,  peu  accidentee,  rapproche'e  de  Tin- 
tonation  naturelle  du  langage,  selon  lhabitude  italienne1).  Tantot,  le 
chromatisme  se  dessine  k  la  partie  vocale  en  meme  temps  qu'k  la  basse 
d'accompagnement : 


%jjj^=1?f=^^ 


J2z 


-v-j 


Prop  -  te  -  re  -  a      con  -  cu  -  pis  -  cit      et      de  -  fi  -  cit 


f  f       .fejpj* JjpU^ 


^ 


3= 


Enfin,  si  Campra  se  montre  souvent  predispose'  h  mettre  le  mot  en 
musique  et  k  traduire  avec  une  minutie  quelque  peu  deplacee  les  moin- 
dres  details  du  texte  verbal,  il  sait  aussi,  conf ornament  k  la  profession 
de  foi  qu'il  expose  dans  la  d^dicace  de  son  2e  Livre  de  Motets,  s'inspirer 
du  sens  general  des  paroles,  et  traduire  par  sa  musique  «un  sujet  grand 
et  touchant*,  ainsi  qu'il  le  dit  lui-meme. 

Le  motet  Ubi  es  Dominies  mens,  Yin  te  Domine  spes  si  goute'  de 
Lecerf,  ne  manquent  ni  de  caractere  dramatique,  ni  de  majeste  religieuse. 
Le  Quemadniodum  desiderat  cervus  dent  sur  le  texte  du  Psaume  XLI, 
se  ddroule  avec  une  gravity,  une  onction  vraiment  dignes  du  temple. 
Une  melodic  ample  et  recueillie  accompagne  ces  paroles:  cSitivit  anima 
mea»,  pendant  que  le  continuo,  en  un  mouvement  obstine'  et  tranquille, 
ajoute  k  la  tendre  priere  du  chant  par  la  douce  ondulation  des  croches 
liees  de  deux  en  deux: 


motif  chromatique  descendant  pour  depeindre  des  sentiments  d'affliction.  On  le 
trouve  dan 8  les  Symphonies  de  Pierre  Gaultier;  nous  Tavons  signale  ici  meme 
{Bulletin  trimestriel  de  VIM.  Q.  de  janvier-mars  1906)  dans  lea  ceuvres  de  Jean  Ferry 
Rebel.  La  Plamte  sur  la  Mart  de  M.  Lambert  composee  par  Du  Buisson  et 
publtee  dan 8  le  Becueil  (fairs  serieux  et  a  boire  de  Ballard  en  octobre  16%,  debute 
par  une  lamentation  chromatique  du  continuo: 


mj=z=^==*Ef. 


Les  Italiens  et  les  Allemands  pratiquent  ce  chromatisme  descendant  des  le  ler  tiers 
du  XVII6  siecle.  (Voir  A.  Pirro,  Esthetiquc  de  Bach.  pp.  74  et  suiv.).  —  II  va  sans 
dire  que  cette  « chromatique*  na  pas  l'heur  de  plaire  a  Lecerf  qui  fait  grief  aux 
Italiens  et  a  leurs  imitateurs  de  ne  pas  s'attacher  «a  une  belle  musique  diatonique> 
comme  celle  de  Lully  [Comparaison.  III.  p.  189).  Rare,  sans  doute,  chez  Lully,  le 
chromatisme  n'est  cependant  pas  completement  banni  de  son  oeuvre.  On  en  releve 
ca  et  la  des  traces.  Cf.  Cadmus  (Acte  II.  Scene  6;.  Acis  et  Oalatee  (Basse  du  Pn- 
lude  de  la  scene  9  de  TActe  III),  Proserpitie  (Acte  IV,  Scene  1)  etc. 

1)  Motet :  Quemadniodum  (Livre  I),  p.  15.  2;  Motets :  Livre  II.  p.  85. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra.  239 

Gravement. 


fc*=j^=^^a^^^ 


Si  -  ti  -  vit      a    -    ni-ma      me  -  a  . 

l) 


gii^^^e^gs^^^^ 


Ceci  nous  conduit  a  examiner  le  role  que  joue,  dans  les  Motets  de 
Campra,  l'accompagnement  instrumental.  A  la  basse  continue,  le  maltre 
de  musique  de  Notre-Dame  adjoint,  en  effet  fr£quemment,  des  instru- 
ments tels  que  les  violons  et  les  flutes.  Dans  le  ler  livre  (1695),  3  motets 
comportent  un  accompagnement  confix  h  deux  dessus  de  violon ;  dans  le 
Le  (1700),  cinq  motets  s'ornent  de  meme  d'une  parure  instrumentale2). 

La  presence  d'un  accompagnement  instrumental  £tait  chose  d£ja  an- 
cienne,  sinon  dans  les  pieces  liturgiques  proprement  dites,  comme  les 
Messes,  du  moins  dans  les  Motets,  qui,  ainsi  que  le  fait  remarquer  M. 
Quittard,  constituaient  les  «a  cot£»  du  culte8).  De  nombreux  t&noi- 
gnages  sont  la  pour  prouver  que  la  musique  instrumentale  s'associait  a 
la  musique  vocale  dans  des  ceremonies  de  caractere  religieux.  Nous  en 
avons  recueilli,  au  cours  de  cette  etude,  en  relatant  sommairement  les 
fetes  musicales  d'Aix  et  de  Toulouse.  A  Paris,  il  en  £tait  de  meme; 
les  24  violons  se  faisaient  entendre  en  1650  aux  Cordeliers,  et  la  Muse 
historique  de  Loret  signale  frequemment  la  presence  d'instruments  pro- 
fanes dans  les  ceremonies  religieuses4).  Dans  son  Voyage  de  France, 
Sebastien  Locatelli  se  livre  a  une  observation  identique6),  et  les  motets 
qui  nous  ont  ete  conserves  comportent,  dans  un  grand  nombre  de  cas, 
d'abord  des  violes,  puis,  plus  tard,  des  violons.  Ainsi,  sur  40  motets 
des  Cantica  sacra  de  Du  Mont,  10  ont  une  partie  instrumentale6); 
2  motets  de  Veillot,  antdrieurs  h  1662,  sont  accompagne's  d'une  sympho- 
nie,  avec  dessus  et  basse  de  violon7). 

De  meme  encore,  les  motets  italiens  contemporains  de  Campra  pr<5- 
sentent  des  pretudes  et  ritournelles  instrumentales.     On   en   trouve  de 


1)  Motets:  Livre  I.  Quemadmodum. 

2}  Dans  le  ler  Livre,  3  motets  a  voix  seule  admettent  2  dessus  de  violon;  dans 
le  2C,  au88i  3  motets  a  voix  seule  et  2  motets  a  2  voix. 

3}  H.  Quittard,  Loc.  cit.  p.  133. 

4}  Voir  le  Diary  de  l'anglais  J.  Evelyn  et  la  Muse  historique  de  1652. 

5)  Voyage  de  France,  Relation  de  Sebastien  Locatelli,  pretre  bolanais,  publie  par 
M.  A.  Vautier.  II  s'agit  ici  de  la  messe  du  roi  entendue  a  Sl  Germain  en  1664 
par  S.  Locatelli.     (Cf.  Quittard,  Loc.  cit.  p.  197.) 

6j  Quittard ,  Ibid.  p.  135.  Remarquons  que  les  Airs  a  quatre  parties  (1663)  de 
Du  Mont,  ecrits  «en  forme  de  Motets*,  admettent  «une  4fi  partie  adjoustee  pour  un 
dessus  de  viole  ou  un  violon.  > 

7)  Quittard,  Ibid.  p.  1%. 


240  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d1  Andre  Campra. 

fort  d^veloppee  dans  les  Metri  sacri  de  Bassani,  oil  ils  affectent  le  dis- 
positif  ternaire  de  la  sonate:  Grave,  Allegro,  Grave,  et  oil  ils  sont  con- 
fies  k  deux  violons1).  Un  motet  de  ce  maitre  s'accompagne  meme  d'un 
allegro  tout  particulifcrement  amine  dans  lequel  on  peut  voir  un  proto- 
type de  ceux  de  Corelli2).  Lorenzani,  lui  aussi,  adjoint  des  « symphonies* 
aux  motets  de  son  livre  de  1693,  et  trouve  des  imitateurs  en  France. 
Chez  Brossard,  chez  Valette  de  Montigny3),  on  relfcve  des  parties  d'in- 
struments;  dans  les  motets  de  Lalande,  les  deux  violons  obliges  ex^cutent 
de  brillants  contrepoints,  de  sorte  que  Campra  n'a  fait  que  suivre  le  mouve- 
ment,  en  ddcorant  ses  motets  de  deux  parties  de  violon. 

A  Toulouse,  nous  avons  vu  quil  s^tait  preoccupe  d'enseigner  k  ses 
el&ves  la  technique  instrumentale  en  provoquant,  de  la  part  du  chapitre 
de  S*  Etienne,  Tacquisition  de  violons.  Dans  plusieurs  autres  villes,  des 
deliberations  capitulaires  intervenaient,  qui  ne  laissent  aucun  doute  sur 
la  presence  au  choeur  d'instruments  de  la  famille  des  violons. 

Mais,  h  Paris,  il  ne  semble  pas  que  Tadmission  de  ces  instruments 
soit  ant&ieure  k  Campra;  Texistence  de  parties  de  violons  dans  les  mo- 
tets de  Veillot,  par  exemple,  ne  prouve  pas  que  les  violons  fussent  to- 
leres  k  Notre-Dame4),  et  deux  textes  formels,  &nanant  d'auteurs  toujours 
exactement  informes  et  dignes  de  notre  confiance,  attribuent  trfcs-nette- 
ment  cette  innovation  k  Campra. 

Le  premier  de  ces  textes  est  le  Diaire  dej*i  cit6  de  Tabbe  Claude 
Chastelain : 

«M.  Campra,  ecrit  Chastelain,  fut  le  premier  qui  introduisit  les  violons 
dans  la  musique  de  Notre-Dame  »5). 

Le  second  est  le  passage  suivant  de  Lecerf: 

«Nous  avons  moins  d'Instruments  que  les  Italiens  a  nos  Motets,  nous 
qui  en  avons  plus  ailleurs.  Tant  mieux;  aux  Motets  qui  s'exScutent  en  face 
de  1'Autel,  il  seroit  a  souhaiter  que  nous  n'eussions  qu'un  petit  orgue  pour 
fixer  le  ton  des  voix  .  .  .  C'en  seroit  assez,  avec  les  serpens,  instruments 
d'un  usage  commode  pour  remplir  et  privilegic  a  T^glise.  Aussi  n'y  a  t-il 
que  25  ans   que    nous   nous    y  permettons    les  instrumens    a   cordes    dans  le 

1)  ler  Motet  per  la  Beata  Virgine  p.  4  de  Tedition  de  1690. 

2)  Motet  per  ogni  tempo,  p.  14  de  Tedition  de  1690.  On  sait  que  le  violoniste 
G.  B.  Bassani  fut  le  maitre  de  Corelli. 

3)  Les  Motels  a  1.  2  et  3  voix,  publics  en  1701  par  Valette  de  Montigny,  sont 
«avec  instruments  >. 

4)  Dans  le  Ckrremoniale  Parisiense  de  1662,  Martin  Sonnet  dit:  «Nec  alia  in- 
strumenta  musicalia  cum  organo  pulsentur  nisi  tuba?,  tibiae,  aut  cornea.*  (Cf.  Quit- 
tard,  Loc.  cit.  p.  134.)  D'un  autre  cdte,  Pabbe  Chartier  declare  que  le  serpent  fut 
introduit  au  XVII*  siecle  a  Notre-Dame,  et  qu'a  cette  epoque,  on  ee  servait  de  basses 
de  violon  et  de  bassons.  II  repete  l'allegation  de  Chastelain  relative  &  Tintroduc- 
tion  des  violons  par  Campra.  (Abbe  Chartier,  Lya?ieien  chapitre  de  Notre-Dame, 
pp.  58,  59.; 

5]  Vabbc  Claude  Qia&telain  et  son  Diaire  ou  Journal,  p.  316. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d1  Andre  Campra. 


241 


choeur,  et  Campra  fut  le  premier  qui  eut  le  credit  d'en  faire  entrer  dans 
celui  de  Notre-Dame  de  Paris.  Mais  enfin,  encore  aujourd'hui,  nous  n'a- 
vons  affaire  que  de  2  ou  3  Basses  de  viole  ou  de  violon  pour  jouer  les 
Basses  Continues  et  d'autant  de  violons  pour  jouer  des  preludes  et  des  ri- 
tournelles,  et  il  est  rare  que  nous  en  mettions  davantage.  Quand  on  n'ap- 
pelle  pas  des  instruments  de  dehors  aux  Motets  de  nos  Cath£drales  .  .  .  ce 
sont  les  enfants  de  choeur  qui  en  jouent*1). 

Lecerf  dcrivait  ceci  en  1705  ;  la  presence  des  instruments  h  cordes 
au  choeur  remonterait  done,  suivant  lui,  k  1680  environ  et  serait,  par 
consequent,  anterieure  k  Tinitiative  de  Campra;  cependant,  le  texte  est 
f ormel  et  concorde  bien  avec  celui  d'un  t&noin  de  premier  ordre,  l'abbd 
Chastelain2). 

Si  les  violons  trouvaient  leur  emploi  k  Notre-Dame,  lors  de  l'exe- 
cution  des  motets,  pieces  extra-liturgiques ,  leur  utilisation,  remarquons 
le,  n'allait  point  sans  provoquer  d'apres  critiques  dans  plusieurs  eglises, 
et  nous  possedons,  notamment,  un  document  qui  prouve  qu'k  Senlis,  en 
1689,  quelques  membres  influents  du  clerge  s'elevaient  contre  la  presence 
de  la  «symphonie»  k  certaines  ceremonies3). 

Toujours  est-il  que  le  ler  Livre  de  Motets  de  Campra  presente  d6]k 
3  motets  k  voix  seule  accompagnes  de  2  dessus  de  violon  qui  exposent 
des  ritournelles  de  caractere  tr&s  musical,  ritournelles  reprises  ensuite  par 
la  voix.     Voici  celle  du  Motet:  Landate 


ler  Violon 

2«  Violon  ' 
Voix  tacet 
B.  C. 


3EiE^;==e!£3=&:=*^ 


i 


¥E5Ei* 


-&-~ 


"B" 


*=*= 


.^•_ 


S 


3fc 


1)  Lecerf,  Loc.  cit.  IIIe  partie,  pp.  177,  178. 

2)  L'abbe  Chartier,  dans  Touvrage  deja  cite,  insiste  sur  ce  fait:  €  Campra  v^cut 
en  bonne  harmonie  avec  le  chapitre  qui  lui  permit  quelques  innovations;  il  obtint 
la  permission  d'ajouter  pour  les  solennites  des  violons  aux  basses>  (p.  113).  —  Mal- 
gre  toutes  nos  recherches,  nous  n'avons  pu  d^couvrir  mention  de  Introduction 
des  violons  au  choeur  de  N.  D.  dans  les  registres  LL  des  Archives  national es.  Peut- 
etre  cette  mention  nous  a-t-elle  echappe ;  il  convient  toutefois  d'observer  que  ces 
registres  sont  tres  pauvres  en  indications  d'ordre  artistique.  —  Notons  que  Gerber 
reproduit  aussi  Tallegation  de  Tabbe"  Chastelain  au  sujet  des  violons  [Historisch- 
Biographisches  Lexikon  der  Tonkiinstler  I.  p.  242;. 

3)  Critique  dun  Doctcur  de  Sorbonnc  sur  les  deux  lettres  de  M''8  Deslyons,  ancieti, 
et  de  Bragelongue,  noureau  Doyen  de  la  cathedrale  de  Senlis  touehant  La  Simphonie 
et  les  instruments  que  Von  a  roulu  introduire  dans  leur  Eglise  aux  lecons  de  Tenebres. 
Senlis,  ce  19  mars  1698.  (Bib.  nat.  4  Vp  3122).  Cite  par  Brossard,  dans  son  Cata- 
logue, p.  23. 


242 


L.  de  la  Laurencie,  Note*  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 


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6* 
La  voix  chante  d'abord  la  partie  A  du  thfcme;  puis  elle  s'interrompt 

pour  laisser  la  parole  aux  instruments;  elle  continue  ensuite  par  la 
partie  B.  Au  cours  de  la  pifcce,  les  violons,  soit  ensemble,  soit  s£pare- 
ment,  £changent  des  vocalises  avec  la  melodie  vocale,  d'ou  une  grande 
vari£t6,  quelque  chose  de  brillant,  de  chatoyant.  Parfois,  les  preludes 
instrumentaux  et  les  ritournelles  admettent  comme  chez  les  maitres 
italiens  un  certain  developpement;  il  en  est  qui  realisent  june  forme 
d'air  en  3  parties,  de  type  A,  B,  A.  Telle,  la  caline  ritournelle  que 
Campra  confie  h  2  flfites  allemandes,  dans  son  Immensus  es,  Domine 
du  2e  Livre.  Ici,  le  musicien  trfes  attentif  au  pouvoir  expressif  des  tim- 
bres, substitue  2  flutes  aux  2  violons  pour  annoncer  un  tendre  Didcis 
Christe  h  3/2.    La  ritournelle  des  flfttes  dure  32  mesures,  et  revet  nette- 

ment  la  forme  lied: 

Ai 


iSfc^ 


±= 


=t 


fe: 


qsr. 


7£L 


[partie  B]  r 


A2 


*= 


EEEIE 


]m=i 


3 


3E 


=p 


-**• 


I?-Z3?I 


a' 
On  voit  que  le  d£but  At    et  la  fin  A2  de  la  ritournelle  ne  different 
que  par  les  terminaisons  a  et  a'2). 

Les  Motets  de  Campra  jouissaient  de  son  temps  dune  grande  repu- 
tation3). Lecerf,  cependant  peu  suspect  de  sympathie  pour  tout  ce  qui 
touche  au  style  italien,  en  parle  gen^ralement  avec  eloges.  H  apprecie 
surtout  les  premiers  d'entre  eux,  et  fait  des  reserves  sur  le  dernier 
livre  (le  3e,  le  seul  qu'il  conniit  lorsqu'  il  ecrivait  sa  Co?nparaison),  parce 
que  lht  suivant  lui,  Campra  imite  les  Italiens: 


1)  Motets.  Livre  I.  Laudate,  p.  22.  On  voit,  par  cet  exemple,  que  Campra, 
dans  son  style  symphonique  distribue  les  dessins  m61odiques  dans  toutes  les  par- 
ties, de  fa9on  a  les  bien  mettre  en  relief. 

2]  Motets.    Livre  II.    Immensus  es  Domine,  a  2  voix  et   2    dessus    de   violon. 

3)  lis  £taient  encore  reputes  lorsque  Nemeitz  Ecrivait  son  Sejour  a  Paris:  «Ses 
motets  et  cantates  sont  tres  beaux,  declare-t-il;  il  excelle  dans  la  composition,  quoi- 
qu'on  n'applaudisse  pas  a  toutes  ses  inventions*.    {Le  Sejour  a  Paris,  p.  351.) 


L.  de  la  Lauren cie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra.  243 

«Je  n'ai  pas  craint  d'avancer  que  MM  Brossard,  Bernier,  Campra,  dans 
son  dernier  Livre,  etc.,  ont  sujet  de  se  repentir  du  soin  et  du  temps  qu'ils 
ont  employe  a  copier  les  compositeurs  de  ce  Pai's-la*1). 

Mais  il  vante  le  tour  simple  des  premiers  motets: 

«On  ne  scauroit  accuser,  dit-il,  le  ler  Livre  des  Motets  de  Campra  de 
manquer  de  simplicity.  Elle  y  brille  souvent  d'une  maniere  fort  noble. 
Apres  quoi,  je  ne  nierai  pas  que  nous  ne  nous  soy  cms  un  peu  relachez  sur 
ce  chapitre»2). 

Et,  dans  un  autre  passage  oti  il  met  en  balance  les  ceuvres  religi- 
euses  des  Italiens  et  des  Fran^ais  tels  que  Lalande,  Colasse,  Lalouette, 
Bernier  et  Brossard,  il  £crit: 

«Si  Campra,  le  plus  fecond  de  tous,  et  celui  que  je  placerai  en  premier, 
en  l'etat  ou  ils  sont,  quand  on  m'ordonnera  de  les  arranger,  nous  avoit 
donne  dans  chacun  de  ses  3  Livres  4  ou  5  Motets  comme  son  In  te  Domine 
spes,  etc.,  ou  seulement  comme  son  Jubilate  (ler  Motet  du  Livre  II),  beau 
chant  d'une  gaiete*  encore  louable,  ou  si  ce  malheureux  garcon  n' avoit  point 
deserte  l'figlise  pour  aller  servir  l'Opera,  je  pense  que  l'ltalie  auroit  peine 
a  tenir  contre  nous*3). 

De  tels  eloges  sortis  d'une  telle  plume  montrent  que,  tout  en  s'aban- 
donnant  h  ses  tendances  italiennes,  Campra  savait  cependant  garder  la 
mesure  exacte  entre  le  gout  fran^ais  et  le  gout  ultramontain,  de  fagon 
h  ne  point  trop  effaroucher  les  puristes  classiques. 

B)  Musique  dramatiqne. 

II  est  interessant  de  constater  que  Campra  a  abordd  la  carrifcre  dra- 
matique  en  traitant  de  genre  du  Ballet  auquel  appartiennent  V Europe 
galante  et  le  Carnaval  de  Venise.  L'influence  de  Lully  sur  le  Ballet  a 
et£  considerable,  car  le  surintendant  de  la  musique  de  Louis  XIV  l'a 
transforme  de  Ballet  de  cour  en  Ballet  de  theatre  dans£,  non  plus  par 
de  grands  seigneurs,  mais  bien  par  des  artistes  professionals,  et  le  d£ve- 
loppement  pris  par  ce  genre,  aprfcs  la  mort  de  Lully,  r&ulte  en  grande 
partie  de  la  faveur  sans  cesse  croissante  dont  b£n£ficiait  la  danse  h  FOpera, 
depuis  que  les  femmes  y  avaient  6t6  admises  en  quality  de  danseuses4). 

D'autres  raisons,  sans  doute,  contribuent  k  attirer  le  goftt  public  du 
cot£  du  Ballet;  malgr£  les  critiques  qui  lui  sont  adressees  par  le  clan 
classique  f£ru  de  regularity,  de  respect  des  trois  unites  et  d'ordonnance 
protocolaire5),  le  Ballet,  avec  son  action  diversifide  et  changeante,   avec 

1)  Lecerf,  III©  partie.  p.  163.  2)  Lecerf,  do.  pp.  145.  146. 

3)  Lecerf,  II*  partie,  p.'  203  (Art.  V). 

4)  On  sait  que  c'est  en  1681  dans  le  Triomphe  de  FAmour,  qu'on  vit  pour  la 
premiere  fois  apparaitre  des  danseuses  sur  la  scene.  Auparavant,  les  rdles  de 
femmes  etaient  remplis  par  des  hommes.  «M«^e»  Fontaine  et  Subligny  furent  les 
premieres  femmes  qui  danserent  k  l'opera.  C'est  avec  le  Triomphe  que  se  fit  cette 
innovation.*  [Anecdotes  Dramatiques,  II,  p.  238.)  5)  Lecerf,  notamment, 
qui  traite  les  Ballets  de  «pieces  irregulieres*  et  <sans  noeud».  —  II  deplore  Tabon- 
dance  des  danses  qui  sont  chose  «peu  capable  d'aller  au  coeur>  (III.  p.  210). 


244  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d1  Andre  Campra. 

la  part  prepond&rante  qu'y  prend  l'£lement  spectacle,  correspond  k  un 
besoin  dont  le  theatre  de  la  Foire  et  quelques  esprits  independants,  tels 
que  Francois  de  Calli&res,  se  font  les  dloquents  interprfctes1).  Le  sacro- 
saint  r^citatif  de  Lully  commence  h  passer  pour  singuliferement  ennu- 
yeux;  sa  pompe,  son  emphase,  son  defaut  de  simplicity  deviennent  de 
jour  en  jour  plus  visibles,  et  d'autre  part,  le  public  tdmoigne  d'exigences 
musicales  tou jours  grandissantes;  aussi.  les  Ballets  raccourcissent-ils  les 
r^citatifs  afin  d'elargir  le  champ  laisse  aux  airs  et  aux  symphonies. 
Bien  done  de  plus  naturel  pour  un  musicien  fortement  imbu  de  ten- 
dances italiennes,  comme  Campra,  que  de  s'essayer  dans  un  genre  oti  sa 
libre  fantaisie  put  suivre  une  voie  moins  dtroite  que  celle  que  lui  mena- 
geait  la  tragedie  lyrique  classique. 

Quoique  transform^  par  Lully,  surtout  au  point  de  vue  des  agents 
d'ex^cution,  le  Ballet,  du  temps  de  Y  Europe  galante,  se  conformait  tou- 
jours  aux  regies  qu'expose  le  P.  M^nestrier.  Le  sujet  s'en  prend  «dans 
l'Histoire,  dans  la  Fable,  ou  depend  de  l'invention  et  du  caprice  de  celui 
qui  en  est  TAutheur»2).  II  y  a  done  trois  categories  de  Ballets,  les  Ballets 
historiqueSj  fabuleux  et  pottiques. 

Pour  Fauteur  des  Ballets  a?iciens  et  modemes,  ce  sont  les  Ballets 
pottiques  qui  revetent  le  caractfcre  le  plus  ingenieux:  «il  y  en  a,  ecrit- 
il,  qui  expriment  les  choses  naturelles,  comme  les  Saisons,  la  Nuit,  le 
Temps,  la  Vendange,  les  Aages\  d'autres  sont  des  enseignes  moraux  . . . ; 
d'autres  sont  de  pur  caprice,  d'autres  sont  des  expressions  naives  de  cer- 
tains ^vdnements  ou  de  certaines  choses  .  .  .»3). 

C^tait  k  la  categorie  des  « choses  naturelles*  qu'appartenait  le  sujet 
du  Ballet  des  Saisons  de  Pic  et  Colasse4).  —  II  fallait  « unite  de  dessein, 
afin  que  tout  s'y  rapportat  k  un  meme  but»,  mais  point  d'unite  d'action, 
comme  dans  la  tragedie,  «ny  unite  de  temps,  ny  unite  de  lieu,  puisqu'on 
peut  faire  un  Ballet  des  Crieurs  de  Paris  dont  Taction  n'est  pas  la  meme, 
des  Saisons  qui  ne  sont  pas  d'un  meme  temps,  et  des  diverses  parties 
du  Monde  qui  ne  sont  pas  d'un  meme  lieu»5). 

L' Europe  galante  est  un  ballet  ethnographique  dans  le  genre  du  Ballet 
des  diverses  parties  du  monde  dont  parle  Menestrier.    A  Tunite  d'action, 

1)  Francis  de  Callieres ,  Histoire  poctique  de  la  guerre  nouvellement  declaree  entrt 
les  anciens  et  les  modemes,  1688. 

2)  Le  P.  Menestrier,  Des  Ballets  anciens  rt  modernes.  selon  les  regies  du  theatre, 
1682.    p.  53. 

3)  Ibid.    pp.  53,  54. 

4}  Represents  a  TOpera,  le  18  octobre  1695. 

5)  Le  P.  Menestrier,  Des  Ballets,  etc.  pp.  54,  55.  L'auteur  marque  bien,  en  cet 
endroit  de  son  livre,  le  caractere  esthetique  du  Ballet  par  comparaison  avec  celui 
de  la  Tragedie:  <Le  Ballet  qui  ne  se  propose  que  le  plaisir  dans  les  Representa- 
tions justes,  scavantes  et  naives,  demande  plus  de  variete  et  ne  souffre  pas  ces 
contraintes*  [celles  qui  sont  imposees  a  la  Tragedie  lyrique]. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  je unease  d'Andre  Campra.  245 

au  drame  unique,  se  d^roulant  en  5  actes,  on  substitue,  dans  le  Ballet, 
Tunit4  de  caractfcre;  les  diverses  entries  se  relient  ainsi  dans  un  meme 
cdessein*,  et  il  est  des  ballets  g^ographiques,  mgWorologiques,  astrono- 
miques,  etc.,  trfcs  propres  *\  f rapper  l'imagination  par  les  spectacles  qu'ils 
^voquent;  chaque  entree  constitue  une  petite  pifcce  adapt£e  au  d6cor, 
au  caractfcre  general  du  Ballet.  En  d'autres  termes,  le  Ballet  est  un 
cadre  qui  donne  asile  a  des  actions  accessoires  mises  en  conformite 
avec  le  sujet  d'ensemble. 

Le  ballet  g^ographique  ou  ethnographique,  tel  que  YEurope  galante, 
qui  mettait  en  scene  quatre  nations  de  l'Europe,  faisait  appel  k  l'exotisme 
et  comptait  de  nombreux  pnSc^dents.  L'exotisme,  en  effet,  s'avfcre  un 
moyen  precieux  de  spectacle  et  tout  le  XVIIe  sifccle,  tant  en  France 
qu'k  l'&ranger,  recherche  dans  les  Ballets  et  Divertissements  des  costumes 
singuliers,  des  attitudes  caract^ristiques,  des  danses  pittoresques. 

La  variety  des  costumes  fournit  aux  Ballets  gtfographiques  un  puis- 
sant moyen  dattraction: 

«Les  diverses  Nations,  expose  Me*nestrier,  ont  leurs  habits  particuliers 
qui  les  distinguent.  Le  Turc  a  la  veste  et  le  turban,  le  More  la  couleur 
noire,  les  Americains  leurs  habits  de  plumes*1). 

Aussi,  des  le  debut  du  XVIIe  sifccle,  met-on  k  contribution  le  kalei- 
doscope des  habits  nationaux.  Dans  le  Ballet  de  la  douairiere  de  Bille- 
baliaut  (1626),  Marais  fait  son  entree  sous  le  costume  du  grand  Turc;  il 
y  a  des  Mores  dans  les  Fetes  de  Versailles;  la  Fontaine  de  Jouvence 
(1643)  montre  des  duegnes  espagnoles  et  un  ne'cromancien  de  Salamanque, 
I'  Oracle  de  la  Sibyle  de  Pansoust  (1645)  met  en  scfene  un  Portugais,  et 
le  Ballet  de  la  My  Careme,  des  Italiens.  On  se  rappelle  les  turqueries  de 
Molifcre,  les  Espagnols,  Derviches,  Muftis,  Egyptiens  et  Basques  du  Car- 
naval  de  1675.  Dans  le  Ballet  royal  de  la  Nuit  (1653),  le  due  de  Dam- 
ville  parait  en  Egyptien;  k  la  3e  entree  de  ce  ballet,  figurent  des  aven- 
turiers  turcs2).  La  mascarade  jouee  en  1657  sous  le  titre  des  Plaisirs 
trouble's  introduit  un  «Bassa  de  Natolie*,  un  aga,  des  janissaires,  et  meme 
(2e  partie,  8*  entree),  «Atabalipa,  roy  du  P(^rou  et  des  Indiens*3).  Suisses, 
bohemiennes,  mores,  indiens  et  indiennes  collaborent  aux  entries  du  Ballet 
de  la  Loterie  (1658),  du  Ballet  de  V Impatience  (1661),  du  Ballet  royal  des 
Muses  (1666).  —  On  goute  beaucoup  les  mascarades  espagnoles  et  ita- 
liennes  qui  pretent  a  une  mise  en  scene  amusante,  k  des  danses  de  haut 

1)  Menestrier.     Loc.  cit.  p.  143. 

2)  Sur  tous  cea  Ballets,  on  consultera  l'ouvrage  de  M.  V.  Fournel:  Les  contem- 
porains  de  Moliere.  T.  II.  Le  sentiment  geographique  et  ethnographique  se  traduit 
parfoiB  de  facon  bizarre  et  bouffonne.  C'est  ainsi  que  M£nestrier  rapporte  avoir 
vu  dans  le  Monde  malade,  un  Motide  vetu  en  carte  geographique  qui  portait  Qallia 
a  Tendroit  du  coeur,  Oermania,  sur  le  ventre,  Italia,  sur  une  jambe  (la  botte  ita- 
lienne),  sur  un  bras,  Hispania,  etc.  [Ballets  anciens  et  modemes,  p.  144). 

3)  Cf.  Fournel,  Loc.  cit.  p.  470. 


246  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 

relief.  Enfin,  deux  precedents  directs  k  V Europe  galante  se  rencontrent 
dans  le  Ballet  royal  de  Flore  de  1669,  dont  les  4  quadrilles  repr&entent 
des  habitants  des  quatre  parties  du  monde:  ln  quadrille,  Europ4ens\ 
2e,  Affriquains\  3e,  Axiatiques  ou  Persiens;  4e,  Amiriquains1),  et  dans 
le  Ballet  des  nations  (1670),  place  &  la  suite  du  Bourgeois  gentilhomme, 
et  compost  de  4  entries:  1°,  Espagnols;  2°,  Italiens;  3°,  Fran$ai$\ 
46,  m&ange  des  3  nations*). 

En  province,  s'affirme  le  meme  goilt  d'exotisme,  et  la  passion  du 
cosmopolitisme  dans  les  Ballets.  A  Dijon,  le  23  Janvier  1627,  on  exe- 
cute, en  Thonneur  du  roi,  un  ballet  comprenant  des  Turcs,  des  Maures 
et  des  Americains8).  Le  Mercure  galant  de  mars  1699  fait  le  r£cit  d'une 
fete  ceiebree  h  Nancy,  k  l'occasion  du  mariage  du  due  et  de  la  duchesse 
de  Lorraine,  et  consistant  en  une  mascarade  de  4  quadrilles  repr&entant 
chacun  une  nation  differente,  Turcs,  Espagnols,  Maures,  Allemands,  tous 
munis  d'instruments  caract&istiques,  tambours  de  Basques,  cymbales, 
instruments  turcs,  etc.4). 

En  Allemagne,  on  fait  mieux  encore,  et  Menestrier  nous  rappelle  cette 
Wirtschafft  du  palais  de  Munich  h  laquelle  figurferent  40  nations  diffe- 
rentes,  Tartares,  Indiens,  Transylvains,  Hongrois,  Persans,  Arm&iiens, 
Allemands,  Espagnols,  Portugais,  Arabes,  Venitiens,  Suisses,  etc.5). 

Au  surplus,  dans  tous  ces  ballets,  divertissements  ou  mascarades,  le 
caractfcre  exotique  ne  s'exprime  gufcre  que  par  le  spectacle.  —  Les  peu- 
ples  qu'on  connait  le  mieux  et  qui,  par  suite,  sont  le  plus  souvent  mis 
en  sc&ne,  sont  les  Italiens,  les  Espagnols  et  les  Turcs;  la  musique  d'ail- 
leurs,  k  part  quelques  trfcs  rares  exceptions,  ignore  complfctement  Tart 
stranger,  et  d&s  qu'elle  s'applique  k  des  personnages  exotiques,  elle  se 
coule  dans  des  moules  italiens ;  qu'il  s'agisse  d'Espagnols  ou  de  Maures, 
le  cosmopolitisme  musical  va  toujours  s'alimenter  au-delk  des  Alpes;  il 
ne  tient  pas  k  preciser  davantage6). 

1)  Page  58  de  l'edition  de  Ballard.  On  peat  encore  citer,  pour  l'ann£e  1669, 
le  Divertissement  de  Cliambord,  avec  ses  musiciens  italiens  et  espagnols,  ses  Egyp- 
tiens,  ses  sauvages. 

2)  Ajoutons  que  dans  le  Carnaral  (1675),  Lully  fait  chanter  des  airs  espagnols 
et  prSsente  un  maitre  italien,  Barbacola,  avec  ses  eleves.  Le  Triomphe  dc  V Amour 
(1681),  met  en  scene  des  Indiens  et  des  Indiennes. 

3)  L.  de  Gouvenain,  Le  Thedtre  a  Dijon,  p.  133. 
4}  Mercure  galant,  mars  1699 ;  pp.  165,  166. 

5)  Cette  Wirtschafft  eut  lieu  le  11  ferrier  1670.  Menestrier,  Des  representa- 
tion* en  musique  anciennes  et  modcrnes,  1681.  pp.  284  et  suiv. 

6)  Nous  verrons,  en  particulier,  que  les  Airs  espagnols  de  Campra  ne  sont  que 
des  air 8  italiens.  —  Les  esth6ticiens  francais  possedent  d'ailleurs  la  conviction 
profonde  que  les  peuples  exotiques  ne  connaissent  point  ce  qui  me  rite  le  nom  de 
musique.  Lecerf  se  demande  si  les  Orientaux  savent  ce  que  e'est  que  la  musique, 
entendez  par  la  la  bonne  musique  a  la  Lully.  Sur  la  musique  chinoise.  voir  V Ex- 
traordinaire du  Mercure  galant,  Janvier  1678,  p.  67  et  juillet  1678,  pp.  391,  392. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d1  Andre  Campra.  247 

Des  trois  ouvrages  dramatiques  que  Campra  fit  representor  avant  de 
quitter  Notre-Dame  et  dont  la  musique  nous  a  ete  conserve,  deux,  V Eu- 
rope gaiante  et  le  Camaval  de  Venise  appartiennent  k  la  categorie  des 
Ballets  ethnographiques ;  le  troisi&me,  V&nus,  feste  gaiante,  se  range  au 
nombre  de  ceux  que  le  P.  M&iestrier  appelle  des  Ballets  po£tiques,  parce 
que  la  mythologie  et  le  caprice  en  assurent  les  frais.  Jj'Europe  gaiante, 
nous  l'avons  montr£  plus  haut,  fut  accueillie  avec  une  faveur  extreme, 
non  seulement  par  le  grand  public,  mais  encore  par  les  musiciens.  Et 
nous  voyons  un  sp^cialiste  de  la  danse,  tel  que  Cahusac,  lui  consacrer 
de  longs  et  dithyrambiques  £loges.  Selon  Cahusac,  La  Motte  a  6t6  le 
veritable  inventeur  du  Ballet  et  laisse  Quinault  bien  loin  derrifere  lui: 

«Le  spectacle  trouve  par  la  Motte,  ecrit-il,  est  un  compost  de  plusieurs 
Actes  differents  qui  representent  chacun  une  action  mel6e  de  divertissements, 
de  chants  et  de  danse.  Ce  sont  de  jolis  Vateau,  des  mignatures  piquantes 
qui  exigent  toute  la  precision  du  dessein,  les  graces  du  pinceau,  et  tout  le  bril- 
lant  du  coloris.  Ce  genre,  dans  sa  nouveaute,  balanca  le  succes  du  grand 
opera,  parce  que  le  gout  est  exclusif  parmi  nous,  et  que  c'est  un  dlfaut  an- 
cien  et  national  dont,  malgre  les  lumieres  que  nous  acquerons  tous  les  jours, 
nous  avons  bien  de  la  peine  a  nous  d^faire*1]. 

Ici,  Cahusac  parle  comme  un  elfcve  de  Lecerf ;  il  d&ionce  avec  horreur 
le  gout  de  nouveaute  que  manifestent  les  Frangais  de  son  temps,  et 
conservateur  endurci,  il  voit  en  cette  velleite  un  «d£faut  ancien  et  na- 
tional*. —  II  s'etonne  meme,  non  sans  naivete,  que  le  progrfcs  des  lu- 
mieres ne  vienne  pas  barrer  la  route  au  d^sir  d'innover.  Admirable 
esthetique  classique!  Imiter  les  anciens  repr£sent£s  par  Lully;  voil&  Y* 
et  I'm  du  catechisme  impose  aux  artistes! 

Cahusac  continue: 

«Cependant,  a  force  de  reflexions  et  de  complaisance,  on  souffrit  enfin, 
au  Theatre  lyrique,  deux  sortes  de  plaisir;  mais  ce  genre,  trouve"  par  la 
Motte,  dont  on  riattribua  le  succes,  sutvant  X usage,  qu*au  Musicien  qu'il  avait 
instruit  et  guide,  nous  debarrassa  du  mauvais  genre  que  Quinault  avoit  intro- 
duit  sous  le  titre  de  Ballet*2). 

Ainsi,  au  dire  de  notre  auteur,  Campra  aurait  ete  le  principal  artisan 
du  succfes  de  V Europe  gaiante,  malgre  que  la  valeur  essentielle  de  cette 
pi^ce  diit  etre  rapportee  au  seul  La  Motte.  C'est  assez  proclamer  Tha- 
bilet£  de  Campra,  Theureuse  et  prudente  balance  qu'il  £tablit,  dans  sa 
musique,  entre  le  gout  frangais  et  le  gout  italien,  ce  souci,  constant  chez 
lui,  de  plaire  en  haut  lieu  et  de  ne  point  paraitre  sous  des  dehors  par 
trop  r£ volutionnaires 3) . 

1)  Cahusac.  —  Traite  historique  de  la  Danse.  La  Danse  ancienne  et  moderne. 
1764.    III.  pp.  109-110. 

2}  Ibidem. 

3)  Aussi  bien,  Campra,  en  toutes  circonetances ,  prenait-il  soin  d'affirmer  son 
respect  et  son  culte  pour  Lully.  Lors  du  service  celebre*  en  1728  aux  Petite  Peres 

s.  d.  IMG.    I.  17 


248  L.  de  la  Laurencie,  Notes  sar  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 

En  v£rit6,  La  Motte  fournissait  au  musicien  un  livret  ing&rieux,  bien 
taill6,  d'un  style  galant,  avec  une  attention  au  pittoresque  et  k  la  psy- 
chologic des  personnages  que  Quinault  n£gligeait  par  trop.  De  ce  chef, 
Cahusac  se  trouve  fond£  k  soutenir  que  V Europe  galante,  « ballet  moderne*, 
«est  le  premier  de  nos  ouvrages  lyriques  qui  n'ait  point  ressembld  aux 
Operas  de  Quinault*,  et  qu'un  pareil  genre  appartient  tout-&-fait  k  la 
France.  De  fait,  La  Motte  caracterise  de  fagon  assez  precise  les  strangers 
qu'il  met  en  scfcne;  chacun  d'eux  revet  un  aspect  typique,  qui  se  confond, 
il  est  vrai,  avec  le  cliche  legendaire  de  leur  physionomie,  vu  sous  Tangle 
od  on  considdrait  alors  celle-ci,  mais  qui,  cependant,  se  dessine  d'une  fagon 
plus  nette  et  plus  ferme  que  celui  des  personnages  un  peu  ternes  de 
Quinault. 

Voici,  au  demeurant,  TAvis  qu'Houdard  de  la  Motte  inscrit  en  tete 
de  son  ceuvre,  afin  d'indiquer  les  lignes  g^n^rales  de  sa  conception  dra- 
matique: 

«On  a  choisi  des  Nations  de  1 'Europe,  celles  dont  les  caracteres  se  con- 
trastent  davantage  et  promettent  plus  pour  le  theatre:  La  France,  l'Espagne, 
l'ltalie  et  la  Turquie.  On  a  suivi  les  idees  ordinaires  qu'on  a  du  g£nie  de 
leurs  Peuples 1).  Le  Francois  est  point  volage,  indiscret  et  coquet;  rEspagnol 
fidele  et  romanesque;  l'ltalien  jaloux,  fin  et  violent.  Et  enfin,  Ton  a  ex- 
prim  6,  autant  que  le  Theatre  l'a  pu  permettre,  la  hauteur  et  la  souverainete* 
des  Sultans,  et  l'emportement  des  Sultanes»3). 

Sur  ce  canevas  6ninemment  galant,  La  Motte  a  brod£  de  pittoresques 
sc&nes.  Le  Frangais  Silvandre  « volage  et  coquet »,  vient  de  d£laisser 
l'aimable  Doris  pour  courir  k  une  passion  nouvelle.  H  assi&ge  C^phise, 
et  voici  ce  qu'il  lui  declare: 

<I1  faudroit,  pour  etre  fidele, 

Vous  avoir  toujour*  vue  ou  ne  vous  voir  jamais*3}. 

Et  la  galanterie  de  se  colorier  differemment,  selon  qu'elle  se  situe  en 
France,  en  Espagne,  en  Italie,  ou  chez  le  grand  Turc. 

Un  pareil  sujet  convenait  excellemment  h  Campra.  II  avait,  de  par 
la  forme  ramassee,  concise  du  po&me,  la  faculty  de  s'abandonner  k  son 
imagination  dans  des  airs  semes  k  profusion,  airs  ddtachables  de  len- 
semble,  exprimant,  ainsi  que  le  dit  Grimarest,  «une  action  qui  seule  pent 
former  un  sens  complet,  sans  avoir  une  liaison  n^cessaire  avec  une  autre*4). 

par  l'Academie  de  musique  pour  Marthe  Le  Rochois,  MP"  de  Noailles  ayant  interdit 
la  ceremonie  avant  qu'elle  ne  cominencat,  Campra  descendit  de  la  tribune  a  la 
tete  de  see  musiciens,  et  s'en  alia  fairo  chanter  un  De  Profundis  en  faux  bourdon 
sur  le  torabeau  de  Lully.    {Anecdotes  dramaiiques,  I,  article  Armide.) 

1)  On  voit  qu'ici,  la  Motte  avoue  s'etre  borne  a  reproduire  le  caractere  psy- 
chologique  classique  des  personnages  qu'il  met  en  scene. 

2'  Get  avis  se  trouve  entre  le  Prologue  et  la  2«  Entree  (La  France).  CEurres 
de  Monsieur  Houdar  de  la  Motte,  L'un  des  Quaranie  de  VAcademie  Fran^oise,  1754. 
T.  VI.    p.  10.  3)  Ibidem.    2«  Entree,  Scene  6.    p.  17. 

4;  Grimarest,  Traitv  du  BecitoUif,  1707.    p.  200. 


L.  de  la  Laurenoie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 


249 


Avec  le  Carnaval  de  Venise,  Campra  b^neficiait  d'avantages  k  pen 
prfes  identiques.  Le  sujet,  d'abord,  s'accommodait  au  mieux  avec  son 
italianisme,  puisque  la  pifece  se  passait  k  Venise.  Au  ler  acte,  on  voyait 
la  place  S*  Marc;  au  2%  la  salle  des  B^duits  de  Venise,  «qui  est  un 
lieu  destine  pour  le  jeu»;  au  3e,  le  theatre  representait  encore  la  place 
Sfc  Marc,  orn£e  de  ses  2  colonnes  et  la  mer  dans  la  lointain.  Regnard 
avait  encadre  dans  son  ballet  un  petit  oplra  italien,  £crit  en  vers  ita- 
liens,  Orfeo  neW  inferni,  et  ratmosphfcre  gdn^rale  de  Tceuvre,  avec  ses 
bandes  de  masques,  ses  bals,  les  salles  magnifiques  de  la  decoration, 
s'inspirait  d'un  pittoresque  du  plus  pur  v^nitien.  Les  pr^textes  k  airs 
separ^s,  k  symphonies,  k  danses  de  toutes  sortes  ne  manquaient  pas,  et 
Campra  devait  en  faire  son  profit. 

Examinons  done  les  caractferes  de  la  musique  que  La  Motte  et  Re- 
gnard lui  ont  inspiree. 

Du  rteitatify  nous  ne  dirons  qu'une  chose,  e'est  qu'il  ressemble  extreme- 
merit  k  celui  de  Lully,  avec  moins  de  vigueur  et  moins  de  netted. 

Au  contraire,  les  Airs  et  les  Danses  t^moignent  trfcs  clairement  de 
l'originalite  de  Campra.  Les  uns,  affectent  la  forme  binaire  de  TAir 
fran^ais1);  mais,  le  plus  souvent,  leur  caract&re  est  tr&s  musical;  la  me- 
lodie  souple,  vivante,  s'enroule  autour  des  notes  essentielles  du  ton,  prend 
une  personnalite  «sui  generis*,  s'organise  en  un  mot.  En  void  un 
exemple: 

a  (bis) 


I 


3F= 


£ 


fe± 


S^E 


q=t 


fcr^t 


:fc 


it 


For-mons  d'ai  -  ma  -  bles  jeox,  lais-sons  -nous    en  -  fla  -  mer.  II    n'est 
b  (big) 


* 


£ 


an 


£ 


per  -  mis      i    -    ci     que     de       rire     et      d'ai  -  mer. 

Les  autres  sont  de  ve'ritables  airs  italiens,  k  reprises  et  da-capo ;  ceux 
qui  sont  ecrits  sur  des  paroles  italiennes  ou  espagnoles  rentrent  dans 
cette  caWgorie,  comme  l'air  espagnol,  «E1  esperar  en  amor»3),  de  V Europe 
galante,  Pair  d'Isabelle  «Mi  dice  la  speranza*4)  du  Carnaval  qui  pre- 
sente  dans  sa  melodie  les  insistances,  les  repetitions  &$]k  signages  par 
nous  en  traitant  de   la  musique  religieuse   de  Campra,    Fair  d'Orphde 


1)  Tel  Fair  de  Cephise  en  mi  mineur  de  la  scene  2  de  la  2e  Entree:  cPaisibles 
lieux,  a#reable  retraite*  {Europe  gaiante). 

2)  Europe  gaiante:  4e  Entree:  Air  d'une  Venitienne    alternant  avec   le  choeur. 
p.  178  de  la  partition  d'orchestre  de  1724. 

3)  Europe  galante:  2*  Entree,    p.  127. 

4)  Carnaval  de  Venise.    Acte  II.    p.  102  de  Tedition  de  Ballard. 

17* 


250 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre  Campra. 


«Vittoria»1),  du  Carnaval  et,  celui  d'Eurydice  «Vezzi  lusinghe»*)  du 
meme  Ballet,  ou  encore  le  «No,  no,  non  si  puo  veder  un  volto**)  de 
V&mis,  Feste  galante,  le  «Si  scherzi*  de  la  4e  entree  de  V Europe 
galante. 

Le  caractfere  essentiel  de  la  m^lodie  de  Campra  reside  dans  sa  ryth- 
mique,  dans  la  predisposition  dont  t&noigne  le  compositeur,  k  4cnre  des 
airs  de  mouvement,  des  «vitesses»,  k  faire  emploi  de  rythmes  vifs, 
alertes,  ldgers. 

Certains  dispositifs  rythmiques  lui  sont  chers,  et  leur  fr£quente  appa- 
rition ne  va  pas  sans  engendrer  quelque  monotonia. 

En  voici  que  Campra  utilise  trfcs  souvent: 

fr\jL&JUi  Af[ ou ,6_jj_£j  J.  .N  |     . 

II  aime  aussi  beaucoup  le  rythme  iambique  *  &,  et  la  Forge  galante 
de  VEurope  galante,  par  exemple,  s^tablit  toute  entire  sur  cette  cellule 
rythmique: 


* 


i 


tt-=-JJt=>: 


■■■%^£ 


Frap  -  pons,  frap  -  pons,  . .  . 

On  retrouve  un  dispositif  rythmique  analogue,  aussi  l£ger,  aussi  sau- 
tillant,  dans  le  choeur  des  Bostangis  «Vivir,  vivir»: 


,Nfet5qj^£ 


D'oti  une  allure  pimpante,  detach^e,  pleine  de  gaiete  et  d'entrain. 
Campra  nest  jamais  lourd,  jamais  appuye;  la  majeste  emphatique  n'est 
point  son  fait;  on  sent  en  lui  un  musicien  gracieux,  badin,  k  tendances 
comiques,  voire  bouffonnes6). 

1}  Orphee  aux  Enfers  du  Carnaval  de  Vcnise.    Air  de  vitesse.    p.  207. 

2)  Ibidem,  affetuoso  et  allegro  (Scene  3),  p.  228. 

3)  Venus,  Feste  galante,  Scene  1,  Divertiss* .  p.  56  de  l'6dition  de  Ballard. 

4)  Europe  galante.  Scene  l*re,  1*«  Entree.  La  Forge  galante.  Choeur.  La  parti- 
tion porte  cette  indication:  Detache  et  pique.  Le  choeur  est  precede*  d'une  intro- 
duction symphonique  6crite  a  5  parties. 

5}  Ibidem.  5e  Entree.  Choeur  des  Bostangis  (Scene  6  ;  les  Bostangis  on 
jardiniers  du  Grand  Seigneur  forment  plusieurs  jeux;  leur  choeur  est  e*crit  en 
<langue  franque». 

6)  Aussi  Lecerf  prend-t-il  bien  soin  de  critiquer  les  <chants  d6toarne*»  des 
6ucce8seur8  de  Lullj  en  general  et  de  Campra  en  particulier:  <Les  compositeurs 
qui  sont  ven us  apres  Lully  .  .  .  ont  ete  reduits  souvent  a  chercher  des  tons  par- 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesae  d' Andre"  Campra. 


251 


H  multiplie,  avons-nous  dit,  les  airs  de  vitesse *),  non  seulement  dans 
les  symphonies  et  les  danses,  mais  encore,  dans  les  parties  confines  aux 
voix.  Les  ^pithfetes  de  «gayement»,  «vivement»,  s'accolent  fr£quemment 
aux  melodies  vocales.  C'est  Fair  de  Ctephise  h  f  de  la  2e  entree  de 
V Europe  galante2),  le  fameux  air  italien  «gay» :  «si  scherzi*3),  Fair  d'Orph^e 
du  Carnaval  de  Vemse  et  l'air  « vivace »  de  Pluton  qui  le  suit4).  Les 
choeurs  sont  mouvementes,  animus.  Dans  la  trame  de  la  m&odie  se 
glissent  de  rapides  vocalises5),  souvent  modulantes  et  qui,  en  ajoutant  k 
l'expression  par  leur  caractfcre  symbolique  ou  d^coratif,  apportent,  en 
outre,  un  £l£ment  musical  par  les  nuances  tonales,  par  les  moirures 
qu'elles  esquissent. 

Avec  les  symphonies  et  les  airs  de  danse,  Campra  se  trouve  encore 
plus  k  Taise;  c'est  Ik  qu'il  accumule  les  rythmes  k  f  dont  nous  avons 
donne  des  exemples:  Forlanes,  Canaries,  Saltarelles,  V&iitienne,  etc.  Et 
ici,  dans  le  choix  des  danses,  dans  le  caract&re  qu'il  leur  imprime,  le 
musicien  affirme  ses  tendances  pastorales,  .une  sorte  de  goftt  de  rusti- 
cite,  de  paysannerie.  La  musique  populaire  a  largement  p£n£tr£  dans 
1'ceuvre  de  Campra.  Ainsi,  le  Carnaval  de  Venise  contient  une  de  ces 
VillaneUes  dont  Lecerf  nous  donne  Torigine  qu'il  emprunte  k  Lacfoix; 
c'est  «une  chanson  de  Berger,  ou  pieuse  ou  galante,  amoureuse  ou  Pasto- 
rale*8).    En  voici  le  d£but: 


#n-*- 


T- 


-^4 


=t 


I       I       I       I       'J L  'J- 


fe£ 


g^g 


?m 


£ 


tttJ-r-X 


ticuliers  et  bizarres,  de  ces  chants  d£tourn£s  que  M.  Tabbe*  Raguenet  loue  et  aux- 
quels  Lully  n'avait  guere  touche\  Charpentier,  Colasse,  Campra  .  .  .  se  sont  jett£s 
la-dessus  et  ont  employe  beaucoup  d'habilete  et  d'art  pour  les  preparer  et  pour 
les  embellir  .  . .  Rien  n'a  tant  gate*  leur s  ouvrages  et  ces  successeurs  de  Lully  . .  . 
ont  gchoue'  quand  ils  ont  eu  recours  a  ces  detours  et  a  ces  raffinetnens».  (Lecerf, 
ler  Dialogue,  p.  34).  Dans  la  deuxieme  moitie  du  XVIII6  siecle,  ces  chants  d£tournes 
sont  autrement  goutes,  et  Blainville,  en  1754,  appr6cie  beaucoup  l'animation,  la 
vivacite*  de  Campra:  «L'ingenieux  Campra,  sans  s'ecarter  des  routes  du  Grand  .... 
crut  qu'on  pouvoit  etre  plus  riant,  plus  amine*  dans  VEurope  galante*.  (Blainville, 
L  Esprit  de  Vart  musical,  1754  p.  35.) 

1)  On  sait  que  Temploi   des   «vitesses»   £tait   une  des   caract6ristiques  de  la 
mnsique  italienne. 

2)  Europe  galante.    2«  Entree  «Que  m'adressez*. 

3)  Ibid.  —  4e  Entree  «Si  scherzi,  si  rida>. 

4)  L'Aria  « vivace*  de  Pluton    « Bella  non  piangere*   se  trouve  a  la  page  234 
de  Edition  Ballard. 

5)  Notamment  dans  l'air  d'Orphee  (allegro).  —  p.  207  de  l'edition  Ballard. 

6)  Lecerf.    Loc.  cit.    III.  pp.  103,  104.    Villanelle  viendrait  de  villano,  paysan. 

7)  Carnaval  de  Venise,  Acte  1.  La  villanelle  se  trouve  intercalee  dans  la  Scene  4. 
29. 


252  k  <*e  1a  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Caxnpra. 

La  SaltareUe  de  cette  meme  pifcce  est  d'allure  pittoresque  et  popu- 
late, avec  son  rythme  balance  et  berceur: 


n 


■J-p-C-t 


3n 


*= 


-£<- 


1      U    I 


?Ef!:1) 


a   g 


rythme  que  Ton  retrouve  avec  une  tegfcre  modification  dans  la  V4nitienne 
du  Carnaral: 

Et  toujours,  comme  preuve  du  caractfcre  pastoral  et  rustique  que 
Campra  aime  k  donner  k  sa  choregraphie,  nous  citerons  la  BourrSe  de 
la  dernifcre  scfcne,  k  laquelle  le  musicien  ajoute  encore  une  danse  de  la 
meme  espfece,  dans  le  Supplement  du  Camaval  de  Venise*). 

Cette  souplesse,  cette  coquetterie  du  rythme,  Campra  les  recherche 
avec  une  insistance  toute  particuli&re  et  bien  typique  de  sa  m&nifere. 
Souvent,  afin  de  se  procurer  plus  de  ressources,  il  recourt  aux  mesures 
composes,  aux  ^  par  exemple,  et  alors,  ses  rythmes  se  sculptent, 
s'ouvragent  encore  davantage,  grace  k  la  facilite  qu'offre  le  ^  de  grouper 
ou  de  decomposer  les  valeurs.  Nous  signalerons,  dans  cet  ordre  d'id&s, 
le  trfcs-gracieux  et  trfcs-onduleux  «air  pour  les  masques »  de  la  4*  Entree, 
auquel  les  groupes  de  3  croches  qui  viennent  rompre  les  series  de  rythmes 
trochaiques  j  #%  assurent  un  je  ne  suis  quoi  de  fugace,  et  dessinent 
comme  des  derobades: 


jg^^^gff^S^gferf-^^Tfe  «> 


**sh 


Voil&  pour  la  vivacity  et  la  souplesse  du  rythme  dans  la  m£lodie  de 
Campra.  Ce  sont  Ik  des  qualites  tout  italiennes.  Mais  l'italianisme  du 
musicien  se  traduit  par  d'autres  manifestations.  Ainsi,  YOuverture  du 
petit  op£ra  italien5)   encadre  dans   le   Carnaval  de   Venise  se    pr&ente 


1)  Ibid.  —  Acte  III.  Scene  4.  p.  148.  Les  Castellans,  vfctus  en  Gondoliers,  rien- 
nent  se  rejouir  de  la  victoire  qu'ils  ont  remportee  sur  les  Nicolotes;  ces  Castellans 
et  ces  Nicolotes  sont  deux  partis  opposes  dans  Venise;  pendant  le  Carnaval,  pour 
divertir  le  peuple,  ils  se  battent  a  coups  de  ppings  afin  de  conqu6rir  un  pont. 

2)  Ibid.  —  Acte  I.    Scene  4.    p.  24. 

3}  La  1*"  Bourree  se  trouve  a  la  page  268  de  l'£dition  Ballard;  la  2«  est  dans 
le  Siipplemmt. 

4)  Europe  galantc,  4C  Entree,  p.  172  de  Edition  de  1724.  —  Cet  «air  pour  les 
masques*  est  a  5  parties  et  ecrit  dans  un  style  assez  intrigue^  de  petite  contre- 
sujets  se  placent  dans  les  diverges  parties  et  r£alisent  une  polyphonic  16gere  et 
ingenieuse. 

6)  L'introduction  de  cet  ope>a  italien  dans  le  Ballet  de  Regnard  s'effectue 
assez  habilement  et  ne  semble  pas  trop  forced.  Rodolphe,  le  rival  de  Leandre 
auprea  dlsabelle,  a  fait  courir  le  bruit  de  la  mort  de  celui-ci,  d'ou  d&espoir  dlsa- 


L.  de  la  Lauren cie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 


253 


nettement  sous  la  forme  de  l'ouverture  italienne,  sous  les  espfcces  d'une 
«sinfonia»  en  3  parties:  1°)  Vivace  k  4  temps;  2°)  Adagio  k  |;  3°)  presto 
k  |  en  style  intrigue.  Voil&  bien  le  dispositif  de  Yintrata  italienne  con- 
struite  en  sens  inverse  de  celui  qui  preside  k  Tarchitecture  de  l'ouver- 
ture  k  la  fran^aise. 

Dans  Tharmonie  de  Campra,  l'infiltration  italienne  apparait  k  maintes 
reprises  et  provoque  des  formations  que  Lully  aurait  certainement  r&- 
prouvdes.  Sur  ce  terrain,  Tauteur  de  Y  Europe  galante  peut  etre  con- 
sider^ comme  un  novateur.  Non  seulement,  il  ne  donne  pas  satisfaction 
k  Lecerf  en  negligeant  de  «sauver»  les  dissonances,  mais  il  distribue 
ces  dissonances  de  fagon  k  les  faire  retentir  durement,  lorsque  les  n&- 
cessites  de  l'expression  le  commandent.  Ainsi,  dans  la  1*"  entree  de 
V Europe  galante,  qui  met  en  scfene  V£nus,  la  Discorde  et  leur  suite,  une 
symphonie  caracteristique  vient  troubler  le  divertissement  et  annoncer  la 
venue  de  la  Discorde.  Campra  y  multiplie  les  dissonances,  fait  tomber 
un  groupe  de  triples  croches,  qu'il  associe  a  la  Discorde,  sur  deux  modu- 
lations rapprochees,  puis  insiste  sur  un  intervalle  dechirant  de  quinte  di- 
minu^e1): 


&■ 


W.    *  *  * 


&       TT. 


^sa? 


mff=^T=p^m 


I      I      u 


f^TF 


W.1 


mm 


¥ 


fe 


Enfin,  il  termine  le  « Prelude  pour  la  Discorde*  par  cette  serie  extra- 
ordinaire: 


belle;  mais,  soudain,  Leandre  apparait,  a  la  grande  joie  de  sa  maitresse,  et  alora 
il  annonce  indirectement  la  greffe  tfOrphee  aux  Enfers  de  la  facon  suivante: 

«Fuyons  un  bien  si  funeste  a  de  tendres  amants; 


On  doit  donner  au  peuple,  en  ce  jour  favorable, 
Un  spectacle  ou  d'Orphee  on  retrace  la  fable. 

Le  petit  op6ra  italien  comprend  comme  personnages:  Pluton,  Orph£e,  Eury- 
dice,  Une  ombre;  il  y  a  une  troupe  de  divinity  infernales  et  une  troupe  d'esprits 
follets.  Au  point  de  vue  pratique,  Introduction  s'en  faisait  de  la  fa9on  suivante 
indiquee  dans  le  poeme  de  Regnard: 

« Pendant  que  les  violons  jouent  l'entr'acte,  on  voit  descendre  un  theatre  fer- 
ine d'une  toile  qui  occupe  toute  l'etendue  du  premier.  Ce  qui  reste  d'espace  jus- 
qu'a  l'orchestre  contient  plusieurs  rangs  de  loges  pleines  de  differentes  personnes 
placees  pour  voir  un  opera>.    (CEuvres  de  Regnard.    T.  IV.    p.  348.    Edon  Gamier.) 

1)  Europe  galante,  1*"  Entree,  Scene  2.  Nous  citons  d'apres  la  reduction  au 
piano  de  Edition  Michaelis. 


254 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre*  Campra. 


oft  retentit  un  curieux  accord,  altere  sol  £  si  t?  r£  mi  $  renfermant  la 
tierce  diminu^e:  sol  $ —  si  i\  C'est  \k  une  formation  que  Ton  ne  ren- 
contre point  dans  la  musique  frangaise  de  l'epoque,  mais  qui  rentre  dans 
le  groupe  des  accords  insolites  dont  freraissaient  les  esth&iciens  lullystes, 
parce  que  les  musiciens  dTtalie  en  faisaient  usage1). 

L'harmonie  de  Campra  est  beaucoup   plus  riche,  plus  fournie,  plus 
variee  que  celle  de  Lully;  on  y  rencontre  l'accord  de  septifcme  majeure: 

i        non  r£solu,  et  assez  souvent,  Campra  fait  suivre  cet  accord  de 


celui  de  septifeme  de  dominante,  dispositif  que  Rameau  devait  reprendre 
plus  tard. 

Nous  observons,  dans  sa  musique  dramatique,  les  passages  chroma- 
tiques  que  nous  avons  signales  en  £tudiant  ses  Motets.  Campra  utilise 
non  seulement  le  chromatisme  descendant,  mais  encore  le  chromatisme 
ascendant,  auquel  il  associe  des  idles  de  tension  vers  un  but,  de  Ian- 
gueur  amoureuse,  d'esp^rance.  Ainsi,  la  ritournelle  de  fl&tes  qui  preface 
lair  espagnol  «E1  esperar  en  amor  es  merecer*  de  Y Europe  galante, 
pr&ente,  k  la  basse,  le  mouvement  chromatique  ascendant  qui  suit, 
pendant  que  les  flfites  £lfcvent  lentement  la  melodie  par  exhaussements 
successifs: 


I 


2  flutes. 


B.  C. 


fci^ 


-M 


-&- 


m 


IB 


S3 


ex 


IHF 


fry*- 


Ijfiz 


-*- 


1)  C'etaient  peut-etre  de  ces  dissonances  dont  parle  Montaigne,  dissonances 
«qui  agacent  les  dents  et  qui  troublent  comme  ce  bruit  aigre  et  poignant  que 
font  les  limes  en  raclant  le  fer».  (Montaigne,  Essais.  p.  447.)  Lecerf  les  traite 
«d'accords  inouis,  de  dissonances  outrees*.  —  II  releve,  dans  une  Cantate  de  Bonon- 
cini  [Arde  il  mio  petto  amante),  une  tierce  diminu£e,  une  tierce  composee  de  2  demi- 
tons  et  la  declare  insupportable.    [Eclaircusement  sur  Bononcini.) 

2)  Europe  galante,  3e  Entree,  p.  127  de  la  partition  d'orchestre.  Quoique  d'an 
usage  moin8  frequent  que  le  mouvement  chromatique  descendant  compris  dans 
Fintervalle  de  quarte,  le  chromatisme  ascendant  se  rencontre  assez  souvent  chez 
les  Italiens,  Bassani,  Bononcini,  etc.  Les  Francais  l'emploient  aussi  ant£rieure- 
ment  a  Campra,  et  nous  en  trouvons  un  exemple  chez  Du  Mont,  dans  son  DicUogus 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre"  Campra. 


255 


Placd  sous  la  lente  ascension  de  la  m&odie,  ce  motif  de  continuo 
esquisse  en  quelque  sorte  le  sens  general  que  va  exprimer  Fair  cEl 
esperar*. 

Campra  se  sert  aussi  de  « basses  contraintes»  sur  lesquelles  il  cons- 
truit  des  pieces  entferes,  de  ces  basses  contraintes  fr£quemment  employees 
par  les  Italiens  et  qui  ne  sont  point  du  goto  de  Lecerf  *).  Par  exemple, 
le  Nocturne  plac£  en  tete  de  la  3*  Entree  de  YEurope  galante  s'^tablit 
sur  le  motif  ci-aprfcs  r6p6t£  obstin&nent  par  le  continuo;  il  y  a  la  un 
jeu  adroit  qui  devait  plaire  au  maitre  de  chapelle: 


^^ 


rf. 


T** 


m 


± 


££ 


-tf>±- 


i 


Et  ici,  Thabiletd  d^criture  du  musicien  s'affirme  par  le  contraste  qui 
rfcgne  entre  la  stricte  tenue  de  la  basse  et  la  liberty,  lmdependance  des 
parties  superieures. 

Campra,  nous  Tavons  vu  plus  haut,  module  aussi  avec  beaucoup  plus 
d'aisance  et  de  rapidite  que  Lully;  dans  la  deuxifcme  partie  de  ses  airs, 
les  modulations  se  suivent  tr&s  librement  avec  une  fantaisie  souvent  toute 
arbitraire8).  Mais,  ni  dans  YEurope  galante,  ni  dans  le  Carnaval,  il  ne  se 
risque  a  surcharger  d'accidents  F  armature  de  ses  clefs ;  les  tons  «a  faire 
frayeur*  n'apparaissent  dans  son  oeuvre  que  plus  tard4);  pour  le  mo- 
ment, il  se  contente  des  tonality  usuelles,  et  n'utilise  pas  plus  de  trois 
diezes  ou  trois  be-mols. 

Venons-en  maintenant  a  Instrumentation  et  au  role  dramatique  de 
Torchestre. 

ITorchestre  de  Campra  ne  differe  pas,  en  ce  qui  concerne  la  nature 
et  le  nombre  des  instruments  mis  en  ceuvre,   de  celui  de  Lully;  comme 

de  Anima,  ou  le  musicien  exprime  par  une  phrase  chromatique  montante  l'ardent 
espoir  qui  pousse  Tame  chretienne  vers  le  refuge  divin: 


i 


£ 


-t- 


^c 


^=^=^=^^^^^F^. 


3= 


u   -   bi      fu  -  gi  -  am,   u   -   bi       fu  -  gi  -  am  ni  -  si     ad      te 

H.  Quittard ,  Un  musicien  en  France  au  XVIP  Steele.  Supplement  musical,  p.  24). 
—  M.  A.  Pirro  signale  aussi  un  motif  analogue  formula  par  Samuel  Bockshorn 
(Capricornus)  sur  ces  mots:  «Spero  in  Deum>,  dans  son  Tkeatrum  musicum  de  1669. 
(Pirro,  EsthUique  de  J.  S.  Bach.    p.  83.) 

1)  Lecerf  n'apprecie  guere  les  combinaisons  du  contrepoint  et  engage  les  musi- 
ciens  francais  a  eviter  les  «basses  contraintes*  usitdes  en  Italic 

2)  Europe  galante.  3e  Entree,  p.  113  de  la  partition  de  1724.  C'est  le  fameux 
nocturne  «Sommeil  qui  cbaque  nuit>. 

3;  Les  modulations  frequentes  sont  une  caracterietique  de  la  musique  italienne. 
Cf.  Lecerf.    Loc.  cit.  III.    p.  127. 

4)  Dans  Idomenec,  Tragedie  lyrique,  representee  le  12  Janvier  1712,  Campra 
emploie  le  ton  de  si  |?  mineur. 


256 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d1  Andre"  Campra. 


ce  dernier,  l'autear  de  V Europe  galante  manage  des  oppositions  entre  le 
groupe  des  cordes  et  en  particulier  des  violons,  et  les  flfites  toujour* 
reserv&s  pour  les  moments  langoureux,  tendres.  Parfois,  on  le  voit 
supprimer  la  basse  et  faire  jouer  les  dessus  seuls,  comme  dans  le  Pro- 
logue de  Vtnus,  Feste  galante,  oil  on  entend  2  flutes  et  1  dessus  de 
violon  sans  basse1).  Le  meme  divertissement  contient  aussi  un  trio  de 
violons2),  et  un  air  de  basse  po&iquement  accompagn^  par  2  flutes3). 
Dans  le  tissu  des  chcBurs,  il  proc&de  a  des  interventions  symphoniques,. 
et  le  choeur  «Chantons,  chantons*  de  V&nus,  se  trouve  hach6  par  les 
violons  qui,  a  grands  coups  d'archet,  interrompent  le  motif  chante  par 
les  voix: 

Violons.  Violons. 


^urirtf-ff. 


-^-T-t 


EEE£ 


■#-#- 


-^ hi 


Chan  -  tons,    - 


Basses 


J    Chan  -  tons 


Basses 


fccfcfe 


Chan  -  tons, 


£ 


^C 


»: 


Chan  -  tons 


Sa  fagon  de  traiter  les  instruments  a  vent  est  particulifcrement  in- 
teressante.  Avec  deux  hautbois  et  un  basson,  il  constitue  un  trio  auquel 
il  confie  de  nombreuses  symphonies,  le  2e  Menuet  de  Venus*),  le  2e  Ei- 
gaudon  de  la  2e  Entree  de  Y  Europe  galante*)',  et  encore,  la  Forlane7) 
et  la  l*re  Chaconne  de  la  4e  Entree  de  ce  Ballet8). 

Ce  sont  les  flfites,  Rentes  k  4  parties,  qui  murmurent  myst£rieusement 
la  ritournelle  de  «Sommeil  chaque  nuit»;  Campra  a  trac£  ici  une  ex- 
cellente  page  descriptive  qui  peint  a  merveille  la  nuit  tombante,  son 
charm e  cr£pusculaire,  Fimprecision  qui  commence  a  envelopper  les  choses; 
aux  fl&tes  viennent  s'opposer  les  violons  employes  discr&tement  par  touches 
legfcres;  Tensemble  est  d'une  grande  finesse  et  d'une  grande  po&ie;  e'est 
un  de  cos  airs  de  «sommeil»  si  frequents  dans  la  literature  lyrique  du 

1)  Venus,  Scene  2.    p.  27  de  l'edition  Ballard. 

2)  Venus,  Divertissement,  Scene  2.    p.  69. 

3)  Do.    p.  39. 

4)  Do.    Scene  1.    p.  47. 

5)  Do.    p.  61.    2*  Menuet. 

6)  Le  basson  dessine  des  figurations. 

7)  Ici,  les  hautbois  et  basson  altera  en  t  avec  les  tutti;  e'est  le  trio  oppose  a 
r ensemble  symphoniqne ;  on  retrouve  ce  contraste  instrumental  dans  le  Menuet 
qui  suit. 

8)  Le  ler  couplet  est  confie  aux  hautbois  et  basson.  Observons  toutefois  que 
Campra  n'a  pas  invents  ce  groupement  instrumental.  On  en  trouve  de  nombreux 
exemples  dans  les  operas  de  Lully:  Cadmus  (Air  de  Pan  du  Prologue),  Roland,  Pro- 
logue, etActe  IV,  Scenes  2  et  4),  Armide  (Acte  IV,  Scene  2),  Proserpine  (Prologue); 
a  Facte  II,  Scene  8  de  cet  op£ra,  Lully  emploie  meme  3  hautbois. 


L.  de  la  Laurencie,  Notes  sur  la  jeunesse  d' Andre*  Campra. 


257 


XVIP  stecle,  qui  s'£coule  lentement,  a  travers  le  bercement  calin  des 
croches  li^es  de  deux  en  deux,  et  au-dessus  de  la  basse  contrainte  redite 
inlas8ablement  par  le  continuo: 
Lentement. 


1**  FL 


2«F1. 


3«  FL 


4«F1. 


ffcju-  ft  &  \zuui4  lr  if  ij  pi 


M±iJmk±mm 


=1= 


0 


M*=p 


-^*- 


'J&ZL 


-**- 


m 


m 


E 


^ 


Au  reste,  Campra,  dont  rimagination  s'&neut  et  s'excite  surtout  en 
presence  des  spectacles  visuels,  semble  cependant  avoir  pressenti  le  role 
psychologique  de  Forchestre.  Comme  sa  mdlodie  est  toujours  bien  cons- 
titute, k  contours  nets,  comme  elle  possfede  une  signification  purement 
musicale,  elle  devient  susceptible  de  se  caract&iser,  et  de  passer  des  voix 
aux  instruments  et  vice  versa.  Ainsi,  les  symphonies  ddrivent  souvent, 
dans  son  oeuvre,  des  motifs  chant^s  qu'elles  reprennent  et  d^veloppent. 
En  se  r£p£tant,  certains  de  ces  motifs  deviennent  des  motifs  caracte- 
ri8tiques  que  le  musicien  reproduit  dfcs  que  la  situation  incline  vers  la 
raison  qui  les  avait  provoqu£s  une  premiere  fois.  II  y  a  la  comme  l'em- 
bryon  du  th&me  conducteur,  du  leitmotiv.  Le  Prologue  de  V Europe  go- 
lante  va  nous  en  fournir  un  int^ressant  exemple. 

Durant  Fair  de  V£nus,  on  entend,  en  effet,  retentir  a  Forchestre  le 
thfcme  qui  a  annonce  la  venue  de  la  Discorde,  thfcme  en  triples  croches 
qui  surgissent  par  groupes  tumultueux  et  que  nous  avons  signals  plus 
haut  Or,  a  la  sc&ne  5  de  la  4e  Entrap,  lorsque  la  Discorde  apparait 
de  nouveau,  Forchestre  expose  le  meme  motif  caract^ristique: 


Yiolons. 


B.  C. 


P15^^^^^1^ 


ge=^s^fefrg=^f 


1)  Europe  gakmt^  3e  Entree,  p.  113.  A  ce  moment,  Don  Pedro,  chevalier  espa- 
gnol,  est  sons  le  balcon  de  sa  belle.  C'est  encore  a  2  fldtes  que  Campra  con  fie  le 
trio  en  mi  b  du  2*  acte,  scene  5  du  Carnaval  de  Venise:  <Luci  belle*,    p.  93. 

2)  Europe  galante,  4«  Entree,  Scene  6.    p.  273. 


258  L*  <ta  1*  Lauren cie,  Notes  sur  la  jeunesse  d'Andre"  Campra. 

Nous  nous  trouvons  done  ici  en  presence  dune  sorte  de  theme  conducteur, 
associe'  k  un  personnage  dramatique,  et  il  n'est  pas  inutile  de  remarquer 
que,  vers  le  meme  temps,  un  autre  musicien  frangais,  Jean-Ferry  Rebel, 
essayait,  lui  aussi  dans  ses  EMments,  d'introduire  le  leitmotiv  dans  la 
symphonie1).  Lully  a  d'ailleurs,  employe'  k  plusieurs  reprises,  des  for- 
mules  m&odiques  qu'il  veut  certainement  typiques  de  tel  ou  tel  per- 
sonnage2). 

Les  oeuvres  de  la  jeunesse  de  Campra  t&noignent  de  dons  incon- 
testables.  Campra  est  un  musicien  abondant,  un  peu  prolixe  meme,  sou- 
vent  tres  scolastique;  ses  tendances  italiennes  apparaissent  manifestes, 
mais  il  s'entend  fort  bien  k  concilier  le  gofit  frangais  classique  et  le  gout 
italien,  et  cela,  afin  de  ne  pas  indisposer  contre  lui  le  parti  lullyste 
encore  tout  puissant. 

II  manque  certainement  de  quelques-unes  des  qualites  fran^aises, 
Elegance,  sobriety,  respect  des  proportions,  mais  Y  Europe  galante  le  pla^a 
imme'diatement  au  premier  rang,  et  la  longue  carriere  de  ce  Ballet  prouve 
que  Campra  avait  su  exprimer  d'une  fa$on  juste  et  nouvelle  la  galanterie 
pastorale  si  chere  au  XVIII6  siecle3). 


1)  Voir  notre  article  sur  les  Rebel,  publie  dans  le  Bulletin  trimeetriel  de 
TI.M.G.  de  janvfer-mars  1906. 

2j  Qu'il  nous  suffise  de  citer  le  theme  de  Polypheme  dans  Aeis  et  Qatathee,  et 
celui  de  la  Haine  dans  Armide  (Acte  III). 

3)  En  1766,  Morambert  reconnaissait  les  meritee  de  V Europe  gaUmte\  il  aigna- 
lait  les  2  Mennets  du  Prologue,  le  2°  air  en  Rondeau  du  ler  acte  (2«  Entree),  et  le 
ler  Rigaudon  qui  le  suit,  la  Forlane  du  3*  acte  (4°  entree)  et  la  march e  des  Bos- 
tangis.  II  ajoutait:  «Si  tous  les  Airs  de  violon  de  ce  Ballet  etoient  frapp 4s  au 
m£me  coin  que  le  sont  ceux  que  je  viens  de  citer,  et  que  les  Airs  chantanta  fussent 
comme  quelques-uns  de  ceux  que  Ton  entendra  toujours  avec  plaisir,  ce  Ballet 
seroit  immortel.*  —  [Sentiment  (Tun  harmoniphile  sur  differents  outrages  de  musique. 
§  VI.  VEurope  galante,  pp.  37,  41.)    V Europe  galante  fut  reprise  jusqu'  en  1766. 


D.  F.  Scheurleer,  Jean  Marie  Leclair  L'ain6  in  Holland.  259 


Jean  Marie  Leclair  L'aine  in  Holland. 

Von 

D.  F.  Scheurleer. 

(Den  Haag.) 


Als  Herr  de  la  Laurencie  seinen  Aufsatz  iiber  Leclair  schrieb 
(Sammelbande  d.  IMG.  VI>  1905),  gab  er  sich  viel  Miihe,  etwas  iiber 
den  Aufenthalt  des  Kunstlers  in  Holland  zu  erfahren.  Man  hat  hier 
fleiBige  Nachforschungen  betrieben;  ich  selbst  habe  mich  auch  redlich 
bemiiht,  aber  es  war  alles  umsonst:  die  Reise  nach  Holland  blieb  ratsel- 
haft.  Fetis  behauptete,  der  Zweck  ware  ein  Besuch  bei  Locatelli 
gewesen,  der  in  Amsterdam  wohnte.  Die  Widmung  seines  4.  Livre  de 
Sonates,  ceuvre  IX  an  die  Prinzessin  von  Oranien  enthielt  deu  Satz: 

Pendant  tout  le  terns,  que  fai  passe*  dans  votre  cour,  ou  vous  m'avies  fait 
Vhonneur  de  m'apeller. 

Daher  riihrt  die  Annahme,  daB  die  Prinzessin  Leclair  eine  S telle 
an  ihrem  Hofe  angeboten  habe. 

Bei  meinen  Nachforschungen  iiber  die  Geschichte  des  Musiklebens  in 
Holland  habe  ich  nun  etwas  gefunden,  das  auch  in  bezug  auf  Leclair 
Interesse  hat. 

Herr  de  la  Laurencie  zitiert  einen  Reisebericht  von  de  la  Barre  de 
Beaumarchais,  der  ein  nicht  gerade  schmeichelhaftes  Urteil  iiber  die 
Musikzustande  in  Holland  ausspricht.  An  einer  anderen  Stelle  er- 
zahlt  er: 

V opulent  et  magnifique  Juif  Francois  Lopez  cut  plus  de  succes  dans  le 
dessein,  qtCil  avoit  forrni  d?  avoir  une  espice  d'opira.  B  fU  venir  des  Pais 
etrangers  les  plus  belles  voix  et  les  symphonistes  les  plus  parfaits  qu'il  put  ren- 
contrer.  II  paia  les  uns  et  les  mitres  en  grand  seigneur.  U  atHra  par  sa 
UbiraliU  tout  ce  qui  passoit  dHhommes  excellents  en  ce  genre-Id  par  la  Hollande. 
Ainsi  se  formerent  les  concerts,  dont  il  a  rigaU  Us  honnites  gens  &  les  per- 
sonnel les  plus  illustres  de  la  Haye  pendant  quelques  annees  de  suite.  Les 
Ministres  de  VEtat,  ceux  des  Puissances  itrangeresy  les  voyageurs  du  plus  haut 
rang,  es  Princes  memes  s'y  rendoient.  On  recevait  les  principaux  dans  une 
salle  superbement  illuminee  et  meubUe.  La  musique  elle^nieme  itoit  placie  dans 
une  chambre  fort  ornce  et  toute  brillante,  <£  c'itoit  la  que  les  personnes  d'une 
moindre  condition  itoient  admises.  Des  laquais  faits  au  tour  6b  habiUes  du 
meilleur  air  presentoient  des  rafraichissemens  de  toutes  sortes  d  Vassemblee. 
Pour  moi  je  ntimaginois  alms  etre  chez  un  Prince,  &  je  ne  sais  effectivement 
aucun  particulier  dans  le  monde,  qui  fosse  rien  d'aussi  digne  d'un  Prince  que 
ce  que  je  vous  raconte  *). 


1)  A.  de  la  Barre  de  Beaumarchais,  Le  Eollandois,  ou  Lettres  sur  la  Hollande 
ancienne  et  moderne.    2de.  Ed.    Prancfort,  1738.    S.  324. 


260  D*  F.  Scheurleer,  Jean  Marie  Leclair  L'atn6  in  Holland. 

Ein  englischer  Reisender  schreibt  fast  wortlich  dasselbe,  nur  fiigt  er 
hinzu: 

Whole  operas  were  not  sung]  but  only  select  parts,  and  French  cantatas1). 

Bis  jetzt  hatte  man  immer  angenommen,  daB  mit  diesem  Juden  Lopez 
ein  Lopez  Suasso  gemeint  war,  ein  sehr  wohlhabender  portugiesischer 
Jude,  der  sich  in  mancher  Beziehung  sehr  verdienstlich  gemacht  hat 
Sein  Vermogen  war  so  groB,  daB  er  sich  schon  etwas  AuBergewohnliches 
leisten  konnte.  Zufallig  fand  ich  in  der  Kgl.  Bibliothek  im  Haag  ein 
kleines  Manuskript,  enthaltend  die  Reisebeschreibung  eines  Baron  de  R, 
der  1736  Holland  besuchte.  Vom  Haag  erzahlt  er,  daB  er  hier  einem 
Herrn  Texeira  begegnete,  jedoch  ihn  bald  verlassen  mufite,  weil  an  dem 
Tage  Konzert  war  »chez  Moris.   VUsse*. 

Der  Baron  erzahlt  weiter: 

*H  a  fait  de  deux  chambres  un  salon,  qtCU  a  Sieve*  en  dome,  paroe  que  Its 
itages  itoient  trop  bos,  du  rests  il  est  d?une  beUe  architecture  et  dote  superbe- 
ment.  Ce  concert  est  composS  $  environ  20  personnes.  II  y  a  des  actrices  a 
qui  M.  Vlisse  donne  jusqu'd  trois  mille  florins,  le  moindre  des  pensionnaires 
en  a  mille.* 

Dieser  Name  machte  mich  stutzig.  Ich  wuBte,  daB  von  Zeitgenossen 
der  Name  Suasso  manchmal  sehr  merkwiirdig  buchstabiert  wurde.  Ich 
hatte  bereits  die  Schreibung  Schivartzo  und  sogar  Choalcho  gefunden; 
es  kam  mir  unmoglich  vor,  daB  die  Verstiimmelung  des  Namens  so  weit 
gehen  konnte.  Nach  mehreren  verfehlten  Kombinationen  kam  ich  auf 
den  Gedanken,  daB  der  erste  Buchstabe  vielleicht  ein  U  sein  sollte  und 
ein  D  bei  der  Beinschrift  weggefallen  ware.  Zu  meiner  Freude  fand 
ich  einen  du  Liz  erwahnt,  und  jetzt  konnte  weiter  gesucht  werden.  Sehr 
leicht  war  es  nicht  gerade,  denn  es  stellte  sich  heraus,  daB  der  Mann 
haufig  de  Liesse  genannt  wurde.  Aber  nachdem  die  Spur  entdeckt  war, 
kam  unerwartet  sehr  viel  zum  Vorschein. 

Es  wurde  herausgefunden,  wo  der  Mann  wohnte.  Das  Haus  steht 
heute  noch  und  wird  vom  koniglichen  Kommissar  der  Provinz  Siid- 
Holland  bewohnt.  Aus  der  Geschichte  des  Hauses  ging  hervor,  daB  der 
Besitzer  1742  wegen  Verschwendung  unter  Kuratel  gestellt  worden  war. 
Nun  wurde  nach  den  gerichtlichen  Akten  dieser  Sache  gesucht,  und  so 
kamen  schlieBlich  alle  auf  die  Liquidation  beziiglichen  Dokumente  ans 
Tageslicht. 

Da  stellte  sich  nun  heraus,  daB  der  Mann,  der  mit  Tausenden  von 
Gulden  um  sich  warf,  seit  Jahren  seine  Dienstmadchen  nicht  bezahlt 
hatte.  GroBe  Summen  hatte  er  den  fremden  Gesandten  geliehen,  aber 
noch  groBere  Summen  war  er  Anderen  schuldig.     Sein  palastartig  ein- 

1)  A  Description  of  Holland:  or,  the  present  state  of  the  United  Provinces.  London, 
1743.    S.  216. 


D.  F.  Scheurleer,  Jean  Marie  Leclair  L'afng  in  Holland.  261 

gerichtetes  Haus  war  vollgepfropft  mit  kostbarem  Forzellan  und  Silberzeug. 
Er.  besafi  groBe  Mengen  Edelsteine,  aber  im  letzten  Jahre  wanderte  der 
groBte  Teil  dieser  Herrlichkeit  nach  den  Pfandhausern  im  Haag  und 
Rotterdam.    Die  Katastrophe  wurde  unvermeidlicb. 

Die  Liste  der  Personen,   welche  Forderungen  an  de  Liz  zu  richten  ' 
hatten,  und  deren  Quittungen  an  die  Verwalter  der  Masse  sind  noch  vor- 
banden.     Hier  fand  sicb  nun  auch  die  Spur  Leclair's  wieder. 

Jean  Marie  Leclair  L'ain6  hat  den  Kontrakt  eingereicht,  den  er  am 
1.  Juli  1740  mit  de  Liz  geschlossen  hatte.  Darin  wurde  dem  Kunstler 
auferlegt,  gegen  eine  Entschadigung  von  10000  Gulden  (im  Verlauf  yon 
5  Jabren  zu  bezablen)  wahrend  dieser  Zeit,  also  bis  1.  Juli  1745,  im 
Haag  zu  wohnen: 

*Pour  dinger  mes  concerts  comme  premier  de  tous  les  musiciens  que 
fai  prtsentement  a  ma  pension  ou  que  je  pourrai  avoir  a  Vavenir,  en 
outre  yjouer  du  violon  deux  fois  par  semaine  scavoir  le  jeudi  et  le  samedy 
ou  autres  jours  selon  ma  volonte  et  mon  ban  plaisir,  lui  laissant  la  liberty 
entidre  (T  employer  tout  le  reste  de  son  temps  d  sa  volonte*. 

Die  Halfte  der  Frist  war  also  ungefahr  verstrichen,  als  der  Krach 
eintrat.  Leclair  hatte  schon  wiederholt  Geld  erhoben,  aber  im  August 
1742  gerieten  die  Zahlungen  ins  Stocken,  und  im  Momente,  wo  das 
Silberzeug  ins  Leihhaus  wanderte,  wird  der  Geiger  wohl  nicht  zuerst  be- 
dacht  worden  sein.  Ende  Januar  rechneten  die  Verwalter  mit  den 
Glaubigern  ab ,  und  da  bekam  Leclair  zuerst  F.  666,66  fiir  4  Monate 
Gehalt  und  F.  2500,  pour  extinction  de  toute  pretention.  Die  Quittung 
ist  von  Leclair  selbst  unterschrieben. 

Mit  ihm  waren  erschienen  le  Sieur  F.  le  Rous,  der  seit  1.  Dez.  1739 
«inen  Kontrakt  auf  4  Jahre  hatte,  zu  F.  50  monatlich:  pour  jouer  de  la 
Flute  traversiere  a  mes  concerts  publics  ou  particutiers,  und  Mademoiselle 
Meissonnier,  welche  monatlich  F.  62.10  erhielt:  pour  chanter  &  mes 
concerts. 

Andere  Musiker  habe  ich  nicht  angetroffen.  Wahrscheinlich  hatten 
die  nichts  mehr  zu  fordern. 

Das  Dokument  des  gerichtlichen  Inventars  gibt  eine  genaue  Beschrei- 
bung  des  von  de  Liz  bewohnten  Hauses.  In  den  zwei  Zimmern  »des 
Concertes*,  wie  es  darin  heiBt,  wurden  ein  groBes  Klavier,  ein  Spinett 
oder  Clavecimbel  angetroffen,  nebst  Stiihlen,  Banken,  Notenpulten  und 
Wandleuchtern.  Alles  wurde  offentlich  versteigert,  also  auch  die  Biblio- 
thek.  Der  Katalog  dieser  Auktion  gibt  eine  genaue  Ubersicht  von  dem 
Repertoire.  Hollandische  Musik  war  nicht  da.  Um  so  besser  waren 
Frankreich  und  Italien  vertreten.  Da  finden  wir  eine  stattliche  B^ihe 
Opern  von  Lully,  Collasse,  Campra,  Grenet,  Royer,  Handel,  Bononcini, 
Marais,  Desmarets,  Rebel,  Rameau.     Eine  lange  Reihe"  Ballette  und  eine 


262  D*  F.  Scheurleer,  Jean  Marie  Leclair  L'afn6  in  Holland. 

grofie  Menge  Kantaten,  aber  auch  Instrumentalmusik  war  fleiBig  ge- 
8ammelt:  Corelli,  Geminiani,  Boismortier,  Leclair,  Gianotti,  Couperin, 
Vitali,  Torelli,  Sollnitz,  Telemann,  Vivaldi,  Francoeur,  Mondonville  usw. 
Mit  einem  Worte:  alle  groBen  Meister  der  damaligen  Zeit  waren  ver- 
treten. 

Im  alten  Hause  begab  ich  mich  nach  dem  Konzertsaal  iiber  dem 
Stall.  Letzterer  scheint  sich  noch  im  urspriinglichen  Zustande  zu  be- 
finden;  das  Stockwerk  darliber  ist  seit  langer  Zeit  fiir  Dienerschafts- 
raume  eingerichtet.  Immerhin  sieht  man  noch  sehr  gut,  wie  groB  die 
zwei  Mu8ikzimmer  gewesen  sind,  wenn  auch  von  irgendwelcher  Aus- 
schmtickung  nicht  die  geiingste  Spur  mehr  vorhanden  ist.  Man  darf 
eben  nicht  vergessen,  dafi  inzwischen  165  Jahre  vergangen  sind ;  und  wie 
viele  Hauser  in  Holland  sind  in  dieser  Zeit  nicht  ihrer  Ausstattung 
beraubt! 

Als  bei  meinen  Nachforschungen  der  Name  de  Liz  auftauchte,  er- 
innerte  ich  mich  eines  Buches  in  meinem  Besitz,  das  ich  friiher  nur  sehr 
oberflachlich  eingesehen  hatte,  weil  ich  es  fiir  weiter  nichts  als  eine 
Skandalschrift  hielt.    Der  Titel  lautet: 

Mimoires  Anecdotes  pour  servir  d  Vhistoire  de  M.  Duliz.  Et  la  suite  de 
ses  avantures,  apris  la  catastrophe  de  ceUe  de  Mademoiselle  Pelissier,  actrice  de 
VOpera  de  Paris.     Londres,  Samuel  Harding,  1739. 

Liest  man  jedoch  das  Buch,  nachdem  man  zuerst  das  oben  Mitgeteilte 
erfahren  hat,  dann  wird  manches  verstandlich,  was  friiher  ratselhaft  war. 
Es  ist  natiirlich  nicht  moglich  festzustellen,  ob  alle  diese  bedenklichen 
Abenteuer  mit  Schauspielerinnen  und  alle  Streiche,  die  er  Leuten  spielte, 
mit  denen  er  geschaftlich  zu  tun  hatte,  wirklich  so  geschehen  sind,  aber 
was  ich  zu  kontrollieren  imstande  war,  hat  sich  als  richtig  herausgestellt 
Der  Autor  ist  wahrscheinlich  ein  gewisser  Desforges,  ein  Theater- 
direktor,  der  erst  von  de  Liz  unterstiitzt  wurde,  spater  sich  aber  mit  ihm 
iiberwarf.  Dank  dieser  Beziehungen  konnte  der  Autor  leicht  manches 
wissen,  was  nicht  offentlich  bekannt  war. 

Wir  erfahren  u.  a.,  daB  de  Liz  in  Paris  wegen  Anstiftung  zum  Mord 
zum  Tode  auf  dem  Bade  verurteilt  worden  war;  es  gait  einem  Neben- 
buhler.    De  Liz  entkam,  aber  sein  Diener  wurde  geradert! 

Fiir  die  lokale  Geschichte  Haags  enthalt  das  Buch  sonst  noch  vieles 
Interessante.  In  musikhistorischer  Hinsicht  ist  aber  die  Ernte  nihil. 
Leclair  wird  nicht  erwahnt. 


Bernhard  Engelke,  Johann  Friedrich  Fasch.  263 

Johann  Friedrich  Fasch. 

Versuch  einer  Biographic 
Von 

Bernhard  Engelke. 

(Magdeburg.) 


I.   Vorfahren,  Jugend-  und  Uuiversitatsjahre. 

Joh.  Fr.  Fasch  entstammte  einer  alten,  weit  verzweigten  Thiiringer 
Faniilie,  deren  Mitglieder  im  17.  Jahrhundert  teilweise  hohe  Stellungen 
ah  Arzte  und  Mediziner  bekleidet  haben.  Sie  gliederte  sich  nachweis- 
lich  in  drei  Zweige,  einen  in  Arnstadt,  einen  in  Burgwenden  und  einen 
in  Heldrungen  ansassigen.  Aus  dem  ersten  stammte  ein  nicht  unbe- 
riihuiter  Arzt,  Aug.  Heinr.  Fasch,  geboren  am  19.  Februar  1639  zu 
Arnstadt,  »zu  Jena  Doctor  und  Professor  Botanices,  Chirurgiae  und 
Anatomices,  wie  auch  fiirstlicher  sachsischer  Leibmedicus  worden,  worauf 
er  1690,  22.  Januar  gestorben  .  •  .  [folgt  die  Aufzahlung  seiner  Schriften]1). 
Dem  Burgwendener  Zweige  entstammte  ebenfalls  ein  nicht  unberiihmter 
Mediziner:  »Joh.  Aug.  Fasch,  ein  Sohn  Giinther  Heinr.  Fasche's  aus 
Burgwenden,  hieB  eigentlich  Augustin  Johann  Fasch,  nannte  sich  aber 
in  seinen  letzten  Schriften  immer  Johann  Augustin.  Weil  seine  Eltern 
friih  starben,  so  nahm  sein  Vetter  Joh.  Sam.  Ursinus  ihn  zu  sich  nach 
Buttelstadt,  nachher  kam  er  nach  Arnstadt  usw.«2).  Spater  wurde  er 
Bibliothekar  in  Helmstadt,  dann  Sekretar  bei  Leibniz  in  Hannover  und 
schlieBlich,  nach  Studien  in  Kopenhagen  und  Halle,  Professor  der  Medizin 
in  Jena.  Adlung  berichtet  von  seiner  auBerordentlichen  Kunst,  Ana- 
gramme  aus  dem  Stegreif  zu  bilden;  so  soil  er  einmal  1500  Anagramme 
iiber  das  Wort  jmtcr  familias  verfaBt  haben.  Dem  Heldrunger  Zweige, 
aus  dem  schlieBlich  unser  Musiker  hervorging,  gehoren  fast  nur  Theologen 
an;  sein  altestes  nachweisbares  Mitglied  ist  Augustin  Fasch(ius),  Pastor 
zu  Heldrungen.  Dieser  muBte  all  das  Elend,  das  der  dreiBigjahrige  Krieg 
iiber  die  Stadt  brachte,  personlich  miterleben.  Zwar  kamen  er  und  seine 
Familie  bei  der  Eroberung  der  Stadt  mit  dem  Leben  davon;  doch  seine 
Pfarrei  und  Kirche  wurden  verbrannt,  sein  Kan  tor  erschlagen  und  sein 
Diakonus  Michelmann  von  den  Kaiserlichen  mitgeschleppt  bis  nach  Lutzen? 
wo  er  im  Gewiihl  der  Schlacht  entfloh.  Fast  wiire  ihm  sein  geistlicher 
Rock  noch  zum  Verhtingnis  geworden,  denn  Bauern  hielten  den  Fliicht- 
ling  fiir  einen  Jesuiten  und  hatten  ihn  urn  ein  Haar  erschlagen3). 

1;  Jocher's  Gelehrten-Lexikon. 

2)  Adlung1 8  Fortsetzung  des  Jocher'schen  Gelekrten-Lexikons. 

3)  Diese  Notizen  entnchme  ich  einer  Predigt  iiber  Joel  I.  von  Christoph  Fasch, 

fi.  d.  IMG.    x.  18 


264  Bemhard  Engelke,  Johann  Friedrich  Fasch. 

Augiistin  Fasch  starb  1637 !),  sein  Nachfolger  wurde  sein  vielleiclit 
altester  Sohn  Thomas  Melchior  Fasch,  der  am  23.  Dezember  1643  in 
den  Kirchenbiichern  bezeugt  ist.  Im  nahen  Hauteroda,  wohin  der  Vater 
wahrend  des  Krieges  zeitweise  seine  Pfarre  verlegen  muBte,  war  sein 
anderer  Sohn  Martin  Pastor,  und  dessen  Nachfolger  wurde  ca.  1639 
Johann  Christoph  Fasch,  der  GroBvater  unseres  Kiinstlers.  Dieser  war 
am  17.  November  1616  in  Heldrungen  geboren,  hatte  in  Leipzig  studiert, 
wo  er  1639  den  Magistergrad  erwarb,  wurde  nach  jener  Pfarrerstelle  in 
Hauterode  1643  Diakonus,  1657  Pastor  und  1669  erster  Superintendent 
in  Heldrungen.  Auch  er  hatte  eine  Begabung  fur  Anagramme;  anBer 
jener  oben  zitierten  Predigt,  die  in  Dieckmanns  Chursachs.  Priester- 
schaft,  Teil  3  erhalten  ist,  hinterlieB  er  zwei  derartige  Spielereien: 

Nomina,  corda,  preces,  Sancti  Ministerii  in  Salisaea  Dioeccsi  anagrammaiico 
metritis  modis  contexta. 

Arnstadt  1653.  4°. 
und 

Monile  dispositum   Sancti  Ministerii   in   Eccardimontana  Dia'cesi  anagram- 
matico —  metritis  modis  inventum. 

Ebendas.  1653.    4°. 

Joh.  Christoph  Fasch  starb  am  20.  April  1682;  seine  Gattin,  Maria 
Magdalena,  die  ihm  mehrere  Kinder  geboren  hatte,  folgte  ihm  ein  Jahr 
spater  im  Tode  nach.  Ein  Sohn  war  schon  1670  als  Student  der  Medizin 
gestorben;  der  beiden  anderen  Kinder,  Friedrich  Georg  und  Anna  Sophia, 
nahm  sich  wahrscheinlich  ebenfalls  jener  schon  einmal  erwahnte  Vetter 
Sam.  Ursinus  in  Buttelstadt  an,  und  auf  dessen  Fiirsprache  hin  wurde 
Friedrich  Georg  dort  als  Rektor  angestellt.  Am  3.  Mai  1687  heiratete 
dieser  die  Tochter  des  Pastors  Wegerig  aus  Leissling2),  Sophia,  und  das 
erste  (einzige?)  Band  der  Ehe,  unser  Musiker,  wurde  am  17.  April  1688 
auf  die  Namen  Johann  Friedrich  getauft.  Somit  wird  die  Angabe 
Walther's  bestatigt,  der  den  15.  April  als  Geburtstag  angibt. 

Anna  Sophia  Fasch  heiratete  am  7.  November  1687  den  Pfarrer  von 
Synderstedt,  Christian  Heinrich  de  Wette. 

DaB  auch  Friedrich  Georg  Fasch  Theologie  studiert  hatte,  wird  be- 
glaubigt  durch  seine  Berufung  als  Rektor  nach  Suhl.  Ein  solches  Amt 
scheint  in  jener  Zeit  eine  Art  Voriibung  fur  den  Beruf  als  praktischer 
Geistlicher  gewesen  zu  sein.  So  war  auch  sein  Vorgiinger  M.  Joh.  Fr. 
Zihn  Diakonus  in  Suhl  geworden,  und  der  Rektor  Fasch  ware  sicher 
seinem  Beispiel  gefolgt,  hatte  ihn  nicht  der  Tod  hinweggerafft. 

die  mir  Herr  Superintendent  Dr.  Reineck  aus  Heldrungen,  dein  ich  auch  fur  die  fol- 
genden  Mitteilungen  aus  den  Kirchenbiichern  zu  groBem  Danke  verpflichtet  bin,  aus 
dem  Besitze  des  Herrn  Griitzmacher  dort  zuganglich  machte. 

1)  Adlung's  Fortsetzung  des  Jocher'schen  Gelehrten-Lexikons,  Artikel  Joh. 
Chr.  Fasch. 

2)  Die  folgenden  Kirchenbuchnotizen  verdanke  ich  Herrn  Lehrer  Burkhardt  zu 
Buttelstadt. 


Bernhard  Eogelke,  Johann  Fried  rich  Fasch.  265 

Interessant  fiir  uns  ist  die  —  sicher  irrtiimliche  —  Mitteilung  bei 
Karl  Gottl.  Dieckmann,  kurzgefasste  Kirchen-  und  Schulgeschichte  etc. 
Gotha  1781:  Georg  Friedrich  Fasch,  vorher  Cantor  zu  Schleu9ingen 
t  1700.  Jedenfalls  ein  Beweis,  daB  auch  der  Vater  unseres  Ktinstlers 
ausiibend  musikalisch  tatig  war,  so  daB  ihm  vielleicht  die  Leitiing  jenes 
Kirchenchors  unterstand,  in  dem  sein  Sohn  spater  mitsingen  durfte. 

Der  Ruf  nach  Suhl  war  ein  sehr  ehrenvoller,  denn  das  dortige  Gym- 
nasium gait  neben  dem  Schleusinger  fiir  die  vornehmste  Schule  des 
Henneberg1).  Sie  war  der  Stolz  der  Biirgerschaft.  Nachdem  die  Stadt 
sich  einigermaBen  von  ihrer  Zerstorung  im  30jahrigen  Kriege  erholt  hatte, 
war  die  erste  Sorge  gewesen,  die  verwahrloste  Jugend  wieder  zur  Ord- 
nung  zu  bringen;  nach  dem  Gallustage  1634  legte  man  den  Grundstein 
zu  einer  »Interimsschule«,  die  dann  1635  bezogen  wurde  » super  Pestilentz 
und  Feinde«.  Am  1.  Advent  1642  wurde  die  neue  Schule  begonnen, 
die  bald  zu  klein  und  den  Madchen  allein  uberlassen  wurde.  Ein  stolzes 
Selbstgefiihl  spricht  aus  den  Versen,  die  der  erste  Rektor,  Mag.  J. 
Wagner  1643  zur  Eroffnung  dichtete: 

In  facili  annona,  tranquilli  vivimus.     Hostis 

Nee  pestis  potuit  cuique  nocere  (!)  ferox. 

Stat  chorus  atque  forum,  torus  in  viriutc  vicissime 

Gonsistit,  Domini  cunctipotentis  spe. 

Die  Knabenschule  wurde  dann  von  Nic.  Gerbig  dicht  neben  der  Haupt- 
kirche  begonnen,  sie  konnte  aber  erst  1685  bezogen  werden,  da  man  seit 
1647  beschaftigt  war,  die  vollstandig  zerstorte  Hauptkirche  wieder  auf- 
zubauen.  Es  ist  ergreifend  zu  lesen,  wenn  der  Chronist  berichtet,  daB, 
als  am  31.  August  1651  auf  dem  Positiv  der  noch  unvollendeten  Orge 
zum  ersten  Male  ein  Choral  gespielt  wurde,  die  Kirchganger  vor  Weinen 
nicht  mitsingen  konnten.  Am  7.  November  1652  fand  dann  die  feier- 
liche  Orgelprobe  statt,  zu  der  von  auswiirts  Johann  Ernst  Bach  von 
der  Predigerkirche  in  Erfurt,  Heinrich  Bach  aus  Arnstadt  und  der 
Hof organist  Karl  Briegel  aus  Gotha  geladen  waren! 

Dem  Rektor  Fasch  war  kein  langes  Wirken  beschieden,  im  Jahre 
1700  starb  er2).  Seine  Wittwe  blieb  in  Suhl,  ihr  Todesjahr  (ca.  1720) 
ist  mir  unbekannt  geblieben,  der  Sohn  aber  wurde  nach  Teuchern  dem 
Bruder  der  Mutter3)  zur  Erziehung  ubergeben. 

Dieser  kurze  Au  fen  thai  t  wurde  in  gewissem  Sinne  entscheidend  fiir 
die  Laufbahn  des  Knaben.     Ein  entfernter  Verwandter,   der  Kammer- 

1)  Fiir  das  Folgende  vgl.  Joh.  Michael  Weinrich,  Henneberg,  Kirchen-  und 
Schulenstaat.    1720. 

2 1  Der  Knabe  war  also  beim  Tode  des  Vaters  sclion  12,  nicht  10  Jahre  alt,  wie 
es  in  der  Autobiographic  [Marpurg,  Krit.  Beytr'age  III]  erz'ahlt  wird. 

3)  Dieser,  Gottfried  Wegerig,  damals  »Caplan«  in  Teuchern,  war  spater  1723 
Pfarrer  in  Deumen,  »im  Stuhl  Molsen,  im  Weissenfelsischen  gelegen  und  unter  dasige 
Inspektion  gehorig*.    Iccander's  Geistl.  Minist.  p.  254  [Zedler,  Universal-Lexicon. 

18* 


266  Bernhard  Engelke,  Johann  Friedrich  Fasch. 

Sanger  Scheele  aus  WeiBenfels  (»unser  Vetter«,  Autob.),  horte  ihn  bei 
einem  Besuche  in  Teuchern  singen,  und  auf  seine  Fiirsprache  erbielt  der 
junge  Fasch  fiir  den  Winter  1700/01  die  gerade  vakante  Stelle  eines 
Diskantisten  an  der  Oper.  Seine  Leistungen  miissen  dem  Hofe  gef alien 
haben,  denn,  wie  er  selbst  erzahlt,  konnte  er  nur  mit  Miihe  seine  Dimis- 
sion  erhalten;  sie  wurde  ihm  wahrscheinlich  nur  unter  der  Bedingung 
gewahrt,  daB  er  die  Thomasschule  in  Leipzig  besuchen  miisse.  Er  ging 
dorthin  und  war,  wie  er  selbst  nicht  ohne  Befriedigung  erzahlt,  »anno 
1701  der  erste,  welchen  er  (Kuhnau)  aufnahm*. 

In  Leipzig  war  damals  ein  ungemein  reges  musikaJisches  Leben,  be- 
sonders  seit  1701,  in  welchem  Jahre  der  junge  Telemann  die  Universitat 
Leipzig  bezogen  hatte  und  bald  vom  Studenten  der  Jurisprudenz  zum 
Oberhaupt  aller  musikalischen  Unternehmungen  aufriickte.  Als  er  1704 
Leipzig  den  Riicken  wandte,  hinterlieB  er  einen  reichen  Schatz  von 
Werken  aller  Art,  die  nun  iiberall,  in  Haus  und  Kirche,  Konzert  und 
Schule  zur  Auffuhrung  kamen  und  fiir  die  jungen  Komponisten  leuch- 
tende  Musterbeispiele  abgaben,  denen  nahe  zu  kommen  ihr  hochster 
Ehrgeiz  war. 

Der  junge  Fasch  war  zu  arm,  urn  irgend  welchen  geregelten  Musik- 
unterricht  nehmen  zu  konnen.     Von  der  Musik  aber  lieB  er  nicht: 

>Als  ich  .  .  .  mich  etwas  auf  dem  Clavier  geiibt  hatte,  jedoch  ohne  alle 

Anweisung,  weil  ich  die  Information   zu  bezahlen   nicht  vermogend   war:  so 

fienge  ich  endlich,   als  ich  in  der  zweyten  Klasse  war,  recht  eifrig  an,  Can- 

taten  in    den  Discant  zu    setzen,    worzu   ich  mich   des    seel.  Herrn   Hunolds 

Poesien  bediente,  und   sie    geriethen   mir,  meiner   damaligen  Meinung  nach, 

ziemlich,  weil  es  mir  an  Invention  nicht  fehlete.     Endlich  hatte  ich  gar  die 

Verwegenheit,  da  die  Telemannschen  Ouverturen  bekannt  wurden,   auch  eine 

auf  solchen  Schlag  zu  versuchen.     Ich  setzte  sie  aus,  und  da   die  Primaner 

ein  Collegium  musicum  hielten,  gab  ich  sie  unter  dessen  Nahmen  zur  Probe 

hin,  und  sie  glaubten,  zu   meiner  Freude,  dass   solche  von   ihm  ware.     Bey 

dieser  Gelegenheit    kann   ich   nicht   umhin,    es   offentlich   zu   bekennen,   dass 

ich  aus   meines   geehrtesten   und    geliebtesten  Freundes,    des   Herrn   Capell- 

meister   Telemanns    schonen   Arbeiten   damahlen    alles    erlernete,    indem   ich 

solche  mir,  besonders  bey  den  Ouverturen,  bestandig  zum  Muster  nahm.   Da 

ich,  mit  dem  Abmarsche  der  Schweden  auf  die  Universitat  gienge,  so  legte 

ich  Sonntags,    nach   Endigung    der  Gottesdienste ,    in    meinem  Quartiere  ein 

Collegium  musicum  an,  welches  ich  von  Studiosis  nach  und  nach  auf  20  Per- 

sonen  verstarkete,  und  da  nach  einiger  Zeit  der  einfallende  Geburthstag  des 

ligen  Herrn  Biirgermeisters  Bivini  mit  einer  Abendmusik  beehret  werden 

,    ich  aber  mein  Collegium    musicum   einige  Zeit   vorher   auf  das  Leh- 

ische  Caffeehaus  verleget,  welches  auch  sich  an  der  Zahl  merklich  ver- 

3t  hatte,  so  wurde  mir  von  solcher  die  Composition  aufgetragen,  derglei- 

schon  vorher  bey  Anwesenheit  des  Herrn  Oberhofpredigers  D.  Pippings1 

lich  geschehen  war.« 

l  Aus  Dresden. 


Bernhard  Engelke,  Johann  Friedrich  Fasch.  267 

Die  Akten  ergeben,  daB  Fasch  im  Sommersemester  1708  seine  Studien 
an  der  Universitat  begonnen  hat.    Der  Kuriositat  halber  sei  erwahnt,  daB 
yJoann.  Fridericus  Faschius 

Sula-Hennebergius  c 
unter  der  Rubrik  Polani  eingetragen  ist. 

Es  ist  wohl  kaum  anzunehmen,  daB  Fasch  ernstlich  daran  gedacht 
hat,  praktischer  Jurist  zu  werden;  es  gehorte  eben  damals  zum  guten 
Ton  auch  fur  den  besseren  Musiker,  einige  Semester  studiert  zu  haben. 

In  das  Jahr  1710  failt  ein  interessanter  Streit  zwischen  Fasch  und 
seinem  alten  Lehrer  Kuhnau.  In  diesem  Jahre  war  namlich,  nach 
langem  hin  und  her  zwischen  Leipzig  und  Dresden,  der  Universitat  ge- 
stattet  worden,  in  der  Pauliner-Kirche  eigenen  Gottesdienst  zu  halten. 
Kuhnau,  der  bisher,  so  oft  es  notig  gewesen,  den  Organistendienst  ver- 
sehen  hatte1),  bemiihte  sich  sofort  um  die  Stelle.  Aber  in  Universitats- 
kreisen  war  man  ihm  wegen  seines  anmaBenden  SelbstbewuBtseins,  das 
er  bei  jeder  Gelegenheit  an  den  Tag  legte,  nicht  wohlgesinnt;  das 
Memorial  vom  1.  September  17104)  zeigt  ihn  tiefgekrankt: 

>Magnifici,  Hoch  Edle,  Vest  und  Hochgelehrte 
Hochgeehrteste  Herren  und  Patronen. 
Gleichwie  ich  mit  der  ganzen  Stadt  iiber  den  angestellten  neuen  Gottes 
Dienst  in  der  Pauliner  Kirche  gefreuet,  und  mir  dabey  die  Hoffnung  ge- 
machet,  dass  ich,  da  mir  sonsten  der  Chorus  Musicus  und  die  Orgel  solcher 
Kirchen  anvertrauet  ist,  auch  bey  diesem  Gottes  Dienste  meine  Dienste 
leisten  wiirde;  Also  habe  ich  hingegen  gestern  nicht  ohne  Chagrin  sehen 
mussen,  dass  am  verwichenen  Freytage  die  Orgel-Schltissel  darumb  von  mir 
abgehohlet  worden,  dass  ein  anderer  das  Werk  dabey  spielen  sollen.  Wenn 
ich  aber  albereit  in  der  Hochlobl.  Universitaet  Diensten  stehe,  und  mein 
Amt  allemahl  solchergestalt  abgewartet,  dass  keine  Klage  iiber  mich  hat 
kommen  konnen;  Ich  auch  solchen  Gottesdienst  zu  versehen  Gelegenheit 
habe,  indem  ich,  imfalle  ich  ja  zuweilen  in  den  anderen  Kirchen  mochte 
aufgehalten  werden,  welches  aber  selten  geschiehet,  indem  nach  der  Predigt 
nur  kleine  schwache  Stiicken  musicieret  werden,  durch  einen  meiner  auf  der 
Orgel  wohl  exercierten  Scholaren  und  Studenten,  die  mir  alle  Mahl  zur 
Music  accompagniren,  den  Anfang  zum  Gottes  Dienste  machen  lassen  konte, 
biss  ich  selbst  dazu  kohme;  Alss  gelanget  an  Ew.  Magnif.  Hoch  Edle  und 
Hochgelahrte  Herren  mein  unterdienst  —  gehorsamstes  Bitten,  Sie  geruhen 
hochgeneigt  mir  die  Schlussel  zur  Orgel  wieder  einzuhandigen,  und  mein 
Organisten  Amt  auch  auff  diesen  Gottes  Dienst  zu  extendiren.  Hiedurch 
kohme  ich  bey  denen  Leuthen  wieder  aus  dem  Verdachte,  alss  ware  ich 
abgesezet  worden,  und  ich  hatte  bessere  Gelegenheit  meine  Sonntagliche  An- 
dacht  fortzusetzen,  und  meinen  auff  Orgeln  erlangten  habitum,  welchen  auch, 
Bonder  unzeitigen  Ruhm,  die  Abwesenden  aus  meinen  Musicalischen  Wercken, 
welche  zur  tjbung  des  Clavieres  in  Kupfer  Stichen  der  .Welt  publiciret 
worden,  gerne  gehoret  haben,  zur  Ehre  Gottes  weiter  zu  poussiren.     Zu  ge- 

1)  Spitta,  Bach  II,  36  und  860. 

2)  Archiv  des  Univers.  Rep.  II/III,  No.  3.     Litt.  B,  Sect.  II. 


268  Bernhard  Engelke,  Johann  Friedrich  Fasch. 

schweigen,  dass  ich  keine  iible  Consequenzen  bey  der  Direction  meiner  Music 
zu  befahren,  sondern  vielmehr  aus  der  Communitaet  einigen  Zuwachss  meiner 
Adjuvanten  zu  hoffen  hatte.  Ich  erbiethe  mich,  solche  Dienste  umb  das 
Wenige,  was  einem  anderen  mochte  gegeben  werden,  oder  auch,  so  zu  reden, 
umb  nichts,  sonderlich  wenn  ich  etwa  bey  Losung  der  Kirchen  Stiihle  mochte 
mit  bedacht  werden,  zu  verrichten.  Ich  versehe  mich  Hochgeneigter  Will- 
fahrung  und  verharre 

Ew.  Magnif.  Hoch  Edl.  und  Hochgelahrten 
Herren 
Leipzigk  unterthaniger  und  schuldigster 

den  1.  Sept.   1710.  Diener 

Johann  Kuhnau. 

Aber  die  Vorstellungen  waren  fruchtlos;  die  Musik  zu  Weihnachten 
1710  wird  Fasch  und  seinem  Collegium  musicum  iibertragen,  der  sich 
dafiir  in  einem  langeren  Schreiben  bedankt  und  die  Anspruche  Kuhnau's 
geschickt  pariert: 

praesentiret 
den  29.  Dec.   1710. 

Magnifice  Academiae  Rector 

wie  auch 

Hoch  Ehrwurdige  Hoch  Edle  Veste 

und  Hochgelahrte 

Hochgeehrteste  Herren. 

Es   haben    Dieselben    mir    und    den    unter    meiner    Direction    stebenden 

Collegio   Musico   hochgeneigt   vergonnet,    verflossene  Weynachtfeyertage ,    die 

Music  in  der  Academischen  Kirchen    zu   bestellen.     Und   gleich   wie    solches 

sowohl  von   mir    als    denen   samtlichen  membris    des  Collegii  Musici  alss  ein 

Zeichen  und  Merkmahl  Dero  Weltbekandten  Gtitigkeit,  gegen  die  hier  lebenden 

Herrn    Studiosos    Hochstbillig   erkandt    wird,   alss    stattet    mit    mir    das  ge- 

samte  Collegium  Musicum  in  alien  gehorsauisten  Respect  gebUhrenden  Danck 

ab,    mit    angehender   ergebenster   Bitte,    Sie    wollen    fernerweit   hochgeneigt 

vergonnen,   dass  die    den  Hochsten  Gott  zu  Ehren    angestellte  Music    in  der 

akademischen    Kirche,    alle   Sonn-   und   Festtage    von    Sie    nioge   continuiret 

werden;   denn    obgleich    bekandt,    dass    bishero  H.  Kuhnau,    alss  Leipzischer 

Stadt-Cantor  bey  der  Hochlobl.  Academie  die  Kirchen  Music  hochriihml.  ver- 

waltet,   auch   solche   fernerweit   zu    dirigiren,    bey  der   Hochlobl.  Universitaet 

Ansuchung  gethan,  sich  wider  mich,   alss   der  ich    ihm  in   seiner  vermeinten 

profession   zu   turbiren   gedachte,  beschweret.     So   bitte  ich   doch  in  tiefsten 

Respect,  dabey  hochstgeneigt  zu  consideriren,  wie  das 

1)  nunmehro  die  akademische  Kirche  in  einen  gantz  anderen  Stand  ge- 
kommen  als  vormahls,  da  den  H.  Stadt-Cantori,  bey  orationibus  und  pro- 
motionibus  die  Music  zu  bestellen,  anvertrauet  worden.     So  ist  auch 

2)  H.  Kuhnauen  alle  Kirchen  zu  bestreiten  ohnmoglich,  angesehen  die 
Instrumente  hin  und  her  zu  tragen  zu  langweilig  und  cine  lange  Zeit  mit 
praeambuliren  musste  zugebracht  werden.     So  stehet  auch 

3)  H.  Kuhnau  immediate  unter  der  Stadt  Magistrat,  welcher,  wie  albereit 
die  Rede  gehet,  die  denen  Stadt  Kirchen  gewidmete  Instrumenta,  in  der 
akademischen  Kirchen  zu  gebrauchen,  nicht  fernerweit  zu  verstatten  gesonnen, 
zu  dem  so  erhellet  ja 


Bernhard  Engelke,  Johann  Fricdrich  Fasch.  269 

4)  gautz  kliihrlich,  dass  H.  Kuhnau  mit  Bestellung  der  Stadt  Kirchen 
Uberfliissig  zu  thun,  angesehen  ja  selbst  der  Stadt  Magistrat,  die  Music  in 
der  sogenannten  Neuen  Kirchen  der  direction  des  Hr.  studiosorum  und  nicht 
H.  Kuhnauen  uberlassen.     Wie  denn  auch 

5)  jedermann  bekandt,  dass  ohne  Hulffe  derer  Hr.  Studiosorum  des 
H.  Cantor  keine  vollstimmende  Music  wtirde  bestellen  konnen,  iiberdieses 
ist  auch 

6)  weltkundig  dass  fast  aller  Orthen  wo  florirende  Academien,  der  Aca- 
demischen  Kirchen  Music  von  denjenigen,  welche  sich  denen  studiis  gewidmet, 
und  einen  sogenannten  Collegio  musico,  bestellet  und  dirigiret  wird,  und 
dieses  konte  alhier  in  Leipzigk  desto  leichter  bewerckstelliget  werden,  indem 
bey  dem  unter  meiner  direction  stehenden  Collegio  musico  kein  Mangel  an 
musicalischen  Instrumenten  anzutrefifen  und  also  selbige  nicht  erst  mit  grossen 
Unkosten  (welches  doch  NB.  bey  H.  Kuhnau  wenn  der  Stadt  Magistrat  die 
Instrumente  zu  gebrauchen  verbieten  sollte  geschehen  miisste)  durffen  ange- 
schaffet  werden,  dass 

7)  H.  Kuhnau  versprochen,  er  wolle  die  Music  in  der  Akademischen 
Kirchen  mit  lauter  Musicis  ex  studiosorum  ordine  bestellen,  daran  ist  desto 
mehr  zu  zweifeln,  iemehr  bewusst,  dass  kein  eintziger  Studiosus  aus  denen 
Collegiis  musicis  (in  welchen  doch  fast  alle  Musici  angetroffen  werden)  sich 
Hrn.  Kuhnauen  zu  gefallen  unter  seine  direction  werde  zwingen  lassen 

8)  und  endlich  stellet  nebst  mir  das  samtliche  Collegium  Musicum  Ew. 
Magnif.  Hohen  gutachten  selbst  anheim,  ob  es  nicht  dieser  beruhmten  Aca- 
demie  zu  einem  absonderlichen  hohen  B-uhm  gereichen  wiirde,  wenn  die  als 
eine  rechte  Mutter  aller  freyen  Kiinste,  auch  in  der  Music  solche  Kinder 
erziehe,  welchen  sie  auch  ihre  Kirchen  mit  der  grossten  Billigkeit,  die  Music 
darinnen  zu  bestellen  anvertrauen  konte.  Und  gleichwie  ich  nicht  zweifele, 
es  werden  Ew.  Magnificenz  obengefiihrte  Uhrsachen  hochgeneigt  zu  consi- 
deriren  geruhen,  absonderlich  da  wir  solches  ohne  Entgeld  und  derer  zu 
hoflfen  habende  Erkiiuflichkeit  zu  verrichten  uns  ausbiethen.  Alss  gelanget 
nochmals  an  selbige  mein  gehorsamstes  Bitten  Sie  wollen  fernerweit  hoch 
geneigt  vergonnen,  dass  ich  nebst  meinen  Hr.  Commilitonibus  mit  der  Music 
in  der  Hochlobl.  academischen  Kirchen  fortfahren  auf  kiiuftig  Neujahr  pp. 
wiederumb  den  Anfang  machen  und  die  darauf  folgende  Sonn-  und  Fest 
Tage  nach  Deroselbst  hochst  beliebigen  Anordnung  den  Hochsten  .Gott  zu 
Ehren  continuiren  moge,  solches  werde  als  eine  absonderliche  hohe  Giitigkeit 
lebenslang  zu  riihmen   wissen,  und  verharre  bey  alien  Begebenheiten. 

Leipzig  Ew.  Magnif. 

den   29.  Decemb.  dienstschuldigst-gehorsamster 

1710.  Johann  Friedrich  Fasch 

Jur.  utriusq.  stud. 
Jenen  Maguifico,  Hoch  Ehrwiir- 
digen,  Hoch  Edlen,  Vesten  und  Hoch- 
gelahrten  Hrn.  B.ectors,  und  anderen 
Assessoren  der  Universitaet  Leipzigk, 
meinen  Hochgeehrtesten  Herren. 

Kuhnau  muIJ  von  dieser  Eingabe  Kunde  gehabt  haben,  denn  er  prit- 
sentierte  schon  am  folgenden  Tage  seine  Replik: 
Praesentirt  den 
30.  Decemb.  1710. 


270  Bernhard  Engelke,  Johann  Friedrioh  Fasch. 

Magnifice  Domine  Rector 

Hoche,  Hochedle,  Veste  und  Hochgelahrte 

Hochgeehrteste  Herren 

und  Patron  en. 

Gleichwie  ich  die  von  Ew.  Magnif.  Hochedlen  und  Hochgelahrten  Herren 
mir  aufgetragenen  Dienste  in  Bestellung  der  Music  in  der  Kirch e  zu  St.  Pauli. 
sowohl  in  groBsen  Fest-  als  anderen  der  hochlobl.  Academie  solennen  Tagen, 
wie  nicht  weniger  bey  dem  mit  Gottlicher  Hiilffe  angefangenen  neuen  Gottes 
Dienste  immer  fleissig,  treulich  und  mit  alien  Freuden  verrichtet,  auch  das 
Positiv  bissher  sowohl  vor  als  nach  der  Predigt  unter  die  teutschen  Lieder 
mit  gespielet,  so  dass  ich  niemals  etwas  daran  versaumet,  ungeachtet  ich 
zugleich  meine  andere  Kirchen  Music  abgewartet,  dass  auch  das  Hochlobl. 
Raths-Collegium  mit  mir  bissher  wohlzufrieden  gewesen.  Alss  habe  ich  hin- 
gegen  nicht  ohne  grosse  Gemiiths-Bekrankung  geschehen  lassen  miissen,  dass 
einer  von  meinen  gewesenen  Thomas  Schiilern  mit  einem  gewissen  Collegio 
Musico  Studiosorum,  darunter  noch  unterschiedene  ihre  Music  durch  meine 
Anfuhrung  aus  der  Thomas  Schule  mitbringen,  diese  letzten  Heil.  Weynacht 
Feyer  Tage  auf  Ew.  Magnif.  Hochedlen  und  Hoch  gelahrten  Herrn  Con- 
cession Hire  Kirchen  Music  dirigiren  wollen.  Wenn  aber  dieserjunge 
Mensch,  ausser  dem,  dass  er  vom  Kirchen  Stylo  noch  wenig 
wissen  muss,  sich  derer  Herrn  studiosorum  adjuvantium  nicht  bestandiger 
alss  ich  mich  versichern  kann,  und  ich  sonst  bey  meiner  Music  durch  einige 
aus  ihren  Mitteln  allezeit  secundiret  bin,  dahero  ich  auch,  im  Fall  Ew.  Magnif. 
und  Hoch  gelahrte  Herren  meinen  gesamten  Chor  und  die  Schuler  nicht  ver- 
langen  wolten,  die  Sie  doch,  dessen  in  meinem  Hertzen  ich  versichert  bin, 
auf  ein  einiges  "Wort  haben  wttrden,  solche  Music  durch  die  Herren  Studiosos, 
und  so  es  nothig,  einige  von  unsern  Stadt  Pfeiffern  gar  leichte  machen  kan. 
Alss  offerire  ich  mich  hiermit  zu  allem  TJberfluss  nochmals  zu  der  willigen 
ferneren  direction  der  Paulinischen  Kirchen  music  auf  alle  Arth  und  Weise, 
wie  sie  immer  inoge  verlanget  werden.  Ich  will  zu  weiterer  Verhiitung 
meiner  daraus  entstehenden  Bekrankung  und  des  unverdienten  Schimpffes 
alss  ware  ich  abgedancket  worden,  ingleichen  das  meiner  Music  und  meinem 
Juri  quaesito  besorglichen  Schadens  mit  dem  bissherigen  Tractament  vor  lieb 
nehmen  und  der  Hochlobl.  Universitaet  dabey  gerne  alle  Kosten,  so  viel  an 
mir  ist,  '  ersparen  helflfen.  Diesem  nach  ergehet  an  Ew.  Magnif.  Hochedle 
und  Hochgelahrte  Herren  mein  instandigst  gehorsamstes  Bitten,  Sie  geruhen 
hochgeneigt,  durch  obgedachte  Procedere  und  mit  der  besorglichen  Gefahr 
meiner  Gesundheit  mich  nicht  weiter  kranken  zu  lassen.  Es  hat  auch 
hoffentlich  meine  offerte  mehr  Grund,  alss  das  von  andern  angebothene  neue 
TVesen,  ja  es  stehet  auch  vielleicht  dabey  mehr  Seegen  zu  gewarthen,  alss 
wenn  ich  mit  Seuffzen  das  unverdiente  Verdringen  meiner  Person  Gott  Klagen 
miisste.  Ich  versehe  mich  Hoch  geneigter  Willfahrung  und  bitte  Gott,  dass 
er  bey  dem  durch  seine  Gnade  zuriickgelegten  alten,  und  bei  dem  angehenden 
neuen  Jahre,  seine  Gnade  und  Seegen  zu  dem  Ihm  gewidmeten  neuen  Dienste 
reichlich  geben  wolle.     Im  iibrigen  verharre  ich 

Ew.  Magnif.  Hochedle  und 
Hochgelahrte  Hen-en 
Leipzigk 
den  29.  Decemb.  1710. 


Bernhard  Engelke,  Johann  Fried  rich  Fasch.  271 

unterthanigster  und 
dienstgehorsamer 

Johann  Kuhnau. 
An  die 
Hochlobl.  TJniversitaet 
zu  Leipzig  nnterdienstl. 
Memorial. 
Die  Entscheidung  der  Universitat  findet  sich  ibid.  fol.  32. 
>b)  Die  Kirchen   Music   belangend,    [sind]   unterschiedene    Studiosi   vor- 
handen,  welche  sich  selbst  offeriret,  die  Kirchen  Music  ohne  Entgeld  zu  ver- 
sehen,  und  ist  auch  dieses  ein  dergleichen  Exercitium  voraus  keinem  Menschen 
ein  Nachteil  erwachset,  jedoch  die  studiosi  zu  einer  Gott  gefalligen  Musicam 
gefuhret  und  die  Zuhorer  zu  Gottes  Lobe  auffgemuntert  werden.« 

Dem  ganzen  Handel  wurde  die  Spitze  abgebrochen  dadurch,  daB 
Fasch  1711  von  seinem  Landesherrn  (Suhl  gehorte  seit  1660  zu  Sachsen- 
Zeitz),  dem  Fiirsten  Moritz  Wilhelm  von  Sachsen-Zeitz,  den  Auftrag 
erhielt,  die  Oper  zur  koramenden  Peter  Pauls -Messe  in  Naumburg  zu 
komponieren. 

11.  Bis  zur  Berufung  nach  Zerbst. 

Die  Naumburger  Oper  war  eine  SchopTung  des  kunstsinnigen  Herzogs 
Moritz  Wilhelm  von  Sachsen-Zeitz.  Dieser  hatte  in  Naumburg,  auf  dem 
Platze,  wo  jetzt  das  Priisidentenhaus  stent,  am  Salztor,  der  auch  friiher 
»Opernplatz«  genannt  wurde,  ein  Schauspielhaus  erbaut,  das  1716  wieder 
abbrannte.  Gespielt  wurde  anfangs  nicht  regelmaBig,  Opern  jedenfalls 
wurden  nur  sparlich  gegeben,  man  scheute  die  groBen  Kosten  einer  solchen 
Auffiihrung.  Wie  es  scheint,  hatten  die  Zeitzer  Hofkapellmeister  mit  der 
Naumburger  Oper  nichts  zu  tun,  schon  1706  spielte  die  Leipziger1)  Opern- 
truppe  eine  Oper  Telemach.  Das  Textbuch  dieses  Werkes  ist  noch  er- 
halten'2)  und  enthalt  wichtige  handschriftliche  Notizen.  Einmal  iBnden 
sich  im  Rollenverzeichnis  die  Namen  der  Sanger  angegeben,  unter  denen 
>  Schiir  Mann  «  als  Altist  in  der  Rolle  des  Mentor  fungiert,  und  zweitens 
findet  sich  die  Notiz,  die  Entries  und  Ballets  seien  von  Ms.  Beer,  also 
dem  WeiBenfelsischen  Konzertmeister  verfaBt.  Ich  wage  nicht  zu  schlieBen, 
daB  die  Musik  der  Oper  von  Schurmann  'gewesen,  der  ja  doch  spater 
den  gleichen  Stoff  Telemach  <f-  Calypso  (1721)  behandelt  hat;  unberechtigt 
ware  dieser  SchluB  jedenfalls  nicht,  denn  im  selben  Bande  findet  sich 
das  Textbuch  der  Oper  Der  lachende  J)e?nocritus  (Leipziger  Neujahrs- 
messe  1704),  in  dem  Telemann,  der  Komponist,  als  Sanger  des  Eristeus 
verzeichnet  ist. 

Im  Jahre  1706  soil  nach  Gottsched3)  noch  eine  Oper  Lucrctia  gegeben 

1)  Strungk-Dobricht'sche. 

2)  Sammelb.  Ga  302  der  Gymnasialbibliotliek  zu  Merseburg. 

3)  Marpurg,  Krit.  Briefe  III. 


272  Bemhard  Engelke,  Johann  Friedrich  Faech. 

sein,  von  ihr  jedoch  vermochte  ich  keine  Spur  mehr  zu  finden.  In  den 
nachsten  Jahren  unterblieben  die  Auffiihrungen,  erst  1709  wurde  wieder 
einmal  gespielt,  und  zwar  die  Oper  OUmpia  rendicata  von  Heinichen1). 

Heinichen  war  1709  auf  Drangen  Dobricht's,  der  sich  mit  seinem 
bisherigen  Kapellmeister  Melchior  Hofmann  iiberworfen,  von  WeiBen- 
fels,  wo  er  als  Advokat  in  Diensten  stand,  nach  Leipzig  zuriickgekehrt 
und  hatte  unverziiglich  der  Jurisprudenz  Valet  gegeben.  Noch  zur  Neu- 
jahrsmesse  wurde  eine  Oper  von  Hofmann  Acontius  und  Cydippe  auf- 
gefiihrt,  aber  schon  zu  Ostern  trat  Heinichen  mit  zwei  Opern,  dem  Mario1) 
und  dem  Carneval  von  Venedig*)  auf  den  Plan.  Der  Erfolg  der  beiden 
Werke  war  so  bedeutend,  daB  er  auch  die  Oper  zur  Peter  Paulsmesse 
in  Naumburg,  die  oben  erwahnte  OUmpia  rendicata  schrieb,  die  dem 
Hofe  so  gefiel,  daB  er  nach  Zeitz  als  Hofkapellmeister  berufen  wurde*) 
und  den  Auftrag  erhielt,  auch  fiir  1710  eine  Oper  zu  komponieren,  Der 
gluckliche  Liebesivechsel  oder  Paris  und  Helena*).  Diesmal  war  der  Erfolg 
noch  unerwarteter,  der  Hof  sandte  ihn  mit  dem  Rat  Buchta  zur  Aus- 
bildung  nach  Italien.  Bei  seiner  Abreise  empfahl  er  dem  Herzog  ein 
anderes  Landeskind  als  Nachfolger,  Johann  Friedr.  Fasch. 

Die  beiden  waren  personlich  bekannt.  Gerber  erzahlt,  Heinichen 
habe  neben  der  Leitung  der  Oper  auch  das  »Directorium  des  einen  Collegii 
nmsici,  welches  damals  auf  dem  Lehmann'schen  Caffeehause  am  Markte 
gehalten  wurde « ,  ubernommen6).  Fasch  erzahlt  selbst  von  seiner  Be- 
ruf  ung : 

»  Solchermassen  arbeitete  ich,  ohne  einzige  Regul  von  der  Composition 
zu  wissen,  immer  frisch  fort,  und  im  3  ten  akadeinischen  Jahre  erhielte  ich 
aus  dem  Hochfurstl.  Zeitzischen  Marschallamte  Serenissimi  gnadigen  Befehl, 
die  Direction  der  Opera  und  deren  Composition  zur  Peter  Paulmesse  in 
Naumburg  zu  ubernehmen,  welches  auch  gliicklich  abging.  Hierauf  musste 
die  Oper  ira  folgenden  November  zu  Ihro  der  Hertzogin  Kgl.  Hoheit  hohen 
Geburthstag  componiren,  die  noch  mehreren  Beyfall  fande,  und  in  dem  fol- 
genden Jahre  erhielte  ich  Befehl  zwey  Opern  zur  Peter  Paul  Messe  zu  com- 
poniren, von  denen  ich  die  eine  meinem  damaligen  Hertzensfreunde ,  Herrn 
Stolzeln,  zu  componiren  iiberliesse,  welchem  auch  dadurch  der  Weg  zu 
seinem  ganzen  zeitlichen  Glticke  gebahnet  wurde,  indem  er  im  November 
die  Opernarbeit  erhielte,  die  Durchl.  Prinzessin  aber  ihn  hernach  auf  Dero 
Kosten  nach  Italien   schickte*. 


1)  Siehe  dessen  neu  erfundene  und  grundl.  Anl.  usw.  1711  S.  13 ff.,  wo  auch  Noten- 
beispiele  aus  dem  Werke  zu  finden  sind. 

2)  Part,  in  Kgl.  Bibl.  Dresden. 

3)  Neu  erfund.  und  griindl.  Anw.  S.  4. 

4)  Eitner,  Quellenlexikon. 

5)  Siehe  Gerber,  Neues  Lexicon,  wo  P.  und  H.  um  1709  angefuhrt  ist.    Die  obigre 
Datierung  nach  Gottsched. 

6)  Diese  Nachricht  besagt  nichts  anderes,  als  daB  H.  Cembalist  war,  der  faktische 
Leiter  blieb  immer  der  Geiger  Fasch. 


Bernhard  Engelke,  Johann  Friedrich  Fasch.  273 

Stolzel1)  erwahnt  von  einer  Empfehlung  durch  Fasch  nichts.  Er 
berichtet: 

»Hierauf  [nach  seinem  Aufenthalt  in  Schlesien]  ging  ich  wieder  zuriick 
nach  Halle,  woselbst  eben  der  beriihmte  Capellmeister  Theile2)  sich  auf- 
hielt,  und  mir  die  Composition  einer  Oper,  so  den  Titel  Valeria  fiihrt,  urn 
solche  in  der  nachsten  Naumburger  Messe  vorzustellen,  auftrug.  Als  dieses 
geschehen,  verfertigte  ich  in  eben  demselben  Jahre,  namlich  1712,  auf  hochgr. 
gnadigen  Befehl  ein  Pastoral  zu  Gera,  welches  Rosen  uivd  Dornen  der  Liebe 
betitelt  war.  Folgendes  Jahr  wurden  abermahl  zwo  Opern  von  meiner  Musik 
und  Poesie  zu  Naumburg  aufgefuhret  und  am  Ende  des  Jahres  that  ich  eine 
Reise  nach  Italien,  wo  ich  mich  vornehmlich  zu  Venedig,  Florentz  und  Rom, 
in   allein  aber  ein  Jahr  und  etliche  Monath  aufhielt.  « 

DaB  Stolzel  die  Oper  fiir  den  November  1712  nicht  erwahnt,  durfte 
wohl  VergeBlichkeit  sein;  die  Namen  der  beiden  Opern  fiir  1713  hat 
gliicklicherweise  Hiller  in  den  »Lebensbeschreibungen«  uberliefert,  sie 
heiBen  Artemisia  und  Orkme. 

Priift  man  nun  auf  Grund  dieser  Quellen  Gottsched's  Verzeichnis: 

1709.  Olimpia  vendicata. 

1710.  Der  gliieklichc  Liebesucchsel  odcr  Paris  mid  Helena.    Naumburg. 

1711.  Clomire.  Naumburg. 
Lucius  Vents.  Zeitz. 
Valeria.    Naumburg. 

1712.  Die  getrenc  Dido.     Naumburg. 

1713.  Rosen  und  Dornen  der  Liebe.    Gera. 
Artemisia.    Naumburg. 

1714.  — 

1715.  Cbmtre.     Naumburg. 

so  ergibt  sich  vielmehr  folgendes  Schema: 

1709.  Olimpia  vendicata      ....         von  Heinichen. 

1710.  Paris  und  Helena      ....  von  Heinichen. 

1711.  Clomire 

Lue.ius   Verus  (ZeitzJ       .     . 

1712.  Dido von  Fasch. 

Valeria 

Rosen  und  Dornen  der  Liebe 

;Gera) 

1718.     Artemisia 

Orione 

1714.  — 

1715.  Clomire von  (FaschVj. 

Fiir  den  Lucius  Verus  findet  sich  noch  ein  anderes  Zeugnis  im 
Breitkopfschen  Kataloge  fiir  1761: 

Fasch,  Job.  Fr.  etc. 

Opera  Berenice,  aufgefiihrt  in  Zerbst  1739  a  8  Thlr. 

1)  Autobiographic  i.  d.  Ehrenpforte. 

2}  Theile  war  also  der  musik.  Beirat  des  Herzogs;  er  war  seit  1694  wieder  in 
seiner  Vaterstadt  Naumburg. 


von  Fasch. 


von  Stolzel. 


/ 


274  Bernhard  Engelke,  Johonn  Friedrich  Fasch. 

Aus  den  Zerbster  Rechnungsbiichern  geht  hervor,  daB  anlaBlich  eines 
Besuches  des  Prinzen  von  Wiirttemberg  im  Januar  1739  eine  Schauspieler- 
truppe  Vorstellungen  gab,  bei  denen  6  Sanger  aus  Magdeburg  mitwirkten. 
Bei  dieser  Gelegenheit  wird  Fasch  seine  Jugendoper  hervorgeholt  und 
iiberarbeitet  haben. 

AuBer  einigen  kleinen  Serenaten,  deren  Texte  er  ebenfalls  verfaBte, 
hat,  soviel  ich  weiB,  Fasch  nur  noch  einmal  eine  Oper  komponiert.  Im 
Jahre  1753  lieferte  er  die  Musik  zu  einem  italienischen  Drama  des  Ma- 
gisters  Kopf  aus  Leipzig,  das  dann  im  November  bei  den  Vermahlungs- 
festlichkeiten  des  Fursten  Friedrich  August  aufgefiihrt  wurde. 

Erhalten  hat  sich  von  alien  den  Opern  keine  Note. 

Mit  dem  Jahre  1712  ist  die  erste  Periode  in  Fasch's  Schaffen  be- 
endigt,  die  ihm  neben  vielem  Ruhme  doch  auch  die  Einsicht  brachte, 
daB  sein  Konnen  jeder  theoretischen  Grundlage  entbehrt,  und  er  beschloB, 
das  Versaumte  bei  einem  tiichtigen  Meister  nachzuholen.  Seine  Wahl 
fiel  auf  Graupner. 

Von  Leipzig,  wohin  er  nach  der  Auffiihrung  der  Clomire  zuriick- 
gekehrt  war,  machte  er  sich  Ende  Sommers  1712  auf  den  Weg. 

»Also  trat  ich  diese  Reise  uber  Zeitz  an,  hielte  mich  an  dem  Graft.  Hofe 
zu  Gera,  woselbst  eine  starke  Capelle  war,  etliche  Wochen  auf,  reisete  darauf 
nach  Gotha,  woselbst  ich  auch  gnadigste  Audienz  erhielte  [a.  d.  Empfehlung 
des  Zeitzer  Hofes  im  Anhang],  von  da  nach  Eisenach,  woselbst  ich  auch 
viele  Wochen  verbliebe,  und  dann  iiber  Miilhausen  gegen  den  Winter  nach 
Cassel,  woselbst  ich  bis  in  das  Fruhjahr  verbliebe,  und  darauf  iiber  Marpurg, 
Giessen  und  Franckfurth  nach  Darmstadt,  woselbst  ich  von  den  beyden  Capell- 
meistern,  Herrn  Graupner  und  Herrn  Grunewald,  nicht  nur  mit  vieler 
Liebe  aufgenommen,  sondern  auch  von  beyden  in  der  Composition  aufs  freund- 
lichste  informiret  wurde,  ohne  das  geringste  von  mir  zu  nehmen,  zu  welchem 
Zwecke  ich  mich  allda  14  Wochen  aufhielte.« 

Einen  besseren  Lehrmeister  als  Graupner  konnte  Fasch  sich  nicht 
erwiihlen.  Er  war  ein  Meister  in  vollem  Sinne  des  Wortes.  Ein  mir 
bekannt  gewordenes  Trio  in  -4dur  zeigt  ihn  als  einen  Kontrapunktiker 
ersten  Ranges:  im  zweiten  Satze  dieses  Werkes  weiB  er  drei  verschiedene 
Themen  so  lebendig  gegeneinander  auszuspielen,  daB  man  nur  aufs  tiefste 
bedauern  kann,  daB  dieses  entziickende  Werk  mit  175  Jahren  zum  Dorn- 
roschenschlafe  verdammt  ist!  In  der  Einfiihrung  des  Menuetts  in  die 
Symphonie  soil  er  sogar  den  Mannheimern  vorangegangen  sein  und  in 
der  Instrumentation  ging  er  vollkommen  eigene  Wege 1).  Sein  kiinst- 
lerisches  Credo  findet  sich  in  der  Vorrede  zum  >Neuvermehrten  Darm- 
stadter  Choralbuch*  dat.  18.  Mart.  1728. 

[Er  rat  die  Chorale  »simpel«  zu  spielen  und  fahrt  dann  fort:]  >Doch  ist 
dieses  nicht  so  simpel  und  schlecht  zu  verstehen.    Es  hat  dieSimplicitat 

1)  Vgl.  das  Konzert  Denkmaler  20. 


Bern  hard  Engelke,  Johann  Friedrich  Fasch.  275 

gar  ein  grosses  zu  sag  en,  und  wenn  die  Inventiones  und  allerhand 
Manieren  noch  so  bunt  und  krauss  aussehen,  und  lassen  sich  nicht  ad  primum 
fontem,  ntimlich  zur  Simplicitat  reduzieren,  so  ist  es  ein  gewisses  Merkmahl, 
dass  das  Fundament  nicht  zum  besten  gelegt  worden.« 

Fasch  hat  seinem  Lehrer  stets  eine  dankbare  Freundschaft  bewahrt, 
mehrere  seiner  groBartigen  Ouverturen,  jetzt  auf  der  Darmstadter  Hof- 
bibliothek,  tragen  noch  Reste  des  Postsiegels  und  waren  ohne  Zweifel  an 
Graupner  adressiert,  der  auch  einige  sich  selbst  in  Partitur  setzte.  — 

»Hierauf  reisete  ich  iiber  Cassel  wieder  nach  Sachsen  zur&cke,  und  nach 
Sula,  allda  meiue  Mutter  zu  besuchen,  von  da  iiber  Bamberg  und  Niirnberg 
nach  Anspach,  woselbst  ich  auch  Audientz  hatte,  und  mit  dem  Herrn  Capell- 
meister  Biinimler  bekandt  wurde,  von  dar  an  den  Ftirstl.  Ottingischen  Hof, 
von  wannen  ich  nach  Augspurg  reisend  allda  bey  einem  Verwandton  eine 
Gelegenheit,  nach  Italien  zu  reisen,  erwarten  wollte:  allefci  der  Herr  Capell- 
meister  Biimmler  verschriebe  mich  nach  Bayreuth  zum  Carneval1),  die  Violin 
mit  zu  spielen,  wohin  ich  iiber  Niirnberg  abging,  nach  geendigten  Carneval 
iiber  Sula  nach  Gera  zuriick  reisste  (1715)  und  allda  als  Secretair  und 
Cammerschreiber  in  Dienste  kam,  und  nach  5  Jahren  nach  Zeitz  als  Organist 
und  Stadtschreiber  vociret  wurde*   .   .   . 

Die  letztere  Angabe  ist  falsch,  Fasch  war  nicht  in  Zeitz,  sondern  wie 
schon  Walther  im  Lexikon  angibt  und  wie  mir  das  dortige  Pfarramt 
giitigst  bestiitigte  (1721),  in  Greiz,  wo  er  sich  mit  einer  Tochter  des  Archi- 
diakonus  Laurentii  verheiratete ,  die  indessen  schon  im  nachsten  Jahre 
starb,  nachdem  sie  einem  Tochterchen,  Sophia,  das  Leben  geschenkt  hatte. 

So  konnte  ihm  nichts  erwunschter  sein,  als  der  Ruf  nach  Bohmen, 
zu  dem  kunstsinnigen  Grafen  Morzini  auf  Lucavec  bei  Hohenelbe.  Hier 
konnte  er  bei  300  Gulden  Gehalt  und  freier  Station  ganz  der  Kompo- 
sition  leben.  Der  Graf  und  der  Adel  der  Umgegend  erkannten  riick- 
haltlos  seinen  hohen  Wert  als  Kiinstler  an,  und  es  ist  daher  sehr  er- 
klarlich,  daB,  als  ihn  nach  einem  halben  Jahre  der  Ruf,  als  Hofkapell- 
meister  nach  Zerbst  zu  kommen,  traf,  er  lange  zogerte,  ihm  Folge  zu 
leisten.  Was  seiner  dort  harrte,  wuBte  er  von  Graupner;  mit  der  gol- 
denen  Kiinstlerfreiheit  war  es  vorbei.  Der  StoBseufzer  Graupner's  am 
SchluB  seiner  Autobiographic  zeigt  uns  so  recht  den  Druck,  den  die  Hofe 
auf  ihre  Kapellmeister  ausiibten: 

»Ich  bin  also  mit  Geschaften  dermassen  iiberhiiuffet,  dass  ich  fast  gar 
nichts  anders  verrichtcn  kann  und  nur  immer  sorgen  muss,  mit  meiner  Com- 
position fertig  zu  werden,  indem  ein  Sonn-  und  FestTag  dem  andern  die 
Hand  bietet,  auch  noch  ofters  andere  Vorfalle#dazwischen  kommen «   .  .   . 

Was  Fasch  bestiramte,  »zum  grossten  Misf  alien  des  Herrn  Grafen  € 
die  Stelle  anzunehmen,  war  die  Riicksicht  auf  seinen  alten  Schwieger- 
vater,  der  die  kleine  Sophie  bei  sich  hatte  und  sehnlichst  wiinschte,  daB 

1)  Vgl.  hierzu  meine  Austuhrungen  zu  Schiedermair,  Bayreuth.  Festsp.  Zeitschr. 
der  IMG.  Heft  I,  Jahrg.  X. 


276  Bernhard  Engelke,  Johann  Friedrich  Fasch. 

Fasch  die  Erziehung  seines  Tochterchens  selbst  iibernahme.  So  gab  er 
auf  das  dritte  Schreiben  hin  seine  Zusage  und  reiste  im  Sommer  1722 
nach  Zerbst  ab.     Zu  Michaelis  1722  trat  er  dann  sein  neues  Amt  an. 


III.  In  Zerbst1}. 

Die  Hofkapelle  zu  Zerbst  war  die  Schopfung  des  kunstsinnigen  Fiirsten- 
paares  Karl  Wilhelm  und  Sophie  von  Sachsen-WeiBenfels.  Sie  bestand 
im  Jahre  ihrer  Griindung,  1709,  auBer  dem  Kapellmeister  aus  9  Personen, 
den  Kammer-  und  Hofmusicis  RauchfuB  und  Sattler,  dem  Sanger 
Polle,  den  Trompetern  Scheckel,  Schmidt  und  Kiihne,  dem  Pauker 
Richter,  dem  Trompeter  Clausius  und  dem  Hof-  und  Stadt-Musikus 
Grahmann.  Firr  die  Hoffestlichkeiten  muBte  der  Kapellmeister  Text 
und  Musik  liefern,  auBerdem  zog  man  fremde  Virtuosen  zu  solchen  Ge- 
legenheiten  herbei.  So  war  im  Winter  1716  wiederholt  der  Trompeter 
W  ilk  en  (sic!)  mit  seiner  Tochter  Anna  Magdalena,  die  als  Sangerin 
auf  trat,  in  Zerbst,  und  wie  ihr  spaterer  Gemahl  Joh.  Seb.  Bach,  so 
hatte  auch  der  Hof  aufrichtiges  Gefallen  an  den  Kunst  des  jungen 
Madchens. 

Fiirst  Karl  Wilhelm  starb  am  3.  November  1718,  und  sein  Sohn 
Johann  August,  mit  Friderike  von  Sachsen-Gotha  vermahlt,  kam  zur 
Eegierung.  Auch  dieses  Fiirstenpaar  war,  im  Verein  mit  der  Fiirstin- 
Mutter,  eifrig  bestrebt,  die  Hofkapelle  zu  heben.  1718  wurde  Johann 
Paul  Kuntzen  Kapellmeister.  Ein  vornehmer  Kaufmann  (s.  Ehren- 
pforte)  hatte  ihn  auf  Befehl  des  Fursten  mit  nach  Zerbst  gebracht,  wo 
er  sofort  engagiert  wurde. 

»Weil  aber  die  Umstiinde  kein  gar  zu  grosses  Gliick  versprachen,  so 
begab  er  sich  von  da  nach  Wittenberg;  nachdem  er  sich  gleichwohl  langer 
als  ein  Jahr  in  Zerbst  aufgehalten  hatte.* 

Sein  Nachfolger  wurde  Joh.  Baptist  Kuch,  ein  geburtiger  Hamburger 
(»Xiedersachse«  nennt  ihn  Roellig  s.  u.).  Im  Jahre  1713  war  er  als 
ein  Musikus  »so  in  der  Komposition  erfahrcn  und  auf  dem  Klavier 
wohl  zu  spielen  weiss*  von  Sachsen-WeiBenfels  an  Moritz  Wilhelm  von 
Sachsen-Zeitz  empfohlen.  Dieser,  der  keine  Verwendung  fiir  ihn  hatte, 
empfahl  ihn  1714  nach  Bayreuth,  und  von  hier  wird  er  wahrscheinlich 
nach  Zerbst  gekommen  sein.  Ein  Jahr  vor  Fasch's  Dienstantritt,  1721, 
bestand  die  Kapelle  aus  14  Bersonen,  die  insgesamt  1322  Taler  erhielten, 
von  denen  300  auf  den  Kapellmeister  kamen.  Instrumente  und  Musi- 
kalien  wurden  haufig  angeschafft.  Liinich  in  WeiBenfels,  Seydel  in 
Leipzig  und  Kuch  selbst  besorgten  neue  »Jahrgange<  ,  z.  B.  von  Tele- 

1;  Fur  das  Folgende  ist  die  Hauptquelle  der  Aufsatz  von  Waschke,  Zerbster 
Jahrh.  II. 


Bernhard  Engelke,  Johann  Friodrich  Fasch.  277 

maim,  Liebisch  und  Erlebach;  von  Kuch  fand  ich  noch  Stimmen  zu 
einem  deutschen  Tedeum,  die  Fasch  spater  eigenhandig  vermehrte.  3  Flauti 
traversi  fiir  19  Taler  und  eine  silberne  Trompete  fiir  52  Taler  wurden 
neu  angeschafft,  und  so  ausgeriistet  lieB  sich  die  Kapelle  oft  bei  fiirst- 
lichen  Besuchen  horen.  Durchreisende  Kiinstler  traten  ebenfalls  oft  in 
diesen  Jahren  auf:  ein  Musiker  Talcka,  der  »Posaunenmeister*  Kirch- 
hoff,  ein  gewisser  Wahl  aus  Leipzig,  dessen  Sohn  bei  dieser  Gelegen- 
heit  dem  Hofe  eine  schwungvolle  lateinische  Rede  hielt,  ein  Musiker  aus 
WeiBenfels,  ein  Pauker  aus  Gotha,  ein  Hautboist  aus  Coethen  (Christ. 
Bernh.  Lieni(g)ke?),  ein  Lautenspieler  aus  WeiBenfels,  ein  Flotenvir- 
tuose  aus  Dresden  (Voulumier?)  und  zwei  Waldhornisten  und  der 
Kapellmeister  aus  Sondershausen  (d.  i.  J.  C.  Freislich). 

So  bliihte  die  Kapelle  zur  Freude  des  Hofes,  als  eines  Nachts  der 
Kapellmeister  Kuch  heimlich  aus  Zerbst  entwich.  Seit  1716  schwebte 
gegen  ihn  ein  ProzeB  wegen  eines  Ehegelobnisses,  den  das  Konsistorium, 
dem  Driingen  der  tiefgekriinkten  Maria  Agnes  Amelang  nachgebend, 
1722  zu  Ende  zu  fuhren  drolite.  Wieder  war  die  Kapelle  ohne  Leiter, 
und  auf  eine  Anfrage  in  Gotha  wurde  dem  Hofe  Joh.  Fr.  Fasch  em- 
pfohlen.  Stolzel,  damals  Kapellmeister  in  Gotha,  iibernahm  die  Korre- 
spondenz  und  hatte  ja  schlieBlich  auch  das  Gluck,  seinen  Freund  zu 
gewinnen,  durch  die  feine  Diplomatic,  daB  er  seinem  3.  Schreiben  die 
Bitte  des  alten  Laurentius  beifiigte. 

Kaum  aber  war  Fasch  ein  paar  Wochen  in  Zerbst,  als  ihn  ein  neuer 
ehrenvoller  Ruf  traf,  an  Telemann's  Stelle,  der  abgesagt  hatte,  das 
Thomaskantorat  in  Leipzig  zu  ubernehmen.     Er  sagte  ebenfalls  ab. 

Obwohl  nun  von  einer  Rivalitat  zwischen  Bach  und  Fasch  gar  nicht 
die  Rede  sein  kann  (schon  Spitta  hat  die  Reihenfolge  der  Bewerbungen 
klargelegt),  hat  trotzdera  A.  Werner  der  Versuchung  nicht  widerstehen 
konnen,  dem  gliiubigen  Bachianer  ganz  ungeheuerliche  Dinge  iiber  das 
Verhiiltnis  der  beiden  Manner  zueinander  aufzutischen.  Er  sagt  wortlich 
(Bach-Jahrb.  1907,  S.  179): 

»Als  Bach  1722  die  Kapellmeisterstelle  aufgab  und  als  Kantor  an  die 
Thomaskirehe  nach  Leipzig  ging,  ubergab  er  dem  Zerbster  Fiirsten  zu  dessen 
Geburtstage  eine  Komposition,  die  der  Kapellmeister  Fasch  aufzufuhren  hatte. 
Das  mag  Fasch,  der  sein  Mitbewerber  um  das  Thomaskantorat 
gewesen  war,   nicht  leicht  geworden   sein.* 

Erstens  ist  es  sehr  zweifelhaft,  ob  die  beiden  sich  je  personlich  be- 
gegnet  sind.  Eine  Bekanntschaft  konnte  nur  1713,  wiihrend  Fasch's 
liingerem  Aufenthalte  in  Eisenach,  oder  1721/22,  kurz  nach  seinem  Amts- 
antritt  in  Zerbst,  stattgefunden  haben.  Mir  sind  nur  personliche  Bezie- 
hungen  zu  Ph.  E.  Bach  bekannt,  dem  er  wahrscheinlich  1751  in  Berlin 
naher  trat,  und  mit  dem  er  lange  iiber  die  Berufung  seines  Sohnes  nach 
Potsdam  verhandelte. 


278  Bernhard  Engelke,  Johann  Friedrich  Fasch. 

Ferner  ist  die  Geburtstagskomposition  fiir  den  Zerbster  Fiirsten  sehr 
ratselhaft;  Spitta  erwahnt  sie  nicht,  und  wie  ich  glaube,  beruht  ihre  Er- 
wahnung  bei  Waschke1)  auf  einem  Irrtum.  Bach  iiberreichte  1726  dem 
Prinzen  Emanuel  Ludwig  von  Cothen  eine  Abschrift  seiner  Op.  I  mit 
folgender  Widmung  (Spitta  II,  703): 

>Dem  Durchlauchtigsten  Fiirsten  und  Herrn  /  Herrn  Emanuel  Ludwig,  /  Erb- 
Printzen  zu  Anhalt,  Hertzogen  zu  Sachssen  /  Engern  und  Westphalen,  Grafen  zu 
Ascanien  /  Herm  zu  Bernburg  und  Zerbst  u.  s.  w.  .  .  .€ 

Das  fragliche  Werk  ist  die  B-Dur  Partita  fiir  Klavier(!!). 

Hatte  Bach  wirklich  dem  Zerbster  Fiirsten  eine  Komposition  ge- 
widmet,  so  miiBte  sie  unter  alien  Umstanden  im  Notenverzeichnis  der 
Hofkapelle  aufgefiihrt  sein.  DaB  aber  iiberhaupt  kein  Werk  von  Bach 
in  Zerbst  vorhanden  war,  spricht  noch  nicht  fur  ein  miBgiinstiges  Ver- 
haltnis  Fasch' s  zu  Bach.  Ein£genauerer  Blick  in  das  Verzeichnis  hatte 
Werner  belehren  konnen,  daB  Bach  dies  Schicksal  mit  Graupner,  Hasse, 
Walther,  K.  H.  Graun  u.  a.  teilt.  Gerade  das  Verzeichnis  zeigt,  wie 
neidlos  Fasch  bei  der  Auswahl  der  aufzufiihrenden  Werke  verfuhr,  wie 
er  selbst  sich  bescheiden  im  Hintergrunde  hielt;  denn  daB  er  nur  3  Violin- 
Konzerte  oder  3  Trios  bis  1743  geschrieben  haben  sollte,  wird  angesichts 
der  groBen  Zahl  der  erhaltenen  doch  niemand  behaupten  wollen!  AuBer- 
dem  haben  wir  ein  Drteil  Mattheson's  iiber  ihn:  »Es  sei  kein  Narcissus, 
der  in  seine  eigenen  Sachen  verliebt  sei«2)3). 

Fasch's  Anfaugsgehalt  betrug  350  Taler  und  das  Deputat  von  1  Wispel 
Koggen,  wofiir  spiiter  eine  Abfindung  von  12  Talern  eintrat.  Die  An- 
forderungen,  die  man  an  ihn  stellte,  waren  aber  auch  nicht  klein: 

»Hier  hatte  ich  gleich  in  dem  ersten  Kirchenjabre  von  1722  bis  23  einen 
doppelten  Jabrgang  auf  den  Vor-  und  Nacbmittag  des  Gottesdienstes  zu 
componiren,  daber  bey  jedem  kleinen  Festtage,  der  mir  einfiele,  ich  selbige 
Wocbe  4  Kirchenstiicke  componirte;  hierzu  kam  noch  eine  starke  Passion 
und  3  Serenaten  zu  den  hohen  Geburtstagen. « 

Uber  die  Neuanschaffungen  von  Musikalien  und  Instrumenten  hatte 
er  vollkommen  frei  zu  entscheiden,  er  brauchte  nur  die  Bechnungen  der 
Kentkammer  zur  Bezahlung  vorzulegen.  Waschke  a.  a.  0.  hat  an  der 
Hand  der  Kechnungsbiicher  uns  einen  hiibschen  Einblick  in  diese  seine 
Tiitigkeit  gegeben.  Ich  erspare  mir  daher,  die  Einzelheiten  zu  wieder- 
holen. 

Im  Jahre  1727  unternahm  Fasch  eine  groBe  Reise,  die  ihn  schlieBlich 

1;  Zerbster  Jahrb.  1906,  S.  50. 

2)  Mennicke,  Kunstwart  1906. 

3;  Sogar  die  Viola  pomposa  hat  ibren  Einzug  in  Zerbst  gehalten;  unter  den  ge- 
spielten  Sonaten  a  3  ist  Nr.  4o  ein  Trio  a  Viola  pomposa,  Viola  e  Cembalo  di  Boino- 
Here.  Wie  sehr  andrerseits  Bach  Fasch  schatzte,  zeigt  die  teilweise  autographe  Eopie 
von  5  Ouverturen,  und  die  warme  Zuneigung  Ph.  Emanuel's  zu  Vater  und  Sohn  Fasch, 
wovon  weiter  unten,  ware  bei  einer  gegenseitigen  Abneigung  doch  undenkbar. 


Bernhard  Engelke,  Johann  Friedrich  Fasch.  279 

iiach  Dresden  flihrte,  wo  er  durch  »Serr  Ober-Steuer-Kassierer  Stormer* 
275  Taler  ausgezahlt  bekam.  Auf  dieser  Reise  verlobte  er  sich  in  GroB- 
Kmehlen  mit  Johanna  Helena  Simers,  der  Tochter  des  Pastors  Mag 
Karl  Friedrich  Simers,  und  fiibrte  sie  am  21.  Juli  1728  als  seine  Gattin 
heim.  Sie  war  1708  geboren,  und  der  Ehe  entsprangen  zwei  Sohne, 
August  Friedrich  Christian  (geb.  am  3.  Januar  1735)  und  Christian 
Friedrich  Carl,  der  spatere  Stifter  der  Berliner  Singakademie  (geb. 
18.  November  1736).  Leider  war  auch  diese  zweite  Ehe  Fasch's  nicht 
von  Dauer,  seine  Frau  starb  schon  am  19.  Februar  1743  wieder,  erst 
35  Jahre  und  6  Monate  alt! 

Zu  Johanni  1737  erhielt  Fasch  in  Anerkennung  seiner  kiinstlerischen 
Verdienste  eine  Gehaltserhohung  von  50  Talern  pro  anno,  die  von  1722 
an  gerechnet  wurde,  so  daB  er  in  diesem  Jahre  neben  den  400  Talern 
Gehalt  noch  442  Taler  in  baar  erhielt.  So  reichlich  beschenkt,  unter- 
nahm  er  eine  Reise  in  seine  Heimat,  wie  aus  dem  folgenden  Aktenstiick 
hervorgeht.  1738  hatte  er  in  Eisenach  eine  echte  Kremoneser  Violine 
gekauft,  war  aber  mit  der  Zahlung  noch  1740  im  RUckstand,  und  die 
Klagerin,  eine  Witwe  Martha  Maria  Koch,  wandte  sich  an  den  Fiirsten 
August  Ludwig  von  Anhalt-Cothen: 

»Durchlauchtigster  Fiirst 
gnadigster  Fiirst  und  Herr, 
Ew.  Hochfiirstl.  Durchlaucht  wollen  gnadigst  zu  vernehmen  geruhen,  dass 
der  Capell-Meister  Fasch  vor  2  Jahren  mir  eine  cremoneser  Violine  ftir 
18  Rthlr.  abgekauft  und  bahre  Zahlung  versprochen,  welche  ich  aber  bisa 
dato  nicht  erbalten,  ob  er  mich  gleich  von  einem  quartal  zum  andern  darauf 
vertrostet.  Ich  hatte  mich  der  richtigen  Zahlung  um  so  viel  mehr  versehen, 
als  er  die  Violine  wieder  verhandelt  und  das  Geld  daflir  empfangen  hat. 
Ich  sollte  billich  diese  sache  bey  Ew.  Hochfiirstl.  Durchl.  Ftirstl.  Reg.  an- 
bringen,  ich  bin  aber  eine  arme  wittib  und  babe  kein  Geld  zu  prozesskosten, 
mochte  auch  den  Herrn  Capell-Meister  gerne  mit  dergl.  Kosten  ver  schon  en. 
Ich  unterstehe  mich  dahero  an  Ew.  Hochflirstl.  Durchl.  mich  unterthanigst 
zu  wenden.  Der  Capell-Meister  gestehet  die  Schuld  und  Ew.  Hochfiirstl. 
Durchl.  lieben  die  gerechtigkeit.     Sie  helfen  auch  gerne  denen  wittwen. 

Ich  zweifle  also  nicht,  dieselbe  werden  auch  mittel  und  wege  finden,  mir 
bald  zur  zahlung  zu  verhelfen.  Gott  wird  Ew.  Hochfiirstl.  Durchl.  dafiir 
reichlich  seegnen.  Ich  werde  den  giitigen  Gott  darum  anrufen,  die  ich  in 
tiefster  veneration  verharre.« 

Ew.  Hochfiirstl.  Durchl. 
Demithigeste  Magd 
Eisenach  den  17.  Aug.   1740. 

mart  ha  maria  Kochin 
Wittib. 
P.  S.      >Ew.  Hochf.  Durchl.  bitte  gantz  unterthanigst   diese  sache   nicht 
zum  prozess  kommen  zu  lassen,  sondern   ohne  prozess  gntidigt  zu  sorgen,  dass 
ich  bald  bezahlet  werde.* 

Daneben  stent  die  Resolution: 
s.  d.  IMG.    x.  19 


280  Bernhard  Engelke,  Jo  harm  Friedrich  Fasch. 

>Ist  der  witt.  Kochin    dato   geantwortet   worden,  dass   der  Capellmeister 

Fasch  nicht  in  hiesigen,  sondern  in  Anhalt-Zerbstiscben  Dienste  stehen  und 

sie  sich  daselbst  melden  miisse.  _,    _         .       ..  ,    «     .     „,,* 

Cothen  den  14.  Sept.   1740. 

Der  Handel  wird  friedlich  beigelegt,  sein,  da  sich  keine  weiteren 
Akten  haben  finden  lassen. 

Beriihmtere  Kiinstler  kehrten  in  den  30er  Jahren  auch  ofter  in  Zerbst 
ein,  so  » Monsieur  Benda«,  den  man  gerne  als  Konzertmeister  behalten 
hatte.  Im  Winter  1732/33  erhielt  er  fiir  sein  Violinspiel  12  Taler, 
1735/36  eine  »gnadigste  Diskretionc  von  10  Talern.  Spater  lieB  rich 
statt  seiner  zweimal  der  »Herzogl.  Mecklenburgische  Kammermusikus< 
Joh.  Gottfr.  Hertel  als  Violinspieler  horen  und  erntete  ebenfalls  reichen 
Beifall.  Daneben  traten  aber  auch  ganz  untergeordnete  Artisten  auf, 
z.  B.  1725  ein  Hautboist,  der  zwei  Waldhorner  auf  einmal  blieB,  und 
1729  ein  gewisser  Georg  Kumtlich,  der  12  Taler  fiir  die  Produzierung 
seines  kiinstlichen  Pferdes  erhielt,  oder  im  Winter  1743/44  ein  Italiener, 
der  sich  auf  der  >Davidsharfe«  horen  lieB. 

Theatralische  Vorstellungen ,  in  erster  Linie  Schauspiele,  waren  sehr 
beliebt.  Im  Winter  1726/27  wurden  zweimal  Auffiihrungen  veranstaltet, 
das  letzte  Mai  durch  die  >Kockeritzer  Bande«.  1739,  im  Januar, 
wurde,  wie  schon  erwahnt,  neben  Schauspielen  die  Oper  Berenice  von 
Fasch  gespielt,  wozu  6  Sanger  aus  Magdeburg  zitiert  wurden.  1741/42 
gastierte  die  Reichhard'sche  Truppe;  im  nachsten  Winter  aber  stockte 
das  Kunstleben,  da  am  3.  November  1742  der  Fiirst  Joh.  August  starb. 
1743/44  spielte  die  Schuch'sche  Truppe,  und  in  die  folgenden  Jahre 
1745/50  fallt  die  glanzendste  Kunstepoche  der  kleinen  Residenz.  Durch 
die  Vermahlung  der  Prinzessin  Sophie  Auguste  Friderike  mit  dem  Kur- 
fiirsten  Peter  von  RuBland  nahm  das  Hofleben  einen  ungeahnten  Auf- 
schwung.  Am  3.  November  1750  erbaute  sich  die  Neuberin  eine  Biihne 
im  Kirchsaal  des  Schlosses  und  gab  mehrere  Vorstellungen,  bei  denen 
2  Pagen  aushelfen  muBten.  Ihr  pekuniarer  Erfolg  jedoch  war  so  gering, 
daB  sie  bei  ihrer  Abreise  dem  Chirurgen  Gotze  ihre  Kostume  und  Re- 
quisiten  verpfanden  muBte.  Im  November  1753  fand  dann  die  Ver- 
mahlung des  minderjahrigen  Fiirsten  Friedrich  August  statt,  zu  der  Fasch 
eine  italienische  Oper  auf  einen  Text  des  Leipziger  (!)  Magisters  Hopf 
komponierte.  Sie  ist  leider  verschollen.  Fiir  das  Schauspiel  war  die 
Koch'sche  Truppe  akkordiert,  und  die  theatralischen  Auffiihrungen 
wurden  mit  einem  Aufwande  von  insgesamt  1531  Talern  unterhalten. 
Als  dann  1754  die  Scheuerling'sche  Truppe  bei  Gelegenheit  der  Nieder- 
kunft  der  GroBfiirstin  spielte,  lieh  ihr  der  oben  erwiihnte  Gotze  die 
Garderobe  der  Neuberin. 

Die  letzten  Lebensjahre  des  gealterten  Meisters  waren  nicht  so  gluck- 
lich,  wie  er  es  verdient  hatte.    Seine  Frau  und  vielleicht  auch  sein  Erst 


Bemhard  Engelke,  Johann  Friedrich  Fasch.  281 

geborner  waren  tot,  eine  Tochter  aus  erster  Ehe,  wie  es  scheint,  nach 
auswarts  verheiratet,  und  die  Freude  seines  Alters,  sein  Sohn  Carl,  war 
seit  1750  zur  Ausbildung  erst  in  Strelitz,  dann  in  Klosterberge. 

Das  geistige  Leben  des  Stadtchens  stand  unter  dem  Drucke  der 
lutherischen  Orthodoxie,  und  daB  unser  Meister,  der  reformiert  war, 
manchmal  die  Macht  der  Geistlichkeit  fiihlen  muBte,  zeigt  folgender  Brief, 
das  einzige  erhaltene  private  Schreiben  Pasch's,  dessen  Kenntnis  ich  Herrn 
Prof.  Wolf  und  Herrn  Max  Schneider  verdanke. 

>Hochwohlgeborner  Herr, 
Hochstgeehrtester  Herr. 

Es  sind  nun  schon  verschiedene  Jahro  verflossen,  als  die  von  Ew.  Hoch- 
wohlgeb.  Gn.  zur  Kirchenmusik  entworfene  schon-  und  recht  erweckliche 
Poesie,  welche  damahligere  Zeit  an  die  Hochfiirstl.  wolffenbuttlische  hohe 
Horrschafft  dediciret  war,  von  Braunschweig  aus  mir  zu  Handen  kahm  und 
mir  dergestalt  zu  Hertzen  drunge,  dass  ich  sogleich  revolvierte  an  den  da- 
mahls  regierenden  und  nachher  in  die  Ewigkeit  gegangenen  Fursten  Johann 
Augusten  solche,  zur  IJbernehmung  in  die  Composition,  und  Auffuhrung  iu 
Hochfurstlicher  Schlosskirche,  unterthanigst  vorzuschlagen,  wie  denn  zugleich 
ein  wolffenbiittelisch  Exemplar,  zu  gnadigster  Perlustration  will  beilegen. 
Wenige  Jahre  vorher  hatte  ich  selbst  einen  poetischen  Jahrgang  iiber  die 
Episteln,  auf  erhaltene  gnadigste  Concession  entworffen,  und  an  damahligen 
Herrn  Oberhoffprediger ,  Dr.  Topffera,  zur  Censur  tibergeben,  welche  aber 
iiber  2  Jahre  hinaus  verzogen  wurde,  in  dem  Er  vorgegeben  hatte,  es  ware 
darinnen  so  viel  unrichtiges  auszumisten  gewesen,  dass  er  nicht  gewusst  hatte, 
wo  er  aufangen  sollte.  Endlich  kahm  doch  dieselbe,  nach  gemachten  vielen 
Veranderungen  (die  ich  musste  geschehen  lassen)  aus  der  Censur  und  zum 
Drucke,  welcher  Jahrgang  auch  so  wo  hi  bey  Hofe  als  in  der  Stadtkirchen 
verschiedenemahle  auffgefiihret  worden.  Wannen  nun  oberwehnte  Euerer 
Hochwohlgeb.  erweckliche  und  zur  Music  erwtinscht  einschlagende  Poesie 
gemeldetermassen  ich  zu  einem  neuen  Jahrgange  unterthanigst  vorgeschlagen 
hatte,  so  gerietho  diese  Arbeit  bei  dem  Herrn  Oberhofprediger  in  dem  unge- 
grtindeten  Verdacht,  es  wiirde  auch  solche  (nach  damahliger  Sprache)  schwiir- 
merisch  sein,  und  es  mogte  schon  der  unschuldige  Titel  von  der  Nachfolge 
Jesu,  Ihme  als  ketzerisch,  in  die  Augen  geleuchtet  haben,  wesswegen  dann 
bei  Hofe  daruber  Vorstellung  geschahe,  und  soviel  ausgewiircket  wurde,  dass 
der  seel.  H.  Rector  Dentzer  (welchem,  wenige  Zeit  darauff,  Gott  die  Augen 
offnete,  Er  daruber  fur  einen  Schwarmer  erklahret,  auch  endlich  abgesetzt 
wurde)  und  der  damahlige  Pageninformator  Hertzberg  (ein  ietziger  Land- 
prediger)  Dero  unschuldige  Poesie  in  die  Censur  nehmen  mussten,  welche 
beyde  auch,  in  dem  ersten  Bogen,  etliche  zwantzig  Schwarmereyen  fanden, 
und  solche  ausziiglich  Serenissimo  unterthanigst  ubergaben.  Diese  wurden 
hierauf  durch  den  redlichen  allhier  noch  in  der  Stille  lebenden  Herrn  Ober- 
marschall  aus  dem  Winkel  mir  communiciret,  da  ich  denn  solche  sogleig 
folgenden  Tag  beantwortete,  und  den  Urgrund  von  allem  zeigete,  besonders 
da  sie  gleich  der  ersten  Aria  die  Worte:  Willkomm  du  Licht  aus  Licht  ge- 
boren,  als  ketzerisch  erklahrten,  da  wir  doch  alle  Sonntage  entweder  vor- 
oder  unter  der  Predigt,  ipsissima  verba  zu  singen  pflegen.  Der  Herr  Ober- 
marschall  sahen  auch  alles  wohl  ein,  gaben  mir  aber  zur  Uberlegung,  ob  es 

19* 


282  Bernhard  Engelke,  Johann  Friedrioh  Fasch. 

dienlich  sein  mogte,  hieiiiber  einen  geistlichen  Krieg  anzufangen  ? "  Sere* 
nissimus  wiirden  doch  Dero  Herrn  Beichtvater,  und  denen  Bey  den,  von  Dime 
zur  Censur  vorgeschlagenen  Personen,  mehr  glauben  als  mir;  wesswegen  icb 
denn  damahls  nicht  wieder  darauff  druoge,  sondern,  da,  statt  dessen  die  Neu- 
meisteriscbe  Poesie  No.  2  aus  dessen  5fachen  Kirch  en  jahrgange  hierzu  be- 
stimmt  wurde,  welcbe  in  Arbeit  nahm,  welcber  mein  Jabrgang  auch  ein  baar 
Jabre  darauff  die  Ebre  batte  (vermutbl.  auf  Anstifften  des  Herrn  P.  Neu- 
meisters)  von  dem  Herrn  Capellmeister  Telemann  in  denen  Hamburge- 
rischen  Kirchen  aufgefuhrt  zu  werden.  Binnen  dieser  und  der  ietzigen  Zeit 
habe  ich  noch  andere  Jahrgange  (worunter  eine  Poesie  von  Herrn  Past. 
Schmolcken  und  eine  von  dem  blinden  Organisten  H.  Jacobi  zu  Magdeburg) 
zu  componiren  babt,  biss  endlich,  nach  itziger,  vor  einigen  Jabren  begleicht 
angetretenem  Regierung  der  Hocbftirstl.  domburg.  Linie,  die  Umstande  sich 
merklicb  geandert  haben,  und  der  excessieren  Ketzermacberey  Ziebl  und 
Schranken  gesetzt  worden  sein,  welches  mich  denn  auch  vor  etwa  2  Jabren 
bewoge,  bei  Ibro,  der  Durcblauchtigsten  Regentin  Hochfurstl.  Durcblaucht 
(welche  die  zu  Wolffenbuttel  componirten  Kirchenstucke  von  dieser  Dero  be- 
sagter  (?)  Poesie  daselbst  mit  angehort  batten)  solche  unterthanigst  vor- 
geschlagen,  woriiber  ich  auch  sofort  die  hohe  und  gnadigste  Approbation 
erhielt.  Ich  saumte  also  nicht  nach  Braunschweig  an  den  Herrn  Buchfuhrer 
Caletzky  um  verschiedene  Exemplaria  schreiben  zu  lassen,  und  da  solche  nicht 
hinlanglich  zu  erhalten  waren,  so  wurde  diese  Poesie  (von  welcher  an  Ew. 
Gn.  ein  Exemplar  hierbey  zu  tibermachen  ich  die  Ehre  habe)  allhier  in  den 
Druck  gegeben,  wobey  ausdriicklich  mir  bedungen,  dass  ausser  denen  noch 
beyzufugenden  Schluss  Choralen,  alles  nach  dero  wolffenbtittlischen  Exemplar 
solte  abgedruckt,  nichts  davon  geandert  werden;  welches  aber  doch  so  genam 
nicht  in  Acht  genommen  seyn  mag,  da  der  ietzige  Herr  Hoflprediger  Dr.  Kluge 
(ein  Schwiegersohn  von  H  errn  Past.  Neumeister)  sich  wurklich  gegen  mich 
ausliesse:  Es  batten  ein  paar  Papistische  Brocken  geandert  werden  miiasen! 
welches  Dieselbten  giitigst  zu  iibersehen  geruten  werden.  Verwichenen  Advent 
wurde  der  wirkliche  An  fang  mit  Auffuhrung  dieses  Jahrganges  gemacht; 
allein,  da  die  Herrn  Prediger  eine  Erinnerung  bekahmen,  sich  etwas  Kiirzer 
zu  fassen,  so  wurde  auch  mir  zu  verstehen  gegeben,  dass  die  Music  etwas 
zu  lang  ware,  welches  denn  zu  beygefugter  unterthanigster  Auflage  Gelegen- 
heit  gabe  und  die  gnadigst  daneben  signierte  Resolution  obligirte  mich  aus 
einem  Stiick  zwey  zu  machen,  in  der  Mitte  Chorale  (wie  das  zweite  bey- 
gefugte  Biichel  weisst)  anzufiigen  und  nunmehro  dahin  zu  sorgen,  dass  zur 
anderen  Hiilffte  Chore  voran  zum  Anfange  ausgefuhrt  wiirden.  Icb  war  er»t 
willens  welches,  nach  der  Probe  von  der  zweiten  schrifftl.  Beilage  mit  ganz 
Kurtzen,  poetischen  Choren  zu  thun;  allein,  da  ich  es  reiffl.  iiberleget  babe, 
wuii8chte  ich,  statt  derer,  geschickte  biblische  Dicta,  bey  welchen  etwa,  in 
den  letzten  Zeilen  davon,  eine  geschickliche  Fuga  konnte  angebracht  werden, 
welcher  Umstand  am  meisten  mich  bewogen  hatte,  an  Ew.  Hochwoblgeb.  zu 
schreiben,  und  diese  meine  Intension  gehorsamst  zu  melden,  ob  deroselbten 
etwas  gefallig  sein  mogte,  die  besten  Dicta  vor  iedes  Stiick  auszusuchen,  und 
wo  etwa,  (wie  bei  Judica)  eine  Arie  zum  2,en  Theile  fehlte,  solche  annoch 
darzu  zu  entwerffen.  Ich  habe  grosse  Ursache,  die  Lange  dieses  Scbreibens 
bestens  zu  verbitten,  iibrigens  aber  auch  die  Ehre,  Dieselben  annoch  ver- 
sichern  zu  konnen,  dass  ich  mit  unterthanigem  Kespect  und  Hochachtung 
beharren  werde  Euerer  Hochwohlgeb.  Gnd. 

Zerbst,  d.  1.  Mart:  1752.  unterthiinig-gehorsainster  Joh.  Frieder.  Fasch. 


Bernhard  Engolke,  Job  an  n  Friedrich  Fasch.  283 

P.  S.  Euerer  Gn.  schone  und  erweckl. 
Poesie  habe  ich  es  zn  danken,  dass  von  vielen 
Music-Liebhabern  versichert  werden  wollen,  (?) 
es  ware  mir  bier  noch  keine  Arbeit  so  ge- 
rathen  als  diese  itzige.  Vergeben  Dieselbten 
meiner  Schwachheit,  dass  ich  dieses  selbst 
schreibe. 

Iin  Jahre  1751  war  er  mit  Hoekh  in  Berlin  gewesen,  wo  er  einer 
Sitzung  der  »Musikiibenden  Gesellschaft*  beiwohnte,  1755  machte  er  mit 
seinem  Sohne,  der  eben  aus  Klosterberge  zuriickgekehrt  war,  eine  Reise 
nach  Dresden,  wo  sich  beide  in  der  Hofkirche  an  der  Schonheit  einer 
Messe  von  Zelenka  begeisterten.  1756  entfiihrte  der  ehrenvolle  Ruf 
Friedrichs  des  GroBen  den  geliebten  Sohn  nach  Berlin.  Der  Vater  lieB 
ihn  nur  schweren  Herzens  dorthin,  Ph.  0.  Bach  hatte  viel  Miihe,  die 
religidsen  Bedenken  des  Alten  zu  iiberwinden.  Die  Einsamkeit  tat  ihm 
nicht  gut,  er  begann  zu  krankeln  und  muBte  sich  zeitweise  ganz  durch 
Hoekh  vertreten  lassen.  So  nahte  das  unheilvolle  Jahr  1757.  Der 
Zerbster  Hof  hatte  einen  Franzosen,  naiuens  Du  Fraigne  bei  sich,  den 
Friedrich  der  GroBe  fur  einen  Spion  hielt.  Er  forderte  energisch  dessen 
Auslieferung,  und  als  der  Hof  sich  weigerte,  lieB  er  ihn  durch  Militar, 
das  in  Zerbst  einfiel,  mit  Gewalt  nach  Magdeburg  bringen.  Dieser  Ein- 
griff  in  die  Rechte  des  Landes  jagte  dem  Hofe  einen  solchen  Schrecken 
ein,  daB  er  entfloh,  um  nie  mehr  zuriickzukehren. 

Es  war  das  einzige  Mai,  daB  Zerbst  voin  7jahrigen  Kriege  beruhrt 
wurde,  und  als  1758  die  Russen  Berlin  pliinderten,  wuBte  Ph.  E.  Bach 
keinen  besseren  Zufluchtsort  fiir  sich  und  seine  Familie  als  Zerbst.  Er 
ging  nach  Potsdam,  wo  damals  Carl  Fasch  sich  auf hielt,  und  von  dort 
zweifellos  mit  ihm  nach  Zerbst.  Die  zunehmende  Schwache  des  alten 
Fasch  bewog  ihn  zur  Riickreise,  Anfang  Dezember  war  er  wieder  in 
Berlin1),  am  5.  war  Fasch  gestorben. 

Die  Entdeckung  dieses  letzten  Ereignisses  war  fiir  mich  eine  beson- 
dere  Freude  um  des  jiingst  so  grundlos  verdachtigten  Musikers  willen, 
der  trotz  aller  Schwachen,  die  die  Folge  eben  der  unfreiwilligen  Massen- 
produktion  jener  Tage  sind,  zu  den  bedeutendsten  seiner  Zeit  gehort. 
Mochte  er  doch  endlich  die  Anerkennung  finden,  die  ihm  gebuhrt! 


1)  Vgl.  Briefwechsel  Romler-Gleim,  ed.  Schuddekopf  II,  345. 


284  Curt  Sachs,  Die  Hofmusik  der  Fiirsten  Solma-Braunfels. 

Die  Hofmusik  der  Fiirsten  Solms-Braunfels. 

Von 

Curt  Sachs 

(Berlin). 

Die  groBe  Bedeutung  der  furstlichen  Hofe  fur  die  musikalische  Kultur 
des  18.  Jahrhunderts  sichert  ihrem  Kapellwesen  das  Interesse  der  Musik- 
historiker  auch  in  den  Fallen,  die,  ohne  die  musikwissenschaftlich-biogra- 
phische  Forschung  wesentlich  zu  bereichern,  lediglich  unsere  Kenntnis  der 
typischen  Organisation  derartiger  Hausmusiken  vervollstandigen  und  klaren. 
Aus  diesem  Gesichtspunkt  heraus  geschieht  die  Veroffentlichung  der  hier 
folgenden  Ergebnisse,  die  auf  einer  Durchforschung  des  Solms'schen  Archivs 
in  Braunfels  (Lahntal)  beruhen. 

Wie  an  fast  alien  deutschen  Ftirstenhofon,  so  wurden  auch  in  Braunfels, 
dem  ResidenzschloA  der  heute  mediatisierten  Fiirsten  von  Solms-Braunfels, 
Musikauffuhrungen  mit  eigenem  Personal  veranstaltet.  Eine  Hofkapelle  mit 
besonders  engagierten  Orchestermusikern  gab  es  freilich  nicht;  dazu  hatten 
die  Mittel  der  Familie  nicht  gereicht.  Vielmehr  setzte  sich  die  Hofmusik 
aus  Lakaien  zusammen,  die  ihre  Zeit  zwischen  allerhand  hauslichen  Dienst- 
leistungen  und  musikalischer  Tatigkeit  zu  teilen  hatten. 

Einen  Anfuhrer  dieser  Musiker  finden  wir  erst  ziemlich  spat  in  der  Per- 
son des  in  den  Kammerrechnungen  als  »Hof-Musikus«  bezeichneten  Johann 
Friedrich  Hem b el.  Am  1.  September  1740  wurde  er  mit  30  Goldgulden 
jahrlich  und  einer  zweijahrlichen  Livree  angestellt,  wurde  1742  nach  Weil- 
burg,  der  benachbarten  Residenz  der  Grafen  von  Weilburg-Nassau,  wohl 
zu  einer  musikalischen  Auffuhrung,  geschickt  und  kommt  seitdem  nicht 
mehr  vor. 

Nachdem  Hembel  seine  Stellung  verlassen  hatte,  iibernahm  einer  vom 
Hofstaat  den  Posten,  Johann  Caspar  Schwanitz.  Er  hatte  als  Hofbeamter 
zunachst  den  Dienst  eines  Mundschenken ,  ruckte  aber  1769  zum  Sekretar 
auf.  Wahrend  er  schon  1740  als  Mundschenk  genannt  wi*d,  erfolgt  seine 
Vokation  zum  Leiter  der  Hofmusik  erst  am  28.  Juni  1746.  Anders 
wenigstens  ist  eine  Stelle  in  den  Kammerrechnungen  1747  nicht  zu  ver- 
stehen,  in  der  dieses  Datum  mit  dem  Vermerk  »seit'  bei  seinem  Namen 
steht,  da  er  ja  schon  langer  im  Dienst  war.  Dieser  Jahrgang  der  Kammer- 
rechnungen ist  der  einzige,  der  seinem  Mundschenkentitel  den  eines  Musikus 
hinzufiigt.  Indessen  existiert  eine  Eingabe  des  Schwanitz  aus  dem  Jahre 
1763,  die  ihn  als  Musikleiter  kennzeichnet.  Er  stellte  vor,  da£  nach  einer 
Verordnung  von  1725  jedesmal ,  wenn  Musik  am  Hofe  gemacht  wtirde,  die 
Musiker  pro  Mann  einen  Schoppen  Wein  und  ein  MaB  Bier  bekommen 
sollten;  in  den  letzten  Jahren  des  vorigen  Grafen  —  es  handelt  sich  um 
Friedrich  "Wilhelm  (1723 — 61)  — ,  als  dieser  kranklich  war,  seien  die  musi- 
kalischen Auffuhrungen  eingestellt  und  erst  unter  seinem  Nachfolger  — 
Ferdinand  Wilhelm  Ernst  (1761 — 83)  —  wieder  aufgenommen  worden,  ohne 
daB  die  alte  Verordnung  befolgt  wurde;  die  Musiker  schoben  ihm  die  Schuld 
zu,  und  so  bitte  er,  daft  den  Leuten  wieder  wie  vor  Alters  ihre  Ration  ge- 
reicht werde  1). 

1}  Arch.  Sign.  60.  9. 


Cart  Sachs,  Die  Hofmusik  der  FOrsten  Solms-Braunfels.  285 


N 


Dies  AktenstUck  erlaubt  uns,  die  Einrichtung  der  Hauskapelle  in  das 
Jahr  1725  zu  setzen,  das  erste  der  Regierung  Graf  Friedrich  Wilhelm's. 
Dieses  Datum  wird  durch  die  Tats  ache  bestatigt,  daB  vor  diesem  Jahre  kein 
Lakai  als  Musikus  bezeichnet  oder  gar  ein  Berufsmusiker  vermerkt  wird. 

Auf  den  kunstlerischen  Ernst  des  Schwanitz  wirft  es  ein  gutes  Licht, 
daB  wir  ihn  noch  1782  auf  der  Subskribentenliste  von  J.  F.  Reichardt's 
Musikalischem  Kunstmagazin  fin  den.  DaB  sein  Name  dort  >Schanitz«  ge- 
schrieben  wird,   dtirfte  nur  ein  Druckfehler  sein. 

Uiizweifelhaft  als  Musiker  werden  folgende  Manner  bezeichnet :  Der  Lakai 
Johann  Georg  Christian  Fischer,  der  bereits  1724  im  Dienst  ist,  aber  erst 
1727  als  Musikus  bezeichnet  wird;  der  Lakai  Johann  Christian  Abend- 
roth,  seit  dem  23.  September  1738  im  Dienst;  der  Lakai  Johann  Konrad 
Gretsch,  am  gleichen  Tage  angestellt  und  vielleicht  mit  dem  Thurn-  und 
Taxis'schen  Violoncellisten  Gretsch  (Eitner  IV.  374)  identisch;  der  Lakai 
und  Waldhornist  Johannes  Raab,  vom  9.  Dezember  1739  bis  25.  August 
1740;  Johann  Christoph  Lang,  im  Jahre  1743,  und  endlich  die  Lakaien 
Dauphin  und  Eder;  aus  den  Kammorrechnungen  von  1761  geht  hervor, 
daB  Dauphin  den  Eder  in  der  Musik  unterrichtete.  Das  gewohnliche  Ge- 
halt  dieser  Musici  war  22  y2  A- 

DaB  Dauphin  und  Eder  Musiker  waren,  obgleich  sie  niemals  in  den 
Kammerrechuungen  als  solche  bezeichnet  werden,  beweist,  daB  wir  die 
ubrigen  sonst  noch  erwahnten  Lakaien  nicht  als  unzugehorig  ansehen  diirfen. 
Auch  die  oben  angefiihrten  werden  samtlich  nur  einmal  als  Musiker,  sonst 
stets  nur  als  Lakaien  notiert.  Wie  groB  tatsachlich  die  Kapelle  gewesen  ist, 
kann  also  nicht  festgestellt  werden.  DaB  sie  aber  nicht  unbedeutend  war, 
laBt  sich  daraus  schlieBen,  daB  am  30.  Mai  1763  der  Weilburger  Amtmann 
Chuno  die  Mithilfe  der  Braunfelser  Musik  bei  der  Heimfuhrung  der  ftirst- 
lichen  Herrschaft  —  es  handelt  sich  um  die  Fiirstin  Caroline  geb.  Prinzessin 
von  Oranien  —  bat,  um  mit  einer  recht  vollzahligen  Kapelle  aufwarten  zu 
konnen.  Der  Fiirst  willfahrte  diesem  Ansuchen  und  gestattete  auch,  daB 
seine  »Bediente  zur  Musik  «  einige  Male  zur  Probe  hinuberfuhren,  ja  sogar, 
daB  sie  die  Pauken  mitnahmen,  wenn  seine  Bruder  .einwilligten ,  was  den 
besonderen  Wert  dieser  Leihgabe  belegt.  Ein  Paar  Pauken  waren  ihm  von 
der  Mutter  besorgt  worden,  wie  aus  einem  undatierten  franzosischen  Briefe 
derselben  hervorgeht;  der  formliche  Ton  des  Schreibens  laBt  auf  eine  Stief- 
mutter  schlieBen,  und  aus  dem  schwarzen  Band  und  dem  Trauersiegel  geht 
hervor,  daB  es  nach  dem  Tode  ihres  Gemahls  abgefaBt  ist.  Demnach  kommt 
als  Schreiberin  die  dritte  Gattin  Friedrich  Wilhelms,  Carolina  Catharina,  die 
Tochter  des  Pfalzgrafen  Johann  Carl  zu  Birkenfeld,  und  als  Terminus  a  quo 
das  Jahr   1761   in  Betracht. 

Die  Bitte  des  desertierten  Grenadiers  Philipp  Schmitt  um  Aufnahme 
in  die  Hofmusik  als  Cellist,  Klarinettist  und  Waldhornist,  am  6.  Juli  1763, 
und  ihre  Ablehnung  am  nachsten  Tage  sind  die  letzten  Erwahnungen  der 
Hof kapelle.     Sie  scheint  bald  darauf  eingegangen  zu  sein. 

Neben  der  Kapelle  waren  zwei  Solisten  am  Hofe  tatig;  ein  Lautenist 
Scheidtler,  von  1755 — 59  mit  einem  Gehalt  von  75  Gulden  jahrlich  und 
10  fl.  Weingeld  als  Lehrer  der  Prinzessinnen  Magdalena  Sophia  (1742  bis 
1819)  und  Christina  Charlotte  Friederika  (1744—1823),  der  jtingsten  Tochter 
des  Fiirsten  Friedrich  Wilhelm,  genannt,  und  ein  Sanger  namens  Hardte- 
roth,  der  seit  1758  mit  100  Gulden  jahrlichem  Gehalt  angestellt  war. 


286  Cart  Sachs,  Die  Hofmusik  der  Fursten  Solms-Braunfels. 

Eigene  Organisten  hielt  die  grafliche  Familie  nur  bis  zur  Mitte  des 
18.  Jahrhunderts.  In  den  neunziger  Jahren  des  17.  Jahrhunderts  war  Georg 
Daniel  Leder  tatig.  1738  wird  ein  gewisser  Lincker  genannt,  der  seit 
dem  14.  Januar  1736  mit  22  Vj  fl.  angestellt  war.  1739  endlich  heiflt  der 
Organist  Johann  Heinrich  L other.  Spater  so  wie  heute  wurde  die  Orgel 
in  der  SchloBkirche  vom  Schullehrer  gespielt. 

Etwas  vollstandiger  lafit  sich  die  Reihe  der  Hoftrompeter  iiberblicken. 
Zuerst  gab  es  nur  einen  einzigen  und  neben  ihm  einen  Trommler ;  spater 
aber,  im  18.  Jahrhundert,  hatten  die  Grafen  Solms  meist  zwei  Trompeter. 
Al8  Kurfurst  Friedrich  IV.  von  der  Pfalz  im  Jahre  1600  auf  der  Riickreise 
von  der  in  Greifenstein  abgehaltenen  Vermahlung  des  Grafen  "Wilhelm  I. 
Solms  den  Grafen  Jobann  Albrecht  in  Braunfels  besuchte,  bracbte  er  in 
seinem  Gefolge  sieben  Trompeter,  funf  berittene  und  zwei  unberittene  mit: 
daneben  noch  —  beilaufig  —  den  Lautenisten  Borkhet.  Die  Trompeter 
in  Braunfels  waren  also  fur  die  Zeit  selbst  sehr  gering  an  Zahl. 

Die  .fruheste  Nachricht  uber  Trompetergehalter  stammt  aus  dem  Jahre 
1658,  in  dem  —  am  1.  Januar  —  Thonges  Huet  oder,  wie  er  sich  selbst 
unterschreibt ,  Hodt  aus  Thein  (Stift  Minister)  angestellt  wird,  »also  vnd 
der  gestalt,  daC  Er  von  iezigem  dato  an  Zurechnen,  ein  Jahrlang  Unser 
Feldt  Trompeter  sein  vnd  bleiben,  in  solch  wehrender  Zeit  aber,  weder  dem 
Regiment  noch  einiger  Compagnie,  sondern  Niemand  alB  Unfl,  verobligirt 
sein*.     Ihm  wurden   100  Taler  ausgesetzt. 

Hans  Jung,  der  gleichfalls  dem  17.  Jahrhundert  angehort  —  das  ge- 
naue  Datum  liefl  sich  nicht  feststellen  —  bezog  jahrlich  60  fl.  an  Geld,  8 
Achtel  Korn,  6  Achtel  Gerste,  4  Metzen  Salz,  1  Achtel  Weizen,  4  Metzen 
Erbsen,  Holz  aus  den  graf  lichen  Waldungen,  soviel  er  brauchte,  Abgaben- 
freiheit  fur  seine  Giiter  in  Katzenfurt,  freien  Hufbeschlag  fiir  sein  Pferd, 
alle  drei  Jahr  ein  Paar  Stiefel  und  »Liebereyen,  so  offt  solche  neu  gemacht 
worden. « 

Von  da  ab  blieben  60  Gulden  der  ubliche  Satz.  Nur  Carl  Ludwig 
Schneider,  der  am  4.  Juni  1707  angestellt  wurde,  erhielt  66  fl.  Nebeu 
den  anderen  Naturalien  blieb  auch  die  zweijahrliche  Livree  in  Geltung;  frei- 
lich  hatten  die  Trompeter  mitunter  einen  erbitterten  Kampf  mit  den  Kammer- 
beamten  auszufechten ,  urn  wirklich  zu  ihr  zu  gelangen.  1765  z.  B.  und 
1779  mufi  der  Trompeter  Schaum  auf  dem  Beschwerdewege  die  Lieferung 
durchsetzen,  die  von  der  Kainmer  behufs  Schonung  der  furstlichen  Finanzen 
verweigert  wurde.  Bei  dieser  Gelegenheit  lernen  wir  die  Tracht  der  Solms- 
schen  Hoftrompeter  kennen.  Sie  bestand  aus  einem  einfachen  blauen  Rock, 
Kaniisol  und  Beinkleidern,  einem  Paar  gewohnlichen  und  einem  Paar  seidenen 
Striimpfen,  bordiertem  Kamisol,  zwei  bordierten  Hiiten,  einem  schlechten  und 
einem  guten,  einem  Roquelor  und  einem  Paar  Stiet'el. 

Es  moge  nun  in  kurzem  eine  Aufzahlung  derjenigen  Hoftrompeter  folgen, 
deren  Namen  festgestellt  werden  konnten. 

Der  iiltesto  ist  Thonges  Huet  (Hodt)  aus  Thein  im  Stift  Minister,  im 
Dienst  seit  1657.  1671  —  74  wird  Johann  Muht  erwahnt.  Gleichzeitig  ist 
Thomas  Span*  im  Amt,  der  auch  schon  1671  verzeichnet  wird  und  am 
17.  Juli  1704  durch  einen  Sturz  vom  Pferde  dienstunfahig  wird.  1678 
wird  Johannes  Schwartz  angestellt.  Nach  palaographischen  Kriterien  zu 
schlieiJen,  gehoren  noch  zwei  Trompeter  der  Wende  vom  17.  zum  18.  Jahr- 
hundert an:   Johann  Adam  Kiihn  und  Hans  Jung  d.   A. 


Charles  Maclean,  Sir  George  Smut,  Musician-Diarist.  287 

Im  18.  Jahrhundert:  Carl  Ludwig  Schneider,  angestellt  im  Jahre  1707 
und  nachweisbar  bis  1716,  Johann  Jacob  Jung,  ein  Sohn  des  Hans  Jung, 
erwahnt  von  1712—1733,  Dieffenbach,  um  1720,  Muhlenberg,  zwischen 
1724  und  1726  genannt,  Johann  Jacob  Wilhelm  Mieck,  seit  1745,  gleich- 
zeitig  Schleicher,  und  endlich  der  letzte,  Johann  Caspar  Schaum1). 


Sir  George  Smart,  Musician-Diarist. 

By 

Charles  Maclean. 

(London.) 

A.  C.  Kalischer  at  ii,  267  of  his  "Beethoven's  Samtliche  Briefe"  (Schuster 
and  Loffler  1907,  the  whole  being  now  translated  into  English  by  J.  S. 
Shedlock,  Dent,  London)  calls  Sir  George  Smart  an  •'einfluflreicher  Musik- 
verleger".  He  has  mistaken  son  for  father,  the  latter  being  also  a  George. 
Sir  George  Smart  kept  from  first  to  last  to  the  "profession".  Here  is  the 
pedigree,  compiled  from  various  sources:  —     [See  next  page.] 

Just  at  the  end  of  tho  Hundred-year  War  with  France  (1450),  there 
appears  entered  as  Garter  King  of  Arms  (heraldic  master-of-the-ceremonies 
to  Order  of  the  Garter)  next  in  succession  to  the  first  of  that  title,  one 
John  Smert ;  and  him  all  present-day  Smarts  claim  as  their  earliest  recorded 
representative.  It  may  be  so;  but  the  name  is  also  written  Schwert  (sword) 
in  the  record,  which  more  likely  for  such  an  officer.  What  is  certain  is 
that  Smert  is  a  patronymic  "cheorl's"  name  since  at  least  the  time  of  Alfred 
(849 — 901),  with  the  present  meaning  of  the  adjective.  The  best  traced 
Smart  family  of  the  genealogist  came  into  notice  at  the  time  of  a  divine 
called  Peter  Smart  (1569 — c.  1652),  who  went  north  to  Durham  as  a  school- 
master, became  a  prebend,  and,  though  under  Charles  I  a  very  contumaceous 
"recusant  of  holy  rites"  in  the  struggle  with  the  church  which  drove  out  the 
Pilgrim  Fathers,  seems  to  have  retrieved  his  fortunes   later   on,  for  he  died 

1)  Herr  Pfarrer  Allmenroder  in  Oberbiel  hatte  die  Liebenswiirdigkeit,  den  Ver- 
fasser  auf  einen  kleinen  Artikel  von  Kirmis  im  »Daheim«  1908  No.  46  aufmerksam  zu 
machen,  der  biographisches  Material  uber  Schaum  bringt.  Danach  war  er  ein  Sohn 
des  Lehrers  und  Kiisters  Melchior  Schaum  zu  Ermenroth  in  Hesscn,  lernte  1747—52 
die  vorgeschriebenen  fiinf  Jahre  beim  Stadtmusikus  Johann  Wilhelm  Koch  zu  Hom- 
berg  a.  d.  Ohm,  verbrachte  sechs  Jahre  auf  der  Wanderschaft.  stand  dann  noch  1758 
bis  1760  die  Ublichen  zwei  Jahre  in  der  Lehre  bei  Johann  Georg  Ludwig,  Hof- 
und  Feldtrompeter  des  Fursten  von  Hohenlohe,  und  trat  endlich  in  die  Dienste  des 
Fursten  Ferdinand  Wilhelm  Ernst  von  Solms.  DaC  er  sp'ater  noch  Stadtmusikus  in 
Braunfels  gewesen  ware,  ist  mir  nicht  bekannt;  Kirmis,  der  nicht  weiC,  da6  er  am 
Hofe  angestellt  war,  scheint  sich  hier  geirrt  zu  haben.  Sein  Sohn  J.  C.  Schaum, 
war  Archivrat  in  Braunfels  und  Verfasser  des  Werkes:  >Das  Qrafen-  und  Fiirsten- 
haus  Solms*  etc.,  Frankfurt  a.  M.  182$,  dem  die  oben  gegebenen  Lebensdaten  der 
Solms  entnommen  sind. 

1)  Leaves  from  the  Journals  of  Sir  George  Smart.  By  Hugh  Bertram  Cox,  C.  B., 
and  Clara  L.  E.  Cox,  London,  Longmans,  1907.    pp.  355,  large  demy  8vo. 


288 


Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist. 


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Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist.  289 

worth  a  good  deal  of  money.  Belonging  to  it  in  the  next  generation  or  so 
was  Francis  Smart  of  Snotterton  Hall,  county  Durham  (b.  1656),  and  his 
grandson  in  turn  was  the  fairly  well  known  Cambridge- London  poet  and 
literary  waif  Christopher  Smart  (1722 — 1771),  who  had  a  Welsh  mother, 
wrote  in  prison  a  remarkable  religious  poetic  rhapsody  uSong  to  David", 
and  had  a  sister  called  Mary  Anne.  Now  the  names  of  Francis  and  Mary 
Anne  being  exactly  paralleled  in  the  pedigree-table  just  given,  it  seems  at 
least  likely  that  the  Wiltshire  family  and  the  poet's  were  nearly  cognate. 
Francis  Smart  of  the  table  would  be  of  age  to  be  in  the  next  generation  to 
the  Durham  Francis  Smart.  It  is  doubtful  whether  any  Smart  family  is 
really  Northumbrian;  more  probably  all  are  in  reality  Wessex  people. 

With  this  grandfather  Francis  Smart  (1699—1791)  either  the  keen  Wilt- 
shire air,  or  his  occupations  agreed;  for  he  lived  straight  through  the  XVIII 
century,  with  Queen  Anne  and  three  Georges,  to  age  92.  Present  diarist 
calls  his  grandfather  a  "clothier  in  a  large  way  of  business".  That  may 
mean  that  he  was  manufacturer  of  the  immemorial  Wessex  superfine  broad- 
cloths. Good  old  quiet  days  those,  when  there  were  few  patterns;  when 
wool  was  home-grown,  and  neither  Spain  nor  Germany,  still  less  of  course 
the  colonies,  shipped  it  here;  when  the  power-loom  did  not  exist.  Or  it  may 
mean  merely  that  he  was  a  prosperous  draper.  Francis  died  20  June  1791; 
his  wife  Ann  died  6  Jan.   1756. 

What  took  the  father  George  Smart  (1745 — 1828)  away  from  carding 
and  fulling,  or  from  the  draper's  counter,  does  not  transpire.  But  quite 
young  he  became  assistant  in  a  music-shop  at  Bath,  10  miles  distant.  He 
also  played  the  double-bass.  Before  he  was  25  he  had  moved  up  to  London. 
Till  about  1770  he  was  assistant  in  the  New  Bond  Street  music-shop,  branch 
from  the  Somerset-House  Strand  shop,  of  Robert  Bremner  (d.  1789),  well- 
known  music-publisher  of  Edinburgh  and  London,  last  possessor  (1763  and 
on)  before  Lord  Fitzwilliam  of  the  so-called  uFitzwilliam  Virginal  Book"  *). 
In  about  1770  Smart  apparently  became  assistant  at  the  474  Strand  shop 
of  William  Napier  (c.  1740 — 1812),  violinist  and  music-publisher  of  Edin- 
burgh and  London.  He  was  then  putting  about  an  advertisement-card  as 
maker  on  his  own  account  of  a  xylophone  or  wooden  dulcimer  called  "Stic- 
cado  Pastrole" ;  an  underivable  word,  unless  the  whole  is  a  gross  misprint 
or  mis-transcription  for  "salterio  pastorale".  From  soon  after  1770,  and 
for  30  years  down  till  1802,  he  had  his  own  music-selling  business  at  331 
Oxford  Street,  corner  of  Argyll  Street  (site  now  undermined  and  occupied 
by  a  tube  railway-station);  and  this  business  became  somewhat  well  known. 
Perhaps  that  is  how  A.  C.  Kalischer  picked  up  the  idea  of  uMusikverleger" 
in  connection  with  the  son.  About  1775  George  Smart  married  in  London 
Ann  Embry,  probably  of  Shepton  Mallet,  Somerset,  some  18  miles  from 
Trowbridge.  In  1803  he  is  found  as  engaged  in  a  brewing  business,  probably 
connected  with  Shepton  Mallet  which  was  a  great  brewing  centre;  this  however 
seems  to  have  failed.  In  1807  his  eldest  son  George  (present  diarist)  took 
him   to   live   in   his  house   at  91   Great  Portland  Street.     He  died  in  1818, 

aged  73,  at  Edinburgh.  Thomas  Smart,  supposed  to  be  brother  to  this 

elder  George,  was  organist  at  the  church  of  St.  Clement  Danes,  City  of 
London,  in   1753. 

1}  See  Musical  Association.  9  th  April  1895. 


290  Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist. 

George  and  Anne  Smart  had  6  children.  The  first-horn  was  present 
diarist.  The  2nd  child  Mary  Anne  (1777  —  1804)  married  Lieut.  Miles  of 
the  Royal  Navy.  The  diarist  says  that  his  own  influence  with  Earl  Spencer, 
First  Lord  of  the  Admiralty  in  the  Pitt  Government,  got  his  brother-in-law 
Miles  the  command  of  a  brig  (armed  square-sail  two-master  rated  a  class 
below  sloop-of-war)  in  the  war  with  Bonaparte;  Miles's  ship  went  aground 
near  Calais,  he  was  made  prisoner  and  taken  inland  to  the  fortress  of  Verdun 
on  the  Meuse,  and  there  had  liberty  enough  to  fight  a  duel  with  an  English 

officer  in  which  he  was  killed.     The  young  wife  died  soon  after.  The 

3rd  child,  Henry  Smart  (1778 — 1823)  was  at  first  in  his  father's  shop,  then 
helped  his  father  in  the  brewing  business  above-named,  then  from  age  25 
took  to  executive  music,  and  became  in  a  few  years  a  violinist  and  viola- 
player  of  repute  in  the  first  orchestras  of  London.  He  was  also  of  an  in- 
genious turn  of  mind.  At  age  42  he  set  up  a  pianoforte  manufactory  in 
Berners  Street  with  a  special  make.  He  invented  a  species  of  metronome1). 
His  son  in  turn,  Henry  Thomas  Smart  (1813 — 1879),  was  thu  well-known 
English  composer  of  opera,  cantata,  part-song  and  organ-music;  in  art  the 
most  gifted  of  all  the  family.  His  art  was  not  strong  enough  to  contribute 
to  the  evolution  of  English  music,  which  was  then  hypnotized  by  Mendels- 
sohn's brilliancy ;  but  it  kept  alive  the  taste  for  pure  music.  His  part-songs 
and  organ-music  are  durable.  He  was  nearly  stone-blind  for  the  last  15  yean 
of  bis  life.  For  biography  see  a  rather  hollow  performance  by  ¥m.  Spark 
of  Leeds  (London,  1881 2j.  For  a  daughter  of  Henry  Thomas  Smart's  (wid- 
owed  and   living   in   London)    see   the    pedigree-table. The    5th    child 

Charles  Frederick  Smart  was  first  Chapel  Royal    chorister,    then   double-bass 

player  in  London  orchestras.  The  6  th  child  Thomas  Robert  Smart  was 

a  viola-player.  For  his  elder  daughter  see  the  pedigree-table;  adopted  by 
her  uncle  Sir  George  Smart,  she  lived  with  her  first  cousin  Margaret  Rose 
from  1842,  and  survived  her  4  years. 

To  revert  to  Sir  George  and  Ann  Smart's  1  st  child.  George  Thomas 
Smart  (1776 — 1867),  later  called  Sir  George  Smart,  was,  as  will  be  seen, 
as  longevous  as  his  grandfather  the  clothier.  At  the  French  Revolution  he 
was  quite  old  enough  to  understand  it;  he  lived  into  the  age  of  penuy 
newspapers  and  lodger-franchise,  altogether  91  years.  In  his  days  con- 
temporary biography  had  not  been  invented.  As  a  totally  new  London 
musical  world  had  grown  up  since  he  in  his  prime  had  in  a  manner  domin- 
ated it,  it  came  about  not  unnaturally  that  no  one  from  outside  took  the 
initiative  as  to  writing  his  life  after  he  had  gone.  The  consequence  is  that 
of  this  really  noteworthy  personage  there  has  hitherto  been  no  published 
record,   except  newspaper  obituaries  and  dictionary  entries. 

Sir  George  Smart  however  left  among  his  papers  a  considerable  mass  of 
autobiographical  matter,  viz.:  —  (a)  original  letters  received  by  him  from 
others,  (b,  diaries  kept  by  him  day  by  day  on  three  visits  to  the  continent 
1802,  1825,  1845,  fc)  reminiscent  autobiographical  notes  brought  down  to 
1845  (age  69.  as  far  as  subject  goes,  and  in  all  probability  written  up  in 
part    even    alter    that,    for   he    lived  22  years  later.      So  the  question   arises, 

1)  For  particulars  of  his  life  see  vols,  iii,  303  1821)  and  v.  661  (1823)  of  Ba- 
con's "Quarterly  Musical  Magazine  and  Review"  (the  earliest  English  musical  news- 
paper, ran  1S18  to  1829),  and  Saintsbury's  Diet,  of  Music,   1824. 

2;  For  monograph  see  "Musical  Times"  May  1902. 


Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist.  291 

why  was  nothing  done  with  this  matter  within  some  reasonable  time  of  his 
death  by  his  relicts?  The  preface  of  present  editor  (of  whom  hereafter,  and 
who  has  only  handed  on  information  given  to  him)  says,  "Sir  George  Smart 
had  some  objection  to  the  idea  of  his  biography  being  written".  But  if 
that  means  posthumous  biography,  the  evidence  is  counter.  Men  do  not 
write  carefully-penned  autobiographical  notes  for  the  pleasure  of  writing  them. 
Nor  is  it  likely  that  he  changed  his  mind  at  the  extreme  end,  as  being  tired 
and  diffident  with  old  age;  for  he  was  brisk-minded  to  the  last.  Men  love 
fame,  however  exiguous,  into  the  jaws  of  death,  eo/arov  tov  t/^  otfiprj;  yirtuva 
sv  ?(j>  OavaTcp  atlnp  drcoourffjietya.  It  is  not  an  unnatural  surmise  that  the 
widow,  whose  station  was  somewhat  superior,  looked  coldly  on  these  me- 
moirs of  a  self-made  musician,  and  put  them  in  the  cupboard.  What  was 
probably,  if  anything  at  all,  only  a  modest  expression  by  the  deceased  as 
to  his  own  merits,  became  a  legend  that  he  "objected'14'  to  having  his  bio- 
graphy written.  "When  the  daughter  Margaret  Rose  succeeded  to  the  family 
effects,  she  and  her  cousin  Ann  Caroline  were  given  up  to  a  charitable  life, 
devoting  the  whole  of  their  time  and  money  to  the  poor  of  a  London  parish; 
they  were  themselves  cut  off  from  the  literary,  and  indeed  from  the  practical, 
world;  the  affair  of  the  paternal  documents  rested   where  it  did. 

In  1891,  or  24  years  after  her  father's  death,  Margaret  Smart  yielded 
at  length  to  persuasions  by  a  friend,  and  invited  present  editor  to  handle 
the  documents.  He  is  a  distinguished  barrister,  legal  assistant  under-secretary 
to  the  Colonial  Office,  and  son  of  Rev.  John  Edmond  Cox,  Vicar  of  St. 
Helen's  Bishopsgate,  once  Grand  Chaplain  of  Freemasons.  He  took  up  the 
duty  in  a  chivalrous  manner  out  of  respect  for  the  beneficent  spinsters,  and 
has  carried  it  through  at  leisure,  with  the  help  of  a  sister  who  contributed 
a  series  of  commentary  foot-notes.  Smart's  notes  other  than  those  in  diary-* 
form  proved  something  of  a  tangle,  and  required  careful  editing.  The  result 
is  in  effect  an  autobiography,  if  rough  and  incomplete.  The  record  is  of 
consummate  interest,  in  the  way  of  reflecting  the  temper  of  the  plain  English 
musical  world  of  the  late  Georgian  and  early  Victorian  eras;  plain,  but 
decidedly  shrewd,  and  by  no  means  deficient  in  assessing  merit. 

The  following  pages,  compiling  matter  from  this  volume  and  elsewhere, 
will  aim  at  presenting  the  subject  as  at  any  rate  a  readable  whole.  Viewed 
as  biography  there  must  still  here  be  considerable  lacunae,  which  perhaps 
the  research  of  others  may  hereafter  fill  in.  The  subject  will  in  this  issue 
be  taken  down  only  to  1825,  or  Smart's  49th  year;  leaving  to  a  subsequent 
issue  the  continuation,  with  important  record  of  1825  foreign  tour,  etc. 


George  Thomas  Smart  was  born  on  10th  May  1776  at  his  father's 
house  above-named,  331  Oxford  Street,  London.  As  a  small  child  he 
went  to  Shepton  Mallet  (Somerset),  where  with  his  maternal  grandmother. 
Then  to  one  Castleneau's  school  by  Dean  Street,  Soho.  Then  Pike's 
school,  Ashford,  Kent.  According  to  this  diary-autobiography,  his  father 
got  him  into  the  Chapel  Royal  in  1783,  or  at  age  7;  such  things  are 
not  done  nowadays.  He  was  there  till  Christmas  1792,  when  he  would 
be  16' / \.  According  to  this  he  was  chorister  full  9  years.  Master  of 
the  choristers  was  then  Edmund  Ayrton  (1734—1808),  who  had  in  1780 


292  Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist. 

succeeded  as  such  James  Nares  (1715 — 1783).  Joint  holders  of  office 
of  "Organist  and  Composer"  throughout  the  time  were  Thomas  Sanders 
Dupuis  (1733—1796)  and  Samuel  Arnold  (1740-1802);  from  both  of 
whom  the  boy  had  lessons.  He  was  taught  the  pianoforte  by  John  Bap- 
tist Cramer  (1771—1858),  and  on  March  6th  1790,  at  age  14,  he  played 
a  Dussek  concerto  with  orchestra  at  the  Italian  Opera  House.  After  his 
voice  had  broke,  he  was  employed  as  deputy  organist  by  both  Dupuis 
and  Arnold  (the  latter  also  at  Westminster  Abbey  from  1793).  The  In- 
dustrious Apprentice  has  never  failed  to  find  his  account  in  the  English 
cathedral  organ-loft.  Smart  lost  no  chances,  and  the  Chapel  Royal  made 
his  (as  many  others')  fortunes. 

When  he  had  returned  to  his  father's  house,  that  parent  made  a  not 
injudicious  compact  with  him.  In  return  for  board  and  lodging  he  taught 
certain  pupils  whom  his  father  handed  over  to  him ;  but  within  the  family 
the  father  paid  him  2/6  an  honr  for  teaching  the  younger  brother  Henry, 
and  the  sister  Mary  Anne. 

In  1794  was  the  Haydn  "drumming"  incident  of  the  anecdote  books. 
He  was  then  only  18.  He  had  better  tell  his  relations  with  Haydn  in 
his  own  terms:  — 

In  the  year  1794  Haydii  came  to  Loudon  for  the  second  time,  his  first 
visit  having  been  in  1790,  to  conduct  his  twelve  grand  symphonies  for  Salo- 
mon's concerts.  He  conducted  some  of  Salomon's  concerts  in  the  Hanover 
Square  Booms.  At  that  time,  and  in  1794,  the  orchestra  was  at  the  other 
end  of  the  room,  where  the  royal  gallery  now  is.  This  change  was  made 
when  the  "Antient  Concerts"  were  removed  from  the  Tottenham  Street  Rooms 
to  those  at  Hanover  Square. 

At  a  rehearsal  for  one  of  these  concerts  the  kettle  drummer  was  not  in 
attendance.  Haydn  asked,  uCan  no  one  in  the  orchestra  play  the  drums?"* 
I  replied  immediately,  "I  can."  "Do  so,"  said  he.  I,  foolishly,  thought  it 
was  only  necessary  to  beat  in  strict  time,  and  that  I  could  do  so.  Haydn 
came  to  me  at  the  top  of  the  orchestra,  praised  my  beating  in  time,  but 
observed  upon  my  bringing  the  drumstick  straight  down,  instead  of  giving 
an  oblique  stroke,  and  keeping  it  too  long  upon  the  drum,  consequently 
stopping  its  vibration.  "The  drummers  in  Germany,"  he  said,  "have  a  way 
of  using  the  drumsticks  so  as  not  to  stop  the  vibration" — at  the  same 
time  showing  me  how  this  was  done.  "Oh,  very  well,"  I  replied,  "we  can 
do  so  in  England,  if  you  prefer  it."  It  was  Haydn,  therefore,  who  first 
taught  me  to  play  the  drums,  a  thing  1  had  never  attempted  before  that 
day,   and  have  not  done  often  since. 

At  these  concerts  I  used  to  play  the  violin  or  viola  at  half  a  guinea 
per  concert.  Garabaldi,  a  celebrated  double-bass  player,  taught  me  the  violin. 
Many  foreigners  were  employed  by  Salomon  at  these  concerts  at  very  low 
salaries.  At  the  rehearsals  most  of  the  professors  wore  their  great  coats  only, 
I  suppose   in   order  to   save  their  other  coats   for  the  performances. 

During  his  first  visit  to  this  country,  in  1790,  Haydn  came  to  the  Chapel 
Royal.    He  was  so  pleased  with  Dr.  Dupuis's  extempore  fugues,  that  meeting 


Charl es  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist  293 

the  doctor  as  he  came  downstairs  from  the  organ  loft,  after  the  service,  he 
gave  him  two  kisses  in  the  Ambassadors'  Court.  This  I  saw  him  do,  and  I 
was  very  much  surprised  at  that  time  at  the  operation. 

Choristers  began  singing  man's  voice  full  early  in  those  days.  Smart, 
to  earn  a  trifle,  was  regularly  singing  chorus-bass  from  1794  in  the  Italian 
Opera  at  Haymarket,  and  at  the  Ancient  Concerts  alias  Bang's  Concerts 
(allmost  all  Handel  music)  which  shifted  in  1795  from  the  Tottenham 
Street  Rooms  to  the  Opera  House.  Joan  Bates  (1740—1799),  an  ardent 
assiduous  amateur,  had  established  these  Ancient  Concerts  in  1776,  and 
"conducted"  them  as  it  was  called  at  the  organ.  Smart  says  that  he 
turned  over  for  Bates  in  that  capacity  in  1796  and  1797;  but  Mackeson 
in  article  Ancient  Concerts,  and  Husk  in  article  Bates  of  Grove's  Dic- 
tionary, say  that  Bates  gave  up  the  conductorship  in  1793.  Smart's  me- 
mory may  have  been  at  fault  as  to  date  or  detail..  At  the  age  of  19  he 
also  began  his  career  as  a  Freemason,  entering  himself  on  18  th  June 
1795  in  the  fashionable  "Burlington"  lodge.  At  age  20,  fully  fledged  as 
organist,  harpsichordist  and  teacher,  he  had  left  his  father's  house,  and 
must  have  been  earning  quite  a  respectable  income.  By  the  end  of  1802, 
when  he  was  only  26  years  old,  he  is  found  paying  £  815  for  the  sixty- 
five  year  lease  of  the  house  91  Great  Portland  Street,  in  which  he  lived 
great  part  of  his  life,  and  in  which  as  his  guest  24  years  later  Weber 
died.  The  record  of  those  6  years  of  industry,  thrift  and  success  (exact 
picture  of  a  London  musician's  life  a  century  back)  comes  out  also  best 
in  its  own  homely  words:  — 

In  the  year  1796  I  took  lodgings  at  23  Margaret  Street,  Cavendish 
Square,  on  the  second  floor,  for  which  I  paid  half  a  guinea  a  week.  I  also 
rented  with  Mr.  Charles  Knyvett  a  stable,  which  was  situated  in  the  top 
of  the  narrow  road  where  now  schools  have  been  built,  opposite  an  entrance 
to  Langham  Church.     The  church  at  that  time  was  not  built. 

I  was  in  this  year  organist  at  St.  James's  Church,  in  the  Hampstead 
Road.  I  forget  the  date  when  I  was  appointed,  but  it  was  at  the  time  when 
the  chapel  was  first  opened.  I  had  but  half  the  salary,  i.e.  ten  pounds  a 
year,  giving  up  the  other  half  to  a  Mr.  Wafer,  a  blind  man,  until  his  death. 
Later,  I  applied  for  the  post  of  organist  at  St.  James's,  Piccadilly,  upon 
the  death  of  Mr.  Buckley,  but  Mr.  Burrowes  was  elected.  After  this  the 
Rev.  E.  Andrews,  whose  daughter  I  taught,  wrote  me  a  civil  letter  and 
caused  my  salary  to  be  raised  to  thirty  pounds. 

I  find  that  in  this  year  I  paid  professional  visits  to  Lord  Charles  Spencer 
at  "Wheatfield  House,  near  Tetsworth,  Oxfordshire.  Later  he  became  post- 
master-general and  master  of  the  mint.  It  was  my  custom  at  this  time  to 
dine  at  a  cookshop,  usually  at  the  cost  of  about  a  shilling,  and  I  believe  I 
wore  powdered  hair,  as  my  account  books  show  hair-dresser's  charges  of  the 
kind,  and  I  paid  a  guinea  in  April  1797   for  a  hair-powder  certificate. 

In  1797  I  was  three  times  at  Wheatfield  House.  The  first  visit  was 
probably   to   meet  the  Marquis    of  Blandford,    who   succeeded  his   father    as 


294  Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist. 

fifth  Duke  of  Marlborough  in  1817;  and  I  took  up  my  freedom  ai  Grdcert 
Hall,  being  bound  apprentice  to  Mr.  Impey,  a  drug  broker,  the  fees  for 
which  amounted  in  all  to  thrtee  pounds,  nineteen  shillings  and  sixpence.  I 
also  took  lessons  in  French. 

The  year  1798  found  me  organist  at  Brunswick  Chapel  as  well  as  at 
St.  James's  Chapel  in  the  Hampstead  Road.  The  organ  at  Brunswick  Chapel 
was  formerly  in  the  Tottenham  Street  Rooms,  where  it  was  used  for  the 
"Antient  Concerts."  I  began  in  June  of  this  year  an  engagement  at  Col- 
man's  Theatre,  in  the  Haymarket,  at  two  pounds,  eight  shillings  per  week, 
where  I  presided  at  the  harpsichord.  I  was  appointed  to  this  situation  by 
Dr.  Arnold,  who  was  director  of  the  music  and  also  composer  there.  I  acted 
as  deputy  for  him  without  salary  when  he  was  organist  at  Westminster  Ab- 
bey, and  it  was  for  such  services  that  he  gave  me  this  appointment  and 
also  recommended  me  to  the  first  school  at  which  I  taught.  This  was  the 
school  of  a  Mrs.  Cameron.  This  lady  1  was  told  would  be  guided  in  her 
choice  by  the  approval  of  a  Mr.  Twiss.  I  had  heard  that  he  was  a*  tre- 
mendous critic  and  formed  his  judgment  on  the  performer's  efficiency  in  sight 
playing.  I  told  Dr.  Arnold  I  was  afraid  to  encounter  so  formidable  a  judge. 
He  told  me  to  go  to  Mr.  Twiss's  house,  and  added,  with  a  comical  expres- 
sion, that  Mr.  Twiss  was  stone  deaf.  I  went.  The  first  question  put  to 
me  was:  "Can  you  play  at  sight?"  I  boldly  answered  uYes."  He  then 
placed  before  me  a  very  difficult  sonata,  and  put  his  ear  close  to  the  piano- 
forte. I  saw  at  once  that  the  sonata  was  too  much  for  me,  but  I  dashed 
at  it  and  rattled  over  the  right  and  wrong  notes.  Mr.  Twiss  expressed  his 
perfect  satisfaction  and  reported  to  Mrs.  Cameron  that  I  must  be  a  very 
capable  teacher.  With  Mr.  Twiss  I  was  intimate  for  some  years.  He  be- 
came very  poor,  and  published,  besides  the  account  of  his  tour  in  Spain,  a 
curious  work  in  two  volumes  to  which  I  subscribed.  He  was  an  excellent 
billiard  player,  and  used  to  teach  his  son,  using  a  walking-stick,  with  which 
he  could  beat  many  good  players  with  the  cue.  Through  Mr.  Twiss  I  first 
became  acquainted  with  Mrs.  Opie,  formerly  Miss  Alderson,  the  novelist  and 
poet,  who  was  then  a  lively  woman  and  a  good  ballad  singer.  She  subse- 
quently turned  Quakeress — at  least  in  her  dress.  I  renewed  my  acquaint- 
ance with  her  many  years  after  at  her  residence  in  Norwich. 

The  leader  of  the  band  at  the  Haymarket  Theatre  at  this  time,  and  also 
at  the  Theatre  Royal,  Drury  Lane,  was  a  Mr.  Shaw.  He  had  a  peculiar 
way  of  whistling  through  his  nose  rather  loudly  when  bowing  a  forte  passage. 
Some  of  the  strangers  who  were  seated  close  to  him  in  the  orchestra  would 
ask  if  there  were  a  dog  near  them  which  was  making  this  noise.  He  never 
would  acknowledge  that  it  came  from  himself.  During  my  employment  at 
the  Haymarket  Theatre  I  remember  John  Edwin,  the  actor,  who  was  succeed- 
ed by  John  Fawcett,  Jack  Johnstone,  Charles  Kemble,  who  then  sang  m 
the  opera  with  Mrs.  Bland,  and  Mr.  Snell,  also  Jack  Bannister.  Colman 
was  then  proprietor,   and  after  him  came  Morris,   with  whom  I  quarrelled. 

I  played  at  a  Freemasons'  concert  on  April  12  th  1800,  but  whether  on 
the  violin  or  pianoforte  I  cannot  now  remember.  It  was  at  this  time  that 
I  sold  the  copyright  of  my  book  of  pianoforte  lessons  to  my  father  for  twenty 
pounds.  I  also  gave  a  concert  at  the  Assembly  Rooms,  Enfield,  the  profits 
of  which  amounted  to  twenty-five  pounds. 

In  this  year  I  began  taking  lessons  in  Italian  from  Signor  Nardini. 


Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist.  295 

In  the  month  of  August,  1801,  I  moved  from  Margaret  Street  to  91 
Great  Portland  Street.  At  first  I  lodged  on  the  second  floor,  P.  Meyer  was 
on  the  first  floor  and  Mr.  Collyer  had  the  dining-room  floor.  The  room 
which  subsequently  became  the  back  spare  bedroom  at  the  top  of  the  house 
was  then  fitted  up  as  a  chemical  laboratory,  and  contained  a  furnace,  and 
part  of  the  floor  was  covered  with  iron.  The  room  in  the  basement  which 
was  afterwards  given  to  my  manservant  was  then  a  workshop. 

This  year  I  paid  professional  visits  to  Bristol,  Bath  and  Trowbridge,  and 
spent  part  of  the  summer  on  a  tour  through  Hastings,  Dover,  Maidstone,  etc. 
I  continued  my  engagements  at  the  Haymarket  Theatre  and  at  St.  James's 
Chapel  in  the  Hampstead  Road.  During  one  of  my  visits  to  Bristol,  or 
Bath  (I  forget  which),  not  having  an  admission  ticket  to  one  of  the  concerts, 
I  went  up  into  the  orchestra  and  placed  myself  among  the  bass  chorus 
singers.  Not  being  known  there,  one  of  the  men  asked  me  whether  I  was 
a  "counter"  or  a  "starter".  Not  understanding  the  meaning  of  his  question, 
my  reply  was,  UI  am  not  a  counter-tenor".  "I  am  aware  of  that,"  he  said, 
"or  you  would  not  be  sitting  among  the  basses."  He  then  went  on  to 
explain  that  when  two  men  sang  from  the  same  book,  in  order  to  save  the 
trouble  of  both  counting  the  rests  only  one  of  them  counted  the  time,  who 
was  therefore  called  the  "counter."  When  he  hed  completed  the  proper 
number  of  bars9  rest  he  gave  his  companion  a  push,  and  this  man  took  up 
the  point  immediately  and  was  therefore  called  the   "starter." 

In  1802  I  met  with  an  accident,  being  thrown  out  of  my  chaise  going 
into  Enfield.  I  was  attended  by  Dr.  Clarke,  with  whom  I  became  very 
intimate,   often  dining  and  sleeping  at  his  house. 

I  gave  a  grand  concert  at  the  Assembly  Booms  at  the  Angel  Inn,  Ed- 
monton,  on  June   11th. 

My  journeys  out  of  London  necessitated  my  taking  furnished  lodgings 
at  Hornsey  at  a  guinea  per  month. 

I  was  intimate  at  this  time  with  Mr.  Broadwood,  senior,  who,  on 
May  5  th,  presented  me  with  a  grand  pianoforte,  and  also  showed  me  great 
kindness  in  the  following  matter.  I  purchased  the  lease  of  91  Great  Port- 
land Street  this  year  of  Mr.  P.  Meyer  for  the  sum  of  eight  hundred  and 
fifteen  pounds,  together  with  some  furniture  left  in  the  house.  This  lease 
expired  in  1867.  I  was  obliged  to  borrow  from  Mr.  Broadwood  the  sum 
of  two  hundred  or  three  hundred  pounds,  and  I  offered  to  assign  to  him 
the  lease  as  a  security  for  repayment.  This  he  declined,  saying,  "It  would 
cost  you  some  money  to  make  a  legal  assignment  of  the  lease  to  me.  If 
you  are  honest  you  will  pay  me  when  you  have  the  means,"  which,  thank 
God,  I  soon  had.     I  shall  never  forget  his  kindness. 

It  was  I  think  in  this  year  that  I  was  present  at  a  dinner  at  Lady 
Hamilton's,  at  Merton.  Lord  Nelson  was  there,  as  also  Madame  Catalani 
and  her  husband,  M.  de  Valabregue.  The  latter,  it  being  a  warm  day, 
insisted  on  bathing  in  a  small  piece  of  water  on  the  lawn,  where  many  ladies 
and  gentlemen  were  walking  waiting  for  dinner.  M.  Valabregue  consequently 
was  unable  to  undress,  so  he  went  into  the  water  without  taking  off  more 
than  his  coat.  Madame  Catalani  made  him  take  from  his  shirt  a  costly  pin, 
which  she  gave  me  and  requested  me  to  keep  it  in  remembrance  of  herself 
and  her  husband's  folly.  Grey,  the  jeweller,  informed  me  that  it  was  worth 
fifty  pounds,  and  might  sell  for  more. 

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296  Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist 

In  between  Alexandria  (which  gave  Bonaparte's  Egyptian  curiosities 
to  the  British  Museum)  and  Trafalgar,  the  French  and  English  had  a 
short  respite  of  war,  viz.  18  March  1802  to  13  May  1803.  Tourists 
went  over  from  here  in  shoals.  Among  these  George  Smart  the  elder 
and  his  two  sons  George  and  Henry,  on  a  six-weeks'  visit  to  Paris, 
23  June  1802  to  3  August  1802 ;  Dover,  Calais,  Boulogne,  Paris,  Rouen, 
Dieppe,  Brighton.  George  junior  learnt  French  diligently.  Every  night 
also  he  sat  down  and  wrote  an  excellent  diary.  The  following  is  a  fair 
specimen,  good  style  for  a  young  man  of  26  who  had  no  pretensions  to 
literary  accomplishment:  — 

It  is  about  one  hundred  and  ninety-eight  English  miles  from  Calais  to 
Paris.  We  set  out  at  five  a.m.  and  arrived  in  Paris  soon  after  eight  on 
Tuesday  morning,  travelling  day  and  night.  Seventy-nine  post  horses  per- 
formed the  journey,  not  with  ease,  as  the  long  whips  of  the  postillions  in 
their  long  boots  testify.  I  never  heard  such  a  cracking  of  whips  as  they 
made  in  my  life,  especially  when  we  had  six  horses,  for  then  we  had  two 
postillions  smacking  away  one  against  the  other.  Sometimes  they  smoked 
as  they  drove,  they  were  poor  wretched-looking  men.  The  whole  is  directed 
by  a  person  styled  a  conductor,  who  is  seated  in  the  front,  which  is  called 
a  cabriolet,  something  like  an  awkward  gig  stuck  before  the  front  of  a 
stage-coach —  ridiculous,  but  by  far  the  most  pleasant  part  of  the  machine 
in  my  opinion.  At  the  conductor's  command  the  drivers  proceed  faster  or 
slower  and  take  the  part  of  the  road  he  directs.  He  likewise  fixes  the 
places  where  the  passengers  are  to  stop  and  dine,  etc.,  in  short  he  is  absolute 
and  like  the  guard  of  our  mail-coach  has  everything  under  his  care.  I  rode 
all  the  way,  except  two  stages,  with  him  in  the  cabriolet,  notwithstanding 
that  it  rained  hard  several  times. 

On  30th  June  1802  in  Paris  they  came  across  "Sir  John  Gallini", 
then  aged  74.  This  curious  person  Giovanni  Andrea  Gallini  (1728 — 1805) 
was  born  in  Florence,  went  as  dancer  to  Paris,  came  at  age  25  destitute 
to  London,  was  engaged  at  Haymarket,  became  there  ballet-master  and 
ater  stage-manager,  at  age  34  published  an  entirely  purloined  Art  of 
Dancing  (London,  Dodsley),  gave  lessons  in  family  of  3rd  Earl  of  Abing- 
don (1692 — 1760),  whose  eldest  daughter  Lady  Elizabeth  Bertie  fell  in 
love  with  him  and  secretly  married  him  some  time  before  he  was  40  and 
then  after  having  3  children  by  him  separated  from  him,  was  made  by 
Pope  Clement  knight  of  the  Golden  Spur  and  so  erroneously  called  -Sir 
John"  in  England,  employed  the  money  brought  him  by  his  wife,  at 
age  46  along  with  John  Christian  Bach  and  Charles  Frederick  Abel  built 
Hanover  Square  Rooms,  at  age  58  leased  the  Haymarket,  lost  a  fortune 
when  it  was  burnt  down  3  years  later,  at  age  77  died  still  a  dancing- 
master  and  occupying  a  single  dwelling-room  at  Hanover  Square  Booms. 

The  sensible  Paris  diary  prints  out  into  35  pages.  Here  is  part  of 
entry  for  9  th  July  1802:  — 


Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist.  297 

This  evening  was  spent  at  the  great  French  opera  house.  It  is  not  quite 
so  large  as  ours,  hut  shows  the  company  hotter.  The  dancing  and  decorations 
are  far  hetter  than  ours,  the  choruses  go  extremely  well,  hut  the  recitatives 
and  singing  are  horrid,  nothing  hut  ranting,  squalling  and  hawling,  only 
exceeded  by  the  applause  of  the  singing.  It  is  the  fashion  of  the  audience 
to  sing  with  the  performer.  The  ballet  was  Psyche,  the  opera  Iphig6nie  en 
Aulide.  At  one  time  I  counted  nearly  two  hundred  performers  on  the  stage. 
The  orchestra  consists  of  ninety  performers,  a  maitre  d'orchestre,  with  a 
small  roll  of  wood  in  the  middle  of  the  orchestra,  conducts.  He  stands  with 
the  score  before  him  and  answers  the  purpose  of  the  prompter  at  our  opera 
house,  they  have  no  other  prompter.  They  admit  that  all  the  players  in 
their  orchestra  are  approved  performers.  The  number  of  our  orchestra  is 
fifty,  one  quarter  of  which  are  good  for  nothing,  and  yet  we  produce  double 
the  effect.  Their  wind  instruments  are  shocking,  they  had  oboes  in  this  or- 
chestra I  observed,  but  clarionets  instead  in  all  the  other  orchestras.  As  it 
is  impossible  to  support  the  establishment  of  the  house  by  the  money  taken 
at  the  doors  the  whole  concern  is  under  the  management  of  governors  who 
make  up  the  deficiency.  All  the  performers  are  on  a  yearly  salary,  they  play 
three  times  a  week  all  the  year  round,  and  are  allowed  a  pension  for  life 
when  too  old  to  sing  or  play.  This  is  proper,  for  after  a  man  has  contributed 
the  prime  of  his  life  to  the  amusement  of  the  public  it  is  but  right  that  they 
should  contribute  to  his  comfort  when  he  is  no  longer  able  to  earn  for  himself. 

Ten  thousand  English  were  caught  in  France  at  the  renewal  of  war, 
and  some  were  kept  there  11  years  till  Bonaparte's  abdication.  But,  as 
will  be  seen,  the  Smarts  had  got  safe  home. 

On  29  May  1804  Smart,  aged  28,  got  himself  elected  a  liveryman  of 
the  very  ancient  City  of  London  Grocers'  Company  (going  back  under 
that  name  to  XIV  century,  and  much  further  as  uPepperers?>),  and  thus 
clothed  himself  with  civic  rank.  For  his  apprenticeship  see  1797  above. 
He  attended  his  first  dinner  at  Grocers'  Hall  on  9  Nov.  1904,  and  took 
his  father  as  guest.  Latter  was  then,  or  shortly  after,  failing  in  the 
brewery  business:  — 

In  1807  my  father  and  mother  came  to  reside  with  me  at  No.  91  Great 
Portland  Street,  where  too  Mr.  Pohlmann  lodged  with  me  and  Mr.  Edmonds 
who  was  then  my  apprentice.  The  latter  paid  me  at  the  rate  of  twenty-five 
pounds  per  annum  for  his  rooms. 

Madame  Catalani's  concert  took  place  on  Sune  12  th  of  this  year,  and  it 
was  I  think  at  this  concert  that  M.  de  Valabregue,  her  husband,  found  fault 
with  my  accompaniment.  High  words  passed  between  us  and  a  challenge 
was  expected.  Instead  of  this,  however,  I  received  from  him  the  next  morning 
a   snuffbox  bearing  the  inscription   uUn  gage  de  paix." 

At  end  of  1810,  aged  44,  he  went  over  to  Dublin  to  conduct  some 
concerts,  and  was  knighted.  It  is  said  as  the  result  of  a  convivial  meet- 
ing. He  never  lost  an  opportunity 1).  This  title  was  invaluable  to  Smart. 
Here  is  what  he  says  about  1811:  — 

1)  For  resume  of  musical  knighthoods,  see  Zeit.    IX  221,  March  1908. 

20* 


298  Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist. 

On  January  1st,  1811,  I  received  the  honour  of  knighthood  from  the 
Duke  of  Richmond,  in  Dublin  Castle,  the  fees  for  which  amounted  to  £66.  13s. 
This  month  my  assistant,  Edmonds,  died,  and  I  obtained  the  services  of  Mr. 
J.  Clarke,  who  gave  lessons  for  me  at  various  schools  when  I  was  unable 
to  attend,  receiving  half  fees. 

During  this  year  my  first  professional  visit  to  Hamilton  Palace  took  place. 
I  met  there  amongst  others  the  Earl  and  Countess  of  Dunmore,  Lady  Prim- 
rose, Lord  Kinnaird,  who  is  very  found  of  thorough-bass,  Mr.  Dugald  Stewart, 
professor  of  philosophy  at  Edinburgh,  the  Marquis  of  Queensberry  and  Mr. 
Jeffrey,  the  editor  of  the  Edinburgh  Review. 

This  year  I  took  thirteen  lessons  on  the  scales  of  wind  instruments  from 
Mr.  Eley,  a  violoncello  player  and  master  of  the  Duke  of  York's  regimental 
band,  at  seven  shillings  per  lesson. 

The  Duke  of  Sussex1)  presented  me  with  a  snuffbox  and  I  purchased 
his  portrait  from  Mr.  Harlow,  the  painter  of  some  historical  scenes  from 
Shakespeare,  for  fifteen  guineas.  I  had  previously  recommended  Mr.  Harlow 
to  the  Duke,  who  employed  him  to  paint  the  portrait  of  Mrs.  Billington, 
which  was  afterwards  in  the  possession  of  Mr.  John  Sawyer. 

In  August  of  this  year  I  paid  a  visit  to  Mr.  James  Broadwood,  at  Lyne 
Farm,  near  Worthing. 

Mr.  Joshua  Smith  was  Lord  Mayor  this  year  and  employed  me  to  conduct 
at  some  parties  at  the  Mansion  House  and  also  at  a  water  party  in  July. 
This  gentleman  offered  through  me  to  give  or  sell  to  the  Duke  of  Hamilton 
some  papers  belonging  to  the  late  Lady  Hamilton,  but  the  Duke  declined 
the  offer.  Mr.  Smith  had  shown  great  kindness  to  Lady  Hamilton,  paying 
her  debts  and  buying  her  a  house  at  Richmond.  She  came  to  great  poverty, 
and  I  recollect  subscribing  for  her  when  she  was  in  the  King's  Bench  Prison 
or  in  the  Rules  of  the  Bench. 

Signor  Siboni,  the  well-known  tenor,  was  one  of  the  singers  at  Braham 
and  Naldi's  concerts  in  this  year,  and  he  left  London  without  my  having 
had  the  opportunity  of  paying  him  a  sum  of  sixty-three  pounds,  which  was 
due  to  him.  As  I  obtained  no  reply  from  him,  the  late  Samuel  James 
Arnold,  the  dramatist  and  composer,  offered  to  undertake  if  I  paid  him  four 
shillings  and  sixpence  down  to  pay  me  sixty-three  pounds  if  ever  I  were 
called  upon  to  produce  it.  I  accepted  his  offer  on  the  26th  of  June.  The 
sum  was  never  demanded  •  but  it  remained  with  me  by  desire  of  Mrs.  Billing- 
ton, Braham  and  Naldi,  until  feeling  I  had  no  right  to  keep  it,  I  eventually 
found  out  through  Mr.  J.  B.  Heath,  the  founder  of  the  famous  City  Con- 
certs in  1818,  and  governor  of  the  Bank  of  England,  the  place  where  Siboni's 
family  resided  and  paid  the  money  in  July,   1843,  to  his  widow. 

In  1813  he  became  one  of  the  30  original  members  of  the  Philharm- 
onic, started  8th  March  1813  at  Argyll  Rooms;  W.  Ayrton  treasurer, 
H.  Dance  secretary.  Between  then  and  1844  he  conducted  49  Philharm- 
onic concerts.     From    1813  to   1825  he  conducted  the  Lent  Oratorios 


1;  Augustus  Frederick  (1773— 1843,  sixth  son  of  George  III,  was  born  at  Bucking- 
ham Palace  and  educated  at  G&ttingen.  Created  Duke  of  Sussex  in  1801.  Support- 
ed progressive  political  policy.  Was  Grand  Master  of  Freemasons ;  also  President 
of  the  Society  of  Arts  and  of  the  Royal  Society. 


Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist.  299 

at  Drury  Lane  and  other  theatres;  at  one  of  which  (Drury  Lane, 
14  March  1814)  he  brought  out  Arnold's  English  version  of  Beethoven's 
Mount  of  Olives  (Christus  am  Oelberg,  written  1301,  published  1811). 
Here  is  his  entry  for  1814  and  1815:  — 

Early  in  1814  (January  13th)  I  went  with  P.  Meyer  to  Mr.  Samuel 
Whitbread's  house,  where  I  acted  "Fustian"  with  the  late  S.  J.  Arnold  in 
Silvester  Doggerwood.     Richard  Brinsley  Sheridan  was  one  of  the  guests. 

On  July  4  th  of  this  year  I  went  through  Cambridge  for  theatricals  there 
at  the  house  of  Barham  Livius,  of  Trinity  College,  the  amateur  composer 
of  operetta,  etc.,  who  altered  Der  Freischutz  from  the  German  original  for 
its  first  performance  on  October  14th,  1824.  Miss  Sarah  Booth,  of  the 
Surrey  theatre  and  later  of  Covent  Garden,  was  one  of  the  actresses. 

In  September  I  paid  a  professional  visit  to  Hamilton  Palace,  journeying 
by  the  sea.  Among  the  guests  were  the  sixth  Duke  of  Devonshire,  the  Earl 
and  Countess  of  Dunmore,  Lord  Luccuth  and  Lord  Alloway  (Scotch  judges), 
Sir  "William  and  Lady  Maxwell,  the  Earl  of  Rosslyn,  Professors  Jardine  and 
Young,  both  learned  in  Greek  and  of  Glasgow,  besides  Miller,  Milne  and 
many  others. 

On  October  12th,  1815,  I  took  my  memorable  journey  with  J.  C.  Cameron 
to  Weymouth  to  visit  the  Princess  Charlotte.  I  saw  her  on  the  evening  of 
the  14  th.  I  had  the  honour  of  giving  lessons  to  Her  Royal  Highness  at 
Weymouth  in  both  1814  and  1815,  and  of  presiding  at  her  musical  parties 
there  and  also  at  Claremont  in  1817. 

He  does  not  mention  that  on  10  Feb.  1815  he  gave  at  Drury  Lane 
the  first  performance  in  England  of  Beethoven's  Battle  Symphony  (Welling- 
ton's Sieg,  oder  die  Schlacht  bei  Vittoria,  op.  91,  commemorating  battle 
of  21  June  1813)  of  which  he  had  specially  procured  a  copy  from  Vienna. 
This  was  to  London  of  93  years  ago  what  Tschaikoff sky's  "1812"  is  to 
today's  "Promenades",  and  had  a  great  run.  Whether  "intelligent  medio- 
crity" is  the  proper  description  of  Smart  in  his  totality1)  will  be  dis- 
cussed when  handling  his  relations  with  great  composers.  There  was 
nothing  mediocre  in  his  activities  at  any  rate,  which  were  begotten  of  a 
good  constitution  and  Wessex  shrewdness.  The  clever  schoolboy,  zealous 
language-student,  indefatigable  teacher,  and  self-advancing  freemason, 
liveryman  and  musical  knight,  here  shows  himself  as  active  public-caterer. 
In  fact  he  introduced  Beethoven  to  England,  as  much  as  Salomon  had 
Haydn. 

Beethoven  read  of  the  above  in  "Wiener  Zeitung"  of  2  March  1815, 
so  took  himself  to  his  friend  the  English-speaking  Vienna  banker  and 
amateur  violinist  John  Haring,  to  prosecute  matters  with  Smart.  The 
Harings  (recte  Harenc  or  "herring")  were  a  Breton  family,  much  scattered. 
Best  known  member  is  the  later  author  Wilhelm  Haring  (1797 — 1871); 
began  career  as  novelist  in  1823   by  passing  off  two  novels  of  his  own 

lj  See  Zeit.    IX,  195,  Feb.  1908,  and  "Times"  of  16  Jan.  1908. 


300  Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician- Diarist. 

as  German  translations  from  Sir  Walter  Scott,  with  pseudonym  Wilibald 
Alexis;  edited  "Berliner  Conversationsblatt",  etc.;  his  Gesammelte  Werke 
in  20  vols.  (Berlin).  John  Haring  of  Vienna  had  been  much  in  England, 
and  known  Smart.  Here  is  the  original  English  letter  shown  in  Alexan- 
der Wheelock  Thayer's  "Ludwig  van  Beethoven's  Leben"1)  in  German. 
So  also  printed  by  Kalischer,  at  ii,  267.  Haring  wrote  out  the  English 
enclosure  of  16th  March  on  Beethoven's  instruction,  and  took  Beethoven's 
signature  thereon.  Smart  received  the  letter  on  9th  April  1815.  It  has 
not  prior  to  this  book  been  printed  in  English.  Thayer  points  out  that 
all  the  outside-England  rights  of  the  works  mentioned  had  already  been 
sold  to  Steiner  of  Vienna:  — 

My  dear  Sir  George, 
I  see  by  the  papers  that  you  have  brought  forth  in  the  theatre  Beet- 
hoven's Battle  and  that  it  was  received  with  considerable  applause;  I  was 
very  happy  to  find  that  your  partiality  to  Mr.  B.'s  compositions  is  not  dim- 
inished, and  therefore  I  take  the  liberty  in  his  name,  to  thank  you 'for  the 
assistance  you  afforded  in  the  performance  of  that  uncommon  piece  of  musick. 
He  has  arranged  it  for  the  pianoforte,  but  having  offered  the  original  to  his 
B,.H.  the  Prince  Regent,  he  durst  not  venture  to  sell  that  arrangement  to 
any  editor,  until  he  knew  the  Prince's  pleasure  not  only  with  respect  to  the 
dedication  but  in  general.  Having  waited  so  many  months  without  receiving 
the  least  acknowledgment,  he  begged  me  to  apply  to  you  for  advice.  His 
idea  is  to  dispose  of  this  arrangement  and  of  several  other  original  composi- 
tions to  an  editor  in  London,  or  perhaps  to  several  united,  if  they  would 
make  a  handsome  offer;  they  would  besides  engage  to  let  him  know  the  day 
of  the  appearance  for  sale  of  the  respective  pieces,  in  order  that  the  Editor 
here  may  not  publish  one  copy  before  the  day  to  be  mentioned.  At  the  end 
of  this  letter  follows  the  list  of  such  compositions  with  the  price  which  the 
author  expects.  I  am  persuaded,  Sir  George,  you  will  exert  yourself  to 
benefit  this  great  genius.  He  talks  continually  of  going  to  England,  but  I 
am  afraid  that  his  deafness,  seemingly  increasing,  does  not  allow  him  the 
execution  of  this  favourite  idea.  You  are  informed  without  doubt  that  his 
opera  Fidclio  has  had  the  most  brilliant  success  here,  but  the  execution  is 
so  difficult  that  it  would  not  suit  any  of  the  English  houses.  I  submit  here 
his  list  with  prices.  None  of  the  following  pieces  have  ever  been  published, 
but  N.  2,  4  and  9  have  been  performed  with  the  greatest  applause: — 

1.  Serious  Quartetts  for  2  Violins,  tenor  and  bass  40  Guineas 

2.  "Battle  of  Vittoria"— Score 70  „ 

3.  "Battle  of  Vittoria,"   arranged  for  pianoforte    .  30  ,, 

4.  A  Grand  Symphony— Score 70  „ 

5.  A  Grand  Symphony  arranged  for  the  P.F.    .    .  30  ,, 

6.  A  Symphony  key  f  score 40  ,, 

7.  A  Symphony  arranged 20  ,, 

8.  Grand  Trio  for  the  Pianoforte  Violin  Violoncello  40  ,, 

9.  Three  Overtures  for  a  full  orchestra — each    .    .  30  „ 

1;  Vol.  iii,  335  (1879  Berlin,  W.  Weber  issue. 


Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist.  301 

10.  The  three  arrangements  —  each 15  Guineas 

11.  A  Grand  Sonata  for  the  Pianoforte   and  Violin     25       „ 
The  above  is  the  produce  of  four  years'  labour. 

"Our  friend  Neate  has  not  yet  made  his  appearance  here,  nor  is  it  at 
all  known  where  he  is  roving  about.  TVe — I  mean  mostly  amateurs  — are 
now  rehearsing  Handel's  Messiah — I  am  to  be  leader  of  the  second  violins; 
there  will  be  this  time  144  violins — first  and  second  together,  and  the  singers 
and  remainder  in  proportion.  I  have  been  so  unfortunate  as  not  to  receive 
a  single  line  of  answer  from  England  since  my  stay  in  Vienna  which  is  near 
three  months;  this  discourages  me  very  much  from  writing,  for  I  have 
dispatched  immediately  after  my  arrival  several  letters  and  have  been  con- 
tinuing to  send  letters,  but  all  in  vain.  Amongst  those  to  whom  I  wrote 
about  two  mouths  ago  is  our  friend  Disi — pray  if  you  meet  him  give  him  and 
his  very  respectable  family  my  best  regards.  I  have  passed  so  many  happy 
hours  in  his  house,  it  would  be  highly  ungrateful  for  me  to  forget  such  an 
amiable  family. 

Beethoven  happening  to  call  on  me  just  now,  he  wishes  to  address  a 
few  lines  to  you,   which  you  find  at  the  bottom  of  this.     My  direction  is: 

Monsieur  Jean  de  Haring 

Nr.  298  Kohlmarkt 

Vienne. 
Poor  B.   is   very    anxious   to    hear    something   of  the  English  Editors,  aa 
he  hardly  can  keep  those  of  this  city  from  him,  who  tease  him  for  his  works. 

"Give  me  leave  to  thank  you  for  the  trouble  you  have  taken  several  times, 
as  I  understand,  in  taking  my  works  under  your  protection,  by  which  I  don't  doubt 
all  justice  has  been  done.  I  hope  you  will  not  find  it  indiscreet  if  I  solicit  you 
to  answer  Mr.  H&ring's  letter  as  soon  as  possible.  I  should  feel  myself  highly 
flattered,  if  you  would  express  your  wishes,  that  I  may  meet  them,  in  which  you 
will  always  find  me  ready  as  an  acknowledgment  for  the  favours  you  have  heap- 
ed upon  my  children. 

Yours  gratefully, 

16  th  March  1815  Ludwig  van  Beethoven." 

And  now  I   shall  beg,  my  dear  Sir  George,  not  to  take  this  long  letter 
amiss,  and  to  believe  that  I  am  always,  with  the  greatest  regard, 
Your  most  humble  and  obedient  servant, 
19  th  March  1815  John  Haring. 

1  Here  is  another  characteristic  English-written  letter  received  next  year 
on  25th  1816  over  Beethoven's  signature;  in  all  probability  written  by 
Haring  as  above.     This  cannot  be  traced  in  German  collections:  — 

Dear  Sir  (ieorge, 
Mr.  Haring  told  me  often  that  you  directed  and  kindly  arranged  that 
my  compositions  wero  performed  with  vigour  and  success.  This  induces  me 
to  hope  that  you  will  also  take  some  trouble  with  the  artist  and  assist  him 
in  a  perplexity  quite  as  unexpected  as  it  is  unmerited.  I  gave  to  Mr.  Neate 
in  great  confidence  in  his  honour  and  his  views  the  following  works.  His 
intention  was,  as  he  said,  to  hand  them  all  to  the  Philharmonic  Society  in 
my  name,    which   Society  would    in   lieu  of  any  Honorarium  or  gift  arrange 


302  Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist 

a  benefit  concert  for  me.     He  mentioned   this  plan  whenever  he  came  here, 
adding  that  the  execution  would  be  the  easier  as  he  would  come  again  into 
the  direction  of  that  society  on  his  return.     However  I  heard  nothing  more 
of  him    or   my   works   for  many  months.     With  astonishment  I  read  in  the 
papers  an  account  taken  from  the  Morning  Chronical  mentioning  with  enthusi- 
asm the  effect  which  one  of  my  new  symphonies  had  produced,  and  I  suppose 
it  was  that  in  A,  but  I  heard  nothing  from  Mr.  Neate.    At  last  after  many 
applications  he  wrote  me  a  letter,  which  I  am  sorry  to  say,  throws  his  cha- 
racter in   my    eyes  in  a  very  bad  light.     He  pretends  to  be  in  love  with  a 
young  lady  to  distraction — he  is  to  be  refused  if  he  continues  to  follow  his 
profession,  etc.     Before   he   ends,  he  very  dryly  says,  that  having  given  my 
three    overtures   to   the   above   Society,  they  have  spoilt  all  to  such  a  point, 
that  he  lost  all  courage  to  undertake  something  for  me.     He  on  account  of 
that  young  lady   is  prevented  from  playing  my    Sonatas   in   public,   etc.     I 
own   that  the  three   overtures   do   not  belong  to   my  best  and  great  works, 
they  being    all   occasional   pieces  composed  for  the  Theatre.     The  one  in  C 
did   not  displease   when  performed  on   the  4  th   of  October  last  year  in  the 
presence  of  Mr.  N.     The  one  in  E  flat  was  composed  for  the  opening  of  the 
Theatre  in  Pesth  in  Hungary  and  pleased.     The  3rd   in  G   is  the  overture 
of  a  little   afterpiece,    of  course   the  style  could  not  be  great — it  was  often 
performed   here   and    always  with  applause.     It  is  calculated  not  to  begin  a 
concert,  but  to  be  performed  in  the  middle.    Mr.  Neate  had  in  his  possession 
other  more  essential  works,  he  chose  those  three  and  it  is  very  unfortunate 
that  on  account  of  them  according  to  his  judgment  my  musical  name  is  all 
at   once   sunk   to    nothing.     He  paid   twenty-five   guineas   for   each    of  these 
overtures  as  his  property  according  to  a  formal  writing  I  gave  him,  but  for 
all   the   other   manuscript   works    which  I  gave  him,  he  returned  nothing  at 
all,    not   even   a   complimentary   letter  of  acknowledgment  or  thanks.     These 
works  are: 

Score  of  a  Symphony  in  A.  First  movement  in  A,  second  in  A  minor, 
third  in  F,  fourth  in  F. 

Score  of  a  great  Cantata,  consisting  of  a  Chorus  in  A  No.  1,  No.  2,  Bee. 
in  B  with  Chorus  in  F.     No.  3,  Bee.  in  B  and  air  with  chorus. 
No.  5  Bee.  in  A  and  Quartett  in  A,  No.  6.     Chorus  in  C. 
Score  of  a  Grand  Opera:  Fidelio. 

Do.  of  a  great  Chorus  in  D.     "Words  of  Gothe:  Tiefe  Stille. 
Do.  of  a  Quartett  in  F  minor  for  2  Viol.,  ten.  and  Bass. 
Do.   of  a  Sonata  in  C  Piano  and  Violoncello. 
Do.  do.  do.  do. 

N.B.  The  Quartett  is  written  for  a  small  circle  of  connoisseurs  and  is 
never  to  be  performed  in  public.  Should  you  wish  for  some  Quartette  for 
public  performance  I  would  compose  them  to  this  purpose  occasionally.  I 
mention  here  that  I  should  like  to  receive  regular  orders  from  England  for 
great  compositions.  All  the  above  compositions  were  delivered  to  Mr.  Neate 
in  confidence  and  with  the  power  to  dispose  of  them  for  my  sole  benefit  in 
London.  I  still  am  the  right  owner  of  them.  The  5  guineas,  which  he  has 
paid  for  copying  them,  and  for  which  I  thought  he  would  think  himself 
sufficiently  repaid  by  performing  them  at  his  leisure,  may  be  restituted  to 
him  on  delivering  the  works  to  you. 

I   therefore   take   the  liberty  to  empower  you  herewith  to  receive  of  Mr. 


Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist.  303 

Neate  the  above  cited  7  works  and  I  hope  to  his  honour  he  will  have  no 
objection  of  delivering  them  into  your  hands.  My  view  is  that  you  should 
first  select  some  of  them,  and  arrange  a  concert  for  my  benefit.  After  that 
you  are  welcome  to  give  one  or  two  nights  for  yourself — I  hope  it  will  be 
with  success.  Finally  you'll  please  to  offer  these  works  of  which  some  at 
least  will  easily  enough  find  purchasers,  for  sale,  I  leave  it  entirely  to  the 
high  sense  of  honour  and  love  for  the  art,  which  Mr.  Hiiring  repeatedly 
assured  me  none  possessed  more  than  yourself.  At  least  I  am  thoroughly 
persuaded  that  the  two  Englishmen,  who  have  treated  me  very  ill  — very 
meanly — are  very  rare  exceptions  of  the  general  character  of  your  great 
nation.    These  two  are  the  Prince  Regent  and  Mr.  Neate — enough  of  them! 

All  I  beg  you  is  to  favour  me  with  an  answer  as  soon  as  possible.  The 
season  in  your  great  city  is  soon  coming,  and  I  should  wish  to  know  my 
fate,  and  am  very  anxious  to  publish  most  of  the  above  works  here,  which 
I  will  not  do  before  your  answer.  Mr.  N.  wished  I  should  dedicate  the  two 
Sonatas  to  him  and  I  promised  it — if  he  does  not  desist  himself  let  it  be 
so.  (I  hope  my  signature  is  sufficient  to  effectuate  the  delivery  of  the  music 
to  you  as  is  my  will  and  wish.  Should  anything  be  wanting,  I  am  ready 
to  perform  it.) 

(Signed)  Ludwig  van  Beethoven. 

My  direction  is:  M.  Louis  Van  Beethoven, 

Sailerstette  3  Stock, 
No.  1055  and  1056     a  Vienne. 

In  1817  Smart  became  an  original  member  of  the  revived  Concen- 
tores  Sodales;  glee-club  for  composers  of  glees  (ran  till  1847).  In  Beet- 
hoven's letter  to  Ferdinand  Ries  in  London  of  9  July  1817,  half  closing 
with  the  Philharmonic  for  a  visit,  he  says  that  he  shall  be  delighted  to 
meet  "den  braven  Sir  George  Smart'"1). 

In  1818  Smart  began  conducting  Baron  Heath's  City  Concerts  above- 
mentioned  (City  of  London  Tavern).  The  same  year,  through  Cipriani 
Potter  (1792—1871)  then  studying  at  Vienna  under  Emanuel  Aloys 
Forster  (1748—1823)  and  acquainted  with  Beethoven,  he  made  proposals 
to  latter  for  a  "new  oratorio";  nothing  more  is  known  of  this;  many 
others  were  in  the  field2). 

His  own  record  for  1821 — 1824  cannot,  as  far  as  it  goes,  be  impro- 
ved upon.  But  it  may  be  added  that  he  was  constantly  conducting  in 
the  provinces.  In  1823,  a  Liverpool  Festival;  1824  ditto  at  Bath,  New- 
castle, Norwich  and  Edinburgh.  Conducting  then  meant  a  vast  amount 
of  preliminary  detailed  labour  in  connection  with  manuscript  parts;  also 
much  personal  organization  which  nowadays  falls  to  committees  and  se- 
cretaries. Also  in  1823  he  became  one  of  the  four  in  the  original  "Board 
of  Professors"  at  Royal  Academy  of  Music,  opened  in  March  of  that 
year  (Crotch  principal):  — 

1)  Thayer-Deiter8-Riemann,  iv,  33,  Breitkopf  and  Hartel,  1907. 

2)  Cf.  Thayer-Deiters-Riemann  iv,  98. 


304  Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist. 

In  March,  1821,  1  conducted  a  concert,  at  the  Egyptian  Hall  at  the 
Mansion  House  at  which  Queen  Caroline  was  present,  in  aid  of  the  fund  for 
the  erection  of  schools  for  one  thousand  boys  and  five  hundred  girls,  in 
North  Street,  City  Road.  The  late  Lord  Mayor,  the  great  friend  of  Queen 
Caroline,  Alderman  Wood,  was  there,  with  whom  I  dined  twice  this  year. 
On  February  10th,  1822,  remarks  appeared  in  the  John  Bull  newspaper  upon 
my  conducting  at  this  concert,  which  might  have  been  destrimental  to  my 
position  as  I  was  that  year  appointed  one  of  the  organists  at  the  Chapel 
Royal,  but  an  apology  was  made  in  the  paper  on  March  17th.  At  this 
concert  a  gentleman  insisted  upon  forcing  his  way  into  a  reserve  place  not 
far  from  where  the  Queen  was  seated  near  the  orchestra.  He  was  imme- 
diately arrested  by  order  of  thfc  Lord  Mayor  and  taken  to  the  Poultry  Compter 
Prisori  and  nothing  more  was  thought  about  him  until  the  time  when  the 
principal  performers,  etc.  were  c'it  supper  in  Wilkes's  Parlour  at  the  Mansion 
House,  when  some  one  said  to  the  Lord  Mayor,  "I  think  you  have  been  too 
hard  on  this  person  in  sending  him  to  prison  for  attempting  to  get  a  seat 
for  which  he  had  paid."  uOh,  send  for  him,"  said  the  Lord  Mayor,  and 
in  due  time  the  gentleman  arrived  and  was  highly  indignant  and  talked  of 
prosecuting  for  false  imprisonment,  etc.  The  Lord  Mayor  desired  him  to 
sit  next  him  at  the  head  of  the  supper  table  and  made  him  take  three  or 
four  glasses  of  wine,  which,  with  a  little  blarney  from  his  lordship,  so 
pleased  him  that  he  was  perfectly  satisfied  with  the  apology  made  to  him. 

I  conducted  three  Royal  concerts  at  Brighton  on  the  19th,  20th,  and 
21st  of  April.  At  one  of  them  King  George  IV  remarked  to  me,  **A 
crowded  room  at  the  Mansion  House?"  alluding  to  the  concert  just  mentioned, 
from  which  remark  1  understood  that  the  part  I  had  taken  upon  that  oc- 
casion had  produced  no  ill  effects  in  the  mind  of  His  Majesty.  At  one  of 
these  three  concerts,  which  took  place  at  the  Pavilion,  the  King  abused  Miss 
Stephens'1)  singing  and  said  to  me,  "You  conductors  force  a  performer  upon 
the  public,  whether  capable  or  not.  Now,  Sir  George,  you  know  that  Miss 
Stephens  is  not  a  great  singer— give  us  your  candid  opinion."  I  saw  that 
many  of  the  performers  were  listening  for  my  answer,  so  1  replied,  k'lt  would 
be  presumptuous  in  me  to  offer  an  opinion  to  your  Majesty,  who  is  so  good 
a  judge  in  musical  affairs."  "Well  done,"  said  the  King,  "that  is  the  sort 
of  answer  which  will  carry  you  safely  through  every  Court  in  Europe!"  I 
was  not  so  fortunate  in  my  reply  to  his  next  question,  which  was  why  the 
Italian  Opera  House  band  did  not  go  well  together.  Not  wishing  to  con- 
demn the  band,  I  said,   "The  building  of  the  orchestra  is    not  in  a  straight 

line,  but  being  circular "   "Come,  come,"  said  the  King,  "you  have  made 

one  hit  to-night  and  that  will  suffice.    1  did  not  ask  how  the  orchestra  was 
built  but  why  it  did  not  go   well." 

At  one  of  these  concerts  I  asked  Christian  Kramer,  the  Master  of  King 
George  IV  s  famous  band,  how  it  was  that  the  King  was  so  perfectly  satis- 
tied  with  the  tempi  taken  of  all  Haydn's  Sinfonias,  His  Majesty  being  so 
fastidious.  "Why,"  said  Kramer,  "His  Majesty  always  beats  time  to  every 
movement.    I  watch  him  and  beat  the  same  time  to  the  orchestra." 

On  July  19th,  1821,  occurred  the  coronation  of  George  1Y  at  West- 
minster Abbey.     1    was    appointed    a  deputy    for  Mr.  Salmon,  the  father-in- 

1;  In  1838  Kitty  Stephens  (1791—1882)  became  second  wife  of  the  octogenarian 
fifth  Earl  of  Essex. 


Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist.  305 

law  of  Mrs.  Salmon — the  great  soprano  vocalist — and  gentleman  of  the 
Chapel  Royal,  by  the  Rev.  "William  Holmes,  Sub-Dean  of  the  Chapels  Royal, 
and  after  the  banquet  in  Westminster  Hall  I  brought  home  a  figure  taken 
off  the  table.  We  had  great  difficulty  in  finding  the  dining-room  appro- 
priated to  members  of  the  Chapel  Royal,  and  the  Chapel  Royal  boys  rushed 
into  a  room  which  was  not  intended  for  us  at  all.  We  followed  and  had 
a  good  cold  dinner,  from  which  we  were  called  down  to  sing  "God  save  the 
King''  at  the  top  of  the  Hall  near  the  Royal  table.  It  was  a  fine  sight  to 
see  the  champion  on  horseback  riding  up  the  Hall. 

At  the  coronation  the  orchestra  in  the  Abbey  was  erected  over  the  com- 
munion-table and  an  organ  was  erected  for  the  occasion  in  a  gallery.  Mr. 
Charles  Knyvett,  as  organist  of  the  Chapel  Royal,  presided.  Orders  were 
given  that  Queen  Caroline  was  not  to  be  admitted,  but  she  came  and  got 
out  of  the  carriage  at  the  cloister  door  in  Dean's  Yard,  near  which  we,  the 
choir,  were  waiting  to  enter  the  Abbey.  I  told  Lady  Anne  Hamilton,  her 
lady-in-waiting  who  was  with  her,  that  the  Queen  would  not  be  allowed  to 
enter,  but  she  passed  on  and  soon  returned,  being  refused  admittance,  and 
departed  in  her  carriage. 

On  January  25th,  1822,  I  was  appointed  organist  of  the  Chapel  Royal, 
St.  James's,  by  the  Very  Rev.  Dr.  William  Howley,  then  Bishop  of  London, 
and  performed  my  duties  as  such  for  the  first  time  on  February  17th,  at 
both  morning  and  evening  services.  I  received  my  warrant  on  April  1st, 
and  on  June  5th  in  the  following  year  I  was  given  my  first  quarter's  pay- 
ment as  organist,  namely,  fourteen  pounds,  nine  shillings  and  sixpence.  Mr. 
Cooper  senior1),  assistant  organist  at  St.  Paul's,  acted  for  me  as  my  deputy. 

As  I  have  previously  stated,  Dr.  Dupuis  gave  me  some  lessons  on  the 
organ  in  the  Chapel  Royal  after  I  left  it  as  a  boy.  He  was  rather  a  sharp 
master  and  would  sometimes  rap  my  fingers  with  his  watch-chain,  holding 
the  watch  in  his  hand.  It  was  from  him  that  I  learnt  my  organ-playing. 
My  knowledge  of  sacred  music  I  acquired  at  the  Chapel  Royal,  and  my 
knowledge  of  Handel  and  the  ancient  masters  when  I  turned  over  the  leaves 
for  Joah  Bates ,  who  conducted  the  organ  at  the  "Antient  Concerts"  then 
held  in  Tottenham  Street.  Most  fortunately  too  for  me,  my  father,  with 
the  most  excellent  judgment,  engaged  the  justly  celebrated  pianist,  Johann 
Baptist  Cramer,  to  give  me  pianoforte  lessons  at  ten  and  sixpence  each, 
and  it  is  to  him  that  J  am  indebted  for  my  knowledge  of  modern  music  and 
the  style  of  performing  it. 

It  may  be  worth  while  to  enumerate  the  fees  and  expenses  which  I  in- 
curred upon  my  appointment  as  organist  of  the  Chapel  Royal.  They  were 
as  follows: — 

£    s.    d. 

Present  to  W.  Hall,  my  servant,  for  taking  my  letter  of  thanks 
to  the  Bishop  of  London 100 

Fee  to  Mr.  Bonder  (at  Mr.  Hodgson's)  Feb.  1st,  the  Bishop's  secre- 
tary, paid  at  his  office,  27  Parliament  Street,  for  making  out  the 
warrant  for  the  Bishop's  signature 2    20 

Paid  Mr.  Cameron  for  stamp  on  parchment  for  the  Sub-Dean 
(Mr.  Holmes]  to  make  out  my  appointment  as  organist 4    4    0 

1)  His  son  George  Cooper  junior  1820— 1876j  on  the  death  of  John  Bernard 
Sale  succeeded  latter  as  one  of  the  organists  of  Chapel  Royal. 


306  Charles  Maclean,  Sir  George  Smart,  Musician-Diarist. 

Fee  to  the  Sub-Dean  (Feb.  8th)  when  he  swore  me  in  at  General  M    s     d 

Bell's  house 1     1    0 

Present  of  a  diamond  and  ruby  ring  to  Mr.  Latour 5    0    0 

Cost  of  a  dinner-party  at  my  house  to  Messrs.    Latour,  Dance, 

etc.,  exclusive  of  wine 5    0    0 

Dinner  at  my  house  to  the  Sub-Dean  and  T.  Marsh,  Esq.,  ex- 
clusive of  wine 6    8    0 

Fee  to  the  Chapel  Royal  Fund  as  Organist 5    00 

Present  to  the  Chapel  Royal  boys  the  first  time  I  did  duty  as 

organist,  say 1     0    0 

Present  to  the  old  deputy  organ-blower 0    50 

Mr.  Martin,  at  Lord  Chamberlain's  office,  for  signing  my  warrant  0    6    8 

The  Board  of  Green  Cloth  (Lord  Steward's  office) 0  18    8 

Paid  to  Mr.  Howse,  Sergeant  of  the  Vestry  (at  Lord  Cholmon- 
deley's),  for  sending  me  the  cheque  book  to  have  my  Warrant 

signed  therein 0  10    6 

My  expenses  as  steward  of  the  Chapel  Royal  feast 3    3    0 

Ditto  as  explained  below _A_M_P 

=£40  12  10 

"With  regard  to  the  Chapel  Royal  Fejist,  which  was  held  at  Freemasons' 
Hall  and  for  which  Mr.  Cuffs  bill  came  to  £48.  12s.,  tbe  Rev.  W.  Holmes, 
the  Sub-Dean,  sent  the  two  stewards  (Mr.  Roberts  and  myself)  thirty  pounds, 
which  he  obtained  from  the  Lord  Steward's  office,  desiring  us  after  paying 
Mr.  Cuffs  bill  to  pay  the  residue  to  the  Rev.  Dr.  Vivian,  minor  canon  of 
St.  Paul's,  for  the  Chapel  Royal  Fund.  There  was  no  residue,  and  Mr. 
Roberts  and  1  found  ourselves  obliged  to  pay  four  pounds  fourteen  shillings 
each  towards  making  good  the  deficiency.  The  Chapel  Royal  Feast  has  since 
been  very  properly  discontinued,  and  the  annual  sum  coming  from  the 
Lord  Steward's  office  is  paid  into  the  Chapel  Royal  Fund.  Most  of  the 
clerks  from  the  offices  of  the  Lord  Chamberlain  and  the  Lord  Steward  were 
invited  to  this  dinner,  and  the  Chapel  Royal  boys  attended  in  their  laced 
coats  to  sing  in  the  glees. 

In  June,  1823,  we,  the  choirmen  and  organist  of  the  Chapel  Royal,  were 
summoned  by  the  Bishop  of  London  (Dr.  Howley)  to  a  Chapter  meeting  held 
at  London  House ,  on  account  of  our  irregular  attendance  at  chapel.  One 
of  our  number,  Mr.  Thomas  Welsh1),  boldly  opened  the  meeting  by  saying, 
"We  presume  your  lordship  has  sent  for  us  to  raise  our  salaries."  This 
took  the  mild  and  good  bishop  by  surprise  and  he  replied,  "Why  not  ex- 
actly. Mr.  Welsh,  but  if  the  gentlemen  are  not  satisfied  they  have  the  re- 
medy in  their  own  hands,  for  they  can  resign."  To  this  no  answer  was 
made,  but  the  result  of  these  preliminary  proceedings  upon  the  bishop  was 
that  he  dismissed  us  with  a  mild  request  that  we  should  be  more  attentive 
to   our  duty,   and   we   were  glad  to  get  off  so  easily. 

On  July  21st,  1824,  I  dined  in  the  City  at  Mr.  Salomons'  to  meet  Ros- 
sini, who  made  himself  most  agreeable.  He  had  been  paid  by  Salomons 
fifty  pounds  to  compose  a  duet  to  be  played  by  Salomons  and  Dragonetti, 
the  great  double-bass  player. 

There  was  another  interesting  party  which  I    attended   on  March    1st,   on 

1)  Welsh  (1770—1848)  taught  Kitty  Stephens  and  married  his  pupil  Mary  Anne 
Wilson  (1802—1867).  Their  daughter  married  Alfredo  Tiatti  in  1856;  an  unfortu- 
nate match. 


Lucian  Kamieneki,  Mannheim  and  Italien.  307 

hoard  Captain  Parry's  ship,  the  Hecla1  moored  at  Deptford  alongside  Captain- 
Lyon's  ship  the  Fury.  "When  Captain  Lyon  returned  from  his  voyage  he 
brought  me  some  native  music  to  arrange  for  publication  in  his  book  of 
travels  which  duly  appeared.  The  music  was  probably  very  little  in  the  native 
style. 

This  year  I  conducted  the  Norwich  Festival  for  the  first  time.  I  was 
made  a  Freeman  of  the  city  and  presented  with  a  gold  snuffbox  and  taken 
in  the  Mayor's  carriage  in  a  procession  through  the  streets,  a  proceeding 
which  seemed   to   me  more   like   going  to  be  punished  than  to  be  honoured. 

The  year  1825  was  memorable  for  the  first  trial  of  Beethoven's  Choral 
Kinfonie  on  February  1st.  Of  the  twenty-six  private  concerts  I  conducted 
this  year  one  wras  for  Lady  Copley,  in  George  Street,  Hanover  Square.  She 
told  me  she  had  been  recommended  to  have  a  foreigner  to  conduct  it  and 
asked  me  what  I  thought  about  it — a  curious  question.  I  answered,  UI 
think  your  Ladyship  should  determine  for  yourself."  On  which  she  replied, 
"Then  so  I  will.     You  shall  conduct  it.'' 

In  the  days  of  Smart's  memoir-jottings  here  given,  the  spirit  of  music- 
composition  had  left  these  shores,  and  was  engaged  on  a  visit  to  the 
continent;  the  English  professional  musician  was  as  a  rule  sadly  ill-edu- 
cated ;  musical  journalism,  if  it  is  worth  talking  about,  showed  an  impu- 
dent ignorance.  On  the  other  hand  the  English  amateur  greatly  to  his 
honour  still  kept  the  torch  burning,  and  the  concert-life  was  far  from 
despicable.  Enough  has  been  said  to  show  how  a  thoroughly  able  man 
like  Smart  profited  by  the  excellent  teaching  of  the  Chapel  Royal,  and 
built  on  it  in  such  times  a  distinguished  and  exceedingly  profitable  career. 

The  succeeding  notice  will,  as  above  said,  deal  in  full  with  Smart  as 
an  observer  of  continental  musical  life,  and  as  a  diarist  proper. 


Mannheim  und  Italien. 

Von 

Lucian  Kamienski. 

(Charlottenburg.) 

Kunstgeschichtliche  Fortschritte  und  "Wandlungen  vollziehen  sich  nicht 
ruckweise.  Auch  da,  wo  ein  uberragender  Genius  scheinbar  autonom,  nur 
aus  sich  selbst  heraus  und  auf  sich  selbst  gestiitzt,  am  Werke  war,  uberzeugt 
man  sich  bei  genauerer  Betrachtung,  dali  auch  er  nur  ein  Glied  einer  fest- 
geschlossenen,  langen  und  allmahlichen  Entwickelungsreihe  ist,  daB  er  seine 
Strahlen  von  eben  derselben  Sonne  geliehen  hat,  die  seine  Neben-,  Vorder- 
und  Hintermanner  leuchten  lafit:  kurz,  daB  die  Meister  eben  nicht  vom 
Himmel  fallen,  wie  es  der  Yolksverstand  langst  richtig  erkannt  und  aue- 
gesprochen  hat.  Auch  der  Fall  "Wagner,  der  infolge  seiner  Aktualitat  noch 
immer  nicht  unbefangen  beurteilt  wird,  macht  davon  keine  Ausnahme. 

Johann   Stamitz   ist   freilich   kein    uberragender   Genius,   ganz   gewiB 


308  Lucian  Kamienski,  Mannheim  and  Italien. 

aber  ein  starkes  Talent  gewesen.  Das  beweisen  seine  von  Hugo  Riemann 
neu  heransgegebenen  Sinfonieen  zur  Genuge.  Auch  daran  darf  nicht  mehr 
gezweifelt  werden,  dafi  die  sinfonischen  Werke  Stamitzens  und  seiner  Mann- 
heimer Nebenmanner  sich  bei  den  Zeitgenossen  grofier  Beliebtheit  erfreuten. 
Irrtumlich  ist  jedoch  die  Meinung,  als  waren  Stil  und  >Manierenc  der 
Mannheimer,  denen  Riemann  im  2.  Bande  des  7.  Jahrganges  der  Denkmaler 
der  Tonknnst  in  Bayern  eine  ausfiihrliche  Abhandlung  gewidmet  bat,  ein 
neuea  von  Stamitz  in  die  musikhistorische  Entwickelung  bineingetragenes 
Element.  Der  Riemann 'schen  Ansicht  ist  bereits  Alfred  Heufi  im  8.  Heft 
des  9.  Jahrganges  der  Zeitschrift  der  International  en  Musikgesellschaft  ent- 
gegengetreten.  Die  Notenbeispiele,  mit  denen  er  seine  Ausfuhrungen  belegt, 
sind,  vielleicht  mit  Absicht,  aus  verschiedenen  Landern  zusammengetragen, 
und  sollen  beweisen,  daB  die  von  Riemann  als  Mannheimer  Eigentiimlichkeit 


angesprochene  >Seufzer-Manier«  (der  »  Mannheimer  Yorhalt«  fa    l^*"T —  n*  *•) 

ein  » Internationales  Ausdrucksmittel  *  sei,  das  zu  alien  Zeiten  und  an  alien 
Orten  vorkommen  konne.  Das  ist  auch  gewifi  richtig,  dennoch  bleibt  aber 
die  Tatsache  bestehen,  daB  im  Vergleich  zu  Heufiens  Vor-Mannheimischen 
Gewahrsmannern  dieses  >  Internationale  Ausdrucksmittel «  bei  der  Mannheimer 
Schule  ungewohnlich  oft  zur  Anwendung  kommt.  Nur  bei  einem  der 
von  Heufi  zitierten  Tonsetzer  wird  der  >Seufzer«  als  Manier  verwendet,  der 
aber  ist  kein  Yorganger,  sondern  ein  Zeitgenosse  der  Mannheimer:  es  ist 
Ph.  Em.  Bach.  Die  von  Bach  ruckwartsftihrende  Spur  hatte  Heufi  auf 
Italien  fiihren  mussen,  die  Heimat  der  »Seufzermanier«.  Statt  ihr  indessen 
zu  folgen,  kam  er  auf  Gedanken  iiber  den  » Mannheimer  gout«,  die  zwar 
von  den  Riemaun'schen  verschieden,  aber  keinesfalls  richtiger  sind.  Riemann 
selbst  erkennt  in  dem  Italiener  Pergolesi  einen  vereinzelten  Vordermonn 
der  Mannheimer,  doch  auch  er  hat  die  gegebene  Spur  nicht  weiter  verfolgt. 

Ich  habe  im  folgen  den  versucht  festzustellen,  inwieweit  der  Stil  der  Mann- 
heimer Sinfonieen  dem  zu  Anfang  und  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  in  Deutach- 
land  herrschenden  italienischen  Geschmack  gegeniiber  auf  Neuheit  Anspruch 
haben  kann.  Die  von  mir  beigebrachten  Notenbeispiele  sind  fast  durchweg 
denjenigen  Meistern  entnommen,  die  die  italienische  Musik  nach  Deutschland 
hineingetragen  haben,  da  sie  als  direkte  Vorganger  und  Anreger  Mannheims 
vor  alien  Andern  in  Betracht  kommen.  Auf  die  in  den  Denkmalern  der 
Tonkunst  in  Osterreich  neu  herausgegebenen  Wiener  Vorklassiker  ist  hier 
nicht  eingegangen  worden,  da  sie  als  ihre  Zeitgenossen  doch  schwerlich 
die  Vorliiufer  der  Mannheimer  sein  konnen.  Die  innere  Verwandtschaft 
der  beiden  siiddeutschen  Sinfonieschulen  ist  wohl  eher  auf  ihren  gemeinsamen 
italienischen  Ursprung  zuruckzufuhren :  ist  es  doch  eine  Naturnotwendigkeit, 
daB  zwei  Ableger  derselben  Pflanze,  auf  gleichartige  fremde  Boden  versetzt, 
auch  ahnliche  Veriinderungen  durchmachen  mussen. 

AVenn  Riemann  sagt,  daB  das  »schnelle  Umschlagen  des  Ausdrucks 
in  Johann  Stamitzens  leidenschaftbewegten  Satzen*  mit  Leopold  Mozarts 
>vermaniriertem  Mannheimer  gout<  nicht  gemeint  sein  konne,  so  wird  er  trotz 
Heufiens  Yermutungen  Recht  behalten.  Plotzliche ,  motivierte  und  unmoti- 
vierte  dynamische  Kontraste  weisen  die  Italiener  in  der  ersten  Halfte  des 
18.  Jahrhunderts  die  Hiille  und  Fiille  auf.  Jeden  falls  hat  die  alt  italienische 
Echomanier  das  ihrige  zur  Forderung  dynamischen  Kontrastierens  getan,  das 
dann  auf  dem  gewohnlichen  AVege  aller  kiinstlerischen  Entwickelung  nahe  am 


Lucian  Kamienski,  Mannheim  und  Italien. 


309 


Absurden  vorbei  zu  einer  innerlich  begriindeten  Dynamik  herangereift  ist. 
DaB  gerade  die  Italiener  die  Haupttrager  dieser  Entwickeluog  gewesen  sind, 
ist  bei  der  Beschaffenheit  des  italienischeu  Temperaments  ohne  weiteres  ver- 
standlich-.  Wir  fin  den  da  die  Kontraste  Fp,  pF,  auf  guten  und  schlechten 
Taktteilen,  meistens  ohne  besonderen  Grand,  ferner  berechtigte  jo-Stauungen 
vor  der  Kadenz,  die  darauf  ini  F  herabfallt,  Steigerungen  in  Sequenzen,  wo 
ein  crescendo  gedacht  ist,  auch  wenn  es  nicht  ausdrucklich  bemerkt  wird,  rin- 
forznndi,  decrescendi,  kurz  alle  denkbaren  dynamischen  Schattierungen.    Z.  B. : 

1.  Caldara,  S.  Elena  al  Calvario. 
Aria  >Sacri  orrori«. 


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2.  Porsile,  Giuseppe  riconosciuto. 
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4.  Leo,  S.  Elena  al  Calvario. 
tr  -  Sinfonia. 


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6.  ibidem. 


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7.  Hasse.  Danielo. 


Aria  >Piu  di  Leon  ferocec 


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8.  Hasse,  Flotenkonzert  //-moll. 


310 


Lucian  Kamienski,  Mannheim  und  Italien. 


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9.  Jommelli,  Sinfonia  D-dur. 


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10.  ibidem. 


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11.  ib.    2.  Satz. 


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12.  Jommelli,  Sinfonia  i^-dur. 


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Auch  die  ausdruckliche  Notierung  des  >cresc.«  kommt  b  ere  its  bei 
Hasse  uud  Jommelli  vor  (bei  letzterem  bekanntlich  sehr  oft,  u.  a.  auch 
in  deu  hier  ofters  zitierten  Sinfouieeu  der  k.  Bibliothek  Berlin,  bei  ersterem 
in  der  >S.  Elena  al  Calvario«  und  in  der  >Religione  trionfante«).  Beide 
Meister  macben  auch  vom  >rinforzando«  Gebrauch1),  Hasse  in  der  »Religione« 
ofters  vom  >decres.<  Doch  wird  man  auf  diese  Prioritaten  nicbt  allzuviel 
Gewicht  legen  durfen,  hat  doch  die  ausdruckliche  Notierung  des  >  crescendo* 
nichts  mit  der  Manier  zu  tun.  Eine  groBere  Genauigkeit  in  der  Vortraga- 
bezeichnung  war  ja  bei  den  diskursiver  veranlagten  Deutschen  ohne  weiteres 
geboten.  Venn  dagegen  die  Italiener  das  >cres.«  auch  nur  ausnahmsweise 
notieren,  so  sprechen  doch  schon  psychologische  Grunde  dafiir,  daB  sie,  die 
in  der  Komposition  so  prachtige  Steigerungen  aufbauten,  diese  auch  dynamisch 
auszupragen  wuBten.  Vie  unertraglich  hatte  auf  die  Dauer  eines  Abends 
der  fortwiihrende  Vechsel  zwischen  den  F.  und  p.  wirken  mussen,  die  die 
italienischen  Partituren  aufweisen!  Aber  keine  von  den  vielen  Streitschriften 
iiber  franzosische  und  italienische  Musik,  die  sich  liber  jede  Kleinigkeit  auf- 
hielten,  erwiihnt  etwas  davon.  Und  wir  niuBten  allerdings  die  Italiener  des 
18.  Jahrhunderts  furMenschen  ohne  Nerven,  fur  vollkommene  Banausen  halt  en, 
wenn  sie  all  die  ruck-  und  stoBweisen  Vortragszeichen  ohne  verbindende 
crescendi  und  decrescendi  ausgefiihrt  hiitten:  dazu  aber  haben  wir,  gerade 
fiir  diese  Zeit,  kein  Recht.  Wen  jedoch  diese  SchluBkette  nicht  uberzeugen 
sollte,  fur  den  sei  noch  das  mitgeteilt,  was  im  Jahre  1739  der  President 
de   Brosses    in    seinen    »Lettres   familieres«2)   iiber   die    italienischen   Duette 

1)  cf.  Mennicke,  Hasse  und  die  Bruder  Graun  als  Svmphoniker,  Leipzig  1906, 
S.  321. 

2  Le  President  de  Brosses  en  Italic  Lettres  familieres  ...  ed.  M.  R  Colomb, 
Paris  1868,  II.  p.  382. 


Lucian  Kamienski,  Mannheim  und  Italien. 


311 


schrieb :  » Ccst  [soil,  dans  les  duos)  surtout  que  les  toix,  ainsi  que  les  violons, 
cmploient  ce  clair-obscur,  cc  renflement  insensible  du  son,  qui  augmente  de  force  de 
note  en  note,  jusqu ]au  plus  haut  dcgre^puis  revient  u  une  nuance  exiremenient  douce 
et  attmdrissante*.  Danach  haben  wir  anzunehmen,  daB  die  fixierten  Zeichen 
nur  ein  Skelett,  ein  dynamischer  GeneralbaB  sind,  den  der  intuitive  Italiener 
obne  weiteres  imstande  war  auszufullen.  Natiirlich  bleiben  dann  immer  noch 
viele  wortlich  wiederzugebende  dynamische  Kaprizen  iibrig,  wie  unsere  Bei- 
spiele  1,  2,  4,  7 — 13  zeigen.  Der  moderne  Musiker  wird  bei  diesen  AuBe- 
rungen  siidlichen  Temperaments  nicht  vergessen  durfen,  daB  dabei  mit  einem 
viel  leicbteren  und  flacberen  Klange  der  Singstimme  und  der  Streichinstru- 
mente  gereebnet  ist,  als  wir  ibn  beute  gewohnt  sind. 

Zu  den  >Mannbeimer  Raketen«,  wie  Riemann  die  Themenbildungen 
durch  Auf-  und  Absteigen  im  Akkorde  nennt,  sei  es  mir  gestattet,  seine 
eignen  Worte  zu  zitieren:  »Naturlicb  kann  man  solcbe  Anwendungen  an  sich 
selbstverst'andlicher  und  musikaliscb  nabeliegender  Bildungen  nicht  als  spezi- 
fiscb  mannheimerisch  in  Anspruch  nebmen.«  Es  vertragt  sich  kaum  mit 
dieser  AuBerung,  wenn  Riemann  in  seinem  Aufsatze  >  Beethoven  und  die  Mann- 
heimer €  im  13.  und  14.  Hefte  des  7.  Jahrgangs  der  »Musik«  solche  »Akkord- 
Raketen*  wiederholt  als  >besondere  Liebhaberei  der  Mannheimer<  fur  Ein- 
fliisse  dieser  Scbule  auf  Beethoven  sprechen  laBt.  Beispiele  akkordischer 
Themenbildungen  lassen  sich  selbstverstandlich  auch  aus  der  italienischen 
Musik  zu  Hunderten  beibringen,  es  mag  indessen  geniigen,  wenn  auf  die 
vollige  Internationalist  dieses  Kunstmittels  hingewiesen  wird. 

Mit  einigem  Rechte  nimmt  dagegen  Riemann  fur  Mannheim  in  Anspruch 
die  Verzierung  eines  Tones  durch  diatonische  Bewegung  bis  zur 
Terz  und  wieder  zuriick.  Allerdings  ist  Stamitz  nicht  der  E Hinder  dieser 
Floskel,  sie  findet  sich  nicht  nur  sehr  oft  bei  Jommelli,  sondern  auch  bei 
alter  en  Italienern.  Trotzdem  muB  man  zugeben,  daB  sie  nicht  so  allgemein 
tiblich  ist  wie  die  ubrigen  angeblichen  Mannheimer  Manieren.  DaB  darum 
die  Mannheimer  Sinfonieen  >schnippischer«,  »tandelnder«  waren  als  die 
italienischen,  wird  man  kaum  sagen  konnen:  grassierten  doch  in  Italien  wo- 
rn oglich  noch  mehr  »schnippische  Tandeleien«,  nur  eben  gerade  nicht  in 
diese  melische  Formel  gebannt.  Ich  gebe  einige  Beispiele,  in  denen  diese 
Floskel  bei  Vor-Mannheimern  gebraucht  wird,  doch  mit  dem  ausdrucklichen 
Bemerken,  daB  es  sich  um  keine  italienische  Manier  handelt. 

14.  Caldara,  S.  Elena  di  Calvario. 

Aria  »A1  fulgor  di  queata  face«. 


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15.  Galuppi,  Berenice. 


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16.  Jomelli,  Sinfonia  (7-dur.» 


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8.  d.  DIG.   X. 


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312 


Lucian  Kamienski,  Mannheim  und  Italien. 


17.  ibidem,  2.  Thema. 


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>Der  kurze  Doppelschlag  (Mordent)  mit  vorausgeschickter  Ober- 
sekunde  iiber  isolierten  Notenc  gehort  wiederum  vollig  in  den  Bereich 
der  Italianismen.     Beispiele: 


Hasse,  II  Cantico  dei  tre  fanciulli. 


Jommelli,  Sinfonia  Z>-dur,  3.  Satz. 


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Die    Stauung    und    »kiinstliche    Hemmungc    von    Schlussen    in 
der  Art,  wie  die  Riemann'schen  Beispiele  sie  darstellen: 

Stamitz,  C-dur-Trio,  1.  Satz. 


Stamitz,  ^1-dur-Trio,  2.  Satz. 


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haben  allerdings  etwas  Eigenttimliches.  Die  italienische  Schluflstauung  ist 
anders  geartet:  sie  spannt  den  Dominant-  oder  einen  andern  Septimen-Akkord 
oft  gewaltig  weit,  bis  die  Aunoaung  in  den  Quartsextakkord  oder  die  Tonika 
erfolgt  und  den  schnellen  Abfall  zur  Kadenz,  auslost.     Z.  B.: 


Hasse,  Flotenkonzert  //-moll,  1.  Satz. 


In  den  zitierten  Mannheimer  Beispielen  reicht  dagegen  die  Hemmuug  bis 
in  die  Kadenz  binein.  Doch  kommen  solcbe  Schlusse  zu  selten  vor,  am  der 
gunzen  Scbule  ein  Stigma  zu  geben.  Die  meisten  Mannheimer  Schlusse  sind 
gut  italienisch  und  konnen  auf  Neuheit  keinen  Anspruch  machen. 

Die  in  Mannheim  ofters  vorkommenden,  von  Biemann  betonten  Ian  gen 
Theme nkopfe,    denen   dann    meisthin    eine   schnelle    Bewegung    folgt,    eine 


Lucian  Kamienski,  Mannheim  und  Italien. 


31? 


Spannung  and  Losung  im  Thema,  sind  ein  zu  alien  Zeiten  nachweisb&rer 
Gemeinplatz,  der  natttrlich  auch  in  der  italienischen  Musik  des  18.  Jahr- 
hunderts  nicht  fehlt.  Ich  glaube  aber  sowohl  in  diesem  wie  in  noch  einigen 
andern  helanglosen  Fallen  auf  Belege  verzichten  zu  dtirfen  mit  demselben 
Hinweis,  den  ich  bei  den  »Mannheimer  Raketen*  machte.  Nur  zu  den 
Mannheimer  Tremolis  » mit  herausspringenden  Funken*  seien  ein 
paar  italienische  Gegenstticke  zitiert: 

Hasse,  II  Cantico  dei  tre  fanciulli. 
Aria  >Neghittoae « . 


ibidem. 


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Jommelli,  Sinfonia  G-dur,  1.  Satz. 


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Jommelli,  Sinfonia  D-dur,  1.  Satz. 


Ich  komme  nunmehr  zu  derjenigen  Manier,  die  Riemann  fur  den  Kern 
des  » Mannheimer  gout*  ansieht,  und  gegen  deren  Monopolisierung  bereits 
Heufi  in  seinem  Aufsatze  Stellung  genommen  hat.  Mogen  die  Noten  sagen, 
was  dazu  zu  sagen  ist.  Zuvor  sei  nur  noch  bemerkt,  da£  weitere  Beispiele  von 
>Mannheimer  Vorhalten«  in  Italien  mit  vollen  Handen  geschopft  werden 
konnen,  und  daB  es  sich  im  wahren  Sinne  urn  eine  italienische  Manier, 
d.  h.  eine  ohne  weitere  Veranlassung  und  oft  sogar  ohne  innere  Berechtigung, 
jedenfalls  aber  ausgiebig  gebrauchte  Formel  handelt.  Uber  den  italienischen 
Ian  gen  Vorhalt,  wie  er  den  weitesten  Kreisen  durch  die  Werke  Handels 
bekannt  geworden  ist,  und  uber  die  damit  zusammenhangende  Neigung  des 
Italieners  zum  Portamento,  namentlich  in  der  Kadenz,  brauche  ich  wohl  kein 
Wort  zu  verlieren.  Der  angebliche  »Mannheimer  Seufzer«  aber  ist  im 
Grunde  nichts  anderes  als  ein  nxiertes  Portamento: 

21* 


314  Lucian  Kamienski,  Mannheim  und  Italien. 

Vinci,  Sinfonia  D-dur. 


Leo,  S.  Elena  al  Calvario. 
Aria  »In  te  s'ascosec. 


^Sto^n^  f  i  g  f  ijgj 


Hasse,  Danielle 

Aria  »Trono  e  scettro*. 


Xrhjji  Witt? 


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ibidem. 

Aria  >Compiacer  e  lnsingar«. 


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Hasse,  Serpentes  in  deserto. 
Aria  >Coeli  audite* 


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lam       pa  -  ra_ 
ibidem,  Aria  > Dolor e  pleni*. 


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Hasse,  II  Gantico  dei  tre  fanciulli. 

Aria  >Tutte  all'  invito*. 

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ib.,  u.  Serpentes 
Sinfonia,  1.  Satz, 


Lucian  Kamienski,  Mannheim  and  Italien. 


315 


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Hasse,  S.  Elena  al  Galvario. 
Aria  »Baggio  di  luce*. 

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Hasse,  Flotenkonzert  A-moll,  2.  Satz. 


ibidem. 

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ib.,  1.  Satz. 

JC,^     '#  r     r^ — f— 

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ib.,  3.  Satz. 


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Carcani,  Trio  Z>-dur. 


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Jommelli,  Sinfonia  (7-dur. 


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316  Lucian  Kamienski,  Mannheim  und  Italien. 

Ich  glaube,  diese  wenigen  Beispiele  gentigen,  urn  klarzustellen,  dafi  zwi- 
schen  dem  Stil  der  Mannheim er  Sinfonieen  and  allem,  was  vorher  komponiert 
wurde,  namentlich  dem  vorherrschenden  italienischen  Geschmacke,  durchaus 
keine  Kluft  besteht.  Zum  Beweise,  dafi  diese  Beispiele  nicht  etwa  sorg- 
faltig  herausgelesene  Einzelfalle  sind,  sondern  wesentliche  Stileigentumlich- 
keiten  darstellen,  mache  ich  darauf  aufmerksam,  daB  schon  in  so  wenigen, 
auf  gut  Gltick  herausgegriffenen  Exempeln  die  einzelnen  Manieren  sich  ver- 
quicken:  verschiedene  von  diesen  Belegen  konnen  geradezu  als  typisch  fur 
zwei  und  mehr  Manieren  zugleich  bezeichnet  werden. 

Es  bleibt  danach  wenig  vom  Mannheimer  Stil  Ubrig,  was*  nicht  auch 
italienischer  Stil  ware,  von  >  Mannheimer  Seufzern*,  » Mannheimer  Rake  ten* 
u.  dgl.  wird  man  schwerlich  mehr  reden  dttrfen.  Die  beiden  zur  Not  iibrig- 
bleibenden  Merkmale  (der  Terz-Mordent  und  m.  E.  die  Stamitzische  SchluB- 
hemmung)  sind  kaum  mehr  als  lokale  und  individuelle  Besonderheiten ,  auf 
einen  historisch  bedeutenden  >gout<  diirfen  sie  jedenfalls  keinen 
Anspruch  machen.  "Wie  ist  aber  dann  der  Brief  Leopold  Mozarts  zu  er- 
klaren,  an  dessen  Kompetenz  auch  Heufi  nicht  zu  rutteln  wagt?  Ich  meine, 
wo  Noten  und  Theorie  in  Kollision  kommen,  soil  man  ohne  Bedenken  den 
ersteren  glauben,  sind  sie  doch  das  Urspriingliche ,  Originare.  Es  handelt 
sich  um  ein  Objekt,  liber  das  ein  Zeitgenosse  immer  leichter  falsch  als  richtig 
urteilt,  es  sei  nun  Leopold  Mozart  oder  wer  sonst.  Die  gelegentlichen 
AuBerungen  einiger  Zeitgenossen  iiber  einen  » Mannheimer  gout*  zwingen 
ebensowenig  zur  Annahme  eines  besonderen,  neuen,  charakteristisch  in  sich 
geschlossenen  Stils  wie  etwa  heute  das  Gerede  einiger  schlagwortsiich tiger 
Tageskritiker  iiber  » Berliner  Musikstil*  zu  der  Annahme  eines  wirklicben 
aktuellen  Berliner  Stils  berechtigt.  Man  wird  gut  tun,  hier,  wo  das  Noten- 
material  so  reichlich  vorhanden  ist  und  eine  so  unzweideutige  Sprache  redet? 
die  Mozart'sche  AuBerung,  fur  die  keine  Begriindung  zu  finden  ist,  auf  sich 
beruhen  zu  lassen. 

So  wenig  der  vorstehende  Versuch  dem  Kenner  neapolitanischer  Musik 
Neues  sagen  kann,  hielt  ich  es  doch  fur  wichtig  und  notig,  die  Abhiingig- 
keit  der  Mannheimer  Komponisten  von  Italien  aufs  nachdriicklichste  zu  be- 
tonen.  Denn  die  Verkennung  von  Mannheims  musikhistorischer  Bedeutung 
beginnt  bereits  in  weiten  Kreisen  Verwirrung  anzurichten ,  zumal  eine  Ka- 
pazitat  wie  Hugo  Hiemann  ihr  Sprecher  ist.  Es  sei  fern  von  Uns,  die  tat- 
sachlichen  Verdienste  der  Mannheimer  Schule  schmalern  zu  wollen:  Neben 
ihrer  teilweise  hohen  kunstlerischen  haben  die  Mannheimer  Sinfonieeo 
auch  ihre  historische  Bedeutung,  sie  haben  den  von  den  Italienern  —  die 
ja  par  excellence  Vokalkomponisten  waren  —  ubernommenen  Stil  erst  recht 
eigentlich  ins  Instrumental  iibertragen,  sie  haben  mehr  deutsche  Ele- 
mente  in  die  Homophonie  der  italienischen  Sinfoniemusik  gebracht,  vor  allem 
imitatorisch  interessantere  Durchfiihrungen  und  pragnantere  zweite  Themen, 
doch  von  einschneidenden  Neuerungen  kann  bei  ihnen  keine  Rede  sein. 
Stilistisch  wie  auch  formal  segeln  sie  vollkommen  im  neapolitanischen  Fahr- 
wasser  und  unterscheiden  sich  von  der  zeitgenossischen  und  voraufgehenden 
italienischen  Schreibart  nur  durch  solche  Merkmale,  die  den  Deutschen  dem 
Italiener  gegenuber  immer  und  notwendig  charakterisieren  miissen.  Wer 
einmal  in  Scheibe's  >critischem  Musikus«  herumgeblattert  hat,  weiB  auch 
ohne  Kenntnis  des  Notenmaterials  von  der  Pravalenz  des  » italienischen  Styls< 
in  Deutschland  in  der  ersten  Hiilfte  des   18.  Jahrhunderts,  weiB,  daB  damals 


Max  Seiffert,  Curt  Sachs:  Musikgeschichte  der  Stadt  Berlin  usw.         317 

>die  deutsche  Musik  das  meiste  yon  den  Auslandern  entlehnet  hat,  und  sich 
nur  durch  eine  fleiflige  Arbeit,  regelmafiige  Ausftihrung  der  Satze  und  duroh 
die  Tiefsinnigkeit  unterscheidet ,  die  sie  in  der  Harmonie  anwendet.«  Die 
Verzeichnisse  der  Opern-  und  Oratorienauffiihrungen  in  Deutschland  belehren 
una,  dafi  bis  ins  letzte  Yiertel  des  Jahrhunderts  hinein  Italien  auf  diesen 
Gebieten  die  vollige  Oberhand  hatte,  Oper  und  Oratorium  aber  iibertonten 
damals  alles,  was  sonst  komponiert  wurde,  wie  das  tiberwiegende  Interesse 
beweist,  das  ihnen  die  im  Entstehen  begriffene  musikalische  Zeitschriften- 
literatur  entgegenbringt.  Pie  Herrschaft  des  italienischen  Stils  war  um  so 
grofler,  als  in  erster  Keihe  gerade  deutsche  Meister  wie  Hasse,  Graun  und 
der  Hamburger  Bach  ihn  ihren  Landsleuten  vermittelten.  Kein  Wunder, 
dafi  sowohl  die  Mannheimer  wie  die  Wiener  Sinfonieschulen  einschliefilich 
der  »Klassiker<   in  seinem  Banne  aufwuchsen. 

Es  ist  natiirlich  kein  Grund  vorhanden,  sich  der  starken  italienischen 
Einfltisse  auf  die  deutsche  Musik  des  18.  Jahrhunderts  und  die  Wiener 
Klassiker  zu  schiimen,  im  Gegenteil,  wenn  an  der  s  wir  sie  »an  ihren  Eriichten 
erkennen  sollen«,  sind  sie  der  denkbar  beste  Samen  gewesen,  der  auf  deutschen 
Boden  fallen  konnte,  alle  deutschen  musikalischen  Grofimeister,  Schtitz,  Bach, 
Handel,  Hasse,  Haydn,  Mozart,  Beethoven,  Wagner,  sie  alle  und  zahllose 
kleinere  Meister  sind  von  Italien  befruchtet  worden.  Deutschland  sollte 
darum  vielmehr  mit  Dankbarkeit  nach  Italien  blicken,  dem  es  so  viel  Initiative 
verdankt,  ebenso  wie  Italien  nach  Deutschland,  das  die  italienischen  Propheten 
erfullt  hat.  Die  Aufgabe  ktinftiger  Eorschung  wird  es  danach  sein,  mit  der 
»pars  pro  toto«,  sie  heifle  nun  Mannheim  oder  Wien,  aufzuraumen,  und  statt 
in  einer  unerquicklichen  Guerilla  um  Einseitigkeiten  unnotig  Krafte  zu  ver- 
geuden,  den  Stil  der  Wiener  Klassiker  an  Italien  und  sonderlich  Deuts ch- 
it alien  anzuknlipfen. 


Curt  Sachs;  Musikgeschichte  der  Stadt  Berlin  bis  zum 

Jahre  18001). 

Besprochen  von  Max  Seiffert  (Berlin). 

Wer  das  neue  Buch  von  Sachs  zur  Hand  nimmt,  tut  gut,  von  vornherein 
seine  Erwartungen  nicht  zu  hoch  zu  spannen.  Was  der  stolze  Haupttitel 
verheiBt,  erfullt  der  Buchinhalt  nicht.  Weit  entfernt  von  der  Absicht,  den 
WellenBchlag  der  allgemeinen  Musikgeschichte  in  der  aufstrebenden  nord- 
deutschen  Haupt-  und  Residenzstadt  zu  beobachten,  die  eigenartigen  Erschei- 
nungen  des  musikalischen  Lebens  am  Hofe,  in  Kirche,  Schule  und  Haus 
einzeln  in  ihrer  Entwickelung  zu  verfolgen  und  historisch  zu  bewerten,  be- 
schrankt  sich  Sachs  darauf,  das  st'adtische  Musikwesen  Berlins  bis  1800 
in  seiner  iiufieren  Gliederung  zu  beschreiben.  Seine  Darstellung  erstreckt 
sich  nicht  weiter,  als  es  der  Untertitel  besagt:  »Stadtpfeifer,  Kantoren  und 
Organisten  an  den  Kirchen  stadtischen  Fatronats  nebst  Beitragen  zur  allge- 
meinen Musikgeschichte  Berlins  >. 

Sieht  man  von  der  ungerechtfertigten  Fratension  des  Haupttitels  ab,  so 
darf  das  Buch  im  ganzen  als  ein  erfreulicher  Zuwachs  zu  den  bis  jetzt  nicht 

1)  Berlin,  Gebriider  Paetel,  1908.    225  S.  80,   8  Jt. 


318  Max  Seiffert,  Curt  Sachs:  Musikgeschichte  der  Stadt  Berlin  usw. 

allzu  reichlich  vorhandenen  lokalgeschichtlichen  Forschungen  willkommen  ge- 
heiBen  werden.  Es  tritt  den  fruhereri  Darstellungen  Friedlaender's  (Do- 
kumente  zur  Geschichte  der  kurfurstlichen  Kapelle  zu  Berlin),  Schneider's 
(Geschichte  der  Oper  und  des  Kgl.  Opernhauses  zu  Berlin)  und  v.  Le de- 
bur's  (Tonkiinstler-Lexikon  Berlins)  erganzend  und  berichtigend  zur  Seite, 
indem  es  auf  die  Organisation  des  stadtischen  Musikwesens  den  Blick 
lenkt.  Mit  anerkennenswertem  FleiBe  hat  Sachs  die  archivalischen  Quellen 
aufgesucht  und  durchgearbeitet:  die  stadtischen  Rechnungsbucher ,  die  Hats- 
protokolle,  die  Btirgerbticher,  die  auf  Kirch  en  und  Schulen  beziiglichen  Akten. 
Die  Darstellung  der  Ergebnisse  ist  klar  und  ubersichtlich  angelegt.  Die 
Dienst-  und  wirtschafUichen  Yerhaltnisse  der  Stadtpfeifer,  Kantoren  und 
Organisten  gehen  voran;  ihnen  folgen  biographische  Notizen  iiber  die  ein- 
zelnen  Manner,  chronologische  Tabellen  schlieBen  sich  an,  Nachpriifung  alles 
Oesagten  verstatten  die  im  Anhang  vollstandig  mitgeteilten  Aktenauszuge, 
mehrere  Register  endlich  ermoglichen  das  bequeme  Auffinden  aller  Details. 
Des  Nutzens,  den  jede  Archivforschung  mit  sich  bringt,  erfreuen  wir  uns 
auch  in  diesem  Falle.  Es  kommt  eine  Menge  unbekannter  Namen  wieder 
ans  Tageslicht,  bei  bekannten  vergroBern  sich  die  Spuren  ihrer  einstigen 
Tatigkeit,  langst  vergessene  Yerhaltnisse  treten  fur  die  vergleichende  For- 
schung  wieder  in  einen  bestimmten  Gesichtswinkel. 

Neben  diesen  Vorztigen  fehlt  es  freilich  auch  nicht  an  erheblichen  M angel n. 
So  erscheinen  mir  die  Verhaltnisse  der  Stadtpfeifer  in  der  ersten  Zeit  noch 
nicht  genligend  geklart.  S.  26  behauptet  Sachs,  daB  der  Name  » Stadt- 
pfeifer «  zum  ersten  Male  1607  vorkomme,  wahrend  die  Regesten  Nr.  7  ihn 
bereits  fur  1590  bezeugen  (vgl.  auch  Nr.  2  von  1573).  Der  altere  Name 
war  >Hausmann«.  Daneben  gebraucht  Sachs  von  S.  30  an  ohne  weitere 
Erklarung  in  gleicher  Bedeutung  die  Bezeichnung  »Kunstpfeifer«,  die  ich 
aktenmaBig  von  1629  an  nachweisen  kann.  Ich  halte  es  zunachst  fur  frag- 
lich,  ob  Stadt-  und  Kunstpfeifer  als  identisch  zu  betrachten  ist.  Neben  den 
Stadtpfeifern  gab  es  anderwarts,  z.  B.  in  Leipzig  und  Hamburg,  noch  andere, 
gleichfalls  organisierte  Spielleute,  die  geringere  Rechte  und  Einkiinfte  be- 
saBen,  aus  deren  Beihen  aber  Abgange  bei  den  Stadtpfeifern  ersetzt  warden. 
In  Leipzig  hieBen  diese  »Kunstgeiger«.  Ahnliches  kann  sehr  wohl  auch  in 
Berlin  der  Fall  gewesen  sein. 

Bei  der  Biographic  des  Kantors  M.  H.  Fuhrmann  (S.  193  ff.)  hatte 
Sachs  sich  die  kleine  Muhe  nicht  verdrieBen  lassen  sollen,  dessen  Schriften 
etwas  genauer  anzuschauen.  Sie  enthalten  doch  manches,  was  seiner  Dar- 
stellung Milieutreue  hatte  geben  konnen.  Ich  hole  diese  Yersaumnis  nach. 
Aus  der  »Musicalischen  Strigel*  geht  hervor,  daB  Fuhrmann  bereits  als 
Gymnasiast  1690  in  Berlin  gewesen  ist.     Er  erzahlt  hier  S.  22: 

>Al8  ich  noch  1690  in  castris  Musanim  B.  als  ein  gregarius  miles  dienete,  war 
daselbst  die  bestandige  observa?ix,  daB  wenn  einer  von  uns  Commiliiibus  veterams 
nach  Athen  an  der  Pie i Be  [Leipzig],  oder  an  der  Saal  &c.  [Halle]  zog,  die  zurQck- 
bleibende  dem  weggehenden  zu  Ehren  einen  Bogen  Verse  drucken  liessen,  welche 
zumahl  wenn  es  Teutsche,  mancher  von  uns  Mu6icis  in  eine  Musicalische  Arie  oder 
Synfonie  einkleidete,  und  solche  Composition  vor  dem  Druck  dem  Cantori  zur  Censur 
ubergab,  und  ward  diese  Aria  alsdenn  bey  der  Oratione  Valedictoria  des  abgehen- 
den,  praescntibus  Collegis  superioritms  in  prima  Classe  musicirt.  Ich  habe  zu  der  Zeit 
mit  meinen  CommiUtonibtis  Musicis  unserm  damal.  Cantori  Mariano,  M.  P.  H.  manch 
elaborirt  Exercitium  Musicum  zur  Censur  gebracht,  welches  er  uns  (ungeachtet  der 
seelige  Mann  instar  Midi  Mariani  den  gantzen  Tag  seine  voile  Arbeit  hatte)  auch 


Max  Seiffert,  Curt  Sachs :  Musikgeschichte  der  Stadt  Berlin  usw.         319 

gerne  durchsahe  und  emendirte,  so  ihm  noch  zum  Ruhm  in  der  Gruben  nach- 
schreiben  muB.« 

Kantor  an  St.  Marien  war  zu  der  Zeit  Magnus  Peter  Henningsen.  Somit 
kann  mit  der  Musenstadt  nur  Berlin  gemeint  sein.  Weitere  Bestatigung 
erfahrt  diese  Tatsache  durch  eine  andere  Stelle  derselben  Schrift  (S.  21), 
wo  Fuhrmann  des  Nikolaiorganisten  Fr.  Gottlieb  Klingenberg  riihmend 
gedenkt: 

»Ich  habe  auf  solche  Art  vor  andern  dem  Stettinischen  Orpheus  an  der  St. 
Jacobi  Eirchen  (als  er  noch  bey  uns  in  Berlin  war)  dem  theuren  Herrn  Klingen- 
bergen  in  meinen  Schuler-Jahren  mein  wenig  Clavir-Spielen  vom  blossen  Zuhbren 
des  Sonntags  mehr  abgeetohlen  als  abgelernet,  weil  andere  Arbeit  mich  von  dessen 
Privat'Information  abhielte.  Und  habe  Anno  1695,  da  ich  von  meiner  Soldinischen 
Orgel  zum  Cantorat  wieder  in  Berlin  kam,  und  ihn  zuweilen  auf  der  Orgel  httren 
konte,  mich  alsdenn  so  glticklich  geschatzt ....  Denn  wenn  er  auf  die  Orgel  kam, 
so  hOrete  man  wunder,  alles  war  Geist  und  Leben,  wie  bey  alien  Music- Verstan- 
digen  hier  noch  in  unvergeftlichen  Andencken.< 

Diese  AuBerung  Fuhrmann's  durfte  bei  der  Erwahnung  Klinge nb erg's 
-(Sachs  S.  163)  ebensowenig  iibergangen  werden,  wie  der  Nachweis,  daB  dieser 
«in  Schuler  Buxtehude's  war  (Fuhrmann,   »Satanscapelle«,  S.  32). 

Von  Berlin  ging  Fuhrmann  auf  die  TJniversitat  Halle,  wo  er  1692  Z  a  chow 
oft  in  der  Kirche  spielen  horte  (»Satanscapelle«,  S.  55). 

Musikgeschichtlich  von  Interesse  ist  endlich  Fuhrmann's  Bemerkung  im 
•Musicalischen  Trichter*,  S.  78: 

»  .  . .  wie  ich  denn  an  nieinem  wenigen  Ort  gern  die  1.  Violin  zum  wenigsten 
zweymal  besetzt  oder  mit  einer  Hautbois  zu  beseem  Nachdruck  sccundiren  lassen 
pflege.« 

und  seine  Erzahlung  yon  dem  Auftreten  der  Veldischen  Schauspielertruppe 
in  Berlin  ( » Satanscapelle «  S.  77)  und  von  seiner  Beise  nach  Leipzig,  wo  er 
Seb.  Bach  horte  (ebenda,  S.  32). 

Das  Berliner  Magistratsarchiv  gewahrt  hinsichtlich  des  16.  und  teilweise 
auch  des  17.  Jahrhunderts  nur  diirftige  Ausbeute.  So  wundert  man  sich 
nicht,  wenn  die  Tabellen  da  erhebliche  Liicken  aufweisen,  die  Zeitgrenzen 
nicht  immer  genau  gegeben  werden  und  hinsichtlich  der  Zugehorigkeit  ein- 
zelner  Personen  Bedenken  bestehen  bleiben.  Aber  man  mufi  es  Sachs  als 
eine  schwerwiegende  Unterlassung  anrechnen,  daB  er  die  Benutzung  der- 
jenigen  Hilfsmittel  'versaumte,  die  in  alien  Fallen  solchen  Versagens  voll- 
standige  Klarheit  verschaffen  konnten.  Sachs  hat  die  samtlichen  Per- 
sonallisten  der  Kirchen,  die  Tauf-,  Trau-  und  Totenregister 
nicht  benutzt.  An  St.  Nikolai  beginnen  die  Tauf-  und  Totenbiicher  1583, 
die  Traubiicher  1650,  an  St.  Marien  die  Trau-  und  Totenbiicher  1583,  die 
Taufbucher  1598,  die  Tauf-  und  Traubiicher  der  Garnisonkirche  1672,  die 
Totenbiicher  1708,  die  Traubiicher  der  Petrikirche  1680,  in  der  Parochial- 
kirche  1703  usw.  Man  kann  aufschlagen,  wo  man  will:  uberall  sind  auch 
die  Musiker  mit  Freude  und  Leid  ihres  Familienlebens  anzutreffen.  Die 
Xirchenbiicher  erzahlen  uns  alles,  was  die  die  Magistratsakten  gefuhllos  ver- 
schweigen.  Es  kann  meine  Aufgabe  nicht  sein,  hier  das  von  Sachs  Ver- 
saumte  nachzuholen.  Nur  an  einzelnen  Beispielen,  die  mir  bei  gelegentlichem 
Suchen  nach  anderen  Dingen  zufallig  gerade  in  den  Weg  kamen,  mochte  ich 
zeigen,  wie  reich  an  positiven  Ergebnissen  fur  Sachs  diese  Untersuchung 
hatte  werden  konnen. 


320  Fr.  Ludwig,  Joh.  Wolfs  Ausgabe  der  Welti.  Werke  H.  Isaac's 

Yor  Paul  Nieresen  fiihre  ich  zwei  nicht  genannte  Stadtpfeifer  an:  die 
Witwe  des  sel.  Meister  Heinichen,  des  Kunstpfeifers  wird  am  2.  Febr. 
1629  begraben,  im  Jahre  1634  stirbt  dem  Kunstpfeifer  David  ein  'Kind 
(St.  Nikolai). 

S.  151  reiht  Sachs  unter  den  ersten  Nikolaikantoren  Andreas  Fischer 
ein,  der  1588  zuerst  in  den  Magistratsakten  genannt  wird.  Die  Kirchen- 
blicher  verzeichnen  dagegen  eineu  Andreas  Fischer,  Organist  an  St.  Marien, 
der  am  26.  Mai  1623  heiratete.  Die  Richtigkeit  der  Angabe  bestatigt  das 
Taufregister  von  1639.  Bei  Anlegung  dieses  Bandes  waren  Kirch enbeamte : 
der  Kantor  Christopher  Hiibner  Latidsbcrgensis  und  der  Organist  Andreas 
Fischer  Berolinensis.  Hiibner  (Sachs  S.  167)  starb  am  25.  Dez.  1646  (Register 
von  St  Marien).  Am  28.  Dez.  1648  wurde  begraben  Balthasar  Frembken, 
Kantor  an  St.  Georg;  sein  Nachfolger  ist  ein  Buts  (Busse)  (Register  von 
St.  Nikolai). 

Und  so  geht  es  fort.  Alle  fehlenden  Personalien  sind  auf  diese  einfache 
Weise  zu  erganzen;  mancherlei  Beziehungen  der  Musiker  untereinander  und 
nach  auswarts  (Taufregister)  werden  dabei  noch  aufgedeckt.  Hatte  Sachs 
diesen  Weg  nicht  gescheut,  diirften  wir  uns  eines  Buches  erfreuen,  daa  we- 
nigstens  die  archivalischen  Quellen  iiber  die  stiidtischen  Musiker  Berlins  er- 
schopfte.  So  aber  ist  leider  noch  ein  recht  ansehnlicher,  ja  der  wichtigste 
Teil  dieser  Aufgabe  zu  leisten.  Am  besten  ware  es,  der  Verfasser  machte 
den  Fehler  selbst  gut;  die  Sammelbande  stehen  ihm  fur  diesen  Zweck  gern 
zur  Yerfugung. 


JoL  Wolf's  Ausgabe  der  Weltlichen  Werke  H.  Isaac's* 

Besprochen  von  Friedrich  Ludwig  (StraCburg  i.  E.). 

Als  2.  Band  der  im  Rahmen  der  »Denkm'aler  der  Tonkunst  in  Osterreich*  ge- 
plan  ten  Gesamtausgabe  der  Werke  H.  Isaac's  liegen  jetzt  Isaac's  Weltliche 
Werke  (Jahrgang  XLV,  Teil  1,  Wien,  Artaria  &  Co.  1907,  XV  und  206  Seiten)  von 
Joh,  Wolf  sorgfaltig  gesammelt  und  redigiert  vor.  Waren  bisher  in  moderner  Partitur- 
ausgabe  nur  etwa  die  H'alfte  der  deutschen  mit  vollem  Text  iiberlieferten  Lieder  und 
aus  dem  Umfang  des  sonstigen  Schaffens  Isaac's  auf  weltlichem  Gebiet  nur  gans 
wenige  Proben  zuganglich,  so  bringt  die  Gesamtausgabe  der  weltlichen  Werke  jetzt 
nicht  weniger  als  22  Lieder  mit  deutschen  Texten  (unter  ihnen  3  geistliche  Lieder. 
die  hier  mit  Recht  den  iibrigen  deutschen  Liedern  gleich  angegliedert  sind),  6  mit 
franzosischen ,  10  mit  italienischen  und  5  mit  lateinischen  Texten;  ferner  41  Satze, 
denen  in  der  tberlieferung  nur  der  Textanfang  oder  eine  sonstige  Bezeichnung  als 
tjberschrift  mitgegeben  ist,  und  17,  denen  auch  diese  Uberschrift  fehlt,  beide  von 
Wolf  als  Gruppe  der  >Instrumentalsatze«  Isaac's  zusammengefaGt;  weiter  7  fragliche 
AVerke  und  endlich  29  Orgel-  und  Lau  ten  tabu  laturen ,  mit  2  Ausnahmen  von  Isaac1- 
schen  S'atzen,  die  die  bedeutende  Rolle  zeigen,  die  Isaac  >in  der  Hausmusik  des 
16.  Jahrhunderts*  spielte. 

Die  Hauptquellen  fur  die  deutschen  weltlichen  Lieder  sind  von  Druckwerken,  wie 
bekannt,  Ott's  Liederbucli  von  1544,  das  auch  die  Texte  unversehrt  iiberliefert;  von 
Handschriften  namentlich  die  Liederbiicher  in  Basel  (F.  X.,  1—4),  in  Miinchen  (Univ.- 
Bibl.  328—331 ,  in  Regensburg  (Prosko  D  XII;  und  in  Wien  (cod.  18810; ,  in  denen 
leider  der  groCte  Teil  der  meist  vierstimmigen  Siitze  des  vollstandigen  Testes  er- 
mangelt,  so  daG  diese  Werke  dann  als  Instrumentalstucke  erscheinen,  was  sie  ihrer 
Anlage   und  ihrer  urspriinglichen  Bestimmung  nach  in  der  Kegel  nicht  sind;   somit 


Fr.  Ludwig,  Joh.  Wolfs  Ausgabe  der  Welti.  Werke  H.  Isaac's.  321 

fcind  sie  fur  uns  in  ihrer  reinen  urspriinglichen  musikalisclien  Form  nicht  erhalten  und 
meist  nicht  mehr  herstellbar. 

Die  wenigen  franzosischen  Lieder  iiberliefert  fast  alle  die  schon  von  Kade  zur 
Herausgabe  einiger  Isaac-Stiicke  benutzte  pracbtige  Florentiner  Handschrift  Magi.  19, 59, 
die  im  ubrigen  eine  Reihe  textloser  und  12  auch  titellose  Xompositionen  beisteuert, 
von  denen  bisher  nur  2  (in  Wolfs  Ausgabe  E  3  und  26)  sich  aus  anderen  Quellen 
wenigstens  ihrer  Uberschrift  nach  bestimmen  lieCen. 

Die  italienischen  Lieder,  unter  ihnen  ein  Text  von  Poliziano  und  einer  von  Lo- 
renzo M agnifico,  stehen  meist  in  der  leider  durch  Wasser  stellenweis  sehr  beschadigten !) 
Handschrift  Magi.  19,  141,  von  deren  origineller  Schriftanordnung  (die  Sanger  muBten 
beim  Einuben  der  Lieder  einander  gegeniiberatehen)  E.  Levi  (Lirica  Ital.  antica  1906, 
S.  219)  eine  Faksimileprobe  gibt.  Auf  Wolfs  bemerkenswerten  Nachtrag,  besonders 
die  italienischen  Quellen  betreffend  (Zeitschrift  8,  360  f),  brauche  ich  die  Leser  dieser 
Zeitschrift  nur  hinzuweisen. 

Die  lateinischen  Ges'ange  sind  die  beiden  schonen  Trauermotetten  auf  Lorenzo's 
Tod  1492,  vor  allem  im  Codex  Magi.  19,  68  iiberliefert,  der  Prachtstucke  der*  ernsten 
Kunst  namentlich  aus  dem  Ausgang  des  15.  Jahrhunderts  enth'alt,  wie  sie  in  Florenz 
gepflegt  wurde,  freilich  fast  ausschlieClich  Werke  von  Nicht-Italienern  —  (Der  Text  Quis 
dabit  capiti  meo  aquam,  dessen  Anfang  sich  an  Jeremias  9,  1,  liturgisch  als  Respon- 
aorium  in  Dominica  Passionis  verwendet,  und  an  eine  bekannte  mittelalterliche  Marien- 
klage  Chevalier,  Repert.  hymnol.  No.  32569  anlehnt,  stammt  von  Polizian;  vgl.  die 
Ausgabe  der  Prose  volgari  Polizian's  von  del  Lungo  1867,  S.  274  und  A.  v.  Reumont, 
Lorenzo  de'  Medici  II2  S.  424.  Der  Text  Quis  dabit  pacem  popido,  iiber  den  die  ge- 
nannte  Handschrift  auch  eine  leider  nur  textlos  aufgezeichnete  Komposition  de  la 
Rue's  enth'alt,  ist  bis  quiescant  Vers  1541 — 1546  und  Vers  1580—1686  der  Totenklage 
des  Chors  um  Herkules  in  dem  unter  Seneca's  Namen  uberlieferten  Herkules  Oetaeus 
entnommen;— ;  ferner  zwei  auf  Maximilian  bezugliche  Werke  aus  der  Baseler  Isaac-Hand- 
schrift  F.  IX.  55 ;  endlich  eine  auf  bekannte  weltliche  Motive  aufgebaute  Motette  der 
Florentiner  und  einer  St.  Galler  Handschrift  Substinuimus  pacem,  die  besser  fur  den 
Motettenband  aufgespart  geblieben  ware,  da  ihr  Text,  der  ubrigens  mehrfach  koxnpo- 
niert  ist  —  bis  peccafa  nostra  ist  es  der  Text  eines  Jeremias  14,  19.  20  entnommenen 
Responsoriums  —  keine  historischen  Beziehungen  voraussetzt. 

AuCer  den  beiden  Lorenzo -Motetten,  deren  Uberlieferung  auch  in  der  Hand- 
schrift Cortona  Wolf  S.  171  mit  V  versieht,  steht  in  Cortona  auch  eine  Komposition 
von  Substinuimus ,  hochstwabrscheinlich  Isaac's  Werk  iiber  diesen  Text.  Zu  der 
Sopran-  und  Altstimme  Cortona  95  und  96  ist,  was  Wolf  uberaieht,  auch  das  Tenor- 
heft  bekannt.  Es  ist  die  Handschrift  Paris  Bibl.  nat.,  nouv.  acq.  fran£.  1817;  vgl. 
O.  Grober.  >Zu  den  Liederbiichern  von  Cortona<  in  der  Zeitschrift  tiir  romanische 
Philologie  XI  (1887),  S.  371  ff.,  wo  der  gesamte  Text  der  Pariser  Handschrift  abge- 
druckt  ist  und  in  der  Einleitung  dazu  eine  Anzahl  verwandter  Handschriften  nach 
ihrer  inhaltlichen  Seite  genauer  untersucht  sind. 

Unter  den  textlos  uberlieferten  Kompositionen  befindet  sich  eine  im  Vergleich 
znm  kleinen  Repertoire  der  franzosischen  textlich  ganz  erhaltenen  Lieder  auffallig 
grofie  Zahl  von  Werken  mit  franzosischen  Textanfangen,  mindestens  18  unter  41,  die 
erg'anzend  zu  jenen  treten  und  zeigen,  wie  intensiv  sich  Isaac  auch  auf  dem  Gebiet 
der  franzosischen  Chanson  bet'atigte.  der  altesten  und  am  meist  en  international  ge- 
pfiegten  weltlichen  Kunstform  jener  Zeit. 

*)  So  fehlt  zu  den  beiden  Oberatimmen  f.  58  verso  Lasso  quel  cKaltri  fugge  mit  dem 
folgenden  Blatt  der  Kontra;  die  von  Wolf  S.  187  miteeteilte,  mit  den  Oberatimmen  nicht 
zu  vereinigende  Kontrastimme  gehort  somit  nicnt  dieser,  sondern  der  folgenden 
Komposition  an,  deren  Oberatimmen  auf  der  verso-Seite  des  verlorenen  Blattes  standen. 

—  Was  die  andere  mit  der  gleichen  Bemerkung  nur  im  Anhang  S.  179  abgedruckte 
Stimme  zu  Ein  frolich  wcsent  angeht,  so  ist  nur  ihre  Transposition  um  eine  Quart 
nach  unten  no  tig,  um  sie  dem  an  sich  selbst'andigen  dreistimmigen  Satz  einzufiigen. 

—  Der  Tenor  von  Es  wait  ein  meydlein  ist  nach  J.  Richter,  Kat.  der  Musiksamml. 
auf  der  Univ.-Bibl.  Basel  (1892)  S.  63  auch  in  Basel  F.  X.  21  f.  67'  mit  dem  Kompo- 
nistennamen  iiberliefert. 


322  Fr.  Ludwig,  Joh.  Wolfs  Ausgabe  der  Welti.  Werke  H.  Isaac's. 

Wahrend  die  feinen  gliicklich  erfundenen  italienischen  Lieder  in  der  Regel  in 
Melodie  und  Satz  ganz  Isaac's  Eigentum  sind,  verwenden  die  deutschen  und  franzo- 
sischen  Kompositionen  bekanntlich  in  grofiem  Umfang  viel  benutzte,  vielfach  altere, 
zum  Teil  volkstiimliche  Weisen,  iiber  die  nahere  Angaben  in  einer  kritischen  Ausgabe 
erwiinscht  sind.  Fur  die  deutschen  Melodien  konnte  sich  Wolf  dabei  auf  den  Hin- 
weis  auf  die  vortrefflichen  Publikationen  dariiber  (Eitner,  Publikationen  der  Gesell- 
schaft  fiir  Musikforschung  IV  und  Monatsbefte  37;  Bohme,  Altdeutsches  Liederbuch; 
Erk-B6hme,  Deutscber  Liederbort  usw.)  beschranken.  Fiir  die  franzosischen  und  die 
wenigen  italienischen,  die  in  diese  Gruppe  gehoren,  fehlt  es  an  den  notigen  Vor- 
arbeiten  leider  noch  fast  ganz.  Um  so  dankenswerter  sind  die  gelegentlichen  Hin- 
weise.  die  in  Publikationen  wie  der  vorliegenden  oder  der  Ausgabe  von  Werken  aus 
den  Trienter  Codices  im  AnschluB  an  einzelne  hier  edierte  Stiicke  gegeben  werden 
und  die  meines  Erachtens  in  Anbetracht  der  schweren  Zuganglichkeit  des  Materials, 
das  in  der  Hauptsache  handschriftlich,  namentlich  in  Florenz  und  Paris,  oder  in  ebenso 
schwer  zuganglichen  friihen  Drucken  iiberliefert  ist,  noch  reichlicher  h'atten  ausfallen 
konnen. 

Willkommen  wird  die  Einsicht  in  diese  Wechselbeziehungen  der  Werke  verschie- 
dener  Meister  untereinander  gefordert  durch  den  im  Revisionsbericht  gegebenen  Ab- 
druck  yon  3  Liedern  aus  Paris  nouv.  acq.  franc..  4379  [J'ay  pris  amours,  Fortuna  de- 
sperata  und  Tart  ara],  deren  Beziehungen  zu  den  entsprechenden  Isaac'schen  Kompo- 
sitionen Wolf  hier  im  einzelnen  darlegt. 

Zur  *MarUnella<  (nach  Wolf  S.  XII :  >H'ammerchen«),  iiber  die  schon  gelegentlich 
der  Herausgabe  der  gleich  betitelten  Komposition  Martinis  aus  den  Trienter  Codices 
Denkm.  VII,  288)  einiges  erwahnt  ist,  bemerke  ich,  daC  die  Florentiner  Kampfes- 
glocke  so  hiefi  (vgl.  z.  B.  R.  Davidsohn,  Geschichte  von  Florenz  II,  1,  1908,   S.  414). 

Von  Quellen  ist  fiir  diese  Gruppe  von  Kompositionen  auCer  den  schon  genannten 
namentlich  eine  romische  im  Archivio  della  Cappella  Giulia  aufbewahrte  Handschrift 
von  Wichtigkeit,  die  bisher  nur  aus  Notizen  HabeiTs  und  VogeFs,  aber  mit  unge- 
nauer  Angabe  der  Aufbewahrungsstelle,  bekannt  war  (Vierteljahrsschr.  3,  252  u.  4,  529). 
Ihr  Eroffnungsstuck  Palle  palle  gibt  Faksimile  II  wieder.  Der  von  Wolf  S.  195  als 
>anscheinend  nicht  erhalten*  bezeichnete  Text  dieses  Liedes  ist  von  Al.  d'Ancona 
wieder  aufgefunden  und  1878  veroftentlicht  (La  poesia  popolare  italiana  S.  55  f.) ;  es 
ist  ein  Preislied  auf  die  Wahl  des  Kardinals  Giovanni  von  Medici  (Leo's  X)  zum 
Papst  1513. 

In  der  Einrichtung  der  modernen  Partitur,  die  die  Originale  philologisch  mog- 
lichst  genau  wiedergeben  will,  schlieCt  sich  Wolf  der  in  den  Denkmalern  ublichen 
Editionsweise  an  in  der  Beibehaltung  der  originalen  Schliissel,  in  der  Wiedergabe  in 
unverkurzten  Notenwerten  und  in  der  meist  nur  sparlichen  Zufiigung  von  Alterations- 
zeichen  iiber  der  Zeile;  in  der  Freihaltung  offenbar  instrumental  gedachter  Unter- 
stimmen  von  Textunterlage  folgt  er  dagegen  mit  Recht  den  Ergebnissen  der  neueren 
Forschung. 

Endlich  die  letzte  Abteilung  der  Ausgabe  sammelt  besonders  aus  Kleber's  und 
Kotter's  Orgeltabulaturbiichern  und  Newsidler's,  Heckel's  und  Ochsenkun's  Lauten- 
biichern  die  Tabulaturbearbeitungen  Isaac'scher  Werke,  zu  denen  eine  Reihe  weiterer 
Orgelintavolaturen  und  ein  selbstandiges  Orgelstiick  aus  der  von  A.  Thiirlings  (Denkm. 
der  Tonkunst  inBayern  III,  2,  S.  XXIII,  vgl.  Anm.  2)  entdeckten  Handschrift  St.  Gallen 
530  kommen,  die  Wolf  im  Anhang  des  nachsten  Isaac-Bandes  der  osterreichischen 
Denkmaler  herausgeben  will. 


Herausgeber:  Prof.  Dr.  Max  Seiffert,  Berlin  AV.,  Gobenstr.  28. 


Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  Grecque  antique. 

Par 

Jean  Marnold. 

(Paris.) 

Cette  etude  est  moins  un  resume  d'ambition  synthetique  que  l'expose, 
sous  forme  de  notes  detachers,  de  recherches  preliminaires  prlparant  un  ou- 
vrage  homogene.  On  y  suppose  chez  le  lecteur  la  connaissance  des  elements 
de  la  theorie  musicale  des  anciens  Grecs,  telle  qu'elle  est  presentee  d' or- 
dinaire d'apres  les  textes  qui  nous  sont  parvenus.  Avec  son  principe  fonda- 
mental  de  la  quarte  divisee  en  titracorde,  ses  troia  modes  primordiaux  phrygien, 
dorien,  lydien  et  la  suprSmatie  du  dorien,  ses  trois  genres  diatonique,  chro- 
matique  et  enharmonique,  son  systeme  parfait,  ses  systemes  conjoint  et  disjoint, 
sans  compter  les  multiples  rebus  de  see  details  et  de  sa  terminologie,  cette 
theorie  est  faite  pour  deconcerter  toutes  nos  conceptions  ou  habitudes.  EUe 
ne  pent  nous  apparaitre  qu'etrange,  en  sa  complexity  subtile.  Si  elle  etait, 
en  outre  et  en  reality,  purement  arbitraire,  un  simple  fruit  du  caprice  ou 
de  la  convention,  elle  se  rlvelerait  impuissante  a  legitimer  le  role  prepon- 
derant de  la  Musique  dans  la  vie  publique  et  intellectuelle  des  Hellenes,  son 
titre  et  son  rang  d'Art  supreme,  et  l'interet  qui  passionnait,  pour  cette  thiorie 
meme  et  ses  speculations,  des  esprits  tels  que  Pythagore,  Platon,  Aristote  ou 
Pericles,  entre  autres.  Car  tout  arbitraire  est  oiseux.  Les  notes  plus  ou 
moins  sommaires  ou  incompletes  qui  suivent,  conduisent  a  des  conclusions 
fort  differentes.  Quoiqu'elles  se  succedent  separ^ment  et  comportent  parfois 
des  digressions,  elles  fournissent  une  vue  d'ensemble  cbronologique  et  l'ossa- 
ture  d'une  evolution  qu'elles  devoilent  sous  un  aspect  assez  imprevu,  et  propre 
a  modifier  la  plupart  des  idees  en  cours  sur  la  matiere  en  meme  temps  qu'a 
elucider  bien  des  enigmes. 

Origin  68. 

A  l'egard  de  la  musique  grecque,  c'est  le  probttme  des  origines  qui  se  pose 
avec  les  elements  fondamentaux  du  systeme.  Toute  theorie,  en  effet,  ne  fut 
jamais  qu'une  codification  g^neralement  tardive  des  procedes  des  artistes 
createurs  ou  une  interpretation  speculative  des  combinaisons  sonores  realisees. 
C'est  done  dans  une  pratique  anterieure  a  la  theorie  consideree  que  nous 
devons  chercher  l'explication  de  celle-ci.  D'autre  part,  l'existence  d'une 
theorie  implique,  avec  un  art  desormais  systematise,  une  epoque  eloigned  deja 
des  primes  origines.  C'est  done  aux  plus  lointains  essais  de  systematisation 
rudimentaire,  qu'il  nous  faudrait  demander  le  secret  de  l'empirisme  primitif 
qui  fut  le  germe,  puis  la  base  de  la  theorie  subsequente.  Or,  c'est  juste- 
ment  la  que  nous  manquons  de  documents  certains.    Encore  que  fort  h£texo- 

s.  d.  mo.   x.  22 


324  Jean  Marnold,  Lee  Fondemente  naturels  de  la  Musique  etc. 

gene,  le  total  des  textes  que  nous  possedons  sur  la  musique  grecque  est  ce- 
pendant  considerable,  mais  le  plus  grave  defaut  de  ces  sources  disseminees 
et  disparates  est  que  les  plus  abondantes  sont  precisement  les  plus  modernes. 
La  majorite*  des  auteurs  sp^ciaux,  dont  il  nous  reste  des  traites  theoriques, 
appartient  aux  debuts  de  notre  ere;  le  plus  ancien  et  le  plus  celebre,  Axis- 
toxene  de  Tarente,  ne  remonte  pas  plus  haut  que  la  fin  du  IV*  siecle  avant 
J.-C.  Au  dela,  nous  sommes  prives  de  tout  ouvrage  nettement  technique 
et  depourvus,  a  bien  peu  pres,  d'informations  contemporaines.  Nous  en 
sommes  r£duits  aux  vagues  suggestions  des  Problemes  d'Aristote,  au  Timet 
et  a  quelques  passages  de  Platon;  en  fin,  pour  tout  le  passe*  qui  precede,  a 
des  renseignements  £pars  dans  toute  la  literature  antique,  parmi  les  ceuvres 
de  savants,  de  philosophes,  d'historiens,  de  poetes  ou  de  compilateurs,  ou 
nous  les  trouvons  relates  quelquefois  a  pres  de  mille  ans  de  distance.  A 
mesure  qu'on  recule  vers  les  origines,  l'histoire  se  transforme  ainsi  en  legende 
de  plus  en  plus  confuse  ou  contradictoire.  Les  explications  qui  se  rappor- 
tent  a  la  pratique  ou  a  la  theorie  de  Tart  musical  nous  semblent  de  plus 
en  plus  equivoques  ou  demeurent  impen6trables.  Ceux  qui  nous  les  ont  tranq- 
mises  les  transcrivaient  parfois  sans  peut-etre  y  comprendre  grand'chose  eux- 
memes;  ou  bien,  s'ils  savaient  de  quoi  ils  parlaient,  leurs  lecteurs  le  sa- 
vaient  aussi,  et  ils  ont  neglige  des  details  pour  nous  essentiels.  Leurs  com- 
mentaires  nous  sont  devenus  quasiment  lettre  morte.  Pour  les  entendre  un 
peu  clairement,  il  nous  faudrait  connaitre  precisement  ce  que  nous  y  cher- 
chons. 

Les  ecrits  des  theoriciens  professionels  nous  sont  plus  intelligibles,  mais 
leur  modernite  relative  fait  de  cet  apparent  avantage  un  danger.  En  effet, 
le  systeme  qu'on  y  d^couvre,  quoiqu'obscur  et  d6conoertant  dans  ses  details, 
peut  nous  paraitre  assez  aisement  abordable  au  moins  dans  ses  grandes  lignes, 
grace  aux  modes  ecclesiastiques  qui  en  derivent  et  dont  la  theorie  s'est  per- 
p£tu£e  longtemps  dans  notre  musique  occidentale.  On  passe  sans  effort  de 
Glareanus  a  Boece,  de  Boece  a  Aristide  Quintilien  ou  Gaudence,  on  con- 
tinue jusqu'a  Euclide  et  Aristoxene,  en  rcncontrant  un  peu  partout  des  de- 
finitions analogues  et  des  termes  identiques.  On  est  ainsi  facilement  en- 
train£  a  appliquer  indistinctement ,  aux  differentes  phases  d'un  art  dont 
le  developpement  remplit  plus  d'une  douzaine  de  siecles,  un  systeme  com- 
posite, fatalement  un  peu  batard,  base  principalement  sur  des  theories 
redigees  vers  le  declin  ou  apres  la  disparition  de  cet  art;  et  on  ne  peut 
guere  s'etonner  qu'on  se  heurte  bientot,  dans  les  textes,  a  des  impossi- 
bilites,  a  des  contradictions  ou  se  doive  deployer  l'ingeniosite'  des  paleo- 
graphes.  Enfin,  et  ceci  est  pis  encore  peut-etre,  on  en  est  inconsciemment 
induit,  y  penetrant  ainsi  a  rebours,  a  concevoir  la  musique  grecque  comme 
une  sorte  de  prolongement  de  la  notre  dans  le  passe;  non  pas,  certes,  qu'on 
oublie  laquelle  a  precede  ou  suivi  1' autre,  mais  on  transporte  a  son  insu 
dans  l'ancienne,  avec  notre  terminologie  courante,  nos  categories  et  nos  defini- 
tions familieres,  nos  habitudes  ou  prejuges,  et  on  en  est  tout  dispose  a  preter 
sans  le  moindre  embarras,  meme  aux  plus  immemoriaux  devanciers,  notre 
experience  et  notre  sensibilite  actuelles.  Les  meTaits  de  cette  illusion  sont 
cFautaut  plus  commodement  efficaces,  que,  nulle  autre  part  peut-etre,  la  rou- 
tine ne  fut  cultivee  avec  une  aussi  opiniatre  sollicitude  que  dans  le  voca- 
bulaire  et  les  enseignements  de  la  theorie  musicale.  On  ne  saurait  rever 
plus  infatigable  rabacheuse.     On  retrouve   aujourd'hui  dans  ses  manuels  des 


Jean  Marnold,  Lea  Fon dements  naturels  de  la  Musique  etc.  325 

expressions  vingt  ou  peut-etre  trente  fois  seculaires.     Defmis  le  moyen  age, 
on  y  constate  immuablement,   outre   la  veneration    tetue  de  regies  perimees, 
la  persistance  de  definitions  plus  ou  moins  defigurees  peu  a  peu,  empruntees 
a  des  conventions  caduques  ou  leguees  par  un  art  disparu,  l'emploi  constant 
•des  memes  mots,  de  termes  techniques  consacres,   herites  de  la  tradition  sco- 
lastique  et   adapts  aux  conceptions  ou  empirismes  consecutifs.     Si   les   pre- 
scriptions du  contrepoint  de  nos  conservatoires  different  a  peine,  au  fond,  de 
celles  d'un  Jean  de  Muris,  apres  comme  avant  celui-ci,  les  tradiments  pytha- 
goriciens  de  Boece    ont  survecu   si   longtemps   dans  les  traites,  que  ce  n'est 
guere  qu'au  XVII*  siecle  qu'on  les  voit  revetir  enfin,  chez  les  exegetes,  un 
caractere  a  peu  pres  historique.     Je  possede  un  petit  ouvrage  purement  di- 
dactique,  reimprime  en   1705,  ou  on  peut  reconnaitre  encore  les  trois  genres 
des  vieux  Grecs   sous    le  travestissement   de  « trois  sortes  de  Chants',  scavoir 
le  Diatonique,   le    Ckrotnatique   et  VEnharmonique*1).     Les  exemples   d'erre- 
ments    routiniers    de   cette   espece   abondent,   au   surplus,   dans  la  literature 
scolastique  ou  historico-musicographique   du  XVIII*  siecle.     De  tout  temps, 
les   theoriciens    se   sont  plagies   sans  vergogne,   copies   et  recopies  impertur- 
bablement  en  faisant  trop  souvent  etalage  d'une  inutile  Erudition  de  cuistre. 
Ceux  de  l'antiquite  ne  font  pas  exception  a  la   loi  gene>ale.     lis  s'attestent 
les   dignes   ancetres    de   la   corporation.     Chez    eux   aussi,   on   lit   et  on  relit 
les  memes   definitions,   ressass^es   dans  les  memes  phrases,    6noncees   par  les 
memes  mots.     Seulement,   de  semblable  facon  que  les  mots  diatonique  y  chro- 
matique    et    enharmonique    ont    acquis    d&ormais,    dans    notre    theorie,    un 
sens   precis  bien  different   de    celui   qu'entendaient    les    Grecs,   pareillement 
l'identite   de   certains  termes  techniques  ne  saurait  rien  prouver  ailleurs  et, 
bien  loin  de  nous   renseigner  a  priori,  risque  plutot  de   nous  fourvoyer  en 
des   analogies   tendancieuses.      U  antiphonie    de    Hucbald    et   les    sons    anti- 
phones    des    Hellenes  trahissent  peut-etre,    par    la    denomination    commune, 
one  filiation   resile   entre   les   concepts,   sans   que   ceux-ci  pourtant  en  soient 
integralement  assimilables  et  que  leurs  resultats  dans  la  pratique  ne  puissent 
meme  avoir  ete  absolument   dissemblables.     En    admettant   que  oo|xcptuv(a  et 
consonantia    aient  pour   equivalent    verbal   acceptable    notre  consonnance,  il 
ne  s'ensuit  pas  que  ce  mot  traduise  une  notion  demeuree  durant  trois  mille 
ans  intangible,   une   conception   uniformement  adequate  a  notre  sensation  et 
a  celle  de  Boece,    aux  idees  d'Aristoxene    ou  de  Pythagore  et  aux  systema- 
tisations   semi-legendaires  d'un  Terpandre.     Enfin,   rien  que   chez  les  Grecs, 
dans  cette  theorie  complexe,  elaboree  progreBsivement,  et  dont  les  traites  con- 
eerves  ne  vous  livrent  que  l'ultime  ou  penultieme  aspect,  il  n'y  a,  pas  plus 
qu'  autre  part,  de  plausible  raison  pour  estimer  a  priori  que  les  termes  tech* 
niques    aient    ineluctablement    correspondu    a   d'identiques    contingences ,   au 
cours   des   neuf  ou    dix  siecles  devolution  qui    separent  la  compilation  d'un 
Aristide  Quintilien  des  nomes  de  Taulete  Olympos.     En  realite,  si  les  theo- 
riciens   ont   obstinement   r^pete  les  memes  mots,  ces  mots  ri*ont  pas  toujours 
signifU  la  meme  chose.     Or  les  mots  —  et  tout  particulierement  les  termes 
techniques  —  ne  possedent  guere  d' autre  signification  certaine  que  celle  a  eux 
attribuee  par  celui  qui  les  emploie.    Leur  sens  est  expressement  subordonne 
a  Invocation  de  l'objet  auquel  on   les  rattache  et  qui  a  pu  varier.     Car  un 
mot  ne  definit  pas  necessairement  ce  qu'il  design e  et,  plus  il  est  vieux  dans 

1}  Nouveau  txaite  des  regies  pour  la  composition  de  la  Musique  •  .  .  p%x  C. 
Masson.    9*  Ed.    Paris,  1706.    (p.  15  —  chap.  IV.) 

22* 


326  Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc, 

l1  usage,  plus  il  a  de  chances  pour  etre  devenu  peu  a  peu  un  instrument  de 
pure  convention,  une  expression  inintelligible  a  qui  ignore  ce  qu'elle  exprime, 
et  devoyee  de  son  application  originelle.     En  outre,  dans  ces  traites  de  redac- 
tion tardive,  parmi  cette  terminologie  fatalement  ambigue  par  la  diversite  des 
sources   et  l'heterogeneite    du  passe   dont  les   apports  success) fs  s'y  resument 
ou  s'y  coudoient,  il  se  rencontre  aussi  des  mots  inconnus,  totalement  disparus 
depuis,    que   nous   devons   renoncer   a  traduire   et   dont  aucune  analogie  ac- 
tuelle    ou   intermediate  ne  nous  aide   a  deviner  la  signifiance.      Ici    encore, 
a  tous  egards  et  splcialement   a  f  endroit  de  la  formation  primitive  du  sys- 
teme,  nous  errons  dans  un  labyrinthe.    Four  pouvoir  classer  les  Stapes  evo- 
lutives  de  cette  theorie  autant  que  pour  y  demeler  ce  qui  en  determina  l'eclo* 
sion,  il   nous  faudrait  savoir  pr^cis^ment  ce   que  nous  cherchons;  pour  com- 
prendre  les  termes   techniques    perpetuus    aussi    bien   qu'abandonnea    par  la 
tradition   scolastique,  il  nous  faudrait  connaitre  ce  que  ces  termes  represen- 
taient  alors  et  a  tout  instant,  c'est-a-dire  les  elements  positifs   de  la  theorie 
dont  nous  leur  demandons  le  secret. 

Le  secours  des  sources  se  revelant,   non  seulement  insuffisant  pour  nous 
instruire,  mais  apte  a  plutot  nous  egarer,  nous  sommes  accules  a  l'hypothese. 
Si  nous    ne   savons  rien    de  precis   sur  les  origines,    nous  avons  le  droit  de 
raisonner,    quitte   a  soumettre  nos   inductions   a  la   critique    de   la    vraisem- 
blance    et  a   Tepreuve   des   textes.     II  nous  reste   la  ressource    et   le  choix 
dun  postulat  convenable.    Nous  pouvons  dire:  Si  nous  ignorons  k  peu  pres 
tout  de  la   pratique  et   de  la  theorie   musicales  chez  les  Orecs    aux    epoques 
primitives,  nous  savons   n£anmoins   que  Tart  dont  il  s'agit  etait  de    la   fn«- 
sique,    laquelle   ne    saurait  etre  constitute   que   de  sons.     Nous    en   sommes 
done  autorises  a  admettre  l'existence  de  quelque  relation  possible  sinon  ine- 
luctable,   entne,  la  pratique   ou  la  theorie    de  cet  art  inconnu.    et  la  nature 
et  les   proprietes    essentielles   de   la  matiere  sonore.    Cette  matiere  nous   ap- 
parait    aujourd'hui    sous   les    deux    especes    distinctes    d'un    effet    et    de   sa 
cause]    a    savoir,    du    son  musical,   forme    de    vibrations   periodiques    de   la 
duree  desquelles    resulte    la    hauteur   ou    intonation    correlative,    et,    d'autre 
part,    du   corps  vibrant  generateur,    oil  les  dimensions   determinent    la  duree 
de  ces  vibrations,  autrement  dit  leur  nombre  pour  un  temps  donne\     Et,  en 
effet,   les   diverses   formtdes  de  Utracorde,   que  nous  ont  laissees  quelques  ce- 
lebres  theoriciens  de  V  antiquite,  sont  exprimees,  soit  en  nombres  de  vibrations, 
*oit  par  des  longueurs  de  corde.     Ces  temoignages  de  la  derniere  heure  sem- 
blent  done  corroborer  pleinement  notre  postulat  en  ses  consequences  logiques, 
et  il  ne  nous   resterait  plus   qu'a  reconstittfer  la  genese  d'une  pratique  em- 
pirique  ou  speculative  dont  nous  constatons  ici  des  manifestations  irrecusable*. 
Cependant,    cette   conclusion   pent  fort   bien   ne   pas  nous  paraitre  6vidente, 
et  meme  repugner  a  notre  esprit. 

Rien  n'est  plus  propre  a  derouter  nos  idees  que  cette  representation 
numerique  des  sons  et  des  intervalles.  Elle  est  incompatible  avec  les  habi- 
tudes que  nous  tenons  a  la  fois  de  notre  education  musical e  et  du  confor- 
table  qui  nous  entoure.  De  ces  habitudes,  la  plus  inconsciente  est  de  con- 
siderer  la  musique  comme  une  sorte  d'entite  abstraite  et  immaterielle.  Les 
jouissances  qu'elle  nous  procure  deviennent  ce  que  nous  appelons  volontiers 
«les  emotions  de  VArU,  sans  que  imprecision  du  mot  nous  gene.  Les 
beautes  de  cet  *Art»  sont  le  fruit  de  «l'inspiration»:  ses  moyens  se  trouvent 
a  notre  portee  immediate   dans  les  traiUs  de  nos  theoriciens  et  sur  nos  ins- 


Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc.  327 

truments.  Nous  avons  aujourd'hui  a  notre  disposition  le  son  tout  fait:  on 
nous  l'apporte  a  domicile  avec  nos  pianos  et  nous  chargeons  un  accordeur 
d'en  determiner  la  justesse.  Nous  parlons  avec  security  de  quartzes,  de  quintes, 
de  septiemes,  de  toute  la  collection  de  nos  intervalles,  dont  notre  terminologie 
et  notre  ecriture  nous  fournissent  une  denomination  ou  une  figuration  con- 
ventionnelles ;  et  s'il  nous  plait  d'en  entendre,  nous  frappons  deux  notes  sur 
un  clavier.  Nous  ne  connaissons  plus,  de  notre  art  sonore,  que  des  mots, 
des  signes  et  l'effet  eprouve.  Et  cela  nous  semble  si  naturel,  que  nous 
imaginons  difficilement  qu'il  n'en  ait  pas  tou jours  ete  de  meme.  U  ne  nous 
vient  pas  a  la  pensee  de  nous  demander  quelle  put  etre  l'origine  de  ces 
intervalles  qui  nous  sont  si  familiers;  comment  on  en  put  arriver,  avant  de 
leur  donner  un  nom  et  de  les  employer,  a  les  decouvrir,  a  les  distinguer 
et  a  les  determiner.  Bien  des  gens  seraient  stupefaits  si  on  leur  insinuait 
que  ces  intervalles  n'ont  pas  exists  de  tout  eternite.  Aussi  ne  sommes-nous 
nullement  etonnes,  meme  en  presence  d'un  art  musical  fort  eloigne*  de  nous 
dans  les  siecles,  d'y  rencontrer  une  theorie  ou  nous  pouvons  tant  bien  que 
mal  appliquer  notre  terminologie  traditionnelle.  Le  contraire  nous  surpren- 
drait  plutot.  En  fin,  parmi  tous  nos  inconscients  prejuges,  le  plus  enracine 
peut-etre  est  celui  du  temperament.  La  plupart  des  musiciens  ne  doutent 
pas  un  instant  de  l'existence  reelle  de  notre  temperament  egal,  dont  l'inven- 
tion  remonte  a  peine  a  deux  cents  ans,  et  quoique  son  absolue  irrealite  pra- 
tique soit  evidente.  A  l'egard  des  instruments  accorded  dfapres  VoreUle,  en 
effet,  sa  justesse  est  impraticable  a  priori  et,  le  cas  invraisemblable  echeant, 
n'y  pourrait  etre  qu'ephemere,  puisque  la  moindre  variation  dans  la  tempera- 
ture ambiante  la  detruirait  aussitot.  Dans  l'orchestre,  les  cuivres,  les  bois 
et  le  quatuor  produisent  simultanement  des  sons  eventuellement  naturels, 
pythagoriciens  et  temperas,  ou  tout  simplement  faux.  Au  fond,  toute  la 
musique  que  nous  en  tendons  est  tou  jours  fatalement  plus  ou  moins  fausse, 
mais  nous  ne  nous  en  apercevons  pas.  Aussi,  grace  a  ce  prejuge  du  tem- 
perament, a  l'ignorance,  ou  notre  education  nous  laisse,  de  la  nature  et  des 
proprietes  essentielles  du  son,  matiere  premiere  de  Tart  musical,  nous  sommes 
irresistiblement  portes  a  tenir  toute  representation  numerique,  analogue  a 
celle  des  tetracordes  grecs,  pour  de  pures  speculations  mathematiques  n'ayant 
rien  de  commun  avec,  non  seulement  *YArU,  mais  la  musique.  Le  son 
musical  etant  constitue  de  vibrations,  il  n'en  reste  pas  moins  cependant 
que  de  telles  formules,  exprimees  en  nombres  de  vibrations  ou  en  longueurs 
de  corde,  ne  representent  rien  autre  chose  que  la  rSalite  du  phenomena  sonore 
objectif  enonce  vaguement  par  les  mots  conventionnels  de  notre  terminologie. 
Loin  de  nous  paraitre  negligeable,  la  constatation  de  ces  expressions  nume- 
riques  est  done  pour  retenir  notre  attention.  Comment  les  Grecs  aboutirent- 
ils  a  un  usage  de  ce  genre  dans  leur  theorie  musicale? 

II  faut  tout  l'aveuglement  de  nos  habitudes  pour  qu'il  nous  soit  besoiii 
de  reflechir  afin  de  repondre  a  cette  question  et  d'entrevoir  ce  que  le  fait 
pent  impliquer  a  propos  des  origines,  —  surtout  en  remarquant  que  cer- 
taines  de  ces  formules  expriment  des  longueurs  de  corde.  De  meme  que, 
chez  tous  les  peuples  de  l'antiquite,  la  legende  conferait  a  la  musique  une 
origine  divine,  pareillement  on  se  plait  aujourd'hui  volontiers  a  la  proclamer 
issue  spontanement  d'un  instinct  primordial,  d'un  don  inne  et  inherent  a 
la  voix  humaine.  L'hypothese  d'un  chant  naturel  a  I'homme,  et  de  tout 
temps  spontane,   est   un  postulat  inverifiable  et   que  la  rarete,  meme  encore 


328  Jean  Marnold,  Les  Fondements  nature] s  de  la  Muaique  etc. 

en  notre  modernite  heritiere  d'un  si  long  passe  de  culture,  des  individus 
capables  instinctivement  de  quelque  justesse  d'intonation,  ne  semble  pas 
moins  dementir  que  la  lente  et  seculaire  evolution  de  Tart  musical.  Elle 
suggere,  en  tout  cas,  les  plus  fortes  objections  si  on  en  pretend  deduire  la 
trouvaille  et  la  determination  intuitives  rien  que  des  trois  plus  simples  *con~ 
sonnances*\  puis,  par-dessus  le  marche,  leur  systematisation  consecutive  en 
modes  et  leur  alteration  en  genres,  line  conception  et  sea  consequences  de 
cette  espece  ne  sont  peut-etre  pensables  et  admissibles  sans  embarras  que 
pour  notre  esprit  accoutume  au  son  tout  fait,  inconsciemment  et  depuis  des 
generations  eduque"  a  l'appr^cier  d'apres  l'oreille,  joue  sur  un  instrument 
dont  nous  ne  connaissons  guere  que  le  doigter.  Mais  les  Grecs  navaieni 
pas  de  piano.  En  revanche,  ils  possedaient  des  instruments  que,  speciale- 
ment  aux  epoques  reculees,  les  musiciens  devaient  confectionner  eux^mcmes. 
lis  n'avaient  pas  le  son  tout  fait;  il  leur  fall  ait  le  fabriquer.  La  duree  et 
T importance  d'une  telle  pratique  sont  demontrees  par  cette  particularity  que, 
non  seulement  dans  la  fable,  mais  longtemps  apres  dans  lTiistoire,  le  nom 
des  musiciens  fameux  ou  plus  modestement  celebres  est  presque  toujour! 
attache,  par  surcroit,  a  Tinvention  ou  au  perfectionnement  d'un  instrument 
Or,  merae  en  aeceptant  l'hypothese  intuitive,  pour  obtenir  ainsi  le  son  ima- 
gine, ils  etaient  obliges  de  se  con  former  aux  lois  du  ph£nomene  sonore,  aux 
proprietes  de  la  matiere  employee,  et  de  decouvrir  par  la  les  proportions 
n  e  cess  aires  a  la  production  du  son  desire.  En  tout  etat  de  cause,  V existence 
ct  la  pratique  artistique  dun  instrument  implique  done  \a  connaissance  des 
rapports  de  longueur  de  corde  ou  de  tuyau  propres  aux  sons  ou  intervaUes 
executes.  Enfin,  la  division  mesurSe  d'une  corde  est  le  principe  du  mono- 
corde  dont,  sans  doute  pour  le  cas  qu'il  en  fit,  on  attribue  abusivement  la 
decouverte  a  Pythagore.  Selon  la  tradition,  les  dernieres  paroles  du  philo- 
sophe  mourant  a  ses  disciples  furent:  «Cultivez  le  monocordeN  Cette  re- 
commandation  supreme  est  soulignee  par  le  role  capital  de  Pythagore  dans 
le  developpement  initial  et  la  systematisation  de  la  musique  grecque.  A 
.quelque  point  de  vue  que  ce  soit,  specifiquement  musical,  historique,  em- 
pirique,  theorique  on  autre,  nous  sommes  done  ici  legitimement  fondta  * 
employer  la  division  des  cordes  ou  des  tuyaux  pour  nous  eclairer  eventuelle- 
ment  sur  les  origines. 

Cependant  nous  n'en  serions  guere  plus  avances  s'il  fall  a  it  nous  contenter 
de  realiser  par  ce  moyen  ce  que  nous  lisons  dans  les  textes.  H  nous  est 
loisible  aujourd'hui  de  diviser  a  notre  gre  tuyaux  ou  cordes  afin  d'en  ob- 
tenir n'importe  quelle  echelle,  gamme,  mode  ou  genre.  Mais  nous  recherchons 
les  origines,  et  la  question  est  de.savoir  par  quoi  commencer  pour  com- 
mencer  par  le  commencement.  C'est  la  pre'eisement  ce  qui  peut  nous  em- 
barrasser  le  plus,  si  nous  voulons  eliminer  l'arbitraire.  Pour  imaginer  la 
pratique,  anterieure  a  toute  theorie,  dont  l'empirisme  en  put  engendrer  vrai- 
semblablement  le  systeme,  il  faut  nous  transposer  par  la  pensee  dans  une 
atmosphere  adequate,  e'est-a-dire  avant  tout  ignorer  jusqu'a  l'embrion  du 
systeme  ignore  par  les  praticiens  primitifs,  et  nous  garder  soigneusement 
d'accorder  a  coux-ci ,  sans  justification,  le  moindre  benefice  de  notre  con- 
tortable  et  de  notre  experience  heritee  ou  acquise.  Nous  ferons  done, 
non  seulement  abstraction  de  tout  ce  que  nous  savons  de  l'histoire  et  de 
la  theorie  de  Tart  grec,  mais  aussi  table  rase  de  toutes  nos  connaissances, 
et   nous   reculerons   par   l'hyppthese   aussi  loin    que   possible   dans    le   passe. 


Jean  Marnold,  Lee  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc.  329* 

Nous  nous  mettrons  pour  un  instant  dans  la  peau  dun  homme  le  plus 
primitif  qui  se  puisse  rever,  quelque  chose  comme  un  anthropopitheque, 
et  nous  supposerons  que  cet  etre  a  peine  humain  ne  soit  pas  done"  natu- 
rellement  de  la  faculte  de  chanter,  soit  prive  de  toute  intuition  musicale 
innee,  et  ne  puisse  eprouver  a  cet  egard  et  traduire  que  des  impressions 
recues  du  dehors  par  l'interm^diaire  de  ses  sens  obtus. 

Dans  ces  conditions,  il  ne  discern  era  d'abord  du  milieu  ambiant  que  des 
bruits  dHntensitS  differente.  II  est  infiniment  probable  que  cela  dut  se  passer 
ainsi  en  realite.  Les  trente  siecles  de  revolution  musicale,  depuis  Olympos 
jusqu'a  nous,  demontrent  combien  l'accoutumance  de  l'oreille  humaine  aux 
combinaisons  sonores  fut  lente  et  graduelle.  II  fallut  peut-etre  tout  un 
age  de  notre  terre  a  nos  ancetres  primitifs  pour  percevoir,  puis  distinguer 
nettement  des  sons  d'apres  leur  acuite  ou  graviU.  H  leur  en  fallut  peut-etre 
autant  pour  que,  par  une  education  sensorielle  inconsciente ,  ils  y  eprou- 
vassent  quelque  plaisir,  grace  a  la  fabrication  d'instruments  grossiers  ou 
imparfaits,  fournissant  des  sons  d'intonation  fortuite,  arbitraire  et  plus  ou 
moins  «fausse».  La  prime  apparition  d'un  instrument  son  ore  implique  1' in- 
tervention du  hasard  pour  l'utilisation  des  ressources  adequate s,  et  en  meme 
temps  un  £tat  de  civilisation  assez  avance  pour  assurer,  dans  l'existence 
humaine,  quelque  security  indispensable  a  des  loisirs.  La  pratique  instru- 
mentale  entraine,  comme  consequence,  un  developpement  progressif  du  dis- 
cernement  sensoriel.  Apres  une  periode  d'empirisme  indifferent  et  de  dis- 
traction individuelle,  il  en  dut  resulter,  dans  la  facture,  des  perfectionnements 
necessaires  a  l'obtention  de  sons  fixes,  identiques,  propres  a  des  executions 
communes,  a  la  reproduction  successive  ou  a  un  unisson  simultane  de  me- 
lopees  rudimentaires.  P'autre  part,  au  cours  de  la  cristallisation  peut-etre 
seculaire  de  ce  stade  esth£tique  primaire,  on  doit  accepter  la  probability 
d'une  evolution  parallele  de  la  faculty  de  chanter.  On  peut  meme  attribuer 
a  cette  evolution  une  certaine  autonomie;  admettre  que  l1  instinct  musical, 
suscite,  seconds,  cultive  ou  guide  d'abord  par  l'empirisme  instrumental,  ait 
6te  capable  bientot  d'un  essor  indlpendant,  de  s'elever  jusqu'a  Inspiration 
libre  et  spontanee,  —  quoique  peut-etre  incoherente,  —  sous  l'influence 
des  passions,  de  l'ivresse  ou  de  l'enthousiasme,  et  se  soit  epanoui  naturelle- 
ment  par  ailleurs  en  nai'ves  chansons  populaires.  On  aurait  certes  le  droit 
de  pr£tendre  que  cet  empirisme  hybride  constituat,  en  somme,  un  art  veri- 
table, encore  que  primitif;  mais  un  art  en  pleine  anarchie  evolutive,  un  art 
tout  subjectif  ou  s'enchevetraient  deux  facteurs  essentiellement  antagonizes : 
le  chant  propre  a  la  voix  humaine  et  le  melos  dicte*  par  le  hasard  ou  l1  ar- 
bitraire de  la  fabrication  instrumentale.  II  semble  que  cette  evolution  sub- 
jective et  helerogene  ait  pu  se  poursuivre  et  se  soit  en  effet  poursuivie  long- 
temps  a  l'aventure,  voire  peut-etre  jusqu'en  de  lointaines  civilisations  somp- 
tueuses,  raffinees  et  barbares,  avant  qu'on  ait  ressenti  le  besoin  d'introduire 
un  peu  d'ordre  dans  ce  d£sordre,  ou  qu'on  y  fut  inconsciemment  amene\ 

L'id6e  d'une  systematisation  des  elements  d'un  art  implique  un  etat 
d'esprit  objectif  accessible  seulement  a  un  assez  haut  degre*  de  culture,  et 
de  culture  plutot  intellectuelle;  neanmoins,  elle  peut  naitre  et  s'imposer 
empiriquement,  —  special ement  a  T  egard  de  Tart  musical.  Si  rien  n'est 
plus  stranger  aux  elans  de  la  sensibilite  instinctive,  superflu  a  1' inspiration 
et  au  chant  spontanes,  nulle  conception,  au  contraire,  ne  saurait  plus  logi- 
quement  decouler  de  l'empirisme  et  des  progres  de  la  facture  instrumentale. 


330  Jean  Marnold,  Lea  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc. 

La   confection  d'instruments    a  sons  fixes,  aptes    a   l'execution   de    meloplea 
identiques   au   moyen  des  sons  d'une   echelle  commune,   si  rudimentaire  fut- 
elle,   comporte  de   multiples   observations.     On   ne   peut   arriver   a  fabriquer 
deux  instruments   a  cordes   ou  a  tuyaux   de  ce  genre,   sans  y  decouvrir  pas 
a  pas  les  effets,  soit  de  la  tension,  de  la  longueur  ou  du  poids  de  la  corde, 
soit  des  longueur  et  diametre  du  tuyau,    de  l'epaisseur  de  ses  parois  et  des 
dimensions  de  ses  trous  lateraux  eventuels-.    Ges  connaissances,  plus  ou  moins 
precises,   r&ultent  forc6ment  de   la  pratique.     En  operant  par  tatonnements 
inevitables,  les  praticiens  primitifs  ne  tarderent  pas  sans  doute  a  etre  frapp£s 
du  role  capital,  en  l'espece,  de  la  mesure  et  des  proportion*.    Bien   que  par 
les   difficulty    qu'ils  rencontraient  pour  la   reproduction    d'une  echelle  arbi- 
traire,  ils  purent  en   etre  incites  a  fabriquer  un  instrument  objcctivement,  si 
j'ose  dire,  en  experimental   sur   des  mesures  cons  tan  tes  et  suivant  les  pro- 
cedes  les  plus    simples.     lis   purent   doubler,    tripler,    quadrupler,    etc.  .  .  la 
longueur   d'un    tuyau,   par  exemple;  puis,   aboutir   a  comparer  les  sons  ob- 
tenus   avec  ceux   produits  par  des  longueurs  respectivement  egales  aux  pre- 
cedentes,  .'prises   sur    une    corde   tendue,    et  remarquer   leur  difference.     Le 
developpement  du  sens  musical  aidant,   ils  purent  en  deduire  les  corrections 
necessities,  sur  les  tuyaux,  par  le  diametre  du  forage  et  d'autres  causes,  et, 
constatant  la  regularity  des  sons   fournis  autant  que   la  commodity  pratique 
de  la  division  de  la  corde,  prendre  enfin  celle-ci   pour   etalon  de  mesure  et, 
en  realite,   de  systtmatisaUon.     Car  ils   ne   possedaient  pas  seulement   ainsi 
tous   les    elements   pertinents  pour  la   fabrication  d'instruments  a  sons  fixes, 
d'intonation   determined    et  commune;   mais,   avec  la  coordination,   qui  s'en- 
suivait,    des   echelles,   ils    intronisaient  inconsciemment   dans  la   musique  le 
principe   d'une    systtmatisation ,    imposee    par   la  pratique   et    conforme   aux 
proprietes  de  la  matiere  sonore,  qui  pouvait  constituer,  pour  un  art  en  for- 
mation, une  base  aussi  ineluctable  que  sure  et  un  fondement  naturel.     Noua 
verrons  que  toute  la  theorie  de  la  musique  grecque  en  derive. 

Incarnee  d'abord  en  des  doigters  et,  bientot,  signes  ou  tablatures  chiffrees 
peut-etre,  une  telle  systematisation  correspondait  au  fond,  des  1' origin  e,  * 
des  proportions  numeriques  exprimables  en  longueurs  de  corde.  Avant  d'eu 
rechercher,  dans  les  textes,  le  processus  devolution  empirique  ou  speculative, 
nous  allons  l'effectuer  a  priori,  par  la  division  d'une  corde  tendue,  et  en 
commencant  par  les  divisions  les  plus  simples. 

Et  nous  procederons  ainsi: 

Soit  une  corde  tendue,  nous  pouvons,  par  exemple,  la  diviser  en  deux 
parties,  puis  chacune  de  ses  moities  en  deux,  puis  chacun  de  ses  quarts  en 
deux.  En  nous  arretant  la,  nous  aurions  obtenu  8  parties  egales  et,  au 
moyen  d'un  che valet  deplace,  nous  pourrions  faire  resonner  successivement 
h  h  ii  £>  h  t>  i  e*  ennn  f  de  *a  corde  totale,  correspondant  respective- 
ment a  des  cordes  de  longueur  1,  2,  3,  4,  5,  6,  7  et  8,  et  produisant  des 
sons  adequats.  Nous  figurerons  ce  genre  d'operation  et  ses  divers  resultats 
par  une  ligne  droite,  ou  les  nombres  places  au-dessus  de  chaque  division 
representeront  les  longueurs  de  cords  respectivement  considers,  et  nous  ecri- 
rons  au-dessous  les  noms  des  sons  correlatifs.  Ce  qui,  pour  la  division 
proposed  comme  exemple,  nous  donnerait,  en  allant  de  l'aigu  au  grave: 
12345678 

I JL J J JL J J J J 

mi  mi  la  mi  Do  la  /«Jf  mi 


«•  "•  ••  ait«ii*»i 

2«  +  SS.* 


at 

•»«  »5  sj^l+a^:*  35 II 


^jbJ     „-*>       "^ll 


as 


>$    24|    85      5«:j 


^w       ~*        ?5w| 


-1    Mi    *i    *«     55  i*    8! 


83 


5* 


=«     S«S 


— * 

"4 


>3  s§   «l    sli 


•  •a   2^   ns\\ 


55+  s$;* 


-1  »* 


'"i  •!    5i+8li* 


-3   «3 


i  Si    Si    Si 

si 


t£ 

* 

** 

2*+ 

J* 

"1 

■ 
Sk 

«t 

R.S 

=3 

s3 

«s 

2*| 

v4l(j 

«1 

2? 


•ll 

*i     S«|j 

"A 

-V 

2§  + 

k.5    «.o     55.5  + 


■*s 


•i     "«     '6      »E       -S 


«5         OO 


«5 


«S   ^'5      »'5      5*5+  • 
2§  + 


•«*5   «"8      518  + 


=*| 


-3    S3 


-1 


'5        w  •» 


-a 


-I  •* 


»ja  fl|52    fl'S    c|*  «|8»   0\*    «\«    «\b 


332  Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc 

La  notation  graphique,  employee  ici  pour  distinguer  les  differ  en  tea  especes 
de  sons,  est  basee  sur  les  regies  suivantes: 

1°  Les  sons,  produits  par  le  rapport  3  [qtiinics)  et  ceux  produits  par  le  rapport  5 
(tierces),  sont  differences  par  les  initiates  majuscules  on  minuscules  de  leura  noma 
imp  rimes  en  italique.    Ex.:  mi  —  Do\  lafy  —  Do. 

2o  Les  sons  produits  par  le  rapport  7  sont  imprimis  en  caract&res  gras. 
Ex.:  Do—  Si7;  /«#  —  mi. 

3°  Les  sons  produits  par  le  rapport  11  sont  imprimes  en  batarde.  Ex.:  Do  — 
Fa$;  si?  —  mi. 

4°  Les  sons  correspondant  aux  autres  nombres  premiers,  13,  17,  19  etc.  sont 
imprimis  indistinctement  en  caracteres  ordinaires. 

6°  Tous  les  sons  en  rapport  d'octave,  de  quinte,  de  7«,  de  lle,  de  13®,  17*,  19°. 
etc.  ont  des  initiates  identiqucs. 

Malgre*  son  imperfection,  cette  notation  graphique  a  1' a  vantage  de  souli- 
gner  la  difference  d'espece  et  d'intonation  des  sons  homonymes  les  plus  usites. 
A  l'egard  des  rapports  de  quinte  et  de  tierce,  elle  ne  confond  que  des  sons 
fort  eloigned;  par  exemple:  la ?,  tierce  de  Do,  et  to|?,  huitieme  quinte  in- 
ferieure  de  mi.  D'ailleurs,  le  nom  des  sons  est  toujours  accompagne  de  la 
longueur  de  corde  correspondante  ou,  plus  tard,  du  nombre  de  vibrations. 

Ceci  pose,  pour  procSder  par  les  operations  les  plus  simples,  nous  ne 
nous  servirons  que  des  divisions  en  ^  et  en  J-  appliqu£es,  d'abord  a  la  corde 
totale,  puis  a  cbacune  des  subdivisions  consecutivement  realisees. 

Pour  une  corde  de  longueur  totale  n,  nous  pourrons  obtenir  de  la  sorter 

I.  —  n  x  ^  x  \  x  £  x  -J  x  £  x  *  =  Vl 

II.  —  n  x  J  x  |  x  \  x-jxj  =  ^- 
III.  -nx}x}x-Jx{xi  =  » 

On  aboutit  ainsi  au  tableau  ci-contre1). 

Et,  dans  ce  tableau,  on  decouvre  aussitot  les  Elements  fondamentaux  de 
la  theorie  musicale  des  anciens  Grecs. 

On  y  rencontre: 
1°  les  trois  genres: 

a)  Le  genre  diatonique,  et  precisement  d'abord  sous  deux  aspects  dont  Ptolemee 
nous  a  conserve  les  formules;  a  savoir,  le  diatonique  igal  [^x\^x\\  ™  |)- 

9      10      11      12 
la     sol      fa     mi 

et  le  diatonique  de  Didyme  (■§■  X  -fo  X  |$  =  -J): 

24      27      30      32 

la      sol     Fa      mi 

enfin,  le  diatonique  synton  de  Ptolemee  et,  ainsi  qu'on  verra,  d'Aristoxene,  dont 
la  formule  de  vibrations  (V*  ><$><  H>  =  \)  est  representee  ici  par  les  longueurs 
de  corde  correlatives: 

1)  Pour  plus  de  clarte\  on  n'a  note,  des  subdivisions  extremes  (B^,  ^  et  T"j) 
que  les  sons  necessaires  a  montrer  la  concordance  des  tltracordes  dans  Toctave 
dorienne. 


Jean  Marnold,  Les  Fondementa  naturels  de  la  Mueique  etc.  333 

36      40      46      48 
la      Sol     Fa     mi 

b)  Le  genre  cJiromatique,  conforme  a  la  formule  ^  x  ^-J x  |-$  =  | ,  publiee  par 
M.  £.  Ruelle 

12         14      15      16 
la        fa§    Fa     mi 

c)  Le  genre  enharmonique  de  Didyme  (-J  X  -|^-  x  jj-£  =  J) 

24         30      31      32 

la  Fa    mijf    mi 

2°  En  combinant  les  trois  divisions  de  la  corde,  on  obtient  les  systemes  con- 
joint et  disjoint  dans  les  trois  genres'. 

a)  Par  exemple,  pour  le  diatonique  egal  de  Ptol6mee: 

I.  9      10      11      12 

re     Do     Bi!?     la 

I 
II. 


8 

9 

10 

11 

12 

si 

la 

Sol 

fa 

mi 

t 

10 

11 

12 

Re 

do 

si 

III.   9 
mi 

ou  les   sons   de  la  corde  II  sont  respectivement  consonnants  a  la  quartc  avec  les 
sons  de  la  corde  I,  et  a  la  quinte  avec  ceux  de  la  corde  III. 
b)  D'autre  part,  pour  le  chromatique  et  V enharmonique: 
I. 


II. 


12 

14 

15           16 

la 

M 

Fa          mi 

24 

30    31    32 

/a 

t 
18 

jF\»  mijj  m* 

12 

14 

15 

16 

mi 

rfojf 

Do 

si 

la 

24 

30 

31 

32 

mi 

Do 

si# 

T 

12 
si 
24 
si 

14 

15 

30 
fib/ 

31 
fax 

16 

/alt 

32 

K 

III. 


ou  les  sons  de  la  corde  II  consonnent  i  la  quinte  avec  les  sons  de  la  corde  I  et 

a  la  quarte  avec  ceux  de  la  corde  III. 

3°  On  s'en  explique  la  suprematie  fondamentale  de  la  quarte,  seul  intervalle 
capable  de  produire,  dans  les  limites  de  Voctave,  les  sons  convenablement 
consonnants  d'ou  resultent  les  systemes  conjoint  et  disjoint 

4°  On  constate  enfin  que  cette  division  de  la  corde  a  pour  consequence  une 
gchelle  dorienne,  propre  a  r^aliser  les  trois  genres  et  les  deux  systemes  par 
une  sorte  de  generation  spontanee  et  logique.  On  reconnait  ainsi  pour- 
quoi  Voctave  dorienne  put  devenir  le  noyau  central  du  systeme  parfait, 
demeurer  le  prototype  g£nerateur  des  genres,  dont  elle  imposa  la  formule 
et  la  place  aux  autres  gcbelles  modales,  et  on  comprend  la  primaute  du 
Dorien,    «le  mode   grec  par  excellence  >,  dans  un  art  auquel  il  fournisaait 


334  Jean  Marnold,  Leg  Fondemeats  naturels  de  la  Manque  etc 

des  assises  naturelles,  d'une  regularity,  coherence,  ordre  et  sym6trie  apolli- 
niennes. 

On  en  peut  done  d'ores  et  deja  conclure  en  toute  assurance  que  la  thSorie 
de  la  musique  grecque,  loin  d'etre  issue  de  l'arbitraire  ou  de  la  convention, 
etait  basSe  sur  la  nature,  en  tant  que  derivant  d'une  analyse,  empirique 
a  l'origine,  et  d'une  interpretation  bientot  plus  ou  moins  speculative  d'un 
des  aspects  du  ph6nomene  sonore  object  if.  Quelque  incertaines,  an  regard 
d'une  conformity  reelle  avec  les  faits,  que  puis  sent  apparaitre  les  hypotheses, 
nullement  invraisemblables,  qui  nous  ont  amends  a  cette  division  de  la  corde; 
que  cette  evolution  systematisatrice  se  soit  accomplie  parallelement  poor  lee 
cordes  et  les  tuyaux  et  selon  un  quelconque  processus,  les  r£sultats  qu'on 
obtient  en  l'effectuant  ainsi  a  priori  n'en  sont  pas  moins  peremptoires.  On 
peut  en  tirer  quelques  enseignements  immediate. 

Crousis. 

Cette  division  de  la  corde  tendue  constituait  ce  que  les  Grecs  d£nom- 
maient  crousis ,  (xpouai;,  litteralement  •battement  de  la  corde* ,  ainsi  que 
traduisait  le  vieil  Amyot).  En  donnant  a  ce  terme  technique,  comme  on 
l'a  fait  depuis,  la  signification  tendancieuse  $* accompagnemmt  instrumental, 
on  aboutit  a  des  non-sens  et  a  des  obscurites  inextricables.  Sa  traduction 
littoral e ,  au  contraire ,  exprime  fort  bien  la  pratique  a  quoi  correspondait 
le  terme:  apres  avoir  divise  la  corde  selon  telle  ou  telle  longueur  consideree, 
on  mettait  cette  corde  en  branle  en  la  frappant  (xpouco)  pour  entendre  le 
son  produit  par  les  battements  dont  elle  frappait  l'air.  Les  Grecs  en  arri- 
verent,  bientot  sans  doute,  a  repr^senter  les  r£sultats  de  la  crousis  par  ce 
qu'ils  appelaient  des  diagrammes,  et  ces  r&ultats  pouvaient  etre  d'une  ob- 
servation tres  delicate.     On  lit,   en  effet,    dans  Bacchius1): 

«  Vn  diagramme  est  une  figure  geotnetrique  employee  pour  rendre  sensible  par  les 
yeiix  ce  qui  serati  difficilement  disceme  par  VoreUle>. 

Cette  definition  confirme  a  la  fois  la  veritable  acception  du  mot  crousis, 
et  justifie  la  subtilite  des  nuances  constatables  entre  certains  sons  de  notre 
tableau;  car  ce  tableau,  en  r£alite,  est  un  diagramme  ou  la  reunion  de  trois 
diagrammes  superposes. 

En  outre,  ce  tableau  repr£sente  le  principe  des  compositions  tricordes 
(iptxopoa)  des  musiciens  de  l'epoque  archai'que,  Olympos,  Terpandre  et  leur 
£cole,  dont  Plutarque  celebre  la  simplicity  et  la  beaute.  Par  une  crousis 
qui  parait  avoir  ete  deja  speculative  en  meme  temps  qu'inherente  a  la  sys- 
tematisation  instrumentale,  ils  en  combinaient  leurs  nomes  (vdjxot:  his),  sortes 
d'echelles  ou  de  melopees  types  qui  determinaient  les  harmonies  et  ryihmts 
qu'on  devait  observer  strictement  jusqu'a  la  fin  d'une  composition  musicale. 
Bien  que  sous  l'aspect  qu'en  offre  notre  tableau,  les  combinaisons  possibles 
etaient  nombreuses  et  suffisantes  pour  l'eventualite  des  trois  genres  et  de 
plusieurs  modes.  Elles  devenaient  innombrables  par  la  subdivision  consecu- 
tive des  intervalles. 

On  trouve  une  premiere  preuve  des  allegations  qui  precedent  dans  un 
passage   de   Plutarque   (irept  jxoocjixtjo  Wechel.  1137 — 38),   ou  on  rencontre 

1)  .  .  .  8taYp4{X{xotTi  hk  ypefyxefta,  ha  tA  ttq  dxoig  S6aXf)icra  irp6  ^ftaXfid"  *°i€  I**** 
ftdvo*joi  cpatvtjxai.    [Bacchii  Oerontis  Isagoge.    Mb.  15.) 


Jean  Marnold,  Lea  Fondements  naturels  de  la  Musiqne  etc.  335 

aussi  une  indication  sur  ce  que  fut  peut-etre  le  trope  spondiaque.  Ge  trope 
semble  avoir  consists  dans  l'Schelle  suivante,  qui  se  forme  dans  le  diagram- 
me  II: 

6       7       B       9       10       11        12 
mi    dojff    si       la       Sol       fa        mi 

Plutarque  explique,  en  effet,  que  ce  n'est  point  par  ignorance  qu'Olym- 
pos,  Terpandre  et  leur  6cole  n'ont  pas  use*  d'un  grand  nombre  de  cordes  et 
de  la  varied  interdite  a  l'egard  des  nomes.  II  en  prend  a  t£moin  leurs 
ouvrages  qui,  dans  leur  grande  simplicity  et  Itant  «constitu6s  des  seules 
combinaisons  fournies  par  trois  cordes*  (Tpt/opoot)  *),  l'emportent  cependant 
en  excellence  sur  les  compositions  multicordes  et  variees,  de  sorte  que  per- 
sonne   ne  saurait  imiter  la   maniere  d'Olympos  ni  l'egaler.     Et  il  continue: 

«Or,  que  les  anciens  ne  s'abstenaient  pas  par  ignorance  de  la  trite  dans  le 
trope  spondiaque,  c'est  ce  qu'ila  montrent  bien  dans  l'usage  de  la  cr oasis.  lis  n'au- 
raient  pas  employe  la  trite  [Do  ou  do)  en  consonnance  avec  la  parkypaie  [Fa  ou 
fa),  s'ils  ne  l'avaient  pas  connue  .  .  .*)» 


j 

N. 

Pn. 

Pm. 

M. 

L. 

Ph, 

H. 

Trope  Spondiaque  \ 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

1 

mi 

dofi 

si 

la 

Sol 

r 

fa 

mi 

I 

1 

1    »• 

Pn. 

Tr. 

Pm. 

M. 

L. 

Ph. 

H. 

Crousis       1 
(12x2x2)  | 

24 

mi 

27 
re 

30 

Do 

x 

32 
si 

36 

la 

40 
Sol 

45 

Fa 

x 

48 
mi 

1 

N. 

Pn. 

Tr. 

Pm. 

M. 

L. 

Ph. 

H. 

Crousis  I 
(12x3)   j 

18 
mi 

20 
Re 

22 
do 

X 

24 

si 

27 

la 

30 
Sol 

33 
fa 

X 

36 
mi 

«...  Mais  il  est  Evident  que  ce  fut  le  caractere  de  la  beaute*  conferee  au 
trope  spondiaque  par  l'absence  de  la  trite  [Do  ou  do),  qui  d£termina  leur  sentiment 
esth£tique  a  conduire  le  m£los  directement  a  la  parankte  («foj})». 

«On  peut  en  dire  autant  a  propos  de  la  Nets  ...»  —  (11  faut  entendre  ici  la 
Ncte  des  conjointes,  puisque  c'est  la  l'autre  son  [re)  qui  manque  aussi  au  trope  spon- 
diaque) —  «...  Car  ils  pratiquaient  l'usage  du  son  correspondant  (re),  dans  la 
crousis,  en  dissonance  avec  la  paranete  [Be)  et  en  consonnance  avec  la  mese  [la) . .  .* , 

N.       Pn.       Tr.      Pm.      M.        L.       Ph.       H. 

Crousis      j 
(12x2x2)  { 


24 

h 

30 

32 

3b 

40 

45 

48 

mi 

re 

Do 

si 

la 

Sol 

* 

Fa 

mi 

36 

40 

45 

48 

54 

mi 

Re 

* 

Do 

si 

la 

N   Crousis       f 
(12x3x2)  { 

1)  .  .  .  xpiyopfca  *)fap  oVra  xal  dt-Xa  otaccpgi  twv  roixiXcuv  xat  roXyyo'pGajv,  cJ>;  p/qoiix* 
SSvaoftat  pufXTjaaaftai  xov  '  OXyjiirou  Tpditov  •  •  • 

2)  "Oxt  Vol  raXaiol  ou  oV  aYvotav  dnctyovro  t^;  xptXT,;  £v  xw  orovScidCovxt  Tp6rwr 
sav-pov  roiei  yj  ev  xrj  xpousei  fevofiivr)  ypfjai;*  ci  y*P  *v  ~ot>  a^"i  ~P°»  ^v  ^apuirdxTj^ 
xeyp-fjattai  ou^f  a>vu>«  jxt)  -yvtuplCovxa;  x^v  ypfjsiv  .  .  . 

3)  dWd  ofjXov  3xi  x6  xoO  xdXXou;  Tjfto;,  o  Y^exai  £v  xw  a'ovoeiaxtj)  xptatp  &wi  t^v  r?j; 
xpiTTj;  £;alpeaiv ,  xoOx '  t4v  to  xf^v  atothjatv  auxc&v  ir.dfos  tizi  to  fctaPijJdCew  *xV  yitho;  i-nl 
xfy  rapavT,XT|V.  f0  auxo;  oe  X6fo;  xai  repi  xfjs  v/jtt^  *  xai  -yap  xa6x7]  ~pO£  pA^  t*\n  xpoSaiv 
iypdivTO  xal  rpo;  7:apavr)x?jV  ola<fur;a>;  xal  ftpoc  pirrjv  <rjcfo(>va>;  .  .  . 


336  Jean  Marnold,  Lea  Fondements  naturels  de  la,  Musique  etc 

(Dans  le  systeme  disjoint,  que  la  presence  de  la  paramese  implique  ici^  la  ren- 
table paranete  serai t  Re  consonnant  par  quinte  avec  la  lichanos  Sol,  et  non  pas  re 
consonnant  par  quarle  avec  la  mese  la.) 

«...  Mais  dans  le  melos,  ce  son  ne  leur  semblait  pas  propre  au  trope  span- 
diaque.> 

«£t  non  seulement  a  ceux-la  ...»  —  (C'est-a-dire  a  ceux  qui  pratiquaient  le 
trope  spondiaque)  —  «...  main  to  us  agissaient  pareillement  a  regard  de  la  nete  des 
conjointes  (re).  Car,  en  tant  que  crousis,  ils  la  pratiquaient  en  dissonance  avec  la 
paranUe  [Re),  (la  paramese)  et  la  lichanos  {Sol).*  —  (Voir  l'exemple  pr£c£dent.)  — 
«Mais,  en  tant  que  melos,  ils  auraient  eu  honte  de  s'en  servir,  a  cause  du  caractere 
[ethos)  qui  en  requite1).* 

Le  texte  de  ce  dernier  paragraphe  semble  alte>6  et  «...  la  paramese, . .» 
est  peut-etre  une  interpolation  de  copiste.  N£anmoins  on  peut  remarquer 
que,  dans  la  corde  I  de  notre  tableau,  qui  fournit  pr£cisement  la  nete  des  con- 
jointes (re)  avec  le  Utracorde  conjoint  regulier  (9 — 10 — 11 — 12,  et  par  crousis 
poussSe  plus  loin  36 — 40 — 45 — 48),  on  rencontre  dans  la  crousis  le  tetra- 
corde  disjoint  mi  (16)  —  r6  (18)  —  Do  (20)  —  si  (21),  ou,  non  seulement 
le  re  dissonne  en  tant  que  paranete  et  avec  la  lichanos  reguliere  (Sol),  mais 
ou  le  si  de  «la  paramise*  con  son  n  ante  est  remplace"  par  un  si  dissonant. 
Nous  trouverons  ailleurs  une  confirmation  de  notre  hypothese  sur  le  trope 
spondiaque  et  aussi  une  indication  sur  le  sens  du  mot  caractere  (ffioq),  ap- 
plique au  melos  ou  aux  echelles,  et  qui  parait  avoir  6te*  attache  a  des  diffe- 
rences d'intonation  fort  subtiles  et  ressortir  plutot  a  des  conceptions  esthl- 
tiques  bashes  sur  une  sorte  de  m6tapbysique  du  nombre. 

Enfin,  voici  une  autre  preuve  de  la  veritable  signification  du  mot  crousis 
et  de  I' exactitude  de  sa  representation  dans  les  diagrammes  de  notre  tableau. 
Pree  de  mille  ans  apres  la  pratique  archaique  rapportee  par  Plutarque 
d'apres  un  texte  perdu  d* Aristoxene ,  Gaudence  d^finit  les  sons  paraphones 
comme  intermldiaires  entre  les  sons  symphones  et  diapkones.    Et  il  ajoute: 

«Dans  la  crousis,  les  sons  paraphones  paraissent  consonnants,  tels  ceux  qui 
limitent  Tintervalle  de  trois  tons  de  la  parhypate  des  moyennes  a  la  paramese,  et 
Tintervalle  de  deux  tons  de  la  lichanos  ou  diatonique  des  moyennes  a  la  paramtse*).* 

Or,  dans  le  systeme  par'fait  dont  il  s'agit  ici,  la  parhypate  des  moyennes 
correspond  a  un  FA,  la  lichanos  a  un  SOL  et  la  paramese  a  un  81  du  triple 
diagramme  dorien  de  notre  tableau.  Et,  en  nous  y  reportant,  nous  trouvons, 
accompagues  de  leur  longueur  de  corde,  un  si  (21)  de  la  corde  I  et  un  si 
(32)  de  la  corde  II,  dont  la  difference  est  -J-J-;  un  sol  (27)  de  la  corde  I  et 
un  Sol  (40)  de  la  corde  II,  dont  la  difference  ||;  un  J^a  (15)  de  la  corde 
I  et  un  fa  (17)  de  la  corde  III,  dont  la  difference  est  |J-£,  c'est-a-dire  des 
sons  de  tres  faible  difference  d'intonation  et  repondant  en  tous  points  a  la 
definition  de  Gaudence.  II  y  avait  naturellement  bien  d'autres  sons  para- 
phones que  ceux-ci,  que  Gaudence  d'ailleurs  ne  cite  qu'en  maniere  d'exemple 
et  qui  nous  suffisent  a  demontrer  par  le  fait  ce  qu'^tait  la  crousis,  laquelle 

1)  . . .  xard  hi  to  (jiiXo;  oix  lyawfao  auroT;  ohtEia  ei^at  t<»  07rovoeiaxtj»  Tp6np.  OS 
fj.6vov  fce  toutoi;,  dXXd  xal  ttj  cjvTjfipivcDV  vtjttq  o'jtw  xfyp-qvtai  7rdw7£C  x*tA  jjl&v  ^Ap  r^v 
xpoDaiv  a*jr?]v  fciecpcuvouv  zpfc;  xe  rapaWjxrjv  (xai  Trpoi  TrapafiioTjv)  xai  Ttpoc  Xtyowiv  .  .  . 

2)  .  .  .  zapdeparvot  hk  ol  fiiaoi  (Jtev  o'jp.{pd>vo'j  xai  oiatpdbvoo,  h  oe  xijj  xpotaci  <patv<Sjxtvot 
o-jptpumr  warcep  Itz\  xpubv  xdvcuv  cpctfvexai  dro  TrapurdxTjc  fiiotuv  irX  rapajiiarp  xai  iid  Wo 
T<Jv<«v  dr.b  pgawv  oiaxdyou  li:\  Twpatu£ar)v.    (Gaudence:  Isagoge.  Mb.  11 — 12). 


Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc.  337 

nous  revele  a  son  tour  a  quelle  r£alite  s'appliquait,  a  tout  le  moins  au  temps 
de  Gaudence,  le  terme  technique  de  sons  paraphones,  dont  nous  ne  possldons 
aucun  equivalent  ou  analogue. 

Olympos. 

Tandis  que  les  noma  d'Orphee  et  d'Amphion,  pour  la  lyre  et  la  citharo- 
die  primitive,  ne  se  rapportent  guere  qu'a  de  vagues  legendes,  il  semble 
que  les  primes  indices  d'une  systematisation  de  Tart  musical  doivent  etre 
reconnus  dans  les  innovations  d'une  sorte  de  lignee  d'auletes  venus  de 
Phrygie  a  une  epoque  incertaine,  mais  fort  eloigned.  II  est  remarquable 
que  ce  soit  au  Phrygien  Olympos,  personnage  a  peu  pres  mythique,  que  Plu- 
tarque,  d'apres  Alexandre  Polyhistor,  attribue  < Tintroduction  en  Grece  des 
croumata  et  des  ides  dactyles*.  Le  mot  xpoGfia  (coup,  choc)  offre  precis^- 
ment,  avec  la  meme  derivation  (xpouco),  une  acception  tres  analogue  a  celle 
du  mot  crousis  et  pouvait  exprimer  Taction  de  frapper  des  cordes  tendues. 
Ce  sens  est  d'ailleurs  implique"  par  l'emploi  qu'en  fait  Platon  et  les  ecrivains 
posterieurs  pour  designer  le  jeu  d'instruments  de  ce  genre  et  la  pratique 
du  plektron.  D'autre  part,  ces  'ISaioi  Aax~uXoi  peuvent  d'autant  mieux  d6- 
router  la  traduction  qu'iis  se  sont  transformed  dans  la  legende  en  g£nies 
fabuleux,  baptises  aussi  Dactyles  de  Vlda  ou  du  mont  Ida.  Clement  d1  Alexan- 
dre, dans  ses  Stromates,  les  mentionne  comme  les  *inventeurs  des  lettres  dites 
d'Ephese  et  de  la  maniere  de  produire  les  rythmes  musicanx,  raison  pour  la- 
quelle  le  doigter  chez  les  musiciens  (ot  Trap  a  rot;  jxouoixot;  oaxtoXoi)  en  recut 
la  denomination*  1).  L'extraction  phrygienne  de  ces  auletes  initiateurs  6tablit 
une  importation  d'Asie-Mineure  et  evoque  le  voisinage  des  peuples  Semites. 
Or,  main,  en  hSbreu,  s'Scrit  T  (id),  mot  dont  les  voyelles  massorttiques 
ont  fait  H-  (iad)  pour  une  prononciation  fix^e  au  VIe  siecle  de  notre  ere  et 
qui  ne  saurait  intervenir  en  l'espece.  L'expression  apparait  done  un  doublet 
h^breu-grec  [id,  main  —  dactyloi,  doigts),  et  devoir  representor  une  tabla- 
ture  instrumentale  primitive  ou  des  signes  graphiques  correspondaient  non 
settlement  a  des  doigters,  mais  subs6quemment  a  des  mesures  d'ou  s'ensuivait 
la  position  des  trous  ou  des  chevalets.  La  plus  ancienne  indication  technique 
rencontrable  dans  les  textes  semble  ainsi  impliquer  a  la  fois  une  division 
systematise^  de  la  corde  (croamata)  assimilable  a  l'usage  du  monocorde,  et 
la  division  correlative  de  tuyaux  perces  d'ou  vert  ures  ouvertes  ou  bouchees 
avec  les  doigts  de  l'ex£cutant  [ides  dactyles)  et  figuree  par  des  lettres;  bref, 
tons  les  elements  d'une  systematisation  issue  de  l'empirisme  pratique  et  con- 
tenant  le  germe  d'une  theorie  bas£e  sur  la  division  des  cordes  et  des  tuyaux. 

La  chronologie  de  ces  temps  recule's  est  aussi  contradictoire  et  obscure 
que  l'ordre  des  innovations.  II  semble  que  1' Olympos  dont  il  s'agit  soit 
l'ancetre  de  la  bande.  Apres  lui  viendrait  Hyagnis  auquel  on  attribue  1' in- 
vention de  l'aulos,  du  tricorde  et  de  Vharmonie  diatonique  (CI.  d'Alex.),  de 
tharmonie  phrygienne  (Aristoxene,  Athene  XTV,  624)  et  de  plusieurs  nomes; 
ensuite  Marsyas  le  Silene,  inventeur  de  l'aulos  double,  des  Jiarmonies  phry- 
gienne,  mixophrygicnm  et  mixolydienne  (CI.  d'Alex.) ;  enfin  un  nouvel  Olympos, 
e*leve  de  Marsyas,  aulete  renomme  entre  tous,  et  a  qui  la  creation  du  genre 
enharmonique    valut    le    titre    glorieux    de    «fondateur  de   la   belle    musique 

1)  .  .  .  etc  oO;  ^  ts  Tttiv  'E^£3(tov  Xefopivtuv  Ypapjidfanv  xcti  tj  t&v  xax&  tAOoamfy  tupt- 
ot;  pudpaw  ava'v£p£Toii  (ot  '  ^v  atiiav  oi  rapa  to?;  pouaixol;  odxT'j/.ot  tt^v  TpoaTflOplow  elXi- 
<past).    (Clem.  Alex.  Stromates.    I.  15.    p.  781.    Migne.) 


338  Jean  Marnold,  Les  Fondementa  naturels  de  la  Mosique  etc 

grecque>  (Aristox.  chez  Pint.).  C'est  settlement  avec  celui-ci  que  nous  abor- 
dons  au  seuil,  encore  bien  nlbuleux  pourtant,  de  l'bistoire.  Essayons  ce- 
pendant  d'appliquer  notre  m£tbode  en  datant  d'Olympos  le  Vieux  l'intro- 
duction  en  Grece  de  la  division  systematise^  des  cordes  et  des  tuyaux,  et 
*  oplrons  celle-ci  en  commencant  par  les  proctitis  les  plus  simples. 

Nous  pouvons  diviser  une  corde  en  deux,  puis  chaque  moitie"  en  -J,  puis 
chaque  quart  en  \\  d'ou  les  longueurs  de  cordes  et  les  sons: 

a)                 12345678 
i j i i i i i j_, j 

mi  mi  la  mi  Do  la 


En  divisant  la  meme  corde  ou  une  corde  de  longueur  egale  en  3;  puis 
en  6  parties,  nous  obtenons  pareillement : 

b)                     12                  3                4                   6  6 

i J ^ j j j J j^ 

si  si  mi  si  Sol  mi 

Tous  cos  son 8  dgsormais  a  notre  disposition  par  les  moyens  les  plus 
simples,  nous  pouvons  les  reproduire  indistinctement  sur  des  instruments  a 
cordes  ou  a  tuyau.  En  les  combinant  dans  les  limites  d'une  octave,  ainsi 
qu'Aristoxene  nous  apprend  qu'agissaient  les  barmoniciens  arcbaiques,  nous 
aurons,  avec  a  et  b, 

a)  4       5       6        7       8 
mi    Do       la     fa$    mi 

b)  3  4  6  6 
mi         si        Sol        mi 

les  elements  d'une  echelle  correspondant  aux  longueurs  de  cordes  et  aux  sons: 


12 

15 

16 

18 

20 

21 

24 

c) 

mi 

Do 

si 

la 

Sol 

/•# 

mi 

d) 

la 

Fa 

mi 

ri 

Do 

si 

la 

e) 

re 

Si\? 

la 

sol 

Fa 

mi 

re 

Car,  pour  plus  de  clart£,  nous  pourrons  employer  indifferemment  l'une 
ou  I' autre  de  ces  ecbelles,  qui  correspondent  egalement  a  ce  r£sultat  de  la 
division  de  la  corde. 

Sous  1' aspect  e,  , 

12  16       16       18       20       21        24 

re  Si  7       la       sol       Fa       mi      re 

nous  obtenons  empiriquement,  sans  arbitraire  ni  speculations  matb^matiques, 
au  moyen  des  plus  simples  divisions  de  la  corde  ou  des  tuyaux 
1°  Un  Heptacorde  bas6   sur  un   tetracorde  phrygienj   et  ou,  en  mode  dorien, 
le  Si\>  amorce  un  sysUme  conjoint',    c'est-a-dire  une    Echelle  correspondant 
aux  deux  particularity  capitales  de  la  gamme  arcbaique  traditionnelle. 
2°   Trois   Utracordes   correspondant    aux    trois    modes  primitifs:   le  pkrygien 
(sol — Fa — mi — rt)j  le  dorien  (la — sol — Fa— mi)   et  le   lydien  (Sip— -fo— 
sol — Fa). 
3°  Une  nouvelle  justification  de  l'importance  de  la  quarte,  seul  intervalle  qui, 
dans  cette  Echelle  arcbaique,  fournisse  par  sa  division  en  Utracordes  trois 
aspects    differents   d'un  intervalle  identique,   c'est-a-dire   un   element  pr$- 
cieux  de  contraste  ou  de  varilte*  dans  un  art  monodique. 


Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Ma  si  que  etc.  339 

4°  On  s'en  expliquerait  deja  le  role  principiel  accords,  dans  la  th£orie  sub- 
s^quente,  an  Utracorde  qui,  des  les  origines,  fournit,  avec  le  susdit  616- 
ment  de  varied,  non  senlement  les  trois  modes  primordiaux,  mais  aussi 
le  genre  dit  depuis  diatonique. 

H  nous  serait  loisible  de  rechercher,  dans  les  diverses  expressions  (c,  d,  e) 
de  cette  6chelle  et  leurs  combinaisons,  la  possibility  des  innovations  attributes 
a  Hyagnis  et  a  Marsyas.  Mais,  outre  que  ces  innovations  nous  sont  rap- 
portles  a  dix  ou  peut-etre  douze  siecles  de  distance,  cette  echelle  n'eiait 
vraisemblablement  pas  la  seule  pratiqu6e  par  les  musiciens  archaiques, 
et,  a  l^gard  de  personnages  aussi  fabuleux,  l'bypotbese  serait  fastidieuse. 
Nous  nous  contenterons  d'inferer  de  ces  textes  et  d'autres  a  la  rlalite* 
d'une  systematisation  deja  fort  avancle,  (comportant  l'usage  du  diatonique 
et  du  chromatique),  ant£rieure  au  second  Olympos,  qu'on  situe  d'ordinaire 
dans  la  premiere  moitie"  du  VJLL6  siecle  avant  J.  C.  Enfin,  nous  remar- 
querons  que  cette  6cbelle,  de  plausibility  evidente,  constitue  une  gamme 
incomplete  bas£e  sur  le  tltracorde  phrygien.  Or,  selon  l'unanimite*  des  textes, 
le  phrygien  est  le  mode  particulierement  propre  a  l'aulos,  et  1' absence  de 
certaines  notes  d'une  6cbeUe  est  pr£cis6ment  le  principe  du  genre  enharmo- 
nique.  Nous  en  sommes  done  autoris6s  a  demander  a  cette  e'cbelle  la  solu- 
tion de  l'6nigme  incarnle  par  le  genre  enharmonique  et  son  invention  par 
Yaulete  Olympos1]. 

1)  On  pent  remarquer,  en  outre,  que  cette  6chelle  parait  corresponds  tout 
particulierement  a  la  pratique  et  meme  a  l'invention  de  Yaulos  double,  instrument 
favori  de  Marsyas  et  de  son  eleye  Olympos.  Get  aulos  double,  en  effet,  avec  son 
fahelle  heptacorde  pouvait  etre  tres  naturellement  constitue*  de  deux  aulos  mono- 
ealames,  perc6s  selon  les  divisions  les  plus  simples,  produisant  les  6chelles  pri- 
maires  et  ayant  respectivement  4  et  3  trous,  l'orifice  donnant  le  eon  fondamental 
grave. 


4 

5 

6           7 

8 

A 

• 

• 

•           • 

) 

la 
la 

Fa 
mi 

re        si 
Do 

la 
la 

0 

• 

o 

© 

) 

D'autre  part,  la  pratique  de  Yaulos  double,  dans  un  art  monodique,  serait  une 
Inigme  d£concertante  si  les  deux  tuyaux  avaient  re^onne"  simuttanement;  —  et  ce- 
la  d'autant  mieux  que,  chaque  tuyau  ayant  4  trous  au  maximum,  (le  pouce  6tant 
nlcessaire  &  maintenir  l'instrument  aux  levies,)  la  pauvret6  des  res  sources  et  la 
difficult^  d'ex£cution  polyphonique  ne  permettent  guere  de  supposer  un  r&ultat 
artistique  en  rapport  avec  la  renomm£e  d'Olympos.  Au  contraire,  la  pratique  de 
Yaulos  double  s'explique  ais6ment,  si  on  admet  que,  pour  chacun  des  deux  tuyaux, 
Y orifice  ext&me,  oppose1  a  l'emboucbure,  etait  bouche.  De  cette  facon,  les  sons  au- 
raient  6t6  produit  exclusivement  au  moyen  des  trous  perc£s  sur  les  parois  des  tubes, 
Vinstrument  ne  produisant  aucun  son  quand  tous  les  trous  6taient  obstruls  par 
les  doigts  de  1' executant.  Ainsi  concu,  Yaulos  double  apparait  un  instrument  mono- 
dique aussi  commode  a  jouer  que  Yaulos  monoeatome.  On  pent  meme  observer  que 
cette  conformation  de  Yaulos  double  6tait  presque  dieted  par  les  origines  et  les 
exigences  de  facture  de  Yaulos  primitif.    Celui-ci  denvait  de  la  syrinx  ou  flitte  de 

s.  d.  dig.   x.  23 


340  Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc. 

La  systematisation ,  que  nous  venons  d'admettre,  est  d'ailleurs  confirmee 
par  le  passage  de  Plutarque  relatif  a  la  decouverte  de  ce  genre  et  qui  nous 
conserve  nn  texte  de'trait  d'Aristoxene.  Apres  avoir  specific  que,  avant 
Olympos,  tout  £tait  diatonique  ou  chromatique,  Aristoxene,  qui  ecrivait  au 
moins  quelques  trois  cents  plus  tard,  raconte  ainsi  comment  la  tradition 
presumait  qu'Olympos  trouva  le  genre  enharmonique1). 

«01ympos,  s'exercant  un  jour  dans  le  genre  diatonique,  conduisait  souvent  le 
melos  directement  a  la  parhypaie  diatonique  a  partir,  tantot  de  la  paramese,  tantdt 
de  la  mese,  en  passant  la  lichanos  diatonique.  II  fut  frappe*  de  la  beauts  de  Vetkos 
qui  en  r&ultait  et,  admirant  le  systeme  construit  d'apres  cette  analogie,  il  ten 
eervit  pour  composer  sur  le  ton  dorien  ...» 

Ce  rScit,  —  rien  moins  qu'affirmatif,  a  la  verite,  —  impliquerait  ainsi 
le  basard  d'une  improvisation,  et  on  ne  s'expliquerait  guere  qu'une  gramme 
due  a  l'arbitraire  et  a  la  fantaisie  d'un  aulete  ait  pu  fournir  a  la  theorie 
musicale  grecque  un  de  ses  elements  fondamentaux,  et  valoir  a  son  fabricant 


Pan,  dont  les  tuyaux  touches  pouvaient  inspirer  l'id6e  d'en  transporter  les  propor- 
tions sur  un  tuyau  unique  pareiUement  boucJd  a  T  orifice  et  perce"  de  trous  lat6raox. 
II  n'est  nullement  invraisemblable  que  les  premiers  aulos  simples  eux-memes  aient 
Gte"  ainsi  fabriquSs.  Enfin,  pour  dee  tuyaux  de  faible  calibre,  comme  il  semble  que 
ce  fut  le  cas  aiors,  les  corrections  imposees  par  le  diametre  de  la  perce,  celui  det 
trous  latlraux  et  l'gpaisseur  des  parois  tendent  toutes  a  une  diminution  des  lon- 
gueurs tbeoriques  exactement  fournies  par  les  divisions  de  la  corde.  Et,  en  s'aidant 
eventuellement  des  eroumata  de  la  corde  tendue,  il  est  fort  possible  que  les  auleles 
aient  realise*  empiriquement  ces  corrections  sur  un  tuyau  conforms  a  ritalon  to£- 
orique,  done  trap  long  et,  apres  le  forage  du  dernier  trou  donnant  le  son  grave 
fondamental,  laissant  un  exces  propre  a  un  bouehage  analogue  a  celui  des  tuyaux 
de  syrinx.  En  employant  deux  aulos  monocalatnes  de  cette  espece  pour  constitaer 
un  aulos  douhlet  il  leur  6tait  loisible  de  fermer  momentanement  avec  de  la  cire, 
—  ou  memo  de  supprimer,  en  ne  les  percant  pas,  —  tele  trous  prodnisant  le  meme 
son  sur  les  deux  tuyaux  accoupleV  lesquels,  en  fournissant  notre  beptacorde,  an- 
raient  offert  a  peu  pres  cet  aspect: 


On  voit  qu'on  aboutirait  de  cette  maniere  a  un  aulos  double  tres  ressemblant 
a  certains  de  ceux  que  l'iconographie  nous  conserva,  et  l'bypotbese  de  deux  tuyaux 
touches  a  leur  orifice ,  outre  que  F  antecedent  imm6diat  de  la  syrinx  la  rend  dee 
plus  plausibles,  apparait  singulierement  apte  a  justifier  la  pratique  d'un  instru- 
ment de  ce  genre  dans  un  art  monodiquc. 

1)  .  . .  dvaoTp£f<5fjitvov  t6v  "OXupisov  dv  xui  StaT^vip  xal  StapipdCovxa  t&  piXoc  itoXXdxtc 
irX  w  owkovov  irap'jirdTTjv,  tote  |*ev  dro  r?js  rapafjiarjc,  xoxi  &  *  td«i  Tifc  pittqc,  x*i  «*p»- 
palvovxa  t^jv  Sidrovov  Xiyavov  xa-ajxaOeiv  t6  xdXXo;  toO  4j6o'jc,  xal  out©  rh  k*  *rfjc  £**- 
Xoftac  aoveanrjx&c  avoTTjua  Oaufjtdaa^Ta  xai  droSscdjuvov  &  to6t<j>  iroictv  Iki  toO  topiw* 
tovoj.    (Plut  De  Musica.  1134.) 


Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc.  341 

une  renommee  immortelle.  Quoi  que  vaille  cette  tradition  tardive,  comme 
exactitude  ou  authenticity  des  details,  nous  n'avons  pas  le  droit  pourtant 
de  l'ecarter.  Aristoxene  s'y  exprimait  naturellement  avec  la  terminologie 
de  son  temps,  et  il  ne  faut  pas  oublier  que,  justement  a  l'endroit  de  l'echelle 
heptacorde  archa'ique,  les  denominations  etaient  fort  incertaines,  et  qu'ou 
nsait  volontiers  du  mot  paramese  pour  designer  la  trite  du  systeme  conjoint 
primitif.  Nous  appliquerons  done  comme  il  suit  la  terminologie  employee, 
aux  sons  de  notre  echelle  representee  sous  l'aspect  d: 


N. 

Pm. 

M. 

L. 

Ph. 

H. 

12 

15 

16 

18 

20 

21 

24 

la 

Fa 

mi 

re 

Do 

si 

la 

Et  nous  admettrons  qu'  Olympos,  improvisant  dans  cette  echelle  diato- 
nique,  ait  saute  frequemment  de  la  paramese  (Fa)  ou  de  la  mess  (mi)  a  la 
parhypate  (Do),  en  supprimant  la  lichanos  (re).  II  employait  done  tons  lea 
autres  sons  de  F^chelle.  Or,  pour  en  constituer  une  gamme  fondle  sur  un 
systeme  construit  d'apres  1' analogic  de  cet  ethos,  il  lui  fallait  necessairement 
alterer  wi  de  ces  autres  sons  de  l'echelle,  a  savoir  Vhypate  dissonante  si,  in- 
capable de  rentrer  dans  la  composition  d'un  systeme  (conjoint  ou  disjoint) 
regulierement  consonnant. 

Le  tetracorde  obtenu  par  cette  alteration  correspondait  alors  aux  lon- 
gueurs de  corde  24  (mi)  —  27  (r6)  —  30  (Do)  —  32  (si),  et  fournissait  le 
si  consonnant  indispensable  a  la  formation  du  systime.  Et,  en  transportant 
sur  une  echelle  unique  les  sons  et  les  longueurs  succesivement  realises,  nous 
obtenons : 

12        15        16       18       20       21  24 

24        27        30  32 

36454864606364        72 
la        Fa       mi       (re)      Do        si        si        la 

La  difference  -|-|  peut  paraitre  infinitesimals  et  d' execution  impraticable 
avec  justesse,  surtout  sur  un  aulos  simple  ou  double  ou  le  si  (32)  devait 
etre  produit  en  debouchant  incompletement  le  trou  du  si  (21).  On  pourrait 
repondre  que  la  reputation  d'Olympos  autorise  a  lui  accorder  quelque  finesse 
d'oreille;  que  nos  violonistes  font  couramment  la  difference  plus  faible 
encore  du  comma  |-f :  enfin,  que,  a  l'egard  des  instruments  a  vent,  Taction 
des  levres  et  du  souffle  intervient  dans  la  justesse  d'execution  pour  des  nu- 
ances fort  dedicates.  Mais  tout  cela  serait  superflu  en  l'espece,  car  ce  si  (63) 
n'avait  pas  besoin  d'etre  juste,  en  tant  que  simple  intermediaire  iventuel 
entre  le  si  (64)  et  le  Do  (60)  consonnants.  Je  dis  iventuel,  car  nous  igno- 
rons  absolument  si  ce  son  intermediaire  etait  employe  dans  le  melos,  ou  y 
£tait  employe  to u jours.  Dans  ce  cas,  il  est  tres  possible  que  la  realisation 
du  pyenon  se  soit  aussitot  presque  fatalement  conformed  a  la  formule  qui 
nous  est  restee  de  Venharmonique  de  Didyme  et,  comme  on  le  verra,  aussi 
d' Aristoxene :  24 — 30 — 31 — 32.  Quoi  qu'il  en  fut  d'ailleurs  d'une  pratique 
—  inevitablement  plus  ou  moins  fausse,  a  l'instar  de  la  notre,  —  conti- 
nuous d'en  examiner  les  consequences  theoriques  a  un  point  de  vue  speculatif 
absolu  correspondant  aux  subtilites  des  diagrammes  ou  formules  de  tetracorde 
qui  nous  sont  parvenus. 

En  supposant,  a  certains  aulos  de  l'epoque,  la  faculte  de  fournir  l'oc- 
tave  ou  harmonique  2,   si  facile  a  produire,  meme  involontairement  sur  les 

23* 


342  Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc. 

tuyaux  ouverts,  nous  aurions  une  6chelle  d'une  Vendue  de  deux  octaves,  que 
nous  representors  par  les  sons  et  les  longueurs  de  corde  correlatives,  en  adop- 
tant  imm6diatement  le  rapport  30 — 31 — 32  pour  le  pycnon  enharmonique: 

N        Tr.      N.     Pn.    Tr.  Pm.       M.       Ph.    H.       L.       Ph.  H.      Pr. 

86  46  48  64  60  62  64  72  90  96  108  120  124  128  144 
la        Fa     mi      re     Do     si#      si        la        Fa     mi      re        Do       sift       si       la 

Hyperbol.  Disjointes  Moyennes  Hypates  JVsi. 

Et  nous  obtenons  ainsi: 
1°  le   Systeme  par  fait    des   Grecs,    avec  sea    quatre    tetracordes    des    hyper* 
boleennes,  des  disjointes,  des  moyennes  et  des  hypates  et  son  proslambanomem, 
dans  le  genre  enharmonique. 
2°  Une  Schelle  enharmonique,  ou  le  demi-ton  des  moyennes  n 'est  pas  compose 
de  deux  diesis  enharmoniques,  comme  le  demi-ton  des  hypates]  c'est-a-dire 
une  cchette  enharmonique  conforme  d  la  description  £  Aristoxene. 
Celui-ci  ajoute,  en  effet,   en  employant  ici  pertinemment  la  terminologie 
contemporaine: 

«.  .  .  Le  pycnon  enharmonique  du  t6tracorde  des  moyennes,  qu'on  pratique  au- 
jourd'hui,  ne  semble  pas  provenir  de  cet  artiste  (Olympos);  ainsi  qu'on  peut  e'en 
convaincre  en  6coutant  un  aulete  qui  joue  a  la  maniere  archaYque:  car  it  conserve 
alors  le  demi-ton  des  moyennes  incompose.    Tel  fut  V enharmonique  primitdf  .  .  .*». 

L'hypothese  est  done  une  fois  de  plus  confirmee  par  les  textes  et  donne 
l'explication  d'un  passage  incomprehensible  sans  la  connaissance  de  la  realite 
empirique  a  quoi  il  correspond.  Oe  demi-ton  des  moyennes,  en  effet,  n'avait 
pas  besoin  d'etre  alterl,  puisque  les  deux  sons  (Fa  —  mi)  dont  il  est  forme, 
dans  l'echelle  primitive  incomplete,  gtaient  regulierement  consonnants  pour 
un  systeme  conjoint  ou  disjoint,  «construit  d'apres  1' analogic*  de  V ethos 
realise  par  Olympos. 

Enfin,  en  divisant  ce  demi-ton  des  moyennes,  —  (pratique  qui  suivit 
peut-etre  de  pres  Olympos),  —  et  en  notant  toujours  selon  le  pycnon  enhar- 
monique 30  —  31  —  32,  c'est-a-dire  ici  Do  (60)  —  sift  (62)  —  si  (64)  et  Fa  (90) 
—  mift(93) — ra*(96),  cette  Schelle  nous  fournit  les  six  gammes  archaiques 
qu'Aristide  Quintilien  nous  a  transmises  assez  obscur6ment  (Mb.  23),  et  qu'on 
transcrit  accompagnees  des  longueurs  de  corde  correlatives  et  de  leur  notation 
dite  instrumentale,  mais,  en  realite,  correspondant  d  la  crousis  (xata  xpoosiv); 
a  savoir,  d'abord  le  dorien,  le  phrygien  et  le  mixolydien: 


1  tt 

60 

62 

64 

72 

90 

93 

96 

108 

Dorien  <    > 

3 

U 

C 

< 

0 

O 

c 

F 

I  mi 

Do 

8i# 

si 

la 

Fa 

mi# 

mi 

re 

|   64 

60 

62 

64 

72 

90 

93 

96 

106 

fien    <    Z 

3 

U 

C 

< 

0 

O 

C 

F 

1   re 

Do 

si# 

si 

la 

Fa 

mift 

mi 

re 

64 

90 

93 

96 

108 

120 

124 

128 

Mixolydien    { 

c 

0 

O 

c 

F 

Tl 

L 

r 

si 

Fa 

mift 

mi 

re 

Do 

sift 

*t 

)  t6  -yap  is  Talc  piaate  dvappuSviov  iruxv<5v,  ij>  stjs  xpftvrat,  oO  fcoxct  roS  irotTjroy  cWau 
&'  io-zi  atmtatv,   ids  tic  dp^aixwc  tivoc   a&Xovvroc  dhto6«iQ  •  doMrrov  ^dp  (totZXcrmi 


Jean  Maraold,  Lea  Fondement*  naturals  de  la  Musique  etc.  343 

En  transposant  les  proportions  generatrices  de  cette  echelle  but  un  aulos 
ay  ant  une  longueur  des  2/3  du  precedent,  c'est-a-dire  sonnant  a  la  qumte 
superieure,  on  obtient  les  trois  autres  gammes  arohaiques  d'Aristide:  le 
syntono-lydien  et  fiastien  incomplete,  puis,  par  cr  ousts,  le  lydien  qui  se 
prlsente  dans  le  texte  sous  la  forme  d'un  hypolydien  enharmonique. 


Eckelle  type  I 


.Crousis  \ 


72 
mi 

Lydien 


12 

16 

16 

18      20      21 

24 

30. 

31 

32 

36 

mi 

Do 

St 

la     Sol    fajjf 

«•" 

Do 

sijf 

«t 

to 

{      20 

24 

30 

31 

32 

Syntono 

•lydien  {       H 

C 

71 

L 

r 

(     Sol 

mi 

Do 

«# 

« 

18      20 

24 

30 

81 

32 

Jastien   { 

<    n 

c 

"1 

L 

r 

la     Sol 

ms 

Do 

■** 

s» 

90 

93 

96 

106 

120    124 

128 

144 

180 

186 

192 

216 

Do 

•*t 

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Sol     fax 

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Do 

-» 

Mais  cette  echelle  nous  fournit,  en  outre,  l'occasion  d'un  rapprochement 
curieux   et  significatif  a  plus  d'un  titre. 

Plus  loin,  parlant,  tou jours  d'apres  Aristoxene,  de  Vtthos  des  rythmes 
musicaux,  lequel  « depend  de  l'enchafnement  ou  de  la  combinaison  de  ces 
rythmes  »,  le  meme  Plutarque  s'exprime  ainsi: 

c.  . .  Par  exemple,  le  genre  enharmonique  d'Olympos  place  sur  le  ton  phrygien, 
combine'  avec  le  p£on  epibate.  C'est  le  principe  de  cette  combinaison,  en  effet, 
qui  constitue  V ethos  propre  au  nome  d1  Athena.  Or,  tandis  que  rien  n'est  change 
a  la  meiopee  et  a  la  rythmopee,  le  rythme  seulement  etant  techniquement  modifie 
en  troquant  un  trochee  contre  un  peon,  le  genre  enharmonique  d'Olympos  n'est  pas 
altere  et  demeure.  Mais,  quoique  le  genre  enharmonique  et  le  ton  phrygien  per- 
sistent et  avec  eux  le  systeme  tout  entier,  il  en  requite  cependant  une  remarquable 
modification  dans  V ethos.  En  effet,  ce  qu'on  appelle  Barmonie  dans  le  nome 
d'Athena  differe  beaucoup  du  prelude  (dvairelpa)  a  regard  de  Vethos>i). 

Or  nous  venons  de  voir  que,  sur  l'lchelle  primitive  incomplete,  ou  Olympos 
put  trouver  empiriquement  le  principe  du  genre  enharmonique,  il  lui  fallait 
changer  le  si  en  si  pour  obtenir  un  systeme  consonnant ;  ce  qui,  precisement 
a  partir  du  premier  son  de  la  gamme  phrygienne ,  lui  donnait  ri  (27)  —  Do 
(30)  —  si  (32)  au  lieu  de  ri  (18)  —  Do  (20)  —  si  (21),  c'est-a-dire  des  sons  pro- 
ducts par  des  longueurs  de  corde  correspondant  a  un  peon  (27  —  30  —  32) 
et  a  un  trochee  (18  —  20  —  21). 


clvat  xai  tb  £v  xalc   fiioat;   tJfAtxdviov.     To  fxev   ouv   irp&xci  xd>v  ivapfAovlrov  xotaOxa  .  .  . 
(Plut.  D.  M.  1136.) 

1)  .  .  .  otov  '0X6p;rq>  x&  Ivappriviov  fbtoz  ItzX  ^pu-ylou  xdvou  xc8£v  Ttaiam  iTuftaxip  jm^- 
8£v  •  xouxo  ?dp  Tfjs  ipx"?j«  t^  rftoz  Ifkwrpen  ln\  xtji  xtj;  Athjvdc  v<Spq>  •  itpoaXi^ftsfaQC  -y^P 
fisXoiroilac  xai  jtodfAOiioilac  xe^vmSis  xe  fxexaXtjcpflivxos  xou  j>yfy*oO  fidvov  a&xoO  xai  y6V0" 
jiivou  xpoxatoo  dvxl  iratavo;,  ouv6oxi)  x6  'OXujatcou  ivappilviov  f&voz'  dXXd  p^v  xal  xoO 
svapptfviou  fevooc  xal  xou  <ppi>f(o'j  x6vou  oia(Mv6vxa>v  xal  rcp&c  xouxoic  xou  ouaxfytaxo; 
iravx6«,  jie^oXtjv  dXXotaoiv  loyTjxc  x&  ffios.    (Pint.  De  Jfws.  1143.) 


344  Jean  Marnold,  Les  Fondements  nature! b  de  la  Musique  etc 

1/ application  de  la  terminologie  rythmique  a  la  musique  pure,  qu'on 
rencontre  a  tout  propos  dans  les  sources  et  qui  parait  si  deroutante  a  priori, 
en  est  ainsi  naturellement  expliquee.  Elle  decoulait  spontanement  de  la 
systematisation  numerique  dictee  par  rempirisme  instrumental  a  la  theorie 
speculative.  II  semble  meme  infiniment  probable  que  ce  soit  de  cette  theorie 
purement  musicals  que  proviennent  les  termes  et  tous  les  elements  de  la 
systematisation  metrique  et  rythmique  imposee  artificiellement  a  la  po£sie 
par  les  grammairiens  posterieurs  et  effective  arbitrairement  par  eux  chez 
les  anciens  poetes,  grace  a  1' alteration  des  textes  originaux  dument  revus  et 
corriges.  Cette  conception  d'une  rythmique  purement  musicale,  correspondant 
a  des  rapports  de  longueurs  de  corde  ou,  plus  tard,  de  vibrations,  etait  si 
familiere  aux  Grecs,  que  sa  meconnaissance  rend  incomprehensibles  les  trois 
quarts  de  la  literature  adequate.  Elle  se  perpetua  longtemps,  au  surplus, 
parmi  les  tradiments  scolastiques  herites  de  l'antiquite,  et  on  en  trouve 
encore  le  principe  et  la  theorie  nettement  exposes  chez  Jean  de  Muris,  sous 
cet  intitule:  Comparatio  specierum  dyatessaron  et  dyapente  metrorum  pedibus. 
(Speculum  musicae.  Lib,  VI.  Gap.  XXI1.)  Pour  Interpretation  de  cette 
rythmique  musicale,  il  faut  evidemment  se  garder  d'en  reconnaitre  a  priori 
de  rigoureux  equivalents  dans  la  terminologie  elaboree  tardivement  par  les 
metriciens  de  la  poesie,  et  ou,  en  depit  d' in  eluc  tables  analogies  fondamen- 
tales  et  essentielles,  certaines  expressions  risquent  de  n'etre  plus  que  de 
purs  termes  techniques.  On  a  certes  le  droit  de  tabler  sur  la  communaute 
de  vocabulaire  et  la  filiation  eventuelle  pour  des  edaircissements  reciproquea ; 
mais,  la  rythmique  musicale  ayant  manifestement  precede  l'autre  en  tant  que 
systematisation  n£cessairement  issue  de  l'empirisme,  il  convient,  specialement 
a  l^gard  des  traditions  lointaines,  d'y  entendre  les  mots  dans  leur  sens 
propre,  general  ou  originel,  au  lieu  ou,  pour  le  moins,  avant  de  les  assimiler 
aux  termes  purement  techniques  dont  l'acception  desormais  conventionnelle 
leur  echut  depuis  et  parfois  bien  longtemps  plus  tard.  C'est  le  cas,  par 
exemple,  de  l'epithete  epibate,  employee  par  les  grammairiens  pour  denommer 
conventionnellement  un  peon  special,  mais  qui,  litterallement,  signifie  par- 
couru  ou  accessible  en  montant. 

Nous  pourrions  done  interpreter  comme  il  suit  le  passage  de  Plutarque- 
Aristoxene : 

«...  Par  exemple,  le  genre  enbarmonique  d'Olympos  place  sur  le  ton  phrygiem 
re  (18)  —  Do  (20)  —  si  (21)  —  la  (24),  combine  avec  le  peon  realisable  en  montant . . .» 
—  (en  montant  numcriqitement ,  e'est-a-dire  27  —  30  —  32)  —  «...  C'est  le  prin- 
cipe de  cette  combinaison  qui  constitue  Yethos  propre  au  nome  d' Athena. » 

1)  Quia  volentes  musici  species  dyatessaron  et  dyapente  metrorum  pedibus  iltorum- 
que  comparand  syUabis,  hie  idea  de  hoc  apponamus.  Sicut,  inquiunt,  rods  articulate 
partes  sunt  litterc  ex  quibus  per  compositionem  syllabe  nominaque  constant  et  verba, 
sic  ex  sonorum  copulatione  que  prima  cantus  sunt  fundamenta  mixti  nascuntitr  son* 
qui,  si  ad  certam  in  numeris  rcducibites  sunt  proportionem ,  generaliter  loquendo  eon- 
sonantie  sortiuntur  nomine;  et  hi  quidem  si  inter  ipsos  medius  nofi  eadat  sonus,  sunt 
quasi  due  similes  juncte  littere;  fitque  tunc  semitonium  vel  tonus  et  semitotrittm  pro 
brevi  syllaba,  tonus  pro  longa  sumaiur.  Si  vero  inter  illos  medius  eadat  sonus,  ut  tint 
ires  soni  velut  in  syllaba  litterarum  trium,  fit  tunc  vel  semidytonus  vet  dytonus.  Semi' 
dytonus  ex  longa  et  brevi  dytonus  ex  duabus  longis  et  semidytonus  quidem  difformis. 
Si  enim  longa  precedat  brevem,  trocheus  dicitur,  sic:  re,  mi,  fa.  Si  e  eonverso,  iam- 
bus sit:  mi,  fa,  sol.  Si  dytonus,  qui  uniformis  est,  sic  est  spondeus  ...  (Cousse- 
maker,  Script,  de  Mus.  med.  eevi.    T.  II.  p.  233.) 


Jean  Mara  old,  Les  Fondemente  naturels  de  la  Musique  etc.  345 

Si  nous  repr^sentons  sur  une  ligne  les  deux  octaves  de  l'Schelle  incom- 
plete fournie  par  Taulos  ou  Olympos  put  elaborer  le  genre  erdiarrnonique^ 
nous  avons : 

^ trochee  — ^  ^ peon  — ^ 

12      15      16      18      20  21      24       27       30  32      36       40      42      48 

la      Fa     mi      re     Do  la      si  Fa  mi      re      Do      si       la 

^—pton — ^ 
^ peon v  (81)      (90)  ;%) 

a)  27      30     (31)      32      36  45  48      54 
re       Do    (si$)      si      la                 Fa             mi      re 

^ —  trochee  — ^  ^-  trochee  -^ 

(18)    [20)  ;21)  .18)     (20)    (21) 

b)  36      40     .41)      42  48     (54)      60      63  72 
re      Do    ;do[7)      si  la                Fa     mi  re 

Et,  en  nous  conformant  au  principe  de  combinaison  indique,  nous  obtenons 
deux  gammes  phrygiennes  enharmoniques,  (correspondant  precis£ment  au  schema 
du  phrygkn  archa'ique  d'Aristide  Quintilien),  formers  successivement  par  le 
changement  d'un  trochee  en  peon  et  d'un  peon  en  trochee.  Sur  un  instrument 
approprie,  ces  deux  gammes  pourraient  r£sonner  6ventuellement  a  la  quarte 
ou  a  la  quinte  (la  —  sol)  et  fournir  les  elements  suffisants  a  la  composition 
d'un  nome  assez  complexe,  ou  il  serait  scabreux  de  vouloir  decider  ce  que 
fut  le  prtlude  (dvairaipa)  et  Vharmonie.  Dans  toutes  ces  gammes,  le  ton  phrypien, 
le  genre  enharmonique  et  le  systems  tout  entier  demeureraient  inalter£s;  la 
mdopee  resterait  immuable,  puisque  employant,  dans  le  melos}  les  memes 
especes  de  sons  du  systeme,  consonnants  respectivement  a  la  quinte]  en  fin, 
les  deux  sons  intermediaires  (31  et  41)  mis  a  part,  la  rythmopee  n'utiliserait 
aucun  pied  numerique  (ou  rapport  dHntervalle)  stranger  au  principe  de  combi- 
naison impost  par  le  schema  18  —  20  —  21  —  24  —  27  —  30  —  32 ,  quoi- 
qu'aboutissant,  par  la  seule  modification  technique  du  rythme  [peon  ou 
trochee),  a  une  profondo  diversite  de  caractere  ou  ithos. 

En  merae  temps  qu'il  peut  s'appliquer  plausiblement  a  un  passage  obscur 
de  la  compilation  de  Plutarque,  notre  resultat  apparait  done  strictement 
conforme  aux  regies  rigoureuses  de  la  composition  des  nomes,  au  cours  des- 
quels  Staient  interdites  toutes  combinaisons  dP  harmonies  ou  de  rythmes  Stran- 
gles a  la  tension  (xaai;)  initiale,  e'est-a-dire  aux  rapports  d'intervalle 
numeriquement  determines  sur  une  corde  (endue  et  constituant  l'echelle  adoptee1). 
AssurSment,  on  no  saurait  jurer  que  telles  furent,  en  r£alite,  les  deux 
gammes  fondamentales  du  nome  d' Athena;  mais,  meme  en  admettant  a  cet 
egard  une  simple  coincidence,  elle  est  accompaguee  et  prec6d£e  de  beaucoup 
d'autres,  et  e'est  de  1' accumulation  de  coincidences  que  peut  naitre  quelque 
certitude  par  le  controle  constant  de  l'hypothese  et  de  ses  consequences 
logiques. 

Empiriquement,  sans  speculation  arbitrairo,  math&natique  ou  autre,  par 
la  division  de  la  corde  ou  des  tuyaux  et  en  proc6dant  par  les  moyens  lea 
plus  simples,  cette  hypothese  nous  a  donne*  jusqu'ici  successivement: 


1)  Oi  *fdp  £&?jv  to  iraXai&v  oStoj  roieiaGat  xd;  xtGaowofa;  d>;  vuv,  oOoe  (&e?at?4pcw  Ta; 
dppemac  xai  tou;  ^uQpouf  £*  *ydp  xot;  vdfiou  i%d<rzvp  oierVipou^  v)p  oixelcrt  Tdow  .  .  . 
(Pint.  De  Mus.  1133.) 


346  Jean  Marnold,  Lee  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc 

1°    Lee   trots  genres  diaionique,  chromatique  et  enJiarmonique,  bases  sur  le  mode 

dorien. 
2°    Los  systemes  conjoint  et  disjoint. 
3°    L'explication  subs£quente  de  la  suprematie  th£orique  fondamentale  du  Dorien 

et  de  la  quarte, 
4°    Le  sens  du  mot  crousis  et  la  subtilite*  des  resultate  de  celle-ci  corroboree  par 

la  definition  du  diagramme. 
6o    Un  Jieptaeorde  primitif,  ne  contenant  que  trois  tetraoordes  correepondant  aux  trois 

modes  primordiaux  phrygien,  dorien  et  lydien. 
6°    L'6chelle  enharmonique  cT  Olympos  conforme  a  la  description  d'Aristoxene. 
7°    Le  systeme  parfait  des  Grecs  dans  le  genre  enharmonique. 
8°    Les  gammes  archaYques  d'Aristide  Quintilien. 
9°    L'origine  empirique  des  rythmes  musicaux,  fondement  naturel  d'une  syst£mati- 

sation  6ventuellement  speculative. 
100  XJne  suggestion  plausible  a  propos  du  nome  d' Athena. 

Nous  pouvons  peut-etre  nous  en  expliquer  aussi  la  nature  et  l'iinportance 
de  Innovation  d'Olympos.  En  appliquant  l'hypothese  purement  intuitive  a 
la  prime  elaboration  des  echelles  autant  qu'au  r£cit  d' Aristoxene ,  il  eut 
fallu  que,  sur  Vheptacorde  traditionnellement  adopte  jusqu'ici  par  les  commen- 
tateurs  modernes: 

la  —  sol  —  fa  —  mi  —  re  —  do  —  si 

Olympos,  un  beau  jour,  ait  eu  la  triple  fantaisie:  1°  de  supp rimer  deux 
notes  (sol  et  re),  2°  de  diviser  le  demi-ton  do  —  si  en  deux  « quarts  de  tons>, 
3°  enfin  de  conserver  neanmoins  le  demi-ton  fa — mi  tel  quel.  Et  on  ne  voit 
guere  en  quoi  tout  cet  arbitraire  aussi  gratuit  que  complique  aurait  intro- 
duit  dans  Tart  musical  un  element  renovate ur  capable  d'engendrer  desormais 
«la  musique  grecque  et  belle ».  L'hypothese  empirique,  au  contraire,  nous 
montre  le  meme  Olympos  aux  prises  avec  un  instrument  primitif,  fournissant 
une  echelle  heptacorde  incomplete  et  irreguliere: 

•  la  —   Fa    mi    re    Do    si        la 

sur  laquelle  il  ne  peut  rSaliser  a  la  fois  symetrie  et  concordance  qu'au  moyen 
pr£cis6ment  du  procede"  qu'on  attribue  a  son  simple  caprice;  a  savoir  en  y 
supprimant  un  son  (re)  et  en  y  ajoutant  un  son  nouveau  et  consonnant  [si)* 
produit  en  ouvrant  incompletement  avec  le  doigt  le  trou  du  son  discordant  (*f). 
Si  la  celebrity  d'Olympos,  en  tant  quaulete,  autorise  a  accorder  a  son  jeu 
une  remarquable  justesse  dans  ce  genre  d'exScution  artificielle,  rien  ne  nous 
permet  de  reconnaitre  en  lui  le  premier  inventeur  de  ce  debouchage  incom- 
plet  des  trous  de  l'aulos  d'ou  pouvait  r£sulter,  pour  un  instrument  donne*  a 
sons  fixes,  une  augmentation  de  ressources  par  la  production  de  sons  inter- 
mediates aptes  a  fournir  des  nuances  melodiques  assimilables  a  ce  qui  fut 
nomme  depuis  le  genre  chromatique  (jrp»>|xa,  couleur).  Mais,  chez  Olympos, 
cette  alteration  nuancSe  des  sons  de  1' Echelle  fondamentale  avait  pour  prin- 
cipe  la  symetrie  et  la  concordance  (aojicpojvia),  c'est-a-dire  une  syst6matisation 
reguliere  dont  l'apparition  dnns  la  pratique  artistique  l£gitimerait  amplement 
la  gloire  d'Olympos  et  son  titre  de  «fondatour  de  la  musique  grecque  et 
belle*,  grace  a  un  <accroissemont  des  ressources  de  Tart  musical  par  l'ex- 
ploitation  d'un  element  nouveau  et  inconnu  a  ses  devanciers»  t). 


Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Motique  etc.  347 

Et,  en  effet,  si  nous  nous  6clairons  de  l'ltymologie  d' deception  derivable 
du  sens  propre  et  originel  des  mots  empiriquement  appliques  avant  de  devenir 
termes  techniques,  nous  trouvons  que  dpjxovta  signifia  d'abord  et  toujours: 
suite,  enchainement,  et  que  le  vocable  plus  jeune  evapfio'vio;  apparait  d'embl£e 
avec  la  signification  de  convenable,  concordant1).  En  appliquant  a  la  r^alite* 
vraisemblable  le  sens  propre  de  mots  non  encore  termes  conventionnellement 
techniques,  nous  pouvons  done  dire : 

a)  La  syst6matisation  el£mentaire  issue  de  l'empirisme  fournissait  aux 
musiciens  archai'ques  des  6chelles  diverses  formees  de  sons  enchained  a  la 
suite  et  appelSes  harmonies. 

b)  L'innovation  d'Olympos  introduisit  dans  cette  systematisation  elemen- 
taire,  bas£e  empiriquement  sur  un  enchainement  (apfiovia)  de  sons  successifs, 
le  principe  de  la  symetrie  et  de  la  concordance  r6alisees  par  l'emploi  de  sons 
conyenables  intervenant  dans  cet  enchainement  (harmonie)  fundamental. 

En  fin,  si  nous  repr£sentons  l'innovation  d'Olympos  par  la  rlalite*  du  fait 
sonore  objectif,  e'est-a-dire  par  les  longueurs  correlatives,  nous  remarquons 
que  T^chelle  concordante  enharmonique  derive,  au  fond,  par  crousis  (nXj) 
de  l'echelle  fondamentale  irreguliere,  et  que,  par  surcroit,  elle  correspond  en 
fin  de  compte  a  Tune  des  plus  simples  combinaisons ,  dans  l'gtendue  de 
l'octave,  du  tricorde  figure*  par  le  triple  diagramme  de  notre  tableau: 


II. 
III. 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

{la) 

la 

{re) 

(la) 

(Fa) 

(re) 

(*) 

(la) 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

{mi) 

(mi) 

M 

(mi) 

[Do) 

(la) 

1                       2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

(si)                    {si) 

(mi 

(si) 

(Sol) 

i         (mi) 

( 

do#) 

>i) 

(la) 

Echelle  irregtdiihr 

f  12 
e  fondamentale  \  » 

15    16 
Fa    mi 

18 
re 

20 
Do 

21 
si 

24 
la 

Echelle  concordante 
crousis  (24x3) 

par 

f  36 
[la 

45    48 
Fa    mi 

54 

re 

60 
Do 

63 
si 

64 
si 

72 

la 

Et  nous  constatons  que  tous  les  sons  realisables  par  la  crousis  et  ses 
combinaisons  successives  (ici  1  X  [\)a  X  (J)n)  preexistent  virtuellement,  en 
puissance,  dans  la  plus  simple  division  de  la  corde  et  apparaissent  au  fur 
et  a  mesure  de  ses  subdivisions  cons£cutives.  lis  sont,  par  consequent, 
inhirents  par  essence  a  V enchainement  elementaire  (suite  de  sons,  harmonie) 
constituant  toute  et  quelconque  echelle  empirique  eventuelle.  L'innovation 
d'Olympos,  a  laquelle  est  restle  attachee  la  denomination  £  enharmonique 
(evapaovio;)  aboutissait  done  ainsi,  en  r^alite,  a  la  formation  facultative 
d'£chelles  r^gulieres  par  le  choix  convenable  de  sons  inJierents  &  Vharmonie 
ou  « enchainement*  correspondant  aux  divisions  de  la  crousis]  e'est-a-dire  an 
principe  d'une  systematisation  coordonnee,  coherente  et  fcconde  des  rSsultats 
de  la  crousis,  d'ou  devait,  en  efFet,  naitre  et  se  developper  la  th£orie  specu- 

IjjL-poaftsv  tiaa^a^ls,  xa).  dpyrjo;  ^ishbii  *r/j;  'EXXijvtxf,;  xal  xaX*?j;  (AO'JOixfj;.     (Plut.    De 
Mus.  1135.) 

1)  Passow:  ap^ovta.    Fuge.    Verbindung.    Odys.  5.  248.  361.    Hdt  2.  96.    Soph. 

fr.  232  etc Diod.  2.  8.    Plut.  moral,    p.  685.    C.  619.    E.   —   ivap^to;.    «m- 

passend,  ubereinstimmend.    Plut.  Arist.  u.  a. 


348  Jean  Marnold,  Lee  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc. 

lative,  s'engendrer  les  moyens  d  expression   et  gvoluer   le  concept  esth^tique 
de  Tart  musical   des  Hellenes  durant  sa  plus  glorieuse  epoque. 

Terpandre. 

Quoique  cette  systematisation  semble  avoir  ete*  rapide  et  avoir  attaint 
presque  aussitot  son  premier  epanouissement  spgculatif  avec  Terpandre  &  Sparte, 
cependant  elle  n'apparait  pas  tyrannique  et  confinee  exclusivement  dans 
Sexploitation  des  formules  ou  nous  la  voyons  fig£e  plus  tard.  Les  harmo- 
niciens  archa'iques  conservaient  a  leur  disposition  les  6chelles  irregulieres  ou 
incompletes  fournies  par  la  systematisation  primitive  de  la  facture  instru- 
mentale  a  ses  debuts.  Ce  qui  devint  le  diatonique,  le  chromatique  et  tenhar- 
nwnique  de  la  theorie,  n'6tait  alors  qu'en  genese  dans  un  art  empirique,  ou 
la  sym6trie  des  tetracordes  demeurait  facultative  en  meme  temps  que  leura 
divisions  pouvaient  ne  pas  correspondre  a  celles  adoptees  pour  ces  trois 
genres  dans  la  pratique  et  la  th£orie  posterieures.  C'est  ce  qui  decoule  a 
la  fois  de  ce  que  nous  avons  constate*  pour  l'echelle  invented  par  Olympos, 
(avec  son  tStracorde  des  moyennes  au  demi-ton  incompos6,  et  depourvu  par 
la  de  parhypate),  et  des  explications  subsidiaires  de  Plutarque-Aristoxene. 
Apres  avoir,  en  effet,  relate  qu'Olympos  se  servit  de  sa  gamme  nouvelle 
«pour  composer  dans  le  ton  dorien»,  Aristoxene  ajoute:  «...  mais  cela,  sans 
s'attacher  aux  caract£ristiques,  ni  du  diatonique,  ni  du  chromatique,  ni  meme 
de  Venkarmonique* ;  (c'est-a-dire  de  Veiiliarmoniquc  posterieur,  theorique, 
contemporain   d*  Aristoxene).     Puis,     ouvrant   une    parenthese,    il    continue1). 

«.  . .  Telle  fat  d'ailleurs  la  nature  des  anciennes  compositions  enharmoniques ...» 
—  ou  mieux  peut-etre  «.  .  .  harmoniques  .  . .»,  que  donne  un  manuscrit  de  Paris.  — 
c.  .  .  On  place,  en  effet,  au  premier  rang  de  celles-ci  le  spondiaque,  ou  nulle  divi- 
sion ne  caract£rise  un  des  genres.  A  moins  que,  conside"rant  le  spondiasme  snr- 
tendUj  on  ne  pr£tende  y  reconnaitre  1' image  du  diatonique.  Mais  il  est  Evident 
qu'ane  telle  representation  serait  a  la  fois  erronSe  et  non  melodique;  erronee,  car 
ce  spondiasme  est  moindre  d'un  diesis  a  regard  du  ton  etabli  conform£ment  aa 
principe;  non  melodique,  car,  si  on  attribuait  a  ce  spondiasme  la  valeur  toniee, 
il  en  r6sulterait  deux  sons  diatoniques  successifs  formant,  Tun  un  intervalle  dia- 
tonique incompose,  et  l'autre  un  intervalle  diatonique  compost  .  .  .> 

L'epithete  de  «spondiaque»,  dans  les  textes,  est  speciale  aux  airs  archai'ques. 
L'Stymologie  conduit  au  sens  de  «particulier  aux  libations »  —  (a  priori, 
aux  libations  profanes  aussi  bien  que  liturgiques).  —  Autant  que  cette 
origine  primitive,  la  filiation  du  terme  technique  spondee,  chez  les  metriciens 
posterieurs,  autoriserait  a  reconnaitre  dans  le  genre,  trope  ou  style  «spon- 
diaque»  les  resultats  des  combinaisons  les  plus  simples  correspondant  &  la 
division  reguliere  empirique  des  cordes  ou  des  tuyaux  en  parties  egales. 
D'apres  cette  hypothese,  il  y  aurait  done  eu  plus  d'une  ctehelle  <spondiaque» 


1)  etvat  o'  chjto)  -rd  7rpd>xa  xd>v  e\apiAOvta>v  xotairra.  xi6*aat  f^p  xo'jxwv  — ptuxov  to 
orovoeuw,  is  tj  ou&ep^a  xtuv  &iaip£aerav  x&  i&iov  dfx^alvet.  el  [i.-t\  xt;  el;  x6v  ouvtov  tore  gov 
oitovoeiaop.6v  jDAiitaw  auxi  touto  oidxovov  elvat  d7teucdaet.  ofjXov  &*  2xt  %a\  ^eufcoc  xai  £x- 
p-eXes  G^)oei  6  xotovxo  xt6e(;*  ^euoo;  piv,  oxi  &t£aei  £Xaxx6v  £37ri  x6voo  xoti  repl  tov  Vflc» 
f*ova  xetfiivo'j  •  ixfjteXe;  oi,  oxi  xai  et  xi;  e\  x^j  xo?i  xcmalou  o'jvdpei  xi6e(7)  x6  xoS  «uvxov<d- 
xtpou  07rovoetotOfjLoO  T&iov,  aufxpatvoi  av  060  £&fj;  xifleoOat  &idxova  xo  piv  douvOcxov,  xo  oi 
ouvGexov.    (Plut.  De  Mas.    1136.) 


Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc*  349 

possible,  et  l'heptacorde  incomplet  que  nous  avons  realise  apparait  la  com* 
binaison  de  deux  echelles  «spondiaques»: 

4  5       6        7        8 

mi  Do     la    fa§     mi 
et 

3  4        5            6 

mi  si      Sol          mi 

Si  nous  sur tendons,  par  crousis  (nX2),  cette  derniere  echelle,  nous 
obtenons  l'heptacorde   que  nous   avons  qualifie*  plus  haut:   trope  spondiaquet 

6       7       8       9       10       11        12 
mi    do§    si      la       Sol       fa       mi 

ou  se  trouve  un  tetracorde  surtendu  reprSsentant  le  diatonique  igal  de 
Ptolem6e: 

9        10        11        12 

la      Sol       fa        mi 

Et  nous  remarquons  que,  dans  ce  tetracorde,  l'intervalle  ■}■£,  ou  Sol  (40) 
—  fa  (44),  est  moindre  d'un  diesis  \%  que  le  ton  •$  ou  Sol  (40)  —  Fa  (45) 
propre  a  la  division  reguliere  du  genre  diatonique  au  temps  d'Aristoxene. 
En  attribuant  indistinctement  «la  valeur  toniee*,  a  ce  tetracorde  9  — 10  — 
11  —  12  et  au  tetracorde  diatonique  regulier  36  —  40  —  45  —  48,  il  s'ensui- 
vrait  la  succession  de  deux  parhypates  diatoniques}  fa  (44)  et  Fa  (45),  formant, 
l'une  un  intervalle  diatonique  incompose*  Sol  (40)  —  fa  (44)  ou  W,  et  l'autre 
un  intervalle  diatonique  compose*  Sol  (40)  —  Fa  (45)  ou  J-^  X  -fj" 

M.  L.  Ph.  Ph.  H. 

9  10  11  12 

36  40  44  45  48 

la  Sol  fa  Fa  mi 

H  semblerait,  d'apres  notre  interpretation  de  ce  passage,  qu'Aristoxene 
se  soit  refuse  a  considerer  comme  diatonique  la  formule  de  tetracorde  que 
Ptolemee  nous  conserva  sous  le  nom  de  diatonique  egal,  et  qui  incarne  mani- 
festement  un  des  aspects  les  plus  anciens  de  la  systematisation  des  genres 
avec   un   diatonique  obtenu  par  la    division   de  la   corde   en   parties   egales. 

Cette  echelle,    a   laquelle,    par    deux  fois,   nous  avons  pu  appliquer  des' 
textes   se   rapportant  au  trope  ou  style  «spondiaque»  ,    fut  peut-etre,    sinon 
probablement,  le  fameux  heptacorde  de  Terpandre: 

6       7       8       9       10       11        12 
mi    dot    si      la       Sol       fa       mi 

Ainsi  figure,  cet  heptacorde  correspond  en  effet  aux  particularites  vrai- 
semblables  de  la  systematisation  terpandrienne  a  Sparte  et  aux  innovations 
attributes  par  les  sources  au  citharede  lesbien.  II  est  base  sur  le  mode  dorien 
par  son  tetracorde  grave,  et  on  y  rencontre  enfin  1' octave  divisee  en  deux 
quartes  separees   par  le  ton  disjonctif  selon  le  logos  mousikes  de  Pythagore: 

6  8     9  12 

mi         si  la  mi 

Cette  division  de  l'octave,  de  Thypate  a  la  nete  doriennes,  qui  devint  l'un 
des  fondements  de  la  theorie,  fut  Innovation  capitale  de  Terpandre,  et  son 
heptacorde  paraft  en  avoir  supplante  d'embiee  l'heptacorde  anterieur.     Deux 


350  Jean  Marnold,  Lee  Fondements  naturels  de  la  Muaique  etc 

Problemes  d'Aristote,  confirmant  a  cet  egard  d'autres  textes,  viennent  corro- 
borer  par  surcroit  notre  hypothese  quant  a  la  composition  de  Tun  et  1' autre 
heptacordes. 

L'un  de  ces  Problemes  (XIX,  47)  se  rapporte  a  l'heptacorde  archaique 
dont  nous  avons  dgduit  l'enharmonique  d'Olympos: 

12         15      16      18      20      21         24 
re         Si2     la      sol     Fa     mi         re 

Cette  echelle,  dont  nous  avons  vu  driver  le  systeme  parfcrit  enhamumique 
et  les  gammes  archaiques  d'Aristide  Quintilien,  offre  la  possibility  d'un  systeme 
conjoint ,  et  d'un  seul,  constitue*  par  les  quartes  ri(\2)  —  la  (16)  —  mi  (21), 
dont  la  seconde  est  fausse.  En  operant  la  correction  d'Olympos,  on  aboutit 
a  l'heptacorde: 

36  45       48       64        60       64  72 

re  Si\?       la       Sol      Fa       mi  re 

Et,  en  compliant  le  tetracorde  supSrieur  par  la  division  en  deux  parties 
Igales  de  l'espace  36 — 45,  on  peut  obtenir  sur  le  meme  instrument  un  autre 
beptacorde  constitue*  de  deux  tetracordes  doriens  conjoints: 

72       81        90       96       108       120       128       (144) 
re        do       Si?       la        sol         Fa         mi  {re) 

Cette  derniere  gcbelle  est  presque  fatalement  d^terminee  par  l'heptacorde 
type  et  decoule  logiquement,  par  les  moyens  les  plus  simples,  des  divisions 
de  l'instrument  originel.  II  est  interessant  de  noter,  en  passant,  qu'on  arrive 
ainsi  sans  le  moindre  arbitraire  et  en  dehors  de  toute  hypothese  intuitive 
hasard£e,  a  r^aliser  empiriquement  l'heptacorde  traditionnel  dont  la  plausi- 
bility devient  Svidente;  en  meme  temps  que,  d' autre  part,  non  moins  que 
les  sept  planetes,  l'heptacorde  primordial  et  gen£rateur  peut  expliquer  la  fortune 
musicale,  poussSe  presque  au  feticbisme,  du  nombre  7  chez  les  anciens  Orecs. 

C'est  sans  doute  a  une  transformation  de  ce  genre  de  l'beptacorde  primitif 

Tr.       M.  H. 

12  15        16  18        20        21  24 

re  Si?       la  sol       Fa       mi  re 


que,  songeant  au  mode  dorien,  faisait  assez  gauchement  allusion  le  pseudo- 
Aristote,  en  demandant1): 

«...  Pourquoi  les  anciens,  en  formant  des  harmonies  heptacordes,  laissaient- 
ils  subsister  Yhypate  [mi;  et  non  pas  la  nHc  ...»  —  c'est-a-dire  la  ntte  doriennt 
{mi  aigu),  —  «. .  .  ou  bien  6taient-ils,  non  pas  Yhypate,  mais  ce  que  nous  appelont 
auj ourd'hui  paramesc  {si)  et  Tintervalle  tonie  [to  —  si)?  lis  employaient  comme 
note  m£diane  la  derniere  [la)  du  pycnon  aigu  {Si1?  —  la);  aussi  la  nommaient-ils 
mdse.  N'est-ce  pas  par  ce  que  celle-ci,  etant  la  fin  du  t£tracorde  aigu  et  le  com- 
mencement du  t£tracorde  grave,  se  trouvait  en  rapport  moyen  avec  les  extremes?* 
(Ps.-Ar.  Probl,  XIX,  47.) 


\id  t(  oi  dpyaioi  eTrxaytfp&o'j;  itqiojvts;  xa;  dpp-ovta;  t?)v  uratrv,  d)X  oi  t^s  vVjtt,'* 
v;  tJ  ou     rr)v  »jr:dlT7)v,  dXXd  t^v  nuv  7rapapiar)v  %aXo'jp.^vT^  dcp^pouv  xal  to  Tovtaio* 


1)  An 
mzQakov  ; 

lidar-qpa.  iypamo  oe  Tfl  iaydvQ  p-^aiQ  tou  lizi  to  6?u  iruxvoO*  Sto  xal  pidoTjv  ou^v  wpo«j- 
v6psuaav.  r\  oti  rp  tou  p.ev  dtau  TtTpoty^poou  TsXeuTt),  tou  he  xdtw  d$yj\,  *ai  pi«ov  ityt 
Ufos  tov  xd»v  dxpwv.    (Ps.-Ariet.    Probl,  XIX.  47.) 


Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc.  351 

L'autre  Problcme  (XIX,  32)  specific  la  reTorme  de  Terpandre1): 

«Pourquoi,  pour  denommer  l'octave,  dit-on  dia  pas&n  et  non  df  octo  conform^- 
ment  au  n ombre  de  ses  notes,  comme  on  dit  dia  tessaron  et  dia  pente?  N'est-ce 
pas  parce  que  l'^chelle  archai'que  avait  sept  cordes  et  que  Terpandre  supprima 
la  trite  (Si)?)  pour  aj outer  la  nete  [mi),  et  qu'on  disait  alors  dia  pason  et  non  d? 
octo?    En  effet,  Texpression  exacte  aurait  ete  d?  hepta.* 

Ces  deux  textes,  r£dig£s  trois  siecles  plus  tard  et  qui  nous  sont  par- 
venus plus  ou  moins  alters,  correspondent  assez  nettement  a  la  transfor- 
mation de  l'heptacorde  archai'que 

Tr.       M. 
12  15        16         18        20       21  24 

re  Sty       la  sol       Fa       mi  re 


en  celui  ou  nous  reconnaissons  l'heptacorde  de  Terpandre 

N.     Pm.    M. 
6        7        8        9        10        11        12 
mi    do§     si      la      Sol       fa        mi 

et  dans  lequel  on  constate,  avec  la  nete  dorienne,  mi  (6),  la  paramese,  si  (8), 
remplac,ant  la  trite.  Si?  (15)}  et  separ£e  de  la  mese,  la  (9),  par  le  ton  disjonctif, 
si  (8)  —  la  (9). 

C'6tait,  en  r halite,  l'heptacorde  cithar£dique  oppose"  a  l'heptacorde  archai'que 
des  auletes  phrygiens.  II  semble  que  chacune  de  ces  echelles  ait  pu  consti- 
tuer,  pour  la  composition  musicale  et  l1  elaboration  des  harmonies  ou  des 
names ,  une  sorte  de  prototype  fondamental  et  g£n£rateur  servant  de  base 
aux  combinaisons  subsidiaires  de  la  crousis  adequate,  et,  tandis  que  le  mode 
phrygien  demeurait  «particulierement  propre  a  l'aulos»,  l'heptacorde  du  citharede 
Terpandre  intronisait  definitivenient  1' octave  dorienne  dans  la  pratique  melo- 
dique  et  les  speculations  de  la  crousis. 

Sous  sa  figure  originelle,  cet  heptacorde  offre  une  £chelle  irreguliere  apte 
It  la  formation  de  melodies  fort  savoureuses.  En  realisant  quelques  unes  des 
consequences  possibles  de  sa  crousis}  on  aboutit  au  resultat  suivant. 

Par  crousis  (n  X  3),  on  en  obtient  une  echelle  de  18  intervalles,  contenant 
les  sons  n^cessaires  pour  constituer  un  octocorde  dorien  en  diatonique  igal 
(9_10—  11—  12): 

18        20       22        24        27        30       33       36 
mi       Re       do        si        la       Sol        fa        mi 

Par  crousis  (n  X  6) ,  on  obtient  le  Dorien  diatonique%  chromatique  et  en- 
harmonique,  le  Phrygien  et  le  Lydien  diatoniques.  Et  on  remarque  que  toutes 
ces  echelles,  y  compris  l'heptacorde  initial,  sont  executables  sur  un  instrument 
accords  selon  cette  crousis ,  laquelle,  effectuee  ainsi  sur  une  corde  ten  due, 
diviserait  chacune  des  deuxq  uartes  de  l'octave  en  six  parties  egales  produisant 
sept  sons  consonnants  respectivement  a  la  quinte: 


1)  Aid  tI  &id  iraowv  xaXeixit,  dXX1  oi  xottd  tgv  dpiQpiov  IC  6xxw,  fiap^ep  xal  oid  Tcrcd- 
pmv  *at  5ia  izh-zc,  — *H  2ti  izxa  T4oav  otl  yopoat  to  dpycuov,  th?  £;eXd>v  tip  xfivrp  T£p- 
ratvopos  t9jv  vt,tt)v  Ttposlftrjxe  xai  irzi  to'jtou  £xX^j6tj  Sid  raawv,  dXX'  o'i  oi  '  tati!*'  W  iircd 
Tdp  7)v.    (Ps.-Arist.  ProbL  XIX.  32.) 


Dorien 


352  Jean  Marnold,  Les  Fondementa  naturels  de  la  Musique  etc 

Crousis.  36    38    40    42    44    46    48       54    57    60    63    66    69    72 

„  J    6  7  8         9  10  11  12 

Heptacorde  j  m{  ^  si        la  Sol  A 

,    ,1  18  20  22  24       27  30  33  36 

dtatomque  egal\  m{  &  do  si        la  Sol  to  mi 

I  36  4244  4854  6366  72 

ehromattque  j  mi  ^  dQ  ^        fa  /ajj  fe 

(  36  44    46    48        54  66    69    72 

enharmotitque  j  ^  do  do|?  ^         fa  ^   ^  m{ 

_,       .  (  36  40    42  48        54  60    63  72 

PAr^tm  j  mf.         ^  dojj  «        to  So/  /a#  m 

r      .  (  36    38  42  48       54    67  63  72 

Wien  j  mi  Wj|        do£  ^         fa   Sol||       /a£  mf. 

Enfin,  outre  «l'usage  melodique  de  la  nete  dorienne,  ignore  de  sea  devan- 
ciers»,  Plutarque  attribue  expressement  a  Terpandre  «l'invention  da  mixo- 
lydien complete. 

Ce  mixolydien  nous  est  fourni  par  la  crcmsis  (»X4),  qui  nous  procure 
aussi,  dans  les  limites  de  l'octave,  la  possibility,  d'un  dorien  diatonique, 
chromatique  et  enkarmonique,  d'un  phrygien  et  d'un  lydien  diatoniques: 


Heptacorde 

6 

7 

8 

9 

10 

ii 

12 

Orousis 

24 

26 

27 

28 

30 

31 

32 

33 

36 

38 

40 

42 

44 

46 

46 

48 

Mixolydien 

I 

24 
mi 

27 

re 

30 
Do 

33 

36 
to 

40 
Sol 

44 
fa 

48 
mi 

I 

24 

27 

30 

32 

36 

40 

45 

48 

/      atat. 

mi 

re 

A> 

61 

to 

Sol 

2^ 

mi 

j. 

chrom. 

l 

24 
mi 

28 

30 
Do 

32 

si 

36 
to 

42 

45 
Fa 

48 

*  enharm. 

l 

24 

mi 

30 
Do 

31 

32 

36 
to 

45 
2^ 

46 
fa> 

48 
mi 

Phrygien 

i 

24 

mi 

27 

re 

28 
dog 

32 
si 

36 
to 

40 
Sol 

42 

48 
in* 

hyt 

lien 

I 

24 

mi 

25 

28 

32 

St 

36 
to 

38 

lab 

42 

/4 

48 
mi 

Parmi  ces  Schelles,  il  en  est  de  regulieres  et  d'autres  irregulieres  quant 
a  la  consonnance  des  sons  composant  les  systemes.  Mais  de  telles  liberies 
ne  sont  rien  moins  qu'incompatibles  avec  ce  que  nouB  savons  de  la  pratique 
des  harmoniciens  archaiques.  II  est  meme  infiniment  probable  que  leurs 
gammes  jouissaient  d'une  licence  plus  grande  encore,  ou  l'lrregularite  £tait 
plutot  la  regie  et  la  sym^trie  l'exception.  La  crousis  leur  procurait  eurtout 
les  elements  de  «rythmes  musicaux*  dont  ils  confectionnaient  des  ecbelles 
varices,  heptacordes  ou  octocordes,  et  combinaient  des  nomes.  Dans  ces 
echelles  irregulieres,  un  tetracorde  pouvait  suffire  a  specifier  tel  des  trois 
modes  fondamentaux,  (comme,  dans  notre  heptacorde  terpandrien,  le  tetracorde 
grave  indique  le  mode  dorien)]  la  systematisation  rigoureuse  des  genres  parait 
avoir  ete  notablement  posterieure  et,  autant  que  la  concordance  absolue  des 
deux  tetracordes   d'une   octave,    ressortir    a    une    speculation   essentiellement 


Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc.  353 

theorujue.  II  semble  que  les  re formes  de  Terpandre  aient  eu  un  caractere 
assez  different.  Les  inventions  ou  perfectionnements  qu'on  lui  prete,  dans 
le  domain e  de  la  facture  instrunientale,  y  trahissent  un  melange  d'empirisme 
et  de  speculation.  A  la  lyre  primitive,  aux  sons  peu  nombreux  et  fixes,  et 
qui,  au  dela  du  mythe,  ne  demeura  sans  doute  guere  qu'un  embleme  deco- 
ratif  ou  hieratique,  avait  succ£de  toute  une  famille  d'instruments  plus  sonores, 
plus  etendus,  aux  ressources  multiples.  La  cithare  avait  une  forme  analogue 
a  celle  de  notre  moderne  guitare.  Le  nom  de  la  magadis  dlnonce  un  instru- 
ment a  cordes  tendues  sur  des  chevalets.  La  phorminx  pourrait  avoir  ete 
un  instrument  du  genre  de  la  Zither  actuelle,  suspendu  horizontalement  par 
une  bretelle  au  cou  de  l'ex£cutant  dont  les  mains  restaient  libres.  Tous  ces 
instruments,  a  propos  desquels  Terpandre  est  cite*  par  les  sources,  etaient 
en  somme  indistinctement  des  instruments  a  cordes  tendues  stir  une  table 
dliarmonk  supportant,  soit  des  chevalets,  soit  des  sillets  encastr£s  sur  lesquels 
la  pression  du  doigt  tendait  la  corde  en  provoquant  ses  subdivisions.  Le 
principe  de  la  crousis  des  cordes  y  apparait  done  applicable  dans  toutes  ses 
consequences.  Cependant,  l'obscurite  des  textes  rend  a  peu  pres  impossible 
de  decider  si  les  «sons  antipbones*  de  la  magadis,  de  la  pectis  ou  du  bar- 
byton  ont  quelque  rapport  avec  les  innovations  d'Arcbiloque.  On  est  porte 
a  penser  plutot  le  contraire  et  a  considerer  les  innovations  de  Terpandre 
comme  ayant  ete  d'ordre  exclusivement  instrumental.  Citharede,  il  detrona 
1'aulos  au  profit  de  la  corde  et  de  ses  divisions  regulieres.  A  l'heg&nonie 
phrygienne,  il  substitua  la  preponderance  du  dorien,  seul  generateur  des  genres. 
Si  les  gammes  que  nous  avons  deduites  de  son  heptacorde  presume  sont,  a 
la  verite,  hypotbetiques  en  leurs  details,  encore  que  possibles  et  entre  beau- 
coup  d'autres,  le  principe  qui  s'imposait  empiriquement  au  citbarede  autorise 
a  admettre  pour  resultats  de  1' activity  de  Terpandre  a  Sparte  et  de  ses 
reform  es : 

a)  une  systematisation ,  a  tout  le  moins  eiementaire,  des  trois  genres  et  de 
qnelques  modes  dans  les  limites  de  F  octave  dorienne  {nete  dorienne n  par  la  sub- 
division en  parties  egales  de  cordes  tendues  et  l'utilisation  de  telles  on  telles  de 
ces  subdivisions ; 

b)  la  consecration,  qui  s'ensuivait,  de  la  euprematie  theorique  du  dorien; 

c)  enfin,  l'avenement  decisif  du  logos  mousikes  de  Pythagore  (6—8—9 — 12),  divi- 
sant  recbelle  heptacorde  generatrice  en  deux  quartes  separees  par  le  ton  disjoncHf. 

Archiloque. 

II  semble  bien,  malgre  l'obscurite  des  textes,  que  se  soit  accomplie,  avec 
Terpandre,  la  premiere  organisation  logique,  e'est-a-dire  desormais  plus  ou 
moins  consciemment  theorique,  de  l'art  musical  des  vieux  Hellenes,  et  que  la 
systematisation  basee  sur  la  ditnsion  de  la  corde  fut  de  venue  d'ores  et  deja 
suffisamment  familiere  pour  se  preter,  non  seulement  a  des  speculations  rytb- 
miques  assez  subtiles,  mais  a  des  combinaisons  de  toute  espece.  L'une  des 
combinaisons  dont  l'idee  pouvait  naitre  tout  naturellement  dans  l'esprit  d'un 
musicien,  et  le  seduire  a  cause  de  la  variete  des  ressources  qu'il  en  devait 
attendre,  etait  assurement  la  division  de  la  corde  dans  le  sens  oppose. 

Soit  une  corde  tendue  de  longueur  n.  Si  nous  la  divisons  en  8  parties 
egales,  et  que  nous  fassions  resonner  successivement  ses  {-,  -j-,  $ ,  J  et  -|,  nous 
obtenons  une  echelle  inelodique  de  longueurs  et  de  sons  correspondants : 


354  Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc 

4       5       6       7       8 

mi    Do       la    fa§   mi 

Cette  Echelle  melodique  est  produite  par  les  rapports  de  longueurs  de 
corde  £,  |,  $  et  -J-,  se  succSdant  de  laigu  au  grave. 

Nous  pouvons  avoir  la  fantaisie  d' entendre  l'6chelle  melodique  realisee 
sur  la  me  me  corde  n  par  les  meines  rapports  de  longueurs  £,  \,  $  et  \ ,  mais 
se  succ£dant  du  grave  a  Vaigu.  Pour  cela,  nous  effectuerons  r operation 
suivante.  Nous  diviserons  la  corde  n  en  5  parties  egales;  nous  ferons  resonner 
d'abord  la  corde  entiere  ou  ses  -J-,  puis,  au  moyen  d'un  chevalet  glissant, 
ses  -£.  Nous  consid£rerons  ces  -J  de  la  corde  totale  comme  une  corde  nou- 
velle  n\  que  nous  diviserons  en  6  parties  Egales  et  dont  nous  ferons  resonner 
les  •$.  Ces  -J  nous  fournissent  une  nouvelle  corde  n  dont  nous  ferons 
pareillement  resonner  les  f.  Enfin  de  la  nouvelle  corde  ri"  ainsi  obtenue, 
nous  ferons  resonner  les  J.  Et  nous  aboutirons  a  l'echelle  melodique  que 
voici,  qu'il  faut  lire  d  V inverse  de  la  prece*dente,  c'est-a-dire  du  grave  a 
l'aigu,  et  ou  les  chiffres  representent  les  rapports  respectifs  de  longueurs 
de  corde: 

6 7  4  5 

mi        ri          si        Solfy       mi 
7  8  5  6 

Ce  mode  de  division  de  la  corde  constituait,  en  realite,  une  crousis  d'un 
nouveau  genre  qui  apparait  evidemment  l'une  des  speculations  les  plus  natu- 
relles  et  les  plus*  simples  que  put  sugglrer  la  precedente.  Mais,  si  nous 
representons  les  sons  de  cette  echelle  par  leurs  nombres  de  vibrations,  nous 
remarquons  que  ceux-ci  forment,  dans  le  sens  oppos6y  une  sSrie  identique  a 
celle  fournie  par  les  longueurs  de  corde  de  1  echelle  obtenue  par  la  crousis 
ante>ieure;    de    sorte  que,   en   superposant  les   deux    £chelles,  nous  aurions: 

Longtieur8  de  corde: 

mi        Do         la        fa\       mi 

Nombres  de  vibrations 


Or,  c'est  precisement  cette  combinaison  des  deux  crousis  qui  se  revele 
le  principe  de  la  plupart,  sinon  de  toutes  les  innovations  attributes  par 
Plutarque  a  Archiloque,  est  dont  voici  les  principales l) : 

c  .  .  Archiloque  inventa  la  rythmopee  des  trimetres,  le  melange  en  tension 
commune  (evxaat;)  de  rythmes  d'especes  diff£rentes,  et  la  paracataloge,  avec  la  crousis 
adequate  a  ces  combinaisons  diverses.  On  lui  prete  aussi ...  la  tension  commune 
de  Tiambe  et  du  peon  Spibate;  la  maniere  de  dire  les  iambes,  soit  selon  la  crousis, 


m 

-> 

4           5           6           7 

8 

mi        Do         la        fa§ 

mi 

8     7           6           5 

4 

mi  r€         si        Soljjj 

mi 

< ■ 

-4f 

1)  AXXd  fjiev  xai  Apy  IXoyo;  -nfjv  xu>v  xpipixpwv  jtaGfxoirotlav  rpooeScupe,  xal  zip  eU  toy; 
ou^  6|i.OYevelc  £>i>6fjLou;  ivxaatv,  xal  t^v  TrotpaxaxaXofTjV  xal  vtp  repl  xauxa  xpouaiv  .  .  .  7:06; 
hk  xo6xoi;  •?)  xe  toO  iap^efou  itp&;  x&v  drcipaxov  7raiar*oi  £vxaatc  .  . .  Eft  hi  x&v  lapfUtaiv  zb 
t6l  piev  X^eoOat  rapd  t^v  xpoOoiv  xd  I '  tfi&eoGat,  ApyiXoy6v  <paoi  xaxa&sTEat,  et8'  o5?w  ypf,- 
oaaOai  xou;  xpa-ftxou;  itotTjxdc,  Kpegov  ht  XaJJoVra  ei;  5i(fop<£pL{ta>v  ypfjotv  d^^civ.  Olovxat 
hi  xai  x^v  xpoOoiv  rfjv  Onrfc  x^v  ip^v  xouxov  rcpSxov  eupetv,  xou;  &'  dpyatouc  itrfvroc  ~poa- 
^op5a  *po6etv.    (Plut.  De  Mus.  1141.) 


a) 

3           4           5 

6 

mi         si         Sol 

mi 

b) 

6     5          4 

a 

mi  Do§       la 

mi 

Jean  Marnold,  Lee  Fondemente  naturels  de  la  Musique  etc.  355 

8oit  eel  on  le  chant,  ce  dont  lea  poetee  tragiquee  adopterent  1'ueage,  et  Crexoe  l'in- 
trodnisit  dans  la  pratique  dithyrambique.  On  dit  en  outre  qu'  Archiloque  trouva 
le  premier  la  crousis  daprls  le  chant  (6-6  t9)v  if>o^v:  eubordonn^e  au  chant),  tandie 
que  tous  lee  anciene  avant  lui  ne  pratiquaient  que  la  crousis  (Tapres  la  cords  (icp6s- 
XopSa:  relative  aux  divisions  de  la  corde)  ...» 

En  comparant  le  texte  original,  on  pent  voir  combien  notre  conception 
du  mot  crousis,  corrobor6e  jusqu'ici  par  tant  de  coincidences,  rend  ce  passage, 
obscur  et  discute,  d'une  clarte  la  plus  limpide  en  sa  traduction  litter  ale. 
Nous  en  obtenons  avant  tout  une  explication  du  terme  paracatalogi  stricte- 
ment  derivee  de  son  etymologic  transparente.  En  donnant  a  logos  le  sens 
qui  lui  appartient  —  (et  Bp6cialement  dans  Tart  musical  grec)  —  de  rapport, 
et  en  nous  souvenant  de  l'antagonisme  de  tendances  exprime"  par  1' opposition 
de  para  et  de  cata,  nous  aboutissons  a  la  definition:  contraire  et  conforms 
au  rapport;  c'est-a-dire  une  melopee  ou  un  style  impliquant  l'emploi  alter- 
natif  ou  simultan6  des  deux  crousis  inverses. 

Soit,  pour  prendre  un  exemple  tres  simple,  l'echelle  spondiaque  elemen- 
taire  3  —  4  —  5  —  6,  dont  nous  superposons  les  deux  aspects  selon  les  crousis 
opposees  que  nous  no  tons,  la  premiere  en  longueurs  de  corde,  la  seconde  en 
nombres  de  vibrations: 

Long.  C. 

mi         si         Sol        mi 

Vibr. 


Nous  pouvons  admettre  que  la  paracatalogi  ait  exploits  1'  opposition  de 
ces  deux  echelles  melodiques,  et  nous  pouvons  supposer  aussi  qu'on  ait 
forme,  avec  tous  ces  sons  divers,  une  Ichelle  unique  a  l'instar  de  l'hepta- 
corde  d'Olympos.  Cette  echelle  correspondrait  a  la  crousis  des  longueurs 
de  corde: 

c)  30       36       40       45       50       60 

mi     Dojt       si        la      Sol       mi 

Et  on  constate  aussitot  de  quelles  ressources  nouvelles  des  combinaisons 
de  ce  genre  etaient  capables  d'enrichir  l'elaboration  des  echelles.  Nous 
pouvons  meme  remarqer  que,  dans  ces  trois  6chelles,  a,  b  et  c,  nous  venous 
d' employer  successivement  trois  combinaisons  metriques  differentes,  ou  se 
reconnaitrait  peut-etre  assez  plausiblement  Innovation  qualifiee  «rythmop6e 
des  trimetres».  II  semble  cependant  que  le  principe  de  la  paracataloge'  ait 
ete*  surtout  r opposition  des  gammes  ou  melopees  issues  des  deux  crousis 
inverses.  C'est  ce  qui  parait  decouler  du  texte  de  Plutarque  qui,  par  les 
autres  innovations  relates,  confirme  d'ailleurs  surabondamment  notre  defini- 
tion de  la  paracataloge',  en  nous  devoilant  un  de  ses  elements  le  plus  con- 
siderable peut-etre  pour  ses  consequences. 

Plutarque,  en  effet,  attribue  a  Archiloque:  «...  la  combinaison  en  une 
tension  commune  de  rythmes  d'especes  differentes*  et  en  particulier  celle 
«de  Tiambe  avec  le  pion  epibate* ;  enfin,  «la  maniere  de  dire  les  iambes, 
soit  selon  la  crousis,  soit  selon  le  chant .  .  . » . 

Essayons  de  realiser,  dans  les  limites  d'une  quarte,  une  analogue  com- 
binaison de  Viambe  et  du  peoti.     Nous  aurions,  .en  longueurs  de  cordis: 

8.  a.  IMG.  x.  24 


356  Jean  Marnold,  Les  FondemenU  naturele  de  la  Musique  etc 

I 


Quarte 


3 
15 

4 
20 

mi 

si 

iambe 

15        16        18 

mi     Be§     Dojjj 

20 
si 

peon 

Si  nous  appliquions,  a  notre  Echelle  spondiaque  (3  —  4  —  5  —  6),  la  com- 
binaison  ci-dessus,  nous  obtiendrions  l'6chelle: 

3  4  5  6 

d;  15        16        18  20  25  30 

mi      Re§     Do§  si  Sol  mi 

Et  la  division  de  la  corde  dans  le  sens  oppose  nous  fournirait  cetU 
echelle  inverse,  que  nous  notons  en  nombres  de  vibrations: 

6  5  4  3 

e)  30  25  '   20  18        16        15 
mi            Dojjj             la           Sol      Fa       mi 

Soit,  outre  un  moyen  d'elaborer  deux  echelles  nouvelles,  un  premier 
element  d'opposition  melodique.  Maintenant,  si  nous  appliquons  la  meme 
combinaison  a  la  gamme  c  que  nous  avons  formee  plus  haut,  nous  obtiendrions 
de  nouvelles  ressources  melodiques,  avec  Topposition  des  deux  Echelles  sui- 
vantes,  que  nous  superposons,  not£es  selon  les  deux  crousis  inverses: 

f)  30  32      36  40  45  50  60 
mi  Re§   Do§  si  la  Sol  mi 

g)  60              50  45  40  36  32      30 
mi             Do§  si  la  Sol  Fa     mi 

Mais  nous  pouvons  aussi,  a  l'aide  de  la  meme  combinaison  (15  —  16  — 
18  —  20)  et  dans  les  limites  d'une  octave,  confectionner  une  echelle  constitute 
de  deux  tetracordes  identiques;  ce  qui  nous  donnerait,  par  les  crousis  inverses: 

iambe  iambe 


h)        30    32  36  40  45    48  54  60 

JKfy        Do$  si  la   Sol%       Fa§         mi 


m% 


[Lydien) 


p£on  peon 


i)        60 "" 54  48    46  40  ^       36  3230        r 

mi  Re  Do    si  la  Sol  Fa  mi        ^Dorten) 

iambe  iambe 

Et  nous  remarquons  deux  cboses: 
1°  que  les  crousis  inverses  nous  fournissent  ici  1' opposition  du   lydien  et  du 
darien,   par   deux  echelles  dont  chaque  tetracorde  est  compose1  de  la  com- 
binaison en  une  tension  commune  d'un  iambe  et  d'un  peon\ 
2°  que,    les  deux  series  numeriques  £tant  identiques,    encore  qu'opposees,  il 
•    nous  en  suffirait  dune  seule  pour  aboutir  au  meme  et  double  resultat,  en 
lisant  Vianibc  initial  de  cette  unique  aerie,  soit  dans  le  sens  de  la  crousis 


Jean  Mara  old,  Les  Fondements  naturela  de  la  Musique  etc.  357 

des  cordes   (irpda/opoa),   c'est-a-dire   de  Vaigu  au  grave,   soit   dans   le  sens 
de  la  crousis  du  chant  (&rco  ttjv  4>oijv),  c'est-a-dire  du  grave  a  Vaigu: 

Lydien    =     mi    R6§  Do%     si  la    Sol§  Fa§    mi    [Long,  de  Cordes) 

30      32      36      40         46      48      64      60 
Dorien    =      mi     Fa     Sol      la  si      Do     Re      mi    [Vibrations) 

Linn  ovation  d'Archiloque  consistait  done,  en  somme,  dans  la  lecture  in- 
verse facultative  d'une  gamme  ou  d'une  melopEe;  autrement  dit,  dans  ce  que 
nous  appellerions  aujourd'hui  son  renversement  par  mouvement  contraire.  L'im- 
portance  de  cette  innovation  est  soulignEe  par  1' observation  qu'ajoute  aussitdt 
Plutarqne : 

«...  Les  poetes  tragiques  en  adopterent  l'usage  . .  .>  —  (strophe  —  antiatrophe) 
—  «.  .  .  et  Crexos  l'introduisit  dans  la  pratique  dithyrambique.> 

En  meme  temps  que  nous  pouvons  nous  en  expliquer  la  strophe  et 
tantistrophe  de  la  tragEdie  grecque,  ce  fat  peut-etre  la  le  principe  du  dithy- 
rambe  artistique.  L'entree  procesBionnelle  du  choeur  par  deux  portes  opposees, 
qui  passa  dans  la  trag£die  avec  la  strophe  et  Tantistrophe,  s'en  trouve 
elucidee  de  la  facon  la  plus  simple,  la  plus  vraisemblable  et  la  plus  logique, 
ainsi  que  la  symStrie  inverse  des  Evolutions  orchestiques.  Oes  Evolutions 
memes  en  acquierent  une  signification  artistique  plus  elevee  que  celle  qui 
se  dEduirait  de  l'adjonction  purement  eventuelle  ou  arbitraire  du  geste  et 
de  la  danse  a  la  musique.  Elles  concouraient  a  la  fois  a  l'unite*  de  l'oeuvre 
d'art,  dont  elles  se  manifestaient  partie  intEgrante  essentielle,  et,  par  ailleurs, 
a  sa  clarte"  'en  attirant  l'attention  de  l'auditeur  sur  des  oppositions  de  symEtrie 
pr£m6dit£e  et  essentiellement  musicale]  a  peu  pres  comme,  dans  la  thSorie, 
le  diagrarnme  aidait  a  discerner  par  l'oeil  ce  qui  eut  aise*ment  6chappe*  a 
1'oreille.  Enfin  le  dUhyrambe  parait  avoir  6te*  compose*  d'une  succession  de 
cfuewrs  antistrophiques ,  puis  monostrophiques ,  bas£e  sur  le  jnode  phrygien 
dans  lequel  il  devait  naturellement  se  terminer.  Or,  si  nous  superposons 
les  deux  dernieres  6chelles  lydienne  (h)  et  dorienne  (t),  nous  voyons  qu'elles 
contiennent  les  sons  nEcessaires  a  une  Echelle  phrygienne,  qui  en  d<§riverait 
comme  il  suit,  selon  l'une  et  l'autre  crousis  les  combinant  respectivement 
en  une  tension  commune: 

Lydien  = 
Dorien  « 


k) 

30 

32 

36 

40 

46 

48 

64 

60 

[Long.) 

mi 

mm 

H 

si 

la 

Aift 

Fal 

mi 

1) 

60 

64 

48 

46 

40 

36 

32 

30 

(Vib.) 

mi 

Be 

Do 

si 

la 

Sol 

Fa 

mi 

m) 

90 

100 

106 

120 

136 

160 

162 

180 

(Long.) 

mi 

Be 

M 

si 

la 

Sol 

Fa$ 

mi 

n) 

180 

162 

160 

136 

120 

108 

100 

90 

(Vib.) 

Et  nous  constatons  que  les  Echelles  m  et  n  fournissent  une  serie  numerique 
identique,  qui,  lue  dans  les  deux  sens,  de  l'aigu  au  grave  ou  du  grave  a 
l'aigu,  produit  indistinctement  et  immuablement  le  mode  phrygien.  Issues 
successivement  de  la  combinaison  principielle  de  Viambe  et  du  pSon,  ces  deux 
echelles  numEriques,  l'une  variable  et  l'autre  immuable  en  son  renversement, 
aboutissent  done  ainsi  naturellement  a  constituer  la  substance  fondamentale 
assignee  par   les   textes   au  dithyrambe    en    sa    complexity    harmonieusement 


358  Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc. 

symetrique;  a  savoir,  1' opposition  strophique  et  antistrophique  du  lydien  et  da 
dorien,  et  la  conclusion  monostrophtque  du  phrygien. 

L'invariabilite  dans  les  deux  sens  y  demeurant  le  monopole  et  la  carac- 
teristique  du  phrygien,  on  obtient,  par  les  crousis  inverses,  une  analogue  opposi- 
tion de  Chypodorien  et  de  I'hypophrygien ,  du  mixolydien  et  de  Vhypolydien, 
et,  applique1  a  l'opposition  ou  a  1' elaboration  d'echelles  irr£gulieres  ou  libres, 
le  principe  du  renversement  symetrique  apportait  dans  Tart  d'inepuisables 
ressources  de  variety  rythmique  et  de  contraste  melodique.  Mais,  par  dessus 
tout,  1'innovation  d'Archiloque  intronisait  dans  la  musique  artistique  un 
element  nouveau  de  systematisation  dont  1'importance  est  capitale :  la  crousis 
d'apres  le  chant,  la  division  de  la  corde  conforme  aux  intonations  naturelles 
de  la  voix  chantee.  L'expression  de  Plutarque  apparait  d'une  precision  qui 
ne  prete  a  aucune  equivoque  et  l'analyse  du  phenomene  son  ore  est  capable 
de  Texpliquer. 

La  crousis  d'apres  la  corde  (irpda/opSa),  en  effet,  produit  des  echelles 
descendantes  ou,  a  des  rapports  de  longueurs  de  corde  simples,  correspondent 
des  rapports  de  vibrations  de  plus  en  plus  complexes.  Rien  que  la  quark 
(3  —  4),  subdivis£e  en  deux  intervalles  6  —  7  —  8,  a  pour  rapports  de  vibrar 
turns  correspondants  28  —  24  —  21.  L'echelle  de  longueurs  4 —  5 —  6  —  7  — 8 
a  pour  Equivalent  Techelle  de  vibrations  210 — 168  —  140 — 120 —  105,  et 
Texpression  irr^ductible  de  l'heptacorde  de  Terpandre ,  6  —  7  —  8  —  9  — 
10  —  11  —  12,  serait  en  vibrations  4620  —  3960  —  3465  —  3080  —  2772  — 
2520—2310.  Dans  la  crousis  inverse,  ce  serait  diametralement  le  contraire. 
Les  longueurs  precedentes  deviendraient  les  vibrations  correspondant  a  des 
longueurs  representees  par  la  complexity  des  series  de  vibrations  pr6c6dentes. 

Or,  le  son  musical  est  fait  de  vibrations  et  non  de  longueurs  de  corde. 
Pour  une  suite  de  sons  emis  par  un  instrument  et  entendus,  ce  ne  sont  pas 
les  rapports  de  longueurs  de  corde  ou  de  tuyau  qui  affectent  la  sensibility 
mais  leurs  r£sultats  vibrato  ires.  Car  l'oreille  ne  pergoit  que  des  vibrations. 
Au  regard  de  la  simplicity  de  ses  resultats  [rapports  de  vibrations),  l'even- 
tuelle  complexity  de  la  cause  (rapports  de  longueurs)  ne  saurait  gener  en 
rien  la  receptivite  de  l'auditeur.  En  revanche,  I'hypothese  d'un  trouble 
occasionne*  par  le  cas  contraire  6ch£ant  apparait  legitime  a  priori.  D'autre 
part,  que  la  voix  humaine  chante  instinctivement ,  improvise  d'inspiration, 
ou  bien  chante  a  limitation  de  sons  entendus,  elle  chante  en  effectuant  det 
vibrations  dont  le  nombre  determine  la  hauteur  et  la  difference  d'intonation 
des  sons  emis.  Et  e'est  tou jours  l'oreille  seule  qui  apprScie  ou  controle  cette 
hauteur,  difference  ou  justesse;  qui  guide  a  son  insu  l'instinct  du  chanteur 
inspire.  Et,  l'oreille  ne  percevant  jamais  que  des  vibrations,  la  conclusion 
precedente  conserve  toute  sa  valeur  et  accuse  une  egale  plausibility. 

II  s'ensuivrait  done  un  antagonisme  essentiel  entre  les  sons  produits 
instinctivement,  naturellement  ou,  pour  le  moins,  commodement  par  le  chant 
de  la  voix  humaine,  et  les  sons  produits  par  la  crousis  bas£e  sur  la  division 
et  subdivision  de  la  corde  en  parties  egales.  On  pent  remarquer  en  passant 
que  cette  crousis  d'apres  la  corde  aboutit  a  la  s^rie  des  sons  inferieurs  de 
M.  Hugo  Hi  em  an  n,  tandis  que  les  sons  de  la  crousis  d'apres  le  chant  appar- 
tiennent  a  la  serie  des  harmoniques  naturels  d'un  son  fondamental.  Et  la 
constatation  de  cet  antagonisme  essentiel  confere  a  1'innovation  d'Archiloque 
une  signification  plus  profonde,  par  quoi  se  justifierait  sa  gloire  et  sa  popu- 
larity  qui   paraissent   avoir   Sgale"    celles .  d'Homere   dans   l'admiration  de  ses 


Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc.  359 

contemporains.  La  crousis  cCapres  le  chant  decoulant  fatalement  de  la  divi- 
sion de  la  corde  dans  le  sens  oppose"  que  nous  avons  r^alisee  empiriquement 
plus  haut,  on  pourrait  se  demander  si  cette  innovation  d'Archiloque  fut 
conscionte,  ou  simplement  le  fruit  de  la  fantaisie  arbitraire  ou  d'une  specu- 
lation de  chercheur.  Quoi  qu'il  en  soit,  il  semble  qu'elle  ait  repondu  d'embiee 
a  un  instinct,  et  meme  a  la  pratique  instinctive  d'un  chant  naturel  dont  les 
origines  reculeraient  jusque  dans  un  passe  mythique.  Alors  qu'une  syste- 
matisation  logique  de  fart  musical  ne  pouvait  primitivement  provenir  que 
de  l'empirisme  instrumental  et  des  divisions  regulieres  de  la  corde,  les  plus 
lointaines  manifestations  d'un  chant  instinctif  se  reconnaissent  dans  les  fetes 
ou  mysteres  dionysiaques,  sous  l'influence  de  l'ivresse  ou  d'une  fr6n£sie 
orgiastique,  et  le  meurtre  d'Orphee  par  les  Bacchantes  en  furie  se  denonce 
un  primordial  et  sanglant  episode  de  la  lutte  entre  Inspiration  natureUe  en 
son  incoherence  instinctive,  et  la  systematisation  tyrannique  inaugur£e  par 
les  porteurs  de  lyre.  Et  on  est  oblige  d'admettre,  au  moins  depuis  cette 
£poque  legendaire,  le  developpement  parallele  d'une  musique  in  spire  e  et  libre, 
basee  sur  un  chant  naturel,  et  d'un  art  systematise,  issu  de  l'empirisme 
instrumental.  Les  phases  de  1  evolution  de  ce  dernier  paraissent  pouvoir 
correspondre :  d'abord,  a  l'incertaine  et  inscrutable  periode  <orpheique»  des 
praticiens  de  la  lyre  primitive;  puis,  a  l'activite  regulatrice  essentiellement 
«apollinienne»  des  auletes  phrygiens,  dont  Olympos  incarne  l'apogee  carac- 
te"rise  par  la  formation  d'un  repertoire  de  nomes  liturgiques  et  une  reforme 
feconde  dans  l'elaboration  des  < harmonies »;  enfin,  a  la  systematisation  plus 
complexe  du  citharede  Terpandre,  «  disciple  d'Orphee  pour  le  melos»,  dit  Plu- 
tarque,  et  qui  semble  avoir  assujetti  le  chant  a  une  crousis  d'apres  la  corde 
basee  sur  le  mode  d&rien.  La  recitation  des  poesies  d'Homere  par  les 
rapsodes  parait  avoir  constitue  une  sorte  d'intermediaire  entre  cet  art  instru  - 
mental  et  I  inspiration  libre,  dont  la  chanson  populaire  et  les  ceremonies  du 
genre  dionysiaque  auraient  ete"  le  domaine  propre.  Avec  l'innovation  d'Ar- 
chiloque,  qui  semblerait  apte  a  decider  de  l'anteriorite  discutee  de  Terpandre, 
l'emploi  des  deux  crousis  inverses  r£alisait  definitivement  dans  la  musique 
hellene  l'union  des  deux  principes  antagonistes  et  gen^rateurs  de  l'art  inte- 
gral, baptises  par  Nietzsche  Vapollinien  et  le  dionysien.  Et  la  crousis  oVapres 
le  chant,  a  soi  seule ,  etait  capable  d'en  synthetiser  les  consequences.  Nous 
avons  repr£sente  les  r£sultats  de  cette  crousis  par  les  nombres  de  vibrations 
correspondants,  et  on  pourrait  estimer  cet  expedient  d'une  anticipation  teme- 
raire  en  l'espece.  Mais,  lettres,  signes,  tabulature  numerique  ou  autre,  de 
quelque  maniere  que  fussent  rSellement  figures  ces  resultats,  ils  n'en  corres- 
pondaient  pas  moins  necessairement  a  des  rapports  de  vibrations.  La  lec- 
ture inverse  facultative  d'une  echelle  de  rythmes  combines  en  une  tension 
commune,  c'etait,  en  realite,  la  lecture  des  rapports  de  vibrations  remplac,ant 
la  lecture  des  rapports  de  longueurs  de  corde,  et  les  nombres  de  vibrations 
promuB  ainsi  a  la  qualite  d'elements  eventuellement  independants  de  syste- 
matisation speculative.  C'etait  l'avenement  d'un  melos  nouveau,  d'un  chant 
coordonne"  et  naturel,  procedant  a  la  fois  de  l'art  et  de  l'instinct. 

On  ne  saurait  certes  afnrmer  que  la  systematisation  derivable  de  la  crousis 
d'apres  le  chant  soit  devenue  immediatement  autonome,  et  que  son  expression 
numerique  eventuelle  ait  ete  d'ores  et  deja  expressement  rattachee  a  un 
nombre  de  vibrations  correspondantes.  On  put  peut-etre  ne  considerer  d'abord 
la   lexis  inverse  que   comme   un  procede   simplificateur  de  representation    et 


360  Jean  Marnold,  Les  Fon  dements  natnrels  de  la  Manque  etc. 

d'usage  des  resultats  de  la  division  de  la  corde  dans  le  sens  opposi.  Neanmoins 
on  avait  de  puissantes  raisons  pour  etre  frappe  de  l'opposition  numeriquenient 
proportionnelle  qui  s'ensuivait,  et  pour  s'en  sentir  incite  a  des  conclusions 
tendancieuses.  On  savait,  par  le  temoignage  des  sens  et  une  experience 
quotidienne,  que  le  son  etait  produit  par  des  mouvements  de  la  corde  tendue 
battant  l'air;  que  les  battements  d'une  corde  plus  courte  on  plus  mince  etaient 
plus  rapides,  done  plus  nombreux  pour  le  meme  temps  donne,  que  les 
battements  d'une  corde  plus  longue  ou  plus  grosse.  On  connaissait  empiri- 
quement,  rien  qu'en  operant  par  la  division  d'une  corde  tendue,  Pexisteuce 
d'une  relation  de  cause  a  effet  entre  les  longueurs  respectivement  obtenues 
et  la  vitesse  ou  lenteur,  done  le  nombre  des  battements  correlatifs.  De  la 
au  pressentiment ,  puis  a  l'hypothese  d'un  rapport  proportionnel  constant,  il 
n'  y  avait  qu'un  pas,  que  la  crousis  inverse  s'atteste  assurement  des  plus 
propres  a  faire  inconsciemment  franchir.  Mais,  si  l'innovation  d'Arehiloque 
peut  marquer  un  to  urn  ant  capital  de  Involution  de  la  musique  grecqne,  par 
r apparition  empirique  des  nombres  de  vibrations  a  cote  des  longueurs  de  corde, 
e'est  a  un  autre  que  devait  revenir  la  gloire  de  transformer  la  conception 
confusement  intuitive  de  leur  plausible  opposition  proportionnelle,  en  la  decou- 
verte  d'une  loi  de  la  nature,  formellement  proclamee,  elucidee  et  exploitee 
en  ses  ultimes  consequences. 

Pythagore. 

Ce  fut  l'oeuvre  de  Pythagore,  avec  sa  fameuse  experience  dite  *des  mar- 
teaux*.  Nicomaque  de  Gerase  en  donne  le  recit  suivant  dans  son  Manuel 
harmonique.  Apres  avoir  explique  precisSment  Yopposition  dont  il  s'agit, 
connue  et  demontree  de  son  temps,  apres  avoir  pari 6  des  cavite*s,  des  lon- 
gueurs de  corde  et  de  tuyau  produisant,  selon  leurs  dimensions,  des  batte- 
ments de  l'air  lents  ou  rapides,  et  ajoute  que  tout  cela  est  regie  numerique- 
ment, car  *la  quantity  ne  se  rattache  en  propre  qu'au  nombre >,   il  continue: 

c.  .  .  Un  jour  que  Pythagore  se  promenait,  absorbe  dans  ses  reflexions,  cher- 
chant  a  imaginer  pour  1'ouYe  un  sur  instrument  de  contrdle,  analogue  an  compat 
pour  la  vue,  a  la  balance  et  aux  mesures  pour  le  toucher,  il  passa  providentielle* 
ment  devant  un  atelier  de  forgerons  et  entendit  distinctement  des  marteaux  de 
fer,  frappant  sur  une  enclume,  et  produisant  p^le-mele  des  sons  consonnant  entre 
eux,  sauf  un  couple1).  Et  il  y  reconnut  les  consonnances  de  diapason,  de  dia- 
pente  et  de  diatessaron  ...  11  p£n£tra  tout  joyeux  dans  Tatelier  et,  par  divers 
moyens,  il  trouva  que  la  difference  entre  les  sons  entendus  provenait  exclusife- 
ment  du  poids  respectif  des  marteaux,  dans  le  maniement  desquels  les  ouvrier* 
d^ployaient  un  effort  qu'il  trouva  correspondre  a  une  force  d'impulsion  absolument 
identique  .  .  •> 

Rentre  chez  lui,  Pythagore  eut  fixe  une  traverse  de  fer  dans  1' angle  de 
deux  murs,  y  aurait  attache  quatre  cordes  exactement  semblables  a  tons 
egards  et  portant  un  poids  suspendu  a  leur  extremite  inferieure ;  pub,  faisant 
resonner  ces  cordes  deux  a  deux,  il  aurait  constate  les  consonnances  <¥ octave 
pour  le  rapport  de  poids  £,  de  quinte  pour  le  rapport  de  poids  J  et  de 
quarte  pour  le  rapport  de  poids  -\.    (Mb.  10.   11.) 

1)  .  .  .  r.apd  Tt  ^aXxoturetov  zepiTiTCttw  &%  xtvoc  oatfiovlou  ouvtu^lac  iTct\%0O9t  |>«i- 
ar/jpwv  ol&irjpov  ir^  &%p<m  {jauSvrwv  %at  to&$  f)Xou»  TrapajjilS  ~p£>C  dXXTjXouc  uujjLcpmvoTobo'ji 
i7ro&tWvTcov  ttX^v  jxia;  o->Cuyta;  .  .  .    (Nicom.  Enchirid.  10.  11.    Mb,) 


Jean  Marnold,  Les  Fondemente  naturels  de  la  Mueique  etc.  361 

Cette  experience,  dont  j'ai  resume  la  narration  de  Nicomaque,  est  rap- 
portee  par  d'innombrables  autenrs  de  toutes  les  epoques  en  termes  analogues, 
avec  quelques  divergences  de  detail  secondaires.  EUe  Buggere  aussitot  pln- 
sieurs  objections.  D'abord,  le  nombre  de  vibrations  d'une  corde  tendue  n'est 
pas  directement  proportionnel  au  poids  tenseur,  mais  a  sa  racine  Carrie. 
Les  trois  consonnances  consider^es  auraient  done  correspondu,  non  pas  aux 
rapports  de  poids  tenseurs  -J-,  |  et  |,  mais  a  ceux  de  -J,  -|  et  ^.  En  outre, 
on  ne  saisit  guere  de  correlation  immidiate  evidente  entre  1' experience  attri- 
bute a  Pythagore  sur  des  cordes  tendues  par  des  poids,  et  ses  observations 
dans  l'atelier  des  forgerons.  D'autre  part,  quand  on  frappe  avec  un  marteau 
sur  une  enclume,  ce  n'est  pas  le  marteau,  mais  1' enclume  qui  rlsonne  et 
produit  le  son  entendu ,  lequelj  reBte  ton  jours  le  meme,  quels  que  soient  les 
poids  varies  des  marteaux  frappeurs.  On  en  est  done  accule  a  ce  dilemne: 
ou  bien  d'imputer  a  Pythagore  une  double  erreur  grossiere ,  dont  la  publi- 
cation ne  laiaserait  le  choix  qu'entre  1'imberilite  et  l'imposture;  ou  bien 
d'admettre  que  Inexperience  soit  inexactement  rapportee  dans  les  textes  qui 
nous  sont  parvenus. 

Meme  a  defaut  du  retentissement  sensationnel  que  parait  avoir  provoqu£ 
la  celebre  experience,  le  nom  seul  de  Pythagore  rgcuserait  a  priori  la  pre- 
miere hypothese.  Par  ailleurs,  eu  egard  au  mystere  dont  s'enveloppait 
volontiers  l'enseignement  du  philosophe,  il  est  fort  possible  que  la  tradition 
ne  nous  ait  transmis,  alteree  par  surcroit  peut-Stre,  qu'une  redaction  destines 
au  vulgaire  indigne  et  denaturant  peu  ou  prou  la  verite  reservee  aux  adeptes. 
Quoiqu'il  en  soit,  puisque  nous  en  sommes  reduits  a  cette  redaction  incom- 
plete ou  defiguree,  nous  devons  essayer  de  l'interpr6ter.  Or,  pour  que  le 
debut  s'en  edaire  soudain,  il  suffit  de  prendre  dans  leur  sens  littoral  les 
mots  traduits  tendancieusement  par  son  et  consonncmce.  Si  Pythagore  ne 
pent  evidemment  pas  avoir  entendu  des  «sons»  divers  et  «consonnants»  pro- 
duits  par  des  marteaux  sur  une  enclume,  en  revanche,  il  pouvait  percevoir 
le  bruit  (ijxo*)  d&  coups  de  marteaux  diversement  espaces  et  concordant,  par 
couples  de  marteaux,  selon  les  rapports  J,  f  et  ^,  correspondant  aux  trois 
consonnances  muBicales.  Pendant  un  meme  espace  de  temps  donne  et  egal 
pour  tons,  deux  quelconques  de  ces  marteaux  pouvaient  frapper  regulierement : 
Tun  1  coup  et  l'autre  2 ;  Tun  2  coups  et  Tautre  3 ;  Tun  3  coups  et  l'autre  4. 
Et  alors,  si  la  force  employee  a  soulever  ces  marteaux  demeurait  indistincte- 
merit  identique,  le  nombre  des  coups  frappes,  dans  un  meme  temps  donne, 
devait  etre  proportionnel  au  poids  des  marteaux.  Le  marteau  de  poids  2 
devait  frapper  1  coup  pour  2  coups  du  marteau  de  poids  1;  le  marteau  de 
poids  3  devait  frapper  2  coups  pour  3  coups  du  marteau  de  poids  2;  le 
marteau  de  poids  4  devait  frapper  3  coups  pour  4  coups  du  marteau  de 
poids  3. 

Dans  la  pratique,  a  la  verite,  l'aventure  pourrait  etre  taxee  de  quelque 
invraisemblance.  Ces  quatre  marteaux  impliquent  quatre  forgerons.  II  fau- 
drait  done  supposer  la  rencontre  inopinee  de  quatre  individus  de  robustesse 
equivalente,  que  la  routine  du  metier  aurait  accoutumes  a  deployer  un  effort 
machinal  identique  dans  Facte  de  forger.  Bien  que,  a  la  rigiieur,  cela 
n'apparaisse  pas  d'une  impossibilite  absolue,  la  rarete  du  fait  autorifle  quel- 
ques soupepns.  La  mesure  de  longueurs  de  corde  est  et  fut  facilement 
realisable  de  tout  temps  par  quiconque.  Au  contraire,  revaluation  materielle 
du  nombre  de  vibrations  d'un   corps  sonore   constitue  meme  aujourd'hui  une 


362  «fo*n  Marnold,  Lea  Fondements  naturels  de  la  Manque  etc 

operation  des  pins  deiicates.  La  decouverte  et  la  demonstration  peremptoire, 
dans  nne  an ti quite  si  lointaine,  d'un  rapport  num£rique  entre  ces  deux 
ph6nomenes,  est  chose  aussi  mysterieuse  que  l'esoterisme  pythagoricien.  On 
peut  se  demander  si  Pythagore  n'en  avait  pas  recu ,  des  pretres  egyptiens, 
le  secret  de  revelation  interdite  par  un  inviolable  serment,  et  si,  cherchant 
peut-etre  un  expedient  de  vulgarisation  profane,  il  n'avait  invente*  le  prgtexte 
des  marteaux  de  ces  forgerons  exceptionnels.  Toutefois,  on  pourrait  egale- 
ment  admettre  qu'une  « concordance*  simplement  approximative  des  coups  de 
marteaux  entendus  selon  les  rapports  approches  -J-,  \  et  -j,  ait  suffi  poor 
frapper  1' esprit  de  Pythagore,  hante  par  la  solution  da  probleme  qu'avait 
pose"  1'innovation  d' Archiloque ,  et  pour  lui  -  inspirer  l'idee  de  comparer  le 
poids  des  marteaux.  Une  stricte  exactitude  mathematique  dans  les  rapports 
ainsi  constates  n'etait  pas  indispensable  pour  fournir  a  Pythagore  les  el&nents 
de  sa  decouverte.  Quoi  qu'il  en  soit  d'ailleurs  de  ces  deux  hypotheses,  nous 
sommes  bien  forces  d'accepter  I'enonce  des  textes  et  le  postulat  d'une  force 
impulsive  identique,  afin  de  voir  quelles  consequences  en  pouvait  deduire 
Pythagore. 

Remarquons  avant  tout  que,  grace  a  la  substitution  des  coups  aux  sons 
des  marteaux,  cet  enonce*  est  devenu  intelligible,  vraisemblable  et  logique. 
La  possibility  d'un  certain  rapport  entre  la  vitesse  ou  lenteur  des  coups 
frapp£s  et  le  poids  des  marteaux  en  d£coule  necessairement,  et  les  faits  ob- 
serves evoqueraient  assez  naturellement  1' analogue  vitesse  ou  lenteur  des 
battenients  d'une  corde  frappant  1'air  pour  suggerer  un  rapprochement.  Pytha- 
gore pouvait  done  raisonner  comme  il  suit: 

Soient  deux  marteaux  mis  en  mouvement  par  une  force  identique; 

Pendant  un  temps  donne  t,  un  marteau  de  poids  1  frappera  2  coups 
pour  1  coup  d'un  marteau  de  poids  2: 

P.        1  2 

C.        2  1 

Pendant  un  temps  donne  t,  un  marteau  de  poids  2  frappera  3  coups 
pour  2  coups  d'un  marteau  de  poids  3: 

P.       2  3 

C.       3  2 

Pendant  un  temps  donne*  t,  un  marteau  de  poids  3  frappera  4  coups 
pour  3  coups  d'un  marteau  de  poids  4: 

P.       3  4 

C.       4  3 

Et  si  nous  r£sumons  cette  experience  avec  quatre  marteaux,  nous  aurons, 
pour  un  temps  donne*  t: 

Poids    =   6  8  —  9 12 

Coups  =  12 9  —  8  6 

Or,  les  poids  ci-dessus  representent  pr£cisement  les  longueurs  de  corde 
produisant  les  trois  consonnances  musicales  &*  octave,  de  quinie  et  de  quarter 
le  rapport  intermediate  de  ton  §  correspondant  au  couple  de  marteaux 
dissonnants  relate  par  Callimaque: 

Long,  de  Corde  =   6         8    9         12 
mi       si  la         mi 


Jean  Marnold,  Lea  Fondementa  naturels  de  la  Musique  etc.  363 

Mais,  pour  des  cordes  de  substance  et  de  diametre  identiques,  ces  longueurs 
reprisentent  aussi  le  rapport  de  leurs  poids  respeotifs.  En  effet,  soit  une  corde 
de  longueur  2  et  de  poids  2;  si  nous  la  coupons  en  deux  parties  egales, 
sa  moitie  sera  de  longueur  1  et  de  poids  1.  Pour  une  corde  de  longueur 
et  de  poids  3,  ses  $  seront  de  longueur  et  de  poids  2.  Pour  une  corde 
de  longueur  et  de  poids  4,  ses  $•  seront  de  longueur  et.de  poids  3.  Done: 
toutes  choses  egales  d'ailleurs,  les  poids  de  cordes  de  longueurs  differentes 
sont  en  raison  directe  de  ces  longueurs. 

En  effectuant  les  divisions  adequates  sur  une  corde  tendue  dont,  au 
moyen  d'un  chevalet  glissant,  on  pouvait  faire  r£sonner  successivement  chaque 
parti  e  considered,  ou  ob  ten  ait  des  cordes  en  rapport  de  longueurs  et  de  poids: 

Long:     6         8    9         12 
Poids:    6         8    9         12 

Et,  en  assimilant  les  coups  frapp6s  par  les  marteaux  aux  battements  de  la 
corde  frappant  l'air,  on  pouvait  dire: 

Pour  un  temps  donne*  t,  ces  quatre  cordes  de  longueur  et  de  poids 

6         8    9         12 

produiront  respectivement 

12         9    8         6      battements. 

D'ou  la  conclusion  que:  le  nombre  des  battements  ou  vibrations  est  en  raison 
inverse  de  la  longueur  des  cordes  et  du  poids  de  ces  cordes  de  longueur 
difffrente. 

Cette  conclusion  est  la  seule  qui  se  puisse  deduire  d'un  Snonce"  intelligible 
et  rationnel  de  la  celebre  ^Expirience  des  marteaux  de  Pythagore*,  et  qui 
s'en  deduise  logiquement.  Une  telle  solution  du  probleme  pourrait  sembler 
a  premiere  vue  d'un  Bimplisme  peu  scientifique  indigne  de  Pythagore,  en 
tant  que  derivee  d'une  assimilation  tendancieuse  arbitraire  ou,  pour  le  moins, 
insuffisamment  justifi^e,  et  il  n'apparait  certes  nullement  invraisemblable  que 
le  texte  incomplet,  Equivoque  et  incoherent  de  la  tradition  ne  nous  ait  con- 
serve* qu'un  fragment  de  vulgarisation  exoterique.  Neanmoins,  par  quelques 
reflexions  qu'ait  6te  guide  Pythagore,  cet  6nonce"  nous  en  livre  sans  doute 
le  fil  conducteur,  avec  le  principe  indispensable  a  sa  decouverte.  L'empi- 
risme  de  la  facture  instrumental  avait  appris  depuis  longtemps  aux  Grecs 
l'influence  des  dimensions  du  corps  sonore  sur  la  hauteur  des  sons  produits. 
Mais  ces  consequences,  communes  aux  qordes  et  aux  tuyauz,  ne  se  tradui- 
saient  sur  ceux-ci  qu'en  acuiU  ou  graviti  des  sons  emis,  tandis  que  ces  memes 
sons,  sur  les  cordes ,  correspondaient  par  sucroit  a  un  certain  degre  de 
vitesse  ou  lenieur  des  battements.  La  conception  de  mouvements  vibratoires 
numiriquement  oonstitutifs  du  Bon  musical  ne  pouvait  done  naitre  que  de 
l'observation  des  battements  de  la  corde  frappant  l'air  et  le  nombre  de  ces 
mouvements  devait,  a  priori,  offrir  quelque  rapport  avec  le  poids  du  corps 
vibrant.  Telle  semble  avoir  ete  la  genese  intuitive  du  syllogisme  pseudo- 
experimental  qui,  des  marteaux  pythagoriciens  et  de  leurs  forgerons  auto- 
mates, aboutit  logiquement  a  Tune  des  lois  de  vibration  des  cordes. 

Le  principe  de  ce  rapport  numerique  inverse  admis  et  tenu  pour  demontr6 
au  vulgaire  par  l'analogie  «deB  marteaux »,  Pythagore  pouvait  et  dut  tres 
vraisemblablement  le  soumettre  au  contrdle  d'une  epreuve  plus  rigoureuse. 
II  avait  plus  d'un  moyen  de  le  faire  empiriquement ;  par  exemple,  en  ope- 
rant sur  deux  cordes  de  poids  et  de  longueur  considerables,  produisant  des 


364  Jean  Marnold,  Lev  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc. 

battements,  trop  lents  pour  fournir  un  son  perceptible,  mais  de  nombre  et 
rapport  facilement  observables  a  la  vue.  II  lui  suffisait  de  con  stater  ainsi 
qu'une  corde  de  poids  et  longueur  1  faisait  2  ou  4  battements  pendant  qu'une 
corde  voisine  de  poids  et  longueur  2  faisait  1  ou  2  battements.  Ceci  pose, 
un  g6nie  comme  celui  de  Pythagore  devait  plausiblement  en  etre  induit  a 
d'autres  experiences r  et  le  texte  de  Nicomaque  en  t&noigne,  puisqu'il  parle 
aussi  de  quatre  cordes  egales  et  de  poids  tenseurs. 

En  r£alite,  il  semble  que  Pythagore  n'ait  pu  verifier  experimentalement 
le  principe  de  sa  decouverte  sans  trouver  inconsciemment  toutes  lea  lots  de 
vibration  des  cordes  tendues.  La  fabrication  des  instruments  a  cordes  avait 
ndcessairement  enseigne  aux  Orecs  les  effets  de  l'homogeneite  parfaite  d'une 
corde  sur  la  qualite  du  son  obtenu,  et  ils  ne  pouvaient  pas  ignorer  non  plus 
l'influence  de  la  grosseur  des  cordes,  c'est-a-dire  de  leur  diametre  a  l'egard 
de  la  hauteur  des  sons  produits.  Ces  connaissances  empiriques  et  plus  ou 
moins  precises  devenaient  pour  Pythagore  les  donnees  d'un  probleme  math£- 
matique. 

Sa  premiere  experience  lui  avait  revele,  avee  les  sons  (f  intonation  corre- 
lative, le  rapport  entre  le  nombre  de  battements  ou  vibrations  et  les  poids  ou 
longueurs  de  cordes  d'un  meme  diametre,  mais  de  longueurs  differences . 

Operant  main  ten  ant  sur  des  cordes  de  meme  longueur,  mais  de  diametres 
diff events,  il  aurait  trouve  que,  toutes  choses  egales  par  ailleurs, 

4  Cordes  de  Diametres:       6        8    9        12 
d'egale  Longueur-.        Ill         1 

produisent  4  sons  dans  le  meme  rapport  d'intervalle  et  d'intonation   que 

4  Cordes  d'lgal  Diametre:        111         1 
et  de  Longueurs:        6        8    9       12 

Ces  dernieres  ayant  fourni,  par  le  nombre  de  leurs  battements  respectifs,  Is 

Rapport  de  Vibrations:        12        9    8        6 

il  s'ensuivait  que:  Pour  des  cordes  de  meme  longueur,  le  nombre  de  battel 
ments  ou  vibrations  est  en  raison  inverse  des  diamitres.  En  dehors  de  toute 
autre  connaissance  ou  consideration,  rien  qu'en  prenant  la  peine  de  peser 
successivement  ces  cordes  nouvelles  de  diametres  differents,  Pythagore  aurait 
reconnu  que: 

Ces  4  cordes  de  longueur  egale: 

avaient  le  rapport  d'e  poids: 

earres  des  rapports  de  diametres: 

Done:  Pour  des  cordes  de  meme  longueur,  le  poids  est  en  raison  inverse  dm 
carr6  des  vibrations. 

Enfin,  operant  sur  une  corde  unique,  tendue  successivement  par  des  poids 
differents,  Pythagore,  a  moins  d' aberration  mentale  et  sensorielle,  aurait  re- 
connu que:  Une  Corde  tendue 

sur  une  longueur  egale:  1  111 

par  des  poids  tenseurs:        144        81    64        36 

produit  successivement  4  sons  dans  le  meme  rapport  d'intervalle  et  d'into- 
nation que 


1 

1      1 

1 

36 

64    81 

144 

6 

8      9 

12 

lee  4  Cordes  de  poids 

de  longueur 

et  de  diametre 


36        64    81        144 

1111 

6         8      9         12 


Jean  Marnold,  Les  Fondements  xraturels  de  la  Manque  ef c.  365' 

Ces  dernieres  etant,  pour  le  nombre  de  battements  respectifs,  dans  le 

rapport  de  vibratiom:        12        9    8        (> 

il  s'ensuivait  que:  Pour  une  corde  tendue  vibrant  dans  une  longueur  con- 
stante,  les  poids  tenseurs  sont  en  raison  directe  du  carrS  des  vibrations. 

Nous  avons  suppose  ces  experiences  conseeutives  realisees  par  les  moyens 
pratiques  les  plus  simples  et  basees  empiriquement  sur  la  comparaison  des  re- 
sultats  divers  avec  les  premiers  sons  obtenus.  Le  texte  de  Nicomaque  vient 
confirmer  notre  hypothese,  car  il  ajoute  un  pen  plus  loin  (Mb.  13)  que  Pytha- 
gore,  «apres  avoir  exerce  sa  main  et  son  oreitte*  a  ces  operations  dedicates, 
en  transports  ingenieusement  les  re&ultats  sur  la  batera  (tablette  a  che valet 
glissant,  sans  doute)  d'un  instrument  baptise  cordoU)ne7  ou,  par  surcroft,  fac- 
tion des  poids  tenseurs  etait  exactement  enregistree  par  les  tours  des  chevilles 
ou  s'euroulaient  les  cordes *).  Ce  «cordotone»  apparait  ainsi  comme  un  qua- 
druple peut-etre  ou  plus  complexe  monocorde  et,  au  regard  de  ce  qu'en  de- 
couvrit  Pythagore,  on  peut  assur4ment  B'expliquer  son  exclamation  supreme 
a  ses  disciples  entourant  son  lit  de  mort:   «Cultivez  toujours  le  monocorde !» 

Pythagore,  en  effet,  en  possession  de  ce  critere,  de  ce  « gnomon  infai- 
llible»,  selon  l'expression  de  Nicomaque,  allait  devoir  presque  aussitot  mesurer 
Timmense  portee  de  sa  decouverte.  II  avait  desormais  a  sa  disposition,  pour 
les  cordes,  le  rapport  entre  leurs  longueur,  poids,  diametre,  poids  tenseurs  et 
leur  nombre  de  battements,  contr6l6  par  l'identite  d'intonation  ou  hauteur 
absolue  ou  relative  des  sons  correspondants ;  —  et  de  tout  cela  s'ensuivait 
l'existence  d'un  rapport  inversement  proportion nel,  entre  la  masse  d'un  corps 
vibrant  et  ses  vibrations.  En  comparant  les  sons  ainsi  produrts  par  les  cordes 
avec  les  sons  de  concordante  hauteur  ou  intonation  sur  les  tuyaux }  il  con- 
stats naturellement  une  correlation  similaire  entre  Yacuite  ou  gravity  de  ces 
intonations  et  les  dimensions  des  tuyaux  respectifs.  II  en  dut  reconnaitre  et 
pouvoir  elucider  mathematiquement  l'influence  de  la  largeur  des  tuyaux,  de 
l'epaisseur  de  leurs  parois,  du  diametre  de  leurs  trous  lateraux  et  de  la  com- 
munication de  leur  embouchure  avec  1'air  ambiant,  dont  resultaient  les  cor- 
rections empiriquement  effectu6es  jusque  la  et  trouvees  par  t&tonnements 
d'apres  1'oreille.  Seulement,  iei,  ce  n'etait  evidemment  plus  le  tuyau  qui 
vibrait,  mais  Yair  mis  en  mouvement  par  le  souffle  de  l'executant.  Une 
assimilation  numerique  des  battements  de  la  corde  n'etait  possible  qu'avec 
des  mouvements  analogues  d'une  masse  aerienne,  conclusion  que  corroboraient 
immediatement  des  experiences  sur  les  cavites  mesurees  de  vases  et  de  ton- 
neaux.  C'etait  done  Voir  lui-meme  enfin  demontre  corps  vibrant  periodique- 
ment.  Ces  observations  devinrent  le  pretoxte  de  theories  explicatives  que 
rapporte  assez  succinctement  le  pythagoricien  Nicomaque  [Mb.  8  et  9).  Mais, 
en  meme  temps  que  la  conception  de  mouvements  vibratoires  numeriquement 
constitutifs  du  son  musical  en  acquerait  une  consecration  definitive,  1'en- 
semble  et  le  detail  de  ces  experiences  et  de  toutes  celles  du  meme  genre 
qu'on  a  le  droit  de  preter  a  un  Pythagore,  aboutissaient  immuablement  a 
l'identique  resultat  du  rapport  inverse  precite. 


1)  ToX<6sac  oe  %a\  rip  yelp*  xal  rip  dxov^v  rcpic  rd  £$apT^fxaxa  xal  jJe[Jat<{>aas  rcpi; 
auxd  t6v  tujv  a^daeoov  X6fov,  fxet^xsv  cu^r^/dvaj;  t^4v  jitjv  totv  yopfc&v  xotvfjN  dr^fceatv  ri\s 
ix  tou  otafamo'j  7raaoaXou  el;  tov  toO  ipfdvov  (3aTr)p*,  8v  ^op56To^ov  cbv6(Ao&,  t*\n  Vz  itooijv 
Inlzaaiv  dvaX67a>;  rote  (idpcatv  et;  t^v  t&v  xoXXd^cuv  dvcuOev  o6fxfxexpov  irepio*cpo^+|N.  (Nico- 
machi  enchiridion    p.  13  Mb.) 


366  Jean  Marnold,  Leu  Fon dements  naturela  de  la  Mutique  etc 

H  est  trop  Evident  que  Pythagore  n'avait  pas  a  decouvrir  les  rapports  de 
longueurs  {,  J  et  -f  de  V octave,  de  la  quinte  et  de  la  quarte.  L'existence 
meme  et  1'usage  artistique  anterieur  d' instruments  a  cordes  ou  a  tuyaux  en 
impliquaient  la  connaissance  empirique.  On  ne  s'expliquerait  pas  la  portee 
attribute  par  tous  les  textes  a  sa  decouverte  incarnee  dans  cette  « experience 
des  marteaux »  ,  ni  la  gloire  et  la  veneration  qu'en  recolta  Pythagore.  A 
l'examen  des  consequences  que  nous  en  avons  vues  decouler,  on  comprend 
fort  bien,  au  contraire,  l'admiration  de  ses  disciples,  et  presque  la  stupeur 
de  Pythagore  lui-meme,  decouvrant  pas  a  pas  la  loi  numerique  d'un  ph£no- 
mene  universel.  Un  evenement  de  cette  importance  etait  sans  precedent  chez 
les  Hellenes  et  peut-etre  dans  le  monde  antique.  #  Dans  ses  multiples  ex- 
periences intervenaient  des  elements  ou  facte urs  les  plus  disparates:  solides, 
fluides,  eventuellement  liquides;  chaleur,  dilatation;  matieres  de  toute  espece, 
cordes,  bois,  metal,  poterie,  verre.  II  y  put  entrevoir,  sinon  en  fonnuler 
deja  telles  des  lois  de  la  density  dont  une  application  pratique  illustra  plus 
tard  Archimede.  Mais  il  y  fut  sans  doute  avant  tout  prof  on  dement  frappe  de 
ce  rapport  inversement  proportionnel  entre  la  cause  et  son  effet;  de  cette 
opposition  constante  et  unanime,  encore  que  diverse  en  son  expression.  Une 
semblable  opposition  affectait  la  substance  meme  des  choses,  en  resultait:  elle 
etait  essentieUe.    Et  la  Nature  ainsi  se  denoncait  soumise  aux  lois  du  Nornbre. 

Outre  la  justification  qui  s'ensuit  du  fameux  dogme:  cTout  est  rfgi  par 
le  Nornbre*,  on  etablirait  aisement  quelque  lien  entre  cette  opposition  essen- 
tielle  et,  non  seulement  «l1harmonie  des  spheres*,  mais  aussi  une  doctrine 
speciale  de  «la  metempsychose  »  dont  la  tradition  gratifie  vaguement  l'£sote- 
risme  pythagoricien.  On  en  peut  dorenavant  concevoir,  en  tout  cas,  la  place 
preponderate  de  la  Musique  dans  la  culture,  Tart  et  la  pensee  hellenes,  et 
le  role  capital  de  Pythagore  dans  les  speculations  de  la  theorie  musicale. 
Cette  theorie  avait  desormais  a  sa  disposition  lexpression  numerique,  enfin 
respectivement  autonome  de  deux  melos  distincts  et  symetriquement  opposes. 
Mais  Pythagore  ne  se  contenta  pas  de  demontrer  cette  autonomie  respective; 
il  discerna  et  revela,  dans  cet  antagonisme  essentiel,  un  element  generateur 
de  l'Univers  tangible  ou  intangible  cree  par  le  Demiurge,  constitutif  de  Tame 
autant  que  de  la  matiere ;  un  principe  d'ordre,  de  concordance  et  (¥ unite  non 
moins  essentieUe,  que  le  Timee  denonce  eloquemment  comme  un  fondement 
cardinal  de  ses  doctrines  speculatives  et  dont  la  musique  lui  fournissait  une 
incarnation  la  plus  proche  et  la  plus  accompli e  avec  la  Consonnance  (ooficpoma). 

En  effet,  et  c'est  probablement  de  la  que  naquit  la  confusion,  si  Pytha- 
gore u'avait  pas  decouvert  les  rapports  evidemment  connus  des  «conson- 
nances*  de  diapason,  de  diapente  et  de  diatessaron,  en  revanche  il  avait  trouve 
le  principe  de  *la  Consonnance*  au  sens  pythagoricien.  A  cet  egard,  le 
temoignage  des  textes  est  unanime:  la  consanna?icc  pythagoricienne  iiaU  un 
son  unique,  resultat  de  la  rencontre,  coincidence,  melange  intime  par  con- 
traction ou  ci'ase  (xpaou)  de  deux  sons  d'espece  differente  amalgames  pour 
l'oreille  en  un  seul.  Une  telle  conception  decoulait  du  logos  mousikis  de 
Pythagore,  que  nous  avons  vu  deriver  naturellement  de  son  experience  des 
marteaux  et  des  cordes: 


= 

6 

8 

9 

12 

mi 
12 

8% 

9 

la 
8 

m% 
6     = 

-4K 

Vibrations 

Jean  Marnold,  Lee  Fondements  nature  Is  de  la  Musique  etc.  367 

En  considerant  les  sons  represents  ici  par  les  longueurs  de  cordes  et  ceux 
represents  par  les  nombres  de  vibrations  comme  etant  d'espece  differente  et 
constitnant  deux  echelles  melodiques  opposees,  dont  Tune  (longueurs)  com- 
mence par  des  sons  aigus  et  descend  vers  le  grave,  tandis  que  1' autre  (vi- 
brations) commence  par  des  sons  graves  et  monte  vers  l'aigu,  on  s'explique 
aisement  la  theorie  pythagoricienne  de  la  consonnance  et  sea  definitions  di- 
verses. 

Avant  tout,  un  passage  du  Tiinee  (p.  80,  a)  qui  s'y  rapporte  expressement 
et  dont  on  peut  resumer  comme  il  suit  la  substance: 

—  Une  voix  melodique  aigu'e  a  un  commencement  et  une  fin.  Elle  devient 
plus  lente  et  plus  grave  a  mesure  qu'elle  va  vers  son  terme.  Une  voix  melodique 
grave,  inversement.  Toutes  deux,  simultanement  emises,  coincident  en  des  en  droits 
precis  ou  on  n'entendra  qu'un  son  unique.  — 

Et,  en  completant  les  £chelles  melodiques  inverses  du  logos  mousikes,  on 
constate,  en  effet,  les  coincidences  annoncees: 

Ixmgueurs    =6  7  8    I    10        11  12 

»— >  mi        (doty       *i  l<*  ;5W)     (&)  mi 

12    11  10    9    8  7  6  =    Vibrations 

mi  (rejj)    (Dojjf)  si  la       [sot)  mi  -*— * 

On  comprend  alors  clairement  la  definition  d'Archytas  (Porph.  ad  PtoL): 
«TJn  son  unique  est  produit  pour  l'oui'e  par  la  generation  inverse  de  la  con- 
sonnance1).* 

L'enoncS  que  voici  de  Bacchius  le  Vieux  (Mb.  2)  en  est  purg£  de  toute 
ambiguity  2) : 

cQu'est-cc  que  la  consonnancel  —  La  erase  de  deux  sons  considers  comme 
d'esp&ce  differente  pour  Facuite  et  la  gravity,  de  sorte  que  la  voix  melodique 
melos)  propre  an  son  plus  grave  d'origine  n'apparaisse  pas  plus  que  celle  du  son 
pareillement  plus  aigu  et  vice  versa*.  Enonce  qui,  d'ailleurs,  se  rencontre  nette- 
ment  formula  deja  chez  Aristote,  avec  sa  concision  coutumiere:  «La  consonnance 
est  un  rapport  denombre  en  acuite  etgravite*.  (Analyt.  post.  II.  c.  2.)  Nous  verrons 
plus  loin  que  ce  « rapport  de  nombre>  etait  le  principe  du  «canon>3\ 

II  est  tres  important  de  souligner  cette  acception  toute  particuliere  even- 
tuellement  attachee,  depuis  Pythagore,  aux  termes  correspondant  aux  con- 
cepts 6? acuite  et  de  graviti.  II  semble  parfois  assez  delicat  de  la  determiner 
dans  tous  les  textes  avec  une  entiere  certitude,  mais  sa  meconnaissance  ab- 
solue  entraine  aux  Equivoques  les  plus  tendancieuses.  On  en  serait  facilement 
induit  a  vouloir  reconnaitre,  dans  l'art  exclusivement  monodique  des  Grecs,  la 
conception  naissante  ou  plus  ou  moins  developpee  de  notre-  consonnance  har- 
moniquej  dont  l'avencment  ne  preceda  sans  doute  que  de  fort  peu  (un  siecle 
ou  deux  peut-etre),  le  moyenageux  Xe  siecle  des  theoriciens  de  Vorganum. 
C'est,   au  contraire,  grace  a  loubli,   l'ignorance  ou  l'incomprehension   de  son 


1)  fE^6;  tpOoYfO'j  yzslzbii  -/axd  xd;  oufj-cpcuvta;  dvxtX7)6w  xt)  dxoj.  (Porph.  ad  PtoL 
p.  277.) 

2)  2ufJtcpo>v'(a  hi  xi  £axi;  —  Kpdat;  fcuo  cpB^Ytuv  dvofioiiuv  iJ'jXTixt  xat  jtap6TTj?i  Xajx- 
{iavopivtuv,  is  r{  obhls  xt  paXXov  xo  piXo;  cpaivsxai  xou  papuxlpou  ^b6y{WJ  fjrep  tqu  6£ut£- 
pou,  o\)hk  xoO  dgux^po'j  ^rep  xoO  JJap'jxipoy. 

3)  X'jjxttmvla  daxi  X^o;  dpi6{A(bv  is  6£ei  1\  jtapef. 


368  Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturele  de  la  Musique  eta 

principe  originel  et  a  la  presque  ineluctable  Equivoque  inherente  a  cette  ac- 
ception  speciale  de  Vacuite  et  de  la  gravity  que  la  definition  pythagoricienne, 
reproduite  d'abord  textuellement  et  jusque  cbez  Isidore  de  Seville,  a  pu  se 
perpetuer  longtemps  dans  des  traites  bien  posterieurs  au  moyen  age,  pour 
s'appliquer,  imperceptiblement  autant  qu'inconsciemment  amende*,  a  la  con- 
sonnance  de  certains  intervalles  dans  un  art  polyphonique. 

La  speculation  pythagoricienne  introduisait  ainsi  dans  la  theorie  musicale 
hellene  une  nouvelle  sorte  de  consonnance.  De  la,  deux  significations  de  ce 
terme  qu'il  importe  de  soigneusement  distinguer. 

a)  Des  sons  pouvaient  eventuellement  consonner  (ou  mieux,  peut-etre, 
concorder)  a  V octave,  a  la  quinie  ou  a  la  quarts.     Par  exemple: 

Dans  le  systtme  parfait,  les  sons  de  Voctave  grave  du  proslambanomene  a  la  me* 
coneonnaient  respectirement  avec  les  sons  de  Voctave  aiguS  de  la  mkse  a  la  ncte 
hyperboleenne; 

dans  le  system*  disjoint,  les  sons  de  chacon  des  deux  Uiracordes  consonnaient 
respectivement  a  la  quinte; 

dans  le  systeme  conjoint,  les  sons  de  chacun  des  deux  (etracordes  consonnaient 
respectivement  a  la  quarte. 

b)  D'autre  part,  deux  sons  d'espece  differente,  (longueurs,  vibrations),  d'ori- 
gine  opposee  et  de  generation  contraire,  pouvaient  se  rencontrer,  colncider, 
se  contractor  par  erase  en  un  son  unique  pour  l'oreille,  et  constituaient  alow 
la  consonnance,  au  sens  pythagoricien. 

C'est  dans  cette  derniere  acception  que  Gaudence  emploie  le  mot  «con- 
sonnants»  ou  symphones  (ouu/pcovoi),  —  avec  a  peu  pres  textuellement  la  de- 
finition de  Bacchius  le  Vieux1)  —  pour  les  sons  dont  il  distingue  les  (Oto- 
phones ou  «  dissonants  »,  tandis  qu'il  classe  entre  ces  deux  extremes  les  sons 
paraphones  produits  par  crousis,  lesquels,  gr$ce  a  leur  faible  difference  d'in- 
tonation,  peuvent  donner  1'illusion  d'un  son  unique  pour  l'oreille  et  se  rap- 
procbent  ainsi  des  symphones  ou  «consonnants».  Nous  avons  controls  plus 
baut  ses  exemples. 

Mais  ce  texte  de  Gaudence  (Mb.  11)  offre  un  interet  tout  parti culier  par 

l'opposition  des  termes  xpouojjiviov  et  aoXoofiivcov   pour  specifier  l'origine  et 

generation   contraires   des   sons   6mis   simultanement  (d\xa)   de   cette  facon  et 

consonnants  par  erase.   Les  expressions  crouomenos  et  auloumenos  se  rappor- 

tent  manifestement  a  la  crousis  et  a  Vaulos.     Les  sons  correspondant  a  des 

longueurs  de  corde,  de  terrain  6es  par  la  crousis,  ne  sauraient  Itre  plus  exacte- 

ment  et  clairement  designes.     Le  mot  auloumenos  se  rattacherait  done  a  la 

tion    de  la   s^rie   inverse,    e'est-a-dire    des   sons  representes   par   leurs 

w  de  vibrations.      Or,   nous  avons  vu  que  cette  serie  integrate  corres- 

k   celle   des  harmoniques  naturels  d'un  son  fondamental,    et  la  facilite 

aquelle   on   obtient,   voire   in volontairement ,   les  premiers  harmoniques 

i    instrument   du   genre   aulos,    (flute,   flageolet,   bautbois),  est  notoire. 

citation  de  ces  harmoniques  par  les  executants  pour  augmenter  Tetendue 

ressources  des  instruments   a  vent  apparait  presque   inevitable  meme 

i  debuts  de  la  virtuosite  artistique.      Le  terme   technique  auloumenos, 

roque    irresistiblement   l'expression  Flageoletttoene,)   semble    ainsi    avoir 

s6(a<p<dvoi  8e,  wv  Sfjia  xpooofjivwv  r\  a&Xoi>fi6vaw  die  t6  fi£Xo;  toO  papuiipoy  trpi;  t6 
toO  d^jtlpou  TTp6;  t6  papu  t6  aut6  .  .  .     (Gaudent.  Isagoge.  11.  Mb.) 


Jean  Marnold,  Lee  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc,  369. 

derive1  peu  a  peu  de  1' experience  pratique,  pour  qualifier  le  genre  de  sons 
correspondant  aux  nombres  de  vibrations  de  la  aerie  des  harmoniques. 

Enfin,  en  meme  temps  que  la  consonnance,  Pythagore  avait  trouve  le 
principe  du  canon1).  En  effet,  pour  tous  les  sons  consonnants  d'une  gamme, 
echelle  ou  harmonie  doublement  figured  de  la  sorte,  le  nombre  representant 
la  longueur  de  corde  multiplie  par  le  nombre  de  vibrations  donne  un  produit 
indistinctement  identique. 

Pour  le  logos  mousikes,  par  exemple,  le  produit  de  deux  termes  corres- 
pondants  de  chaque  serie  est  indistinctement  72: 

6  8      9  12 


12  9      8  6     '    72 

mi        si     la  mi 

Pour  l'echelle  ou  harmonie  suivante,  ce  produit  est  indistinctement  1800: 

30   36   40   45   60   60  ) 

60   60   45   40   36   30  }  180° 

mi   Do§     si      la      Sol     mi 

Le  procede  est  explique  tout  au  long  ou  realise*  chez  Boece,  Gaudence 
(Mb.  p.  17)  et  dans  les  Trots  Canons  harmoniques  de  Florence2).  D  n'est 
pas  obligatoire  que  les  nombres  extremes  de  chaque  serie  inverse  soient  iden- 
tiques.  Au  contraire,  il  est  souvent  necessaire  que  ces  nombres  soient  diflfe- 
rents,  pour  former  une  echelle  convenable.  En  appliquant  ce  procede  a  la 
derniere  echelle  ou  harmonie  que  nous  avons  effectuee,  on  la  completerait 
peu  a  peu  en  obtenant,  d'abord  avec  des  facteurs  extremes  identiques: 

60  72      76      80  90      96      100  120 


120         100     96      90  80      75       72  60     (    720° 

mi        Do§    Do      si  la     Solfy    Sol  mi 

Puis  avec  des  facteurs  extremes  differents: 

120  135  144  150  160  180  200  216  225  240  (otpm, 
180  160  150  144  136  120  108  100  %  90  }  2ie00< 
mi        re     Do§   Do      si  la        Sol    Fa§   Fa     mi 

On  peut  creer,  de  manieTe  analogue,  des  echelles  canoniques  a  l'infini. 
C'est  sur  cette  constatation  nouvelle  d'une  syn these  unificatrice  issue  de  crap- 
ports  de  nombre »,  sur  cette  sorte  de  erase  numerique  en  un  produit  con- 
stant, qu'est  bas6e  la  definition  de  la  consonnance  par  Aristoto  citee  plus 
haut.  Et  on  voit  ce  qui  distingue  essentiellement  l'innovation  d'Archiloque 
et  l'oeuvre  de  Pythagore.  La  lecture  inverse  des  signes  ou  des  rapports  r6- 
velait,  a  la  verit£,  dans  Tart  musical,  un  principe  d'opposition  symetrique, 
mais  y  apportait  avant  tout  un  element  de  variety  et  de  contraste  au  service 
de  combinaisons  plus  ou  moins  arbitraires.  Le  Canon  pythagoricien  appuye" 
sur  le  Nombre  irrefutable,  devoilait  l'harmonie  occulte  et  demontrait  la  con- 
sonnance de  ces  facteurs  antagonistes.  La  nature  ou  1' origin e  opposed  et  la 
generation  inverse  de  ces  facteurs,  l'identite  de  leur  produit  constant  expli- 
quent  mot  a  mot  la  definition  rapportee  par  Theon  de  Smyrne,  et  on.  com- 
prend  que,  publiant  la  parole  du  Maitre,  ceux  de  Pythagore  aient  enseigne: 

1)  ...  t6v  te  xavdva  t6n  Ix  jxta;  yop&ijs  eupeiv.  (Diog.  Laertii.  Pythagoras.  Lib. 
VIII.    Ed.  Henri  Etienne,  1593.  p.  574.) 

2)  Ires  canones  harmonici.    Edidit  ad  Stamm.    Berolini.    Weidmann,  1881. 


370  Jean  Marnold,  Les  Fon  dements  naturels  de  la  Musi  que  etc 

*La  Mustque  est  V union  parfaiie  des  contraires,  V  unification  du  multiple  et  V accord 
de  la  dualite  diseordanie.  Gar  elle  ne  regie  pas  settlement  le  rythme  et  le  melw: 
elle  organise  tout  ensemble  et  coordonne  toot  systeme.  Sa  fin  est  l'ordre  et 
l'unite»  i). 

Et  on  congoit  aussi  que  la  somme  de  ces  constatations  et  consequences 
alors  inouYes  ait  pu  fournir  la  base  d'une  philosophic  du  monde,  et  inspirer 
une  th^orie  de  «lrharmonie  des  spheres*.  Que  Pythagore  ait  Ste"  amene  vrai- 
ment  a  son  admirable  decouverte  par  les  marteaux  des  forgerons,  ou  que 
nous  n'ayons  la  qu'un  tradiment  de  vulgarisation  profane,  c'est  le  logot 
mousikes  (6  —  8  —  9  —  12),  issu  de  la  fameuse  experience,  qui  parait  aToir 
constitue\  en  tant  que  Quatemaire  sacri,  le  fondement  des  speculations  meta- 
physiques  autant  que  numeriques  de  Celui  que  ses  disciples  v£neraient  k 
l'ggal  des  Immortels.  En  effet,  au  dire  de  Jamblique,  <de  meme  quTils  eri- 
taient  par  respect  d'appeler  les  Dieux  par  leurs  noms,  pareillement  ils  ne 
nommaient  point  Pythagore  ...»  et  la  formule  de  leur  Berment,  qui  nous 
fut  conserved  par  ailleurs,  6tait:  «Je  jure  par  Oelui  qui  transmit  a  nos  ame* 
le  Quatemaire,  principe  gen£rateur  et  source  de  la  Nature  6ternelle!> 

Le  quatemaire  (tetpaxTu;)  math£matique  est  compose'  des  quatre  premiers 
nombres  1,  2,  3  et  4.  Le  sacre*  quatemaire  pythagoricien  en  est  une  deri- 
vation realisee  par  la  synthase  des  rapports  •£,  f  et  ■}: 

6 8  —  9 12 

(1) (2) 

12) (3) 

(3:  —  (4) 

Ou,  exprime'  dans  l'espace  d'une  octave  en  une  harmonic  canonique: 

I  (1) ;2; 

(2) (3) 

(3) (4) 

6  8  —  9 12 

mi         si       la  mi 

12 9-8  6 

(4) (Bj 

(3) (2) 

(2) (1) 


Long,  de  Cordes. 


Vibrations. 


Le  Nombre  de  Platon. 

Ce  Logos  mousikes  ou  Canon  musical  est  aussi  le  principe   de   ce   qu'on 
baptisa  le  Nornbre  de  Platon  et,  insensiblement ,  F  analyse  logique   dea  inno- 
vations pythagoriciennes  reconstitutes  nous  a  conduit,  a  notre  insu,  a  la  so- 
i„4.;««  d'une  enigme  obscure  entre  toutes.     Obscure,  a  tout  le  moins   et  de- 
)ien  longtemps,  pour  notre  mentality  moderae,  car  les  textes  de  l'anti- 
qui  se  rapportent  a  ce  c&ebre  passage  de  la  Bepublique  (VJJLL,  p.  546 , 
?nt  ne  manifester  nul  embarras  a  son  egard,    et  relater  ou  commenter 
peculation  intelligible  a  priori  pour  quiconque,  —  ainsi  que  l'attestent, 

tt)v  {jiouaix^N  (paatv  £>wrla>v  auvapixof^v  r.a\  tow  roXXaw  fwuatv  xal  t6»v  Uja  ty* 
*  •  ou  y^P  ^jftfAftv  jxo\ov  xal  piXou;  auvcaxTtx^v,  dXX'  drcX&a  Ttavr&c  ouarfyxaTos  «/•*• 
rfj;  to  ivoOv  tc  xal  auvapfx<$Cetv.  (Theon  de  Smyrne.  Ed.  Dupuis.  Hachettset 
892.   p.  18.) 


Jean  Mam  old,  Les  Fondeinents  naturels  de  la  Musique  etc.  371 

entre  autres,  outre  les  scolies  alexandrines,    les  objections    d'Aristote  et  l'al- 
lusion  d'Aristide  Quintilien.    On  n'est  pas  etonne  pourtant  que  se  soit  perdu 
peu  a  peu  le  sens  de  speculations  de  ce  genre  qui  abondent,  chez  les  anciens, 
dans  les  ecrits  de  toute  espece.     Deja  Jamblique  avertit,  en  effet,    a  propos 
des  aphorismes  py  thagoriciens ,    que   chacun    etait  a  l'origine   accompagn£   de 
son  elucidation  esoterique,  mais  que  cette  exegese  purement  discursive,  con- 
fiee  a  la  seule  tradition  ovale  et  transmise  a  des  esprits  de  plus  en  plus  in- 
diflferents,    finit    par  s'alterer,    se    corrompre    ou   se   travestir  jusqu'a   devenir 
aussi    incomprehensible    qu'incoinprise    ou    se   perdre   irremediablement  *).     Et 
on  n'est  pas  surpris  non  plus  que,  depuis  le  III6  siecle  de  notre  ere  oil  vecut 
Jamblique,    toutes    speculations   analogues,    basees    sur   la  musique    et  sur  le 
n ombre,    aient  apparu  toujours  plus  obscures   ou  pueriles   a  mesure    que   les 
commodates  de  la  pratique,  en  provoquant  l'oubli,  puis  l'ignorance  de  la  na- 
ture et  des  proprietes  constitutives  de  la  matiere  sonore,    de*veloppaient  une 
conception  bientot  exclusivement  subjective  de  Tart  musical.    H  en  etait  tout 
autrement  de  l'antiquite   grecque.      En  reality,    avec   cette   opposition    essen- 
tielle  d^voilee  par  le  phenomene  vibratoire,  la  Musique  est  au  fond  de  toute 
la  pens6e  hellene,  pour  le  moins   depuis  Pythagore.      Celui-ci   semble   meme 
n' avoir  fait  que  peut-etre  approfondir  scientifiquement,  grace  a  la  notion  de 
vibrations   acriennes,    systematiser  par  le   nombre   et  g£n£raliser  un  concept 
importe   de  l'Egypte    ou  d'Asie,   et  qu'on   reconnait  nettement  dans  certains 
textes  hebreux.     La  decouverte  du   canon  reste,  quoiqu'il  en  soit,  formelle- 
ment   attribute  par   les   sources   a  Pythagore,    et  la  ported   d'une   semblable 
revelation  est  apte  a  eclairer  singulierement  les  systematisations  physico-meta- 
physiques  de  maint  illustre  philosophe  de  ce  passe  loin  tain,  et  en  particulier 
d'Heraclite   le   Tenebreux.      Contentons-nous   d'en   rechercher  les  effets  dans 
les  speculations  platoniciennes ,    qui  procedent  avec  Evidence  express^ment  et 
directement  de  Pythagore.    Platon  ne  tient  guere  de  Socrate  que  le  gout  du 
syllogisme  et  l'art  de  la  dialectique.     L'abstraite  ratiocination  socratique  de- 
vient  chez  lui  le  vehicule  de  substantiates   pythagoriciennes.      La   musique, 
ignoree  de   parti  pris  et  m^prisee  de  Socrate,   est   pour  Platon   un   domaine 
favori  et  familier.     Le  temoignage    du   mathematicien  Theon  de  Smyrne    ne 
peraiet   pas   de    douter    de   ses   connaissances   techniques   approfondies   en  la 
matiere,   ni  de  la  conception  mathematique    de   Tart   musical   qui  presidait  a 
ses  speculations.      Metaphysiques ,    psychologiques,    morales   ou   meme   socio- 
logiques,  toutes  ces  speculations  dont  «le  Nombre  >   est  la  base  occulte,  et  qui 
paraitraient   aisement   aujourd'hui   quelque   peu   ridicules  ou,   pour  le  moins, 
specialises  a  un  examen  superficiel,   non  seulement  s'expliquent  fort  logique- 
ment,  mais  se  revelent  justifiees  par  un  fondement  naturel,  en  tant  qu'inter- 
pretation  legitime,  voire  en  sa  teinerite    6ventuelle,    subtile   et   souvent   pro- 
fonde  d'un  processus  universel  incarne  par  le  phenomene  sonore. 

Si  nous  considerons  des  echelles  ou  harmonies  forme es  par  le  procede 
canonique  analyse,  nous  constatons  que  toutes  et  chacune  imaginables  sont 
constituees  de  deux  elements  distincts:  l'un,  [vibrations,)  immateriel,  indivi- 
sible et  progressant  de  l'unite  au  multiple  jusqu'a  l'infini;  l'autre,  [longueurs 
de  corde,)  materiel,  fini  et  determine  a  priori,  quoique  divisible  a  l'infini  en 
ses    sous -multiples.     Ces  deux  elements  sont  capables  de  coi'neider  selon  des 


l!  Aidt  to  TrapaotoosOit  ota  ttoXXwv  xai   due  dpfOTlpwv,  to  jxev  X6^ov   7r£pr?jpflaftat  .  .  . 
{Jambl.  De  vita  pythagorica.  18.) 

s.  d.  imo.  x.  25 


372  Jt&n  Marnold,  Lee  Fondements  naturels  de  la  Musiqne  etc 

des  rapports  numeriques,  de  s'amalgamer  sous  d'innombrables  aspects  divers, 
pour   a   chaque    fois    s'unifier  en    un   organisme   concret   dont   l^iomoglnlite, 
I' excellence  ou  1' imperfection,  la  figure  et  le  caractere  variables  a  l'infini,  sont 
regis  par  les  dits  rapports  constitutifs  et  ineluctablement  soumis   au  Nombre. 
Pareillement,   «l'ame  du  monde»   aussi  bien  que  de  tout  etre  et  de  toutes 
choses,  bref  le  cosmos  mltaphysique  platonicien  est  constitue,  par  le  Demiurge 
createur,  de  deux  elements:  le  Mime  et  F Autre.    Le  Mime,  immateriel,  indi- 
visible,  est   divin    par  essence  et  par  origine;  V  Autre,  materiel  et  divisible, 
ressortit  a  l'humaine  et  terrestre  realite   tangible.     C'est   au  premier  que  se 
rattachent  les  fameuses   <Idees*  de  Platon,  ou  git  l'essence  meme  des  choses, 
la  chose  en  soi  s'unissant  a  la  matiere  de  son  apparence  selon  certains  rapports 
ineluctables  et  pr^etablis.     L'analogie  musicale  permet  de  concevoir  l'identite 
de   substance   unique    et  indistinctement  commune  conferee  par  le  philosophe 
a  ces  Idees  immaterielles,  et,  en  meme  temps,  a  la  fois  l'incoercible  predeter- 
mination   des   combinaisons   du  Meme  et   de    V Autre   et  leur  infinie  diversite 
possible.     Nul  savant,   chimiste   ou   physicien  surtout,  n'aurait  assortment  le 
droit  de  sourire,  a  llieure  qu'il  est,  de  l'hypothese  essentiellement  pythagori- 
cienne  de  rapports  numeriques  engendrant,  d'un  principe  unique  et  primordial, 
la  multiplicity  des  phenomenes.    Mais  le  plus  convaincu  deterministe  pourrait 
se  declarer  satisfait  d'un  dualisme,    ou  l'element  ideal   est  a  ce  point  indis- 
solublement  lie,  sinon  subordonne*  au  materiel,  que  son  role  semble  se  re'duire 
a  quasiment  symboliser  l'harmonie,    eneore  que  divine,   fatalement  preetablie 
pourtant  du  Nombre.    Et,  quoique  y  dScouvrant  la  tare  socratique,  on  concoit 
cependant   aussi  les  generalisations  d'une  logique    abstraitement  absolue  aux- 
quelles    est  entrain^  Platon.     Non  seulement  Tart  et  la  morale,    mais  l'£tat, 
la  cite,  la  famille,  l'education  etaient  regis  principiellement  par  cette   loi  de 
la  Nature.    Autant  que  la  beaute*  et  la  vertu,  l'ordre,  la  hierarchie,  le  devoir, 
le  vrai,  l'utile  devaient  necessairement  s'en  deduire.    Aussi  les  Merits  de  Platon 
fourmillent-ils    de  metaphores  ou  comparaisons  musicales  a  propos  des  sujets 
les  plus  disparates.    Le  principe  de  l'esoterisme  aidant,  qui  reservait  aux  seuls 
adeptes    intellectuels   les   secretes    causalites  dissimulees  au  vulgaire,    e'est  ce 
qui  nous  valut,  au  milieu  d'un  ouvrage  de  sociologie  speculative,  l'aphorisme 
musico-mathematique,  aux  allures  d'oracle,  connu  sous  r appellation  de  Nombrt 
de  Platan. 

II  importe  avant  tout  de  remarquer  que  cette  denomination  est  tendancieuse- 
ment  erronee.  Ainsi  que  le  sp^cifie  une  scolie  qui  sy  rapporte,  il  ne  s'agit 
pas  ici  d'un  nombre  realisable  comme  en  comptant  sur  ses  doigts,  mais  bien 
d'une  sorte  de  progression  cyclique  se  developpant  periodiquement  en  se  trans- 
formant  peu  a  peu,  et  dont  l'ensemble  symboliserait  a  Tesprit  le  cours  perio- 
dique  evolutif  du  cosmos  *).  Le  mot  dpiOfxrf;,  au  surplus,  n'a  pas  exclusivement 
le  sens  etroit  de  nombre.  II  signifie  aussi  Enumeration,  dSnombrement,  et  c'est 
dans  cette  acception  que  nous  le  traduirons  eventuellement  par  «s£rie  numt- 
rique*.  D'autre  part,  le  texte  du  lieu  ne  semble  pas  nous  etre  parvenu  sans 
avoir  subi,  surtout  dans  sa  derniere  partie,  certaines  alterations  delicates  a 
pi-eciser.  II  y  a  la,  en  particulier,  beaucoup  de  ixatov,  dont  tel  ou  tel  e«t 
peut-etre  une  correction  inspire  par  le  caractere  mathematique  de  l'ensemble. 

1)  .  .  .  tov   ?6Xetov  o'  apiOixov    ou   jxtfvov   ypTj  voeiv  Iti  oaxTtSXcov  ?tG£vra;  (outo;  71? 

£otw   dpibfXTjxov   jxdXXov  t;   dpifyxo;,  xai  xeXctoJjxevo;   xai  ooo£-OTe  x£X£io;  dik  ^lyvojicvo^, 

dXXd  rfjv   *Wav  toutou  voepdv    uiv  ousav,  Treoi^youaav  It  tov  rcrepa8(ji£vov   2pov  rijc  to> 

%69\kvj  T.*QTfi  Ticpufto-j.  {Scholia  in  Rep.    Lib.  VIII.  p.  646.  B.) 


Jean  Marnold,  Lea  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc.  373 

TJne  interpretation  du  XVI6  siecle,  —  dans  urn  Apologia  de  BenS  Herpm, 
Paris  1581,  —  fournit  justement  a  cet  egard  la  variante  Sxaotov  jjIv  dpiftjidv, 
que  son  anciennete  permet,  sinon  de  pr£ferer,  du  moins  d' accepter  a  l'egal 
de  ixarrfv  uiv  dptftficov. 

La  premiere  moitie"  du  passage  n'offre  aucune  difficult^  et  se  rapporte 
avec  tine  Evidence  manifesto  au  logos  mousikis  de  Pythagore: 

(Longueurs)  6  8  9  12 
mi  s%  la  mi 
12        9    8        6        (Vibrations) 

«I1  est,  de  genese  divine,  un  cycle  penodique  qu'un  nombre  parfait  embrasse, 
—  d'humaine  generation  d'autre  part  et  dans  l'autre  sens ;  —  progression  primor- 
diale  ou  des  accroissements  dominants  et  domines,  com pr en  ant  trois  intervalles 
et  quatre  termes,  au  moyen  des  semblables  et  des  dissemblables ,  en  s6rie  ascen- 
dante  et  d6croissante,  pr^sentent  entre  eux  tous  des  rapports  analogues  et  ration- 
nels  .  .  .1)> 

Le  nombre  parfait  dont  il  s'agit  est  6,  qui,  dans  la  mathematique  grecque 
etait  le  premier  « nombre  parfait »,  en  tant  qu'egal  a  la  somine  de  ses  parties 
aliquotes  Yj»  Ys  et  Ye;  (3  +  2  +  1=6).  Le  reste  est  d'une  clarte  qui 
dispense  de  tout  commentaire. 

La  seconde  partie  est  plus  compliqu£e  et,  en  admettant  qu'elle  nous  soit 
parvenue  sans  alteration  essentielle,  prete  a  certaine  Equivoque  qu'on  verra 
qu'Aristote  a  relevee.  Nous  la  traduisons  comme  il  suit,  en  adoptant  d'abord 
la  variante  de  Bene  Herpin : 

«...  Leur  principe  epitrite,  conjoint  et  conjugue*  par  5,  donne  deux  harmonies 
par  trois  accroissements.  L'une  egalement  £gale  en  ses  facteurs  et  centuple  dans 
son  produit.  L'autre,  6 gale  ou  pareille  en  longueur,  mais  in^gale  en  ses  facteurs 
(et  different  dans  Tun  et  l'autre  sens):  chaque  sene  num^rique  exprim^e  par  des 
termes  correspondant  a  des  divisions  rationnelles  de  pempades,  dont  Tune  inex- 
primable  et  manquant  dans  chacune;  deux  termes  etant  irrationnels ;  (enfin,  pour 
produit  des  facteurs)  cent  fois  le  cube  de  la  triade.  De  la  sorte  et  dans  son  en- 
semble tout  entier,  ce  Nombre  geometrique  est  maitre  des  generations  meilleures 
ou  pires2)^ 

D'apres  le  temoignage  tres  precis  d'Aristide  Quintilien,  le  « Nombre  de 
Platon»  aurait  ete  suggere  au  philosophe  par  les  proprietes  du  triangle  rec- 
tangle de  cotes  3,  4  et  5  ou  leurs  multiples,  dans  lequel  seul  l'hypothenuse 
est  exprimable  par  un  nombre  entier.  U  s'agit  done  ici  d'une  speculation 
mathematico-musicale  basee  sur  les  rapports  3,  4  et  5.  D'autre  part,  le  mot 
irepica;  peut  signifier  a  la  fois  le  nombre  5  et  un  ensemble  quinaire,  une 
pempade,  et  il  semble  que  Plato n  se  soit  plu  a  une  ambigui'te  d'oracle  del- 
phique  en  jouant  sur  les  deux  sens. 

1)  Eaxi  fie  0e(«)  ptiv  7£vv7)Ttj>  rcepiofio;,  *JjV  dpiBfxi;  7tepiXapt.pdvei  xdXeioc,  av6pa>7tetu>  fie  * 
is  ip  rcpaVrw  auS^aei;  fiuvdpievafc  xe  xai  Suvaareydfievai  xpel;  dTrooxofoeic,  xexxapac  fie  fipouc 
XaPoOaat,  6(xoio6vtodv  Te  xai  dvouoto-jviarv  xai  a&S&vrcnv  xai  <p6iv6vxa>v,  irdvxa  Trpo^fOpa 
xai  j>T)xd  7:p6«  dXXiqXa  ditlyrpvi  .  .  . 

2)  .  .  .  aiv  e^l-pixo;  icj6pri}v  TtepLirdfii  oo^o-fets  fitfo  dppuviac  r.apiyexai  xpU  au&rjOeU, 
x-fjv  (leN  taiqv  ladxt;,  exaxov  xoaauxdxic,  xVjv  fie  laofr/)XT)  fxev,  xijj  ?rpoptf)X7]  fie,  exaxov  piev 
dpiOpuuv  {Herpin:  £xaaxov  |xev  dpiOpov)  dnl  fitap^xpeov  Jjtqxcuv  7:epL7rdfioc  (Herpin:  rcepurd- 
fia>v),  fieop^vaw  evoc  exactor*  dj^xcov  oe  fiueiv,  exax&v  fie  x0{3a>v  xpidfio;.  £6  para;  fie  ouxo; 
dpiftfxo;  fcai(UTptx6;,  xoio6xou  xupto;  d[i&w6vmv  xe  xai  ^etp6varv  -feveaeaiv. 

26* 


374  Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc 

Suivons  done  pas  a  pas  le  texte,  en  partant  du  logos  mousikes: 
a)  6  8    9      *     12 


12  9    8  6      f  72 

mi         si  la  mi 

Avec  ladjonction  du  rapport  5,  son  principe  ou  fond  epitrite  \  nous  donne, 
dans  l'espace  dune  octave,  les  series  inverses: 

mi  si              Sol     mi 

Longueurs  =8  4                 6        6 

6  5                 4                 3 

mi  Do§              la               mi    =  Vibrations 

Soit,  en  realisant  dans  chaque  sene  les  termes  correspondants  selon  la 
consonnance  pythagoricienne: 

h)  Longueurs  =    30      36      40      46      50      60 

60      50      45      40      36      30    =  Vibrations 
mi    Dot     si       la     Sol     mi 

Et  nous  pouvons  remarquer,  subsidiairement,  que  nous  obtenons  ainsi, 
dans  l'espace  d'une  octave,  les  deux  quartes  (•$•)  dun  systeme  disjoint,  (J$ 
et  |^),  qui  semblent  reunies  par  le  nombre  5  dans  le  ton  disjonctif  (40  —  45 
=  5),  et  qui  offrent  dans  l'ensemble  du  systeme  les  rapports  nouvellement 
engendr<§s  |,  |,  T^  et  ||. 

C'est  la  l'echelle  fondamentale,  forme'e  des  rapports  3,  4  et  5,  que  nous 
devons  augmenter  trois  fois  pour  engendrer  de  nouveaux  termes  et  de  nou- 
veaux rapports,  et  en  meme  temps  les  «deux  harmonies*   annoncees.  t 

En  repr^sentant  la  quarte  initiale  par  f$,  pour  une  premiere  augmentation, 
nous  devrons  exprimer  comme  il  suit  cette  echelle: 

c)         60        72    75    80        90    96    100       120 


120      100   96    90       80    75     72         60     '    7200 
mi      Dot  Do    si       la    Soljt  Sol        mi 

Et  nous  obtenons  une  echelle  fournissant,  avec  deux  termes  nouveaux  et 
les  nouveaux  rapports  -}|,  |-J  et  $-|,  les  deux  quartes  enchevetr^es  J~|  et  -fa 
formees  chacune  de  cinq  termes ;  et  cette  Echelle  constitue  une  harmonie  cano- 
nique  dans  laquelle  le  produit  constant  des  facteurs  (7200)  est  «le  oen tuple > 
du  produit  correspondant  des  facteurs  du  logos  mousikes  (72). 

Toutefois,  les  «deux  harmonies »  de  Platon  devant  etre  engendrees  par 
« trois  augmentations*,  ne  nous  hatons  pas  de  conclure  avant  d' avoir  r^alif^ 
ces  augmentations  prescrites.  Apres  avoir  represents  la  quarte  initiale  par  {£, 
nous  pouvons  la  representer  successivement  par  -££§  et  -{-$-$.  Ces  deux  « aug- 
mentations >  nouvelles  nous  donneraient  deux  luvrmonies  canoniques  basecs 
respectivement  sur  les  systemes  disjoints: 


et 


90 

120 

135 

180 

180 

135 

120 

90 

mi 

81 

la 

mi 

120 

160 

180 

240 

240 

180 

160 

120 

mi 

si 

la 

mi 

16200 


28800 


Ces  nouvelles  harmonies  etant,  comme  la  precedente,  constitutes  de  deux 
series  numeriques  identiques,  le  r£suitat  demeurerait  immuable  si  on  en  inter- 


Jean  Marnold,  Lea  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc.  375 

vertissait   le  sens,   en  lisant  les  longueurs  de  corde  comme  des  vibrations  et 
vice  versa. 

Les  «trois  accroissements*  desormais  effectu£s,  nous  pouvons  combiner  les 
augmentations  d  et  e,  et  aboutir  k  une  nouvelle  harmonic  canonique  basee 
sur  le  systeme  disjoint: 

90  120    135  180 


180  136    120  90     f  2160° 

mi  si       la  mi 

Mais,  cette  derniere  harmonie  etant  constitute  de  deux  series  numeriques 
differentes,  elle  donne  des  resultats  differents  si  on  en  intervertit  le  sens, 
en  lisant  les  longueurs  de  corde  a  la  place  des  vibrations  et  reciproquement. 
II  nous  faudra  done  l'exprimer  sous  ses  deux  aspects  possibles. 

Le  tableau  suivant  montre,  r^alisee  depuis  le  quaternaire  du  logos  mou- 
sikes  pytbagoricien  jusqu'a  son  aboutissement,  la  genese  de  la  periode  cyclique 
annonc£e  par  Platon. 

6  8  9  12 

a)    {    mi  si  la  mi    \    72 

12  9  8  6 


'•i 


3 

4 

5 

6 

6 

5 

4 

3 

(    30 

36 

40 

46 

50 

60 

b) 

\    mi 
I    60 

50 

si 
45 

la 
40 

Sol 
36 

mi 
30 

t    60 
•J    mi 
I   120 

72 

75 

80 

90 

96 

100 

120 

c) 

M 

Do 

si 

to 

&>/# 

Sol 

mi 

100 

96 

90 

80 

75 

72 

60 

t    90 

100 

108 

120 

135 

150 

162 

180 

d) 

|    mi 

Re 

H 

si 

la 

&>/ 

Fajjj 

m* 

I   180 

162 

150 

135 

120 

108 

100 

90 

f    120 

128 

144 

160 

160 

180 

192 

200 

225 

240 

e) 

I    mi 

m 

H 

Do 

si 

to 

Soljjt 

Sol 

Fa 

mi 

I   240 

225 

200 

192 

180 

160 

160 

144 

128 

120 

|    90 

96 

100 

108 

120 

135 

144 

150 

160 

180 

f) 

<    mi 

m 

RS 

Do$ 

81 

to 

«# 

Sol 

M 

mi 

I  240 

225 

216 

200 

180 

160 

160 

144 

135 

120 

i  120 

135 

144 

150 

160 

180 

200 

216 

225 

240 

g) 

<    mi 

re 

Do$ 

Do 

si 

to 

So/ 

Fa* 

-Pa 

wtt 

I  180 

160 

160 

144 

135 

120 

108 

100 

96 

90 

} 
} 
) 


16200 


28800 


600 


600 


A  l'examen  de  ce  tableau,  nous  constatons  que,  *par  trots  accroissements* 
Buccessifs,  nous  obtenons   *deux  harmonies*  canoniques: 

1°  Une  premiere  harmonic  («),  *6galement  egale*,  en  tant  que  constitute 
de  deux  series  numeriques  inverses  identiques,  et  dont  le  produit  constant 
des  facteurs  est  28800. 

2°  Une  seconde  harmonic  sous  deux  aspects  inverses  (f  et  g)y  *£* une  part 
Cgalc  en  longueur*  &  la  pr6c6dente,  *mais  d? autre  part  inegale  en  ses  facteurs*, 
en  tant  que  constitute  de  deux  series  numeriques  differentes.  —  Par  aineurs, 
si  nous  considerons  la  quarte  comme  divisible  en  cinq  intervaUes  ^ou  rapports 


376  J*an  Marnold,  Lea  Fondements  naturels  de  la  Musiqne  etc 

de  longueurs  de  corde  ou  de  vibrations),  nous  observons  que  chacane  des 
quartes  de  cette  harmonie  n'est  composed  que  de  cinq  termes  issus  de  la 
gyration  inverse  et  du  «croisement»  rationnel  des  facteurs  fournissant  un 
produit  constant,  au  lieu  des  six  termes  necessaires  a  la  division  de  la  quarte 
en  pempade  d'intervalles ,  et  que  les  deux  series  se  completent  a  cet  egard 
en  produisant  le  terme  qui  manque  a  l'autre;  —  c'est-a-dire  que  <chaque 
serie  numerique  est  exprirnie  par  des  termes  correspondent  a  des  divisions  ration- 
nelles  de  pempade*  d'intervalles  consecutifs,  <dont  Vune  inexprimable  et  man- 
quant  dans  chacune*  des  pempades.  En  outre,  cette  harmonie  prise  dans 
son  ensemble,  nous  trouvons  que  <deux  termes*  de  meme  rang  et  de  sons 
homonymes  (ri — Hi  et  fajt — Fajjfj  «sont  irrationnels* ,  en  tant  que  corres- 
pondant  respectivement  a  des  divisions  de  pempade,  done  a  des  intervaUes 
differant  du  comma  |^.  Enfin  le  produit  constant  des  facteurs  de  cette 
harmonie  canonique,  21600,  est  egal  a  *cent  fois  le  cube  de  la  triade*  nu- 
menque  originelle  3,  4  et  5,  puisque  33  +  43  +  5*  =  27  +  64  +  126  = 
216X100  =  21600. 

Et  ici,  nous  remarquons  que  notre  ^premiere  harmonie*  (e)  peut  tout 
aussi  plausiblement  correspondre  a  l'expression  «  centuple  en  son  produit*  que 
1' harmonie  c  du  premier  accroissement  effectuS;  car,  si  7200,  produit  de 
l'Schelle  c  est  100  fois  72,  en  revanche,  le  produit  constant  de  V harmonie  e} 
28800,  est  le  centuple  de  288,  somme  de  72,  produit  du  logos  mousikes,  et 
de  216,  cube  de  la  triade  originelle  3,  4  et  5;  c'est-a-dire  un  produit  cen- 
tuple contenant  tous  les  elements  essentiels  du  probleme. 

Cette  interpretation  d'un  texte  obscur,  vraisemblablement  altere*  et  rap- 
ports diversement,  est  assur6ment  admissible.  Nous  verrons  que  d'autres 
sources  en  confirment  le  principe  et  la  conclusion.  N6anmoins,  on  peut  en 
discuter  certains  details  interm6diaires.  Avec  la  lecon  «fxaarov  {jlev  api&p.ov> 
que  nous  avons  adoptee,  il  est  evidemment  legitime  de  traduire  Siapirpo; 
par  « division  mesur€e»,  d'autant  plus  que  l'expression  ex  oicruiTpoo,  evoquee 
par  le  mot,  implique  un  sens  de  « diametralement  oppose* »  ou  de  «croisement> 
qui  conviendrait  admirablement  au  processus  inverse  des  series  numeriques 
et  a  des  divisions  rationnelles  determiners  par  la  coincidence  des  facteurs  du 
produit  constant.  Mais,  en  lisant  «exorrov  uiv  aptftficSv  airo  otapitpov  pr^zwt 
irsjiTuaoo;*,  pn  pourrait  songer  a  la  theorie  des  nombres  diagonaux  que  nous 
a  conservee  Theon  de  Smyrne  dans  un  ouvrage  exposant  pr£cisement  <Us 
connaissances  mathematiques  utiles  pour  la  lecture  de  Platon*.  Et  on  tradui- 
rait  alors:  <cent  fois  le  carri  du  nombre  diagonal  de  5,  no?nbre  lateral,  ce 
carre  diminue  de  1*.  On  trouve  dans  Theon  que  ce  carre*  est  49,  lequel, 
diminue  de  1  et  centuple,  donne  4800,  nombre  dont  nous  ne  saurions  que 
faire  en  l'espece.  Par  contre,  nous  apprenons  au  meme  endroit  que,  pour  12, 
nombre  lateral,  le  nombre  diagonal  est  17,  dont  le  carre*  est  289  qui,  di- 
minue* de  1  et  centuple,  donne  28800.  Or  12  est  justement  la  somme  de 
la  triade  originelle  (3  +  4  +  5  =  12),  et  28800  est  le  produit  constant  de 
notre  <premiere  harmonie*  (e). 

On  est  evidemment  gene*  par  ce  ire[A7ra8o;  et  accule  a  l'hypothese  d'une 
lacune  peut-etre  avant  ou  apres  ce  mot,  et  donnant  le  sens  de  *cinq  (hypo- 
thenuse)  ajoute  aux  cotes  3  et  4>  du  triangle  rectangle  en  question.  A  moins 
que  7usjA7ra8os  ne  soit  tout  simplement  une  correction  de  Scuosxo&o;,  inspiree 
par  le  debut  du  passage.  On  pourrait  alors  traduire  ainsi,  en  r£servant 
l'6quivoque  sibylline  eventuelle  sur  les  diverses  acceptions  de  7reji7ra;: 


Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc.  377 

«.  .  .  Leur  principe  epitrite  (3—4),  par  conjonction  quinaire,  donne  deux  har- 
monies par  trois  accroissements  successifs.  L'une  [karmonie  e)  egalement  egale 
{en  ses  facteurs)  et  centuple  (en  son  produit).  L'autre  {harmonie  f  g)  egale  en 
longueur  d'une  part,  mais  d'autre  part,  in^gale  en  ses  facteurs  (et  different  dans 
Tun  et  l'autre  sens).  La  premiere  (ayant  pour  produit  constant)  cent  fois  le  carre, 
diminue  de  1,  du  nombre  diagonal  de  12  (5  4-3  4-4)  nombre  lateral.  La  seconde 
(pr£sentant)  dans  chacune  des  series  if  et  g,  inversement  lues  et  superposes)  deux 
termes  irrationnels  (et  ayant  pour  produit  constant  des  facteurs)  100  fois  le  cube 
de  la  triade  (fondamentale :  3,  4  et  5)  .  .  .> 

En  comparant  Tune  ou  l'autre  interpretation  avec  notre  tableau,  ou  con- 
state enfin  que,  «dans  son  ensemble  tout  entier,  ce  nombre  g6ometrique»  l) 
de  Platon  s'offre  ainsi  sous  la  forme  d'un  diagramme  ou  d'un  ensemble  de 
diagrammes,  exprimant  une  succession  de  changements  piriodiques  issus  du 
logos  mousikes  par  l'adjonction  du  rapport  5,  et  produisant  une  sorte  de 
progression  d'echelles  canoniques  dont  les  termes  possibles  sont  rigoureusement 
determines  par  les  facteurs  initiaux,  et  qui  s'accroissent  par  generation  con- 
secutive de  rapports  de  plus  en  plus  nombreux  et  diflferents  en  quality  de- 
puis  la  perfection  des  consonnances  primordiales  jusqu'a  l'heterog6neite  du 
comma,  et  apparaissant  engendres  dans  cet  ordre: 

a)  b  f  |.  ♦;  -  b)  |,  i,  f,  4| ;  -  c)  *,  -ft-  H-  «•  «;  -  d'  *■  »•  *J: 
-  e)  A-  «,  H'Hi-  «  «)  A.  »•  «.  tt.  If 

Quelle  que  soit  celle  qu  on  choisisse  entre  les  deux  versions  proposees, 
et  quoique  certains  details  demeurent  a  tout  jamais  de  traduction  douteuse 
ou  discutable,  grace  a  1' obscurity  ou  a  1' alteration  du  texte,  cette  interpre- 
tation de  ce  fameux  passage  lui  donne  pour  la  premiere  fois  un  sens  et  lui 
confere  une  signification  logiquement  conforme  a  la  mentality  platonicienne 
d£noncee,  dans  la  Bepublique  et  ailleurs,  par  Tassimilation  systematique  de 
speculations  musico-numeriques  a  des  principes  de  philosophie,  de  morale  ou 
de  sociologie.  Avec  cette  interpretation,  derived  tout  naturellement  de  l'ana- 
lyse  de  la  theorie  musicale  grecque,  basee  sur  la  consonnance  pythagoricienne 
et  les  proprietes  du  canon,  on  concoit  aisement,  en  somme,  non  seulement 
ce  que  Platon  voulut  dire  en  cet  endroit,  mais  comment  il  put  etre  amene 
spontanement  a  employer  ici  une  metaphore  qui  nous  parait  aujourd'hui  si 
particulierement  speciale.  Et,  en  depit  des  incertitudes  signages  pour  le 
commentaire,  on  ne  peut  guere  douter  que,  dans  son  ensemble,  notre  dia- 
gramme nwmirique  fournisse  la  veritable  solution  du  « Nombre  de  Platon  », 
Itant  donne  les  coincidences  observables  dans  les  temoignages  qui  se  rap- 
portent  au  sujet. 

En  effet,  dans  sa  Politique  (V.  x.  1.),  Aristote  cite  sommairement  ce  passage, 
en  criti quant  sa  redaction  sans  doute  un  peu  obscure  ou  equivoque  deja: 

•Dans  la  Bepublique,  ecrit-il,  Socrate  parle  des  revolutions,  mais  il  n'en  parle 
pas  tres  bien  ...  II  estime  qu'elles  proviennent  de  ce  qu'il  n'est  rien  de  durable 
et  que  tout  se  transforme  selon  certaine  progression  periodique,  dont  le  principe 
8erait  le  fond  epitrite  combine  avec  6,  qui  donne  deux  harmonies  quand  le  nombre 
du  diagramme  eat  devenu  solide  ...*)»  — 

1)  <gSomeiriqu€»,  en  tant  que  speculation  basee  sur  les  proprietes  du  triangle 
rectangle  de  cdtes  3,  4  et  5. 

2)  Ts*  Se  tq  IloXiTelqi  Xe^ixac  fiev  irepi  xwv  {UTa^oX&v  6n6  too  Zwxpohrou;,  oO  peVroi 


378  Jean  Marnold,  Lea  Fon dements  naturels  de  la  Musique  etc. 

II  s'agissait  done  d'un  diagramme)  correspondant  a  « certains  changements 
periodiques»,  et  aboutissant  a  un  nombre  produit  de  trois  facteurs,  a  l'instar 
d'un  solide  de  trois  dimensions. 

D'autre  part,  nous  avons  vu  que  la  speculation  qui  nous  occupe  est 
basee  sur  le  logos  mousikes  avec  le  « nombre  parfait*  6  fondamental.  Or, 
le  nombre  6  etait  aussi  baptise  nombre  nuptial  et,  dans  Sur  Isis  et  Osiris  (56), 
apres  avoir  vante"  comme  «le  plus  beau  des  triangles  rectangles*  celui  dont 
les  cotes  sont  3,  4  et  5,  Plutarque  continue  en  disant  que  e'est  de  ce  tri- 
angle que  «  Platon  parait  s'etre  inspire  pour  composer  son  diagramme  nuptial* l). 
Et  on  peut  observer  que  le  nombre  «devenu  solide*  de  ce  diagramme,  216, 
est  aussi  le  cube  de  6. 

Mais  Aristide  Quintilien  est  d'une  precision  remarquablement  explicite 
a  propos  des  vertus  dudit  triangle.  «H  se  trouve,  ecrit-il,  que  le  zodiaque 
a  etc"  divise*  en  12  parties,  nombre  egal  a  celui  des  tons  dans  la  mas i que 
et  au  pe>imetre  du  premier  triangle  rectangle  qui  puisse  Stre  construit  avec 
des  cot£s  rationnels  .  .  .  Aussi  dit-on  que  5  est  le  premier  nombre  incarnant 
une  diagonale  rationnelle.  Un  semblable  triangle  6tant  constitu£,  comme  jai 
dit,  de  3,  4  et  5,  si  on  additionne  arithmetiquement  les  cote's,  on  obtient 
pour  somme  le  nombre  12  .  .  .  Mais,  si  nous  elevons  chacun  des  cotes  au 
cube,  —  (mot  a  mot:  «si  nous  accroissons  chaque  c6te  d' apres  Fepaisseur>, 
troisieme  dimension  impliquant  les  deux  autres,  longueur  et  largeur)  —  nous 
obtenons  pour  somme  le  nombre  216,  presque  egal  au  nombre  des  jours  de 
sept  mois  .  .  .  Les  cotes  de  Tangle  droit  sont  dans  le  rapport  e*pitrite  (\), 
d'ou  ce  que  dit  Platon  du  principe  £pitrite  joint  a  5  .  .  .»*)  [De  Musiea. 
Mb.  151,  152).  Ici,  avec  l'indication  du  lieu,  nous  rencontrons  la  somme 
des  cot£s  du  triangle,  12  et  la  somme  de  leurs  cubes,  216. 

L'ensemble  de  ces  coincidences,  chez  des  auteurs  aussi  divers  qu'Aristote, 
Plutarque  et  Aristide,  est  evidemment  significative,  et  tout  en  faveur  d'une 
solution  qui  apparait  bien  moins  une  hypothese  qu'une  conclusion  logiquement 
et  naturellement  dSduite  des  donnees  du  probleme  acoustico-musico-mathS- 
matique.  Des  speculations  ou  allusions  de  ce  genre  abondent  dans  Toeuvrd 
de  Platon,  comme  aussi  bien  parmi  toute  la  litterature  grecque  antique,  et 
il  semble  que  ce  ne  soit  pas  seulement  chez  les  Hellenes  que  la  science 
musical e  ait  constitue*  le  principe  fondamental  de  toute  culture  et  un  element 
essentiel  d'education  pSdagogique. 

On  trouve,  en  effet,  dans  Ath£n<§e   Texplication  d'un  passage  du  7C  livre 


hiftxai  xaXu>;,  .  .  .  cpyjol  -yap  aiTtov  elvat  to  jx-?)  |x£vetv  jxr/Jiv  6)X  £v  tivi  reptoocp  jxera- 
jidXXetv,  dp/^v  o'  eivat  to6to>v  d>v  eiriTptTo;  irjf)|xT|V  rcefxrdot  au^Y^U  O'jo  dpjxovta;  7raoi- 
yeTat,  Xe^uw  Stow  6  toO  otaYpd|XfxaTo;  dptOfxos  tovtou  Y'V7iTal  OTepeo;,  .  .  .  [Politico,  V, 
X,  1.) 

1)  (u  xat  nXaTcov  £v  ttq  iloXiTela  ooxet  to-jtw  rposxeypfjsftat  to  YajxTjXiov  oiatYpafifxa 
o'jvtcxttwv.     (Sur  Isis  ct  Osiris,  56.) 

2)  t6v  -yap  otj  ^ujotaxov  (xeptafjfjvat  jxev  a'jjxflsfoxEv  eU  ^Ipt]  0(&&exa,  laaplBjxaic  toi;  tc 
is  fxo'jaixrj  xovoi;  xai  tt]  ?:epi(x£Tp<»  toO  op^oftovtou  TpiYu>vo*j  /  tojto  y*P  ix  Tiaoaiv  fctjTwv 
ajv(aTot|xev  rptoTov  ...  oto  xat  tov  e  7tpa>T6v  <paat  fartf*  in&zizni  otdfxcTpov,  .  .  .  toO  hi 
toio'jtou  Tpif(6vou,  auvear&To;,  ws  l?rjv,  tx.  y  xal  o  xal  e,  el  Ta;  TiXeupd;  dptOfxtjT«t»«  tjv- 
betTjfxev,  •/)  to)v  iff  TrX^poSTat  roa^c  .  .  .  aXX '  el  xat  tiov  rXeuptbv  ixdzvry*  xaza  pdOo;  *j~t- 
oatfxev  (pdfjo;  y»P  *)  <J<VaT0»  ?^at*)»  7roi^oat(xev  av  tov  oi;,  ladpif)(xov  5vta  ouveY^oc  Ttji  twv 
e7trafx-/]vtuv  .  .  .  al  oe  ttjv  6p^TjV  Trepte^ODOat  07)XoOot  tov  dTikpiTov.  touto  o9)  xal  nXdrary 
tpTjalv  dnlTptTOv  iru6fx£va  trevTclSi  Gifyfipm  ... 


Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc.  379 

des  Lois j  livre  oil,  presque  a  chaque  page,  il  est  question  de  musique. 
Platon,  sur  la  maniere  d'enseigner  le  calcul  aux  enfants,  y  cite  un  usage 
d'Egypte  ainsi  decrit  par  Athen^e  (Deipnosophistae  —  Lib.  XV.  10.  p.  671). 

«On  donne  a  des  enfants  des  pommes  ou  des  couronnes,  et  ils  doivent  de  les 
partager  de  telle  sorte  que  tous  en  aient  toujours  chacun  un  nombre  egal.  Un 
premier  enfant  (1)  recoit  60  couronnes.  Arrive  un  second  enfant  (2)  auquel  le 
premier  donne  £  de  ce  qu'il  a.  Us  en  ont  done  alors  chacun  30.  Vient  un  troi- 
8idme  enfant  (3)  a  qui  les  deux  premiers  donnent  £  de  ce  qu'ils  ont.  lis  en  posse- 
dent  alors  chacun  20.  Un  quatrieme  (4)  recoit  le  |  de  ce  qu'ont  les  precedents  et 
la  part  de  chacun  devient  15.  Un  cinquieme  enfant  ;5)  prend  J  et  la  part  n'est 
plus  que  de  12.  Enfin,  un  sixieme  (6)  reduit  cette  part  a  10,  en  recevarit  de  cha- 
cun des  autres  £  de  ce  qu'ils  ont.> 

Cette  petite  histoire  n'offrirait  qu'un  mediocre  interet  si  on  ne  remarquait 
que,  en  superposant  le  nombre  des  enfants  et  le  nombre  de  couronnes  sac-' 
cessivement  obtenus,  on  aboutit  a  une  echelle  canonique,  lisible  dans  les  deux 
sens,  et  exprimant  en  sa  dualite  la  progression  primordiale: 

Longueurs    =12  3  4  6  6 


Vibrations  =    60       30        20        15        12        10 

Sol       mi 


60 


Longueurs    =    10 

12 

15 

20 

30 

60 

Vibrations   =     6 

5 

4 

3 

2 

1 

Sol 

mi 

Do 

Sol 

Do 

Do 

En  meme  temps  qu'ils  apprenaient  a  compter,  les  petite  Egyptiens  appre- 
n aient  ainsi  la  musique. 

Aristoxene. 

Ces  analyses  successives  nous  ont  devoile  pas  a  pas  le  processus  evolutif 
de  Tart  musical  des  Hellenes.  Nous  avons  assists  a  Teclosion  graduelle  des 
divers  elements  d'une  systematisation  a  la  fois  empirique  et  speculative.  Nous 
nous  expliquons  desormais,  non  seulement  l'expression  numerique  des  for  mules 
de  tetracordes,  mais  la  presence  dans  ces  formules  de  rapports  de  vibrations 
et  de  longueurs  de  corde1).     A  partir  de  Pythagore,  la  pratique  des   canoni- 


1)  On  en  comprend  aussi  pourquoi,  chez  divers  auteurs,  on  rencontre  Yhar- 
monie  celeste  (Lune,  Mercure,  Venus,  Soleil,  Mars,  Jupiter,  Saturn e)  representee 
par  une  echelle  de  sons  correlative,  mais  commencant,  tantftt  du  proslambanomene 
a  la  mese  ou  de  Vhypate  a  la  nete,  tantdt  inversement  de  la  nete  a  Yhypate.  Enfin, 
on  pent  e'en  expliquer  l'opposition  de  marche  alphabetique  constats  dans  les 
notations  accouplees  dites  voeale  et  instrumentale,  mais,  en  reality,  correspondant 
respectivement  a  la  lexis  d'apres  le  chant  et  a  la  crousis  des  cordes,  d'ou  leur  lee-* 
ture  en  sens  inverse  (ava>  et  xdfrw,  termes  qui  ne  sauraient  que  fort  tendancieuse* 
ment  indiquer  une  superposition  de  signes  qu'on  trouve  indistinctement,  dans  les 
manu8crits,  isoies,  Merits  a  la  file  par  octaves  de  chaque  espece,  ou  tout  an  plus 
juxtaposes  dans  les  exemples  didactiques).  D'autre  part,  la  preponderance  gradu- 
elle, et  probablement  definitive  aux  debuts  de  notre  ere,  du  principe  des  vibra- 
tions, de  nombre  croissant  du  grave  a  l'aigu,  substitue  an  principe  des  longueurs 
eroissant  de  l'aigu  an  grave,  devait  necessairement  amener  une  sorte  de  rencerse- 
ment  du  concept  quantitatif  d'acuite  et  de  gravite  par  quoi  est  tres  simplement 
eiucidee  la  confusion  qui  s'ensuivit  entre  les  termes  arsis  et  thesis ,  lesquels  fini- 
rent  par  troquer  leurs  sens.    C'est  a  une  analogue  confusion  des  vibrations  et  des 


380  Jean  Marnold,  Les  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc 

ciens  vint  s'ajouter  a  celle  des  Jiarmoniciens.  Elles  se  d£velopperent  syste- 
matiquement  cote  a  cote,  poussees  presque  fatalement  sans  doute  l'une  et 
l'autre  aux  consequences  extremes.  Les  canonicietis  devaient  aboutir  a  l'6chelle 
(par  tons  -|  et  demi-tons  ££|)  dite  pythagoricienne,  quoique,  sinon  peuk-etre 
e*trangere  i  Pythagore,  du  moins  tenue  par  celui-ci  simplement  pour  une 
possibility  entre  beaucoup  d'autres.  Les  harmonieiens  pratiquerent  la  sub- 
division des  intervalles  sur  les  fiombres  de  vibrations  comme  sur  les  longueurs 
de  corde,  choisissant  parmi  ces  subdivisions  tels  ou  tels  rapports  d'intervalle 
dont  ils  confectionnaient  plus  ou  moins  arbitrairement  leurs  tetracordes.  lis 
pouvaient  en  arriver  ainsi  a  exprimer  les  genres  ou  les  modes  par  une  suc- 
cession   de  diesis  I — ;r— p)  heterogenes.     II    semble    que    ce    soit   ce    precede* 

qu'Aristoxene  leur  ait  reproche*  sous  le  nom  de  catapycnose,  et  qu'on  ren- 
contre dans  certaines  formules  de  tetracordes  qui  nous  sont  parvenu es.  Par 
exemple:  £  f&  $£  o"  H  |$£  H,  enharmonique  et  chromatique  d'Archytas. 
D 'autre  part,  le  principe  de  la  subdivision  indefinie  des  intervalles  devait 
facilement  d^g^nerer,  chez  les  harmonicieiis,  a  un  empirisme  indifferent  aux 
speculations  intellectuelles  de  la  theorie  pure.  II  fournissait  la  matiere  d'un 
enseignement  technique  simplifie,  apte  a  s'accommoder  aux  exigences  de  la 
virtuosite  instrumentale,  au  gout  croissant  pour  la  variete  modulante,  le  con- 
traste  et  la  multiplicity  des  metaboles;  —  enseignement  base  sur  un  semblant 
de  « theorie  pratique*  analogue  a  celle  actuellement  adoptee  dans  nos  Con- 
servatoires. II  semble  que,  au  temps  d'Aristoxene,  la  pratique  musicale  ait 
decidement  commence  a  se  detourner  de  la  theorie  speculative,  pour  s'en  se- 
parer  toujours  plus. 

Nous  venons  de  voir  cette  theorie  naitre  des  proprietes  du  phenomena 
sonore,  et  s'epanouir  naturellement  pour  constituer  Tessence  d'un  art  d'une 
grande  simplicity  d'abord,  dont  la  beauts  parait  avoir  ete  d'ordre  intellectuel 
et  contemplatif  autant,  sinon  plutot  que  sensoriel.  Durant  toute  une  epoque 
qui,  depuis  Olympos  et  Terpandre,  attend  peut-etre  au  moins  jusqu'a  Euri- 
pide,  la  musique  grecque  semble  avoir  conserve*  ce  caractere,  en  depit  d'une 
Evolution  constante  et  de  la  complexity  progressive  des  formes  et  des  com- 
binaisons.  C'etait  un  caractere  artistique  le  plus  eleve\  Dans  leur  art 
musical,  les  Grecs  alors  distinguaient  profondement  Vapparence  et  la  chose 
en  soi,  la  pratique  et  la  tlieorie  issue  pour  eux  du  phenomene  naturel.  Hs 
doublaient  la  beaute  de  Tenet  de  celle  de  sa  cause.  Sans  doute,  ils  n'igno- 
raient  pas  rimpossibilite  materielle  d'une  absolue  justesse  d'execution,  d'une 
realisation  rigoureusement  exact©  de  certaines  nuances  d'intonation  determi- 
nes par  la  crousis  et  parfois  si  subtiles  que  l'oreille  eut  ete  souvent  in- 
capable de  les  discerner.  Mais  ils  interpretaient  leurs  sensations  dans  la 
sens  d'une  absolue  justesse  des  intervalles  ou  rapports;  ils  concevaient  Tart 
et  l'oeuvre  d'art  selon  la  synthetique  eurythmie  inherente  a  la  theorie  dieted 
par  le  phenomene  objectif,  ses  proprietes  essentielles  et  constitutives  dont  It 
decouverte  et  les  consequences  etaient  pour  eux  une  source  inepuisable  de 
surprise,  de  jouissances  et  d' admiration.  Une  « theorie  pratique*  arbitraire 
ou  conventionnelle ,  dans  le  genre  des  traites  de  Bazin,  de  M.  Theodore 
Dubois,  de  Bichter,  ou  meme  de  Fetis,  n'aurait  evidemment  pas  interest 
un  Pericles,  un  Aristote  ou  un  Platon,  et  un  Pythagore  eut  indubitablement 

longueurs  qu'est  due  la  metamorphose  des  modes  antiques  en  ceux  de  notre  moyen 
age  occidental  ou  byzantin. 


Jean  Marnold,  Lea  Fondementa  natureh  de  la  Musique  etc.  381 

d^daigne  d'y  collaborer.  Au  contraire,  l'analyse  du  phenomena  sonore  de- 
chiffre  peu  a  pea,  la  formation  des  lwrmonies  par  l'elaboration  de  rythmes 
derives  des  combinaisons  des  deux  crousis  inverses,  une  theorie  speculative 
eman£e  directement  de  la  Nature,  un  art  dont  la  beaute  symbolisait  quasi- 
ment  le  geste  du  Demiurge  createur  par  la  manifestation  harmonieuse  d'une 
loi  numerique  universelle  regissant  le  Cosmos  divin,  ideal  et  reel,  —  tout 
cela  s'attestait  certes  idoine  a  captiver  les  esprits  les  plus  eminents,  a  troubler 
et  passionner  les  penseurs  autant  qu'a  inspirer  les  etres  de  g<§nie. 

Toutefois,  une  telle  conception  de  l'art  musical  impliquait  necessairement 
une  culture  malaisement  accessible  a  la  foule.  Par  ailleurs,  au  fur  et  a 
mesure  que,  par  une  evolution  fatale,  les  compositions  des  musiciens  s'ecar- 
terent  de  la  simplicity  primitive,  il  devait  s'ensuivre  une  complication  de 
plus  en  plus  pe*nible  de  Interpretation  speculative  conforme  a  la  theorie 
pure,  en  meme  temps  que  s'imposait  la  tolerance  d'un  ineluctable  a-peu-pres 
dans  1' execution  instrumentale  d'oeuvres  surcharge's  de  modulations  et  de 
nuances.  La  croissante  difficulty  ou  le  defaut  d'une  culture  spSciale,  le 
plaisir  de  Toreille,  le  gout  de  la  virtuosite  conduisirent  insensiblement  a  une 
conception  subjective  de  l'art  musical  et  a  un  enseignement  vulgarise,  avant 
tout  pratique,  ou  il  semble  que  les  rythmes,  superflus  ou  genants,  aient  ete 
bientot  sacrifies  a  un  «  metier  >  fait  de  routine  technique.  Le  principal  etait, 
pour  les  maitres,  de  former  des  praticiens  professionals  et  non  des  theo- 
riciens. 

C'est  contre  cette  decheance  de  la  conception  et  de  la  theorie  de  Tart 
que  s'eleve  Aristoxene  en  s'attaquant  aux  harmoniciens.  II  oppose  le  prin- 
cipe  du  ryihme,  de  la  rythmopSe  purement  musicale,  avec  l'ordre,  la  logique, 
reurythmie  melodique  et  modale  qui  en  re*sultaient,  a  la  confusion  des  genres 
et  des  modes,  a  l'equivoque  d'une  approximation  d'apres  l'oreille  et  l'espece 
de  temperament  arbitraire  inconsciemment  favorises  par  l'empirisme  desormais 
exclusivement  pratique  des  harmoniciens.  Aristoxene  occupe  une  place  toute 
particuliere  parmi  les  theoriciens  grecs.  Nul,  hormis  Pythagore,  ne  parait 
avoir  egale  sa  celebrite.  Arrivant  au  dedin  de  la  theorie  speculative,  il  fut 
le  dernier  chef  d'ecole  et  le  seul  dont  l'influence  ait  contrebalance"  1' ascendant 
de  ses  plus  illustres  devanciers.  Sa  doctrine  etait  aussi  distincte  de  celle 
des  harmoniciens  que  de  celle  des  canoniciens.  H  eut  la  gloire  d'etre  sur- 
nomme*  par  ses  contemporains  Aristoxene  le  Musickn. 

L'examen  detaille  des  theories  d' Aristoxene  nous  entrain er ait  trop  loin 
et  pourra  faire  l'objet  d'un  travail  ulterieur.  Cependant  il  importe  de  de- 
mentir  immediate  ment  la  legende  immemoriale  qui  lui  attribue  1' invention 
ou  la  preconisation  du  temperament  egal.  Dans  les  fragments  qui  nous 
restent  de  lui,  rien  ne  saurait  confirmer  une  telle  hypothese;  au  contraire. 
Lia  cause  de  cette  erreur  enracinee  est  peut-etre  autant  la  nouveaute*  de  la 
terminologie  employee  par  Aristoxene,  que  la  maniere  dont  Ptoiemee  et 
Aristide  Quintilien  nous  ont  conserve  ses  formules  de  tetracordes.  Dans 
ces  formules,  la  quarte  est  divisee  en  60  parties  egales  et,  comme  Aristoxene 
parle  couramment  de  tiers,  de  quarts  et  meme  de  douziemes  de.  ton,  on  a 
pu  reconnaitre  dans  toutes  ces  divisions  un  procede  assimilable  a  notre  tem- 
perament. Pourtant,  dans  le  chapitre  ou  il  traite  de  la  generation  des  genres 
(Mb.  50,  51)  et  en  decrit  les  nuances  correspondant  a  ses  formules  de  tetra- 
corde,  Aristoxene  ne  fait  pas  la  moindre  allusion  a  ces  60  parties  de  la 
quarte  ainsi   subdivisee.     Cela   ne  prouverait  pas,    neanmoins,  que,  dans  un 


382  Jean  If arnold,  Leg  Fondements  naturels  de  la  Musique  etc. 

autre  ouvrage  perdu  pour  nous,  il  n'ait  pas  use  de  cet  expedient  de  repre- 
sentation pratique;  mais,  meme  en  l'admettant,  on  n'en  saurait  tirer  argu- 
ment en  faveur  du  temperament. 

Enonc£es  de  la  sorte,  en  effet,  les  formulas  de  tetracorde  dAristoxene 
sont  les  suivantes: 

Enharmonique:  6  +    6  +  48  =  60 

Chromatique  mou :  8  +    8  +  44  =  60 

do.         hvmiole:  9+   9  +  42  =  60 

do.         tonic:  12  +  12  +  36  =  60 

Diatonique  mou :  12  +  18  +  30  *=  60 

do.        synton:  12  +  24  +  24  =  60 

Or,  si  nous  exprimons  la  quarte  -|,  de  facon  que  la  difference  entre  sea 
termes  soit  60,  nous  aurons  ^|$.  En  effectuant  l'op£ration  sur  une  corde 
tendue, 

12  3  4 

i i j j J 

60  120         180         240 

mi  mi  la  mi 

la  quarte  -f ,  la — mi,  est  produite  par  les  longueurs  180  et  240,  et  la  portion 
de  corde  correspondant  a  leur  difference  est  constitute  de  60  parties  egales, 
a  savoir  de  -ffo  de  la  corde  totale. 

Par  analogie,  il  nous  est  loisible  de  diviser  pareillement  une  quarte  fff 
repr£sentant  un  rapport  de  vibrations  (mi  (180)  —  la  (240)).  Et  si  nous 
appliquons  a  cette  quarte  les  divisions  attributes  a  Aristoxene,  nous  obtenona 
le  resultat  que  voici,  ou  ses  formules  de  tetracordes  des  genres  sont  expri- 
mees  en  nombre  de  vibrations,  accompagngs  du  nom  des  sons  correlatifs: 


Enharmoniqtu 

• 

180 

186 

192 

240 

30 

31 

32 

40 

mi 

mi# 

Fa 

la 

mou: 

180 
45 
mi 

188 
47 
fa 

196 

49 

Solb 

' 

240 
60 
la 

Chromatique  < 

hemiole : 
tonie: 

180 
60 
mi 

180 

189 

63 

Fa 

192 

198 
66 

204 

240 
80 
to 

840 

16 

16 

17 

20 

mi 

Fa 

Sol? 

la 

(      mou: 

180 
30 
mi 

192 
32 
Fa 

210 
35 

80l 

240 
40 
la 

Dtatontque:     \ 

1    synton: 

180 
15 

192 
16 

216 
18 

240 
20 

mi 

Fa 

Sol 

la 

Sauf  peut-etre  le  chromatique  mou,  toutes  ces  formules  de  tetracordes, 
exprim£es  en  nombres  de  vibrations,  correspondent  rigoureusement  a  la  de- 
scription d'Aristoxene  &  l'endroit  cite*  de  ses  Elements  harmoniques.    La  cos- 


Jean  Marnold,  Lee  Fon dements  naturele  de  la  Musique  etc..  383 

cordance  du  diatonique  mou,  30 — 32 — 35 — 40,  —  constitute"  d'apres  Aristo- 
xene «d'un  demi-ton>  (-J-J-),  «de  trois  diesis  enharmoniques»  (|-$)  et  de  «cinq 
,di£sis>  (-|J),  —  est  remarquablement  frappante  entre  toutes  par  le  controle 
possible  de  ses  details.  En  revanche,  compare*  au  texte  aristoxenien,  le  chro- 
matique  mou,  45 — 47 — 49 — 60,  parait  etre  une  corruption  de  24—25 — 26 — 32, 
avec  les  differences  infinit£simales  -J-J  :  |-J  =  -|-j~£|-  et  -|£ :  {-|  =  -J-Jf .  Et  cette 
constatation  autoriserait  a  douter  que  1  expedient  de  la  division  de  la  quarte 
en  60  parties  soit  l'ceuvre  d' Aristoxene  en  person ne.  On  peut  supposer  qu'elle 
ait  ete  peut-etre  imaginee  par  quelqu'un  de  ses  disciples  et  adoptee  par  son  6cole. 
Quoi  qu'il  en  soit,  dailleurs,  cette  division  aboutit  ineluotablement  a  des  rap- 
ports de  vibrations  qui  n'ont  rien  de  commun  avec  notre  temperament  (gal. 
En  les  exprimant  a  la  maniere  des  harmonieiens,  on  aurait  les  formules: 

Enharmonique:  -J  J-  X  |-| x  -|   =  J- 

Chromatiquc  mow.  ■}!  X  {^  X  if  =  i 

do.         hemiole:  |£  x  ||  x  £§■  =  \ 

do.  tonie:  Hxftxtf-i 

Diatonique  mou :  -J-| X  -||-  X  ^   =  \ 

do.         synton:  fg  x  $  x  V>  «=  | 

Dans  ces  formules  on  reconnaitrait  le  pycnon  enharmonique  de  Didyme 
et  le  diatonique  synton  de  Ptolemee,  outre  maint  rapport  communSment  usite 
en  l'espece;  mais,  le  chromatique  mou  mis  a  part,  rien  qui  se  rapporte  de 
pres  ou  de  loin,  pas  plus  a  notre  temperament  fyal  que  meme  a  une  quel- 
conque  approximation  systematique  ou  eventuelle.  Enfin,  il  est  remarquable, 
au  contraire,  qu' Aristoxene  soit,  avec  Didyme,  le  seul  theoricien  dont  les 
formules  de  tetracorde  ne  contiennent  pas  le  diatonique  ditonti  des  Pythago- 
riciens,  (243  —  256  —  288  —  324),  avec  ses  deux  tons  -|  et  son  limma  f-^f , 
lequel  diatonique,  en  n'admettant  pour  la  formation  des  echelles  que  les  com- 
binaisons  des  rapports  2  et  3,  instituait  en  realite  le  premier  temperament 
offert  aux  praticiens,  que  Boece  fit  passer  dans  notre  theorie  occidentale  et 
qui  s'y  perpetua  au  moins  jusqu'au  XTTP  siecle  indiscute. 

Au  temoignage  unanime  des  textes,  Aristoxene  le  Musicien  fut  un  nova- 
teur.  Esprit  vigoureux  et  de  haute  culture,  eleve  tour  a  tour  de  Lampros, 
du  pythagoricien  Xenophile  et  d'Aristote,  philosophe  lui-m§me  et  diaiecticien 
passionne,  il  semble  avoir  reve*  de  refondre  toutes  les  theories  existantes  en 
une  esthetique  musicale  basee  exclusivement  sur  les  rapports  de  vibrations, 
un  service  d'un  art  libere,  a  la  fois  instinctif  et  logique,  s'adressant  a  la 
sensibilite  comme  a  l'intelligence.  Celui  dont  on  a  voulu  faire  un  adepte  ou  un 
promoteur  du  temperament  defendit  la  theorie  contre  l'empirisme  indifferent 
et  ^approximation  d'apres  l'oreille  des  harmoniciens  professionals,  tandis  qu'il 
defendait  la  sensation  contre  la  tyrannie  systematique  du  « temperament  par 
quintes>  inherent  a  la  gamme  dite  pythagoricienne  pr6nee  par  les  canoniciens. 

En  depit  du  retentissement  de  ses  ouvrages,  les  idees  d' Aristoxene  pa- 
raissent  etre  restees  sans  consequences 'pratiques.  II  arrivait  trop  tard  pour 
exercer  une  action  efficace  et  surtout  durable  sur  un  art  desormais  de  plus 
.  en  plus  subjectif  et  etranger  aux  virtualites  d'ordre.  intellectuel  elev6,  propres 
a  la  theorie  speculative;  sur  des  compositeurs  de  plus  en  plus  refractaires 
sans  doute  a  la  reflexion  indispensable,  et  peut-etre  aussi  depourvue  bientot 
de  culture  adequate  qu'un  public  plus  ou  moins  grossierement  sensuel,  avide 


384  Jean  Marnold,  Lea  Fondements  naturela  de  la  Musique  etc 

de  plaisir  facile  et  de  virtuosity.  L'enseignement  musical  devenant  peu  a 
peu  toujours  #lus  Itroitement  technique,  la  theorie  speculative  devait  fatale- 
ment  finir  par  constituer  un  domaine  re'serve*  aux  savants  ou  aux  philosopher 
II  semble  que  les  intuitions  du  novateur  Aristoxene  aient  du  assez  rap i de- 
ment se  divulguer  inaccessihles  a  d'autres  que  ceux-la,  et  que  pr£cis6ment 
le  plus  original  et  sans  doute  le  plus  prgcieux  de  ses  doctrines  n'ait  guere 
pu  que  fournir  prltexte  a  des  discussions  dor£navant  abstraites,  acad6miques, 
d6nu£es  bien  probablement  de  rapport  avec  Tart  pratique^  Ce  que  fut  celui- 
ci,  durant  la  longue  periode  de  decadence  qui  s'6tend  jusque  dans  notre  ere, 
apparait  a  bien  des  egards  un  enigme  plus  obscure  encore  que  celle  du  passe* 
archaique  et  classique.  De  Tart  musical  de  ce  pass£,  du  moins,  si  nous  ne 
poss^dons  pas  les  ceuvres,  nous  avons  retrouve,  avec  ses  fondements  naturels, 
Fadmirable  synthase  incarnSe  par  son  harmonieux  organisme,  reconnu  la 
symbolique  duality  et  les  significations  profondes  qui  le  firent  sacrer  TArt 
h£g£mon  du  Farnasse.  Cette  «Musique  grecque  et  belle*,  instaur£e  par  l'au- 
lete  Olympos,  ne  devait  pas  survivre  au  dithyrambe  et  a  la  trag£die.  Mais, 
bien  longtemps  apres,  alors  que  des  residue  de  sa  theorie  scolastiquee  etaient 
sortis  nos  tons  eccl£siastiques  et  les  ekhoi  byzantins,  des  esprits  fins  et  cul- 
tiv6s  gard aient  pieusement  son  souvenir  et,  avec  une  enthousiaste  meiancolie, 
celSbraient  sa  beaute  perdue. 

Aussi,  au  cours  de  notre  XP  siecle,  repondant  a  quelque  Cesar,  —  petit- 
etre  Michel  Parapinace  dont  il  fut  prScepteur  et  conseiller,  —  P  sell  us,  seca- 
teur de  Byzance,  medecin,  mathematicien,  theologien  et  philosophe,  pouvait-3 
commencer  son  epitre  en  ces  termes: 

«La  veritable  Musi  que,  celle  dont  on  a  dit:  nous  tCen  eonnaissons  que  le  turn, 
et  a  propos  de  quoi  souvent  tu  m'interroges ,  n'est-ce  pas  rharmonique  synthete 
du  Cosmos?  .  .  .> 

Et  plus  loin,  confirmant  notre  interpretation  platonicienne  et  maintes 
conjectures,  il  poursuit: 

«...  En  toute  espece  ou  chose,  cette  Musique  agrege  et  organise  les  contrairet: 
quant  k  la  nature,  la  forme  et  la  substance ;  l'ensemble  de  tons  mouvements,  quant 
&  l'espace  celeste;  .  .  .  enfin,  quant  &  l'essence,  le  Meme  et  F  Autre,  le  mouvemest 
et  le  repos,  le  semblable  et  le  dissemblable,  l'unite  et  la  plurality,  etc.  .  .  .> 

Et  pour  conclure: 

<Tou8  les  actes  de  Tart  musical  sont  analogues  aux  periodes  sid£rales.  L* 
marche  du  choeur  vers  la  droite,  en  effet,  imitait  la  revolution  du  Meme ;  puis,  par 
une  evolution  inverse  vers  la  gauche,  il  retournait  pour  l'antistrophe ,  accomplxa- 
sant,  en  sa  course  vagabonde,  le  cycle  periodique  de  l'Autre  . . .  Telle  fut,  a  Tori* 
gine  et  dans  l'histoire,  cette  admirable  et  admired  Musique.  Celle  que  nous  cnl- 
tivons  aujourd'hui  n'en  est  qu'un  vague  simulacro1). 

1)  'II  dXrfii^  txousix^  irept  ifi  etpirjxat  xo  «t)peT«  6s  jxoyatxjj;  xX£o;  otov  dxoOojxcN>,  mpi 
tJ;  roXXrfxie  dvaTrjvftdvT)  jxou,  ou  xaft'  dpjxov(av  daxt  xcuv  oVriov  d^dvxwv  a'JaiTjfjio;  . .  .  Ti 
6e  h  to!;  0X015  £vavxta  ouvoet  xal  a»jveyet,  Ttepl  (xcv  x^v  cpuotv,  xo  elooc  *ol  xfy*  CXip,  ccpi 
oe  xov  oupav&v,  xd;  ct:1  navxt  xtvf(aeic,  .  .  .  rapt  oe  xtjv  oOslav,  xauxov,  Qdxcpov,  x(vi;«v, 
cxdatv,  ojxotov,  dv6poiov,  ev,  7rXfj6o«,  xal  xd  aXXa  xd  xotauxa  .  . .  Eaxi  he  irdvca  xd  xf,; 
p-ouaixfj;  £pfa  dvdXoya  xa?c  xmv  doxpaw  TtepuSoot;.  CH  piv  ^ap  £~l  oefcid  xdn*  ydpoov  xivrjat; 
}xejjL(|X7jTat  xt,v  xauxou  Trepupopdv  •  dveXiaaouaa  hi  eV  dpiaxepd,  xty  dvxlaxpo<pov  rfvatxuxXft, 
CirjxoDoa  xt)V  Gaxlpou  xat  TrXavajfiivTqv  TrepioSov  •  . .  .  il  jxev  ouv  irpbaxt)  xal  loxopoufAtvv)  fioostx^, 
^  ftauaaCofjL^vY]  xota6xir)  xt;  £3xt*  T*zp\  t^v  Se  a::o'JodCop.£v  OTjfxepov,  a5xr)  d^^H1,91  °^  ***«*.» 
iaxtv.   (Ruelle,  Rapports  sur  une  mission  littcrairc  en  Espagne.  Paris  1875.  p.  124-6-6-7.; 


Adolf  Cbvbinski,  Zur  Geschichte  des  Taktschlagens  usw.  385 

Zur  Geschichte  des  Taktschlagens  und  des  Kapellmeister- 
amtes  in  der  Epoohe  der  Mensuralmusik. 

Von 

Adolf  Chybinski 

(Krakau). 


VerfasBer  beabsichtigt  im  folgenden  Aufsatze  an  der  Hand  des  gesam- 
melten  historischen  Materials  die  in  den  Sammelbanden  (X,  1,  S.  73  ff.)  er- 
schienene  Arbeit  Gr.  Schiinemann's  »Zur  Frage  des  Taktschlagens  und  der 
Textbehandlung  der  Mensuralmusik*  zu  erganzen.  Diese  Erganzungen  be- 
ziehen  sich  hauptsachlich  auf  die  praktische  Seite  des  Mensural  -Kapell- 
meistertums  und  verlangen  schon  ihrem  Inhalt  nach,  daB  man  sie  im  engsten 
Zusammenhang  mit  der  genannten  Arbeit  verfolge. 

Zunachst  kommt  in  Betracht  der  Gebrauch  des  Taktstocks. 

Die  alteste  bildliche  Darstellung  des  Dirigierens  bringt  uns  der  Oenter 
Altar  von  den  van  Eyks  (vollendet  etwa  1432),  wo  wir  einen  mit  der  Hand 
dirigierenden  Engel  sehen.  Aus  derselben  Zeit  jedoch  stammt  ein  Kantional, 
das  sich  im  Krakauer  Kapitelarchiv  (Wawel)  befindet  und  das  eine  wunder- 
schone  Miniatur  enthalt,  die  einen  singenden  Knabenchor  und  einen  mit 
dem  Taktstock  dirigierenden  Kapellmeister  darstellt.  Das  beweist  uns,  daft 
im  15.  Jahrh.  neben  blofler  Hand  auch  der  Taktstock  gebraucht  wurde1). 
—  In  der  theoretischen  Literatur  des  16.  Jahrh.  fin  den  wir  sonderbarerweise 
auBerst  selten  Bemerkungen,  die  sich  auf  das  Taktieren  mittels  des  Takt- 
stockes  beziehen.  Diese  Art  des  Taktierens  war  horbar  und  erhielt  sich  — 
wie  wir  wissen  —  noch  bis  ins  19.  Jahrh.  hinein.  Es  fehlte  aber  nicht  an 
Tbeoretikern,  die  ein  gerauschloses  Taktieren  verlangten,  so  z.  B.  Stephanus 
Yanneus  in  seinem  Becanetum  de  musica  aurea  (Venedig  1533,  fol.  54a): 


1)  DaB  zu  Ende  des  15.  bzw.  16.  Jahrh.  manchmal  das  Taktieren  wahrend  der 
Aufftihrungen  unterblieb,  belehrt  uns  eine  Episode  aus  dem  Leben  Jo squin's  des- 
Pres,  die  ich  nach  der  > Historischen  Beschreibung  der  Edelen  Sing-  und  Kling- 
Eunst*  (Danzig  1690,  S.  117)  zitiere :  >So  offt  /  als  Jusquinus  ein  Stuck  componirt 
hatte  /  gab  er  dasselbe  den  Sangern  /  solches  zu  versuchen.  Indessen  aber  gieng 
er  spacieren  /  und  h3rte  fleiCig  zu.  Wenn  ihm  etwas  nicht  gefiele;  gieng  er  zu 
ihnen  /  und  sagte:  Schweiget  still e  /  ich  will  es  andern.«  Im  16.  Jahrh.  betrach- 
tete  man  das  Taktieren  als  etwas  Selbstverstandliches.  Gioseffo  Zarlino  be- 
grOndet  dieses  mit  folgenden  Worten:  >.  . .  Laonde  dobbiamo  sapere,  che  %  Musioi 
vedendo,  che  per  la  diuersita  dei  mouimenli,  che  fanno  canlando  insieme  Ic  Parti  delta 
cantilena,  per  esser  run  piu  veloce*  6  piu  tarda  delV  altro,  si  poteua  generar  qualche 
confusione;  ordinarono  un  eerto  Segno,  dal  quale  ciascun  Cantante  s'hauesse  da  reggere 
nel  profertr  la  noce  con  misura  di  tempo  ueloce,  o  tardo,  seeotido  che  dimostra  con  le 
figure  diuerse  cantahili  .  .  .  Et  sHmagirono  che  fusse  bene,  se  cotal  segno  fusse  fatto 
con  la  mano;  accioche  ogriuno  de  i  Cantori  lo  potesse  vedere,  &  fusse  regolato  nel  sua 
tnouimenio  alia  guissa  ml  Polso  humano*  (vgl.  Tutte  Vopere,  Venedig  1589,  I,  p.  256). 
—  Nicola  Vicentini  sagt  geradewegs:  >.  . .  senxa  misura  non  si  puo  cantare  le 
compositioni  musicalU  (vgl.  Vantica  miisica  ridotta  alia  moderna  pratica,  (Rom  1555, 
lib.  IV,  cap.  VIII). 


386  Adolf  Chybinski,  Zur  Geschichte  des  Taktschlagens  new. 

*Et  hate  (sc.  mensura)  cadem  tacite  fieri  potest,  c.  sine  ulla  cuidenti  expressaque 
alicuius  instrumenti  pcrcussione,  id  dictum  est,  sed  animo  aique  mente  obserranda  erit.* 

Von  den  Dirigierarten  war  in  der  Epoche  der  Mensuralmusik  die  mittels 
des  Fingers  oder  der  Hand  am  meisten  verbreitet ;  von  ihr  ist  in  den  moisten 
Musiktraktaten  des  16.  Jahrh.  die  Rede.  Den  Taktstock  direkt  erwahnen 
nur  Joh.  Vogelsang  [Musicae  rudimenta)  und  Andreas  Raselius  [Hexa- 
chordum)\  wahrscheinlich  an  den  Taktstock  denkt  Pietro  Pontio  [Ragiomenti 
di  musica,)  Parma  1587,  S.  135)  und  St.  Vanneus  (a.  a.  0.)1). 

Andere  Arten  des  horbaren  Taktschlagens  waren  das  Handeklatschen  und 
FuBstampfen.  Von  ersterem  lesen  wir  in  Zarlino's  Istitutioni  (a.  a.  0., 
S.  256): 

>.  .  .  alcuni  dei  Musici  chiamarono  cotal  segno  Battuta,  alcuni  altri  Tempo  sonoro,  <t 
alcuni  altri;  tra  i  quali  e  Agostino  dottore  Santissimo  nel  Cap.  10  del  Secondo  Itbro 
delta  Alusica,  lo  notninano  Pluusum;  eke  uiene  da  Plaudo  uoce  latina,  <£  sued  dire  U 
Battimento  delle  mani.* 

Was  das  Fufldirigieren  betrifft,  so  mtissen  wir  feststellen,  da£  es  noch 
im  17.  Jahrh.  Anhanger  besafl  (z.  B.  Otto  Gibelius),  andrerseits  aber  schon 
im  16.  Jahrh.  dagegen  protestiert  wurde;  vgl.  die  Stelle  aus  Musicorum  libri 
quatuor  (AVien  1512,  lib.  HI,  De  regimine  utriiisque  cantos)  von  Venc.  Phi- 
lomates: 

>. . .  Sunt  quibus  est  usus  moderari  turpibus  odas 

Qestibus,  egregios  mores  se  scire  putantes, 

Atque  exquisitam  cantorum  conditionem 

Mensuram  quidam  palmis  moderantur  tUrisque 

Eminus  expressis,  veluti  cum  in  lite  duorum 

Alter  in  alterius  nequit  insultare  capillos 

Unguibus,  externa  loetale  minntur  inervis 

Certamen  pede  signantes  calcante  .  .  .« *) 

Deswegen  scheint  mir  Schunemann's  Meinung,  dafi  bei  dieser  Art  des 
Taktierens  »eine  mafiige  Bewegung  des  Fufies  zu  denken<  sei,  recht  opti- 
mistisch  zu  sein;  wahrscheinlich  war  es  auch  so  in  der  Theorie,  Philomates' 
Worte  jedoch  warnen  uns  vor  allzu  guter  Meinung. 

Eine  Quelle  aus  dem  friihen  16.  Jahrh.  belehrt  uns,  dafl  man  auch  dam&ls 
mit  dem  Taktstock  gerauschlos  dirigierte.  Es  ist  eine  Miniatur  aus  dem 
Pontificate  des  Erzbischofs  Erasmus  Ciolek,  das  sich  im  Czartoryski-Museum 
zu  Krakau  befindet  und  zwischen  1504 — 1522  geschrieben  und  illuminiert 
wurde.  Die  Miniatur  stellt  einen  mit  dem  Taktstock  dirigierenden  Kapell- 
meister dar;  er  meistert  die  Sanger  mit  seinem  langen  Stabe,  ohne  in  die 
Noten  zu  schauen.  Er  dirigiert  jeden falls  tacite,  da  kein  corpus  solidum  — 
-  wie  W.  C.  Printz  sich  zu  auflern  pflegte  —  vor  ihm  stent,  das  er  mit  don 
Stab,  den  er  nach  oben  schwingt,    »schlagen<   konnte. 


1)  Emil  Vogel  meint,  daB  auch  die  Papierrolle  in  der  Epoche  der  Mensural- 
musik zum  Dirigieren  verwendet  wurde  (vgl.  Jahrbuch  der  Musikbibliothek  Peten 
fUr  1898,  Leipzig  1899,  S.  70f).  DaB  sie  erst  in  der  2.  H&lfte  des  17.  Jahrh.  erwfthnt 
ist,  laGt  sich  beweisen.  Vor  dieser  Zeit  ist  kein  Beleg,  weder  in  den  theoretischeo 
Werken  noch  in  bildlichen  Darstellungen  zu  fin  den. 

2)  Von  dieser  Manier  des  Taktierens  berichten  B.  Ram  is  de  Pareia,  P.  Aron. 
F.Salinas,  Th.  de  Santa  Maria  und  Pierre  Davantes  (vgl.  Schfinemann 
a.  a.  0.,  S.  79;. 


Adolf  Chybinski,  Zur  Geschichte  des  Taktschlagens  usw.  387 

Zu  den  interessantesten  und  schwierigsten  Problemen  aus  dor  Geschichte 
des  Taktschlagens  gehort  die  Frage  des  Vortrags  in  der  Epoch e  der 
Mensuralmusik.  Die  Drucke  und  Kandschriften  der  praktischen  Musik  aus 
dieser  Zeit  lassen  uns  ganz  im  Stich.  Auch  in  dieser  Beziehung  miissen 
wir  die  Musiktheorie  zu  Hilfe  holen.  Das,  was  wir  in  den  theoretischen 
Biichern  des  16.  und  teilweise  des  17.  Jahrh.  finden,  ist  zwar  nicht  immer 
befriedigend,  doch  immer  noch  ausreichend,  urn  zu  sicheren  Schlussen  zu 
gelangen,  und  zwar  hauptsachlich  deswegen,  weil  alle  Theoretiker  darin  einig 
sind. 

Wie  aus  den  von  Schunemann  zusammengestellten  7Ww$-Definitionen  zu 
entnehmen,  schlug  man  den  Takt  im  16.  Jahrh.  ganz  gleichmafiig,  ohne  Be- 
schleunigung  oder  Verzogerung  des  Tempos  !).  Alle  das  Taktieren  betreffen- 
den  Stellen  aus  den  theoretischen  Biichern  der  genannten  Epoche  geben  uns 
die  Uberzeugung,  dafl  damals  im  Taktieren  die  aufierste  Objektivitat  herrschte, 
d.  h.  daB  man  die  subjektive  Verzogerung  bzw.  Beschleunigung  des  Tempos 
nicht  nur  vermied,  sondern  auch  verdammte  und  als  Fehler  betrachtete, 
wenn  sie  im  Raume  eines  mit  einer  und  derselben  Tempovorzeichnung  sig- 
nierten  Satzabschnittes  gebraucht  wurden.  Noch  zu  Ende  des  16.  und  am 
Anfange  des  17.  Jahrh.  war  diese  Anschauung  obligatorisch.  Fiir  die  Praxis 
dieser  Zeit  ist  die  Prattica  di  Musica  Lodovico  Zacconi's  (Venedig  1596, 
I.  Bd.)  bekanntlich  eine  reiche  Fundgrube.  Die  Notwendigkeit  der  Gleich- 
mafiigkeit    im  Taktschlagen  begrundet  er  folgendermafien : 

*Ma  la  Musica  parlando  della  Musica  quando  la  se  riduce  in  afto,  non  ha  altro 
fondamento  chr  la  misura,  douendoli  sempre  procedere  lordine  col  quale  si  guida  il 
compositore:  Per  il  che  v-  forxa  di  dire  chc  il  canto  sostentandosi  in  voce  per  fonda- 
mrnto  non  habbia  altro  che  un  picciolo  intervaUo  di  tempo :  cosi  la  Musica  si  pone 
in  essere  con  le  voci  mediante  una  multitudine  tfintervalli:  i  quali  tanto  durano  quanio 
dttrano  le  figure  che  danno  inditio  della  Musica.  Questo  intervaUo  che  io  dico  non  r 
altro  chr.  un  picciol  moto  simile  al  moto  del  polso  humano,  overo  al  palpitrar  del  core : 
col  quale  ossercando  i  cantori  il  valor  delle  figure  cantano  le  Musiche  figurale.  Onde 
si  come  da  un  contrapeso*  il  tempo  de  Orologgio  vien  retto  et  governato,  dal  quale  tuttc 
Taltre  ruotr  con  ordine  sette  et  contrario ;  quale  velloci,  et  quale  tardi  si  movano,  et  col 
moto  si  reggono\  cosi  ancora  da  una  misura  detto  tempo,  tuttc  le  parte  senxa  disso- 
nanxa  alcuna  si  reggano.  et  reggendosi  si  cantano*.    {*Prattica*  I,  fol.  22.) 

Er  gibt  weiter  den  Chorregenten  zwei  Mahnungen,  die  beweisen,  welch 
grofies  Gewicht  Zacconi  auf  die  zeitliche  Gleichheit  der  nacheinander  folgen- 
den  Taktschlage  legt: 

»7J  dehito  de  quelli  che  lo  reggano  b  di  reggerlo  chiaro,  sicuro,  senxa  titubationc 
pigliando  ressempio  delT  attione  del  polso  d  dal  moto  che  fa  il  tempo  delT  Orologgio, 
et  han  da  fare  che  si  come  dal  tatto  si  reggano,  et  s'informano  di  suono  le  figure  Mu- 
sicali,  die  cosi  ancora  i  cantori  Vhahhiamo  a  sequire,  et  esser  soggetti*.  >.  . .  ma  at- 
tendere  al  officiosus  accioche  i  cantandi  vedendo  la  sicurexxa  del  fatto  sinanimischino, 
et  prendino  ardire,  che  segli  vuole  ritardar  col  tatto  fin  die  il  cantore  habbia  perfetta- 


1)  Voile  tan  digkeitshalber  sei  noch  auf  die  Definition  von  Stepbanus  Vann'eus 
in  seinem  Recanetum  de  Musica  aurea  (Rom  1633,  fol.  54}  bingewiesen:  » Cuius  sc. 
>ligneae  machinae*  =  des  Taktstockes]  motus  aequus  qualis  horologii  motus  esse  debet, 
quod  si  perpera  moueatur,  sequiiur  temporis  confusio,  haud  secus  cantoribus  iniquam 
agentibus  mensuram  accidit,  fit  i.  ut  modo  serius,  modo  ocyus  notulae  prcmantur.  <& 
tmiuersa  invertitur  cantilena,  uidctque  non  musicorum  Concertus,  sed  Anserum  strepitus* 
0.  d.  IMG.    x.  2fo 


388  Adolf  Chybinski,  Zur  Geechichte  des  Taktschlagene  uaw. 

menie.  informato  le  figure  di  sttono,  in  ogni  taito  conurra  rilardare;  perelie  il  cantor? 
si  piglia  auUorita  sempre  di  pronuntiar  la  figura  dopo  il  tatto :  per  farla  sentire  con 
maggior  vaghexxo.*     [•Prattica*  I,  fol.  21.) 

>Il  tatto  dunque  non  solo]  debbe  essere  sieuro  et  senxa  diffetto  di  cquatitd  .  . .«. 
(>Prattica<  1,  fol.  76.) 

Die  Kunstanschauungeii  der  Mensuralmusik  wirkten  noch  tief  bis  ins 
17.  Jahrh.  hinein.  Ihre  Gesetze  wurden  auch  auf  den  konzertierenden  Stil 
ubertragen;  nur  das  Rezitativ  bildete  eine  Ausnahme,  von  der  wir  unten 
noch  sprechen  werden.  So  bleiben  auch  die  Gesetze  des  Taktschlagens  in 
Kraft. 

Zunachst  komint  in  Betracht  Syntagmatis  Musid  .  .  .  Tomus  fortius  von 
Michael  Praetorius  ( Wolff enbuttel  1619).  Die  theosophische  Richtung  des 
Denkens,  welche  die  Vollkommenheit  der  Mensuralverhaltnisse  im  Tempw 
perfection  erblickte  und  dieselbe  auf  die  hi.  Dreieinigkeit  zuruckfiihrte,  waltete 
auch   in   den    Anschauungen   uber   das  Taktieren.     Praetorius    sagt    (S.    79): 

*Mensurae  etiam  servanda  est  aequatitas,  ne  harmonia  deformetur  vel  perturbetur: 
Nam  sine  lege  db  mensura  canere,  est  Deum  ipsum  offendere,  qui  omnia  nutnero,  pan- 
dere  db  mensura  disposuit,  id  Plato  inquit.  Sed  tamen  pro  rations  Textus  interdum 
tardiore  Tactu  interdum  celeriore  per  vices  uti,  singularem  majestatem  db  gratiam  hahet, 
db  Gantum  mirifice  exornat.* 

Den  scheinbaren  Widerspruch,  den  diese  Meinung  von  Praetorius  enthalt, 
wird  man  nicht  als  solchen  betrachten,  wenn  man  jene  celeritas  und  tarditas 
auf  die  Veranderung  der  Mensur,  nicht  aber  auf  die  subjektive  Behandlung 
des  Tempos  zuruckfuhrt.  Praetorius  sagt  selbst  (op.  c.  S.  48),  der  *t actus* 
sei   >vel  tardior^  vel  celerior  pro  varietate  signorum*. 

Was  Zacconi  im  ersten  Bande  seiner  Prattica  uber  die  Gleichmafiigkeit 
der  Taktschlage  gesagt  hat,  wiederholt  er  im  2.  Bande  derselben  (Venedig 
1622)  mit  fast  treuer  Genauigkeit.     S.  14  schreibt  er: 

*H  tatto  Musicalc,  communemente  detto  battuia  .  .  .  suol  esser  la  mimtra,  con  la 
quale  agiwtamente  si  minisfrano  i  valori  a  tutte  le  figure  Musically  e  li  suol  serrir  a 
modo  di  perfetta,  e  giustissima  bilamia.* 

S.  56  weist  er  auf  die  iibermafiige  Schnelligkeit  und  auf  das  horbare 
Taktschlagen   als   auf  die  Ursachen    des  ungleichen  Tempos  hin.     Er  meint: 

>Questi  tali,  che  eantatw  non  con  giusto.  e  misurato  interuallo,  ma  can  ial  pres- 
texxa,  che  generano  confusione,  hanno  da  sapere,  che  Vequalitd  del  taito,  si  hd  da  con- 
formare  col  misurato  tempo  del  polso.*  >Hd  veduto  anco  qucsto  di  piu  nel  batter  east 
presto:  che  gVatti  duno  interrallo  e  Valtro,  etie  sono  quelli,  che  noi  communemente 
chiamano  baitida,  non  essendo  equali,  sono  alterati  di  brutta,  e  mostruosa  aUeratione, 
essendo  sempre  piu  tempo  nella  levata,  die  nella  caduta;  e  pare  apunto  che  quel  tale 
che  batte,  nel  color  delta  mono,  tocchi  sempre  cose,  che  lo  punghino  6  scottino.  e  cost 
detti  intervaUi  non  essendo  equali,  oltrc  che  fanno  i  cantori  arivarei  sempre  piu  tardi, 
fanno  anco  come  hd  detto,  odiosissimo  sentire;  perche,  non  si  sente  veruna  giusta  e 
buona  disposition  Musicale.  ne  armonia,  che  sia  ptmto  grata,  e  diletterole.* 

Es  entsteht  jedoch  die  Frage,  ob  das  Gesetz  der  absoluten  Gleichheit  der 
Taktschlage  ebenso  fur  die  kirchliche  wie  fur  die  weltliche  Musik  giliig  war. 
Die  strenge  Objektivitat  der  Kirchenmusik  war  dem  Stil  der  weltlichen  nicht 
bzw.  nicht  ganz  eigen.  Auch  in  dieser  Beziehung  sind  fur  uns  die  Musik- 
traktate  von  Zacconi    und  Praetorius   sehr    wichtig    und  geradezu   entschei- 


Adolf  Chybinski,  Zur  Geschichte  des  Taktschlagens  ubw.  389 

dend.  Zacconi  macht  einen  scharfen  Unterschied  zwischen  dem  Vortrage 
der  kirchlichen  und  der  weltlichen  Musik.  Seine  Darlegung  ist  zwar  sati- 
risch,  dennoch  aber  sehr  belehrend  und  klar  genug,  urn  dem  Leser  eine 
#enaue  Vorstellung  des  damaligen  Vortrages  zu  geben.  I)aB  er  im  Vortrage 
der  weltlichen  und  kirchlichen  Musik  zwei  Verschiedenheiten  sieht,  beweist 
uns  ein  Satz  aus  der  Prattica  II,  S.  55,  namlich: 

>che  le  Musiche  secolari  essendo  Vilanelle,  Canxonette.  e  Madrigali,  si  cantano,  e 
jtossano  caniare  a  comtntm  uolere  di  coloro,  che  le  cantano,  e  f anno  cantare ;  ma perche 
V  Ecclesiastiche  sono  rfaltra  natnra.  e  con&ideratione  .  .  .c 

Dann  stellt  Zacconi  die  Bedingungen  fur  eine  richtige  Auffiihrung  kirch- 
licher  Musik  auf.  Eine  derselben  ist  »Vequalitd  del  tatto,  si  hd  da  conformarr 
col  mmirato  tempo  del  polso*  (a.  a.  0.,  S.  56).  In  deraselben  Werke  weist 
er  darauf  hin,  daB  manche  Sanger  bei  der  Kirchen musik  sich  eines  Vortrags, 
einer  Manier  bedienen,  die  nur  fur  die  weltliche  Kunst  passend  ist.  Er 
beruft  sich  auf  die  altere  Zeit: 

*si  doueuano  cantare  con  molta  honestd  e  derotione*;  »heute«  aber  sin  gen  die 
Choreanger  *co?i  tali  lascini  affetti,  che  paiano  tanti  appassionati  amanti*  (a.  a.  0. 
S.  53!.  Er  warnt  sie  vor  Bolchem  MiBbrauch  und  sagt  »che  cantando  nelle  Chiese,  si 
ricordino  di  cantar  a  lode  del  Signer e,  c  non  a  sodisfattione  delle  loro  passioni  amorose*. 
(a.  a.  0.  S.  54 }«). 

Weniger  strenge  urteilt  Praetorius.  Er  erblickt  eine  schone  Wirkung 
darin,  *si  inter dum  vivaciore,  intcrdum  remissiore  voce  Gantilenae  concinantur* 
(Syntagma  III,  79).  Man  muBte.  am  Anfange  des  17.  Jahrh.  verschiedene 
Meinungen  iiber  den  Vortrag  der  Kirchenmusik  haben,  denn  Praetorius  be- 
k  amp  ft  weiter  (a.  a.  0.  S.  80)  die  einseitigen  Anschauungen : 

>Ettliche  wollen  nicht  zugeben  /  daB  man  in  compositione  alicujus  Cantionis 
zugleich  Motetti8che  vnd  Madrigalische  Art  vntereinander  vermischen  solle.  Dero- 
nelben  Meynung  ich  mir  aber  nicht  ge  fall  en  lasse;  Sintemahl  es  den  Motecten 
vnd  Concerten  eine  besondere  lieblich:  vnnd  anmutigkeit  gibt  vnnd  conciliiret, 
wenn  im  anfang  ettliche  viel  Tempora  gar  pathetisch  vnd  langsamb  gesetzet  seyr. 
/  hernach  etliche  geschwinde  Clausulen  daruff  folgen:  Bald  wiedervmb  langsam 
vnd  gravitetisch  /  bald  abermahl  geschwindere  vmbwechslung  mit  einmischen  / 
damit  es  nicht  allezeit  in  einem  Tono  vnd  Sono  fortgehe  /  sondern  solche  vnd 
dergleichen  verenderungen  mit  eim  langsamen  vnd  geschwinden  Tact:  So  wohl 
auch  mit  erhebung  der  Stimmen  /  vnnd  dann  biBweilen  mit  gar  etillem  Laut  mit 
allem  fleiC  in  acht  genommen  werde  /  .  .  .«2) 

1)  DaB  manchmal  die  Texte  der  Kirch engesange  die  Ursache  ihres  roadrigali- 
echen  Vortrags  waren,  beweist  uns  eine  interessante  Stelle  aus  der  Prattica  II, 
S.  53  f. :  >  Che  sc  per  sonar  madrigali  &  altre  cose  secolari,  alle  Messe  db  i  diuini  vffiey 
e  peeeato  mortale,  quanto  piu  pot  sarh  peccato  maggiore  h  sentirui  le  uoci  i  cantarvi 
i  medemi  affetti?  Anxi  lodai  sempre  il  Palestina,  che  cosi  poco  s'impiego  a  far  madri- 
gali, hauendolo  fatto  Iddio  aecio  che  ornasse  la  chiesa  de  canti  soi  souai  come  egli  fece : 
ma  sc  io  li  fossi  stato  ricino,  e  gli  hauessi  potato  dire  il  mio  parere,  Vhauerci  disuaso 
anco  a  piu  potere  che  non  si  fosse  impiegato  a  comporre,  i  motetti  delta  Cantica  come 
egli  compose ;  poichc,  hoggi  giorno  molti  cantori  si  compiacciano  di  cantar  soli.  Quam 
pulcra  es  arnica  mea,  quam  pttlcra  es.  Tota  pidcra  es  arnica  mea,  formosa  mca. 
Fidcite  me  Floribus  quia  amore  langueo  con  altre  cose,  che  Dio  sa  con  qual  animo  et 
intentione  loro  le  cantano.* 

2)  Dasselbe  wiederholt  Praetorius  mit  keinem  Vorbehalt  in  Syntagma  III, 
112:  >0b  zwar  etliche  /  dz  ich  dessen  /  sonderlich  in  Kirchen  zu  gebrauchen  nicht 

26* 


390  Adolf  Chybinski,  Zur  Geschichte  dee  Taktschlagens  usw. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daB  schon  zu  Ende  des  16.  Jahrh.,  nach- 
dein  Orlando  di  Lasso  und  Andere  die  Freiheiten  des  madrigalischen  Ton- 
satzes  auf  die  Motette  tibertragen  batten,  auch  in  der  Kircbenmusik  die  grofiere 
Freiheit  des  Vortrags  herrschte.  Die  Traditionen  der  alteren  Musikpraxis 
blieben  immer  nocb  stark  genug.  Noch  in  der  ersten  Halfte  des  17.  Jahrh. 
begegnen  wir  strengern  Bekennern  temporis  acH  z.  B.  F.  M.  Mersenne:  in 
seinen  Harmonicorum  libri  XII,  Paris  1648,  8.  153  verlangt  er: 

» Lenta  admodum  constituenda  est  Temporis  acqualis  mensura  ...»  > Nulla  .  .  .  tn 
tota  cantilena  fiat  mensurae  midaiio,  nisi  ex  propriis  signis  db  eharacteribtis  prasnotata 
fuerit.* 

Zweifellos  hat  die  Oper  und  der  rezitativische  Stil  viel  zu  dieser  Freiheit 
des  Vortrags  ini  17.  Jahrh.  beigetragen.  Glaudio  Monteverdi  unterscheidet 
zwei  Ai*ten  des  Tempos:  » tempo  della  mano*  und  >  tempo  dcW  affetto  delT 
ammo*,  welch'  letzteres  *senza  battuta*  vorgetragen  wird.  (Vgl.  VIII  *libro 
de  Madrigali*  1638) !).  Doch  fehlte  es  nicht  an  Theoretikern  noch  im 
18.  Jahrh.,  die  einzig  das  metronomische  Taktschlagen  von  den  Dirigenten 
verlangten. 

Es  handelt  sich  nun  urn  die  Frage  des  allgemeinen  Tempos  bei  den 
Auffuhrungen  in  der  Zeit  der  Mensuralmusik.  Wie  fur  das  Taktieren  als 
Zeitmessuug  die  mittleren  No  ten  (brevis,  spater  scmibrevis)  den  integer  valor 
bildeten,  so  war  auch  das  uiittlere  Tempo  ein  integer  valor  der  Schnelligkeii 
Die  Alten  verstanden  sehr  feinsinnig  die  Schattenseiten  einer  Auffiihrung, 
in  der  das  Tempo  zu  geschwind  oder  zu  langsam  genommen  wurde.  Zacconi 
geht  sogar  soweit,  da£  er  die  Wirkungen  der  willkiirlichen  Tempi  auf  den 
Horer  beschreibt  und  als  erfahrener  praktischer  Musiker  sehr  genau  auf  die 
Ursache  der  verzerrten  Tempi  eingeht. 

Das    schleppende  Tempo   resultierte   am  haufigsten  aus  der  Schwierigkeit 


gut  eey  /  vermeinen:  So  deuchtet  mir  doch  solch  variation  vnd  ▼mbwechselung 
/  wenn  sie  fein  moderate  vnd  mit  einer  guten  gratia,  die  affectue  zu  exprimiren 
vnd  in  den  Menschen  zu  moviren,  vorgenommen  vnd  zu  werck  gerichtet  wird  / 
nicht  all  ein  nicht  vnlieblich  oder  vnrecht  seyn  /  sondern  vielmehr  die  aures  k 
animos  auditorum  af fie  ere,  vnd  dem  Concert  eine  sonderliche  Art  vnd  gratiam 
conciliire.  Es  erfordert  aber  solches  offtermahls  die  composition,  so  wol  der 
Text  vnd  Vers  tad  der  Wfrter  an  jhm  selbsten:  daG  man  biCweilen  /  nicht  aber 
zu  offt  oder  gar  zu  viel  /  den  Tact  bald  geschwind  ,'  bald  wiederumb  langsam 
fuhre;  auch  den  Chor  bald  stille  vnd  sanfft  /  bald  starck  vnd  friech  resoniren  lasae. 
Wiewol  in  solchen  vnd  der  gleichen  vmbwechselungen  /  in  Kirchen  viel  mehr 
alC  vor  der  Taffel  eine  moderation  zugebrauchen  vonnOthen  sein  wil.c  Vollstan- 
digkeitshalber  sei  noch  eine  dritte  und  ahnliche  Stelle  aus  demselben  Werke 
(S.  60)  zitiert:  >.  .  .  das  ist  einmal  gewis  und  hochndthig  /  das  in  Concerten  per 
Choros  ein  gar  langsamer  gravitatischer  Tact  miisse  gebalten  werden.  Weil  aber 
in  solchen  Concerten  bald  Madrigalische  bald  Motetten  Art  unter  einander  ver- 
menget  und  umbgewechselt  befunden  wird  /  mus  man  sich  auch  im  Tactiren  dar- 
nach  richten.« 

1)  Die  von  mir  zitierten  Stellen  aus  Praetorius  und  Monteverdi  modifiiieren 
teilweise  die  Meinung  von  Rudolf  Schwartz,  welcher  >die  Erkenntnis  von  der 
Aufgabe  des  Dirigenten  <  >an  der  Hand  der  Affektenlehre*  erst  der  1.  Halfte  des 
18.  Jahrh.  zuschreibt  (vgl.  >Jahrbuch  der  Musikbibliothek  Peters  fQr  1907<vLeipiig 
1908,  S.  69.) 


Adolf  Chybinski,  Zur  Geschichte  dee  Taktschlagens  new.  391 

des  Tonsatzes  und  der  Haufung  der  Chromen.     Die  Schwierigkeit  der  »Fi- 
guren«  verureachte  das  langsame  Tempo: 

•poiche  in  molte  persons  guiditiost  ho  veduto  a  di  miei  essere  non  solo  la  insta- 
bUitd  del  tatto,  ma  anco  rna  biasmevole  sumministraiione  non  cost  da  tutti  considerata , 
el  e  che  cantandosi  cose  difficile,  per  la  difficidtd  delle  figure  alargano  tanto  il  tattiper 
fadleiarle;  che  col  suo  mexxo  vengano  a  commutare  una  fignra  nel  altra.*  {•Prattica* 
I,  fol.  76.) 

Der  im  16.  Jahrh.  immer  mehr  wachsende  Oebrauch  der  kleineren  und 
kleinsten  Notenwerte  bereitete  den  Sangern  Schwierigkeit  im  Zahlen  der- 
selben;  deswegen  erleichterten  ihnen  die  Kapellmeister  die  Aufgabe  durch 
die  Verschleppung  der  Tempi.  Die  Wirkung  solcher  Mifibriiuche  beschreibt 
Zacconi  folgendermafien : 

*Doue  che  per  esser  da  tutti  inteso,  acciochc  si  tolghi  del  stato  presenie  questo  si 
biasmmole  abuso,  et  si  leui  a  fatto  a  fatto  questo  errore  dico:  che  si  troiiano  alcuni 
sumministratori  del  tatto,  che  regendolo  in  alcune  cantilene  difficile  one  siano  gran  copia 
di  Chrome;  per  far  che  i  Cantori  le  contino  meglio  ct  con  minor  difficidtd;  allargano 
tanto  il  sudeito  tatto  che  le  fanno  pronuntiare  per  Semiminime,  et  non  si  aveggano  che 
8c  il  compositore  che  le  compose  hauesse  voluto  che  le  si  fossero  per  Semiminime  can- 
tate,  non  Vhaueria  fatte  Chrome.*  *Si  possano  ben  cantare  le  figure  diuersamente : 
perche  il  Compositore  c  obligato  d  comporle  secondo  Vordine  de  i  segni  et  le  regole  del 
Tempo  cKegli  adopera;  et  il  Cantore  a  cantarle  come  li  pare  et  piace:  perche  chi  vuol 
tener  d  vno  che  qttella  Semibreue  che  communemente  vale  m  tatto  non  la  canti  per  rna 
Br  cue,  6  per  una  Longa,  dando  il  vaUore  a  ciascheduna  muUiplicato?  ouero  diminu- 
irle  per  la  mettd  et  farle  gire  sotto  di  esso  lotto  la  metta  piil  presto  et  piu  reloce?* 

Die  Verschleppung  der  Tempos  hatte  in  leichten  Werken  auch  eine  bose 
Wirkung  auf  die  Sanger  und  Zuhorer;  den  ersteren  war  damit  die  richtige 
Erkenntnis  der  Werte  der  langeren  Noten,  also  die  Erkenntnis  der  Rhythmik 
erschwert;  sie  machte  die  Zuhorer  ungeduldig  und  nahm  den  Sangern  jede 
Lust  zur  kunstlerischen  Ausiibung  ihrer  Aufgabe.  In  dem  schleppenden 
Tempo  sieht  Zacconi  noch  die  Wurzel  eines  anderen  libels:  je  langsamer 
der  Takt  geschlagen  wird,  desto  weniger  sicher  und  gleichmafiig  werden  die 
Taktschlage  (vgl    Prattica  I,  fol.  77  a)1). 

1)  »...('  pero  c  bene  che  da  gVascoUanti  la  sieno  conoscinte  per  Chrome  come  dal 
Compositore  le  sono  state  fatte,  et  tanto  piu  quelli  di  biasmo  sono  degni,  quanta  che 
sol  tatto  sirusciano  et  stancheggiano  il  Cantore,  parendoli  col  stancheggiarlo  et  strus' 
ciarlo,  di  porgerli  mano,  tfaiutarlo,  o  di  darli  tempo  di  potersiin  quelle  difficultd 
meglio  accomodare,  ct  non  si  aueggano  che  il  Cantor  sicuro  odia  quella  ritardanxa 
come  coso  disdicevole,  et  ama  solamente  Vequalitd  de  tattU  (» Prattica*  1,  fol.  76  b). 

».  .  .  ma  anco  con  lesser  [sc.  il  tatto j  giusto  et  equate,  non  dehbe  passar  il  suo 
U80  ordine,  ciov  non  si  debbe  sumministrar  tanto  adagio  ch'eschi  fuori  del  suo  costume  or- 
dinario :  perche  at  cantore  r  pit)  facil  cosa  di  considerare  et  di  portare  una  figura  net 
vallor  dun  altra:  che  di  tenerle  per  quelle  che  le  uagliano  sotto  un  allargato  tempo . .« 
{> Prattica*  I,  fol.  76b). 

>.  .  .  troppo  lento  [sc.  tatto],  che  generi  tedio  r  le  languidexxa  —  €  (>Prattica<  II, 
fol.  66b;.  —  >.  .  .  quale  se  vd  troppo  lento,  siimiano,  che  in  breue  nhabbi  da  nascere 
qualehe  alteratione*.  ».  .  .  che  se  tta  troppo  tardi  e  lenta,  presto  genera  tedio,  e  uerra 
d  noia  .  .  .«  (ebenda). 

» Questo  voglio  che  sia  d  bastanxa  per  rimouere  questa  larga  sumministraiione  di 
tatto  nelle  cose  difficile  \  sperando  che  da  qui  in  pox  si  sentiranno  le  chrome  per  Chrome, 
et  sera  two  da  glaudienti  le  Semiminime  canosciute  per  Semiminime  et  non  per  figure 


392  Adolf  Chybinski,  Zur  Geschichte  des  Taktschlagens  usw. 

Obwohl  sich  Zacconi  beklagt,  dafi  die  Manier  der  Tempo  verschleppung 
in  seinen  Zeiten  immer  mebr  zunahme,  lesen  wir  dock  von  ihr  ini  2.  Bande 
seiner  Prattica  (1622)  verschwindend  wenig.  Dagegen  behandelt  er  darin 
im  Gegensatz  zum  1.  Bande  des  Werkes  eine  andere  und  zwar  noch  gefahr- 
lichere  Siinde  im  Bereich  der  Tempozunahme :  namlich  die  iibertriebene 
Schnelligkeit  der  Tempi,  von  welcher  er  im  1.  Bande  der  Prattica  nur  aufierst 
wenig  gesprochen  hat.  Es  ist  jeden falls  bemerkenswert,  dafi  die  Theoretiker 
des  17.  Jahrh.  sich  fast  nie  iiber  die  Yerschleppung  der  Tempi,  am  meisten 
aber  iiber  die  ubertrieben  schnelle  Temponahme  der  Kapellmeister  beklagen. 
Praetorius  z.  B.  beschrankt  sich  nur  auf  die  Feststellung,  da£  >tardior 
progressus  auditorum  auribus .  .  fastidium «  bereitet.  (Syntagma  III,  50.)  Er 
furchtete,  dafi  die  Schnelligkeit  des  Tempos  die  »Harmonie«   verderben   wird: 

>  Cantiis  non  est  praecipitandus :  fit  enim  confnsio  totius  Symphoniae  etiam  jitcim- 
dissimae.  Ad  Tactum  antem  productiorem  harmonia  fit  gratior,  d-  melius  percipitm* 
(Syntagma  III,  79). 

T>Prestezza*  des  Tempos  ist  nach  Zacconi  (Prattica  II,  56)  die  TJrsache 
der  idissonanza*,  >dispiacere*,  >8chifezza*  und  xxmfusionc*  und  birgt  in 
sich  »il  pericolo  di  dissolutions*.  Die  Ursache  eines  derartigen  Taktschlagens 
beschreibt  Zacconi  folgendermafien,  aus  seiner  Erfahrung  schopfend: 

*Et  io  in  parties dare  mi  son  preso  non  picciola  marauiglia,  in  ucdere,  che  i  Can- 
tori  battendosi  eon  tanta  acceleritd  e  prestexxa,  per  non  poier  loro  sequiiar  la  uelocith 
del  tatto,  andauano  sempre  mexxo  tatto  indietro;  et  vno  vrtando  con  la  voce  defaltro, 
far  la  piu  disorbUante  melodia,  (se  melodia  la  debbo  chiamare)  cKaltra  simile  non  si 
poieua  udire.*  *Ho  teduto  anco  qncsto  di  piu  net  batter  cost  presto  i  che  gVaiti  duno 
interuallo  e  Valtro,  che  sono  quelli,  die  fwi  communemente  chiamano  battuta*  non  a- 
sendo  equali,  sono  alterati  di  brutta,  e  mostruosa  alterations  essendo  sempre  pin  tempo 
nella  leuata,  che  nelia  caduta.* 

Tim  das  zu  vermeiden,  verlangt  Zacconi  »un  tatto  mediocre*  (Prattica  I, 
fol.  77a),  ein  mittleres  Mafi  des  Tempos,  oder  wie  Praetorius  im  Syntagma 
III,  87  sagt:  >einen  rechten  mittelmafiigen  Takt«.  Mersenne  verlangt 
>lentam  mensuram*  (Harmonicorum  libri  XII,  S.  lbSf.)1).  —  Solche  Porde- 
rungen  werden  von  alien  Musiktheoretikern  des  17.  Jahrh.,  die  sich  mit  dem 
Dirigieren  beschaftigen,  wiederholt. 

Der  einzige,  der  uns  genauer  iiber  die  Temponahme  seiner  Epoche  be- 
lehrt,  ist  Praetorius.  Er  berechnet,  wieviel  tempora  auf  eine  Zeiteinheit 
en t fallen,  und  damit  auch  die  Schnelligkeit  des  Tempos: 

>Allhier  will  ich  auch  dieses  erinnern:  Dafi  ich  in  den  General  -Base  en  allezeit 
am  ende  eines  jeden  verzeichnet  habe  /  wie  viel  Tempora  /  ein  jeder  Gesang  / 
auch  ein  jeder  Theil  oder  pars  Cantionis  in  sich  halte.    Denn  weil  ich  nothwendig 

di  vallor  cambiate :  che  io  a  molti  )w  failo  toccar  con  mano  che  il  cantar  le  cose  diffi- 
cile sotto  vn  tatto  mediocre,  le  si  dicano  meglio  con  manco  pena  et  fastidio  de  Cantori 
che  col  dirle  si  adagio,  et  di  piu  ho  veduto  anco  in  delta  sumministratione  per  V  inter- 
uallo  grande  che  casca  da  vn  tatto  e  Valtro;  dislorsi  i  latti  dalla  equalitd  propria  et 
cadere  in  vna  sproportionata  misura  in  modo  tale  che  un  tatto.  dequalitd  et  misura 
non  corrispondeua  al  altro*  (ebenda). 

1)  >Mediocritas«  in  All  em,  was   das  Taktschlagen   angeht,  wird  auch  von  der 
raehr  versprechenden  als  gebenden  Musica  do-rooyeoiamxr,  Joachim  Burmeister* 
gefordert  (Rostock  1601;:  » Lenta  admodum  constituenda  est  Temporis  aequalis  mensura* 
{S.  153  .> Lenta  admodum  semper  servanda  est  mensura*  (S.  153  f.;. 


Adolf  Chybinski,  Zur  Geschichte  dee  Taktschlagens  usw.  393 

observiren  mttasen  /  wie  viel  tempora,   wenn  man  einen  rechten  mittelmafiigen 
Tact  halt  /  zu  einer  viertel  Stunde  musiciret  werden  kdnnen:  Als  nemlich: 


80 
160 


640  ) 


tempora  in 
einer 


halben 


[  viertel  Stunde 
gantzen  J 


haltben  |      Stunde'). 
gantzen  i 

Es  ist  sehr  zweifelhaft,  ob  man  nach  solcher  Vorschrift  die  Werke  auf- 
ftihrte  —  besonders  nach  1600.  Die  » Geschmackssache  «  der  Kapellmeister 
war  es,  irgend  ein  Tempo  anzuordnen,  das  dem  Geiste  des  Werkes  entsprach. 

Ebenso  wichtig  wie  die  Vorschriften  iiber  das  Tempo  waren  die  anderen, 
namlich  diese,  welche  die  Pflichten  des  Kapellmeisters  im  allgemeinen  be- 
treffen.  Auch  hier  bietet  uns  die  Prattica  von  Zacconi  die  beste  und  auch 
die  einzige  Quelle  aus  dem  16.  Jahrh.,  abgesehen  von  einigen  kleinen  Be- 
rn erkungen,  die  wir  in  der  Musica  von  Cochlaus  (1507)  finden. 

Zacconi  sagt,  das  Dirigieren  sei  eine  leichte  Sache  (>  quest  o  tatio  com- 
mune  .  .  .  e  in  se  facile*  —  Prattica  I,  fol.  21b),  aber  es  verlangt  nicht  nur 
eine  praktische,  sondern  auch  eine  theoretische  Ausbildung  des  Kapellmeisters : 
>cosi  anco  non  ogni  Gantore  il  gouerno  di  Capella,  o  di  qual  si  voglia  altra 
Musica*  (Prattica  I,  fol.  76  a)  *).  Ist  ein  Kapellmeister  nicht  geniigend  ge- 
bildet,  so  kann  er  zwar  bemerken,  wenn  die  Sanger  einen  Fehler  machen, 
er  weiB  aber  nicht,  welche  »parte<  irrt,  und  er  kann  nicht  den  Fehler  be- 
seitigen;  er  wendet  sich  vielleicht  gerade  an  die  Stimme,  welche  richtig  sang, 
statt  der  irrenden  zu  zeigen,  wo  sie  irrte  (Prattica  I,  fol.  76  a). 

Die  Kenntnis  der  Kirchtone  war  fur  den  Kapellmeister  deswegen  wichtig, 
weil  er  mit  Hilfe  derselben  die  be  quern  e  Stimmlage  fur  die  Chorsanger  finden 
konnte.     In  diesem  Sinne  sagt  Cochlaeus  in  seiner  Musica  (fol.  12a): 

*Diligenti  examine  considerare  debet  cantus  arsim  ei  thesim  (quo  eerie  commodius 
fiat,  si  tonorum  autenticorum  a  plagalibus  diferentiam  non  ignarerit  /  ne  nimis  alte 
aid  basse  incipiat:  Autentici  namque  toni  cantus  non  ita  alte  inieiari  debet  ut  pla- 
gaits.* 

Zacconi  begriindet  asthetisch  die  Notwendigkeit  des  Singens  in  der 
mittleren  Lage  der  Stimmen: 

1)  Riemann  bemerkt  dazu:  » Michael  Praetorius  (1618)  bestimmt  den  integer 
valor  der  Brevis  auf  etwa  Vio  Minute,  d.  h.  das  Viertel  auf  80  Schlage  von  MalzeTs 
Metronom,  was  fur  heute  noch  ungefahr  zutreffend  ist«  (vgl.  Musiklexikon,  6.  A., 
S.  607).     S.  auch  Schunemann  (a.  a.  O.  S.  88'. 

2)  »Et  non  per  altro  ho  detto  che  debbano  hatter e  la  cognitione  de  Tuoni:  se  non 
perehe  molti  fanno  questo  officio,  et  non  It  sanno,  et  punio  non  si  curano  di  saperli: 
ma  si  reggano,  et  gouernano  per  una  lunga  prattica:  la  quale  assai  gioua  et  non  si 
ptoo  dire  che  la  non  sia  buona :  ma  c  molte  migliore,  et  piu  gioua  Vhaueme  cognitione 
.  .  .€  {^Prattica*  I,  fol.  76b).  —  ».  .  .  Colui  solamente  r  atto,  6  meriteuole,  che  oltra  la 
cognitione  de  Tuoni,  errando  una  parte  conosce  Verrore,  et  sd  chi  ha  bisogno  tfesser 
rimesso.*  >Ho  detto  ancora  cKegli  sappia  rimettere  et  conoscere  una  parte  quando  erra: 
aedoche  in  cambio  di  rimetter  vno  non  rimeiti  vrt  altro:  perehe  si  trouano  de  quell  i 
che  sono  si  ignoranii,  che  oltra  H  non  sentire  cosi  presto  vna  parte  che  dissona  per 
hauer  commesso  errore,  fanno  rtia  ruina  nel  volerja  rimettere  che  disconciano,  et  guas- 
tano  tutte  Valtre,  et  quel  che  e  peggio  non  rimettano  chi  n'ha  bisogno.  E  ben  vero  che 
vno  piu  delP  altro  ha  ludiio  pronto  et  acuto,  che  pero  si  vede  ch"  alle  volte  anco  chi  non 
compone  rimette  prima  di  vn  compositore;  ma  quclla  tanta  grossexxa  dudito  che  si 
chiama  dnrexxa  in  chi  compone,  si  parte  dal  proprio  nat urate,  et  da  gVascoltanti  piu 
tosto  vien  giudicata  ignoranxa*  (ebenda.1. 


394  Adolf  Chybinski,  Zur  Geschichte  des  Taktschlagens  usw. 

*prima  nelT  incominciarlc,  che  non  siano  ne  troppo  alte,  ne  troppo  basse  quasi 
mute  e  sorde.  U  pigliarle  in  giusia  proportions  nasce  dalla  buona,  e  perfetta  cognition 
de  Tnoni;  che  chi  non  ci  auerte,  o  non  li  cognosce  bene,  per  to  pin  fard  sempre  riuseir 
male*  [>Prattica<  II,  S.  55). 

Dieses  Gebot  war  allgemein  giltig  und  wurde  noch  in  der  zweiten  Halfte 
des  17.  Jahrh.  von  den  Musiktheoretikern  besonders  betont1). 

Die  griindliche  Kenntnis  der  Kirchentone  war  fur  den  Kapellmeister  auch 
deswegen  unentbehrlich,  weil  fur  seinen  Chor  ein  Werk  entweder  zu  hoch 
oder  zu  tief  notiert  sein  konnte,  was  ihn  zum  Transponieren  zwang.  In 
dieser  Beziebung  ist  besonders  der  dritte  Band  des  Syntagma  von  Praeto- 
rius  belebrend  (S.  81  If.).  Praetorius  meint  sogar,  dafi  die  Transposition 
oft  zum  Vorteil  des  Gesanges  geschieht: 

>. . .  So  befindet  sich  docb  /  daO  in  etlichen  Modis,  Als  in  Mixolydio,  Aeolio 
vnd  Hypoionico,  wenn  sie  per  quintam  transponiret,  eine  languidior  &  pigrior  har- 
monia  propter  graviores  sonos  generiret  werde:  Darumb  es  denn  vngleich  besser 
vnd  wird  aucb  der  Gesang  viel  frischer  vnd  anmutbiger  zuhdren  /  wenn  dieie 
Modi  der  quartam  ex  duro  in  durum  transponiret  werden  <  (S.  81). 

Ein  Werk,  das  zu  noch  »clavieret«  war  und  einem  Chor,  der  iiber  keine 
Falsetisten  bzw.  Kastraten  verfugte,  in  der  Auffiihrung  Schwierigkeiten  be- 
reitete,  mufite  entschieden  transponiert  werden.  In  dieser  Beziehung  macht 
Praetorius  folgenden  Vorschlag: 

>An  denen  crthern  aber  /  do  man  propter  voces  Cantoruin,  aonderlich  in  der 
Kirch  en  tieff  zu  singen  gewohnet  ist  /  kan  man  solche  Modos  recht  in  die  quin- 
tain transponiren.  Wiewol  in  etlichen  grossen  Catholischen  Capellen  .  .  .  Hypoio- 
nicus  transposituB  seu  mollis  vmb  eine  gantze  Septima  auGm  D  /  vnd  Hypodorius 
vmb  eine  Tertzia  auGm  E,  welches  aber  sonderlich  den  Discantisten  sehr  niedrig 
vnd  vbel  zu  singen  /  wenn  nicht  Eunuchi  oder  Falsetisten  das  beste  theten  /  mo- 
tiret  vnd  gesungen  wird<  (S.  82).  »8o  ist  auch  dieses  allhier  nOthig  zu  erinnern  / 
daC  Jonicus  Modus,  wenn  er  in  Natural i  vnd  Regulari  Systemate  gesetzet  /  vmb 
einen  Thon  hOher;  Wenn  er  aber  in  Systemate  transposito  befunden  /  per  tertiam 
inferiorem  auCm  d  ficte,  gar  bequemlich  /  weil  er  in  regulari  zu  niedrig  vnd  zu 
scblafferig  ist  /  kan  Musiciret  werden  /  .  .  .«  (S.  82  f.). 

Zuletzt  sei  noch  auf  eine  Pflicht  des  Kapellmeisters  hingewiesen :  es  war 
die  Sorge  um  die  dynamische  Gleichheit  der  Stimnien.  Cocblaeus  warnt 
den  Kapellmeister  folgendermafien : 

» Caveat  dehinc  quilibet  swnma  cum  industria  ne  inhonesto  ac  insolito  oris  hiatu 
aut  ridiciUo  forte  cachinuo  voces  tnodulando  proferat:  ne  (galli  more)  os  .  .  aperiai  aut 
in  modum  canum  uhdat.  Voces  insnper  perstrepentes  atone  tremebundas  reiiciat.  Sunt 
enim  sibi  ipsis  eadem  extensione  dissimiles,  quare  ceteris  vocibus  Concordes  esse  non 
possunt.  Deed  auiem  altcrum  alteri  vocem  accommodare  {puta  tenorem  can  tut  he 
altc  alteribus  clamor  is  excessu  profundatur  atque  succumbat.  Postremo  itisolens  ac 
indecorus  capitis  manuumre  molus  cantorem  declarai  insanum.  Non  enim  caput  aut 
manus  concordem  sonum  efficit  sed  vox  bene  modulata*  {Musica  fol.  12a). 

Ahnliches  verlangt  auch  Hanns  Haiden  in  seinem  Mwricale  Instrument 
turn  Reformatum  (Nurnberg  s*  a  ,  fol.  9  a): 

1;  Z.  B.  von  W.  C.  Print z  in  der  Musica  modulatoria  vocalis  (1678,  S.  6f.)  und 
von  Daniel  Speer  in  seinem  >Grundrichtigen  .  .  .  Unte merit  der  musikal.  Kunst« 
1687:  S.  21  der  Ausgabe  aus  d.  J.  1697. 


Earl  Nef,  Die  Stadtpfeiferei  und  die  Instrumentalmusiker  in  Basel,       395 

Die  Stimmen  sollen  >moderirt«  und  >applicirt«  werden,  >das  keines  das  ander 
iiberschreyet  /  ja  die  Stimmen  sollen  dermassen  gegen  einander  abgewogen  sein  / 
daC  der  ZuhOrer  nicht  anderst  judiciren  kan  /  ale  wann  es  nur  eine  eintzige  Stimm 
were  /  gleich  wie  in  den  Orgeln  /  da  man  biGweilen  die  Principal  /  verdeckt  / 
Quint  /  Oktaf  /  Quindetz  /  Zimeln  und  Mixtur  /  alles  zusammen  zeucht  /  es  doch 
einen  solchen  gleichen  sonum  gibt     . . .«. 

Um  die  dynamische  Gleichheit  zu  erreichen,  mufite  der  Dirigent  seine 
Sanger  auf  eine  passende  Weise  gruppieren.  Man  legte  das  Hauptgewicht 
darauf,  daB  man  die  Sanger  nicht  dicht  nebeneinander  stehen  lasse.  Zacconi 
begriindet  dies  folgendermafien : 

».  .  .  molti  cereano  dadmontarle  [sc.  le  parte]  insieme,  parendo  a  loro,  che  quanio 
piu  i  cantori  stanno  uniti,  e  stretli,  la  Musica  sia  meglio  per  riuscire,  e  s'ingannano 
pur  assai;  poiche,  le  parti  havendo,  troppo  vicine  laltrui  voci,  non  possano  sentir 
Vaffetto  della  loro  propria  voce;  oltra  ch^  per  superarle,  isforxando  it  sua  potere,  pin) 
piu  fosto  dissonare  senxa  avedersene,  che  risonare*.  ».  .  .  amassando  troppo  i  cantori 
insieme,  dal  sorerchio  urto,  e  troppo  impeto  delle  voci,  bene  spesso  non  sentendo  se  stesso, 
quel  talc,  che  dinanxi  e  di  dietro  se  m  sente  offesoy  non  pud  pronuntiar  le  uoci  sue 
com'  egli  uorebbe,  e  potrebbe,  a  facendo  forxa  di  superar  Valtre,  come  dianxi  Ito  detto, 
e  farsi  sentir e;  o  bisogna  ch'egli  dissoni,  a  che  venghi  la  Musica  ad  alierare*  {Praitica 
II,  S.  66j. 

Bei  den  Auffuhrungen  in  der  Epoche  der  Mensuralmusik  verfolgten  die 
Kapellmeister  einen  Mittelweg  in  Sachen  des  Tempos,  der  Dynamik  und  der 
Tonhohe  und  duldeten  besonders  in  der  Kirche  keine  Kontraste,  die  erst 
die  neuo  Zeit  mit  sich  brachte. 


Die  Stadtpfeiferei  und  die  Instrumentalmusiker 
in  Basel  (1385-1814). 

Von 

Karl  Nef 

(Basel.). 

Stadtpfeifer  werden  in  Basel  zum  erstenmal  1375  erwahnt;  in  den  Stadt- 
rechnungen  findet  sich  in  diesem  Jahr  der  Eintrag  >fisttdatoribns  nostris  pro 
bono  anno  2  //.«  und  1386  »den  pfiffern  1  Pfd.  4J31).  —  Im  Eidbuch2), 
das  dem  15.  Jahrhundert  angehort,  ist  der  Eid  erhalten,  den  die  Stadtmusi- 
kanten  hei  ihrem  Antritt  zu  schworen  batten.     Er  lautet: 

»Der  pbiffer  vnd  Trumpeter  eyd. 

Ir  werdent  sweren  gemeyner  Statt  getruwelich  vnd  erberlich  ze  dienende  vnd 

ze  wartende  mit  phiffen   vnd   ouch   den  luten  in  der  Stat  die  uwer  begeren  vnd 

uch  in  solichem  fruntlich  vnd  erberlich  ze  haltende  vnd  vch  nyemanden  uber  sinen 

willen  uffbinden  vch  ouch  von  der  Stat  nit  ze  tunde  oder  ze  ritende  oder  yeman- 


1}  Nach  Fechter,  > Basel  im  XIV.  Jahrhundert*  1856.    S.  119. 

2)  Diese  wie  alle  im  folgenden  zitierten  Urkunden  im  Basler  Staatsarchiv. 


396       Karl  Nef,  Die  Stadtpfeiferei  und  die  Instrumentalmusiker  in  Basel. 

den  frimdes  uszwendig  der  Stat  ze  dienende  on  vrloub  vnd  wissen  Buxgermeisters 
zunftmeisters  oder  eyns  Rats  ze  Basel  vnd  sunst  der  Stat  Tnd  der  iren  nuts  vnd 
ere  ze  werbend  vnd  iren  8  chad  en  ze  wendende  getruwlich  vnd  one  gewerde  nach 
uwrem  besten  Vermogen  ouch  alle  virtage  nach  Imbisz  uff  dem  Richthuse  oder  nfl 
der  Rinbrug  zu  somer  zitt  nach  dem  nachtmol  ze  phiffen.« 

Eine  zweite,  wie  es  scheint,  etwas  altere  Fassung,  die  im  wesentlichen 
mit  der  vorstehenden  iibereinstimmt ,  gibt  die  SchluBbestimmungen  etwas 
anders  und  erweitert  sie  folgendermaften : 

>Alle  Sonntag  nach  der  predig  uff  dem  Rich  thus  vnnd  nach  dem  nachtmal 
uff  der  Rinprug  vnnd  wan  man  uff  der  herenstuben  mol  hatt  vs  und  ab  tisch 
phiffen.« 

Da  nach  hatten  die  Stadtpfeifer  nicht  nur  Sonntag  nachmittags  im  Rat- 
haus  und  an  Sommerabenden  auf  der  Rheinbrttcke,  sondern  auch  bei  fest- 
lichen  Mahlzeiten  auf  der  Herrenstube  aufzuspielen.  —  "Wohl  nicht  zu  den 
Stadtpfeifern  gehorte  der  Lautenschlager  Obrecht,  der  im  14.  Jahrhundert 
in  Basel  offentlich  sich  horen  lieB.  In  spaterer  Zeit  werden  die  Stadtpfeifer 
meist  als  Turmblaser  bezeichuet.  Aus  der  Mitte  des  16.  Jahrhuuderts  sind 
zwei  Anstellungsurkuuden  vom  19.  Februar  und  23.  Marz  1547  von  Turm- 
blasern  erhalten,  die  eine  bezieht  sich  auf  die  Bruder  Jakob  und  Valentin 
Wick  von  Ulm,  die  andere  auf  Hans  Waldner  von  Fahingen.  Der  Wort- 
laut  ist  mutatis  mutandis  der  gleiche ;  ich  teile  die  Fassung l)  fur  die  Bruder 
Wick  mit  und  luge  die  Abweichungen  bei  Waldner  in  Klammern  bei. 

>Anno  XLVII  sampstag  den  achtzehenden  tag  februarii  sind  (ist  Hans  Waldner 
von  Fahingen)  Jacob  unnd  Veltin  Wick  gebrudere  von  Ulm,  die  turnblaser,  zn 
blasern  bestetigt  unnd  angenomenn.  Habend  der  Trumpettern  ordnung  geschworen 
unnd  ist  inen  ir  Ion  gebessert,  allso  das  man  Jacoben  hinafur  alle  wuchen  ein 
pfund  alls  dem  hochbleser  unnd  (>unnd«  bis  »3«  fehlt)  Veltin  Wicken  dem  znhalter 
wuchenlich  XVI  £  unnd  darzu  ir  jedem  (>ir  jedem*  fehlt)  uff  pfingsten  sin  rock- 
gellt  unnd  dann  aber  inen  beden  (»ime<  statt  >inen  beden<)  alle  fro  fas  ten  in  ge- 
mein  (>in  gemeinc  fehlt)  ein  pfundt  an  iren  huszzinsz  zu  stur  (»unnd  yezt  zn  an- 
fang  sines  dienstes  V  ellen  tuch  zu  eim  rock<)  ze  geben  zugesagt.  Sollend  ir 
ordnung  getruwlich  halten  unnd  wan  sy  den  dienst  nit  me  behalten,  den  ein 
viertel  jars  zevor  absagen  unnd  ouch  dessen  vor  derselben  zit  one  ein  raths  sonder 
willen  nit  ledig  gelassen  werden.  < 

Besonders  bemerkenswert  ist  die  Unterscheidung  eines  Hochblasers  und 
eines  Zuhalters,  wobei  der  erste  besser  als  der  zweite  besoldet  ist.  Man 
wird  daraus  folgern  diirfen,  dati  die  Musikanten  des  16.  Jahrhunderts  in  der 
Kegel  zweistimmig  bliesen,  und  die  weitere  Yermutung  liegt  nahe,  da£  sich 
hier  schon  die  akkordische  volkstumliche  Zweistimmigkeit  ausgebildet  habe, 
fur  die  aus  der  Literatur  der  Zeit  noch  kaum  Belege  beizubringen  sind. 

Ein  etwas  leichter  Patron  scheint  Hans  St  re  if  von  Weil  in  Wurttemberg 
gewesen  zu  sein,  welch er  » trumpeter  von  dem  Rat  uff  sin  bitten  zu  turn- 
blasern  und  wachtern  angenommen,  daruff  er  uns  den  21.  Marz  1545  an  den 
dienst  geschworen,  hat  auch  denselben  by  den  XX  wuchen  versehen«,  ist  dann 
aber  von  einem  erbetenen  Urlaub,  >unbetrachtet  siner  eer  und  eides  nit 
me  widerkommen«  2). 

1)  Nach  dem  Basler  Urkundonbuch  X.  hsg.  v.  R.  Thomen  S.  336ff. 

2)  Ebenda  S.  337. 


Karl  Nef,  Die  Stadtpfeiferei  und  die  Inatrumentalmusiker  id  Basel.       397 

Der  Rat  besoldete  nicht  nur  seine  eignen  Musiker,  sonderu  beschenkte 
im  15.  und  16.  Jahrhundert  bei  Besuchen  durch  hohe  Gaste  in  iiblicher 
Weise  auch  die  Spielleute,  die  diese  init  sich  fiihrten.  Bei  Empfang  des 
Kaisers  Friedrich  am  8.  September  1473  wurden  den  zur  >cantdye  imperii* 
gehorenden  »p  filler  en  und  trumpeteren  10  gulden* ,  dem  »herolt  Kilian 
4  gulden «  gegeben,  beim  Einzug  des  romischen  Konigs  Maximilian  am 
13.  April  1493  >den  trumpetern  und  pfitfern  10  gulden*.  1508  »bei  Ab- 
holung  Bruder  Fritschius*,  einer  Fastnachtpuppe,  die  im  Scherz  von  den 
Baslern  den  Luzernern  gestohlen  worden  war  und  von  den  letztern  mit  groBem 
Pomp  zuruckgeholt  wurde,  findet  sicb  der  Eintrag: 

»Item481ib.  12  8  8  d  den  weyblen,  botten,  spill  utten  und  narren  geechenckt*1). 

1601  erfahren  wir  die  Nameu  einiger  Basler  Musiker,  die  am  13.  Mai 
-supplicieren,  die  frombden  hie  in  wurtzheusern  baltende  spielleute  hinweg- 
zuschaffen*.  Die  Supplikanten  sind  Jobann  Dittelbacb  und  mithaffte, 
niimlich  Matthias  Dittelbach,  Jacob  Dittelbacher ,  Bernbardtus  G.  Gall, 
Hans  Georg  Baumgarttner,  Blasius  B-eindle  und  Henricus  Harkger2]. 
Die  Klagen  iiber  die  Konkurrenz  der  Fremden,  die  ja  iiberall,  in  alien 
Stadten  erhoben  wurden,  wiederbolen  sicb  in  spateren  Zeiten  noch  mehrmals. 
Am  1.  Februar  1738  beschweren  sich  Melchior  Waltz,  Keinricb  Berr6, 
Andreas  Seiiil  und  Friedrich  Br  audi  in  beim  Kleinen  Brat  iiber  die  »8tiimp- 
leren  Hintersassen  < ,  weil  diese  den  bUrgerlichen  den  Verdienst  wegnahmen, 
>die  wir  uns  doch  so  schulden  als  willig  bei  alien  sowobl  Kirchen-Frohn 
unci  Doctor-Musiquen  zu  sagen  gratis,  auf  allerband  Instrumenten  gebrau- 
chen  lassen ,  wie  nicht  minder  der  Ehrenden  Zugang  in  das  hocblobliche 
Collegium  musicum  haben.<  Sio  wiinschen,  daB  » wir  Burger  zu  alien  Hoch- 
zeithen,  Tanze  und  Musiques  verdinget  werden.<  Zur  Erklarung  muB  bei- 
geftigt  werden,  daB  nach  der  Zunfteinteilung,  in  die  noch  im  18.  Jahrhundert 
jeder  Burger  eingeordnet  sein  muBte,  die  Musiker  der  akademischen  Zunft 
zugehorten;  wenn  sie  das  akademische  Biirgerrecht  erhielten,  wurden  sie  dazu 
verpflichtet,  bei  den  offentlichen  Auffuhrungen,  insbesondere  bei  den  » akade- 
mischen Musiquen,  als  bey  Einfuhrung  des  Rectors  des  Decans  Philosophic i 
unter  der  Direktion  des  Professoris  Musices«3)  mitzuwirken.  Erfolg  scheinen 
die  Klagen  der  Musiker  nie  gehabt  zu  habeii,  der  Rat  war  in  diesem  Punkt 
schon  immer  fiir  Gewerbefreiheit. 

Bis  ins  zweite  Jahrzehut  des  19.  Jahrhunderts  lassen  sich  von  der  Stadt 
besoldete  Blaser  nacbweisen.  Sie  wurden  in  der  spateren  Zeit  namentlich 
als  Turmblaser  verwendet,  als  was  sie  schon  im  16.  Jahrhundert  bezeichnet 
werden.  DaB  auch  in  Basel  die  schon e  Sitte  des  Blasens  vom  Turin  herab 
am  Morgen  und  Abend  bis  ins  18.  Jahrhundert  hinein  sich  erhalten  hat, 
geht  aus  folgendem,  am  6.  April  1748  gefaBten  BeschluB  des  Kleinen  Rates 
der  Stadt  hervor: 

>Sollte  von  ldbl.  Dreieramt  der  [stadtischen  Finanzkommission]  sammtlichen 
Thurmblaseren,   daC  sie  bei  Straf  der  Inn  Behaltung   ihres    Salarii    kunftigs 

1)  Nach  den  gedruckten  Chronikalien  der  Ratsbficher,  Basler  Chroniken,  Bd.  IV 
1890.    S.  73,  S.  82  u.  S.  161. 

2)  Das  ge8amte  Material  iiber  diese  Beschwerdeeachen  in  den  Akten:  Handel 
und  Gewerbe  KKK  6.— 

3)  Aus  einem  Schreiben  des  Rektors  der  Universitat  De  la  Chenal  vom 
25.  Juli  1796. 


398       Karl  Nef,  Die  Stadtpfeiferei  und  die  Instrumentalmusiker  in  Basel 

ihr  Ambt  beszer  tun,  aach  gewohnlichen  massen,  sowohl  des  Abends  als  Morgeni 
geistliche  Lieder  blasen,  angezeigt  werden*1). 

Bis  weit  ins  18.  Jahrhundert  hinein  scheinen  sie  aber  bei  alien  offiziellen 
Taten  mitwirken  haben  zu  miissen,  wenigstens  ist  dies  aus  dem  Jahre  1748  fur 
den  jahrlichen  Bannritt,  bei  dem  die  den  Namen*  >Gescheid«  flihrende  Grenz- 
steinkommission  die  Grenze  abritt,   urkundlich  belegt2). 

Von  der  zweiten  Halfte  des  17.  Jabrhunderts  an  wurden  die  Blaser  (wie 
an  vielen  Orten  der  reformierten  Scbweiz)  auch  zur  Unterstiitzung  des  Kir- 
cbengesangs  verwendet.  1663  bittet  Bernhard  Bechler,  Trompeter  nnd 
Musikus  aus  Magdeburg,  um  Gehaltserhohung,  da  er  dazu  angestellt  worden 
sei  »bei  dem  Kircbengesang  im  Munster  allbier  mitzublasen  des  Zinkens 
umb  mehrere  Erbaltung  des  Gesangs  willen3).* 

1705  wird  der  Gesang  durcb  »Posaunisten«  untersttttzt  im  Munster,  zu 
St.  Peter  und  St.  Theodor,  und  die  St.  Leonbardtskircbe  wiinscht  eb  en  falls 
solcbe  UnterstUtzung ;  als  Blaser  an  der  letzteren  werden  genannt  1706  Se- 
bastian Bachler  Zinkenist,  Moses  Lore  Posaunist,  1762  Joh.  Heinrich 
Keller  Zinkenist  (Kirchenakten  J.  14).  —  Den  6.  November  1710  wird 
bestimmt,  dafi  die,  wie  es  scbeint,  bis  dabin  zu  St.  Martin  als  Turmblaser 
angestellten  Waltz  und  Bachlin  »nebst  Ha  user  dem  Posaunisten«  auf  dem 
Munster  gebraucbt  werden  sollen.  Waltz  wird  als  »Direktor<  bezeichnet. 
(Kircben  Akten  J.  3). 

Um  Erbaltung  der  Blasmusik  und  fur  Nachwucbs  an  Blasern  scbeint  man 
ernstlich  besorgt  gewesen  zu  sein.  Nach  dem  Kleinen  Bats-Protokoll  machte 
das  Musikkollegium,  das  in  alien  stadtischen  Musikangelegenbeiten  die  kom- 
petente  Instanz  war,  eine  Eingabe  um  Geldunterstutzung  fur  einen  Knaben 
uamens  Butsch,  der  wahrend  fiinf  Jahren  bei  seinem  Lebrer  Waltz  Posaune 
und  Zinken  lernen  solle,  wofiir  Waltz  200  Pfund  forderte.  Darauf  erfolgte 
am  6.  April  1748  der  Beschlufi,  es  solle  >der  junge  Butsch  under  der  Di- 
rektion  eines  lobl.  Collegii  Musici  bei  dem  H.  Waltz,  umb  dehne  sowohl  in 
dem  Posaunen-  als  sonderheitlich  auch  in  dem  Zinkenblasen  zn  unterrichten, 
in  die  Lehr  verdungen  und  von  Seiten  meiner  G.  HH.  tgnadigen  Herren 
das  Lehrgelt  fur  ihne  bezahlet,  dabei  aber  diesem  jungen  Butsch,t,dasz  er 
sich  bei  Verlust  seines  Burgerrechts  in  seiner  erlernenden  Kunst  auf  jewei- 
ligen  Befehl  zu  obrigkeitl.   Gebrauch  bereit  halte,  insinuieret  werden.* 

1800  zeigte  die  Verwaltungskammer  im  Kantonsblatt  an,  die  Besoldung 
der  Zinkenisten  solle  mit  Ende  des  Jahres  aufhoren.  Der  Antistes  wurde 
aber  vom  Kirchenrat  beauftragt,  Vorstellungen  zu  machen,  denn  die  Zinke- 
nisten seien  sonderlich  im  Munster  zur  Uuterstutzung  des  Gesanges  (nebeo 
der  Orgel)  sehr  notig.  Entgegen  der  Meinung  Biggenbach's,  dessen  »Kir- 
chengesang  in  Basel*4)  wir  diese  Mitteilung  entnehmen,  scheint  er  nochmals 
Erfolg  gebabt  zu  haben,  denn  1814  wird  noch  eiue  Zurechtweisung  der 
bei  den  Blaser  im  Munster  Munziuger  und  Meyer  erwahnt,  denen  mit 
Dienstentlassung  gedroht  wird.  Yielleicht  ist  sie  erfolgt,  jeden falls  sind  die 
Kirchenblaser  bald  nachher  verschwunden.  Frtiher  schon,  wahrscheinlich  noch 
vor  AbschluB  des  18.  Jahrhunderts,  scheint  die  Sitte  des  Turmblasens  den 
neuen  Anschauungeu  zum  Opfer  gefallen  zu  sein. 

1)  Freundl.  Mitteil.  d.  Herrn  Dr.  Th.  Burckhardt-Biedermann. 

2)  Eatalog  der  Musikinstrumente  im  Histor.  Museum  Basel  S.  10. 

3)  Nach  P.  Mayer,  Basl.  Jahrbuch  1884,  S.  181.  (St.  77.  C.  2. 

4)  Beitrag  z.  vaterl.  Geschichte.  IX.  S.  471. 


A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunstl.  usw.     399 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  einstimmigen  weltlichen 
Kunstliedes  in  Frankreich  im  17.  Jahrhundert. 

Von 

Amalie  Arnheim. 

(Berlin.) 

Ebenso  wie  in  Deutschland  ist  aach  in  Frankreich  der  Geschichte  des  ein- 
stimmigen Kunstliedes  im  17.  Jahrhundert  erst  in  jungster  Zeit  von  den  Musik- 
historikern  mehr  Beachtung  geschenkt  worden.  W&hrend  sich  die  franzdsischen 
Literarhistoriker  schon  frflher  eingehend  mit  den  Dichtern  des  16.  und  17.  Jahr- 
hunderts  beschaftigten,  ist  far  den  Musikgelehrten  noch  viel  zu  tun  ubrig  geblieben, 
und  man  hat  erst  in  den  letzten  Jahren  begonnen,  durch  kleine  Spezialarbeiten 
eine  Geschichte  des  franzdsischen  Liedes  vorzubereiten.  Daher  steht  an  musik- 
historischen  Werken  dem  Bearbeiter  des  einstimmigen  franzdsischen  Liedes  noch 
keine  reiche  Literatur  zur  Verfugung.  Julien  Tier  sot's:  Histoire  de  la  chanson 
populaire  en  France  (Paris,  1889)  bringt  nur  in  den  Eapiteln:  >Les  chansons  dc 
danse*,  >La  chanson  a  boire*,  >La  chanson  populaire  et  la  monodie  francaise*  einiges 
Wichtige  for  die  Entwicklung  des  Kunstliedes,  stellt  aber  die  Geschichte  des  Yolks- 
liedes  selbstverst&ndlich  in  den  Vordergrund.  WeckerlinV.  Les  chansons  po- 
pulates du  Pays  de  France  (Paris,  1903)  enthalten  auch  einige  fur  das  einstimmige 
Konstlied  in  Betracht  kommende  historische  Bemerkungen.  Lavoix  fils  gibt  in 
seinem  Buch:  La  musique  francaise  (Paris,  1891)  eingehendere  Berichte,  die  an  der 
Hand  der  Sammlungen  selbst  nachgeprfift  werden  konnten.  Michel  Brenet's:  Les 
concerts  en  France  sous  Vancien  regime  (Paris,  1900)  ist  durch  die  Aufzeichnung  von 
weniger  bekannten  Quellen  wichtig,  deren  Studium  fur  die  Geschichte  des  Liedes 
unerlaBlich  sind.  Wertvoll  ist  auch  eine  holl&ndische  Publikation:  Musique  £ 
Musiciens  au  XVII.  Steele  par  W.  J.  Jonckbloet  et  J.  P.  N.  Land  (Leyden,  1882), 
welche  den  Briefwechsel  und  die  musikalischen  Werke  des  niederl&ndischen 
Dichters  Constantin  Huygens  enthftlt  und  uber  die  bekanntesten  franzdsischen 
Liederkomponisten  des  17.  Jahrhundeits,  die  mit  Huygens  in  Verbindung  standen, 
interessante  Aufschltlsse  gibt. 

Eine  ausfOhrlichere  Mitteilung  und  Kritik  aller  Werke,  die  mit  mehr  oder 
minder  eingehenden  Bemerkungen  fur  die  Geschichte  des  franzdsischen  Liedes  in 
Betracht  kommen,  wurde  hier  zu  weit  fQhren.  Es  seien  aber  von  neueren  franzd- 
sischen Werken  eine  Publikation  der  Societe  des  anciens  textes  francais,  und  zwar 
Chansons  du  XVsieele  par  Gaston  Paris  et  Auguste  Gevaert  (Paris,  1876),  Van- 
derstraeten:  La  musique  aux Pays-Bas  [BrUBBel,  1867— 88),  Nuitter  etThoinan: 
Les  originesde  V opera  francais  (Paris,  1886),  Henri  Quittard:  Henry  Dumont  (Paris, 
1906)  wenigstens  erwahnt,  von  alteren  Werken  DelaBorde:  Essay  sur  la  musique 
ancienne  et  moderne  (Paris,  1780),  die  Vorreden  in  den  Chansonsammlungen  des  17.  u. 
18.  Jahrhunderts  usw.  Namentlich  ist  hier  die  Vorrede  zu  der  Anthologie  francaise*) 
aus  dem  Jahre  1765  zu  nennen.  Herausgeber  ist  Monnet,  der  bekannte  Mitbe- 
grtknder  der  Opera  comique  als  eines  selbst&ndigen  Theaters.  Die  Vorrede,  von 
Meusnier  de  Qaerlon3),  gibt  einen  guten  Oberblick  fiber  die  Entwicklung  der 

1)  Anthologie  francoise  ou  Chansons  choisies  depuis  le  13.  Steele  jusqu'a  present. 
Preeedees  dun  memoire  historique  sur  la  chanson  par  Meusnier  de  Querlon.  (Paris, 
1765.)    3  B&nde.  2)  Querlon  war  Redakteur  der  Oaxette  de  France  und 

der  Petites  affiches  de  Province. 


400     A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunstl.  usw. 

Chansons  vom  13. — 18.  Jahrbundert,  hauptsachlich  freilich  vom  literarischen  Ge- 
sichtspunkt.  In  Deutschland  sind  ffir  die  frtiheren  Jahrhunderte  und  fur  die  Ent- 
stehung  der  Liedformen  die  rflhmlich  bekannten  Arbeiten  yon  F.  Wolf1)  und 
K.  Bartsch*)  zu  nennen,  auch  ein  Werk  von  Earl  Ernst  Schneider:  >Das  musi- 
kalische  Lied  in  geschichtlicher  Entwicklung«  (Leipzig,  1863—65}  wenigstens  als 
Versuch  zu  erwahnen. 

Von  literarischen  Quellen  seien  noch  Titon  du  Til  let,  Le  Pamassc  frantois 
(Paris,  1732),  die  biographiechen  Arbeiten  fiber  Ron  sard3],  Malherbe4)  usw.  hervor- 
gehoben,  auBerdem  ein  Aufsatz  von  Ch.  Comte  und  P.  Laumonier  in  der  Revue 
(Vhistoire  litteraire  de  la  France  (1900):  *Ronsard  et  les  musiciens  du  XVI si&cle*. 

Von  kleineren  Spezialarbeiten  sind  ein  Aufsatz  von  J.  Tiers ot:  Hansard  ct  la 
musique  dc  son  temps  Sammelbande  der  IMG.  1902—03}  eingesehen  worden,  einige 
Arbeiten  im  Bulletin  francais  dc  la  societe  Internationale  de  musique,  die  erst  kfirz- 
lich  erschienen  sind:  Vhumanisme  musical  en  France  au  XVI*  Steele  von  Paul  Maria 
Masson  (1907),  Ijcs  airs  de  cour  cTAdrienlc  Roy  von  Janet  Dodge  (1907),  La  pre- 
miere comedie  francaise  en  musique  von  Henri  Quittard  (1908.,  Arbeiten,  nach 
deren  Titel  man  Aufschlusse  fur  die  Geschichte  des  einstimmigen  Liedes  kaum 
vermuten  konnte.  Hauptquelle  fur  diese  Mitteilungen  sind  aber  die  Sam  ml  un  gen 
selbst  mit  ihren  kulturhistorisch  oft  wichtigen  Vorreden,  auBerdem  Marin  Mer- 
senne'e  Harmonic  universeUe  (Paris,  1636—37)  und  die  fur  das  18.  Jahrbundert 
wichtige  Gesangschule  von  B£nigne  de  Bacilly:  Remarques  curieuses  sur  Pari  de 
bien  chanter  et  pariiculieremeni  pour  ce  qui  regarde  le  chant  francois  (Paris,  1679 
die  noch  kurzlich  von  Hugo  Goldschmidt  in  seiner  >Lebre  von  der  vokalen 
Ornamentik*  (Charlottenburg,  1907j  herangezogen  worden  ist. 

Es  ist  bekannt,  dafl  die  ersten  einstimmigen  Kunstlieder  in  Frankreich 
von  den  Troubadours  und  Trouveres  gedichtet,  komponiert  und  gesungen 
wurden.  Ebenso  wie  bei  den  deutschen  Minnesangern  zeigt  sich  auch  hier 
das  Streben  nach  eigner  Poesie  und  einer  Musik  mit  starker  ausgepragtem. 
personlichem  Charakter,  die  sich  neben  dem  Volksliede  entwickelt. 

Zuerst  sind  Dichter  und  Komponist  dieselbe  Person,  nach  und  nach  nndet 
aber  eine  deutliche  Trennung  zwischen  Wort  und  Vertonung  des  Wortes 
statt,  die  von  Jahrhundert  zu  Jahrhundert  zunimmt.  Das  14.  Jahrhundert 
bringt  noch  einige  Beispiele  des  Zusammenwirkens.  Guillaume  de  Machault 
und  Jehan  de  Lescurel5  sind  noch  Dichter  und  Komponisten  ihrer  ein- 
und  mehrstimmigen  Lieder.  Dann  werden  aber  die  Aufgaben  fur  die  Kunst 
des  Dichters  immer  grotier.  Die  Regeln  vermehren  sich,  es  entstehen  neue 
Formen,  die  ballade,  das  rondeau,  der  chant  royal,  der  lai  usw.,  alle  nur  fur 
den  Gesang,  fur  eine  musikalische  Wiedergabe  bestimmt. 

Durch  den  Fortschritt  der  allgemeinen  und  literarischen  Kultur  wird  eine 
Scheidung  zwischen  Yolks-  und  Kunstlied  immer  mehr  bemerkbar,  und  schon 
Eustache  Deschamps,  ein  Dichter  des   14.  Jahrhunderts,  sagt: 

1)  F.  Wolf,  Ober  die  Lais,  Sequenzen  u.  Leiche.    Heidelberg,  1841. 

2;  K.  Bartsch,  Altfranzflsische  Eomanzen  und  Pastourellen.    Leipzig,  1870. 

3)  (Euvres  completes  dc  Ronsard,  Edition  Blanchemain.  (Paris,  1867.)  VIII.  Band. 
Etude  sur  la  vie  de  P.  de  Ronsard. 

4)  Malherbe,  (Euvres  poetu/ues  (Edition  Blanchemain;.  R a c a n  ,  (Euires. 
(Paris,  1875.) 

5;  Von  Jehan  de  Lescurel  ist  ein  Rondeau:  *Plainte  de  celle  qui  n'est  pas 
aimee*  in  den  Chansons  de  la  vieiUe  France,  vingt  melodies  et  chansons  du  XUt  au 
XVIF  siecle,  herausgegeben  von  Julien  Tiers  ot,  neugedruckt. 


A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunstl.  usw.     401 

•Est  a  scavoir  que  nous  avons  deux  musiques,  Vune  artificielle  et  V autre  vatu- 
relit*  * . 

Aber  bis  in  das  16.  Jahrhundert  hinein  bleibt  der  Name  dee  Monodisten, 
des  Komponisten  einstimmiger  Kunstlieder,  wie  der  des  Volkslieddichters 
ungenannt,  und.  nur  die  Arbeit  der  Dichter  wie  der  Komponisten  lebt  in 
den  musikalischen  Sammlungen  Hirer  Zeit  weiter2).  So  findet  man  z.  B. 
Dichtungen  Bonsard's,  Malherbe's,  Marot's  und  anderer  Dichter  des 
16.  Jahrhunderts  in  den  Sammlungen  von  Attaignant,  Le  Boy  und 
Ballard,   ohne  daft  ein  Name  erwahnt  ist. 

'  Bon  sard,  der  prince,  des  poetes,  wie  die  Akademie  der  jeux  flora  ux 
von  Toulouse  ihn  nannte,  das  Haupt  einer  Dichterschule,  der  man  spatcr 
den  Namen  Pleiade  gab,  ist  vielleicht  der  einzige,  der  als  Dichter  mehr- 
stimmiger  Sonette  und  Madrigale  neben  den  bedeutendsten  Komponisten 
seiner  Zeit  genannt  wird.  Aber  aus  dem  16.  Jahrhundert  ist  uns  nur  ein 
einziger  Band  mit  chansons  monodiques  erhalten,  in  dem  auch  Bonsard  als 
Dichter  vertreten  ist,  und  der  bis  vor  kurzer  Zeit  in  der  Bibliotheque  royale 
in  Brussel  aufbewahrt  wurde ,  jetzt  aber  verschwunden  sein  soil.  In  dem 
Titel  dieser  Sammlung3)  heifit  es  weiter,  daft  sie  die  verschiedensten  belieb- 
testen  Verse  alter  und  moderner  Dichter  enthalte,  denen  auf  eine  neue  Art 
ihre  alte  Melodie  untergelegt  worden  sei,  damit  sie  uberall  gesungen  oder 
durch  Instrumente  vorgetragen  werden  konnten.  Ob  diese  Sammlung,  in  der 
weder  der  Name  eines  Dichters  noch  eines  Komponisten  genannt  ist,  tat- 
sachlich  Melodien  enthalt,  die  fur  eine  einzige  Stimme  komponiert  wurden, 
ist  nicht  mehr  festzustellen.  Jedenfalls  gehort  diese  Sammlung  zu  den  sehr 
seltenen  Beweisen,  daft  einstimmige  Melodien  schon  in  der  ersten  Halfte  des 
16.  Jahrhunderts  gesungen  und  gedruckt  wurden.  Im  allgemeinen  war  fast 
aller  Kunstgesang  in  dieser  Zeit  noch  polyphon,  die  Volksmelodien  wurden 
im  16.  Jahrhundert  als  Lied  mit  Text  noch  nicht  einzeln  gedruckt.  Ein 
Sologesang  bestand  meist  aus  Entlehnungen  der  polyphonen  Werke.  Ge- 
wohnlich  wurde  die  obere  Stimme  gesungen  und,  je  nach  dem  personlichen 
Geschmack  des  Sangers,  durch  Verzierungen  etwas  verandert.  Die  andern 
Stimmen,  entweder  von  einem  oder  mehreren  Instrumenten  vorgetragen,  bil- 
deten  die  Begleitung.  Zu  dieser  bediente  sich  der  Sanger  der  Laute  oder 
der  Gitarre,  und  als  eine  der  ersten  Formen  des  Sololiedes  tritt  in  alien 
Land  era  Europas,  auch  in  Frankreich,  fast  allgemein  eine  Bearbeitung  der 
Madrigale  fur  Solostimme  und  Lautentabulatur  auf,  von  denen  Sammlungen 
erhalten  sind. 

In  den  letzten  Jahrzehnten  des  16.  Jahrhunderts  beginnt  nun  eine  neue 
Liedgattung  in  Frankreich,  die  Airs  de  cour,  als  Sololied  zur  Laute,  die  Be- 
ll Art  de  dictier  et  fkre  chansons,  ballades,  virelais  et  rondeaulx.   Vgl.  J.  Tiersot  1 
(Histoire  etc.):  a.  a.  0.  p.  430.     Ober  Deschamps:    Poesies  morales  et  historiques 
(TBustache  Deschamps  (Edition  Crapelet,  1832). 

2)  J.  Tiersot  1:  a.  a.  0.  p.  432. 

3)  Le  Recueil  des  plus  belles  et  exceUentes  cfiansons  en  forme  de  Voix-de-Ville,  tirces 
de  divers  autheurs  tant  anciens  que  modernes,  auxquelles  a  tie  nourellement  adapter 
la  musique  de  leurs  chants  communs  afin  que  chacun  les  puisse  chanter  en  quelquc  lieu 
qu'il  se  trouvera  tant  de  voix  que  sur  les  instruments.  Par  Jehan  Chardavoine  de 
Beaufort  en  Anjou.  (A  Paris,  Claude  Micart,  au  clos  Bruneau,  &  Tenseigne  de  la 
Chaise,  1676).  Vg).  J.  Tiersot  1:  a.  a.  0.  p.  228  u.  Tiersot  2:  (Ronnard  etc.)  a.  a. 
0.  p.  132. 


402     A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kanstl.  osw. 

arbeitungen  mehrstimmiger  Madrigale  zu  verdrangen  1).  Auf  diese  Airs  de 
cour,  in  deren  Namen  schon  das  Bestreben  ausgedriickt  ist,  eine  mehr  kunst- 
liche  und  kiinstlerische  Form  des  Liedes  gegeniiber  den  voix  de  viUe  zu 
schaffen,  blieb  die  Volksmusik  nicht  ohne  EinfluB,  und  bald  finden  sich  unter 
der  Bezeichnung  air  de  cour  die  verschiedenen  musikalischen  Liedformeu 
vereinigt.  So  gab  Adrian  le  Roy2)  1571  ein  Livre  (Fairs  dc  cour  mix  sur 
le  Luih  heraus.  In  der  Vorrede,  die  Katharina  von  Clermont,  einer  com- 
tesse  de  Rctz,  gewidmet  ist,  sagt  er,  dafi  er  dieses  kleine  Werk  von  leichteren 
chansons  de  la  cour  —  frtther  voix  de  viUc,  jetzt  aber  air  de  cour  genannt 
—  ihr,  als  geschickter  Lautenspielerin  zueigne,  und  dafi,  wenn  aucb  die  musi- 
kalischen Harmonien  nicht  den  ersten  Meistern  an  die  Seite  zu  stellen  seien, 
die  Texte  wenigstens  den  bedeutendsten  Dichtern  —  Ronsard,  Desportea  und 
anderen  —  zugehorten. 

Voraussicbtlicb  hat  sicb  Le  Roy's  Tatigkeit  darauf  beschrankt,  die  Be- 
gleitung  der  Lieder  auf  die  Lautentabulatur  zu  iibertragen  und  zuweilen  die 
2.  Strophe  in  der  Begleitung  etwas  zu  verandern3).  Ob  die  Melodie  dei 
Lieder  von  Le  Roy  selbst  herriihrt  oder  der  Volksmusik  entnommen  wurde 
ist  nicht  genau  festzustellen.  Jedenfalls  sind  einige  Melodien  nicht  volks- 
liedmafiig.  Versuche  eines  rezitativischen  Stiles  usw.  zeigen  das  Bestreben 
und  den  Wunsch,  neue  Wege  zu  entdecken  und  einzuschlagen.  Die  Samm- 
lung  besteht  aus  22  Nummern,  enthalt  Gedichte  von  Ronsard,  Bai'f4),  Des- 
portes5),  Sillac,  Pasquier6),  und  es  ist  hervorzuheben,  dafi  die  Dichter  bei 
einigen  Liedern  genannt  sind.  Auf  die  Dichtungen  selbst  hier  naher  ein- 
zugehen,  wiirde  zu  weit  fuhren ;  dem  Inhalte  nach  sind  es  vorwiegend  Liebes- 
lieder  und  Naturschilderungen.  Interessant  ist  nun  ein  Vergleich  der  Kom- 
position  des  Liedes  von  Ronsard:  *quand  ce  beau  printemps  je  voi*  in  der 
Sammlung  bei  Le  Roy  1571  und  in  dem  schon  mehrfach  erwahnten  JRecutU 
einstimmiger  Lieder  bei  Chardavoine  1576.  Da  sich  die  Melodie  bei  Charda- 
voine  in  einer  Ausgabe  der  Chansons  de  P.  de  Ronsard,  Ph.  Desportrs  e\ 
autres,  mises  en  musique  par  Nicolas  de  la  Grotte,  vallet  de  chambre  ct  orgamste 

1)  Schon  aus  friiherer  Zeit  haben  sich  Eompositionen  fur  Solostimme  und  Lante 
in  Spanien  erhalten.  Ein  Beispiel  dafQr  sind  die  spanischen  Romansen  und  por- 
tugiesischen  Villanciros  von  Luis  Milan  aus  dem  Jahre  1536  in  Les  Luthistes  es- 
pagnols  du  XVIe  si&cle  par  6.  Morphy.    (Leipzig,  1902.) 

2)  Adrian  Le  Roy  war  Lautenspieler,  Komponist  und  einer  der  berfihmtesten 
Musikdrucker  in  Paris.  Man  findet  seinen  Namen  neben  dem  seines  Schwa- 
gers  Rob.  Ballard  als  Imprimeur  du  Roy  auf  alien  Liedsammlungen  jener  Zeit. 
Vg].:  Michel  Brenet:  La  librairie  musicale  en  France,  etc.  (Sammelbande  der  IMG. 
VIII.  3.  p.  401  ff.) 

3)  Dieselbe  Eigenttimlichkeit,  Veranderung  der  zweiten  Strophe,  auch  bei  den 
spanischen  Romanzen  in  der  schon  zitierten  Publikation  von  Morphy. 

4)  BaTf:  (Euvres  en  rime.  Herausgegeben  von  Marly-Laveaux  (Paris.  1881 
-91;  5  Biinde. 

6)  Desportes:  Oeuvres,  herausgegeben  von  Michiels.  (Paris,  1858.)  Desportet 
ist  bekannt  als  Verfasser  des  Gedichtes:  Rosette,  pour  un  peu  d  absence,  das  sich 
bereits,  einstiramig  gedruckt,  in  der  schon  erwahnten  Sammlung  von  Charda- 
voine (1576)  findet.  Zu  einer  funfstimmigen  Komposition  ist  das  Gedicht  von 
Jan  Sweelinck  verarbeitet  (Neuausgabe  von  Max  Seiftert).  Auch  Heinrich  Albert 
hat  den  Text,  in  der  ftberarbeitung  von  Simon  Dach,  in  den  >Arien*  benuttl 
Er  ist  als  Nr.  21  in  den  >Denkmalern  deutscher  Tonkunst*  (Bd.  XIII.  1904)  mit  der 
ttberschrift:  Rosette,  pour  un  peu  <T  absence  etc.  neugedruckt. 

6)  flber  Pasquier:  Mersenne:  (Seconde  partie.    Livre  cinquieme)  pag.  492. 


A.  Arnheim,  Kin  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunstl.  usw.     403 

du  Boy  (Paris,  Le  Roy  et  Ballard  1575)1)  findet,  ao  ist  sie  voraussichtlich 
zu  jener  Zeit  im  Publikum  beliebt  und  verbreitet  gewesen  und  nicht  original, 
w  ah  rend  Le  Roy's  Melodie  jeden falls  Kunstmusik  ist  und  durch  die  Lauten- 
begleitung  ganz  anders  wirkt,  obgleich  das  tonliche  Material  beider  Lieder 
fast  dasselbe  ist.  Beide  Melodien2)  haben  den  eigentiimlichen  Taktwechsel, 
der  ein  Kennzeichen  fur  die  ein-  und  mehrstimmigen  Lieder  des  16.  und 
17.  Jahrhunderts  ist. 

Mit  dem  Beginn  des  17.  Jahrhunderts  wird  die  Vereinigung  der  poesie 
savante  mit  einer  musique  savante*)  immer  enger.  Zwar  sind  schon  im  16. 
Jahrhundert  die  (Enivres  musicales,  die  Baif  fiir  die  Sitzungen  seiner  litera- 
rischen  Vereinigung  schrieb 4),  Gesange  zur  Laute ,  Chansons ,  in  denen  der 
Dichter  mit  den  bedeutendsten  Komponisten  wetteifert.  Doch  ist  es  charak- 
teristisch  in  der  Geschichte  der  franzosischen  Literatur,  dafi  die  Musik  nach 
und  nach  die  Poesie  und  selbst  die  Dichter  fast  in  den  Hintergrund  drangt, 
gerade  das  Gegenteil  der  Vorgange  im  18.  Jahrhundert,  wo  z.  B.  in  der 
dramatischen  Musik,  der  opira  comique,  der  Musiker  oft  gegen  den  Dichter 
zurucktritt. 

Der  Einflufi  der  chanson  populaire,  der  nach  einer  Trennung  von  Lyrik 
und  Musik  abgenommen  hatte,  macht  sich  dann  in  der  Zeit  der  Regierung 
Ludwigs  XIV.  wieder  geltend.  Die  Dichter  machen  Verse,  destines  a  etre  mis 
en  cW5),  Chansons  iiber  einen  bestimmten  timbre.*}  Damit  ist  eine  der  Eigen- 
tumlichkeiten  der  franzosischen  Liedkomposition  im  17.  und  18.  Jahrhundert 
naher  charakterisiert.  Dadurch,  dafi  derselben  Melodie  verschiedene  Texte 
untergelegt  wurden  und  es  fiir  denselben  Text  die  verschiedensten  Melodien 
gab,  ist  es  sowohl  bei  den  Volksliedern  als  auch  bei  den  Kunstliedern  oft  nicht 
mehr  moglich,  die  urspriingliche  Zugehorigkeit  festzustellen.  Ein  genauer 
Einblick  in  die  Chansonniers  des  17.  und  auch  des  18.  Jahrhunderts,  die 
als  Uberschrift  einen  solchen  timbre  bringen 7),  durfte  dieses  bestatigen.  Dazu 
kommt  noch  die  Sitte  des  sogenannten  Parodierens  oder  Parolierens,  d.  h. 
Instrumentalstiicken  Liedertexte  unterzulegen,  und  es  ist  kein  Zweifel,  dafi 
ein  Teil  der  Chansons  a  danser  und  Chansons  a  boire  in  den  einstimmigen 
Sammlungen  des  17.  Jahrhunderts  aus  solchen  Instrumentalstiicken  besteht, 
wie  noch  spater  gezeigt  werden  soil. 

Im  Laufe  des  17.  Jahrhunderts  nun,  das  in  Frankreich  durch  Corneille, 
Racine,  Moliere  usw.  literarisch  und  dramatisch  so  Bedeutendes  schuf,  macht 
auch  die  Musik  eine  grofie  Wandlung  durch.  Infolge  der  politischen  Wirren, 
durch  die  Kampfe  der  katholischen  und  protestantischen  Kirche  ist  am  Ende 
des  16.  Jahrhunderts  der  Einflufi  Spaniens  grofier  als  der  Italiens.  Aber  in 
Spanien  war  die  Zeit  der  grofien  musikalischen  Schulen  vo ruber.  Daher  be- 
vorzugte  man  auch  in  Frankreich  die  leichtere  Art  der  Melodie,   und  es  ent- 


1)  J.  Tiersot  2:  a.  a.  0.  p.  135. 

2)  Melodie  bei  Chardavoine  vgl.  Tiersot  2:  a.  a.  0.  p.  136;  bei  Le  Roy  vgl. 
Bulletin  francuis  de  la  S.  I.  M.  Ill  ann^e  No.  11  pag.  1136. 

3)  J.  Tiersot  1:  a.  a.  0.  p.  440ff. 

4)  Bekanntlich  wurde  dieee  Vereinigung  1570  durch  kdnigliches  Patent  zu  einer 
Academic  de  poesie  et  de  musique  umgewandelt. 

5)  J.  Tiersot  1:  a.  a.  0.  p.  440. 

6)  Pierre  Perrin:  Les  ceuvres  de  Poesie  (Paris,  1661)  Au  lecteur,  p.  111. 

7)  D.  h.  Die  erste  Versreihe  eines  bekannten  Liedes,  nach  der  das  neue  Gedicht 
gesungen  werden  soil. 

8.  d.  IMG.    x.  27 


404     A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einttimm.  welt].  Knnstl.  usw. 

stehen  die  Sammlungen  von  2-,  3-  und  4-stimmigen  Tanz-,  Trink-  und 
Liebesliedern,  die  uns  zum  Teil  noch  erhalten  sind  'J.  Nach  und  nach  mmcht 
sich  aber  wieder  italienischer  Einflufi  geltend.  Der  Hauptwert  wird  auf  die 
Kuust  des  Gesanges  gelegt,  das  Interesse  wird  wieder  fur  die  Musik  groBer 
ale  fur  die  Dichtungen.  Laute,  Gitarre,  Theorbe,  auch  das  Klavier,  das 
freilich  am  Ende  des  17.  .Tahrhunderts  wieder  fur  ungeeignet  gait2),  sind  die 
lnstrumente  fur  die  Begleitung  und  dienen  zur  Unterstiitzung  der  Lieder 
fur  eine  und  mehrere  Stimmen.  Auch  der  musikalisch  kunstlerische  Ge- 
schmack  hat  Fortschritte  gemacht.  In  den  ersten  Jahrzehnten  des  17.  Jahr- 
hunderts  bestehen  die  einstimmigen  Liedersammlungen  nur  aus  den  airs  de 
coury  spiiter  aus  den  sogenannten  brunettes,  kleinen  Liedern  mit  pastoralem 
Charakter,  die  gegen  das  Ende  des  17.  .Tahrhunderts  und  in  der  ersten  Halfte 
18.  Jahrhunderts  sehr  beliebt  waren  und  ihren  Namen  yon  dem  Refrain  eines 
der  altesten  Lieder:  Le  beau  berger  Tircis  herleiten  sollen3). 

Durch  den  groiien  Einflufl,  den  das  Theater  und  in  der  dramatischen 
Musik  Lully  ausiibten,  bildete  sich  nun  auch  ein  kuust  verstandigeres  Publikum, 
das  eine  kunstlerische  Art  von  Vokalmusik  forderte,  nicht  so  schwierig  wie 
die  Opernarien,  aber  geeignet  fur  Haus-  und  Konzertmusik.  So  entstehen 
die  Lieder  und  Komanzen  sammlungen,  die  Kan  tat  en,  die  dann  aus  dem  18. 
Jahrhundert  in  grotier  Anzahl  erhalten  sind. 

Die  einstimmigen  Liedersammlungen  mit  Lautenbegleitung  aus  dem  17. 
Jahrhundert,  von  denen  einige  interessante  nusfiihrlich  besprochen  werden 
sollen,  sind  verhaltnismaGig  zahlreich  und  durchweg  vorziiglich  erhalten.  In 
kunstlerischer  Weise  gedruckt  und  ausgestattet,  zeichnen  sie  sich  durch  schwung- 
volle  Widmungen  aus,  die  fast  nur  an  fiirstliche  Personen,  an  die  TJmgebung 
des  Konigs  oder  an  diesen  selbst  gerichtet  sind.  Den  Vorreden  folgen  meist 
verschiedene  Lobgedichte  fur  den  Komponisten  oder  Herausgeber,  wie  sie  ja 
im  17.  Jahrhundert  aus  den  Liedersammlungen  und  Suitensammlungen  in 
Deutschland  bekannt  sind.  Diese  Sammlungen  befinden  sich  zum  grofiten 
Teil  auf  den  Bibliotheken  in  Brilssel  und  Paris. 

Unter  den  Komponisten  dieser  airs  de  cour  mis  en  tablature  de  Lutii  wire 
zuerst  Antoine  Boesset  zu  erwahnen,  dessen  Sammlungen  aus  den  Jahren 
1620,  1621,  1623,  1624,  1626,  1628,  1632  eingesehen  worden  sind.  Boesset 
gait  unter  seinen  Zeitgenossen  fur  ein  en  sehr  bedeutenden  Komponisten. 
Wir  wissen  das  durch  Mersenne,  der  denjenigen,  qui  vetdent  apprendre  a 
/aire  de  bans  airs,  den  Rat  gibt,  aVimiter  les  meilleurs  maitres  tel  qu'est  main- 
tenant  le  Sieur  Boesset,  que  toute  la  France  considere  comme  un  Phoenix  en  cette 
matiereA).  Auch  von  dem  Dichter  Constantin  Huygens  sind  Briefe  an 
Boesset  erhalten,  als  er  diesem  die  Korrektur  seines  musikalischen  Werkef 
Pathodia,  tiber  das  noch  ausfUhrlicher  zu  sprechen  ist,  anvertraut  und  ihn  in 
seiner  infinie  fertilite  de  son  esprith)  begluckwiinscht.    In  bezug  auf  das  Leben 

1)  H.  Lavoix  fils:  a.  a.  0.  p.  180ff. 
2}  ibidem  p.  183. 

3)  »Le  beau  berger  Tircis*  ist  mit  dem  Titel  Vilanelle  in  dem  Recueil  des  plut 
beaux  vers  qui  ont  ete  mis  en  chant  (Paris  1661)  gedruckt.  Vgl.  auch  Bourdelot 
Histoire  de  la  musique  et  de  ses  effets  depuis  son  origine  jusqu'a  present:  en  quoi  eon- 
siste  sa  braute.  Tome  III.  (Amsterdam,  chez  M.  Charles  Le  Cene.  1726;  p.  96:  »Z* 
beau  berger  Tircis  attribuc  tantot  a  Camus,  tantot  a  Lambert. 

4)  Mersenne:  a.  a.  0.  Seconde  partie.  Livre  VI.  p.  363. 

5)  W.  J.  Jonckbloet  et  J.  P.  N.  Land:  a.  a.  0.  Correspondance  X  vom  5.  No- 
vember 1640. 


A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einetimm.  weltl.  Kunstl.  usw.     405 

Boesset's  ware  noch  hinzuzufugen.  daB,  nach  einem  Briefe  au  Huygens,  Boesset 
noch  im  Mai  1646  lebto,  also  nicht  wie  Fetis  und  nach  ihm  Eitner  meint, 
schon  1 643  gestorben  ist l).  Auf  den  Titeln  der  Liedsammlungen  nennt  sich 
Boesset  maistre  de  la  musique  de  la  chambre  du  Roy  et  de  la  Reyne.  Er  schrieb 
aber  auch  eine  Reihe  von  Balletten  fur  den  Hof,  die  nach  F6tis  und  Eitner 
fur  verschollen  galten.  In  den  Liedsammlungen  befindet  sich  nun  ein  grofler 
Teil  dieser  Ballette  zwischen  den  Airs  de  cour  eingestreut,  fur  Gesang  und 
Lautenbegleitung  eingerichtet,  sie  sind  also  glucklicherweise  wenigstens  zum 
Teil  nicht  verloren  gegangen. 

Die  Lieder  Boesset's  sind  im  Stile  ihrer  Zeit  geschriebeu.  Urspriinglich 
wohl  meist  fur  mehrere  Stimmen  gedacht,  ist  die  Oberstimme  der  Gesang- 
stimme  zuerteilt,  die  ubrigen  Stimmen  sind  auf  die  Laute  zur  Begleitung 
tibertragen,  genau  so  wie  es  schon  im  16.  Jahrhundert  bei  Le  Roy  und  noch 
friiher  bei  den  Spaniern  zu  finden  ist.  Dem  Inhalt  der  Texte  nach  sind  die 
Lieder  vorwiegend  Liebeslieder.  Auf  originale  Kompositionen  fur  eine  Solo- 
stimmc  weisen  die  Lieder  im  Rezitativstil  hiii,  die  sich  in  dieser  Zeit,  offen- 
bar  durch  den  EinfluC  dee  dramatischen  Stiles  der  Italiener,  im  Gegensatz 
zu  der  Chansonkompositibn  grofler  Beliebtheit  erfreuten  und  als  kiinstlerischer 
galten2).  Auch  die  spater  sehr  verbreitete  Form  der  Dialoge  findet  sich 
bereits  mehrfach  und  verschiedenartig  bei  Boesset:  unter  ihneu  fallt  besonders 
der  Dialogue  (Sun  amant  et  de  ses  yeux  durch  den  eigentumlichen  Text:  Mes 
yeux  oh  sont  vos  pleurs  auf3)  In  der  Sammlung  von  1620  begegnet  man 
dem  Nam  en  Guedrons4),  des  Schwiegervaters  von  Antoine  Boesset;  in  denen 
von  1626  und  1628  dem  Namen  Richard  als  Komponisten  von  Airs,  wohl 
Francois  Richard,  compositeur  de  la  musique  du  chambre  de  roy,  von  dem 
1637  eine  Sammlung  Airs  de  cour  erschienen  ist,  die  noch  ausfuhrlich  be- 
sprochen  werden  soil.  Auch  einige  wenige  Airs  von  Boesset  Fils,  dem 
Sohne  Antoine  Boesset's,  sind  in  der  Sammlung  von  1632  aufgenommen.  Jean 
Baptiste  Boesset,  der  berUhmteste  der  Boessets5),  war  um  1612  geboren,  also 
im  Jahre  1632  noch  ein  jugendlicher  Komponist  von  20  Jahren. 

Fur  die  deutsche  Liedkomposition  ist  Antoine  Boesset  deshalb  interes- 
sant,  weil  eines  seiner  Lieder:  du  plus  doux  de  ccs  traits9)  von  Heinrich 
Albert  mit  dem  Titel:  Von  der  gnadenreichen  Menschwerdung  zum  Text 
»Unser  Heil  ist  kommen«  benutzt  worden  ist.  Boessets  Air  befindet  sich 
in  seiner  Sammlung  von  1632,  fur  eine  Solostimme  mit  Lautenbeglei- 
tung, und  die  Parodierung  Alberts  nach  11  Jahren  ist  je  den  falls  ein 
Zeichen  fur  die  Beliebtheit  und  die   Verbreitung  von  Boesset's  Melodie.     In 

1)  W.  J.  A.  Jonckbloet:  a.  a.  0.  p.  XXIV;  p.  CLVII. 

2)  ibidem:  p.  LXX;  LXXX,  Brief  von  Mersenne  an  Huygens  vom  29.  No- 
vember 1640. 

3)  Airs  de  cour  avec  la  tablature  de  Luth  de  Antoyne  Boesset,  Surintendant 
de  la  musique  de  la  chambre  du  Roy  et  de  la  Reyne.  Treizieme  Livre.  a  Paris  .... 
(1626.)    p.  32. 

4)  Michel  Brenet:  a.  a.  0.  p.  43.  Vgl.  auch:  Weckerlin,  Musieiana  (Paris, 
1890)  p.  214. 

5)  Ch.  Nuitter  et  Fr.  Thoinan:  a.  a.  0.  p.  XXXIX.  Vgl.  auch  Waiiielewski: 
Excerpte  aus  dem  >L'estat  de  la  France*  bezuglich  der  Jahre  1661,  1663  u.  1666 
(M.  f.  Musikgesch.  XXI.  Jahrg.  Nr.  8.) 

6)  Neugedruckt  far  5  Stimmen  in  den  »Denkmalern  deutscher  Tonkunst« 
Band  XII  p.  119.  Eitner  erw&hnt  das  Lied  in  Albert's  Arien  von  1651.  Es  findet 
sich  aber  schon  in  der  Ausgabe  von  1643. 

27* 


406     A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  eiftstimm.  weltl.  Kan*tl.  asw. 

derselben  Sammlung  steht  auch  Boesset's  Lied  lhvine  Amaryllis1)  Da£ 
Mersenne  einige  Airs  von  Boesset  als  Beispiel  anfiihrt,  zuerst  einfach  and 
dann  verziert,  wie  es  in  damaliger  Zeit  iiblich  war,  ist  bekannt. 

Die  Sammlungen  Airs  avee  la  Tablature  de  Luth  de  Etienne  Moulinie 
(auch  Moulinier  geschrieben)  aus  den  Jahren  1624,  1625,  1629,  1630,  1635 
unterscheiden  sich  von  denen  Boesset's  dadurch,  daB  sie  aoBer  Airs,  Rezita- 
tiven,  Dialogen,  auch  Airs  fur  Gitarre,  Chansons  gasconnes,  Airs  a  boirr, 
PriereSy  Psaumes,  Airs  italiens,  Airs  espagnols  enthalten.  Es  sind  gemischte 
Sammlungen  von  Kunst-  und  Volksliedern,  auch  finden  sich  Stticke  aus 
2  Balletten,  Le  monde  renverse  und  Ballet  de  Mademoiselle,  auBerdem  eine  Ge- 
legenheitskomposition  Air  fait  sur  le  manage  de  Monsieur  le  due  de  Puillau- 
rans  darunter.  Pierre  P  err  in  hat  fur  seine  vers  destines  d  etre  mis  en 
musique  oft  Etienne  Moulinie  gewahlt2).  Die  in  den  Oeuvres  de  Poesie  de 
Mr.  Perrm  von  Moulinie  vertonten  Gedichte,  die  sich  in  dem  Kapitel:  Di- 
verses  paroles  de.  musique  pour  des  Airs  de  cour,  Airs  a  boire,  Dialogues,  Noels, 
Motets  et  Chansons  de  toutc  sorte  finden,  gehoren  aber  nicht  in  diese  Samm- 
lungen, die  aus  einer  friiheren  Zeit  stammen. 

Das  3.  Buch  der  Airs  von  Moulinil  aus  dem  Jahre  1629  bringt  eine 
Widmung  von  M  Billy*). 

•  A  Monsuur  Moulinie.'*     Sur  ses  Airs'  .... 

Moulinie  c'est  trop  peu  de  chanter  tes  huanges 

....  Un  seul  de  tes  beaux  Airs  te  met  au  rang  des  Anges. 

Jjeur  merite  Vacquiert  des  hommes  immortelx  .... 

Das  4.  Buch,  aus  dem  Jahre  1633,  ist  Moulinte's  Bruder,  Antoine  Mou- 
linie, einem  berUhmten  Baftsanger,  zugeeignet4).  Loret,  der  Herausgeber 
der  Muxe  historiqueb)  —  einer  Art  Zeitung,  die  in  Versen  alle  wichtigsten  Tages- 
ereignisse  brachte  und  viel  iiber  Musik  und  Theater  berichtet  —  schildert  den 
Tod  dieses  Antoine  Moulinie,  und  wir  erfahren  auf  diese  Weise  das  Todes- 
jahr  desselben  (1655) 6). 


1;  Text  abgedruckt  in  dem  Becueil  des  plus  beaux  vers  etc.  1661.  p.  127.  Die 
Worte  sind  von  Desmarets.  Neugedruckt  in  der  >Leipziger  allgemeinen  Zei- 
tung* 1831,  fur  Gesang  und  Laute;  ohne  Text  bei  Oscar  Chilesotti:  Lautenspieler 
des  XVI.  Jahrhunderts  (Leipzig,  1891 1  Eii»  Beitrag  zur  Eenntnis  des  Ursprungs  der 
modernen  Tonkunet.  p.  227. 

2}  Nuitter  et  Thoinan:  a.  a.  0.  p.  29.  Vgl.  aber  Moulinil  auch  Henri  Quit- 
tard:  Un  musicien  oublil  du  XVIIe  siecle  fiancais:  G.  Bourignac.  (Sammelbande 
der  I.  M.  G.  VI.  Heft  3.  p.  361.) 

3)  Wohl  l'abbe  Mai  11  y ,  ^secretaire  du  cardinal  Bichy  et  V excellent  compositeur  en 
musique:    Vgl.  Henri  Quittard:  a.  a.  0.  p.  391. 

4)  Mich.  Brenet:  a.  a.  0.  p.  61. 

5}  J.  Loret:  Im  muxe  historique  ou  recueil  des  lettres  en  vers,  contenant  les  mm- 
vclles  du  temps,  ecrite  a  son  Altessc,  M» demoiselle  de  Ijonguerille,  depuis  Duekesse  <fr 
Nemours,  (1650—1665)  nouveUe  edition.  Revue  sur  les  manuserits  et  les  editions  ori- 
ginalcs  et  augmentee  (Tune  introduction  de  Notes,  <Vun  Glossaire  et  dune  table  general' 
alphabetique  des  Matieres  et  des  Noms  propres,  par  Ch.  L.  IAvet.    (Paris,  187S.} 

6)  Vgl.  auch  J.  B.  Weckerlin:  Musiciana.    (Paris,  1890)  p.  396. 

Mais  helas!  a  propos  de  musique,  Merer edi  Moulinie  mound. 

Par  une  aventure  tragique  Qtii  possedait  par  exceUene 

Dont  le  bruit  jusqu'  a  moi  courut,  Cette  harmonieuse  science. 


A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunstl.  usw.     407 

Die  Art  der  Liedkomposition  Moulinie's  ist  mit  der  Boesset's  verwandt. 
Auch  von  Moulinte  hat  Heinrich  Albert  einen  Satz,  der  fur  seinen  Stil 
charakteristisch  ist,  in  seine  Arien  aufgenommen,  und  zwar  mit  deutschem 
Text  von  Andreas  Adersbach:  »So  ist  es  denn  des  Himmels  Wille« !;. 
Merseune  teilt  ebenfalls  zwei  Satze  Moulinie's  mit2). 

Die  Sammlung  Airs  de  cour  avec  la  tablature  de  Lutii  von  Francois 
Richard  aus  dem  Jahre  1637,  der  schon  als  Mitarbeiter  in  Boesset's  Samm- 
lungen  erwahnt  wurde ,  tragt  eine  "Widmung  an  Anna  von  Osterreich ;  sie 
beginnt  folgendermaBen : 

*L extreme  devoir  ou  nC  attache  Vhonneur  que  fay  tfestre  a  Vostre  Maieste,  rrCa 
fait  une  secrette  violence  et  rrCa  force  de  presenter  a  Ses  yeux  ce  qui  a  eu  quelquefois 
la  gloire  d'entretenir  Ses  oreilles  .  .  .  .« 

Uber  Francois  Richard  ist  bisher  wenig  bekannt3).  Aus  dem  Titel  seines 
Werkes  geht  hervor,  daB  er  compositeur  de  la  musique  de  la  cliambre  du  roi}  und 
aus  der  "Widmung,  daB  er  je den  falls  ein  geschickter  Lautenspieler  war.  Die 
Sammlung  enthalt  Airs,  Rezitative,  auch  2  Airs,  denen  eine  Sarabande,  nur 
fur  Laute  eingerichtet,  ohne  Text  un  mitt  el  bar  folgt,  und  einen  Dialog4).  Diese 
sogenannten  Dialogues,  die  sich,  von  Boesset  an,  fast  in  alien  Liedersamm- 
lungen,  besonders  zahlreich  bei  Moulinie,  finden,  stellen  meist  eine  kleine 
Szene  dar,  in  der  die  Individuality  beider  sprechenden  Personen  durch  die 
Musik  zum  Ausdruck  kommt.  Unter  den  von  Pierre  Per r in  gedichteten 
vers  destines  a  lire  mis  en  musique  kommen  haufig  Dialogues  d  deux  voixb), 
sogar  ein  Dialogue  a  trots6)  pour  deux  Bergeres  et  un  Berger,  von  dem  noch 
spater  ausfiihrlich  zu  erwahnenden  Michel  Lambert7)  vor,  ebenso  ein  Dia- 
logue a  deux  Dessus  et  un  Basse,  der  Konigin  gewidmet.  Oft  sind  aber  die 
Worte  zweier  handelnder  Personen  nur  einem  Ausfuhrenden  anvertraut,  der 
dann  durch  den  Vortrag  beide  charakterisieren  mufi,  so  daB  man  unter  den 
airs  de  cour  ebenso  Dialoge,  wie  Monologe  findet,  die  mit  den  airs  ordinaires 
a  voix  seule  vollkommen  ubereinstimmen.  In  der  Faktur  unterscheiden  sich 
die  Airs  Richard's  nicht  von  den  Werken  der  vorher  gen  ami  ten  Komponisten. 
Ebenso  ist  audi  die  auBere  Ausstattung  die  gleiche.  Uberall  ist  die  Sing- 
stimme  in  Mensuralnoten  iiber  der  Lautentabulatur  aufgezeichnet. 

Es  eriibrigt  sich,  noch  mehr  Sammlungen  dieser  Art  anzufuhren,  da  von 
ihnen  kaum  etwas  Neues  zu  sagen  ware.  DaB  aber  neben  den  einstimmigen 
Liedern  mit  Laute nbegleitung  auch  andere  Liedsammlungen  fur  eine  Stimme 
vorhanden  waren,  zeigen  die  aus  der  ersten  Halfte  und  der  Mitte  des  17. 
Jahrhunderts  erhaltenen  chansons  pour  danser  et  pour  boire  fur  eine  Stimme, 


1)  Neugedruckt  in  den  Denkmalern  D.  T.  (19031  Bd.  I.  p.  93  Nr.  16.  Zuerst  im 
4.  Teil  von  Alberts  >Arien<  1643,  nicht,  wie  Eitner  mitteilt,  1651. 

2)  Als  Beispiele  zum  Teil  abgedruckt  bei  H.  Goldschmidt:  a.  a.  0.  Anhang 
G.  p.  46. 

3]  Vgl.  M.  B  re  net:  Deux  comptes  de  la  Chapelle-Mueique  des  Rois  de  Fiance, 
fSammelbande  d.  IMG.  VI.  Heft  1.  p.  30,. 

4)  Neugedruckt  im  Bulletin  francais  de  la  S.  I.  M.  IV.  p.  622.  —  Cloris.  attends 
un  peu.  — 

6)  P.  Perrin:  a.  a.  0.  p.  237,  238,  240,  241. 

6)  ibidem:  p.  236. 

7)  Bulletin  francais  ...  p.  522.  Dialog:  Philis,  farreste  en  fin  won  humeur  neu 
g»;druckt. 


408     A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  s.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunatl.  new. 

von  denen  sich  die  aus  dem  Jahre  1640  von  Mollier1)  einer  besonderen 
Beliebtheit  zu  erfreuen  hatte.  Louis  de  Mollier  (auch  Molier  und  Moliere 
geschrieben)  war  -  nach  Loret's  Muze  historique  —  Dichter,  Komponist,  Tanzer 
and  Komponist  von  Balletten 2)  und  wird  unter  den  grands  heros  de  Vharmome 
jener  Zeit  genannt3).  Text  und  Musik  dieser  Sammlung  lehnen  sich  an  das 
Volkslied  an,  sind  aber,  was  die  Musik  betrifft,  Originalkompositionen  und 
baben  durchweg  Tanzcharakter.  DaB  Mollier  auch  ein  beliebter  Komponist 
von  Airs  war,  geht  aus  dem  schon  erwahnten  RecueU  des  plus  beaux  vers  qui 
ont  Ste  mis  en  chant  hervor,  in  dem  Mollier  wiederholt  als  Dichter  und  Kom- 
ponist vertreten  ist4).  Zum  Teil  hat  er  auch  seinen  Instrumentalsatzen  selbst 
Worte  untergelegt,  wie  die  Sarabande  zu  den  Worten:  Bien  qiia  vos  pitds 
sans  cesse  je  soupire*),  ein  Menuet  und  andere  Stiicke  beweisen. 

Weniger  geruhmt  von  seinen  Zeitgenossen,  aber  fur  die  deutsche  Lied- 
komposition  wichtig,  ist  ein  RecueU  des  chansons  von  Guillaume  Michel, 
Audiencier6),  aus  dem  Heinrich  Albert  die  sechs,  als  aria  gallica  bezeichneten 
Lieder  in  seinen  »Arien«  entlehnt  hat.  Es  sind  die  Lieder:  Que  Marie  est 
belle]  Lise  assise  sur  les  fleurs]  Printemps  sans  ma  belle]  Lisandre  au  bard 
de  nos  ruisseaux]  f  adore  le  merite  de  la  belle  Carite]  Ma  cJtcre  Pkillis  les 
roses  et  les  lys,  bei  Heinrich  Albert  in  den  >Arien<  von  1643  und  1648 
dreistimmig,  bei  Guillaume  Michel,  als  chanson  pour  danser,  einstimmig  ge- 
druckt.  Sie  bilden  die  sechs  erst  en  Nummern  des  Recueils,  sind  einfache 
Strophenlieder,  wie  alle  Tanzlieder  in  den  Sammlungen  jener  Zeit,  und 
musikalisch  in  keiner  Weise  unter  ihnen  hervorragend.  Die  Widmung,  in 
ungeschickten  Verse n,  sei  teilweise  mitgeteilt,  weil  sie  charakteristisch  for 
Michel's  geringe  poetische  Begabung  ist.  Sie  kann  den  Widmungen  und 
Lobgedichten  in  den  deutschen  Lieder-  und  Suitensammlungen  aus  der  er- 
b ten  Halfte  des  17.  Jahrhunderts ,  die  nicht  an  die  LandesfUrsten  gerichtet 
waren,  an  die  Seite  gestellt  werden  und  erscheint  uns  heute,  wie  der  grofiere 
Teil  der  deutschen  Widmungen  jener  Zeit,  geschmacklos. 

1)  Les  chansons  pour  Danser  de  L.  Mollier.  A  Paris,  par  Bob.  Ballard,  imprimewr 
du  Roy  pour  la  Musique,  demeurant  rue  St.  Jean  de  Beauvais  a  Venseigne  du  moat 
Parnasse  (1641).    Arec  Privilege  de  sa  Majeste. 

2)  Loret:  a.  a.  0.  p.  240,  170. 

3   ibidem:  Mars  1663.     Lettre  XII.     Vgl.  auch  Weckerlin:  a.  a.  O.  p.  409. 

Lully,  Ijambert,  Hotmann,  Moliere, 
Chacun  rare  dans  sa  maniere, 
Qens  en  musique  renommes 
Ft  qui  pourraient  itre  nommes 
(Considcre  leur  beau  genie, 
Jjen  grands  heros  de  Vharmonie. 

4)  Reeueil  (1661)  a.  a.  0.  p.  34,  35,  38,  94,  116,  127,  130,  140,  142.  143,  166. 

5)  ibidem :  p.  62. 

6;  Reeueil  des  Chansons  de  M.  Quill.  Michel,  Audiencier  a  Paris,  par  Pierre  Bal- 
lard, Imprimeur  de  la  Musique  du  Roy,  demeurant  rue  St.-Jean  de  Beauvais  a  tenseigne 
du  mont  Parnasse.    (1636.)    Arec  Privilege  de  sa  Majeste. 

7)  Nr.  20,  21,  22,  23,  24,  25  der  Neuausgabe  in  den  Denkmalern  D.  T.  a.  a.  0. 
—  Die  franzOsische  Sammlung  als  Quelle  filr  die  Lieder  ist  in  der  Neuausgabe 
noch  nicht  angegeben. 


A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunstl.  usw.     409 


*A  Messieurs ,   Chancy *),  Justice7)  et  Granionf* 


Faroris  du  plus  grand  des  Roys 
Qui  par  vos  Luths,  et  par  vos  voix 
Gkarmex  nostre  puissant  Monarque: 
DApollon  Us  eliers  nourissons, 
Je  vous  dedie  mes  Chansons. 
Pour  les  garentir  de  la  Parque 
Ce  ne  sont  que  vos  Airs  si  doux, 
Aussi  riappartient  il  quya  tons 
A  titer  tfenfer  Euridice  .... 
....  Sur  les  theatres  plus  parfaits 
Apres  de  trbs  graves  effets 
I/on  verra  une  farce  eomique. 
Ainsi  faites  de  mes  Chansons 
Apres  les  agreables  sons 
De  vostre  divine  Musique. 
Ballard,  dPApoUon  farory, 
Aidant  que  des  Muses  ehery, 
Digne  professeur  de  Pamasse: 
Me  dit  dans  ce  sacre  sejour, 
A  tes  chansonettes  d1  amour: 


Je  veux  quelque  jour  donner  place. 

Mais  voyant  tes  beaux  Airs,  Chancy, 

II  demeure  froid  et  transi, 

0  dieux!    Ballard,  que  veux  tu  faire? 

Ne  les  faites  voter  si  fiaut, 

Trop  pour  elle  jes  crainds  le  saut 

De  cet  Icare  temeraire. 

It  me  dit:  chasse  ceite  pcur, 

Elles  riauront  que  du  bonheur 

Estant  a  Vabry  de  Justice: 

Ces  irois  qui  peuvent  tout  charmer, 

Sont  obliges  de  les  aymer 

Si  tu  leur  en  fails  sacrifice. 

Enfin  fescoute  ses  discours. 

Et  juge  que  vostre  secours 

lues  garentiroit  de  naufrage; 

Je  vous  prie  de  les  cherir, 

A  vos  pieds  je  les  viens  offrir 

Pour  vous  rendre  foy  et  hommage. 

6.  Michel. 


Die  beiden  Epigramme:  A.  M.  Quillaume  Michel,  Avdiencier',  Sur  ses  Chan- 
sons a  dancer,  G.  S.  u.  P.  G.  unterzeichnet,  sind  ebenso  wie  die  Widmung 
in  einem  ganz  andern  Ton  als  bei  den  schon  vorher  angefuhrten  Sammlungen 
abgefafit.  Sie  lassen  den  hofischen  Ton  vermissen,  rich  ten  sicb  an  Musiker 
und  an  das  grofle  Publikum. 

Das  erste  Epigramm  lautet: 

Michel,  tes  gaiUardes  Chansons 
Passeront  pour  doctes  lecons 
A  Vesprit  le  plus  poetique, 
Et  tes  Airs  auront  ce  bonheur, 
Qu'il  riest  point  de  maistrc  en  Musique 
Qui  n'en  voulut  estre  Vautheur. 
Das  zweite: 

Au  Mesme: 
Michel,  tes  chansons  si  gentilles 
Ne  sont  propres  qu1  avec  des  fillcs ; 
(Test  trop  de  chansons  pour  danser. 
A  d'autres  il  te  foul  penser: 
Maintenant,  si  tu  me  veux  croire, 
Fais  nous  quelque  Chanson  pour  boire. 

TJnter  den  Chansons  pour  danser  ware  auch  ein  Dialogue  zu  erwahnen, 
im  II.  Lime  des  chansons  aus  dem  Jahre  1641,  2  Dialoge  fur  eine  Stimme 
und  ein  Dialogue  pour  boire  fur  2  Stimmen.     Um  zu  zeigen,  daO  auch  der 

1)  Cber  Chancy:  Vgl.  Fetie,  Eitner,  Nuitter  et  Thoinan:  a.  a.  0.  p.  L, 
Mersenne:  a.  a.  0.:  La  seconde  Industrie  consists  en  V imitation,  a  la  lecture  et  a  la 
consideration  des  Airs  et  des  Chants.  De  ceux  qui  ont  le  mieux  reussi  en  cette  ma- 
tters tels  que  sont  entre  les  Francois  ....  Ouedron,  Bo'esset,  Chancy,  Moulinit  .    . 

2)  M.  Brenet:  a.  a.  0.  p.  61. 


410     A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunstl. 


Titel   Dialogue    filr   oin    einfaches    Stropbenlied    angewendet   wurde,     sei    ein 
solches  Lied  mitgeteilt1). 

Dialogue. 


f^^feJfB^TTTT7^^^ 


i 


>A  -min-te,  vos  beaux  yeux,  Peu-vent  toutsurnion   a 


me».  »Ber- 


m^rw  ^i •'  j~hth  -i,j,ij=^ 


I 


ger,  tu    fe  -  roismieux,d'e8teindre    cet-te    fla-metPuisquej'ai-memieuxmou- 


E 


3^^$ 


3^=^ 


rir,  Que  de    pen-ser     a       te  gue-nr. 

Das  Lied  besteht  aus  7  Strophen,  ist  seiuem  Cbarakter  nach  ein  Liebes- 
lied,  eiu  Wecbselgesang  zwiscben  JilDgliug  und  Madchen,  der  von  einer  ein- 
zelnen  Stimme  ausgefiihrt  wird.  Der  Text  erfordert  eine  gewisse  Leidenschaft 
des  Vortrags,  z.  B.  die  Stropbe: 

»Le  temps  adoiicira 
Vostre  rigueur  extreme. 
Plustot  la  Settle  ira 
Contre  sa  course  me* me: 
Car  faymerois  mieux  mourir 
Que  de  penser  a  te  guvrir-).* 

Unter  den  Sammlungen  der  Tanz-  und  Trinklieder  sei  nocb  ein  RecueU 
von  Jean  Boyer3)  bervorgehoben,  iiber  den  noch  wenig  bekannt  geworden 
ist.  Nuitter4)  erwabnt  Boyer  unter  denjenigen,  die  am  haufigsten  gewablt 
wurden,  die  Musik  fur  die  ballets  de  cour  zu  scbreiben.  In  einer  S am m lung: 
Airs  de  different*  autheurs  1621  trifft  man  den  Namen  Boyer  neben  Boesset, 
Moulinie,  Richard  usw. 5)  —  Die  Lieder  sind  Monsieur  dc  Flotte*},  GentiUiotnmi 

1)  lie.  Livre  des  Chansons  de  M.  Guill.  Michel  ....  1641.  pag.  17. 

2)  Ober  Guillaume  Michel  gehen  die  MitteiluDgen  bei  F6tis  u.  Eitner  aus- 
einander.  Die  beiden  hier  benutzten  Sammlungen,  die  sich  in  Berlin  befinden, 
der  RecueU  des  chansons  (1636)  ist  bei  Eitner  ungenau  angegeben,  das  zweite  Litre 
des  chansons  1641  irrtiimlich  zu  den  chansons  rtcreatives  a  voix  seule  avec  la  basse 
gerechnet.  Vgl.  Tob.  Norlind:  Vor  1700  gedruckte  Musikalien  in  den  schwedi- 
scben  Bibliotheken.  (Sammelbande  d.  1.  M.  G.  IX.  Heft  2.  p.  211.)  Dort  ist  Livre 
1 — 3  des  RecueU  (Paris  1636,  41,  47)  unter  Audiencier,  G.  Michel  angegeben. 

3)  RecueU  de  chansons  a  boire  et  dancer,  Par  Jean  Boyer,  de  la  Musique  de  la 
cliambre  du  Roy,  et  de  la  Reyne  A  Paris.  Par  Pierre  Ballard*  Imprimeur  de  la  mu- 
sique du  Roy,  denieurant  rue  St.  Jean  de  Beaurais,  a  Vcnseigne  du  mont  Pamasse.  1636 
Arec  Privilege  de  sa  Majestv. 

II*.  Litre  des  Chansons  ....  1642.  Nach  Eitner  finden  Rich  beide  B&nde  our 
in  Briissel  und  im  British  Museum.    Sie  sind  aber  auch  in  Berlin    Kgl.  Bibliothek . 

4)  Nuitter  et  Thoinan:  a.  a.  0.  p.  XIX. 
6)   Eitner  I.  p.  71. 

&  Loret:  a.  a.  0.  Tome  111.  p.  162: 


A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunstl.  usw.     411 


ordinaire  de  la  maison  d*  Votre  Altessc,  gewidmet.  Die  Widmung  ist  sowohl 
flir  Boyer,  wie  fur  Flotte  und  auch  kulturhistorisch  interessant  und  wird  hier 
teilweise  mitgeteilt. 

> Monsieur,  A  qui  pouvois-je  plus  a  propos  dedier  ce  livre  de  Chansons  joyensrs 
qua  vous,  qui  estes  lennemi  moricl  de  la  melancolie,  les  del  ices  des  bonnes  compagnies 
et  le  roy  de.  Vhonneste  desbauche?  Ne  serait-ce  pas  une  extravagance  digne  (Pun  mauvais 
Musicien,  de  mettre  a  la  teste  (Pun  recueil  de  different^  Airs,  le  nom  de  quelqtie  veneruble, 
qui  rteust  peu  lire  une  page  de  mon  livre,  sans  craindre  de  perdre  la  gravite  et  la  war- 
que  qui  est  deue  a  la  dignite  de  sa  charge?  Quand  je  publieray  mes  discours  de  philo- 
sophic, auxquelsje  travaille,  comme  tout  le  monde  scayt,  avec  tani  de  contention  d?  esprit; 
qua  fid  je  mettray  au  jour  mes  meditations  politiques,  qui  me  font  perdre  ordinairement 
comme  vous  scavex  le  repos  et  le  repas,  je  mc  propose  de  les  adresser  a  nos  magistrals 
et  aux  ministres  d'estat:  Mais  aujourtfhui  Pon  me  pardonnera  facilement  et  le  pu- 
blic trouvera  bon%  s'il  luy  plait,  que  je  desdie  des  chansons  a  boire  a  tin  buveur 
eternel  et  des  pieces  de  raillerie  a  un  goinfre  de  haut  appareil,  qui  leur  ttcait  donncr 
un  tcl  prix  qu'ellcs  pourront  passer  doresnavant  pour  des  pieces  d importance ;  de  vray 
U  faut  advouer  que  les  airs  de  table  ne  peuvent  trouver  leur  perfection  que  dans  le  mou- 
vement  que  vous  leur  donnex,  ny  leur  grace  que  dans  les  gestes  agreables  dont  rous 
scavex  accompagner  leur  cadance:  que  si  fadjouste  a  cela  les  embelissemens,  dialogues, 
recits,  apostrophes >  et  autres  secrettes  figures  de  rhetorique  symposiaque,  dont  rous  or- 
nex  et  mettcx  chaque  couplet  en  son  lustre',  Pon  ne  demandera  plus,  ny  pourquoi  je 
vous  desdie  ce  Kecueil  .  .  .  .« 

Der  erste  Band  aus  dem  Jahre  1636  enthalt  zu  gleichen  Teilen  chansons 
pour  boire  und  chansons  pour  danser.  Die  Trinklieder  sind  samtlich  fur 
2  Stimmen,  Dessus  und  Basse,  gedruckt.  In  dem  2.  Bande  aus  dem  Jahre 
1646  iiberwiegt  die  Zahl  der  Tanzlieder;  auGer  sieben  Trinkliedern  sind  noch 
in  die  Sammlung  vier  Couranten  und  zwei  Sarabanden  aufgenommen,  denen 
Texte  untergelegt  sind.  Die  Trinklieder  des  ersten  Bandes  haben  sehr  haufig 
einen  personlichen  Text  und  sind  an  De  Flotte,  an  die  Prinzen  Gaston  und 
Philippe  d'OrlSans  usw.  gerichtet.  In  einem  der  Lieder  wird  der  Deutsche 
als  gutor  Trinker  geriihmt: 

Mangeons,  buvons  gayement, 

Cc  sejour  est  fort  chamuint: 

Von  y  boit  en  Alternant  etc. 

Eins  der  Trinklieder2)  sei  als  Probe  von  Boyer's  Liedern  mitgeteilt;  Text 
und  Melodie  sind  frisch,  zuweilen  fast  derb. 


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1— 1<— ft^= 


-»       J       m       * 


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Puis  que  ta  grandeur    le  - 
Je  suis   le  moindre     de 


comman-de    il    fautfaire  es-clat-ter   mavoix, 
ta    ban -de,  Mais  le    plus  grand  lorsque  je  bois 


%m 


3=3 


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u    u    I 


*3£ 


Flotte  cot  insigne  chanteiir, 
Des  bons  rins  constant  amateur, 
Qui  boit  plein  et  nan  gouie-a-goute  .  . 

1;  Recueil  Boyer   1636    a.  a.  0.  p.  10. 

2,  ibidem  p.  3. 


412      A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Eunstl.  asw. 


B 


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:|— I — I 


-t=t=£ 


s@ 


Et  sans  8oucy,   Et  sans  ce-la,  Bouteille  i  -  cy,Flaccon  de-la  Re-veillont 


I      I      I 


rr-rr 


£=£-£=£ 


T^— sr 


*=* 


-«        *        * 


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'!*- 


/r*       ss 


Z=j^71'j  JuuJfcdm 


I 


re  -  veillons  ce      ver-re,  je  n'ayrien  aucoeur,Que  cet- te     li-queur. 


m=t=^ttEE£pz  p  c_eg^y7-^r-iit 


Alle  diese  Tanz-  und  Trinklieder  and  ein  grofier  Teil  der  hier  nicht 
naher  besprochenen  wiirden  eigentlich  einer  besonderen  Abhandlung  bedurfen, 
damit  sie  eingehend  auf  ihre  Bedeutung  and  ihren  Einflufi  auf  die  deatscbe 
Liedkomposition  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  gepriift  werden  konnten.  Abcr 
schon  aus  diesen  wenigen  herangezogenen  Quellen  geht  deutlich  hervor,  dafi 
schon  in  der  ersten  Halfte  des  17.  Jahrhunderts  das  Gesellschaftslied  fxir  ein 
und  mehrere  Stimmen  uberall  verbreitet  war  und  daft  Tanz-  und  Trinklied  auch 
schon  einen  betrachtlichen  Teil  der  Hausmusik  und  des  Kunstgesangea  bil- 
deten. 

Eine  Handschrift  der  Landesbibliothek  in  Cassel  zeigt  nun  deutlich,  dafi 
schon  in  dem  ersten  Jahrzehnt  des  17.  Jahrhunderts  franzosische  Lieder  fur 
Solostimmen  mit  BaQbegleitung  nach  Deutschland  gekommen,  also  in  Frank- 
reich  jedenfalls  schon  viel  friiher  beliebt  war  en.  Manuskript  in  quart.  108  ent- 
halt  ein  Livre  de  tablature  de  Luths  pour  Madame  Elisabet,  pHncesse  de  Hesse** 
commence'  par  Victor  de  Monibuysson  le  dernier  Janvier  1611.  Zwischen  den 
LautenstUcken,  unter  denen  sich  auch  eine  >Intrada  von  Ha  filer*,  eine 
>Gagliarda  Ton  Daulant*  (Dowland)  eine  >Courente  von  Victor  de  Mont- 
buysson*,  auf  die  Laute  Ubertragene  franzosische  Chansons,  Lieder  for  Solo- 
stimme  und  Laute,  —  z.  B.:  Si  je  puis  une  fois  desangager  mon  ante;  au  paro- 
vant  qu'icy  —  usw.  finden,  sind  drei  Airs  fur  Solostimme  und  Bafi  (Airs  d  to 
rayne;  Air  nouveau;  Air  de  cour)  aufgezeichnet.  Alle  drei  Airs  sind  einfache 
Strophenlieder,  unterscheiden  sich  formal  kaum  voneinander  und  haben  volks- 
tiimlichen  Charakter.  Da  weder  Dichter  noch  Komponisten  genannt  sind  and 
auch  mit  Hilfe  der  zu  Oebote  stehenden  Sammlungen  nicht  ermittelt  werden 
konnten,  wird  hier  der  Anfang  der  beiden  ersten  Airs,  das  dritte  gans  mit- 
geteilt. 


1)  Victor  de  Month uysson  war  22  Jahre  im  Dienate  des  Landgrafen  Monti 
von  Hessen,  fibers etzte  spate r  seinen  Namen  ins  Deutsche  (Bergwald)  and  ist  unter 
3  Ausl&ndern  in  den  Jahren  1599—1600  als  einziger  Fransose  aufgefuhrt  Er  war 
Lautenist.  Vgl.  Ernst  Zulauf:  Beitrage  zur  Geschichte  der  Landgraflich-Hes- 
sischen  Hofkapelle  zu  Cassel  bis  auf  die  Zeit  Moritz  des  Gelehrten.  (Cassel  1908 
S.  42.  88  etc  . 


A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunstl.  usw.     413 
Air  a  la  Reyne. 


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Pre  -  nez  Nym-phes  pour  ad  -  mi  -  rer    et       a  -  do    -    rer       un 


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Air  nouveau. 


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Don  -  quez  a     cest   hea-reux    re  -  tour  des    te  -  neb-res   ve-nant  an  jonr 


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nos  -  tre 


bon     prince     etc. 


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Air  de  cour. 


Dedans     ce  val    plaisant  en  sombre,  Philis  qui  cbante  an  bruit  del'eau, 


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Penchant  ses  yeuxsur  un  ruisseau,  s'a-mu  -  sa  re -gar  -  der  son  om-bre 


Mit  der  zweiten  Halfte  des  17.  Jahrhunderts  hat  sich  nnn  der  Umsohwung 
in  Frankreich  volkogen,  der  sich,  seit  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts,  durch 
spanische  und  italienische  Einfltisse  Ian  get  vorbereitet  hatte.     Die  Form  des 


414     A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstinim.  weltl.  KunstL  usw. 

Rezitativs  hat  sich  als  eine  Form  des  Sololiedes  eingefuhrt1),  der  Gesang  ist 
eine  Kunst  geworden,  die  Methode  spielt  eine  Hauptrolle 2) ;  man  verlangt  Kom- 
ponisten,  die  ebenso  tuchtige  Sanger  und  Lehrer,  wie  begabte  und  geschickte 
Komponisten  sind.  So  findet  man  z.  B.  in  der  Gesangschule  von  Bacilly 
diejenigen  Anschauungen  vertreten,  die  fast  um  ein  Jahrhnndert  spater  das 
ganze  literarische  und  musikalische  Frankreich  beherrschten.  Bacilly  fiihrt  den 
Unterscbied  der  franzosischen  und  italieniscben  Spracbe  fur  den  Gesang,  den 
Sologesang,  naher  aus.  Er  kritisiert  diejenigen,  die  schon  damals  —  fast  ein 
Jahrhundert  vor  Jean-Jacques  Rousseau  —  sagten,  daB  man  die  airs  franeais 
nicbt  gut  singen  konne,  daB  die  italienischen  airs  die  wabre  Musik  ent- 
hielten3).  Er  verlangt,  daB  man  fiir  die  Lieder  vor  alien  Dingen  scb5ne 
und  ausdrucksvolle  Texte  wable4),  besonders  fur  die  airs  s6rieuxh).  Er  spricbt 
von  der  Wichtigkeit  der  Begleitung  gerade  fur  diejenigen  Lieder,  die  gewohnlich 
von  einer  einzelneh  Stimme  gesungen  werden,  und  nennt  das  clavessin, 
die  Theorbe  und  die  Viola  die  wichtigsten  und  geeignetsten  Unterstut- 
zungsinstrumente  fur  die  Stimme  6;.  Gerade  das  Kapitel  IV:  S'il  est  neees- 
saire  £accompagmr  le  chant  (Tun  instrument  de  musique  zeigt  ganz  deut- 
lich,  daB  sicb  das  Sololied  in  Frankreich  bereits  eingebilrgert  hat7),  and  es 
ist  wohl  zweifellos,  daB  sich  in  Handschriften  und  auch  in  Drucken  noch 
eine  Anzahl  von  Liedersammlungen  mit  einfacher  BaBbegleitung  finden  miissen, 
wenn  sie  nicht  der  Vernichtung  anheim  gefallen  sind8).  Von  dem  Dichter 
Constantin  Huygens  liegen  solche  Lieder  nach  den  Handschriften  zum  ersten 
Male  gedruckt  vor,  und  zwar  in  dem  Werke  Pathodia  Sacra  et  Profana 
occupati  vom  Jahre  1647.  Sie  sind  fur  Melodie  und  BaB  gedruckt  und  zeigen 
in  ihrer  Faktur  ganz  deutlicb,  daB  sie  fiir  eine  Solostimme  mit  begleitendem 
BaB  bestimmt  sind0).  Auch  in  diesen  Liedern  ist  der  rezitativische  Stil 
vorherrschend.  Sie  zeigen  italienischen  EinfluB;  deutlich  sieht  man  das  Be- 
streben,  den  Inhalt  der  Worte  musikalisch  wiederzugeben,  der  begleitende 
BaB  hat  nur  ganz  geringe  Bewegung.  Die  Lieder  bekunden  dramatisches 
Talent,  haben  einen  ktinstlerischen  Aufbau  und  sind  wohl  noch  hente  wir- 
kungsvoll ,0). 

Aus  der  zweiten  Hal  ft  e  des  17.  Jahrhunderts  sind  nun  einige  Sammlungeo 
ausfiihrlicher   zu   erwahnen,    die    fiir  die  Art  der  Liedkomposition  jener  Zeit 

1    Jonckbloet  et  Land:  a.  a.  0.  p.  XXV.  Einleitung. 

2)  Ein  Beispiel  dafiir  sind  auch  die  theoretischen  Werke  v.  Mersenne  und 
Bacilly. 

3)  Bacilly:  a.  a.  0.  p.  90,  97. 

4)  ibidem  p.  69.  A  ee  propos  ie  diray  que  pour  un  ban  Air  U  ne  suffit  pas  que 
Is  chant  soil  beau,  ma  is  il  faut  encore  qtw  les  paroles  soient  belles  ....  p.  lllff. 

5)  ibidem  p.  120. 

6)  ibidem  p.  17. 

7)  ibidem  p.  17.    Je  ne  park  point  icy  de  Vunion  ou  Taecompagnement  des  mix 

et  des  instruments mais  setdement  de  taecompagnement  des  Airs  qui  se  chanterd 

dordinairc  a  une  voix  seule. 

8  In  den  M anus k rip tkatalogen  der  franzdsischen  Bibliotheken  sind  eine  Antahl 
solcher  Liedersammlungen  des  17.  Jahrhunderts  vermerkt,  die  aber  auf  ihre  Zu- 
gehdrigkeit  zum  begleiteten  Sololied  erst  durchgesehen  werden  mdftten. 

9j  Jonckbloet  et  Land:  a.  a.  0.  p.  28  Brief  XXXIV  a  Mr.  de  Villiers  vom 
20.  Okt.  1666;  Einleitung  XXV. 

10)  ibidem:  No.  XXXI V.  Graves  tesmoins  de  mes  dclices;  No. XXXV.   Vous  me  rarex 
bien  dit,  visions  inquietes.     Cl>er  Nr.  XXXV  vgl.  p.  xxn. 


A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Gexcbichte  d.  einstimm.  weltl.  Konstl.  usw.     415 

besondei'8  interessant  sind.  So  befindet  sich  zum  Beispiel  ein  Nouvean  livrc 
d'airs  von  Michel  Lambert,  dem  Schwiegervater  Lully's,  aus  dem  Jahre  1661 
in  der  Brusseler  Bibliothek1  ;  ein  Exemplar  von  groBer  Seltenheit,  welches 
die  Lieder  mit  den  Verzierungen  enthalt,  wie  sie  Lambert  seine  Schuler  zu 
lehren  pflegte.  Da  Lambert  als  Sanger  und  Lehrer  den  groBten  Ruf  genoB 
und  alle  Zeitgenossen  seine  Bedeutung  einstimmig  anerkannten2),  bilden 
diese  Airs  wohl  einen  Beweis  fur  den  kiinstlerischen  Geschmack  der  dama- 
ligen  Zeit  und  sind  als  Proben  der  Liedkomposition  und  Gesangskunst  an- 
zusehen.  Das  Biichlein  ist  der  Madame  la  duvhesse  ds  Bourgogm  gewidmet. 
In  der  schwungvollen  Anrede  heiBt  es  unter  anderem: 

.  .  .  Et  puis,  Madame j  comme  je  ii ignore  pas  que  vous  avex  la  voix  dun  ange  aussi 
bioi  que  la  beautc;  que  Vart  de  chanter  ne  vous  est  pas  moins  connu  que  celuy  de 
plairc,  et  que  Von  riest  pas  moins  charme  de  vous  ou'ir  que  de  vous  voir,  je  me  suis 
persuade  que  mon  present  ne  seroit  pas  desagreable  a  V.  A.  R.  et  qu'EUe  me  feroit  Thon- 
neur  de  le  recevoir  sans  degout  et  sans  tnepris.  II  est  vray  (pia  dire  les  ckoses  comme 
files  sont}  mon  litre  a  un  defaut  fort  considerable,  car  au  lieu  des  Airs  dont  il  est 
rcmply,  ce  ne  devoit  point  y  aroir  de  vers  qui  ne  fussent  composex  a  vostre  gloirc. 
n'y  point  de  chants  qui  ne  servissent  a  La  cclebrer. 

Die  Anordnung  der  22  Nummern  ist  nun  so,  dafi  der  erste  Vers  jedes 
Liedes  mit  beziffertem  Baft  versehen  ist.  Der  zweite.  ohne  BaB,  bringt  die 
Verzierungen  und  ist  gewissermaBen  eine  Variation  der  Melodie  des  ersten 
Verses.  Fiir  diese  sogenannten  Doubles  gilt  Lambert  als  Erfinder3),  und  es 
wird  erzahlt,  dafl  sein  Schwiegervater  Lully,  der  diese  Variationen  nicht 
liebte,  vor  dem  Beginn  des  zweiten  Verses  seine  Schuler  zu  unterbrechen 
pflegte  und  sie  bat.  den  double  fiir  seinen  Schwiegervater  aufzubewahren4). 
Diese  zweiten  Verse  —  en  diminution  —  der  airs  de  Monsieur  Lambert  werden 
auch  in  den  spateren  Ausgaben  von  Liedsammlungen  bei  Ballard  immer  be- 
sonders  erwahnt,  so  1667  am  SchluB  einer  Sammlung5),  wo  es  heifit: 

•qtiil  y  a  depuis  peu  une  seconde  edition  du  Livre  in  quarto  de  Monsieur  Lam- 
bert.  fseaucoup  plus  belle  que  la  premiere  et  corrigee  d?un  grand  nombre  de  f antes.* 

und  noch  im  2.  Buch  der  Meslanges  de  Chansons  et  airs  serieux  et  d  boire. 
Paris,  16746).  Unter  den  22  Nummern  finden  sich  auch  einige  Lieder  fur 
2  Singstimmen  und  BaB;  der  bezifferte  BaB  ist  aber  immer  mit  Text 
versehen,  so  dafi  er  beim  Fehlen  eines  Begleitinstrumentes  gesungen  werden 
kann.  Als  Beispiel  fiir  die  airs  von  Michel  Lambert  werden  hier  einige 
charakteristische  8tellen  mit  den  doubles  mitgeteilt7). 


1)  BiMiotbeque  Roy  ale.  Druck  Nr.  2395.  Nouveau  IAvre  <f  Airs.  Oravex  par 
Richer  a  Paris.  Chex  Charles  de  Sercy,  au  Palais  dans  la  salle  Dauphine  a  la  bonne 
foy  Couronnee.     Avec  Privilege  du  Roy.    (1661). 

2]  Nuitter  et  Thoinan:  a.  a.  0.  p.  29.  —  Loret:  a.  a.  0.  May  1662  sagt 
von  Lambert: 

En  rerenant  cette  semaine 

Uouir  une  voix  plus  qWhumaine  .... 

Vgl.  auch  Bourdelot:  a.  a.  0.  Tome  I  p.  226. 

3^  M.  Brenet:  a.  a.  0.  p.  80. 

4)  ibidem:  garder  le  double  pour  son  beau-pere.    Vgl.  auch   Bourdelot:  a.  a.  0. 

6)  Kgl.  Bibliothek  Brunei.    F.  2398.    Druck. 

6)  ibidem.  Nr.  2395.    Druck,  eingeklebtes  Blatt, 

7,  p.  12. 


416     A.  Arnheim,  Kin  Beitr.  s.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunttl.  utw. 
No.  3. 


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Mon    sort    est   dig-ne    de      pi -tie,    au  -  tant  qu'il   fat    dig-ned'en- 

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2.  Vers. 


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gue    -    rir        mes    feux,         ils 


me    con    -    su  -  ment   da     -      van      -      ta  -    ge.  j'ay       beau     son  -  ger 

,f.       etc 


p=gT*=rtfBBgjp 


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r=t 


qu'il    est  honteux,  qu'un     cceur  fi-de     -    le   ai  -  me   un    vo    -    la-ge- 

No.  20. 


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Quand   je  vous     dis     que  mon  mal     est      ex  -  tre    -    me;      vos  -  tre 

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A.  Arnheim,  Kin  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimni.  weltl.  Kunstl.  usw.      417 


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1'a-mour    vous    -    deplaist.maisper-met-tez    aumoi usque  jevous  ai   -  me. 


gg£r  ^  J>  -zaBjgfe^^^lilj 


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2.  Vers. 


Bel-le    Phil -lis,  vous  6ca      -      vez    bien  vous    mes  -  me,qu'en  ce 
mon    -       -de        tout  chan-ge  et       que   vous  cnan   -   ge     -     rez. 


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peut  -  es  -  tre         qui    scait         qu'   a  -  lors      vous        nTai  -  me 


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r£TJ?^-;Eng=g^igg^ 


rez     et     ce  -  pen 


dant 


Fouff-  rez     que    je 


ai   -   me. 


Mit  Hilfe  der  bereits  erwahnten  Sammlung  Recueil  des  plus  beaux  vers, 
qui  ont  He  mis  en  chant,  aus  demselben  Jabre  wie  die  airs  von  Lambert, 
la  fit  sich  nun  feststellen,  daB  ein  grofier  Teil  der  Lieder  moglicherweise  nicht 
von  Lambert  selbst  stammt,  sondern  daB  ihm  voraussichtlich  nur  die  zweiten 
Verse,  die  sogenannten  Doubles  zuzuschreiben  sind.  Bei  12  von  22  Liedern 
ist  namlich  der  Komponist  und  der  Textdichter  nachzuweisen ,  da  Bacilly, 
der  Herausgeber  des  Recueil  x\  bei  den  meisten  Gedichten  den  Dichter  und 
Komponisten,  freilich  ohne  die  Musik,  anfuhrt.  Demnach  ware  das  erste  der 
oben  mitgeteilten  Lieder  pine  Sarabande  von  B.  D.  B.  d.  h.  von  Bacilly 
selbst;  auch  ist  er  der  Dichter  des  ersten  Verses,  der  zweite  ist  von  Mr. 
de  Bovillon.  Nr.  1.  2,  3.  5,  7,  9,  11,  14,  15.  16,  18,  19  <kr  Samm- 
lung hatten  nacb  dem  Rcr.uril  Bacilly  zum  Komponisten,  18  und  19  sind  als 
Gavotte  bezeichnet.  Die  Gedichte  sind  von  Bacilly,  Mademoiselle  de  Scu- 
dery,  Segrais  und  anderen.  Dichter  und  Komponist  der  iibrigen  10 Lieder 
waren  an  der  Hand  des  Recueil  nicht  nachzuweisen.  Sie  fin  den  sich  nicht 
unter  der  groflen  Anzahl  von  Liedern  Lambert's  im  Recueil,  sind  also  wohl 
zum  ersten  Male  im  Nouveau  litre  avoirs  von  Lambert  selbst  veroffentlicht. 
Nr.  20,  das  an  zweiter  Stelle  mitgeteilt  wird,  gehort  zu   diesen  Liedern. 

Die  Handschriftensammlung  der  Berliner  Koniglichen  Bibliothek  besitzt 
ein  Manuskript 2)  das,   nach  der  Schreibweise  zu   urteilen,   aus  dem  17.  Jahr- 


1)  Der  Titel  des  Recueil  ....  ist  bei  Eitner  angegeben,  doch  fehlt  der  Fundort 
(auch  Berlin.  Kgl.  Bibliothek).  Vgl.  auch  Bourdelot:  a.  a.  0.  Les  qucUre  tomes  du 
Recueil  des  plus  beaux  vers  mis  en  chant  par  Bacilly  ....  fournissetit  de  petits  vers. 

2)  cod.  gall,  in  quarto  41. 


418     A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimra.  weltl.  Kunstl.  nsw. 


huDdert  stammt  und  12  Lieder  ohne  jede  n  ah  ere  Bezeichnung  enthalt  Bei 
der  Mehrzahl  der  Lieder  stent  die  Melodie  auf  der  einen  Seite,  auf  der 
gegeniiberliegenden  die  Bafistimme;  bei  einigen  ist  die  tiefere  Stimme  im 
Altschltissel  notiert.  Die  Handschrift  ist  wobl  ein  Teil  der  Abschrift  eines 
Sammelbandes  oder  eine  kleine  selbst  angelegte  Sammlung.  Sie  ware  vieUeicht 
an  der  Hand  von  franzosischen  Handschriften  und  Drucken  auf  ihre  Prove- 
nienz  genau  zu  bestimmen.  Mit  Hilfe  des  Recueils  lassen  sich  3  Texte  und 
die  Komponisten  zweier  Lieder  herausfinden,  Michel  Lambert  als  Komponist 
des  ersten  Liedes  und  Jean  de  Cambefort1)  als  der  des  achten  Liedes, 
dessen  Textdichter  Boisrobert  ist.  Von  Cambefort  sind  bei  Fetis  Airs  dt 
cour  und  Livre  (fairs  d  quatrc  parties  aus  den  Jahren  1651  und  1655  mit- 
geteilt.  Eitner3)  ftihrt  nur  eine  einzige  erhaltene  Stimme  der  Airs  de  cour 
und  zwar  Tattle  an.  VieUeicht  bilden  die  beiden,  in  dem  Berliner  Manuskript 
befindlichen  Stimmen  eine  willkommene  Erganzung  zu  der  bereits  vorhandenen 
Das  erste  Lied  des  Manuskriptes  ist  in  der  hier  ausfiihrlicher  besprocbenen 
Sammlung  von  Michel  Lambert  nicht  nachzuweisen,  konnte  sich  aber  wohl 
in  den  bei  Eitner3)  vermerkten  Pariser  Sammlungen  finden.  Es  ist  ein 
einfaches  Strophenlied  und  vieUeicht  als  Sololied  mit  Begleitung  vorgc- 
tragen. 

Manuscript:  cod.  gall,  in  quarto  Nr.  41. 
Text  im  >Recueil  etc.  1661c  S.  191. 


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1)  Nuitter  et  Thoinan:  a.  a.  0.  p.  XLII J.  B.  Boesset%  Jean  Cambefort  ft 

Francois  Chancy  eerivaient  le  plus  souvent  la  partie  vocale,  tandis  que  Louis  Molier 
etc traitaient  la  partie  symphoniqut  et  Us  airs  de  danse. 

2)  Eitner.    Bd.  II.  p.  289. 

3)  Eitner.  Bd.  VI.  p.  23.  —  In  dem  Eatalog  Nr.  LXVI  der  librairie  aneiamt 
von  Leo  Olschki  in  Florenz  ist  auf  Seite  54  eine  als  fort  rare  et  non  die  par  Eitner 
et  Fetis  bezeichnete  Sammlung  Michel  Lamberts  angektlndigt:  >Les  Airs  de 
Monster  Lambert.  Maistrc  de  la  Musique  de  la  chambre  du  Roy.  Oravex  par  Richer, 
corrigex  de  nouveau  de  plusieurs  fautes  de  grarure  a  Paris,  Rue  des  petits  Champs 
vis  a  vis  la  Croix.  Chez  un  chandelier  1669,  in  4  obi.  Avec  un  joli  frontisp.  historic 
et  la  musique  note.*  —  Die  Sammlung  ist  Monsieur  de  Niert,  •premier  void  de 
chambre  du  roi*  gewidmet  u.  enthalt  eine  Vorrede  und  ein  Sonnet  Perrin's  an 
Lambert.  Ober  Nyert  findet  sich  bei  Bourdelot:  a.  a.  0.  p.  128  *Nou* chorions 
mieux  que  ne  faisoient  Nyert  et  la  petite  Varenne  et  nous  chantons  encore  amee  am- 
tant  d?  agreement  que  du  regne  de  Iximbert  et  de  Bodily.* 

Da  die  Sammlung,  wie  der  kdniglichen  Bibliothek  zu  Berlin  raitgeteilt  warde. 


A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunstl.  usw.     419 


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ler      ma    dou-leur,  ma  dou-leur  fait   bien  voir   que  j'ay  -  me. 


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2.  Vera.    Tayme  de  si  beaux  yeux 

Qiiil  rien  est  pas  de  mesme; 
Et  je  croy  que  les  Dieux 
Serviroient  la  BeauU  que  faymc.  — 

Benigne  de  Bacilly,  der  fur  die  Geschichte  des  franzosischen  Liedes  im 
17.  Jahrhundert  bereits  als  Yerfasser  einer  Gesangschule  und  des  Becueil  dts 
plus  beaux  vers,  qui  out  iU  mis  en  chant  wichtig  war,  ist  auch  noch  als 
Herausgeber  einer  Anzahl  Hires  de  chansons  pour  danser  et  pour  boire  ausfuhr- 
licher  zu  erwahnen.  Die  Sammlung1)  enthalt  in  ihren  verschiedenen  Teilen 
aus  den  Jahren  1663,  64,  65,  66,  67  ungefahr  170  Lieder,  die  mit  wenigen 
Ausnahmen  sich  wohl  hier  zum  ersten  Male  finden.  Widmungen  und  Vor- 
reden  an  den  Leser  machen  mit  den  Flanen  der  Herausgeber  bekannt. 

Nach  dem  Tode  des  scbon  mebrfacb  erwahnten  M.  de  Chancy2)  bat  Bacilly, 
auf  BaUard's  Wunsch,  die  Herausgabe  des  Becueil  ubernommen,  ohne  seinen 
Namen   zu  nennen.     Ballard  meint: 

syU  aoulait  permettre  que  Yon  y  mist  son  nom ,  le  livre  en  serait  sans  doute  plus 
considtre. 

Bacilly  wird  mehrfach  ausdriicklich  als  Komponist  und  Dichter  genannt. 
Auch  wird  mitgeteilt,  dafi  *sous  le  mot  de  chansons  a  danser  Von  comprend 
aussi  les  chamomiles,  qui  ne  sont  pas  de  veritables  *Airs  serieux*  on  >Airs  de 
cour<  [pour  parler  en  termes  iwlgaires)  et  qui  approchent  du  mouvement  de  la 
gavotte*  4).  Ausfuhrlich  wird  dariiber  gehandelt,  dafi  in  diesen  Sammlungen 
nicht  die  jetzt  modern e  Art  von  Liedern  zu  finden  sei ,  welche  die  Lehrer 
bevorzugten,  um  sie  ihre  Schuler  lehren  zu  konnen5),  auch  gabe  es  keine 
grands  airs}  ou  toutes  les  voix  ne  peuvent  pas  atteindre.  In  der  Ausgabe  von 
1665  wird  den  Wunschen  und  dem  allgemeinen  Geschmack  des  Publikums 
schon  mehr  Rechnung  getragen,  indem  Ballard  mitteilt:  >Tai  adjoustS  de 
petits  croix,  pour  marquer  Us  tremblements,  qui  donnent  beaucoup  d' intelligence 

sofort  nach  Anktindigung  im  Eatalog  in  franz&sischen  Privatbesitz  iibergegangen 
war,  konnte  sie  hier  nicht  benutzt  werden. 

1)  Becueil  des  huit  lures  de  chansons  pour  boire  ci  pour  danser  par  M.  de  Bacilly, 
a  Paris  chex  Christoph  Ballard,  seal  imprimeur  du  Boy  pour  la  Musique,  rue  Saint 
Jean  de  Beauvais,  au  Mont-Parnasse  [1699).  Avee  Privilege  de  sa  Majeste. 

XXII*  Livre  de  Chansons  pour  danser  et  pour  boire.    B.  D.  B.  a  Paris.    Par 
Bob.  Ballard,  seul  imprimeur  du  Boy  pour  la  Musique,  rue  Saint  Jean  de  Beauvais. 
Au  mont  Pamasse  [1663).    Avee  Privilege  de  sa  Majeste. 

2)  ibidem  (1663).  Au  lecteur.  —  Von  Chancy  heiCt  es  dort:  U  a  eu  un  talent 
particulier  pour  ces  sortes  de  chansons,  mats  comme  dans  la  plupart  .it  y  avait  de 
V Equivoque,  les  Dames,  qui  donnent  le  cours  aux  choses  galantes,  rty  ont  pas  trouve 
leur  compte. 

3;  Becueil  (Bacilly)  (1664)  Au  lecteur! 

4)  ibidem. 

5)  ibidem  (1663)  Eine  Anspielung  auf  die  sehr  verbreiteten  doubles. 

s.  d.  IMG.    X.  28 


420     A.  Arnheim,  Ein  Beitr.  z.  Geschichte  d.  einstimm.  weltl.  Kunstl.  uaw. 


dans  la  maniere.  de  chanter,  lesquelles  marques  je  n'ay  pu  meUre  sur  les  twites 
qu-elles  precedent  comme  on  a  de  coustume  de  faire  dans  les  Airs  icrits  d  la 
mainy  mais  seukmeni  a  coste,  parceque  Vimpression  ne  permet  pas  qu'on  en 
use  autrement*  1). 

Die  Liedersammlungen  Bacillys  unterscheiden  sich  in  ihrer  aufieren  Form 
nicht  von  den  schon  besprochenen  Tanz-  und  Trinkliedern  aus  frfiheren  Jahr- 
zehnten.  Sie  sind  auch  als  Melodie  mit  Text  gedruckt,  die  Chansons  d  botre 
und  einige  airs  a  deux  zweistimmig.  Namen  der  Dichter  und  Komponisten 
Hind  nicht  angegeben ,  Text  und  Melodie  sind  fast  durebweg  volkstfimlich. 
Ein  Vergleich  mit  den  Melodien  und  Texten  fruherer  Chansonniers  und  dem 
Cle  du  caveau2)  zeigen  aber,  daB  es  sich  bei  Bacilly  vorwiegend  um  Kunst- 
dichtung  und  Kunstmusik  handelt.  Nur  ein  einziger  Text  z.  B.  findet  sich 
in  dem  Cle  du  eaveau*),  dort  aber  mit  einer  anderen  Melodie.  Die  Brunettes*) 
aus  dem  Jahre  1703  enthalten  eine  Anzahl  derselben  Texte,  zum  Teil  mit  andern 
Melodien5).  Einige  derLieder  sind  inbezug  auf  Text  und  Melodie  festzustellen, 
so  z.  B.  Tantost  je  suvs  sous  F  empire.  Der  Text  ist  von  Bovillon,  die 
Melodie  eine  Gavotte  von  B.  D.  B. 6),  Tircis,  au  bord  d?un  ruisseau  wird  als 
Villanelle  de  Mile  des  Vaux  in  der  schon  erwahnten  Textsammlung  aus  dem 
Jahre  1661  bezeichnet 7) ;  le  Printemps  est  de  retour  ist  eine  Gavotte  de  Mr.  de 
Chancy  %  Ein  Text:  Maman}  vous  n'estes  pas  sage,  stent  schon  in  dem 
XL  Livre  dc  chansons  pour  danser  (1618)  p.  39),  ein  anderer  *V autre  jour  je 
rencontray  in  dem  Parnasse  des  muses  ou  Becueil  des  plus  beUes  chansons  a 
danser  (Paris  1633)  als  > Chanson  51 «  usw. 10).  Ein  Chanson  sei  hier  mitge- 
teilt,  weil  es  textlich  und  musikalisch  ein  Bild  von  der  Liedkomposition  in 
den  Sammlungen  Bacilly's  gibt11). 


1}  ibidem  (1665)  Au  lecteur! 

2)  La  cU  du  caveau.  A  V usage  de  Urns  les  Ohansonniers  francais  etc*  Troineme 
edition.     (A  Paris,  chez  Janet  et  Cotelle). 

3;  Assis  dessus  la  fougere  im  Becueil  (Bacilly)  1663  p.  33,  im  cle  du  caveau 
Nr.  1217  zu  dem  Text:  ce  riest  que  dans  la  retraite. 

4)  Brunettes  ou  petite  Airs  tendres  avec  les  doubles  et  la  Be.  RecueiUies  par  Chr. 
Ballard  (Paris,  1703). 

5)  z.  B.  im  Recueil (1663)  p.  9.    Que  faits-tu,  Bergere?  Der  Text  findet  sich 

auch  in  den  Chansons  nouvelles  et  Airs  de  cour.  Nouveau  recueil.  Tome  II.  A  Paris 
chex  Antoine  Rafle.  Marchand  Libraire.  [1688).  —  Die  Melodie  bei  Bacilly  wird 
hier  mitgeteilt,  weil  der  Neudruck  von  J.  B.  Weckerlin:  Pastourelles,  Romance* 
et  Chansons  du  XVIIIe  siecle.  No.  VII.  p.  17  eine  andere  Melodie  bringt. 


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Quefais-tu,  Ber-ge  -  re,  dans    ce      beau  ver-ger? 
Tu  ne  son-ges  gue-re,      a      me      sou  -  la  -  ger. 


Tu 


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pei-ne,tu  vois  ma   ]angueur,Prens,belle  in  humai-ne,Pi-ti  -  6    de  moncceur. 

6)  Recueil  (Bacilly)  1663)  p.  16. 

7)  ibidem  p.  28. 

8)  ibidem  (1667)  p.  13. 

9)  ibidem  (1664)  p.  17. 

10)  ibidem  (1665)  p.  23.  llj  ibidem  p.  5. 


W.  H.  Cummings,  Dr.  John  Blow. 


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Bos  -  Big  -  nol,  trop  heu-reux     a  -  mant  Ros  -  sig  -  nol  trop heu- 


^^_{Lj^^S=l-Jljr^:)P"U      Jj^jj^St 


reux    a  -  mant         He  -  las!    tu    chan   -    tee     li  -  bre-ment,Nuitet  jour 


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ton  mar  -  ty   -    re. 


Et    moy,   je  souffre     a       tout  mo-ment, 


JEm-p 


^ 


Et     je    n'oee    en     rien    di   -   re. 

2.  Vers.     Tu  peux  en  mille  lieux  divers 
Par  le  doux  charme  de  tes  airs 
Faire  entendre  ta  peine. 
Et  moi,  je  languis  dans  mes  fers, 
Sans  le  dire  a  Climene. 


Da  der  Umfang  dieser  Abhandlung  nur  ein  beschrankter  sein  konnte, 
muflte  ein  grofier  Teil  der  vorhandenen  und  bereits  durchgesehenen  Quellen 
unberucksichtigt  bleiben.  Auch  diese  Ausfiihrungen  sind  als  skizzenbaft  an- 
zusehen  und  konnten  noch  inbezug  anf  jede  einzelne  Sammlung  betrachtlich 
erweitert  werden.  Das  17.  Jahrhundert,  das  fiir  die  Entwicklung  der  Musik- 
gescbicbtscbreibung,  der  Musiktbeorie ,  der  Gesangskunst ,  der  dramatiscben 
and  Instramentalmusik  so  wicbtig  ist,  bringt  aucb  auf  dem  Gebiete  der  Lied- 
komposition  als  Kunstlied  mancbes  Neue  und  bedarf  bei  einer  geschicht- 
licben  Darstellung  dieser  Kunstform  eingehenden  Studiums. 


Dr.  John  Blow. 

By 

William  H.  Cummings. 

(London.) 

Two  bundred  years  ago,  or  to  be  precise,  a  little  more  than  two  hundred 
years,  lived  an  eminent  musician  highly  esteemed  for  his  artistic  gifts,  and 
for  his  honourable  life.  Dr.  Blow  was  a  prosperous  man,  and  in  addition 
to  his  town  residence  in  the  Broad  Sanctuary,  Westminster,  he  possessed  a 
small  country  estate  at  Hampton-on-Tbames,  where  he  was  wont  occasionally 
to  retire  to  recuperate  his  energies;  he  was  there  in  the  beginning  of  1708, 

28* 


422  W.  H.  Cnmmings,  Dr.  John  Blow. 

his  health  being  considerably  disordered,  and  as  a  prudent  man  he  made 
his  will,  and  set  his  worldly  affairs  in  order;  subsequently  he  returned  to 
the  Broad  Sanctuary,  and  died  there  on  1st  of  October  of  the  same  year, 
1708.  He  was  honourably  buried  in  a  grave  in  the  North  Aisle  of  West- 
minster Abbey,  near  to  the  organ,  and  adjacent  to  the  resting  place  of  his 
former  pupil,  Henry  Purcell.  A  tablet  to  his  memory  was  speedily  erected 
by  his  friends  and  admirers,  on  which  was  engraved  a  Gloria  Patri  in 
Canon,  taken  from  his  Jubilate  Deo  in  the  Key  of  G.  By  the  way  Grove 
erroneously  says  C.  This  Canon  was  sang  on  occasions  in  St.  Peters  Church 
in  Rome,  and  obtained  world-wide  fame.  Only  a  few  years  ago,  the  Emperor 
of  Brazil,  being  on  a  visit  to  London,  went  to  Westminster  Abbey,  and  was 
conducted  through  the  ancient  building  by  Dean  Stanley;  after  the  latter 
had  called  the  Emperor's  attention  to  the  salient  features  of  the  edifice,  and 
its  most  important  monuments,  he  suggested  a  return  to  the  Deanery,  when 
the  Emperor  said,  "there  is  one  monument,  I  much  wish  to  see,  which  you 
have  missed*1  ;  the  Dean  in  surprise  enquired  what  it  was,  and  the  Emperor 
replied,  "I  want  to  see  the  celebrated  Canon  which  is  engraved  on  Dr.  Blow's 
monument".  The  incident  is  equally  creditable  to  Blow's  fame  and  to  the 
Emperor's  intelligence. 

I  have  taken  the  unusual  course  of  commencing  my  narrative  with  the 
death  of  my  hero;  but  now  must  perforce  go  back  to  his  birth  and  origin. 
This  is  the  more  necessary  because  all  the  biographies  of  Blow  hitherto 
published  are  erroneous.  The  author  of  one  mis-statement  appears  to  have 
been  Dr.  Benjamin  Rogers,  the  well  known  organist  and  composer,  who  died 
in  1698.  he  told  Wood,  the  Oxford  antiquary,  that  Blow  was  born  in 
London.  Other  authorities,  and  tradition,  gave  North  Collingham  in  Not- 
tinghamshire, as  his  birth-place:  neither  of  these  localities  is  entitled  to  that 
honour,  as  I  shall  shew.  Those  persons  who  favoured  the  London  theory 
very  pertinently  reminded  enquirers  that  the  register  books  in  the  Parish  of 
North  Collingham  contain  no  entries  of  the  name  of  Blow.  Blow's  mother 
had  been  a  widow  Katherine  Langworth,  she  married  Henry  Blow  in  1646 
in  the  Church  of  Newark-on-Trent.  The  married  couple  resided  in  Newark, 
and  in  due  time  John  Blow  was  born,  and  baptized  in  Newark  Church  on 
the  23  rd  of  February  1649.  It  was  customary  at  that  time  to  christen  a 
child  the  day  after  birth,  or  at  most  within  three  days,  and  there  appears  to 
be  no  reason  to  suspect  any  deviation  from  the  usual  routine  in  the  case 
of  Blow;  we  are  therefore  justified  in  assuming  that  he  was  born  on  the 
21st  or  22nd  February  1649.  I  may  note  in  passing  that  the  registers  of  the 
Church  at  Newark  record  the  baptisms  of  two  other  Blow  children,  a  brother 
and  a  sister  of  our  composer. 

One  naturally  asks  how  it  is  known  that  the  John  Blow,  who  was  baptized 
in  Newark  Church,  was  the  same  person  who  attained  fame  as  Dr.  John 
Blow;  presently  I  shall  give  undeniable  proof.  Newark-on-Trent  possessed 
an  important  Song- School  which  had  been  founded  in  1530  by  Thomas  Magnus. 
Archdeacon  of  the  East  Riding  of  Yorkshire ;  its  teaching  commenced  in  the 
following  year  1531.  and  has  continued  uninterruptedly  from  that  time  to 
the  present  day.  The  Song-School  was  attached  to  the  glorious  Parish  Church, 
and  the  names  of  the  various  Song-Masters  of  that  Song-School  are  in  exist- 
ence. The  post  was  held  from  1641  to  1668.  a  period  which  includes  the 
Commonwealth    and    the   Protectorate,     by    Thomas    Hinton.      How    natural 


W.  H.  CummingB,  Dr.  John  Blow.  423 

it  would  be  for  Blow's  parents,  who  must  have  recognized  their  son's  native 
talent  for  music,  to  send  him  to  the  Song-School  to  receive  the  benefit  of 
expert  tuition.  Blow's  father  died  and  was  buried  in  Newark  in  1655,  and 
five  years  later,  in  1660,  the  boy,  John  Blow,  was  admitted  as  a  chorister 
in  the  Chapel  Royal,  London.  He  was  then  twelve  years  of  age,  and  we 
may  be  sure  that  it  could  only  have  been  his  advanced  skill  in  music  which 
obtained  for  him  such  distinction.  Had  he  been  ignorant  of  music  and  singing, 
he  would  have  been  of  little  or  no  use.  It  is  to  be  remembered  also,  that 
the  Crown  possessed  a  right  of  pressing  into  the  service  of  the  Chapel  Royal 
singing  boys  from  other  Churches,  Chapels  and  Cathedrals,  with  or  without 
the  consent  of  parents  and  guardians.  This  exceptional  privilege  had  been 
exercised  in  the  reign  of  Richard  the  Third,  and  was  re-enacted  in  1626. 
We  know  what  extreme  difficulty  was  experienced  in  all  Choral  establish- 
ments at  the  Restoration  in  1660,  when  the  attempt  was  made  to  restore 
Musical  Services  and  Choirs.  Even  at  "Westminster  Abbey,  for  a  time,  the 
boys'  voice-parts  could  not  be  adequately  rendered,  and  had  to  be  sup- 
plemented by  wind  instruments.  —  King  Charles  the  Second  would  not 
hesitate  to  follow  the  example  of  his  predecessors,  and  capture  capable  boy- 
singers  wherever  they  could  be  found;  and  naturally  a  song-school,  which 
had  never  ceased  its  excellent  work,  would  be  the  place  to  look  for  singers; 
what  more  probable  than  the  transference  of  Blow's  skill  from  Newark  to 
London?  Perhaps  other  youths  were  selected  from  the  same  school;  further 
investigations  may  someday  elucidate  the  fact.  Blow  must  have  been  some- 
thing more  than  a  mere  singer  when  he  entered  the  Chapel  Royal  in  1660; 
for  only  three  years  later  the  Rev.  James  Clifford  published  a  book  of  the 
words  of  an  them  8  in  which  are  to  be  found  three  composed  by  "John  Blow, 
one  of  the  children  of  his  Majesty's  Chapel  Royal".  The  boy  was  then 
fifteen  years  old. 

Some  writers  have  stated  that  when  Blow  became  a  child  of  the  chapel, 
he  received  instruction  from  John  Hingston,  but  that  is  doubtless  an  error. 
Hingston  had  been  organist  to  Cromwell,  at  whose  death  his  appointment 
ceased,  and  it  is  not  likely  that  he  would  have  found  favour  or  employment 
from  Charles  the  second.  If  we  remember  that  the  name  of  the  Newark  Song- 
School  Master  in  Blow  s  childhood  was  Hinton,  we  can  easily  understand  how 
gossip  and  rumour  would  transfer  the  credit  from  Hinton  to  Hingston. 

When  Blow  joined  the  Chapel  Royal,  the  master  of  the  children  was 
Captain  Henry  Cooke,  a  man  in  high  favour  at  Court,  not  only  on  account 
of  his  musical  ability,  but  also  in  regard  to  his  faithful  services  as  a  soldier 
fighting  on  behalf  of  King  Charles  the  First.  Possibly  during  Cooke's  military 
service,  he  may  have  been  quartered  -at  Newark-on-Trent,  and  so  become 
acquainted  with  the  Blow  family.  Captain  Cooke  hold  the  appointment  of 
-Composer  of  the  King's  private  music  for  voices",  and  was  also  Marshal 
of  the  ^Corporation  of  Musicians"  of  Westminster  —  he  composed  numerous 
anthems,  and  also  special  music  for  the  Coronation  of  Charles  the  Second 
in  April  1661.  Cooke  and  Blow  were  therefore  associated  as  master  and 
pupil  from  1660;  subsequently  Blow  received  instruction  from  Christopher 
Gibbons,  as  is  recorded  on  Blow's  monument,  where  we  read  "he  was  scholar 
to  the  excellent  musician  Dr.  Christopher  Gibbons".  Captain  Cooke  was 
no  organist;  Gibbons  was  an  expert;  we  may  be  certain  that  it  was  organ- 
playing  Blow  learnt  from  the  latter. 


424  W.  H.  Cummings,  Dr.  John  Blow. 

I  have  referred  to  the  three  anthems  by  Blow  which  are  contained  in  the 
Rev.  James  Clifford's  book  published  in  1663.  Shortly  afterward,  in  1665, 
we  find  Blow  collaborating  with  his  fellow  choristers  Pelham  Humphries  and 
Turner  in  the  composition  of  an  anthem  UI  will  always  give  thanks".  This 
probably  was  intended  as  a  solemn  recognition  of  their  happy  association 
as  choristers:  the  music  afterward  came  to  be  known  as  the  "Club  An- 
them". 

Under  the  date  August  the  21st  1667,  we  find  in  "Pepys's  Diary"  an 
amusing  note  which  must  have  had  reference  to  Blow.  Pepys  wrote  "This 
morning  came  two  of  Captain  Cooke's  boys,  whose  voices  are  broke,  and 
are  gone  from  the  Chapel,  but  have  extraordinary  skill:  and  they  and  my 
boy,  with  his  broken  voice,  did  sing  three  parts:  their  names  were  Blaew 
and  Loggings:  but  notwithstanding  their  skill,  yet  to  hear  them  sing  with 
their  broken  voices,  which  they  could  not  command  to  keep  in  tune,  would 
make  a  man  mad,  so  bad  it  was".  There  cannot  be  much  doubt  that  this 
reference  was  to  John  Blow,  although  Pepys  has  mis-spelt  the  name;  we  know 
that  spelling  was  not  a  strong  point  with  seventeenth  century  folk,  and  Pepys 
was  no  better  than  his  neighbours  in  regard  to  that  matter.  Blow  would 
then  have  been  19  years  of  age,  and  had  doubtless  used  his  treble  voice 
with  vigour  and  en  thus  i  am,  probably  longer  than  was  good  for  it  —  the  effect 
of  three  broken  voices  in  concert  must  indeed  have  been  somewhat  trying, 
and  we  can  well  appreciate  Pepys's  approach  to  madness.  A  good  many  years 
later,  at  the  Coronation  of  James  the  Second  in  1685,  Blow  is  recorded  to 
have  been  included  amongst  the  basses  of  the  choir,  but  we  cannot  be  sure 
that  even  then  he  possessed  «n  angelic  voice.  Child  and  Purcell  were  associated 
with  him  at  that  ceremony,  they  also  were  organists,  —  whether  Child  could 
sing  we  do  not  know,  but  Purcell  is  known  to  have  made  his  mark  as  an 
expert  alto  or  counter-tenor  vocalist. 

In  1669,  Albertus  Bryne,  the  organist  of  Westminster  Abbey,  died,  and 
was  succeeded  by  Blow.  In  March  1674  Pelham  Humphries  died,  and  Blow 
was  sworn  in  his  place  as  a  Gentleman  of  the  Chapel  B-oyal,  and  in  July 
following  he  was  appointed  "Master  of  the  children  of  the  Chapel".  These 
advancements  in  his  professional  career  emboldened  him  to  enter  the  state 
of  matrimony,  and  in  September  1674  he  was  married  at  St.  Paul's  Church, 
Co  vent  Garden,  to  Elizabeth  Brad  dock,  whose  father  was  Clerk  of  the  Cheque 
of  the  Chapel  Royal  and  a  Lay-vicar  of  Westminster  Abbey.  The  marriage 
license  reads  thus: — "Blow,  John  of  St.  Margaret  Westminster.  Gent.  Bachelor. 
about  26,  and  Elizabeth  Braddocke  of  the  same,  Spinster  about  20.  Consent 
of  father  Edward  Braddocke  Gent.";  dated  23  Sept.   1674. 

We  now  come  to  a  matter  which  has  excited  much  discussion,  but  in 
regard  to  which  no  decisive  evidence  has  been  produced;  I  refer  to  Blow's 
degree  of  Doctor  in  Mumc.  Hawkins,  Burney  and  others  have  asserted 
that  the  distinction  was  conferred  on  Blow  by  the  archbishop  of  Canterbury, 
Sancroft.  But  that  is  a  mistake!  —  the  true  facts  are  to  be  found  in  the 
"Faculty  Book"  in  I.ambeth  Palace,  in  which  are  recorded  the  Lambeth 
degrees;  —  there  we  find  an  entry  dated  the  10th  of  December  1677  which 
reads,  "John  Blow,  of  Newark,  Mus.  Doc.''  This  record  is  of  double  value 
as  it  not  only  establishes  the  origin  of  Blow's  degree,  but  it  also  proves 
that  Dr.  John  Blow  came  from  Newark.  It  is  somewhat  remarkable  that 
the  place  of  Blow's  origin  should  have  been  mentioned,  I  think  it  was  quite 


W.  H.  Cummings,  Dr.  John  Blow.  425 

an  exceptional  entry  to  make.  The  degree  was  not  conferred  by  the  Arch- 
bishop of  Canterbury ;  that  was  not  possible,  for  the  See  was  vacant;  Sheldon 
the  late  Archbishop  had  died  on  the  9th  of  November  1677,  and  as  a  suc- 
cessor had  not  been  appointed,  it  fell  to  the  lot  of  the  Dean  of  Canterbury, 
Tillotson,  to  act  —  the  "Faculty  Book"  notes  the  fact  "Sede  vacante".  It 
is  further  interesting  to  observe  that  the  Rev.  James  Clifford,  the  author  of 
the  Anthem  word-book,  previously  mentioned  received  a  degree  from  Dean 
Tillotson  the  day  after  Blow  had  been  made  a  Doctor  in  music.  In  the  "Faculty 
Book"  Clifford  is  described  as  "Succentor  of  St.  Paul's  Cathedral";  this  I 
think  has  not  been  otherwise  recorded. 

Blow  appears  by  this  time  to  have  been  in  an  excellent  position  as 
regards  wordly  goods;  the  Act  book  of  Westminster  Abbey  under  the  date 
November  23  rd  1678  has  a  minute,  "Ordered  that  two  leases  be  made  to 
Dr.  Blow,  of  Tenements  in  Atkins  Alley  in  the  Sanctuary,  for  the  residue 
of  the  term  therein  to  come,  of  a  lease  lately  made  to  Mr.  Rashleigh". 
Nine  years  later  on  April  30  th  1687  another  lease  was  granted  him  of  "Tene- 
ments in  the  Sanctuary  for  forty  years".  We  may  note  Blow's  generous  and 
unselfish  nature  which  induced  him  to  act  in  an  unprecedented  manner  in 
1680,  —  when  he  resigned  the  appointment  of  organist  of  Westminster 
Abbey  in  favour  of  his  gifted  pupil  Henry  Furcell;  and  again  some  thirteen 
years  later  when  he  vacated  the  honourable  post  of  "Almoner  and  master 
of  the  boys  of  St.  Paul's  Cathedral"  in  order  that  another  pupil,  Jeremiah 
Clarke,  might  receive  the  preferment.  No  wonder  Blow  was  beloved  by  his 
pupils  and  respected  by  all  who  knew  him. 

In  1684  we  find  Blow  engaged  by  Father  Smith  the  organ  builder  to 
perform  on  his  new  organ  in  the  Temple  Church;  his  colleague  was  Henry 
Pur  cell,  and  doubtless  it  was  owing  to  their  advanced  methods  of  modulation 
in  composition  that  Smith  was  induced  to  make  two  extra  notes  in  each 
octave  of  the  key  board  —  thereby  making  D  sharp  and  E  flat  distinct  sounds, 
and  G  sharp  and  A  flat  also  separate  sounds.  It  will  be  remembered  that 
Baptiste  Draghi,  the  organist  of  the  Queen,  was  engaged  by  Harris  to  play 
on  his  competing  organ,  and  that  finally  by  the  fiat  of  the  notorious  Judge 
Jeffries,  Smith's  organ  was  accepted  and  Harris's  rejected.  Blow  was  also 
associated  with  the  construction  and  approval  of  the  Smith  organ  made  for 
the  New  Cathedral  of  St.  Paul,  London. 

Of  Blow's  appearance,  Hawkins  in  his  'History  of  music'  says  "he  was  a 
very  handsome  man  in  his  person,  and  remarkable  for  a  gravity  and  decency 
in  his  deportment,  suited  to  his  station,  though  he  seems  by  some  of  his 
compositions  to  have  been  not  altogether  invincible  to  the  delights  of  a  con- 
vivial hour.  He  was  a  man  of  blameless  morals,  and  of  a  benevolent  temper ; 
but  was  not  so  insensible  of  his  own  worth  to  be  totally  free  from  the 
imputation  of  pride;  among  Church  composers  he  has  few  equals,  and  scarce 
any  superior".  To  this  favourable  testimony  we  can  add  that  he  must  have 
been  a  careful  business  man;  various  official  documents  prove  this,  and  his 
will,  made  and  signed  on  the  3rd  of  January  1707,  bequeathed  to  his  children 
and  others  a  considerable  estate  in  money,  houses  and  lands.  His  wife  had 
pre-deceased  him.  One  notable  bequest  is  that  of  £  100,  with  an  additional 
£  10  for  mourning  apparel,  together  with  rings,  clothes,  gowns  and  linen,  to 
his  faithful  servant  Elizabeth  Luddington. 

The  Bodleian  library,  Oxford,  contains  a  paper  dated  1685  which  sets  forth 


426  w-  H-  Cummings,  Dr.  John  Blow. 

the  "arrears  due  to  Dr.  John  Blow,  one  of  the  musicians  of  Charles  the  2nd: 
For  his  Livery,  due  at  the  several  feasts  of  St.  Andrew  from  1664  to  1684 
each  Livery  X  16  20  making  a  total  of  £>  193-  lO^  —  ateo  -more  for  keeping 
and  teaching  two  boys  for  six  years  JC  240 —  together  X,  433- 10".  The  last 
item  £  240  for  keeping  two  boys,  requires  some  explanation.  Blow  had 
already  in  1674  been  appointed  Master  of  the  Children,  who  were  ten  in 
number,  and  they  would  of  course  be  paid  for  in  one  account:  —  but 
occasionally  when  a  Chapel  Royal  boy's  voice  failed  him,  in  consequence  of 
advancing  years,  he  was  retained  in  the  establishment  for  a  time,  in  order 
that  he  might  make  further  progress  in  his  musical  studies.  Probably  this 
payment  of  £  240  for  keeping  2  boys  6  years,  is  an  instance  of  the  wise 
and  liberal  provision  referred  to.  It  is  unfortunate  that  the  names  of  the 
boys  are  not  disclosed. 

Here  is  an  original  document  dated  August  1686,  ordering  the  upaymeut 
to  Doctor  John  Blow  of  the  sum  of  £  1933-6  8,  being  the  arrears  formerly 
payable  to  Thomas  Purcell,  to  Christmas  1684,  the  amount  to  be  distributed 
by  him  the  said  Dr.  Blow  amongst  20  of  his  late  Majee tie's  musicians  who 
attended  in  the  Chapel  RoyaP.  —  His  late  Majesty  Charles  the  2nd  was  not- 
oriously impecunious,  and  it  appears  from  this  document  that  his  successor, 
James,  took  special  care  to  reduce  the  payments  of  his  brother's  debts  to 
the  lowest  possible  minimum:  —  here  is  a  clause  which  provides  for  "making 
bach  a  deduction  throughout  as  His  Majesty  hath  commanded  in  cases  of 
arrears''.  By  this  arrangement  Blow  was  paid  £  483  6-8  instead  of  the 
amount  due,  £  1933-6-8.  Blow's  autograph  receipt  for  the  money  appears 
on  the  document. 

Here  is  another  warrant,  dated  February  1691,  ordering  the  payment  of 
£  248-17-8  to  Dr.  John  Blow,  in  further  part  payment  of  £  3400  due  at 
Xmas  1684,  upon  the  allowance  of  £  400  p.  ann.  which  is  by  him  to  be  paid 
over  to  the  20  musicians  of  the  Chapel  of  the  late  king  Charles  the  2  ndu :  — 
Blow's  autograph  receipt  is  also  appended  to  this  warrant.  Here  is  a  more 
interesting  document  signed  by  Charles  Sackville,  Earl  of  Dorset,  who  was 
Lord  Chamberlain  of  the  Household,  and  whose  memory  is  deservedly  famous 
as  the  author  of  the  words  of  the  stirring  song  uTo  all  you  ladies  now  on 
land".  The  paper  bears  a  two  shilling  and  sixpenny  stamp  and  recites, 
"These  are  to  signifie  unto  yr  Lordship  His  Majestie's  pleasure  that  you 
provide  and  deliver  unto  Dr.  .John  Blow,  Master  of  the  Children  of  his  MatiM 
Chapell  Royal,  being  Tenn  in  number,  These  perticulars  following  for  their 
Liveries  for  this  present  Yeare  1696,  (viz.)  for  each  of  them  one  Coate  and 
Breeches  of  Scarlett  Cloath  not  exceeding  y*  price  of  King  Charles  y*  2d  Reigne, 
the  coat  to  be  Lined  with  Taffata,  to  each  of  them  Three  whole  shirts,  Three 
halfe  Shirt 8,  Two  Laced  Bands  and  Cuffs  and  Foure  plaine  Bands  and  Cuffs, 
to  each  of  them  Three  pockett  Hankershiifs  Three  paire  of  Gloves.  Two 
pieces  and  a  halfe  of  Ribbon  to  trime  each  of  Their  Liveries  and  to  make 
Garters  and  Shoe  strings,  To  each  of  them  Two  paire  of  Wosted  Stocking 
and  one  paire  of  Silke  Stockins  and  Six  paire  of  Shooes,  and  Two  hatte 
and  hattbands.  And  also  to  each  of  them  a  Coate  of  Ordinary  Red  C -loath 
Lined  with  Sky  Coloured  Shattoone  to  come  over  Theire  Cloaths  in  Case 
it  should  raine  and  all  other  perticulars  to  be  provided  as  it  was  in  the 
Reigne  of  King  diaries  y1'  2d.  And  this  shall  be  yore  Lordshipps  Warr1. 
Given  under   my  hand  this  9  th  day  of  October   1696  in  the  Eighth  year  of 


W.  H.  Cummings,  Dr.  John  Blow.  427 

His  Ma11*8  Rcigne.  —  (signed)  Dorset  To  the  Rl  Honble  Earle  of  Montagu, 
Master  of  His  Ma11**8  Great  Wardrobe  and  to  his  Deputy  there. 

I  have  one  other  record,  which  shews  conclusively  the  prosperous  condition 
of  Blow.  It  is  dated  the  4th  of  August  1698  and  reads  thus  "Received  by 
me  John  Blow  by  Virtue  of  3  orders  bearing  date  the  4th  and  27th  days 
of  April  1693  of  Mr.  Palmer,  one  of  the  Tellers  of  His  Majesty's  Receipt 
of  Exchequer,  the  Sum  of  Sixteen  pounds  four  shillings  and  ten  pence  half 
penny  in  full  of  all  former  directions  of  the  said  Order,  and  for  half  a  yeare, 
due  Midsummer  past,  of  Three  hundred  pounds  by  me  paid  into  the  said 
receipt  of  Exchequer,  the  day  of  the  date  of  the  said  order,  upon  an  Act 
of  Parliament,  (Intituled,  an  Act  for  granting  to  their  Majesties  certain  rates 
and  duties  upon  Beer  Ale  and  other  liquors.  —  for  securing  certain  recompenses 
and  advantage,  in  the  said  Act,  to  such  Persons  as  shall  voluntarily  advance 
the  Sum  of  ten  Hundred  Thousand  Pounds  towards  carrying  on  a  Vigorous 
War  against  France:)''    —   This  document  is  also  signed  by  Blow. 

On  the  death  of  Purcell,  in  November  1695,  Blow  was  again  appointed 
organist  of  Westminster  Abbey.  He  also  succeeded  him  in  a  somewhat  singular 
capacity.  The  Bodleian  Library  possesses  a  warrant  dated  the  30th  of 
November  1695,  only  nine  days  after  Purcell's  death,  which  reads  "These  are 
to  require  you  to  swear  and  admit  Dr.  John  Blow  and  Mr.  Bernard  Smith 
into  the  Places  and  Quality  of  Tuners  of  the  Regal,  Organs,  Virginals, 
Flutes  and  Recorders,  and  all  other  Kind  of  Wind  instruments,  in  ordinary 
to  His  Maty  in  the  place  and  upon  the  decease  of  Mr.  Henry  Purcell,  to 
enjoy  the  said  Place  equally  between  them,  and  ye  Longer  Liver  of  them 
to  enjoy  ye  whole  Place  with  all  Salaries,  Wages  and  all  other  Rights, 
Profits,  Privileges  and  advantages  thereunto  belonging  in  as  full  and  ample 
manner  as  Mr.  Henry  Purcell  did  enjoy  the  same,  and  for  doing  so,  this 
shall  be  your  warrant.  Given  under  my  hand  this  30  th  day  of  November 
1695  in  y°  seventh  year  of  His  MaUcs  Reign,  (signed.)  Dorset.  To  ye  Gent- 
lemen Ushers,  Dailey  Waiters  in  Ordinary  to  His  Matie  or  one  of  them." 

I  have  said  enough  concerning  Blow's  career,  and  turn  to  consideration 
of  his  claims  as  a  composer.  First  I  would  note  that  on  the  death  of  his 
friend  and  former  pupil,  Henry  Purcell,  Blow  composed  an  Ode  to  his  me- 
mory, the  words  of  which  were  written  by  Dryden.  The  work  was  published 
in  1696,  and  it  is  difficult  to  say  which  is  worse  the  music  or  the  poetry, 
neither  is  worthy  of  the  subject  or  creditable  to  the  author.  Blow's  music 
is  scored  for  two  alto  voices,  two  flutes,  and  harpsichord.  A  combination 
sufficiently  melancholy  and  curious.  Notwithstanding  the  existence  of  this 
unhappy  composition  we  can  claim  for  Blow  exceptional  honour  as  a  com- 
poser. 

I  am  aware  that  Burney  disparaged  Blow's  music,  but  I  have  for  some 
time  past  regarded  the  opinions  set  down  by  Burney  in  his  history  of  music 
with  great  suspicion  and  some  want  of  faith.  He  frequently  criticised  music 
and  musicians ,  particularly  English  musicians ,  without  adequate  knowledge 
of  the  matters  he  ventured  to  pronounce  an  Opinion  upon.  Sometimes  he 
misquotes  examples  and  facts,  notably  in  connection  with  Lawes,  Morley, 
Blow  and  others.  Burney  was  born  at  Shrewsbury,  and  had  not  the  ad- 
vantage of  a  Cathedral  training,  and  I  suspect  had  heard  but  little  of  Blow's 
music  —  when  Burney  migrated  to  London  he  became  a  pupil  of  Dr.  Arne 
who   was   a   composer    of  secular   and   theatre    music,    and   wholly   unsympa- 


428  w-  H.  Cummings,  Dr.  John  Blow. 

thetic  to  Church  music.  Burney  for  some  unknown  cause  appears  to  have 
nursed  a  grudge  against  Blow;  for  instance  he  cavils  at  the  statement  on 
Blow  8  monument  that  he  was  master  to  the  famous  Mr.  Henry  Purcell,  he 
calls  it  "petty  larceny"  notwithstanding  its  absolute  truth.  He  devotes  some 
six  or  seven  pages  to  the  abuse  of  Blow,  although  he  admits,  he  was  "an 
artist  celebrated  and  honoured  by  his  contemporaries".  Here  are  a  few  ot 
Burney's  accusations:  he  says  Blow  was  guilty  of  Unwarrantable  licences: — 
confusion  and  concrudities  of  counterpoint  —  barbarous  harmony  —  unaccount- 
able millions  of  faults"  and  wonders  how  Dr.  Boyce  an  excellent  judge,  of 
known  probity,  could  have  ventured  to  speak  of  Blow's  "success  in  cultivat- 
ing an  uncommon  talent  for  modulation".  —  To  justify  .his  sweeping  criti- 
cisms he  prints  four  pages  of  specimens  of  Dr.  Blow's  crudities  in  music. 
Those  who  are  familiar  with  the  state  of  music- printing  at  the  end  of  the 
17  th  Century  will  scarce  need  to  be  reminded  of  the  general  inaccuracy  of 
the  published  page.  Some  of  his  examples  are  evidently  misprints,  one  is 
an  error  of  Burney's  not  to  be  found  in  Blow,  others  regarded  in  the  light 
of  modern  methods  of  composition  need  no  apology. 

Blow's  compositions  are  very  numerous,  including  more  than  one  hundred 
anthems,  fourteen  services,  and  a  variety  of  secular  pieces,  both  vocal  and 
instrumental.  In  his  music  he  seems  to  have  attempted  to  rival  his  pupil 
Purcell,  no  wonder  therefore  that  his  harmonies  and  progressions  are  not 
always  quite  of  the  domestic  order.  The  bulk  of  Blow's  music  still  remains 
in  MS.,  unfortunately  scattered  in  various  collections  I  possess  much,  in- 
cluding Acts,  Songs,  and  Motetts,  some  with  Latin  Words,  and  in  these  is 
to  be  found  grand  eight-part  writing  for  voices  and  instruments.  Naturally 
in  reviewing  the  music  of  Blow  we  turn  first  of  all  to  his  Anthems.  There 
is  one  which  should  be  familiar  to  all  frequenters  of  Cathedral  Services. 
I  refer  to  "I  beheld  and  Lo  a  great  multitude",  which  contains  one  of  the 
most  pathetic  soul-moving  solos  ever  written.  The  words  are  "These  are 
they  which  came  out  of  great  tribulation,  and  have  washed  their  robes  in 
the  blood  of  the  Lamb".  The  whole  anthem  presents  a  combination  of 
solemn  harmony  and  appropriate  melody.  It  was  composed  about  1687  for 
King  James  the  2nd.  He  had  been  greatly  impressed  and  pleased  with  an 
anthem  he  had  heard  in  the  Chapel  Royal,  which  was  the  composition  of 
an  Italian  Master,  and  after  hearing  it  the  King  asked  Blow,  if  he  thought 
"he  could  make  one  as  good".  Blow  very  confidently  replied  yes!,  and  he 
would  have  it  ready  by  the  following  Sunday  —  he  proved  as  good  as  his 
word  by  producing  fc,I  beheld  and  lo".  When  the  service  was  concluded, 
the  King  sent  Father  Petre  to  tell  Blow  that  his  Majesty  was  greatly  pleased 
with  the  anthem,  but  added  Father  Petre,  UI  think  it  too  long".  Blow  was 
rettled  by  the  gratuitous  criticism,  and  instantly  retorted,  "that  is  the  opinion 
of  one  fool  and  I  heed  it  not".  Possibly  Hawkins  was  thinking  of  this 
story  when  he  said  "Blow  was  not  so  insensible  of  his  own  worth  to  be 
totally  free  from  the  imputation  of  pride". 

I  think  I  have  discovered  the  Anthem  by  the  Italian  composer  which 
excited  the  Kings  admiration,  and  which  made  him  challenge  Blow's  powers 
It  was  "Give  thanks  unto  the  Lord"  composed  by  Pierre  Antoine  Fiocco, 
who  was  born  at  Venice  about  1650  and  became  Organist  of  Notre  Dame, 
Brussels.  He  published  some  music  at  Antwerp  in  1691.  "Give  thanks  unto 
the  Lord"   is  for  four  voices  with  string  and  organ  accompaniment.    The  copy 


W.  H.  Cummings,  Dr.  John  Blow.  429 

I  possess  is  in  Pur  cell's  handwriting.  If  I  am  correct  in  my  belief  that  I 
have  identified  the  anthem  I  can  vouch  for  the  fact  that  Blow's  composition 
is  so  superior  that  comparison  is  absolutely  ridiculous. 

The  Anthem  "I  beheld*7  as  printed  in  Boyce's  Cathedral  music  provides 
much  food  for  reflection,  and  1  am  bound  to  confess,  that  whilst  giving 
Dr.  Boyce  credit  for  the  great  labour  he  must  have  gone  through  in  pre- 
paring manuscripts  for  the  engraver,  I  cannot  but  regret  that  without  note 
or  comment  he  should  have  dared  to  mutilate  the  compositions  of  disting- 
uished church  composers,  who  being  dead  should  have  been  permitted  to  speak 
in  their  own  fashion.  I  have  known  for  many  years  that  Boyce  treated 
Purcell's  music  in  a  merciless  fashion,  but  I  did  not  suspect  that  he  had 
mis-used  Blow  in  a  like  manner.  I  possess  a  very  fine  volume  of  anthems 
by  various  composers,  entirely  in  the  handwriting  of  Henry  Purcell;  in  that 
volume  is  this  anthem  "I  beheld  and  lo" ;  looking  at  it  I  detected  so  many 
readings  which  differ  from  Boyce's  version  that  I  took  a  copy  printed  by 
Novello  from  Boyce's  Cathedral  music  and  have  noted  in  red  ink  some  of 
the  inaccuracies  —  I  might  quote  the  words  of  the  anthem  and  say  ua  great 
multitude".  Blow  composed  the  anthem  for  the  Chapel  Royal  where  there 
was  a  string  band  in  addition  to  the  organ.  The  band  had  chiefly  to  play 
ntornelli  or  short  symphonies;  —  these  Boyce  deleted  —  and  if  that  had 
been  all,  perhaps  he  might  have  been  excused;  —  but,  in  addition,  he  some- 
times changed  the  notation  —  he  altered  the  phrasing,  and  worse  than  all 
removed  a  bold  harmonic  progression,  substituting  for  it  one  with  no  distinct- 
ive feature.  It  would  be  quite  impossible  for  any  one  to  appreciate  what 
a  piece  of  vandalism  Boyce  perpetrated  unless  he  saw  it  with  his  own  eyes. 
It  is  impossible  to  allow  this  anthem  to  remain  in  the  mutilated  form  as  at 
present  published.  I  hope  therefore  to  get  a  new  edition  printed.  It  is  de- 
voutly to  be  wished  that  some  competent  musician,  with  time  and  means, 
and  above  all  a  conscience,  would  take  up  the  work  of  examining  the  music 
to  be  found  in  Boyce's  Cathedral  Music,  and  make  public  the  result  of  his 
investigations.  I  fear  the  story  would  not  redound  to  the  credit  of  past 
editors. 

I  need  say  no  more  of  Blow's  Sacred  Music  than  that  it  is  so  excellent 
and  masterly  as  to  deserve  publication;  the  larger  part  still  remains  in 
manuscript. 

Blow  only  once  essayed  his  powers  in  a  work  for  the  stage  —  that  was 
a  masque  "Venus  and  Adonis*"  written  for  the  entertainment  of  the  King 
Charles  the  2nd.  From  a  manuscript  copy  of  the  work  in  the  British  Museum 
we  learn  that  the  King's  mistress,  Mary  Davies,  performed  the  part  of 
Venus,  and  that  her  daughter  Lady  Mary  Tudor  played  and  sang  the  part 
of  Cupid,  —  as  she  was  created  Lady  Mary  on  the  10  Dec.  1680  the  masque 
must  have  been  composed  after  that  date;  and  before  1687  for  then  the 
Lady  Mary  was  married  to  Lord  Derwentwater.  and  of  course  took  his  name. 
This  interesting  work  has  been  edited  and  published  by  6.  E.  P.  Arkwright. 
There  is  one  song  in  it  called  Cupid's  lesson  in  which  the  words  are  spelt 
letter  by  letter  in  a  very  humorous  manner.  Modern  instances  of  similar 
character  will  readily  recur.  Blow  composed  numerous  Odes  for  the  New 
Year  and  also  for  St.  Cecilia's  day.  In  1700  he  published  a  collection  of 
Songs  and  Duetts  under  the  title  "Amphion  Anglicus"  —  no  doubt  he  made 
this  essay  in  consequence  of  the  great  success  of  Purcell's  u Orpheus  Britan- 


430  Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  »Entfflhning«  usw. 

nicus",  first  published  in  1698  and  of  which  three  editions  were  issued,  the 
last  in  1721.  Blow's  Amphion  only  ran  through  one  edition,  and  is  now 
somewhat  scarce.  In  the  "Amphion  Anglicus",  Blow  very  ingenuously  says  in 
the  dedicatory  preface  "to  Her  Royal  Highness  the  Princess  Ann  of  Denmark", 
"lest  a  work  of  this  nature,  tho'  perhaps  not  blameable  in  itself,  either  for 
the  matter,  or  the  manner  of  it  should  however  seem  to  fall  below  what  is 
due  to  Your  Royal  Highnesses  Greatness  of  Mind,  and  consummate  Vertue: 
Give  me  leave  Madame,  to  tell  you,  I  am  preparing,  as  fast  as  I  can,  to 
make  some  amends  for  this,  by  a  Second  Musical  Present,  upon  Arguments 
incomparably  better.  I  mean  my  Church  Services,  and  Divine  Compositions^. 
He  was  quite  correct  in  his  own  estimation  of  his  works,  nevertheless 
amongst  the  very  many  songs  he  composed,  there  are  some  gems  which  are 
worthy  of  resuscitation  and  performance. 

Much  of  Blow's  secular  music  appears  to  have  been  made  to  display  his 
contrapuntal  skill.  A  specimen  of  the  kind  is  the  Duet  "Go  perjur'd  man1", 
which  became  very  famous  immediately  after  its  production.  Hawkins  gives 
the  history  of  its  composition.  He  says  Charles  the  2nd  "admired  very  much 
a  little  duet  of  Carissimi  to  the  words  k  I  lite  o  del?  and  asked  of  Blow,  if 
he  could  imitate  it.  Blow  modestly  answered  he  would  try,  and  composed 
in  the  same  measure,  and  the  same  key  of  D  with  a  minor  third,  that  fine 
song  Go  perjured  man,  known  to  very  Englishman  conversant  in  music". 
A  comparison  of  the  two  compositions  by  Carissimi  and  Blow  compels  one 
to  say  that  Blow  surpassed  his  model.  The  earliest  printed  copy  of  this 
duet  which  I  know  of  is  to  be  found  in  the  u Theater  of  Music"  1687.  There 
it  appears  for  two  voices,  alto  and  bass,  with  a  cembalo  bass  accompani- 
ment. Blow  afterward  published  it  in  the  "Amphion  Anglicus"  with  in  depen- 
dant violin  parts  added;  but  although  these  are  very  ingenious  I  do  not 
think  them  an   improvement. 


Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfiihrimg  aus  dem  Serailc 

Ein  Beitrag  zu  der  Geschichte  der  Tiirkenoper. 
Von 

Walter  Preibisch 

(Halle  a.  S.). 

Ober  Mozart's  »Pigaro<,  »Don  Giovanni*,  >Zauberfl6te<  beeitzen  wir  langst 
eingehende  Quellenuntersuchungen.  Sie  stellen  das  Verhaltnis  des  Komponisten 
zu  seinen  V  organ  gem  dar  und  geben  una  Nachrichten  fiber  den  Anschauungskreis. 
dem  die  Werke  entstammen.  Dagegen  fehlen  noch  Untersuchungen  fiber  den 
St  off  der  >Entffihrung«.  Die  Mozartbiographen  vermogen  darfiber  keine  Auskunft 
zu  geben,  selbst  Otto  Jahn,  von  dem  man  am  ehesten  Aufklarung  erwarten  sollte. 
versagt  an  dieser  Stelle.  Er  verbreitet  sich  nur  ganz  im  allgemeinen  fiber  das 
deutsche  Singspiel  und  geht  dann,  ohne  sich  auf  Stficke  von  ahnlichem  Charakter 
wie  die  >Entftlhrung«  einzulaseen,  auf  diese  selbst  ein. 


-     Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfuhrung«  usw.         431 

Die  Gluckbiographie  von  Marx1)  gibt  uds  wenigstens  beilaufige  Andeutungcn 
iiber  die  Existenz  anderer  Tiirkenopern  gelegentlich  der  Besprechung  von  La 
Rencontre  imprevue,  aber  iiber  Gluck  hinaus  hat  niemand  die  Frage  verfolgt.  Und 
doch  liegt  die  Frage  sehr  nahe:  Wie  kam  Bretzner  zu  seinem  Tezte?  Er  war  ja 
durchau8  kein  Originalgenie  und  auCerdem  keineswegs  gesonnen,  seinem  Publi- 
kum  etwas  vdllig  Neues  zu  bieten.  Seine  Absicht  war  vielmehr  nur,  einen  Sing- 
spieltext  zu  liefern,  der  fur  sein  Publikum  leicht  verstandlich  war  und  der  es  in 
be  re  its  bekannte  Spharen  fiihrte. 

Die  Wahl  eines  ttirkischen  Sujets  beweist,  daC  Bretzner  sein  Publikum  und 
dessen  Geschmack  kannte.  Denn  die  Turkenoper  hat  sich  Beit  Alters  her  seiner 
besonderen  Gunst  zu  erfreuen  gehabt.  Wenn  im  folgenden  auf  die  Geschichte 
dieser  Gattung  etwas  naher  eingegangen  wird,  so  geschieht  dies  nicht  etwa  in 
der  Absicht,  ein  vollstandiges  Verzeichnis  aller  Tiirkenopern  zu  geben,  sondern 
es  sollen  nur  diejenigen  herausgegriffen  werden,  die  der  Bretznerschen  Dichtung 
den  einen  oder  anderen  Zug  geliehen  haben.  Dabei  wird  es  denn  am  Anfang 
notwendig  sein,  den  Rahmen  der  Operngeschichte  zu  verlassen  und  auf  das  Ge- 
biet  der  Literaturgeschichte  uberzugreifen.  Denn  hier  lauft,  wie  z.  B.  Goldoni 
beweist,  eine  parallele  Bewegung  her,  die  die  Opernlibretti6tik  zu  Zeiten  sehr 
nachbaltig  beeinfluBt  hat. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dafl  die  Kreuzziige  uns  die  ersten  ttirki- 
schen Stoffe  vermittelt  haben.  Eine  weitere  Zufuhr  erfolgte  durch  die  um- 
fangreichen  Handelsbeziehungen  der  groBen  italienischen  Stadte  wie  Venedig 
und  Neapel  mit  dem  Orient.  Die  Tiirken  machten  im  Verkehr  mit  den 
Italienern  diese  auch  mit  ihren  Gebrauchen  und  Verhaltnissen  bekannt,  und 
die  Manner  im  hohen  Turban,  in  ihrer  eigentumlichen  Kleidung,  mit  ihren 
merkwiirdigen  Sitten,  die  von  den  europaischen  so  ganz  abweichen,  mogen  den 
spottlustigen  Italienern  Grund  genug  gegeben  haben,  sich  iiber  sie  lustig  zu 
machen.  (lefahrlich  wurden  die  Osmanen  erst,  als  ihre  seerauberischen 
Scharen  die  italienischen  Kiisten  heimsuchten 2).  Nichts  war  naturlicher, 
als  daft  sich  diese  Verhaltnisse  auch  in  der  Literatur  der  damaligen  Zeit 
widerspiegelten. 

Italienisches  Schauspiel  und  Opera  seria. 

Schon  im  Jahre  1619,  also  nur  25  Jahre  nach  der  Begriindung  der 
florentinischen  Oper,  schrieb  Prospero  Bonarelli3)  einen  Bolivian 7  ein 
Drama  mit  den  fur  die  damalige  Zeit  charakteristischen  Grundzugen,  eine 
mit  lntrigen  reichlich  durchsetzte  Staatsaktion  mit  der  beliebten  Erkennungs- 
8zene : 

Eine  Sultanin  will  ihren  Stiefsohn  vernichten,  urn  ihrem  naturlicben  Sohne 
das  Reich  zu  erhalten,  aber  im  letzten  Augenblick  erkennt  sie,  daft  man  ihren 
leiblichen  Sohn  zu  Tode  fiihrt,  worauf  sie  sich  durch  Gift  totet. 

Das  Hauptmotiv,  das  Streben  der  Stiefmutter,  dem  natiirlichen  Sohne 
die  Thronfolge  zu  retten,  fin  den  wir  spater  in  dem  beruhmten  Soliman  von 
Migliavacca-Hasse  wieder. 


lj  A.  B.  Marx,  Gluck  und  die  Oper,  1863,  1,  S.  272. 

2)  Kretz8chmar  in  Vierteljahrsschrift  fur  Musikwissenschaft,  Band  8. 

3)  Wieae,  Gesch.  der  ital.  Literatur  1898—99,  S.  426  und  Napoti-Signo- 
relli,  Krit.  Geschichte  dee  Theaters,  deutsch  ubersetzt,  Bern  1783.  II,  S.  62. 


432  Walter  Preibisch,  Quellenstndien  zu  Mozart's  >Entffihrung«  ntw. 

Von  dem  Bonarelli'schen  Solitnan  existiert  ein  Faksimile  des  Titelblattes, 
welches  die  Widmung  des  "Werkes  an  den  Grofiherzog  von  Toskana  enthalt, 
ferner  eine  An  sich  t  von  der  Szenerie  des  ersten  Aktes1'. 

Die  funiziger  Jahre  des  18.  Jahrhunderts  bescheren  nns  drei  orientaliscbe 
Stucke  ans  der  Feder  Goldoni's.  Der  Schauplatz  der  Handlung  ist  eigent- 
lich  Persien,  indessen  machte  man  in  der  damaligen  Zeit  zwischen  Persern 
nnd  Turken  anf  dem  Theater  keinen  Unterschied.  Das  zeigt  die  haufige 
Verwendung  derselben  Namen  fur  die  Angehorigen  beider  Nationen  nnd 
die  IJbertragnng  turkischer  Yerhaltnisse  auf  die  peroischen. 

Die  drei  Goldonistucke  sind  eine  Art  von  Trilogie,  da  sie  das  Schicksal 
einer  und  derselben  Person  weiter  verfolgen,  doch  war  von  dem  Dichter 
keine  Trilogie  beabsichtigt,  sondern  der  Beifali,  den  das  Publikum  der  Heldin 
des  ersten  Stuckes  gezollt  hatte,  veranlafite  ihn,  sie  znm  Mittelpunkte 
weiterer  Dramen  zu  machen2). 

Das  erste  der  Stucke  ist  betitelt  La  Sposa  Persiana.  Die  Datierung 
der  drei  Komodien  bei  Wiese3)  stimmt  nicht  zu  Goldoni's  eigenen  Angaben. 
Nach  "Wiese  stammt  die  Sposa  Persiana  ans  dem  Jahre  1753,  Ircana  m  Julfa 
aus  dem  Jahre  1756  und  Ircana  in  Ispahan  ans  demselben  Jahre.  Gol- 
doni4)  sagt  selbst: 

>Dieses  dritte  persische  Lustspiel  (Jreana  in  Ispahan  erschien  erst  ein  Jahr 
nach  dem  zweiten  und  drei  Jahre  nach  dem  ersten  auf  der  Buhne«. 

Die  Sposa  Persiana  ist  nach  Riemann5)  anch  im  Jahre  1775  als  Oper 
von  Fel.  Alessandri  in  London  behandelt  worden.  In  demselben  Jahre 
wnrde  die  Oper  auch  in  Yenedig  im  Teatro  San  Samuele  mit  Balletten  von 
Onorato  Vigano  aufgefuhrt6). 

Der  Inhalt  der  Sposa  Persiana  ist  folgender: 

Thamas,  der  Sohn  des  reichen  Machmut,  hat  eine  Geliebte  Ircana  oder  Hir- 
cana,  eine  zirkassische  Sklavin,  sein  Vater  hat  ihn  aber  einem  ihm  noch  unbe- 
kannten  Madchen  Fatima,  der  Tochter  eines  hohen  Offiziers,  zum  Gemahl  bestimmt. 
Die  stolze  Ircana  will  sich  auf  keinen  Fall  mit  einem  anderen  Madchen  in  dea 
Besitz  dee  Thamas  teilen,  so  entstehen  durch  Ircanas  Eifersucht  die  schlimmstea 
Verwicklungen.  Fatima  ist  ein  edles,  selbstloses  Madchen,  das  Thamas  zwar  nicht 
liebt,  der  er  aber  wegen  ihres  Edelmutes  seine  Achtung  nicht  versagen  kasn. 
Als  Fatimas  Vater  Osman  wegen  der  Yernachlassigung.  die  seine  Tochter  fort- 
gee  etzt  in  Machmuts  Hause  erfahrt,  mit  Thamas  in  Streit  gerat.  stfirst  *ich  Fatima 
zwischen  die  E&mpfenden  und  verpflichtet  sich  Thamas  anfs  neue.  dem  der  Eampf 
sicher  das  Leben  gekostet  hatte. 

Die  eifersfichtige  Ircana  will  den  Geliebten  tSten ,  wiederum  wird  der  tot- 
bringende  Streich  durch  Fatima  aufgehalten.  Ircana  fallt  als  Sklavin  in  Fatima! 
Hande.  Diese  schenkt  ihr  in  ihrer  GroOmut  die  Freiheit,  aber  in  diesem  Augen- 
blick  fflhlt  Ircana  die  gauze  Oberlegenheit  der  Nebenbuhlerin,  stdfit  einen  Scbrei 
der  Wut  aus  und  entfernt  sich,  als  wolle  sie  sich  ein  Leid  antun.  Thamas.  fiber- 
waltigt  von  Fatimas  Gfite,  umarmt  seine  Braut  —  das  Stuck  schlieGt. 

1)  Wotquenne,  Catalogue  de  la  Bibliotheque  dn  Conservatoire  etc.  S.  132. 

2;  Goldoni  fiber  sich  selbst,  fibers,  v.  G.  Schatz  1788.  II.  S.  171  ff. 

3   Wiese,  a.  a.  0.  S.  479. 

4)  Goldoni  fiber  sich  selbst,  a.  a.  0.  II,  S.  191. 

5.  Riemann,  Opernhandbuch  1887. 

6;  T.  Wiel,  /  teatri  musicali  tenexiani  . . .  1897,  S.  313. 


Walter  Pre ibiech,  Quellenstudien  zu  Mozart's  »Entfubrung«  usw.         433 

Wir  haben  einen  hochdramatischen  StofF  vor  uns,  der  Abschlufi  vermag 
freilich  nicht  zu  befriedigen,  da  wir  uber  das  Geschick  der  Heldin  keine 
Klarheit  bekommen.  Das  orientalische  Kolorit  ist  gut  getroffen.  Es  ist  von 
Interesse,  dafi  Goldoni  das  Werk  nennt,  aus  dem  er  seine  Kenntnis  der 
orientalische n  Yerhaltnisse  bezogen  hat.  Wahrscheinlich  haben  es  auch 
andere  Yerfasser  von  Turkenstiicken  benutzt.     Goldoni  *)  sagt : 

>Ich  hatte  Salmons  aus  dem  Engliscben  in  das  Italieniscbe  ubersetzte  Geschichte 
der  neueren  Nationen  durchlaufen.  Hier  fand  ich  freilich  nicht  die  Fabel,  die 
den  Inhalt  des  Stuckes,  das  ich  verfertigen  wollte,  ausmacht:  allein  dieses  unter- 
richtende,  genaue  und  interessante  Bach  unterrichtete  mich  doch  von  den  Gesetzen, 
Sitten  und  Gebr&uchen  der  Perser,  und  nach  diesen  Nachrichten  des  engliscben 
Schriftstellers  richtete  ich  mein  Stuck  ein,  das  den  Tit  el:  La  Sposa  Persiana,  die 
persische  Braut.  erhielt*. 

Dieses  Stiick  ist  fiir  uns  deshalb  von  Interesse,  weil  es  mit  dem  spater 
zu  behandelnden  engliscben  Stucke  The  Sultan  or  a  Peep  into  the  Seraglio 
nahe  verwandt  ist,  dessen  Osminfigur  uns  direkt  in  das  deutscbe  Singspiel 
weist. 

Die  erste  Fortsetzung  des  Stuckes,  Ircana  in  Julfa,  laflt  das  Madchen 
in  dieser  Stadt  die  merkwiirdigsten  Schicksale  erleiden. 

Noch  gehttrt  ihm  in  Wirklichkeit  das  Herz  des  Thamas.  Fatima  ist  trostlos 
darfiber,  daft  es  ihr  nicht  gelungen  ist,  des  Gatten  Herz  zu  gewinnen  und  sehnt 
sich  nach  dem  Tode.  AH,  der  Vertraute  des  Thaman,  findet  eine  Befreiung  aus 
diesen  unglucklichen  Verhaltnissen.  Man  will  beide  Frauen  zufriedenstellen.  Die 
Ehe  zwischen  Fatima  und  Thamas  soil  gelttst  werden,  Thamas  soil  die  Zirkassierin 
heirateo.  er  selbst  will  Fatima  zum  Weibe  nehmen.  Man  geht  auf  seinen  Vor- 
schlag  ein;  beide  Teile  sind  befriedigt. 

Die  Handlung  dieses  Stuckes  mufi  in  Yerbindung  mit  dem  dritten  Gol- 
donischen  Stiick:  Ircana  m  Ispahan  betrachtet  werden. 

Machmut  hat  seinen  undankbaren  Sohn  Thamas  enterbt,  der  ihm  so  viele  Un- 
gelegenheiten  bereitet  hat.  Dieser  ist  mit  Ircana  verbannt  worden.  Machmut 
tritt  den  Weg  in  das  Exil  seines  Sohnes  an,  um  diesen  zu  zuchtigen.  Der  empOrte 
Vater  trifft  auf  Ircana,  die  den  Geliebten  vor  Machmut  versteckt.  Sie  erzahlt  dem 
Alten,  dafi  Thamas,  weil  sein  Yater  ihn  verstofien  hatte,  sein  Leben  freiwillig  ge- 
endet  habe.  Das  Madchen  geht  mit  diplomatischer  Schlauheit  zu  Werke,  und  als 
sie  in  Machmut  Mitleid  fur  das  Schicksal  seines  Sohnes  erregt  hat,  erklart  sie, 
dafi  dieser  noch  lebe  und  fuhrt  ihm  den  Totgeglaubten  vor.  Der  Vater  ist  so 
geruhrt,  dafi  er  gern  Verzeihung  gewahrt.  Als  Herrin  in  des  Thamas  Haus  fuhrt 
Ircana  mit  dem  Geliebten  ein  gluckliches  Leben,  auch  Osman,  der  die  Ehe  Fatima's 
nicht  gebilligt  hatte,  wird  zur  Zustimmung  gezwungen.   So  endigt  alles  glucklich. 

Die  Bedeutung  dieses  Stuckes  fiir  uns  liegt  in  seiner  nahen  Beziehung 
zu  dem  erst  ein  paar  Jahre  vorher  erschienenen  Migliavacca-Hasse'schen 
Soliman.  In  dem  Yerhalten  des  machtigen  Fersers  Machmut  zu  sein  em 
Sonne  Thamas  erkennen  wir  die  Stellung  des  Sultans  Soliman  zu  seinem 
Sohne  Selim  wieder.  Wie  bei  Migliavacca-Hasse  tritt  auch  hier  der  Yater 
emport  auf  gegen  den  undankbaren  Sohn;  als  es  aber  heifit,  dafi  dieser  tot 
sei,  wird  der  Yater  von  heftigen  Gewissensbissen  geplagt  und  mufl  sich  von 


1}  Goldoni  uber  sich  selbst,  a.  a.  0.  II,  S.  171. 


434  Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart'H  »Entfuhruiig«  usw. 

der  Geliebteu  seines  Kindes  harte  Vorwiirfe  gefallen  lasaen,  ganz  genau  wie 
bei  Hasse,  wo  N  arse  a  dem  grausamen  Vater  wegen  seiner  Unmenechlicbkeit 
Vorstellungen  macht. 

Unter  die  zeitlicb  friihesten  Turkenopern  gebort  ein  Stoff,  in  dessen 
Mittelpunkt  der  Tiirkenkaiser  Bajazet  (1347 — 1403)  stebt.  Zwei  im  Cha- 
rakter  einander  entgegengesetzte  Helden  stehen  sich  gegenuber,  der  AVfiterich 
Tamerlan  und  der  Dulder  Bajazet.  Aucb  bier  tritt  der  weibliche  Teil  dei 
Liebespaares,  wie  bei  Goldoni  and  bei  Migliavacca-Hasse,  dem  Tyrannen 
iiberlegen  gegenuber. 

Das  Libretto  bat  den  Grafen  Agostino  1'jovene  zum  Verfasser.  £• 
liegt  eine  ganze  Anzabl  von  musikaliscben  Bearbeitungen  dieses  Stoffes  vor, 
welcbe  das  Interesse  fur  die  Tiirkenstucke  deutlich  bekunden.  Zum  ersten 
Male  taucbt  das  Stuck  in  Yenedig  mit  der  Musik  von  Marc  Antonio  Ziani 
1689  auf.  1m  Jabre  1706  wurde  das  Werk  in  der  Kompositiou  von  Ales- 
sandro  Scarlatti1)  unter  dem  Titel  II  gran  Tamerlano  in  Pratolino  bei 
Florenz  aufgefiihrt.  Scbon  nacb  vier  Jahren  betrat  ein  nener  Komponist 
des  Stoffes  den  Schauplatz,  Francesco  Gasparini3),  der  das  Stiick  als 
Tamerlano ^  Tragedia  per  musica,  1710  im  Tcutro  San  Cassiano  zu  Venedig 
zur  Darstellung  bracbte.  Riemann3)  gibt  ferner  noch  Auffuhrungen  des 
Gasparini'schen  Bajazet  aus  den  Jabren  1716  in  Udine,  1717  in  Mass*, 
1719  und  1723  in  Venedig  an.  Die  Auffiihrung  von  1723  verzeichnet  auch 
Wiel4,  damals  wurde  das  Stiick  im  Teatro  San  Samude  gespielt.  In  dem 
Personenverzeichnis  fehlt  diesmal  die  Figur  des  Leone. 

Jm  Jahre  1722  wurde  der  Bajaxette  o  Tamerlano  mit  der  Musik  von 
Leonardo  Leo*  aufgefiihrt.  Das  Stiick  wurde  nacb  der  Umarbeitung  des 
Librettos  durcb  Bernardo  Sabdumene  von  Leonardo  Leo  in  Musik  gesetzt. 
Giacomo  Leo'1:  schildert  die  textlicbe  Umarbeitung  des  Sabdumrnc  und  die 
inusikalische  Bebandlnng  des  Leonardo  Leo  naher. 

Er  ziebt  das  Libretto,  das  in  Neapel  und  Bologna  liegt,  heran  und  kon- 
statiert: 

1.  Che  il  SaMumene,  diminuendo  molie  case,  aceomodo  i  rccilativi,  ri  feet  U 
seme  buffe  c  tutU  fe  arie  di  nuovo  ad  eceexione  di  cinque*  otic  quali  per  comodiA 
degli  artisti  fu  consercata  la  musica  dei  cotnpositori  anterior i    Oasparini?) 

2.  Che  il  Leo  musico  tutti  i  rccitativi1  le  scene  buffe  e  le  arie  segnaie  nei  libretto. 
Non  r'e  dubbio  percio  che  i  primi  saggi  del  Leo  nel  yenerc  buffo,  in  cui  tanto  teppe 
eccellere,  si  trovano  nelle  scene  buffo  del  Bajaxette  \  13a  del  I  atto,  2a  del  II  e  7a  del  III, 
le  quali,  applaud  lie  nrt  1722  prima  a  Palatxo  Reale  e  poscia  al  S.  Bartolomeo,  furom 
forieri  dei  piu  splendid  i  trioyifi,  che  seppr  con-seguirc  nelle  sue  comtnedie  e  special  men** 
nell  Amor  vuol  sofferrnz*. 

Hier  baben  wir  also  eiue  Durcbsetzung  des  Bajazetstoffes  mit  komischeo 
Elementen. 

Nacb  Leo  ist  der  Bajazetstoff  1724  von  keinem  geringeren   als   Handel 


1)  Sammelbande  der  IMG.  IV,  S.  152. 

2;  Wiel,  a.  a.  0.,  S.  26. 

3}  Opernhandbuch. 

4;  Wiel,  a.  a.  0.,  S.  7G 

o   Giac.  Leo,  Leonardo  l^eo,  tnusicista  del  tfcc*i"   VI 7//,  1905,  S.  50. 

H   Giac.  Leo,  a.  a.  0.,  S.  50  und  51. 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfahrung«  asw.         435 

bearbeitet  worden.  Als  besondere  Glanznummern  fuhrt  Chrysander1)  das 
Duett  im  3.  Akt  zwischen  Bajazets  Tochter  Asteria  und  ihrem  Geliebten 
Andronico  an,  ferner  das  Terzett  zwischen  Asteria,  Tamerlan  und  Bajazet 
gegen  Ende  des  zweiten  Aktes,  das  als  »musikalisch  wie  deklamatorisch  gleich 
schon  und  bedeutend,  ein  vollkommenes  Muster  seiner  Art«  bezeichnet  wird. 
Vor  allem  macht  Chrysander  auf  die  tragische  SchluGszene  aufmerksam,  die 
er  >eins  der  groBten  Meisterstiicke  in  Handels  Opera*  nennt,  und  von  der 
er  erkl'art,  daC  sie  an  dramatischer  Gewalt  die  Gluck'scheu  Rezitative  uberrage. 

Mit  der  Musik  von  Andrea  Bernasconi2)  erlebte  der  Tamerlan  1742 
im  Teatro  Grisostomo  in  Venedig  eine  Auffiihrung  in  Verbindung  mit  Balletten 
von  Gius.  Salamon  aus  Wien.  Das  Fersonenverzeichnis  ist  um  einige 
Namen  vermehrt,  auBer  Bajazet,  Tamerlan,  Irene,  Andronico  treten  Clearco 
und  Mirteno  auf. 

Den  Bajazetstoff  hat  in  dem  fur  die  Ttirkenopern  durch  Erscheinen  des 
Hasse'schen  Soliman  so  wichtigen  Jahre  1753  auch  Jo  mm  ell  i?)  behandelt. 
Er  verfaBte  ihn  fiir  Turin.  Die  Person  en  sind  Bajazet,  Tamerlano,  Andro- 
nico, Leone,  Asteria,  Irene.  Das  beste  Stuck  ist  wie  bei  Handel  die 
SchluGszene. 

Auch  das  folgende  Jahr  brachte  wieder  eine  Neubehandlung  des  Stoffes 
und  zwar  durch  Gioachino  Cocchi4),  die  Musik  des  dritten  Aktes  ist  von 
Pescetti.  In  dieser  Fassung  ist  der  Bajazette  1754  im  Teatro  San  Samuele 
mit  Balletten  von  Andrea  Cattaneo  iiber  die  Bretter  gegangen.  #  An  Stelle 
des  Clearco  und  Mirteno  erscheint  in  dem  Yerzeichnis  der  Personen  ein 
Rusteno.  Zehn  Jahre  spater,  also  im  Jahre  1764,  brachte  Sarti6)  einen 
Bajazette  auf  die  Buhne,  der  in  Kopenhagen  in  Szene  ging.  1765,  also 
ein  Jahr  spater,  fand  der  Stoff  einen  Bearbeiter  in  Pietro  Guglielmi6). 
Diese  Auffiihrung  erfolgte  im  Teatro  San  Salvatore,  das  erste  eingelegte  Bal- 
lett  La  forza  dell1  amove  riihrt  von  J.  B.  Martin  her. 

Riemann'8  Opemhandbuch  macht  noch  Bearbeitungen  des  Stoffes  durch  fol- 
gende Komponisten  nam  haft:  Fort.  Chelleri  in  Treviso  1720,  Giov.  Ant.  Nini, 
Turin  ca.  1728,  Nic.  Ant.  Porpora,  Dresden  1730,  Ant.  Vivaldi,  Verona  1735, 
Scolari,  Mai  land  ca.  1764,  Ant.  Maria  Gasp.  Sacchini,  London  1773. 

Zu  den  fruhesten  Tiirkenopern  in  Italien  gehort  ein  im  Jahre  1730  auf- 
gefiihrtes  Stiick,  das  Selim  gran  signor  dei  Turchi1)  betitelt  ist.  Der  Kom- 
ponist  ist  unbekannt,  der  Dichter  ist  Antonio  Lu echini.  Die  Auffiihrung 
fand  im  Teatro  San  Margherita  in  Venedig  statt.  Zusammen  mit  diesem 
Stiick  wurde  das  Intermezzo  Ircano  innamorato  zur  Darstellung  gebracht. 

Das  fur  die  folgende  Produktion  von  Tiirkenstiicken  bedeutendste  und 
einfluBreichste  Werk  ist  der  schon  wiederholt  genannte  Soliman9)  1753,  Text 
von  Migliavacca,  Musik  von  Johann  Adolf  Hasse. 

Hasse's  Oper  gehort  einer  Zeit  an,  da  sein  Ruf  als  des  ftihrenden  Mannes 


1)  Chrysander,  G.F.Handel,  Leipzig  1860,  II,  124ff. 

2)  Wiel,  a.  a.  0.,  S.  138. 

3)  H.  Abert,  Nic.  Jommelli  als  Opernkomponist  1908,  S.  3. 
4   Wiel,  a.  a.  0.,  S.  197. 

5)  Sammelbande  der  IMG.  Ill,  533. 

6)  Wiel,  a.  a.  0.,  S.  258. 

7)  Wiel,  a.  a.  0.,  S.  102. 

8)  Benutzt:  Partitur  aus  der  konigl.  Bibl.  za  Dresden. 

8.  d.  IMG.    X.  29 


436         Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  »Entfuhrungc  usw. 

auf  dem  Gebiete  der  Oper  bereits  langst  feststand.  Er  hat  aufier  dem  >  Soli- 
man*  keinen  tiirkischen  Stoff  mehr  komponiert,  doch  genugte  diese  eine 
Schopfung,  um  der  Entwicklung  der  Tiirkenoper  eine  neue  Wendung  zu 
gebeu.  Ja,  seine  Behandlung  ist  fur  die  spateren  Werke  geradezu  typisch 
geworden.  Das  Snjet  bringt  die  Idee  zur  Darstellung,  daft  treue,  aufopfe- 
rungs  voile  Liebe  ihres  endlichen  Lohnes  gewiB  sein  kann.  Es  ist  eine  der 
Lieblingsideen  der  neapolitanischen  Libretti,  die  besonders  bei  Metastasio, 
z.  B.  im  Demofontc,  ofters  wiederkehrt. 

Die  HauptbandluDg  des  Stuckes  gruppiert  sich  um  das  Liebespaar  Selim  and 
Narsea.  Selim,  der  Sohn  Solimans  aus  erster  Ehe,  ist  ausgeschickt,  um  den  Per- 
serkdnig  Tacmante  gefangenzunehmen  und  inn  und  sein  Reich  zu  vernichten. 
Die  persischen  Kttnigstttchter,  Narsea  und  Elmira,  sind  ale  Geiseln  in  turkische 
Hande  gekommen.  Die  Liebe  zu  Narsea  hat  Selim  veranlaBt,  den  Perserkonig 
der  schon  in  seiner  Gewalt  war,  freizugeben.  In  diesem  Ungehorsam  gegenllber 
Soliman  oder  mit  andern  Worten,  in  seiner  Liebe  zu  Narsea,  liegt  Selims  Ver- 
brechen.  Gegen  den  ungehorsamen  Prinzen  intrigiert  am  tGrkischen  Hofe  der 
GroBvezier  Rusteno  im  Bunde  mit  Selims  Stief mutter  Roxelana,  die  alles  aufbietet 
um  ihrem  natfirlichen  Sohne  Osmin  die  Thronfolge  zu  sichern.  In  der  Umgebung 
des  Sultans  ist  nur  Selims  Stiefbruder  Osmin  und  der  Feldherr  Acomate  Selims 
Freund.  Als  es  der  Gegenpartei  gelungen  ist,  bei  Soliman  das  Todesurteil  gegen 
Selim  zu  erwirken,  l&Bt  sich  Acomate  unter  dem 'Vor wand,  die  Bestrafung  Selims 
vornehmen  zu  wollen,  nach  dem  Lager  schicken,  in  Wirklichkeit  betreibt  er  Selims 
Rettung.  Ein  Selim  ergebener  Sklave  hat  darum  gebeten,  an  seines  Herren  Stelle 
den  Tod  erleiden  zu  durfen.  Der  Hof  wird  benachrichtigt,  daB  Selim  getdtet 
worden  sei.  Der  Vater  wird  nunmehr  yon  den  qualendsten  Gewissensbissen,  viel- 
leicht  zu  streng  gegen  den  Sohn  verfabren  zu  sein,  geplagt.  Narsea  uberhauft 
ihn  mit  den  heftigsten  Anklagen.  Osmin  hat  schon  vorher  in  groBer  Selbstlosig- 
keit  erklart,  daB  er  keinesfalls  den  Thron  annehmen  werde,  der  seinem  Brader 
gebuhre.  Es  stellt  sich  heraus,  daB  das  Schriftsttick,  dessen  sich  Rusteno  bedient 
hat,  um  den  Yerrat  Selims  zu  beweisen,  von  dem  GroBvezier  selbst  gefalscht  ist 
Da  kommt  aus  dem  Lager  die  Eunde,  daB  Selim  noch  am  Leben  sei.  Das  Heer 
habe  sich  zu  seinen  Gunsten  empOrt,  um  seine  Straflosigkeit  durchzusetzen.  Ge- 
ruhrt  zieht  Soliman  den  vor  ihm  erscheinenden  Selim  an  sein  Herz  and  bedauert 
aufs  tiefste,  so  grausam  gegen  ihn  verfahren  zu  sein.  Die  ubergroBe  hingebende 
Liebe  Narseas  und  Selims  macht  auf  alle  Anwesenden  groBen  Eindruck.  Der  Sal- 
tan gibt  zu  der  Hocbzeit  der  Liebenden  freudig  seine  Einwilligung.  Der  Scharke 
Rusteno  erhalt  unverdientermaBen  die  Freibeit. 

Dank  der  unbestrittenen  Fiihrerstellung  Basse's  auf  dem  Gebiete  der 
Oper  ist  dieses  "Werk  das  Prototyp  fur  alle  spateren  Turkenopern  geworden. 
Seine  uberragende  Stellung  den  friiheren  Yersuchen  gegen  liber  besteht  darin, 
daB  in  den  ernsten  Turkenopern  von  jetzt  an  nicht  mehr  bloB  auf  den  Effekt, 
auf  den  rein  sinnlichen  Reiz  des  Exotischen,  hingearbeitet  wird,  sondern  auf 
dramatische  Charakteristik.  Dem  "Werke  ein  auBeres  exotisches  Gewand  xn 
geben,  hat  sich  auch  Hasse  nicht  entgehen  lassen,  aber  er  ordnet  es  jenem 
hoheren  Prinzip  unter.  Mag  der  Text  auch  alle  jene  Mangel  aufweisen, 
die  das  Zeitalter  Metastases  im  allgemeinen  an  sich  tragt,  vor  allem  die 
IJbertreibung  in  der  Charakterschilderung,  so  groB  waren  die  Fehler  doch 
nicht,  daB  sie  nicht  dem  Komponisten  Gelegenheit  zur  Schopfung  echt  dra- 
matischer  Charaktere  gegeben  hatten.  Gestalten  wie  Soliman,  Rusteno  und 
das  Paar  Narsea  und  Selim  lassen  sich  durch  die  ganzen  folgenden  Turkeo- 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfuhrung«  usw.         437 

opern  verfolgen:  Der  groBmtitige  Soliman  wirkt  noch  im  Bassa  Selim,  der 
fanatisch  wilde  Rusteno  im  Osmin  der  >Entfuhrung«  nach.  Auch  der 
Wettstreit  der  Liebenden,  fur  einander  sterben  zu  wollen,  findet  sich  spater 
da  und  dort  wieder. 

Die  Mittel,  dereu  sich  Hasse  bedient,  sind  die  Ublichen  der  neapolitani- 
Bchen  Oper,  Arieu,  Reeitativo  secco  und  accompagnato,  dazu  noch  ein  Chor, 
der  deshalb  wichtig  ist,  weil  er  den  Meister  auf  franzosischen  Spuren  zeigt 
1,  6)  und  weil  er  einen  ganz  ausgesprochenen  Zweck,  den  der  tiirkischen 
Milieuschilderung,  verfolgt. 

Diesem  Zwecke  dient  auch  die  Instrumentation.  Wir  fin  den  Bias-  und 
Schlaginstrumente,  sogenannte  Timpani  turchesi,  wie  sie  fur  die  Tiirkenstucke 
oft  besonders  angefertigt  wurden. 

Das  Hauptmotiv  des  Janitscharenchores  bei  Hasse  lautet: 


mws=i=^m3EEi=<£i--u  i  r  j  -  n 


Zwei  Orchester  stehen  sich  gegeniiber,  das  eine  das  richtige  Theaterorchester 
vor  der  Biihne,  das  andere  auf  derselben  von  den  Janitscharen  gebildet. 
Dazu  kommt  der  vierstimmige  Chor,  in  welchem  die  Stimmen  mit  einer  ge- 
wissen  Freiheit  gefuhrt  werden. 

Die  dramatischen  Hohepunkte  des  Soliman  liegen  im  Reeitativo  accompag- 
nato  (II,  3,  4,  7,  8,  10  und  III,  6,  7).  Die  Charakteristik  fallt  den  Arien 
zu.  Die  musikalischen  Figuren,  mit  denen  Hasse  die  leidenschaftliche  Auf- 
wallung  Osmin s  bei  den  Yerleumdungen  Rustenos  begleitet,  haben  Ahnlichkeit 
mit  den  Figuren,  mit  welchen  Stegmann  in  seinem  Kaufmann  von  Smyrna 
den  Sklavenhandler  Kaled  charakterisiert. 

Der  Meister  in  der  Kunst  musikalischer  Seelenmalerei  tritt  uns  auf  Schritt 
und  Tritt  entgegen.  Am  besten  ist  textlich  und  musikalisch  der  Bosewicht 
Rusteno  geschildert.  Er  hat  nur  eine  Arie  (I,  5),  aber  sie  ist  von  zwingen- 
der  Charakterisierungskunst.  Gleich  bei  dem  Hauptmotiv  stent  das  Bild  des 
fanatischen  Tlirken  vor  uns: 


ii^^^^i^^^^ 


Dieser  grausame,  hinterlistige  Schurke,  zu  dessen  Charakteristik  Hasse 
die  allerschwarzesten  Farben  aufgetragen  hat,  ohne  ihm  irgendwelche  mil- 
dernden  Ziige  zu  geben,  erschien  den  spottlustigen  Italienern  die  zur  Kari- 
katur  geeignete  Person.  Hier  fanden  die  Komponisten  der  opera  buffa  eine 
vortreffliche  Gelegenheit,  die  IJbertreibungen  der  opera  seria  lacherlich  zti 
machen  und  sich  in  bewuBten  Gegensatz  zu  dieser  Gattung  zu  stellen.  Man 
gab  dem  wild  fanatischen  Orientalen  zu  seiner  Grausamkeit  und  Hinterlist 
noch  Ziige,  die  ihn  zur  komischen  Person  stempeln,  und  hat  so  einen  Ver- 
treter  des  GroGtiirken  herausgestaltet,  der  bald  Gripon,  Omar,  Albumazar, 
meistens  aber  Osmin  genannt  wird. 

Unter  den  zahlreichen  Bearbeitungen  des  Soliman stofifes,  die  der  Hasse  - 
schen  Komposition  folgten,  ist  noch  aus   demselben  Jahre    die   Komposition 

29* 


438         Walter  Preibiech,  Qnellenstudien  zu  Mozart's  »Entfuhnmg« 

yon  Fischietti1  zu  Deunen.  Dieses  TTerk  ist  in  Venedig  im  Theater  San 
Moist  in  Szene  gegangen,  die  eingelegten  Ballette  ruhrten  von  Francesco 
Nadi  her. 

Im  Jahre  1762  erschien  ein  Soli  man  von  dem  Kapellmeister  Schwan- 
berger3)  in  Braunschweig3;.  Die  Komposition  halt  sich  ganz  in  den  italie- 
nischen  Form  en,  die  Musik  ist  seicht  nnd  farblos.  auch  wird  kein  Wert 
darauf  gelegt,  das  Lokalkolorit  musik  alisch  zu  treffen. 

Das  Jahr  1766  bringt  einen  Soliman  von  Greg.  Sciroli4  in  Venedig. 
Die  AuffUhrung  fand  im  Teatro  San  Cassiano  statt,  von  den  eingelegten 
Balletten  war  das  erste  von  Bartol.  Combi,  das  zweite  von  Onorato  Vigano 
komponiert.  Eine  Bemerkung  Wiel's5)  weist  darauf  hin,  dafi  man  diesen 
Soliman  nicht  mit  dem  des  Fischietti  verwechseln  durfe. 

An  den  Komposition  en  des  Solimanstoffes  ist  1773  auch  der  Deutsch- 
Italiener  Johann  Gottlieb  Naumann  beteiligt.  Sein  Soliman^  der  von 
Riemann6)  in  das  Jahr  1772  verlegt  wird?  ist  in  Venedig  1773  im  Teatro 
San  Benedetto  zur  Darstellung  gebracht  worden  ).  Eingelegt  waren  die  Bal- 
lette II  re  alia  caccia  und  Scene  episodiche  von  Gasparo  Angiolini. 

Fur  die  Beliebtheit  des  Solimanstoffes  spricht  der  Umstand,  dafi  man 
ihm  auch  im  Ausland  begegnet.  Im  Jahre  1768  erschien  ein  Soliman  yob 
David  Perez8),  1770  ein  Singspiel  Soliman  II  von  Sarti9  in  Kopennagen, 
von  dem  berichtet  wird:  »Der  Beifall  war  auBerordentlich.  man  drangte  sich 
das  Stuck  zu  sehen<-. 

Die  opera  buffa. 

Vor  dem  Eindringen  des  Tiirkenmotivs  in  diese  Gattung  kann  man  es 
bereits  in  dem  italienischen  Lustspiel  nachweisen.  In  erster  Linie  kommt 
die  Commedia  delV  arte  dafur  in  Betracht.  Diese  in  Italien  so  beliebte 
Stegreifkomodie,  die  bereits  zahlreiche  typische  Vertreter  wie  den  Doktor. 
den  Pantalone,  den  Miles  gloriosus  und  andere  in  ihrer  Mitte  zahlte,  wurde 
bald  um  die  Person  des  Grofitiirken  bereichert,  der  nach  kurzer  Zeit  eine 
der  beliebtesten  Figuren  dieser  Gattung  wurde  Napoli-Signorelli  >•)  fohrt 
als  Gegenstand  dieser  Volkspossen  auch  Entfuhrungen  an,  womit  vermutlich 
neben  andern  Entfuhrungsgeschichten  auch  die  Tiirkenstiicke ,  in  denen  es 
sich  meistens  um  eine  Entfuhrung  handelte,  gemeint  sind.  Dazu  pafit  auch, 
was  Florimo11)    iiber  den  Stand  der   damaligen   italienischen  Komodien    and 


1)  T.  Wiel,  a.  a.  0. 

2)  Benutzte  Partitur  aus  der  K5nigl.  Bibl.  zu  Berlin. 

3)  Die  Cberschrift  fiber  der  Partitur  gibt  Metastasio  al«  Librettisten  an. 
Das  ist  jed  en  falls  nnrichtig  und  ist  nur  aus  der  dominierenden  Stellung  des  grota 
italienischen  Librettiaten  zu  erkl&ren.  Wotquenne'a  Verseichnis  der  Werke  Zeno1* 
Metastasio's  und  ftoldoni's  fQhrt  unter  den  dramatischen  Werken  Metaatatio'i 
keinen  Soliman  auf. 

4)  Wiel,  a.  a.  0..  S.  261. 
6)  Wiel,  a.  a.  0.,  S.  262. 

6)  Riemann,  Opernbandbuch. 
7}  Wiel,  a.  a.  0.,  S.  294. 

8)  Eiemann,  Opernhandbuch. 

9)  Sammelbande  der  IMG.  Ill,  532. 

10)  Napoli-Signorelli,  a.  a.  0.  II,  S.  70. 

11)  Florimo,  La  seuo/a  muneale  di  Napoti  . . .  1880-84  IV,  S.  584. 


Walter  Pre  ibis  cb,  Quellenstudien  zu  Mozart's  »Entf(ihrung«  usw.  439 

Buffoopern  sagt.  Er  fiihrt  als  Beispiel  fur  die  beliebten  Wiedererkennungs- 
8zenen  den  Inhalt  eines  Librettos  an: 

>Im  ersten  Akt  sieht  man  einen  alten  Mann  daruber  seine  Klage  anstimmen, 
daB  ibm  ein  Sobn  als  Kind  Ton  den  Turken  geranbt  worden  ist.  Inzwischen 
finden  wir  auf  der  Szene  einen  jungen  Menschen,  den  niemand  kennt.  Er  gewinnt 
die  Herzen  von  zwei  oder  drei  Heldinnen  des  Stilckes,  am  Ende  erfolgt  dann  durch 
einen  Ring  oder  durch  irgend  ein  anderes  Zeichen  die  Wiedererkennung  von  Vater 
und  Sohn,  eine  der  Heldinnen  ist  dessen  Schwester.  £s  ist  auBerordentlich  be- 
merkenswert,  daB  in  den  Libretti  der  ersten  beiden  Perioden  (scil.  der  opera  bnffa 
die  Entfiihrung  fast  nie  fehlt,  weil  damals  alle  Gestade  durch  fortwahrende  Ein- 
falle  verheert  wurden*. 

Zu  den  italienischen  Komodien,  welche  tiirkische  Stoffe  behandeln,  gehort 
die  Komodie  Goldoni's  Impresario  di  Smirna  1775. 

Ein  TQrke  Ali  aus  Smyrna  will  ein  Theater  nach  europ&ischem  Vorbild  nach 
seiner  Heimat  verpflanzen  und  engagiert  sich  in  I  tali  en  die  dazu  nOtigen  Sanger 
und  Sangerinnen.  Aber  sie  8 tell  en  alle  UbermaBige  Anforderungen,  wollen  nur 
gegen  hohe  Gagen  singen  und  nur  in  ersten  Rollen  auftreten.  Bei  der  Abfahrt 
des  Schiffes,  das  sie  nach  der  Tilrkei  brio  gen  soil,  erscheint  ein  Mann  mit  einem 
groBen  Geldbeutel,  der  im  Namen  des  hochherzigen  Turken  den  Sangern  ein 
Vierteljahr  von  ihrer  Gage  auszahlt,  anstatt  sie,  wie  sie  es  verdient  h&tten,  fiir 
ihre  Unverschamtheit  zu  bestrafen. 

Wie  Goldoni1)  uns  berichtet,  wollte  er  in  diesem  Stiick  die  Ungezogen- 
heiten  und  die  Eitelkeit  der  Sanger  an  den  Pranger  stellen  und  die  Theater- 
direktoren  warnen,  solche  Elemente  zu  engagieren.  Das  Interesse  ftir  alles, 
was  mit  der  Buhne  zusammenhing,  war  auBerordentlich  rege,  vor  allem  war 
das  Motiv  beliebt,  das  Theater  im  Theater  darzustellen.  Das  zeigen  uns 
u.  a.  zwei  Jommelli'sche  Opern:  La  Oritica  1766  und  Semiramide  in 
bernesoo  (11  cacciator  deluso)  1767 2). 

Unter  den  TUrkenstiicken  der  opera  buffa  erscheint  im  Teatro  San  Angela 
zu  Venedig  La  Finta  Schiava*)  1744.  Der  Dichter  ist  vermutlich  Francesco 
Silvani,  die  Musik  hat  Maccari  mit  andern  Komponisten  zusammen  ge- 
liefert.  Die  Personen  sind  Amurat,  Fatime,  Climenet  Rusteno,  Rodrigo, 
Ismene.     Die  Ballette  stammen  von  Giuseppe  Sacchi. 

Eine  richtige  opera  semiseria  ist  die  Schiava  liber ata,  ein  Stoff  der  uns 
direkt  in   die  Bretzner'sche   > Entfiihrung*   hiniiberleitet. 

Der  Textdichter  ist  Mar  tine  Hi,  der  erste  Komponist  des  Stoffes  ist 
Jommelli.     Seine  Komposition  datiert  aus  dem  Jahre  17684). 

Dorimene,  eine  Spanierin,  ist  mit  ihrer  Zofe  Giulietta  und  deren  Geliebten 
Pall  o tin o  in  die  Hande  der  Ttirken  ge fall  en.  Pallotino  hat  wegen  guter  Ftthrung 
bei  dem  Sultan  die  Stelle  eines  Gartners  bekommen.  Des  Sultans  Sohn,  Selim, 
verliebt  sich  Hals  fiber  Eopf  in  die  scbOne  Abendlanderin,  zum  groOen  VerdruG 
seines  Vater  a,  der  von  der  Heirat  seines  Sohnes  mit  einer  Christin  natiirlich  nichts 
wissen  will.  Don  Garcia,  ein  vornehmer  Spanier,  der  Geliebte  Dorimene's,  ist  zu 
Schiff  gekommen,  um  seine  Verlobte  loszukaufen.  Der  Sultan  Soliman  ist  nicht 
abgeneigt,  das  Madchen  gegen  ein  Lose  geld  freizugeben,  da  sein  Sohn  Selim   die 

1)  Goldoni  flber  sich  selbst,  a.  a.  0.,  II,  S.  294. 

2)  H.  Abert,  Nic.  Jommelli  als  Opernkomponist  1906,  S.  426. 

3)  Wiel,  a.  a.  0.,  S.  151. 

4)  Vgl.  H.  Abert,  a.  a.  0.,  S.  436. 


440         Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfuhrung« 

Geliebte  so  am  ehesten  vergessen  werde.  Solimans  Yertrauter,  Albnmaur,  bit 
sich  in  die  hftbsche  Zofe  Giulietta  verliebt  and  sie  yon  Soli  man  sum  Oetehak 
erhalten.  Kflstliche  Komik  zeigen  die  Szenen  zwischen  dem  gerissenen  PaDotino. 
dem  Giuliettas  Herz  gehOrt,  und  dem  sich  eifrigst  urn  ihre  Gunst  bewerbenden. 
lflsternen  Albumazar.  Als  sie  hflren,  dafi  der  Sultan  der  Loskanfung  Dorimera 
durch  Don  Garcia  zustimmt,  verkleiden  sich  beide  in  franzo'sische  Gew&nder,  der 
eine  als  Geheimrat,  der  andere  als  Konsul,  urn  ihrerseits  anch  Ginlietta  in  ihre 
Gewalt  zu  bekommen.  Sie  werden  naturlich  erkannt,  und  man  droht  ihnen,  §i* 
furchterlich  verprtigeln  zu  wollen.  Der  Sultan  bietet  alles  auf,  nm  seinem  Sobs 
Selini  fur  Dorimene,  Albumazar  for  Giulietta  Ersatz  zu  verscbaffen. 

Er  gew&hrt  Dorimene,  Giulietta  und  Pallotimo  die  Freiheit.  und  will  ihrcr 
Rilckkehr  nacb  Spanien  nicbts  in  den  Weg  legen.  Selim  will  nicht  von  Dorima?. 
Albumazar  nicbt  von  Giulietta  lassen.  Die  Abreise  wird  beschleunigt,  die  8tnwk 
der  Abfabrt  wird  Selim  verbeimlicbt.  Er  erfahrt  sie  nocb  im  letzten  AugenbHct 
8ttlrzt  den  scbon  zum  Scbiffe  eilenden  Abendlandern  nach  and  will  Dorimn* 
tO ten.  Als  er  ibr  aber  ins  Auge  schaut,  entsinkt  der  Dolcb  seiner  Hand,  es  er- 
folgt  voile  tan  dige  Yersflhnung,  und  die  Abendl&nder  stecben  unter  dem  Gtmz 
der  herbeieilenden  Tflrken  bei  einem  allgemeinen  »Addio«  in  See. 

Seriose  und  buffomafiige  Nummern  sind  in  der  Jommelli'schen  Oper  etn 
zu  gleichen  Teilen  vertreten.  Unter  den  seriosen  Nummern  wird  besonders 
die  Gmoll-Arie  Dorimene's  (I,  7)  geriibmt *),  nocb  gelungener  sind  die  Buffo- 
satze  (I,  4,  5,  HI,  3,  4).  Eine  ricbtige  Buffoarie  mit  dem  in  der  italieni- 
8cben  Oper  beliebten  scbnellen  Parian  do  ist  Albumazar's  Arie  I,  13.  D» 
Ensembles  und  Finales  bilden  den  HSbepunkt  der  Jommelli'scben  Oper. 

In  der  zweiten  Bearbeitung  der  Schiava  liberate,  die  yon  Giusepj* 
Schuster2)  aus  dem  Jabre  1777  stammt,  liegt  der  Scbwerpunkt  weniger  «f 
den  Ensembles  als  vielmebr  auf  den  Arien.  In  den  Ensembles  findet  sick 
nur  vereinzelt  eine  freie  Stimmfubrung.  An  Arien  sind  besonders  die  beides 
ersten  Akte  reicb.  Die  musikaliscbe  Zeicbnung  der  Erotik  ist  die  Hanpt- 
starke  der  neapolitaniscben  Oper.  Unter  den  Arien  zeichnen  sich  besonders 
I,  4,  5,  7,  12  und  II,  6,  7,  9,  11,  12  aus. 

I,  4  ist  eine  Arie  der  Zofe  Giulietta,  dem  Geliebten  ruffc  sie  ein  Lebewobl «. 
Wenn  sie  mit  ihrem  Herzen  rede,  glaube  sie  immer  ihren  Geliebten  tot  sich  n 
baben.    Gelungen  ist  besonders  das  >Addiot  addio,  mia  dolce  amor*, 

I,  5,  eine  Arie  Pallotino's,  zeicbnet  sich  durch  schttne  Instrumentierung  m* 
Znr  Yerst&rkung  des  Streichquartetts  sind  Oboen,  Horner,  Fagott  Terwendet 

Den  Vorzug  wirkungsvoller  Instrumentierung  bat  auch  I,  7,  eine  Arie  Dor.- 
mene's.  Ergreifend  sind  die  Klagen  des  Madchens :  Sforhmata  non  ritroro  ne  p** 
ne  compassione,  da  man  ihr  zu  Unrecht  den  Vorwurf  macht,  in  dem  Hause  d* 
Sultan 8  Yerwirrung  augerichtet  zu  haben.  Wir  baben  bier  eiuen  Nacbhall  der 
alten  Picmti  vor  uns. 

Aus  den  Synkopen  1, 12  hebt  sich  gewicbtig  Albumazar 8  *Sono  il  grand*  J** 
bwnazar,  son  Circasso  di  naxione  .  .  .«  beraus. 

II,  6  erinnert  im  Rhjthmus  an  Mozart's  Arie  des  Osmin:  >Wer  ein  Liebcte 
hat  gefunden<;  zur  Charakteristik  der  schwarmerisch  verliebten  Dorimene  sind  n 
dem  gedampften  Spiel  der  Yiolinen  auch  FlGten  herangezogen.  Dorimene  kl*g* 
fern  von  dem  Geliebten  in  der  Gefan  gen  rc  haft  schmachten  zu  mflssen. 

1)  H.  Abert,  »die  dramat.  Musik«  in  der  Sammlung:  Herzog  Karl  Eugeo  rt» 
Wttrttemberg  und  seine  Zeit.   1906,  S.  673. 

2)  Benutzte  Partitur  aus  der  KGnigl.  Bibliothek  zu  Dresden,  Man u strip t. 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfuhrung«  usw.         441 

Der  TQrke  Selim  wird  II,  7  durch  die  bekannten  Schleiferfignren  charakteri- 
siert,  die  zwar  italienischen  Ursp  rungs  sind,  an  dieser  S telle  aber  offenbar  tfirki- 
scbes  Wesen  wiedergeben  sollen. 

In  II,  9  gibt  Elmira  den  Gewissensqualen,  die  sie  plage n,  Ausdruck,  das 
mehrmalige  Crescendo  und  Decreecendo  in  der  Violin  en begleitung  ist  hier  von 
grofier  Wirknng. 

II,  11  enth&lt  Pallotino's  Standcben:  Reveillez-tous  belle  endormie,  reveiUez-vous, 
car  il  est  jour,  mettex  la  t4te  &  la  fcn&re,  vous  entendex  parler  d' amour . .  das  Stand- 
chen  entspricht  dem  des  Pedrillo  bei  Mozart. 

In  II,  12  seben  wir  den  in  Giuletta  verliebten  Albumazar  vor  uns:  >  Qiuletta 
e  troppo  amabile,  Qiuletta  fa  per  me.  Quel  volio  suo  adorabile,  scolpita  porto  qui,  ee 
alcuno  avesse  ardire,  la  bella  mia  invaghire,  di  rabbia  c  di  furore  di  lui  ford  cost: 
per  li  capeUi  lo  prenderei,  can  le  mani  lo  graf/ierei,  ne  mat  contento  di  strappaxarlo 
di  maltrattarlo,  di  fracassarlo  ferei  che  in  polvere  volasse  ancor.  Bada  che  U  simile 
fard  di  te,  Qiuletta  e  troppo  amabile*. 

In  ganz  ahnlichen  Worten  macbt  Osmin  in  der  >Entfuhrung«  seinem  Unmut 
dber  die  Abendlander  Luft. 

Zu  den  beiden  dramatischen  Bearbeitungen  der  Schiava  liberata  durcb 
Jo  m  me  Hi  und  Schuster  gesellt  sich  nocb  eine  dritte  Bebandlung  des  Stoffes 
in  Form  eines  Balletts,  das  von  dem  Stuttgarter  Ballettkomponisten  Florian 
Deller1)  komponiert  worden  ist.  Wir  wissen,  daB  es  Deller,  dem  Scbiiler 
Noverre's,  keineswegs  darauf  ankam,  bloBe  Tanz-Divertissements  zu  schreiben, 
sondern  daB  es  ibm  um  dramatische  Charakteristik  zu  tun  war.  Seine 
Ballette  tragen  Frogrammcbarakter. 

Durch  eine  (iberaus  zarte,  einscbmeicbelnde  Melodie  zeicbnet  sich  das  Adagio 
(Nr.  10)  mit  seiner  diskreten  FlOtenbegleitung  aus,  offenbar  soil  es  uns  einen  Ein- 
blick  in  das  Seelenleben  der  verlassenen  Dorimene  geben. 

Die  Marcia  (3.)  charakterisiert  mit  ibren  energiscb  einberechreitenden  Akkor- 
den  den  Fan  at  is  mug  der  Turkenschar.  Der  auf  das  Adagio  (10)  folgende  Marsch 
in  D-dur  atmet  ein  triumph atorisches  Gefuhl,  wahrscbeinlich  dazu  bestimmt,  die 
GrttOe  sultaniscber  Macht  zu  verberrlichen. 

Von  der  Bretzner'schen  »Entfuhrung«  unterscheidet  sich  der  Stoff  der 
Schiava  liberata  dadurch,  daB  die  Befreiung  der  Abendlander  nicht  gewalt- 
sam  herbeigeftthrt,  sondern  durcb  friedlicbes  Verhandeln  mit  dem  Sultan, 
durch  einen  Kauf,  in  die  Wege  geleitet  wird,  wie  es  im  deutschen  Sing- 
spiel  Der  Kaufmann  von  Smyrna  geschieht.  Man  kann  also  bei  der  Schiava 
liberata  eigentlich  nicht  von  einer  Entfuhrung  reden,  hochstens  in  so  weit, 
als  die  Abreise  hinter  Selim's  Riick en  beschleunigt  wird.  Das  "Werk  zeigt 
zwar  eine  ganze  Anzahl  von  Abweichungen  von  dem  Stoff  der  Bretzner'schen 
^ Entfuhrung*,  dennoch  machen  es  viele,  beiden  "Werken  gemeinsame  Zuge 
hochst  wahrscheinlich,  daB  der  Text  der  > Entfuhrung*  unter  Benutzung  der 
Schiava  liberata  en  ts  tan  den  ist. 

Jede  Person  der  >Entfiihrung  aus  dem  Serail*  hat  ihr  Pendant  in  der 
Schiava  liberata:  Konstanze  entspricht  der  Dorimene,  Blonde  der  Giulietta, 
Belmonte  dem  Don  Garcia,  Pedrillo  dem  Pallotino,  Osmin  dem  Albumazar, 
der  Bassa  Selim  dem  Sultan.  Nur  der  Selim  der  Schiava  liberata  hat  kein 
direktes  Abbild  in  der  > Entfuhrung*,  wohl  aber  kann  man  sagen,  daB  seine 


1)  Benutzt:   Partitur   aus    der    GroBherzogl.  Hess.  Hofbibliothek ,   Darmstadt, 
Manuskript. 


442         Walter  Preibisoh,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfnhrung«  nsw. 

besonders  hervorstechenden  Eigenschaften ,  seine  leidenschaftliche  Liiebe  zu 
dem  abendlandischen  Madchen,  seine  verzeihende  GroBmut  auf  den  Bassa 
Selim  ttbergegangeh  ist.  Dazu  gesellen  sich  textlich  grofle  Aimlichkeiten, 
die  bei  einer  Vergleichung  von  II,  12  der  Schiava  liberate  and  I,  3  der 
»Entfuhrung«  ganz  auffallig  werden. 

Zahlreiche  Szenen  der  Schiava  liberata  sind  in  ihrem  Gedankengang  mit 
Szenen  der  »£ntfuhrung«  nahe  verwandt.  Man  vergleiche  z.  B.  den  Dialog 
Don  Garcia's  und  Pallotino's  (II,  1)  mit  dem  Dialog  yon  Pe drill o  und  Bel- 
monte  nach  Osmin's  Arie  im  ersten  Akt  der  »Entftihrung«,  oder  die  Cavatine 
Dorimene's  mit  ihrem  Schmerzensausbruch :  Che  barbaro  tormento  (II,  6)  mit 
Constanze's  Arie:  »Ach  ich  liebte,  war  so  glticklich ! «  Ferner  hat  die  Szene 
II,  8  der  Schiava  liberata,  wo  Don  Garcia  und  Dorimene  sich  in  Gegenwart 
Pallotino's  begegnen  und  der  Freude  des  Wiedersehens  Ausdruck  geben,  ihr 
Gegenbild  in  dem  Quartett  der  >Entfuhrung«. 

Auch  die  Daten  des  Erscheinens  der  Stiicke  legen  die  Annahme  nahe, 
dafi  der  Entftihrungstext  eine  Umbildung  der  Schiava  liberata  darstellt.  Beide 
Bearbeitungen  der  Schiava  liberata,  1768  die  von  Jommelli  und  1777  die 
von  Schuster  liegen  zeitlich  vor  der  »Entfuhrung<   (1781). 

Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dafi  Bretzner,  der  vorzugsweise  in  Leipzig 
wohnte.  in  dem  benachbarten  Dresden  eine  Auffuhrung  der  Schiava  liberata 
in  der  Schuster'schen  Komposition  gesehen  und  im  Anschlufi  daran  die  Um- 
bildung des  Stoffes  vollzogen  hat. 

Frankreich. 

Auch  Iyer  lafit  sich  das  Tiirkenmotiv  wiederholt  nachweisen.  Schon 
Moliere  hat  den  Ttirken  1670  in  seinem  Ttirkenballett  des  Bourgeois  gen&- 
homvie  als  komische  Person  behandelt,  wobei  Lully1)  in  der  Rolle  des 
Muphti  auftrat. 

Der  Bajazetstoff  ist  in  Frankreich  vertreten  durch  Duni2). 

Mehrfache  Beispiele  fiir  das  Auftreten  des  Ttirken  gibt  die  opera  comique. 
Die  Tendenz  dieser  Gattung  ist  dieselbe  wie  bei  der  opera  buffa  in  Italien. 
Auch  in  Frankreich  richtete  man  seinen  Spott  gegen  die  ernste  Oper  mit 
ihren  Gottern  und  Hero  en. 

Es  erscheint  im  Jahre  1761  Le  Cadi  dupe,  opera  bouffe  en  1  acte.  Der 
Text  stammt  von  Lemonnier  nach  einer  Erzahlung  aus  >Tausend  und  eine 
Nacht*.  Das  Singspiel,  von  Andre  aus  dem  Franzosischen  ubersetst,  ist 
unter  dem  Titel  »Der  betrogene  Cadi«  1783  sehr  oft  in  Berlin  zur  Auf- 
fuhrung gekommen3). 

Das  franzosische  Stuck  ist  von  Gluck  und  von  Monsigny  in  Musik 
gesetzt  worden. 

Zelmire,  eine  echOne  Turkin,  will  sich  an  dem  Kadi,  der  eine  Art  Don  Joan 
ist,  dafur  rachen,  da6  er  schon  mehrere  Vertreterinnen  des  schGnen  Geschlechtes 
unglucklich  gemacht  hat.  Sie  stellt  sich,  als  ob  sie  ihn  liebe,  und  gibt  sich  als 
Tochter  des  Farbers  Omar  aus.  Der  lusterne  Kadi  beginnt  sogleich  mit  dem 
Farber  zu  verhandeln,  der  in  Wirklichkeit  eine  haCliche  und  mifigestaltete  Toohter 


1)  Nuitter  et  Thoinan,  Les  origines  de  Fopera  fran^ais,  8.  LXY. 

2)  Riemann,  Opernhandbuch.  , 

3)  Anton  Schmid,  Christ  W.  Ritter  v.  Gluck  . . .  1854,  S.  78,  deegl.  Wot- 
quenne,  Themat.  Verzeichnis  der  Werke  von  Chr.  W.  v.  Gluck  1904.  S.  202. 


Walter  Preibisch,  QueUenstudien  zu  Mozart's  >Entfuhrung«  usw.         443 

hat.  Sofort  wird  der  Heiratskontrakt  aufgesetzt,  Omar  erhalt  von  dem  Kadi  eine 
betr&chtliche  Geldsumme.  Wie  die  wirkliche  F&rberstochter  hereingeffihrt  wird, 
ist  der  Kadi  entrflstet.  Man  hat  ihn  am  sein  Geld  geprellt,  denn  das  M&dchen 
gleioht  durchaus  sicht  der  Schdnen,  die  eich  als  die  Tochter  des  Farbere  auege- 
geben  hat.  Die  schlimmen  Erfabrungen,  die  der  Kadi  bei  diesem  Liebesabenteuer 
gemacht  hat,  bringen  ihn  zu  innerer  Einkehr,  er  wendet  eich  wieder  seinem  recht- 
maCigen  Weibe  Fatime  zu,  die  er  nun  doppelt  schdn  findet.  Man  yereinigt  eich 
zu  einem  Gesang  auf  Allah:  »Aus  Nacht  nnd  Dunkel  bricht  das  Licht  der  neuen 
Liebe.  Alles  sei  vergeben  nnd  vergessen,  wie  es  der  Prophet  gebot«.  Der  SchluC 
ist  ein  Vaudeville,  wie  es  in  der  franzdsiscben  opera  comique  fiblich  war. 

Yon  Bedeutnng  ist,  dafl  znr  Schilderung  des  Lokalkolorits  in  der  Kom- 
position  von  Gluck1)  mehrere  ungewohnliche  Instrumente  eingefuhrt  sind2). 
Wir  finden  das  Geklingel  der  Triangel  in  der  Arie  des  Kadi  in  D-dur,  ferner 
in  einem  Liede  Omar's  das  Basseln  der  kleinen  Trommel,  eine  Arie  Fatime's 
hat  obligates  Glockenspiel  unisono  mit  der  Singstimme. 

In  der  Komposition  von  Monsigny*)  ist  besonders  die  Figur  des  Kadi  fein 
gezeichnet.  Es  gelingt  der  lieblichen  Zelmire,  den  lfisternen  Kadi  anf  das  hfichste 
anznreizen  (vor  allem  in  Szene  8,  Duett).  Schon  das  Yorspiel  des  Duetts  deutet, 
allerdings  noch  versteckt,  auf  die  Yerliebtheit  des  Kadi  hin,  der  die  schone  Tfirkin 
um  jeden  Preis  besitzen  mOchte.  Bei  den  Worten  »quel  plaisir*  wird  das  Or* 
Chester  schon  deutlicher.  Die  Figuren  der  Yiolinen  nnd  die  anfsteigenden  Basse 
lassen  fiber  die  Absichten  des  Kadi  keinen  Zweifel  anfkommen.  Cber  dem  Duett 
herrscht  eine  ahnlich  schwfile  Stimmung  wie  bei  Mozart  in  Osmins  Lied:  >Wer 
ein  Liebchen  hat  gefunden*.  An  Sinnlichkeit  und  TClpelhaftigkeit  gibt  der  Kadi 
tibrigens  Osmin  nichts  nach,  nur  an  Grausamkeit  wird  er  von  diesem  fibertroffen. 
In  dem  folgenden  Duett  versagt  das  Orchester,  von  dem  man  hier  konsequent  ein 
Fes  thai  ten  an  der  Stimmung  des  vorigen  Duetts  und  eine  Steigerung  erwarten 
tollte. 

Zelmire  mit  ihrer  Anmnt  und  Schalkhaftigkeit  ist  eine  Art  Blondchen.  Auch 
musikalisch  wird  sie  ahnlich  wie  Blonde  bei  Mozart  gezeichnet,  z.  B.  in  Sc.  2,  wo 
sie  mit  ihrem  II  faut  songer  a  se  venger  immerfort  geschwatzig  in  Sechzehnteln 
singt  gegenfiber  Nuradin,  der  gegen  sie  nicht  anfkommen  kann,  vgl.  in  der  »Ent~ 
fuhrung«  das  Duett  zwischen  Blonde  und  Osmin. 

Den  typischen  Yertreter  des  GroBtfirken  findet  man  auch  hier,  und  zwar  in 
der  Person  des  Kadi  selbst  Er  sieht  stellenweise  dem  Osmin  recht  ahnlich,  wenn 
er,  erbittert  fiber  den  Betrug,  seinem  Gegner  alle  mOglichen  Martern  in  Aussicht 
stellt  und  erklftrt,  daB  er  gehenkt,  massakriert  nnd  stranguliert  werden  solle. 

Auch  der  Soli manst off  ist  in  Frankreich  vertreten.  Gibert4)  hat  in  dem 
Jahre  des  Erscheinens  des  Cadi  dupS  ein  en  Soliman  IL  =  Les  trots  sultanes 
znr  AuffUhrung  gebracht. 

Unter  die  franzosischen  Tiirkenstiicke  kann  man  auch  das  nach  franzosischem 
Yorbild  bearbeitete,  von  Glnck  komponierte  Singspiel  La  Rencontre  imprevue 
ou  les  Pelerins  de  Mecque  rechnen. 

Nach  "Wotquenne1)  wurde  das  Werk  1763  in  Wien  gedruckt,  die  erste 
Auffiihrung  fand  erst  1764  ini  Januar  statt. 


1)  Klavierauszug  von  Barth.  Senff,  Leipzig. 

2}  Han  slick,  Aus  dem  Opernleben  der  Gegen  wart  1889,  S.  135. 

3)  Benutzt:  Part.  Ms.  aus  der  KGnigl.  Bibliothek  zu  Dresden. 

4)  Riemann,  Opernhandbuch. 


444         Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  »Entfu  tuning  «  usw. 


Das  franzosische  Vorbild  ist  ein  von  Lesage  und  d'Orneval  verfafltes 
Stuck  gleichen  N aniens ,  welches  schon  1726  auf  dem  Theatre  de  la  Foire 
St  Laurent  und  im  Palais  Royal  aufgefuhrt  wurde.  Der  Komiker  Dan- 
court  arbeitete  das  Stttck  um,  die  Komposition  wurde  Gluck  vom  Grafen 
Dorazzo  in  Wien  iibertragen. 

Dieser  berichtet  darQber  an  Favart1):  >Je  tiens  de  faire  arranger  >Les  pelcrim 
de  la  Mecque*  de  feu  M.  Le-Sage ;  fen  ai  fait  supprimer  le  licencient  et  nen  ai  eon- 
serve  que  le  noble  et  le  comique  qui  a  pu  s'y  oilier.  Je  ne  doute  pas  que  ce  potmt, 
arrange  de  eette  sorte  an  gout  aetuel  de  la  nation,  ne  fasse  son  effet,  surtout  etant 
appuye  d*une  musique  de  la  composition  du  sieur  Gluck,  homme  sans  contredit  unique 
dans  son  genre*. 

Die  Prinzessin  Rezia  aus  Persien,  die  Geliebte  des  Prinzen  Ali,  ist  durch  See- 
rauber  in  turkische  Hande  gefallen.  Ali  hat  die  Geliebte  uberall  gesucht.  In  der 
Ttirkei,  wohin  er  auf  seiner  Fahrt  kommt,  verlieben  sich  zahlreiche  M&dchen  is 
ihn,  selbst  das  Herz  der  Sultanin  erringt  er.  Doch  er  erklart  alien  Antragen  der 
tiirkischen  M&dchen  gegenfiber,  daO  sein  Herz  bereits  entschieden  habe.  Uner- 
wartet  trifft  Ali  hier  seine  Geliebte  Rezia.  Der  von  der  Jagd  zuruckkehrende 
Sultan  uberrascht  das  Liebespaar,  das  nicht  mehr  rechtzeitig  entwischen  kann.  and 
will  ein  hartes  Strafgericht  walten  lassen.  Da  tritt  aber  das  Gcfolge  dea  Sultans 
entschieden  fur  Ali  und  Rezia  ein  und  weist  auf  ihre  gegenseitige  Liebe  his. 
Beide  sind  entschlossen,  fQr  einander  zu  sterben.  Ein  Gnadenakt  des  Sultans 
schenkt  ihnen  das  Leben;  das  Stuck  endigt  mit  einem  Chor,  der  Liebe  und  Treoe 
verherrlicht. 

Dem  Stiicke  fehlt  die  einheitliche  Handlung.  Die  Fiille  der  Personen, 
die  nur  nebensachlich  beschaftigt  sind,  verdunkelt  die  Haupthandlung.  Diese 
zahlreichen  Personen  sollen  uns  jed  en  falls  Gelegenheit  bieten,  uns  ein  an- 
schauliches  Bild  von  dem  Leben  und  Treiben  am  tlirkischen  Hofe  zu  machen. 

Der  Text  ist  oft  albern  und  geschmacklos.  Die  Bedeutung  des  Stoffee 
liegt  fur  uns  darin,  daG  wir  es  wieder  mit  einer  Art  Entfiihrungsstoff  za 
tun  haben.  Das  Motiv  der  Seerauberei,  der  Wettstreit  der  Liebenden.  fur 
einander  in  den  Tod  zu  gehen,  und  der  Begnadigungsakt  fehlt  auch  hier  nicht 

Wir  haben  hier  die  liedmafiigen  Formen  der  franzosischen  opera  comique 
vor  uns.  Naturlich  fehlt  auch  ein  Weinlied  nicht,  wie  es  in  zahlreichen 
Tiirkenstucken  vorkommt.  Der  demselben  zugrunde  liegende  Gedanke  ent- 
spricht  dem  des  Weinliedes  im  »Grab  des  Mufti «. 

Die  Musik  ist  an  vielen  Stellen  bemuht,  den  tiirkischen  Cbarakter  des 
Milieus  zu  treffen.  Am  meisten  zeigt  sich  das  in  der  Ouvertttre  (A  dor). 
Sie  verwendet  aufier  dem  Streichquartett  noch  Piccolofloten,  Oboen,  Horner. 
Fagotts  und  Schlagzeug.  Wahrscheinlich  fehlte  zur  Erganzung  auch  der 
Tamburo  grands  nicht.     Die  Ouvertiire  mit  ihrem  feurigen  Allegro: 


limp 


m 


m 


TT    ttffff  .  f  ^     f  *f    .  ffi 


mim\u&mm 


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1)  Wotquenne,  Themat.  Yerzeichnis,  a.  a.  0.,  S.  204. 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  »Entfflhrung«  usw.         445 

tragt  ein  ausgesprochen  orientalisches  Kleid.  Der  Gluckbiograph  Schmid1) 
ist  der  festen  TJberzeugung,  dafi  diese  Ouvertiire  Mozart  beim  Komponieren 
der  Ouvertiire  zu  seiner  »Entfuhrung«  vorgeschwebt  habe.  Die  Gluck'sche 
Ouvertiire  hat  ebensowenig  einen  SchluB  wie  die  Mozart'sche.  Sie  endet 
auf  der  Dominante  und  geht  unmittelbar  in  die  erste  Arie  tiber,  mit  der 
sie  auch  die  Tonart  gemein  hat. 

Das  Urteil  Schmid's  beziiglich  der  Abhangigkeit  der  Mozart'schen  Ouver- 
tiire von  Gluck  muB  auf  AuBerlichkeiten  wie  die  turkische  Instrumentation 
beschrankt  werden,  es  sei  denn,  daB  man  in  der  Sechzehntelfigur  (Takt  4 
und  5  des  Beispiels)  das  Vorbild  einer  Figur  des  Tiirkenchors  bei  Mozart3) 
(I,  5  und  III  SchluB)  erblicken  will. 

Die  Stellung  der  Mozart'schen  Ouvertiire  zur  Oper  wird  spater  zu  er- 
ortern  sein,  soviel  aber  sei  schon  jetzt  bemerkt,  daB  das  exotische  Lokal- 
kolorit  fur  ihn  nur  die  Bedeutung  eines  pikanten  Ingrediens  hat. 

In  Frankreich  scheint  das  Interesse  fur  turkische  Siijets  ziemlich  rege 
gewesen  zu  sein.  Aldndor  und  Zaidey  ein  nachgelassenes  Werk  von  GrStry, 
behandelt  einen  tiirkischen  Stoff,  dasselbe  ist  iiber  das  ebenfalls  von  Gretry 
komponierte  Les  deux  avares  =  Le  tombeau  du  Muphti  zu  sagen,  ein  Stoff, 
dem  wir  noch  im  deutschen  Singspiel  begegnen  werden. 

England. 

Unter  die  altesten  Tiirkenstucke  in  England  gehort  ein  Mahomet*),  a  play 
acted  by  Henstowe's  company.  Die  erste  Nachricht  dariiber  findet  sich  in  dem 
Tagebuch  Henslowe's,  August  1594.  Dieser  » Mahomet*  ist  moglicherweise 
die  Quelle  zu  Jakob  Ayrer's  Drama:  »Schrockliche  Tragedi:  Vom  B«gi- 
ment  und  schandlichen  Sterben  des  turkischen  Keisers  Mahumetis  des  andern 
dis  Namens  usw.«4). 

The  Turkeh)  betitelt  sich  ein  Stuck  von  John  Mason  aus  dem  Jahre 
1610,  es  wird  in  der  Ausgabe  von  1632  »An  ecceUent  tragedy  of  Muleasses 
The  Turk  and  Borgis  governor  of  Florence*  genannt.  Das  Stuck  wurde  zu 
verschiedenen  Malen  unter  allgemeinem  Beifall  von  The  Children  of  His 
Majesty's  Revels  aufgefuhrt.  In  fast  derselben  Zeit  wird  uns  auch  von 
Deutschland  berichtet,  daB  eine  englische  Komodiantentruppe  in  Niirnberg 
unter  Leitung  eines  gewissen  John  Spencer  auch  den  Tiirken  auf  die 
Biihne  brachte6). 

Ein  nie  veroffentlichtes  Tiirkenstuck  in  England  heiBt:  The  Turkish  Ma- 
homet and  Hiren  the  Faire  Greek.  Halliwell7)  schreibt  es  dem  George  Peel e 
zu.     In  dessen  Merry  conceited  Jests  1627  wird  auf  das  Stuck  angespielt. 

Im  18.  Jahrhundert  errang  in  England  wie  in  den  andern  Landern  auf 
musikalisch-dramatischem  Gebiete  die  italienische  opera  seria  die  Yorherrschaft. 


1)  A.  Schmid,  a.  a.  0.,  S.  108  und  109. 

2)  Vgl.  Klavierauezug  Peters,   S.  36,  System  2,   Takt  1  und  S.  160,  System  1, 
Takt  8. 

3)  Halliwell,  A  Dictionary  of  old  englisli  plays,  1860,  S.  160. 

4)  J.  Tittmann,  Schauspiele  a.  d.  16.  Jahrhdt,  2.  Teil,  S.  129. 
6)  Halliwell,  a.  a.  0.,  S.  267. 

6)  J.  Tittmann,  a.  a.  0.  II,  S.  XIV ff. 

7)  Halliwell,  a.  a.  0.,  S.  268. 


446  Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfflhrung«  usw. 

Sie  sagte  mit  ihren  griechischen  Gottern  und  Heroen,  mit  ihrem  hochtraben- 
den  Pathos,  ihrer  TJnnatiirlichkeit,  die  sich  vor  allem  in  dem  Kostratenun- 
wesen  darstellte,  dem  britischen  Volke  bald  nicht  mehr  zu,  and  es  wurde 
als  eine  Erlosung  yon  der  Fremdherrschaft  der  Italiener  empfunden,  als  John 
Gay  mit  seiner  1728  in  Lincoln's  Inn  aufgefuhrten  Beggar's  opera  gegen 
die  italienische  Oper  energisch  Front  machte  und  ihr  ein  national-englischet 
Werk  gegentiberstellte. 

Dieses  hatte  einen  enormen  Zulauf  und  brachte  dem  Verfasser  und  dem 
Theaterdirektor  grofle  Einnahmen1).  PaC  man  die  Bedeutung  dieses  natdo- 
nalen  Singspiels  richtig  einzuschatzen  wufite,  zeigt  neben  andern  Zeugnissen 
von  Zeitgenossen  vor  allem  ein  v  n  Chrysander2)  angefUhrtes  Gedicht,  in 
dem  es  heiflt: 

Of  all  the  Belles,  thai  tread  the  Stage, 

Tfiere's  non  like  pretty  Polly, 

And  all  the  Musick  of  the  age. 

Except  her  voice,  is  folly. 

Compared  tcitJi  her,  liow  flat  appears 
Cuzxoni  or  Faustina? 
And  irhen  the  sings,  J  shut  my  ears 
To  warbling  Senesino. 

Der  Beggar's  opera  folgten  bald  zahlreiche  Stticke  ahnlichen  Charakters, 
zu  ihnen  gehbrte  auch  Caffey's  The  devil  to  pay  (der  Teufel  ist  los)  mit 
seiner  Fortsetzung  The  merry  cobbler,  die  in  der  deutschen  Fassung  >Der 
lustige  Schuster*  mit  der  StandfuB-Hiller'schen  Musik  den  Anfang  der 
deutschen  Singspielperiode  im  18.  Jahrhundert  darstellt. 

Bald  dringt  auch  der  Tiirke,  wahrscheinlich  durch  italienische  Vermitt- 
lung,  wieder  iu  die  englische  Literatur  ein. 

1735  wurde  im  Drury  Lane-Theater  die  Tragodie:  The  Christian  Hero, 
written  by  Lillo8),  aufgefuhrt,  worin  Tiirken  und  Christen  einander  gegen- 
ubergesteUt  werden. 

Yiel  wichtiger  fur  uns  ist  ein  anderes  Stuck,  in  dem  der  Tiirke  als 
komische  Person  aufgefafit  ist:  The  Sultan  or  a  Peep  into  the  Seraglio.  Es 
ist  als  Komodie  bezeichnet  und  stammt  von  Isaac  Bickerstaffe,  dem  Libret- 
tisten  von  Dr.  Thomas  Arne.  Das  Stiick  ist  im  Covent-Garden-Theater 
zur  Auffuhrung  gelangt4). 

Der  Sultan  Soliman  liebt  die  in  8  ein  em  Harem  gefangene  Elmira  und  hat  ihr 
zahlreiche  Beweise  seiner  Gunst  gegeben,  ist  sich  aber  nicht  recht  klar  daruber, 
ob  seine  Liebe  nicht  etwa  nur  aus  Rficksicht  auf  Yorteil  erwidert  wird.  Elmira 
bekommt  eine  gefahrliche  Rivalin  in  der  kdrzlich  in  den  Harem  gebrachten  jungen 
Englanderin  Roxelana,  einem  bildhtibschen,  uberaus  kecken  Madchen,  die  das  In- 
teresse  des  Sultans   erregt.     An  die  Freiheit  ihres  Yaterlandes   gewdhnt,  behagt 

1)  Chrysander,  G.  F.  Handel  I860,  II,  S.  200ff. 

2)  Chrysander,  a.  a.  0.  II,  S.  201. 

3)  Oxford,  Bodleian  Library  in  einer  Sammlung  von  Farcen  und  anderen  After- 
pieces, die  in  den  Theatern  Drury  Lane,  Covent  Garden  und  Haymarket  aufge- 
fuhrt wurden. 

4)  De8gl.  im  Brit.  Museum  in  »A  Collection  of  the  most  esteemed  farces  and 
entertainments  performed  on  the  British  Stage*  1786,  1.  Bd. 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfuhrung«  new.         447 

es  ihr  gar  nicht,  von  dem  unangenehmen,  spionierenden  Haremsw&chter  Osmin  auf 
Schritt  und  Tritt  beobachtet  zu  werden.  Sie  wirft  ihm  die  schlixnmsten  Schimpf- 
wOrter  an  den  Kopf,  sodaB  Osmin,  der  fur  seine  Stellung  furchtet,  sich  beim 
Saltan  beschwert.  Roxelana  muB  vor  dem  Sultan  erscbeinen  und  verantwortet 
sich  hier  in  recht  UbermUtiger  Weise.  Dem  Sultan  gefallt  aber  gerade  diese  Art, 
und  er  fordert  Roxelana  auf  mit  ihm  zu  speisen.  Roxelana,  die  von  der  Neigung 
Solimans  zu  Elmira  gehOrt  hat,  wuDscht  von  der  Nebenbuhlerin  recht  beneidet  zu 
werden  und  l&Bt  Elmira  ohne  Wissen  des  Sultans  zu  dem  Mahle  mit  einladen. 
Die  gereizte  Elmira  intrigiert  gegen  Roxelana.  Der  Sultan  iet  gekrankt,  als  er 
auch  Elmira  am  Abend  anwesend  sieht,  da  er  doch  mit  Roxelana  allein  sein  wollte. 
Wahrend  er  Roxelana  bei  dem  Gesange  der  persischen  Sklavin  lsmene  beobachtet, 
entbrennt  seine  Leidenschaft  fflr  die  junge  Englanderin  so  heftig,  daB  er  ihr  zum 
Zeichen  seiner  Gunst  nach  ttirkischer  Sitte  mit  dem  Taschentuch  winkt,  damit  sie 
ihm  nach  seinen  Gemachern  folge.  Roxelana  weist  das  zurtick  und  beleidigt  da- 
durch  den  Sultan  auf  das  heftigste.  Er  degradiert  sie  zur  untersten  Sklavin  und 
erklart,  fiir  ihre  verschmahte  Liebe  sich  bei  Elmira  entschadigen  zu  wollen.  In- 
dessen  ist  Roxelana  viel  zu  schlau,  um  nicht  zu  merken,  daB  ihr  selbst  das  Herz 
des  Sultans  nach  wie  vor  gebOre,  und  durch  Versicherungen  ibrer  Liebe  weiB  sie 
den  Sultan  ganz  fiir  sich  zu  gewinnen,  so  daft  er  Elmira  wieder  aufgibt.  Roxelana 
werden  die  Fesseln  abgenommen.  Ihr  EinfluB  auf  den  Sultan  ist  so  groB,  daB  sie 
alles  von  ihm  verlangen  kann.  In  ihrer  Eitelkeit  geht  sie  soweit  von  ihm  zu 
fordern,  zu  seiner  rechtmaBigen  Gemahlin  erhoben  zu  werden.  Das  gelingt  ihr 
denn  auch  schlieBlich  entgegen  alien  Einwanden  des  Sultans.  Roxelana  wird 
Raise rin  des  tflrkischen  Reiches. 

Die  Handlung  des  Stuckes  ist  ganz  unwahrscheinlich,  es  erscheint  vollig 
ausgeschlossen,  daB  eine  Christin  zur  Kaiserin  iiber  die  fanatischen  Ttirken 
gesetzt  werden  kann.  Trotzdem  ist  der  Stoff  geeignet,  die  heftigsten  mensch- 
lichen  Leidenschaften  wie  Liebe,  HaB,  Eifersucht  in  Bewegung  zu  setzen. 
Der  Aufbau  des  Stiickes,  fiir  das  der  Name  >Komddie«  jedenfalls  nicht 
besonders  glucklich  gewahlt  ist,  ist  auBerst  geschickt,  die  Charakteristik  der 
einzelnen  Personen  und  der  turkischen  Verhaltnisse  ist  trefflich  gelungen. 
Der  Hohepunkt  der  Handlung  liegt  in  II,  2,  in  der  Begegnung  der  beiden 
Hivalinnen.  Wir  haben  hier  eine  hochdramatische  Szene  vor  uns,  fur  die 
mit  groBer  Wahrscheinlichkeit  Goldoni  mit  seinen  Ircanastiicken  das  Vor- 
bild  abgegeben  hat.  Jedenfalls  weisen  Elmira  und  Roxelana  groCe  Ahn- 
lichkeit  auf  mit  Fatime  und  Ircana.  In  dem  englischen  Stiicke  wird  gerade 
so  wie  bei  Goldoni  durch  die  Verwegenheit,  Eitelkeit  und  Herrschsucht  der 
ganze  Harem  auf  den  Kopf  gestellt.  Daneben  ist  Roxelana  auch  der  Typus 
einer  auf  ihre  Nation  eingebildeten  englischen  Lady,  indem  sie  dem  Saltan 
gegenuber  die  Vorziige  ihrer  Heimat  erklart: 

>  There  reigns  ease,  content  and  liberty ;  every  citizen  is  himself  a  king,  where  the 
king  is  himself  a  citizen*. 

In  ihrem  burschikosen,  dreisten  Wesen  hat  sie  viele  Zuge  des  Blond- 
chens  der  >Entfuhrung«,  auch  die  Nation alit at  hat  sie  mit  ihr  gemein. 
Manche  Szenen,  in  denen  sie  auf  tritt,  zeigen  eine  ganz  auff alien  de  Ahnlich- 
keit  mit  Szenen  der  »Entfuhrung«,  z.  B.  der  Auftritt,  in  dem  sie  sich  iiber 
Osmin  beschwert.  Die  Manner,  erklart  sie,  seien  nur  da,  das  schone  Ge- 
schlecht  zu  vergniigen.  Osmin  gegenuber  lobt  sie  die  Sitten  des  Abend- 
landes,  wo  man  viel  galanter  gegen  die  Frauen  sei,  als  in  der  Ttirkei.  In 
ganz   ahnlicher  Weise   macht  Blonde   Osmin   gegenuber  klar,   wie   man   sich 


448         Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  »Entf&hrung«  uaw. 

dem  weiblichen  Geschlecht  gegeniiber  zu  benehmen  habe.  Der  Osmin  des 
englischen  Stuckes  gleicht  durchaus  seinem  Namensvetter  in  der  Bretzner- 
schen   »Entfuhrung«. 

Er  gibt  diesem  an  Hinterlist  und  Polterei,  an  Lusternheit  und  Eifersucht 
nichts  nach,  auch  seine  aufiere  Stellung  ist  dieselbe  wie  die  des  Osmin  in 
der  »Entfuhrung«.  Beide  haben  im  Harem  auf  die  Madchen  aufzupassen 
und  Spionendienste  bei  einem  tiirkischen  GroBen  zu  leisten. 

Das  Datum  des  Erscheinens  dieses  Stuckes  ist  nicht  genau  festzustellen. 
Die  Oxforder  Sammlung,  in  der  es  stent,  ist  im  Jahre  1815  gedruckt,  jedoch 
mufl  das  Stuck  viel  alter  sein,  da  die  andere  Sammlung,  die  es  auffuhri 
das  Jahr  1786  tragt.  Aber  das  Stuck  fallt  wahrscheinlich  noch  einige  Jahre 
friiher,  da  in  der  damaligen  Zeit  sich  ein  Werk  erst  auf  dem  Theater  be- 
wahrt  haben  muBte,  ehe  es  gedruckt  wurde. 

Noch  nahere  Beziehung  zu  der  »Entfiihrung«  hat  >The  Captive1)*,  a  comic 
opera,  as  it  is  performed  at  the  Theatre  Royal  in  the  Haymarket,  London  1769. 

Nach  einer  Vorrede  des  Theaterdirektors  folgt  ein 8  Tabelle  der  Gesange 
mit  den  Namen  der  Komponisten;  es  sind  vertreten  mit  sechs  Gesangen 
Dibdin,  mit  einem  Gesang  Galuppi,  mit  zweien  Vinci,  mit  zweien 
Cocchi,  mit  einem  Oiampi,  mit  einem  Perez,  mit  einem  Vente,  mit 
einem  Duni,  also  haben  wir  einen  Pasticcio  vor  uns.  Besondera  fur  das 
yorliegende  Stiick  komponiert  sind  nur  die  sechs  Gesange  von  Dibdin. 

Ein  junger  Spanier,  Ferdinand,  fallt  in  die  Gewalt  eines  turkischen  Admirals 
Dieser  schickt  ihn,  nachdem  sich  Ferdinand  l&ngere  Zeit  gut  gefQhrt  hat,  dem 
Kadi,  damit  er  ihn  bei  Gelegenheit  nach  seiner  Heimat  zurftckschicke.  Der  Kadi 
stellt  den  jungen  Mann  als  Huter  seiner  Garten  in  seinen  Dienst.  Der  junge 
Gartner  hat  sich  unterdes  in  des  Kadis  reizendes  Tdchterchen  Zorayde  verliebt 
und  Gegenliebe  gefunden.  Da  keine  Aussicht  vorhanden  ist,  daB  der  Kadi  seine 
Genehmigung  zur  Vereinigung  der  Liebenden  gibt,  so  bleibt  nur  Entftihrung  ubrig 
Ein  Schiff  mit  den  Getreuen  des  Entfflhrers,  die  aus  Spanien  gekommen  sind,  wird 
hinten  am  Garten,  der  an  das  Meer  grenzt,  warten,  urn  sie  abzuholen.  Alles  ist 
zur  Flucht  bereit,  da  werden  die  Fluchtlinge  von  dem  auf  seine  Gattin  eifersnch- 
tigen  Kadi,  der  unter  ihren  Fenstern  umherschleicht,  erwischt.  Ferdinand  droht 
groCes  Unheil,  da  stellt  sich  ein  Deus  ex  machina  ein  in  Gestalt  der  kaiserlichei 
Offiziere,  die  nach  dem  Kadi  fahnden,  dessen  Erpressungsversuche  bei  Hofe  be- 
kannt  geworden  sind.  So  ist  der  Kadi  gezwungen,  gute  Miene  zum  bdsen  Spie 
zu  machen,  und  segelt,  froh,  seinen  Verfolgern  entrinneu  zu  kdnnen,  mit  seinem 
Tdchterchen  und  ihrem  Geliebten  nach  Spanien  ab. 

Das  Stiick  e  nth  alt  eine  Fulle  ergotzlicher  Komik.  Die  gelungenste  Figm* 
ist  der  Kadi  selbst  mit  seiner  ihn  fast  verzehrenden  Eifersucht  auf  seine 
Gattin  und  seiner  Angstlichkeit,  als  ihm  die  Bestrafung  fur  seine  Erpressungen 
droht.  Auf  die  Charakteiistik  der  ubrigen  Personen  ist  nicht  viel  Wert 
gelegt.  Das  Stiick  enthalt  in  erster  Linie  Situationskomik.  Zu  den  amo- 
santesten  Szenen  gehort  die  Entdeckung  des  Fluchtversuchs  durch  den  Kadi. 

Ferdinand  wartet  im  Dunkeln  auf  Zorayde,  hat  aber  das  Ungluck,  ihrer  Hotter 
Fatime,  die  ihn  ebenfalls  liebt,  in  die  Arme  zu  fallen.  Der  Kadi  kommt  unglfick- 
Hcherweise  noch  hinzu,  und  als  Ferdinand  kein  Wort  der  Entechuldigung  findet 
hilft  ihm  Fatime  selbst  auf  die  Beine  damit,  dafi  er  wahrscheinlich  eine  Sklavia 
erwartet  habe,  was  Ferdinand  natiirlich  sofort  als  passende  Ausrede  autnimmt. 

1)  Benutzter  Text:  Bodleian  Library,  Oxford;  Musik  im  Brit.  Museum. 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >  Entfuhrung*  usw.         449 

In  II,  3  sehen  wir  den  Kadi  in  Sklavenkleidung  im  Garten  unter  dem 
Fenster  seiner  Gattin  umherschleichen.  Er  trifft  dabei  auf  seine  Tochter, 
die  gerade  Perlen  und  Edelsteine  zum  Schiffe  Ferdinands  hintragt.  Das 
Madchen  erklart  in  seiner  Geistesgegenwart,  daB  es  im  Begriff  sei,  die  un- 
rechtmaBig  erworbenen  Schatze  des  Yaters  ins  Meer  zu  werfen,  and  macht 
dem  noch  nichts  ahnenden  Vater  Yorhaltungen  iiber  seine  Erpressungen,  worauf 
er  vor  der  Tochter  eingeschiichtert  in  die  Knie  sinkt  und  Entschuldigungen 
stammelt: 

You  should  consider,  child,  if  1 

Have  in  my  office  grip'd  too  nigh, 

"1  was  to  the  end,  that  you  might  have 

My  wealth,  when  I  was  in  tfie  grave, 

My  failings  then  no  longer  press, 

We  have  all  errors,  more  or  less. 

Yon  ganz  vortrefflicbem  Humor  ist  auch  die  letzte  Szene,  wo  der  Kadi 
bei  dem  Gedanken  aufgeh'angt  zu  werden,  zitternd  und  bebend  in  die  Worte 
ausbricht : 

With  pleasure  I  this  land  forego, 
My  fame  will  sure  be  mangled, 
But  what  care  I,  let  it  be  so, 
If  I  escape  being  strangled; 
Nay  pr'ythee  let's  make  liaste  away, 
I  really  tremble  while  I  stay, 
0  dreadful  thing, 
In  a  bow  siring 
To  have  one's  neck  intangledf 

Es  bleibt  noch  tibrig,  auf  die  nahe  Yerwandtschaft  dieses  Stoffes  mit  der 
»  Entfuhrung*  hinzuweisen.  In  beiden  Opern  finden  wir  den  Spanier,  der 
in  die  Gewalt  der  Tiirken  gekommen  ist.  Die  Geliebte  ist  hier  allerdings 
keine  Abendlanderin ,  sondern  eine  Tiirkin,  doch  in  ihrer  Gesinnung  ist  sie 
den  Abendlandern  verwandt,  da  ihr  "Wunsch  schon  lange  dahin  geht,  Christin 
zu  werden.  Die  Art  und  Weise,  wie  die  Entfuhrung  bewerkstelligt  wird, 
ist  dieselbe  wie  bei  Bretzner.  Ein  spanisches  Schiff  mit  den  Getreuen  des 
Entfuhrers  ist  angekommen,  um  die  Liebenden  abzuholen.  Auch  erfolgt  die 
Entdeckung  des  Fluchtversuchs  in  einer  ganz  ahnlichen  Weise  wie  in  der 
>  Entfuhrung c.  Der  in  den  Garten  umherschleichende  Tiirke  stoBt  auf  die 
Fliichtigen.  Es  ist  nicht  bedeutungslos,  daft  auch  die  BUhnenbilder  (II.  Akt 
von  Tfie  Captive  und  III.  Akt  der  » Entfuhrung*)  sich  auBerordentlich 
ahneln. 

Yon  bemerkenswerten  einzelnen  Zugen,  die  beide  Stoffe  gemeinsam  auf- 
weisen,  sei  noch  erwahnt,  daB  Ferdinand  seine  Geliebte  durch  ein  Standchen 
erfreut,  wie  Pedrillo  Blondchen  durch  seinen  Gesang  von  dem  im  Mohren- 
land  gefangenen  Madchen.  IJberhaupt  hat  Ferdinand  mehrere  Ziige  Pedrillos 
an  sich,  wie  Zorayde  in  ihrer  Lebhaftigkeit  und  Schlagfertigkeit  Blondchen 
recht  ahnlich  sieht.  Auch  ist  es  auffallend,  daB  Ferdinand  bei  dem  Kadi 
gerade  als  Gartner  angestellt  wird,  wie  Pedrillo  bei  dem  Bassa  Selim. 

Es  ist  angesichts  so  vieler  Ahulichkeiten  ein  innerer  Zusammenhang 
zwischen  den  beiden  Stoffen  anzunehmen.  Man  kann  etwa  vermuten,  daB 
englische  Komodianten   The  Captive  in  Deutschland   gespielt  haben   und  daB 


450         Walter  Preibisch,  Quell  ens  tudien  zu  Mozart's  »Entfahrnng«  usw. 

Bretzner  bei  der  TJmbildung  der  Schiava  liberate  auch  einzelne  Zuge  aus 
dem  englischen  Stiick  in  seinen  Entftihrungstext  ubernommen  hat. 

Die  Tlirkenstiicke  in  England  bescbliefit  Hie  Seraglio1)  1776.  Text  und 
Musik  sind  yon  Dibdin,  die  Gesange  stammen  von  Dr.  Arnold,  eine 
Melodie  von  A.  Fisher,  dazu  kommt  nocb  je  eine  irische  und  eine  scbottucbe 
Melodie. 

Der  vorliegende  Druck  enthalt  den  Dialog  nicbt,  und  es  ist  daber  scbwer, 
den  Inbalt  genau  anzugeben.  Nacb  dem  Quintett  im  ersten  Akt  zu  urteilen, 
bandelt  es  sicb  um  eine  EntfUbrung,  die  von  den  Tiirken  eutdeckt  wird, 
alles  lauft  schlieBlich  gliicklicb  ab. 

Nach  der  musikalischen  Seite  hin  wird  auf  Cbarakteristik  kein  Wert  ge- 
legt.  Wie  ware  auch  eine  einheitlicbe  Charakteristik  moglicb,  wo  so  ver- 
scbiedene  Komponisten  ibr  Scberflein  beigetragen  haben?  In  dem  Finale, 
das  von  Dr.  Arnold  herriihrt,  wird  der  Versuch  gemacht,  die  Herrscbaft  des 
von  seinem  Yolke  geliebten  Konigs  der  des  Tyrannen  gegenuberzustellen. 
Die  Dibdin'scben  Melodien  sind  uberaus  schlicbt  und  einfach,  zum  Teil  recht 
gefallig,  oft  versucht  er  Vorg&nge  aus  dem  Leben  der  Natur,  wie  z.  B.  das 
Geschnatter  der  Vogel,  nachzuahmen. 

Das  dents che  Singspiel. 

Deutschland,  das  neben  Italien  von  der  Turkcngefahr  am  meisten  be- 
drohte  Land,  hat  die  alleraltesten  Tlirkenstiicke  aufzuweisen.  Scbon  in  den 
Niirnberger  Fastnachtsspielen  von  Johannes  Rosenblut2)  bat  der  Turke 
seinen  Einzug  gehalten.     Eins  seiner  Stticke  ist  Der  Turke  betitelt. 

Der  Sultan  erecheint,  um  mit  den  Christen  Frieden  zu  machen;  zu  ihnen  ge- 
sellt  sich  ein  Atigesandter  vom  Papst,  um  seinem  Auftrag  gemaC  den  Sultan  wegea 
seiner  Religion  tflchtig  herunterzukanzeln. 

Es  ist  sehr  interessant,  einen  Vergleicb  zwischen  diesem  frUhen  Stiick 
und  den  Tiirkenstiicken  im  deutscben  Singspiel  zu  zieben.  Seben  wir  in 
dem  vorliegenden  Stuck  noch  die  Intoleranz  der  Christen,  die  dnrcbass 
keinen  anderen  Glauben  als  den  ibrigen  anerkennen  wollen,  so  sucben  die 
deutschen  Turkensingspiele ,  die  von  Gedanken  der  Aufklarungspbilozophie 
stark  durchsetzt  sind,  nachzuweisen ,  dafi  auch  der  Mohammedaner  ein  edler 
Mensch  sein  konne,  oft  wird  er  sogar  uber  die  Christen  gestellt  nnd  eine 
Religion  edler  Menscblichkeit  auf  den  Schild  erhoben.  Johann  Roaenbht 
oder  Rosenbliit  (in  Wirklichkeit  Hans  Schneppersj  hat  nach  Schiitae5)  1450 
>sechs  klagliche  Fastnachtsspiele*  im  Druck  herausgegeben. 

Nach  langerer  Pause  in  der  sich  keine  Turkenstttcke  nachweisen  lasten, 
erscheint  1682  ein  Kara  Mustapha*).  Das  Stiick  wird  von  Schletterer*)  ii 
das  Jahr  1686  verlegt. 

Es  treten  Mahomet,  der  tiirkische  Sultan,  tiirkische  Offiziere.  Janitscbaren- 
chore  usw.  auf.     Das  Libretto  stammt  von  Dr.  Lucas  v.  Bostel,  Syndikv 


1)  Benutzt  im  Brit.  Museum:   The  Overture,  Songs  etc.  in  the  Seraglio,  as  per* 
formed  at  the  Tlieatre  Royal  Govent  Garden. 

2)  Napoli-Signorelli,  a.  a.  0.  1.  S.  366. 

3)  Joh.  Fr.  Schtitze.  Hamburg.  Theaterffescbichte  1794,  8.9. 

4)  Sammelbde.  der  IMG.     Ill,  S.  279  u.  282. 

5)  Schletterer,  Das  deutschfl  Singnpiel  .  .  .  1863,  S.  89  u.  203. 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zn  Mozart's  >Entfuhrung«  usw.      451 

und  zuletzt  Btirgermeister  der  Republik  Hamburg.  Schletterer  {)  spricht  von 
dem  Werk  als  von  einem  >durchaus  witz-  und  geistlosen,  erbarmlichen  poe- 
ti8chen  Machwerk,  voll  der  allerplumpsten  Reden«.  Es  kamen  48  besonderc 
Dekorationen  und  Maschinen  darin  vor.  Die  Seitenszenen  konnte  man  39, 
die  Mittelvorstellungen  mehrere  hundert  Male  verandern.  Auch  Schiitze2) 
bestatigt,  daB  das  Stuck  an  niedrigen  Scherzen  und  Unanstandigkeiten  roich 
sei.  Der  Stoff  selbst  war  durchaus  aktuell,  denn  er  behandelte  die  Expedi- 
tion des  Veziers  Kara  Mustapha  gegen  Wien  und  den  Entsatz  dieser  Stadt 
im  Jahre  1683. 

Wir  stehen  mit  dem  Kara  Mustapha  kurz  vor  der  ErofFnung  des  Ham- 
burger Opernunternehmens  von  Reinhard  Keiser.  Dieser  Komponist  ver- 
stand  sich  darauf,  wahrscbeinlich  durch  den  Erfolg  des  Kara  Mustapha  an- 
geregt,  auf  den  Geschmack  des  Volkes  einzugehen,  und  hat  selbst  ein 
Tiirkenstiick  komponiert:  Muhamed  I/.3),  1696,  zu  dem  Hinscb  einen 
schlechten  Text  geliefert  hatte.     Die  Musik  Keisers  ist  nicbt  erhalten. 

Im  Jahre  1749  wird  unter  den  in  Hamburg  aufgefiihrten  Stucken  eine 
*tiirkischr.  Lustbarkeit4)*  erwahnt,  die  am  10.  Februar  des  genannten  Jahres 
in  Szene  ging. 

Damit  sind  wir  bereits  in  die  Sphare  des  deutschen  Singspiels  geriickt. 
Hier  wie  in  den  anderen  Jjandern  wird  die  Reaktion  gegen  die  italienische 
Oper  vollzogen.  Das  Rationale  Element  ist  auch  in  Deutschland  erwacht, 
und  aus  dem  Streben  heraus,  die  italienische  Oper  zu  verdrangen,  ihr  oft 
hohles  Pathos  zu  verspotten,  den  Olymp  durch  volkstumliche  Gestalten  zu 
ersetzen,  Frische  und  Natiirlichkeit  in  die  dramatische  Musik  einzufuhren. 
entstand  das  deutsche  Singspiel. 

Von  der  italienischen  opera  buffa  her  empfing  Deutschland  im  2.  Drittel 
des  18.  Jahrhunderts  eine  neue  Zufuhr  von  Tiirkenstoffen.  Gelegenheit  zu 
standiger  Vermittlung  war  durch  die  zahlreichen  Italiener  gegeben,  die  sicli 
damals  noch  in  groBer  Anzahl  als  Orchestermusiker  oder  Kapellmeister  in 
den  deu,tschen  Hofkapellen  befanden. 

Auch  die  englischen  Schauspielergesellschaften  und  die  franzbsische  opera 
nomique  haben  an  der  Verbreitung  der  Turkenstiicke  in  Deutschland  grofien 
Anteil. 

Einer  der  beliebtesten  Tiirkenstoffe,  der  wahrend  eines  Zeitraums  von 
funf  Jahren  nicht  weniger  als  drei  Bearbeitungen  aufzuweisen  hat,  ist  Der 
Kaufmann  von  Smyrna. 

Die  crate  Bearbeitung  riihrt  her  von  dem  Abt  Vogler5)  und  stammt 
aus  dem  Jahre  1771.  Wir  lernen  durch  Schafhautl  als  Librettisten  den 
Herrn  von  Champ  fort  kennen,  der  deutsche  IJbersetzer  ist  C.  F.  Schwan. 

Das  Vogler'sche  Stiick  hat  zwei  Ouvertiiren  und  wurde  1771  in  Mann- 
heim bei  dem  kurfurstlichen  Hofbuchhandler  Schwan  gedruckt. 

Der  Franzose  Dorval  ist  durch  einen  Oberfall  auf  der  See  mit  seiner  Geliebten 
Amalie  in  die  Hande  der  Osmanen  ge  fall  en.  Der  boshafte  Ski  aven  handler  Ealed 
hat  sie  ganz  in  seiner  Gewalt.  Das  junge  Liebespaar  fQblt  sich  in  der  Gefangen- 
gchaft  hdchsb  unglucklich,  zumal  da  die  Be  hand  lung  durch  die  Turken  sehr  schlecht 

1)  Schletterer,  a.  a.  0.    S.  89. 

2)  Schutze,  a.  a.  0.    S.  160. 

3)  Vierteljahrsschrift  f.  M.-W.  VI,  S.  168. 

4)  3chfltze,  a.  a.  0.     S.  82. 

5)  Schafhautl,  Abt  Georg  Jos.  Vogler  .  .  .  1888.    S.  248. 

s.  d  IMG.    x.  30 


452         Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfuhrung«  uaw. 


ist.  Da  bietet  sich  fQr  Dorval  eine  Gelegenheit,  seine  Freiheit  wiedersuerlangen. 
Er  rettet  Hassan,  einem  vomehmen,  begflterten  TUrken,  das  Leben.  Dieter  be- 
weist  ihm  seine  Dankbarkeit  dadurch,  daft  er  Dorval  und  seiner  Geliebten  die 
Freiheit  erkauft    So  l5st  sich  alles  zu  allgemeiner  Zufriedenheit. 

Im  Jahre  1773  erschien  das  Stuck  mit  der  Musik  von  K.  Day.  Stegmann1). 

Die  musikalische  Behandlung  ist  tiberaus  geschickt,  vor  allem  hat  sicb 
Stegmann  bemiiht,  in  den  tiirkischen  Charakter  des  Stiickes  einzudringen. 
Schon  die  dreisatzige  Einleitungssinfonie,  die  er  Alia  Turca  uberschrieben  hat 
mit  ihren  charakteristischen  Themen  zeigt  dieses  Bestreben: 

Satz  1,  Thema  1. 


Satz  1,  Thema  2. 


w 


EZlJgglgl^g^^ 


Satz  2. 


Satz  3,  Thema  1. 


i 


t=iz 


S* 


%— kF*gg 


-t-P- 


3EEE 


SaU  3,  Thema  2. 


^u^lBiriiEc^yiJ^ 


Am  besten  gelungen  ist  die  musikalische  Charakteristik  des  rohen  Sklaven* 
handlers  Kaled,  der  mit  folgenden  zwei  Motiven  lebhaft  Tor  unser  Auge  tritt: 

1.  Motiv  Kaleds. 


bff* 


^ 


iHHPi 


2.  Motiv  Kaleds. 


EE 


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LUU 


Sein  bramarbasierendes  Wesen,  seine  erbitterte  Feindschaft  gegen  alles, 
was  Christ  heifit,  hat  er  mit  dem  Osmin  des  Entfuhrungsstoffes  gemein 
Besondere  Beachtung  verdient  das  Finale  wegen  der  darin  zum  Ausdruck 
gebrachten  Gedanken.  £s  ist  ein  nach  franzosischem  Vorbilde  verfafitet 
Vaudeville. 


1)  Benutzt:  Klavier-Auszug  aus  der  Kgl.  Biol,  zu  Berlin. 


Walter  Preibipch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entruhrung«  usw.  453 


Porval,  Amalie,  Hassan,  Zaide  stimmen  ein  in  das  Hohelied  der  N&chstenliebe. 
Es  sei  erhaben,  der  Menschen  Pflichten  zu  tiben,  alien  Menschen  aufricbtige  Liebe 
entgegenzubringen.  Heiden  wie  Christen  vereinigen  sich  zu  diesem  Gesang  und 
proklamieren  die  allgemeine  menschliche  Religion,  die  fiber  den  Einzelreligionen 
stehe. 

Die  dritte  Bearbeitung  des  Stoffes  riihrt  von  Andreas  Franz  Holly1)  aus 
dem  Jahre  1775  her. 

Aucb  Holly  ist  bemtiht,  das  tttrkische  Milieu  musikaliscb  zu  treffen.  Die 
Ouverture  steht  in  engerem  Zusam  men  hang  mit  der  Handlung  und  soil  wahr- 
scheinlich  auf  das  Ungliick,  das  die  Liebenden  getroffen  hat,  hinweisen.  Be- 
merkenswert  wegen  seiner  eigenartigen  Harmonik  ist  das  Motiv: 


P= 


£E 


j£e^ 


±e^ 


s^ 


** 


k=3 


* 


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Die  Holly'sche  Behandlung  enthalt  eine  Arie  mehr  als  die  Stegmann'sche. 
Es  ist  die  Arie  Amalias:  »So  mufi  ich  denn  mit  bangem  Schmerze  von 
meinem  Freund  geschieden  sein«.  Die  Arie  ist  gerade  fur  Holly  charakte- 
ristisch.  Ihm  gelingt  es,  das  zarte  Empfinden  des  Weibes,  den  Trennungs- 
schmerz  Amalias  darzustellen,  iiberhaupt  versteht  er  sich  gut  auf  musikalische 
Stimmungsmalerei.  Er  hat  manchmal  etwas  Mozart' sches  an  sich,  wahrend 
cr  anderseits  von  Stegmann  in  der  Darstellung  mannlicher  Charaktere,  rauher 
Naturen,  wie  besonders  in  der  Charakteristik  des  Sklavenhandlers  Kaled  iiber- 
trofFen  wird. 

Von  Holly  haben  wir  noch  ein  zweites  Tiirkensingspiel ,  das  Der  Bassa 
von  Tunis  oder  Julie*)  betitelt  ist  und  aus  dem  Jahre  1775  stammt.  Der 
Text  stammt  von  Henisch. 

Da  der  Dialog  fehlt,  ist  es  wiederum  schwer,  die  Handlung  genau  zu 
verfolgen.  Eine  als  Bassa  bezeichnete  Person  komrat  in  dem  musikalischen 
Teil  nicht  vor,  wir  haben  daher  wahrscheinlich  eine  Sprechpartie,  wie  sie  der 
Bassa  Selim  bei  Mozart  hat,  vor  uns. 

Julie  wird  von  Alcindor  geliebt.  Sie  ist  gefangen,  der  Geliebte  sucht  sie  zu 
befreien.  Dabei  gerat  er  in  grofie  Gefahr,  Hassan  und  Gripos,  wahrscheinlich  Be- 
amte  des  Bassa,  weigern  sich,  Alcindor  Schutz  zu  gewahren.  SchlieOlich  gelingt 
es  ihm  aber,  die  Befreiung  der  von  ihm  angebeteten  Julie  zu  erwirken. 

Die  Ouvortiire  stellt  eine  Art  Janitscharenmarsch  dar  mit  folgendem 
Hauptmotiv : 


1)  Benutzt:  Klavier-Auszug  aus  der  Grofiherzogl.  Bibl.  zu  Darmstadt. 

2)  Benutzt:  Partitur  aus  der  GroGherzogl.  Hofbibl.  Darmstadt. 

30* 


454         Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entffthrung«  nsw. 

das  mit  dem  zweiten  Thema  des  ersten  Satzes  der  Sinfonia  tod  Stegmann's 
Kaufmann  von  Smyrna  und  mit  dem  Anfang  von  Mozart's  » Kleiner  Nacht- 
musikc   verwandt  ist. 

Zur  Schilderung  des  ttirkischen  Milieus  wird  das  Orchester  durch  Klari- 
netten,  Horner,  Pikkolofloten  und  Schlagzeug  verstarkt. 

Yon  den  Bearbeitungen  des  Eremit  von  Formentera  kommt  fur  uns  nur 
die  von  E.  W.  Wolf1),  Weimar  gegen  1775,  in  Betracht,  da  die  ubrigen 
Behandlungen  des  Stoffes  von  Peter  Bitter,  Dieter,  Heinz  undRungen- 
hagen  erst  nach  der  »Entfuhrung«  erschienen.  Der  Stoff  erinnert  in  ein- 
zclnen  Ztigen  an  die   »Entfuhrung«. 

Nach  franzosischer  Vorlage,  namlich  nach  Gr6 try's  Les  deux  avares  von 
Meifiner  gearbeitet  ist  das  Singspiel  Das  Grab  des  Mufti. 

Das  Stuck  lag  mir  in  der  Komposition  von  Johann  Adam  Hiller2)  vor. 
Es  erschien  1777,  der  Klavierauszug  tragt  das  Datum  1779 3). 

Nach  einer  dreisatzigen  Sinfonia  spielt  sich  eine  Entfuhrungsgeschichte 
vor  unsern  Augen  ab.  Der  Stoff  hat  mehrfach  Ahnlichkeit  mit  der  Schiata 
lihcrata  und  folglich  auch  mit  dem  Bretzner'schen  Entfuhrungsstoff.  Gripon 
mit  seinem  ewigen  Zanken  und  Krakehlen  ist  dem  Osmin  verwandt,  aller- 
dings  ist  er  nicht  so  grausam  wie  dieser,  er  ist  mehr  eine  Art  Albumazar- 
natur.  Der  schmachtende  Liebhaber  Wilhelm  tragt  verschiedene  Zuge  Bel- 
monte's  an  sich. 

Die  Janitscharen chore  sind  dem  tiirkischen  Charakter  des  Stoffes  ange- 
messen.  Von  besonderer  Wirkung  ist  der  feierlich  klingende  Gesang  der  die 
Abendrunde  machenden  Janitscharen: 

>Die  Wache  kommt,  seid  alle  still, 
Es  schlafe,  wer  da  schlafen  will, 
Wer  wachen  muO,  der  schweige. 
Es  weiche  Tuck1  und  Rauberei, 
DaO  nicht  der  Unschuld  Elaggeschrei 
Zum  Ohr  des  Kadi  steige.< 

Als  die  Janitscharen  zum  zweiten  Male  auftreten,  sind  sie  betrunken  und 
stimmen  ein  feuriges  Weinlied  an:  »Es  lebe  der  Weiu,  der  Schopfer  der 
Freude«  ,  dessen  In  halt  ganz  zu  Osmins  Worten  iiber  den  Weingenufi  pafil 
Es  heiBt  bei  HiUer: 

>Wenn  auch  Mahomet  una  Madchen,  Sang  und  Tanz  verhieC,  ohne  den  edlen 
Zjpernwein,  was  waren  die  Madchen?  Vezir  und  Saltan  trinken  dich,  trots  Mufti 
und  Gesetzen.* 

Das  Weinlied  hat  einen  ahnlichen  Bhythmus  wie  Mozart's  Janitscharen- 
chor  im  ersten  Akte.  Das  Hiller'sche  Singspiel  zeigt  alle  Eigentumlichkeiten 
des  deutschen  Singspiels,  die  Einfachheit  in  der  melodischen  Behandlung, 
die  naive  Chnrakteristik  der  Personen,  ein  Weinlied,  eine  Romanze  usw. 
Am  SchluB  wird  das  Parterre  aufgefordert,  recht  kraftig  Beifall  zu  klatschen. 
Das   Stiick    ist   auBer   von    Hiller    noch    von    Christian  Gotthilf  von   Baum- 

1)  Riemann,  Opernhandbuch. 

2)  Benutzt:  Klavierauszug  aus  der  Kgl.  Bibl.  zu  Berlin. 

3)  Inhalt  bei  Calm  us,  Die  ersten  deutschen  Singepiele  v.  StandfuB  u.  Hiller. 
1908.  S.  87  ff. 


Walter  Preibiech,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >  Entfuhrung*  usw.         455 

garten  1778    und  von  Johann  August  Halbe   (Jabr  unbekannt)   in  Musik 
gesetzt  worden. 

Eine  besondere  Vorliebe  fur  Turkenstlicke  scheint  Joh.  Andre  gehabt 
zu  haben.  Er  hat  aufier  seiner  Entfiihnmg  noch  zwei  andere  ttirkische 
Stoffe  in  Musik  gesetzt.  Der  erste  davon  betitelt  sich  Der  Barbier  von 
Bagdad*). 

Almansor  und  die  schdne  Zulima  lieben  einander.  Zulimas  Sklavin  Fatime 
vermittelt  den  Verkehr  der  Liebenden.  Der  Sklavin  gegenuber  rtihmt  Almansor 
die  Vorzflge  des  von  ihm  verg5tterten  M&dchens.  Osmin,  ein  gutmfitiger  Dumm- 
kopf,  tritt  auf.  Man  hat  ihn  f&lschlich  beschuldigt,  gestohlen  zu  haben.  und  er 
hat  die  Tracht  Prugel  ruhig  eingestrichen.  In  einem  Lied ch en  macht  er  sich  fiber 
die  zahlreichen  Kflnste  des  Barbiers  von  Bagdad  lustig,  der  neben  seinem  Beruf 
noch  Astrologie  treibe,  die  Ader  lasse  und  Pflaster  streiche*). 

Almansor  ist  im  Hause  der  Geliebten  angekommen  und  halt  mit  ihr  ein 
Plauderstflndchen.  Als  aber  der  Barbier,  der  ihn  noch  kurz  vorher  belastigt  hat, 
erscheint,  rersteckt  sich  Almansor  in  Zulimas  Oemach.  Der  Barbier  hat  es  ge- 
merkt  und  will,  da  er  offenbar  selbst  in  Zulima  verliebt  ist,  mit  Almansor  Handel 
anfangen,  wird  aber  bei  Zulima  nicht  eingelassen. 

Das  Parcben  stimmt  in  dem  Glflck,  ungestOrt  zusammenzusein,  einen  Hymnus 
auf  die  Liebe  an. 

Das  ist  die  recht  harmlose  Handlung  des  Stiickes,  soweit  man  sie  aus  der 
Partitur,  der  wiederum  der  Dialog  fehlt,  feststellen  kann. 

Musikalisch  steht  das  Singspiel  tief  unter  der  Entfuhrung  desselben  Kom- 
ponisten.  Andre  hat  sich  in  dem  Barbier  von  Bagdad  nicht  sonderlich  be- 
miiht,  das  tiirkische  Milieu  zu  schildern;  doch  gelingt  es  ihm,  warme  Tone 
anzuscblagen,  um  der  Sehnsucht  der  Liebenden  nach  Vereinigung  Ausdruck 
zu  geben.  Mit  Erfolg  malt  Andre's  Musik  auEere  Vorgange;  so  wird  uns 
eine  Priigelszene,  bei  der  man  die  Stockschlage  auf  Osmin's  Riicken  nieder- 
sausen  hort,  mit  groBer  Realistik  vorgefuhrt. 

Dem  Osmin  fehlt  hier  die  Bosheit  und  Hinterlist,  die  ihm  in  den  meisten 
Tiirkenstucken  eigen  ist;  er  ist  vielmehr  ein  dummer  Tolpel,  der  sich  alles 
gefallen  laBt.  Das  Duett  zwischen  Zulima's  Sklavin  Fatime  und  Osmin,  in 
welchem  sie  den  Tiirken  wegen  seiner  Wichtigtuerei  auslacht,  erinnert  an 
das  Duett  zwischen  Blondchen  und  Osmin  aus  der  » Entfuhrung «. 

Das  zweite  Turkenstttck  Andre's  ist  Das  Tartarische  Qesetz*),  Berlin,  1779. 
Der  Stoff  scheint  viel  Anklang  gefunden  zu  haben.  Es  existiereu  noch  mehr- 
fache  Behandlungen  auBer  der  Andre Tschen.  Die  bekann teste  ist  wohl  die 
von  Zumsteeg,  die  zum  ersten  Male  1780  erw&hnt  wird.  Sie  wird  von 
Abert  eingehend  besprochen.  Das  Stiick  kommt  fur  uns  indessen  nicht  in 
Betracht,  da  seine  Handlung  weit  von  der   » Entfuhrung*   abfdhrt. 

Schon  vor  der  »Entfuhrung«  hatte  Mozart  selbst  ein  tiirkisches  Sujet 
behandelt  und  zwar  in  seiner  Operette  Za'tdeA),   1780. 


1)  Benutzt:  Partitur  im  Manuskript  aus  der  Kgl.  Bibl.  Berlin. 

2)  Eine  Arie  ganz  ahnlichen  Gbarakters  hat  Knecht  (in  Anthologie  f.  Eenner 
u.  Liebhaber  d.  Tonkunst  I,  Speyer  1789)  komponiert,  die  einem  Bader  Zeisig  in 
den  Mund  gelegt  wird  und  die  wahrscheinlich  in  ein  Knecht'sches  Singspiel  ge- 
hOrt:  >Ihr  Leute  seht,  das  ist  der  Mann,  der  alien  Kranken  helfen  kann.< 

3)  Benutzt:  Partitur  im  Manuskript  aus  der  Kgl.  Bibl.  zu  Berlin. 

4)  Inhalt  bei  J  ah  n,  W.  A.  Mozart  I,  S.  626. 


456  Walter  Preibiscb,  Queilenstudien  zu  Mozart's  >Entfuhrang«  nsw. 


,Wir  haben  auch  bier  einen  Entfuhrungsstoff  vor  uns,  der  in  zahlreichen 
Szenen  dem  spateren  Werke  inbaltlicb  nabe  verwandt  ist. 

Gomatz  ist  das  Seitensttick  zu  Belmonte,  Za'ide  entspricht  der  Konstanze. 
AUazim,  der  Giinstling  Solimans,  der  den  Abendlandern  bei  der  Flucbt  be- 
hilflich  ist,  bat  als  aufgeklarter  Mubammedaner  mebrere  Zuge  des  Bassa 
Selim  an  sich.  Auch  ein  Osmin  findet  sicb  in  dem  Stuck,  doch  als  bio  lie 
Nebenperson. 

Musikalisch  ist  von  der  Zeicbnung  des  turkischen  Milieus,  die  Mozart 
b pater  in  der  »Entfuhrung«  so  trefflich  gegluckt  ist,  nocb  nicbt  viel  zu  merken, 
nur  in  der  Szene,  wo  der  Sultan  seinen  Zorn  tiber  den  Verrat  des  Gomatz 
und  der  Zaide  zum  Ausdruck  bringt,  wird  eine  dementsprechende  Instrumen- 
tation mit  Trompeten  und  Pauken  eingefuhrt. 

Die  Einleitung  des  Quartetts,  die  durcb  einen  kurzen  Satz  der  Streich- 
instrumente  geschieht,  ist  ein  aucb  in  der  »Entfuhrung«  in  Konstanzes 
Arie  (10)  verwandtes  Motiv1). 

Zu  den  Tilrkenstucken  baben  wir  aucb  das  von  GroAmann,  ehiem  Mit- 
gliede  der  Sevier  schen  Truppe  gedicbtete,  von  Chr.  Gottl.  Neefe  in  Musik 
gesetzte  Singspiel  Adelheit  von  VeltJieim*),  1780,  zu  recbnen.  Aucb  dieses 
Stiick  bat  jeden  falls  dem  Stoffe   der  »Entfubrung«    mebrere  Zuge  gelieben5). 

Das  Stiick  ist  groBtenteils  im  Stile  des  Singspiels  gebalten,  nur  gelegent- 
licb,  wie  in  I,  9,  wo  wir  einen  groBen  dramatiscben  Monolog,  aus  Akkom- 
pagnato  und  Sekkorezitativ  gemiscbt,  vor  uns  haben,  fallt  es  aus  diesem 
Rahmen  heraus. 

Die  Einbeitlicbkeit  des  Werkes  leidet  unter  der  Fiille  der  Personen,  die 
teilweise  nur  geringen  Anteil  an  der  Handlung  baben.  Das  Stiick  ist  nacfa 
dieser  Kicbtung  hin  mit  Gluck's  Pilgrimen  von  Mekka  verwandt. 

Vortrefflich  gezeiebnet  ist  der  Haremswachter  Mehmet,  der  mit  dem  Osmin 
der   >Entfubrung«   grofie  Abnlicbkeit  bat. 

Das  tiirkiscbe  Milieu  zu  zeichnen,  gelingt  Neefe  vor  allem  in  den  Or- 
chestersatzen.  Schon  die  das  Werk  einleitende  Sinfonia  turchesa  a  due  or- 
chestre  mit  Oboen,  Klarinetten,  Flauti  und  Timpani  gibt  davon  einen  voll- 
giiltigen  Beweis. 

Aucb  der  Marscb  (I,  6)  mit  seinem  gravitatischen  Haupttbema: 


rrVthS  r 


und  mit  den  larmenden  Figuren: 


ist  bestimmt,   den  rauscbenden  Cbarakter  der  tilrkiscben  Musik  zu   malen. 

Desgleicben  verdienen  die  Sinfonia  di  guerra  am  Anfang  des  vierten  Aktes 
und  der  sich  anscblieBende  Kriegsmarsch  der  Janitscbaren,  deren  Fanatismus 
besonders  in  dem  markanten  Motiv: 


1)  Jahn  a.  a.  O.  I,  S.  632ft. 

2   Benutzte  Partit.  aus  Kgl.  Bibl.  Dresd.,  Ms. 

3)  Inbalt  b.  H.  Lewy,  Chr.  Gottl.  Neefe,  RoBt.  Diss.  1901,  S.  67 ff. 


£§i 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Eniftthrung«  usw.  457 


g=g^Fg  ;,1[ff 


UT3 


zum    Ausdruck   kommt,    als   Muster    ttirkischer    Milieuschilderung    besondere 
Erwiihnung. 

Die  >Entftthrnng  ans  dem  Serail<  in  ihren  verschiedenen  Kompositionen. 

Die  »Entfuhrung«  liegt  una  in  vier  Kompositionen  vor.  Andre  und 
Mozart  haben  sie  1781,  Dieter  hat  sie  1784,  Knecht  1790  in  Musik 
gesetzt.  Eine  weitere  musikalische  Bearbeitung  von  Kuzzi  wird  bei  Gerber 
erw'ahnt,  doch  konnte  ich  den  Fundort  der  Parti tur  nicht  ermitteln. 

Wir  haben  zwei  verschiedene  Fassungen  des  Testes  zu  unterscheiden ; 
einmal  das  von  Bretzner  fur  Andre*  geschriebene  Libretto  und  zweitens 
die  von  Stephanie  dem  Jungeren  ftir  Mozart  gelieferte  Bearbeitung,  die 
Bretzner  offentlich1)  als  eine  Verballhornisierung  seines  Textes  bezeichnete. 
Der  Hauptunterschied  der  Fassungen  besteht,  wie  schon  Jahn2)  gezeigt  hat, 
darin,  daB  die  eigentliche  Entfiihrungsszene  sich  bei  Bretzner  in  einem  En- 
semblesatz  (Sextett)  abspielt,  wahrend  Stephanie  diesen  Teil  durch  gespro- 
chenen  Dialog  ersetzt. 

Auch  sonst  sind  auf  Mozart's  Veranlassung  mehrere  Anderungen  ange- 
bracht,  wo  der  Komponist  glaubte,  daB  der  Musiker  neben  dem  Dichter 
nicht  genugend  auf  seine  Rechnung  komme.  Andere  Anderungen  wurden 
dadurch  no  tig,  dafl  Mozart  der  Individualist  einzelner  Sanger  Rechnung 
tragen  wollte. 

Andre*  und  Dieter  haben  den  Text  in  der  Originalfassung ,  Mozart  und 
Knecht  den  umgearbeiteten  Text  in  Musik  gesetzt.  Das  Verhaltnis  der  Kom- 
ponisten  untereinander  stellt  sich  im  allgemeinen  folgendermaBen  dar: 

Dieter  ist  aus  der  Schule  Jommelli's  hervorgegangen  und  weist  infolge- 
dessen  unter  alien  die  moisten  italienischen  Ziige  auf.  Auch  die  Schule  der 
Mannheimer  Sinfoniker  ist  auf  ihn  nicht  ohne  EinfluB  geblieben. 

Knecht,  der  Musikdirektor  aus  Biberach,  gehorte  zu  dem  Freundeskreise 
Wieland's  und  teilte  mit  diesem  seine  Vorliebe  fiir  das  deutsche  Singspiel. 
Da  er  auch  mit  Jommelli  und  den  Mannheimern  bekaunt  wurde,  so  finden 
sich  auch  bei  ihm  oft  italienische  Ziige  und  Anklange  an  den  Mannheimer 
Stil.  Yon  den  norddeutschen  Komponisten  haben  besonders  Joh.  Christian 
Bach  und  Graun  auf  ihn  EinfluB  gehabt. 

Bei  Dieter  und  Knecht  spielt  das  Malerische  eine  groBe  Rolle,  das  be- 
sonders seit  den  Orchestermonologen  in  den  Jommelli'schen  Opern  aus  der 
Stuttgarter  Zeit  sehr  beliebt  war.  Vielleicht  haben  auch  die  Deller'schen 
Ballette  und  die  Zumsteeg'schen  Jugendopern  auf  Knecht  und  Dieter  gewirkt. 

Die  Andre'sche  Komposition  hat  ihren  Schwerpunkt  in  volkstumlichen 
Elementen.  Einfache  Singspiellieder  sind  Andre's  eigentliches  Gebiet.  Seine 
Kompositionsweise  nahert  sich  am  ehesten  der  Art  Joh.  Adam  Hiller's. 

Fiir  Mozart  bedeutet  die  >Entfuhrung«  einen  wichtigen  Abschnitt  in 
seiner  Entwicklung.     Italienische  Elemente  fehlen  zwar  keineswegs,  aber  die 

1)  Berliner  Lit.  u.  Theaterzeitung  1783,  II,  S.  398ff. 

2)  0.  Jahn,  a.  a.  0.   I,  S.  747ff. 


458  Walter  Preibisch,  Quellenstudien  su  Mozart's  >Entfuhrung«  usw. 


Grundzlige  der  Behandluug  sind  deutsch.  Zum  ersten  Male  rtickt  er  hier 
mit  voller  Absicht  innerlich  von  den  Italienern  ab.  Der  Vergleich  mit  den 
andern  Komponisten  zeigt  deutlich,  worauf  es  Mozart  in  der  »Entfiihrung< 
eigentlich  ankam.  Wenn  hier  tiberhaupt  auf  die  Kompositionen  von  Dieter, 
Knecht  und  Andre  eingegangen  wird,  so  geschieht  das  nicht  wegen  der 
eigenen  Bedeutung  dieser  Werke,  sondern  nur,  um  zu  veranschaulichen,  wor- 
auf es  Mozart,  ankam,  und  so  die  Stellung  seines  Werkes  im  deutschen  Sing- 
spiel  sowohl,  wie  in  Mozart's  eigenem  Schaffen  genauer  zu  bestimmen. 

Die  Ouverturen. 
Dieter   eroffnet   sein   Werk   mit   einer   Sinfonia,   Allegro  vivace,    die  die 
Form  des  Sonatensatzes  hat.     Der  Einflufi  der  Mannheimer  Schule  zeigt  sich 
in  der  Them  at ik,  vor  allem  in  dem  gleich  einer  Rakete  aufschieBenden  Haupt- 
thema: 


^^rptfff^TOTrte^ 


Fiir  die  Gegenttberstellung  der  Themen  hat  Jommelli  ' :,  der  schon  fruher 
den  thematischen  Dualismus  in  seine  Sinfonien  eingefuhrt  hatte,  das  Vor- 
bild  abgegeben.  An  die  italienische  Art  gemahnt  auch  ferner  die  zwar 
korrekte,  aber  nichtssagende  Durchfuhrung.  Nur  der  SchluB  ist  wegen  der 
Mancandostelle  und  ihrer  eigenartigen  Harmonik  bemerkenswert.  Wahrschein- 
lich  ist  hierin  eine  Beziehung  auf  den  Konflikt  der  Handlung  zu  finden,  wie 
ja  auch  Jommelli  in  seinen  Eingangssinfonien  ofters  darauf  hinweist. 

In  dem  Knecht'schen  Klavierauszuge  fehlt  die  Ouverture.  Andre  hat 
wie  Dieter,  zwei  kontrastierende  Themen: 

Thenia  1. 


$*tmi¥^pf%mT*&^& 


Thema  2. 


H3iircg£ 


^ 


rnrtrnr 


Das  zweite  Thema,  mit  dem  die  Oboe  solistisch  aus  dem  Orchester  hervor- 
tritt,   ist  ein  ausgesprochenes  Gesangsthema  im  Sinne  der  Mannheimer. 

Mozart  zeigt  schon  durch  die  Wahl  seiner  Instrumente  —  Pikkolo- 
floten,  Klarinetten,  Pauken,  Trompeten,  Becken  und  der  Tamburo  grande  — 
worauf  er  hinaus  will.  Im  ubrigen  verfolgt  dieses  Orchesterstiick  als  dai 
erste  seiner  Gattung  die  Tendenz,  die  Kretzschmar5)  bei  Besprechung  dn 
»  Figaro  «  -Ouverture  charakterisiert : 

»Diese  unscheinbar  gewordenen,  abgespielten  Orchesterstucke  sind  wunderbare 
Prologe,  die  auf  den  hohen  Standpunkt  hinaufheben,  von  dem  aus  Mozart  auf  die 
bunte  Welt  seiner  Dramen  herabblickt.  Da  wird  denn  dieser  Figaro  gleich  mit 
der  ersten.  phantastisch,  heimlich  und  gedampft  dahinhuschenden  Achtelfigur  int 

1:  Vgl.  Abert,  N.  Jommelli  als  Opernkomponist,  1908.    8.151. 
2)  Jahrb.  der  Musikbibl.  Peters  1908.    S.  64. 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entftthrung«  uew.  459 


Reich  der  Sommernachtstraume  versetzt,  and  dies  em  Anfang  entsprechend  eilen 
die  verfanglichen  Szenen,  der  moralischen  Schwere  entkleidet  vorflber.* 

Wie  im  » Figaro*  hat  Mozart  auch  in  der  »Entfuhrung«  mit  den  schnell 
dahingleitenden  Figuren  der  Ouverture  in  dem  Prestosatze  tiber  das  Stuck 
eine  Art  von  Marchenstimmung  gebreitet. 

Nr.   1.     Arie  des  Belmonte:  Hier  soil  ich  dich  denn  sehen  .  .  . 
Bei    Dieter  und  Andre"   fehlt  die   Arie.     Knecht  macht    aus    ihr   ein 
harmloses  Singspielliedchen   ohne  rechte  Charakteristik : 


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Bei  Mozart  hat  diese  Arie  eine  ganz  besondere  Stellung.  Sie  gehort 
gewissermaBen  noch  zur  Ouverture,  die  ja  ohne  rechten  SchluB  ist.  Die 
Arie  gibt  uns  die  Antwort  auf  die  im  Mittelsatz  der  OuvertUre  gestellte 
Frage.  Dort  war  die  elegische  Klage  in  Cmoll  ein  fremder  Oast  in  dem 
bunten,  marchenhaften  Treiben  gewesen,  der  wohl  andeuten  konnte,  daB 
Mozart  mit  seiner  Komposition  eine  tiefere  Auffassung  des  ganzen  Stoffes 
anstrebte,  aber  diese  Absicht  war  zunachst  nur  ganz  unbestimmt  zum  Aus- 
druck  gekommen.  Jetzt  sehen  wir  auf  einmal  klar  und  deutlich  die  Grund- 
linien  der  Mozart'schen  Auffassung  seines  Stoffes  vor  uns.  Er  will  gleich 
zu  Anfang  das  ethische  Grundmotiv  des  Ganzen,  die  Treue  des  Liebespaares 
und  seine  Gemutstiefe,  ins  hellste  Licht  stellen. 

Nr.  2  a.    Lied  Osmins. 
"Weder  bei  Dieter 


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noch  bei  Knecht 


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460         Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zn  Mozart's  >Entfahrung«  uaw. 


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noch  bei  Andre* 


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findet  sich  eine  Spur  der  Charakteristik  des  unheimlichen  Gesellen.  Was 
sie  uns  geben,  sind  einfache  Singspielliedchen  Hiller'schen  Stils  ohne  jede 
Charakteristik,  die  ebensogut  jeder  beliebigen  anderen  Person  in  den  Mund 
gelegt  sein  konnten. 

Mozart  hat  uns  bereits  in  Nr.  1  in  eine  idealere  Sphare,  als  sie  in  dem 
gewohnlichen  Singspiel  herrschte,  hineingefuhrt.  Hier  geht  er  konsequent 
weiter,  indem  er  nun  im  scharfsten  Kontrast  den  Gegenspieler  des  Paares, 
Osmin,  vor  uns  stellt.  Dafl  hier  die  franzSsische  Oper  (Duni)  und  die  ita- 
lienische  Buffooper  vorbildlich  waren,  geht  aus  Kretzschmar's  Ausfuhrungen 
hervor.  Aber  alle  Vorbilder  treten  zuriick  gegeniiber  der  Originalitat  und 
Geschlossenheit  dieser  Figur.  Auch  dafi  Mozart  als  einziger  der  vier  Kom-> 
ponisten  die  Moll  ton  art  wahlt,  und  zwar  gerade  O  moll,  das  bei  ihm  stefe 
etwas  Besonderes  zu  sagen  hat,  unterscheidet  ihn  von  den  iibrigen  Kompo- 
nisten.  Der  Grundcharakter  dieser  Osmingestalt  ist  murrisch  und  schwer- 
fallig,  aber  hinter  dieser  Schwerfalligkeit  lauert  eine  brutale  Sinnlichkeit, 
die  immer  deutlicher  in  der  Sprache  des  Orchesters  zum  Ausdruck  kommt 
Gerade  der  Vergleich  dieses  einfachen  Strophenliedes  mit  dem  der  anderen 
Komponisten  ruckt  Mozart's  Kunst  in  das  rechte  Licht. 

Nr.  2b.    Duett:  Belmonte  und  Osmin. 

Bei  Dieter  und  Andre*  fehlt  das  Duett. 

Knecht  ist  hier  erfolgreich  bemttht,  den  Osmin,  dessen  Charakteristik 
ihm  in  dem  Strophenlied  nicht  recht  gegluckt  ist,  wenigstens  in  sein  en  Grand- 
zttgen  zu  zeichnen,  besonders  scheint  die  kraftige  BaBfuhrung  auf  Osmin  bin* 
zuweisen,  der,  wenn  man  ihn  reizt,  recht  wiitend  werden  kann.  Am  Ende 
verfallt  Knecht  wieder  in  einen  graziosen,  aber  durchaus  physiognomieloaeD 
Allegrettosatz.  So  ist  auch  hier  die  Charakteristik  dem  leichten  Singspiel- 
ton  aufgeopfert. 

Mozart  stellt  auch  hier  zunachst  noch  Osmin  in  den  Vordergrund.  Wti 
hier  geschildert  wird,  ist  die  Stufe  fur  Stufe  zum  Ausdruck  kommende 
Brutalitat  des  finsteren  Gesellen.  Charakteristisch  sind  fur  ihn  auch  bier 
die  Molltonarten,  ^4 moll,  tfmoll  und  /J  moll.  Belmonte  gerat  im  Gegensati 
zu  Osmiu  nur  langsam  in  Wallung,  erst  bei  den  kanonischen  Einsatzen  wird 
auch  er  aufgeregter.  Sein  mit  Schalkhaftigkeit  gepaarter  Gleichmut,  wie  er 
in  der  Orchestersprache  zum  Ausdruck  kommt,  steigert  Osmins  Wut,  die  sick 
dann  im  SchluBsatze  (Z)dur)  in  einer  geradezu  lapidareh  Weise  entl&dt,  wie 
uns  die  grobkornige  Melodik  zeigt,  die  fast  planlos  auf-  und  niedergeht 


1)  Jahrb.  der  Musikbibl.  Peters  1905,  S.  61. 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  »Entfahrung«  uaw.         461 


3.  Arie  Osmins:    »Solche  hergelaufnen  Laffen«. 

Bei  Dieter  und  Andre  fehlt  die  Arie. 

Knecht  bemiiht  sich,  die  wilde  Erregung,  die  sich  Osmins  bemachtigt 
hat,  auszumalen,  doch  tut  er  das  mit  durchaus  konventionellen  Mitteln,  wie 
der  Anfang  des  Ritornells 

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zeigt.     Auch  das  Hauptmotiv 


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Sol  -  che      ber  -  ge  -  lauf  -  nen     Laf  -  fen 

stammt  aus  dem  Scbatz  der  opera  buffa. 

Auch  fur  Mozart  war  die  opera  buffa  vorbildlich,  aus  ihr  stammen  vor 
allem  die  in  der  Melodik  enthaltenen  groBen  Intervallspriinge ,  die  weiten 
Skalengange,  das  Hangenbleiben  an  einzelnen  Motiven,  die  immer  wieder- 
holt  werden,  besonders  in  dem  Allegro  assai:  >Erst  gekopft,  dann  gehangen  • . 
In  dieser  Arie  wird  die  Charakteristik  Osmins  konsequent  weitergeflihrt. 
Der  Anfang  kntipft  mit  seiner  Brutalitat  an  das  Vorhergehende  an.  Es 
zeigt  sich  uns  zuerst  mafllose  Selbstgefalligkeit,  dazu  kommt  aber  noch  eine 
gehorige  Dosis  Dummheit  bei  den  Worten:  »Ich  nab'  auch  Verstand«,  die 
das  kichernde  Orchester  bespottelt,  zum  Schlufi  dringt  die  fanatische  Grau- 
samkeit  des  Ttirken  deutlich  hervor.  Erst  jetzt  ist  Osmins  Bild  yollstandig. 
Wie  wichtig  Mozart  diese  Zeichnnng  war,  zeigt  das  Anhangsel:  »Drum  beim 
Barte   des  Propheten*,   uber   das  sich  Mozart1)   selbst    des  weiteren  auslafit. 

Nr.  4.    Arie  Belmontes:   »0  wie  angstlich,  o  wie  feurig«. 

Dieter  schreibt  eine  Koloraturarie  nach  dem  Muster  Jommelli's,  den  er 
bis  in  die  Bewegungen  der  zweiten  Yioline  hinein  kopiert.  In  derselben 
zeigt  sich  auch  seine  Vorliebe  fiir  Blasinstrumente2).  Belmonte  singt  hier 
durchaus  im  Stile  der  Helden  der  opera  seria,  wie  denn  uberhaupt  die  Ver- 
mischung  der  beiden  Gattungen,  des  Singspiels  mit  der  opera  seria,  bei  ihm 
besonders  in  die  Augen  fallt.  Freilich  war  Hiller  hier  bereits  vorangegangen. 
Wenn  Hiller3)  in  seinem  »Krieg«  1772  die  Marketenderin  eine  Bravourarie 
singen  laBt,  so  wird  man  das  bei  dem  ganz  im  Italienertum  aufgewachsenen 
Dieter  ganz  begreiflich  finden. 

Knecht  steht  unter  dem  EinfiuB  des  Stimmungsbildes,  das  Mozart  in 
dieser  Szene  entworfen  hat.  Die  Anlehnung  an  das  Mozart'sche  Vorbild 
zeigt  sich  sogar  bis  in  Einzelheiten  hinein: 

1)  Vgl.  Brief  v.  26.  Sept.  1781. 

2  N&heres  daruber  vgl.  Musik.  Realzeitg.  v.  19.  V1I1.  1789. 

3  Calmus,  Die  ersten  deutschen  Singspiele  von  Standfufi  und  Hiller,  1908, 
S.  70. 


462 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  »Enttuhrung«  asw. 


Mozart: 


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lohnt    der    Tren  -  nung    ban  -  gen  8cbmers 


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Wo    er  Eigenes   zu    geben   bemiiht   ist,   wie    in   dem  Mittelsatz,    wird  er 
banal.     Yon    der  Orchestermalerei  Mozart's   findet   sich  bei  ihm  keine  Spur. 

Andre*  schreibt  wie  Dieter  eine  Koloraturarie,  die  in  mehreren  Begleit- 
figuren  Mozart's  Vorbild  erkennen  laCt. 

Mozart  zeichnet  einen  jener  ahnungsvollen  Gemtttszustande ,  in  deren 
Schilderung  —  man  denke  nur  an  die  kostliche  Pigur  des  Cherubin,  die 
Kretzschmar  als  eine  Art  »mannlichen  Backfisch «  gezeichnet  hat  —  er  auch 
spater  Meister  ist.  Der  Grundton  ist  die  Seeligkeit  iiber  das  nahe  Liebea- 
gliick,  die  denn  auch  am  SchluB  voll  hervorbricht.  Triibe  Schatten  Ziehen 
durch  Belmontes  Seele.  Die  Aufgabe,  sie  zu  zeichnen,  fallt  in  erster  Lime 
dem  Orchester  anheim.  Die  dazu  verwendeten  Figuren  entstammen  dem 
hierin  besonders  reichen  Arsenal  der  italienischen  Oper,  indessen  ist  die 
Tonmalerei  durchaus  fein  und  diskret  angebracht.  Italienisch  ist  auch  die 
stockende,  seufzerartige  Melodik,  die  in  der  Oper  gem  auf  Worte  wie  pal- 
jritar  usw.  vorkommt  (vgl.  Jommelli,  Fetonte,  Duett  I,  4).  Es  ist  eine 
»empfindsame<  Arie  im  Sinne  des  18.  Jahrhunderts,  vom  Genie  in  hochster 
Weise  verklart    und  in   den  Dienst  der   dramatischen  Charakteristik  gesteUt 

Nr.  5.    Der  Janitseharenehor. 

Dieter  glaubt  in  seinem  Janitseharenehor  dadurch  turkisches  Wesen 
zum  Ausdruck  zu  bringen,  dafi  er  nach  Jommelli'schem  Yorbild  die  Violinen 
und  Basse  Sechzehntel-  und  Zweiunddreifiigstellaufe  auf-  und  abrennen  lafit 
Das  zu  grunde  liegende  Hauptthema  vertritt  einen  bekannten  Typus  der 
neapolitanischen  Opernsinfonia : 


Man  vergleiche  damit  das  Thema  2  des  ersten  Satzes  der  Sinfonie  zu  8teg- 
mann's  Kaufmann  von  Smyrna,  ferner  den  Anfang  der  OuvertUre  zu  Holly 's 
Bassa  van  Tunis,  endlich  den  Anfang  von  Mozart's  » Kleiner  Nachtmusik*. 
Calmus  *)  fuhrt  auch  das  Einleitungsmotiv  der  ersten  Leporelloarie  auf  eineo 
uhnlichen  TJrsprung  zuriick. 

Knecht  strebt  im  ersten  Janitseharenehor  individuelle  Fuhrung  der  eiB- 
zelnen  Stimmen  an.  Er  stellt  die  hoheren  Stimmlagen  den  tieferen  gege*- 
iiber  und  vereinigt  sie  dann.     Die  Melodie  ist  auBerordentlich   feurig: 

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1)  Calmus,  a.  a.  0.    S.  80. 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfahrung«  usw.         463 


Am  beaten  gelungen  ist  Knecht  das  frische,  den  Chor  abschliefiende,  mozar- 
tiscb  klingende  Allegretto,  6/s  ^dur:  >Weht  ihm  entgegen,  kuhlende  Winde«. 
Andre's  Janitscharenmusik  zeichnet  sich  durch  eine  jener  frischen,  an- 
mutigen  Melodien  aus,  an  denen  das  deutsche  Singspiel  so  reich  ist.  Er 
hat  die  einfachste  Tonart,  (7dur,  gewahlt;  die  Instrumentation,  Streichquartett 
mit  Oboen,  Fagotts,  Horn  em,  we  ist  nichts  auf,  woraus  man  auf  ein  Betonen 
des  tiirkischen  Elementes  schlieUen  konnte.     Der  Chor  beginnt: 


Mozart  hat  nach  dem  Vorbild  Gluck's  (PUgrime  von  Mekka)  seiner  Musik 
im  Rhythmus  und  in  der  Instrumentation  ein  tiirkisches,  wenigstens  exo- 
tisches  Geprage  zu  geben  yersucht.  Er  hat  wieder  die  Pikkolofloten,  Klari- 
netten,  Oboen,  Fagotts,  Horner,  Tromben,  Timpani,  Triangeln,  Piatti  und 
den  Tamburo  grande  herangezogen ,  um  das  Streichorchester  zu  verstarken. 
Der  Rhythmus  des  Chores  wirkt  eigentiimlich  exotisch  durch  die  immer  in 
den  nachsten  Takt  hiniibergezogenen  Tone1)  und  durch  die  merkwiirdige, 
sich  immer  wiederholende  Figur2),  auf  deren  Verwandtschaft  mit  einer  Figur 
in  Gluck's  Pilgrvmen  ich  bereits  fruher  hingewiesen  habe. 

Nr.  6.    Arie  Constanies:   »Ach  ich  liebte,  war  so  gliicklich«. 

Dieter  und  Andre*  haben  beide  eine  groBe  Koloraturarie  an  dieser 
Stelle.  Beide  geben  Virtuosenstiicke  im  schlechten  Sinne.  Dieters  Arie 
klingt  besonders  bei  der  Wiederholung  yon   »Ach  ich  liebte*  an  Mozart  an. 

Auch  Mozart  hat  die  Arie  als  Koloraturarie  behandelt.  Er  war  sich, 
wie  aus  einem  Brief  an  Leopold  Mozart9)  heryorgeht,  dessen  wohl  bewufit, 
dafi  die  Arie  der  Constanze  nicht  angemessen  sei.  Seine  Worte  »soviel  es 
eine  welsche  Bra vour aria  zula£t«,  sind  bezeichnend  fur  seine  allmahliche  Ab- 
wendung  vom  Italienertum.  DaB  der  herrische  Charakter  nicht  zum  Sing- 
spiel  pafit,  bemerkt  schon  Jahn4).  Bedenklich  ist,  dafi  das  StUck  gerade 
das  erste  ist,  was  Constanze  zu  singen  hat.  Wir  erhalten  dadurch  ein 
schiefes  Bild  yon  ihrem  Wesen ,  das  erst  in  ihrer  zweiten  Arie  richtig  ge- 
stellt  wird.  Constanze  ist  somit  entschieden  gegen  Belmonte  im  Nachteil, 
der  gleich  in  seinen  ersten  Gesangen  mit  klaren  Strichen  gezeichnet  ist. 

Knecht  ist  der  einzige,  der  sich  innerhalb  des  Rahmens  des  Singspiels 
halt.  Er  gibt  ein  einfaches  Lied  in  (7  moll,  das  die  tiefe  Wehmut  des  M'dd- 
chens  trefflich  zum  Ausdruck  bringt,  so  dafi  hier  seiner  Komposition  unter 
alien  yieren  der  Preis  gebuhrt. 

Nr.  6.    Tersett. 

Dieter  beginnt  mit  einem  wenig  charakteristischen,  aus  der  italienischen 
Oper  entlehnten  Thema: 


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1)  Vgl.  Klavierauszug  Peters,  S.  36,  System  1,  Takt  1,  2,  3,  5,  6,  7  usw. 

2)  Ibidem,  System  2,  Takt  1. 

3)  26.  September  1781. 

4)  Jahn,  a.  a  0.   1,   S.  760 


464  Walter  Prcibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  ȣntfflh range  osw. 


Dann  aber  fahrt  er  in  so  breiten,  behaglichen  Strichen  fort,  dafi  seine  Musik 
zu  dein  lebhaften  Text  und  der  allseitigen  Aufregung  in  keinem  Verhaltnis 
steht.     Es  fehlt  dem  Terzett  vor  allem  die  Steigerung. 

Knecht   leitet   mit   einigen   kraftigen  Strichen,    die  auf  Osmiiis  Bosheit 
hindenten,  das  Terzett  ein: 


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Aber  es  kommt  nicht,  wie  bei  Mozart,  zu  einem  verschlungeneu  Gewebe 
der  einzelnen  Stimmen  untereinander,  sondern  diese  losen  einander  in  der 
Weise  ab,    dafi  entweder  Osmin    oder  Belmonte   zugleich  mit  Pedrillo  singt. 

Auch  Andrews  Terzett  ist  verhaltnismafiig  anspruchslos ;  was  ihn  Knecht 
gegentiber  auszeichnet,  ist  der  Versuch  selbstandiger  Stimmfuhrung.  Ad 
mehreren  Stellen  des  Terzetts  lafit  sich  der  Einflufi  der  Mannheimer  Schule 
erkennen. 

Mozart  hat  das  Terzett  iu  Cmoll  koniponiert.  Da  die  Beteiligten  ein 
fbrmliches  Durcheiuandergeschrei  zu  erheben  haben,  also  die  einzelne  Stimme 
gleichsam  unterdruckt  wird,  so  bot  sich  wenig  Gelegenheit,  die  einzelnen 
Personen  noch  naher  zu  charakterisieren.  Es  kam  auch  Mozart,  wie  wir 
aus  dem  Brief  vom  26.  Sept.  1781  an  den  Vater  wissen,  hier  hauptsachlich 
darauf  an,  einen  moglichst  ]ebendigen,  flotten  Aktschlufl  zu  erhalten.  Die 
dramatische  Situation  wird  nur  in  ihren  Grundziigen  durch  den  knnstvollen 
Satz  geschildert,  es  ist  also  in  erster  Linie  Situationsschilderung,  aber  keine 
Charakteristik  erstrebt.  Dies  zeigt  sich  namentlich  bei  Belmonte,  der  ebeiiso 
aufgeregt  singt,  wie  die  andern.  Zweifellos  sind  die  italienischen  BufFofinale* 
fur  diesen  Satz  vorbildlich  gewesen. 

II.  Akt. 
Dieter.     Nur  bei  Dieter  hat  der  zweite  Akt  eine  instrumentale  Einlei- 
tung,    eine    Sinfonie    in    einem    Satz.      Ob    ihr    energisches,    fast  trotzig  zu 
nennendes  Motiv: 


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mit    den  Janitscharen  und  ihrem  Fanatismus  oder   mit  dem  ewig  polternden 
Osmin  in  Yerbindung  zu  bringen  ist,  mag  dahingestellt  sein. 

Nr.  8.     Arie  Blondes:    »Durch  Zartlichkeit  und  Schraeicheln « . 

Dieter.  Das  Blondchen,  das  uns  hier  von  Dieter  vor  Augen  gestelH 
wird,  ist  von  grofier  Zartheit.  Fiir  seine  Komposition  waren  die  "Worte 
» Zartlichkeit  und  Schmeicheln «  ausschliefilich  mafigebend.  Gerade  diese* 
Stuck  mit  seiner  innigen  Anmut  zeigt  deutlich,  dafi  Dieter's  Starke  auf  deo 
Gebiet  der  einfach  liedmafiigen  Formen  lag,  wahrend  er  beim  TJbergang  nr 
grofien  Arienform  regelmafiig  sein  Talent  uberspannt.  Von  einer  Zeichnun^ 
des  in  den  Worten  » doch  murrisches  Befehlen «  usw.  gegebenen  Kontrastes  bat 
er  abgesehen.      Von  Mozart  hat  Dieter  die  sich  wiegenden  Sechzehntelfignrei 


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Walter  Preibiscb,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfiihrung«  usw.         465 

entlehnt.  Auffallenderweise  hat  Dieter  auch  die  Taktart  2/^  und  die  helle 
Ton  art  .4dur  mit  Mozart  gemein. 

Auch  Knecht's  Arie  hat  dieselbe  Tonart  und  ahnelt  der  Mozart'schen 
im  Rhythmus.  Besonders  die  von  Knecht  verwandte  Schlufifigur  auf  die 
Worte   »So  Lieb1  als  Treu'  entweicht*   erinnert  an  Mozart. 

Andre  gleicht  Dieter  darin,  dafi  er  nur  die  Zartheit  Blondchens  zum 
Ausdruck  bringt,  dagegen  versagt,  wo  die  Musik  ihren  Arger  iiber  die  Be- 
handlung  durch  Osmin  darstellen  miifite. 

Mit  den  wenigen  Einleitungstakten  fiihrt  una  Mozart  das  schelmische, 
verliebte  Ding  in  unnachahmlicher  Weise  vor.  Bezeichnend  ist  hier  die 
Ahnlichkeit  mit  dem   »Yeilchen«. 

In  Figuren  wie  Klavierausz.  Peters,  S.  55,  System  4,  Takt  1  ff.,  die  ein- 
zelnen  Stelleu  in  Satz  1  der  Sinfonia  Cdur  mit  der  Schlufifuge  ahneln, 
zeigt  uns  Mozart,  dafi  hinter  dieser  Heiterkeit  und  Anmut  doch  eiu  gutes 
Stiick  zielbewufiter  Energie  steckt,  das  dann  alsbald  in  dem  Duett  mit  Os- 
min zu  recht  drastischem  Ausdruck  kommt. 

Nr.  9.    Duett. 

Bei  Dieter  und  Andre  fehlt  das  Duett. 

Fur  Mozart  ist  die  Lage  folgende:  Osmin  ist  verliebt  in  Blonde,  auf 
der  andern  Seite  furchtet  er  die  angedrohten  Priigel.  Er  versucht  es  zunachst 
mit  der  ihm  eigenen  Brutalitat,  indem  er  Blonde  mit  dem  Gewicht  seiner 
Personlichkeit  auf  die  Worte:  »Bis  du  zu  gehorchen  mir  schworst*  zu  im- 
ponieren  sucht;  aber  gegen  die  Zungenfertigkeit  Blondes  kommt  er  nicht 
auf,  und  in  seiner  Verlegenheit  wiederholt  er  sich  andauernd.  Als  Blonde 
ihn  immer  mehr  lacherlich  macht,  ist  er  vollig  geschlagen.  In  dem  CmoM- 
Andante  kommt  seine  Resignation  zum  Ausdruck,  und  zwar  in  derselben 
plumpen  Weise,  die  fur  ihn  charakteristisch  ist.  Aber  auch  hier  wird  er 
alsbald  von  Blonde  ubertrumpft,  die  auf  seiner  Melodie  alsbald  einen  schnip- 
pischen,  verzierten  Gesang  aufbaut.  Im  Schlufiallegro  ist  er  endgiiltig  besiegt. 
Blonde  ist  es,  die  in  dem  imitatorischen  Spiel  den  Ton  angibt.  Schliefilich 
bringt  es  Osmin  gar  nicht  mehr  zu  eigenen  musikalischen  Gedanken,  sondern 
plappert  der  Blonde  alles  willenlos  nach.  Das  Ganze  ist  ein  Meisterstuck 
der  Charakteristik. 

Knecht  hat  offenbar  eine  ahnliche  Entwicklung  beabsichtigt.  Auch  er 
zeichnet  zuerst  den  Zorn  Osmins : 


dann  freilich  lost  sich  alles  in  Wohlgefallen  auf.     Eine  tandelnde  Singspiel- 
inelodie  erscheint,    von    dramatischen    Gegensatzen    ist  nicht   mehr  die  Rede. 

Nr.  10.  Rezitativ  und  Arie  Konstanzes:  >  Welch  er  Kummer  herrscht 
in  meiner  Seele«. 

Dieter  hat  wieder  eine  ausgebildete  Koloraturarie.  Nach  Mozart's  Vor- 
bild  verwendet  er  Synkopen  und  fluchtig  abgebrochene  Sechzehntelfiguren. 
Die  Oboe  begleitet  solo  die  Klagen  Konstanzes. 

Bei  Knecht  finden  wir,  offenbar  nach  Mozart's  Vorbild,  ein  ausdrucks- 
volles  Akkompagnato,  dann  folgt  eine  elegische  Klage: 


466         Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfuhruog«  tww. 


Trau  -  rig  -  keit  ward    mir     zum       Lo  -  se,  weil    ich       dir      ent- 


iffi  WfV- 


SEE 


ris   -   sen      bin. 

die  freilich  in  ihrem  weiteren  Verlaufe  wenig  individuelle  Ziige   enthalt. 

Die  Andre^sche  Arie  atmet  echtes  Gefiihl.  Am  besten  gelungen  ist  der 
Mittelsatz  in  6' moll.  Die  Jnstrumentalbegleitung  zeichnet  sich  auch  hier 
(lurch  scbone  Floten-  und  Oboensoli  aus. 

Die  aus  der  Tiefe  langsam  heraufsteigende  Figur  der  Yioloncelli  und  der 
Basse,  mit  der  Mozart  das  Akkompagnato  einleitet,  yerleiht  dem  Schmerze 
des  von  der  Seite  des  Geliebten  gerissenen  Madchens  ergreifenden  Ausdruck. 
Die  kurzen  Seufzer,  die  in  bedeutsamer  Weise  an  Belmonts  Arie  Nr.  2  er- 
innern,  fuhren  uns  den  Kummer  des  Madchens  vor  Augen.  Charakteristisch 
ist  auch  hier  die  Wahl  der  Tonart:    (rmoll. 

In  dieser  Arie  haben  wir  Konstanze  vor  uns,  wie  sie  sich  Mozart  eigent- 
lich  gedacht  hat.  Alles  Pathos  der  opera  seria  ist  geschwundeii ,  der  Aus- 
druck der  Empfindung  ist  durchaus  natUrlich  und  wahr.  Jahn  erblickt  hier 
ein  Tniumeii  von  entschwundenem  Gltick.  Das  hatte  wohl  bei  Mozart  einen 
anderen  Ausdruck  gefunden,  hatte  hellere  Empfindungen  hervorgerufen.  So 
aber  beherrscht  Konstanze  durchaus  das  Gefiihl  des  Schmerzes,  der  menials 
zum  offenen  Ausdruck  gelangt,  sondern  sich  in  sanfter,  resignierter  Weise 
iiuBert.  Die  Verwendung  der  Blasinstrumente  wirft  einen  elegischen  Schimmer 
uber  das  Ganze. 

Nr.  11.     Arie  Konstanzes :    »Martern  aller  Arten*. 

Bei  Dieter  und  Andre  fehlt  die  Arie.  Die  Knecht'sche  mit  dem 
Kauptmotiv: 


jHozna^BL^x-JUz^ 


zeigt  deutlich,  dafi  Mozart's  Bravourarie  das  Yorbild  Air  sie  abgegeben  hat 
Das  Vorspiel  mit  seinen  Synkopen  und  den  spitzen  Stakkatofiguren  soil  die 
Qualen,  die  Konstanze  bevorstehen,  veranschaulichen.  In  Tonmalereien  leistete 
Knecht,  wie  seine  zahlreichen  Prograinmsinfonien  M  zeigen,  ja  iiberhaupt  Be- 
deutendes. 

Jahn  weist  mit  Recht  darauf  hin,  daft  bei  Mozart  eine  die  Handlung 
auf  haltende  Einlage  vorliegt.  Wir  sehen  hier  ein  Konzertsttick  von  reinstem 
Wasser  vor  uns,  mit  vier  obligaten  Instrumenten.  Das  Interesse  liegt  nicht 
auf  der  dramatischen ,  sondern  auf  der  musikalischen  Seite,  die  denn  auch 
mit  wahrem  Raffinement  bedacht  ist.  Freilich  uberragt  die  Arie  die  be- 
doutenden  Schopfungen  in  den  gleichzeitigen  italienischen  Opern  keineswegs. 
Die  Koloraturen  sind  Ubermaftig  ausgedehnt  und  entsprechen,  wie  auch  in 
Mozart's  Jugendopern,  nicht  immer  der  im  Toxte  gegebenen  Stimmung.  Be- 
sonders  nachteilig    ist  die    nahe  Nachbarschaft   mit   der  vorhergehenden   Arie 


1)  Mueik.  Realzeitung  Nr.  8  vom  24.  Febr.  1790. 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Kntftihrung«  usw.         467 

Konstanzes,  deren  Charakteristik  bier  aufs  neue  zerrissen  wird.  Gerade  diese 
Arie  hat  denu  auch  neb  en  den  Arien  der  Konigin  der  Nacbt  in  der  »Zauber- 
flote«  dem  gerechten  1111611  iiber  die  Neapolitaner  lange  hindernd  im  Wege 
gestanden. 

Nr.  12a.     Arie  Blondes:    »Welche  Wonne,  welcbe  Lust*. 

Knecht's  Komposition  ist  durchaus  einfacb  und  halt  sich  im  Rahinen 
des  Singspielliedchens.  Dafl  es  wie  Mozart's  Lied  in  Crdur  ist,  ist  wohl 
nicht  rein  zufallig. 

Bei  Mozart  baben  wir  ebenfalls  an  dieser  Stelle  ein  einfaches,  dem  Sing- 
spiel  angemessenes  Liedchen.  Das  hastige,  atemlose  Tempo,  das  sich  auch 
in  den  Sechzebntelfiguren  der  2.  Violine  zeigt,  ist  dem  Leben  glucklich  nach- 
gebildet. 

Nr.  12b.    Duett:    vHoffnung,  Trosterin  im  Leiden*. 

Anstelle  der  Arie  Blondcbens  linden  wir  bei  Dieter  und  Andre  ein 
Duett  zwischen  Konstanzo  und  Blonde:  »Hoffnung,  Trosterin  im  Leiden «, 
das  wegen  Mangel  an  irgendwelchen  neuen  Gedanken  eigentlich  iiberfltissig  ist. 

Dieter  bedient  sich  der  volkstumlichen  Form  des  Rondos: 


JL 


pp^E^T^ppra 


:~5= 


Hoffnung  Tr6-ste  -  rin    im        Leiden,  du   ver-sii-Best  al  -  len  Schmerz 

das  bei  ihm  sehr  beliebt  ist. 

Die  Andre'sche  Komposition  ist  ebenfalls  in  der  volksiniiCigen  Lied- 
form  gehalten,  doch  wird  die  hoffnungsfreudige  Stimniung  des  Madchens  bier 
besser  getroften  als  bei  Dieter. 

Nr.  13.    Arie  Pedrillos:   »Frisch  zum  Kampfe,  friscb  zum  Streite*. 

Die  Dieter'sche  Arie  weist  so  wenige  fur  Pedrillo  besonders  charakte- 
ristische  Zuge  auf,  dafl  man  sie  ebensogut  jeder  andern  Person  in  den  Mund 
legen  konnte. 

Die  Knecht'sche  Arie  ist  ein  flotter  Satz,  der  zu  dem  aufgeweckten 
Pedrillo  vortrefflich  paCt. 

Andre  halt  sich  auch  in  dieser  Arie  wieder  durchaus  in  den  liedmafiigen 
Fornien  des  deutschen  Singspiels.  Mit  den  verhaltnismaflig  einfachen  For- 
men  des  Singspiels  gelingt  es  ihm,  Pedrillo  auCerordentlich  treffend  zu 
zeichnen. 

Mozart  gibt  uns  wieder  ein  Kabinetstuck  seiner  feiueu  Charakterisie- 
rungskunst.  Der  ubertriebene  Larm,  mit  dem  Pedrillo  den  Kampfesruf  er- 
hebt,  ist  schou  an  und  fur  sich  geeignet,  Zweifel  an  seiner  Tapferkeit  zu 
erwecken.  Vollends  aber  die  zogernde  Melodie  bei  »Nur  ein  feiger  Tropf 
verzagt*  laCt  uns  einen  deutlichen  Blick  in  seine  Seele  tun,  in  der  neben 
aller  Geriebenheit  doch  eine  gehorige  Dosis  von  Furchtsamkeit  vorhan- 
den  ist. 

Nr.  14.    Duett:  Osmin  und  Pedrillo. 

Dieter,  Knecht  und  Andre  begnugen  sich  bier  mit  volkstumlichen 
Trinkliedern.  Ihre  Versuche,  Situutionen  und  Charaktere  zu  schildern, 
kommen  iiber  Ansatze  nicht  hinaus: 

s.  d.  IMG    x.  31 


468  Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfflhrong«  a«w. 


Dieter. 


Knecht. 


$ 


=P=P= 


m 


~fr 


1 


Vi-vat  Ba-chus,  Ba-chus  le  -  be,    Ba-cbus  warein      bra  -  ver  Mann. 


Andre. 


£ 


^z=r- 


Die  Andre'sche  Komposition  erzielt  schou  durch  den  gewahlten  Siziliano- 
rhythm  us  eine  gewisse  Frische.  Der  Mittelsatz  in  Odur  enthalt  eine  wirk- 
same  Steigerung,  da  wo  Osmin  seine  Unentschlossenheit  iiberwindet  und  zum 
Trunk  ansetzt.  Hier  tritt  in  den  Violinen  eine  neckische,  von  Humor 
sprudelnde  Melodie  ein : 


♦i£    ****£ 


In  der  Komposition  des  Duetts  ist  Mozart  den  drei  andern  Komponisteo 
vollig  uberlegen.  Mit  einem  gewissen  Baffinement  wird  die  schwiile  Stim- 
mung  durch  Einfuhrung  der  Pikkolofloten  von  Mozart  gezeichnet.  Ganz  ahn- 
lich  charakterisiert  er  den  Monostatos  in  der  »Zauberflote<  in  >Alles  fuhlt 
der  Liebe  Freuden«.  Der  bereits  stark  angeheiterte  Osmin  wird  gegenuber 
dem  nuchternen  Pedrillo  durch  groBere  Beweglichkeit  in  der  Melodie  ge- 
zeichnet. Er  ist  iiberhaupt  die  Hauptperson  des  Duetts,  sein  toller  Ubermut 
wird  l)is  zum  SchluB  andauernd  gesteigert. 

Nr.  15.     Arie  Belmontes:    >Wenn  der  Preude  Tranen  flieBen*. 

Bei  Dieter  und  Andr£  fehlt  die  Arie. 

Knecht's  Lied,  das  sich  durch  eine  gefallige  Melodie  auszeichnet,  bringt 
wenn  auch  in  wenig  individueller  "Weise,  die  Freude  des  Jtinglings,  der  sein 
Miidchen  wieder  errungen  hat,   zum  Ausdruck. 

Bei  Mozart  spiegelt  sich  das  Gliicksgefuhl  Belmontes  nach  dem  Wieder- 
sehen  nicht  in  leidenschaftlichen  Ausbriichen  der  Freude,  sondern  in  stiller 
Schwarmerei  wieder.  Bezeichnend  daftir  ist  das  immer  wiederkehrende  Motix1}. 
ein  echt  deutscher  Gemiitszug.  DaB  die  Grundstimmung  eine  ruhige  ist, 
zeigt  die  konstante  Festhaltung  der  Tonart,  die  nur  leicht  moduliert.  Der 
schwarmerische  Grundcharakter  zeigt  sich  in  der  charakteristischen  Verwen- 
dung  der  Chromatik  in  beiden  Siitzen. 

Nr.  16.     Das  Quartett. 

An  den  SchluB  des  zweiten  Aktes  hatto  Mozart  den  groBen  Ensemblt- 
satz,  die  eigentliche  Entfuhrungsszene,  verlegen  wollen.  Aus  verschiedeoefi 
Griiuden  aber,    in   erster  Linie ,   weil    die  Haupthandlung    dam  it  bis  auf  den 

l;  Klavierauezug  Peters,  Seite  98,  Syat.  2,  Takt  2ff. 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  »Entfflhrting«  uiw. 


469 


Begnadigungsakt  des  Bassa  beendigt  gewesen  ware  und  man  daher  fill*  den 
letzten  Akt  eine  neue  Intrige  hatte  er  fin  den  mtissen,  wurde  yon  der  Ent- 
fiihrungsszene  am  Ende  des  2.  Aktes  abgesehen,  und  man  brachte  sie  daher 
im  3.  Akt  in  dialogischer  Form. 

Knecht  beginnt  sein  Quartett  mit  einem  treuherzigen  Satz,  der  an  das 
Vaudeville  bei  Mozart  anklingt: 


Die  Beteiligten  singen  zuerst  hintereinander,  dann  homophon  zusammen. 
Bei  »doch  ach«  geht  Knecht  in  Dmoll,  %  Takt,  tiber,  die  StimmfUhrung 
ist  die  gleiche  wie  vorher,  die  beiden  Liebespaare  werden  in  der  Charakte- 
ristik  voneinander  nicht  geschieden.  Bei  den  Worten  »Ach,  Konstanze* 
stellt  sich  das  Thema  wieder  ein,  das  bei  »Es  lebe  die  Liebe«,  Vivace,  */8  Takt, 
wiederkehrt.  Rein  musikalisch  ist  das  Stuck  mit  seinem  Streben  nach  Ein- 
heitlichkeit  von  guter  Wirkung,  freilich  dramatische  Gegensatze  bietet  es  nicht. 

Das  Mozart'sche  Quartett  ist  haufig  als  ein  Vorlaufer  der  spateren 
Finales  angesehen  worden.  Ein  Finale  im  Sinne  der  italienischen  opera 
bufpi  ist  es  indessen  nicht,  denn  es  fehlt  der  rasche  dramatische  Situations- 
wechsel.  Dafur  kommen  die  Probleme,  die  der  Text  stellt,  der  Musik  von 
selbst  entgegen:  Wiedersehensfreude,  Eifersucht,  Versohnung.  Der  erste  Ab- 
schnitt,  bei  dem  sich  auch  die  Diktion  des  Textes  auf  leidlicher  Hohe  halt, 
beruht  bei  Mozart  auf  einem  froh  aufjubelnden  Motiv1),  das  spiiter  in  der 
Leporelloarie 


&±£MM 


± 


in   ironischer  Beleuchtuug   erscheint.     Es   ist  ein  Motiv,    das    der   neapolita- 
nischen  Oper  von  jeher  sehr  gelaufig  war2). 

Die  Harmonik  ist,  dem  heiteren  Grundton  entsprechend,  durchaus  eiiifach. 
Auf  -Ddur  folgt  ^Idur.  Die  Erregung  liegt  hauptsachlich  in  der  hiiufigen 
Achtelbewegung  der  Singstimmen.  Nur  einmal  wirft  die  drohende  Gefahr 
ihre  Schatten  leiso  hinein,  schliefilich  macht  sich  aber  das  Glucksgefuhl  in 
einer  flusternden  Zwiesprache  zwischen  Orchester  und  Singstimme  geltend, 
dann  folgt  ein  zweimaliger  kriiftiger  Ausbruch  der  Freude.  Im  Andante,  in 
dem  Mozart  wieder  einmal  seine  Lieblingstonart,  (rmoll,  zur  Anwendung 
gebracht  hat,  wird  die  Situation  bereits  komplizierter.  Die  Bewegung  stockt, 
abgerissene  Phrasen,  Synkopen,  scharfe  Harmonien  und  dramatische  Akzente 
treten  auf.  Das  Andante  in  Es  dur  zeigt  den  Unterschied  in  der  Charak- 
teristik  zwischen  Belmonte  und  Pedrillo  deutlich.  Belmonte  bleibt  auch  hier 
wiirdig  und  gefaBt,  Pedrillo  dagegen,  der  sich  in  derselben  Lage  befindet, 
ist  in  sichtlicher  Aufregung.  Er  schwatzt  fast  doppelt  soviel  als  Belmonte. 
Seine  Melodik  ist  zerfahren  und  ziellos.  Schliefllich  nagelt  er  sich  in  seiner 
Wut  zweimal  auf  der  i^dur-Skala  fest,  in  scharfem  Gegensatz  zu  dem  herab- 
steigenden  Seufzer3)  der  Konstanze. 

1)  Klavierauszug  Peters,  S.  102,  Syst.  1,  Takt  1. 

2)  Vgl.  Jo  name  Hi's  C.  Mario  u.  Paratajo  bei  Abert,  N.  JoinmelH  ...  S.  195 
und  416.  3;  Klavierausz.  Peters,  S.  109,  Syst.  3,  Takt  2  u.  3. 

31* 


470  Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Ent£flhrung«  usw. 

In  dem  Allegro  assai,  2?moll,  hat  Blonde  das  Wort,  achtmal  wird  das- 
selbe  Motiv  in  kanonischer  Weise  wiederholt.  In  dem  Dmoll-Satz  mit  den 
immer  wiederkehrenden  Schleiferfiguren  zittert  die  allseitige  Erregung  nach. 
In  den  Adagiotakten  kommt  alien  das  Ungeheuerliche  des  Verdachtes  znm 
Bewufltsein.  In  scharfen  Riickungen  wendet  sich  die  Harmon ik  von  Dmoll 
nach  der  Dominante  von  -ddur1). 

Die  Wahl  der  Tonarten  in  dem  Quartett  ist  aufierordentlich  charakte- 
ristisch.  Das  Wiedersehen  zeigt  Ddur,  dann  folgt  die  Entzweiung,  wobei 
es  immer  tiefer  in  die  jB-Tonarten  hineingeht,  nach  G'moll,  Es  dur,  2?moll. 
Der  Umschwung  erfolgt  uber  D  moll  nach   (7  moll. 

Im  Andante  (-ddur)  liegt  die  Erregung  des  Vorhergehenden  weit  hinter 
uns.  Es  ist  einer  jener  Satze,  die  deutlich  zeigen,  von  welchem  idealen 
Standpunkte  aus  Mozart  seine  Texte  betrachtete.  Eine  solche  Versohnungs- 
szene  hatte  das  Singspiel  noch  nicht  gesehen.  Die  Tonart  ^4dur  und  der 
leise  wiegende  Sizilianorhythmus  geben  den  Gr  und  ton  echten  Seeligkeitsge- 
fiihls  an,  in  Melodik  und  Harmonik  spricht  sich  die  hochste  Innigkeit,  ein 
fast  religioser  Zug  aus. 

Das  Allegretto  halt  zunachst  an  der  Tonart  -4dur  fest;  inhaltlich  lenkt 
es  wieder  in  die  Stimmung  des  ersten  Satzes  (Ddur)  zuriick,  mit  dem  es 
sogar  einzelne  Motive2)  gemein  hat.  Die  Bewegung  gegeniiber  dem  ersten 
Satz  ist  gesteigert,  vor  allem  durch  Blondchens  entriistete  Geschwatzigkeit; 
sie  singt  in  Triolen  im  12/8  Takt,  wahrend  die  iibrigen  Stimmen  A/A  haben. 
Die  letzte  Triibung  erfolgt,  als  Belmonte  und  Pedrillo  ihre  Madchen  urn 
Verzeihung  bitten.  Das  letzte  Allegro  mit  seiner  energisch  aufsteigenden 
Melodie  enthalt  den  Ausdruck  kraftvollen  Jubels,  der  sich  in  den  Crescendi 
und  Diminuendi  Bahn  bricht.     Die  Eifersucht  ist   ein  fur  allem al  verbannt 

Nr.  16a.  Das  Quartett:  »Mit  Pauken  und  Trompeten*  von  Dieter 
und  Andre\ 

Dieter  und  Andre  haben  ein  Quartett,  dem  ein  anderer  Text  zugrunde 
liegt  als  dem  Mozart'schen.  Es  gibt  der  Hoffnung  Ausdruck,  dafi  der  Flucht- 
versuch  gelingen  moge.  Dieses  Quartett  bereitet  auf  die  Entfuhrungsszene 
am  Anfang  des  dritten  Aktes  vor.  Dieter  sowie  Andre  sind  von  demselben 
Gedanken  geleitet  wie  Mozart  bei  der  Komposition  des  Terzetts  am  Schlusse 
des  ersten  Aktes,  da£  namlich  ein  recht  larmender  Aktschlufi  der  beste  sei. 
Dieter  ist  auch  hier  der  unbedeutendere.  Bei  ihm  herrscht  ein  farbloses 
Prauflosmusizieren  ohne  individuelle  Tone.  Andr6  dagegen  schlagt  wenig- 
atens  an  einigon  Stellen,  vor  allem  bei  der  S telle:  »Fur  dich ,  mein  teures 
Leben,  sollt  ich  nicht  alles  wagen?«   leidenschaftlichere  Tone  an. 

in.  Akt. 
Nr.  17.     Arie  Belmontes:    »Ich  baue  ganz  auf  deine  Starke* . 

Pedrillo  und  ein  Schiffer  treffen  die  Vorbereitungen  zur  Flucht.  Es  folgt 
eine  kurze  Unterredung  Pedrillos  mit  Belmonte,  und  darauf  setzt  Belmonte 
mit  der  Arie  ein   »Ich  baue  ganz  auf  deine  Starke*. 

Knecht  trifft  im  ganzen  den  Charakter  des  durch  die  Liebe  gefestigten 
Jiinglings  in  angemessener  Weise.  In  dem  Nachspiel  mit  den  punktierten 
Achteln  hat  der  Komponist  sogar  ein  heroisches  Element  eingefiihrt. 

1)  Klavierausz.  Peters,  S.  Ill,  Syst  2,  Takt  Iff. 

2)  Ibid.  S.  112,  Syst.  1,  fakt  4;  Syst.  3,  Takt  1. 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfuhrung«  uew.         471 

Mozart's  Aric  unterscheidet  sich  von  der  vorigen  dem  Beliuonte  zuer- 
teilten  Arie  (Nr.  15)  dadurch,  dafl  sie  an  Stelle  sehnsuchtiger  Schwarmerei 
wieder  eine  mannlich  gefafite,  zuversichtliche  Stimmung  gibt.  Jedes  Pathos 
fehlt,  nur  die  Koloraturen,  die  mitunter  auf  recht  unbedeutende  Textworte 
wie  »vereint«,  »gebracht«  fallen,  machen  sich  etwas  breit.  Die  Sorglosig- 
keit  Mozart's  der  Koloratur  gegeniiber,  die  aus  seinen  unter  dem  Zeichen 
der  Neuneapolitaner  stehenden  Jugendopern  stammt,  wirkt  hier  noch  deut- 
lich  nach. 

Nr.  18.     Bomanze  Pedrillos:    »lm  Mohrenland  gefangen  war*. 

Pedrillo  erscheint  und  will  den  Madchen  das  Zeichen  zur  Flucht  geben. 
Er  stimmt  sein  Lied  an  von  dem  im  Mohrenland  gefangenen  Madchen,  das 
von  einem  Rittersmann  befreit  wird.  Wir  finden  also  hier  die  fur  das  Sing- 
spiel  charakteristische  Romanze,  ein  meistens  strophenmafiiges  Liedchen  volks- 
tiimlichen  Charakters,  das  fast  in  jedem  Singspiel  aus  der  Schule  Johann 
Adam  Hiller's  enthalten  ist.  Im  Gegensatz  zu  den  Romanzen  anderer  Sing- 
spiele  steht  die  Romanze  in  der  »Entfuhrung<  im  organ ischen  Zusammenhang 
mit  der  Haupthandlung. 

Knecht's  melodisch  iiberaus  einfaches  Liedchen: 


i 


y-rr*: 


^tmrn^ 


Moh-ren-land    ge- fan- gen  war  ein  M'a-delhubsch   und    fein 


erinnert  schon  im  Vorspiel  an  die  Hiller'sche  Art. 

Mozart  wahrt  schon  rein  aufierlich  den  Charakter  des  Stiindchens  am 
meisten  durch  das  Pizzikato  der  Streicher.  Wir  haben  eins  der  pikan  teste  n 
Stucke  vor  uns,  die  Mozart  geschrieben  hat.  Diese  Romanze  mag  das  da- 
malige  Publikum  wirklich  »sezessionistisch«  angemutet  haben.  Mozart  wollte 
ein  exotisches  Stiick  schreiben.  Charakteristisch  dafur  ist  der  fortwahrende 
Wechsel  der  Tonart,  der  anfanglich  chevalereske  Aufschwung  der  Melodie, 
dem  dann  ein  fast  klagliches  Zusammensinken  folgt. 

Nr.  17  and  18  bei  Dieter  und  Andre\ 

Dieter  hat  als  einziger  unter  den  vier  Komponisten  eine  kurze  Sinfonie 
als  Einleitung.  Sie  ist  im  12/g  Takt  abgefafit  und  geht  in  2?dur,  der  zweite 
Teil  in  i^dur.  Eine  deutliche  Beziehung  zu  dem  In  halt  des  dritten  Aktes 
ist  nicht  zu  erkennen.  In  Dieter's  grofiem  Entfuhrungssextett  zeigt  sich  die 
Hilf  losigkeit  des  Komponisten  groBeren  Formen  gegeniiber  besonders  deutlich. 
Er  macht  auf  Schritt  und  Tritt  Anleihen  bei  den  Mannheimern,  bei  den 
Italienern  und  bei  Mozart.  Gleich  am  Anfange  des  Standchens  lafit  er  eine 
Mannheimer  >Rakete«  in  die  Hohe  schieflen: 


i: 


£E 


^ 


3==: 


472  Walter  Preibisch,  Quellenstudien  za  Mozart's  »Entfahrung«  usw. 

Italienische  Schleifer  begleiten  die  Befehle,  die  Osmin  der  Janitschareniraehe 
gibt.  Die  zweite  Violine  weist  in  der  Begleitung  die  Jommelli'schen  8«b- 
zehntelfiguren  auf.  Das  Wenige,  was  an  dem  Dieter'schen  Sextett  originefl 
ist,  ist  philistros  und  anbedeutend.  Das  Orchester  ist  hier  durch  2  Horner, 
2  Oboen,  2  Floten  verstarkt,  auch  die  Viola  d'amore  wird  herangezogen. 
Freilich  bleibt  auch  hier  die  Ausfuhrung  hinter  der  guten  Absicbt  weit 
zurtlck.    Wichtig  ist  nur,  dafl  ein  cbarakteristisches  Motiv: 


in  verscbiedenen  Tonarten  durch  die  ganze  Szene  hindurchgeht. 

Durch  Andre's  Sextett  weht  ein  frisoherer  Zug.  Es  zeichnet  sich  dud 
grofieren  Reich  turn  an  Melodien  und  einen  flotten  Gang  der  Handlung  vor 
Dieter  aus.     Auch  hier  haben  wir  ein  durchgehendes  Motiv: 


gpf^sgffpp^^^ 


Besonderen  Wert  legt  Andre  auf  die  weitere  Zeichnung  Osmins.  Im  Oegen- 
satz  zu  der  Beweglichkeit  in  dem  Oesange  Pedrillos,  der  den  Liebesgott  zv 
Hilfe  angerufen  hat  und  nun  frisch  und  frohlich  nach  Blondes  Fenster  hinauf- 
Bteigt,  tritt  bei  Osmins  Erscheinen  ein  beh'abiger  4/4  Bhythmus  ein,  der  eincr- 
seits   seine  Betrunkenheit ,    anderseits  seine  grenzenlose  Faulheit  malen  soil: 


is 


^ 


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t=t 


:|      I      I 


x=fc 


Da  h5r-test  larmen,  vermutlich  schw'armen  Dieb  und  Mdrder  urn  das  Hans. 

Osmin  ist  einstweilen  noch  zu  schlafrig,  um  sich  rich  tig  aufzuregen.  « 
schwankt  noch  immer  hierhin  und  dorthin.  Nachdem  er  seine  lludigkert 
Uberwunden  hat,  kiindigt  uns  eine  im  Forte  aufsteigende  SechsehntetSgv 
seinen  Zorn  an,  wobei  er  in  die  Worte  ausbricht:  »Komm  dann  bald  frieder. 
schlag  alles  tot!« 

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komm  dann  bald    wie  -  der,  schlag  al-les     tot,  schlag  al  -  lea     tot 

Erst  ganz  allmahlich  vermag  er  sich  aus  der  Schlafrigkeit,  in  die  ihn  dtf 
Weingenufi  versetzt  hat,  zu  grofierer  Lebhaftigkeit  aufzuraffen.  Seine  Auf- 
regung  zeigt  sich  in  den  vier  immer  aufeinanderfolgenden  Achteln  auf  &■" 
selben  Tone  und  den  sich  anschliefienden  Viertelnoten : 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  »Entfuhrung«  usw. 


473 


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Welch  Ge  -  to"  -  se,  welch  Ge-rftusohe  _ 


Hil-fe,   Hi!-fe. 


Als  Osmin  ausraft:   »Zu  HilfeU,  da  setzt  folgendes  Motiv  ein: 


das  mit  der  Papagenofigur : 


^0  *"%$  0  ^Sfejj 


grofie  Ahnlichkeit  hat1). 

Als  ein    selbstandiges  Stlick   kann  man    die  Romanze    aus  dem  Sextett 
von  Dieter  und  Andre*  herausnehmen. 


Dieter. 


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1st 


Im  Mohren-land  ge   -  fan-gen  ward  ein    Ma-delhflbsohund      fein 


Andre. 


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-*= 


Im  Mohren-land    ge- fan -gen  ward   ein  Ma-del  hubschund  fein 

Andre*  steht  wegen  seines  volkstumlichen  Tones  dem  Hiller'schen  Sing- 
spiel  nahe.  Dieter  fUhrt  auch  hier  den  sinfonischen  Stil  der  Mannheimer 
ein  and  erscheint  dadurch  gekiinstelt. 

Nr.  19.     Osmins  Lied:   >0  wie  will  ich  triumphieren « . 

Nachdem  der  Fluchtversuch  entdeckt  worden  ist  und  die  Fliichtigen  ab- 
geftihrt  worden  Bind,  stimmt  nach  dem  Stephanie'schen  Text  der  allein  zuriick- 
gebliebene  Osmin  sein  schadenfrohes  und  grausames  Lied  <0  wie  will  ich 
triumphieren  c  an.  In  der  Bretzner'schen  Fassung  ist  der  Text  etwas  anders 
als  bei  Stephanie.  Dieser  hat  aus  den  Worten,  die  bei  Bretzner  in  dem 
Sextett  vorkommen,  eine  selbstandige  Arie  gemacht. 

Knecht  schickt  seiner  Gilur-Arie  ein  langeres  Vorspiel  voraus.  Osmins 
Drohungen  vermogen  uns  bei  der  Knecht'schen  Musik  nicht  zu  schrecken. 
Seine  Freude  fiber  die  Entdeckung  dee  Fluchtversuchs  gleicht  einer  harm- 
losen  Kinderfreude: 


1)  Cbrigen*  hat  auch  Dieter  diese  Figur  in  seinem  Sextett,  als  Pedrillo  laut 
niest.  Christoph  Rheineck  aus  Memmingen  hat  dasselbe  Motiv  in  seinem 
»Wiegenlied  fur  die  stifien  Herren*.  Vgl.  Friedlander,  Das  deutsche  Lied,  I, 
S.  264. 


474  Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfthrung«  uew. 


* 


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Http  -  fen    will  ich,  la 


chen,    8prin-gen. 


Bei  Mozart  befindet  sich  Osmin  ganz  auf  der  Hohe  der  Situation.  Der 
Gipfelpunkt  seines  Jubels  liegt  im  Hauptthema,  dessen  primitive  Gestalt  mit 
den  Wiederholungen  wieder  den  ganzen  rohen  Burschen  vor  Augen  fuhrl 
Auch  fallen  hier  bezeichnenderweise  die  Flauti  piccoli  wieder  ein.  8chon 
bei  den  Worten  >  Hup  fen  will  ich,  lachen,  springen*  geht  er  in  ein  Ung- 
same8  Schlendern  iiber,  und  bei  den  Worten  »denn  nun  haV  ich  vor  end 
Ruh'«  steht  der  alte,  schwerfallige  und  faule  Kerl  wieder  vor  uns. 

Ein  treffendes  Bild  gebraucht  Jahn1)  fUr  den  Mittelsatz  »Schleicht  n«r 
sauberlich  und  leise«:  »Es  ist,  als  sehe  man  eine  wilde  Bestie,  wie  sie  bald 
gahnend  sich  reckt,  bald  aufspringt. «  Die  Oktavenmelodik  entstammt  da 
opera  buffa,  wo  sie  oft  zur  Bezeichnung  des  Unheimlichen,  Grausigen  Ter- 
wendet  wird.  Die  Wiederholung  des  Hauptsatzes  bringt  eine  Steigerung 
Der  hochste  Ausoruch  von  Osmins  Freude  liegt  in  der  Koloratur  auf  >singen<. 
die  von  trefflicher  Wirkung  ist.  Yon  hier  an  kennt  Osmins  Jubel  kein* 
Grenzen  mehr.  Bezeichnend  ist,  dafi  er  hier  zu  gar  keiner  geordneten  Me- 
lodik  mehr  kommt.  Osmin  greift  vielmehr  aus  seinem  Hauptthema2)  einzaliK 
Brocken  heraus  und  reitet  wie  toll  in  fortwahrender  Wiederholung  damf 
umher.  So  gibt  die  Arie  gewissermaBen  noch  das  Gesamtportrat  des  Ge- 
sellen,  gemischt  aus  Fanatismus,  Schwerfalligkeit  und  Liisternheit. 

Nr.  20.    Duett:  Belmonte  und  Konstanze. 

Das  Verhangnis  ist  iiber  das  Liebespaar  hereingebrochen.  Man  hat  den 
Fluchtversuch  entdeckt.  Ihre  todesmutige  Stimmung  bringt  das  Duett  zon 
Ausdruck.  Alle  vier  Komponisteu  haben  hier  ein  Duett,  doch  Dieter  nnd 
Andre"  auf  einen  anderen  Text. 

Dem  Dieter'schen  Duett  fehlt  die  der  Situation  angemessene  Bewegong. 
Der  Grundton  ist  auch  hier  durchaus  philistros.  Die  Ausdrucksmittel  sind 
aus  der  italienischen  Oper  ubernommen  wie  die  Orchesterbegleitung  zeigt: 


Andre  besitzt  die  dem  Dieter'schen  Duett  fehlende  Beweglichkeit  i« 
hsten  Mafie.  Schon  in  dem  Yorspiel  sucht  er  die  Erregung  der  Liebet- 
durch  Synkopen  in  den  Violinen  musikalisch  zu  treffen.  Oboe  u»d 
;ott  haben  Soli,  und  zwar  begleitet  die  Oboe  den  Gesang  des  schwam*" 
hen  Madchens,  das  Fagott  die  des  ernsten,  mannlichen  Belmonte.  Charak- 
stisch  ist  die  Yerwendung   der  Instrumente   an    folgender  S telle,   wo  &< 


1)  Jahn,  a    a.  0.    1,  S.  766. 

2)  Das  Hauptthema  kehrt  im  Finale  der  Z>dur-Sinfonie  Nr.  36;  von  1782  wieder 


Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zn  Mozart's  >Entfuhrnng«  uew.  475 


Oboe  neben  dem  Gesange  Konstanzes,  das  Fagott  neben  dem  des  Belmonte 
einhergeht : 


Oboe  solo. 


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dei  -  ner 


Nach  Mozart's  Vorbild  schickt  Knecht  der  Arie  ein  Akkompagnato 
voran.  Urn  den  Schmerz  des  Liebespaares  auszudriicken ,  sind  auch  hier 
Synkopen  verwendet.  Die  veranderte  Stimmung  erheischt  einen  zweimaligen 
Tonartenwechsel;  wir  kommen  aus  i^moll  tiber  Cdur  nach  JFdur. 

Bei  Mozart  finden  wir  ein  Akkompagnato  mit  Koloraturarie.  Der  Hohe- 
punkt  liegt  in  dem  ersten  Satz  des  Duetts.  Hier  liegen  drei  verschiedene 
Stimmungselemente  zugrunde:  der  Schmerz  liber  die  verzweifelte  Situation, 
der  feste  EntschluB  des  Liebespaares,  miteinander  zu  sterben,  und  die  Wonne, 
mit  dem  Geliebten  auf  diese  Art  yereinigt  zu  sein.  In  der  ersten  Partie  der 
Konstanze  treten  die  drei  Elemente  deutlich  nebeneinander.  Zuerst  haben  wir 
schmerzliche  chromatische  Akzente,  dazu  gesellen  sich  die  energischen  Oktaven- 
schritte ,  schliefllich  der  jubelnde  Ausbruch:  >Wonne  ist  mir  dies  Gebot*. 
Der  i^dur-Satz  steigert  die  Stimmung  bis  zur  Verziickung.  Das  Allegro 
vermag  diese  Hohe  nicht  festzuhalten ,  die  Ton spr ache  lafit  hier  die  indivi- 
duellen  Zlige  vermissen,  auch  die  Koloraturen  storen.  Es  ist  ein  schwung- 
voll  kraftiges  Tonstuck,  aber  ohne  die  Steigerung  zu  bringen,  auf  die  der 
vorhergehende  Satz  hinweist. 

Nr.  20a.    Arie  der  Konstanze:   »Ach  mit  freudigem  Entzticken*. 

Nur  Dieter  und  Andre  haben  diese  Arie  komponiert.  Dieter  hat  wieder 
eine  stark  instrumentierte  Koloraturarie.  Er  hat  zur  Begleitung  Horner, 
Oboen,  Floten  mit  herangezogen. 

Auch  Andre  hat  des  ofteren  Koloraturen,  die  stellenweise  auffallig  an 
die  Mozart'sche  Arie:    »Ach  ich  liebte,  war  so  glttcklich*   erinnern. 

Nr.  21a.    Das  Finale  nach  der  Bretzner'sohen  Origin alfassung. 

Es  fafit  die  Moral  der  Handlung  in  folgender  Weise  zusammen.  Oft  be- 
wolke  sich  der  Himmel  und  erscheine  stiirmisch  und  unheildrohend,  doch  ein 
milder  Sonnenstrahl  durchbreche  das  Gewolk  und  bringe  Licht  und  Freude 
zuriick.    Damit  ist  ein  neuer  Gedanke  nicht  mehr  ausgesprochen.    Die  Hand- 


476  Walter  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mozart's  >Entfuhrung«  usw. 

lung  des  Bretzner'schen  Textes  ist  ja  mit  der  Szene,  in  der  der  B&ssa  Selim 
die  Fliichtigen  begnadigt  hat,  eigentlich  zu  Ende. 

Das  Dieter'sche  Finale  hat  zwei  Teile.  Im  ersten  (Allegro  moderate) 
fin  den  sich  die  landliiufigen  italienischen  Tonmalereien  auf  einzelne  Worte. 
Der  zweite  Teil  (Presto,  2/4  Takt)  schlagt  mit  seinen  halben  Noten  fast  feier- 
liche  Tone  an. 

Nr.  21b.    Das  Finale  naoh  der  Stephanie'sohen  Bearbeitung. 

Knecht  hat  als  Finale  ein  musikalisch  nicht  gerade  bedeutendes,  aber 
frisches  und  lebendiges  Vaudeville.  Pedrillo  und  Blonde  sin  gen  in  einer 
be8onderen  Melodie,  dann  folgt  Osmin  mit  seinem  >£rst  gekopft,  dann  ge- 
hangen*.  £s  zeigt  eine  andere  Melodie  als  im  ersten  Akte,  und  zwar  ist 
sie  viel  lebendiger  und  entspricht  dem  in  Wut  geratenen  Turken  weit  mehr 
als  die  frtthere  Melodie. 

Mozart  hat  in  seinem  Finale  ebenfalls  die  Form  des  dem  Singspiel 
(aber  auch  z.  B.  der  italienischen  Oper  gelegentlich)  langst  vertrauten  Rund- 
gesangs  gewahlt.  Eine  Person  nach  der  andern  tritt  mit  einer  volkstuin- 
lichen  Melodie  vor,  die  Gesamtheit  stimmt  in  den  Refrain  ein.  Nach  einer 
Zornesaufwallung  wird  das  Evangelium  edler  Menschlichkeit,  wie  es  die  Auf- 
klarung  lehrte,  verkiindet: 

»Nicht8  iet  so  haBlich  wie  die  Rache, 
Hingegen  mennchlicb,  gutig  sein 
Und  ohne  Eigennutz  verzeih'n 
Ist  nur  der  groCen  Seelen  Sache.« 

Der  Gedanke  ist  derselbe,  wie  wir  ihn  bereits  friiher  in  zahlreichen  Sing- 
spielen  angetroffen  haben. 

Osmins  Charakteristik  bleibt  auch  hier  die  gleiche  wie  friiher.  Er  acheint 
sich  zwar  auch  hier  der  Form  zu  fugen,  aber  seine  Erregung  lafit  ihn  nicht 
lange  bei  der  Stange  bleiben.  Bald  »stockt  ihm  die  Zunge  im  Mund«  und 
lost  sich  erst  wieder,  wie  er  den  Faden  des  Schlufisatzes  seiner  ersten  Arie 
gefunden  hat.  Durch  ihn  werden  auch  die  ubrigen  von  ihrem  Rundgesang 
zunachst  abgelenkt.  Auch  sie  schlagen  in  dem  Andante  sosteimto  zunachtt 
feierliche  Tone  an. 

Im  SchluBchor  kommt  Mozart  noch  einmal  auf  das  tiirkische  Lokalkolorit 
zuriick,   auch  die  Figur 


kehrt  wieder,  ebenso  die  Unisoni.  Unterstutzt  wird  der  Chor  durch  da* 
Or chester,  das  in  der  wieder  aufgenommenen  » tiirkische n  Instrumentation* 
ein  geschaftiges  Leben   entfaltet. 


Wilh.  Altaians,  Aus  Gottfried  Weber's  brieflicbem  NachlaG.  477 

Aus  Gottfried  Weber's  brieflichem  Nachlafs, 

Mitgeteilt  von 

With.  Altmann. 

(Berlin.) 

Auf  Veranlassung  des  Herrn  Geheimen  Kommerzienrats  Dr.  Strecker 
in  Mainz,  des  Chefs  des  Musikverlags  B.  Schott' s  Sonne,  ist  mir  der  brief- 
liche  NachlaB  des  beruhmten  Theoretikers  Gottfried  Weber,  des  Heraus- 
gebers  der  Zeitscbrift  »Caeciliac  ,  der  im  Hauptamt  Jurist  war,  von  dessen 
Enkel,  Herrn  Ministerialrat  Dr.  A.  Weber  in  Darmstadt,  zur  wissenschaft- 
lichen  Ausnutzung  anvertraut  worden.  Dieses  Briefmaterial ,  das  die  Jabre 
1806 — 1837  umfafit,  ist  ziemlicb  umfangreich,  doch  bietet  es  in  wissenscbaft- 
licher  Hinsicht  keine  allzu  grofie  Ausbente  *),  da  es  im  wesentlicben  aus  rein 
gescbaftlichen  Korrespondenzen  bestebt.  Aucb  hat  Gottfried  Weber  selbst 
in  der  >Caecilia«  wert voile,  an  ihn  gericbtete  Briefe  verdffentlicht ;  die  inter- 
essantesten  miissen  schon  vor  Jahren  herausgenommen  sein,  so  z.  B.  ein  Brief 
Beethoven's,  die  meisten  Briefe  Karl  Maria  von  Weber's . 

Nachdem  ich  im  28.  Bande  (1908)  der  Halbmonatssehrift  »Die  Musik« 
die  eine  Gruppe  fur  sich  bildenden  Briefe  Meyerbeer's  und  im  Oktober- 
heft  1908  von  »Nord  und  Slid*  zwei  kurze  Briefe  .Ludwig  Borno's  und 
Jean  Paul's  mitgeteilt  habe,  veroffentliche  ich  nunmehr  den  Best  dessen, 
was  mir  beachtenswert  erschienen  ist,  und  zwar  meist  nur  in  Ausziigen,  so- 
weit  der  Inhalt  den  Musik-  und  Kulturhistoriker  interessieren  diirfte.  Dar- 
unter  befinden  sich  aucb  Briefe  an  andere  Personen,  die  jene  zur  Kenntnis- 
nahme  an  Gottfried  Weber  gescbiokt  batten. 

Ich  habe  die  Briefe  alphabetisch  nach  dem  Schreiber  geordnet  und,  falls 
mehrere  von  demselben  vorlagen,  sie  chronologisch  aneinander  gereiht;  in 
letzterem  Falle  habe  ich  meist  einige  Bemerkungen  vorausgeschickt.  Die  hier 
mitgeteilten  Briefe  stammen  von  dem  Verlag  Breitkopf  &  Hartel ,  Professor 
Ernst  Chladni,  Hofkapellmeister  Frey,  dem  Verleger  Tobias  Haslinger,  Joh. 
Chr.  Lobe ,  dem  Balladenkomponisten  Dr.  Karl  Loewe ,  Ferdinand  Ries ,  Dr. 
A.  Schmidt  aus  Greifswald,  Hofrat  Joh.  Philipp  Schmidt  aus  Berlin,  der 
Firma  B.  Schott's  Sohne  in  Mainz,  Rob.  Schumann,  dem  Verleger  N.  Sim- 
rock  in  Bonn,  Louis  Spohr,  bo f kapellmeister  Bernhard  Anselm  Weber,  Karl 
Maria  von  Weber  und  dessen  Gattin  Lina.  Es  sind  diese  Briefschreiber  ja 
nicht  samtlich  erste  Sterne  des  musikalischeu  Himmels,  aber  jeder  von  ihnen 
bat  in  seiner  Art  etwas  geleistet. 


1)  Meine  Hoffnung,  da6  sich  vielleicht  auch  Briefe  Richard  Wagner's,  der  mit 
der  Schott'schen  Musikhandlung  1830  und  1831  korrespondiert  hat,  in  dem  Nach- 
laB Qt.  Weber's  vorfinden  wiirden,  der  fiir  Schott  vielfach  eine  Art  musikalischer  Beirat 
gewesen  ist,  hat  sich  leider  nicht  erfiillt.  —  Dagegen  habe  ich  in  einem  Konzept- 
Schreiben  der  Firma  Schott  an  Beethoven  vom  20.  August  1825  erwahnt  gefunden, 
daC  dieser  auGer  den  beiden  in  dem  kiirzlich  erschienenen  5.  Bande  der  Kalischer- 
■ohen  Ausgabe  von  Beethoven's  Briefen  abgedruokten  Schreiben  vom  22.  Januar  und 
13.  August  auch  am  3.  Mai  1826  diese  Firma  mystifiziert  hat ,  indem  er  ihr  nochmals 
angelegentlioh  empfahl,  den  Tobias  Haslinger  urn  seine  >romantische  Lebensbe- 
schreibungc  zu  bitten. 


478  Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brief  lichem  Nachlafi. 

I.  Aus  vier  Briefen  des  Verlags  Breitkopf  &  Hartel  an  Gottfried  Weber. 

Diese  Ausziige  teile  ich  mit,  um  zu  zeigen,  wie  nachteilig  das  Kriegsjahr  1806 
auf  den  Leipziger  Musikalienhandel  gcwirkt  hat.  DaB  darnals  Werke  von  Mozart  fur 
Flotenquartett  (d.  h.  fur  Flote,  Violine,  Bratsche  und  Violoncell)  von  Gottfried  Weber 
arrangiert  und  zum  Teil  auch  von  Breitkopf  veroffentlicht  worden  sind,  ist  ein  Beweu 
dafur,  wie  groB  damals  die  Nachfrage  fur  Werke  in  dieser  Besetzang  gewesen  ist; 
heute  wiirde  daftir  kein  Yerleger  zu  baben  sein.  Zu  den  eintraglichen  Yerlagsobjekten 
hat  auch  zu  Beginn  des  19.  Jahrhunderts  eine  »masikalische  Zeitungc  nicht  gehort;  es 
macht  dem  Yerleger  dieses  Blattes  alle  Ehre,  daB  er  es  aus  idealen  Grunden  verlegt 
hat;  iibrigens  betont  auch  die  Firma  Schott  (vgl.  unten),  die  die  von  Gottfried  Weber 
begriindete  und  redigierte  Zeitschreift  >Caeciliac  verlegte,  immer  und  immer  wieder, 
daB  sie  dabei  keinen  Gewinn  h'atte,  und  nur  um  die  Kunst  zu  fordera,  diese  Zeit- 
scbrift  nicht  eingehen  lasse. 

10.  Juni  1806. 

»Gern  nahmen  wir  auch  Ihr  gutiges  Anerbieten  fiir  die  in  Quartetten 
arrangierten  Mozart'schen  Sachen  wenn  die  schwule  politische  Luft  nicht  izt 
auf  den,  Musikhandel  so  erstickend  druckte,  daB  wir  una  notwendig  finden, 
unseren  Yerlag  moglichst  einzuschranken  und  daB  wir  Ihnen  und  uberhaupt 
Kiinstlern  izt  keine  anstandige  Remuneration  offerieren  konnen.  Sollten  Sie 
indes  sich  mit  einer  Anzahl  von  26 — 30  •  Freiexemplar[en]  oder  deren  Wert 
in  andern  Musikalien  un seres  Yerlags  begniigen  wollen,  so  wollen  wir  auch 
dies  Quartett  stechen  und,  wenn  wir  dabei  gute  Aufnahme  finden,  uns  auch 
andere  solcher  arrangierter  Mozart 'scher  Sachen  von  Ihnen    erbitten  .  .  .« 

Leipzig,  18.  November  1806. 

>Bereits  vor  6  Wochen  haben  wir  diese  Sache  zum  Stich  angewiesen, 
und  sie  wiirde  izt  ziemlich  fertig  sein,  wenn  nicht  die  bekannten  Ereignisse, 
durch  welche  izt  Handel  und  Gewerbe  stocken,  den  Musikhandel  auf  einmal 
ganzlich  abgeschnitten  und  uns  genotigt  hatten,  mit  alien  neuen  Unterneh- 
mungen  innezuhalten.  Da  der  Zug  unserer  Geschafte  hauptaachlich  nach 
Norden  und  Westen  geht,  wohin  izt  alle  Kommunikation  abgeschnitten  ist. 
so  miissen  wir  allerdings  erst  abwarten,  wie  sich  die  Handlungsverhaltnisse 
durch  die  offentlichen  Ereignisse  gestalten,  ehe  wir  unsere  Tatigkeit  wieder 
fortsetzen  konnen   .   .   .« 

Leipzig,  20.  Januar  1807. 

>Sie  scheinen  zu  glauben,  daB  wir  nur  als  Neulinge  in  den  Widerwartig- 
keiten  des  Kriegs  dieses  Ubel  zu  lebhaft  fuhlen;  allein  in  den  Yerbaltnisscn 
Leipzigs  und  denen  der  dortigen  Gegend  ist  der  grofie  Unterscbied,  daiS 
Leipzigs  Wohlstand,  seine  Existenz  mochte  ich  sagen,  auf  dem  Verkehr 
mit  dem  nordlichen  und  ostlichen  Auslande  beruht,  welcher  izt  schlechter- 
dings  abgeschnitten  ist. 

.  .  .  Da  ich  ohne  alle  Riicksicht  auf  merkantilen  Vorteil,  den  ich  bei 
der  ,Musikalischen  Zeitung(  nie  gesucht  habe  und  nach  den  best  eh  en  den  Yer- 
hultnissen  auch  nicht  finden  kann,  dieses  Institut  liebe  und  es  so  gem  gt- 
deihen  sehe,  so  werde  auch  ich  Ihre  Mitwirkung  fur  dasselbe  mit  aufricb- 
tiger  Dankbarkeit  erkennen.« 

Leipzig,  24.  August  1807. 

» Indes  finden  wir  in  der  Erfahrung,  die  wir  mit  mehreren  arrangiertai 
Sachen  von  Mozart  zu  machen  Gelegenheit  haben  und  beeonders  in  des 
fast  allgemeinen  schlechten  Erfolge  aller  neuen  Yerlagsmnsik ,  welcher  Woi 
den  Zeitumstiinden    zuzuschreiben  ist,    izt   gar  zu   wenig   Ermuntemng,  OB 


Wilh.  Altmann,  A  us  Gottfried  Weber's  brieflichem  NachlaB.  479 

mehrere  ctergl.  arrangierte  Sachen  zugleich  erscheinen  zu  lassen ;  ja  wir  diirfen 
sagen,  dafl  selbst  der  Erfolg  von  neuen  Original werken  sonst  beliebter  Autoren 
izt  fur  den  Verleger  mehr  abschreckend  als  einladend  ist. « 

II.   Aus  einem  Briefe  Chladni's  an  Gottfried  Weber1). 

z.  Z.  Berlin,  8.  Jan.  1827. 
»Hier  in  Berlin  babe  ich  micb  uber  die  vortreffliche  Wirkung  des  Ge- 
sanges  in  dem  neuerbauten  Saale  der  Singakademie  gefreut,  wo  ich  just 
zu  rechter  Zeit  angekommen  war,  urn  die  erste  Probe  (denn  Einweibung 
kann  man  es  nicht  fiiglich  nennen,  da  der  Saal  und  das  Gebaude  noch  nicht 
ganz  vollendet  ist)  bei  einer  Yersammlung  der  tiber  300  Mitglieder  starken 
Singakademie  zu  horen,  welcbe  das  16stimmige  Kyrie  und  Gloria  von  Fascb2) 
auffuhrte.  Der  Saal  und  iiberbaupt  das  Gebaude  machen  dem  Erbauer,  dem 
Hofbaumeister  Ottmer,  einem  jungen,  sehr  talentvollen  Manne,  der  auch 
das  hiesige  Konigsstadter  Theater  gebaut  hat,  viel  Ehre.  Die  Wirkung  war 
vollkommen  gut  und  es  war  ganz  einerlei,  wohin  die  Chore  gestellt  waren 
oder  wo  man  sich  als  Zuhorer  befand.* 


III.  Aus  einem  Briefe  des  Hof kapellmeisters  Prey3)  an 
Gottfried  Weber. 

Mannheim,  22.  Juli  1817. 
».  .  .  Spohr  hat  Dich4)  besucht,  Du  wirst  Dich  recht  sehr  gefreut  haben, 
ihn  zu  sehen.  Mir  bleibt  er  ewig  unvergefilich.  Den  Eindruck,  den  sein 
Spiel  und  seine  Kompositionen  hier  allenthalben  machen,  kann  ich  Dir  nicht 
beschreiben.  Den  Tag  nach  seinem  Konzert,  namlich  am  Samstag,  hatten 
wir  das  Vergniigen,  von  ihm  ein  Quartett  und  ein  Quintett  zu  horen,  welches 
letztere  wunderschon  komponiert  ist.  Einzig  ist  und  bleibt  die  Art,  wie  er 
seine  Kompositionen  vortragt.  Hier  verbindet  er  mit  der  hochst  vollkommenen 
Mechanik  ein  en  hinreifienden  Yortrag;  uberhaupt  kann  man  mit  aller 
Wahrhaftigkeit  sagen:  v  .  .  Gott  erhalte  den  lieben  herrlichen  Kunstler  noch 
lange.'  Er  hat  uns  alle,  wenigstens  mich,  zum  Streben  nach  dieser  Voll- 
kommenheit  begeistert* 

IV.  Ans  einem  Briefe  von  Tobias  Haslinger6)  an  B.  Schott's  S6hne 

in  Mainz. 

Wien,  24.  Marz  1834. 
».  .   .  Im   Sortiinentsgeschaft  ist   heut  zu  Tage   ohnedies  kein    Gedeihen 
mehr,   zumal,  wie   hier  bereits   der  Fall,   Antiquaro   auslandische  Nova   mit 

1)  Ernst  Chladni,  *  1766,  +  3.  April  1827;  urspriinglich  Jurist,  sp'ater  ein  sehr 
bedeutender  Akustiker,  Entdecker  der  sogen.  Chladni'schen  Klangfiguren ,  Erfinder 
einer  Glasstabharmonika  und  eines  Glasstabklaviers. 

2)  Karl  Friedricb  Christian  Fasch,  der  Begrlinder  der  Berliner  Singakademie 
(1736—18001,  die  damals  (1827)  von  Zelter  geleitet  wurde. 

3)  f  1832;  seine  schone  Wiirdigung  Spohr 's  ist  um  so  hoher  einzuschatzen,  als  er 
sehr  tiich tiger  Geiger  gewesen  ist. 

4)  In  emem  Briefe  vom  27.  Juli  lud  Spohr  Gottfried  Weber  zu  seinem  und  seiner 
Frau  zweiten  Konzert  in  Wiesbaden  am  28.  Juli  ein. 

6)  Diese  Klage  des  Chefs  der  bekannten  Wiener  Musikalienhandlung  konnte  auch 
heute  noch  erhoben  werden.  Tobias  Haslinjrer  (1787—1842)  trat  1810  in  den  Wiener 
Musikverlag  C.  Steiner  ein,  den  er  von  1826  ab  unter  eigner  Firma  weiterfuhrte. 


480  Wilh.  Altmann,  Aug  Gottfried  Weber's  brief  lichem  Nachlafi. 

50°/0  und  darunter  in  offentlichen  Blattern  ausbieten!!  E«  ist  die*  namtut- 
lich  mit  Ihrem  Yerlag  geschehen,  —  und  die  Partie  Herz6),  die  ich  air 
von  Ihnen  auf  feste  Rechnung  kommen  lieA,  liegt  noch  unanger&hrt  auf 
ineinem  Lager.  Ich  meinerseits  mag  mit  solchen  Schleudereien  nichts  zu 
tun  haben  und  ebensowenig  mit  solchen  Leuten  konkurrUren,  da  ich  es  unter 
der  Wttrde  meiner  Firma  und  meines  eigenen  Gefiihls  halten  mufite.  — 
Yielleicht  kommt  es  noch  dahin,  um  nur  recht  viele  Geschafte  zu  machen, 
daB  man  die  Musikalien   ganz  unentgeltlich   an  das  Publikum    abreicht.< 


V.  Aus  einem  Briefe  Joh.  Christian  Lobe's  an  Gottfried  Weber2). 

Weimar,  25.  Dez.   1830. 

»Fiir  einen  Deutschen  ist  die  Balm  des  dramatischen  Komponieten  eine 
so  schwere,  so  dornen voile!  und  wenn  sich  seiner  nioht  Manner  annehmen 
wie  £w.  Wohlgeboren,  deasen  Stimme  soviel  Grewioht  und  Kraft  hat,  so  kann 
er  fur  das  beharrlichste  Streben,  fur  die  gluhendste  Liebe  au  seiner  Kuast 
doch  nur  auf  ein  Martyrertum  rechnen.  Wie  schwer,  wie  auBerordentlick 
schwer  ist  es  fur  ihn  iiberhaupt,  nur  sein  Werk  auf  die  Btihne  zu  bringen! 
Ohne  bedeutende  Empfehlungen  geht  es  ja  gar  nicht.  Man  soil  schwimmen 
lernen,  ohne  ins  Wasser  zu  gehen.  In  dieser  tjberzeugung  und  weil  ich 
nach  Honing  des  Werkes  [»die  Flibustier«]  auf  der  Weimar sc hen  Buhne 
bei  Bearbeitung  des  Klavierauszuges  noch  manche  Anderung  fur  notig  er* 
achtete  —  ich  werde  iiberhaupt  mit  meinen  Yersuchen  nie  ganz  fertig  — 
habe  ich  die  Partitur  bis  jetzt  noch  gar  keinem  Theater  angeboten.* 


VI.  Drei  Briefe  Dr.  Karl  Loewe's  an  Qottfried  Weber. 

Diese  Briefe  bilden  ein  beredtes  Zeugnis  fur  die  Wertsch'atzung  Gottfried 
Weber's  durch  den  erst  in  uiiserer  Zeit  beriihmt  gewordenen  groBen  Balladenkom- 
ponisten,  der  sohr  gern  von  Stettin  in  die  Nahe  Weber's  naoh  Mannheim  oder 
Frankfurt  a.  M.  ubergesiedelt  ware.  Was  er  iiber  den  Text  seines  Oratorkms  »Die 
sieben  Schlafer«,  iiber  seine  Kompotition  von  Horaz'ischen  Oden  und  fiber  Hegel  t 
musikasthetische  Anschannngen  sagt,  wird  man  mit  vielem  Interesse  lesen,  wie  ubsr- 
haupt  gerade  diese  Briefe  Lowe's  viel  Anklang  finden  durfben.  Aus  dem  letzten  Briefe 
erfahren  wir  auch,  daB  Friedrich  Wilhelm  IV.  als  Kronprinz  sich  von  Lowe  rwei- 
mal  Balladen  vorsingen  lieB  und  daB  dieser  auf  Erholungsreisen  auoh  Konzecte  zu  ver- 
anstalten  suchte. 

Stettin,  11.  August  1836. 

>Schon  langc  habe  ich  mir  die  Ehre  geben  wollen,  Ihnen  einige  Worte 
des  Dankes  zu  sagen,  fur  so  manche  Beweise  Ihrer  Gewogeaheit,  deren  8te 
mich  gewurdigt  haben,  denn  Ihre  Beurteilung  der  ,Sieben  Schlafer'  hat 
mich  ungemein  aufgemuntert,  indem  ich  von  jeher  ein  stiller  Verehrer  Ihrer 
ausgezeichneten ,  genialen  Leistungen  gewesen  bin ;  und  die  Zufriedenheit 
eines  so  begabten  und  auBerordentlichen  Marines,  wie  Sie   sind,   erreicht  zo 

Die  Firma  Haslinger  wurde  1875  von  der  Schlesinger'schen  Musikhandlofif 
(Rob.  Lienau)  in  Berlin  k'auf  lich  erworben. 

1)  Wer  spielt  heute  noch  etwas  von  Henri  Herz  (1803—1888),  der  von  1826—53 
der  gefeiertste  Pianist  und  Klavierkomponist  gewesen  ist! 

2}  Auch  diese  resignierte  Klage  des  damals  in  der  Weimarer  Hofkapelk  tlr 
Flb'tisten  wirkenden,  sp'ater  durch  seine  theoretischen  Werke  beruhmt  gewordenen 
Komponisten  Lobe  (1797—1881)  konnte  sehr  gut  in  unseren  Tagen  geechrieben  §eia 


Wilh.  Altmann,  Aug  Gottfriod  Weber's  brief lichem  NachlaO.  481 

haben,  gehort  zu  meinen  schbnsten  Belohnungen.  Ich  bedaure,  da£  Ihnen 
Giesebrecht's1)  Dichtung  nicht  mehr  zugesagt  hat.  Sie  haben  es  in  Be- 
ziehung  auf  das,  was  die  Legende  als  solche  in  den  ,Acta  sanctorum'  mit 
sich  bringt,  beinahe  ein  wenig  zu  streng  genommen 2).  Das  idyllische  Leben 
ist  darin  das  vorherrschende  und  dieses  ftihrt  neben  vielem  Vortreff lichen 
allerdings  manches  Naive  mit  sich  daher.  Aber  Sie  selbst  werden  es  aus 
eigener  Erfahrung  eingestehn,  wie  schwer  es  halt,  bei  una  Deutschen  einen 
Dichter  zu  finden,  der  etwas  Neues  und  Tiichtiges  fur  musikalische  Zwecke 
zu  Tage  fordert.  Sie  raten  inir,  den  Giesebrecht  zu  verlassen,  und  wen 
kann  ich  an  seine  Stelle  setzen?  ,Ich  habe  keinen  zweiten  zu  versenden!' 
Erlauben  Sie  mir  .  .  .,  daB  ich  Ihnen  die  Komposition  eines  Textes  ver*- 
ehren  und  widmen  darf,  gegen  den  wir  alle  nichts  einzuwenden  haben,  der 
uns  schon  in  zarten  Jahren  unsres  literarischen  Lebens  als  Muttermilch  ge- 
boten  wurde,  den  wir  mit  kindlicher  Pietat  in  langen  Ziigen  andachtig  ein- 
schlurften,  dessen  Schale  selbst  (schon  im  v  or  aus  von  dem  sullen  Kerne  liber- 
zeugt)  wir  dehmutsvoll  unserm  Gedachtnifie  einpragten,  etwa  wie  Feinschmecker 
(ut  ita  dicam)  mit  der  Ananas  beim  Weine  verfahren.  Sie  werden  lachelnd 
fragen :  ,was  ist  denn  das  fur  eine  Novitat?'  Es  sind  5  Oden  des  Horaz: 
Liber  III  Carmen  III  Justum  et  tenacem  propositi  virum,  Carmen  XII 
Miserarum  est,  Carmen  XXIX,  v.  29 — 56  Prudens  futuri  temporis  exitum 
caliginosa  nocte  premit  Deus,  Carmen  XIII  0  fons  Bandusiae,  Liber  II 
Carmen  XVI  Otium.  Ich  habe  sie  fur  4  Mannerstimmen  komponiert  und 
zwar  in  den  alten  Sapphischen,  Asklepiadeischen,  Alcaischen  und  Jonischen 
Metris  des  Dichters.  An  guten  Vorbildern  fehlte  es  mir  ganzlich,  da  wir 
nur  eine  Ode  des  Horaz  von  Flemming8)  komponiert  haben:  Integer  vitae, . 
die  dieser  zwar  musikalisch  sehr  schon,  aber  metrisch  ganz  unrichtig  kom- 
poniert   hat.     Horaz    skandiert    im    Sapphischen    Metrum    bekanntlich    so: 

__   w  w__w^__w         __  w  #  __  w  w        __  w         _  w  _ 

Integer  vitae  scelerisque  purus  etc  und  Flemming:   Integer  vitae    sceleris- 

w      -     v 
que  purus.     Mich  diinkt,  es  sei  die  Pflicht  des  Komponisten  zuvorderst  den 

Vers,  die  natiirlichste  Musik,  richtig  zu  behandeln.     Es   wurde  uns  gewaltig 

in  die  Krone  fahren,  wenn  jemand  im  Deutschen  ein  Sapphisches  Versmafi 

_  o'    w        _        ^       _      ^         _        ^^ 
etwa  ebenso  singen  lassen  wollte:  Buhe  fleht  von  Zeus  der  vom  Sturm  Er- 

fa£te.  Wozu  ware  im  Lateinischen  der  Vers,  rwenn  man  ihn  lase  wie 
Yokabeln  im  Lexikon  ?  Ich  habe  nun,  wo  es  sich  tun  liefl,  die  metrische 
Ubersetzung  von  Vofi4)  unter  das  Lateinische  gelegt,  damit  auch  Nichtlateiner 
die  Sachen  singen  mogen;  indefi  war  das  die  grofite  Schwierigkeit  ftir  mich, 
indem  im  Deutschen  die  Casuren  oft  anders  fielen  als  im  Original.  Daher 
habe  ich  oft  den  Vofi  umandern  milssen,  und  Ihre  musikalischen  Kenner- 
augen  werden  bei  einer  Vergleichung  meiner  Ubersetzung  mit  der  Vossi- 
schen  mein  scheinbar  vandalisches  Verfahren  hoffentlich  rechtfertigen. 

Der  etwanige  musikalische  Wert  meiner  Kompositionen  wird  von  Ihnen  . .  . 
bei  weitem  richtiger  erkannt  werden,  als  dafi  ich  etwas  andres  hinzuzufugen 
fttr  notig  erachtete.  Wenn  es  mir  gelungen  ist,  bei  groBen  aufierlichen 
Schwierigkeiten  etwas  Gesundes  und  Tiichtiges  zu  liefern,  so  verdanke  ich 
es   dem   Yorsatze,  Ihnen  das  Werkchen   dedizieren   zu   wollen.     Sollten   Sie, 


1)  Ludwig  Giesebrecht,  1792-1873.  2)  Caecilia,  Bd.  18  (Heft  69. 1836),  S.  33  ff. 

3)  Friedrich  Ferdinand  Flemming  (im  Hauptberut  Arzt),  1778—1813. 

4)  Joh.  Heinrich  Vofi,  1761—1826. 


482  Wilt.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brieflichem  NachlaG. 

hochgefeierter  Mann,  diese  kleine  Huldigung  von  mir  nicht  ungern  annehmen, 
so  wtirden  Sie  inir  damit  eine  groBe  Freude  bereiten. 

Gern  denke  ich  no  eh  der  Tage  am  Rhein,  da  es  mir  vergonnt  war, 
Ihnen  personlich  bekannt  zu  werden;  auch  macht  mich  Ihre  niedliche  Er- 
zahlung  von  M.  v.  Weber's  ,Moloch(  noch  oft  lachen. 

Wie  ist  es  mit  Mannheim?  Sollten  Sie  einmal  fur  mich  eine  passende 
Stelle  wissen,  die  nicht  unter  tausend  Thaler  Fixum  hat,  so  mochte  ich  wohl 
einen  sanfteren  Himmelsstrich  mit  meinem  rauheren  vertauschen. « 

Stettin,  4.  November  1836. 

»Ihr  sehr  geliebtes  Schreiben  vom  18.  Oktober,  in  welchem  Sie  mir  so 
gUtig  die  Annahme  meiner  Dedikation  der  ,Horazischen  Oden(  verheifien,  hat 
mich  sehr  begliickt.  Hier  nahen  sie  sich  denn  Ihnen,  und  ich  weiB  nicht, 
ob  das  Prinzip  des  Schonen  mit  dem  Bestreben  nach  dem  Richtigen  darin 
vor  einem  Kennerauge,  wie  dem  Ihrigen,  bestehen  wird.  Wenn  Sie  aof 
Ihrem  schonen  Nier stein  schon  lange  das  ,beatus  ille*  gesungen  haben,  mochte 
da  mein  ,otium'  auch  mit  anklingen!  Wie  sehr  wunschte  auch  ich  mit  einem 
in  meiner  Kunst  so  hellsehenden  Manne,  wie  Sie  sind,  so  manches  durch- 
sprechen  zu  durfen;  denn  ich  liege  hier  oben  auf  einer  hohen  und  rauhen 
Kante  des  geliebten  Yaterlandes  wie  ein  gefesselter  Prometheus  und  mufi 
mir  meine  eignen  Menschen  bilden,  ohne  mit  den  seligen  Gottern  des  Olympos 
verkehren  zu  konnen. 

Ich  studiere  jetztund  den  Hegel  in  Beziehung  auf  Ktinste  und  insbeson- 
dere  auf  Musik.  Der  Mann  hat  im  Abstrakten  Ausgezeichnetes  intuitiert, 
obschon  er  bekanntlich  gar  nicht  musikalisch  war.  Ich  wufite  nicht,  daB  in 
unsern  Kunstblattern  Hegel's  philosophische  Untersuchungen  iiber  Musik 
speziell  beriihrt  waren.  Wenn  man  diese  Abstraktionen  im  Konkreten  ver- 
folgt,  so  gestalten  sich  ganz  allerliebste  Besultate,  die  so  viele  Fragen  be- 
an tworten,  iiber  welche  hin  und  her  disputiert  ist.  Wenn  ich  mein  Heftchen 
fcrtig  habe,  werde  ich  es  Ihnen  einmal  durch  Schott1)  zur  Ansicht  zusenden; 
vielleicht,  daB  Sie  meine  Freude  dariiber  teilen.  Sie  glauben  nicht,  wie  klar 
und  konzis  der  Mann  iiber  Tonkunst  vorgetragen  hat,  da  man  allgemein  iiber 
seine  Unklarheit  klagt. 

Fur  ihre  giitigen  Mitteilungen  in  Beziehung  auf  Frankfurt  danke  ich 
Ihnen  verbundenst,  vielleicht  daB  Sie  Gelegenheit  nehmen,  dort  in  even- 
tuellem  Fall  auf  mich  aufmerksam  zu  machen;  ich  werde  auch  Schott  dar- 
um  ersuchen.  Die  Konkurrenz  ist  heut  zu  Tage  bei  ertraglichen  Stellen 
nur  sehr  groB,  und  Konnexionen  greifen  dabei  mehr  um  sich,  als  es  zur 
Ehre  der  Kunst  gut  ist.  Ich  freue  mich  auf  Keferstein's2)  Aufsatz.  DaB 
er  es  herzlich  gut  mit  mir  meint,  weiB  ich  im  voraus.  Unser  inniges  Freund- 
schaftsverhaltnis  mag  meinen  geringen  Leistungen  allerdings  wohl  einigeo 
Vorschub  leisten,  indeB  meint  er  es  mit  der  Kunst  zu  gut,  um  mir  auch 
nicht  merken  zu  lassen,  wo  meinen  Produktionen  der  Schuh  noch  druckt 
Ich  halte  iiber  meine  Sachen  jede  Meinung  in  hohen  Ehren,  sobald  sie  nicht 
kleinliche  Absichtlichkeit,  iiber  die  man  dann  freilich  auch  hinweg  mnfi  wie 
iiber  Leipziger  Ebenen.     VerdrieBlich  allein  ist  dort  die  Verstellungakunsi 

Die  Katzennatur  vertragt  sich  schlecht  mit  der  heitern  offenen  .Kunst. 

Sie  aber,  hochgefeierter  und  rUstiger  Herr,  mogen  noch  lange  in  Klar- 
heit  und  Schopferkraft  am  Kunsthimmel  leuchten  als  Doppelsteru  und  der 
Verehrung  und  Dankbarkeit  spiiterer  Geschlechter  gewiB  sein!  .  .  .c 

1    Die  bekauutc  Mainzer  Firma.  2)  Caecilia,  Bd.  18  vHeft  72\  S.  21»ff 


Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brief lichem  NachlaC.  483 

Stettin,  28.  Juni  1837. 
Ew.  Hochwohlgeboren  verfehle  nicht  die  ergebenste  Meldung  zu  machen, 
daB  ich  in  diesem  Sommer  eine  groflere  Rheinreise,  die  sich  juvante  Deo 
bis  in  die  Schweiz  ausdehnen  soil,  zu  unternehmen  beabsichtige.  Es  wtirde 
mich  sehr  glticklich  machen,  Ihnen  meine  ergebenste  personliche  Aufwartung 
machen  zu  diirfen.  Ich  kann  gestehen,  dafl  ich  mich  auf  diese  Ehre  unbe- 
schreiblich  freue.  Ihnen  meine  ,Balladen'  vorsingen  zu  diirfen,  ist  fur  mich 
ein  hoher  Preis  meiner  artistischen  Bestrebungen.  Falls  ich  vor  Ihnen  Gnade 
finde  und  Sie  es  ftir  der  Mtihe  wert  erachten,  mich  zu  empfehlen  .  .  .,  wiirde 
ich  nicht  anstehn,  auch  in  Darmstadt  einen  jBalladen-Cyklus*  offentlich  zu 
geben.  Vielleicht  daB  der  wackere  Herr  Kantor  Kink  es  tiber  n  ah  me,  dem 
Publikum  davon  eine  Anzeige  in  der  Zeitung  oder  eventuell  durch  Subskrip- 
tion  zu  machen.  Oder  vielleicht  hatten  Sie  die  Gnade,  mich  bei  Hofe  zu 
empfehlen;  vielleicht  daB  mir  das  Gluck  zuteil  wiirde,  der  GroBherzoglichen 
Familie  einige  ,Balladen(  vorzutragen.  Zu  meiner  Empfehlung  durfte  viel- 
leicht das  gereichen,  daB  ich  jedesmal  die  Ehre  habe,  Sr.  Konigl.  Hoheit 
unserem  Kronprinzen  von  PreuBen  bei  hochstdessen  zweimaligem  kurzen 
Aufenthalte  hier  in  Stettin  auf  seinen  Inspektionsreisen  ,Balladen'  vortragen 
zu  diirfen.  Eine  groBe  Komposition  ,Die  Festzeiten,  ein  geistliches  Ora- 
torium',  hat  mich  bis  jetzt  sehr  lebhaft  beschaftigt,  sodaB  ich  noch  nicht  an 
meine  Bearbeitung  der  Hegel'schen  Aesthetik  fur  die  ,Caecilia*  (soweit  sie 
musikalisch  ist)  gekommen  bin  .  .  .  Den  Text  zu  den  , Festzeiten*  mochte 
ich  Ihnen  wohl  vorlegen  diirfen,  um  dartiber  Ihr  Urteil  zu  hSren.  Da  dieses 
Werk  noch  nicht  einmal  ausgeschrieben  und  aufgeftihrt  ist,  so  wiirde  ich  es 
Ihnen  sehr  zu  Danke  wissen,  wenn  Sie  es  nicht  verschmahten,  etwanige  Ver- 
besserungen  vorzuschlagen  .  .  .« 


VH.   Aus  neun  Brief  en  von  Ferdinand  Hies  an  Gottfried  Weber. 

Diese  Briefe  enthalten  viele,  nicht  uninteressante  Einzelheiten.  Beinerkenswert 
ist  vor  allem,  was  Ferd.  Ries,  der  beriihmte  Pianist  und  Komponist  (1784 — 1838).  tiber 
seinen  Lehrer  Beethoven  sagt.  Von  den  Bestrebungen  der  Komponisten  und  Ver- 
leger  am  Anfang  der  dreifiiger  Jahre  des  19.  Jahrhuuderts,  gegen  den  Nachdruck 
wirksamc  Schritte  zu  unternehmen,  horen  wir  ziemlich  ausfdhrlich.  Bemerkenswert 
sind  auch  die  Urteile  von  Ries  ttber  Spohr's  >Pietro  v.  Abano<  und  Weber's 
»Oberon€,  sowie  seine  Stellungnahme  zu  der  von  Gottfried  Weber  aufgeworfenen 
Frage  der  Echtheit  des  Mozart'schen  »Requiein«. 

Godesberg,  2.  Okt.  1826. 

»Schon  langst  hegte  ich  den  Wunsch,  die  Bekanntschaft  Euer  Wohlge- 
boren  personlich  zu  machen,  eines  Mannes,  der  so  viel  Verdienst  und  Interesse 
um  unsere  Kunst  hat,  und  mit  Vergniigen  sehe  ich  diesem  Augenblicke  bald 
entgegen,  indem  ich  eine  Kunstreise  im  November  machen  werde  und  eigens 
deswegen  nach  Darmstadt  kommen  will,  wo  ich  auch  hoffe,  die  Anspruche 
auf  das  so  riihmlichst  bekannte  Orchester  realisiert  zu  horen,  welches  mich 
um  so  mehr  interessieren  wird,  weil  ich  uber  Frankfurt,  Cassel,  Leip- 
zig, Berlin  nach  Holland  gehen  will  und  also  fast  alle  unsre  ersten  Or- 
chester horen  werde. 

Ich  nehme  mir  die  Freiheit,  Ihnen  einen  Brief  tiber  das  .Requiem*  [von 
Mozart]  zuzuschicken.  Ich  kann  Ihnen  nicht  sagen,  mit  welchem  Interesse 
ich  Ihre  vortrenliche  Attacke   auf   dieses  Werk,  womit  Sie  die  ganze  musi- 

s.  d.  iug.  x.  32 


484  Wilh.  Altmann,  Aug  Gottfried  Weber's  brieflichem  NachlaB. 

kalische  Welt  in  Aufruhr  gebracht  haben,  gelesen  babe.  Ich  bin  tiberzeugt, 
jeder  ecbte  Musikliebhaber  und  Kiinstler  zollt  Ihnen,  wenn  nicht  offentlich, 
docb  beimlicb  seinen  warmsten  Dank  dafUr,  und  ich  hoffe,  da£  Hire  viele 
Mfihe  durcb  die  ganzliche  Aufklarung  dieses  beriihmten  Ratsels  endlich  be* 
lobnt  werden  wird  .  .  .« 

Frankfurt  a.  M.,  10.  Dez.  1826. 
»Sie  erhalten  bier  Weber's  ,Oberon'  zuriick  mit  meinem  recht  hexslichen 
Danke  —  ich  kann  jetzt  nur  noch  mehr  bedauern,  diesen  aufierordentlichen 
Kiinstler  so  friih  verloren  zu  haben ;  es  sind  ganz  vortreffliche  Sachen  daria 
—  aber  was  muii  er  [in  London]  Mtihe  und  Verdrufl  mit  S&ngern  und 
Orchester  gehabt  haben,  denn  das  letztere  ist  fiirchterlich  dort  besetzt.< 

Frankfurt  a.  M.,  12.  Mai   1827. 
»Mein  sehr  geehrter  Herr  und  Freund. 

Meinen  recht  herzlichen  Dank  ftir  Ihre  werte  Zeitschrift,  die  mir  dop- 
pelt  Vergniigen  machte,  indem  ich  mich  in  Ihrem  Andenken  so  giitig  anf- 
genommen  finde  und  indem  ich  Ihnen  zum  Sieg  inbetreff  des  [Mozart'schen] 
,Requiems',  wo  Sie  sich  im  ersten  Augenblicke  mit  der  ganzen  musikalischen 
Welt  zu  uberwerfen  schienen,  Glttck  wiinsche.  Wahrlich  die  Beweise  sind 
gut  und  so  kraftig,  wie  sie  wohl  sein  kSnnten.  Was  macht  denn  nun  die 
aufgefundene  eigene  Handschrift  und  das  Zeugnis?  Ihr  Beweis  scheint  so 
ganz  anspruchslos  und  natiirlich,  dafi  es  die  Herrn  verdammt  argern  mufi. 
Die  Aufklarung  ist  wirklich  hubsch  und,  ich  mufi  gestehen,  so  —  habe  ich 
sie  nicht  erwartet.  Es  wird  Ihnen  wirklich  viele  Freude  machen:  die  Lent- 
chen  miissen  gar  zu  gescheid  aussehen,  wenn  sie  [!]  dieses  Heft  der  ,CacihV 
einer  dem  andern  vorliest.  In  Dresden  existiert  eine  Partitur  des  ,  Requiems', 
wo  sich  das  Posaunen-Solo  findet:  Kapellmeister  Morlachi  *)  sagte  mir,  er 
habe  es  kiirzlich  so  aufgefiihrt,  und  es  mache  einen  furchterlichen  Eindmck. 

Ich  habe  mich  nun  in  Ihrer  Nahe,  wenigstens  auf  eine  Zeit  lang  (viel- 
leicht  ganz)  etabliert  und  hoffe,  dafi  ich  dadurch  all  das  Vergniigen  haben 
werde,  Sie  mehreremal  und  ofter  zu  sehen,  welches  ich  sehr  wiinsche:  audi 
noch  um  so  mehr,  da  ich  jetzt  meine  Opera  arbeite  und  Ihr  Kenner-,  Kri- 
tiker-  so  wohl  als  Freundesurteil  dariiber  ganz  ohne  Schonung  hdren  mochte. 
Ich  habe  so  manches  Feld  in  der  musikalischen  Welt  schon  betreten,  dafi 
ich  auch  daran  mufite.  Ich  hoffe,  das  Sprichwort  wird  sich  nicht  an  mir 
bewahrt  fin  den  ,Der  Esel  will  aufs  Eis  gehen.'  Ich  mufi  ilbrigens  wenig 
aufrichtige  und  musikalisch  gescheite  Freunde  haben,  wenn  nicht  wenigsteu 
etwas  Gutes  daran  sein  sollte.  Komplimente  erhalte  ich  genug.  Ich  habe 
9  Nummern  fertig.  Das  Sujet  [>Die  Bauberbraut<]  geht  iibrigens  mit  natur- 
lichen  Sachen  um.     Verliebt  mufi  man  ex  officio  schon  dabei  sein.« 

Frankfurt,  26.  Okt.    1827. 

>Ich   war  in  Cassel  uLd  sah  Spohr's  neue  Oper   ,Pietro    von   Abano1. 

Die  Musik  ist  allerdings  sehr  schon,  manche  Sachen   ausgezeichnet    neu  uad 

interessant  gehalten  —  auch  sind  einige  sehr  muntere  Sachen  darin  —  alleii 

das  Sujet   ist  schrecklich  —  man   hat   von   Anfang   bis    ans  Ende    fast   nur 

1)  Francesco  Mo  r  lace  hi  (1784 — 1841),  seit  1810  Kapellmeister  an  der  italieniscbti 
Oper  in  Dresden. 

2)  Vgl.  fiber  die9c  eigenartige  Oper  auch  meinen  Aufaatz  » Spohr's  Beziehnnget 
zur  Generalintcndantur  der  Konigl.  Schauspiele  in  Berlin*.  Neue  Zeitschr.  f.  Mn&> 
Jhrg.  71    1904),  Nr.  11. 


Wilh.  Altmann,  Ana  Gottfried  Weber's  brief  licbem  Nachlafi.  485 

mit  Toten  und  Halblebenden  zu  schaffen,  mit  zuviel  Religion  vermischt,  wo- 
duroh,  obschon  das  Interesse  sebr  erregt  wird,  dennoch  eine  unangenebme 
Geisteastimmung  entsteht,  und  ich  fiirchte,  am  bo  mehr,  wenn  der  Beiz  der 
Neuheit  des  Sajets  verloren  ist. 

Aucb  warde  [Weber's]  ,Oberon'  aufgefiihrt  —  und  ich  wurde  nicht  ganz 
befriedigt,  ich  hatte  mir  vielleioht  zu  viel  versprochen  .  .  .  Das  Sujet  spricht 
mich  nicht  an;  sehade,  dafi  wir  Deutsche,  die  docb  gewifi  in  der  Musik 
obenan  stehen,  es  mit  unsern  Opernsujets  gegen  die  Franzosen  gar  nicht 
aufnehmen  konnen  —  sonderbar  dafi  man  bei  den  Italienern  nicht  einmal 
daran  denkt  —  diese  scheinen  wirklich  ein  Privilegium .  darin  zu  haben. « 

Frankfurt,  9.  Febr.  1828. 
»Was  soil  ich  zu  Beethoven's  Pasquill1)  auf  Sie  sagen?  Er  hat  sich 
zu  einem  dummen  Streiche  verleiten  lassen  —  und  der  Herausgeber  hat 
einen  schandlichen  daraus  gemacht.  Es  ist  iiberbaupt  ein  elender  Mifibrauch 
Privatbriefe  ohne  Beistimmung  des  Autors  dem  Publikum  zu  iibergeben 
(das  konnte  man  bei  ihm  freilich  nicht  mehr  fordern,  allein  hatte  Beet- 
hoven es  gewollt,  so  ware  dieser  Brief  doch  bei  seinen  Lebzeiten  heraus- 
gekommen),  besonders  von  Menschen,  die  vom  Schreiben  keinen  besonderen 
Gebrauch  machen  —  auf  seine  No  ten  hat  die  Welt  ein  Becht  —  denn  er 
hat  sich  selbst  dafur  gestempelt  —  aber  [aufj  seine  Worte  nicht.  Dafi  Sie 
es  faksimilieren  lassen,  finde  ich  excellent:  Sie  zeigen  der  Welt,  dafi  Sie 
nichts  darnacb  fragen.  Da  er  tot  ist,  konnen  Sie  nichts  mehr  von  ihm  ver- 
laogen  —  lebte  er  noch,  so  wiirde  ich  (Weber)  ihm  ein  Exemplar  Ubersendet 
haben  —  und  ich  glaube,  Sie  hatten  eine  Antwort  erhalten,  welche  die 
andern  nicht  so  leicht  faksimilieren  liefien.  Beethoven  war  der  recht- 
lichste,  gutherzigste  Mann,  den  man  finden  konnte,  allein  sein  aufbrausendes 
und  mifitrauisches  Temperament  verfUhrte  ihn  jeden  Augenblick  zu  Sachen,  die 
er  nachher  bereute  und  mit  ganzem  Herzen  gutzumachen  suchte.  Man  hat  diese 
kleinliche  Rache  nicht  einmal  lassen  konnen,  obschon  er  sich  am  Ende  Uber 
Stadler's  Stand  als  Abbe  moquiert  hat.  Wollen  diese  Herren  recensieren, 
kritisieren,  so  haben  sie  ein  voiles  Becht  dazu;  sie  sollen  es  aber  offen,  mit 
dem  Musiksttick  in  der  Hand  tuen,  Ursachen,  Griinde  angeben,  und  man 
mufi  es  respektieren  —  aber  dazu  ware  Beethoven  der  schlecb teste  von 
alien  gewesen  —  Sie  haben  keine  Idee,  wie  unbeholfen  er  darin  war,  wirk- 
lich unglaublich  so.  Ich  habe  es  manchmal  mit  meinen  eigenen  Sachen  und 
andern  mit  Erstaunen  bemerkt.  Er  konnte  auch  nicht  eine  Ursache  oder 
Begel  angeben :  ungeschickter  sich  zu  verdeutlichen  konnte  man  nicht  sein. « 

Frankfurt  a.  M.,  14.  April  1831. 

»Verehrter  Freund.  Es  war  mein  fester  Entschlufi,  Ihnen  [!]  bald  nach 
meiner  Ruckkunft  von  Berlin  zu  besuchen,  allein  dies  ist  nun  so  lange 
verschoben  worden  und  mufi  es  auch  jetzt  noch  langer  bleiben.  Ich  habe 
einen  Antrag  von  Dublin,  wo  das  erste  grofie  Musikfest  im  Juli  sein  soil, 
angenommen,  mein  Oratorium  [,Der  Sieg  des  Glaubens']  aufzufiihren  —  ich 
gehe  vorher  ein  paar  Monate  nach  England  und  durch  Brief e  meines  Bru- 
ders  dort  finde  ich  mich  veranlafit,  diese  Reise  zu  beschleunigen  und  gehe 
achon  nachsten  Dienstag  weg. 

Ich  habe  von  den  Musikverlegern  von  Leipzig  aus  mit  Ihnen  spreohen 

1)  Vgl.  Caecilia,  Bd.8  (Heft  29;  1828),  S.  60ff.;  Beethoven's  Briefe,  hrsg.  v, 
Kalischer,  V,  (1908)  226 f. 

32* 


486  Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brief  lichem  NachJaG. 

sollen,  ob  Sie  die  Schrift  und  notigen  Schritte  beim  hiesigen  Bundestag 
ubernehmen  wollten  inbetreff  des  Nachdrucks1).  Sie  mfisaen  jemand 
tiichtigen  and  einen  Sachkundigen  dazu  haben  —  ob  jetzt  der  Augenblick 
ist,  weiB  icb  niclit.  Ich  lasso  die  Sache  fur  diesen  Augenblick  rnhen,  denn 
diese  Eingabe  muB  sich  nicht  vertagen ,  ehe  sie  zur  Sprache  kommt,  and 
vorher  muB  ich  das  Ganze  mit  Ihnen  einmal  genau  uberlegen  —  so  kann 
es  nicht  fortgehen :  uberall  entsteben  kleine  Musikhandlungen,  die  respektable 
rainier  en,  weil  sie  ihnen,  was  gang  und  gebe  ist,  nachstechen,  kein  Honorar 
geben  konnen,  weil  sie  kein  Geld  und  keine  Konnection  haben  und  nor 
Haubgesindel  ist  [!].  So  horte  ich  gestern,  daB  bier  in  Frankfurt  ein  ge- 
wisser  Lohr  meine  Ouvertiire  zur  ,Rauberbraut'  nachgestochen  hat  —  ich 
wohne  selbst  an  diesem  kleinen  Ort  und  habe  in  meinem  Leben  den  Namen 
nicht  gehort.  In  Berlin  sollen  in  2  Jahren  17  Musikhandlungen  entstan- 
den  sein,  und  da  sie  keine  Komponisten  dort  haben,  mussen  sie  vom  Baube 
anderer  ehrlicher  Leute  leben. 

Es  war  mir  recht  leid,  die  Blahetka2)  nicht  kennen  gelernt  zu  haben, 
besonders  nach  Ihrer  Empfehlung  —  meine  Frau  sagte  zwar:  ,sieh  einmal, 
der  Alte!!'     Da   ich   auch   darunter  gehore,  ist  darin  nichts  Arges  gemeint 

Die  Belleville3)  hat  sehr  viel  Fertigkeit,  aber  das  schien  mir  audi 
alles;  das  Geflihl  war  affektiert  wie  das  ganze  Person chen.  Sie  hat  hier  und 
in  Berlin  wohl  mehrere  Bewunderer,  kein  en  Freund  zuriickgelassen  — 
na  eh  re  re  ziehen  die  Blahetka  vor.« 

[Frankfurt  a.  M.,  Dez.  1831.] 
».  .  .  In  England  ist  es  mir  wieder  gut  gegangen,  ich  habe  alte  Freunde 
wieder  gefunden  und  mich  gefreut,  dieses  schone  Land  einmal  wiederzusehen. 
Meine  neue  Oper  hat  dort  viel  Gliick  gemacht.  "Wir  armen  deutschen 
Kiinstler  konnen  nur  auBer  unserm  Yaterlande  ein  ordentliches  Stuckchen 
Brot  und  Anerkennung  finden.  Ich  arbeite  jetzt  an  einer  dritten,  die  aber 
ernsthaft  ist  .  .  .  Kommen  Sie  nicht,  den  ,Templer4)  und  die  Judin*  hier 
sehn?  Es  sind  schone  Sachen  darin,  und  Sie  mochten  Ihre  Beise  nicht  be- 
reuen.« 

Frankfurt  a.  M.,  14.  Febr.   1832. 

»Ihren  Brief  hatte  ich  friiher  beantwortet,  wenn  ich  nicht  gern  mit 
einigen  Herren  vom  Bundestag  ausfiihrlicher  uber  die  Sache  gesprochen 
hatte  —  das  ist  nun  dennoch  nicht  geschehen,  indem  ich  4  vergebliche 
Gange  machte. 

Wenn  den  Herrn  Verlegern  das  Messer  wieder  einmal  etwas  scharf  an 
den  Hals  kommt,  so  fangen  sie  wieder  an  zu  schreien.  Wie  ich  in  Leip- 
zig war,  war  alles  warm:  ich  sollte  hauptsachlich  nur  machen,  daB  Sie  die 
Sache  ubernehmen  mochten,  hier  mit  Gesandten  reden  etc.  —  aber  dabei  ist 
es  geblieben.  Auch  ich  habe  weder  ein  Wort  seit  der  Zeit  gehort  noch 
(wahrscheinlich  wollen  sie  mich  encouragieren)  eine  Note  Manuskript  ver- 
kauft  —  auBer  jetzt  ein  Quintett  an  Schott  —  die  Herrn  Kollegen,  die 
Kompositeurs,  haben  mir  auch  Briefe   und  Yollmachten   geschickt   auBer  die 

1)  In  einem  Zirkalar  vom  1.  Januar  1831  hatten  J.N.  Hummel,  Ferd.  Riei 
und  Louis  Spohr  zu  gesetzgeberischen  Schritten  gegen  den  Nachdrnck  aufgefordert. 

2)  Marie  Leopoldine  Blahetka  (1811—1887),  bedeutende  Pianistin  u.  Komponistio. 

3)  Emilie  Belleville  (1808—1880,  vermahlt  mit  dem  Geiger  Oury),  bedeutende 
Pianistin.  4^  Die  bekannte  Oper  von  Marschner. 


Wilh.  Altmann,  Aug  Gottfried  Weber's  brief lichem  NachlaB.  487 

Wiener,  wovon  sich  nup  einer,  namlich  Sey fried1)  findet  —  ich  glaube 
daher,  daB  die  Wiener  Yerleger  es  nicht  besser  machen  werden,  und  dann 
wird  die  Sache  wahrscheinlich  hier  nicht  durchgehen,  indem  der  Oester- 
reichische  und  Badensche  Gesandte  die  vorige  Geschichte  mit  dem  Nach- 
drucken  der  Bticher  wo  nicht  hintertrieben ,  doch  das  Ganze  bedeutend  ge- 
schwacht  haben.  Kaine  Herr  von  Nagler  an  das  Presidium,  bo  hatte  ich 
mehr  Hoffnung,  daB  er  etwas   allgemein  Gutes  untersttitzen  wiirde. 

Was  Ihr  Werk  verdient,  sagt  Schott  allerdings  sehr  richtig,  aber  der 
Bundestag  unterhalt  sich  hier  mit  andern  Ehren  —  klassischen  Ehren  zwar 
auch,  doch  will  hier  die  bose  Welt  sagen,  das  klassischste  von  allem  seien 
ihre  Diners.  Was  man  Goethe  eingestand,  hatte  man  vielleicht  seinem 
ungeheuren  Talente  und  Genie  weniger  als  seinem  Titel  Excellenz  und 
Minister  zugestanden.  Es  laGt  sich  gewLB  nicht  leugnen,  daB  Beethoven 
in  seiner  Art  eben  ein  solches  Genie  ist  —  ich  glaube  nicht,  daB  er  etwas 
Ahnliches  durchgesetzt  hatte  —  und  zweifle  auch  fur  Ihnen. 

Schott  muBte  sich  durch  seinen  Gesandten  Herrn  von  Go  eben  an  den 
Bundestag  wenden,  ich  glaube  besser  aber,  ihm  erst  dariiber  privatim 
schreiben  —  ich  war  gestern  noch  bei  ihm,  es  waren  aber  mehrere  Besuche 
dort,  und  ich'  konnte  ihm  deswegen  davon  nicht  sprechen.  Mit  seinem 
Sekretar  Herrn  von  Goldner  bin  ich  sehr  intim,  will  ihm  auf  jeden  Fall 
gehorig  proponieren. 

Der  Yollmond  ware  wieder  da,  aber  ich  kenne  Ihnen  [!] :  da  deren  noch 
mehrere  kommen,  wird  es  wohi  wioder  verschoben  werden,  obwohl  ich  Ihnen 
sehr  gern  liber  dieso  Sache  und  manche  andere  sprechen  mochte. 

Meine  ,Rauberbraut/  kann  jetzt  gar  nicht  gegeben  werden.  tTnsere 
Damen  sind  alle,  wie  man  sagt,  auf  dem  Hund.  Gestern  wurden  ,Die 
Bachanten'2)  zum  ersten  Mai  gegeben  —  die  Musik  (ist  die  Musik?)  hier  wird 
sie  kein  Gliick  machen;  ein  sehr  versprechendes  Madchen  mit  einer  schonen 
Stimme  trat  darin  auf.  Nachsten  Montag  reise  ich  nach  Koln,  wo  meine 
neue  Oper  f,Liska']  gegeben  wird.  Ende  nachsten  Monat  wird  sie  hier 
gegeben.  Nachsten  Montag  wird  hier  der  ,Liebestrank'  von  Auber8)  gegeben; 
es  soil  nicht  viel  daran  sein.« 

Frankfurt  a.  M.,  12.  Sept.  1837. 
>Um  Ihnen  zu  beweisen,  mein  werter  Freund,  daB  ich  noch  nicht  unter 
den  Toten  bin,  schicke  ich  Ihnen  hier  ein  neues  Quintett  und  bitte  es  mit 
MuBe  durchzusehen  und  zu  recensieren  oder  recensieren  zu  lassen.  Ich  hatte 
gewunscht,  daB  Sie  es  horen  konnten.  Gern  ware  ich  mit  unsrem  Freunde 
Meyerbeer  heute  heruntergekommen ,  um  einmal  mit  Ihnen  wieder  etwas 
zu  plaudern,  denn  das  ist  seit  Jahren  nicht  mehr  geschehen,  allein  ich  muB 
mich  heute  Abend  in  einer  Gesellschaft  ennuyren,  die  ich  nicht  ablehnen 
kann.  Nachstens  werde  ich  Ihnen  auch  mein  neues  Oratorium  ,Die  Konige 
in  Israel*  schicken  .  .  .«. 

VII.  Aus  einem  Briefe  von  Dr.  A.  Schmidt  an  Gottfried  Weber. 

Greifswald,  3.  April  1827. 
»Am  30.  Marz  hatte  ich  die  Ehre  im  hiesigen  Konzertsaale  zwei  Meister- 
werke,    namlich  Ihr  ,Requiem*  .  .  .    und  Michael  Haydn's  ,Jubel-Messe*  .  . 

1)  Igiiaz  Hitter  von  Seyfried  1776-1841. 

2)  I  bacchanti  von  Ferd.  Paer.  3}  »Le  philtre*    1831). 


468  Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  briefliohem  NachlaB. 

aufzufiihren.  Beides  fand  den  ungeteilten  Beifall,  indem  alles  mit  mdgiichster 
Sorgfalt  einstudiert  war.  Die  hiesigen  Kunstkenner  fanden  dae  ,  Requiem' 
groBartig,  erhaben,  erschtttternd  und  iiberall  hochst  originell ;  malerisch,  doch 
strong  gehalten  in  seiner  kirchlichen  Form  konne  man  es  unbedingt  klassisch 
nennen.  Ich  wurde  anfgefordert,  es  doch  bald  einmal  in  der  Kirche  zu  geben, 
wo  der  Eindruck  unbeschreiblich  sein  mtisse  .  .  .« 


vm,    Aus  einem  Briefe  des  Hofrats  Joh.  Ph.  Schmidt  an 
Gottfried  Weber. 

Betr.  seine  Oper  »  Alfred  der  GroBe*. 

Berlin,  24.  April  1829. 

»Auf  Spontini's1)  Empfehlung  fur  einen  andern  (auBer  ihm  selbst)  ist 
dabei  schwerlich  zu  rechnen,  so  befreundet  ich  auch  mit  ihm  zu  sein  be- 
ehrt  bin  .  .  . 

Da  ich  50  Jahre  alt  werde,  ist  dies  mein  letztes  dramatisches  und 
erstes  groBeres  Work,  in  dem  ich  die  Kunst  und  Erfahrungen  eines  viei- 
bewegten  Lebens  niedergelegt  und  daher  eine  besondere  Yorliebe  dafor  babe. 
Freilich  ist  jetzt  Auber  sehr  in  der  Mode,  und  der  deutsche  Tonsetzer 
hat  an  dem  Zeitgeschmack  des  groBen  Publikums  einen  siegreichen  Gegner. 
Doch  wird  die  beabsichtigte  Wahrheit  des  dramatischen  Ausdruckes  and 
das  Streben  nach  Charakteristik  nie  ganz  seinen  Zweck  verfehlen,  wenn  es 
auch  nur  von  wenigen  erkannt  wird. « 


IX.    Aus  zwei  Brief  en  der  Pirma  B.  Sohott's  Sonne  in  Mains  an 

Gottfried  Weber. 

Der  erste  Brief  brhigt  Elagen  des  Verlags  der  »Gaecilia<  iiber  deren  auBeren 
MiBerfolg,  dor  zweito  beweist,  wic  sehr  im  Jahr  1831  das  Musikaliengesehaft  unter 
dem  Polen-Aufstand  und  der  Cholera  gelitten  hat. 

27.  Jan.    1827. 

»Die  Zeitschrift  Cae  cilia  haben  wir  mit  groBen  Aufopferungen  be- 
gonnen  und  zeither  fortgesetzt.  DaB  sowohl  Ihre  sehr  groBe  Tatigkeit  ab 
auch  Gelehrsamkeit  den  Ruhm  dieser  Zeitschrift  begriindet  hat,  gestehen  wir 
wohl  zu,  allein  nichts  desto  weniger  werden  die  Abonnenten  mit  jedem  Bande 
geringer  an  Zahl,  besonders  aber  nach  dem  Streit  mit  Stadler2).  Ob  dieses 
wirklich  der  wahre  Grund  ist,  wollen  wir  nach  unsern  Ansichten  gern  be- 
zweifeln,  obschon  uns  solches  von  vielen  Seiten  her  eroffnet  wurde. 

Der  Grundsatz,  mit  welchem  wir  die  Herausgabe  der  Caecilia  unter- 
nommen,  ist  heute  noch  derselbe :  in  diesem  Unternehmen  keinen  Vor- 
teil  zu  suchen.  DaB  wir  fur  den  An  fang  Aufopferungen  bringen  muBten, 
war  uns  ebenfalls  bekannt,  und  dies  haben  wir  getan  so  gut  wie  jeder  Unter- 
nehmer  der  Art.  Allein  daB  wir  uns  fortwahrend  dazu  verstehen  sollen, 
konnen  wir  ebenso  wenig  wie  jeder  andere  .  .  . 

Von   dem  Aufgeben   des  Unternehmens   ist  uns  noch  nichts  in   den  Sinn 

1)  Tatsachlich  ist  Joh.  Ph.  Schmidt's  > Alfred  der  GroOec  auf  Veranlassung  Spon- 
tini's  an  der  Berliner  Oper,  freilich  nur  zweimal,  gegeben  worden;  vgl.  Altmann 
in:  Sammelb.  d.  IMG.  IV,  283. 

2)  Abt  Maximilian  Stadler  (1748—1833)  vertcidigte  im  Gcgensatz  zu  Gottfried 
Weber  lebhaft  die  Echtheit  des  Mozart'sehcn  » Requiem «  in  einer  eigenen  Scbrift 
^"y;  Naclitrag  1827);  vgl.  iibrigeiis  Beethoven's  Briefe  hrsg.  v  Kalischer  V,  221. 


Wilh.  AHmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brieflichem  Nachlafi.  489 

gekommen,  wir  warden  die  Zeitschrift  fortsetsen,  auch  ganz  ohne  Vorteil 
wie  oben  bemerkt,  und  dem  Redakteur  sowohl  all  wie  den  Mitarbeitern 
durch  Zahlung  ihres  Ghithaben  die  Sicherheit  steUen,  welohe  verlangt  werden 
konnte  .  .  . 

Daft  in  Darmstadt  vielleicht  mehr  als  an  andern  Orten  von  dem  letzten 
Seafzer  der  Caecilia  gesprochen  wird,  glauben  wir  wohl,  denn  die  Leute 
haben  dort  Zeit  zu  Klatschereien,  allein  ee  iat  doch  an  dem  Gerede  etwas, 
allein  es  beziebt  sich  mebr  auf  Hire  Personality  denn  es  kam  uns  schon 
oft  und  von  vielen  zu  Ohren,  daft  Sie  die  Zeitschrift  nicht  fortzusetzen  im- 
stande  waren;  wie  wir  dagegen  gesprochen  und  geschrieben  haben,  mdgen 
Sie  selbst  beurteilen ;  Neider  und  Feinde  haben  Sie  genug!« 

Mainz,  d.  4.  August  1831. 
»Aus  Ihrem  Briefe  vom  2.  dieses  ersehen  wir,  dafi  Sie  zweimal  33  Gul- 
den in  8  Tagen  und  3  Wochen  auf  uns  gezogen  haben,  und  wir  werden 
hoffentlich  die  Gelder  dazu  aufbringen.  Obschon  diese  Bemerkung  heut  zu 
Tage  am  rechten  Ort  ist,  auch  bei  so  kleinen  Summen,  so  liegt  die  Ursache 
auch  ebenso  klar,  wenn  wir  Ihnen  bekennen,  dafi  unsere  Ladeneinnahme 
noch  nie  so  gering  gewesen  wie  diesen  Sommer:  aller  Mut  ist  den  Menschen 
benommen,  jeder  tragt  nur  Besorgnis  und  Wttnsche  in  seiner  Brust.  Man 
wunscht  Friede  und  wUnscht  Polen  Htilfe  und  Sieg  und  die  Cholera  wie- 
der  nach  Asien  zuriick.  So  wie  Polen  in  Nachteil  gerat,  so  erwacht  immer 
starker  ein  grofierer  Hafi  gegen  Preufien  und  eine  Zuneigung  zu  Frank- 
re  ich.  Wie  sich  alles  dieses  noch  aufklaren  wird  und  wie  die  Geschafte 
wieder  sich  erheben  oder  mehr  sinken  werden,  das  verhiillt  noch  die  Zu- 
kunft.« 

X.  Bobert  Schumann l)  an  Gottfried  Weber. 

Leipzig,  am  11,  Januar  1834. 
»Ew.  Hochwohlgeboren 
mochte   ich  lieber   mit  dem   schSnen   Namen   ,Lehrer  und  Meister*   anreden 
durfen,  wenn  auch  eine  etwas  freie  Weltansicht,  die  sich  hier  und  da  in  den 
beiliegenden  Kompositionen  ausspricht,  Sie   verleiten  konnte,  meine  Studien 
fur  j linger  zu  halten  als  mich  selbst,  namlich  nicht  viel  iiber  zwanzig  Jahre. 

Mit  einer  gewissen  Scheu  stelle  .ich  Ihnen  die  ersten  Kinder  vor,  aber  auch 
freudig  und  dankbar  im  voraus,  nicht  weil  ich  erwarte,  dafi  Sie  iiber  den 
Mafistab  des  Alters  den  der  Leistung  vergessen  und  deshalb  riicksichtsvoller 
urteilen  wlirden,  sondern  weil  sie  zum  ersten  Mai  einem  hochverehrten  Geiste 
naher  geriickt  werden,  der  ihnen  das  Bild  der  Schonheit  nicht  aus  mathe- 
matischen  Linien  zusammensetzt. 

Meinem  schiichternen  Wunsch,  dafi  Sie  sie  vielleicht  der  Welt  in  Ihrer 
,Caecilia(  mit  ein  paar  Worten  selbst  vorstellen2)  oder  vorstellen  lassen 
mochten,  habe  ich  noch  die  Bitte  um  Entschuldigung,  dafi  ich  mich  direkt 
an  Sie  wende,  hinzuzusetzen,  da  ich  gar  wohl  weifi,  wie  sparsam  Ihnen  die 
Stunden  zugemessen  sind  —  den  ,Papillons(,   dafi  sie  teilweise  nach  dem 

1)  Nach  dessen  mehrfaoh  abweichendem  »Conceptbuchc  gedruckt:  Robert  Schu- 
mann's Briefe.    Neue  Folge.    Hrsg.  v.  F.  Gustav  Janaen.    2.  Aufl.  (1904)  S.  46. 

2)  Im  62.  Heft  der  > Caecilia*  (Bd.  16,  1834)  hat  G.  Weber  Schumann's  Papillona 
[op.  2],  Theme  varie  fop.  1],  die  Intermezii  op.  4  und  die  Impromptus  op.  5  im  all- 
gemeinen  recht  giinstig  besprochen. 


490  Wilh.  Altmann,  Am  Gottfried  Weber's  brieflichem  NachlaB. 

letzten  Kapitel  der  ,Flegeljahre*  *)  entstanden,  ohne  gerade  ein  korperliches 
Bild  geben  zu  wollen,  und  dafi  ich  sie  dann  so  gefiigt,  dafi  man  darin  etwas 
yon  Larventanz  am  Schlufi  des  Buches  merken  mochte  nnd  vielleicht  etwas 
von  Win  as  Auge  hinter  der  Maske  —  den  ,Paganinischen  Capricen',  dafi 
sie  eine  herrliche,  aber  etwas  herculische  Arbeit  fur  mich  gewesen,  da  es  in 
oft  inkorrekter,  obwohl  meist  einstimmiger  Harmonieflihrung  manches  aus- 
zurotten  gab  —  den  samtlichen  funfen,  dafi  Ihnen  das  Kurze  und  Bhapso- 
dische  darinnen  nicht  unangenehm  auffallen  mochte,  da  Sie  wissen,  wie  froh 
tiberhaupt  junge  Autoren  sein  mussen,  wenn  nur  von  ihnen  gedruekt  wird  — 
endlich  die  Versicherung,  dafi  diesen  fleifiigere  und  grofiere  Ausbriiche  folgen, 
nach  welchen  der  Mensch  wie  der  Vesuv  leichter  zu  beurteilen  ale  nach  so 
ausgeworfenen  Steinchen. 

Herr  Wieck,  der  mein  wertester  Lehrer  und  Freund,  wie  seine 
Tochter  Klara,  die  sich  immer  reicher  entwickelt,  lassen  sich  Ihnen  in 
Hochachtung  und  Verehrung  empfehlen,  was  ich  selbst  tue,  der  ich  Ihnen 
fur  Giite  und  Nachsicht  nichts  geben  kann  als  meinen  einfachen  Namen.* 


XI.  Aus  14  Brief  en  yon  N.  Simrook  an  Gottfried  Weber. 

Mit  ganz  besouderem  Vergniigen  veroffentliche  ich  die  Ausziige  aus  den  Briefen 
des  mit  einer  guten  Dosis  Humor  begabten  Musikverlegers  Nicolaus  Simrock  (1732 
bis  1834).  der,  nachdem  er  als  Waldhornist  der  kurftirstlichen  Kapelle  in  Bonn  angehort 
hatte,  1790  den  heute  so  beriihmten  Musikverlag  begrundete.  Wie  schwer  es  ihm  in 
den  Ericgsjahren  1806 — 1815  geworden  ist,  das  G-eschaft  weiterzufuhren,  da  die  Noten- 
stechor  meist  in  den  Krieg  muBten,  erfahren  wir,  ferner  wie  er  unter  der  Konkurreni 
zu  leiden  hatte  und  trotzdem  unermiidlich  Partituren  und  Klavierausziige  herans- 
brachte.  Er  nimmt  far  sich  das  Verdienst  in  Anspruch,  die  GroCe  Bach's  fruhzeitig 
erkannt  zu  haben,  will  auch  dessen  >wohltemperiertes  Klavierc  dem  jungen  Beet- 
hoven gegeben  haben.  Er  mufi  cin  prachtiger  Mann  gewesen  sein,  der  das  Herz 
auf  dem  rechtcn  Fleck  hatte  und  sein  Geschaft  nicht  blofi  vom  rein  kaufmannischen 
Gesichtspunkte  aus  betricb. 

Bonn,  4.  November  1806. 

>.  .  .  Konnen  wir  mit  denFlaut-Sachen 2)  gegen  Musikalien  auf  eine 
billige  Art  eins  werden,  so  lassen  Sie  mich  Ihre  Konditionen  wissen  — 
gegen  bares  Geld  kann  ich  mich  in  diesem  Augenblick  gar  nicht  einlassen. 
---  In  Frankreich  liegt  aller  Handel  stille,  das  mittagige  Deutschland 
hat  sich  noch  [nicht]  erholt,  und  fur  Norden  wissen  wir  nur  einstweilen,  dafi 
fiir  diesen  Winter  alle  Musikhaberei  darniederliegt.  < 

Bonn,  5.  April  1807. 
(will  auf  das  Titelblatt  von  Weber'schen  Ai*rangements  fur  FlSte  auf  Wunsch 

»arrangiert«   setzen.) 

».  .  .  obwohl  gar  viele  Musikliebhaber  einen  Abscheu  vor  all  em  haben. 
wo  nur  arrangiert  darauf  steht.  Dies  ist  freilich  nur  ein  Vorurteil,  aber  es 
ist  doch  fiir  den  Yerleger  sehr  nachteilig.  .  .  .  Diesen  Sommer  gedenke  ich 
alles  herauszugeben ,  wenn  mir  nicht  eine  neue  Konskription  wieder  einen 
bald  ausgelernten  Stecher  wegnimmt.c 

Bonn,  20.  Sept.  1807. 
>Konnen  [Sie]  sich  mit  Musikalien  furs  Honorar  begntigen,   so  wird'e  mir 
sehr  lieb  sein,    denn  der   Herr    ,baar  Geld*   ist   wirklich   am  Sterben,    wenn 

1)  Von  Jean  Paul.  2j  Vgl.  Einleitung  Nr.  I. 


Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brief  lichem  Nachlafi.  491 

er  nicht  schon   tot  ist.     Welch   eine   Zeit  fur  Musik  und  Musiker,   die  da- 
mit  ihr  Brot  erwerben  wollen!< 

Bonn,   18.  Juni  1811. 

>Bei  meiner  Riickkehr  von  der  Leipziger  MeB  —  der  saubern  — ,  wo 
ich  beinahe  mehr  verzehret,  als  ich  Geld  einnahm,  finde  ich  Ihr  Wertes  vom 
30.  April  zu  beantworten  und  Ihre  6  Ouitarre-Lieder  .  .  . 

Ihre  Klaviersonate?  Ach,  sie  liegt  still,  schlaft  8  an  ft  nnd  fest.  Yon  all 
den  Exemplaren,  die  ich  fiber  Leipzig  an  die  Bnchhandlnngen  gesendet 
hatte,  sind  nur  2  ausgeblieben,  die  ubrigen  sind  alle  zuruckgekommen.  Den 
Dilettanten  ist  so  etwas  zn  hoch  und  im  Ernste  zu  schwer.  Wenn  nicht 
eine  sehr  vorteilhafte  Rezension  diese  Menschen  neugierig  macht,  so  schlaft 
sie  Ihnen  gut. 

Ihre  Guitarre-Lieder  sind  wirklich  recht  schon.  NB.  ich  hatte  solche  eher 
gehort,  als  Ihren  Brief  gelesen.  Da  ich  gar  den  Preis  bestimmen  sollte, 
ach,  da  fielen  sie  herab  wie  die  Wiener  Banknoten!  Bin  ich  doch  er- 
schrocken!  Geld!  Wollen  Sie  wirklich  Geld  haben?  Alles,  nur  kein  Geld. 
Nun  ich  will  hoffen,  Sie  habens  nicht  so  bos  mit  mir  gemeint.  Bald  sinjjl  die 
Musikverleger'  in  dem  Fall,  dafi  sie  allerhand  iible  Zulalle  bekommen  konnen, 
wenn  man  sie  auf  den  Kopf  stellt,  aber  Geld  wird  ihnen  keins  aus  dem  Sack 
fallen.  Besonders  trostlich  ist  bei  dem  Musikhandel  der  Kommissionshandel ; 
das  ist  gar  eine  hiibsche  Sache  fur  die  Commissionaires:  keiner  will  etwas 
verkauft  haben!  Untersuchen  kann  mans  unmoglich;  will  man  sich  nicht 
argern,  so  mull  mans  glauben.  Mir  kommts  in  diesen  Zeiten  trefflich  zu 
statten,  dafi  ich  katholisch  bin! 

Hiibsch,  sehr  hiibsch  will  ich  Ihre  Lieder  anziehen,  auch  deutlich.  Saper 
—  bald  hatte  ich  geflucht  —  nun  das  kostet  nichts  —  ist  das  nicht  auch 
etwas  wert?« 

Bonn,  22.  August  1811. 

>.  .  .  Die  »Hymnen«  sind  ohne  Zweifel  sehr  gut  von  Vogler1)  —  allein 
ich  kann  dieses  Jahr  nichts  mehr  kaufen,  und  wenns  so  fort  bergab  geht,  so 
hat  das  Kaufen  ganz  ein  Ende.  Meine  letzte  Reise  hat -mich  vollig  aufge- 
klart.  Wie  kann  es  auch  bei  diesen  Konskriptionszeiten  anders  werden:  alte 
Liebhaber  der  Kunst  sterben  nach  und  nach,  und  die  Jugend  spielt  mit  der 
Muskete. « 

Bonn,  d.  2.  Februar  1813. 

».  .  .  Ich  habe  die  Partitur  der  Haydn'schen  Messe  beigelegt  unter  der 
ausdriicklichen  Bedingung,  dafi  das  jHequiem^  nicht  eher  fur  mich  ge- 
halten  werden  soil,  bis  ich  wirklich  tot  bin,  und  zweitens,  dafi  die  Requiem- 
spieler  solange  damit  verziehen,  bis  die  interessante  Weltgeschichte  eine  Ent- 
scheidung  erhalte,  ob  ich  als  En  glands  oder  Frankreichs  Sklave  aus 
dieser  Welt  gehen  soil;    daruber  mochte  ich  gar  gerne  Gewifiheit  haben. « 

Bonn,  3.  Mai  1815. 

».  .  .  Wie  es  geht?  Ach,  eben  wollten  die  Musen  aus  ihren  Schlupf- 
winkeln  sich  anschliefien,  unsere  Lander  zu  besuchen,  als  Mars  den  gries- 
gramigen  Kerl  laufen  liefi,  der  dann  wie  allzeit  die  lieben  Dinger  wieder 
verjagt!     Leider  sieht's  aus,  als  war7  die  Hoffnung  mit  fortgelassen. 

Mein  Geschaft?  Meine  besten  Arbeiter,  womit  ich  mich  jahrelang  ge- 
plagt,  um  sie  brauchbar  zu  machen,  hat  die  Konskription  gefressen,  das  noch 

1)  Georg  Joseph  (Abt)  Vogler  (1749-1814). 


482  Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  briefliohem  NacfaJaft 

XJbrige  nimmt  mir  nun  die  Landwehr.  Sehr  viel  ist  eben  dabei  nicht  rer- 
loren,  da  gegenwartig  alles  stille  liegt.  Aufier  der  vollstandigen  Partitur 
von  Mozart's  Zauberflote  mit  deutschem  und  italienischem  Text,  der  Fort- 
setzung  der  Haydn 'schen  Sinfonien  korrekten  Ausgabe,  einiges[!]  vou  [FerdV 
Ries  habe  ich  nichts  verlegt,  das  Erwahnung  verdiente.  Mit  was  soil  ein 
Verleger  dermal  honorieren,  wenn  fur  die  Kunst  alle  Beutel  zugeschnurt, 
die  Glaubiger  verderben  oder  zu  Schurken  werden!  So  sieht's  im  ganzen 
aua,  und  mit  dem  Debit  von  12  Kreuzer  bis  hochstens  zum  Gulden  kann 
man  kaum  das  liebe  Brot  gewinnen«    .  .  . 

Bonn,  17.  Mai  1815. 

>Ihre  schonen  Lieder  habe  ich  erhalten  und  werde  sie  stechen,  sobald  es 
moglich  ist.  Auf  derselben  Seite,  wo  unser  aller  Schicksal  beschrieben-  ist, 
stehen  diese  Lieder  mit  anbemerkt.  Denn  alle  meine  Stecher  mussen  die 
Flinte  aufpacken!  .  .   . 

Freilich  ist  eine  Mozart 'ache  Partitur  nicht  an  der  Tagesordnung,  eben- 
sowenig  wie  die  Haydn'sche  korrekte  Ausgabe  seiner  Sinfonien.  Voriges 
Jahr  erst  machte  ich  in  der  Jubilate-Messe  [in  Leipzig]  die  Bekanntsehaft 
des  Herrn  Hofrat  Rochlitz  und  wunderte  mich  nicht  wenig,  dafi  ihm  keine 
meiner  Mozart'schen  Partituren  bekannt  war,  ebensowenig  als  meine  Haydn- 
schen  Sinfonien.  Da  es  doch  offenbar  hervorgeht,  dafi  bei  diesen  Werken 
mehr  fur  die  Kunst  als  den  Beutel  spekuliert  ist,  so  versprach  mir  Hair 
Rochlitz  (der  nebenher  gesagt  ein  sehr  liebenswerter  Knnstfrennd  und  edler 
Mann  ist)  in  der  ,Musikalischen  Zeitung(  davon  zu  erwahnen,  welches  dann 
endlich  auch  geschehen.  Wie  und  mit  welcher  Behutsamkeit,  am  ja  dem  des- 
potischen  Herausgeber !)  der  ,Musikali schen  Zeitung(  zugleich  zu  schmei- 
cheln  etc.,  das  ist  merkwiirdig  zu  lesen  .  .  .  Wie  lange  wird  diese  Gattung 
von  Despotisme  noch  geduldet  werden  mussen  ? « 

Bonn,  31.  Mai  1815. 

».  .  .  Meine  Original-Partitur  von  der  ,Zauberfldte'  wurde  von  Mozart 
selbst  dem  Kurfttrsten  von  Coin,  Max  Franz  von  Osterreich,  geachiokt  nnd 
ist  also  ganz  echt.  Hat  Mozart  nachher  daran  geandert  oder  sind  von 
anderen  zu  manchem  Stuck  vielleicht  Trompeten  und  Pauken  hinzugekommen  ? 
es  ist  moglich!  Der  deutsche  Text,  den  ich  unterlegt,  ist  hie  and  da  beim 
Hamburger  Theater  verbessert  worden.  Herr  Stegmann,  20jahriger 
Musikdirektor  beim  Hamburger  Theater,  persuadierte  mich  dazu  und  seigte 
mir  verschiedene  Stellen,  die  wirklich  besser  und  deutscher  waren  als  der 
bsterreichische  [Text).  Nachher  fand  ich  freilich  manches  nicht  eben  sehr 
verbessert,  jedoch  auch  nicht  schlechter;  allein  ich  hiitte  mich  doch  nicht  da- 
zu verfiihren  lassen  sollen,  weil  der  alte  [Text]  schon  einmal  allgemein  be- 
kannt und  angenommen  war.  Dafi  ichs  besser  machen  wollte,  wird  dies  woU 
bei  Ihnen  entschuldigen !  Mit  der  Spekulation  ist  es  freilich  ein  ander  Ding! 
Es  tat  mir  sehr  wohl,  dafi  Mozart's  Meisterstucke  so  verhunzt  durch  Breit- 
kopf  und  Hart  el  herausgegeben  wurden,  wie  z.  B.  ,Titu84,  der  zur  Direk- 
tion  gar  nicht  branch  bar  ist,  ohne  einer  Menge  Fehler  zu  erwahnen.  Und 
dann  hoffe  ich  einige  Excmplare  Partituren  in  Frankreich  unterzubringen, 
was  mir  bis  jetzt  leider  auch  fehlgeschlagen  ist.  Ich  habe  nur  von  enie 
25  Exemplare  abdrucken  lassen,  wovon  sie  neulich  das  vorletzte  Exemplar 
erhielten ;  nun  soil  sie  wieder  abgedruckt  werden  .  .  . 

1)  Gemeint  ist  der  Verlag  Breitkopf  &  H'artel. 


Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brief  lichem  NachlaB.  498 

Sie  konnten  bei  etwas  Mufie  wohl  auch  so  eine  Wasserreise  hierher 
machen.  Wenn  Sie  unsre  legend  noeh  nicht  gesehen  haben,  so  ist's  wohl 
der  Muhe  wert!  Das  ist  aber  alles,  was  una  die  Frankreicher  von 
unserem  ebemaligen  Wohlstand  iibrig  gelassen,  und  die  jetzigen  Umstande 
erlauben  der  Preufiischen  Regierung  noch  nicht,  an  unser  Wohl  zu  denken ; 
gegriindete  Hoffnung  aber,  dafi  wir  nach  dieser  Uberstandenen  Krisis  gliick- 
licher  sein  werden!  .  .  .« 

Bonn,  5.  Juli  1815. 

»Sie  haben  recht:  75  centimes  ist  wirklich  zn  teuer  fur  2  Blatter,  be- 
so  nders  for  Soldaten.  Das  Bies  Papier  ist  mir  aber  in  diesem  Fruhjahr 
auf  einmal  1  fl.  36  Kr.  aufgeschlagen.  Die  noch  ubrigen  Burger  hier,  die 
man  zum  Arbeiten  braucht,  mlissen  fast  4  f ache  Kontribution  bezahlen,  starke 
Einqnartierung  bekdstigen!  Exercieren,  die  "Wache  aufziehen:  hierzn  die 
grofie  Teuerang  —  Fleisch  und  Butter  noch  einmal  so  hoch  im  Preis  wie 
vorig  Jahr;  und  dabei  wenig  Arbeit  —  nun  endlich  ist  beinahe  kein  Lieb- 
haber  mehr;  wenn  er  ein  Blatt  Musik  kauft,  so  will  er  auch  Rabatt  davon 
haben.  Endlich  muBten  die  deutschen  Verleger  den  Paris  er  nachahmen 
und  ihre  Preise  erhohen,  wenn  sie  nicht  umsonst  arbeiten  wollten.  Wollen 
Sie  Andr^'sche,  Schott'sche  und  die  Leipziger  Yerlagsartikel  von 
einzaln  Sachen,  ein  Bogen  grofi,  nachsehen?  Die  Leipziger  lioflen  sich 
schon  vor  15  Jahren  4  gute  Groschen  fur  2  Blatter  von  gedruckter  Musik 
bezahlen.  Sie  werden  linden,  dafl  ich  einer  der  letztern  diese  kleinen  Sachen 
erhdht  habe  .  .  .< 

Bonn,  13.  August  1815. 

>.  .  .  Ein  preufiischer  Offizier,  der  schon  2V2  Monate  bei  mir  im 
Quartier  liegt,  hat  mir  wahrscheinlich  das  Nervenfieber  (woran  er  selbst  bei 
mir  noch  krank  liegt)  ins  Haus  gebracht!  Heine  jtingste  Tochter,  welche 
mein  Geschaft  betreibt,  liegt  schon  14  Tage  zu  Bett  und  vorgestern  ist 
noch  eine  andere  auch  liegen  geblieben.     Herrliche  AussichtenU 

Bonn,  12.  Okt.  1826. 
>.  .  .  Hier  meine  Grunde,  warum  ich  den  Originaltext  in  meinen  Klavier- 
auszugen  oben  und  die  deutsche  Ubersetzung  unten  setze.  In  den  30 
letzten  Jahren  des  verflossenen  Jahrhunderts  fast  bis  1810  ward  in  den 
offentlichen  Koncert[en]  nur  italienisch  gesungen  mit  wenig  Ausnahmen. 
Alle  bis  dahin  erschienenen  Klavierausziige  [!]  war  der  Originaltext  oben.  In 
diesem  Zeitpunkt  habe  ich  sogar  vielfaltig  bemerkt,  dafi  besonders  in  Sfid- 
deutBchland  alle  Freunde  des  Gesanges,  welche  italienisch  verstanden, 
lieber  in  dieser  Sprache  als  in  der  deutschen  sangen,  in  welcher  es  dem 
allergeschicktesten  Ubersetzer  nicht  immer  gelingt,  an  den  bedeu  tends  ten 
Musikstellen  sich  gleich  dem  Original  auszudriicken ;  endlich  glaubt  ich  es 
schicklich,  den  Originaltext  oben  zu  lassen  und  den  deutschen  mit  den  notigen 
Abanderungen  der  Noten  unten  zu  setzen;  nur  muBte  dies  freilich  so  deut- 
lich  wie  moglich  geschehen,  welches  leider  nicht  immer  gelingt,  da  man,  wie 
bekannt,  nicht  alles  selbst  tun  kann.« 

Bonn,  18.  Sept.  1827. 

>.  .  .  mit  Liedern  mache  ich  kein  Gliick,  selbst  mit  denen)  die  ich  ehe- 

mals  von  Ihnen   verlegt;   [sie]   werden  bei   weitem  nicht   so  gesucht,  als  sie 

es  wohl  verdienten.    Bei  der  jetzigen  grofien  Konkurrenz  in  Deutschland, 

wo   die  MuBik  verleger  wie  Spatzen   sich  vermehren   in    alien   S  tad  ten,    sogar 


494  Wilh.  Altmann,  Aug  Gottfried  Weber's  brief  liehem  NachJaB. 

zwei  in  Hannover  pp,  ist  es  wohl  nicht  ratsam,  mit  Sachen  zu  erscheinen, 
die  schon  einmal  da  sind.  Hauptsachlich  aber  kann  ich  keine  Ldeder  zu 
Weihnachten  oder  Neujahrstag  abliefern,  weil,  ehe  icb  Ihre  Lieder  erhielt, 
in  Unterbandlung  fiber  eine  Sammlung  geistlicher  Gesange,  welche  fur  die 
PreuAischen  Gymnasien  bestimmt  war,  nnd  klirzlich  dariiber  abgeschlossen, 
solche  fur  Weihnachten  abzuliefern.  Dermal  habe  ich  nur  einen  Stecher,  dem 
ich  Text  anvertrauen  kann ;  mein  bester  ist  im  vorigen  Monat  zum  3jahrigen 
Sol  date n  gezogen  worden!« 

Bonn,  23.  Marz  1828. 
>.  .  .  Schon  fiber  50  Jahre  schatze  ich  Seb.  Bach  als  den  groflten 
Deutschen.  Seine  Praludien  und  Fugen  besafi  ich  schon  1776,  ebenso 
wie  seine  Studien1)  fur  die  Violin,  welche  Salmon3)  vortrefflich  spielte, 
von  dem  ich  solche  erhielt  und  nachher  zum  Stich  beforderte.  Die  Pralu- 
dien und  Fugen  verehrte  ich  dem  jungen  Beethoven  im  neunten  Jahr 
seines  Alters  unter  der  Bedingnis,  dafi  er  mir  bald  etwas  davon  spielen 
moge,  welches  auch  eben  nicht  lang  wahrte.  Er  studierte  taglich  mit  ganzer 
Seele  daran!  Yor  etwa  20  Jahren  gab  ich  diese  Praludien  und  Fugen  her- 
aus  nach  einem  Manuskript,  welches  ich  von  Kapellmeister  Schwenke3) 
aus  Hamburg  erhielt,  der  auch  die  Korrektur  fibernahm.  Nachher  gab  sie 
Naegli  in  Paris  gestochen,  sehr  elegant  und  schon,  heraus,  aber  allenthalben 
mufi  man  umwenden,  und  [sie]  sind  auch  nicht  ganz  korrekt.  Schwenke 
korrigierte  die  meinigen  mit  der  groBten  Genauigkeit  und  Vorliebe  fur  die 
Sache.  Die  erste  Messe  Seb.  Bach's  und  ein  5 stimmiges  Magnificat  gab  ich 
bald  nachher  heraus.  Die  damalige  Welt  war  aber  nicht  so  verliebt  in  diese 
Sachen  wie  der  Herausgeber,  und  so  verblieb  ich  so  ziemlich  hart  darauf 
sitzen.  Seit  5  a  6  Jahren  besitze  ich  das  Manuskript  von  der  Messe  Nr.  2. 
Ich  glaubte  schon  in  voriger  Ostermesse  sie  bekannt  zu  machen;  mein  bester 
Stecher,    der  mir   gewohnlich    meine  Klavierauszfige   sticht,    hat    die  3  hohe 

Stimmen  im  fir  Schlfissel  fibertragen;   ich  scheute  sie  so  herauszugeben,  be- 

Bonders  da  es  unschicklich  ist,  ein  altes  Werk  auf  neue  Art  herauszugebeo, 
da  ich  aber  auch  manche  alte  Gewohnheiten  in  dem  alten  Manuskript  nach 
unserm  neuern  Gebrauch  abandern  mufite,  wie  z.  Ex.  die  Bezeugungen  der 
$,  V  und  S,  die  jetzt  nur  1  Takt  lang  gelten,  nach  altera  Gebrauch  aber 
jedesmal  wieder  vorgezeichnet  wurden,  wenn  solche  nicht  bei  dem  Schlussel 
bemerkt  waren  pp.  Es  ist  mir  nicht  bekannt,  dafi  S.  Bach's  Messen  jemal 
gedruckt  erschienen  sind. 

In  diesem  Augenblick  bin  ich  fleifiig  mit  dem  Klavierauszug  der  vor- 
trefflichen  solenellen  Cherub  in i'schen  Messe  beschaftigt.  Sobald  sie  fertig 
ist,  erhalten  Sie  das  erste  Exemplar. 

Es  verwundert  mich,  dafi  Sie  die  1.  Bach'sche  Messe,  bei  mir  verlegt, 
nicht  kannten,  so  auch  das  Bstimmige  Magnificat.  So  ist  noch  manches  ii 
me  in  em  Verlag  unbekannt,  wfirde  es  noch  mehr  sein,  wenn  Sie  nicht  z«- 
weilen  etwas  davon  sagten.  Die  Leipzig  er  Musik-Zeitung  sagte  selteB 
etwas   von   meinem  Yerlag,    und,    wenn   sie   etwas   sagte,  so  war  immer  eii 

1)  Gerneint  sind  die  Sonaten  und  Parti  ten  fiir  Violine  solo,  wahrend  unter  d»*u 
Praludien  und  Fugen  das  »wohltemperierte  Klavier*  zu  verstehen  ist. 

2)  Gemeint  ist  wohl  der  1745  zu  Bonn  geborene,  von  1781  bis  zu  seinem  Todt 
(1815;  in  London  wirkende  Johann  Peter  Salomon. 

3)  Christian  Friedr.  Gottlieb  Schwencke,  1767—1822. 


Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brieflichem  NacblaC.  495 

aber  dabei.  Beinabe  macbt  es  die  Berliner  Musik-Zeitung  ebenso,  so 
unparteiiscb  aucb  Herr  Marx1)  ist.  Das  bat  alles  seine  Ursachen2),  jedocb 
tut  es  web,  wenn  man  sieht,  wie  wenig  manches  Gute  anerkannt  wird  — 
"Wer  hat  zum  Beispiel  Partituren  mit  solcbem  Fleifi  berausgegeben  wie  die 
4  Sinfonien  Nr.  1 — 4  von  Bee tb oven?  ,Figaroc  von  Mozart?  Man  irrt 
sehr,  wenn  dies  als  etwas  Leicbtes  angeseben  wirdU 


XII.   Aus  zwei  Briefen  Louis  Spohr's  an  Q.  Weber. 

Der  erste  die9er  beiden  Briefe,  die  ich  nur  im  Auszuge  mitteile,  ist  die  Antwort 
des  grofien  Geigenkiinstlers  und  seinerzeit  hochberuhmten  Komponisten  auf  die  Auf- 
forderung  Weber's,  an  seiner  » Caecilia*  mitzuarbeiten ,  der  zweite  betrifft  Mozart's 
> Requiem*  und  enth'alt  einige  niclit  uninteressante  Ideen  dariiber. 

Cassel,  d.   17.  Juli  1824. 

.  .  .  »Recht  gern  mochte  icb,  Ibrer  giitigen  Aufforderung  zu  geniigen, 
Ibnen  einen  Beitrag  fur  Ihre  Zeitscbrift  einsenden,  allein  teils  bin  icb  jetzt 
in  meinen  von  Tbeaterarbeiten  freien  Stunden  so  ganz  mit  der  Komposition 
einer  neuen  Oper  beschaftigt,  dafi  ich  an  nichts  anderes  zu  denken  vermag, 
teils  bin  ich  ein  sehr  ungeiibter  Schriftsteller,  der  nur  bei  ganz  besondern 
Yeranlassungen  laut  wurde  und  aucb  dieses  Lautwerden  schon  zu  bereuen 
bat,  und  endlich  fehlt  es  mir  an  Stoff,  da  ich  mich  der  Kritik,  zu  der  ich 
wohl  Neigung  hatte,  enthalten  mufi ,  da  sie  den  Komponisten  gar  zu  leicbt 
gemifideutet  wird.  Finde  ich  indessen  Yeranlassung  etwas  zu  schreiben,  so 
will  icb  es  gern  einsenden,  um  Ihr  Unternehmen.  woftir  ich  mich  recht  sehr 
interessiere,   auch  tatig  zu  unterstiitzen. « 

Cassel,  6.  Juli  1826. 
>Ew.  Wohlgeboren 
geehrte  Zuschrift3)  nebst  der  Beilage  fand  ich  vorliegen,  als  ich  ehegestern 
nach  einer  Abwesenheit  von  5  Wochen  hieher  zuruckkehrte.  Ich  beeile 
mich  Ihnen  fur  die  gtitige  Zusendung  der  hochst  interessanten  Sehr  if t 
meinen  ergebensten  Dank  zu  sagen.  Ich  habe  sie  mit  grofiem  Anteil  ge- 
lesen  und  verdanke  ihr  manche  Auf  klarung  in  dieser  Angelegenheit.  Beson- 
ders  merkwurdig  war  es  mir,  zu  sehen,  dafi  Mozart  in  seiner  Fuge,  deren 
Haupthema  ich  langst  als  aus  dem  ,Messias'  entlehnt  kannte,  auch  das  Gegen- 
thema  von  Handel  erborgt  hat,  und  ich  bin  Ihrer  Meinung,  dafi  Mozart 
ohnmoglich  dies  Tonstiick  zur  Bekanntmachung  bestimmt  haben  konnte,  es 
sei  denn,  dafi  er  ganz  vergessen  gehabt  hatte,  woher  er  in  friiherer  Zeit  die 
Themen  genommen  babe.  Und  doch  ist  diese  Fuge  auch  wieder  meisterhaft 
gearbeitet,  dafi  man  ohnmoglich  glauben  kann,  es  sei  eine  ganz  friihe  Jugend- 
arbeit.  Ich  kann  mich  uberbaupt  noch  nicht  uberzeugen,  dafi  Mozart  nicht 
einiges,  was  entschieden  von  seiner  Arbeit  ist,  im  letzten  Lebensjahre  nach 
der  Bestellung  des  Uubekannten  gescbrieben  haben  sollte,  z.  B.  gleicb  den 
Anfang,  sowie  das  Eecordare,  weil  dies  meinem  Oefuhle  nach  nicht  blofi  das 
herrlichste    ist,    was    von   Kircheninusik    iiberiiaupt    existiert,   sondern    aucb 

1)  Adolf  Bernhard  Marx,  1796—1866. 

2)  Neid  des  Verlegers  Schlesinger. 

3)  Dieses  Schreiben  Weber's  (Caecilia  IV,  285)  begleitete  die  Zusendung  von 
Weber's  beruhmt  gewordenem  Aufsatz  >Uber  die  Echtbeit  des  Mozart'schen  Re- 
quiems* (Caecilia  III,  206 ft).  Die  meisten  der  ihm  darauf  zugegangenen  Antworten 
hat  Weber  in  Caecilia  IV  veroffentlicht. 


496  Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brief  lichem  Nachlafi. 

alles  Mozart'sche  der  Gattung  aus  friiherer  Zeit  bei  weitem  iibertrifft.  Die 
Ahnlichkeit,  die  der  Anfang  des  ,Requiem4  nut  der  Trauerkantate  von 
Handel  hat,  ist  iibrigens  nicht  grofl  unci  kann  zufallig  sein,  aber  sie  iat 
durch  eine  unbewufite  Erinnerung,  die  Mozart  von  der  Handel 'schen 
Musik  hatte,  entstanden.  Aber  auch  wenn  sie  absichtlicb  ware,  ist  sie  leicfat 
zu  entschuldigen ,  da  die  Mozart'sche  Nachbildung  so  unendlich  viel  herr- 
licher  ist  als  das  Handel'sche  Vorbild. 

Ich  bin  nun  sehr  begierig  zu  sehen,  ob  Herrn  Andres  Bekanntmach- 
ungen  ein  helleres  Licht  iiber  die  Entstehung  des  ,Requiem(  verbreiten  wer- 
den, zweifle  aber  sehr,  dafi  man  je  mit  GewiBheit  wird  ausmitteln  konnen, 
aus  welcher  Periode  die  verschiedenen  echt  Mozart'schen  Satze  sind,  noch 
weniger,  was  Siifimaier  bei  den  seinigen  von  Mozart 'schen  Ideen  be- 
nutzt  hat. 

Yerzeihen  Sie  giitigst,  dafi  ich  hier  unberufen  einige  Ideen  niederge- 
schrieben  habe,  die  sich  mir  beim  Lesen  Ihrer  interessanten  Schrift  auf- 
drangten,  und  entschuldigen  Sie  es  mit  dem  Interesse,  was  auch  mir  dies* 
Angelegenheit  eingeflofit  hat  .  .  .< 

XIII.  Aus  einem  Briefe  A.  F.  J.  Thibaut's  an  Gottfried  Weber. 

Dieser  Brief  zeigt  das  groBc  Interesse  des  Verfassero  des  beruhmten  Werkes  »Uber 
Keinheit  der  Tonkunstc  fur  die  Kompositionen  KasparEtt's  (1788 — 1847),  die  meist 
ungedruckt  geblieben  sind  und  in  der  Miinchener  Staata-  und  Hofbibliothek  aufbe- 
wahrt  werden. 

Heidelberg,  22.  Febr.    1830. 

>Herr  C.  Ett,  Organist  an  der  St.  Stephanskirche  in  Munchen,  ist  einer 
der  ausgezeichnetsten  Kenner  der  alteren  klassischen  Kirchenmusik  und  selbst 
ein  vortrefflicher  Komponist  in  diesem  Fach.  Ich  kenne  mehrere  seiner 
Kompositionen,  welche  mir  vorzliglich  ge  fall  en  haben,  und  oft  hore  ich,  dafi 
das,  was  er  in  seiner  Kirche  mit  einem  trefflichen  Chore  leistet,  in  Munchen 
allgemeines  Entziicken  erregt. 

Ktirzlich  schreibt  mir  nun  der  Hofprediger  Hauber  in  Munchen  (welcher 
einen  reichen  Schatz  unvergleichlicher  Musikalien  besitzt),  er  habe  den  furcht- 
samen  und  bescheidenen  Ett  endlich  zu  dem  Entschlufi  vermocht,  seine 
besten  Kompositionen  durch  den  Druck  bekannt  zu  machen.  Er  glanbe,  dafi 
der  Yerleger  viel  dabei  gewinnen  konne,  da  beinah  alle  Stiicke  mit  innerem 
Wert  leichte  Produktion  vereinten  und  selbst  von  schwachen  Choren  aufge- 
fiihrt  werden  konnten.  Es  komme  also  jetzt  auf  einen  Verleger  an,  welcher 
dem  (armen)  Komponisten  auch  ein  gutes  Honorar  gebe,  und  er  bitte  mich, 
ihm  einen  solchen  zu  verschaffen. 

Dringend  bitte  ich  Sie  .  .  .  mir  nun  in  dieser  Sache  mit  Rat  und  Tat 
beizustehen ]),  indem  ich  mit  keiner  Musikhandlung  in  Verb  in  dung  stehe. 
Ich  glaube,  dafi  der  Yerleger  um  so  mehr  bei  diesem  Geschaft  gewinnen 
wird,  da  bei  der  jetzigen  Reorganisation  der  Katholischen  Kirche  allgemein 
an  Verbesserung  des  Kirchengesanges  gedacht  wird  .  .  .« 


1)  G.Weber  verwandte  sich  sofort  bei  N.  Simrock  in  Bonn  fur  Ett;  diaur 
Verleger  antwortete  ihm  bereits  am  27.  Febr.  wie  folgt :  >  Wenn  ich  bestimmt  wfifit* 
was  diese  lOHefte  I  Ett]  kosten  sollten,  wiirde  ich  niich  vielleicnt  doch  entachlieBen, 
aolche  herauszugeben ,  obwohl  ich  aus  der  Erfahrnng  weiC ,  daC  die  Kosten  bei  der 
Kirchenmusik  nicht  hcrausgebracht  werden!  wenigstens  gekt  es  mir  ao!< 


Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brieflichem  NachlaC.  497 

XIV.   Aus  awei  Briefen  Bemhard  Anselm  Weber's  an  Gottfried  Weber. 

Die  beiden  Briefe  Bemhard  Anselm  Weber's  (geb.  1766  zu  Mannheim,  war  1792 
als  Musikdirektor  in  preuBische  Dienste  getreten  und  hat  als  Kapellmeister  der  Ber- 
liner Oper  bis  kurz  vor  seinem  Tode  am  23.  M'arz  1821  sehr  verdienstvoll  gewirkt; 
als  Komponist  war  er  nicht  unbedeutend,  seine  Musik  zur  »Jungfrau  yon  Orleans «, 
seine  Opern  >Deodata<  und  > Hermann  und  Thusnelda*  wurden  sehr  geschatzt)  inter- 
essieren  vor  allem  wegen  der  Mitteilungen  ttber  seinen  Lehrer  Abt  Vogler,  den  er 
in  hochstem  Grade  verehrte.  B.  A.  Weber  braehte  auch  den  Eompositionen  Gottfried 
Weber's  ein  lebhaftes  Interesse  entgegen.  Sehr  beachtenswert  finde  ich,  was  er  am 
Schlusse  des  zweiten  Briefes  tiber  Liederkomposition  sagt. 

Berlin,   21.  Mai  1814. 

>Ich  danke  Ihnen  fur  die  schmerzliche  Mitteilung  des  plotzlichen  Hin- 
tritts  des  guten,  in  jeder  Hinsicht  so  merkwiirdigen  Vogler's1).  Zwei  Tage 
zuvor  habe  ich  die  Nachricht  von  Herrn  Gem5)  schon  erhalten.  .  .  .  Noch 
vor  4  oder  6  Wochen  schrieb  er  [Vogler]  mir,  dafi  er  gleich  nach  dem  Frie- 
den  in  Berlin  eintreffen  wiirde.  Ich  freute  mich  kindisch  und  wurde  so 
von  der  Hohe  meiner  Freude  herabgestUrzt.  Von  ineinem  7.  Jahre  an  hat 
er  mir  schon  Unterricht  in  der  Musik  gegeben.  Er  hat  mich  die  Noten  auf 
dem  Klavier  gelehrt.  In  meinem  14.  Jahre  legte  er  die  ersten  Griinde  zur 
Komposition.  Im  Jahre  1790  machte  ich  mit  ihm  eine  grofie  Reise  durch 
Deutschland  nach  Holland,  von  Amsterdam  tiber  Hamburg  nach 
Danemark,  Schweden  und  Norwegen.  In  Stockholm  hielt  ich  mich 
beinahe  ein  Jahr  bei  ihm  auf  und  studierte  unter  ihm  den  Kontrapunkt. 
tiber  1200  Meilen  habe  ich  mit  ihm  zu  Wasser  und  zu  Land  gemacht, 
manche  Lebensgefahr  mit  ihm  bestanden  und  grofie  Erfahrungen  mit  ihm 
gemacht.  Er  war  mein  Lehrer,  mein  Freund.  Ich  habe  mich  zwar  in  Ham- 
burg nicht  freundlich  von  ihm  getrennt,  indessen  war  unser  freundliches 
Vernal tn is  in  einigen  Jahren  wiederhergestellt.  Sein  Andenken  und  die 
Dankbarkeit,  die  ich  ihm  schuldig  bin,  werden  auch  in  meinem  Herzen 
bleiben.  Einen  ebenso  groGen  Verlust,  wie  seine  Freunde,  hat  auch  die 
Kunst  erlitten.  Welch  ein  grofier  Schatz  von  Kenntnissen  wird  mit  ihm 
begraben!    Er  ruhe  sanft,  geehrt  und  bewundert  bis  in  die  spatesten  Zeiten! 

Verzeihen  mir  Ew.  Wohlgeboren,  wenn  ich  noch  eine  Bitte  wage.  Ich 
weifi,  dafi  er  ein  ,Requiem'  komponiert  hat,  welches  erst  nach  seinem  Tode 
anfgefiihrt  werden  soil.  Ware  es  nicht  moglich,  eine  Abschrift  der  Partitur 
zu  erhalten,  um  diese  gewifi  meisterhafte  Komposition  hier  in  der  katholi- 
schen  Kirche  mit  der  ganzen  Konigl.  Kapelle  zu  seinem  Andenken  aufzu- 
ftihren?  .  . .  Ebenso  wtinschte  ich  die  Verbesserungen  der  Forkel'schen  Varia- 
tionen  tiber  ,God  save  the  king*  zu  haben.  Er  hat  sie  auf  der  Nordsee  im 
Jahre  1792  im  April  vollendet.  Dieser  Umstand  macht  sie  mir  ewig  unver- 
gefilich.  Ich  habe  ihm  so  oft  darura  geschrieben.  Wird  sein  Nachlafi  nicht 
herauskommen ?  .  .  .« 

Berlin,  14.  Juni  1814. 
>Es  hat  mich  sehr  geschmerzt,  in  Ihrem  .  .  .  Schreiben   vom  29.  Mai  zu 
lesen,  dafi  Vogler's  Leiche  nur  ein  pensionierter  Musicus  gefolgt  ist.    Wenn 


1)  Georg  Joseph  (Abt)  Vogler,    dessen  beriihmteste  Schuler  Meyerbeer  und 
Karl  Maria  von  Weber  sind,  war  am  6.  Mai  1814  in  Darmstadt  gestorben. 

2)  Wohl  Georg  Gern,   der   von   1801—1830   als  Bassist  an  der  Berliner   Oper 
wirkte. 


498  Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brieflichem  Nachlafr 

ich  auch  des  groBen  Kiinstlers  nicht  erwahne,  so  verdiente  er  als  Mensch 
eine  groBere  Achtung.  Er  hatte  seine  Eigenheiten,  und  in  jungeren  Jahren 
war  es  schwer,  mit  ihm  auszukommen.  Aber  er  war  ein  wohltatiger  guter 
Mensch,  und  so  hart  ich  auch  vor  22  Jahren  in  Hamburg  mit  ihm  zu- 
sammengeraten  war,  so  werde  ich  seiner  bis  zu  meinem  letzten  Lebenshauch 
ni  em  als  vergessen  und  mit  Lie  be  und  Dankbarkeit  mich  seiner  stets  er- 
innern.  Ich  reiche  Ihnen  daher  meine  Rechte  als  Kunstverwandter  und 
Schiiler  Vogler's  —  wie  Sie  selbst  sagen,  da£  er  auch  Ihr  Lehrer  gewesen 
war  —  alles  zu  tun,  was  sein  Andenken  ehren  und  seinen  Namen  glorreicher 
der  Nachwelt  uberliefern  kann.  Vor  alien  Dingen  miissen  wir  trachten,  daB 
eine  treue  Biographie  seines  Kiinstlerlebens  und  seiner  groBen  seltenen  Reisen 
ausgearbeitet  werde.  Ich  hab  ihn  so  oft  schriftlich  und  miindlich  gebeten, 
mir  Notizen  iiber  seine  letzte  groBe  Reise  nach  dem  mitt  Ian  disc  hen  Meere 
und  Spanien  und  Portugal  [zu]  geben ,  um  sie  zu  einer  kunftigen  Bio- 
graphie zu  ordnen.  Er  versprach's,  dabei  blieb's  aber.  Ich  bin  mit  Ge- 
schaften  zu  sehr  uberhauft,  um  ein  solches  Werk  jetzt  ubernehmen  zu  konnen. 
Wenn  Sie  aber  einen  tiichtigen  Mann  zu  diesem  Unternehmen  gefunden 
haben  oder  wenn  Sie  selbst  Ihre  Feder  dazu  weihen  wollten,  so  kann  ich 
manche  Data  liefern.  Vogler  hatte  ein  gedrucktes  Buch  in  Quarto  (ich 
glaube  iiber  den  Orgelbau  in  hollandischer  Sprache),  worin  er  aufzeichnete,  in 
welchen  Stadten,  wann  und  wie  oft  er  die  Orgel  spielte.  Dieses  Buch  mufl 
sich  unter  seinem  NachlaB  fin  den  und  ist  zu  seiner  kunftigen  Biographie 
sehr  wichtig.  Es  ist  ja  sehr  zu  bedauern,  daB  keine  Disposition  iiber  seine 
Kompositionen  vorgefunden  wird.  Raten  Sie  mir  nicht  an  den  Herra  GroB- 
herzog  [von  Hessen-Darmstadt]  zu  schreiben  und  ihn  zu  bitten,  daB  er  mir 
zu  einer  groBen  hier  zu  veranstalteten  [!]  Todesfeier  Vogler's  ,Requiem{ 
abschreiben  laBt?  Sie  werden  mich  namlich  verbinden,  alles,  was  auf  Vogler 
Bezug  hat  oder  was  von  ihm  herauskommt,  mir  gefalligst  gleich  zu  senden. 
So  bitte  ich  vor  alien  Dingen  um  den  gedruckten  Katalog  seiner  Werke,  so- 
bald  er  heraus  ist. 

Es  wird  mir  sehr  erfreulich  sein,  wenn  Sie  mich  mit  der  Partitur  Ihres 
,Te  Deum4  (Deutschlands  siegreichen  Heeren  geweiht)  beehren  wollen.  Eine 
groGe  Anzahl  Musikliebhaber,  angesehene  Manner  und  Kaufleute,  haben  mit 
mir  die  Idee  gefaflt,  bei  der  Publikation  des  Friedens  ein  ,Te  Deum'  mit 
einem  Orchester  von  800 — 1000  Personen  in  hiesiger  Stadt  unter  freiem 
Himmel  unter  dem  Donner  der  Kanonen  aufzufiihren.  Ich  habe  meinem 
verstorbenen  Kollegen  Kapellmeister  Righini1)  die  Ehre  erwiesen  und  sein 
auf  den  letzten  zu  Tilsit  gemachten  Frieden  verfertigtes  ,Te  Deum*  ror- 
geschlagen,  welches  angenommen  ist  und  schon  ausgeschrieben  wird.  Indetsen 
werde  ich  das  Ihrige  bei  einer  schicklichen  Gelegenheit  in  Konzerten  bei 
Hof,  wenn  der  Konig  da  ist,  oder  in  der  katholischen  Kirche  mit  der  ganzen 
Kbnigl.  Kapelle,  die,  wenn  sie  beisammen  ist,  aus  68  —  70  Personen  bestehet, 
so  prachtvoll  als  moglich  auffuhren  lassen.  So  habe  ich  auch  von  einer 
schonen  ,Messe*  von  Ihnen  gehort,  die  in  Munch  en  aufgeflihrt  worden  ist 
Darf  ich  um  die  Partitur  dieser  ,Messe(  ebenfalls  bitten? 

Wenn    Sie    mit    einigen  Kleinigkeiten   von    mir   dagegen    vorlieb  nehmeii 

1]  Vincenzo  Righini  war  1793  als  Kapellmeister  der  italienischen  Oper  nacft 
Berlin  berufen  worden  und  audi,  als  diese  1806  aufgelost  wurde,  als  KapeUmeiflUr 
ohne  rechte  Tatigkeit  in  preuCischen  Diensten  bis  zu  seinem  Tode  (1812)  gebbebca. 


VVilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brieflichem  NachlaB.  499 

wollen,  so  stehen  sie  Ihnen  zu  Di  ens  ten.  Bei  Zulehner1)  in  Mainz  werden 
einige  Kompositionen  von  mir  erscheinen,  unter  denen  auch  ,8  neue  deutsche 
Lieder'  sind  .  .  .  Ich  glaube,  Sie  werden  in  den  Liedern  eine  ricbtige  Dekla- 
mation,  keinen  steifen  Gesang  und  eine  einfache  Klavierbegleitung  fin  den. 
£8  ist  mir  nichts  unertraglicher  als  bei  Liedern  Klavierkonzert  sozusagen  zu 
finden.  Der  Gesang  mufi  aufs  Herz  wirken,  nicbt  kraftlose  Zieraten  und 
Passagen  das  Obr  betauben  .  .  .< 

XV.  Drei  Briefe  Karl  Maria  von  Weber's. 

Der  erste  diescr  Briefe  macht  dem  Menschen  Karl  Maria  von  Weber  alle  Ehre; 
er  bemUht  sich  durch  einen  Brief  an  Roc  blitz,  der  manches  interessanto  Detail  ent- 
halt,  ein  MiBverstandiiis ,  das  zwischen  ihm  and  seinem  Jugendfreund  Gottfried 
Weber  entstanden  ist,  zu  beseitigen. 

Der  zweite  Brief  gibt  Kunde  von  Weber's  erster  Wirksamkeit  an  der  Dresdener 
Oper  und  von  seinem  schonen  Verh'altnis  zu  seinem  Freunde  Gottfried  Weber. 

Der  dritte  Brief  beschaftigt  sicb  mit  dem  Erfolg  und  den  Anfeindungen  der  >Eu- 
ryanthec  und  cnthalt  Klagen  iiber  die  dienstliche  Belastung  Weber's  an  der  Dres- 
dener Oper. 

Karl  Maria  v.  Weber  an  Joh.  Friedrich  Rochlitz2). 

Prag,  d.   13.  Mai  1816. 

>Sie  werden  sicb  wohl  sebr  verwundern ,  mein  teurer  Freund,  dafi  Sie 
schon  wieder  einen  Brief  von  mir  erhalten,  und  glauben,  dafi  ich  wie  viele 
Menschen  von  einem  Extrem  ins  andere  falle,  indem  ich  bald  fast  gar  nicht 
schreibe  und  dann  auf  einmal  mit  Briefen  uberhaufe.  Diesmal  aber  kommt 
der  Anstofi  nicht  von  innen,  sondern  von  aufien  und  zwar  unangenehm  von 
aufien. 

Dafi  Sie  mir  eine  Zeitlang  nicht  geschrieben  und  geantwortet  haben,  sab 
ich  bis  jetzt  fur  das  an,  fur  was  man  es  ansehen  mufi  unter  Freunden :  Sie 
haben  keine  Zeit  und  Stimmung  dazu  gefunden,  und  wenn  beides  kommt, 
werde  ich  wieder  reichlich  entschadigt  werden,  dachte  ich.  Nun  aber  scheint 
mir  eine  andere  Ursache  zugrunde  zu  liegen,  die  wohl  gar  wie  Groll  (und 
zwar  gewifi  unverdienter)  aussieht,  und  da  mufi  alles  iibrige  bei  Seite  gelegt, 
die  Feder  ergriffen  und  der  Freund  gerade  und  frisch  gefragt  werden:  wo 
sitzt  es?  wie  ist  es  etc. 

Soeben  erhielt  ich  einen  Brief  von  Gottfried  Weber,  aus  dem  ich  sehe, 
dafi  eine  Konfusion  und  Mifiverstandnisse  von  alien  Seiten  so  eingetreten 
sind,  dafi  das  Ganze  einer  recht  erbarmlicben  Klatschgeschichte  gar  nicht 
unahnlich  sieht.  Dergleichen  basse  ich  in  den  Tod  und  besonders  auch  deshalb 
zehnfach,  weil  ich  weifi,  wie  schwer  so  etwas  bei  der  grofien  Entfernung  der 
Parteien  auszugleichen  und  zu  verstandigen  ist,  was  mit  ein  paar  W  or  ten 
miindlich  getan  ware.  Ich  mufi  also  zuvorderst  die  Sache  erzablen,  wie  sie 
ist,  und  dann  gibt  sich  das  Resultat  wohl  von  selbst. 

1)  Dieser  Verlag  ging  spiiter  in  die  H'ande  von  B.  Schott's  Sohne  in  Mainz  iiber. 

2)  Diesen  Brief  hat  Rochlitz  (1769—1842),  der  langj'alirige  Redakteur  und  Mit- 
arbeiter  der  >Allgemeinen  musikalischen  Zeitung<  (Breitkopf  &  H'artel ,  Leipzig),  der 
eben  zur  Erholung  auf  Reisen  ging,  an  Karl  Maria  von  Weber  mit  einer  ihm  nur  zur 
Ehre  gereichenden  langeren  Bemerkung  iiber  sein  Verhalten  und  seine  ganze  Stellung 
zu  dieser  Angelegenheit  am  17.  Mai  wieder  der  Einfachheit  halber  zuriickgeschickt 
damit  er  an  Gottfried  Weber  gelangen  sollte. 

s.  d.  img.   x.  33 


500  Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brief  lichem  NachlaC. 

Gottfried  Weber,  der  mit  dem  regsten  Eifer  fur  alles,  was  er  fur  gut 
anerkennt,  lebt  und  wirkt,  hat  von  jeher  so  viel  fur  die  Verbreitung  meiner 
Arbeiten,  vorzugsweise  ohne  deshalb  fur  ihre  Mangel  blind  zu  sein,  getan, 
da£  ich  ihm  mit  dem  reinsten  herzlichsten  Dank  verpflichtet  bin  und  natiir- 
lich  gern  jede  Gelegenheit  ergreife,  da  ich  es  ebenfalls  meiner  Uberzeugung 
gemafi  tun  kann,  auf  sein  Talent  die  Welt  aufmerksam  zu  machen.  Lei- 
der  hat  er  als  Komponist  so  wenig  offentlich  erscheinen  lassen,  daB  ich  da- 
zu  wenig  oder  gar  keine  Gelegenheit  fand.  Unter  dem  Wenigen  dieser  Art 
war  die  Anzeige  des  Frankenhauser l)  Konvents  von  mir,  wo  beinah  alles 
Riihmenswerte,  was  ich  von  seinen  Arbeiten  erwahnte,  in  der  ,Musikalischen 
Zeitung*  weggelassen  wurde.  Da  ich  diese  nur  selteu  zu  sehen  bekomme, 
so  sah  ich  dies  erst,  nachdem  ich  den  11.  Januar  einen  Brief  Wohlbruck's2! 
aus  Miinchen  mit  folgender  Stelle  erhalten  hatte :  ,PoiBl3)  wunscht  oino  aus- 
fiihrliche  Bezension  Ihrer  Kantaten  fur  die  ,Musik.-Zeitung'  zu  schreiben  und 
gluubt,  daB  dieses  vielleicht  dienlicher  sein  wiirde,  als  wenn  Gottfried  Weber 
solchc  iibernahme,  da  man  von  Seiten  der  Redaktion  der  ,Musik.-  Zeitung*, 
wie  Spohr  geiiufiert  haben  soil,  das  Vorurteil  hegt,  die  Schule  Vogler's4) 
sorge  gegenseitig  fur  den  Aufschwung  ihrer  Werke.  Poifll  erwartet  hier- 
iiber  ihre  Meinung  und  ihre  Partitur,  auch  ihren  Rat  demnachst,  ob  er  die 
Bezension  unter  seinem  Namen  liefern  soil/  Was  war  naturlicher,  als  dafi 
ich  einem  so  lieben  vertrauten  Freunde,  als  Gottfried  Weber  mir  ist,  nicht 
hatte  schreiben  sollen:  ,Lieber  Bruder,  ich  habe  mit  Freuden  die  erste  Ge- 
legenheit ergriffen  von  Dir  zu  sprechen,  man  hat  mir  es  aber  wegge6trichen, 
wahrscheinlich  wegen  jener  Idee  (wie  oben).4  DaB  nun  mein  guter  Weber 
dies  so  vcrstanden  hat,  als  hatten  Sie  mir  dies  geiiufiert,  da  ich  ihm  nicht 
mit  der  diplomatischen  Genauigkeit  wie  hier  die  Quelle  anfuhrte  —  gehort 
zu  den  10000  ungliicklichen  Mifiverstandnissen  in  der  Welt,  die  man  nicht 
schnell  genug  unter  guten  Menschen  durch  die  klarste  Auseinandersetzung 
vertilgen  kann.  Dafi  es  ihn,  der  so  manches  Treffliche  dieser  Zeitschrift 
geliefert  hat,  schmerzen  mufite,  ein  paar  lobende  Ausdrijcke  unterdriickt  zu 
sehen,  dafi  ich  bei  einem  Aufsatz,  unter  me  in  em  Namen  noch  dazu,  dasselbe 
Gefiihl  einen  Augenblick  hatte,  ist  uns  beiden  nicht  zu  verdenken.  Dafi 
Sie  Ihre  gewifi  der  Sache  wohlwollenden  Griinde  dazu  hatten,  glaube  ich. 
Dali  aber  Gottfried  Weber,  der  immer  nur  die  Redaktion  vor  Augen  hat 
und  nicht  tlas  Gliick  hat,  Sie  personlich  seinen  Freuud  nennen  zu  durfen, 
die  Sache  im  ganzen  harter  und  iirger  nahm,  als  er  vielleicht  sollte,  ist  auch 
verzeihlich. 

Und  nun,  lieber  Freund,  bitte  ich  Sie  mir  offen  und  ehrlich  wie  immer 
zu-  schreiben,  diosen  Brief  in  Abschrift  an  Gottfried  Weber  zu  schicken,  da 

1)  Dieser  Berieht  Karl  Maria  v.  Weber's  iiber  das  vom  Musikdirektor  Bischoff 
veranstaltetc  Musikfest  zu  Frankenhausen  ist  jetzt  wieder  abgedruckt  in:  K.  M. 
v.  Weber's  s'amtl.  Schriften,  hrsg.  v.  Georg  Kaiser  (1908),  S.  27 ff. 

2)  J.  G.  Wohlbriick,  bekannt  als  Operndichter. 

3)  Joli.  Nep.  Frcihcrrv.  Poissl  (1783-1865),  Konigl.  Hofmusikintendant  in  Miin- 
chen, auch  Komponist  von  Opern  und  Oratorien. 

4)  Dafi  tats'achlich  die  Schiiler  Abt  Vogler's  mehr  als  recht  fur  einander  eingr- 
treten  sind,  beweiscn  z.  B.  die  von  mir  im  28.  Band  der  Halbinonatsschrift  »Die  Muiik« 
(1908)  veroffentlichten  Briefe  Meyerbeer's  aufs  klarste.  Die  Statuten  des  von  den 
Schiilern  Vogler's  zu  ihrer  gegenseitigen  Fbrderuog  bejrrundeten  »HarmonitcfaaB 
Vereinsc  sind  jetzt  abgedruckt  in  der  neuen  Ausgabe  von  K.  M.  v.  Weber's  Schriften 
(vgl.  A.  1)  S.  llff. 


Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brieflichem  NachlaB.  601 

er  zugleich  als  Antwort  und  Beichtigung  des  seinigen  an  mich  vom  5.  Mai 
diesen  Punkt  betreffend  dienen  soil ;  und  somit,  hoffe  ich  zu  Gott,  soil  dieser 
argerlichcn  und  unniitzen  Konfusion  ein  Ende  sein  und  Sie  nach  wie  vor 
una  beide  als  brav  und  gerade  erkennen. 

Icb  hiitte  Ibnen  noch  so  manches  andere  zu  sagen,  aber  kein  Wort  soil 
dieser  Brief  sonst  entbalten,  als  dasjenige,  den  Horizont  der  Freundscbaft 
rein  und  ungetrubt  bervorgehen  zu  macben. 

Nun  die  herzlichsten  Glilckwunscbe  an  die  lieben  Ibrigen  und  die  Ver- 
sicherung,  datt  icb  gewiB  unwandelbar  bin  und  bleibe 

Ihre  treuer  Freund 

"Weber. « 

Karl  Maria  von  "Weber  an  Gottfried  Weber. 

Dresden,  d.  2.  Mai  1817. 

•  Lieber  Bruder.  Deine  Briefe  vom  28.  Marz  und  20.  April  habe  ich 
ricbtig  erbalten.  Den  22.  Miirz  reiste  ich  von  hier  ab,  um  meine  gute 
Karoline1)  in  Prag  zu  tiberraschen,  welches  mir  auch  aufs  vollstandigste 
gelang.  Den  28.  dirigierte  ich  die  8.  Vorstellung  von  ,Silvana*2)  bei  brechend 
vollem  Hause  und  wurde  mit  unbeschreiblicbem  Jubel  empfangen.  Auch 
ging  alles  ganz  vortrefflich  und  machte  mir  viele  Freude.  Den  1.  April 
reiste  ich  zurtick,  hieher,  um  die  notwendigsten  Anordnungen  zu  treffen, 
und  den  4.  ging's  scbon  wieder  fort  nach  Leipzig,  wo  ich  im  groGen  Kon- 
zert  spielte  und  ,im  Kampf  um  Siog(  aufftihrte;  das  gelang  und  ging  mit 
Erfolg.  Den  9.  war  ich  scbon  wieder  hier  zur  italienischen  Oper  ,Adelina'3), 
in  der  Herr  und  Madame  Woixelbaum4)  debiitierten,  die  seitdem  mehrere 
Gastrollen  mit  Beifall  gaben.  Den  22.  gab  ich  zum  ersten  Male  Mehul's5) 
,Helenec,  gefiel  sebr,  und  morgen  ist  ,Johann  von  Paris*6)  zum  1.  Mai.  Zu 
Milliner's7)  Trauerspiel  ,Vngurd;  habe  ich  einige  Musik  geschrieben.  Das 
Publikum  interessiert  sich  sehr  fur  die  deutscbe  Oper,  die  immer  voll  ist, 
sowie  die  italienischo  desto  leerer.  Von  Deinen  empfohlenen  Subjekten 
wird  wohl  vielleicht  Jul.  Miller  dran  kommen.  Deinen  Oboist  kann  ich 
nicht  brauchen;  wir  sind  vollzahlig,  und  bei  der  ersten  Vakanz  tritt  der 
treffliche  Tburner8)  ein. 

Du  hist  ein   entsetzlich  dummer  Kerl,  kannst  nicht  einmal  lesen,  und  ich 

1)  Weber's  Gattin  war  noch  in  Prag  zuriickgeblieben,  ala  er  nach  Dresden  tiber- 
gesiedelt  war. 

2)  Diese  Weber'sche  Oper  hat  sich  auch  in  der  Bearbcitung  von  Ferd.  Langer 
leider  nur  an  wenigen  Ort<*n  auf  deni  Spielplan  erhalten. 

3)  Von  PietroGonerali  (1783—1832). 

4)  Georg  Weichsolbaum,  beriihmter  Tenorist  (am  Miinchener  und  Mannheimer 
Theater) ;  seine  Frau  Josephine  geb.  Fantozzi,  war  eine  vortroffliche  Eoloratursangerin. 

6)  Vgl.  die  Einfiihrung  in  diese  Oper,  die  Weber  fur  das  Dresdener  Publikum 
geschrieben  hat.     Schrii'ten.     Krit.  Ausgabe  v.  Georg  Kaiser  (1908),  S.  285 f. 

6)  Auch  uber  diese  Boieldieu'sche  Oper  hat  Weber  das  Dresdener  Publikum 
vorher  orientiert ;  vgl.  ib.  S.  287  f. 

7)  Adolf  Milliner,  geb.  1774,  gest.  1829,  der  durch  seine  Schicksalsdramen  >Die 
Schuld<  und  »Der  29.  Februar*  bekannte  Dichter;  vgl.  ubrigens  Weber's  Lied  der 
Briinhilde  aus  »Yngurdt  und  Milliner's  Ausstellungen ,  sowie  Weber's  Gegenbemer- 
kungen  dazu  in  Weber's  Schriften  (hrsg.  v.  Kaiser),  S.  368  ff. 

8)  Friedrich  Eugen  Thurner  (1785—1827),  der  auch  als  Komponist  fur  sein  In- 
strument viel  geschrieben  hat,  zog  es  vor,  nach  Amsterdam  zu  gehen. 

88* 


502  Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brief lichem  NachlaC. 

schreibe  docb  so  eine  schone  fliichtige  Hand.  Meyerbeer's  Adresse  ist 
Ferma  in  posta  aVenezia,  d.  h.  post  restante  in  Venedig.  Verstehst 
Du'b  nun? 

Wenn  ich  einmal  einen  guten  Gedanken  habe,  so  will  icb  ihn  auf  Dein 
Stammbuchblatt  schreiben. 

Also  Alexander  Dusch1)  beuratet?  Gott  gebe  seinen  Segen.  Wen 
denn? 

Du  bist  ja  senr  fleiBig  gewesen,  Herr  Bruder,  hast  ein  groBes  Werk2) 
geschrieben;  hab's  mir  schon  bestellt  und  will's  gehorig  beschnuffeln.  Gnade 
Dir  Gott,  wenn  Du  mir  was  nicht  recht  gemacht  hast.  Im  Ernste,  ich  freue 
mich  sehr  darauf :  ist  einmal  Zeit,  daB  ein  philosophisch  und  logisch  denken- 
der  Kopf  in  den  musikalischen  Wirrwar  eingreift  und  sichtet  die  Spreu  von 
dem  Weizen. 

Sei  doch  so  gut  und  schicke  mir  wohl  eingepackt  alle  meine  Sachen,  die 
Du  mir  so  lange  treulich  bewahrt  hast;  ich  mochte  doch  endlich  einmal 
wieder  alles  beisammen  haben.  Sobald  als  sogleich,  lieber  Bruder,  und  be- 
rechne  mir  die  allenfalsigen  Auslagen.  Du  glaubst,  daB  ich  jetzt  nicht  an 
Beisen  denken  kann.  In  diesem  Jahr  freilich  nicht,  aber  fur  das  ktinftige 
hege  ich  noch  immer  groBe  Hoffnung  Dich  zu  sehen,  wenn  es  ruir  irgend 
moglich  ist. 

Deine  Hebe  Gustel3)  grtifi'  mir  recht  aus  Herzens  Grund.  Die  Kinder 
miissen  recht  herangewachsen  sein.  Gott  behute  Dich  und  die  Deinigen 
gesund  und  zufrieden,  und  behaltet  lieb  Euern  alten  treuen  Freund  und 
Bruder  Weber. « 

Karl  Maria  von  Weber    an   Hofrat  Job.  Phil.  Schmidt   in    Berlin. 

Dresden,  den  4.  Xb   [Dezember]   1823. 

» Haben  Sie  herzlichen  Dank,  mein  verehrter  Freund,  fur  Ihre  mir  nicht 
nur  ausgesprochene,  sondern  sogleich  sich  wirksam  bewiesene  Teilnahme.  Ich 
war  und  bin  darauf  gefaBt,  daB  man  scharf  iiber  die  arme  ,Euryanthe4  her- 
fallen  wird;  ich  sehe  aber  ruhig  zu,  selbst  wenn  erbarmlicher  Neid  die  Luge 
nicht  scheut  und  alle  Bezensenten  Kunste  hervorsuchen ,  urn  meine  Arbeit 
oder  deren  Erfolg  herabzuziehen;  wie  N.  N.4)  es  in  3  verschiedeuen  Bezen- 
sionen  zugleich  getan  hat. 

Ihren  lieben  Brief  erhielt  ich  in  einem  Strudel  von  Geschaften,  da  Mor- 
lachi5)  abwesend  und  Schubert6)  krank  ist,  daher  aller  Dienst  allein  auf 
mir  liegt.  Wie  lange  ich  dies  aushalten  kann,  weiB  Gott.  Ich  konnte  vor- 
aussetzen,  daB  alles,  was  Ihre  Freundschaft  zu  meinem  Besten  von  mir  ver- 
langt,  friiher  in  Ihren  Handen  war,  als  ich  es  Ihnen  hatte  senden  konnen, 
zumal  da  ich  immer  am  armsten  in  all  em  mich  Betreffenden  bin. 

Einige  Abktirzungen  oder  Zusammenziehungen  vielmehr,  die  ich  gemadit 

1)  Alexander  von  Dusch  ,1789—1876),  ein  bedeutender  Jurist,  1842  badischer 
Staatsminiater,  gehorte  audi  zu  den  Griindern  des  > Harmon ischen  Vereinst  (vgL  S.  500. 
A.  4). 

2)  »Ver8uch  einer  geordneten  Theorie  der  Tonsetzkunst* ,  1817;  3.  Aufl.  1830- 
1832  in  3  Bdn. 

3)  Gottfried  Weber's  Frau. 

4)  Urspriinglich  stand  da  Th.  Kriin  [?] 
6)  Vgl.  oben  S.  484,  A.  1. 

6)  Franz  Anton  Schubert  (1768  - 1824),  Musikdirektor  der  ital.  Oper  in  Dntdea 


Wilh.  Altmann,  A  us  Gottfried  Weber's  brief  lichem  NachlaC.  503 

habe,  werden  vorteilhaft  sein.  Es  ist  wobl  nicht  moglich,  den  Enthusiasmus 
hoher  zu  treiben,  als  er  in  deu  drei  Vorstellungen  war,  die  ich  dirigierte, 
und  der  vierten,  die  ich  sah  und  in  denen  ich  14mal  hervorgerufen  wurde. 
Durch  Krankheit  der  Griinbaum1)  konnte  die  Oper  14  Tage  nicht  gegeben 
werden;  die  5.  und  6.  Vorstellung  war  aber  ebenso  erfolgreich  als  die  4. 

Ich  bin  iiberzeugt,  dafi  diese  Arbeit  erst  in  Berlin2)  in  alien  ihren 
Intentionen  hervortreteu  wird.     Wann  dies  geschieht,  weiB  ich  noch  nicht. 

Wegen  Ihrer  Oper :;)  habe  ich  schon  ofter  erinnert,  mein  geehrter  Chef4) 
aber  hat  sie  noch  nicht  gelesen  und  also  noch  nichts  entschieden,  doch  zweifle 
ich  nicht  an  der  Annahme. 

Nochmals  den  besten  Dank  und  die  Versicherung  achtungsvoller  Freund- 
schaft  Ihres  Ihnen  herzlich  ergebenen 

C.  M.  v.  Weber. « 

XVI.    Aus  drei  Briefen  Linas  von  Weber  an  Gottfried  Weber. 

Diese  Briefe  geben  in  erster  Linie  ein  Bild  von  der  Verzweiflung  und  der  trau- 
rigen  Lage,  in  der  sich  die  Witwe  Karl  Maria  von  Weber's  nach  dessen  Tode  befand. 
Interessant  ist  die  Tataache,  daG  der  Mainzer  Verlag  Schott  den  ihra  angebotenen 
Verlag  des  »Freischutz«,  der  »Euryanthe«  und  des  »Oberon«  abgelelmt  hat.  Einzel- 
heiten  ttber  diese  letztere  Oper  sind  nicht  ohne  Interesse.  Auch  wird  Spontini's 
Neid  gegen  Weber  auch  nach  dessen  Tode  erw'ahnt. 

Dresden,  30.  Juni  [1826]. 
» Schon  wieder  schreibe  ich  Ihnen,  urn  lhnen  eine  Bitte  ans  Herz  zu 
legen.  Wollen  Sie  wohl  die  Giite  haben,  deu  Musikhandler  Schott6)  in 
meinem  Namen  oder  nur  so  uuter  der  Hand  zu  fragen,  ob  er  wohl  die  3 
Partituren  des  ,Freischtitz',  der  yEuryanthe*  und  des  jOberon*  kaufen  wollte? 
Letztere  trete  ich  ihm  daun  gleich  ab  rait  dem  Recht,  ihn  im  Namen  der 
Witwo  an  die  Buhnen  zu  verkaufen  —  als  Weber's  letztes  Werk  hoffe  ich 
dafur  etwas  Bedeutendes  erhalten  zu  konnen.  Meine  Lage  ist,  den  schweren 
Kummer  um  den  Verlust  des  besten  Mannes  abgerechnet,  hochst  peinlich: 
ich  weifl  nicht,  was  aus  uns  werden  wird.  Von  der  Pension  von  150  Thalern 
konnen  wir  nicht  leben,  Vermogen  hat  Weber  fast  gar  keins  hinterlassen ; 
die  Benefice  in  England  ist  ganz  schlecht  ausgefallen  und,  was  er  sonst 
dort  erspart,  wird  die  Kosten  abgerechnet  sehr  unbedeutend  sein.  Auf  den 
Verkauf  des  ,Oberon*  setze  ich  noch  einiges  Vertrauen  und  bitte  Sie  mir  be- 
hilflich  zu  sein.  Waren  die  vielen  teilnehmenden  Freunde  nicht,  ich  wiirde 
meine  Lage  beklagenswert  nennen.  Doch  Gott  wird  helfen!  ich  will  noch 
nicht  verzagen.  Stehen  Sie  mir  mit  Ihrem  Rate  bei  und  sagen  Sie  mir, 
was  Sie  fur  das  Beste  halten.  Mit  Sehnsucht  sehe  ich  einem  Brief  von 
Ihnen  entgegen.  Verzeihen  Sie  es  mir,  wenn  die  hilflose  Frau  Ihres  treuesten 
Freundes  Sie  beliistigt.  < 

1}  IJber  diese  beriihmte  S'angerin  Therese  Griinbaum  (1791 — 187G,  eine  Tochter 
des  Singspielkomponisten  Wenzel  Muller),  die  erste  > Eglantine*,  hat  sich  K.  M. 
v.  Weber  sehr  enthusiastisch  ge'auCert.    Schriften  (hrsg.  v.  G.  Kaiser),  S.  329. 

2)  Auf  Drangen  Weber's  wurde  die  Berliner  Auffuhrung  der  »Euryanthe«  hinaus- 
geschoben;  vgl.  Schriften,  8.  402  ff. 

3)  > Alfred  der  GroBe«. 

4)  Der  Generalintendant  der  Dresdener  Oper. 

5)  Dieser  lehnte  ab ,  weil  Weber  das  Eigentum ,  d.  h.  das  Auffuhrungsrecht  aller 
drei  Opern  bereits  mehrfach  verkauft  hatte.    Auch  fUrchtete  er  die  Naohdrucker. 


604  Wilh.  Altmann,  Aus  Gottfried  Weber's  brief  lichem  Nachlafl. 

Dresden,  28.  Okt.   1826. 

»Langst  schon  hatte  ich  Ihnen  wieder  ein  Lebenszeichen  gegeben,  wenn 
mich  in  der  letzten  Zeit  nicht  ein  Wust  der  unangenehmsten  Geschafte  abge- 
halten  hatte  oder  wenn  wir  nacb  der  genaasten  Durchsicht  das  Liedchen. 
welches  Sie  wunschten,  nur  hatte n  finden  konnen. 

Hier  sende  ich  Ihnen  die  Partitur  des  ,Oberon'  nebst  deutschem  und 
englischem  Buch  und  imvoraus  schon  meinen  herzlichen  Dank  fur  die  freund- 
schaftliche  Sorgfalt,  die  Sie  diesem  Werke  widmen  wollen.  Der  Klavier- 
auszug  ist  leider  nicht  vollstandig  hier,  weil  Weber  den  groBten  Teil  in 
Briefen  nach  Berlin  schickte;  doch  ist  er  sehr  notig,  so  will  ich  gern  alles 
sammeln  und  Ihnen  schicken. 

Meine  Verb  alt  nisse  hier  gestalten  sich  noch  besser,  als  ich  anfangs  dachte: 
der  Konig  hat  uns  300  Thaler  Pension  gegeben.  Auch  ist  aus  dem  Yer- 
kauf  unserer  Sachen  und  des  ,Oberon*  noch  manche  Summe  eingegangen, 
die  mich  weniger  sorgenvoll  flir  meine  Kinder  in  die  Zukunft  blicken  lassen  [!]. 
Gott  verlaBt  uns  nicht!  Er  wird  mir  auch  wieder  Mut  schenken,  ein  freuden- 
leeres  Dasein  zu  ertragen. 

Ich  babe  Ihnen  auch  die  Arie  beigelegt,  die  Weber  in  London  fur 
,Hiion'  hat  nachkomponieren  miissen;  auch  das  Gebet  des  ,Hiionc  im  zweiten 
Akt  wie  die  Polonaise  im  dritten  ist  bestellte  Arbeit,  die  Weber  noch  hat 
in  London  machen  miissen  und  die  vollends  seine  wenigen  Krafte  aufge- 
rieben  haben  [!].  Ach,  ich  wollte,  Sie  konnten  sein  Tagebuch  lesen,  urn  zu 
wissen,  was  er  gelitten!  Und  wie  geduldig  hat  er  alles  verschwiegen ,  blott 
damit  die  Kunde  seines  Unwohlseins  uns  nicht  zu  Ohren  kommen  und  mich 
nicht  angstigen  solle.  Doch  Sie  haben  ihn  ja  gekannt  und  wissen,  wie  gut 
er  war. 

Teh  bitte,  schreiben  Sie  mir,  geehrter  Freund,  wenn  der  ,Oberon*  richtig 
in  Ihre  Hande  gekommen  ist,  denn  Sie  konnen  den  ken,  dafi  jede  Note  meines 
geliebten  Mannes  ein  Heiligtum  fur  uns  ist,  dem  wir  mit  sorgenvollem  Herzen 
folgen  .  .  .« 

[von  G.  Weber  erhalten   17.|  April  1827. 

»Hummel  ist  hier1),  wie  man  hort,  als  Kapellmeister  angestellt  mit  weit 
groBerem  Gehalt,  als  ihn  Weber  hatte,  auch  die  iibrigen  Bedingungen  sind 
weit  vorteilhafter.  —  Ich  gestehe,  es  hat  mich  anfangs  geschmerzt,  das  An- 
denken  Weber's  von  dem  Hof  hier  so  wenig  geehrt  zu  sehen,  aber  es  ist 
der  Welt  Lauf  so:  wer  nur  recht  groBe  Forderungen  machen  kann,  ist  der 
rechte  Mann  fur  diese  Leute.  Nun  Hummel  kann  es  hierin  meinem  guten 
Mann  allerdings  zuvortun;  das  verstand  er  iiberhaupt  nicht. 

In  Berlin  streiten  sie  auch  um  den  ,Oberon*.  Erst  wollte  die  Konigl. 
Buhne  nur  sehr  wenig  dafiir  bezahlen,  und  es  schien  ihnen  nichts  an  der 
Oper  gelegen,  und  jetzt,  da  wir  sie  an  das  Konigstiidter  Theater  verkauft 
haben,  fan  gen  sie  ProzeB  mit  dem  an,  weil  es  eine  groBe  romantische  Oper 
ist  und  sie  solche  nicht  geben  durfen.  Spontini2)  benimmt  sich  wieder 
sehr  klein!  nicht  einmal  den  Toten  kann  er  aufhoren  zu  verfolgen.« 

1)  Joh.  Nepomuk  Hummel  hat  seine  Weimarer  Hof  kapellmeisters  telle  nicht  mit 
der  Dresdener  vertauscht. 

2)  Uber  die  Eifersucht  Spontini's  auf  Weber's  Erfolge  vgl.  auch  meinen  Auf- 
satz  »Spontini  an  der  Berliner  Operc :  Sammelb'ande  d.  IMG.  IV  (1902/3),  S.  286. 

Herausgeber:  Prof.  Dr.  Max  Seiffert,  Berlin  WM  Uobenttr.  28. 


Die  deutsche  Eomantik  aus  den  Beziehungen  von  Musik 

und  Dichtung. 
W.  H.  Wackenroder. 

Von 

Josef  Gregor. 

Aus  dem  niusikhistorischen  Institut  der  k.  k.  Universitat  Wien.) 

Einleitung. 

Schon  in  den  klassischen  "Werken,  die  Haym1)  undHettner*)  zur  Ge- 
schichte  der  alteren  deutschen  Romantik  geliefert  haben,  macht  sich  das  Be- 
streben  geltend,  an  jene  Epoche  nicht  blofl  vom  literarhistorischen  Stand- 
punkte, sondern  in  weit  allgemeinerer,  umfassenderer  Tendenz  heranzutreten. 
Es  lag  ja  nahe,  dafl  das  Wirken  jener  Manner,  die  nicht  mude  werden 
konnten,  Universalitat  in  jeder  Hinsicht  und  Vereinheitlichung  des  Lebens 
in  alien  seinen  Erscheinungsformen  zu  proklamieren,  nur  aus  der  Gesamtheit 
der  geistigen  Interessen  ihrer  Zeit  zu  betrachten  sein  werde.  Einzelne  ge- 
waltige  Personlichkeiten ,  die  gleich  Goethe  oder  Beethoven  fur  sich  allein 
eine  Welt-  darstellen,  werden  leichter  vom  Standpunkte  einer,  d.  i.  ihrer 
einzelnen  Kunst  zu  betrachten  sein;  ein  Friedr.  Schlegel,  den  tausend 
Faden  an  die  verschiedensten  Erscheinungen  seiner  Zeit  kniipfen,  ein  E.  T. 
A.  Hoffmann,  dessen  Bedeutung  zum  Teil  eben  in  der  Vielseitigkeit  seines 
Produzierens  liegt,  ist  vom  rein  literarischen,  bzw.  vom  rein  musikhistorischen 
Standpunkte  schlechthin  unbegreiflich.  Gerade  die  beiden  eingangs  ange- 
fuhrten  Werke  sind  in  ihrer  Anlage  vom  groBten  Interesse  fiir  das  Problem 
der  Geschichte  der  romantischen  Zeit.  Einerseits  das  umfassende  Buch  von 
Haym,  das  sich  mit  Recht  als  >Beitrag  zur  Geschichte  des  deutschen  Geistes« 
bezeichnen  konnte  und  das  in  seiner  Universalitat  eigentlich  ein  Stuck  all- 
gemeiner  Geschichte  jener  Zeit  darstellt,  wie  sie  sich  im  philosophischen 
Geiste  des  Verfassers  spiegelte.  Und  anderseits  die  kleine,  glanzende  Schrift 
Hettner^s,  die  sich  durch  Hervorhebung  des  Zusammenhangs  mit  den  Klas- 
sikern  den  allgemeinen  Gesichtspunkt  wahrt,  trotz  ihrer  eigentlich  ganz  spe- 
ziellen,  rechtfertigenden  Tendenz,  trotz  ihres  leise  polemisch  gefarbten  Tones. 

Neuere  Darsteller,  die  sich  gleichfalls  eine  Gesamtbetrachtung  der  ro- 
mantischen Zeit,  wenigstens  in  literarischer  Hinsicht,  zur  Aufgabe  macht  en, 
verlieBen  die  von  Haym  bezeichnete  literarische  Methode,  um  eine  Geschichte 
jener   Zeit    aus   der   Entwicklung    der   hervorragendsten  Ideen    derselben   zu 


1    Rud.  Haym,  Die  romantische  Schule,    2.  Aufl.     Berlin  1906. 
2)  H.  Hettner,  Die  romantische  Schule  in  ihrem  Zusammenhange  mit  Goethe 
und  Schiller.     Braunschweig  1850. 

s.  d.  IMG.    x.  34 


506  Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  usw. 

geben.  So  finden  sich  im  Buche  yon  Brandes')  Abschnitte  wie:  > Ver- 
bal tn  is  zum  Musikalischen  und  zur  Musik*  oder  »  Roman  tische  Reflexion  und 
Psychologic*,  also  Betrachtungen,  die  sich  bei  ganz  speziellem  Gesichtspunkt 
doch  auf  die  ganze  Epocbe  erstrecken  und  bei  denen  naturlich  der  enge 
historiscbe  Zusammenhang  aufgegeben  werden  muBte.  So  sucht  schlieftlich 
das  Bucb  von  Ricarda  Huch2)  in  belletristisch  hervorragender  Weise  ein- 
zelne  Geistesrichtungen  jener  Zeit  aus  den  Individualitaten  der  Scliriftsteller 
heraus  darzustellen.  —  Die  Methode  der  beiden  letztangefuhrten  Werke  be- 
zeichnet  deutlich  jenen  Punkt  der  Forschung,  an  welchem  die  streDg  histo- 
rische  Betrachtung  im  Sinne  Haym's  zur  Unmoglicbkeit  geworden  ist  und 
die  Spezialuntersucbung  an  ihre  Stelle  tritt.  Und  in  der  nun  folgenden 
Arbeitsteilung  sind  zwei  Wege  deutlich  zu  unterscheiden.  Der  eine,  dem 
auch  die  beiden  letztangefuhrten  "Werke  angehoren,  verfolgt  einzelne  Geistes- 
richtungen, Ideen,  Tendenzen  in  ihrer  Entwicklung  wahrend  des  ganzen  Zeit- 
raumes.  Man  konnte  ihn  als  den  differenzierenden  VTeg  der  Forschung  be- 
zeichnen.  Ein  anderer,  den  man  integrierend  nennen  konnte  und  der  der 
romantischen  Periode  ebensowenig  fehlt  als  jeder  anderen,  liegt  in  der  Her- 
vorhebung  einzelner  Personlichkeiten  in  ihrer  gesamten  Erscheinung,  ihrem 
gesamten  "Wirken.  Die  denkbar  groBte  wissenschaftliche  Spezialisierung  mufi 
aber  an  jenem  Punkte  stattfinden,  in  dem  die  beiden  Wege  sich  kreuzen, 
in  dem  also  zur  Untersuchung  der  Stellung  einer  ganz  speziell 
hervorgehobenen  Individuality  innerhalb  einer  ganz  speziell 
hervorgehobenen  Richtung  geschritten  wird. 

Einem  solchen  Zwecke  dient  auch  die  vorliegende  Abhandlung. 

Unter  den  Gesichtspunkt,  der  als  differenzierende  Abgrenzung  des  Stoffes 
bezeichnet  wurde,  fiele  hier  jene  eigenttimliche  Erscheinung,  daB  sich  in  der 
romantischen  Dichtung  ein  zunachst  kunstlerisch-theoretisches,  bald  aber  auch 
kunstlerisch-praktisches  Interesse  an  musikalischen  Dingen  fuhlbar  macht. 

Es  ist  dies  im  Grande  nur  das  Korrelat  der  Forderung,  daft  die  roman- 
tische  Poesie  als  werdende  Universalpoesie  alle  Kreise  des  Lebens  und 
Schaffens  zu  umspannen  habe.  Und  wie  nun  diese  Forderung  im  allge- 
meinen  durchaus  nicht  utopistisch  geblieben  ist,  so  bleibt  auch  jene  beson- 
dere  Erscheinung  nicht  unentwickelt :  aus  dem  anfanglichen  Interesse,  das 
sich  allerdings  bei  einigen  bis  zum  Enthusiasmus  steigern  konnte,  wird  schlieC- 
Hch  ein  bedeutender  Faktor  im  geistigen  Leben  der  ganzen  Schule.  In  den 
Anfangen  der  Romantik  wurzelnd,  wird  er  durch  die  Fragmentenpoesie 
Xovalis'  und  Fr.  Schlegel's  rasch  gefordert  und  erreicht  in  Ludwig  Tieck 
nach  der  schopferischen ,  in  Schelling's  Kunstphilosophie  nach  der  abstrakt- 
philosophischen  Seite  hin  einen  Hohepunkt. 

Erhohtes  Interesse  aber  gewinnt  die  Erscheinung,  wenn  man  gewahr  wird, 
daft  sie  kurze  Zeit  split  er  durch  eine  ganz  analoge  auf  Seiten  der  roman- 
tischen Musiker  beantwortet  wird,  die  sich  hier  wieder  in  dichterischen  In- 
terossen  der  letzteren  auBert.  Es  ist  jene  Linie,  die  sich  von  E.  T.  A.  Hoff- 
mann iibcr  C.  M.  von  Weber,  Louis  Spohr  und  andere  bis  auf  Robert  Schu- 
mann hinzieht,  in  dessen  Schriften  deutlich  Elemente  der  dichterischen 
Romantik  aufzudecken  sind.  Es  braucht  jedoch  wohl  nicht  besonders  her- 
vorgeboben  zu  werden,  daB  die  sonderbare,  soeben  aufgest elite  Relation: 
musikalische  Interessen    der  Dichter  —  dichterische   Interessen    der  Musiker, 

li  0.  Brandes,  Die  romantische  Schule  in  Deutschland.    Charlottenburg  1900. 
2,  Ricarda  Huch,  Die  Blutezeit  der  Romantik.    Leipzig  1905. 


Josef  Gregor,  Die  deuteche  Romantik  aus  den  Beziehungen  usw,  507 

—  worn  it  wir  freilich  unversehens  ein  Schlagwort  echt  romantischer  Physio- 
gnomie  gepragt  hatten  —  etwas  nur  allzu  AuBerliches  darstellt.  Die  tieferen, 
eigentlich  erklarenden  Momente  werden  vielmehr  in  den  jener  Zeit  eigen- 
ttimlichen  Individualitaten  und  deren  Produkten  zu  suchen  sein. 

Auf  diese  Weise  ergibt  sich  schon  hier,  daB  unsere  Untersuchung  vor- 
wiegend  psychologischer  Natur  sein  wird  und  daB  wir  die  einzelnen 
Ausdrucksformen  der  oben  besprocbenen  Erscbeinung  stets  moglicbst  aus  dem 
ganzen  psycbiscben  Leben  jener  Personlichkeiten  hervorzuheben  baben  wer- 
den. —  Es  mag  vielleicht  befremdend  erscheinen,  daB  so  weit  ausgegriffen 
werden  soil;  bei  der  Feinheit  eben  dieser  Ausdrucksformen,  bei  ibrer  Ver- 
breitung  und  sekundaren  Wirksamkeit  kann  eine  solcbe  Ausfubrlichkeit  jedocb 
durchaus  nicht  verfeblt  sein. 

Wir  baben  uns  also  einerseits  entscblossen,  als  Moment  differenzierender 
Forscbung  das  »Yerbaltnis<  der  dicbteriscben  Romantik  »zum  Musikaliscben 
und  zur  Musik«,  wie  es  Brandes1)  genannt  bat,  —  die  Entwicklung  be- 
wuBter  musikalisch-kunstlerischer  Anscbauungen ,  wie  wir  prazisierend  sagen 
wollen,  zu  studieren,  und  Psychologie  als  Vebikel  der  Forschung  dabei  an- 
erkannt.  Um  nun  andrerseits  ein  Moment  integrierender  Forscbung  zu  finden 
und  damit  jene  auBerste  wissenscbaftlicbe  Spezialisierung  zu  erreicben,  die 
oben  angedeutet  wurde,  baben  wir  bloB  unter  den  Personlichkeiten  zu 
wahlen,  die  bier  in  Frage  kommen.  Und  es  ist  ganz  gerecbtfertigt,  wenn 
jener  Mann  unser  Augenmerk  auf  sicb  lenkt,  von  dem  die  ganze  musikaliscbe 
Kunstlebre  der  Romantik  ibren  Ausgangspunkt  nabm :  WilhelmHeinrich 
Wackenroder  (1773 — 1798).  Aucb  hier  ist  uns  natiirlicb  ein  hervor- 
ragendes  psycbologisches  Moment  garantiert,  so  daB  wir  darin  ein  Bindeglied 
zur  anderen,  differenzierenden  Richtung  unserer  Betrachtung  gefunden  hatten. 

Zu  diesen  Beobacbtungen,  die  vornehmlich  der  Abgrenzung  unseres  Tbe- 
mas  dienen,  gesellen  sicb  dann  andre,  metbodiscber  Natur.  Sie  werden 
gerade  bier  von  besonderer  Wichtigkeit  sein,  da  wir  es  mit  einem  Grenz- 
gebiete  zu  tun  haben,  also  mit  Untersuchungen ,  die  die  Systeme  zweier 
Wissenschaften  berucksichtigen ,  sich  aber  aucb  der  Kritik  zweier  Wissen- 
schaften darbieten  miissen.  Dazu  sei  nun  zunachst  antizipierend  bemerkt, 
daB  unsere  Abhandlung  vorzuglich  in  den  Dienst  der  Musikgeschichte  ge- 
stellt  sein  will.     Die  scheinbare  Inkongruenz,  die  darin  liegt,  daB  fortwabrend 

—  wie  schon  eingangs  —  literarhistorische  Mittel  herangezogen  werden,  lost 
sich  schon  im  Hinblick  auf  die  Tatsache,  daB  unser  gesamtes  Material  auf 
jener,  auf  literarhistorischer  Seite  liegt.  Aus  dem  dort  reichlich  Gebotenen 
wahlen  wir  —  weit  ausgreifend,  wie  angekiindigt  wurde  —  was  unserem 
speziell  musikhistorischen  Zwecke  dienlich.  —  Wiirde  nach  den  dichterischen 
Leistungen  eines  Musikers  verlangt,  wie  hier  nach  den  musikalischen  eines 
Dichters,  so  ware  naturgemaB  der  entgegengesetzte  Weg  einzuschlagen.  — 
Musikhistorisch  angewendete  Literaturgt»schichte  ware  also,  wenn  es  erlaubt 
ist,  sich  so  auszudrucken,  das  Diagramm  unserer  Methode.  Hier  und  dort 
baben  wir  e9  mit  eminent  psychologischen  Systemen  zu  tun,  unseren  Aus- 
fuhrungen  entgegenkommeud,  wodurch  die  Kommunikation  zwischen  beiden 
Gebieten  jede  Schwierigkeit  verliert2). 

1)  a.  a.  0.  Kap.  9,  S.  117. 

2)  Die  vielleicht  pedantisch  erscheinende  Scheidung  von  Musik  —  und  Litera- 
turgescliichte  bedarf  einer  Erkl&rung.  GewiB  liegt  uns  nichts  ferner  als  eine  strenge 
Kategorisierung  lebensvoller  historischer  Erscheinungen  in  das  eine  oder  das  an- 

34* 


508         Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziebungen  new. 

AuBer  in  den  bereitB  genannten  vier  groBen  und  allgemeinen  Werken 
hat  Wackenroder  bis  heute  in  beiden  Formen  der  Forschung  lebhafte  Be- 
riicksichtigung  erfahren.  TJnd  hier  ist  es  charakteristisch  fur  diese  Gestalt, 
dafi  gerade  biograpbische  Werke  andrer  es  sind,  die  Aufschltisse  fiber  ihn 
geben.  Gemeint  sind  die  beiden  Werke  von  Kopke1)  und  Dilthey5), 
wahrend  die  Einleitung  zur  Ausgabe  von  Schriften  Tieck's  und  Wackenroder's 
von  Minor3)  hauptsachlich  Wackenroder  gilt  und  Tieck  hochstens  quantita- 
tive durch  seinen  Franz  Sternbald,  dominiert.  Alle  diese  Werke  werden  uns 
psychologisch  Wertvolles  bieten*).  Eine  Biographie  Wackenroder's  gab 
Sulger-Gebing5),  der  auch  die  vortreffliche  Bemerkung  ausspricht,  Wacken- 
roder's Wirken  miisse  auch  fur  die  Entwicklung  jener  Kiinste  bedeutungs- 
voll  gewesen  sein,  denen  seine  Begeisterung  gait.  Sulger-Gebing  denkt  hier 
wohl  in  erster  Linie  an  Malerei,  worin  ihn  eine  bedeutsame  Studie  Wolff- 
lin's6)  bestarkt  haben  mochte.  "Wolff lin  hat  tatsachlich  Wackenroder's  Be- 
deutung  fur  die  bildende  Kunst  untersucht  und  sogar  ein  historisches  Er- 
eignis  als  A  us  flu  B  der  durch  die  Kunstlehre  Wackenroder's  angeregten  neuen 
Gedanken  bezeichnet7).  Der  Gedanke,  dafi  das  durch  ihn  gegebene  Bild 
durch  Betrachtung  der  and  era  Sphare  von  Wackenroder's  Kunstenthusiasmus, 
namlich  der  musikalischen ,  ein  Gegenstiick  finden  mufite,  lag  schon  hier 
auBerordentlich  nahe.  Bestarkt  werden  wir  aber  darin  durch  die  wertvolle 
Arbeit  Stock  er's8),  die  ihrerseits  wieder  eine  Erganzung  der  Ansichten 
Wolfflin's  darstellt.  Denn  es  ist  zunachst  auch  ihre  Aufgabe,  in  ausge- 
sprochen  differenzierender  Hinsicht  Wackenroder's  Stellung  zur  bildenden 
Kunst  zu  charakterisieren,  wobei  aber  —  und  hierin  liegt  das  auch  fur  uns 
Wertvolle  ihrer  Arbeit  —  die  zur  Musik  nicht  unvergessen  bleibt.  Anfangs 
schien  es  sogar  ihre  Absicht  gewesen  zu  sein,  die  Musikanschauung  des 
18.  Jahrhunderts  besonders  zu  behandeln,  wodurch  auch  das  Thema  vor- 
liegender  Studie  vorweg  genommen  ware.  Im  Vorworte  aber  macht  Yer- 
fasserin  auf  die  Schwierigkeiten  dieses  Beginnens  aufmerksam 9),  die  ihr  haupt- 

dere  Wissensgebiet.  Andrerseits  konnen  wir  uns  der  Erkenntnis  nicht  verschlieBen, 
daB  gerade  bei  der  Bearbeitung  von  Grenzgebieten  Gefahren  beetehen,  die  der 
Untersuchung  leicht  den  Charakter  des  Unwissenscbaftlichen  geben.  Die  unge- 
heure  Rich.  Wagner-Literatur  zeigt  Beispiele,  wie  leicht  sich  in  solchen  Fallen 
Unvollstandigkeit  dem  einen  oder  dem  anderen  Gebiet  gegeniiber,  Zusammen- 
stellung  oder  gar  Verwechslung  heterogener  Faktoren,  schlieBlich  allzukdhne  Ver- 
gleiche  und  Behauptungen  einstellen.  —  Es  dQrfte  empfehlenswert  sein,  sich  da- 
her  von  vornheroin  sehr  strikte  MaBregeln  aufzuerlegen. 

1)  Rud.  K6pke,  Ludwig  Tieck.    Leipzig  1855. 

2)  Wilh.  Dilthey,  Leben  Schleiermacher's,  T.     Berlin  1870.     (S.  279ff.) 

3  Jak.  Minor.  Tieck  und  Wackenroder.  Bd.  lf5  der  Dtsch.  Nat.  Lit,  Kursch- 
ners  (eiehe  spater). 

4)  Um  unsere  Angaben  der  Literatur  fiber  Wackenroder  zu  vervollstandigen. 
seien  zwei  Arbeiten  genannt:  Koldewey:  Wackenroder  und  sein  Ein  flu  B  auf 
Tieck;  E.  Dessauer:  Wackenroder  und  Vasari.    Berlin  1907. 

5,  Sulger-Gebing,  Artikel  Wackenroder  der  A.  D.  B.     Bd.  40.     S.  444  ff. 

6:  Heinr.  WDlfflin,  Die  HerzensergieBungen  eines  kunstliebenden  Kloster- 
bruders.     In  der  Festschrift  fur  Bernay'6  Studien  zur  Lit.  Gesch.  1893.     S.  63ff. 

7  Gemeint  i6t  die  Opposition  Overbeck's  und  seiner  Freunde  gegen  die  Wiener 
Akademie,  1810.     .'a.  a.  O.  S.  71.) 

8;  Helene  Stocker,  Zur  Kunstanschauung  des  XVIII.  Jahrhunderts.  Von 
Winkelniann  bis  Wackenroder.  Dissert.  Erech.  in  d.  » Palaestra*,  hrsg.  v.  Brandl 
u.  Schmidt,  XXVI,  Berlin  1904.  9)  Hinweisend  auf  Friedl&nder  u.  Bie. 


Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  usw.         509 

sachlich  in  dem  noch  ungesammolten  und  schwer  zu  bebahdelnden  Material 
zu  liegen  scheinen.  Dies  und  die  Erwagung,  dafi  das  bewufite  Tbema  vor- 
wiegend  musikbistoriscbes  Interesse  babe,  ibr  Zweck  aber,  wie  bervorgehoben, 
auf  andrer  kunsthistorischer  Seite  liegt,  veranlafite  sie  wohl,  sicb  auf  eine 
kurze,  aber  pragnante  Ubersicht  zu  beschranken,  Kapitel  V  ibres  Bucbes. 

Uns  will  es  scheinen,  dafi  die  Schwierigkeiten ,  die  Helene  Stocker  bier 
aufdeckt,  scbon  in  jener  Bemerkung  Sulger-Gebing's  *)  ausgedruckt  sind,  mit 
welcber  er  darauf  binweist,  daB  in  Wackenroder's  musikalischen  Anschau- 
ungen  das  subjektive  Element  weitaus  vorberrscbt,  somit  diese  in  erster 
Linie  fiir  die  Erkenntnis  der  Personlichkeit  ibres  Autors  wertvoll  seien. 
Oewifi  wird  dieser  Ansicbt  niemand  seine  Zustimmung  verweigern.  Es  ist 
aber  nicbt  ausgeschlossen,  dafi  sicb  an  diesem  Punkte  eine  Ansicbt  entwickeln 
konnte,  die  die  musikbistoriscbe  Bedeutung  "Wackenroder's  iiberhaupt  in 
Frage  ziebt.  Eine  solcbe  Ansicbt  wiirde  namlich  die  Bemerkungen  der  vor- 
genannten  Forscher  dabingebend  ausnutzen,  dafi  erklart  wurde,  die  ganz  sub- 
jektiven  Aufierungen  (Sulger-Gebing)  unseres  Dichters  verdicbteten  sicb 
kaum  zu  fasten,  greifbaren  Anbaltspunkten,  die  als  Forscbungsmaterial  dienen 
konnten  (Stocker),  und  setzten  so  der  musikbistoriscben  Wertung  Schwierig- 
keiten entgegen.  Hier  miifiten  wir  freilicb  ganz  andrer  Meinung  sein.  Denn 
zunachst  sind  wir  es  gewobnt  und  finden  es  ganz  natiirlicb,  wenn  in  musi- 
kaliscben Dingen  Subjektivitat  vorwaltet.  Dann  aber  diirfen  wir  nicbt  ver- 
gessen,  dafi  es  ein  Dichter  ist,  dem  unsere  Aufmerksamkeit  gilt:  "Wacken- 
roder's Musikbetracbtung  ist  poetiscbe  Exegese.  Feste  Daten  und  theore- 
tiscbe  Anbaltspunkte ,  deren  Seltenbeit  Stocker  aufwies,  werden  wir  somit 
iiberhaupt  gar  nicbt  verlangen  konnen,  sondern  von  Anfang  an  unsere  Be- 
trachtung  anders  einricbten  miissen.  Indem  wir  namlicb  tracbten,  Wacken- 
roder's  Musikanscbauung  weniger  aus  einem  System  von  Daten,  Theorien 
und  Meinungen ,  als  vielmebr  aus  der  vollen  Personlichkeit  des 
Dichters  heraus  zu  entwickeln,  kann  uns  Subjektivitat  und  der  erwahnte 
Mangel  an  n?alem  Material  unmoglicb  zum  Hindernisse  werden.  Denn  eben 
deshalb  haben  wir  ja  Psychologie  als  Vehikel  unserer  Untersucbung  —  und 
das  in  jeder  Forscbungsrichtung  —  anerkannt.  Und  wir  konnen  schliefilich 
so  auf  einen  Standpunkt  gelangen,  wo  eben  dieses  Subjektive,  welches 
andore  Betrachtungsmoglichkeiten  als  Hi n der n is  empfinden  wiirden,  sich  fur 
uns  gerado  zum  wertvollsten  Cbarakteristikum  verkehrt  und  wir 
gerade  auf  diesem  Wege  das  Agens  jener  Musikbetracbtung  finden. 

"Weiter  ware  aber  jede  Meinung,  welcbe  die  speziell  musikbistorische  Be- 
deutung unseres  Tbemas  in  Frage  ziebt,  scbon  a  priori  zuriickzuweisen.  Es 
ist  freilicb  ricbtig,  dafi  jene  Bemiibungen,  die  den  musikaliscben  Interessen 
in  der  Literatur  gelten,  zunachst  der  Literaturgeschicbte  zugute  kommen. 
Aber  schon  insofern  wir  in  den  musikaliscben  Ansicbten  der  Dichter  (und 
Philosophen)  die  Ansicbten  hochster  Intellekte  unter  den  Nicbtmusikern  sehen, 
hatten  wir  in  deren  fortlaufender  Aufzeicbnung  eigentlich  eine  ideale  Ge- 
schichte  der  Musikkritik,  richtiger  der  Musikauffassung  vor  uns  —  also  be- 
reits  eine  Aufgabe  von  eminent  musikwissenschaftlichem  Interesse2). 

1)  a.  a.  0.    S.  446.  2)  Wir  geben  stets  zu,  daB  die  besondere,  poe- 

tiscbe (oder  pbilosophische)  Diktion  der  Schriftsteller  die  Untersuchung  erschwert, 
doch  niemals,  daB  sie  dadurch  geradezu  behindert  wfirde.  Vielmehr  werden  wir 
in  diesen  Besondcrheiten  doch  stets  Verfeinerungen  erblicken  miissen,  gegeben 
durch  die  besondere  Individualitilt  der  schriftstellernden  Person. 


510  Josef  Gregor,  Die  deutsche  Roman tik  aue  den  Beziehungen  ubw. 

Aber  noch  mehr!  Es  ist  namlich  feststehend,  daB  gerade  diejenigen  unter 
den  besagten  Anschauungen,  denen  unsere  Aufmerksamkeit  hier  gilt,  fur  die 
Entwicklung  unserer  Kunst  nicht  nur  extern  von  Interesse,  Bondern  auch 
intern  von  "Wirksamkeit  waren.  Diese  Tatsache,  deren  eminente  Bedeutung 
auf  diesem  gesamten  Stoffgebiete  einleuchtet,  bewies  Adler1)  durch  die 
Feststellung  der  Fortwirkung  von  Ideen  "Wackenroder's  in  der  Kunstlehre 
der  musikalischen  Spatromantik ,  in  der  Kunstlehre  Richard  Wagner's.  — 
Damit  ware  die  Moglichkeit  eines  Widerspruchs  gegen  die  musikhistorische 
Bedeutung  un seres  Mannes  endgtiltig  erledigt. 

Zugleich  aber  ergibt  sich  eine  Reihe  neuer  Direktiven  fur  unsere  Unter- 
suchung.  Zunachst  die  Moglichkeit,  sie  ganz  in  den  Dienst  der  Musikge- 
schichte  zu  stellen,  das  Grenzgebiet  zu  verlassen,  wie  angedeutet  wurde. 
Dann  aber  konnen  auch  iiber  den  hier  verfolgten  Zweck  nunmehr  keine 
Zweifel  bestehen.  Das  Bild  der  Personlichkeit  Wackenroder's ,  wie  es 
sich  namlich  dem  von  musikhistorischer  Seite  Herantretenden  zeigt,  soil  ge- 
zeichnet,  seine  Werke  ebenso  tiberpruft  und  BchlieBlich  jene  Punkte  seines 
Kunsti deals  aufgesucht  werden,  die  Merkpunkte  in  der  Entwicklung  un- 
serer Kunst  darstellen. 

Mit  diesen  Bemerkungen  ist  das  Programm  vorliegender  Abhandlung  voll- 
kommen  ersch5pft. 

Wir  haben  unsere  Aufgabe  im  weiteren  Sinne  als  der  Geschichte  der 
deutschen  musikalischen  Romantik  zugehorig  erkannt  und  sie  hier  unter  beide 
Moglichkeiten  der  Stoffabgrenzung,  der  differenzierenden  und  integrierenden, 
gestellt,  welcher  Absicht  der  vielleicht  etwas  befremdende  doppelte  Titel  ent- 
spricht.  Ebendenselben  Gegensatz  fanden  wir,  als  wir  uns  dann  dem  Thema 
auf  methodischem  Gebiete  naherten.  Die  Notwendigkeit,  die  ganze  Person- 
lichkeit heranzuziehen ,  wurde  einer  Differenzierung  entsprechen,  wahrend 
unsere  Aufgabe,  nur  eine  einzige  geistige  j^vufierungsreihe  zu  betrachten, 
ein  Integrieren  darstellen  wird.  Eine  befiirchtete  Komplikation ,  gegeben 
durch  die  Beschaffenheit  des  Grenzgebietes,  loste  sich  bald,  auf  methodischem 
Gebiete  durch  Anerkennung  einer  einzigen  Untersuchungsmethode ,  der  psy- 
chologischen.  Vollends  aber,  als  wir  die  Moglichkeit  erkannten,  unsere 
Unter8uchung  in  den  Dienst  der  Musikgeschichte  zu  stellen.  Die  Parallele 
mit  den  kunsthistorischen  Arbeiten  von  "Wolfflin  und  Stocker,  deren  musik- 
historisches  Gegenstuck  zu  geben  ware,  machten  es  uns  leicht,  den  hier  ver- 
folgten Zweck  auszusprechen. 

Es  erubrigt  noch,  zu  betonen,  daB  wir  auf  Vollstandigkeit  keinerlei  An- 
spruch  machen  durfen.  Denn  einmal  ist  es  ein  wesentlich  neues  Thema, 
das  hier  behandelt  wird  und  daher  zunachst  einer  allgemeinen  Einfuhrung 
bedarf.  Dann  aber  wurde  wiederholt  erwahnt,  wie  weit  die  Grenzen  unserer 
Betrachtung  gesteckt  werden  mussen,  welcher  Umstand  schon  bei  dieser  Ein- 
leitung  cine  erhebliche  Erweiterung  des  Umfanges  erforderte.  Es  lag  aber 
in  der  Art  der  Konzeption  unserer  Untersuchungen ,  daB  wichtige  Neben- 
themen  und  Exkurse  wenigstens  bemerkt  und  gewurdigt  werden  konnten. 

Die  Personlichkeit. 

Jenen  einseitigen  Versuchen,  die  sich  bemuhen,  Personlichkeiten  von 
geistiger  Bedeutung  aus  den  Verhaltnissen  ihrer  Zeit  zu  konstruieren,  konute 

1)  G.  Adler,  Richard  Wagner.    Vorlesungen.    Leipzig  1904.     S.  11  u.  a. 


Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  usw.  511 

sich  kaum  ein  besseres  Beobachtungsgebiet  bieten,  als  das  geistige  Leben 
Berlins  zu  jener  Zeit,  der  das  Leben  Wackenroder's  angehort.  Da  die  ratio- 
nalistiscbe  Aufklarung,  die  uns  beute  dank  den  Bemtihungen  der  Bomantiker 
so  ungemein  diinkelhaft  und  philistros  erscheint,  hier  jene  Zentren  geistigen 
Adels,  die  gebildeten  Berliner  Judenkreise,  die  Kant  und  Goethe  hochhalten. 
Aber  Wackenroder  geht  in  wundervoller  Anomalie  an  den  sich  bekampfen- 
den  Tendenzen  voruber;  jede  scharfe  Parteinahme  war  ihm  fremd.  Seine 
Jugend  verlief  ganz  in  jener  Einfachheit  und  Ordnung,  die  zu  lieben  und 
zu  erhalten  ihm  sein  einfaches  aufieres  Leben  ermoglichte.  Hier  gab  es  kein 
einziges  lebhaft  bewegendes  Ere  ignis.  Gymnasialzeit,  einige  schone  Universi- 
tatsjahre,  Versuche  juristischer  Praxis.  Freilich  war  dies  alles  nichtig  jenem 
inneren  Leben  gegentiber,  in  welchem  sich  sein  eigentliches  Wesen  betatigte. 
Hier  ist  er  der  zarte,  sensible  Schwarmer,  der  vor  jeder  Bauhigkeit  zuriick- 
schreckt.  Hier  ist  er  der  weiche,  vertraumte  Phantast,  der  alles  mit  dem 
Dufte  einer  Stimmung  umgibt. 

Und  damit  hatten  wir  die  beiden  Ziige  seines  Lebens  bertihrt,  die  eben 
fur  uns  die  wichtigsten  Merkpunkte  sind.  Sensibilitat  kennzeichnet  ihn  im 
Bezeptiven,  sie  l'alit  ihn  schwarmerisch  aufsuchen,  was  seinem  inneren  Leben 
kongenial  ist,  andrerseits  aber  heftig  abstofien,  was  ihm  fremd.  Im  Spon- 
tanen  aber  kennzeichnet  ihn  weiche,  traumerische  Phantastik,  die  nie  bis 
zur  festen  Gestaltung  vordringt.  Hier  sprach  Minor l)  das  entscheidende 
Wort,  der  ihn  mit  Bedeutung  >keine  eigentlich  schopferische  Natur*  nennt. 
"Was  fur  sein  Leben  gait,  wiederholt  sich  nochmals  auf  hoherer  Stufe:  das 
Gefuhlsmoment  dominiert  so  sehr,  da£  das  nach  aufien  gerichtete  Moment 
des  praktischen  Gestaltens  uberhaupt  nicht  zur  Geltung  kommt.  Wie  ihn 
im  Leben  Reflexion  als  kalt  und  gefiihllos  abstiefi,  so  fehlte  ihm  personlich 
die  gleichfalls  nach  aufien  gerichtete  Gestaltungsfahigkeit,  die  freilich  nichts 
Reflektierendes ,  sondern  der  (schaffenden  und  gestaltenden)  Phantasie  zuge- 
horig  ist.  Es  mufi  aber  betont  werden,  dafi  trotzdem  die  Wertung  einer 
k  uns  tier  ischen  Individualitat  wie  dieser  positiv  ausfallen  mufi.  Durch  die 
starke  Hervorhebung  des  Gefuhlsmomentes  ist  ein  Beichtum  des  Gemuts- 
lebens  gewiihrleistet,  der  sich  nach  aufien  ungehemmt,  naiv  betatigt.  Dazu 
kommt,  dafi  es  ganz  gut  moglich  ist,  in  den  Begriffen  » Phantast*  und 
>phantastisch«,  die  stets  —  und  nicht  mit  Unrecht  —  auf  "Wackenroder  an- 
gewendet  werden,  einmal  vom  negativen  Nebensinn  zu  abstrahieren.  Wacken- 
roder war  Dichter,  was  ihm  fehlte,  war  die  Natur  des  Schriftstellers : 
das  Zusammenfassen  seiner  Ansichten  unter  einem  Gesichtspunkt,  jede  strenge 
Systemisierung,   allerdings  aber  auch  die  Kunst  des  Aufbaues. 

Einfachstes,  reales  Zeichen  all  dieser  psychologischen  Substrate  ist  die 
Freundschaft  zwischen  Wackenroder  und  Tieck.  Der  stille  Phantast,  der 
von  der  Fulle  seiner  Gesichte  iiberwaltigt  wTurde,  aber  nicht  zu  gestalten  ver- 


1)  a.  a.  0.  eingangs.  —  Von  weiter  ausgreifenden  Charakteristiken  Wacken- 
roder's,  die  nicht,  wie  in  uns  ere  m  Fa  He,  von  einem  bestimmten  Zwecke  geleitet 
werden,  sei  diese  in  erster  Reihe  genannt.  —  Interessant  sind  die  Darlegungen 
Ricarda  Huch's  (a.  a.  0.  S.  143),  die  Wackenroder's  Wesen  aus  einem  Uberquellen 
des  Unbewufiten  ins  Bewufite  erklart.  Besonders  wenn  dabei  an  seine  Be- 
muhungen gedacht  wird,  sich  dem  Ausdrucksgehalt  der  Musik  zu  nahern,  gewinnt 
das  Wort  tiefe  Perspektive.  —  Auf  R.  Huch's  Charakteristik  Wackenroder's  sei 
schon  deshalb  verwiesen,  weil  sich  hier  eine  psychologisch  wie  auch  kiinstlerisch 
befriedigende  Darstellung  seines  Freundschaftsverhaltnisses  mit  Tieck  vorfindet. 


512         Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aas  den  Beziehungen  usw. 

mag,  was  er  erschaut,  wird  von  der  weit  zielsicherereu ,  sonst  aber  geistea- 
verwandten  Schriftstellernatur  angezogen.  Was  aber  Wackenroder  Tieck  zu 
danken  hatte,  lag  nicht  auf  kunstlerischer  Seite;  es  sei  denn,  daB  er  ibn  zu 
schriftstellerischen  Versuchen  ermutigte.  Aber  Tieck's  Verdienst  ist  es,  daB 
sicb  jener  nacb  beendeter  Gymnasialzeit  entschiedener  dem  Leben  zuwandte; 
bier  beginnen  seine  ersten  Aufzeicbnungen,  die  fur  uns  von  "Wert  sind,  bier 
die  AuBerungen  seiner  speziell  musikaliscben  Interessen. 

Wackenroder  kommt  mit  einer  prachtigen  Musikernatur  in  Berubrung,  er 
nimnit  Unterricbt  bei  Karl  Fascb1).  Dabei  wird,  der  Eicbtung  jener  Zeit 
gemaB2),  der  Gesangsunterricbt  vor  dem  instrumentalen  gegangen  sein,  de- 
tail] ierte  Berichte  liegen  leider  nicbt  vor.  DaB  Wackenroder  selbst  uns  dar- 
uber  im  Unklaren  laBt,  ware  eines  der  haufigen  Zeugnisse,  wie  sebr  bei  ibm 
passiver  MusikgenuB  aktive  Betatigung  iiberwog.  Moglicb  aber  aucb,  daB% 
Fasch's  Vnterricbt  vorwiegend  tbeoretiscber  Natur  war,  auf  welcbe  Seite  vou 
Wackenroders  Bestrebungen  noch  bingewiesen  werden  wird.  Blumner5; 
erwabnt  ihn  unter  Fasch's  hervorragenden  Schtilern  nicbt,  er  hatte  es  wobl 
verdient,  wenn  aucb  seine  Bedeutung  in  andrer  Richtung  bin  gelegen  war. 
Fascb's  groBtes  Werk,  die  Griindung  der  Berliner  Singakademie,  nimmt  ihii 
wenig  ein;  wahrend  ibrer  ersten  Entwicklung  war  er  daran,  seine  Vaterstadt 
zu  verlassen ;  aucb  an  dem  groBen  musikaliscben  Aufscbwunge,  der  spater  folgte, 
nimmt  er,  damals  schon  zu  sebr  mit  sicb  selbst  bescbaftigt,  wenig  Anteil. 

AVer  seitens  eines  groBen  Musikers,  wie  es  Fascb  gewesen  ist,  einen 
starken  Eindruck  auf  unseren  durcb  und  durcb  musikalischen  Dicbter  er- 
wartete,  stibe  sich  sebr  getauscbt.  Er  fuhlte  sicb  in  Musikerkreisen  nicht 
minder  unbebaglich  als  in  denen  der  Literaten:  ibre  praktiscben  Interessen, 
die  seinen  Idealen  so  wenig  entspracben,  rissen  ibn  aus  seinen  Traumen,  ja 
beleidigten  ihn  geradezu.  Hierher  gebort  auch  eine  kleine  Episode,  die  wir 
aus  dem  Briefwecbsel  Tieck's  und  Wackenroder's  herauslesen.  Tieck  batte 
in  Gottingen  Gelegenbeit,  die  Vorlesungen  Fork  el's  zu  besucben.  DaB  der 
groBe  Musikhistoriker  ihn  nicht  anzog,  ist  nicbt  weiter  zu  verwundern,  wenn 
man  bedenkt,  wie  ktihl  Tieck  sicb  damals  zu  jeder  Art  von  Kunstgescbichte, 
sogar  zur  literarischen,  verhielt.  Aber  daB  ein  Zeugnis*)  geniigt,  um  Wacken- 
roder^ Interesse  fiir  diesen  Mann  sofort  umscblagen  zu  lassen,  beweist  uns 
seine  Gleichgiiltigkeit  alien  jenen  Momenten  gegenuber,  die  ibm  Musik  auch 
von  anderer  als  poetiscber  Seite  naher  gebracht  batten. 

1)  Auch  Zelter  wird  wiederholt,  ofFenbar  fur  spatere  Zeit,  als  Lebrer  Wacken- 
roders genannt. 

2;  Es  ist  jene  der  Yokalmusik  zugewandte  Vorliebe,  die  das  aufklarerische 
Berlin  jener  Tage  kennzeichnet  —  vgl.  den  Ausdruck  > Singakademie «  —  und  die 
sicb  in  den  Bestrebungen  der  Caecilianer  fruchtbar  erhalten  hat.  Die  Roniantiker 
verlieBen  nattirlich  diesen  Standpunkt,  nicht  ohne  einiges  davon  zu  bewabren  and 
den  neuen  Tendenzen  zu  assimilieren.  So  ware  auch  die  musikalische  Ungeheuer- 
lichkeit  Tiecks  erklart,  der  es  fiir  mSglich  halt,  in  Werken  ausgesprochen  vokaler 
Natur  die  fiihrende  Stimme  durch  eine  Sologeige  —  neben  dem  Horn  das  Instru- 
ment der  neuen  Zeit  —  zu  ersetzen. 

3)  Martin  Blumner,  Geschichte  der  Berliner  Singakademie.  Berlin  1891 
1.  Abschnitt. 

4;  Karl  v.  Holtei,  Dreihnndert  Briefe  aus  zwei  Jahrhunderten.  1872.  IV.TVil 
Briefe  Tiecks  an  Wackenroder.  S.  27 ff.  Tieck  beurteilt  Forkel's  musikaliscben 
Wirken  in  Gottingen  abfallig.  S.  69,  79,  90.  Wackenroder  antwortet:  »Forkel'i 
Geschmack  tut  mir  leidc.    (Briefe  an  Tieck  [siehe  spater],  Brief  XI,  S.  236 . 


Josef  Gregor,  Die  deutache  Romantik  au6  den  BeziehuDgen  usw.         513 

Und  nicht  viel  anders  stellt  sich  auch  der  mit  Reichardt  und  dessen 
Familie  aufgenommene  Verkebr.  Da£  Reichardt  Wackenroder  musikalisch 
unterrichtete,  ist  unwahrscheiulich,  ihr  Verkehr  diirfte  sich  in  allgemein  ge- 
sellschaftlicher  Weise  bewegt  haben.  Wackenroder  batte  Reicbardt  gewifi 
mancbes  zu  danken :  er  gewann  Anregung  in  dessen  ungemein  geselligem 
Hause  und  trat  bier  den  neuen  Geistesrichtungen  naher,  er  fand  bei  seinen 
spateren  scbriftstelleriscben  Leistungen  Rat  und  Unterstutzung  dieses  Mannes. 
Aber  es  diirfte  scbwer  halten,  sicb  bier  eine  tiefergehende  Wirkung  vorzu- 
s telle n.  Reicbardt,  der  Mann  von  so  ungemein  vielseitigen  Interessen,  der 
ja  wirklicb  seine  Leistungen  durcb  die  Mannigfaltigkeit  seiner  Plane  zer- 
streute,  der  Mann  von  iiberlegenem  Scharfsinn  und  geistiger  Agilitat,  diirfte 
dem  so  ganz  anders  gearteten  Gefublsmenscben  Wackenroder  innerlicb  kaum 
nabe  gestanden  sein.  Vollends  wird  Wackenroder,  ein  Bewunderer  Schiller's 
und  Mozart's,  Reicbardt  in  seinen  ausgebreiteten  literariscben  Plan  en  und 
der  Art  ihrer  Durchfuhrung  nicht  mehr  gefolgt  sein,  die  wir  ja  auch  heute 
nicht  durchaus  billigen *). 

Der  einzige,  der  auf  Wackenroder's  Entwicklung  EinfluB  nahm,  blieb 
also,  wenn  wir  von  gleich falls  weniger  innigen  Freundschaftsverbaltnissen  zu 
Bernhardi2),  Rambacb  u.  a.  absehen,  sein  Jugendfreund  Tieck;  die  scbwer 
empfundene  Trennung  von  diesem  machte  die  Fiihlung  nur  noch  lebendiger. 

Und  damit  sind  wir  dem  bedeutendsten  Dokument  fur  die  Erkenntnis 
der  Personlichkeit  Wackenroder's  nahegeriickt:  seinen  Briefen  an  den  ab- 
wesenden  Freund3),  diesem  fortlaufenden  Tagebucb  der  Trennungszeit.  WTir 
heben  bervor,  was  fur  unser  Thema  von  Bedeutung  zu  sein  scheint. 

Da  ist  zunachst  Wackenroder's  Stellung  im  Musikleben  seiner  Zeit.  Er 
erweist  sich  als  fleiBiger  Besucber  des  Theaters  und  der  Konzerte,  aber  nur 
iiber  das  erstere  berichtet  er  genauer,  wahrend  er  letztere  charakteristischer- 
weise  niemals  naher  als  in  der  Wiedergabe  gefuhlsmafiiger  Eindrucke  be- 
st immt.  Uber  Opern  hingegen  fin  den  wir  Auskunfb.  So  h6rt  er  Paesiello 4), 
Reichardt  (Erwin  und  Elmira)  mit  Begeisterung,  mit  Andacht  sogar,  wahrend 
er  fur  die  » Berliner  Operetten wuth «  nur  Worte  der  MiBachtung  findet. 
Etwas  ausfuhrlicher  angezeigt  wird  »eine  neue  Oper  von  Righini*,  auf 
welche  Rezension  wir  noch  zuruckgreifen  werden5},  kurz  angekiindigt  eine 
Operette  von  Goldoni  (Text)  und  Gasser  (Musik):   >Die  unruhige  Nacht**). 

Alle  diese  Briefstellen  vervollstandigen  das  Bild  von  Wackenroder's  Art, 
Musik  aufzufassen.  Eine  ungemein  bedeutsame  Stelle  des  zweiten  Briefes 
spricht  von  zwei  Arten  des  Musikhorens,  deren  erste  in  vollkommen  passiver 

1)  Die  Behandlung  Reichardt's  auf  musikhistorischer  Seite  zieht  zumeist  die 
vielen  Interessen  auf  auBermusikalischem  Gebiete,  die  doch  nicht  weniger  charak- 
teristisch  fiir  den  Mann  sind,  zu  wenig  in  Betracht.  (Andeutungen  bei  Riemann, 
Geschichte  der  Musik  seit  Beethoven,  S.  112ff.)  Der  Mangel  eines  abschlieBenden 
Werkes  Qber  Reichardt  macht  sich  auch  hier  fQhlbar.  Von  welchem  Interesse 
ware  es  beispiels weise,  seine  temporare  Opposition  gegen  Mozart  zu  untersuchen 
und  festzu8telleD,  ob  und  inwieweit  er  derselben  bei  seiner  Tatigkeit  als  Kompo- 
nist  und  Dirigent  Raum  gab. 

2)  Mit  ihm  fuhrte  Wackenroder  in  Tieck's  Abwesenbeit  Diskurse  uber  Musik; 
den  regelmilOigen  Mittwochskonzerten  wohnten  sie  gemeinsam  bei. 

3)  Karl  v.  Holtei,  Briefe  an  L.  Tieck.    Bd.  IV,  Breslau  1864.    S.  169 ff. 

4)  a.  a.  0.  Brief  X ,  S.  221  ist  wohl  dieses  Meisters  »Barbier  von  Sevilla«  ge- 
meint.     »In  der  Musik  ist  viel  Scb6nes«. 

6;  a.  a.  0.    Brief  XII.    S.  243.  6)  a.  a.  0.    Brief  XIII.    S.  253. 


514  Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  new. 

Hingabe,  deren  zweite  in  gleichzeitiger  Betatigung  der  Phantasie  besteht. 
Wackeuroder  zogert  nicht,  der  ersteren  den  Vorzug  zu  geben;  schon  hier 
kiindigt  sich  seine  Apotheose  des  Musikgenusses  an,  die  wir  wiederholt 
finden  und  deren  Ausflufi  seine  musikalischen  Schriften  sind. 

Auf  ein  rein  personliches  Moment  sei  gestattet  hier  hinzuweisen,  dag, 
dem  Zuge  unserer  Zeit  folgend,  von  keinem  neueren  Darsteller  dieser  Per- 
sonlichkeit  aufier  Acht  gelassen  wild.  Wackenroder  war  eine  Natur  von  un- 
erhorter  Sensibilitat ;  Jessen1)  ist,  wohl  mit  Rucksicht  auf  sein  trauriges 
Ende,  geneigt,  ihn  als  Neurastheniker  zu  bezeichnen.  Welch  grofie  Bedeu- 
tung  dergleichen  auch  fur  Wackenroder's  Leben  und  direkt  auf  dieses  be- 
ziigliche  Schriften  haben  mag,  so  werden  wir  doch  gewifi  gut  daran  tun,  bei 
Definition  seines  objektiven  kunstlerischen  Schaffens  davon  nach  Tunlichkeit 
abzusehen.  Es  wiirde  uns  kaum  als  gliicklicher  Griff  erscheinen,  das  Patho- 
logische  als  Mitfaktor  der  kunstlerischen  Tatigkeit  gerade  bei  einer  Gestalt 
demonstrieren  zu  wollen ,  die  mit  der  Biedermeierzeit  so  innig  zusammen- 
hangt,  wie  diese.  Dagegen  lafit  sich  nicht  leugnen,  da£  in  Wackenroder  s 
MusikgenuB  Momente  von  einigermaBen  pathologischer  Farbung  aufzudecken 
sind.  Da  ist  vor  allem  die  starke  psychische  Wirkung,  die  sehr  bald  auf 
eine  physische  hinauslauft2) : 

>Ea  ist  mir  besonders  auffallend,  wie  miide  die  Musik  mich  immer  macht;  ich 
fiihle  es  wirklich  sehr,  wie  die  Tdne,  wenn  man  sie  mit  ganzer  Seele  aufnimmt, 
die  Nerven  ausdehnen  und  erschlaffen<9j. 

In  Wackenroder's  Forderungen  des  Musikhorens,  dann  in  seinem  >Paroxis- 
mus  der  Begeisterung*   klingen  zugehorige  Momente  wieder. 

Gerade  die  erste  Berliner  Zeit  mit  ihren  lebhaften  Eindrucken,  dem 
Trennungsschmerze  und  dem  ersten  Auftauchen  von  Konflikten,  deren  spatere 
Entwicklung  so  verhangnisvoll  geworden  ist,  haben  wir  uns  in  dieser  Hin- 
sicht  als  kritisch  vorzustellen.  Mit  dem  Wiedersehen  und  der  innerlich 
ruhigeren  Erlanger  und  Gottinger  Zeit  (1793  — 1794)  betritt  Wackenroder 
eine  neue  Periode  seines  Lebens,  die  durch  mannigfache  Studien  und  Reisen 
die  an  Anregungen  reichste  seines  Lebens  geworden  ist.  Vielleicht  ist  dar- 
um   der  Beginn    seiner   schrifts teller ischen  Yersuche    schon  hier  anzusetzen4}. 

Wackenroder  schreibt  iiber  Musik,  nicht  etwa,  weil  er  ein  festes  System 
mitzuteilen  hat  oder  gar  theoretisch-kritisch  sein  will,  sondern  weil  in  ihm 
musikalische  Eindriicke  die  dichterische  Betatigung  seiner  Phantasie  ausldsen. 
Er  will  die  Stimmungen ,  die  ihn  bestiirmen,  noch  einmal  durchleben,  aie 
durch  endgiltige  dichterische  Wiedergabe  abschlieBen  und,  wie  er  gesagt  haben 
wiirde,   »aufbewahren«.     Ware   er  Schriftsteller  gewesen,   so  wiirde   das  lite- 


1)  Einl.  zum  Neudruck  der  »Herzen8ergieCungen<  (siehe  spater),  S.  XI. 

2}  Es  kann  beobachtet  werden,  daB  Individuen,  bei  denen  dies  in  ahnlicher 
Weise  der  Fall  ist,  sich  in  ihrem  sonstigen  Verhaltnis  zu  musikalischen  Dingei 
nicht  charakteristisch  von  solchen  unterscheiden,  bei  denen  diese  Wahrnehmunf 
nicht  gemacht  werden  kann.  Es  miiCte  also,  wenn  die  Erscheinung  Qberhaupt 
pathologisch  erklart  werden  sollte,  keine  durchgreifende  Wirkung  des  krank- 
haften  Momentes  angenommen  werden. 

3  a.  a.  0.  (Briefe  an  Tieck),  Brief  X,  S.  221.  Wackenroder's  Ansicht,  Eonzert« 
diirften  nicht  (iber  eine  Stunde  dauern,  gehort  ebenhierher. 

4)  So  verwies  Jessen  (a.  a.  0..  S.  XV)  darauf,  daB  die  Darstellung  des  musika- 
lischen Lebens  der  bischSf  lichen  Hesidenzstadt  im  >Berglinger<  sehr  wohl  aus  den 
in  Bamberg  gewonnenen  EindrQcken  hervorgegangen  sein  kann. 


Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  usw.  515 

rarische  Element  zweifellos  so  sehr  dominieren,  daB  wir,  von  musikalischer 
Seite  herantretend ,  beim  Mangel  fester  Absichten  seitens  des  Autors  iiber- 
haupt  kein  Material  fur  unsere  Betrachtung  vorfanden.  Nun  war  aber 
Wackenroder  —  und  dies  am  meisten  in  musikalischen  Dingen  —  so  ganz 
Dichter,  daB  sich  seine  reinpersonliche  Stellung  zu  unserer  Kunst  in  voll- 
kommen  unangetasteter  Weise  aussprechen  konnte.  Hier  liegt  einer  der 
schon  beriihrten  Punkte,  wo  das  Phantasiereiche ,  Subjektive  seines  Stils, 
weit  entfernt  ein  Hindemis  zu  bilden,  sich  fiir  uns  zum  Vorteil  verkehrt. 

Erst  wahrend  des  zweiten  Berliner  Aufenthaltes  (ab  Sommer  1794}  trat 
Wackenroder  mit  seinen  Versucben  bervor.  Diese  Zeitstrecke  ist  au  fieri  ich 
die  ruhigste  seines  Lebens.  Er  befleiBigt  sich  strenger  Ordnung  und  Regel- 
maBigkeit  seiner  Studien,  der  Verkebr  mit  Tieck  ermunterte  ihn  zu  schrift- 
stellerischer  Tatigkeit.  Kicbts  laBt  erkennen,  daB  in  seinem  Innern  bestan- 
dig  jener  Widerstreit  war,  der  so  verhangnisvoll  fiir  ibn  werden  muBte. 
Sein  Wunsch,  die  Jurisprudenz  zu  verlassen  und  sich  ganzlich  seiner  Lieb- 
lingskunst,  der  Musik  zuzuwenden,  stammt  schon  aus  fruhester  Zeit.  Viel- 
leicht  stehen  damit  seine  musiktheoretischen  Bestrebungen  in  Verbindung, 
die  wir  im  Briefwechsel  deutlich  hervorgehoben  finden,  wenn  sie  auch  zu- 
nachst  nur  dazu  dienen  soil  ten,  sein  passives  Yerstandnis  zu  erweitern. 

>  .  .  .  Es  bleibt  aber  noch  immer  mein  Verlangen,  in  der  praktischen  Kompo- 
sition  noch  weiter  zu  kommen,  dann  wtird1  ich  weit  reichere  Quellen  des  Raesonne- 
ments  darttber  haben;  —  wenn  auch  nur  so  weit,  daB  ich  kleine  Arien,  Duetten, 
ChOre  usw.  komponieren  k6nnte« 1). 

Die  Frage,  wie  groB  "Wackenroder's  musikalische  Begabung  gewesen  sein 
mochte  und  wie  weit  sie  ihn  gefuhrt  hatte,  wenn  nicht  schon  auBere  Hinder- 
nisse  die  Ausfiihrung  seines  Lieblingswunsches  unmoglich  gemacht  hatten, 
verringert  ihre  Bedeutung  hinsichtlich  der  Tatsache,  daB  in  dieser  Bichtung 
keine  Selbsttiiuschung  stattgefunden  hat.  Seine  bedeutendsten  und  schmerz- 
lichsten  Erlebnisse  flossen  aus  anderen  Ursachen.  Hier  gab  uns  Wackenroder 
selbst  den  Schliissel,  indem  er  bei  seiner  Idealfigur  des  Berglinger,  die  ja 
sein  eigenes  Leben  dichterisch  widerspiegelt,  groBte  Begabung  und  tatsach- 
liche  Eignung  zum  musikalischen  Berufe  annimmt.  Dennoch  lost  eine  Reihe 
weiterer  Erkenntnisse  jenen  tieferen,  bleibenden  Konflikt  aus,  dem  er  selbst 
wie  jener  zum  Opfer  fallen  muBte. 

Wir,  die  alle  Fulle  dieses  psychischen  Geschehens  nur  aus  weiter  Feme 
beobachten  konnen  und  fur  die  sich  diese  subtilsten  psychischen  Probleme 
in  weit  grobere,  typische  Formen  niederschlagen,  haben  es  nicht  leicht,  uberall 
erklarend  zu  folgen.  Inkommensurable,  rein  individuelle  Faktoren  erschweren 
unsere  Deduktionen  fortwahrend  und  machen  es  uns  nur  moglich,  das  Auf- 
falligste  vorzubringen.  Uns  ist  Wackenroder  als  zuruckgezogener  stiller 
Traumer  erschienen,  so  voll  Hingabe  an  den  Eindruck,  daB  er  sich  sogar 
jede  gleichzeitige  Betatigung  seiner  Phantasie  verbot.  Schon  von  diesem 
Punkte  ist  es  begreiflich,  daB  er  die  Energie  nicht  fand,  ja  vielleicht  selbst 
sogar  nie  ernstlich  daran  dachte,  den  auBeren  Konflikt  zu  losen  und  die 
musikalische  Laufbahn  statt  der,  die  ihm  aufgedrangt  worden  war,  zu  er- 
greifen.  Aber  den  inneren  Konflikt  hatte  er  doch  nie  zu  losen  vermocht. 
Hier  st&nden  sich  seelische  Gewalten  gegenuber.  Die  Phantasie,  die  so  ganz 
seine  Sache  war,  die  sich  in  seinem  ganzen  Wesen  ausspricht,  in  seiner  Innig- 


1)  a.  a.  0.    Brief  I.     S.  170. 


516         Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  oaw. 

keit,  Einfachheit,  seinem  Hingebungsbediirfnis,  —  die  Schaffenskraft,  die 
strenge  und  groBe  Forderung,  deren  Notwendigkeit  er  ebenso  erkannte  wie 
ihren  Mangel  in  seinem  Wesen1).  Es  ist  aber  "Wackenroder's  GroBe,  dafi 
er  niemals  aufgehort  hat,  nach  dem  zu  verlangen,  von  dem  er  sich  sagen 
muBte,  daB  es  ibm  verschlossen  war.  Und  in  jener  unglaublich  en  gen  Ver- 
bindung,  in  der  bei  diesem  Menschen  Psychisches  und  Physisches  stand, 
muBte  der  Tod  die  Folge  dieses  Konfliktes  sein. 

Wir  haben  es  bei  der  Betrachtung  von  "Wackenroder's  Personlichkeit  ab- 
sicbtlicb  unterlassen,  alle  jene  Punkte  hervorzuheben ,  durch  die  er  mit  der 
ubrigen  Romantik  zusammenhangt  und  ein  Glied  derselben  darstellt.  Es  lag 
ja  freilicb  nabe  genug,  diese  Personlichkeit  als  >romantische«  zu  bezeichnen 
und  ihr  tiefstes  und  tragischestes  Erlebnis  mit  der  >romantiscben  Sehnsucht* 
zu  identifizieren.  Doch  wer  unter  den  ubrigen  Romantik  era  erlebte  sie  so, 
diese  romantische  Sehnsucht,  daB  er  daran  starb?  Yersuche,  psychische  Er- 
lebnisse  fur  einen  ganzen  Kreis  zu  typisieren,  scheitern  augenblicklich,  wenn 
in  diesem  Kreise  ein  Mensch  auftritt,  der  sie  bis  zur  auBersten  Lebenstragik 
erlebt.  Hier  tritt  das  Individuelle  uber  jeden  Gedanken  der  Kollektivitat 
erhaben  hervor. 

Durch  die  letzten  Betrachtungen  wurden  die  Umrisse  unserer  Aufgabe 
zum  groBen  Teil  verlassen ,  was  aber  insofern  geboten  erscbien ,  als  eine 
Personlichkeit  wie  diese,  die  Betrachtung  jener  Einzelheiten ,  welche  speziell 
in  Frage  kamen,  unter  dem  Gesichtspunkt  ihrer  ganzen  Erscheinung  erheischt 
Nur  unter  den  namlichen  Yoraussetzungen  ist  hier  auch  der  Zusammenhang 
zwischen  Dichter  und  "Werk  zu  bestimmen. 

Die  Werke. 

Schon  bei  der  Betrachtung  seiner  Personlichkeit  hatten  wir  auf  das  be- 
soudere  Verhaltnis  hinzuweisen,  in  dem  "Wackenroder  zu  seinen  Werken  stehi 
Sie  sind  ihm  Selbstbekenntnisse  freier  Art,  in  die  er  seine  Phantasien  formt, 
um  sie  nochmals  innig  durchzuerleben  und  sich  andrerseits  doch  wieder  von 
ihnen  zu  befreien.  Es  ergab  sich  aus  dieser  ganz  allgemeinen  Fixierung  ihrer 
Entstehungsart,  daB  Wackenroder's  literarische  AuBerungen  unmoglich  ein 
festes,  mit  schriftstellerischer  Architektur  entworfenes  Gauzes  darstellen  konnen; 
es  sind  gelegentliche  Aufzeichnungen.  die  Freiheit  der  Komposition  schon  in 
den  Titeln  verratend,  Variationen  dei*selben  Gedankenreihe,  nach  Stimmung 
und  innerem  Bediirfnis. 

Ganz  besonders  gilt  dies  wieder  von  jenen  Aufsatzen,  die  fur  unser 
Thema  in  Betracht  kommen  und  den  en  unsie  Aufmerksamkeit  daher  aus- 
schlieBlich  gilt.  "Wackenroder  ist  hier  am  allerwenigsten  geneigt,  seine  iiber- 
schwengliche  Phantasie  zu  zugcln:  bald  ergeht  er  sich  in  imposanten  und 
ubereinandergetUrmten  Bildern,  bald  verweilt  er  mit  zartester  und  intimster 
Kunst  bei  einzeluen  Gefuhlsmomenten.  Alle  diese  Besonderheiten  seiner 
Diktion,  die  auf  Seite  der  poetischen  "Wertung  zu  stelleu  sind,  kommen  fiir 
uns  nicht  in  Betracht;  unsere  Aufgabe  ist  es  vielmehr,  mit  der  Kenntnis 
der   Individualitiit   unseres   Mannes    ausgeriistet,    einige   hervorstechende   und 

1)  Es  entspricht  einerseits  den  oben  genannten  Schwieriarkeiten,  anderpeita 
aber  unserer  fortschreitenden  Yertiefung  in  dieee  Individualitiit,  wenn  wir  bier 
Bezeichnungen  gebrauchen,  die  Wackenroder's  eigener  Nomenklatur  entlehnt  sind. 
Ein  MiBverstandnis  ist  durch  die  am  Eingang  dieses  Abschnittes  gegebenen  Ein- 
schrankungen  und  Erweiterungen  wohl  beseitigt. 


Josef  Gregor,  Die  deutscbe  Romantik  aus  den  Beziehungen  usw.         517 

wiederkehrende  Gedanken  innerhalb  dieser  Schriften  aufzudecken,  die  wir 
dann  ihrerseits  bei  der  Konstruktion  seines  Kunstideales  verwerten  konnten. 
Naturlich  hat  eine  Aufgabe,  wie  diese,  Schrifken  wie  den  in  Rede  stehenden 
gegenliber  ihre  besonderen  Schwierigkeiten,  wie  uberhaupt  die  Absicht,  einen 
festen,  logischen  Gredankenzug  in  Werken  von  solcher  Intimitat  und  musi- 
kalischer  Unbestimratheit  aufzudecken,  so  viel  Grausames  und  Ntichternes 
an  sich  hat.  Allein  unser  Vorsatz,  uns  stets  das  Individuelle  des  Verfassers 
vorzuhalten  und  ihm  in  aller  Subjektivitat  getreu  zu  folgen,  mufl  schliefilich 
zu  einer  Losung  des  Widerspruches  fiihren. 

Ungeachtet  der  historischen  Folge  seien  hier  die  funf  Aufsatze  der  >Phan- 
tasien  iiber  die  Kunst* x)  die  fur  unser  Thema  von  Belang  sind,  vor  die  »Her- 
zensergieAungen «  gestellt.  Denn  das  einschlagige  Kapitel  des  letzteren  Werkes 
erscheint  in  seiner  ungewohnten  Realistik  den  Phantasien  gegenliber  durch- 
aus  als  Klimax,  als  grofie,  tiefpersonliche  Zusammenfassung,  wahrend  die 
» Phantasien*   viel  einzelner  und  leichter  geartet  sind. 

>In  diesen  seinen  kleinen  Aufsatzen  ubrigens,  welche  die  Blute  einzelner 
schoner  Stunden  sind,  wird  man  mit  Freuden  diejenige  raelodische  Harmonie  finden, 
welche  wir  leider,  wenn  wir  den  ganzen  lnbegriff  seines  wirklichen  Lebens  flber- 
sehen,  mit  so  bitterer  Betrtibnis  vermissen«2). 

Das  erste  Stuck  des  bedeutungsvollen  zweiten  Abschnittes,  *Ein  tvunder- 
bares  morgenlandisehes  Marchen  von  einem  nackien  Heiligcn* 3),  zeigt  "Wacken- 
roder  durchaus  auf  romantischem  Boden.  Die  romantische  Forderung,  den 
lnbegriff  aller  Erkenntnis  im  Gewande  des  Marchens  zu  symbolisieren,  ist 
hier  erfullt.  Mit  den  bedeutendsten  Dichtungen  dieser  Art,  mit  den  Marchen 
Novalis',  kann  es  "Wackenroder's  schlicht<?  Erzahlung  freilich  nicht  aufnehmen, 
dennoch  ist  sie  in  allgemeiner  poetischer,  wie  in  Hinsicht  der  Kunstbetrach- 
tung  von  groBter  Bedeutung.  Die  Vorstellung  des  Weisen,  welcher,  die 
Kichtigkeit  des  menschlichen  Beginnens  dem  gewaltigen  Forteilen  der  Zeit 
gegenliber  erkennend,  nur  auf  dieses  seine  Sinne  lenkt  und  dem  Leben  ver- 
loren  ist,  hat  Wackenroder  ergi-itfen.  Erleichtert  wird  die  Deutung  des  Mar- 
chens durch  die  wohl  wenig  beachtete  Tatsache,  daB  ein  anderes  Stuck  der 
Sammlung,  »Die  Ewigkeit  der  Kunst*  4),  aus  der  Feder  Tiecks  ganz  iihuliche 
Gedanken  in  anderer  Form  vortragt8).  Was  Wackenroder  als  zartes,  phan- 
tastisches  Marchen  empfand,  verdichtete  sich  bei  Tieck  zu  tendenzioser  Be- 
trachtung  von  beinahe  doktrinarem  (ireprage.  Sein  Gedankengang  ist  dieser: 
Bei  Betrachtung  von  Zeit  und  Ewigkeit  ergreifen  uns  Schauer  vor  der  Nich- 
tigkeit  und  Yergangliclikeit  unseres  Handelns.  Nur  die  Kunst  vermag  uns 
zu  retten;  sie  allein  ist  das  Vollendete,  Unveriinderliche ,  Ewige.  Diese 
Betrachtung.  die  freilich  nocli  wenig  von  der  spiiteren  Theorio  des  ewigen 
Werdens  in  der  Kunst,   wie  sie  Schelling  und  Schlegel  brachten,   an   sich  hat, 


1)  »Phanta8ien  iiber  die  Kunst,  f&r  Freunde  der  Kunst*,  (1799)  im  Bande  >Tieck 
und  Wackenroder*  von  Kiirschner's  Dtsch.  Nat.  Lit.,  hrsgeg.  von  Jak.  Minor,  Bd.  146, 
Berlin  und  Stuttgart,  W.  Spemann. 

2)  Wackenroder,  a.  a.  0.  S.  51.  3)  a.  a.  0.  S.  51. 

4)  a.  a.  0.  I.,  10?  S.  47. 

5)  Die  Erscheinung  entspricht  der  Tatsache,  daB  diese  Aufsatze  vorwiegend 
aus  gemeinsamen  Betrachtungen  der  Freunde  hervorgingen.  Doch  wird  man  sich 
—  am  meisten  in  musikalischen  Dingen  —  huten  mussen,  an  eine  Beeinflussung 
Wackenroder's  durch  Tieck  zu  denken.  Vgl.  dazu  stets  Minor,  Einleitung  a.  a.  0. 
8.  VI,  VII. 


518  Josef  Gregor,  Die  dentsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  osw. 

kehrt  mit  charakteristischen  Yeranderungen  in  Wackenroder' s  March  en  wieder. 
Worte  scheinen  kaum  zu  gentigen,  urn  das  Ungliick  des  Weisen  zu  schildern, 
der  einerseits  erkennt  und  verlangt,  etwas  >  Bestimmtes,  TJnbekanntes  <  ersehnt 
und  andrerseits  doch  in  der  Ciewalt  des  Erkennens  zur  Unstetigkeit  verur- 
teilt  ist;  dann  wieder  das  Ungluck  derer,  die  im  gewohnlichen  Leben  an 
>taktlose  Geschafte*,  wie  sich  Wackenroder  bezeichnend  ausdruckt,  gebunden 
sind.  Erst  Erfullung  der  Sehnsucht  erlost;  Musik  ist  es,  die  das  Wunder 
bewirkt  und,  in  eigentiimlichen  Parallelismus  mit  der  Liebe  gestellt,  apotheo- 
tisch  erbebt.   — 

Redet  Wackenroder  hier  durchaus  symbolisch,  nur  in  leiser  Andeutung  des 
Gegensatzes,  der  ihn  selber  qualt,  so  ergreift  er  schon  im  zweiten  Aufcatze 
viel  bestimmtere  Formen1).  Wahreud  er  die  bedeutsame  Annaherung  der 
Musik  an  die  Religion  vollziebt  und  damit  eine  seiner  hauptsachlichsten 
Ansichten  von  der  bildenden  Kunst  bierher  iibertragt,  fallt  mancbes  mifl- 
achtende  Wort  uber  jene  anderen,  die  im  weitesten  Sinne  ohne  Musik  sind. 

Aber  gleicb  wendet  er  wieder  zurtick: 

>Wohl  dem,  der  (mQde  des  Gewerbes,  Gedanken  feiner  und  feiner  zu  e pal  ten. 
welches  die  Seele  verkleinert)  sich  den  sanften  und  machtigen  Zugen  der  Sehn- 
sucht ergibt,  welche  den  Geist  ausdehnen  und  zu  einem  schQnenGlaubener- 
heben.  Nur  ein  solcher  ist  der  Weg  zu  allgemeiner,  umfassender  Liebe,  und  nur 
durch  solche  Liebe  gelangen  wir  in  die  Nahe  g5ttlicher  Seeligkeit. 

Dies  ist  das  herrlichste  und  wunderbarste  Bild,  so  ich  nur  von  der  Tonkunst 
entwerfen  kann,  —  obwohl  es  die  meisten  fur  eitle  Schwarmerei  halten  werden.« 

Unmittelbar  nach  diesem  Satze,  der  vielleicht  das  Feinste  und  Charakte- 
ristischeste  ist,  das  Wackenroder  uber  Musik  geschrieben  hat,  greift  er  zuerst 
einen  Widerspruch  auf,  der  ihm  aus  dem  Inneren  der  Kunst  selbst  zu  kom- 
men  scheint.  Es  ist  die  Ernuchterung :  reale  Gruudlage  der  Wunder  der 
Tonkunst  ist  »ein  elendes  Gewebe  von  Zahlenproportionen ,  handgreiflich 
dargestellt  auf  gebohrtem  Holz,  auf  Gestellen  von  Darmsaiten  und  Messing- 
draht«.  Aber  vorlaufig  weill  er  sich  zu  trosten.  Er  entwirft  rasch  eine 
ideale  Theorie  der  Musik,  welche  diese  zur  Aussprache  von  Gefuhlen  geeignet 
und  ihre  Praxis  als  Erfindung  im  Dienste  dieses  Zwecks  erscheinen  laBt.  Dabei 
ergeht  er  sich  im  Ijobe  uber  das  Material  unserer  Kunst,  das  ihm  so  sehr 
geeignet  scheint,  mit  gleichem,  einfachem  Mittel  ganz  verschiedene  Wirkungen 
zu  erreichen2). 

Derselben  Stimmung,  wie  die  der  beiden  genannten  Aufsatze  es  isi 
kommt  auch  das  •Fra/jment  aus  einem  Brief e  Bcrglinyers**)  zu,  bei  dem  wir 
nach  so  ausfuhrlicher  Behandlung  der  beiden  vorgenannten  nicht  unbedingt 
verweilen  mussen.  Der  Widerstreit  von  Kunst  und  Leben  einerseits,  von 
Kunst  und  zeitlichem  Geschehen  andrerseits  herrscht  auch  hier  vor,  in  ab- 
geschwachter  und  kontemplativer  Fassung. 

Weit   bemerkenswerter    und    eigentlich    die    vorziiglichste   Stiitze    unserer 


1)  a.  a.  0.  S.  55.     >Die   Wunder  der  Tonkunst*. 

2;  Obwohl  nicht  eigentlich  zu  unserem  Thema  gehOrig.  sei  es  gest&ttet.  anf 
die  Theorie  des  Affektes  zu  verweisen,  die  Wackenroder  hier  entwickelt  (S.  57. 
Nach  ihm  durchleben  wir  alle  Gefuhlsregungen  in  der  Jugend  unbewuBt;  erst  das 
Alter  laCt  sie  uns  subjektiv  fiihlen  und  objektiv  nach  ihrer  >Aufbewahrung«  ;Aot- 
6prache)  in  der  Musik  verlangen.  —  Von  der  Entwicklung  des  Theoriebegriffei 
bei  Wackenroder  wird  noch  mehrfach  die  Rede  sein. 

3)  a.  a.  0.  II.  4,  S.  64. 


Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  usw.         519 

Beobachtungen  wird  aber  das  Stiick:  >  Von  den  verschiedenen  Qattungen  in 
jeder  Kunst,  und  insbesondere  von  verschiedenen  Gattungen  der  Kirchenmusik* J). 
Hier  findet  es  Wackenroder  notwendig,  aus  seiner  poetischen  Diktion  teil- 
weise  herauszutreten  und  uns  seine  Anschauungen  in  weniger  allegorisieren- 
der  Form  mitzuteilen.  Die  Hinneigung  der  Musik  zu  Religion,  die  sich 
schon  in  den  vorausgegangenen  Studien  bemerkbar  machte,  ist  hier  vollzogen, 
—  die  Prioritat  der  Kirchenmusik  leuchtet  eben  dort  durch,  wo  er  bemiiht 
ist,  den  ganz  gleichen  Kunstwert  aller  Musikgattungen  darzulegen: 

>Doch  kann  ich  nicht  leugnen,  daB  die  hervorbringende  Kraft  meiner  Seele 
viel  mehr  nach  der  ersteren  hinneigt  und  auf  dieselbe  sich  einschrankt.  Mit  ihr 
beschaftige  ich  mich  am  meisten  und  von  ihr  will  ich  daher  jetzt  ausschlieOlich 
mit  einigen  Worten  meine  Meinung  sagen*2). 

Und  nun  folgt  jene  wundervolle  Schilderung  der  drei  Arten  der  Kirchen- 
musik, die  mit  drei  Arten  der  Andacht  parallelisiert  wird3).  —  Da  ist  zu- 
nachst  die  heitere,  unbefangene,  die  sich  in  froher  TJnschuld  und  naiver 
Dankbarkeit  ergeht.  Dann  die  machtige,  erschtitternde,  die  die  Herrlichkeit 
Gottes  zu  schildern  unternimmt. 

>Diese  Musik  schreitet  in  starken,  langsamen  Tttnen  einher  und  versetzt  dadurch 
uns  ere  Seele  in  die  erweiterte  Spannung,  welche  von  erhabenen  Ge  dan  ken  in  uns 
erzeugt  wird  und  solche  wieder  erzeugt.* 

Und  schlieBlich  die  demiitige,  bufifertige,  die  sich  nicht  iiber  den  Ton 
des  Kyrie  zu  erheben  wagt. 

•Dieser  gebflrt  jene  alte  choralmaBige  Kirchenmusik  an,  die  wie  ein  ewiges 
» miserere  mei  Dominelc  klingt  und  deren  langsame,  tiefe  T6ne  gleich  sflnden- 
beladenen  Pilgrimen  in  tiefen  Talern  dahinschleichen.« 

Aus  der  folgenden  kurzen  Schilderung  dieser  >  choralmaBigen  Kirchen- 
musik <  ist  mit  vollster  Deutlichkeit  zu  entnehmen,  daB  Wackenroder  augen- 
blicklich  ein  bestimmter  Choral  vorschweben  muBte,  den  er  in  wundervoller 
"Wiedergabe  poetisch  umschreibt.  Wir  vermogen  an  dieser  Stelle,  ohne  daB 
eine  bestimmte  Angabe  gemacht  wird,  den  Gegenstand  aus  der  Dichtung 
formlich  herauszuschiilen.  Es  gibt  hier  Wendungen,  von  so  priizisem  Aus- 
drucke,  daft  sie  direkt  durch  gehorte  Veranderungen  des  Tempo,  durch  ge- 
horte  Modulation  en  ausgelost  zu  sein  scheinen.  Mit  groBer  Klarheit  ist  auch 
zu  entnehmen,   daB  ihm  am  Schlusse  ein  Orgelpunkt  vorschwebte4). 

Es  liegt  hier  besonders  nahe,  sich  die  Frage  vorzulegen,  welche  bestimm- 
ten  musikalischen  Eindrucke  wohl  zur  Konzeption  der  drei  Arten,  und  gerade 
dieser  drei,  gefuhrt  haben  mochten.     Natiirlich  kann  nicht  mehr  gesagt  werden, 

1)  a.  a.  0.  II.  3,  S.  60. 

2;  a.  a.  0.  S.  62. 

3<  Vgl.  StQcker  a.  a.  S.  121. 

4)  An  dieser  Stelle,  auf  deren  Bedeutung  wir  noch  zurQckkommen  werden, 
durfte  auch  der  charakteristische  Unterschied  von  Tiecks  und  Wackenroders  poe- 
tischer  Musikumscbreibung  am  deutlichsten  zutage  treten.  (Vgl.  Minor  a.  a.  0. 
S.  VII,  SchluB.)  Wahrend  Tieck  in  den  Vorspielen  seiner  M&rchenkomOdien,  bei 
Darstellung  der  Instrumente  Eftekte  aufgreift  und  sich  hier  wie  an  anderen  Stellen 
vornehmlich  auf  die  Klangfarbe  stiitzt,  gewinnen  wir  hier  ein  ganz  anderes  Bild. 
Wackenroder  will  vollstandiger  sein  und  vertieft  sich  daher  mehr,  er  erprobt  alle 
Mittel  seiner  bilderreichen  Sprache  zu  moglichst  weitgehendem  Ausdrucke.  Dabei 
ist  stets  zu  erkennen,  wie  klar  der  musikaliscbe  Eindruck  ihm  selbst  gegenwartig 
ist  —  alles  Umstiinde,   die  filr  seine  bedeutendere  musikalische  Anlage  sprechen. 


520         Josef  Gregor,  Die  deuteche  Romantik  aus  den  Beziehungen  ubtt. 

als  sich  aus  der  Gegeniiberstellung  dieser  Charakteristik  und  jener  Kompo- 
sitionen,  die  Wackenroder  ungefahr  gehort  haben  konnte,  erschliefien  laflt 
Bei  der  ersten  Art  wird  naturlich  an  Mozart's  Musik  gedacht  werden,  doch 
wird  Wackenroder  die  Salzburger  Messen,  die  bier  am  meisten  entsprachen, 
kaum  gehort  haben,  eher  das  Requiem,  das  aber  wieder  kaum  herpassen 
wiirde.  Die  zweite  Art  wird  den  Gedanken  an  Haydn  nabelegen,  bei  jenen 
Epitheta,  die  das  Kraftvolle  und  Erbabene  dieser  Musik  betonen,  wohl  auch 
den  an  J.  S.  Bach.  SchlieBlich  wird  die  dritte  Art  an  Musik  pietistiecher 
Richtung  erinnern,  wabrend  der  prachtig  umschriebene  Cboral  an  den  groBen 
Meister  desselben,  an  J.  S.  Bach  gemahnt.  Bei  der  Seltenheit  bestimmter 
Angaben  uber  Wackenroder's  musikaliscbe  Genusse  ist  es  schwer,  sich  bei 
derlei  Hypothesen,  deren  "Wert  ubrigens  nicbt  uberschatzt  werden  soil,  Tor 
allzu  weitgebenden  Unbestimmtheiten  und  Vermutungen  zu  bewabren. 

Eine  weit  weniger  klare  Spracbe  fuhrt  der  letzte  der  fur  unseren  Zweck 
wertvollen  Aufsiitze:  >Das  eigentilmliche  innere  Wesen  der  Tonkunst  und  die 
Seelenlehre  der  heutigen  In$trumentalmu$ik€x).  Aber  wir  konnen  docb  einige 
der  friiher  bezeichneten  Gedanken  auch  hier  wiederfinden,  wenn  auch  in 
reicberem  poetiscben  Flusse  verbullt.  Da  ist  zunachst  die  Angst,  durch 
Praxis  und  Wissenschaft  mitten  im  Entbusiasmus  der  Kunst  erniichtert  zu 
werden  —  bier  kunstvoll  widerlegt  durch  eine  ganz  eigentiimliche  Theorie 
uber  das  Wesen  der  Musik.  Wackenroder  verkennt,  seiner  Individualist 
entsprechend,  die  Musiktheorie  in  ibrer  einfachen  und  groBen  Aufgabe  natur- 
lich bestiindig:  er  muB  weit  ausgreifen  und  bis  an  den  magischen  Idealismus 
Novalis'  beranreichen,  um  sie  zu  recbtfertigen.  Nach  ihm  ware  namlich  die 
>neue  Lehre,  aus  der  die  Meister  die  mannigfaltigsten  Tone  scbopfen<  eine 
Yoraussetzung  des  Schaffens;  daB  sie  auch  zeitlich  friiher  bestanden  hatte, 
ist  nicht  direkt  ausgesprocben ,  nach  dem  Gesagten  aber  auch  nicht  unmog- 
lich.  Geheime  Beziebungen  walten  nun  zwischen  den  »matbematiecben  Ton- 
verhiiltnissen  und  den  einzelnen  Fibern  des  menschlichen  Herzens*  vor,  der 
Berufene  vermag  es,  beide  Seiten  zu  verbinden.  Es  ist  moglich,  ja  sogar 
walirscbeinlicb,  daB  Wackenroder  liter  seinen  Beg  riff  von  Theorie  mit 
clem  von  Scbaffenskraft  (im  Gegensatze  zu  Pbantasie)  zusammen- 
fallen  liiBt,  wodurch  diese  Siitze  sogleich  ein  erhohtes  MaB  von  Verstand- 
lichkeit  batten.  Nur  so  liiBt  sich  verstehen,  wenn  er  auch'  Tonstiicken,  die 
»wie  die  Zahleu  zu  einer  Rechnung  zusammengesetzt*  sind,  >wenn  sie  auf 
Instrumenten  eingeiibt  werden  «,  Wirkung  und  Wert  zuschreibt. 

Durchaus  klar  sind  dagegen  einige  andere,  uber  das  Schaflfen  vorgebrachte 
Bemerkungen.  Der  schaflende  Kiinstler  ist  Dicbter,  »Verdichterc  der  Ge- 
fiihle,  die  auch  die  Seele  des  Horers  bewegten  —  hier  meldet  sich  nach 
langer  Zeit  wieder  der  Gedanke  des  MusikgenieBens,  dem  Scbaffen  gegen- 
uberstehend.  Aber  den  weitaus  breitesten  Raum  des  Aufsatzes  erfullen 
naturgemaB  schwungvolle  Paraphrasen,   die  hier  kiihner  sind  als  je   zuvor. 

Der  Ton  dieses  Stuckes,  mit  dem  die  Reihe  der  fiir  uns  in  den  Phan- 
tasien  bedeutsamen  abgeschlossen  ist,  steht  weit  von  dem  der  > Herzensergie- 
pnngrn*'1)  ab.  Fanden  wir  erstere  wenigstens  stellenweise  objektiv  und  all- 
gemeine  Bedeutung  beanspruchend,  so  sind  letztere  durchaus  von  der  tief- 
persnnlichen    Seite    zu     fassen.      Der    Ausdrucksreichtum    seiner    poetiscben 

1)  a.  a.  0.  S.  67. 

2  »HerzensergieBungen  eines  kunstliebenden  Klosterbruders.*  (1797.'  Neue 
Ausgabe  von  Jeseen,  Jena  1904. 


Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehnngen  usw.         521 

Diktion  steigert  sich  mithin  auch  bis  zu  jener  Innigkeit,  mit  der  das  Eigen- 
erlebnis,  etwa  in  den  Briefen,  spricht.  Oberflachliche  Substitution  en,  durch 
welche  die  Beziehungen  zu  seinem  Leben  gedeckt  werden  soil  ten,  die  aber  nur 
allzu  durchsichtig  ausgefallen  sind,  steigern  diesen  Eindruck  noch  besonders. 

Er  selbst  ist  dieser  Kttnstler,  dessen  Lebensgeschichte  hier  vor  uns  liegt 
und  dem  so  mannigfache  und  nicht  zu  uberwindende  Widersprttche  in-  und 
aufierhalb  seiner  Kunst  drohen.  Und  da  das  Buch  ganz  auf  diese  negative 
Voraussetzung  gestellt  ist,  wird  der  wehmiitige  Pessimismus,  von  dem  es 
durchzogen  wird,  leicht  verstandlich.  Relativ  lichter  klingt  noch  das  erste 
Hauptstiick,  in  dem  der  Widerstreit  von  ktinstlerischem  und  auBerkunstleri- 
schem  Lebensberufe,  dargestellt  im  Werdegang  des  jugendlichen  Kunstenthu- 
siasten  Berglinger,  das  Hauptmotiv  bildet.  Sein  Schaffensbedurfnis  wird  als 
aus  dem  Kunstgenufi  steigend  erlautert  —  ein  fur  Wackenroder's  Kunst- 
anschauung  ungemein  wichtiges  Moment.  Dabei  bietet  sich  Gelegenheit  zu 
poetischen  Musikumschreibungen,  die  hier  noch  einfacher,  als  die  in  den 
>Phantasien<  gen  an  n  ten,  immerhin  aber  schon  mit  den  una  von  dort  be- 
kannten  Mitteln  gearbeitet  sind.  In  erster  Linie  ist  es  Kirchenmusik,  die 
den  jungen  Berglinger  begeistert.  Oratorien,  Kantaten,  Chore  »mit  Posaunen- 
und  Trompetenschallc  werden  genannt.  Die  Art,  in  der  diese  Eindrficke 
umschrieben  sind,  lafit  an  Handel's  Musik  denken.  Daneben  erregen  auch 
»vollstimmige  Symphonien*  sein  Entziicken  —  in  ihrer  Darstellung,  die 
zweifellos  eine  der  gelungensten  Musikumschreibungen  Wackenroder's  bildet, 
ist  das  dreiteilige  Scherzo  oder  Menuett  von  der  Form  Scherzo- Trio -Wie- 
derholung,  man  mochte  sagen,  geradezu  mit  Handen  zu  greifen1).  —  Vor- 
ziigliche  Beachtnng  verdient  die  Feinheit,  mit  der  die  Psyche  des  Junglings 
erfafit  und  geschildert  wird,  nicht  zumindest  in  den  beiden  Gedichtchen, 
deren  eines  das  VersmaB  des  gleich falls  zitierten  Stabat  mater  beniitzt2). 

Kaum  hat  uns  das  erste  Hauptstiick  einigermaften  getrostet  zurtickgelassen, 
so  setzt  das  zweite  gleich  wieder  mit  alien  Konflikten  ein.  Zunachst  hatte 
die  Art  der   musikalischen  Studien   Enttauschung   bereitet3),   dann  aber  war 


1)  a.  a.  0.  S.  151.  >Bey  frohlichen  und  entzuckenden  vollstimmigen  Symphonieen, 
die  er  vorziiglich  liebte,  kam  es  ihm  gar  oftmals  vor,  als  san1  er  ein  munteres 
Chor  von  Jfinglingen  und  Mftdchen  auf  einer  heiteren  Wiese  tanzen,  wie  sie  vor- 
und  rQckwarts  hupften,  und  wie  einzelne  Paare  zuweilen  in  Pantomimen  zueinander 
eprachen,  und  sich  dann  wieder  unter  den  frohen  Haufen  mischten.c  —  Man  denke 
bei  dieser  entztlckenden  S telle  beispielsweise  an  das  Menuett  von  Mozarts  Gmoll 
Symphonie,  KOch.  Verz.  Nr.  650. 

2)  Es  sei  an  dieser  Stelle  eine  Hypothese  fiber  Wackenroder's  musikalisches 
Schaffen  versucht.  Es  ist  sehr  naheliegend,  anzunehmen,  daO  Wackenroder  das 
soeben  bezeichnete  Gedicht  selbst  vertont  hat,  wie  er  es  von  Berglinger  berichtet. 
—  Tieck  (»Phantasien«  a.  a.  0.  S.  4)  spricht  von  einer  Kantate,  die  zu  den  Phan- 
tasiestfloken  gehOrte,  mit  der  aber  Wackenroder  »selber  unzufrieden  ware.  Es 
handelt  sich  bei  Tieck  natflrlich  um  ein  lyrisches  Gedicht,  die  Bezeichnung  laCt 
aber  vermuten,  daC  es  mit  Musik  innig  im  Zusammenhange  stand.  So  setzt  auch 
Berglinger  —  wie  vorher  erwahnt  —  seine  Gedichte  in  Musik,  >ohne  die  Regeln 
davon  zu  kennen*.  Bestimmtes  t&ber  alle  diese  Dinge  kOnnte  nur  eine  Revision 
der  Aufzeichnungen  seiner  Lehrer  und  Freunde,  vor  allem  etwa  Fasch's  und  Rei- 
chardVs,  ergeben.  — 

3)  In  den  hier  der  Theorie  geltenden  Bemerkungen  versteigt  sich  Wackenroder 
su  einer  ihm  ganz  ungewohnten  Drastik.  (a.  a.  0.  S.  163)  >DaO  ich,  statt  frey  zu 
fliegen,  erst  lernen  muCte,  in  dem  unbehtHflichen  Gerust  und  Kafig  der  Kunst- 

8.  d.  IMG.   x.  35 


522         Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  usw. 

es  der  Konflikt  zwischen  Kunst  und  Leben,  der  auf  hoherer  Stufe  wieder- 
kehrt.  Kunstenthusiasmus  des  Einzelnen  und  Verstandnislosigkeit  der  Massen, 
dies  sind  die  Pole  einer  ergreifenden  Klage,  welche  nur  zu  sehr  an  Dinge 
gemahnt,  die  sich  sehr  haufig  im  Laufe  der  Musikgeschichte  abspielten. 
Bezeichnend  ist,  daB  dieser  Konflikt  bis  in  die  kunstlerische  Tat  eelbst  hin- 
iibergreift,  wenn  die  Aufnahme  durch  das  zeitgenossische  Publikum  als  wich- 
tiger  Faktor  des  gesamten  kiinstlerischen  Wirkens  betrachtet  wird.  Riickkehr 
zur  Einfachheit  wird  als  das  einzige  Mittel  genannt,  sich  hier  noch  zu  be- 
freien. 

Aber  nun  uberprtift  Wackenroder  sein  ganzes  Gebaude  nochmals,  indem  er 
den  giins  tigs  ten  Fall  setzt,  d.  h.  seine  Idealfigur  ein  einziges  Mai  zum  wirk- 
lich  schaffenden  Kunstler  erhebt  und  durch  eigene  Befriedigung  und  durch 
das  Yerst'andnis  des  Publikums  belohnt  sein  1'aBt.  Aber  auch  hier  iibertont 
der  letzte  und  auBerste  Konflikt,  der  Widerstreit  von  Phantasie  und  Schaf- 
fenskraft,  schlieBlich  alles.  Es  ist  riihrend,  wie  Wackenroder  nun  nach 
auBeren  Motiven  tastet,  um  seiner  Zeit  den  Untergang  Berglingers  an  diesem 
Konflikte  glaubhaft  zu  machen.  Seine  naive  Kunst  entwickelt  hier  einen 
(redanken-  und  Ausdrucksreichtum,  der  die  anderen  Schriften  bedeutend 
ubertrifft  und  geradezu  staunen  macht1).  Denn  auch  hier  spricht  die  Gewalt 
der  Wirklichkeit,  ja  man  ist  sogar  gezwungen,  zu  sagen:  die  Ahnung  des 
eigenen  Schicksals.  Er  selbst  war  es  ja,  der  durch  seine  »hohe  Phantasie 
aufgerieben*  wurde,  weil  sie  ihm  nicht  geniigte  und  er  sich  auch  in  daa 
Leben  derer  nicht  find  en  konnte,  die  die  Kunst  >in  ihrem  Handeln  auf 
Erden  nicht  stortc 

Den  letzten,  hochsten  Ausweg,  die  Forniel  Peer  Gynts,  die  ITberwindung 
der  Phantasie  zum  Leben,  hat  Wackenroder  nie  erreicht.  Eben  dies  aber 
macht  uns  sein  Kunstideal  so  wertvoll,  weil  es  das  Ideal  eines  Suchenden 
ist.  — 

Das  Kunstideal. 

Hatten  wir  uns  bis  jetzt  bemiiht,  in  der  Person  und  den  Werken  unseres 
Mannes  das  Individuelle  zu  betonen  und  den  Bezug  auf  andere  Erscheinun- 
gen  seiner  Zeit  zu  vermeiden,  so  erwachst  hier,  wo  es  sich  um  die  Kon~ 
struktion  von  Wackenroder's  musikalischem  Kunstideale  handelt,  die  entgegen- 
gesetzte  Forderung.  Denn  bei  einer  Personlichkeit  von  solcher  Offenheit 
und  bei  Schriften  von  bo  groBer  kiinstlerischer  Naivitat  werden  wir  wenig 
mehr  als  eine  Zusammenfassung  des  schon  Gesagten  geben  konnen,  die  aber 
hier  in  die  geschiclitliche  Folge  angegliedert  werden  will.  Einige  noch  nicht 
vorgebrachte  Ergebnisse  linden  erst  hier  Erwahnung,  wenn  durch  sie  die 
historische  Position  Wackenroder's  besser  beleuchtet  werden  kann.   — 

grammatik  herumzuklettern !  Wie  ich  mich  qualen  muCte,  erst  mit  dem  gemeiuen 
wissenschaftlichen  Maschinen-Verstande  ein  regelrechtes  Ding  heraus  ru  bring?!, 
eh1  ich  daran  denken  konnte,  mein  Gefiihl  mit  den  TOnen  zu  handhaben!  —  £• 
war  eine  ungliickselige  Mechaniklc 

1)  Ahnend  spiicht  er  es  aus:  (a.  a.  0.  S.  173)  ».  .  .  .  muB  der  Immerbegeisterte 
seine  hohen  Phantasien  doch  auch  vielleicht  als  einen  festen  Einschlag  kuhn  usd 
stark  in  dieses  irdische  Leben  einweben,  wenn  er  ein  &chter  Kunstler  seyn  will?« 
—  Vgl.  unseren  letzten  Abschnitt,  am  Schlusse.  —  Und  gleich  darauf  folgt  der 
vielbesprochene  Satz:  »—  Ja,  ist  diese  unbegreifliche  SchOpfungskraft  nicht  etw» 
iiberhaupt  ganz  etwas  anderes,  —  und  wie  mir  jetzt  erscheint  —  etwas  nock 
Wundervolleres.  noch  Gottlicheres  als  die  Kraft  der  Phantasie  ?«  — 


Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  nsw.         523 

Wackenroder's  Stellung  in  musikalischen  Dingen  ist  auf  jene  strenge 
Trennung  basiert,  die  er  zwischen  Kunst  und  Leben  bestehend  erkannte 1). 
Es  spielen  hier  natlirlich  Ziige  seines  eigenen  Lebens  herein,  die  er,  wie  es 
bei  einem  jungen  Menschen  natlirlich  ist,  bedingungslos  fur  sein  ganzes 
Denken  akzeptiert.  Da  es  ihn  nach  Betatigung  seines  Gemutslebens  drangt 
und  er  diese  im  Leben  nicht  fin  den  kann,  so  vollzieht  er  mit  seiner  Hin- 
neigung  zur  Kunst  eigentlich  eine  Weltflucht  und  bestatigt  dies,  wenn  er, 
einmal  bei  der  Kunst  angelangt,  das  Leben  als  etwas  Niedriges,  Beschranktes 
und  Beschrankendes  erklart.  Dieser  naive  Pessimismus  beruhrt  eigentumlich, 
um  so  mehr,  wenn  man  bedenkt,  dafi  selbst  ein  Novalis  seine  ktinstlerische 
Betatigung  widerspruchslos  mit  unkunstlerischem  Lebensberufe  zu  verbinden 
vermochte.  Bis  zu  dem  alle  Kreise  des  Geistes-  und  Gemutslebens  gleich- 
maCig  umspinnenden  Mystizismus,  dessen  Anzeichen  sich  gleichwohl  bei  ihm 
nachweisen  lassen,  war  Wackenroder  eben  noch  nicht  vorgedrungen.  Fiir 
ihn  bedeutete  die  Kunst  eine  Vertiefung,  Verinnerlichung,  bis  zu  welcher 
das  Leben  mit  seinen  gewohnlichen  Erscheinungsformen  niemals  gelangen 
kann.  Noch  bei  seinen  der  bildenden  Kunst  geltenden  Betrachtungen  stand 
dies  nicht  so  fest.  Hier  sieht  er  sich  bald  von  dem  poetischen  auf  das  fabu- 
listische  und  doktrinare  Gebiet  hinausgedrangt,  —  die  Zeit  der  Gemalde- 
sonette  war  noch  nicht  angebrochen  —  mehr  oder  weniger  ist  es  immer 
»das  Leben  der  Mahler «,  was  er  schreibt.  Erst  bei  der  Musik  genofi  er 
die  vollste  Freiheit,  hier  war  es  moglich,  den  fundamentalen  Gegensatz  bis 
zu  voller  Scharfe  zu  entwickeln. 

Es  ist  nur  eine  Folge  des  in  demselben  enthaltenen  Widerspruchs,  wenn 
der  Begriff  der  Musik,  die  in  Gegensatz  mit  dem  Leben  gestellt  werden  soil, 
eine  starke  Verschiebung  erleidet.  Hier  ist  immerfort  Wackenroder's  Per- 
sonlichkeit  maBgebend  und  die  grofie  Bedeutung,  die  die  Musik  fiir  sie  hat. 
Sein  ganzes  Wesen  spricht  sich  in  ihr  aus,  in  alien  Formen;  vom  Behagen 
des  Genusses  bis  zum  Ernste  tragischen  Erlebnisses.  Besondere  Momente 
kommen  noch  hinzu :  die  geheime  Symbolistik,  die  er  in  ihr  wirkend  dachte, 
die  tiefsinnige  Unbestimmtheit  ihres  Ausdrucks,  die  ihn  stets  zu  dichterischen 
Ergiissen  anregte,  nicht  zumindest  die  starke  Wirkung,  die  er  von  ihr  erfuhr. 
Alles  dies  machte  einerseits  eine  bedeutende  Erweiterung  des  Begriffes  der 
Musik  moglich,  andrerseits  aber  eine  fortgesetzte,  asthetisch  hochst  bemerkens- 
werte  Verschiebung  vom  Kiinstlerischen  zum  Elementaren.  In  diesem 
Sinne  will  es  aufgefafit  sein,  wenn  er  mit  solcher  Bestimmtheit  >das  Gefuhl*  i 
als  Gegenstand  der  Musik  bezeichnet.  Er  spricht  in  der  Form  des  roman-  ; 
tischen  potenzierenden  Genetivs  vom  >fiihlen  des  Geftihles«,  noch  realistischer  1 
von  der  »Aufbewahrung«  des  Geftihls  in  derselben.  Es  betrifft  dies  die 
Aussprache  realen  Gefiihls  und  realen  Affektes,  wenn  er  dem  kiinstlerischen 
Menschen  die  Fiihigkeit  gibt,  Schmerz  und  Freude  in  ein  kiinstlerisches  Pro- 
dukt  umzuwandeln2).  Andrerseits  aber  behauptet  er  bemerkenswerter  Weise 
nicht,  daB  die  Musik  die  anregenden  Gefuhle  eindeutig  bestimmen  oder 
geradezu  schildern   miisse.     Yielmehr   scheint  ihm   immer   ein  ganz  unlos- 


1)  Fiir  Wackenroders  Ad  sich  ten  zur  bildenden  Kunst  macht  Wttlfflin  (a.  a.  0. 
S.  65)  eine  ahnliche  Beobachtung.  Nur  formuliert  er  dieselbe  dahin,  Wackenroder 
habe  hier  strenge  Einheit  von  Kunst  und  Leben  als  heute  nicht  mehr  zu  errei- 
chende  Gepflogenheit  der  alten  Meister  angesehen. 

2)  >Phantasien<  a.  a.  0.  S.  59. 

35* 


524         Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  usw. 

barer  Gefiihlskomplex  iu  ihr  ausgedriickt  zu  sein,  woraus  sich  dann  seine 
Metapbern  >Bild«,  > Strom*,  »vieldeutige  Sprache*  u.  a.  herleiten.  Hierher 
gehort  aucb  seine  scbone  Definition  der  Musik : 

>Zu  die8er  Aufbewahrung  der  Gefuble  nun  sind  verschiedene  schOne  Erfin- 
dangen  gemacbt  worden,  und  so  sind  alle  schOnen  Kilns te  entstanden.  Die  Musik 
aber  balte  ich  fQr  die  wnnderbarste  dieser  Erflndungen,  weil  sie  menschliche  Ge- 
fiihle  auf  eine  ubermenschliche  Art  scnildert,  weil  sie  uns  alle  Be  we  gun  gen  uns  e  res 
GemQtes  unkOrperlich,  in  goldne  Wolken  luftiger  Harmonieen  eingekleidet.  fiber 
unBerm  Haupte  zeigt,  —  weil  sie  eine  Sprache  redet,  die  wir  im  ordentlichen 
Leben  nicbt  kennen,  die  wir  gelernt  haben,  wir  wissen  nicbt  wo?  und  wie?  und 
die  man  allein  fQr  die  Sprache  der  Engel  halten  mOchte.*1} 

Auf  der  Spitze  seines  Idealismus  offenbart  sich  also  die  Ruckkehr  in 
eine  asthetisch  besser  leitende  Fahrte.  Die  Bezeichnung  >  Sprache «  wird 
rein  metaphorisch,  fur  das  Subjektive  und  TJnbestimmbare  bei  Ausdeutungen 
der  Musik  hat  er  einen  scharfen  Blick.  Es  ist  ihm  stets  nur  urn  Feststellung 
des  tiefiimeren  Zusammenhanges  zwischen  Musik  und  Seelenleben  zu  tun, 
die  Frage  aber,  wie  dieser  Zusammenhang  vor  sich  gehe  und  sich  dokumen- 
tiere,  beantwortet  er  nur  dichterisch. 

Wackenroder's  rein  asthetische  Position  wtirdigt  Paul  Moos3)  durch  den 
Nachweis,  wie  sehr  jener  bemuht  war,  die  musikalische  Entstehungs-  und 
Wirkungssphare  ins  unbewufite  Seelenleben  zu  verlegen.  Es  entspricht  dies 
Wackenroder's  kiinstlerischer  Personlichkeit  in  alien  Stucken,  auch  mit  unse- 
ren  Bemerkungen  tiber  das  Elementare  an  Stelle  des  Kunstlerischen  in  seiner 
Musikauffassung  fin  den  wir  es  im  Einklange.  Hier  liegen  lib  er  all  Bestati- 
gungen  dafur,  daC  Wackenroder's  hoher  Idealismus,  trotz  des  Mangels  jeder 
wissenschaftlichen  Stiitze,  nicht  in  leere  Phantasmen,  sondern  in  inhaltlich 
bestimmte  und  wertvolJe  Anschauung  Ubergeht3). 

Als  historische  Erscheinungen  sind  diese  Z&ge  Wackenroder's  in  seiner 
Zeit  durchaus  nicht  singular.  Denn  diese  ist  ja  uberhaupt  durch  die  Auf- 
nahme  eines  poetischen  Elementes  in  musikalische  Ansichten  charakterisiert, 
man  konnte  oft  geradezu  von  romantischer  Musiktheorie  und  -kritik  reden. 
Und  hier  bietet  sich  uns  Gelegenheit  Wackenroder's  Verhaltnis  zu  den 
Theoretikern  seiner  Zeit  zu  untersuchen,  wenn  auch  nurinjenen  Punkten, 
wo  letztere  sich  auf  asthetisches  Gebiet  begaben:  Wackenroder's  Ansichten 
zur  Theorie  im  engeren  Sinne    waren  ja  teils  negativ,  teils  rein  dichterisch. 

1)  >Phanta8ien€  a.  a.  0.  S.  59. 

2}  P.  M  o  o  8 ,  Moderne  Musikasthetik  in  Deutschland.  Berlin  und  Leipzig.  S.  687. 
Auf  Moos'  Darstellung,  die  auch  eine  wertvolle  Bestatigung  unserer  Ansichten 
iiber  Wackenroders  musikalische  Bedeutung  bildet,  sei  ausdrOcklich  verwiesen. 

3)  Wackenroder  halt  einzelne  Punkte  derselben  fest,  natflrlich  nicht  ohne  weit- 
gehende  Veranderungen.  So  wird  die  gebildete  Verschiebung  vom  KflnstleriBchcn 
zum  Elementaren  zuweilen  riicklautig.  >Ein  an  dermal  wieder  wirkten  die  T5n« 
eine  wunderbare  Mischung  von  FrGhlichkeit  und  Traurigkeit  in  seinem  Henen 
so  daB  Lacheln  und  Weinen  ihm  gleich  nahe  war;  eine  Empfindung,  die  una  aof 
unserem  Wege  durch  das  Leben  so  oft  begegnet  und  die  keine  Ennst  geschickter 
ist  auszudriicken,  als  die  Musik*.  HerzensergieDungen  a.  a.  0.  S.  151)  also  keine 
besondere  Gefuhlsdynamik,  sondern  gerade  ein  gewisser  Nullpunkt  in  derselbes 
als  Ausdruck  der  Musik!  Freilich,  auch  noch  eine  gewisse  Objektivitat  und  Gt* 
lassenheit  des  kiinstlerischen  Schaffens  anzunehmen,  dazu  hfttte  sich  Wackenroder 
nie  verstanden. 


Joaef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  uew.         525 

Der  soeben  erwahnte  poetische  Zug  findet  sich  deutlich  in  Schubart's  ^Ideen*1), 
dem  Werke,  welches  sich  dann  der  junge  Schumann  exzerpierte.  In  Wacken- 
roder's  Sprache  fallt  Marpurg2)  haufig,  selbst  Forkel  kann  eines  gewahlteren, 
phantasievolleren  Ausdrucks  nicht  entraten,  wenn  er  sich  auf  asthetisches 
Gebiet  hinaus  begibt.  Cramer  hingegen  ist  stets  stronger  Theoretiker  ge- 
blieben.  Fur  den  weiteren  Verlauf  dieser  >romantischen  Musiktheorie«,  ins- 
besondere  aber  fur  die  romantische  Dichtung  ist  Wackenroder  Vermittler 
dieses  neuen  Elementes  geworden3). 

Hit  Wackenroder's  asthetischen  Ansichten  stehen  eine  Beihe  weiterer  in 
fruchtbarem  Zusammenhang.  Da  ist  der  weite  Begriff,  den  Wackenroder  der 
Musik  gibt  und  demgegenuber  man  die  Behauptung  wagen  konnte,  er  habe 
nie  von  beatimmter  Musik,  sondern  stets  von  der  Musik  gesprochen4).  Dafi 
er  bei  Konzerten  die  Titel  der  gehorten  Musikstucke  nicht  angibt,  wurde 
schon  erwahnt.  Doch  iiberwog  Wackenroder's  praktisch-musikalische  Anlage 
immerhin  noch  soweit,  daft  er  nicht,  wie  beispielsweise  Schopenhauer,  die 
letzten  Konsequenzen  seines  Idealismus  zieht.  Er  unterscheidet  wohl  zwischen 
guter  und  schlechter  Musik,  die  Operetta  ist  ihm  verhafit.  Doch  kann  man 
wohl  mit  voller  Sicherheit  sagen,  dafi  besondere  Nuancen,  z.  B.  das  natio- 
nal Element,  ihm  entgangen  sein  werden.  Umso  auffallender  ist  daher  ein 
ablehnender  Bezug  auf  italienische  Musik5). 

Dem  erweiterten  Begriffe,  den  Wackenroder  von  der  Musik  bildet,  ent- 
spricht  es  auch,  dafi  er  die  angewandte  Musik  nicht  kennt.  Wenn  die 
Vokalmusik  auch  eine  grofie  Bolle  bei  ihm  spielt,  so  gerat  er  doch  der  Oper 
gegeniiber  in  Yerlegenheit.  Da  bespricht  er  den  Text  oder  die  Musik, 
niemals  Text  und  Musik  als  zusammengehorigen  kiinstlerischen  Komplex. 
Es  mufl  ihn,  der  zugleich  ein  scharfsinniger  literarischer  Kritiker  gewesen 
ist,  hau£g  genug  die  Mitwirkung  der  von  ihm  ganz  anders  aufgefafiten  Musik 
an  der  Kritik  der  Dichtung  geradezu  gehindert  haben.  Theoretisch  hat  sich 
Wackenroder  niemals  iiber  die  Oper  geaufiert,  dieses  Gebiet  lag  seiner  tJber- 


1)  >Ideen  zu  einer  Asthetik  der  Tonkunstc,  Wien  1806.  Den  Theoretikem 
dieser  Zeif  waren  weitgehende  und  auch  poetische  Interessen  nicht  fremd,.  Es  ist 
kein  Zufall,  dafi  dieser  Titel  an  Herder  anklingt. 

2)  >Eritischer  Musikus*,  (1749—1750)  >Krit.  Beytrage*.  Er  redet  von  >Bewe- 
gangen  der  Scele«,  >Neigungen  des  Herzens«,  die  die  Musik  zu  »schildern«  habe. 
Man  konnte  es  ganz  gut  als  unterscheidendes  Merkmal  formulieren,  dafi  Wacken- 
roder das  reale  Gefuhl  als  Untergrund  der  Musik  fur  den  Schaffenden  annimmt, 
w&hrend  die  genannten  Theoretiker  meist  geradezu  vom  Bchildem,  Abbilden 
der  Geflihle  sprechen. 

3)  Vgl.  auch  unsere  spatere  Darstellung  des  Verhaltnisses  Wackenroder's  zu 
Heinse,  insbesonderc  aber  zu  Hoffmann. 

4)  Damit  steht  Wackenroder  durchaus  auf  romantischem  Boden.  Der  Stim- 
mungspoesie  der  Romantiker  und  der  Anwendung  der  Musik  in  derselben  entsprach 
diese  Verallgemeinerung  durchaus.  (Vgl.  den  Ausdruck  »eine  Musikc  [ertonte, 
erschollj  bei  Tieck  haufig.)  So  konnte  es  geschehen,  dafi  in  Schilderungen  das 
Schflne  der  Musik  in  das  SchOne  der  Landschaft  uberfloB,  was  unserer 
Beobachtung  vom  Elementaren  an  Stelle  des  Kunstlerischen  in  Wackenroder 8  Musik- 
anffasaung  entspricht. 

6)  Wackenroders  Briefe  a.  a.  0.  XII  S.  273 :  »Die  neue  Oper  von  Righini  . . . 
nur  sieht  zuweilen  der  Italiener  mit  seinen  sangbaren  nnd  einfachen  Melodien, 
wie  sie  seyn  sollten,  die  aber  nur  zu  sehr  an  bekannte  und  gemeine  Liederweisen 
grenzen  und  etwae  ungew5hnlich  sind,  durch.c 


526         Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  new. 

legung  ganz  fern.  In  diesem  wichtigen  Punkte  aufiert  sich  der  prinzipielle 
Antagonismus  Wackenroder's  und  Heinse's  besonders  deutlich  und  es  tragt 
znr  Hervorhebung  der  Originalitat  des  ersteren  bei,  ausfuhrlich  darauf  zu 
verweisen1). 

Heinse's  lebhaftem,  stark  auf  das  Sinnliche  gerichtete  Temperament  ent- 
sprach  die  Zuneigung  zur  Oper,  in  der  er  cbarakteristischerweise  immer  eine 
besondere  Steigerung,  Akzentuierung  des  Ausdrucks  der  Musik  sieht3). 

Wackenroder's  vergeistigtes  Ideal,  das  seinen  Gipfelpunkt  in  der  Kirchen- 
musik  findet,  steht  dem  ebenso  gegensatzlich  gegeniiber,  wie  seine  in  sich 
zuriickgezogene,  schwarmerisch-stille  Natur  der  Heinse's  widersprach.  Es  darf 
aber  keineswegs  angenommen  werden,  daQ  Wackenroder  zum  Problem  der 
Zusammenwirkung  von  Poesie  and  Musik  nicbt  auch  etwas  beitrug.  Seinem 
weiten  Begriff  von  Musik  entsprach  es  ja  gerade,  in  echt  romantischer  Weise 
den  AnschluB  derselben  an  eine  andre  Kunst  zu  ermSglichen.  Hier  hat 
Wackenroder  wieder  eine  ganz  individuelle  Note,  indem  er  in  positiv  wert- 
voller  Weise  auf  das  Musikalische  im  Verse  und  Reime  hinweist3).  Hier 
ist  stets  an  Tieck  und  dessen  gleichzeitige  Produktion  zu  erinnern,  doch 
wurde  bereits  auf  den  scbarfen  Unterschied  verwiesen,  der  seine  und  Wacken- 
roder's poetische  Musikumscbreibung  trennt. 

Mit  Wackenroder's  neuem  Musikbegriffe  steht  schliefilich  die  Aufhebung 
der  Gattungen  in  Zusammenhang,  die  er  in  derselben  erklart.  Zunachst 
zwar  scheinen  die  Gattungen  fur  ihn  eine  Reihe  zu  bilden,  als  deren  End- 
punkte  Tanzmusik  und  Kirchenmusik  angesehen  werden.  Historische  Erwi- 
gungen  sind  bei  der  ersteren  mafigebend: 

>Wahrlich,  so  oft  ich  Tanzmusik  hd*re,  fallt  es  mir  in  den  Sinn,  daC  diese 
Art  der  Musik  offenbar  die  bedeutendste  und  bestimmteste  Sprache  fQhrt  und  da6 
sie  notwendig  die  eigentlichste,  die  alteste  undursprdngliche  Musik  sein  muG«4> 

Bei  der  Kirchenmusik  aber  war  —  und  dies  ist  einer  der  hauptsachlichsten 
Punkte  seiner  Kunstanschauung  —  "Wackenroder's  erklarte  Wendung  zum 
Religiosen  in  kiinstlerischen  Dingen  entscheidend.  Der  kaum  gegrundete 
Gattungsbegriff  wird  aber  sogleich  und  in  echt  romantischer  Weise  dadurch 
aufgehoben,  daft  ihre  Gleichwertigkeit  betont,  ein  Hochstwert  nor  mit  dem 
augenblicklichen  Eindrucke  in  Zusammenhang  gebracht  wird5).  Dann  aber 
auch  dadurch,  daB  bei  seinem  einzigen  Yersuch,  Gattungen  zu  bestimmen, 
die  Unterscheidungsmerkmale  darauf  hinausgedrangt  werden,  was  wir  unge- 
fahr  als  » Ethos  *  einer  Musik  bezeichnen  wiirden.  Seine  drei  Arten  der 
Kirchenmusik  unterscheiden  sich,  auBer  in  ihrem  gemiitlichen  Gehalte,  durch 
Merkmale  der  Dynamik,  des  figuralen  Kolorits  und  des  Tempos;  also  in 
durchaus  akzessorischen  Bestimmungsstiicken.  — 


1)  Vgl.  St&cker  a.  a.  0.  S.  117  f. 

2)  Vgl.  das  Zwiegespr&ch  zwischen  Metastasio  und  der  Prinzestin  in  seines 
•Musikalischen  Dialogen*  (1805),  daruber  Moos,  a.  a.  0.  S.  62. 

3)  A.  Ehrenfeld  (»Studien  zur  Theorie  des  Reimes<)  I,  Dissert.  Zurich  1897. 
S.  42  f.)  schatzt  Wackenroder  hoch  und  stellt  eine  sehr  bemerkenswerte  Fortwirkunf 
fest:  »Jene  mystische  Einheit  von  Wesen  und  Wort,  die  nach  Wackenroder  t<« 
der  Musik  erreicht  wird,  ist  dann  das  Sprachideal  Novalis'.c 

4)  Es  ist  hdchst  beachtenswert,  wie  diese  Meinung  im  Verlaufe  der  Romantik 
immer  wieder  auftaucht. 

5)  >Phantasien«  a.  a.  0.  S.  60,  Eingang. 


Josef  Gregor,  Die  deutsohe  Romantik  aus  den  Beziehungen  usw.         527 

Bei  seinem  Begriff  von  der  Kirchenmusik  kommt  naturgemafi  das  meiste 
auf  die  Frage  an,  ob  Wackenroder  damit  nur  die  Wirkung  eines  spezifisch 
religiosen  Momentes  in  der  Musik,  oder  eine  direkt  im  Dienste  einer  kirch- 
lichen  Handlung  stehende  Musik  gemeint  hat,  wobei  offenbar  in  seiner  Stellung 
zu  angewandter  Musik  im  allgemeinen  eine  Ausnahme  notwendig  ware.  In- 
dessen  sprechen  fur  das  Erstere  wichtige  Griinde.  Wackenroder's  Fassung 
des  Religiosen  in  der  Kunst  ist  so  tief  fundiert,  daB  es  ihm  gewiB  moglich 
war,  das  Religiose  in  weltliche  Musik  zu  projizieren,  ganz  im  Sinne  der 
Romantik,  die  schliefilich  alles  bis  zur  Religion  fuhrte.  Wackenroder's  Kir- 
chenmusik steht  aber  auch  ihrer  Idee  direkt,  nicht  durch  das  Medium  einer 
kirchlichen  Handlung  gegeniiber.*  sie  »schildert«  Gott.  Dazu  kommt  schliefi- 
lich, daB  die  innigste  Verbindung  von  kirchlicher  Handlung  und  Musik,  die 
katholische  Messe,  ihm,  der  stets  uberzeugter  Protestant  geblieben  ist,  durch- 
aus  nicht  so  gelauiig  war,  als  vielleicht  angenommen  werden  konnte.  Andrer- 
seits  aber  sind  Wackenroder's  musikalische  Begriffe  ja  weit  genug,  um  auch 
der  zweiten  Auffassung  Raum  zu  geben.  Musik  in  Anlehnung  an  die  Be- 
deutsamkeit  einer  priesterlichen  Handlung,  unterstiitzt  durch  die  dem  Gottes- 
hause,  besonders  dem  katholischen,  an  und  fur  sich  zukommende  Stimmung  wirkt 
auf  ihn  am  starksten.  Besonders  im  »Berglinger«,  der  ja  reich  ist  an  per- 
sonlichen  Motiven,  findet  sich  dies  haufig  ausgedriickt,  und  das  vollkommenste 
Werk  dieses  Tonkiinstlers  ist  denn  auch  ein  Oratorium,  von  dem  es  aus- 
driicklich  heiBt,  daB  es  »im  Dome*   aufgefiihrt  wurde1). 

Wackenroder's  Stellung  zur  Theorie  der  Musik  wurde  schon  mehrmals 
herangezogen.  Hier  ist  es  immer  wieder  bemerkenswert,  daB  sich  dieselbe 
in  sehr  charakteristischer  Weise  entwickelte.  Noch  im  »Berglinger«  erfahrt 
die  Theorie  die  erwahnte  drastische  Ablehnung,  wahrend  die  »Phantasien< 
ihr  ganz  im  Gegensatze  dazu  ein  bedeutsames  mystisches  System  supponieren. 
Zwei  Satze,  die  den  gleichen  Gegenstand  betreffen,  mogen  diese  Wandlung 
verdeutlichen.     Enttauscht  ruft  er  im   >Berglinger«   aus: 

>DaD  alle  Melodien,  (hatten  sie  auch  die  heterogensten  und  oft  wunderbarsten 
Empfindungen  in  mir  erzeugt),  alle  sich  nun  auf  einem  einzigen  zwingenden  mathe- 
matischen  Gesetze  griinde  ten  I*2) 

Wir  modernen  Menschen  waren  uber  eine  derartige  Erkenntnis,  falls  sie 
sich  namlich  ohne  weiteres  so  formulieren  lieBe,  eher  begeistert  als  unwillig 
gemacht.     Dagegen  heiBt  es  in  den   >Phantasien«3): 

>Sie  (die  Musik)  ist  die  einzige  Kunst,  welche  die  mannigfaltigsten  und  wider- 
sprechendsten  Bewegungen  unseres  Gemfltee  auf  dieeelben  schOnen  Harmonien 
zuriickfahrt,  die  mit  Freud1  und  Leid,  mit  Verzweiflung  und  Verehrung  in  gleichen 
harmonischen  Tdnen  spielt.« 

Hier  ist  nur  das  aufiere  Phanomen  an  Stelle  des  inneren  Grundes  ge- 
treten,  aber  der  Ton,  in  dem  dies  gesprochen  wird,  ist  ein  ganz  anderer. 
DaB  Wackenroder  der  Musiktheorie  nicht  nahestand,  beweist  schon  der  ziem- 
lich  synonyme  Gebrauch  der  Ausdrucke:  Ton,  Klang,  Melodie,  Harmonie, 
Akkord,  Ubergang,  Modulation,  der  bei  einem  musiktheoretisch  geschulten 
Musiker   selbst   in    poetischer    Sprache   kaum    moglich     ware.      Nichtsdesto- 


1)  a.  a.  0.  S.  172. 

2)  a.  a.  0.  S.  163. 

3)  a.  a.  0.  S.  58. 


528         Josef  Gregor,  Die  deutoche  Romantik  aus  den  Beziebungen  usw. 

weniger  wirkten  Wackenroder's  Ansichten  auch  bier  fort1),  die  zweite  Auf- 
fassung  der  Musiktheorie  klingt  in  den  Fragmenten  Novalis'  wieder. 

Eine  sehr  bestimmt  ablehnende  Haltung  zeigt  Wackenroder  zu  jeder  Art 
der  Musikkritik.  Die  Anwendung  von  Erklarungen  und  nachfublenden  Be- 
urteilungen  der  Musik  stoBt  ihn  ab3J,  der  Konflikt  zwiscben  Scbaffendem 
und  Publikum  wurde  scbon  beriibrt.  Fur  einen  kleinen  Xreis  von  Verstand- 
nisvollen  will  Berglinger  schaffen;  ist  dies  nicbt  moglicb,  so  ziebt  er  die 
Musikpflege  des  Schweizerbirten  der  der  Grofistadt  vor.  Die  Energie,  mit 
der  diese  Satze  vertreten  werden,  nimmt  wunder  bei  einem  Menscben,  der 
niemals  ausiibender  Ktinstler  gewesen  ist. 

Wir  nabern  uns  scbliefilicb  der  letzten  bedeutsamen  Position  Wacken- 
roder's, der  von  ibm  erklarten  Trennung  von  Phantasie  und  Schaffenskraft. 
Die  Bestimmtbeit,  mit  der  so  die  schopferische  Phantasie  gewissermaBen  in 
Komponenten  zerlegt  wird,  interessiert  uns  dabei  weniger  als  die  Annahme, 
jede  derselben  kftnne  fur  sicb  allein  im  kiinstleriscben  Menscben  besteben. 
Und  in  rubrender  Selbsterkenntnis  setzt  sicb  bei  Wackenroder  die  Meinung 
fest,  er  selbst  besaBe  nur  Phantasie,  nicbt  aber  Schaffenskraft.  Inwieweit 
dies  entsprach,  gebt  aus  ungeren  Erbrterungen  iiber  seine  Personlicbkeit 
hervor,  bier  ist  nur  noch  die  Zuriickbaltung  zu  erwahnen,  die  ex  aus  dem- 
selben  Grande  in  seinen  dicbteriscben  Produkten  beobachtete.  Wenn  wir 
aucb  den  Mangel  eines  festen  schriftstellerischen  Systems  in  seinen  Scbriften 
wahrnehmen,  so  scbeint  uns  dies  nur  ibren  Titeln  zu  entsprecben,  Eigenart 
und  Wert  der  Scbreibweise  bleibt  ibm  trotzdem  unbestritten.  Seine  eigene 
Zeit  dacbte  nicht  anders,  ein  Beweis  ist  Tieck,  der  Wackenroder's  Stil  fruh- 
zeitig  outriert.  Vielleicht  ist  durcb  die  Beschaftigung  mit  der  Musik  und 
durch  die  gesteigerten  Forderungen  ibrer  Komposition  jene  Erkenntnis  be- 
festigt  worden. 

Die  erwabnte  Trennung  wirkt  aucb  darin  waiter,  daJB  Wackenroder  das 
musikalische  Schaffen  und  das  GenieBen  sebr  strong  auseinander  bait.  Ersteres 
erscheint  ibm  natiirlicb  als  das  Hochste,  was  Menscben  erreicben  konnen; 
im  Tone  Beethoven's  ruft  er  aus3): 

>Nur  Schaffen  bringt  uns  der  Gottheit  nftber,  und  der  Kunstler,  der  Dichter, 
ist  ScbOpfer!    Es  lebe  die  Kunst!    Sie  allein  macht  uns  unseres  Himmels  wurdig!< 

Dem  Schaffen  gegeniiber  feiert  er  den  MusikgenuB  als  den  der  religiosen 
Andacht  am  nachsten  kommenden  Zustand.  Seine  Art  Musik  aufzunehmen, 
hat  er  selbst  fixiert4): 

>Wenn  ich  ins  Konzert  gebe,  find1  ich,  daC  ich  immer  auf  zweyerley  Art  die 
Musik  genieBe.  Nur  die  eine  Art  des  Genusses  ist  die  wabre:  sie  beateht  in  der 
aufmerk earns  ten  Beobachtung  der  Tone  und  ihrer  Forts chreitung;  in  der  vdlligea 
Hingebung  der  Seele  in  diesem  fortreiBenden  Strom  von  Empfindungen ;  in  der 
Entfernung  und  Abgezogenheit  von  jedem  stSrenden  Ge  dank  en  und  von  allea 
fremdartigen  Eindrticken.  Dieses  geistige  Einschlurfen  der  Tone  ist  mit  einer 
gewissen  Anstrengung  verbunden,  die  man  nicht  zu  lange  aushalt!«  . .  .  »Die  andre 

1)  Vgl.  Adler,  a.  a.  0.  S.  17. 

2)  Hier  liegt  ein  offenbarer  Widerspruch  gegen  Reichardts  gerflhmte  concerto 
spirituels  und  deren  Form  vor.  Die  Stellen  finden  sich  >Pbantasien«  a.  a.  0.  S.  70 
und  71. 

3)  Briefe  a.  a.  0.  XI,  S.  236. 

4)  Briefe  a.  a.  0.  II,  S.  173. 


Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  us*.         529 

Art,  wie  die  Musik  mich  ergOtzt,  iet  gar  kein  wahrer  Genufi  derselben,  kein  pas- 
sives Aufnehmen  der  Toue,  sondern  eine  gewisse  Tatigkeit  des  Geistes,  die  durch 
die  Musik  angeregt  und  erhalten  wird.  Dann  h5re  ich  nicht  mehr  die  Empfindung, 
die  in  dem  Stucke  herrscht,  sondern  meine  Gedanken  und  Phantasien  werden 
gleichsam  auf  den  We  11  en  des  Gesanges  entffihrt  und  verlieren  sich  oft  in  ent- 
fernte  Schlupfwinkel.  £s  ist  sonderbar,  dafi  ich,  in  diese  Stimmung  versetzt,  auch 
am  besten  fiber  Musik  als  Asthetiker  nachdenken  kann  . . . .« 

Der  Einteilungsgrund,  nach  welchem  diese  bedeutaame  Dichotomie  vor- 
genommen  wurde,  ist  ohne  weiteres  klar,  ebensowenig  bedarf  die  zweite  Art 
einer  Interpretation.  Da£  Wackenroder  die  erste  unbedingt  bevorzugt, 
erweist  seine  Uberlegenheit  als  Musiker  gegeniiber  zahlreiohen  Erscheinungen 
der  romantischen  Folgezeit.  Es  enthalt  in  gewissem  Sinne  einen  leisen 
Widerspruch,  wenn  die  Bestimmungsstucke:  Beobachtung  der  Tone  und  ihrer 
Fortschreitung  —  Hingabe  in  diesen  Strom  von  Empfindungen ,  koordiniert 
werden.  Sollte  unter  ersterem  wirklich  ein  rein  formales  Interesse  verstan- 
den  werden,  so  konnte  die  Wirkung  dieses  Momentes  bei  einem  Menschen 
von  Wackenroder's  Eigenart  doch  nur  potenziell  gedacht  werden.  Diese  De- 
finition zahlt  jedenfalls  zu  dem  Bedeutendsten,  das  Wackenroder  iiber  Musik 
niedergelegt  hat1).  — 

Die  angefuhrten  Punkte  diirften  fur  eine  Wertung  von  Wackenroder's 
musikalischem  Kunstideale  vollkommen  hinreichen.  Man  konnte  sie  iiber- 
sichtlich  in  folgende  Gruppen  verteilen:  1.  Der  Gegensatz  von  Kunst  und 
Leben.  2.  Der  Gegensatz  von  Phantasie  und  Schaffenskraft.  3.  Das  Reli- 
giose in  der  Kunst.  — 

Nicht  alle  Einzelheiten  ersch einen  uns  gleich  verstandlich:  einige  erhielten 
sich  foxt  und  sind  auch  heute  noch  van  Wert,  andere  durchliefen  eine  urn- 
gestaltende  Entwicklung,  wieder  andere  muten  uns  ganz  fremd  an  uud  sind 
nur  noch  durch  genaue  Kenntnis  jener  Zeit  zu  erfassen.  Es  liegt  jedoch 
auf  der  Hand,  daft  eine  historische  Wertung  der  Gesamtleistung  eines  Mannes 
vollig  fehl  ginge,  wiirden  in  ihr  solche  Abstufungen  wahrgenommen,  die  nur 
die  Stellung  unseres  Augenblicks  zu  den  in  Rede  stehenden  Dingen  bezeich- 
nen.  Bier  ist  es  Zeit,  wieder  daran  zu  erinnern,  dafi  wir  jede  der  Ansichten 
Wackenroder's  aus  der  vollen  Personlichkeit  ihres  Urhebers  entwickelt  sehen 
mochten. 

Wackenroder  schafft  in  einer  Zeit,  die  an  bedeutenden  Erscheinungen 
uberreich  war.  Aber  er  schafft  abgeschlossen  davon;  nur  die  Kunst  war  die 
Briicke,  auf  welcher  AuJQeres  zu  ihm  gelangen  konnte.  Geschieht  dies  ein- 
mal,  trifft  ihn  ein  Eindruck  von  besonderer  Starke,  so  wird  er  lebhaft  und 
tatig.  Mit  der  ganzen  Innigkeit  seines  Wesens  ergreift  er  ihn,  umgibt  ihn 
verarbeitend  mit  den  Gestalten  seiner  Phantasie,  um  schliefilich  eine  ganz 
individuelle  Meinung  daran  zu  kniipfen.  Doch  vollzieht  sich  dies  nicht  in 
beschaulicher  Ruhe:  den  groBten  Wert  erhalt  seine  Kunstbetrachtung  durch 
die  enge  Verbindung,  die  zwischen  ihr  und  den  Lebensschicksalen  dieses 
eigenartigen  Mannes  bestand. 

1)  a.  a.  0.  folgt  auf  die  Darlegung  der  zwei  Arten  eine  gleichfalls  ungemein 
wert-  und  wirkungsvolle  Wiedergabe  des  Eindrucks,  den  Zwischenaktmusik 
auf  ihn  ausflbte.  Der  GenuC  derselben  fallt  durchaus  in  die  zweite  Art :  das  Drama, 
durch  die  Musik  unterbrochen,  wachst  nichtsdestoweniger  in  diese  hinein;  noch 
bei  dem  Yorspiele  ist  ihm  passives  HOren  mSglich,  in  den  Zwischenspielen  aber 
waltet  seine  Phantasie. 


530         Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  new. 

Gearbeitet  hat  aber  Wackenroder  an  seiner  Kunstbetrachtung  niemals; 
er  gab  alles  so,'  wie  er  es  fiihlte,  wie  es  vor  ihm  auftauchte,  in  >Phantasien«, 
in  »HerzensergieBungen«.  In  seinem  Kunstideale  ruht  darum  nicht  das  Ideal 
einer  geistigen  Arbeit,  sondern  wenn  man  sich  so  ausdrucken  darf,  das 
Ideal  einer  Seelenstimmung.  Der  TJnterschied  beriihrt  am  scharfsten, 
wenn  man  es  versucht,  Wackenroder  mit  den  musikalischen  Klassikern  in 
Zusammenhang  zu  bringen.  "Wenn  Mozart,  wenn  Haydn  uber  Musik  spricht, 
so  horen  wir  das  Resultat  einer  Erfahrung,  einer  Arbeit,  vollends  bei  Beet- 
hoven, der  stets  den  souveranen  Gegenpol  zu  nnserem  Manne  bildet.  Wacken- 
roder ist  unerfahren;  seine  Jugend  tritt  umso  ruhrender  hervor,  je  ernster 
und  aufrichtiger  er  wird. 

Eine  objektive  Wertung  Wackenroder's  von  dieser  Erkenntnis  des  Per- 
sonlichen  aus  muB  an  und  fur  sich  stark  positiv  ausf alien.  Die  Bedeutsam- 
keit  des  von  ihm  Vorgebrachten  leuchtet  auch  der  fluchtigen  Beobachtung 
ein,  durch  das  Individuelle  und  mit  groBter  Innerlichkeit  Durchlebte  stellt 
er  ohne  Zweifel  einen  positiven  Wert  im  Bilde  seiner  Zeit  dar. 

Wesentlich  schwieriger  wird  aber  die  Wertung,  wenn  darauf  nach  der 
Wirkung  Wackenroder's  gefragt,  seine  Zeit  also  als  Glied  in  der  histori- 
schen  Folge  betrachtet  wird.  Die  Kunstanschauung,  welche  Ergebnis  einer 
geistigen  Arbeit  ist,  wirkt  direkt,  wird  fortentwickelt,  findet  Anhanger  und 
Gegner.  Jene  Kunstanschauung  hingegen,  die  auf  dichterischer  Stimmung 
und  subjektivem  Urteil  beruht,  wirkt  nur  indirekt,  indem  zugleich  mit  ahn- 
lichen  Bedingungen  auch  verwandte  AuGerungen  bei  anderen  Person lichkei ten 
aufzudecken  sind.  Wie  mit  der  Mehrzahl  seiner  Zeitgenossen  ist  auch  der 
Zusammenhang  Wackenroder's  mit  der  Folge  ein  ideeller. 

Im  allgemeinen  kann  gesagt  werden,  daB  sich  die  Folgezeit  durch  Auf- 
nahme  praktischer  Interessen  gegen  Wackenroder  abhebt.  Jene  Fun- 
damente  der  Kunstanschauung,  die  wir  bei  ihm  so  wesentlich  fanden,  die 
Subjektivitat,  die  Innerlichkeit,  die  Hingabe  an  Eindruck  und  Stimmung 
blieben  zwar  wirksam,  es  traten  aber  andere  Momente  hinzu,  die  nach  und 
nach  umgestaltend  wirkten.  Der  Vorliebe  fur  das  Volkstumliche  und  der 
Yorliebe  fur  die  Oper,  welche  die  spatere  Romantik  kennzeichnen ,  muBte 
Wackenroder's  vornehm-singulares  Kunstideal  und  seine  Wendung  zum  Reli- 
giosen  schlieBlich  fallen.  TJmso  bemerkenswerter,  wenn  Ziige,  die  direkt  ihm 
entlehnt  zu  sein  scheinen,  noch  in  weit  spaterer  Zeit  auftauchen. 

Die  beruhrte  Fortentwicklung  ist  schon  bei  Tieck  sehr  deutlich  warzu- 
nehmen.  Tieck  ging  aus  Wackenroder's  Manier,  in  die  er  sich  anfangs  so 
gut  einzuleben  verstand,  sehr  bald  her  aus.  Der  Verkehr  mit  Musikern  durfte 
es  fiir  ihn  mit  sich  gebracht  haben,  daB  sein  Urteil  uber  Musik  nach  und 
nach  objektiver  wurde.  Schon  die  Rahmengesprache  des  »Phantasus<  reden 
von  der  Kirchenmusik  in  einem  neuen  Tone,  wie  das  Interesse  fur  diese 
hier  ja  auch  von  anderer  Seite  her  angeregt  worden  war.  Seine  spatere 
Novellendichtung  nahert  sich,  wenn  von  musikalischen  Dingen  gehandelt 
wird,  bisweilen  dem  Ausdrucke  Wackenroder's,  doch  tiberwiegen  die  ange- 
fiihrten  praktischen  und  objektiven  Interessen1). 


1)  Tiecks  Novelle  »Mufiikalische  Leiden  und  Freuden«  gemahnt  nur  noch  Ter 
einzelt  —  etwa  in  einzelnen  Aussprttchen  des  Enthusiasten  —  an  den  Freund;  der 
Graf  hingegen,  dem  Musik  und  Leben  ineinanderflieBen,  ist  ein  starker  Gegensiti 
zu  Wackenroder. 


Josef  Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den  Beziehungen  usw.         531 

Fiir  uns,  die  wir  Wackenroder' s  musikhistorische  Bedeutung  festzustellen 
beabsichtigen,  wird  vor  allem  sein  Verhaltnis  zu  E.  T.  A.  Hoffmann1)  von 
besonderem  Interesse  sein.  Denn  dieser,  eine  an  und  fUr  sich  verwandte 
Natur,  vermittelte,  obwohl  einer  relativ  spateren  Zeit  angehorend,  Wacken- 
roder's  Ansichten  nach  beiden  Seiten  hin,  den  Dichtern  und  den  Musikern. 
Uberall,  wo  er  frei  von  jedem  praktischen  Einschlag  spricht,  wo  er  tiber 
Musik  gewissermafien  phantasiert,  den  Geftihlsgehalt  derselben  lobt,  kurz  sich 
dem  Subjektiven  tiberlaBt,  nahert  sich  seine  Diktion  der  Wackenroder's  be- 
deutend.  Aber  Hoffmann  stand  viel  zu  fest  im  Leben,  war  viel  zu  sehr 
selbst  Musiker,  als  daB  er  bei  diesem  Standpunkte  halt  gemacht  hatte.  Sein 
Urteil  geht  aus  der  Allgemeinheit  und  TJnbestimmtheit  heraus;  er  gibt  ja 
sogar  Notenbeispiele  in  seinen  Texten.  Einer  Trennung  von  Kunst  und 
Leben,  dann  der  Reflexion  tiber  das  Schaffen,  die  Wackenroder's  vornehmstes 
Gebiet  ist,  wird  Hoffmann  gar  nicht  oder  wenigstens  lange  nicht  in  dem 
MaBe  zugestimmt  haben. 

Einen  Standpunkt  scheinen  die  beiden  gleichwohl  gemeinsam  zu  haben: 
die  Vorliebe  fur  Kirchenmusik.  Nichts  In teressan teres ,  als  Wackenroder's 
drei  Arten  und  Hoffmanns  Aufsatz:  >Uber  alte  und  neue  Kirchenmusik* 
dahingehend  zu  vergleichen.  Hoffmann  geht  sogar  einen  Schritt  we  iter  und 
erklart  die  religiose  Musik  fiir  die  eigentlich  ursprtingliche,  welche  Stellung 
jener  noch  der  Tanzmusik  zugewiesen  wissen  wollte.  Aber  Hoffmann  leiten 
auch  hier  eine  Menge  neu  hinzugekommener  Momente,  es  ist  nicht  zu  ver- 
gessen,  daB  seine  Hauptstarke  auf  dem  Gebiete  der  dramatischen  Musik  lag, 
ierner,  daB  er  ein  geschickter  und  scharfsinniger  musikalischer  Kritiker  ge- 
wesen  ist.  Seinem  Urteile,  das  sich  nicht  lange  bei  dichterischen  Umschrei- 
bungen  aufhalt,  verfallt  denn  auch,  allerdings  mit  einigen  groBen  Ausnahmen, 
fast  die  ganze  neuere  Kirchenmusik2). 

Es  ist  schlieBlich  noch  unsere  Aufgabe,  Wackenroder  mit  den  musika- 
lischen  Personlichkeiten  seiner  Folge  in  Zusammenhang  zu  bringen,  wobei 
uns  wieder  jene  Erkenntnis  leitet,  mit  der  wir  seine  Wirkung  auf  die  Folge 
als  indirekte  bezeichnet  haben.  Es  muB  gentigen,  bei  jenen  Personlichkeiten 
Ziige  aufzudecken,  die  wir  auch  in  Wackenroder's  kiinstlerischem  Naturell 
feststellten.  Diese  Bindeglieder,  die  gewissermaBen  in  den  Phanomenen  jener 
ganzen  Zeit  ihren  Grund  haben,  gehen  am  besten  aus  Hettner's3)  Darstel- 
lung  hervor.  Hettner  hebt  die  TJnterschiede  hervor,  welche  die  romantischen 
Dichter  von  den  romantischen  Musikern  trennen,  und  erklart  lakonisch, 
die  Dichter  hiitten  gewuBt,  die  Musiker  (Weber)  aber  gekonnt,  was  sie 
wollten  4). 

Aber  wenn  auch  tatsachlich  das  positive  Schaffen  als  gewaltiger  geistiger 
Faktor  Wackenroder  von  diesen  Mannern  trennt,  jene  seelischen  Stimmungen, 
jene  feinsten  Ziige  kunstlerischen  Naturells,  die  wir  eben  bei  ihm  so  wesent- 
lich  fan  den,  sind  auch  bei  ihnen  wiederzuerkennen. 


1)  Vgl.  Ellinger,  E.  T.  A.  Hoffmann.    Leipzig  1894.    S.  38  u.  a.  m. 

2)  Es  ist  ungemein  bemerkenswert,  wie  Hoffmann,  der  ja  sonst  durch  einen 
solchen  Grad  von  impulsiver  Phantastik  hervoreticht,  kuhl  und  kritisch  tiber  Musik 
zu  denken  versteht.  Wackenroder  gegentibergehalten  erscheinen  die  Verhaltnisse 
hier  gerade  umgekehrt. 

3)  EL  Hettner,  Literaturgeschichte  des  XVIII.  Jahrhunderts,  Braunschweig 
1870,  Dritter  Teil,  HI,  2. 

4)  a.  a.  0.  Kap.  9,  S.  512. 


532  Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel. 

Carl  M.  von  Weber  mag  tatsachlich  in  seiner  scharf  umgrenzten  Person- 
lichkeit  Hettners  Wort  im  vollsten  Sinne  rechtfertigen,  doch  lassen  zwei  andere 
unter  den  romantischen  Musikern,  obwohl  einer  spateren  Zeit  angehorend, 
deutlich  den  ideellen  Zusammenhang  mit  unserem  Dichter  erkennen. 

Der  eine  ist  Louis  Spohr.  Bei  ihm  finden  wir  Wackenroder s  Innig- 
keit  wieder,  auch  jene  subtile  Seelenstimmung  kundigt  sich  bieweilen  an. 
Seine  Memoiren  spiegeln  eine  Natur,  die  mit  der  Wackenroder's  in  manche 
Parallele  zu  stellen  ist. 

Der  andere  aber  ist  Robert  Schumann1).  Er  verkorpert,  auch  fiber 
Hoffmann  weit  hinausgehend,  Wackenroder's  Phantasie  vom  hoheren  Stand- 
punkte  des  bewufit  gestaltenden  Kiinstlers.  Seine  Personlichkeit  ist  freilich  viel 
zu  reich,  um  Ziige  vom  Geprage  Wackenroder's  noch  als  besondere  erkennen 
zu  lassen,  wie  das  bei  Spohr  noch  moglich  ist,  aber  jene  subtile  romantische 
Seelenstimmung  ruht  auch  in  ihm.  Seine  schriftstellerischen  Werke  in 
ihrer  wunderbaren  Intimitat,  vor  allem  die  Jugenddichtungen  und  -briefe, 
legen  den  Gedanken  an  die  Diktion  Wackenroder's  auBerordentlich  nahe. 

Die  romantischen  Musiker  haben  Wackenroder's  musikalisches  Ideal  ver- 
wirklicht,  sie  fanden  das  >Bestimmte,  TJnbekannte«  seiner  Traume,  sie  loaten 
jenen  Konflikt,  dem  er  noch  zum  Opfer  fallen  muBte. 

Wackenroder  hat  das  musikalische  Ideal  in  der  Kirchenmusik  erblickt, 
im  Fortschreiten  zu  einer  Musik  der  Andacht,  die  die  Loslosung  vom  Leben 
bedeuten  sollte.  Eben  dies  aber  war  den  romantischen  Musikern  fremd. 
Sie  fuhlten  Wackenroder  s  Idealismus  in  sich,  aber  jenen  pessimistischen  Zog 
vermochten  sie  nicht  lange  zu  bewahren. 

In  der  Riickkehr  zum  Leben  fanden  die  romantischen  Musiker  Wacken- 
roder's Ideal,  hoben  sie  seine  Tragik  auf,  erreichten  sie  das  gottliche  Schafien, 
nach  dem  er  sich  vergeblich  hatte  sehnen  mussen. 

Aber  in  diesem  Fortschreiten  von  halbbewuBter,  wehmUtiger  Ahnung  zu 
tiitigem,  heiteren  Erreichen  liegt  eine  Gewahr  fiir  die  Grofie  seiner  Erschei- 
nung. 


Die  Musik  in  Basel. 

Yon  den  Anftingen  im  9.  bis  zur  Mitte  des  19.  Jahrhonderts. 

Von 

Karl  Nef 

(Basel). 

Nachstehende  knappe  Geschichte  der  Musik  in  Basel  ist  das  Ergebnis 
mehrjahrigen  Quellenstudiums.  Dabei  kam  es  mir  nicht  darauf  an,  das 
Material    vollstandig    zu    erschopfen,    sondern   ich  bemiihte   mich,    mSglichtt 


1)  In  eineiu  ungemein  ansprechenden  Bilde  nennt  Adler  (a.  a.  0.  S.  18}  den 
jungen  Schumann  einen  ZOgling  Berglingers  und  Kreislere.  Furwahr,  Wackenroder 
ware  kein  Abler  >Eusebiu8«. 


Earl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  533 

iibersichtlich  und  im  Zusammenhang  die  musikalischen  Leistungen  Basels 
darzustellen.  Fur  eine  erschopfende  Geschichte  scbeint  mir  die  Zeit  noch 
nicht  gekommen  zu  sein,  eiue  solche  hatte  auch  das  einen  neuen  Auf- 
schwung  bringende  19.  Jabrbundert  eingebend  zu  beriicksicbtigen,  auf  das 
ich  our  nocb  andeutungsweise  eingegangen  bin.  Aucb  werden  nocb  ver- 
scbiedene  Einzelheiten  besser  aufzuhellen  sein.  Die  Lokalgeschichte  wird  in 
der  Scbweiz  und  in  Basel  besonders  eifrig  gepflegt,  dabei  aber  die  Musik 
meist  noch  als  Aschenbrodel  behandelt;  ich  hoffe,  durch  die  nachstehende 
Zusammenstellung  die  Lokalhistoriker  dazu  anzuregen,  der  Tonkunst  mehr 
Beacbtung  zu  schenken,  die  doch  immer  und  iiberall  im  Geistesleben  eine 
wicbtige  Rolle  gespielt  hat.  Im  iibrigen  wird  man,  wenn  auch  in  Basel 
eigentlich  grofte  Leistungen  fehlen,  doch  zugeben,  daC  aucb  in  diesem  Fall 
die  ErschlieBung  der  lokalen  auch  fur  die  allgemeine  Musikgeschichte  Wert 
hat.  Die  Arbeit  (zuerst  als  Vortrag  bentttzt)  mochte  natiirlich  auch  dem 
Laien  verstandlich  sein,  und  darum  wird  der  Eingeweihte  einige  zur  Yer- 
bindung  und  Orientierung  eingefiigte  Mitteilungen  von  Bekanntem  entschul- 
digen. 

Yon  Yorarbeiten  sind  namentlich  zu  nennen  die  beiden  Geschichten  des 
Basler  Musikerkollegiums  von  Dr.  A.  Wolfflin  (Basl.  Beitrage  YII)  und 
P.  Meyer  (Basl.  Jahrbuch  1884  und  1890),  S.  C.  G.  Riggenbach's  »Kirchen- 
gesang  zu  Basel*  (Beitrage  IY)  und  J.  Richter's  Katalog  der  Musiksamm- 
lung  auf  der  Universitatsbibliothek  in  Basel  (Beil.  zu  den  Monatshft.  f. 
Musikgesch.  1892).  Die  ubrige  Literatur  findet  man  in  den  Anmerkungen 
zum  Text.  Fiir  Uberlassung  von  Aktenausziigen  bin  ich  Herrn  Dr.  Th. 
Burckhardt-Biedermann  zu  besonderm  Dank  verpflichtet,  der  auch  in 
seiner  »  Geschichte  des  Gymnasiums  zu  Basel*  1889  das  Musikalische  mit 
gleicher  Sorgfalt  wie  das  ubrige  behandelt.  Einige  kleine  Entlehnungen 
aus  einem  eignen  Aufsatz  »  Basel  in  der  Musikgeschichte*  (Sonntagsblatt  d. 
Allgem.  Schweizer  Zeitung,  1902,  Nr.  21  u.  22),  der  auf  einen  lokalen 
Leserkreis  beschrankt  blieb,  wird  man  mir  zugute  halten. 

In  der  Basler  Musikgeschichte  kann  man  folgende  Perioden  unter- 
scheiden:  Mittelalter,  Bliitezeit  unter  dem  EinfluB  des  Humanismus, 
Ruckschlag  durch  die  Reformation,  Erwachen  neuen  Lebens  durch  die 
Griindung  des  Musikkollegiums  (1692),  19.  Jahrhundert  (Griindung  der 
groBen  Gesangvereine  usw.). 

Fiir  das  Mittelalter  flieBen  die  Quellen  nur  diirftig;  aus  kleinen  Stein- 
chen  nur  laBt  sich  ein  Mosaikbild  herstellen,  das  wohl  oder  iibel  liicken- 
haft  bleibt.  Die  erste  Personlichkeit,  die  in  der  Geschichte  Basels  macht- 
voll  hervortritt,  der  Bischof  Haito  (807 — 823)  hat  sich  schon  groBe  Ver- 
dienste  um  die  Musik  erworben.  Karl  der  GroBe,  in  allem  Einheit  in 
seinem  groBen  Reiche  anstrebend,  erzwang  sie  auch  im  Kirchengesang, 
indem  er  den  lateinischen  Choralgesang  der  romischen  Kirche  zur  allge- 
meinen  Einfuhrung  brachte.  Unter  den  Bischofen,  die  ihn  unterstiitzten, 
war  Haito  einer  der  eifrigsten.  Er  verlangte  in  seinen  geistlichen  Ver- 
ordnungen1),  daB  die  Priester,  wie  die  andern  liturgischen  Schriften,  auch 


1)  Monumcnia  Qermaniae.    Legum  sectio  II,   Capitularia  1.    362.    Deutsch  bei 


534  Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel. 

das  Gesangbuch,  das  Antiphonar,  kennen  miiBten;  wenn  einer  es  an 
diesen  Punkten  an  sich  fehlen  lasse,  werde  er  schwerlich  den  Namen  eines 
Priesters  behalten. 

Von  friihester  Zeit  an  war  also  in  der  Basler  Kirche  auf  eine  wiir- 
dige  Pflege  des  Gesanges  Gewicht  gelegt.  Diese  ist  spater,  fiir  das 
13.  Jh.  verbiirgt  durch  die  Statuten  des  Domstifts  vom  Jahre  12891,. 
Danach  hatte  der  Dekan  die  Oberaufsicht  iiber  den  Chor.  Der  Kantor 
muBte  dafiir  sorgen,  daB  an  alien  Sonn-  und  Festtagen  die  ihnen  ent- 
sprechenden  Gesange  zur  Ausfuhrung  kamen,  und  in  der  Domschule  war 
die  Ausbildung  im  Gesang  eine  Hauptsache.  Beim  Examen,  das  der 
Ordination  der  Priester  vorausging,  folgte  die  vom  Kantor  abgenommene 
Priifung  im  Gesang  als  zweites  Fach  unmittelbar  nach  der  Sittenlehre. 
Entsprechend  behauptete  dieser  auch  an  den  Schulen  zu  St.  Leonhard 
und  zu  St.  Peter  eine  wichtige  Stellung. 

Das  Amt  des  Kantors  am  Peterstift  war  in  den  sechziger  Jahren 
des  13.  Jh.  von  dem  Leutpriester  Reinher  von  Haslach  gestiftet  und  be- 
gabt  worden2).  Die  Schule  zu  St.  Peter  stand  in  einem  gewissen  Ab- 
hangigkeitsverhaltnis  vom  Miinster;  in  der  zweiten  Halfte  des  13.  Jh. 
wurde  bestimmt,  daB  taglich  einer  ihrer  Schiiler  den  Gesang  im  Miinster 
unterstiitzen  sollte.  An  St.  Peter  wurde  das  Fest  der  h.  Ursula  und 
ihrer  1100  Jungfrauen  mit  besonderem  Glanz  gefeiert,  fiir  die  Einubung 
eines  neuen  Offiziums  zu  diesem  Fest  (pro  informatione  scolatium  ad 
novam  historiam)  erhielt  der  Kantor  infolge  einer  Stiftung  13  Denar'J. 
In  Urkunden  werden  folgende  Namen  von  Sangern  erwahnt  (Hugo,  cantor 
1245,  Erckenfried  von  Rixheim,  cantor  Basiliensis  1251,  1273,  1275, 
Magister  Konrad,  Sanger  von  Zurich,  1273,  Magister  Heinrich,  cantor 
sancti  Petri  Basiliensis  1278,  Dietricus,  cantor  Basiliensis  1283,  Bu- 
dolphus,  cantor  1305,  Ludwig  von  Thierstein,  cantor  1318,  1341 
und  1361,  Rudolff  der  Munch,  der  senger  1366  und  1370,  Johans 
Miliwh  von  Landskron,  senger  1385,  Hartmann,  Munch  von 
Miinchenstein,  senger  (des  Basler  Domes)  1408  und  1412,  Johannes  de 
Rheno,  cantor  1451,  Berchthold  von  Kiienfels  und  Ludwig  von 
Ep  tin  gen,  Ministranten  und  Sanger  bei  der  feierlichen  Messe  zur  In- 
tronisation  des  Abtes  Arnold  von  Rotberg  1491,  Bernhard  Molitor, 
Kantor  zu  St.  Peter  1491  und  1505*). 


R.  Thommen  » Basler  Annalen*.  Basl.  Beitr.  N.  F.  XV.  256.  —  Vgl.  aoch 
P.  Wagner,  Ursprung  und  Entwicklung  der  liturgischen  Gesangsformen.  Frei- 
burg 1901.    241. 

1)  Abgedruckt  im  Basler  Urkundenbuch  III.    329  ff. 

2)  Basler  Urkundenbuch  III.  339  u.  363  ff.. 

3)  Basel  im  14.  Jahrhundert.    Fechter,  Topographie.    1856.    94. 

4;  Basl.  Urkundenbuch  II — V.  und  Tr  ouillat,  Monument*  de  Fhistoxre  de  fcwc** 
evtche  de  Bale. 


Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  535 

Im  15.  Jh.  besoldete  die  Stadt  nach  dem  Zeugnis  des  Aneas  Silvius 
von  1430  einen  offentlichen  Lehrer  fiir  die  fahrenden  Schiller,  der  die 
Anfangsgriinde   der   Grammatik,  Logik  und  der  Musik  zu  lehren  hatte. 

Die  Pflege  des  Kirchengesanges  bekunden  ferner  in  der  Universitats- 
bibliothek  aufbewahrte  Choralwerke  des  15.  Jh.  aus  dem  Kleinbasler 
Kartauser  und  dem  Dominikanerkloster,  sowie  theoretische  Traktate,  deren 
altester  ins  13.  Jh.  zuriickreicht.  Die  Ordensregel  der  in  Basel  ansassigen 
Augustiner ,  Dominikaner  und  Franziskaner  schrieb  bekanntlich  iiberhaupt 
die  Gesangspflege  nachdriicklich  vor.  Ein  deutscher  Traktat  aus  dem  15.  Jh. 
liber  die  Mensuralmusik  laBt  auf  die  Pflege  der  mehrstimmigen  Musik 
schlieBen.  Verschiedene  Ubersetzungen  lateinischer  Kirchenhymnen  zeigen, 
daB  auch  bei  uns  schon  vor  der  Reformation  deutscher  Kirchengesang 
gepflegt  wurde1). 

Im  15.  Jh.  hat  Basel  einen  Musiktheoretiker  namens  Andrechin 
hervorgebracht.  Er  diente  unter  verschiedenen  Fiirsten;  Adam  von  Fulda, 
der  seiner  Erwahnung  tut,  bemerkt  jedoch,  er  sei  nur  unter  Ignoranten 
fiir  einen  groBen  Musiker  gehalten  worden*). 

Schon  gegen  Ende  des  Mittelalters  ertonte  Orgelspiel  in  den  Kirchen 
Basels.  Die  Orgeln  sind  aus  dem  Orient  in  unsere  Gegenden  gekommen, 
die  ersten  als  Geschenke  an  Pipin  und  Karl  den  GroBen.  Zuerst  wurden 
sie  als  Hausinstrumente  in  den  Palasten  der  Fiirsten  verwendet,  erst  im 
13.  Jh.  burgern  sie  sich  in  den  Kirchen  ein.  An  Pfingsten  1303  erklang 
zum  erstenmal  im  Basler  Minister  eine  Orgel,  bald  gab  es  sogar  ihrer 
zwei,  eine  kleinere  im  Chor  und  eine  groBere  im  Schiff3).  Der  Erbauer 
der  ersten  Orgel  war  wahrscheinlich  der  als  organorum  artifex  bezeich- 
nete  Magister  Raspo  aus  Frankfurt,  fiir  dessen  Seelenheil  die  Chor- 
herren  jahrlich  eine  Jahrzeit  feierten.  Eine  Erneuerung  der  groBen 
Orgel  nahm  im  Jahre  1474  Meister  Georg  Falw  aus  Ulm  vor.  Doch 
scheint  seine  Arbeit  bald  den  Bedurfnissen  nicht  mehr  entsprochen  zu 
haben;  um  so  groBere  Befriedigungen  gewahrten  die  Verbesserungen, 
welche  1484  Mathias  Kern  aus  StraBburg  anbrachte.  Seine  Arbeit  fand 
beim  Domkapitel  so  groBen  Beifall,  daB  ihm  dieses  zu  den  138  Pfund, 
mit  dem  es  ihm  seine  Arbeit  bezahlte,  als  Trinkgeld  noch  30  Goldgulden 
und  seiner  Frau  und  seinen  Kindern  jedem  Teil  zwei  Goldgulden  schenkte. 
Bei  der  Erneuerung  durch  Falw  hatte  der  Maler  des  Baues  Johann 
Baldruff  den  Auftrag  erhalten,  die  Orgelflugel  zu  malen.  Seine  Arbeit 
wurde  kurz  vor  der  Reformation  noch  ersetzt  durch  die  bekannten  Ge- 


1)  Vgl.  den  Katalog  von  Richter,  ferner  P.  A.  Schubiger,  Die  Pflege  des 
Kirchenge8ang8  u.  der  Eirchenmusik  in  d.  deutsch.  kathol.  Schweiz.  Einsiedeln 
1873.    J.  Wolf,  Anonymi  cujusdam  Codex  Basiliensis.    Vierteysch.  f.  Mw.  IX. 

2)  Gerbert,  Scriptorea  III.    347. 

3)  Fechter,  D.  Baal.  Munster.    Neujalirsblatt  1850. 


536  Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel. 

malde  Hans  Holbein's,  die  heute  noch  restauriert  im  Basler  Museum  auf- 
bewahrt  werden. 

DaB  die  Orgel  im  Minister  beniitzt  wurde,  wissen  wir  aus  den  Be- 
schreibungen  des  Gottesdienstes  beim  Konzil  durch  den  Chronisten 
Wurstisen.  So  berichtet  er  z.  B.,  daB  nach  der  Papstwahl  im  Jahre  1440 
ein  tfrohlicher  Hymnus  gesungen  und  georgelt*  worden  sei.  Das  ist  so 
zu  verstehen,  daB  Gesang  und  Orgelspiel  miteinander  abwechselten,  die 
Begleitung  des  Gesanges  durch  die  Orgel  ist  erst  in  spaterer  Zeit  auf- 
gekommen. 

Wie  im  Miinster  stand  auch  in  der  Martinskirche  schon  in  friiher 
Zeit  eine  Orgel.  Dort  wurde  1451  eine  neue  Orgel  samt  Werk  um  den 
Preis  von  200  Gulden  erbaut  *).  Ebenso  sind  im  15.  Jh.  Orgeln  bezeugt 
im  St.  Peterstift  und  im  Predigerkloster. 

Gegen  Ende  des  15.  Jh.  hat  Basel  einen  hervorragenden  Orgelbauer 
hervorgebracht  in  Hans  Tugi  oder  Stucki  (er  ftthrte  beide  Namen). 
Sohn  des  Basler  Buchsenmeisters2).  Eine  groBe  Anzahl  Orgeln  in  und 
auBerhalb  Basels  wurde  von  ihm  erbaut  oder  erneuert.  1482  verdingte 
das  Basler  St.  Peterstift  »dem  bescheiden  meister  Hansen  Tugy  von  Basel, 
dem  orgelen  macher«,  seine  Orgel  zu  reformieren,  wieder  zu  machen  und 
zu  stimmen  fiir  den  Preis  von  21  Pfund.  Gegen  Ende  des  Jh.  wurde 
ihm  vom  gleichen  Stift  fiir  80  rheinische  Goldgulden  der  Neubau  einer 
Orgel  ubertragen],  und  zwar  sollte  er  sie  erstellen  »nach  einem  muster 
und  werck,  so  (er)  meister  Hans  Tugy  yetz  nuwlich  zu  Menntz  gemacht*. 
Ebenso  iibertrug  ihm  das  Predigerkloster  um  die  Summe  von  60  Gulden 
den  Neubau  einer  Orgel,  da  die  bisherige  »brastung  halb«  abgetan  werden 
muBte.  Nachdem  »das  werk  genugsamlichen  durch  ersame  fromme  heren 
geistlich  und  weltlich,  ouch  burgere  versucht  und  pfobiert,  solichs  gerecht 
geben  und  finden«,  erhielt  Tugy  vertragsgemaB  auBer  dem  Honorar  ein 
Geschenk,  muBte  aber  noch  vier  Jahre  Garantie  leisten.  Fiir  eine  Orgel, 
die  er  im  Kloster  Maria  Magdalena  zu  den  Steinen  in  Basel  im  Jahre 
1510  vollendete,  erhielt  er  70  Gulden. 

Ehrenvolle  Auftrage  wurden  dem  Basler  Meister  nach  auswarts  zuteil. 
1489  muBte  er  im  Dom  zu  Konstanz  die  Orgel  errichten.  Bei  dieser 
Gelegenheit  stellte  ihm  der  Bat  von  Basel  das  schone  Zeugnis  aus,  daB 
man  von  Stucki  anderes  »nit  vernommen,  denn  was  werck  er  gemacht, 
menglich  davon  begniigen  gehept  habe«.  1517  erhielt  er  den  Auftrag, 
die  Orgel  im  Miinster  zu  Bern  zu  erneuern.  Glanzende  Geschafte  scheint 
Tugy  aber  trotz  der  zahlreichen  Auftrage  nicht  gemacht  zu  haben,  denn 

1)  Fechter,  B.  im  14.  Jh.    12. 

2)  Dr.  Ad.  Fluri,    Orgel  u.   Organisten  in  Bern  vor  der  Reformation.    Bern 
J905.    90  ff. 


Earl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  537 

1520  wurde  sein  Gut  »von  anrufens  wegen  siner  schuldvorderer*  amtlich 
inventarisiert. 

Ein  »in  massen  geschickter  und  hochberiimbter*  Organist  (daneben 
auch  Orgelbauer)  war  Kaspar  Reuter  aus  Basel.  Als  er  1514  am  Berner 
Miinster  angestellt  werden  sollte,  sorgten  die  Chorlierren,  er  werde  sich 
mit  der  gewohnlichen  Besoldung  nicht  begniigen  lassen,  und  schafften  ihm 
eine  hohere  Einnahme.  Er  war  aber  ein  Kiinstler  leichten  Blutes  und 
muBte  wegen  seines  Schuldenmachens  schon  am  30.  Mai  1515  wieder 
entlassen  werden. 

Werfen  wir  den  Blick  auf  die  weltliche  Musik,  so  ist  vorauszuschicken, 
daB  im  Mittelalter  der  Staat  fiir  Befriedigung  musikalischer  Bedurfnisse 
sorgte.  Wie  alle  Stadte  unterhielt  auch  Basel  eine  sogenannte  Stadt- 
pfeiferei,  ein  standiges  kleines  Blasorchester  *).  Dieses  war  gehalten,  an 
alien  Feiertagen  offentlich  aufzuspielen.  Gewohnlich  geschah  das  »nach 
ImbiBc  auf  dem  Rathaus;  zur  Sommerszeit  jedoch  nach  dem  Nachtmahl 
auf  der  Rheinbriicke.  Wir  erfahren  dies  aus  dem  Eid,  den  die  Pfeifer 
und  Trompeter  im  15.  Jh.  zu  schworen  batten.  Wohl  erst  spater  kam 
die  Sitte  auf,  morgens  und  abends  vom  Turm  herab  geistliche  Lieder  zu 
blasen;  erhalten  hat  sie  sich  lang,  bis  ins  18.  Jh.  hinein. 

Zum  erstenmal  erwahnt  werden  die  Stadtpfeifer  1385.  Von  Anfang 
an  durften  es  ihrer  vier  gewesen  sein.  Man  unterschied  zwischen  Pfeifern, 
die  Holzblasinstrumente,  Schalmeien  oder  Floten  bliesen,  und  Trompetern. 
Basler  Trompeten  aus  dem  16.  Jh.  werden  im  Historischen  Museum  auf- 
bewahrt,  eine  kleine  Relieffigur  am  Spalentor  ist  vielleicht  das  Portrat 
eines  Basler  Stadtpfeifers2). 

Aus  dem  16.  Jh.  sind  die  Anstellungsurkunden  einiger  Musiker  er- 
halten, die  nun  als  Turmblaser  bezeichnet  werden.  Besonders  interessant 
ist,  daB  von  den  Briidern  Jakob  und  Valentin  Wick  aus  Ulm  der  eine 
als  »Hochblaser<,  der  andere  als  >Zuhalter<  bezeichnet  wird.  Ein  leichter 
Patron  war  der  Trompeter  Hans  Streif,  der  1545  nach  bloB  zwanzig- 
wochigem  Dienst  von  einem  erbetenen  Urlaub  >unbetrachtett  siner  eer 
und  eides  nit  me  widerkommen. « 

Im  16.  Jh.  fuhrten  die  Fiirstlichkeiten  auf  ihren  Reisen  ihre  Spielleute 
mit  sich,  unci  in  ublicher  Weise  bedachte  der  Rat  diese  wie  das  iibrige 
Gefolge  mit  Geldgaben.  Beim  Empfang  Kaiser  Friedrichs  am  8.  Sep- 
tember 1473  wurde  den  pfiffern  mid  trunqteteren  10  Gulden,  bei  dem- 
jenigen  des  romischen  Konigs  Maximilian  am  13.  April  1493  denselben 
ebensoviel  gegeben,  sogar  bei  »Abholung  des  Bruder  Fritschius«,  der 
bekannten  Fastnachtspuppe,  die  die  Basler  den  Luzernern  im  Scherz  ge- 

1)  Belege  zum  nachetfolgenden,  Sammel-Bande  d.  I.  M.  G.    X.    395  ff. 

2)  Abbildung  i.  d.  Festschrift  d.  Schweiz.  Musikzeitung  zur  39.  Tonkiinstler- 
versammlung  in  Basel  1903. 

s.  d.  IMG.    x.  36 


538  Karl  Nef>  Die  MuBik  in  Basel. 

stohlen  hatten  und  die  letztern  mit  groBem  Pomp  zuriickholten,  erhielten 
die  Spielleute  mit  dem  ubrigen  Hofstaat  des  groBen  Narrenzuges  ihr  Teil. 

Diese  Mitteilungen,  wie  diejenigen  iiber  die  Orgeln  haben  uns  bereits 
ins  16.  Jh.  hineingefiihrt,  namentlich  die  emsige  Tatigkeit  auf  dem  Gebiet 
des  Orgelbaues  im  15.  und  16.  Jh.  lassen  auf  einen  regeren  Musikbetrieb 
schlieBen.  In  der  Tat  brachte  die  fiihrende  Geistesbewegung,  der  Hu- 
manismus,  der  Tonkunst  einen  groBen  Aufschwung,  an  dem  auch  Basel 
Anteil  hatte.  Die  im  Jahre  1460  gegriindete  Universitat  und  die  auf- 
bliihende  Buchdruckerkunst  machten  unsre  Stadt  zu  einem  Mittelpunkt 
der  humanistischen  Bewegung.  An  der  Universitat  selbst  war  die  Musik 
ein  Lehrfach,  wenn  auch  nur  ein  untergeordnetes.  Unter  den  Vorlesungen. 
die  fiir  die  Erlangung  des  Magister- Grades  an  der  Artistenf akultat  vor- 
geschrieben  waren,  wird  an  letzter  Stelle  angefiihrt  *ltem  musica,  si  fe- 
gantur* J).  Auch  aus  den  Gehaltsansatzen  fiir  die  Prof essoren  kann  man 
entnehmen,  daB  die  Musik  als  untergeordnet  betrachtet  wurde.  Bei  einer 
Neuordnung,  die  allerdings  erst  in  das  Jahr  1561,  also  in  die  Zeit  nach 
der  Reformation  fallt,  wurden  als  Gehalt  fiir  die  Professoren  der  Artisten- 
fakultat  70  oder  60  Gulden  angesetzt,  fiir  den  Lehrer  der  Musik  jedoeh 
nur  16  Gulden,  fiir  den  des  Gesanges  nur  6  Gulden.  Bei  der  Ein- 
fiihrung  von  FleiBgeldern  (Zulagen)  1589  blieb  der  Lehrer  der  Musik 
(mit  dem  des  Hebraischen)  davon  ausgenommen 2).  Die  Musik  erscheint 
wie  manches  andere  in  der  Artistenfakultat  als  ein  Uberbleibsel  aus  dem 
Mittelalter.  Dieses  bezweckte  in  seinen  hoheren  Schulen  fast  ausschlieB- 
lich  die  Ausbildung  von  Geistlichen,  und  fiir  diese  war  neben  der  Kenntnis 
der  lateinischen  Sprache  diejenige  des  Gesanges  das  Wichtigste.  Man 
faBte  die  dem  Quadrivium  eingereihte  Musik  als  eine  Wissenschaft  aaf, 
lehrte  sie  aber  doch  hauptsachlich  auch  als  Kunstfertigkeit.  Ahnlich 
wird  es  an  der  Universitat  gewesen  sein,  Musikwissenschaft  im  modernen 
Sinne  gab  es  noch  nicht. 

Das  Fach  scheint  immerhin  an  der  Basler  Universitat  zu  einer  ge- 
wissen  Bliite  gelangt  zu  sein.  Dafiir  sprechen  zwei  gedruckte  Lehr- 
biicher,  die,  wie  auf  beiden  ausdriicklich  gesagt  ist,  zum  Gebrauch  an 
der  Universitat  veroffentlicht  wurden.  Es  sind  das  *Lilium  Alasice  plane* 
des  Nurnbergers  Michael  Keinspeck,  das  in  mehreren  Auflagen,  zum 
erstenmal  1496  erschien,  und  die  >  Clarissima  plane  atque  choralis  musict 
interpretation  des  Daniel  Balthasar  Praspergius  aus  Mersburg  von  1507. 
Beides  sind  Kompendien  der  damaligen  Musiktheorie  mit  besonderer  Be- 
riicksichtigung  der  Einfiihrung  in  den  gregorianischen  Choralgesang. 

Im  Jahre  1514  kam  der  groBte  deutsche  Musiktheoretiker  seiner  Zeit 


\ 


1}  W.  Vi8cher,   Gesch.  d.  Universitat  Basel  von  der  Grttndung  1460  bis  iur 
Keformation  1529.    Basel  18G0.    153  ff. 

2    K.  Thorn  men,  Gesch.  d.  Universitat  Basel  1532-1632.    Basel  1889.    49. 


Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  539 

Glare  an,  nach  Basel.  Wenn  er  auch  nicht  an  der  Universitat  lehrte, 
so  stand  er  doch  mit  den  Gelehrten  und  Studenten  in  engster  Verbin- 
dung  und  ubermittelte  sein  Wissen  in  privaten  Vorlesungen.  In  Basel 
veroffentlichte  er  seine  hervorragenden  theoretischen  Werke:  Isagoge  in 
musicen  1516  bei  Frobenius  und  das  Dodecachordon  1547  bei  Henric- 
petri,  ferner  eine  Druckausgabe  der  Schriften  »De  musica*  von  Boetius 
1546.  Seine  Hauptleistung  ist  das  Dodecachordon,  deren  Originalitat  in 
der  Verbindung  mittelalterlicher  Musiktheorie  mit  dem  Geist  und  der 
Bildung  des  Humanismus  ruht.  Glarean  irrt  zwar,  wenn  er  seine  neue 
Lehre  auf  die  antike  Theorie,  wie  sie  bei  Boetius  zusammengefaBt  ist. 
zuriickf iihrt ;  aber  richtig  war  sie  an  sich  dennoch.  Das  Wesentliche  ist 
die  Aufstellung  von  zwolf  Tonarten  gegeniiber  den  acht  des  Mittelalters, 
welche  zwolf  in  der  Praxis  langst  im  Gebrauch,  theoretisch  aber  noch 
nicht  anerkannt  waren.  Die  zwei  Haupttonarten,  die  Glarean  dem  System 
neu  einfugte,  Cdur  und  jimoll,  waren  bekanntlich  dazu  berufen,  dem 
modernen  Tonsystem  die  Grundlage  zu  geben.  Als  Geschichtsquelle  er- 
halt  das  Dodecachordon  noch  einen  besonderen  Wert  durch  die  zahl- 
reichen  Kompositionen  verschiedener  Meister,  die  Glarean  als  Beispiele 
aufnahm. 

Glarean's  Biicher  waren  nicht  die  einzigen  musikalischen,  die  in  Basel 
gedruckt  wurden;  schon  lange  vor  ihm  arbeiteten  die  regsamen  Basler 
Offizinen  im  Dienst  der  Tonkunst.  Zuerst  waren  es  Kirchengesangbiicher, 
die  hier  vervielfaltigt  wurden1).  Von  vielen  sind  vor  allem  zu  nennen 
zwei  Missalien:  Missale  Basiliense  Oaspari  de  Bheno  episcopi  Basiliensis, 
gedruckt  1480  von  Bernhard  Hied  el,  und  ein  Missale  jussa  Ottonis  Con- 
stantietisis  episcopi  editum  von  Peter  Koellicker  1485.  Dann  folgen 
das  Graduate  Basiliense  und  eine  Agenda  parochialium  ecclesiarum  und 
noch  ein  Graduate,  die  im  Jahre  1488  von  Michael  Wenszler  und 
Jacob  von  Kilchen  gedruckt  wurden;  die  Agenda  entstand  auf  Ver- 
anlassung  des  Basler  Konzils  und  wurde  von  Doktoren  der  Universitat 
ediert.  Diese  ausgezeichnet  schonen  und  genauen  Drucke  sind  fur  die 
Geschichte  des  Notendruckes  von  Wichtigkeit.  Sie  sind  Beispiele  des 
Druckes  mit  beweglichen  Typen  vor  Petrucci,  der  als  Erfinder  dieser 
Druckart  gilt,  d.  h.  diese  Drucke  zeigen,  daB  Petrucci  nicht  kurzweg 
als  Erfinder  bezeichnet  werden  darf,  sondern  sein  Verdienst  besteht  darin, 
daB  er  fur  die  Vervielfaltigung  der  komplizierten  mehrstimmigen  Figural- 
musik  den  Druck  mit  beweglichen  Typen  anwenden  lehrte,  der  fiir  den 
einfachen  einstimmigen  Choralgesang  schon  in  Gebrauch  war2). 

Wenszler  und  Kilchen  lieBen  noch  ein  Antiphonarium  folgen.    Eine 


1;  D.  Stockmeyer  und  B.  Reber:  Beitrage  zur  Basler  Buchdruckergeschichte. 
1840. 

2)  P.  A.  Schubiger,  a.  a.  0.    69. 

36* 


540  Karl  Nef>  Die  Musik  in  Basel. 

Reihe  von  Kirchengesangbiichern  druckte  ferner  Jacob  von  Pf  ortzheim: 
1409  ein  Officiton,  1510  je  ein  Augsburger  Missale  und  Graduate,  im 
gleichen  Jahre  noch  ein  Brixener,  ein  Verdener  und  ein  Brandenburgisches 
Missale.  Adam  Petri  gab  ein  deutsches  Plenarium  heraus,  das  zwei- 
mal,  1514  und  1516,  aufgelegt  wurde. 

Von  den  verschiedenen  theoretischen  Werken,  die  in  Basel  gedruckt 
wurden,  das  wichtigste  ist  die  *Musica  getutschU  (yerdeutscht)  des  Se- 
bastian Virdung,  Priester  von  Amberg,  die  1511  in  Basel  erschien. 
Dieses  alteste  bekannte  Lehrbuch  der  Instrumentalmusik  verbreitet  sich 
ttber  alle  Zweige  derselben,  es  ist  reichlich  mit  illustrierenden  Holz- 
schnitten  versehen  und  darum  heute  noch  eine  auBerst  wichtige  Geschichts- 
quelle  % 

Weiter  sind  anzufiihren  J.  Gerson,  De  canticorum  originali  ratione 
1489,  G.  Reischius,  De  principiis  musicae  1508  und  De  musica  1523, 
G.  Faber,  Musiees  practicae  erotematum  1552.  Als  ein  typographisch 
besonders  schones  Werk  aus  etwas  spaterer  Zeit  sei  noch  genannt  die 
Nora  musiees  Organicae  Tabulatura  des  Wiirzburger  Organisten  Johann 
Woltz  von  1617.  Die  eigenartige  Notenschrift  der  sog.  deutschen  Orgel- 
tabulatur  ist  von  dem  Drucker  Joh.  Seb.  Genath  auBerst  scharf  und 
genau  wiedergegeben.  Endlich  seien  genannt:  J.  G.  Gross e,  Compen- 
dium musiees  1620,  U.  J.  J.  Wolleb,  Rudimen-ta  musiees  figuralis  1642. 

Aus  dieser  eifrigen  Betatigung  der  Buchdrucker  allein  konnte  man 
schon  auf  ein  reges  Interesse  der  Zeit  fur  die  Musik  schlieBen.  In  der 
Tat  brachten  ihr  die  Humanisten  selbst  warme  Liebe  und  Verehrung 
entgegen.  In  keiner  andern  Periode  standen  Gelehrte  und  Musiker  in 
so  regem  herzlichen  Verkehr  miteinander  wie  zur  Zeit  des  Humanismus. 
Luther's  bekannte  Musikliebe  war  keine  Ausnahme,  sondern  die  RegeL 
Zwingli  spielte  die  Laute  und  erfand  die  Melodien  zu  seinen  geistlichen 
Liedern  selbst.  In  der  Briefsammlung  des  St.  Galler  Reformators  Va- 
dian  finden  sich  zahlreiche  Musikerbriefe,  die  von  nahen  Beziehungen 
zwischen  Humanisten  und  Tonkunstlern  Zeugnis  ablegen.  Von  den  deut- 
schen Fiihrern  der  humanistischen  Bewegung  waren  Reuchlin  und  Celtis 
als  Forderer  musikalischer  Bestrebungen  zu  nennen.  Am  glanzendsten 
verkorperte  das  Doppelinteresse  der  schon  genannte  Glarean.  Die  Musik- 
liebe erwuchs  bei  den  Humanisten  als  naturliche  Frucht  aus  ihrem  Sta- 
dium der  Antike.  Sie  wollten  das  klassische  Altertum  nicht  nur  er- 
forschen  wie  der  heutige  Philologe,  sondern  neu  beleben,  weil  ihre  Vor- 
bilder  der  Musik  hochste  Verehrung  entgegen  brachten,  entflammten  sie 
sie  in  gleicher  Begeisterung.  DaB  die  griechische  und  die  Musik  ihrer 
Zeit  nicht  die  gleiche  war,  kummerte  sie  nicht;  auf  den  Geist  kam  es 
ihnen  an  und  nicht  auf  den  Buchstaben. 


1)  Faksimile-Neudruck  von  Eitner,  1882.    Publ.  d.  Gesellsch.  f.  Musikforscbg. 


Earl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  541 

Neben  Glarean  bietet  Basel  noch  andere  Beispiele  dieses  fruchtbaren 
Verhaltnisses.  Hauptsachlich  ist  Bonifacius  Amerbach  (1495 — 1562)  zu 
nennen.  Das  glanzendste  Zeugnis  seiner  Musikliebe  ist  die  in  der  Uni- 
versitatsbibliothek  aufbewahrte  Sammlung  seiner  Musikalien.  Sie  umfaBt 
in  zahlreichen  Manuskripten  und  Drucken  mehrstimmige  Gesangwerke 
und  Kompositionen  fiir  Orgel  oder  Klavier.  Unter  den  erstern  ist  haupt- 
sachlich vertreten  das  deutsche  mehrstimmige  Lied,  das  damals  in  seiner 
h&chsten  Bliite  stand.  Darunter  findet  sich  eine  groBe  Anzahl  Lieder 
von  Ludwig  Senfl,  dem  groBten  Genius  seiner  Zeit,  der  nach  Minervius 
in  Basel,  nach  Glarean  in  Zurich  geboren  wurde.  Die  Forschung  spricht 
heute  Zurich  die  Ehre  zu,  die  Vaterstadt  Senfl's  zu  sein,  er  muB  aber 
doch  auch  Beziehungen  zu  Basel  gehabt  haben,  sonst  hatten  ihn  nicht 
Manner,  die  ihn  kannten,  einen  Basler  genannt.  Er  selbst  bezeichnet 
sich  immer  nur  als  Schyreizer.  Jedenfalls  sind  seine  Lieder  mit  andern 
haufig  im  Hause  Amerbach's  erklungen;  der  alte  deutsche  Liedgesang 
war  im  wesentlichen  Mannergesang,  hochstens  daB  fiir  die  oberste  Stimme 
Knaben  beigezogen  wurden. 

Manche  Lieder  wurden  fiir  Amerbach  besonders  komponiert,  zum  Teil 
iiber  Gedichte  von  ihm  selbst.  Einen  Einblick  in  seinen  Verkehr  mit 
Komponisten  bieten  die  Briefe  Sixt  Dietrich's  an  ihn,  die  eine  ruhrende 
Verehrung  des  Musikers  fiir  den  Gelehrten  an  den  Tag  legen  *). 

Dietrich  schreibt  einmal  (1517)  >Item  ich  bit  euch  auch  fraintlich, 
machen  dt  mir  auch  Carmina*  und  nach  dem  er  ein  solches  erhalten:  >Bitt 
ich  euch  fraintlich,  ir  wollent  fur  gut  han  an  meiner  schlechten  Compositz. 
Ich  hab  aber  fiirwar  alien  fleyss  angelegt  und  hat  ichs  guldinn  miigen 
machen,  ich  hat  es  auch  thun.«  Ein  an  dermal:  »Mein  lieber  Maister  Bo. 
als  ir  mich  so  fast  bitten  und  so  hoch  ermanedt,  das  ich  euch  das  euer 
liedlin  sol  machen,  ist  mein  aller  groster  freyd  gewesen,  und  nach  lesung 
©wers  brief  ist  ewer  lied  mit  IIII  stimmen  in  einer  stund  danach  gar  kom- 
poniert gewesen;  also  gross  ist  mein  begierd,  euch  zu  dienen,  und  ir  solt 
mich  nicht  bitten,  sunder  gebietten.c 

Kompositionen  fiir  das  Klavier  oder  die  Orgel  lieferte  Amerbach  der 
Organist  in  Freiburg  i.  U.  Hans  Kotter.  Schon  1513,  als  Amerbach 
achtzehnjahrig  war,  legte  Kotter  das  erste  Orgelbuch  fiir  ihn  an.  1515 
schreibt  Kotter  an  den  in  Freiburg  i.  B.  studierenden  Amerbach,  er  habe 
auf  sein  Bewegen  einen  Tanz  und  ein  Carmen  komponiert,  und  bittet 
ihn,  ihm  fiir  seine  Miih  und  Arbeit  Tuch  zu  einem  Paar  Hosen  zu 
schaffen,  was  er  zu  seinem  Gedachtnis  tragen  wolle2). 

Man  unterschied  damals  noch  nicht  zwischen  Klavier-  und  Orgelsatz, 


1)  G.  His,  Briefe  von  Sixt  Dietrich  an  Bonifacius  Amerbach  1534—1544. 
Monatshefte  f.  Mus,-Gesch.  VII.  1875.  Vgl.  auch,  L.  Sieber,  Ein  Brief  von  Jo- 
hann  Hussler  an  Bonifacius  Amerbach.     M.  f.  M.  G.   VIII.    1876. 

2}  M.  f.  M.  G.    VIII.    124. 


542  Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel. 

sondern  verwendete  entsprechende  Kompositionen  nach  Belieben  auf  den 
verschiedenen  Tasteninstrumenten.  Amerbach  diirfte  die  von  Kotter  ge- 
8ammelten  Stiicke  hauptsachlich  auf  Klavieren  gespielt  haben,  deren  er 
verschiedene  besaB.  Es  haben  sich  zwei  Biicher  erhalten,  die  neben  zahl- 
reichen  Kompositionen  von  Kotter  selbst  solche  von  Isaak,  Hofheimer, 
Sixt  Dietrich,  Hans  Buchner  u.  a.  enthalten.  In  der  Hauptsache  be- 
stehen  sie  aus  kolorierten  tJbertragungen  von  Gesangswerken,  zum  kleinem 
Teil  aus  Tanzen.  Das  Haupt  der  damals  bliihenden  Koloristenschule 
war  der  gefeierte  Hoforganist  des  Kaisers  Maximilian  Paul  Hofheimer 
in  Wien;  dieser  in  instrumentalen  Verzierungen  sich  ergehenden  Schule 
gehorte  auch  Kotter  an1).  Ebenso  der  Konstanzer  Organist  Hans  Buch- 
ner, dessen  Orgel-Fundamentbuch,  ein  groBes  Lehr-  und  Sammelwerk, 
Bonifacius  Amerbach  noch  1551  abschreiben  lieB,  also  als  er  bereits  im 
56.  Lebensjahre  stand2).  Das  Interesse  fiir  die  Orgelmusik  zieht  sich 
somit  durch  sein  ganzes  Leben,  vielleicht  hat  er  bei  Erwerbung  des  Buch- 
ner'schen  Werkes  mit  an  seinen  Sohn  Basilius  gedacht.  Wenigstens  war 
er  besorgt  gewesen,  diesem  friihzeitig  guten  Musikunterricht  zukommen 
zu  lassen.  Schon  als  Siebenjahriger  erhielt  Basilius  in  Christophorus 
Piperinus  einen  Musiklehrer  (1542)3).  Dieser  riihmt  sich  in  einem 
Brief4)  an  den  Vater  einer  besonders  praktischen  Lehrmethode  und  be- 
tont,  daB  er  die  Hauptsache,  richtiges  Singen,  zu  allererst  seinem  Schiiler 
beibringen  wolle.  « 

Die  groBe  Musikliebe  des  Vaters  scheint  sich  aber  doch  nicht  auf 
den  Sohn  vererbt  zu  haben.  Basilius  entwickelte  sich  zu  einem  fleiBigen 
Gelehrten  und  hervorragen&en  Kunstsammler ;  aber  von  intensiver  musi- 
kalischer  Betatigung  verlautet  nichts  mehr.  In  seinem  ersten  Inventar, 
das  vor  1578,  aber  nach  dem  Tode  des  Vaters  1562  angefertigt  wurde,  ver- 
zeichnet  er  nur  wenige  Musikalien  und  allerdings  10  Musikinstrumente, 
namlich  7  pfifen  (Floten  oder  Schalmeien),  1  Harp  fen  und  2  LutUn 
(kleine  Lauten)6).  Bonifacius  hat  aber  noch  bedeutend  mehr  Musik- 
instrumente besessen.  Es  wird  berichtet,  daB  er  sich  nach  seiner  Ver- 
heiratung  bei  einem  ausgezeichneten  >Dischmacher  ein  schon  clavitzym 
mit  einem  schonen  f utter «  um  2  Gulden  gekauft  habe6).  Und  Felix 
Platter,  der  Arzt,  f iihrt  in  seinem  Vermogens-Status  auf,  D.  Amerbachius 
habe  ihm  legiert   » spinet,   clavichordus ,  luten  clavizimb*  die  zusammen 


1)  Vgl.  M.  Seiffert,  Gesch.  d.  Klaviermusik  1899  (mit  biographischen  Angaben 
fiber  die  Genannten). 

2)  K.  Paesler,  Vierteljsch.  f.  Musikw.    V.    1889. 

3)  Biogr.  des  Basilius  A.  von  P.  Iselin.    Basl.  Taschenbuch  1863.     165. 

4)  Abgedruckt  auch  Zeitschr.  d.  J.  M.  G.    VII.    23. 

5}  Ganz   und    Major,   Die   Entstehung   des    Amerbach'scben   Eunstkabinetf. 
Bas.  1907. 

6;  Taschenbuch  1863. 


Earl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  543 

auf  50  Pfund  geschatzt  waren.  Bei  Platter  waren  sie  in  die  rechten 
Hiinde  gekommen,  denn  dieser  war  ein  leidenschaftlicher  Liebhaber  von 
Musikinstrumenten,  wie  von  der  Musik  iiberhaupt1). 

Wenn  man  die  Selbstbiographie  Felix  Platter's  durchgeht,  kann 
man  sich  des  Eindrucks  nicht  erwehren,  an  ihm  sei  ein  Musiker  ver- 
loren  gegangen.  Aber  er  wurde  im  Jahre  1536  bereits  nach  der  Re- 
formation geboren,  und  da  durch  diese  bei  den  Reformierten  die  Musik 
als  offizielle  Kunst  vollstandig  ausgeschieden  worden  war,  war  eine  be- 
rufliche  Ausiibung  derselben,  selbst  auch  nur  etwa  im  Sinne  eines 
Glarean,  fiir  einen  Basler  ausgeschlossen.  Aber  mit  groBtem  Eifer  hat 
sich  Platter  als  Liebhaber  der  Musik  gewidmet. 

Als  kleiner  Knabe  schon  konstruierte  er  sich  aus  Schindeln  und 
Wascheklammern  ein  Streichinstrument.  Als  ein  Tischganger  seines 
Vaters  im  Mondenschein  unter  dem  Fenster  einer  Schonen  die  Laute 
schlug,  hat  er  sehnlichst  gewiinscht,  die  Kunst  ebenfalls  zu  lernen,  »ver- 
meinend,  es  konne  ihm  nichts  herrlicheres  werden«.  Wie  reich  die  Haus- 
musik  in  seiner  Jugend  bestellt  war,  ersehen  wir  aus  seiner  Schilderung 
des  Treibens  im  Hause  seines  Vaters,  der  eine  Druckerei  und  eine  Kost- 
geberei  hatte.  Die  Drucker  schlugen  die  Maultrommel  und  das  Hack- 
brett,  »das  damals  sehr  gebrauchlich  war«,  verschiedene,  darunter  des 
Felix  Prazeptor  Schaler,  spielten  die  Laute,  und  etliche  geigten.  Als 
der  achtjahrige  Felix  gemeinsam  mit  andern  Tischgangern  bei  Peter 
Dorn,  dem  Lautenisten,  Unterricht  bekam,  war  er  bald  der  beste.  Spater 
wurden  Thiebold  Schoenauer  aus  StraBburg  und  Veit  Bulling  von 
Augsburg  seine  Lautenlehrer.  Felix  liebte  auch  sehr  das  » Spinet*  und 
die  »Orglen*,  weshalb  er  gleichzeitig  mit  dem  Lautenunterricht  bei  des 
Vaters  Tischganger  D.  Peter  Hochstetter  auf  dem  »clavichordi«  zu 
lernen  anfing,  solches  bei  Thomann  Schoepfius,  damals  Schulmeister 
zu  St.  Peter,  kontinuierte,  zu  dem  er  jeden  Sonntag  und  Donnerstag  eine 
Stunde  sich  zu  ttben  ging.  Besonders  gern  horte  er  in  der  Jugendzeit 
auch  den  Gesang  der  »pergknappen«. 

Sein  ganzes  Leben  hindurch  bleibt  Platter  der  Tonkunst  treu  ergeben. 
Bei  der  Reise  auf  die  Universitat  nach  Montpellier  werden  unterwegs  die 
Orgeln  probiert,  in  Villeneuve  lindert  ihm  Gesang  und  Orgelspiel  in  der 
Kirche  das  Heimweh.  In  Montpellier  wird  er  nur  »l'AUemandt  da  luU 
genannt.  Er  muB  Schonen  Standchen  bringen,  ihnen  Unterricht  geben, 
bei  alien  moglichen  geselligen  Anlassen  die  Laute  schlagen.  Zuweilen 
wird  mit  drei  Lauten  musiziert,  wobei  Friedrich  Ryhiner  von  Basel  einer 
der  Genossen  ist.  Der  Vater  zu  Hause  freut  sich  iiber  seinen  Ruf  als 
Lauten-  und  Spinettspieler  und  empfiehlt  ihm,  auch  das  Harfenspiel  zu 


1;  H.  Boos,  Thomas  u.  Felix  Platter.    Leipzig  1878. 


544  Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel. 

iiben,  da  er  ein  schones  Instrument  habe  und  die  Harfe  in  Basel  noch 
ganz  unbekannt  sei.  Felix  lernt  denn  auch  bei  einem  Englander  Coi- 
tero  noch  ziemlich  die  Harfe  schlagen.  Der  Basler  Lautenist  Schonauer 
schickt  Saiten  und  hat  aus  Italien  schone  Lauten  mitgebracht,  von  denen 
eine  cypressene  fiir  Felix  bestimmt  ist.  Auf  der  Heimreise  von  Mont- 
pellier  hat  er  musikalische  Genossen,  und  wegen  ihrer  Kunst  werden  die 
Durchreisenden  vielerorts  besonders  freundlich  aufgenommen.  Wieder 
zu  Hause  werden  zu  allererst  die  cypressene  Laute  und  die  Harfe  her- 
gerichtet,  und  trotzdem  nun  das  Doktorexamen,  die  Heirat  und  dann 
eine  groBe  arztliche  Praxis  folgen,  wird  das  Musizieren  eifrig  fortgesetzt 
DaB  das  Brautessen  >auBerhalb  der  Musik «  war,  schmerzt  ihn,  mit  Ge- 
nugtuung  dagegen  wird  erzahlt,  daB  bei  der  Hochzeit  M.  Lorenz  Richart 
die  Laute  schlug  >und  gigt  der  Christenlin  darzu,  denn  domolen  die 
violen  nit  so  im  bruch  wie  ietziger  zeitc.  Beinahe  die  ganze  Einnahme 
aus  dem  ersten  Jahr  seiner  Praxis,  147  Pfund,  verwendet  Platter  auf 
die  Anschaffung  von  5  Lauten1).  Die  Klavierinstrumente,  die  er  nach 
und  nach  zusammenbrachte,  schatzte  er  zusammen  auf  2G0  Kronen.  Er 
hinterlieB  (gest.  28.  Juli  1614) :  4  Spinett,  4  Klavichordi,  1  Clavicymbalum, 
1  Regal  mit  2  Blasbalgen,  7  Violen  de  la  gamba,  6  Lauten,  darunter 
1  Theorbe,  10  Flauten,  2  Mandolinen,  1  Lobsa,  1  Zittern,  1  Holzingel- 
chen,  1  Tenor,  2  Diskant,  1  Trumschen. 

Von  Platter's  Musiklibung  sind  uns  keine  direkten  Zeugnisse  erhalten, 
dagegen  besitzen  wir  noch  zwei  handschriftliche  Lautenbiicher  eines  an- 
dern  heimischen  Lautenspielers,  Ludwig  Is  el  in.  Auf  diesen  scheint  sich 
die  Amerbach'sche  Musikliebe  vererbt  zu  haben;  er  war  ein  Enkel  des 
Bonifacius  und  ein  Neffe  des  Basilius  Amerbach.  Der  spater  als  Pro- 
fessor der  Jurisprudenz  an  der  Basler  Universitat  bekannt  gewordene  hat 
sich  in  munteren  Jugendjahren,  als  etwa  Sechzehnjahriger,  die  zwei  Biicher 
zusammengeschrieben2).  Das  eine  vom  Jahre  1575  tragt  die  bezeichnende 
Uberschrift  » Liber  Ludovici  Isdin  et  amieorum*\  es  stellt  sich  als  ein 
Erzeugnis  frohlichen  geselligen  Musizierens  dar.  Beide  Hefte  beginnen 
mit  einer  kurzen  Anleitung  zum  Lautenspiel,  daran  schlieBen  sich  in 
bunter  Folge  Ubertragungen  geistlicher  und  weltlicher  Lieder  und  Tanze 
(im  ganzen  72,  40  und  32). 

Es  reihen  sich  beispielsweise  folgende  Stiicke  aneinander:  »Kungischer 
Tanz  mit  Nachtantz«,  >Ach  meitlin  farh  mit  mir  UberRein«,  >Danket  dem 
herren«,  Helena  tautz,  >Buz,  bis  mich  nitt,  ich  will  dir  ein  Kreizerl  schenken*. 
nebst  Proportz,  ein  Hoftanz  usw.  Von  Volksliedern  seien  hervorgehoben: 
>Ach  Joseph,  lieber  Joseph  mein«,  >Der  Tag  der  ist  so  freudenreich«.  >Es 
taget  vor  dem  Walde*,   *Mit  Lieb  bin  ich  umfangen*.     Die  meist  vorkom- 


1,  F.  Mi  esc  her,  Die  'medizinische  Fakultat  in  Basel.    1860. 
2)  Basl.  Universitatebibl.  F.  X.  11  u.  F.  IX.  23. 


Earl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  545 

menden  Tanztypen  sind  Passamezzo,  Gralliarde  and  Saltarello.  Auch  die  in 
den  Lautenbuchern  der  Zeit  haufig  erscbeinende  Schlacht  fehlt  nicht,  es  ist 
»Die   Schlacht  vor  Pavia«. 

Iselin  hat  ohne  viel  Federlesens  in  die  Biicher  geschrieben,  was  ihm 
und  seinen  Freunden  gefiel,  manches  vielleicht  selbst  arrangiert,  anderes 
aus  andern  Lautenbiichem  abgeschrieben.  Der  Kunstwert  der  Kompo- 
sitionen  ist  nicht  allzugroB,  aber  kulturgeschichtlich  sind  sie  interessant, 
da  sie  zeigen,  woran  die  Jugend  in  der  zweiten  Halfte  des  16.  Jh.  sich 
ergotzte. 

Von  weitern  Musikfreunden  des  16.  Jh.  ist  noch  zu  erwahnen  Oswald 
Holzach,  von  dem  eine  kleine  Orgelschule  von  1515  erhalten  ist1),  die 
er  sich  wahrscheinlich  zum  eignen  Studium  angefertigt  hat.  Ein  Oswald 
Holzach  war  1490  Mitglied  des  Kleinen  Rats2),  und  ein  Mann  gleichen 
Namens  wollte  1524  ein  freies  Fahnlein  nach  Mailand  fiihren,  kehrte 
aber  nach  8  Tagen  wieder  um,  wie  der  Chronist  Fridolin  Ryff  berichtet3). 
Vielleicht  ist  der  Magistrat,  Kriegsmann  und  Organist  ein  und  dieselbe 
Person.  Auf  Musikalien4)  werden  noch  folgende  Nanien  teils  der  Be- 
sitzer,  teils  der  Geschenkgeber  genannt:  Joh.  Raps,  Organist,  Jacobus 
Salandronius,  ludi  magister  scolae  divi  TJieodori,  Mathis  Brotbeck 
in  der  kleinen  Stadt,  Ambrosius  Ketenacker,  alle  aus  der  ersten  Halfte 
des  16.  Jh.  Der  Pfarrer  Jacob  Ryter  verfaBte  Threnodien  auf  den  Tod 
des  Bonifacius  und  des  Basilius  Amerbach,  die  mehrstimmig  komponiert 
sind.  Von  dem  Philologen  Simon  Grynaus  schreibt  der  schon  genannte 
Sixt  Dietrich,  daB  er  Dietrich's  acht  Magnificat  drucken  lassen  wolle,  da 
er  seinen  Gesang  lieb  habe,  »viel  lieber  als  er  wert  ist«,  fiigt  der  allzeit 
bescheidene  Dietrich  bei. 

Aus  dieser  Fiille  kleiner  Einzelziige  erkennt  man  ein  angeregtes 
privates  Musikwesen.  Auch  in  der  Offentlichkeit  tritt  damals  die  Ton- 
kunst  in  eigenartiger  Weise  hervor,  namlich  in  Begleitung  des  Schau- 
spiels.  Es  hat  sich  'ein  1533  begonnenes  handschriftliches  Musikbuch 
eines  Christophorus  Alutarius  (Gerber)  aus  Neuenburg  erhalten5),  das 
Chorgesange  von  in  Basel  aufgef iihrten  Dramen  enthalt.  Zunachst  drei- 
stimmige,  in  der  kunstreichen  kontrapunktischen  Art  der  Zeit  gesetzte 
Kompositionen  der  vier  Chore  aus  Reuchlin's  *Scena  jwogymnasmata* . 
Sie  diirften  besonders  fiir  eine  Basler  Auffiihrung  komponiert  worden 
sein,  wenigstens  sind  sie  nicht  identisch  mit  andern  bekannt  gewordenen. 
Nur  im  Tenor  liegen  ihnen  die  einstimmigen  Weisen  von  Daniel  Mergel 

1)  F.  VI.  26. 

2)  M.  Lutz,  Basl.  Bdrgerbuch  1819. 

3)  Basler  Chroniken  I.    1872. 

4)  Vgl.  Richter'8  Katalog.  —  Vgl.  zu  diesem  ganzen  Abschnitt  auch 
A.  Thurlinge,  D.  schweiz.  Tonmeister  im  Zeitalter  der  Reformation.    Bern  1903. 

5)  F.  V.  36. 


546  Karl  Nef,  ^ie  Musik  in  Basel. 

zugrunde,  die  der  ersten  Ausgabe  der  Pro&ymnastnata  von  1498  bei- 
gedruckt  sind *).  Diese  haben  auch  andern  Kompositionen  als  Grundlage 
gedient,  die  baslerischen  sind  die  kunstvollst  ausgefiihrten.  Reuchlin's 
Progymnasmata  bildeten  den  Ausgang  fiir  das  humanistische  lateinische 
Schuldrama,  das,  wie  wir  aus  den  Schilderungen  Felix  Platter's  wissen, 
auch  in  Basel  eifrig  gepflegt  wurde. 

Alutarius  gibt  in  seinein  Musikbuch  ferner  vierstimmige  Kompositionen 
zweier  Chore  aus  dem  deutschen  Drama  »DanieU  von  Sixt  Birk,  einem 
Volksschauspiel,  das  am  9.  Mai  1535  tdurch  eine  junge  Burgerschaft  zu 
Basel <  aufgefiihrt  wurde.  Besonders  interessant  ist  das  Stuck,  das 
Chorus  Asclepiadeum  Oliconium  uberschrieben  ist.  Der  Text  ist  im 
VersmaB  der  dritten  asklepiadeischen  Strophe  gehalten  und  die  Musik 
notengetreu  diejenige,  die  Tritonius  in  seinen  Kompositionen  der  Ho- 
razischen  Oden  zu  diesem  Metrum  gesetzt  hat2).  Den  Humanisten  gait 
es  als  ausgemacht,  daB  die  Horazischen  Oden  gesungen  worden  seien. 
Da  sie  aber  die  Musik  dazu  nicht  hatten,  gab  Conrad  Celtis  dem  Mu- 
siker  Tritonius  die  Anregung,  sie  mit  Beibehaltung  des  Metrums  zu  kom- 
ponieren.  Die  metrische  Schwierigkeit  wurde  einfach  in  der  Weise  uber- 
wunden.  daB  jede  Lange  zwei  Zahlzeiten,  jede  Kiirze  eine  Zahlzeit  be- 
kam.  Die  Melodie  wurde  nach  dem  Gebrauch  der  Zeit  in  den  Tenor 
gelegt,  die  iibrigen  Stimmen  schritten  mit  ihr  im  gleichen  Bhythmus  fort, 
welche  einfache  homophone  Art  in  jener  Zeit  etwas  AuBergewohnliches 
war.  Die  Tenore  von  Tritonius  wurden  spater  von  den  groBen  Meistern 
Senfl  und  Hofhaimer  von  neuem  vierstimmig  gesetzt,  eleganter,  fliissiger 
in  der  Harmonie,  aber  in  der  gleichen  einfachen  Homophonie.  Diese 
Art,  die  Horazischen  Oden  zu  singen,  fand  bald  allgemeine  Aufnahme 
und  Verbreitung;  das  Beispiel  aus  dem  Schauspiel  von  Sixt  Birk  zeigt, 
daB  die  Art  auch  auf  deutsche  Gedichte  in  antiken  Metren  iibertragen 
wurde,  was  bis  jetzt  erst  durch  ein  einziges  Beispiel  belegt  war. 

Der  zweite  von  Alutarius  mitgeteilte  Chor  aus  dem  Daniel  ist  ein  Chor 
der  Baalspriester.  >Glych  eim  Magnificat  quarti  toni*,  ist  er  uberschrieben, 
was  offenbar  eine  beabsichtigte  starke  Anspielung  des  reformierten  Dichters 
auf  den  katholischen  Gottesdienst  war,  d.  h.  die  heidnischen  Priester  singen 
wie  die  katholischen.  Musikalisch  ist  der  Chor  interessant,  weil  er  drama- 
tisch  in  die  Handlung  mit  eingreift,  wahrend  sonst  die  Chore  meist  nur  an 
den  Aktschlussen  vorkommen.  Fast  wie  in  Mendelssohn's  Elias-Oratorium 
rufen  die  Baalspriester  ihren  Gott  singend  an.    In  dem  Drama  sind  noch 


1)  Ygl.  R.  v.  Liliencron,  Die  Chorgesange  des  lateinisch- deutschen  Schul- 
dramas.    Vierteljsch.  f.  Musikwiss.    VI.    1890. 

2)  R.  Liliencron,  Die  Horazischen  Metren  in  deutschen  Kompositionen  des 
16.  Jhrs.  Vierteljsch.  f.  Musikw.  111.  1887.  Die  Kompositionen  des  Tritoniui. 
S.  59. 


Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  547 

mehr  Chore  vorgeschrieben,  deren  Musik  aber  unsre  Quelle  nicht  mehr 
mitteilt. 

In  Basel  wurden  eine  ganze  Reihe  von  Volksschauspielen  aufgefuhrt 
und  alle  waren  mit  Choren  verschiedener  Art,  wohl  immer  auch  mit 
Instrumentalmusik  ausgestattet1).  Der  im  Jahre  1532  gegebenen  •Su- 
sanna* von  Sixt  Birk2)  ist  ein  vierstimmiger  Chor  vorausgeschickt,  die 
tfiinferlei  Betrachtnisse*  von  Johannes  Kolrosz  (1532) 3)  enthalten 
>tiitsche  Saphica*  im  vierfachen  Wechselchor,  inBullinger's  iLitcretia* 
(1533)  treten  die  Sanger  »der  Pensioners  (so  wurden  die  Offiziere  in 
fremden  Kriegsdiensten  genannt)  auf,  die  >viel  neigens  und  hofierens« 
konnen  sollen,  in  Valentin  Bolz'  >Pauli  Bekelmmg*  1546  diirften  geist- 
liche  Lieder  enthalten  gewesen  sein,  wie  solche  sich  finden  in  desgleichen 
» Weltspiegel*  (1550) 4).  Dies  letztgenannte  Stuck  und  der  *Saul*  von 
Mathias  Holzwart  (1571)  waren  besonders  groBe  Aktionen,  deren  Auf- 
fiihrung  sogar  zwei  Tage  in  Anspruch  nahm.  Ln  »£awZ«  kommen  wiederum 
antike  Metren  in  dramatischem  Wechselchor  vor.  Nachdem  Goliath  er- 
schlagen,  treten  sechs  Weiber  von  Sacho  mit  Gesang  und  Saitenspielen 
auf,  nachher  von  der  andern  Seite  sechs  Weiber  von  Asteka  ebenfalls 
mit  ihren  Saitenspielen,  schlieBlich  vereinigen  sic  sich  zum  Gesamtchor. 
Sie  sollen  singen  in  der  Melodie  *Jam  satis  terris*.  Es  treten  ferner 
auf  Trompeter,  Tubalblaser  und  Trommelschlager. 

In  den  Zwischenakten  wird  Musica  verlangt.  DaB  diese  bei  den 
Volksschauspielen  sehr  reichhaltig  zu  sein  pflegte  und  nicht  nur  in  den 
Pausen  ertonte,  sondern  auch  dem  Gang  der  Handlung  sich  eng  an- 
schloB,  wissen  wir  aus  den  Regiebuchern  (Rodeln)  zu  den  Luzerner  Oster- 
spielen5).  Fur  traurige  Szenen  wurden  dort  die  elegischen  Schalmeien 
verwendet,  fiir  festliche  und  kriegerische  Trompeten,  fiir  feierliche  Po- 
saunen,  in  ganz  ernsten  Situationen  ertonte  eine  Orgel,  deren  man  da- 
mals  tragbare  hatte.  Den  Hofstaat  von  Konigen  begleiten  ganze  Or- 
Chester  usw.  Wir  diirfen  mit  ziemlicher  Sicherheit  annehmen,  daB  bei 
den  Basler  Auffiihrungen,  zum  mindesten  bei  den  groBern,  von  denen 
einige  zwei  Tage  in  Anspruch  nahmen,  ein  ahnlich  reicher  Musikapparat 
mit  eingriff. 

Dieser  rege  Musikbetrieb  reicht  mehrere  Jahrzehnte  in  die  reformierte 
Zeit  hinein.  Durch  das  Festsetzen  und  sich  Einleben  des  reformierten 
Glaubens    wurde   ilim    aber  der   Boden  entzogen;   die   Einfuhrung  der 

1)  L.  August  Burckhardt,  Geschichte  d.  dramat.  Eunst  z.  Basel.  Bael.  Beitr.  I. 

2)  Neuausg.  von  J.  Bolte.    Berlin  1893. 

3)  Neuausg.  von  Th.  Odinga.    Zarich  1890. 

4)  Neuausg.  von  A.  Gessler.    Zarich  1891. 

6)  Brandstetter,  Geschichtsfreund.  Bd.  40.  Einsiedeln  1885.  —  Vgl.  auch 
Nag  el,  D.  Musik  in  den  schweiz.  Dramen  des  16.  Jhrs.  Monatsh.  f.  Musikgesch. 
XXII,  67  ff. 


548  Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel. 

Reformation  in  der  Schweiz  hat  die  verheiBungsvollen  musikalischen 
Keiine  fast  ganz  ertotet.  Fiir  Jahrhunderte  wurde  durch  das  neue  Be- 
kenntnis  die  Entwicklung  der  Musik  unterbunden.  Zwingli  lieB  in  der 
Kirche  nur  noch  das  gesprochene  Wort  gelten  und  verbannte  alle  Musik; 
Oekolampad  in  Basel  fuhrte  wenigstens  den  einstimmigen,  zunachst  un- 
begleiteten  Psalmengesang  ein.  So  wertvoll  der  Gemeindegesang  an  sich 
sein  mag,  so  bot  er  musikalisch  doch  keinen  Ersatz  fiir  das,  was  die  alte 
Kirche  besessen.  Der  vorherrschend  niichterne  und  verstandesmafiige 
Sinn  des  schweizerischen  Volkes  scheint  es  seinen  Reformatoren  zur  Not- 
wendigkeit  gemacht  zu  haben,  alle  Kunst  aus  dem  Gottesdienst  auszu- 
schlieBen;  die  haufig  gegebene  Erklarung  ihres  Vorgehens  dadurch,  daB 
der  Kirchengesang  damals  iiberhaupt  ganz  verderbt  und  unbrauchbar  ge- 
wesen  sei,  ist  nicht  zureichend,  auch  fiir  Basel  nicht.  Unmittelbar  vor 
der  Reformation  wirkte  hier  der  tiefangelegte  Bischof  von  Uttenheim, 
dessen  ernsthafte  Bestrebungen,  die  Kirche  von  innen  heraus  zu  refor- 
mieren,  nur  zu  spat  kamen.  In  seinen  Synodalstatuten  von  1503 !)  findet 
sich  die  Bestimmung:  »In  den  Messen  soil  das  niciinische  Symbolum  un- 
verkiirzt  bis  ans  Ende  gesungen  werden  und  mit  ganzlicher  Auslassung 
jener  Melodie,  welche  nach  baurischer  und  weltlicher  Singweise  vorge- 
tragen  wird  und  deren  sich  die  Bankelsanger  bedienen,  die  nach  dem 
h.  Jakobus  von  Kompostella  wallfahrten. «  Ein  kurz  vor  der  Reformation 
geschriebenes  Ceremoniale  fiir  das  Basler  Miinster2)  zeigt  eine  reiche 
musikalische  Ausstattung  des  Gottesdienstes,  eine  sinngemaBe  ortliche 
Ausiibung  und  Ausschmuckung  des  erhabenen  Kunstwerks  der  romischen 
Liturgie. 

Der  Sturm  der  Reformation  lief  in  Basel  verhaltnismaBig  glimpflich 
ab,  wahrend  in  alien  andern  Schweizerstadten  die  Orgeln  zerstort  wurden, 
blieben  sie  hier  erhalten.  So  konnte  es  dem  heimlich  lutherisch  ge- 
sinnten  Antistes  Simon  Sulzer  im  Jahre  1561  gelingen,  das  Orgelspiel 
im  Miinster  wieder  einzufiihren.  Er  hatte  damals  um  so  bessere  Ge- 
legenheit  dazu,  als,  wie  der  Chronist  Wurstisen  sich  ausdriickt3):  >Gre- 
gorius  Meyer,  ein  geurlaubter  Organist  von  Solothurn,  doch  von  Sackiu- 
gen  biirtig,  ein  gar  biiptischer  Mann,  eben  damals  hie  wohnet,  welcher 
mit  den  burgern  hinder  dem  Wein  gut  Mann  war  und  gern  etwas  Dienst's 
bekommen  hatte. «  »Dergestalt  ist  diese  unerbauliche  Bapstleier  in  ein 
wohlreformierte  Kirchen  eingeschlichen*,  schlieBt  der  streng  reformiert 
gesinnte  Wurstisen  seine  Mitteilung. 

Gregor  Meier  war  nicht  nur  Organist,  sondern  auch  ein  tiichtiger  Kom- 


1)  Mitg.  von  J.  J.  Herzog,  Basl.  Beitrage  I. 

2)  Alb.  Burkhardt,  Basl.  Jahrbuch.    1887. 

3;  In   einer  Beschreibung  des  Basler  Munsters,  hrsg.  von  R.  MTackernagel, 
Basl.  Beitrage  XII.    1888. 


Karl  Nef,  Die  Mueik  in  Base].  549 

ponist;  er  hatte  Glarean  einige  Kompositionen  in  den  ungewohnlicheren 
Tonarten  als  Beispiele  ins  Dodechacfiordon  liefern  miissen.  Er  starb  im 
November  1576;  an  seine  Stelle  trat  Samuel  Mareschall  aus  Tournai  in 
Flandern.  Dieser  wurde  zugleich,  unter  dem  Rektorat  Felix  Platter's,  als 
^Professor  Musices*  an  der  Universitat  angestellt  (mit  84  Pfund  jahrlichem 
Gehalt,  dazu  spater  noch  Korn).  Man  darf  wohl  annehmen,  daB  der 
musikverstiindige  Platter  bei  der  Berufung  dieses  tiichtigen  Musikers  mit- 
gewirkt  hat.  Mareschall  ist  im  Mai  1554  geboren;  als  86jahriger  Greis 
war  er  noch  kiinstlerisch  tatig,  wie  handschriftliche  Orgelkompositionen 
von  1640  beweisen.  Im  nachsten  oder  im  nachstfolgenden  Jahre  muB  er 
gestorben  sein.  Neben  seinen  musikalischen  Titeln  legte  er  sich  auch 
den  eines  Xotarius  publicus  bei1). 

Mareschall  hat  vier  Biicher  handschriftlicher  Orgelkompositionen  hinter- 
lassen.  Es  sind  teils  freie  Satze,  teils  Bearbeitungen  von  Psalmweisen 
und  Liedmotiven.  Der  Komponist  erweist  sich  darin  als  ein  tiichtiger, 
spater  Vertreter  der  vorhin  schon  genannten  Koloristenschule,  doch  haben 
diese  Orgelstiicke  vorwiegend  nur  noch  historischen  Wert.  Einen  mehr 
auf  das  Neue  gerichteten  Sinn  zeigt  Mareschall  in  seinem  vierstimmigen 
Psalter,  der  1606  in  Basel  erschien.  Entgegen  dem  bis  dahin  zumeist 
herrschenden  Brauch,  die  Melodie  dem  Tenor  zu  iibergeben,  verlegt  er 
sie  in  den  Sopran,  dies  sovvohl  in  den  Goudimel-Lobwasser'schen  Psalmen, 
als  den  deutsch-lutherischen  Kirchenliedern,  die  in  einem  besondern 
zweiten  Teil  zusammengefaBt  sind.  Da  er  als  Organist  den  einstimmigen 
Gesang  der  Gemeinde  zu  begleiten  hatte,  muBte  ihm  eine  solche  Be- 
arbeitung  nahe  liegen;  er  sagt  selbst  in  der  Vorrede,  er  habe  »das  Choral 
durchaus  herauff  in  Diskant  gesetzt  und  die  Komposition  also  danach 
gerichtet,  daB  nicht  allein,  was  man  singet,  von  jedermenglichen  also  bald 
vernommen  wird,  sondern  auch  eine  jede  Manns  oder  Weibsperson,  jung 
oder  alt,  hoch  oder  niedrig  .  .  .  das  Choral  kann  mitsingen*.  Sein  zeit- 
gemaBes  Vorgehen  fand  die  Zustimmung  der  Mitlebenden,  und  in  der 
Geschichte  des  Kirchengesangs  werden  die  vierstimmigen,  kraftvollen  Satze 
Mareschall's  allgemein  als  tiichtige  Leistung  anerkannt  und  geschatzt2). 

Soeben  erst  wieder  aufgefunden  wurde  die  1589  bei  Seb.  Henric- 
petri  in  Basel  erschienene  »Parta  musices*  uberschriebene  >Einfiihrung 
zu  der  edlen  Kunst  Musica,  mit  einem  kurzen  Bericht  und  Anleitung  zu 
der  Violen3)*.     Aktuell  war  in   diesem  fur  die  Schule  bestimmten  Ele- 


1)  Vgl.  M.  Seiffert,  Gesch.  d.  Klaviermusik.  —  Walther,  Mus.  Lexikon. 
1735.  Fetis,  Biographie  des  Musicicns.  —  Th.  Burckhardt-Biedermann,  Ge- 
schichte des  Gymnasiums  zu  Basel  1889.  Riggenbach,  D.  Kirchengesang  zu  Basel, 
Basl.  Beitrage  1870.    Staatsarchiv,  Kirchenakten  I.    3. 

2)  Winterfeld,  D.  evang.  Kirchengesang  I. 

3)  Dem  Rektor  der  Basler  Universitat  Sam.  Grynaeus  gewidmet.  Exemplar  in 
d.  Basl.  Universitat8bibl. 


550  Karl  Nef»  Die  Musik  in  Basel. 

mentarlehrbuche  die  freilich  nur  ganz  knapp  gehaltene  Anleitung  zum 
Violenspiel,  das,  wie  auch  Platter  mehrfach  hervorhebt,  damals  immer 
mehr  in  Aufnahme  kam  und  die  friiher  vorherrscbende  Laute  bald  ganz 
verdrangte. 

Ebenfalls  instruktive  Zwecke  verfolgte  eine  andere  Publikation  Mare- 
schalTs,  die  zum  Gebrauch  in  der  achten  und  neunten  Klasse  des  Gym- 
nasiums komponierten  *Melodiae  suaves  et  concinnae  Psalmorum  aliquot 
atqiie  Hymnorum  spiritualium*  von  1622.  In  einem  Anbang  enthalt 
das  Biichlein  noch  die  Anfangsgriinde  der  Musiktbeorie  in  lateinischer 
Spracbe.  Die  Psalmen  und  Lieder,  zwolf  an  der  Zahl,  sind  vierstimmig 
gesetzt,  aber  in  der  Frauenchorlage.  Der  Komponist  hat  also  auf  den 
Stimmumfang  der  jugendlichen  Sanger  Riicksicht  genommen.  Es  diirfte 
sich  wohl  lohnen,  den  einen  oder  andern  dieser  einfachen  klangvollen 
Satze  gelegentUch  wieder  zu  beleben. 

Marescball  war  nicht  nur  Professor  der  Musik  an  der  Universitat,  son- 
dern  auch  Gesanglehrer  am  Gymnasium,  und  in  letzterer  Eigenschaft  schuf 
er  natiirlich  das  letztgenannte  Werk.  Wenn  in  der  Kirche  die  Musik  zu- 
rucktrat,  so  wollte  man  sie  doch  nicht  aus  der  Schule  verbannen.  Schon 
Oekolampad  hat  in  seinem  Judicium  sdholae  (wahrsch.  1529),  das  auf  Uni- 
versitat und  Lateinschule  sich  bezieht,  als  letztes  Fach  fur  die  vierte 
Fakultat  Musik  verlangt.  In  der  von  1578  bis  1589  bestehenden  Latein- 
schule des  Vincentus  Prallus  war  wenigstens  eine  Stunde  in  der  Woche 
dem  Psalmensingen  gewidmet.  Im  1589  gegriindeten  Gymnasium  wurden 
taglich  zu  Anfang  und  zum  SchluB  der  Schule  Psalmen  und  Hymnen  ge- 
sungen.  Wie  Luther  es  tat,  schatzte  man  den  Gesang  wohl  auch  nebenbei 
als  TJbungsmittel  im  Latein.  Es  wurden  besondere  Gesang-  und  Musik- 
stunden  mit  praktischen  Ubungen  und  theoretischer  Lehre  eingerichtet, 
an  den  meisten  Klassen  wochentlich  zwei;  der  erste  Lehrer  war  eben 
Marescball.  Am  Eifer  fur  den  Gesangunterricht  lieB  man  es  auch  in 
der  Zukunft  zumeist  nicht  fehlen,  aber  immer  und  immer  wieder  bis  ins 
19.  Jh.  hinein  wiederholen  sich  die  Klagen  iiber  seinen  ganz  mangel- 
haften  Erfolg1).  Der  tiefere  Grund  fiir  diese  Fruchtlosigkeit  wird  darin 
zu  suchen  sein,  daB  die  Musik  im  offentlichen  Leben  gar  keine  Stellung 
hatte,  daB  es  Anregungen,  begeisternde  Vorbilder  fiir  die  Schuler  gar 
nicht  gab,  die  sie  zum  Eifer  spornen  und  die  Musikliebe  in  die  jungen 
Herzen  hatten  pflanzen  konnen.  Vor  allem  der  Mangel  wirklicher  Kirchen- 
musik  ist  fiir  die  noch  ganz  kirchlich  gesinnte  Zeit  ausschlaggebend.  Man 
versuchte  zwar  verschiedentlich  wenigstens  die  Festgottesdienste  durch 
Musik  etwas  auszuschmucken,  aber  diese  Versuche  erscheinen  doch  nur 
als  ganz  diirftig,  wenn  man  damit  vergleicht,  was  in  lutherischen  oder 
katholischen  Stadten  geleistet  wurde.     Auch  hatte  man,  wenigstens  im 

1)  Th.  Burckhardt- Biedermann,  Gesch.  d.  Gymnasiums. 


Earl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  551 

17.  Jh.  noch,  erne  iibertriebene  Angst  davor,  die  Musik  konnte  in  katho- 
lischer  Weise  zu  iippig  werden,  so  daB  etwas  Rechtes  so  wie  so  nicht 
entstehen  konnte.  So  erfahren  wir  aus  einer  Konventsverhandlung  vom 
2.  August  1672 '),  daB  der  Organist  am  Minister  bei  der  Hochzeit  des 
Stadtschreibers  sich  in  einer  Weise  produziert  habe,  die  mehr  kiinstlich 
als  erbaulich  schien.  Deshalb  wurde  er  ernstlich  ermahnt,  sich  der- 
gleichen  Argernisse  nicht  mehr  zu  gestatten,  sondern  einen  Gesang  zu 
pflegen,  zu  dem  das  Volk  Amen  sagen  konne.  Man  empfahl  ihm  dazu 
die  vierstimmigen  Psalmen  mit  bescheidener  Orgelbegleitung.  Wo  die 
Kunst  aus  religiosen  Griinden  so  eng  beschriinkt  wurde,  konnte  sie  un- 
moglich  gedeihen. 

Wenn  Basel  also  vor  andern  Schweizerstadten  zwar  den  Vorzug  hatte, 
Orgeln  zu  besitzen,  so  ist  dieser  doch  nicht  allzu  hoch  einzuschatzen. 
Ein  Wort  uber  die  damaligen  Basler  Orgeln  mag  hier  eingeschaltet  werden. 
Mareschall  fand  die  Miinsterorgel  bei  seinem  Antritt  »presthaft  und  sehr 
iibel  gestimmtc ;  er  lieB  das  Werk  zerlegen,  verbessern  und  stimmen,  was 
500  oder  600  Gulden  gekostet  habe2).  Die  Orgel  wurde  wiederum  er- 
neuert  1639,  ferner  1711  von  Andreas  Silbermann  aus  StraBburg. 
1757  fiihrte  der  Basler  Instrumentenmacher  Jakob  Brosy  eine  Re- 
novation durch.  Das  Werk  hatte  nun  26  Register,  2  Tremblants, 
1431  Pfeifen.  (Die  Miinsterorgel  kam  1857  in  die  Martinskirche,  wo 
wenigstens  noch  das  Gehause  erhalten  ist.) 

1642  wurde  zu  St.  Leonhard  eine  Orgel  erstellt;  es  ist  das  wahr- 
scheinlich  das  schone  billardformige  Positiv,  das  jetzt  im  Basler  histo- 
rischen  Museum  steht3). 

Eine  neue  Orgel  erhielt  1692  die  Peterskirche;  sie  scheint  aber  nicht 
lange  gedient  zu  haben,  1712  erstellte  hier  der  hervorragende  Orgelbauer 
Andreas  Silb  er m  ann  aus  StraBburg,  der  im  Jahr  zuvor  schon  die  Miinster- 
orgel repariert  hatte,  ein  neues  Werk. 

Der  Gesang  wurde  in  den  Kirchen  von  Vorsangern  gefiihrt  und  seit 
dem  17.  Jh.  auch  durch  Zinken-  und  Posaunenbliiser  untersiitzt.  Diese 
wurden  von  der  Stadt  besoldet  und  bilden  gewissermaBen  ein  Uber- 
bleibsel  der  alten  Stadtpfeiferei.  Vier  von  ihnen  waren  auch  Turm- 
blaser  und  noch  1748  wurde  diesen  vom  Dreiramt  befohlen,  ihr  Amt 
bess^r  zu  tun  und  gewohntermaBen  des  Morgens  und  des  Abends  geist- 
liche  Lieder  zu  blasen.  Wie  schon  angedeutet,  hat  sich  also  diese  schone 
Sitte  bis  ins  18.  Jh.  hinein  erhalten. 


1)  Riggenbach  a.  a.  0.    420. 

2)  Wtirstisen,  a.  a.  0.  —  Zum  folgenden  vgl.  Riggenbach  a.  a.  0.;  Be- 
schreibung  der  Mflnsterkirche  1787;  P.  Ochs,  Geschichte  der  Stadt  Basel  V11I. 
S.  24. 

3]  Katalog  der  Musikinstrumente  Nr.  95;  wit  Abbildung. 


552  Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel. 

Im  Jahre  1618  nahm  man  einen  besondern  Anlauf,  die  »Sing-  und 
Tonkunst*  zu  verbessern1).  Der  Gesangunterricht  am  Gymnasium  wird 
neu  geregelt,  das  Kompendium  yon  Mareschall,  wahrscheinlich  das  oben 
genannte  1622  erschienene  Biichlein,  soil  >im  Druck  verfertiges  werden*. 
In  diesem  Jahre  diirften  die  Blaser  zum  erstenmal  zur  Mitwirkung  beim 
Kirchengesang  herangezogen  worden  sein;  sie  muBten  sogar  bei  den  Ge- 
sangstunden  im  Gymnasium  mit  exerzieren.  (Sie  erhielten  wochentlich 
9  Batzen  und  frohnfastenlich  1  Vzl.  Korn).  »Personen  so  Lust  zur  Music* 
wurden  der  Ehre  teilhaftig,  in  der  Kirche  »wo  die  Praeceptores  sitzen* 
einen  besonderen  Stuhl  angewiesen  zu  erhalten,  was  ebenfalls  auf  Ver> 
besserung  des  Kirchengesangs  abzielte. 

Diese  Verbesserungsversuche  diirften  zusammenhangen  mit  einer  allge- 
meinen,  damals  die  reformierte  Schweiz  durchziehenden  Bewegung. 
1613  war  in  Zurich,  1620  in  St.  Gallen,  1629  in  Winterthur  ein  CWfe- 
gium  mitsicum  gegriindet  worden.  Diese  Kollegien  bildeten  in  alien 
Stadten,  wo  sie  entstanden,  einen  wichtigen  Mittelpunkt  des  gesamten 
Musiktreibens.  Dafi  Basel  erst  1692  mit  der  Grundung  eines  Musik- 
kollegiums  nachfolgte,  diirfte  seinen  innern  und  seinen  iiuBern  Grund 
haben.  Unsre  Stadt  wurde  vom  30jahrigen  Kriege  viel  mehr  in  Mit- 
leidenschaft  gezogen,  als  die  iibrigen  Schweizerstadte,  natiirlicherweise 
miissen  die  musikahschen  Bestrebungen  darunter  gelitten  haben.  Zweitens 
fehlte  es  hier  in  Basel  an  der  Triebkraft,  die  vor  allem  den  ostschweize- 
rischen  Kollegien  zum  Leben  verhalf.  Dort  war  der  Kirchengesang  lange 
Zeit  ganz  verstummt  und  die  Orgeln  zerstort  worden;  als  dann  zu  An- 
fang  des  17.  Jli.  die  schonen  vierstimmigen  Goudimerschen  Psalmen,  zu- 
nachst  ohne  jegliche  Begleitung,  eingefiihrt  wurden,  da  fiel  den  Musik- 
kollegien  die  wichtige  Aufgabe  zu,  sie  einzubiirgern,  was  ihnen  im  Lauf 
der  Zeiten  auch  gelang.  In  Basel  hatte  man  seit  langem  die  Orgel;  die 
Gemeinde  sang  bis  ins  19.  Jh.  einstimmig.  Deshalb  waren  hier  beson- 
dere  Anstrengungen,  war  ein  geschulter  vierstimmiger  Chor  nicht  so  un- 
bedingt  notwendig;  —  weil  das  zwingende  Bediirfnis  fehlte,  diirfte  sich 
die  Grundung  des  Musikkollegiums  verzogert  haben. 

Im  Jahre  1692  nach  der  blutigen  Unterdriickung  der  demokratischen 
Bewegung  des  »Einundneunziger  Wesens«,  wurde  auch  in  Basel  ein 
Musikkollegium  errichtet,  das  den  Keim  zur  modernen  Entwicklung  abgab 
und  heute  noch  in  der  Allgemeinen  Musikgesellschaft  weiter  lebt2).  Wie 
alle  diese  Vereinigungen  pflegte  es  Vokal-  und  Instrumentalmusik  neben- 
einander  und  hatte  den  Doppelzweck  gemeinsamen  Musizierens  haupt- 
siichlich  zu  eigner  Lust  und  Freude  und  der  Verschonerung  des  Gottes- 
dienstes.     In  der  Kirche  muBten  die  Alumnen  der  Universitat  und  Gym- 

1    Bruckner,  Fortsetzung  der  Chronik  von  Wurstisen. 
2}  Vgl.  z.  Folg.  Wdlfflin  u.  Meyer  a.  a.  0. 


Karl  Kef,  Die  Musik  in  Basel.  553 

nasiasten  mitwirken.  Der  allgemeine  Aufschwung  der  Musik  in  dieser 
Zeit  hangt  mit  dem  Einundneunziger  Wesen  zusammen.  Es  war  ge- 
wiin8cht  word  en  >die  Cantores  und  Organisten  besser  zu  betrachten,  doch 
daB  sie  die  liebe  Jugend  in  der  Musik  instruieren,  damit  also  in  unsrer  so 
schonen  Stadt  dies  so  schonste  anstandige  Stiick  des  Gottesdienstes  mehr 
betrachtetwerde*.  Die  Universitat,  die  dieKantoren-  und  Organistenstellen 
zu  besetzen  hatte,  antwortete  auf  diesen  Wunsch,  wenn  man  die  Salaria 
besserte,  wiirden  sich  auch  bessere  Subjekta  hervortun.  1692  wurde  Jakob 
Pfaff  als  Lehreram  Gymnasium  und  Vorsinger  an  St.  Peter  angestellt, 
der  nicht  nur  Griechisch  und  Lateiniscb  unterrichten  konnte,  sondern  auch 
>ein  guter  Musiker*  war.  Es  scheint,  daB  unter  Leitung  von  diesem  noch 
ein  zweites  besonderes  Musikkollegium  der  Alumnen  und  Gymnasiasten  ge- 
grundet  wurde  mit  betrachtlicher  Gelduntersttitzung  durch  die  Regenz.  Dieses 
muBte  sich  in  der  Kirche  mit  dem  biirgerlichen  Kollegium,  das  von  dem 
Organisten  Dietrich  Schwab  geleitet  wurde,  vereinigen.  Bald  wollten 
aber  die  Alumnen  nicht  mehr  mittun,  weil  ein  anfanglich  von  der  Re- 
gierung  gespendeter  Trunk  ausblieb,  und  die  ganze  Sache  zerfiel  wieder. 

Im  Jahre  1708  wurde  das  biirgerliche  Musikkollegium  wieder  erneuert 
und  behielt  nun,  wenn  auch  mit  mannigfachen  Wechselfallen,  dauernden 
Bestand.  1722  wurden  >solenne  Kirchenmusiken*  eingerichtet,  die  nicht 
nur  im  Miinster,  sondern  abwechselnd  auch  in  andern  Kirchen  abgehalten 
wurden.  Was  dabei  aufgefiihrt  wurde,  ist  nicht  bekannt;  Vermutungen 
erlaubt  ein  Gutachten  des  1730  an  Stelle  des  verstorbenen  Dietrich 
Schwab  neu  angestellten  Direktors  Emanuel  Pfaff,  das  den  Wunsch 
nach  Anschaffung  von  Motetten  von  Campra,  Telemann,  Bernier  und 
Morin  ausspricht1). 

Zu  hoherer  Bliite  entwickelt  sich  das  Musikkollegium  zum  erstenmal 
in  den  fiinfziger  Jahren.  Die  Musikabende  nehmen  den  Namen  » Con- 
cert «  an,  die  Zuhorer  miissen  sich  (seit  1752)  mit  einem  Jahresbeitrag 
als  >honoraires<  abonnieren.  Damit  ist  der  Anfang  gemacht  zu  den 
heute  noch  bestehenden  Abonnementskonzerten.  Mit  diesem  Ubergang 
zum  modernen  Konzertwesen  schlieBt  sich  Basel  einer  allgemeinen  Be- 
wegung  an.  Die  1725  in  Paris  gegriindeten  >  Concerts  spirituels*  waren 
das  erste  unabhangige  Konzertunternehmen  moderner  Art.  Ihm  folgten 
1749  in  Berlin  die  »Musikubende  Gesellschaft«,  1763  in  Leipzig  die 
wochentlichen  Abonnementskonzerte  unter  Hiller  und  manche  andere. 
Und  wie  in  Basel  haben  auch  andernorts  bereits  bestehende  Gesellschaften 
um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  in  Konzertinstitute  sich  umgewandelt,  so, 
um  das  nachstliegende  Beispiel  anzufuhren,  das  Musikkollegium  auf  dem 
Musiksaal  in  Ziirich. 


1)  Staatsarch.,  Deputaten-Akten. 
s.  d.  mo.  x.  37 


554  Karl  Nef'  Die  Masik  in  Basel. 

Der  innere  Grand  fur  diese  Entwicklung  war  das  machtige  Aufbluhen 
der  Instrumentalmusik.  In  der  ersten  Halfte  des  Jahrhunderts  war  es 
namentlich  das  Instrumentalkonzert,  das  mit  seinem  reichen  Wechsel  von 
Soli  und  Tutti  und  seiner  hoher  entwickelten  Technik  das  Entziicken 
der  Musikfreunde  bildete.  Spater  wurde  es  abgelost  durch  die  von  der 
italienischen  Oper  in  den  Konzertsaal  iibertragene  Sinfonie,  die  massen- 
haft,  von  jedem  Komponisten  dutzendweise,  produziert  wurde  und  die, 
leicbter  ausfiihrbar  als  das  Konzert,  den  immer  nocb  stark  mit  Dilettan- 
ten  durchsetzten  Gesellschaften  besonders  erwiinscht  sein  muBte.  Ein 
Konzertbericht  aus  Basel  selbst  belehrt  uns,  daB  die  Konzerte  den  Di- 
lettanten  in  der  Tat  schwer  wurden.  Ein  freilich  sarkastisch  ange- 
hauchter  Berichterstatter  vergleicht  das  Violinspiel  eines  schon  geputzten 
jungen  Herrchens  mit  dem  Batzen  und  Scbreien  einer  Maus  und  meint, 
er  habe  manchmal  so  rein  gemacht,  daB  es  ihm  in  den  Ohren  wehe  tat; 
begeistert  dagegen  ist  der  gleiche  Berichterstatter  von  dem  Konzertspiel 
eines  fachmannischen  Violinisten.  Mit  diesem  diirfte  Johann  Christoph 
Kachel  gemeint  sein,  der  unter  der  Direktion  von  Pfaff  engagiert  wurde 
und  als  Solist  und  Lehrer,  spater  auch  als  Dirigent  hochgeschatzt  war. 
Dieser  Stammvater  des  baslerischen  Violinspiels  starb  1793 !). 

1752  besoldete  das  Kollegium  bereits  18  Musiker  (einschlieBlich  den 
Direktor),  ungefahr  gleichviel  Dilettanten  diirften  mitgewirkt  haben.  Die 
Blechinstrumente  (Trompete  und  Horn)  wurden  meist  durch  von  der 
Huninger  Garnison  requirierte  Militarmusiker  besetzt.     Im  Verlauf  des 

18.  Jh.  waren  durchschnittlich  wenigstens  10 — 12  Fachmusiker  im  Or- 
chester. 

Neben  der  Instrumentalmusik  wollte  man  iiberall  soviel  wie  moglich 
von  dem  damals  im  hochsten  Glanz  stehenden  italienischen  Operngesang 
genieBen.  Die  deutschen  Fiirsten  hielten  sich  ganze  italienische  Opera, 
die  Burger  engagierten  in  ihren  Konzertgesellschaften  wenigstens  dauernd 
einen  Sanger  oder  eine  Sangerin,  die  in  jedem  Konzert  Arien  singen 
muBten.  So  wurde  1750  der  Freiburger  Studiosus  Joseph  Dorsch  als 
Singmeister  und  Gesangsolist  nach  Basel  berufen  (die  Studenten  spielten 
beilaufig  in  der  Musik  des  17.  und  18.  Jh.  eine  groBe  Rolle  und  selbst 
zur  Oper  sind  solche  als  Sanger  haufig  iibergetreten).  Die  Tenorsoli  von 
Dorsch  wurden  sehr  geschatzt.     Spater,   von  1771  bis  in  die  Mitte  des 

19.  Jh.,  wurde  regelmaBig  eine  Sangerin  fiir  die  ganze  Saison  gewonnen. 
Die  Basler  diirften  iibrigens  auch  ab  und  zu  Gelegenheit  gehabt  haben, 
ganze  italienische  Opern  zu  horen,  wenigstens  gastierte  hier  schon  in  den 
50  er  Jahren  des  18.  Jh.  eine  italienische  Operngesellschaft. 

Der  Singmeister  Dorsch  wurde  vom  Staate  salariert,  weil  er  gratis 

1)  Biograpbie  Rachel's  bei  C.  Chr.  Bernoulli,    >Aus  Basele  Musikleben  im 
18.  Jhrh.    Schweiz.  Musikzeitung  1905.    131  ff. 


Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  555 

Gesangstunden  an  begabte  Schuler  und  Schulerinnen  geben  muBte.  Das 
Musikkollegium  stand  in  einer  nahen  Yerbindung  mit  der  stadtischen 
Regierung,  es  funktionierte  fiir  alle  offentlichen  musikalischen  Angelegen- 
heiten  als  Sachverstandigenkollegium.  Die  Anstellung  der  Organisten 
z.  B.  hing  von  einer  Prufung  vor  dem  Musikkollegium  ab.  Da  diese . 
wiederum  von  alters  her  von  der  Universitat  gewahlt  wurden,  gab  es 
ofters  bei  den  Wahlen  ein  langes  BGn  und  Her  zwischen  den  drei  In- 
stanzen;  der  Grundton  war  aber  bei  der  Regenz  wie  bei  der  Regierung 
meistens  warmes  Interesse  fiir  die  Musik.  Die  Universitat  diirfte  deshalb 
ein  Wort  mitzusprechen  gehabt  haben,  weil  die  Musiker  der  akademischen 
Zunft  angehorten.  Noch  1795  heiBt  es  in  einem  Schreiben  des  Rektors, 
den  Musikanten  werde  bei  der  Annahme  in  das  akademische  Burgerrecht 
angezeigt,  daB  sie  sich  bei  den  offentlichen  akademischen  Musiquen  als 
bei  Einfuhrung  des  Rektors,  des  Decani  phUosopkici  sich  unter  der  Di- 
rektion  des  Professoris  musices  einzufinden  hatten1).  Die  Universitat 
hielt  auf  eine  wiirdige  musikalische  Ausstattung  ihrer  feierlichen  Akte, 
fiir  die  dreihundertjahrige  Jubilaumsfeier  1760  beispielsweise  muBte  der 
oben  genannte  Kachel  eine  groBe  Festmusik  komponieren,  die  beim  offi- 
ziellen  Akt  im  Miinster  aufgefiihrt  wurde2;. 

Der  Staat  bewilligte  gelegentlich  Stipendien  an  junge  Leute,  die  sich 
als  Instrumental  musiker  ausbilden  wollten,  und  bezahlte  alljahrlich 
100  Neutaler  fiir  die  Kosten  der  festlichen  Kirchenmusikauffiihrungen 
am  Schwortag  (um  St.  JohanniJ ;  neben  dieser  groBartigsten  Veranstaltung 
wurden  die  >solennen  Kirchenmusiken*  fortgesetzt,  die  nach  einigen  we- 
nigen  erhalten  gebliebenen  Textdrucken  aus  Arien  und  Gesangsensembles, 
zuweilen  auch  einem  Chor  bestanden.  Sie  wurden  von  dem  leitenden 
Singmeister  Dorsch  und  seinen  Schulerinnen,  wie  der  Holzachin,  Gey- 
miillerin,  Oswaldin  ausgefiihrt.  Von  der  Auffiihrung  groBerer  Werke 
horen  wir  zum  erstenmal  unter  dem  Nachfolger  von  Dorsch,  dem  Wiener 
Graf,  der  1766  ein  Te  Deum,  1767  Graun's  Passionsoratorium  »Der 
Tod  Jesu«,  1768  eine  deutsche  Musik  »Die  Verherrlichung  Gottes«  zu 
Gehor  brachte.  Spater  leitete  die  Kirchenmusiken  der  oben  genannte 
Kachel. 

Der  Direktor  der  Konzerte  Em.  Pfaff  starb  1756,  sein.  Nachfolger 
wurde  der  Organist  an  der  franzosischen  Kirche  Rudolf  Dommelin. 
Seine  Vortrage  eigner  Kompositionen  auf  dem  Klavier  wurden  geschatzt, 
als  tiichtiger  Musiker  scheint  er  seine  Vorganger  iiberragt  zu  haben,  von 
seiner  gediegenen  musikalischen  Bildung  legen  heute  noch  die  in  seinem 
Besitz  befindlich  gewesenen  Biicher  Zeugnis  ab,  die  er  der  offentlichen 
Bibliothek  vermachte. 


1)  Staatsarchiv.    Handel  u.  Gewerbe.    KKKb. 

2,  R.  Wackernagel,  Basler  Jahrbuch  1887.    20.     . 

37* 


556  K&rl  Nef,  Die  Musik  in  Basel. 

Fur  das  wachsende  musikalische  Interesse  in  der  zweiten  Halfte  des 
18.  Jh.  spricht  die  splendide  Pflege,  die  ein  vornehmer  Basler,  Lucas 
Sarasin,  der  Tonkunst  widmete1).  In  dem  von  ihm  erbauten 
Reichensteiner  Hof,  dem  sog.  Blauen  Haus  am  Rheinsprung,  lieB  er 
einen  schonen,  mit  einer  Orgel  ausgestatteten  Musiksaal  erstellen.  Seine 
in  einem  thematischen  Katalog  iibersichtlich  verzeichnete  Musikalien- 
Bibliothek  umfaBte  Uber  1200  Nummem  (meist  Manuskripte),  Sinfonien, 
Ouverturen,  Kammermusik,  Soli,  Arien,  Duette,  Terzette  usw.  aus  Opera 
und  Oratorien  von  italienischen,  deutschen  und  franzosisehen  Meistern7;. 

Sarasin's  Hausmusikus  war  der  mehrfach  genannte  Kachel.  Von 
diesem  geschrieben  finden  sich  im  Sarasin'schen  NachlaB  aucb  zwei  Bande 
meist  eigener  Kompositionen.  Sie  bestehen  zumeist  aus  Liedern  ernster 
und  beiterer  Art,  die,  zum  Teil  sogar  von  Kachel  selbst  gedichtet,  oft 
Bezug  haben  auf  Familienereignisse  im  Hause  Sarasin.  Rachel's  Kom- 
positionen sind  nicht  hedeutend,  aber  sie  stellen  doch  ein  anmutiges 
und  charakteristisches  Zeugnis  friilierer  Kunstiibung  dar.  Sie  gestatten 
einen  Blick  in  das  Tun  und  Treiben  einer  Generation,  der  Musik  und 
Poesie  noch  Herzensbediirfnis  war  und  die  die  Kunst  mit  den  Wechsel- 
fallen  des  Lebens  poetisch  und  innig  zu  verbinden  verstand. 

Die  ganze  splendide  Musikpflege  im  Sarasin'schen  Hause  ist  charak- 
teristisch  fiir  die  zweite  Halfte  des  18.  Jh.  In  jener  Periods  haben  be- 
kanntlich  namentlich  die  osterreichischen  Adligen  die  Musik  in  groB- 
artiger  Weise  durch  Haltung  ganzer  Orchester  gehegt  und  gefordert 
Mit  seinen  Kraften  und  in  seinem  ja  ungleich  bescheidenern  muaikalischen 
Milieu  leistete  der  Basler  Handelsherr  relativ  Ahnliches.  Typisch  ill 
endlich  fiir  die  Zeit  iiberhaupt,  dafi  die  Musikpflege  von  Vornehmen 
ausgeht,  es  war  eine  bevorzugte  Menschenklasse,  die  der  Kunst  in  dieaer 
Weise  huldigen  konnte. 

Auch  das  Musikkollegium  war  damals  noch  eine  exklusiv  vornehme 
Gesellschaft;  erst  nach  den  Sturmen  der  Revolution  wurde  das  Musik* 
wesen  auf  eine  breitere  Basis  gestellt.  1783  nahmen  die  Konzerte  des 
Musikkollegiums  nochmals  einen  schonen  Aufschwung,  da  zwei  Spitzen 
der  Gesellschaft,  Daniel  Le grand  und  Ratsschreiber  Ochs,  die  Fiihrung 
iibernahmen.  Die  kriegerischen  Jahre  urn  die  Wende  des  Jahrhunderts 
beeintrachtigten  natiirlich  die  Musik,  man  verband  mit  den  Abonnementa- 
konzerten  Balle,  um  sie  liber  Bord  zu  halten,  von  1799  bis  1803  mufita 
sie  ganz  eingestellt  werden.  Dann  kamen  sie  wieder  in  Gang,  und  sack 
dem  Frieden  von  1815  folgte  eine  dauernde  Periode  stetiger  Entwick- 
lung.    GroBe  Verdienste  erwarb  sich  der  1804  aus  dem  Mannheimer  Or- 


1)  Vgl.  Bernoulli  a.  a.  0.  u.  E.  Nef,   »Eine  Basler  Musikbibliothak  aas  dar 
zweiten  Halfte  des  18.  Jhrh.    Zeitsehr.  d.  IMG.    IV.    386  ff. 

2)  Kin  erhaltener  Rest,  etwa  ein  Dritttl,  jetit  in  der  Baai  UaivtiaitfttsbiVl. 


Earl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  557 

Chester  als  Direktor  nach  Basel  berufene  Johann  Tollmann  (1775 
bis  1829).  In  einem  Nekrolog  wird  er  zutreffend  als  der  Schopfer  einer 
»neuen  musikalischen  Ara«  bezeichnet.  Er  hat  Haydn,  Mozart  und 
Beethoven  in  Basel  eingefiihrt;  dafi  in  deren  Sinfonien  zuweilen  Striche 
angebracht  warden,  muB  man  der  Zeit  and  den  noch  immer  beschrankten 
Yerhaltnissen  zugute  halten.  Tollmann  war  Geiger,  als  solcher  ein 
Schiiler  des  Mannheimer  Ignaz  Franzl.  Wurde  er  »an  Fertigkeit  von 
andern  iibertroffen,  an  Zartheit  des  Ausdrucks  und  Nettigkeit  der  Aus- 
f  iihrung  der  Passagen  and  daher  auch  in  der  Kunst  der  Begleitung  wich 
er  keinem.  Sein  Spiel  wuBte  sich  dem  Herzen  einzuschmeicheln,  daher 
Tonstticke  wie  die  Haydn'schen  Quartette  ganz  fiir  Tollmann's  Geige  be- 
rechnet  schienen*1).  Seine  Kunst  und  sein  Direktionstalent  wurden  iiber 
die  Mauern  Basels  hinaus  geschatzt,  er  muBte  mehrmals  die  Musikfeste 
der  Schweizerischen  Musikgesellschaft  dirigieren.  Er  verstand  es  na- 
mentlich,  die  Dilettanten  zu  gewinnen  und  ihnen  Lust  und  Liebe  zur 
Sache  beizubringen.  Als  Mensch  war  er  eine  hannlos  heitere  und  iiber- 
aus  liebenswiirdige  Natur.  >Wir  konnten  riihrende  Ziige  von  aufopfern- 
der  GroBmut  erzahlen,  die  manchen  Reichen  beschamen  mochten«,  sagt 
der  Nekrolog. 

Die  selbstlose  Aufopferungsfahigkeit  ruhrnen  denn  namentlich  auch 
alle  durchreisenden  Kunstler,  deren  es  zu  seiner  Zeit  mehr  wurden,  was 
eine  wesentliche  Bereicherung  des  Musiklebens  bedeutete.  Friiher  schon 
waren  einige  Beruhmtheiten  nach  Basel  gekommen,  1751  der  Cellist 
Lancetti  aus  Turin,  der  Fagottist  della  Valle  nebst  Tochter,  1779 
der  Violinist  Esser,  1783  der  Cellist  Jansen,  1784  die  blinde  Pianistin 
Fraulein  von  Paradies  aus  Wien  und  der  glanzendste  Stern  unter  den 
deutschen  S&ngerinnen  ihrer  Zeit  Mad.  Mara,  1787  der  Violinist 
Ig.  Franzl  und  1790  der  Violinist  Jarnowitz. 

Unter  Tollmann  kamen  der  Violinist  Karl  Franzl  (Sohn),  der  Kom- 
ponist  Winter,  C.  M.  von  Weber,  L.  Spohr,  Mozart,  der  Sohn  des 
GroBen,  der  Organist  Martin  Vogt,  der  eine  Zeitlang  im  benachbarten 
Arlesheiin  wohnte. 

C.  M.  von  Weber  war  von  seiner  Mannheimer  Studienzeit  her  ein 
Freund  Tollmann's  und  daher  enttauscht,  daB  dieser,  als  Weber  am 
9.  Oktober  1811  nach  Basel  kam,  am  folgenden  Tage  nach  Luzern  ab- 
reiste,  um  zu  heiratenJ).  Trotzdem  fiel  das  Konzert  Weber's  kunstlerisch 
nnd  finanziell  brillant  aus;  vorher  noch  schrieb  Weber  an  einen  Freund, 
>die  Leute  sind  ganz  toll  und  wollen  mich  mit  Teufels  Gewalt  da  be- 
halten«.  Um  Weber  einen  »Beweis  ihrer  Verehrung  und  Bewunderung 
zu  geben«,  hatte  die  Konzertdirektion  die  Kosten  fiir  das  Konzert  iiber- 


1]  Baslerische  Mitteilungen.    1829.    523. 

2:  M.  M.  v.  Weber?  Biog.  C.  M.  v.  W.    I.    303. 


558  Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel. 

nommen.  Uberhaupt  wurde  er  in  Basel  vom  Prasidenten  Burckhardt, 
den  Herren  Merian-Forkhard,  Prafekt  Gysendorfer  usw.  sehr  wohl  auf- 
genommen  und  verlebte  angenehme  Tage  liebenswiirdigster  Geselligkeit 
in  den  Familien  Faesch-Passavant,  Burckhardt  und  bei  Christoph  Ber- 
noulli, der  eben  nach  Vollendung  seines  Lehrbuchs  der  Physik  ange- 
nehmer  MuBe  pflegte.  Zum  Konzert  lieh  Weber  eine  der  reizendsten 
Frauen  der  Stadt,  Madame  Burckhardt,  ihr  schones  Piano. 

Weber's  Feuergeist  plante  in  den  Jahren  seiner  Konzertreisen  eine 
>musikalische  Topographie*,  ein  Konzerthandbuch,  wie  wir  heute  sagen 
wiirden,  in  dem  fiir  die  reisenden  Kiinstler  genaue.  Angaben  iiber  die 
musikalischen  Verhaltnisse  jeder  einzelnen  Stadt  enthalten  sein  sollten. 
Wie  alle  literarischen  Plane  Weber's  ist  auch  dieser  nicht  zur  Aus- 
fiihrung  gekommen;  aber  unter  seinen  Schriften1)  finden  sich  »Notizen 
iiber  Basel  zur  musikalischen  Topographie«  (neben  solchen  iiber  Mann- 
heim die  einzigen  zu  dem  geplanten  Werke).  Darin  hat.  natiirlich  nicht 
Weber  selbst,  sondern  ein  Basler  Gewahrsmann  in  alle  Kleinigkeiten 
gehende  Mitteilungen  iiber  den  Musikzustand  von  Basel  gemacht.  Wir 
erfahren,  daB  im  Orchester  alle  Instrumente,  bis  auf  die  Oboe,  die 
meisten  >zu  unserer  Zufriedenheit*  besetzt  waren.  Fiir  Soloklavierspiel 
mangelte  es  an  einem  guten  Fliigel.  AuBer  Instrumentalkiinstlern  aller 
Art  wird  namentlich  guten  Sangern  und  Sangerinnen,  »die  bei  uns  rar 
sind«,  empfohlen,  nach  Basel  zum  Konzertieren  zu  kommen. 

Spohr,  der  im  April  1816  hier  ein  Konzert  gab,  spricht  den  Baslern 
groBe  Freude  an  der  Musik  zu2),  schildert  aber  das  Orchester  als  recht 
dilettantisch  und  den  Geschmack  als  riickstandig;  Tollmann  dagegen  stellt 
er  als  Mensch  und  Kiinstler  ein  sehr  gutes  Zeugnis  aus.  Man  mag 
immerhin  in  Betracht  ziehen,  daB  Spohr  gerade  nach  den  schlimmsten 
Kriegsjahren  in  Basel  war. 

Zu  erwahnen  ist  noch,  daB  Tollmann  eine  Musikalienhandlung  und 
Leihanstalt  begriindete.  Er  war  dazu  wahrscheinlich  angeregt  worden 
durch  das  Vorbild  Nageli's  in  Zurich.  Es  zeigt  sich  darin,  daB  Kiinstler 
auch  durch  geschaftliche  Unternehmungen  ihre  Kunst  zu  verbreiten  suchen, 
der  praktische  und  tatige  Sinn  des  Auflarungszeitalters,  denn  vielmebr 
als  bloBe  Erwerbsabsichten  diirften  ideale  Gesichtspunkte  die  Triebfeder 
gebildet  haben.  Das  Geschaft  Tollmann's  scheint  nicht  ganz  unbedeutend 
gewesen  zu  sein;  er  hat  im  Jahre  1812  fiir  1200  Franken  Musikalien 
von  dem  Leipziger  Haus  Kiihnel  erhalten3),  und  1829  gab  er  ein 
96  Seiten  umfassendes  Verzeichnis  seiner  Leihanstalt  heraus.     Eine  tob 


1  In  der  neuen  Gesamtausg.  der  Weber'schen  Schriften  von  G.  Kaiser.   19W. 
S.  14. 

2  Selbstbiographie.     I.    950. 

3)  Nach  einem  Brief  im  Besitz  von  Frau  Masarey-Tollmann  in  Basel. 


Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  559 

Knop  1829  gegriindete  Musikalienhandlung  diirfte  die  Fortsetzung  der- 
jenigen  von  Tollmann  gewesen  sein,  der  in  diesem  Jahre  starb.  Toll- 
mann's  Geschaft  war  das  erste  seiner  Art  in  Basel,  dagegen  gab  es  hier 
friiher  schon  Instrumentenmacher,  die  noch  kurz  angefiihrt  seien. 

Eine  Laute  in  der  Sammlung  alter  Musikinstrumente  in  Berlin  (aus 
der  Sammlung  Snoeck)  tragt  die  Inschrift:  > Johann  Ambrosius  WeiB  in 
Basel  1621 « *).  Von  diesem  sagt  Leu  in  seinem  Lexikon2),  er  sei  1585 
von  Fuessen  in  Basel  eingewandert  und  habe  das  Biirgerrecht  erhalten. 
Mehr  ist  von  dem  wie  es  scheint  tiichtigen  Lautenmacher  nicht  bekannt. 
Nur  ein  grober  Handwerker  war  Jakob  Huber,  von  dem  zwei  roh  ge- 
zimmerte  Zithern  (eine  von  1767)  im  Basler  historischen  Museum  auf- 
bewahrt  werden3).  Sehr  Gutes  dagegen  leisteten  die  beiden  Schlegel, 
Vater  und  Sohn.  Der  Vater  Christian  kam  1712  aus  Neigung  zum  re- 
formierten  Glauben  aus  dem  Sargansischen  nach  Basel;  der  Sohn  erwarb 
1763  das  Biirgerrech^.  Ihr  Beruf  ernahrte  sie  vollauf,  der  Sohn  brachte 
es  zu  einem  ansehnlichen  Vermogen.  Eine  groBere  Anzahl  ihrer  schonen 
Schalmeien,  Oboen  und  Floten  befinden  sich  im  Basler  historischen  Mu- 
seum4). 

1745  wird  der  einzige  Orgelmacher  der  Stadt,  Peter  Friedrich  Brosi 
aus  Schwabisch-Hall,  ins  Biirgerrecht  aufgenommen.  Nach  seinem  Tode 
1765  wird  sein  funfzehnjahriger  Sohn  auf  Kosten  des  Staates  und  einiger 
Musikfreunde  bei  einem  auswartigen  Meister  im  gleichen  Beruf  ausge- 
bildet,  »weil  doch  die  allhiesigen  Orgeln  und  Clavecins  jemand  zur  Unter- 
haltung  derselben  notig  haben5)«.  DaB  der  Sohn  Brosi  1787  die  Miinster- 
orgel  reparierte,  wurde  schon  erwahnt,  kiirzlich  erst  wurde  ein  von  ihm 
gebautes  Spinett  entdeckt  und  fur  das  Historische  Museum  erworben. 

Ein  Zeichen  des  neuen  Geistes  im  19.  Jh.  fanden  wir  bereits  in  der 
Grundung  einer  Musikalienhandlung  durch  Tollmann.  Das  Aufklarungs- 
zeitalter  mit  seinem  Ideal  der  Humanitat  bemuhte  sich,  die  Kunst,  die 
bisher  ein  Vorrecht  der  Begiiterten  war,  dem  ganzen  Volke  zu  vermitteln, 
und  ging  dabei,  wenigstens  was  die  Musik  betrifft,  sehr  verstandig  und 
zielbewuBt  vor.  In  richtiger  Erkenntnis  der  Briicke,  die  zum  Volke  fiihrt, 
sah  man  es  hauptsachlich  auf  Verbreitung  des  Gesanges  ab  und  dachte 

1)  W.  L.  v.  Lii tge n do rff,  Die  Geigen-  und  Lautenmacher.  Vom  Mittelalter 
bis  zur  Gegenwart.     Frankfurt  1904. 

2)  Leu,  Schweiz.  Lexikon  1764:  Weiss.  >Ein  Geschlecht  in  Basel,  welches 
Johannes  Ambrosius  (dessen  Vater  Marcus  von  Kaiser  Ferdinando  I  A.  1561  einen 
Wappenbrief,  nebst  der  Freyheit  alle  hohe  und  niedere  Aemter  zu  besitzen,  Geist- 
und  Weltliche  Lehen  zu  tragen  nnd  zu  erhalten:)  von  FueCen  in  dem  Bistum 
Augspurg  an  den  Tyrolischen  Granzen  A.  1685  dahin  gebracht,  und  das  Burger- 
recbt  allda  erhalten  und  einen  Sohn  Marcus  hinterlassen.* 

3)  Nr.  131  u.  132. 

4;  Vgl.  Katalog  der  Musikinstr.    13  ff. 

5;  Staatsarchiv.    Handel  und  Gewerbe.    K  K  K  b. 


560  Karl  Nef,  Die  Muik  in  Basel. 

dabei  zugleich  an  die  Popularisierung  der  neu  entstandenen  Schatze  der 
Poesie. 

Dem  Bestreben,  nicht  nur  wie  bisher  einige  wenige,  sondern  eine 
groBere  Zahl  von  Preunden  des  Gesanges  in  Choren  zusammenzufuhren, 
kamen  die  Haydn  'schen  Oratorien  entgegen.  Unter  Tollmann  wurde 
in  Basel  die  »Schopfung«  schon  1806  zu  Ehren  der  schweirerischen  Tag- 
satzung  aufgefiihrt.  1820  iibernahm  Basel  das  Musikfest  der  (1808  in 
Luzern  gegriindeten)  schweizerischen  Musikgesellschaft,  bei  dem  unter 
zahlreicher  Beteiligung  aus  der  ganzen  Schweiz  von  einem  120kopfigen 
Chor  als  Hauptwerk  »die  Jahreszeiten*  aufgefiihrt  wurden.  (Das  Or- 
Chester  zahlte  130  Mitglieder  und  spielte  u.  a.  den  ersten  Satz  aus  Beet- 
hovens  D-Dur  Sinfonie}.  Die  Eindriicke  der  grofien  Auffiihrung  in  der 
Leonhardskirche  waren  so  machtig,  daB  man  ihre  Nachwirkung  noch 
lange  verspiirte.  Tollmann  griindete  1821  einen  >musikalischen  tlbungs- 
Terein«,  mit  dem  er  das  Finale  aus  dem  Don  Juan  auffiihrte.  1824  rief 
der  seit  1817  als  Gesanglehrer  in  Basel  wirkende  Ferd.  Laur  den  heute 
noch  bliihenden  >Gresangverein«  ins  Leben.  Eine  Zeitlang  bestanden 
beide  Vereine  nebeneinander,  dann  lieB  Tollmann  den  seinigen  eingehen. 

Der  Gresangverein1)  war  anfanglich  nicht  darauf  bedacht,  Konzerte 
zu  geben,  sondern  wollte  ahnlich  wie  der  Tollmann'sche  ein  Ubungsverein 
sein,  in  dem  die  Mitglieder  zu  ihrer  eignen  Lust  und  Freude  sangen. 
Die  ersten  Auffiihrungen  fanden  vor  geladenen  Gasten  statt,  nach  und 
nach  entwickelten  sie  sich  aber  naturgemaB  zu  eigentlichen  Konzerten. 
Laur  brachte  zur  Auffiihrung  die  Glocke  von  Romberg,  die  Sundfiut, 
Bruchstucke  aus  dem  Weltgericht  von  Schneider,  den  Tod  Jesu  von  Graun, 
die  sieben  letxten  Worte  und  die  Schbpfung  von  Haydn,  das  Requiem 
Ton  Mozart,  Ostermorgen  von  Neukomm.  Einen  neuen  starken  Impuls 
gab  die  gliickliche  Auffiihrung  des  Samson  von  Handel  bei  einem  1840 
wiederum  in  Basel  gefeierten  schweizerischen  Musikfest.  Zum  grofien 
modernen  Konzertinstitut  hat  dann  Ernst  Beiter,  der  1848  der  Nach- 
folger  Laur's  wurde,  den  Gesangverein  herausgebildet.  Die  Mendels- 
8ohn'schen  Oratorien  boten  in  den  ersten  Jahren  seiner  Tatigkeit  mach- 
tige  Impulse,  er  fiihrte  ferner  u.  a.  auf  die  Johannes-  und  die  Matthaus- 
passion,  das  Magnificat  und  verschiedene  Kantaten  von  Bach,  Beethoven's 
neunte  Sinfonie,  Parodies  und  Peri  von  Schumann,  ein  deutsches  Re- 
quiem von  Bralims,  auch  ein  Oratoriurn  eigner  Komposition  »Das  new 
Parodies*. 

Eine  noch  demokratischere  Kunstgattung  als  der  gemischte  ist  der 
Mannerchorgesang,  wenigstens  tritt  er  in  der  Schweiz  und  in  Basel  ganz 

1)  {(J.  Eglinger,,  Der  Basler  Gesangverein.  Festschrift  zu  dessen  funfzig- 
jahrigem  Jubilaum.  1876.  —  (E.  Probst.  Der  Basler  Gesangverein  1824—1899. 
Jubilaumsschrift.    1899. 


Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel.  561 

besonders  mit  extrem  demokratischer  Geberde  auf  den  Plan.  Die  An- 
zeige,  in  der  Friedrich  Wagner  am  27.  September  1827  im  Avisblatt 
zur  Griindung  eines  Basler  Singvereins  fiir  den  Mannerchor  auffordert, 
ist  in  jedem  Wort  so  charakteristisch,  daB  es  sich  verlohnt  sie  hier  voll- 
standig  mitzuteilen *) : 

Anseige. 

Seit  mehreren  Jahren  haben  sich  in  verschiedenen  Stadten  Deutschlands  Ge- 
sangvereine  gebildet,  die  meistenteils  der  groBen  Singakademie  in  Berlin  im 
kleinen  nachgeahmt,  und  mehr  ein  Zirkel  fttr  Gesangfreunde  aas  dem  hOheren 
vornehmen  Stande  sind,  wozu  oft  Personen  aus  dem  Mittelstande  keinen  oder  mit 
seltener  Ausnahme  Zutritt  haben. 

In  diesen  Vereinen  wird  nun  auch  vornehm  gesungen,  d.  h.  man  singt  Kan- 
taten,  Oratorien,  oder  Sachen,  die  so  gerade  an  der  Tagesordnung  sind,  und  zwar 
nur  mit  Begleitung  eines  Flttgels,  obgleich  der  ganze  Kraftaufwand  eines  Orchesters 
dazu  gefordert  wird.  Kompositionen  fQr  den  reinen  Vokalgesang,  bei  welehen  auf 
das  schttne  Wort  und  den  Wortausdruck  gesehen  wird,  werden  grdBtenteils  fiber- 
gangen,  weil  solche  Sachen  nun  einmal  —  nicht  vornehm  genug  sind. 

Solche  Gesangvereine  sind  rein  aristokratisch,  denn  auch  in  der  Eunst  gibt  es 
eine  Arietokratie,  und  als  solche  sind  sie  dem  wahren,  innern  Wes,en  des  Gesanges 
nicht  nur  entgegengesetzt,  sondern  oft  hinderlich;  denn  derselbe  ist  demokratisch, 
d.  h.  er  ist  Sache  des  Volkes  aus  alien  St&nden. 

Und  es  ist  au&erst  merkwflrdig,  daB  gerade  in  unserm  Yaterlande,  der  freien 
Schweiz,  sich  dies  auf  die  uberzeugendste  Weise  bestatigt. 

Schon  seit  einem  Dezennium  haben  sich  in  Stadten  und  grflBern  Flecken  Ge- 
sangvereine von  beiden  Geschlechtern  aus  alien  Standen  vereinigt,  in  welehen  das 
religiose  und  moralisch-gesellige  Wort  und  der  reine  Vokalgesang  (ohne  irgend 
▼on  einem  Instrument  als  dem  Elavier  oder  der  Orgel  unterstutzt)  ganz  ausschlieG- 
lich  flauptsache  wurde,  und  unglaublich  viel  wurde  dadurch  auf  Yerbesserung  des 
Eirchengesanges,  sowohl  als  auch  auf  Yeredlung  des  Geistes  und  Herzens  gewirkt! 

Eine  ganz  eigene  Erscheinung  aber,  die  aufs  klarste  beweist,  daO  Gesang  Yolks- 
sache  ist,  sind  die  in  unserm  Yaterlande  seit  einiger  Zeit  entstandenen  Yereine 
fur  den  Mannerchor;  sie  haben  sich  zuerst  im  Yolke  auf  dem  Lande  gebildet  und 
verbreitet  und  durch  das  Grofiartige,  was  sie  leisteten,  sind  auch  solche  Yereine 
in  Stadten  gebildet  worden.  (So  besteht  gegenwartig  ein  solcher  Yerein  in  Zurich, 
der  fiber  200  Mitglieder  aus  alien  Standen  zahlt.) 

AeuBerst  erfreulich  ist  es  auch,  daB  sich  der  Beweis  dafQr  in  Basel  findet; 
denn  seit  einem  Jahr  haben  sich  mehrere  kleinere  Yereine  fiir  den  Mannerchor 
und  zwar  ungesucht  und  von  selbst  gebildet,  denen  ich  Unterricht  erteilte. 

Da  nun  der  Wunsch  von  mehreren  dieser  Yereine  sowohl,  als  auch  von  ver- 
schiedenen Freunden  des  veredelten  Yolksgesanges  geauBert  wurde,  daB  eine  all- 
gemeine  Singanstalt  errichtet  werden  mttge  unter  dem  Namen: 
Der  Baseler  Singverein  fflr  den  Mannerchor; 
so  entspreche  ich  diesen  Wflnschen  gem. 

Die  Einrichtung  soil  so  getroffen  werden,  daB  jeder,  in  ftkonomischer  Hinsicht 
sowohl,  als  auch  der  erforderlichen  Eunstleistungen  wegen,  daran  teilnehmen 
kann;  denn  mit  vorzflglicher  Berilcksichtigung  der  letztern  wird  die  Anstalt  in 
Vor-  und  Fortbildung  zerfallen. 


1)  H.  Giirtler,   Denkschrift  zur  Feier  des  75jahrigen   Bestandes  des   Basler 
Mannerchor  1825-1901. 


562  Karl  Nef,  Die  Musik  in  Basel. 

Alle  Freunde  des  Gesanges,  die  an  dem  Baseler  Singverein  far  den  M&nner- 
chor  Anteil  nehmen  wollen,  sind  hflfllichst  eingeladen,  den  3.  Oktober  zwischen 
6  und  8  Uhr  sich  auf  der  Znnft  zum  Himmel  in  der  Freien  StraBe  neben  dem 
Wilden  Mann  einzufinden,  wo  das  Notige  deswegen  femer  beraten  und  bestimmt 
werden  wird. 

Fr.  Wagner, 

Lehrer  an  der  Realschule  und  Organist  zu  St.  Peter. 

Dieser  » Basler  Singverein  <  ist  der  heute  noch  bliihende  Easier  Manner- 
chor,  der  ubrigens  bald  von  den  Nageli'schen  Chorliedern  zu  groBern 
Aufgaben  fortschritt,  wie  Bruchstiicke  aus  der  Zatiberfiote^  Riitliszene 
aus  Rossini's  Tell,  »die  eherne  Schlange*,  Oratorium  von  Loewe. 

Den  Kreisen  des  Basler  Mannerchors  gehorte  der  blinde  Lehrer 
Heinrich  Brunner  an,  der  in  der  Art  Silcher's  und  des  Schweizers 
Ferd.  Huber  eng  an  den  Volksgesang  sich  anlehnend,  das  frische  Berg- 
lied  >Ihr  Berge  lebt  wohl«  sang,  das  selbst  wieder  zum  Volksgut 
wurde l). 

Im  Jahre  1853  loste  sich  zunachst  als  kleiner  Siingerkreis  von  dem 
Basler  Mannerchor  die  Basler  Liedertafel  ab,  welcher  in  den  ersten 
Jahren  die  geistige  Elite  der  Stadt  angehorte,  in  deren  geselligen  Kreisen 
es  ein  Jakob  Burckhardt  nicht  verschmahte,  Vortrage  zu  halten.  Bald 
nach  der  Griindung  entwickelte  sie  sich  aber  zu  einem  groBen  Verein, 
der  auch  in  bezug  auf  gesangliche  Leistungsfahigkeit  die  erste  Stelle  sich 
errang. 

Sehen  wir  zum  SchluB  noch,  wie  das  Musikkollegium  mit  der  neuen 
Zeit  sich  abfand.  Es  tat  einen  herzhaften  Schritt  in  diese  hinein  im 
Jahre  1826  dadurch,  daB  es  im  neuen  Stadtkasino  einen  groBeren  Saal 
bezog  und  nun  unter  dem  Namen  »Konzertgesellschaft«  seine  Auffiih- 
rungen  einem  weit  groBeren  Kreise  zuganglich  machte.  Dadurch  war, 
nicht  ohne  daB  ein  starker  Widerstand  hatte  iiberwunden  werden  miissen, 
ein  RiB  in  die  friihere  aristokratische  Abgeschlossenheit  gemacht  und  der 
Weg  zur  Entwicklung  eines  Konzertinstitutes  moderner  Art  geoffnet. 
Der  Nachfolger  Tollmann's  als  Leiter  der  Konzerte  war  der  hochbegabte 
Violinist  H.  J.  Wassermann,  der  aber  (lurch  eine  nervose  Unruhe  friih 
seine  Krafte  verbrauchte.  1839  trat  Ernst  Reiter2),  nachdem  schun 
seit  drei  Jahren  Laur  die  Konzerte  stellvertretend  geleitet,  an  seinen 
Posten.  Reiter  war  im  besten  Sinne  ein  Vertreter  der  romantiscben 
Periode,  wie  die  Eiihrer,  ein  Weber,  Schumann  und  Mendelssohn,  knupften 
sich  ihm  an  die  rein  musikalischen  starke  geistige  Interessen,  und  er  er- 
wies  sich  als  der  rechte  Mann,  der  aufstrebenden,  mit  alien  ideellen  Be- 


1)    Schweiz.   Musikzeitung   1906.     S.  2.     Das   Lied  wurde   u.  a.    auch   in   das 
deutsche  Kaiserliederbuch  aufgenommen. 

2    Sonntagsblatt  der  Basler  Nacbrichten.    1907.     Nr.  41—44. 


W.  H.  Grattan  Flood,  The  English  Chapel  Royal  under  Henry  V  etc.      563 

strebungen  der  Stadt  in  enger  Fuhlung  stehenden  Musik  den  Weg  zu 
weisen1). 

Aus  dieser  Zeit  ware  noch.  urn  wenigstens  das  Wichtigste  gestreift 
zu  haben,  an  die  Griindung  eines  standigen  Theaters  im  Jahre  1834  zu 
erinnern,  in  dem  die  Oper  eine  sehr  starke  Vorherrschaft  ausubte2),  end- 
lich  die  Errichtung  der  Allgemeinen  Musikschule  im  Jahre  1867  zu 
nennen,  durch  die  den  musikalischen  Instituten  noch  ein  wichtiges  Glied 
angereiht  wurde3).  Seit  der  Mitte  des  19.  Jh.  nimmt  die  Musik  in  Basel 
einen  erf reulichen ,  stetigen  Aufschwung,  den  darzustellen  aber  einer 
spateren  Zeit  vorbehalten  bleiben  muB. 


The  English  Chapel  Royal  under  Henry  V  and  Henry  VI. 


By 

W.  H.  Grattan  Flood. 

(Enniscorthy.) 


Hitherto  the  utmost  obscurity  attached  to  the  early  history  of  the 
Chapel  Royal  of  England.  All  our  musical  historians  are  pleased  to 
begin  definitely  with  the  year  1461,  the  first  year  of  King  Edward  IV. 
But  now,  thanks  to  the  recent  issues  of  the  Calendars  of  Patent  Rolls 
and  of  Papal  Registers,  we  are  enabled  to  identify  its  beginnings  as  from 
the  reign  of  Henry  IV.  Going  farther  back,  the  Chapel  Royal  was 
founded  by  Edward  III  in  1349,  and  was  largely  indulgenced  by  Pope 
Innocent  VI  in  January  1384,  at  which  date  we  find  William  Mugge 
as  Custos  or  Warden,  with  24  Canons.  In  1393  Thomas  Butler  was 
Warden,  under  King  Richard  II,  and  he  was  subsequently  Prior  of  the 
Knights  Hospitallers  of  Ireland,  dying  at  Rouen  on  August  10,  1419. 
However  there  is  reason  to  believe  that  Henry  IV  in  his  last  years  had 
a  Chapel  Royal,  with  singers  and  composers  of  merit.  He  amplified  the 
previous  arrangements  for  choral  celebrations,  and  got  the  name  of 
Custos  or  Warden  changed  to  that  of  Dean.  Certain  it  is  that  in  1412 
Richard  Kingston  appears  in  a  Papal  document  as  "Dean  of  the  Chapel 
Royal  in  Windsor  in  the  diocese  of  Salisbury".  He  was  also  Archdea- 
con of  Hereford,  and  held  canonries  in  Wells  and  Salisbury.     Early  in 

1  Reiter  blieb  im  Amt  bis  zu  seinem  Tode  1875,  seine  Nachfolger  waren 
Alfred  Volkland  1875—1902,  seither  Hermann  Suter. 

2)  Ernst  Jenny.  D.  alte  Basler  Theater  auf  dem  BlQmlein.    Basl.  Jahrb.  1908. 

3)  Erster  Direktor  Selmar  Bagge  1868—1896,  seither  Dr.  Hans  Huber. 


564     W.  H.  Grattan  Flood,  The  English  Chapel  Royal  under  Henry  V  etc. 

1413  he  was  permitted  to  continue  to  observe  the  Use  of  Hereford  in 
singing  the  Canonical  Hours,  "as  he  had  been  doing  for  about  twenty 
years,  and  not  to  be  obliged  to  observe  the  Use  of  Sarum"1). 

Henry  V  was  crowned  on  April  3,  1413,  and  under  him  Robert 
Gilbert  was  appointed  Dean  of  the  Chapel  Royal.  Gilbert  accompanied 
the  King  to  France  in  1417,  and  was  present  at  several  battles,  as  is 
evident  from  his  petition  to  the  Pope  in  the  Papal  Registers.  To  add 
to  the  splendour  of  the  ceremonial  on  Easter  Sunday  in  the  year  1418, 
the  English  monarch  had  picked  singers  from  the  Chapel  Royal,  as  well 
as  an  English  orchestra.  English  singers  had  previously,  after  the  me- 
morable day  of  Agincourt  (October  25,  1415),  displayed  their  vocal 
powers,  as  we  read  that  Henry  V,  after  the  battle,  ordered  his  Chapel 
to  sing  the  psalm  uIn  exitu  Israel*',  and,  as  Holinshed  writes,  "command- 
ed every  man  to  kneel  down  on  the  ground  at  the  verse:  Non  nobis, 
Domine,  non  nobis,  sed  nomini  Tuo  da  gloriam,  which  done,  he  caused 
Te  Deum,  with  certain  anthems  to  be  sung".  Among  the  singers  of  the 
Chapel,  Thomas  Woodford  and  Gerard  Hesyll  were  paid  handsomely 
for  their  services,  as  is  recorded  on  the  Exchequer  Rolls. 

When  Rouen  surrendered  on  January  19,  1419,  the  English  monarch 
entered  in  triumph,  and  at  once  proceeded  to  the  Cathedral,  where  his 
Chapel  Royal  choir  had  been  waiting  his  arrival,  with  the  Dean,  Robert 
Gilbert,  at  their  head.  When  the  King  reached  the  Cathedral,  John 
Page  tells  us:  — 

uHi8  Chapelle  met  him  at  the  door 
And  went  before  him  on  the  floore 
And  songe  a  respond e  gloryus 
That  ye  nameyd,   Quis  est  magnus?" 

No  doubt  the  chapel  assisted  at  the  King's  marriage  to  Princess 
Katherine  of  Valois,  at  Troyes  Cathedral  on  Trinity  Sunday,  June  2, 
1420.  The  King's  musical  tastes  may  be  guaged  from  the  fact  that  in 
the  following  October  he  sent  over  to  England  for  a  harp  for  Queen 
Katherine2);  and  there  is  an  entry  in  the  Exchequer  Rolls  of  £  8.13.4, 
being  the  amount  paid  to  John  Bore  of  London,  harp-maker,  for  two 
new  harps. 

But  it  was  under  King  Henry  VI  that  the  Chapel  Royal  was  placed 
n  a  strong  position  as  to  its  musical  services.  Robert  Gilbert  the  Dean 
was  promoted  to  the  Archdeaconry  of  Durham  in  1426,  and  was  suc- 
ceeded by  Richard  Praty,  Warden  of  the  Collegiate  Church  of  Stratford- 

1)  Cal.  Pap.  Keg.  VI.   p.  377. 

2)  At  the  close  of  January  1434,  Pope  Eugenius  IV  granted  special  faculties 
to  the  Dean  of  Queen  ^Catherine's  Chapel.     (Cal.  Pap.  Reg.  VIII,  p.  486.  j 


W.  H.  Grattan  Flood,  The  English  Chapel  Royal  under  Henry  V  etc.     565 

on- Avon.  Here  it  is  only  pertinent  to  add  that  Gilbert  was  subsequently 
Dean  of  York,  and  finally,  in  1436,  Bishop  of  London. 

Humphrey,  Duke  of  Gloucester  proved  a  generous  patron  of  music, 
during  the  minority  of  Henry  VI,  and  kept  a  chapel  of  his  own  with 
Richard  Wyott  as  Dean.  In  1427  we  find  John  Snell  as  Canon  of  the 
Chapel  Royal,  whose  successor  was  Thomas  Damett,  on  February  10, 
1430-1.  Dean  Praty  got  unusual  faculties  from  Pope  Martin  V  in  1426, 
and  under  his  rule  the  Chapel  Royal  choir  assisted  at  the  coronation  of 
Henry  VI  on  November  6,  1429. 

It  is  well  known  that  King  Henry  was  a  good  musician,  and  his  three 
beautiful  compositions  in  the  Old  Hall  MS.  sufficiently  prove  his  ability 
in  part-writing.  For  this  valuable  MS.  of  XV  century  music,  now  at 
St.  Edmund's  College,  Ware,  see  the  complete  account  by  W.  Barclay 
Squire  at  II,  342,  719  (1900—1901).  Dean  Praty  had  due  recognition 
of  his  services,  and  we  find  him  Chancellor  of  Salisbury  in  1430.  At 
the  close  of  August,  1433,  he  was  dispensed  by  Pope  Eugenius  IV  "to 
hold  for  life  with  his  chancellorship  (including  the  annexed  canonry  and 
prebend  of  Bryklesnorth),  deanery  of  the  Chapel  Royal,  and  wardenship 
of  Holy  Trinity,  Stratford-on-Avon,  any  benefice  with  cure  or  otherwise 
incompatible,  and  to  resign  both,  simply  or  for  exchange,  as  often  as  he 
pleases"  1).     Seven  years  later  he  was  appointed  Bishop  of  Chichester. 

An  important  indult  in  favour  of  the  Chapel  Royal  was  issued  by 
Pope  Eugenius  IV  in  September,  1435,  and  it  is  addressed  to  the  Warden 
and  Canons  of  the  Chapel  of  St.  George's,  Windsor.  The  word  "decano" 
is  cancelled  and  is  replaced  by  "custodi",  from  which  it  may  be  inferred 
that  Dean  Praty  had  resigned  on  promotion.  From  this  indult  it  appears 
that  the  Dean  and  each  of  the  Canons  had  been  allowed  forty  shillings 
a  year,  whether  resident  or  not,  but  were  only  permitted  to  receive  twelve 
pence  a  day  by  way  of  daily  distributions,  in  consequence  of  which  many 
of  the  canons  had  betaken  themselves  to  other  benefices.  Therefore  the 
Pope  in  answer  to  their  petition  granted  that  the  Dean  and  Canons 
"shall  not  be  bound,  whilst  in  residence  at  the  Chapel  Royal,  to  reside 
in  any  other  of  their  benefices,  with  or  without  cure,  present  or  future, 
and  that  they  may  take  the  fruits  thereof  as  if  resident  therein,  except 
only  the  daily  distributions9. 

John  Arundel  was  Dean2)  in  1439,  under  whom  the  musical  services 
were  made  worthy  of  a  Chapel  Royal.  Hitherto  the  position  of  Master 
of  the  Song  had  been  undertaken  by  one  of  the  clerks  of  the  King's 
Chapel  in  turn.  But  in  1440  Dean  Arundel  appointed  John  Plummer, 
clerk,  to  take  sole  charge  of  the  musical  arrangements,  and  on  April  12, 

1)  Cal.  Pap.  Reg.  VIII,  pp.  458,  469. 

2}  Dean  Praty  was  appointed  Bishop  of  Chioheater,  aa  aboYt  stated,  in  1440. 


566      W.  H.  Grattan  Flood,  The  English  Chapel  Royal  under  Henry  V  etc. 

1441,  King  Henry  VI  gave  a  grant  of  £  10  to  this  choirmaster  for  his 
zeal  in  training  the  boys  of  the  chapel.  However  this  recognition  of  a 
separate  official  was  only  of  a  temporary  character;  and  hence  the  King, 
who  was  very  musical,  created  the  post  of  "Master  of  the  Song",  by 
privy  seal  dated  Westminster,  November  4,  1444  —  which  post  was  to 
date  as  if  from  Michaelmas1),  1443. 

Thus,  the  position  of  Master  of  the  Song  of  the  Chapel  Royal  may 
be  officially  regarded  as  dating  from  September  29,  1443.  The  royal 
grant  to  John  Plummer  entitled  this  clerical  choirmaster  to  the  sum  of 
40  marks  annually,  for  the  training  of  eight  boys  of  the  chapel,  uso  long 
as  he  may  have  the  keeping  of  the  said  boys  or  others  in  their  place". 
This  grant  was  confirmed  on  February  24th,  1445,  when  John  Plummer 
s  described  as  "sergeant  and  clerk  in  the  King's  Chapel",  and  the  posi- 
tion at  the  salary  above  stated  was  to  be  "during  good  behaviour" ,  for 
his  i; daily  labours  in  the  teaching,  rule  and  governance"  of  said  boys. 

At  this  period,  four  members  of  the  Chapel  Royal  were  noted  musi- 
cians, namely  Gerard  Hassell,  Nicholas  Sturgeon,  William  Boston  and 
Thomas  Woodford2).  It  has  previously  been  observed  that  Gerard  Hassell, 
clerk  and  singer,  was  one  of  those  who  sang  in  1418,  and  received  the  sum 
of  £  5  on  November  22  of  that  year.  He  got  preferment  in  1445,  when  on 
July  6  he  was  presented  by  King  Henry  to  the  Church  of  JJottesford  in 
the  diocese  of  Lincoln,  he  being  then  described  as  "King's  clerk,  one  of 
the  priests  in  the  King's  Chapel".  Nicholas  Sturgeon  was  Rector  of  Ful- 
ham  in  1436,  and  was  Canon  of  Bath  and  Wells,  Exeter,  Hastings  and 
Westminster.  In  1440  he  was  given  the  prebend  of  Reculverland  in 
St.  Paul's  Cathedral ,  and  on  February  1442  was  appointed  Canon  of 
St.  George's,  Windsor  (resigned  by  William  Bontemps),  becoming  five 
months  later  Precentor  of  St.  Paul's,  but  still  residing  in  the  Chapel 
Royal.  Sturgeon  is  one  of  the  composers  whose  works  are  in  the  Old 
Hall  MS.  above  mentioned.  The  third  distinguished  musician,  William 
Boston,  was  given  the  prebend  of  Wingham  in  Kent  on  June  3,  1443, 
vacant  by  the  death  of  John  Bold.  Four  years  later  William  Boston 
is  found  as  clerk  of  the  upper  choir  and  master  of  the  choristers  at 
Bang's  College,  Cambridge  (Easter  1448). 

Queen  Margaret  of  Anjou,  wife  of  Henry  VI  was  crowned  on  May  30, 
1445,  at  Westminster,  and  it  is  to  be  presumed  that  the  Chapel  Royal 
choir  under  John  Plummer  contributed  the  music.  Exactly  a  year  later, 
namely  on  May  30,  1446,  King  Henry  made  a  new  grant  to  Plummer 
for  the  education  of  the  eight  boys  of  the  chapel3). 

1    Cal.  Pat.  Rolls,  1441-1446  —  p.  311. 

2)  Cal.  Pap.  Reg.  IX,  pp.  257,  360. 

3;  Cal.  Pat.  Rolls,  1441-1446  —  p.  456 


W.  H.  Grattan  Flood,  The  English  Chapel  Royal  under  Henry  V  etc.     567 

The  reader  may  naturally  ask  for  some  particulars  as  to  the  life  work 
of  Master  John  Plummer.  Alas!  no  details  are  forthcoming  beyond  the 
entries  quoted,  and  we  can  only  assume  that  he  was  a  talented  musician. 
His  life  indeed  is  as  mysterious  as  that  of  John  Dunstable,  the  greatest 
English  composer  of  the  15th  century,  of  whom  nothing  is  known  with 
much  certainty  save  his  compositions,  and  the  date  of  his  death,  De- 
cember 24,  14531). 

In  1456  a  commission  was  appointed  to  impress  youths  to  supply 
vacancies  in  the  King's  band  of  music,  and  the  Master  of  the  Song  was 
subsequently  empowered  to  impress  children  for  the  Chapel  Royal. 
Plummer's  successor  was  Henry  Abington  (variously  written  Habynton 
and  Abyngdon),  who  graduated  Bachelor  of  Music  at  Cambridge  on 
February  22,  1463.  He  had  been  succentor  of  Wells  since  the  year 
1447,  and  was  confirmed  in  his  Chapel  Royal  mastership  in  May,  1465. 
Meantime  the  Dean  John  Arundel  was  promoted  to  the  bishopric  of 
Chichester  in  1459. 

Henry  VI  was  taken  prisoner  after  the  battle  of  Northampton  (July  10, 
1460),  and  though  the  second  battle  of  St.  Albans  (February  17,  1461) 
turned  the  tide  for  a  spell,  Edward  IV  was  proclaimed  King,  and  ruled 
with  a  brief  interval  till  1483.  However  it  is  of  interest  to  note  that 
Henry  VI  during  his  short  period  of  restoration  confirmed  by  privy  seal, 
on  February  14,  1471,  the  position  of  Henry  Abington  as  Master  of  the 
Song  of  the  Chapel  Royal2). 

The  constitution  of  the  Chapel  Royal  in  1461,  at  the  dethronement 
of  Henry  VI,  was  as  follows:  —  A  Dean;  a  Confessor  to  the  Household; 
24  chaplains  or  clerks,  nominated  by  the  Dean,  skilled  in  discant,  good 
singers,  eloquent  in  reading,  and  competent  to  play  the  organ,  all  board- 
ing together  in  the  Deanery,  and  lodging  within  the  court,  at  a  daily 
wage  of  sevenpence  each;  two  Epistlers  (chosen  from  the  older  boys  of 
the  chapel  in  order  of  seniority);  eight  children  to  be  boarded,  lodged, 
and  taught  singing  and  organ  playing  by  the  Master  of  the  children;  a 
Master  of  the  Grammar  School;  and  the  Master  of  the  Song  or  Master 
of  the  children. 

1)  See  Sammelbande  II,  1,  1900-  (Cecie  Stainer),  Zeitschrift  V,  488  et  seq.  Aug. 
1904)  Charles  W.  Pearce  and  W.  Barclay  Squire). 

2)  Cal.  Pat.  Rolls  1467—1477  —  p.  243.  Abington  was  succeeded  by  Gilbert 
Banaster.    Sept.  29,  1478. 


568  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

Von 

Wilibald  Nagel. 

[Darmstadt.) 

Zur  Lebensgeschichte   des   vortreil'lichen  Ktinstlers,    dessen  Familie  auch 
heute   noch   in    ihrer   alten    Heimat  lebt,    liegt   nur   weniges  an  gedrucktem 
Quellenmaterial   vor.     Graupner   selbst  hat    eine   kurze  Beschreibung    seines 
Lebensganges  fur  Mat  the  8  oil's  >Ehrenforte«  *)  verfaBt,  die  in  den  bisherigen 
knappen  Berichten  Uber  sein  Wirken,   neben  einer  spater  zu  erwahnenden  Ar- 
beit Ernst  Pas  qu^'s,  in  der    Allgemeinen  Deutschen  Biographie«,  Eitners 
Quellenlexikon ,    Kiemann's   und   Grove's    lexikogruphischen   Artikeln  "be- 
nutzt  worden  ist.    Ein  von  einem  unbekannten  Zeitgenossen  Graupner's,  der 
ihm    oder   den    Seinen    nahe   gestanden    haben  muB,   verfaBter  Aufsatz  iiber 
den  Meister  findet  sich  im  Jahrgang  1781  des   >Hochfurstlich  Hessen-Darm- 
stadter  Staats-    und    A  dress  Kalenders*  2).     Die   aus   warmem ,  freundschaft- 
lichem  Geflihle  fur  Graupner  geschriebene  Abhandlung  hat  Wert  einmal  als 
ein  zeitgenb'ssisches  TJrteil  aus  Tagen,    in  denen  er  im  iibrigen  Deutschland 
schon  vollig  vergessen  war,  und  sodann  auch  deshalb,  weil  sie  die  wenigen 
Ziige,    die  uns  andere  Quellen   iiber   des  Mannes  personliche  Art    mitteilen, 
in  erwiinschter  Weise  ergiinzt  und  erweitert.     Ein  erschopfendes  Bild  seines 
Wesens    freilich    erhalten   wir    durch   alle    diese    gelegentlichen    Bemerkungen 
nicht.     Briefe   von  Graupner's  Hand,    die   gerade    nach    dieser  Richtung  bin 
belehren  konnten,    sind   nur  in    iiberaus   kleiner  Anzahl   vorhanden   and  be- 
riihren   vcrwiegend   berufliche  Dinge    oder   damit   zusammenhangendes.     Ge- 
legentlicher  Urteile  iiber  den  Meister  wird  an  Ort  und  Stelle  gedacht  warden. 
An   handschriftlichem   Material   zur  Biographie   liegen   vor:  Aktenstiicke  des 
Gr.    Haus-   und   Staatsarchives  Darmstadt :i) ,    des    Gr.   Kons  is  to  rial- Archives 
Darmstadt4)  und  des  Rats- Archives  zu  Leipzig5).     Die  Fundorte  werden  im 
Texte  angegeben  werden. 

DaB    noch    keine    zusammenfassende   Arbeit    iiber   Graupner    geschrieben 
worden   ist6),   mufi   in  Erstaunen    setzen:    hat  doch   der  Meister  durch.  seine 


1)  Grundlage  einer  Ehrenpforte.    Hamburg  1740. 

2)  Verlag  der  Invaliden-Anstalt  Darmstadt.  Ich  verdanke  die  Kenntnit  de* 
nicht  unterzeichneten  Atrfsatses  dem  freundlichen  Anteile  des  Herrn  Staattarchi- 
vars  Dr.  J.  R.  Dieter  ich -Darmstadt  an  meiner  Arbeit. 

3)  Herrn  Archivdirektor  Dr.  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsberg  bin  ich  fttr  die  Ge- 
nehmigung  ihrer  Benutzung  verpflichtet. 

4)  Herrn  Pfr.  Dr.  Diehl  verdanke  ich  den  Hinweis  auf  sie,  Herrn  Xonsittorial- 
prasidenten  D.  Nebel  die  Erlaubnis  ihrer  Benutzung. 

5)  Den  Herren  Prof.  Dr.  Wustmann,  Prof.  Dr.  R.  Schwartz,  Privatdoxent  Dr. 
A.  Schering  und  Dr.  W.  Niemann  in  Leipzig  muB  ich  fflr  freundlich  gew&hrte  HihV 
leistungen  auch  an  dieser  Stelle  herzlichsten  Dank  sagen.  —  Hamburg  scheint  an 
Archivalien  iiber  Graupner  nichts  mehr  zu  besitzen.  Personliche  Nachfrage  auf 
dem  dortigen  Staatsarchive  war  vergeblich. 

6)  Allerdings  hat  E.  Pasque  in  der  von  L.  Dr&xler-Manfred  herausgegebenen 
/Zeitschrift  >Die  Muse«,  Darmstadt  1864  (S.  629ff.),  Graupner  einen  Abschnitt  seiner 

>Geschichte   der    Musik   und    des   Theaters   am  Hofe  von  Darmstadt*    gewidmet 
Unter   die   ernsthaft   zu    nehmenden   Quellenschriften    l&Bt  sich    die   vorwiegend 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner'*.  569 

Tatigkeit  in  Darmstadt  die  Augen  der  ersten  seiner  Kunstgenossen  auf  die 
kleine  landgrafliche  Residenzstadt  gelenkt,  ist  der  Euhm  seines  Namens  doch 
auch  an  entfernten  Orten  erklungen.  Wer  noch  immer  mit  Werken  Graup- 
ner's  Bekanntschaft  gemacht  hat,  wie  Riemann  l)  oder  Engelke2),  hat  Worte 
hoher  Anerkennung  fiir  den  Komponisten  gefunden.  In  der  Tat  ist  die 
menschliche  und  kiinstlerische  Personlichkeit  Graupner's  eingehender  Be- 
trachtung  und  Schatzung  wert.  Aus  bescheidenen  Verhiiltnissen  hat  er  sich 
heraufgearbeitet,  hat  einer  heiBen  Jugend  seinen  Tribut  bezahlt  und  hat 
dann  in  harter  Pflichterfullung  und  durch  beispiellos  fleifliges  Afrbeiten  den 
Weg  auch  zu  einer  gediegenen  burgerlichen  Lebensfuhrung  gefunden.  Schatze 
zu  sammeln  war  ihm  nicht  vergonnt,  aber  er  hat  mit  seinem  guten  Namen 
eine  Fiille  von  Tonwerken  hinterlassen ,  die,  auch  wenn  man  nur  ihre  Zahl 
erwagt,  in  Erstaunen  setzen  mufl.  Dies  Erstaunen  wird  warmer  Bewunde- 
rung  weichen,  wenn  der  priifende  Blick  in  Graupner's  Opern,  Kantaten, 
Siufonien,  Konzerten,  Ouvertiiren,  Kiavierstiicken  usw.  Werke  erkennen  niufl, 
die,  wenn  sich  auch  minderwertiges  unter  ihnen  findet,  doch  nach  ihrer  Mehr- 
zahl  den  Komponisten  als  zu  den  beaten  Tonsetzern  seiner  Zeit  gehorend 
erscheinen  lassen. ,  Die  in  Aussicht  genommenen  Neuausgaben  einzelner 
Werke  werden  weiter  dartun,  daQ  Graupner  auch  fur  die  Kunstiibung  der 
Gegenwart  noch  eine  nicht  geringe  Bedeutung  heanspruchen  darf. 

Jngendjahre  and  Uuterricht.    Leipzig. 

Christoph  Graupner3)  (Graubner)  war  derSohn  eines  Schneidermeisters 
gleichen  Namens  zu  Kirchberg  in  Sachsen,  der  seinerseits  als  Sohn  des 
dasselbe  Gewerbe  treibenden  Michael  Graupner  aus  Barenwalde  stammte 
und  1694  mit  Christoph  Kandler  geschworener  Meister  der  Innung  in  der 
Stadt  Kirchberg  war.  Am  24.  Nov.  1673  hatte  er  sich  mit  Jungfrau 
Maria,  des  Kirchbergers  Burgers  und  Tuchmachers  Hans  Hohmuth 
Tochter4),  verheiratet.  Leider  lassen  sich,  da  die  Tauf register  in  Verlust 
geraten  sind,  die  Kinder  dieser  Ehe  nicht  feststellen.  Des  Komponisten 
Geburtstag  kann  durch  die  Angabe  des  Darmstadter  Totenregisters  be- 

feuilletonistisch  geratene,  die  Quellen-Grundlagen  eigenmachtig  verwertende  Arbeit 
nicht  einreihen.  Wie  Pasque  bedarf  auch  W.  Kleefeld  in  seiner  Arbeit  >Land- 
graf  Ernst  Ludwig  von  Hessen-Darmstadt  und  die  deutsche  Oper«  (Berlin  1904) 
aufmerksamster  NachprUfung.  Kleefeld  gibt  nur  im  allgemeinen  die  Fundorte  an, 
laCt  seine  >GewahrsmaDner«  sprechen,  ohne  sic  im  einzelnen  zu  nennen,  und  er- 
geht  sich  in  einer  geradezu  peinlich  berilhrenden  Weise  dem  Landgrafen  gegen- 
uber,  dem  er  Verdienste  einraumt,  die  ihm  ohne  jede  Frage  nicht  gehuhren. 

I:  Vgl.  GroCe  Kompositionslehre  (Berlin  u.  Stuttgart  1902),  I,  S.  431ff. 

%m  Sammelbande  der  IMG.    Leipzig  1^Q9.     S.  294  f. 

3}  Das  von  mir  in  den  Monatsh.  f.  Musikgesch.  XXXII  (1900)  S.  41,  Anm.  mit- 
geteilte  Datum  der  Geburt  bezieht  sich  nicht  auf  den  Komponisten.  Eine  Nach- 
prttfung  der  mir  damals  ohne  jede  weitere  Bemerkung  ubermittelten  Notiz  konnte 
ich  seinerzeit  nicht  vornehmen. 

4}  Sie  war  das  al teste  von  zehn  Kindern  aus  der  am  22.  Nov.  1652  geschlossenen 
Ehe  von  H.  Hohmuth  und  Anna,  Tochter  des  Richters  Wohlrab.  Getauft  wurde 
sie  am  2.  September  1653.  Christoph  Graupner's  Urgrofivater  von  mutterlicher 
Seite  her  war  der  Tuchmacher  Georg  Hohmuth,  der  1640  »in  die  80  Jahre  alt* 
starb. 

s.  d.  IMG.   x.  38 


570  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

stimmt  werden.  Da  Graupner  am  10.  Mai  1760  starb,  77  Jahre  4  Monate 
weniger  3  Tage  alt,  so  fallt  sein  Geburtstag  auf  den  13.  Januar  1683. 
Die  Familie  bliihte  schon  damals  in  dem  kleinen  Tuchmacher-  und  Acker- 
stadtchen  in  mehreren  Zweigen;  auch  heute  ist  sie,  wie  schon  bemerkt, 
noch  nicht  erloschen. 

Wieviel  an  Liebe  zur  Musik  dem  Knaben   durch  Familienmitglieder 

fmitgeteilt  worden  ist,  laBt  sich  nicht  sagen;  Qmmerhin  aber  konnen  wir 
aus  der  Tatsache,  daB  drei  Angehorige  der  Familie  Hohmuth1),  Onkel 
Christoph  Graupner's,  Thomaner  gewesen  sind,  Schliisse  ziehen.  J 

^  Von  seinen  ersten  Lehrern  erzahlt  Graupner  einiges  in  seiner  Selbst- 
biographie.  Der  Kantor  Wolfg.  Michael  Mylius2)  unterrichtete  ihn 
BOweit  im  Gesange,  »daB  ich  wenigstens,  was  mir  vorgelegt  wurde,  ziem- 
licher  maBen  treffen  konnte.«  Er  leitet  mit  Recht  auf  diese  Fertigkeit 
die  schneHen  Fortschritte  zuriick,  die  er  im  Klavierspiele  schon  als  Knabe 
machte.  »Den  Anfang  zur  Musik  machte  ich  in  meinem  siebenden  oder 
achten  Jahr,  vermittelst  des  Claviers,  bey  dem  Organisten  N.  Kiister  zn 
Kirchberg,  als  an  meinem  Geburtsort*  Nikolaus  Kiister  trat  dem  Knaben 
besonders  nahe.  Er  war  1670  in  Breitenbach  in  Thuringen  geboren,  wo 
T  sein  Vater  Nicolaus  das  Schneidergewerbe  betrieben  hatte.  [Als  ein 
»junger  Gesell«,  der  als  »teutzscher  Schulmeister  und  Organist*  Dienst 
in  Kirchberg  tat,  verheiratete  er  sich  am  6.  Februar  1693  mit  Johanna 
Rosina,  »Herrn  Adam  Marttin  Pliturij  Weyl.  Organistens  und  Steuer- 

u  einnehmers  zu  Zeitz  nachgel.  ehel.  Tochter«j  wie  das  Kirchenbuch  aus- 
weist.  Im  folgenden  Jahre  wurde  Kiister  als  Organist  (an  die  kleinere" 
der  beiden  Kirchen?)  nach  Reichenbach  i.  V.  berufen.  Hier  wurden  ihm 
bis  zum  Jahre  1699  drei  Kinder  geboren.  Die  Stelle  des  Organisten  an 
der  Hauptkirche  besaB  der  Notarius  Publicus  und  Metz'sche  Vice-Bichter 
Geo.  Mart.  Nagelein,  der  am  15.  Juni  1700  im  Alter  von  87  Jahren 
starb. .  Kiister  folgte  ihm  in  dieser  Stellung,  nachdem  er  dem  alten  Herrn 
schon  eine  Zeitlang  als  Substitut  zugeordnet  gewesen  war.  Kur  wenige 
Monate  hat  er  dies  Amt  innegehabt;  der  erst  30jahrige  starb  schon  am 
7.  November  desselben  Jahres. 

[Graupner  erbat  und  erhielt  nach  vielen  Bitten  von  seinen  Eltern  die 
Eriaubnis,    mit    seinem    geliebten  Lehrer   nach  Reichenbach   zieh^n  zu 


1)  Vgl.  Alt-Kirchberg,  Mitteilungen  d.  Altertumevereins  Kirchberg,  S.  109—112. 
Nathanael  und  Egidius  H.  wurden  Pfarrer,  Cornelius  (von)  Hohmuth  Generalleutoant 
und  Vizegouverneur  von  Riga. 

2)  Scheibe  (Ein  Ruhmeeblatt  a.  d.  Gesch.  des  Chorus  Musicus  zu  Kirchberg. 
In:  Der  Kirchenchor,  1902,  S.  43 ff.)  teilt  einiges  iiber  ihn  mit.  Er  stammte  au8 
Reichenbach.  war  seit  1681  Secundus  an  der  Kirch bergerSchule  und  wurde  spater 
Organist.  Seine  Frau  hieB  Dorothea;  dem  Paare  wurden  zwischen  1688  und  93  in 
Kirchberg  drei  Kinder  geboren.  Mylius  ist  in  Gotha  1712  oder  13  gestorben.  Vgl. 
Eitner  a.  a.  0. 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's.  571 

diirfen.  fDas  laBt  auf  einen  gewissen,  wenn  auch  bescheidenen  Wohl- 
stand  des  Vaters  schlieBen1).} 

Zwei  Jahre  hat  der  Knabe  in  Reichenbach  noch  die  Schule  besucht 
und  sicherlich  in  Kiister's  bescheidenem  Hause  gelebt2),  eifrig  auch  semen 
musikalischen  Studien  hier  obliegend.  Wir  werden  Graupner  als  einen 
seine  Muttersprache  Uberraschend  gut  beherrschenden  Mann  kennen  lernen; 
es  war  dies  sicherlich  auch  die  Frucht  der  Arbeit  Kiister's,  dem  Graupner, 
wie  die  Selbstbiographie  beweist,  zeitlebens  eine  dankbare  Erinnerung 
bewahrte. 

Reichenbach?)  war  urns  Jahr  1700  ein  Ort  von  etwa  2500  Ein- 
wohnern,  die  Landwirtschaft  trieben  oder  einen  guten  Ruf  als  Tuch- 
macher  und  Schonfarber  genossen  und  ihre  Waren  selbst  nach  der 
Schweiz,  Italien  und  Frankreich  verschickten.  Drei  Burgermeister  be- 
sorgten  das  weltliche  Regiment  der  kleinen  Stadt,  die  auch  das  »Hoch- 
Adel.  Metzsch'sche  Gericht«  barg;  ihm  stand  ein  Gerichtsdirektor  mit 
einem  Stadt-  und  Landrichter  vor.  Ein  »Ordensrichter«  war  der  letzte 
Zeuge  der  Niederlassung  des  deutschen  Herrn-Ordens.  Er  saB  mit  dem 
>teutzschen  Schreiber*  im  Rathause.  1693  wurde  diesem  die  Unter- 
haltung  einer  Schreib-  und  Rechenschule  au^efrlegt.  Von  1682  ab  hatte 
auch  das  »neuaufgerichtete  Cfiurfiirstl.  Amt  im  Vogtlande*  seinen  Sitz 
in  Reichenbach  J  Die  Stadt  besaB  zwei  Kirchen;  die  Geschichte  der 
Pfarrkirche  geht  bis  hinter  1080  zuruck,  die  Gottesackerkirche  St.  Trini- 
tatis  wurde  1621  erbaut.  Als  Pfarrer  wirkte  1698  bis  1702  M.  Jac. 
Friedr.  Miiller,  Archidiakonus  war  in  derselben  Zeit  M.  Dan.  Wegener 
aus  Reichenbach,  der  als  Orientalist  einen  Namen  besaB.  Diakon  war 
1686—1700  Christian  Klaubert,  der  in  der  Gemeinde  viel  Liebe  und 
Vertrauen  genoB.  Dem  Unterrichte  der  Knaben  diente  das  in  der  Mitte 
des  Jahres  1700  ungeniigend  erweiterte  Schulhaus  der  Kirchschule,  deren 
Leiter  zu  Graupner's  Zeit  Johann  George  Geyer  war;  das  Kantorat 
versah  1686—1710  Geo.  Val.  Kohler.  Tertius  (Baccalaureus,  Con-Rector) 
war  1693—1709  Geo.  Martini,  Quartus  1694-1709  Gottfried  Mylius. 
DieseLehrer  unterrichteten  *in  studio  pietatis,  linguarum,  artium  et  mili- 
tate morum*.     Lehrplane  aus   dieser  Zeit  sind  bis  jetzt  nicht  gefunden 


1)  Herr  Pfarrer  Scheibe  berichtet,  daB  nach  alten  Nachrichten  die  Familie 
Graupner  angesehen  und  vermOgend  war. 

2)  Vgl.  dazu  weiter  unten  die  Ausfuhrungen  im  Teste.  tTber  die  Besoldung 
der  damaligen  .Organisten  in  Reichenbach  1st  wenig  bekannt.  Die  Akten  sind  1720 
verbrannt.  1650  erhielt  der  Organist  6  Gulden  Gebalt  und  ebensoviel  an  gut- 
williger  Zulage.  Kflster  wurden  am  8.  April  1699  etwas  fiber  4  G.  als  eine  »guth- 
willige  Verehrung«  bewilligt,  seine  Wit  we  wurde  im  Jahre  darauf  wegen  ihrer 
Armut  bedacht,  ihres  Mannes  Leiche  ohne  Entgelt  des  Pfarrers  beerdigt. 

3)  Herrn  Pastor  Limbach  in  Reichenbach  verdanke  ich  eine  Reihe  zusammen- 
fassender  Notizen  fiber  den  Ort,  fur  die  ich  herzlich  danke. 

38* 


572  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

worden.   Zu  Beginn  des  18.  Jahrhunderts  wurde  iiber  zu  viel  Latein  und 
zu  wenig  Rechenunterricht  geklagt.     Das  war  offenbar  eine   schon  alte 
Klage,  der  auch,  wie  oben  erwahnt,  der  »teutzsche  Schreiber*  hatte  ab- 
helfen  sollen.    Die  Besoldung  der  Lehrkrafte  war  eine  iiberaus  geringe. 
Not  und  Raummangel  in  der  Schule  trieben  zu  Privatunterricht  in  der 
Hauslichkeit.   Hier  konnten,  wenn  auch  nur  bei  einzelnen  Lehrern,  auch 
Madchen  Unterweisung  in  den  ntitigen  Schulfachern  erhalten.     Bedenk- 
lich  war,  daB  auch  der  Kirchner  ein  Recht  besaB,   in  seiner  Wohnung 
zu  unterrichten.    DaB  unter  diesen  Verhaltnissen  im  allgemeinen  an  eine 
griindliche  Ausbildung  der  Jugend  nicht  zu  denken   war,  liegt  auf  der 
Hand.     Urn  so  schwerer  wiegt  das  dankbare  Gefiihl,  das  Graupner  dem 
armen  Lehrer  seiner  Jugendtage  bewahrte.    Insbesondere  mag  die  tiich- 
tige  Schuiung   seiner  Stimme   ihm   schon    in  Kirchberg  geholfen  haben, 
allerlei  Verbindungen  anzukniipfen,  die  sich  spaterhin  bei  der  Ubersiede- 
lung  nach  Leipzig  nutzbringend  erwiesen. 

Wenn  also  auch  die  Verhaltnisse,  die  der  Knabe  in  Reichenbach  an- 
traf,  nicht  gerade  glanzende  waren,  so  umgab  ihn  doch  hier  ein  anderes 
Leben  als  zu  Hause.  Viel  lebhafter  wirkte  die  Welt  drauBen  auf  ihn 
ein ;  eine  groBe  VerkehrsstraBe  f iihrte  seit  alter  Zeit  durch  das  Stadtchen, 
Leipzig  und  das  altberuhmte  Niirnberg  mit  einander  verbindend;  die 
Handelsbeziehungen  der  Stadt  lieBen  den  Knaben  von  fremden  Dingen 
und  Menschen  horen. 

Von  Reichenbach  »begab  ich  mich  nach  Leipzig,  und  verharrete  allda 
iiber  neun  Jahre  auf  der  Thomasschule*  *),  berichtet  die  Autobiographie. 
Die  Ubersiedelung  wird  in  das  Jahr  1696  gefallen  sein.  Uber  die  Ver- 
haltnisse, die  der  junge  Mann  in  Leipzig  antraf,  braucht  hier  im  einzelnen 
nicht  berichtet  zu  werden,  da  sie  aus  mancherlei  monographischen  Arbeiten 
geniigend  bekannt  sind.  Ein  reges  musikalisches  Leben  zog  Graupner, 
soweit  es  die  ernst  betriebenen  Studien  gestatteten,  bald  in  seine  Kreise: 
schwang  er  sich  auch  nicht,  wie  der  seit  1701  in  Leipzig  studierende 
Telemann,  zu  einem  Fiihrer  der  jungen  Kunstlergeneration  auf,  so 
sammelte  er  doch  eine  Fiille  kiinstlerischer  Eindriicke,  wie  die  Folgezeit 
bewies,  und  auch  in  Leipzig  erinnerte  man  sich  spater  des  begabten 
jungen  Mannes  und  suchte  ihn  fiir  die  Stadt  zu  gewinnen.  Graupner 
berichtet  selbst,  die  Summe  seiner  Leipziger  Zeit  ziehend,  folgendes: 
>Der  Cantor,  Johann  Schelle,  hatte  viele  Liebe  fiir  mich,  und  weil  er 
meinen  natiirlichen  Trieb  zur  Musik  vermerckte,  gab  er  mir  selbst  auf 
dem  Clavier,  auch  zu  einer  besseren  Art  im  Singen,  noch  weitere  und 
griindlichere  Anleitung. 


l!  Vgl.   dazu   B.  Fr.  Richter,  Stadtpfeifer  u.  Alumnen  der  ThomasscHole  in 
Leipzig  zu  Bach's  Zeit  (Bach-Jahrtmch,  Leipzig  1907). 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  GraupnerV  573 

Inmittelst  hatte  ich  bei  dem  nachherigen  Capellmeister  in  Dresden, 
Johann  David  Heinichen,  auch  den  Anfang  zur  Composition  gemacht, 
worin  es  mir  ziemlich  gerieth,  indem  ich  den  Vortheil  des  Singens  und 
Claviers  schon  vor  mir  hatte.  Da  hiernachst  Johann  Kuhnau,  vormahls 
Organist  an  der  Thomas-Kirche,  zum  Cantorat  befordert  wurde,  genossen 
wir  beide  mit  einander,  Heinichen  und  ich,  seiner  Anweisung,  sowohl 
auf  dem  Clavier,  als  in  der  Setzkunst.  Weil  ich  mich  auch  bey  Kuhnau, 
als  Notist,  von  selbsten  anbot  und  eine  gute  Zeit  fiir  ihn  schrieb,  gab 
mir  solches  gewiinschte  Gelegenheit,  viel  Gutes  zu  sehen,  und  wo  etwa 
ein  Zweifel  entstund,  um  miindlichen  Bericht  zu  bitten,  wie  dieses  oder 
jenes  zu  verstehen.  Durch  den  taglichen  FleiB  gerieth  es  also  nach  und 
nach  dahin,  daB  ich  mich  weder  in  Kirchen-  noch  theatralischen  Sachen *) 
nicht  sonderlich  mehr  zu  flirchten  hatte,  sondern  fest  ging. 

Die  Schulzeit  war  nunmehr  aus.  Doch  blieb  ich  noch  2  Jahr  in 
Leipzig,  auf  der  dasigen  Dniversitat,  und  war  Willens,  mich  auf  die  Rechts- 
gelehrsamkeit  zu  legen2);  hielte  auch  meine  Collegia,  so  viel  mein  Ver- 
mogen  zulies:  biss  endlich  1706  die  Schweden  in  Sachsen  kamen,  und 
mir  mein  Concept  ziemlich  verriickten.* 

Die  Hamburger  Zeit. 

Das  Ereignis,  das  Graupner  von  Leipzig  vertrieb,  war  der  Anmarsch 
der  von  dem  exzentrischen  und  groBenwahnsinnigen  Konige  Karl  XII. 
gjefiihrten  schwedischen  Truppen,  die  Danen,  Russen,  Polen  und  Sachsen 
besiegt  hatten  und  in  dem  genannten  Jahre  am  24.  September  den  Frieden 
zu  Altranstadt  erzwangen,  der  August  den  Starken  zum  Kurf iirsten  von 
Sachsen  degradierte.  Ob  Graupner  fiirchtete,  Werbern  in  die  Hande 
fallen  zu  konneh  oder  sonstwie  zum  Soldatendienste  gepreBt  zu  werden, 
ob  er  aus  der  Hofhaltung  des  Schwedenkonigs  in  Leipzig  andere  Nach- 
teile  fiir  sich  und  seine  Kunstiibung  herleitete,  lafit  sich  ohne  weiteres 
nicht  sagen3).     Kurz,  er  entschloB  sich,  auf  einige  Zeit  nach  Hamburg 

1)  Nach  (Blttmner)  Geschichte  des  Theaters  in  Leipzig,  Leipzig,  F.  A.  Brock- 
haus,  1818,  erhielt  1692  Nic.  A.  Strungk  (vgl.  Eitner  a.  a.  0.  unter  Strunck, 
woselbst  weitere  Quellenangaben)  ein  Patent  zur  Auffthrung  von  Operetten.  1710 
wird  Samuel  Erich  DObricht  als  Operieten-Prinzipal ,  wie  der  Auedruck  der  Zeit 
lautete,  in  Leipzig  genannt.  Er  fehlt  bei  Eitner,  mag  aber  vielleicht  mit  der 
S&ngerin  verwandt  gewesen  sein,  die  zu  Beginn  von  Graupner1 8  Tatigkeit  nach 
Darmstadt  gezogen  wurde.  (s.  u.) 

2)  Dies  Bekenntnis  entbehrt  nicht  des  Interesses.  Obwohl  eine  ganze  Anzahl 
von  deutechen  Musikern  des  18.  Jahrhts.  eine  Zeitlang  Jurisprudenz  studiert  hat^ 
laCt  sich  wohl  nur  bei  den  wenigeten  die  feste  Absicht,  die  Juristerei  auch  prak- 
tisch  auszuttben,  annehmen.  Yerzeichnet  steht  Graupner  in  der  Leipziger  Matrikel 
in  folgendem  Eintrage:  > Unter  dem  Rectore  Magnifico  Dn.  D.  Johanne  Oleario, 
P.  P.  ist  Ao.  1705  der  Christoph  Graubner  Eirchbergensis  immatriculieret  wordenc 

3)  Der  Aufsatz  des  Darmst&dter  Ealenders  kennt  die  Veranlassung  von  Graup- 
ner's  tibereiedlung  nach  Hamburg  nicht 


574  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

iiberzusiedeln.     An  eine  dauernde  Niederlassung  ddselbst  dachte  er  vor 
der  Hand  nicht. 

Die  Wahl  der  Stadt  laBt  sich  leicht  begreifen.     Man  kennt    die  da- 
maligen  Verhaitnisse  Hamburgs  durch  Chrysander's  glanzende  Schilde- 
rung1).     Die  Musik  fand  reichste  Pflege.     Seit  1678  bestand  die  Biihne 
am  Gansemarkte,   deren  Auffuhrungen  Gaste  aus  aller  Herren  Landern 
herbeilockte.     Die  Hindernisse,  die  geistlicher  Ubereifer  ihr  in  den  "Weg 
gelegt  hatte,  waren  wenigstens  in  der  Offentlichkeit  iiberwunden,  der  Poet 
Christian  Postel  und  der  Musiker  Reinhard  Reiser  schufen  Werke  von 
allgemein  anerkannter  Bedeutung.     Reiser's  Opern,  Zeugnisse  eines  mit 
genialer,  aber  fast  allzu  leicht  spendender  Kraft  ausgestatteten  Kiinstlers, 
fanden  ihren  Weg  auch  auf  andere  angesehene  nord-  und  mitteldeutsche 
Biihnen.    Ob  Graupner  etwas  von  ihnen  gesehen  hat,  ist  nicht  bekannt, 
aber  hochst  wahrscheinlich ;  jedenfalls  blieb  ihm  Reiser's  Ruhm  in  Leipzig 
nicht  verborgen.    Eine  Oper  von  Griinewald,  *Germanicus*y  hatte  ein 
Jahr   vor   ihrer  Auffiihrung   in  Hamburg/  den  Leipzigern  Veranlassung 
gegeben,  den  Komponisten,  Schwiegersohn  J.  Phil.  Krieger's,  als  Sanger 
zu  horen2).   Auch  von  Handel's  Wirken  (er  war  seit  1703  in  Hamburg, 
von  Mattheson  und  den  anderen  Hamburger  Kunstlern  muB  Graupner 
in  Leipzig  vernommen  haben :  was  Wunder,  daB  er  jetzt  die  Gelegenheit 
benutzte,  die  gefeierten  Meister  und  daneben  das  bunte  Leben  der  gliin- 
zenden  Stadt  aus  eigener  Anschauung  kennen  zu  lernen.     DaB   es  sich 
nur  um  die  Absicht  eines  kurzen  Besuches  handelte,  geht  aus  Graupner's 
eigener  Mitteilung  hervor:  er  gab  sein  Leipziger  Zimmer  nicht  auf  und 
lieB  seine  Biicher  und  Musikalien  zuriick.   Mit  zwei  Talern  in  der  Tasche 
kam  er  in  Hamburg  an.     Ein  Brief  an  die  Eltern  verschaffte  ihm  keine 
Unterstiitzung.     Rasch  pochte  die  Not  an  seine  Ture. 

Ein  gliicklicher  Zufall  fiigte  es,  daB  der  Komponist  und  Cembalist 
der  Hamburger  Oper,  Joh.  Christ.  Schieferdecker  aus  Zeitz,  damals 
einen  Ruf  als  Organist  an  die  Marienkirche  in  Lubeck  erhielt.  Graupner 
bewarb  sich  um  den  frei  gewordenen  Posten  und  erhielt  ihn. 

Das  Datum  von  Schieferdecker's  Liibecker  Dienstantritt  ist  der 
23.  Juni  1701 3);  Graupner  muB  demnach  etwa  *jA  Jahre  ohne  festeBe- 
ziige  in  Hamburg  geweilt  haben.  Er  wird  bei  den  fiihrenden  Musikern 
gewesen  sein,  durch  ihre  Hilfe  Dnterrichtsstunden  bekommen  und  allerlei 
Kopiaturen  angefertigt  haben. 

In  Hamburg  »schlug«  Graupner,  wie  er  selbst  erzahlt,  3  Jahre  lung 


1)  G.  Fr.  Handel.    Leipzig  1858.    I.  S.  72  ff. 

2)  Vgl.  Eitner  a.  a.  0.,  IV,  396  und  weiter  unten. 

3)  Nach  Eitner  a.  a.  0.    Gerber  (im  N.  Lezikon)  6agt,  Schieferdecker  sei  am 
Tage  vor  Graupner's  Erscheinen  nach  Liibeck  berufen  worden. 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Chriatoph  Graupner's.  575 

im  Theater  den  Fliigel1)  und  lernte  immer  mehr  in  der  »Theatralischen 
Schreibart*.  Der  leider  geringe  Rest  seiner  Opern  ist  dessen  ein  voll- 
giiltiger  Beweis.  Handel's  Hamburger  Tage  gingen  fast  zur  gleichen 
Zeit  zu  Ende,  als  Graupner  FuB  zu  fassen  begann.  Von  seinen  "Werken 
hat  Graupner  die  Eraftauffiihrung  von  Florindo  und  Daphne  im  Februar 
1708  in  Hamburg  erlebt,  etwaige  Wiederholungen  friiherer  Opern  abge- 
rechnet.  Die  Hamburger  Blihne,  den  »Schmuck  des  deutschen  Reichs, 
Schmuck  der  polierten  Welt«,  wie  Barth.  Feind  sagt,  beherrschte  Keiser. 
Wer  den  Gebildeten  zugezahlt  werden  wollte,  durfte  im  Theater  nicht 
fehlen.  Es  herrschte  in  Hamburg  ohne  Zweifel  neben  dem  »galanten« 
ein  asthetisches  Interesse  an  der  Blihne,  und  es  ist  durchaus  nicht  ohne 
weiteres  abzuweisen,  daB  Mattheson's  theoretische  Untersuchungen  des 
Singspiels  am  letzten  Ende  auf  allerlei  asthetische  Expektoratiotien  in 
Hamburger  Theaterkreisen  zuriickgehen. 

Wer  zu  Graupner's  besonderen  Hamburger  Freunden  gehorte,  wissen 
wir  nicht.  Auf  alle  Falle  trat  ihm  Griinewald,  der  ihm  nach  Darm- 
stadt folgte,  nahe.  Auch  sein  Textdichter  Hinsch,  der  Poet  Feind, 
Mattheson  und  Keiser  selbst  haben  wohl  naheren  Umgang  mit  ihm  ge- 
habt.  Man  erinnert  sich  dessen,  was  Chrysander  iiber  einen  Teil  dieser 
Manner,  yon  denen  Handel  sich  fern  gehalten  hatte,  sagt:  sie  verpraBten 
ihre  Einnahmen  und  lebten  in  einem  fortwahrenden  Sinnentaumel  ihre  Tage 
hin.  Die  Zukunft  kummerte  sie  nicht.  Dabei  vernachlassigten  sie  jedoch 
keineswegs  ihre  beruf lichen  Pflichten;  aber  ihr  Schaffen  geschah  wie  im 
Fieber,  hastig,  ohne  kunstlerische  Besonnenheit.  Ware  Keiser  nicht  ein 
echtes  Genie  gewesen,  dem  sich  jeder  Vers  sofort  in  Musik  umsetzte,  er 
hatte  kaum  Bedeutendes  zustande  bringen  konnen.  In  diesen  Kreis 
geriet  Graupner.  *  Es  ist  interessant,  seine  Handschrif t  aus  den  Ham- 
burger Tagen  m;t  der  spateren,  sicheren,  ruhigen  und  schonen  zu  ver- 
gleichen:  man  sieht  aus  der  Originalpartitur  seiner  Oper  Dido,  wie  die 
Feder  in  fliegender  Eile  iiber  das  Papier  gleitet,  Fehler  sind  nicht  selten, 
allerlei  Zeichen  werden  ausgelassen,  die  Notenwerte  oft  mit  hochster 
Fliichtigkeit  hingeworfen.  Der  Gl^nz  des  Scheinlebens  hat  ihn  geblendet, 
der  Ehrgeiz  ihn  gefaBt,  in  dieser  Welt  des  Scheines  zu  rascher  Aner- 
kennung  zu  gelangen,  und  so  stiirzt  er  sich  mit  Feuereifer  in  Arbeit  und 
sinnliche  Geniisse  bedenklicher  Art. 

_-  Der  AdreBkalender-Aufsatz  fiihrt  als  Opern  Graupner's  aus  der  Ham- 
burger Zeit  an:  Dido  (1707);  Hercules  und  Theseus,  Antiochus  und  Stra- 
tonica,  Bellerophon  (1708)  (Text  nach  Corneille,  Fontenelle  und  Boileau 


1)  Die  Angabe  ist  offenbar  ein  Irrtum,  da  Graupner's  Beatallung  in  Darmstadt 
mit  dem  Januar  1709  begann.  Vielleicht  hat  er  Schieferdecker  schon  einige  Monate 
lang  als  Cembalist  vertreten;  man  kommt  dann  ungefahr  auf  eine  zweijahrige 
Hamburger  Wirkungszeit. 


576  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

von  Feind)    und  Siymon  (1709).     Von   den   in  Darmstadt    entstandenen 
Opera  ist  dem  Verfasser  des  Aufsatzes  bezeichnender  Weise   nichts   be- 
kannt  geworden:  sie  waren  Produkte  der  Hofkunst,  die  das  »Volk«  nichts 
anging.     Von  den  Angaben    des  Kalenders   weicht   die   handschriftliche 
Liste,    die    den  Hamburger  Operndrucken l)    voraufgeht,    wesentlich    ab. 
Sie  verzeichnet:  Dido  (1707),  Text  von  Hinsch2),  Antiochus  und  Stratonica 
(1708),  Text  nach  Assarini  und  Corneille  von  Feind,  Werke,  die  in  der 
Originalpartitur   erhalten    sind.     Mit  Keiser   soil  Graupner  (1707)    den 
Carneval  von  Venedig*),   Text  von  Meister  und  Kuno,   1708  Die  lustige 
Hochxeit,  eine  satirische  Posse,   und    1709   Olympia  geschrieben   haben. 
Allein  hat  Graupner  nach  dem  Hamburger  Verzeichnisse  noch  BeUeropkon 
und  Shnson,  beides  Texte  von  Feind,  in  Musik  ges^tzt.     Seiner  Opera, 
iiber  die  sich  bislang  nur  Winterfeld  in  oberflachlich-anerkennender  Weise 
geauBert  hat4),  wird  spater  ausfuhrlich  zu  gedenken  sein.    C.  Monckberg 
sagt  in  seiner  Geschichte  der  Freien  und  Hansastadt  Hamburg5),  wohl 
auf  Chrysander8)  fuBend,  1693  sei  die  bis  dahin  noch  gepflegte  biblische 
Grundlage  der  Hamburger  Oper  vollig  geschwunden.    Das  ist  nach  der 
oben   gegebenen  Liste  doch  nicht   ganz  richtig;    das  letzte   Opernwerk 
Graupner's  aus  der  Hamburger  Zeit  heiBt  in  seinem  vollstandigen  Titel: 
»Der  Fall  des  groBen  Richters  in  Israel,  Simson.  Ein  Musikalisches  Trauer- 
spiel*.   DaB  Graupner  in  diesem  Werke  andere  Wege  als  in  den  friiheren 
Opera  gegangen  sei,  ist  wenig  wahrscheinlich.    Der  biblische  Untergrund 
ist  fur  den  Dichter  des  Textes   nur   ein  Vorwand   gewesen;    das  ganze 
Trauerspiel  steckt  voll  von   echtem  Opern-Spektakel,  Maschineneffekten 
und  Hanswurstereien.     Wie  hatte  Graupner  da  auf  den  Gedanken  eines 
neuen  Stiles  kommen  sollen? 

Fiir  die  Texte7)  der  Opera  Graupner's  insgesamt  gilt  das,  was  schon 
Chrysander  iiber   andere   dahin  gehorende  Dichtungen   gesagt   hat;   sie 


1)  Exemplar  der  Hamburger  Stadtbibliothek. 

2)  Pasque*  sagt,  die  Oper  habe  nicht  gefallen,  weshalb  die  >Unternehmer«, 
die  sich  nicht  mehr  getrauten,  Graupner  die  Komposition  einer  Oper  zu  Qbergeben. 
sich  an  Handel  gewandt  hatten,  der  dann  »rasch  nacheinander*  zwei  neue  Opera. 
Der  begluckte  Flortndo  und  Die  verwandelte  Daphne  geschrieben  hatte!  Vgl.  dazu 
Chrysander  a.  a.  0. 

3)  Soil  nach  Pasque*  Graupner's  erste  Oper  sein,  zu  der  er  einige  altere  Arien 
Reiner's  benutzt  habe,  die  Oper  habe  auBerordentlich  gefallen.  Sie  ist  ein  Ge- 
mengsel  von  allerhand  Tor-  und  Tollheiten. 

Pasqu^  erwahnt  noch:  2/  fido  amico  oder  Der  getreue  Freund  Berkule*  uni 
Theseus t  Text  nach  dem  Ital.  von  Breymann.  So  auch  Eiemann  im  Opera- 
Handbuch  und  im  Lexikon. 

4)  Der  evangel.  Kirchengesang.    Leipzig  1847.    III.  506. 
6)  Hamburg  1886. 

6)  Handel.    I.    S.  78. 

7)  Vgl.  dazu  auch  £.  0.  Lindner,  Die  erste  stehende  Deutsche  Oper.  Berlin 
1866. 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's.  577 

sind  als  solche  durchaus  schwachliche  und  erbiirmliche  Produkte  ohne 
jeden  sprachlichen  oder  psychologischen  Reiz,  entbehren  aller  tiefer  an- 
gelegten  Konflikte,  gehen  auf  ode  Liebesspielereien  hinaus,  der  Art,  daB 
zur  Haupthandlung  eine  oder  auch  zwei  Nebenhandlungen  parallel  laufen, 
wodurch  Gelegenheit  zu  allerhand  MiBverstandnissen  und  deren  triviaier 
Losung,  zu  Seufzern,  Klagen  und  Wutausbriichen  gegeben  wird,  und 
mischen  in  der  sattsam  bekannten  Art  deutsche  und  italienische  Arien 
unter  einander.  Eine  Prosaiibersetzung  sorgt  dafiir,  daB  der  tiefsinnige 
Text  dieser  italienischen  Arien  vom  Leser  verstanden  werde. 

In  dieser  sinnlich-schwiilen,  in  kiinstlerischer  Beziehung  eine  tiefer  an- 
gelegte  Xatur  sicherlich  nicht  befriedigenden  und  unerquicklichen  Atmos- 
pharp  ware  Graupner  vielleicht  nicht  gerade  verkommen.  Aber  es  ist 
doch  die  Frage,  ob  er  sich  trotz  der  Anerkennung,  die  sein  Schaffen 
fand1),  gegeniiber  Reiser  auf  die  Dauer  hiitte  halten  und  Geltung  ver- 
schaffen  konnen?  Er  selbst  erzahlt  uns,  er  habe  sich  bald  von  Hamburg 
weggesehnt;  allerlei  »VerdrieBlichkeiten«  hatten  ihn  gequalt.  Geldnote 
mogen  ihn  bedrangt,  galante  Affairen  ihn  bedriickt  und  verfolgt  haben. 
Er  spricht  von  einem  Hoffnungsstern,  der  ihm  damals  im  Traume  auf- 
gegangen  sei :  als  er  AnschluB  an  den  Darmstadter  Hof  und  damit  eine 
gesicherte  Lebenslage  gefunden  hatte,  verklarte  sich  ihm  der  Traum,  den 
ihm  in  angstvollen  Stunden  Wiinsche  und  Hoffnungen  geboren,  zu  einem 
Himmelsgeschenke,  das  ihm  Erlosung  aus  seinen  Noten  verheiBen  habe. 

Landgraf  Ernst  Ludwig  von  Hessen-Darmstadt  war  1678  als  Knabe 
von  11  Jahren  zur  Regierung  gelangt,  die  wiihrend  seiner  Minderjahrig- 
keit,  10  Jahre  lang,  durch  seine  Mutter,  Elisabeth  Dorothea  von  Sachsen- 
Gotha,  gefiihrt  wurde.  Der  junge  Fiirst  war  ein  groBer  Liebhaber  der 
Musik.     Buchner2)  erzahlt: 

>In  seinem  ganzen  Leben  hielte  Er  viel  auf  die  Music,  wie  Er  dann 
selbsten  viele  schone  Musicalische  Stiicke  inventiret,  auch  in  seinen  j  linger  en 
Jahren  galant  auf  der  Laute  gespielet«    .  .  . 

Seine  Reisen  hatten  den  Fiirsten  nach  Paris,  nach  Wien  gefiihrt. 
Franzosische  und  italienische  Opern  waren  ihm  nicht  unbekannt  geblieben. 
1706  und  1708  hatte  er  Hamburg  besucht  und  war  mit  Mattheson  und 
andem  Musikern  in  irgendwelche  Verbindung  gekommen.  In  der  Elbe- 
stadt  fand  der  prunkliebende  Fiirst  eine  mit  allem  erdenklichen  Luxus 
ausgestattete  deutsche  Oper,  die  Ernst  und  Scherz,  glanzende  Maskeraden 
und  Aufziige  in  Hiille  und  Fiille  bot.  Was  Wunder,  daB  da  der 
Wunsch  in  ihm  Wurzel  schlug,   in  seiner  eigenen  kleinen  Residenz  eine 


1)  Das  Vorwort  zur  Lustigen  Hochzeit  preist  Keiser,  den  berdhmten  Monsieur 
Hendeln,  wie  auch  den  nicht  weniger  rtthmenswerten  Monsieur  Graupnern. 

2)  Buchner'e  Cbronik,  S.  1165  (1724).  Handschriftl.  auf  dem  Gr.  H.  u.  Staats- 
archiv  Darmstadt.    Vgl.  auch  Kleefeld,  Nagel  a.  a.  0. 


578  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

Oper  groBen  Stiles  ins  Leben  zu  rufen?  Opern,  Schaferspiele  mit 
Musik,  in  denen  die  f urstlichen  Personen  selbst  aufgetreten  waren,  Schau- 
spiel-Auffiihrungen  der  Truppe  des  Magister  Velthen1),  Molifere'sche  Ko- 
modien,  Farcen  und  mythologische  Stucke,  Mummereien  zur  Kamevals- 
zeit,  bei  Familienfesten  u.  dergl.  hatte  der  Darmstadter  Hof  ofter 
gesehen2),  wie  denn  dergleichen  Auffiihrungen  ja  in  groBerem  oder  ge- 
ringerem  Umfange  je  nach  den  vorhandenen  Mitteln  an  keinem  fiirst- 
lichen  Hoflialte  fehlten.  Aber  eine  regelrechte,  stehende  groBe  Oper 
war  in  Darmstadt  noch  unbekannt.  Alle  solche  Auffiihrungen  geschahen 
doch  nur  gelegentlich.  Unter  ihnen  fehlten  audi  Stucke  nicht,  die  die 
geschwollene  pathetische  Rede  des  Dramas,  mythologisches  F^belwesen 
mit  derben,  baurischen  Scherzen  mengten3).  So  muBte  auch  nach  dieser, 
Richt^ing  hin  den  empfanglichen  Landgrafen  die  Hamburger  Oper  reizen. 

Ob  Mattheson,  der  dem  Hessen-Fiirsten  sein  Werk  >Der  voll- 
kommene  Kapellmeister*  widmete,  Graupner  auf  <einen  geauBerten  Wunsch 
des  Landgrafen  nach  einer  tuchtigen  ktinstlerischen  Kraft  empfohlen,  ob 
Ernst  Ludwig  Graupner's  Opern  selbst  in  Hamburg  gehort  hat,  wissen 
wir  nicht.  Ersteres  ist  ziemlich  unwahrscheinlich,  da  Mattheson  schwer- 
lich  verabsaumt  haben  wiirde,  die  Welt  von  seinem  Verdienste  an  der 
Sache  zu  unterrichten4).  Genug:  Ernst  Ludwig  versicherte  sich  der 
jungen  und  aufstrebenden  Kraft  Graupner's,  stellte  ihm  frei,  die  Hdhe 
seiner  Besoldung  selbst  zu  bestimmen  (was  Graupner  ablehnte),  und  ge- 
wann  ihn  so  fur  Darmstadt. 

Auch  weiterhin  ist  der  Landgraf  nochmals  in  Hamburg  gewesen  und 
hat  Fiihlung  mit  dem  dortigen  kunstlerischen  Leben  behalten*). 


1)  Velthen  wirkte  in  Frankfurt.  Wie  weit  eine  Einwirkung  der  1700  nach 
der  Mains tadt  gekommenen  StraBburg-Metzischen  Operngesellschaft  auf  Darmstadt 
anzunehmen  ist,  weiG  ich  nicht.  Vgl.  C.  Valentin,  Gesch.  d.  Musik  in  Frankfort 
a.  M.    Frankfurt  1906.    S.  220. 

2)  Vgl.  H.  Knispel,  Das  Gr.  Hoftheater  zu  Darmstadt,  I.  Hlbd.  Darmstadt  a. 
Leipzig  1891.  KnispeFs  eigentliche  Aufgabe  liegt  jenseits  des  hier  berHhrten  Zeit- 
raumee ;  er  behandelt  die  in  Frage  kommenden  Dinge  nur  summarisch.  Vgl.  aach 
Pasque  und  Kleefeld  a.  a.  0. 

3)  Die  Darmst.  Hofbibliothek  bewahrt  ein  derartiges  Werk  Die  triumpkiercndt 
Tugend  (dat.  d.  6.  Sept.  1686)  auf. 

4)  In  der  Zuschrift,  die  nach  der  Sitte  der  Zeit  den  hessischen  FUrsten  in 
widerlichster  Weise  anhimmelt,  vergiCt  Mattheson  nicht,  den  Landgrafen  daran 
zu  erinnern,  wie  er  ihn  vor  30  Jahren  beim  Singen  akkompagniert  babe.  In  der- 
8elben  Zeit,  als  er  dies  schrieb,  muB  er  auch  Graupner  um  seine  Biographic  far 
die  beabsichtigte  >Ehrenp forte «  angegangen  haben. 

5)  Unterm  20.  Mai  1709  schreibt  Triesendorf  aus  Hannover  an  ihn  (Geh.  H.  o. 
St.  Arch.  Darmstadt,  II.  Abtlg.  Con  vol.  29.  Ernst  Ludwig): 

*Je  commence  a  croire  que  V.  A.  S.  a  ordonne  a  la  Chanteuse  de  Hambaurg  qui 
devoit  passer  par  icy,  de  prendre  un  autre  chemin;  je  me  mis  attendu  a  donner  *• 
Concert  a  son  occasion,  mais  Elle  na  pas  paru  jusques  icy*. 

Am  10.  April  1710  richtet  der  Landgraf  von  Hamburg  aus  an  seinen  Minister 


Wilibald  Nagel,  Das  Lebon  Christoph  Graupner's.  579 

Darmstadt. 

Das  neue  Dienstverhaltnis  Graupner's  begann  am  1.  Januar  1709. 
Seine  vom  28.  Januar  datierte  Bestallung1)  bestimmte: 

»Von  G.  Gn.  "Wir  Ernst  Ludwig  .  .  .  Urkunden  .  .  .  hiermit,  was  mass  en 
"VVir  Christoph  Graupnern  zu  unserem  Vice-Capellmeister  angenommen  haben, 
.  .  .  daB  Er,  Graupner,  Unser  Vice-Capellmeister  seye,  die  Music  sowohl  in 
alsz  auszer  der  Kirchen,  nach  anleitung  des  Ihme  ertheilten  gnadigsten 
Special  Befehls,  dirigiren,  besonders  aber  sich  zum  accompagniren  auf  dem 
Clavir,  so  offt  es  nothig,  gebrauchen  laszen,  wie  nicht  weniger  componiren 
.  .  .  solle  .  .  .  auch  Er  seinen  Rang  immediate  nach  Unserem  Renth  Cam- 
mem  Secretario,  Sahlfelden,  haben  und  dabey  mainteniret  werden  solle. « 

Als  Besoldung  wurden  500  Gulden  und  eine  Naturalienverpflegung, 
bestehend  in  16  Mltr.  Korn,  8  M.  Gerste,  6  M/Spelzen,'  4  M.  Weizen 
Darmstadter  MaBes,  8  Klafter  Holz,  3  Ohm.  Kostwein  quartaliter  gegen 
Quittung  zu  reichen2)  festgesetzt.  Tatsachlich  wird  Graupner  den  Dienst 
nicht  am  1.  Januar  angetreten  haben.  So  erklart  sich  wohl  die  spatere 
Datierung  der  Anstellung.  Er  mag  das  Weihnachtsfest  im  Kreise  der 
Seinen  verlebt  haben  und  auf  der  Reise  nach  Kirchberg  auch  wieder  in 
Leipzig  gewesen  sein,  wenigstens  erzahlt  er,  daB  er  die  seinerzeit  dort 
zuriickgelassenen  vielen  Manuskripte  (eigne  Arbeiten  und  offenbar  Kopia- 
turen)  nicht  mehr  vorgefunden  habe.  So  lange  er  in  Hamburg  dienst- 
lich  tiitig  war  und  sich  eine  Stellung  zu  erwerben  hatte,  wird  er  schwer- 
lich  nach  Leipzig  haben  reisen  konnen. 

Ein  ganz  anderer  Wirkungskreis  wie  in  Hamburg  trat  Graupner  in 
Darmstadt  entgegen.  Er  lernte  kleine  und  bescheidene  Verhaltnisse 
kennen,  aus  denen  der  Landgraf  mit  seiner  Hilfe  GroBeres  und  Glan- 
zenderes  entwickeln  wollte.  Die  finanzielle  Lage  des  Furstentums  hatte 
bisher  zur   groBten  Sparsamkeit  gezwungen3).     Von  Osten  und  Westen 


Kametzky  ein  bewegliches  Schreiben,  in  dem  er  sich  fiber  verzOgerte  Geldsendungen 
beklagt.  Es  ist  auch  von  Interesse  zur  Beurteilung  der  Hamburger  Verhaltnisse. 
>Ich  will  hoffen  es  werde  ja  einmahl  ein  schreiben  von  mir  an  ihn  einlauffen, 
woran  bishero  zweiffeln  muse,  weilen  auf  Eeines  uoch  eine  ainige  antwort  be- 
kommen,  indessen  lebe  allhier  Gott  weiss  wie  dann  ohne  geldt  wahrhafftig  an 
einem  frembden  orth  undt  sonderlich  allhier  nicht  sich  behelffen  kann,  indessen 
lauffen  die  taglichen  depences  fort  man  muss  mal  a  propos  schulden  machen, 
welches  aber  meiner  ehr  . .  .  iibele  nachricht  macht  ich  weiss  nicht  wo  ich  fast 
hinsehen  soil,  so  echame  ich  mich  .  . .«     6r.  H.  A.  Abtlg.  II.  Cony.  274. 

1)  Gr.  Hausarchiv,  Abtlg.  VIII.    H  of  theater  u.  Hofmusik.    Convol.  22. 

2)  Von  dieser  Bestimmung  wich  die  betr.  Eassenverwaltung  sogleich  beim 
ersten  Male  ab.  Graupner  bezog  laut  Quittung  vom  5.  August  d.  J.  dam  als  seine 
erste  Gage  und  z war  far  eine  halbjahrige  Dienstleistung. 

3)  Vgl.  meine  Darstellung  a.  a.  0.  S.  38  ff.  Eine  eingehende  Darlegung  der 
Finanzwirtschaft  im  damaligen  Hessen  ware  von  h5chstem  kulturgeschichtlichem 
Interesse;  ohne  jede  Frage  wiirde  sie  manche  Erscheinung  im  politischen  Leben 
des  Landes  bis  in  die  Rheinbundzeit  hinein  aufhellen  und  erklaren. 


580  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  GraupnerV 

her  trachteten  miichtige  Feinde,  das  alternde  heilige  romische  Reich  zu 
Y  vernichten.^Hessische  Truppen  batten  im  Reichsheere  gegen  den  1683 
Wien  belagernden  Kara  Mustafa  gekampft  und  Johann  Sobiesky  ge- 
bolfen,  die  Turken  zu  verjagen.  Im  ersten  Jahre  von  Ernst  Ludwigs 
Regierung  waren  die  furchtbaren  Scharen  Ludwigs  XIV.,  der  Anspruch 
auf  die  Erbgiiter  Karls  von  der  Pfalz  erhoben  hatte,  auf  deutschem 
r  Boden  erschienen,  die  Pfalz,  badisches  und  anderes  Land  verwiistend 
\\j  und  ausraubend.  Worms  und  Mainz  waren  aufs  schwerste  bedroht. 
Noch  unterhielt  sicb  der  Hof  in  Darmstadt  vortrefflich  bei  franzosischen 
Balletts  und  anderen  Lustbarkeiten ,  als  der  Anmarsch  der  Franzosen 
auf  Frankfurt  und  Darmstadt  gemeldet  wurde.  Der  junge  Landgraf 
war  fern.  Als  er  1694  in  seine  Hauptstadt  zuriickkehrte,  hatte  diese 
schwere  Zeiten  hinter  sich:  1691  und  1693  war  Darmstadt  gebrand- 
schatzt  worden.  Es  gait  jetzt  zunachst,  die  durch  »franzosische  Volker* 
A  zerstorten  Hauser  neu  aufzurichtenT]  Da  war  es  kein  Wunder,  daB  den 
fiirstlichen  Kassen,  die  von  a,llen  Seiten  in  Anspruch  genommen  wurden, 
oft  das  Geld  ausging,  daB  fallige  Gehalter  nicht  bezahlt  werden  konnten, 
daB  z.  B.  der  Witwe  eines  Musikers  eine  Abschlagszahlung  auf  eine 
geschuldete  Summe  in  Gestalt  eines  fetten  Schweines  gereicht  werden 
muBte.  Unter  solchen  triiben  Verhaltnissen  lieBen  sich  keine  groBen 
kiinstlerischen  Plane  verwirklichen.  Aber  seit  dem  Frieden  von  Ryswik 
(1697)  waren  dem  Reiche  wieder  friedlichere  Zeiten  beschert,  es  kam 
leidliche  Ordnung  auch  in  das  Finanzwesen  Hessens,  und  der  Landgraf 
konnte  daran  denken,  seinen  Wiinschen  Erfiillung  zu  verschaffen.  Aber 
das  Wollen  war  groBer  als  das  materielle  Vermogeji.  So  blieben  denn 
Enttauschungen  nicht  aus,  und  die  Dinge  nahmen  im  Laufe  der  Zeiten 
eine  ganz  andere  Richtung,  als  sie  der  Landgraf  urspriinglich  geplant 
hatte. 

DaB  der  damals  noch  lebende  Darmstadter  Kapellmeister  Wolfg. 
Karl  Briegel  an  der  beginnenden  Neugestaltung  der  Dinge  beteiligt 
gewesen,  ist  kaum  anzunehmen.  Graupner  brachte  schon  kurze  Zeit 
nach  seinem  Erscheinen  eine  neue  Oper  zur  Auffuhrung  und  wurde  als 
Nachfolger  Briegels,  der  im  November  1712  starb1),  am  28.  Januar  1711 
Kapellmeister2).     Schon  im  vorhergehenden  Jahre  erscheint  der  Name 

1  Briegel's  Lebensgang  8.  in  seinen  Umrissen  bei  Eitner  a.  a.  0.,  woeelbst 
auch  die  Literatur  liber  ihn  zu  finden.  Pasqu^'s  Phantastereien  Qber  Briegels 
>Opern«  sind  Eitner  nicht  bekannt  geworden.  Briegel  verdiente  ohne  Zweifel  ein- 
mal  eine  monographische  Behandlung. 

2)  Es  handelt  sich  nach  Ausweis  der  Akten  nur  urn  eine  Titelanderung;  doch 
fQgt  das  Bestellungsdekret  bei,  daB  Graupner  »kfLnftighin  aber  mit  Unseren 
Cammer-  und  Kriegs-Secretariis  der  anciennete  nach  rouilliren  solle*.  Graupner 
erhielt  weder  hdheres  Gehalt  noch  grftftere  Naturalbezflge  angewieeen.  Genau  so 
wurde  auch  Grunewald  (Griinewald)  gestellt. 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Chris toph  Graupner's.  581 

Gottfr.  Griinewald's,  seines  Hamburger  Freundes,  in  den  Akten. 
[|3eine  Beziehungen  zu  Graupner  gehen  wohl  bis  in  dessen  Leipziger  Zeit 
zuruckjl704  war,  wie  schon  mitgeteilt,  Griinewald's  Oper  Germanicus 
in  Leipzig  mit  dem  Komponisten  als  Sanger  gegeben  worden.  Uber  des 
Mannes  Wirken  in  Darmstadt  wissen  wir  nicht  sehr  viel J).  Seine  Freund- 
schaft  zu  Graupner  ist  allem  Anscheine  nach  sehr  innig  gewesen;  bei 
mehreren  ihrer  Kinder  haben  die  Manner  gegenseitig  Gevatter  ge- 
standen. 

Noch  ein  anderer  Musiker  lebte  damals  in  Darmstadt,  den  der  Land- 
graf  iiber  seine  Plane  ins  Vertrauen  zog,  E.  Chr.  Hesse2),  der  ausge- 
zeichnete  Gambist  und  spatere  Kriegssekretar.  Welch  e  Rolle  er  am 
Hofe  gespielt  hat,  ist  freilich  bis  jetzt  nicht  ganz  klar. 

Das  Eesultat  der  Beratungen  iiber  die  kiinstlerische  Ausgestaltung 
des  Hoflebens  in  Darmstadt  forderte  zunachst  zwei  Plane  zu  Tage,  den 
eines  neuen  Theaters  und  den  anderen  der  notigen  Erganzung  des  Perso- 
nales.  Fur  den  Theaterbau  wurde  Lafosse  gewonnen;  Graupner  und 
besonders  Hesse,  der  im  Dienste  seines  Fursten  viel  auf  Reisen  war, 
sollten  die  Kapelle  auf  eine  geniigende  Anzahl  von  Mitgliedern  und  die 
wiinschenswerte  kiinstlerische  Hohe  bringen.//  In  jener  Zeit  hat  Graupner, 
wie  aus  einer  Quittung3)  seiner  Hand  hervorgeht,  mit  Leipzig,  WeiBen- 
fels,  Hannover  und  Wolfenbiittel  korrespondiert.  Wohl  des  Engage- 
ments von  Sangern  wegen. 

Pohl  gibt  in  Grove's  Dictionary  aus  der  Darmstadter  Zeit  folgende 
Opern  an:  Berenice  und  Lucio  (1710);  Telemach  (1711);  Bestiindigkeit  be- 


1)  Vgl.  Nagel  a.  a.  0.  Ich  werde  die  wahrend  der  Vorarbeiten  dieser  Lebens- 
skizze  gefundenen  Aktenstiicke  iiber  Griinewald  an  anderer  Stelle  in  dieser  Zeit- 
schrift  mitteilen. 

2)  Vgl.  iiber  ibn  Pas  que*  a.  a.  0.  Nagel  a.  a.  0.  Aus  seinen  Brief  en  und 
Berichten  an  den  Landgrafen  teile  ich  unten  einiges  mit.  Sie  kommen  nur  in  ge- 
ringem  MaCe  als  musikgeschichtliche  Quelle  in  Betracht.  Auch  der  Person  Hesse's 
einmal  literarisch  nahzutreten  diirfte  sich  verlohnen. 

3)  Das  Darmstadter  Archiv  bewahrt  den  2.  Akt  einer  Oper  Lucius  Verus  hand- 
scbriftlicb  auf.  Der  nachfolgende  Zettel  mit  Graupner's  Handschrift  gehOrt  wohl 
hierher: 

> Specification  was  ich  wegen  Hochf.  gn.  Herrschaft  ausgelegt  habe. 

Gr.    alb 
Vor  ein  und  ein  Viertel  Buch  groB  Pappier  1      7 

Vor  ein  Reisz  Pappier  zur  Opera  3    20 

Vor  Zehrung  als  nach  Franckfurt  geschickt  worden 

Cupido  und   Venus  zu  probieren  2    28 

Vor  Briefporto  nacher  Hannover  Leipzig  WeiBenfels 

Wolfenbiittel  _2_  6_ 

10      1 
Obige  Zehn  Gulden  sind  mir  von  Ihr  Gnaden  Herrn  vom 
Kametzki  wieder  vergniigt  worden. 

Christoph  Graupner.  < 


582  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

siegt  Beting  (1719).  Erne  Oper  Lucio  Vero  e  Berenice  wurde  in  Darm- 
stadt am  4.  Marz  1710  im  landgraflichen  Schlosse  aufgefiihrt.  Als  Mit- 
wirkende  werden  genannt  der  Musikus  Renner,  Grunewald,  die 
Schoberin1)  und  die  Kaiserin,  Sangerinnen.  Der  Drucker  Gottfr. 
Haussmann  stellte  im  August  1710  eine  fiechnung  uber  600  gedruckte 
Exemplare  des  Werkes,  d.  h.  der  Dichtung,  aus.  Der  Druckerlohn  war 
59  Gulden.  Ob  es  sich  um  Nachdruck  der  Dichtung  von  Hinsch  han- 
delte,  die  Keiser  1705  in  Hamburg  komponiert  und  aufgefiihrt  hatte? 
DaB  Graupner  eine  neue  Musik  dazu  geschaffen  hatte,  verraten  die  Akten 
nicht.  Inzwischen  hatte  Lafosse  das  alte  Komodienhaus,  das  als  Inte- 
rim sbau  zur  Aufnahme  der  Oper  gedacht  war  (denn  es  bestand  der  — 
nicht  verwirklichte  —  Plan,  ein  neues  groBes  Haus  zu  errichten),  umge- 
baut.  Die  Arbeit  wurde  im  Januar  1711  fertig.  Als  erste  Oper  wurde 
am  16.  Februar2)  Telemach  gegeben.  Die  Tradition  nennt  Graupner  als 
Komponisten.  Auch  hier  lassen  uns  die  sehr  mangelhaft  erhaltenen 
Akten  im  Stiche.  Fur  die  Auffiihrung  waren  Joh.  Geo.  Pisendel,  der  seit 
1709  in  Leipzig  weilte3),  Joh.  Mich.  Bohme,  Johanna  Elis.  Dobrichtin4;, 
(Venus),  in  deren  Gesellschaft  ihre  Mutter  kam,  Konst.  Knochel  und 
ein  Knabe  Blank  gewonnen  worden.  Auch  Frau  Kaiser  und  die 
Schoberin  waren  wohl  in  der  Oper  beschaftigt;  ebenso  einige  Herren 
vom  Adel.  Die  Texte  wurden  in  GieBen  gedruckt.  Die  Oper  begann 
um  4  Dhr  nachmittags  und  erlebte  eine  Reihe  von  Wiederholungen. 
Den  Mitwirkenden  wurden  ansehnliche  Summen  und  GeVdhenke  ausge- 
handigt5).  Auch  im  Herbst  des  Jahres  1711  wurden  wieder  Opernauf- 
fiihrungen  veranstaltet.     Am  7.  August  schrieb  der  Landgraf  an   seinen 


1)  Maria  Schobert  (!)  (nach  Pas  que*  a.  a.  O.)  verlieB  Hamburg  fast  zugleich 
mit  Graupner. 

2)  Das  Datum  stent  nicht  ganz  fest.  Man  kann  gegen  den  16.  Februar  gel  tend 
machen,  da6  dieser  Tag  ein  Sonntag  und  daft  der  17.  der  Beginn  des  Karnevalu 
war.  Die  Geistlichkeit  war,  wie  wir  bOren  werden,  dem  Landgraf  en  gram,  weil 
er  Sonntags  Lustbarkeiten  nicht  vermieden  hatte.  Die  Akten  en  thai  ten  aber  die 
Angabe,  daft  am  16.  Februar  die  Herrschaften,  die  >Dantzer«  und  die  Sangerin 
mit  >Schukelade«,  Thee  und  Kaffee  im  Theater  bewirtet  worden. 

3;  Eitner  a.  a.  0. 

4)  Sie  kam  wohl  aus  WeiBenfels:  hier  wird  um  1691  ein  Dan.  D.  als  Mitglied 
der  W.-Querfurter  Hofkapelle  erwahnt.    Vgl.  Eitner  a.  a.  0.  und  weiter  oben. 

6)  Minister  Kametzky  schrieb  an  den  Verwalter  Rohr  unterm  11.  Marx  1711. 
er  so  lie  >auff  Befehl  J.  H.  D.  die  Mile.  Ddbrichtin  nebst  Ihrer  Mutter  ingleichen 
M.  Kntfchel,  Hrn.  Graupner  (den  Vater?),  Mr.  Bishandel  und  Mr.  Bdhm  im  Darni- 
stadter  Hoff  logieren,  und  weil  Sie  auf  den  Donnerstag  und  Freytag  von  Franck- 
furt  abreisen,  sollen  sambtl.  Personen  defrayrt  werden.  Der  H.  Verwalter  gelibe 
mir  das  Conto  zu  schicken.«  —  Was  ein  Joh.  H.  Freetz,  fQr  den  Graupner 
200  Gulden  auslegte,  die  ihm  die  fQrstl.  Easse  am  5.  April  1711  zuruckzahlte,  fQr 
das  Spiel  bedeutete,  weiB  ich  nicht  zu  sagen.  Die  Ausstattung  fflr  Telemach  wurde 
zum  groOen  Teil  aus  Paris  bezogen.  Ober  diese  Dinge  liegt  allerlei  Material  vor. 
das  indessen  fiir  unsere  Zwecke  bedeutungslos  ist. 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Chris toph  Graupner's.  583 

Minister  Kametzky,  er  moge  bei  den  jetzt  beginnenden  Proben  anwesend 
sein  und  aufpassen,  daB  alles  recht  zugehe.  Niemand,  wess  StanSes  er 
sei,  diirfe  den  Proben  auBer  den  ira  Spiele  Beschiiftigten  beiwohnen  — 
auch  ein  Bild  aus  der  alten  Zeit  des  Patriarchal- Staates:  der  Minister 
als  Aufsichtsperson  bei  der  Opernprobe! 

Die  Einfiihrung  regelmaBiger  Opern-Darstellungen  in  Darmstadt1)  ge- 
schah  nicht,  ohne  daB  ein  Teil  der  Geistlichkeit  lebhaften  Widerstand 
leistete.  Es  wiederholte  sich  die  Erscheinung,  die  einige  Zeit  zuvor  in 
Hamburg  gespielt  und  dort  wie  auch  anderswo  ihre  Erledigung  zugunsten 
der  Oper  gefunden  hatte.  Per  Pietismus  war  nach  teilweise  verniinftigen 
Anfangen  auf  bedenkliche  Abwege  ins  Schwarmerische  hinein  und  in 
aufdringlich-dreisten  Bekehrungseifer  geraten.  In  maBlos  iibertriebener 
Einschatzung  seiner  eignen  Wiirdigkeit  erklarte  er  allem  weltliehen  Wesen 
den  Krieg.  Heitere  Geselligkeit  war  ihm  ein  Greuel,  Spazierengehen  er- 
klarte er  fiir  eine  schwere  Siinde,  Kartenspiel,  Tanz  und  Theater,  kurz 
jede  Art  »galanten«  Zeitvertreibs  stempelte  er  zum  Greuel  und  Ver- 
brechen  vor  Gott.  Dem  Landgrafen  wurden  seine  weltliehen  Neigungen 
keineswegs  nachgesehen.  Wird  man  den  fanatischen  Ubereifer  der  Pie- 
tisten  belacheln  miissen,  so  darf  man  doch  auch  nicht  den  Mut  zu  riihmen 
vergessen,  mit  dem  pietistische  Prediger  ihrem  Landesherrn  entgegen 
traten.  Unter  ihnen  nahm  Oberhofprediger  Bielefeld2)  eine  hervor- 
ragende  Stelle  ein.  Er  hatte  dem  Fiirsten  Vorhaltungen  gemacht3),  daB 
er  seinen  Kindern  an  Sonntagen  einen  Tanz  gestattet  hatte,  und  war 
bereits  1698  in  einem  ausfiihrlichen  Schreiben4)  vorstellig  geworden,  das 
hier  mitgeteilt  sei:  ^ 

»Was  E.  H.  D.  .  .  .  mich  von  einigen  sowol  auf  Seiten  des  Hrn.  Hof- 
predigers  als  Inspectoris  vorgegangenen  Bestraffungen  wegen  derer  biszhero 
gehaltenen  assemblSen  gnadigst  berichten  wollen,  Solches  babe  .  .  .  verlesen 
.  .  .  Nun  ist  nicht  ohne,  dasz  sowol  von  Wetzlar  aus  anhero  schriftlich,  als 
auch  von  einem  hier  durchreysenden  Grafen  der  Bericht  mundlich  geschehen, 
Es  siihe  zu  Darmstadt  gantz  anders  wiederum  aus,  und  wurden  wochentlich 
offentliche  Ballet  gehalten,  wobey  man  sich  in  allerhand  Lustbarkeiten  tiver- 
tirete:  Ich  konnte  aber  solches  nicht  glauben,  bisz  mir  .  .  .  durch  ein  Schreiben 
vom  Hrn.  Hofprediger  .  .  .  gemeldet  wurde,  dasz  man  einige  assembleen 
wochentlich  bey  Hofe  hatte  veranstaltet  .  .  .  Ich  kann  aber  die  Arth  iiber 
diese  Sache  sich  zu  moviren  und  ,  .  .  zu  eyfern  .  .  .,  nicht  eben  approbiren : 

1)  Genaue  Nachrichten  fehlen.  Einige  Plane,  Szenarien  usw.  haben  sich  er- 
halten.     Das  einzelne  hier  aufzufflhren  ware  zwecklos. 

2)  Er  8tammte  aus  Wernigerode  und  war  vom  Landgrafen  nach  Darmstadt  be- 
rufen  worden.  Seit  1693  war  er  auch  Professor  in  GieCen.  Er  starb  1727.  Vgl, 
Strieder  a.  a.  0.  Ferner:  W.  KShler,  Die  Anfange  des  Pietismus.  (Die  Uni- 
versitat  GieBen  von  1607  —  1907,  Festschrift  zur  3.  Jahrhundertfeier.  II,  203 ff. 
Giefien  1907.) 

3j  Geh.  H.  Arch.  Ernst  Ludwig.     Korr.  Konv.  23. 
4)  Geh.  H.  Arch.  Abt.  VIII.    Konv.  270. 


584  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner'«. 

weil  sie  es  ja  mit  einer  solchen  Herrschafft  zu  thun  haben,  die  nicht  gantz 
frembde  von  Gott  und  semen  Wegen  feind  ist,  sondern  ihre  Hertzen  daza 
beqvehmet  ...  In  dessen  .  .  .  Ich  setze  dieses  ausser  alien  Zweiffel,  dasz 
E.  H.  D.  ...  wenigstens  in  der  vesten  Meynung  ihres  Hertzens  stehen,  Sie 
begiengen  in  diesen  Stiicken  nichts,  was  den  heiligen  Gott  beleidigen  mogte, 
dahero  Sie  solches  vermeyndlich  gantz  innocenten  tivertissements  halber  keinen 
Scheu  vor  jemanden  dorfften  tragen:  Ich  bin  auch  dieses  von  Dero  Liebe 
zu  Gott  persvadiret,  dasz  Sie  keinen  Gefallen  daran  haben,  wo  fern  andere 
bey  solcher  Gelegenheit  ihr  eitles  Hertz  und  Sinn  lassen  ausschweiffen,  und 
denen  siindlichen  Lusten  Platz  geben.« 

Bielefeld  gibt  nun  zu  bedenken,  daB  »durch  diese  Dinge*  die  Heiligung 
der  Seelen  nicht  befordert  werde,  daB  Gott  vielleicht  eine  in  solcbem 
»  Divertissement*  abgerufene  Seele  schwerlich  »wachend«  finden  werde; 
dann  seien  «>die  gedriiueten  Zeiten  der  gottlichen  Gerichte  taglich  niiher 
fur  der  Thiir*:  so  lasse  sich  also  nicht  sagen,  ob  nicht  von  der  »Gemein- 
schaft  derer  iippigen  und  eitlen  Welt-Geister  einige  Befleckung  auf  Sie 
falle«  .  . .  Dazu  komme  das  groBe  Argernis,  welches  bei  anderen  erweckt 
werde,  die  »ihre  schandlichsten  Verschwendungen,  operen,  und  dergleichen, 
hirmit  zu  justificiren  vermeynen*  .  .  .  Bei  herannahender  Weihnachtszeit 
moge  der  Landgraf  das  Spiel  ausstellen  und  »kiinftighin  keine  ordinaire 
noch  mit  allerleiGemeinschafft  befleckte  Anstalt  wiederum  hinaus lassen* . . . 

Die  Angntte  gegen  das  weltliche  Wesen  waren  damit  nicht  zu  Ende; 

in  den  niichsten  Jahren   wurden  sie  im  Gegenteil  noch  immer  heftiger. 

Der  Pietist  Joh.  Christ.  L an ge  verfaBte1)  1704  eine  ergotzliche  Schrift 

'-  gegen  das  Tanzen  der  »heutigen  galanten  Welt«.j[Sie  lfeBi  dem  »Volke« 

7>um  seines  >ungebrochenen  Wesens*   willen  einige  Tanze]|  der  Gebildete 

aber  sollte  sich,   das  war  die  Quintessenz,  von  derlei  »Rekreation<  ab- 

wenden  und   edlere  Geniisse   aufsuchen.     Im  Tanze  liegt  —  die  Weise 

erklingt  ja  wohl  auch  heute  noch  zuweilen  —  Reiz  zu  boser  Lust,  eitle 

Ostentation,  Versuchung  zu  Pracht  und  Verschwendung. »( jDer  Tanz  ist 

gauklerisch  unniitze,  hochst  unanstandige  Gestikulation   des  Weltgeistes, 

i     >fiir    deren  Begriindung   hochstens    eine   weltpolitische  Raison,   in  lege 

x  consuetudinis  fundirt,   iibrig  bleibt«j    Das  war  die  bleliebte  und  allezeit 

offen  gehaltene  Hintertiire  der  weltlichen  Gewalt  gegeniiber  ....  Aufs 

schilrfste    wurde    der  Landgraf    personlich    durch    den   Prediger  PhiL 

Bindewald   angegriffen.     In    einem    langen,  Darmstadt   den    20.  April 

1715   datierten  Schreiben2)   geht  er  unbarmherzig  mit  ihm  ins  Gericht 

Gegenstiinde  der  Anklage  waren  des  Fiirsten  Liebe  zu  schonen  Frauen, 

Jagden  und  der  Oper.     »Es  streitet  auch  .  .  .  gegen  E.  H.  D.  theuerste 

Seele  ...  die  allzu  groBe  Beliebung  an  den  operen  und  Comoedien  .  . .« 


1;  Vgl.  W.  Diehl.   Aus  den  Akten  des  GieCener  Tanzstreites.     (Lndoviciana. 
Feetzeitung  der  3.  Jahrhundertfeier  der  Universitfit  GieBen.     GieBen  1907,  S.  5a 
2;  Gr.  H.  u.  St.  Arch.  Darmstadt.    Abtlg.  VIII,  270. 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  GraupnerV  585 

Auch    das    war    ein    altes    und    an    gar    mancher    Stelle    gesungenes 
Lied. 

Sicherlich  sind  derlei  Angriffe  am  Landgrafen  nicht  spurlos  voriiber- 
gegangen.  DaB  sie  ihn  aber  bestimmt  hatten,  seine  Neigung  fiir  kost- 
bare  Opernauffiihrungen  zu  unterdriicken,  wird  man  nicht  behaupten 
diirfen.  CDas  brachten  andere  Dinge  innerhalb  weniger  Jahre,  wie  wir 
horen  werden,  fertigf) 

Die  Opern  Lucio  Vero  und  Tdemach  (falls  sie  uberhaupt  von  Graupner 
herriihren1),  seine  anderen  Kompositionen, '  sein  Ruf  als  Klavierspieler 
batten  den  jungen  sachsischen  Meister  in  Darmstadt  gut  eingefuhrt.  Zwar 
war  seine  Stellung  nach  auBen  hin  keine  glanzende,  aber  in  den  be- 4 
scheidenen  Verhaltnissen  der  Stadt  wurde  sein  Name  bald  bekannt.  Im 
guten  iurfii  im  schlechten  Sinne.  Die  Dinge  liegen  nicht  ganz  klar.  Es 
war  schon  davon  die  Rede,  daB  Hesse  als  Agent  Ernst  Ludwigs  wirkte2). 
Der  Landgraf  hatte  ihm  am  22.  September  1711  von  Amsterdam  aus 
verschiedene  Auftrage  erteilt,  auf  die  ihm  Hesse  unter  anderem  ant- 
wortete : 

>Je  croirois  done  que  Paisible3)   s 'acquitteroit  de  la  Coinmission  dont  il 


1)  Aus  Pasqug's  Darstellung  ergibt  sicb,  daB  die  Partituren  zu  seiner  Zeit 
nocb  im  Besitze  der  Darmstiidter  Hofbibliothek  gewesen  sind  {!).  Jede  Spur  von 
ibnen  scheint  verloren. 

2)  Ich  bringe  bier  aucb  einen  aus  Wien  am  7.  Nov.  1710  von  Hesse  an  den 
Landgrafen  gerichteten  Brief  bruchstfickweise  zum  Abdruck,  der  allerlei  interes- 
santes  entbalt.  Mit  Kaiser  ist  offenbar  nicbt  R.  Reiser,  sondern  Johann,  der 
Gatte  der  oben  als  Sangerin  genannten  Kai serin  gemeint.  Cber  Scot schoff sky 
und  Burkhard  vgl.  Nagel  a.  a.  0.  Hesse  war  seit  dem  25.  Oktober  1710  in 
Wien  >ou  je  ne  laisse  pas  de  frequenter  tout  ce  qtiil  y  a  dT habile  gens  au  Service  de 
Sa  Majt*  Imperiale,  parmi  les  quels  Fux  et  Bononcini  sont  du  premier  Rang,  et  e'est 
imme  avec  le  premier  que  je  traite  journellem*  dans  la  sublime  de  la  Composition.  Je 
fais  encore  compte  de  porter  avec  moy  une  bonne  partie  de  Musiques  Excellentes,  tant 
vocales  qu*  Instrumentales  moyennant  la  Seule  copiature  et  le  papier,  dont  il  faut  satis- 
fairc  au  Copistes.  S'il  est  toujours  vray,  que  Kaiser  selon  son  inquietude  ordinaire 
et  precipitante  veut  quitter  le  Service,  il  y  a  moyen  de  dedommager  V.  a.  s.  de  ce  cote 
la,  memes  avec  bien  de  Vavantage,  a  Vheure  qu'il  plaira  a  V.  A.  S.  de  m'en  donner 
les  Ordres  necessaires  pour  remplir  ces  deux  places. 

Tag  en  attendant  decouvert  icy,  mats  non  pas  sans  peine,  un  Excellent  Trompete, 
il  syappcUe  Scottschofsky,  Hongrois  de  nation,  encore  Gar  con,  qui  a  Servi  pendant  deux 
ans  le  Comte  Staremberg  en  Espagne,  Franc  et  par  fait  en  Musiqut,  jouani  en  meme 
terns  du  Violon  et  qui  en  un  mot  Vemporte  de  fort  loin  sur  les  autres  Trompetes  a 
Darmstatt,  fay  cru  bien  faire,  ^engager  cet  home  sur  les  memes  conditions  les  quelles 
V.  A.  S.  a  accordc  a  Bourckhard  ainsi  que  je  supplie  V.  A,  S.  .  .  .  de  m'octroyer  sa 
Ratification  Id  dessus,  oil  $  autres  ordres,  avec  le  premier  ordinaire,  ou  que  je  Serois 
fort  fache  que  V.  A.  S.  perdit  cet  abile  homme.  Toucliant  la  bande  de  Hautbois  que 
V.  A.  S.  a  dessein  de  faire  venir  de  Berlin,  je  la  Supplie  de  me  faire  Savoir  ses 
ordres  la  dessus,  afin  que  fen  puisse  donner  part  a  Tromp,  et,  en  cas  que  V.  A.  S.  le 
jugeroit  a  propos,  de  prendre  mon  Retour  par  Berlin,  pour  y  entendre  moy  mime 
rhabilite  de  cette  nouvellr  bande  . .  .c  (Akten  des  Geh.  Hausarcbivs.  II.  Abt.  Korresp. 
E.  Ludwigs.     Con  vol.  273.) 

3)  Hesse  korrespondierte  auch  mit  dem  seit  1710  in  England  befindlichen  Han- 

s.  d  IMG.    x.  39 


586  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

s'est  charge,  Si  je  ne  le  connoissois  pas  de  longue  main,  de  sorte  queje  cretins 
quUl  riait  oublii  le  lendemain  ce  qtCil  a  pramis  la  veitte,  car  e'est  en  quoy 
que  consists  Son  veritable  Garaciere. 

Je  prends  au  reste  la  libertf,  Monseigneur,  d'exposer  a  Yotre  Altessc  Ser9"6 
les  besains  les  plus  pressants  du  departement  de  la  Musique,  dont  voicy  les 
points  les  plus  essentielles  dans  t inclose,  en  suppliant  Y.  A.  S.  .  .  .  de  faire  la 
grace  a  ceux  qui  y  Sont  InteressS  et  de  les  consoler  au  premier  ordinaire  de 
Sa  gracieusc  Resolution.  Vater1)  sur  tout  est  fort  presse;  Je  n'ai,  outre  ce 
que  fai  debourse  a  Yienne,  pas  seulem1  touche  pour  cette  annee  un  Seul  Sou 
de  mes  gages,  Sans  cela  favancerois  du  meilleur  de  mon  Coeur  a  cet  honite 
komme  ce  quUl  Lui  est  du.  Mais  V article  de  Griinewald  ne  presse  pas, 
puisque  il  a  toucM  de  quoy  faire  Son  voyage2).  Graupner  etoit  Sur  le  preci- 
pice de  perdre  Sa  Reputation,  Sans  le  pas  qu'il  vient  de  faire,  dont  fauray 
rhonneur  tfexposcr  les  raisons  a  V.  A.  S.  dabord  qu'Elle  Sera  de  retour  icy. 
Tout  le  monde  convient  quHl  a  tres  bien  fait,  ayant  choisi  une  fillc  egalm1  belle 
et  sage.  II  n\j  a  que  la  maniere  dont  il  S^est  Servi  de  Lui  declarer  Sa  passion 3) 
qui  est  particuliere,  et  qui  merite  d'etre  ecoutee.  .  .  .< 

Der  SchluB  des  mitgeteilten  Schreibens  laBt  nur  die  Annahme  zu, 
daB  Graupner  die  Torheiten  der  Hamburger  Tage  in  Darmstadt,  sicher- 
lich  dem  hierzu  ungeeignetsten  Orte,  fortzusetzen  versucht  hatte.  Es 
mag  ihm  schwer  genug  geworden  sein,  sich  und  sein  Wunschen  zu  be- 
scheiden!  Seine  Verlobung  war  das  beste  und  wohl  einzige  Mittel,  die 
briichig  gewordene  Reputation  wieder  herzustellen.  Seine  Braut  hieB 
Sophie  Elisabeth  Eckard4)  (Eckhard,  Eckert). 

Die  Hochzeit  fand  im  September  1711  statt5).  Aus  der  Ehe  gingeo 
folgende  Kinder  hervor:  Maria  Elisabeth,  geb.  9.  Aug.  1713;  Christoph*) 

del.  Am  18.  Okt.  schreibt  er  dem  Landgrafen  aue  Darmstadt.  (Geh.  H.  Archiv  E.  L. 
Privatkorr.  Convol  273).  *Hendel,  qui  rrCa  ecrit  depuis  deux  fois  de  Londres,  m'a 
toujours  charge  d  assurer  V.  A.  S.  de  la  Continuation  de  ses  tres  humbles  Respects, 
e'est  de  quoy  fay  Phonneur  de  m'acquiter  si  bien  que  de  Lui  faire  les  memes  assurances 
de  ma  part...*  Er  mag  auch  Beziehungen  zu  James  Paisible,  der  vielleicht 
hier  gemeint  ist,  einem  Operetten-Komponisten  der  Zeit  und  spater  als  Vorsteher 
der  Kgl.  Kapelle  bekannten  Musiker,  gebabt  haben.    Vgl.  Eitner  a.  a.  0. 

1}  Christian  Vater  aus  Hannover  hatte  1711  je  ein  Klavier  fur  das  Theater 
und  Graupner  geliefert.    Vgl.  Kleefeld  a.  a.  0. 

2]  Bezieht  sich  wohl  auf  das  Griinewald  ausgeworfene  Reisegeld,  urn  von 
Hamburg  nach  Darmstadt  zu  fab r en,  und  auf  seine  erste  Besoldung. 

3)  Pasque  a.  a.  0.  S.  676 f.  eagt,  Graupner  habe  das  18jfihrige  Madchen  ent- 
iflhrt. 

4)  Nach  Pasque  a.  a.  0.  S.  676  war  der  Vater  Eckart  Hofbildhauer  zu  Darm- 
stadt. Die  Familie  scheint  aus  Oberhessen  zu  stammen,  wenigstens  wird  (Kirchen- 
buch)  die  GroBmutter  der  Braut  mdtterlicherseits,  Frau  des  weil.  Ratsverwandten 
und  (Kirchen)-Kastenpflegers  in  Nidda  als  Patin  des  altesten  Eindes  Graupner's  er- 
wahnt.  W.  Diehl  (Stipendiatenbuch  der  hess.-darmst.  Universitaten  .  .  .  Hirsch- 
horn  1907,  S.  41)  erw&hnt  einen  Joh.  Pet.  Eckhard  von  Nidda,  Sohn  des  Gust.  Eckert. 
Er  war  1689 — 1702  Pfarrer  zu  Bischofsheim.    Vgl.  auch  weiter  unten. 

5)  Pasque"  a.  a.  0.  Offenbar  nicht  in  Darmstadt,  da  die  kirchlichen  Register 
keinen  entsprechenden  Eintrag  enthalten. 

6}  »wegen  der  confusion  ausz  dem  entstandenen  groGen  Brand  im  F&rstl. 
SchloG  im  Hausze  getauft.c    (Kirchenbuch.) 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's.  587 

geb.  19.  Mai  1715,  gest.  19.  Mai  1760;  Joh.  Christoph  i),  geb.  28.  Nov.  1719; 
Georg  Christoph,  geb.  den  27.  Juli  1722,  gest.  28.  Juli  1722;   Ludwig 
Christoph,  geb.  2.  Juni  1725.    Heinrich  Christoph,  geb.  5.  Oktober  1726; 
Christoph  Gottlieb,  geb.  23.  Juni  1732,  gest.  24.  Juli  (?)  1806.    Aus  den 
Verzeichnissen  der  Paten  dieser  Kinder  gewinnen  wir  auch  einen  leider 
nur  bescheidenen  Einblick  in  die  freundschaftlichen  Beziehungen  Graupner's. 
Genannt   werden   der  Pfarrer  Gg.  Schott   von  Auerbach,    ein   Pfarrer 
Zickwolf 2)  und  Frau  zu  Auerbach,  Kaufmann  Ludwig  Eckard  zu  Frank- 
furt,  vielleicht  Frau  Graupner's  Bruder,  Pfr.  Lichtenberg  und  Frau  zu 
Neunkirchen  i.  0.  und  spater  zu  Oberfamstadt,  [der  Vater  des  Physikers v  7 
und  trefflichen  satyrischen  Schriftstellers^J  Diese  Beziehungen  Graupner's  . 
zu  hessischen  Theologen  sind  hochst  interessant.    Auch  mit  der  Familie 
Dippel,  deren  Mitgliecf,  der  Pfarrer  Joh.  Philipp,  »im  Zeitalter  des  Pietis-N 
mus  zu  den  fiihrenden  Geistern  ganz  Deutschlands  gehorte,  und  fiir  die 
deutsche  Aufklarung  bahnbrechender  gewirkt  hat  als  irgend  einer  seiner 
hessischen  Zeitgenossen*,  hat  Graupner  in  freundschaftlichen  Beziehungen^ 
gestanden:    1713    war   er  Pate   des  Christoph,  Sohnes   von  Joh.  Alb. 
Dippel  in  Nieder-Rammstatt4). 

Am  13.  Mai  1713  verlor  Graupner  seine  Mutter  Marie,  die  dem  Sohne 
in  die  neue  Heimat  gefolgt  war. 

Wir  haben  schon  gehort,  daB  die  Zahl  der  Opera  aus  Graupner's 
Darmstadter  Zeit  sehr  klein  ist.  Nach  1719  hort  man  nicht  von  der- 
gleichen  Arbeiten  mehr.  Wenn  der  Landgraf  die  Pflege  der  Oper 
schweren  Herzens,  wie  wir  ant^nmen  diirfen  (denn  ihr  galten  seine  Nei-f  /  ' 
gungen  nicht  zum  wenigsten),  preisgab,  so  konnen  darai  nur  die  schlech- 
ten  finanziellen  Verhaltnisse  seines  Landes  und  Hofes  die  Schuld  getrSgetx 
haben.  Die  Akten  sind  voll  von  Klagen  iiber  hochst  mangelhafte  Ein- 
lauf e  der  feezuge  der  Hof angestellten ;  der  unbezweif elbar  redliche  Wunsch 
des  Landgrafen,  die  Aftspruche  seiner  *Dieher  zu  blf$ecligen,  die  Ver- 
hiiltnisse  zu  ordnen  und  sie,  wie  er  einmal  (19.  Sept.  1715)  an  Kametzky 
schreibt,  »wiedet  auf  einen  gewissen  und  fermen  FuB«  zu  bringen,  »denn 


1)  Er  heiratete  eine  Johanette  Charlotte  Blanck;  dem  Paare  wurde  am  9.  Fe- 
bruar  1758  der  erste  Sohn,  Joh.  Christoph,  geboren.  Graupner  stand  bei  seinem 
Enkel  Gevatter.  Weitere  Kinder  sind:  Geo.  Wilh.,  geb.  4.  Oktober  1759.  Frieder. 
Sophie  geb.  10.  Juli  1761.  Christian  Martin,  geb.  5.  Juli  1763.  Eleonore,  geb. 
29.  Mai  1767.  Der  Vater,  vormals  F.  Reg.-Sekretarius,  war  damals  Kammer-Rat. 
Endlich:  Wilh.  Remigius  Christoph,  geb.  9.  Nov.  1770. 

Der  Name  Graupner  scheint  von  da  ab  aus  den  Kirch enbflchern  zu  verschwinden. 

2,  Christ.  He(i  nr.  Zickwolf  von  Sulzbach,  1713  —  27  Adjunkt,  bis  1743  Pfarrer 
in  Auerbach,  bis  1729  ft)  Pfarrer  in  Re  in  born.  Vgl.  W.  Die  hi,  Ordinations-  und 
Introduktionsbuch  des  Darmst.  Definitoriums.    Beitr.  z.  Hess.  Kirchengesch.  4.  Iff. 

3)  Ich  gebe  weiter  unten  einige  Daten  zu  seiner  Lebensgeschichte. 

4  Vgl.  W.  Die  hi  in  der  »Wochenbeilage  der  Darmst.  Ztg.  4.  Jahrg.  Nr.  6. 
1909* 

39* 


588  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  GraupnerV 

die  Leuthe  liegen  mir  sonst  auf  dem  Halss  und  ist  des  anlauffens  kein 
ende<  —  erfiillte  sich  nicht  Allerlei  Yorschlage  wurden  dem  Fiirsten 
gemacht;  solche  bedenklicher  Art  fehlten  nicht,  wie  der  eines  Mainzer 
*,*?  Juden  beweist,  der  1717  ein  Projekt  wegen  der  Salz-Admodiation  (Pacht) 
im  Lande  Hessen  ausgearbeiteL-hatte1),  gegen  das  Kametzky  erne  scharf 
ablehnende  Stellung  einnahm.lt (Da  muBten  denn  wohl  oder  iibel  Erspar- 
nisse  an  allerlei  entbehrlichem  gemacht  werdenj  Auch  die  Oper  fiel,  und 
der  Hof  muBte  8ich  mit  den  Auffiihrungen  kirchlicher  und  kleiner  welt- 
licher,  vorwiegend  instrumentaler  Werke  begniigen. 

DaB  freilich  die  theatralischen  Auffiihrungen  ganz  aufhorten,  ist  durch- 
aus  nicht  anzunehmen.  Auch  ohne  auBergewohnliche  Kosten  lieBen  sich 
mit  Hilfe  der  Hofgesellschaft,  der  Musiker  und  der  Kirchensanger  aller- 
lei Opernwerke  geben.  Leider  besitzen  wir  keine  Dokumente,  die  iiber 
diese  Dinge  erschopfenden  AufschluB  gaben.  DaB  der  Landgraf,  seitdem 
er  die  Hamburger  Oper  kennen  gelernt,  das  Interesse  an  Werken  fremder 
Zunge  verloren  habe,  wie  erzahlt  wird,  ist  nicht  wahr.  Am  13.  Marz 
1715  schickte  ihm  Joh.  Fr.  von  Stain2)  die  Oper  Telemach  (gemeint  ist 
offenbar  das  1714  in  Paris  aufgeftihrte  Werk  des  Abbe  Pellegrin  mit 
der  Musik  des  A.  C.  Destouches)  aus  Paris  mit  den  Worten  zu3i: 

Jay  donne  (!)  un  paquet  a  (!)  notre  Banquier  contiend  (!)  V  Opera  d*  7>fe- 
inaque  (!)  en  Musiqw  La  Tragcdie  (!)  de  Caton  celh  de  Muhametx  {!)  et  plu- 
sieures  esta?npes  par  ksquelles   Vostre  Altesse  verra  le  gout  (!)  des  Francois  (!) 

Auch  franzosische  Schauspielauffuhrungen,  deren  Abstellung  Kametzki 

1718  aus  okonomischen  Griinden  eindringlich  forderte,  fanden  noch  statt; 

<?    ^inzelne   Rollen  zu  ihnen  haben   sich  erhalten.     Mit  ihnen  wechselten 

1)  Geh.  H.  Archiv,  Abtlg.  II.     Conv.  274. 

2)  Vgl.  fiber  ihn  Strieder  a.  a.  0.  IV,  S.  269. 

3}  Geh.  H.  A.  Abt.  II.  Conv.  278.  Ohne  schlechtes  Franz5sisch  ging  es  nan 
einmal  nicht.  Gegen  die  Art,  in  der  Kleefeld  a.  a.  0.  den  Landgrafen  Ernst 
Ludwig  zu  einem  in  zielbewuBter  Weiee  deutsche  Kunet  und  deutschen  Sinm 
pflegenden  Fiirsten  macht,  muB  auf  das  entschiedenste  Stellung  genommen  werden. 
Zu  ihr  berechtigt  nicht  ein  einziger  Zug  im  Wesen  des  F  firs  ten,  dem  ganz  im 
Gegenteil  nicht  zum  wenigsten  die  Verwelschung  des  Tones  seiner  Zeit  zu  ver- 
danken  ist.  Objektive  Geschichtschreibung  und  byzantisch-liebedienerische  Schrift- 
stellerei  schaffen  verschiedenartiges ;  das  Bjld  des  Fiirsten,  das  heute  noch  in  den 
Schulbfichern  usw.  im  hellsten  Lichte  strahlt,  wird,  sobald  wir  einmal  eine  vor- 
urteilslose  Monographic  fiber  ihn  besitzen  werden,  starker  Schatten  nicht  ent- 
behren,  die  durch  seine  maOlose  Verschwendungssucht  und  Unfahigkeit,  sich  selbst 
zu  beurteilen,  durch  die  von  der  Not  gebotene  Steuerverweigerung  der  Bauern, 
die  in  ihrer  grenzenlosen  Krbitterung  selbst  Hand  an  die  Steuerboten  zn  legen 
sich  nicht  scheuten,  durch  die  starke  hessische  Auswanderung  nach  Ungarn  u.  a.  m. 
gegeben  werden.  Ihnen  stehen  freilich  sympathische  Zfige  gegenfiber:  Versucbe 
zur  Verbesserung  von  Rechts-  und  Schulpflege,  durch  die  Ansiedelung  von  Wal- 
densern  bekundete  politische  Klugheit.  DaC  er  sich  Graupner's  annahm,  verdient 
besondern  Dank.  Aber  der  Landgraf  hat  doch  schwerlich  in  der  Oper  tiberhaopt 
ein  Stfick  deutscher  Kultur  gesehen:  sie  war  ihm  wegen  des  mit  ihr  verbundenen 
Glanzes  lieb.  aus  keinem  andern  Grunde. 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's.  589 

Maskeraden  zur  Karnevalszeit  und  sonstige  Unterhaltungen.  DaB  Graupner's 
und  der  Hofmusik  Dienste  bei   solchen  Gelegenheiten  begehrt  wurden,      ^ 
versteht  sich  von  selbst;  es  geht  das  ubrigens  auch  daraus  hervor,  daB 
bei  den  Szenarien  von  Festziigen  u.  a.  regelmaBig  die  Rede  von  Musikern 
ist,  die  die  einzelnen  Gruppen  kostiimiert  zu  begleiten  hatten.j  <^ 

Auch  schon  bevor  der  Landgraf  die  Oper  preisgab,  war  Graupner's 
hauptsachlichstes  Arbeitsgebiet  die  Musik  fiir  Kirche  und  Kammer  ge- 
wesen.  Wir  werden  spater  sehen,  welch  erstaunliche  Fruchtbarkeit  der 
Meister  auf  diesen  Gebfeten  entwickelte.  Die  kiinstlerischen  Verhaltnisse 
der  Hofmusik  von  Grand  aus  umzugestalten  und  zu  neben,  muB  ihm 
schon  kurze  Zeit  nach  seiner  Anlnintt  in  Darmstadt  gegliickt  sein.  1712 
suchte  ihn  und  Griinewald  Joh.  Friedr.  Fasch  auf,  um  tiefer  in  die  Ge- 
heimnisse  der  musikalischen  Komposition  einzudringen.  Graupner  war 
auf  der  Thomasschule  sein  Prafektus  gewesen1).  Beide  nahmen  sich  seiner 
mit  Liebe  an  und  informierten  ihn  »aufs  treulichste*,  ohne  »das  ge- 
ringste  .  .  .  zu  nehmen*.  Der  erwahnte  Aufsatz  des  Darmstadter  Kalen- 
ders  berichtet: 

»Zum  Vergnugen  seines  Furs  ten,  der  Freund  und  Kenner  der  Musik 
war,  brachte  er  (Graupner)  in  kurzer  Zeit  die  hiesige  Kirchen-  und  Theater- 
musik  sowohl  durch  seine  Compositionen,  als  auch  durch  Herbeyziehung 
mehrerer  Virtuosen  in  ejn  solches  Aufnehmen,  dass  sie  damals  fur  eine  der  vor-  • 
ziiglichsten  in  Teutscnland  gehalten  wurde.  Selbst  der  beriihmte  Telemann 
ftihrt  zur  Empfehlung  einer  seiner  Serenaden  an,  dass  sie  vor  ihrer  Bekannt- 
machung  der  unvergleichlichen  Execution  des  Darmstadtischen  Orchesters 
gewiirdigt  worden*2).  * 

Diesen  guten  Ruf  hat  Graupner  im  Laufe  seines  weiteren,  eifrigster 
Arbeit3)  gewidmeten  Lebens  immer  mehr  befestigt.  iGanz  gewiB  hat  es  ? 
ihm  auch  an  Anerkennung  durch  seinen  Herrn  nicht  gefehlt,  und  doch 
konnte  er  sich  in  Darmstadt  nicht  wohl  fuhleu,j  Wie  die  anderen  Hof- 
bediensteten,  hatte  auch  er  unter  der  fortwahrenden  Geldnot  der  fiirst- 
lichen  Kassen  zu  leiden,  durch  die  ihm  z.  B.  1717  die  erbetene  Ver- 
mehrung  der  Zahl  der  Kapellmitglieder  unmoglich  gemacht  wurde.  Die 
iible  Lage  wirkte  schiidigend  auf  den  Verkehr  zwischen  Ernst-Ludwig  7 
und  seinen  Dienern  ein,  so  daB  Kametzky  am  21.  Juli  1722  sein  —  spater 

1)  Lebenslauf  des  Hochf.  Anhalt-Zerbstschen  Capellmeisters,  Herrn  J.  F.  Fasch 
'Zusatz  zu  Walther's  Lex.  S.  240).  Vgl.  Marpurg  Hist.  krit.  Beytr.  III.  S.  126 f. 
Berlin  1757. 

2}  Vgl.  fiber  das  Ansehen  Graupner's  in  Deutschland  auch  die  Schlufibemer- 
kungen  fiber  seinen  NachlaC. 

3)  Graupner  schrieb  alle  seine  Partituren  selbst.  Die  Belege  fiber  den  Bezug 
an  Papier  und  Federn  liefera  erg3tzliche  Beispiele  des  Bfirokratismus.  Laut  De- 
kret  vom  5.  Dez.  1721  sollte  er  fttr  die  kirchl.  Komposition  3  Reiss  an  gutem 
Notenpapier  beziehen.  Gemeint  war  der  jahrliche  Bezug  dieses  Quantums.  Weil 
dies  aber  nicht  ausdrucklich  angegeben  war,  muCte  er  gegen  die  Weigerung  der 
Herausgabe  durch  den  Kammerschreiber  lang  und  breit  petitionieren. 


590  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christopb  Granpner's. 

zuriickgezogene8  —  Entiassungsgesuch  einreichte.  Mit  beweglichen  Worten 

klagte  er,  daB  der  Landgraf  seine  Rate  als  Lakaien  und  Sklaven  behan- 

dele   und   seinen  Vorschlag,  zur  Verbesserung  der  finanziellen  Lage  die 

Parforcejagden,  zu  denen  sich  zahlreiche  fiirstliche  Besucher  einzustellen 

pflegten,  und  die  franzosische  Komodie  abzuschaffen,  abgewiesen  habe. 

z  Das  >Mecontentement  der  meisten  Bedienten*  nahm  zu.     Kametzky,  ein 

}     achtunggebietender  Charakter,  stellte  selbst  dem  Landgraf  en  ein  friiher 

^erhaltenes  Geschenk  von   10000  Gulden  zur  Verfiigung!     Unter  diesen 

Verhaltnissen  muBte  Graupner,  zumal  da  seine  Famiiie  schon  recht  zahl- 

reich  war,  bekiimmert  in  die  Zukunft  blicken.     In  dieser  Zeit  schwerer 

Sorgen  traf  ihn  die  Nachricht  von  der  Erledigung  des  Thomas-Kantorats 

in  Leipzig.     Damit  kamen  Tage  groBer  seelischer  Aufregungen  fur  ihn. 

Am  25.  Juni  1722  war  der  Thomas-Kantor  Joh.  Kuhnau  gestorben. 
Mitte  Juli  begannen  in  Leipzig  die  Ratsverhandlungen !)  wegen  der 
Wiederbesetzung  seiner  Stelle. 

J.  F.  Fasch,  Geo.  Balth.  Schott,  G.  Phil.  Telemann  u.  a.  wurden 
als  die  ersten  in  Betracht  gezogen.  Anfangs  August  legte  Telemann 
Probe  ab.  Er  gefiel,  aber  eine  Schwierigkeit  wegen  der  mit  dem  Kanto- 
rate  verbundenen  Schulstunden,  die  Telemann  nicht  in  der  Lage  war  zu 
erteilen,  blieb  zu  beheben.  J)er  Sorge,  Presentation  und  Gratulation  des 
Gewiihlten  musse  in  lateinischer  Sprache  geschehen,  entschlug  sich  der 
Ratleicht:  ein  Vorschlag,  die  deutsche  Sprache  zu  gebrauchen,  was  >nach 
beschaffenheit  ieziger  Zeiten  ohne  bedenken  .  .  .  geschehen  konnec,  blieb 
unwidersprochen.  Man  sieht,  wie  das  Beispiel  des  Christian  Thomasius, 
des  Sohnes  des  ehemaligen  Rektors  der  Thomasschule,  nachwirkte;  er 
hatte  1687  begonnen,  an  der  Universitat  in  deutscher  Sprache  zu  lesen, 
und  gab  seit  dem  folgenden  Jahre  die  dem  Gelehrtendunkel  gar  iibel 
mitspielende  Monatsschrift  »Freimiithige  .  .  .  Gedanken*  heraus;  all- dies 
hatte  zwar,  verbunden  mit  seinem  Eintreten  fiir  den  Pietisten  Francke, 
1690  seinen  Wegzug  nach  Halle  zur  Folge,  blieb  aber  doch,  wie  erziihlt, 
audi  weiterhin  fiir  Leipzig  von  Bedeutung.'] 

Gegen  Ende  November  wurde  im  Rate  der  Stadt  bekannt,  daB 
Telemann  auf  das  Amt  verzichtet  hiitte;  zu  den  alteren.  Bewerhgrn  trat 
jetzt  u.  a.  noch  Joh.  Christ.  Rolle  aus  Magdeburg. 

Fasch,    >ein   geschickter  Mensch*,    schien    die   meiste  Aussicht    zu 
'     haben,     erkliirte    jedoch,    er    konne    die    vei4arigte    Information    nicht 
erteilen. 

Am  21.  Dezember  wurden  im  Rate  Mitteilungen  iiber  weitere  Meldungen 
gemacht:  »als  der  Kapellmeister  Graupner  in  Darmstadt  und  Bach 
in  Kothen.* 

1    Protokolle  in  <lie  Knge.    (1700—25.,     Leipzig,  Rats-Archiv. 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's.  5U  L 

Zur  Probeleistung,  »insonderheit  zuiii  informieren*  wurden  Rolle, 
Kauffmann  aus  Merseburg  und  Schotte  zugelassen. 

Graupner  kam  zur  Zeit  der  Neujahrsmesse  1722  nach  Leipzig  und 
lieB  sich  auf  Begehren  des  Rates  mit  eigenen  Kompositionen  in  der 
Kirche  horen.  Er  hatte  dann  wohl  die  Seinen  in  Kirchberg  feesucht  und 
spielte  auf  der  Ruckreise  am  24.  Januar  (Sonntags)  nochmals  vor  dem 
Rate.     Das  Sitzungsprotokoll  vom  19.  Januar  berichtet: 

Biirgermeister  Lange  proponirte  —  es  habe  sich  .  .  .  Graupner  gemeldet 
und  vverde  Sonntag  die  Probe  machen,  »der  habe  nun  alien dhalben  ein  gutes 
Lob,  wie  unterschiedene  Briefe  auswiesen,  nur  ware  praecaution  zu  nehmen, 
dass  er  bey  seinem  Hoffe  dimittiret  vverden  konne,  welches  man  ihm  ver- 
meldet;  welcher  iedoch,  dass  er  nicht  fest  verbunden  Bey,  und  was  ihn  zur 
mutation  bewege,  sich  erklaret;  Eame  es  nur  darauf  air,  ob  wenn  es  mit 
der  probe  wohl  ablieffe,  ihm  das  Cantorat  aufgetragen  werden  auch  ob  man 
vorher  an  den  Herrn  Landgrafen  schreiben  solle.« 

Burgermeister  Plaz  erklarte,  er  kenne  Graupner  zwar  nicht  speziell, 
»iedoch  mache  er  eine  gute  Gestalt  und  schiene  ein  feiner  Mann  zu 
seyn«. 

Von  anderer  Seite  wurde  auf  das  Graupner  lobende  Urteil  des  Kapell- 
meisters von  Dresden1)  verwiesen,  auch  darauf,  daB  Kauffmann  ihn  fiir 
besser  als  sich  selbst  halte.  Auch  Telemann  wurde  wieder  erwahnt,  der 
geringer  als  Rolle  sein  solle. 

Ein  Ratsmitglied  meinte,  Rolle  und  Bach  sollten  auch  zur  Probe  bei- 
gezogen  werden. 

Der  Verhandlung  folgte  sofort  das  amtliche  Schreiben  an  den  Land- 
grafen von  Hessen,  onne  daB  erst  die  verlarigie  zweite  Probe  abgewartet 
worden  ware. 

>Durchlauchtigster  Ftirst,  Gnadigster  Herr,  Ew.  H.  D.  geruhen  gn.  sich 
in  unterthanigkeit  vortragen  zu  lassen,  welch ergestalt  wir  bey  wieder  Ersetzung 
der  iezt  vacirenden  Stelle  eines  Directoris  Musices  alhier  unser  meistes  ab- 
sehen  auf  H.  Christoph  Graupnern  gerichtet,  welcher  die  Gnade  und  das 
Gltick  genuszet  in  E.  H.  D.  Diensten  als  Capellmeister  sich  zubefiuden, 
Zuvor  aber  in  der  Schulen  zu  St.  Thomas  hiesigen  Orthes  viel  Jahre  nach 
einander  als  ein  Alumnus  erzogen,  unterhalten,  und  informiret  worden:  wir 
haben  ihm  au,ch  dieserwegen  unsere  intention,  als  er  in  lezt  abgewichener 
Neujahrs  Messe  die  seinigen  zubesuchen  hieher  gekommen,  und  sich  auff 
unser  begehren  mit  seiner  composition  in  der  Kirchen  horen  laszen,  bereits 
eroffnet,  und  an  ihm  wahr  genommen,  dasz,  dafern  E.  H.  D.  Sich  wolten 
bewegen  laszen,  solches  gnadigst  zu  agreircn,  er  weiter  wohl  kein  Bedencken 
haben  durffte  obberuhrte  Direction  der  Music,  und,  was  dieser  anhangig,  zur 


1)  Gemeint  ist  Joh.  David  Heinicben,  der  seit  1717  auf  Lebenszeit  als  Leiter 
der  Sachs.  Hofkapelle  vorgesetzt  war.  Vorher  hatte  er  fiir  Leipzig,  wohin  er  von 
WeiOenfels  aus  auf  DSbricht's  Rat  gegangen  war,  mehrere  Opern  komponiert,  die 
Graupner  wohl  auch  kennen  gelernt  hat.  Cber  seine  ersten  Beziehungen  zu  ihm 
vgl.  oben. 


592  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

Danckbarkeit  des  alhier  in  seiner  Jugend  genossenen  Unterhalts  anzunehmen. 
Wann  dann  aller  Welt  zur  Qniige  bekandt,  dasz  E.  H.  D.  nicht  allein  mit 
Virtuosen  seines  gleichen,  daran  sich  dermahlen  bey  una  Mangel  ereignen 
will,  im  tiberflusze  versehen  sind,  sondern  auch  taglich  von  andern  neu  an- 
kommenden  am  Beforderung  angelanget  werden:  Als  leben  wir  des  unter- 
thanigsten  Vertrauens  .  .  .  dasz  gedachter  Herr  Graupner  nach  vorgehender 
gnadigster  Erlaszung  seiner  biszherigen  Dienste,  die  ihm  yon  uns  zugeeignete 
Function  annehmen  moge  ..  .  Leipzigk  den  20.  Januarij  1723. « 

Uber   den  Fortgang   der  Angelegenheit   erfahren   wir   zunachst   aus 
einem  Brief e  Graupner's  an  den  Burgermeister  Lang  in  Leipzig  naheres. 

»HochEdelgebohrner  Herr  Hoher  Patron. 

Ew.  Excellenz  berichte  hierdurch  schuldigst  dasz  nach,  Gott  lob,  gliik- 
lich  zuriick  gelegter  Reisze  nunmehr  schon  vor  8  Tagen  so  wohl  das  Schreiben 
Eines  Edlen  Hochweisen  Baths  zu  Leipzig  als  auch  ein  memorial  meiner 
dimissian  wegen  Ihr.  Hochfiirstl.  Durchl.  meinem  gnadigsten  Herrn  ubergeben. 
Erwarte  alszo  alle  Tage  resolution',  solte  solche  nicht  bald  folgen,  so  werde 
noch  weitere  Erinnerung  deszentwegen  thun.  Es  wird  zwar  meine  Verande- 
rung  von  hier  von  meiner  gnadigsten  Herrschafft  gar  ungerne  gesehen,  habe 
aber  dennoch  Hofnung  mit  aller  Ehre  und  Gttte  wegzukommen,  da  zumahl 
auch  noch  nichts  ungnadiges  verspuhret.  Es  haben  sich  zwar  einige  meines 
Decrets,  davon  Ew.  Excellenz  schon  Meldung  gethan,  erkundiget  und  ge- 
meynet,  ich  seye  ad  dies  vitae  verbunden,  haben  aber  aus  solchen  gantz  das 
Gegentheil  und  meine  vollige  Freyheit  ersehen.  Zweiffele  also  keines  weges 
gesuchte  dimission  zu  erlangen;  wiirde  mir  auch  sehr  lieb  seyn,  wenn  kunff- 
tige  Ostern  D.  V.  da  seyn  konte,  um  diesze  Sache  vollends  zu  guten  Ende 
zu  bringen ;  Solte  mich  aber  die  spathe  resolution  meines  gnadigsten  Herri), 
wie  ich  doch  nicht  hoffe,  hieran  verhindern,  so  miiste  es  solchen  Fals  aul 
etl.  Wochen  nicht  ankommen;  "Werde  aber  so  bald  solche  erfolget,  Ew.  Ex- 
cellenz so  gleich  davon  Nachricht  iiberschreiben.  Mein  Hausz  ist  auch  aus- 
gebothen,  geben  sich  auch  etl.  an,  die  darzu  Lust  haben,  dorffte  aber,  wie 
es  scheinet,  groBen  Verlust  leiden  miiszen,  indem  sich  solche,  dasz  ich  weg 
gehe,  zu  Nutz  machen.  "Wenn  ich  mich  nun  zu  bloszer  Vermiethung  nicht 
verstehen  will,  so  werde  wohl  alles  eingehen  miiszen.  Nach  empfangener 
dimission  wird  alsden  meine  hieszige  Besoldung  cessiren;  Konte  nun  durch 
Ew.  Excell.  Vermittelung  geschehen  /:  doch  ohne  einige  Maszgebung  :/  dasz 
dortige  Besoldung  eine  Zeitlang  vorher,  etwa  von  meiner  Probe  an  mir 
zugerechnet  wiirde,  so  wiirde  mein  groszer  Verlust,  den  ich  wegen  desz 
Hauszes,  Hausz-Rathes  und  dergleichen  leiden  musz  nicht  so  gar  grosz  und 
einiger  massen  ersetzet.  Ich  habe  an  Ew.  Excell.  viel  Liebe  /:  die  ich  zwar 
noch  nicht  verdienet  :/  vor  mich  verspuhret,  werde  aber  ins  kiinfftige  durch 
Fleisz  und  Gefalligkeit  suchen,  solcher  mich  wiirdiger  zu  machen.  Haben 
Ew.  Excell.  einige  Befehle  an  mich,  so  wird  Herr  Protonotarius  Peterman 
mir  alles  wiszend  machen. 

Der  ich  im  ubrigen  mit  allem  Respect  u.  aestimation  verharre 

Ew.  Excellenz  Meines  hohen  Patroni 
gantz  gehorsamst  und  ergebenster  treuer  Diener 
Darmstat  d.  7.  Febr.  1723.  Christoph  Graupner. « 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's.  593 

Die  Bemiihungen  Graupner's  waren  umsonst;  der  Landgraf  weigerte 
ihm  die  Entlassung.  Uber  die  Vorgange  besitzen  wir  ein  uberaus  inte- 
ressantes  Schriftstiick  von  Kametzky's  Hand. 

»Mit  dem  Capellmeister  Graupner  habe  gesprochen,  und  Jhm  gesagt, 
das  Se.  Hochf.  Dchlt.  an  den  Leipziger  Stadt  Rant  schreiben  wiirden  und 
verlangen,  dasz  Sie  Jemand  anderst  suchen  soil  ten,  ich  mercke  soviel,  dasz 
Er  die  Vorgeschlagnen  Conditiones  mit  denen  200  bisz  300  G  addition,  und 
Bezahlung  der  Schulden  acceptiren  wiirde,  allein  die  Leute  trauen  nimmer, 
Er  antwort  mir  dasz  dergl.  schon  offt  versprochen  aber  niemahls  gehalten 
worden,  mann  horete  ja  wie  es  andern  ergienge,  und  wie  Jedermann  lanien- 
tierte)  item  er  hatte  gesehen,  wie  mann  dem  alten  Priigel  (Briegel)  im  alter 
die  gage  genommen,  u.  Ibn  hunger  lejden  lassen,  wann  Se.  Hochf.  Dchlt.  mit 
todt  abgehen  sollte,  oder  Er  unvermogend  wiirde  und  neue  besser  gefallen, 
wiirde  mann  es  Ihm  wieder  abziehen,  Er,  allegirte  auch,  wie  Sie  offt  horen 
miisten,  dasz  die  Begs,  und  Cammer  Bathe,  Ihme  Ihre  besoldung  vorwerf- 
feten.  wann  Er  nun  mehr  bekame,  wiirde  die  Jalousie  noch  grbfier  seyn, 
mann  sehe  es  nur  mit  der  frucht  bestallung,  die  man  Ihnen  nicht  zu  rechter 
Zeit  gebe  und  allezeit  daran  schuldig  bleibe.  Er  verlangt  selbst,  dasz  wann 
Se.  Hochf.  Dchlt.  an  die  Stadt  Leipzig  schreiben  wurden,  Sie  Jhn  nicht  an- 
nehmen,  Er  miiste  aber  Zu  Gott  seuffzen,  wann  Er  anstatt  gliicklich  sich 
zu  sehen,  hier  mit  Weib  u.  Kindern  ins  Elend  gerahten  miiste.  Mir  gehen 
dergl.  TVorte  sehr  zu  hertzen,  und  weil  Ich  von  zukiinfftigen  dingen  nichts 
sprechen  kann,  vielmehr  grossere  confusion,  mangel  und  ungliick  vor  mir 
sehe,  so  habe  weiter  nichts  sagen  mogen,  sondern  S.  Hochf.  Dchlt.  was  die- 
selben  hierauff  gndst.  resolviren  wollen,  anheim  stellen  wollen.  falsz  Se.  H. 
D.  an  die  Stadt  Leipzig  schreiben  wollten,  so  bitte  unthgst,  dasz  S.  H.  D. 
die  sache  vorhero  wohl  iiberleg,  ob  Sie  den  Graupner  sogleich  bezahlen,  und 
von  nun  an  einen  sichern  fond  zu  Ihrer  besoldung  auszmachen  konnen,  dann 
auff  das  blose  sagen  und  Versprechen  traut  Niemand  mehr,  es  hat  schon  zu 
lang  gewiihrt,  und  ist  immer  arger  geworden,  wollte  auch  rath  en,  dass  S. 
H.  D.  die  sache  bald  mit  Ihm  etwa  durch  Hn.  von  Miltiz,  der  sehr  chargrin 
ohne  dem  ist  und  wann  Er.  horete,  dasz  dergl.  affaire  durch  mich  tractirt 
wiirde,  es  nur  mehr  werde(n)  dorffe,  zu  rede  bringe(n)  lassen  mogten.« 

Eine  Marginal-Notiz  dazu  besagt: 

»Der  Graupner  bleibet  und  ist  die  sache  mit  ihme  endtlich  ausgemachet. 
ist  demnach  das  schreiben  ad  Magistr.  Lips,  zu  fertigen.* 

In  einem  Brief e,  dem  die  seelische  Erregnng  des  Schreibers  anzu- 
merken  ist,  berichtet  Graupner  den  Ausgang  der  Angelegenheit  an  Biirger- 
meister  Lang. 

»Hoch  Edelgebohrner  Herr  Hoher  Patron 

Ew.  ExcelP  vom  12  ten  an  mich  ergangene,  habe  wohl  erhalten,  auch 
so  gleich  die  Inlage  an  Ihr.  Excell*  Herrn  geheimdten  Bath  von  Kameytsky 
wohl  bestellet,  und  damit  endliche  Resolution  erfolgen  moge,  selbigen  Ihr. 
Hochwfurstl.  Durchl.  m.  gn.  H.  selbst  iiberschickt.  Es  ist  aber  alle  ange- 
wendete  Miihe  meine  dimission  zu  erhalten  vergeblich  gewesen,  und  musz 
ich  nun  alien  Vorstellung  ungeachtet  hier  verbleiben.  Der  Zulage  meiner 
Besoldung  werde  in  den  letzten    an   Ew.  Excell*    schon  gedacht  haben,  auch 


594  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

zugleich,    dasz    dennoch   meine   resolution   nicht   andern  wiirde,   nachdem  mir 
aber    noch    weitere    addition    geschehen,    ist   mir   dabey   expresse    angedeutet 
worden,  ich  mochte  nun  solches  annehmen  oder  nicht,  bo  wiirden  Ihr.  Hochfurstl. 
Durchl.   es  dennoch  zu  machen  wiszen ,  dasz  ich  miiste  hier  verbleiben,   und 
wolten  wenn  ich  meine  Resolution  nicht  anderte,  selbst  an  den  Magistrat  zu 
Leipzig    und   an    Ih.  May.    den   Konig    meinetwegen   schreiben.      Habe   fber 
dennoch  am  vergangenen  Sonnabend  noch  ein  Memorial  dieszer  Sachen  wegeo 
iibergeben,  und  darinne    alles   vorhergegangene   repetirt,    die   resolution   aber, 
dasz  ich  nicht  zu  entbehren,  war  einerley.     "Wurde   hernach    selbst  zu  kom- 
men  abends  um  9  Uhr  zu  Ihr.  Hochf.  Durchl.  meinem  gnadigsten  Herrn  ge- 
ruffen,    da  mir   denn   gar   viele   und    gnadige   Vorstellung   gemacbt   worden, 
Wozu  ich  nicht  im  Standte  war  Nein  zu  sagen:    zumahl  ich  in  bestandiger 
Furcht  gestanden,  wenn  I.  H.  D.  an  E.  E.  H.  Rath  zu  Leipzig   dieszerwegen 
selbst  schreiben    solten,   der  Magistrat   I.  H.  D.    nicht    wiirden    entgegen   ge- 
wesen  seyn,  sonsten  ich  alles  gantz  an  der  8  hatte  anfangen  konnen.    Da  nun 
solches    sowohl    niiindl.    als   schrifftlich  von  Ew.   Excell*  verei  chert  war,  dasz 
auszer  den   Consen-s   meines    gn.  Herrn   wohl    schwerlich  etwas  zu  thun  seyn 
dorffte,  so  habe   um  Oefahr  zu  vermeiden  mich  zwischen  zwey  Stiihle  nieder- 
zusetzen.,  meine    resolution   andern   miiszen.     E.  E.  werden   hieraus   gnugsam 
erkennen,    dasz    ich    das    meinige    redlich   gethan,    und   ich  gnugsamen   Ernst 
gewieszen  meine  di mission  zu   erhalten,  aber   obige  Umstande   zu    verandern 
ist   nicht  in  meiner  Macht  gewesen.     Hatte    ich    dieszen   alien    entgegen  bey 
meiner  Resolution  bleiben  wollen,  so  ware  in  Ungnaden   weggekommen,   und 
hernach  die  grosze  Gefahr  und  Frage  gewesen,  ob  ich  von  E.  Edl.  u.  H.  Hath 
zu    Leipzig    admittiert    worden.     Meine    Kauffer   zum   Hausz    da    sie    solchen 
Ernst  gesehen,   sind   audi   ausz  Furcht,   zurtick   gegangen.     Der   Heir  g.  R. 
von  Kameytsky    wird  Ew.  ExcelP    wiederum   antworten,    habe    zugleich   ver- 
nommen,  dasz  Ihr.  H.  D.  nechstens  auch  an  den  Magistrat  schreiben  wurdeii. 
Ich  dancke   inzwischen    Ew.  Excell'    vor   alle   verspUhrte  Liebe   und    affection 
gegen  mich,  hatte  auch  wohl  wlinschen  mogen,  dasz  mein  Zwek  hatte  konnen 
erreichet   werden.     Yerbleibe   ubrigens   mit   grostem  Respect   und    Veneration 

Ew.  Excellenz  Meines  hoben  Patron i 
gantz  gehorsamst  ergebenster  Diener 
Darmstat  d.   22.  Mart.  1723.  Christoph  Graupner.c 

Auch  von  Kamet^ky's  Hand  ging,  am  23.  Marz  1723,  ein  Schreiben1: 
an  den  Rat  der  Stadt  Leipzig  ab.  Der  Landgraf  sei  sehr  *  chagrin* 
iiber  Graupner's  Entlassungsgesuch  gewesen;  er  konne  ihn  nicht  ent- 
lassen,  da  er  in  Graupner  nicht  nur  den  Directorem  Musice$7  sondern 
auch  einen  »stadtlichen«  Komponisten  verlieren  wiirde,  wodurch  die 
»hiesige  Capell  sehr  in  Abgang  kommen  wriirde*.  Der  Landgraf  ha1>e 
deshalb  Graupner's  Gage  vermehrt,  ihn  zu  sich  gerufen  und  ihm  gut 
zugeredet.  Am  9.  April  beriet  der  Rat  weiter,  und  Bach  in  Kothec 
Kauffmann  zu  Merseburg,  sowie  Schott  aus  Leipzig  kamen  als  Nach- 
folger  Kuhnaurs  in  Yorscklag.     W.  Kleefeld2)   erzahlt,   Graupner  selbst 

1  Schuldiener-Akten.    Vol.  II.     B.  117.    Ratsarchiv  Leipzig. 

2  Graupner  und  Bach.     .Jahrbuch   d.  Musikbibl.  Peters.  1897.     S.  70.      Unt«5r 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's.  595 

habe  auf  Bach,  der,  wie  mitgeteilt,  gleichzeitig  mit  Graupner  unter  den 
Bewerbern  um  das  Kantorat  erschien,  hinge wiesen;  er  sei  »ein  Musicus, 
eben  so  starck  auf  der  Orgel,  wie  erfahren  in  Kirchensachen  und  Capell- 
Stiicken,  der  honeste  und  gebiihrlich  die  zugeeignete  Function  versehen« 
werde.  .  .  . 

Die  Neubestallung  Graupner's  lief  vom  1.  Juni  1723  ab.  Er  erhielt 
die  Zusage  einer  einmaligen  Zahlung  von  3100  G.  zur  Begleichung  seiner 
Schulden,  die  Naturalverpflegung  wie  fruher  und  ein  jahrliches  Fixum 
von  900  G.  nebst  der  hochst  notigen  Anweisung  zu  regelmiiBigera  Bezuge 
dieses  Geldes;  ferner  wurde  Frau  Graupner  fur  den  Fall  von  ihres 
Mannes  Ableben  »etwas«  ausgeworfen.  Auch  versprach  der  Landgraf, 
sich  der  Sohne,  wenn  sie  »zu  convenablen  Diensten  tiichtig«  geworden, 
anzuneiimen  und  im  Falle  der  Verrainderung  der  Kapelle  unter  seiner 
oder  seines  Nachfolgers  Regierung  Graupner's  Stellung  niemals  einzu- 
ziehen:  »sondern  derselbe,  ob  Er  auch  schon  kranck,  baufallig,  oder 
wegen  zustoBenden  Fallen  seine  Dienste  ferner  Versehen  zu  konnen,  un- 
tiichtig  wiirde,  diese  Ihrae  unterm  heutigen  Data  Verordnete  Besoldung 
bisz  an  seines  Lebens  Ende  /:  es  seye  dann  dasz  Er  von  selbsten  ab- 
dancken  wiirde  :/  behalten  soll.«  Das  neue  Dekret  unterzeichnete  der 
Landgraf  zugleich  mit  dem  Erbprinzen  am  3.  Mai  1723.  Zugleich  er- 
folgte  die  Anweisung  auf  Bezahlung  des  > Douceurs*,  in  dessen  Besitz 
Graupner  innerhalb  dreier  Monate  kommen  sollte.l 

Trotz  alien  guten  Vorsatzen  ging  es  mit  der  Aushiindigung  der  ver- 
sprochenen  Summe  nicht  ganz  schnell;  Kametzky  niahnte,  Graupner  drang, 
wie  der  Minister  am  20.  April  schrieb,  .  »sehr  stark*  auff  die  ihm  ver- 
sprochene  Bezahlung  seiner  Schulden. [und  erwahnte  gleichzeitig  einen 
trefflichen  Violinisten  in  Leipzig,  der  dem  Landgrafen  um  400  G.  dienen 
wiirde:  »Se.  H.  D.  batten  einen  nothig*.  Der  Landgraf  war  willens,  alles 
zu  erfiillen,  aber  —  der  Jude  Baer  in  Frankfurt  wollte,  wie  der  Fiirst 
am  25.  Juni  an  Kametzky  berichtete,  das  Geld  noch  nicht  hergeben  .  .  . 
SchlieBlich  wurde  die  Angelegenheit  in  befriedigender  Weise  er- 
ledigt. 

Mit  dem  geschehenen  Schritte  hatte  Graupner  uberhaupt  darauf  ver- 
zichtet,  auBerhalb  Darmstadts  eine  ihm  zusagende  Stellung  zu  finden; 
die  neuen  Anstellungsbedingungen  banden  ihn  fiir  den  Rest  seines  Lebens 
an  den  hessischen  Hof.  Sein  weiteres  Leben  vollzog  sich  in  engen  und  ? 
in  der  Hauptsache  auch  ruhigen  Bahnen.  Der  immerhin  recht  kompli- 
zierte  Apparat  der  Hofmusik  brachte  hier  und  da  Streitigkeiten,  die  ihn 
selbstredend  in  Mitleidenschaft  zogen.  Wenig  befriedigend  scheint  sein 
Verkehr    mit  den  Hesses    gewesen  zu  sein.     Eifersiichteleien  zwischen     '?) 

den  von  Kleefeld  als  Quelle  angegebenen  Personal-Akten  des  Landgrafen  Ernst 
Ludwig  habe  ich  das  betreffende  Dokument  nicht  gefunden. 


\ 


o 


596  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

den  Sangerinnen  Kaiser  und  Hesse  mogen  die  erste  Ursache  abge- 
geben  haben.  Schon  am  28.  Mai  1714  hatte  der  Gambist  und  Kriegs- 
sekretar  Hesse  sich  an  den  Fiirsten  gewendet,  um  fiir  seine  Prau  Ver- 
zeihung  in  einer  Streitsache  zu  erbitten,  gleichzeitig  aber  ersucht,  £den 
Capellmeistern  ahbefehlen  zu  laszen,  dasz  sie  sich  hinfiiro  in  compo- 
nirung  der  Parthien  vor  die  beeden  Frauen  aller  Passion  (Bevorzugung) 
enthalten  mogen. J)  Hesse  vfe'rfolgte  alle  »Fremden«,  die  Nutzen  vom 
Hofe  hatten,  mit  recht  nei3fsc&en  Blicken1).  Auch  seine  zweite  Frau 
klagte  liber  Hintansetzung.  Das  der  Zeit  um  1730  angehorende  Schrift- 
stiick  sei  mitgeteilt,  da  es  ein  offenbar  ungerechtfertdgtes  Urteil  iiber 
Graupner  enthalt  Frau  Hesse  schuldete  damals  die  Fiirstliche  Kasse 
seit  3  l/j  Jahren  4000  G.  Die  mit  vollem  Rechte  besorgte  Frau  klagte 
nun,  der  Landgraf  habe  den  beiden  Kapellmeistern  und  andern 
Mu8ikern  ihre  Gagen  bezahlt,  sie  aber,  die  den  meisten  Dienst  tue, 
habe  seit  langer  Zeit  nichts  erhalten.  Auch  ihr  Mann  habe  Riickstande 
zu  fordern. 

»Nun  ist  es  gar  nicht  fein  vom  Capellmeister,  Graupner,  dasz  er  so 
heimlich  und  hinter  den  andern  her,  nur  allein  vor  sich  und  einige  ihme 
besonders  affectionirte,  Keineswegs  aber,  wie  einem  rechtschaffenen  Capell- 
meister Zukombt,  vor  die  ganze  Capell  sollicitiret,  da  er  doch  wohl  bedencken 
solte,  dasz  er  durcb  die  gnadigst  geschenckt  bekommene  3150  G.  und  bis 
auf  900  G.  erhohete  Bestallung  vor  seine  wenige  Arbeit  (!)  gegen  mir  und 
andere  ein  grosses  Voraus  hat,  indem  sonst  noch  an  k einem  Hoff  ein  Capell- 
meister mehr  als  eine  rechte  cantatrice  hat,  sondern  durchgehends  noch  viel 
geringer  stehen.«  .  .  .  Sie  fugt  bei,  sie  habe  auch  Graupner,  Gr&newald, 
Bohm(en)  und  Kuhfuess(en)  »in  ihren  Nothen*  bei  500  G.  an  Geld  und 
"Wein  vorgestreckt. 

Es  erscheint  angezeigt,  schon  an  dieser  Stelle  der  gedruckten  Werke 
Graupner's  zu  gedenken,  soweit  wenigstens  sie  Bezug  auf  seine  Biographic 
haben.  Im  Jahre  1718  veroffentlichte  der  Meister  »Partien  auf  das 
Clavier  bestehend  in  Allemanden,  Couranten,  Sarabanden,  Giguen.  Erster 
Theil«.  Das  Werk  erschien  in  Darmstadt  im  Selbstverlage  des  Autors 
und  wurde  dem  Landgrafen  als  das  erste  der  > gedruckten  Musikalischen 
Clavier  Arbeit*  gewidmet.  Die  Veroffentlichung  der  von  Graupner  selbst 
radierten  Klavierstiicke  geschah  >auf  perstumon  guter  Freunde  und  Lieb- 
haber«.  Der  »schwachere<,  wie  der  »starckere«  Spieler  sollte  etwas  Zu- 
sagendes  darin  finden.  Als  seine  » Intention*  bei  Schaffung  der  in  der 
Mehrzahl  hiibschen  und  uberaus  gefalligen  Stiicke  gibt  Graupner  das 
»Vergniigen«  des  Spielers,  >  nicht  prahlenden  Ruhm«  an.  Die  Arbeit 
wurde  laut  Vor  wort  am  28.  Marz  1718  abgeschlossen. 

1)  So  schreibt  er  eiDinal:  »F.  a.  S.  a  tant  de  bonte  que  daccomoder  des  sujfis 
etranyers  sur  des  Recommendations  ctrangeres,  fespere  qu*  EUe  jettera  aussi  un  oeU 
gracicux  sur  un  vieux  Serviteur  affide  de  Oinquante  cinq  ans  de  service*. 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's.  597 

Nach  Gerber1)  erschien  ein  zweiter  Teil  des  Werkes  1726.  Nach 
Pasqu^*)  handelt  es  sich  nur  urn  eine  Neuauflage  des  ersten  Teiles.  1722 
gab  Graupner  ein  anderes  Klavierwerk  heraus8):  »Monatliche  Clavir- 
Friichte  bestehend  in  Praeludien,  Allemanden  . . .  meistentheils  vor  Anf anger 
heraus  gegeben  von  Chr.  Graupnern  Hochfiirstl.  Darmstatt.  Capellmeister. 
Januarius.  Darmstadtt  in  Verlegung  des  Autoris  Anno  1722  c.  Den  Kom- 
positionen  ist  eine  Vorrede  nicht  beigegeben.  Den  13,  an  kiinstlerischer~ 
Wirlrapg  dem  Inhalte  des  erst  genannten  Werkes  nachstehenden  kleinen  j 
Schopfungen  liegt  das  Schema  der  Suiten-Form  zu  Grunde.  Auch  die 
tonale  Einheit  ist  gewahrt  worden. 

1728  folgte  »Neu  vermehrtes  Darmstadtisches  Choral-Buch,  In  welchen 
nicht  alleine  bishero  gewohnliche  so  wohl  alt  als  neue  Lieder  enthalten, 
sondern  auch  noch  beydentheils  aus  mehrern  Gesang-Biichern  ein  Zusatz 
geschehen,  zum  Nutzen  und  Gebrauch  vor  Kirchen  und  Schulen  hiesziger 
Hoch-Fiirstl-Landen.  Mit  hoher  Approbation  und  vieler  Verlangen  ver- 
fertiget  von  Chr.  Graupnern*  etc. 

Da  ich  in  dem  zweiten  Teile  dieser  Arbeit  auf  das  Werk  nicht  mehr 
zuriick  zu  kommen  gedenke,  so  teile  ich  an  dieser  Stelle  alles  auf  seine 
Geschichte  Beziigliche  mit.  Graupner  begann  die  Arbeit  wahrschemlich 
auf  die  direkte  Veranlassung  des  Landgrafen4)  etwa  1726;  in  diese  Zeit 
gehort  sein  folgendes  Schreiben5)  an  den  Fiirsten: 

»Auf  E.  H.  D.  gnadigsten  Befehl  habe  bewusstes  Choral  Buch  nochmahls 
ins  reine  gebracht,  und  fehlet  daran  nichts  als  was   etwa  E.  H.  D.    Selbsten 


1)  Auch  Rie  ma  nil's  Musik-Lexikon  enth&lt  die  gleiche  Angabe. 

2)  A.  a.  0.  S.  694.  Eitner  a.  a.  0.  verzeichnet  nur  die  Ausgabe  von  1718,  die 
tibrigens  auch,  was  ihm  entgangen,  auf  der  Darmstadter  Hofblibliothek  vor- 
banden  ist. 

3)  Der  »Januarius«  ist,  als  der  einzige  vorhandene  Rest  des  Werkes,  auf  der 
Universit&tsbibliothek  zu  Rostock  erhalten.  —  Von  Graupner's  Klavierstiicken 
denke  ich  demnachst  einige  Proben  in  ein  em  fur  den  praktischen  Gebrauch  zu- 
8ammengestellten  Hefte  mitzuteilen. 

4)  Landgraf  Ernst  Ludwig  zeigte  in  seinen  spateren  Jahren  dauerndes  Inter- 
esse  an  derartigen  Arbeiten.  Im  Geh.  H.  A.  Abtlg.  II  Conv.  277  ist  ein  Schreiben 
des  D.  Job.  Jac.  Rambach,  datiert  GieOen  den  6.  Oktober  1733,  an  den  Land- 
grafen erhalten,  das  besagt,  dieser  habe  ihm  unterm  22.  Dezember  1731  befohlen, 
ein  neues  Gesangbuch  fiir  die  Fflrstl.  Lande  zusammenzustellen.  Er  habe  den 
Auftrag  vollendet  und  500  Lieder  zusammengestellt,  die  nach  bekannten  Melodien 
zu  singen  seien,  >darunter  Keines  ist,  das  nicht  schon  etwa  im  Criigerischen  oder 
anderen  bewahrten  GesangbOchern  stehen  solte,  und  habe  denselben  theils  kurtze 
Anmerkungen  zur  firleuterung  dunckler  Redens-Arten,  theils  die  Stellen  der 
heiligen  Schrift,  daraus  die  Ausdriicke  der  Lieder  genommen  sind,  beygefttgt*. 
Das  Geh.  Rats-Kollegium  habe  die  Arbeit  gepriift;  sie  sei  jetzt  schon  dem  Drucke 
flbergeben,  der  aber  durch  Krankheit  des  Druckers  verzSgert  worden  sei.  Jetzt 
sei  er  jedoch  fertig;  es  solle  bald  eine  Ausgabe  mit  grQOerem  Drucke  folgen. 
t) bersendet  Dedikations-  Exemplar  und  hofft,  es  werde  dem  Fiirsten  >als  einem 
groOen  Eenner  und  Liebhaber  guter  Lieder*  gefallen. 

5)  Original  auf  dem  Archive  des  Gr.  Oberkonsistoriums  zu  Darmstadt. 


598  ^YilibalJ  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupners. 

nach  gnadigem  Belieben  dabey  zu  erinnern  hatten.  Nechst  diessen  ist  nothig, 
dass  dem  Herrn  Superintendent  Gebhardt  E.  H.  D.  gnadigste  Meynung  dies- 
zerwegeu  moge  wiszend  gemacht  werden,  damit,  was  den  Vorschusz  betrifffc, 
Verorduung  und  Eintheilung  kan  gemacht  werden.  Die  Unkosten  an  Kupfer, 
Pappier,  Farbe  und  was  mehrers  darzu  erfordert  wird,  belauffen  sich  fiber 
500  R.  An  welchen  300  R.  zum  Vorschusz  nothig  habe.  Die  ubrige  Un- 
kosten, weil  solche  nicht  auf  einmahl  sondern  nach  und  nach  dazu  kommen, 
hoffe  selbst  bestreiten  zu  ko.  nen.  Verbleibe  fibrigens  E.  H.  D.  unterthanig- 
ster  treuer  Diener  Christoph  Graupner  « 

Der  Erfolg  einer  vom  Landgrafen  am  14.  Februar  1727  festgesetzten 
Entnahme  von  zwei  Gulden  aus  jedem  Kirchenkasten  war  ein  negativer, 
so  daB  Graupner  sich  zu  einer  »unterthanigstenErinnerung«  veranlaBtsah: 

>Xachdeme  von  den  en  Kirchen  Kasten  desz  ober  Furstenthums,  die,  zu 
Verfertignng  eines  neuen  Choral  Buchs,  erforderliche  Kosten  bisz  dato  — 
d.  i.  Endc  Mai  1727  —  noch  nicht  eingelauffen,  iminittelst  aber  die  beste 
Zeit  zur  Arbeit  voruber  streichet,  zu  geschweigen  dasz  hernachmahls  bey 
ktirtzern  Tagen  mehrere  Kosten  verursachet  werden;  Alsz  habe  urn  excitir- 
und  Beforderung  gehorsambst  bitten  wollen.* 

Der  friiher  erwiihnte  Superintendent  Bielefeld  hatte  unternommen, 
den  Landgrafen  iiber  die  Lage  im  Oberfiirstentume  zu  unterrichten,  die 
es  diesera  unmoglich  machte,  dem  Verlangen  nachzukommen,  war  aber 
durch  Krankheit  und  Tod  daran  gehindert  worden.  Aus  den  verschie- 
denen  Berichten  und  Gutachten  geht  weiter  das  folgende  hervor:  Ins- 
besondere  die  Kirchenkasten  der  Amter  Alsfeld,  Kirtdorff,  Blankenstein 
und  Biedenkopf  waren  arm  und  unvermogend,  die  allerwenigsten  hatten 
audi  nur  1  Taler  Gelcl  in  Bereitschaft,  so  daB  die  Kastenmeister  auszu- 
zahlende  Gelder  erst  um  Martini  Batzen-  und  Kreutzerweise  einsammeln 
konnten.  Dazu  kamen  vorher  auferlegte  und  geleistete  Kosten.  All  das 
veranlaBte  das  Kirchenregiment  zu  dem  Vorschlage,  das  erforderbche 
Geld  in  zwei  Terminen  zusammen  bringen  zu  lassen,  die  ganz  unver- 
mogenden  Kirchenkasten  aber,  von  der  Beisteuer  zu  befreien. 

Am  24.  Juli  1727  erging  ein  Befehl  des  Landgrafen  in  dem  ange- 
gebenen  Sinne,  doch  sollten  die  armen  Kirchenkasten,  wenn  irgend  mog- 
.  lich,  auch  herangezogen  werden!  Graupner's  Werk  wurde  nun  gedruckt 
und  brachte  auf  146  Seiten  (ohne  Register  und  Vorwort  gezahlt)  260 
Melodien  mit  hinzugefiigtem  Basse,  dessen  Bejzitterung  eine  iiberaus  ein- 
fache  ist.  Die  Vorrede  ist  fiir  Graupner's  damaligen  kiinstlerischen 
Standpunkt  so  bezeichnend,  daB  sie  hier  abgedruckt  werden  muB: 

>Geehrter  Leser. 

Geistreiche  liebliche  Lieder  sind  ohnstreitig  eines  der  wichtigsten  Stflcke  des 
Cftentlichen  Gottesdienstes,  und  mag  also  die  Sorgfalt  und  Mflhe  nicht  Tergeblich 
geachtet  werden,  welche  auf  eine  genaue  Einrichtung,  derer  zu  denenselben  er- 
forderlichen  Melodien  gewendet  wird.  Erbanliche  Worte  eineB  Gesang8t  haben 
einen  desto  tiefern  Eindruck   in  die  Gemuther,  wo  mit  wohl  bedachten  und  aus- 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's.  599 

gesuchten  Expressionen,  der  Sinn  und  Nachdruck  des  Textes,  durch  die  Music 
gleichsam  lebendig  vorgestellet  wird;  Und  ist  dieses  bey  jeder  Composition,  da 
ein  gewisser  Text  und  Worte  vorgeschrieben  sind,  das  vornehmste.  Denn  so 
lange  als  in  der  Distinction:  Punctum,  Comma,  Semicomma,  Colon,  Interrogate, 
exclamatio,  parmihesis,  und  sofort,  nicht  einerley  sind,  so  lange  folgt,  daB  jedwedes 
von  diesen  auch  in  der  Music  seine  eigene  Expressiones  haben  lnflsse.  Auch  ist 
sonderlich  in  acht  zu  nehmen,  jedem  Wort  seine  gebiihrliche  und  erforderliche 
Emphasin  zu  geben,  und  wo  sich  der  Sensus  im  Paragrapho  endet,  muB  sich  sol- 
cher  gleichergestalt  in  der  Harnionie  enden,  welches  in  alien  Compositionen,  und 
sonderlich  im  Stylo  recitativo,  gar  viel  zu  sagen  hat,  und  laBt  sich  hieraus  vor 
alien  andern  das  Judicium  eines  Componisten  am  allerraeisten  prtifen,  ob  er  dem 
Text,  den  er  vor  sich  hat,  gewachsen  oder  nicht.  Auch  ein  Orator  findet  hierinne 
das  seine,  und  wird  ohne  dieses  genau  zu  observieren,  bey  verstandigen  eben  so 
wenig  ausrichten,  als  der  Musicus.  Bey  eineni  Ltede  aber,  da  viele  Verse  unter 
eiuander  stehen,  hat  dieses  zwar  einige  Schwurigkeit,  indem  ein  Vers  sich  immer 
anders  terminiret  als  der  andre;  daraus  von  sich  selbsten  folgt,  daB,  wo  die  Poesie, 
so  feme  solche  der  Music  gewiedmet,  hierinne  unordentlich,  auch  der  Componist 
vielraals  widerwillens  in  solchen  Fallen  anstossen  muB.  Das  Mctrum  hat  in- 
gleichen  seine  SchwQrigkeit  den  intcndirten  Zweck  zu  erreichen;  denn  da  finden 
sich  einige  derer  neuen  Lieder,  da  das  Genus  dactylicum  bey  BuB-Liedern  gar 
iibel  appliciret  ist,  welches  sich  zu  frShlichen  Materien  viel  besser  schicken  wtlrde. 
Nicht  daB  solches  etwa  nicht  moglich  sey,  es  erfordert  aber  doch  schon  einige 
Ubung,  den  von  sich  selbst  mit  folgenden  Sprung  und  Scansion  zu  vermeiden,  und 
wenn  die  iible  und  altvatrische  Methode  zum  Singen  noch  dberdisz  darzu  kommt, 
hat  es  ein  um  so  viel  schlechteres  Aussehen,  welcher  Ubelstand,  was  disz  betrifft, 
nicht  so  sehr  zu  besorgen  war,  wenn  der  gewOhnliche  Stylus  zum  Choral  beybe- 
halten  wQrde,  der  dergleichen  Veranderungon  nicht  unterworffen,  und  allezeit  in 
seinem  aestim  bleibet.  Auch  erstreckt  sich  in  theils  neuen  Liedern  der  Ambitus 
bis  in  Duodecimam,  welches  mancher  gute  Sanger  vielmahls  nicht  vermag,  und 
kan  solches  eine  gantze  Gemeine,  die  mehrentheils  aus  rohen  Stimmen  bestehet, 
noch  vielweniger,  welches  denn  eine  Ursach  mit  ist,  dasz  viele  Melodien  so  un- 
gleich  zerzerret  werden.  Die  Alten  sind  nicht  ohne  Ursach  in  diesem  Stack  so 
behutsam  gewesen.  Wenn  man  dergleichen  Lieder,  als  e.  g.  Wenn  wir  in  hQchsten 
N5then  seyn.  Auf  meinen  lieben  Gott.  Ach  Gott  und  Herr  etc.  und  viele  der- 
gleichen ansiehet,  so  kan  solche  fast  jedweder  Mensch  ohne  Schwurigkeit  und 
Zwang  mit  singen,  welches  in  obigen  nicht  mOglich.  Die  Nachlassigkeit  derer, 
die  den  Offentlichen  Gesang  zu  besorgen  haben,  wie  nicht  weniger  die  iiberleye 
vermeynte  Kunst  einiger  Organisten  unter  wehrenden  Choral,  ist  auch  an  vieler 
Verwirrung  der  Melodien  mit  Schuld,  und  der  hierinne  aus  denen  rechten  Prin- 
cipiis  Geschicklichkeit  besitzet,  laszt  solche  viel  besser  zum  Praeludio  vor  dem 
Choral,  als  in  selben,  hOren,  und  ist  wohl  das  allerbeste,  wenn  der  Choral  gantz 
simpel  und  schlecht  gespielet  wird,  daB  die  Gemeine  die  Melodie  fein  deutlich 
hQren  kan.  Doch  ist  dieses  auch  nicht  so  simpel  und  schlecht  zu  verstehen;  Es 
hat  die  Simplicitaet  in  der  Music  gar  ein  groBes  zu  sagen,  und  wenn  die  Inventiones 
und  allerhand  Manieren  noch  so  bund  und  krausz  aussehen,  und  lassen  sich  nicht 
ad  pritnum  fontem  nemlich  zur  Simplicit&t  reduciren,  so  ist  es  ein  gewisses  Merk- 
mahl,  daB  das  Fundament  nicht  zum  besten  gelegt  worden.  Damit  nun  kunfftig- 
hin  einmahl  eingefuhrte  Melodien  in  ihrer  Ordnung  verbleiben,  und  sonderlich 
eine  durchgehende  Gleichheit  in  dem  Gesang  in  hieszigen  Hoch-Fflrstl.  Landen 
m5ge   erhalten   werden,   ist  unter  hoher  Approbation   gegenwartiges   Choral-Buch, 


600  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

mit  nicht  geringer  Miih  und  Unkosten  ausgefertiget  worden.  Die  Einrichtung  i 
nach  dem  bisher  gew3hnlichen  Darmstadtischen  Gesang-Buch,  doch  so  wohl  i 
alten  als  neuen  Liedern  um  vieles  vermehret.  Einigen  Liedern,  denen  es  an  H 
lodien  gefehlet,  sind  solche  neu  beygesetzt  worden,  und  wo  doppelte  jedoch  g 
wohnte  Melodien  sind,  stehn  solche  gleich  darneben,  auCer  etlichen,  deren  mz 
sich  zu  der  Zeit  nicht  erinnert,  welche  man  derentwegen  zuletzt  angebracht.  Ds 
Register  ist  mit  FleiC  etwas  weitlaufftig  eingerichtet,  indem  viele  Gesftnge  at 
dem  Crugerischen,  Paul  Gerhards  Liedern,  so  viel  deren  in  einem  a  parten  G< 
sang-Buch  befindlich,  dem  Zulischem  und  noch  mehr  an  deren  Gesang-Bucheri 
die  ehedessen  hiesziger  Landen  gewtthnlich  gewesen,  darzu  gethan  worden.  Un 
wo  sich  hie  und  da  unbrauchbare  oder  auch  unbekandte  Melodien  gefunden  habei 
sind  solche  unter  bekandte  gebracht  worden,  daC  jeder,  deme  gemeldete  Gesang 
Bucher  annoch  in  H&nden,  sich  deren  bedienen  kan.  Denen  Clavier  Liebhaben 
sonderlich  der  Jugend,  wird  es  zu  einem  kleinen  Exerciiio  im  General-Baft  ga 
wohl  dienen,  um  durch  dieses  zugleich  die  Melodien  zum  Singen  unvermerckt  z 
gewohnen.  Der  Vorsatz  war  erstlich  eine  kurtze  Einleitung  zum  General-Baft,  s 
viel  hierzu  ndthig,  mit  anzuhengen,  ist  aber  Weitlaufftigkeit  und  Mangels  derer  hiei 
zu  dienlichen  Noten  unterblieben.  Ist  auch  bey  diesem  Choral-Buch  auCer  etlichei 
wenigen  Haupt-Regeln  nicht  viel  zu  obserriren,  und  alles  genugsam  in  des  seel 
Hn.  Werkmeisters  kleinen  Tractatlein  vom  General-Baft1},  anzutreffen,  und  bestebe 
aus  einigen  wenigen  Blattern.  Wer  aber  weiter  verlanget,  erkundige  sich  nacl 
Hrn.  Cape/Z-Meister  Heinichens  Tractat  vom  Qeneral-Bafl%  da  er  nicht  alleij 
zu  diesen,  sondern  auch  zu  alien  an  dem  vollkommene  Nachricht  und  Satisfaction 
antreffen  wird.  Ubrigens  wie  man  sich  des  intendirten  Nutzens  von  der  ange 
wandten  Miih,  wie  auch  einer  guten  Aufnahme  gewiO  versichert;  also  ist  schlie& 
lich  hertzlich  zu  wQnschen,  dasz  aller  Gesang  und  Klang  solcher  Art  sey,  aucl 
Gott  mit  solchem  wohlgefallig  zu  seyn.    Darmstadt,  den  18.  Mart  1728c. 

19  Jahre  darauf  entschloB    sich  Graupner  zu  einer  zweiten  Auflagc 

des  Werkes;  der  Landgraf  Ludwig  VIII.  billigte  den  Plan^Allein  eine 

'•viermaiige  Anzeige  im  >Darmstadter  Frag-  und  Anzeigungs-Blattgen*  3j 

hatte  keinen  rechten  JErfolg  und  so  sah  sich  Graupner  zu  einer  Eingabe 

an  das  Konsistorium  gezwimgen:  *'* 

1)  Gemeint  ist  >Die  nothwendigsten  Anmerkungen  .  .  . ,  wie  der  Bass  us  con- 
tinuus  .  .  .  konne  tractiret  werden  .  . .«  Ascherleben  1698.  3.  Aufl.  1716.  (Eitner, 
Quellen-Lexikon.) 

2)  >Neu  erfundene  .  .  .  Anweisung  .  .  .«  Hamburg  1711.  Im  gleichen  Jahre 
mit  Graupner's  Choralbuch  erschien  die  groOe  Umarbeitung  dieses  Werkes  Heini- 
chen's:  >Der  GeneralbaC  .  .  .«     (Titel  bei  Eitner.) 

3)  Sie  erfolgte  am  17.  und  24.  August,  7.  und  14.  September  1747  und  lantete: 
*Avertiasement.    Nachdeme    sich  der  Fttrstl.  Capellmeister  Graupner  auf  riel- 

faltiges  Begehren,  entschlossen,  das  seit  einigen  Jahren  abgangig  gewordene 
Furstl.  Hessen-Darmstattische  Choral-Buch,  aufs  neue  wiederum  abdrncken  zu 
lassen,  und  in  dem  bishcro  gewShnlichen  PreiC  a  1  fl.  jedoch,  da  der  Druck  der- 
mahlen  mit  groOen  Kosten  auOerhalb  besorget  werden  muO,  gegen  Pracnumeration* 
zu  lieffem;  So  wird  solches  hierdurch  zu  dem  Ende  bekandt  gemachet,  bey  dem- 
selben  langstens  innerhalb  zwey  Monathen,  anmelden  und  die  Praenumeration  mit 
1  fl.  gegen  Schein  thun  mogen,  indeme  nicht  mehrere  als  vorhero  bestellet  worden. 
gedruckt,  und  die  etwa  tibrig  bleibende  wenige  Exemplaria  nachgehends  nicht 
anderst  als  vor  1  Rthlr.  gelassen  werden  konnen.« 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Gratipner's.  601 

>Unterthanig  gehorsamste  Anzeige 
das  neu  aufzulegende  Fiirstl.  Hessen  Darmstattische  Choral-Buch  betreffend, 
Auf  vielfaltiges  Nachfragen  und  Verlangen,  habe  mich  endlich  entschlossen, 
einen  neuen  Abdruck  von  dem,  seit  vielen  Jabren  ber,  rar  und  abgangig 
gewordenen  Fiirstl.  Hessen  Darmstattischen  Choral-Buch,  gegen  Friinumeration, 
zu  besorgen,  und  zu  dem  Ende  aucb  die  offentlicbe  notification  in  dem  hie- 
sigen  Frag-  und  Anzeigungs-Blattgen,  zu  verscbiedenen  mablen  tbun  lassen. 
Nacb  deme  sicb  aber  gleichwohlen  die  Anzabl  derer  von  privatis,  bisz  anbero 
eingegangenen  und  etwa  nocb  eingebenden  praenumerationen,  so  bocb  nicbt 
belauffet,  dass  deren  Ertrag  die,  zu  der  neuen  vorhabenden  Auflage  erforder- 
licbe  grosse  Kosten  auswerfen  kondte,  zumablen  da  selbige  anietzo  ausser- 
balb,  mit  hin  mit  weit  mebrerm  Auffwandt  als  sonsten,  besorget  werden 
muss;  Als  habe  ein  solches  hierdurcb  geziemend  anzeigen  und  zugleich  ge- 
borsamst  bitten  sollen,  ein  Hochfiirstl.  Consistorium  geruhe,  die  hohe  Ver- 
fiigung  nothigen  Orts,  fordersamst  dabin  ergeben  zu  lassen,  dass,  da  doch 
denen  Kirchen  hieran  hauptsacblich  mit  gelegen  ist,  von  einer  jeden,  so  wohl 
zu  facilitirang  des  Verlags,  als  aucb  weilen  an  einen  weitern  Abdruck,  nacb 
diesem,  in  vielen  Jabren,  nicbt  wieder  zu  dencken  seyn  dorffte,  wo  nicht, 
wie  bey  der  ersten  Auflage  geschehen,  zwey,  doch  zum  wenigsten  ein  Exem- 
plar angenommen  —  mithin  der,  Zeither  gewohnliche  und  von  mir,  derer 
dermahlen  habenden  weit  grossern  Unkosten  ohngeachtet,  dieses  mahl  noch 
bey  behaltene  geringen  Preiss  a.  1.  Gk  aus  denen  Kirchen  Casten  bezablet, 
auch  ie  eher  je  besser  und  etwa  innerhalb  einen  Monath,  eingelieffert  werden 
solle.     Darmstatt  d.  20.  Septem.  1747. « 

^Nocnmals  war  i.  U .  1780  von  Graupner's  Werk  die  Rede,  als  es  sich 
urn  die  Herausgabe  eines  neuen  Gesangbuches  handelte.  Das  eine  oder 
andere  an  des  alten  Meisters  Arbeit  erschien  der  damab'gen  Generation 
veraltet,  und  es  terfsclite  die  Meinung,  mancher  Akkord  konne  »zier- 
licher*  gesfaltet  werden;  aber  alle  Instanzen,  die  der  neue  Plan  zu  durcK- 
laufen  hatte,  waren  der  Meinung,  daB  an  der  Graupner'schen  »Simpli- 
zitat«  des  Stiles,  fiir  die  der  Meister  so  nachhaltig  eingetreten  war,  nicht 
geriittelt  werden diirfte.  Hieriiber  solle  derBiarfeeiter,  KantorPortmann  *), 
ein  Urteil  (Georg)  Benda's2)  zu  Gotha  oder  (Ernst  Wilb.)  Wolff's3) 
zu  Weimar  einholen.  Auch  wurde  in  Vorschlag  gebracht,  nicht  die  Boss- 
lerische  Methode  beim  Drucken  zu  verwenden,  >weil  die  Noten  nicht  nur 
sehr  unansehnlich  erscheinen,  sondern  auch  ...  die  letztren  wregen  Ab- 
schleifiing  der  Platten  ganz  unleserlich  ausfallen  wiirden.  Es  diirfte  also 
am  besten  seyn  .  .  .  den  Abdruck  durch  die  in  ganz  Deutschland  be- 
riihmte  und  sich  so  vortheilhaft  auszeichnende  Breitkopfische  Druckerei 
zu  Leipzig  besorgen  zu  lassen4).* 


1)  Vgl.  ilber  inn  Nagel  a.  a.  0. 

2)  Er  hatte,  wie  wir  noch  hSren  werden,  zu  der  Familie  Graupner  Beziehungen 
gehabt. 

3)  Vgl.  uber  ihn  Eitner  a.  a.  0. 

4,    Ob  Verhandlungen  init  Breitkopf  erfolgten,  ist  nnbekannt;   auf  jeden  Fall 
ge8chah  die  Drucklegung  durch  die  Firma  nicht. 

s.  d.  mo.   x.  40 


602  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner  8. 

Der  unbekannte  Verfasser  des  Aufsatzes  im  Darmstadter  Kalem 
redete  1781  einer  neuen  Ausgabe  des  Graupner'schen  Choralbuches  < 
Wort: 

»Sein  Choral-Buch,  welches  unter  vielen  Choralbtlchern  unstreitig  den  Vor 

hat,  v&rdiente  mit  Recht  einer  neuen  Auflage,  wenn  man  nur  das  jj  an  gehflrij 

Orten  einschalten,  den  oft  vorkommenden  Gang  der  groBen  Terz  zur  rein  en  Qui 

e / 

in    der  Gegenbewegung  z.  B.  ,   ab&ndern,  die  (verroutlich  in  der  2.  Aufla 

c  ~~~-  o 

eingeschlichene  Druckfehler  wegraumen  und  die  schon  vorhandene  Melodien 
den  neu  eingefuhrten  Liedern  nebst  einer  leichten  Vorschrift  zum  Praia  dire  n  t 
hangen  wollte.  Nach  seinem  Plan  zog  er  den  leichtesten  und  natiirlichsten  B 
dem  schwerern  nnd  gekflnsteltern  vor,  erleichterte  dadurch  den  schwachen  Spiele 
deren  man  viele  unter  den  Schulmeistern  antrift,  die  Arbeit  und  schenkte  unse: 
Lande  ein  recht  nfltzliches  Werk,  welches  seinen  Namen  in  unvergeBlichem  A 
denken  erhalt.< 

Als  letztes  im  Druck  erschienene  Werk  gibt  Pasqu^1)  an: 
»Vier  Partien  auf  das  Clavier,  unter  der  Benennung  der  Vier  Jahre 
zeiten  Winter,  Friihling,  Sommer  und  Herbst.  Bestehend  aus  Praeludie 
Allemanden,  Couranten,  Sarabanden,  Menuetten,  Giguen,  etc.  Denen  Lie 
habern  des  Claviers  zur  Yergniigung  und  Exercitio  herausgegeben.  Dan 
stadt  1733.  In  Verlegung  des  Authoris  (In)  Frankfurt  zu  finden  bey  J.  ] 
Gerhard  in  der  Maintzer  Gasse.« 

Das  in  »Neben-Stunden«  gearbeitete  Werk  war  dem  Erbprinzen,  nacl 
maligen  Landgrafen  Ludwig  VIII.,  gewidmet.  Die  Vorrede  an  den  Les< 
entbehrt  nicht  des  biographischen  Interesses  und  ist  fiir  die  Wertui 
der  kiinstlerischen  Afeschfcuung  von  Bedeutung.    Sie  lautet2): 

>Obgleich  diesze  Kupfer- Arbeit,  wenn  (wem?)  solche  bekandt,  ebenso  sonde 
liches  aniockendes  nichts  an  sich  hat,  da  man  wegen  vieler  anzuwendender  Ze; 
Miihen  und  manchen  Beechwerlichkeiten  ihrer  gar  leicht  flberdrflssig  werden  ka 
so  hat  mich  dennoch  der  ziemlich  starcke  Abgang  meiner  Monatl.  Clavier-Frflcht 
wie  auch  das  Offtere  Anhalten  guter  Freunde  und  Liebhaber  desz  Claviers  dahi 
bewogen,  es  noch  weiteres  zu  versuchen,  und  Vier  Partien  auf  solches  unter  dei 
Tittel  der  Vier  Jahreszeiten  heraus  zu  geben;  doch  nicht  der  Meinung,  als  unb 
solchem  eine  sonderliche  Expression  oder  Invention  gesucht  zu  haben,  weilen  to 
dergleichen  weit  hergeholten  Dingen  eben  kein  sonderlicher  Freund,  sondern  bloi 
zu  deren  Benennungen  Unterschied.  Die  Application  ist  mit  vorigen  eins,  und  w< 
6ich  die  Monatl.  Friichte  wohl  wird  bekandt  gemacht  haben,  wird  auch  in  diesze 
weiters  keine  SchwQrigkeit  finden.  Zumahlen  dieszes  judicium,  da  man  viele  iibe: 
einander,  wie  auch  drei  und  mehr  geschwantzte  Noten,  unter  solche  begreifft: 
will,  mehrentheils  irrig,  wogegen  sich  das  Contrarium  an  einer  simplen  Saraband 
oder  Menuette  und  dergl.  soil  es  propre  und  nett  seyn,  sattsam  legiiimiret  Lasz< 
sich  theils  hier  sehr  wohl  appliciren,  was  der  Kayserl.  Capellmeister  Herr  Fux,  i 


l;  F.benso  Riemann.  Eitner  verzeichnet  es  nicht.  Der  Aufsatz  des  Darms 
Kal.  erwahnt  die  Arbeit  ohne  das  Jahr  ihres  Erscheinens. 

2j  Das  Zitat  aus  F  u  x'  Qradiis  ist  nach  dem  Originale  revidiert  wiedergegebei 
da  Pasque's  Abdruck  —  Pasque  kommt  hier  als  einzige  Quelle  in  Betracht  - 
von  unglaublichen  Fehlern  wimmelt.  Es  ist  anzunehmen,  daB  auch  der  deutscb 
Teil  des  Vorwortes  mit  dem  leider  verschollenen  Originale  nicht  strong  ubereinstimrai 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Chris  toph  Graupner's.  603 

seinem  Qrado  ad  Pamassum1  p.  241  de  Oustu  schreibt:  Dictum  est  porro1),  moni- 
tumque,  ne  Compositor  coneeptus  humiles,  ordinariosque  assumat,  loco  oblectamenii, 
trivialitate  fastidium  allaturos;  sed  sublimitatem  spectans,  novitati  studeat  Contra  ne 
novitatis  studio  seductus,  ideas  concipiat,  naturam,  rerumque  ordinem  excedentes,  cantu, 
hisuque  extra  modum  difficiles,  quibus  nequc  Musicis  exequentibus,  nee  Auditoribus 
satis  factum  esset.  Non  Musicis:  ob  exequendi  diffieultatem;  non  auditoribus:  quia  e- 
jusmodi  Compositiones  naturalem  raiionem  excedentes,  in  auribus  quidem  hacrentes 
nunquam  in  animum  usque  penetrant. 

Und  ferner  nach  angefuhrtem  Proverbio:  Facile  difficile  est.  Der  Raum  leidet 
nicht,  auch  noch  andere  ebenfals  wichtige  Autores  von  gleicher  Meinung  anzu- 
fuhren.  Da  aber  meine  ordentliche  Beruffs-Arbeit  nicht  zulaszet,  obiges  auf  ein- 
mahl  zu  bestreiten,  60  werden  die  Herren  Liebhaber  einsweilen  mit  der  Helfte  zu- 
frieden  seyn,  bisz  die  andere  Messe,  wenn  Gott  Leben  und  Gesundheit  giebt, 
auch  das  ubrige  wird  vollens  darzu  gelieffert  werden  kOnnen.  Darmstadt  den 
20.  Mertz  1733.* 

Der  Zusammenhang  laBt  keinen  anderen  Sinn  der  Vorrede  zu,  als 
daB  Graupner  mit  diesen  Stiicken  keinerlei  programmatischen  Ausdruck 
habe  verbinden  wollen.  Er  nennt  derlei  weit  hergeholt,  von  dem  er  kein 
Freund  sei.  Das  gilt  aber  nur  der  Instrumentalmusik,  denn  Graupner's 
friihere  Opern  lassen  an  mehr  als  einer  Stelle  eine  bemerkenswerte  Liebe 
des  Komponisten  fiir  das  Landschaftliche  in  der  Musik  erkennen.  An 
anderer  Stelle  wird  ausfuhrlich  davon  zu  sprechen  sein.  Pasqu£  beschreibt 
die  »Vier  Jahreszeiten*  als  auf  32  Folioseiten  von  Graupner  selbst  radiert. 
Sie  waren,  wie  die  >Clavier-Friichte«,  ftir  Anf anger  berechnet  und  ent- 
hielten  nicht,  wie  die  1718  erschienenen  »Partien«,  —  nach  dem  Ausspruch 
eines  Zeitgenossen  Graupner's  —  die  voile  Starke  des  Instruments2). 

Nach  Pasqu£  hat  sich  ferner  noch  1854  in  Darmstadt  ein  Band 
Graupner'scher  Klavierkompositionen  (Autograph)  befunden,  der  auf  un- 
gefahr  160  Seiten  25  Parthien,  Praludien,  Ouverturen  usw.  enthielt.  Dem 
Werk  waren  die  Verse  vorgesetzt: 

»Ibr,  die  die  Tadelsucht  so  sehr  hat  eingenommen, 

DaC  ihr  vor  Wahn  und  Witz  nicht  zu  Verstand  kOnt  kommen, 

Was  hat  euch  die  Music,  die  Unschuld  selbst,  getban, 

DaB  die  auch  nicht  vor  Euch  in  Ruhe  bleiben  kan? 

Ihr  aber,  die  ihr  sie  nach  Wurden  wifit  zu  schatzen, 

Benutzet  fernerhin  dies  unschulds-voll  ergStzen, 

Und  glaubt,  daB  keiner  nicht  derselben  Anmuth  werth, 

Der  nicht,  wie  sie  verdient,  sie  innig  liebt  und  ehrt.« 

Nachforschungen  nach  dem  Verbleib  des  Werkes  —  Pasque  hat  den 
damaligen  Besitzer    angegeben  —  waren   bisher   vergeblich.     Es    ist  im 

1)  Die  Akzente  und  Apostrophe  des  Originales  z.  B.  porro  rerurriquc  habe  ich 
weggelassen. 

2  Pasque  hat,  wie  aus  mehreren  Stellon  seiner  Arbeit  hervorgeht,  auch  den 
Aufsatz  des  Darmst.  Kalenders  genannt  und  benutzt.  Dieser  enthalt  jedenfalls  das 
mitgeteilte  Urteil  nicht.  Es  muB  also  noch  eine  bis  jetzt  freilich  nicht  wiedei  er- 
Offnete  Quelle  zu  Graupner's  Biographie  bestehen. 

40* 


604  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

hochsten  MaBe  auffallend,  daB  ein  groBer  Teil  der  von  Pasque  angeb- 
lich  benutzten  Quellenwerke,  so  Graupner's  Darmstadter  Opern,  spurlos 
verschwunden  ist. 

Dem  Klavierspieler  Graupner  widmet  der  mehrfach  angezogene  Auf- 
satz  des  Darmst.  Kalenders  die  Worte: 

>  Graupner  war  gewiB  einer  der  vorzttglichsten  Componisten  seiner  Zeit,  ein 
Eenner;  die  ihn  in  seinem  mittleren  Alter  noch  gehOrt  haben,  bezeugen,  daB  er 
zugleich  eine  Bewunderungswtlrdige  Feriigkeit  auf  deia  Klavier  beeeseen  habe; 
diese  verlohr  sich  aber  wieder  in  seinen  alteren  Jahren,  bei  mehreren  Geschaften 
und  weniger  Uebung.« 

Nach  summarischer  Aufzahlung  der  anderen  Kompositionen  Graupner's 
macht  der  unbekannte  Verfasser  des  Aufsatzes  uns  noch  mit  einem  un- 
vollendeten  Plane  des  Meisters  bekannt.  Es  handelte  sich  um  ein  theo- 
retisch-praktisches  Werk,  » welches  mittelst  eines  willkiirlichen  Satzes  die 
Mannigfaltigkeit  der  Harmonie,  durch  Versetzung  der  Tone,  Veranderung 
der  Punkten,  Tactarten,  Ruckungen  u.  dgl.  zeigen  sollte;  allein  er  liefi 
es  nachher  liegen,  weil  er  unter  der  Arbeit  so  haufige  Abanderungen 
fand,  daB  er  nicht  glaubte  in  seinem  Leben  mit  dieser  Materie  fertig 
zu  werden,  und  endlich  an  der  Moglichkeit  dieses  Unternehmens  selbst 
zu  zweifeln  anfieng.« 

An  dieser  Stelle  auch  nur  zusammenfassend  der  Manuskript  ge- 
bliebenen  Kirchenmusiken,  zu  denen  der  Fiirstl.  Superintendent  J.  C. 
Lichtenberg  die  Texte  herstellte  *),  der  Sinfonien,  Ouverturen,  Sonaten, 
Konzerte  usw.  Graupner's  zu  gedenken,  ware  zwecklos.  Ihre  RubrizieruBg 
und  Wiirdigung  muB   einer  besonderen  Darstellung  vorbehalten  bleiben. 

Als  ein  zeitgenossisches  Urteil  sei  der  Abschnitt  des  Aufsatzes  aus 
dem  Darmst.  Kalender  mitgeteilt: 

>Aber  Schalen  sind  dieses  (die  gedruckten  Elavierkompositionen)  gegen  seinen 
kornigten  Kirchenstil.  Er  dachte  sich  die  Kirchenmusik  so  hoch,  ehrwflrdig  and 
heilig,  daC  er  sie  von  dera  Opern-  und  Kammerstil  himmelweit  unt«rschied^; 
der  Fremde,  der  ihn  zum  ersten  Mai  hQrte,  staunte  und  wahnte  in  eine  andere 
Welt  versetzt  zu  seyn.     In  dieser  Musikart  arbeitete  er  mit  FleiB,    Punktlichkeit 

1)  Joh.  Conr.  Lichtenberg,  geb.  1689  zu  Darmstadt ;  Vicar  in  Neunkirchen  1712, 
Prediger  daselbst  1716,  1729  nach  Oberramstadt  als  Prediger,  1745  1.  Stadtpredi^tf 
in  Darmstadt.  1717  verh.  er  sich  mit  Henrike,  Cath.  Eckhard  f^ltester  Sohn,  Gottl. 
Christoph.  gcb.  25.  Aug.  1724).  Als  Superintendent  wirkte  L.  1749  —  1751.  Er  scbrieb 
nebcn  theologischen  Arbeiten:  Texte  zur  Kirchenmusik  Darmstadt  1719.  8.  ll1.*  Be. 
Texte  zur  Kirchenmusik  fiber  dio  Epistolischen  Texte.  Darmstadt  1720.  8.  10  bs. 
Erbaulicher  Gottesdienst  in  andachtiger  Kirchenmusik  1727.  8.  11  Bg.  Zur 
Kirchenmusik  gewidmete  Texte.  1739.  8.  11  Bgn.  Heilsame  Worte  der  Wahr* 
heit,  in  poet.  Text  en  zur  Kirchenmusik  1742.     8.     11 l/*  Bg. 

Alio  Texte  zur  Kirchen-  und  Tafelmusik  an  den  Fiirstl.  Geburtstagen,  Leichen* 
begilngnissen  usw.  Vgl.  Strieder  a.  a.  0.  Uber  weitere  Beziehungen  zu  Graupner 
vgl.  oben.     Auf  die  Texte  werde  ich  spiiter  zurttckkoxnmen. 

2    Auch  Winterfeld  a.  a.  0.  macht  diese  Bemerkung. 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Chris toph  Graupner's.  605 

stiller  Heiterkeit  und  sanfter  Freude  des  Herzens.  Verband  Kunst  mit  Natur, 
Pracht  mit  Einfalt,  Eeitz  mit  SchCnheit  und  bewurkte  Erbauung  und  Vergntigen; 
war  kein  sklavischer  Nachbeter  gleichzeitiger  Componisten,  sondern  selbst  Genie 
mit  eigenem  Geprage.  Sonderbar  ist  es,  was  man  bemerkt  haben  will,  daC  seine 
neure  Stiicke,  die  er  in  seinem  Alter  kurz  vor  seiner  Blindheit  verfertigte,  mit 
mehrerem  Feuer  und  mit  vorzttglicher  Starke  gearbeitet  sind.c 

Wir  verfolgen  Graupner's  Leben  bis  zu  seinem  Ausgange  weiter.  Das 
Jahr  1739  brachte  ihm  zwei  herbe  Verluste.  Landgraf  Ernst  Ludwig 
starb  in  diesem  Jahre.  Sein  Nachfolger  war  Ludwig  VIH  (1739 — 68), 
der  des  Vaters  kiinstlerische  Neigungen  geerbt  hatte.  Ware  er  jiinger 
gewesen,  als  er  zur  Regierung  kam,  und  das  Land  weniger  durch  Schul- 
den  bedriickt,  so  wiirde  vielleicht  auch  die  Oper  eine  Wiederbelebung 
erfahren  haben.  So  blieb  es  in  Darmstadt  in  bezug  auf  die  Kunstpflege 
im  ganzen  so,  wie  es  zuletzt  unter  Ernst  Ludwig  gewesen  war.  Wann 
Opera  aufgefiihrt  wurden,  lilBt  sick  im  einzelnen  bis  jetzt  nicht  bestimmen; 
es  wird  erzahjt,  daB  der  Landgraf  ofter  von  Kranichstein  aus,  seinem 
Lieblingssitze.  in  einem  mit  sechs  weiBen  Hirschen  bespannten  Wagen 
nach  Darmstadt  gefahren  sei,  eine  Oper  zu  horen.  Ein  festes  Opern- 
personal  gab  es  jedenfalls  damals  in  der  Stadt  nicht.  Die  Besoldungs- 
rechnung  fiir  1740  z.  B.  erwahnt  neben  20  Hofmusikern  nur  die  beiden 
Sangerinnen,  Frau  Hesse  und  die  Schetky,  von  denen  erstere  ein 
Gjiadengehalt  von  200  G.  bezog.  Sie  war  also  damals  nicht  mehr  aktiv. 
Die  Unterhaltung  der  Hofmusik  verschlang  noch  iiber  7000  G.  jahrlich. 
Ein  ohne  Zweifel  groBerer  Verlust  traf  Graupner  durch  den  Tod  seines 
alten  Freundes  Griinewald,  dessen  Leiche  am  22.  Dez.  1739  bestattet 
wurde.     Griinewald  war  66  Jahre  alt  geworden1). 

Wir  gewinnen  mit  dieser  jlngabe  den  uiigefahren  Zeitpunkt  fiir  die 
Niederschrift  von  Graupner's  Selbstbiographie,  die  er  an  Mattheson  fiir 
die  >Ehrenpforte«  schickte:   Graupner  selbst  berichtet  iiber   diese  Zeit: 

»Itzund  (also  1740)  habe  das  Gliick  und  die  Gnade,  solange  es  Gott 
gefallt,  des  nunmehro  regierenden  Herrn  Landgrafens  H.  D.,  als  Capell- 
meister  zu  dienen,  wobey  mir  die  gantze  Arbeit  allein  zugewachsen,  nach- 
dem  der  gute  Griinewald  vor  einem  halben  Jahr  verstorben  ist.  Er  bat 
mich  noch  auf  seinem  Todbette,  wenn  ich  schriebe,  an  E.  H.  E.  (Mattheson) 
seinen  Abschiedsgruss  zu  vermelden.  Ich  bin  also  mit  Geschafften  dermaassen 
uberhauffet,  dasz  ich  fast  gar  nichts  anders  verrichten  kan,  und  nur  immer 
sorgen  muss,  mit  meiner  Composition  fertig  zu  werden,  indem  ein  Sonn- 
oder  Fest-Tag  dem  andern  die  Hand  bietet,  auch  noch   offters   andere  Vor- 

falle  dazwischen  kommen.c 

i 

Der  Aufsatz  des  Darmstadter  Kalenders  meldet,  Graupner  habe  bei- 
nahe  10  Jahre  vor  seinem  Tode,  also  um  1750,  sein  Augenlicht  verloren; 
die  unfreiwillige  MuBe  habe  wenig  mit  seinem  Charakter  ubereingestimmt  — 


1)  Totenregister  Darmstadt. 


606  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 

eine  Bemerkung,  die  schwerlich  anzufechten  sein  diirfte.  Aber  c 
der  wohl  durch  tlberarbeitung  herbeigefiihrten  Erblindung  det 
ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  zu  friihe  angesetzt1).  Da  de 
21  Jahre  nach  Graupner's  Tode  verfaBt  wurde,  ist  ein  Irrti 
erklarlich.  Zu  der  Annahme  eines  solchen  Irrtumes  notigt  der 
daB  aus  den  Jahren  1756  und  1758  Schriftstiicke  von  Graupn 
vorliegen:  sie  zeigen  die  Schrift  nur  insofern  verandert,  als  sie 
friiherer  Zeit  etwas  kleiner  erscheint;  den  energischen  Zug,  d 
heit,  Schonheit  und  Deutlichkeit  der  Buchstaben  haben  die  Scl 
jedoch  mit  der  alteren  Schrift  gemein.  Freilich  stand  es  dz 
Graupner's  geistige  und  korperliche  Krafte  wohl  nicht  mehr  zi 
Wir  horen  von  Rangstreitigkeiten  unter  den  Kapellmitgliedern, 
unregelmaBiger  Erf  iillung  dienstlicher  Pflichten  —  Dingen,  die 
nicht  geschehen  waren,  hatte  Graupner  noch  die  alte  Kraft  un 
besessen.  Die  Streitereien  entbehren  des  Interesses  nicht.  Das 
marschallamt  forderte  unterm  30.  Marz  1758  Bericht  vom  l£onz 
Enderle2),  der  schon  damals  Graupner  cum  iuresuccedendi  beigeg 

»D.  F.  Concertmeister  Enderle  ist  bekandt,  was  vor  unordnungc 
bey  der  Fiirstl.  Hoff  Capelle  eingerissen,  so  gar,  dass  auch  Hochf. 
schafft  ein  nicht  geringes  Miszvergnugen  verspiiren  laszen.  Nach 
die  Nothdurfft  erfordert,  dasz  hierinnen  in  Zeiten  remcdiret  werde 
besagter  Concertmeister  Enderle  seine  gutfindenden  Gedancken 
maszgebl.  Bedencken,  wie  alles  pro  futuro  in  ordnung  gebracht,  uu 
und  Frieden  erhalten  werden  konne,  zu  erstatten  und  einzuschickt 
statt  den  30.  Martij   1758. « 

Enderle  bemerkt  in  seinem  Gutachten,  daB  die  Direktion  d 
mentalmusik  >in  Ermangelung  eines  Adelichen  Directoris,  billig 
vom  Conzert-Meister  dependiren  solle.«  Graupner,  der  Krfp 
wird  nicht  genannt.  In  der  Sache  hat  er  jedoch  das  Wort  { 
und  einen  Punkt  des  Enderle'schen  > Sentiments*  berichtigt: 

»Wir  wissen  hier  nichts  von  sogenannten  Hoff  Musicis]  alle 
der  hiesigen  Fiirstl.  Hoff  Capelle  vom  ersten  bis  auf  den  letatc 
jeher  das  praedkatum  eines  Cammer-Musici  beygeleget  worden,  n 
keinem  unter  alien,  blosz  einer  so  unbegrundeten  Benennung  halt 
Vorrecht  fiir  dem  anderen  hier  aus  erwachsen.*  Er  beruft  sich 
auf  die  GepHogenheit  unter  der  vorigen  Kegierung,  allein  die  A 
gelten  zu  lassen;  jeder  Virtuose  aber  sei  den  andern  gleich  zu  a 

Der  Entscheid  des  Landgrafen  lautete  dementsprechend. 

Das  mitgeteilte  Schriftstiick  ist-  das  letzte,  das  von  Graupn* 
erhalten  ist.  Am  10.  Mai  1760  schlossen  sich  die  Augen  des 
Mannes  und  tfefflichen  Kiinstlers  fiir  immer.   Zwei  Tage  darns 

1;  Pasque*  erziihlt  von  einer  schon  1746  beffinnenden  » Augen schw 
Z  Vgl.  Nag  el  a.  a.  0.    H.  u.  St.  Archiv.    Ludwig  VIII.    Pr.  Corr.  C< 


Wilibald  Nigel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's.  607 

er  »mit  Christlichen  Gebrauchen  bey  gehaltener  Leichenpredigt  offentlich 
begraben.«  Eine  Woche  darauf  folgte  ihm  sein  Sohn  Christoph,  ge- 
wesener  Akzessist  beim  Sekretariate  der  F.  Regierung,  in  den  Tod  nach. 

Wo  Graupner's  Grab  auf  dem  alten  Friedhof,  dem  jetzigen  Kapell- 
platze,  gelegen,  ist  unbekannt.  Sein  Wohnhaus  hat  nach  Pasqu^  im 
oberen  Teile  der  jetzigen  LouisenstraBe  gestanden.  Wie  die  im  Darm- 
st&dter  Archive  la'gernden  Grundbiicher  ausweisen,  handelt  es  sich  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  um  ein  Haus,  das  in  der  damals  >Die  neue 
Vorstadt*  geheiBenen  StraBe  gelegen  war1).  Es  gehorte  1772  dem  Kammer- 
rat  Wachter,  Graupner's  Schwiegersohn,  dem  wir  weiter  unten  begegnen  / 
werden.  \/>-' 

(jfekrologe  auf  Graupner  sind  ebenso  wenig  erhalten  wie  die  Leichen-   \ 
predigt.    Das  Zeftungswesen  stand  erst  in  den  AnU&ngen,  und  die  Not-  -7 
wendigkeit  musikalischer  Fachblatter  stellte   sich,   nachdem  Mattheson, 
Scheibe,  Mitzler  und  Marpurg  vdrgearbeitet  hatten,  erst  nach  Graupner's 
Tode  heraus^   Jene  alteren  Manner  haben,  wie  wir  schon  gehort  haben, 
zum  Teil  dem  Meister personlich  nahe  gestanden.  Insbesondere  Mattheson 
erwahnt  ihn  ofter;  im  »Vpllkommenen  Capellmeister*  spricht  er  davon, 
wie  sich  Graupner,   >eliema!ls  s^h3erlich  in  Arietten  hervorgetifian«,  und 
c*ra^  inan  konne  allerlei  Laufe.und  Passagen  >in  dreygeschwanzten  Noten*  ' 
>absonderlich  aua  des  Herrn  Capellmeisters  Graupners  Clavierstiicken  und 
Parthien,  worin  sonst  nobh  viel  schOnes  enthalten  ist,«   studieren.    DaB 
diese  Art  von  Passagen  in  Graupner's  Klaviermusik   auffaUeiider  Art 
ist,  werden  wir  spater  sehen.     "Weiter  heiBt  es  a.  a.  0.  S.  481 : 

»Hier  muC   ich  den  H.  C.  Graupner  zu  Darmstadt  /Toilli^  rtlhmen,   dessen 
Partituren  so  rein  geschrieben  sind,  dasz  sie  mit  einem  Kupfferstiche  kampflen.  » 
Er  hat  mir  emige  derselben,  worin  sonst  viele  wesentliche  SchOnheiten  stecken, 

unl&ngst  zugesandt,   und  scbreibt  dabey Ich  babe  mir  scnon  Iange  ange- 

wehnet,  auch  theils  gemust,  meine  Partituren   so   deutlicb,  als   mOglich  ist,   zu 

scbreiben,  und  andre  nicbt  gerne  etwas,  um  dem  Notisten behttlfflich,  und 

des  gar  zu  verdrieClichen  taglichen  Corrigirens  Uberboben  zu  seyn.  Es  kostet 
zwar  etwas  mebr  Milne;  scbreibe  aber  selten  eher,  bis  in  Gedancken  fertig  bin.« 

Ein  Aufsatz  in  Joh.  Ad.  Scheibe's  »Crit.  Musicus*)«  behandelt  in 
der  Form  eines  Traumbildes  ein  Kjericht,  das  vor  der  EwigVeit  iiber 
allerlei  Musiker  gehalten  wird.  Alle  verdienten  Manner  werden  vor  den 
Rictterstuhl  geleitet,  Tugeiicl,  Wahrheit  und  Vernunft  reichen  ihnen  die 
Hande  und  tragen  ihre  Namen  zu  ehrendem  GedachWs  in  ein  Buch 
ein:  Fux,  Hasse,  Handel,  Telemann,  Bach,  Graun,  Schmidt,  Heinichen, 
Stolzel,  Graupner,  Bokemeyer3). 

1)  Jetzt  LouisenstraBe  30.  Mit  voller  Bestimmtheit  kann  das  Haus  nicbt  als 
einst  Graupner  gebOrend  angesprocben  werden,  da  direkte  Belege  nicbt  zu  fin- 
den  sind.  2)  2  Tl.    Hamburg  1740.    S.  66ff. 

3)  Die  neue  Aufl.  des  Cr.  Mus.  von  1745  scbafft  die  ndtige  alpbabetische  Ord- 
nung  in  diese  Aufzahlung!! 


( 


608  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christopb  Graupner's.  <r"~ 

1766  gedachten(Hiller's  >W6chentl.  Nachrichten  und  Anmerkun^ 
die  Musik  betreffend  *)«  Graupner's  auf  Grund  der  Angaben  der  »Ehr 
pforte«;  1781  erschien  der  Aufsatz  des  Dannst.  Kalenders.  /' Er  widi 
dem  Menschen  Graupner  folgende  Zeilen:-* 

>Er  war  ein  Mann  von  unbeschoitenem  Character.  Sein  aufteres  Aussel 
war  zwar  ein  wenig  finster,  doch  muOte  man  sich  dadurch  nicht  von  seinem  I 
gange  abschrecken  lassen,  denn  er  besaC  ein  freundschaftliches  Herz.  Durch  se 
Arbeit8amkeit  hat  er  sich  vielleicht  unter  alien  Tonkttnstlern  seiner  Zeit  aus 
zeichnet  und  nach  Masgabe  derselben  wtirde  die  5tfenge  seiner  iluslkali en  ge^ 
noch  weit  ansehnlicher  seyn,  wenn  er  minder  solid  und  mit  mehr  Fluchtigkeit  j 
arbeitet  hatte.  Er  saO  zuweilen  ganze  Tage  und  N&chte  an  seinem  Pulte  i 
sein  unerhCrter  FleiG  bat  vermutlich  zur  Abnahme  seines  Gesichtes  viel  beyj 
tragen.  Er  ging  in  demselben  so  weit,  daC  ^r  seine  Compositionen  nicht  nur 
Partitur  verfertigte,  sondern  auch  inehrenthetts  mit  eigener  Hand  ausschr 
-  und  verschiedene  seiner  Werke  z.  B.  sein  Choralbuch  selbst  in  Kupfer  radii 
Wahrend  seiner  Blindheit  bewieB  er  eine  bewundrungswflrdige  Geduld,  nur  : 
weilen  auCerte  er  einige  Unriihen  daruber,  daB  er  die  Compositionen,  die  er 
Kopf  hatte,  nicht  zu  Papiere  bringen  konnte,  und  wunschte,  daft  es  mdglich  wS 
sie  jemand  zu  dictiren.  Sonst  hatte  er  auch,  wie  man  bey  jedem  groften  Max 
schon  zu  vermuthen  pflegt,  seine  S6nderbarkeiten;  er  wollte  durchaus  nicht  : 
geben,  daB  er  gemahlt  wtirde,  und  als  man  es  wahrend  seiner  Blindheit  ol 
sein  Vorwissen  thun  wollte,  ward  er  unwillig,  als  er  es  merkte;  auch  verlangte 
vor  seinem  Tode,  daB  man  alle  seine  Musikalien  verbrennen  sollte,  welcher  Bef 
aber  freylich  zum  Besten  der  musikalischen  Welt  unbefolgt  blieb.  Er  wtirde  si 
auch  vielleicht  gegenwartige  Biographie  verbeten  haben,  wenn  er  sie  vermutl 
hatte,  doch  halten  wir  es  nicht  vor  Pflicht,  der  ein  wenig  ubertriebenen  Bescheid< 
heit  eines  verdienten  Mannes  hierinnen  nachzugeben.« 

Sogleich  nach  Graupner's  Tode  suchte2)  Oberhofmarschall  von  AVal 
brunn  seinen  kiinstlerischen  NachlaB  fur  den  Hof  in  Besitz  zu  nehmc 
Aber  die  Rechtsnachfolger  des  >geschickten  und  beriihmten  Mannes «,  d 
Advokat  Graupner,  sein  altester  Sohn,  und  des  Kapellmeisters  Schwiege 
sohn,  Kammer-Referendar  Wachter,  waren  zur  Herausgabe  des  Nachlass 
nur  gegen  eine  Entschadigungssumme  bereit.  Sicherlich  leiteten  AVallbrui 
die  besten  Absichten :  er  wollte  den  seiner  >Natur  nach  werthen  Schatzc  nic 
verzettelt  wissen,  und  so  schlug  er  dem  Landgrafen  vor,  fur  die  Herausga 
des  >grosten  Capitals*  von  Graupner's  Hinterlassenschaft  (in  Frage  kam 
fur  ihn  nur  des  Meisters  Kirchenkompositionen)  den  Erben  aus  der  vaka 
gewordenen  Besoldung  »pro  acqnitate*  einen  Teil  zu  bewilligen.  Ludwig  YE 
entschied,  daB,  damit  von  der  Hinterlassenschaft  >nichts  nicht  jemahls*  er 
wendet  werden  konnte,  die  genau  zu  verzeichnenden  Musikalien  unter  fest 
VerschluB  genommen  werden  sollten ;  er,  der  Landgraf,  sei  Erbe  von  Graupnei 
Gage ;  da  die  Zeiten  sehr  schlecht  seien,  solle  keinem  der  Kapellisten  dav 
etwas    ausgehiindigt    werden;  (!)  die    gestochenen   Musikalien     gehorten     d 


1)  S.  212  f. 

2)  Die  Akten  der  Verliandlungen  sind  bis  zum  Jahre  1765  erhalten.     Ton  d 
spateren  Dokuraenten,  die  Pas  que  offenbar  benutzt  hat  (s.  u.),  habe  ich  nichts 
Gesichte  bekommen. 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's.  609 

Familie  Graupner's,  »  Kirch-  und  Taffell  Musikalien  NB  davon  abgesondert, 
denn  der  hoch  beriimbte  Capell  Meister  Graupner  Gage  Leben  lang  gebabt 
aucb  behalten;  so  kan  Niemand  nicht  mit  Recht  und  Fug  jetzo  wollen  Seine 
gemacbte  arbeit  verkauffen,  denn  Solche  im  Dienst  gemacht,  auch  Eo  ipso 
mir  gehoren.*  Diesen  EntschluB  gab  der  Landgraf  am  28.  Mai  1760  kund. 
Selbstredend  waren  die  Erben  damit  nicht  einverstanden,  und  so  begann  ein 
in  seinen  Einzelheiten  und  wegen  der  prinzipiellen  Bedeutung  der  Frage 
nicht  uninteressanter  Rechtsstreit,  der  freilich  nicht  bis  zum  letzten  Ent- 
scheide  durchgefochten  wurde.  Man  mag  iiber  die  juristische  Seite  der 
Angelegenheit  denken  wie  man  will  (erst  in  unseren  Tagen  beginnt  man 
ernstlich  an  der  Losung  der  Frage  zu  arbeiten,  die  ja  heute  in  jedem  Fabrik- 
betriebe  eine  wichtige  Rolle  spielt):  daC  vom  Standpunkte  einfacher  biirger- 
licher  Moral-Begrifle  der  Landgraf  zu  seinem  Vorgehen  nicht  berechtigt  war, 
kann  keinem  Zweifel  unterliegen.  Aber  im  Zeitalter  des  Absolutismus  litten 
die  Fiirsten  im  allgemeinen  weniger  denn  je  an  moralischen  Anwandlungen. 
Allein  auch  die  Erben  blieben  fest  und  waren  voll  froher  Erwartung  einer 
»  erklecklichen  bonifieirung*)  auf  die  sie  in  Anbetracht  des  Umstandes,  daC 
ihr  Vater  »in  der  That  mehr  als  gewohnlichen  Fleisz«  bewiesen  habe,  und 
auch  deshalb  Anspruch  zu  haben  meinten,  weil  »sich  unter  uns  noch  einige 
(namlich  Kinder)  be  fin  den,  die  noch  gar  gering  versorget,  und  zum  Theil, 
kranklichen  Leibes  Umstande  halber,  gantzlich  ausser  Stande  sind,  zu  ihr e in 
Unterhalt  etwas  erwerben  zu  konnen,  und  iiberdeme  der,  von  unserem  ver- 
storbenen  Vater  hinterbliebene  Musicalische  Reichthum,  auszer  leyder!  der 
sich  in  der  Welt  erworbenen  renommee,  beynahe  das  eintzige  Erbschaffts 
Stuck  ist,  das  uns  nach  seinen,  in  die  Ein  und  Fiinfzig  Jahre  lang,  mit 
gantz  auszerordentlichem  Fleisz,  Eiffer  und  Devotion,  geleisteten  unterthanig- 
sten  Diensten,  verbleibet«  .  .  .  Eine  Antwort  erfolgte  nicht,  so  daC  die 
Erben  am  19.  November  sich  zu  einer  zweiten  Bittschrift  genotigt  sahen. 
Das  Rats-Kollegium  beschaftigte  sich  zwar  mit  der  Frage,  der  Entscheid 
des  Fiirsten  aber  wurde  nicht  eingeholt.  Noch  im  Januar  1761  war  kein 
BeschluB  gefaJJt;  so  petitionierten  die  Kinder  Graupner's  abermals.  Die 
Meinungen  im  Geheimen  Bate  waren  geteilt.  Ganz  auf  Seiten  des  Fiirsten 
stand  Herr  von  Biedesel,  der  aber  gleichwohl  den  Erben  gonnte,  wenn 
*Princeps  elementissimus  ex  intra  gratia  etwan  400  fl.  gnadigst  resolviren 
wolte.«  (!)  Am  12.  Februar  machte  der  Geheime  Rat  endlich  eine  Eingabe 
an  den  Landgrafen:  die  Majoritat  sage,  die  Musikwerke  Graupner's  und  be- 
sonders  die  Partituren  konnten  den  Erben  nicht  vorenthalten  werden,  und 
es  sei  demnach  eine  Entschadigung  zu  zahlen,  die  sie  mit  400  G.  ansetze. 
Der  Landgraf  entschied  am  28.  Marz,  das  Oberhofmarschallamt  solle  die 
Erben  vor  sich  fordern,  samtliche  Kirchen-  und  Tafelmusiken  an  sich  nehmen 
und  die  Abfindung  »so  gut  als  moglich  zu  tractiren«  suchen.  Man  sieht, 
da£  auch  in  diesem  Falle  wieder  einmal  von  dem  Grundsatze  des  Noblesse 
oblige  abgewichen  wurde.  Wie  der  Landgraf  blieben  auch  jetzt  die  Erben 
hart;  sie  erklarten  es  fur  notorisch.  daJB  Graupner's  Kompositionen  der  Art 
seien,  >dasz  wohl  ein  dergleichen  Vorrath  schwerlich  bey  einem  Capellmeister 
vorzufinden  seyn  wiirde,  und  dadurch  der  Dienst  sowohl  in  der  Kirche  als 
bey  der  Tafel  und  andern  Yorfallenheiten  gleichsam  auf  ewige  Zeiten  hinaus 
festgesetzt  werden  konnte.«  SchlieBlich  riickten  sie  mit  schwererem  Ge- 
schutze  auf  und  erinnerten  den  Fiirsten  an  sein  und  seines  Vaters  Wort,  fiir 
Graupner's  Familie  sorgen  zu  wollen.    Sie  hofften  also,   >dasz  .  .  .  vor  sehr 


610  Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Chrietoph  Graupner'i. 

billig  angesehen  werden  wttrde,  wenn  sie  sich  vor  den  grosser*  Musicsliscl 
Reichthum,  welcher  zumahlen,  ohne  Ruhmredigkeit  zu  melden,  iiberall  eii 
ganz  besonderen  ap])Iausum  fande  und  zum  Theil,  was  nemlich  die  Tai 
and  andere  Musiquen  anbetreffe,  ausser  (d.  h.  aufierhalb)  seiner  (Graupne 
Obliegenheit,  mit  sehr  schweren  und  grossen  Kosten  aus  alien  Orten  < 
Welt,  mit  Anwendung  seines  eignen  Yermogens,  waren  angeschafft  worden  [! 
sich  Yier  noch  lebenden  Kinder,  und  so  lang  eines  von  ihnen  am  JLeb 
vom  Ablauf  des  ohne  dem  zu  geniefien  gehabten  Sterb-  und  Gnaden-Qu 
tals  an  zu  rechnen,  eine  jiihrliche  Pension  von  450  G.  und  zwar  in  350 
baar  Geld  aus  der  vacanten  Besoldung  ihres  Vaters  sodann  in  100  G. 
denen  darvon  zu  geniessen  gehabten  naturalien  unterthanigst  ausbathei 
Sie  bezogen  sich  dabei,  ohne  anderer  Beispiele  zu  gedenken,  auf  den  Chi 
sachs.  Kapellmeister  Heinichen,  dessen  Kinder  mit  einer  jahrlichen  Pensi 
von  500  Gulden  abgefunden  worden  seien,  >obgleich  deren  Vater,  wie  we 
kundig,  dasjenige  weder  in  Ansehung  der  lange  der  Zeit  noch  in  Ansehu 
der  Arbeitsamkeit  bey  weitem  nicht  praestiret  hatte,  was  von  ihrem  v< 
storbenen  Yater  wiirklich  vor  Augen  liege. «  SchlieGlich  erklarten  sie,  i 
einer  Bewilligung  ihrer  Forderung  fUr  10  Jahre  zufrieden  zu  sein.  No 
immer  kam  die  Sache  nicht  in  FluB;  verauflern  durften  die  Erben  la 
einem  strengen  Befehle  des  Landgrafen  vom  Nachlasse  Graupner's  nich 
So  kam  das  Jahr  1765  heran.  Es  brachte  abermals  eine  Petition  an  d 
Landesvater:  Die  Erben  hiitten  bis  jetzt  den  Befehl,  nichts  von  der  Musi 
Hinterlassenschaft  zu  verkaufen,  in  der  Hoffnung  befolgt,  >dass  fur  die  A 
trettung  so  betrachtlicher  Musicalien,  um  so  ehender  in  h.  Gn.  uns  ein  gewiss 
werde  gereichet  werden,  als  unser  Yatter  bey  seinen  Lebzeiten  davon  kein 
eintzigen  Sontag,  vielweuiger  einen  gantzen  Jahrgang  an  frembde,  gegen  < 
Ihm  ofters  dafur  an  gebothene  starcke  Bezahlung  gelangen  lassen,  mitt 
nach  dem  Beyspiele  anderer  beriihmten  Capell  Meister  mit  seiner  Arb 
weder  einen  Handel  getrieben,  noch  dafur  wie  diese  eine  doppelte  Besoldu 
gezogen,  sondern  jene  lediglich  seiner  gn.  Herrschaft  geweyhet  hat. 

U nter  diesen  Umstanden  kan  es  uns  also  nicht  anders  als  zu  einer  hod 
wehmuthigen  Emph'ndung  gereichen,  wenn  wir  auszerlich  vernehmen  mussc 
als  solten  gedachte  Compositionen  nicht  mehr  fur  unser  Eigeothum,  sonde 
als  eine  Sache  angesehen  werden,  die  unserm  Yatter  durch  seine  Besoldur 
schon  bey  dessen  Lebzeiten  seye  bezahlt  worden.*  Sie  berufen  sich  weil 
auf  die  Gepflogenheit  anderer  Hofe  (vgl.  u.):  dort  seien  die  Arbeiten  eii 
Capellmeisters,  sobald  sie  aufgefuhrt  seien,  dessen  volliges  Eigenthum. 

Sie  biiten  um  so  mehr,  ihnen  eine  geniigende  Entschadigung  fur  c 
Hinterlassenschaft  zu  bewilligen,  >als  wir  uns  noch  nicht  erkiihnt,  der  G 
wohnheit  nach  bios  auf  die  Verdienste  eines  Yatters,  voreiliger  weise  i 
eine  Gnade  anzusuchen,  und  wir  ausserdeme  einen  Bruder  zu  verpfleg 
haben,  dessen  kranckliche  Umstande  alleine  hinreichend  seyn  konten,  a 
zu  dieser  unterthanigst  demiithigsten  Bitte  zu  bestimmen.* 

Ein  amtlicher  Bericht  aus  Anspach,  der  bekundete,  dafi  >der  Wittib  c 
letztvorigen  Capell-Meisters  vor  die  ausgeliefferte  Compositiones  ihres  v< 
storbenen  Mannes  ein  proportionirtes  Geld-(3?/a^wm«  von  Herrschafts  weg 
gereicht  worden  sei,  und  ein  Schreiben  Ben  da's  (beglaubigte  Copie)  ux\U 
stutzten  das  Gesuch.     Der  Brief  lautet: 

>Es  is t   mir  von    des Capellmeisters  Herrn  Chris toph   Graupne 

hinterlassenen  Erben  folgende  Frage  zu  be  ant  wort  en  vorgelegt  worden:   ob  d 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupners.  611 

Herrn  LaDgrafen  Hochfurstl.  Durchlaucbt  die  von  dem  seeligen  Herrn  Capell- 
meister verfertigte  Kirchen-Stiicke  ohnentgeltlich  zuriick  bebalten,  oder  ob  sie 
von  dessen  Erben  als  eine  ihme  eigenthiimlich  zu  stehende  Sache  angeeehen  und 
damit  nach  ibrem  Gut  befinden  verfabren  werden  kftnnen. 

Diese  Frage  richtiger  zu  beantworten  6ind  nachstehende  drey  Punckte  zu  er- 
wagen  angegeben  worden.  Erstlich  seye  bey  der  Annabme  des  Herrn  Capell- 
meisters  bievon  nicbt  das  mindeste  gedacbt  worden. 

Zweytens  Seye  von  Ihm  Eein  einziges  Stuck  fiir  Auswartige  abgeschrieben 
worden. 

Drittens  Ware  dem  Herrn  Capellmeister  von  Sr.  Hochfiirstl.  Durcblt.  dem 
Herrn  Landgraffen  ein  Copiste  gebalten  (?j  und  das  nSthige  Papier  bergegeben 
worden. 

Was  den  ersten  Punckt  betrifft,  so  liegt  klar  am  Tage,  dasz  man  ein  solcbes 
An mu then  6ich  gar  nicht  in  den  Sinn  kommen  laszen,  jemals  von  Seiten  des 
Hofes  auf  die  verfertigte  Musick  nur  den  miindesten  Anspruch  zu  machen,  maDen 
dieses  als  eine  Ausnahme,  da  an  andern  Hdfen  fiber  diesen  Punckt  gar  kein 
zweiffel  entstehet  ausdruklich  hatte  miissen  erwehnet  und  fescgesezt  werden. 

Der  zweyte  Punkt,  welcher  zur  Entscheidung  nichts  beytragen  kann,  zeigt 
vielmehr  von  einer  groBen  Gefalligkeit  des  seeligen  Herrn  Capellmeisters,  indem 
es  demeelben  allemal  frey  gestanden  seine  Music,  als  eine  vOllig  eigenthtimliche 
Sache,  an  ausw&rtige  Liebhaber  zu  communiciren. 

Was  endlich  den  Dritten  Punckt  anlangt,  so  genie6e  ich  von  Sr.  Herzogl. 
Durchlt.  allhier  gleiche  Vortheile,  nur  noch  mit  dem  Unterschied,  daB  mir  statt 
einem  Copisten  deren  zwey  gehalten  werden.  Dessen  allem  ohngeachtet  verbleiben 
meine  in  hiesigen  Diensten  verfertigte  Musicalien  nach  meinem  Absterben  meinen 
Erben  als  ein  v&lliges  Eigenthum,  und  stehet  denenselben  frey,  damit  zu  verfahren, 
wie  sie  es  fiir  gut  befinden.  So  sind  auch  die  Erben  meines  Vorfahren  des  Herrn 
Capellmeister  StOlzels  die  von  Ihm  verfertigte  Jahrgange,  von  Sr.  H.  D.  ffir 
eine  betrachtiche  Summe  erkaufft  worden.  Da  dieses  nicht  allein  hier  sondern  so 
viel  ich  weisz  auch  an  anderen  Httfen  auf  gleiche  Art  gehalten  wird,  so  bin  ich 
der  Meynung,  dasz  denen  Graupnerischen  Erben  ihre  Freyheit  mit  denen  vor- 
handenen  Musicalien,  bios  nach  ihrem  Guth  finden  zu  handeln  im  mindesten  nicht 
eingeschranckt  werden  kdnne.  Dasz  es  an  hiesigem  Hofe  wircklich  so  gehalten 
und  alles  auf  verlangen  weiter  bestarcket  werden  kflnne,  bezeuge  ich  durch  meine 
eigenhandige  Unterschrifft  u.  bey  gedrucktes  Pettschaft. 

Gotha  d.  27  ten  Aug.  1766  Georg  Benda 

Fiir8tl.  Sachs.  Capellmeister. « 

Die  Antwort  des  Landgrafen  erfolgte  am  29.  Oktober  1766  und  bestand 
—  in  der  Feststellung  der  Tatsache,  daB  der  eingeforderte  Bericht  noch 
nicht  eingetroffen  sei!  Dagegen  wehrten  sich  die  Rate  auf  ihre  Art  in 
ziemlich  energischer  Form,  doch  wurde  vorsichtshalber  der  springende  Punkt 
nochmals  beruhrt  und  von  ihm  aus  —  der  Hoflingsweg,  der  zur  ersten 
MeinungsauBerung  des  Fiirsten  zuruckkehrte,  angetreten.  Es  heiBt  in  dem 
Berichte  nach  Erwahnung  der  450  G.,  die  die  Erben  als  eine  Jahrespension 
erbeten  hatten: 

>Nachdem  man  aber  nicht  nur  unter.dem  12 ten  Febr.  d.  a.  (?)  bey  dem  Ge- 
heimen  Rats  Collegio  der  Meinung  gewesen,  dasz  die  Graupnerischen  Erben  es  als 
eine  Gnade  zu  erkennen  haben  wiirden,  wenn  Serenissimus  denenselben  etwa  400  fl. 
flberhaupt  zu  schenken  gndst  geruhen  wollten,   sondern  bereits  vorhero  auch  Ihre 


612 


Wilibald  Nagel,  Das  Leben  Christoph  Graupner's. 


Hochfiirstl.  Durchl.  in  dem  von  HDchstdemselben  eigenhandig  abgefaOten  gndsti 
Decret  vom  28.  May  1760,  so  den  28.  Mart.  A.  1761  nochmals  beetatiget  word* 
ausdrflcklich  zu  erkennen  gegeben  haben,  daC,  da  der  Gapellmeister  Graupner  <] 
Capellmeistergage  lebenslang  gehabt  und  behalten,  niemand  mit  Recht  und  Fi 
seine  gemachte  Arbeit  abermahl  verkauffen  mOge,  denn  solche  i 
Dienst  gemacht  auch  eo  ipso  Hflchstdemselben  zu  gehflren.* 

Bei  dieser  Sachlage  habe  der  Geheime  Rath  die  Angelegenheit  als  erledij 
angesehen,  aber  es  Serenissimi  bekannter  Milde  anheimgegeben,  ex  mi 
gratia  400  G.  zu  bewilligen  »ein  vor  allemahl*.  Zuletzt  wurde  noch  d 
Rent-Kammer  um  ihr  Votum  angegangen  (es  erfolgte  unterm  19.  Nov.  1766 
und  dann  beschloB  der  Geheime  Rath  der  Herren  v.  Biedesel,  v.  Gemmingc 
und  von  Buri ,  es  bei  der  mitgeteilten  Entschliefiung  vom  5.  November  2 
belassen.  Was  der  Landgraf  zu  diesem  Ausgange  der  Sache  (26.  Nov.  176' 
gesagt  hat,  ist  nicht  bekannt  geworden.  Nach  Pasque's  Angaben  l}  zogc 
sich  die  Verhandlungen  bis  in  die  Regierungszeit  Ludwigs  IX.  hin.  Ta 
sache  ist,  da£  der  Schreiber  des  mehrfach  erwiihnten  Aufsatzes  im  H.  1 
Kalender  1781  uber  die  Absicht  der  Graupner'schen  Erben,  den  Nachlf 
zu  verkaufen,  spricht.  Erst  1819  gelangten  die  Kompositionen  in  den  B 
sitz  des  Gr.  Hauses.  Yon  da  aus  gingen  sie  in  den  Bestand  der  Bil 
liothek  der  Hofmusik,  spater  in  den  der  Gr.  Hofbibliothek  in  Darmsta< 
ilber. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  daB  die  hartnackig  gefuhrten  Kampfe  u 
den  Besitz  des  musikalischen  Nachlasses  Graupner's  nicht  gerade  giinstig  a 
die  Verhaltnisse  der  Kapelle  einwirkten.  Balth.  Hertzberger2},  der  dama 
die  Kirchenmusik  in  Darmstadt  leitete,  klagte  im  Februar  1766,  wie  schw< 
es  ihm  falle,  die  passenden  Musikstiicke  aus  dem  Besitze  von  Graupner 
Erben  zu  >choisiren«,  und  gleichsam  heraus  pressen  zu  miissen.  Schwer< 
sei  jedoch  noch,  die  Auffuhrungen  selbst  zu  Stande  zu  bringen:  er,  d< 
Bassist,  miisse  gar  oft  auch  noch  den  Tenor-  und  Sopran-Part  >wo  es  thui 
lich<  ubernehmen.  Werde  das  nicht  besser,  so  miisse  die  Musik  an  d€ 
Sountag-Nachmittagen  unterbleiben ;  sollte  ein  Bassist  stets  die  Sopranstimn 
ersetzen,  »da  ware  die  Metamorphosis  allzu  gross.  Die  eine  Sangeri 
(Schetky)  stehe  in  der  Abnahme,  die  andere  (Lepri)  wolle  sich  mit  d< 
deutschen  Sprache  nicht  befreunden.  »Da  aber  nun  dieses  Manquemei 
offenbahr  vor  Augen  liegt,  so  hielte  davor,  wenn  ein  F.  0.  H.  Marschal 
Amt  es  dahin  brachte,  dass  ratione  der  Graupner'schen  Kirch  en  Musiqut 
die  qiiaestio  an?  decidiret,  ein  richtiger  Catalogus  dariiber  formiret,  und  deo 
jenigen,   so  solche  dirigiret,  zur  Verwahrung  ubergeben  wurde. «  .  .  . 

Ein  traurigeres  Postludium  ist  schwerlich  jemals  dem  Andenken  eiir 
bedeutenden  Kiinstlers  erklungen. 

1)  A.  a.  0.  S.  725  f. 

2)  Vgl.  Nagel  a.a.0.    S.  64  ff. 


Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre.  613 

Zur  Verzierungslehre1). 

Von 

Hugo  Leichtentritt. 

(Berlin.) 

Hugo  Goldschmidt,  Die  Lehre  von  der  vokalen  Ornamentik. 
Erster  Band:  Das  17.  u.  18.  Jahrhundert  bis  in   die  Zeit  Gluck's.    Charlottenburg, 

Paul  Lehsten.    1907. 
Adolf  Beyschlag,  Die  Ornamentik  der  Musik.    Leipzig,  Breitkopf  &  Bartel.    1908. 

Je  mehr  man  sich  in  neueren  Zeiten  mit  der  Musik  fruherer  Jahrhunderte 
beschiiftigt  hat,  desto  dringender  wurde  das  Bediirfnis  nach  einer  deutlichen 
Erklarung  jener  zahlreichen  Abkiirzungen,  die  man  sowohl  im  instrumen- 
tal wie  auch  vokalen  Stil  fiir  gewisse  Tonformeln  angewendet  hat.  Be- 
sonders  im  17.  und  18.  Jahrhundert  ist  die  Zahl  und  Mannigfaltigkeit  dieser 
Verzierungszeichen  so  groB,  die  Bedeutung  selbst  der  gleichen  und  ahnlichen 
Zeichen  oft  so  verschieden  bei  verschiedenen  Meistern,  sogar  bei  einem  und 
demselben  Meister  zu  verschiedenen  Zeiten,  daB  selbst  Kenner  nur  zu  oft 
durchaus  in  Yerlegenheit  geraten  wegen  der  richtigen  Ausfuhrung.  Eine 
Zeitlang  halfen  sich  viele  Herausgeber  alterer  Werke  in  etwas  naiver  Weise, 
indem  sie  einfach  alle  Verzierungen  oder  den  groBten  Teil  davon  auslieBen, 
mit  der  Begriindung,  alle  diese  Schnorkel  seien  ein  alter  Zopf,  der  in  unserer 
Zeit  ganz  uberflussig  geworden  sei,  sich  hochstens  durch  die  fruheren  ton- 
armen  Instrumente  rechtfertigen  lieBe.  Indes  die  letzte  Stunde  dieser  be- 
quemen  Ausflucht  hat  schon  geschlagen.  Die  Forderung  nach  einem  stil- 
vollen  Vortrag  alterer  Meisterwerke  wird  immer  dringlicher,  und  man  erkennt 
immer  mehr,  daB  auch  genaue  Kenntnis  der  Ornamentik  einen  nicht  un- 
wesentlichen  Teil  der  Stilerkenntnis  ausmacht.  Es  gehort  dazu  auch  eine 
Kliirung  der  sogenannten  »willkurlichen«,  d.  h.  improvisierten  Verzierungen 
in  der  Arie  und  im  Instrumentaladagio.  Dieses  richtig  erkannte  Bediirfnis 
hat  AnlaB  gegeben  zum  Erscheinen  der  beiden  oben  angezeigten  umfang- 
reichen  Biicher  iiber  den  Gegenstand.  Beide  behandeln  das  Thema  so  um- 
fassend,  wie  keiner  der  fruheren  Versuche,  die  mehr  kleine,  orientierende 
Skizzen  waren,  als  erschopfende  Abhandlungen.  Es  kommen  von  alteren 
Versuchen  jetzt  noch  in  Betracht:  Dannreuther's  > Musical  ornamentation*, 
Hugo  Gold  Schmidt's  »Die  italienische  Gesangsmethode  im  17.  Jahr- 
hundert*,   einige  Abschnitte    aus   Seiffert-Weitzmann's    »Geschichte    der 

1}  Der  Verfasser  der  vorliegenden  Besprechung  war  im  Auftrage  der  Redak- 
tion  der  Sammelbande  mit  dem  Beyschlag'schen  Buche  schon  seit  Wochen  be- 
schaftigt, als  in  der  Zeitschrift  der  IMG.  fiir  ihn  ganz  iiberraschend  das  Referat 
von  Ettler  erschien.  Da  seine  Besprechung  erheblichen  Raum  in  Anspruch  nimmt 
und  die  Sammelbande  nur  einmal  im  Vierteljahr  erscheinen,  muBte  mit  dem  Ab- 
druck  langer  gewartet  werden,  als  es  ihm  lieb  war.  Da  er  aber  zur  Sache  viel 
mehr  zu  sagen  hatte,  als  der  Ettlersche  Bericht  enthalt,  so  wollte  er,  im  Einver- 
standnis  mit  der  Redaktion  der  Sammelbande,  seine  mit  erheblichem  Aufwand  an 
Zeit  und  Mtihe  geschriebene  Besprechung  nicht  zuruckziehen.  Wenn  sie,  wie  er 
glaubt,  zur  Kliirung  des  Sachverhalts  in  dieser  fur  die  Musikwissenschaft  sehr 
wichtigen  Frage  mancherlei  beitrilgt,  so  ist  ihr  Erscheinen  von  selbst  gerecht- 
fertigt. 


614 


Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre. 


Klaviermusik*  und  zwei  Dissertationen  von  Fr.  Kuhlo  »Uber  melodis* 
Verzierungen  in  der  Tonkunst*  (1896)  und  M.  Kuhn  »Die  Verzieron 
kunst  in  der  Gesangsmusik  des  16. — 17.  Jahrhunderts*  (1902).  Kein  Zwei: 
daft  eine  Lehre  der  Ornamentik,  die  wissenschaftlichen  Anspriichen  genu); 
soil,  recht  bedeutende  Schwierigkeiten  zu  iiberwinden  hat.  Wer  aber  di< 
Arbeit  erfolgreich  bewaltigt,  der  hat  ein  Buch  von  dauerndem  Wert  { 
schrieben.  Sehen  wir  zu,  wie  die  beiden  vorliegenden  Biicher  ihre  Aufga 
gel 08 1  haben. 

Goldscbmidt's  Buch  (228  Seiten  Text,  dazu  Anhang  von  92  Seit 
Musikbeispielen)  beschrankt  sich  auf  die  Gesangsmusik  des  17.  und  18.  Jal 
hunderts  bis  zu  Gluck,  behandelt  aber  diesen  Ausschnitt  so  grundlich,  k] 
und  verstandig,  daB  man  hier  wohl  von  einer  erschopfenden  Darstellu 
reden  darf,  die  strengen  wissenschaftlichen  Anforderungen  durchaus  stan 
halt.  Der  Verfasser  begniigt  sich  nicht  mit  einer  Interpretation  der  a 
kiirzenden  Zeichen,  sondern  er  gibt  eine  regelrechte  Geschichte  eines  jed 
einzelnen  Ornaments,  verfolgt  sein  Auftreten,  seine  Weiter-  oder  Umbildu: 
durch  die  verschiedenen  Jahrzehnte  und  Schulen  hindurch.  Bei  dieser  B 
handlung  kommen  eine  Menge  interessanter  Dinge  zur  Erorterung,  die  a 
das  Wesen  des  alten  Sologesanges  ein  sehr  erwunschtes  Licht  werfen.  I! 
improvisierten  Verzierungen,  eingelegten  Kadenzen,  die  fur  das  ganze  18.  Jal 
hundert  eine  groBe  Bedeutung  haben,  erfahren  eine  sehr  dankenswerte  ei 
gehende  Behandlung;  gerade  dieser  schwierigste  Teil  der  Ornamentik  w 
bisher  durchaus  vernachlassigt  worden,  wenn  man  von  Kuhn 'a  und  Chr 
Sander's  Studien  (iiber  Zacconi)  absieht,  die  sich  aber  nur  auf  das  17.  Jal 
hundert  erstrecken.  Fiir  Handel-  und  Bach-Aufluhrungen,  die  ja  fur  uns 
offentliches  Musikleben  vor  allem  anderen  in  Betracht  kommen,  ist  dur 
diese  Untersuchungen  ein  fester  Boden  gefunden,  was  den  Umfang  und  d 
Art  der  Ornamentik  betrifft.  Es  seien  diese  Kapitel  deswegen  der  genaui 
Priifung  empfohlen  seitens  der  Dirigenten,  Sanger,  Musiker,  die  iiber  d< 
herkommlichen  Schlendrian  in  Sachen  Handel-Bach  hinausstreben.  Gol 
schmidt  bietet  hier  nicht  nur  abstrakte,  wissenschaftliche,  geschichtliche  E 
orterungen,  sondern  er  macht  praktische  Vorschlage  bis  in  Einzelheiten  hii 
ein.  S.  157 — 222  seines  Bucbes  bieten  eingehende  Analysen  der  Solog 
siinge  aus  Handel's  >  Samson  «  und  »Josua«,  aus  Bach's  >Matthauspassioi 
und  »Johannespassion«,  aus  Gluck's  » Orpheus. «  Diese  Vorschlage  zur  sti 
gemaBen  Auszierung  verdienen  die  sorgfaltigste  Priifung,  weil  hinter  ihn< 
die  Autoritat  eiues  wirklichen  Kenners  dieser  Dinge  steht.  Sie  wollen  nici 
als  verbindliche  Vorschriften  gelten,  sondern  eben  nur  als  Vorschlage,  w 
die  Aufgabe  etwa  gelost  werden  konnte.  Besonderen  Wert  erhalten  sie  dun 
die  eingehende  geschichtliche  und  asthetische  Begrundung,  die  Abwesenhc 
jeglicher  willkiirlicheu  Zutat.  Das  Geschichtliche  ist  so  fest  fuudiert,  dt 
ich  nur  ganz  wenige  Urteile  finde,  denen  ich  nicht  beistimmen  kann.  L 
vermisse  eine  Berucksichtigung  von  Graun  und  Hasse,  die  sicherlich  nicl 
ergebnislos  gewesen  ware.  Manche  Abschnitte  erheben  sich  iiber  die  E 
orterung  des  engeren  Themas  hinaus  zu  wertvollen  Skizzen,  wie  z.  B.  dj 
Kapitel  Alessandro  Scarlatti  (S.  35  —  45),  meines  Erachtens  die  beste  Oriei 
tierung  iiber  diesen  Meister,  die  gegenwartig  iiberhaupt  zu  finden  ist;  auc 
der  Abschnitt  iiber  Reinhard  Keiser  bringt  mancherlei  Neues  von  Belan 
Von  hervorrag(jii(lem  AVert  sind  die  zusammenfassenden  Kapitel  iiber  d 
Geschichte    einzelner  Verzierungen,    des    Trillers    in  der  franzosischen   Musi 


Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre.  615 

(S.  67—73),  des  Trillers  im  18.  Jahrhundert  (S.  119—126),  tiber  Passagen 
und  Kadenzen  (S.  130—153),  die  Vorschlage  (S.  101  —  114).  Uber  alles 
dies  und  ahnliches  kann  ich  mich  hier  kurz  fassen,  da  diese  Kapitel  bei 
Besprechung  des  Beyschlag'schen  Buches  weiter  uDten  vergleichsweise  ooch 
haufig  herangezogen  sind.  Mit  der  Ansicht,  daB  Heinrich  Albert  *uber  die 
Monodien  der  Italiener  weit  hinaus  geht«  (S.  87),  bin  ich  nicht  einverstan- 
den.  Ich  glaube  vielmehr,  daB  die  deutsche  Monodie  des  17.  Jahrhunderts 
hinter  den  italienischen  Mustern  betrachtlich  zuriickbleibt.  Die  Belege  dafur 
findet  man  in  meiner  soeben  erschienenen  Bearbeitung  des  4.  Bandes  der 
Ambros'schen  Musikgeschichte ,  in  dem  Kapitel:  >Monodische  Kammermusik 
bis  gegen  1650«. 

Der  gewichtigste  Einwand,  den  ich  gegen  das  Goldschmidt'sche  Buch 
zu  machen  habe,  richtet  sich  gegen  die  Tendenz  des  Verfassers.  Einerseits 
bestrebt  er  sich  mit  dem  besten  Erfolge,  die  verwickelten  Fragen  der  Or- 
namentik  zu  Ibsen,  andererseits  verkleinert  er  das  Ergebnis  seiner  Unter- 
suchungen  durch  die  Ansicht,  die  nun  wieder  gefundene  echte  Ornamentik 
habe  praktischen  Wert  »nur  insoweit  sie  sich  auch  dem  musikalischen 
Empfinden  des  modernen  Horers  eignet.«  (S.  3.)  Damit  ist  der  Willkur 
wiederum  ein  breiter  Weg  geoffnet.  Wer  ist  denn  eigentlich  der  >moderne 
Hbrer?«  Und  auch  das  musikalische  Empfinden  andert  sich  bestandig, 
sowohl  beim  Einzelnen,  wie  auch  in  dem,  was  man  den  herrschenden  Ge- 
schmack  einer  Epoche  nennt.  Ganz  im  Gegenteil,  wenn  die  Forschung  die 
Stileigentumlichkeiten  alterer  Kunstwerke  gliicklich  gefunden  hat,  so  muB 
das  Bestreben  der  praktischen  Ausfuhrung  sein,  dem  stilvollen  Vortrag  sich 
soweit  als  irgendwie  moglich  zu  nahern.  Fiir  die  Vortragsweise  miissen 
feste  Normen  gegeben  werden ;  erst  innerhalb  dieser  soil  die  Personlichkeit 
des  Vortragenden  sich  geltend  machen.  Gerade  darin  liegt  der  Unterschied 
zwischen  Stil  und  verwildertem  Naturalismus.  Uber  diesen  Punkt  herrschen 
iiberhaupt  so  verworrene  Anschauungen ,  daB  eine  eingehende  Behandlung 
unserer  Stellungnahme  alteren  Stilprinzipen  gegeniiber  durchaus  notwendig 
ware.  Die  Puristen  stellen  die  Forderung,  man  miisse  ein  Kunstwerk  so 
aufflihren,  wie  es  der  Schopfer  seinerzeit  unter  den  giinstigsten  Umstanden 
htitte  tun  konnen.  Andere  behaupten,  es  wTare  gar  nicht  moglich  sich  in  die 
Anschauungen  und  Empfindungen  einer  lange  vergangenen  Epoche  zuruck- 
zuversetzen,  daB  jede  Epoche  sich  die  Werke  der  Vergangenheit  nur  unter 
ihrem  eigenen  Gesichtswinkel  zurechtlegen  konne  und  auch  durfe.  Es  wird 
sogar  die  Meinung  verfochten:  >wir  vermogen  die  Kunstwerke  der  Ver- 
gangenheit nur  noch  entwicklungsgeschichtlich ,  nicht  mehr  asthetisch  zu  er- 
fassen.«  Wie  weit  zuriick  erstreckt  sich  wohl  diese  Vergangenheit?  Ver- 
mogen wir  Bach  noch  zu  erfassen,  Heinrich  Schiitz  dagegen  nicht  mehr?  Oder 
konnen  wir  nur  die  Werke  der  Gegenwart  erfassen?  Auch  diese  vielleicht 
nicht?  —  sind  doch  so  viele  groBe  Meister  erst  von  der  Nachwelt  gewiirdigt 
worden!  Oder  konnen  wir  gar  nichts  asthetisch  erfassen?  Man  sieht,  zu 
welchen  Absurditaten  diese  Anschauung  fuhrt.  Ich  halte  diese  Meinung  fiir  eine 
durchaus  unzulangliche.  Was  echte  Kunst  ist,  d.  h.  was  kunstgemaBer  Ausdruck 
einer  starken,  reinen  Empfindung  ist,  das  ist  dem  Kunstverstiindigen  immer 
einleuchtend,  so  alt  es  auch  sein  mag,  —  wohlgemerkt  dem  Kunstverstiindigen, 
nicht  dem  » modernen  Horer«  oder  >uns«  schlechthin.  Die  chinesische  und 
japauische  Mai-  und  Zeichenkunst  ist  dem  Kenner  durchaus  verstandlich 
und   sympathise!!,    und  den  Geist   eines  Madrigals  von  Marenzio,   einer  Mo- 


616  Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre. 

tette  von  Palestrina,  einer  Arie  von  Scarlatti,  sollte  ein  Kenner  der  Musik 
nicht  erfassen  konnen?  "Ware  es  nicht  Barbarei,  wenn  man  versuchte  in 
die  chinesische  Malerei  Perspektive  hineinzubringen ,  um  diese  uralte,  uns 
fremdartige  Kunst  leichter  verstandlich  zu  machen?  Nicht  weniger  Bar- 
bare  i  ist  es,  ein  musikalisches  Kunst werk  mit  allerlei  modemen  Retouchen 
aufzufuhren,  unter  AuBerachtlassung  wesentlicher  Erfordernisse ,  nur  um  es 
>uns«  angeblich  leichter  verstandlich  zu  machen.  Der  vielzitierte  Satz,  »jede 
Epoche  hat  das  Recht  auf  ihre  Auffassung*,  bezieht  sich  nur  zu  haufig  auf  die 
Irrtiimer,  die  jede  Epoche  aus  Unwissenheit  macht,  und  ist  zumeist  nur  eine 
Beschonigung  dieser  Unwissenheit.  In  anderen  Kunsten  ist  diese  Irrlehre 
schon  liingst  tiberwunden,  in  der  Musik  spukt  sie  noch  immer.  Wie  hat 
man  im  17.  u.  18.  Jahrhundert  die  antiken  Skulpturen  restauriert,  der 
>  Auffassung*  des  Zeitalters  entsprechend !  Heute,  wo  die  Kenntnis  des 
antiken  Stils  wesentliche  Fortschritte  gemacht  hat,  erkennt  man  wenigstens, 
wie  verfehlt  eine  solche  Bestauration  auf  Glatte  und  Gefalligkeit  hin  ist 
Ahnlich  in  der  Baukunst.  Nur  in  der  Musik  ist  es  anders.  Da  redet  man 
noch  immer  von  einem  reinen  Bach-  und  Handel-Stil,  obschon  man  in 
Orchesterbehandlung,  in  GeneralbaBausfiihrung,  in  Vortragsweise  und  auch 
in  AuBzierungen  ganz  ungeniert  phantasievoll  verfahrt,  seine  >  Auffassung* 
betatigt,  indem  man  hier  hinzufugt,  dort  hinweglaBt,  nach  der  MaBgabe  des 
eigenen  »musikalischen  Empfindens*,  des  angeblich  angeborenen  >Stilgefuhls<. 

Gliicklicherweise  setzt  diese  seltsame  Anschauung  Goldschmidts  den 
Wert  seines  Buches  nicht  herab.  Man  kann  sie  ruhig  streichen,  ohne  dafl 
davon  seine  Untersuchungen  betroffen  wiirden.  Zudem  befolgt  er  seine  eigene 
Maxime  gar  nicht;  die  praktischen  Vorschlage,  die  er  betreffend  die  Aus- 
zierung  Bach'scher  und  Handel'scher  Gesange  macht,  entsprechen  durchaus 
den  Ergebnissen  seiner  Untersuchungen  iiber  den  Stil  dieser  Meister.  Es 
muB  dieser  Punkt  besonders  betont  werden,  weil  bei  minder  sachkundigen 
Musikern  MiBverstiindnisse  leicht  eintreten  konnten.  Goldschmidt  ist  zwar 
ein  Gegner  der  Chrysander-Seiflert'schen  Auszierungstheorie,  aber  vertritt 
durchaus  die  Meinung,  daB  Auszierungen  der  Sologesange  an  der  richtigen 
Stelle  als  etwas  Wesentliches  zum  Handelstil  gehoren;  nur  wunscht  er  diese 
Auszierungen  nach  einem  anderen  System  als  Chrysander-Seiffert.  Der  Streit 
geht  nicht  um  das  >was«,  sondern  um  das  >wie«.  Beyschlag  dagegen  will 
allc  Verzierungen  aus  Handel's  Oratorien  durchaus  verbannt  sehen.  Schon 
ist  der  Fall  eingetreten,  daB  Anhiinger  Beyschlag's  in  dieser  Frage  Gold- 
schmidt als  einen  Parteiganger  Beyschlag's  bezeichnen.  Diese  Annahme  ist 
nicht  im  mindesten  zutreflend.  Goldschmidt  verlangt  sogar  bisweilen  auch 
bei  Bach  eingelegte  Kadenzen,  obschon  Bach  die  Kadenzen  meistens  selbst 
ausschreibt. 

Eine  bequeme  Lektiire  ist  Goldschmidt's  Buch  durchaus  nicht;  es  verlangt 
ein  regelrechtes  Studium.  Ich  glaube  aber,  daB  der  ungemein  verwickelte  Ge- 
genstand  eine  grundliche  Darstellung  in  einfacher,  leicht  ubersichtlicher  Form 
kaum  zuliiBt.  Zur  Erleichterung  des  Studiums  hiitte  ein  ausfuhrliches  Re- 
gister wohl  gute  Dienste  geleistet.  Auch  die  Anordnung  der  Notenbeispiele 
nach  Buchstaben,  anstatt  nach  fortlaufenden  Ziffern  oder  mit  Hinweisung  auf 
Seitenzahlen,  ist  unpraktisch;  sie  verursacht  dem  Leser  Muhe  und  Zeitver- 
lust.  Den  groBen  Wert  des  Werkes  beriihren  jedoch  diese  Ausstellungen 
nicht.  Ich  halte  Goldschmidt  fiir  den  berufenen  Fachmann  auf  dem  Gebiete 
der    Ornamentik    und    wiinsche    ein    baldiges   Erscheinen    des    angekundigten 


Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre.  617 

zweiten  Bandes  der  Verzierungslehre,  der  sich  in  it  der  neapolitanischen  Schule, 
mit  Mozart  und  der  klassischen  Epoche  beschiiftigen  soil. 

Adolph  Beysohlag's  »Die  Ornamentik  der  Musik«  tritt  mit  ge- 
wichtiger  Unterstutzung  in  die  Oftentlichkeit.  Das  285  Seiten  GroB-Oktav 
umfassende  Buch  ist  bezeichnet  als  Supplementband  der  Sainmlung:  TJrtext 
klassischer  Musikwerke,  herausgegeben  »auf  Veranlassung  und  unter  Ver- 
antwortuug  der  Koniglichen  Akademie  der  Kiinste  zu  Berlin «.  Um  ohne 
weitere  Tfmschweife  zur  Sache  zu  kommen:  Ich  glaube,  die  Akademie  hat 
mehr  veranlaBt,  als  sie  verantworten  kann.  Alles  in  all  em  erweist  sich  das 
Beyschlag'sche  Buch,  einige  Teile  ausgenommen,  als  eine  durchaus  unge- 
niigende  Losung  der  Aufgabe.     Die  Begrundung  dieser  Behauptung  folge  hier. 

Die  Anlage  zeigt  meines  Erachtens  einen  empfindlichen  Fehler,  indem 
das  Buch  vollgepfropft  ist  von  tausenden  von  Musikbeispielen,  der  erlauternde 
Text  aber  viel  zu  kurz  und  bundig  ist.  Es  ist  sehr  schwer,  sich  in  dieser  Fiille 
von  Beispielen  ohne  die  Fiihrung  eines  erlauternden  Textes  zurechtzufinden. 
Vergebens  fragt  sich  der  Leser,  was  diese  Menge  Beispiele  beweisen  soil. 
Dabei  geht  alles  bunt  durcheinander;  Vokal-,  Instrumental-,  Solo-,  Ensemble- 
musik  sind  durcheinander  gemengt,  als  ob  diese  TJnterschiede  fur  die  Aus- 
fuhrung  ganz  gleichgiiltig  waren.  Man  bleibt  ganz  im  unklaren  dariiber, 
womit  sich  der  Autor  eigentlich  beschaftigen  will.  Die  erste  Sorge  hatte 
sein  mussen,  den  Begriff  > Ornamentik*  zu  definieren  und  abzugrenzen.  Da- 
von  keine  Spur.  Nun  kann  > Ornamentik*  vielerlei  bedeuten:  1.  abkurzende 
Zeichen  fur  gewisse  Tonformeln  auszierender  Art.  2.  ausgeschriebene  Ver- 
zierungen  im  engeren  Sinne,  wie  die  sogenannten  Koloristen  des  16.  Jahr- 
hunderts  sie  z.  B.  in  ihren  Diminutionen  an  wen  den.  3.  ausgeschriebene 
Melismen,  Fiorituren,  Tonmalereien ,  wie  sie  die  Motetten-,  Madrigal-,  Kan- 
tatenliteratur  als  einen  wesentlichen  Bestandteil  enthalt.  4.  improvisierte 
Auszierungen,  Kadenzen.  Von  diesen  4  Klassen  sind  die  erste  und  vierte  die 
8chwierigston  und  fur  den  vorliegenden  Zweck  wichtigsten,  die  beiden  an- 
deren  geben  keine  Batsel  auf,  da  es  sich  bei  ihnen  ja  um  vollstandig  in 
Noten  ausgeschriebene  Verzierungen  handelt.  Sie  konnen  aber  als  An- 
schauungsmaterial .  als  Beweismittel  fur  die  Gepflogenheiteu  einer  gewissen 
Stilepoche  von  groCem  Nutzen  sein  und  sind  deswegen  bei  passender  Ge- 
legenheit  wohl  heranzuziehen. 

Von  einer  Einsicht  in  das  Wesen  seines  Themas  verrat  Beyschlag  in- 
dessen  gar  nichts.  Er  springt  ganz  willkiirlich  von  einer  Art  Ornamentik  auf 
die  andere  iiber,  keine  erschopfend,  wohl  aber  den  Leser  durchaus  verwirrend. 
Entweder  man  behandelt  die  eigentliche  Ornamentik,  die  erste  und  vierte  Gattung, 
mit  Benutzung  der  beiden  anderen  Gattungen  als  gelegentliche  Beweismittel, 
oder  aber  man  behandelt  alle  Gattungen  ausfuhrlich.  Beyschlag  tut  weder 
das  eine  noch  das  andere,  vermischt  vielmehr  die  Gebiete  in  einer  unklaren, 
unwissenschaftlichen  AVeise.  Gem  mochte  er  weite  Ausblicke  iiber  das  ganze 
Gebiet  geben,  mit  der  Autoritat  des  Kenners  festgegrundete  Urteile  aus- 
sprechen,  allein  seine  sehr  bescheidenen ,  durchaus  mangelhaften  Kenntnisse 
der  gesamten  iilteren  Musik  bis  spat  ins  18.  Jahrhundert  hinein  verhelfen 
seinen  Bemuhungen  gar  zu  oft  zu  einem  fur  den  Sachkundigen  fast  erheitern- 
den  Erfolg.  Der  Widerspruch  zwischen  dem  siegesgewissen  Ton  des  Vortrags 
und  der  schwachen  sachlichen  Begrundung  ist  eben  zu  groB.  Ich  konnte 
mich  mit  einer  kurz  gefafiten  Ablehnung  seines  Buches  begniigen.  Allein 
der  Umstand,  daB  es  sich  der  weitestgehenden  Empfehlung  von  Seiten    der 

s.  d.  IMG.    x.  41 


618  Hugo  Leichtentritt,  Zur  Yersierungslehre. 

Koniglichen  Akademie  erfreut,  lafit  befiirchten ,  dafi  es  in  der  Schatzung 
minder  sachkundiger  Leser  einen  Hang  einnehmen  wird,  der  ihm  nicht  ge- 
biihrt.  Aus  diesem  Grunde ,  und  damit  anderen  Yersuchen ,  das  -  Thema  zu 
behandeln,  das  Zustandekommen  nicht  unnotig  erschwert  werde,  habe  ich  die 
muhevolle  Arbeit  auf  mich  genommen,  die  Anachauungen  Beyschlag-s  za 
widerlegen,  wo  sie  zum  Widerspruch  auffordern.  Dies  geschieht  leider  so 
oft,  dafi  ich  mich  bei  der  Auswahl  der  zu  beanstandenden  Stellen  beschranken 
mufite,  um  nicht  mit  ungebuhrlich  langen  Ausfiihrungen  die  Geduld  des  Lesers 
zu  erschopfen.  Es  soil  gezeigt  werden:  1.  dafi  es  Herrn  Beyschlag  an  ge- 
niigend  festem  geschichtlichen  Untergrund  fehlt,  2.  dafi  seine  Interpretation 
der  Quellen  zu  liickenhaft,  ungenau  ist,  zu  oft  in  wesentlichen  Dingen  dag 
Ziel  verfehlt. 

Nun  zum  Einzelnen.  Zu  bemangeln  ist  schon  der  Titel:  >Die  Orna- 
mentik  der  Musik«  soil  wohl  bedeuten  die  »Ornamentik  in  der  Musik«. 
Das  erste  Kapitel  liber  die  Ornamentik  bis  ins  16.  Jahrhundert  ist  von 
einer  fur  ein  umfassendes  Spezialwerk  unentschuldbaren  summarischen  Kurze. 
Auf  S.  3  hatte  wohl  auch  der  durchaus  auf  abktirzenden  Zeichen  beruhen- 
de  jiidische  Thoravortrag  erwahnt  werden  konnen,  der  aus  sehr  friiher  Zeit 
stammend  sich  durch  Tradition  bis  zum  heutigen  Tage  erhalten  hat 
Auf  S.  4  »vermeidet«  Herr  Beyschlag  durchaus  mit  Unrecht,  >  auf  die  alte, 
noch  unbestimmte  Neumenschrift  naher  einzugehen.«  Varum  mit  einem 
kiihueii  Sprung  iiber  einen  durchaus  zur  Sache  gehorigen  Gegenst&nd  sich 
hinwegsetzen  ?  Die  >noch  unbestimmte «  Neumenschrift  ist.  was  die  Inter- 
pretation der  einzelnen  Tonzeichen  angeht,  durchaus  zuverlassig  bestimmt 
Mit  leichter  Muhe  hatte  der  Yerfasser  hier  an  Stelle  seiner  nichts  beweisen- 
den,  iiberfliissigen  Notenbeispiele  (S.  4,  5)  eine  sehr  interessante ,  lehrreiche 
Tabelle  von  Neumen-Ornamentzeichen  samt  deren  Auflosung  geben  konnen, 
die  er  z.  B.  in  der  schonen  kleinen  Solesmer  Ausgabe  des  >Paroissien  Bo- 
main  contenant  la  messe  et  Foffice*  (Rome,  Tournai  1903,  Desclee ,  Lefe- 
bure  &  Ciej  ganz  gebrauchsfertig  findet,  aber  auch  schon  in  einem  popularen 
kleinen  Handbuche  des  gregorianischen  Gesanges,  wie  etwa  Haberl's  »Magister 
Choralis«  (Regensburg,  Pustetj,  ganz  zu  schweigen  von  den  eingehenden 
fachwissenschaftlichen  Werken,  zu  denen  er  als  Herausgeber  unbedingt  hatte 
Stellung  nehmen  miissen.  Man  >vermeidet<  ein  wichtiges  Thema  und  ist 
salviert ! 

In  der  Anmerkung  5)  zu  S.  4  findet  sich  eine  Bemerkung,  die  auf 
die  Kenntnisse  des  Yerfassers  die  bedenklichsten  Schliisse  ziehen  lafit.  Da 
heiBt  es:  »Man  priife  z.  B.  den  »motetus«  des  trouvere  Adam  de  la  Hale 
(zirka  1240 — 1287)  der  sich  aus  dessen  oeuvres  completes  ofters  abgedruckt 
findet. «  Ob  wohl  der  Yerfasser  eine  Yorstellung  von  diesem  >motetus«  hat, 
was  er  sich  wohl  unter  den  oeuvres  completes  denkt?  Diese  sind  nam- 
lich  erst  1872  zusammengestellt  worden,  und  der  >motetus«  ist  im  obigen 
Zusammenhang  ein  LInsinn,  indem  er  eben  nicht  eine  bestimmte  Komposi- 
tion  des  Adam  ist,  sondern  soviel  bedeutet,  wie  Gegenstimme.  Kontrapunkt 
S.  9  heiBt  es  von  Josquin  de  Pres,  er  sei  in  Diensten  des  Kaiaers  Maxi- 
milian in  Wien  gewesen.  Gemeint  ist  wohl  Heinrich  Isaak,  Josquin  ist, 
soviel  jetzt  bekannt,  niemals  in  Wien  gewesen.  In  der  Anmerkung  zu  S.  10 
wird  Schlick's  >Tabulaturbuch«  von  J.  1512  eines  der  friihesten  Dokumente 
der  Buchdruckerkunst  genannt.  Dies  stimmt  nur  sehr  ungefahr ;  schon  1476 
arbeitete   der    deutsche   Notendrucker   Ulrich  Hahn   in    Bom,   Dutzende  yob 


Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre.  619 

gedruckten  MeBbiichern  sind  vor  1500  bekannt,  die  Petrucci-Presse  stand 
schon  gegen  1500  im  Flor,  yon  1501 — 9  kennt  man  Dutzende  ihrer  Drucke, 
1507  druckte  Oglin  in  Augsburg  die  Oden  des  Tritonius;  also  kommt  Schliok 
wohl  ein  bischen  zu  spat,  um  unter  den  ersten  genannt  zu  werden.  Auf 
S.  12  wird  nach  Morphy's  Ausgabe  ein  Stiick  des  spanischen  Meisters  Milan 
mitgeteilt;  es  beweist  aber  gar  nichts,  denn  von  Yerzierung  ist  gar  keine 
Rede,  es  handelt  sich  um  eine  typische  Lautenbegleitung  zu  einem 
schlicbten  Gesangssolo;  die  Laute  spielt  dazu  teils  Akkorde,  teils  Passagen,  nach 
Lautenart,  die  aber  durchaus  nicht  Yerzierungen  der  Melodie  sind.  Auch  hier 
sind  ganz  verschiedenartige  Dinge  mit  einander  verwechselt,  namlich  instru- 
mentale  Liedbearbeitung,  die  einen  Yokalsatz  ersetzen  soil  und  sich  der  Aus- 
zierungen,  Kolorierungen  bedient,  und  Liedbegleitung,  die  zu  einer  gesungenen 
Melodie  gespielt  wird. 

Das  zweite  Kapitel  »Die  Bliitezeit  der  Diminution*  (S.  14 — 70)  ist 
wiederum  voll  von  hochst  anfechtbaren  Behauptungen.  Schon  der  erste 
Abschnitt  belehrt  uns  (S.  14),  »daB  die  diminuierte  Form  (ob  Yokal-  oder 
Instrumentalmusik  gemeint  ist,  dariiber  schweigt  sich  der  Autor  aus)  als  die 
h  oh  ere,  vollendetere  auftrat  und  daB  nur  diese  kiinstliche  Umschreibung,  nie 
aber  das  einfache  Thema  zum  Yortrag  gelangt.*  Herr  Beyschlag  war  wohl 
dabei  und  muB  es  also  wissen.  Weiterer  Beweis  fur  diese  interessante , 
ganz  neue  uberraschende  Tatsache  wird  wiederum  »vermieden*.  Ein  Blick 
in  das  Lochheimer  Liederbuch,  in  die  Forster'schen  und  Ott'schen  Lieder- 
sammlungen  geniigt,  um  zu  zeigen,  daB  es  eine  ganze  Klasse  schlichter, 
mehrstimmiger  Lieder  gibt,  die  in  der  Melodiefiihrung  auf  Koloratur  so  gut 
wie  ganz  verzichten.  Ich  nenne  z.  B.1)  Heinrich  Fink's  »Ach  herzigHerz«, 
SenfTs  >0  Elslein,  liebes  Elslein*,  >Mit  Lust  tritt  ich  an  diesen  Tanz«,  Leon- 
hard  de  Langenau's  »Drei  Laub  auf  einer  Linden «  (Tenor).  Auf  Yillanellen, 
Kanzonetten  sei  in  aller  Kiirze  verwiesen.  Ebenso  unhaltbar  ist  der  folgende 
Satz:  »Da  ferner  zu  jener  Zeit«  —  die  nahere  Bestimmung  »jener«  Zeit  ist 
wiederum  vermieden,  sie  schwankt  zwischen  1300  und  1600,  als  ob  ein  Jahr- 
hundert  mehr  oder  weniger  ganz  gleichgultig  ware  —  »alle  Yokalkompositionen, 
wenn  auch  nicht  immer  fur  Chor,  so  doch  stets  fur  Mehrstimmigkeit  berechnet 
waren,  so  suchte  man  Solovortrage  dadurch  zu  ermoglichen,  daB  der  be- 
treffende  Kiinstler  die  ihm  zusagende  Partie  (eventuell  die  Mittelstimme 
eines  Madrigals)  reichverziert  vortrug,  wahrend  die  iibrigen  Stimmen  einfach 
oder  doch  weniger  verschnorkelt  ausgefuhrt  wurden.«  Welch  griindliche 
Kenntnis  der  Materie  zeigt  sich  darin,  daB  der  Yerfasser  hier  das  Yorhanden- 
sein  eigentlicher  Soli  in  » jener <  Zeit  ganz  bestimmt  verneint,  dagegen  zwei 
Seiten  vorher  (S.  12)  ein  unverfalschtes  Solo  aus  eben  jener  Zeit  als  Bei- 
spiel  abdruckt!  (Milan's  schon  genannte  Romanze,  S.  12).  Der  Yerfasser 
hat  offenbar  keine  Ahnung  von  der  in  den  letzten  Jahren  bewiesenen  Tat- 
sache, daB  der  kunstvolle  Sologesang  vom  13.  Jahrhundert  an  mindestens 
sich  nachweisen  laBt;  die  Forschungen  Riemann's,  Wolfs,  die  Menge  alter 
bildlicher  Darstellungen  bieten  die  Belege.  Auf  S.  15  wird  mit  derselben 
Sicherheit  und  Zuversicht,  die  alle  Erklarungen  des  Yerfassers  auszeichnet, 
die  Behauptung  aufgestellt,  in  den  mehr  als  >2000  Werken«  Lasso's  sei 
>  nichts   enthalten,  was   einer  Diminution   oder    einer  Diminutionsformel  im 


1)  Aus  der  von  mir  bei  Breitkopf  &  Hiirtel  herausgegebenen  Sammlung  >Mehr- 
8timmige  Lieder  alter  deutscher  Meister*. 

41* 


620  Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre. 

entfemtesten  ahnelt. «  Herr  Beyschlag  hat  naturlich  die  2000  Werke  Lasso's 
alle  genau  durchgesehen  und  weiB  Bescheid.  Ein  paar  Kleinigkeiten  hal 
er  iibersehen,  das  kann  ja  leicht  vorkommen,  z.  B.  Nr.  596  des  magnum 
opus,  das  folgenderniaBen  beginnt: 


(die  Notenwerte  genau  nach  dem  Original,  nicht  verkleinert) ,  ahnlich  ge- 
halten  ist  Nr.  600  In  hora  ultima.  Ahnlicher  Beispiele  aus  Lasso's  AVerken 
lieBe  sich  unschwer  eine  ganzo  Reihe  bringen.  Auf  S.  16  findet  sich  das 
erste  wirklich  Brauchbare,  namlich  die  Zusammenstellung  der  Diminutioni?- 
maximen  aus  den  Werken  verschiedener  Sckriftsteller.  Nur  gegen  Ahsatz  i* 
mochte  ich  Einspruch  erheben:  »Man  darf  selbst  im  Chor  kolorieren,  ob- 
schon  dies  nicht  ohne  MiBklange  abgehen  kann.«  Aus  Hermann  Fink's  Text, 
der  dieser  Vorschrift  zu  Grunde  liegt  (S.  26  ,  geht  im  Gegenteil  hervor,  »dal> 
Koloraturen  in  Choren  nicht  ohne  MiBtone  eingeflocbten  werden  konnen.- 
ausdrucklich  wird  zudem  noch  gesagt,  daB  zwar  >alle  Stimmen  niit  Kolora- 
turen versehen  werden  konnen*,  aber  die  Koloraturen  » nicht  in  alien  Stimmen 
zugleich*  klingen  sollen:  d.  h.  man  darf  nach  Fink  im  Chor  nicht  kolorieren, 
nur  einzelne  Stimmen  werden  ausgeschmuckt.  Auf  S.  16,  Fuflnote,  hatte 
wohl  auch  erwahnt  werden  konnen,  daB  die  umfangreiche  Liste  der  Ver- 
zierungsliteratur  erst  durch  die  Forschungen  von  Hugo  Goldschmidt  und 
Max  Kuhn  ermbglicht  worden  ist.  Der  unerfahrene  Leser  kbnnte  sie  sonst 
Herrn  Beyschlag  zu  Gute  rechnen;  dieser  ist  daran  aber  ganz  unbeteiligt  und 
macht  sofort  Fehler,  sowie  er  sich  einen  Schritt  von  den  bewahrteu  Fuhreru 
trennt,  indem  er  die  Diminutionskunst  als  eine  >  italienische  <  bezeichnet 
(S.  16,  FuBnote),  wahrend  doch  auch  Niederliinder,  Deutsche  (H.  Finck,  Co- 
clicus),  Spanier  (Ortiz)  stark  daran  beteiligt  sind.  Es  folgen  10  Seiten  Musik- 
beispiele.  Aus  der  ziemlich  zusammenhanglosen  Anhaufung  der  Beispiele 
ist  allerdings  kaum  klug  zu  werden,  auch  die  textlichen  Erlauterungen  (S.  26 
bis  30)  geben  von  der  Sache  keinen  genugenden  Begriff.  Es  ist  eben  alle:* 
nur  Rohmaterial,  das  rich  tig  zu  verarbeiten  der  Verfasser  nicht  imstande  ge- 
wesen  ist.  Man  vergleiche  z.  B.  mit  dieser  ganz  oberflachlichen,  ungenugenden 
Darstellung  dor  italienischen  Gesangsmanieren  gegen  1600  Goldschmidt's  ein- 
gehende,  klare  Darstellung,  in  seinem  Buch:  »Die  italienische  Gesangs- 
methode  des  17.  Jahrhunderts < .  Dieses  Buch  scheint  Beyschlag  ganz  unbekannt 
zu  sein,  er  erwahnt  es  nie,  obschon  er  viel  daraus  hiitte  lernen  konnen. 
Auch  in  den  Notenbeispielon  S.  33 — 50  finden  sich  ganz  uberrasehende  Merk- 
wiirdigkeiten.  Kompositionen  von  Merulo,  Palestrina,  Gabrieli,  Caccini, 
Monteverdi  u.  a.  werden  hier  teilweise  oder  ganz  verbffentlicht.  Quellen- 
angaben,  die  Beyschlag  uberhaupt  als  einen  iiberflussigen  Luxus  zu  betrachten 
scheint,  fehlen  auch  hier  ganz.  S.  41  ff.  wird  eine  Arie  aus  Caccini's  >U 
rapimento  di  Cefalo «  mitgeteilt  mit  den  Verzierungen  der  Sanger  Pallon- 
trotti,  Peri,  Rasi.  Vergleicht  man  die  Originalausgabe  v.  J.  1607  mit  diesem 
Abdruck,  so  findet  man,  daB  Herr  Beyschlag  zwei  ganz  verschiedene  Stucke 
als  eine  Arie  mitteilt;  infolge  dieses  ganz  groben  MiBgriffs  fallen  natur- 
lich   alle    seine  Folgerungen    ins  Wasser.     Er   weifl   auch   nichts  davon,  dafi 


Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre.  621 

eine  der  beliebtesten  monodischen  Formen  die  melodische  Variation  tiber 
feststehendem  oder  nur  geringfugig  verandertem  BaB  war,  daft  es  sich  hier 
eben  urn  diese  Art  der  Variation  handelt,  durchaus  nicht  urn  Verzierungen 
derselben  Melodie.  S.  44  wird  ein  Bruchstiick  aus  einer  Messe  des  G.  Ga- 
brieli  niitgeteilt,  als  Solo  mit  vierstimmiger  Instrumentalbegleitung.  Natiir- 
lich  feblt  Quellenangabe ,  bo  daB  es  scbwer  wird  zu  kontrollieren ,  wie  es 
sich  mit  dieser  bei  Gabrieli  durchaus  iiberraschenden  Solobehandlung  ver- 
halt.  Ich  vennute  auch  hier  ein  MiBverstiindnis  Beyschlag's,  es  handelt  sich 
wohl  urn  einen  ftinf-  oder  sechsstimmigen  Vokalsatz  mit  einer  ausgezierten 
Stimme.  Die  Anmerkung  zu  S.  50  bringt  fett  gedruckt  als  besonders  wichtige 
Mitteilung  den  Satz:  »doch  ist  es  dem  Ziergesang  zu  keiner  Zeit  gelungen, 
die  schlichte,  notengetreue  Ausfiihrung  giinzlich  aus  der  Musikpraxis  zu  ver- 
drangen.*  Wie  vertnigt  sich  da  mit  die  Behauptung  (S.  14),  daB  >samtliche 
Kompositionen,  weltliche,  wie  geistliche  der  Diminution  unterworfen  waren,« 
daB  »nur  diese  kunstliche  ITmschreibung,  nie  aber  das  einfache  Thema  zum 
Vortrag  gelangte  ?  « 

Das  erste  Kapitel  des  zweiten  Abschnitts  (S.  58 — 61)  ist  fur  jeden,  der 
mit  dem  Gegenstand  der  Untersuchung  einigermaBen  vertraut  ist,  eine  reine 
Karikatur.  Auf  vier  Seiten  (von  denen  die  Halfte  durch  Notenbeispiele 
eingenommen  wird)  ist  die  gesamte  Vokalmusik  aller  Nationen,  Kantate, 
Lied,  Motette,  Oper,  Oratorium  von  1600  bis  zu  Bach  und  Handel  erledigt! 
Man  vergleiche  wiederum  damit  die  gewissenhafte,  systematische  grtindliche 
Darsteliung  Goldschmidt's,  der  fur  den  namlichen  Gegenstand  gegen  90  Druck- 
seiten  keinerlei  uberfliissiger  Erklarungen  zu  machen  hat,  zu  denen  noch 
73  Seiten  wohlgewahlter,  interessanter  und  lehrreicher  Musikbeispiele  kommen ! 
Dazu  bei  Beyschlag  wiederum  die  Fiille  schiefer  Anschauungen.  Klassisch 
geradezu  mutet  der  Ausspruch  uber  Carissimi  an  (S.  59):  >Koloraturen  ver- 
wendet  er  angemessen  und  vorzugsweise  um  Jubel-  oder  Zornesausbriiche 
zu  illustrieren,  andererseits  bedient  er  sich  ihrer  auch  um  Salomo's  Weisheit 
leuchten  zu  lassen  und  um  Jephta  auf  den  Tod  vorzubereiten.«  Hier  leuchtet 
wenigstens  Salomo's  Weisheit,  wenn  schon  nicht  die  des  Verfassers.  Nach 
Beyschlag  ist  Carissimi  der  >  erste  bedeutende  Komponist  und  Theoretiker, 
welcher  uns  auf  unserem  Wege  entgegentritt. «  Auf  diesem  Holzwege  sind 
allerdings  die  Monteverdi,  Cavalli,  Cesti  nicht  sichtbar  geworden.  Auch  das 
wird  stillschweigend  ubergangen,  daB  schon  seit  Jahrhunderten  in  Motette 
und  Madrigal  die  Koloratur  ein  sehr  bedeutsames  Ausdrucksmittel  gewesen 
ist,  daB  die  Tonmalerei  in  uppigem  Flor  stand:  (carissimi  brauchte  nicht 
erst  eine  Erbschaft  zu  entdecken,  die  seit  vielleicht  300  Jahren  von  seinen 
Vorfahren  war  angehauft  worden.  Ein  ganzes,  reichhaltiges  Kapitel  hatte 
der  Koloratur  Jils  Ausdrucksmittel  gewidmet  sein  miissen,  so  wichtig  und 
reich  ist  das  Thcma.  Eur  Beyschlag  kommen  aber  als  Koloraturen  nur 
Schnorkel,  »Diminutionen«  in  Betracht.  Ein  echt  dilettantisches  Urteil  ziert 
die  folgende  S.  60:  »Viel  innerlicher  als  seine  Zeitgenossen  verwendet  Heinrich 
Schiitz,  ein  Schuler  Gabrieli's  die  Koloratur.*  Der  Verfasser  kennt  natur- 
lich  alle  Zeitgenossen  mindestens  so  gut  wie  seinen  Schiitz,  von  dem  er 
ein  Beispiel  von  8  Takten  als  einzigen  Beweis  seiner  Behauptung  beibringt. 
Dieses  Beispiel  stammt  von  Seite  1  des  ersten  Bandes  der  Gesamtausgabe! 
Wie  sorgsam  gewahlt!  Vier  Zeilen  Text  uber  Keiser  und  Leonardo  Leo 
schlieBen  diese  groBartige  Ubersicht  uber  die  Verzierungen  in  der  Gesangs- 
musik  von   etwa  1600 — 1740  ab.     Mit  11  Takten   von  Carissimi,  8  Takten 


622  Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre. 

von  Schfitz,  10  Takten   von    Keiser,   4  Takten   von   Leo    ist  diese  Zeit  d 
glanzendsten  Gesangs virtu ositat  ilir  Herrn  Beyschlag  geniigend  geklart. 

Etwas  brauchbarer  ist  das  zweite  Kapitel  liber  die  Organ  is  ten  und  Kl 
vieristen  des  17.  Jahrhunderts  (S.  61 — 70),  weil  es  wenigstens  frei  ist  v< 
groben  Fehlern.  Ein  typisches  Beispiel  fur  Beyschlag's  Behandlung  d 
Thema's  bieten  die  sieben  Zeilen  Text  iiber  Froberger  (S.  63 j ;  hier  werdi 
die  folgenden  Man i ere n  bei  Froberger  angegeben:  f,  h\  -**?  ~~,  <%;,  / ,  x  ,  | 
Angenommen  es  spielte  ein  Organist  Stficke  von  Froberger:  er  findet  d 
angegebenen  Verzierungen ,  schlagt  bei  Beyschlag  nach  und  iindet  nach  einig 
Mtihe  (Register,  das  eigentlich  unentbehrlich  ware,  fehlt)  auf  S.  61  unt 
Froberger  dieselben  Zeichen,  lugt  aber  vergeblich  nach  einer  Erklarung  ai 
und  ist  so  klug  als  wie  zuvor.  Wer  sich  die  Mtihe  nicht  verdriefien  la£ 
in  dem  ganz  unfibersichtlichen  Buch  dennoch  weiter  herumzutappen ,  wii 
an  ganz  verschiedencn  Stellen  wiederum  dieselben  Zeichen  finden,  manchm 
ohne,  manchmal  mit  ausgeschriebener  Auflosung,  die  aber  je  nach  Zeit  ui 
Schule  fUr  dasselbe  Zeichen  oft  verschiedeu  ist.  Endresultat  gleich  Nu 
Das  Buch  lafit  hier  wie  an  vielen  andereu  Stellen  durchaus  im  Stich.  ] 
ware  so  einfach  gewesen,  durch  eine  kurze  Fufinote  auf  die  Seite  des  Buch 
zu  verweisen,  die  eine  brauchbare  Erklarung  bringt.  Solcher  orientierend 
Fufinoten  mit  Seitenzahlen  enthalt  das  ganze  Buch  vier,  auf  S.  7,  S.  3 
S.  72,  S.  249.  Ihrer  zweihundert  waxen  kaum  zu  viel  gewesen,  um  die  notij 
Klarheit  zu  verbreiten.  An  dem  Kapitel  iiber  die  franzosischen  Klavieristi 
war  nicht  viel  zu  verderben ,  da  fast  alle  diese  Meister  ihren  Werkeu  sei 
genaue  Verzierungstabellen  mit  Auflosungen  beigaben,  die  man  nur  abi 
drucken  brauchte  (S.  70 — 84).  Auch  hier  jedoch  ist  Vorsicht  am  Plate 
sowie  Beyschlag  mit  eigenen  Urteilen  auftritt.  S.  76  z.  B.  heifit  es  fib 
Lully:  >Da  dieser  aber  sein  Hauptaugenmerk  auf  sinnvolle  Deklamati< 
richtete,  trat  die  Ornamentik  demgegeniiber  zuruck.*  Wiederum  vergleid 
man  Goldschmidt's  Buch,  der  ttber  » Lully 's  Ornamentik «  ein  sehr  lesenswert 
kleines  Kapitel  schreibt  (S.  76—78,  Musikbeispiele  S.  47—49),  aus  de 
hervorgeht,  dafi  Beyschlag's  Annahme  durchaus  nicht  zutreffend  ist.  Es  folj 
ein  kurzer  Abschnitt  tiber  die  Italiener  des  18  .Jahrhunderts,  wiederum  vc 
summarischer  Kttrze  (S.  84 — 87).  Uber  Vorschlage  bei  Domenico  Scarlat 
heifit  es  (S.  84):  »Der  Ausfuhrende  behandele  die  Vorschlage  uberwiegei 
als  kurze. «  Auf  die  Frage:  warum?  bleibt  der  Verfasser  jede  Antwo 
schuldig.  Es  ist  aber  in  einem  wissenschaftlichen  Werk  nicht  zulassig,  eii 
fach  Vorschriften  zu  erlassen,  ohne  sie  zu  begrtinden.  In  die  Verurteilui 
der  sogenannten  >  acciaccature «  (S.  85)  mochte  ich  nicht  einstimmen;  k 
sind  manchmal  von  recht  pikanter  harmonischer  Wirkung,  es  kommt  nur  a 
die  geschickte  Ausfuhrung  an.  Sehr  leicht  macht  sich  Beyschlag  die  Arb* 
bei  der  Besprechung  des  wichtigen  Buches  von  Tosi:  >0pinioni  de  cantori  .  . 
(8.  86  f.)  Obschon  er  es  »klassisches  AVerk  fiber  die  alt^italienische  Gesang 
kunst«  nennt,  obschon  darin  » eine  ausftihrliche  Abhandlung  fiber  die  Vo 
schlage  zum  erstenmal  vorkommt*,  findet  Herr  Beyschlag  es  fur  richtig,  fib 
alle  diese  Dingo  einfach  hinwegzugehen :  »doch  beruhen  Tosi's  Untersuchung< 
(wo  Vorschlage  anzubringen  seien  und  wo  nicht)  auf  so  veralteten  Ai 
Hchauungen,  dali  wir  sie  ohne  Bedenken  iibergehen  konnen«.  Dies  mufi  d 
Leser  Herrn  Beyschlag  aufs  Wort  glauben,  Beweis  daffir  wird  nicht  i 
mindesten  erbracht.  Gerade  dies  ist  der  Kernpunkt  der  ganzen  Frage:  >i 
die  Vorschluge  anzubringen  seien,  wo  nicht*,  gerade   hier   ware    ausfuhrlicl 


Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre.  623 

Mitteilung  und  Kritik  von  Tosi's  Darlegungen  unbedingt  erforderlich.  Auch 
hier  vergleiche  man  Goldschmidt's  sorgsame  Behandlung  der  Vorschlagsfrage 
(S.  95  ff.,  besonders  S.  101  — 115  seines  Buches,  samt  zahlreichen  Noten- 
beispielen  im  Anhang)  mit  Beyschlags  4  Zeilen  (S.  86)  wozu  dann  weiter- 
hin  verstreut  Bemerkungen  fiber  den  Vorhalt  kommen,  (S.  103 — 105,  145, 
152,  154,  162  und  an  einigen  anderen  Stellen):  anstatt  dies  alles  zu  einer  er- 
schopfenden  Abhandlung  iiber  den  Vorschlag  zu  vereinigen,  zerstreut  Bey- 
schlag  seine  Notizen  an  zwanzig  Stellen,  mit  dem  Ergebnis,  daB  es  fur  den 
Leser  iiberhaupt  unmoglich  wird  (zumal  beim  Fehlen  von  Register  und  Hin- 
weisungen  auf  zusammengehoriges),  vom  Wesen  und  der  richtigen  Verwendung 
der  Vorschlage  eine  klare  Anschauung  zu  gewinnen.  Zudem  wird  hier  wie- 
derum  vokaler  und  instrumentaler  Stil  in  einen  Topf  geworf en,  obschon  >der 
vokale  Stil  dem  instrumentalen  gegeniiber  gerade  hier  besonders  selbstandig 
ist«  (Goldschmidt  S.  115).  Kapitel  5  iiber  die  deutschen  Theoretiker  ist  eine 
oberflachliche,  ganzlich  kritiklose  Zusammenstellung  einiger  Zitate  ohne  Be- 
weiskraft  (S.  87—92).  Die  6  Zeilen  iiber  Heinrich  Fuhrmann  (S.  87)  be- 
richten,  daB  Fuhrmann  »den  Trilleranfang  mit  der  Hauptnote  lehrt*.  Gold- 
schmidt beweist  ausfuhrlich  in  seinen  zwei  Seiten  iiber  Fuhrmann  (S.  83 — 85), 
daB  dieser  Schriftsteller  in  der  »Gestaltung  seiner  Triller  eine  vollstandige 
Verkennung  aller  in  der  Praxis  und  Theorie  getibten  Gesetze  bezeugt*,  daB 
seine  Anschauungen  verworren,  unklar,  darum  fur  uns  von  sehr  zweifel- 
hafter  Bedeutung  sind.  Solche  kritische  Untersuchungen  sind  doch  wichtig, 
sie  geben  der  Behandlung  erst  Wert.  Beyschlag  vermeidet  sie  grundsatz- 
lich  und  begnugt  sich  zumeist  mit  dem  blofien  Ausschreiben  alter  Autoren. 
Janowska's  »Clavis  ad  thesaurum  magnae  artis  musicae«  e  nth  alt  nach  Bey- 
schlag »viel  Beherzigenswertes «  (S.  95).  Dariiber  Naheres  zu  erfahren,  hatte 
also  den  Leser  interessieren  miissen:  aber  Beyschlag  erledigt  diesen  Schrift- 
steller in  9  Zeilen;  Goldschmidt's  IV2  Seiten  iiber  Janowska  geben  einen 
guten  Begriff  seiner  Lehre  (S.  81—83).  Auf  S.  98,  99  folgt  endlich  die 
erste  Zusammenfassung,  die  zu  praktischem  Ergebnis  fuhrt:  »der  Stand  der 
Ornamentik  unmittelbar  vor  dem  Auftreten  Bach's  und  Handel's «  betitelt 
sich  dieser  Abschnitt.  Er  ist  leider  durchaus  ungeniigend,  enthalt  aber 
wenigstens,  soweit  er  in  den  Gegenstand  eindringt,  keine  groben  Fehler.  Man 
vergleiche  auch  hier  Beyschlag' s  15  Zeilen  iiber  den  Triller  (S.  98  f.)  mit 
Goldschmidt's  IOV2  Seiten  (S.  69—72,  119—126),  die  eine  ziemlich  er- 
schopfende  IJbersicht  geben. 

Der  zweite  Hauptteil :  >Die  neuere  Ornamentik «  beginnt  mit  einer  Ein- 
leitung:  » Spezialgeschichte  der  Vorschlage «.  Sehr  richtig  heifit  es  hier 
(S.  103):  >TJm  einige  Klarung  in  die  verfahrene  Angelegenheit  zu  bringen, 
sehen  wir  uns  genotigt,  den  Werdegang  des  Ornaments  im  Zusammenhang 
zu  beleuchten*.  —  H&tte  der  Verfasser  diesen  Satz  doch  nur  als  Leitsatz 
beherzigt,  sein  ganzes  Buch  daraufhin  angelegt,  so  hatte  diese  leider  ganz 
» verfahrene  Angelegenheit «  einige  » Klarung*  erfahren  konnen!  Gerade  auf 
die  >Beleuchtung  der  Dinge  im  Zusammenhang «  kommt  es  an;  er  braucht 
sich  nicht  erst  quasi  zu  entschuldigen  dafiir,  daB  er  » genotigt*  ist,  die 
Sache  richtig  zu  behandeln.  Welch  naive  Auffassung  des  wissenschaftlichen 
Problems!  Zu  den  fiir  uns  wichtigsten  Teilen  der  Verzierungslehre  gehort 
das  Kapitel  > Handel*  (S.  106—118).  Bald  zu  Anfang  findet  sich  der 
lapidare  Satz:  »Die  vorhergehenden  Kapitel  haben  uns  dariiber  aufgeklart, 
daB  Vorschlage    zu    jener  Zeit    iiberwiegend    als    kurze    galten,  und  selbst* 


624  Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre. 

verstandlich  bilden  die  Appoggiaturen  Handel's  fund  Bach's)  hiervon  keine 
Ausnahme*.  Ich  bedaure,  auch  hier  nicht  mit  einstimmeu  zu  konnen.  Die 
vorhergehenden  Kapitel  haben  uns  durcbaus  nicbt  >aufgeklart«,  sondern  im 
hochsten  Ma  Be  verwirrt,  und  selbst  wenn  sie  uns  aufgeklart  hatten,  so  ist 
dies  nocb  kein  Beweis  fur  das  »selbstverstandlich«  bei  Handel  und  Bach. 
Die  Sache  ist  durchaus  nicht  so  kurz  und  biindig  erledigt,  sondern  selbst 
bei  Bach,  der,  was  die  Verzierungen  angeht,  ganz  ungewohnlich  genau 
schreibt,  ergeben  sich  noch  recbt  viele  zweifelhafte  Falle,  von  denen  jeder 
fur  sich  eine  wohliiberlegte  Entscheidung  verlangt,  vgl.  daruber  GolcLschmidt's 
eingehende  Analyse  der  Matthaus-  und  Johannespassion  S.  182 — 206,  die 
sowohl  lange  als  auch  kurze  Vorschlage  bei  Bach  anerkennt:  ebenso  bei 
Handel,  s.  Analyse  des  Samson  und  Josua,  S.  157 — 180.  Auch  Schweitzer 
laBl,  bei  Bach  wenigstens,  lange  wie  kurze  Vorschlage  gelten  und  verlangt 
fur  jeden  einzelnen  Fall  besondere  Entscheidung 1). 

Eine  Frage,  die  gegenwartig  viel  umstritten  wird,  ist  die  nach  improvisierten 
Verzierungen  bei  Handel.    Das  Thema  verlangt  so  grundliche  Erorterung,  daB 
es  hier  nur  gestreift  werden  kann.     Beyschlag  stellt  sich  durchaus  gegen  die 
Chrysander-Seiffert'scbe  Methode  der  Auszierung.     Diese  Stellungnahme  will 
ich  ihm  keineswegs  veriibeln :  wenn  ihm  Handel  ohne  Verzierungen  besser  ge- 
fallt,  so  ist  das  sein  Privatvergntigen.    Wohl  aber  protestiere  ich   aufs  sch'arf- 
ste  gegen  die  Art  und  Weise,  wie  er  seine  Ansicht  dem  Leser    aufzwingen 
will.     Von  stichhaltigen  Beweisen  bringt  er  nicht  einen  Schatten  bei,   desto 
kiihner  sind  seine  Behauptungen.     Welch   anmaBender  Ton    liegt    in   Sateen 
wie  (S.  118):    »Ohne  Handel  die  puristische  Anschauungsweise   unserer  Zeit 
unterschieben  zu  wollen,  behaupten  wir,  daB  er  in  seiner  Oratorienperiode 
nennenswerte  willkiirliche  Auszierungen   hochstens   in  Zwangslagen   geduldet 
hat«.      »Uns  gilt  die  Fassung  als  maBgebend,  in  welcher  der  Meister  seine 
Werke  ....    der  Nach  welt    hinterlassen    hat«.     Die    Stutze    dieser    Behaup- 
tungen bildet  derSatz:    >Man  sang,  wie  zu  alien  Zeiten,   auch  dam  als  nicht 
selten    schlicht,    notengetreu ! «      Wie   iiberraschend !     Ein   Zitat    aus    Beerrs 
musikalischen    Diskursen    v.  J.    1719,    das    sich    gegen    die    Verbramungen 
ausspricht,  hat  keine  Beweiskraft,  weil  Beer   sich  in  diesem  ganzen  Kapitel 
so  unklar  ausdriickt,  daB  man  nicht  weiB,  ob  er  von  Chor-  oder  Sologesang 
redet,  sich  gegen  die  Komponisten  oder  gegen    die  Sanger  wendet.     Ebenso 
lahm  ist  die  Ausfiucht  zu  den  asthetischen  Griinden:  gleich  der  von  Bassano 
durch  Diminutionen  verdorbenen  Motette  Palestrina's  (ganz  meine  Ansicht)  sei 
auch  die  Verzierung  Handel'scner  Stiicke  verwerflich.     DaB  es  einen  kleineu 
Unterschied   ausmacht,    ob    ein  polyphones    oder  ein  Solostiick  verziert  wird, 
ignoriert  oder  verschweigt  Beyschlag.     Wenn  Tosi-Agricola  jedoch   von  deu 
Verzierungen  der  Solostucke  als  etwas   ganz   selbstverstandlicheni ,    allgemein 
geiibtem  redet,  so  druckt  Beyschlag  ohne  jeden  Kommentar  ganz  unbefangen 
diese  wichtige  Stelle  ab  (S.  87),  ohne  zu  merken,   daB  er  die  starkste  Waffe 
gegen   seine    eigenen    so    zuversichtlichen  Behauptungen    in  Sachen    Handel's 
dadurch  seinem  Kritiker  in  die  Hand  legt. 

Wie  ungereimt  ist  iiberhaupt  dieser  leidenschaftliche  Protest  gegen  die 
Kadenzen  in  Handel'schen  Arien.  Zu  den  Instrumentalkonzerten  von  Beet- 
hoven und  Mozart  z.  B.  haben  Hummel,  Beethoven,  Reinecke,  Bulow,  Jon- 
chim  und  viele  andere  Kadenzen  geschrieben.  Warum  entsetzt  sich  Herr 
Beyschlag  nicht  iiber  diese  Kadenzen?     Oder  ist  es  etwas  minder  Verwerf- 

l:  Joh.  Seb.  Bach  von  Schweitzer.    S.  322f. 


Hugo  Leichtentritt,  Zur  Yerzierungslehre.  625 

Hches,  wen n  eiu  Virtuose,  und  sei  es  selbst  ein  Joachim,  cinem  Beethoven 
ins  Wort  redet,  als  wenn  ein  Sanger  an  Handel  seine  Kiinste  versucht? 
Wer  das  eine  gelten  laBt,  darf  ohne  besonderen  Grund  nicht  das  andere 
verwerfen.  Zugegeben,  dafl  manch  ein  Gesangsvirtuos  eine  Handel'sche  Arie 
geschmacklos  mag  behandelt  haben,  aber  hat  es  nicht  auch  Gesangskiinstler 
gegeben ,  die  in  ihrem  Fache  sich  einem  Joachim  zur  Seite  stellen  lassen  ? 
Was  berechtigt  uns  denn  zu  der  Annahme,  dafi  alle  Sanger  und  Sangerinnen 
des  18.  Jahrhunderts  eine  Horde  von  ungebildeten,  unkiinstlerisch  empfin- 
denden,  geist-  und  geschmacklosen,  aufgeblasenen  Virtuosen  waren?  Es  ist 
bis  jetzt  von  niemand  ein  stichhaltiger  Grund  gegen  die  Zulassigkeit  von 
Kadenzen  bei  Handel  vorgebracht  worden,  wohl  aber  ist  sicher  bewiesen, 
daB  die  italienische  Praxis,  an  die  Handel  sein  ganzes  Leben  hindurch  sich 
gehalten  hat,  auf  solche  eingelegte  Kadenzen  ebenso  rechnet,  wie  das  In- 
strumentalkonzert  der  Wiener  Klassiker.  Man  liebte  eben  damals  das  ab- 
gekiirzte  Verfahren;  es  zieht  sich  durch  die  gesamte  Kompositionstechnik 
des  17.  und  18.  Jahrhunderts.  Die  Orchesterpartituren  sind,  was  die  In- 
8trumentierung  angeht,  nicht  entfernt  so  sorgfaltig  ausgearbeitet  wie  die 
unsrigen  —  man  rechnete  eben  mit  einer  feststehenden  Praxis  der  Orchester- 
behandlung,  fur  die  ein  paar  Andeutungen  genugten,  deren  Sinn  wir  jetzt 
nach  dem  Erloschen  der  Tradition  miihsam  wieder  erforschen  miissen.  Die  In- 
strumentalbegleitungen  sind  nicht  annahernd  so  genau  wie  die  unsrigen,  in 
denen  jede  Note  festgelegt  ist;  damals  schrieb  man  einfach  einen  General- 
baB,  den  der  gebildete  Organist  oder  Cembalist  gemaB  seiner  praktischen 
Erfahrung  zu  einer  vollstimmigen  Begleitung  auszuarbeiten  verstand.  Man 
begniigte  sich  mit  sehr  wenigen  Vortragszeichen,  entgegen  der  Unmenge, 
mit  der  unsre  Komponisten  das  Papier  bedecken ,  weil  man  eben  auch  in 
betreff  der  dynamischen  Schattierungen  auf  bestimmte  Normen  rechnete  — 
man  moge  sie  nach  Belieben  Manieren  nennen.  Ganz  ahnlich  verlieB  die 
italienische  Schule  sich  auch  in  betreff  der  Auszierungen  auf  die  praktische 
Erfahrung  des  Siiugers,  von  dem  nicht  erwartet  wurde,  daft  er  sich  in 
wilden  Phantasien  erging,  sondern  daft  er  nach  einem  im  groBen  und 
ganzen  bestimmten  Herkommen  sich  betatige.  Warum  sollte  Handel  dem 
Sanger  verweigeru,  was  er  dem  Dirigenten,  dem  Organisten  und  Cemba- 
listen  erlaubte  ?  Warum  brauchen  wir  Handel'scher  zu  sein  als  Handel? 
Es  gibt  freilich  eine  gauze  Klasse  von  Musikern  —  Herr  Beyschlag  scheint 
zu  ihr  zu  gehoren  —  die  alle  diese  Dinge  ablehnt.  die  sich  nur  an  das 
geschriebeue  Notenbild  halt,  weder  von  stilgemaBer  Instrumentierung ,  noch 
von  stilgemaBer  GeneralbaBbehandlung,  von  stilvollem  Vortrag  in  der  Nuan- 
cierung  etwas  wissen  will.  Selbstverstandlich  werfen  diese  Kenner  die  Ver- 
zierungen  und  Kadenzen  auch  mit  zur  Tiir  hinaus.  Ihnen  gilt  eben  als 
»stilvoll*,  was  ohne  Muhe  zu  bewiiltigen  ist;  geistige  Tragheit  spricht  hier 
viel  mit.  Wie  viel  einfacher  und  leichter  eine  Handel'sche  Partitur  glatt 
herunterzuspielen,  als  sich  mit  allerhand  gelehrtem  Kram  zu  plagen,  den  wirk- 
lich  zu  bewiiltigen  allerdings  nicht  jedermanns  Sache  ist!  Wer  sich  nie  die 
Muhe  gegeben  hat,  in  diese  Dinge  einzudringen,  der  protestiert  einfach  und 
hat  auf  seiner  Seite  alle  diejenigen,  die  von  der  Sache  ebensowenig  ver- 
stehen.  Mit  solchen  Gegnern  ist  nicht  zu  streiten.  Schlieftlich  gibt  es 
noch  Leute,  die  zwar  anerkennen,  daB  die  oben  genannten  Dinge  in  der 
italienischen  Praxis  gang  und  gabe  waren,  auch  die  Verzierungen,  die  aber 
trotzdem  sagen :  wir  lehnen  sie  ab,   weil  sie  uns  nicht  gefallen.     Wer  diesen 


g26  Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre. 

Standpunkt  einnimmt,  bekennt  sick  als  einen  Dilettanten ,  der  sich  Handel 
nach  seinem  personlichen  Geschmack  zubereitet,  gleichsam  mit  bloOem 
Wasser  gekocht,  wie  englisches  Gemiise;  aber  zu  einem  Yerteidiger  des 
Handelstils  darf  er  sich  nicht  aufwerfen.  Um  in  Kiirze  die  meiner  Uber- 
zeugung  nach  einzige  baltbare  Stellungnahme  festzulegen :  Einspruch  zu 
erheben  ist  nicht  gegen  die  Auszierungen  uberhaupt,  soudeni  nur  gegen 
die  schlechten.  Es  ist  unlogisch  eine  Sache  zu  verbieten ,  weil  Unverstan- 
dige  mit  ihr  Unfug  treiben  konnten.  Man  konnte  mit  demselben  Becht 
das  Feuer  verbieten,  oder  das  Klavier,  weil  so  viele  Stumper  sich  in  Kon- 
zerten  horen  lassen. 

Eine  etwas  verungluckte  Beweismethode  Beyschlag's  besteht  auch  dar- 
in,  daB  er  emsig  nach  Ausspruchen  von  Komponisten  sucht,  die  sich 
gegen  willkurliche  Yerzierungen  ausgesprochen  haben.  Er  bringt  schlieB- 
lich  an  verschiedenen  Stellen  seines  Buches  eine  groBartige  Auslese  von 
acht  Namen  zusammen,  die  sich  auf  die  Zeit  von  1500 — 1750  verteilen 
sollen,  namlich  Josquin,  Caccini,  M.  da  Gagliano,  E.  de  Cavalieri,  BardiT 
Yiadana,  Hammerschmidt,  Buxtehude,  (Handel  ist  wohl  zu  seinem  Bedauern 
nicht  darunter) ;  indes,  recht  besehen,  beweisen  alle  diese  Stellen  nicht  mehr, 
als  daB  eben  die  Komponisten  nicht  alle  einer  Meinung  waren  betreffend 
das,  was  man  den  Sangern  und  Spielern  zumuten  durfte,  wohl  gemaB  den 
zufalligen  Erfahrungen  des  einzelnen.  Die  meisten  der  angefuhrten  Aus- 
spriiche  scheiden  uberhaupt  aus,  wie  Gagliano  (S.  58),  der  Auszierungen  nur 
da  unterlassen  haben  will,  »wo  das  Stuck  es  nicht  verlangt« ,  der  also  zu- 
gesteht,  daB  manche  Stellen  eine  Auszierung  verlangen;  Josquin  und  Bardi 
beziehen  sich  nur  auf  die  mehrstimmige  Ensemblemusik,  nicht  auf  den  Solo- 
gesan^.  Beyschlag's  Zitat  aus  Caccini's  »nuove  musiche*  (S.  27)  ist  durch- 
aus  ungenau,  sogar  falsch,  weil  er  Satze  zusammenstellt,  die  bei  Caccini 
durch  weite  Strecken  getrennt  sind,  weil  er  die  Reihenfolge  veranderi 
Uberdie8  versteht  Beyschlag  gar  nicht,  was  Caccini  sagt,  denn  Caccini  spricht 
sich  durchaus  nicht  gegen  die  passagi  uberhaupt  aus,  sondern  nur  gegen 
die  Passagen  im  pathetischen  Stil,  dagegen  gestattet  er  sie  »in  quelle  mu- 
siche  meno  affettuose«  ,  d.  h.  bei  weniger  affektvollen  Stellen.  Welch  Zu- 
trauen  kann  der  sachkundige  Leser  zu  einem  Schriftsteller  haben,  der  solche 
Proben  von  Quellenverdrehung  bietet,  wie  Beyschlag  hier  und  noch  an 
manch  anderer  Stello ! !  Die  Mitteilung  betreffend  Cavalieri  zu  kontrollieren, 
fehlen  mir  im  Augeblick  die  notigen  Quellen.  Buxtehude's  Verwahrung 
richtet  sich  nur  gegen  die  Orchestermusiker.  Hammerschmidt  verbittet  sich 
ausgedehnte  Verzierungen,  laBt  aber  wenigstens  >einige  liebliche  Triller  zu*. 
Die  oben  genannten  Namen  schrumpfen  also  im  besten  Falle  auf  zwei  nnbe- 
dingte  Gegner  der  Yerzierung  zusammen ;  Yiadana  und  Cavalieri  (vielleicht ^ 
eine  etwas  schwache  Stiitze  fur  die  Behauptung,  zu  Handel's  Zeiten  habe 
>die  Befehdung  der  Diminutionspraxis  durch  die  Komponisten*  >bereits  ein 
Jahrhundert  gewahrt*.  Dieser  Beweis  von  der  Uberfliissigkeit  der  Kolora- 
turen,  der  sich  auf  Proteste  der  Komponisten  griindet,  ist  aber  noch  in 
anderer  Hinsicht  verfehlt.  Herr  Beyschlag  weiB  namlich  nichts  davon^oder 
verschweigt  es,  dafi  man  auch  eine  ganze  Keihe  von  gegenteiligen  Aufie- 
rungen  anfuhren  kann.  Ich  nenne  ihm  hier  nur  J.  H.  Schein,  der  in  der 
Yorrede  zu  seinen  >  diletti  pastorali*  es  als  seine  Gewohnheit  angibt^  »je 
bisweilen  ein  klein  Leufflein  oder  Schleifflein  zu  inHerieren«.  DaJJ  er  diese 
Auszierungen    selbst    notiert.     geschieht     >  nicht   ...    als    ob    ich    nicht 


Hugo  Leichtentritt,  Zur  Yerzierungslehre.  627 

wtifite,  dafl  einem  Compositor  den  Gesang  zu  komponieren,  einem 
cantor  aber  denselben  zierlich  zu  passagionieren  eigentlich  zu- 
stande:  Sondern  weil  die  jetzo  gebrauchliche  anmuthige  manier 
zu  singen  ingemein  noch  nicht  sonderlich  bekannt*.  Auch  in 
den  Vorreden  vieler  Liedersaromlungen  des  17.  Jahrhunderts  wird  die  Hin- 
zufugung  von  Manieren  uud  Verzierungen  direkt  verlangt;  ausgenommen  sind 
nur  zwei  Falle  a)  wenn  das  Lied  sehr  schlicht  ist,  b)  wenn  der  Komponist 
Manieren  und  Verzierungen  selbst  ausgeschrieben  hat,  wie  z.  B.  Schein  in 
dera  obengenannten  Werke.  Als  angeblicben  Beweis  fur  die  >bescheidene« 
Yerzierung8weise  Handera  selbst  in  einer  italienischen  Kan  tat  e  teilt  Bey- 
schlag  (S.  117)  Handera  autographe  Verzierungen  zur  Kantate  > Dolce  pur 
d'amor  "affanno«  mit.  Da  er  aber  selbst  bei  dieser  »gro£en  Seltenheit« 
jegliche  Quellenangabe  vermeidet,  so  ist  eine  Kontrolle  sehr  erschwert;  ohne 
Kontrolle  hat  jedoch  fur  mich  keine  wesentliche  Versicherung  Beyschlag's 
Gewicht,  nach  den  merkwiirdigen  Erfahrungen,  die  ich  mit  seiner  Quellen- 
behandlung  gemacht  habe. 

Man  kann  wohl  streiten  iiber  die  Art  und  Weise,  wie  Auszierungen 
und  Kadenzen  bei  Handel  zu  behandeln  seien,  jedoch  sie,  wie  Beyschlag 
tut,  als  unwesentlich  bei  Seite  zu  schieben,  geht  nach  dem  heutigen  Stande 
des  Wissens  nicht  mehr  an.  Wer  es  tut,  zeichnet  sich  selbst  als  einen 
TJnwissenden  in  diesen  Dingen,  dessen  Ausfuhrungen  kein  Gewicht  haben, 
mogen  sie  noch  so  pathetisch  sein.  Ich  empfehle  Herrn  Beyschlag  zur 
Vermehrung  seiner  hochst  mangelhaften  Kenntnisse  zunachst  ein  wirklich 
grundliches  Stadium  von  Tosi,  dann  Partitnren  von  Opern  des  17.  und 
18.  Jahrhunderts,  Scarlatti,  Keiser,  Telemann,  Handel,  auGerdem  Lekture  von 
Goldschmidt's  Buch,  das  sich  an  Dutzenden  von  Stellen  sehr  eingehend 
mit  der  Geschichte  der  ornamentalen  Kadenzen  abgibt  und  die  Quellen 
nachweist,  schliefilich  eine  ganze  Reihe  von  Artikeln  zur  Sache  in  den  Pu- 
blikationen  der  Internationalen  Musikgesellschaft  von  Seiffert,  Goldschmidt, 
Wustmann.  XJberhaupt  ignoriert  Beyschlag  eines  der  wichtigsten 
Kapitel  der  Ornamentik,  die  verzierte  Kadenz  in  seinem  Bach  so  gut 
wie  ganz  —  ein  schwerwiegender,  unentschuldbarer  Mangel. 

Recht  kurios  mutet  (S.  116)  die  Bemerkung  an,  Handel  habe  die  »Ge- 
sangspartieen  in  der  italienischen  Manier  aufnotiert,  wie  diese  uns  durch 
Telemann  uberliefert  ist!«  Wo?  mochte  der  minder  erfahrene  Leser  wohl 
gern  erfahren.  Um  die  italienische  Manier  kennen  zu  lernen,  wird  man 
wohl  erst  zu  den  maBgebenden  ltalienern  gehen,  nicht  zu  Telemann.  Schliefi- 
lich  beweist  (S.  117)  der  Ausfall  gegen  die  Verzierungen  in  Chrysander- 
Seiffert's  Messias-Klavierauszug  gar  nichts.  Selbst  wenn  Beyschlag  Recht 
haben  sollte  mit  der  Bemerkung,  die  angefuhrten  Verzierungen  stammen 
nicht  von  Handel  selbst,  so  schlieBt  dies  gar  nicht  aus,  dafi  unter  Handel 
selbst  andere  Verzierungen  gesungen  wurden.  Die  ganze  Beweisfuhrung  in 
diesem  Hiindel-Kapitel  ist  sachlich  unhaltbar,  zudem  unlogisch,  schriftstelle- 
risch  ungeschickt.     Sie  hatte  gar  nicht  schlimmer  ausfallen  konnen. 

Das  n achate  Kapitel  iiber  J.  S.  Bach  beginnt  mit  dem  Satze:  »Wah- 
rend  mit  Handel  die  Diminutionsperiode  abstarb  .  .  .  .«  (S.  119).  Mit 
nichten.  Hasse,  Graun,  Jomelli,  Traetta,  die  ganze  neapolitanische  Schule 
rechnen  stark  mit  improvisierten  Verzierungen,  noch  Jahrzehnte  nach  Han- 
del's Tode,  sogar  Gluck  verschmahte  sie  selbst  in  seinen  Reformopern  an 
manchen  Stellen  nicht.     Dafi  Beyschlag    in    betreif    der    vorwiegend   kurzen 


g28  Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre. 

Vorschlage  bei  Bach  nicht  ganz  das  Bichtige  trifft,  ist  schon  erwahnt  wor- 
den.  Auch  seine  Ansicht,  Bach's  Rezitativ  sei  »buchstablich  zu  nehmen, 
d.  h.  ohne  Telemann'sche  Lizenzen*  (S.  143),  wird  von  Kennern,  wie  Spitta, 
Goldschmidt,  Schweitzer1)  nicht  bestatigt.  Beyschlag  bringt  fur  seine  gegen- 
teilige  Ansicht  keinerlei  Beweis,  auBer  der  Tatsache,  daft  Bach  seine  Re- 
zitative  ungewohnlich  genau  notiert.  Dies  schlieBt  aber  durchaus  nicht  aus, 
daB  bei  den  SchluBf alien  der  Rezitative  die  iiblichen  Appoggiaturen  einzu- 
fligen  seien.  Den  sehr  plausiblen  Grund  fur  diese  Lizenz  gibt  Schweitzer: 
>Es  handelt  sich  .  .  .  einfach  um  die  drei  bei  einer  vokalen  Kadenz  in  Frage 
kommenden  Vorschlage.  Man  notierte  sie  nicht,  wie  die  gewohnlichen,  son- 
dern  lieB  sie  ganz  aus,  damit  der  Organist  oder  Cembalist,  der  die  Sing- 
stimme  ganz  oder  teilweise  liber  seiner  Bezifferung  stehen  hatte,  beim  An- 
schlagen  des  SchluBakkordes  durch  den  Vorhalt  nicht  irre  gemacht  wnrde«. 
Es  ist  neuerdings  darauf  hingewiesen  worden,  daB  sogar  Bach'schen  Orgel- 
werken  bisweilen  improvisierte  Verzierungen  zukommen2). 

In  der  Ansicht,  daB  Bach'sche  Werke  keinerlei  hinzugefugte  Verzie- 
rungen vertragen,  geht  Beyschlag  entschieden  zu  weit.  Spitta  (II 7  152) 
und  Goldschmidt  (S.  153)  vertreten  die  Ansicht,  daB  Bach  Zierkadenzen  zu- 
laflt  an  jenen  Schliissen,  wo  die  Instrumente  pausieren  und  der  continuo 
allein  verwendet  wird. 

Bei  dem  Abschnitt  iiber  Tartini  (S.  145 — 147)  laBt  sich  Beyschlag  die 
wertvollen  Mitteilungen  A.  Schering's3)  entgehen,  die  ein  anderes,  sehr  wich- 
tiges  Thema  beruhren,  das  Beyschlag  in  seinem  Buch  ganzlich  auBer  acht 
laBt.  Insbesondere  die  Geiger  und  Cellisten  hatte  es  interessiert,  zuverlaasige 
Belehrung  zu  erhalten  iiber  die  Art,  wie  man  in  Stiicken  von  Handel, 
Corelli,  Vivaldi,  Nardini,  Tartini,  Porpora  u.  v.  a.  die  Auszierungen ,  Um- 
spielungen  der  Melodie,  Kadenzen  anzubringen  habe,  auf  die  nun  einmal 
der  Komponist  gerechnet  hat.  Wenn  Beyschlag  auch  (S.  146,  147)  zwei 
Notenbeispiele  mil-  Kadenz-  und  Melodieumspielung  von  Tartini  abdruckt,  so 
scheint  er  von  der  "Wichtigkeit  des  Gegenstandes  keine  Vorstellung  zu  haben, 
denn  im  ganzen  Buche  sucht  man  vergeblich  nach  einer  Erklarung  dieaer 
Kunstiibung,  die  zum  Verstandnis  der  italienischen  Instrumentalmusik  des 
18.  Jahrhunderts  durchaus  unerlaBlich  ist.  Auch  sucht  man  in  diesem  Kapitel 
vergeblich  ein  Wort  iiber  die  »Affektenlehre«,  die  fur  die  Vortragsweise  und 
auch  die  Ornamentik  im  ganzen  18.  Jahrhundert  von  grundlegender  Be- 
deutung  und  von  Schriftstellern  jener  Zeit  in  ein  richtiges  System  gebracht 
worden  ist.  Alles  terra  incognita  fur  Beyschlag.  Er  druckt  zwar  einmal 
(8.  93)  Beispiele  ab  aus  den  von  Chrysander  herausgegebenen  Corelli'schen 
Sonaten,  mit  Corelli's  authentischen  Verzierungen,  ohne  aber  aus  diesem 
hochst  lehrreichen  Werk  irgendwelche  Belehrung  zu  ziehen:  sein  ganzer 
Kommentar  zu  dieser  Frage  lautet:  >aus  dieser  Ausgabe  laBt  sich  deutlich 
erkennen,  daB  der  Komponist  nur  die  langsamen  Satze  so  verschnorkelte, 
die  allegri  aber  intakt  HeB«  (S.  93).  Freilich  hat  noch  Mozart  die  lang- 
samen Satze  seiner  Klavierkonzerte  »so  verschnorkelt<  —  daruber  ein  Wort 
zu  verlieren,  hiilt  Beyschlag  in  seinem  Kapitel  iiber  Mozart  fur  ganz  uberflussig. 

1)  Vgl.  Spitta,  Bach  II,  141  ff.,  Goldschmidt,  Ornamentik,  S.  182,  Schweitzer. 
J.  S.  Bach,  S.  771. 

1)  S.  Jahrbuch  Peters  f.  1904,  S.  22  »Neue  Bachfundec  von  M.  Seiffert. 

2}  »Zur  instrumentalen  Verzierungskunst  im  18.  Jahrh.c  Sammelb.  d.  IMG. 
1906,  S.  365  ff. 


Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre,  629 

Um  nun  das  Fazit  aus  alien  diesen  Bemerkungen  zu  ziehen:  Fur  den 
Sinn,  den  Geist,  Stil  der  Verzierungspraxis  im  18.  Jahrhundert  hat  Bey- 
schlag  durchaus  kein  Verstiindnis,  und  darum  haben  alle  seine  Ansichten 
kein  Gewicht.  Er  verrichtet  nur  Handlangerdienste,  schreibt  Theoretiker 
aus,  notiert  sich  tausend  Vorschlage,  Triller,  Scbneller,  Schleifer,  aber  vom 
Zusammenhang  der  Dinge,  dem  Geist  dieser  Zierkunst  erfahrt  man  nicbts. 
Niiheres  Eingehen  auf  die  sehr  anfecbtbare  Bebandlung  der  Vorscblagsfrage 
erspare  ich  mir,  Ettler  bat  daruber  in  seinem  Referat  scbon  sacblicb  berichtet, 
die  LektUre  von  Goldschmidt's  Bucb  zeigt  Beyschlag's  Mangel  noch  viel 
deutlicher. 

Etwas  besser  werden  Beyschlag's  Darlegungen,  je  mebr  er  sicb  dem  19.  Jahr- 
hundert nabert.  Tiber  diesen  letzten  Teil  seines  Bucbes  kann  ich  mich  kiirzer 
fassen.  Icb  erkenne  gern  an,  daB  seino  Mitteilungen  uber  die  Ornamentik 
der  Wiener  Klassiker  und  des  19.  Jabrhunderts  brauchbar  sind.  Die  Ka- 
pitel  Haydn  und  Mozart  sind  zwar  in  seiner  Darstellung  noch  lango  nicbt 
abgeschlossen ;  die  im  Erscheinen  begriffene  Haydn-Gesamtausgabe  wird  wohl 
zum  ersten  Male  Licht  verbreiten  uber  die  bisher  so  gut  wie  ganz  unbe- 
kannten  Werke  des  jungen  Haydn,  und  dann  erst  wird  man  die  geschicht- 
licbe  Stellung  dieses  Vermittlers  zwischen  alterer  und  neuerer  Weise  klar 
bestimmen  konnen;  aucb  der  Gebrauch,  den  Haydn  von  Verzierungen  machte, 
wird  sicb  erst  dann  genau  ubersehen  lassen.  Aucb  uber  die  Mannheimer ' 
Meister,  die  neapolitanische  Schule,  die  erst  das  geschicbtliche  Yerstandnis 
fur  Mozart  vermittelt,  schweigt  sich  das  Beyschlag'sche  Buch  vollstandig  aus. 
Indessen  diese  Miingel  wtirde  ich  als  weniger  empfindlich  mit  in  den  Kauf 
nehmen,  wenn  der  Rest  nur  gehaltreicher  ware.  Nur  den  kleinsten  und 
leichtesten  Teil  der  Aufgabe  lost  Beyschlag's  "Werk  einigermaBen  zufrieden- 
stellend,  die  Ornamentik  von  etwa  1780  an,  wo  die  eigentlichen  Probleme 
fur  die  Forscbung  schon  fast  ganz  aufgehort  baben,  wo  nur  noch  Detail- 
fragen  der  Erledigung  barren. 

Gern  sei  Herrn  Beyscblag  auch  noch  zugestanden,  daB  er  auf  seine 
Arbeit  einen  ungemein  groBen  FleiB  verwendet  hat.  Leider  gentigt  zur 
Losung  so  schwerer  Aufgaben  FleiB  allein  nicht,  es  geboren  dazu  aucb  Schule 
und  Metbode,  eindringende  geschicbtliche  Kenntnisse  und  ein  bedeutendes 
kritisches  Vermogen:  daran  fehlt  es  Beyscblag. 

Der  Leser  wird  vielleicbt  fragen:  Gibt  es  denn  in  Beyschlag's  Buch 
sonst  gar  nichts  Anerkennenswertes?  Verschweigt  der  Kritiker  nicht  das 
Lobenswerte ,  wendet  er  sicb  nicht  ausschlieBlich  gegen  die  Schwachen  des 
Buches?  Herrn  Beyscblag  soil  kein  Unrecht  geschehen  durch  Verschweigen 
etwaiger  Vorziige  seines  "Werkes.  Er  selbst,  gewiB  ein  einwandfreier  Ge- 
wahrsmann,  hat  erklart,  was  in  seinem  Buche  neu  und  bedeutsam  ist  (in 
einer  Erwiderung  auf  eine  absprechende  Kritik,  Zeitschr.  d.  I.  M.  G.  April 
1909,  S.  215,  216).  Danach  legt  Heir  Beyschlag  besonderes  Gewicht  auf 
die  folgenden  Errungenschaften : 

1.  Proteste  alter  Komponisten  gegen  willkurliche  Ausschmuckung. 

2.  Darstellung  der  durch  die  Neuklassiker  hervorgerufenen  Umwalzung. 

3.  Erste  zusammenfassende  Darstellung  der  Ornamentik. 

4.  Die  Vorschlagsfrage. 

5.  Seine  Verdienste  um  die  Wiederherstellung  des  echten  Handel-Stils. 

6.  Seine  Verdienste  um  die  "Wiederherstellung  des  echten  Bach-Stils. 
Also  sechs  Punkte,  die  in  der  Tat  zu  Beyschlag's  Gansten  stark  ins  Ge- 


630  Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungilehre. 

wicht  fallen  wiirden,  wenn  sie  sich  als  stichhaltig  erweisen.     Yertragen  diese 
Punkte  eine  scharfe  kritische  Beleuchtung?     Sehen  wir  naher  zu: 

ad  1.  Beyschlag  nimmt  das  Verdienst  fur  sich  in  Anspruch,  daC  er  »als 
erster  die  Proteste  der  alten  Komponisten  gegen  die  willkurlichen  Aus- 
schmuckungen  ihrer  Werke  von  Seiten  der  Sanger  aofgedeckt  habe«.  Urn 
Herrn  Beyschlag  in  dieser  Frage  Recht  zu  geben,  milBte  man  Hchon  so  un- 
belesen  sein  in  der  Fachliteratur  wie  er  selbst.  Er  scheint  alles,  was  er 
noch  nicht  irgendwo  gelesen  hat,  fur  seine  eigene  Entdeckung  zu  halten. 
Was  er  tiber  Josquin  (S.  15),  Caccini  (S.  27),  Gagliano  (S.  58;,  Emilio  de' 
Cavalieri  (nicht  einfach  »Cavaliere«  wie  dieser  Meister  8.  100  oder  Emilio 
del  Cavaliere,  wie  er  S.  32  ff.  genannt  wird)  sagt,  sind  »oUe  Kamellen<, 
jedem  jungen  Studenten  der  Musikgeschichte  bekannte  Einzelheiten.  Urn 
Entdeckungen  auf  diesem  Gebiete  zu  machen,  hatte  Herr  Beyschlag  schon 
minder  am  Wege  Liegendes,  nicht  fur  jedermann  Zugangliches  anflihren  mussen. 
Ich  mache  ihm  einige  bis  jetzt  wirklich  unbekannte  Protest*  gegen  ttber- 
mafiige  Auszierung  namhaft,  auCer  den  oben  genannten,  iibrigens  ohne  mir 
auf  diese  » Entdeckung «  sonderlich  viel  einzubilden.  Monteverdi  z.  B.  schreibt 
in  der  Yorrede  zu  »I1  combattimento  di  Tancredi  e  di  Clorinda«,  der  Sanger 
solle  keinerlei  >gorghe<  oder  »trilli«  machen,  ausgenommen  in  der  Strophe 
die  mit  >notte«  beginnt.  Auch  Caccini  hat  an  einer  wenig  bekannten 
Stelle  in  einer  spateren  Monodiensammlung  v.  J.  1614:  »Nuove  musiche  e 
nuova  maniera  di  scriverle<  (nicht  zu  verwechseln  mit  dem  haufig  zitierten 
Werk  v.  J.  1602)  einer  sparsamen  Yerwendung  der  Verzierungen  (»sparsa- 
mente«)  durch  cromata  und  semicromata  das  Wort  geredet.  Paolo  Quagliati 
scharft  in  der  Yorrede  zu  seiner  >sfera  armoniosa<  v.  J.  1623  den  Vortra- 
genden  ein,  dafi  sie  sich  an  die  gedruckten  Noten  zu  halten  haben,  »pas- 
8agi<  nicht  anzubringen  seien.  Im  iibrigen  vergleiche  man  hierzu  die  Aus- 
fuhrungen  auf  S.  626  oben. 

ad  2.  Mit  der  » durch  die  Neuklassiker  hervorgerufenen  Umwalzung* 
meint  Herr  Beyschlag  laut  eigener  Angabe  die  Mitteilung  auf  S.  176,  177 
seines  Buches,  dafi  nach  J.  S.  Bach  in  der  Ornamentik  die  Antizipation 
sich  immer  mehr  festsetzte,   wahrend  fruher  »das  Subtraktionsprinzip  vorge- 

waltet  hatte*;  d.  h.  man  spielte  p  I  ==  S  |  J  wahrend  die  Ausfuhrurg 
fruher   gemeinhin    lautete :    f  |#    Dies  sind  nun  allerdings  die  elementarsten 

Dinge  der  Ornamentik,  die  jeder  bessere  Klavierlehrer  seinen  Schulem  bei- 
bringt.  >Dinge  die  nicht  nur  neu,  sondern  von  hervorragender 
Bedeutung  sind*  (Ztschr.  d.  I.  M.  G.  S.  215)  nennt  Herr  Beyschlag 
seine  Darstellung  dieser  Umwalzung!  Es  halt  schwer  bei  solchem  Prahlen 
ernst  zu  bleiben ! 

ad  3.  Wie  konnten  wir  uns  freuen,  wenn  Herrn  Beyschlag's  recht  hobe 
Selbsteinschiitzung  seines  Werkes  zutrefifend  ware!  Er  schreibt:  >Zum 
ersten  Male  erhiilt  der  WiBbegierige  aus  meinem  (breitgedruckt!) 
Werk  einen  Begriff  von  der  Entwicklung  der  Ornamentik  von 
den  altesten  Zeiten  bis  zur  Gegenwart«.  Mit  den  »&ltesten 
Zeiten*  stent  es  wohl  etwas  wacklig,  wie  die  vorstehende  Abhandlung 
gezeigt  hat,  und  im  iibrigen  darf  man  wohl  sagen:  aber  was  fur  einen 
Begriflf  erhalt  der  Wifibegierige !  Wie  ein  Witz  mutet  Herrn  Beyschlag's 
Satz  an:  »Dabei  ist  Sorge  getragen,  durch  gelegentliche  Ruck- 
blicke  und  Spezi  alabhan  dlungen  so  wie  durch    das  Schlufikapitel 


Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre.  631 

die  libers  ich  t  zu  erleichtern «.  »Sehr  schlechte  Sorge«  soil  es  wohl 
heiBen.  Register  fehlt,  die  »Ruckblicke«  und  »Spezialabhandlungen«  aind 
von  der  groBten  Diirftigkeit,  das  SchluBkapitel  ist  eine  Zusammenstellung 
platter  Selbstverstandlichkeiten  (S.  282 — 285),  kann  wohl  auf  seinen  3*/i 
Seiten  aucb  nicht  viel  mehr  bieten.  Was  darin  steht,  weiB  jeder  Musiker 
auswendig. 

ad  4.  Zur  Frage  der  Vorschlage  stellt  Herr  Beyschlag  seine  eigene  GroBe 
mit  den  folgenden  Worten  ins  Licht:  »Keiner  meiner  Vorganger  hat 
diesem  Problem  soviel  Aufmerksamkeit  zugewandt  wie  ich«. 
Aber  lange  nocb  nicht  genug  Aufmerksamkeit!  rufe  ich  Herrn  Beyschlag 
zu.  Auch  die  »wichtige  Spezialabhandlung  auf  S.  168 — 169  tiber  den  Vor- 
schlage ist  in  ihrer  Wichtigkeit  oben  schon  beleuchtet  worden,  samt  den 
Liicken,  die  Herrn  Beyschlag's  aufmerksame  Behandlung  der  Vorschlage  sonst 
noch  aufzuweisen  bat. 

ad  5.  Seine  Verdienste  um  die  Wiederhestellung  des  echten  Handel-Stils 
schlagt  Herr  Beyschlag  nicht  zu  gering  an.  Er  schreibt  daniber:  »Und 
d  och  wiirde  ich  meine  Abhandlung  iiber  Handel  fur  eine  hochst 
wertvolle  halten,  hatte  sie  weiter  nichts  als  den  Nachweis  er- 
bracht,  daB  Chrysander-Seiffert's  vielgepriesener  »Klavieraus- 
zug  fur  praktischen  Gebrauch*  vom  >Messias«  eine  grobe  Ent- 
stellung  des  Originals  bedeutet*.  tlber  den  Euphemismus  > Abhandlung* 
(sie  besteht  aus  etwa  3  Seiten  Text)  sei  '  hinweggegangen.  Worin  der 
» Nachweis «  besteht,  habe  ich  nicht  ergriinden  konnen.  Mit  emphatischen 
Erklarungen :  »Wir  behaupten,  daB  Handel  in  seiner  Oratorienperiode 
nennenswerte  willkiirliche  Auszierungen  hochstens  in  Zwangslagen  geduldet 
habe*  und:   >TJns  gilt  die  Fassung  als  maBgebend,  in  welcher  der  Meister 

seine  "Werke der  Nachwelt  hinterlassen  hat*   ist  doch  nichts  bewiesen, 

selbst  wenn  hinter  diesen  >Behauptungen<  eine  andere  Autoritat  stiinde,  als 
die  des  Herrn  Beyschlag,  der  sich  auf  keinerlei  friihere  Leistungen  berufen 
kann.  Man  vergleiche  auch  iiber  diesen  Funkt  die  obigen  Ausfuhrungen 
(s.  S.  624). 

ad  6.  Betreffend  Bach  meint  Herr  Beyschlag:  »Hinsichtlich  Bach's  wird 
meine  Stellung  dadurch  noch  mehr  gefestigt,  daB  die  groBten  Bachkenner, 
W.  B-ust  und  Fh.  Spitta  in  den  Vorschlagsfragen  auf  meiner  Seite  stehen*. 
Wer's  glauben  will,  der  glaube  es.  Wo  die  Belege  dafur  sich  bei  Spitta 
iinden ,  verrat  Herr  Beyschlag  mit  keinem  Wort.  Ich  habe  sie  auch  trots 
eifrigen  Suchens  bei  Spitta  nicht  finden  konnen.  Im  Gegenteil,  oben  ist 
nachgewiesen  worden,  daB  in  den  Vorschlagsfragen  betreffend  das  Rezitativ 
Spitta  durchaus  anderer  Ansicht  ist  als  Beyschlag.  Woher  Herr  Beyschlag  die 
Berechtigung  nimmt,  Spitta  als  einen  Gewahrsmann  in  diesen  Dingen  fur 
sich  anzusehen  ist,  unerfindlich. 

Was  bleibt  da  also  iibrig  an  Vorziigen?  —  —  — 


Diesem  in  seinem  groBten  Teil  dilettantischen,  von  Fehlern,  Ungenauig- 
keiten,  Unzulanglichkeiten  strotzenden  Buch  hat  Herr  Frof.  Ernst  B-udorff, 
zweifellos  im  Namen  der  Koniglichen  Akademie  der  Kiinste  zu  Berlin,  eine 
empfehlende  Vorrede  vorangeschickt,  die  gar  kuhne  Sprache  fuhrt.  Obschon 
Herr  Frof.  Rudorfif  sich  niemals  als  eine  Autoritat  in  musikwissenschaftlichen 
Dingen  erwiesen  hat,  maBt  er  sich  doch  iiber  Beyschlag's  Werk  ein  Urteil  an, 
das  zweifellos  ehrlich  gemeint  ist,  in  der  Vorrede  eines  neuen  Werkes  jedoch 


632  Hugo  Leichtentritt,  Zur  Verzierungslehre. 

der  fachkundigen  Kritik  zum  mindesten  stark  vorgreift.  Es  ist  docfa  soust 
in  der  vornehmen  Literatur  nicht  iiblicb,  daB  ein  Verfasser  sich  selbst  in 
der  Vorrede  mit  hohen  Worten  preist  oder  es  zulaflt,  von  andern  dort  iiber- 
schwanglich  gepriesen  zu  werden.  Herr  Prof.  Rudorff  schreibt  iiber  d^s 
Buch:  >Mit  der  vollkommensten  Beherrschung  des  gesamten  Materials, 
mit  der  peinlichsten  Gewissenhaftigkeit  des  Historikers  verbindet 
der  Verfasser  angeborenen  kiinstlerischen  Sinn.  Er  steht  iiberall  mit  festen 
FuBen  auf  dem  Boden  der  geschichtlichen  Uberlieferu  ng  und  be- 
wahrt    doch    zugleich    einen    offenen  Blick  fur  die  heillosen  Geschmacklosig- 

keiten,  die  ein  Halbwissen veranlassen  kann.     So   ehrt   die  Aka- 

demie  nur  sich  selbst,  indem  sie  ein  so  vorzugliches  Werk  der  Offent- 
lichkeit  iibergibt « . 

Wie  es  mit  der  » vollkommensten  Beherrschung «,  der  »  peinlichsten  Ge- 
wissenhaftigkeit, dem  festen  Boden  der  geschichtlichen  Uberlieferung*  in 
dem  Beyschlag'schen  Buche  steht,  haben  die  oben  stehenden  Ausfuhrungeu 
wohl  zur  Gentige  erwiesen.  Aber  die  Vorrede  des  Herrn  Prof.  Rudortf 
bringt  noch  stiirkere  I'berraschungen.  Obschon  kein  Fachmann  in  inusik- 
wissenschaftlichen  Dingen,  empfiehlt  er  dennoch  der  Akademie  eine  >geeig- 
nete  Personlichkeit«  fur  die  Bearbeitung  des  schwierigen  Gegenstandes.  Er 
erziihlt  auch,  waram  er  gerade  auf  Herrn  Beyscblag  verfiel:  »Herr  Adolf 
Beyschlag  war  mir  durch  eine  kleinere,  von  Einsicht  und  Erfahrung  zeu- 
gende  Arbeit  auf  diesem  Gebiet,  sowie  durch  personlichen  Austausch  fiber 
den  Gegenstand  niiher  bekannt  geworden*.  Diese  »  kleinere*,  iibrigens  in 
den  weitesten  Kroisen  unbekannte  Arbeit  und  die  Empfehlung  des  Herrn 
Prof.  Rudorff  genugten  der  Koniglichen  Akademie,  Herrn  Beyschlag,  der  sich 
bisher  durch  andere  musikwissenschaftliche  Arbeiten  in  keiner  Weise  hervor- 
getan  hat,  mit  der  schwierigen  und  verantwortungsvollen  Aufgabe  zu  be- 
trauen.  Man  faftt  sich  an  den  Kopf.  —  Sitzt  denn  in  der  Koniglichen 
Akademie  kein  Mann,  der  das  Naive  und  Unwiirdige  einer  solchen  Ent- 
schlieBung  versteht,  der  genug  Achtung  vor  der  Wissenschaft  hat,  um  in 
einer  solchen  Angelegenheit  das  sorgsamste  Vorgehen  zu  veranlassen?  War- 
um  wurden  die  anerkannten  Fachleute  nicht  befragt?  Warum  erbat  man 
z.  B.  nicht  den  Bat  der  Professoren  und  Dozenten  fur  Musikgeschichte  an 
der  Berliner  TJniversitiit?  Wie  kommt  die  Akademie  dazu,  in  tonenden 
Worten  die  Verantwortung  fur  eine  Sache  zu  libera ehm en,  von  der  sie  oflfen- 
bar  recht  wenig  versteht?  Wird  auf  diese  Weise  das  »Halbwissen«  be- 
kampft,  von  dem  oben  so  schon  die  Rede  war,  »ehrt  die  Akademie  sich 
selbstc,  indem  sie  ein  so  wenig  vorzugliches  Werk  der  Offentlichkeit  iiber- 
gibt? 

Hatte  man  sich  beschieden  eine  kleine  Broschure  herauszugeben  mit 
Anmerkungen  zur  Ornamentik  bei  den  Klassikern  Haydn,  Mozart,  Beet- 
hoven, so  hiitte  Herr  Beyschlag  eine  niitzliche  kleine  Schrift  verfassen 
konnen,  deren  Gegenstand  er  beherrscht.  Seine  Arbeit  ware  alien  Musi- 
kern  zu  nutze  gekommen,  er  hiitte  sich  ein  wirkliches  Verdienst  erworben. 
Eine  solche  kleinere  Behandlung  des  Themas  hatte  auch  vor  der  Hand 
vollkommen  fur  die  Konigliche  Akademie  geniigt.  Laut  Titelangabe  ist 
Beyschlag's  Werk  gedacht  als  »Supplementband«  zu  dem  von  der  Konig- 
lichen Akademie  herausgegebenen  >Urtext  klassischer  Musikwerke*.  Da 
dieser  »Urtext<  —  den  ich  iibrigens  als  eine  ausgezeichnete  Arbeit  nach 
Gebuhr    schatze   —     fast    nur    die    Klavierwerke    der    klassischen    Meister 


H.  Wftschke,  Eine  noch  unbekannte  Komposition  J.  S.  Bach's.  633 

Joh.  Seb.  Bach,  Phil.  Em.  Bach,  Mozart,  Beethoven,  Chopin  umfafit,  so 
hatte  man  sich  wohl  auf  eine  Betrachtung  der  Ornaraentik  dieser  Meister 
vorlaufig  beschranken  konnen.  Die  Schwierigkeit  einer  Behandlung  des 
ganzen,  sehr  weitlaufigen  Gegenstandes  ist  von  der  Akademie  durchaus  unter- 
schatzt  worden.  Jedenfalls  ist  das  Werk,  zu  dem  die  Akademie  Herrn  Bey- 
schlag  »veranla£t«  hat,  in  seinem  groBeren  Teil  wissenschaftlich  und  prak- 
tisch  wertlos  und  darum  durchaus  abzulehnen. 


Eine  noch  unbekannte  Komposition  J.S.Bach's. 

Von 

H.  Waschke. 

(Zerbst.) 


Im  zweiten  Hefte  dieses  Jahrga'nga  hat  Bernh.  Engelke  eine  Biographic 
des  Musikers  Johann  Friedr.  Fasch  veroffentlicht  und  diese  zum  Teil  auf 
die  Angaben  gesttitzt,  die  ich  aus  bisher  unbenutzten  Quellen  tiber  Fasch's 
Tatigkeit  in  Zerbst  gewonnen  und  im  Zerbster  Jahrbuch  II,  S.  47 — 63 
mitgeteilt  hatte. 

Unter  den  dort  gemachten  Angaben  habe  ich  auch  die  verzeichnet,  da£ 
J.  S.  Bach  dem  Fiirsten  von  Anhalt-Zerbst  eine  Komposition  zu  dessen 
Geburtstage  gewidmet  habe;  aber  eben  diese  Angabe  halt  Bernh.  Engelke 
in  dem  erwahnten  Aufsatz  (S.  278)  fur  einen  Irrtum  meinerseits;  er  schreibt 
dariiber: 

>Ferner  ist  die  Geburtstagskomposition  fQr  den  Zerbster  Fdrsten  sehr  rfttflel- 
haft:  Spitta  erwahnt  sie  nicht,  und  wie  ich  glaube,  beruht  ihre  Erwahnung  bei 
Waschke  auf  einem  Irrtum.    Bach  fiberreichte  1726  dem  Prinzen  Emanuel  Ludwig 
von  COthen  eine  Abschrift  seines  Op.  I  mit  folgender  Widmung  (Spitta  II,  703): 
>Dem  Durchlauchtig8ten  Ftlrsten   und  Herrn  /  Herrn  Emanuel  Ludwig, 
Erb-Printzen  zu  Anhalt,  Hertzogen  zu  Sachssen  /  Engern  und  Westphalen, 
Graf  en  zu  Ascanien  /  Herrn  zu  Bernburg  und  Zerbst  usw.  .  .  . 
Das  fragliche  Werk  ist  die  2?dur  Partita  fQr  Klavier  (! !).« 

Nun  gebe  ich  von  vornherein  bereitwillig  zu,  daC  man  sich  gelegentlich 
auch  irren  kann,  ich  gebe  ferner  bereitwillig  zu,  daC  ich  mich  gerade  in 
dem  betreffenden  Aufsatz  vielfach  irren  konnte,  weil  ja  oft  Erweiterung  der 
Quellen  angaben  durch  Deutung  ihrer  Beziehungen  notig  war;  daC  ich  mich 
aber  darin  geirrt  haben  sollte,  dafi  J.  S.  Bach  dem  Fiirsten  von  Anhalt- 
Zerbst  eine  Komposition  zum  Geburtstag  gewidmet  habe,  das  kann  ich  nicht 
zugeben,    denn   die   Quelle,    auf  welche   ich   meine  Behauptung   stiitze,   die 

9.  d  mo.   x.  42 


634  Wilibald  Nagcl,  Zu  Nikolaus  Erich. 

Hochfiirsfcl.    Anhalt- Zerbster  Kammer-Rechnung    v.   J.   1722/28    sagt    auf 
S.  148  ausdrttcklich: 

»10  Thlr. dem  H.   Capellmeister  Back  zu  Cothen  ror  eine 

Composition  an  Unsers  gnad.  Landes-Fiirsten  Hohen  geburhts 
Tag.. 

Es  steht  also  fest,  daC  J.  S.  Bach  dem  Zerbster  FtLrsten  zu  dessen  Ge- 
burtstag  eine  Komposition  gewidmet  hat,  und  da  des  Fiirsten  Johann  August, 
der  hier  allein  in  Betracht  kommt,  Geburtstag  auf  den  29.  Juli  fiel,  die 
betr.  Kammerrechnung  aber  vom  1.  Juli  1722  bis  30.  Juni  1723  sich  er- 
streckt,  so  mufl  man  annehmen,  daC  die  Widmung  zum  29.  Juli  1722  er- 
folgt  war. 

Damit  ist  denn  auch  die  Vermutung  Engelke's  und  der  Versuch  ihrer 
Begriindung  erledigt.  Denn  da£  1722  eine  Beziehung  auf  das  Ereignis  von 
1726  moglich  sein  konnte,  fallt  dahin,  und  im  ubrigen  durfte  er  wohl  nicht 
annehmen,  daB  man  im  anhaltischen  Archiv  einen  anhaltischen  Fiirsten  der 
Zerbster  Linie  mit  einem  andern  der  Cothner  Linie  verwechselt,  blofi  weil 
beide  in  dem  bekannten  grofien  Titel  die  gemeinsame  Beaeichnung  >Herren 
zu  Bernburg  und  Zerbst«  fiihren. 

Nachdem  also  Engelke's  Zweifel  an  der  Berechtigung  meiner  Behaup- 
tung  widerlegt  ist,  durfte  nunmehr  einzig  die  Frage  sein:  > Welches  war 
wohl  die  Komposition,  die  J.  S.  Bach  am  29.  Juli  1722  dem  Zerbster  Fiirsten 
Johann  August  zum  Geburtstag  schenkte?« 


Zu  Nikolaus  Erich, 

Von 

Wilibald  Nagel. 

(Darmstadt.) 

In  Convol.  171,  Abtlg.  II  der  Akten  des  Geh.  Haus- Archives  Darmstadt 
stiefl  ich  auf  drei  sonderhare  Blattchen,  die  als  Kuriosum  hier  mitgeteilt 
seien.  Es  handelt  sich  um  einen  Bettelversuch  des  in  der  Uberschrift  ge- 
nannten ,  nur  wenig  bekannten  Komponisten  wahrscheinlich  bei  dem  Sohne 
Georg's  II.  und  Bruder  Ludwig's  VI.  von  Hesseu,  dem  Landgrafen  Oeorg  III. 
zu  Volil  in  ltter  (Oberhessen).  Der  Landgraf  ist  schwerlich  in  der  Lage  ge- 
wesen,  eine  grSBere  Hofhaltung  zu  fiihren;  er  lebte  etwa  wie  ein  mittierer 
Gutsbesitzer  unserer  Zeit.  Um  einen  Musikdienst  wird  es  sich  bei  Erich's 
Gesuoh  um  Anstellung  demnach  wohl  nicht  gehandelt  haben:  der  »Ver- 
bannte*  wird  vielleicht  eher  auf  die  Posten  eines  Fechtmeisters  and  Vor- 
schneiders  spekuliert  haben  und  die  ubrigen  Fahigkeiten  nur  wie  eine  Art  von 


Wilibald  Nagel,  Zu  Nikolaua  Erich. 


635 


Brillantfeuerwerk  haben  wirken  lassen  wollen,  ein  altes,  selten  seine  "VYirkung 
verfehlendes  Kunststiick. 

Eitner  (Quellenlexikon)  laBt  den  bei  ihm  nicht  adligen  Erich  aus  Audis- 
leben  bei  Erfurt  stammen  und  urn  1622  Kantor  in  Jena  sein.  Beruhen  die 
Angaben  der  unten  mitgeteilten  Zettel  auf  Wahrheit,  so  war  Erich  spater 
Fiirstl.  Holsteinischer  Kapellmeister.  Er  mag  den  Titel  gehabt  haben;  ob 
ein  nennenswertes  Amt  damit  verbunden  war,  erscheint  mir  zum  mindesten 
fraglich.  Hat  Erich  zu  dem  Vohlner  Landgrafen  schon  fruher  irgend  eine 
Beziehung  gehabt,  so  ist  anzunehmen,  daB  diese  erfolgte,  als  Georg  III.  sich 
seine  erste  Frau,  Dorothea  Auguste  (geb.  1636,  gest.  5.  Marz  1661),  Tochter 
des  Herzogs  J  oh.  Christian  von  Holstein-Sonderburg ,  aus  Franzhagen  holte. 
Franzhagen  liegt  im  Lauenburgischen  und  wird  schwerlich  je  mehr  als  ein 
bescheidener  fiirstlicher  Outssitz  gewesen  sein.  Erich  mag  dort  als  eine  Art 
Yon  Faktotum  tatig  gewesen  sein,  gedichtet,  gesungen,  gespielt,  komponiert 
nnd  bei  Tafel  vorgeschnitten  haben,  bis  er  (vielleicht  durch  des  Herzogs  Tod) 
seine  Stelle  verlor  und  sich,  wie  so  mancher  andere  in  der  furchtbaren  Zeit 
wahrend  und  nach  dem  30jahrigen  Kriege,  als  alternder  Mann,  der  kein 
Brot  fin  den  konnte,  auf  der  LandstraBe  fand.  1663  —  die  Jahreszahl  er- 
geben  die  drei  mitgeteilten  Chronogramme  der  Handschrift  —  befand  er  sich 
in  Vohl  oder  auch  in  Darmstadt,  wo  moglicherweise  der  Vbhler  Landgraf 
gerade  anwesend  war.  Vielleicht  laBt  sich  in  Jenaer  oder  in  Holstei- 
nischen  Archiven  noch  etwas  uber  den  Mann  fin  den.  DaB  es  mit  seiner 
Kunst  weit  her  gewesen  sei,  mochte  ich  nach  der  nicht  sonderlichen  Probe 
seines  Konnens  —  von  den  bei  Eitner  aufgefuhrten  Arbeiten  kenne  ich 
nichts  —  bezweifeln.  Aber  vielleicht  verdient  es  Erich  doch,  daB  man  ihm 
einmal  nachgehe:  ein  merkwiirdiges  Schick  sal  scheint  der  Mann,  der  allerlei 
gelernt  hatte  (er  schreibt  eine  vortreffliche  Handschrift,  lateinisch  und  grie- 
chisch  waren  ihm  gelaufig  und  in  der  Musik  verstand  er  zum  mindesten  das 
handwerksmaBige),  gehabt  zu  haben.  Vielleicht  war  er  eine  der  vielen  tra- 
gischen  Erscheinungen  der  Kunstgeschichte,  die  schlimme  Zeiten  zu  Grunde 
gerichtet  haben. 

Darmstadt,  Geh.  H.-Archiv.    Abt.  II.    Conv.  171. 
1.  Blatt.    Rttckseite.    Vflblner-Poetisch-Honorarium  und  Musicalisches  Symbolum 
ad  Philomuso8.    AugustinuB.    Ut  sol  inter  Planetas  — ,  ita  Musica  in  medio 
inter  Artes  liberales  radiat.    Anno.    SaLVator  MVnDI  plos    Coronablt. 

Vorderseite.  Symbolum  hujus  Arcis  per  Can  on  em  2.  voc.  sett  Bicinium, 
ubi  comes  Ducem  sequitur  post  semitactum  e  suspirium  e  Cornetto  setl 
Tromboun. 


1.  Clarin. 


^=i=F 


^H*- 


^eg5^^ 


ae 


r-r-t- 


-**- 


E^ 


2.  Clarin. 


10m. 


Efe 


3=t 


^z=^= 


0  V5hlen!  deine  spitzen  schOn  bey  den  Sternen  sitzen. 

Die  Fama  drauff  dein  Tugend  sieht  glantzen  bey  der  Jugend, 

Die  Tugend  und  die  Erbarkeit,  die  Bind  dz  allerbeste  Kleid. 

42* 


636  Wilibald  Nagel,  Zu  Nikolaus  Erich. 

Wenn  ich  soil  recht  bekennen,  and  alle  Kiinste  nennen, 

So  thustu  mir  gefallen,  6  Musical  fQr  alien. 

Mit  Orgelspiel  und  Singen,  kan  ich  mein  Zeit  hinbringen, 

Zue  6ott68  Ehr,  und  mir  Zur  Freud,  Spiel  ich  weg  manche  traurigkeit. 

Hansz  Niclaus  von  Erich.    Jehnensis.  Fflrstl.  Holstein.  Capellmeister,  musicalischer 

componist,  Kays,  gekrttnter  Po§t,  figural  Cantor  und  Organist,  approbierter  Trin- 

ciant  und  fechtmeister.    Exul  begehret  wieder  condition,  und  pp  (propter)    Deum 

eine  discretion,  inmea.  (=  manu  mea). 


2.  Blatt.    Rflckseite.    Vflhlener  —  Poetisch  —  Honorarium  und Musicalisches  Sym- 
bolum  ad  Philomusos.  Augustinus.  etc.  mit  dem  anderen  Chronogramme : 
Char  It  ate  del  LangVeo,  atqVe  ea  Morlar 

Vorderseite:  Symbolum  hujus  Arcis  per  Canonem  Tetraphonicum  seu 
Fugam  4  voc.  ubi  comites  Ducem  sequuntur  in  fj~b  o»a  tt^vte,  diri  oid  nasdr* 
xat  urrep  otd  xeaoapiov. 


Text  w.  o.    Dann:  Wer  lernen  will  auff  Instrument,  Schneid  ab  die  nagl'  und 
wasch  die  Hand. 

Anno.  MVsICVs  a  PoSta,  Iste  DoLet  fuTget. 
Unter8chr.  w.  o. 


3.  Blatt.    Rflckseite  w.  o.,  dann  das  Chronogramm:   Pes  In  MVnDo,   apes  Vero  In 
CoeLIs. 

Vorderseite  w.  o.  ...  sequuntur  in  unisono  post  Transpositionem  Bassus 
Dorij  et  Cantus  Hypomixolydij. 


fg3sz3n-7nrj=^^=k=^e=p-Mj 


Die  L6sung  dee  Kanons  ist  mir  nicht  gegliickt.    Das  mittlere  Blatt  lese  ich : 

J*  P  s 


Mr 


*££*; 


"  ^  '     ETSTff 


Herauageber:  Prof.  Dr.  Max  Seiffert,  Berlin  W.,  Gobenatr.  28. 


Inhaltsverzeichnis 

des 

zehnten  Jahrgangs  von  Zeitschrift  unci  Sammelbanden 
der  Internationalen  Musikgesellschaft. 

Zusammengeatellt  von  Max  Sehnelder. 


Vorbemerkung. 

1.  Krklarnng  der  Schrlftielchen: 

a)  MuHikgettcfcichtliche  Begriffe:      fetter  Drtck  (Violine,  Falestrina) 

b)  Autoren  der  Zeitschrift,  der  Sammelbande ,  der  Kritischen 

Bacherschaa gewohnliche  Scbrift. 

c)  Autoren,  die  berichtigt  oder  kritiaiert  werden: Sperrdruck  (Ambros). 

d)  Orts-  und  Lander-Nam  en : Kapital  Scbrift  (Pakiuj. 

e)  Die  Zahlen  bedenten  die  Steiten,  and  swar  gelten  die  &chragliegenden  |Ctir««r|  for  die  Bammclbande, 

die  gewdhnlichen   far  die  Ztfitschrift     Eingeklammerte  Zahlen  and  nolche  mit   nebenttehenden 
kle  nen  Buchstaben  gelten  nur  for  das  "International  Magical  Supplement". 

f)  f  bedeatet:  gestorben. 

t.  Bezuglich  C  and  K  sehe  man  in  zweifelhaften  Fallen  bei  btiden  Buchstaben  nach.    Analog  C  and  Z. 
3.  Die  „ZeItichrifteiiieftia"  blieb  unberftcksichtigt. 


Aaron,  Pietro  259,  78,  386. 
dall'Abaco,  E.  F.  116,  219,  355. 
Aboard,  Simon  225. 
Abend  roth,  Joh.  Christian  285. 
Abort,  music  to  Greek  play  lb. 
Abert,  Hermann  50,  116,  238 1.,  257,  282, 

435,  4391,  458,  469. 
Abingdon,  Earl  of  296. 
Acat,  Lienhardus  153. 
Accents,  Greek  lb. 
Accompaniments,  organ  53. 
Adam  v.  Fulda  75 U  80  U  535. 
Aderer,  A.  242. 
Adersbach,  Andreas  407. 
A  d  1  e  r  ,  Guido  260b  (Vienna  Congress), 

260c  (on  Haydn). 
Adler,  Guido  51,  90,  239,  259,  304,  312, 

510,  528,  532. 
Adlung  263  i. 
Aeneas  313. 
Aeschylus  12. 
Agazzari,  Agostino  116. 
Agricola,  J.  F.  146. 
Agricola,  Martin  77,  79  U,  86  it 
Ahle  355. 

d'Aigrefeuille,  Charles  185. 
Albeniz  49. 
d' Albert,  Eugen  46. 
Albert,  Heinrieli  355,  402,  405,  407  f. 

X.. 


Alberti,  G.  Matteo  352. 

d'Aldeguier  180. 

Alessandri,  Fel.  432. 

Alexander  Polyhistor  337. 

Alexis,  Willibald  66. 

Alfantz,  Martinus  153. 

Alkan,  Ch.  V.  204. 

Alletsee,  Paulus  333. 

Allmenroder  287. 

de  Almeida,  Alvaro  Fernandez  47. 

Alphexan,  Marguerite  160. 

Alta  Trinita  beata  (anon.  Chor)  355. 

Altmann,  Wilhelm.    Aus  Gottfried  Weber's 
brieflichem  NachlaB  477. 

Briefe  v.  Breitkopf  &  Hartel,  Chladni, 
Frey,  (Has linger),  Lobe,  Lowe,  Ries, 
A.  Schmidt,  J.  Ph.  Schmidt,  Schumann, 
Simrock,  Spohr,  Thibaut,  B.  A.  Weber, 
C.  M.  v.  Weber,  L.  v.  Weber  an  Gottfr. 
Weber. 

Altmann,  Wilh.  488  (Anm.). 

Alutarius,  Christophorus  545. 

v.  Alvensleben,  G.  27. 

Amaduzzi,  Crist  of ano  172. 

Amalarius  131. 

Ambros,  August  Wilhelm  108  f.,  83,  107. 

Ambrosius  15  i. 

Amelang,  Maria  Agnes  277. 

Amelot  198. 


Inhaiteverzeichnis. 


A  me  r  bach,  Basilius  542,  544  f. 

A  me  r  bach,  Bonifacius  541  f.,  544  f. 

American  folk  music  159. 

"Amis  de  la  Musique"  (Paris)  332c. 

Amman,  Jost  98,  100. 

Amphion  337. 

Amphion  Anglicus  241,  430. 

Amravati  103,  117. 

Amyot  334. 

dc  Anagnia,  Joannes  Verulus  84,  88. 

d'Ancona,  Al.  322. 

Andre  442,  455.  457  ft.,  493,  496. 

Andre,  Jean  (Notar)  159. 

Andrechin  535. 

Andree,  Lazarus  (Verleger)  296. 

Anerio  96a. 

"Angelus"  opera  by  Naylor  271. 

Anger,  Johannes  153. 

Angiolini,  Gasparo  438. 

Anglo-saxon  institutiones  276. 

"Annunciation"  by  Alick  Maclean  273. 

Anonymus  (De  signis  musicalibus)  78,  89, 

94  f. 
Anonymity  in  journalism  251. 
Antcliffe  97. 

Antequara,  Jos6  Juan  Jimenez  355. 
Anthoni  155,  (Anthoni  v.  Mantua)  156. 
Anthoni  von  Padua,  Peter  155  f. 
Anton,  Konig  v.  Sachsen  355. 
Apollo,  hymn  to  lc. 
Arbor,  Ann.  160. 

Arcadelt,  Jachet  115,  223,  355,  106. 
Archer  on  national  theatre  21. 
Arend,  Max  320. 
Arensky  364. 

Archilochos  353  ft.,  362,  369. 
Archimedes  366. 
Archytas  367,  380. 
Aria,  f Elizabeth,  on  stage-costume  21. 
Arion  zither  346. 
Ariosti,  Attilio  205,  355. 
Aristides  Quintilianus  324,  342 f.,  345  f., 

350,  371,  373.  378,  381. 
Aristoteles  73,  323  i.,  369,  373,  380,  383, 

s,  a.  Pseudo-Aristoteles.       *  * 

Aristoxenos    v.    Tarent    324  f„    336  ft., 

343  L,  346,  348,  379  ft. 
Armand,  Jean  Baptiste  175. 
Armature  (score)  142. 
d'Arnalle,  Vernon  352. 
Arne  353,  355. 
Arnheim,   Amalie.     Ein   Beitrag  zur  Ge- 

schichte    des    einstimmigen    weltlichen 

Kunstliedes  in  Frankreich  im  17.  Jahrh. 

399. 
Bedeutung    der    Airs    de    oour    und 

anderer  franzosischer  Liedkompositionen 

fur  das  deutsche  Lied. 
Arnim,  Bettina  1. 
Arnold  265,  450. 
Arnold,  Samuel  292. 


;Arnoldt  von  Prigkh   (Bruck)   156.  15 
rd'Arpajon  191. 
1  Artaria  296. 

d'Arve,  Stephen  161. 

Ashton  Ellis,  see  Ellis. 

Asola,  Giov.  Matteo  355. 
;  Aster,  Balthaaar  153. 
1  Astorga,  G.  353. 
1  Astruc,  G.  282. 
I  Attaignant,  Pierre  401. 
|  Auban  161. 

Auber  487. 
I  Aubert  179. 

Aubry,  Pierre  128,  129,   158.   101. 

Aude  159. 

Audencier  s.  Michel.  Guillaume. 

Audibert,  160,  161.  207. 

Augier  160. 

I  August  der  Starke  5 73. 
!  August,  H.  R.  165. 
!  August  Ludwig  v.  Cothen  279. 
I  Aurich,  P.  359. 
I  Authors'  Club  (Stanford)  133. 
i  Avella  203. 

Avison,  137  f. 

Avril,  Balthasar  225. 

Ayrer,  Jacob  445. 

Ayrton  (Edmund)  291. 

B.,  B..D.  419  f. 

Babtista,  Johann  155. 

Bacchius  334. 
I  Bacchius  (le  Vieux)  367 f. 
i  Bach,  Carl  Phil.  Emanuel  16,  40,  85, 143  f., 
,      355,  94,  277  i.,  283,  308,  317. 

Bach,  Heinnch  265. 

Bach,  Joh.  Christian  36,  39  ff.,  457. 

Bach,  Joh.  Christoph  47,  355  (»Der  Gt»- 
rechte,  ob  er  gleich«  und  »Lieber  Herr 
Gott,  wecke  uns  auf«;  irrtumlich  unter 
Joh.  Christoph  Friedr.  Bach  angefuhrtl 

Bach,   Joh.   Christoph  Friedrich  355. 

Bach,  Joh.  Ernst  265. 

Bach,  Joh.  Michael  47,  355,  96. 

Bach,  Johann  Ssb.,  HeuB,  Cber  A. 
Schweitzer's  J.  S.  B.  7;  Bachportrat, 
bisher  unbekannt  17;  HeuB,  Das  vierte 
deutsche  B.fest  in  Chemnitz  45.  HO: 
Spanisches  Bachfest  in  Barcelona  83; 
85, 116,  118, 128,  143,  147,  149,  159, 189; 
Bachfest  in  Dortmund  205;  219,  223  L 
232,  237,  238,  240.  278  ff.;  Wurttem- 
bergischer  Bachverein  282;  303,  308!.. 
316  f.,  331,  349  ff.,  352,  355  f.,  359. 
363  f.,  12,  15.  18,  27  i.,  35,  46,  60,  62 
(Marx'sche  Ausgaben),  69  ff.,  94,  13S. 
229,  232,  238,  255,  267,  276  ff.,  317,  319. 
490  (Simrock  uber  den  Druck  ▼.  B.'schen 
Werken),  494,  520,  560,  607;  Waachke. 
Eine  noch  unbekannte  Kom position  J.  S. 
B.'s  633. 


Inhaltoverzeichnis. 


Bach's  Matthew  Passion,  at  Sheffield  44, 
89;  Heuss  handbook  208,  260a. 

Bach,  W.  Friedemann  351. 

Bachrich  358. « 

de  Bacilly,  B.  400,  414,  411 ff. 

Bader  (Sanger)  57. 

Bachler,  Sebastian  398. 

Bar,  Joseph  258. 

Baif  402  i. 

Baladier  183. 

Balakirew,  M.  194. 

Baldruff,  Joh.  535 

Ballads  (Gum mere)  24. 

Ballard  401  ii.,  415,  4191 

Balon  203. 

"Banda"  part  142. 

Barcewicz,  St.  206. 

Barnett's  Mountain  Sylph  82. 

Baron  84. 

Barral(is)  162. 

de  Barri,  Gerald  266  (Anm.). 

Bart  193. 

Barth  67. 

Barth'sche  Madrigalvereinigung  350,  355ff. 

Bartmayr,  Georg  156. 

Bartsch,  K.  400. 

Basel.  Nef,  Die  Stadtpfeiferei  u.  die 
Instrumentalmusiker  in  B.  (1385 — 1814) 
395;  Nef,  Die  Musik  in  B.  Von  den 
Anfangen  im  9.  bis  zur  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderte  532.  * 
S.  a.  Notizen,  Ortsgruppenberichte. 

Bassani,  Giovanni  Bat  t is t a  228,  231,  240, 
254. 

Bassitz,  Georgius  153. 

Bass-strings  (zither)  343. 

Bates,  Toah  293. 

Bateson,  Thomas  356. 

Batka,  Richard  311. 

Battle  symphony  of  Beethoven  299. 

Baughan,  E.  A.,  on  Paderewski  21. 

Baumfelder,  G.  358. 

v.  Baumgarten,  Christian   Gotthilf  454. 

Baumgarttner,  Hans  Georg  397. 

Bavarian  organs  323,  zither  341. 

Bay  lie,  the  voice  in  education  22. 

Bayon,  Gilles  160. 

Bayrbuth.  Engelke,  Einige  Bemerkungen 
zu  L.  Schiedermair's  >B.er  Festspiele  im 
Zeitalter  des  Absolutismus  14. 

Bazin  380. 

Beatrice  and  Benedict  (Berlioz)  313. 

de  Beaujoyeux,  B.  259. 

Bechler,  Bernhard  398. 

Beck's  Troubadour  melodies  32b,  53. 

Beck,  Heinr.  Val.  356. 

Beck,  J.  B.  129. 

Becker,  Elisabeth  351. 

Beckmann,  Gustav  384. 

Becs- Vienna  224c. 

Beda  131. 


Beer  271. 

van  Beethoven,  Ludwig,  10,  50,  51,  84, 
85,  113,  115,  146,  148,  205,  222  ff., 
238  ff.,  259, 280  ff,  318  (Bonner  Kammer- 
musikfest),  351  f.,  362,  364,  1,  35  ft., 
40,  42,  53,  61,  65  f.,  311,  317,  477,  483, 
485,  488,  490,  494  i.,  505,  557,  560. 
Beethoven,  his  "immortal  love"  160b, 
180;  English  biographies  245;  relations 
with  Sir  George  Smart  300. 
Behrend,     William     (Ortsgruppenbericht 

Kopenhagen)  192. 
Beihefte  der  IMG.,  August  1909. 
Bellairs  on  limits  of  artistic  expression  95. 
Bellardi  223. 
Belleau,  Remi  204. 
de  Bellefontaine  191. 
Bellenot  177. 

Bel lerm arm's  editions  of  Greek  music  Lb. 
Bellermann,  H.  73,  86. 
Belleville,  Emilie  486. 
Bells  in  orchestral  scores  142. 
Benda  280. 

Benda,  Georg  16,  356,  601,  610. 
Benevoli,  Orazio  307  f.,  356. 
Benndorf,  Kurt  268  (Anm.). 
Bennet,  John  356. 
Benvenuto  Cellini  of  Berlioz  312. 
Benzinger,  A.  282. 
Berchthold  von  Kuenfels  534. 
Berglinger  (Wackenroder)  518,  521  f.,  527, 

532. 
de  Beriot,  Ch.  198. 
Beringer,  Oscar,  reminiscences  22. 
Berlin.    Leichtentritt,   Auffiihrungen  &1- 
terer  Kompositionen  in  B.  wahrend  des 
Winters  1908/9  349;  Seiffert,  C.  Sachs: 
Musikgeschichte  der  Stadt  B.  bis  1800 
(Bespr.)  317;  Royal  High  School  332d, 
363. 
S.  a.  Notizen,  Ortsgruppenberichte. 
Berlioz  Trojans;  see  Trojans. 
Berlioz,   Hector  84,   206,  238,   307;   the 
"Trojans"  of  B.  312,  317. 
.  Bernasconi,  Andrea  435. 
Bernhardi  513. 
Bernier  228,  243,  553. 
Berno  131. 

Bernoulli,  C.  Chr.  258,  554,  556. 
Bernoulli,  Chr.  558.  , 

Bernoulli,  Eduard  51,  129,  239. 
Bernsdorf,  Ed.  2. 
Berrl,  Heinrich  397. 
i  de  Bertha,  A.  204,  319. 
■  Bertholet,  A.  258. 
!  Bertling  220. 
Bert  rand,  Aloysius  198. 
.  Bessel  147. 
,  Betz,  Franz  222. 
van  Bever  204. 
.Beyle,  Henri  319.  { 


Inhalteverzeichnis. 


B  c  y  s  c  h  1  a  g  ,  Adolf,  Die  Ornamentik 
der  Musik  (besprochen  von  C.  Ettler)- 
143,  222;  Leichtentritt,  Zur  Verzierungs- 
lehre  (Ausfuhrliche  Kritik  iiber:  Die 
Ornamentik  der  Musik)  613. 

Beyschlag,  Adolf,  Entgegnung  auf  d. 
Referat  v.  C.  Ettler  iiber  die  »Ornamentik 
der  Musik*  215. 

Beyschlag,  Adolf  137. 

Biber,  H.  F.  219. 

Bibliothek,  Mnsikbibliothek.  Proske'sche 
Musikbibliothek  in  Regensburg  90;  Kata- 
logisierung  italienischer  Bibliotheken  148. 
Katalogisierung  der  Bibliotheken  u. 
Archive  in  Krakau  282. 

Bickerstaffe,  Isaac  446. 

Bickham  259. 

Bie,  Oscar  508. 

Bielefeld  583. 

Bierey,  G.  B.  55. 

Biernath,  Ernst.  Koczirz,  (Bespr.  von 
Biernath's:)     Die     Gitarre    seit    dem 
III.  Jahrtausend  vor  Christus  107,  190. 

Bils  148. 

Birk,  Sixt  546  f.      . 

Birnbaum  8. 

Bischoff  500. 

Bishop,  H.  P.  353. 

Bisson,  Alexandre  364. 

Bitter,  Carl  3. 

Bitterfeld.    Notiz  (Werner)  17. 

Bizet,  Georges  84. 

Blackburn  on  Mendelssohn  175. 

Blahetka,  Marie  Leopoldine  486. 

Blahoszlav  (a  Jan  Josquin),  Jan  78. 

Blainville  251. 

Blanche  main  400. 

Blank  582. 

de  Blois  218. 

Blondeau,  Andr6  225. 

Blow,  John,  Article  by  W.  H.  Oummings 
421. 

Blow  (1649—1708)  traced  to  the  Song- 
school  (1530  to  date)  of  Newark-on- 
Trent.  Probably  Capt.  Cooke  "pressed" 
him  thence  into  Chapel  Royal  (1660). 
Particulars  of  his  Canterbury  degree. 
Contributions  to  his  biography.  Dis- 
cussion of  his  compositions,  the  origina- 
lity of  which  stood  in  his  way  with 
critics  (e.  g.  Burney).  "Amphion  An- 
glicus". 

Blow,  John,  summary  of  biog.  authorities 
240. 

Blumner  573. 

Bluthner,  Julius  331. 

Blume  (Sanger)  57. 

Blumner,  Martin  512. 

Boccherini,  Luigi  351  f. 

do  Boche  178. 

Bockshorn  (Capricornus),  Samuel  255% 


Bode,  K.  362. 

Bohm,  Georg  47,  356. 

Bohme,  F.  Magnus  265,  268,  34,  322. 

Bdhme,  Joh.  Mich.  582. 

Borne,  Ludwig.  477. 

Boesset  226. 

Boesset,  Antoine  404  ft,  409. 

Boesset,  Jean  Baptiste  405,  418. 

Boethius  219,  340,  324  f.,  369,  539. 

Bogentantz,  Bernardin  76,  82. 

Bonn,  Emil  50, 148,  238,  363  (t),  332d\  368. 

Boieldieu  501. 

Boileau  575. 

Boismortier  262. 

Boisrobert  418. 

Bokemeyer  607. 

Bokken-Lasson  353. 

Bolen,  Henrik  353. 

Boiler,  Max  258. 

Bolte,  Johannes  547. 

Bolz,  Valentin  547. 

Bombet,  Cesar  319. 

Bomoliere  278. 

Bonfils  160. 

Bonk.    Scheibler,  Das  IX.  Kammermusik- 

fest  in  B.  318.  Beethovenfest  (Notiz) 281. 
Bonarelli,  Proepero  431  f. 
Bonnat,  Joseph  351. 
Bononcini  219,  356,  227,  254,  261. 
de  Bonzy  185. 
Books  on  music,  summary  of  latest  128a 

(41),  s.  a.  Bucherschau. 
Boos,  H.  543. 

Borchers,  Gustav  17,  240,  295,  364,  384. 
Borchers,  Hedwig  295. 
Borkhet  286. 
Borodine,  A.  194. 

Borsa  on  modern  English  stage  22. 
Boschot  128. 
Bossi,  Enrico  268. 
Both  mar,  Graf  174. 
Botstiber,  Hugo  160. 
Botetiber,   See  Vienna  Congress   260c. 
Botter  15. 

Botticelli,  Sandro  75. 
Boucher,  Pierre  225. 
Bouffons  Italiens  224d. 
Bougerel,  P.  162. 
Boullet,  Joseph  173. 
Bourdelot  227,  237,  404,  415,  417  f. 
Bourdon,  A.  171. 

Bourgoin,  Pierre  Jean  Baptiste  225. 
Bournemonth  as  orchestral   centre   141. 
Bousignac  226. 
Boutelou  203. 
de  Bovillon  417,  420. 
B  o  w  e  n ,  York  42. 
Boyer  202,  410  i. 
Brandlin,  Friedrich  397. 
Brandes,  G.  506  f. 
Brandstetter-547. 


Inhaltsverzeichnis. 


Brahms,  Johannes  50, 51, 84, 239, 309, 318, 
■  351,  364,  42,  560;  monograph  (Colles)  22. 

Bramins  and  Tews  323. 

Brandt  on  St.  Cecilia  236,  241. 

Brassac,  Hugues  180  f. 

Brauendorffer,  Hanns  156  i. 

Brehat,  Ary  49. 

Breitkopf,  J.  3,  16,  275. 

Brcitkopf  &    Hartel    259,    477  (.,    492; 

>    Novelly  List  128a. 

Brendel,  Franz  71. 

Brenet,  Michel  319,  159,  187,  223,  227, 
399,  402,  405  ii.,  409,  415. 

Bbeslau  s.  Notizen. 

Bretzner  431,  4451.,  450, 454,  457,  473, 476. 

Breymann  576. 

Brighton  Musical  Festival.  Article  by  Ch. 
Maclean  140. 

General  sketch  of  English  festivals. 
In  north,  development  of  village  con- 
tests. In  certain  places,  of  clerical 
origin.  Now  for  first  time  in  S.  counties, 
and  arising  from  orchestral  activities,  of 
which  pioneer  was  Bournemouth. 

Briegel,  Wolfgang  Carl  265,  580. 

Broadley  on  violin-repaising  22. 

Broadwoods  and  Smart  295. 

Brode  50,  239. 

Brodersen,  L.  357. 

Brosi,  Peter  Friedrich  559. 

Brosy,  Jacob  551. 

Brossard  227 1,  240  i.,  243. 

de  Brasses  310. 

Brotbeck,  Mathis  545.  \ 

Brown,    J.    Duff,    shelf-classification    for ! 
libraries  22. 

Browning  and  music  (Stanford)   135. 

Bruch,Max  2. 

Bruckner  552. 

Bruckner,  Anton  302. 

Bruhl,  Graf  56. 

Brusssl  s.  Notizen,  Ortsgruppenberichte. '. 

Brunei,  R.  84. 

Brunner,  Heinrich  562. 

Brunswick,  Terese  160h,  180. 

Brussel,  Robert  204. 

de  Bry,  Theodor  98  f. 

Buchh&ndlerkataloge.  Breitkopf  &  Har- 
tcl 126,  160,  189;  Geibel  381;  Gerschel 
257;  Harrwitz  189;  Kerler  126;  Liep- 
mannssohn  126,  189,  257;  Reeves  126, 
189,  257,  331,  381;  St.  Goar  331,  Weigel 
381.* 

Buchmayer,  Richard  45  ff.,  236  f.,  257, 
331,  356,  360,  384. 

Buchmayer,  Richard,  Zur  Cembalofrage 
279  (s.  auch  Nef.  Karl). 

Buchner  577. 

Buchner,  Hans  88,  542. 

Buchta  272. 

Buddhist  topes  (funeral  tumuli)  103,  117. 


Bucherschau,  Ubersicht  fiber  dieselbe 
siehe  S.  35  ff.  dieses  Verzeichnisses. 

Bummler,  Georg  Heinrich  16,  275. 

Buff-Hedinger,  Emilie  46. 

Buhle,  Edward  1217,  383. 

Bull,  John  351. 

Bulletin  of  French  Section  32c,  332c. 

Bulling,  Veit  543. 

Bullinger  547. 

Bumke,  Gustav  359. 

Burckhardt  558. 

Burckhardt,  Albert  548. 

Burckhardt,  Jacob  562. 

Burckhardt,  L.  August  547. 

Burckhardt,  -Biedermann,  Th.  398,  533, 
549  f. 

Burckher,  Caspar  153. 

Burger,  Benedict  156,  (Purger)  155,  157. 

Burkert,  0.  356,  359  ff. 

Burkhard  585. 

Burkhardt  (Lehrer)  264. 

Burkhardt,  Max  115. 

Burle,  Jean  Louys  160. 

Burney  on  Blow's  music  427. 

Burtius,  Nicolas  258. 

Busch,  Ernst  86. 

Buss-Dross,  K.  352. 

Busse  s.  Buts  320. 

Bute  (Busse)  320. 

Butsch  398. 

Buxtehude,  Dietrich  116,  351,  356,  363, 
98,  319. 

Byelaws  for  English  Section  32d. 

Byzantine  church -music  lc. 

Cabassol  161  f.,  176,  223,  225. 

Cabay,  Hanns  153. 

Caccini,  Giulio  352. 

Cady  159. 

Caesar  384. 

Cahier  310. 

Cahusac  247. 

Cajanus,  E.  353. 

Caix  d'Hervelois  356. 

Caldara,  Antonio  352,  356,  309,  311. 

Caletzky  282. 

Calier  159,  162. 

de  Callieres,  Francois  244. 

Calmus,  Georgy  220,  384,  454,  461  f. 

Calogera,  Angelo  172. 

Caluschus,  Bernardinus  108. 

Calvisius,  Sethus  268. 

Calvocores8i,  M.-D.  M.  Maurice  Ravel  192b, 

193. 
Calvocoressi,  M.-D.  85,  147,  204. 
de  Cambefort,  Jean  418. 
de  Camoens,  Luis  48. 
Campra,  Jean  Francois  159,  161,  553. 
Campra,  Andre,    de  la  Laurencie,  Notes 

sur  la  jeunease  d'A.  C.  159.  261. 
Campra,  Joseph  161. 


6 


Inhaltsverzeichnis. 


Campra  le  Cadet,  Joseph  204  ff.,  214  ff., 
219. 

Cannabich  18. 

Cannabich,  Mile.  19. 
Cannon"  in  orchestral  scores  142. 

Canudo,  R.  17. 

Capitan,  Prof.  Dr.  4. 

Capricornus  255. 

Carcani  315. 

Cabelia  suite  128a  (8). 

Carissimi,  G.  352,  356,  209,  227,  2S7. 

Carl  Rosa  English  opera  company  81. 

Carmen  Sylva  114. 

Carolina  Catharina  zu  Birkenfeld  285. 

Caroline  v.  Oranien  285. 

Garo-Lucas  84. 

Carolus  von  Padua  155. 

Carpani  319. 

de  Carpi,  Jheronimus  156. 

Carre  203. 

Casenave,  Martin  225. 

Casciolini,  Claudio  356. 

de  la  Cassaigne,  Raymond  194. 

Cassandra  313. 

Casskl  s.  Notizen. 

C  a  s  s  o  n  (Thomas)  and  organ-contral  97, 
323. 

Castella,  Bartolome  155. 

de  Castillejo,  Cristobal  48. 

Castillo,  Bartolome  154. 

Castra  Regina,  see  Ratisbon. 
de  Catel  182. 
de  Catelan,  J.  B.  182. 
Cattaneo,  Andrea  435. 
Catton  268. 

Cavalli,  Francesco  352,  227. 
Cavens,  Louis  175. 
de  Cays  178. 

Cecilia  as  musical  saint.    Article  by  R.  E. 
Brandt  236. 

Mosaic  A.  D.  570.     French  statuette 
XIII   century    the    first   with    musical 
instrument.      With   organ   about    1500. 
Cf.  also  pages  241,  278. 
Celani,  E.  96. 
Celtic,  Goadhelic  80. 
Celtis,  Conrad  101,  540,  546. 
Certani,  Alessandro  351  f. 
Cesti,  Marcantonio  356. 
Chabran  150. 

Chabrier,  Emmanuel  194,  204. 
Chadwick    159. 
Chailon  159,  177. 
Challier  21. 

de  Chambonnieres  351. 
Champfort  451. 
Chancy,  Francois  409,  418  it. 
Chantavoine,  J.  362. 
Chapel  Royal  (English)  under  Henry  V 
and   VI.      Article   by   W.    H.    Grattan 
Flood.    563. 


English  Chapel  Royals  traced  back 
hitherto  only  to  1461,  first  year  of 
Edward  IV  (House  of  York).  From 
recently  issued  Calendars  of  Patent 
Rolls  and  of  Papal  Registers,  same 
I  now  traced  back  to  its  fonndationjby 
Edward  III  (Plantagenet)  in  1349  the 
|     year  of  arrival  in  London  of  Plague  or 

Black  Death. 
1  Chapel  Royal  and  G.  Smart  307. 
Chapelet  203. 
|  Charbonnel  84. 
Chardavoine,  Jehan  401  ff. 
Charpentier  195,  227,  251. 
Chartier,  F.  L.  194,  199,  225,  240  f. 
de  Chartres,  Due  200,  217. 
jChastelain,  Claude  195  f.,  225,  240  f. 
|  de  Chateaurenard  178. 
:  Chelleri,  F.  435. 

Chemnitz.      Heufi,    Das    vierte    deutache 
I      Bachfest  in  Ch.  45. 
'  Chtron  198,  225. 
Cherubini,  Luigi  240,  356,  494. 
Chevalier  321. 
Chevallier,  Pierre  225. 
Chevillard,  Camille  84. 
Chilesotti,  O.  406. 
Chimes  (Starmer)  95. 
Chladni,  E.  477,  479. 
Choalcho  s.  Suasso. 
Choirs,  French  89. 
Chopin,  Frederic  189,  194,  206  f.,  281,  362, 

364. 
Chorales,  performance  of  89. 
Chouquet  219. 
Christelin  544. 
Christina  Charlotte  Friedertca  v.  Solms- 

Braunfels  285. 
Chrysander,  Friedrich  19,  228  ff.,  265  ff.t 
310, 316, 350, 357, 261.,  435,  446, 5  74, 576. 
Chrysander,  Friedrich.  Heufi,  Hin- 
ders  Samson  in  der  Bearbeitung  von 
Fr.  Chr.  110,  127. 
Chrysothemis  200. 
Chuno  285. 

Chybinski,     Adolf,     Zur     Erklarung    des 
♦Concerto.      (Notiz)      115,      177;      M. 
Karlowicz  206;  Umfrage  (fiber  Samotu- 
linus  u.  Felstin)  296;  Erwiderung  gegen 
Jachimecki  381. 
Chybinski,  Adolf  281  f. 
Ciampi  30. 
City  Companies  278. 
Clark  on  Esperanto  22. 
Claudius,  Matthias  53. 
Clausius  276. 

Clay  (Felix)  on  musical  aesthetics  64b. 
Clemens  v.  Alexandria  337. 
Clement  202. 

Clerambault,  L.  Nic.  351,  356. 
Clerical  origin  of  certain  Festivals  140. 


Inhalteveraichnis. 


t.  Clermont,  Katharina  402. 

Clerval  171. 

Closson,  Ernest  158. 

Clytemnaestra  (Strauss)  200. 

Cocchi,  Gioachino  435,  448. 

Cochlaus  s.  Oocleus. 

Cocleus,  Joh.  76,  79,  393  f. 

Coclicus,  Adrian  Petit  88,  93,  99,  102. 

CftLp.    Notiz  (Pratorius)  85. 

Coffey  446. 

Coitero  544. 

Colasse  201 I,  243 f.,  251,  261. 

Colberg  on  harmony  22. 

Colbert,  Jean-Baptiste-Michel  191. 

Coler(us),  Martin  15. 

Colles  on  Brahms  22. 

Collet,  Henri  49. 

Collette,  A.  171. 

Colonna  227. 

Colonne,  Edouard  84. 

Combi,  B.  438. 

Combination-pistons  (organ)  322. 

Com6die  larmoyante  lb. 

de  Comere  182. 

Companies,  City  278. 

Competions,  village  140. 

Comte,  Ch.  400. 

de  Comynihan  182,  189. 

Concentores  Sodales  303. 

Concertqoers'  club  116. 

Confraternities  276. 

Congress,  see  Vienna  Congress. 

Conservatorium  of  Vienna  224c. 

Console,  see  Organ. 

Constitutional  history  of  IMG.  lc. 

Conrad  534. 

Contents,  see  Journal,  Magazine. 

Conti,  Prince  de  37,  147,  202,  217  if. 

Contin,  Graf  Francesco  (de  Castel  Seprio 

Venedig)  353. 
Conversi,  Girolamo  356. 
Cooke  (Henry)  of  the  Chapel  Royal  423. 
Copenhagen.    Music-museum   332b,   333. 
Copyright  and  music  (Stanford)  137. 
Corbach,  A.  (C.)  358. 
Corder's  operas  82;  at  Brighton  141 ; 

on  Mendelssohn  175. 
Corelli,  Archangelo  116,  219,  351  f.,  356, 

236,  240,  262. 
Corneille  403,  575. 
Cornelius,  Peter  9,  24. 
Cornet  115. 
Cornwall  80. 
Coronation  march  (Hungarian)  by  Haydn 

260b. 
Corporations  (Town)  276. 
Corresponding  Members  of  IMG.  lc. 
Cortner  50,  239. 
Cortona  (Handschrift)  321. 
Cossmann,  Sophie  8. 
Couperin,  Francois  159,  351,  356,  383,  262. 


de  Courcelles,  Pierre  204. 

Coussemaker  73  L,  136,  344. 

Co  vent  Garden  and  Berlioz  315. 

C  o  w  e  n  *  8  operas  82. 

Cox  (Hugh  Bertram)  on  G.  Smart  287. 
I  Craft-guilds  of  England  276. 
I  Cramer  525. 
|  Cramer  and  Smart  292. 

Cranach,  Lucas  100. 

Crews,  C.  T.  D.  241. 

Crexos  355. 

Croatian  music  (Hadow)  323. 

Croce,  Giovanni  356. 

Crousis  (KqoCgis)  334  ff.  (Marnold). 

Croze,  J.  L.  177,  242. 

de  Cruce,  Petrus  73,  84. 

Culp,  Julia  352,  359. 

C  u  m  m  i  n  g  8  ,    W.    H.,    Pres.    of   Mus. 
Association  95;  on  John  Blow  240. 

C  u  r  w  e  n  diet,  of  music  245. 

Cyclopaedic  dictionary,  Curwen's  245. 

Czervenka  6. 


I  Dach,  Simon  402. 

:  Daffner,  Hugo  115,  175. 

Dagobas  103,  117. 

;  D  a  1  c  r  o  z  e  ,  action-songs  128a  (74). 
'  Dalphe'ran,  Marguerite  159. 
i  Damrosch,  Frank,  Vice  president  Amen- 
I     can  Section  160. 

Damtico,  Jhan  156. 

Danchet,  Antoine  217,  224. 

Dancourt  444. 

Dandrien,  J.  F.  356. 
i  Dangeau  173,  202,  218  f. 

Danielis  237. 
.Danish  folkmusic  192c. 

Dannreuther,  Edward  143. 
1  Daquin,  Claude  351,  356. 
i  Dasent,  life  of  J.  Th.  Delane  22. 
1  Daspe  182. 

I  Davidson,  Gladys,  opera-plots  23. 
I  Daubresse,  M.  319. 
,  Daumer,  Georg  Friedrich  50. 

Dauphin  285. 

Dauriac,  L.  127  f. 

Daussonne  182,  192  i. 

Davantes,  Pierre  77,  79,  88,  386. 

David  224. 

David  (Kunstpfeifer)  320. 

David,  Felicfen  149. 

Davidsohn,  R.  322. 

Day,  C.  Russell,  on  Indian  instruments  86. 

Debogis,  M.  L.  352. 

Debussy,  Claude  193  f. 

Decorus,  Volupius  (Schonsleder)  233. 

Dedekind,  Henningus  80. 

Deiters,  Hermann  19,  362. 

Delane,  "Times"  editor,  life  of  22. 

Delauny  (de  Launv),  Jacques  207. 


Inhaltsverzeiohnis. 


Delegates  (Governmental)  to  Vienna  Con- 
gress 260b. 

Delius,  life  and  works  48* 

Deller,  Florian  441,  457. 

Del  mas  84. 

Dennkh,  Oistof  156. 

Dentzer  281. 

Deppe  and  touch  22. 

Deschamps,  Eustache  400. 

Desert  149. 

Desforges  262. 

Desius,  X.  356. 

Deslyons  241. 

Desmarets  202,  261,  406. 

Des  matins  203. 

Despaigne  182. 

Desportes,  Ph.  402. 

Dessauer,  E.  508. 

D  e  s  s  o  f  f  ,  Albert.  Ortsgruppenbericht 
Frankfurt  a.  M.  258. 

Dessoir,  Susanne  355,  358,  361. 

Destouches  2131 

Desvoyes  202. 

Deurains,  Niclas  155. 

Deuteromelia  of  Ravenscroft  117. 

Devrient,  Eduard  69. 

Diamant,  F.  362. 

Dibdin  448  i. 

Dido  and  Aeneas,  see  Trojaas. 

Didymos  341,  383. 

Didot,  F.  217. 

Dieckmann  264  i. 

Dieffenbach  287. 

Diehl  568. 

Diehl  (Alice),  life  of  Beethoven  245. 

Diemer  84. 

Dieter  167,  455,  457  it 

Dieterich,  J.  R.  568. 

Dietrich,  Sixt  541  f.,  545. 

Dietricus  534. 

Dietz  51,  239. 

Diez  (Sanger)  67. 

Dilthey,  W.  260,  508. 

Diogenes  Laertius  369. 

Directory,  election  of  lc,  32d. 

Diruta  267  (Anm.). 

Dittelbach(er)  397. 

v.  Dittersdorf,  Carl  Dittera  356,  106. 

Dodge,  Janet  400. 

Dodge  (Janet)  on  lute  music  95. 

Dobricht  271  ff.,  573,  582. 

Do m me  1  in,  Rudolf  555. 

Dotl,  Michael  155. 

Dolmetsch,  Arnold  158. 

Dominicus,  Jhann  155. 

Domino,  meaning  of  21. 

v.  Dommer,  Arrey  8. 

Don«a,  Karl  89. 

Dorant-Dressler  294. 

Dorn,  Peter  543. 

Dorsch,  Joseph  554  f. 


Dobtmund.   Bachfest  (Notiz)  205. 
Dowland  412. 
Draxler- Manfred,  L.  568. 
Dresden  new  Local  Branch  220,  260*. 
S.  a.  Notizen,  Ortsgruppenberichte. 
Dressier,  Gallus  76,  81,  83,  87. 
Drieberg  51. 
Drosendorfer,  Martin  155,  (Dressntorffer) 

156  f . 
Drury,  Lane  for  English  opera  83. 
du  Bois,  Marie-Rose  147. 
Dubois,  Theodore  84,  380. 
Du  Bos  234. 
Du  Buisson  238. 
Duclos  84. 

Dufay,  Guillaume  75. 
Dufort  203. 
Du  Fraigne  283. 
Dulichius,  Philippus  356. 
Du  Liz  260,  (de  Liz)  261,  262. 
Du  Mege  180. 
Du  Mesny  203. 
Dumeynet  197,  221. 
Du  Mont,  Henry  204,  165,  224,  226  f.,  229, 

234,  239,  254. 
Dunhill  on  melody  95. 
Duni  442,  460. 
Dupuis  370,  448. 
Dunstan,  Diet,  of  music  245. 
Dunstaple,  Joh.  85,  106. 
Duperier  160. 
Duphly  351. 
Dupin,  Paul  147. 
Dupuis  292. 

Durante,  Francesco  357. 
von  Dusch,  Alexander  502. 
Duton  192. 

Eccard,  Johann  223,  269,  71. 

Echo  vom  Gebirge  (newspaper)  349. 

Eckard,  Jean  Godefroid  38,  139,  (586). 
!  Eckert  223,  586. 

Ecorcheville,  Jules  17,  49,  128,  281.  362, 
206,  218,  220. 

Ecorcheville  ( Tules)  and  the  French 

Section  332c. 
;  Edelmann  37. 

Eder  285. 
I  Eglinger,  G.  560. 
i  Editors  of  the  IMG.  since  1899  lc. 
I  Ehrenfeld,  A.  526. 

Ehrlich,  Heinrich  143. 

Eichberg,  Rich.  J.  240. 

v.  Eichendorff,  Joseph  11,  44. 

E  ins  IE  del,  church  of  Marie  64a. 

Einstein,  Alfred.  Notiz  uber  den  NachUfl 
Agostino  Steffani's  im  Propaganda- 
Arohiv  zu  Rom  172. 

Eisenach.    Bachportrat  (Notiz)  17. 

Eisenhert,  Melchior  153. 

Eisenstadt  64a,  224c,  2Q0b. 


Inhaltsverzeichnis. 


■9 


Eitner,  Robert  69, 1  ff.,  34,  44,60,  86,  237 ', 
272,  322,  405,  407,  409  L,  418,  540,  568, 1 
570,  573  fi.,  597,  602. 

Eitz,  Carl  17,  363,  364. 

Election  of  Presidiums- Voratand  lc,  32d. 

Elegie  zither  346. 

"Elegy"  by  Corder  271. 

Elektra,  see  Strauss  (Kalisch);  also  260b. 

Elgar's  Wand  of  Youth  47,  Symphony 
in  Aflat  64a,  274. 

Elisabeth  von  Hessen  412. 

Ellger,  H.  361. 

Ellinger  531. 

Ellis,  Ashton,  life  of  Wagner  23. 

Elssler  (Sangerin)  67. 

Emanuel  Ludwig,  Prinz  v.  Cothen  278. 

Embry  (Ann.)  and  Smart  family  288. 

En  saga  of  Sibelius  128a  (9). 

Enderle  606. 

Endowed  opera-house  21. 

Engelke,  B3rnhard,  Einige  Bemerkungen 
zu  L.  Schiedermair's  »Bayreuther  Fest- 
spiele  im  Zeitalter  des  Absolutismus*  14; 
Johann  Friedrioh  Fasch  263;  I.  Vor- 
fahren,  Jugend-  u.  Universitatejahre 
263;  II.  Bis  zur  Bdrufung  nach  Zerbst 
271;  III.  In  Zerbst  276. 

Engelke,  Barnhard  205,  569,  633  f. 

England.  New  Works  in  E.  (V)  271;  The 
London  "Worshipful  Company  of  Musi- 
cians",276. 

English  Chapel  Royal,  see  Chapel  Royal. 

English  ^Committee  of  IMG.  32c. 

English  "national  opera"  18,  21,  82,  83, 
116  (Webb),  ?52,  272. 

English  Section  of  IMG.,  report  32c.        ! 

English  text  to  Wagner  18. 

Epistola  Nuncupatoria  87.  , 

iTuroixovn?  of  Menander  lb.  | 

Erasmus  v.  Rotterdam  99. 

Erckenfried  von  Rixheim  534. 

Erich,  Nicolaus.    Nagel,  Zu  N.  E.  634. 

Erk,  Ludwig  322. 

Erlebach  277. 

Ermisch  220,  294,  384. 

Ernst,  H.  W.  351. 

Ernst  Ludwig  von  Hessen,  Landgraf  569. 

Erwiderungen.  Biernath-Koczirz  189; 
Schnerich-P.  W(agner)  191;  Gandillot- 
v.  Hornbostel  191;  Beyschlag-Ettler 
245;  Niemann-L.  Riemann  331;  Jachi- 
mecki-Chybinski  381. 

Escriva  47. 

Essen.  Lowe's"  „Drei  Wiinsche"  (Notiz) 
240. 

Esser  557. 

Esperanto  as  vehicle  for  opera  18,  22. 

EstkbhXz  64a,  192b,  224c,  260b. 

Esterhazy,  Fiirst  Nicolaus  305. 

Estienne,  J.  B.  Francois  225. 

Etienne  163,  369. 


Ett,  C.  496. 

Ettler,  Carl,  Ortegruppenbericht  95;  die 
Ornamentik  der  Musik  (Bespr.  des  Beyr 
schlag'schen  Werkes)  143;  Er widening 
gegen  Beyschlag  216;  Ortegruppen- 
bericht 294. 

Ettler,  Carl  222,  257. 

Euklides  324. 

Eulenburg  scores  142. 

Euripides  380. 

Evelyn,  J.  239. 

"Everyman",  by  Davies  42. 

Expert,  Henri  242. 

Extraits  de  Bulletin  francais  de  la 
SIM.  17:  VIII.  Ecorcheville,  Gandiliot, 
Leblond,  Reboul.  49:  IX.  Collet, 
Lichtenberger,  Brehat,  Masson,  Ecor- 
cheville. 85:  X.  Quittard,  Landowska, 
Kling,  Calvocoressi.  114:  XI.  Carmen 
Sylva,  Pirro,  Ritter,  Vallas  (Prin). 
147:  XII.  Roujou,  Holland,  de  la 
Laurencie,  Hautstont,  Calvocoressi,  Bils. 
204:  I.  Brussel,  van  Bever,  de  la  Lau- 
rencie. II.  Brussel,  Stievenard,  de 
Bartha,  Calvocoressi,  Quittard.  238: 
IIL  R.  Strauss,  d'Indy,  Brunieres  et  de 
la  Laurencie,  Stievenard.  281 :  IV.  Bru- 
nieres et  de  la  Laurencie,  Thibaut 
(Ecorcheville-Wagner),  Knosp.  319: 
V.  Laloy  et  Malherbe,  Brenet.  de  Bertha, 
Tchalan,  Daubresse.  362:  VI.  Rolland. 
Servieres,  Chantavoine.  362:  VII.  (Rou- 
jon -Ecorcheville),  Rolland,  d'Udine, 
Griveau. 

van  Eyk  75,  99,  385. 

Eymin,  Arnaud  179  i. 


Faber,  G.  540. 

Faber,  Henricus  76,  79U  84,  87,  89,  93, 154. 

Faber,  Sigmundt  156  f. 

de  Fabre  (Fabry),  Louyae  159  ff. 

Fabri,  Niclas  154  i. 

Fabry,  Charles  160. 

Fabry,  Claude  160. 

Faesch-Passavant  558. 

Falconieri,  Andrea  352,  357. 

Falla  49. 

Falw,  Georg  535. 

Farinelli  184,  223. 

Farmer,  John  357. 

Farnsworth  159. 

Farrenc,  Aristide  143,  149. 

Farrenc,  Louise  143. 

Farwell,  Arthur  159. 

Fasch,  Aug.  Heinrich  263;  Fasch,  Christoph 
263;  Fasch,  Joh.  Chriatoph  263;  Fasch, 
Martin  264;  Fasch,  Thomas  Melchior 
264;  Fasch,  Maria  Magdalene,  Friedrioh 
Georg,  Anna  Sophia  264;  Georg  Friedrioh 
265.  —  Fasch,  Aug.  Friedrich  Christian, 


10 


Inhaltsrerzeichnis. 


Christian  Friedrich  Carl  279;  Carl  281, 

283. 
Fasch,  Carl  Friedrich  Christian  479,  512, 

521. 
Fasch,    Job.    Friedrich    16,    223,   589  L; 

Engelke,    J.  Fr.  F.,  Versuch  einer  Bio- 

graphic  263. 
Fasche,  Giinther  Heinrich  263. 
Fasch(ius),  Augustin  263  i. 
Fasolo,  G.  B.  357. 
Fauconet  179. 
Faurt,  Gabriel  108. 
Favart  444. 
Feart,  Rose  84. 
Fechter  395,  534  ii. 
Fedeli,  Ruggiero  15,  174. 
Feind,  Barthold  575. 
Fellner,  Th.  151,  156,  158. 
de  Felstin,  Sebastian  296,  98. 
Ferdinand  (Erzherzog)  153. 
Ferdinand   I.,   Hirzel,   Dienstinstruktion 

und  Personals  tatujs  der  Hofkapelle  Ferdi- 
nands I.  aus  dem  Jahre  1527  151,  559. 
Ferdinand  II.  158. 
Ferdinand   Wilhelm    Ernst    v.    Solms- 

Braunfels  284,  287. 
Fergusson's  "Tree  and  Serpent  Worship'* 

103. 
Ferrari,  G.  177. 
Ferrier,  Paul  364. 
Festivals,  full   list  of  English    140. 
F6tis,  Fr.  J.  102,  206.  281,  1,  175  I,  195, 

2061,  380,  409  i. 
Feuersnot  (Strauss)  199. 
Ferrier,  Henri  149. 
Fidelio  and  "Troyens"  314. 
Finck,  Heinrich  (Fungkh)  154,  157. 
Fink,  Hermann  269,  77,  83,  87  if.,  93  f., 

102,  106. 
Finnish  music  128*  (7). 
Firnhaber,  F.  156. 

"First  subject"  and  "Introduction"  275. 
Fischer,  Andreas  320. 
Fischer,  Erich  5. 
Fischer,  J.  C.  F.,  of  Baden  lb. 
Fischer,  Johann  15. 
Fischer,  Joh.  Christoph  357. 
Fischer,  Joh.  Georg  Christian  285. 
Fischer,  Walter  350. 
Fischer,  Wilhelm  35. 
Fisher,  A.  450. 
Fischietti  438. 
Fitelberg,  Gregor  206  f. 
Flament,  E.  84. 
Flaviand  Castra  (Vienna)  224c. 
Fleischer,  Oscar  49,  206,  238. 
Flemming,  Friedr.  Ferd.  481. 
Flesch,  Karl  352. 
Flonzaley-Quartett  352,  360. 
Flood,  W.  H.  Grattan;  see  Chapel  Royal.  | 
Florinz.   Vortr&ge  (Notiz)  240.  I 


Florimo  438. 

de  Flotte  182,  411. 

Fluri,  Ad.  536. 

Flute,  evolution  of  (Soothgate)  95. 

Flying  Dutchman,  a  new  271. 

Fock,  Dirk  384. 

Folk    music,   American   159;    connected 

with  Lanner  192a. 
Fontaine  243. 
de  Fontenay  161,  204. 
Fontenelle  575. 
Foote  159. 

Forkel,  Joh.  Nik.  3,  9,  279.  497,  512,  526. 
Form  in  music  (Stanford)  134. 
Forqueray,  Antoine  147,  204. 
Forqueray,   Jean  Baptist e  Antoine   147, 

204. 
Forst,  Grete  353. 
Forster  265,  269. 
Fdrster,  Caspar  15. 
Fdrster,  Eleonora  353. 
Fdrster,  Emanuel   Aloys.   Ludwig,   Zwei 

Briefe  E.  A.  F.'s.  353. 
Fouqut,  L.  M.  10. 
Fournel,  V.  245. 
Fournier  159. 

Franzl,  Ignaz  557,  (Carl)  557. 
Franchetti,  177. 

Francishkus,  Jhann  155,  (Francisco)  156. 
Franck,  Cesar  84. 
Franck,  Joh.  Wolfg.  357. 
Franck,  Melchior  220. 
Franco  (v.  Coin)  219,  73  f. 
Francoeur  262. 
Frank    (Ernst),    German    librettist    for 

Stanford  and  Mackenzie  252. 
Franke,  F.  W.  316. 
Frankenstein,  Ludwig  320. 
Fbankpubt  a.  M.  a.  Notieen,  Ortagruppen* 

herir.hto 
Fbankbsich.     Arnheim,  Ein  Beitrag  zur 

Geachichte  des  einstimmigen  weltlichen 

Kunstliedes  in  Frankreich  im  17.  Jahrh. 

399. 
Franquefort,  Francois  197. 
Franz,  Robert  357,  42. 
Free  combination  (organ)  322. 
Freislich,  J.  C.  277. 
Frembken,  Balthasar  320. 
Fbench,    "Bulletin"    32c,    332c;    choir. 

singing  89. 
Frescobaldi,  Girolamo  115,  351,  357,  122, 

137. 
Fret-strings  (zither)  342. 
Frey  477,  479. 
Frey,  M.  55. 
Fric,  Alberto  5. 
Fricke,  R.  223. 
Friederici  (Klavierbauer)  205. 
Friedlaender,  Max  49,  127,  148,  238,  384, 

318,  473,  508. 


Inhattoveraeichnia. 


11 


Fricdrich,  Kaiser  537. 

Friedrich  d.  Grosse  283. 

Friedrich  IV.  v.  d.  Pfalz,  Kurfurst  286. 

Friedrich  Wilhelm   v.    Solms-Braunfels 

284  i. 
Friedrich  Wilhelm  II.  v.  Preuflen  147. 
Friedrich  Wilhelm  III  v.  Preufien  14,  61. 
Friesenberger,  HeinricuB  153. 
v.  Frimmel,  Theodor  240. 
Frobenius  539. 
Froberger,  Johann  Jacob  159,  310,  351, 

367. 
Fuchs,  Richard  300. 
Frueaufy  Rupertus  153. 
Ffingkh,  Heinrich,  s.  Finck. 
de  Furstenberg  (Cardinal)  217. 
Fuhrmann,  M.  H.  318  i. 
Fuller-Maitland  138,  237,  279. 
Fux,  Joh.  Jos.  306,  357,  602.  607. 

Gabrieli,  Giovanni  357. 
Gacon  201. 
Gade,  Niels  W.  192. 
Gafurius  258,  88,  94. 
de  Gageron  178. 
da  Gagliano,  M.  352. 
de  Gaillon,  Roger  197. 
Gal  162. 
Gall  84. 

Gall,  Bernhardtus  G.  397. 
Galliard,  J.  £.  174. 
Gallini,  Sir  John  296. 
Galuppi,  Baldassare  37,  357,  311,  448. 
Ganassi  99. 

Gandillot,  M.  17,  191  f. 
Ganz  542. 

Garcia,  Manuel,  life  by  Mackinlay  23. 
Gardano  106  i. 

de  Garlandia,  Joannes  219,  73. 
Gamier  253. 
Gaspar  de  Rheno  539. 
Gasparini  353,  434. 
Gasperini,  Guido  149. 
Gasser  513. 
Gassmann,  A.  L.  165. 
Gastoldi,  G.  357. 
Gastoue,  A.  187. 
Gatty,  Nicholas  81. 
Gaudens  La  Forgue  190,  192. 
Gaudentius  324,  336  f.,  368  i. 
Gaultier,  Pierre  173  f.,  206,  238. 
Gay,  John  446. 
Gedalge,  A.  198. 
Gehrmann,  Hermann  17. 
Geibel,  Emanuel  46,  51  f. 
Geisler,  Chr.  192. 
Geitner,  M.  223. 
Geminiani  137,  262. 
Genath,  Joh.  Seb.  540. 
General  meeting  of  English  members  lc, 
32c. 


Generati9  Pietro  501. 

Genet-Carpentras,  Eleazar  83. 

Gennrich  238. 

Georg,  Grofiherzog  v.  Mecklenburg  42. 

Gerando  362. 

Gerbais  220. 

Gerber,  Ernst  Ludwig  15,  241,  272,  467, 

545,  574. 
Gerbert,  M.  267,  75  L,  80,  535. 
Gerbig,  Nic.  265. 
Gerhardt,  Paul  356. 
Gerhardt,  R.  223. 
Gerle,  Hans  82,  84,  90 1,  93. 
German's  (Edward)  operas  82. 
Germer  and  touch  22. 
Germer,  Heinrich  20. 
Gern  497. 
Gerson  258,  540. 
Gervais  202. 
Gervinus  113. 
Gevaert,  Francois  Auguste,  Riemann,  F. 

A.  G.  102,  148,  360,  89,  399. 
Geyer,  Friedr.  Wilh.  Ludwig  61. 
Geyer,  Joh.  George  571. 
Gianotti  262. 
Giardini,  Felice  150. 
Gibelius,  Otto  386. 
Gibert  49,  443. 
Giesebrecht,  Ludwig  481. 
Giffon  178 1,  204. 
Gigault  115. 
Gilbert  195. 
Gille,  Gaspard  173. 
1  Gilles  161  if.,  176,  223. 
;  Gilly  84. 
Giner  49. 
Giordani  353. 
Giorgi,  Angelica  352. 
Gitarre.    Koczirz  [Bespr.  von:  Biernath], 

Die  G.  seit  dem  III.  Jahrtausend  vor 

Christus  107. 
Gitterhofer,  Ludovicus  153. 
Given,  on  newspapers  24. 
Glarean    258,    267;    Willfort,    Gl.s    Er- 

widerung  337,  84,  324,  539  it,  549. 
Glasenapp,  Karl  Friedrich  35. 
Glasenapp,  life  of  Wagner  23. 
de  Glatans  182. 
Gleim  283. 
Glinka,  M.  364. 
v.   Gluck,  Ghristoph   Willibald  85,  312; 

Grundung  einer  G.-Gesellschaft  320,  350, 

353,  357,  1,  19,  31,  53,  71,  106,  431, 

442  L,  445,  456,  463. 
Gmelin,  G.  282. 
Gnecchi  and  Strauss  332b. 
Goadelic  Celtic  80.  , 

Gobert,  Thomas  227. 
Godowski,  Leopold  360. 
Gohler  (Georg)  on  Sibelius  128a  (7). 
Gorner,  J.  V.  205,  357. 


12 


Inhal  to  verzeichnis. 


v.  Goethe,  Joh.  Wolfg.  114,  115,  205,  221, 
224,  240,  259,  280,  294,  1,  9  t,  12,  18  ff., 
35,  45,  53  it,  58,  66,  487,  505,  511. 

Gogol  147.4 

Goldner  487. 

Goldoni,  Carlo  432  i.,  4381,  447,  513. 

Go  Id  schmidt,  Hugo  49,  147  (Anm.), 
232  (Anm.),  400,  407. 

Goldschmidt,  Hugo,  Leichtentritt, 
Zur  Verzierungaiehre  (L3hre  v.  d.  vokalen 
Ornamentik)  613. 

Gollitz,  Peter  156  t 

Golther,  Wolfgang  85. 

Gombert,  Nicolaus  106. 

Gomme,  folklore  24. 

Gon  (Vassas  College)  159. 

v.  Gottschall,  Rudolf  177. 

Gottscher,  16,  271    273. 

Goudimel,  CI.  15,  549,  552. 

Go ui rand,  Andre  174. 

de  Gouvenin,  Louis  206,  246. 

Governmental  delegates  to  Vienna  Con- 
gress 260b. 

Gow  159. 

Graf  555. 

Graf,  Jacob  155. 

Grahmann  276. 

Garma,  Hindu  87. 

Grandjean,  Louise  84. 

Granouillet,  Jean  186. 

Grasset  319. 

de  Gratz,  Clemens  155. 

Grauendorffer,  Hans  157. 

Graun,  C.  Gottlieb  16. 

Graun,  Carl  Heinrich  16,  278,  317,  457, 
560,  607. 

Graupner,  Christoph  274  i.,  278;  Nagel, 
Das  Leben  Chr.  Gr.'s  568. 

Greek  accents  lb. 

Greek  music,  remains  of  lb. 

Greek -tragedy  competitions  271. 

Green,  Alice,  XV  century  life  24. 

Gregor,  Josef,  Die  deutsche  Romantik  aus 
den  Beziehungen  von  Musik  u.  Dichtung. 
W.  H.  Wackenroder  505. 

Die  Personlichkeit  510;  die  Werke  516; 
das  Kunstideal  522. 

Gregor,  Josef  259. 

Grenet  261. 

Gr£try,  A.  E.  M.,  353,  357,  445,  454. 

Gretsch,  Joh.  Conrad  285. 

Gretschel  331. 

Griechische  Musik  s.  Musik. 

Grieg,  Edward  206,  268. 

de  Grille  d'Estoublon  177. 

Grimaldi  174. 

Grimarest  248. 

Grimm  36. 

Grimm,  Jakob  222. 

Griveau,  M.  362. 

Grocers'  Company  297. 


de  Grocheo,  Joannes  130,  219,  266,  269 

Grober,  G.  321. 

Grosse,  J.  G.  540. 

Gross  mann  222,  456. 

Grosz,  Cunrat  155,  (Gross)  156. 

Grove  138,  568,  581. 

Griienwaldt,  Mathias  156. 

Griinbaum,  Therese  503. 

Grunfeld,  H.  352. 

Griinewald  274,  574  ft 

Griitzmacher  264. 

Grynaus,  Simon  545. 
|  Gstalter,  Sebastianus  153. 
\  Gu6dron  405,  409. 

Gurtler,  H.  561. 

Guglielmi,  Pietro  435. 

Guerber,  Myths  of  Greece  and  Rome  24 

Guicciardi,  Giulietta  160b. 

Guichard  186. 

Guichon  221. 

Guido  v.  Arezzo  131,  268. 

Guignard,  Pierre  225. 

Guignon  219. 

Guilds  24;  "guild-merchants' *  276. 

Guiraman,  Andre  159. 

de  Guise  238. 

Gum  mere,  popular  ballads  24. 

Gunsbourg,  Raoul  177. 

Gun  tram  (Strauss)  199. 

Gurlitt  223. 

Guynad,  Peter  155. 

Gysendorfer  558. 

Haas,  Robert,  Ortsgruppenbsricht  Wien 
259. 

Habeneck,  Fr.  84. 

Haberl,  F.  X.  96,  322. 

H  a  d  o  w  ,  on  national  character  in  com- 
position 321;  on  Haydn  as  Croatian 
260b,  323. 

Handel,  Georg  Friedrich  50,  78,  89;  Heafi, 
H.'s  Samson  in  der  Bearbeitung  v.  Fr. 
Chrysander  110;  116,  127,  145,  147,  158, 
172,  174,  189,  205,  219,  228,  230  ff.,  240, 
259,  309  f.,  315  (Samson  in  Mainz),  317, 
349  ff.,  353,  357,  384,  261,  62,  69,  71, 
261,  313,  317,  434 1,  4951,  521,  560, 
574  it,  585,  607. 

Haring  (John)  and  Beethoven  299. 

Hafis  50,  52. 

Hagen  15. 

Haiden,  Hanns  394. 

Haito  533. 

de  Haitze,  Pierre  Joseph  172. 

Halbe,  Joh.  Aug.  455. 

Halir,  Carl  46,  319. 

Halls  a.  S.  s.  Notizen. 

Halliwell  445. 

Halls  (London  guilds)  24. 

Hamm,  Adolf  258. 

Hammer,  Heinrich  159. 


Inhalteverzeichnis. 


ia 


Hammerich,  Angul  239,  264  (Anm.), 
268  (Anm.),  333,  336  f. 

Hammerich  and  Copenhagen  museum 
332b. 

Hammer schmidt,  Andreas  357. 

Handl,  Jacob  306  ff.,  358. 

Hanff,  Joh.  Nic.  358. 

Hannemann,  Rob.  331  ff. 

Hans  von  Constanz  88. 

Hanslick,  Ed.  443. 

Hapsburg  dynasty  224c. 

Hardouin  203. 

Hardteroth  285. 

Harkger,  Henricus  397. 

de  Harlay,  Francois  199. 

Harmony-strings  (zither)  342. 

Harp-lute  346. 

Harp-sounds  (zither)  343. 

Hartmann,  C.  V.  6. 

Hartmann  v.  Munchenstein  534. 

von  Hase,  Hermann  189. 

von  Hase,  Oscar  257. 

Haslinger,  Tobias  477,  479. 

Hass,  J.  A.  335. 

Hasse,  Carl  116,  355  f. 

Hasse,  Johann  Adolph  9,  358,  278,  309  f., 
312  ff.,  317 ',  431,  433  ff.,  607. 

Has(s)ler,  Hans  Leo  127,  202,  269,  350, 
358,  78,  412. 

Hauber  496. 

Hauboys,  Joannes  74. 

Haupt  70. 

Haupt  mann,  Gerhart  198. 

Haupt mann,  Moritz  268. 

Hauser  (Posaunist)  398. 

Hauser,  Kaspar  50. 

Hausmann,  Valentin  358. 

Hautstont,  J.  147. 

Hawkins  172. 

Haydn,  Joseph  41,  51,  64,  90,  146,  160, 
189,  205;  Auffuhrung  der  »Riickkehr  des 
Tobias*  (Notiz)  206;  240,  258  f.,  281  f., 
294 ff.;  HeuB,  Die  Wiener  H.-Zentenar- 
feier  u.  der  III.  KongreB  der  IMG.  301 ; 
318  f.,  350  f.,  352,  356,  358,  384,  317,  487, 
491  f..  520,  530.  557.  560. 

Haydn;  centenary,  see  Vienna  Congress; 
connection  with  Mannheimers  32b; 
violin-concertos  128a  (2);  relations  with 
Breitkopf  and  Hartel  128a  (4);  his 
memorial  in  Vienna  224d;  his  »Tobias«, 
see  that  head;  his  operettas  260b;  a 
Croatian  by  race  260b;  relations  with 
young  George  Smart  292. 

Haydn,  Michael  36,  302  f.,  308,  310,  358. 

Haym,  H.  358. 

Haym,  Rudolf  505  f. 

Heckel,  Wolf  322. 

ixvQit  of  Terence  lb. 

Hegedus  352. 

Hegel  480,  482  f. 


Heilmann,  Marie  224. 

Heimerdinger,    A.,    Ortegruppenbericht 
Leipzig  223. 

Heine,  Heinrich  224,  38. 

Heinichen  (Kunstpfeifer)  320. 

Heinichen,   Joh.  David  272  f.,   573,  591% 
607  l,  610. 

Heinrich  534. 

Heinse,  Wilh.  525 1. 

Heinz  454. 

Held,  Anna  223. 

Heller,  Max  239. 

Heller,  Stephan  362. 

Hembel,  Joh.  Friedrich  284. 

Hempel,  A.  358. 

Henisch  453. 

von  Henle,   Bischof  von  Regensburg  90. 

Hennebains  177. 

Hennig,  C.  R.  282. 

Henningsen,  Magnus  Peter  319. 

Hensel,  Franz  192,  la. 

Henricpetri  539,  549. 

Hensel,  Wilhelm  5. 

Henslowe  445. 

Heraklit  371. 

Herbert,  P.  64. 

Herbst,  Joh.  Andreas  358. 

Herder  525. 

Hering,  Alexander  68,  79. 

Herluison  198. 

Hermann-Hurlett,  M.  360. 

Herold  2. 

Herold  (Sangerin)  67. 

Herold,  A.  Ferdinand  198. 

Herpin,  Rene  373. 

Hertel,  Joh.  Gottfried  280. 

Hertnhamer,  Lasarus  155. 

Hertzberg  281. 

Hertzberger,  Balthasar  612. 

Herve\  Gharles  225. 

Herwegh,  Georg  48. 

Herz,  Henri  480. 

Herzog,  J.  J.  548. 

Hefi,  Ludwig  319. 

Hesse,  (E.  Ch.)  581,  5*5,  595  f.,  605. 

Hefl-Ruetschi  50,  238. 

Hesse  (Max)  calendar  32b,  53. 

Hettner,  H.  505,  531. 

HeuB,  Alfred,  ttber  A.  Schweitzer's  J.  S, 
Bach  7;  zu  Mozart's  MannheimerKlavier- 
sonate  (Erwiderung  gegen  Scheibler)  20 
(18);  das  vierte  deutsche  Bachfest  in 
Chemnitz  45;  die  ersten  Szenen  der 
»Zauberflote«  (Ortegruppenbericht)  95; 
Handel's  Samson  in  der  Bearbeitung  von 
Ft.  Cbrysander  110;  F.  W.  Zachow  als 
dramatischer  Kantatenkomponist  228; 
die  Wiener  Haydn-Zentenarfeier  u.  der 
III.  KongreB  der  IMG.  301. 

Heuss,  Alfred,  Mozart's  dramatic  technique 
64a,  95;  Bach's  Matthew  Passion  208, 


14 


InbalUverzeichnis, 


260a;    Handel    260c;     Emil     Bohn    of 

Brealau  332b,  363.  368. 
HeuB,  Alfred  19,  127,  222,  224,  267,  308, 

313,  316. 
Heu  taller,  Martinus  153. 
Hey,  Julius  f  242. 

Heyden,  Sebald  78,  87,  89,  91.  94  i. 
Hcycr,  Wilhelm  51. 
Heymann-Engel,  Sophie  350. 
Hieronymus  v.  M&hren  74. 
Hiersch,  Christof  156. 
Hill,  K.  222. 
Hiller,  Joh.    Adam    16.    446,    454.    457, 

460  L,  471,  553,  608. 
Hilprecht  108. 
Hilteprandt,  Philipp  173. 
Hindsberg  192. 
Hinsch  451,  575  f. 
Hindu  scale  (Strangways)  86. 
Hingston,  John  423. 
Historical  concerts  at  Breslau  332d,  363, 

368. 
Hirsch,  Paul  258,  320. 
Hirschberg,  Leopold,  Der  Tondichter  A.  L. 

Marx  1. 

Bisherige  Urteile  iiber  Marx  1;  I.  Im 

Druck    erschienene    Kompositionen    5; 

II.  Ungedruckte   Werke   54;   III.    Ver- 

loren  gegangene  Werke  66;  IV.  Geplante 

Werke  68;  V.  Ausgaben  u.  Bearbeitun- 

gen  klassischer  Werke  69. 
Hirschberg,  Leopold  51. 
Hirschberg,  R.  312. 
Hirzel,  Bruno,  Dienstinstruktion  und  Per- 

sonalstatus  der  Hofkapelle  Ferdinands  I. 

aus  dem  Jahre  1527  151. 
His,  G.  541. 
Hochbrucker  38.  140. 
Hodler,  Maria  384. 
Hodt  (Huet),  Thonges  286. 
H6chstetter,  Peter  543. 
Hockh  283. 

Hoffmann,  E.  Th.  A.  1,  '505  i.,  525.  531. 
Hoffmann,  Eucharius  77,  80,  83,  87,  94  f. 
v.lHoffmannswaldau,  Chr.  H.  355. 
Hofhaimer,  Paulus  101,  152,  542. 
Hofmann,  Christof  155  i. 
Hofmann,  Melchior  272. 
Hohenemser,  Richard  51,  148. 
Hohenemser,   Richard,   Das  groflrussische 

Volkslied  (Ortsgruppenbericht)  383. 
Hohitzer,  Clement  156. 
Hohmuth  569  i. 
Holbein,  Hans  d.  J.  259,  536. 
Holly,  Andreas  Franz  453,  462. 
v.  Holtei,  Karl  512  f. 
Holtschneider,  G.  205. 
Holzach,  Oswald  545. 
Holzbecher  (Sangerin)  67. 
Holzwart,  Valentin  547. 
Homer  109,  358  f. 


Homilius,  Gottfried  358. 

Hon(n)auer  38,  139. 

Hoos,  M.  360. 

Hope  (Margaret)  and  Smart  family  288. 

Hopkins,  E.  J    138. 

Hoppe  50,  238. 

Horaz  4801,  546. 

Horn  353. 

v.  Hornbostel,  Erich  M.,  Musikalisches  vom 
XVI.  Internationalen  Amerikanisten- 
KongreB  in  Wien  4;  Musikleben  bei  den 
Pawnee-Indianern  (Ortsgruppenbericht) 
63,  192. 

Horwitz,  Karl  64. 

Hostinsky,  Otakar  78. 

Houdard  de  Lamotte,  Antoine  201;  s.  a. 
La  Motte. 

Houssu,   Henriette   Angelique    147. 

HHmaly  50. 

Huber,  Jacob  559. 

Huber,  Ferd.  562. 

Hucbald  325. 

Huch,  Ricarda  506,  511. 

Hueber,  Johannes  155. 

Hubner,  Christopher  320. 

Hufiler,  Johann  541. 

Huet,  s.  Hodt. 

Hugo  534. 

Hugo,  Victor  84. 
J  Hugo  von  Reutlingen  258. 

Hulbert,  on  voice-training  24. 

Hullmandel  37. 

Hummel,  J.  N.  486,  504. 
;  Hunger,  Ruepertus  153. 
!  Hunold  266. 

Huray  (Sangerin)  67. 

Hurka,  F.  358. 

Huygens,  Constantin  399,  404  f.,  414. 
i  Hyagnis  337,  339. 

Hymns,  greek  lb. 

Hynel,  Gerome  199. 

,  Iccander  265. 

j  "Immortal  Love",  Beethoven's  160b.  180. 
;  Imprisonment  and  City  companies  277. 
i  Indian   tonality  86;   music   in  sculpture 

(Southgate)  103,  117. 
d'Indy,  Vincent  238. 
Ingegneri,  Marc.  358. 
Instrumente.    Thuren,  Nordische  Musik- 
instrumente   im   musikhistorischen  Mu- 
seum zu  Kopenhagen  333,   a.  a.  Buch- 
mayer,  Nef. 
International  Musical  Emporium  128a  (7). 
Internationale  Musikgesellschaft  s.  Musik- 

gesellschaft. 
"Introduction"  and  "First  Subject"  275. 
Iphigenia  of  Gluck  in  Esperanto  18. 
Irish  Ortsgruppe  32c. 
Isaac,    Heinrich    101;    Riemann,    Klein* 
Studien    zu   Joh.   Wolfs   neuem  Isaac- 


Inhaltsverzeichnis. 


15 


Band  115;  Wolf,  Bsmerkungen  zu  Hugo 
Riemann'8  »Isaac-Studien«  147,  152; 
Ludwig,  J.,  Wolfs  Ausgibe  der  welt- 
lichen  Werke  H.  L's  (Baspr.)  320,  542. 

Iselin,  Ludwig  544  i. 

Iselin,  P.  542. 

Isidorus  v.  Sevilla  368. 

Isori,  Ida  352. 

Italien.  Kamienski,  Mannheim  und 
Italien  307. 


Jachimecki,  Zdislaw  281,  381. 

Jacob  205. 

Jacob  von  Pfortzheim  540. 

Jacobi  282. 

Jacqmin  159,  174. 

Jahn,  Otto  19,  430,  455  li.,  463,  474. 

Jal  195,  198. 

Jamblichus  370  f. 

Jansen  557. 

Jaques-Dalcroze,  £.  363. 

Jarnowitz  557. 

J4ti,  Hindu  87. 

Jean  Paul  477,  490. 

Jecta,  Raoul  231. 

Jehin,  Leon  177. 

Jenny  Lind  150. 

Jensen,  W.  47. 

Jessen,  Hermann  357,  514,  520. 

Jews  and  Bramins  323. 

Jhann  154. 

Joachim,  J.  90,  309,  318. 

Joachim  (Henry)  and  Smart  family  288. 

Joaquin  49. 

Jocher  263  f. 

Jodel  (zither)  346. 

Johann  Albrecht  v.  Solms-Braunfels  286. 

Johann  Carl,  Pfalzgraf  zu  Birkenfeld  285. 

Johannes  de  Rheno  534. 

Johans  von  Landskron  534. 

Jommelli,  Niccolo  353,  358,  310  it,  315, 

435,  439,  457  i.,  461  i.,  469. 
Jonas,  A.  357. 

Jonckbloet,  W.  J.  399,  404  L,  414. 
Josquin  dea  Pre*  85  i.,  91,  94,  99,  102,  109, 

385. 
Josquin,  Jan,  s.  Blahoszlav. 
Journalism,  anonymous  251. 
Journal  contents  for  1907—1908  96b. 
Joyeuse  (de  Pezenas)  180. 
Don  Juan  Manuel  47. 
de  Juign*  199. 
de  Jul(l)iard  182,  190  it. 
Juliobona  (Vienna)  224c. 
Julius  Caesar,  Shakespeare's  260b. 
Jung,  Hans  286  i. 
Jung,  Joh.  Jacob  287. 
Juoigos  of  the  Lapps  192c. 
Juras,  Priamu8  153. 
Justice  409. 


K.    E.  2. 

Kachel,  Joh.  Christoph  554  ii. 

Kade  321. 

Kandler,  Christoph  569. 

Kaiser,  Georg  257,  500  i.,  558. 

Kaiser(in)  582,  585,  596. 

Kalisch,  on  Bach's  Matthew  Passion  89; 

on  Strauss's  Elektra  198. 
K  a  1  i  s  c  h  e  r  and  G.  Smart  287,  289. 
Kalischer,  A.  Ch.  362. 
Kametzki  594. 
Kamienski,  Lucian,  Mannheim  und  Italien 

307. 
Kamienski,  Lucian  127. 
Kammermusik.    Scheibler,  Das  IX.  K.- 

fest  in  Bonn  318. 
Kant,  Imanuel  9,  511. 
Kantate.      HeuB,    F.    W.    Zachow    als 

dramatischer  Kantatenkomponist  228. 
KfcaoiiEQides  80. 
Karl  V.  152  i. 
Karl  XII.  573. 
Karl  der  GroBe  265,  535. 
Karlowicz,  Jan  206. 
Karlowicz,  Mieczyslaw  177,  *  206  f.,  281. 
Karlowicz,  Polish  symphonist  192b, 

206. 
Kattikas,  Hindu  87. 
Kauffmann,  591. 
Kaufmann,  L.  355,  361. 
Keferstein  26,  33,  38,  41,  45,  482. 
Kehrreim  118. 
Ke  in  speck,  Michael  538. 
Keiser,  Reinhard  358,  451,  574  tl. 
Keller,  Joh.  Heinrich  398. 
Kephesias  110. 
Kerll,  J.  H.  351,  359. 
Kern,  Mathias  535. 
Kerner,  Justinus  52. 
Ketenacker,  Ambrosius  545. 
Kidson  on  melody  95. 
Kiesewetter,  Raphael  Georg  108,  107. 
von  Kilchen,  Jacob  539. 
King's  minstrels  276. 
Kinkeldey,  Otto  219  f. 
Kirchhoff  277. 
Kirmis  287. 
Kt&figce,  zither  341. 
Klark,  Lars  336. 
Klaubert,  Christian  571. 
Kleber  322. 

Kleefeld,  W.  569,  577  i. 
Kleinpaul  316,  358. 
v.  Kleist,  Heinrich  7. 
Klengel,  Frl.  294. 
Klengel,  Julius  46. 
Klindworth  222. 
Kling,  H.  85. 

Klingenberg,  Fr.  Gottlieb  319. 
Klinger,  Max  259. 
Klingler,  Carl  319. 


16 


Inhaltsverzeichnis. 


Klitzsch,  E.  52  f. 

Klofi,  Erich  222. 

Klotz,  Sebastian  86. 

Kluge  282. 

Knapp  159. 

Knapp,  Joh.  76,  79. 

Khecht  455,  457  H. 

Knetsch,  Berthold  85,  148,  353. 

Knispcl,  H.  578. 

Knochel,  Const antin  582. 

Knop  559. 

Knosp,  Gaston  281. 

Kntipfer,  Sebastian  80. 

Kobbe,   Gustav,  music-criticism  24. 

Koczirz,  Adolf,  [Bespr.  von:  Biernath], 
Die  Gitarre  seit  dem  III.  Jahrtausend 
vor  Christus  107,  190. 

Koch,  Joh.  Wilhelm  287. 

Koch,  Martha  Maria  279. 

(Kockeritz)  280. 

v.  Kochel  19,  157. 

Kohler,  Geo.  Valentin  571. 

Koellicker,  Peter  539. 

Koenig,  Rose,  Wagner  recitals  18. 

Konigsfeld  62. 

Kopke,  Bud.  508. 

Korner,  Theodor  54. 

Kotzschke  220,  294. 

Koldewey  508. 

Koller,  Oswald  130,  265,  268. 

Kolrosz,  Johannes  547. 

KongreB,  s.  Hornbostel.  —  Mittcilungen 
iiber  den  III.  K.  der  IMG.  in  Wien  (Mai 
1909)  33,  65,  97,  161,  225,  261,  296 
(KongreBbericht),  297  (Resolutionen); 
HeuB,  Die  Wiener  Haydn -Zentenarfeier 
u.  der  III.  K.  der  IMG.  301. 

Konzert  (Concert).  Chybinski,  Zur  Er- 
klarung  des  »Concerto«  (Notiz)  116; 
de  Wyzewa  et  de  St.  Foix,  Les  premiers 
Concertos  de  Mozart  139. 

Kopenhagen.  Thuren,  Nordische  Musik- 
instrumente  im  musikhistorischen  Mu- 
seum zu  K.  333. 

S.  a.  Ortsgruppenberichte. 

Kopfermann,  Albert  90,  205,[384. 

Koswick,  Michael  76,  82. 

Kothe,  Robert  353. 

Kotter,  Hans  322,  5411 

Krabbe,  Wilhelm  384. 

Krakau.  Katalogisierung  (Notiz)  282. 

Kratzer,  Johannes  155. 

Krause     205. 

Krebs,  Carl  267  (Anm.)!' 

Krebs,  Joh.  Ludwig  3—9. 

Kreisler,  Fritz  361. 

Kremser,  Eduard  162  (Anm.). 

Kretschmayr,  H.  151,  158. 

Kretzschmar,  Hermann  14,  49,  90,  111, 
224,  238,  281,  304,  307,  309.  318,  (Er- 
nennung  zum  Direktor  der  Kgl.  Hoch- 


schule  f.  Musik)  363,  384,  123,  491,  460, 
462. 

Kretzschmar  successor   to   Joachim 
332d,  363. 

Kreutzer,  Conradin  55. 

Kreutzner  and  the  Maria  Zell  mass  260c. 

Krieger,  Adam  205,  359.J 

Krieger,  Joh.  Philipp  15,  574. 

Krieger,  Philipp  359,  363. 

Kqovoic,  s.  Crousis. 

Kroyer,  Theodor  50,  202,  239.   87,  124, 

152  f. 
'■  Kruse,  Georg  Richard  240,  321. 

Kuch,  Joh.  Baptist  15,  276  f. 

Kuhn,  Joh.  Adam  286. 

Ktihne  276. 
\  Kuhnel,  A.  359,  558. 
I  Kuster,  N.  570  f. 

K  u  h  a  c  h  on  Haydn  324. 

Kuhe,  Wilhelm  141. 

Kuhlo,  Franz  145. 

Kuhls,  Karl  383. 

Kuhn,  Max  96,  99. 

Kuhnau,  Joh.  145,  266  ft,  573. 

Kullak  and  tonch  22. 

Kulwagner,  Nicodemus  153. 

Kummer,  Joh.  164. 

Kumtlich,  Georg  280. 

Kun(t)zen,  Joh.  Paul  15,  276. 

Kussewitzky,  Sergei  352. 

Kuzzi  457. 

Kwast,  Jacob,  J.  Kwast-Chor  350. 

de  La  Barre  de  Beaumarchais,  A.  259, 

La  Borde  175  i.  ,195,  204,  399. 

de  La  Chenal  397. 

Lacoste  202. 

Lacroix  251. 

de  La  Ferte\  Duchesse  218. 

Lafontaine  on  Spanish  music  95. 

La  Forgue,  Gaudens  190,  192. 

de  La  Grotte,  Nicolas  402. 

del  Lago,  Giovanni  100. 

de  Lagrange  Triano,  196. 

de  La  Janidre,  Henri  225. 

de  Lajarte  202/206. 

Laisn^,  Claude  225. 

de  Lalande  224,  226  L,  240,  243. 

Lalo,  Charles  49. 

Lalouette  225,  227,  243, 

Laloy,  E.  128,  158,  319,  232. 

La  Mara  362. 

Lambath  degrees  241,  425. 

Lambert,  Michel  238,  281,  238,  407,  415, 

417  i. 
de  La  Moignon  (de  Basville)  190  f. 
La  Mothe  213  f. 
Lamoureux,  Charles  84. 
Lancet ti  557. 

Land,  J.  P.  N.  399,  404  f.,  414. 
Landino,  Francesco  219. 


Inhalteverzeichnis. 


17 


Landowska,  Wanda  85,  258,  310,  351,  357, 
360. 

Landshoff,  A.  358. 

Landshoff,  L.  355. 

Lanes,  Mathieu  182,  189. 

Lanfranco,  Giovanni  M.  77,  81,  88  f. 

Lang  592. 

Lang,  Joh.  Christoph  285. 

Langbein,  Gertraut  127,  220,  353. 

Lange,  G.  264. 

Langer,  Ferd.  501. 

de  Lange,  S.  205,  282. 

Language  question  in  opera  82. 

Lanner,  Josef,  Zoder,  J.  L/s  Fortleben 
im  Volksliede  II  161. 

Lanner  and  folksong  192a. 

Lanngkusch  (Christof)  154  L 

Lapeyrette  84. 

Lappish  folk  music  192b. 

Laryngoscope  23. 

Lasso,  Orlando  259,  269,  350,  102,  390. 

v.  Laufenberg,  H.  266,  268. 

Laumonier,  P.  400. 

Laur,  Ferdinand  560,  562. 

de  la  Laurencie,  Lionel,  Notes  sur  la 
jeunesse  d' Andre  Campra  159. 

I.  La  famille  de  Campra  159;  Enfance 
de  C.  161;  La  maitre  de  C. :  Poitevin  162; 
La  maitrise  et  la  milieu  artistique  ou 
Ie  jeune  C.  devait  poursuivre  son  Edu- 
cation musicale  170;  Les  occasions  de' 
initier  a  la  musique  dramatique  173. 
II.  Campra  maitre  de  musique  a  Aries 
176;  C.  a  Toulouse  180.  IV.  C.  a  Paris 
194.  V.  La  musique  religieuse  de  C., 
pendant  qu'il  £tait  un  musicien  d'eglise 
225;  Musique  dramatique   243. 

de  la  Laurencie,  Lionel  128,  147,  204,  238, 
281,  259. 

Laurent,  C.  199. 

Laurentius  275,  277. 

Laute-Brun  84. 

de  Lautrec  182. 

Lavoix  fils  399. 

Lazzarin  238. 

Le  Begue  115. 

Leberecht,  Peter  41. 

Lebert,  S.  20. 

Leblond,  M.  A.  17. 

Lecerf  (de  la  Vieville)  202,  208  f.,  (227), 
228,  233  ff,  241  it,  246  i.,  250  i.,  253, 
255. 

Lechner,  Leonh.  359. 

Leclair,  Jean  Marie  351,  359,  198;  Scheur- 
leer,  J.  M.  L.  Taine  in  Holland  259. 

Ledebur  1,  21,  66  f.,  318. 

Leder,  Daniel  286. 

Lee,  Vernon  128. 

Le  Grand  38,  140. 

Legrand,  Daniel  556. 

Legrenzi  352,  359,  227. 


Lehmann-Nitsche,  Dr.  5. 
'  Leibniz  364,  263. 

Leichtentritt,  Hugo,  Auffuhrungen  alterer 

Kon  positionen  in  Berlin  wahrend  des 

•      Winters    1908/9   349;   zur   Verzierungs- 

lehre.     (Ausfiihrliche  produktive  Kritik 

,      ttber  Goldschmidt:  Die  Lehre  von  der 

vokalen  Ornamentik  I  und  iiber  Bey- 

J      schlag:  Die  Ornamentik  der  Musik)  613. 

\  Leichtentritt,  Hugo  384. 

!  Lejeune  238. 

\  Leinster  school  of  music  32c. 
:  Leipzig  s.  Notizen,   Ortsgruppenberichte. 
Le  Jolivet  206. 
Le  March  and    (Louis-March  and)    208  if., 

213. 
Lemetz,  Thomas  155. 
1  Lemonnier  442. 
Lenart,  Gita  352  f. 
von  Lenz,  Wilhelm  362. 
Leo  309,  314,  434. 
Leo  X.  (Papst)  322. 
\  Leoni,  Leon  359. 
,  Leoninus  219. 
Lepeintre  207. 
,  Lesage  444.  * 

Le  Rochois,  Marthe  248. 
1  Leschetitzky  and  touch  22. 
!  de  Lescurel,  Jehan  400. 
>  Lespy,  Francois  225. 
I  Lessing,  G.  E.  1. 
I  Lettish  folk  music  192c. 
!  Leu  559. 

Le  Vasseur,  Nicolas  174. 
Levi,  E.  321. 
Levi,  Hermann  222  f. 
Lewy,  H.  456. 
Lexicons  of  music  246. 
Library  shelf-arrangement  22. 
Lichtenberg,  J.  C.  604. 
Lichtenberger,  Henri  49. 
Liebeskind,  Josef  320. 
Liebisch  277. 

Lied.    Springer,  Venezianische  Liedmusik 
des  1 8.  Jahrhunderts  (Otsgruppenbericht) 
126;  Wolf,  DieMelodien  der  Troubadours. 
Eine  Besprechung  der  Beck'schen  Publi- 
kation    129;    P.    Schoffer's    Liederbuch 
(Mainz  1513)  neu  gedruckt  150  (Notiz); 
Zoder,     Jos.     Lanner's     Fortleben     im 
Volksliede  II   161;   Tovey,  a  Schubert 
song   analysed    168;    Hohenemser,    das 
groBrussische    Volkslied     (Ortsgruppen- 
bericht)  383;  Arnheim,  Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  des  einstimmigen  welt  lichen 
Kunstliedes  in  Prankreich  im  17.  Jahrh. 
399. 
Lieni(g)ke,  Christ,  Bernh.  277. 
Liephardt,  Gregor  156  f. 
de  Li  esse,  s.  Du  Liz. 
v.  Liliencron,  Rochus  546. 

2 


18 


Inhaltaverzeichnis. 


Lillo  446. 

Limbach  571. 

Lincker  286. 

Lindner,  E.  O.  576. 

Lind,  Jenny  150. 

Linnemann,  Richard  384. 

"Lines"  of  Vienna  224c. 

Liseregkher,  Laurentz  155,  s.  a.  Riseregkh. 

List  of  member*,  August  1909. 

Listenius,  Nicolaus  79. 

Liszt,  Franz  50,  194,  281,  309,  317,  362, 

33. 
Liszt's,  complete  works  Id,  64d. 
Lithuanian  music  192b. 
Littleton,  A.  H.  241. 
Liturgical  year  (Staley)  26. 
Liverymen  278. 
Livet,  Ch.  L.  406. 
de  Liz  261  f. 

Lobe,  Joh.  Chr.  477,  480. 
Lobwasser  549. 
Locatelli,  Pietro  259. 
Locatelli,  Sebastian  239. 
Lochon  228. 
Loder,  Martin  155. 
Lore,  Moses  398. 
Lother,  Joh.  Heinrich  286. 
Lowe,  Carl  240,  9  f.,  12  f.,  24,  30,  38,  51 L, 

54,  61,  477,  480  (Briefe  an  G.  Weber), 

562.  % 

Lowe,  Ferdinand  311. 
Lowe,  Joh.  Jacob  15. 
Lowenfeld,  H.  148,  320. 
Lowenfeld,  Hans,  Inszenierung  der  Zauber- 

flote  (Ortsgruppenbericht)  220. 
Lowenstein,  Rudolf  52. 
Lohse,  Otto  177. 

London  s.  Notizen,  Ortsgruppenberichte. 
de  Longueville  406. 
Lopez,  Francois  259  f. 
Lorenzani,   Paolo   227  f.,   232,   237,   240. 
Lorenzo  de'  Medici  321. 
Loret,  J.  406,  408,  410.  415. 
Lortzing,  Albert  321. 
Lossius,  Lucas  76,  83,  87  f. 
Lotti,  Antonio  352,  359. 
Louin,  Julien  192. 
Louis  189. 

Louis  le  grand  172,  198. 
Louis,  P.  356. 
Louis  XIV.   177,  403. 
Lucchini,  Antonio  435. 
Ludwig,  Franz  223. 
Ludwig.  Franz,  Zwei  Briefe  Emandel  Aloys 

Formers  353. 
Ludwig.  Friedrich,  Joh.  Wolf's  Ausgabe  der 

Welt  lichen    Werke    H.    Isaac's    (Bespr.) 

320. 
Ludwig,  Friedrich  51,  239. 
Ludwig,  Joh.  Georg  287. 
Ludwig  von  Eptingen  534. 


Ludwig  von  Thier stein  534. 

Ludwig  II.  and  Wagner  153. 

Lueger,  K.  303,  305. 

LQnich  276. 

v.  Liitgendorff,  W.  L.  559. 

Lully,  J.  Baptiste  238,  259,  281.  352,  159, 

165  f.,  173,  202  I.,  218,  227,  230,  232,  234. 

238.  243  f.,  246  ff.,  254  ff.,  258.  261.  415, 

442. 
del  Lungo  321. 
Lunn,  Kirkby  352. 
Luscinius  88  f. 
Lusitano,  Vincentio  77,  80. 
Lute  music  (Dodge)  95. 
Luther  11  f..  70.  540,  550. 
Lutz,  M.  545. 

MacAlpin,  Colin  82. 

Maccari  439. 

MacCurdy,  George  Grant  4. 

de  Machault,  Guillauine  400. 

de  Machy,  Thomas  198. 

MacKay,  Louise  353. 

Mackenzie,  Alexander  311. 

Mackenzie,  operas  82,  at  Vienna 
Congress  260b.  on  Mendelssohn  260c. 

Maclean,  AJick  82. 

Maclean,  Ch.,  Moody- Manners  English 
Opera  Company  80;  Sidelight*  from 
India  on  genesis  of  tonality  86;  Brighton 
musical  festival  140;  Tschaikoffsky's 
"18 12"  score  142;  London  Worshipful 
Companv  of  Musicians  276;  "Trojans'' 
of  Berloz  312;  the  Zither  (Bavarian 
highlands)  341;  New  works  in  England 
47.  271;  Misc.  18,  31,  88,  95,  117,  149, 
156,  175,  241,  322;  see  Referenten.    Sir 

George  Smart,  musician-diarist   287. 
|  Macmillan,  Francis  352. 

de  Madron  1S8. 

M  a  r  z  ,  organ-builder  322. 

Maeterlinck,  Maurice  149. 

Magazine  contents  for  1907—1908  260c. 

Magdalena  Sophia  v.  Solms-BraunfelsiW. 

Mahillon,  V.  C.  333. 
!  Mahler,  Gustav  115. 
:  Mailand  s.  Notizen. 
|  Maillart  265. 
|de  Maillebois  187. 
'  Mailly  173,  406. 

Mainz.    Roth,  Vom  Mainzer  Musikfest  315. 

Major  542. 

Maitland.  F.  A.  Fuller  153. 

Malefette  192. 

Malet  186. 

Malet  d' Avignon  187. 

Malherbe  (Dichter)  400  i. 

Malherbe,  Charles  128,158,177,311.319. 

Malibran  23. 

M  a  n  c  i  n  e  1 1  i  a  s  Wagner-conductor  210. 

Mandelli,  Fortunato  172. 


Inh&lteverzeichnis. 


19 


Mandyczewski    Eusebius  90,  304. 

Mangold,  Karl  245. 

Manhester  159. 

Manners,  Charles  80. 

Mannheim.     Kamienski,   Mannheim   und 

Italien  307. 
Manse rgh,  see  Manners. 
Manskopf,  Nicolas  259. 
Mantuani,  Josef  1521.,  157. 
Mara  557. 

Marais,  M.  202,  245,  261. 
Marbot  159,  161  L,  170  i.,  173,  176,  207, 

223. 
Marcello,  Benedetto  172. 
Marchand,  Louis  359,  208  it,  213,  225. 
Marchettus  (de  Padua)  268. 
Marenzio,  Luca  350,  359. 
Mareschall,  Samul  549  li. 
Maria  Antoinette  359. 
Maria  Theresa  224c. 
Mariat  de  Mantua  156. 
Mariazell  mass  of  Haydn  260c. 

(Haydngedenktafel)  282. 
Marini,  Biagio  122. 
Mariotte  362. 

Mariotte  and  Strauss  332b. 
Marly-Laveaux  402. 
Marnold,   Jean,   Les  fondements  nature  Is 

de  la  musique  Grecque  antique  323. 
Origines   323;  Crousis   334;  Olympos 

337;    Terpandre    348;    Archiioque"   353; 

Pythagore   360;  Le  nombre  de  Platon 

370;  Aristoxene  379. 
Marot,  Clement  198,  401, 
Marpurg,   Friedrich  Wilh.    146,   60,  265, 

271,  525. 
Marschner,  Heinrich  14,  486. 
Marsyas  337,  339. 
Martell,  Karl  65. 
Martienssen,  Karl  220,  384. 
Martin,  J.  B.  435. 
Martinelli  439. 
Martini  322. 
Martini,  Geo  571. 
Martini,  Padre  351,  359. 
Marty,  Georges  84,  118. 
Martyrs,  virgin  241. 
lit'tQivf  and  jLtngivi  241. 
Marx,  Adolph  Bernhard,  Hirschberg,  Der 

Tondichter  A.  L.  M.  1,  431,  495. 
Marx,  Therese  2,  5,  59,  61,  64  it,  68,  72. 
Mason,  John  445. 
Masarey-Tollmann  558. 
Masked  balls  21. 

Massenet,  Jules  84,  149,  282,  364. 
Massenus,  Petrus  156. 
Masson,  C.  325. 
Masson,  Claude  Ludovic  22 5. 
Masson,  musical  memories  150. 
Masson,  P.  M.  49,  400. 
Maszynski,  P.  206. 


Kaiser  Mathias  158. 

Mathias,  F.  X.  51. 

Mathelin  185. 

Mathieu  227. 

Matthei  294. 

Mattheson,  Joh.  15,  145,  352,  278,  568, 
574  L,  607. 

Matthew  Passion,  see  Bach. 

M  a  1 1  h  e  y  and  p.  f .  touch  22. 

Maugue,  Jules  84. 

Maupoint  203,  220. 

Maurin,  E.  F.  171. 

Max  Franz  v.  Osterreich  492. 

Maximilian  321,  (romischer  Konig)  537, 
(Kaiser)  542. 

Maximilian  I.  152,  158. 

Maximilian  II.  158. 

Mayer,  Dr.  Bischof  303. 

Mayer,  P.  398. 

Mayer,  Steffan  155. 

Mayerhoff,  Franz  45. 

Mayer-Reinach,  Albert  50,  239. 

McWhood  159. 

v.   Medici,  Giovanni  (Leo  X.)  322. 

Mehul  350.  501. 

Meier  (Sanger)  67. 

Meissner  454. 

Meissonnier  261. 

Meistersinger  guilds  160a. 

Melani,  Alessandro  227. 

Mell,  Gerhardus  153,  157. 

Melle  (Organist)  154,  157. 

Melody  (Kidson.  Dunhill)  95;  melody- 
strings  on  zither  341;  "melodie  tonic"86. 

Melzer,  H.  384. 

Melzer,  Rudolf  219,  355,  361,  384. 

Members,  list  of,  August  1909. 

Menander  play  la. 

Mendel  1. 

Mendelssohn,  Arnold  71. 

Mendelssohn-Bartholdy,  Felix,  84.  150; 
Mendelssohniana  (London)  175;  Mendels- 
sohnfeiern  (Notiz)  177,  189;  Mendels- 
sohn-Gedachtnisfeier  in  Kopenhagen 
(Ortegruppenbericht)  192,  205,  223  f., 
239,  318,  7,  28,  30,  33,  39,  60,  69,  546, 
562. 

Mendelssohn;  appreciations  175;  his 
descendants  176. 

Mendes,  Ca tulle  282. 

Menestrier,  P.  173,  244  it 

Mennicke,  Karl  278,  310. 

Mensural  musik.  Schunemann,  Zur  Frage 
des  Taktschlagens  u.  der  Textbehandlung 
in  der  M.  73;  Chybiriski,  Zur  Geschichte 
des  Taktschlagens  u.  des  Kapellmeister- 
amtes  in  der  Epoche  der  M.  385. 

Menter,  S.  357. 

Mercier,  J.  B.  206. 

"Mercure",  French  32c,  332c. 

Mereaux,  X.  38,  143. 

2* 


20 


inhalteverzeichnis. 


Merge  1,  Daniel  545. 

Merian-Forkhard  558. 

Mersenne  390,  400,  402,  404,  466  f.,  409, 

414. 
Mersswanger,  Bartholomew  153. 
Messchaert,  Joh.  311.  316,  318. 
Messager,  Andre  84,  188. 
Metastasio,  Pietro  16,  311,  436,  438,  526. 
Mctzsch  571. 

Meyer  ( Blase r  im  Basler  funster)  398. 
Meyer,  Gregor  548. 
Meyer,  P.  533,  552. 

Meyerbeer,  Giacomo  477,  487,  497,  500  i. 
Michaelis  206,  253. 
Michaud  195. 

Michel   (Audencier),    Guillaume   408  ft. 
Michelangelo  307. 
Michelmann  263. 
Michiels  402. 

Mieck,  Joh.  Jacob  Wilhelm  287. 
Miescher,  F.  544. 
Migliavacca  431,  433  ft. 
Mignard,  Jean  Baptiste  160. 
Mignon,  Jean  194  L,  228. 
Milan,  Luis  108,  402. 
Milandre  359. 

Milder-Hauptmann,  Anna  68  i. 
Miles  and  Smart  family  287. 
Military  band  supplements  to  orchestral 

scores  142. 
Miller,  Jul.  501. 
Millet,  Lluis  49,  83. 
Miniature  scores  142. 
Minnesinger  160a. 
Minor,  Jak.  508,  511,  517,  519. 
Minstrels  160b,  276. 
Mireur  159,  176. 
Mireille  of  Gounod  26. 
Missa  Papae  Marcelli  96a. 
Mistral,  his  memoirs  26. 
Mitteilungen   der   IMG.    s.    Musikgesell- 

schaft. 
Mittexwald.    zithers  341. 
Mohr,  Franz  1  f. 
Moliere  403,  442. 

de  Mollier  (Molier,  Moliere),  L.  408,  418. 
Molinier  186. 
Molitor,  Bernhard  334. 
Molitor,  Raphael  99,  101. 
Mondonville  262. 
Mone  62. 

Moniuszko,  Stanislaus  206. 
Monn,  C.  304. 

Monn,  Georg  Matthias  64,  308,  359. 
Monnet  399. 
Monrot  d'Arras  219. 
Monsigny  442. 
Montaigne  254. 
de  Montbuysson,  Victor  412. 
Monte  Carlo.    Oper  (Notiz)^177. 
Monteil  de  Grignan  177. 


Monteverdi,  Claudio  229  f.,  308,  352,  359, 
390. 

de  Montigny,  Valette  240. 

de  Montmorency,  Anne  180. 

Moody-Manners,  English  Opera  Company. 
Article  by  Ch.  Maclean  80. 

Biographie  of  Fanny  Moody  and 
Charles  Manners.  Formation  of  com- 
pany (1897),  following  Pyne  Harrison, 
Carl  Rosa  and  Turner.  Its  fortunes. 
The  "English  National  Opera"  question 
fully  analysed.  Sketch  of  English-made 
operas  since  1834.  Importance  of  the 
language  question  is  exaggerated.  Re- 
duction of  prices  more  important. 
Essential  point  of  all  is  to  obtain  a 
subsidizing  governmental  authority, 
which  shall  in  return  for  the  subsidy 
override  commercialism,  and  require 
things  to  be  done  for  sake  of  indigenous 
art,  whether  immediately  profitable  or 
not.  The  Manners  company  has  acted 
so  as  to  lead  up  to  such  a  situation. 

Moos,  Paul  524,  526. 

Morambert  213,  258. 

Mo  ran,  Dora  353. 

Moreau  186,  203. 

Morera  49. 

Morin  180,  553. 

Moritz  von  Hessen,  Landgraf  412. 

Moritz  Wilhelm  v.  Sachsen-Zeitz  271,  276. 

Morlacchi,  Francesco  484,  502. 

Morley,  Thomas  359,  100,  106. 

Morphy  108,  402. 

Morzini,  Graf  275. 

Moscow,  evacuation  of  143. 

Mosel  HI,  113. 

Mosewius,  Theodor  18,  21,  31,  33. 

Mosewius  on  Bach's  Matthew  Passion 
260a. 

M  o  1 1 1  and  Berlioz  312. 

de  la  Motte,  Houdard  204,  214,  217, 
247  ft. 

de  la  Motte  FouquS,  Friedrich  67. 

Moussorgsky  147,  194  ff.,  319. 

Moudenc  159. 

Moulinie,  Antoine  406. 

Moulinie  (Moulinier),  Etienne  406  i.,  409  f. 

Moulinier  226. 

Mourgue  (dit  Cousin),  Pierre  180  f.,  184. 

Mozart,  Carl  220. 

Mozart,  Leopold  20,  40,  139  f.,  143,  146, 
222,  384,  308,  316,  463. 

Mozart;  influenced  by  Schobert  32b,  35; 
his  dramatic  technique  64a,  95;  as  eight- 
year-old  composer  128a  (6),  160c,  181: 
his  memorial  in  Vienna  224d. 

Mozart,   Wolfg.    Amadeus,    Zu    Mozart's 

jgMannheimer  Klaviersonate  (Scheibler- 
Heufi)  18;  de  Wyzewa  et  de  St.  Foix, 
Un  maitre  inconnu  de  M.  35 — 50,  51,  85, 


Iimaltsverzeichnis. 


21 


95,  118;  de  Wyzewa  et  de  St.  Foix,  Les 
premiers  Concertos  de  M.  139 — 146,  205; 
Lowenfeld,  Inszenierung  der  Zauber- 
flote  (Ortsgruppenbericht)  220,  222  f., 
239,  259,  303  f.,  351  f.,  359,  (Zauberflote 
in  Paris)  364,  35,  55,  317;  Preibisch, 
Quelle nstudien  zu  M.'s  »Entfuhrung  aus 
dem  Serail«  430,  478,  483  f.,  488,  492, 
495 f.,  513,  520  f.,  530,  557,  560. 

Mozart,  Wolfg.  Amadeus  (Sohn)  220. 

Miihlbach,  L.  37. 

Muhlenberg  287. 

Muller,  Friedrich  571. 

Miiller,  Walter,  Ortsgruppenberichte  127, 
222  f.,  257,  384. 

Muller,  Wenzel  503. 

Muller,  Wilhelm  22,  44. 

Muller-Brunow  242. 

Milliner,  Adolf  501. 

Munchen  s.  Notizen. 

Muffat  351. 

Muffat,  Georg  308,  310  (?),  351  (?), 
360  (?). 

Muffat,  Gottlieb  310.  351  (?),  360  (?). 

Muht,  Johann  286. 

Muller,  Conradus  335. 

Mundt,  Theodor  31,  37,  68. 

Munich  opera  and  Ludwig  II  154. 

Munzingsr  398. 

Muraire  203. 

de  Muris,  Joannes  219,  136,  325,  344. 

Music-festivals,  see  Festivals. 

Musica  divina  (Proske)  96a. 

Music-lexicons  246. 

Musical  Association  of  London  32b.  95. 

"Musical  Herald"  on  French  choirs  89. 

Musical  Instruments  in  Indian  Sculpture. 
Article   by  T.    Lea    Southgate    103. 

The  Buddhist  funeral  tumuli  (called 
Topes)  at  Sanchi  in  Bhopal  state  and  at 
Araravati  in  Kistna  district,  contain  an 
incredible  amount  of  sculpture,  which 
has  been  illustrated  in  Jas.  Fergusson's 
"Tree  and  Serpent  Worship"  (1873). 
Article  shows  the  conclusions  to  be 
drawn  from  the  musical  figures  in  the 
sculpture.     See  also  page  117. 

Musical  sense,  its  cerebral  development  88. 

Musicians'  Company  276. 

Musik.  Marnold,  Les  fondementa  naturels 
do  la  musique  Grecque  antique  323; 
Gregor,  Die  deutsche  Romantik  aus  den 
Beziehungen  von  Musik  u.  Dichtung. 
W.  H.  Wackenroder  505;  Nef,  Die  Musik 
in  Basel.  Von  d.  Anfangen  im  9.  bis  zur 
Mitte  d.  19.  Jahrhunderts  522. 

Musikberichte.  Barcelona  [Spanisches 
Bachfest]  83;  Paris:  Prod'homme  84. 

Musikbibliothek  s.  Bibliothek. 

Musikfest.  HeuB,  Das  vierte  deutsche 
Bachfest   in   Chemnitz   45;    Spanisches 


Bachfest  in  Barcelona  83;  IV.  Posener 
M.  282 ;  Bachfest  in  Dortmund  205 ;  Roth, 
Vom   Mainzer  M.   315;   Scheibler,  Das 
IX.  Kammermusikfe8t  in  Bonn  318. 
Musikfreunde,  Gesellschaft  der  (Vienna) 

224c,  332c. 
Musikgeschichte.    Seiffert,  C.  Sachs:  M. 
der  Stadt  Berlin  bis   zum  Jahre  1800 
(Bespr.)  317. 
Musikgesellschaft,  Internationale. 
A  m  1 1  i  c  h  e  s.     An  die  Mitglieder  der 
IMG.  (Vorstandswahl)  1;  Mitteilungen 
uber  den  II.  KongreB  33,  65,  67,  161 
u.  Beilage  (vorgeheftet)  225,  261,  296 
(KongreBbericht),  297  (Resolutionen). 
Landessektion  Sachsen(-Thuringen) 
257. 

HeuB,  Die  Wiener  Haydn-Zentenar* 
feier  u.  der  III.  KongreB  der  IMG.  301. 
Ortsgruppenberichte. 
Basel  (Gesamtbericht)  258. 
Berlin  (7.  Nov.)  126;   (29.  Jan.)  219; 
(27.  Febr.)  220;  (8.  Mai,  15.  Mai)  383; 
(11.  Juni,  26.  Juni)  384. 
Briissel  (Jan.?)  158. 
Dresden  (16.  Marz)  220;  (29.  Apr.)  294; 

(2.  Juli)  384. 
Frankfurt  a.  M.  (16.  Jan.)  258. 
Kopenhagen  (13.  Febr.)  192. 
Leipzig  (26.  Okt.)  95;  (24.  Nov.)  f27 
(12.    Dez.)    220;    (19.    Jan.)    220; 
(16.    Febr.)    222;    (8.    Marz)    223 
(23.  Apr.)  294;  (6.  Juli)  384. 
London  95. 

Paris  (19.  nov.)  127;  (12.  janv.)  158. 
Washington  (dec.)  158. 
Wien  (10.  Apr.)  63;  (13.  Marz)  259. 
Musikunterricht  an   russischen   Schulen 

(Notiz)  282. 
Musikvereinigungen.  Internationale  Mu- 
sikgesellschaft s.Musikgesellschaf  t.Spohr- 
Gesellschaft  17;   Societa  Internationale 
.    per  la  diffusione  della  Musica  da  Camera 
118;  Assoziazione  dei  musicologi  italiani 
(Verein  italienischer  Musikforscher)  149; 
Gluckgesellschaft.320;  Barth'sche  Madri- 
gal vereinigung350 ;  JacobKwast-  Chor350 ; 
Aachenera  cappella-Chor350;  Flonzaley- 
Quartett  352;  Tonwortbund  17,  364. 
Musurgia  of  Ath.  Kircrher  lc. 
Myers  99. 
Myers  cough    and    Iish    Ortsgrupper 

32c. 
Mylius,  Gottfried  571. 
Mylius,  Wolfgang  360,  (Wolfgang  Michael) 

570. 
Mystery-play,  Cornish  22. 

Nadal,  (Francois)  182.  199, 
Nadi,  Francesco  438. 
liagelein,  Geo.  Martin  570. 


£2 


Iiihaltsveraeichnis. 


N&geli,  H.  G.  558,  562. 

Nagel,  Wiliibald,  Das  Leben  Christbph 
Graupner's  568;  Jugendjahre  u.  Unter- 
richt,  Leipzig  569;  die  Hamburger  Zeit 
573;  Darmstadt  579;  zu  Nicolaus  Erich 
634. 

Nagel,  Willibald  50,  238,  547. 

v.  Nagler-4*7. 

Nakon  vat  (Cambodia)  117. 

Napoli-Signorelli  431,  438,  450. 

Nardini  351  f. 

Nares  292. 

National  character  in  composition  (Hadow) 
321. 

National  opera,  see  English  National 
Opera. 

Naumann,  Joh.  Gottlieb  438. 

Naumann,  Otto  315  ff. 

Nay,  Egyptian  105. 

Naylor,  Edward  Woodall  149. 

Nebel  568. 

Neefe,  Christian  353,  106,  456. 

Nef,  Karl  49,  85,  238,  258,  331,  363. 

Nef,  Karl,  Zur  Cembalofrage  236  (s.  anch 
Buchmayer,  R);  Ortsgruppenbericht 
Basel  258;  Die  Stadtpfeiferei  u.  die 
Instrumentalmusiker  in  Basel  (1385 — 
1814)  395;  die  Musik  in  Basel.  Von  den 
Anfangen  im  9.  bis  zur  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts  532. 

Negro  music  159. 

"Nelson"  mass  of  Haydn  260b. 

Nemeitz  242. 

Neuberin  280. 

Neukomm  560. 

Neuhauser  organ  at  Vienna  224c. 

Neumann  (Angelo)  and  Wagner  210. 

Neumeister  282. 

Neuner,  Sigmundt  159  i.,  (Sigmundt 
Paugkher  155). 

Neusidler,  Hans  90,  322  (Newsidler). 

Newark  240,  422. 

Newmarch  (Rosa)  on  Sheffield  Festival  42. 

Newspaper  articles  1907—1908  192a. 

New  Works  in  England.  Works  by  Fred. 
Corder,  Friedrich  Delius,  Ed.  Elgar, 
Alick  Maclean,  E.  W.  Naylor  47,  271. 

Nice.   Oper  (Notiz)  177. 

Nicolai,  Gustav  56. 

Nicolai,  Otto  240. 

Nicolau  49. 

Niecks  on  the  waltz  192a. 

Nielsen,  Isak  336. 

Niemann,  Walter,  Erwiderung  gcgen  Ludw. 
Riemann  331. 

Niemann,  Walter  568. 

de  Niert  s.  Nyert. 

Nieresen,  Paul  320. 

Nies,  Hanns  156. 

Nietzsche,  Friedrich  359. 

Nikomachus  v.  Gerasa  360  f.,  365. 


Nin,  J.  Joachim  351. 

Nini,  Giov.  Ant.  435. 

Nivers,  G.  G.  227,  230. 

de    Noailles,    Due    185,    198  f.,    (2181), 

221  i.,  248. 
NoBler,  E.  356,  359. 
Nohl,  Ludwig  3. 
de  Noinville,  Durey  203. 
Nolson,  Jeanne  147. 
Nomenclature  (Gilbert)  95. 
Norlind,  Tobias  410. 
Noskowski,  Z.  206. 
Notices  to  subscribers  64c. 
Notizen  aus: 

Basel   (Nef,    Historisches    Konzert)   85, 

(Nef)  363. 
Berlin  (Theaterausstellung)   148,  (Preis- 
ausschreiben   f.    Harmoniumkomposi- 
tionen;  Einweihung  d.  Musiklehrsaales 
d.  KgL  Bibliothek)  205,  (Bibliothek  d. 
Tonkunstlervereins)  240,  (Kretzschmar 
Hochschuldirektor;  Akad.    Institut  f. 
Kirchenmusik)  363. 
Bitterfeld  (Werner)  17. 
Bonn  (Beethovenfest)  281. 
Breslau   (Bonn's   70.    Geburtstag)    148; 

(Bohn  t)  363. 

Briissel  (Gevaert-Trauerfeier.  Tinel  G.'s 

Nachfolger.     Snoeck'sche    Sammlung) 

148,  (Snoeck'sches  Vermachtnis)  175. 

Cassel  (Spohr-Gesellschaft)    17,   (Spohr- 

Konservatorium)  240. 
Coin  (Praetorius)  85. 
Dresden  (Daffner)  175,  (Hamlet  mit  alter 
Musik)  205,  (Schutz-Auffuhrung)  320. 
Dortmund  (Bachfest)  205. 
Eisenach  (Bach-Portrat)  17. 
Essen  (Lowe's  »Die  drei  Wunsche«)  240. 
Florenz  (Vortrage)  240. 
Frankfurt  a.  M.   (Gehrmann)   17. 
Halle  a.  S.  (Volksliederabend.   Collegium 
musicum)    116,    (Neuer    Schulerchor) 
240,  (Abert)  282. 
Krakau  (Katalogisierung)  282. 
Leipzig    (Tonwortbund)    17,    (Sonaten- 
abend  Porges-Hasse)  115,  (II.  Musik - 
fachausstellung)  320,(Riemann's60.Ge- 
burtstag.    Universitatsjubilaum,  Ton- 
wortbund) 363  f. 
London  (Wagner)  17,  (National  opera) 
116,    (Sidelights   from    India   on   the 
genesis  of  tonality)  86,  (Prize-Opera) 
148,    (Mendelssohniana)    175,    (John 
Blow)    240,    (National    character    in 
composition)  321. 
Mai  land  (Theaterausstellung)  17,  (Spon- 

tini)  282. 
Mariazell  ( Haydn- Gedenktafel)  382. 
Monte  Carlo  (Oper)  177. 
Miinchen   (Roth:    Hey  t)    242,    (Organ 
control  systems)  322. 


Inhaltsverzeichnis. 


Nice  (Oper)  177. 

Paris  (Prod'homme:  Opera)  118,(Reycrt. 

Opera)  148,  (Opera,  Malherbe,  Henne- 

bains)   177,   (Opera.   Tiersot.   Expert) 

242,     (Opera)     282,     (Saison     russe. 

Opera)  364. 
Posen  (Musikfest)  282. 
Prag     (Handel- Jubilauinskonzert)     89, 

(Rietsch)  364. 
Regensburg    (Proske'sche    Musikbiblio- 

thek)  90. 
Rom     (Soeieta    internazionale     per     la 

differenza  della  niusica  da  camera)  118, 

(Assoziazione  dei  musicologi  italiani) 

148. 
Stuttgart    (Historisches    Konzert)    205, 

(Wiirtenibergischer   Bachverein)   282. 
Weenen  (Haydn)  205. 
Weimar  (Obrist)  148. 
Wien   (Haydnausgabe.    Sandberger)  89, 

(Beethoven-Denkmal)  283. 
Zakopane  (Karlowiez  t)  177. 
Chybinski,  A.,  Zur  ErkJarung  des  •Con- 
certo* 115;  M.   Kariowicz  f  205. 
Gluckgesellschaft  320. 
Mendelssohn's  100.  Gedenktag  148;  Men- 

delssohnfeiern  177. 
Mozart's      Mannheimer      Klaviersonate 

(Scheibler-HeuB)  17. 
Musikunterrieht    in   russischen    Schulen 

282. 
Saint  Cecilia  241. 

Sch offer's   Liederbuch    (Xeudruck)    148. 
Shedloek's  Scarlatti- Ausgabe  148. 
Volksgesang,  deutecher  205. 
Zur  Notiz  (Cembalo-Klaviehordfrage  zwi- 

schen  Nef  und  Buchmayer)  331. 
Nottebohm,  Gust  a  v  19. 
Nougues  177. 
Noverre  441. 

Novalis  506.  517,  526,  528. 
Novelty  List,  Breitkopf  and  Hiirtel  128a. 
No  win  ski,  J.  206. 
NuBle  294. 
Nuitter,  Ch.  186.  204,  399,  406.  409  f.,  415, 

418.  442. 
Nyert  41S. 


O.,  E.  6"& 

Oberleitner,  K.  156. 

Oboe  da  caccia  44. 

Obrecht  (Lautensch lager)  396. 

Obrist,  Aloys  150,  257. 

Ochs  556. 

Ochs,  P.  551. 

Ochs,  Siegfried  349  f. 

Ochsenkun  322. 

Ochsler  50,  238. 

Oekolampad  518,  550. 

Officers  of  the  IMG.  since  1899  1c. 


Oldberg,  Arsue  159. 

Olearius,  Johann  573. 

Olschki,  Leo  418. 

Olympos  325.  329.  334  f.,  337  H.,  348, 
355,  359,  380,  384. 

Oper.  Engelke,  »Einige  Bemerkungen  zu 
L.  Schiedermair's  Bayreuther  Fest- 
spiele  im  Zeitalter  des  Absolutiamus*  14; 
Kalisch,  Impressions  of  Strauss 's  »Elek- 
tra*  198;  Verwendung  alter  Musik  bei 
Shakespeare's  »Hamlet«  in  Dresden 
(Notiz)  205;  Lowenfeld,  Inszenierung 
der  Zauberflote  (Ortsgruppenbericht) 
220;  The  »Trojans'  of  Berlioz  312; 
Haydn's  »Apotheker?  350;  Gluck's  »Der 
betrogene  Kadi*  350;  Mehul's  » Josef  in 
Agypten*  350;  »Zauberflote«  in  Paris 
364;  Preibisch,  Quellenstudien  zu  Mo- 
zart's »Entfiihrung  aus  dem  Serail*  430. 

Opera,  in  English,  see  English  National 
opera;  Streatfeild  153;  management 
(Wagner)  210. 

Opienski,  Heinrich  281. 
1  Opitz,  Martin  355. 
1  Oratorio  style,  English  273. 
■  Oratorium.      Schering,    Ein    wiederauf- 
!      gefundenes  Werk   (Weihnachts-O.)   von 
Heinrich    Schiitz    68;    HeuB,    Handel's 
Samson    in    der    Bearbeitung    v.     Pr. 
Chrysander  110. 

Orchester.  Hirzel,  Dienstinstruktion  und 
Persona  Is tatus  der  Hofkapelle  Ferdi- 
nands I.  aus  dein  Jahre  1527  151; 
Sachs,  Die  Hofmusik  der  Fiirsten  Solms- 
Braunfels  284;  Nef,  Die  Stadtpfeiferei 
u.  die  Instrumentalmusiker  in  Basel 
(1385—1814)  395;  W.  H.  Grattan  Flood, 
The  english  chapel  royal  under  Henri  V. 
and  Henry  VI.  563. 

Orchestral  scores  142. 

Organ,  organists  of  Hesse  country  32b; 

52;    organist    as    adapter    53;    organ- 

i      playing  in  England  54;  standardization 

of    console     192b,    205;    organ-control 

systems  322. 

Origines  323  ff. 

"Orlando  Paladino"  of  Haydn  224d. 

d'Orleans,  Gaston  u.  Philippe  411. 
Id'Orneval  444. 

Ornithoparch,  Andr.  77.  79  f.,  82,  84,  87. 

Orpheus  337.  359. 

Ortigue  149. 

Ortsgruppenberichte  s.  Internationale 
Musikgesellsch  ft. 

Ott,  Johann  269,  320. 

Ottmer  479. 

Otto  Constantiensis  539. 

Oumiroff  356. 

Oury  486. 

Ouseley  and  Proske  96a;  on  Blow  241. 

Overbeck  50SL 


24 


Inhaltsverzeichnis. 


Pachelbcl,  Joh.  351. 

de  Padilla,  Pedro  48. 

Paer,  Ferd.  487. 

P&sler,  Carl,  Umfrage  (tiber  Haydn)  296, 

88,  542. 
Paisible  585. 
Paisiello  353,  513. 
Palestrina,  Pierluigi  148,  223,  306,  350, 

360,  102;  Missa  Papae  Marcelli  96a. 
Pallavicini,  Stefano  174. 
nuuuBxia  of  Ravenseroft  117. 
Pantzer,  Johannes  153. 
Paolucci,  Giuseppe  107. 
Paradies,  D.  353,  360,  557. 
Parapinace,  Michel  384. 
Parfaict  201,  20411. 
Pakis  s.  Notizen,  Ortsgruppenberichte. 
Paris,  Gaston  399. 
Parisot,  Dom.  J.  281. 
Parry,  at  Mus.  Association  95,  on  Blow 

241. 
Pasque\  Ernst  568  t 
Pasquier  159,  402. 
Passow  347. 
Paszthory  294,  358. 
Paul  s.  Jean  Paul. 

Paulin,  Hubert  225.  i 

Paumhackl,    Georg    153,    (Paumbhackl) ' 

155,  157. 
Paction  226. 
Pedrell,  Felipe  49. 
Peele,  George  445. 
Peer  Gynt  522. 
Peigartsamer,  Georgius  153. 
de  PeJauque  182. 
Prissier,  Leon  G.  161,  223. 
Pellegrin  (Claude  Mathieu)  162  t,  207. 
Pellegrini,  A.  352. 
Pembaur,  K.  205. 
Peraz,  David  438,  448. 
Pepys's  diary  424. 
Per;olesi,    Giov.  Battista  219,  222,  311, 

360,  308. 
Perjolesi's  "Serra  Padrona"  224d. 
Perignan,  Loya  155. 
Perikles  323,  380. 
Peroso,  Loys  156. 
Perotinus  219,  73. 
Perrin,  Pierre  173,  186,  227  i.,  235,  403, 

4061,  418. 
Perti  353. 

Perusa,  Malatesta  156. 
de  Pesaro,  Fancesco  219. 
Pescetti  435. 
Pessard  198. 
Petersen,  A.  B.  358. 
Petri  319. 
Petri,  Adam  540. 
dei  Petrucci,  Ottaviano  258,  85,  91,  105, 

109,  111,  539. 
Petschnikoff,  Alexander  352. 


Petter  von  Mantua  155f. 

Petzmayer  (zither)  346. 

Pfaff,  Emanuel  553  ii. 

Pfaff,  Jacob  553. 

Pfanndl,  Sigmundt  1561 

Pfannstiehl,  Bernhard  355,  360. 

Pfeifer,  Johann  16. 

Pfeiffer,  Carl  A.  205. 

Pfohl,  Ferdinand  281. 

v.  d.  Pfordten,  Hermann  50,  239. 

Phendl,  Sigmund  157. 

Philharmonie  and  George  Smart  299. 

Philippi,  Maria  318. 

Philipps  115. 

Philo mates,  Venceslaus  77,  97,  386. 

Photographon  6,  32a. 

Pic  201 1,  244. 

da  Picitono,  Angelo  77,  88  f. 

Picot,  Jean  193. 

Pierrot,  Petrus  224. 

Pindar  109. 

Pinturicchio,  Bernard.   75. 

Piovene,  Graf  Agostino  434. 

Piper inus,  Christophorus  542. 

Pipin  535. 

Pipping  266. 

Pirro,  Andr6  11,   114,  208  t,   229,  2321, 

238,  255. 
Pisendel,  Joh.  Georg  582. 
Pistons  (organ)  322. 
Pitton  171. 
Plaser,  Mathias  153. 
PlaB,  Ludwig  205,  220. 
Plato  323  t,  337,  370  it,  380. 
Platter,  Felix  542  it,  546,  549  f. 
Plaz  590. 

Plectrum  (zither)  343. 
Pliturius,  Adam  Martin  570. 
Plutarch  334,  336  it,  343  it,  348,  354  U 

358 1,  378. 
noffiof,  see  Puy,  and  241. 
Poe,  Edgar  204. 
Poetic  basis  153,  275. 
Poetry  and  Music.    Article  by  Sir  Charles 
^Stanford  133. 

Three    principles    common    to    both, 

rhythm,  beauty  and  form.     With  this 
-'last,  compare  an  architect's  proportion, 

composition  in  sculpture  and  painting, 

unities  in  the  drama,  design  in  a  story. 

Practical  advice   for  setting  worcfcs. 
Poglietti,  Alessandro  310,  360. 
Pohl,  librarian  to  Gesellschaft  der  Musik* 

freunde  224c. 
Pohl,  Carl  Ferdinand  295,  581. 
Pohle,  Max  45. 
Poir^e,  E.  128. 

v.  Poifll,  Joh.  Nep.  Freiherr  500. 
Poitevin,  Guillaume  162  it,  230.  234. 
Polak  271. 
Poliziano  321. 


Inhaltsverzeichnia. 


25 


Pollc  276. 

Polyglot  opera  18. 

Pommer,  Job.  161,  165. 

Pontio,  Pietro  386. 

Porges,  Fr.  W.  116,  355  f. 

Porgcs,  Heinrich  222  f. 

Porphyrius  367. 

Porpora  352,  435. 

Porsile  309. 

Portmann  601. 

Posen.    Musikfest  (Notiz)  282. 

Postel,  Chr.  574. 

Pougin,  A.  195,  205  i. 

Poulsen  6. 

du  Pradel  190,  198. 

Praetorius,  Ernst  51,  81,  86.  94. 

Praetorius,  Hieronymus  71. 

Praetorius,  Miehael  115,  360,  233,  3881, 
392  ii. 

Prao  s.  Notizen. 

Pragmatic  sanction  224c. 

Prague  national  opera  210. 

Pralleur  138. 

Prallus,  Vincentus  550. 

Praspergius,   Daniel  Balthasar  258,   538. 

de  Prato,  Giovanni  219. 

Pratt,  Waldo  F.  159. 

de  Prawreis,  Nicklaa  154. 

Preibisch,  Walter,  Quellenstudien  zu  Mo- 
zart's »Entfiihrung  aus  dem  Serail«  430. 
ItalienLsches  Schauspiel  u.  Opera  seria 
431;  die  opera  buff  a  438;  Frankreich  442; 
England  445;  das  deuteche  Singspiel  450; 
die  »Entfiihrung  aus  dem  Serail*  in  ibren 
verschiedenen  Kompositionen  457. 

Prelinger,  Fritz  362. 

PreuB,  K.  Tb.  5. 

Prieger,  Ericb  281,  318. 

Prin,  J.  B.  115. 

Printz,  W.  C.  386,  394. 

Probst,  E.  560. 

Prodigal  Son  of  Debussy  43. 

Prod'homme,  J.-G.  84,  118,  128,  149,  158. 

Prod'homme,  J.-G.  158. 

Prosdocimus  de  Beldemandis  136. 

Proske,  Carl  90,  99,  101,  320. 

Proske  library  at  Ratisbon  90,  96a, 

Prospectus,  IMG.  128a,  224a. 

Priifer,  Arthur  50,  127,  223  f.,  239,  257, 
320,  384,  107. 

P  r  ii  f  e  r  ,  Arthur,  Schwartz,  J.  H.  Schein, 
saratl.  Werko,  Bi.  III.  Herausg.  v.  A. 
Priifer  202. 

Priifer,  Arthur,  Briefe  R.  Wagner's  an 
seine  Kunstler.  Herausg.  v.  F.  KloB 
(Ortsgruppenbericht)  222;  Bericht  uber 
die  Grundung  dor  Landessektion  Sachsen- 
Thiiringen  257. 

P  r  ii  f  e  r  on  Schein  192b. 

Prunteres,  Henri  238,  281,  232. 

Psellus  384. 


Pseudo-Aris  to  teles  350  f. 
Ptolemaeus  367,  383. 
Puechl,  Georg  156  f. 
Puefi,  Jhann  155. 
Pujol  49. 

Purcell,  H.  351,  360. 
Purccll  and  Blow  427. 
Purger,  Benedict  155,  (Burger)  156  f.    . 
Puy  of  Normandy  160a,  241.  ' 

Pyne-Harrison  opera  company  83. 
Pythagoras  17,  323,  325,  328,  360  ff.,  371, 
373,  379  ii. 

Quadflieg,  Jakob  102. 
Quantz,  Job.  Joachim  16,  146. 
"Quarterly  Musical  Magazine"  (1821)  of 

Bacon  290. 
de  Quercu,  Sim.  Brab.  76. 
de  Querlon  399. 
Quinault  247  i. 
Quittard,  Henri  85,  204,  165,  173,  226  i. 

229,  239  i.,  255.  399  i.,  406. 

de  R.,  (Baron)  260. 

Raab,  Johannes  285. 

Racan  400. 

Race  in  music  48. 

Racine  403. 

Racynski,  Boleslaus  282. 

Radecke,  Ernst  51,  239. 

Radespond,  see  Ratisbon. 

Raff,  Joachim  33  i. 

Ragas  (Hindu)  and  melody  87. 

Raguenet  251. 

Raison,  Andre  115,  360. 

Rally,  Lola  360. 

Rambach  513,  597. 

Rambaut  de  Vaqueiras  219. 

Rameau,  J.  B.  351,  360,  218,  223,7232, 
254,  261. 

Ramis  de  Pareia  268,  75,  386. 

Ranee,  A.  J.  177  i. 

Randl,  Rueprecht  155. 

Rank,  Jos.  168. 

Raps,  Joh.  545. 

Raselius,  Andreas  77,  87,  386. 

Raspo  535. 

Ratisbon,    music-library    90,    96a,    96b, 
224c. 

Rauber,  Mathias  153. 

Rauchfufl  276. 

Ravel,  Maurice,  Calvocoressi,  M.  Maurice 
;      R.  192b,  193. 

'  Ravenscroft's  Deuteromelia  117. 
|  Raybaud  159. 

Rebel,  Jean  Ferry  238.  258,  261. 

Reber,  B.  539. 
I  Rebikoff  268. 
I  Reboul,  J.  17. 

:  Reobnsburo,  see   Ratisbon.    Proske'sche 
Musikbibliothek  (Notiz)  90. 


26 


Inhal  t  s  verzeichnis. 


Reger,  Max  14,  239. 

Regnard,  Jean-Francois  220,  249,  252  f. 

Regnart,  Jacob  269. 

Reichardt,  Joh.  Friedrich  259,  353,  360, 

55  I.,  58,  285,  513,  521,  528. 
Reichardt,  Louise  353. 
v.  Reichenbach,  Margarethe  383. 
Reichensperger,  Bartholomew  153. 
Reichert,     Arno,     Ortsgruppenbericht 

Dresden  384. 
Reichhard  280. 
Retmann,  Heinrich  358. 
Reindeer  and  Lapp  music  192c. 
Reindle,  Blasius  397. 
Reineck  264. 
Reinecke,  Carl  19,  177. 
Reinher  von  Haslach  534. 
Reinthaler  2. 
Reisacher,  Paulus  155. 
Reischius,  G.  540. 
Reiter,  Ernst  560,  562. 
Reiter,  Jos.  357. 
Renner  582. 

Rentsch-Sauer,  Hella  353. 
Repertory  theatre  21. 
Report  of  English  Section  32c. 
Residuum  scores  142. 
Respighi,  Ottorino  352,  359. 
de  Retz  8.  v.  Clermont,  Katharina. 
Reuchlin  540,  545  i. 
v.  Reumont,  A.  321. 
Reuter,  Caspar  537. 
von  Revellis,  Johannes  157. 
Reyer,  Ernest  149,  177. 
Rhaw,  Georg  77,  79,  82  if.,  87  f. 
Rheineck,  Chr.  360,  473. 
Riaux,  Charles  Julien  22 5. 
Conte  Riccati,  Giordano  172. 
Richard,  Francois  405,  407. 
Richart,  Lorenz  544. 
Richardson  (Madeley)  on  organ  accompts 

53. 
Richter  (Pauker  in  Zerbst)  276. 
Richter  380. 

Richter,  Bernhard  Friedrich  223. 
Richter,  Franz  Xaver  305. 
Richter,  J.  321,  533,  535,  545. 
Richter,  Otto  220,  257,  361. 
Riedel,  Bernhard  539. 
Riedel,  Carl  222. 
von  Riedesel  609. 
Riedler  158. 

Riemann,  Ludwig  164  (Anm.),  166  (Anm.). 
Riemann,   Ludwig,    Per   Volksgesang   zur 

Zeit  der  Kirchentonarten  263;  Erwide- 

rung  gegen  Niemann  332. 
Riemann,     Hugo,     Baron    Frederic    (lies 

Francois)  Auguste  Gevaert  102;  zur  Her- 

kunft  der   dynamischen  Schwellzeichen 

137;    kleine    Studien    zu    Joh.    Wolfs 

neuem  Isaac  Band  115. 


I.  Ein  verkannter  Kanon  115.  II.  Men* 
sur  u.  Takt  121.  Obertragung  von 
Isaac's  Sinfonia  »La  Morra<  125.  Dm 
Rondeau  »J'ai  pris  amours «  132. 

Riemann,  Hugo  20,  50,  129,  131,  132.  143. 
239,  257,  266,  320,  337  ff.  (Willfort, 
Glareans  Erwiderung),  361,  (00.  Geburts- 
tag  u.  Feier)  363,  55,  74  U  Wolf,  Be- 
merkungen  zu  Hugo  Riemanns  tlsaac- 
Studien*  147,  308  ft.,  358,  393,  432,  435, 
438,  442  f.,  545,  513,  568  f.,  597. 

R  i  e  m  a  n  n  on  Troubadour  melodies  32b, 
53,   160b-  sixtieth  birthday  332d,  363. 

Rienzi,  Wagner's  260c. 

Riepel,  Joseph  116. 

Ries,  Ferd.  477,  (Briefe  an  G.  Weber)  483, 
492. 

Rietsch,  Heinrich  50,  239,  364. 

Rietschel,  Georg  45,  50. 

de  Rieux,  Serre  195,  227. 

Riggenbach  398,  533,  549,  551. 

Righini,  Vincenzo  498,  513,  525. 

R  i  m  s  k  y  Korsakov's  "Christmas  Eve" 
43. 

"Ring"  in  English,  Wagner's  18. 

Rimsky-Korsakoff  158,  364. 

Rings  of  Vienna  224c. 

Rink  483. 

Ripolles  49. 

Riseregkh,  Lorentz  156  s.  a.  Liscregkher. 

Ritorno  di  Tobia,  see  Tobias. 

Ritter,  Christian  360. 

Ritter,  Peter  454. 

"Ritter  Roland",  see  Orlando. 

Ritter,  William  115. 

Rivini  266. 

della  Robbia,  Luca  75. 

Roberday  115. 

Robert,  Konig  von  Frankreich  360. 

Robert,  Karl  (Halle)  lb. 

Rochlitz,  Joh.  Friedrich  492.  499. 

Rochois  203. 

Rock,  Frieda  352  f. 

Rodez  183. 

Don  Roderigo  155. 

Roguski,  G.  206. 

Roellig  276. 
I  Holland  on  Strauss  332c. 

Rolland,  Romain  17,  147,  362. 
!  Rolle,  Joh.  Christian  590. 
1  Rom  s.  Notizen* 

Romberg  560. 

Romler  283. 

de  Ronsart,  P.  400  ft. 

Root  159. 

Rosa,  Salvator  360. 

Rose  319. 

!  Roselli,  F.  223,  360. 
;  Rosellini  110. 
i  Rosen miiller,  Johann  360. 
I  Rosenplut  (Rosenblut),  Johannes  450. 


i  nhaltsverzeichnis. 


27 


Rossi  351,  122. 

Rossi,  Francesco  360. 

Rossi,  Luigi  227. 

Rossini,  Gioachino  26,  562. 

Roswick  8.  Koswick. 

Rostang,  A.  173. 

Roth,  H.,  Julius  Hey  t  (ttotiz)  242. 

Roth,  Herman  257  *  vora  Mainzer  Musikiesl 

315. 
Roujou,  Henri  147,  362. 
Rounds,  English  117. 
Rousseau,  J.  B.  201  f. 
Rousseau,  J. -J.  414. 
Roussin  207. 
Le  Roux,  F.  261. 
Le  Roy,  Adrian  401  if. 
Roux-Alpheran  159. 
Royer  261. 
de  Rozoi  180. 
R64ycki  206. 

de  Rudelle  182,  184.  187,  189. 
Rudolff  der  Munch  534. 
Kaiser  Rudolph  II.  158. 
Rudolphus  534. 
Rudorff,  Ernst  20. 
de  la  Rue,  Pierre  105,  321. 
Ruelle  384. 
Rueprecht  154. 
Ruere  159. 

de  Ruffi,  Louis  Antoine  172. 
Ruffo,  Vincenzo  360. 
Ruggieri,  Costantino  172. 
Rules  of  the  Society.  August  1909. 
R  u  n  g  e  (Paul)  on  Troubadour  melodies 

160b. 
Runge,  W.  129. 
Rungenhagen  454. 
Russland.    Musikunterricht  an  russischen 

Schulen  (Notiz)  282;  Hohenemser,  Das 

groBrussische     Volkslied     (Ortsgruppen- 

bericht)  383. 
Rust,  Friedr.  Wilh.  36. 
Rutz,  O.  223. 
Ryff,  Fridolin  545. 
Ryhiner,  Friedrich  543. 
Ryter,  Jacob  545. 

Saal  358. 

Saal,  Willem  350. 

Sabdumene,  Bernardo  433. 

Sacchini,  A.  M.  G.  435. 

Sachs,   Curt.   Die  Hofmusik  der  Fiirsten 

Solms-Braunfels  284. 
S  a  c  h  8  ,  Curt.  Seiffert,  C.  Sachs:  Musik- 

geschichte    der    St&dt    Berlin    bis    zum 

Jahre  1800  (Bespr.)  317. 
Sachs,  Hans  160a. 
Sack  of  Troy,  see  Trojans. 
Sacrati  352. 
Saint- Jean  202. 
Saint-Saens,  Camille  84,  177,  242,  364. 


Sainton,  Joseph  (conductor)    141. 

Salamon,  Giuseppe  435. 

Salandroninus,  Jacobus  545. 

Salimbene  219. 

Salinas,  Francesco  79,  82,  100,  386. 

Salome  (Strauss)  199. 

Salomon,  Elias  267. 

Salomon,  Joh.  Peter  494. 

Salterio  pastorale  289. 

Salvayre,  Gaston  242. 

Salx  174. 

aafdia  of  Menander  lb. 

Sammartini  352,  360. 

Samotulinus,  Venceslaus  296. 

Sanchi  103,  117. 

de  Sancta  Maria,  Thomas  77,  791.,  89, 

95    386 
Sandberger,  Adolf  50,  90,  239,  78,  153  f. 
Sanitsbury's  1824  Diet,  of  Music  290. 
Sannemann,  F.  240. 
Sappho  50. 
Saran,  O.  129. 
Sarasin,  Lucas  556. 
Sarti  435,  438. 
Sartorius,  Thomas  360. 
Satie,  Erik  194. 
Sattler  276. 

Satzungen  der  IMG.,  August  1909. 
Saville,  Marshall  H.  5. 
Saxy,  Claude  177. 
Scalar  tonic  87. 
Scapinelli,  Antonio  173. 
Scaria  223. 
Scarlatti,  Alessandro  148,  150,  352,  227, 

434. 
Scarlatti,  Domenico  159  (?),  310,  351  f., 

360. 
Schacher,  Mauricius  156. 
Schafhautl  450. 
Schaler  543. 
Schalk,  Franz  306. 
Schatz,  G.  432. 
Schaum     286;     Schaum,     Joh.     Caspar, 

Melchior,  J.-C.  287. 
v.  Schaum,  J.  55. 
Scheckel  276. 
Scheele  266. 
Scheibe  570  f. 

Scheibe,  Johann  Adolph  8,  316,  607. 
Scheibler,    Ludwig,    Zu    Mozart's    Mann- 

heimer  Klaviersonate  (Notiz)   115;  das 
!      IX.  Kammermusikfest  in  Bonn  318. 
I  Scheibler,  Ludwig  19. 
'Scheibler,  L.  20. 
Scheidt  192b. 
Scheidt,  S.  351,  361. 
!  Scheidtler  285. 
Schein,  Joh.  Hermann  85,  127:  Schwartz, 

J.   H.   Schein,  samtl.   Werke.    Bd.  III. 

Herausg.  v.  A.  Prufer  202,  224,  361,  107. 

Schein's  works  192b,  202,  224. 


I 


28 


IohalteTerzeiohnis. 


1 


Schelle,  Johann  572. 

Schelling  506.  517. 

Schelper,  Otto  223. 

Schemseddin,  Mohammed  49,  51. 

Schenk  568. 

Sobering,  Arnold,  Ein  wiederaufgefundenes 
Werk  (Weihnaehtsoratorium)  von  Hem- 
rich  Schutz  68. 

Schering,  Arnold  50,  115,  148,  189,  239, 
257,  295,  320.  384,  568. 

Schettky  605. 

Scheuerling  280. 

Scheurleer,  D.  F.,  Jean  Marie  Leclair 
L'aine  in  Holland  259. 

Schiedermair,  Ludwig,  Engelke, 
»Einige  Bemerkungen  zu  L.  Sch.'s 
Bayreuther  Festspiele  im  Zeitalter  d. 
Absolutisms*  14. 

Schiedermair,  Ludwig  50,  222,  239, 
257. 

Schieferdecker,  Joh.  Christian  574. 

Schiller,  Friedrieli  224,  1,  505,  513. 

Schilling  15,  51.  58.  62,  66. 

Schilling,  Gustav  1. 

Schinckho,  Nicolaus  153. 

Schlagzither  342. 

Schlegel,  Aug.  Willi.  10. 

Schlegel,  Christian  559. 

Schlegel,  Friedr.  505  f.,  517. 

Schleicher  287. 

Schleiermacher  508. 

Schleissner,  Stadtschreiber  2. 

Schletterer,  H.  M.  450  f. 

Schloger,  M.  64. 

Schmicorer's  Zodiaeus  musicus  lb. 

Schmid,  Anton  442,  445. 

Schmidt  276,  607. 

Schmidt,  A.  477,  487. 

Schmidt,  Joh.  Phil.  477,  488,  502. 

Schmidt,  Leopold  383. 

Schmidt,  P.  W.  5. 

Schmitt,  Friedrich  242. 

Schmitt,  Philipp  285. 

Schmitz,  Eugen  127,  175,  363. 

Schmolck  282. 

Schnadahiipfl  (improv.)  346. 

Schneider,  Carl  Ludwig  286  f. 

Schneider,  Friedrich  560. 

Schneider,  K.  E.  400. 

Schneider,  L.  318. 

Schneider,  Max  47.  384.  70,  281. 

Schnerich,  Alfred  191. 

Schnerich,  Alfred  240.  . 

Schobert  and  Mozart  32b,  35. 

Schoberin,  582. 

Schobert,  Johann  36,  139. 

Schoffer,  Peter  (Xeudruck  des  Lieder- 
buchs  Mainz  1513)  150. 

Schoenauer,  Thiebold  543. 

von  Schonborn,  Joh.  Phil.  Franz  174. 

Schonbbttnn  (Vienna)  224c. 


Schoenemann,  auditory  atlas  26. 

Schonsleder,  Wolfgang  233. 

Schoepfius,  Thomann  543. 

Schosser,  A.  162. 

Schott,  B.  477,  479,  482,  487  f.,  493,  49i 
503. 

Schott(e)  Joh.  Balth.  590  f. 

Schreck,  Gustav  189,  222,  364. 

Schubart,  Chr.  Fr.  Daniel  361,  525. 

Schubarth,  Georges- Pierre  36. 

Schubert,  Franz  49,  116,  148;  Tovey.  A 
Sch.  song  analysed  168,  239,  318  f.,  9, 12 
22,  24,  26,  137. 

Schubert,  Franz  Anton  502. 

Schubert's  "Viola"  song  analysed.  Article 
by  Donald  F.  Tovey  168. 

Its  place  and  importance  amoni 
Schubert's  works.  Analysis  of  con- 
junction  between  words    and   music. 

Schubert  memorial  (Vienna)  224d. 

Schubiger,  P.  A.  535,  539. 

Schuch  280. 

Schiiddekopf  283. 

Schunemann,  Else  352,  361. 

Schunemann,  Georg,  Zur  Frage  des  Takt- 
schlagens  und  der  Textbehandlung  in  dei 
Mensuralmusik  73. 

Die  altesten  Taktzeichen  73;  Grand  - 
maB  74;  bildliche  Darstellungen  75;  Art 
u.  Weise  des  Taktierens.  Takterklarun- 
gen  des  16.  Jahrhunderts  76;  *tactus< 
nur  auBerliches  Orientierungsmittel  95; 
Dirigent  97;  weitere  bildliche  Dar- 
stellungen 97;  Deklamation  (Textunter- 
lage)  99;  Vorschlage  an  Herausgeber  107; 
Beilagen  108. 

Schunemann,  Georg  385  ff. 

Schiirmann,  Georg  Caspar  16,  271. 

Schutz,  Heinrich,  Schering,  Ein  wieder- 
aufgefundenes Werk  (Weihnachteora- 
torium)  von  H.  Sch.  68;  189,  202,  239, 
309,  320,  350,  361,  233,  317,  192b. 

Schutze,  Joh.  F.  450. 
[Schulz  (Sanger)  57. 

Schulz,  Joh.  Abr.  Peter  205.  361. 

Schumacher,  Fritz  205. 
1  Schumacher,  Heinrich  86. 

Schumann,  Clara  114,  490. 

Schumann,  Georg  17,  46,  356. 

Schumann,  Robert  50,  206.  239,  281,  319, 
351,  362,  364,  /,  11,  18,  20.  33.  37  i„  4<l 
46.  48,  137,  477,  (Brief  an  G.  Weber)  48$, 
532,  560,  562. 

Schumann -Heink,  Ernestine  360. 

Schuster,  Giuseppe  440,  442. 

Schwab,  Dietrich  553. 

Schwabach-Kaufmann  240. 

Schwan.  C.  F.  451. 

Schwanberger  438. 

Schwanitz,  Joh.  Caspar  284  f. 

Schwartz,  Johannes  286. 


Inhaltsverzeichnis, 


29 


Schwartz,  Rudolf.  Joh.  Herm.  Schein, 
samt).  Werke,  Bd.  III.  Herausg.  v.  A. 
Priifer  202. 

Schwartz,  Rudolf  267,  568. 

Schwartzo,  s.  Suasso. 

Schweitzer,  Albert  7ff.,  83,  205. 

Schweitzer,  Anton  96. 

Schwencke,  Christian  Friedr.  Gottlieb  494. 

Schwickerath,  Eberhardt  350. 

Schwickert,  £.  B.  Iff. 

Schytte,  Anna  192. 

Sciroli,  Greg.  438. 

Scolari  435. 

Scores,  residuum  142. 

Scotschoffsky  585. 

Scripta  collectanea  251. 

de  Scudery  417. 

de  Scudier  185. 

"Sea-drift"  by  Delius  42. 

"Seasons",  Haydn's  224d. 

Seepacher,  Petrus  153,  155,  157. 

Segrais  417. 

Seidel,  Arthur  115. 

Seidel,  F.  L.  55  f. 

Seidl,  Anton  223. 

Seidler  (Sangerin)  56. 

Seiffert,  Max.  C.  Sachs:  Musikgeschichte 
der  Stadt  Berlin  bis  zura  Jahre  1800 
(Bespr.)  317. 

Seiffert,  Max  46,  90,  189,  228,  230,  234, 
316,  350,  357 1.,  384,  402,  542,  549. 

(rtixeXo^  inscription  at  Tralles  1  b. 

Sembrich,  Marcella  353,  355,  360. 

Senatra,  Arm  id  a  352. 

Seneca  321. 

Senfl,  Ludwig  361,  83,  152  i.,  541. 

Sennstl,  s.  Senfl. 

Sera  to,  Arrigo  352,  361. 

Servais  206. 

"Serva  Padrona"  of  Pergolese  224d. 

Servieres,  G.  362. 

Seuil,  Andreas  3.97. 

Seydel  271. 

Seydel,  Martin  223,  257.  j 

Seyffert,  Wolffgang  68.  I 

v.  Sey fried,  Ignaz  487.  I 

Shakespeare,  W.  113,  205,  280,  10. 

Shaw,  G.  Bernard  22. 

Shedlock  148,  150.  j 

Sheffield  Festival  42,  89. 

Sibelius  orchestral  works  128a  (7).  I 

Sidelights    from     India    oh    genesis    of 
tonality.     Article  by  Ch.  Maclean  86.      I 
Analyses  and  supplements  Fox  Strang- 
ways's  article  on  Hindu  scale  at  Samm.  I 
IX,  449.     Shows  immense  antiquity  of' 
tonality-sense,  and  also  urges  local  study  | 
of   "raga".     Hindu  music  though  sub- ' 
sisting,    is    more    obscure    than   Greek 
music  though  dead.  Reasons.     Strang - 
ways's,  3  tonics,  Melodic,  Tetrachordal, 


Scalar,  Their  meaning.  The  "raga"  is 
a  type,  halfway  between  an  abstract 
scale  of  available  notes,  and  an  actual 
composed  melody.  This  difficult  subject 
still  in  embryo. 

Sieber,  L.  541. 

Sievers  224. 

Sigmund  (Pauker)  s.  Xeuner. 

Silbermann,  Andreas  551. 

Silbermann,  J.  H.  85,  205. 

Silcher  562.  . 

Sillac  402. 

Sillier,  Elie  224  f. 

Silvani,  Francesco  439. 

Silvius,  Aeneas  $35. 

Simers,  Carl  Friedrich  279. 

Simers,  Johanna  Helena  279. 

Simon,  Eleanor  Cleaver  352. 

Simon,  James  219,  383. 

Simon,  Ingo  352  f. 

Simony,  E.  357,  359. 

Simrock  62,  477,  (Briefe  v.  N.  Simrock  an 
G.  Weber)  490,  496. 

Sinding  268. 

Sixfelder,  Hanns  156. 

v.  Slatkonia,  Georg  (Bischof)  152. 

Slauersbach,  Sebastianus  153. 

Slav  influence  on  Mozart  32b,  35. 

Smart,  Sir  George,  Musician-diarist.    Arti- 
cle by  Ch.  Maclean  287. 

Family  tree.  Wessex  family.  Nephew 
of  Sir  G.  Smart  (1776—1867)  was  the 
composer  Henry  Smart  (1813—1879), 
whose  daughter  married  Joachim's  elder 
brother.  Record  of  the  most  generally 
successful  English  musician  of  his  day. 
The  well-written  diary  a  reflex  of  London 
musical  life  of  the  time.  Letters  from 
Beethoven  written  in  English  through 
Haring.  Present  notice  ends  1825,  and 
further  promised. 

Smith  159. 

Snegassius,  Cyriacus  77,  S7,  102. 

Snoeck,  Cesar  149,  175,  559. 

Sokolowsky,  P.  110. 

Sokrates  371.  377. 

Solemn  Overture  (Tsehaikoffsky)  142. 

Sollnitz  262. 

So  mis  150. 

So  mm  aire  du  Bulletin  francais  de  la  SIM., 
s.  Extraits. 

Sonate.  Zu  Mozart's  Mannheimer  Klavier- 
sonate  (Scheibler-HeuB)  18. 

Sondheim,  Moriz  259. 

Song-school  of  Newark  240,  422. 

Sonneck,     O.     G.,     Ortsgruppenbericht 
Washington  158. 

Sonneck  on  American  Section  158. 

Southgate,    see    Musical    instruments    in 
Indian  sculpture ;  on  evolution  of  flute  95. 

Sp&t,  Niclaus  155. 


so 


tnhaltsverzeichnis. 


Spanish  music  (La  fontaine)  95. 

Sparr,  Thomas  286. 

Spataro,  Giovanni  89. 

Speer,  Daniel  233,  394. 

Spencer,  John  445. 

Sperontes  361.  383. 

Spiro,  Friedrich  118. 

Spitta,  Friedricn  51,  239. 

Spitta,  Phiiipp  8,  13,  19,  68  f.,  237,  267, 

277. 
Sporry,  Robert  116,  355,  357,  359  ff. 
Spohr,  Louis  240,  /,  26,  477,  479,  483  ff., 

(Briefe  an  G.  Weber)  495,  506,  532,  557  f. 
Spontini,  G.  149,  282,  30,  314,  488,  503  i. 
Springer,    Hermann,    Venezianische  Lied- 

musikdes  18.  Jahrhunderts  (Ortsgruppen- 

bericht)  126;  Ortsgruppenberichte  Berlin 

219,  384. 
Springer,  Hermann  353,  384. 
Squire,  W.  Barelev  101. 
Stade,  F.  257. 

Stage,  Borsa  on  modern  English  22. 
Staden,  Johann  127. 
Stader  259. 

Stadler,  Maximilian  488. 
Stainer,  Jacob  335. 
v.  Stamford,  (Ramford)  H.  W.  49. 
Stamitz,  Joh.  20.  36,  138,  361,  363,  307  f., 

312. 
Staley,  explanation  of  liturgical  year. 
Stanford;  opesas  82;  "on  poetry  and 

music  133;  studies  and  memories"  251. 
StandfuB  361,  446.  454,  461. 
Stange,  £.  358. 

Stanley  159  (Pres.  of  American  Section). 
Stapelfeldt,  M.  358. 
Starck,  Willv  51,  148. 
Stark  20. 

Starmer  on  chimes  95. 
Starzer,  A.  152. 
Starzer,  Joseph  64,  310,  361. 
Staudacher,  Petrus  153. 
Stegmann  437,  452  ft,  462,  492. 
Steffani,   Agostino.   Einstein,   Notiz  fiber 

den  Nachlali  A.   St/s   im   Propaganda - 

archiv  zu  Rom  172,  106. 
Steffani,  D.  Giacomo  Antonio  173. 
Stehmann,  Johannes  350. 
Stein,  Heinrich  17,  240. 
Steinbach,  J.  356. 
Steiner,  C.  479. 

Stein hausen  and   p.   f.   touch  22. 
Stendhal  319. 
Stephanie  457. 

St.  Stephen's  cathedral,  Vienna  224. 
Stern,  Julius  222. 
de  St.  Foix,  St.  et  T.  de  Wyzewa,  Un 

maitre     inconnu    de    Mozart    35;     Les 

premiers  Concertos  de   Mozart   139. 
"Sticcado  pastrole"  289. 
Stieglitz,  Charlotte  5,  8.  21. 


;  Stieglitz,  Heinrich  5,  8,  10  f.,  13.  22,  2 
j      39,  58,  72. 

Stiehl,  Carl  69. 

Stievenard  204,  238. 

de  St.  Martin,  Jean  178. 

Stobaeus,  Johann  361. 

Stocker,  Helene  508  ff.,  519,  526. 

Stolzel,  Gottfried  Heinrich  16,  272  i.,  27, 
607. 

Stormer  279. 
:  Stockmeyer  539. 
I  Stolberg  54. 
.  Stoltz,  Georgius  153. 

Stolz,  Georg  45. 
!  Storck,  Karl  1 f. 
•  Stradal,  August  351. 
!  Stradella,  A.  227. 
!  Strangways,  Fox  86. 
-Straube,  Karl  114.  315. 
'  StrauB,  Richard  84;  Kalisch.  Impression 
of  St.'s  "Elektra"  198,  206.  238  f..  281 
362. 

Strauss     and     Mariotte      332b.    anc 
Tebaldini  332c,   and   Sibelius   128a  (7) 
:  Strauss's    "Elektra".       Article    bv    Alf 
Kalisch  198. 

Report  of  Dresden  first  performance 
Style  traced  through  Guntram.  Feuero 
not  and  Salome.  Analysis  of  plot  and 
music. 

Streatfeild  on  Opera  153. 

Strecker,  L.  477. 

Streif,  Hans  396,  537. 

Strieder  583. 
jStrungk  27 2,  573. 
I  Stucki  (Tugi),  Hans  536. 
1  Sturgkh,  Graf  Karl  305. 

"Studies  and  memories"  (Stanford)  251. 

Stumpf,  Carl  270  (Anm.),  271,  384. 

Stupas,  Buddhist  103.  117. 

Stuttgart  s.  Notizen. 

Suasso  260. 

Subject -classification  in  libraries  22. 

Subligny  203,  243. 

Susse,  Otto  362. 

Sulger-Gebing  508  t. 

de  Sully,  Due  200,  204. 

Sulzer,  Antistes  Simon  548. 

Summary  of  news  paper  articles  1907— 
1908  192a. 

Supplement  (English)  1.  32.  64.  96.  12$, 
160.   192.  224,  260,  332. 
'  Suriano  96a. 

1  Swan  as  vocal  emblem  277. 
!  Sweelinck,  Jan  Pieters  115.  402. 

Swieten,  Van,  librettist  224d. 

Szymanowski  206. 

T.,  H.  34. 

Tabulatur  of  the  Meistersinger  160a. 

Taffanel  84,  118,  177. 


Inhalteverzoichnia. 


31 


Takt.    Schiinemann,  Zur  Frage  des  Takt- 

schlagens  u.  der  Textbehandlung  in  der 

Mensuralmusik  73    Chybinski,  Zur  Ge- 

schichte  des  Taktschlagens  u.  des  Kapell- 

meisteramtes  in  der  Epoche  der  Mensural  - 

musik  385. 
Talcke  277. 
Tapper,  J.  W.  172. 
Tartini,  Giuseppe  351  f. 
Taschinger,  Michel  153. 
Taubert,  Hans  158. 
de  Tavannes,  Comte  206. 
Tchaian,  Tigrane  319. 
Tchouadjian  319. 
Tebaldini  362. 

T  e  b  a  1  d  i  n  i  and  Strauss  332b. 
Telcmann,  Georg  Philipp  9,  361,  262,  266, 

271,  276/77,  282,  553,  572,  590. 
"Telepatia  musicale"  (Tebaldini)  332b. 
Te  mperament,  English  and  foreign  ( Wabb) 

116. 
Terence's  plays  la. 

Terpander  325,  334  L,  34811.,  3581,  380. 
Teschinger,  Georgius  153. 
Tetrachordal  tonic  86. 
Texeira  260. 
Thalbitzer,  William  6. 
Thayer,  A.  W.  362. 
Thayer-Deiters-Riemann  life  of  Beethoven 

23. 
Theile,  Johann  69,  273. 
Theo  v.  Smyrna  369  if.,  376. 
Theory  in  XVI  and  XIX  century  (Gon) 

159. 
The>enard  203. 
Thibaut,  P.  J.  281. 
Thierfelder,  Albert  50,  239. 
Thoinan,  E.,  186,  399,  406,  409  f.,  415,  418, 

442. 
Thomas  (notaire)  182. 
Thomas,  Eugen  306. 
Thomas  (-San  Galli),  Wolfgang  318. 
Thommen,  R.  396,  534,  538. 
Thomson,  Cesar  352. 
Thonin  183  f.,  187,  190,  192  f. 
Thornely,  Wilfrid  Walter  149. 
Threshold  of  music,  Wallace's  88. 
Thurlings,  A.  322,  545. 
Thuren,  Hjalmar,  Nordische  Musikinstru- 

mente  im  musikhistorischen  Museum  zu 

Kopenhagen  333. 
Thurner,  Friedr.  Eugen  501. 
Tieck,  Ludwig  41,  54,  68.  506,  508,  512  it, 

517,  519,  521,  525.  530. 
Tielche,  Joachim  335. 
Tielke,  J.  85. 

Tiersot,  Julien  242,  353,  399  fi. 
Tiffer,  Johannes  155. 
Tigrini,  Oratio  78,  80,  100,  102,  105. 
du  Tillet,  Titon  173,  195,  203,  213  f.,  400, 
Tillger,  Lucas  153. 


"Times"  editors  23. 

Tinctoris  124. 

Tinel,  Edgar  148,  158. 

Tischer,  Gerhard  50,  238. 

Tittmann,  J.  445. 

Tobler,  Bartolome  153. 

Topffer  281. 

Tollmann,  Johann  557  ft.,  562. 

Tomkins,  Thomas  361. 

Tomkowicz,  Stanislaw  282. 

Tonwortbund  364. 

Tonality  in  India  86. 

"Tobias"  of  Haydn  192b,  206,  224d,  260c. 

"Tod  und  Verklarung"  main  theme  271. 

Tonkunstler-Sozietat  of  Vienna,  192b. 

Topes  (Buddhist  tumuli)  103,   117. 

Torelli,  G.  262. 

Tornow  294. 

Torri,  Giuseppe  15. 

Tortel  176. 

Torture  machinery  96b. 

Totenliste.  Bohn,  E.  363,  Gevaert,  F.  A. 
102,  148,  Hey,  J.  242,  Karlowicz  177, 
205,  Reyer,  E.  148,  Snoeck,  C.  149. 

Touch,  pianoforte,  analysed  22. 

Tovey  (Donald,  F.),  see  Schubert. 

Trade-guilds  276. 

Translated  operas  82,  116. 

Translators,  "authorized"  23. 

Ms.  Tralage  205. 

Trautmann  50,  238. 

Travenol  198. 

Trebitsch,  Rudolf  6. 

Treff,  Paul  384. 

v.  Trenkwald,  H.  259. 

Trichaud  777. 

Triads  (zither)  344. 

Triller,  V.  266. 

Tritonius  101,  546. 

Troubadour  melodies  32b,  53,  160a. 

Trouche,  Francois  777. 

Trouillat  534. 

"Trojans"  of  Berlioz.  Article  by  Ch. 
Maclean  312. 

Written  after  18  years'  pause  in  stage- 
works.  Though  his  chef  d'oeuvre,  heard 
j  only  in  part  during  his  lifetime.  Mottl 
I  revived  it  entire  at  Carlsuhe  21  years 
|  after  his  death,  and  has  since  played 
j  it  regularly  there  and  at  Munich.  No 
one  else.  Plot  and  music.  Plea  for 
\  Covent  Garden  performance. 
■  Trumpet-tones  (zither)  342. 

v.  Triitzschler,  Maly  353. 
\  Tschaikowsky,  Peter  J.  206. 
•  Tschaikoffsky's    "1812"    score.      Article 
by  Ch.   Maclean   142. 

Due  to  echonomy,  old  full  armature 
onpage  now  each  dis  sappearing  from 
printed  scores.  The  inconvenience  of 
these  residuum-scores.     Sometimes  also 


32 


Inhaits  verzeichnis  • 


the  score  requires  supplementing  by 
extra  for  military-band,  organ,  or 
special  instrument,  which  is  not  shown. 
Illustrations  from  Tschaikoffsky. 

Tschudi  (Clara),  Ludwig  II  and  Wagner 
153. 

Turk,  Daniel  Gottlob  142  f.,  361,  13. 

Tugi  (Stucki),  Hans  536. 

Tumuli,  Buddhist  103,  117. 

Tunder,  Franz  361,  363,  96. 

Turner  English  opera  company  81. 

de  Turgis  217. 

Turina  49. 

TyBOLESE  music  192c. 


d'Ubaye  178. 

Ubeda  49. 

d'Udine,  Jean  362. 

Uhlig,  Theodor  49. 

Umfragen.  Maurer  iiber  Anton  Schweitzer 
96;  Vivell  iiber  Indices  zu  Gerbert  u. 
Coussemaker  96;  Botstiber  iiber  Haydn 
160;  Pasler  iiber  Haydn  295;  Chybftski 
iiber  Samotulinus  und  Felstin  296. 

Ungcr,  G.  222. 

Urbach  294. 

Urban,  H.  206. 

Ursinus,  Joh.  Samuel  263  f. 

Uttenhcim  548. 


Valentin  578. 

Valentin  an,  Gregorius  153. 

Vallas,  Leon  115. 

del  Valle,  E.  240. 

della  Valle  557. 

Vanderstraeten  399. 

Van  Dyck,  Ernest  84. 

Vanneo,  Stephan  89,  100,  385  H. 

Varnhagen  v.  Ense,  RaKel  62. 

Vasari  508. 

Vater,  Christian  586. 

Vautier,  A.  239. 

des  Vaux  420. 

Veillot  239  f. 

Veit,  M.  13. 

Veldi  319. 

Velthen  578. 

Vengi  country  117. 

di  Vento,  Ivo  350,  361. 

Vente  448. 

Veracini  352,  361. 

Verdi,  Giuseppe  51,  147. 

Vergil  11. 

Verzeichnis  alterer,  seltener  aufgefuhrter 

Musikwerke     1908/1909    355    (s.    auch 

Leichtentritt,  Hugo). 
Viardot-Garcia  23. 

Vicentino,  Nicolo  85,  100,  102,  104,  385. 
Victoria,  letters  of  Queen  27. 


Vienna  Congress  32a,  33,  64a,  65  (genera 
programme),  96b,  97  (papers  to  be  read) 
160d,  161  (General  Meeting  notice),  192a 
224b  (detailed  programme  and  guide  t< 
Viennese  localities),  225  (notice  fo: 
change  of  rules),  226  (further  programme 
260b  (summary  report),  261  (officia 
report  of  General  Meeting),  262  (encloa 
ure,  report  of  the  Directory  to  thi 
General  Meeting),  291  (announcement  o 
Congress  volume),  297  (Resolution! 
passed  by  different  Congress  depart 
ments),  301  (review  of  the  Congress  b] 
Alf.  Heuss),  332  (English  abstract  o 
Resolutions  as  abovesaid). 

Vienna  waltz  192a;  zither-stringing  systen 
348. 

Vienne,  name  distinct  from  Vienna  224c 

Vierling  364. 

Vieuxtemps,  H.  351. 

Vigato,  Onorato  432,  438. 

Village  contests  as  developing  Festival 
140. 

de  Villegas,  Antonio  48. 

Villette,  Pierre  225. 

Villoteau  281. 

da  Vinci,  Lionardo  /,  314,  448. 

Vinds,  ancient  race  of  224c. 

Vingtrinier,  E.  174. 

"Viola"  song  (Schubert)  168. 

Violante  Beatrix,  Prinzessin  v.  Toskan* 
174. 

Virdung,  Sebastian  258,  264,  540. 

Virgin  martyrs  240. 

Vischer,  Hans  153. 

Vischer,  Sigmundus  153. 

Vischer,  W.  538. 

Vitali  351  f.,  361,  263. 

de  Vitry,  Philipp  73. 

Vittoria  306. 

Vittoria,  A.  361. 

Vivaldi,  Antonio  351  f.,  361,  262,  435. 

Vlisse  260. 

Volkerling,  Kathe  352. 

Vogel,  Emil  99,  322,  386. 

Vogelsang,  Joh.  386. 

Vogl,  Gregorius  153. 

Vogler,  Georg  Joseph  (Abt)  450,  491,  497t.t 
600. 

Vogler,  Joh.  Kaspar  361. 

Vogt,  Martin  557. 

Voice-trainig  24,  26. 

Volapiik  22. 

Volbach,  Fritz  137,  239,  315. 

Volkmann,  Robert  206. 

Volkner,  Robert  320. 

Volksgesang.  Der  V.  zur  Zeit  der  Kirchen- 
tonarten  263,  s.  a.  Notizen. 

Volkslied  s.  Lied. 

Voltaire  201. 

Volumier  277. 


Inhaltaverzeiohnis. 


33 


Vorlesungen  iiber  Musik1): 

Augsburg  85. 

Basel  49,  238. 

Berlin  49  f,  51,  85,  115,  148,  238,  238, 
281,  362. 

Bern  50,  238. 

Bonn  50,  238. 

Breslau  50,  238. 

Coin  50  f,  238. 

Czernowitz  50. 

Darmstadt  50,  85,  238. 

Dortmund  205. 

Erlangen  50,  238. 

Freiburg  (i.  Br.)  50,  238. 

Freiburg  (Schw.)  50,  238. 

GieBen  50,  238. 

Greifswald  50,  239. 

Halle  a.  S.  50,  239,  240. 

Hamburg  281. 

Heidelberg  50,  239. 

Jena  363. 

Kiel  50,  239. 

Konigsberg  50,  239. 

Kopenhagen  239. 

Krakau  281. 

Leipzig  50,  115.  148,  205,  239,  240. 

Lemberg  281. 

Magdeburg  205. 

Marburg  50,  239. 

Munchen  50,  175,  239. 

Miinster  (i.  W.)  50,  239. 

Prag  50,  239. 

Regensburg  175. 

Rostock  50,  239. 

Starnberg  175,  363. 

Straflburg  51,  239. 

Stuttgart  363. 

Tubingen  239. 

Warschau  281. 

Wicn  51,  239,  240. 

Zurich  51,  239. 
Vorstand,  election  of  lc,  32b. 
VoB,  Joh.  Heinrich  11,  53,  481. 
Vulpius  (Dichter)  221. 

Wachter  607. 

Wackenroder,  Willi.  Heinrich.  Gregor,  Die 
deutechc  Romantik  huh  den  Bcziehungcn 
von  Musik  u.  Dichtung  W.  H.  W.  505. 

Wackernagel,  R.  548,  555. 

Waelrant,  Hubert  361. 

Waschke,  H.  276,  278. 

Waschke,  H.,  Einc  noch  unbekannte 
Kompotition  J.   S.   Bach's  633. 

Wagenrieder,  Lucas  15 3. 

Wagner,  E.  D.  143. 

Wagner,  Friedrieh  561  f. 

Wagner,  J.  265. 


M   Die  fettgedruckten  /allien  bezeichncn  Uni- 
verait  &ts  vorlesungen . 

X. 


I  Wagner,  Laurentius  153. 
i  Wagner,  Minna  49. 
1  Wagner,  Peter  50,  191,  238,  534. 
Wagner,  Richard,  10,  13,  49,  50,  51,  84,  85, 

111,  113,  115,  118,  148,  175,  189,  205, 

206,  222  if.,  238  f.,  242,  281,  317,  356, 

363  f.,   /,   4,   261,   33  if.,   49,   69,   711, 

307,  317,  477,  510. 
Wagner,  on  the  pianoforte  18;  to  English 

words  18,  83;  life  by  Ashton  Ellis  23, 

relations  with  Ludwig  II,  153;  relations 

with  Angelo  Neumann  210. 
Wahl  277. 
Waldauer,  R.  353. 
Waldersee,  Graf  19. 
Waldner,  Fr.  152. 
Waldner,  Hans  396. 
Wallace's  Threshold  of  music  88. 
Wallaschek,  Richard  6,  51,  239. 
Wallek-Walewski,  Boleslaus  282. 
Walsh  138. 
Walter,  Edmund  281. 
Walter,  George  47,  83,  355  f.,  359. 
Walter-Choinanus,  Iduna  352. 
Walther,  Joh.  Gottfried  361,  275. 
Waltz,  Melchior  397  f. 
v.  Wasielewski  405. 
Wassermann,  H.  J.  562. 
Washington  (American  Section)  158. 
Wead,  Charles  K.  4. 
Weber,  A.  477. 
Weber,  Bernh.  Anselm  477,  497  ( Brief c  an 

G.  Weber),  497. 
von  Weber,  Carl  Maria  222,  364,  1,  38,  477, 

483  f.,   497,   499  ( Brief e  an   G.   Weber, 

Fr.  Rochlitz  u.  an  J.  Ph.  Schmidt),  506, 

5311,  557 1,  562. 
Weber,  Gottfried.  Altmann,  Aus  G.  W.'s 

brieflichem  NachlaO  477. 
von  Weber,  Lina  477,  (Briefe  an  G.  Weber) 

503. 
Webb  (F.  Gilbert)  on  musical  nomenclature 

95;  on  Mendelssohn  176. 
Weber,  Wilhelm  85. 
Weckerlin,  J.  B.  242,  353,  205,  226,  399, 

405 1,  408,  420. 
Weenen.  Notiz  (Haydn)  205. 
Weimar.  Notiz  (Obrist)  148. 
Wegener,  Dan.  571. 
Wegerig  264  i. 
Weichselbaum  501. 
Weigel,  Clara  223. 
Weigel,  Gertrud  223. 
Weigl,  Rud.  (Bildhaucr)  283. 
Weigl  (zither)  348. 
Weingartner,  Felix  189,  305,  311. 
Weinhold,  C.  264  (Anm.). 
Weinmann,  Karl  96b. 
Weinmann,  Karl  90,  175. 
Weinreich,  Otto  355. 
Weinrich,  Joh.  Michael  265. 

3 


34 


Iiihaltsverzeichnis. 


Weifi,  Joh.  Ambrosius  559,  (Marcus)  559. 

WeiBmann,  Adolf  51. 

Wende,  £.  383. 

Wenszler,  Michael  539. 

Wensel,  G.  383. 

Werle,  P.  366. 

Werner,  Arno  17,  277. 

de  Wert,  Giachee  350,  362. 

W  e  s  s  e  1  y  on  Greek  music-inscription  lb. 

Westmivsteb  Abbey  (Blow)  424. 

Westphal,  Rudolf  102. 

de  Wette,  Christian  Heinrich  264. 

Wetzler,  Hans  355. 

White  159. 

Whiting,  Arthur  159. 

Wick  396,  537. 

Widor,  Charles  Maria  7  (Anm.). 

Wieck,  Friedr.  490. 

Wiel,  Taddeo  432,  434  i.,  438  i. 

Wiese  431  f., 

Wibn.  Hornbostel,  Musikalisches  vom 
XVI.  Internat.  Amerikanisten-KongreB 
in  W.  4;  HeuB,  Die  Wiener  Haydn- 
Zentenarfeier  u.  der  III.  KongreB  der 
IMG.  301.  S.  a.  Notizen,  Ortegruppen- 
bench  te. 

Wieniawski,  H.  351. 

Wiesinger,  Hanns  156. 

Wihl,  J.  356. 

Wilfflingseder,  Ambrosius  78,  81,  87. 

Wilhelm  I.,  Graf  v.  Solms  286. 

Wilhelmj,  August  222. 

Wilken  276. 

Willfort,  E.  St.j  Glarean's  Erwiderung 
337. 

Winderstein,  H.  355. 

v.  Winter,  Peter  55,  557. 

v.  Winterfeld,  Carl  549,  192  b. 

Witek,  A.  352. 

Witte,  Weber  49. 

Wittgenstein  (Princess)  and  Berlioz 
312. 

Wolfflin,  A.  533,  553. 

Wolfflin,  Heinrich  508,  510,  523. 

Wohlbruck,  J.  G.  500. 

Wohlrab,  569. 

Wolf,  B.  357. 

Wolf,  Bodo  361. 

Wolf(f),  E.  W.  454,  601. 

Wolf,  F.  400. 

Wolf,  Johannes,  Die  Melodien  der  Trou- 
badours. Eine  Besprechung  der  Beck- 
schen  Publikation  129;  mittelalterliche 
Musikverhaltnisse  (Ortsgruppenbericht) 
219;  Bemerkungen  zu  Hugo  Riemann's 
♦Isaac -Studien*  147. 

Wolf  (Joh.)  on  Riemann  332d,  363. 

Wolf,  Johannes.  Riemann,  Kleine  Stu- 
dien  zu  Joh.  Wolf's  neuem  Isaac-Band 
115;  Ludwig,  J.  W.'s  Ausgabe  der  Welt- 
lichen  Werke   H.  Isaac's  (Bespr.)  320. 


Wolf,  Johannes  50,  126*  127,  238,  2< 
(Anm.),  268  (Anm.),  363  73  f.,  841.,  8 
101,  106;  281,  535. 

Wolff,  Johannes  84. 

Wolff,  L.  50,  238. 

Wolff,  Louis  17. 

Wolff,  Wilhelm  357. 

Wolffheim,  Werner  127,  384. 

Wolffheim,  Werner,  W.  A.  Mozart  Sohn  i 
sein  handschriftliches  Reisetagebuc 
(Ortsgruppenbericht)  220. 

Wolfrum,  Philipp  8,  50,  239. 

Wolleb,  U.  J.  J.  540. 

Wo  Hick  de  Servilla,  Nicolaus   76. 

Woltz,  Johann  540. 

Wood,  Henry  J.  44. 

v.  Wolzogen,  Hans  223.8 

Wotquenne,  A.  432,  442  if. 

Wotton'8  Diet,  of  musical  terms  24 

"Worshipful  Company  of  Musicians' 
Article  by  Ch.  Maclean  276. 

Immemorial  Anglo-Saxon  trade -guile 
with  chartered  monopoly  from  crowi 
Later,  somewhat  analogous  minstre 
guilds.  Later,  King's  Minstrels  predc 
minated  over  the  rest,  acquiring  al 
England  jurisdiction.  Later,  London  Cit 
had  its  own  minstrel-guild,  with  Roy* 
Charter  and  coat-of-arms.  in  1604.  Il 
powers  and  subsequent  historyjto  dab 

Wullner,  Franz  358. 

Wuertzner,  Joris  155. 

Wurstisen  548,  551  f. 

Wustmann,  Gustav,  Ein  Brief  C.  Ph.  I 
Bach's  2. 

Wustmann,  Gustav  568. 

Wustmann,  Rudolf  205,  220,  257.  384. 

Wustmann,  Rudolf,  Ortsgruppenbericht 
Dresden  220,  294. 

de  Wyzewa,  T.  et  G.  de  St.  Foix,  U 
maltre  inconnu  de  Mozart  35;  Le 
premiers  Concertos  de  Mozart    139. 


Xenophilos  383. 
Xylophone  289. 


Y  e  a  t  h  .  Wm.  Butler  22. 
Ysaye,  E.  358. 


Zacconi,  Lodovko  78  f.,  89.  94  i..    100  f 

387  ff. 
Zachow,  Friedrich  Wilhelm.  HcuB.  F.  \\ 

Z.  als  dramatischer  Kantatonkomponie 

228,  362,  363,  319. 
Zack,  V.  162  f. 
Zajic,  Florian  352. 
Zakopane.  Notiz  (Karlowicz  t)  177. 
Zanetta  (Sangerin)  15. 


Inhalts  verzeichnia. 


35 


Zangius,  Nicolaus  362. 

Zarlino  100,  102  f.,  385  f. 

Zedler  15,  265. 

Zelenka,  Dismas  283. 

Zelter,  Carl  Friedr.  116,  362,  12,  58,  66  L, 
479,  512. 

Zeno,  Apostolo  16. 

Ziani,  Marc  Antonio  433. 

Zcitschrift  contents  for  1907—1908  96b. 

Ziegler,  Caspar  203. 

de  Zielinski,  Jaroslaw  159. 

Zielinski  on  American  folk  music   159. 

Zihn,  Joh.  Friedr.  264. 

Zingel  50,  239. 

Zinkeisen,  Eucharius  98. 

Zither,  The.  Article  by  Ch.  Maclean  341. 
National  instrument  in  Bavarian, 
Tyrolese  and  Styrian  highlands,  and 
takes  place  there  of  pforte.  Nowhere 
yet  properly  analysed.  History  and 
description.  Two  instruments  combined. 
On  one  hand,  5  fretted  strings  (melody- 
strings),  stopped  by  left  hand,   played 


by  right-hand  thumb  through  plectrum. 
On  other  hand  24  open  unstopped 
strings  (harmony-  and  bass-strings) 
ingeniously  distributed  on  nut  (stinging) 
by  4ths,  so  as  to  give  complete  stock-set 
of  major  and  minor  triads,  for  the  3  middle 
fingers  of  right-hand  to  twang  in  ac- 
companiment. In  this  remarkably  com- 
pressed instrument,  not  even  little- 
finger  of  either  hand  is  used.  The 
registers  of  the  2  departments  almost 
wholly  overlap,  giving  peculiar  effect. 
Vienna  stringing  differs  somewhat  from 
Munich.    Litterature. 

Zoder,  Raimund,  Josef  Lanner's  Fortleben 
im  Volksliede  II  161. 

Zodiacus  musicus  of  Schmicorer  lb. 

Zschiesche  (Sanger)  67. 

Zulauf,  Ernst  412. 

Zulehner  499. 

Zummah,  Egyptian  105.1 

Zumsteeg,  Rudolf  205,  362,  466,  467. 

Zwingli  540,  548. 


Angezeigte  Werke  der  „Kritischen  Bticherschaii"  derZeitschrift. 

(Die  mit  *  bezeichneten  wurden  besprochen.) 


*Abert,  H.,  Niecolo  Jommelli  als  Opern- 

komponist  365. 
*Alaleona,    D.,    Studi    sulla   storia  dell* 
Oratorio      musicale      in      Italia     (51), 
178. 
Allen,  P.,  Songs  of  old  France  21. 
*Altenburg,  W.,  Die  Klarinette  372. 
Ambros,  A.  W.,  Geschichte  der  Musik. 

4.  Bd.     3.  verbesserte  Aufl.,  durchges. 
u.  erweitert  v.   H.   Leichtentritt  323. 

♦Archer,  W.  and   H.    Granville  Barker, 

»A  national  theatre*  21. 
*Aria,    E.,   Costume,   fanciful,   historical, 

and  theatrical  21. 
Armin,  G.,  Das  Stauprinzip  od.  die  Lehre 

v.  clem  Dualismus  d.  menschl.  Stimme 

323. 
Artaria,  Fr.  u.  H.  Botstiber,  Josef  Haydn 

und  das  Verlagshaus  Artaria  323. 
*Aubry,  P.,  Cents  Motets  du  Xllle  siecle 

publies  d'apres  le  Manuscript  Ed.  IV.  6 

de  Bamberg  242. 
Auerbach,    F.,    Handbuch    der   Physik. 

2.  Aufl.    (Hrsg.    v.    A.    Winckelmann). 

2.  Band:  Akustik  283. 
♦Bach-Jahrbuch.    4.  Jahrg.  1907  118.  — 

5.  Jahrg.   1908  244. 

*Barmer    Konservatorium    der    Musik. 
Festschrift  119. 
Batka,  R.,  Riohard  StrauB  51. 


Battke,   M.,   Elementarlehre  der  Musik 

(Rhythmus,  Melodie,  Harmonie).  3.  Aufl 

207. 
*Baugha8,  E.  A.,  Ignaz  Jan  Paderewski 

21. 
Baylis,  B.,  The  voice  in  education  22. 
Beethoven's    samtliche    Briefe.      Krit. 

Ausg.  v.  Kalischer  51. 
Beethoven -Briefe  an  N.  Simrock,  F.  G. 

Wegeler  u.  F.  Ries.    Hrsg.  v.  L.  Schmidt 

119. 
Beethovenjahrbuch.    II.  Band  244. 
Bekker,  P.,  Das  Musikdrama  der  Gegen- 

wart  283. 
Beringer,    O.,    50   years   of    Pianoforte 

playing  22. 
Bernoulli,  E.,  Hektor  Berlioz  als  Asthe- 

tiker  der  Klangfarben  283. 
Beutter,   A.,   Volkstiimliche   Gestaltung 

der  Notenschrift  244,  323. 
*Beyschlag,  A.,  Die  Ornamentik  der  Musik 

143. 
BlaB,  A.,  Wegweiser  zu  J.  S.fBach  244. 
Blummel,  E.  K.,  Beitrage  zfdeutschen 

Volksdichtung.     Quellen  u.' Forschun- 

gen  z.  deutschen  Volkskunde.    Bd.  VI. 

197. 
♦Blflthner,    J.    u.    H.    Gretschel,    Der 

Pianofortebau  ...    3.  vollst.  neubearb. 

Aufl.     Hag.  v.  R.  Hannemann  244. 

3* 


36 


Inhaltsverzeichnis. 


Bohm,  A.  v.,  Geschichto  d.  Singvercins  d. 

Gesellschaft  d.  Musikfreunde  in  Wien 

207. 
*Bohn,  E.,  Die  Nationalhymnen  d.  euro- 

paischen  Volker  367. 
♦Borsa,  M.,  The  English  stage  oLto-day  22. 
Brahms,  J.,  Brief wechsel  m.  J.  Joachim. 

Hrsg.  v.  A.  Moser  51. 
Brahms-Kalender  auf  das  Jahr  1909  51. 
Brenet,  M.,  Haydn  90. 
Briefe    fiber    Musik    u.   iiber    anderes. 

Musikal.  Korrespondenz  an  A.  v.  Gold- 

schmidt.     Hrsg.  v.  E.  Priedegg  207. 
Briefe  an  einen  Komponisten.    Musika- 

lische  Korrespondenz  an  A.   v.    Gold- 

schmidt.     Hrsg.   v.   E.   Priedegg  283. 
♦Broadley,  A.,  Repair  of  violins  22. 
Brosel,  W.,  Die  Darstellung  des  Evchen 

in  d.  Meistersingern  v.  R.  Wagner  119. 
♦Brown,  J.  Duff,  ^Subject  Classifications 

22. 
Bticher,  K.,  Arbeit  u.  Rhythmus.    Vierte 

Aufl.  179. 
*Buhnen-Spielplan,    Deutscher,    1907/08 

179. 
Billow,  H.  v.,  Briefe  u.  Schriften  VIII. 

Hrsg.  v.  M.  v.  Billow  51. 
Busse,  H.,  tTber  kirchlichen  Chorgesang 

u.  Kirchenchore  244. 
Cahn-Speier,  R.,  Franz  Seydelmann  als 

dramat.  Komponist  (Diss.)  323. 
*Calmus,  G.,  Die  ersten  deutschen  Sing- 

spiele  v.  SfcindfuB  u.  Hiller  368. 
Cape  lien,  G.,  Fortschrittl.  Harmonie  u. 

Melodielehre  52. 
Challier,  E.,  GroBer  Frauen-  u.  Kinder- 

chor-Katalog,  m.  einem  Anhang:  Ter- 

zette.    1.  Nachtrag  283. 
"Chamberlain,  H.  St.,  Rich.  Wagner  an 

Ferd.  Prager.    2.  Aufl.  51. 
Chop,  M.,  Jacques  Offenbach,  Hoffmann's 

Erzahlungen.     Geschichtl.,  szenisch  u. 

musikalisch  analysiert  90. 
*Chop,  M.,  J.  S.  Bach,  Matthaus-Passion 

244. 
*Chybinski,      A.,     Das     Verhaltnis     der 

polnischen  Musik  zur  abend  land  ischen 

im  XV.  u.  XVI.  Jahrh.  245. 
*Clark,    W.    J.,    International    language,  | 

past,   present  and  future  22. 
Colberg,  P.,  Harmony  22.  I 

Colles,  H.  C,  On  Brahms  22.  j 

Combarieu,  J.,  La  musique  et  la  magie  I 

179. 
Creation  of  the  World.     Gwreans  An  \ 

Bys.    Cornish   mystery- play  22.  | 

Dasent,  Arth.  L.,  Life  of  John  Thadeus 

Delane  22. 
Dauriac,    L.,    Le    musicien    poete    R. 

Wagner  90. 


Davidson,  Gl.,  Stories  from  the  opera 

2nd.  series  23. 
*Diehl,  A.  M.,  »The  life  of  Beethoven*  24 
*Diehl,  W.,  Die  Orgeln,  Organis  tens  telle 

u.    Organistenbesoldungen    i.    d.    alte 

Obergrafschaftsgemeinden      d.      Grol 

herzogtums  Hessen  52. 
v.  Dittersdorf,  C,  Lebensbeschreibuni 

Neu  herausgeg.  v.  E.  Istel  369. 
♦Dobrzypski,  W.  T.,  Rich.  Wagner  28: 
Drusovic,     H.,     Methodik     d.     Gesan$ 

unterrichtes  i.  d.  Volksschule   179. 
♦Duns tan,  R.,  A  cyclopaedic  dictionary  < 

music  245. 
♦Ehrichs,  A.,  Giulio  Caccini  (Diss.)  20' 
Ellis,  W.  A.,  Life  of  R.  Wagner,  vor.  \ 

23. 
Engelke,  B.,  Joh.  Fr.  Fasch,  Sein  Lebe 

und  seine  Tatigkeit  als  Vokalkomponi 

(Diss.)  247. 
Ergo,  E.,  Dans  les  propylees  de  Pinstn 

mentation  119. 
Engl,    Joh.    Ev.,    Das    Glockenspiel    i 

Salzburg.    2.  Aufl.  369. 
Engl,  Joh.  Ev.,  Das  Hornwerk  auf  Hohei 

salzburg.    2.  Aufl.  369. 
Faldix,  G.,  Die  asthetische  Wirkung  dc 

Intervalle  52. 
Festschrift   zur   E.   Th.    A.    Hoffmam 

Feier  (Bamberg).    Hrsg.  v.  K.  Schmic 

119. 
Fest-  u.  Program mbuch  z.  4.  Deutsche 

Bachfeste  in  Chemnitz  52. 
Fink,  Frdr.,  Die  elektrische  Orgeltraktu 

119. 
Fischer,  A.,  Das  deutsche  evang.  Kircher 

lied    d.    17.    Jahrhunderte.      Hrsg.    i 

W.  Tiimpel.     23.  u.  24.  Heft  52. 
Fischer-Planer,  Einfiihrung  in  d.  Musi 

v.  R.   StrauB'  »Elektra«  283. 
♦Franceso  lo  »Cicero  Romano «  52. 
Freeh,  K.,  Stoff  u.  methodische  Behand 

lung  der  Elementariibungen  i.  Gesanp 

unterrichte  der  Volksschule   179. 
Garcia,  M.,  s.  Mackinley. 
GraBmann,  A.  L.,  Natur-  Jodel  des  Jose 

Felder  aus  Entlebuch  52. 
Gast,   K.,    Die   Forderung  des   Schulge 

sanges   durch   den    Grundlehrplan   de 

Berliner  Gemeindeschule  179. 
Given,  J.  L.,  Making  a  newspaper  24. 
Glasenapp,  C.  Fr.,  DasLeben  R.  Wagner' 

4.  Ausg.  4.  Bd.  52. 
v.    Gleichen-Rufiwurm,    A.,    Weimai 

Bayreuth,     Miinchen,     ♦drei    deutsch 

Kunststatten«  283. 
*Goehler,  G.,  Uber  musikalische  Kultur52 
Gomme,  G.  L.,  Folklore  as  a  historica 

science  24. 
Graner,  G..  Rich  StrauC  Elektra  208. 
Green,  A.  St.,  Town  life  in  XV  century  24 


Inhaltsverzeichnis. 


37 


Grunsky,  K.,  Musikgeschichte  seit  Be- 

ginn  d.  19.  Jahrhunderts  I.    2.  Aufl.  53. 
Grunsky,  K,  Dasselbe  II.    2.  Aufl.  208. 
♦Grunsky,  K.t   Musikasthetik   180. 
de'  Guarinoni,  E.,  Gli  strumenti  musicali 

nel  museo  del  conservatorio  di  Milano 

180. 
*Guerber,  H.   A.,  Myths  of  Greece  and 

Rome  24. 
Gum  mere,  F.  B.,  The  popular  ballad  24. 
*Hadow,  W.  H.,  »A  Croatian  composer. « 

Notes  towards  the  study  of  J.  Haydn 

323. 
Halls  of  London  City  Guilds  24. 
v.  Hase,  H.,  Jos.  Haydn  u.  Breitkopf  & 

Hartel  208. 
Hashagen,  F.,  Joh.  S.  Bach  als  Sanger 

u.    Musiker   des    Evangeliums   u.    der 

lutherischen  Reformation  208. 
Haydn's  handschr.  Tagebuch  aus  d.  Zeit 

seines  zweiten  Aufenthaltes  in  London. 

Als  Manuskript  u.  in  Druck  gelegt  v. 

Joh.  Fr.  Engler  283. 
Haydn  -  Zentenarfeier.       Programmbuch 

324. 
v.  Hazey,  Os.,  Die  wertvollsten  Lieder  d. 

deutschen,  frz.,  ital.,  russisch -deutschen 

u.  engl.  Gesangs-Literatur  283. 
Heeger,  G.  u.  W.  Wtist,  Volkslieder  aus 

d.  Rheinpfalz  248. 
Hennig,  K.,  Die  geistliche  Kontrafaktur 

i.  Jahrhundert  der  Reformation.     Ein 

Beitrag  z.  Gesch.  des  deutschen  Volks- 

u.  Kirchenliedes  im  XVI.  Jahrh.  (Diss.) 

369. 
♦Hesse's  Deutscher  Musikerkalender  1909 

53. 
*Heuler,  R.,  Moderne  Schulgesangreform 

(90)  283. 
Heufi,    A.,    Anton    Bruckner,   Te  Deum 

(KonzertfUhrer)  90. 
Heufl,  A.,  Joh.  S.  Bach's  Matthauspassion 

208. 
Hoffmann,  B.,  Kunst  u.  Vogelgesang  in 

ihren  wechselseitigen  Beziehungen  vom 

naturwissenschaftlich-musikalischen 

Standpunkte  beleuchtet  53. 
Hulbert,  H.  H.,  Voice  training  in  speech 

and  song  24. 
*Jachimecki,    Z.,    Beethoven    in    seiner 

Korrespondenz  (polnisch)  180. 
Jahrbuch  der  Musikbibliothek  Peters  f. 

1908  (15.  Jahrg.)  248. 
♦Jahrbuch  der  Zeit-  u.  Kulturgeschichte 

1908  (2.  Jahrg.)  370. 
*  Jahrbuch,  Kirchenmusikalisches  (XXII. 

Jarhg.)  (180)  248. 
Jahresbericht,  27.,  der  internationalen 

Stif  tung  Mozarteum  in  Salzburg  1907  90. 
Jahresbericht,     19.,    der    Mozart  -Ge- 

meinde  pro  1907  90. 


Johner,  P.,    Dom.   Cantus   Ecclesiastici 

juxta  Editionem  Vaticanam  ad  usum 

Clericorum  collecti  et  illustri  371. 
♦Irgang,  W.,  Leitfaden  der  allg.  Musik- 

lehre.    5.  Aufl.    Bearb.  v.  K.  Kirschner 

369. 
♦Iring,  W.,  Die  reine  Stimmung  in  der 

Musik  (53)  369. 
Istel,  E.,  Die  Bliitezeit  der  musikalischen 

Romantik  in  Deutschland  150. 
Kalischer,  A.  Chr.,  Beethoven  u.  seine 

Zeitgenossen.    I.  Bd.  119. 
Kalischer,  A.  Chr.,  Beethoven,  Wien  u. 

Weimar  208. 
Kalischer,   A.   Chr.,   Beethoven   u.   die 

Frauen  208. 
♦Kapp,  J.,  Rich.  Wagner  u.  Fr.  Liszt  (119) 

180. 
♦Kienzl,  W.,  Rich.  Wagner  53. 
Kirchengesangvereinstag,  der  21.  deut- 

sche  evangelische,  zu  Berlin  1908  119. 
Klampfl,  E.,  Rich.  Wagner's  »Parsifal« 

u.  seine  Bayreuther  Darsteller  53. 
♦Klauwell,  O.,  Geschichte  der  Sonate  v. 

ihren  Anfangen  bis  z.   Gegenwart  53. 
KloB,  E.,  Wagnertum  in  Vergangenheit 

u.  Gegenwart  371. 
Knudsen,  H.,  Schiller  u.  die  Musik  (Diss.) 

90. 
Kobbe,  G.,  How  to  appreciate  music  24. 
Koeckert,    G.,   Rationelle   Violintechnik 

208. 
Kohl,  Fr.   Friedr.,   Die  Tiroler  Bauern- 

hochzeit.    Lieder,  Tanze  u.  Singweisen. 

(III.  Bd.  v.  »Quellen  u.  Forschungen  z. 

deutschen  Volkskunde*.     Hrsg.   v.   E. 

K.  Bliiml)  53. 
Konservatorium,   das,    Schule   der   ge- 

samten  Musiktheorie.    Methode  Rustin. 

Red  v.  Prof.  C.  Ilzig  208. 
Kothe-Forchhammer,  Fuhrer  durch  d. 

Orgelliteratur.      Vollst.    neubearb.    u. 

bedeutend  erweitert  v.  O.  Burckert  180. 
Kothe-Prochazka,  AbriC  d.  allg.  Musik- 

geschichte.      8.   vollst   umgearb.   Aufl. 

v.  E.  Frh.  Prochazka  180. 
v.  Kraft,  O.,  Die  Liebe  in  R.  Wagner's 

Musikdramen  208. 
Kratzsch,  H.,  Der  Kampf  des  Munchner 

Tonkiinstler-Orchesters    u.    seine    Be- 

deutung  fiir  d.  deutschen  Musiker  284. 
KrauB,  R.,  Das  Stuttgarter  Hof theater 

von  d.  altesten  Zeiten  bis  z.  Gegenwart  90. 
Krehl,  St.,  Erlauterung  u.  Anleitung  zur 

Kom  position  der  Fuge  150. 
Kron,    L.,    Das    Wissenwerteste    fiir    d. 

Violinunterricht  119,  208. 
Kuhlo,   H.,    CJeschichte  der  Zelterschen 

Liedertafel  1809—1909  180,  284. 
*Lalo,    Ch.,    Esquisse    d'une    esthetique 

musicaie  scientifique  24. 


38 


Inhalteverzeichnis. 


La  Mara  s.  Liszt. 
♦La  Mara,  Beethoven's  unsterbliche  Ge- 

liebte  180. 
Landowska,  W.,  Musique  ancienne  181. 
*de  Lange,   D.,  Expose  d'une  theorie  de 

la  musique  (53)  249. 
*Launis,   A.,   Lappische   Juigos-Melodien 

(120)  208. 
*de     la  Laurencie,  L.,  Rameau  121. 
Leichtentritt,    H.,'  Reger,    Sinfonietta, 

Serenade  Op.  95,  Variationen  u.  Fuge, 

Op.  100  (Konzertfuhrer)  53. 
♦Liszt,    Fr.    u.    Carl    Alexander,    Brief- 

wechsel.     Hrsg.  v.  La  Mara  (53)  119. 
Litzmann,  B.,  Klara  Schumann,  III.  Bd. : 

KL  Sch.  u.  ihre  Freunde  1856—1896 

53. 
Lobe,  J.  C,  Traite  pratique  de  compo- 
sition musicale.    Traduit  de  l'allemand 

(d'aprea    la    5.    eel.)    par    G.    Sandre. 

3.  ed.  53. 
Lobmann,  H.,  Die  Gesangsbildungslehre 

nach  Pestalozzi'schen  Grundsatzen  v. 

M.  Tr.  Pfeiffer  u.  H.  G.  Nageli  i.  ihrem 

Zusammenhange  mit  d.  Asthetik,  der 

Gesch.  d.  Padagogik  u.  d.  Musik  (Diss.) 

250. 
*    Louis,    R.,    Hans    Pfitzner,    Biographie 

sowie  vollst.  Verzeichnis  seiner  Werke 

209. 
Louis,  R.,  Grundrifl  der  Harmonielehre 

250. 
*Lubomirski,  Gr.,  Handbuch  d.  Harmonie 

lehre  (polnisch)  284. 
♦Mackinley,  M.  St.,  Manuel  Garcia.    Life 

23. 
Marxer,    O.,    Zur    spatmittelalterlichen 

Choralgeschichte    St.    Gal  lens    181. 
*Masson,  D.,  Memoirs  of  London  in  the 

forties  150. 
Mayerhoff,  F.,  Instrumentenlehre    150, 

181. 
Mayrhofer,  R.,  Die  organische  Harmonie- 
lehre 90. 
♦Mendelssohn-Bartholdy's,     F.,     Brief- 

wechsel    m.    Legationsrat    K.    Klinge- 

raann.       Hrsg.    u.    eingeleitet     v.     K. 

Klingemann  (150)  209. 
Mengewein,     C..     Die     Ausbildung    d. 

musikalischcn  Gehors  26. 
Meyer,    R.    M.,    Die    Meisterstucke   des 

deutschen  Volks-  u.  Kirohenliedes  284. 
Mistral,  F.,  Memoirs  26. 
Mitteilungen  f.  d.  Mozart- Gemeinde  in 

Berlin.     26.   Heft,  Nov.    1908   121.   — 

27.  Heft.  Miirz  1909  250. 
Mohler,  A.,  u.  O.  GauB,  Kompendium  der 

katholischen  Kirchenmusik  181. 
Vianna    da     Motta,     J.,     Nachtrag    zu 

Studien  bei  H.  v.  Bulow  von  Th.  Pfeiffer 

210. 


Mozart,  W.  A.,  Die  Dame  Kobold 
Kom.  Oper  frei  nach  d.  gleichnam 
Lustspiel  von  Calderon  mit  der  Musil 
zu  Cosi  fan  tutte.  Bearb.  v.  K.  Scheide 
mantel  (Textbuch)  324. 

*  Mozart- Verein  zu  Dresden.      Siebentej 

Bericht  1906-1908  150. 
♦Muller-Branow,  Eine  Kritik  der  Stimm 

bildung  auf  Grundlage  des  »primareD 

Tones,  zugleich  ein  Beitrag   z.    Lehn 

vom  »Stouprinzipe«  v.   G.  Armin  251 
♦Musikbuch    aus    Osterreich.       Red.    v 

Dr.  H.  Botstiber  (VI.  Jahrg.  19(>9)  251 
Musiker-Kalender  s.  Hesse. 
Musikgesellschaft,  Internationale.    Mu 

sikahsche  Zeitschriftenschau,  Okt.  190' 

bis  Sept.   1908.     Zusammengestellt  v 

M.  Schneider  248. 
Nagel,  W.,  Studien  zur  Geschiehte  dei 

Meistersanger  284. 
Nef,    A.,    Das    Lied    in    der    deu tocher 

Schweiz  Ende  des    18.    u. .  Anfang  d 

19.  Jahrh.  324. 
*Ncf,  K.,  Schrif ten  iiber  Musik  u.  Volks 

gesang  151. 
Neitzel,     O.,    u.    L.    Riemann,     Musik 

asthetische     Betrachtungen.        3.  Aufl. 

284. 
Nelle,    W..    Geschiehte    des    deutochen 

evangel.    Kirchenliedes.      2.  Aufl.    182. 
"'Neumann,  A.,  Personal  recollections  oi 

Wagner  210. 
*Niederheitmann,    Fr.,    Cremona.    Eine 

Gharakteristik  d.  ital.  Geigenbauer  und 

ihrer  Instrumente.    Neue  (Titel)  Aufl. 

v.  E.  Vogel  (182)  284. 
♦Niemann,  W.,  Das  Nordlandbuch  371. 
Nikel,    E.,    Geschiehte    d.    katholischen 

Kirchenmusik.  Bd.  1  53. 
Nin,  J.J.,  Pour  Tart  285. 
Noskowski,    S.,    Kontrapunkt,    Kanons, 

Variationen  u.  Fuge  (polnisch)  53. 
Perreau,  X.,  La  plurality  des  modes  et 

la  theorie  generale  de  la  musique  121. 
Pfeifer,  Th.,  Studien  bei  H.  v.   Bulow. 

6.  Aufl.  182. 

*  v.  d.  Pfordtcn,  H,  Mozart  (26)  371. 
Polinsky,   A.,    Geschiehte  d.   polnischen 

Musik  im  UmriB  (polnisch)  324. 
Prosniz,     A.,     Handbuch     d.     Klavier- 

Literatur  145^)— 1830.    2.  verb.  u.  verm. 

Aufl.  53. 
Pnifer,  A.,  Joh.  H.  Schein  u.  das  weltl. 

deutsche  Lied  des  17.  Jahrh.    M.  e.  An- 

hang:  Schein's  Stellungz.  Instrumental- 

musik  26. 
Prufer,  A.,  Rich.  Wagner  211. 
Priifer,    A.,   Das   Werk   von    Bayreuth. 

Vollst.  umgearb.  u.  stark  verm.   Aufl. 

der  Vortraffe  uber  d.  Buhnenfestspiele 

in  Bayreuth  372. 


Inhaltsveraeichnia. 


39 


Rei chert,  A.,  60  Jahre  Sinfonie-Konzerte 

(Kgl.  Kapelle  Dresden  1858—1908)  151. 
♦Reimann,  H.,  Aus  H.  v.  Bulow's  Lehrzeit 

182. 
♦Richardson,     A.     M.f     Modern     organ- 
accompaniment  53. 
Richter,     E.     F.,      Traite     d'harmonie 

theorique     et     pratique.       Trad,    par 

Ex.-prof.  G.  Sandre  211. 
f  Riemann,   H.,   Lehrbuch  d.   einfachen, 

doppelten     u.     imitierenden     Kontra- 

punkts.1  2.  ganzl/durchg.  u.  erw.  Aufl. 

54. 
♦Riemann,  H.,  Musiklexikon.     7.  ganzl. 

umgearb.  Aufl.  55. 
Riemann-Festschrift.  Gesammelte  Stu- 

dien.     H.  Riemann  z.  60.  Geburtstage 

iiberreicht    v.    Freunden    u.    Schulern 

372. 
v.  Riesemann,  O.,  Die  Notationen  des 

altrussischen  Kirchengesanges  372. 
*Rutz,  O.,  Neue  Entdeckungen  von  der 

menschlichen  Stimme  151. 
Rychnowsky,  E.v  Jos.  Haydn  324. 
Sachs,    C,    Musikgeschichte    der    Stadt 

Berlin  bis  zum  Jahre  1800  55. 
Scheide  mantel,    K.,     Stimmbildung. 

2.  durchg.  Aufl.  55. 
Scheurleer,  D.  F.,  Het  Muziekleven  in 

Nederland  324. 
Schilling,  A.,  Aus  R.  Wagner's  Jugend- 

zeit  211. 
♦Schjelderup,  G.,  u.  W.  Niemann,  Edvard 

Grieg  (26)  284. 
Schindler,  A.,  Beethoven.    Neudruck  v. 

Kalischer  324. 
Schmidt,  H.,  und  U.  Hartmann.  Rich. 

Wagner  in  Bayreuth  372. 
Schmidt,   L.,   Meister  der  Tonkunst  im 

19.  Jahrh.  121. 
Schmitz,  E.,  Rich.  Wagner  372. 
Schneider,  L.,  Das  franzosische  Volksiied 

55. 
♦Schnerich,   A.,   Messe   u.    Requiem   scit 

Haydn  u.  Mozart  (55)  121. 
Schoenemann,  A.,  Atlas  of  the  human 

auditory  apparatus  26. 
Schottky,    J.    M.,    Paganini's   Leben   u. 

Treiben  als  Kiinstier  u.  ais  Mensch  324, 

372. 
Schrader,  B.,  Berlioz  121. 
Schropp,  H.,  Deutsche  Musik  —  deutsche 

Rasse  285 
Schubert-Kalender  f.  1909  90. 
Schwerin,    Josephine,     Graf  in,    Erinne-  I 

rungen  an  A.  Reiscnauer  121.  | 

Semester,   100,  d.   akad.    Gesangvereins  j 

in  Wien  1858—1908.  "Red.  v.  Dr.   R. 

Gerber  55.  ! 

Seydel,  M.,  Grundfragen  der  Stimmkunde  i 

324.  I 


Siebeck,  H.,  Grundfragen  z.  Psychologie 

u.   Asthetik  d.  Tonkunst  285,  324. 
Siebert,  W.,  Heinr.  Heine's  Beziehungen 

zu  E.  Th.  A.  Hoffmann  90. 
Specht,  R.,  Joh.  StrauB  285. 
Spiro,  Ft.,   Schubert,  Messen  in  As  dur 

u.  Es  dur  (Konzertfuhrer)  55. 
Spranger,  E.,   Beethoven  u.  die  Musik 

als  Weltanschauungsausdruck  285,  324. 
♦Staley,  V.,  The  liturgical  year  26. 
♦Stanford,  Sir  Ch.  Studies  and  Memories 

251. 
♦Starke,     H.,    Physikalische    Musiklehre 
121. 
Stauber,  P.,  Vom  Kriegsschauplatze  der 

Wiener    Hofoper.      Das    wahre    Erbe 

Mahler's  153. 
Stefan,  P.,  Gust.  Mahler's  Erbe  90. 
Storck,  K.,  Mozart  55. 
StrauB,    R.,    Le    traite    d'orchestration 

d'Hector   Berlioz.     Commentaires   . .  . 

traduits  par  E.  Closson  285. 
♦Streatfeild,  R.  A.,  The  Opera  153. 
♦Succo,  R.,  Rhythmischer  Choral,  Altar- 

weisen  u.  griech.  Rhythmen  in  ihrem 

Wesen  dargestellt  durch  eine  Rhythmik 

d.  einstimmigen   Gesanges  auf  Grund 

der  Akzente  26,  55. 
Tetzel,  E.,  unter  Beratung  v.  X.  Schar- 

wenka,    Das    Problem    der    modernen 

Klaviertechnik  372. 
Thomas-San-Galli,  W.   A.,  Musik  und 

Kultur  122.      . 
Thomas-San-Galli,  W.  A.,  Die  unsterb- 

liche     Geliebte     Beethoven's     Amalie 

Sebald  324. 
♦Thrane,    C,    Fra    Hofviolonernes    Tid 
252. 
Tomicich,  H.,  Fiihrer  durch  Smareglia's 

Istrianische  Hochzeit  57. 
♦Tschudi,  CI.,  Ludwig  II.,  King  of  Bavaria 

153. 
Vallas,  L.,  La  musique  a  Lyon.    Tome  I. 

La  musique  a  1'Academie  154. 
Verzeichnis    der     i.     Jahre     1907     er- 

schienenenMusikalien  usw.  (Hof  meister) 

(56.    Jahrg.    od.    2.    Reihe,    4.    Jahrg. 

2  Hefte)  90. 
Verzeichnis    der    i.    Jahre    1908  erscli. 

Musikalien  usw.  (Hof meister)  (57.  Jahrg. 

od.  9.   Reihe,  5.   Jahrg.)  285. 
Victoria,  Queen,  Letters,  1837—1861  27. 
Voigt,  A.,  Exkursionsbuch  zum  Studium 

der  Vogelstimmen  372. 
Volkmanij,    L.,    Zur    Neugestaltung    d. 

UrheberHchutzes    gegeniil)er    mechani- 

schen  Musikinstrumenten  211. 
*Waghalter,     H.,     Instrumentationslehre 

(polnisoh)  57. 
Wagner,  R.,  Illustrierte  Blatter  f.  Wagncr- 

sche  Musik,  Kunst  u.  Litcratur  57. 


40 


InhalteverzaiohniB. 


♦Wagner,  R.,  Oeuvres  en  Prose.     T.  II. 

Traduites    par    J.-G.    Prod'homme    et 

Dr.  F.  Holl  154. 

♦Wagner,  R.,  An  seine  Kiinstler.    Herausg. 

v.  E.  KloB  182. 

R.  Wagner-  Jahrbuch,   Bd.  Ill   (1908). 

Herausg.   v.   L.   Frankenstein   122. 
Wallaschek,  R.,  Geschichte  der  Wiener 

Hofoper  57. 
v.Weber,    C.    M.,    Samtliche    Schriften. 

Krit.  Ausgabe  v.  G.  Kaiser  57. 
Weber,  K„  Wie  wird  man  musikalisch?  27. 
♦Weber,  W.,  Beethoven's  Missa  solemnis. 

Neue  erw.  Ausgabe  57. 
Weinmann,  K..  Karl  Proske,  Der  Restau- 

rator  der  klass.  Kirchenmusik  122. 
♦Wetzger,  P.,  Die  Flote  372. 
Weweler,  A.  Ave  Maria.    Das  Wesen  der 


Tonkunst  u.  die  modernen  Bestrebun 

gen  372. 
Wolf,  H.,  Verzeichnis  seiner  Werke.    Mil 

einer  Einfiihrung  v.  P.  Muller  58. 
Wolff,      Ernst,       Felix      Mendelssohn 

Bartholdy.    2.  verm.  Aufl.  211. 
♦Wolff,  Eugen,  Mignon.  Ein  Beitrag  zur  Ge 

schichte  des  Wilhelm  Meister  (324)  372 
Wust,  W.,  s.  Heeger. 
Zampa,  G.,  Violini  antichi  182. 
♦Zauberflote,     Die,     in     der     Weimarei 

Fassung  der   Goethe-Zeit.      Mit  einei 

Einleitung  von  Dr.  H.  Loewenfeld  183 
Zeitschriftenschau,      Musikalische      s. 

Internationale  Musikgesellschaft. 
Ziehn,    B.,   Harmonic-   u.    Modulations' 

lehre  324. 
♦Zschorlich ,  P. ,  Was  ist  moderne  Musik?  58, 


l 


Angezeigte  Mnsikalien. 

(Die  mit  *  bezeichneten  sind  besprorhen.) 


♦Bauerle,    H.,    Kyrialc   sive    Ordinarium 

Missae,  eine  Hilfsausgabc  in  moderner 

Choralnotation  285. 
Bossi,  M.  E.,  Raccolta  di  composizioni  di 

antichi    autori    italiani     adattate    per 

l'organo  moderno  184. 
Denkmaler  deutscher  Tonkunst.  28.  Bd. 

G.  Ph..  Tele  m an n,  Der  Tag  des  Ge- 

richts,  Ino.  herausg.   v.  M.   Schneider 

184. 
Denkmaler  deutscher  Tonkunst.  24. Bd. 

Newe  deutsche  geistl.  Gesenge  f.  d. 

gemeinen  Schulen,  herausg.  v.  J.  Wolf 

184. 
♦Denkmaler  deutscher  Tonkunst.  31.  Bd. 

Ph.  Dulichius,   Prima  pars   centuriae 

octonum  et  septenum  vocum,  herausg. 

v.  R.   Schwartz  373. 
♦Denkmaler  der  Tonkunst  in  Bayern, 

Jahrg.    VTII2:    Sinfonien   der   pfalz- 

bayrischen  Schule  (Mannheimer  Sin- 

foniker)  II2.  herausg.   v.   H.   Ricmann 

286. 
Denkmaler  der  Tonkunst  in  Osterreich, 

Jahrg.     XVI2:     H.     Isaac,     Choralis 

(k)nstantinus  II,  samt  Nachtrag  zu  d. 

welt  lichen    Liedern,    bearb.    v.    A.    v. 

Webern.     Der  Nachtrag  bearb.   v.   J. 

Wolf  286. 
Denkmaler  der  Tonkunst  in  Osterreich. 

Jahrg.  XVT2:  F.  G.  Albrechtsberger, 

Instrumentalwerkc^bearb.  'v.*0.  •  Kapp 

285. 
Hausmusik  aus  alter  Zeit.     Intime  Ge- 

siinge  mit    Instrumentalbegleitung  aus 


d.  14.  b.  15.  Jahrh.  Herausg.  v.  H. 
Riemann.  III.  Heft  184. 
Madrigale,  Ausgewahltc  Mehrst.  Gesange 
beruh  rater  Meister  d.  16.  u.  17.  Jahrh. 
in  Part,  gebracht  v.  W.  Barclay  Squire 
184. 
Meisterwerke  deutscher  Tonkunst.  Mehr- 
stimm.  Lieder  alter  deutscher  Meister. 
Heft  2—5.  Bearb.  von  H.  Leichtentritt 
184.  —  A.  Poglietti,  Arie  mit  Varia- 
tionen,  bearb.  von  Br.  Hinze-Rcinhold 
184. 

♦Mozart  als  achtjahriger  Komponist.  Ein 
Notenbuch  Wolfgang's.  Herausg.  v. 
G.  Schunemann  181. 

♦Musikgesellschaft,  Internationale.  J. 
Schobert:  Andante  a.  d.  Klaviersonatc 
Op.  17  Nr.  2  und  W.  A.  Mozart:  An- 
dante  a.  d.  Klavierkonzert  Nr.  2  (K 
V.  39)  in  Gegenuberstellung  122. 
Obrecht,  J.,  Werken.  Uitgeven  door 
Prof.  Dr.  J.  Wolf.  Erste  Af levering  184. 

♦Perlen,  alte,  in  neuer  Fassung.  Eine 
Sam m lung  v.  Instrumentalsatzen  be- 
ruhmter Komponisten  des  15.  bis 
18.  Jahrh.  f.  Violine  u.  Klavicr  bearb. 
v.  H.  Schroder  183. 

♦Scarlatti,  A.,  Harpsichord  and  Organ 
Music.  Edited* by  J.  S.  Shedlock. 
Part,  t  122. 

♦StrauB,  R.,  Don  Juan.  Macbeth.  Tod 
u.  Verklarung.  Till  Eulenspiegels 
lustige  Streiche.  Also  sprach  Zara- 
thustra.  Don  Quixote.  (Eulenburgs 
Part.-Ausg.)  122. 


Inhaltsverzcichnis. 


41 


Refereuteii  der  „Kritischen  Bttclierschau"  der  Zeitschrift, 


Anonym  (Chamberlain)  51,  (Gohler)  52, 
(Hesse)  53,  (Kienzl)  53,  (Klauwell)  53, 
(Riemann)  55,  (Barmer  Konservaturium) 
119,  (Mozart- Verein)  150,  (La  Mara)  180, 
(Mitteilungen  d.  Mozartgemeinde  27)  250, 
(Niemann)  371. 

Bchrcnd,  W.  (Thrane)  252. 

Chybinski,  A.  (Waghalter)  57,  (Jachi- 
mecki)  180,  (Dobrzynski)  283. 

Dauriac,  L.  (Lalo)  24. 

Ecorcheville,  J.  (Valla*)  154,  (Wagner)  154. 

Einstein,  A.  (Erichs)  207. 

Gaisser,  U.  (Succo)  26,  55. 

Haas,  K,  (Calmus)  368. 

Hammer,  H.  (Ergo)  247. 

Heufl,  A.  (Weber)  57,  (Zschorlich)  58, 
(Bach- Jahrbuch  1907)  118,  (Btthnen- 
Spielplan  1907/08)  179,  (Mozart- Sch tine- 
mann)  181,  (Reimann)  182,  (Zauberflote) 
183,  (Chop)  244,  (Musikbuch  aus  Oster- 
reich  1909)  251,  (Jahrbuch  d.  Zeit-  u. 
Kunstgeschichte  1908)  370,  (Wolff)  373. 

His,   M.    (Mendelssohn-Klingemann)   209. 

v.  Hornbostel,  E.  (Bohn)  367,  (Irgang)  369, 
(Iring)  369,  (Wetzger)  372,  (Altenburg) 
372. 

Jachimecki,  Z.  (Chybinski)  245. 

Jerichau,  Th.  (Francesco)  62. 

Istel,  E.  (Kapp)  180,  (Wagner)  182,  (Louis) 
250. 


Justus  (v.  d.  Pfordten)  371. 

Kaiser,  G.  (Heuler)  283. 

Maclean,  Ch.  (Archer  and  Barker,  Aria, 
Baughan)  21,  (Beringer,  Bona,  Brown, 
Clark,  Dasent)  22,  (Ellis,  Garcia)  23, 
(Green,  Guerber)  24,  (Mistral,  Staley)  26, 
(Richardson)  53,  (Masson)  150,  (Streat- 
feild,  Tschudi)  153,  (Neumann)  210, 
(Diehl,  Dunstan)  245,  (Stanford)  251, 
(Hadow)  323. 

Masson,  P.M.  (de  la  Laurencie)  21. 

Obrist,  A.  (La  Mara)  119. 

Riemann,  H.  (De  Lange)  249. 

Riemann,  L.  (Starke)  121,  (Bluthner  i. 
Gretschel)  244. 

Roth,  H.  (Rutz)  151. 

Sachs,  C,  (Niederhcitmann)  284. 

Schiedermair  (Abert)  365. 

Schering,  A.  (Alaleona)  178,  (Grunsky) 
180. 

Seydel,    M.    (Muller  -  Bmnow  -  Armin) 
250. 

Thuren,  H.  (Launis)  208,  (Schjelderup  u. 
Niemann)  284. 

W.,  P.  (Schnerich)  121,  (Nef)  151. 

Wagner,  P.  (Kirehenmus.  Jahrbuch  1909) 
248. 

Werner,  A.  (Diehl)  52. 

Wolf,  J.  (Aubry)  242. 


Referenten  der  ..Besprechung  von  Masikalien4i  der  Zeitschrift. 


Anonym  (S^hobert-Mozart)  122,  (Scarlatti 
122,  (StrauB)  122,  (Alte  Perlen)  183. 

Heufl,  A.  (Sinfonien  d.  pfalzbayrischen 
Schule)  286. 


Leichtentritt,  H.  (Dulichius)  373. 
W.,  P.  (Bauerle)  285. 


Druck  von  Breitkopf  A  Hftrtel  in  Leipzig.