SAMMELBANDE
DER
INTEMATIONALEN MUSIK-
GESELLSCHAET
» V.)
Zehnter Jahrgang 1908-1909
Horausgegeben von
Max Seiffert
LEIPZIG
DRUCK UND VERLAG VON BREITKOPF & HARTEL
INHALT.
Seite
Altmann, Wilh. (Berlin).
Aus Gottfried "Weber's brieflichein Nacblafi 477
Arnheim, Amalie (Berlin).
Ein Beitrag zur Geschichte des einstimmigen weltlichen Kunstliedes
in Frankrcich im 17. Jahrbundert 399
Ghybiriski, Adolf (Krakau).
Zur Gescbichte des Taktscblagens und des Kapellmeisteramts in der
Epocbe der Mensuralmusik 385
Cummings, William H. (London^
Dr. John Blow , 421
De la Laurencie, L. (Paris).
Notes sur la jeunesse d' Andre Campra 159
Engelke, Bernhard (Magdeburg).
Johann Friedrich Fasch, Versuch einer Biographic 263
Flood, W. H. Grattan (Enniscorthy).
The English Chapel Royal under Henry V and Henry VI ... . 563
Gregor, Josef ;Wien).
Die deutsche Romantik aus den Beziehungen von Musik unci Dich-
tung. W. H. Wackenroder 505
Hirschberg, Leopold (Berlin).
Der Tondichter Adolf Bernhard Marx 1 •
Hirzel, Bruno (Mtinchen).
Dienstinstruktion und Personalstatus der Hofkapelle Ferdinands I.
aus dem Jahre 1527 151
Kamienski, Lucian (Charlottenburg).
Mannheim und Italien 307
Leichtentritt, Hugo (Berlin:.
Zur Verzierungslehre (Besprechung der Biicher H. Goldschmidt's
und Ad. Beyschlag's) .613
Ludwig, Friedrich (Strafiburg i. E.). \
Besprechung von Joh. Wolf's Ausgabe der Weltlichen Werke
H. Isaak's 320
— IV —
Maclean, Charles (London). 86it*
Sir George Smart, Musician-Diarist 287
Marnold, Jean (Paris).
Les Fondcments naturels de la Musique Greequc antique .... 323
Nagel, Wilibald (Darmstadt).
Das Leben Chriatoph Graupner's 568
Zu Nikolaus Erich 634
Nef, Karl (Basel).
Die Stadtpfeiferei und die Instrumentalmusiker in Basel (1385 — 1814) 395
Die Musik in Basel. Von den Anfangen ira 9. bis zur Mitte des
19. Jahrhunderts o32
Preibisch, Walter (Halle a. 8.).
Quellenstudien zu Mozart's »Eutfuhrung aus dem Serail* .... 430
Riemann, Hugo (Leipzig).
Kleine Studien zu Joh. "Wolfs neuem Isaak-Band 115
Sachs, Curt (Berlin).
Die Hofmusik der Ftirsten Solms-Braunfels 284
Scheurleer, D. F. (Den Haag).
Jean Marie Leclair L'aine in Holland 259
Schtinemaun, Georg (Berlin).
Zur Frage des Taktschlagens und der Textbehandlung in der Men-
suralmusik ; . . 73
Seiffert, Max (Berlin).
Besprechung von Curt Sachs' »Musikgeschichte der Stadt Berlin
bis zum Jahre 1800« .' . 317
Waschke, H. (Zerbst).
Eine noch unbekannte Komposition J. S. Bach's 633
"Wolf, Johannes (Berlin).
Bemerkungen zu Hugo Riemann's Isaak-Studien 147
+ ♦»
Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Von
Leopold Hirschberg.
(Berlin.)
So glanzend and zahlreich die Namen der Dichter und bildenden Kiinst-
ler sind, die gleichzeitig strong wissenschaftlich tatig waren, so gering ist
die Zahl derer, die in der Musik als Schriftsteller und zugleich als schaffende
KUnstler Bedeutsames geleistet haben. Lessing's sprachwissenschaftliche and
kunstkritische, Goethe's naturwissenschaftliche, Schiller's historische Werke —
and noch viel Beispiele waren anzufuhren — schlossen dichterische, in hftchster
Begeisterang empfangene und geschaffene Werke nicht aus ; Lionardo da Vinci
malte die Mona Lisa and das Abendmahl und schrieb den Traktat iiber die
Malerei — : als leuchtende Vertreter der Vereinigung von Schriftstellerei and
masikalischer Schopferkraft aber werden immer nor Robert Schumann and
Richard Wagner zu gelten haben; Carl Maria v. Weber's, Ludwig Spohr's
u. a. Schriften stehen nicht auf der Hohe ihrer Tondichtangen. Vielmehr
zeigt sich recht haufig die auffallige Tatsache, dafi beide Gebiete einander
fast vollig ausschliefien. Kaum gibt es einen, der phantastischere und glut-
Tollere Gedanken iiber die Meister and Meisterwerke der Tonkanst gehabt
und niedergeschrieben hat, als E. Th. A. Hoffmann; kaum liefie sich eine
feinsinnigere Musikasthetik denken als die, welch e man sich aus den Schriften
der Bettina Arnim zusammenstellen konnte — und wie ungemein fallen
ihre musikalischen Kompositionen gegen ihre Gedanken und Worte ab!
In diese letztere Kategorie hat man nun auch — wenn man es uberhaupt
der Miihe wert gehalten hat, ein paar Worte dariiber zu verlautbaren — den
Mann gestellt, dessen Beethoven- and Gluck-Werk noch heate anerreicht da-
steht — Adolph Bernhard Marx. Seine Bedeutung als Schriftsteller wird
nicht einmal von dem hamischsten Verkleinerer seiner kompositorischen Tatig-
keit, Robert Eitner1), angetastet; fur Marx' Leistungen als schaffender Kiinst-
ler ist bis heute die von dem treff lichen Ledebur2) getane AuCerung giiltig
gewesen, daC er es darin ebenso wenig wie die andern Theoretiker Berlins zu
groEerem Erfolge hat bringen konnen. Mendel3) und Fetis4) geben nur einen
Auszug aus Ledebur's Abhandlung. Wenn aber K. Storck5) in einem
Werke, das moderne Gesichtspunkte verfolgen will, in zwei Zeilen nur er-
wahnt, dafi Marx mit den Oratorien > Johannes der Taufer« und > Moses*
1) Allgemeine Deuteche Biographie, Bd. 20, p. 533—539,
2) Tonkunatler-Lexikon Berlins. Berlin 1861, p. 351—353.
3) Musikal. Konvers.-Lexik., 1877, Bd. 7, p. 94/95.
4) Biogr. univ. des musiciens. Paris 1864, Bd. 6, p. 13.
5) Geschichte der Musik 1904, p. 714.
8. d. DIG. X.
2 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
in der Reihe von Bruch and Re in thaler stent, so beweist das nur, daft die
Basis dieses apodiktiscben Orakelspruches eine sehr scbwankende ist, und dafi
Storck die beiden Werke iiberhaupt niemals geseben, gescbweige studiert hat;
beim » Johannes « war dies schon deshalb nicht moglich, weil er nur hand-
schriftlich im Besitz von Marx' Witwe Therese existiert; hatte er aber das
andere — gedruckte — Werk auch nur angesehen, so wiirde er wenigstens
den Titel richtig >Mose« geschrieben haben. So macht man >Musikgeschichte«.
Eine Ftille yon Gehassigkeit und absichtlicher Unwahrheit, verbunden mit
totaler Unkenntnis der Marx'schen Tonschopfungen (er selbst erklart, nur den
>Mose< und die Sonate Op. 16 zu kennen), zeigt sich aber in Robert Eit-
ner's Ausfuhrungen, aus denen ich nur folgende Stellen hervorheben will:
»Die Natur, die ihn mit scharfem Verstande ausstattete, hatte ihm die Fan-
tasie verwehrt. « — » Er war urteilslos seinen eigenen Kompositionen gegeniiber.
Um der unsaglichen Muhe willen, die sie ihm gemacht hatten, betrachtete er sie
mit einer wahren Affenliebe. Einen Tadel gegen seine Kompositionen konnte er
nicht ertragen. «
Nach diesen vollig unparlamentarischen Ausdriicken beriihrt Ed. B ems-
dor fa1) Aufierung wohltuend: »Als Komponist ist Marx eigentliches schopfe-
risches Talent nicht zuzusprechen ; doch interessirt er zuweilen durch geist-
reiche Intention.*
Stellen wir nun diesen oberfTachlichen, durch Kenntnis ungetriibten Urteilen
andere gegeniiber, die sich teils auf eingehendes Studium der Werke, teils
auf liebevolles und verstandiges Eingehen in die besonderen Eigentumlich-
keiten des Tondichters griinden. In einem mit E. K. unterzeichneten Artikel
des Jahres 1845 2) ist zu lesen:
»Wir finden es im allgemeinen beachtenswerth, wenn der Theoretiker sich auch
im Praktischen versucht, und glauben, daB gerade Marx, der auch die Theorie mit
kunstlerischem Blick auffaBt, unter vielen Theoretikern am meisten zur Komposition
berufen ist.<
Aus dem Jahre 1846 s) stammen folgende beide bemerkenswerte Aufierungen:
♦ Marx hat seit einigen Jahren (es sind 20, Anm. d. Verf.) angefangen, sich
auf dem Gebiete der schaffenden Musik mit einem Gewichte, einer Tiichtigkeit.
Kraft und Vielseitigkeit geltend zu machen, wie das wohl nur in auBerst seltenen
Fallen bei eminenten Autoritaten im theoretischen Fache vorgekommen sein mag.< —
»Noch ein halb Dutzend solcher Gaben, wie diese hier4), und es wird den Saddu-
caern, die ihn nur als grundgelehrten Theoretiker und Reflexionskomponisten gelten
lassen wollen, der Mund gestopft sein. «
Am bedeutsamsten in dieser Hinsicht aber erscheint ein anonymer Artikel
yon 1844 6), aus Berlin eingesandt, den ich — mit Auslassung von Spezial-
besprechungen einzelner Werke, die erst spater ihren Platz finden werden
— hier in toio einzuriicken mich verpflichtet fiihle. Er ist iiberschrieben
»A. B. Marx als Komponist* und lautet, nachdem die Einleitung liber Genie
und Talent einer- und die durch Studium erlangte kunstlerische Durchbildung
andrerseits im allgemeinen sich ausgelassen hat, folgendermaBen:
1) Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Dresden 1857, Bd. II, p. 906.
2) Neue Zeitechr. f. Musik, Bd. 23, Nr. 8.
3) Allg. Musikal. Zeitung 1846, Nr. 22 und 49.
4) » In der Friihe «, Op. 20. S. spater.
5) Neue Zeitschr. f. Musik, Bd. 20, Nr. 27, 28.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Berohard Marx. 3
» Doch es steht noch nicht so schlecht um die Musik und namentlich urn die
deutsche Musik unserer Zeit, daB es nicht auch Manner gabe, deren Werke in Be-
geisterung empfangen und in echt kiinstlerischer Vollendung geboren worden sind.
Wir zahlen zu diesen Mannern einen, dessen Verdienste um die Wissenschaft ge-
nugsam anerkannt, dessen Kompositionen sich aber bis jetzt einen zu kleinen Kreis
von Verehrern erworben ha ben. Es ist A. B. Marx. Schreiber dieses kennt von
seinen Kompositionen das Oratorium Mose1), drei Gesange fiir Mannerchor2),
endlich Nahid und Omar8). Er findet in diesen Werken eine so wahre und
scharf gezeichnete Charakteristik, daB dem sinnigen Zuhorer mit den Tonen
zugleich das wirkliche Bild des durch die Musik Ausgesprochenen klar vor die Seele
tritt. Er findet in denselben ferner eine so vollendete musikalische Durch-
bildung, daB kein Gedanke auf tritt, der sich nicht fertig und in groBartiger Fiille
aussprache. Die musikalischen Formen sind mit Kuhnheit gehandhabt, nicht in
angstlicher Weise am Herkommlichen festhaltend, nicht in sklavischer, geistloser
Nachahmung sich schwachlich an das Bestehende anklammernd; aber ebensowenig
in thorichtem, knabenhaftem Muthwiilen zertriimmernd, um ein Nichte an die S telle
des Vorhandenen zu setzen. Marx fuBt in seiner Wissenschaft und Kunst auf dem
festen Boden der Vergangenheit. Die Geschichte und die unsterblichen
Werke unserer Heroen sind seine Lehrmeister. Aber er hat ihre Offenbarung
nicht in der Weise aufgefaBt, daB sie uns eine pedantische Norm und jedem leben-
digen Fortschritt ein Hemmschuh sein soil, sondern er hat sie in sich verarbeitet,
sich geistig zu eigen gemacht. In diesem fruchtbaren Boden wurzelnd, von seinen
nahrenden Saften bis in das innerste Mark durchfruchtet und in dem herrlichen
Sonnenschein einer frischen, jugendlichen Phantasie, eines tiefen, gesunden Gefiihls
konnten Friichte reifen, wie wir sie jetzt in seinen Kompositionen vor uns sehen.
»Es ist meine Absicht gewesen, meine Meinung klar und offen darzulegen.
Sie ist "die Frucht einer genauen Kenntniss und vorurtheilsfreien Priifung der ge-
nannten Werke und weder durch eine dilettantische Vorliebe fiir dieselben, noch
unter dem EinfluB personlicher oder anderweitiger Rueksichten entstanden. Ob sie
die richtige ist, das mogen die, denen wirklich das lebendige Gedeihen und Vor-
wartsschreiten der Kunst am Herzen liegt, das mag die machtige Stimme der
kommenden Zeit entscheiden. Mir scheinen die Marx'schen Werke das schlagende
Zeugniss abzulegen, daB sein letzter und hochster Beruf die Komposition
ist. Wie er selbst dariiber denkt, wciB ich nicht; ich kann jedoch nicht umhin,
hier den heiBen Wunsch auszusprechen, daB er, selbst mit Hintansetzung seiner
wissenschaftlichen Thatigkeit, sich vorzugsweise dem schopferischen Drange hin-
geben moge.
» Es reiht sich der Wunsch an, daB seine Werke, mehr als es bisher geschehen,
dem Publikum in offentlichen Auffiihrungen vorgefiihrt wiirden. — Ich schlieBe
mit dem Wunsche, daB musikalische Blatter die neu erscheinenden Kompositionen
von Marx sorgfaltig prufen und ausfuhrlich besprechen mogen. Die hier aufgestellten
Ansichten sollen keineswegs die Kritik gewinnen. Wer anders denkt, der erklare
sich dariiber. Aus dem offenen Kampfe der Meinungen geht die Wahrheit siegreich
hervor; sie soil aber nicht durch boswilliges Geschwatz und klein-
■ tadtische Klatschereien getriibt und entstellt werden. *
Wir unterlassen es vorlaufig, derartig widersprechende Urteile, wie wir
sie jetzt gelesen haben, auf ihren Wert hin zu priifen, und wollen nun noch
Marx' eigene AuBerungen iiber seine Kompositionen zusammenstellen, um zu
ermitteln, woraus sich Eitner eine »Affenliebe« konstruiert hat. Aus des
Autors eignem Munde hat er ein solch lacherliches Selbstlob, wie er es seinen
Lesern aufnotigen will, sicherlich nicht gehort; seine Weisheit muB also aus
1) Op. 10, s. spater. 2) Op. 6, s. spater. 3) Op. 9, s. spater.
1*
4 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Marx7 Schriften stammeD, nnd wir wollen zu seiner Ehre annehmen, dafi er
sie mit gleicher Gewissenhaffcigkeit daraufhin geprtift hat, wie es der Sckreifeer
dieses von sich sagen darf. In seinen theoretischen Hauptwerken, der >Lehre
von der musikalischen Kompositionc *), der »Allgemeinen Musiklehre« *), der
>Alten Musiklehre im Streit mit unserer Zeit« 8), der »Chorschule«4), der
»Gesanglehre«5) redet er, wenn er auf Komponieren nnd Komponisten zu
sprechen kommt, niemals von sich selbst; in den trefflichen Werken »T7ber
Malerei in der Tonkunst* 6), »Das Ideal und die Gegenwart* *) and der
» Organisation des Musikwesens* 8) werden nur allgemeine Gesichtspunkte in
grofizugigster, geistreichster Weise erortert. So bleiben nns nor noch »Die
Musik des neunzehnten Jahrhunderts und ihre Pflege. Methode der Musik« •)
und die »Erinnerungen« 10). Im ersteren Werke kommt fur uns lediglkh
folgende Stelle (p. 191), wo Marx von dem »Oratorium der Zukunft« spricht
und dabei seines »Mose< gedenkt, in Betracht:
>Ich selber habe die Last dieses Zweifels neben manchem begliickenden Erfolg
on jenem Werk erfahren mussen.«
Grdfier ist die Ausbeute naturgemafi in den »Erinnerungen«. Ich zitiere
folgende Stellen daraus:
Bd. 1, p. 9,10: »Spater erst, damals noch ganz unvorhergesehen, zeigte sich der
groBe Einflufi, den die vertraute Bekanntschaft mit der Bibel auf mich als Kom-
ponisten und Schriftsteller aufiern sollte.«
Bd. 1, p. 62: »Der Gedanke, den Lebensbedarf, — und schon hatte die Ver-
armung meiner El tern den Blick des jungen Auges nach dieser Richtung hingezwangt,
— durch Komposition zu gewinnen, erschien mir als Entwiirdigung der heiligen
Kunst, etwa als sollte ein frommer Christ im Abendmahl leibliche Nahrung erblicken «.
Bd. 2, p. 219 f.: »Die Laufbahn des Komponisten, — sie mufite aufgegeben
werden. Die Pflicht fiir die Meinen forderte das gebieterisch. Ich muBte mich
unterwerfen. Zwar ward noch viel komponirt, manches auch herausgegeben, aber
den groBen Unternehmungen, den Oratorien und Opern muBte entsagt werden.
Zum Gliick ist nur Wenigen auferlegt, zu erfassen, was dies heimliche Morden in
eigner Brust bedeutet. Zwar — es blieb noch ein Weg offen. Ich konnte mich
zu Zugestandnissen gegen die Fassungskraft der Ausfuhrenden und der Zeitgenossen,
wie sie besonders seit 1848 geworden war, herbeilassen. Allein dies war kein Weg
fiir mich. Ihn zu gehen ware leicht gewesen, aber ihn zu betreten mufite meiner
Sinnesart und der strengen heiligen Pflicht der Wahrhaftigkeit, die mir stets als
unverbruchliches Gesetz des Kunstlers gegolten, schlechthin unmoglich sein.
Nein! Die Wahl von den idealen Gebilden, die mich umschwebt und noch heute
nichts von ihrem Glanze verloren haben, zuriickzutreten, oder sie zu umliigen und
treulos zu falschen, diese Wahl war fiir mich keine. So war damals mein
Sinn, so ist er bis heute geblieben und wird sich in mir nimmer andern.*11)
Auf speziellere Aufierungen des Tondichters zu einzelnen seiner Werke
werden wir bei der Besprechung dieser stoflen; die hier angefuhrten, welche
allgemeinerer Natur sind, lassen wohl ein hohes BewuBtsein von den idealen
Pflichten eines Komponisten erkennen, aber keine torichte Selbstbespiegelung.
1) Leipzig 1837 — 1847 und zahlreiche Neu-Auflagen, 4 Bde.
2) Leipzig 1839. 3) Leipzig 1841. 4) Leipzig 1860.
5) »Die Kunst des Gesanges, theoretisch-praktisch.« Berlin 1826.
6) Berlin 1828. 7) Jena 1867. 8) Berlin 1848. 9) Leipzig 1855.
10; 2 Bande, Berlin 1865.
11) Es ist, als ob Richard Wagner hier sprache!
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Berahard Marx. 5
Wir werden deshalb jetzt die Werke selbst einer objektiven Beurteilung zu
unterwerfen und zu untersuchen haben, was von ihnen »lebensfahig« ist oder
nicht.
I. Im Druck erschienene Kompositienen.
Samtliche im Druck erschienenen Marx'schen Kompositionen zuaammen-
zubringen, war, trotzdem ihre Zahl nicht groB ist, eine recht miihsame Arbeit.
Dabei ergab sich, daB Op. 27 die letzte Publikation des Tondichters war,
daB aber in der Reihe der Opuszahlen die Nummern 1, 3, 6, 7, 8, 9, 10
fehlten. Es ist mir gelungen, die Lucken durch gedruckte ohne Opuszabl
erschienene Werke insofern auszufullen, als die Zeit ihres Erscheinens genau
festgestellt werden konnte. Nur ein als Op. 8 einzureihendes gedrucktes
Werk war nicht zu ermitteln.
Bei der nun folgenden bibliographisch genauen Zusammenstellung der
Werke, welche die erste ihrer Art ist, sind die von mir mit Opuszahlen
versehenen durch eine ( ) bezeichnet.
(Op. 1). Drey Chorges&nge, vier- and seohsstimmig mit Piano-
fortebegleitung, componirt und Herrn Hofmaler Wilhelm Hensel nebst
seiner Grattin Fanny Hensel gewidmet. Bei Breitkopf & Hartel in
Leipzig. Pr. 1 Rthlr. 8 gr. (30 Seiten). Qu.-Fol. Erschienen 1830.
Die Opusbestimmung war hier dadurch sehr einfach, daB dieses Werk
in der untern Ecke jeder Platte die Verlagsnummer 5031, das als Op. 2
gleichfalls bei Breitkopf & Hartel gedruckte die Nummer 5051 aufweist.
AuBerdem ist mir durch die Freundlichkeit von Frau Professor Therese Marx,
der ich hier gleich meinen Dank darbringen mochte, die Orchesterpartitur
des ersten der Gesange in der Handschrift des Komponisten mit der Jahres-
zahl 1830 ubermittelt worden; wir kommen darauf noch zurtick.
Nr. 1. Morgengesang der Parsen.
Die Dichtung stammt nach dem Titelblatte der Origin alpartitur von Hein-
rich Stieglitz *), einem intimen Freunde unseres Tonsetzers, und muB
letzterem von dem Dichter handachriftlich mitgeteilt worden sein, was ofters
geschehen ist2). In keinem der in Betracht kommenden, von mir durch-
forschten Werke3) findet sich dasselbe gedruckt; nur folgende Bemerkungen
in den Briefen von Heinrich Stieglitz an seine Braut Charlotte4) waren zu
berucksichtigen :
Th. 2t p. 128. Brief vom 12. Marz 1827: »Ich hatte diesen Morgen eben den
ParsengruB >An die Morgenrothe* gesungen. « — Th. 2, p. 456. Brief vom 9. Juli
1828: »In diesen Tagen sind mir einige kurze energische Chore fiir Marx zur Kom-
poaition — nicht » Orients seit dem Herbste das erste, was ich auBerhalb diesem
gemacht — recht gelungen. «
Geheimnisvoll und leise wogend, wie ferner Harfenklang, beginnt das
Klavier:
1) 1801 — 1849. Bekannt ist der tragische Selbstmord seiner Gattin Charlotte.
2) S. spater.
3) Gedichte zum Besten der Griechen, Leipzig 1823; Bilder des Orients, 4Bande,
Leipzig 1831—1833; Berliner Musenalmanach fiir das Jahr 1830, Berlin 1830.
4) 2 Teile, Leipzig 1859.
6 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Andante.
am SchluB des vierten Taktes steigert sich das leise Harfenspiel zu fremd-
artigen Akkordfolgen :
als wenn das grell erstrahlende Sonnenlicht die Augen der frommen Beter
blendete, urn schnell beruhigend wieder in C-dur einzulenken, worauf dann
mit dem achten Takte die Bafistimmen in milder Abgeklartheit, umzittert
von der Begleitungsfigur des Anfangs, den Gesang anheben:
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Des Morgens fri-scher 0 - dem went, und wek-ket Dtif- te rings urn -her.
die Altstimmen losen die ersten Sanger ab und fiihren das Thema weiter
aus, wobei die Begleitung anschwellend in hohere Tonlagen sich begibt. Leise
fliistern nan noch die hohen Fraaenstiminen :
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Und wek-ket Duf - te rings urn - her!
dann aber vereinen sich alle zu kraftigeren Akzenten, die Begleitung wird
vollstimmiger bis zum Einsatz des Fortissimo beim Sonnenaufgang. Noch
einmal beginnt, nach langen Fermaten, ein feierlich-liebliches Wechselspiel der
▼ier Stimmen:
Sopran — Alt.
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Das Au - ge wen-det sich zum Licht!
Tenor.
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Das Au-ge wen - det sich zum
BaB.
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Wen-det aich zum Licht!
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Man.
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Dae Au - ge wen - det sich zum Licht!
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sich
Licht!
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Licht!
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3
Wen - det
In prachtvollen Harmonien von hochster Starke endet der ungemein wirkungs-
volle Chorge8ang.
Die handschriftliche Partitur tragt auf dem Titelblatt den Yermerk:
» Sein em Freunde Felix Mendelssohn-Bartholdy«; die Widmung an Mendels-
sohn's Schwester and Schwager ist also erst kurz vor dem Drnck erfolgt1).
Das Orchester besteht aus Streichquintett, FlSten, Oboen, Klarinetten, Hornern,
Trombone alto, tenore und basso; letztere erklingen nur wahrend der acht
Schlufitakte.
Nr. 2. Heuer.
Ein lustiger, im Yergleich zum ersten aber nnbedeutender Chor »Frisch
nun, greift das Tagwerk anc, in den Singstimmen gnt gearbeitet, in der
Begleitung etwas diirftig, vielleicht absichtlich als einfaches Erntelied, vom
Volkschor zu singen, anfgefafit. Der Dichter war trotz heiflen BemUhens
nicht zu ermitteln.
Nr. 3. Nach dem Siege von Heinrich v. Kleist.
Die Uberschrift stammt von Marx selbst; die prachtigen Worte stehen
in Kleist's »Penthesileac (Tubingen 1809, p. 99):
Chor der Jungfraun (mit Musik).
Ares entweicht!
Seht wie sein weifies Gespann
Fernhin dampfend zum Orkus niedereilt!
Die Eumeniden offnen, die scheufilichen:
Sie schliefien die Thore wieder hinter ihm zu.
Eine Jungfrau.
Hymen! Wo weibt du?
Ziinde die Fackel an, und leuchte! leuchte!
Hymen! wo weilst du?
Chor.
Ares entweicht! usw.
1) Von dem Verhaltnis beider Tonkiinstler wird noch spater die Rede sein
mussen ; Marx berichtet dariiber ausf uhrlich in den »Erinnerungen< Bd. 1, p. 168f .,
248f.; Bd. 2, 107 ff.
8
Leopold Hrrachberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Man.
An die Vorschrift des unsterblichen Dichters hat sich Marx nicht gehalten ;
nicht von einem Frauen-, sondern einem sechsstimmigen gemischten Chor
(je zwei Soprane und Tenore, Alt und BaB) laBt er die Worte singen. Die
Anordnung ist im allgemeinen so getroffen, daB die Mannerstimmen als erster,
die Frauenstimmen als antwortender zweiter Chor aufzufassen sind. Zwei
gesonderte Themen — dem Sinn der Dichtung entsprechend — in verschiedenen
Ton- and Taktarten gelangen zu trefflichster thematischer Durchftihrung. Das
erste, Allegro brioso, im kriegerischen, schmetternden D-dur, ist folgender-
maBen:
Vq^tlfWlO^Usyj^p
&
Der Mittelsatz, im namlichen ZeitmaB, wird fast nur vom Frauenchor ge-
BttDgen:
$3t
*
-r-1 r iH ^»
-r
Hy - men, Hy - men, wo weilst du?
Erst zehn Takte, bevor das erste Thema wieder einsetzt, treten auch die
Mannerstimmen leise begleitend hinzu, urn zum AUgesang, der bis zum Schlnfi
» Maestoso « anhalt, iiberzuleiten. Es diirfte wohl keinem Zweifel unterliegen,
daB auch dieses Stuck von Marx fur Gesahg und Orchester gedacht und
geeohrieben wurde; das Klavier wird immer nur unvollkommen die Trom-
peten des Anfangs- und SchluB-, sowie die trillernden Floten des Mittel-
satces wiedergeben konnen. Das sehr effektvoUe Werk ist fur das noch nicht
baarbeitete und ziemlich materialarme Thema »Kleist in der Musik< besonders
interessant.
Op. 2. Zwolf Ges&nge fur eine Singstimme mit Begleitung des
Pianoforte in Musik gesetzt und Madame Sophie Cossmann gewidmet.
Bei Breitkopf & Hartel in Leipzig. 2» Werk. 1", 2" Heft. Pr. 12 Gr.
11 + 13 Seiten. Qu.-FoL Erschienen 1830.
Nr. 1. Schlummerlied.
Die Dichtung stammt von Heinrich 8 tie glitz (s. vorher) und ist ein am
Freitag den 28. Dezember 1827 abends an seine Braut geschriebener Brief,
uberschrieben » Schlummerlied an Lottchen« *). TJnter dem Titel > Schlummer-
lied« ist es 1830 gedruckt erschienen2). Fur die innigen Dichterworte hat der
Komponist eine gleich seelenvolle Sprache gefunden. Das Lied ist ganz ein-
fach, strophisch geschrieben, die Begleitung durchweg wiegend und pp :
Sempre pp e legatissimo una corda.
Harmonische Yeranderungen zeigen sich nur* voriibergehend in der Form von
1) Brief e an seine Braut Charlotte. Leipzig 1859, T. 2, p. 290.
2) Berliner Musen-Almanach fur das Jahr 1830, p. 210.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
9
Vorhalten; Melodienfuhrung und StimmuDg erinnern sebr an Ahnliches von
Peter Cornelius.
Nr. 2. Im Sommer.
Goethe's aufjauchzendes Gedicht1) »Wie Feld and Au so blinkend im
Thau!* ist sehr haufig komponiert worden. Marx hat sich nicht auf Kunste-
leien eingelassen, sondern den einfach volkstumlichen Ton sinngemafi wieder-
gegeben. Der Gegensatz der beiden Strophen wird dnrch eine ganz geringe
Anderung der Begleitung erzielt, die wahrend der ersten Halfte der zweiten
Strophe — znm Ansdruck der Depression — eine Oktave tiefer als in der
ersten gesetzt ist.
Nr. 3. Aus: »"Was ihr wollt« von Shakespeare.
Ich stebe nicht an, die Marx'sche Betonung 2) des beruhmten Narrenliedes
als die beste mir bekannte zu erklaren; sie ubertrifffc selbst die schone Kom-
position des Peter Cornelius3). Ohne KUnstelei gibt das herbe G-moll und
die straffe Rhythmik, der Singstimme sowohl wie der Begleitung, den Grimm
and die Verzweiflung des Mannes mit der ScheUenkappe wieder. DieBe
Bigolettostimmung — wenn ich mich so ausdrttcken darf — atmei auch das
Kompositionsfragment Karl Loewe's4). Der Marx'sche Gesang ist durchaus
Bzenisch gedacht; das schnelle Tempo (Agitato) schildert, da£ der Narr un-
luatig ans Werk geht und schnell damit fertig sein will. Im Gegensatz zu
dem lauten:
m
Komm her
stent das leise, gedehnte
P^£
£=
bei, komm her - bei_
Tod
l
W
E
und rer - senk in Cy -
Erschutternd wirkt die wilde Stelle:
pres-sen den Leib.
i
$=&
9-
e£
mich er - schlagt ein hold - se - li - ges Weib.
TJnd nun folgt eine grofiartig empfundene Chromatik in der Oberstimme der
Begleitung — ganz ahnlich wie in Franz Schubert's unvergleichlichem »"Weg-
▼eiser« 5) — ist es doch, als h&tte der Sprecher den geistigen Blick hier
ebenso unverruckt auf das Ende, den Tod, gerichtet, wie der einsame Wan-
derer der »Winterreise«.
1) Goethe's Werke. Ausg. letzter Hand. Stuttgart und Tubingen 1827, Bd. 1,
p. 88.
2) Goethe 'scher Sprachgebrauch ; ein fur allemal in dieser Arbeit an Stelle des
grafilichen »Vertonung«.
3) Duette fur Sopran und Bafl. Op. 16, Nr. 3.
4) Gesamtausgabe, Breitkopf u. Hartel, Bd. 2, p. 76.
5) Die Winterreise, Nr. 20.
10
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Die Ubersetzung des Liedes ist die noch immer unerreichte yon August
Wilhelm Schlegel *).
Nr. 4. Sinesischer Poetenklub.
Das origin ell e Gedicbt ist von Heinricb Stieglitz2).
Ergotzlich gibt die Musik die fade, gelangweilte Stimmung der Teegesell-
schaft wieder; nur flinf Akkorde zeigen sicb in den acbt Takten:
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ei-nen sprechenvom A B C, die an-dern putz-ten die Lich - ter.
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im ubrigen geben Singstimme und Begleitung durcbaus unisono. Die Tempo-
bezeicbnung beifit einfacb »Faul«. In ganz ahnlicher Weise ist Loewe bei
der Komposition der.Goethe'schen Farce >Gutmann und Gutweib*3) vor-
gegangen.
Nr. 5. In der Feme.
Von Heinricb Stieglitz gedicbtet und unter dem Titel >Scbifferlied<
gedruckt4).
Hiibscbe kurze Barkarole fur eine weicbe Baritonstimme. In der Begleitung
ist auBer der interessanten Harmonisierung das viertaktige Nacbspiel be-
merkenswert, welches im ppp wie das tranenerfullte Auge des vom Vater-
land Gescbiedenen anmutet.
Nr. 6. Jagers Hoffen, aus Undinens GruB von L. M. Fouque\
Uber Marx9 Festspiel » Undinens GruB« wird im dritten Teil dieser Ab-
bandlung (bei den ungedruckten Werken) nocb die Rede sein. Das bier vor-
liegende einfacbe Jagerliedcben ist stropbisch komponiert, anmutig, docb obne
besondere Eigentumlichkeiten.
Nr. 7. Auf der Wanderung.
Das nur acbt kurze Zeilen umfassende Gedicbt von H. Stieglitz5) ist
1) Shakespeare's dramatische Werke. Berlin 1797, T. 2, p. 214.
2) Berliner Musen-Almanach 1830, p. 150.
3) Gesamtausgabe. Bd. 11, p. 116.
4) Berliner Musen-Almanach 1830, p. 45.
5) Ebendaselbst, p. 289.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
11
tief empfunden. Bei der Komposition ist besonders die relativ grofle Lange
des Yor- und Nachspiels zu erwahnen : je acht Takte umfassend, bei vier-
zehn Takten Singstimme. Die durchweg imitatorisch gehaltene Klavierfltimme
drtickt sehr treffend die Unermiidlichkeit, zugleich aber auch die Hoffnungs-
losigkeit des Wandernden aus:
Con moto.
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In der ganzen Stimmung und Anlage scheint mir der Gesang viel Ahn-
lichkeit mit Robert Schumann's bertihmtem, 1840 komponierten >Zwielicht«
zu haben1).
Nr. 8. Luther's letzte "Worte (nach einer Sage). Virgil's Aene-
ide: B. 4, V. 653.
Heinrich Stieglitz macht zu seinem kleinen, zweistrophigen Gedichte2)
folgende Bemerkung:
»Es geht eine Sage, die beiden letzten der Virgilischen Verse:
Dukes exuviae, dum fata Deusque sinebant,
Accipite hanc animam, meque his absolvite curie.
Vizi, et quern dederai cursum fortuna, peregi;
Et nunc magna mei sub terras ibit imago
seven Luthers letzte Worte vor seinem Hintritt aus der Welt gewesen. — Obgleich
nichts Authentisches dariiber hat ermittelt werden konnen, ist doch die Sage zu
schon und bedeutungsvoll, als daB sich das Herz erwehren konnte, ihr Glauben bei-
zumessen. «
Die schonen Worte des romischen Dichters lauten in der TJbersetzung von
Johann Heinrich Vofl3):
»Theuere Liebcsgeschenk\ als Gott und Geschick es vergonnte,
Nehmt die ermudete Seel*, und befreit mich solcher Betriibniss!
Ja ich lebt\ und vollbrachte den Lauf, den das Schicksal mir anwies;
Und nun wandelt mein Geist, ein erhabenes Bild, zu den Schatten. «
ZweifeUos ist diese zu den lateinischen Worten gesetzte Komposition (aber-
mals fur Bariton) der bedeutendste der zwolf Gesange ; man darf wohl weiter
ohne XJbertreibung sagen, dafl diese Betonung in die bedeutenden Stttcke
der deutschen Gesangsmusik uberhaupt gehort. Und sie ist vollig vergessen.
1) Liederkreift von Eichendorff, Op. 39, Nr. 10.
2) Berliner Musen-Almanach 1830, p. 281.
3) Des Publius Virgilius Maro Werke, Braunschweig 1799, Bd. 2, p. 257.
12 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Mux.
Die grofie Menge wird sie allerdings ebenso wenig beruhren, wie Franz
Schubert's » Fragment aus dem Aschylus* ; fur Kenner aber gewahrt sie den
gleichen Genufi wie letzteres. Schwer (Andante sostenuto, quasi Adagio) and
vollstimmig setzt das Klavier ein und bleibt bis zum Schlufi durcbweg im
strengsten, vierstimmigen Satze. Der Yergleich mit Bach liegt hier so nahe,
dafi man Marx1 ungeheure Verdienste um die Bach-Forschung 1) und sein
eingehendes Studium des Meisters weiter gar nicht zu erwahnen benotigt ist.
Dafi die Deklamation der schwierigen hexametrischen Form eine meisterhafte
ist, braucht bei einem so hochgebildeten Manne, wie Marx es war, auch nicht
besonders betont zu werden. Sehr interessant ist es nun, die dem Stieglitz-
schen Gedichte beigefugte Koinposition Zelter's mit der Marx'schen zu ver-
gleichen. Der Vergleich fallt sehr zum Nachteil Zelter's aus, wenn er sein
"Werk auch mit >Yespera Lutheri« und »Pathetice* tiberschrieben hat. Schon
die Wahl der Taktart (6/8) bei Zelter beweist, dafi er die Rhythmisierang
des Hexameters sich gar nicht anders als in der hergebrachten Weise denken
konnte (Marx hat 4/4-Takt gewahlt); dazu ist die Begleitung in seiner be-
kannten Manier sehr diirftig. Am abstofiendsten jedocb wirken die der Wurde
eines solchen Gesanges total ins Gesicht schlagenden Koloraturen der Sing-
stimme (5 voile Takte bei im ganzen 27); Marx hat dies selbstverstandlich
vollig vermieden. Es ware dankenswert, wenn dieser Gesang wenigstens
durch einen Neudruck bekannt gemacht wurde.
Nr. 9. Der 15* May.
Goethe's wundervolle Dichtung2) tragt nur die Uberschrift >May«.
Auch diese Betonung ist als gliicklich gelungen zu bezeichnen. Nach
einem Harpeggiando-'V orspiel von 8 Takten (Allegretto con moto, 4/8l F-dur)
in luftigsten Sechszehnteln bildet sich die Begleitung derart, dafi ihre Ober-
stimme konform mit der Singstimme, nur eine Oktave hoher, geht, wahrend
die Unterstimme orgelpunktartig in Sechszehnteln beharrt. Sehr hiibsch ist.
ein zweimaliges, echoahnliches Zwischen spiel; bemerkenswert, dafi die
Modulation auf das geringstmoglichste Mafi beschrankt ist: Takt 1 — 21
durchweg F-dur, Takt 22 und 23 kleine Modulation, Takt 24—34 (Schlufi)
abermals F-dur.
Nr. 10. Aus: Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten,
von Goethe.
Es ist Nr. VII des beruhmten Zyklus 3) ; die Loewe'sche Betonung dea-
selben Gedichtes tragt die Uberschrift »Canzonette«.4)
Die Marx'sche Komposition ist durch besondere Innigkeit gekennzeichnet ;
nach den kr&ftig gesungenen AYorten
Allegretto.
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-t5^-
War scho-ner als der schon -ste Tag
1) Siehe den Schlufi dieser Arbeit.
2) Goethe's Werke. Ausgabe letzter Hand. Stuttgart und Tubingen 1827.
Bd. 3, p. 38.
3) Berliner Musen-Almanach 1830, p. 9.
4) Gesamtausgabe, Bd. 11, p. 64.
Leopold Hirtchberg, Der Tondichter Adoiph Bernhard Marx. 13
deren Begleitung nor aus zwei starken, kurz abgeriasenen Akkorden im
zweiten Takte beateht, beginnt alsbald erne sanfte, rieeelnde Begleitungsngur
einzusetzen :
dolce
die nun bis zum Schlufl der Strophe beharrt and das Heimlich-drangende
der Liebesworte sehr schon zum Ausdruck bringt. Nach kurzer TTnterfarechung
tritt sie wieder, doch verandert, hervor ; die Singstimme steigert sich in fiber
zwei Takte ausgebreiteter Koloratur:
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ganz zu ei - gen
zu hohem Jubel, urn — genau wie in Franz Schubert's »Ungeduld« — in
stiller Seligkeit zu verklingen.
Nr. 11. Bheinweinlied von M. Veit.
Der Dichter dieses Gesanges1) gab mit Heinrich Stieglitz zusammen den
> Berliner Musen-Almanach fur das Jahr 1830« heraus.
Ein strophisches, kurzes und urwuchsiges Studentenlied, nur funf Takte
Gesang im Polonaisentempo (zechenden Burschen angemessen) umfassend; nach
der dritten Strophe des durchweg larmend gesungenen Liedes folgt ein langes,
nicht minder lautes Klaviernachspiel von nicht weniger als 13 Takten. Zur
Aufnahme ins Kommersbuch wohl geeignet.
Nr. 12. Eine Nacht auf Kamtschatka.
Diese Ballade hat abermals Heinrich Stieglitz zum Verfasser2) und ist
der umfangreichste der zwolf Gesange, als Balladenkomposition von nicht
geringer Bedeutung. Marx1 vertraute Freundschaft mit dem Meister der
Gesangsballade, Carl Lo ewe, mit dem er zusammen die Schule und den
musiktheoretischen Unterricht bei Tiirk in Halle besuchte3), konnte nicht
ohne EinfluB auf sein ktinstlerisches Empfinden bleiben. In seiner Zeitschriffc4),
die er sieben Jahre redigierte, hat Marx sehr haufig auf die Bedeutung der
Loewe'Bchen Balladen hingewiesen und in feinsinniger Weise ihre Eigentum-
lichkeit und Originalitat hervorgehoben. Das wichtige Erfassen dessen, was
in Loewe's Meisterwerken neu war und diesen deshalb zum Begrunder der
klassischen Balladenkomposition machte, konnte fur einen Mann wie Marx
keine Schwierigkeiten haben und muBte zugleich, wenn er sich vor eine
ahnliche Aufgabe gestellt sah, sein Schaffen bestimmen. Und so sehen wir
auch'bei dieser Ballade, die eine umfangreiche Bafistimme verlangt, die Ein-
heitlichkeit, die Herausbildung des Ganzen aus einem einzigen Thema aufs
1) Berliner Musenalmanach 1830, p. 144.
2) Ebendaselbst, p. 116 und »Bilder des Orients «, Bd. 4, p. 76 f. Leipzig 1833.
3) Erinnerungen, Bd. 1, p. 17.
4) Berliner Allgemeine Musikalische Zeitung 1824 — 1830.
14 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
beste gewahrt. Die B-moll-Tonart ist zur Schilderung grausender Nachtbilder
ganz besonders geeignet; nimmt man nun noch das fast konstante Unisono
der Begleitung bei dem hartnackig wiederkebrenden Thema:
binzu, ferner die kiibnen Harmonien, die Ubergange nacb Fis- und H-moll,
die sinngemafie Deklamation — so erkennen wir ein "Work, das sicb kluge
Sanger ebenso wenig entgeben lassen diirften, wie Heinricb Marschner's da-
moniscbe »Mondubr« 1).
tJber die Widmungsempfangerin dieses Opus mogen Interessenten das
Nahere in Marx »Erinnerungen«2) nacblesen.
(Op. 3). Evangelisohes Choral- und Orgelbuoh. 235 Chorale mit
Vorspielen zunachst in Bezug auf das neue Berliner Gfesangbuch. Berlin
1832 bei H. Reimer. Seiner Majestat dem Konige von PreuBen Fried-
rich Wilhelm III. seinem allergnadigsten Konig und Herrn in tiefster
Ehrfurcht gewidmet vom Verfasser. Stich und Druck v. M. Westphal.
272 Seiten + 4 Seiten Register. Qu.-Fol. Erschienen 1832.
"Wir wollen zunachst Marx selber sprecben lassen; die "Worte seiner Vor-
rede sind so schon, daB sie noch heute voll und ganz verdienen, ans Tages-
licbt gezogen zu werden:
»Der Antrag, das neue Berliner Gesangbuch mit einem Choral bucbe zu be-
gleiten, das die gefoderten Lieder fiir Gemeine-Chorgesang und Schulubung, nebst
Orgeleinleitungen, enthielte, — traf zu nahe mit der innigsten Neigung und den
wichtigsten Planen zusammen, denen mein Leben gewidmet ist, als daB micb die
Schwierigkeit der Leistung hatte zuriickschrecken konnen. Einer so groBen und
zusammengesetzten Aufgabe gegeniiber scbwindet allerdings das Vermogen des Ein-
zelnen in Unzulanglicbkeit zusammen; er muB sich bescheiden. daB sein Wirken
nur ein Beitrag zu dem Vorhandenen, nur eine Vorarbeit fiir Nachfolger, nimmer-
mehr ein Vollendetes darstellen kann: er muB im Voraus der Genugthuung entsagen,
jedem Anspruche, alien Momenten des weiten Unternehmens gerecht zu werden; im
Voraus muB er darauf gefaBt sein, einzeme Theile seiner Aufgabe seiner besondern
Gemutbs- und Geistesrichtung fremd zu finden, die gleichwohl nach der Bestimmung
des Ganzen unentbehrlich sind. Die Idee, die er von diesem Ganzen gefaBt hat,
die ihm zugewendete Liebe mussen ihn beruhigen und vertreten in alien einzelnen
Punkten, wo es seine Leistung nicht vermag. Der Anspruch, daB sein Werk in
alien Theilen Kunstwerk sei, kann er nicht machen und erfullen; er tritt von dem
Standpunkt des einzelnen Kunstlers in den Dienst der Kirche, in die Reihe derer%
die von Ihrem Geiste zu Tonen erweckt wurden.
♦ Die Lieder, die er bewahren, darstellen. in den Zusammenhang des Gottes-
dienstes einfiihren soil, sind das Werk aller Jahrhunderte der Kirche und das Eigen-
thum aller Mitglieder der Gemeine. Der Einsame fiihlt sich bei ihnen in Gemein-
schaft der Liebe, der Verzagende ermuthigt, der Gebeugte und Verzweifelnde auf*
gerichtet und erhalten; der Verhartete fiihlt sein Herz in Milde schmelzen. Sie
1) Op. 102, Nr. 2.
2) Bd. 1, p. 196.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 15
haben die verfolgten ersten Gemeinen in die Zuflucht der Graber begleitet und da
hinab neue Briider zum wahren Leben gerufen; den Preis der Martyrer haben sie
aos den Flam men verkiindet und in der Hochfeier des Gottesdienstes das dem Wort
Unerreichte ausgesprochen. Und wie sie dort dem Mysterium der alten Kirche ihre
Zunge liehen, so zogen sie hier der Reformation vorauf, gleich predigenden Panieren
geistlicher Ritterschaft, und erhohten im Herzen der Volker die Kraft des Glaubens
und der Liebe. Keine vom Christenthum erweckte oder geweihte Empfindung, keine
Angelegenheit, kein VerhaltniB im christlichen Leben, keine der Kirche wichtige
Zeit, die nioht in den Kirchenliedern gereinigten Wiederklang gefunden hatte. Und
so besitzt die Kirche noch nach vierzehn Jahrhunderten jene Hymnen, die der be-
(Jrangten Gemeine des Ambrosius Ausdauer, und den gesicherten Nachfolgern weihe-
volle Glaubigkeit verliehen. Neben Psalmen Goudimels und der schmerzlich-herben
Klage der bohmischen Briider bewahrt Luther selbst uns Hussens Liedesandenken ;
in altbewahrter Kraft begeistern seine eignen Gesange die evangelischen Gemeinen
in den schwersten Prufungen und Kampfen; die mannlich-strenge Weise, die ihm
nachtonte, ihr gegeniiber die innige Gemuthsversenkung finden verwandte Herzen;
unsre^ neu gekraftigte Zeit bietet neukraftige Gabe. «
Es ist fuglich iiberfltissig, diesem wahrhaft bedeutenden Werke unseres
Komponisten das Wort zu reden. Leider ist es im Handel vollig vergriffen
und kommt aucb antiqnarisch so selten vor, dafi nur die Wenigsten von der
Fiille und Gtite des Gebotenen sich werden iiberzeugen konnen. Hier ist
ein wtirdiges Feld fiir die Verleger von Kirchenmusikwerken; ein
Neudruck dieser ungemein mannigfaltigen 235 Choralvorspiele ware nicht
nur ein dem grofien Musiktheoretiker schuldiges Opfer der Pietat, sondern
ein wahrer dauernder Gewinn fur die Musik beim Gottesdienst. Da Marx,
wie er selbst des weiteren in seiner Vorrede ausfuhrt, wie er es hundertfach
in Schrift und Tat bewiesen hat, durchaus im Geiste Sebastian Bach's zu
schaffen sich miihte, so kann auch von einer Antiquierung der einzelnen Stiicke
nicht im entferntesten die Rede sein. Die Vorspiele selbst sind naturlich
ganz verschieden imUmfang; neben dem sanften nur 16 Takte umfassenden
>Ach bleib bei uns Herr Jesu Christ* stehen lang ausgedehnte, unter denen
besonders die Vorspiele zu »Ach was soil ich Sunder machen«, >Gieb dich
zufrieden und sei stille « und »Erhalt uns Herr bei deinem Wort« durch
Gediegenheit der Arbeit und tiefe Empfindung hervorragen. Ein Schw&tzer
rugt in der »Neuen Zeitschrift fur Musik* J) Vollgepfropftheit mit kontra-
punktischen Kiinsteleien und Mangel an »Einfalt«. Leeres Gewasch! — Als
ob wir bei Bachfs Choralvorspielen die »Einfalt< bewnnderten ! — Voll und
ganz gilt vielmehr das Urteil des Mitarbeiters von Schilling's Universal -Lexikon
der Tonknnst2) noch heute:
♦ Das ernste religiose Stadium, welches hier auf die Herstellung der wahren,
ursprunglich bez week ten, einem tiefen Sinn angemessenen Musik gerichtet worden,
giebt diesem Werke eine hohe Stellung und lafit es als eines der interessantesten
von M. erscheinen. «
Auch die Harmonisierung der Chorale stammt naturlich von Marx selbst, und
sie weist vieles Schone auf.
Als Erganzung dieses Werkes erschien dann noch:
1) Bd. 14, 1841, Nr. 15.
2) Stuttgart 1840. Bd. 4, p. 581 f.
16 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Man.
(Op. 3a.) Melodienbuoh, 235 Choralmelodien nach dem evangelischen
Choral- und Orgelbuch von A. B. Marx, alle im neuen Berliner Gesang-
buch erfoderten Melodien in sich fassend. Zum Gebrauche bei dem
Gottesdienst und hauslicher Andacht. Berlin, bei G. Reimer, 1833.
(71 Seiten). 8°.
Op. 4. Zwei Motetten fur sechsstimmigen Mfinnerchor. Partitnr.
Pr. 1 Rthlr. Berlin, bei T. Trautwein, breite Str. 8. Diese Motetten
sind auch in ausgesetzten Stimmen zum Subscriptionspreise von 27a Sgr.
pro Bogen und jede Stimme in beliebiger Anzahl zu haben. Steindr. v.
Moritz Weigel. 23 Seiten. Qu.-Fol. Erschienen 1834.
Nr. 1. Nach einer Weise des heil. Ambrosius.
Nachdem der Tondichter im > Choral- und Orgelbuch « den Beweis er-
bracht hatte, dafl er in alien Satteln des strengen Satzes gerecht sei, bedarf
es weiter keines Hinweisea, dafi auch diese Komposition alles erfullt, was
man nur von kunstvollster thematischer Arbeit verlangen kann. Daft die
Ausfuhrung eines derartigen A cappella-Gesanges zu den Priifsteinen eines
Chora gehort, wurde bei der Aufitthrung des Werkes im Markischen Gesang-
verein am 6. Juni 1834 besonders hervorgehoben *J :
> Mehr Schwierigkeiten in der Ausfuhrung bot die Motette des Herrn Professor
Dr. Marx dar, welche sechsstimmig, ohne Begleitung gesetzt war und in Hinsicht
der Modulation und Verflechtung der Stimmen eine Nachbildung der alteren, christ-
lichen Kirchengesange zu bezwecken schien. Dafi die Ausfuhrung dieser schweren
Motette dennoch meist gelang, macht den Sangern alle Ehre. Wir wiirden indefi
eine schwache, unterstiitzende Orgel-Begleitung bey so kunstvollen Gesangen sehr
angemessen finden. «
Marx selbst berichtet2):
♦ Die erste meiner sechsstimmigen Motetten war offenbar das schwerste von
alien gewahlten Gesangsstiickcn. Aber der eigensinnigste Komponist hatte keine
sorgfaltigere Vorbereitung und fiir seine Direction keine grofiere Achtsamkeit und
Bereitwilligkeit wunschen konnen. «
Der Ambrosianische Hymnus war lange Zeit das Lieblingsstuck des Ton
Marx begriindeten akademischen Chors.
Nr. 2. Aus dem 6t6n Psalm.
Die streng kirchliche Form des vorigen Stiickes ist in diesem von Marx
in der deutlichen Absicht dramatischer Gestaltung verlassen worden, in der
gleichen Weise, wie wir es spater beim >Mose< und anderen Werken an-
treffen werden. Es kam ihm eben darauf an, den ganzen tiefen, oft leiden-
schaftlichen Inhalt der alten Psalmendichtungen musikalisch zu erschdpfen.
Mit tiefen, leisen, schnell starker werdenden Seufzern beginnen die drei Bafi-
und Tenorstimmen wechselnd:
1) AUgem. Musikal. Zeit. 1834, Bd. 36, p. 434.
2) Ebendaselbst, p. 471.
Leopold Hirachberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
17
m
3 Tenore,
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Ach!
Herr!
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3 Basse.
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Herr!
*
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Herr!
Nun hebt eine streng kanonische Durchfuhrung in den sechs Stimmen an,
langere Zeit anhaltend, am dann dramatischen Ausdruck zu gewinnen. "Wahrend
namlich die beiden ersten Tenore sowie der erste und dritte BaB wie in lauter
Yerzweiflung die "Worte:
^u/^ - * -
3
f
3e£
weiierhin klagend zu:
Tenor I.
Tenor H
Bafi I.
Bafi HX
I
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Ach Herr! ach Herr!
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Ach Herr!
Ach Herr!
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Ach Herr!
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Ach Herr!
-^ .
3E
Ach!
Ach!
Ach!
Ach!
sich steigernd, ausrufen, antworten sich der dritte Tenor und zweite Bafi
gegenseitig, wie die BilBenden im Tempel des Herrn dumpf flusternd sich
an die Brnst schlagend:
Tenor III.
sempre p usw.
3=tezfc
SLsM.-iMb^
=$=£
SE
£
Ach strafe mich nicht in deinem Zorn
BaB n.
und ziichti-ge mich nicht in
'Jf=F
3^£
=£
3Z=P=
Ach strafe mich nicht in deinem Zorn
Dann sammeln sich drei Bafisolostimmen zu tranenvollem Gebet, wobei weiter-
hin sehr schon die tiefste derselben durch den hochsten Tenor ersetet wird,
and der Chor die Worte der Einzelnen nachdriicklich wiederholt. Nach aber-
maliger fugierter Durchfuhrung schliefit das ergreifende Werk mit dem kraftig
gesnngenen Choral »Ich dank dir Christ, o Gottessohn*.
Op. 5. Der erste Psalm far vierstimmigen M&nnerohor mit Be-
gleitung des Piano-Forte, Bei H. Wagenfiihr in Berlin, Charlotten-StraBe
s. 4. IMG. x. 2
18 'Leopold Hinchbetg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Nr. 57 u. 68. 220. Partitur und Stimmen Preis 1 Rthl. 15 Sgr. NB.
Jede Stimme einzeln a 5 Sgr. 19 Seiten. qu. fol. Erschienen wahr-
scheinlich 1837.
Marx erzahlt in seinen »Erinnerungen« *), dafi Robert Schumann seinen
»kunstbruderlichen Antheil« in der Beurteilung obigen Werkes zu erkennen
gegeben habe. Die betreffenden Worte Schumanns-2) lauten :
>Kein kleiner Geist kann in dem wohnen, der einem Johann Sebastian Bach
nachzufiihlen im Stande ist, und nur dieeen erwahlte der Componist seit langen
Jahren sich zu seinem Vorbilde. Wer sich so in die Schopfungen eines
listers versenkt, der kann nichts Werthloses liefern, da er sich selbst untreu
werden miiOte. Aber wie Bach, zwar von Vielen gekannt, doch von Wenigen nur
Terstanden, nicht Allen zu gefaUen vermag, so ist es auch bei seinem treuen Jiinger
vorauszusehen, denn auch das vorliegende Werk des Componisten, gleich denen von
Bach, ist nicht der selbstgefalligen Eitelkeit der Sanger gewidmet und bietet keinen
so gem gewiinschten Ohrenkitzel dar. Dpch wer nicht den fliichtigen Sinnenrausch
fiir das Ideal der Kunst halt, sondern ein hoheres wahrgenommen hat; wer noch
empfinden kann. was der Sanger fuhlte, als er sein hohes Lied anstimmte, dem
wird sich ein trefer, reicher Born heiligen Gesanges hier erschliefien. Fern sei es
von uns, auf die ausgezeichnete Fuhrung der Stimmen hinzuweisen, die sich auf
ihrem kleinen Raum, wie in das Unendliche ausdehnen, und eben so fern, hier
aufzustellen, wie und auf welche Weise es dem Componisten so trefflich gelungen
sei, den Kuhnen, der wandelte auf nie betretenen Bahnen, und seiner Zeit auf des
Adlers Fliigeln vorauseilte, zu belauschen und sein ganzes Wesen in sich aufzu-
nehmen. Wer Bach liebt, weiB sicher diesen Psalm zu wiirdigen, und nur seine
Verehrer sollten durch diese Zeilen darauf hingewiesen werden. «
Wir haben dieser begeisterten Kritik des Meisters eigentlich nichts hinzu-
zufugen. Das in der Reihe der Kirchenmusiken einen hohen Rang bean-
gpruchende Werk zerfallt in mehrere Teile. Auf einen lang ausgedehnten
ruhigen Chorsatz (D-dur 4/4) folgt ein starker und eifriger (G-dur 4/4),
in dem bereits ein Wechsel von Soli und Tutti sich zeigt. Nach einem
Wechselsolorezitativ von Bafi und Tenor tritt ein kurzes, gewaltiges Maestoso
des Chors ein, das bald betvegter (D-dur %) wird und mit einem abermaligen
Maestoso zum Schlusse fuhrt.
(Op. 6). Die Schmiede des Prometheus. Opfergeeang in der
Mondnaoht. Wanderlied. Drei Gesange gedichtet von Gk>ethe. In
Musik geeetzt fiir vier Mannerstimmen mit Begleitung des Pianoforte
und Herrn Musikdirector Mosevius freundschaftlich zugeeignet. Nr. 2764.
Leipzig, im Bureau de Musique von C. F. Peters. Pr. 1 Rthlr. 12 Gh\
Partitur und Stimmen. NB. Die Letzteren sind in beliebiger Anzahl
auch einzeln zu haben. 19 Seiten fol. Erschienen 1841
Nr. 1. Die Schmiede des Prometheus.
Text: Der groBartige Gesang der Schmiede aus Goethe's Festspiel » Pan-
dora* (Erster Aufeug)8].
1) Bd. 2, p. 11.
2) Neue Zeitechr. f. Musik 1837, Nr. 43.
3) Goethe's Werke. Ausg. letzter Hand. Stuttgart und Tubingen 1830, Bd. 40,
p. 382.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
19
»So gewifi ich in meinen Kompositionen Gluck nie nachgeahmt habe, so
leuchtete doch sein erhabenes Vorbild iiber meiner ganzen kiinstlerischen
Laufbahn* *). Dies sind Marx9 eigene Worte; sie geben uns den Schliissel
zum Yerstandnis dieses ersten machtigen Gesanges. Nicht Nachahmung des
Furienchors im Orpheus ist die Tonfolge:
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gt
s
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EE
Ziin-det das Feu - er an!
Zttn - det das Feu - er
an!
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-#*-
*=S
ztci
-P^-
Feu - er ist o - ben - an, Hochstes er hats ge- tan, der es ge-raubt
wohl aber eine geistige Wiedergeburt der seelisch aufgenommenen unsterb-
lichen Klange. Das Charakteristikum des ganzen Stiickes ist eine herbe,
energische Kraft, die sich heftig akzentuiert in fast jedem Takte aufiert,
gleichsam ihr Leben aus dem Erklungenen immer neu gewinnt und vor der
groUten Starke nicht zuruckschreckt. Selbst die — nur einen kleinen Raum
einnehmenden — Sologesange entbehren dieser Straffheit des Ausdrucks
nicht. Und so mogen sich tuchtige Mannergesangvereine die beim Verleger
noch erhaltliche Komposition nicht entgehen lassen und namentlich den pr&ch-
tigen SchluB:
i
&E£
!?=*-— 4 R— «-
-?=&
3-
*
-?—•/-
Der es ent-ziin-de- te,schmiedete, riin-de-te Kro - nen, Kronen dem Haupt.
mit Kraft und Begeisterung herausschmettern !
Nr. 2. Opfergesang in der Mondnacht.
Die "Worte dieses von Marx eigenmachtig — iiber die Berechtigung dazu
liefie sich streiten — mit neuer Uberschrift versehenen Gesanges sind die
ersten vier Zeilen der herrlichen Goethe'schen Elegie »Einsamkeit«, die sich
als siebentes der Gruppe >Antiker Form sich n&hernd«J) in seinen Gedichten
findet. Im Gegensatz zu dem ersten atmet dieser zweite Gesang eine klassisch
zu nennende Ruhe und Still e und bewegt sich fast durchweg im grdflten
Pianissimo; darauf deutet schon die Uberschrift » Andante religioso*. In der
Tat lagert etwas wie Bocklin'sche »Heiliger Hain« -Stimmung iiber dem
Ganzen. Wie schon ist die Stimme des hohen Tenors iiber den iibrigen
gefuhrt:
pianissimo
air1
jr
=?=*=
=!st
*=t
Die ihr Fel - sen und B'au
m
me be - wohnt, o
3^SS
iM^zr
heil
=£:
-ET
sa - me Nymphen, heil - sa - me Nym-phen!
1) Erinnerungen, Bd. 1, p. 135.
2) Goethe's Werke. Ausg. letzter Hand. 1827, Bd. 2, p. 130.
2*
20
Leopold Hirachberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Nur bei des Dichters Worten:
>Und dem Liebenden gonnt, daB ihm begegne sein Gluck«
eteigert sich der Gesang fur einige Takte, ohne jedoch das Forte zu erreichen
und urn bald im Fllisterbauch zu ersterben.
Nr. 3. Wanderlied.
Das letzte der unter der Aufschrift >Lyrisches« *) von Goethe gesammelten
Gedicbte.
Seines durchaus personlichen Inhaltes wegen scheint mir gerade dieses
zur Bebandlung als Ghorgesang ungeeignet; und iiber diese Schwierigkeit ist
der Tondichter nicht hinweggekommen. Denn was hilft es, nach der ersten,
vom Chor gesungenen Strophe allgemeinen Inhalts nun bei der zweiten ein
Solo eintreten zu lassen, das dann der Chor aufnimmt? Da hilft selbst die
treffliche Deklamation der schmerzzerrissenen Worte:
i
Tenor I Solo,
m
es
te
t*=*
&- — #-
3es
Denn die Ban - de sind zer-ris - sen, das Ver-trau - en ist ver-letzt!
nichts; da hilft ebenso wenig eine wenn auch noch so charakteristisch aus-
gestaltete Begleitung. In der letzten Strophe dagegen — einem der beriihm-
testen Sinnspriiche Goethe's — erscheint die Anordnung des. Komponisten,
dieselbe erst ganz von einem Solo:
Maestoso.
BaC I Solo.
/
a5as=tf=t
T f
*r
£
t-
m
^+-
Blei-be nicht am Bo-den hef-ten, frisch ge-wagtundfrischhin-aus!
singen und dann vom Chor wiederholen zu lassen, recht gliicklich ersonnen
und ausgefuhrt.
Wenn ich nun noch ein zeitgenossisches Urteil aus Schumann's Zeitschrift
fiber diese Gesange im Auszuge folgen lasse 2), so geschieht dies in der schwachen
Hoffnung, meiner Empfehlung dieses "Werkes an die Gesangvereine einen
groBeren Nachdruck zu geben:
♦ Ein besonderes Interesse knupft sich an die Gesange dadurch,*dafl ihr Ver-
fasser, als Schriftsteller und Theoretiker langst bekannt, in der Musikliteratur in
den ersten Reihen steht, von seiner Composition aber noch kaum etwas, seinen
nachsten Wirkungskreis vielleicht ausgenommen, bekannt wurde. Von Manner -
quartett- und Liedertafelgesangen der gewohnlichen Gattung unterscheidet diese
Gesange schon die Beschaffenheit der Texte, deren vorherrschender reflectirender
Ernst auch in der Musik ein Unterordnen der sinnlichen Wirkung unter die Auf-
fassung und sich selbst getreue Verfolgung verlangt. Mit dieser folgerichtigen Aus-
fiihrung ist keineswegs eine kunstreich contrapunctische gemeint, die immer auch
nur ein Formelles, somit nicht minder Aufierliches, als rein sinnliche Klangeffeote,
melodischer oder harmonischer Natur, sein wurde. An der erstern strengern Styl-
p. 65.
1) Goethe's Werke. Ausg. letzt. Hand. Stuttgart und Tubingen 1827, Bd. 3,
2) Neue Zeitschrift fur Musik, 1841, Bd. 15, Nr. 2.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 21
gattung fehlt es in alien drei Geeangen allerdings bo wenig, als an der letztern;
sie sind aber nicht Selbstzweck, sondern eben nur dienstbar der Aussprache und
Gestaltung der Idee. Dafi ubrigens die Fuhrung der Stimmen nicht iiberall kunst-
reich verflochten, aber stets selbststandig und folgericbtig gehalten, dafi iiberhaupt
die Ausfuhrung des Technischen correct und solid sei, wiirde uberflussig sein im
Einzelnen dem Verfaaser der Tonsatzlehre nachzuweisen. — Wir empfehlen die Ge-
sange alien Mannergesangvereinen. «
Yon Mosevius, dem dieses Opus gewidmet ist, werden wir spater noch
ein Mebreres boren.
(Op. 7). Gebet fur die Verstorbenen fur Chor- und Solostimmen.
Nr. 6470. Leipzig, bei Breitkopf & Hartel. Pr. 12*/, Ngr. (10 gGr.).
9 Seiten. gr. 8°. Erschienen 1841.
. Der Text ist die deutscbe tlbersetzung der bekannten Requiem- Worte :
* Requiem aeternam dona eis, Domine, et lux perpetua luceat eis*. *Ein ein-
facbes Andante 4/i Asdur, in leicht imitatoriscber Haltung, wie sie dem
Kircbengesang eigen ist, bildet das Ganze, dessen Cborgesang nur zweimal
von einem kurzen Sologesang der vier Stimmen, nicht von der ergriffenen
Stimmenverbindung abweichend, unterbrochen wird. Das imitatorische Gewebe
ist nirgends verwickelt, woraus sich unter anderem ergiebt, dafi die AusfUbrung
keiner Schwierigkeit unterworfen ist.*1).
(Op. 8}. VacaU
Op. (9). Nahid und Omar eine Novelle aus den Bildern dea
Orients erleeen, fur Geeang und Pianoforte. Laden-Pr. 2 Tblr. Berlin
bei C. A. Challier & Co. qu. fol. 41 Seiten. Erschienen 1844.
Ledebur (a. a. 0.) verzeichnet als Erscheinungsjahr irrtiimlich 1843. Durch
die Freundlichkeit des Herrn Yerlegers Challier in Berlin war mir die Einsicht
in vier Originalbriefe von Marx3), die von dieser Angelegenheit handeln,
vergonnt; aus ihnen geht hervor, dafi das besonders schon ausgestattete Werk
in der ersten oder zweiten Marzwoche 1844 erschien (noch vor dem »Mose«1
wie ebenfalls zu ersehen ist). Auch dem ganz ausdriicklichen Wunsch des
Komponisten, »ja nicht einen seiner Titel, auch nicht Dr. auf dag
Titelblatt setzen zu lassen«, ist willfahrt worden. Die Bezeicbnung
»0p.« ist vorgedruckt, die Zahl aber nicht hinzugesetzt worden.
Die Komposition selbst ist schon Anfang der dreifiiger Jahre, sicherlich
vor 1834, wo Charlotte Stieglitz sich den Tod gab, en ts tan den. Denn der
Tondichter hat sein Werk recht eigentlich fur diese edle und ungliickliche
Frau geschrieben. In den >Erinnerungen« 3) heifit es:
>Meine ,Nahid und Omar* habe ich fiir ihre holdselige Stimme, fur ihre,
edelsten Gesanges voile Seele geschrieben. Sie war fiir Nahid die erste und
eigenste Sangerin, so schon ich es auch spater von beriihmtern Sangerinnen gehort «
1) Allgem. Musikal. Zeitung 1841, Bd. 43, p. 312.
2) Vom 12., 14., 21. Februar und 13. Marz 1844.
3) Band I, p. 198.
22 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Bereits am 8. September 1826 schreibt Stieglitz1) iiber die ersten Anfange
des Werkes an seine Brant:
♦ Marx hat das Gedicht ,Nahid' auf sehr bedeutende Weise in Tone gefaOt
mit voller Orchesterbegleitung*), eine herrliche Nachtphantasie ; doch will er fur
mein Lottchen auch einen Klavierauszug machen; gern indent' ich Dich es singen
horen. Also bald singen wir zusammen?*
Es dtirfte keinem Zweifel unterliegen, dafl fur die endgiiltige Gestaltung der
>Novelle in Liedern* dem Tondichter Franz Schubert's unsterbliches "Werk
>Die schone Mullerin* vorgeschwebt hat. Ein ihm zusagendes Gedicht in
der Art des beruhmten Zyklus von Wilhelm Muller3) hat Marx offenbar nicht
gefunden, und so entechloii er sich — auf sein feinsinniges Geschick konnte
er sich dabei verlassen — selbst aus den >Bildern des Orients « seines
Freundes Stieglitz sich eine solche Novelle zu »erlesen.« Wie er schreibt4),
bildete er eine musikalische Novelle, einen dramatischen Vorgang, nicht zu
buhnenhafter Darstellung bestimmt, sondern nur in den lyrischen Haupt-
momenten erfaBt, die zu einander in innere Beziehungen treten und so ein
zusammenhangendes Ganzes bilden. — Wir werden bei den einzelnen Nummern
den Standort, den eine jede in dem Dichtangswerke hat, genau verzeichnen.
Das zweite Titelblatt des Druckes gibt den Inhalt an: eine Einleitung
(Ouvertiire) und neun einzelne Nummern, die samtlich auch einzeln gedruckt
wurden oder werden sollten5). Die Fabel selbst ist eine durchaus einfach-
ruhrende: Omar und Nahid lieben sich; vom Yater Nahids gedungene Morder
lauern dem Jungling, als er nachts von der Geliebten scheidet, auf und er-
schlagen ihn; von Peris wird die Seele Omars in die Gefilde des Paradieses
getragen.
Einleitung. (Ouvertiire.) Sie ist ein Lied ohne Worte und soil den
Horer in den duftereichen, farbengliihenden Orient einfuhren. Melodie und
Tonart sind gliicklich gewahlt: nach einem kurzen Larglietto (Bdur, 3/4), das
nach sechs kraftigen, wie Trompetenton erklingenden Akkorden in leisere
Floten- und Oboenklange iibergeht, tritt alsbald ein Phi moto in Fis dur ein.
in welchem sich auf weitgegriffenen Harpeggiando-Figuren des Basses eine
edel geschwungene Kantilene erhebt. Sie steigert sich zu grolierer Lebhaftig-
keit und macht herberen Akzenten des Diskants Platz, um nach mehreren
Fortissimo-Harpeggien in ein leises Fliistern ilberzufuhren (die Anfangstonart
ist inzwischen wieder eingetreten), das im Pianissimo erstirbt. Trotz einzelner
Schonheiten zeigt sich doch ein gewisser Formenmangel ; die vielen Gedanken
■cheinen sich nicht vollig in abgeschlossenem Satze zu ordnen, so dafi ein
durchweg klarer Eindruck nicht entsteht. Die Ausfuhrung des Stiickes selbst
erfordert ubrigens einen technisch durchaus firmen Spieler.
Nr. 1. Omar. Text mit der Uberschrift » Omar's Nachtlied« in den »Bil-
dern des Orients* (Leipzig 1831), Bd. 2, p. 100.
Ein schones, nur zu lang ausgedehntes und durch einige Striche sehr
gewinnendes Lied, in welchem Omar (Tenor) den Sternen der Nacht und den
1) Brief e an seine Braut Charlotte. Leipzig 1859. Bd. 2, p. 60.
2) Scheint verloren gegangen zu sein.
3) Erschien zuerst in » Siebemindsiebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren
eines reisenden Waldhornisten.« Dessau 1821, p. 3 — 50.
4) Erinnerungen, Bd. 1, p. 189.
5) Mir sind Einzeldrucke nirgends zu Gesicht gekommen.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 23
Blumen des Gartens seine Liebe zu der holden Nahid kiindet. Voll sUdlicher
Schwarmerei und heLBer Sinnenglut ist die Melodie durchhaucht:
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Hell glii - hen die Ster - ne im dunk-len Blau
in der Begleitung, wie der bekannte Kritiker Keferstein sich ausdrftckt1),
tritt deutlich >Violoncellogesang und Flotenzauber« bervor. Trotz aller Weich-
heit and Lieblicbkeit wird der Gesang docb niemals schwachlich-sentimental,
sondern weist durchweg eine edle, kraftvolle Mannlichkeit auf.
Nr. 2. Nahid. Text ebendaselbst, p. 97.
Die ubermafiige Lange des Gedichts und der vielfache Wechsel des Vers*
mafies haben den Tondichter dazu gezwungen, die Form des Liedes zu ver-
lassen und eine vollstandige Arie zu bilden. In einzelnen Momenten sehr
lohnend und an die Sangerin (Sopran) recht erhebliche Anforderungen
stellend, entbehrt dieser Gesang doch der Einheitlichkeit. Ungemein schttn
aber wirkt hier wieder die Tonart (Emoll) durch ihre eigentiimliche Klang-
farbe :
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Hau-chest 80 su - Ben Duft, sau - seln - der A - bend - wind
Dabei malt die Begleitung sehr treffend die Geheimnisse der orientalischen
Sommernacht. Nach mehreren, teilweise leidenschaftlich bewegten Satzen bringt
der SchluB wieder das Thema des Anfangs.
Nach diesen beiden einleitenden Solo-Gesangstiicken, welche uns die beiden
Hauptpersonen in ihren Empfindungen durchaus plastisch vorftihren, treten
wir nunmehr in die eigentliche Handlung ein.
Nr. 3. Unterm Fenster. (Omar mit Begleitern.) Text ebendaselbst,
p. 140, »Standchen« uberschrieben ; der dort vorkommende Eigenname »Ali«
in »Omar« verandert.
Ein kurzea, sehr ansprechendes Musikstiickchen fur Tenorsolo und vier-
8timmigen Mannerchor, welcher aber nur als Begleitung der Solostimme in
der letzten Strophe leise einsetzt und, bevor diese geendigt, verhallt. In ihrer
Faktur und dem Alia Polacca-Tempo erinnert es an zahlreiche ahnliche Kom-
positionen "Weber's und Spohr's.
Nr. 4. Mit Omars Selam. (Nahid liest.) Text ebendaselbst, p. 154
mit der IJberschrift »Blumengrufi«.
Eine kleine Perle lyrischer Zartheit, ganz kurz und dadurch doppelt wirk-
sam. In dem Selam (Blumenstraufi) hat Nahid ein Briefchen des Geliebten
gefunden und selig-flusternd liest sie die sehnsiichtigen Worte. Beizend ist
namentlich die stockende, beklommene Madchenhaftigkeit Nahids wieder-
gegeben, indem zwischen den Gesangslauten ein leises Staccato-Legato der
Begleitung ertont; ist es doch, als wenn die Holde da immer den Blick seelen-
voll nach oben wendet:
1) Allgem. Musikal. Zeit. 1844, Bd. 46, Nr. 20, p. 329.
24
Leopold Hirechberg, Ber Tondichter Adolph Bernhard Marx.
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Das Ganze erinnert lebhaft an die schone Liebesszene (Margiana and Nureddin)
in Peter Cornelius' »Barbier von Bagdad*.
Nr. 5. Im Garten. (Omar.) Text ebendaselbst, p. 143. (Nr. 5 des
Zyklus >Ali und Fatme« mit der TJberschrift >Er. [Im Garten.] «)
Feurig belebt ertont dieser Liebesruf durch die Nacht; nur drei knrze
Strophen in Ddur (3/4). Ein Vergleich dieser Komposition mit der gleichen
Carl Loewe's *) ist auBerst interessant und lafit vieles Gleichempfundene zutage
treten.
Nr. 6. LauschendeFeen. Text ebendaselbst, p. 142 (Nr. 4 des Zyklus
»Ali und Fatme« ohne Uberschrift).
Lustig und elfenhaft, genau wie Franz Schubert's unvergleichliches » Stand-
chen« 2), schwebt dieser dreistimmige Frauenchor voriiber. Wie rosiges Dam-
merlicht scheint es sich um die beiden Liebenden zu breiten; pbantastiscbe
Wesen der Marchenwelt nahen sich leisen Trittes, lauschen neugierig und den
Liebesbund segnend. Die Klavierbegleitung sowohl:
Tli1! VH
Sempre pp una corda.
wie der Chor erfordern grofite Prazision in der AusfUhrung.
Nr. 7. Getauschtes Erwachen. (Omar.) Text ebendaselbst, p. 150.
Melodiose Abrundung und angenehme Gefalligkeit bilden das Charak-
teristikum des kurzen Stiickes. Hier schlieBt, wie ein Beferent richtig be-
tont3), das Interesse ab, welches das Treiben zweier Liebenden dem fremden
Auge gewahrt. Die folgende
1) Gesamtausgabe, Bd. 6, p. 120.
2) Op. 135.
3) »Der Freihafen*, 1844, Bd. 1, p. 293.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
25
Nr. 8. Nachts. (Vor der Gartenmauer) bringt die Katastrophe. Der
Text ist der dramatischen Szene »Ein Tag in Ispahan « entnommen, welche
den Schlufl des zweiten Bandes der Orientbilder (p. 155 — 246) bildet; und
zwar hat Marx die Szene (p. 163 — 165) gewahlt, welche der Dichter iiber-
schrieben hat: »Yorstadt Julfa. Kahle Gartenmauer, dem Kloster der Armenier
gegeniiber. Drei Banditen begegnen einander.« Die Namen der letzteren
(Kerim, Babu, Scherr) hat Marx beibehalten, aus der »Stimme aus dem Garten*
>Nahid«, aus der »andren Stimme* >Omar« nnd aus »0 Sulamith* »Gelieb-
teste* gemacht. Die lange, 9 Druckseiten umfassende Szene beginnt mit
einem charakteristischen Allegro agitato:
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0
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^F
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Ifl— 5ar-j
^^^^s^TirgrTtf^M
s
C£
r~-
im ganzen leise daherrollend und nur vereinzelte Akzente aufweisend. "Wie
die Lumpen sich alsbald gegenseitig Yorwurfe iiber ihre Feigheit zu machen
beginnen, z. B.:
Kerim. (BaC). .-.
9^-
m
+—p±
1
■$=$--
V=f-
5=p=
Dahabtihr nun die ganze Nacht gepaGt, dahabtihr nun die ganze Nachtge-
♦ a * * A -ih
»ijH=£tefcJ=PfF=F=S=S
£f£
m
=&-
paCt,
da habt ihr nun die gan-ze Nacht ge-paGt und ihn doch nicht gefaCt.
das ist kostlich und dabei grimmigen Ernstes nicht ermangelnd. Im Gegen-
satz dazu die heimliche, angstvoll flehende Stimme Nahids, die des Vaters
Zorn fiirchtet; das durchgehende Vorherrschen der Molltonart in dem Satze
wirft tiefe Schatten iiber die bald so jah endende Liebesszene. Nur bei den
Worten des arglosen Omar, der nicht aufhort, die Geliebte mit holder Rede
zu uraschmeicheln, tritt die Durtonart vorubergehend hervor. Endlich scheidet
er — beider Stimmen verhallen im sehnsttchtigen Abschiedsgesang — da ein
plotzliches dreimaliges FFF in wilden Oktavengangen — unter den Dolchen
der feigen Meuchelmorder haucht Omar seine Seele aus.
Nr. 9. Heimwarts. (Gesang der Peri's). Text mit letzterer TJber-
schrift ebendaselbst, p. 49 (aus dem Zyklus »Schah und Schenke«).
26
Leopold Hirechberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Wie Schubert dem unseligen Knaben, der sein Leid in den Flu ten be-
grabt, vom Bacbe das bolde Wiegenlied singen laBt, so ertont nun bier zum
SchluB wieder ein entziickend dreistimmiger Frauenchor. Wie bingehaucht
sind diese Klange:
Wiegt ihn hin-ii
0 *
ber, wiegt ihn hin-U - ber
lie - bend undlind!
Harfenklang begleitet die wie in blauen Atherwellen verschwimmenden Tone
der Singenden.
Die Originalitat des Werkes, die eigentiimliche Gestaltung des Stoffes und
dessen kiinstlerische Darstellung sind ohne Zweifel bedeutend, und ich wiifite
in der Tat kein einziges Werk dieser Art aus der klassischen und roman-
tischen Zeit anzugeben. Wie Keferstein richtig hervorbebt, gehort die
Tondichtung weder in das Gebiet der Oper, noch in das des Oratoriums oder
der Kantate, sondern bildet vielmehr ein besonderes Genre, das eine Art
Vorlaufer in den alteren sogen. Liederromanen hat. Uber letztere geht diese
Lieder-Novelle aber insofern hinaus, als das Lied zur Arie ausgebaut und
der Chor herangezogen wird.
Im Buchhandel ist das Work vollig verschwunden ; ein Neudruck des-
selben, mit Hinweglassung verscbiedener Langen, aber wttrde sicherlich eine
erfreuliche Gabe fur diejenigen sein, denen die AusfUhrung gediegener Haus-
musik am Herzen liegt.
(Op. 10). Mose. Oratorium aus der heiligen Schxift. Partitur.
fol. 324 Seiten. BQavierauszug vom Komponisten. fol. 174 Seiten. Leip-
zig, bei Breitkopf & Hartel. 7014. Erschienen 1844.
Dieses Werk bedeutet nicht nur den Kulminationspunkt von Marx' kunst-
lerischem Schaffen, sondern auch einen Wendepunkt in der Geschichte des
Oratoriums, ja der neueren Musik ilberhaupt. Wir werden noch spater zu
erlautern haben, inwiefern der >Mose« als eins der ersten Musikdramen im
"Wagner'schen Sinne zu gelten hat. DaB es heute fast ebenso vergessen ist
wie Ludwig Spohr's »Kreuzfahrer« *), die allgemein als das erste wirklicbe
Musikdrama gelten, diirfte verschiedene Grtinde haben. Der wichtigste ist,
daB Marx nicht die impulsive Energie und unermudliche Hartnackigkeit
B-ichard Wagner's besaB, um sein Werk, das seine Widersacher als eine Zer-
triimmerung der alten Formen betrachteten, gegen diese zu verteidigen; ein
weiterer, daB es nicht in alien Teilen den Fortschritt aufweist, den man
von einem weltbewegenden, bahnbrechenden Werke verlangt.
Zunachst eine kurze Untersuchung, ob die Gestalt eines der groBten
Menschen der Weltgeschichte, Mose, tiberhaupt dramatisch verkorpert werden
kann. An dem klaglichen Macbwerk Rossini's2) sieht man, was unter Um-
standen daraus werden kann. Andererseits sind die asthetisierenden Betrach-
tungen Chrysander's3), der eine Verkorperung von ttbermenschen vom
1) OroBe Oper in 3 Akten (1845).
2) Ernstes Drama in 3 Aufzugen (1818).
3) F. Chrysander, Handel's biblische Oratorien, Hamburg 1897.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 27
Schlage des Moses und Elias in dramatischer Form verwirft und nur in
epischer zulaBt, auf den ersten Blick zwar recht bestechend, jedoch etwas
einseitig. Ob Moses Finsternis und Heuschreckenplage tiber Agypten herein-
brechen laBt, ob er den Strom in Blut verwandelt, ob Elias Regen vom
Himmel zaubert, tote Kinder erweckt und lebendigen Leibes gen Himmel
fahrt — oder ob Josua die Sonne stillstehen laBt1), ob Samson mit seiner
Leibeskraft den Philisterpalast zusammenstiirzen laBt2), ob Daniel die schrei-
bende Flammenhand Belsazars deutet3), ob die Hexe von Endor den Geist
Samuels heraufbeschwort4) — das ist einerlei. Handel hat die beiden ersten
Wunder episch bzw. gar nicht5), die vier anderen dramatisch behandelt. Auch
Bach, der Jesus redend einfuhrt, wtirde nach Chrysander's Theorie schlecht
fortkommen. Somit meinen wir, dafl die Losung dieser Frage nur darin zu
suchen ist, dafi ein Tondichter (vom Dichter ware abzusehen) berechtigt ist,
derartiges dramatisch darzustellen, wenn er sich streng der Bibelworte
bedient. Das hat Bach getan, das wollte Richard Wagner in seinem » Jesus
von Nazareth* 6j, das hat Marx im »Mose< voll und ganz durchgefUhrt.
Er hat sich, was Wort und Ausdruck betrifft, streng an die Bibel ge-
halten, nicht sowohl an die funf ;Biicher Mosis allein, sondern er hat den
ganzen Reichtum des a 1 ten Testaments fur sich in Anspruch genommen
und davon benutzt, was er gebrauchen konnte 7). Er trug das Werk in seinem
Geiste von fruhester Jugend an. Lassen wir ihn selbst erzahlen8):
» Schon in Halle, in meinem funfzehnten bis achtzehnten Jahre, richtete sich
vor meiner Phantasie die hohe Gestalt des Mose empor und wollte nicht von mir
lassen, bis ich ihr, nach meiner Kraft und Richtung, genug zu thun versucht hatte.
Damals stellte sich mir der Stoff in rein dramatischer Form, und zwar als Dilogie
in zwei zusammengehorigen Opera*) vor. Ich erinnere mich nur der ersten Scene,
die ich bei hochst unzulanglicher Lokalanschauung in den Vorhof eines agyptischen
Tempels verlegt hatte. Ich stellte ihn mir mit Obelisken, Sphinxen, Gotterbildern
besetzt vor. Nach kurzer Einleitung des Orchesters trat paarweise der Zug der
Priester ein und wand sich in feierlichem Umgange um die heiligen Bilder, bis er
im Tempel verschwand. Hinter dem letzten Paare schloB sich der Jungling
Mose, der Zogling der Priester, dem Umgang an, blieb aber an der Pforte des
Tempels zurtick und sprach in zorniger Ungeduld die Unertraglichkeit des Tempel-
dienstes fur seine freie, thatendurstige Seele aus. Nur dicse Scene hatte ich kom-
ponirt; zu welchen Worten weifi ich nicht mehr. Ich hatte ohne Plan fiir das
Ganze begonnen und mufite auf das Weitere verzichten, wahrscheinlich, weil mir
die Unvertraglichkeit des Stoffes mit der erwahlten Form fiihlbar wurde. Kein Ton
des ersten Versuchs ist mir geblieben; nur der Stoff hatte seine Macht uber mich
behauptet und bewahrt. «
1) Handel's Oratorium »Josua«.
2) Handel's Oratorium »Samson«.
3) Handel s Oratorium »Belsazar«.
4) Handel's Oratorium »Saul«.
5) Handel's Oratorien »Israel in Agypten* und »Athalia«.
6) Leipzig 1887.
7) G. v. Alvensleben. Uber die Idee dramatischen Fortgangs im Oratorium.
Bei Gelegenheit der Auffuhrung des » Moses « von A. B. Marx. Neue Zeitschr. f.
Musik 1842, Bd. 16, Nr. 17—22.
8) Erinnerungen I, p. 59.
9) Wagner!!
28 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Lange nicht — seine auf Broterwerb angewiesene Armut hinderte —
konnte Marx an die weitere Gestaltung dessen, was seinen Geist so unablassig
beschaftigte, denken. Dieser Geist war nicht gering; schreibt doch Heinrich
Stieglitz bewundernd an seine Braut1):
»Diesem Marx ist der Geist doch tausendmal naher als all den Mattherzigen,
Halben. «
Durch unsaglichen FleiB errang er sich die Mitt el, den Lieblingsplan der
Jugend aufzunehmen3). »DaB er keine Doppeloper werden konne, da£ er
die aoBere Form des Oratoriums annehmen nnd die Bibel den Text dazu
geben musse, stand fur mich fest. Meine Belesenheit in der Bibel lieC mir
die Ausfuhrung des Textes nicht schwierig erscheinen.« Mit Felix Mendels-
sohn wurde Bats gepflogen und endlich beschlossen, sich gegenseitig die
Texte zu verfassen; denn Mendelssohn wollte den > Paulas* komponieren.
Die von Marx gegen letzteren vorgebrachten Vorstellungen fan den bei Mendels-
sohn kein Gehor3); so schrieb er denn den Text zum >Paulus«, Mendelssohn
im August 1832 den zum > Moses*; Marx teilt letzteren fragmentarisch mit4).
>Als ich ihn durchlas und wieder las, fuhlte ich mich wie vom Donner ge-
riihrt. Das, das also der Mose! von dem Du so lange getraumt und arglos
zu, wer weifl wem, gesprochen! und jetzt stehst Du ihm kalt, fuhllos gegen-
iiber! kein Fulsschlag hebt sich ftir ihn, keine Anschauung dammert empor!
Ich fuhlte mit wahrhaftem Schrecken, daB ich das Werk nicht komponieren
konne. Hier ward mir klar, auf wie weit geschiedenen "Wegen wir
gewandelt, der Freund und ich. GewiB hatte er in Treue und nach fester
Uberzeugung fur mich gearbeitet. Er hatte den Text geschaffen wie vor uns
so viele geschaffen, und von den groBten Meistern unbedenklich angenommen
worden waren5).« Es war eben ein Gemisch von Erzahlung, lyrischem ErguB
und dramatischen Momenten. Es gait, den Mose in voile r lebendiger
"Wahrhaftigkeit darzustellen. »Dafur aber kennt die Musik, die nicht
erzahlen und nicht beschreiben kann, nur eine Form: die dramatische; sie
wurde, anfangs mir unbewuBt, die nothwendige fur den Mose6).* An szenische
Darstellung war dabei naturlich nicht zu denken.
Drei Teile hat Marx seinem Werke gegeben; wir werden sie gesondert
besprechen.
I. Die Berufung.
Dieser erste Teil gibt die Exposition des Dramas in meisterhafter Weise. Wie
die grofie Passion Bach's beginnt er ohne Ouverture — sie ware hier iiberfluseig
— mit einem breit angelegten und ausgefuhrten Chor; das Elend der im Frohndienst
schmachtenden Israeli ten wird ergreif end geschildert ; auf den ersten Jammerruf der Basse :
^^S===f=TTF^^f#=g
5
We - he! ich er - lie - ge!
folgen, in kanonischer Form sich aufturmend, die iibrigen Stimmen ; immer schmerz-
vollere Akzente ringen sich aus dem schwellenden Stimmengewirr hervor:
1) Brief e an seine Braut Charlotte, Bd. II, p. 318.
2) Erinnerungen II, p. 138—144.
3) Erinnerungen II, p. 143.
4) Ebendaselbst, p, 171. 5) Ebendaselbst, p. 174.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
29
jIM^^
WehlDie Last, die Last reis - set mich hin! Die Last reiBt mich hin!
Um den Horern das Wehe recht nachdriicklich zu Gemute zu fiihren, bildet der
Tonmeister noch eine grofie Fuge, die in dem lauten Jammerruf »Siehe da mein
Mend* im ff. endet. Bald steigert sich das Klagen zum Grimm, und Korah mit
seinem hohnischen:
eee
EEEIEEIE
E^E^EE
S
Ich bin ein Wurm
-■?=
und kein Mensch,
I
£EE£
=5=
Spott
der Leu - te
und Ver - ach-tung des Volks!
reizt immer mehr, so dafi die Menge endlich in einen machtigen Verwunschungs-
Chor, an dem man abermals die tuchtige Arbeit zu bewundern Gelegenheit hat,
ausbricht. Da ertonen Posaunenklange ; der agyptische Vogt naht und kiindet der
»bdsen Art«, daB ihrer unter dem jungen Konig Pharao noch schlimmere Qualen
harren. Ungemein charakteristisch ist dieses rauhe und harte Rezitativ des Vogtes
und der darauf folgende, nur zu lang ausgesponnene Jubel- und Spottchor der
Agypter, in dem alle nur moglichen Kunstmittel der Harmonie, Rhythmik und
Instrumentation zur Geltung kommen; groBartig ist der Schmerz der Israeliten:
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Schauet an die bo-sen Greu-el, sie be-ten an Wiirmerund Tie - re!
zu dem heidnisch-iippigen Wesen der Agypter:
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fefe:
Singt zu Sai - ten und Pfei - fen, zu Sai - ten und Pfei - fen
in Gegensatz gestellt.
Aus der Schwule des qualvollen Tages versetzt uns der Tondichter in die
abendliche Kiihle eines einsameren Ortes *) ; Mirjam klagt im Kreise der Jungfrauen
iiber das Elend ihres Volkes. Die Oboe und die erste Violine:
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sprechen abwechselnd diese Klage ergreifend aus ; dann hebt in ahnlicher Weise —
tief ergreifend — die Singstimme an; sie steigert sich in einem Mitteisatze zum
Allegro appassionato und wird dann von einem Frauenchor (2 Soprane) gekront.
Die Szene findet ihren AbschluB in dem von Aaron abgehaltenen Abendgotteedienst,
von Alvensleben 2) als eine der schonsten Nummern bezeichnet: »Der dunkelrothe
Schein des Abendrothes in den gehauften Blechinstrumenten verleiht dieser ganzen
Scene eine romantische Farbung. « In der Tat steht der Chor mit seinem innig-
bittenden:
1) Neue Zeitschr. f. Mus. 1842, Bd. 16, Nr. 17—22.
2) Ebenda.
3Q
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Mux.
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-i — ^-bepfi-i — &=ia^:
Herr, er - bar - me dich un - ser, er - bar - me dich un - ser!
und seinem spater nach jiidischer Sitte sich neigenden und an die Bnist scblagenden:
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Ver-wirf mich nicht von dei - nem An - ge - sicht!
in bedeutsamem Kontrast zu den gewaltigen, eines nationalen Beiklangs nicht ent-
behrenden Akzenten der Solostimme.
Die Szene verwandelt sich; Tremolos der Geigen durchzittern die Luft; pp. er-
tont ein pastorales, Handel abgelauschtes Thema:
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dolcis8.
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wir werden ihm spater an bedeutender Stelle noch einmal begegnen — Mose naht.
Zu der Lenzespracht der Natur steht die Klage des gewaltigen Mannes uber das
Elend seines Volkes im wirksamen Gegensatz. Da ertont mit einem Mai in ge-
heimnisvollen Quintengangen die Stimme Gottes, von Tenor, Alt, Sopran des Chors:
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Mo - se! Mo - se!
Mo - se!
Wie er die Stimme Gottes zu versinnbildlichen habe, das war fiir Marx ein Gegen-
stand langer t)berlegung. »Was sie verkiindete, war Ziel und Gipfel des Werks.
Die Stimme mu&te, treu den alten Schriften, alien Wendungen des menschlichen
Gedankens und Gefuhls Ausdruck geben, sie muttte Erhabenheit, Milde und Troet,
sie mufite den Zorn Jehovas wiederetromen1). « Mendelssohn, ihn auf Raphaels
bildliche Darstellungen hinweisend, schlug vor: »Du nimmst einen Ba"B!* Spontini
hielt den Canto fermo, die uralten Melodien des gregorianischen Gesanges, fiir das
Richtige ; da aber der » Mose « nichts mit dem Kirchendienst zu tun hatte, so war
auch dies fiir Marx unannehmbar. DaB der Chor die einzig mogliche Verkorperung
des Hochsten daretellen kann, das sah Mendelssohn spater ein und hat es sich fur
•einen Paulus, wie allbekannt, zunutze gemacht; auch Carl Loewe laBt in seinem
»Hiob«2) die Stimme des Herrn aus den Wettern heraus im Chor ertonen. Die
1) Erinnerungen, Bd. 2, p. 177f.
2) Komponiert 1848, ungedruckt. Der in Rede stehende Chor ist als Beilage
meiner Arbeit »Carl Loewe als Kirehenkomponist* in der »Musik« (1905, J. 13)
erschienen.
Leopold Hiraohberg, Der Tondiohter Adolpb Bernbard Mar*.
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zitternde Antwort »Hier bin ich« ist groBartig getroffen, ebenso die weitere Ver-
kundigung des Gottlichen. Es ist unmoglich, hier des Ausfuhrlichen auf die merk-
wurdigen Modulationen, den kuhnen Wechsel der Tempi einzugehen. Die Betonung
der beriihmten Hiob-Stelle: » Wer ist, der so fehlet und redet bo mit Unverstand?* usw.
ist sch lech thin unerreicht, und wir konnen mit gutem Gewissen uns den Worten
Alvenleben's anschlieBen: »Nun breitet sich ein Tongemalde vor uns aus, dessen
Gewalt, Hoheit und Reichthum man mit Worten vergebens nachschildern wiirde.
Solches zu wirken ist nur der Musik und nur mit solchen Mitteln moglich. — Die
Stimmung, welche dieses gewaltig voruberrauschende Tonmeer zuriicklaBt, ist so,
als hatte man eine Vision gehabt, als ware uns Gott selbst erschienen, nicht in der
abstracten, monotonen Hoheit nordlandischer Vorstellung, sondern im vollen Glanze
orientalischer Majestat, als waren Seraphim und Cherubim zurnend vor uns auf-
und niedergestiegen und Schaaren liebender Engel an uns vorubergezogen. «
II. Das Gericht.
Dieser zweite Abschnitt stent an Bedeutsamkeit dem ersten sehr nach und
muB es, weil die Schilderung so ubernaturlicher Vorgange wie die durch Mose aus-
gefuhrten Strafen des Ewigen notgedrungen aus der Sphare der absoluten Musik
heraustreten und in das Gebiet der Programmmusik iiberleiten. Daran sind schbn
groBere gescheitert als Marx. Doch muB man die der Zeit vorauseilende Kiihnheit
des Komponisten in der Instrumentation bewundern, andrereeite sich an der Schon-
heit einiger lyrischer Stellen erfreuen. Hierher gehort namentlich eine ausdrucksvolle
Arie der Mirjam und eine hochst seltsame der » Mutter der Pharaonen*. Eine
hundertjahrige Furstin, die Warnerin des ubermutigen Pharao, tritt hervor: eine
bis zum Schlufi immer wiederkehrende, zitternde, eintonige Geigenfigur:
schildert den gebrechlichen, schwankenden Gang der Greisin, die, auf den Stab
gestutzt, zum Sohne tritt, ganz unubertrefflich. Wer dachte bei diesem Orgelpunkt
nicht an ems der groBartigsten Werke der Opernmusik, an die Orest-Arie aus
Gluck's taurischer Iphigenie »Die Ruhe kehret mir zuriick*?! Ein gliicklicher Ge-
danke des Tondichters war es weiterhin, uns auch den Pharao menschlich nahe zu
bringen. In ihm sollte »der jugendlichc Herrscher erscheinen, dessen edlere Krafte
in der Schwiile des morgenlandischen Thrones langst verkohlt, dessen gute Ent-
schlusse in heiBen Nach ten und unter den Diebesgriffen unablassiger Schmeichelei
friih verfliichtigt sind, und tTberdruB, Jahzorn, zaghafte Unbestandigkeit hinter-
lassen ha ben1). « So tritt er uns mit dem charakteristisch-unruhig instrumentierten
Gesang:
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Un-ser Le-ben fahretda-hin
als war ei-ne Wol- ke da-ge - we-sen
der Blasiertheit und MiBbehagen deutlich an der Stirn tragt, entgegen. Unter den
1) Marx' eigne Worte in: Mosevius, Uber das Oratorium Moses. Leipzig
1843, p. 7.
32
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Chdren dieses Absohnittes verdienen der uppige Agypter-Chor »Lafit tins Krauze
tragen von jungen Rosen It, der Chor der Finsternis und die Foge »Ich will dem
Herrn frohlich singen «, worin der Dank der Israeliten iiber die Errettung zum Aus-
druck kommt, ruhmende Erwahnung.
III. Der Bund.
Nun zieht das Volk ruhigen Sohrittes durch die Wuste:
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aber bald zeigt sich wieder die Verzagtheit ob der Beschwerlichkeiten der Wanderung;
Seufzer werden laut und Korah steigert das Murren zu offener Emporung. Seine
Rotte wird von der Erde verschlungen und biiBend wirft sich das Volk zu Boden.
Boten verkunden den nahenden Feind ; mit prachtvollem, kriegerischem Chor (Ddur, */♦)
Ziehen die Waffenf ahigen von dannen, indessen Mose und die andern in brunstigem
Gebet zuriickbleiben. Der Sieg wird mit der Hulfe des Ewigen errungen; in einer
harfenbegleiteten Vision;
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Die Herrlichkeit Got - tes
geht auf
ber mir
heiligt Mose das Volk, da£ es die Gebote des Herrn vernehmen kann. Und nun
folgt eine der ergreifendsten Stellen des ganzen Werkes: Mirjam, bislang nur die
sanfte Jungfrau, erhebt sich aus ihrer Demut zu prophetischem Spruoh. Die Btnde
fallt von ihren Augen, der Stern in der Nacht beginnt ihr zu leuchten. Und jene
sanfte Pastoral-Melodie, die uns im ersten Teil auf Mose vorbereitete, erscheint jetzt
zu eifernder Verkiindigung gesteigert; sie bildet das Vor- und Zwischenepiel zu
Mirjams grofiartigem Gesang aus dem Jesaias:
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Wer ist, der da kommt,
mit roth - li - chen Klei-dera
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 33
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an - ge- than und ein - her-tritt in sei - ner gro - Ben Kraft?
Mit einem kolossalen Doppelchor, in welchem der Tondichter noch einmal sein
ganzes grofies formales Konnen zusammenfafit, schlieBt das Werk.
Die erste Aufftihrung des »Mose« fand am 2. Dezember 1841 in Breslau
unter der Leitung yon Mosewius statt, der zu diesem Zwecke eine treffliche
Analyse des Oratoriums (in der ersten, spater mannigfach geanderten Form) ver-
offentlichte (s. vorher). Am 6. Mai 1843 folgte Neustrelitz, wo der Eindruck
allgemein war1), am 14. Oktober 1843 Erfurt unter Marx' eigener Leitung.
Nach Keferstein's ausfuhrlichem Bericht2) bildete diese AuffUhrung >einen
der glanzendsten Lichtpunkte in Erfurts musikalischer Chronik* und zugleich
eine Fiille von Ehrungen fur den Tondichter. Spater kamen Berlin, Elber-
feld und Prag. Am bedeutsamsten aber durfte die AuffUhrung vom 3. Juni
1853 in "Weimar unter Franz Liszt's Direktion sein, bemerkenswert ein-
mal durch das Erkennen des Neuen, Bahnbrechenden durch den Meister,
dann durch den begeisterten Bericht Joachim Raff's3), der darin das Rich-
tige, den Kernpunkt, traf. Die zahllosen sonstigen Besprechungen in alien
moglichen Blattern nur aufzufiihren, ware undenkbar. Fast samtliche, be-
Bonders das Organ des »jungen Deutschlands«, der von Theodor Mundt
redigierte »Freihafen« 4), betonen das Neue, den unleugbaren Fortschritt in
der Kunst. Aber dabei blieb es; im allgemeinen war das Gebotene zu sehr
von dem Bisherigen abweichend, als da£ es ohne tatkraftige Propaganda tiefer
hatte wurzeln konnen. Marx war nicht Richard "Wagner, der, wie ich schon
hervorhob, mit zaher Begeisterung seine "Werke immer wieder und wie der,
unbekummert um die tobende Horde der Gegner, durch die Schrift und die
Tat verteidigte. Man mufi Marx' Bericht5) lesen, um die Tiefe seiner Ent-
tauschungen, zugleich aber auch die seiner prophetischen "Worte zu wiirdigen:
>Sei denn, wenn diese Zeit gekommen, meinem "Werke Fortdauer beschieden,
oder trete fur mich ein Andrer ein: ich will freudig den begriifien, der voll-
bringt, was ich gewollt, oder Hoheres.«
Und diese Zeit ist gekommen, sie ist da, und eine Pflicht des deutschen
Volkes ist es, das im Todesschlummer begrabene "Werk zu erwecken. Heute
— wo seine Erziehung zum Yerstandnis des wahren Wort-Tondramas durch
Richard Wagner vollendet ist. Zur selben Zeit, wo "Wagner » seine Lauf-
bahn als Dichter« begann6), hatte Marx den Mose vollendet. Bewun-
dernswert bleibt es bei alledem, dafl der >Mose« nicht noch mehr "Widerspruch
fand. An der Spitze der Gegner steht Robert Schumann7), der sich absolut
nicht hereinfindet und bitter tadelt. Aber man kennt ja Schumann's Brief
an Mendelssohn liber den >Tannhauser< 8), man kennt seine ungeheure Vor-
1) Allg. Musikal. Zeitung 1843, Bd. 45, p. 432,
2) Ebendaselbst, p. 620 und 866 ff. und Bd. 46, 1844, Nr. 40.
3) Neue Zeitschr. f. Mus. 1853, Bd. 39, Nr. 1.
4) 1843, Heft 2, p. 279.
5) Erinneningen, Bd. 2, p. 217 ff.
6) Drei Operndichtungen nebst einer Mittheilung an seine Freunde. Leipzig
1852, p. 62.
7) Neue Zeitschr. f. Mus. 1844, Bd. 21.
8) Schumann, Briefe. Neue Folge. Leipzig 1866, p. 220.
& d. DfO. X. 3
34 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
liebe ftir den Komponisten des »Paulus«, urn auch dieses zu verstehen. Ein
mit H. T. unterzeichneter Referent l) hat von der Berliner Auffiihrung >keinen
groBen und nachhaltigen Eindruck gehabt*. Das Werk sei » nicht aus innerem
Drange einer groBen primitiven Tonseele hervorgegangen « , mache vielmehr
den Eindruck eines groBartigen Experiments eines geistreichen Musikgelehrten,
dem >die Technik, Routine und Empirik eines Musikers von Profession
mangelt«. Wahrend diese beiden Gegner ernst zu nehmen sind, ist dies bei
awei anderen nicht notig. Eitner (a. a. 0.), den wir als absichtlichen Ver-
kleinerer Marx' kennen, auBert sich:
» Weder Erfindung noch die technische Behandlung ist irgendwie hervortretend
und die Singstimmen werden in einer Weise miBhandelt, daB es allerdings der vollen
Beredsamkeit M. bedurft haben mufi, um den Chor zum Weitersingen zu bewegen. «
Einer, der eine »Geschichte des Oratoriums* zu schreiben vorgibt, der sonst
so genaue und bienenfleiBige F. M. Bohme, schreibt beinahe ebensoviel Un-
richtigkeiten wie Worte2):
Marx hat ein religioses Drama in seinem Moses(!) hervorgebracht (man denkt
dabei etwa an Ftillen und Kalber), das viel Interessantes enthalten soll(!). Nach-
dem es 1852(!) in Weimar unter Liszt und vorher in Berlin aufgefiihrt worden,
scheint es der Vergessenheit anheimfallen zu sollen. «
Nun — wenn der Verfasser nicht einmal zwischen der ersten und zweiten
Auflage seines Buches Zeit fand, wenigstens einen Blick in das Werk zu tun,
und sich noch immer mit dem »soll« begntigt — was soil man dazu sagen?
Auf solche Weise bringt man dem Autor nur Unehre; da ist das ganzliche
Schweigen besser. Joachim Raff (a. a. 0.) trifft das Richtige, wenn er
sagt: »Der Mose ist die poetisch-musikalische Darstellung eines weltgeschicht-
lichen Vorganges, der, seines national-hieratischen Gewandes entkleidet, in
wahrer reinmenschlicher Gestalt und Bedeutung zur Anschauung gebracht
wird und zwar in einer dramatischen Form, welche den der gegenwartigen
Biihne nicht darstellbaren StofF dem menschlichen Wahrnehmungsvermogen
durch die einzigen auBer ihr noch iibrigen Mittheilungsmittel erfaBbar macht. «
Er verwirft deshalb auch die Bezeichnung des Werkes als »Oratorium«, ohne
indeB eine neue vorzuschlagen. Wir brauchen nicht lange danach zu suchen:
wie Richard Wagner's >Liebesmabl der AposteU moge es »Biblische Szenen*
oder >Biblisches Drama « ktinftig benannt werden.
>Klinftig< sage ich — denn ich vertraue fest darauf, mit meinen Aus-
fuhrungen den AnstoB zu einer Wiederaufnahme dieses durch und durch
neuzeitlichen (»modernen« konnte miBverstanden werden) Werkes zu
geben. Die Leiter der Gesangvereine lassen sich sonst wirklich etwas Eigen-
artiges entgehen. Hat doch der bedeutendste der jetzt lebenden Musikgelehrten,
Hermann Kretzschmar, dem »Mose« warm das Wort geredet3):
» Marx entwirft geistreich, phantasievoll ; er erfindet treffend und anschaulich ;
er erregt, erfreut, setzt in Staunen, wo es sich um bewegte Szenen handelt. Aber
es haften unter den Ghoren. mit denen er sie ausfiihrte. nur wenige so in der Er-
innerung, daB sie unwillkiirlich zu ihnen zuriickkehrt. Doch aber bleibt der
1) Allgem. Musik. Zeit. 1846, Bd. 48, Nr. 24.
2) F. M. Bohme, Die Geschichte des Oratoriums. 2. Aufl. Gutersloh 1887, p. W.
3) H. Kretzschmar, Fiihrer durch den Konzertsaal. 2. Aufl. Leipzig 1899,
p. 280 f.
Leopold Hinchberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
85
Mose durch den Geist, der in dem Werke herrscht, und die Selbstandigkeit des
groBten Teiles der Musik eines der achtungswertesten Oratorien der neuen Periode. «
Sei es zum Schlusse gestattet^eine zwar nicht unmittelbare , immerhin
aber recht vernehmlich sprechende Aufierung Richard Wagner's fiber Marx'
grofite Schopfung hinzuzufiigen. Wahrend er sich direkt nirgends ttber
Marx ausspricht, (Glasenapp's Beal-Encyklopadie verzeichnet auch Nichts dar-
iiber) fand ich in einem Briefe Wagners an Wilhelm Fischer (Leipzig 1888,
p. 323) folgenden Passus:
Ubersende mir gelegentlich mit Fracht folgendes:
1. Bach's achtstimmige Motetten. 2. Beethoven's 9. Symphonic. 3. Mozart,
3. Symphonie. 4. Die beiden Passionsmusiken von Bach. 5. Marx, Moses . . . .
Alles Dbrige kannst Du nach Belieben vernichten, verbrennen und — ver-
brauchen
Die gute Gesellschaft , in die Wagner hier unsern Tondichter bringt,
charakterisiert deutlich die nicht geringe Wertschatzung, die er fur den »Mose«
offenbar hegte.
Op. 11. Am Nordgestade. Fantasia fiir das Pianoforte zu vier
Handen. Leipzig, bei Friedrich Hofmeister, Paris, bei Simon Bichault.
3076. Pr. 25 Ngr. Fol. 19 Seiten. Erschienen 1845.
Was der Komponist hier in Tonen ausdrucken wollte, geht aus ihnen klar
hervor: einsam, gehtillt in einen weiten Mantel, steht er am Gestade des
Nordmeers, schaut dem ewig wiederkehrenden und ewig wechselnden Spiel
der Wellen zu und vergleicht das Sinneu und Trachten der Menschenseele
mit dem Gewoge des Wassers. So konnte als Motto dieser Tondichtung
Goethe's Wort gelten:
♦ Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser!
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!«
Dem Secondo-Spieler fallt zunachst die Aufgabe zu, das leise Murmeln der
Wellen und das unruhige Platschern, mit dem sie sich am Ufer brechen, zum
Ausdruck zu bringen. Der Emoll-Akkord kehrt mehrere Male pp, durch drei
Oktaven auseinandergezogen auf, dann beginnt ein fast tonlos zu nennendes
Fliistern. Erst mit dem 16. Takte haucht der Diskant-Spieler pianissimo
possibile einzelne Harpeggiandos hinein, worauf alsbald, immerfort vom Fliistern
*les Basses einformig umspielt, das Hauptthema: ^____^
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schiichtern hervortritt, um der Weise des An fangs nochmals Platz zu machen.
Nun nimmt auch der BaC das Thema, wenn auch nicht im vollen Umfange,
auf; die Akzente des Diskants werden kraftiger und leidenschaftlicher :
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Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
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senken sich jedoch wiederum nach diesem kurzen Aufwallen zuruck. Solite
nun bis hierher die aufiere Situation geschildert werden — and dies iit
meisterhaft geschehen — so beginnt nunmehr das innere Leben des Schanen-
den seinen Ausdruck zu finden, und zwar durch das Eintreten eines nenen,
dem Hauptthema bis zu einem gewissen Grade ahnlichen Themas, welches —
als ein Zeichen des Denkens! — leicht fugiert wird:
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Diese Gedanken aber werden, da nunmehr auch die Elemente sich zu emporeo
Bcheinen:
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strepuo80 col. 8
wilder und wilder, bis endlich Wut und Verzweiflung in dreifacbem Forte
hervorbrechen. Doch den wahren Mann vermag das Schicksal nicht zu beugen;
entschlossen nimmt er den Kampf mit ihm auf; wie heroische Trompeten
klingt es heraus:
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Der Kampf wird durchgefochten, die Beruhigung tritt ein; nach einem fur
sich selbst sprechenden Rezitativ:
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und einer milden, verklarten, entsagungSTollen Klage:
Adagio. — ^ -v ^ ^7S^
ru. espress.
verlafit der Wanderer, versohnt mit der Welt und dem Geschick, das Gestade,
wahrend die Wellen, in Fluatern ersterbend, ihm das Lied von ewiger Ruhe
nachsingen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daB das Studium von Beethoven'*
Sonaten und Symphonien die Yeranlassung zu dieser Tondichtung war, —
dieser unverganglichen Bilder menschlichen Bingens, das durch Nacht ram
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 37
Licht, durch Kampf zum Siege fiihrt. TJber sie sollte Marx vierzehn Jahre
spater1) bo schon schreiben, wie es nocb keiner wieder getan.
Op. 12, Urn Mitternacht. Fantasie fur das Pianoforte zu 4
Handen. Leipzig, bei Friedrich Hofmeister. Paris, bei Simon Bichault.
3077. Pr. 20 Ngr. Fol. 15 Seiten. Erschienen 1845.
Eine ausfuhrlichere Besprechung dieses Stiickes ist nicht vonnoten, da aucb
bier der Gedankengang klar und anschaulicb zum Ausdruck kommt. Sein
vorwiegend reflektierender Charakter ist schon dadurcb geniigend gekenn-
zeicbnet, daB es mit einer langsamen, nach alien Regeln stronger Kunst ge-
arbeiteten Fuge beginnt, auf welcbe dann ein liedartiges Andante con moto
folgt. Der Hauptsatz ist ein groBes, vortrefflich klingendes Agitato (Fmoll, %),
in seiner ganzen Anlage der Appassionato abgelauscbt. Die leise verklingende
Coda baut sich auf dem Fugenthema des Anfangs auf.
Eine in Schumann's Zeitschrift2) veroffentlichte, nur zum Teil zu billigende
Besprechung von Op. 11 und 12 moge hier nicht fehlen:
» Die vorliegenden Kompositionen lassen iiberall den bedeutenderen tieferen Geist
erkennen, welcher, weit entfernt von der modernen AuBerlichkeit, Geistiges, Poetisches
zu geben strebt, und auch fur eine kleinere Schopfung das Bewufitsein von der
Wurde kunstlerischer Thatigkeit mitbringt. Kommt alles dies nicht immer ent-
sprechend zur musikalischen Erscheinung, und miissen wir hin und wieder an der
harmonischen Gestaltung, an der nicht ganz handgerechten und modernen Instru-
mentirung fur Pianoforte, auch an minder interessanten, etwas trockenen Stellen
AnstoB nehmen, so ist dies theils im Allgemeinen die Folge einer uberwiegenden Be-
schaftigung mit der Theorie, welche, je mehr sie das BewuBtsein entwickelt, umso
mehr die Unmittelbarkeit des Schaffens zuriicktreten laBt, theils im Besondern Folge
des Standpunktes des Verf., auf welchem bei dem Streben nach geistigem Ausdruck
und Charakteristik das zweite, nothwendige, ewige Element aller Kunst, die sinnliche
Schonheit, zu wenig eine gerechte Wiirdigung und Anerkennung findet. Denen ins-
besondere, welche sich f iir den Schriftsteller Marx interessiren, werden beide Werke
eine willkommene Gabe sein. «
Sie seien, da sie bei dem Original- Verleger noch zu haben sind, alien
>Quatre-mains«-Spielern warm empfohlen. Jede Bereicherung dieses Zweiges
der Musik mit gediegenen Original werken isf nur mit Dank zu begruBen.
Op. 13. Die Zigeunerinnen. Gedicht von L. Muhlbach. Duett
fur Sopran und Alt mit Begleitung des Pianoforte. Leipzig, bei
Friedrich Hofmeister. 3796. Pr. 20 Ngr. Fol. 11 Seiten. Erschienen
1845.
Das Gedicht hat Marx von der bandereichen Luise, der Gattin Theodor
Mundts, in dessen Hause er viel verkehrte, offenbar handschriftlich erhalten;
wenigstens konnte ich einen Druck nirgends aufBnden. In keeker, launiger,
bisweilen formlich wildbewegter Weise schildert es die Schadenfreude einer
jungen und einer alten Zigeunerin, die sie uber die Leichtglaubigkeit der
Stadter empfinden. Die Junge hat hauptsachlich von dem Scharwenzeln junger
Gecken, die Alte vom Prophezeien Vorteil gezogen.
1) Marx' unsterbliches Beethoven -Werk erschien zum ersten Male im Jahre 1859.
2)'Neue Zeitschr. f. Musik 1845, Bd. 23, Nr. 8.
38
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
In flottestem Tempo beginnt und beharrt das eigentilmliche Sttick. Zu
dem Ubermiitigen "Wesen der jungen:
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Zur KirmeB drunten bin ich g'west, war dir ein lustig Hopsen !
ist das bedachtig-schlaue der alien Zigeunerin:
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3S
Ich brom-mel - te und brom-mel - te,
und brom-mel - te und
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zi - schelt leis und brom - mel - te
in treff lichen Gegensatz gebracht; es fehlen nicht interessante Harmonien and
fast extravagant zu nennende Tonfolgen:
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«S?e!
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Stiehlt sich ein Ian - ker Blan - ker, blafi, — her-bei auf Spindel-
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bei - nen,
die
Bril - le auf
der
ro - then Nas
Den SchluB bildet ein tolljubelndes Presto im •/$ Takt.
Keferstein1) betracbtet das Duett als einen interessanten Zuwachs zu den
schon vorhandenen Zigeunermusiken "Weber's (Preziosa) und Loewe's Johann
Hu£2) und Zigeuner-Sonate3) und erklart es fur ein echt zigounermaBig ge-
haltenes Stiick. Bei einer Besetzung mit guten Sangerinnen verspricht er
sich davon eine hochst eigentumliche Wirkung und schlieBt:
»Wir mochten dieses Duett auf dem Theater horen und sehen, denn da allein
kann und wird dieses interessante Genrebild seine voile Wirkung hervorbringen.«
Op. 14. Ein Fruhlingsspiel. In dreimal drei Gedichten von
Heinrich Heine fur eine Singstimme mit Pianoforte. Drei Hefte,
componirt und seiner Therese gewidmet. Leipzig, bei Breitkopf & Hartel.
Pr. 15 Ngr. 7304. 5 u. 6. Fol. 9, 11, 11 Seiten. Erschienen 1845.
Die Texte sind samtlich dem >Neuen Friihling* entnommen, enthalten in
»Neue Gedichte von H. Heine. Hamburg, bei Hoffmann und Kampe.
1844. «
Einen Liederkreis zu bilden, wie er es schon bei »Nahid und Omar*,
wie es Robert Schumann in seinen beruhmten Liederkreisen des Jahres 1840
getan — das bestimmte unsern Tonmeister, einige der gerade erschienenen,
ein gleiches Aufsehen wie die fruheren erregenden Heine'schen Gedichte zu
1) Allgem. Musikal. Zeit. 1846, Bd. 48, Nr. 49.
2) Op. 82.
3) Op. 107.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 39
be ton en. Die vom Dichter gegebene Anordnung hat Marx ebensowenig
beriicksichtigt wie beim »Nahid« von Stieglitz, weil sie mit seinen Absichten
nicht zusammentraf. Die Anordnung ist nun derart, dafi immer je drei
Lieder so zusammengehoren, dafi sie hintereinander (ohne Zwischenpause) zu
singen sind. Jeder der drei Kreise ist aber in sicb abgeschlossen.
Die "Widmung des Kranzes an das Weib seiner Liebe laBt uns erkennen,
dafi der Tondichter mit seinem ganzen Herzen an das Werk gegangen ist
und seinen eigenen Liebeslenz darin zu begeistertem Ausdruck gebracht hat.
Erstes Heft. I. Leise zieht durch mein Gemuth. (Neue Gedichte,
Nr. VI, p. 11.)
Mit diesem nachst der »Loreley« volkstumlichsten der Heine'schen Lieder
beginnt der erste Kranz. Und volkstumlich (natiirlich strophisch) und ganz
reizend ist es komponiert. Felix Mendelssohn's Betonung steht es in keiner
Weise nach; das Lauten ist durch die Figur:
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die bis zum £nde in immer neuen Umformungen erklingt, sinngemafi illustrieri
Ohne Aufenthalt geht es zu
II. Der Schmetterling ist in die Rose verliebt. (Ebendaselbst,
Nr. VH, p. 12.)
Zwei leichte Figuren:
schildern das Flattern des verliebten Tierchens; die erste (dieser Schilderung
gewidmete) Strophe ist durchweg in Emoll, die zweite, welche es mit der
Rose zu tun hat, in G dur gehalten. Nach nochmaliger "Wiederholung dieses
"Wechselspiels in Strophe 3 und 4 tritt
HI. In dem Walde spriefit und griint es (Ebendaselbst, Nr. II>
p. 7) mit Feuer und Kraft hervor:
Alio brioso.
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In dem Wal-de spriefit und grunt es fast jungfr'aulich lust-be-klommen
Dem musikalischen Ausdruck des Nachtigallenschlages ist durch lang an-
haltende Triller in der Begleitung (im ganzen 18 Takte) in weitem Mafie
Bechnung getragen.
Zweites Heft. Die Grundstimmung dieses Kreises ist im Gegensatz zum
vorigen eine ernstere, melancholische.
I. Gekommen ist der Maye. (Ebendaselbst, Nr. V, p. 10.)
Auch hier zeigt sich, wie bei II. des ersten Heftes, eine Symmetrie in
der Betonung von je zwei und zwei Strophen: Strophe 1 und 3 volkstiimlich-
einfach, 2 und 4 leidenschaftlich-schmerzvoll. Etwas Besonderes ist nicht
zu erwahnen; die Erfindung der beiden Themen ist wenig bedeutend. Da-
gegen ist
40
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
II. Was treibt dich umher in der Fruhlingsnacht? (Ebendaselbst,
Nr. XV11, p. 24} durchaus in grofiem Stil gehalten; der Tondichter hat die
geradezu wundervollen Dichterworte mit edler Leidenschaft beseelt. Schon
der Anfang mit seinem drangvoll-heifien Flttstern:
Allegretto agitato.
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Was treibt dich urn - her in der Fruh - lings - nacht? Da
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hast die Bin - men ganz toll ge - maoht
zeigt dies klar an; im weitern Yerlauf steigert sich die Aufregung zum FFF,
nnd in einem langen Nachspiel (15 Takte) lafit der Komponist, ganz ahnlich
wie es Robert Schnmann so oft und schon verstanden, diese erregten Ge-
danken zu hochster Kraft anschwellen nnd im pp austdnen. Und so kann sich in
HI. Wie des Mondes Abbild zittert (Ebendaselbst, Nr. XXIII,
p. 31) in einem lang nnd edel gefuhrten Adagio, das bernhigte Gemut in
die still e Andacht der Natur versenken und zu den >ewigen Lichtern« auf-
blicken 1).
Drittes Heft. I. Es drangt die Noth, es lauten die Glocken.
(Ebendaselbst, Nr. XI, p. 18.)
Ein ausgedehntes, leidenschaftlich bewegtes Yorspiel (12 Takte) deutet
auf Besonderes hin. Die Yerschworung der heterogensten Dinge, des Frfih-
lings, der Rosen, der Nachtigall und zweier schSner Augen gegen den lieben-
den Jungling — alles dies soil im Yor- und Nachspiel erlautert werden. Bei
aller Leidenschaft entbehrt dieser Gesang .ebensowenig des Humors, wie Schu-
mann's alte Geschichte, die ewig neu bleibt2). Aber in
II. Wenndumir voriiber wan deist (Ebendaselbst, Nr. XIY, p. 21)
zeigt sich nur selige Begluckung beim Anschauen der Qeliebten. Dabei ist
die Deklamation apart und treffend:
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g-E J J'
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Dann drehst du dich urn, und schaust mich mit den gro-Oen Au-gen an
m. Wie die Nelken duftig athmen! (Ebendaselbst, Nr. XXYI,
p. 34), der Schlufigesang der >Trilogie der Leidenschaft*, ist das bedeutendste
Stuck von alien, so durchaus orchestral gedacht, dafi wir ruhig von einzelnen
Instrumenten sprechen diirfen, und hat die typische zweiteilige Arienform an-
genommen. Der erste langsame Teil entrollt una ein Naturbild Ton hoher
sinnlicher Schonheit; ppp-Tremolos der Qeigen, unterbrochen von kursen,
dumpfen Paukenschlagen beginnen; dann setzt eine sanfte Hornmelodie:
at^i^ms-^ ? rn my-f?^
1) Man lese dazu Marx' Erlauterungen zum Largo der Beethoven 'echen Adur-
Sonate Op. 2 und dem Andante der 1. Symphonie! 2) Op. 48, Nr. 11.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
41
immer von den gleichen Instrumenten begleitet, ein, so da£ sich ein Vergleich
mit dem Nocturno aus dem >Sommernacht8traum« unabweislich aufdrangt.
Nun ergreift die Singstimme die Hornkantilene in geringer Veranderung, wird
aber in der Detailmalerei bald selbstandig:
ein Gewimmel goldnerBienen, angstlich schimmernan dem veilchenblauen Himmel
Nun ein Nachspiel des Horns und fast plotzlicher Ubergang in den zweiten
Teil (Allegro agitato, Emoll). Nur solange die Umrisse des Landhauses, in
dem das Liebchen wohnt, verscbwommen sind und das Gerausch vom Klirren
der Glastiir sich undeutlich horen laflt, bleibt die Molltonart bestehen —
dann geht es, zwischen Freude und geheimer Angst anfangs noch wechselnd:
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hoi - des Zit-tern, sii-Ces Be -ben, furchtsam zart-li-ches Umschlin-gen
unaufhaltsam bis zum Ausbruch des hochsten Entziickens, in welcKen der
jauchzende Triller der Nachtigall hineintont.
Moge zum Schlufi noch ein Teil der etwas weitschweifigen, jedoch das
E.ichtige treffenden Keferstein'schen Kritik1) Platz finden:
>Jedes dieser interessanten Hefte bildet fiir sich insofern ein abgeschlossenes,
rundes Ganzes, als der Verfasser die ergriffenen Texte so geschickt zusammengestellt
und aneinander gereiht hat, daC immer ein Lied in das andere hiniiberleitet, die
Situation des einen die des andern bedingt und vorbereitet, eines aus dem andern,
wie etwa die Kelche gefiillter Primeln und Aurikeln, scheinbar frei und doch mit
innerer Nothwendigkeit hervordringt.« — »So sind hier eng verflochtene Liederkranze
zu erwarten, ein Punkt, den man wohl ins Auge zu fassen hat, wenn man dem
geistvollen Verfasser sein gutes Recht gewahren und sich den GenuB und die Freude
an diesen dankenswerthen Gaben nicht verkiimmern will. «
Marx selbst ergreift zu seinem Werke in den x Erinnerungen « 2) das Wort:
»Hatte ich mich doch in dem ,FruhlingBspiel' nicht dazu verstehen konnen,
die Begleitung leichter zu setzen, als ihr Antheil an den Bildern, die sich entrollen,
gestattete. Und doch wuCte ich wohl, wie gem unsere Pianisten es sich bequem
machen, wenn sie nicht die Aussicht habcn. ihre ,Bravour* zur Schau zu stellen. «
Exemplare des Werkes sind beim Verleger noch vorhanden.
Op. 15. Schlummerlied »Buhe, sufi Liebchen, im Schatten* von
Ludwig Tieek fiir vier Solostimmen (Sopran, Alt, Tenor und BaB) und
Pianoforte ad libit. Leipzig, bei Siegel & Stoll. 23. Pr. 1 Thlr. 5 Ngr.
Fol. 15 Seiten. Erschienen 1846.
Die beruhmte Dichtung Tieck's steht im zweiten Band der >Yolksmahrchen,
herausgegeben von Peter Leberecht* (Berlin 1797), und ist enthalten in
>Wundersame Liebesgeschichte der schonen Magelone und des Grafen Peter
1) Allgem. Musikai. Zeit. 1846, Bd. 48, Nr. 48.
2) Bd. 2, p. 220.
42
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
aus der Provenced); sie ist zahllos komponiert worden2). Auch Marx kann
mit hohen Ehren in der Reihe dieser Tondichter bestehen. Es zeigen sich
zwei gesonderte Themen: ein lauschiges im 4/4 und ein wiegendes im % Takt.
Dabei ist zu bemerken, da£ dieser Wechsel nicht mit den Strophen-Enden
bzw. -Anfangen der Dichtung zusammenfallt, sondern in den letzten beiden
Verszeilen der ersten und zweiten Strophe eintritt. Die letzte behalt ganzlich
den %-Takt bei, formt aber die "Wiegenmelodie sehr glucklich zu bewegter
"Weise um. Wie ein Referent8) richtig betont, hat Marx das reizende Gedicht
in seiner ganzen Z art he it und Anmut ergriffen; der schone Gesang, leicht
dahinschwebend, wie >Fruhlingshauch von Blumenduft.geschwangert«, wird
bei entsprechendem Vortrag von trefflicher Wirkung sein.
Op. 16. Grosse Sonate fur Pianoforte componirt und Seiner Konig-
lichen Hoheit dem Regierenden GroBherzog Georg von Mecklenburg-
Strelitz ehrfurchtsvoll gewidmet. Leipzig, bei Siegel & Stoll. London,
bei Ewer & Co. St. Petersburg, bei M. Bernard. 20. Pr. iy2 Thlr. Fol.
33 Seiten. Erschienen 1846.
Viele Vorziige, leider aber auch viele Schwachen weist dieser erste und
letzte Versuch Marx', ein Klavierwerk im grofien Stil zu schreiben, auf.
Die Vorziige bestehen in der poetischen Idee, sagen wir in der Tiefe der
Gedanken ; die Schwachen in dem auffalligen Mangel grofierer Kombinationen,
in der Yerkennung des Wertes der ersonnenen Themen. Dafi der gedankliche
Inhalt den groOen Sonatenwerken Beethoven's entspricht, liegt zu klar auf
der Hand, als da£ es geleugnet werden konnte; die Gestaltungskraft aberr
die Durchfuhrung der teilweise sehr schonen Themen wird vielfach vermiBt.
Der Hauptwert der Sonate (man konnte sie auch eine » pathetische « nennen)
liegt zweifellos im ersten Satze. Dieser beginnt mit einer langsamen, tPesatUe*
iiberschriebenen Einleitung, deren erste schwergewichtige Takte:
wie eine bange, vorwurfsvolle Frage an das Schicksal sich vernehmen lassen. In
dieser Weise, unterstiitzt von einem schnell verloschenden, klagenden Sang, spinnt
sich die Introduktion weiter fort, um nach einem heftigen Aufschrei und blitzartig
in die Tiefe stiirzenden Gangen zum Hauptsatz (Allegro asmi ed agitato) iiberzuleiten,
dessen pracht voiles Thema:
1) a. a. O. p. 216.
2) Besondere schon von Franz, Brahms und Marschner.
3) Allgem. Musikal. Zeit. 1846, Bd. 48, p. 299.
Leopold Hirschberg, Der Tondicbter Adolph Bernhard Man.
43
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ein leidenschaftliches und leidenvolles Drangen, Ringen und Kampfen ausdriickt.
Dieses so treffende Motiv wird aber von dem Komponisten zu wenig ausgenutzt.
Wohl kehrt es noch einmal in der Oktave wieder, taucht auch spater voriibergehend
auf, mufi aber zugunsten eines anderen, weit weniger bedeutenden:
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weichen. Dadurch schwacht sich das Interesse an dem so schwungvoll und viel-
versprechend eroffneten Satze ab, der indes in seiner technischen Durchfuhrung noch
vieles Interessante darbietet. Der zweite Satz (Adagio religioso) ist — wie bei
Beethoven — ein inniges Gebet um Prieden und Erlosung; das Thema:
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ist gesangreich und bote zu groBerer Entfaltung Platz, als der Tondichter ihm hat
angedeihen lassen; es verliert sich unter einem UbermaB von etiidenhaften Gangen.
»Neue Stacheln*1) bringt der dritte Satz, ein Scherzo (Prestissimo possibile); be-
schwichtigend erklingt das Trio:
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das Scherzo kehrt wieder und geht ohne Aufenthalt in das Finale iiber, welches
(AUegro fuocoso) das Scherzo-Thema zunachst im 4/4 Takt und wilder Aufregung
ausfuhrt, dann aber zu einem »BriUante« iiberleitet, welches in der Tat nur diese
virtuosenhafte Bezeichnung verdient. Wie Brendel2) richtig hervorhebt, verflacht
es sich in AuBerlichkeiten.
So sehen wir also, daB dieeer Versuch Marx' im ganzen als gescheitert
zu betrachten ist. Sicher hat er dies selbst gefiihlt und demzufolge das Ge-
1) Allgem. Musikal. Zeit. 1846, Bd. 48, Nr. 22, p. 366.
2) N. Ztschr. f. Mus. 1846, Bd. 25, Nr. 10.
44 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
biet verlassen. Wir meinen mit Unrecht. Denn der geistige Inhalt ist, wie
schon hervorgehoben, docb so bedeutend, dafi ein neuer und wieder neuer
Versucb den Tondichter zu immer groBerer Yollkommenheit auch darin ge-
fuhrt haben wiirde. Zu den Schmahungen aber, die Eitner dem Werke an-
gedeihen laBt, liegt auch nicht die Spur einer Berechtigung vor.
Op. 17. Meine Seele 1st still e zu Gtott. Hymne fur vierstim-
migen Chor mit Pianofortebegleitung. Minden, Musikalien-Magazin bei
W. FiBmer & Comp. Pr. der Partitur ohne Stimmen 15 Sgr. Fol. 11
Seiten. Erschienen 1846.
Die Worte aus Psalm 62, V. 2, 3 und 8.
Eine kontrapunktisch ganz vorziiglich ausgefuhrte Arbeit, durchweg fur
den Chor allein, aus zwei Teilen bestehend. Der erste langere geht in mafliger
Bewegung (4/4), der zweite feurig bewegt und stark (6/4). Eine vom Baum
der Theorie gepnuckte, vollsaftige Frucht.
Op. 18. Wanderlied von Wilh. Muller fiir vier Solostimmen
(Sopran, Alt, Tenor und BaB) und Pianoforte ad libit, componirt. Leip-
zig, bei Siegel & Stoll. 32. Pr. 1 Thlr. Fol. 13 Seiten. Erschienen
1846.
Das Gedicht ist nicht von Wilhelm Muller, sondern von Joseph v.
Eichendorff; in des letzteren »Gedichten« (Berlin 1837, p. 4) steht es
unter der Uberschrift »Allgemeines Wandern*.
Ein dankbareres Stuck fiir vier Solostimmen als dieses laGt sich kaum
denken. Mit frohlicher Munterkeit, flott und leicht, nur in der Mitte an
einer kleinen Stelle sinnig zuriickhaltend, schreitet das melodiose Werk bis
zum Ende fort. Die sehr kunstreiche Arbeit tritt dabei nirgends aufdringlich
hervor; seinen Eindruck bei den Zuhorern wird es bei nur einigermafien
sinngerechtem Vortrag nie verfehlen konnen.
Op. 19. In banger Zeit. Vierstimmiger Chor mit Pianofortebe-
gleitung. Minden, Musikalien-Magazin bei W. FiBmer & Comp. Pr. der
Partitur mit Stimmen 25 Sgr. Fol. 19 Seiten. Erschienen 1846.
Text: Die bekannten Choralworte »Verleih uns Frieden gnadiglich* usw.
IJber die Bedeutung der Kirchenmusikwerke unseres Ton di enters haben
wir uns bereits so weitlaung ausgelassen, dafi wir hier nur schon Gesagtes
wiederholen mufiten, wenn wir eine ausfiihrlichere Analyse des ziemlich um-
fangreichen Werkes geben wiirden. Uber die Kunst des Satzes deshalb hier
kein Wort. Bemerkenswert ist in diesem Stlick vor allem das Hervortreten
und die Selbstandigkeit des begleitenden Instrumentes. Schon das Vorspiel
yon nicht weniger als 56 Takten weist darauf hin, dafi wir einen breit an-
gelegten Gesang zu erwarten haben. Neben feierlichen A kk or den, die auf
inbriinstiges Gebet hindeuten, zeigen sich darin auch bewegtere Stellen, die
die »schwere Noth der Zeit* treffend zum Ausdruck bringen. Der Wechsel
von Solo und Chor, die mannigfachen instrumentalen Zwischenspiele, dabei
der fast durchweg choral- oder wenigstens kirchenliederartig gehaltene Satz
der Singstimmen — all dies fuhrt uns mit fast dramatischer Gewalt in ein
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 45
altes Klosterrefektorium, wo Monche und Nonnen (Soli) und angstvolles Yolk
(Chor) den Herrn um das Ende der Kriegsnot anflehen.
Es sind wirklich viel Schatze vergraben — nicht bloB im Yatikan.
Op. 20. In der Fruhe. Oedioht von Gothe, fur sechs Solo-
stimmen (2 Soprane, Alt, Tenor, 2 Basse) und Pianoforte ad libit, com-
ponirt. Leipzig, bei Siegel & Stoll. 33. Pr. V/A Thlr. Fol. 15 Seiten.
Erschienen 1846.
Goethe's Gedicht steht ohne Uberschrift *) in der »Lieder fiir Liebende*
uberschriebenen Gruppe. Wenn eines, so verlangt dieses die Musik; denn
auf das Stan deb en, das Manner (von auflen) bringen, antworten Frauen (von
innen). Der scbon in der Dichtung reizende Gegensatz zwischen beiden
Stimmen, die von der beabsichtigten bimmelweit entfernte Wirkung des Ge-
sanges auf die schlafenden Frauen, welcbe — anstatt erweckt zu werden —
sich yon dem »schonen Getone* vielmebr einschlafern las sen, hat durcb die
uberaus liebliche und scherzende Musik ein neues, frisches Leben gewonnen.
Das Stiick beginnt mit dem mannlichen Terzett, recht jung und morgenschon
in D dur, wobei durch die Anordnung der Singstimmen ein orchestraler Effekt
(Hornklang) erreicht wird. Besonders eindringlich lafit sicb dabei der erste
Ba£ vernehmen. Lieblich antworten die Frauen im weichen Bdur; wahrend
der erste Sopran die Weise des Standchens sanft hervorhebt, iibernimmt der
zweite den Ausdruck des Einlullens und Wiegens. Nacb nochmaliger (ver-
kiirzter) Wiederholung dieses Wechselgesanges werden nun alle sechs Stimmen
hochst kunstreicb miteinander verflochten; die Manner ziehen, wie ja nicht
anders zu erwarten, den Klirzeren und das ganze verungliickte »grofie Wirken*
endet im Pianissimo, indem die Frauen sicb auf die »andere Seite* legen
und die Manner mit ziemlich langen Nasen und recht kleinlaut abziehen.
Keferstein2) hat recht, wenn er am Schlufi seiner kleinen Besprechung her-
vorhebt, daB man dem Komponisten fur seine Gabe uberall Dank wissen
wird.
Mit diesem holden Scherz endet das fruchtbare Scbaffensjabr 1846. Scheint
es doch, als wenn Marx sich nach der anstrengenden Tatigkeit des voran-
gegangenen, in welchem der dritte Band der Kompositionslehre vollendet
wurde, in eigenen Schopfungen erholen wollte.
Op, 21. Gebet urn Kirchenfrieden. Vierstimmiger Chor mit
Pianoforte-Begleitung. T. Trautwein'sche Buch- und Musikalien-Hand-
lung (J. Guttentag) in Berlin, Breite StraBe Nr. 8. Petersburg, bei M.
Bernard. Leipzig, bei C. F. Leede. Preis der Partitur 17 */» Sgr. Preis
jeder Chorstimme 5 Sgr. Fol. 13 Seiten. Erschienen 1847.
Die Dichtung (zwei schwungvolle Strophen) scheint von Marx zu stammen;
sie ist auf der Innenseite des Titelblattes ohne Nennung des Autors abge-
druckt.
Der Gesang hebt nach zwei vollakkordigen Einleitungstakten des Klaviers
vollstimmig an und beginnt bald sich kontrapunktiscb zu gliedern. Nach
1) Goethe's Werke. Ausg. letzter Hand. Stuttgart und Tubingen 1835.
Bd. 47, p. 38.
2) vgl. Keferstein's Besprechung von Op. 13.
46
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
der Beendigung der so vom ganzen Ghor gesungenen ersten Strophe folgt
ein langeres Zwischenspiel in Sebastian Bach's Art:
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worauf >Ein Einzelner« (Bali) mit der gleichen reich figurierten Begleitung
die zweite Strophe anhebt. Der Chor fallt leise voller Andacht ein; der
»Einzelne« tut die nachdrucksvollen Fragen »Ob Gott? — ob Weltgeist?,
worauf dann abermals der Chorgesang das Anfangsmotiv aufnimmt und den
Gesang stark, in ruhiger Erhebung, zum Ende ffthrt. Sehr schon wirkt eine
12 Takte wahrende harfenartige Begleitung.
Op, 22. Spanisohe Lieder ubertragen von Emanuel Oeibel for
eine Singstimme und Piano. Berlin, bei Stern & Cie., JagerstraBe
Nr. 36. Heft I Nr. 1—6. Pr. 2/3 Thlr. Heft II Nr. 7—12. Pr. ■/, Thlr.
Fol. 15, 17 Seiten. Erschienen 1847.
Samtliche Gedichte, bis auf das erste, sind in »Volkslieder and Romanzen
der Spanier im Versmafie des Originals verdeutscht durch Emanuel Geibel«
(Berlin 1843) enthalten, aus welchen bekanntlich auch Robert Schumann seine
bekannten »Spanischen Lieder « *) geschopft hat. Auch hier herrscht, wie
beim »Fruhlingsspiel« (Op. 14), offenkundig das Bestreben vor, fortlaufende
Liederkranze (2) zu bilden; im ersten Heft finden wir (abgesehen vom ersten
Lied als Einleitung des Ganzen) die Kreuz-, im zweiten die B-Tonarten vor-
herrschend, so dafi ein unmittelbarer Ubergang von einem Lied in das andere
erfolgen kann.
Erstes Heft. Nr. 1. Sehnsucht. Gedicht von E. Geibel, als
Einfuhrung.
Die Wahl dieses aufierhalb des Eahmens der iibrigen liegenden, bereits
in Geibel's erster Gedichtsammlung2) enthaltenen Liedes beweist, dafi auch
Marx ein >Liederspiel« beabsichtigte. Die volkstumliche, strophische Kom-
position des auch von Schumann betonten Gesanges >Ich blick in mein Hen
und blick in die Welt* 3) driickt dem Inhalt des Zyklus das charakteristische
Geprage auf: Sehnsucht, Lieben und Leiden, Todesverlangen.
Nr. 2. Bedeckt mich mit Blumen. (Volkslieder XTTT, Cubridme de
flores, p. 17.)
Es ist ein siifier Liebestod unter Blumen, den sich das Madchen wunscht;
der Tondichter hat darum die im Einleitungslied vorherrschende Moll ton art
ganz verlassen ; in dem einfachen, seelenvollen Gesang zeigt sich der Schmerx
der Liebe durch die SttBe ihrer Qualen verschleiert.
1) Op. 138.
2) Berlin 1840, p. 119.
3) Op. 51, Nr. 1.
Leopold Hirachberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
47
Nr. 3. Meine Seel' in Schmerz befangen. Vom Infanten Don
Juan Manuel. (Ebendaselbst XII, Mi alma mala se para, p. 16.)
Zartlichkeit und Stolz sind in gleicher Weise pragnant durch eine charak-
teristische Melodie gekennzeichnet.
Nr. 4. Nelken wind' ich und Jasmin. (Ebendaselbst XXXVII, Gojo
jazmin y davd7 p. 58.)
>Zart und weilend« hat Marx sehr passend als Tempo- und Ausdrucks-
bezeichnung gegeben. Die Gedanken des liebenden Madchens sind nur auf
den Geliebten gericbtet; selbst eine so mecbaniscbe Arbeit wie das Winden
des BlumenstrauGes wird dadurch beeintrachtigt; und diese Zerstreuung, dieser
Mangel an Sammlung wird sehr sinnreich durch einen immerwahrenden Takt-
wechsel angedeutet: 1. Takt </4> 2. Takt »/4l 3. Takt %, 4. Takt »/4l 8. Takt
4/i, 9. Takt */Al 10. Takt 4/4 usw. Von dem Moment aber, wo das Madchen
die Bedeutung des gewundenen StrauBes, als eines Boten an den Jungling
ihrer "Wahl, kundgibt, bleibt die Einheit des Taktes langer bestehen; kleine
Koloraturen wie:
Und ihrwei
Ben Bltiten werth, sanft mit Duf
ten gruBet ihn
geben dem Ganzen ein sehr zartes, Begleitungsfiguren wie hier:
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a-, j. t-m? ■ f;
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ein tranenvolles Geprage.
Nr. 5. Komm o Tod. Vom Kommendador Escriva. (Ebendaselbst
XXI, Ven muerte tan escondida, p. 31.)
Ein inniges Sterbelied ohne besondere Eigentumlichkeiten.
Nr. 6. Klinge, klinge mein Pandero. Alvaro Fernandez de
Almeida. (Zigeunerlied.) (Ebendaselbst XVHI, Tango vos el mi pandero ,
p. 26.)
Bereits in den »Zigeunerinnen« (Op. 13) hatte Marx seine Fahigkeit und
Sicherheit fur dergleichen charakteristische Vorwlirfe bewiesen ; er beweist sie
von neuem in diesem Gesange, dem zweifellos wertvollsten der ganzen Samm-
lung, und geeignet, die bekannte Jensen'sche Komposition in den Schatten
zu stellen. Eine wilde Figur, die bis zum Schlufi anhalt, ist das Signum
dieses Stiickes; das Tonen des Pandero selbst wird durch das Motiv:
pfe^
X
gemalt.
48 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Zweites Heft. Nr. 7. Unter den Baumen. Antonio deVillegas.
(Ebendaselbst XLI, En la pena, suso la pena, p. 64.)
Ein schones Wiegenlied, wie der Text es vorschreibt.
Nr. 8. Wohl aus hartem Felsgestein. (Ebendaselbst XXVII, De
piedra pueden dedr, p. 39.)
Ein hartes, strenges Lied, in der Begleitung an Schumann's »Ich kanns
nicht fassen, nicht glauben« 1) lebhaft erinnernd.
Nr. 9. Alle gingeri Herz zur Ruh. (Ebendaselbst VIII, Todos duermen
coraxon p. 11.)
Still nnd traurig, langsam, wie todesmatt, erklingt gleich das Vorspiel
mit seinen Staccatos im pp; dann setzt die Singstimme mlide ein, immer
yon Staccato begleitet. Nur im Mittelsatz scheint — fur eine kurze Zeit
— ein Hoffnungsschimmer zu leuchten; aber bald erlischt auch der, und das
Lied endet, wie es angefangen.
Nr. 10. Tief im Herzen trag' ich Pein. Luis de Camoens. (Eben-
daselbst IV, De dentro tengo mi mal, p. 6.)
Bei diesem Gesang befremdet die Wahl des Polacca-Tempos. Zwar zeigt
sich im Bafi der Begleitung durch eine Violoncell-Imitation :
die schmerzvoll-unruhige Erregung ; ebenso lassen spaterhin Staccato -Synk open
das Spriihen des Funkens gut hervortreten — im ganzen aber hinterlafit das
Stiick einen'nur wenig befriedigenden und nachhaltigen Eindruck.
Nr. 11. Hoch, hoch sind die Berge. Pedro de Padilla. (Eben-
daselbst XXXVI, La sierra es alia, p. 57.)
Schon empfunden dagegen und durch den sinngemafien Wechsel von Ton-
art und Takt besonders anmutig ist dieses Madchenlied. Anfanglich in
Fmoll (%)) zur Schilderung der Bergeshohe, tritt bei der Bitte an das
Miitterlein das verwandte Asdur (4/4) ein. Die unbefriedigte Sehnsucht, die
das Ganze beherrscht, gibt sich schon dadurch zu erkennen, daO das Lied
mit der Dominante beginnt und endigt.
Nr. 12. Dereinst dereinst. Cristobal de Castillejo. (Ebenda-
selbst III, Alguna vex, p. 5.)
Ein breit ausgefuhrter , beruhigender SchluBgesang , dessen die Unrast
des Lebens schildernden Synkopen endlich friedlichen Gangen und Akkorden
weichen mussen.
Im ganzen ist dieser Liederkranz weniger bedeutend und eindrucksvoll
als das »Fruhlingsspiel«.
Op. 23. Morgenruf von G, Herwegh fiir Mannerchor, achtetimmig.
Minden, bei W. FiBmer & Comp. Leipzig, bei R. Friese. Pr. 25 Sgr.
gr. 8. 20 Seiten. Erschienen 1848.
Georg Herwegh'8 hochberiihmtes Freiheitslied ziert seine anonym er-
schienenen >Gedichte eines Lebendigen« 2).
1) Op. 42, Nr. 3.
2) Zurich und Winterthur 1843, Bd. 2, p. 4—6.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
49
In diesem und dem folgenden begeisterungsvollen Gesange hat Marx seine
freiheitlichen Gesinnungen im Jahre 1848 ausgesprochen. Wenn wir ihn
horen (wann?), so wttrden wir ebenso wenig, wie es jetzt beim Spielen der
Pall ist, an die kunstvolle Durcharbeitung denken; nur die hohe Glut der
Begeisterung wiirde uns daraus entgegenleuchten. Wie sinnyoll ist der Be-
ginn durch die Molltonart geschaffen; bei aller Kraft und straffen Rhythmik
markiert sie doch die noch dampfenden Nebel des Morgens, aus denen der
Lerchengesang unser Ohr beriihrt; wenn sich dann der Sonnenball in vollem
Glanz erhebt, beginnt die Durtonart einzutreten, — jetzt ist der Tag er-
wacht — plotzlicher Ubergang aus G- nach Es dur. In feuriger Lebhaftigkeit
beginnt und endet der SchluBsatz der Strophe:
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Her - aus, wer ans e - wi
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ge Licht noch glaubt!
£=--=f=-^PT5F
Der Chor ist (in der letzten Strophe mit geringfugigen Abweichungen) stro-
phisch komponiert.
Op. 24. »Hinaus mein Lied« Preiheitsgesang fur Baryton mit
Pianoforte. Minden, bei W. FiBmer & Co. Leipzig, bei B. Friese. Pr.
7Vi Sgr. gr. 8. 11 Seiten. Erschienen 1848.
IJber den Dichter (Weber Witte) konnte ich nichts ermitteln.
Das einstimmige Analogon des vorigen; voll Mut und Starke setzt der
Gesang nach langem Yorspiel ein und wird durch fiinf Strophen geffihrt. Der
Stimme werden nicht geringe Anstrengungen zugemutet.
Op. 25, Seohs Gesange far vier Mfinnerstimmen. Minden, bei
W. FiBmer & Comp. Leipzig, bei R. Friese. Pr. der Partitur 7y2 Sgr.
Stimmen V/2 Sgr. gr. 8. 12 Seiten. Erschienen 1848.
Nr. 1. Wenn die Nacht mit suBer Buh\ H. W. v. Bamford. Ein
nicht korrigierter Setzerfehler hat den Namen des Dichters entstellt. Es
handelt sich um Heinrich Wilhelm v. Stamford, einen Generallentnant; in
seinen >Nachgelassenen Gedichten « (Hannover 1808) findet sich der Text mit
der Uberschrift »Standchen« (p. 30).
Ein anspruchsloses kurzes Abendlied, mit schoner Melodik und trotz seiner
Kurze fein gearbeitet.
Nr. 2. Der tadellose grofie Herr. Mohammed Schemseddin.
> Mohammed Schemseddin*, die Sonne des Glaubens, mit dem Beinamen
Hafis, der Bewahrer des Koraiis, weil er dies heilige Buch von einem Ende
sum andern auswendig wuflte, war geboren zu Schiras und lebte daselbst
Ton den ersten bis zu den letzten Dezennien des 14. Jahrhunderts hin, in
Zeiten also, wo es bei uns im Occident noch tief nachtete.* Diese Stelle
aus der Yorrede eines der kbstlichsten BUcher1) macht uns mit dem Dichter,
1) Richard Wagner an Theodor Uhlig (Briefe, Leipzig 1888, p. 220f.)t WJetzt
8. d. IMQ. X. 4
50
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernkard Marx.
bzw. Nachdichter des in Rede stehenden and einiger noch folgender Gesange
bekannt. Es ist Georg Friedrich Baumer, der beriihmte Erzieher des Find-
lings Kaspar Hauser, liber dessen dichterische Bedeutung von Interessenten
ein kleiner Aufsatz von mir1) nachgelesen werden kann. Daumer's » Hafts «,
ein einzigartiges, bisher noch nicbt wieder erreichtes Buch, erschien im Jahre
1846 2j} aus ihm hat Marx die prachtvollen Worte fiir seine Chore entnommen.
»Der tadellose grofie Herr« steht als Nr. CVI auf Seite 64.
Die Tempobezeichnung »Pathetisch« ist natiirlich von der komischen Seite
zu nehmen. Die Komposition ist derart gehalten, dafi von den 4 Strophen
des Gedichtes je 2 und 2 zusammengefafit werden. Der zweite Ba£ ist in
der ersten Strophe als eine Art Vorsanger zu betrachten, indem er die drei
ersten Yerszeilen vorspricht, die dann von den iibrigen drei Stimmen wieder-
holt werden, wahrend in der zweiten der erste Tenor den Vorspruch iiber-
nimmt and seine gottlich-sorgenlose Weisheit sich vom Chor mit einem
kraftigen »Nimmermehr« bestatigen lafit. Ein ausgezeichnet dankbares Stuck
fur gebildete Leute.
Nr. 3. An Selene. Sappho.
Als Gedicht Sappho's apokryph.
In dieser schlechthin vollendeten Komposition findet sich alles vereint:
vollkommene Durchgeistigung des Inhalts, ungemeine Zartheit der Tonsprache,
prachtvolle Harmonik und Bhythmisierung, staunenswerte formale Behandlung.
Wundervoll ist z. B. zwecks Erzielung des eigentUmlichen Tonfalls, der das
sapphische Metrum auszeichnet, der Wechsel zwischen dem 3/4 und 4/4 Takt:
Jim — j__j — ^__ ^ — h, — r — +
Welch herrliche harmonische Folge in diesem:
I
t=s:
j. j
n
*
i
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*=*:
m£=p
qp:
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im hei-ter-sten Licht da - hin strahlt u - ber den Erd-kreis.
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Jin L i u pi 1 1 '
~p — p~
hore: Mensch! Mensch! Mensch! Schaff Dir Hafis an, (Hafis Gedichte, Samm-
lung von Daumer.) I. Bei Campe in Hamburg. II. Neuerdings in Nurnberg er-
Bchienen. Dieser Pereer Hafis ist der groBte Dichter, der je gelebt und gediohtet
hat. — Wenn Du Dir ihn nicht augenblicklich anschaffst, verachte ich dich in
Grand und Boden: Scfcreib die Kosten zu den Tannhauser-Auslagen. Danke nur
fiir diese EmpfehtoflgU
1) Hirschberg, L. Ein unbekannnter deutscher Dichter. Nordd. Allgem. Zeit.,
1903, Nr. 5, 9. 2) Hamburg bei Hoffmann u. Campe.
Leopold Hirochberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 51
Nicht allein eine stille Feier der Mondnacht erleben wir, nein, auch die dunkel
lodernde Glut brUnstiger Liebe gibt sich una zu erkennen. Mit Karl Loewe's
trefflichen Betonungen horazischer Oden *) steht dieses "Werk auf gleicher
Hohe. Es ist auBerdem interessant, Marx, der bekanntlich eine » griechische
Musikc mit Becht als apokryph bezeichnet3) and dessentwegen manche Fehde
auszufechten hatte3), als Komponisten eines antik griechischen Textes in
solcher Meisterschaft kennen zu lernen.
Nr. 4. Holder West, beschwingter Bote. Mohammed Schem-
seddin.
Die Dichtung von Daumer nach Hafis findet sich a. a. 0. -p. 25 als
Nr. XLIII, nur mit dem TJnterschied, dafl dort » Holder Ostc stent. Aus
diesem Grunde moge die von Klitzsch4) zu Becht aufgestellte Behauptung,
dafi die »morgenlandische« Sehnsucht nicht gut genug darin durchklinge,
ihre Entschuldigung durch den Tondichter finden. Der Gesang ist ohne Be-
deutung.
Nr. 5. Nicht diistre, Theosoph, so tief. Mohammed Schemseddin.
Text bei Daumer ebendaselbst p. 125, Nr. CXCII.
Ein bis zur Ausgelassenheit heiterer Gesang, ein gefundenes Fressen fur
»Schweinchen aus der Heerde Epikurs*, nirgends aber ins Gemeine oder
Unanstandige ausweichend.
Nr. 6. Es fliegt manch Voglein in das Nest. Geibel. Zu finden
als Nr. II der »Lieder eines fahrenden Sch tilers* (Gedichte, 26. Aufl., Berlin
1851, p. 297).
Ein volkstttmlich-launiges, dabei einer gewissen Wehmut nicht entbehren-
des Lied. Nur ist schwer zu verstehen, wie der doch so feinsinnige Musiker
darauf gekommen sein mag, dieses typisch von einem Madchen zu sprechende
Gedicht fur vier Mannerstimmen zu setzen ; es m u B darum wirkungslos ver-
hallen.
Op. 26. Sechs Gesange fur Sopran, Alt, Tenor und Bass. Minden,
bei W. FiBmer & Comp. Leipzig, bei R Friese. Pr. der Partitur mit
Stimmen 20 Sgr., Stimmen allein 10 Sgr. gr. 8. 15 Seiten. Erschienen
1848.
1. Zu der Bose, zu dem Weine komm! Hafis. Dichtung von
Daumer nach Hafis (a. a. 0. p. 56, Nr. XCIV).
Dieses unter die sch oris ten der vielen Ghasele gehorige Gedicht hat Marx
in zart erregte Tone gekleidet. Die Grundlage ist eine strophische, doch
finden sich in jeder Strophe so feinsinnige Umbiegungen des Hauptmotivs,
da& man immer wieder von neuem liber eine Vielseitigkeit, die ganzlich in
Vergessenheit geraten ist, erstaunen mull.
2. Ich dachte dein in tiefer Nacht. Hafis. (Ebendaselbst, p. 31,
Nr*. LI.)
1) Op. 57.
2) Schilling, Universal- Lexikon der Tonkunst, Artikel: Griechische Harmonie.
3) >An Herrn Professor Marx iiber griechische Musik« von Drieberg (Cacilia,
Bd.20, 1839, p. 73 ff,).
4) Neue Zeitschr. f. Musik 1849, Bd. 30, Nr. 9, p. 46.
4*
52
Leopold Hinchberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Ein sinniges, inbrunstiges Lied der Sehnsucht, an Karl Loewe's Jugend-
komposition von Goethe's »Ich denke dein« *) fliichtig erinnernd2).
3. Pie Trauben reifen. Lowenstein. Unter der ttberschrift >Herbst-
lust* gedruckt in > Kindergarten «. Gedichte von Rudolph Lowenstein. (Berlin
1846, p. 35.)
Ala Kinderlied vom Dichter gedacht, vom Tondichter aber zu kunstreich
ausgefuhrt.
4. Peierabend. Geibel. Gedruckt in den >Gedichten« (26. AufL,
Berlin 1851, p. 37).
Ein sanftes Abendlied, in dem schon Traumeswirren ihre magischen Netze
auazustrecken scheinen, einfach und klar verstandlich.
5. Nicht mit trister Miene. Hafis. (A. a. O. p. 82, Nr. CXXXVII.)
Der Dichter verbietet denen, die ihn zu Grabe tragen, mit trtibseligen
Mienen zu erscheinen; mit einem Becher Wein und einem frohlichen Liede
sollen sie kommen; dann werde er aus dem Grabe steigen und mit ihnen
tanzen und springen. Zweifellos ein Gedicht voll (auch musikalisch) wirksamer
Gegensatze, von Marx richtig ergriffen. »Schleichend und geduckt* beginnt
der Alt allein:
i
*
is
^=&=r=i
WW:
*=&
Nicht mit
tri - ster Mie-ne, nicht mit Tra - nen tru - be
leicht und hiipfend, dann zu lebhaftestem Ausbruch sich steigernd, folgen
die anderen Stimmen. Die zweite Strophe ist analog gebaut, nur dafi hier
der BaB beginnt und ergotzlich das Aufsteigen des unermiideten Trinkers
malt:
t-^r-r-^
^£^P=$=»
^dsm=£
^
m
Stei - gen aus dem
Duft
wird der al - te
Ze - cher.
6. Abendschiffahrt. Justinus Kerner. Unter diesem Titel zum
eratenmal gedruckt in » Gedichte von Justinus Kerner « (Stuttgart und Tu-
bingen 1826, p. 157).
Auch diesen Gesang mttssen wir unter die hervorragenden der Chor-
literatur zahlen. Schon der Gedanke, ein rein trochaisches Gedicht im
12/g Takt zu komponieren, ist bemerkenswert und in diesem Fall© auch von
ganz eigentumlicher Wirkung. Wahrend die drei Oberstimmen die ruhig-
andachtsvolle Melodie in schSnster Formenkunst ausfuhren, fallt dem BaB
die Aufgabe zu, durch:
grrm
3s=±
* * * — ■ *— * * * n-
Wenn von hei - li - ger Ka - pel - le, wenn von hei - li - ger Ka - pel - le.
das Lauten der Abendglocken zu malen. Wundervoll ist Harmonie und
Stimmfuhrung bei der Stelle:
1) Gesamtausgabe, Bd. 11, p. 6.
2) Die eingehende Besprechung von E. Klitzsch findet sich in »Neue Ztachr.
f. Musik« 1849, Bd. 30, p. 273.
Leopold Hirschberg, Dor Tondichter Adolph Bornhard Man.
53
Dann f&hrt das Schiff, »durch Mond and Sterne znr Kapelle iungewandelt«,
weiier in das nachtige Dunkol hinein.
Elitzsch (a. a. 0.) sagt von diesem Opus: »Diese Gesange atmen den kunst-
reich schaffenden Geist, der sich mitLiebe der Behandlung seines Stoffeshingibt.<
Op, 27. Festgesftnge fox M&nnerchor (flir die Feste der Berliner
Universitat gesetzt). Partitur und Stimmen. Drei Hefte. Leipzig, Breit-
kopf & Hartel. 11, 11, 9 Seiten. Erschienen 1858.
Zehn Jahre Pause im Schaffen! Was alles entstand in ihnen! Die sich
immer neu wiederholenden Auflagen der vierb&ndigen »Kompositionalehre«,
die »Musik des neunzehnten Jahrhunderts*, der > Beethoven*, die Vorarbeiten
der »Chorschule« und des »Gluck«. Da war zu anderem nicht viel Zeit.
Erstes Heft. (Pr. 15 Ngr.) Verkundigung Haggai. (Der Prophet Haggai,
Kapitel 2, V. 7 u. 8.)
Zweites Heft. (Pr. 15 Ngr.) Segen der Eintracht. (»Siehe, wie fein
und lieblich ist, daC Briider eintrachtig bei einander wohnen «, Psalm 133, V. 1 u. 3.)
Drittes Heft. (Pr. 15 Ngr.) Nisi dominus. (Vulgata-Text von Psalm 127.)
Den schon wiederholt gegebenen Ausfuhrungen fiber die in streng kirch-
licher Form ausgefuhrten Marx'schen Kompositionen ist auch betr. dieser drei
AVerke nichts mehr hinzuzufugen, da sie die formaJe Gewandtheit ihres
SchSpfers wieder aufs beste hervortreten lassen.
Anhang. GesSnge aus der »Chorschule«. Erschienen 1860.
Als Anhang zu diesem bedeutsamen theoretischen Werk hat Marx
62 Ubungssatze in Partitur gegeben, die auch in ausgeeetzten Stimmen er-
schienen sind1). Yon diesen gehoren 51 Stiicke seiner eigenen Komposition
an, und zwar:
Nr. 1. Schritt fiir Schritt! Nr. 2. Bindet linde Ton an Ton. Nr. 3. Heiter
eteigen unsre Lieder. Nr. 4. Leichten Trittes strebt empor. Nr. 5. Morgenlied.
Nr. 6. Festliche Klange. Nr. 7. Tanz. Nr. 8. Mondesglanz kommt still gefloesen.
Nr. 9. Tanzlied von J. H. Vofl. Nr. 10. Andacht. Nr. 11. Stille. Nr. 12. Ruhrig
und frisch. Nr. 13. Frieden. Nr. 14. Abendlied. Nr. 15. Das deutsche Vater-
land v. Matth. Claudius. Nr. 16. Reigen zum Ballspiel. Nr. 17. Tanzreigen v.
J. H. VoB. Nr. 18. Die Wasche (ein Scherz). Nr. 19. Terzenlauf. Nr. 20. Terzen-
klang. Nr. 21. Zum neuen Jahr von Goethe2). Nr. 22. Stiller Wunsch von Goethe3).
1) Ausgesetzte Stimmen zu den Cbungssatzen der Ghorschule von A. B. Marx.
Leipzig, Breitkopf & Hartel. Preis 1 Thlr.
2) Werke. Ausg. letzt. Hand. Stuttg. u. Tub. 1827, Bd. 1, p. 119.
3) Nicht von Goethe.
54 Leopold Hinchberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Nr. 23. Lenzes Ankunft. Nr. 25. Wandern. Nr. 26. Tanzlied (cf. Nr. 9). Nr. 27.
Mailied von Goethe *). Nr. 29. Die Nacht. Nr. 30. Waldnacht von Tieck. Nr 31.
Jagerlust. Nr. 32. Mondnacht. Nr. 33. Vanitas! vanitatum vanitas! von Goethe2).
Nr. 34. Der Musensohn von Goethe*). Nr. 36. Stille Fahrt. Nr. 38. Waldklang.
Nr. 39. Aus dem Kloster. Nr. 40. Denkspruch. Nr. 41. Lobgesang. Nr. 42. Mutter
Natur von Stolberg. Nr. 43. Bitten. Nr. 45. Verkiindigung. Nr. 46. Der Herr
ist mein Licht. Nr. 47. Beschreibung. Nr. 49. Morgengesang. Nr. 50. Lobgesang.
Nr. 52. Naturfreude. Nr. 53. In Bedrangnis. Nr. 54. In Noth. Nr. 55. Abend-
lied. Nr. 56. Gute Nacht von Th. Korner. Nr. 57. Bergfahrt. Nr. 61. Abend-
glocken.
Der Vergleich dieser Kompositionen mit denen aus einem ahnlichen
Zwecken dienenden, erst neuerdings wieder ans Licht gezogenen Werke, der
Gesang8chule von Karl Loewe4), ergibt vdllige tJbereinstimmung. Beide
soil en im wesentlichen TJbungszwecken dienen ; aber ebensowenig wie sich bei
Loewe in einer Unzahl von Ubungs-Liedern und -Liedchen der wahre,
schaffende Tonmeister verleugnen kann, so hat auch Marx in verschiedenen
dieser Stttcke — sicherlich ohne den entferntesten Anspruch darauf zu er-
heben — Kompositionen geliefert, die iiber das Niveau von einfachen tfbungen
hinausgehen. Hierher gehoren namentlich die Kompositionen Goethe'scher
Dichtungen (Nr. 21, 27, 33, 34), die Tieck'sche »Waldnacht« (Nr. 30), vor
allem aber die grofi angelegten, kirchlichen Chorsatze Nr. 50, 53 und 54,
die den Lernenden den »weiteren Ausbau der Harmonie* vermitteln sollen.
Ganz reizend ist Nr. 39, wo ein Wechsel von » heller und dunkler Stimmec
vorgesehen ist. Es wird in den Schulen noch so viel Schlechtes geiibt und
gelernt, dafi man gar nicht genug auf die gediegenen Werke von Loewe und
Marx hinweisen kann.
II. Ungedruckte Werke.
'"^"Wir werden sinngemaB drei Gruppen zu unterscheiden haben; und zwar
umfaBt die erste Gruppe die vor 1830 (Op. 1) geschriebenen Werke, die zweite
die Zeit von 1830—1858 (Op. 1—27), die dritte die nach 1858 entstandenen Kom-
positionen.
A. Erste Gruppe. (Vor Op. 1 komponiert).
1. De profundis. Vierstimmiger Chor. kl. qu. 4 Seiten. Kompo-
niert (Berlin am 5. Februar) 1823 »).
Ein erster Yersuch des jungen Tondichters im strengen Satz, noch nicht
auf der Hohe der spateren Werke stehend, aber doch schon das Bestreben
erweisend, nicht nur der Form, sondern auch dem geistigen Inhalt gerecht
zu werden. In letzterer Hinsicht ist namentlich der ganz dumpfe, wie aus
tiefsten Tiefen aufsteigende, bei dem *damavi* sich steigernde Einsatz der
Basse bemerkenswert.
1) Ebendaselbet, p. 80.
2) Ebendaselbet, p. 145.
3) Ebendaselbet, p. 25.
4) Gesanglehre theoretisch und praktisch. 4. Aufl. Stettin 1851.
5) Im Besitz der Konigl. Bibliothek zu Berlin.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 56
2. Jery and Bately. Bin Singspiel. Von Goethe. Komponiert 1824.
Davon vorhanden : Orchesterstimmen, 1 Dirigierstimme von Nr. 4 *), Sing-
stimme (Rolle) des Yaters und des Jery2). Parti tur fehlt.
Goethe's Singspiel erschien als Einzeldruck 3) zum ersten Male 1790, wo-
nach auch die folgenden Zitate gegeben sind. Vor Marx ist es nicht weniger
als siebenmal komponiert worden, und zwar von Peter v. Winter, (Mttnchen
1790), J. v. Schaum (Ols 1795), Friedr. Reichardt (Berlin 1801, die be-
kannteste und beruhmteste Betonung), G. B. Bierey (Dresden 1803), Konr.
Kreutzer (Wien 1809), M. Frey (Mannheim 1810) und F. L. Seidel
(Berlin 1815)*).
Tiber Entstehung, Vollendung und Auffuhrung des Werkes berichtet Marx
ausfuhrlich 5) :
»Ich fuhlte mich eines Morgens unwohl, wollte mich ausruhn und schickte zu
einem nachbarlichen Freunde, — er moge mir irgend ein leichtes Buch senden.
Ich erhielt einen Band von Goethe. Auf dem Sopha liegend blatterte ich ihn durch
und stieB auf das Singspiel Jery und Bately, das ich zufallig noch nicht kannte.
Ohne besondern Antheil fing ich an zu lesen. Da faftte mich bei dem kleinen
Gedicht:
Gehe!
Verschmahe . . .
die Stimmung und Melodie des Augenblicks unabsichtlich und fast unwissentlich.
Ich' langte ein Notenblatt herbei und zeichnete die Weise auf. Sogleich war Krank-
heit und alles vergessen. Als einige Stunden spater der Freund kam, nach mir
zu sehn, hatte ich die ersten fiinf Gesange komponirt. Er gab ihnen Beifall und
schon bedurfte es seines Zuredens nicht mehr, — das ganze Singspiel ward, bis
auf die Ouverture, in ein paar Wochen vollendet, — nur im Entwurfe, aber mit
bestimmter Vorstellung der Instrumentation.
»Friihere und spatere Unternehmungen waren nie zur Verwirklichung gekommen,
ohne daft ich sie zuvor langere Zeit in mir hatte reifen lassen. Diesmal war das
Ganze gleichsam aus dem Stegreif und ohne vorherigen Entschluft entsprungen, ich
wuftte kaum wie. Nun erst, von Freunden und Musikverstandigen angeregt, be-
schloft ich, das Werk zu offentlicher Auffuhrung darzubieten. Die Partitur der
Gesange, zuletzt die Ouverture, lag bald vollendet vor mir.
»Ich kann wohl sagen, daft ich von Goethe's Dichtung erfullt war und daft
mir jeder, vom Dichter fur Komposition ausersehene Moment tief in das Herz ge-
drungen war. Allein eins kam mir nicht zum Bewufttsein, als bis es zu spat war.
Die Gesange des groBen Dichters, so innig, so charakterwahr, sind fiir Komposition
— unbrauchbar; sie sind zu kurz, um dem Musiker Raum zu geben fur tiefere,
oder nur bestimmte Wirkung; und wiederum sind sie zu charaktervoll und tief-
ergreifend, als daft man sie fliichtig nach Art des Vaudeville oder Iiederspiels leicht
abfertigen konnte. Das Letztere hatte Reichardt versucht, und der wiirdige,
herrliche Alte durfte es in seiner, der vormozartischen Zeit, in welcher Iiederspiel
und Operette gar nicht mit Ernst und Tiefe, sondern als ein artiges >Musenspiel<
behandelt wurden. Mozart hatte uns auf andere Wege gewiesen6). So konnte
1) Im Besitz der Konigl. Bibliothek zu Berlin.
2) Im Besitz der Bibliothek des Konigl. Opernhauses zu Berlin.
3) Achte Ausgabe. Leipzig, bey Georg Joachim Goschen, 1790.
4) H. Riemann, Opern-Handbuch. Leipzig 1887, p. 245.
5) Erinnerungen, Bd. 2, p. 33—39.
6) Marx irrt hier, wenn er die Komposition Reichardt's der Zeit nach als
>vormozartisch« bezeichnet. Sie ist erst 10 Jahre nach Mozart's Tod entotanden.
56 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bemhard Marx.
auoh ich nicht anders, als mich diesen innigen Momenten, die der Dichter fluchtig.
wie den ersten Strahl der jungen Sonne emporleuchten l&Bt, mit Innigkeit und
ganzlicher Vertiefung hinzugeben. Allein der Widerspruch des gefliigelten Wortes
und der weiligen Melodie blieb bestehn und muBte sich vom Theater her fuhlbar
machen.
»Dazu kam — eine Sunde von meiner Seite, ein Vergehn an dem, was ich
fur wahr und recht erkannt. Von meinem musikalischen Freunde Nikolai1), der
fur meine Komposition lebhaften Antheil gefaBt, liefl ich mich bestimmen, da und
dort einiges zuzufugen, das den Sangerinnen Gelegenheit gab, ein wenig Koloratur
zu zeigen. Ohne dies, meinte er, wurde ich keine Sangerin bereit finden. So ging
denn meine Partitur der Musikdirektion zu und ward angenommen. Jetzt soUf
ich am Kleinen lernen, daB es leichter ist, eine erste Oper zu schreiben, als zur
Auffiihrung zu bringen.
♦Nachdem die Oper angenommen war, besuchte mich Kapellmeister Seidel,
Mitglied der Direktion, welche angenommen hatte, und bezeichnete mir eine Beihe
von S tell en, deren Instrumentation ihm unstatthaft erschien. Ich muflte mich
schriftlich verpflichten, die Kosten der Ausschreibung zu tragen, wenn die Instrumen-
tation sich nicht bewahren sollte. Besonderes Argerniss nahm der ganz wohlwollende
Mann an der Begleitung des ersten Liedes:
♦Singe, Vogel, singe . . .«
in der ich die Floten in die zweite und die Geigen in die dritte Oktave gelegt
hatte. Die Instrumentation erwies sich ubrigens ganz meinen Absichten gemafl
und, wenn auch vom Gewohnten vielfach abweichend, doch durchaus kunstm&Big.
»Hierauf machte ich dem Generalintendanten Graf en Briihl meinen Besuch.
Er nahm mich freundlich auf, erklarte mir aber, er konne durchaus nichts fur mein
Sing8piel, sondern werde alles Mogliche gegen die Auffiihrung desselben thun. Zwar
habe er nicht daa Mindeste gegen mich oder meine Komposition, allein sein ver-
ewigter Freund Reichardt habe bekanntlich dasselbe Gedicht in Musik gesetzt
und dessen Komposition sei Eigenthum des Theaters, es konne ihm nicht lieb sein,
eine andre an deren S telle treten zu sehen. Ich erinnerte in aller Beach eidenheit.
daB Reich ardt's Singspiel schon seit einer Reihe von Jahren von der Buhne ver-
schwunden sei. »Ich werde es sogleich in Szene gehn lassen«, war seine schnelle
Antwort. Es geschah, fand aber nicht den mindesten Anklang und muBte nach
einmaliger Auffiihrung fur immer zuruckgelegt werden. Jetzt kam meine Kompo-
sition an die Reihe, — das heiBt, nach mancherlei Verzogerungen.
>Der Abend der Auffiihrung erschien und ich fand mich hinter der Szene ein.
Dafi die Komposition keinen entscheidenden Erfolg haben konne, hatte ich bereits
erkannt, seitdem mir die Unangemessenheit des Gedichts fur musikalische Behandlung
einleuchtend geworden und meine Versundigung gegen die eigene Uberzeugung mir
den heiteren Sinn getrubt hatte. Allein Furcht oder Besorgniss blieb mir fern ; ich
hoffte jedenfalls zu lernen.
»Nun sollte ich erfahren, daB ich mir bereits Feinde genug gemacht hatte, und
zwar durch meine Auf rich tigkeit in der musikalischen Zeitung2), von der bald die
Rede sein wird. Vor der Auffiihrung trat eine unserer ersten Sangerinnen, Frau
Seidler, mit der Frage zu mir »Nun, schlagt das Herz noch nicht?* Ich fragte
verwundert, warum? und sie machte mit ihren FiiBchen die Pantomime des Aus-
pochens mit so viel Bosheit, ach, und so viel Reiz in dem fast griechischen Ge-
sichtchen, daB ich nichts als Bewunderung und Vergnugen empfand. Ich hatte die
vollendet schone Frau mit der Silberstimme und ihrer unfehlbaren Glockenreinheit
1) Gustav Nikolai; verfaBte zahlreiche musikalische Schrif ten, Novellen und
Oratorien-Texte.
2) Die Berliner Allgemeine Musikalische Zeitung unter der Redaktion von Marx
eraohian von 1824—1830.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Man. 57
nnd Koloratur state bewundert und in meinen Beriohten gebuhrend anerkannt, aber
auch naeh meiner ehrlichen Uberzeugung ausgesprochen, dafi sie nicht mit v oiler
Hingebung und Leidenschaft in den Sinn groBerer Partien eindringe. Das konnte
mir nicht verziehen werden.
»Dieamal kam es anders. Kein Zeichen dee MiBfallens ward vernommen und
weit uber die Halfte der Musikstucke fand lebhaften Beifall. Ganz gewiB gehorte
derselbe zum groBten Teil der Leistung der Ausfuhrenden, der gliihenden Schulz,
dem edelsten Tenor, Bader, dem launigen Spiel und Gesang Blume's.
»Das mag Dem und Jenem unerwartet gekommen sein ; man muBte nachhelfen.
Bei der zweiten, ziemlich lange verzogerten Auffuhrung1) setzte die Ouverture ihren
blofi von aushaltenden Blasinstrumenten zu intonirenden Akkord, der sie eroffnet
mid einleitet, ohne BaB und Grundton ein, — man hatte die Schluasel zu dem
Fagottkasten versteckt. In einer Szene, wo der Gesang Bately's zum geofrneten
Fenster ihrer Hiitte hinaus erschallen sollte, fand sich das Fenster vernagelt; eine
Zeitlang, bis die Sangerin um die Hiitte herum auf die Szene gelangt war, vernahm
man nicht*, als eine ziemliche Reihe von Takten hindurch, die vollendete Be-
gleitungsfigur der Geigen. Genug von diesen Possen. Das Singspiel ward zuriick-
gelegt; die Ouverture ward noch einigemal, ohne mein Zuthun, vor das Publikum
gebracht.*
Das Werk besteht aus 15 Nummern.
1. Ouverture. a) Andante (Adur, 3/*)« b) Allegro con moto (*/*)•
2. Lied der Bately (p. 3*); Allegretto, Bdur, 3/s): Singe, Vogel, singe.
3. Duett: Vater und Bately (p. 7; Agitato, A moll, */s): Jeden Morgen
neue Sorgen.
4. Duett: Bately und Jery (p. 10; Allegretto, Fdur, */s): Es rauschet das
Wasser.
5. Arie: Jery (p. 12); Andante con moto, Adur, »/*); Icb verschone dich
mit Klagen.
6. Arie: Jery (p. 13; Allegro agitato, Emoll, Vs): Gehe! Verschmahe die
Treue.
7. Lied: Thomas (p. 17; Allegretto, Gdur, V*): Ein Madchen und ein
Glaschen Wein.
8. Arie: Thomas (p. 18; Andante tostenuto, Cdur, 2/4): Es war ein fauler
Schafer.
9. Duett: Jery und Thomas (p. 22; Andante con moto, Bdur, */*): Neue
Hoffnung, neues Leben.
10. Duett: Thomas und Bately (p. 25; Allegro, Gdur, */s): Nicht so eilig,
liebes Kind!
11. Lied: Thomas (p. 29; Allegretto, Gdur, */4): Ein Quodlibet, wer hort
es gem.
12. Terzett: Vater, Thomas, Bately (p. 30; Allegro, Esdur, */4); w*«
gibt's? was untersteht ihr euch?
13. Duett: Jery und Thomas (p. 37; Allegro con brio, Cmoll, V4): D©m
Verwegnen zu begegnen.
14. Arie: Jery (p. 43; Adagio, Asdur, 3/4): Endlich, endlich darf ich hoffen.
15. Finale: Alle (p. 48—56; Andante, Amoll 3/8; Con moto, */si Pi* moto,
Adur, V4; Allegro, */*; Vivace, «/8): Ich bin lang\ sehr lang* geblieben.
Es iat unmoglich, aus dem leider nur noch vorhandenen Torso sich ein
Bild von dem Ganzen zu machen. "Wir miissen daher zunachst zwei objek-
1) Die erste fand am 7. Mai 1825 im Konigl. Opernhaus zu Berlin statt.
2) Die Seitenangaben beziehen sich auf die »Achte Au9gabe. Leipzig 1790.«
58 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
tive Berichte (in Marx9 eignem Blatte1) wird selbstverstandlich keine Notiz
von dem Werke genommen) bringen. Der eine2) lobt besonders die Intro-
duktion, das Duett Nr. 4, die Arie Nr. 8, das Duett Nr. 10 und die Arie
Nr. 14. Der zweite3) lautet folgendermafien :
»Es waren acht schweizerische Nationalanschauungen darin niedergelegt, die
yielleioht in dem Gedicht weniger ausgesprochen, als durch die Situation gegeben
sein mochten. Wenn das Stuck nicht bleibend wirkte, so war dies mehr in einer
Opposition zu suchen, die der Redakteur der Zeitung durch unpartheiisohe Riige
fehlerhafter Auffuhrungen wider sich hervorgerufen hatte. Durch abeichtliche Ver-
sto&e bei der Darstellung, namentlich der spateren, wurde der Effekt des Stuckes
geschwacht, wenn nicht ganz aufgehoben, und philisterhafte Mittelmafiigkeit MiB-
wollender konnte so den Versuch, nach Reichardt in dieser Komposition aufzutreten,
leicht bei denen in ein abenteuerliches Licht setzen, die weder Zeuge des hier Ge-
leisteten noch iiberhaupt von irgend gultigem Urtheil iiber Musik waren.<
Zweifellos hat auch hier Marx durchaus selbstandig neue Bahnen be-
schritten. Ohne sich von schoner Melodik zu emanzipieren, vor allem aber
auch ohne die leichte Gattung des Singspiels aufzubauschen, hat er die lieb-
lichen Worte des Dichters mit Innigkeit vertieft und ist dabei der teilweise
derberen Komik einzelner Situationen nichts schuldig geblieben. Soweit eine
Konstruktion sich ermoglichen laBt, ist — neben anmutigster Instrumentation
— der Volkston namentlich in Nr. 2 und 4 reizend getroffen. In Nr. 8 wirken
besonders Synkopen hochst ergdtzlich. Das Duett Nr. 13 ist rhythmisch in-
teressant und dramatisch wirksam; in der Ouverture erscheint uns namentlich
der langsame Einleitungssatz stimmungsvoll.
DaB etwas Neues, Ungewohntes geleistet war, geht schon aus dem
aufierst erbosten Briefe hervor, den Zelter am 7. Januar 1826 an Goethe
schreibt4):
»Ungeheure Kleinigkeiten oder vielmehr kleine Ungeheuer treten auf ; Sperlinge
wollen sie schiefien mit Canonen. Da hat Einer Dein Jery und Bately neu com-
ponirt und wie ich vernehme im grofien Styl, es soil aber auch danach abgelaufen
seyn und man hat Reichardt's Composition wieder gefordert. Der neue Componist
redigirt die hiesige musikalische Zeitung. In dieser war weit und breit von
Reichardt's schwacher Arbeit gesprochen, die einst Beyfall gehabt hat. Die Leute
aber merken's schon wenn das Land durch Postmeilen und der Thaler durch so-
genannte Silbergroschen grofier werden soil en. «
Wie vieler positiver Unwahrheiten Zelter sich in diesen wenigen "Worten
aus Ha£ gegen Marx, dem seine Unterweisungen in der Theorie nicht ge-
niigten6), schuldig macht, kann nach dem Vorangehenden leicht festgestellt
werden.
Wo die Partitur des Werkes hingeraten ist, weiB der Himmel. Fande
sich doch bald Einer, der aus dem groBen Fragment etwas Schones neu
erschufe!
3. Das Siegesmahl. Gedicht von H. S tie glitz. 1826. Yierstim-
1) Berl. Allgem. Musikal. Zeitung.
2) Allgemeine Musikal. Zeitung 1825, Bd. 27, p. 404.
3) Schilling, Uni versa!- Lexikon der Tonkunst. Stuttgart 1840, Bd. 4, p. 581 if.
4) Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter, 4. Teil, p. 129 (Berlin 1834).
5) Erinnerungen, Bd. 2, p. 107 ff.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
59
miger Mannerchor mit Orchesterbegleitung. qu. 4. 40 Seiten. Kompo-
niert 1826 1).
Das Gedicht ist erst 1831 unter der Uberschrift 9 Die Blutrache« in den
schon mannigfach erwahnten »Bildern des Orients «3) gedruckt erschienen,
vom Dichter alsa dem eng befreundeten Komponisten , wie der »Morgen-
gesang der Parsen*3), handschriftlich mitgeteilt worden.
Das Werk weist eine bemerkenswerte Empfindungskraft und eine gewandte
Behandlnng des nicht stark besetzten Orchesters auf. Das Hauptmotiv:
Allegro con brio.
PeeIe
tcf f tf
3=
im
^jt
-: 44 *
e %mt
hat vermoge der Taktart und des diistern H-moll einen fremdlandisch-wilden
Charakter, der durch das ganze Stiick anhalt nnd selbst bei Pianissimo-
stellen wie:
sich nicht verleugnet. Einheitlich und straff gehalten, wie ein Nachtbild schnell
voruberschwebend, dem Chor eine dankbare Aufgabe stellend, erscheint das
Stack des Druckes wohl wert.
4. Der hunderteiebenunddreissigste Psalm. Yierstimmiger Chor
mit Orchesterbegleitung. qu. 4. 47 Seiten. Komponiert etwa 1827 4).
TJber dieses Werk liegen interessante Selbstbekenntnisse von Marx6) vor.
»DaB ich nie aufgehort zu komponiren, versteht sich. Das bedeutendste
Unternehmen auf diesem Felde war die Komposition des 137. Psalms fur Ghor
und Orchester. Dieses Gedicht, in dem die Gluth unversohnlicher Bachgier auf-
flammte, wie nur der Orientale, der gequalte Hebraer sie hegen kann, durchloderte
mich, dafl ich mich wohl dem Dichter nahe gehoben fiihlen konnte. Allein die
Kunstbildung entsprach nicht der geistigen Anregung. Ich selbst erkannte das und
das Werk durfte nicht in die Offentlichkeit. Gleiches Schicksal hatte eine Sym-
phonic').*
1) Im Besitz von Frau Prof. Therese Marx in Jena.
2) Bd. I, p. 32.
3) Op. 1, Nr. 1.
4) Abechrift. Im Besitz von Frau Prof. Therese Marx in Jena.
5) Erinnerungen, Bd. 2, p. 26.
6) S. spater.
60
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Gerade urn die Zeit der Komposition das Werkes began n die Freundschaft
mit Mendelssohn1).
»Ich nahm Gelegenheit, Felix meinen 137. Psalm vorzuspielen, welchen ich
eben vollendet und in dem ich zu den Worten: ,Vergefl ich Dein, Jerusalem4 sogar
eine Fuge gewagt hatte, — eine Form, die mir noch nicht weiter aufgehellt war,
als etwa aus Marpurg's Lehre und das rathsel voile Vorbild des wohltemperirten
Klaviers von Bach fiihren konnten. Felix sah die Parti tur durch, erst mit er-
stauntem Blicke, dann mit Kopfschutteln;'endlich brach er aus: ,Das — das geht
gar nicht! Das ist nicht recht! Das (die Fuge bezeichnend) ist gar keine Musik!*
Ich war entziickt. Verletzt konnte ich nicht sein, denn wohl war mir bewuflt,
dafi meinem heifien Verlangen und meiner etwaigen Begabung das dritte fehle: die
Kunstbildung. Aber entziickt war ich, denn hier fand ich Offenheit! Und die
schien mir die erste Bedingung fiir jedes menschliche VerhaltnisB *). «
Interessante Momente zeigt diese breit angelegte Komposition, die ein
routinierter Theoretiker mit Leichtigkeit von ihren offen zu Tage liegenden
formalen M&ngeln zu befreien and dadurch zu einer hSrenswerten machen
konnte. Den ersten Teil (G-moll 3/4) mochte ich »Die Klage* iiberechreiben;
in das eintonige Geriesel von Babels WasserflUssen, welches die zweite Vio-
line und die Viole malt:
IpsffflPp
dringen Klagelaute der ersten Geige:
m
^s
&
^s
wehevoll hinein, und ganz leise, wie schluchzend abgebrochen, beginnen zu-
erst die Frauenstimmen.
gleich darauf 3£&
die Manner: ^H*-
An den Was-sern
An den Was-sern
Dann verbreitet sich die Klage immer weiter und weiter ; einzelne Solostimmen
leuchten auf zu groBerem Nachdruck. Ein ganz kurzer Adagio-Satz, noch
immer sehr leise, bringt ergreifend — ohne jegliche Wiederholung — die
erschiitternden Worte : >Unsere Harfen hingen wir an die Weiden, die darinnen
sind.c Nun wird die Schilderung belebter; markiert erklingt — nach einem
kurzen Tenorrezitativ — der ganze Chor: >Wie sollten wir des Herren Lied
singen im fremden LandeU Zu hoher Realistik steigert sich das Ganze in
1) Erinnerungen, Bd. 2, p. 111.
2) Eitner (a. a. O.) schlachtet diese harmlose Episode, welche fiir Marx* Offen -
herzigkeit ein so schones Zeugnis ablegt, zur Beurteilung von M.'s Kompositionen
aus, ohne zu erwahnen, dafi es sich hierbei um ein ganz fruhes Jugendwerk handelt
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 61
einem Appassionato-^ 2/4)-Satze bei den "Worten : »Meine Zunge mufi an meinem
Gaumen kleben« ; man vergleiche einmal die Prust-Gesange Alberich's in der
eraten Rheingoldszene damit, and man wird iiberraschende Ahnlichkeiten ent-
decken. Yor dem SchluB (Allegro furioso, */A) zeigt sich noch ein in seiner
Monotonie ergreifender Bufigesang, in dem die Anwendung der Triolen die
tiefe Zerknirschung zum Ausdruck bringt. Das Oanze ein Jugendwerk mit
seinen Schwachen, docb von nicht geringer Genialitat.
B. Zweite Gruppe. In der Zeit yon 1830—1855 komponiert.
5. Carmina quae nataliciis sexagesimis quartis Borussorum regis
Friderici Guilelmi III. Die III. Aug. a. MDCCCXXXIII ab Univer-
sitate Fr. G : ma celebrandis a choro Academico canentur. Auctor poematis
Fr. Ouil. Ludo. Oeyer i). Zwei vierstimmige Mannerchore mit Orchester-
begleitung. qu. 4. 44 Seiten. Komponiert (24. und 27. JuU) 1833 «).
a. 0 semper memoranda dies.
b. Turn gens nostra tuos late celebrabit honor es.
Beide Cbore iiberragen das Niveau sogenannter Gelegenheitskompositionen
durcb die Tiichtigkeit des Satzes und den ernsten FleLB der Arbeit betracbt-
licb, zeigen aber zugleicb die respektable Leistungsfabigkeit des von Marx
gegriindeten akademiscben Chors. wenn er ibm derartig scbwierig auszufubrende
Aufgaben stellte. Besonders der erste Cbor ist weit ausgefUbrt ; auf ein
Allegro pomposo (D-dur 4/4) folgt ein Vivace (3/4), alsdann ein Andante
soetenuto (G-dur 3/4), in welcb letzterem sogar das (aucb von Beetboven
im »Fidelio« angewendete) eigentumlicbe alte Instrument, der » Serpent*,
hervortritt.
6. Am Tage Johannes des Taufers. Fiir den akademiscben Chor
der Univeraitat zu Berlin. Oratorium fiir Mannerchor mit Begleitung
der Orgel. qu. 4. 58 Seiten. Komponiert 1834. *)
Zweifellos hat dies merkwurdige Stuck als ein Vorlaufer — nicht als
Voriibung — des Mose zu gelten; die Charakteristika des grofien treten in
diesem kleinen Werke bereits deutlicb zu Tage. Eigentiimlich ist zunachst
der Satz fiir Mannerstimmen allein; Karl Loewe bat dasselbe — sogar noch
obne Begleitung der Orgel — in seinen beiden Oratorien »Die eherne
Schlange*3) und »Die Apostel von Philippi« 4) mit bobem Erfolge getan.
Ein vortrefFlich gearbeitetes, nicht kurzes Vorspiel (D-moll, Yi) leitet ein,
schliefit mit einer Fermate und lftfit dann, nach einigen freien Kadenzen,
den berubmten, bekanntlich aucb von Wagner in den »Meistersingern< be-
nutzten Choral » Christ unser Herr zum Jordan kam« ganz einfach, aber in
schoner Harmonisierung ertonen. »Ein hoher Reiz waltet in der Scharfe
der Darstellung. Solos und Chore durchweg in bedeutender geistreicher
Deklamation, nicht in konventionellen Tonanhaufungen, son dem strong aus
1) Gesange zum 64. Geburtstag Friedrich Wilhelms III., Konigs von PreuBen,
bei der Universitatsfeier vom Akademischen Chor am 3. August 1833 gesungen.
Dichtung von Fr. Wilh. Ludw. Geyer.
2) Im Besitz von Frau Prof. Therese Marx in Jena.
3) Op. 40, komponiert 1834.
4) Op. 48, komponiert 1835.
62 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
dem Sinne des Wortes die Musik entwickelnd. « *) In der Zusammenstellung
de8 Textes, wobei eine erstaunliche Bibelbelesenheit hervortritt, zeigt sich
eben falls schon der Schopfer des »Mose<; altes und neues Testament mttssen
ihm in gleicher Weise dienen. Ganz reizend ist besonders ein Pastorale-
Intermezzo, die szeni8che V e ran de rung wirksam illustrierend. Der Schlufi
des Ganzen besteht abermals in dem Taufer- Choral.
Wie alles Neue begegnete natiirlich auch diese Komposition geringem
Verstandnis, wie ein Bericht2) liber die Auffuhrung des Werkes am 24. Juli
1834*) verdeutlicht:
»Das Werk ist theilweise so eigenthiimlich behandelt, dafi den Zuhorern axis
dem mystischen Dunkel noch nicht ein hell leuchtendes Licht aufgehen wollte. Be-
sonders schien dem Ref. die Vereinzelung der musikalischen Perioden, wie die Ab-
sonderung der Rede-Satze zu wenig zusammenzuhangen und den FluB der Melodie
zu haufig zu unterbrechen. Sollte es ein wahrer Gewinn fur die Kunst sein, den
Gesang in die alteste Zeit zuruckzufuhren, aus welcher sich erst langsam das hohere
Geistige in harmonischer Kombination entwickelte? Handel diirfte fur den wahren
Oratorienstyl ein noch mehr sicheres Vorbild, als selbst der tiefsinnige (metaphy-
sische, wie ihn Rahel4) in ihren Brief en treffend bezeichnet) Johann Sebastian Bach
sein, dessen speculativer Forschergeist von Nachahmern selten zu erreichen sein
mochte, welche nicht ein gleich machtiger Genius beseelt. Deshalb ist in der Kunst
der naturliche Weg wohl der sicherste zum Ziel, von- dem Kunstelei und spitz -
findiges Grubeln eher entfernt, als eine Annaherung herbeifuhrt.«
Einer Zeit, die Bach eben noch als »spekulativen« Musiker betrachtete,
mufite das Neue, Unerhorte und nie wieder Erreichte dieses Meisters natiir-
lich ein Buch mit sieben Siegeln sein, und eine solche Zeit konnte auch
den Werken eines Mannes, der nur in den Bahnen Bach's zu wandeln red-
lich bemiiht war, nicht ohne bedenkliches Kopfschiitteln entgegentreten.
7, Zwei lateinisohe Kirohenlieder fiir Mannerchor und Orohester.
qu. 4. 5 Seiten. Komponiert (17. 6.) 1840*).
a. Corpus sepulcro tradimus. Dichter weder aus »Mone, Lateinische Hymnen
des Mittelalters* (Freiburg 1853), noch aus >Simrock, Lauda Sion< (Koln 1850),
noch aus »Kdnigsfeld, Lateinische Hymnen und Gesange* (Bonn 1847) zu er-
mitteln. Nach einem Paukenwirbel ein Fortissimo des ganzen Orchesters;
dann leiser Gesang der Klarinetten, Horner und Fagotten, worauf die Oboe
ein au8drucksyoll-klagendes Motiv anhebt:
i
tfc«-p-f
rP=^»-
=f=I3=I
und in dumpfem, choralartigem Gesange — wie Monche bei den Exequien
eines toten Fraters — folgt der Chor leise, begleitet vom vollen Orchester,
und singt dreimal die acht Takte. Ein interessantes Nachtbild.
1) Schilling, Univereal-Lexikon der Tonkunst. Stuttgart 1840. Bd. IV; p. 581 ft
2) Allgem. Musikal. Zeitung 1834, Bd. 36, 8. August, p. 563.
3) In der Dreifaltigkeitskirche.
4) Rahel Varnhagen v. Ense, geb. Lewin.
5) Im Besitz der Konigl. Bibliothek zu Berlin.
Leopold Hirsohberg, Der Tondiohter Adolph Bernhard Marx.
63
b. In pace laeius himnigro. Dichter nicht zu ermitteln (a. oben).
Folgt ohne Yorspiel in vier Strophen als Berubigungsgesang des vorigen.
8. Klage der Verbannten. Chorgesang (G-emischter Chor mit Be-
gleitung des Pianoforte), qu. 4. 14 Seiten. Fragment. Komponiert
ungefahr 1824 i).
Die Herkunft der Dichtung ist nicht zu ermitteln; bibliscbe Worte sind
as keinesfalls.
Es ist sehr bedauerlich, dafi dieses reife, im strengen Satze ausgeflihrte
Werk nor als Torso vorliegt; doch scheinen nur wenige Takte zu fehlen,
die auf dem letzten, durcb den Zabn der Zeit abgetrennten Blatte standen.
Sie sind nicht schwer nach dem Yorbandenen zu erganzen. Zunachst ein
leiser langsamer Satz (F-dur, 8/4), ein demiitiges Gebet versinnbildlichend ;
dann ein »Mit TJngestum« uberschriebener Mittelsatz (D-moll, 3/2):
lH^f-4
=t
*E^
Sen - de dei - ne Hand! Dei- ne Hand aus der Hoh!
der aber bald einen innig flehenden Cbarakter annimmt, mit prachtigen Har-
monien und einem schonen Ubergange:
I . ^ ; i " . I l J . , I
^^^^^^^
r
is-
m>
4-
*>gij
en
pg=|=^g
m
Eine kurze Fuge liber das Thema:
^=^M^^^f^~T^3:^V^
Und fah - - . - - - re her-ab
her-ab!
fuhrt zu dem Schlufi, der das Motiv des Anfangs in leicbten Yeranderungen
zurUckbringt.
9. Zur Zeit der Auferstehung. Fiir das Sangerfest der vereinten
Mecklenburg-Strelitzer Lehrer und ihrer Zoglinge (am 21. April 1843).
Cantate fiir Solostimmen und Chor mit Orchesterbegleitung. Partitur.
Fol. 60 Seiten. Komponiert 1842/1843 *).
Das grofie, durchweg auf Bibel- und Choralworte gegriindete Werk be-
steht aus vier Nummern:
Nr. 1. Arie (fur Tenor). Die orchestrate Begleitung bestebt aus Streich-
quintett und zwei Fagotten. Ein leises, langsames Yorspiel eroffhet, und dann
1) Im Besitz der Konigl. Bibliothek zu Berlin.
64
Leopold Hirochberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
setzt, mit ahnlichen Worten wie die Zionstochter zu Beginn des zweiten Teils
der Matthauspassion, die Singstimme ein:
dolce espr.
H
w
»' *-**.
sag
Ttrtr
£=S
tt
=t
Wo ist dennmeinFreundundHei-land hin - ge - gan - gen?
In Trauer und Wemut wird der kurze Gesang zum Ende gefuhrt and als-
bald folgt:
Nr. 2. Chor mit vollem Orchester. Ein hochst merkwurdiges Stuck in-
sofern, als der nach alien Regeln der Kunst gearbeitete Gesangssatz ziemlich
plotzlich mit den Worten >und in FinsterniB wand ein wir« abbricht and
ein em langen Nachspiel fur grofies Orchester (darunter drei Posaunen, vier
Trompeten und vier Horner) Platz macht. Dieses Nachspiel beginnt mit einem
ausdrucksvollen rezitativen Fagottsolo senza tempo und geht zu einem ganz ge-
waltigen, schnellen Satz liber, der in seinen sieghaften Klangen die Auf-
erstehung des Herrn in wirklich ergreifender Weise malt.
Nr. 3. Choral. Die eigentiimlichen, selten gehorten Worte P. Herbert's
aus dem Jahre 1566 (laut Zahn's Kirch enliedermelodi en, Bd. 5, p. 211):
♦Heilig und zart ist Christi Menschheit,
Gar edler Art voll aller Gnad und WahrheiU
sind von Marx wundersam rhythmisiert und harmonisiert worden und werden
nur vom Sopran gesungen; bedeutsam tritt ein Oboen- und Hornsolo dabei
hervor. Diese Nummer ist zweifellos die originellste und ergreifendste der
Kantate.
Nr. 4. Rezitativ (Tenor) mit Chor. In grofiartiger Begeisterung er-
tdnt die letzte Strophe des schonen Liedes vom ganzen Chor:
♦Christ ist nicht todt, o Treat der Schwachheit!
Der litt den Tod, ward durch den Tod lebendig!
Der starb in Schmach, fahrt auf in Hoheit.
Gen Himmel hoch, zur Herrlichkeit bestandig.*
Und in wirksamstem Gegensatze stehen dabei die unermildlichen Gauge der
Streicher:
m
=t
*+-+
*=+!Q
-*-*
ig§
^^^-
3
£S5Ba
SE
^m
-*-*
+-*-
zu den breit ausgelegten Akkorden der Blasinstrumente.
C. Dritte Gruppe. (Nach Op. 27 komponiert.)
10. Festkantate zur Jubelfeier der Universitat, fur den 1. Festtagr
den 15. Oktober 1860, auf Worte der Schrift gesetzt. Fiir Chor und
Orchester. gr. 4. 53 Seiten. Komponiert (Angef. den 11., beendet den
20. September) 1860 1).
Die Textworte sind aus verscniedenen Bib el ste lien von Marx selbst zu-
sammengestellt.
1) Im Besitz von Frau Prof. Therese Marx in Jena.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
65
a. Erster Chor. Schon das Orchestervorspiel atmet eine hohe Festes-
freude, die namentlich in einer Figur der Holzblaser:
fc^=ag^i^g=iy#s^
=3:
=*=
zum Ausdruck kommt; auch die Blechmusik wird im weiteren Verlaufe nicht
gespart. Ein langsamerer Mittelsatz mit einem trefflich gearbeiteten Kauon
der Mannerstimmen :
*
*
S
=S=5C
**
tr.
:£:
Sie - he, sie - be,
m^EEg
?=*-,
es urn - fin - gen mich des To - des Ban - de
und einer prachtvollen Steigerung »Wach auf! Mache Dich auf!« fiihrt zu
einem knrzen Maestoso-Schlufi.
b. Schluflchor. Im Gegensatz zum ersten, der vor der Festrede gesungen
wurde, ertonte dieser Chor nach der Rede; bedeutend kiirzer wie der erste,
lafit er doch gediegen-strenge Arbeit nicht vermis sen.
11. Meiden und Pinden. Zwei Gediohte von Karl Martell fur
eine Singstimme, Violoncell und Piano, qu. 4. 23 Seiten. Komponiert
urn 18601).
Tiber den Dichter, der sich hinter diesem heroischen Pseudonym versteckt,
hat sich Nichts ermitteln lassen.
I. Meiden. Nach einem schonen Cellosolo:
PSpFJ
£
=P
PPi
3
*
i-_ -:
v g fe
£*
'} I — t — g> I &
5*e
Eg^l^E
wird dieses zuerst rezitativisch gebrachte Thema in gebundene Kantilene tiber-
gefuhrt und begleitet die sanfte Gesangsmelodie, die im weiteren Yerlauf zum
Allegro agitato ed appassionato wird und anmutig uberfuhrt zum
II. Finden, dem originelleren Satz. "Wahrend die Cellofigur:
$::g?&Pf^^rMP&E]W
iii
t=B±
ganz von ferae an das Finale von Beethoven's beruhmter Barentanzsonate (Op. 30,
Nr. 3) zu erinnern scheint, gemahnt das verhaltene Jauchzen des Gesanges:
§i
-*--&
*
--¥
Wer nur hat dies Won - ne - klin - gen in den Luf - ten an - ge - facht?
1) Im Besitz von Frau Therese Marx in Jena,
s. d. IMG. x. 5
66 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
an desselben Meisters Chorphantasie (Op. 80). In schonster Steigerung ent-
wickelt sich der fur Sanger und Spieler gleich dankbare Gesang, der des
Druckes wohl wert ware.
III. Verlorengegangene Werke.
1. Die erste Szene des Jugendentwurfs von »Mose«. Bereits er-
wahnt in der Einleitung der Besprechnng von Op. 10.
2. Die Rache wartet, Melodram in drei Akten von Willibald
Alexis. Komponiert 1828. Der Text teilweise abgedruckt im »Berliner
Conversationsblatt* 1829, Nr. 39 und 42.
Die Auffiihrung fand, wie Ledebur l) angibt, am 21. Februar 1829 im
Konigsstadtischen Theater zu Berlin statt, wahrend Schilling (a. a. 0.) irrtum-
lich 1827 schreibt. Marx erzahlt dariiber2):
♦Willibald Alexis hatte eine Preis-Novelle 3) von 60 oder 70 Zeilen verfafit und
dieselbe fur das eben entstandene Konigstadter Theater zu einem Melodram benutzt.
Der Inhalt war die Liebe eines jungen franzosischen Offiziers zu einer edlen Polin,
die sich bei dem Durohzug der grofien Armee nach RuBland in Warschau entziindet
hatte und bei dem Ruckzuge der Armee ihr tragisches Ende nahm. Irre ich nicht,
so starb der todtwunde Krieger zu den FiiBen der Geliebten. Die Novelle ubrigens
war talentvoll und ergreifend ; vom Melodram konnte ich nicht so giinstig urtheilen,
meinte auch vorher zu sehen, dafl dasselbe sich so wenig auf der Biihne behaupten
wiirde, wie alle Arbeiten dieser Art. Allein der Dichter, mir befreundet und fur
meine Plane willfahrig, trug mir die Komposition an, und ich ware gar nicht im
Stande gewesen, eine Gelegenheit zu meiner Obung zu versaumen. Die liebe des
Paares war der Hauptinhalt fur die Buhne ; den Hintergrund bildete der riesengrofie
Heereszug und sein Untergang. Dies erkor ich mir als Hauptaufgabe fur die Musik ;
besonders Ouvertiire und Zwischenakte hatten diese Momente zu bezeichnen. Die
Komposition schien nicht zu mifif alien; das Melodram vcrschwand, wie ich voraus-
gesehen, nach wenig Auffuhrungen.t
Bei Schilling ist zu lesen, da£ die Musik von bedeutenden Musikern
>gro£artig und tief« gefunden wurde. »Namentlich war in der Ouverture
der Charakter des Winterfeldzugs 1812 erschutternd ausgedriickt. « Hochst
intere8sant aber ist ein Brief Zelter's an Goethe vom 26. Februar 1829 4),
der folgendermafien lautet:
♦Einer der dreyzehn Biihnendichter, unser Willibald Alexis, hat soeben die
Muse der Konigsvorstadt mit einem Melodram uberschattet, woriiber die Anlage
(der Berliner Courier Nr. 622 5) redet. Melodram ist es genannt, weil es seiner
ernsthaften Tendenz wegen auf diesem Theater nicht durfte gegeben werden. So
hat denn ein bekannter Ungenannter (die Redaction der hiesigen musikalischen
Zeitung) eine ganz homogene Musik dazu gemacht, die ich gestern vernommen
habe. Wenn der Componist nicht gewuBt hat wohin? so hat er genug gezeigt
woher er kommt; denn sein muhbeladenes Flickwerk besteht in lauter Graten und
Abwurf von Beethoven's Tischen, in wiisten Larm gewickelt, dafi einen die Ganse-
haut iiberlauft. Mir war es, als wenn ich die Beyspieltafeln sammtlicher musika-
1) a. a. O. 2) Erinnerungen, Bd. 2, p. 42.
3) Ein Druck dieser Novelle war nicht zu ermitteln.
4) Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter. 5. Teil, p. 150 (Berlin 1834).
5) In diesem von Saphir herausgegebenen Blatte kanzelt ein mit E. O. unter-
zeichneter Kritiker das Stuck gewaltig herunter, nennt es ein »hochst unmoralisches
Grauelconvolut«. In Nr. 632 wird es nochmals gcgoilk»lt, el)enso in Nr. 635 und
642; von der Musik ist nirgends die Rede.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bemhard Marx. 67
lischen Lehrbiicher nach einander aus ihren verschiedenen Tonarten abhaapeln horte,
und die Orch ester- Leu te sahen nachher aus, als ob sie ihren Grabern entlaufen
waren. Eigentlich hat mich das Opus erbaut, — wie sich dieser Bruder Markus
(jetzt Marx) dabey abgemartert und sein Fortepiano abgerammelt hat, da ich dem
Schaker etwas gdnne; denn das nieht vollzahlige Konigsvorstadtische Publicum liefi
auch kein Merkmal der WiBbegier entfallen, um den Thater des confusen Mord-
spectakels zu erkunden. So wollen wir auch nicht weiter da von reden.«
Wenn man sich das vergegenwartigt, was ich bei der Besprechung von
>Jery and Bately* tiber das Verhaltnis Zelter's zu Marx gesagt habe, so wird
diese Expektoration leicht erklarlich.
3. Festsinfonie zur Vermahlung des Prinzen Wilhelm von Preofien,
den 11. Juni 1829 im Konigsstadischen Theater aufgefuhrt1). Komponiert
1829.
4. TJndinens GruB, Festspiel von Friedrich Baron de la Motte
Fouque\ Komponiert 1829.
Von dieser Dichtung scheint nnr ein Textbuch2) (Berlin, 14 Seiten) ge-
druckt zu sein, das folgende StUcke bezeichnet:
Nr. 1. Romanze' (Aliena): Vor vielen Hundert Jahren. Nr. 2. Lied (Walther):
Frohlich zog' in Morgen-Frische. Nr. 3. Chor-Reigen: Sanft hebt una Rauschen.
Nr. 4. Melodrama. Nr. 5. Duett (Kuhleborn, Undine): Hei, ich strome, fluthe
bandenlos. Nr. 6. Solo mit Choren (Kuhleborn): Herauf! herauf ! Nr. 7. Allgemeiner
Chor: Hoheit, Ruhm und Glanz des Sieges. Nr. 8. Oft wenn sich schwarz drangt
Wolkennacht. Nr. 9. Gebet. Solo mit Chor (Aliena): O, du dort oben, hold ge-
sinnt. Nr. 10. Gesang (Undine): Tief im Herzen wohnt die Liebe. Nr. 11. SchluB-
chor: Im Freien! zum Reihen!
Von der Musik hat sich nur Nr. 2 erhalten, das unter der tlberschrift
tjagers Hoffen* als Nr. 6 des Op. 2 erwahnt wurde. Auch tiber dieses Werk
gibt uns Marx kurze Nachricht8):
»Das letzte dramatische Unternehmen war ein Festspiel zur Vermahlung des
damaligen Prinzen von PreuBen, Undinens GruB. Ich hatte die Personen des be-
ruhmten Zaubermarchens fur cine landliche Scene benutzt; mein Vorschlag gewann
den greisen Dichter Fouque, der seitdem mich immer seinen ,lieben Kriega-
kameraden* nannte. Wenigstens war er in den Befreiungskriegen ein wackerer
Krieg8kamerad gewesen, — wenn auch ich damals noch nicht reif war, sein Kamerad
zu sein. Unser Werk ward am Festtage aufgefuhrt und hatte den gewohnlichen
Erfolg solcher Gaben.«
Sei der Vollstandigkeit halber — da wir leider auf eine personliche
Beurteilung verzichten mtissen — noch folgender Bericht4) erwahnt:
»Der Vermahlung8- Abend selbst am 11. Juni wurde offentlich nur im Konigs-
stadter Theater durch ein, leider die beabsichtigte Wirkung verfehlendes Festspiel:
,Undinen'8 GruB* von Fouque, mit Musik von Marx, gefeyert«5).
1) Erwahnt in Ledeburs »Tonkunstler-Lexikon Berlins* (Berlin 1861).
2) In der Barth'schen Sammlung der Bibliothek des Konigl. Opernhauses zu
Berlin.
3) Erinnerungen, Bd. 2, p. 43.
4) Allg. Musikal. Zeit. 1829, Bd. 31, Nr. 31, p. 509.
5) Die handelnden Personen waren: Die Mutter (Mad. Huray); Aliena, Erd-
muthe, ihre Tochter (>Dle. Holzbecher, Steger); Walther, Jager, Alienens Verlobter
(Hr. Diez) ; Undine (Mile. Herold) ; Kuhleborn (Herr ZschieHche) ; Fiirst (H. Meier) ;
Fiirstin (Mad. Elfiler) ; Chor der Wassergeister, der Luftgeister, des Hofstaates, der
Landleute.
68 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
5. Dramatische Szene: Zenobia in Palmyra. Fiir Frau Milder-
Hauptmann komponiert etwa 1830. Die drollige Szene, wie er das Opus
zu der begeistert verehrten Sangerin brachte, wird von Marx sehr lebendig
erzahlt 1).
»Ihr brachte ich denn freudig und erwartungsvoll meine Scene. Ein groBes
Recitativ eroffnete sie, dann stUrmte, in Esdur, der Chor der Romer heran, dann
wandte sich die Modulation in das goldhelle Edur zu dem Adagio der Konigin,
und das Allegro verband den Sologesang mit dem Chor der Manners timmen. Die
Sache konnte herrlich werden.«
6. Symphonie bei Yeranlassung des Falles von Warschau. Kom-
poniert 1832.
>Die Musik schildert hochst ergreifend den raschen chevaleresken leicht-
sinnigen Charakter der Polen, ihre Freiheitslust unter dem Kanonendonner,
ibren tiefen Sturz in der blutigen Niederlage, das Hinwegziehn aus dem
Vaterlande, die Vereinsamung auf fremder Erde, das schwere Gericht tiber
dieses Volk.« (Schilling, a. a. 0.)
7. Musik zu Ludwig Tieck's Tragodie >Leben und Tod des
kleinen Rothkappchensc Komponiert 1843.
Tieck's herrliche Dichtung ist zum ersten Male in den > Romantischen
Dichtungen (T. 2, p. 465 — 605, Jena 1800) gedruckt. In einer kurzen Notiz,
offenbar einer Berliner Korrespondenz, der Allgem. Musikal. Zeitung2) findet
sich die lakonische Notiz: >Marx in Berlin hat zu Tieck's Bothkappchen eine
allerliebste Musik geliefert* ; sonst wuBten wir iiberhaupt Nichts von dem Werk.
Eine Anfrage bei Frau Professor Therese Marx in Jena wurde dahingehend
beantwortet, daB Marx diese Musik for eine private Auffuhrung in der be-
freundetenFamilieTheodorMundt's3) schrieb, und daB dieselbe sehr gefiel. "Wenn
der Verlust irgendeines Werkes unsres Tondichters zu bedauern ist, so ist es
dieser; denn hier hatten wir Gelegenheit gehabt, ihn auf einem ganz speziellen
Gebiete kennen zu lernen. Zudem gibt es bisher iiberhaupt keine Musik zu
dem wundersamen Drama, einem der riihrendsten Werke der romantischen
Literatur.
8. Festouverture zur Feier des Geburtsfestes des Konigs von PreuBen
am 14. und 15. Oktober 1844 in Erfurt. Komponiert 1844.
Von der Existenz auch dieses Werkes werden wir nur durch eine kurze
Zeitungsnotiz4) belehrt, die — da ungliicklicherweise der Referent in der
Pause offenbar zu viel Bier trank und nur einen Teil der Komposition zu
horen bekam — besagt, daB sie >aus zwei ganz verschiedenartigen Satzen
zu bestehen schien*.
IV. Gcplante Werke.
1. Frau Venus. Musikalisch-dramatische Dichtung.
ITber diesen fruhen Jugendplan finden wir Ausfuhrliches in Marx' Memoiren5)
aufgezeichnet. Wer sich uber dieses Analogon zum Tannhauser genauer informieren
will, der lese die betreffende Stelle nach.
2. Otto III. Oper.
1) Erinnerungen, Bd. 2, p. 65. 2) 1844. Bd. 46. Nr. 7, p. 118.
3) Der bekannte »jungdeutsche« Schrifts teller und nachmalige Berliner Uni-
versitatsprofeasor.
4) Allg. Musikal. Zeit. 1844, Bd. 46, Nr. 48. p. 797.
5) Erinnerungen, Bd. 1, p. 163—167.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 69
AuBer Marx*) erzahlt auch noch Eduard Devrient2) von diesem Plan unseree
Tondichters, der der Ansicht war, daB die Opernkomposition sich bedeutender
historischer Vorgange bemachtigen miisse (bekanntlich im Gegensatz zu Richard
Wagner 3): »Er selbst war mit groBer Vorliebe und mit groBen Voraussagungen mit
finer Oper: Otto's III. Romfahrt und Tod beschaftigt.*
3. Achilles auf Skyros. Ballet.
Interessenten mogen sich die anmutige Beschreibung dieses Planes von Marx
selbst4) erzahlen lassen.
V. Ausgaben and Bearbeitangen klassischer Werke.
1. Zwei Gesiinge aus Handels Messias gesungen von Madame
Milder im Klavier-Auszuge. Berlin, im Magazin fur Kunst, Geographic
und Musik Nr. 29. Pr. 12 gr. qu. fol. 10 Seiten. Erschienen ca. 1826.
Nr. 1. Wechselgesang ( »Er weidet seine Heerde*). Fur 2 Stimmen.
Nr. 2. Aria. ( »Ich weiB, daB mein Erloser lebet«).
Eine von. Marx veranstaltete Ausgabe Handel'scher Klavier-Fugen
auf die er in der Vorrede seiner Bach-Auswahl (Nr. 8 b dieses Verzeich-
nissesj hinweist, konnte durchaus nicht ermittelt werden.
2. Sechzehn Sologesange von G. F. Handel aus dessen samtlichen
Werken ausgewahlt zur Forderung und Veredelung der Gesangbildung mit
einer Einleitung tiber Geltung Handel'scher Sologesange fur unsre Zeit (als
Anhang zur Kunst des Gesanges). Lief. I, II. Pr. a 3/4 Rth. Berlin, in
der Schlesinger'schen Buch- und Musikhandlung, TJnter den Linden Nr. 34,
1513. 13, 17 Seiten. Erschienen 1828.
Lief. I. Nr. 1. Aus Otho. Nr. 2. Aus Rodelinda. Nr. 3. Aus Casar. Nr. 4.
Aus Floridant. Nr. 5. Aus Tamerlan. Nr. 6. Aus einer Cantate. Nr. 7. Aus
Rhadamist. Nr. 8. Aus Agrippina.
Lief. II. Nr. 9. Aus Pastor fido. Nr. 10. Aus Theseus. Nr. 11. Aus Theseus.
Nr. 12. Aus dem Alexandersfest. Nr. 13. Aus Saul. Nr. 14. Aus Semele. Nr. 15.
Aus Semele. Nr. 16. Terzett aus Acis und Galathea.
3. GroBe Passionsmusik nach dem Evangelium Matthaei von
.lohann Sebastian Bach. Yollstandiger Klavierauszug. Seiner
Konigl. Hoheit dem Kronprinzen von Preufien in tiefster Ehrfurcht gewidmet
vom Verleger. Preis der Partitur: Rh. 18, Preis des Klavierauszugs : Rh. ll/2.
Berlin, 1830. In der Schlesinger'schen Buch- und Musikhandlung, Unter
den Linden Nr. 34, 1571, qu. fol. 190 Seiten. Erschienen 1830.
Vbev den Wert dieser von Marx besorgten Erst-Ausgabe des unsterblichen
Meisterwerkes eriibrigt es sich zu reden. Sichert schon die Tatsache allein, daB
Marx es war, der Bach's Werk zum ersten Mai dem Druck iibergab, dem Heraus-
geber einen bleibenden Platz in der Musikgeschichte, so noch mehr die Vorzuglich-
keit des Klavierauszuges, der fur alle spateren Ausgaben und Bearbeitungen maB-
gebend geblieben ist.
4. Kirchenmusik von Joh. Sebast. Bach. 2 (3) Bande. Preis 9 und
10 frs. Bonn bei N. Simrock. 2745. 2765. 2857. 2884. 2885. 2886.
Fol. 64, 67 Seiten. Erschienen 1830.
1) Erinnerungen, Bd. 1, p. 171—176.
2) Meine Erinnerungen an Felix Mendelssohn- Bartholdy und Seine Briefe an
mich. Leipzig 1872. p. 44.
3) »Oper und Drama.* Leipzig 1852, Th. 2, p. 154 f.
4) Erinnerungen, Bd. 2, p. 39.
70 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
Der 1. Band en thai t:
Nr. 1. Litaney von Martin Luther und Johann Sebastian Bach. Preis
2 Francs. Partitur. 15 Seiten. (Nimm von uns, Herr, du treuer Gott).
Nr. 2. Herr deine Augen sehen nach dem Glauben. Kirchenmusik
von Johann Sebastian Bach. Preis 3 Francs 50 Cs. Partitur.
24 Seiten.
Nr. 3. Ihr werdet weinen und heulen, aber die Welt wird sich freuen.
Kirchenmusik von Johann Sebastian Bach. Preis 3 Francs
25 Cs. Partitur. 24 Seiten.
Der 2. Band enthalt:
Nr. 4. Du Hirte Israel hore. Kirchenmusik von Johann Sebastian
Bach. Prix 3 Francs, Partitur. 23 Seiten.
Nr. 5. Herr gehe nicht ins Gericht. Kirchenmusik von Johann
Sebastian Bach. Prix 3 Francs. Partitur. 27 Seiten.
Nr. 6. Gottes Zeit ist die alierbeste Zeit. Kirchenmusik von Johann
Sebastian Bach. Prix 3 Francs. Partitur. 27 Seiten.
5. Johann Sebastian Bach's noch wenig bekannte Orgelkompo-
sitionen (auch am Pianoforte von einem oder zwei Spielern ausfuhrbar).
Pr. (a) 18 Gr. Leipzig, bei Breitkopf & Hartel. Qu. fol. 19, 17, 19 Seiten.
5469, 5470, 5471. Erschienen 1833. *)
1. Heft. Nr. 1. Pracludium (A moll). Nr. 2. Praeludium und Fuge (Edur).
Nr. 3. Praeludium und Fuge (Dmoll). Nr. 4. Fantasia (Gmoll).
2. Heft. Nr. 5. Praeludium und Fuge (Gdur). Nr. 6. Praeludium und Fuge
(Ddur).
3. Heft. Nr. 7. Praeludium und Fuge (Esmoll). Nr. 8. Fuge (Gmoll). Nr. 9.
Toccata (Dmoll).
6. Die Hohe Messe in H-moll von Joh. Sebastian Bach fur zwei
Sopran, Alto, Tenor und BaB. Im Klavierauszug. Preis des Klavier-
auszugs Frs. 20. Preis der 5 Chorstimmen Frs. 11, 75 Cs. Bonn bei N. Sim-
rock. Zurich bei H. G. Nageli. In demselben Yerlage ist auch die Partitur
dieses Werkes zu 48 Francs erschienen. 3038. Qu. fol. 126 Seiten. Er-
schienen 1834. (Kirchenmusik 3. Band, vergl. No. 4.)
Hiervon gilt wortwortlich das bei der Mat thkus- Passion Gesagtc. Auch dieses
ewige Werk hat Marx zum ersten Male uberhaupt herausgegeben.
7. Le Clavecin bien temper 6 ou 48 Preludes et Fugues dans tons les
tons majeurs et mineurs pour le Clavecin ou Pianoforte composees par
J. Seb. Bach. 2 Parties. Pr. -a; 2\2 Rthlr. Berlin, chez J. J. Biefen-
stahl, Spandauerstr. Nr. 9. Hambourg, chez Jean Aug. Boehme. Vienne,
chez Anton Diabelli & Co. J. J. R. 161. Qu. fol. 109, 85 Seiten. Er-
schienen 1838.
Diese von dem Organisten Haupt besorgte Ausgabe hat Marx sorgfaltig
durchgesehen und iiber ihre Korrektheit am Schlufi des Vortworts ein Testat aus-
gestellt.
8a. Auswahl aus Sebastian Bach?s Kompositionen, zur ersten
Bekanntschaft mit dem Meister am Pianoforte. Berlin bei C. A. Challier & Co.
Preis iy3 Thlr. Qu. 4. 2 (Vorwort) -f- 25 Seiten. Erschienen 1844.
Vorwort. Nr. 1. Praeludium (Cdur). Nr. 2. Praeludium (Ddur). Nr. 3. Figu-
rirter Choral. (Wer nur den lieben Gott laBt walten,) Nr. 4. Invention (Fdur).
1) Vergl. hieriiber die treffliche Arbeit von Max Schneider im Baeh-Jahrbuch
1906, p. 91.
Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx. 71
Nr. 5. Gigue (Bdur). Nr. 6. Sarabande (Gmoll). Nr. 7. Figurirter Choral. (Vater
unser im Himmelreich.) Nr. 8. Gavotte (Gdur). Nr. 9. Fuge (Emoll). Nr. 10.
Sarabande (Dmoll). Nr. 11. Gigue (Dmoll). Nr. 12. Praeludium (Gmoll). Nr. 13.
Fantasie (Cmoil). Nr. 14. Gigue (Gdur). Nr. 15. Praeludium und Fuge (Fmoll).
Nr. 16. Figurirter Choral. (Das alte Jahr vergangen ist.)
8b. Auswahl aus Sebastian Bach's Kompositionen veranstaltet
und mit einer Abhandlung iiber Auffassung seiner "Werke am Pianoforte
eingeleitet. Zweite vermehrte Ausgabe. Eingefuhrt im Konservatorium
der Musik zu Berlin. London, Bob. Cocks & Co., 6 New Burlington Street.
Berlin, C. A. Challier & Co. 14. Spittel-Briicke. Pr. l*/3 Thlr. 844. Fol. X
+ 36 Seiten. Erschienen 1853.
Hinzugekommen sind:
Nr. 5. Fughette. (Dies sind die heil'gen zehn Gebot.) Nr. 7. Praeludium und
Fuge (Gdur). Nr. 8. Figurirter Choral. (Wer nur den lieben Gott laBt walten,
2. Fassung.) Nr. 17. Praeludium imd Fuge (Dmoll). Im ganzen 18 Nummern.
8c. Dasselbe. Neue unveranderte Ausgabe. Pr. 3 Mk. netto.
Berlin, C. A. Challier & Co. 2757. Lith. Anstalt von C. Or. Roder, Leipzig.
Or. 4. VII + 36 Seiten. Erschienen 1873.
Die Vorrede gehort zu Marx* schonsten schriftstellerischen Leistungen und wird
in einer von mir vorbereiteten, bald erscheinenden erstmaligen Sammlung von Marx'
kleineren Schriften1) zum Abdruck kommen.
9. Sammlung vorziiglicher Chorsatze fur den Gebrauch in Sing-
vereinen und Chorschulen. Klavierauszug und ausgesetzte Stimmen.
Klavierauszug Pr. 2 Thlr. Stimmen Pr. 1 Thlr. 20 Ngr. Leipzig, Breitkopf
& Hartel. 10062. gr. 8. 79 Seiten. Erschienen 1861.
1. Choral. »Was mein Gott will.* Tonsatz von Hieronymus Pratorius.
2. Derselbe Choral. Tonsatz von Seb. Bach.
3. Choral: »Ich will dich« (Es ist das Heil). Tonsatz von Johann Ekkard.
4. Derselbe Choral. Tonsatz von Seb. Bach.
5. Festlied: Auf das Pfingstfest. Von Johann Ekkard.
6. Festlied: Darbringung des Christ kinds im Tempel Von Johann Ekkard.
7. Chor aus Handel's Messias. In Mozart's Bearbeitung und deutschen Aus-
gaben nicht aufgenommen. (Lobsing' dem Herrn, Engelschaar.)
8. Aus einer Kirchenkantato von Handel. (Heilig ist Gott.)
9. Aus Deborah (Chor der Israeliten, Verwiinschung der Unterdrucker) von
Handel.
10. Aus Deborah von Handel. (Wirf ab die Scheu!)
11. Aus Herkules, Oratorium von Handel. (Eifersucht! Du Hollengast!)
12. Aus Esther, Oratorium von Handel. (Ihr Sonne Juda's, klagt!)
13. Aus der Kirchenkantate »Du wahrer Gott und Davids Sohn« von Seb.
Bach.
14. Aus der Osterkantate »Bleib bei uns« von Seb. Bach.
15. >I)e profundis* von Gluck.
Wenn jemand als Vorarbeiter Richard Wagner's zu gelten hat, zu einer
Zeit, wo dieser iiber den Umfang seines Beformwerkes noch nicht vollig im
Klaren war, so ist es Adolph Bernhard Marx. Nur von diesem Gesichtspunkte
aus laCt sich ein zwar nur beilaufiger, darum aber nicht minder merkwiirdiger
Ausspruch Franz Brendel's verstehen2):
1) Berlin und Leipzig, bei Schuster und Loeffler. 2 Bande.
2) Geschichte der Musik. 6. Aufl. Leipzig 1878, p. 464.
72 Leopold Hirschberg, Der Tondichter Adolph Bernhard Marx.
»Auf dem letzten Standpunkt endlich erblicken wir die Verneinung jener auf
der vorangegangenen sinnlichen Stufe geltenden Bedingungen. Der kiinstlerische
Geist vermeidet die naturlichsten Verbindungen der Accorde, die trivial zu erscheinen
beginnen, und erbaut auf immer scharfer eindringenden Negationen des unmittelbar
zum Ausdruck sich Darbietenden sein letztes kiihnes Gebaude, und wir sehen dem
entsprechend, wie die Theorie sich von der Angstliehkeit friiherer Regeln befreit,
und — unter den Handen von Marx z. B., der hierin die Aufgabe der Zeit er-
griffen hat, — statt das Ohr als hochsten Richter zu setzen, Alles, was fur einen
bestimmten Ausdruck nothwendig ist, was an sich selbst und als Einzelnes vielleicht
verwerflich, der Erreichung des Hauptzweckes und der Idee des Ganzen jedoch
forderlich sein kann, erlaubt.«
Eigentiimlich aber ist es, da£ beide wahrend ihres Lebens in personliche
Beriihrung nicht gekommen sind1), wobei sie ihre Ansichten und Plane in
gewifi hochst interessanter Weise hatten durchsprechen konnen. Zwar erwahnt
Marx den j linger en Meister mehrfach in seinen Schriften, doch ohne vollige
Erkenntnis des Machtigen in Wagner. Beide wollten eben von ganz ver-
schiedenen Standpunkten aus das Neue bilden und erreichen; Wagner als
Dramatiker — Marx ohne diese Befahigung im Buhnensinne. Darum ging
Marx vom Oratorium aus; Johannes der Taufer und Mose sind »Oratorien
der Zukunft«. Yon den strengen Theoretikern der Zeit, zu denen Marx
zum Schaden seiner produktiven Tatigkeit allgemein gerechnet wurde, war
ein Yerstandnis seiner kompositorischen Ideen nicht zu verlangen und zu
erwarten. Wir haben die Pflicht, das Yersaumte nachzuholen, um nicht
hinter dem Dichter Heinrich Stieglitz zuriickzustehen, der schon 1838 *)
das Neue in dem Tondichter verherrlicht hat:
♦Greift Bernhard Marx mit seinem heifien Streben
Jetzt mchr als sonst thatkraftig ein ins Leben?
Er, dessen tiicht'ger Brust ein ganzer Chor
Inwohnt von klanggeschwangerten Ideen,
Warum nicht tritt er aus sich selbst hervor
Und laBt die stolzen Siegesfahnen wehen,
Die er mit Recht sich zum Panier erkor?
Doch sollt' auch nimmer diese pralle Kraft
Zur Harmonie des Weltchors sich entfalten,
Wie sie gerungen treu und unerschlafft,
Nicht scheu' ich mich, aufrichtig zu bekennen,
DaB ich, in diesem rathselhaften Wesen
Des Klangreichs neue Aera zu erkennen,
Der erste aller Glaubigen gewesen.«
1) Frau Prof. Marx antwortete auf eine diesbeziigliche Anfrage in negativem
Sinne.
2) »GruB an Berlin. Ein Zukunftstraum.« Leipzig 1838, p. 108.
Georg Schiinemann, Zur Frage des Taktschlagens usw. 73
Zur Frage des Taktschlagens und der Textbehandlung
in der Mensuralmusik.
Von
Georg SchOnemann.
(Berlin.)
Die Griechen, die fur die Rhythmik des Gregorianischen Chorals das
Vorbild gegeben hatten, lieferten auch die Grundlage fiir das Schaffen der
Mensuralisten.1) In der Perotinischen Zeit (Ende des 12. Jahrhunderts),
wo noch keine bestimmte Fixierung der Notenwerte vor sich gegangen
war, hing die musikalische Rhythmik noch von der Metrik des Textes ab.2)
Erst zur Zeit der Franconen (nach 1260) begann eine feste Bestimmung
der Notenwerte unabhangig vom Text. Es wurde eine Abgrenzung
gewisser Werte festgesetzt. Joh. Garlandia braucht zu diesem Zweck
einen Strich3), ebenso Aristoteles4) und Franco*). Petrus de Cruce,
ein Zeitgenosse Franco's, wendet einen Punkt 6) an, der ein arithmetisches
Abteilungsmittel im Sinne eines Taktstriches ist. Fiir die Sanger bildete
eine solche Einteilung der Werte sicher eine groBe Erleichterung.
Wirkliche Taktzeichen finden sich erst vom 14. Jahrhundert ab. Das
Eindringen des zweiteiligen MaBes — ein EinfluB der italienischen Kunst7)
— in die Mensuralmusik, die vorher nur dreiteilige Messung kannte,
machte diese Taktzeichen notwendig. Philipp deVitry wendet folgende
Zeichen an8):
1) Die Lehre der 5 modi des Franco (Coussemaker, Script. I p. 118b und
119a) ist den griechischen VersfUBen genau nachgebildet.
2) intellego istam longam, intellego illam brevem dicebant : punctus illc supe-
rior sic concordat cum puncto inferiori; Coussemaker, Script. I p. 344a (Ano-
nymus IV).
3) Coussemaker I p. 104 b. Divisio modorum est tracius aliquo modo positus.
4) Coussemaker I p. 271 b. unum parvum tractulum in forma et longituditie
semisuspirii.
5) Co useemaker I p. 120a. quidam tractidus, qui signum perfectionis dicitur; vgl.
hierzu Joh. Wolf: Geschichte der Hensuralnotation I p. 11 ff.
6) Coussemaker Script. I 388a und I 424a; vgl. auch das Beispiel in Wolfs
Gesch. d. Mensural not. Bd. II, Nr. 1 von Petrus de Cruce; durch diese Taktpunkte
ist auch die tfbertragung wesentlich erleichtert. DaB diese Punkte und Strichel-
chen mit den Punkten fur Arsis und Thesis des Anonymus Belle rmann's (Avtovupou
au-pfpctjjiua Trept fiouatx?]; Berlin 1841) zusammenhangen, ist bei der groBen Abh&ngig-
keit von den griechischen Theoretikern vielleicht anzunehmen.
7) Wolf a. a. 0. I p. 91.
8) Coussemaker, Script. Ill 19 ff. Vgl. liber die Taktzeichen Wolf a. a. 0.
I p. 92ff., p. 97; uber Taktbuchstaben ebenda p. 274.
74 Georg Schunemann, Zur Frage des Taktschlagens usw.
|1TT[ modus perfectus, d. h. die Longa ist 3-zeitig zu messen.
I17] modus imperfectus, >>> > » 2 > > >
j_l± tempus perfectum, > » » Brevis » 3 » » »
1 1 tempus imperfectum, »>> > » 2 » » »
Sollte in einem Stiick noch die vorgezeichnete Messung durchbrochen
werden, so konnten die nach den Mensur-Regeln zusammengehorigen
Werte durch einen Punkt (punctus divishnis) getrennt werden, andere
zweiteilige Werte durch den Punkt (punctus perfectionis) perfekt, d. h.
dreiteilig gemacht werden. Eine f ortgesetzte Abgrenzung der Werte durch
Taktpunkte oder ahnliches war nunmehr uberfliissig. Man nahm eine be-
stimmte Noteneinheit an, und durch diese wurden die anderen gemessen,
ahnlich dem xpovo; 7rpu>To; der Griechen.
z. B. : » Tempus annonicum est mensura omnium notarum qua scilicet una-
quaeque mensuratur iwta* 1).
GjundmaB war anfangs die Longa, wie aus der praktischen Musik er-
sichtlich ist2); erst um die Zeit der ars nova (14. Jahrh.) kam die Brevis
als Takteinheit in weiteren Gebrauch. Nahere Hinweise auf die Leitung
des Gesanges habe ich bei den Theoretikern nicht gefunden; daB man
aber auch in dieser Zeit beim Gesang sich nach einem praecentor oder
director richtete, steht fest. »Wenn auch alle gleich gute Sanger sind, so
erkennen sie doch einen als praecentor und director an, auf den sie sebr
peinlich achten3).* Ferner lernte man, daB in alien modis (unseren Takt-
arten entsprechend) immer im Anfang des Taktes Konkordanzen sein
muBten4). WuBten die Sanger mit den Intervalls- und Proportionslehren
Bescheid — dies gehorte damals zum Riistzeug eines jeden Sangers — ,
so boten die Kompositionen fiir die Ausfiihrenden keine Schwierigkeiten
weiter, zumal wenn Instrumente die Stimmen stiitzten oder die Fiihrung
der Unter8timmen ubernahmen, wie es Riemann 5) annimmt. Die weitere
1) Hier. v. Mahren (Couss emaker Script. I 81b.) oder Joannes Hauboys
Coussemaker Script. I p. 404) Mensura est liabitudo quant itatem. longiiudinem et
brevitatem cuiuslibd cantus mensurabilis manifestans.
2, z. B. Wolf, Geschichte der Meneuralmusik II Nr. 1 wiire in Longatakt zu
tibertragen, da 6onst Dissonanzen im Anfang des Taktes entstlinden.
3) Hieron. v. Mahren (Coussemaker Script. I p. 93): Secundum est, ut
quantumcumque sint omncs equaliter boni cantores, union tamen preccntorem et direc-
torem sui constituant, ad quern diligentissime attendant.
4) Franco (Coussemaker Script. I 132b): /// omnibtts modis uiendum est
semper concordantiis in principio perfectionis Taktes , licrt sit longa, breris rel semi-
brevis.
5) Hugo Kiemann: Das Kunstlied im 14.— 15. Jahrhundert. Sammelbd. d.
I. M. G. 1906, Jahrg .VII, Heft 4 p. 529ff.; derselbe: Handbuch far Musikgeschichte II. 1
(Zeitalter der Renaissance) Leipzig 1907, vor allem Kapitel XVIII, § 56.
Georg Schunemann, Zur Frage dee Taktschlagens usw. 75
Entwicklung der Mehrstimmigkeit, vor allem die Entwicklung des sogenann-
ten durchimitierenden Vokalstils machte nun mehr denn je ein exaktes Zu-
sammengehen aller Stimmen notwendig. Waren nicht ganz gute und gelibte
Musiker beisammen, so muBte die Mensur den Sangern sichtbar gemacht
werden. Man schlug mit der Hand den Takt. Im Lauf e des 16. Jahrhunderts
gehort fast in jedes theoretisch-praktische Werk auch ein Kapitel iiber
den Takt (de tactu). Adam von Fulda (ca. 1490), der Theoretiker, der
eine eingehende Erorterung der »kmdischen« Mutationsregeln, die doch
bisher einen so groBen Raum bei den Theoretikern einnahmen, ablehnt 4),
der auch die bisherigen so schwierigen Transpositionslehren vereinfacht2),
ist auch der erste, der ein Kapitel iiber den Takt bringt3). Eine noch friihere,
indeB nur kurze Nachricht vom Taktschlagen bringt im 15. Jahrhundert
llamis de Pareia4). Der Dirigent solle den Takt mit der Hand oder dem
FuB oder dem Finger schlagen. Trotz dieser spaten Nachrichten zeigen
uns bildliche Darstellungen, daB auch schon vorher der Takt mit der
Hand geschlagen wurde, denn die zum Teil schon recht verzwickte Rhythmik
z. B. eines Du Fay forderte dazu schon auf. Auf dem linken Altarwerk
der Briider van Eyk taktiert ein Sanger mit niederschlagender Hand5).
Bernard. Pinturicchio (1454 — 1513) malt einen Ohor von 10 Engeln,
die aus einem Notenblatt singen, einer von ihnen gibt mit der erhobenen
rechten Hand deutlich den TaktB). Dies Bild fuBt sicherlich auf der
Praxis der Zeit. Sandro Boticelli (1447 — 1500) malt zwei Chore von
je drei Engeln, die aus einem Notenblatt singen, der mittlere taktiert
mit leicht niederschlagender Hand7). Ein »Baum Jesse* , der im kirchen-
musikalischen Jahrbuch8) reproduziert ist, zeigt ein »himmlischesKonzert«.
Alle moglichen Instrumente sind vertreten, ein Konig, dem Zuschauer
den Kiicken kehrend, taktiert durch Zusammenschlagen der Hiinde. Das
Bild stammt aus dem 15. Jahrhundert. In der Ausgabe von Gafurius'
Praetica masica, 1496 befindet sich auf fol. a 1 unten ein Knabenchor
mit seinem magister, ein Knabe steht im Vordergrund und schlagt den Takt,
1) Gerbert Script. Ill p. 346: Nolui autem pueriles Mas regular de mtUationibus
casus notarum dictas huic frpusculo nmtro adjungere.
2) Gerbert Script. Ill p. 358. In dieser Hinsicht Ut er jetzt von Riemann:
Handb. d. Musikgesch. Bd. Ill, p. 34ff. gewUrdigt worden.
3) Gerbert, Script. Ill, p. 362ff.
4) Neuausgabe von Joh. "Wolf p. 83.
5; Original im Kaiser Friedrich Museum in Berlin.
6) Chiesa di S. Maria Maggiore. Rom (Original;.
7) Sa. Verging col Bambino ed angcli. Rom. Bei den erwahnten Bildern sind
die Engel nicht kleine >Kinderchen«, sondern groOe erwachsene Gestalten.
8] Jahrg. 1884 p. 30. Erwahnt sei noch auf dem einen Teil des Reliefs des
Florentiner Doms (Lucca dellaRobbia) [Sangertribflne] der kleine Junge, der die
Bewegungen des Taktierendcn nachahmt; er schlagt mit dem Zeigefinger der
Rechten in die hohle Linke.
76 Georg Schiinemann, Zur Frage des Taktschlagens usw.
alle singen nach einem groBen auf einem Pult stehenden Notenbuch.
Auch bei zweistimmigen Stiicken schlug man Takt. Ein anonymer Holz-
schnitt aus dem 15. Jahrhundert zeigt einen Mann und eine Frau, beide
mit einem Buch, der Mann taktiert mit der rechten Hand1). Auf einem
andern Holzschnitt sieht man eine Lautenspielerin und einen taktierenden
Sanger2). Nahere Nachrichten iiber die Art und Weise des Taktierens
und iiber die Form, in der der Takt gegeben wurde, erhalten wir allerdings
erst im 16. Jahrhundert, und leider bringen die Werke infolge des un-
seligen Abschreibens in jener Zeit fast durchweg dasselbe. Trotzdem soil
hier eine Ubersicht iiber diese Takterklarungen gegeben werden.
Tactus est continua rnotio in mensura contenta rationis. Tactus autem
per figuras et signa in singulis musicae gradibus fieri habet. Nihil enim ali-
ud est, nisi debita et conveniens niensura modi, temporis et prolationis*).*
Adam von Fulda (Gerbert, Script. Ill, p. 362);
zum Teil ebenso oder iihnlich:
Sim. Brab. de Quercu, 15094); Wollick, 1501 5); Mich. Ros-
wick, 1514 6); Bern. Bogentantz,15157); Joann. Cochlaus,15128).
Tactus est successiva cantiis / mensur am eim ad aequalitatem regulans.
Jo. Knapp, 15139);
ahnlich: Heinr. Faber, 1550 10); Lucas Lossius, 1563 u)\ Grallus
DreBler, 1571 «).
1) Unter >Meister der Liebesgarten< im Egl. Eupferstichkabinett zu Berlin.
15. Jahrhdt.
2) Unter >Meister mit dem Zeichen P.P.W.* Niederlandische Meister des
15. Jahrhdts. Kupferstichkabinett, Berlin. Allerdings hat hier der Sanger den Arm
so weit erhoben, daB es fast wie ein Deklamieren aussieht.
3) Der Takt ist eine bestandige auf die rechte Mensur gerichtete Bewegnng.
Der Takt hat unter den Figuren und Zeichen nach den jemaligen Musikwerten zu
gescbehen. Nicbts anderes ist er, als die notwendige und passende Messung
des Modus, Tempus und der Prolation (Messung nach Longen, Breven und Semi-
breven).
4) Simon Brab. de Quercu: opusctdum musices. Wien 1509, fol. dll; andere
Ausgaben 1513, 1516, 1518 mit Holzschnitt: Ein Mann und eine Frau von Noten
singend, ein anderer Mann hdrt zu.
6) Nicolaus Wollick de Servilla: opus aurcum de gregoriana et figuraiira
cantu. C6ln 1501, fol. GI.
6) Micbael Eos wick (Roswick), competidiaria musicae artis. Lipsi. 1516, fol.
L II, cap. V. a. Ausgabe schon 1514.
7) Bernardin Bogentantz: collectanea utriusque cantus. Coin 1615, II 12.
8) Johann. Code us (Cochlaus): tetrachordum musices. Ntirnberg. 1512, II 6.
9) Johann Enapp: institutio in musieen mensur alem. Erfurt 1513, fol. C1II.
10) Henricus Faber: Ad musicam pract. introduction non modo praecepta, sedexem-
pla quoque ad usum puerorum accomodata, quam brevissime continens. 1556 a. Aus-
gabe 1550. NQrnberg. Eap. V.
11) Lucas Lossius: erotemata mus. practicae ex probatissimis huius artis scripto-
ribus accurate et brevUer sclecta ad usum scholae Luneburgiensis et aliorum
puerilium — NQrnberg 1563, II Eap. X.
12) M. Gallus DreBler: Music, practicae clementa. Magdeburg 1571, III Eap. HI.
Georg Schiinemann, Zur Frage des Taktschlagens usw. 77
. . . vel est quidam rnotus j>r accent oris signorum indicia f ormolus can-
turn dirigens mcnsuralitcr. Andr. Ornitoparch, 1517 *);
ebenso oder ahnlich: Herm. Fink, 15562); Georg Rhaw, 15203); Euch.
Hoffmann, 1572*);
Perpetiio motu tactum signare necesse est. Philomates, Vencesl.5).
3)er Sact obbcr fdjtag / h>ie cr attljie genomen h>irb ift cine ftete tmb
meffige betoegung bet Ijanb bed fengerS / burdj toetdje gteidjfam ein ridjtfdjeit /
nadj aufweifung ber jetdjen / bie gteidjeit ber jtymmen onb Stoten bed gefangS
redjt geleitet onb getneffen hrirb / benn e3 miiffen fid) atte ftynunen / fo ber
gefang toot fol tauten / barnadj ridjten /. Mart. Agricola6).
Der Takt, nach dem sich Sanger wie Spieler richten miissen, besteht
aus den Schlagen mit der Hand auf und ab. Sancta Maria, 1565 7).
La battuta la qual e un eerto segno formato a imitatione del Polso ben
sano per elevatione et depositione delta Mano di quel die governa.
Lanfranco, 15338J.
. . . la misura d'un tempo diviso in duoi moti alia misura del polso
humano, cioe} ascendendo et Valtro descendendo. Picitono, 1547 9).
La batatta ha due teste, una a lo scendere et Valtra a al satire. Lusi-
tano, 1558 »°).
. . . un esqual abbaissement et eflevation ist der Takt nach Pierre Da-
vantes, 156011).
. . . nulus acqualis cerium temporis tractum in vices aequales dividens.
Andr. Kaselius, 1589 12).
Tactus est motus regulatus Praecentoris manu factusj sonorum tempora
metiens. Cyr. Snegassius, 1591 13).
1) Andreas Ornitoparch: musicc active micrologus 1517 (bei Valentin Schu-
mann), II Eap. VI.
2) Hermann Fink : practica musica — exempla variorum signorum con-
linens. Wittenberg 1556, lib. II.
3) Georg Rhaw: enchiridion musices. Leipzig 1618, enchiridion utriusque musi-
cae practicae. Leipzig 1520, enchiridion musicae mensuralis. Leipzig 1520, Kap. VII.
4) Eucharius Hoffmann: musicae practicae praecepta communiora in usum ju-
ventutis conscripta. Wittenberg 1572, Eap. X.
5) Venceslaus Philomates: musicorum libri quattuor. Vienne Pannoniae. 1523.
III. Eap. 2, a. Ausgabe schon 1512.
6) Martin Agricola: musica figuralis deudsch. Wittenberg 1532. Eap. VI.
7) Thomas de Sancta Maria: Arte de tarier Fantasia, Valladolid 1665. Fol.
VII y. f. Auf dieses Werk machte mich Herr Einkeldey zu Berlin aufmerksam.
8) Giov. M. Lanfranco: Scintille di musica 1633. Brescia, p. 67.
9) Angelo da Picitono: Fior angelico di musica. Venedig 1547, II 1. Fol.
Q IV.
10) Vincentio Lusitano: introduttione facilissima e novissima di canto fermo,
ftgurativo, contrapunto — Venedig 1558, fol. 9.
11) Pierre Davantes: nouvelle et facile methode pour chanter. (Mitgeteilt in den
Monatsheften far Musikgeschichte, 1869 Nr. XI p. 163 ff.)
12) M. Andrea Raselius: Hexachordum seu quaestiones Musicae practicae Nfirn-
berg, 1689, fol. E 3.
13) M. Cyriacus Snegassius (Schneegass) : Isagoges Musicae libri duo Erfurt,
1691, I 6.
78 Georg Schunemann, Zur Frage des Taktschlagens ubw.
Die Battuta ist *quel segno, che si fa con la mano, il quale dimostra
il modo, channo da tenere quelli che cantano, nel proferire la Voce con
misura di tempo veloce d tardo che con le figure cantabili si dimostra*.
Tigrini, 1588 *).
Der Takt geschieht *aequali sublationis el depressionis tempore* nach
dem Anonymus des 16. Jahrhdts.2)
La prima misura non c altrimenti, che pronontiare la nota con uguale
spatio, dimostra con la mono. Aron, ca. 1545 3).
Jan Blahoszlav, 1569 4): >Das Wort (tactus) bezeichnet eine bestimmte
Zeitabmessung, in der entweder der Gesang oder die Pausen stattfinden*.
Der Takt *non c altro che un picciol moto simile al moto del polso
humano overo al pulpitar del core: col quale osservando i cantori il valor
dellc figure cantano le Musique figurate. Zacconi, 1596 5).
Neben der Hand konnte auch durch Heben und Senken eines Fingers
der Takt moglichst unauffallig sichtbar gemacht werden:
Tactus est digit i motus, ant nutus . . . Seb. Hey den, 1540 6J.
Tactus est ordo, quo digitus aequali sublationis et depressionis tempore
motus omnium notarum et pausarum quantitates metitur. Anonymus des
16. Jahrhdts. loc. cit.
Est digiti . . . motus aut nutus aequalis ... M. An dr. Raselius 1. c.
Tactus ift cine gletdjformige beroegung etneg fingerg obcr #anb / borauff
attc %oten onb $aufen nad) if)rem valore ober tucrt^ gefungen toerben /.
Wilfflingseder, 15597).
Daneben bediente man sich zum Taktschlagen auch eines Taktstockes
und ahnlicher Hilfsmittel,Vas anandererStelle einmal behandelt werden soil.
Bei der Instrumentalmusik wurde der Takt mit dem FuB getreten:
1) R. M. Oratio Tigrini: Compendiolo delta musica Ven. 1588, Kap. XVI,
p. 123.
2) Anonym: De signis tnusicalibus. Cod. msc. XVI saec. der Kgl. Bibliothek
zvl Berlin. Eap. VIII. Der Kodex schlieBt Rich oft an Sebald Hey den: de arte
canendi (1540) an.
3) Pietro Aron: Compendiolo. Nach 1645, Kap. 38.
4) Jan Blahoszlav schrieb eine >musica< und >Erganzungen« dazu; er wurde
spater Bischof der Sekte der b&hmischen Brilder, in welchem Amte er 1571 starb-
Die musica erschien in erster Auflage 1558, in der zweiten 1569. Erhalten ist nur
die zweite in Prag (vgl. Kap. VIII). Die >Erganzungen< stammen aus der Zeit
zwischen 1560 — 64. Die Schrift, die in bdhmischer Sprache abgefaGt ist, ist ab-
gedruckt bei Otakar Ho s tin sky: >Jan Blahosxlav a Jan Josquin (Pseudonym eines
bOhmischen Priesters). Ein Beitrag zur Musikgeschichte Bohmens und zurTheorie
der Kiinste im 16. Jahrhundert. Prag 1896. « Die Mitteilung und Ubersetzung ver-
danke ich Herrn Wladimir Helfert aus Prag.
5) Lud. Zacconi: Prattica di musica Venedig, 1596. 1622; I Kap. 32.
6) Sebald Heyden: de arte canendi. Nurnberg 1540. p. 40. Eine frtihere
Ausgabe erschien 1537 (vgl. Sandberger: Bemerkungen zur Biographie H. L.
Hasslers und seiner Brilder. — Denkm&ler der Tonkunst in Bayern. V. Jahrgang,
2. Teil p. XIV).
7) Ambrosius Wilfflingseder: Teutsche Musica / der Jugend zu gut gestellt.
Nurnberg fol. D VII v. (nach Eitner Qu. L. a. Ausg. 1559).
Georg Schiinemann, Zur Frage des Taktschlagens usw. 79
» Was die Sanger mit der Hand machen, das miissen die Instrumentisten,
da sie die Hande nicht frei haben, mit den FilBen tun1).* »Hauptsachlich fur
Anfanger ist es sehr wichtig und notwendig beim Spielen mit dem Fu£ den
Takt zu geben, da man die Hande zum Taktschlagen nicht hochheben kann« 2).
Deshalb heiCt es auch bei Pietro Aron (a. a. 0. cap. 38) : La prima mi-
sura non c altrimenti che pronontiare la nota con la mano, 0 col piede . . .
und bei Pierre Day antes (a. a. 0. p. 168): un esqual abaissement et ener-
vation de la main ou du pied.
Natiirlich hat man sich eine maBige Bewegung des FuBes zu denken,
wie wir hier und da noch heute im Orchester einen Spieler sich selbst
den Takt »einpragen« sehen. Ferner ahmten die Instrumentisten wohl
auch mit ihren Instrumenten die Taktbewegungen nach, z. B. durch
Heben und Senken der Posaunen oder Violen3).
Man unterschied nun im 16. Jahrhundert gewohnlich drei Taktarten:
den Tactus maior (auch generalise integer, totalis genannt), den Tactus
minor (speciaMs, Semitactus, diminutus) und den Tactus proportionatus
(dessen Unterteilung Sesquialter genannt). Takteinheit war im 16. Jahr-
hundert zum groBten Teil die Semibrevis; sie gait, von Proportionen wie
Augmentationen abgesehen, einen Tactics integer.
*In omnibus signis semibrevis tactu mensuretur integro augmentatione et
proportionibus demptis.€ Rhaw, a. a. 0. Kap. VII (ebenso oder ahnlich:
Cocleus, a. a. 0. T. II, Kap. VI; Ornitoparch, a. a. 0. II, 6; Knapp,
a. a. 0. fol. CIV; Listenius3 1533; Faber, a. a. 0. Kap. V und viele
andere).
Der Tactus maior bekam eine Semibrevis oder die ihr entsprechenden
Minimen, der Tactus minor eine Minima, der Proportionatus 3 Semi-
breven, der Sesquialter 3 Minimen.
3)er wganfce" Zatt [Tactus maior) „3ft / ioeldjer eine tmgeringerte (Semi-
brenem obber eine SSredem in ber Jjelfft geringert / mit feiner betoegung be*
grcifft / ".
3)er „ljalbe" $aft (Tactics minor) „3ft bag Ijalbe teil bom ganfcen / SSnb
toirb au$ barumb atfo genennet / bad er Ijalb fo Diet / ate ber ganfce Jact /
ba§ tft / eine ©emibreoem inn ber Ijetfft geringert / obber eine tmgeringerte 3Rini-
mam mit feiner beroegung / bad ift / mit bem nibberfdjtagen tmb auffljeben be-
grcifft / ".
S)er „$Proporcien $act" „3ft / toetdjer bret) ©emibretoeS aid in Jrtyta / obber
bret) 9Rinima3 ate inn ^rotation perfefta / begreifft" 5). —
1) Sed quod canenlcs manu faeiunt, id musicis instruments ludentes, quia manu
nan possunt, pede facere cogimtur. Fr. Salinas: de tnusica libri VII 1677 V 4.
2) St. Maria: a. a. 0. fol. 8 v. es may importante y necessario Uevar el com-
pos eo el pie pues que tanendo no se pue Uevar la mono.
3) L. Zacconi: a. a. 0. I Kap. 33. — per che nel sonar delle Viole 0 de Tromboni
essi sonatori fanno attione simile alle attione det tatto —
4) Nicolau8 Listenius: rudimenta musicae in graiiam studiosae iuventutis dili-
genter comportata, Wittenberg 1533, fol. B v.
5) Agricola: a. a. 0. Kap. VI.
80 Georg Schiinemann, Zur Frage des Taktschlagens usw.
» — Semibrevem non diminuiam suo motu eomprehendit [tactus maior], vel
brevem in duplo diminuiam — « tactus minor — » semibrevem in duplo dimi-
nuiam suo motu mensurat — « l) (auch Faber, a. a. 0. Kap. II: Hoffmann,
a. a. 0. Kap. 10).
Die geraden Taktarten schlug man so, daB die Halfte der Noten auf
den Auf- und die andere auf den Niederschlag kam. Beim ungeraden
Takt wurden — wie es die Griechen vielleicht schon machten — die
ersten zwei Taktteile auf den Nieder-, der dritte Taktteil auf den Aufschlag
genommen2). Wir wurden fur das Taktschlagen folgendes Bild erhalten :
Tactus maior: v = ▼ J
0 ? O
i i
Tactus minor: *.' = I i
* t t
It It
Tactus proportionatus: = —
HO 0 0 0
[Sesquialtery. 0 J" ~ A ?
Eine besondere Stellung nimmt der Breventakt ein V = J £ , den
ich noch ausfiihrlich behandeln werde.
Als Taktzeichen fiihrt schon Adam von Fulda (Gerbert, Script HE,
lib. in cap. Vn p. 362) folgende an:
© 2. ©. (•. In his tribus tactum facit minima, ut hie ^ ; O- C • ®- In his
tribus tactum facit semibrevis, ut hie 0 ; (£ . O 2. C 2. In his tribus tactum facit
brews, ut hie 0.
Der Ausdruck > tactum faciU bedeutet nichts weiter als : macht einen
Auf- und Niederschlag aus. In dem folgenden Beispiel gilt also im Sopran
und BaB die Brevis einen Auf- und Niederschlag, im Tenor die Semibrevis.
Alexander Agricola (Eade. Ambr. p. 180).
It It I t It I
p=<&- =giz3^g
-^JT
■-&-
It
W-
BE
~^_
It ,
m—r r t-^-^m
-#— #-
ZStL
Ein vollstandiges Beispiel fiir das Taktschlagen gibt Agricola (a. a. 0.
Kap. VI. Vom schlag odder Tact).
1) Ornitoparch a. a. 0. II 6.
2) Agricola a. a. 0.; Lusitano a. a. 0. fol. 9v.; St. Maria a. a. 0. fol. 8;
Tigrini a. a. 0. Kap. XVI p. 123; Henningus Dedekind: Praecursor metricus
Georg Schiinemann, Zur Frage des TakUoUagtns uiw.
81
Bom gaitfcen bnb Ijaftett $act ein gigur.
Item / ba£ nibberfdjtagen Dnb bad auffteben ju Ijauff / ma$t attjett etnett
Xact / SSnb toirb bcr £at6e nodj fo rifd> / at* bcr gaitfc jact / gefdflagen / ttrie
tootgt:
&
2auf»
1 nid
O ein gantz
0 ein halb
2auft
1 I i " f ^^F1
laid
tact
C3 1
Oi*
tact
»k,.h.| t »-i * i,.-.,^ ^{itni
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c i
tact
St
Der Proporcien Tact
tnid:
ffi
3sm
inid: 2au/i a
I j |l|t I T
H2l
ein proporc.-tact
ein proporc-tact
g-HP
™'{ i M f I i 1 1 »** { * * ! E
ein proporc-tact.
Agricola sagt, daB der »halbe« Takt »noch so risch« geschlagen werde
als der »ganze«, es ist also zu schlagen $ I o in der Dauer gleich *0T
des »ganzen« Takts, so daB also der Unterschied zwischen dem O-Takt
mus. artis 1690 Erfurt foL B 6; DreBler a. a. 0. Ill 3; Wilfflingseder a. a. 0
fol. D VII v. und viele andere. Lanfranco a. a. 0. gibt fBr fttnfzeitigen Takt:
3 | 2 |, siebenzeitig: 4 | 3 f, neunzeitig: 5 | 4 f. Diese Teilnngen haben nor
auf dem Papier gestanden.
1) Ein Vergleich mit den von Adam v. Fulda gegebenen Taktzeichen (s. oben)
zeigt, daB nur O und C ftir den Tactus maior fibereinstimmen. Ernst Pratorius
(Die Mensuraltheorie des Fr. Gafurius und d. folgenden Zeit bis zur Mitte des
XVI. Jhdts., Leipzig 1905, Beih. d. IMG., 2. Folge II.) hat versucht, die Taktzeichen
der verschiedenen Theoretiker in Einklang zu bringen (Eap. VII — IX). In vorliegen-
der Arbeit ist vor allem die praktiscbe Seite des Taktschlagens ins Auge gefaBt
worden.
s. d. MO.
6
&£ Georg Sohftnemann, Zur Frage dee Taktsohlagena u»w.
und $ I <> nur in dem zweimaligen Auf*- und Niederschlagen bei letzterem
Jbesteht. Hier sieht man recht eigentlich, daB das Wort * tactus* absolut
nichts mit unserm Begriff Takt zu tun hat, nichts von »schwerem« und
»leichtem« Taktteil ist ihm eigen, er ist nur ein auBeres Orientierungs-
mittel fiir die Sanger. >Das nidderschlagen vnd das auffheben zu hauff
macht allzeit einen Tact* (Agricola, a. a. 0.). Wurde nun noch z. B. die
Diminution angewendet, d. h. das Taktzeichen des ganzen Taktes C durch-
strichen (£, so sollten jetzt statt einer 2 Semibreven auf den Taktkommen,
und man konnte jetzt wieder folgende Arten des Taktschlagens an-
wenden: entweder
i it u lUt
I o o loder I o o j.
Im ersten Falle mliBte noch einmal so langsam geschlagen werden wie
im zweiten, da die Dauer (H) die gleiche sein muB. Zur ersten Ansicht
bekennt sich Bogentantz1): Der Takt, d. h. das Auf- und Niederschlagen,
miisse langsamer gegeben werden; oder 0 mi to parch2): er solle in lang-
Bamer gleichsam >reziproker« Bewegung geschlagen werden. Andere
halten an der zweiten Ansicht fest. Entweder miiBten die Noten schneller
vorgetragen werden oder zwei Auf- und Niederschlage anstatt eines ge-
nommen werden 3). Die Wahl zwischen beiden Arten des Taktierens war
aber nicht der Willkur anheimgegeben, sondern richtete sich nach dem
AfEekt des Stuckes. H. Gerle (Musica Teutsch — 1532 fol E. IV) sagt,
daB man bei bewegteren Stlicken >eine langsamere Mensur« gebrauche, die
Minima fiir eine Semibrevis singe etc., wenn man das Stuck nicht so schnell
singen konne. Bei folgendem Stlick wiirde man unter dem Zeichen (£
der Yorschrift gemaB je eine Brevis auf Auf- und Niederschlag zu rechnen
haben H = ^ J .
1) Bogentantz a. a. 0. II Kap. 12: — signo hoc modo (0) mensuretur tactu
iangendo tardius — .
2) 0 mi to parch a. a. 0. II 6: Maior est mensura, tardo ae motu quasi reciproco
facta. Sal in a 8 a. a. 0. V.4 p. 242: in spaiio temporis, quod in brevis cantu consu-
tnitur, nonnunquam semel manus toUiiur et ponitur, in eo quern ipsi compassum ma-
iortm apellanty nonnunquam bis in eo, quern minorem dicunt Also in derselben Zeit
entweder \ f oder \ f | f
3) Rhaw a. a. 0. Kap. VII: Eine est quod in signis vol notae celocius tangi debent
pel semper duo tactus [0] accipi pro una; Roswick a. a. 0. Kap. V: cantus (actum
esse debere velociorem; Code us a. a. 0.: Velocior namqtie sic est tactus quam si vir-
gula circtdum non inter secct.
Georg Schunemann, Zur Frage des Taktschlagens u»w.
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Eleazar Genet-Carpentras.
(Ambros V, p. 212.)
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Dagegen wiirde folgendes Lied L. Senfl's, das die gleiche Vortragg-
bezeichnung besitzt, nach Bhaw's Regel: duos tactus (Auf- und Nieder-
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schlage) acdpi ■pro uno so taktiert werden miissen: d
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Ludwig Senfl (vgl.
AmbroB V, p. I
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der May mit
Es ist naturlich, daB man den Breventakt, sobald man ihm nur einen
Auf- and Niederschlag zuerteilte, auch als selbstandige Taktart ansah;
man nannte ihn dann den Tactus maior und den Semibreventakt Tactus
minor. So Fink, a. a. 0. lib. II, oder Lossius, a. a. 0. II 101). Agri-
cola benannte den Breventakt noch nicht, er sah ihn nur als diminuiert
an2). Hieraus erklaren sich also die verschiedenen Bezeichnungen der
Theoretiker und auch ihre eigene Praxis. DreBler, a. a. 0. 1H. 3 sagt
z. B. vom Breventakt, daB er am haufigsten zu seiner Zeit gebraucht
werde, da die diminuierten Zeichen am gebrauchlichsten seien, er schlug
1) Hoffmann a. a. 0. Kap. X [de tactu) ebenso, Lossius a. a. 0. sagt aus-
drficklich, dafi diese Art der Benennnng in den Schulen eingefuhrt sei. Gegen
Ende des 16. Jahrh. war diese Einteilnng der Takte weit verbreitet.
2) a. a. 0. Kap. VI wtlnscht er, daB stets eine »virgul« oder die Ziffer 2 den
Breventakt angeben solle.
6*
84 Gtoorg Schttnemann, Zur Frage des Taktachlagens usw.
It
ihn: 6 0*); Eh aw (a. a. 0. Kap. VII) bezeichnet den Semibreventakt
H
als den verbreitetsten (is volgatissimus dicitur), er wird also den Breven-
takt: 0 0 geschlagen haben (s. auch vorige Seite)2. Vom Minimen-
fl
takt, wo die Zahlzeiten natiirlich schon Viertel (f) sind, sagt Ornito-
parch (a. a. 0. II 6), er sei den Ungelehrten so willkommen (indoctis
tantum probatus); dagegen Faber (a. a. O. Kap. V): zu seiner Zeit herrsche
er bei den Sangern vor (solus nunc apud cantores regnans). Letzterer wird
also den Semibreventakt in dieser Weise : ^-^ schlagen gesehen haben 3) .
0 <>
Diese verschiedenen Ansichten der Theoretiker sind aus der prak-
tischen Musikiibung heraus entstanden und lassen sich auch durch die
Entwicklung der Musik erklaren. In der Friihzeit der Mensuralmusik
hat wohl eine Messung durch die Longa bestanden (s. u.). Im 14. und
15. Jahrhundert noch (zum Teil) gait, wie wir gesehen haben, die Brevis
als MaBeinheit. Durch die ars nova war ja das Verhaltnis der Longa
zur Brevis auf die Brevis und Semibrevis iibertragen worden. Schon
gegen Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts hatte aber die
Semibrevis die Herrschaft angetreten. Die MaBeinheit ist gewissermaBen
schneller geworden4). Damit hangt aber eine andere Notierungs weise,
ein Vernachlassigen der groBeren Notenwerte zusammen. Einige Beispiele
mogen erlautern:
I. Petrue de Gruce (ca. 1260.)
Lfoung nach Longa takt en, nach der Regel: In omnibus modi's utendum est
semper concordantiis in principio perfectionis (vgl. oben p. 44).
B== J£=g
-*-
3Z=
dt
Wolf. a. a. 0. II, 1.
m
3S
1) a. a. 0. in his (J) ft ducts Semibrevesy alteram depressi/me alteram elevations.
Auch Hans Gerle (Musica teutsch auf die Instrument der groBen und kleynen
Gey gen. Nflrnberg 1532 fol. £ II) sagt, da£ (im Gegensatz zur Tabulatur) im Getang
eine Brevis einen >schlag« (tactus) gelte.
2) Glarean [Dodekachordon. Basileae 1547 III 7. Ubersetzung nach Bohn
p. 149) behauptet, daG ein groBer Teil Galliens die Semibrevenmessung bevor-
mge.
3) Er selbst halt den O-Takt fttr den geeignetsten proprius et verus omnium
cantilenarum).
4) Vgl. die Wertbestimmung in Wolf's Gesch. d. Mensur. I S. 69. Verul. de
Anagnia und die unsrige p. 88.
Georg Schonemaon, Zur Frage des Taktschlagens nsw.
86
II. Joh. Dunstaple.
Ldsung nach der Theorie des 15. Jahrhunderta in Brevistakten.
5
SE
IP^Tl"
rfc
3^
Wolf a. a. 0. II, 73.
IftFF^rpr
e==
itj.
^^^
3EE
III. Josquin. LOsung nach der Theorie des 16. Jahrhunderto.
0=* Auf-
und Nieder-
schlag.
ESE
aj^s* f~a' ' & JJ^ J J,
it. it,
^PF5^
-g-?-
:i=zc
9- Z Petracci 1603,
annee. Et in
terra pax.
* ; m\
Man konnte auch unter den Theoretikern zwischen antikisierenden
(die fiir Breventakt eintreten) und modemisierenden (die sogar den Mini-
mentakt befiirworten, der fiir Dngeiibte zweif ellos der beste war — denn
je kleiner die Anzahl der Noten, die anf Auf- und Niederschlag zu ver>
teilen ist, desto leichter ist der Gesang auszufiihren — ) unterscheiden.
In der Praxis aber wird der Affekt des Stiickes die Wahl des Taktes
bestimmt haben. Man sehe nur die Beispiele, die Vicentino1) gibt:
Essempio di batter alia breve.
!! Alia semibreve.
a=*
@B=
;t ;t ;t + t +
t i
ititnititit 4
Wendet man ein, daB die Taktzeichen z. B. O und C fttr dreiteiligen
und zweiteiligen Takt bei dieser Art der Deutung keinen Sinn mehr haben,
so ist zu erwidern, daB diese Zeichen nur auf die Noten selbst, nicht auf
den Takt Bezug haben, daB z. B. eine Brevis unter dem Zeichen O drei
Auf- und Niederschlage hindurch ausgehalten werden miisse, unter dem
Zeichen C zwei Auf- und Niederschlage usw. Hierdurch riicken die Takt-
zeichen in eine neue Beleuchtung. Sie haben nichts mit einem »modernen
Gruppentakt* zu tun, der ja in der a cappella-Musik garnicht existierte, und
den man dieser Musik auf oktroyiert hat, sie setzen nur die Noten in ein
lj Nicolo Vicentino: Vaniiea musica ridotta alia moderna praUiea. Rom 1665
IV 8 fol. 76.
86 Georg Schiinemann, Zur Frage dee Taktschlagens usw.
fest geregeltes Verhaitnis dem Auf- und Niederschlag gegeniiber. Schon
hier erkennt man fur Neuausgaben die Forderung, die Taktstriche auf-
zugeben.
Aus dem Gesagten ergibt sich'meines Erachtens die Tatsache, dafl
die verschiedenen Takt-Unterschiede und -Bezeichnungen keine allgemem
gultigen sind, sondern lediglich die aus eigener Praxis geschopfte Ansicht
des jeweiligen Theoretikers darstellen. Die Folge daraus wiirde seiri,
nicht jedes Stuck, das z. B. (£ bezeichnet ist, auch in unsern Ubertra-
gungen nach Breviswerten abzuteilen, sondern je nachdem es mehr oder
weniger lebhaft ist, nach Semibreven- oder Minimen-Takten. Ebenso hajt
man bei den anderen Taktzeichen zu verfahren. In meinen Ubertragungen
ist dies Prinzip zur Anwendung gekommen (s. Beilagen I/II). Ein
Vergleich mit der tJbertragung der Josquin-Messe hier und bei Eitner
(Publicat. VI) wird den Unterschied deutlich machen. Der erste Satz
hat in alien Stimmen die Yorzeichnung O. Nach Eitner heiBt das:
3 Semibreven oder H* gehoren in einen Gruppentakt, wahrend bei uns das
Zeichen darauf hindeutet, die punktierte Brevis (oder die ihr entspre-
chenden Werte) seien auf 3 Auf- und Niederschlage zu verteilen. Man
konnte die weitaus groBte Zahl unserer Neudrucke alter a cappella-Musik
von diesem Standpunkt aus als verkehrt bezeichnen. Darauf werden wir
spater noch zuriickkommen. Auch von der rein praktischen Seite aus
muB man zu der Uberzeugung kommen, daB auch in alterer Zeit so diri-
giert worden sei, denn Bhythmen wie:
rprt r irrrrTtr rcr rTrrrTr^
auf einen Nieder- und Aufschlag zu verteilen, ist wohl unmoglich. Hier
muB nach Semibrevenwerten dirigiert werden.
Hier sei noch eine Tafel eingeschaltet, auf der ich die Ansichten der
bedeutenderen Theoretiker iiber den Takt zu erklaren versuche (s. p. 87).
Eartnackigkeit, mit der man glaubte, sich a priori oder prinzipiell fiir
oder Semibreventakt (Gruppe I und II auf p. 87) entscheiden
en, — wovon auch abhing, ob man nach Ganzen und Halben oder
alben und Vierteln zahlen sollte — ging nun urn das Jahr 1540
daB man auf die Madrigalsammlungen gleich drucken lieB:
ra di breve* oder *a note blanche* beziehungsweise »a note negre*
.Bellermann: Die Mensuralnoten u. Taktzeichen des XV. u. XVI. Jhdr
K)6. (2. Auflage) p. 63. System 3 des Tenors. Fur die Obertragung naoh
entakten ist schon Ernst Pratorius a. a. 0. eingetreten. Aber anch er
n er z. B. des Agricola •foetus* als einen Takt »aus gntem und schlechtem
bestehend« (p. 70) ansieht.
Georg Sohunemann, Zur Frage des Taktichlagena uiw.
87
(Nach Vierteln zu zahlen). Eine Liste von Madrigalsammlimgen mit
aolchen Titeln ist von Theod. Kroyer1) zusammengestellt wordeu.
H
0
?
I
Kann nur als diminu-
iert aus dem O-Takt an-
gesehen warden. Agri-
cola n. a. benennen ihn
nicht, nur Dre filer
nennt ihn Tactus minor.
Tactus integer (a. o. p. 79)
{proporiione et augmenta-
tions demptis), er ist die
eigentliche Messung der
Noten, wird daher auch
Tactus maior genannt, z. B.
DreBler, Agricola,
Ornitoparch, Faber,
Hoffmann.
Raselius: Binaria.
Tactus minor, aus dem
Tactus maior entstan-
den, ygl. Agricola,
Ornitoparch,Faber,
Hoffmann.
11
Tactus maior, er ist die
eigentliche Messung der
Noten. Vgl. Fink,
Lossius, Wilfflings-
e d e r und viele andere.
(s. o. p. 83.)
Tactus minor, aus dem Tac-
tus maior entstanden, 8.
Wilfflingseder, Fink,
Lossius.
Eann nur durch Aug-
mentation entstehen,
statt 0 (©3) wird
geschlagen $00
z.B.Rhaw. | f | f | f
Der Tactus Proportionate hatte weniger in den Benennungen Venchiedenes,
man nannteihn sowie den Sesquialterh&ufig >Triplum<; Sneegass (a. a. 0. 1 5.) unter-
scheidet sie nach >Tripla maior < und >Tripla minor*.
Die Lehre vom tactus trat durch das Eingreifen von Sebald Hey den
in ein neues Stadium. Er ist der Theoretiker, durch dessen energischen
Protest gegen alle »Takttifteleien< ein Grund gelegt wurde zu unserer mo-
dernen Taktauffassung. Heyden verlangt, daB alle Gresange sich nach
einer einzigen festgesetzten Art von Schlagen richten sollen, und daB die
Semibrevis als Takteinheit iiberall angewendet werde; alle Proportionsver-
haltnisse, Augmentationen wie Diminutionen, sollen auf die Semibrevis
bezogen werden2). Es gibt also nur eine Taktdauer. Kommt nun in
einer Stimme ein Augmentationszeichen vor, oder, urn ein Beispiel zu ge-
brauchen, war das Taktzeichen diminuiert, etwa (£, so hatte der Sanger
keine Schwierigkeiten zu iiberwinden, er wufite, daB er jetzt 2 Semibreven
1) Th. Kroyer: Die Anfange der Ghromatik im italienischen Madrigal des
XVI. Jahrhunderts. (Beiheft der Publikat. d. I.M.G. IV). Leipzig 1902. p. 46, 47 a.
48 Anm. 6.
2) Epistol. Nuncupatoria: fol. A III v. Non plures Tactuum species esse posse
4n Proportionum ratione, sed unicam ac eandem, quae sibi perpetuo similis sit, esse
oportere. — p. 119: Ut omnis Augmentatio ac Diminutio quantitatis Notularum ad
essentialem Semibrevis Notulae integrum factum relative intelligi et aestimari debet —
p. 100: In omnis generis Gantiontbus, quod ad veram artem pertinet, non nisiunicum
adeoque simplicissimum modum Tactuum observandum esse.
88 Georg Schtinemann, Zur Frage des Taktschlagens usw.
(anstatt friiher 1) auf den Takt verteilen miisse. Kam ein Zeichen, das
den dreiteiligen Takt verlangte, so sang er 3 Semibreven auf dieselbe
Taktdauer. Es wurde also nicht das Taktschlagen modifiziert, sondern
die Noten selbst wurden schneller vorgetragen resp. langsamer, wie es
auch schon Eh aw (s. o. p. 82 3) angedeutet hatte. Die Proportionszeichen
waren jetzt durchaus notwendig, da sonst eine Verzogerung oder ein
Schnellerwerden im Gesange nicht zu erreichen war. Die kasuistischen
Proportioned wie sie sich bei einigen Theoretikern finden !), wie | $ etc.,
haben keinen praktischen Wert erlangt.
Die Dauer eines Taktes, d. h. des einmaligen Nieder- und Auf-
schlagens ( 0 ), war genau festgelegt. Sie betrug nach H. Buchner*)
(ca. 1550): Die Zeit, die zwischen zwei Schritten eines maBig Gehenden
vergeht (tantum moram, quantum inter duos gressus viri mediocriter in-
cedentis intercurrit); die Zeit, die man gebraucht zum »mefjtgen< Senken
und Heben der Hand (Agricola 8. o. p. 77) oder: die Zeit, die man ge-
braucht, um die Hand oder den FuB zu senken, an irgend etwas zu
schlagen oder etwas zu beriihren, und sie wieder zu heben (Pierre
Dav antes3). Hermann Fink gibt bei der Prolatio perfecta den Wert
der Minima an: »fo ttrirt eine SRtmnta einen gcmeinen Sxauti)a&txi\tyn
©djlag gelten*4). Am bestimmtesten von alien Angaben ist die des
Gafurius: Die Semibrevis gilt solange als der Pulsschlag eines ruhig
Atmenden5). Nehmen wir 72 Pulsschlage in der Minute als Durch-
schnitt, so batten wir die Dauer der Semibrevis M.M. = 72. Natiirlich
soil diese Bestimmung kein Gesetz sein, Modifikationen nach 80 wie 60
zu werden sicher stets stattgefunden haben6).
Es ist im Laufe der Arbeit schon des ofteren darauf hingewiesen
worden, daB der Taktbegrifi der alien Zeit ein wesentlich anderer als
1) In diese Reihe gehdren z. B. Lu sciniu s, Agricola (Im Anhang zur mm. Fig.
Von den Proporcionibus), Coclicus, Lossius, Picitono, Lanfranco and andere.
So kennt Franchinus Gafurius (musica utriusque cantus practica. Brixiae 1497 z. B.
folgende Verhaltnisse : V* 4/5» 7/e, 6/?, ^/u, 16/i8, 10/9 etc. (Buch IV) oder sogar (IV
(Kap. VII) 7/6» 9/7, 7/4» i0hi w/7» Vis (die •proportio supersexcupartie?Ueseptimas*\l). DaB
man solche Verhaltnisse aus einzelnen Perioden des Notenbildes, daB jeder Spar-
tierung entbehrte, herauslesen kann, ist erkl&rlich.
2) Carl Paesler: Fundamentbuch von Hans von Constanz. V. f. M. 1889. p. 28.
3j Pierre Davantes, a. a. 0. p. 168: autani de temps qu'on demeure a baisserla
diie main ou pied, pour f rapper ou toucher a quelque chose et a la lever.
4) Fink, a. a. 0. (fol. Kv.j. Perfecta prolatio est, ubi semibrevis integro tactu
iuxta veterum Musicorum consuetudinem mensuratur, jo ttrirt eine . . .
6) Pract. mus. Ill 4: Semibrevis — plenam temporis mensuram consequent: in
modum scilicet pulsus aeque respirantis, auch Lanfranco a. a. 0. p. 67 — a imitations
del Polso ben sano —
6) Johannes Verulus de Anagnia 14. Jahrh.) laBt auch eine Zeitbestimmung
festlegen, die im Verh<nis zu der des 16. Jahrh. viel langsamer ist (vgl. Wolf,
Gesch. d. Mens. I p. 69).
Georg Schiinemann, Zur Frage des Taktachlagens usw. 89
der unsrige ist. Wir verstehen — bei ganz anderen rhytbmischen und
metrischen Verhaltnissen — unter »Takt« eine Gruppe von Semibreven
oder anderen Zeiteinheiten mit bestimmten Akzenten. Der tactus des
16. Jahrhunderts ist nur ein Orientierungszeichen flir die Sanger, eine
MaBeinheit der Noten und — nach der Lehre Heydens und seiner Schiiler
— identisch mit einer Semibrevis. Er kennt keine schweren oder leichten
Taktzeiten. Der Taktschlager der alten Zeit konnte demnach nur das
Tempo und dessen Modifizierungen angeben. Deshalb schlug man den
Takt auch ganz gleichmafiig, fast mechanisch. Wir finden daher den
Vergleich mit dem Puis, der bei den Griechen schon iiblich war1), sehr
haufig2).
Der Anonymus des 16. Jahrhdts. betont: Studiosi tactuum tempora
aequalia esse debere, nam hoc est omnium accidentium Musicae fundamentutn.
Oder: »das Auf- und Niederschlagen soil ganz gleichmaBig geschehen*, sagt
St. Maria3). Ferner sagt Faber, a. a. 0. Rap. V: Oportet enim in canen-
tium coetu, ne fiat confusio unam certam et aequalem esse mensuram} qua
reddimur certiores de qaantitak notvlaram ac pausarum, quantum scilicet cor-
ripi out product debeant. Besonders gem wird auch der Vergleich mit einer
TJhr gemacht: motus aequus qualis horologii motus (Stephan Vanneo4) — hand
aliter, atque horologiis singula hot arum momenta discuntur (Luscinius,
a. a. 0., Kap. IX, p. 83 5). Hermann Fink (a. a. 0., lib. II de tactu) fuhrt
den Vergleich, um die Lehre vom Takt recht klar zu machen, bis ins kleinste6):
1) vgl. Gevaert: Hist, et Tfiiorie de la mus. de Vantiquite Tom. II p. 8 Anm. 1.
2) z. B. Picitono a. a. 0. II 1, Lanfranco a. a. 0. p. 67, Giovanni Spataro,
Tractate di musica, Vinegia 1531, p. 67, Zarlino: instil, harm. Kap. 49. Ausg. 1589,
S. 256.
3) necessario alxar y baxar la mano con una misma yqualdat (fol. 8) — Lan-
franco a. a. 0. p. 67: La elevatione et depositione ugualmente fatta. Vgl. auch eben-
da p. 112.
4) Stephan Vanneo, Becenatum de musica aurea, Rom 1533, 118.
5) Zacconi: pratt. 1596 I Eap. 32 sagt, dafl daB Wort » tempo* von denen far
den Takt gebraucht werde. die an die Ahnlichkeit mit einer Uhr denken. AnfQhren
will ich noch, daB durch diese vollkommene GleichmaCigkeit des Taktgebens die Syn-
kope nicht den Sinn erhalt, den wir ihr heute beilegen, nichts von Herauskehren
eines Akzents ist ihr in dieser Zeit eigen.
6) »Ich mOchte der Schuler Sinne auf die Uhren lenken, die nach bestimmten
Zeiten die Stunden durch (Hammer-) Schl&ge angeben, und zwar so, daC die Schl&ge
immer in gleichen Abstanden gegeben werden, d. h. niemals langsamer oder
schneller, wahrend man aber auf diese Schl&ge bisweilen mehr oder weniger Silben
sprechen kann. Wir reden hier von der deutschen Sprache, da diese zu unserer
Auseinandersetzung geeigneter ist. Entweder kann man nun zwei oder mehr Silben
auf einen solchen Uhrschlag aussprechen, der Schlag bleibt doch derselbe und
zwar so, daC er weder durch viele Silben verlangert, noch durch wenige Silben
schneller wird. Ebenso muC man es sich im Gesang denken, wo vor allem beachtet
werden muC, daC hier immer derselbe Takt beobachtet wird, daC er niemals lang-
samer, niemals bewegter werde, und zwar so, daft, m&gen nun eine, zwei oder mehr
Noten auf einen Takt zu singen sein, jene Noten gut auf diesen gesungen werden.*
Fur die Cbersetzung der folgenden Stelle verweise ich auf die auf der n&chsten
Seite zitierte Stelle H. Gerle's.
00 Georg Schiinemann, Zur Frage des Taktschlagens usw.
Velim igitur adolescentes cogitationes suae referre ad horologia Mechanika, quae
post eerta temporis intervatla horas denunciani in quibus quando horae malieo edente
sonum audiuntur, sic itte sonus redditur, ut foetus mallei inpingentis in aes semper
aequalis sit, hoe est, ut non alieubi tardior, alieubi velocior sit, cum tamen ad Mum
taetum semper sibi aequalem alias plures alias paueiores syllabae pronunciari possint.
Loquimur autem de pronuneiatione, quae per germanieas dictiones fit, nam ilia ad no-
strum negotium est aeeomodatior. Sive igitur ad unum istius modi mallei taetum auat
vel plures numerando syllabas aceomodes, taetus tamen idem manet, eundem semper
servans quantitatis rationem, ut nee syUabarum pluritate extendatur, nee contra syllo-
barum paucitate velocior effidatur: eodem modo cogitandum est de eantu, ubi in primis
hoc observandum est, ut in eanendo idem semper observetur taetus, ne is modo lentior
Sit, modo concitatior, ita ut sive una sive duae vel plures etiam notulae, ad unum
taetum canendae sint, iUae scilicet notulae odeum recte accomodentur. Exempli cause
quando horologium incipit sonare, tunc numerus eins, quod idem est, ac si ponatur
ista nota 0, quae apud recentiores uno tactu valet. Si vero illius loca pausa coUocetur.
tarn diu est silendum, quantus est ipsius notulae valor. Quod sipergas numerare hero-
logii taetus usque ad quattuor ibi duae syllabae pronunciandae erunt, aid nemltdj inert,
Ba duae syllabae eodem celeritate exprimendae sunt, qua expressisti unieam syllabam
eins. Et sic deinceps cogitandum est de notis, quorum duae talent unum taction, relut
istae duae $ $ . . .
Gleichsam als TJbersetzung fiihre ich eine Stelle aus Hans Gerle's
Musika Teutsch (1532, fol. Bill v.) an:.
„(£ttt $rob tote bit bie Sttenfnr foljt Iernen.41 „Xl)it $m atfo / tern* Don einer fetyag
gloden / bte bie fhmbt anja^gt / ©ami fte anljebt git fdjtagen / fo f$Ied)t fte ein fides
f$lag / ein aid (ebenfo) lang aid ben attbent / faft aber banno$ ein mal mer fttten $k
$elen barnt bad anbermal / tutb bletybt bod) bie ©loct in jrem fteten f$tdg / bu $etp trie
toil foBben bu todHeft / Sttfo tfju 9m and) mann bn ge^gft / fo trit bie menfnr mit bent ftt&f) /
ein brit (Xritt) aid (ebenfo) lang aid ben anbern / ed funtmen bretj ober oier bucfflaben in
ber Stabulatur bie auff ein fdjlag geljoeren bie muftu getyjen onb bodj nur ein brit (Iritt)
barflntljun / nidjt fooiel britt tljnn fooiel bn jiig tyuft / mie idj bann oft toon mtmdjen ge»
feljen $ab / toelc^e aid offt fte ein jug tijeten aid offt tyeten fte and) ein britt / bad foil aber
gar nid&td fetpt *)
„9tun mer! toeiter toenn bie ©loci anfaljt gu fdjlagen / fo fprit^ftu nur ein toort / Bern-
li$ eind / auff ben felben fa)Iag / Blfo muftu audj tfiun / mann bit ein budjftab ober ein
jiffer befumbt ben muftu auff ein britt ober ein fdjlag getygen / Hlfo n.
„JBeTumbt bir bann eine ganfce pan] alfo j_", fo foil bann ber Spieler auftdrett ju
geigen, tool)! aber nidjt oergeffen, mit bent gufj ben Xatt $u fcfylagen
„2Rercf toann bu ber fdjlag or nadj toilt mere $elen / fo $afht #pei folben am oie» re §«
foremen I bie felbigen gtou mfiffen gleidrf o balb geff>ro$en toerben aid ba& eind . . ."
1) vgl. oben p. 14/15.
2) vgl. auch Hans Neusidler: (Sin SRetogeorbnet Mnft. Sautenbu$ (1586), foL
B IIIv: „(£inen folt^en ftrtc^ tote ba | ben muftu fdjlagen bad er toeber lenger noo^ tafra?
pxumbt I aid tote bie nr ober glocten auff bent Xurm fc^le^t, gerab biefelbe leng / ober old
roan man gelt fein gemac^ §elt / onb fpridfit eind / jtoe^ / bre^ / nier / ifi eind aid oil aU
bad anber / ber gloden ftric^ ober mit bem gelt $elen / ba9 bebeutt ber lang ftrid) / tote
ba | onb toirb ein fdjtag genant / . . .
Georg Sohiinemann, Zur Frage des Taktschlagens usw. 91
Kara aach die vier Silben des »fibenaene« mfissen auoh auf diesen einen
>fd)fog« gesprochen werden, mit der Musik ist es genau so. Gerle gibt folgende
Tabelle (fol. BIIII):
1 r r E 5 F BF F E V
n c n 4 d o 6 o d 4
(£in3 Dierc bre^eljne ©tben^ene
1 r
r o
Beim Lernen gewOhne man sich erst an einen langsamen Takt (fol. B II1I v.).
Dies gleichmaBige Taktschlagen') bietet flir uns den Schliissel zum
Verstandnis der alten Musikpraxis. Es war nichts weiter als ein rein
auBerliches Orientierungsmittel und ersetzte den Musikern vollstandig die
Taktstriche. Wurde den Sangern z. B. die Fuga trium vocum von
Josquin3) vorgelegt, so sang der Diskantsanger, da seiner Stimme ein
Diskant
Proportionates
-^ h ■ ^»=g=»r-{-^-r-*-° ° y-»-|^=T"t' t ? *
m
^PLAJU^^f4)L^=bB^g^^| :
Tenor (integer)
-CC3H
Bassns {diminutus)
^ror-^— "HG£E=I^^^i^^^^^^g
<t 3 vorgezeichnet war, 3 Semibreven auf einen »Schlag«, der Tenor unter
diesem Zeichen C eine Semibrevis, der BaB nach dem diminuierten
1) Er ffihrt noch eine fur die Laaten gebrfiuchliche, fur Geigen nur selten vor-
kommende Figur: rFFrrrrr
cn4dod4n
an, die aach auf einen »fd)lag« verteilt werden mAsse (fol. B IV).
2) Gerle (a. a. 0 fol. BII) vergleicht das Taktgeben mit dem » Schmieden*.
„9& ttmim brety ober titer mit einonber fd)miben, ba ntfiffen fte ein fteten f d)lag fOren ein aM
long att ben anbem / bann too etner lenger ober turner fcr>lcc^t bann bte anbern / fo toerben
fie aS get (in) / Stlfo ift e* and) toartn bu md)t auff bie menfnr ober ben fd)lag getygefi . . ."
3) Aub der Missa Vomme arme super voces musicalesi Agnus Dei, bei Seb. Hoyden
■Is Beispiel gedrnckt p. 112. Im Petrucci-Druck yon 1602 ist nur der Diskant ge-
C3
druckt unter den Zeichen: Q
92 Georg Schunemann, Zur Frage des Taktaohlagens u«w.
Zeichen (f 2 Semibreven auf einen Takt, d. h. auf einen Auf- und Nieder-
schlag.
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) Eigentlich hfttte ich 3 Ganze (Semibreven) schreiben mfisten, da aber natnr-
6 die Semibrevi8 hier fast noch kfirzer gesungen wird als eine Halbe (Minima),
ich in | fibertragen, ahnlich ist im BaC statt J, 2 Halbe fibertragen.
Georg Schunemann, Zur Frsge dtt Taktschlagena uaw.
93
- - re mi - se - re - - - re no
(fiber die Textunterlage siehe spftter p. 99 ff.)
/bii)
Bei der praktischen Ausfuhrung ware hier »ganztaktig« zu schlagen,
oder der Sopran miiBte — wenn den Regeln gemaB eine Minima (des
Basses) auf den Nieder- die andere auf den Aufschlag gesungen wird —
kurz nach dem Aufschlag die dritte Minima bringen. Dies Singen unter
verschiedenen Taktzeichen, vor allem des ungeraden Taktes gegen den
geraden, machte nun im 16. Jahrhundert schon Schwierigkeiten —
wenig8tens fiir die Theoretiker. Diese tadeln zum Teil diesen Gebrauch1),
zum Teil suchen sie durch allerhand — allerdings sehr unkiinstlerische
— Klligeleien dem Verst&ndnis entgegen zu kommen. Faber2) sagt,
daB man in solchen Fallen, wo ungerader Takt gegen geraden zu singen
sei, so singen solle, als ob alien Stimmen dasselbe Zeichen vorgesetzt sei,
bis langere tJbung von diesem Hiilfsmittel befreie. Fink3) dehnt den
oben erwahnten Vergleich mit der Uhr auch auf den ungeraden Takt
aus; das Wort lffed)}el)en1' enthalt namlich 3Silben8), sie seien auf den
Takt so zu verteilen, daB die erste Silbe den halben Takt einnehme, die
andern beiden Silben den andern, in dieser Weise 6 A ♦•
1) Adrian Petit Coclicus: compendium musicum, 1652 Nttrnberg (fol. HIIv.):
• . . multa extant exempla difficilia cantu cum una pars habeat triplum altera out
binarium out iempus sive aliud signum. . . . sed haec ad perspicue canendum nihil
eonducunt, verum magis ad disceptandum et vixandum.
2) a. a. 0. Kap. V: Quia vero prolatio maior et tripla proportio et sesquialtera
(caeterae omnes optitne quadrant) maiori iactui non exacts convenire praesertim rudi-
oribus videntur, poieris ad tempos ruditati subservire et communi more(!), quando
omnibus vocibus eadem signa praeseripta sunt, canere, donee usus te ab haec molestia
Kberaverit.
3) Praeterea si f edfte^en dictionem numerare vis, ibi tres syllabas habes, quae simili
cderitate, qua unum expressisti ad horologii tacium pronunciandae sunt, quamvis prior
syUaba dupliei quantitate super at reliquas; sie etiam metiendum est, quando tres notae
ad unum tactum inciderint, ex quibus prima dimidio taetu, reliquae duae etiam dimidio
toctu mensurantur hoc pacto Uf. Vgl. auch p. 91 (Hans Gerle) das Beispiel zu
94
Georg Schunemann, Zur Frage des Taktschlagens new.
Diese Bemerkung Fink's fiihrt una auf eine noch im 18. Jahrhundert
ilbliche Schreibmanier, namlich f * als \f zu notieren. Beispiele hierfur
findet man namentlich bei S. Bach sehr haufig1). Em. Bach3) sagt hierzu:
»Seit dem haufigen Gtebrauche der Triolen bey dem sogenannten Vier Viertheil-
Takte, ingleichen bei dem Zwey- oder Dreyviertheil-Takte findet man viele
Stiicke, die statt dieser Takt-Arten oft bequemer mit dem Zwolf, Neun oder
Sechs-Achttheil-Takte vorgezeichnet wtirden. Man theilt alsdann die bei
Fig. XTT befindlichen Noten wegen der andern Stimme so ein, wie wir allda
sehen. Hierdurch wird der Nachschlag, welcher oft unangenehm, alleseit
aber schwer fallt, vermieden. c
Fig. XII.
&.
(Tab. VI.)
^8
Mehr sagen die praktischen Beispiele der alten Theoretiker. Das
oben gegebene Beispiel Josquins suchen sie » vera iinf tig* zu losen, mochten
die Mensuralregeln biegen oder brechen. Ich gebe hier eine Zusammen-
stellung der Losungen des Anonymus, Kap. VIII und des Eucharius
Hoffmann: a. a. O. (fol. K v.)*)
Seb. Hey den.
|=B=3Sqp0i
fl3E$i!^E
3E=C:
m
~*=*4+
Eft
Mscr. Cod. XVI saec.
Resolutio valoris proportionati
^^^E^S^^S
^FFQ=
m$:
EfEE^S
^
Each. Hoffmann:
Resolutio 5)
^(t^^|sgSEr=MfJJ=Ef:^^^l^
1) z. B. Bach. Ges.-Ausgabe Jahrg. XXII, p. 123, Takt3:
Originalpartitur.
•^ — = Autograph.
ferner Jahrg. XXIII p. 271—299, p. 310-313 usw.
2) Versuch fiber die wahre Art das Clavier zu spielen, Aufl. 1787, p. 98 § 27 (Teil I}.
3) ygl. hierzu: Ernst Pr&torius: Die Mensural theorie des Fr. Gafurius, S. 117.
Aus meiner Zusammenstellung wird man sehen, daft fttr die Lftsung des ungersden
Taktes in einen geraden keine festen Typen aufzustellen sind, vielmehr herncht
den Mensuralregeln gegentlber grofte Willkur.
4) Nach Fink ware der Anfang von Josquins • Agnus* aucn so gemeint:
Georg Schunemann, Zur Frage des Taktschlagens new.
95
Heyden:
Cod. Mscr.
Hoffmann
pr^-^yf±^^±3I?g^^^^^
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Fasse ich die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen zusammen,
so lauten die wichtigsten: Der >tactus* ist nur ein auBerliches Orientie-
nmgsmittel, eine Stiitze des Tempos fiir die Sanger, schweren und leichten
Taktteil unterscheidet er nicht, er wurde so gleichmaBig geschlagen, wie
eine Uhr die Stunden gibt, oder so genau, als ob man oben wie unten
auf etwas scbliige1). Wie die Stimmen aussahen, aus denen gesungen
wurde, ist oben (p. 91 usw.) gezeigt worden. Das Auffallende gegen den
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5) Exemplum Triplae ex quo simul probate volunt necessario ad unieam iactus speciem
*igna mtegra, DimimUa et Proportionata cantari oportere.
1) St Maria, a. a. 0. fol. 8.
96 Georg Schiinemann, Zur Frage dan TakUchlagens ngw.
heutigen Gebrauch ist das Fehlen der Taktstriche, das von selbst eine
gute Deklamation des Textes gewahrte und die Musik nicht in die engen
Schranken des schweren und leichten Taktes drangte, ihr vieknehr jene
Torn Irdischen ganz losgeloste, nur rein musikalische Rhythmik gab, die
den "Werken so oft den ihnen eigenen kirchlichen Charakter lieh. Noch
bis ins 17. und 18. Jahrhundert1) hat sich der Brauch, die Taktstriche
fortzulassen, gehalten. Das gleichmaBige Taktschlagen ersetzte die Takt-
striche. Jeder Taktteil konnte von einer betonten Silbe in Anspruch
genommen werden, auch ein Beweis daftlr, daB unser Gruppentakt fiir
die a cappella-Periode nicht existiert. Auch konnen viele Stticke im per-
fekten wie imperfekten MaB gesungen werden, ohne etwas am Klang zu
andern. Der Schliissel zum Verstandnis der damaligen Praxis bleibt das
vollstandig gleichmaBige nur der Orientierung dienende Taktschlagen. Die
Dauer eines Auf- und Niederschlagens war genau bestimmt. Hierauf
hatte der Sanger den vorgesetzten Taktzeichen gemaB die Noten zu verleiten.
Der gerade Takt wurde: jj[ J geschlagen, der ungerade: — . Da-
ii 0 0 0
neben gab es Praktiker, die, nur dem Notenbilde folgend, sich bald eines
langsamen Taktierens JNieder- und Aufschlag = *0' ), bald eines schnel-
leren I zweimal Nieder- und Aufschlag = ▼.> ) bedienten. Auch diese
muBten vollstandig gleichmaBig schlagen und vorher den Sangern den
Sinn ihres Taktgebens (o «= J J oder Q = ^ ^ | angeben.
Die Chore der alteren Zeit waren nun keine Massen-Chore, wie wir
sie heute haben. Selbst an bedeutenden Orten wie Rom (papstliche Ka-
pelle) und Venedig (S. Marco) war die Zahl der Sanger nur gering,
zwischen ca. 20 und 30 2). Wichtig ist auch, daB die Chore meist Solisten-
Ensembles waren. So bestimmt Papst Julius III. einmal (1553), daB die
Zahl der Sanger in der papstlichen Kapelle auf 24 reduziert werden solle
und nur >klangvolle und gutgeschulte Kraft e« hinzugezogen werden
sollten 3). Auch die Tatsache, daB schon damals in den Choren von den
Sangern Verzierungen in den Stimmen improvisiert wurden, beweist, daB
es sich nur urn kleine Chore von Solisten handelte4). Die von mir schon
zitierten Bilder van Eycks, Pinturicchios, Boticellis fs. o. p. 75) und andere
(s. spater p. 98 — 99) werden eine weitere Vorstellung von der Besetzung
der Chore geben.
1) Bei Tunder, Buxtehude, Mich. Bach usw.
2) vgl. Haberl: Die rOmische schola cantorum etc. V.f.M. 1887.
3) Haberl: a. a. 0. p. 281, vgl. hierzu E. Celani: / cantari delta capella pontifica
net secoli XVI—XYHI. Rivista musicale XIV, 1 und 4.
4) vgl. Max Euhn: Die Verzierungs-Kunst in der Gesangs-Masik des 16. — 18.
Jahrhundert*. Beih. d. IMG. Bd. VIII. Leipzig 1902. p. 39ff. und die von mir p. 97
zitierte Stelle Zacconi's.
Georg Schunemann, Zur Frage de* Taktschlagena usw. 97
Man muB sich nun nicht vorstellen, daB ein Diligent in unserem Sinne
die Auffiihrungen friiher geleitet habe, sondern einer der Sanger, der
womoglich mitsang, schlug den >gleichraaBigen« Takt und zwar moglichst
unauf f allig !). Der Taktgebende soil nach Philomates die Sanger erat
richtig aufstellen.
(a. a. 0., Ill 2.) Gum pueris occentores simul atque seorsum / Et sue-
centores stent cum excentoribus una. Soil vielleicht heifien: Diskant und
Tenor zusammen (cum pueris occentores) und Alt und BaB zusammen (sue-
eentores cum excentoribus), die e in z ein en Gruppen jedoch etwas auseinander.
Philomates, halt fur den Taktgebenden die BaBstimme fur die beste, sie vermag
als Fundament die anderen gut zu stiitzen. (Vox gravis in fundo versanda
regentibus odas j Harmonicas frugi est, et conduxit vehementer.)
Dann soil der Dirigent den Sangern den Ton angeben und nun2)
beginnen. Auch Zacconi, der allerdings schon zum Teil mit seinen
Lehren in das 17. Jahrbundert gehort, bringt allerlei niitzliche Vorschlage
fiir den »Dirigenten«, von denen ich einiges wenigstens anfiihren will.
Der Dirigent soil ganz gleichmaBig, ohne jedes Schwanken dirigieren,
selbst dann, wenn die Sanger Verzierungen improvisieren8), er soil nicht
vor Beginn »los« oder ahnliche Worte laut sagen4), durch die Bewegungen
der Instrumentisten (s. o. p. 79) sich nicht beirren lassen5) usw.
Noch einige bildliche Darstellungen aus dem 16. Jahrhundert seien
hier nachgetragen.
1) motus (tactus) tamen caute, quantum fieri potest, monstrandus est, nee omnium
audiiorum oculis exponendus. {Biciniorum libr. duo. Galvisiana [1602] M. f. M. 1901..
p. 90 Nr. 19) (8. 0. p. 78).
2) Voce subinde sustirranti da cuique seorsum initium parti, quo eoneepto incipe
tandem.
3) Zacconi, a. a. 0. I 33 (fol. 21 v.). H debito de queUi che lo reggano e di reggerlo
ehiaro. sicuro, senza pausa, e senxa veruna titubatione pigliando Yessempio del polso 6
dot moto che fa il tempo dell Orologgio e han da fare eke si come dal tatto si reggano
e s'informano di suono le figure Musieali, che cosi ancora i cantori Vhabbiano a se-
guire, e esser soggetti: Ne mai a qual si voglia voce di cantore piegar si deve; perche
il piegarsi alle voglie di questo e di quello per darli tempo ch'empiano i canti di vag-
hexxe, fa che Vharmonie divenghino debole e lente ; e ehe i cantori si stanchino fuor di
proposito odiando queUa ritardanxa e mat gradita attione e se bene per vaghexxe del
eaniarey cantori alle volte ritardano alquanto, egli non deve riguardar a quella ritar-
danxa: ma attendere al officio suo aeciache i cantandi vedendo la sicurezxa del tatto
8*inanimischino e prendino ardire, che s'cgli vuole ritardar col tatto fin che il cantore
habbia verfeltamente informato le figure di suono, in ogni tatto convera ritardare;
perche u cantore si piglia aultoritii sempre di pronuntiar la figura dopo il tatto: per
farla sentire con maggior vaghexxa.
4) (fol. 22.) Ancora sibiasmano i rettori del tatto che sono pigri net far principiare
e quellipiu che inanxi al dor principio dicano alcune parole. Gome seria a dire, d su
d via, 6 altre simile, massimamente quanto le dicano si forte, che quasi tutti i circum-
stanti Yodano. —
6) (fol. 21 v./22., Oltra di questo nasce alle volte occasione di sumministrar quesfatto
eoYintervento de gli instruments : e perche nel sonar delle Viole 0 de Tromboni essi
sonatori fanno cUtiotie simile alle attione del tatto: per questa bisogna esser arertito di
non lasciarsi co gYatti loro cavar di tempo e uscir di misura . . .
s. d. IMG. x. 7
98 Gfceorg Schiinemann, Zur Frage des Taktschlagens usw.
Joat Amman (1539 — 1591) zeigt auf einem Holzschnitt !) zwei Engel-
paare, die aus einem. dicken Notenbuch singen, bei jedem schlagt ein Engel
mit erhobenem Finger den Takt. Ein sehr schemes Bild befindet sicb auf
dem Titelblatt zu Seb. de Felstin's: Opusculum musicae men^uralis, 1519 (?).
Sechs Manner singen von einem Blatt, drei sitzen, die andern stehen da-
hinter, der Sanger recbts schlagt mit der Hand deutlich den Takt anf das
Blatt; auBerlich ist seine Stellung als »taktgebender Sanger « durch eine
Amtskette und einen scbweren Pelz angedeutet (siebe Abbildung). In einer
Liederbandscbrift aus dem Jabre 1592 2) ist ein Bild gemalt von 5 Instru-
mentisten (Cembalo, eine Art Cello, Posaune, Tbeorbe, Armgeige) and
einem Sanger, die urn einen Tiscb sitzen d musizieren. Der Sanger schlagt
mit der Hand (den Zeigefinger bat er ausgestreckt) den Takt aus* einem
Buch. Theodor de Bry (1561 — 1623) stellt auf einem Kupferstich » Spiegel
der Schlemmer und vollen Rott« ein Liebespaar dar, beide aus einem Noten-
buch singend, der Mann taktiert mit der Hand, abseits spielen Theorbo and
1) Holzschnitt zu»Eirchen Gesang / so bey der H. Sakrament in den Kirchen
Augspurgiecher Konfession / gebraucht werden< . . . M. Eucharius Zinkeisen
Frankfurt a. M. 1583, befindlich im Kupferstichkabinett Berlin J. Amman Bd. IV:.
2) >Alleg Einweil* von Sebastian Eber von Nurnberg, befindlich in der
Handschriften-Abteilung der Eg. Bibliothek Berlin, Signatur Msc. Germ. 40. 733.
Georg Schimemann, Zur Frage dee Taktschlagens utw. g9
Kniegeige *). Eine Unterrichtsstunde sieht man auf dem Titelbild zu
G an as si's Fantegara (Venedig 1535). Der Lehrer klopft dem neben ihm
stehenden Flotisten den Takt mit dem Finger auf die Schulter1). Ahnlich
macht es der Harfner auf dem rechten FlUgel dee Genfer Altarwerki
(t. Eyck). Auf andere Darstellungen aus dieser Periode werde ich einmal
an anderer Stelle zuruckkommen. Nachtragen will ich hier noch das Titelblatt
der musica practica des Herm. Fink (Ausg. 1550). Ein Mannerchor (etwa
14 Pers.), ein Knabenchor (etwa 7), eine PoBaune und 2 Zinken konzertieren.
Sie musizieren nach einem grofien, auf einem schonen Pult stehenden Noten-
buch. Der »Capellmeister« schlagt den Takt mit der Hand.
Nach meiner Darstellung erweist sich die Behauptung E. Vogels8),
man habe in der geistlichen Vokalmusik nach der Textdeklamation diri-
giert, da bald dieser. bald jener Taktteil eine betonte Silbe enthalte, als
hinfallig. Sie bietet aber Veranlassung, auf die Frage der Textdeklamation
naher einzugehen und dabei durch praktische Vorschlage einem Zuriick-
greifen auf die altere Praxis zu Hilfe zu kommen; ferner wird auch ge-
zeigt werden konnen, wie die Begriffe des schweren und leichten Takt-
teils allmahlich auch in die reine Vokalmusik eingefuhrt wurden.
Es ist die allgemeine Ansicht verbreitet, daB die Komponisten der
a cappella-Periode »barbarisch« deklamiert hatten, und es werden dafiir
>Entschuldigungen- vorgebracht4). Schuld daran sind vor allem die
modernen Partitur-Neuausgaben, in denen die Kompositionen in unseren
Takt mit den schweren und leichten Zeiten gebracht werden, und — die
alten Theoretiker. Um mit letzteren anzufangen, will ich hier einige
Stellen aus ihnen anfuhren.
Erasmus von Rotterdam5) wirft den Komponisten vor, daB sie bei mehr-
stimmigem Gesange die Dauer der Silben nach ihrem Gutdunken messen.
Der Schiiler Josquin's Coclicus6) klagt, daQ den belgischen Musikern die
1) Im Egl. Kupfcrstichkabinett Berlin. Erwahnen will ich wenigstens noch eine
»£atzenmu8ik« von Th. de Bry. Aus einem Cembalo sehen Katzen und Hunde
heraus, 2 Sanger — einer von ihnen taktiert — 1 Gambia t, etc. konzertieren mit
dem Cembalospieler.
2) Das Bild ist schon reproduziert worden von Max Kuhn, a. a. 0. Kuhn irrt
aber, wenn er das Bild als Beispiel fur Sologesang mit Instrumentalbegleitung
(1 Sanger und 4 Instrumentisten) anftthrt. Das Bild stellt eher eine Unterrichts-
stunde dar. Der Lehrer (vielleicht Ganassi s el bet) klopft den Takt seinem Schttler
laut zahlend auf die Schulter.
3) E. Vogel: Zur Gesch. d. Taktschlagens. Pet. Jahrb. 1898. p. 70.
4j Proske. Mm. divina. 1863 Regensburg. I p. XLVI Anm. 34. Molitor: Nach-
Trident. Choral-Reform. Bd. I p. 199.
5) E r. Rotterdam: De recta latini graecique sermonis pronuntiatione 1628. In der
mir vorliegenden Ausgabe, {twv. aeditio, Lutetiae 1647 p. 82): . . . in eantu, siquando
vocibus imparibus utuntur, inaequalitatem earn non ox natura syllabarum, sed ex suo
arbitrate metiimtur.
6j Coclicus, a. a. 0. (fol. M. IV v.): Maxime etiam musico vitio datur, si brpvem
syUabam addat longac notac. Quia musica multum commertii cum poesia habct. Et
non video qtiid magis decider ari possit in Musicis Belgis quam quod syllabarum qaan~
tiias pluribus incognita est.
7*
100 Georg Scbiinemann, Zur Frage des Taktschlagens usw.
Quantitat der Silben unbekannt eei, — Vanneo1) riigt, daB lange Silben
auf einer Minima st&nden, kurze dagegen auf einer Semibrevia, — Giov.
del Lago1) behauptet, nor wenige Komponisten beachteten die Grammatik
beim Komponieren, — Vicentino3), ferner Zarlino4), Zacconi5), Sali-
nas6), Tigrini7), Tbomas Morley8) warnen alle vor solcben »gram-
matiscben Barbarismen«, and vollends im 17. Jabrbundert wimmelt es von
Forderungen einer guten Deklamation.
Der Grund ftir alle diese Proteste liegt in dem Aufkommen eines
neuen Musikstils. Die Instrumentalmusik hatte seit der Wende des 15.
und 16. Jahrhunderts einen ungeheuren Aufschwung genommen. War
sie friiher nur bei festlichen Gelegenheiten benutzt worden zur Ver-
starkung oder Unterstiitzung von Singstimmen, bestand ibre Selbstandig-
keit friiher nur in der Tanzmusik oder darin, daB einige Trompeten,
Floten und Pauken die Festmusik eines Turniers oder Einzugs bestritten*),
1) Vanneo, a. a. 0. lib. Ill Kap. 40 f. 93 v.: Saepe enim nonnuUi solent eorum
eantilenis ineptissime breves syllabas semibrevibus notulis, ac longas minimis seu quod
idem est, breves minimis, et longas semiminimis coliocare, itaque cantores longas syllabas
breves ac breves longas proferre coguntur, quod quidem barbarici quantum habeai erudite
grammati iudieandum relinquo.
2) Lago: brev. introd. di mus. misur. 1540. Im ScbluGkap: Modo et osservatume.
di comporre qualcunque canto. . . Benche sono pochi compositori, che osservano li ac-
centi grammatici nel comporre le notule sopra le parole . . .
8) Vicentino: L'antica musica rid. all. mod. pratt. — 1665. (IV 29 fol. 86v.)
MoUi compositori che nelle loro compositioni attendono a far un certo procedere di
compositione a suo modo senxa considerare la natura delle parole, ne i loro accenti, ne
quali siUabe lunghi ne brevi . . .
3) Vicentino, a. a. 0. (IV 18 fol. 80 v.) . . . s'io dicesse de gVincorrettione delle
note e delle parole che sono sotto poste, a canti fermi con le pronuntie barbare e le sil-
lobe che debbono essere lunghe sono fatte brevi, e le brevi lung he, e como fa brutto udire
a sentir cantar molte note sotto una vocale con la replica di quelle in questo modo dette
a a a a a a e e e ee e iiiiii o o o o o o uuuuuu che muoveno piu gToditori alle
risa che a divotione.
4) Zarlino, a. a. 0. IV 33: Hora vede sotto due sillabe contenersi molte figure, e
hora sotto due figure molte sillabe. Ode hora una parte, che cantando in alcun ktogo
fara Vapostrofre o collisions nelle lettere vocali . . .
5) Zacconi, a. a. 0. Kap. 65 (fol. 67) . . . che se non fosse lui nel canto molte
parole bisogneria pronunciare barbarescamente e contra ogni rissonanxa grammati-
cole . . .
6) Salinas, a. a. 0. V 2 (p. 238 — 40): Quod mirum est quam cum nostri saeculi
musicorum praeceptionibus atque usu conveniat qui syllabicos pedes et syUabarum quan-
titatem negligunt et breves pro longis et rursus longas pro brevibus canendo efferrunt.
1) Tigrini, a. a. 0. II 24: Et perche Vaccomodare le figure cantabUi alle parole e
di grandissima importanxa . . mediante i quali il piu delle volte aviene, che i Cantanti
restano tanto confusi, che non sanno ritrovare se modo da poterle proferire.
8) Th. Morley: plain and easy imtr. 1697, (Nacbdruck 1771 III p. 903) . . . but
in this fault do le practicioners erre more grossely, then in any otJier, for y on shall
sind few songs wherein the penult syllables of these toords Dominus, Angelus, filius,
miraculum, gloria, and such like are not expressed with a long note yea manic times
with a whole dossen of notes, and though one should speak of fortie he should not say
much amisse: which is a grosse barbarisme . . .
9) Man sehe die berrlicben Holzschnitte Jost Amman's oder Lucas Cr ana en's,
die haufig solche Turniere und Einzfige darstellen.
Georg Schunemann, Zxa Frage des Taktschlagens utw. 101
so war sie jetzt zu einer Macht geworden. Die groBeren Hofe in den
Stadten begannen stehende Eapellen mit Instrumentalmusik einzurichten,
und eine neue Literatur entstand fiir sie1). Die der Instrumentalmusik
eigenen Frinzipien der Betonung einzelner Taktteile, knrzum das, was
wir mit dem »Gruppen-Takt« bezeichneten, iibte seinen EinfluB auf die
Vokalmusik aus2). Und ferner waren die Forderungen des logischen
Akzents die der musikalischen Renaissance. Die humanistischen Stu-
dien forderten auch in der Musik jene Ubereinstimmung des Wortes
mit der Melodie, den Sprachgesang, der allerdings erst yon den Floren-
tiner Hellenisten erreicht werden sollte3). Aus diesen Bestrebungen vor
allem erklaren sich jene Froteste der Theoretiker, — die bezeichnender-
weise zum groBen Teil Italiener sind — sie fallen also gegen die Kom-
ponisten der a cappella-Periode nicht ins Gewicht.
Was nun in neuester Zeit zur Losung der Frage nach der richtigen
Textdeklamation getan ist, das befindet sich auf einem falschen Weg.
Die Entschuldigungen fiir die Komponisten, man habe sich damals nur yon
dem in dem Text »verborgenen Grundgedanken*4) leiten lassen, oder man
habe bei dem gegenseitigen >Suchen und Fliehen«5) der einzelnen Stimmen
nicht auch auf eine gute Deklamation achten konnen und ahnliches, ist
nur zum kleinen Teil richtig. Auch die PdUographie musicals (1901
bis 1905 Bd. VII § II p. 37 — 128) irrt, wenn sie aus vielen Beispielen,
die ihr in modernen Ubertragungen (!) vorliegen, den Satz aufzustellen
sucht, in der a cappella-Periode kamen immer die leichten Wort-
silben auf den schweren (!) Taktteil (jux\td cru\c6m sed\U Jes\us (!) )7
und darauf dann ihre Theorie des Chorals8) baut. Der einzige Weg,
sich tiber die Frage klar zu werden, kann nur an der Hand der Denk-
1) vgl. fiber frflhe Instrumental musik Pierre Aubry: Estampies et danses
royales, Us plus anciens ttxtes de musique instrumental au moyen age (Mercure musical
1906, September-Heft p. 169 ff.); ferner die Quellen, die Job. Wolf in der Einleitung
zum 14. Jahrgang der Denkm&ler der Tonkunet in Osterreich (Bd. Heinrich Ieaak I
p. XI/XII) gibt. Die kurze Gliederung, die vielen kleinen Cadenzen (Pun eta) und
▼or allem die Betonung des era ten Taktteil 8 sind in den von Aubry mitgeteilten
Stflcken gut zu erkennen.
2) So eagt Zacconi (a. a. 0. I 32): Die Mensur wflrde von einigen >tatto* ge-
nannt, da sie glauben, die Taktbewegung b&tte heftig und forziert {forzate e vehe-
menie) zu geschehen. — Zacconi selbst kann dieser Erkl&rung nicht zustimmen.
3) Ala einen friihen Niederechlag dieser Bestrebungen kann man die durch
Konrad C e 1 1 e 8 ins Leben gerufene Scbule der antiken Oden-Eomponisten betrachten
(Tritoniue, Senfl, Hofhaimer etc.).
4) Proske: EinfQhrung zur Musica divina. Bd. I (Regensburg 1853, p. XLVI
Anm. 34).
6) Molitor: Die Nach-Tridentinische Choral-Reform. (Leipzig 1901) I p. 199.
6) Den Franzosen liegt diese Art der Aussprache naher als una, trotzdem
durften sie nicht mit schweren und leichten Taktteilen operieren. Die Paleo-
graphie hatte beaser getan, aus der Behandlung des Tenors in den alten Motetten-
passionen Schlflsse auf die Rhythmik des Chorals zu ziehen.
X02 Georg Schunemann, Zur Frage des Taktschlagens u*w.
maler vor sich gehen, wobei man sich stets gegenwartig halten muB, daB
es schwere und leichte Taktteile fur die kirchliche Musik nicht gab. In
den Messen, deren Text jedem Sanger vertraut war, sind meist nur
wenige Worte untergelegt, am besten ist meist der Diskant bedacht. Oft
steht nur der Textanfang fiir den ganzen Satz vorgedruckt z. B. Et in
terra pax fiir das > Gloria*. Anders liegt es bei den Chansons, Motetten
und Hymnen; hier sind haufig, wenn der Text den Sangern unbekannt
war, die Worte reichlicher untergelegt, doch auch nur in groBeren Ab-
schnitten und haufig nicht so, daB das Wort auch unter die zugehorige
Note kommt, oft stehen sogar unter den Pausen Worte. Hier sowie in
den textreichen Abschnitten der Messen ist fiir uns heute eine verstan-
dige Unterlage der Worte immer noch leicht moglich. Den damaligen
Sangern war es ganz iiberlassen, den Text richtig unterzulegen. Dies ge-
horte entschieden mit zu den selbstverstandlichen Kenntnissen des San-
gers1). Leider sind uns aber hieriiber nur wenig Nachrichten tiber-
kommen2), trotzdem wissen wir aber aus dem Munde des Coclicus,
daB Josquin auf eine richtige Unterlage der Worte groBen Wert legte*).
Ausfiihrlichere Regeln werden aber erst aufgestellt von Vicentino,
Tigrini und vor allem von Zarlino. Obgleich diese Autoren in die
zweite Halfte des 16. Jahrhunderts gehoren und ihre Ansichten, wie ich
oben ausgefiihrt habe, schon Vorboten der musikalischen Renaissance
sind, so sehe ich dennoch nicht ein, weshalb deren verniinftige und
praktische Regeln nicht auch fiir die Zeit vorher gelten sollen4). Es
brauchten ja die durch miindlichen Unterricht der Gesangsmeister iiber-
lieferten Regeln der Textunterlegung nicht schriftlich fixiert zu werden,
so lange noch diese Praxis zum Riistzeug der Sanger gehorte, und die
Theoretiker des 15. Jahrhunderts hatten mit ihren Spekulationen tiber
Kirchentone und Proportionen genug zu tun. Erst ein Abnehmen der
1) Coclicus, a. a. 0. fol. BIIv.: Der Schtiler mOge lernen, quamlibet syllabam
suo in loco, sui8 sub notis collocate. Fink, a. a. 0. Lib. V [De arte elcganier et suaviter
canendi.): Dcinde textus commode applicetur, n<m tit direct e capUi iiotarum insistat, qui
mos choralis Musicae est, sed ut ab uno utii fugae aptetur, reliqui co-nsimiliter textum
accommodent. Nominatim et hoc tencatur, si notae textum multitudinc rxcedunt, turn tibi
sit in bucca a o aut u, sed semper quantum fieri potest, i vel e concinne et dextre
applicetur. Auch Sneegass, a. a. 0. Kap.: De canendi elegantia Rcgel 5 . . .
2; Biaher gibt es nur eine Arbeit uber Text unterlage: Jak. Qnadflieg:
«Ober Textunterlage und Textbehandlung in kirchl. Vokalwerken*. Kirchenmua.
Jabrb. 1903 p. 95ff., 1906 p. 197 (Die Modernenj. Im ersten Aufsatz beginnt Qu.
mit der Epoche Lasso-Palestrina, in der die Textunterlage schon fast v6llig ge-
s i chert ist.
3) Coclicus, a. a. 0. fol. F1I v.: Cum autem rideret utcwique in canendo firmos
belle promt nciare, ornate canere et textum suo loco applicare docuit.
4) In der Neuausgabe der Trienter Codices werden die Regeln ale auf das
16. Jahrhundert nicht anwendbar bezeichnet. Denkmaler der Tonkunst in Osterreich,
XI. Jahrg. Einleitung zu Bd. 1 p. XXVI.
Georg Schunemann, Zur Frage des Taktichlagens usw. 103
alten Tradition und ein Unsicherwerden mag die Regeln des Zarlino
usw. gezeigtigt haben. DaB man mit einem einfachen Unterlegen der ein-
zelnen Worte bei den schon gedehnteren Satzen, z. B. eines Dufay,
nicht mehr auskommt, zeigt die Ausgabe der Trienter Codices (Denkm.
d. Tonk. in Osterreich VII, XI. Jahrg.) hinlanglich, oder soil man denken,
daB z. B. auf Do- in >Dominus* 18 Takte kommen, dann 5 Takte
Pausen und dann -minus, wie es dort geschieht (I p. 140 [2. — 4. System])?
Ich gebe zunachst einen Auszug der Regeln der Zarlino, Vicentino, Ti-
grini. Zarlino stellt folgende 10 Hauptregeln auf *):
1. Unter lange wie kurze Silben setze man entsprechende Notenfiguren, und
zwar so, daB man keine »Barbarismen< hort.
t^^E*
za=p
a) falsch) in ter-ra pax - - b) richtig) in ter - ra pax
2. Jede Ligatur von mehreren Noten bekommt im Cantus planus wie im
figurierten Gesang nur eine Silbe am Anfang.
b^3EE £^=
t*3=— -=e= ^
E?^E
a) falsch) homi-ni-bus b) richtig; ho - mi-nibua (a. 8 pa ter;
3. Der Punkt neben der Note, auch wenn er gesungen werden muB (Aug-
mentation spun kt, bekommt keine Silbe.
%=
:oi=p=9-rg=^ — — 0^— y~ {^ir$—
!¥
a) falsch) fili - us De- - b) richtig) fi - li - us
4. Selten pflegt man eine Silbe auf eine Semiminima oder eine noch kleinere
Note zu setzen, ebensowenig eine Silbe auf die Figur, die unmittelbar
folgt.
^^=^!=iE3E^ \^Ej=$=*=£=t
ajfalsch) be-ne-di ci - mus b) richtig) be - - ne - di - ci - mat
5. Diejenigen Noten, die unmittelbar den Augmentationspunkten der Semi-
brevis und der Minima folgen, — wenn diese kleinere Werte haben als
die Punkte — z. B. die Semiminima nach der Semibrevis usw. be-
kommen keine Silben, ebenso die nicht, welche unmittelbar diesen Figu-
ren folgen.
Ef=Ff^E PEEES^E^
x foi-c^ Do -mi - - - nus b; richtig) Do - - mi -nun
; Do - - mi - nus
6. Setzt man — durch die Not gezwungen — eine Silbe auf die Semi-
minima, so kann man auch auf die folgende Figur eine Silbe bringen.
1) Ins tit. harm. IV 33: R modo che si ha da tencre n*l porre le Figure eantabiti
sotto le parole. Ich gebe im Text nur einen Auszug.
104
Georg SchSnemann, Znr Frage des Taktschlagens rum.
m^^^^E^E fe^^^^j
ms
a) falsch) ho -mi - ni-bus bo - nis b) richtig) ho - mi- ni-bus bo
7. Jede Figur, sie sei welche sie wolle, bekommt eine Silbe, wenn sie sum
Anfang des Gesanges steht oder in der Mitte nach einer Pause.
W
E£
PS
Glo - ri - a Glo -
8. Wiederholungen von einzelnen Worten im fignrierten Gesange sind nicht
schon, Satze, deren Gedanke abgeschlossen oder die einen wicbtigeren
Ge dank en enthalten, konnen wiederholt werden.
■^^^^3^^F^=pr^^^
=?EE
a) falsch) et no - li no - li tar - da - - re tar-da re
b) richtig} et no - li tar- da - re et no - - - li tar-da - - - re
9. Wenn man alle Silben untergelegt bat und es bleiben zum Schlufi noch
die vorletzte and letzte Silbe iibrig, so kann diese vorletzte Silbe noch
kleinere Noten unter sich haben, v orausgesetzt , daft sie lang ist. 1st
diese kurz, so wird man dann einen Barbarismus begeben. Kommt man,
wenn man in dieser "Weise singt, an ein Neuma (Tongruppe vieler Noten)
und setzt man dann die Figuren in der angegebenen "Weise, so wird
man gegen die erste Kegel verstoften.
vorletzte Note lang vorletzte Note kurz
W
-s=n
m
ti~
richtig) San - etas Dominns
rich tig) Sanctus Do-mi-nus
10. Die letzte Silbe des Teztes lege man unter die letzte Note des Gesanges.
Vicentino bringt folgende Hauptregeln :
Setzt man den Vokal einer Silbe auf eine Semiminima oder Chroma,
dann soil man die nachste Silbe nicht gleich auf die erste weifie Note nach
der schwarzen setzen, sondern auf die zweite weifte. Ferner: kommen Sprunge
in der Komposition vor, z. B. Quinten oder Oktaven, so gibt man jeder
Note eine Silbe und nicht eine Silbe auf zwei derartige Noten. Vicentino
gibt folgendes Notenbeispiel als Muster:
ijfet::
E^^EPfEgE^=!E^^f^EfE!E|E^E^
Gau-de - a -
nes in do
ti-L^
em fee
turn di
m
em f es- turn di - em fes-tum
mi-no di-
+ (si pronuntia la silla-
ba sotto la nera per
bi80gno)
1) a. a. 0. Kap.: liegola di scrivere le parole sotto le note ehe siano aggevoH al
Canlantc. fol. 86v.ff.
Georg Schimemann, Zur Frage dee Taktschlagens usw.
105
Orazio Tigrini lehnt sich an Zarlino und Vicentino an, er bringt
folgendes Musterbeispiel:
g^^^a-^-^t-JF^f^^^
zs=±:
A - ye Ma - ri
A-ve Ma-ri
Mit diesen Begeln kommt man bei der Textunterlage in den Motetten,
Chansons usw. meist aus. Trotzdem wird man vor allem in den wort-
armen Messensatzen die einzelnen Worte viel wiederholen miissen, was
tier auch angebracht ist; z. B. bei dem Kyrie, wo die Komposition oft
auf solche Wiederholung der Worte gebaut ist. Ferner wird man oft
gleich nach der »Schwarzen« eine Silbe auf die erste »WeiBe« bringen
miissen; man kann sich aber bier sehr gut helfen, wenn man die Silbe
erst nach Erklingen der WeiBen, z. B. nach ihrer halben Dauer aus-
spricht, ich habe das so angedeutet:
BE
m^=t-^-£E£
ho -mi - - - ni - fbus (vgl. die Kegel 9 des Zarlino)
In dieser Weise untergelegt, bleibt eigentlich von schlechter Deklar
mation nicht viel mehr ubrig. Zum SchluB will ich noch Stellen anfiihren,
wo der Text untergedruckt ist und die Verteilung der Silben auf die
einzelnen Noten ganz sicher ist (da sie zwischen Pausen stehen).
vivos et mortuo8
I Pierre de la Rue, .Mm.
I 0 ^ A ~ de beat virgine. Petrucci
If
0-
vi-vos et inor-ptu-os
cuius regni non erit finis
101
1503, Diskant fol. 2 v.
s^m^mmk
V
cu -lus re-gm non e - nt fi- ms
III i. I I ! i~
oder: (cu -ms re - gni non e - nt finis)
Pierre de la flue,
Miss. debecU. virg. Petrucci
1608. Diskant fol. 2 v.
$=
ZQ-
*=fc±I:
g-fcl-Oi^:
EEE
ca-ris-si-ma su-sci-pe pi -a laudum pre-co-ni-a
oculi mei
"a — r Motetti, 6 lib.
— etc- (Petrucci 1606).
Tenor fol. 24 y.
$E£Ek^E=
o - cu - li me - fi
Motetti del Frutto (Qardano
1638) c. 6 voc.
prima vox. p. II; Jachet
w
3E£
i^
Motetti del frutto
ebenda p. IL
et me - di - ta - tus sum no
cte
1) Auch gesangstechnisch bietet diese Weise des Vortrags Vorteile.
106 Oeorg Schunemann, Zur Frage dee Taktscblagens uew.
Motetti del frutto
hji-* — ^^ — )> Y — ? ? $— o— — — prima vox. \\ VIII Gombert
quern di - li - ge - bat Je - ;~sus
Flos florum pr. lib.
, a __z rios norum pr. no.
1 0 a~0 0 ~~° — 9 I i °""?~t~ c.4voc.(Gardanol646)
$=?— o^= ? =+ T-I= Drima vox. i>. XXVI.
lF=t=c=t==fcfc=±=f^^ prim;%or 7 xxvi:
pre-pa- ra-vit pre-pa - ra - vit in he- re - mo Archadelt.
Solche und ahnliche Stellen konnte ich viele anfuhren; singt man sie
sich vor, ohne an unsern Takt zu denken, so wird man wohl nicht viel
>Barbarisches« finden.
Ferner wirft z. B. Thomas Morley1) den Komponisten vor, daB sie
Worte durch Pausen unterbrachen. Er fiihrt folgende Stelle aus
Dunstaple an:
'm
^^^^g£ES^^±^-^d=^.JjAJ_g^
Jp-sum re-gum an-gelo - - rum so - la vir-go la-cta-bat
Dies ist aber eine Untugend, die sich bis in die Neuzeit erhalten
hat2). Will man nach Entschuldigungen fur die Komponisten uberhaupt
suchen, z. B. bei den Belgiern und Franzosen, so kann man ihre Natio-
nalist in Anschlag bringen und weiter, bedenkt man, wie ihre Vorganger
den Text behandelten, z. B.:
Aus dem Roman de Fauvel.
— — Wolf: Gesch. d. Mensural-
. _ ^^=l^="=j^=¥^=l== Notation II p. 2.
*F
Fan vel la - di vi - ci - um
so wird man bei ihnen sicher einen Fortschritt feststellen miissen.
1) Th. Morley, a. a. 0. (Neuausgabe 1771 III p. 203): We must also take heed of
separating any part of a word from another by a rest, as som dunces (!) have not slacht
to do, yea one whose name is Johannes Dunstaple . . Iiath not only divided the sentence
but in the verie middle of a word hath made two long rests thus, in a song of foure
parts upon these tcords, Nesciens virgo mater virum . . Ahnliche Stellen wie die hier
sitierte Morley's siehe: Trienter Codices I. .Denkmaler der Tonkunst in Osterreich)
p. 186, 197, 201 uew. Auch Herr Professor J. Wolf, der eine Reihe Kompositionen
Dunstaple's kopiert hat best&tigte mir, daG Morley Dunst. gegenQber im Recht
ist; vgl. ferner Wolf: Gesch. d. Mensuralnotation. Bd. II. p. 133 (2. System yon
unten) und p. 135 '4. System von unten).
2) Wollte man sich eine Reihe solcher Falle aufstellen, so kOnnte man sie fiber
Gluck, Steffani, Neefe, Dittersdorf etc. bis auf Schumann und wohl noch weiter
fdhren. TJber die Bebandlung des Testes bei den Meistern dee 15. Jahrhunderts
lese man die Bemerkung Herm. Fink's a. a. 0. Lib. V: Dr arte eleganter et sua-
viler cancndi): Ftiamsi autem haec quoque diligeniia ;in der Textbehandlung) vete-
ribus omnino detraJtmda est, tamen fatendum est, liberiores eos aliquanto fuisse nee se
intra septa ac limites continuisse sicut recentiores. Nam artes inrrntac srmelque traditae
paulatim magis magisquc excoluntur. Quare nrmini mirum rideri debet, si uberiorem
ac dexteriorem artis huius usum recentioribus tribuamus, qui tot praestanies artifices,
quos cum singulari delectu imitentur, propositos habent qua re primi artis inventores
destituti fuerunt.
Georg Schiinemann, Zur Frage des Taktschlagens usw. 107
In den Beilagen zu dieser Arbeit habe ich Werke der a cappella-
Periode nach den gegebenen Ausfiihrungen ubertragen. Die Taktstriche
sind fortgelassen, kleine Striche oberhalb der Zeile ersetzen sie. (Die
historische Berechtigung dieser kleinen Striche isrt durch den Gebrauch
dieser Striche im 17. Jahrhundert gegeben.) Der Dirigent hat womoglich
den Takt bei der Ausfiihrung vollstandig gleichmafiig zu schlagen. Es
bleibt ihm immerhin noch die Temponahme und ihre Modifizierung, An*
deutungen von Akzenten, Bitardieren und Akzelerieren, was aber meist
schon durch die Notenwerte selbst und durch ihre Beziehung zum gleich-
maBigen Taktschlag ausgedriickt ist. Das Fehlen der Taktstriche in den
Stimmen wird yon selbst eine bessere Deklamation gewahrleisten. Zum
SchluB waren noch einige Mahnungen und Vorschlage an die Herausgeber
alter a cappella-Musik zu richten:
1. Den hier gemachten Ausfiihrungen und Vorschlagen gemaB die Takt*
striche aufzugeben, sie entweder durch Punkte auf der fiinften Linie oder
durch kleine Strichelchen oder durch Auseinanderrucken der Semibreven-
werte usw. zu ersetzen (vgl. die Beilagen).
2. Die Textunterlage sorgfaltiger als bisher zu behandeln und nicht nach
dem Grundsatz: die Textunterlage sei den alten Meistern gleichgiltig ge-
wesen, weiter zu verfahren.
Die Dirigenten ihrerseits sollten sich nicht mehr von dem Notenbild be*
einflussen lassen und alle langen Noten als langsam ansehen, wodurch haufig
weltliche Stiicke einen choralen Anstrich bekommen. Allein der Affekt des
Stuckes bestimmt die Temponahme (Semibreven- oder Breven-Takt). Die
Sanger haben auf keine schweren oder leichten Taktteile zu achten, nur der
"Wortakzent hat die Betonung zu geben. Bei der Auffuhrung von "Werken
der a cappella-Periode ware auch noch auf die Chiavette zu achten. Diese
war in jener Zeit das Transponiersystem. Man gebrauch te statt der gewdhn*
lichen Schlussel die die Tonbedeutung des Liniensystems erhohenden oder
erniedrigenden Schlussel 3). Man konnte auf diese Weise aus alien Tonarten
singen ohne die vielen damals zum Teil noch unbekannten Vorzeichnungcn
hinzuschreiben. Den Sangern wurde der Ton, aus dem das Stuck gesungen
werden sollte, angegeben, und sie sangen dann nach den vorliegenden Stim-
men. Auch unsere Dirigenten sollten bei Auffiihrungen auf die Chiavette
mehr achten, sie konnen sich dadurch oft ihre Aufgabe sehr erleichtern. "Was
die Besetzung der Altstimme betrifft, so ware vielleicht vorzuschlagen , sie
durch einige Ten ore zu unterstutzen2).
1) vgl. Kiesewetter in der Vorrede zum Katalog der >Galerie alter Kontra-
punktisten*, Ambros: Gesch. d. M. Ill p. 86 if., Paolucci, Giue : Arte prattica di con-
trapunto. Venedig 1765—66. 185 I, u. a.
2) In Schein's: Dilctti pastorali ;Neu-Ausgabe von Arthur Prflfer Bd. Ill) ist z.
B. die doppelte Besetzung des Alts fiir K nab en- oder Frauenstimmen und fur
Mannerstimmen (Tenure eingefuhrt.
106 Georg Schunemann, Zur Frage dee Taktschlagens usw.
Beilagen.
I.
Mutetarum Divinitatis liber primus quae quinquae absolutae vocibus ex multii
praettanti88imorum muaicorum academiis colleotae sunt. (Bernardinus Caluschos.
1543. Mediol.)
Courtoia: Veni Domine (p. 3).
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Georg Sohftnemann, Zur Frage dee Taktachlagens utw.
109
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A. Kyrie. M. M. o = 72 (ca.)
Missa l'omme arme super yores musicales. Joaquin (Petrucci 1602. Nr. 1).
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110 €Feorg Schfinemann, Zor Jrage d«s Taktschkgens oaw.
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*) Die erste Unterlage iet die richtigere, da unter die nachste Figur naoh
Petrucci >benedicimus« kommen soil.
:(»)) l
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ne fdi-ci - fmus
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112
Georg SchUnemann, Zur Frage des Taktaohlagens mw.
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ne-di - ci-miu
Georg Sohunemann, Zur Frage des Taktschlagens usw.
NB: gesehw&rzt.
113
etc.
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etc.
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NB vielleicht auch dem BaC entsprechend:
[g*p (^"J * U8W. 8. o. p. 93.
B. 2. Et in terra pax.
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K,
omm - ge
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3&
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ste
Chri
- ste
do
NB. Das Rezitieren des zweiten Tenors laDt sich dadurch vermeiden, daB
man nach den Pansen in der Stimme die Worte unterlegt, mit denen die anderen
Stimmen gerade beschaftigt sincL Dann wurden aber Lucken im Text entstehen.
8. d. DIG. x. 8
114
Georg Sohunemum, Zur Frage des TaktacUagens usw.
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minus.
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gnus-
de
Hugo Riemann, Kleine Studien zu Joh. Wolfs neuem Isaak-Band. 115
Eleine Studien zu Joh. Wolf's neuem Isaak-Band,
Von
Hugo Riemann.
(Leipzig.)
I.
Ein verkannter Kanon.
TJnter den als Jahrgang XIV, 1 von Johannes Wolf in den »Denk-
malern der Tonkanst in Osterreich* herausgegebenen weltlichen Komposi-
tionen von Heinrich Isaak findet sich als Nr. 4 der italienischen Ballaten
das Stiick Lasso quel cW altri fugge, das auffalligerweise nur zweistimmig ist;
doch gibt Wolf im Revisionsbericht eine in der Yorlage stehende dritte
Stimme (Bassus) mit der Bemerkung, dafi sich dieselbe »mit den beiden
andern nicht vereinigen lasse*. Diese dritte Stimme ist aber doch wirklich
zu den beiden andern gehorig, nur freilich nicht einfach wie sie dasteht,
sondern nach Mafigabe des Kanons behandelt, den wie so oft im IS. Jahr-
hundert der an sich sinnlose Text enthalt. Der Text lautet:
(Ripresa.) Lasso quel ch' altri fugge
I eercho
Et disiandg el cor si mi distrugge.
(Piedi.) Mic morte eercho ne vestri oechi begli
Ma donna tuiie Vore,
Ne posso viver senxa veder quegli
Cosi nCa eoneip amore.
(Cauda.) Non m'£ morir dolore
Anxi morte bramanie el cor si strugge.
Ripresa: Lasso etc.
II. Z>' estc dolce venen mio cor nutriscko
Ch' altro cibo non cura
E tanto e ingordo del tenace vischo
Che quanta puo ne fura
Cost mentre cite dura
Mia vita seguire quel ch' altri fugge,
DieBer Text bestatigt zunachst, dafi in der Tat die notierte dritte Stimme
zu den beiden andern nicht pafit (altri fugge), fordert aber zugleich, dafi sie
der zur Erganzung des Satzes notigen als Yorlage zu dienen hat. Freilich,
die Art ihrer Benutzung ist nur ungefahr angedeutet. Das » lasso eercho €
konnte man etwa mit »lassig [mlide] verfolge ich< iibersetzen, denn es handelt
sich darum, dafi das Ablesen der Bafistimme mit wiederholten Unter-
brechungen stattzufinden hat, worauf weiter durch das
Mie morte eercho ne* vestri occhi begli,
d. h. >wahrend meiner Pausen schaue ich in deine schonen Angen« hin-
gedeutet ist (ich nehme an, dafi nicht }mi & morte1, sondern }mie morte1)
Plural von }mia morta* zu verstehen ist [etwa }voce morta1 oder ,baUuJa morta1
im Sinne von to ten, d. h. tonlosen Strecken, also Pausen]. Liest man }mi&
8*
116 Hugo Riemann, Kleine Studien zu Joh. Wolfe neuem Isaak-Band.
morte1, so ist der Sinn derselbe, aber die Konstruktion komplizierter: »Ich
verstumme, sehe ich in deine schdnen Augen«. Yielleicht ist aber mit dem
>in die Augen blicken* ein >aus den Augen lesen* angedeutet, d. h. ahn-
lich wie in einigen der Kanons urn 1400 die dritte Stimme als Spiegelbild
einer der beiden notierten. Damit konnte fur die allein in Betracht kommen-
den SteUen zu Anfang der Ripresa und zu Anfang der Piedi aber nicht
der Cantus, sondern nur der Tenor gemeint sein, dessen Spiegelbild die von
mir mit kleinen Noten angedeuteten Ftthrungen fur die Lticken ergibt. Fur
die 2 Takte Pause kurz vor dem Ende ergibt aber keine der beiden Stimmen
ein braucbbares Spiegelbild. Ich zweifle deshalb, dafi die Spiegelungen ge-
meint sind, zumal der Tenor mit Sopranschliissel gelesen werden mflflte,
um dieselben zu ergeben; man wird deshalb die kleinen Noten besser ganz
ignorieren und das ^mie martei wortlich nehmen. Der ganze dreistimmige
Satz, wie er bo herausspringt, entspricht durchaus Isaak s Technik in solcfcen
homophonen Stucken.
Ballata.
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Mie morte cer - cho nevestrjo-chi be - gli
Ne pos-so vi - ver sen-za ve-der que - gli
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Hugo Riemann, Kleine Studien zu Joh. Wolfs neuexn Isaak-Band. 117
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Ma don - na tnt - te To - re
Go - Bi m'a concio a - mo - re
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(c? f?) NB.
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Meine vermeintliche Entdeckung, dafi auch das von Wolf (S. 41) nur ale
einzelne Bafistimme mitgeteilte Or' e di Maggio ein Kanon sei (dreistimmig
im Einklang und der Oktave, im Abstande von vier Takten) gebe ich preie
angesichts der mir erst verspatet bekannt gewordenen Tatsache, dafi Wolf
1907 einen vollstandigen vierstimmigen Tonsatz Isaak's mit derselben Bafi-
stimme in der Nationalbibliothek zu Florenz aufgefunden and in der Nuova
musica (XII, 138-39) mitgeteilt hat. Meine dreistimmige Kanonldsung wies
eine Reihe Keckheiten auf (gegen Ende, wo das Oktavensprungmotiv dee
Scherzo der Neunten auftritt, anhaltende Unisoni), die ich als humoristisch,
fibermutig, deuten zu mussen glaubte. Immerhin will ich nicht unterlassen
auf den auffalligen Umstand hinzuweisen, dafi der Kanon beinahe einwandr
frei moglich ist. Der vierstimmige , von Wolf gefundene Tonsatz legt aber
118 Hugo Riemann, Kleine Studien zu Joh. Wolfs neuem Isaak-Band.
die Vermutung nahe, dafi das Or* c di Maggio eine freie Paraphrase einer
volksmafiigen Liedgrundlage ist, die wahrscheinlich nur die zwei Melodie-
glieder gehabt hat:
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* - J u
333
r*
-&*
it
Hor1 e di Maggio
Fi-gliuol del re
E miro e sguardo
che ri - ver disce ogn1 her - ba.
fatti al - la fi - ne-strel la.
la quel e la piu bel - la.
welche gegen Ende (6/s) auch in verkurzten Notenwerten (aber Prolatio major)
auftreten. Ich habe deshalb meine Bedenken gegen Wolfs Textunterlegung.
Ist fLberhaupt etwas vokal gemeint, so sind es sicher nur diese im Stil stark
abstechenden Teile; aber wie gesagt, vielleicht ist das ganze nur als freie
Paraphrase und ganz instrumental gemeint. Ich gebe den Satz hier so, wie
ich ihn schreiben wiirde. Man beachte, dafi tatsachlich bis auf den ange-
hangten zweitaktigen Schlufi das ganze Stuck nur diese beiden viertaktigen
Phrasen ohne jede Unterbrechung (!) kontrapunktiert :
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tr jsrQt st
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ver - disce
ogn1 her
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Hugo Biemann, Kleine Studien zu Joh. Wolfs neuem iBaak-Band. 119
hltnn , JTT^ifa
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Hugo Riemann, Xleine Studien zu Job. Wolfs neuem Isaak-Band. 121
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Mensur und Takt.
Musik ist nicht erst seit dem 17. oder 18. Jahrhundert Ausdruck, sondern
ist von Anbeginn nichts anderes gewesen. Tritt die Musik in Verbindung
mit dem Worte auf, so bedarf ihre Ausdrucksbedeutung keiner Erklarung;
hochstens konnte in Frage kommen, inwieweit der Komponist den Ausdruck
verfehlt bat. Gegenuber der Instrumentalmusik alterer Zeit vergifit man
eben nur allzuleicht, daft aucb in ihr nacb bestem Konnen die Komponisten
ihr Empfinden ausgesprocben batten; wiU man ernstlicb sagen konnen, dafi
man derselben naher getreten ist, so wird man mit heiflem Bemuben ibrem
Ausdrucksgebalte nacbgeben miissen. Dazu gebbrt aber mebr als die
blofie Umscbreibung der alten eckigen Noten in moderne runde in einer
korrekten Partitur. Das eigentlicb Ausdrttckende sind docb schliefilich die
einzelnen Gesten des Ausdrucks, die Motive, die Pbrasen. Diese in Ton-
Btficken aus einer Jabrbunderte zuriickliegenden Zeit sicber zu erkennen, ist
zwar durcb mancberlei TJmstande sebr erscbwert, aber schliefilich docb nicbt
unmoglich. Sowenig das Empfinden der Dichter vergangener Zeiten dem
Menschen der Gegenwart unverstandlich ist, kann aucb das des Musikers in
seinen Elementen ja nie derart ein anderes gewesen sein, dafi es dem beutigen
zuwiderliefe. Die a cappelkir-V okalmuB'ik des 16. Jabrbunderts bat sich langst
die Wertscbatzung aucb in der Gegenwart errungen, die ihr als ecbter, wabr
empfundener Musik gebubrt. Sollte die Instrumentalmusik jener Zeit uns
122 Hugo Riemann, Kleine Studien zu Joh. Wolfs neuem Isaak-Band.
wirklich so viel fremder gegeniiberstehen ? Es ist wohl des Versuchefl#wert,
der Sache etwas auf den Grand zu gehen und nachzuforschen , ob nicht
auch unter den alten Instrumentalkompositionen sich Stticke befanden, die
geeignet sind, das landlaufige abfallige Urteil zu korrigieren. Freilich,
Werke von der FormvoUendung und Abgeklartheit der Sonaten oder Sym-
phonien unserer Klassiker darf man nicbt zu finden boffen; aber die Kluft
zwischen Einst und Jetzt ist docb vielleicht nicht so groB, wie sie gewohn-
licb dargestellt wird.
Der ricbtigen Beurteilung von Werken aus dem 16. Jabrbundert oder
nocb alterer Zeit stebt vor allem hindernd im Wege, daB dieselben ganzlich
der Vortragsbezeichnungen entbehren, welche erst die Zeit nacb 1600
allmahlich eingeburgert bat. Selbst Tempobestimmungen feblen ganz und,
was nocb scblimmer ist, es feblt der Taktstricb. Man irrt nun aber gar
sebr, wenn man wahnt, dem letzteren Mangel sei einfacb damit abgeholfen,
da£ man nacb MaBgabe der vorgezeicbneten oder aus vorkommenden Pausen
oder farbigen Noten (Color) ersicbtlicben Mensurbestimmungen die fehlen-
den Taktstricbe einfiigt. Fiir eine Zeit, in welcber die ganze Taktnote Schlag-
zeit (tactus) war, also das vorstellte, was beute das Viertel ist, kommt man
natiirlicb nicht weit, wenn man fortgesetzt im Abstand von je einer Ganzen
Taktstricbe einsetzt. VerkUrzt man aber, wie es heute wenigstens auBer-
balb der monumentalen Denkmaler-Ausgaben mebr und mehr gebrauchlich
wird, die "Werte soweit, daB die Zablzeiten sich in der gewohnten Weise als
Halbe (im Allabreve), Yiertel oder gar Achtel prasentieren , so stellt sich
beraus, daB die Einfiigung von Taktstricben nacb beutiger Gewohnung auf
ganz merkwtirdige Scbwierigkeiten stoBt, daB namlicb die Alten gar nicbt
so sklaviscb wie etwa unsere Klassiker um 1800 an der einmal gewahlten
Taktart festhalten, sondern viel mehr recbt oft den Takt wecbseln. DaB
das wirklich so gewesen ist, hatten ja freilich die Instrumentalkanzonen der
Zeit kurz nacb 1600 langst lehren konnen, in welcben Takt- und auch
Tempowecbsel etwas auBerordentlich haufiges sind. EinigermaBen iiberrascheu
muB es aber docb, wenn sich ergibt, daB in ganz ahnlicher Weise wie bei
den italienischen Sonatenkomponisten zu Anfang des 17. Jahrbunderts (Fres-
cobaldi, Eossi, Marini usw.) auch schon iiber 100 Jahre friiher in In-
strumentalwerken Takt- und Tempounterschiede (trotz gleichbleibender Men-
sur) angetroffen werden. Es bestatigt sich damit, daB die Mensurvor-
schriften durchaus nicht radikal die Taktart bestimmen, sondern
nur die relativen Dauerwerte der Tone regeln. Die in Bd. XIV,1
der Denkmaler der Tonkunst in Osterreich (Johannes Wolf) enthaltene vier-
stimmige textlose Komposition »La Morra« von Heinrich Isaak mag uns in
der Erkenntnis dieses Sachverhalts ein Stiick vorwarts bringen. Das Stuck
stent S. 90 ff. des Denkmalerbandes in Partitur und 8. 151 — 55 in zwei ver-
einfachten Lautenarrangements. Die Frage, ob der Komposition eine Lied-
melodie zu grunde liegt, mag auf sich beruhen; die Existenz einer Kopie
(i. d. Cappella Julia) mit der Uberschrift Dona gentil deutet darauf allerdings
hin, doch steht sie isoliert da. Die Mensurbestimmung (^ ist alien Stimmen
gemein und bleibt durch das ganze Stiick. Da wir aber um 1530 Gaillar-
den, fur welche der Tripeltakt auBer Frage steht, mit der gleichen Mensur-
vorschrift kennen1), so bedeutet diese zunachst nichts weiter, als eine
1) Vgl. meinen Aufsatz »Tanze des 16. Jahrbunderts a double emploi< (Musik VI, 3,
November 1906).
Hugo Biemann, Kleine Studien zu Joh. Wolfs neuem Isaak-Band. 123
ziemlich lebhafte Temponahme fur die Schlagzeiten und die Abwesenheit
irgendwelcher Perfektionsbestimmungen. Halten wir an diesem
Gesichtspunkte fest und suchen wir aus der motivischen Zeichnung des
Stiickes selbst dessen rhythmische Natur im Detail zu ergriinden, so sind vor
allem als wichtigstes Hi] fs mitt el die Klaus el n ins Auge zu fassen. Wolf
gibt die Ubertragungen nach den in den osterreichischen Denkmalern ein-
gehaltenen Prinzipien unverkiirzt und setzt nach jeder Brevis einen Takt-
strich. Dadurch werden sogleicb die Takt 6 einsetzenden Sequenzbildungen
zu dem Takt widersprechenden, fortgesetzt sich verschiebenden, was zwar an
sich nicht unmoglich, aber auf alle Falle etwas sehr kompliziertes, ausnahms-
weises ist, das fur den Horer in den seltensten Fallen zur Geltung kommen
kann. Dasselbe ereignet sich wieder Takt 25 ff. und Takt 5 Iff., und nur
die Sequenz Takt 35 ff. deckt sich mit der Taktart. Ich habe gewLB von
den Kiinsten der alten Kontrapunktiker eine hohe Meinung, bezweifele aber,
dafi jene Konfliktbildungen zwischen Metrum und imitiertem Mottv vom
Komponisten gemeint sind. Die Originalnotierung zeigt natiirlich den Kon-
flikt nicht, da eben keine Taktstriche da sind und die gleiche Figur fort-
gesetzt das gleiche Gesicht zur Schau tragt, so dafi der Spieler ohne weiteres
den Bhythmus empfinden kann, den die Motivbildung an die Hand gibt.
Fiir den Horer aber existieren die Taktstriche iiberhaupt nicht, sondern ist
eben die Gliederung nach dem imitierten Motive absolut selbst verstandlich.
Die Intavolierungen sind freilich mit dem schlechten Beispiele der die Zeich-
nung zerstbrenden Taktstriche vorangegangen. Fiir sie und ebenso fur jede
ihrem Beispiele folgende Ubertragung gilt darum allerdings das Wort
Kretzschmar s , dafi die durch die vorgeschriebene Mensur sich ergeben-
den Takte nur eine Art Zollstock vorstellen, mit welchem alle Stimmen
gleichmafiig messen miissen, um zusammen zu bleiben. Daraus aber zu
schliefien, dafi unserBegriff des Taktes den alten Kompositionen fremd
sei, ware ein arger Fehlschlufi. Werden wir uns doch vor allem dariiber
vollst&ndig klar, dafi die Stellung eines Motivs im Bhythmus (d. h. im
Takt) eine seinen Ausdruck ganz wesentlich bedingende Eigen-
schaft ist und dafi ein fortgesetztes Wechseln dieser Stellung ein fort-
wahrendes Wechseln seiner Ausdrucksbedeutung in sich schliefit; steht
aber das fest, so ist die Annahme eines Taktwechsels, die dem gleichen
Motiv seine gleiche Bedeutung sichert, zweifellos die einfachere und den
Konnex zwischen der notierten uud der gehorten Struktur besser gewahr-
leistende Auskunft, und jene aufierste Komplikation des Widerspruchs zwischen
Bhythmus und Motivbildung bleibt zweckmaQiger fiir ganz ausnahmsweise Falle
in Reserve. Die Textur unseres Stucks weist aber ganz deutlich darauf hin,
dafi bei den Stellen, wo diese im Takt verschobenen Sequenzen in Wolfs
TJbertragung auftreten, Teile von kontrastierendem Charakter einsetzen. Man
sehe nun meine Ubertragung an. Dieselbe enthiillt Isaak's Instrumental-
satz als ein feingegliedertes Werkchen, das durchaus mit den Kanzonen der
Zeit nach 1600 auf einer Stufe steht, allerdings dieselben sogar in einigen
Wagnissen iibertrifft, welche spater, nach Einfiihrung des Taktstrichs, kaum
mehr vorkommen (vgl. die verkiirzten Motivschliisse des von mir mit Alle-
gretto 8cherzando bezeichneten Teils).
Ich habe den Satz um einen Ganzton nach oben transponiert, um ihn
fur Steichquartett spielbar zu machen ; aus demselben Grunde habe ich den Tenor
nicht der Bratsche , sondern der zweiten Violine gegeben (natiirlich aber ohne
124 Hugo Biemann, Kleine Stndien zu Job. Wolfs neuem Isaak-Band.
jede Anderung der relativen Lage der Stimmen). Den Eingang bildet ein
knrzes Satzchen im Pavanenstil (Largo C), das im Auftakt unisono mit der
Dominante anhebt and einen zweimaligen Schlufi auf der Tonika macht (die
Triller sind yon mir zugesetzt aber sicher zu verantworten , da ibre An-
bringung auf der Penultima bis ins 13. Jabrbundert verbflrgt ist). Der
Eintritt des Motivs:
markiert nun so deutlicb wie nur moglich einen neuen Teil von abweichen-
dem Gbarakter; die Bewegung erscbeint lebhafter, aucb wenn die Werte der
Viertel beibebalten werden (so bitte icb meine Tempobezeichnungen aufra-
fassen), und der Tripeltakt ist durcb die Motivbildung des Tenors ausdrfick-
licb bestatigt. Die diese Sequenz abschliefiende Klausel macht dem s/4 Takt
ein Ende und leitet zum geraden Takt zuriick (ritardando). Wieder beginnt
ein Teil ganz anderen Cbarakters (Andante mosso), der fiber dem breiten
ScbluBse die bereits im vorhergehenden Teile im Kontrapunkt aufgetauchte
Scbleiferfigur durcb dreifacbe Imitation (Via., 2. V., B.) in den Vordergrund
riickt. Den thematischen Hauptfaden hat der Tenor (2. V.); er bringt die
Modulation zur Parallele (Cdur), die aber wieder zugunsten der Haupttonart
aufgegeben wird:
NB. • fr
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Den zweiten Sopraneinsatz bei NB.
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bitte ich besonders zu beachten! Dafi der phrygische Schlufi das gis bedingt,
ist zweifellos, ebenso zweifellos aber, dafi mit ^g weitergegangen werden
mufi. Bezuglich der Akzidentalienfrage sehe ich mit Interesse den von
Th. Kroyer verheifienen Auseinandersetzungen entgegen. Dafi nicht einige
> fortechrittliche Theoretiker* die Yerstofie gegen das, was man so biaher far
jene Zeit als rechtsgiltig angesehen hat, aufgebracht baben, sondern dafi
vielmehr >recbt viele sehr beriihmte Komponisten« die Attentater warent
wissen wir doch aus Tinctoris ganz genau. Gewifi wird sich mancher uber
die Tritoni Takt 2 und 4 des Presto (zwischen den Motiven! tote Inter-
valle) und Takt 3, 6 und 7 des Allegretto scherxando (ebenso) und Takt 5 dee
Schlufi-Presto (ebenso) wie uber die verminderte Quarte Takt 5 vonn Ende
aufregen — um Bchliefilich doch einzusehen, dafi das alles gar nicht anders
sein kann.
Noch mancherlei ware fiber das Stfick im Detail zu sagen, so z. B. fiber
die so ungezwungen den Wechsel zwischen 3/4 und 2/4 bedingenden, den
Schlufi aus der Parallele in die Tonika zuruckverlegenden Anhange des An-
dante mosso, fiber den letzten Schlufi daselbst (Bratsche und Bafi), fiber die
beiden 5/4-Phrasen des Allegretto scherxando und seinen freien Schlufi (Nach-
Hugo Riemann, Kleine Studien zu Joh. Wolfs neuem Isoak-Band.
125
spiel der Bratsche), liber die wahrhaft modern erfundenen Phrasen des Alle-
gro C:
deren Yerstandnis aber beim ersten Auftreten der Bafi so handgreiflich deut-
lich erschliefit, und vor allem liber die prachtigen Schlufitakte mit der zwischen
pis, fis and t[g, tf wechselnden Bafifuhrung:
Doch, ich denke, die ausfiihrliche Bezeichnung meiner TJmschreibung des
Stuckes macht weitere Kommentare iiberflussig. DaC in derselben von irgend-
welcher Willkiir nicht die Rede sein kann, sondern daC dieselbe von An-
fang bis zu Ende das Ergebnis des Zuruckgehens auf die vom Komponisten
verarbeiteten ausdrucksvollen Motive ist, glaube ich durch meine einleiten-
den Bemerkungen hinlanglich plausibel gemacht zu haben. 'Ich hoffe, daB
mein Yersuch zu zeigen, was ich unter musikalischer Textinterpretation
verstanden wissen mochte, eine kraftige Anregung gibt, in den alten Kom-
positionen mehr zu such en, als korrekt ausgefuhrte Rechenexempel.
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V. 2°
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(Largo]
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132 iLugo Riemann, Kleine Studien zu Job. Wolfs neuem Isaak-Band.
Ein weiteres wertvolles Material fur die Kl&rung unseres Urteils fiber
die Musik des 15. Jahrhunderts mogen die vier Bearbeitungen des Rondeau
*Tai pris amours* in demselben Bande der D. d. T. i. O. (XIV, 1) bilden.
Joh. Wolf halt nur zwei derselben (die S. 185 aus Paris B. N. nouv. acq.
fr. 4379 mitgeteilte [wohl nicht von H. Isaak] und die im Text S. 29 —
beide dreistimmig) fur vokal, legt aber bei beiden nur der Oberstimme Text
unter; die beiden andern (S. 77 und S. 78) sind ihm schlechtweg Instrument
talstucke. Die Textunterlegung der beiden dreistimmigen Tonsatze verteilt
den Text auf den gesamten Cantus, so dafi also die ganze Stimme durch-
aus zu singen ware (nur der Schlufi des ersten Teiles ist textlosj. Diese
Ansicht teile ich nicht, zumal die von Wolf offenbar getreu wiedergegebene
Textbeischrift in Paris 4379 mir ziemlich deutlich zu verraten scheint, welche
Partien die eigentlich vokalen sind, freilich in der bekannten Manier wie
schon bei den Florentiner Trezentisten, dafi Yor- und Nachspiel mit der An-
fangs- und Schlufisilbe der Zeile bedacht sind. Ich trete statt weiterer Vor-
bemerkungen direkt in die Betrachtung der vier Tonsatze ein, welche ergibt,
dafi die Satze S. 185 und S. 78 in zwei Stimmen vokal sind, die S. 29 und
S. 77 nur in einer, dafi aber auch in ersteren die Yokalstimmen mit Vor-,
Zwischen- und Nachspielen durchsetzt Bind.
Nr. 1 ist in zwei Stimmen vokal (Tenor und Cantus) und zwar mit
ziemlich strengen Imitationen, Partien, welche ich als allein vokal ansehe.
Dafi diese Imitationen nicht noch strengere sind, deutet wohl auf eine noch
fcltere Vorlage hin, welche wahrscheinlich der Tenor von Nr. 1 am getreu-
esten konserviert. Vielleicht kommen wir der Wahrheit nahe, wenn wir an-
nehmen, dafi die urspriingliche volksmaBige Liedweise etwa die folgende
Gestalt gehabt hat (als Espringale im Tripeltakt):
a)
m
-&
J<i.< p
s-rj-r-rjc
3±
Jai pris
mours
en ma de
i
se
Hugo Riemann, Kleine Studien zu Joh. Wolfs neuem Isaak-Band. 133
*±^
-«-
4=
Pour con - que - rir io - ieu - se
te.
-^-
m
1
Heu-reulx se
en cest1
ste
£
m
Se pais ve
*
£=£:
t=f=f*?J^-tf==£
mon em
pn - se.
So, oder doch ahnlich wird die einstimmige Vorlage ausgesehen haben.
Die erste dreistimmige Bearbeitung gesellt der Tenormelodie einen durchweg
vorausimitierenden Cantus zu, wobei die Frage offen bleiben mag, ob nicht
etwa teilweise der Cantus die urspriinglicbe Melodie treuer kouserviert hat,
als der Tenor , z. B. konnte der An fang der zweiten Zeile vielleicht gelautet
haben:
«♦
£=P
£=£
Diese Vermutung legt das Nachspiel im Kantus des ersten Teiles nahe.
c)
^^£
Vielleicht ist aber die erste Zeile ursprunglich noch einfacher gewesen,
namlich :
d)
$
3
fcff=R=F3
Jai pris a - mour a ma de - vi - se
Dann ware das Motiv
e)
m
£3
eine geniale Yorausandeutung des Anfangs der zweiten und zwar rein in-
strumental :
Jai pris a-mours
7
en ma de-vise
^■ijr^r'r"
(Instr.) | ^r f
T~ +
(Bafi entsprechend.)
Dafi solche vergniigliche motivische Arbeit der Zeit nicht fremd ist, be-
weisen die andern Tonsatze liber das Lied mehr als zur O-enUge. Sowohl der
134 Hugo Riemann, Kleine Studien zu Joh. Wolfs neuem Isaak-Band.
erste als der zweite Teil werden durch kleine Yorspiele breiter Haltung
(Largo-Charakter) eingeleitet, wie sie dauernd den reinen Instrumentalstucken
vertraut bleiben bis tiber das 17. Jahrhundert hinaus. Den zweiten Teil
schlieBt zudem ein Nacbspiel von leidenschaftlicbem Ausdruck ab, das sein
zweimaliges Hinauflangen urn eine Quarte der letzten Gesangsphrase entnimmt:
g)
frh^+fi^^^ UEg
Der Contratenor erganzt in schlich tester, aber durchaus nicbt schema-
tischer Weise (nur Takt 7, 15, 18, 21 en fauxbourdon) den Satz. An den
Imitationen nimmt er nicht teil und nur Takt 11 — 12 tritt er einmal mit
einem auffalligen Motiv vereinzelt beraus (b),
das vielleicbt dem in der 4. Bearbeitung eine Hauptrolle spiel en den (i) die
Entstebung gegeben bat. Weshalb die erste Gesangsphrase nicbt stronger
vom Cantus vorimitiert wird, scbeint ratselbaft:
k)
I
^
mz
*
fir
(aucb in Nr. 2). Da Nr. 3 die Imitation streng macbt, so babe icb aucb fur
1 und 2 dieselbe Lesart im Cantus eingestellt.
Nr. 2 zeigt ein ganz anderes Gesicbt. Wie Wolf sebr ricbtig betont,
ist aus Nr. 1 der Cantus fix und fertig ubernommen , Tenor und Contra
sind vollig neu geschaffen. Bei der einzigen S telle, welcbe im Cantus mit
Nr. 1 nicht genau ubereinstimmt, am Ende des ersten Teils:
1) Btatt
i
3
m
*j &
i:
ist aber der Satz uberbaupt in Unordnung geraten und hat der Copist einer
wabr8cbeinlich scbon feblerbaften Vorlage eigenmachtig zu belfen versucht,
aber mit wenig Gliick. Mein Versucb, auf den genauen Anscblufi an Nr. 1
zuriickzugeben , macbt freilicb auch Anderungen notig und beseitigt den
Scbliisselfehler der letzten Takte nicht. Das Charakteristische dieser Bear-
beitung ist der Versucb, das Kopfmotiv des Kantus:
m) i i
»^-
in auf die Halfte verkurzten Werten, nach Art eines Motet-Tenors obstinat
durcbzufuhren (in der als Contra bezeichneten Stimme, die besser Tenor
hieCe). Naturlicb ist dieselbe absolut instrumental. Aber aucb die als Tenor
Hugo Biemann, Kleine Studien zu Job. Wolfs neuem Isaak-Band.
135
bezeichnete dritte Stimme tragt ausgesprochen instrumentales Gepr&ge. Ihr
hervontechendstes Motiv ist ein synkopiert ansetzender Schleifer, der wohl
Takt2— 3 yon Nr. 1 entstammt:
»).
fr
m
*
*=
*=k
m^
t^53
Nr. 3 (vierstimmig) schlieCt sich insofern noch stronger als Nr. 2 an Nr. 1
an, als es Cantus and Tenor benntzt und somit auf zwei Singstimmen rechnet,
die ebenso wie in Nr. 1 imitierend gearbeitet sind; das tritt erst bei
meiner Art der Textunterlegung deutlich bervor, welche durcb Stficke wie
dieses eine sebr starke Stiitze erhalt. Man beachte ganz besonders, wie die
zweite Textzeile behandelt ist. Der Tenor bringt dieselbe erst drei Takte
nachdem der Cantus sie beendet hat, and zwar in einer offenbar an die
TJrform stronger anschliefienden Oestalt (!). Der Grund der Verspatung ist
naturlich das geistvolle Zwiscbenspiel mit dem immer langer werdenden
Bafiansatz :
o)
ss
7 £J
P=9=
SSfe
der entsprechende Bildungen der drei andern Stimmen mit sich bringt. Das
ganze Stack ist von einer fur die Zeit wahrhaft erstaunlichen Freiheit and
Kuhnheit der Anlage, mufl aber anbedingt als eine Art Variation von Nr. 1
bezeichnet werden. Man sehe z. B. was Nr. 3 aus dem Yorspiel des zweiten
Teiles macht! Naturlich handelt es sich um einen drastischen Ausdruck des
nachfolgenden Reureukt serai bei diesem jauchzenden Sechzehntelschleifern des
Cantus and Tenor and den dazwischen geworfenen tiefen and hohen e der
beiden Contras. Die schon in Nr. 2 eine Rolle spielende synkopiert an-
setzende Schleiferfigor steigert sich in diesem Stuck geradezu zu modernen
Streichereffekten. Schon im 1. Teile tritt nach der einem Keime des Pre-
stissimo der 3. Leonorenouvertiire gleichenden eben besprochenen Stelle
Takt 10 — 12 ein einzelner Takt (3/4) mit iiberzeugender Ungezwungenheit
ein; der Schlufl des 2. Teils aber geht ganz und gar in % Takt fiber und
zwar mit einer Sequenz ineinandergeschobener Klauseln, die auf einer Art
doppelchoriger Behandlung der vier Stimmen beruht, die ich durch SchloB-
triller zu verdeutlichen gesucht habe. Dabei kommt es schlieBlich zur un-
umganglichen Einfuhrung der neapolitanischen Sexte (im vorletzten Takte j.
Eine vereinfachte Oestalt wiirde etwa so aussehen:
p] -4 moll (?dur
.Fdur
-4 moll
ZJmoll
Cdur
Bdur
136 * Hugo Kiemann, Kleine Studien zu Job. Wolf's neuem Isaak-Band.
An eine tonale Sequenz (Talea1) ist hier sicher nicht zu denken; dazu
ist die .imoll-Kadenz, welche an den durch Trugfortschreitung des Basses
(h c) vereitelten phrygischen SchluB zu Ende der letzten Q-esangszeilen an-
schlieBt, zu normal und zu vollstandig:
ebenso offenkundig aber wieder ihre Vernichtung durch den zu d kadenzieren-
den Diskant:
r)
m
d=
DaB der Bafl fortgesetzt Trugschliisse macht, kompliziert die Verschran-
kungen noch weiter; die Funktionsbezeichnung der letzten 5 Takte ist nicht
einfacher moglioh als so:
°S | {)Tp T D [D) | [l)S] "Dp(D) [D) \ [{)Tp] T "Sp [D) [D) \ [&] [S) "S D \ T
<-^ <-
Nr. 4 (vierstimmig) bringt zwar keinerlei Taktwechsel, schlieBt sich viel-
mehr wie Nr. 2 und Nr. 3 strong an die Taktordnung von Nr. 1 an, dessen
Tenor es notengetreu ubernimmt und getreulich konserviert; nur Takt 6 zeigt
den Tenor in strengerem Anschlusse an die Bhythmik des Cantus von Nr. 1,
welche man versucht ist, auf Nr. 1 zu iibertragen:
8) N— p^
da die Festhaltung der Lesart von 1 fur 4 nicht mehr angangig ist; doch
mag die kleine Abweichung mit Absicht gemacht sein. Vielleicht darf man
aber aus ihr schlieBen, daB die zweite Zeile der volksmaBigen Melodie die
Endung e c gehabt hat (vgl. oben d):
t)
Hlfe
it
-P—
m
en ma de - vi - se
1) Eine griindliche Untersuchung, was eigentlich Muris Coussemaker, Script. ILL.
58 und 99) und Prosdocimus de Beldemandis (das. 226) mit ihren Versuchen der Ver-
tiefung der Definition von Color und Talea meinen, diirfte wohl zu dem Ergebnis
ftihren, daB schon dem 14. und 15. Jahrhundert der Unterschied der tonalen und der
harmonischen Sequenz als Problem bekannt ist.
Hugo Biemann, Kleine Studien zu Joh. Wolfs neuem Isaak-Band. 137
Das spezieU Charakteristische dieser Bearbeitung ist die fortgesetzte Ver-
bramung mit dem zierlichen Trillermotiv (natttrlich obne Bezeichnung des
Trillers, den eben die Punktierung sear nahe legt):
das fast unausgesetzt auf dem Plane ist and zwar bald in dieser, bald in
jener der $rei neugeschriebenen Stimmen, oft auch in zweien gleichzeitig,
sei es in Parallel- oder auch Engfuhrung (2. Teil, Takt 8 — 4). Daneben
macht sich besonders bemerklich:
v) bzw.
*rW\~rtfam
*
(and ahnlich)
(T«kt 4 — 6, 11—12, 17 ft, 21—29), auch werden beide Motive zu einer
Bweitaktigen Bildung verbnnden:
. An Schumann (2?dur-Symphonie) und Schubert (Cdur-Symphonie) zugleich
gemahnt das Spiel mit Ansatzen von v) und dem vollstandigen w) zn Anfang
des zweiten Toils:
3 ■* re ri r:
Dafi wir hier eine wirkliche, regelrechte, sogar hochst raffinierte, moti-
viscbe Arbeit vor uns haben, die den Kanzonenkomponisten der Zeit Fres-
cobaldi's sehr wacker vorarbeitet, wird niemand bestreiten, ebenso auch aber,
dafi diese Kunst mit dem a cappella-Vokalstile nichts zu tun hat, sondern
aus dem begleiteten Liedsatze des 14. — 15. Jahrhunderts herausgewachsen ist.
Der Zweck meiner skizzenhaften Ausfiihrungen ist, die Notwendigkeit
fuhlbar zu machen, dafi wir unsere Art, Denkmaler der Musik vergangener
Zeiten zu untersuchen, griindlich andern. Mit den alten verbrauch-
ten Bedensarten von der horizontalen Melodieerfindung des Zeitalters der
Polyphonie im Gegensatz zu unserer angeblich vertikalen, harmonischen Kon-
strnktion kommt man nicht weit. Je mehr es gelingt, die wirklich bedeuten-
den "Werke, welche altere Epochen vollwertig reprasentieren, herauszufinden,
138 Hugo Biemann, Kleine Studien zu Joh. Wolf's neuem Ieaak-BandL
also die Spreu vom Weizen zu sondern, desto mehr wird sich meine einst-
weilen recht skeptisch aufgenommene Behauptung bewahrheiten , dafl die
Grundlagen des musikalischen Ausdrucks natiirlich gegebene, von jeder Will-
kttr unabhangige sind, and daB wir daher unsere durch ungeniigende und
ungeschickte Formulierungen der Tbeoretiker in vieler Beziehung miBleiteten
Ansichten von der Beschaffenheit alterer Werke durch vertieftes Stadium
der Denkmaler selbst rektifizieren miiesen. DaB wir dabei auf hochst frap-
pante Beruhrungen zwischen alteren und neueren Werken stoBen, ist ganz
und gar nicht verwunderlich; wundern mtiBte man sich nur, wenn es anders
ware. DaB die Technik der Komposition starke Wandlungen durchgemacht
hat, daB trotz Flut und Ebbe einzelner Stilperioden im Laufe der Jahr-
hunderte die musikalische Kunst wirkliche Fortschritte gemacht hat, daB
wir weitere Bogen span n en gelernt haben, liber groBere Proportionen ver-
fugen und groBere Apparate auszunutzen verstehen, ist wohl sicher; zum min-
desten steht feat, daB das Aufkommen der realen Mehrstimmigkeit der musi-
kalischen Technik Aufgaben gestellt hat, deren sie nur nach langem, muhe-
vollen Ringen allmahlich Herr wurde. Aber wir miissen aufhoren, uns durch
die AuBerlichkeiten der Aufzeichnungsweise alterer Zeiten dermaBen irre machen
zu lassen, daB wir den Wald vor Baumen nicht sehen. Fur die Beproduk-
tion von Denkmalern behufs Bewahrung vor dem TJntergange ist gewiB die
unverf&lschte Konservierung derselben in ihrer Originalgestalt erwiinscht und
sogar unerlaBlich; aber mehr und mehr wird wenigstens fur altere Zeiten
die Photographic diesem Zwecke dienstbar gemacht werden. Unentbehr-
lich wird natiirlich auch jederzeit die genaue Feststellung der Oeltungswerte
der alten Notenzeichen sein, ohne welche jede Spartierung unmoglich ist.
Sind aber diese Yorbedingungen erledigt, so fdngt die eigentliche Unter-
suchung der Denkmaler, die Feststellung ihres kiinstlerischen Gebaltes und
Wertes Uberhaupt erst an. Lebendig wird Musik, gleichviel aus welcher
Zeit sie stammt, erst mit dem Moment, wo die Einzeltone sich woblerkenn-
bar zu ausdrucksvollen Gebarden (Motiven) aneinanderfiigen und voneinander
scheiden. Yon diesem Gesichtspunkte aus bitte ich meine Bezeichnung der
hier mitgeteilten Stucke zu betrachten. Ob ich mit der Abgrenzung der
durch •< ^=^ als zusammengehorig charakterisierten Bildungen iiberall das
Bechte getroffen, ist eine Frage, iiber die sich debattieren laBt; vollends sind
die dynamischen Gradzeichen (/*, p} mf) natiirlich nur Yersuche, auch die
Yerlaufe im GroBen zu deuten. DaB in dieser Hinsicht die Deutung bereits
gegeniiber Werken Bach's und seiner Zeit einen weiten Spielraum hat, lehrt
jede Yergleichung zweier Neuausgaben. Aber daB erst durch den Yersuch,
von musikalischen Buchstaben (Einzeltonen) zu sinnvollen musikalischen
Worten und S&tzen vorzudringen, die alten Werke zu Musik werden, sollte
verniinftige Uberlegung nicht bestreiten.
Heinrich Isaak.
Rondeau: cJ'ai pris amours en ma devise*.
139
D.d.T.i.O.XIV.l.
J'ai pris a .
4.
(S. 77.)
6*"Jlfa
& ftljj
- eresc, w* ■=
J'ai pris
^ 7
mj>-
140
mours en ma de vi se
A wf
10
Pour con . que.rir io . ieu . se . te
141
Se puis ve . nir
pocof
A. J'ai pris amours en ma devise
Pour conquer! r ioieusete
B. Heureulx serai en cest'este
Se puis venir a mon emprise.
A? Si* 1 est aucun qui m'en deprise
II me doit estre par donne.
A. Jai pris amours en ma devise
Pour conquerir ioieusete.
A** II me samble que oest la guise
Qui n'a riens, il est deboute.
B? Et nest de personne honoure.
N'esse pas droit dont que g'y vise
A. J'ai pris amours en ma devise
Pour conquerir ioieusete.
B. Heureulx serai en cest' este
Se puis venir a mon emprise.
Johannes Wolf, Bemerkungen zu Hugo Riemann's >Iaaak-Studien«. 147
Bemerkungen zu Hugo Riemann's »Isaak-Studienc
Von
Johannes Wolf.
(Berlin.)
Die kollegiale Liebenswiirdigkeit des Verfassers vorstehender interessanter
Studien vermittelte mir ihre Kenntnis vor der VerSffentlichung. Eb ist nicht
abzuleugnen, daB eine Fulle von Belehrung und Anregung aus den Betrach-
tungen Riemann's herausspringt, daB sich aber auch darin so manches Urteil
findet, zu welchem ich als Herausgeber des benutzten Materials Stellung zu
nehmen mich verpflichtet halte.
Gleich die Losung des nach R.'s Ansicht kanonisch verdunkelten Lasso
quel cKaltri fugge befriedigt mich nicht. DaB streckenweis die als dritte
Stimme iiberlieferte Melodie sich mit den beiden andern Stimmen verbinden
l&Bt, ist mir keineswegs entgangen. Was aber R. mit Hilfe eingeschobener
Pausen und rhythmischer VerSnderungen als dritte Stimme fertig stellt,
schliefit sich doch mit den andern beileibe nicht zu einem Satze zusammen,
der der Technik Isaak's entspricht. Solche Ungelenkheiten wie in Takt 7
der R.'schen Partitur, die Fiihrung der nun zur Mittelstimme gestempelten
zweiten Stimme, die Quartsextakkorde auf schwerem Taktteile in 11 und 15,
die schulerhafte Stimmfuhrung in 12/13, 16 und 23 wird man bei Isaak
vergeblich suchen. Angesichts dieser Losung vermag ich meine Ansicht,
dafi dem Kopisten eine Verwechselung der dritten Stimme untergelaufen ist,
nicht aufzugeben.
Ein gutes Beispiel dafur, daB nicht alles, was wir in die Form des
Kanons zu zwingen vermogen, auch ursprtLnglich kanonisch gefugt gewesen
sein muB, ist Or c di Afaggio, bei dem Hugo Biemann freimutig gesteht,
daB er eine kanonische Losung aus der BaBstimme gefunden hatte, bevor
ihm der spater anonym entdeckte vollstandige Satz bekannt wurde. Wenn
Biemann von der von ihm vertretenen Anschauung des begleiteten Liedes
im 14. und 15. Jahrhundert aus Bedenken gegen meine Textunterlegung
ausspricht, so muB dem gegenuber betont werden, daB diese sich auf zwei
Quellen aus der Zeit und der Wirkungssphare Isaak's stiitzt, daB Biemann
also die zeitgenossische Anschauung korrigiert und sich gewissermaBen mit
Isaak selbst in Widerspruch setzt. Weder von falscher Textunterlegung noch
von reiner Instrumentalmusik kann hier die Bede sein.
Wertvoll sind Riemann's Darlegungen uber Takt und Rhythm us der In-
strumentalmusik veranschaulicht an La morra und fay pris amours. Aber
bietet er denn hier so durchaus Neues und gibt es denn unter den ernst
zu nehmenden Musikgelehrten noch wirklich solche, denen die alten Kom-
positionen nicht mehr bedeuten als korrekt ausgefuhrte Bechenexempel ? Das
Festhalten an der alten Darstellungsart kann doch hierfur kein Beweis sein.
Bei der Umsetzung in Tone belebt sich sofort das alte Schriftbild, indem
die einzelnen Stimmen unter Beobachtung der der Melodik innewohnenden
Akzente, der Motivbildung und des der Auffassung entsprechenden Tempos
Leben gewinnen. Das ist doch gerade das Herrliche an der alten Musik,
daB sie in praxi uber die Schranken der den Gang der Stimmen regelnden
Taktverhaltnisse hinwegflutet, daB ein reiches rhythmisches Leben sich zu
10*
148 Johannes Wolf, Bemerkungen zu Hugo Riemann's »Isaak-Studien«.
entfalten vermag, ohne durch "Wechsel der Taktzeichen in starre Fesseln ge-
echlagen zu werden. Ich wunsche, R. hatte 1906 der AuftUhrung Isaak'scher
Instrumentalkompositionen in der Berliner Ortsgruppe beigewohnt, urn zu
verstehen, dafi trotz des Festhaltens am alten Notenbilde in praxi doch seiner
Darstellung Yerwandtes resultieren kann. Warnm mu£ denn das Empfinden
der Yortragenden bis aufs kleinste in Formeln gefafit werden? Da waren
die Alten doch grofiztigiger. Auch ihnen standen Mittel der Darstellung zu
Oebote. Aber sie entschlugen sich haufig derselben, wie wir uns derselben
•ntschlagen konnen. Zeigen doch die vielen Quellen von La morra auch
nicht einmal jenes rhythmische Bild, welches Riemann fur jenen Satz fixiert
wissen will. Uberdies fuhrt uns die metrische Zeichnung manchmal Wege,
die nicht mehr gangbar sind, wollen wir ihnen mit dem Taktstriche folgen.
Ich verweise nur auf die Takte 9 — 11 der dritten Fassung von Tay pris
amours in Riemann's Partitur, wo die Motive sich stetig auswachsen und wo
man einem 4/8-Takte einen 5/s~ unc* %-Takt folgen lassen miifite. Doch
noch einmal zurUck zu La morra. Stehe ich hinsichtlich der Anwendung
der semiionia subintellecta auch seit langer Zeit auf dem gleichen historischen
Grande mit Riemann, so vermag ich fur seine Anwendung der tritoni im
Presto usw. angesichts der originalen Niederschrift keine Rechtfertigung zu
finden. Auch die fruhzeitige Betonung des Leitetons im Bafi der Schhifi-
takte ist durchaus nicht verpflichtend.
"Was weiter das Rondeau fay pris amours angeht, so riihrt die aus Paris
nouv. acq. fr. 4379 mitgeteilte ^Composition nicht von Isaak her und ist
nur herangezogen worden, um die Arbeitsweise jener Zeit zu beleuchten.
Sie wurde daher so abgedruckt, wie sie in der Quelle vorlag. Wie nun
diese Fassung jene Textunterlegung offenbaren soil, die Riemann unter Nr. I
in der vergleichenden Partitur abdruckt, ist mir unverstandlich. Ein Satz
von allgemeiner Bedeutung fur die Textunterlegung ist iibrigens doch, dafi
dasselbe Motiv moglichst mit den gleichen Worten ausgestattet werden soil.
Im zweiten und dritten Melodieabschnitte stehen wir nun aber offenbar den
gleichen Motiven gegeniiber, und doch wendet Riemann beide Male ver-
schiedene Texte auf denselben melodischen Gang an. Ahnlich beim Schlusse,
wo R. durch Anderung der Melodie nach dem Motiv des Basses Parallelitat
von Melodiegliedern konstruiert, ohne sie mit dem gleichen Texte zu be-
denken.
Riemann erblickt in dem von mir auf Seite 78 der Denkmaler der Ton-
kunst in Osterreich, Jahrgang XIY, 1 mitgeteilten Satze ein in zwei Stimmen
vokale Partien aufweisendes Stuck, wahrend er bei dem Satze auf Seite 77
sich nur in einer Stimme Instrument und menschliche Stimme mischen laBt.
Beide Stucke wurden von mir in alien Stimmen ohne Text, also in instru-
mentaler Fassung aufgefunden und demgemaC in die Abteilung Instrumen-
talsatze verwiesen. Doch betonte ich Seite 206, dafi nicht alle unter £
(Instrumentalsatze) mitgeteilten Stucke vokale Ausfuhrung ausschliefien. So
konnte man in Satz 4 den Tenor singen lassen, ganz oder teilweise in dem
von Riemann vorgeschlagenen Sinne. Aber ich glaube nicht, dafi man dem-
gemafi vorgegangen ist. Die ruhig und unverschnorkelt dahinstromende
Tenorweise dient den iibrigen rhythmisch reich belebten und motivisch be-
seelten Stimmen dem Brauche der Zeit gemafi als Riickgrat, als solide Grund-
lage. £ben8owenig kann ich mich in Nr. 18 davon uberzeugen lassen, dafi,
wenn durch das Instrumentenspiel Partikel der alten Chanson durchleuchten,
Johannes Wolf, Bemerkungen zu Hugo Riemahn's >l8aak-Studien«. 149
diese gleich von Singstimmen ausgefuhrt werden sollen. Ware das Oemisch
ein so buntes gewesen, hatte auch jene Zeit es fiir angezeigt gehalten, die
Rollen der verschiedenen beteiligten Faktoren deutlicher voneinander abzu-
grenzen. Wie sollte denn sonst der Fernerstehende die Absicht des Kom-
ponisten erkennen ? Es konnen doch nicht einfach alle ruhigen Partien der
Singstimme und alle bewegteren den Instrumenten zuerteilt werden oder
jeder Anklang an eine Liedweise gleich vokaliter ausgefuhrt werden. Denken
wir doch nur an die heutige Praxis. Kniipft unsere Instrumentalmusik nicht
ebenfalls haufig an das Lied an? Und lassen wir da auch gleich die mensch-
liche Stimme in Aktion treten? Ich halte es fiir eine Gefahr, das Prinzip
zu verallgemeinern. SchlieBlich sei hinsichtlich der Takteinteilung noch be-
merkt, dafl, wenn man schon die Brevis-Takte aufgibt, ich aber, geleitet
durch die Oberstimme , den Satz nach meinem Empfinden ohne Auftakt
schreiben wiirde, ungeachtet einiger weiblichen Kadenzen.
Doch genug. So geistvoU und so gewinnbringend vom methodisohen
Gesichtspunkte aus die feinsinnigen TJntersuchungen Riemann's sind, Beweis-
kraft dafur, daB die in Frage stehenden Werke in seinem Sinne aufgeftihrt
worden sind und demgemaB aufgefuhrt werden miissen, haben sie nicht. Be-
arbeitungen in diesem Sinne haben Wert als praktische Ausgaben, sind
wohl geeignet, Werke der Yergangenheit dem Verstandnis nahezubringen.
Fiir wissenschaftliche Ausgaben miissen wir aber dabei verharren, den Text
originalgetreu mitzuteilen, nicht wie er sich in der Empfindung des Einzelnen
widerspiegelt.
Herausgeber: Prof. Dr. Max Seiffert, Berlin W., Qobenstr. 28.
Dienstinstruktion und Fersonalstatus der Hofkapelle
Ferdinand's I. aus dem Jahre 1527.
Von
Bruno Hirzel.
(Miinohen.)
Bei meinen Arbeiten im k. Kreisarchiv zu Miinchen geriet mir in Fas-
zikel H. L. Freising 317 ein schmach tiger Band in die Hande, der sich als
die Abschrift einer vollstandigen Hofordnung des Konigs von Bohmen und
Ungarn vom 1. Januar 1527 erwies. Auf welche Weise diese bisher nicht
bekannt gewordene Kopie in den Faszikel gelangte, liefi sich nicht feststellen;
es ist nicht ausgeschlossen, dafi ein wittelsbachischer Ftirst sie sich ausgebeten
hat, um mit ihr eine Vorlage fur den eigenen Hofstaat zu gewinnen. — Der
Akt besteht aus zwei aneinandergebundenen Heften, von denen das erste die
allgemeinen Dienstinstruktionen fur das hohe und niedere Ho f personal ent-
halt, das zweite eine Aufzahlung desselben unter Angabe der Naraen und
der Zahl der dem einzelnen zugebilligten Pferde gibt. Ob die beiden Teile
zusammen gehoren, wage ich nicht zu entscheiden, zumal der zweite eine
Datierung nicht tragt; immerhin ist zu beachten, dafi die Reihenfolge der in
der Instruktion aufgefiihrten Chargen der im Personalstatus angegebenen
ziemlich genau entspricht.
Was den erste n Teil unsers Hofstaates, die Dienstordnung , betrifft, so
besitzt das k. k. Staatsarchiv in Wien denselben in einer gleichzeitigen und
einer Kopie aus dem 17. Jahrhundert *) ; beide Schriftstucke stimmen mit
dem unsrigen, von wenigen Worten und orthographischen Besonderheiten
abgesehen, genau uberein. Anders steht es mit einem ebenfalls in den
Veroffentl. d. Komm. f. n. Gesch. Osterreichs S. 147 — 157 abgedruckten Hof-
staatenverzeichnis Ferdinands I., das dort mit [1527 — 1528] datiert und als
gleichzeitige Abschrift bezeichnet ist2). Eine Vergleichung des Miinchner
Status mit dem Wiener ergibt wesentliche Unterschiede z\fischen beiden,
sowohl hinsichtlich der Namen, der Reihenfolge der aufgefiihrten Stellen, als
auch hinsichtlich der Besoldungen. Man konnte das Miinchner Schriftstiick
vielleicht als einen Entwurf bezeichnen, was besonders angesichts der Tat-
sache einiges fur sich hatte, daB bei ihm manche Besoldungsposten nicht
ausgefullt sind, die in Wien gebucht werden. Dieser Annahme aber steht
1) K. K. H-., H-, u. Staatsarchiv Wien, Hofstaatenfaszikel 1495—1537. Abge-
druckt in: »Veroffentlichungen der Kommission fur neuere Geschichte Osterreichs*.
Band 6: Die osterreichische' Zentralverwaltung, von Th. Fe liner u. H. Kretsch-
mayr (2. Halfte: Dokumente), S. 100—116.
2) Staatsarchiv Wien. Hofstaatenfaszikel 1495—1537.
s. d. IMG. x. 11
152 Br. Hirzel, Dienstinstruktion und Personahtatus der Hofkapelle usw.
gegeniiber die Unwahrscheinlichkeit, daB ein Entwurf an ein Definitivum ge-
hangt wird, wie das in Mtinchen geschelien ist; jene fehlenden Zahlen lassen
sich aufierdem ungezwungen aus einer Nachlassigkeit des Kopisten erklaren.
Aus Griinden, die weiter unten naher ausgefiihrt werden, mochte ich viel-
mehr behaupten, daft wir es in Mtinchen mit einem frtiheren Status — nur
auf diesen , nicht auf die Instruktion beziehe ich mich hier — als in "Wien
zu tun haben. Wahrend jener ungefahr gleichzeitig mit der Dienstordnung
entstand, ware danach dieser in das Jahr 1528 oder noch spater zu verlegen.
Den Musikhistoriker interessiert der Fund besonders, da er in seinen
beiden Teilen auf die Hofkapelle Ferdinands I. eingeht und ein liickenloses
Yerzeichnis einer solchen aus jener Zeit bis heute nicht bekannt ist. —
Einer der ersten Hofe1), die eine eigene Sangerkapelle einrichteten, war
der habsburgische. Schon im 14. Jahrhundert bestand eine solche, aus einer
SchloBkaplanei hervorgegangen und als ausschlieBlich geistliches Institut der
Hofhaltung angegliedert ; Maximilian I. unterzog diese »cantarey« einer Re-
formation, die schlieBlich zu einer Neuschopfung wurde. »Das Geburtsdatum
der Wiener kaiserlichen Hofmusikkapelle , dieses flir die Tonkunst spater so
richtunggebenden und hochwichtigen Instituts, ist der 7. Juli 1498. < (Man-
tuani a. a. 0.). Sie bestand zu jener Zeit aus dem >Singmaister«, 6 Mu-
tantenknaben und 2 Bassisten, welche Zahl aus den geistlichen Sangern
zu der tiblichen Stimmenzahl vervollstandigt zu denken ist. Regelm&fiig
scheinen 12 Kapellpersonen mitgewirkt zu haben; die Yerpflichtungen dieser
Knaben und Singer erstreckten sich auf Kirchenmusik und weltlichen Dienst
Die Kapelle, die mit dem Ho f lager des Kaisers ihren Standort wechselte,
nahm in den nachsten Jahren an Starke zu; in Innsbruck fin den wir bei-
spielsweise 1508/09 20 Knaben und 29 Gesellen, die allerdings wohl nicht
alle als standige Mitgieder zu betrachten sind. — Wenn nach den Namen
geurteilt werden darf, die in einem am 20. Juli 1498 entworfenen Personal-
status aufgefuhrt sind, so befanden sich in der Kapelle, mit Ausnahine zweier
Knaben aus Mons und Liittich, nur Deutsche.
Die kiin8tlerische Leitung der neuen Griindung war von Maximilian in
die Hiinde des humanistisch gebildeten, hochmusikalischen Georg von Slat-
konia, des spiiteren Bischofs von Wien, gelegt worden. Unter der Agide
dieses ganz hervorragend kunstverstandigen Mannes wirkten die Hofkompo-
nisten Heinrich Isaac und Ludwig Senfl, so wie der erklarte Liebling
Maximilians, der Hoforganist Paul Ho fh aimer. — Der Tod des Kaisers,
der am 12. Januar 1519 zu Wels erfolgte, wurde seiner Schopfung verhang-
nisvoll; 1520 loste Karl Y. die Kapelle, die jederzeit als eine Privatlieb-
haberei des jeweiligen Regenten zu betrachten ist, auf: es begannen schwere
Jahre fur die ehemaligen Mitglieder1). Aus der Zeit gleich nach dem Tode
Maximilians ist uns ein Hofstaatsverzeichnis erhalten, aus dem ich die auf
die Hofkapelle bezuglichen Stellen hier wiedergebe3). Die Kapelle befindet
sich unter den >Personen, so zu Innsprugg sein«.
1) Vgl. zum folgenden : J. Mantuani, Die Musik in "Wien. (Geschichte d.
Stadt Wien hrsgb. von A. Starzer. Bd. Ill, 1. Halfte.,
2) N'aheres dariiber bei Mantnani a. a. 0.; bei Fr. Waldncr, Nachrichten fiber
die Musikpfle^e am Hofe zu Innsbruck, M. f. M. 97/98; bei Tb. Kroyer, Einleitung
zur Senfl-Ausgabe, D. T. B. Ill, Bd. 2.
3) Gleichzeitige Kopie im Staatsarchiv Wien, Hofstaatenfaszikel 1495—1637.
Gedruckt in den Yeroffentl. d. Kommission f. n. Qeschichte Osterreichs, S. 139—147.
Br. Hirzel, Dienstinstruktion und Personals tatus der Hofkapelle usw. 153
Capellnpersonen.
Tenori8ten
{>regoriu8 Valentinan capelnverweser1) Melchior Eisenhert
Lieuhardus A cat Mathias Rauber
Michel Taschinger Hanns Cabay
Bassisten
Georg Paumh'ackl Nicodemas Kulwagner
Caspar Burckher Petrus Seepacher
Priamus Jar as Bartolome To bier
Altisten.
Gregorius Vogl Georgius Bassitz
Sigmundus Vischer Johannes Anger
Ludowicus Sennstl2) Herr Hans Vischer
Lucas Wagenrieder3)
Singerknaben
Ludovicus Gitterhofer Gerhardus Mell
Georgius Peig art earner Rupertus Frueauf
Johannes Pantzer Sebastianus Slauersbach
Petrus Staudacher Bartholomeus Reichensperger
Mathias P laser l^artinus Alfantz
Bartholomeus Merssw anger Heinricus Friesenberger
Balthasar Aster Georgius Teschinger
Nicolaus Schinckho Georgius Stoltz
Martinus.Heutaller Sebastianus Gstalter
Lucas Tillger Ruepertus Hunger
Laurentiu8 Wagner
Ftir die Zeit von 1519 bis zum 1. Januar 1527, dem Datum unseres
Aktes, 8ind, wenigstens vorlaufig, keine Hofstaatsverzeichnisse vorhanden,
das Bestehen einer Kapelle am habsburgischen Hofe laBt sich also urkund-
lich nicht nachweisen. Aber auch aus innern Giiinden scheint die Existenz
einer solchen zum mindesten zweifelhaft. Denn Erzherzog Ferdinand, dem
sein kaiserlicher Bruder bereits 1521 die deutsch-habsburgischen Besitzungen
zum Erbe Uberlassen hatte, wird erst 1526, nach der Erwerbung der bohmischen
and ungarischen Konigskrone, Karl V. an Wiirde gleich: jetzt erst ward fur
ihn eine glanz voile Hofhaltung, zu der eben eine Hofkapelle gehorte, zur
Notwendigkeit.
Ich lasse nun zuerst die in dem Munchner und Wiener Exemplar gleich-
lautende Dienstordnung fur die Kantorei folgen, die freilich im Vergleich zu
solchen aus spateren Zeiten etwas mager erscheint, sodann die Zusammen-
8tellung der beiden dififerierenden Personalverzeichnisse.
Vermerckt Kunigclicher Maiestat Zu Hungern vnnd Behaim etc. dewtschen
Hofstat durch Ir Konigclich Maiestat, Anno Domini etc. im Sibenundzwantzigislen
am Ersstn tag Januarij aufgericht dem also auff kur: Mt: verrer Beuelh gelebt
vnnd nachkomen werden soil,
f. 14
1) cf. Mantuani a. a. 0. S. 393.
2) Natiirlich identisch niit Ludwig Senfl. Vgl. Kroyer a. a. 0.
3) t5iber ihn vgl. Sandberger, Beitr. zur Gesch. d. bayr. Hofkf.pelle I, S.27.
11*
154 Br. Hirzel, Dienstinstruktion und Personalstatas der Hofkapelle usw.
Cappel OrdnuDg.
Ainen obristen Caplan vnnd sonnst vier Caplen, die guet Stimb haben vnnd singeD
konnden.
Ain Meaner
Cantores Newn vnnd ain Capelmaister der sol der knaben Preceptor sein vnnd sy
lernen
Enaben Zehen
Organist Ainer
Zwen knecht so der gesellen vnd knaben warten
Prediger ainer oder Zwen
Ain Capelschreiber
Dem Capelmaister Zway Pferdt
Vier Caplanen Yedem ain Pferdt
Mesner ein Pferdt
Vnnd die anndern Personen Faren auf den Wagen
Es soil auch die ganntz Capell Ir gehorsam dem Obristen Caplan thun. Der soil sein
guet Ordnung der Ceremonien mit Euangeli Puech, Pacem, Weichwaaser, vnnd
annderes, wie sich gegen ainen sollichen kunig vnnd Fuersten gebuert Zn Credentzen
halten. Auch die Capelldiener vnd knaben mit guetter Stimb vnnd khunst des
gesanngs antzunemen haben.
Item die Cantores und Enaben soUen durch den Capellschreiber angedingt werden
in den herbergen. Vnnd der soil mit vleisz aufsehen haben, das khain vbriger Cosstn
auflauf, sondern gnet Ordnung in der Zeerung gehaltn werde.
f. 15 Trumetter
Neun Yedem ain Pherdt. Ain HeerPaugkher Ain Pherdt, vnd ain JarClaidt gegeben
werden. Die soUen ordenlich all mall zu tisch plasen
f. 1 Vermerckt die Ambter vnnd personen so Innhalt Eunigclicher Mt: Newen
Dewtschen Hofstadts an Irer Mt: Hof gehalten werden sollen
Mimchner Vcrxeichnis.
Cappeln Obrister Caplan
Bischof von Wienn pherdt
capplan vier
Herr Niclas Fabri*) pherdt — 1
Herr Rueprecht > — 1
Herr Jhann > — 1
Herr Cristof Lanngkusch > — 1
Messner 2
Bartlme Castillo phert — 1
Nicklas de Prawreis » — 1
Organist
Melle
vnnd Blasij sein brueder Zufuesz . 4 fl
Cappeln personen
Cappelmaister
Hainrich Fiingkh
1) Vielleicht mit dem von Sandberger, BeitrUge I, S. 14—15 erwahnten Niko-
laus Faber identisch.
Br. Hirzel, Dienstinstruktion und Personalstatus der Hofkapelle usw. 155
Bassisten
Georg Paumbhackl .
Martin Drosendorfer
Petrus Sepacher. . .
Tenoristn
Cunrat Grosz
Laurentz Liseregkher
Johannes Kratzer . .
Altistn
Christof Hofmann
Benedikt Purger
Clemens de Gratz
Discantisten
Niclaus Spat Lasarus Hertnhamer
Johannes Hueber Joris Wuertzner
Jacob Graf Thomas Lemetz
Johannes Tiffer Michael Dotl
Martin Loder Steffan Mayer
Trumetter Nfcwn
Jhann Francishkus phert — 1
— 1
— 1
— 1
— 1
— 1
— 1
— 1
Peter Anthoni von Padua
Loy8 Perignan
Johann Babtista
Anthoni
Potter von Mantua
, Carolus von Padua
Jhann Dominicus .
Ain Horpaughker
Sigmund Paugkher phert — 1
• Wiener Verxeichnis.
Obrister caplan
Capl'an
Herr Niclas Eabri pfert .1
Herr Jhann Puess pfert 1
Bneprecht Bandl pfert 1
Don Rode rig o monathlichen 9 fl
Capellendiener
Barthlme Cast el la pfert 1
Niclas Deurains pfert 1
Hofmessner
Peter Gnynad pfert 1
Cantores
Capellmai8ter Arnoldt von Prigkh1) hat iiber essen
und trinken alle monath zu sold 10 fl.
Chorcaplan
Christof Lanngkhutsch
Paulus Rei8acher pfert 1
1) Sollte diese merkwurdige Schreibweise darauf hindeuten, daB der -Geburtsort
Arnolds doch Brugge gewesen sei?
156 Br. Hirael, Dienstinstruktion and Personalstatus der Hofkapelle usw.
Bassisten
Martin Dressntorffer
Sigmundt Faber
Gregor Liephardt
Tenoristen
Conrad Gross
Mathias Gruenwaldt
Hanns Wiesinger
Altisten
Hanns Nies
Georg Bartmayr
Lorentz Riser eg kh
Hanns Sixf elder
Chri8tof Dennkh
Clement Hohitzer
Peter Gollitz
Christof Ho f man
Benedict Burger
Sigmundt Pfanndl
Die obbemelten singer hat jeder des inonath 10 fl.
Discantisten
Der sein drei und zwainzig knaben, die werden auf
raitung underhalten.
Der singerknaben praeceptor
Christof Hiersch alle monat 4 fl.
Notist der cantherei
Georg Piiechl alle monat 4 11.
Expenditor der capellen
Mauricius Schacher
Organist
Hanns Branendorffer hat jedes monath 15 fl.
Kach ime auf ein calcanten, des monath 4 fl.
Trummeter neun.
Loys Peroso pfert
Jhan Francisco
Peter Anthoni
Jheronimu8 de Carpi
Jhan Damiico
Peter de Mantua . . \ .
Mariat de Mantua
Malatesta Per us a
Anthoni von Mantua
Horpauker
Sigmundt Neuner phert
Beztiglich der Besoldiing aller Hofstellen, mithin auch der Kapellmitglieder,
gibt ein Passus der Instruktion AufschluB. »Vnnd soil alien obgeschriben
auf ain Pferdt des Monats Zehen gulden geben«. Daraus geht hervor, daft
der auf ein Pferd ent fallen de Betrag von 10 Gulden gleichsam als der
Normaltarif fur die Ansetzung der Gehalter zu betrachten ist, eine Art der
Berechnung, die auch noch in einem zwischen 1546 — 1550 l) zu setzenden
Status, sowie in einem solchen von 1554 angewandt ist 2).
1) Abgedruckt von K. Oberleitner im Archiv fur Kunde osterreich. Geschichts-
quellen, Bd. 22, S. 224 if. Oberleitner datiert diesen Status von 1543—46; er kann
aber nicht vor 1545 geschriebcn sein, da erst von diesem Jahre ab Petrus Massenus
als Kapellmeister erscheint. Von 1543-45 war derselbo Vizekapellmeister. — Die
von Oberleitner abweichende Datierung Fe liner's a. a. 0. ist hiernach fur diese Ord-
nung ebenfalls richtig zu stellen auf 1546—50.
2) Abgedruckt von F. Firnhaber im Archiv f. Kunde osterr. Gesch.quellen,
Bd. 26, S. 13 fif.
Br. Hirzel, Dienstinstruktion und Personalstatus der Hof kapelle usw. 157
Wie sich zeigt, hat die Kapelle auch unter Ferdinand I. ihren teilweise
geistlichen Charakter bewahrt; wie unter Maximilian besitzt sie ein geist-
liches Oberhaupt, den obersten Kaplan, im Miinchner Status als Bischof von
Wien bezeichnet. Seit dem 29. November 1523 war dies Johannes von
Revel lis, gestorben 1530. Zu seinen Pflichten in der Kapelle gehorte
augenscheinlich die Prufung des durch den Kapellschreiber in den »herbergen«
angedingten Personals; von den andern Kompetenzen dieser obersten Ver-
waltungsperson erfahren wir nichts weiter. Der eigentliche Leiter des Sanger-
chores aber war der Kapellmeister. Der Miinchner Status nennt auf diesem
Posten »Hainrich Fungkh*. Ich glaube nun nicht fehlzugehen, wenn ich
diesen Namen mit Heinrich Finck identifiziere. Der Z7-bogen, der sich im
Original tiber dem u von Fungkh befindet, wird in unserer Handschrift sehr
haufig als Ersatz fur das Dehnungs-e gebraucht; laiit man das auch an dieser
Stelle gelten, so ergibt sich ohne jeden Zwang Fungkh = Finck. DaB dieser
Mann zu jener Zeit in Wien war, kann als sehr wahrscheinlich angenommen
werden. Er gibt in seinem letzten uns erhaltenen Briefe, geschrieben aus
Salzburg am 10. Mai 1524, die Absicht kund, diese Stadt zu verlassen; das
scheint verwirklicht worden zu sein, denn er kam spater nach Wien zu den
Schotten, woselbst er starb. (Mantuani a. a. 0.) — Das Wiener Verzeichnis
nennt als Kapellmeister Arnold von Prigkh, was natiirlich als Bruck zu
detiten ist. Diese beiden Namen, Heinrich Finck und Arnold von Bruck,
bilden einen der Hauptgriinde, warum ich die Miinchner Liste fur eine
friihere halten mochte als die Wiener DaB, wenn von einer Tatigkeit Finck1 s
als Leiter der Hof kapelle die Rede sein kann, diese friiher anzusetzen ist
als die Arnold's von Bruck, erschoint zweifellos. Zugleich aber ist die Zeit,
von der ab Arnold als Hofkapellmeister zu fin den ist, durch die Angabe in
diesem Status mindestens um einige Jahre hinaufgertickt worden; man nahm
bisher als Beginn seiner Wirksamkeit das Jahr 1534 ah.
Eine weitere Sttitze erbalt die Annahme der friiheren Entstehung des
Miinchner Status, wenn die Zahlen der Sanger miteinander verglichen
werden. Zu den 4 Kaplanen, die beide Listen gemeinsam haben, treten in
Wien 2 Chorkaplane ; was die weltlichen Sanger sowie die Singerknaben an-
geht, so stent das Miinchner Verzeichnis dem Wiener fast armlich gegeniiber.
Ebenso verhalt es sich mit den iibrigen Chargen: Uber all tritt die Miinchner
Ordnung als die bescheidenere auf, und dieses Faktum findet gewiB seine
ungezwungenste Erklarung, wenn wir den Status in einer weniger anspruchs-
vollen, weil friiheren Zeit angel egt sein lassen.
Von den Mitgliedern der ehemaligen maximilianischen Kapelle von 1519
weist Miinchen nur noch die Bassisten Paumhiickl und Sepacher auf,
ferner Sigmund Neuner, den »horpaugkher« ; ein Zusamraenhang existiert
vielleicht zwischen Maximilians Singerknaben Me 11 und dem Organisten
Me lie des Miinchner Verzeichnisses. — Die Vergleichung der Wiener und
Miinchner Listen mit denen Kochel's in >Die kaiserliche Hofmusikkapelle in
Wien von 1543 — 1867* zeigt, daB aus dem Miinchner Status nur der Bassist
Drosendorffer und der Altist Burger bei Kochel vorkommen. Aus der
Wiener Ordnung fiihrt Kochel, der bekanntlich nach den Hofzahlmeisteramts-
rechnungen von 1543 an gearbeitet hat: Merten Drosendorffer ('= Dressn-
torffer); Sigmund Fabri (= Faber) ; Gregor Liebhart (= Liephardt);
Benedict Burger; Peter Goltz (= Gollitz); Sigmund Phendl (= Pfanndl) ;
den Notisten Georg Puechl und den Organisten Hans Grauendorffe r
(= Brauendorffer).
158 Br. Hirzel, Dienstinstruktion und Personals t&tus der Hofkapelle usw.
1638—1561
1663—1668
Zum SchluA mochte ich nicht versaumen, auf das reichhaltige Material
hinzuweisen, das die Hofsiaatenfaszikel des Wiener Staatsarchiys zweifelsohne
noch bergen. Ich gebe hier nach dem oft zitierten Werke Th. Fellner's
und H. Kretschinayr's ein Verzeichnis der bisher fur die Zeit von 1519 — 1637
bekannt gewordenen Dokumente.
Hofstaat Maximilians I. Wels, Januar 1519: Hofstaatenfaszikel 1498—1637
Ferdinands I. (1527—28) : Kopie in
(zwischen 1528 u. 1536):
1639:
1541:
1644:
1645:
(nicht datiert;
zwischen 1545— 1560) : Hofkanimerarchiv Wien, Herrschafts-
akten Faszikel W V
1551:
1553:
1564:
1557:
1558:
1559:
(nicht datiert; ver-
mutlich 1562— 1564):
Maximilians II. 1567*
RudolfsIL Linz,
12. Dezember 1676:
Hofstaatenfaszikel 1638—1661
» > »
> » »
Kopie in » > »
> > »
Hofbiblioth. Wien, cod. suppl. 3325
Hofstaatenfaszikel 1560—1576
Hofbibl. Wien, cod. 14458, suppl. 2083
Original u. Kopie in Staatsarchiv Wien,
Hofstaatenfaszikel 1568—1576. — Voll-
standiger, aber fehlerhafber Abdruck in
Riedler's »Osterreich. Archiv f. Ge-
schichte«, 1831.
Auszug aus einera Hofstaatenverzeichnis von
1588, angelegt ungefahr gleichzeitig :
Hofstaat Rudolfs II. (urn 1600):
Mathias', 29. Marz 1616:
» Ferdinands II. (nicht datiert; ver-
mutlich 1627—28):
Status particularis S. C. Maiestatis Ferdi-
nand! U. 1637:
(1st der Fundort nicht angegeben, so handelt es sich bei dicsen Augaben stets um
das K. K. H.-, H.-, u. Staatsarchiv in Wien.)
Hofstaatenfaszikel 1576—1600
> » »
1600—1669
Universitatsbibliothek Wien I. 271404.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra. 159
Notes sur la jeunesse d'Andre Campra,
par
L. de la^Laurencie.
(Paris.)
Les notes que nous publions ci-apres, et qui embrassent la vie d'Andre Campra
de 1660 a 1700, n'ont, en aucune facon, la pretention de constituer une biographie
partielle de ce musicien. Dans Tetat oil se trouvent actuellement les depouillements
de nos divers fonds d'archives et l'inventaire de nos sources musicologiques, il ne sau-
rait etre question, en effet, de produire, a 1'egard d'un artiste qui habita longtemps
la province, autre chose qu'ane esquisse provisoire appelee a etre rectifiee et com-
pleted par des decouvertes ulterieures. Notre travail se presente done comme une
simple contribution a Thistoire de la jeunesse d'un des plus interessants successeurs
de Lully*).
I.
Andr£ Campra naquit h Aix-en-Provence, et fut baptise le 4 d^cembre
1660 en l'eglise de la Madeleine de cette ville:
c Andre Campra, fils de Jean Francois et de damoyselle Louyse de Fabre,
a este* baptize ce 4 decembre 1660; le perrin mr Andre" Guiraman, et la me-
rine, damoiselle Anne de Fabre. [Signe*]. Raybaud, pretre»J).
L'^tude de Roux-Alpheran sur les rues d'Aix nous apprend que Campra
naquit dans une maison de la rue du Puits-Neuf3). Son pfcre, Jean
Francois Campra (5tait Italien, et originaire des environs de Turin; fixe
ii Aix, il y occupait l'emploi de chirurgien, ainsi qu'en temoigne son con-
trat de mariage passe le 25 fevrier 1659 par devant Me Jean Andre,
notaire *L Aix. Voici de quelle fagon cet acte qualifie les parents d'Andre
Campra:
«... mariage a este" traite par parolles de futur entre Jean Fran$oys
Campra, chirurgien residant en cette ville d'Aix, fils legitime et naturel de
feu Rustin et Jeanne Ruere, du lieu de Gaillet au diocese de Thurin, d'une
part, et damoyselle Louise Fabry, fille legitime et nature lie de feu Charles
Fabry, bourgeois, et damoyselle Marguerite Dalphe>an vivant marine dudict
Aix, d'autre [parti . . . »4).
1) Nous exprimons ici toute notre reconnaissance aux personnes qui ont bien
voulu nous seconder dans nos recherches sur Campra, et notamment a MM. les
abbea Marbot et Calier a Aix, Chailon a Aries, a MM. Fournier et Jacqmin, ar-
chivistes des Bouches-du-Rhdne , Aude, conservateur de la Bibliotheque Mejanes
& Aix, Mireur, archiviste du Var, Pasquier et Moudenc, archivistes de la Haute-
Garonne, Michel Brenet, & Paris.
2) Registres de la Madeleine d'Aix. Actes de bapteme de 1660, f° 41*«. D6-
pot du greffe.
3) Roux-Alpheran: Les Rues d'Aix, ou recherches historiques sur Vancienne capi-
tate de la Provence, Aix, 1847. T. I, p. 469.
4) Arch. dep. des B. du Rh. Dep6t d'Aix. Sen6chauss6e d'Aix. Sic B. Registre 54
des Insinuations (1659;, f° 285™.
160 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andre* Campra.
Lors de la passation du contrat, Louise Fabry dtait assistee de son
frfcre Claude Fabry, bourgeois d'Aix, et le texte de Tacte ne prete qu'une
seule fois Torthographe «de Fabry* au nom de la future. Fabry, de Fabry,
Fabre, de Fabre dtaient des appellations ^quivalentes et l'adjonction de la
particule ne constitue point un signe de noblesse. Toutefois, Louise Fabry,
alliee aux Duperier et aux Bonfils par sa mfcre Marguerite Alpheran,
appartenait k une famille de bonne bourgeoisie aixoise1).
Au surplus, le contrat de 1659, va nous renseigner sur la condition
de fortune des parents de Campra. La dot de la future se monte k
1200 livres <k elle legudes par ledict feu Charles Fabry, son pfcre, en
son dernier testament reyeu par Mtre Augier notaire audict Aix, Tan et
jour y contenus*. Pour assurer le payement de cette dot, Claude Fabry
vendait aux futurs dpoux deux vignes et deux censes ; la premiere vigne,
sise au quartier de Malvallat, avait une contenance de 7 hommdes2); la
deuxifcme, situee au meme endroit, comprenait environ 2 carteirades3). Quant
aux censes avec leurs droits de «directe», respectivement de 6 livres et d*
1 livre 10 sols , elles etaient imposees sur deux autres vignes appartenant
k des tiers. Le futur prenait ces vignes et ces censes en payement de
partie des 1200 livres de dot ci-dessus enoncees, suivant l'estimation qui
en serai t faite4), et pour le surplus de cette somme, le frfcre de la future,
Claude Fabry, cedait, k raison du denier vingt, c'est-k-dire k raison du
5%, une portion du revenu d'une maisou qu'il posscdait au quartier du
Bourg St. Andrd de la ville d'Aix. Claude Fabry s'engageait encore a
fournir la somme de 60 livres pour «Thabit nuptial de ladicte damoyselle
Louise » et les 6poux se faisaient reciproquement une donation entre vifs
k prendre par le survivant sur les biens du premier mourant, k savoir,
Jean Francoys Campra, 300 livres k sa femme, et Louise Fabry 150 livres
k son mari. Passd en la maison de Claude Fabry, le contrat £tait signe
des parties et de leurs t&noins, Mtre Jean Louys Burle, avocat k la Cour,
et Jean Baptiste Mignard, maitre chirurgien a Aix5). On le voit, par
les dispositions qui pr£cfcdent, la situation du futur manage se pr&entait
1) La famille Alpheran appartenait a la vieille bourgeoisie d'Aix; on trouve
un Antoine Alpheran notaire en 1624. Cette famille etait alliee aux Duperier dont
un des membres, Scipion (1688—1667), fut un des plus celebres avocats de Pro-
vence; elle £tait encore alliee aux Bonfils qui donnerent deux lieutenants generaux
a la senexhaussiSe. Roux-Alpheran peut dont assurer a bon droit que les allian-
ces de Campra «excluent l'opinion ou Ton est qu'il etait d'une extraction pen re-
levee . . .» Cf. Roux-Alpheran. Loc. cit. I. p. 618 et II. pp. 83/84.
2 L'hommee ou journal vaut 59»res, 32™.
3; La carteirade vaut 23a™», 73™.
4) Cette estimation devait etre faite par Francois Audibert, Escuyer d'Aix, et
Mtre Gilles Bayon, secretaire ordinaire de la chambre du roi, auxquels les parties
avaient donne pouvoir de visiter et d'estimer les proprietes en question.
6} Le contrat fut insinue le 2 mai 1669.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Gampra. 161
comme assez modeste. — Nulle mention n'y apparait des biens propres
de Jean Francois Campra, dont le plus clair des revenus provenait vrai-
semblablement de son emploi de chirurgien.
Andre Campra fiit Tain^ des enfants issus de ce manage. Un second
lils, Joseph, naquit deux ans plus tard, en 1662, ainsi qu'il ressort de
Facte baptistaire suivant:
« Joseph, fils de Jean Francois Campra et de Louyse de Fabre, a este
baptist le 10" septembre 1662. Le perrin a este* Joseph Fabre et la merrine
Elisabet Audibert. [SignS], Auban, ptre» *).
Nous retrouverons Joseph Campra dans la suite de ce travail.
On sait fort peu de choses sur les dispositions plus ou moins grandes
pour la musique qu' Andre Campra aurait manifestoes durant son enfance.
A en croire Tabbd de Fontenay, il eut 6te tout le contraire d'un enfant
precoce :
« Jamais homme ne fut plus tardif que lui. Jusqu'a l'age de 16 ans,
il n'avoit rien pu apprendre, pas meme a lire. Son esprit se developpa
tout- a- coup. Dans 1 espace d'un an, il apprit, non seulement a lire eta
ecrire, mais aussi la musique et toutes les regies de l'harmonie si parfaitement
qu'il composa, a 17 ans, son Deus noster refugium a grand chceur qui est
encore fort estim6» 2)
Nous donnons cette assertion de Fontenay pour ce qu'elle vaut; Fon-
tenay aime les anecdotes qu'il enregistre sans esprit critique, et son livre
a paru 32 ans apr&s la mort de Campra. A cote des dires plus ou moins
vagues de cet auteur, un document precis vient fixer la date de la re-
ception de Campra comme enfant de choeur de 1 eglise S1 Sauveur. Ce
fut en 1674 (il avait done 14 ans) que le chapitre de S1 Sauveur l'admit
en cette quality3), et la date que fournit le ms. 868 de la Bibliothfeque
Mejanes a Aix se concilie assez mal avec les renseignements donnas par
Fontenay sur la paresse desprit de Campra. II est probable que si Andr^
n'avait temoigne d'aucune disposition pour la musique, see parents ne se
seraient pas resolus a le faire entrer a la maitrise de la metropole aixoise4).
Mais tous les auteurs s'accordent pour reconnaitre que ses progrfcs
f arent rapides et soutenus5); il travaillait sous la direction d'un excellent
1) Registre des Baptemes de TEglise de S*« Madeleine d'Aix, annee 1662. f° 31.
2) Fontenay, Dictionnaire des artistes, I. p. 309. Le Deus noster refugium,
motet a 5 voix et symphonie, se trouve a la Bib. du Conservatoire.
3) L6on G. Pelissier, Notes et Extraits de quelques manuscrits de la Bibliotheque
Mejanes. [Revue des Bibliothtques, 4e ann£e, 1894, p. 345.)
4) <Le8 dispositions heureuses d' Andre* pour la musique, ecrit M. Marbot, le
firent confier de bonne heure a la Maitrise de notre Metropole. C'etait alors chez
nous la grande £cole de l'art.> (Abbe* Marbot, Oilles, Cabassol et Campra, Aix,
1903, p. 10.)
5) Voir: Sentiment d*un harmoniphile sur differents outrages de musique. p. 41.
Dans ses Miettes de VHistoire de Provence, Stephen d'Arve (V*« de Catelin), assure
que l'enfant de choeur posse dait une voix superbe et qu'il avait des dispositions
162 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andr£ Campra.
maitre, Guillaume Poitevin, qui a &e Tobjet d'une interessante monographic
due k la plume Erudite de M. l'abbe Marbot1), et qui doit retenir un peu
notre attention.
Originaire d' Aries, Poitevin rempla^a Gal k la maitrise de S* Sauveur
en 1667 2) et, durant sa longue carrifcre, il donna Fexemple d'une ^difiante
piete et du plus inlassable devouement; «c'est une des physionomies les
plus sereines de la maitrise >, ecrit l'abbe Marbot. Pendant 35 ans,
Guillaume Poitevin se consacra k l'enseignement, etranger k toute ambi-
tion, rempli seulement d'une tendre sollicitude a regard de ses eleves.
Aprfcs 26 ann£es de services, il avait fait r&ilier sa charge en faveur
de son disciple Gilles (1693), mais Gilles d'abord, et Cabassol en-
suite, ayant abandonne la direction de la maitrise, le chapitre aixois
s'adressa de nouveau au vieux Poitevin en lui demandant de reprendre
sa charge «attendu qu'on ne peut choisir une personne qui s'en acquitte
plus dignement et avec plus de zfcle que lui» (1698) 3).
Poitevin forma une pleiade de compositeurs de merite et mourut k
Aix, en grande odeur de saintetd, le 7 Janvier 1706 4).
Dans la plaquette que nous visions tout k l'heure, l'abbe Marbot disait
qu'on ne connaissait pas les messes de Poitevin. Depuis, il en retrouva
deux et rectifia sa premiere assertion dans la brochure consacre'e par lui,
en 1903 k Gilles, Cabassol et Campra5). Grace & Tobligeance de M.
l'abbe Calier, maitre de chapelle k Sl Sauveur, nous avons pu obtenir
communication de manuscrits appartenant a la maitrise de la me'tropole
aixoise et parmi lesquels se trouve de la musique de Guillaume Poitevin.
Malheureusement, ces manuscrits ne contiennent que des fragments des
messes composees par le maitre de Campra, et ne permettent pas, par
suite, de se faire une ide'e complete du talent de ce musicien. Les frag-
ments que noui avons eus entre les mains sont constitues par 2 fascicules
in-f°, copies de la main de Barralis6) et numtfrotes, le premier 516 k
romarquable8 pour le contrepoint [Miettes de VHistoire de Provence % Aix, 1902, pp.
139, 146). Choroii et Fayolle, de leur c6te\ disent qu'il fit des progres rapides
dans l'art de la composition. {Dictionnaire hiatorique des musiciens, I, p. 115.)
1) Qol et Uuulaume Poitevin, Discours prononce a la distribution des prix le
12 aout 1887 par l'abbe Marbot (Aix, 1887).
Sur Poitevin voir aussi: le P. Bougerel, Memoir es pour Vhisioire de plusieurs
hommes iUustres de Provence, 1762, Dictionnaire de la Provence et du Comti Venaissin
par une societe de gens de lettres (Achard), 1787. I. p. 98, Fetis, VII, p. 86.
2) La Deliberation est du 23 aout 1667. (Cf. Marbot, Loc. cit.)
3) Don du 5 mars 1698 (Marbot, Loc. cit. p. 8).
4) Ibidem — p. 9.
5) Abbe" Marbot: Gilles, Cabassol ct Campra, Aix, 1903.
6) D'apres M. Marbot, ce Barralis ne serait autre que Banal, un des successeurs
a la maitrise d'Aix de Tabb6 Claude Mathieu Pellegrin (Abbe Marbot, Les Maitrcs
de chapelle dp Saint-Sauveur au XVIII* sivcle, Aix, 1905, p. 7, en note.) Pellegrin
mourait en 1763.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andrg Campra.
163
523, le second 530 k 541. Les fascicules suivants comprennent de la
musique d'autres musiciens aixois dont Pellegrin et Campra.
En tete du ler fascicule (516 k 523), on lit l'inscription suivante:
Quatre Messes
Mises En Musique a quatre parties
sans Simphonie par Mre Ouillaume
Poitevin, pretre Beneficier Et Maitre de Musique En VEglise Metropolitaine
S* Sauveur & Aix-en-Provence, dans Lequel ont 6te formes Les Mrs Qilles,
Campra, PeUegriny Etienne, Et autres.
Ce l*r fascicule contient des fragments d'une messe a 4 voix en re" majeur;
le 2° des fragments d'une messe aussi a 4 voix, en sol mineur. Nous
transcrivons ci-apres le Kyrie de la lre messe:
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164 L. de la Lanrencie, Notes sur la jeunease d' Andre1 Campra.
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Cette page n'est pas seulement de la musique de bon maitre de chapelle.
On en gout era certainement l'onction melancolique, le recueillement et la squ-
plesse melodique. Au reste, ces caracteres paraissent dominants dans ce que
nous connaissons de l'oeuvre de Poitevin. lis ne vont pas, sans doute, sans
s'accompagner de quelque in oil esse et de quelque fadeur, mais ils d£peignent
bien Tame tendre et devote du vieux musicien.
Nous 8ommes ici en presence d'un ensemble vocal moins massif que ceux
de Lully; T^criture de Poitevin n'a pas cet aplomb & toutes les parties, cette
verticalite systematique que denote celle du Florentin; on rencontre en elle
un peu de cette souplesse et de cette independance qui caracterisaient
l'ancienne polyphonic et qui sont encore sensibles dans les compositions
d'Henry Du Mont par exemple *). Mais, il n'y a point de doute que Poitevin
ait adopte l'esthetique qui se fait jour a partir de la deuxieme moitie" du
XVIP siecle, et qui, en simplifiant progressivement la trame polyphonique,
va aboutir, dans les ensembles de voix, a laisser pr&lominer une melodie
principale que les autres parties accompagneront harmoniquement. Ecrites
vraisemblableraent entre 1670 et 1695, les messes de Poitevin refletent assez
1) Sur Henry Du Mont, consulter l'ouvrage de M. Henri Quittard: Un musi-
cien en France au XVII* si&cle, Henry Du Mont Paris, 1906.
166
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andre1 Campra.
exactement revolution qui s'opere au sein des compositions a plusieurs par-
ties. Le Kyrie que nous venons de transcrire present* le theme an mperius
avec simple accompagnement de la basse; puis, au bout de 8 mesures, les
deux voix intermediates font leur entree, avec une seconde presentation du
theme par le tenor; mais, tou jours, la m£lodie s'epanche, rggulatrice a la
partie superieure; certains dessins, plus caractlristiques et plus calins, sont
soulignes par la haute- con tre et donnent naissance a des guirlandes de sixtes
qui marquent bien nettement la dependance des parties secondaires a l'egard
du chant, de la melodie qu'il s'agit de mettre en relief. Ces parties secon-
daires sont toutefois trait£es avec soin, et elles conservent une certaine liberie* ').
La meme preoccupation melodique se manifesto aussi clairement dans le
Gloria, Ici, Poitevin opere fr£quemment par couples de voix; tantot, ce sont
le mperius et la basse, tantot ce sont les deux voix intermediates qui reV
lisent une sorte de dialogue que coupent des tutti destines, semble-t-il, a
donner plus de force a une affirmation, a rassembler, dans un but expressif,
les adhesions de l'ensemble vocal.
Le Gloria de la l*ro messe debute de la facon suivante:
Gloria.
£
*
^£-*rH-
*=
-t-*
ite
33
*
Et in ter-ra pax ho-mi-ni-bus bonae vo - lun-ta - tis.
+
m&
5CP3C
H=l=
£=S=£EjE
r=£
^
*=t
--E
y> '*> V '*■
Et in ter-ra pax ho-mi-ni - bus bonae vo-lun • ta
tis. Lan-da-mus
m
SLUilm^^
£s.
^^
m
Et in ter-ra pax ho-mi-ni -bus bonae vo-lun - ta - tis. Lau-da - mus
ESES
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nrir-t?
£
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3t=tz
Et in ter-ra pax ho-mi-ni-bus bonae vo-lun • ta
P
tis.
& — -±-
35
^e:
j>-—jL
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•*-+
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A - do - ra-mus te, jrlo - ri - fi - ca - mus te,
mS
» P r*
-<g .
fcfcfc^a
te be-ne-di - ci - mus te.
— «— !j j * v* — I-
*=tl
te be-ne-di-ci
mus te.
3
-» #*-
m
E2
A - do -ra-mus te, glo-ri - fi - ca-mus te,
1) LY'criture en harmonie plaquee de la plupart des ensembles vocaux de Lull?
fut, du reste, un peu abandonnee par ses successeurs.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeuneese d'Andre Campra.
+ +
167
w&
&»
A
ti-as a - gi-mue,
gimus ti - bi propter magnam
A
!II=§e£eE
71 m—p
£
*-g- »■■
P=&=
J — U-Vt=3
*=t
gra- ti-as a-gi-mus, a - gi-mns ti - bi propter magnam glo
£^£
e£
glo - ri - am tu - am.
m
^M=W-?-y=&
m
Do -mi -ne De - us, rex coe - lea - tis, Deus,
-0 m r-
£
:t=|:
E*"
Do-mi-ne De-us, rex coe - lea -tis, Deus
m
tu - am.
s d. IMG. x.
Do - mi - ne fi - li
12
168
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra.
Poitevin, autant que nous avons pu en juger par les fragments de ses
(Buvres que nous avons eus sous les . yeux , respecte g£neralement la loi da
syllabisme. L'exemple precedent montre cependant quelques infractions a ce
principe. Voyez l'avant-derniere syllabe de « voluntatis » et de «benedicimus>;
le groupe de 4 croches qui accompagne le mot «Deus», comme la figuration
de <glorificamus» au superius relevent 6videmment detentions d6coratives;
il y a la un ho mm age expressif rendu a la Divinity, et une floraison melo-
dique sugge>6e par l'id^e de glorification. Les mots « gloria*, <agnus», <Jesu
Christe* s'accompagnent tou jours d'une vocalise caracteristique en croches on
en doubles croches. Dans le Gloria de la 2° messe en sol mineur, les mots
«Domine Deus, rex coelestis> supportent l'ornementation ci-apres:
m
a
I2^Z
£=£
P-tf-ff-1?
Do - mi - ne
De - us
rex coe
le
stis
La r6p6tition de certains fragments melodiques s'affirme commandee par
des intentions expressives. Poitevin veut-il depeindre la joie qu" excite dam
le cceur du chrStien la resurrection du Christ, il 6crira une formule jubila-
toire qu'il redoublera avec allggresse:
H. C.
3=^
^
=P=P=
Et re - sur - re - xit ter - ti - a
i
i^
4j=p=
^s
J2=P=
di - e 8e-cun-
Et re - sur - re - xit ter - ti - a di
I
e^
fc-{4-i-i3-»ffP
dumscrip-tu - ras.
Et a - scendit.2)
•J j.:
3tf:
n=t
zsiz
dum scrip-tu - ras. Et a - seen - dit in
Ici encore, la preoccupation de degager une melodie unique apparait en
toute evidence; la haute -contre et le t6nor chantent en duo, pendant que
les deux autres voix font silence ; la formule jubilatoire s'expose en tierces et
deux voix en se repassant le groupe «Et ascendit», qui franchit d\m
bond une octave, ne laissent entendre qu'une melodie bien marquee.
l saillante, la haute-contre reprenant au t£nor le fragment de theme qu'il
it de souligner, et l'une continuant l'autre.
Au surplus, en ce qui concerne la facon de concevoir et de re*aliser l'ex-
sion musicale, Poitevin semble s'attacher bien plus au contenu du texte
1) 2« Messe de Poitevin. Gloria. (Arch, de la maltrise de 8* Sauveur, f* 630
1).
2) lre Mesee d°. Credo.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeuneese d' Andre" Canipra.
169
qu'a sa traduction litter ale au moyen des artifices symboliques si a la mode
au XVII® siecle *) ; sans doute, il lui arrivera de sacrifier a ce symbolisme
et d'etablir, comme la plupart des musiciens de son temps, des relations entre
des id£es de direction, de mouvement, prises au propre et au figure et les
motifs musicaux appel£s a les caracteriser. C'est sur un traij: montant qu'il
place le mot «ascendit», rendu plus marque encore par le dynamisme des
croches; parfois meme, en diminuant la valeur des notes employees, il accen-
tuera l'idee de vitesse, la precipitation du mouvement; c'est ainsi que, dans
sa deuxieme messe, il traduira renvoi de l'ascension du Christ par la vocalise
suivante :
3at
I
J>— *-&
tt
*=5at
*3
-#i-
^*=^,
Et as - cen
dit in C83 - lis
C'est ainsi encore, qu'il laissera choir la melodie sur les mots «descendit
de coelis», et que par analogie, par m£taphore, il adjoindra des formules des-
cendantes aux id£es d'humilite, de supplication, de peche\ Mais, a cote de
ces concessions consenties a l'esthetique de l'epoque, Poitevin sait aussi s'ins-
pirer de l'idee generale qu'exposent les paroles; il a des trouvailles inge^-
nieuses et 6mouvantes, par exemple dans le Credo de sa seconde messe, ou,
en proferant «Et homo factus est», le cantus, le tenor et la basse s'abi-
ment en une meditative et respectueuse vocalise tandisque la haute-contre
clame solennellement sur une seule note le miracle de l'incarnation divine:
H. C.
B.
i
l>-a — i-
■t=k
^
JU-Ci-^-L£^g
^^=
E3E!
Et ho mo fac
tus
est.
m3EE=
*=*=
y^rr
Et
ho -mo
t=9=fr
SE^
fac - tus
68t.
WSji^S*
im
$*z
Et ho - - - - - mo
fac - tus
est.
3*3E=3
-M
5&
=E*
w-
Et ho mo fac -tus
est.
L'harmonie de Poitevin est une harmonic sage, ennemie des alterations
trop cruelles; cependant, le maitre d' Aries n'ignore point le pouvoir expressif
des dissonances et il en use au besoin: il n'ignore pas davantage ce qu'on
peut tirer d'expression d'une modulation heureuse, et, dans le Kyrie de la
ldr* messe, il passe, sur un mouvement ascendant des trois voix superieures,
du ton de sol majeur a celui de mi, donnant, de la sorte, a cet episode, une
tension nouvelle et aussi une vive clarte. Enfin. nous le voyons pratiquer
1) Sur ces artifices voir plus loin: Musu/ue reltgieuse.
2) 2« Messe.
3) 2« Messe : Credo.
12*
170 L* de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra.
les grands intervalles melodiques, et les bonds d'octave ne sont pas rarea
dans sa musique.
En resume, musicien tendre, d'une grande fertility melodique, et attentif
a traiter ing^nieusement, au moyen de contre-chants et de courtes imitations,
toutes les parties de la polyphonic vocale, sans pourtant perdre de vne la
mise en relief de la melodie principale.
Nous avons cru n£cessaire d'ouvrir cette longue parenthese, d'abord afin
de faire connaitre un musicien presque ignore* jusqu'a ce jour et ensuite,
afin de degager de l'ceuvre de celui qui fut le premier maitre de Campra
quelques particularity qui semblent bien avoir passe1 dans la musique de
son Sieve.
Revenons maintenant au musicien aixois.
La maitrise de Saint-Sauveur, oft il entra, £tait une des plus an-
ciennes de France, puisqu'elle naquit au XJHe sifccle1). D'abord
appetes pr¢or (grand chantre) et subcentor (sous chantre), les chefs
de la maitrise prirent en 1558 les qualifications de «capiscol» (caput-
sckolae)y et de «sous capiscol*2). Le personnel des fonctionnaires com-
prenait, en outre, le maitre des enfants, ou maitre de grammaire, le
maitre de musique et l'organiste8), auxquels on adjoignait parfois des
sous-maitres. Le nombre des enfants eleves a la maitrise de la metro-
pole etait de 8 a 10, et on se montrait tr&s exigeant sur la quality de
leurs voix4). C'etait la famille de l'enfant qui pourvoyait aux premiers
frais du vestiaire et qui fournissait Thabit de chceur. L'abbe Marbot,
dans le travail auquel nous empruntons ces divers details, nous apprend
que, primitivement violet, le vetement de chceur devint rouge en 1589 5).
Proprete, hygifcne et nourriture faisaient l'objet de prescriptions trfcs-
strictes6), et le bon Poitevin, malgre toutes ses qualites, se voyait trois
ans aprfcs son entree en fonctions, gourmands par le chapitre pour avoir
touchy au vin reserve a ses eleves7;. Quant a la discipline du chceur,
elle parait avoir ete fort severe; aussi, la maitrise de St. Sauveur jouis-
sait-elle d'une grande reputation qui se prolongea fort avant dans le
1) L'histoire de la maitrise m6tropolitaine d'Aix a ete ecrite par M. l'abbe
E. Marbot, vicaire general, grand chantre de la Metropole. (Aix-Makaire). Cette
histoire se distribue en 6 fascicules dont chacun comprend une de ses p Anodes,
et consiste en discours de distribution de prix prononces par l'auteur en 1876,
1877, 1878, 1879, 1881, 1882 [Bib. nat. 8<> V. 4896]. I/acte d'origine de la maitrise
se trouve dans un ms. de la Bib. Mejanes d'Aix, n° 1050: Statuta Ecclesiac Aquensis.
M. Marbot serait porte a croire que cette origine remonte a l'annee 1259.
2) E. Marbot, Histoire dc la Maitrise metropolitaine d'Aix. 1876. p. 8.
3) Ibidem, p. 8.
4) Les deliberations capitulaires du 6 nov^re 1581 et du 17 mai 1690 sont carac-
t^ristiques a cet egard.
5) E. Marbot, Loc. cit.. p. 11.
6} Les soins de proprete etaient regies par deliberation capitulaire du
25 nov*re 1620.
7; La defense faite au maitre de musique de boire le vin des enfants de chceur
est du 1<* octobre 1670. Voir Marbot, Loc. cit. p. 12.
L. de la Laurencie, Notes sur la je unease d1 Andre Campra. 171
XVIIIe siecle !). Justement jaloux de leur corps de musique, les cha-
noines n'autorisaient pas facilement les enfants k chanter ailleurs qu'ft,
l'e'glise, d'autant plus que le service h Saint-Sauveur e'tait extremement
charge. H arrivait meme au chapitre d'opposer une fin de non rece-
voir aux sollicitations des Consuls. Naturellement, comme d'ailleurs
dans toutes les [maitrises de France2), defense expresse e'tait faite au
maitre de musique de donner des lemons en ville et d'assister aux fetes
profanes, et cette double interdiction occasionnait de fre'quentes re'pri-
mandes adresse'es aux maitres trop independants 3), quand elle n'entrainait
pas Texclusion des delinquants. Nous verrons plus loin que Campra,
tout le premier, se mit dans le cas d'etre renvoye pour avoir desobei k
ces prescriptions.
Scholastique Pitton, rhistorien d'Aix, n'a pas manque* de rendre
hommage au merite artistique de la maitrise me'tropolitaine4). Sans re-
monter jusqu'a, la reception du due de Savoie, le 17 novembre 1590, k
laquelle elle participa5), nous savons que, Fannie meme de la naissance
de Campra, le 17 Janvier 1660, lors de Pentree de Louis XIV h Aix,
le Te Deum fut chants *h double corps de musique*. Quelques jours
apres, le 3 fdvrier, pour celebrer la conclusion de la paix des Pyre'ne'es, le
roi serendit h Saint-Sauveur avec toute la cour et Pitton de narrer ainsi la
somptueuse ce'remonie qui s'y deroula. «Apres que le Te Deum fut chants
en Musique sur les Orgues, la fanfare des Trompettes, le son des Tam-
bours et le bruit des Mousquetaires du Roy ranges dans la place Saint-
Sauveur se furent metes & Tarmonie des instruments de Musique et & la
voix des Pretres, tout ce que nous eilmes de Canons et de Boites fit feu6).»
Des temoignages ulterieurs viennent confirmer l'excellente reputation de
1) £. Marbot, Loc. cit. p. 20. Le ras.83 de la Bib. Mejanes a Aix, intitule: Regie-
meni de S* Sauveur, ms. qui est du XVIH8 siecle, montre a quel point le chapitre
aixois entendait sauvegarder les droits de l'oreille, puisqu'il prescrivait a l'organiste
de jouer dansle ton des cloches, quand celles-ci sonnaient. Sur l'orgue de St Sauveur,
voir E. Marbot. Loc. cit. , et abbe E. F. Maurin , Notice historique et descriptive de
Veglise metropolitaine- St Sauveur d'Aix. Aix, 1839. p. 44.
2) Notamment, par une deliberation du 6 novbre 1665.
3) Sur ce point, consulter l'abbS Clerval, Vancienne maitrise de Notre-Dame de
Chartres, 1889, Abb£s A. Collette et A. Bourdon , Histoire de la maUrise de Rouen,
1892, Abbe* E. Marbot, Notre maitrise mitropolitaine, 1883, p. 66, 67 et notre ouvrage,
V Academic de musifjue ct le Concert de Nantes, 1906. — Introduction. — En ce qui
concerne Aix, ces interdictions remontaient a la deliberation du 4 novembre 1581.
4) «La Metropole d'Aix est composee, ecrit-il, d'un tres auguste chapitre dont
le chef est TArcheveque, d'un Prevost, d'un archidiacre, de deux personnats cabiscol
et sacristain, de 16 chanoines. 11 y a pour le service de l'Eglise 20 B<§n£ficier8
ou Semi-Pr6bendez et un plus grand nombre de clers et une trte-banne musique,*
(Annates de la S** Eglisc d'Aix, a Mgr V Eminentissime Cardinal Qrimaldi par M. Jean
Scholastique Pitton, Lyon. 1668. — Preface, p. 4 .
5) Scholastique Pitton. Histaire de la Ville d'Aix, Aix, 1666, pp. 348-349.
6) Ibid. pp. 488, 489.
172 L. de la Lauren*ie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra.
la maitrise de Saint-Sauveur, en nous apportant d'interessants details sur
ces executions «k double corps de musique*. Elles consistaient en vastes
ensembles auxquels prenaient part la « musique* proprement dite, c'est-fc-
dire le corps des chanteurs de la Metropole, et une bande d'instrumentistes
qui, en outre, collaboraient aux diverses manifestations de la vie munici-
pale; c'est ainsi, qu'*\ Toccasion des nombreuses fetes donnees k Aix en
1687 «pour l'heureux retour de la Sant6 tant desiree de Louis le Grand >r
une messe d'actions de graces est c416bree k S* Sauveur, «dans laquelle la
Musique de cette £glise soutint si bien sa reputation d'etre une des
meilleures du royaume» 1). Puis, lorsque le Parlement s'associe aux re-
jouissances, il fait elever dans le fond d'une des salles de son palais un
vaste theatre destine k la musique: «H £tait divise en trois portions, celle
du milieu pour la Musique, et celles des cotez, Tune pour les violons et
les hautbois, et l'autre pour les trompettes, les fifres et les tambours »2).
Voil& done trfcs nettement indiqu^e la composition des corps de musique.
Quant & la messe du S* Esprit, «elle fut chantee par. la Musique avec
une tr£s grande solennit£, et les excellantes voix qu'on avait choisies
secondfcrent si bien par leurs admirables accords Tart et la beauts de la
composition des Motets qu'un trfcs habille Maitre3) avait faits sur le sujet
de la joye, et de la reconnaissance publique, qu'elles augmentoient tou-
jours par de nouveaux charmes l'admiration des assistans . . . le Te Beam
fut continue par les deux corps de musique, parmi les bruits agreables
des Violons, des Trompfctes et des Hautbois qui se suceddoient mutuelle-
ment, ce qui faisoit tout ensemble une m^lodie surprenante*4).
Eendant compte d'une ceremonie c&ebree au Parlement, k la meme
intention, de Haitze vante YExaudiat «qui fut continue par les deux
corps de musique, par les violons, les hautbois et les trompettes, s'entre-
melant et se reprenant agr£ablement»5). Ceux-ci se faisaient entendre
«dans les pauses de la Musique*6).
C'est vraisemblablement & des c£r£monies de cette nature et de ce
caractfcre que fait allusion le lyonnais Menestrier en parlant de «Fesp£ce
de chant dramatique compost de divers passages de l'Ecriture sainte que
Ton appliquait k divers sujets, et qu'on chantoit a plusieurs parties et a
1) Relation generate et veritable des Files de la Ville cTAix pour Vhrurcux retour
de la Sante tant desiree de Louis le grand, A Monsieur Louis Antoine de Ruffi% OentH-
homme de Marseille, par Pierre Joseph de Haitze, Aix, 1687. Lettre da 10 fe>rier
1687. p. 6.
2) Ibid., Lettre du 11 fe>rier 1687, p. 15.
3) Le «tres-habille Maitre* n'est autre que Guillaume Poitevin qui, ainsi que sous
l'avons vu, ne se d<§mit de ses fonctions, et encore provisoirement, qu'en 1693. —
II ne reste rien des motets auxquels fait allusion de Haitze.
4) De Haitze, Loc. cit. p. 15.
5} De Haitze. Loc. cit. Lettre du 11 fevrier 1687, p. 17.
6) Ibid. Lettre du 16 fevrier 1687, p. 43.
L. de la Lauren cie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra. 173
plusieurs cfueurs*1). De son cot6, Pierre Perrin, dans la preface de ses
Cantica pro Capella Regis, signale qu'en Languedoc et en Provence, «oii
les peuples sont plus adonnez et entendus k la musique*, les eglises
retentissaient de pieces composees sur des textes non liturgiques 2). Telles
etaient la maitrise et le milieu artistique oil le jeune Campra devait
poursuivre son education musicale. A Tage de 18 ans, ses progrfcs
s'affirment si rapides qu'il obtient de porter, non plus la robe rouge
des ecoliers, mais la robe noire des clercs (1678).
« Monsieur l'Administrateur a diet que Andre Campra, Gaspard Gille et
Joseph Boullet, enfants de choeur, demandent a Messieurs qu'il leur plaise leur
donner la robe noire, attendu leur age.
Surquoy a este* delibere* que la robe noire sera donn£e aux dits Cam-
pra, Gille et Boullet, sans prejudice de Tantienete des autres serviteurs 3). »
Mais, avec la science, l'esprit de Campra s'ouvre & d'autre mu-
sique que celle qu'il entend k Saint-Sauveur. H va en ville, chante des
ceuvres profanes, assiste probablement meme k des representations th£a-
trales. D£s 1660, on avait fonde k Aix un jeu de paume oti les troupes
ambulantes .qui parcouraient le midi, jouaient la comedie4). Nous savons
par ailleurs, qu'en Provence, le mouvement dramatique prenait une grande
intensite dans la seconde moitie du XVIIe sifccle. En 1646, 1'abbS de
Mailly faisait representer k Carpentras Topera (TAckebar, roi duMogol*).
Le Provencal Pierre Gaultier avait obtenu de Lully, l'autorisation de
monter un opera k Marseille, oft on ex^cuta sous sa direction, le 28 Jan-
vier 1682, un opera en 3 actes, dont il etait Tauteur, Le Triomphe de
la Paix*). Ce Gaultier promenait sa troupe dans la vallee du Rhone et
meme en Languedoc, et nous connaissons une partie du repertoire qu'il
interpretait, repertoire qui comprenait plusieurs operas de Lully. «L'an
susdit (1687), rapporte le Manuscrit Languet de Carpentras, l'op&a de
Marseille a este joue pendant Teste k Avignon soubs M. Gautier, orga-
niste dudict Marseille, ou Ton a joue pendant les mois de juillet et
aoiit, l'opera de Phaeton, et pendant les mois de septembre et d'octobre,
l'opera d'Harmide, et pendant les mois de novembre et commence-
ment de d^cembre Font continue et ils sont retournds k Marseille7).*
1) Le P. Menestrier, Des representations en musiquc anciennes et modernes, 1681,
p. 136. «C'etait particulierement aux Solemnitez des Noces et aux fun^railles des
Princes que ces Motets en Dialogues, en recits et a divers chceurs se chantoient.> — d° —
2) Voir H. Quittard, Un musicien en France au XVII* stick* Henry Du Mont.
1906, p. 152. 3) Arch, des Bouches du Rh6ne — Delib. capitul. du
chapitre de S* Sauveur d'Aix, Registre 23 f<> 162™. Delib™ du 4 Mai 1678.
4) Ce renseignement nous a 6te fourni par M. Tabbe Marbot.
5) Menestrier. Loc. cit. pp. 177, 178. 6) Sur Pierre Gaultier,
voir Titon du Tillet, Le Pamasse francois, p. 477, Dangeau, Journal, I. p. 119,
A. Rostang, Memoires de V Academic de Marseille, 1872—1874, p. 371.
7) Bibliotheque de Carpentras, Manuscrit de Languet de 1682 a 1697. N° 1208.
174 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
M. Andr£ Gouirand nous entretient, d'autre part, des bandes de violons
qui pullulaient en Provence et qui pretaient leur concours aux fetes, cere-
monies et divertissements de toute nature1). A Lyon, les archives de la
Charity revfclent Texistence d'une «Acad&nie royale de musique>, orga-
nist dfcs 1671 par les frfcres Salx et Nicolas Le Vasseur2). Malgr£
Tabsence de documents explicites, il faut admettre que la ville d'Aix,
capitale de la Provence, cit6 parlementaire et Erudite, n'etait pas privee
de pareils spectacles. En 1662, Fassemblee des Consuls fixe le prix des
places pour les «nouvelles pifcces», entendez par Ik les operas, et revient
sur cette question le 20 mai 1666 3). Probablement, la troupe de Gaul-
tier s'en fut donner des representations k Aix.
Mais, k cot6 des entreprises laiques, d'autres compagnies contribuaient
k propager k Aix le gotit des operas et ballets. C'est ainsi que le college
des J&uites, non content de servir de theatre aux tragedies scolaires
classiques, donnait encore l'hospitalit^ k des ballets avec musique. Une
curieuse plaquette, dat^e de 1686 et imprim^e k Cologne, apporte lfc-
dessus les plus grandes precisions4).
Les Pfcres J^suites d'Aix, pour feter la nomination du nouvel arche-
veque, avaient fait repr^senter en 1686 un ballet od le successeur du
cardinal Grimaldi apparaissait sous les traits d'un h^ros environn^ de
personnages mythologiques, Jupiter, Hercule, Orphee, Apollon, Mercure, etc.
Et le factum en question de s'indigner de cette reception «si profane et
si payenne*, de ce divertissement oil «l'Innocence, laV^rit^ et la Religion
ne paraissent que pour etre deshonor£es»5). II reprochait durement aux
J&uites d'inspirer k la jeunesse une dangereuse passion pour la danse
que condamnent les saints Docteurs.
Les occasions ne manquaient done pas & Campra de s'initier k la
musique dramatique. H faut croire qu'il en abusa, car le chapitre, fort
On savait deja que Pierre Gaultier avait sejourne a Avignon. Une piece de ses
Symphonies, publiees par Ballard, en 1707 est intitulee: «Les Prisons>, et porte
Tindication ci-apres: «L'Auteur composa cette piece dans les Prisons d' Avignon*
(pp. 14, 15]. Le texte du ms. de Carpentras nous apprend de plus un detail encore
in<§dit, a savoir que Pierre Gaultier £tait organiste a Marseille.
1) Consulter a ce sujet Andre Gouirand, La Musique en Provence et le Conser-
vatoire de Marseille, 1908, pp. 49 et suiv.
2) Voir Arch, de la Charite de Lyon: F. 13 (1671—1699), K. 299 .1687—1688; et
E. Vingtrinier, Le Theatre a Lyon au XVJIF sieele, 1879, pp. 3, 4 et suiv.
3) Renseignements fournis par M. Jaqmin, archiviste departemental a Aix.
II 6tait defendu aux comddiens, en 1666, de reclauier pour le prix des places, une
somme superieure a la taxe reglementaire 15 sols, et cela, sous peine de 300
livres d'aniende.
4) Aris aux Peri rends Pi res Jisuites d Aix-m-Provcnee, sur un Imprimt- qui a
pour litre'. Ballet dansv a la Iteccption de Monseigncur I'Arcltvrequc dAix, Cologne.
1686. Bib. nat. Ld*» 217;.
5} Ibid. p. 14.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra. 175
des r&glements auxquels nous faisions allusion plus haut, prit, en mars
1681, la determination de le congedier. Mais Campra fit amende hono-
rable; il «demande k Messieurs qu'il leur plaise voulloir le recepvoir au
pardon de sa fautte protestant voulloir etre plus sage k Tadvenir que
par cy-devant, si le chapitre a la bont£ de le reprandre*.
Les chanoines se laissent toucher et reprennent l'enfant prodigue; ils
decident que Campra rentrera au chapitre aux memes conditions et gages
que pr^demment, seulement, ils prononcent une fois de plus l'interdic-
tion d'assister aux representations profanes:
«Deffences sont faites, dit la deliberation capitulaire du 26 mars, a luy
et a tous les autres serviteurs du Chapitre de faire ny d'adcister aux op6-
rats qui se font dans la ville, soit pour y jouer des instruments ou pour y
chanter, soubz payne de congg, sans que M. l'Administrateur puisse leur en
donner la permission) et que l'hors quails seront employes pour aller chanter
ii des processions ou a d'autres eglises, ne pourront y aller sans l'expresse
permission dudit Sieur Administrateur soubz les memes peines de conge* et
la presente deliberation sera lue a la table de la communaute* par le
greffier* 1).
Voil& done Andre Campra rentrd en grace aupr&s du chapitre, et cela
si bien, que le 27 mai 1681, les capitulants, pour lui t^moigner leur bien-
veillance, le nomment ben^ficier de leur eglise. Messire Jean Baptiste
Armand, pretre, sous-sacristain, nomme k un benefice vacant, s^tait d&nis
k cette occasion, «de la chappellanie fondle au grand autel soubz le
tittre du S* Esprit, de laquelle il estoit recteur» 3). Les chanoines con-
fferent cette chapellenie k « Messire Andre Campra, clerc tonsur£ comme
plus entien serviteur du chapitre*4).
Campra ne devait pas profiter longtemps des avantages que lui accor-
dait ainsi le chapitre. Un peu plus de deux mois aprfcs etre entr£ en
posession de sa chapellenie, le 7 aout 1681, il quitte Aix pour Aries oti
le chapitre de St. Trophime l'appelle en qualite de maitre de musique.
«Monsieur 1' Administrateur a diet que Andre* Campra, serviteur de l'Eglise
vient prendre conge* de luy le septiesme du courant pour aller jouir de maistre
de musique au Chapitre d' Aries, de quoy en a vollu donner cognoissance a
Messieurs. Sur quoy a este dellibgre* que ledit Campra ne sera plus re$u au
service de ceste Eglise »4).
La Borde rapporte que Campra fut appel£ k Toulon en 1679 pour
remplir des fonctions de maitre de musique de la cath^drale5) et cette
allegation, acceptee par FtStis, a ete rep^tee par la plupart des biographes
de notre musicien. Les documents que nous venons de citer la rendent
1) DeUib. capit. du chap, de St Sauveur d'Aix. Reg. 23. fo 219. 29 mars 1681.
2} Ibid., Reg. 23. fo 222*0, 27 mai 1681.
3i Ibid.
4) Delib. cap. du chap, de St Sauveur. Reg. 23, fo 225*0, 10 aout 1681.
6; La Borde, Essai sur la musique ancienne et moderne, III. p. 401.
176 L» de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra.
bien improbable, car ils se concilient mal avec une absence de Campra
entre 1678 et 1681. — En 1678, en effet, Campra re^oit la robe noire;
en 1681, il est pourvu d'une chapellenie «en quality de plus ancien ser-
viteur*, circonstances qui amfenent Pabbe Marbot k infirmer le dire de
La Borde et de F&is1). Cependant, La Borde declare que la notice
donn£e par lui sur Campra est de la propre main du musicien. H se
pourrait done que celui-ci ait fait un court sejour k Toulon en 1679,
comme maitre de musique provisoire.
«S* Sauveur, Scrit M. Marbot, l'aurait prete a Sl Marie de la Seds de
Toulon, pour remplacer momentanement son maitre de musique, comme il
lui avait prete* son organiste Eustache Foudr6, en 1661 et 1664, pour le
relevage de ses orgues*2).
Observons n^anmoins que les registres du chapitre d'Aix restent muets
sur cette absence de Campra, et qu'aucun document des archives de
Toulon ne contient mention du sejour que le musicien aurait fait dans
cette ville en 16793).
II.
Le sejour de Campra k Aries, comme maitre de musique de la me-
tropole de S* Trophime dura deux annees, de 1681 k 1683. Nous avons
vu que notre musicien avait quitte le chapitre d'Aix le 7 aout 1681. Le
22 aoilt, le chapitre d' Aries lui confiait la direction de sa maitrise:
« Cedit jourd'hui, le chapitre a receu pour Maistre de chapelle, Mr Andre*
Campra, aux gages ordinaires* 4).
Quels etaient ces gages ordinaires et comment etait compos<5e la
maitrise de S* Trophime ? Un manuscrit des Archives d' Aries, va nous
permettre de r^pondre k ces deux questions.
Nous y lisons, en effet, que le « corps de musique > se composait:
(a) d'un maitre de musique qui avait pour ses honoraires: 1°) la table
commune avec les autres ecclesiastiques attaches au chapitre, 2°) 150 livres
en argent, 40 en casuel, et environ 150 livres de casuel supplementary
en assistant aux processions des confreries; (b) de 4 enfants de choeur,
nourris, loges, «et entretenus sains et malades* par le chapitre, excepte*
seulement pour la fourniture des bas. Ces enfants n'avaient pour toute
recompense que les modiques etrennes que quelques chanoines leur
1) Abbe* Marbot, Qilles, Cabassol et Campra, p. 11.
2) Ibid. — Le 22 mai 1663, on vote 200 livres pour remonter les orguee de la
cathedrale. Arch. man. de Toulon, BB. 63 f° 66.
3i Les recherches effectives a notre intention par M. Mireur archiviste du Var
sont demeur6es negatives, et on ne trouve an c une mention da passage de Campra
a Toulon dans l'ouvrage que Msr Tortel a consacre a la cathedrale de cette ville:
Ms* Tortel, Notice historiquc sur Veglise S** Marie de Toulon, Toulon 1896.
4) Arch. dep. des Bouches-du-Rh6ne. — Delib. du Chapitre d'Arles. 22 aout
1681, fo 263vo.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesee d' Andre Campra. 177
donnaient, et qui ne s'&evaient pas k plus de 9 livres. Lorsqu'ils
quittaient la maitrise, le chapitre leur fournissait un habit complet, 2
ou 3 chemises et 60 livres en argent
Outre les 4 enfants titulaires, il y en avait 2 ou 3 surnumeraires ;
ceux-ci n'^taient point entretenus et avaient seulement Tespoir d'obtenir
une place, au fur et k mesure des vacances1).
Tel etait done l'etat de la maitrise lorsque Campra y entra. Pour
les organistes, le chapitre proc^dait par contrat pass6 par devant notaire.
Ainsi, le 20 septembre 1619, Francois Trouche, maitre organiste d' Aries
s'engageait k toucher des orgues k S* Trophime, les dimanches et jours
de fetes, moyennant un salaire de 120 livres. La convention comptait
pour 3 annees, et l'organiste s'obligeait, en outre, k donner tous les
jours une le^on k un des enfants de choeur2).
Le s^jour de Campra k la maitrise d'Arles parait s'etre effects en
toute tranquillite. Nulle mention ne figure, dans les registres capitu-
laires, de difficult^ survenues entre le maitre de musique et les cha-
noines. Campra assagi ne merita aucune r^primande pendant les deux
annees qu'il passa k S* Trophime. En revanche , il eut k exercer ses
talents, non point seulement, conform&nent aux devoirs de sa charge,
mais encore pour des fetes profanes auxquelles il preta sa collaboration,
avec Passentiment du chapitre.
H existait, en effet, & Aries, une «Academie» dotee de Lettres patentes
par Louis XIV en septembre 1668 3). Cette Academie, qui fut affiliee
ii 1' Academie frangaise, le 5 fevrier 1670, avait coutume, k chaque com-
mencement d'annee, de faire dire une messe du S* Esprit, laquelle 6tait
chantee. En 1682 et 1683, on celfcbra cette messe aux Cordeliers, et la
partie musicale en fut, sans doute, confiee k Campra. Lors de la
naissance du due de Bourgogne, petit-fils de Louis XIV (6 aoilt 1682),
la ville d' Aries, comme toutes les autres villes de France, se livra k des
rejouissances. «On chanta un Te Deum apres vespres, et Ton fit ensuite
la procession de Saint- Gen^s k l'accoustumee4)*. L' Academie, de son
1) Recherche pour Serrir a Vhistoire ecclesiastiquc (T Aries par Veran (Ms. Arch.
d'Arles). T. I., p. 209. — Communique obligeamment par M. l'abbe* Chailon, cure
de l'Albaron. L'archeveque d'Arles, au moment ou Campra fut nomine* titulaire
de la maitrise m^tropolitaine, 6tait Mp* de Monteil de Grignan. Voir abbe* Tri-
chaud, Histoire de la S*< Eglise <T Aries, 1867. pp.163— 174.
2) Contrat du 20 7™ 1619. Notaire Claude Saxy d'Arles, f<> 261.
3) Voir sur ce point U Academic d'Arles au XVII* si&cle, tfapres les documents
originaux, Etude historique et critique par A. J. Ranee, 3 vol. in-8o. Paris, 1886 — 1890.
Des l'annee 1622, sous Inspiration de M. de Grille d'£stoublon, il s'etait forme* a Aries
une sorte de cour d'amour, sous le titre d Academie du bel esprit et de la belle go-
lanterie. Cette Academie n'eut qu'une existence £ph6mere, mais elle donna peut-
etre l'idee de celle qui la suivit et qui se fonda en 1666. (Eance. I. p. 166).
4) Arch. d'Arles. Livre B. Sacristie p. 369. Signe «Boche Sacristain*. Nous
savons par le ms. 788 de la Bibliotheque Mejanes d'Aix (Annales de la ViUe cTAix)
178 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
cote, organisa une fete particulifcrement brillante1), dont les registres de la
compagnie ont conserve le detail. Le programme en fut arrete dans la
seance du ler octobre 1682. M. d'Ubaye etait charge de prononcer le
panegyrique du roi, et la ceremonie devait comprendre une importante
partie musicale «La musique commencera un recit, disent les registres,
dont M. Giffon s'est charge k Thonneur de M. le due de Bourgoigne et
de la maison royalle2)*. On fit des repetitions en presence des Acade-
miciens les plus competents en matifcre musicale, et la fete fut fix^e au
19 octobre. «MM. de Boche, de Cays et Giffon et M. de Gageron qui
s'entendent bien en concert, prennent la peine de voir F essay de Pop£ra que
ces messieurs de la musique doitvent faire; ils ont rapporte que le tout
serait comme il faut3)». Les < messieurs de la musique*, que mentionne
le registre academique, sont les chanteurs de la cathedrale auxquels
s'etaient joints quelques symphonistes «externes» de la ville4). Ce meme
registre decrit minutieusement le dispositif arrete pour Tamenagement
du local des Penitents oti se deroula la c6r&nonie, et entre autres, la
decoration de Templacement reserve h la musique5). Puis, il relate les
diverses particularites de la fete. Aprfcs le panegyrique du roi, « Mes-
sieurs de la musique se firent ouir, et Ton admira la douceur et la
variete de la Symphonie, aussi bien que les recits et vers qui la com-
posoient. M. Giffon les avait faicts et heureusement adjusts aux hon-
neurs du roi et du prince nouveau-nai». La musique acheva la seance,
aprfcs quoi, on reconduisit les personnages de distinction qui y avaient
assist^6). L'« opera* execute en cette circonstance se composait de parties
symphoniques, de recitatifs et d'airs; e'etait quelque chose comme une
cantate, un prologue succinct de tragedie lyrique, une de ces compositions
de circonstance, aliegoriques et courtisannesques, oti la mythologie relevait
de majeste olympienne les compliments de rigueur. Quant h Tauteur de
la musique, il n'etait vraisemblablement autre que Campra. Nous voyons,
que les rejouissances faites pour celebrer la naissance du due Bourgogne occasion-
nerent a la ville d' Aries une defense de 435 livres, 11 sols, 10 deniers.
1) Ranee. Loc. cit. Ill, p. 405.
2) Regist. de l'Academie f° 217, Seance du ler octobre 1682, et Ranee, III, p. 408.
3) Ibid.
4) II ne semble pas qu'il y ait eu a Aries de corps de musique profane de 1680
a 1685. La musique de S* Trophime devait faire les frais des fetes arlesiennes.
5} «On avait mis une tapisserie de point fort fine et desliee depuis la voute
jusqu'au balustre en cette partie de laChappelle [des Penitents gris], ou Ton devoit
loger la musique*. Regist. de TAcademie i° 217.
6) II v avait la, outre des prelats as6ez nombreux, des dilettanti fort distingues,
entre autres le marquis de Chateaurenard, grand amateur de musique, qui possedait
un luth ayant coute 110 pistoles ; cgeul, rapporte M. Ranee, M. Jean de S* Martin
d'Arles se vantait d'en posseder un meilleur* (Ranee, Loc. cit. II, p. 412, en note.
La Oaxettc de France, No 106, p. 723 et le Mercure galant de novembre 1682, pp. 289
a 295 donnent des relations de cette fete.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra. 179
en effet, quelques annees plus tard, lors d'une c&dmonie analogue (Fete
en Thonneur du retablissement du roi le 8 fevrier 1687), TAcaddmie
d'Arles demander au meme Griffon les paroles d'un cantique k la gloire
de S. M. , paroles qu'elle fait mettre en musique « par le Sr Aubert,
maistre de chapelle de la cathedrale d' Aries, Tun des plus c&febres com-
positeurs et du meilleur gout qu'il y ait en France1)*. Plus loin, le
Mercure galant nous apprend qu'il y avait un prelude symphonique suivi
du motet ou cantique dont les paroles dtaient dues k M. Griffon 2). Ainsi,
c'etait au maitre de musique de la cathedrale que les Acad&niciens avaient
confix en 1687 la partie musicale de leur fete, et ils avaient sans doute
agi de meme en 1682. De sorte que M. Griffon aurait 6\6 le premier
librettiste de Campra, et que notre musicien aurait fait ses debuts dans
le genre divertissement, lors de son sdjour k Aries.
Mais Campra put utiliser ses talents en d'autres circonstances et,
notamment, lors de la soutenance des thfcses au college des Jesuites.
Ces soutenances s'accompagnaient, en effet, de musique; et nous le savons
par le rdcit qui nous a et<5 conserve d'une solennitd littdraire c£lebr6e
au college le 26 aout 1683, peu de temps aprfcs que Campra ent quitte
Aries3). Arnaud Eymin y soutenait une thfcse de rhetorique d^dide k
PAcademie d' Aries, et la seance s'ouvrit par «un concert d'instruments
pour desennuyer 1' Assemble, en attendant qu'on commen$at4)>.
H n'y aurait done rien d'etonnant k ce que Campra eilt collabord
k quelque fete du meme genre, ou k quelque representation thdatrale
donnde par les It. R. P. P.
Le sejour de Campra h Aries ne parait pas s'etre prolonge au-delk
du mois de mai 1683, car une deliberation capitulaire, en date du 14 mai,
decide la nomination d'un autre maitre de chapelle:
«Ce jourd'huy 14 may 1683, a est£ tenu chapitre par messieurs cy-
dessous escrits — — —
Ce jourd'huy, le chapitre a receu pour maistre de Chapelle M. Fauconet
aux gages ordinaires* 5).
Ce fut sans doute Fauconet, successeur de Campra k la maitrise
1) Voir a ce sujet le Mercure galant de mars 1867, pp. 66 — 76. — Cost encore
la musique de la cathedrale dirigee par M. Aubert, maitre de chapelle qui se fait
admirer & la ceremonie celebr£e chez les Penitents bleus en la mSme circonstance.
Mercure galant, fevrier 1687, p. 177.
2) Ibid.
3) Nous verrons plus loin que Campra quitta Aries en mai 1683. Les Jesuites
dirigeaient le college d'Arles depuis 1636. La plupart des Academlciens de cette
ville avaient ete leura eleves.
4) Bib. Mejanes. Ms. 839. Mercure galant de nov^o 1683, p. 113. — Voir aussi
Ranee, VAcadimie d Aries au XVII* Steele, II. pp. 468—477 et Une thtee de rheto-
rique au College des Ji suites d'Arles, Marseille, 1887.
5'1 Arch. dep. des Bouches du RhOne. Deliberations du Chapitre d'Arles, 1683,
fo 19vo.
180 L. de la Lauren cie, Notes sur la jeunesse d1 Andre* Campra.
m&ropolitaine, qui dirigea l'execution des « concerts* dont s'accompagna
la soutenance de thfese du jeune Eymin.
HI.
En quittant Aries, Campra s'dtait rendu h, Toulouse oh il avait su
que la maitrise de S* Etienne etait vacante, et oh il devait demeurer 11
ans, en qualite de maitre de musique de cette (Sglise. Les registres
des deliberations du chapitre m^tropolitain conserves aux archives de-
partementales permettent de reconstituer le cadre oil Campra v6cut
alors. Sans presenter Taspect important qu'il devait revetir au XVJLLL6
sifccle, aspect dont le chevalier du Mfege a retrace le tableau *), le chceur
de S* Etienne , par le nombre et la qualite des voix qui s'y f aisaient
entendre, pouvait, & juste titre, passer pour un des meilleurs et des plus
founds de France. Les ceremonies du culte se deroulaient dans une
pompe grandiose, digne de l'antique et glorieuse cite et, sans aucun
doute, l'atmosphere artistique de la ville des Capitouls n'alla point sans
influencer profondement le genie du jeune maitre de chapelle. Tou-
louse n'£tait alors que po£sie et musique. Fetes publiques, entrees
princieres s'environnaient d'ex^cutions musicales. Les Capitouls ne sor-
taient point sans se faire pr£c£der de leur «Vergier» portant la verge
d'argent, de leurs «Trompetes et Hautbois dits Mdnestriers2)>. A la ca-
thedrale, le chapitre prenait le plus grand soin de l'entretien des belles
orgues de la tribune ; le 29 ddcembre 1677, ils en confiait la reparation,
moyennant 600 livres, k un sieur Joyeuse de P^zenas3). La maitrise
^tait l'objet de toutes ses attentions; l'entretien s'en prenait & bail de
durde variable (2 ou 3 ans) et renouvelable, et le fonds du chapitre
des archives notariales de Toulouse a conserve, notamment, un des con-
trats intervenus k cet effet entre les celieriers du chapitre et M° Pierre
Mourgue dit Cousin, pretre et prebendier de S* Etienne. H s'agit du
bail de la maitrise de S* Etienne, passe le 25 novembre 1644, par de-
vant Me Hugues Brassac, notaire. Cette pifcce, fort interessante, indique
les conditions auxquelles le chef de la maitrise devait se soumettre:
1) <Dan8 les c6r£monies, £crit M. du Mege, le chceur de la metropole devait ren-
fermer 98 ecctesiastiques ; et si on ajoute a ceux-ci, lorsque Tarcheveque etait pre-
sent, ses 8 grands vicaires, on atteindra le chiffre de 105 et Ton aura une id6e de
la pompe des ceremonies, de l'aspect imposant que pr£sentait ce chceur dans Jet
tribunes duquel etait placee la chapelle de musique . . . .» [Histoire des institution*
de Toulouse, par le chevalier Are du Mege, Toulouse, 1844, III, pp. 149 — 150;. — Sur
l'^glise S* Etienne, consulter aussi d'Ald^guier, Notice, dans les Memoires de la
societe archeohgique du midi de la France. T. I. 1832.
2) Relation de Ventree d'Anne de Montmorency, gouverneur de Languedoc,
28 juillet 1533. {Annates de la Ville de Toulouse par de Rozoi, Toulouse, 1772. II.
pp. 18. 19;. Sur les men£triers de Toulouse, cf. Morin, Les associations cooperatives
de joucurs d instruments a Troyes, au XVII' Siecle. Troyes, 1896. Les statute des
m en es triers toulousains remontaient a Tan 1492. (Morin. Loc. cit. p. 23 .
3) D61ib. du Chapitre de S* Etienne. — 29 decembre 1677.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeonesse d1 Andre" Campra. 181
c Preincrement, sera tenu d'entretenir de la depense de bouche huit en-
fants portant robe et un autre supernum6raire pour prendre la robe et en-
trer dans le choeur pour supplier a celui qui pourra etre malade. Plus sera
tenu de nourrir un sous-maitre capable d' enseigner les enfants a la musique
et de chanter sur le livre.
Plus sera tenu de nourrir un maitre de grammaire qui lui sera bailie*
par Messieurs du Chapitre pour enseigner les lettres de grammaire et e*criture
auxdits enfants.
Plus sera tenu de tenir blancs et nets lesdits enfants et faire aussi
blanchir le linge n6cessaire pour l'usage de lad. maitrise . . .
Sera aussi tenu led. Mourgue, a la fin de cette charge, laisser un livre
de messes et magnificats pour servir au choeur.
De plus sera tenu a enseigner a son possible auxd. enfants la musique
et composition d'icelle et en avoir tel soin qu'un bon maitre doit avoir >1).
Les conditions materielles auxquelles le bail ^tait consenti pr&entent
pour nous un certain int^ret, car, vraisemblablement, elles ne furent gufcre
modifies lorsque Campra prit la maitrise.
<Et pour subvenir aux susdites charges et son salaire, ledit Chapitre
sera tenu lui faire bailler tous les jours huit pains mofflets et quatre miches
de la boulangerie dud. Chapitre, qu'il prendra pour son droit d'entrSe comme
pretre de choeur, ensemble la miche dud. sons- maitre. Plus lui sera bailie*
tous les ans la quantity de huit pipes vin pur, et outre ce, lui sera bailie"
la somme de 150 livres en argent, pour le retranchement de quatre miches
que les precedents maitres avaient accoutume* de prendre par dessus les sus-
dites. Comme aussi, lui sera bailie" la somme de 50 livres pour les trois
pipes vin retranchees des onze qu'on avait accoutume de bailler aussi auxd.
precedents maitres. Et de plus, la somme de 60 livres pareillement accou-
tume' de bailler chaque ann£e pour la nourriture du maitre de grammaire ».
Les registres des deliberations du chapitre de S* Etienne montrent
que ces conditions changfcrent peu depuis 1644 jusqu'k Parriv6e de
Campra. Nous voyons, en effet, que le 10 Janvier 1681, Passembl^e
capitulaire fait un reglement pour la maitrise; elle donne une place de
pretre h Cousin qui, depuis 1678 2), remplissait les fonctions de maitre
de musique et lui octroie 200 livres de gages, moyennant quoi il doit
entretenir 9 enfants de choeur3). On reconnaitra dans ces 200 livres
de gages, les 200 livres qui figurent d£j& au contrat Mourgue en rem-
placement de d^livrances en nature (pain et vin). Aprfcs le depart de
Cousin, le 17 avril 1682, on nomme k sa place Bouteiller, maitre de
musique au Mans. Mais le nouveau titulaire semble peu press£ de se
rendre k son poste; au commencement de mai, il ne Pa pas encore rejoint,
et comme le chapitre a Phabitude de faire composer un motet pour la
1) Arch, dee Notaires. — Fonda du Chapitre de S* Etienne. — Registre de
Hugues Brassac, notaire.
2) Arch. de> de la Hte Garonne. S'e G. Deliberation du 15 avril 1678; il £tait
nomme pour 2 ans.
3} D61ib°n du 10 Janvier 1681.
182 L, de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
fete de la Pentecote, c'est le fils de son organiste, le sieur Lanes qu'il
charge de soin '). L'absence de maitre de musique avait pour resultat de
provoquer de nombreuses auditions de candidats qui venaient se pro-
poser et faire chanter dans le choeur. Campra eut vent de la vacance
de St Etienne et accourut k Toulouse. Le 11 juin 1683, il est charge de
la maitrise de l^glise pour un an seulement, moyennant un contrat.
Voici le texte de la deliberation:
«Le Yendredy lle Jour de Juin 1683, a huit heures du matin, dans
la salle et lieu capitulaire de l'Eglise mStropolitaine de Toulouse, ont 6te
presents et assembles en chapitre, suivant la coustume MM . . .2).
Monsieur de Rudelle, chantre, a propose que le sieur Campra, maistre
de musique qui a desja fait chanter plusieurs fois dans le choeur, prie la
Compagnie de vouloir luy donner la maistrise d'icelle Eglise. Sur quoy
il prie la Compagnie de delibe>er. Et ayant este* opinS, il a este* arrests
que led. Sr Campra est nomine* a la maistrise de cette Eglise, et que le con-
trat luy en sera passe" pour un an, par Monsieur le chantre et par Monsieur
le Cellerier> 3).
Les recherches effectudes h Toulouse pour d£couvrir le contrat passe
entre Campra et le chapitre n'ont pas permis de mettre la main sur
cette pifcce; nous savons, cependant, qu'elle figurait dans les minutes de
Thomas, notaire et secretaire du chapitre de S* Etienne4). Aussi, avons-
nous transcrit plus haut les parties essentielles d'un contrat analogue
pass£ en 1644.
Au choeur de S* Etienne, Campra trouvait comme organiste ce Ma-
thieu Lanes que nous avons vu composant le motet de la Pentecote.
Mathieu Lanes venait d'etre nomme organiste pour 5 ans, en remplace-
ment de son pfcre ddc£de5). Nous connaissons aussi les noms de quel-
ques-uns des musiciens qu'il allait dinger. C'est ainsi que la musique
comprenait deux joueurs de serpent, dont Tun, de'jii ancien, Nadal, avait
6te augmente en 1680 6), et dont le second £tait entr<5 la meme annee
k S* Etienne7). H y avait aussi un sieur Solier «musicien», aux gages de
1) Delibons du 23 Janvier 1682, du 17 avril 1682 et du 8 mai 1682.
2) Nous donnons ci-apres les noms des membres du Chapitre presents a cette
deliberation: MM. de Corny nihan, archidiacre, de Comere, arcbidiacre, de Ru-
delle, Cbantre, de Pelauque, de Catel, Daussonne, de Flotte, de Lautrec, de Glatens,
J. B. de Catelan, P. de Comere, Daspe, Despaigne, et de Julliard, chanoinee.
3) Arch. dep. delaHte Garonne. S** G. Registre N<>151. Le registre n'est pasfoliote.
4) La collection des minutes de Me Thomas presente des lacunes; ces minutes
ne sont conservees que dans le 4e registre de ce notaire, qui commence en 1690;
les 3 premiers registres ont disparu.
6) Arch. dep. de la Hte Garonne. S'« G. Don du 22 octobre 1682.
6 Par deliberation en date du 2 juin 1680, les gages du serpent Nadal furent
augmented de 40 sols par mois. 11 est a remarquer qu'on trouve un Francis
Nadal cite avec Campra dans une deliberation du chapitre de N. D. de Paris du
31 decembre 1696. (Arch. nat. L. L. 226 fo 750—751).
7) Arch. dep. de la H^ Garonne. Do* du 13 aout 1680. Ce deuxieme serpent
touchait 8 livres de gages par mois.
L. de J a Laurencie, Notes sur la jeunease d' Andre* Campra. 183
15 livres par mois1), et une basse-taille du nom de Thonin, engage le
22 novembre 16802). La chapelle possedait encore un joueur de basse
de viole, qui s'acquittait de ses f emotions h la satisfaction du chapitre,
puisque celui-ci 6lhve son salaire en 1681 3).
Pour les grandes fetes, on faisait appel k des <musiciens externes*,
residant dans la ville, ou venus du dehors ; ainsi, k l'occasion de la fete
de S* Etienne, le chapitre decidait, en 1681, de faire venir une basse-
taille de Rodez et de lui payer son voyage4). D'ailleurs, Toulouse ne
manquait ni de chanteurs, ni d'instrumentistes, et on s'en apergoit bien,
en parcourant la relation des fetes qui s'y c£16brfcrent en 1682, en l'hon-
neur de la naissance du due de Bourgogne. Ce ne sont que concerts
de toute espfcee. A Tarchevechd, lors du feu d'artifice dress6 dans
l'avant-cour du palais archidpiscopal, « les hautbois et les trompfctes> se
font entendre tour h tour des fenetres5). Chez le premier President, il
y a une magnifique collation «avec un concert de voix mel£ de sym-
phonic6)*; concert encore avec tambours, trompettes et hautbois donn6
par Me Baladier, capitoul, au couvent de FObservance de S* Francois 7).
Les strangers s'associent aux rejouissances nationales, et le s&ninaire
des Irlandais, tquoique pauvre*, c&fcbre magnifiquement la fete. De nom-
breux instrumentistes y ex^cutent un brillant concert, dans lequel, se
souvenant sans doute de la harpe qui figure sur les armes de la verte
Erin, ils introduisent cet instrument:
♦Pendant les trois jours des rejouissances publiques, il y eut devant leur
Porte un grand Feu de joye et sur une Galerie qui repond a la B.iie, estoit
un Concert de Harpes, Guitarres, Flageolets et Flutes douces, le tout accom-
pagne de quelques voix qui, quoyqu'^trangeres, ne laissoient pas de former
une harmonie agr^able qui duroit jusqu'a minuit»8).
Chez les Jesuites de la maison prof esse, les deux chapelles de
Sl Etienne et de S* Saturnin se reunissent pour chanter les vepres:
«TJn Concert de Trorapetes, de Hautbois et de Violons commenca les
vespres qui furent chantees par une excellente Musique composee de toutes
les plus belles voix des deux Chapitres (S* Etienne et Sl Saturnin), et de
la Ville ••).
1) Arch. dep. H*e G»*. D°» du 13 aout 1680.
2} Ibid. Don du 22 nov^e 1680. Les gages de Thonin etaient fixes a 100 ecus
par an, avec la «miche», evaluee a 2 pistoles.
3; Don du 26 avril 1681 ; le joueur de viole touche 40 sols de plus par mois.
4) Don du 5 juillet 1681.
5, Mercure galant, octobre 1682. T. I. p. 218.
6) Ibid. p. 220.
7) Ce concert eut lieu le 2 aeptembre. Ibid. p. 236.
8) Ibid. pp. 238—239.
9; Ibid. p. 243. Chez les Dames chanoinesses de S* Pantaleon, «les hautbois
et les trompettes.. placez dans le Ravelin de leur eglise, faisaient un agreable con-
cert* (p. 247,.
s. d. IMG. x. 13
184 L* de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
Ces divers documents montrent que Toulouse 6tait riche en ressour-
ces musicales et que la musique y 6tait activement cultivee.
A peine install^ dans ses nouvelles fonctions, Campra manifeste des
vell&t£s de musique instrumental. Sur sa proposition, le chapitre de-
cide, le 25 juin 1683, que deux violons seront achet^s «pour enseigner
aux enfants1)*.
Ainsi Campra, qui, plus tard, devait introduire les violons au choeur
de Notre Dame de Paris, s'employait d6jk k propager Fusage de ces
instruments dans la musique de St. Etienne. Les violons devenaient en
effet n^cessaires pour l'execution des motets, dans lesquels la voix
s'appuyait fr^quemment sur deux dessus de violons. Nous rencontrerons
des exemples de ce dispositif dans la propre ceuvre de Campra. Peut-etre
aussi, le maitre de chapelle songeait-il k la musique profane et aux fetes
qui se c£l£braient k Toulouse meme, dans le college des Pfcres de la
Congregation de la Doctrine chr£tienne; Ik, on repr&entait k l'occasion
de la distribution des prix que le Maire et les Capitouls donnaient tous
les ans aux &&ves de rh^torique, des tragedies accompagn^es de chants
et de ballets2). II y avait aussi des fetes musicales k Toccasion des
Jeux flcraux. Le 5 avril 1684, on chante dans le grand consistoire de
P Hotel de Ville une pifcce du sieur Aphroidise, maitre de musique de
Tdglise S* Sernin, intitule: VOuverture des Jeux flcraux de Toulouse*).
Pendant cette premiere annee de la direction de Campra, le chapitre
s'attache d^finitivement la basse-taille Thonin; ce chanteur est nomme a
vie, k raison de 20 livres par mois, «tant qu' il conservera sa voix4)*.
Puis, le 9 juin 1684, k l'expiration de Tann^e pour laquelle Campra avait
6t6 engage, celui-ci sollicite et obtient le renouvellement de son contrat,
dont quelques particularity nous sont signalees dans la deliberation ca-
pitulaire intervenue k cet effet. Nous y voyons que Campra, comme
ses pr£d£cesseurs, touchait des d&ivrances en nature, et non pas seule-
ment des «miches> comme Mourgue, mais bien du ble:
«Le Vendredy neufviesme jour de Juin 1684, a Tissue des offices du
choerfr, dans la salle et lieu capitulaire de l'Eglise m£tropolitaine de Tou-
louse . . . Monsieur de Rudelle, chantre, a propose* que le sieur Campra.
maistre de musique de la Chapelle de cette Eglise, prie la Compagnie de
lui renouveler son contrat et de luy accorder les douze setiers et demy de
bled qu'on donnoit aux pr6c6dents maistres, au dessus des vingt portes par
son dernier contrat. Sur quoy, ayant este opin6, il a estc* delibere* que le
contrat sera renouvelle* pour quatre annees audit sieur Campra et que la
1) Arch. dep. de la Hte Garonne. Serie G. Reg. 151. Do* du 26 juin 1683.
2, Mercurc galanU septembre 1697, pp. 235 et suiv.
3 Aphroidise fut nomine inaitre de musique a S* Etienne en 1696; il y pre-
c6da Farinelli. Cf. Beauchamp. Ill, p. 184.
4^ Don du 26 Janvier 1684.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra. 185
Compagnie, luy accorde les douze setiers et demy de bled au-dessus des vingt
portes par son prudent contrat, faisant en tout trente-deux setiers et
demy » 1).
Le premier contrat de Campra portait done la mention d'une de-
livrance de 20 setiers de ble. La decision de l'assembiee capitulaire est
tout k Thonneur de notre musicien; elle montre qu'on etait satisfait de
ses services k Sl Etienne, car, non settlement on augmentait ses gages,
mais encore, on se Tattachait pour une periode de 4 annees.
Toujours preoccupe de perfectionner l'education musicale des enfants
confies k ses soins et aussi, de ddvelopper au choeur l'eiement sympho-
nique, Campra propose, en 1685, de faire l'acquisition d'une «vieille
ba8se> pour apprendre k ses elfcves k en jouer2). Sa reputation a dtl
s'etendre et se confirmer, car nous le voyons appele, en quality de maitre
de musique, aux Etats de Languedoc qui se tinrent k Montpellier, du
23 octobre au 10 decembre 1685 3).
La tenue solennelle des Etats comportait une partie musicale plus ou
moins importante, Te Deum, Messe du Saint-Esprit et Procession*). Ces
diverses ceremonies necessitaient, non seulement un corps de chanteurs,
que Ton r^unissait k Toccasion de la session des Etats, mais encore des
groupes d'instrumentistes. C'est ainsi que, pendant la tenue de 1628 k
Toulouse5), un sieur Mathelin participe aux fetes avec sa bande de vio-
lons et de hautbois. On lui delivre une gratification de 37 livres, 10 sols
pour avoir joue, lui et ses compagnons, k la procession generate des
Etats6). Nous retrouvons, 11 ans aprfes, le meme Mathelin en fonctions
et touchant, pour le meme motif, une gratification de 30 livres7).
Disons de suite que la partie vocale Temportait de beaucoup sur la
partie instrumentale dans les fetes musicales qui accompagnaient la tenue
des Etats. On chantait tous les jours k la messe; aussi, les sommes
destinees k la remuneration des chanteurs sont elles plus considerables
que celles qu'on alloue aux instrumentistes, dont le role parait plus in-
termittent. Pendant la tenue de Beziers en 1637, les Etats decident que
1) Don du 9 juin 1684.
2) Don du 7 avril 1684.
3) Ce furent le Cardinal de Bonzy et le due de Noailles qui presiderent a la
tenue des Etats. [Histoirc de la Villc de^MontpeUier par Charles d'Aigrefeuille, 1737,
T. XIX. pp. 458, 460.
4) Sur le ceremonial des Etats consulter: Ceremonial des Etats generatix de
la Province de Languedoc par M. de Scudier, consul de Ni£mes. Bib. de Toulouse,
ms. 989, f° 179 et aussi: Ceremonial des Estats generaulx de la province de Languedoc.
Bib. d' Aries, ms. 9, fos 561—577.
5) Les Etats se tinrent a Toulouse en 1628, du 2 mar6 au 23 juin. Arch. dep.
de la lite Garonne. Etats de Languedoc. C. 2300.
6) Arch, de la Hte Garonne. C. 2300. fo 167 a 233. Inventaire sommaire p. 242.
7) Ibid. C. 2302. Inv. sorn. p. 264. — Etats de 1639 (du 21 novembre au 16 de-
cembre).
13*
186 L. de la Laurencie, Notes sur la jeuneese d' Andre Campra.
le maitre de musique de B^ziers et ses compagnons recevront 600 livres
pour avoir chants h la procession des Etats et tous les jours h la messe.
Seulement, on ajoutait, qu'a, Tavenir, il serait accords seulement 300 livres
pour la musique, pendant la duree de la session. Les Etats, on le voit,
n'ignoraient point Teconomie 1).
Durant cette session de 1637, Torganiste touchait 38 livres de grati-
fication pour sa participation k la procession, et les joueurs de hautbois
qui avaient assists k la c^remonie recevaient une gratification de 32
livres *).
La satisfaction que les deputes ressentaient de ces diverses mani-
festations musicales, se traduisait parfois par des distinctions concedees
aux maitres de musique qui avaient su leur plaire. Ainsi, lors de la
tenue de, Carcassonne en 1666 — 1667, les Etats temoignaient de la vive
admiration qu'ils ressentaient pour le sieur Molinier, maitre de musique,
en le nommant, k vie, «intendant et maistre de musique des Etats » et
cela, moyennant un salaire de 5000 livres par an, «& charge de com-
poser une musique des 16 meilleures voix de la province3)*. Molinier
prit comme survivancier le maitre de musique du due d'Orllans, le
sieur des Sablifcres, pendant la session qui se tint & Montpellier en 1675
— 1676 4). — H s'agissait ici de Jean Granouillet, sieur des Sablifcres,
Passocte de Perrin et de Guichard pour la gestion de POpera5).
Lorsque Campra fut appele k Montpellier pour diriger la musique
des Etats pendant la session de 1685, il ne remplissait lit que des fonc-
tions d'int^rimaire, car le maitre de musique titulaire etait Malet, depuift
la fin de l'annfe 1684 •).
Ce Malet ne parait pas devoir etre confondu avec Andr6 Mallet,
maitre de musique de la chapelle des Etats depuis la fin de Pann^e 1705,
oil il remplagait le sieur Moreau, demissionnaire, que son homonyme avait
pris comme survivancier7). II est possible que le Malet qui occupait
1) Arch. dep. de la H*e G»*. C. 2302^ a Beziers. — Stance du 15 decembre 1637.
lnv. som. p. 737.
2) Ibid. Seance du 16 decembre 1637.
3) Ibid. C. 2315. f° 258. Session de Carcassonne, du 29 novembre 1666 an
7 mare 1667. Inv. som. p. 368.
4] Ibid. C. 2320. Session de Montpellier, de novembre 1675 a f^vrier 1676L
Inv. som. p. 394.
5) Sur des Sablieres, voir Les Origtnes de V Optra fran^ais par Ch. Nuitter et
Er. Thoinan, Paris, 1886, pp. 184 et suiv., 320 et suiv. Un sieur de la Sabliere,
maitre de musique des Etats de Languedoc, meurt a la fin de 1684 et une pension
de 600 livres est accordee a sa veuve (Arch. dep. de la H*« Garonne, C. 2329). —
(Test probablement le me me musicien.
6 Arch. dep. H*e Garonne. C. 2329. — (Nov^e, Decembre 1684).
7. Le 6ieur Malet ou Mallet, nonime en 1684 en remplacement de la Sabliere, eat
comme survivancier le sieur Moreau a la fin de 1692. [Etats de Languedoc. C. 2337
session de Pezenas du 20 nov*»™ 1692 au 17 Janvier 1693. Inv. som. p. 442], U ne
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra. 187
I'emplai de maitre de musique des Etats en 1685, n'etait autre que ce
Malet <T Avignon que nous voyons prendre part en 1683 au fameux
concours institu^ pour recruter des maitres de la chapelle royale1). Si
cette hypothfese est exacte, on voit que Campra devait jouir d6]k d'une
grande reputation, pour que Tassembl^e provinciale l'appelat k remplacer
un maitre qui avait eu l'honneur d'etre mand£ k Versailles. On trouve
un echo de cette reputation pr^coce dans le Sentiment (Tun harmoni-
phUe de 1756. L'auteur, traitant des particularity de la vie de Campra,
s'exprime ainsi:
«Son genie pour la Musique s'etant developpl, il g'appliqua de bonne
heure a la composition. A peine avait -il 25 ans, (1685) que sa reputation
voloit de toutes parts* 2).
Quoi qu'il en soit, avant de se rendre aux Etats, Campra demandait
un cong£ pour aller k Aix. Cest ce que nous apprend la deliberation
capitulaire du 13 septembre 1685:
« Monsieur de Rudelle, chantre, a propose que le sieur Campra, maistre
de musique, prie la Compagnie de luy accorder la permission et la presence
pour aller a son pays, et ensuite aux Estats ou il est oblige de faire chanter.
Sur quoy ayant opine, il a este delibere que la Compagnie accorde le
conge et la presence aud. Campra jusques a huit jours avant les festes de
NoeM).
Les cbanoines voulaient bien preter leur maitre de chapelle, mais ils
tenaient k ce qu'il eut rejoint son poste pour pouvoir preparer la so-
lennite de Noel. Campra ne fut pas d'ailleurs le seul representant de la
maitrise de S* Etienne k Montpellier, car, le 6 octobre 1685, le chapitre
accordait un conge k la basse-taille Thonin, pour lui permettre d'aller
chanter pendant la tenue des Etats4).
Nous ne savons rien de precis sur le role que Campra joua k Mont-
pellier et sur le salaire qui lui fut alloue pendant la tenue des Etats.
L'annee 1686 voit surgir un differend entre Campra et les quatre
cantoraux de 8l Etienne, differend dont les archives capitulaires ne
semble pas devoir etre le meme que le sieur Andre Mallet «nomme* maitre de mu-
sique des Etats a la place du sieur Moreau demissionnaire> [C. 2350 a Montpellier,
du 10 decembre 1705 au 8 fevrier 1706. Inv. som. p. 478]. Cest Andre Mallet qui
composa ? Impromptu de Nismes, pastorale representee le 9 decembre 1714 chez
M. le Marquis de Maillebois, Lieutenant general pour le roi en Languedoc (de Beau-
champs. Loc. cit. p. 89). — Cest peut-etre le meme personnage qui a compose la
Cantate patoise et les Psaumes des mss. 1182 et 1185 de la Bibliotheque d* Avignon.
Voir: A. Gastoue, La Musique a Avignon et dans le Comtai du XIVe au XVITP sticle
(Mvista musicals italiana, T. XI, 1904).
1) Sur le concours de 1683 auquel 36 musiciens prirent part, voir M. Brenet,
La Musique sacree sous Louis XIV. 1899. p. 11.
2) Sentiment (Tun harmoniphile sur differ ents ouvrages de musique, 1756, p. 41.
3) Arch. dep. de la Ht« Garonne. S*e G. Regiatre N° 161. — Don du jeudi,
13 septembre 1685, a Tissue des offices da chceur.
4) Ibid. Don du 6 octobre 1686.
188 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
disent pas la nature; une plainte contre Campra faisait l'objet d'une
requete adress^e par les cantoraux au chapitre. Aprfcs lecture de cette
requete k l'assemblee capitulaire, deux chanoines et les celleriers sont
nommes commissaires afin de mettre d'accord le maitre de musique et les
cantoraux1). Une semaine apres, la paix regnait derechef au choeur de
S* Etienne, les adversaires ayant reconnu devant M. de Madron et les
autres commissaires que leurs griefs reciproques n'existaient plus1).
A cette epoque, Campra provoque 1' achat d'une haute- contre de
violon, et le choix d'un joueur de basse 3). En meme temps, le chapitre
prend des mesures contre les chantres peu disciplines qui montraient de
la mauvaise volonte k chanter le plain-chant4).
Mais, Campra lui-meme laissait enfreindre par les £lfcves la discipline
de la maitrise, et il s'entend menacer par le chapitre qui ne veut point
que les enfants chantent au dehors sans une permission speciale. Le
samedi 23 mars 1686, l'assemblee capitulaire lui adresse un bref et de-
cisif avertissement.
«Sur la proposition de Mr le Chantre, il a este* delibere qu'en renou-
velant les anciens regie mens, il est deTendu au maistre de musique, a peine
d' est re mis for is, de permettre que les enfans aillent chanter hors de l'eglise
sans Texpresse permission de la Compagnie*5).
Nous ne tarderons pas k constater que Campra ne sembla pas tenir
un compte assez s&ieux de cet avis. Et pourtant, le chapitre de
S* Etienne se montre d'une large tolerance et accorde volontiers les per-
missions exig^es par les r^glements, lorsqu'il s'agit de faire chanter les
enfants en dehors de l'tSglise. C'est ainsi, qu'au mois de juin, il donne
au maitre de musique 1'autorisation de les emmener chez les Penitents
blancs6).
Les documents que nous fournissent les archives capitulaires paraissent
montrer que, si Campra s'acquittait bien des devoirs artistiques de sa
charge, il n'^tait point sans temoigner d'une certaine negligence k regard
de l'administration de la maitrise. En aoilt 1686, il fait cong^dier des
enfants de chasur depourvus de voix et le chapitre le charge de pourvoir
k leur remplacement. Mais, en meme temps, les chanoines proc£dent a
la nomination de deux intendants qui devront remedier au d&ordre qui
rfcgne dans la maitrise7).
1) Arch. d£p. de la H*e Garonne. Don du vendredi 18 Janvier 1686.
2) Ibid. Don du vendredi 25 Janvier 1686.
3) Ibid. Don du 8 fevrier 1686.
4) Ibid. — M§me Don.
5) Ibid. S'« G. — Chapitre de S* Etienne. Registre no 161. — Don do 23 man
1686. — Cette prohibition £tait alors d'ueage general. On la retrouve formulae
par tous les chapitres, notamment a Rouen, a Nantes et a Blois.
6) Ibid. Don du 14 juin 1686.
7) Ibid. Don du 9 aout 1686.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesee d' Andre Campra. 189
Campra ne tient pas la main & ce que les r^glements soient stricte-
ment observes; il laisse faire, et la discipline s'en ressent. Aussi, le
chapitre lui adresse-t-il, k nouveau, une verte reprimande pour sa negli-
gence:
<M. de Rudelle, chantre, a propose qu'il a este* averti, qu'au prejudice
des defenses que la Compagnie a fait au Sieur Campra, maistre de musique,
de laisser sortir les enfans que pour le service de cette eglise, il a entrepris
neanmoings d'en faire sortir quelqu'un, mesme la nuit, a quoy il serait im-
portant de pourvoir. Sur quoy ayant este* opin£, il a este* delibere" qu'avant
d'ordonner quelque peine contre led. Campra, il sera mande" par le bedau
pour venir sur l'heure comparoistre devant le chapitre >.
Aussitot, le bedeau d'aller chercher Campra et de l'amener devant le
chapitre. Lk, M. de Comynihan, archidiacre et president, l'interroge sur
les faits qui lui sont reproch^s:
«A quoy led. Campra auroit respondu qu'il estoit vray que Louis, en-
fant de chouir, estoit sorty un soir seulement, en chaise, parce que Mon-
seigneur l'Archevesque Tavoit souhaite' ainsy, et que mesme led. Louis estoit
revenu dans la mestrise a fort bonne heure et auroit d£ni£ sous suportation
les autres faits. Apres quoy, led. Sieur de Comynihan luy ayant ordonn£,
de la part du Chapitre, de ne plus entreprendre cela, a peine d'estre puny,
luy auroit enjoint de se retirer*.
On le voit, Campra cherche k se tirer habilement d'affaire en impu-
tant la sortie nocturne d'un de ses elfcves k un d&ir exprimi par l'ar-
cheveque lui-meme. — Malgr£ 1'excuse qu'il invoque, le chapitre reitfcre
les anciennes prohibitions et menace Campra de congddiement, en cas de
recidive:
«Et ayant este opine sur cette affaire, il a este d£lib£re qu'en confirmant
les anciens rSglements pris sur ce sujet, il est de nouveau deTendu au maistre
de musique de laisser sortir les enfants hors du service de l'^glise, a peine
d'estre congSdie^1).
Nous avons clit plus haut que le chapitre donnait volontiers k tout
ou partie de ses chanteurs des autorisations pour aller chanter au dehors.
On en a une nouvelle preuve au mois d'avril 1688, oti l'assembl^e ca-
pitulaire permet k 6 musiciens du choeur de se rendre k Pamiers, afin
d'y chanter le jour de la S* Antoine, fete patronale du diocese. C'etait
l'eveque lui-meme qui avait sollicitd cette collaboration des chanteurs
de S* Etienne, demarche des plus flatteuses pour la musique que diri-
geait Campra2). Le chapitre veillait aussi k ce que les pr^bendiers et
les pretres du cha3ur apprissent le plain-chant; il prenait meme des
mesures £nergiques pour vaincre leur apathie, d^cidant que, si au bout
de trois mois ils n'avaient pas satisfait & ses injonctions, ils seraient
1) Arch. de> de la H*® Garonne. S'« G. Don du 24 Janvier 1687.
2) Delib°n du 3 avril 1688. — Le 22 octobre de la meme annSe 1688, le Chapitre
de St Etienne renouvelait pour 5 annees le contrat qui le liait a l'organiste Lanes.
190 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andre* Campra.
cong£di6s *). En 1690, Campra fait renvoyer k leurs families des enf ants
de choeur sans voix2), et, probablement par suite de l'importance crois-
sante du service, le chapitre £tudie la question de la nomination d'un
sous-maitre de musique h la maitrise3), pendant qu'il renouvelle le bail
pass£ avec un des meilleurs musiciens du choeur, le sieur Thonin, qui
regoit dorenavant 16 livres par inois4).
Dans son prdcieux Dictionnaire critique, Jal a narr£ la singuli&re
histoire arrivde h Campra & Toulouse, en mars 1690. — H s'agit d'un
enrolement forc6 dont le musicien aurait (Ste victime de la part d'un
enseigne de vaisseau, le chevalier de Julliard, charge de recruter des marins
pour l^quipage du vaisseau Le Strieux*). Jal cite k 1'appui de son
r^cit un grand nombre de pieces des archives de la Marine que, jusqu'a
present, nous n'avons pu retrouver6), k V exception de la lettre ci-aprfcs,
ecrite par Tarcheveque de Toulouse & Pontchartrain, pour se plaindre des
agissements du trop z6\6 officier:
A Toulouse, ce 15** mars 1690.
Monsieur,
< II y a icy le Sieur Chevalie de Juliard, enseigne de vaisseaux qui, sous le pretexts
d'one recriie qu'il vient faire icy, a faict toutes les violances imaginables, nonobstant
toutes les remonjrances que Ton luy ayt pu faire et, afin que vous en ayez une cog-
noissance parfaicte, vous s$aures qu'ayant passe icy de la part du roy douze charpen-
tiers et fabricateurs de rame pour aller a Rochefort travailler aux nouvelles galeres, le
Sieur Juliard enleva de force un des charpentiers pour le mener a la guerre ; le com-
missaire de la marine qui conduisoit les dix-huict homines me vint trouver sur le soir
pour me prier de luy donner main forte et du monde pour chercber dans toute la
1) Delibon du 4 d<§cembre 1688.
2) D&ibon du 20 Janvier 1690.
3) Delibon du 11 fe>rier 169a
4) Deliberation du 26 fe>rier 1690. — Un maitre de «dessus de violon* du
nom de Tbonin babitait a Paris, rue de la Verrerie, en 1691. (A. du Pradel, Lkrt
commode des adr esses de Paris; p. 48).
5) II y avait au cbapitre de S* Etienne un cbanoine du nom de Julliard. La
famille de Juliard a donne des conseillers au parlement de Toulouse; c'est ainsi
qu'en 1589, Denis de Juliard est conseiller au Parlement (Arch, de la Hte Garonne,
C. 1562. Inv. som. p. 253), que de 1623 a 1630, Gilles de Julliard est conseiller au
Parlement (Ibid. B. 435. fo 511, B. 452. f<> 239, B. 501. f» 480, B. 505. f<> 333, — En
1686, il y a encore un conseiller du meme nom. (Ibid. C. 2331. Inv. som. p. 429).
— Nous n'avons pas trouv6, aux Archives de la Marine, de dossier au nom du
Chevalier de Julliard.
6) Voici les pieces citees par Jal et qui se rapportent a TafFaire Campra:
Lettre de M. de La Moignon de Basville, Montpellier, 16avril; — lettre du
Ministre a M. de La Moignon, 7 mars; requetes de Campra; lettre de M. de La
Moignon, 18 mars; dire de M. de Juliard, 12avril; affirmation sur les Saints Evan-
giles de noble Gaudens La Forgue, faisant profession de porter les armes. Cf.
Jal, Dictionnaire critique de Biographic et a" Histoire, p. 311.) — Ces diverses pieces
etaient classees sous la date du 16 avril 1690, aux Documents historiqucs des
Archives de la Marine, lorsque Jal les a consultees. Depuis, on a adopts, pour
ces archives, un autre cadre de classement, et il se pourrait que le dossier Campra
ait £te disperse.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andr£ Campra. 191
ville son charpentier; je luy ay donne* beaucoup de monde pour aller par toute la. ville
et particulierement chez les capitaines et ofnciers qui faisoient des recrues; il s'y
trouva le charpentier dans la maison du Chevalie de Juliard qu'il avoit mis en pri-
son par force et fust conduit dans mon archevesche* et il le remit entre les mains du
commissaire de la marine, qui n'ayant nulle habitude a Toulouse, s'adressa a moy de
vostre part; le Sieur Chevali6 de Juliard a faict plus; de chagrin de ce que Ton avoit
oste le charpentier, il a pretendu avoir enrole le maistre de musique de mon eglise
cathedrale; Ton luy a demande quelle preuve il avoit de son enrolement; il a dit qu'il
l'avoit enrole de son authorite; cela estant, Ton la faict consigner par une ordonnance
du subdel6gue de Monsieur de Basvil i), qui cognoist icy de la contestation qui arrive
des enrolemens; il n'a rien respondu, Tordonnance ayant este encore a Monsieur de
Basvil, il a donne1 une autre ordonnance qui ordonne qu'il prouvera dans trois jours
le pr£tandu enrolement; il n'y a rien respondu, et dit qu'il ne recognoit icy nulle
justice que la nostre; Monsieur de Basvil a toutes les procedures concernant cette
affaire qu'il ne manquera pas de vous envoyer; Ton ne peut s'imaginer la hardiesse
du Sieur Juliard disant partout qu'ayant Madame d'Arpajon pour sa protectrice;
Vous luy enverrez un ordre du roy pour qu'il soit obey; ce sont gens d'un pays un
peu chaud dont il faut reprimer l'impetuosite et leurs faire cognoistre qu'il se faut
<jonduire autrement; comme le Sieur Chevalier de Juliard est un ofncier de marine,
J 'ay cru Monsieur que je debvois vous instruire de ce detail afin que le roy et vous y
mettiez l'ordre que vous jugeres a propos. Voila la verity de ce qui s'est passe* tant
pour les charpentiers et fabricateurs de rame qui ont passe* par icy pour aller Roche-
fort que pour le maistre de musique de 1' eglise cathedrale de Toulouse. Je suis tou-
jours avec beaucoup de respect, Monsieur, Vostre tres humble et tres-obeissant ser-
viteur. J.-B. M. Colbert, arch v. de Toulouse2*).
Ce Juliard £tait en effet, un personnage qui ne manquait pas d'aplomb;
en depit des ordres exprfcs du roi, il se livrait k Toulouse, pour le compte
de son chef, le commandeur de Bellefontaine de la Malmaison comman-
dant le vaisseau Le Stirieux en armement & Toulon3), k une veritable
«presse de matelots*. II s'etait adress^ k Campra dans le but de decider
deux des choristes de la cathedrale k s'enroler, et, sur le refus de ceux-
ci, il pretendait enroler de force Campra lui-meme4). En reponse aux
protestations du maitre de musique, Juliard manifesta purement et sim-
plement Fintention de le faire emprisonner. D'ou, intervention de Parche-
veque; le 27 fevrier, un juge ordonne que, danp trois jours, Tenseigne prou-
vera que Tenrolement nie par Campra est veritable; Juliard reste coi, et
le 18 mars, M. de Basville, l'intendant de la province, declare nul ce
pretendu enrolement. Mais, comme Juliard menace encore, Pontchar-
train fait communiquer le dossier de Taffaire k Basville, et c'est alors
que l'enseigne recalcitrant imagine tout un roman. A Ten croire, Campra
1) M. de La Moignon de Basville, intendant de Languedoc a Montpellier. —
Sa correspondance pour Tannee 1690 est dans B3 62. (Arch, de la Marine.}
2) I/archeveque de Toulouse etait Mg«" Jean-Baptiste-Michel Colbert de Villa-
cerf. — Arch, de la Marine. B3 62. fos 74, 75, 76. — Voir aussi B3 62, fo 73.
3) Sur le Serieux, voir Arch, de la Marine B» 65. 48. 49. — II s'agissait, en
Tespece, de la flotte qu'armait Tourville.
4) Cf. Jal. Loc. cit. p. 310.
192 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre" Campra.
est ,un libertin qui a seduit une jeune fille et qui trouve ingenieux de
se soustraire k la vengeance de [la famille de sa victime, en s'en allant
faire campagne au loin. Juliard possfede, en la personne de Gaudens la
Forgue, un temoin de l'aveu de Campra. Fort heureusement, tout cet
echafaudage de mensonges s'ecroule, et le pauvre musicien recouvre en-
fin la liberty1).
II peut alors reprendre k la maitrise, et en toute tranquillity ses
occupations favorites. Le 7 avril, on lui adjoint, conformement k la
deliberation prise au mois de fevrier, un sous-maitre charge d'apprendre
la musique et la grammaire aux enfants et aussi, de jouer de la basse 2).
C'est un sieur Duton qui se voit nomme aux appointements de 3 livres
par mois3).
Que se passe-t-il au choeur durant l'annde suivante 1691? H semble
que certaines pieces de la composition de Campra n'aient pas eu Theur
de plaire au chapitre. C'est au moins ce qui parait pouvoir se deduire
d'une deliberation prise le 4 aout, et aux termes de laquelle Tassemblee
capitulaire ordonne au maitre de musique de lui faire connaitre les mo-
tets qu'il compose, avant d'en diriger l'execution4).
Mais le sejour de Campra k Toulouse ne durera plus longtemps d£-
sormais. Dfcs le debut de 1694, le musicien demande un conge, et voici
ce que decide la Compagnie:
«M. Daussonne, chantre, a propose* que le Sieur Campra, maistre de mu-
sique de la Chapelle du Chapitre. prie la Compagnie luy dormer quelques
mois de cong£, pour aller a Paris, ou il espere se rendre plus capable de
rendre des services a la compagnie, ayant, sous le bon plaisir de la com-
pagnie, charge Me Malefette, prestre du choeur, du soin de lameuagerie de
la maistrise, et le Sieur Thonin, musicien, de la direction de la musique;
sur quoy, ayant est6 opine, il a este" deliber6 que la Compagnie accorde le
conge" aud. Sieur Campra jusques au prochain mois de may>5).
A quelles preoccupations obeissait Campra en demandant ce conge
de quatre mois? Etait-ce, ainsi qu'il le pretendait, afin de «se rendre plus
capable de rendre ses services* au chapitre, soit en s'entourant des con-
seils de musiciens renommes de la capitale, soit en allant s'y approvi-
sionner d'oeuvres qui y jouissaient de la faveur publique? Nous savons
que nombre de maitres de musique de province sollicitaient des assem-
blies capitulaires de leurs residences l'autorisation de faire le voyage de
Paris, k l'effet de se tenir au courant, de prendre connaissance des nou-
veautes parues et d'en laisser beneficier leurs maitrises respectives •).
1) Jal, Loc. cit. p. 311. 2) Don du 7 avril 1690.
3) Don du 26 mai 1690.
4) Don du 4 aout 1691.
6) Arch. dep. de la Hte Garonne. Serie G. Chap, de St Etienne. Reg. n* 162.
Don du 8 Janvier 1694.
6) C'est ainsi qu'a Nantes, par exemple, les organistes Julien Louin et Jean
L. de la Laurencie, Notes sur la jeuneese d' Andre* Campra. 193
Mais l'intention secrete de Campra n'&ait-elle pas toute autre, et son
ambition ne le poussait-elle pas k invoquer un pretexte de perfectionne-
ment personnel ou de services k rendre, pour prendre pied k Paris et
s'y installer definite vement ? En agissant de cette manure prudente, il
ne brtilait pas les ponts derrifere lui, et se m^nageait une porte de
rentree. Ce que nous apprendrons par la suite du caractfcre de Thomme
incite k penser que Campra manquait de sinc&itd en masquant son ddsir
de quitter Toulouse sous une apparence de d^vouement au chapitre
de S* Etienne.
Toujours est-il que les chanoines confiaient, en son absence, la direc-
tion de la maitrise k ce Thonin dont il a d6jk 6te question k plusieurs
reprises.
Campra revint-il k Toulouse k Texpiration de son cong£, ou bien
resta-t-il k Paris? Les deliberations capitulaires ne nous fixent pas k cet
egard. Mais, au mois de juillet 1694, c'est-k-dire deux mois apr&s la termi-
naison de son cong£, la maitrise de S* Etienne £tait d£clar£e vacante, par
suite de sa nomination comme maitre de chapelle de Notre-Dame de
Paris. L'assemblee demandait de faire connaitre la vacance au-dehors
et de s'enquerir de bons sujets capables de la combler. On confiait Tin-
t£rim k Torganiste Lanes1).
Un mois apr&s, le 7 aoilt 1694, la place de Campra dtait mise au
concours :
«Le l6rSamedi, septieme jour du mois d'aout 1694, a une heure apres-
midi, daus la salle et lieu capitulaires de l'Eglise M6tropolitaine de Tou-
louse . . . M. Daussonne, chantre, a propose* que la compagnie a 6te* in form ee
que le Sieur Campra, Maitre de musique de cette Eglise, a 6t6 nomine*
maitre de chapelle du Chapitre de Notre-Dame de Paris, et que, par la, la
maitrise de la Chapelle de cette Eglise etant vacante, il faudrait delib£rer
sur ce que la Compagnie trouvera a propos de faire sur ce sujet; sur quoi
ayant este* opinS, il a este delibe>e que la charge de maitre de musique de
cette Eglise sera mise au concours le 25 octobre 1694 pour estre donnSe a
celui qui en sera trouve* le plus capable, Messieurs lesdits cell6riers 6tant
pri£s d'en ecrire dans toutes les principales villes du royaume*2).
Le successeur de Campra, Bart, ne fut nomme que le 10 fevrier 1696,
aux gages de 18 livres par mois3).
Ainsi, soit basard, soit tactique, le sejour de Campra k Paris entraine
sa rupture definitive avec le chapitre de St. Etienne. C'est maintenant
\
Picot e'en vont a Paris, soit seuls, soit avec les maitres de musique, «afin de se
perfectionner dans la profession* et «pour apprendre les nouvelles modes* en 1685,
1688, 1713 et 1715. Voir notre ouvrage, ISAcademie de musique et le Concert de
Sanies a V hotel de la Bourse, p. XL lis obtiennent, dans ce but, des cong£s.
1) Arch. de> de la Hte Garonne. Serie G. Reg. n<> 152. Don du 3 juillet
1694.
2) Ibid. Don du 7 aout 1694.
3) Ibid. Don du 10 fevrier 1696.
194 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andre* Campra.
k Notre-Dame qu'il va falloir suivre le musicien pour examiner les di-
verses p&ip£ties de sa carrifcre.
IV.
Nous venons de voir que, dfcs le 3 juillet 1694, Tassembl^e capitulaire
de St. Etienne enregistre la nomination de Campra en qualite de maitre
de musique de l^glise m^tropolitaine de Paris. Cest, en effet, le
21 juin 1694, qu' Andrd Campra fut promu k cette dignity. II n'avait
pas encore 34 ans, et la distinction dont il etait Tobjet lui ouvrait une
voie aussi brillante qu'enviee1).
Voici le texte de la deliberation du chapitre de Notre-Dame relative
k la nomination de Campra. Apr£s avoir accord^ k son prddecesseur
Jean Mignon2), ancien enfant de choour de la maitrise et maitre de mu-
sique k Senlis8), le canonicat de S* Aignan, le chapitre ajoute:
*Postmodum, acta sunt gratia per Domitws organo Domini Decani ipsi
Domino Joanni Mignon de tntmere Magistri Musices et SymphoniarcJiae Eccle-
siae Parisiensis, per ipsum, per triginta annos digne laudabiliter et sapienter
gestof ac Ulico} receptus fuit per Dominos in iUius locum , Magister Andrceas
Campra, Clericus diocesis Aquisextiensis, nuper symphoniarcha Ecclesice Metro-
politans Tolosance, in Magistrwm musices et SymphoniarcJiam Ecclesiae Parir
sioisis, ad hujusmodi munus gerendum ad stipendia assueta et qu<zmdiu Do-
minis placuerit*4).
Si Ton rapproche ce texte de ceux des deliberations capitulaires de
St. Etienne de juillet et d'aout 1694, on constate que le maitre de mu-
sique toulousain passa directement de sa maitrise provinciate k celle
de Notre-Dame, et qu'entre ces deux situations, il ne remplit aucune
autre fonction. Cest done k tort qu'un grand nombre de biographes
ont soutenu que Campra, avant d'entrer k Notre-Dame, occupait chez
les J&uites (k la Maison Professe de Paris) la place laissee libre par
1) Campra n' etait pas le premier maitre de chapelle de St Etienne qui fut
passe* a N. D.; en 1575, cet honneur etait accorde a Raymond de la Cassaigne.
L'abbe" Chartier (F. L.) V ancien chapitre de N. D. de Paris et sa maitrise, cTaprts
les documents capitulaires. (1326—1790) Paris, 1897, p. 80.
2) On connaft de Jean Mignon:
10) 5 messes a 4, 5 et 6 voix qui furent imprimees chez Ballard. Dans l'Ap-
pendice musical qui termine l'ouvrage precite, l'abbe Chartier a public le Eyrie,
le Gloria et le Sanctus de la Messe Johannes est nomen ejus et le Domine sal-
vum de la Messe L&titia sempiterna (p. 263 et suiv.).
20) Des Airs a 4 parties publics par Robert Ballard en 1664. Jean Mignon
fut nomm6 maitre de musique le 30 aout 1664.
3) Cf. L'abbe Chartier loc. cit. p. 112. — La prebende de S* Aignan, dans This-
toire de Notre-Dame, a un caractere constant; elle est toujours accordee aux
chantres ou beneficiers dont les chanoines desirent recompenser les bons et fideles
services. Cf. Chartier loc. cit. p. 63, p. 183 et suiv.
4) Arch. nat. Registres capitulaires de N. D. de Paris. — Deliberation du
lundi, 21 juin 1694. LL. 225 f<> 118. 119. — Le titre de csymphoniarque*, donne
au maitre de musique, remontait au 16 Janvier 1645.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra. 195
la demission de Charpentier1). De tous les auteurs du XVIII# sifccle,
la Borde est le seul k garder le silence sur cette particularite, silence
d'autant plus significatif, qu'ainsi que nous l'avons dej& dit, il assure
tenir sa notice biographique sur Campra de la main meme de celui-ci2).
La reception de notre musicien au chceur de Notre-Dame ne parait
pas avoir 6t6 pr^cedee du concours auquel Tusage subordonnait le choix
de tout maltre de musique. On Fa tax£e d'irr^guli&re, et il semble bien
qu'elle suscita quelque cabale. C'est, du moins, ce qui r&ulte de plu-
sieurs textes. II y a d'abord le passage suivant du Diaire de l'abbl
Claude Chastelain:
«Le Lundi 21 juin 1694, M. Mignon, maitre de musique, fut fait chanoine
de Saint-Aignan et M. Campra d'Aix, qui venoit de Toulouse, maitre de
musique, qui n'eut contre lui que les intendants de la musique*5).
II y a ensuite les vers ci-apr&s dus h la muse didactique de Serre
de Rieux:
« Campra charge d' accords moissonnes a Toulouse,
Allarma dans Paris une brigue jalouse,
Qui par de vains efforts osa lui disputer
Un prix que son scavoir eut droit de remporter.
Bientot, a ses rivaux il devint redoutable,
De ses premiers Motets le souvenir durable,
Dans son ecart prophane a la Cour conserve,
Le conduisit enfin dans un poste ^leve*)>.
Ainsi, la « brigue jalouse* dirigee contre Campra s'alimentait auprfcs
des intendants de la musique de Notre-Dame5); mais, le musicien, trfcs-
1) Jal et l'abbe Chartier ont fait justice de cette allegation qu'on trouve re-
produce dans Titon du Tillet (2® Suppl* au Pamasse francais. p. 19), dans le Die-
tionnaire des artistes (I. p. 309), dans les Anecdotes dramatiques (111. p. 89 j, dans le
Dictionnaire de la Provence d'Achard (111. p. 166:, dans F6tis, A. Pougin [Revue et
gazette musicale de Paris, 22 7b" 1861), dans la biographie Michaud, dans la Grande
Eticyclopedie, etc.
2) La Borde, Essai sur la musique ancienne et moderne, III. p. 401.
3) Vabbe Claude Chastelain et son Diaire ou Journal, par l'abbe* Valentin Dufour.
(Mtmoires de la Sociite de Vhistoire de Paris VIII, 1885 p. 315.) L'etude de l'abbe
Dufour a ete etablie au moyen des notes, malbeureusement fort courtes, prises dans
le Diaire de Chastelain par M. Gilbert qui, pendant 30 ans, fut le conservateur de
la cathedrale de Paris. — Le Diaire de Claude Chastelain, chanoine de N. D. con-
serve* dans les archives de cette e^Hse, etait un volume de 559 pages qui s'eten-
dait du 27 fevrier 1658 au 3 avril 1711; il fut lacere par la populace le 14 fevrier
1831.
4) Serre' de Rieux: Dons des Fnfans de Latone; La Musique, Chant IV. p. 114
(1734. — L'auteur, par «poste eleve\ entend la charge de maitre de musique de la
chapelle du roi qu'occnpait Campra lorsqu'il ecrivit son poeme.
5) En principe, le Chantre de N. D. avait la haute surveillance sur la maltrise;
mais les Chanoines choisissaient parmi eux des <intendants de la Maltrise*
charges d'exercer un controle sur c-tte institution et de diriger le jury qui exa-
minait les candidats maitres de musique, lors du concours essaye" pour la ldre fois
en 1568. (Chartier, loc. cit. p. 79.; •
196 L. de la Lauren cie, Notes Rur la jeunesse d' Andre* Campra.
manceuvrier, avait su se concilier des intelligences dans le sein du cha-
pitre. Ceci, nous le savons de sa propre bouche, car il nous apprend
lui-meme que, s'il put entrer de plain-pied k la maitrise de la cathe-
drale, il dut cette faveur k la protection d'un des chanoines les plus
influents de l^glise. Campra, d^die, en effet, sa premiere ceuvre, son
ler Livre de Motets (1695) k M. de Lagrange Trianon, Abb£ de S* Sever,
Chanoine de TEglise de Paris et Conseiller au Parlement, qui avait
tout particulifcrement apprdcid sa musique, et sa d^dicace explique aussi
clairement que possible de quelle fagon il obtint le poste si convoit^ de
maitre de musique de la mdtropole1):
€ Monsieur,
<En donnant pour la premiere fois mes ouvrages au public, mon principal devoir
est de luy apprendre que vous etes la personne du monde a qui j'ay le plus d1 obliga-
tion. Au milieu de r attention serieuse que vous donnez au service des Autels et au
ministere de la Justice, vous avez ecoute mes chants et vous les avez favorise* d'une
approbation si eclatante, qu'elle a entraine celle de tout vostre auguste Ghapitre. C'est
par vous, Monsieur, qu'il m'a rec,u comme s'il m'avait attendu, et c'est a vous encore
a qui je dois les agremens que je trouve chaque jour au service de cette majestueuse
Eglise. Enfin, c'est vous qui, en m'llevant, avez redouble* en moi Tardeur et le genie
que Dieu m'a donne pour les chants sacrez. Que ceux qui prendront gout a ces
Motets scachent done que e'est a vous qu'ils ont obligation de ce qu'ils y trouveront
de meilleur; qu'ils entrent de part dans la reconnoissance que je vous dois et qu'ils
m'aydent a publier la sensibilite et le respect avec lequel je suis, Monsieur,
Vostre tres-humble, tres-ob&ssant et tres-oblige serviteur,
Campra*)*.
Yoilk done le mystfcre un peu £clairci; grace k la protection et a
l'influence de M. de Lagrange Trianon, le chapitre a «regu Campra, comme
s'il l'avait attendu »; mais le procede ne s'etait point impose sans pro-
voquer quelques protestations.
Le lendemain de sa reception, le mardi 22 juin, Campra est installe
par M. le Chantre; il «commen$a k battre la mesure k l'antienne de
Magnificat de Saint Fargeau*, rapporte le Chanoine Chastelain3). Le
r^glement que le nouveau maitre doit faire appliquer date du 15 novembre
1632; il present Tentretien de 12 enfants de chamr, d'un maitre de
musique, d'un maitre de grammaire, de deux serviteurs, et entre dans de
minutieux details relatifs aux prestations en nature (pain, vin, viande,
1) Charles de Lagrange Trianon, Conseiller clerc au Parlement de Paris le
13 mai 1682, Abbe de S* Sever et Chanoine de l'Eglise m£tropolitaine de Paris
mourut le 10 juillet 1733 k Tage de 83 ans. II £tait fils de Louis de La Grange,
Conseiller au Parlement et President en la 2« chambre des Requetes. Cf. La
Chesnaye Desbois, IX. p. 686.
2) D^dicace de la 1*™ edition des Motets a I. II ct III rotx, arte la Basse con-
tinue par Monsieur Campra, Maitre de Musique de V Eglise de Paris. 1695. Christophe
Ballard (Bib. nat. Res. VmJ 103,. — La 2« Edition (1700; porte l'indication : Livre
premier. — (Bib. nat. Vm.i 1086).
1) Vabbt Claude Chastelain ei son Diaire ou Journal, p. 316.
L. de la Laurencie, Notefl sur la jeunesse <PAb4t6 Camera. 197
Epicene, chauffage, vetements), que le chapitre accorde k la maitrise1).
En meme temps, Campra va etre charge de diriger la musique des nom-
breux Te Deum chantes k l'occasion des victoires remport^es par les
armies royales. Dfcs le mois de juillet, pour la prise de Gerone, on
l'autorise k se procurer des «musiciens externes* mais, k condition qu'ils
soient de bonne tenue:
<Ad dictum Te Deum pleniori choro decantandum placet Dominis ut . . . .
Magister Andrews Campra, Magister musices puerorum chori assumat quosdam
Cantor es extemos, modestos quidem nee inverrecandos qui musice ea propter se
junganU*).
De plus, il assiste k des auditions de candidats chantres; le 2 juil-
let, il est present k Texamen que passe devant le chapitre Frangois
Franquefort 3).
Les frais necessites par l'engagement des «musiciens externes» ne se
chiffrent pas par de grosses sommes. Ainsi, le tr&orier de la Compagnie,
le sieur Dumeynet, rembourse k Campra 12 livres pour les musiciens
Strangers qui ont collabor£ au Te Deum chants aprfcs la prise de Pa-
lamos4). Ces musiciens sont gen^ralement pay£s sur le pied de 1H 10s
par musicien et par stance5); le prix de 12 livres correspond done k
l'engagement de 8 musiciens. C'est Campra qui en fait Tavance, quitte
k en poursuivre, auprfcs du tresorier, le remboursement moyennant la pre-
sentation d'un in&noire6). Parfois, Timportance de la solennit^ exige
la participation d'un plus grand nombre de musiciens strangers & la
niaitrise et la somme d^pensee k cet effet peut alors s'accroitre consid£-
rablement. Ainsi, aprfcs la signature du traite de Byswick, un Te Deum,
chants k Notre-Dame, y amfene des chanteurs externes pour lesquels le
chapitre paie 70 livres7). Campra qui, en sa quality de maitre de musique,
logeait k la maitrise, dans l'hotel Gaillon 8), tenait k ce que son apparte-
ment filt propre et en bon etat. En septembre 1694, le chapitre prend
une deliberation pour faire ex^cuter des reparations dans la chambre de
1) Abbe Chartier. Loc. cit.
2) Arch. nat. LL 225. f° 138. Don du 24 juillet 1694.
3) Arch. nat. LL 225. f° 131. Don du 2 juillet 1694.
4) Arch. nat. LL 225. \«* 146. 147. Don du 30 juillet 1694.
5) On voit, en effet, que 2 musiciens externes sont pay£s 3 livres, et que 8
musiciens externes touchent 12 livres. (Dons du 30 juillet 1694 et du 11 decembre
1697. Arch. nat. LL 226 f° 176). — Voir aussi: Don du 21 juin 1697 (Prise d'Ath)
LL 227 fo 122, Don du 26 aout 1697. (Prise de Barcelone) LL 227 fo 172.
6 «Ut patet ex memoriali super hoc exhibito*, dit le texte des deliberations
relatives aux remboursements.
7) Don du 10 Janvier 1698. LL 227 fo 269. — Sur la celebration de la paix,
voir Mercure galant, nov. 1697/ p. 210 et suiv.
8) Le transfert de la niaitrise dans la maison donnee par Roger de Gaillon, ancien
gup6rieur du College d'Harcourt fut decide le 14 mars 1455. — La maitrise se trou-
vait la a proximite dc realise, pres de la petite porte de N. D. dite porte rouge. La
maison fut completement refaite au XVIII6 siecle. (Chartier, loc. cit. pp. 53, 54.)
198 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andre* Campra.
son musicien; on decide que le manteau de la cheminee, qui tombe de
vetust6, sera remis k neuf et £tabli de fagon plus ^l^gante1).
Mais le maitre de musique temoignait aussi de ses tendances artistiques
en proposant aux chanoines d'introduire certaines modifications dans la
disposition du chceur. Au mois d'octobre 1694, il demande qu'il soit
apportd un changement k Templacement des chanteurs de la «schola>
pendant les vepres. II desire que, dans l'int^ret de Fensemble vocal, et
pour assurer une meilleure execution, ceux-ci se groupent autour da
lutrin. Les chanoines, fiddles traditionnalistes, repoussent la proposition
de Campra:
*Magistro Andrcea Campra Ecclesice Symvhoniarcha petente ut in vesperis
quibus musice canitur schola cantorwn ad majorem vocum unionem et con-
sonantiam ad Aquilam descehderet, conclusum fuit nihil esse innotxtndum*1}.
Les registres des deliberations capitulaires renferment peu de details
concernant Campra durant Tann^e 1695. A cette dpoque, il s'est lie
avec une famille de luthiers, la famille Cheron, et le 6 fevrier 1695,
d'aprfes ce que rapporte Jal, « Andre di Campra (sic) maitre de musique
de N. D. de Paris fut parrain k Sfc Pierre aux Boeufs d'un fils de
Jn B. Cheron* 3). H nous semble vraisemblable d admettre que ce jeune
Cheron n'est autre qu' Andre Cheron, le futur maitre de composition de
J. M. Leclair qui, en 1734, entra k l'opdra en qualite de joueur de
clavecin, et qui, par la suite, devint batteur de mesure, ler maitre du chant
et inspecteur de Torchestre4]. Andre Cheron mourut k Paris, au mois
d'octobre 1766 5). Quelques mois aprfcs le bapteme d' Andre Cheron, ud
autre representant de cette famille, Louis Cheron, entrait k la maitrise
de N. D. en qualite d'enfant de choeur8).
A la fin de l'annee, k l'occasion de la nomination de M** de Noailles
1) Arch. nat. Don du 24 7br« 1694. LL 225, fo 196.
2) Do. Don du 22 octobre 1694. LL 225, fo 254.
3) Jal. loc. cit. p. 310. — Un Nicolas Cheron est luthier, a Paris en 1658. le
19 mai de cette annee, en presence de son frere Jean aussi luthier, il fait bapti«?r
un fils a St Andre des Arts (Herluison, Actes d'etat civil d artistes musiciens, p. 9\
Un Charon, luthier renomme* pour ses bonnes cordes, habite en 1691, rue de Is
vieille Bouclerie (Abraham du Pradel, Litre commode des adresses de Paris, p. 112}.
Un autre Cheron, rue Dauphine, figure pour 5 livres sur le r6le de la Capitation
des musiciens symphonistes pour Tann6e 1696 (Arch. nat. Z*H 657).
A' Cf. Arch, de TOpera: Ms. Amelot et (Euvres melees de Travenol, 1775, p. 97. Andre
a laisse des Sonates de flute (op. I. 1727. op. II. 1729;. II a compose la
e d'un ballet militaire joue* le 3 aout 1735 au college Louis le Grand [Mer-
>ut 1735, p. 1834), et un motet a grand choeur de lui fut execute le 8 7>»
i concert spirituel. [Mercure, 7ore 1735, p. 2111).
Sa lettre d'enterrement se trouve au cabinet des titres de la Bib. nat Ms-
34.
Don du 22 7bre 1695. Arch, nat LL 226, fo 443. Un Jacques Michel Cheron,
is et musette de Poitou de TEcurie, mourut en 1740 et fut remplace par
i de Machy (Arch, nat., 9 novembre 1740. 0* 84, fo 506; .
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesae d' Andre* Campra. 199
au siege archie'piscopal de Paris, en remplacement de M** de Harlay1),
Campra, conformement k l'usage, regoit, ainsi que tous les membres de
la maitrise, quelques liberality du nouveau pr^lat2). Le «Maistre de
musique* touche, en effet, 6 escus blancs, soit 21 livres 16 sols, et la
somme total e distribute par Mgr de Noailles, k son joyeux avenement,
s'elfcve k 525 livres,. 6 sols3).
Pour celebrer la m&noire de M*1 de Harlay, le chapitre decide quil
sera chants une messe solennelle, et 18 livres sont accorde'es aux musi-
ciens strangers qui, dans cette circonstance, se joignent k ceux de
l'e'glise*).
Campra semble s'acquitter de ses fonctions k la satisfaction du cha-
pitre, puisque celui-ci l'admet au nombre des prebendiers, en lui octro-
yant le canonicat de Sl Jean-le-Rond, que Ton re*servait aux bons et
fiddles serviteurs, comme celui de S* Aignan (mail696):
« Canonicatus et Prccbenda subdidconales S. Joannis Botundi in Ecclesia
Parisiense ad collation&n provisionem et guamvis aliam Dominorum dispo-
sitionem pleno jure existentes, vacuntes nunc per dimissionem pur am et sim-
plicem Magistri Caroli Laurent, illorum ultimi pacifici, in manibus Dominorum
factam et admissam, collati sunt per Pmfatos Dominos in communi, latis de
more per scrutinium suffragiis, Magistro Andreae Campra, clerico diocesis
Aquisextiensis, Magistro musices ac symphoniarcha Ecclesia, deque ejus gremio
existenti aliasque suffieienti capaci et idoneo, qui juravit et fait instaUatus in
propria a parte sinistra chori servatis solemnitatibus asmetis**).
Quelque temps apres (de'cembre 1696), le chapitre adresse k Campra
ainsi qu'k Gerome Hynel et k Francois Nadal, un avertissement pour
engager ces trois detenteurs de benefices sousdiaconaux k regulariser
leur situation en devenant sousdiacres6). Toujours est-il que, sur Ten-tete
de son 2eLivre de Motets, public en 1700, Campra porte le titre de
cChanoine de S* Jean-le-Rond ». %
Mais, en depit de ses fonctions professionnelles et de ses dignity's
ecclesiastiques, notre musicien, tourmente par le demon du theatre, s'occupe
h ecrire des pieces lyriques. Avant que VEurope galante ne vienne
triompher k TOpe'ra, Campra s'essaye dans le genre plus modeste du
• Divertissement*; il ecrit de la musique pour des fetes particulieres, cher-
1) MP* Francois de Harlay mourut le 6 aofit 1695; il etait archevSque de Paris
depuis le 3 Janvier 1671. Son remplacant, Louis-Antoine de Noailles, quittait, pour
venir a Paris, le siege episcopal de Chalons.
2) On trouvera dans le livre de l'abbe Chartier la liste des gratifications
accordles lors de Installation de Msr de Juigne, le 5 avril 1782. pp. 180 — 181.
3) Arch. nat. 10 novembre 1695. LL 225, f° 495.
4) Arch. nat. Don du 26 novembre 1696. LL 225, f° 604.
6) Do. Don du il mai 1696. LL 225, fo 614. Laurent avait demissionne apres
deux avertissements , au Chapitre general de Paques, le 7 mai 1696. LL 225.
fo 610.
6) Do- Don du 31 decembre 1696. LL 226, fo* 750. 751.
s. d. Mia. x. 14
200 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra.
chant, semble-t-il par 1&, & preparer sa voie et k amadouer Topinion, avant
de f rapper le grand coup qu'il mddite. Bien certainement, le projet de
V Europe galante a transpire dfes Pete de 1697; nous n'en voulons pas
d'autre preuve que Tentrefilet suivant du Mercure, relatif k un divertisse-
ment execute chez le due de Sully:
«Le divertissement dont vous allez lire les paroles a fait partie d'une
Fete que Mgr le Due de Sully donna il y a quelque temps, a S. A. R.
M*r le Due de Chartres.
II a este compose* par l'Auteur de V Europe galante qui est un Balet que
Ton propose pour cet hiver et dont on dit beaucoup de bien dans le monde.
Vous jugerez, par cette piece, des espgrances que l'on doit concevoir de
Tauteur*.
Ainsi done, l'auteur de Y Europe galante est dejSt connu au mois de
septembre 1697 *), et on fait grand cas, de [son talent, dans le monde.
Nous retrouvons encore ici le Campra manceuvrier et insinuant que nous
avons d£j& vu & l'ceuvre. II ne veut pas se devoiler devant le chapitre
de N. D., mais il soigne au-debors une personnalite d^guisee.
II n'est pas sans interet d'examiner le sujet de la premiere composition
profane donn£e par Campra a Paris. Consultons done le Mercure qui, sur
ce point, va nous fournir tous les details desirables. Le « divertissement*,
mis en musique par notre musicien, comporte comme personnages, la Nuit,
Apollon, Mars; l'auteur des paroles n'a pas juge a propos de se faire con-
naitre, et sa reputation n'a rien a perdre de cet exces de modestie, car le
scenario qu'il a confix a Campra ne brille ni par 1' origin alit 6, ni par le style.
Les lieux communs y abondent et la versification en est plate; tel quel,
toutefois, il ne se prete pas trop mal a la musique, car, en mettant en action
trois personnages tres-difFe*rents, la Nuit, Apollon et Mars, il permet au com-
positeur de varier ses airs, de passer de la douce calinerie d'un «sommeil>,
a l'harmonieuse vivacite des jeux dApollon, et a l'allure heroi'que du Dieu
de la guerre. ^
cSommeil qui me suivez san9 cesse,
Eloignez de ces lieux vos languissans pavots,
J'y veux voir regner rall£gresse>.
C'est en ces termes que la Nuit appelle Apollon pres du heros (le due de
Chartres), et tous deux de chanter un duo par ou ils assurent que:
cLe jour est le temps de la gloire,
La nuit est celuy de9 plaisirs.»
Arrive Mars; selon lui, la presence d' Apollon n'est point conforme aux
d^sirs de claimable vainqueur*, car:
«Le bruit et le fracas des armes
Sont le seul Concert qui luy plait >.
A quoi, Apollon repond que le heros aspire a se delasser de ses exploits
sur le Parnasse; apres un duo de Mars et d' Apollon, une nouvelle inter-
1) Mercure galant, septembre 1697. pp. 228—229.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra. 201
vention d'Apollon provoque les «ris et les chansonnettes*; enfin, pour conclure,
un trio rassemble tous les personnages da divertissement1).
La musique de cette piecette parait perdue.
Si Campra, en tant qu'«auteur de Y Europe galante* preparait de la
sorte le succ&s de sa future pifcce, le meme Campra, en tant que maitre
de chapelle de Notre-Dame, prenait bien garde de ne point effaroucher
la susceptibility des chanoines du chapitre.
Le 24 octobre 1697, V Europe galante passait, en effet, k l'Op^ra sous le
couvert de lanonyme; voici le titre de la l6re edition de 1697, sortie des
presses de Christophe Ballard:
V Europe \\ galante \\ Ballet,
mis en musique || Par Monsieur ******
A Paris.
Chez Christophe Ballard, 1697.
Avec Privilege de S. M.2).
Le pofcme en etait du k Antoine Houdard de Lamotte qui, par une
assez singuli&re coincidence, semble avoir ete, comme Campra, un trans-
fuge du sacre au profane, car Voltaire et, aprfcs lui, la plupart des bio-
graphes du futur academicien, ont rapporte qu'avant de s'abandonner
tout entier k la carrifcre dramatique, Houdard avait tate de Fhabit
monastique3).
U Europe galante faisait son apparition & l'Acadlmie royale de mu-
sique dans des conditions tr&s favorables. Elle venait, en effet, aprfcs
une periode de marasme, remplie par des oeuvres sans relief, et contrasta
vivement par son tour vif, par son elegance affinee, avec la lourde me-
diocrite des productions qui Tavaient precedee. — Nous reviendrons,
plus loin, sur les caracteres musicaux de ce ballet. Bornons-nous, pour
l'instant, a constater le demi-succes ou Pechec des operas et ballets joues
en 1695, 1696 et durant le premier semestre de 1697. Le Ballet des
Saisons de l'ajbbe Pic et Colasse4) n'avait abouti qu'& exciter la verve
satirique de J. B. Rousseau, et, par une juste reciprocity, le Jason du
meme Rousseau, mis en musique par Colasse, aiguisait celle de Gacon5).
1) Mercure galant, septenibre 1697. pp. 228 et suiv.
2) ln-4<> obi., Bib. nat. Vm* 144. Dans une 3® edition, datee de 1699, le nom
de Campra figure sur le titre. Bib. nat. Vm2 146.
3) File d'un chapelier et ancien eleve des Jesuites, Antoine Houdard de la
Motte qui, en realite\ s'appelait Houdard, naquit a Pari* le 16 Janvier 1672. D'apres
Voltaire, il aurait ete un an novice a la Trappe. La Biographie Michaud attribue
cette retraite a l'insucces de son premier ouvrage dramatique, la comSdie des
Originaux, qui tomba irremediablement au Theatre itaiien en 1693. (Voir aussi Bio-
graphic Didot, XXIX. p. 263). Cf*. Vie de J.-B. Rousseau dans les (Euvres de Vol-
taire et Jal Dictionairc critique, pp. 687, 688.
4j Le Ballet des Saisons fut represents, pour la ldre fois, le 18 octobre 1695.
b) Jason ou la Toison d'or, Trag. lyr en 5 actes et prologue, fut representee,
d'apres les freres Parfaict, le 6 Janvier 1696.
14*
202 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra.
\jAriane et Bacchus de Marais ne reussit pas mieux en 1696 *) que la
Naissance de V&nus de Pic et Colasse2). Avec la Mtduse de Gervais,
on put esp^rer que la serie noire etait close, mais la pifece, apr&s un assez
bon d£but, ne se maintint pas8). Enfin, V&nus et Adonis de J. B.
Rousseau et Desmarets ne remporta qu'un demi-succfcs 4).
Tout au contraire, VEurope galante s'affirma de suite comme un tri-
omphe, et le «bien qu'on en disait dans le monde* avant son apparition,
fut confirm^ aussitot aprfcs la premiere representation. La cour s'y in-
teressa, et c^tait la un gage important de bonne fortune. Dangeau ra-
conte, en effet, que le grand Dauphin, aprfcs avoir assiste au conseil a
Versailles, «allait ensuite a Paris (le 27 octobre) au nouvel opera de
VEurope galante oti madame la princesse de Conti le yint trouver* 6).
D'autre part, nous savons par Lecerf de la Vieville, pourtant peu
suspect d'indulgence a regard des successeurs de son idole Lully, que
le ballet de Campra avait remporta tous les suffrages; le «Comte» des
Dialogues declarant, que les nouveaux operas ne lui font point plaisir,
s'attire cette question du « Chevalier*.
«Quoi, dit le Chevalier, VEurope galante ne vous en a point fait? Pour
celui-la, repondit M. du B . . J'avoue qu'il est privilegie* et que je vais vo-
lontiers a 1' Opera toutes les fois qu'on le joue».
«C'est toujours quelque chose, reprit le Chevalier, et vous faites bien de
l'excepter; car il y auroit de la t6me>ite* a aller contre le gout general et M.
de Francine qui le sait bien, vous dira qu'aucun opera, meme de Lulli, n'a
6t6 plus suivi que F Europe galante**).
Lecerf ne se borne pas a admirer VEurope galante en bloc; il de"-
couvre a ce ballet des beautes particulifcres; ainsi, «le Comte* trouve
que «les accompagnements de nos Airs de mouvement ont un chant
aussi suivi qu'ils doivent P avoir, lies comme ils sont aux airs qu'ils
accompagnent, et qu'ils jouent et travaillent quelquefois d'une manifere
fort s$avante»; et, de cette «mani£re fort s^avante*, il donne comme
exemple le ler air du IIe acte de VEurope galante: «Descendez pour r^gner
sur elle»7).
1) Ariane et Bacchus, Trag. lyr. en 5 actes et prologue de Saint-Jean et Marin
Marais fut representee le 8 mars 1696.
2) La Naissance de Vtnus, Trag. lyr. 6 actes et prologue — l*r mai 1696.
3) Meduse, Trag. lyr. 6 actes et prologue par l'abb6 Boyer et Gervais : 13 Jan-
vier 1697.
4) Venus et Adonis, Trag. lyr. 5 actes et prologue; 17 mars 1697. Le ballet
eTArieie de Tabbe* Pic et Lacoste, joue le 9 juin 1697 eut le meme sort.
6) Journal de Dangeau — Dimanche 27 octobre a Versailles, VI. p. 217. Ed«»
Soulil.
6) Lecerf de la VieVille, Comparaison entre la musique italienne et la musiqme
francaise. 3« Dialogue, p. 97.
7) Ibid. 2« Dialogue, p. 75. — Voici, d'apres le catalogue de M. de Lajarte,
quelle etait la distribution de VEurope galante en 1697:
Prologue: La Delie Clement (Venus), le Sr Desvoyes (La Discorde).
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre1 Campra. 203
A la reprise de 1725, le succfcs n'dtait pas encore dpuis6 et le Mer-
eare faisait le plus grand £loge de la pifcce:
<A l'Ope>a ... on donne V Europe galante le Mardi etle Jeudi. Ce
Ballet est extremement goute\ Le Sieur Muraire y chante un air Italien
<Tune beauts parfaite et dont 1' execution est tout-a-fait ravissante » *)
De son cotd, Titon du Tillet ne marchande pas les compliments au
talent de Campra. Aprfcs avoir rappele combien on goiltait ses motets
k Notre-Dame «oii il y avoit toujours un grand concours de monde pour
les entendre*, il ajoute:
«Mais lVtendue de son genie se trouvant trop resserrge dans la compo-
sition des Motets, il s'ouvrit une carriere plus vaste et composa des opera.
II suivit les traces du grand Lulli et devint presque son egal par la varied,
les graces, la beaute* et 1' excellence de sa Musique. II debuta par V Europe
galante, Opera-ballet en 4 Entries et un Prologue (1697), qui eut un succes
prodigieux; on peut meme regarder ce Ballet comme le plus parfait qui ait
paru sur le theatre*2).
Maupoint n'est pas moins dithyrambique et fait heureusement ressortir
une des caracteristiques les plus frappantes de la manifcre du musicien,
k savoir son italianisme:
• C'est (V Europe galante) , le premier OpSra de M. Campra et un des
meilleurs qui aient paru depuis Lully. Cet opera fit connaitre que l'heureux
g£nie de M. Campra n'etait pas borne* a la seule Musique d'Eglise, et quelque
reputation qu'il eut deja acquise par les beaux Motets qu'il avait fait chanter
en TEglise de Paris, ce nouveau genre de Musique ne lui en fit rien perdre
et justifia qu'il 6toit propre a l'une et a 1' autre Musique, toujours varied et
nouvelle par le gout des Musiques 6trangeres qu'il a scu allier aux manieres
Prancoises*3).
Comme bien Ton pense, la situation de Campra, musicien deglise
preoccupy, dans lexercice de ses fonctions, de son labeur dramatique,
nalla point sans donner lieu h des anecdotes, et de Fontenay se fait
r^cho de Tune d'elles, en racontant l'dpisode suivant:
1'" Entree (La France): La D*Ne Desmatins (CSphise), le S* The>enard (Syl-
vandre), le Sr Boutelou (Philene).
2« Entree (L'Espagne): Le S'Cbapelet (Don Pedro), le S* Hardouin (Don Carlos).
5« Entree (L'ltalie): La D«n« Moreau (Olympia), Le 8r du Mesny (Octavio).
4' Entree (La Turquie): La D«u« Desmatins (Zaide), la d«u« Rochois (Roxane),
le S* Thevenard (Zuliman).
Ballet: Les D*"" Subligny, Dufort, Carre, le S* Balon. (Lajarte I. pp. 83—86.)
1) Mercure, fevrier 1725, p. 365.
2) Titon du Tillet, Deuxieme Supplement du Parnasse francais, pp. 19 — 21. —
Cette phrase a ete* reproduite textuellement par 1'abbe Paul dans le Dictionnaire
de la Provence et du Comtat Venaissin par une Societe de gens de lettres ( Achard). III.
p. 156.
3) Maupoint, Bibliotheque des Theatres, 1733. p. 124. — On retrouve l'allusion
au caract£re de la musique de Campra et a la conciliation qu'il a tentee entre le
gout francais et le gout italien dans Durey de Noinville [Histoire du Thedtre de
r Opera en France, II. p. 23.)
204 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
«I1 (Campra) s'endormit un jour pendant les vepres, en revant de cet
opera (V Europe galante). Ayant £te" salue, selon la coutume, par un sous-
chantre qui lui entonna un demi-verset de l'antienne, il se re>eilla en sur-
saut, et, la tete remplie de son opera, il repondit en chantant ces paroles
franques qui terminent la piece: «Vivir, vivir, gran Sultana » etc. On ne lui
en fit point de crime. Mais il mit cet opera sous le nom de son frere pour
ne pas s'exposer a perdre sa place a Notre-Dame. Cependant, se trouvant
a une des repetitions ou il y avait un passage qui n'alloit pas a son gre,
sa vivacite" naturelle l'emporta; il sauta sur le theatre en disant qu'il n' avait
pas fait ce morceau pour etre execute de la sorte. Cette aventure fit du
bruit et l'obligea de quitter l'Stat ecclesiastique. Le succes prodigieux de
cet op£ra le dedommagea bien amplement de la perte de sa place et le fit
connaitre comme un des plus grands compositeurs de son temps*1).
Quoiqu'il en soit de l'aventure narree par de Fontenay, il semble
bien que celui-ci se trompe en rattachant k une repetition de V Europe
galante l'algarade du maitre de chapelle, sautant sur le theatre, en une
attitude peu compatible avec le port du petit collet. Le repetitions de
V Europe galante eurent lieu, vraisemblablement, durant les derniers
mois de l'ete de 1697, et c'est seulement en octobre 1700, ainsi que nous
le verrons plus loin, que Campra quitta Notre-Dame. La sc£ne rapporte'e
par Fontenay ne saurait done s'appliquer k cet opera; elle s'appliquerait
mieux k Hfeione qui passa en decembre 1700 et dont les repetitions
durent s'effectuer k l'automne de cette ann£e.
Campra, afin de sauvegarder sa situation au choeur de Notre-Dame,
8'etait imagine d'attribuer Y Europe galante k son frere cadet Joseph, dont
nous avons donne precedemment l'acte de bapteme. Au temoignage
de Fontenay, on peut, k cet egard, ajouter ceux de la Borde2) et des
frfcres Parfaict. Ces derniers disent:
•N'osant faire paroitre cet op£ra sous son nom, il le mit sous celui de
son frere cadet, ce qu'il observa pour les suivants jusqu'au temps qu'il
quitta la place dont nous venons de parler. Ainsi, nulle difficult^ au sujet
du titre que portent plusieurs operas de l'aine qui sont marques: De
M. Campra le cadet. Ce cadet, qui £toit fort honnete homme, n'a jamais
scu une note de musique*8).
1) De Fontenay , Dictionnaire des Artistes, I. pp. 309. 310.
2) La Borde, Essai sur la Musique aneienne et moderne, III. p. 401.
3) Freres Parfaict, Histoire de V Academic royale de musique, Ms. Arch. 0p6ra
(Copie Nuitter). pp. 292. 293. Les freres Parfaict, a propos de V Europe galante,
commettent une inexactitude. lis disent, en effet: «Ce Ballet qui est le raodele
et le chef-d'oeuvre des ouvrages de ce genre, le coup d'essai de la musique lyrique
de la Motte, et la premiere musique sur des paroles franeaises de Campra . . .»; les
mots que nous avons soulignes expriment une erreur, puisque nous avons vu
qu'avant de donner Y Europe galante k l'Ope>a, Campra avait compose, sur des pa-
roles francaises, le divertissement jou£ chez le due de Sully. En outre, il est tres
probable, qu'ainsi que nous Tavons dit plus haut, le premier librettists de Cam-
pra fut M. Giffon d'Arles. La encore, Campra avait mis en musique des paroles
francaises.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra. 205
Arretons-nous un peu sur la declaration des frfcres Parfaict. Les deux
premieres editions de Y Europe galante (1697 et 1698) l) sont anonymes; la
troisifcme celle de 1699, porte Indication «parMr Campra*, indication ren-
due Equivoque par le titre du Carnaval de Venise oil on lit textuellement :
« Ballet mis en musique par M. Campra le Cadet*. Ici, Tattribution k
Joseph Campra est bien explicite, et le M. Campra tout court de la
3e edition de Y Europe galante peut fort bien passer, aux yeux des per-
sonnes mal informees pour Mr Campra le cadet. Mais, comme lecrit
M. Arthur Pougin, nul n'ignorait la paternite de Campra et son secret
etait vraiment celui de Polichinelle. Dfcs Tapparition de la piece, il cou-
rait dans Paris une chanson que Ton chantait sur l'air: «0 filii et filise*
afin d'en bien souligner lironie.
«Quand notre Archevesque scaura
L'Auteur du nouvel Opera,
De sa Cathedrale Campra
Decampera*.
II existe plusieurs versions de ce quatrain. Outre celle qui precede,
et qui provient du chansonnier de Maurepas2], le ms. Tralage donne la
variante suivante:
«Quand notre Archevesque scaura
L'Auteur du nouvel Opera,
Aussitost il decampera
De Campra* 3i.
M. Weckerlin a publie le texte ci-aprfcs qui s'augmente de 4 nou-
veaux vers:
«Quand notre archeveque saura iRejouissez-vous, Parisiens,
Que Campra fait un Opera, Et vous heureux diocesains,
Alors Campra decampera, D'avoir un si sage Prelat,
Alleluia. Alleluia* *,.
Enfin, M. Arthur Pougin, dans la preface de Tancrede de Tedition
Michaelis, adopte une autre version tres legerement differente:
«Quand notre archeveque saura Monsieur Campra decampera,
L'Auteur du nouvel opera Alleluia* !).
1) La 2e Edition de YEurope galante se trouve k la Bib. de TOpera. Voir
plus loin.
2) Chansonnier de Maurepas: Chansons (1697;. — Bib. nat. Ms. fr. 12624. f° 269.
«Sur Topera de V Europe galante, auquel le Sr Campra, Provencal, Maitre de la Mu-
sique de TEglise de N. D. de Paris avoit travaille.»
3) «Sur Topera de YEurope galante, dont une partie de la musique a este faite
par M. de Campra, maitre de musique de N. D. de Paris, Tan 1697 » [Notes et Do-
cuments sur Vhistoire des Theatres de Paris, Extraits du Ms. Tralage par le Biblio-
phile Jacob, p. 104.) On voit qu'ici on joue sur la particule sont s'affuble Campra.
11 y a encore cette variante:
«Tout aussi tost de Campra
Decampera*.
4) J. B. Weckerlin, Nouveau Musiciana p. 49.
206 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre" Campia.
On ^tait done bien et duement fix£ sur le subterfuge employ^ par
le maitre de musique de Notre-Dame.
Joseph Campra, auquel les frfcres Parfaict d^nient toute culture mu-
sicale, ne merite point pareille appreciation.
Le supplement k la Biographie de F£tis assure qu'en 1686, Joseph
Campra remplissait les fonctions de chef d'orchestre du theatre d'opera
de Marseille, sous la direction de Pierre Gaultier2). Et M. Alexis
Rostang raconte meme, k ce propos, une plaisante anecdote qui nous
montre Campra triomphant par son habilete de chef d'orchestre, de
Tavarice et du mauvais vouloir de son directeur3). A l'epoque de l'JSti-
rope galante, Joseph aurait occupe k Fopfra un emploi de joueur de
basse4). Plus tard, il retourna en province, et e'est vraisemblablement
lui que nous rencontrons k Dijon en 1731. Cette annee-l&, en effet, on
representa, en cette ville, un divertissement «pour la feste de M** le
Comte de Tavannes, brigadier des armees du Roi et son premier lieu-
tenant general en Bourgogne, dont la musique est du Sieur Campra,
ordinaire de notre Academic »5). Ainsi, Campra appartenait alors a
rAcademie de musique de Dijon. M. de Gouvenain, qui relate ce fait,
ignore le nom de l'auteur du po&me du divertissement en question, le-
quel mettait en sc&ne Comus, Daphnis et la Victoire6).
En 1732, les dilettanti de Dijon entendent une nouvelle composition
du meme Campra. C'est une pifcee allegorique intitulee: *Le G6nie de
Bourgogne* et imprimee la meme annde chez Auge, imprimeur et libraire
de rAcademie7).
Enfin, la quality de musicien resulte de Tacte de deefcs de Joseph
Campra, sur lequel figurent, en outre, les signatures de trois «ordinaires»
de la musique royale:
«L'an mil sept cent quarante quatre, le trente et unieme jour de Mars.
1) A. Pougin , Preface de Tanerbde dans l'edition Michaelis, p. 3.
2) A. Pougin , SuppU a la Biographie general* des musiciens, 1. p. 146.
3) Ibid.
4) Cf. F£tis, Pougin, de Lajarte (Preface de YEurope galante de Ted** Michaelis;.
F6tis (article Campra) dit que Joseph Campra etait basse de violon a Popera depuis
1699; cette date parait trop tardive.
5) Louis de Gouvenain: Le Tliedtre a Dijon. 1888. p. 137. Bib. de Dijon. Im-
primes, n° 12.779. — L'Academie de musique de Dijon avait et6 f on dee en 1726;
les statute furent tftablis en 1728.
6) L. de Gouvenain, Loc. cit. p. 137. Une indication que nous devons a l'obli-
geante erudition de M. Ecorcheville semble de nature a faire connaitre le nom du
poete. Le catalogue de J. B. Mercier, libraire a Dijon pour le mois de d^cembre
1906, porte, en effet, la mention du Divertissement donne en Phonneur du C*« de
Tavannes, avec la rubrique suivante: «Musique de Le Jolivet, Dijon, Aug£. in-4°
de 11. pp.» — N'est-ce pas la le nom du poete, qu'on aurait pris, par erreur,
pour celui du musicien V
7; L. de Gouvenain: Loc. cit. p. 137.
♦
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andrg Campra. 207
Joseph Campra, age* de quatre-vingt deux ans, mugicien (sic), d£c£de* d'au-
jourd'hui, a este inhume* par nous, prestre soussign6, faisant les fonctions
curialles en cette paroisse, en presence de Messire jacque delaunai !), prestre
ordinaire de la musique du roy, de Guillaume Audiberet (Vic)2), ordinaire
de la musique du roy et d' Augustin lepintre 3), aussi ordinaire de la musique
du roy qui ont signed avec nous.
Delaunay. Audibert.
Chevalier Roussin, prestre.
Augustin Lepeintre»4).
L'eclatant succ&s remporte par V Europe galante s'affirme encore par
la rapidity avec laquelle s'enlevfcrent les editions successives de la pi&ce.
II y en eut trois k Paris, chez Ballard, de 1697 k 1699, sans compter celle
qui parut k Amsterdam, sans date, chez Le One, et qui semble devoir
se placer vers 17006).
De plus, k partir de 1698, les Recueils (Fairs strieuz et a boire de
diff&rents auteurs, publics mensuellement par Ballard, contiennent des
airs d£tach£s de V Europe gaUrnte, airs adapts k des chansons k boire,
parodies, comme on disait alors, ainsi que des airs nouveaux ajouWs k
la partition originate.
1) Jacques de Launay avait remplacS, comme chantre a la musique du roi, le
a* Miracle mort le 7 novembre 1728. Une ordonnance de payement est rendue en
sa faveur le 3 juin 1729. (Arch. nat. Oi 73, f° 180.)
2) Campra comptait un Guillaume Audibert au nombre de sea compatriotes.
Nous connaissons, en effet, un musicien de ce nom, qui, apres avoir He eleve* a la
maitrise de St Sauveur d'Aix-en-Provence, sous la direction de Tabbe* Pellegrin,
devint «pensionne du concert de Toulon*, puis maitre de musique a l'Acad^mie
royale de Lyon, d'ou il ecrivait en 1746 au ministre des affaires etrangeres pour
lui proposer l'adoption d'un chiffre musical. (Voir F6tis I. et Marbot, Les Maitres
de Chapelle de S* Sauveur au XVIII* sidcle, p. 11. Voir aussi notre ouvrage, VAca-
demie de musique et le concert de Nantes, pp. 160 — 161.) Nous ne saurions affirmer
que ce Guillaume Audibert est le meme que celui qui assista a la mort de Joseph
Campra.
3) 11 y a eu plusieurs violcnistes du nom de Lepeintre a la musique royale.
Celui qui figure ici semble etre Augustin Lepeintre, nomine* le 19 aout 1711 a la
musique de la chambre. (Arch. nat. O1 65. f° 117.
4) Mat civil de Versailles — Sepultures. — Paroisse Notre -Dame, 1744. —
f<>18.
5) Nous avons donne ci-dessus le titre de la ldre edition. Voici ceux des Edi-
tions suivantes:
a) V Europe 1 1 Galante // Ballet // En Musique // Seconde Edition Augmcntee //
A Paris, chez Christophe Ballard, 1698, in-4<> obi. (Bib. de l'OpSra).
b) VEurope // Qalante // Ballet // En Musique // Par Monsieur Campra //
Troisieme edition, revue et corrigee //.
A Paris, chez Christophe Ballard, 1699, in-4<> obi. (Bib. nat. Vm* 146).
c) IS Europe // Galante // Ballet // Mis en Musique 1 1 Par Monsieur Campra //.
Quatrihne Edition Revile Corrigee et Augmeniec de Plusieurs Airs Italiens.
A Amsterdam, chez Michel Charles Le Cene, s. d. in-4° obi.
(Bib. de l'Opera).
Ces trois editions sont des partitions reduites pour le chant et la basse. La
partition d'orchestre complete parut en 1724 chez J. B. Ch. Ballard. JBib. nat.
Vm2 147].
208 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andre* Gampra.
C'est ainsi que la livraison de mai 1698 renferme un air h boire con-
sistant en une «parodie> du 2e air des Paysans de la ldr- Entree, et que
celle de juin 1698 pr^sente des « couplets sur des Airs de V Europe galante*.
Ici, on a utilise Tair des masques de la 3e Entree, la Loure «pour les
Bis et les Plaisirs> du Prologue et le 2e air pour les Espagnols de la
2e Entree i).
Mais \k ne se bornent par les manifestations de la faveur dont
jouissait auprfcs du public l'ceuvre de Campra. Celle-ci eut un tel re-
tentissement chez les artistes, que Tun d'entre eux lui delivra, par une
sorte d'hommage indirect, un temoignage de son admiration. En mai 1698,
apparaissent, en effet, dans la meme publication, deux «Airs ajout^s a
V Europe gala?ite par M. Le Marchand, Organiste de S* Benoist2]*.
Or, ce M. Le Marchand n'est autre que Louis-Marchand, le fameux
organiste, qui occupait pnScisement en 1698 les orgues de S* Benoit et
des Cordeliers3). Dfcs 1695, Marchand comptait, nous dit M. Andr6
Pirro, parmi les maitres de clavecin les plus reputes et les plus recher-
ches, et, en 1697 et 1698, il alimentait, lui aussi, les Becueils de Ballard
d'airs h boire de sa composition4). Son espfcce de collaboration h
YEurope galante etait done tout particulifcrement flatteuse pour Campra.
Le premier des «airs italiens* ajoutes par Marchand au ballet du
maitre de musique de Notre-Dame a ben£fici6 de son temps dune vogue
extreme; cet air est justement le celfcbre Io provo dont le succfes a
trouv6 un £cho dans la 2* Partie de la Comparaison de Lecerf de la
Vieville. Lecerf, voulant donner un exemple de la fa^on adroite dont
les musiciens frangais s'entendaient k pasticher la musique italienne ecrit,
en effet:
«Et cet autre [air] qui a tant couru et qui a eu tant de reputation de-
puis sept ou huit ans:
Io provo nel cuore
Un lieto ardore, etc.
est de Marchand l'organiste des Cordeliers de Paris*8).
L'air vis£ par Lecerf £tait si habilement pastiche, il revetait un
aspect tellement transalpin que les musiciens italiens eux memes s'y
1) L'air des Masques de la 3* Entree [V Italic) est employ 6 comme air a boire.
p. 23 de la livraison de ftvrier 1698. La Loure du Prologue remplit le m&me ob-
jet, p. 43 de la livraison de mars; enfin, le 2« air pour les Espagnols de la 2* En-
tree [VEspagne) est transforme en air a boire, p. 70 de la livraison d'avril 1698.
Voir: Recueil fairs serieux et a boire de different auteurs pour 1698. (Bib. nzt
Vm" 531).
2) Ibid. pp. 91 et 97.
3) A. Pirro. — Louis Marchand: Bulletin trimestriel de 1'I.M.G., oct. dec. 1901
p. 144.
4) Ibid. p. 143.
6) Lecerf de la Vieville: Comparaison, etc. 2* Partie, (1705) p. 100.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andre* Camp r a.
209
laissaient prendre, temoin ce chanteur dont parle Lecerf, qui le chan-
tait en simaginant roucouler un morceau venu en droite ligne du pays
de Carissimi:
<TJn musicien italien, qui chant a deux fois a l'opera de Paris devant
Monseigneur qui fut bientot las de lui et qui alia ensuite a Rouen ou on
ne tarda pas a s'en lasser, chantait Io provo avec la confiance d'un homme
qui reconnait le g£nie de son cher pays*1).
Au dire de Lecerf, qui l'a entendu probablement de la bouche du
chanteur en question, VIo provo de Marchand est un « savant air»2).
Cet air a echappe aux recherches de M. Pirro, et en raison de sa
c^lebrite et des circonstances dans lesquelles il prit naissance, nous le
transcrivons ci-dessous, d'aprfes la version qu'en donne le Recueil de
Ballard de 1698. II s'accompagne de 2 violons et de la basse, et de-
bute par une introduction symphonique de 10 mesures:
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Ti ,
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Violons
B1
'*=*-
£S
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*
Reprise
a^g^—^
Basse-continue.
I Petite reprise.
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1) Lecerf. Loc. cit. p. 101.
2) Ibid. p. 103.
210
L. de la Laurencie, Notes snr la jennesse d'Andr^ Campra.
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Io pro-vo nel cuo-re Un liet -to ar-
Fea-teg-giamio cuo-re D'una al - ma A-
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L. de la Laurencie, Notes sur la jeuneese d' Andre* Campra. 211
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212 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
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L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra.
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Da capo.
Le 2° air italien ajoute & V Europe Oalante comporte, de meme, un
accompagnement symphonique confie k 2 violons et k 2 flutes qui, tantot
jouent en tutti, tantot ex^cutent un Trio avec la basse, les intruments
k archet alternant avec les instruments k vent. La voix entre en action
k la 24e mesure et debute comme il suit:
Chant.
-pf^:^=t^z
B. c.
A-mor, Amor da mi con- si - gliQ,Chede
£gfeg^
gio far
teg^tet
*=M
Zf§&
£
£
Ces deux airs sont k reprises et k «da capo*; ils appartiennent au
plus pur type italien, et, k ce point de vue, font grand honneur k l'in-
geniosite et k la souplesse du talent de Marcband.
Si le grand organiste collabora d'une fa^on toute indirecte au ballet
de Campra1), un autre musicien apporta k Tauteur de Y Europe gakrnte
un concours plus effectif. Si Ton en croit quelques biographes du
XVIII6 sifccle, trois airs de la partition originale reviendraient en propre
k Destouches:
«La Mothe, raconte Morambert d'apres Titon du Tillet, qui e*tait Auteur
des Paroles de cet admirable Ballet [V Europe galante], se trouvait quelque-
fois chez Campra dans le meme temps que Destouches, ce qui lia ami tie
entre eux. Campra etoit si satisfait de 1' excellent gout que son eleve avoit
1} Ces deux airs, en effet ne furent pas ajoutes a Tedition de 1699. Cette Edition
comprend une table «d'Airs qui se peuvent detacher > sur laquelle on releve Tair
espagnol «E1 esperar en ainor», les airs italiens: «Ad un cuore tutto geloso>,
«Si scherzi, si rida>, et Tair de la fete turque: «Vivir gran Sultana>, mais cette
table ne mentionne aucun des airs de Marchand, airs qui ne sont pas davantage
incorpores dans le texte. La table dont il s'agit est suivie de Tobservation suivante :
«Dans la longue espace de Temps que cette piece a este representee, on y ajoute
plusieurs Airs Italiens qui se trouvent dans le Recueil des meilleurs Airs Italiens
imprime pour cette an nee 1699; ainsi, il ne les faut point chercher dans la Table
cy-dessus.*
214 L. de 1& Laurencie, Notes stir la jeunesse d'Andre* Campra.
pour la musique vocale qu'il lui donna trois airs a composer dans son Balletr
celui de «Paisibles lieux, agr£ables retraites*, dans le Pr Acte; celui de «Nuit
soyez fidele», Acte II, et celui de «Mes yeux, ne pouvez-vous jamais forcer
mon vainqueur a se rendre*, Acte IV*1).
Le meme fait se trouve rapports dans les Anecdotes dramatiques] il
y est dit que le mousquetaire Destouches s'apercevant, en composant des
chansons, qu'il lui manquait une solide instruction musicale, quitta le
service en 1696 et pria Campra de parfaire son education. Celui-ci l'ayant
pris comme 6lkve, se montra si satisfait de ses progrfcs et de ses heu-
reuses dispositions qu'il le chargea d'ecrire trois airs de son ballet2).
Mais, d'aprfcs une autre version de cette histoire, VEurope galante
aurait primitivement 6t6 destin£e k Destouches et ce serait sur les obser-
vations adress^es par Campra k La Motte, que celui-ci en aurait d^fini-
tivement confix la composition au musicien du chapitre de Notre-Dame.
Voici en effet, ce qu'on peut lire dans le Sentiment (Tun harmoni-
phile:
«On m'a raconte* une petite anecdote tou chant cet op6ra que le Public
ne sera peut-etre pas fach6 de scavoir. Houdard de la Mothe ayant com-
post le Poeme de VEurope galante, le donna a mettre en musique a Des-
touches qui commencait a se faire une certaine reputation par plusieurs jobs
Airs qu'il avait composes, dont le Public 6toit fort satisfait. Destouches ap-
prenoit des lors la composition sous Campra. Ce dernier, qui £toit encore
maitre de musique de Notre-Dame, demanda a La Mothe pourquoi il avait
donne son Ballet a un Scolier qui ne scavait pas assez de composition pour
le mettre en Musique. A force d'etre tourment£, La Mothe le retira d'entre
les mains de Destouches, sous pr£texte d'y faire quelques changements et le
donna a Campra qui le travailla furtivement. Destouches 1' ay ant scu, en
porta ses plaintes a Campra et a La Mothe; celui-ci, pour l'appaiser, lui
donna le poeme (TIssS a mettre en Musique, et Campra lui promit qu'il con-
serveroit les morceaux qu'il avait composes; en effet, il tint parole .. .»').
Si cette version est vraie, elle eclaire d'un jour assez piquant les
relations du professeur et de l'£lfeve, le maitre travaillant en cachette sur
un pofcme confix k son ecolier, et consentant ensuite k transiger, tout
en laissant d'ailleurs imprimer les airs de Destouches sous son propre nom.
Quoiqu'il en soit, enhardi par le succ&s et tranquillise du cot6 de
Notre-Dame, grace k Tattribution de VEurope galante k son frfcre,
Campra se lance, lui aussi, dans la composition de ces «airs s£rieux et a
boire» qui faisaient alors fureur. A partir del698, les Recueils de Ballard
donnent, sous le nom de «Mr Campra le cadet 4)» un certain nombre de
1) Titon du Tillet, 2* Suppl* au Parnasse franems (article Destouches). p. 64 et
Sentiments dun harmoniphile sur differents ouvrages dc musiqu*. 1766. pp. 37 a 41.
2) Anecdotes dramatiques, 1776, 111. pp. 333. 334.
3) Sentiments dun harmoniphile, etc. pp. 39. 40.
4) LTauteur y est d6sign6, tantot par la mention : M. Campra le cadet, tant6t de
la facon suivante: M. Campra L. C. [Le Cadet].
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunease d'Andrg Campra.
215
ces petites pieced. On en compte 6 de 1698 5,1700, dont nous 6tablis-
sons ci-aprfcs la table. A qui convient-il reellement d'en attribuer la
paternite? Sont-elles vraiment de Campra le cadet, qui aurait voulu
donner ainsi plus de vraisemblance aux subterfuge de son frfcre,. en
prouvant son talent de compositeur, ou bien appartiennent-elles en propr$
a Taine qui, desireux de publier des morceaux de musique profane, aurait
continue k s'abriter derriere son cadet? Nous avouons pencher pouj
la seconde hypothese1):
Printemps serieux de M. Campra le cadet, (juin 1698). .-■•,.
Recueil Vm7531, p. 122.
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Air h boire de M. Campra L. C. (Janvier 1700). Recueil Vm 7 53, p. 10.
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Sans toy Bacchus, il n'est point douxde vi-vreL'amourvient en ces lieux
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Air serieux de M. Campra L. C. (fevrier 1700) meme recueil, p. 26.
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1) On ne comprendrait pas, en effet, pour quelle raison Campra le cadet aurait
attendu Panne e 1698 pour se faire connaitre comme compositeur d'airs & boire.
s. d. IMG. x. 15
216
L. de la Laurencie, Notes sur la je unease d' Andre1 Campra.
Air k boire de Monsieur Campra le C. (k 2 voix) (fevrier 1700),
meme recueil, p. 27.
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Aux ar-mes, tout est pret, A-miscou-rons, couronscou-
U" r f r r r-M^
Air serieux de Monsieur Campra le C. (Mai 1700), meme recueil, p. !
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I - ris ou bli - ant sa ri -gueur, Dans un songe a £at-
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Air sdrieux de Monsieur Campra L. C. (juillet 1700), meme recueil p. 128.
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Jeune I - ris, cha-que jourVousal - lu - mez u - ne flam - me nou
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L. de la Laurencie, Notes snr la jeunesse d' Andre Campra. 217
L'annee 1698 apporte, dureste, un nouveau temoignage de l'activit£
qui de\ore Campra, depuis la representation de V Europe galante1). II
va, avec une oeuvre plus importante, donner un pendant au Divertissement
execute" en presence du due de Chartres durant V6t6 de 1697. Mais,
cette fois, il aura Thonneur de compter parmi ses auditeurs le dauphin
en personne. C'est encore le Mercure qui nous renseigne en la cir-
constance:
«A une fete donn6e le 27 Janvier [1698] chez la Duchesse de la Fert6,
le lendemain du jour que M*r le Cardinal de Furstemberg fit chanter le Te
Deum pour la Paix entre la France, l'Empereur et l'Empire, M*r le Dau-
phin ayant bien voulu lui faire l'honneur de venir diner chez elle, apres
le repas, on passa dans un autre appartement ou l'on joua, apres quoi, il
y eut un divertissement intitule V&nus, Feste galante, dont voicy le Pro-
logue • *).
Suit le Prologue de la piece. Un peu plus loin, le journal ajoute:
«Les vers de ce Divertissement sont de M. Danchet, et la Musique est
de M. Campra » 3).
Antpine Danchet, Pauteur des paroles, venait de quitter Chartres, oh
il enseignait la rhe*torique, pour se fixer k Paris oil Madame de Turgis
lui avait confie* l'dducation de ses deux enfants, en lui assurant une
rente viag&re de 200 livres. Comme poete, il ne s'&ait encore fait
connaitre que que par de «legers essais pour la Poesie fran$aise». On
lui demanda, assure son biographe, des vers pour un ballet represents
devant Monseigneur, et cette tentative lui re*v£la ses propres forces, en
l'encourageant k ecrire Tope'ra <¥H6sioneA).
VinuSy Feste. galante comprenait un Prologue et un seul acte entierement
consacrg a l'exaltation de la beaute* de la princesse de Conti. A la scene II,
l'auteur met dans la bouche de Pallas ces vers suffisamment explicites:
1) L' Europe galante ne fut pas seulement un grand succ&s artistique. Elle mar-
que une date dans 1'histoire financiere de l'OpSra, car, selon les freres Parfaict, ce
serait a partir de ce ballet qu'on accorda des honoraires fixes aux auteurs d'ou-
▼rages lyriques. «L,nsage 6tait alors qu'on donnait aux auteurs des Paroles et de
la Musique une certaine somme qui 6tait plus ou moins forte selon le in£rite de
leur ouvrage. La Motte et Campra furent trait6s en inconnus et on leur offrit une
somme tres modique qu'ils refuserent. Quelques personnes proposerent des arrange-
ments a ce sujet, et on s'en tint a celuy qui est devenu depuis un siecle une
espece de loi. Ce fut d'accorder au poete et au musicien, chacun en particulier,
100 livres par jour des 10 premieres representations de leur piece et 60 livres de memo
par jour jusqu'a la vingtieme, apres laquelle l'opgra appartient a l'Acad6mie royale
de musique.* (Parfaict, Copie Nuitter, p. 292. 294. Bib. de TOp6ra).
2) Mercure galant, Janvier 1698. p. 274.
3) Ibid. p. 281.
4) Discours sur la vie et les outrages de M. Danchet, servant de Preface au Thidtre
de M. Danchet 1751. p. IV et V. — Voir aussi Biographies Michaud et F. Didot, X.
p. 87 et XII. p. 896. — Venus, Feste galante se trouve dans le tome II des GEuvres
de Danchet, 6d°° de 1761. Antoine Danchet, n£ a Riom le 7 septembre 1671, avait
compose1 en 1691 une piece de vers latins qui lui valnt la chaire de rh£torique du
college de Chartres. II quitta cette situation en 1696 et vint a Paris.
15*
218 L» <?e la. Lauren cier Notes sur la jeunesse d' Andre Campra.
«On vient, c'est Venus qui s'ayance.
Lea Amours empressez la suivent en cea lieux
Laissons-la s'applaudir d'une vaine puissance.
Que luy vont ravir d'autres yeux>*).
«Personne, rapporte le Mercure, n'eut peine a deviner a qui Pallas faisait
ainsi allusion et Ton entendit aussitot retentir le nom de Madame la Prin-
cesse de Conty»2).
Tandisque les Graces, lea Amours et les Plaisirs chantent la victoire de
V6nus qui vient de recevoir la pomme d'or dea mains du berger Paris, et
que Mars declare sa flam me a la deesse, Jupiter clot le divertissement en
men a$ ant celle-ci d'une rivalite* dont elle ne saurait triompher.
« Venus, ne pensez pas
Avoir seule en partage
Les plus charmants appas.
J'ay vu dans ce sejour briller une Mortelle
Tout cede a ses attraits si doux> 3).
Bref, c'etait la le type du divertissement de cour avec sa grace affectee
et ses allusions courtisannesques.
Vtnus parut chez Ballard, la meme annee, sous le titre qui suit:
Vinus || Feste galante || Giantee devant Monseigneur \\ le 27 Jan-
vier 1698, chez Madame || la Duchesse de la Ferte ||
A Paris, Christophe Ballard 1698*).
On voit done qu'elle n'etait pas signee. Nous n'en connaissons qu'une
seule Edition.
En gardant l'anonymat au moins officiellement, sinon officieusement,
Cainpra agissait assurement au mieux de ses interets en un temps, ou
au nom de la morale, PEglise fulminait contre l'opera et contre les
« lieux communs de morale lubrique> qui excitaient Tindignation du sage
Boileau 5). L'archeveque de Paris ne semblait pas cependant tenir rigueur
a son musicien des incursions qu'il dirigeait en cachette sur le terrain du
divertissement lyrique, dont la Sorbonne avait stigmatise «rh£donisme
pompeux6)*. Ce qui le prouve, [e'est que Campra, peu de temps aprfcs
la fete donnee chez la duchesse de la Ferte, s'en allait, le 23 mai 1698,
diriger un concert de musique religieuse a Conflans, en presence du ma-
rechal de Noailles:
« Domino Marcscallo de Noailles, percupienti id hodie pomeridianis hori$
1) Mercure galant, Janvier 1698, p. 279.
2) Melle de Blois. <La princesse de Conty, dit Dangeau, se surpass ait dans les
contredanses et danses a l'allemande> [Journal, VII. p. 20;.
3) Mercure, loc. cit. p. 280.
4) ln-4° obL Bib. nat. Reserve. Vm2 80 et Bib. de l'OpSra.
5) Sur ce point voir J. Ecorcheville f De Lulli a Rameau (1690—1730). U Bathe-
tique musieale. pp. 55 et suiv.
6) Ibid. p. 63.
L. de la Laurenoie, Notes sur la jeunesse d'Andrd Campra. 219
Magister Andrews Campra, Eeclesice symphoniarcha mittetur apud Conflmntium *)
una cum duobus a pueris Ghori ad aliquem Psalmum musice decantandum,
Domini annuerunt*2).
Exception faite pour les sommes remboursees k Campra en 1698, a
T occasion du Te Deum de la Paix, les registres des deliberations capi-
tulaires de Notre-Dame ne mentionnent rien qui int^resse notre musi-
cien cette annde-lil; Campra travaillait aJors k un autre ballet qui parut
explicitement sous le nom de son frfcre au commencement de 1699. —
Voici, en effet, le titre de Tedition in-4° du Carnaval de Venise, imprimee
par Ballard en 1699, et ornee dun frontispice de Guerard, representant
la place St. Marc k Venise:
Le Carnaval \\ De Venise || Ballet || Mis en Musique \\
Par M. Campra le Cadet \\
A Paris \\ Chez Christophe BaUard \[ 1699*).
Dangeau, dans son Journal, donne comme date de la l*re represen-
tation du Carnaval, celle du 20 Janvier 1699:
«Mon8eigneur alia mardi de Meudon a l'Opera de Paris; on joua pour
la premiere fois le Carnaval de Venise*4).
Cette mention dtant du mercredi 21 Janvier k Marly, il s'en suit que
le ballet de Campra avait passd la veille, 20 Janvier5).
Le dauphin s'interessait vivement k la musique de l'auteur de V Europe
galante. Nous l'avons vu applaudissant V&nus chez la duchesse de la
Ferte; k partir de la fin de Janvier 1699, il multiplie ses voyages k Paris,
et chaque fois, il va h l'opera oh on joue avec sucefcs le Carnaval de Venise.
Le 25 Janvier, Dangeau signale que M*r est alie de Meudon k Paris, k
l'opera. Madame la princesse de Conti ne Yj suivit point, se trouvant
indisposde6). Le 27, le Dauphin fait encore le voyage de Paris, mais
cette fois, avec le due et la duchesse de Bourgogne:
«Monseigneur alia a l'opera a Paris et y mena monseigneur le due de
Bourgogne et madame la duchesse de Bourgogne. (Test la premiere fois
que la duchesse de Bourgogne ait e*te a l'opera a Paris*7).
1) 11 s'agit ici de Conflans l'Archeveque, village du departement de la Seine,
arr* de S*- Denis, canton et commune de Charenton-le-Pont. Les e>eques et
archeveques de Paris, seigneurs du lieu, y 6taient possesseurs d'une maison de
campagne.
2} Deliberation du vendredi 23 mai 1698. Arch, nat. LL 227 fo 349 et LL 228
fo 34*°. Le marechal de Noailles, Annes-Jules, due de Noailles, ne* a Paris le
5 fe>rier 1650, £tait le frere de Louis- An toine, archeveque de Paris.
3) In-4o obi. Bib. nat. Reserve. Vm2. 63. II ne parait pas y avoir eu d'autre
edition.
4) Dangeau, Journal, VII. p. 12. (edon F. Didot).
6) On attribue d'ordinaire a la l*r« representation de ce ballet la date du
28 fevrier 1699. Of. Chouquet, Histoirc de la musique dramatique en France et Pou-
gin. Loc. cit.
6) Dangeau, Loc. cit. p. 14; du dimanche 25 Janvier 16!K) a Versailles.
7) Ibid. p. 15. du mardi 17 Janvier a Versailles.
220 I*» de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
Ainsi, la duchesse de Bourgogne £trennait l'Academie royale de mu-
sique avec un ballet de Campra. Le dauphin ne cesse de se rendre au
Carnaval de Venise; il y retourne deux fois dans le courant de fevrier,
tant est grande son admiration pour cette musique alerte, gracieuse, forte-
ment teintee d'italianisme 1).
La pifcce se passe, en effet, en pleine Italie k Yenise, et, comme le
dit Maupoint, elle consiste en une «comedie du contraste des amours d'un
cavalier frangois et d'un noble V£nitien*).» Campra y a meme introduit
tout un petit op£ra italien, sur lequel nous reviendrons, Orphte aux enfers;
cette concession consentie au gofit italien devait vraisemblablement exciter
la curiosite du public et contribuer fort heureusement k assurer le succ£s
du nouveau ballet. Du k sa plume de Jean-Francois Regnard, le Car-
naval de Venise comprenait un Prologue et 3 actes8); c'est au 3e acte
que se trouve le petit opfra italien, £crit tout entier en italien sous
le titre:
Orfeo neW inferni \\ Opera \\ Regia di Plutone || 4).
La secotide apparition d'une oeuvre de Campra k l'Academie royale
de musique eut lieu sans encombre; l'autorit£ ecclesiastique ne parut
pas plus s'en dmouvoir que des representations de V Europe galante, deux
ans auparavant. Sans doute, on s'elevait en principe contre un art oil
«l'on attaque le coeur par tous les endroits oil il.est d'ordinaire ouvert5)»,
mais il est avec le ciel des accommodements, car, par une singuli&re con-
tradiction, la musique d'opera, condamnee d'un point de vue dogmatique,
penetrait insidieusement k Teglise et se laissait admirer dans le sanctuaire
par ceux-l& memes qui lui jetaient anatheme. Nous n'en voulons d'autre
preuve que la surprenante annonce parue dans le Mercure galant de mai
1699, et, aux termes de laquelle, on livrait au public des «airs spirituels,
composes dans le gout de l'op^ra. » Bien plus, le recueil en question etait
d£die k Tarcheveque de Paris:
«On vient de donner au Public un recueil d'Airs spirituels et nouveaux
a une, deux et trois parties, composez dans le goust des Airs de 1' opera. Cet
ouvrage est dedie a Mr l'Archevesque de Paris*.
Et tranquillement, le Mercure avertit ses lecteurs que l'auteur ne
s'en tiendra pas 1&, mais qu'il publiera, au commencement de chaque
mois un recueil semblable, «dans lequel il y aura deux airs choisis des
1) Ibid. p. 22, du 8 fevrier et p. 26, du 15 fcvricr 1699.
2) Maupoint, Bibliotheque des Theatres, 1753. I. p. 65.
3) Jean-Francois Regnard naquit a Paris le 8 fevrier 1665; il est mort a Grillon
pres Dourdan le 3 7br« 1709. Le Carnaval de Venise se trouve dans le Tome IV de
ses (Euvres (Ed°n de 1820) p. 307.
4) Comme YEurope galante, le Carnaval de Venise eii un grand succes.
5) Gerbais, Lettre dun docteur de Sorbonne a une personne de qualite, 1694, p. 56.
Cf. Ecorcheville, Loc. cit. p. 58.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andre* Campra. 221
Operas anciens et nouveaux sur des paroles de devotion1)*. VoiHt done
la devotion associee h la musique profane! Etonnez-vous apres cela
qu'un maitre de musique de Notre-Dame travaille avec ardeur h satis-
faire k ce gout de l'ope*ra, si puissant dans les dernieres annees du
XVIIe siecle, qu'il conquiert les ecclesiastiques eux-memes.
Mais Campra ne va pas tarder & prendre son parti et sa carriere de
chef de maitrise touche maintenant h sa fin. Le mercredi 9 septembre 1699,
il demande et obtient un conge* pour s'absenter de l'^glise pendant 8
jours2). Evidemment, notre musicien s'occupe bien encore de ses Aleves,
puisqu'on lui rembourse une somme de 12 livres qu'il a avanc^e pour un
livre de musique necessaire aux enfants de choeur3). Toutefois, on sent
que son esprit sechappe peu k peu de ses fonctions officielles, malgr6
qu?il s'efforce de sauvegarder les apparences en assurant, avec une bonne
foi assez douteuse, semble-t-il, l'archeveque et le chapitre de son d&roue-
ment. A ce point de yue , la de*dicace de son 2e Livre de Motets paru
chez Ballard en 1700, nous parait typique. Quelques mois avant de.
jeter le froc aux orties et de s'abandonner entierement h la musique
profane, Campra va deposer aux pieds de M^ de Noailles un temoi-
gnage de fidelite dont les evdnements ne manqueront pourtant pas de
contredire les effusions suspectes. H y a lit une manifestation nouvelle
du caractere un peu sinueux, un peu hypocrite de l'auteur de VEurope
galante4).
«A Monseigneur Louis- Antoine de Noailles, Archeveque de Paris, Due
de Sfc Cloud, Pair de France, Commandeur de l'Ordre du 8k Esprit:
Monseigneur.
«Permettez-moi d'offrir a votre Grandeur ce Reciieil de Motets ou j'ai tache de
suivre les vttes qu'elle m'a donnees avec tant de bonte\ Elle m'a fait comprendre,
Ms*, que la Musique ne doit servir qu'a elever Tesprit a Dieu en touchant le coeur
de ces mouvements vifs et tendres que la Religion inspire. U n'est guere de moyen
plus capable de produire cet effet que d'animer par de beaux chants des Paroles de
l'Ecriture, qui sont si propres par elles-memes a remuer Tame et a Tembraser comme
faisoient les Musiciens que le S* Esprit a daigne loiier (Ecclesiast. 44. V* 5). On en
doit croire Sfc Augustin qui l'avoit eprouve. Tout spirituel qu'il 6toit, le chant des
Pseaumes allumoit en lui un feu sacre, une douceur qu'il ne sentoit pas lorsque les
1) Mercure galant, Mai 1969. pp. 260—261. Ce recueil se vendait chez Claude
Roussel graveur, rue Sl Jacques, au Lion d'argent, pres les Mathurins.
2) Deliberation du mercredi 9 septf>'« 1699. Arch. nat. LL 228. 2« partie.
fo 65f<>.
3) Deliberation du vendredi 7 octobre 1699. Arch. nat. LL 229. fo 160; voici
le texte: «Restituat Magister Antonius Dumeynet, Receptor Capituli, Magistro
Andreas Campra, Canonico Subdiacono Sti Joannis Rotundi et musices Magistro,
8ummam duodecim librarum pro libro musicae pueris chori necessario, juxta memo-
rial e per Dominum Guichon visum ac subscriptum>.
4) Le caractere de Campra ne semble pas, en effet, avoir 6te a labri de tout
reproche. Divers petits faits, poste>ieurs, il est vrai, a la p6riode que nous etu-
dions, l'eclairent d'un jour assez defavorable.
222 !*• de la Laurencie, Notes sur la jennesse d' Andre" Campra.
Pseaumes n'etoient que recites (Livre 10 des Confessions, Ch. 33). Telle est la force
de la Musique quand elle exprime bien un sujet grand et touchant qu'elle traite. U
vous est aise de voir, M&r, que votre coeur est p^netre de cette meme douceur celeste
que ressentoit ce grand Saint, lorsqu' apres tant de travaux, dont tout autre serait
peut-etre accable*, nous vous voyons assister aux offices de la nuit et du jour, avec une
piete qui nous edifie et nous confond. Que je m' estimerois heureux si ma Musique
pouvoit faire, selon vos dSsirs, les chastes deiicee des Ames Saintes ! Je puis an moins
assurer votre Grandeur que je suis bien determine a consacrer a Dieu, pour le reste
de mes jours, le pen de talent qu'il m'a donne, dont je suis persuade ne devoir me
servir que pour sa gloire. C'est le meilleur moyen de vous temoigner mon profond
respect et ma vive reconnaissance.
Je suis etc. . . . Campra.
Tout cela n'est pas mal tourne. Le chanoine de St. Jean-le-Rond
a Tonction ndcessaire ; il connait ses auteurs et sait placer h propos une
reference. De plus, son manifeste ne manque pas d'interet k 1'egard de
Festh£tique qu'il expose en matifcre de musique religieuse, et nous revien-
drons sur ce point. Mais Campra s'aventure beaucoup, dans le dernier
' paragraphe, quand il affirme k M*r de Noailles sa determination de « con-
sacrer h Dieu, pourle reste de ses jours*, le peu de talent qu'il poss£de.
Nous savons d4jh que son id^al ne consist e pas exclusivement k faire
«les chastes d^lices des ames saintes*, ainsi qu'il le dit en une langue
caressante et devote. — Au mois d'octobre de Tann^e oti il pronongait des
vocux aussi aust&res, Campra quittait Notre-Dame h destination de l'opera l).
Son 2e Livre de Motets, publie en 1700, et que preface cette belle lettre
de bon aputre, porte le titre suivant:
Motets' || A 7, 77, 777 voix \\ Et instruments \\ Avec la Basse
Continue Dediez || A Monseigneur V Arelievesqae de Pans || Par
M. Campra, Chanoine de S. Jean le Bond || Et Maistre de Musique
de VEglise de Paris || Livre Second || A Paris || Chez Cfiristophe
Ballard 1700 \\
La meme annee, il donne encore chez Ballard une messe2) h 4 voix
(D. H. C. T. B.).
Missa || Quatuor vocibus \\ Cui titulus \\ Ad majorem Dei gloriam'}
Authore || Andrea, Campra \\ Insignis a/- Metropolitans Ecclesur Pari-
siensis Musirjes \\ Prcpferio, et in eadem Ecclesia Saneti Joannis'{
llotundi Canonico || Parisiis || Ex offkina Chrvttophori Ballard uniri
Bcgice Musicce Typographi. \\ 1700 || 3).
Cette messe «ad majorem Dei gloriam* nest pas la seule qu'ait laissee
Campra. On connait d'autres messes de lui; seulement, les dates de ces
compositions demeurent encore incertaines. II y a une Messe de Requiem,
dont la Biblioth&que du Conservatoire de Paris possede une copie ma-
1; Voir plus loin. Campra quitta Notre-Dame le 13 octobre 1700.
2) In fo Bib. nat. Vm1 1086.
3) In fo Bib. nat. Vm1 852**. Cette messe est on partition a la Bib. nat. sous
la cote Vm1 927 (in-4<> obi.).
L. de la Laurencie, Notes' mr la jeunesae d' Andre Campra. 223
nuscrite1); il y a encore, dans les archives de la maitrise de S* Sauveur
h Aix, une Messe de mart manuscrite due k la collaboration de Campra
et de Gilles, dans laquelle la part qui revient h Oilles consiste, d'apres
Tabbe Marbot auquel nous empruntons ce detail, en Tintroit (en fa majeur),
le graduel et l'offertoire, tout le reste etant de la composition de Campra2).
Enfin, la Bibliothfcque nationale conserve dans un recueil manuscrit in-
titule: Messes de divers autetirs, une copie, due probablement & une re-
ligieuse, d'une messe en plain* chant de Campra, dont nous indiquons
ci-aprfcs les themes; les versets sont executes alternativement par Torgue
et les chantres3):
Kyrie:
lTorgue. E~
Ky-ri-e E le-i-son.
Gloria'.
L'orgue. ft=£^=^==f=£ZM=*^g=i$z
Credo: + +
Voix seule. ^^zz^^zz;^^0-^^ g ^TlZ^~#^:#^^^TChoBur'/
Patrem om-ni-poten - tern facto-rem coe-li et ter - rae . . .
Sanctus:
L'orgue. ^Z^J?_^.f Choeur: [zgiz^^t^5^— J=g=^[ fih™»r ~
-&
*^ar
Sanc-tus Sane - tug.
Agnus:
I/orgue. [c'^^flgll^f"^^^^^^
Ag - nua De - i Qui to! - lis pec-ca - ta mundi. . .
Voici encore, du meme recueil, et de la meme main, un «0 salutaris» et un
«Pour le Roy>.
0 Salutaris: Pour le Roy:
*LaL-iB-jz=. ^-m~^ -=T^: er-^-g—^ngrg
&-rj - -m & *—&
Sw "—
E^E^S ^^^^=B=E^^^.
0 Sa - lu - ta - ris hos - ti - a Do-mi-ne Salvum fac re-gem. . .
1) Messe a 5 voix et quatuor, ms. in-4° (Bib. du Conservatoire de Paris, n° 24. 869 .
2) Abbe Jfarbot, Gilles, Cabassol et Campra, 1903, p. 8. Jean Gilles, ne a Ta-
rascon en 1669, fut le condisciple de Campra a la maitrise de St Sauveur. Sue-
cessivement maitre de musique a Agde et a St Etienne de Toulouse, outilsucc6da
& Farinelli le 14 decembre 1697, Gilles mourut le 5 fevrier 1705 & Toulouse ou il
fut inhume. Sa Messe des Moris jouit longtemps d'une grande reputation, et e'est
elle qu'on ex^cuta au service de Rameau cel^bre a Toratoire en 1764. — Cf. M.
Brenet, Les Concerts en France sous Vancien regime , p. 126, et Leon. G. Pelissier,
Notes et Exiraits de quelques manuscrHs de la Bibliothcque Alejanes, dans la Revue des
Bibliotheques, 4« annee, 1894. p. 346. 3) Ms. in 4<> obi. Bib. nat. V*i 395. La
messe de Campra commnence a la page 9 et se termine a la page 18.
224 -L. de la Laurencie, Notes sur la jaunesse d' Andre" Campra.
La messe dont il s'agit ici, semble bien avoir 6M 6crite pendant le
temps que Campra se trouvait h Notre-Dame; elle est accompagn£e, dans
le recueil de la Bibliothfcque nationale, d'une messe du Sl Sacrement,
de deux messes d'Henry Du Mont, d'une messe italienne, d'une messe de
Lalande, d'une messe de David, etc.
Les 36, 4e et 5elivres de Motets de Campra parurent respectivement
en 1703, 1706 et 1720; une 2e edition des deux premiers livres fut lanc£e
par Ballard en 1700 x) et une 3e edition, comprenant les 3 premiers livres,
a paru en 1703 2). Le ler livre eut une 4e edition qui date de 1710 *).
Ballard imprime en 1711 une «nouvelle Edition* du 2° livre4) et en 1717
une «nouvelle edition* du 3e livre6). Enfin, en 1734, le 4e livre fait
l'objet d'une edition speciale, avec cette mention: «4e livre corrigd et
augmente d'accompagnements de violons ou flfites et de deux nouveaux
motets 6) » . C'est assez dire la vogue qui s'attacha aux motets de notre musicien.
Le 13 octobre 1700, il quittait definitivement le choeur de Notre-
Dame. Danchet lui avait confie le pofcme (VH&ione, sur lequel il tra-
vaillait activement, et il estima sans doute qu'en d£pit de ses promesses
solennelles, le moment etait venu pour lui d'abandonner sa situation de
musicien d'eglise, afin de se consacrer exclusivement au theatre oil il
n'avait connu qu'une heureuse fortune.
Le mercredi 13 octobre, le chapitre assemble donne satisfaction & la
demande formulee par Campra d'etre releve de ses fonctions:
*Magistro Andrea Campm, Musices et puerorum diori moderati petenti ab
his fivnctionibus et ab Ecclesia recedere licentia facta est et commissus est M.
Petrus Pierrot, vicarius Sli Aniani ut ejus locum statim atque abierii tcneat
dance aliter Domini providerint*1).
Deux jours plus tard, les chanoines declarent vacante la chapellenie
de S* Aignan par la demission d' Andrtf Campra8) et, par deliberation
du 18 octobre, en accordent le benefice k un sieur Sillier9 . Le mer-
1) Bib. nat. in fo 1700, Livres 1—2. Vmi 1086 et Vm1 1098. Voir aussi Reserve:
Vm1 105 et Vm1 106.
2) Bib. nat. in fo 1703, Liv. 1—2—3. Vm1 1087 et Vm1 1109. Voir ausei V«>
1097 et Reserve Vm1 108.
3) Bib. nat. in fo 1710, Liv. ler. Vm1 1099. (4 autres exemplaires).
4) Bib. nat. in f° 1711. Livre 2. Vm l 1100. (4 autres exemplaires!.
5) Bib. nat. in fo 1717. Livre 3. Vm1 1101 et Vm1 1106.
6) Bib. nat. in fo 1734. Liv. 4. Reserve Vm1 109 et aussi Vm1 1088.
7) Arch. nat. LL 229. fo 373 — DSlibon du mercredi 13 octobre 1700.
8) Don du vendredi 15 octobre 1700: «Capellania subdiaconalis S^ Aniani in
Ecclesia Parisiense, actual em personalemque residentia requirens ad collationem
provisionem et quamvie aliam dispositionem Dominorum declarata est vacans per
puram et simplicem demissionem Magistri Andreae Campra ultimi possessore paci-
fic i factam et ad mi as am ad barram Capituli. et remissum est ad diem Lnnse proxi-
mum ut dicto beneficio provideatur.» Arch. nat. LL 229. fo 374.
9) Arch. nat. LL 229, fo 375. Delibon du lundi 18 octobre 1700. Elie Sillier,
pretre, avait ete recu comme basse le l«r juin 1696. LL. 226. fo 43).
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra. 225
credi 17 novembre, rinterim de Pierrot prenait fin, et Lalouette rem-
plagait Campra k Notre -Dame *). Cabassol, auquel le chapitre avait permis
de faire executer, concurremment avec Lalouette, des motets au choeur,
se voyait elimine, et devait ceder le pas a l'ancien secretaire de Lully2).
II n'est pas sans int&et de connaitre quelques uns des enfants de
choeur et des chantres qui furent les subordonnfe de Campra k N. D., de
1695 k 1699.
Ce sont: Louis Cheron (1695), Henri de la Janifcre, Francois Lespy,
Pierre Chevalier, Andr6 Blondeau, Elie Sillier, Pierre Villette, Francois
Marchand, Claude Laisn£, Pierre Boucher (1696), Charles Julien Eiaux,
Martin Casenave, Claude Ludovic Masson (1697), Charles Herv6, Hubert
Paulin, Simon Ab&ard, J. B. Francois Estienne (1698), Pierre Jean
Baptiste Bourgoin, Balthasar Avril, Pierre Guignard (1699) 3).
La carriere de Campra va dor^navant se dcrouler sur un autre terrain; il
est age de 40 ans et compte dejk a son actif deux succfcs a la sc£ne,
V Europe galante et le Carnaval de Venise. Nous arretons ici notre travail,
et nous allons maintenant etudier les oeuvres que Campra a publiees au
cours de la periode que nous avons envisagee, c'est-a-dire, pendant qu'il
c'tait un musicien d'eglise.
V.
A) Musique religiense.
La musique religieuse de Campra imprimee avant 1' apparition d'Hesione
(21 decembre 1700) comprend, comme nous l'avons dit, 2 Livres de Motets et
une Messe a 4 voix. II est plus que probable que les 3 Livres de Motets
donnes par lui jusqu'en 1720, se composent d'ceuvres Scrites alors qu'il rem-
plissait les fo net ions de maitre de musique a Aries, a Toulouse et a Paris.
Au contraire, ses Motets a grand chwur semblent dater de l'epoque ou il se
mit a composer de la musique d'eglise pour la chapelle royale, e'est-a-dire,
de 1722 et des annees suivantes 4j. Les Psaumes a grand orchestre que
nous possedons de lui paraissent egalement appartenir a la meme periode
de sa vie, car le ler Livre de ces Psaumes porte une dedicace au roi5}.
Nous ne nous occuperons, dans ce qui suit, que des oeuvres publiees
jusqu'en 1700 inclusivement. Un assez grand nombre de compositions reli-
gieuses de Campra sont demeurees manuscrites, et nous n'en connaissons que
des copies con datees, circonstance qui empeche de les attribuer a telle od
telle epoque de la carriere du musicien de YEurope galante.
1) Liable Claude Chastelain et son Diaire, p. 316. Jean-Francois Lalouette, le
succeeseur de Campra etait ;un ancien enfant de choeur de Sl Eustache. (Abbe*
Chartier, L'ancien chapitre de N. D. de Paris et sa maitrise, p. 113.)
2) Ibid, et Arch. nat. LL 229, fo 383. Sur Jacques Cabassol , voir Abbe Mar-
bot , Gilles, Cabassol et Campra, pp. 5 et suiv.
3) Arch. nat. LL 226, 227, 228, passim.
4) Exception faite, toutefois pour le Deus nostcr refugium, qu'au dire de Fonte-
nay, Campra aurait compose a Tage de 17 ans.
5) Bib. du Conservatoire de Paris, in fo, grave, No 639.
226 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra.
Un recueil ms. de la Bibliotheque nationale intitule: Recite et Duos de
M. de La Lande et de quelques autres mattres (1765) ]) contient 5 pieces de
Campra, maie en raison de la date (1765) ou ce recueil fut Stabli, et de la
presence de morceaux religieux de Lalande, nous serions assez porte a croire
que les compositions de Campra contenues dans cette collection datent de
la seconde partie de sa vie.
II parait en etre de meme des quelques pieces que possede en manuscrit
la Bibliotheque du Conservatoire, dont une Elevation: «0 Panis Deus», un
Hymne: «Pange lingua gloriosi*, une Antienne: «Regina coeli* etc.2).
La lecture du motet a grand choeur Detts noster refugium (Psaume 45)
n' incite guere a voir, dans cette importante composition, une oeuvre de jeu-
nesse; il se peut, cependant qu'il en soit ainsi, ou encore, que Campra ait
retouch^, par la suite, son travail d'ecolier.
Voici le plan du Dens nosier refugium tel qu'il resulte de l'examen da
ms. du Conservatoire3):
1°) Gracieusement, (V. Symphonic et Solo de tenor \ puis, Vivement, 2,
«Propterea non timebimus>, avec des effets descriptifs realises par la symphonie.
Cet air renferme de longues vocalises tres-accident^es et souvent modulantes.
2°) Cfmur 3, a 5 voix: «sonuerunt et turbataB sunt aquae.* Ensemble
tres-sonore et tres-intrigue, accompagne d'une basse tumultueuse.
3°) Gracieusement sans lenteur, 2, Air d? alto: «Fluminis impetus. > Dessin
continu de crocbes a la basse.
4°) Solo de dessus avec Symphonic, (j, « Vacate, Vacate*; ici, l'harnionie
se resserre. Campra procede par accords plaques, largement etales; tout le
morceau est empreint d'une gravite recueillie4).
5°) Choeur, Vivement, 2/4 a 5 voix: «Conturbata3 sunt* soutenu par une
symphonie agit£e et remplie d'intentions descriptives.
6°) Dialogue et choeur, 3. — Prelude symphonique, dans lequel 2 haut-
bois alternent avec toute la masse instrumentale. Un petit chceur (3 voix
superieures), accompagne par 2 hautbois ou par les violons, alterne de meme
avec un grand choeur ecrit en harmonie verticale, d'une belle sonorite* et d'un
caractere majestueux.
Les deux premiers livres de Motets (1695 et 1700) comprennent des
motets k voix seule, a deux voix et h trois voix, avec basse continue.
Ce genre de composition comptait en France de nombreux pr£c£dents.
Boesset, Moulinier, Pechon, Bousignac avaient ecrit, au cours du
XVIIe sifccle, des motets a basse continue, [et les travaux de M. Henri
Quittard montrent qu'il ne faut nullement considerer Henry Du Mont
comme Timportateur dans notre pays de cette espece de motet5). Entre
1) Bib. nat. Vm1 3123, in-4<> obi.
2) Bib. du Conservatoire, N° 644, in 4°, Reserve et N° 645 in f°.
3j Bib. du Conservatoire de Paris. Ms. vol. E, in f° 641 et vol. F. obi. 642,
Reserve. M. Weckerlin croit ce ms. de la main de Campra.
4) Sur «Exaltabor>, la symphonie execute des lnelismes ascendants a limitation
de ceux qui supportent «Et ascendit* du Credo de la l*™ messe de Guillaume
Poitevin.
5) Voir: Henri Quittard, Un mu&icien en France au XVIIs sucle, Henri Dm
Mont (1906;, et du meme auteur, Un musifien oublu' du XVIIe stele francais, G.
Bousignac; (Bulletin trimestriel, d'avril— juin de 1'l.M.G. 1906. p. 356).
L. de la Laurencie, Notes aur la jeunesse d1 Andre Campra. 227
1660 et 1663, Thomas Gobert composait des motets fc basse continue
sur des paroles de Perrin, et chaque maitre de chapelle, a Toccasion des
di verses ceremonies du culte, avait, de meme, apport£ son contingent
de motets ou d'tUevations ; mais il est reste fort peu de toute cette litt&-
rature religieuse qui appartenait aux maitrises et qui ne fut presque
jamais imprimee.
Lully, outre ses Motets a 2 chceurs pour la Chapelle du Roy (1684),
aurait, selon Brossard, laisse 10 petits motets k 3 voix avec basse con-
tinue; ces petits motets ont ete coritestes et attribues a Lalouette1) Sans
parler ici des motets de Charpentier et des morceaux pour voix de
femmes qu'il destinait a des couvents, nous pourrions encore signaler les
Motets de Lalande qui offrent une grande ressemblance avec ceux de
Campra2). On connait, enfin les Motets a voix settle et Basse continue
que G. G. Nivers faisait graver en 1689 3), de plus, la 2e partie du Pro-
dromus musicalis ou Elevations et motets a voix seule et Basse continue
de Brossard, parut chez Ballard en 1698.
Ajoutons, et ceci presente au cas actuel une grande importance, que
de nombreux motets italiens s'etaient alors repandus en France. Campra
les connut certainement et se penetra d'influences transalpines qu'il dut
subir des sa jeunesse; il s'y plia d'autant plus facilement que, n£ d'un
pfcre piemontais, il se trouvait ainsi & demi italien.
Quelques bibliotheques de ce Midi de la France, qu'il habita longtemps,
conservent des copies d'ceuvres de Carissimi; celle de Carpentras poss&de un
Miserere et un Memento Domine d'A. Scarlatti4) A Aix, oil Campra fit
son education technique, Tart italien etait en honneur ; Bononcini, Luigi
Rossi, Cavalli, Legrenzi, Colonna, Alessandro Melani, Stradella comptaient
presque partout en France des admirateurs, et les echos des concerts
de l'abbe Mathieu retentissaient bien loin de Paris 5). Enfin, las maitres
drItalie publiaient de leurs (euvres en France, t£moin Paolo Loren-
zani dont les Motets avec symphonie et B. C. parurent chez Ballard en
1) H. Quittard, H. Du Mont. p. 199.
2) Comme Campra, Lalande manifeste de fortes tendances italiennes. On 8 ait
qu'il avait acquis une importante collection d'ceuvres italiennes, et on a rapproche*
le debut de son De Profundis (1689) d'un air de Carissimi. (H. Quittard, Revue
musicale, juillet 1902.)
3} Motets u voix seule, accompagnes de la B. C. et quelques autres motets a 2 voix
propres pour les Religieuses . . . par le Sr Nivers. Organiste de la Chapelle du Roy et
de l'eglise S* Sulpice, 1G89. Bib. nat. Vm1 1058.
4) Bib. de Carpentras, 1036, fo» 31 et 55.
5) Voir a ce sujet M. Brenet, Les Concerts en France sous Vancien regime, et
Sere de Rieux , Les Dons des enfants de Latone, p. 112, en note. « Vous avez a Paris
et surtout dans les provinces, ecrit a son tour Lecerf, quantite de jeunes adora-
teurs de la Musique d'ltalie, qui admirent souvent sur le nom de l'Auteur en i
ou en o.» (Lecerf-Bourdelot T. III. p. 76.
228 L. de la Laurencie, Notes lur la jeunesse d'Andre* Campra.
1693 l). Campra ne les ignora sans doute pas plus que les compositions reli-
gieuses de Giovanni Battista Bassani qui datent de 1690 et 1692 *). De toutes
parts, le gout italien envahissait les maitrises, les couvents et les concerts
profanes, et l'Avertissement que Ballard met en tete du ler Livre de
Motets de Lochon (1701) est suffisamment caracteristique & cet £gard.
L'editeur declare d'abord que «par l'execution, on avouera que l'Auteur
a trouve le secret par son genie d'allier le dessein, l'intrigue et l'ex-
pression de la Musique Italienne avec le tour, la delicatesse et la dou-
ceur de la Fran^oise*. Ensuite, il indique, d'aprfcs Lochon, la manifere
qui convient k Fexecution des pieces de son recueil:
«Pour entrer dans ce gout Francois-Italien, il [l'auteur] donne pour regie
generale que toutes les dernieres syllabes doivent etre breves > . . .').
A la suite de l'Avertissement, Ballard a placd une table des «termes
des mouvemens consacr£s a l'art», termes exprim£s en langue italienne,
dont Brossard s'etait dejk occupe lors de la publication de ses motets.
Enfin, les musiciens frangais pastichaient fort habilement la musique
italienne (nous en avons rencontr£ un exemple avec March and), ef les
recueils d'airs publies par Ballard contiennent un grand nombre d'airs
italiens.
Les puristes, comrae Lecerf de la Vi^ville, ne cachaient point leur
mecontentement, en voyant la musique frangaise se p£n6trer dWments
strangers et de tours k l'italienne. «SiM. Brossard, ecrit Lecerf, s'etoit
moins rempli d'e'rudition italienne, il en aurait 6t6 plus coulant et plus
suivi4)*. Et de critiquer la science, les basses travaillees de Bernier,
de s'indigner en voyant Mignon, «non content du triple noir>, mettre
«gayement» au Kyrie d'une de ses messes5).
L'examen de la musique religieuse de Campra va nous montrer nette-
ment ses tendances italiennes.
Ses Motets temoignent d'abord de revolution qui s'est effectuee au
XVII6 sifccle dans le sens de P expression dramatique par le seul moyen
de la monodie. lis sont ecrits, en effet, «en style d'Air», et rentrent
assez bien dans la definition que Perrin donnait du motet dans TAvant-
propos de ses Cantica pro Capella Regis1); le motet, dit-il «est une
1) Motets a 1, 2, 3, 4 et 5 parties, avec symphonies et B. C. par Monsieur Loren-
zani, Mais t re de Musique de la feue Reyne. 1693. (Bib. nat. Vm1 101. R6s.)
2) Metri sacri resi armonici in motetti a voce sola con riolini, di G. Bassani,
Bologne, 1690 (Bib. nat. Vm1 1062). Bassani avait donne aussi, en 1602, des Con-
certi sacrij motetti, etc.
3) Avertissement du ler Livre de Motets en musique par M. Lochon, Ballard, 1701.
(Bib. nat. Vm* 1122.)
4) Lecerf: III® partie, p. 133.
5) Do III. p. 134.
6) Les Cantica pro Capella Regis de Perrin parurent en 1666.
L. de la Laurencie, Notes sur la j eunesse d'Andr6 Campra. 229
pi&ce vari£e de plusieurs chants ou Musiques liees, mais diffdrentes1)*.
Leur caract&re est souvent nettement dramatique et se rapproche ainsi
de celui des airs d'op£ras; ce n'est plus a la polyphonic, aux artifices
contrapuntiques, que recourt l'auteur, afin de traduire F expression du
texte; ce soin, il le confie a la m£lodie proprement dite, m£lodie qui
prend un aspect plus musical, qui se caract£rise et trouve en elle-meme
des Elements de developpement. Ainsi que l'£crit justement M. Quittard,
«c'est surtout a la mdlodie qu'il appartiendra desormais d'etre l'eloquente
interprfete des sentiments et des pens£es. Les combinaisons des contre-
points lui vaudront un surcroit d'intensitd; elles dlargiront sa signification
originelle plutot qu'elle ne lui apporteront des donnees'nouvelles2)*.
Ecrits le plus souvent sur le texte meme des Psaumes, les Motets de
Campra adoptent cependant parfois des paroles composes a Pinten-
tion du musicien, ainsi que Ballard l'expose dans son avertissement du
2e Livre3). Dans les Motets a 1 voix, la m£lodie expressive se suffit a
elle meme avec le secours harmonique de la basse continue. Les pifeces
a 2 et 3 voix prennent quelquefois la tournure d'un dialogue dramatique,
tel le motet 9 du 4e Livre (Mea voluptas). Frdquemment, ils adoptent la
forme de Pair frangais a 2 parties avec le mouvement harmonique to-
nique dominante — dominante tonique (Motets 2 et 4 du ler Livre); dans
d'autres cas, la structure se complique et nous nous trouvons en presence de
•plusieurs chants lids*, comme dit Perrin. C'est ainsi que le 36 motet
du l" Livre se ddroule en 4 mouvements: Lentement, Qravement, Ten-
drement, Gay, avec une alternance rdgulifcre de rythmes binaires et ter-
naires4). Quelques-uns enfin, se coulent dans le type lied A, B, A de
Pair italien, type dont on rencontre ddja des exemples dans Tceuvre de
Du Mont, notamment dans son 0 fideles a voix seule5).
Chaque incise du discours correspond a une formuft melodique dif-
ferente. Voyez, par exemple, le ler motet du 1" livre (Paratum cor meum) ;
il y a un thfcme distinct sur «Paratum», sur «Exurge gloria*, sur «Con-
fitebor tibi», sur «Quia magna est*. — Les changements de mouvement
a l'int&rieur des motets, se conforment au sens general des paroles, et
1J Avant-propos des Caniica. Cf. Quittard, Loc. cit. p. 152 en note.
2) H. Quittard. Loc. cit. p. 116.
3) «Je n'ay rien a dire sur le Merveilleuz qui est repandu dans ce Livre de-
puis le ler Motet jusques au dernier, 6crit Ballard; le nom de M. Campra suffit.
Comme la plus grande partie de ces Motets sont Pseaumes, je n'ay pas manqu6
de bonnes traductions. Pour les Paroles composers, je crois que Ton n'y aura pas
ma) r6nssi.> {Motets, 2* livre, Avertissement.)
4) Motets, Livre I: Quemadmodum desiderat cervus a voix seule.
6) Motets a deux voix de 1668. CM par M. Quittard, loc. cit. p. 157. En Alle-
magne, les estheticiens font le plus grand cas de l'air italien a da capo, non seule-
ment dans la musique dramatique, mais encore dans Tart religieux (A. Pirro, Esthe-
Hque de J. S. Bach. p. 313.)
23Q
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra.
le inouvement de la pensee se transpose en mouvement musical. Inter-
ruptions, repos de la voix sont choses fr&juentes1), animent la phrase,
la rendent vivante et expressive, contrairement a l'habitude du style lie
employ^ dans les anciennes oeuvres polyphoniques, contrairement meme
au caract&re de la melodie coulante de Lully. Souvent aussi, Campra fait
usage de marches diatoniques modulantes, et transporte un th&me on
un simple fragment m&odique & diff ^rentes hauteurs de l'echelle2).
Mais sa melodie offre des caract&res plus particuliferement italiens que
nous voudrions indiquer.
D'abord, elle est souple, facile; elle aime a se rep&er, h se replier
sur elle-meme, ^*s' entendre chanter, en quelque sorte. Certains inter-
valles melodiques, la quarte ascendante, avec retour sur le 7e degr£ de
la gamme par exemple, lui sont familiers, et ici, Campra se rapproche
parfois de son maitre Poitevin. II n'est pas sans interet, dans cet ordre
d'id^es, de comparer le debut de son Usque quo, de celui du Kyrie de
la l*re Messe de Poitevin.
Campra :
Usque quo.
gigsfegg
-v*-*-
#•-# — I-
4— i^-
-^-
m
■*>*-
p
AOL Sj
Poitevin:
'^m
**
T^*-
m
Ky - ri - e
Comme Poitevin, Campra, dans les pieces a plusieurs voix, distribue
ingenieusement les parties, et, tout en laissant predominer une melodie
principale, il n'emploie point le style harmonique de Lully. Bien au
contraire, il distribue ses dessins melodiques h, diverses hauteurs, procfede
par groupes de voix qu'il oppose les uns aux autres et qu'il fait dialo-
gues Ainsi, dans Yin te Domine spes du l*rlivre, le Tenor expose le
1) Dan 8 le motet Laudate (Psaume CL) du ler Livre, la voix presente la m£lodie
a Tetat morcele, avec de longs silences entre ses diverses incises, silences que
remplissent les parties instrumental.
2) On trouve dos exemples d'un pareil dispositif dans les Motets de Nivera, ou
he lit le passage suivant: (Motet a voix seule 0 pm dcttas p. 63 de Pedition
de 1689;:
^
Sus - pi - ro, Sus-pi - ro, Sus - pi - ro, Sus-pi-ro,
3) Motet Usque quo, Ms. de la Maitrise de S* Sauveur d'Aix.
4) Voir plus haut pour ce Kyrie de Poitevin.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeuneise d' Andre* Campra.
231
th&me, que reprend ensuite la Haute-contre; puis, les deux voix sont
traitee8 en imitations jusqu'& l'entr^e de la Basse1). II arrive aussi
que c'est la Basse qui debute dans Pexposition mflodique; alors, les
voix supdrieufes entrent successivement du grave k l'aigu2).
La melodie de Campra, avons-nous dit, aime k se r6p£ter; non seule-
ment, elle affecte la forme k reprises et k da capo, mais encore, dans
les details de sa constitution in time, elle manifeste des insistances bien
italiennes; certaines incises se repfctent 2, 3 fois de suite, quand bien
meme les paroles que supportent ces incises different.
Campra ecrira, par exemple:
=$=i=t=
Ad te
ou encore, en insistant da vantage:
■&
ZM
«}
Sus - pi - ra - mus
-fc
"=*=?
-#■ #-
gg^g-^Tfr-
£iBfe
=fe
*)
Et Ian - guen - ti, Sus - pi - ran
Da, so - la - men - - •
On retrouve d'ailleurs ces repetitions, ces redoublements d'incises
xnelodiques dans l'&riture instrumental de Campra6).
Frdquemment, pour exprimer une id£e de force, de tranquillity ou de
joie exultante, il dessine sa melodie en arp^geant l'accord parfait. Les
motifs prennent alors un caractere tonal et consonant bien net; ils
s'appliquent particulifcrement k l'expression des sentiments heureux. En
voici un exemple:
=t=
1
Lau - da - te
so - no
H affectionne aussi les mouvements vifs, d'une rythmique alerte, ce
qu'on appelait alors les <vitesses», et il est rare que chaque motet ne
presente pas un «gay» bien caracteristique de sa nianifcre et des ten-
dances italiennes qu'elle reflete. Ces «gayst, en notes piquees et Jegfcres,
s'exposent generalement dans des rythmes ternaires. Campra y repute
1) Motels. Livre I.: In te Domine spcs, a 3 voix.
2) D°: Dissipa Domine, a 3 voix.
3) Motets, Livre I: Salve regina, a voix seule. p. 19.
4) D°, Livre II: Florcte prata, a voix seule. p. 34.
5] Bassani pratique frequemment ces repetitions dans les ritournelles de violon.
Cf. Metri sacri, p. 28. de l^dition de Bologne.
6) Motets. Livre I.: Laudate, laudate Dominum a voix seule et 2 dessus de
violon, p. 25. Dans la musique dramatique de Campra. on releve des motifs 6ta-
blis de meme sur l'accord parfait. Voir, Carnaral de Venise (Orfeo nell1 Inferni,
scene 2, p. 219.)
s. d. IMG. x. 16
232
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andre* Campra.
les notes ay ant une signification tonale, la tonique, la doininante, la
tierce, proc^de que Rameau reproduira plus tard (Le Sigaudon de Dar-
danus p. ex.).
Gay.
A} ft 3 *-fr-rf-
'tr Pa
-t=±
ra- turn cor me - urn, pa - ra - turn cor ,
Gay.
SI
X
£
!?*>
In - tro - i" - te in cons - pec - tu e - jus
On trouve meme, dans une ritournelle instrumentale confiee aux vio-
lons, le passage suivant:
fe
i
JRT=£
*
g^^F=F=^
£
ZJSZ^Z 9>
L'ornementation melodique de Campra le range bien aussi au nombre
des musiciens frangais-italianisants. Son ecriture vocale apporte de nom-
breuses exceptions au principe du syllabisme; elle s'orne, se complique,
devient plus figuree, plus manieree que celle des anciens motettistes
fran^ais. On sait k quel point Lully reprouvait les passages, les doubles,
les diminutions, <T accord en cela avec l'esthetique classique dont Lecerf
de la Vteville est un des repr&entants les plus int^ressants 4). Campra,
k l'exemple des Italiens, multiplie, au contraire, les traits de virtuosity
yocale, tenues, vocalises, passages. Tantot, l'artifice de virtuosity tenue
ou roulade, ne cherche d'autre but que le plaisir de faire valoir une
belle voix; les tenues, en particulier, se placent alors sur des voyelles
ou des diphtongues bien sonores a, o, ou, an ; d'autres fois, la vocalise ou
la tenue remplissent une f onction expressive ; c'est ainsi que les tenues, par
l'allongement qu'elles conffcrent au son, s'associent aux idees de dur&,
de temps, d'£ternite, et nous savons que Bach et Rameau ont adopte la
meme esth^tique5).
Ainsi Campra, pour exprimer le repos eternel, fera chanter:
1) Motets, Livre I: Paraium cor meum, a voix seule.
2) Do Livre II : Jubilate Deo, a voix seule, p. 2.
3) D° Livre II, p. 37. Lorenzani pratique frequemnient ces redonblements de
notes. Dans le ler choeur de son Deus noster refugium, Campra fait un emploi
presque continu des notes redoublees dans la symphonie d'accompagnement.
4j Consulter sur ce point Particle de M. Henri Prunieres, Lecerf de la Yievilk
et VEsthetique musicale classique au XV IF Steele, S.I.M. 16 juin 1908. pp. 619
et suiv. et aussi le livre de M. Hugo Goldschmidt, Die I^ehre von der vokalen Orna-
mentik. Band I (1907) pp. 69 et suiv.
6) Consulter sur tout ce qui concerne Bach l'ouvrage de M. Andre* Pirro, VEs-
thetique de J. S. Bach. 1907. Pour Rameau, voir le livre de M. Louis Laloy, Rameau,
Paris, Alkan, 1908, et notre ouvrage de la oollection des Musiciens ctUbrts, 1908.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesae d1 Andre* Campnu
233
zfesairjE
£e
=t
gI~AV_
in ae
ter num qui - es - cat . . .
Dans le meme Motet, il place une longue tenue vocale sur le deu-
xifcme o de « possessionem
II multiplie les roulades, les traits agiles; void une vocalise situ^e
sur Van de «dominantium», vocalise modulante et non pas de simple
remplissage2).
-TV- * *-*Z=pI#_
Do-minus do - mi - nan
nan .........
tk^^^£
ti - um . . .
Ce passage revet surtout une couleur decorative; c'est un ornement
vocal qui ne pretend point h la description, comme ceux qu'il etait alors
de regie d'adjoindre k quelques «mots distingues dans toutes les langues
et auxquels les musiciens ont egard d'ordinaire»3). Mais il rentre bien
dans l'application de la conception representative de la musique si en
honneur au XVIIe sifccle, et selon laquelle, celle-ci doit commenter £troi-
tementles paroles du texte. Schiitz, Praetorius, Wolfgang Schonsleder
( Volupius Decorus) en donnent des exemples ou en formulent les principes.
Far Schonsleder, nous possedons meme le catalogue complet des proc^des
du langage musical: 1°) Verba affeetuum (Etats d'ame), 2°) Verba motus
et locorum (Mouvements et situation des objets dans Tespace), 3°) Ad-
verbia temporis numeri (adverbes de temps et de nombre), 4°) Acetates
hominum (ages et qualites de Thomme)4). Plus tard, en 1697, un autre
repertoire des mots generateurs de formules musicales caracteristiques est
dresse par Daniel Speer5), et c'est ce repertoire dont Lecerf accepte une
partie, la partie purement descriptive6).
1) Motets. Livre I. Dissipa Domine, p. 99. Cette tenue est executee par la
Haute-Contre.
2) Motets. Livre III. 11 s'agit du motet a la maniere italienne: Qttis ego Do-
mine? p. 119.
3) Lecerf de la Vieville. Comparaison. IIIe partie, p. 70. Lecerf s'eleve verte-
ment contre Tabus des vocalises meme descriptives.
4) Architectonice Musices universalis ex qua Melopoeam per universa et solida
Fundamenta Musicorum . . . Autore Volupio Decoro Musagete . . . (1631). C'est au
chapitre de textu que sont exposes les proc£d£s usuels de description musicale.
Cf. Pirro, loc. cit. pp. 18 et suiv.
5) Daniel Speer, Qrundrichtiger Unterrieht der Musiealischen Kioist . . . (1697).
p. 283.
6) «Tout roulement, declare Lecerf, qui n'est fonde que sur la commodity
d'une lettre et non sur le sens d'un mot ne se scauroit excuser .... La musique
16*
234 L- de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andre Campra.
Campra, h l'imitation des Italiens et de son maitre Poitevin, n emploie
point Tornement vocal dans des limites aussi etroites que celles qui resul-
tent de Tobjectivisme de Lecerf. Avant lui, du reste, des musiciens
frangais avaient generalise le systfeme, etendu le metaphorisme du lan-
gage musical et decouvert d'heureuses formules d'expression psycho-
logique J).
Ceci nous am&ne h examiner de quelle fa$on Campra comprend
Interpretation du texte verbal et aussi, les critiques que les classiques
purs lui adress&rent k ce sujet.
Un important passage de Lecerf de la Vteville, qu'il faut toujour*
citer en la matifere, car sa comprehension de la musique est presque ex-
clusivement litt^raire, nous renseigne de manifcre inWressante sur les
interpretations musicales des Motets de Campra:
«Je me suis applique^ Scrit Lecerf, a examiner Campra, parce qu'on ne
scauroit mieux temoigner sa bonne foi qu'en critiquant ceux qui nous font
le plus d'honneur. H exprime je ne scai ou Solemnitatem par une Musique
longue et brod£e. (Test apparemment pour marquer que, dans les grandes
Fltes, rOffice est long et les c£r£monies magnifiques. Dans Lauda Jerusalem
Dominum, il exprime ante faciem frigoris e;W par une Musique imitee dea
trembleurs d'lsis2). II devait songer que Lauda Jerusalem est un Pseaume de
joie, et que ante faciem frigoris etc., n'est la qu'un passage peu important
et sur lequel il ne sied point de s ' arret er; car, il faut avoir egard, non sett-
lement aux paroles, mais meme au terns et au lieu ou sont ces paroles, et
qui doute, par ex em pie, que le de profundis de l'Offtce de Noel ne demande
un autre tour que le de profundis de l'Office des Morts?»s).
Ce sont lhy assurement de sages observations, mais nous verrons que
Campra, tout en s'attachant au detail verbal, et en s'effor^ant, selon la
juste remarque de l'abbe Du Bos, de «jouer sur les mots*, ne manque
pas aussi de s'inspirer du sens g£n£ral des textes et de l'¬ion d'en-
semble que chacun deux se propose de susciter.
D'autres critiques de Lecerf portent £galement assez juste:
etant une peinture, elle demande une expression grande on petite. Or un roule-
ment sur le mot chaine repr&ente les anneaux d'une chain e, sur le mot foudre,
Teclat et la chute de la foudre ...» (Comparaison. III. pp. 186, 187.)
1) Nous voyons, par exemple, Du Mont appliquer une vocalise a one simple
preposition, afin de souligner rintensite* du mouvement qu'elle contribue 4 ex-
mer. Ainsi, voulant rendre Tardent d6sir de Tame chretienne qui tend violem-
nt vers Dieu, il ecrit dans son motet Quemadmodum desiderai cervus [MoUU
r la ChapeUe du Roy, 1684).
2) C'est le fameux passage de Ylsis de Lully, ou le musicien traduit par an
molo de croches le claquement des dents de personnages transis de froid.
3 Lecerf. Loc. cit. IIle partie, p. 135.
L. de la Laurencie, Notes aur la jeunesse d' Andre* Campra. 235
«Dans m exitu Israel , a non clamabunt in gutture suo, Campra fait un
duo qui crie longtemps et a pleine tete. £st-ce bien exprimer que lea Dieux
<Tor et d'argent ne crieront point? II ne s'apergoit pas, en tous ces endroits,
qu'il prenoit a gauche le sens du Latin*. Et le severe censeur d'aj outer
« Expressions Italiennes*1).
Le motet Salve regina lui donne l'occasion de s'elever contre ce
qu'il appelle «la paresse des musiciens frangais*, contre la negligence
avec laquelle ils procedent h la traduction musicale des paroles:
<Dans le Salve Regina de Campra, a cette fin 6 pia, 6 dulcis, Campra
joint I'd de dvlcis a celui de pia, apres lequel il met un demi-souir. Par
consequent, le Chanteur dit 6 pia, o, et le demi-soupir le force de s'arreter
sur le second 6 et de l'eloigner de dulcis. Ainsi, a moins que le Chanteur
ne prononce le p de pia tres-distinctement, on croit entendre un wi, et c'est,
6 mia, o, ce qui fait un miaulement de Chat, et l'Auditeur rit. Campra
place son demi-soupir apres le second o, il n'avoit qu'a le placer devant,
pour le separer de Va de pia\ le sens, la prononciation auroient ete jus tea.
Bagatelle, sans doute, mais bagatelle desagreable dans le Motet de Cam-
pra . . .»2).
Voici le passage incrimint*:
dul - cis Vir - go !
Sans doute, l'effet produit n'est pas des plus heureux, mais le mou-
vement rapide attenue sensiblement le «miaulement» que signale Lecerf.
Dans tous les cas, sa remarque te'moigne de son erudition et du soin
avec lequel il a etudi£ les textes dont il parle.
Une observation du meme genre va nous montrer que Lecerf, pr&-
occup£ avant tout de Texactitude de la declamation, ne prete qu'une
attention mediocre h lexpression de la musique proprement dite, parce
qu'il ne ressent celle-ci qu?& travers la signification des paroles.
Campra, en effet, pratique souvent avec bonheur la dissonance ex-
pressive qu'il s'entend fort bien h placer aux points ou elle porte le
plus. Ainsi, dans le motet In te Domine du ler livre, on relive le
passage ci-apres:
1) Ibid. — II 8'agit ici du motet a grand choeur In exitu dont la Bib. nat.
possede la partie de dessus. (Vm1 1103.) Le passage cite par Lecerf se trouve a
la page 33.
2) Lecerf. II1« partie. pp. 160-161.
3) Motets. Livre I. n° 4. p. 18. Le passage ci-dessus se trouve a la page 20
de Petition de Ballard; il est repete 4 et 5 fois. On le rapprochera des affecta-
tions dont Perrin fait grief & la musique italienne qu'il qualifie de « Musique de
gouttieres*, dans sa lettre de 1669 a l'archeveque de Turin.
236 I* de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra.
OldtlCBE^SE^agEe
_*-._**_
In te Do - mi - ne, Spes u - ni - ca me - a . ,
5 4
b «
*7
iS
zzzzz
Or, Lecerf, qui goftte cependant vivement ce motet, «le meilleur de
tous les Motets que je connaisse, et qui est d'une bonte exquise et veri-
table, ou je suis trompe, expressif, simple, agr^able, d'un chant devot et
gracieux* 2), s'^tonne de l'arret indiqud par le musicien entre spes et
unica.
Mais ici, la modulation r£alis£e i\ la basse et qui s'affirme pr^cise-
ment sur l'^pith&te unica, en vient renforcer considerablement Texpression;
et encore, la pause intercalee entre spes et unica depeint-elle de fagon
dramatique Tanxiete du chrdtien et le seul espoir qui lui reste, espoir
qu'il place dans le secours divin. La modulation mineure ajoute une
grande puissance h ce debit sanglotant.
Les exemples abondent, chez Campra, de semblables dispositifs. Et
ce ne sont pas seulement les voix qui se froissent, dans les pieces a
plusieurs parties, lorsqu'un sentiment de douleur ou de tristesse s'ex-
hale du texte; Taccompagnement de la basse ne manque pas, lui aussi,
de souligner d'une dissonance le trouble psychologique.
Sous ces mots: Adjuva me, adresses d'une voix suppliante au Seig-
neur, Campra introduira une quinte diminu^e3); il ddploiera des series
de 7e8, comme Corelli qui, h la grande indignation de Lecerf, en place
12 k la suite (4); il fera etat de formations harmoniques raffin£es, de
celles qui horripilent les classiques frangais et qu'ils stigmatisent dans la
musique italienne, «la fausse septi&me et une fausse quinte ensemble* 5)r
c'est i\ dire Taccord de septifcme diminu^e. — II module avec hardiesse,
sans passer par les tons voisins. On trouve chez lui de ces sauts brus-
ques de tonalite si typiques de la maniere des compositeurs de l'£cole
romaine. Dans le motet Insere Domine, il quitte le ton de sol majeur
pour s'dtablir immediatement en celui de la majeur6).
1) Motets. Livre I. C'est un motet a 3 voix; la citation est emprunt£e a la
partie de Tenor, p. 83.
2) Lecerf. Loc. cit. Ill6 ptle p. 193. II ajoute meme : « Je me persuade que
le plaisir que cette Piece nous fit deux fois de suite a trente personnes et a moi
chez Mr . . . qui voulut bien que nous la recommandassions, se seroit change en
nous tous a la vue de l'Autel, en violente emotion de piete.»
3) Motets, Livre II. Deiis in adjutoriwn p. 125.
4) On remarquera 4 7" consecutives a la page 3 du Livre I, 3 7ei de suite a
la page 16 du meme livre, etc.
5) Lecerf. Loc. cit. III. p. 83.
6) Motets. Livre L Insere Domine pectori meo p. 32.
L. de la Lauren cie, Notes stir la jeunesse d' Andre Campra. 237
Lorsque la signification du texte commando l'inquietude, lorsque lea
paroles se pressent en interrogations angoissees, les modulations se pre-
cipitent, s'accumulent. Frdquemment, elles s'effectuent au relatif mineur,
et s'enchafnent par une progression continue qui endeuille progressive-
ment la tonality. JjJJbi es, Dens metis laisse tomber sa question sur
la sensible:
ffl™=E?
* m
U - bi es, De - us me - us? . . .
et ce motet pr&ente un tour si italien, que Lecerf le reproche k Campra,
en soutenant qu'ici, le musicien s'est simplement born£ k imiter une com-
position sur les memes paroles, due k un auteur dont les oeuvres dtaient
alors assez apprecides, Danielis:
«Le Motet de Campra, Ubi es, Deus metis? n'est que le Motet de Da-
nielis sur les memes paroles, revu, corrige et augments. Voila le genie Fran-
cois ente" sur l'ltalien, d'une bonne main, et d'une main qui n'est pas no-
vice a imiter »2).
Ailleurs, (Quemadmodum desiderat cervus) , Campra, sur des interro-
gations rep£t£es, hachees, accentue l'inquigtude sugger^e par le texte, au
moyen de modulations accumulees; il passe de fa majeur en t6 mineur
puis en si 1? majeur, en mi b majeur, en ut mineur, en sol mineur, etc.8).
On trouve souvent aussi, dans sa musique religieuse, de ces mouve-
ments chromatiques que Lecerf d£non$ait comme prdcieux et de mauvais
go tit, et que les musiciens de ce temps associent aux id£es de tristesse,
de ddploration, de deuil et aussi d'abaissement moral, de degradation4).
1) Motets. Livre II. Ubi es, p. 9. Motet a voir seule pour le Saint-Sacrement.
2) cJe ne dirai pas, continue Lecerf, que le Motet de Campra ne vaut rien, il
a 8on prix; mais je dirai qu'il n'est pas tel que je l'aurais esp6re de Campra, tra-
vaillant sur un fond si riche. J'entendis d'abord le Motet de Danielis qui me
parut fort bon en gros; celui de Campra, que j' en ten die ensuite, ne me parut point
preferable. Si Campra en avoit ote plusieuis dSfauts, ceuz qu'il avoit pris etoient
devenus plus sensibles, et il avoit ete contraint d'affoiblir extremement plusieurs
des traits qu'il en avoit copied: vice de cet alliage des deux gouts. > (Lecerf. Ill*
partie. p. 164.)
Nous savons peu de choses sur ce Danielis. Fetie n'en parle pas. Le Quellen-
Lexikon d'Eitner en fait un francais (wahrscheinlich Franzose) (III. p. 141). Mais
Lecerf lui-me'me nous apprend qu'il etait Italian, et le met au nombre des compo-
siteurs «recommandables» en musique sacr£e, a cdte de Lorenzani et de Carissimi
(Bourdelot, IV. p. 175.)
La Bib. nat. possede, en manuscrit, un certain nombre de motets de Danielis
d'une ecriture aisee, tres-m&odique. En voici quelques-uns: Ad arrfia fideles (3
voix), Vm1 1710, Adjuro vos (a 1 voix, 2 violons et Basse), Vm1 1276, Caleste con-
vivium (del Signor Danielis (3 voix), Vm1 1272, Domine qui habitabit (3 voix), Vm1
1273, Errate per colles (4 voix), Vm1 1277, Occurite calestes (3 voix), Vm1 1274, Qui
reminiseimi (a 1 voix, 2 violons et Basse), Vm1 1275. En outre, la Bib. nat. possede
la partie de basse de 10 autres motets. [Motets a 3 voix de divers auteurs, Vm1
1641.) 3) Livre I. Motet 3.
.4) La plupart des musiciens francais de la fin du XVII6 siecle emploient ce
238 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
Tantot, le chromatisme ge'ne'ralement applique k un motif descendant
compris dans l'intervalle de quarte, ne se fait sentir qvCk la basse, comme
dans le motet HE du ler Livre, ou la declamation quale trisiis es anima
mea se de'ploie en une ligne unie, peu accidentee, rapproche'e de Tin-
tonation naturelle du langage, selon lhabitude italienne1). Tantot, le
chromatisme se dessine k la partie vocale en meme temps qu'k la basse
d'accompagnement :
%jjj^=1?f=^^
J2z
-v-j
Prop - te - re - a con - cu - pis - cit et de - fi - cit
f f .fejpj* JjpU^
^
3=
Enfin, si Campra se montre souvent predispose' h mettre le mot en
musique et k traduire avec une minutie quelque peu deplacee les moin-
dres details du texte verbal, il sait aussi, conf ornament k la profession
de foi qu'il expose dans la d^dicace de son 2e Livre de Motets, s'inspirer
du sens general des paroles, et traduire par sa musique «un sujet grand
et touchant*, ainsi qu'il le dit lui-meme.
Le motet Ubi es Dominies mens, Yin te Domine spes si goute' de
Lecerf, ne manquent ni de caractere dramatique, ni de majeste religieuse.
Le Quemadniodum desiderat cervus dent sur le texte du Psaume XLI,
se ddroule avec une gravity, une onction vraiment dignes du temple.
Une melodic ample et recueillie accompagne ces paroles: cSitivit anima
mea», pendant que le continuo, en un mouvement obstine' et tranquille,
ajoute k la tendre priere du chant par la douce ondulation des croches
liees de deux en deux:
motif chromatique descendant pour depeindre des sentiments d'affliction. On le
trouve dan 8 les Symphonies de Pierre Gaultier; nous Tavons signale ici meme
{Bulletin trimestriel de VIM. Q. de janvier-mars 1906) dans lea ceuvres de Jean Ferry
Rebel. La Plamte sur la Mart de M. Lambert composee par Du Buisson et
publtee dan 8 le Becueil (fairs serieux et a boire de Ballard en octobre 16%, debute
par une lamentation chromatique du continuo:
mj=z=^==*Ef.
Les Italiens et les Allemands pratiquent ce chromatisme descendant des le ler tiers
du XVII6 siecle. (Voir A. Pirro, Esthetiquc de Bach. pp. 74 et suiv.). — II va sans
dire que cette « chromatique* na pas l'heur de plaire a Lecerf qui fait grief aux
Italiens et a leurs imitateurs de ne pas s'attacher «a une belle musique diatonique>
comme celle de Lully [Comparaison. III. p. 189). Rare, sans doute, chez Lully, le
chromatisme n'est cependant pas completement banni de son oeuvre. On en releve
ca et la des traces. Cf. Cadmus (Acte II. Scene 6;. Acis et Oalatee (Basse du Pn-
lude de la scene 9 de TActe III), Proserpitie (Acte IV, Scene 1) etc.
1) Motet : Quemadniodum (Livre I), p. 15. 2; Motets : Livre II. p. 85.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra. 239
Gravement.
fc*=j^=^^a^^^
Si - ti - vit a - ni-ma me - a .
l)
gii^^^e^gs^^^^
Ceci nous conduit a examiner le role que joue, dans les Motets de
Campra, l'accompagnement instrumental. A la basse continue, le maltre
de musique de Notre-Dame adjoint, en effet fr£quemment, des instru-
ments tels que les violons et les flutes. Dans le ler livre (1695), 3 motets
comportent un accompagnement confix h deux dessus de violon ; dans le
Le (1700), cinq motets s'ornent de meme d'une parure instrumentale2).
La presence d'un accompagnement instrumental £tait chose d£ja an-
cienne, sinon dans les pieces liturgiques proprement dites, comme les
Messes, du moins dans les Motets, qui, ainsi que le fait remarquer M.
Quittard, constituaient les «a cot£» du culte8). De nombreux t&noi-
gnages sont la pour prouver que la musique instrumentale s'associait a
la musique vocale dans des ceremonies de caractere religieux. Nous en
avons recueilli, au cours de cette etude, en relatant sommairement les
fetes musicales d'Aix et de Toulouse. A Paris, il en £tait de meme;
les 24 violons se faisaient entendre en 1650 aux Cordeliers, et la Muse
historique de Loret signale frequemment la presence d'instruments pro-
fanes dans les ceremonies religieuses4). Dans son Voyage de France,
Sebastien Locatelli se livre a une observation identique6), et les motets
qui nous ont ete conserves comportent, dans un grand nombre de cas,
d'abord des violes, puis, plus tard, des violons. Ainsi, sur 40 motets
des Cantica sacra de Du Mont, 10 ont une partie instrumentale6);
2 motets de Veillot, antdrieurs h 1662, sont accompagne's d'une sympho-
nie, avec dessus et basse de violon7).
De meme encore, les motets italiens contemporains de Campra pr<5-
sentent des pretudes et ritournelles instrumentales. On en trouve de
1) Motets: Livre I. Quemadmodum.
2} Dans le ler Livre, 3 motets a voix seule admettent 2 dessus de violon; dans
le 2C, au88i 3 motets a voix seule et 2 motets a 2 voix.
3} H. Quittard, Loc. cit. p. 133.
4} Voir le Diary de l'anglais J. Evelyn et la Muse historique de 1652.
5) Voyage de France, Relation de Sebastien Locatelli, pretre bolanais, publie par
M. A. Vautier. II s'agit ici de la messe du roi entendue a Sl Germain en 1664
par S. Locatelli. (Cf. Quittard, Loc. cit. p. 197.)
6j Quittard , Ibid. p. 135. Remarquons que les Airs a quatre parties (1663) de
Du Mont, ecrits «en forme de Motets*, admettent «une 4fi partie adjoustee pour un
dessus de viole ou un violon. >
7) Quittard, Ibid. p. 1%.
240 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d1 Andre Campra.
fort d^veloppee dans les Metri sacri de Bassani, oil ils affectent le dis-
positif ternaire de la sonate: Grave, Allegro, Grave, et oil ils sont con-
fies k deux violons1). Un motet de ce maitre s'accompagne meme d'un
allegro tout particulifcrement amine dans lequel on peut voir un proto-
type de ceux de Corelli2). Lorenzani, lui aussi, adjoint des « symphonies*
aux motets de son livre de 1693, et trouve des imitateurs en France.
Chez Brossard, chez Valette de Montigny3), on relfcve des parties d'in-
struments; dans les motets de Lalande, les deux violons obliges ex^cutent
de brillants contrepoints, de sorte que Campra n'a fait que suivre le mouve-
ment, en ddcorant ses motets de deux parties de violon.
A Toulouse, nous avons vu quil s^tait preoccupe d'enseigner k ses
el&ves la technique instrumentale en provoquant, de la part du chapitre
de S* Etienne, Tacquisition de violons. Dans plusieurs autres villes, des
deliberations capitulaires intervenaient, qui ne laissent aucun doute sur
la presence au choeur d'instruments de la famille des violons.
Mais, h Paris, il ne semble pas que Tadmission de ces instruments
soit ant&ieure k Campra; Texistence de parties de violons dans les mo-
tets de Veillot, par exemple, ne prouve pas que les violons fussent to-
leres k Notre-Dame4), et deux textes formels, &nanant d'auteurs toujours
exactement informes et dignes de notre confiance, attribuent trfcs-nette-
ment cette innovation k Campra.
Le premier de ces textes est le Diaire dej*i cit6 de Tabbe Claude
Chastelain :
«M. Campra, ecrit Chastelain, fut le premier qui introduisit les violons
dans la musique de Notre-Dame »5).
Le second est le passage suivant de Lecerf:
«Nous avons moins d'Instruments que les Italiens a nos Motets, nous
qui en avons plus ailleurs. Tant mieux; aux Motets qui s'exScutent en face
de 1'Autel, il seroit a souhaiter que nous n'eussions qu'un petit orgue pour
fixer le ton des voix . . . C'en seroit assez, avec les serpens, instruments
d'un usage commode pour remplir et privilegic a T^glise. Aussi n'y a t-il
que 25 ans que nous nous y permettons les instrumens a cordes dans le
1) ler Motet per la Beata Virgine p. 4 de Tedition de 1690.
2) Motet per ogni tempo, p. 14 de Tedition de 1690. On sait que le violoniste
G. B. Bassani fut le maitre de Corelli.
3) Les Motels a 1. 2 et 3 voix, publics en 1701 par Valette de Montigny, sont
«avec instruments >.
4) Dans le Ckrremoniale Parisiense de 1662, Martin Sonnet dit: «Nec alia in-
strumenta musicalia cum organo pulsentur nisi tuba?, tibiae, aut cornea.* (Cf. Quit-
tard, Loc. cit. p. 134.) D'un autre cdte, Pabbe Chartier declare que le serpent fut
introduit au XVII* siecle a Notre-Dame, et qu'a cette epoque, on ee servait de basses
de violon et de bassons. II repete l'allegation de Chastelain relative & Tintroduc-
tion des violons par Campra. (Abbe Chartier, Lya?ieien chapitre de Notre-Dame,
pp. 58, 59.;
5] Vabbc Claude Qia&telain et son Diaire ou Journal, p. 316.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d1 Andre Campra.
241
choeur, et Campra fut le premier qui eut le credit d'en faire entrer dans
celui de Notre-Dame de Paris. Mais enfin, encore aujourd'hui, nous n'a-
vons affaire que de 2 ou 3 Basses de viole ou de violon pour jouer les
Basses Continues et d'autant de violons pour jouer des preludes et des ri-
tournelles, et il est rare que nous en mettions davantage. Quand on n'ap-
pelle pas des instruments de dehors aux Motets de nos Cath£drales . . . ce
sont les enfants de choeur qui en jouent*1).
Lecerf dcrivait ceci en 1705 ; la presence des instruments h cordes
au choeur remonterait done, suivant lui, k 1680 environ et serait, par
consequent, anterieure k Tinitiative de Campra; cependant, le texte est
f ormel et concorde bien avec celui d'un t&noin de premier ordre, l'abbd
Chastelain2).
Si les violons trouvaient leur emploi k Notre-Dame, lors de l'exe-
cution des motets, pieces extra-liturgiques , leur utilisation, remarquons
le, n'allait point sans provoquer d'apres critiques dans plusieurs eglises,
et nous possedons, notamment, un document qui prouve qu'k Senlis, en
1689, quelques membres influents du clerge s'elevaient contre la presence
de la «symphonie» k certaines ceremonies3).
Toujours est-il que le ler Livre de Motets de Campra presente d6]k
3 motets k voix seule accompagnes de 2 dessus de violon qui exposent
des ritournelles de caractere tr&s musical, ritournelles reprises ensuite par
la voix. Voici celle du Motet: Landate
ler Violon
2« Violon '
Voix tacet
B. C.
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S
3fc
1) Lecerf, Loc. cit. IIIe partie, pp. 177, 178.
2) L'abbe Chartier, dans Touvrage deja cite, insiste sur ce fait: € Campra v^cut
en bonne harmonie avec le chapitre qui lui permit quelques innovations; il obtint
la permission d'ajouter pour les solennites des violons aux basses> (p. 113). — Mal-
gre toutes nos recherches, nous n'avons pu d^couvrir mention de Introduction
des violons au choeur de N. D. dans les registres LL des Archives national es. Peut-
etre cette mention nous a-t-elle echappe ; il convient toutefois d'observer que ces
registres sont tres pauvres en indications d'ordre artistique. — Notons que Gerber
reproduit aussi Tallegation de Tabbe" Chastelain au sujet des violons [Historisch-
Biographisches Lexikon der Tonkiinstler I. p. 242;.
3) Critique dun Doctcur de Sorbonnc sur les deux lettres de M''8 Deslyons, ancieti,
et de Bragelongue, noureau Doyen de la cathedrale de Senlis touehant La Simphonie
et les instruments que Von a roulu introduire dans leur Eglise aux lecons de Tenebres.
Senlis, ce 19 mars 1698. (Bib. nat. 4 Vp 3122). Cite par Brossard, dans son Cata-
logue, p. 23.
242
L. de la Laurencie, Note* sur la jeunesse d' Andre Campra.
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La voix chante d'abord la partie A du thfcme; puis elle s'interrompt
pour laisser la parole aux instruments; elle continue ensuite par la
partie B. Au cours de la pifcce, les violons, soit ensemble, soit s£pare-
ment, £changent des vocalises avec la melodie vocale, d'ou une grande
vari£t6, quelque chose de brillant, de chatoyant. Parfois, les preludes
instrumentaux et les ritournelles admettent comme chez les maitres
italiens un certain developpement; il en est qui realisent june forme
d'air en 3 parties, de type A, B, A. Telle, la caline ritournelle que
Campra confie h 2 flfites allemandes, dans son Immensus es, Domine
du 2e Livre. Ici, le musicien trfes attentif au pouvoir expressif des tim-
bres, substitue 2 flutes aux 2 violons pour annoncer un tendre Didcis
Christe h 3/2. La ritournelle des flfttes dure 32 mesures, et revet nette-
ment la forme lied:
Ai
iSfc^
±=
=t
fe:
qsr.
7£L
[partie B] r
A2
*=
EEEIE
]m=i
3
3E
=p
-**•
I?-Z3?I
a'
On voit que le d£but At et la fin A2 de la ritournelle ne different
que par les terminaisons a et a'2).
Les Motets de Campra jouissaient de son temps dune grande repu-
tation3). Lecerf, cependant peu suspect de sympathie pour tout ce qui
touche au style italien, en parle gen^ralement avec eloges. H apprecie
surtout les premiers d'entre eux, et fait des reserves sur le dernier
livre (le 3e, le seul qu'il conniit lorsqu' il ecrivait sa Co?nparaison), parce
que lht suivant lui, Campra imite les Italiens:
1) Motets. Livre I. Laudate, p. 22. On voit, par cet exemple, que Campra,
dans son style symphonique distribue les dessins m61odiques dans toutes les par-
ties, de fa9on a les bien mettre en relief.
2] Motets. Livre II. Immensus es Domine, a 2 voix et 2 dessus de violon.
3) lis £taient encore reputes lorsque Nemeitz Ecrivait son Sejour a Paris: «Ses
motets et cantates sont tres beaux, declare-t-il; il excelle dans la composition, quoi-
qu'on n'applaudisse pas a toutes ses inventions*. {Le Sejour a Paris, p. 351.)
L. de la Lauren cie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra. 243
«Je n'ai pas craint d'avancer que MM Brossard, Bernier, Campra, dans
son dernier Livre, etc., ont sujet de se repentir du soin et du temps qu'ils
ont employe a copier les compositeurs de ce Pai's-la*1).
Mais il vante le tour simple des premiers motets:
«On ne scauroit accuser, dit-il, le ler Livre des Motets de Campra de
manquer de simplicity. Elle y brille souvent d'une maniere fort noble.
Apres quoi, je ne nierai pas que nous ne nous soy cms un peu relachez sur
ce chapitre»2).
Et, dans un autre passage oti il met en balance les ceuvres religi-
euses des Italiens et des Fran^ais tels que Lalande, Colasse, Lalouette,
Bernier et Brossard, il £crit:
«Si Campra, le plus fecond de tous, et celui que je placerai en premier,
en l'etat ou ils sont, quand on m'ordonnera de les arranger, nous avoit
donne dans chacun de ses 3 Livres 4 ou 5 Motets comme son In te Domine
spes, etc., ou seulement comme son Jubilate (ler Motet du Livre II), beau
chant d'une gaiete* encore louable, ou si ce malheureux garcon n' avoit point
deserte l'figlise pour aller servir l'Opera, je pense que l'ltalie auroit peine
a tenir contre nous*3).
De tels eloges sortis d'une telle plume montrent que, tout en s'aban-
donnant h ses tendances italiennes, Campra savait cependant garder la
mesure exacte entre le gout fran^ais et le gout ultramontain, de fagon
h ne point trop effaroucher les puristes classiques.
B) Musique dramatiqne.
II est interessant de constater que Campra a abordd la carrifcre dra-
matique en traitant de genre du Ballet auquel appartiennent V Europe
galante et le Carnaval de Venise. L'influence de Lully sur le Ballet a
et£ considerable, car le surintendant de la musique de Louis XIV l'a
transforme de Ballet de cour en Ballet de theatre dans£, non plus par
de grands seigneurs, mais bien par des artistes professionals, et le d£ve-
loppement pris par ce genre, aprfcs la mort de Lully, r&ulte en grande
partie de la faveur sans cesse croissante dont b£n£ficiait la danse h FOpera,
depuis que les femmes y avaient 6t6 admises en quality de danseuses4).
D'autres raisons, sans doute, contribuent k attirer le goftt public du
cot£ du Ballet; malgr£ les critiques qui lui sont adressees par le clan
classique f£ru de regularity, de respect des trois unites et d'ordonnance
protocolaire5), le Ballet, avec son action diversifide et changeante, avec
1) Lecerf, III© partie. p. 163. 2) Lecerf, do. pp. 145. 146.
3) Lecerf, II* partie, p.' 203 (Art. V).
4) On sait que c'est en 1681 dans le Triomphe de FAmour, qu'on vit pour la
premiere fois apparaitre des danseuses sur la scene. Auparavant, les rdles de
femmes etaient remplis par des hommes. «M«^e» Fontaine et Subligny furent les
premieres femmes qui danserent k l'opera. C'est avec le Triomphe que se fit cette
innovation.* [Anecdotes Dramatiques, II, p. 238.) 5) Lecerf, notamment,
qui traite les Ballets de «pieces irregulieres* et <sans noeud». — II deplore Tabon-
dance des danses qui sont chose «peu capable d'aller au coeur> (III. p. 210).
244 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d1 Andre Campra.
la part prepond&rante qu'y prend l'£lement spectacle, correspond k un
besoin dont le theatre de la Foire et quelques esprits independants, tels
que Francois de Calli&res, se font les dloquents interprfctes1). Le sacro-
saint r^citatif de Lully commence h passer pour singuliferement ennu-
yeux; sa pompe, son emphase, son defaut de simplicity deviennent de
jour en jour plus visibles, et d'autre part, le public tdmoigne d'exigences
musicales tou jours grandissantes; aussi. les Ballets raccourcissent-ils les
r^citatifs afin d'elargir le champ laisse aux airs et aux symphonies.
Bien done de plus naturel pour un musicien fortement imbu de ten-
dances italiennes, comme Campra, que de s'essayer dans un genre oti sa
libre fantaisie put suivre une voie moins dtroite que celle que lui mena-
geait la tragedie lyrique classique.
Quoique transform^ par Lully, surtout au point de vue des agents
d'ex^cution, le Ballet, du temps de Y Europe galante, se conformait tou-
jours aux regies qu'expose le P. M^nestrier. Le sujet s'en prend «dans
l'Histoire, dans la Fable, ou depend de l'invention et du caprice de celui
qui en est TAutheur»2). II y a done trois categories de Ballets, les Ballets
historiqueSj fabuleux et pottiques.
Pour Fauteur des Ballets a?iciens et modemes, ce sont les Ballets
pottiques qui revetent le caractfcre le plus ingenieux: «il y en a, ecrit-
il, qui expriment les choses naturelles, comme les Saisons, la Nuit, le
Temps, la Vendange, les Aages\ d'autres sont des enseignes moraux . . . ;
d'autres sont de pur caprice, d'autres sont des expressions naives de cer-
tains ^vdnements ou de certaines choses . . .»3).
C^tait k la categorie des « choses naturelles* qu'appartenait le sujet
du Ballet des Saisons de Pic et Colasse4). — II fallait « unite de dessein,
afin que tout s'y rapportat k un meme but», mais point d'unite d'action,
comme dans la tragedie, «ny unite de temps, ny unite de lieu, puisqu'on
peut faire un Ballet des Crieurs de Paris dont Taction n'est pas la meme,
des Saisons qui ne sont pas d'un meme temps, et des diverses parties
du Monde qui ne sont pas d'un meme lieu»5).
L' Europe galante est un ballet ethnographique dans le genre du Ballet
des diverses parties du monde dont parle Menestrier. A Tunite d'action,
1) Francis de Callieres , Histoire poctique de la guerre nouvellement declaree entrt
les anciens et les modemes, 1688.
2) Le P. Menestrier, Des Ballets anciens rt modernes. selon les regies du theatre,
1682. p. 53.
3) Ibid. pp. 53, 54.
4} Represents a TOpera, le 18 octobre 1695.
5) Le P. Menestrier, Des Ballets, etc. pp. 54, 55. L'auteur marque bien, en cet
endroit de son livre, le caractere esthetique du Ballet par comparaison avec celui
de la Tragedie: <Le Ballet qui ne se propose que le plaisir dans les Representa-
tions justes, scavantes et naives, demande plus de variete et ne souffre pas ces
contraintes* [celles qui sont imposees a la Tragedie lyrique].
L. de la Laurencie, Notes sur la je unease d'Andre Campra. 245
au drame unique, se d^roulant en 5 actes, on substitue, dans le Ballet,
Tunit4 de caractfcre; les diverses entries se relient ainsi dans un meme
cdessein*, et il est des ballets g^ographiques, mgWorologiques, astrono-
miques, etc., trfcs propres *\ f rapper l'imagination par les spectacles qu'ils
^voquent; chaque entree constitue une petite pifcce adapt£e au d6cor,
au caractfcre general du Ballet. En d'autres termes, le Ballet est un
cadre qui donne asile a des actions accessoires mises en conformite
avec le sujet d'ensemble.
Le ballet g^ographique ou ethnographique, tel que YEurope galante,
qui mettait en scene quatre nations de l'Europe, faisait appel k l'exotisme
et comptait de nombreux pnSc^dents. L'exotisme, en effet, s'avfcre un
moyen precieux de spectacle et tout le XVIIe sifccle, tant en France
qu'k l'&ranger, recherche dans les Ballets et Divertissements des costumes
singuliers, des attitudes caract^ristiques, des danses pittoresques.
La variety des costumes fournit aux Ballets gtfographiques un puis-
sant moyen dattraction:
«Les diverses Nations, expose Me*nestrier, ont leurs habits particuliers
qui les distinguent. Le Turc a la veste et le turban, le More la couleur
noire, les Americains leurs habits de plumes*1).
Aussi, des le debut du XVIIe sifccle, met-on k contribution le kalei-
doscope des habits nationaux. Dans le Ballet de la douairiere de Bille-
baliaut (1626), Marais fait son entree sous le costume du grand Turc; il
y a des Mores dans les Fetes de Versailles; la Fontaine de Jouvence
(1643) montre des duegnes espagnoles et un ne'cromancien de Salamanque,
I' Oracle de la Sibyle de Pansoust (1645) met en scfene un Portugais, et
le Ballet de la My Careme, des Italiens. On se rappelle les turqueries de
Molifcre, les Espagnols, Derviches, Muftis, Egyptiens et Basques du Car-
naval de 1675. Dans le Ballet royal de la Nuit (1653), le due de Dam-
ville parait en Egyptien; k la 3e entree de ce ballet, figurent des aven-
turiers turcs2). La mascarade jouee en 1657 sous le titre des Plaisirs
trouble's introduit un «Bassa de Natolie*, un aga, des janissaires, et meme
(2e partie, 8* entree), «Atabalipa, roy du P(^rou et des Indiens*3). Suisses,
bohemiennes, mores, indiens et indiennes collaborent aux entries du Ballet
de la Loterie (1658), du Ballet de V Impatience (1661), du Ballet royal des
Muses (1666). — On goute beaucoup les mascarades espagnoles et ita-
liennes qui pretent a une mise en scene amusante, k des danses de haut
1) Menestrier. Loc. cit. p. 143.
2) Sur tous cea Ballets, on consultera l'ouvrage de M. V. Fournel: Les contem-
porains de Moliere. T. II. Le sentiment geographique et ethnographique se traduit
parfoiB de facon bizarre et bouffonne. C'est ainsi que M£nestrier rapporte avoir
vu dans le Monde malade, un Motide vetu en carte geographique qui portait Qallia
a Tendroit du coeur, Oermania, sur le ventre, Italia, sur une jambe (la botte ita-
lienne), sur un bras, Hispania, etc. [Ballets anciens et modemes, p. 144).
3) Cf. Fournel, Loc. cit. p. 470.
246 L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
relief. Enfin, deux precedents directs k V Europe galante se rencontrent
dans le Ballet royal de Flore de 1669, dont les 4 quadrilles repr&entent
des habitants des quatre parties du monde: ln quadrille, Europ4ens\
2e, Affriquains\ 3e, Axiatiques ou Persiens; 4e, Amiriquains1), et dans
le Ballet des nations (1670), place & la suite du Bourgeois gentilhomme,
et compost de 4 entries: 1°, Espagnols; 2°, Italiens; 3°, Fran$ai$\
46, m&ange des 3 nations*).
En province, s'affirme le meme goilt d'exotisme, et la passion du
cosmopolitisme dans les Ballets. A Dijon, le 23 Janvier 1627, on exe-
cute, en Thonneur du roi, un ballet comprenant des Turcs, des Maures
et des Americains8). Le Mercure galant de mars 1699 fait le r£cit d'une
fete ceiebree h Nancy, k l'occasion du mariage du due et de la duchesse
de Lorraine, et consistant en une mascarade de 4 quadrilles repr&entant
chacun une nation differente, Turcs, Espagnols, Maures, Allemands, tous
munis d'instruments caract&istiques, tambours de Basques, cymbales,
instruments turcs, etc.4).
En Allemagne, on fait mieux encore, et Menestrier nous rappelle cette
Wirtschafft du palais de Munich h laquelle figurferent 40 nations diffe-
rentes, Tartares, Indiens, Transylvains, Hongrois, Persans, Arm&iiens,
Allemands, Espagnols, Portugais, Arabes, Venitiens, Suisses, etc.5).
Au surplus, dans tous ces ballets, divertissements ou mascarades, le
caractfcre exotique ne s'exprime gufcre que par le spectacle. — Les peu-
ples qu'on connait le mieux et qui, par suite, sont le plus souvent mis
en sc&ne, sont les Italiens, les Espagnols et les Turcs; la musique d'ail-
leurs, k part quelques trfcs rares exceptions, ignore complfctement Tart
stranger, et d&s qu'elle s'applique k des personnages exotiques, elle se
coule dans des moules italiens ; qu'il s'agisse d'Espagnols ou de Maures,
le cosmopolitisme musical va toujours s'alimenter au-delk des Alpes; il
ne tient pas k preciser davantage6).
1) Page 58 de l'edition de Ballard. On peat encore citer, pour l'ann£e 1669,
le Divertissement de Cliambord, avec ses musiciens italiens et espagnols, ses Egyp-
tiens, ses sauvages.
2) Ajoutons que dans le Carnaral (1675), Lully fait chanter des airs espagnols
et prSsente un maitre italien, Barbacola, avec ses eleves. Le Triomphe dc V Amour
(1681), met en scene des Indiens et des Indiennes.
3) L. de Gouvenain, Le Thedtre a Dijon, p. 133.
4} Mercure galant, mars 1699 ; pp. 165, 166.
5) Cette Wirtschafft eut lieu le 11 ferrier 1670. Menestrier, Des representa-
tion* en musique anciennes et modcrnes, 1681. pp. 284 et suiv.
6) Nous verrons, en particulier, que les Airs espagnols de Campra ne sont que
des air 8 italiens. — Les esth6ticiens francais possedent d'ailleurs la conviction
profonde que les peuples exotiques ne connaissent point ce qui me rite le nom de
musique. Lecerf se demande si les Orientaux savent ce que e'est que la musique,
entendez par la la bonne musique a la Lully. Sur la musique chinoise. voir V Ex-
traordinaire du Mercure galant, Janvier 1678, p. 67 et juillet 1678, pp. 391, 392.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d1 Andre Campra. 247
Des trois ouvrages dramatiques que Campra fit representor avant de
quitter Notre-Dame et dont la musique nous a ete conserve, deux, V Eu-
rope gaiante et le Camaval de Venise appartiennent k la categorie des
Ballets ethnographiques ; le troisi&me, V&nus, feste gaiante, se range au
nombre de ceux que le P. M&iestrier appelle des Ballets po£tiques, parce
que la mythologie et le caprice en assurent les frais. Jj'Europe gaiante,
nous l'avons montr£ plus haut, fut accueillie avec une faveur extreme,
non seulement par le grand public, mais encore par les musiciens. Et
nous voyons un sp^cialiste de la danse, tel que Cahusac, lui consacrer
de longs et dithyrambiques £loges. Selon Cahusac, La Motte a 6t6 le
veritable inventeur du Ballet et laisse Quinault bien loin derrifere lui:
«Le spectacle trouve par la Motte, ecrit-il, est un compost de plusieurs
Actes differents qui representent chacun une action mel6e de divertissements,
de chants et de danse. Ce sont de jolis Vateau, des mignatures piquantes
qui exigent toute la precision du dessein, les graces du pinceau, et tout le bril-
lant du coloris. Ce genre, dans sa nouveaute, balanca le succes du grand
opera, parce que le gout est exclusif parmi nous, et que c'est un dlfaut an-
cien et national dont, malgre les lumieres que nous acquerons tous les jours,
nous avons bien de la peine a nous d^faire*1].
Ici, Cahusac parle comme un elfcve de Lecerf ; il d&ionce avec horreur
le gout de nouveaute que manifestent les Frangais de son temps, et
conservateur endurci, il voit en cette velleite un «d£faut ancien et na-
tional*. — II s'etonne meme, non sans naivete, que le progrfcs des lu-
mieres ne vienne pas barrer la route au d^sir d'innover. Admirable
esthetique classique! Imiter les anciens repr£sent£s par Lully; voil& Y*
et I'm du catechisme impose aux artistes!
Cahusac continue:
«Cependant, a force de reflexions et de complaisance, on souffrit enfin,
au Theatre lyrique, deux sortes de plaisir; mais ce genre, trouve" par la
Motte, dont on riattribua le succes, sutvant X usage, qu*au Musicien qu'il avait
instruit et guide, nous debarrassa du mauvais genre que Quinault avoit intro-
duit sous le titre de Ballet*2).
Ainsi, au dire de notre auteur, Campra aurait ete le principal artisan
du succfes de V Europe gaiante, malgre que la valeur essentielle de cette
pi^ce diit etre rapportee au seul La Motte. C'est assez proclamer Tha-
bilet£ de Campra, Theureuse et prudente balance qu'il £tablit, dans sa
musique, entre le gout frangais et le gout italien, ce souci, constant chez
lui, de plaire en haut lieu et de ne point paraitre sous des dehors par
trop r£ volutionnaires 3) .
1) Cahusac. — Traite historique de la Danse. La Danse ancienne et moderne.
1764. III. pp. 109-110.
2} Ibidem.
3) Aussi bien, Campra, en toutes circonetances , prenait-il soin d'affirmer son
respect et son culte pour Lully. Lors du service celebre* en 1728 aux Petite Peres
s. d. IMG. I. 17
248 L. de la Laurencie, Notes sar la jeunesse d' Andre* Campra.
En v£rit6, La Motte fournissait au musicien un livret ing&rieux, bien
taill6, d'un style galant, avec une attention au pittoresque et k la psy-
chologic des personnages que Quinault n£gligeait par trop. De ce chef,
Cahusac se trouve fond£ k soutenir que V Europe galante, « ballet moderne*,
«est le premier de nos ouvrages lyriques qui n'ait point ressembld aux
Operas de Quinault*, et qu'un pareil genre appartient tout-&-fait k la
France. De fait, La Motte caracterise de fagon assez precise les strangers
qu'il met en scfcne; chacun d'eux revet un aspect typique, qui se confond,
il est vrai, avec le cliche legendaire de leur physionomie, vu sous Tangle
od on considdrait alors celle-ci, mais qui, cependant, se dessine d'une fagon
plus nette et plus ferme que celui des personnages un peu ternes de
Quinault.
Voici, au demeurant, TAvis qu'Houdard de la Motte inscrit en tete
de son ceuvre, afin d'indiquer les lignes g^n^rales de sa conception dra-
matique:
«On a choisi des Nations de 1 'Europe, celles dont les caracteres se con-
trastent davantage et promettent plus pour le theatre: La France, l'Espagne,
l'ltalie et la Turquie. On a suivi les idees ordinaires qu'on a du g£nie de
leurs Peuples 1). Le Francois est point volage, indiscret et coquet; rEspagnol
fidele et romanesque; l'ltalien jaloux, fin et violent. Et enfin, Ton a ex-
prim 6, autant que le Theatre l'a pu permettre, la hauteur et la souverainete*
des Sultans, et l'emportement des Sultanes»3).
Sur ce canevas 6ninemment galant, La Motte a brod£ de pittoresques
sc&nes. Le Frangais Silvandre « volage et coquet », vient de d£laisser
l'aimable Doris pour courir k une passion nouvelle. H assi&ge C^phise,
et voici ce qu'il lui declare:
<I1 faudroit, pour etre fidele,
Vous avoir toujour* vue ou ne vous voir jamais*3}.
Et la galanterie de se colorier differemment, selon qu'elle se situe en
France, en Espagne, en Italie, ou chez le grand Turc.
Un pareil sujet convenait excellemment h Campra. II avait, de par
la forme ramassee, concise du po&me, la faculty de s'abandonner k son
imagination dans des airs semes k profusion, airs ddtachables de len-
semble, exprimant, ainsi que le dit Grimarest, «une action qui seule pent
former un sens complet, sans avoir une liaison n^cessaire avec une autre*4).
par l'Academie de musique pour Marthe Le Rochois, MP" de Noailles ayant interdit
la ceremonie avant qu'elle ne cominencat, Campra descendit de la tribune a la
tete de see musiciens, et s'en alia fairo chanter un De Profundis en faux bourdon
sur le torabeau de Lully. {Anecdotes dramaiiques, I, article Armide.)
1) On voit qu'ici, la Motte avoue s'etre borne a reproduire le caractere psy-
chologique classique des personnages qu'il met en scene.
2' Get avis se trouve entre le Prologue et la 2« Entree (La France). CEurres
de Monsieur Houdar de la Motte, L'un des Quaranie de VAcademie Fran^oise, 1754.
T. VI. p. 10. 3) Ibidem. 2« Entree, Scene 6. p. 17.
4; Grimarest, Traitv du BecitoUif, 1707. p. 200.
L. de la Laurenoie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
249
Avec le Carnaval de Venise, Campra b^neficiait d'avantages k pen
prfes identiques. Le sujet, d'abord, s'accommodait au mieux avec son
italianisme, puisque la pifece se passait k Venise. Au ler acte, on voyait
la place S* Marc; au 2% la salle des B^duits de Venise, «qui est un
lieu destine pour le jeu»; au 3e, le theatre representait encore la place
Sfc Marc, orn£e de ses 2 colonnes et la mer dans la lointain. Regnard
avait encadre dans son ballet un petit oplra italien, £crit en vers ita-
liens, Orfeo neW inferni, et ratmosphfcre gdn^rale de Tceuvre, avec ses
bandes de masques, ses bals, les salles magnifiques de la decoration,
s'inspirait d'un pittoresque du plus pur v^nitien. Les pr^textes k airs
separ^s, k symphonies, k danses de toutes sortes ne manquaient pas, et
Campra devait en faire son profit.
Examinons done les caractferes de la musique que La Motte et Re-
gnard lui ont inspiree.
Du rteitatify nous ne dirons qu'une chose, e'est qu'il ressemble extreme-
merit k celui de Lully, avec moins de vigueur et moins de netted.
Au contraire, les Airs et les Danses t^moignent trfcs clairement de
l'originalite de Campra. Les uns, affectent la forme binaire de TAir
fran^ais1); mais, le plus souvent, leur caract&re est tr&s musical; la me-
lodie souple, vivante, s'enroule autour des notes essentielles du ton, prend
une personnalite «sui generis*, s'organise en un mot. En void un
exemple:
a (bis)
I
3F=
£
fe±
S^E
q=t
fcr^t
:fc
it
For-mons d'ai - ma - bles jeox, lais-sons -nous en - fla - mer. II n'est
b (big)
*
£
an
£
per - mis i - ci que de rire et d'ai - mer.
Les autres sont de ve'ritables airs italiens, k reprises et da-capo ; ceux
qui sont ecrits sur des paroles italiennes ou espagnoles rentrent dans
cette caWgorie, comme l'air espagnol, «E1 esperar en amor»3), de V Europe
galante, Pair d'Isabelle «Mi dice la speranza*4) du Carnaval qui pre-
sente dans sa melodie les insistances, les repetitions &$]k signages par
nous en traitant de la musique religieuse de Campra, Fair d'Orphde
1) Tel Fair de Cephise en mi mineur de la scene 2 de la 2e Entree: cPaisibles
lieux, a#reable retraite* {Europe gaiante).
2) Europe gaiante: 4e Entree: Air d'une Venitienne alternant avec le choeur.
p. 178 de la partition d'orchestre de 1724.
3) Europe galante: 2* Entree, p. 127.
4) Carnaval de Venise. Acte II. p. 102 de Tedition de Ballard.
17*
250
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre Campra.
«Vittoria»1), du Carnaval et, celui d'Eurydice «Vezzi lusinghe»*) du
meme Ballet, ou encore le «No, no, non si puo veder un volto**) de
V&mis, Feste galante, le «Si scherzi* de la 4e entree de V Europe
galante.
Le caractfere essentiel de la m^lodie de Campra reside dans sa ryth-
mique, dans la predisposition dont t&noigne le compositeur, k 4cnre des
airs de mouvement, des «vitesses», k faire emploi de rythmes vifs,
alertes, ldgers.
Certains dispositifs rythmiques lui sont chers, et leur fr£quente appa-
rition ne va pas sans engendrer quelque monotonia.
En voici que Campra utilise trfcs souvent:
fr\jL&JUi Af[ ou ,6_jj_£j J. .N | .
II aime aussi beaucoup le rythme iambique * &, et la Forge galante
de VEurope galante, par exemple, s^tablit toute entire sur cette cellule
rythmique:
*
i
tt-=-JJt=>:
■■■%^£
Frap - pons, frap - pons, . . .
On retrouve un dispositif rythmique analogue, aussi l£ger, aussi sau-
tillant, dans le choeur des Bostangis «Vivir, vivir»:
,Nfet5qj^£
D'oti une allure pimpante, detach^e, pleine de gaiete et d'entrain.
Campra nest jamais lourd, jamais appuye; la majeste emphatique n'est
point son fait; on sent en lui un musicien gracieux, badin, k tendances
comiques, voire bouffonnes6).
1} Orphee aux Enfers du Carnaval de Vcnise. Air de vitesse. p. 207.
2) Ibidem, affetuoso et allegro (Scene 3), p. 228.
3) Venus, Feste galante, Scene 1, Divertiss* . p. 56 de l'6dition de Ballard.
4) Europe galante. Scene l*re, 1*« Entree. La Forge galante. Choeur. La parti-
tion porte cette indication: Detache et pique. Le choeur est precede* d'une intro-
duction symphonique 6crite a 5 parties.
5} Ibidem. 5e Entree. Choeur des Bostangis (Scene 6 ; les Bostangis on
jardiniers du Grand Seigneur forment plusieurs jeux; leur choeur est e*crit en
<langue franque».
6) Aussi Lecerf prend-t-il bien soin de critiquer les <chants d6toarne*» des
6ucce8seur8 de Lullj en general et de Campra en particulier: <Les compositeurs
qui sont ven us apres Lully . . . ont ete reduits souvent a chercher des tons par-
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesae d' Andre" Campra.
251
H multiplie, avons-nous dit, les airs de vitesse *), non seulement dans
les symphonies et les danses, mais encore, dans les parties confines aux
voix. Les ^pithfetes de «gayement», «vivement», s'accolent fr£quemment
aux melodies vocales. C'est Fair de Ctephise h f de la 2e entree de
V Europe galante2), le fameux air italien «gay» : «si scherzi*3), Fair d'Orph^e
du Carnaval de Vemse et l'air « vivace » de Pluton qui le suit4). Les
choeurs sont mouvementes, animus. Dans la trame de la m&odie se
glissent de rapides vocalises5), souvent modulantes et qui, en ajoutant k
l'expression par leur caractfcre symbolique ou d^coratif, apportent, en
outre, un £l£ment musical par les nuances tonales, par les moirures
qu'elles esquissent.
Avec les symphonies et les airs de danse, Campra se trouve encore
plus k Taise; c'est Ik qu'il accumule les rythmes k f dont nous avons
donne des exemples: Forlanes, Canaries, Saltarelles, V&iitienne, etc. Et
ici, dans le choix des danses, dans le caract&re qu'il leur imprime, le
musicien affirme ses tendances pastorales, .une sorte de goftt de rusti-
cite, de paysannerie. La musique populaire a largement p£n£tr£ dans
1'ceuvre de Campra. Ainsi, le Carnaval de Venise contient une de ces
VillaneUes dont Lecerf nous donne Torigine qu'il emprunte k Lacfoix;
c'est «une chanson de Berger, ou pieuse ou galante, amoureuse ou Pasto-
rale*8). En voici le d£but:
#n-*-
T-
-^4
=t
I I I I 'J L 'J-
fe£
g^g
?m
£
tttJ-r-X
ticuliers et bizarres, de ces chants d£tourn£s que M. Tabbe* Raguenet loue et aux-
quels Lully n'avait guere touche\ Charpentier, Colasse, Campra . . . se sont jett£s
la-dessus et ont employe beaucoup d'habilete et d'art pour les preparer et pour
les embellir . . . Rien n'a tant gate* leur s ouvrages et ces successeurs de Lully . . .
ont gchoue' quand ils ont eu recours a ces detours et a ces raffinetnens». (Lecerf,
ler Dialogue, p. 34). Dans la deuxieme moitie du XVIII6 siecle, ces chants d£tournes
sont autrement goutes, et Blainville, en 1754, appr6cie beaucoup l'animation, la
vivacite* de Campra: «L'ingenieux Campra, sans s'ecarter des routes du Grand ....
crut qu'on pouvoit etre plus riant, plus amine* dans VEurope galante*. (Blainville,
L Esprit de Vart musical, 1754 p. 35.)
1) On sait que Temploi des «vitesses» £tait une des caract6ristiques de la
mnsique italienne.
2) Europe galante. 2« Entree «Que m'adressez*.
3) Ibid. — 4e Entree «Si scherzi, si rida>.
4) L'Aria « vivace* de Pluton « Bella non piangere* se trouve a la page 234
de Edition Ballard.
5) Notamment dans l'air d'Orphee (allegro). — p. 207 de l'edition Ballard.
6) Lecerf. Loc. cit. III. pp. 103, 104. Villanelle viendrait de villano, paysan.
7) Carnaval de Venise, Acte 1. La villanelle se trouve intercalee dans la Scene 4.
29.
252 k <*e 1a Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Caxnpra.
La SaltareUe de cette meme pifcce est d'allure pittoresque et popu-
late, avec son rythme balance et berceur:
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■J-p-C-t
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?Ef!:1)
a g
rythme que Ton retrouve avec une tegfcre modification dans la V4nitienne
du Carnaral:
Et toujours, comme preuve du caractfcre pastoral et rustique que
Campra aime k donner k sa choregraphie, nous citerons la BourrSe de
la dernifcre scfcne, k laquelle le musicien ajoute encore une danse de la
meme espfece, dans le Supplement du Camaval de Venise*).
Cette souplesse, cette coquetterie du rythme, Campra les recherche
avec une insistance toute particuli&re et bien typique de sa m&nifere.
Souvent, afin de se procurer plus de ressources, il recourt aux mesures
composes, aux ^ par exemple, et alors, ses rythmes se sculptent,
s'ouvragent encore davantage, grace k la facilite qu'offre le ^ de grouper
ou de decomposer les valeurs. Nous signalerons, dans cet ordre d'id&s,
le trfcs-gracieux et trfcs-onduleux «air pour les masques » de la 4* Entree,
auquel les groupes de 3 croches qui viennent rompre les series de rythmes
trochaiques j #% assurent un je ne suis quoi de fugace, et dessinent
comme des derobades:
jg^^^gff^S^gferf-^^Tfe «>
**sh
Voil& pour la vivacity et la souplesse du rythme dans la m£lodie de
Campra. Ce sont Ik des qualites tout italiennes. Mais l'italianisme du
musicien se traduit par d'autres manifestations. Ainsi, YOuverture du
petit op£ra italien5) encadre dans le Carnaval de Venise se pr&ente
1) Ibid. — Acte III. Scene 4. p. 148. Les Castellans, vfctus en Gondoliers, rien-
nent se rejouir de la victoire qu'ils ont remportee sur les Nicolotes; ces Castellans
et ces Nicolotes sont deux partis opposes dans Venise; pendant le Carnaval, pour
divertir le peuple, ils se battent a coups de ppings afin de conqu6rir un pont.
2) Ibid. — Acte I. Scene 4. p. 24.
3} La 1*" Bourree se trouve a la page 268 de l'£dition Ballard; la 2« est dans
le Siipplemmt.
4) Europe galantc, 4C Entree, p. 172 de Edition de 1724. — Cet «air pour les
masques* est a 5 parties et ecrit dans un style assez intrigue^ de petite contre-
sujets se placent dans les diverges parties et r£alisent une polyphonic 16gere et
ingenieuse.
6) L'introduction de cet ope>a italien dans le Ballet de Regnard s'effectue
assez habilement et ne semble pas trop forced. Rodolphe, le rival de Leandre
auprea dlsabelle, a fait courir le bruit de la mort de celui-ci, d'ou d&espoir dlsa-
L. de la Lauren cie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
253
nettement sous la forme de l'ouverture italienne, sous les espfcces d'une
«sinfonia» en 3 parties: 1°) Vivace k 4 temps; 2°) Adagio k |; 3°) presto
k | en style intrigue. Voil& bien le dispositif de Yintrata italienne con-
struite en sens inverse de celui qui preside k Tarchitecture de l'ouver-
ture k la fran^aise.
Dans Tharmonie de Campra, l'infiltration italienne apparait k maintes
reprises et provoque des formations que Lully aurait certainement r&-
prouvdes. Sur ce terrain, Tauteur de Y Europe galante peut etre con-
sider^ comme un novateur. Non seulement, il ne donne pas satisfaction
k Lecerf en negligeant de «sauver» les dissonances, mais il distribue
ces dissonances de fagon k les faire retentir durement, lorsque les n&-
cessites de l'expression le commandent. Ainsi, dans la 1*" entree de
V Europe galante, qui met en scfene V£nus, la Discorde et leur suite, une
symphonie caracteristique vient troubler le divertissement et annoncer la
venue de la Discorde. Campra y multiplie les dissonances, fait tomber
un groupe de triples croches, qu'il associe a la Discorde, sur deux modu-
lations rapprochees, puis insiste sur un intervalle dechirant de quinte di-
minu^e1):
&■
W. * * *
& TT.
^sa?
mff=^T=p^m
I I u
f^TF
W.1
mm
¥
fe
Enfin, il termine le « Prelude pour la Discorde* par cette serie extra-
ordinaire:
belle; mais, soudain, Leandre apparait, a la grande joie de sa maitresse, et alora
il annonce indirectement la greffe tfOrphee aux Enfers de la facon suivante:
«Fuyons un bien si funeste a de tendres amants;
On doit donner au peuple, en ce jour favorable,
Un spectacle ou d'Orphee on retrace la fable.
Le petit op6ra italien comprend comme personnages: Pluton, Orph£e, Eury-
dice, Une ombre; il y a une troupe de divinity infernales et une troupe d'esprits
follets. Au point de vue pratique, Introduction s'en faisait de la fa9on suivante
indiquee dans le poeme de Regnard:
« Pendant que les violons jouent l'entr'acte, on voit descendre un theatre fer-
ine d'une toile qui occupe toute l'etendue du premier. Ce qui reste d'espace jus-
qu'a l'orchestre contient plusieurs rangs de loges pleines de differentes personnes
placees pour voir un opera>. (CEuvres de Regnard. T. IV. p. 348. Edon Gamier.)
1) Europe galante, 1*" Entree, Scene 2. Nous citons d'apres la reduction au
piano de Edition Michaelis.
254
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d'Andre* Campra.
oft retentit un curieux accord, altere sol £ si t? r£ mi $ renfermant la
tierce diminu^e: sol $ — si i\ C'est \k une formation que Ton ne ren-
contre point dans la musique frangaise de l'epoque, mais qui rentre dans
le groupe des accords insolites dont freraissaient les esth&iciens lullystes,
parce que les musiciens dTtalie en faisaient usage1).
L'harmonie de Campra est beaucoup plus riche, plus fournie, plus
variee que celle de Lully; on y rencontre l'accord de septifcme majeure:
i non r£solu, et assez souvent, Campra fait suivre cet accord de
celui de septifeme de dominante, dispositif que Rameau devait reprendre
plus tard.
Nous observons, dans sa musique dramatique, les passages chroma-
tiques que nous avons signales en £tudiant ses Motets. Campra utilise
non seulement le chromatisme descendant, mais encore le chromatisme
ascendant, auquel il associe des idles de tension vers un but, de Ian-
gueur amoureuse, d'esp^rance. Ainsi, la ritournelle de fl&tes qui preface
lair espagnol «E1 esperar en amor es merecer* de Y Europe galante,
pr&ente, k la basse, le mouvement chromatique ascendant qui suit,
pendant que les flfites £lfcvent lentement la melodie par exhaussements
successifs:
I
2 flutes.
B. C.
fci^
-M
-&-
m
IB
S3
ex
IHF
fry*-
Ijfiz
-*-
1) C'etaient peut-etre de ces dissonances dont parle Montaigne, dissonances
«qui agacent les dents et qui troublent comme ce bruit aigre et poignant que
font les limes en raclant le fer». (Montaigne, Essais. p. 447.) Lecerf les traite
«d'accords inouis, de dissonances outrees*. — II releve, dans une Cantate de Bonon-
cini [Arde il mio petto amante), une tierce diminu£e, une tierce composee de 2 demi-
tons et la declare insupportable. [Eclaircusement sur Bononcini.)
2) Europe galante, 3e Entree, p. 127 de la partition d'orchestre. Quoique d'an
usage moin8 frequent que le mouvement chromatique descendant compris dans
Fintervalle de quarte, le chromatisme ascendant se rencontre assez souvent chez
les Italiens, Bassani, Bononcini, etc. Les Francais l'emploient aussi ant£rieure-
ment a Campra, et nous en trouvons un exemple chez Du Mont, dans son DicUogus
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre" Campra.
255
Placd sous la lente ascension de la m&odie, ce motif de continuo
esquisse en quelque sorte le sens general que va exprimer Fair cEl
esperar*.
Campra se sert aussi de « basses contraintes» sur lesquelles il cons-
truit des pieces entferes, de ces basses contraintes fr£quemment employees
par les Italiens et qui ne sont point du goto de Lecerf *). Par exemple,
le Nocturne plac£ en tete de la 3* Entree de YEurope galante s'^tablit
sur le motif ci-aprfcs r6p6t£ obstin&nent par le continuo; il y a la un
jeu adroit qui devait plaire au maitre de chapelle:
^^
rf.
T**
m
±
££
-tf>±-
i
Et ici, Thabiletd d^criture du musicien s'affirme par le contraste qui
rfcgne entre la stricte tenue de la basse et la liberty, lmdependance des
parties superieures.
Campra, nous Tavons vu plus haut, module aussi avec beaucoup plus
d'aisance et de rapidite que Lully; dans la deuxifcme partie de ses airs,
les modulations se suivent tr&s librement avec une fantaisie souvent toute
arbitraire8). Mais, ni dans YEurope galante, ni dans le Carnaval, il ne se
risque a surcharger d'accidents F armature de ses clefs ; les tons «a faire
frayeur* n'apparaissent dans son oeuvre que plus tard4); pour le mo-
ment, il se contente des tonality usuelles, et n'utilise pas plus de trois
diezes ou trois be-mols.
Venons-en maintenant a Instrumentation et au role dramatique de
Torchestre.
ITorchestre de Campra ne differe pas, en ce qui concerne la nature
et le nombre des instruments mis en ceuvre, de celui de Lully; comme
de Anima, ou le musicien exprime par une phrase chromatique montante l'ardent
espoir qui pousse Tame chretienne vers le refuge divin:
i
£
-t-
^c
^=^=^=^^^^^F^.
3=
u - bi fu - gi - am, u - bi fu - gi - am ni - si ad te
H. Quittard , Un musicien en France au XVIP Steele. Supplement musical, p. 24).
— M. A. Pirro signale aussi un motif analogue formula par Samuel Bockshorn
(Capricornus) sur ces mots: «Spero in Deum>, dans son Tkeatrum musicum de 1669.
(Pirro, EsthUique de J. S. Bach. p. 83.)
1) Lecerf n'apprecie guere les combinaisons du contrepoint et engage les musi-
ciens francais a eviter les «basses contraintes* usitdes en Italic
2) Europe galante. 3e Entree, p. 113 de la partition de 1724. C'est le fameux
nocturne «Sommeil qui cbaque nuit>.
3; Les modulations frequentes sont une caracterietique de la musique italienne.
Cf. Lecerf. Loc. cit. III. p. 127.
4) Dans Idomenec, Tragedie lyrique, representee le 12 Janvier 1712, Campra
emploie le ton de si |? mineur.
256
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d1 Andre" Campra.
ce dernier, l'autear de V Europe galante manage des oppositions entre le
groupe des cordes et en particulier des violons, et les flfites toujour*
reserv&s pour les moments langoureux, tendres. Parfois, on le voit
supprimer la basse et faire jouer les dessus seuls, comme dans le Pro-
logue de Vtnus, Feste galante, oil on entend 2 flutes et 1 dessus de
violon sans basse1). Le meme divertissement contient aussi un trio de
violons2), et un air de basse po&iquement accompagn^ par 2 flutes3).
Dans le tissu des chcBurs, il proc&de a des interventions symphoniques,.
et le choeur «Chantons, chantons* de V&nus, se trouve hach6 par les
violons qui, a grands coups d'archet, interrompent le motif chante par
les voix:
Violons. Violons.
^urirtf-ff.
-^-T-t
EEE£
■#-#-
-^ hi
Chan - tons, -
Basses
J Chan - tons
Basses
fccfcfe
Chan - tons,
£
^C
»:
Chan - tons
Sa fagon de traiter les instruments a vent est particulifcrement in-
teressante. Avec deux hautbois et un basson, il constitue un trio auquel
il confie de nombreuses symphonies, le 2e Menuet de Venus*), le 2e Ei-
gaudon de la 2e Entree de Y Europe galante*)', et encore, la Forlane7)
et la l*re Chaconne de la 4e Entree de ce Ballet8).
Ce sont les flfites, Rentes k 4 parties, qui murmurent myst£rieusement
la ritournelle de «Sommeil chaque nuit»; Campra a trac£ ici une ex-
cellente page descriptive qui peint a merveille la nuit tombante, son
charm e cr£pusculaire, Fimprecision qui commence a envelopper les choses;
aux fl&tes viennent s'opposer les violons employes discr&tement par touches
legfcres; Tensemble est d'une grande finesse et d'une grande po&ie; e'est
un de cos airs de «sommeil» si frequents dans la literature lyrique du
1) Venus, Scene 2. p. 27 de l'edition Ballard.
2) Venus, Divertissement, Scene 2. p. 69.
3) Do. p. 39.
4) Do. Scene 1. p. 47.
5) Do. p. 61. 2* Menuet.
6) Le basson dessine des figurations.
7) Ici, les hautbois et basson altera en t avec les tutti; e'est le trio oppose a
r ensemble symphoniqne ; on retrouve ce contraste instrumental dans le Menuet
qui suit.
8) Le ler couplet est confie aux hautbois et basson. Observons toutefois que
Campra n'a pas invents ce groupement instrumental. On en trouve de nombreux
exemples dans les operas de Lully: Cadmus (Air de Pan du Prologue), Roland, Pro-
logue, etActe IV, Scenes 2 et 4), Armide (Acte IV, Scene 2), Proserpine (Prologue);
a Facte II, Scene 8 de cet op£ra, Lully emploie meme 3 hautbois.
L. de la Laurencie, Notes sur la jeunesse d' Andre* Campra.
257
XVIP stecle, qui s'£coule lentement, a travers le bercement calin des
croches li^es de deux en deux, et au-dessus de la basse contrainte redite
inlas8ablement par le continuo:
Lentement.
1** FL
2«F1.
3« FL
4«F1.
ffcju- ft & \zuui4 lr if ij pi
M±iJmk±mm
=1=
0
M*=p
-^*-
'J&ZL
-**-
m
m
E
^
Au reste, Campra, dont rimagination s'&neut et s'excite surtout en
presence des spectacles visuels, semble cependant avoir pressenti le role
psychologique de Forchestre. Comme sa mdlodie est toujours bien cons-
titute, k contours nets, comme elle possfede une signification purement
musicale, elle devient susceptible de se caract&iser, et de passer des voix
aux instruments et vice versa. Ainsi, les symphonies ddrivent souvent,
dans son oeuvre, des motifs chant^s qu'elles reprennent et d^veloppent.
En se r£p£tant, certains de ces motifs deviennent des motifs caracte-
ri8tiques que le musicien reproduit dfcs que la situation incline vers la
raison qui les avait provoqu£s une premiere fois. II y a la comme l'em-
bryon du th&me conducteur, du leitmotiv. Le Prologue de V Europe go-
lante va nous en fournir un int^ressant exemple.
Durant Fair de V£nus, on entend, en effet, retentir a Forchestre le
thfcme qui a annonce la venue de la Discorde, thfcme en triples croches
qui surgissent par groupes tumultueux et que nous avons signals plus
haut Or, a la sc&ne 5 de la 4e Entrap, lorsque la Discorde apparait
de nouveau, Forchestre expose le meme motif caract^ristique:
Yiolons.
B. C.
P15^^^^^1^
ge=^s^fefrg=^f
1) Europe gakmt^ 3e Entree, p. 113. A ce moment, Don Pedro, chevalier espa-
gnol, est sons le balcon de sa belle. C'est encore a 2 fldtes que Campra con fie le
trio en mi b du 2* acte, scene 5 du Carnaval de Venise: <Luci belle*, p. 93.
2) Europe galante, 4« Entree, Scene 6. p. 273.
258 L* <ta 1* Lauren cie, Notes sur la jeunesse d'Andre" Campra.
Nous nous trouvons done ici en presence dune sorte de theme conducteur,
associe' k un personnage dramatique, et il n'est pas inutile de remarquer
que, vers le meme temps, un autre musicien frangais, Jean-Ferry Rebel,
essayait, lui aussi dans ses EMments, d'introduire le leitmotiv dans la
symphonie1). Lully a d'ailleurs, employe' k plusieurs reprises, des for-
mules m&odiques qu'il veut certainement typiques de tel ou tel per-
sonnage2).
Les oeuvres de la jeunesse de Campra t&noignent de dons incon-
testables. Campra est un musicien abondant, un peu prolixe meme, sou-
vent tres scolastique; ses tendances italiennes apparaissent manifestes,
mais il s'entend fort bien k concilier le gofit frangais classique et le gout
italien, et cela, afin de ne pas indisposer contre lui le parti lullyste
encore tout puissant.
II manque certainement de quelques-unes des qualites fran^aises,
Elegance, sobriety, respect des proportions, mais Y Europe galante le pla^a
imme'diatement au premier rang, et la longue carriere de ce Ballet prouve
que Campra avait su exprimer d'une fa$on juste et nouvelle la galanterie
pastorale si chere au XVIII6 siecle3).
1) Voir notre article sur les Rebel, publie dans le Bulletin trimeetriel de
TI.M.G. de janvfer-mars 1906.
2j Qu'il nous suffise de citer le theme de Polypheme dans Aeis et Qatathee, et
celui de la Haine dans Armide (Acte III).
3) En 1766, Morambert reconnaissait les meritee de V Europe gaUmte\ il aigna-
lait les 2 Mennets du Prologue, le 2° air en Rondeau du ler acte (2« Entree), et le
ler Rigaudon qui le suit, la Forlane du 3* acte (4° entree) et la march e des Bos-
tangis. II ajoutait: «Si tous les Airs de violon de ce Ballet etoient frapp 4s au
m£me coin que le sont ceux que je viens de citer, et que les Airs chantanta fussent
comme quelques-uns de ceux que Ton entendra toujours avec plaisir, ce Ballet
seroit immortel.* — [Sentiment (Tun harmoniphile sur differents outrages de musique.
§ VI. VEurope galante, pp. 37, 41.) V Europe galante fut reprise jusqu' en 1766.
D. F. Scheurleer, Jean Marie Leclair L'ain6 in Holland. 259
Jean Marie Leclair L'aine in Holland.
Von
D. F. Scheurleer.
(Den Haag.)
Als Herr de la Laurencie seinen Aufsatz iiber Leclair schrieb
(Sammelbande d. IMG. VI> 1905), gab er sich viel Miihe, etwas iiber
den Aufenthalt des Kunstlers in Holland zu erfahren. Man hat hier
fleiBige Nachforschungen betrieben; ich selbst habe mich auch redlich
bemiiht, aber es war alles umsonst: die Reise nach Holland blieb ratsel-
haft. Fetis behauptete, der Zweck ware ein Besuch bei Locatelli
gewesen, der in Amsterdam wohnte. Die Widmung seines 4. Livre de
Sonates, ceuvre IX an die Prinzessin von Oranien enthielt deu Satz:
Pendant tout le terns, que fai passe* dans votre cour, ou vous m'avies fait
Vhonneur de m'apeller.
Daher riihrt die Annahme, daB die Prinzessin Leclair eine S telle
an ihrem Hofe angeboten habe.
Bei meinen Nachforschungen iiber die Geschichte des Musiklebens in
Holland habe ich nun etwas gefunden, das auch in bezug auf Leclair
Interesse hat.
Herr de la Laurencie zitiert einen Reisebericht von de la Barre de
Beaumarchais, der ein nicht gerade schmeichelhaftes Urteil iiber die
Musikzustande in Holland ausspricht. An einer anderen Stelle er-
zahlt er:
V opulent et magnifique Juif Francois Lopez cut plus de succes dans le
dessein, qtCil avoit forrni d? avoir une espice d'opira. B fU venir des Pais
etrangers les plus belles voix et les symphonistes les plus parfaits qu'il put ren-
contrer. II paia les uns et les mitres en grand seigneur. U atHra par sa
UbiraliU tout ce qui passoit dHhommes excellents en ce genre-Id par la Hollande.
Ainsi se formerent les concerts, dont il a rigaU Us honnites gens & les per-
sonnel les plus illustres de la Haye pendant quelques annees de suite. Les
Ministres de VEtat, ceux des Puissances itrangeresy les voyageurs du plus haut
rang, es Princes memes s'y rendoient. On recevait les principaux dans une
salle superbement illuminee et meubUe. La musique elle^nieme itoit placie dans
une chambre fort ornce et toute brillante, <£ c'itoit la que les personnes d'une
moindre condition itoient admises. Des laquais faits au tour 6b habiUes du
meilleur air presentoient des rafraichissemens de toutes sortes d Vassemblee.
Pour moi je ntimaginois alms etre chez un Prince, & je ne sais effectivement
aucun particulier dans le monde, qui fosse rien d'aussi digne d'un Prince que
ce que je vous raconte *).
1) A. de la Barre de Beaumarchais, Le Eollandois, ou Lettres sur la Hollande
ancienne et moderne. 2de. Ed. Prancfort, 1738. S. 324.
260 D* F. Scheurleer, Jean Marie Leclair L'atn6 in Holland.
Ein englischer Reisender schreibt fast wortlich dasselbe, nur fiigt er
hinzu:
Whole operas were not sung] but only select parts, and French cantatas1).
Bis jetzt hatte man immer angenommen, daB mit diesem Juden Lopez
ein Lopez Suasso gemeint war, ein sehr wohlhabender portugiesischer
Jude, der sich in mancher Beziehung sehr verdienstlich gemacht hat
Sein Vermogen war so groB, daB er sich schon etwas AuBergewohnliches
leisten konnte. Zufallig fand ich in der Kgl. Bibliothek im Haag ein
kleines Manuskript, enthaltend die Reisebeschreibung eines Baron de R,
der 1736 Holland besuchte. Vom Haag erzahlt er, daB er hier einem
Herrn Texeira begegnete, jedoch ihn bald verlassen mufite, weil an dem
Tage Konzert war »chez Moris. VUsse*.
Der Baron erzahlt weiter:
*H a fait de deux chambres un salon, qtCU a Sieve* en dome, paroe que Its
itages itoient trop bos, du rests il est d?une beUe architecture et dote superbe-
ment. Ce concert est composS $ environ 20 personnes. II y a des actrices a
qui M. Vlisse donne jusqu'd trois mille florins, le moindre des pensionnaires
en a mille.*
Dieser Name machte mich stutzig. Ich wuBte, daB von Zeitgenossen
der Name Suasso manchmal sehr merkwiirdig buchstabiert wurde. Ich
hatte bereits die Schreibung Schivartzo und sogar Choalcho gefunden;
es kam mir unmoglich vor, daB die Verstiimmelung des Namens so weit
gehen konnte. Nach mehreren verfehlten Kombinationen kam ich auf
den Gedanken, daB der erste Buchstabe vielleicht ein U sein sollte und
ein D bei der Beinschrift weggefallen ware. Zu meiner Freude fand
ich einen du Liz erwahnt, und jetzt konnte weiter gesucht werden. Sehr
leicht war es nicht gerade, denn es stellte sich heraus, daB der Mann
haufig de Liesse genannt wurde. Aber nachdem die Spur entdeckt war,
kam unerwartet sehr viel zum Vorschein.
Es wurde herausgefunden, wo der Mann wohnte. Das Haus steht
heute noch und wird vom koniglichen Kommissar der Provinz Siid-
Holland bewohnt. Aus der Geschichte des Hauses ging hervor, daB der
Besitzer 1742 wegen Verschwendung unter Kuratel gestellt worden war.
Nun wurde nach den gerichtlichen Akten dieser Sache gesucht, und so
kamen schlieBlich alle auf die Liquidation beziiglichen Dokumente ans
Tageslicht.
Da stellte sich nun heraus, daB der Mann, der mit Tausenden von
Gulden um sich warf, seit Jahren seine Dienstmadchen nicht bezahlt
hatte. GroBe Summen hatte er den fremden Gesandten geliehen, aber
noch groBere Summen war er Anderen schuldig. Sein palastartig ein-
1) A Description of Holland: or, the present state of the United Provinces. London,
1743. S. 216.
D. F. Scheurleer, Jean Marie Leclair L'afng in Holland. 261
gerichtetes Haus war vollgepfropft mit kostbarem Forzellan und Silberzeug.
Er. besafi groBe Mengen Edelsteine, aber im letzten Jahre wanderte der
groBte Teil dieser Herrlichkeit nach den Pfandhausern im Haag und
Rotterdam. Die Katastrophe wurde unvermeidlicb.
Die Liste der Personen, welche Forderungen an de Liz zu richten '
hatten, und deren Quittungen an die Verwalter der Masse sind noch vor-
banden. Hier fand sicb nun auch die Spur Leclair's wieder.
Jean Marie Leclair L'ain6 hat den Kontrakt eingereicht, den er am
1. Juli 1740 mit de Liz geschlossen hatte. Darin wurde dem Kunstler
auferlegt, gegen eine Entschadigung von 10000 Gulden (im Verlauf yon
5 Jabren zu bezablen) wahrend dieser Zeit, also bis 1. Juli 1745, im
Haag zu wohnen:
*Pour dinger mes concerts comme premier de tous les musiciens que
fai prtsentement a ma pension ou que je pourrai avoir a Vavenir, en
outre yjouer du violon deux fois par semaine scavoir le jeudi et le samedy
ou autres jours selon ma volonte et mon ban plaisir, lui laissant la liberty
entidre (T employer tout le reste de son temps d sa volonte*.
Die Halfte der Frist war also ungefahr verstrichen, als der Krach
eintrat. Leclair hatte schon wiederholt Geld erhoben, aber im August
1742 gerieten die Zahlungen ins Stocken, und im Momente, wo das
Silberzeug ins Leihhaus wanderte, wird der Geiger wohl nicht zuerst be-
dacht worden sein. Ende Januar rechneten die Verwalter mit den
Glaubigern ab , und da bekam Leclair zuerst F. 666,66 fiir 4 Monate
Gehalt und F. 2500, pour extinction de toute pretention. Die Quittung
ist von Leclair selbst unterschrieben.
Mit ihm waren erschienen le Sieur F. le Rous, der seit 1. Dez. 1739
«inen Kontrakt auf 4 Jahre hatte, zu F. 50 monatlich: pour jouer de la
Flute traversiere a mes concerts publics ou particutiers, und Mademoiselle
Meissonnier, welche monatlich F. 62.10 erhielt: pour chanter & mes
concerts.
Andere Musiker habe ich nicht angetroffen. Wahrscheinlich hatten
die nichts mehr zu fordern.
Das Dokument des gerichtlichen Inventars gibt eine genaue Beschrei-
bung des von de Liz bewohnten Hauses. In den zwei Zimmern »des
Concertes*, wie es darin heiBt, wurden ein groBes Klavier, ein Spinett
oder Clavecimbel angetroffen, nebst Stiihlen, Banken, Notenpulten und
Wandleuchtern. Alles wurde offentlich versteigert, also auch die Biblio-
thek. Der Katalog dieser Auktion gibt eine genaue Ubersicht von dem
Repertoire. Hollandische Musik war nicht da. Um so besser waren
Frankreich und Italien vertreten. Da finden wir eine stattliche B^ihe
Opern von Lully, Collasse, Campra, Grenet, Royer, Handel, Bononcini,
Marais, Desmarets, Rebel, Rameau. Eine lange Reihe" Ballette und eine
262 D* F. Scheurleer, Jean Marie Leclair L'afn6 in Holland.
grofie Menge Kantaten, aber auch Instrumentalmusik war fleiBig ge-
8ammelt: Corelli, Geminiani, Boismortier, Leclair, Gianotti, Couperin,
Vitali, Torelli, Sollnitz, Telemann, Vivaldi, Francoeur, Mondonville usw.
Mit einem Worte: alle groBen Meister der damaligen Zeit waren ver-
treten.
Im alten Hause begab ich mich nach dem Konzertsaal iiber dem
Stall. Letzterer scheint sich noch im urspriinglichen Zustande zu be-
finden; das Stockwerk darliber ist seit langer Zeit fiir Dienerschafts-
raume eingerichtet. Immerhin sieht man noch sehr gut, wie groB die
zwei Mu8ikzimmer gewesen sind, wenn auch von irgendwelcher Aus-
schmtickung nicht die geiingste Spur mehr vorhanden ist. Man darf
eben nicht vergessen, dafi inzwischen 165 Jahre vergangen sind ; und wie
viele Hauser in Holland sind in dieser Zeit nicht ihrer Ausstattung
beraubt!
Als bei meinen Nachforschungen der Name de Liz auftauchte, er-
innerte ich mich eines Buches in meinem Besitz, das ich friiher nur sehr
oberflachlich eingesehen hatte, weil ich es fiir weiter nichts als eine
Skandalschrift hielt. Der Titel lautet:
Mimoires Anecdotes pour servir d Vhistoire de M. Duliz. Et la suite de
ses avantures, apris la catastrophe de ceUe de Mademoiselle Pelissier, actrice de
VOpera de Paris. Londres, Samuel Harding, 1739.
Liest man jedoch das Buch, nachdem man zuerst das oben Mitgeteilte
erfahren hat, dann wird manches verstandlich, was friiher ratselhaft war.
Es ist natiirlich nicht moglich festzustellen, ob alle diese bedenklichen
Abenteuer mit Schauspielerinnen und alle Streiche, die er Leuten spielte,
mit denen er geschaftlich zu tun hatte, wirklich so geschehen sind, aber
was ich zu kontrollieren imstande war, hat sich als richtig herausgestellt
Der Autor ist wahrscheinlich ein gewisser Desforges, ein Theater-
direktor, der erst von de Liz unterstiitzt wurde, spater sich aber mit ihm
iiberwarf. Dank dieser Beziehungen konnte der Autor leicht manches
wissen, was nicht offentlich bekannt war.
Wir erfahren u. a., daB de Liz in Paris wegen Anstiftung zum Mord
zum Tode auf dem Bade verurteilt worden war; es gait einem Neben-
buhler. De Liz entkam, aber sein Diener wurde geradert!
Fiir die lokale Geschichte Haags enthalt das Buch sonst noch vieles
Interessante. In musikhistorischer Hinsicht ist aber die Ernte nihil.
Leclair wird nicht erwahnt.
Bernhard Engelke, Johann Friedrich Fasch. 263
Johann Friedrich Fasch.
Versuch einer Biographic
Von
Bernhard Engelke.
(Magdeburg.)
I. Vorfahren, Jugend- und Uuiversitatsjahre.
Joh. Fr. Fasch entstammte einer alten, weit verzweigten Thiiringer
Faniilie, deren Mitglieder im 17. Jahrhundert teilweise hohe Stellungen
ah Arzte und Mediziner bekleidet haben. Sie gliederte sich nachweis-
lich in drei Zweige, einen in Arnstadt, einen in Burgwenden und einen
in Heldrungen ansassigen. Aus dem ersten stammte ein nicht unbe-
riihuiter Arzt, Aug. Heinr. Fasch, geboren am 19. Februar 1639 zu
Arnstadt, »zu Jena Doctor und Professor Botanices, Chirurgiae und
Anatomices, wie auch fiirstlicher sachsischer Leibmedicus worden, worauf
er 1690, 22. Januar gestorben . • . [folgt die Aufzahlung seiner Schriften]1).
Dem Burgwendener Zweige entstammte ebenfalls ein nicht unberiihmter
Mediziner: »Joh. Aug. Fasch, ein Sohn Giinther Heinr. Fasche's aus
Burgwenden, hieB eigentlich Augustin Johann Fasch, nannte sich aber
in seinen letzten Schriften immer Johann Augustin. Weil seine Eltern
friih starben, so nahm sein Vetter Joh. Sam. Ursinus ihn zu sich nach
Buttelstadt, nachher kam er nach Arnstadt usw.«2). Spater wurde er
Bibliothekar in Helmstadt, dann Sekretar bei Leibniz in Hannover und
schlieBlich, nach Studien in Kopenhagen und Halle, Professor der Medizin
in Jena. Adlung berichtet von seiner auBerordentlichen Kunst, Ana-
gramme aus dem Stegreif zu bilden; so soil er einmal 1500 Anagramme
iiber das Wort jmtcr familias verfaBt haben. Dem Heldrunger Zweige,
aus dem schlieBlich unser Musiker hervorging, gehoren fast nur Theologen
an; sein altestes nachweisbares Mitglied ist Augustin Fasch(ius), Pastor
zu Heldrungen. Dieser muBte all das Elend, das der dreiBigjahrige Krieg
iiber die Stadt brachte, personlich miterleben. Zwar kamen er und seine
Familie bei der Eroberung der Stadt mit dem Leben davon; doch seine
Pfarrei und Kirche wurden verbrannt, sein Kan tor erschlagen und sein
Diakonus Michelmann von den Kaiserlichen mitgeschleppt bis nach Lutzen?
wo er im Gewiihl der Schlacht entfloh. Fast wiire ihm sein geistlicher
Rock noch zum Verhtingnis geworden, denn Bauern hielten den Fliicht-
ling fiir einen Jesuiten und hatten ihn urn ein Haar erschlagen3).
1; Jocher's Gelehrten-Lexikon.
2) Adlung1 8 Fortsetzung des Jocher'schen Gelekrten-Lexikons.
3) Diese Notizen entnchme ich einer Predigt iiber Joel I. von Christoph Fasch,
fi. d. IMG. x. 18
264 Bemhard Engelke, Johann Friedrich Fasch.
Augiistin Fasch starb 1637 !), sein Nachfolger wurde sein vielleiclit
altester Sohn Thomas Melchior Fasch, der am 23. Dezember 1643 in
den Kirchenbiichern bezeugt ist. Im nahen Hauteroda, wohin der Vater
wahrend des Krieges zeitweise seine Pfarre verlegen muBte, war sein
anderer Sohn Martin Pastor, und dessen Nachfolger wurde ca. 1639
Johann Christoph Fasch, der GroBvater unseres Kiinstlers. Dieser war
am 17. November 1616 in Heldrungen geboren, hatte in Leipzig studiert,
wo er 1639 den Magistergrad erwarb, wurde nach jener Pfarrerstelle in
Hauterode 1643 Diakonus, 1657 Pastor und 1669 erster Superintendent
in Heldrungen. Auch er hatte eine Begabung fur Anagramme; anBer
jener oben zitierten Predigt, die in Dieckmanns Chursachs. Priester-
schaft, Teil 3 erhalten ist, hinterlieB er zwei derartige Spielereien:
Nomina, corda, preces, Sancti Ministerii in Salisaea Dioeccsi anagrammaiico
metritis modis contexta.
Arnstadt 1653. 4°.
und
Monile dispositum Sancti Ministerii in Eccardimontana Dia'cesi anagram-
matico — metritis modis inventum.
Ebendas. 1653. 4°.
Joh. Christoph Fasch starb am 20. April 1682; seine Gattin, Maria
Magdalena, die ihm mehrere Kinder geboren hatte, folgte ihm ein Jahr
spater im Tode nach. Ein Sohn war schon 1670 als Student der Medizin
gestorben; der beiden anderen Kinder, Friedrich Georg und Anna Sophia,
nahm sich wahrscheinlich ebenfalls jener schon einmal erwahnte Vetter
Sam. Ursinus in Buttelstadt an, und auf dessen Fiirsprache hin wurde
Friedrich Georg dort als Rektor angestellt. Am 3. Mai 1687 heiratete
dieser die Tochter des Pastors Wegerig aus Leissling2), Sophia, und das
erste (einzige?) Band der Ehe, unser Musiker, wurde am 17. April 1688
auf die Namen Johann Friedrich getauft. Somit wird die Angabe
Walther's bestatigt, der den 15. April als Geburtstag angibt.
Anna Sophia Fasch heiratete am 7. November 1687 den Pfarrer von
Synderstedt, Christian Heinrich de Wette.
DaB auch Friedrich Georg Fasch Theologie studiert hatte, wird be-
glaubigt durch seine Berufung als Rektor nach Suhl. Ein solches Amt
scheint in jener Zeit eine Art Voriibung fur den Beruf als praktischer
Geistlicher gewesen zu sein. So war auch sein Vorgiinger M. Joh. Fr.
Zihn Diakonus in Suhl geworden, und der Rektor Fasch ware sicher
seinem Beispiel gefolgt, hatte ihn nicht der Tod hinweggerafft.
die mir Herr Superintendent Dr. Reineck aus Heldrungen, dein ich auch fur die fol-
genden Mitteilungen aus den Kirchenbiichern zu groBem Danke verpflichtet bin, aus
dem Besitze des Herrn Griitzmacher dort zuganglich machte.
1) Adlung's Fortsetzung des Jocher'schen Gelehrten-Lexikons, Artikel Joh.
Chr. Fasch.
2) Die folgenden Kirchenbuchnotizen verdanke ich Herrn Lehrer Burkhardt zu
Buttelstadt.
Bernhard Eogelke, Johann Fried rich Fasch. 265
Interessant fiir uns ist die — sicher irrtiimliche — Mitteilung bei
Karl Gottl. Dieckmann, kurzgefasste Kirchen- und Schulgeschichte etc.
Gotha 1781: Georg Friedrich Fasch, vorher Cantor zu Schleu9ingen
t 1700. Jedenfalls ein Beweis, daB auch der Vater unseres Ktinstlers
ausiibend musikalisch tatig war, so daB ihm vielleicht die Leitiing jenes
Kirchenchors unterstand, in dem sein Sohn spater mitsingen durfte.
Der Ruf nach Suhl war ein sehr ehrenvoller, denn das dortige Gym-
nasium gait neben dem Schleusinger fiir die vornehmste Schule des
Henneberg1). Sie war der Stolz der Biirgerschaft. Nachdem die Stadt
sich einigermaBen von ihrer Zerstorung im 30jahrigen Kriege erholt hatte,
war die erste Sorge gewesen, die verwahrloste Jugend wieder zur Ord-
nung zu bringen; nach dem Gallustage 1634 legte man den Grundstein
zu einer »Interimsschule«, die dann 1635 bezogen wurde » super Pestilentz
und Feinde«. Am 1. Advent 1642 wurde die neue Schule begonnen,
die bald zu klein und den Madchen allein uberlassen wurde. Ein stolzes
Selbstgefiihl spricht aus den Versen, die der erste Rektor, Mag. J.
Wagner 1643 zur Eroffnung dichtete:
In facili annona, tranquilli vivimus. Hostis
Nee pestis potuit cuique nocere (!) ferox.
Stat chorus atque forum, torus in viriutc vicissime
Gonsistit, Domini cunctipotentis spe.
Die Knabenschule wurde dann von Nic. Gerbig dicht neben der Haupt-
kirche begonnen, sie konnte aber erst 1685 bezogen werden, da man seit
1647 beschaftigt war, die vollstandig zerstorte Hauptkirche wieder auf-
zubauen. Es ist ergreifend zu lesen, wenn der Chronist berichtet, daB,
als am 31. August 1651 auf dem Positiv der noch unvollendeten Orge
zum ersten Male ein Choral gespielt wurde, die Kirchganger vor Weinen
nicht mitsingen konnten. Am 7. November 1652 fand dann die feier-
liche Orgelprobe statt, zu der von auswiirts Johann Ernst Bach von
der Predigerkirche in Erfurt, Heinrich Bach aus Arnstadt und der
Hof organist Karl Briegel aus Gotha geladen waren!
Dem Rektor Fasch war kein langes Wirken beschieden, im Jahre
1700 starb er2). Seine Wittwe blieb in Suhl, ihr Todesjahr (ca. 1720)
ist mir unbekannt geblieben, der Sohn aber wurde nach Teuchern dem
Bruder der Mutter3) zur Erziehung ubergeben.
Dieser kurze Au fen thai t wurde in gewissem Sinne entscheidend fiir
die Laufbahn des Knaben. Ein entfernter Verwandter, der Kammer-
1) Fiir das Folgende vgl. Joh. Michael Weinrich, Henneberg, Kirchen- und
Schulenstaat. 1720.
2 1 Der Knabe war also beim Tode des Vaters sclion 12, nicht 10 Jahre alt, wie
es in der Autobiographic [Marpurg, Krit. Beytr'age III] erz'ahlt wird.
3) Dieser, Gottfried Wegerig, damals »Caplan« in Teuchern, war spater 1723
Pfarrer in Deumen, »im Stuhl Molsen, im Weissenfelsischen gelegen und unter dasige
Inspektion gehorig*. Iccander's Geistl. Minist. p. 254 [Zedler, Universal-Lexicon.
18*
266 Bernhard Engelke, Johann Friedrich Fasch.
Sanger Scheele aus WeiBenfels (»unser Vetter«, Autob.), horte ihn bei
einem Besuche in Teuchern singen, und auf seine Fiirsprache erbielt der
junge Fasch fiir den Winter 1700/01 die gerade vakante Stelle eines
Diskantisten an der Oper. Seine Leistungen miissen dem Hofe gef alien
haben, denn, wie er selbst erzahlt, konnte er nur mit Miihe seine Dimis-
sion erhalten; sie wurde ihm wahrscheinlich nur unter der Bedingung
gewahrt, daB er die Thomasschule in Leipzig besuchen miisse. Er ging
dorthin und war, wie er selbst nicht ohne Befriedigung erzahlt, »anno
1701 der erste, welchen er (Kuhnau) aufnahm*.
In Leipzig war damals ein ungemein reges musikaJisches Leben, be-
sonders seit 1701, in welchem Jahre der junge Telemann die Universitat
Leipzig bezogen hatte und bald vom Studenten der Jurisprudenz zum
Oberhaupt aller musikalischen Unternehmungen aufriickte. Als er 1704
Leipzig den Riicken wandte, hinterlieB er einen reichen Schatz von
Werken aller Art, die nun iiberall, in Haus und Kirche, Konzert und
Schule zur Auffuhrung kamen und fiir die jungen Komponisten leuch-
tende Musterbeispiele abgaben, denen nahe zu kommen ihr hochster
Ehrgeiz war.
Der junge Fasch war zu arm, urn irgend welchen geregelten Musik-
unterricht nehmen zu konnen. Von der Musik aber lieB er nicht:
>Als ich . . . mich etwas auf dem Clavier geiibt hatte, jedoch ohne alle
Anweisung, weil ich die Information zu bezahlen nicht vermogend war: so
fienge ich endlich, als ich in der zweyten Klasse war, recht eifrig an, Can-
taten in den Discant zu setzen, worzu ich mich des seel. Herrn Hunolds
Poesien bediente, und sie geriethen mir, meiner damaligen Meinung nach,
ziemlich, weil es mir an Invention nicht fehlete. Endlich hatte ich gar die
Verwegenheit, da die Telemannschen Ouverturen bekannt wurden, auch eine
auf solchen Schlag zu versuchen. Ich setzte sie aus, und da die Primaner
ein Collegium musicum hielten, gab ich sie unter dessen Nahmen zur Probe
hin, und sie glaubten, zu meiner Freude, dass solche von ihm ware. Bey
dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, es offentlich zu bekennen, dass
ich aus meines geehrtesten und geliebtesten Freundes, des Herrn Capell-
meister Telemanns schonen Arbeiten damahlen alles erlernete, indem ich
solche mir, besonders bey den Ouverturen, bestandig zum Muster nahm. Da
ich, mit dem Abmarsche der Schweden auf die Universitat gienge, so legte
ich Sonntags, nach Endigung der Gottesdienste , in meinem Quartiere ein
Collegium musicum an, welches ich von Studiosis nach und nach auf 20 Per-
sonen verstarkete, und da nach einiger Zeit der einfallende Geburthstag des
ligen Herrn Biirgermeisters Bivini mit einer Abendmusik beehret werden
, ich aber mein Collegium musicum einige Zeit vorher auf das Leh-
ische Caffeehaus verleget, welches auch sich an der Zahl merklich ver-
3t hatte, so wurde mir von solcher die Composition aufgetragen, derglei-
schon vorher bey Anwesenheit des Herrn Oberhofpredigers D. Pippings1
lich geschehen war.«
l Aus Dresden.
Bernhard Engelke, Johann Friedrich Fasch. 267
Die Akten ergeben, daB Fasch im Sommersemester 1708 seine Studien
an der Universitat begonnen hat. Der Kuriositat halber sei erwahnt, daB
yJoann. Fridericus Faschius
Sula-Hennebergius c
unter der Rubrik Polani eingetragen ist.
Es ist wohl kaum anzunehmen, daB Fasch ernstlich daran gedacht
hat, praktischer Jurist zu werden; es gehorte eben damals zum guten
Ton auch fur den besseren Musiker, einige Semester studiert zu haben.
In das Jahr 1710 failt ein interessanter Streit zwischen Fasch und
seinem alten Lehrer Kuhnau. In diesem Jahre war namlich, nach
langem hin und her zwischen Leipzig und Dresden, der Universitat ge-
stattet worden, in der Pauliner-Kirche eigenen Gottesdienst zu halten.
Kuhnau, der bisher, so oft es notig gewesen, den Organistendienst ver-
sehen hatte1), bemiihte sich sofort um die Stelle. Aber in Universitats-
kreisen war man ihm wegen seines anmaBenden SelbstbewuBtseins, das
er bei jeder Gelegenheit an den Tag legte, nicht wohlgesinnt; das
Memorial vom 1. September 17104) zeigt ihn tiefgekrankt:
>Magnifici, Hoch Edle, Vest und Hochgelehrte
Hochgeehrteste Herren und Patronen.
Gleichwie ich mit der ganzen Stadt iiber den angestellten neuen Gottes
Dienst in der Pauliner Kirche gefreuet, und mir dabey die Hoffnung ge-
machet, dass ich, da mir sonsten der Chorus Musicus und die Orgel solcher
Kirchen anvertrauet ist, auch bey diesem Gottes Dienste meine Dienste
leisten wiirde; Also habe ich hingegen gestern nicht ohne Chagrin sehen
mussen, dass am verwichenen Freytage die Orgel-Schltissel darumb von mir
abgehohlet worden, dass ein anderer das Werk dabey spielen sollen. Wenn
ich aber albereit in der Hochlobl. Universitaet Diensten stehe, und mein
Amt allemahl solchergestalt abgewartet, dass keine Klage iiber mich hat
kommen konnen; Ich auch solchen Gottesdienst zu versehen Gelegenheit
habe, indem ich, imfalle ich ja zuweilen in den anderen Kirchen mochte
aufgehalten werden, welches aber selten geschiehet, indem nach der Predigt
nur kleine schwache Stiicken musicieret werden, durch einen meiner auf der
Orgel wohl exercierten Scholaren und Studenten, die mir alle Mahl zur
Music accompagniren, den Anfang zum Gottes Dienste machen lassen konte,
biss ich selbst dazu kohme; Alss gelanget an Ew. Magnif. Hoch Edle und
Hochgelahrte Herren mein unterdienst — gehorsamstes Bitten, Sie geruhen
hochgeneigt mir die Schlussel zur Orgel wieder einzuhandigen, und mein
Organisten Amt auch auff diesen Gottes Dienst zu extendiren. Hiedurch
kohme ich bey denen Leuthen wieder aus dem Verdachte, alss ware ich
abgesezet worden, und ich hatte bessere Gelegenheit meine Sonntagliche An-
dacht fortzusetzen, und meinen auff Orgeln erlangten habitum, welchen auch,
Bonder unzeitigen Ruhm, die Abwesenden aus meinen Musicalischen Wercken,
welche zur tjbung des Clavieres in Kupfer Stichen der .Welt publiciret
worden, gerne gehoret haben, zur Ehre Gottes weiter zu poussiren. Zu ge-
1) Spitta, Bach II, 36 und 860.
2) Archiv des Univers. Rep. II/III, No. 3. Litt. B, Sect. II.
268 Bernhard Engelke, Johann Friedrich Fasch.
schweigen, dass ich keine iible Consequenzen bey der Direction meiner Music
zu befahren, sondern vielmehr aus der Communitaet einigen Zuwachss meiner
Adjuvanten zu hoffen hatte. Ich erbiethe mich, solche Dienste umb das
Wenige, was einem anderen mochte gegeben werden, oder auch, so zu reden,
umb nichts, sonderlich wenn ich etwa bey Losung der Kirchen Stiihle mochte
mit bedacht werden, zu verrichten. Ich versehe mich Hochgeneigter Will-
fahrung und verharre
Ew. Magnif. Hoch Edl. und Hochgelahrten
Herren
Leipzigk unterthaniger und schuldigster
den 1. Sept. 1710. Diener
Johann Kuhnau.
Aber die Vorstellungen waren fruchtlos; die Musik zu Weihnachten
1710 wird Fasch und seinem Collegium musicum iibertragen, der sich
dafiir in einem langeren Schreiben bedankt und die Anspruche Kuhnau's
geschickt pariert:
praesentiret
den 29. Dec. 1710.
Magnifice Academiae Rector
wie auch
Hoch Ehrwurdige Hoch Edle Veste
und Hochgelahrte
Hochgeehrteste Herren.
Es haben Dieselben mir und den unter meiner Direction stebenden
Collegio Musico hochgeneigt vergonnet, verflossene Weynachtfeyertage , die
Music in der Academischen Kirchen zu bestellen. Und gleich wie solches
sowohl von mir als denen samtlichen membris des Collegii Musici alss ein
Zeichen und Merkmahl Dero Weltbekandten Gtitigkeit, gegen die hier lebenden
Herrn Studiosos Hochstbillig erkandt wird, alss stattet mit mir das ge-
samte Collegium Musicum in alien gehorsauisten Respect gebUhrenden Danck
ab, mit angehender ergebenster Bitte, Sie wollen fernerweit hochgeneigt
vergonnen, dass die den Hochsten Gott zu Ehren angestellte Music in der
akademischen Kirche, alle Sonn- und Festtage von Sie nioge continuiret
werden; denn obgleich bekandt, dass bishero H. Kuhnau, alss Leipzischer
Stadt-Cantor bey der Hochlobl. Academie die Kirchen Music hochriihml. ver-
waltet, auch solche fernerweit zu dirigiren, bey der Hochlobl. Universitaet
Ansuchung gethan, sich wider mich, alss der ich ihm in seiner vermeinten
profession zu turbiren gedachte, beschweret. So bitte ich doch in tiefsten
Respect, dabey hochstgeneigt zu consideriren, wie das
1) nunmehro die akademische Kirche in einen gantz anderen Stand ge-
kommen als vormahls, da den H. Stadt-Cantori, bey orationibus und pro-
motionibus die Music zu bestellen, anvertrauet worden. So ist auch
2) H. Kuhnauen alle Kirchen zu bestreiten ohnmoglich, angesehen die
Instrumente hin und her zu tragen zu langweilig und cine lange Zeit mit
praeambuliren musste zugebracht werden. So stehet auch
3) H. Kuhnau immediate unter der Stadt Magistrat, welcher, wie albereit
die Rede gehet, die denen Stadt Kirchen gewidmete Instrumenta, in der
akademischen Kirchen zu gebrauchen, nicht fernerweit zu verstatten gesonnen,
zu dem so erhellet ja
Bernhard Engelke, Johann Fricdrich Fasch. 269
4) gautz kliihrlich, dass H. Kuhnau mit Bestellung der Stadt Kirchen
Uberfliissig zu thun, angesehen ja selbst der Stadt Magistrat, die Music in
der sogenannten Neuen Kirchen der direction des Hr. studiosorum und nicht
H. Kuhnauen uberlassen. Wie denn auch
5) jedermann bekandt, dass ohne Hulffe derer Hr. Studiosorum des
H. Cantor keine vollstimmende Music wtirde bestellen konnen, iiberdieses
ist auch
6) weltkundig dass fast aller Orthen wo florirende Academien, der Aca-
demischen Kirchen Music von denjenigen, welche sich denen studiis gewidmet,
und einen sogenannten Collegio musico, bestellet und dirigiret wird, und
dieses konte alhier in Leipzigk desto leichter bewerckstelliget werden, indem
bey dem unter meiner direction stehenden Collegio musico kein Mangel an
musicalischen Instrumenten anzutrefifen und also selbige nicht erst mit grossen
Unkosten (welches doch NB. bey H. Kuhnau wenn der Stadt Magistrat die
Instrumente zu gebrauchen verbieten sollte geschehen miisste) durffen ange-
schaffet werden, dass
7) H. Kuhnau versprochen, er wolle die Music in der Akademischen
Kirchen mit lauter Musicis ex studiosorum ordine bestellen, daran ist desto
mehr zu zweifeln, iemehr bewusst, dass kein eintziger Studiosus aus denen
Collegiis musicis (in welchen doch fast alle Musici angetroffen werden) sich
Hrn. Kuhnauen zu gefallen unter seine direction werde zwingen lassen
8) und endlich stellet nebst mir das samtliche Collegium Musicum Ew.
Magnif. Hohen gutachten selbst anheim, ob es nicht dieser beruhmten Aca-
demie zu einem absonderlichen hohen B-uhm gereichen wiirde, wenn die als
eine rechte Mutter aller freyen Kiinste, auch in der Music solche Kinder
erziehe, welchen sie auch ihre Kirchen mit der grossten Billigkeit, die Music
darinnen zu bestellen anvertrauen konte. Und gleichwie ich nicht zweifele,
es werden Ew. Magnificenz obengefiihrte Uhrsachen hochgeneigt zu consi-
deriren geruhen, absonderlich da wir solches ohne Entgeld und derer zu
hoflfen habende Erkiiuflichkeit zu verrichten uns ausbiethen. Alss gelanget
nochmals an selbige mein gehorsamstes Bitten Sie wollen fernerweit hoch
geneigt vergonnen, dass ich nebst meinen Hr. Commilitonibus mit der Music
in der Hochlobl. academischen Kirchen fortfahren auf kiiuftig Neujahr pp.
wiederumb den Anfang machen und die darauf folgende Sonn- und Fest
Tage nach Deroselbst hochst beliebigen Anordnung den Hochsten .Gott zu
Ehren continuiren moge, solches werde als eine absonderliche hohe Giitigkeit
lebenslang zu riihmen wissen, und verharre bey alien Begebenheiten.
Leipzig Ew. Magnif.
den 29. Decemb. dienstschuldigst-gehorsamster
1710. Johann Friedrich Fasch
Jur. utriusq. stud.
Jenen Maguifico, Hoch Ehrwiir-
digen, Hoch Edlen, Vesten und Hoch-
gelahrten Hrn. B.ectors, und anderen
Assessoren der Universitaet Leipzigk,
meinen Hochgeehrtesten Herren.
Kuhnau muIJ von dieser Eingabe Kunde gehabt haben, denn er prit-
sentierte schon am folgenden Tage seine Replik:
Praesentirt den
30. Decemb. 1710.
270 Bernhard Engelke, Johann Friedrioh Fasch.
Magnifice Domine Rector
Hoche, Hochedle, Veste und Hochgelahrte
Hochgeehrteste Herren
und Patron en.
Gleichwie ich die von Ew. Magnif. Hochedlen und Hochgelahrten Herren
mir aufgetragenen Dienste in Bestellung der Music in der Kirch e zu St. Pauli.
sowohl in groBsen Fest- als anderen der hochlobl. Academie solennen Tagen,
wie nicht weniger bey dem mit Gottlicher Hiilffe angefangenen neuen Gottes
Dienste immer fleissig, treulich und mit alien Freuden verrichtet, auch das
Positiv bissher sowohl vor als nach der Predigt unter die teutschen Lieder
mit gespielet, so dass ich niemals etwas daran versaumet, ungeachtet ich
zugleich meine andere Kirchen Music abgewartet, dass auch das Hochlobl.
Raths-Collegium mit mir bissher wohlzufrieden gewesen. Alss habe ich hin-
gegen nicht ohne grosse Gemiiths-Bekrankung geschehen lassen miissen, dass
einer von meinen gewesenen Thomas Schiilern mit einem gewissen Collegio
Musico Studiosorum, darunter noch unterschiedene ihre Music durch meine
Anfuhrung aus der Thomas Schule mitbringen, diese letzten Heil. Weynacht
Feyer Tage auf Ew. Magnif. Hochedlen und Hoch gelahrten Herrn Con-
cession Hire Kirchen Music dirigiren wollen. Wenn aber dieserjunge
Mensch, ausser dem, dass er vom Kirchen Stylo noch wenig
wissen muss, sich derer Herrn studiosorum adjuvantium nicht bestandiger
alss ich mich versichern kann, und ich sonst bey meiner Music durch einige
aus ihren Mitteln allezeit secundiret bin, dahero ich auch, im Fall Ew. Magnif.
und Hoch gelahrte Herren meinen gesamten Chor und die Schuler nicht ver-
langen wolten, die Sie doch, dessen in meinem Hertzen ich versichert bin,
auf ein einiges "Wort haben wttrden, solche Music durch die Herren Studiosos,
und so es nothig, einige von unsern Stadt Pfeiffern gar leichte machen kan.
Alss offerire ich mich hiermit zu allem TJberfluss nochmals zu der willigen
ferneren direction der Paulinischen Kirchen music auf alle Arth und Weise,
wie sie immer inoge verlanget werden. Ich will zu weiterer Verhiitung
meiner daraus entstehenden Bekrankung und des unverdienten Schimpffes
alss ware ich abgedancket worden, ingleichen das meiner Music und meinem
Juri quaesito besorglichen Schadens mit dem bissherigen Tractament vor lieb
nehmen und der Hochlobl. Universitaet dabey gerne alle Kosten, so viel an
mir ist, ' ersparen helflfen. Diesem nach ergehet an Ew. Magnif. Hochedle
und Hochgelahrte Herren mein instandigst gehorsamstes Bitten, Sie geruhen
hochgeneigt, durch obgedachte Procedere und mit der besorglichen Gefahr
meiner Gesundheit mich nicht weiter kranken zu lassen. Es hat auch
hoffentlich meine offerte mehr Grund, alss das von andern angebothene neue
TVesen, ja es stehet auch vielleicht dabey mehr Seegen zu gewarthen, alss
wenn ich mit Seuffzen das unverdiente Verdringen meiner Person Gott Klagen
miisste. Ich versehe mich Hoch geneigter Willfahrung und bitte Gott, dass
er bey dem durch seine Gnade zuriickgelegten alten, und bei dem angehenden
neuen Jahre, seine Gnade und Seegen zu dem Ihm gewidmeten neuen Dienste
reichlich geben wolle. Im iibrigen verharre ich
Ew. Magnif. Hochedle und
Hochgelahrte Hen-en
Leipzigk
den 29. Decemb. 1710.
Bernhard Engelke, Johann Fried rich Fasch. 271
unterthanigster und
dienstgehorsamer
Johann Kuhnau.
An die
Hochlobl. TJniversitaet
zu Leipzig nnterdienstl.
Memorial.
Die Entscheidung der Universitat findet sich ibid. fol. 32.
>b) Die Kirchen Music belangend, [sind] unterschiedene Studiosi vor-
handen, welche sich selbst offeriret, die Kirchen Music ohne Entgeld zu ver-
sehen, und ist auch dieses ein dergleichen Exercitium voraus keinem Menschen
ein Nachteil erwachset, jedoch die studiosi zu einer Gott gefalligen Musicam
gefuhret und die Zuhorer zu Gottes Lobe auffgemuntert werden.«
Dem ganzen Handel wurde die Spitze abgebrochen dadurch, daB
Fasch 1711 von seinem Landesherrn (Suhl gehorte seit 1660 zu Sachsen-
Zeitz), dem Fiirsten Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz, den Auftrag
erhielt, die Oper zur koramenden Peter Pauls -Messe in Naumburg zu
komponieren.
11. Bis zur Berufung nach Zerbst.
Die Naumburger Oper war eine SchopTung des kunstsinnigen Herzogs
Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz. Dieser hatte in Naumburg, auf dem
Platze, wo jetzt das Priisidentenhaus stent, am Salztor, der auch friiher
»Opernplatz« genannt wurde, ein Schauspielhaus erbaut, das 1716 wieder
abbrannte. Gespielt wurde anfangs nicht regelmaBig, Opern jedenfalls
wurden nur sparlich gegeben, man scheute die groBen Kosten einer solchen
Auffiihrung. Wie es scheint, hatten die Zeitzer Hofkapellmeister mit der
Naumburger Oper nichts zu tun, schon 1706 spielte die Leipziger1) Opern-
truppe eine Oper Telemach. Das Textbuch dieses Werkes ist noch er-
halten'2) und enthalt wichtige handschriftliche Notizen. Einmal iBnden
sich im Rollenverzeichnis die Namen der Sanger angegeben, unter denen
> Schiir Mann « als Altist in der Rolle des Mentor fungiert, und zweitens
findet sich die Notiz, die Entries und Ballets seien von Ms. Beer, also
dem WeiBenfelsischen Konzertmeister verfaBt. Ich wage nicht zu schlieBen,
daB die Musik der Oper von Schurmann 'gewesen, der ja doch spater
den gleichen Stoff Telemach <f- Calypso (1721) behandelt hat; unberechtigt
ware dieser SchluB jedenfalls nicht, denn im selben Bande findet sich
das Textbuch der Oper Der lachende J)e?nocritus (Leipziger Neujahrs-
messe 1704), in dem Telemann, der Komponist, als Sanger des Eristeus
verzeichnet ist.
Im Jahre 1706 soil nach Gottsched3) noch eine Oper Lucrctia gegeben
1) Strungk-Dobricht'sche.
2) Sammelb. Ga 302 der Gymnasialbibliotliek zu Merseburg.
3) Marpurg, Krit. Briefe III.
272 Bemhard Engelke, Johann Friedrich Faech.
sein, von ihr jedoch vermochte ich keine Spur mehr zu finden. In den
nachsten Jahren unterblieben die Auffiihrungen, erst 1709 wurde wieder
einmal gespielt, und zwar die Oper OUmpia rendicata von Heinichen1).
Heinichen war 1709 auf Drangen Dobricht's, der sich mit seinem
bisherigen Kapellmeister Melchior Hofmann iiberworfen, von WeiBen-
fels, wo er als Advokat in Diensten stand, nach Leipzig zuriickgekehrt
und hatte unverziiglich der Jurisprudenz Valet gegeben. Noch zur Neu-
jahrsmesse wurde eine Oper von Hofmann Acontius und Cydippe auf-
gefiihrt, aber schon zu Ostern trat Heinichen mit zwei Opern, dem Mario1)
und dem Carneval von Venedig*) auf den Plan. Der Erfolg der beiden
Werke war so bedeutend, daB er auch die Oper zur Peter Paulsmesse
in Naumburg, die oben erwahnte OUmpia rendicata schrieb, die dem
Hofe so gefiel, daB er nach Zeitz als Hofkapellmeister berufen wurde*)
und den Auftrag erhielt, auch fiir 1710 eine Oper zu komponieren, Der
gluckliche Liebesivechsel oder Paris und Helena*). Diesmal war der Erfolg
noch unerwarteter, der Hof sandte ihn mit dem Rat Buchta zur Aus-
bildung nach Italien. Bei seiner Abreise empfahl er dem Herzog ein
anderes Landeskind als Nachfolger, Johann Friedr. Fasch.
Die beiden waren personlich bekannt. Gerber erzahlt, Heinichen
habe neben der Leitung der Oper auch das »Directorium des einen Collegii
nmsici, welches damals auf dem Lehmann'schen Caffeehause am Markte
gehalten wurde « , ubernommen6). Fasch erzahlt selbst von seiner Be-
ruf ung :
» Solchermassen arbeitete ich, ohne einzige Regul von der Composition
zu wissen, immer frisch fort, und im 3 ten akadeinischen Jahre erhielte ich
aus dem Hochfurstl. Zeitzischen Marschallamte Serenissimi gnadigen Befehl,
die Direction der Opera und deren Composition zur Peter Paulmesse in
Naumburg zu ubernehmen, welches auch gliicklich abging. Hierauf musste
die Oper ira folgenden November zu Ihro der Hertzogin Kgl. Hoheit hohen
Geburthstag componiren, die noch mehreren Beyfall fande, und in dem fol-
genden Jahre erhielte ich Befehl zwey Opern zur Peter Paul Messe zu com-
poniren, von denen ich die eine meinem damaligen Hertzensfreunde , Herrn
Stolzeln, zu componiren iiberliesse, welchem auch dadurch der Weg zu
seinem ganzen zeitlichen Glticke gebahnet wurde, indem er im November
die Opernarbeit erhielte, die Durchl. Prinzessin aber ihn hernach auf Dero
Kosten nach Italien schickte*.
1) Siehe dessen neu erfundene und grundl. Anl. usw. 1711 S. 13 ff., wo auch Noten-
beispiele aus dem Werke zu finden sind.
2) Part, in Kgl. Bibl. Dresden.
3) Neu erfund. und griindl. Anw. S. 4.
4) Eitner, Quellenlexikon.
5) Siehe Gerber, Neues Lexicon, wo P. und H. um 1709 angefuhrt ist. Die obigre
Datierung nach Gottsched.
6) Diese Nachricht besagt nichts anderes, als daB H. Cembalist war, der faktische
Leiter blieb immer der Geiger Fasch.
Bernhard Engelke, Johann Friedrich Fasch. 273
Stolzel1) erwahnt von einer Empfehlung durch Fasch nichts. Er
berichtet:
»Hierauf [nach seinem Aufenthalt in Schlesien] ging ich wieder zuriick
nach Halle, woselbst eben der beriihmte Capellmeister Theile2) sich auf-
hielt, und mir die Composition einer Oper, so den Titel Valeria fiihrt, urn
solche in der nachsten Naumburger Messe vorzustellen, auftrug. Als dieses
geschehen, verfertigte ich in eben demselben Jahre, namlich 1712, auf hochgr.
gnadigen Befehl ein Pastoral zu Gera, welches Rosen uivd Dornen der Liebe
betitelt war. Folgendes Jahr wurden abermahl zwo Opern von meiner Musik
und Poesie zu Naumburg aufgefuhret und am Ende des Jahres that ich eine
Reise nach Italien, wo ich mich vornehmlich zu Venedig, Florentz und Rom,
in allein aber ein Jahr und etliche Monath aufhielt. «
DaB Stolzel die Oper fiir den November 1712 nicht erwahnt, durfte
wohl VergeBlichkeit sein; die Namen der beiden Opern fiir 1713 hat
gliicklicherweise Hiller in den »Lebensbeschreibungen« uberliefert, sie
heiBen Artemisia und Orkme.
Priift man nun auf Grund dieser Quellen Gottsched's Verzeichnis:
1709. Olimpia vendicata.
1710. Der gliieklichc Liebesucchsel odcr Paris mid Helena. Naumburg.
1711. Clomire. Naumburg.
Lucius Vents. Zeitz.
Valeria. Naumburg.
1712. Die getrenc Dido. Naumburg.
1713. Rosen und Dornen der Liebe. Gera.
Artemisia. Naumburg.
1714. —
1715. Cbmtre. Naumburg.
so ergibt sich vielmehr folgendes Schema:
1709. Olimpia vendicata .... von Heinichen.
1710. Paris und Helena .... von Heinichen.
1711. Clomire
Lue.ius Verus (ZeitzJ . .
1712. Dido von Fasch.
Valeria
Rosen und Dornen der Liebe
;Gera)
1718. Artemisia
Orione
1714. —
1715. Clomire von (FaschVj.
Fiir den Lucius Verus findet sich noch ein anderes Zeugnis im
Breitkopfschen Kataloge fiir 1761:
Fasch, Job. Fr. etc.
Opera Berenice, aufgefiihrt in Zerbst 1739 a 8 Thlr.
1) Autobiographic i. d. Ehrenpforte.
2} Theile war also der musik. Beirat des Herzogs; er war seit 1694 wieder in
seiner Vaterstadt Naumburg.
von Fasch.
von Stolzel.
/
274 Bernhard Engelke, Johonn Friedrich Fasch.
Aus den Zerbster Rechnungsbiichern geht hervor, daB anlaBlich eines
Besuches des Prinzen von Wiirttemberg im Januar 1739 eine Schauspieler-
truppe Vorstellungen gab, bei denen 6 Sanger aus Magdeburg mitwirkten.
Bei dieser Gelegenheit wird Fasch seine Jugendoper hervorgeholt und
iiberarbeitet haben.
AuBer einigen kleinen Serenaten, deren Texte er ebenfalls verfaBte,
hat, soviel ich weiB, Fasch nur noch einmal eine Oper komponiert. Im
Jahre 1753 lieferte er die Musik zu einem italienischen Drama des Ma-
gisters Kopf aus Leipzig, das dann im November bei den Vermahlungs-
festlichkeiten des Fursten Friedrich August aufgefiihrt wurde.
Erhalten hat sich von alien den Opern keine Note.
Mit dem Jahre 1712 ist die erste Periode in Fasch's Schaffen be-
endigt, die ihm neben vielem Ruhme doch auch die Einsicht brachte,
daB sein Konnen jeder theoretischen Grundlage entbehrt, und er beschloB,
das Versaumte bei einem tiichtigen Meister nachzuholen. Seine Wahl
fiel auf Graupner.
Von Leipzig, wohin er nach der Auffiihrung der Clomire zuriick-
gekehrt war, machte er sich Ende Sommers 1712 auf den Weg.
»Also trat ich diese Reise uber Zeitz an, hielte mich an dem Graft. Hofe
zu Gera, woselbst eine starke Capelle war, etliche Wochen auf, reisete darauf
nach Gotha, woselbst ich auch gnadigste Audienz erhielte [a. d. Empfehlung
des Zeitzer Hofes im Anhang], von da nach Eisenach, woselbst ich auch
viele Wochen verbliebe, und dann iiber Miilhausen gegen den Winter nach
Cassel, woselbst ich bis in das Fruhjahr verbliebe, und darauf iiber Marpurg,
Giessen und Franckfurth nach Darmstadt, woselbst ich von den beyden Capell-
meistern, Herrn Graupner und Herrn Grunewald, nicht nur mit vieler
Liebe aufgenommen, sondern auch von beyden in der Composition aufs freund-
lichste informiret wurde, ohne das geringste von mir zu nehmen, zu welchem
Zwecke ich mich allda 14 Wochen aufhielte.«
Einen besseren Lehrmeister als Graupner konnte Fasch sich nicht
erwiihlen. Er war ein Meister in vollem Sinne des Wortes. Ein mir
bekannt gewordenes Trio in -4dur zeigt ihn als einen Kontrapunktiker
ersten Ranges: im zweiten Satze dieses Werkes weiB er drei verschiedene
Themen so lebendig gegeneinander auszuspielen, daB man nur aufs tiefste
bedauern kann, daB dieses entziickende Werk mit 175 Jahren zum Dorn-
roschenschlafe verdammt ist! In der Einfiihrung des Menuetts in die
Symphonie soil er sogar den Mannheimern vorangegangen sein und in
der Instrumentation ging er vollkommen eigene Wege 1). Sein kiinst-
lerisches Credo findet sich in der Vorrede zum >Neuvermehrten Darm-
stadter Choralbuch* dat. 18. Mart. 1728.
[Er rat die Chorale »simpel« zu spielen und fahrt dann fort:] >Doch ist
dieses nicht so simpel und schlecht zu verstehen. Es hat dieSimplicitat
1) Vgl. das Konzert Denkmaler 20.
Bern hard Engelke, Johann Friedrich Fasch. 275
gar ein grosses zu sag en, und wenn die Inventiones und allerhand
Manieren noch so bunt und krauss aussehen, und lassen sich nicht ad primum
fontem, ntimlich zur Simplicitat reduzieren, so ist es ein gewisses Merkmahl,
dass das Fundament nicht zum besten gelegt worden.«
Fasch hat seinem Lehrer stets eine dankbare Freundschaft bewahrt,
mehrere seiner groBartigen Ouverturen, jetzt auf der Darmstadter Hof-
bibliothek, tragen noch Reste des Postsiegels und waren ohne Zweifel an
Graupner adressiert, der auch einige sich selbst in Partitur setzte. —
»Hierauf reisete ich iiber Cassel wieder nach Sachsen zur&cke, und nach
Sula, allda meiue Mutter zu besuchen, von da iiber Bamberg und Niirnberg
nach Anspach, woselbst ich auch Audientz hatte, und mit dem Herrn Capell-
meister Biinimler bekandt wurde, von dar an den Ftirstl. Ottingischen Hof,
von wannen ich nach Augspurg reisend allda bey einem Verwandton eine
Gelegenheit, nach Italien zu reisen, erwarten wollte: allefci der Herr Capell-
meister Biimmler verschriebe mich nach Bayreuth zum Carneval1), die Violin
mit zu spielen, wohin ich iiber Niirnberg abging, nach geendigten Carneval
iiber Sula nach Gera zuriick reisste (1715) und allda als Secretair und
Cammerschreiber in Dienste kam, und nach 5 Jahren nach Zeitz als Organist
und Stadtschreiber vociret wurde* . . .
Die letztere Angabe ist falsch, Fasch war nicht in Zeitz, sondern wie
schon Walther im Lexikon angibt und wie mir das dortige Pfarramt
giitigst bestiitigte (1721), in Greiz, wo er sich mit einer Tochter des Archi-
diakonus Laurentii verheiratete , die indessen schon im nachsten Jahre
starb, nachdem sie einem Tochterchen, Sophia, das Leben geschenkt hatte.
So konnte ihm nichts erwunschter sein, als der Ruf nach Bohmen,
zu dem kunstsinnigen Grafen Morzini auf Lucavec bei Hohenelbe. Hier
konnte er bei 300 Gulden Gehalt und freier Station ganz der Kompo-
sition leben. Der Graf und der Adel der Umgegend erkannten riick-
haltlos seinen hohen Wert als Kiinstler an, und es ist daher sehr er-
klarlich, daB, als ihn nach einem halben Jahre der Ruf, als Hofkapell-
meister nach Zerbst zu kommen, traf, er lange zogerte, ihm Folge zu
leisten. Was seiner dort harrte, wuBte er von Graupner; mit der gol-
denen Kiinstlerfreiheit war es vorbei. Der StoBseufzer Graupner's am
SchluB seiner Autobiographic zeigt uns so recht den Druck, den die Hofe
auf ihre Kapellmeister ausiibten:
»Ich bin also mit Geschaften dermassen iiberhiiuffet, dass ich fast gar
nichts anders verrichtcn kann und nur immer sorgen muss, mit meiner Com-
position fertig zu werden, indem ein Sonn- und FestTag dem andern die
Hand bietet, auch noch ofters andere Vorfalle#dazwischen kommen « . . .
Was Fasch bestiramte, »zum grossten Misf alien des Herrn Grafen €
die Stelle anzunehmen, war die Riicksicht auf seinen alten Schwieger-
vater, der die kleine Sophie bei sich hatte und sehnlichst wiinschte, daB
1) Vgl. hierzu meine Austuhrungen zu Schiedermair, Bayreuth. Festsp. Zeitschr.
der IMG. Heft I, Jahrg. X.
276 Bernhard Engelke, Johann Friedrich Fasch.
Fasch die Erziehung seines Tochterchens selbst iibernahme. So gab er
auf das dritte Schreiben hin seine Zusage und reiste im Sommer 1722
nach Zerbst ab. Zu Michaelis 1722 trat er dann sein neues Amt an.
III. In Zerbst1}.
Die Hofkapelle zu Zerbst war die Schopfung des kunstsinnigen Fiirsten-
paares Karl Wilhelm und Sophie von Sachsen-WeiBenfels. Sie bestand
im Jahre ihrer Griindung, 1709, auBer dem Kapellmeister aus 9 Personen,
den Kammer- und Hofmusicis RauchfuB und Sattler, dem Sanger
Polle, den Trompetern Scheckel, Schmidt und Kiihne, dem Pauker
Richter, dem Trompeter Clausius und dem Hof- und Stadt-Musikus
Grahmann. Firr die Hoffestlichkeiten muBte der Kapellmeister Text
und Musik liefern, auBerdem zog man fremde Virtuosen zu solchen Ge-
legenheiten herbei. So war im Winter 1716 wiederholt der Trompeter
W ilk en (sic!) mit seiner Tochter Anna Magdalena, die als Sangerin
auf trat, in Zerbst, und wie ihr spaterer Gemahl Joh. Seb. Bach, so
hatte auch der Hof aufrichtiges Gefallen an den Kunst des jungen
Madchens.
Fiirst Karl Wilhelm starb am 3. November 1718, und sein Sohn
Johann August, mit Friderike von Sachsen-Gotha vermahlt, kam zur
Eegierung. Auch dieses Fiirstenpaar war, im Verein mit der Fiirstin-
Mutter, eifrig bestrebt, die Hofkapelle zu heben. 1718 wurde Johann
Paul Kuntzen Kapellmeister. Ein vornehmer Kaufmann (s. Ehren-
pforte) hatte ihn auf Befehl des Fursten mit nach Zerbst gebracht, wo
er sofort engagiert wurde.
»Weil aber die Umstiinde kein gar zu grosses Gliick versprachen, so
begab er sich von da nach Wittenberg; nachdem er sich gleichwohl langer
als ein Jahr in Zerbst aufgehalten hatte.*
Sein Nachfolger wurde Joh. Baptist Kuch, ein geburtiger Hamburger
(»Xiedersachse« nennt ihn Roellig s. u.). Im Jahre 1713 war er als
ein Musikus »so in der Komposition erfahrcn und auf dem Klavier
wohl zu spielen weiss* von Sachsen-WeiBenfels an Moritz Wilhelm von
Sachsen-Zeitz empfohlen. Dieser, der keine Verwendung fiir ihn hatte,
empfahl ihn 1714 nach Bayreuth, und von hier wird er wahrscheinlich
nach Zerbst gekommen sein. Ein Jahr vor Fasch's Dienstantritt, 1721,
bestand die Kapelle aus 14 Bersonen, die insgesamt 1322 Taler erhielten,
von denen 300 auf den Kapellmeister kamen. Instrumente und Musi-
kalien wurden haufig angeschafft. Liinich in WeiBenfels, Seydel in
Leipzig und Kuch selbst besorgten neue »Jahrgange< , z. B. von Tele-
1; Fur das Folgende ist die Hauptquelle der Aufsatz von Waschke, Zerbster
Jahrh. II.
Bernhard Engelke, Johann Friodrich Fasch. 277
maim, Liebisch und Erlebach; von Kuch fand ich noch Stimmen zu
einem deutschen Tedeum, die Fasch spater eigenhandig vermehrte. 3 Flauti
traversi fiir 19 Taler und eine silberne Trompete fiir 52 Taler wurden
neu angeschafft, und so ausgeriistet lieB sich die Kapelle oft bei fiirst-
lichen Besuchen horen. Durchreisende Kiinstler traten ebenfalls oft in
diesen Jahren auf: ein Musiker Talcka, der »Posaunenmeister* Kirch-
hoff, ein gewisser Wahl aus Leipzig, dessen Sohn bei dieser Gelegen-
heit dem Hofe eine schwungvolle lateinische Rede hielt, ein Musiker aus
WeiBenfels, ein Pauker aus Gotha, ein Hautboist aus Coethen (Christ.
Bernh. Lieni(g)ke?), ein Lautenspieler aus WeiBenfels, ein Flotenvir-
tuose aus Dresden (Voulumier?) und zwei Waldhornisten und der
Kapellmeister aus Sondershausen (d. i. J. C. Freislich).
So bliihte die Kapelle zur Freude des Hofes, als eines Nachts der
Kapellmeister Kuch heimlich aus Zerbst entwich. Seit 1716 schwebte
gegen ihn ein ProzeB wegen eines Ehegelobnisses, den das Konsistorium,
dem Driingen der tiefgekriinkten Maria Agnes Amelang nachgebend,
1722 zu Ende zu fuhren drolite. Wieder war die Kapelle ohne Leiter,
und auf eine Anfrage in Gotha wurde dem Hofe Joh. Fr. Fasch em-
pfohlen. Stolzel, damals Kapellmeister in Gotha, iibernahm die Korre-
spondenz und hatte ja schlieBlich auch das Gluck, seinen Freund zu
gewinnen, durch die feine Diplomatic, daB er seinem 3. Schreiben die
Bitte des alten Laurentius beifiigte.
Kaum aber war Fasch ein paar Wochen in Zerbst, als ihn ein neuer
ehrenvoller Ruf traf, an Telemann's Stelle, der abgesagt hatte, das
Thomaskantorat in Leipzig zu ubernehmen. Er sagte ebenfalls ab.
Obwohl nun von einer Rivalitat zwischen Bach und Fasch gar nicht
die Rede sein kann (schon Spitta hat die Reihenfolge der Bewerbungen
klargelegt), hat trotzdera A. Werner der Versuchung nicht widerstehen
konnen, dem gliiubigen Bachianer ganz ungeheuerliche Dinge iiber das
Verhiiltnis der beiden Manner zueinander aufzutischen. Er sagt wortlich
(Bach-Jahrb. 1907, S. 179):
»Als Bach 1722 die Kapellmeisterstelle aufgab und als Kantor an die
Thomaskirehe nach Leipzig ging, ubergab er dem Zerbster Fiirsten zu dessen
Geburtstage eine Komposition, die der Kapellmeister Fasch aufzufuhren hatte.
Das mag Fasch, der sein Mitbewerber um das Thomaskantorat
gewesen war, nicht leicht geworden sein.*
Erstens ist es sehr zweifelhaft, ob die beiden sich je personlich be-
gegnet sind. Eine Bekanntschaft konnte nur 1713, wiihrend Fasch's
liingerem Aufenthalte in Eisenach, oder 1721/22, kurz nach seinem Amts-
antritt in Zerbst, stattgefunden haben. Mir sind nur personliche Bezie-
hungen zu Ph. E. Bach bekannt, dem er wahrscheinlich 1751 in Berlin
naher trat, und mit dem er lange iiber die Berufung seines Sohnes nach
Potsdam verhandelte.
278 Bernhard Engelke, Johann Friedrich Fasch.
Ferner ist die Geburtstagskomposition fiir den Zerbster Fiirsten sehr
ratselhaft; Spitta erwahnt sie nicht, und wie ich glaube, beruht ihre Er-
wahnung bei Waschke1) auf einem Irrtum. Bach iiberreichte 1726 dem
Prinzen Emanuel Ludwig von Cothen eine Abschrift seiner Op. I mit
folgender Widmung (Spitta II, 703):
>Dem Durchlauchtigsten Fiirsten und Herrn / Herrn Emanuel Ludwig, / Erb-
Printzen zu Anhalt, Hertzogen zu Sachssen / Engern und Westphalen, Grafen zu
Ascanien / Herm zu Bernburg und Zerbst u. s. w. . . .€
Das fragliche Werk ist die B-Dur Partita fiir Klavier(!!).
Hatte Bach wirklich dem Zerbster Fiirsten eine Komposition ge-
widmet, so miiBte sie unter alien Umstanden im Notenverzeichnis der
Hofkapelle aufgefiihrt sein. DaB aber iiberhaupt kein Werk von Bach
in Zerbst vorhanden war, spricht noch nicht fur ein miBgiinstiges Ver-
haltnis Fasch' s zu Bach. Ein£genauerer Blick in das Verzeichnis hatte
Werner belehren konnen, daB Bach dies Schicksal mit Graupner, Hasse,
Walther, K. H. Graun u. a. teilt. Gerade das Verzeichnis zeigt, wie
neidlos Fasch bei der Auswahl der aufzufiihrenden Werke verfuhr, wie
er selbst sich bescheiden im Hintergrunde hielt; denn daB er nur 3 Violin-
Konzerte oder 3 Trios bis 1743 geschrieben haben sollte, wird angesichts
der groBen Zahl der erhaltenen doch niemand behaupten wollen! AuBer-
dem haben wir ein Drteil Mattheson's iiber ihn: »Es sei kein Narcissus,
der in seine eigenen Sachen verliebt sei«2)3).
Fasch's Anfaugsgehalt betrug 350 Taler und das Deputat von 1 Wispel
Koggen, wofiir spiiter eine Abfindung von 12 Talern eintrat. Die An-
forderungen, die man an ihn stellte, waren aber auch nicht klein:
»Hier hatte ich gleich in dem ersten Kirchenjabre von 1722 bis 23 einen
doppelten Jabrgang auf den Vor- und Nacbmittag des Gottesdienstes zu
componiren, daber bey jedem kleinen Festtage, der mir einfiele, ich selbige
Wocbe 4 Kirchenstiicke componirte; hierzu kam noch eine starke Passion
und 3 Serenaten zu den hohen Geburtstagen. «
Uber die Neuanschaffungen von Musikalien und Instrumenten hatte
er vollkommen frei zu entscheiden, er brauchte nur die Bechnungen der
Kentkammer zur Bezahlung vorzulegen. Waschke a. a. 0. hat an der
Hand der Kechnungsbiicher uns einen hiibschen Einblick in diese seine
Tiitigkeit gegeben. Ich erspare mir daher, die Einzelheiten zu wieder-
holen.
Im Jahre 1727 unternahm Fasch eine groBe Reise, die ihn schlieBlich
1; Zerbster Jahrb. 1906, S. 50.
2) Mennicke, Kunstwart 1906.
3; Sogar die Viola pomposa hat ibren Einzug in Zerbst gehalten; unter den ge-
spielten Sonaten a 3 ist Nr. 4o ein Trio a Viola pomposa, Viola e Cembalo di Boino-
Here. Wie sehr andrerseits Bach Fasch schatzte, zeigt die teilweise autographe Eopie
von 5 Ouverturen, und die warme Zuneigung Ph. Emanuel's zu Vater und Sohn Fasch,
wovon weiter unten, ware bei einer gegenseitigen Abneigung doch undenkbar.
Bernhard Engelke, Johann Friedrich Fasch. 279
iiach Dresden flihrte, wo er durch »Serr Ober-Steuer-Kassierer Stormer*
275 Taler ausgezahlt bekam. Auf dieser Reise verlobte er sich in GroB-
Kmehlen mit Johanna Helena Simers, der Tochter des Pastors Mag
Karl Friedrich Simers, und fiibrte sie am 21. Juli 1728 als seine Gattin
heim. Sie war 1708 geboren, und der Ehe entsprangen zwei Sohne,
August Friedrich Christian (geb. am 3. Januar 1735) und Christian
Friedrich Carl, der spatere Stifter der Berliner Singakademie (geb.
18. November 1736). Leider war auch diese zweite Ehe Fasch's nicht
von Dauer, seine Frau starb schon am 19. Februar 1743 wieder, erst
35 Jahre und 6 Monate alt!
Zu Johanni 1737 erhielt Fasch in Anerkennung seiner kiinstlerischen
Verdienste eine Gehaltserhohung von 50 Talern pro anno, die von 1722
an gerechnet wurde, so daB er in diesem Jahre neben den 400 Talern
Gehalt noch 442 Taler in baar erhielt. So reichlich beschenkt, unter-
nahm er eine Reise in seine Heimat, wie aus dem folgenden Aktenstiick
hervorgeht. 1738 hatte er in Eisenach eine echte Kremoneser Violine
gekauft, war aber mit der Zahlung noch 1740 im RUckstand, und die
Klagerin, eine Witwe Martha Maria Koch, wandte sich an den Fiirsten
August Ludwig von Anhalt-Cothen:
»Durchlauchtigster Fiirst
gnadigster Fiirst und Herr,
Ew. Hochfiirstl. Durchlaucht wollen gnadigst zu vernehmen geruhen, dass
der Capell-Meister Fasch vor 2 Jahren mir eine cremoneser Violine ftir
18 Rthlr. abgekauft und bahre Zahlung versprochen, welche ich aber bisa
dato nicht erbalten, ob er mich gleich von einem quartal zum andern darauf
vertrostet. Ich hatte mich der richtigen Zahlung um so viel mehr versehen,
als er die Violine wieder verhandelt und das Geld daflir empfangen hat.
Ich sollte billich diese sache bey Ew. Hochfiirstl. Durchl. Ftirstl. Reg. an-
bringen, ich bin aber eine arme wittib und babe kein Geld zu prozesskosten,
mochte auch den Herrn Capell-Meister gerne mit dergl. Kosten ver schon en.
Ich unterstehe mich dahero an Ew. Hochflirstl. Durchl. mich unterthanigst
zu wenden. Der Capell-Meister gestehet die Schuld und Ew. Hochfiirstl.
Durchl. lieben die gerechtigkeit. Sie helfen auch gerne denen wittwen.
Ich zweifle also nicht, dieselbe werden auch mittel und wege finden, mir
bald zur zahlung zu verhelfen. Gott wird Ew. Hochfiirstl. Durchl. dafiir
reichlich seegnen. Ich werde den giitigen Gott darum anrufen, die ich in
tiefster veneration verharre.«
Ew. Hochfiirstl. Durchl.
Demithigeste Magd
Eisenach den 17. Aug. 1740.
mart ha maria Kochin
Wittib.
P. S. >Ew. Hochf. Durchl. bitte gantz unterthanigst diese sache nicht
zum prozess kommen zu lassen, sondern ohne prozess gntidigt zu sorgen, dass
ich bald bezahlet werde.*
Daneben stent die Resolution:
s. d. IMG. x. 19
280 Bernhard Engelke, Jo harm Friedrich Fasch.
>Ist der witt. Kochin dato geantwortet worden, dass der Capellmeister
Fasch nicht in hiesigen, sondern in Anhalt-Zerbstiscben Dienste stehen und
sie sich daselbst melden miisse. _, _ . .. , « . „,,*
Cothen den 14. Sept. 1740.
Der Handel wird friedlich beigelegt, sein, da sich keine weiteren
Akten haben finden lassen.
Beriihmtere Kiinstler kehrten in den 30er Jahren auch ofter in Zerbst
ein, so » Monsieur Benda«, den man gerne als Konzertmeister behalten
hatte. Im Winter 1732/33 erhielt er fiir sein Violinspiel 12 Taler,
1735/36 eine »gnadigste Diskretionc von 10 Talern. Spater lieB rich
statt seiner zweimal der »Herzogl. Mecklenburgische Kammermusikus<
Joh. Gottfr. Hertel als Violinspieler horen und erntete ebenfalls reichen
Beifall. Daneben traten aber auch ganz untergeordnete Artisten auf,
z. B. 1725 ein Hautboist, der zwei Waldhorner auf einmal blieB, und
1729 ein gewisser Georg Kumtlich, der 12 Taler fiir die Produzierung
seines kiinstlichen Pferdes erhielt, oder im Winter 1743/44 ein Italiener,
der sich auf der >Davidsharfe« horen lieB.
Theatralische Vorstellungen , in erster Linie Schauspiele, waren sehr
beliebt. Im Winter 1726/27 wurden zweimal Auffiihrungen veranstaltet,
das letzte Mai durch die >Kockeritzer Bande«. 1739, im Januar,
wurde, wie schon erwahnt, neben Schauspielen die Oper Berenice von
Fasch gespielt, wozu 6 Sanger aus Magdeburg zitiert wurden. 1741/42
gastierte die Reichhard'sche Truppe; im nachsten Winter aber stockte
das Kunstleben, da am 3. November 1742 der Fiirst Joh. August starb.
1743/44 spielte die Schuch'sche Truppe, und in die folgenden Jahre
1745/50 fallt die glanzendste Kunstepoche der kleinen Residenz. Durch
die Vermahlung der Prinzessin Sophie Auguste Friderike mit dem Kur-
fiirsten Peter von RuBland nahm das Hofleben einen ungeahnten Auf-
schwung. Am 3. November 1750 erbaute sich die Neuberin eine Biihne
im Kirchsaal des Schlosses und gab mehrere Vorstellungen, bei denen
2 Pagen aushelfen muBten. Ihr pekuniarer Erfolg jedoch war so gering,
daB sie bei ihrer Abreise dem Chirurgen Gotze ihre Kostume und Re-
quisiten verpfanden muBte. Im November 1753 fand dann die Ver-
mahlung des minderjahrigen Fiirsten Friedrich August statt, zu der Fasch
eine italienische Oper auf einen Text des Leipziger (!) Magisters Hopf
komponierte. Sie ist leider verschollen. Fiir das Schauspiel war die
Koch'sche Truppe akkordiert, und die theatralischen Auffiihrungen
wurden mit einem Aufwande von insgesamt 1531 Talern unterhalten.
Als dann 1754 die Scheuerling'sche Truppe bei Gelegenheit der Nieder-
kunft der GroBfiirstin spielte, lieh ihr der oben erwiihnte Gotze die
Garderobe der Neuberin.
Die letzten Lebensjahre des gealterten Meisters waren nicht so gluck-
lich, wie er es verdient hatte. Seine Frau und vielleicht auch sein Erst
Bemhard Engelke, Johann Friedrich Fasch. 281
geborner waren tot, eine Tochter aus erster Ehe, wie es scheint, nach
auswarts verheiratet, und die Freude seines Alters, sein Sohn Carl, war
seit 1750 zur Ausbildung erst in Strelitz, dann in Klosterberge.
Das geistige Leben des Stadtchens stand unter dem Drucke der
lutherischen Orthodoxie, und daB unser Meister, der reformiert war,
manchmal die Macht der Geistlichkeit fiihlen muBte, zeigt folgender Brief,
das einzige erhaltene private Schreiben Pasch's, dessen Kenntnis ich Herrn
Prof. Wolf und Herrn Max Schneider verdanke.
>Hochwohlgeborner Herr,
Hochstgeehrtester Herr.
Es sind nun schon verschiedene Jahro verflossen, als die von Ew. Hoch-
wohlgeb. Gn. zur Kirchenmusik entworfene schon- und recht erweckliche
Poesie, welche damahligere Zeit an die Hochfiirstl. wolffenbuttlische hohe
Horrschafft dediciret war, von Braunschweig aus mir zu Handen kahm und
mir dergestalt zu Hertzen drunge, dass ich sogleich revolvierte an den da-
mahls regierenden und nachher in die Ewigkeit gegangenen Fursten Johann
Augusten solche, zur IJbernehmung in die Composition, und Auffuhrung iu
Hochfurstlicher Schlosskirche, unterthanigst vorzuschlagen, wie denn zugleich
ein wolffenbiittelisch Exemplar, zu gnadigster Perlustration will beilegen.
Wenige Jahre vorher hatte ich selbst einen poetischen Jahrgang iiber die
Episteln, auf erhaltene gnadigste Concession entworffen, und an damahligen
Herrn Oberhoffprediger , Dr. Topffera, zur Censur tibergeben, welche aber
iiber 2 Jahre hinaus verzogen wurde, in dem Er vorgegeben hatte, es ware
darinnen so viel unrichtiges auszumisten gewesen, dass er nicht gewusst hatte,
wo er aufangen sollte. Endlich kahm doch dieselbe, nach gemachten vielen
Veranderungen (die ich musste geschehen lassen) aus der Censur und zum
Drucke, welcher Jahrgang auch so wo hi bey Hofe als in der Stadtkirchen
verschiedenemahle auffgefiihret worden. Wannen nun oberwehnte Euerer
Hochwohlgeb. erweckliche und zur Music erwtinscht einschlagende Poesie
gemeldetermassen ich zu einem neuen Jahrgange unterthanigst vorgeschlagen
hatte, so gerietho diese Arbeit bei dem Herrn Oberhofprediger in dem unge-
grtindeten Verdacht, es wiirde auch solche (nach damahliger Sprache) schwiir-
merisch sein, und es mogte schon der unschuldige Titel von der Nachfolge
Jesu, Ihme als ketzerisch, in die Augen geleuchtet haben, wesswegen dann
bei Hofe daruber Vorstellung geschahe, und soviel ausgewiircket wurde, dass
der seel. H. Rector Dentzer (welchem, wenige Zeit darauff, Gott die Augen
offnete, Er daruber fur einen Schwarmer erklahret, auch endlich abgesetzt
wurde) und der damahlige Pageninformator Hertzberg (ein ietziger Land-
prediger) Dero unschuldige Poesie in die Censur nehmen mussten, welche
beyde auch, in dem ersten Bogen, etliche zwantzig Schwarmereyen fanden,
und solche ausziiglich Serenissimo unterthanigst ubergaben. Diese wurden
hierauf durch den redlichen allhier noch in der Stille lebenden Herrn Ober-
marschall aus dem Winkel mir communiciret, da ich denn solche sogleig
folgenden Tag beantwortete, und den Urgrund von allem zeigete, besonders
da sie gleich der ersten Aria die Worte: Willkomm du Licht aus Licht ge-
boren, als ketzerisch erklahrten, da wir doch alle Sonntage entweder vor-
oder unter der Predigt, ipsissima verba zu singen pflegen. Der Herr Ober-
marschall sahen auch alles wohl ein, gaben mir aber zur Uberlegung, ob es
19*
282 Bernhard Engelke, Johann Friedrioh Fasch.
dienlich sein mogte, hieiiiber einen geistlichen Krieg anzufangen ? " Sere*
nissimus wiirden doch Dero Herrn Beichtvater, und denen Bey den, von Dime
zur Censur vorgeschlagenen Personen, mehr glauben als mir; wesswegen icb
denn damahls nicht wieder darauff druoge, sondern, da, statt dessen die Neu-
meisteriscbe Poesie No. 2 aus dessen 5fachen Kirch en jahrgange hierzu be-
stimmt wurde, welcbe in Arbeit nahm, welcber mein Jabrgang auch ein baar
Jabre darauff die Ebre batte (vermutbl. auf Anstifften des Herrn P. Neu-
meisters) von dem Herrn Capellmeister Telemann in denen Hamburge-
rischen Kirchen aufgefuhrt zu werden. Binnen dieser und der ietzigen Zeit
habe ich noch andere Jahrgange (worunter eine Poesie von Herrn Past.
Schmolcken und eine von dem blinden Organisten H. Jacobi zu Magdeburg)
zu componiren babt, biss endlich, nach itziger, vor einigen Jabren begleicht
angetretenem Regierung der Hocbftirstl. domburg. Linie, die Umstande sich
merklicb geandert haben, und der excessieren Ketzermacberey Ziebl und
Schranken gesetzt worden sein, welches mich denn auch vor etwa 2 Jabren
bewoge, bei Ibro, der Durcblauchtigsten Regentin Hochfurstl. Durcblaucht
(welche die zu Wolffenbuttel componirten Kirchenstucke von dieser Dero be-
sagter (?) Poesie daselbst mit angehort batten) solche unterthanigst vor-
geschlagen, woriiber ich auch sofort die hohe und gnadigste Approbation
erhielt. Ich saumte also nicht nach Braunschweig an den Herrn Buchfuhrer
Caletzky um verschiedene Exemplaria schreiben zu lassen, und da solche nicht
hinlanglich zu erhalten waren, so wurde diese Poesie (von welcher an Ew.
Gn. ein Exemplar hierbey zu tibermachen ich die Ehre habe) allhier in den
Druck gegeben, wobey ausdriicklich mir bedungen, dass ausser denen noch
beyzufugenden Schluss Choralen, alles nach dero wolffenbtittlischen Exemplar
solte abgedruckt, nichts davon geandert werden; welches aber doch so genam
nicht in Acht genommen seyn mag, da der ietzige Herr Hoflprediger Dr. Kluge
(ein Schwiegersohn von H errn Past. Neumeister) sich wurklich gegen mich
ausliesse: Es batten ein paar Papistische Brocken geandert werden miiasen!
welches Dieselbten giitigst zu iibersehen geruten werden. Verwichenen Advent
wurde der wirkliche An fang mit Auffuhrung dieses Jahrganges gemacht;
allein, da die Herrn Prediger eine Erinnerung bekahmen, sich etwas Kiirzer
zu fassen, so wurde auch mir zu verstehen gegeben, dass die Music etwas
zu lang ware, welches denn zu beygefugter unterthanigster Auflage Gelegen-
heit gabe und die gnadigst daneben signierte Resolution obligirte mich aus
einem Stiick zwey zu machen, in der Mitte Chorale (wie das zweite bey-
gefugte Biichel weisst) anzufiigen und nunmehro dahin zu sorgen, dass zur
anderen Hiilffte Chore voran zum Anfange ausgefuhrt wiirden. Icb war er»t
willens welches, nach der Probe von der zweiten schrifftl. Beilage mit ganz
Kurtzen, poetischen Choren zu thun; allein, da ich es reiffl. iiberleget babe,
wuii8chte ich, statt derer, geschickte biblische Dicta, bey welchen etwa, in
den letzten Zeilen davon, eine geschickliche Fuga konnte angebracht werden,
welcher Umstand am meisten mich bewogen hatte, an Ew. Hochwoblgeb. zu
schreiben, und diese meine Intension gehorsamst zu melden, ob deroselbten
etwas gefallig sein mogte, die besten Dicta vor iedes Stiick auszusuchen, und
wo etwa, (wie bei Judica) eine Arie zum 2,en Theile fehlte, solche annoch
darzu zu entwerffen. Ich habe grosse Ursache, die Lange dieses Scbreibens
bestens zu verbitten, iibrigens aber auch die Ehre, Dieselben annoch ver-
sichern zu konnen, dass ich mit unterthanigem Kespect und Hochachtung
beharren werde Euerer Hochwohlgeb. Gnd.
Zerbst, d. 1. Mart: 1752. unterthiinig-gehorsainster Joh. Frieder. Fasch.
Bernhard Engolke, Job an n Friedrich Fasch. 283
P. S. Euerer Gn. schone und erweckl.
Poesie habe ich es zn danken, dass von vielen
Music-Liebhabern versichert werden wollen, (?)
es ware mir bier noch keine Arbeit so ge-
rathen als diese itzige. Vergeben Dieselbten
meiner Schwachheit, dass ich dieses selbst
schreibe.
Iin Jahre 1751 war er mit Hoekh in Berlin gewesen, wo er einer
Sitzung der »Musikiibenden Gesellschaft* beiwohnte, 1755 machte er mit
seinem Sohne, der eben aus Klosterberge zuriickgekehrt war, eine Reise
nach Dresden, wo sich beide in der Hofkirche an der Schonheit einer
Messe von Zelenka begeisterten. 1756 entfiihrte der ehrenvolle Ruf
Friedrichs des GroBen den geliebten Sohn nach Berlin. Der Vater lieB
ihn nur schweren Herzens dorthin, Ph. 0. Bach hatte viel Miihe, die
religidsen Bedenken des Alten zu iiberwinden. Die Einsamkeit tat ihm
nicht gut, er begann zu krankeln und muBte sich zeitweise ganz durch
Hoekh vertreten lassen. So nahte das unheilvolle Jahr 1757. Der
Zerbster Hof hatte einen Franzosen, naiuens Du Fraigne bei sich, den
Friedrich der GroBe fur einen Spion hielt. Er forderte energisch dessen
Auslieferung, und als der Hof sich weigerte, lieB er ihn durch Militar,
das in Zerbst einfiel, mit Gewalt nach Magdeburg bringen. Dieser Ein-
griff in die Rechte des Landes jagte dem Hofe einen solchen Schrecken
ein, daB er entfloh, um nie mehr zuriickzukehren.
Es war das einzige Mai, daB Zerbst voin 7jahrigen Kriege beruhrt
wurde, und als 1758 die Russen Berlin pliinderten, wuBte Ph. E. Bach
keinen besseren Zufluchtsort fiir sich und seine Familie als Zerbst. Er
ging nach Potsdam, wo damals Carl Fasch sich auf hielt, und von dort
zweifellos mit ihm nach Zerbst. Die zunehmende Schwache des alten
Fasch bewog ihn zur Riickreise, Anfang Dezember war er wieder in
Berlin1), am 5. war Fasch gestorben.
Die Entdeckung dieses letzten Ereignisses war fiir mich eine beson-
dere Freude um des jiingst so grundlos verdachtigten Musikers willen,
der trotz aller Schwachen, die die Folge eben der unfreiwilligen Massen-
produktion jener Tage sind, zu den bedeutendsten seiner Zeit gehort.
Mochte er doch endlich die Anerkennung finden, die ihm gebuhrt!
1) Vgl. Briefwechsel Romler-Gleim, ed. Schuddekopf II, 345.
284 Curt Sachs, Die Hofmusik der Fiirsten Solma-Braunfels.
Die Hofmusik der Fiirsten Solms-Braunfels.
Von
Curt Sachs
(Berlin).
Die groBe Bedeutung der furstlichen Hofe fur die musikalische Kultur
des 18. Jahrhunderts sichert ihrem Kapellwesen das Interesse der Musik-
historiker auch in den Fallen, die, ohne die musikwissenschaftlich-biogra-
phische Forschung wesentlich zu bereichern, lediglich unsere Kenntnis der
typischen Organisation derartiger Hausmusiken vervollstandigen und klaren.
Aus diesem Gesichtspunkt heraus geschieht die Veroffentlichung der hier
folgenden Ergebnisse, die auf einer Durchforschung des Solms'schen Archivs
in Braunfels (Lahntal) beruhen.
Wie an fast alien deutschen Ftirstenhofon, so wurden auch in Braunfels,
dem ResidenzschloA der heute mediatisierten Fiirsten von Solms-Braunfels,
Musikauffuhrungen mit eigenem Personal veranstaltet. Eine Hofkapelle mit
besonders engagierten Orchestermusikern gab es freilich nicht; dazu hatten
die Mittel der Familie nicht gereicht. Vielmehr setzte sich die Hofmusik
aus Lakaien zusammen, die ihre Zeit zwischen allerhand hauslichen Dienst-
leistungen und musikalischer Tatigkeit zu teilen hatten.
Einen Anfuhrer dieser Musiker finden wir erst ziemlich spat in der Per-
son des in den Kammerrechnungen als »Hof-Musikus« bezeichneten Johann
Friedrich Hem b el. Am 1. September 1740 wurde er mit 30 Goldgulden
jahrlich und einer zweijahrlichen Livree angestellt, wurde 1742 nach Weil-
burg, der benachbarten Residenz der Grafen von Weilburg-Nassau, wohl
zu einer musikalischen Auffuhrung, geschickt und kommt seitdem nicht
mehr vor.
Nachdem Hembel seine Stellung verlassen hatte, iibernahm einer vom
Hofstaat den Posten, Johann Caspar Schwanitz. Er hatte als Hofbeamter
zunachst den Dienst eines Mundschenken , ruckte aber 1769 zum Sekretar
auf. Wahrend er schon 1740 als Mundschenk genannt wi*d, erfolgt seine
Vokation zum Leiter der Hofmusik erst am 28. Juni 1746. Anders
wenigstens ist eine Stelle in den Kammerrechnungen 1747 nicht zu ver-
stehen, in der dieses Datum mit dem Vermerk »seit' bei seinem Namen
steht, da er ja schon langer im Dienst war. Dieser Jahrgang der Kammer-
rechnungen ist der einzige, der seinem Mundschenkentitel den eines Musikus
hinzufiigt. Indessen existiert eine Eingabe des Schwanitz aus dem Jahre
1763, die ihn als Musikleiter kennzeichnet. Er stellte vor, da£ nach einer
Verordnung von 1725 jedesmal , wenn Musik am Hofe gemacht wtirde, die
Musiker pro Mann einen Schoppen Wein und ein MaB Bier bekommen
sollten; in den letzten Jahren des vorigen Grafen — es handelt sich um
Friedrich "Wilhelm (1723 — 61) — , als dieser kranklich war, seien die musi-
kalischen Auffuhrungen eingestellt und erst unter seinem Nachfolger —
Ferdinand Wilhelm Ernst (1761 — 83) — wieder aufgenommen worden, ohne
daB die alte Verordnung befolgt wurde; die Musiker schoben ihm die Schuld
zu, und so bitte er, daft den Leuten wieder wie vor Alters ihre Ration ge-
reicht werde 1).
1} Arch. Sign. 60. 9.
Cart Sachs, Die Hofmusik der FOrsten Solms-Braunfels. 285
N
Dies AktenstUck erlaubt uns, die Einrichtung der Hauskapelle in das
Jahr 1725 zu setzen, das erste der Regierung Graf Friedrich Wilhelm's.
Dieses Datum wird durch die Tats ache bestatigt, daB vor diesem Jahre kein
Lakai als Musikus bezeichnet oder gar ein Berufsmusiker vermerkt wird.
Auf den kunstlerischen Ernst des Schwanitz wirft es ein gutes Licht,
daB wir ihn noch 1782 auf der Subskribentenliste von J. F. Reichardt's
Musikalischem Kunstmagazin fin den. DaB sein Name dort >Schanitz« ge-
schrieben wird, dtirfte nur ein Druckfehler sein.
Uiizweifelhaft als Musiker werden folgende Manner bezeichnet : Der Lakai
Johann Georg Christian Fischer, der bereits 1724 im Dienst ist, aber erst
1727 als Musikus bezeichnet wird; der Lakai Johann Christian Abend-
roth, seit dem 23. September 1738 im Dienst; der Lakai Johann Konrad
Gretsch, am gleichen Tage angestellt und vielleicht mit dem Thurn- und
Taxis'schen Violoncellisten Gretsch (Eitner IV. 374) identisch; der Lakai
und Waldhornist Johannes Raab, vom 9. Dezember 1739 bis 25. August
1740; Johann Christoph Lang, im Jahre 1743, und endlich die Lakaien
Dauphin und Eder; aus den Kammorrechnungen von 1761 geht hervor,
daB Dauphin den Eder in der Musik unterrichtete. Das gewohnliche Ge-
halt dieser Musici war 22 y2 A-
DaB Dauphin und Eder Musiker waren, obgleich sie niemals in den
Kammerrechuungen als solche bezeichnet werden, beweist, daB wir die
ubrigen sonst noch erwahnten Lakaien nicht als unzugehorig ansehen diirfen.
Auch die oben angefiihrten werden samtlich nur einmal als Musiker, sonst
stets nur als Lakaien notiert. Wie groB tatsachlich die Kapelle gewesen ist,
kann also nicht festgestellt werden. DaB sie aber nicht unbedeutend war,
laBt sich daraus schlieBen, daB am 30. Mai 1763 der Weilburger Amtmann
Chuno die Mithilfe der Braunfelser Musik bei der Heimfuhrung der ftirst-
lichen Herrschaft — es handelt sich um die Fiirstin Caroline geb. Prinzessin
von Oranien — bat, um mit einer recht vollzahligen Kapelle aufwarten zu
konnen. Der Fiirst willfahrte diesem Ansuchen und gestattete auch, daB
seine »Bediente zur Musik « einige Male zur Probe hinuberfuhren, ja sogar,
daB sie die Pauken mitnahmen, wenn seine Bruder .einwilligten , was den
besonderen Wert dieser Leihgabe belegt. Ein Paar Pauken waren ihm von
der Mutter besorgt worden, wie aus einem undatierten franzosischen Briefe
derselben hervorgeht; der formliche Ton des Schreibens laBt auf eine Stief-
mutter schlieBen, und aus dem schwarzen Band und dem Trauersiegel geht
hervor, daB es nach dem Tode ihres Gemahls abgefaBt ist. Demnach kommt
als Schreiberin die dritte Gattin Friedrich Wilhelms, Carolina Catharina, die
Tochter des Pfalzgrafen Johann Carl zu Birkenfeld, und als Terminus a quo
das Jahr 1761 in Betracht.
Die Bitte des desertierten Grenadiers Philipp Schmitt um Aufnahme
in die Hofmusik als Cellist, Klarinettist und Waldhornist, am 6. Juli 1763,
und ihre Ablehnung am nachsten Tage sind die letzten Erwahnungen der
Hof kapelle. Sie scheint bald darauf eingegangen zu sein.
Neben der Kapelle waren zwei Solisten am Hofe tatig; ein Lautenist
Scheidtler, von 1755 — 59 mit einem Gehalt von 75 Gulden jahrlich und
10 fl. Weingeld als Lehrer der Prinzessinnen Magdalena Sophia (1742 bis
1819) und Christina Charlotte Friederika (1744—1823), der jtingsten Tochter
des Fiirsten Friedrich Wilhelm, genannt, und ein Sanger namens Hardte-
roth, der seit 1758 mit 100 Gulden jahrlichem Gehalt angestellt war.
286 Cart Sachs, Die Hofmusik der Fursten Solms-Braunfels.
Eigene Organisten hielt die grafliche Familie nur bis zur Mitte des
18. Jahrhunderts. In den neunziger Jahren des 17. Jahrhunderts war Georg
Daniel Leder tatig. 1738 wird ein gewisser Lincker genannt, der seit
dem 14. Januar 1736 mit 22 Vj fl. angestellt war. 1739 endlich heiflt der
Organist Johann Heinrich L other. Spater so wie heute wurde die Orgel
in der SchloBkirche vom Schullehrer gespielt.
Etwas vollstandiger lafit sich die Reihe der Hoftrompeter iiberblicken.
Zuerst gab es nur einen einzigen und neben ihm einen Trommler ; spater
aber, im 18. Jahrhundert, hatten die Grafen Solms meist zwei Trompeter.
Al8 Kurfurst Friedrich IV. von der Pfalz im Jahre 1600 auf der Riickreise
von der in Greifenstein abgehaltenen Vermahlung des Grafen "Wilhelm I.
Solms den Grafen Jobann Albrecht in Braunfels besuchte, bracbte er in
seinem Gefolge sieben Trompeter, funf berittene und zwei unberittene mit:
daneben noch — beilaufig — den Lautenisten Borkhet. Die Trompeter
in Braunfels waren also fur die Zeit selbst sehr gering an Zahl.
Die .fruheste Nachricht uber Trompetergehalter stammt aus dem Jahre
1658, in dem — am 1. Januar — Thonges Huet oder, wie er sich selbst
unterschreibt , Hodt aus Thein (Stift Minister) angestellt wird, »also vnd
der gestalt, daC Er von iezigem dato an Zurechnen, ein Jahrlang Unser
Feldt Trompeter sein vnd bleiben, in solch wehrender Zeit aber, weder dem
Regiment noch einiger Compagnie, sondern Niemand alB Unfl, verobligirt
sein*. Ihm wurden 100 Taler ausgesetzt.
Hans Jung, der gleichfalls dem 17. Jahrhundert angehort — das ge-
naue Datum liefl sich nicht feststellen — bezog jahrlich 60 fl. an Geld, 8
Achtel Korn, 6 Achtel Gerste, 4 Metzen Salz, 1 Achtel Weizen, 4 Metzen
Erbsen, Holz aus den graf lichen Waldungen, soviel er brauchte, Abgaben-
freiheit fur seine Giiter in Katzenfurt, freien Hufbeschlag fiir sein Pferd,
alle drei Jahr ein Paar Stiefel und »Liebereyen, so offt solche neu gemacht
worden. «
Von da ab blieben 60 Gulden der ubliche Satz. Nur Carl Ludwig
Schneider, der am 4. Juni 1707 angestellt wurde, erhielt 66 fl. Nebeu
den anderen Naturalien blieb auch die zweijahrliche Livree in Geltung; frei-
lich hatten die Trompeter mitunter einen erbitterten Kampf mit den Kammer-
beamten auszufechten , urn wirklich zu ihr zu gelangen. 1765 z. B. und
1779 mufi der Trompeter Schaum auf dem Beschwerdewege die Lieferung
durchsetzen, die von der Kainmer behufs Schonung der furstlichen Finanzen
verweigert wurde. Bei dieser Gelegenheit lernen wir die Tracht der Solms-
schen Hoftrompeter kennen. Sie bestand aus einem einfachen blauen Rock,
Kaniisol und Beinkleidern, einem Paar gewohnlichen und einem Paar seidenen
Striimpfen, bordiertem Kamisol, zwei bordierten Hiiten, einem schlechten und
einem guten, einem Roquelor und einem Paar Stiet'el.
Es moge nun in kurzem eine Aufzahlung derjenigen Hoftrompeter folgen,
deren Namen festgestellt werden konnten.
Der iiltesto ist Thonges Huet (Hodt) aus Thein im Stift Minister, im
Dienst seit 1657. 1671 — 74 wird Johann Muht erwahnt. Gleichzeitig ist
Thomas Span* im Amt, der auch schon 1671 verzeichnet wird und am
17. Juli 1704 durch einen Sturz vom Pferde dienstunfahig wird. 1678
wird Johannes Schwartz angestellt. Nach palaographischen Kriterien zu
schlieiJen, gehoren noch zwei Trompeter der Wende vom 17. zum 18. Jahr-
hundert an: Johann Adam Kiihn und Hans Jung d. A.
Charles Maclean, Sir George Smut, Musician-Diarist. 287
Im 18. Jahrhundert: Carl Ludwig Schneider, angestellt im Jahre 1707
und nachweisbar bis 1716, Johann Jacob Jung, ein Sohn des Hans Jung,
erwahnt von 1712—1733, Dieffenbach, um 1720, Muhlenberg, zwischen
1724 und 1726 genannt, Johann Jacob Wilhelm Mieck, seit 1745, gleich-
zeitig Schleicher, und endlich der letzte, Johann Caspar Schaum1).
Sir George Smart, Musician-Diarist.
By
Charles Maclean.
(London.)
A. C. Kalischer at ii, 267 of his "Beethoven's Samtliche Briefe" (Schuster
and Loffler 1907, the whole being now translated into English by J. S.
Shedlock, Dent, London) calls Sir George Smart an •'einfluflreicher Musik-
verleger". He has mistaken son for father, the latter being also a George.
Sir George Smart kept from first to last to the "profession". Here is the
pedigree, compiled from various sources: — [See next page.]
Just at the end of tho Hundred-year War with France (1450), there
appears entered as Garter King of Arms (heraldic master-of-the-ceremonies
to Order of the Garter) next in succession to the first of that title, one
John Smert ; and him all present-day Smarts claim as their earliest recorded
representative. It may be so; but the name is also written Schwert (sword)
in the record, which more likely for such an officer. What is certain is
that Smert is a patronymic "cheorl's" name since at least the time of Alfred
(849 — 901), with the present meaning of the adjective. The best traced
Smart family of the genealogist came into notice at the time of a divine
called Peter Smart (1569 — c. 1652), who went north to Durham as a school-
master, became a prebend, and, though under Charles I a very contumaceous
"recusant of holy rites" in the struggle with the church which drove out the
Pilgrim Fathers, seems to have retrieved his fortunes later on, for he died
1) Herr Pfarrer Allmenroder in Oberbiel hatte die Liebenswiirdigkeit, den Ver-
fasser auf einen kleinen Artikel von Kirmis im »Daheim« 1908 No. 46 aufmerksam zu
machen, der biographisches Material uber Schaum bringt. Danach war er ein Sohn
des Lehrers und Kiisters Melchior Schaum zu Ermenroth in Hesscn, lernte 1747—52
die vorgeschriebenen fiinf Jahre beim Stadtmusikus Johann Wilhelm Koch zu Hom-
berg a. d. Ohm, verbrachte sechs Jahre auf der Wanderschaft. stand dann noch 1758
bis 1760 die Ublichen zwei Jahre in der Lehre bei Johann Georg Ludwig, Hof-
und Feldtrompeter des Fursten von Hohenlohe, und trat endlich in die Dienste des
Fursten Ferdinand Wilhelm Ernst von Solms. DaC er sp'ater noch Stadtmusikus in
Braunfels gewesen ware, ist mir nicht bekannt; Kirmis, der nicht weiC, da6 er am
Hofe angestellt war, scheint sich hier geirrt zu haben. Sein Sohn J. C. Schaum,
war Archivrat in Braunfels und Verfasser des Werkes: >Das Qrafen- und Fiirsten-
haus Solms* etc., Frankfurt a. M. 182$, dem die oben gegebenen Lebensdaten der
Solms entnommen sind.
1) Leaves from the Journals of Sir George Smart. By Hugh Bertram Cox, C. B.,
and Clara L. E. Cox, London, Longmans, 1907. pp. 355, large demy 8vo.
288
Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist.
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Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist. 289
worth a good deal of money. Belonging to it in the next generation or so
was Francis Smart of Snotterton Hall, county Durham (b. 1656), and his
grandson in turn was the fairly well known Cambridge- London poet and
literary waif Christopher Smart (1722 — 1771), who had a Welsh mother,
wrote in prison a remarkable religious poetic rhapsody uSong to David",
and had a sister called Mary Anne. Now the names of Francis and Mary
Anne being exactly paralleled in the pedigree-table just given, it seems at
least likely that the Wiltshire family and the poet's were nearly cognate.
Francis Smart of the table would be of age to be in the next generation to
the Durham Francis Smart. It is doubtful whether any Smart family is
really Northumbrian; more probably all are in reality Wessex people.
With this grandfather Francis Smart (1699—1791) either the keen Wilt-
shire air, or his occupations agreed; for he lived straight through the XVIII
century, with Queen Anne and three Georges, to age 92. Present diarist
calls his grandfather a "clothier in a large way of business". That may
mean that he was manufacturer of the immemorial Wessex superfine broad-
cloths. Good old quiet days those, when there were few patterns; when
wool was home-grown, and neither Spain nor Germany, still less of course
the colonies, shipped it here; when the power-loom did not exist. Or it may
mean merely that he was a prosperous draper. Francis died 20 June 1791;
his wife Ann died 6 Jan. 1756.
What took the father George Smart (1745 — 1828) away from carding
and fulling, or from the draper's counter, does not transpire. But quite
young he became assistant in a music-shop at Bath, 10 miles distant. He
also played the double-bass. Before he was 25 he had moved up to London.
Till about 1770 he was assistant in the New Bond Street music-shop, branch
from the Somerset-House Strand shop, of Robert Bremner (d. 1789), well-
known music-publisher of Edinburgh and London, last possessor (1763 and
on) before Lord Fitzwilliam of the so-called uFitzwilliam Virginal Book" *).
In about 1770 Smart apparently became assistant at the 474 Strand shop
of William Napier (c. 1740 — 1812), violinist and music-publisher of Edin-
burgh and London. He was then putting about an advertisement-card as
maker on his own account of a xylophone or wooden dulcimer called "Stic-
cado Pastrole" ; an underivable word, unless the whole is a gross misprint
or mis-transcription for "salterio pastorale". From soon after 1770, and
for 30 years down till 1802, he had his own music-selling business at 331
Oxford Street, corner of Argyll Street (site now undermined and occupied
by a tube railway-station); and this business became somewhat well known.
Perhaps that is how A. C. Kalischer picked up the idea of uMusikverleger"
in connection with the son. About 1775 George Smart married in London
Ann Embry, probably of Shepton Mallet, Somerset, some 18 miles from
Trowbridge. In 1803 he is found as engaged in a brewing business, probably
connected with Shepton Mallet which was a great brewing centre; this however
seems to have failed. In 1807 his eldest son George (present diarist) took
him to live in his house at 91 Great Portland Street. He died in 1818,
aged 73, at Edinburgh. Thomas Smart, supposed to be brother to this
elder George, was organist at the church of St. Clement Danes, City of
London, in 1753.
1} See Musical Association. 9 th April 1895.
290 Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist.
George and Anne Smart had 6 children. The first-horn was present
diarist. The 2nd child Mary Anne (1777 — 1804) married Lieut. Miles of
the Royal Navy. The diarist says that his own influence with Earl Spencer,
First Lord of the Admiralty in the Pitt Government, got his brother-in-law
Miles the command of a brig (armed square-sail two-master rated a class
below sloop-of-war) in the war with Bonaparte; Miles's ship went aground
near Calais, he was made prisoner and taken inland to the fortress of Verdun
on the Meuse, and there had liberty enough to fight a duel with an English
officer in which he was killed. The young wife died soon after. The
3rd child, Henry Smart (1778 — 1823) was at first in his father's shop, then
helped his father in the brewing business above-named, then from age 25
took to executive music, and became in a few years a violinist and viola-
player of repute in the first orchestras of London. He was also of an in-
genious turn of mind. At age 42 he set up a pianoforte manufactory in
Berners Street with a special make. He invented a species of metronome1).
His son in turn, Henry Thomas Smart (1813 — 1879), was thu well-known
English composer of opera, cantata, part-song and organ-music; in art the
most gifted of all the family. His art was not strong enough to contribute
to the evolution of English music, which was then hypnotized by Mendels-
sohn's brilliancy ; but it kept alive the taste for pure music. His part-songs
and organ-music are durable. He was nearly stone-blind for the last 15 yean
of bis life. For biography see a rather hollow performance by ¥m. Spark
of Leeds (London, 1881 2j. For a daughter of Henry Thomas Smart's (wid-
owed and living in London) see the pedigree-table. The 5th child
Charles Frederick Smart was first Chapel Royal chorister, then double-bass
player in London orchestras. The 6 th child Thomas Robert Smart was
a viola-player. For his elder daughter see the pedigree-table; adopted by
her uncle Sir George Smart, she lived with her first cousin Margaret Rose
from 1842, and survived her 4 years.
To revert to Sir George and Ann Smart's 1 st child. George Thomas
Smart (1776 — 1867), later called Sir George Smart, was, as will be seen,
as longevous as his grandfather the clothier. At the French Revolution he
was quite old enough to understand it; he lived into the age of penuy
newspapers and lodger-franchise, altogether 91 years. In his days con-
temporary biography had not been invented. As a totally new London
musical world had grown up since he in his prime had in a manner domin-
ated it, it came about not unnaturally that no one from outside took the
initiative as to writing his life after he had gone. The consequence is that
of this really noteworthy personage there has hitherto been no published
record, except newspaper obituaries and dictionary entries.
Sir George Smart however left among his papers a considerable mass of
autobiographical matter, viz.: — (a) original letters received by him from
others, (b, diaries kept by him day by day on three visits to the continent
1802, 1825, 1845, fc) reminiscent autobiographical notes brought down to
1845 (age 69. as far as subject goes, and in all probability written up in
part even alter that, for he lived 22 years later. So the question arises,
1) For particulars of his life see vols, iii, 303 1821) and v. 661 (1823) of Ba-
con's "Quarterly Musical Magazine and Review" (the earliest English musical news-
paper, ran 1S18 to 1829), and Saintsbury's Diet, of Music, 1824.
2; For monograph see "Musical Times" May 1902.
Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist. 291
why was nothing done with this matter within some reasonable time of his
death by his relicts? The preface of present editor (of whom hereafter, and
who has only handed on information given to him) says, "Sir George Smart
had some objection to the idea of his biography being written". But if
that means posthumous biography, the evidence is counter. Men do not
write carefully-penned autobiographical notes for the pleasure of writing them.
Nor is it likely that he changed his mind at the extreme end, as being tired
and diffident with old age; for he was brisk-minded to the last. Men love
fame, however exiguous, into the jaws of death, eo/arov tov t/^ otfiprj; yirtuva
sv ?(j> OavaTcp atlnp drcoourffjietya. It is not an unnatural surmise that the
widow, whose station was somewhat superior, looked coldly on these me-
moirs of a self-made musician, and put them in the cupboard. What was
probably, if anything at all, only a modest expression by the deceased as
to his own merits, became a legend that he "objected'14' to having his bio-
graphy written. "When the daughter Margaret Rose succeeded to the family
effects, she and her cousin Ann Caroline were given up to a charitable life,
devoting the whole of their time and money to the poor of a London parish;
they were themselves cut off from the literary, and indeed from the practical,
world; the affair of the paternal documents rested where it did.
In 1891, or 24 years after her father's death, Margaret Smart yielded
at length to persuasions by a friend, and invited present editor to handle
the documents. He is a distinguished barrister, legal assistant under-secretary
to the Colonial Office, and son of Rev. John Edmond Cox, Vicar of St.
Helen's Bishopsgate, once Grand Chaplain of Freemasons. He took up the
duty in a chivalrous manner out of respect for the beneficent spinsters, and
has carried it through at leisure, with the help of a sister who contributed
a series of commentary foot-notes. Smart's notes other than those in diary-*
form proved something of a tangle, and required careful editing. The result
is in effect an autobiography, if rough and incomplete. The record is of
consummate interest, in the way of reflecting the temper of the plain English
musical world of the late Georgian and early Victorian eras; plain, but
decidedly shrewd, and by no means deficient in assessing merit.
The following pages, compiling matter from this volume and elsewhere,
will aim at presenting the subject as at any rate a readable whole. Viewed
as biography there must still here be considerable lacunae, which perhaps
the research of others may hereafter fill in. The subject will in this issue
be taken down only to 1825, or Smart's 49th year; leaving to a subsequent
issue the continuation, with important record of 1825 foreign tour, etc.
George Thomas Smart was born on 10th May 1776 at his father's
house above-named, 331 Oxford Street, London. As a small child he
went to Shepton Mallet (Somerset), where with his maternal grandmother.
Then to one Castleneau's school by Dean Street, Soho. Then Pike's
school, Ashford, Kent. According to this diary-autobiography, his father
got him into the Chapel Royal in 1783, or at age 7; such things are
not done nowadays. He was there till Christmas 1792, when he would
be 16' / \. According to this he was chorister full 9 years. Master of
the choristers was then Edmund Ayrton (1734—1808), who had in 1780
292 Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist.
succeeded as such James Nares (1715 — 1783). Joint holders of office
of "Organist and Composer" throughout the time were Thomas Sanders
Dupuis (1733—1796) and Samuel Arnold (1740-1802); from both of
whom the boy had lessons. He was taught the pianoforte by John Bap-
tist Cramer (1771—1858), and on March 6th 1790, at age 14, he played
a Dussek concerto with orchestra at the Italian Opera House. After his
voice had broke, he was employed as deputy organist by both Dupuis
and Arnold (the latter also at Westminster Abbey from 1793). The In-
dustrious Apprentice has never failed to find his account in the English
cathedral organ-loft. Smart lost no chances, and the Chapel Royal made
his (as many others') fortunes.
When he had returned to his father's house, that parent made a not
injudicious compact with him. In return for board and lodging he taught
certain pupils whom his father handed over to him ; but within the family
the father paid him 2/6 an honr for teaching the younger brother Henry,
and the sister Mary Anne.
In 1794 was the Haydn "drumming" incident of the anecdote books.
He was then only 18. He had better tell his relations with Haydn in
his own terms: —
In the year 1794 Haydii came to Loudon for the second time, his first
visit having been in 1790, to conduct his twelve grand symphonies for Salo-
mon's concerts. He conducted some of Salomon's concerts in the Hanover
Square Booms. At that time, and in 1794, the orchestra was at the other
end of the room, where the royal gallery now is. This change was made
when the "Antient Concerts" were removed from the Tottenham Street Rooms
to those at Hanover Square.
At a rehearsal for one of these concerts the kettle drummer was not in
attendance. Haydn asked, uCan no one in the orchestra play the drums?"*
I replied immediately, "I can." "Do so," said he. I, foolishly, thought it
was only necessary to beat in strict time, and that I could do so. Haydn
came to me at the top of the orchestra, praised my beating in time, but
observed upon my bringing the drumstick straight down, instead of giving
an oblique stroke, and keeping it too long upon the drum, consequently
stopping its vibration. "The drummers in Germany," he said, "have a way
of using the drumsticks so as not to stop the vibration" — at the same
time showing me how this was done. "Oh, very well," I replied, "we can
do so in England, if you prefer it." It was Haydn, therefore, who first
taught me to play the drums, a thing 1 had never attempted before that
day, and have not done often since.
At these concerts I used to play the violin or viola at half a guinea
per concert. Garabaldi, a celebrated double-bass player, taught me the violin.
Many foreigners were employed by Salomon at these concerts at very low
salaries. At the rehearsals most of the professors wore their great coats only,
I suppose in order to save their other coats for the performances.
During his first visit to this country, in 1790, Haydn came to the Chapel
Royal. He was so pleased with Dr. Dupuis's extempore fugues, that meeting
Charl es Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist 293
the doctor as he came downstairs from the organ loft, after the service, he
gave him two kisses in the Ambassadors' Court. This I saw him do, and I
was very much surprised at that time at the operation.
Choristers began singing man's voice full early in those days. Smart,
to earn a trifle, was regularly singing chorus-bass from 1794 in the Italian
Opera at Haymarket, and at the Ancient Concerts alias Bang's Concerts
(allmost all Handel music) which shifted in 1795 from the Tottenham
Street Rooms to the Opera House. Joan Bates (1740—1799), an ardent
assiduous amateur, had established these Ancient Concerts in 1776, and
"conducted" them as it was called at the organ. Smart says that he
turned over for Bates in that capacity in 1796 and 1797; but Mackeson
in article Ancient Concerts, and Husk in article Bates of Grove's Dic-
tionary, say that Bates gave up the conductorship in 1793. Smart's me-
mory may have been at fault as to date or detail.. At the age of 19 he
also began his career as a Freemason, entering himself on 18 th June
1795 in the fashionable "Burlington" lodge. At age 20, fully fledged as
organist, harpsichordist and teacher, he had left his father's house, and
must have been earning quite a respectable income. By the end of 1802,
when he was only 26 years old, he is found paying £ 815 for the sixty-
five year lease of the house 91 Great Portland Street, in which he lived
great part of his life, and in which as his guest 24 years later Weber
died. The record of those 6 years of industry, thrift and success (exact
picture of a London musician's life a century back) comes out also best
in its own homely words: —
In the year 1796 I took lodgings at 23 Margaret Street, Cavendish
Square, on the second floor, for which I paid half a guinea a week. I also
rented with Mr. Charles Knyvett a stable, which was situated in the top
of the narrow road where now schools have been built, opposite an entrance
to Langham Church. The church at that time was not built.
I was in this year organist at St. James's Church, in the Hampstead
Road. I forget the date when I was appointed, but it was at the time when
the chapel was first opened. I had but half the salary, i.e. ten pounds a
year, giving up the other half to a Mr. Wafer, a blind man, until his death.
Later, I applied for the post of organist at St. James's, Piccadilly, upon
the death of Mr. Buckley, but Mr. Burrowes was elected. After this the
Rev. E. Andrews, whose daughter I taught, wrote me a civil letter and
caused my salary to be raised to thirty pounds.
I find that in this year I paid professional visits to Lord Charles Spencer
at "Wheatfield House, near Tetsworth, Oxfordshire. Later he became post-
master-general and master of the mint. It was my custom at this time to
dine at a cookshop, usually at the cost of about a shilling, and I believe I
wore powdered hair, as my account books show hair-dresser's charges of the
kind, and I paid a guinea in April 1797 for a hair-powder certificate.
In 1797 I was three times at Wheatfield House. The first visit was
probably to meet the Marquis of Blandford, who succeeded his father as
294 Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist.
fifth Duke of Marlborough in 1817; and I took up my freedom ai Grdcert
Hall, being bound apprentice to Mr. Impey, a drug broker, the fees for
which amounted in all to thrtee pounds, nineteen shillings and sixpence. I
also took lessons in French.
The year 1798 found me organist at Brunswick Chapel as well as at
St. James's Chapel in the Hampstead Road. The organ at Brunswick Chapel
was formerly in the Tottenham Street Rooms, where it was used for the
"Antient Concerts." I began in June of this year an engagement at Col-
man's Theatre, in the Haymarket, at two pounds, eight shillings per week,
where I presided at the harpsichord. I was appointed to this situation by
Dr. Arnold, who was director of the music and also composer there. I acted
as deputy for him without salary when he was organist at Westminster Ab-
bey, and it was for such services that he gave me this appointment and
also recommended me to the first school at which I taught. This was the
school of a Mrs. Cameron. This lady 1 was told would be guided in her
choice by the approval of a Mr. Twiss. I had heard that he was a* tre-
mendous critic and formed his judgment on the performer's efficiency in sight
playing. I told Dr. Arnold I was afraid to encounter so formidable a judge.
He told me to go to Mr. Twiss's house, and added, with a comical expres-
sion, that Mr. Twiss was stone deaf. I went. The first question put to
me was: "Can you play at sight?" I boldly answered uYes." He then
placed before me a very difficult sonata, and put his ear close to the piano-
forte. I saw at once that the sonata was too much for me, but I dashed
at it and rattled over the right and wrong notes. Mr. Twiss expressed his
perfect satisfaction and reported to Mrs. Cameron that I must be a very
capable teacher. With Mr. Twiss I was intimate for some years. He be-
came very poor, and published, besides the account of his tour in Spain, a
curious work in two volumes to which I subscribed. He was an excellent
billiard player, and used to teach his son, using a walking-stick, with which
he could beat many good players with the cue. Through Mr. Twiss I first
became acquainted with Mrs. Opie, formerly Miss Alderson, the novelist and
poet, who was then a lively woman and a good ballad singer. She subse-
quently turned Quakeress — at least in her dress. I renewed my acquaint-
ance with her many years after at her residence in Norwich.
The leader of the band at the Haymarket Theatre at this time, and also
at the Theatre Royal, Drury Lane, was a Mr. Shaw. He had a peculiar
way of whistling through his nose rather loudly when bowing a forte passage.
Some of the strangers who were seated close to him in the orchestra would
ask if there were a dog near them which was making this noise. He never
would acknowledge that it came from himself. During my employment at
the Haymarket Theatre I remember John Edwin, the actor, who was succeed-
ed by John Fawcett, Jack Johnstone, Charles Kemble, who then sang m
the opera with Mrs. Bland, and Mr. Snell, also Jack Bannister. Colman
was then proprietor, and after him came Morris, with whom I quarrelled.
I played at a Freemasons' concert on April 12 th 1800, but whether on
the violin or pianoforte I cannot now remember. It was at this time that
I sold the copyright of my book of pianoforte lessons to my father for twenty
pounds. I also gave a concert at the Assembly Rooms, Enfield, the profits
of which amounted to twenty-five pounds.
In this year I began taking lessons in Italian from Signor Nardini.
Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist. 295
In the month of August, 1801, I moved from Margaret Street to 91
Great Portland Street. At first I lodged on the second floor, P. Meyer was
on the first floor and Mr. Collyer had the dining-room floor. The room
which subsequently became the back spare bedroom at the top of the house
was then fitted up as a chemical laboratory, and contained a furnace, and
part of the floor was covered with iron. The room in the basement which
was afterwards given to my manservant was then a workshop.
This year I paid professional visits to Bristol, Bath and Trowbridge, and
spent part of the summer on a tour through Hastings, Dover, Maidstone, etc.
I continued my engagements at the Haymarket Theatre and at St. James's
Chapel in the Hampstead Road. During one of my visits to Bristol, or
Bath (I forget which), not having an admission ticket to one of the concerts,
I went up into the orchestra and placed myself among the bass chorus
singers. Not being known there, one of the men asked me whether I was
a "counter" or a "starter". Not understanding the meaning of his question,
my reply was, UI am not a counter-tenor". "I am aware of that," he said,
"or you would not be sitting among the basses." He then went on to
explain that when two men sang from the same book, in order to save the
trouble of both counting the rests only one of them counted the time, who
was therefore called the "counter." When he hed completed the proper
number of bars9 rest he gave his companion a push, and this man took up
the point immediately and was therefore called the "starter."
In 1802 I met with an accident, being thrown out of my chaise going
into Enfield. I was attended by Dr. Clarke, with whom I became very
intimate, often dining and sleeping at his house.
I gave a grand concert at the Assembly Booms at the Angel Inn, Ed-
monton, on June 11th.
My journeys out of London necessitated my taking furnished lodgings
at Hornsey at a guinea per month.
I was intimate at this time with Mr. Broadwood, senior, who, on
May 5 th, presented me with a grand pianoforte, and also showed me great
kindness in the following matter. I purchased the lease of 91 Great Port-
land Street this year of Mr. P. Meyer for the sum of eight hundred and
fifteen pounds, together with some furniture left in the house. This lease
expired in 1867. I was obliged to borrow from Mr. Broadwood the sum
of two hundred or three hundred pounds, and I offered to assign to him
the lease as a security for repayment. This he declined, saying, "It would
cost you some money to make a legal assignment of the lease to me. If
you are honest you will pay me when you have the means," which, thank
God, I soon had. I shall never forget his kindness.
It was I think in this year that I was present at a dinner at Lady
Hamilton's, at Merton. Lord Nelson was there, as also Madame Catalani
and her husband, M. de Valabregue. The latter, it being a warm day,
insisted on bathing in a small piece of water on the lawn, where many ladies
and gentlemen were walking waiting for dinner. M. Valabregue consequently
was unable to undress, so he went into the water without taking off more
than his coat. Madame Catalani made him take from his shirt a costly pin,
which she gave me and requested me to keep it in remembrance of herself
and her husband's folly. Grey, the jeweller, informed me that it was worth
fifty pounds, and might sell for more.
8. d. IMG. x. 20
296 Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist
In between Alexandria (which gave Bonaparte's Egyptian curiosities
to the British Museum) and Trafalgar, the French and English had a
short respite of war, viz. 18 March 1802 to 13 May 1803. Tourists
went over from here in shoals. Among these George Smart the elder
and his two sons George and Henry, on a six-weeks' visit to Paris,
23 June 1802 to 3 August 1802 ; Dover, Calais, Boulogne, Paris, Rouen,
Dieppe, Brighton. George junior learnt French diligently. Every night
also he sat down and wrote an excellent diary. The following is a fair
specimen, good style for a young man of 26 who had no pretensions to
literary accomplishment: —
It is about one hundred and ninety-eight English miles from Calais to
Paris. We set out at five a.m. and arrived in Paris soon after eight on
Tuesday morning, travelling day and night. Seventy-nine post horses per-
formed the journey, not with ease, as the long whips of the postillions in
their long boots testify. I never heard such a cracking of whips as they
made in my life, especially when we had six horses, for then we had two
postillions smacking away one against the other. Sometimes they smoked
as they drove, they were poor wretched-looking men. The whole is directed
by a person styled a conductor, who is seated in the front, which is called
a cabriolet, something like an awkward gig stuck before the front of a
stage-coach — ridiculous, but by far the most pleasant part of the machine
in my opinion. At the conductor's command the drivers proceed faster or
slower and take the part of the road he directs. He likewise fixes the
places where the passengers are to stop and dine, etc., in short he is absolute
and like the guard of our mail-coach has everything under his care. I rode
all the way, except two stages, with him in the cabriolet, notwithstanding
that it rained hard several times.
On 30th June 1802 in Paris they came across "Sir John Gallini",
then aged 74. This curious person Giovanni Andrea Gallini (1728 — 1805)
was born in Florence, went as dancer to Paris, came at age 25 destitute
to London, was engaged at Haymarket, became there ballet-master and
ater stage-manager, at age 34 published an entirely purloined Art of
Dancing (London, Dodsley), gave lessons in family of 3rd Earl of Abing-
don (1692 — 1760), whose eldest daughter Lady Elizabeth Bertie fell in
love with him and secretly married him some time before he was 40 and
then after having 3 children by him separated from him, was made by
Pope Clement knight of the Golden Spur and so erroneously called -Sir
John" in England, employed the money brought him by his wife, at
age 46 along with John Christian Bach and Charles Frederick Abel built
Hanover Square Rooms, at age 58 leased the Haymarket, lost a fortune
when it was burnt down 3 years later, at age 77 died still a dancing-
master and occupying a single dwelling-room at Hanover Square Booms.
The sensible Paris diary prints out into 35 pages. Here is part of
entry for 9 th July 1802: —
Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist. 297
This evening was spent at the great French opera house. It is not quite
so large as ours, hut shows the company hotter. The dancing and decorations
are far hetter than ours, the choruses go extremely well, hut the recitatives
and singing are horrid, nothing hut ranting, squalling and hawling, only
exceeded by the applause of the singing. It is the fashion of the audience
to sing with the performer. The ballet was Psyche, the opera Iphig6nie en
Aulide. At one time I counted nearly two hundred performers on the stage.
The orchestra consists of ninety performers, a maitre d'orchestre, with a
small roll of wood in the middle of the orchestra, conducts. He stands with
the score before him and answers the purpose of the prompter at our opera
house, they have no other prompter. They admit that all the players in
their orchestra are approved performers. The number of our orchestra is
fifty, one quarter of which are good for nothing, and yet we produce double
the effect. Their wind instruments are shocking, they had oboes in this or-
chestra I observed, but clarionets instead in all the other orchestras. As it
is impossible to support the establishment of the house by the money taken
at the doors the whole concern is under the management of governors who
make up the deficiency. All the performers are on a yearly salary, they play
three times a week all the year round, and are allowed a pension for life
when too old to sing or play. This is proper, for after a man has contributed
the prime of his life to the amusement of the public it is but right that they
should contribute to his comfort when he is no longer able to earn for himself.
Ten thousand English were caught in France at the renewal of war,
and some were kept there 11 years till Bonaparte's abdication. But, as
will be seen, the Smarts had got safe home.
On 29 May 1804 Smart, aged 28, got himself elected a liveryman of
the very ancient City of London Grocers' Company (going back under
that name to XIV century, and much further as uPepperers?>), and thus
clothed himself with civic rank. For his apprenticeship see 1797 above.
He attended his first dinner at Grocers' Hall on 9 Nov. 1904, and took
his father as guest. Latter was then, or shortly after, failing in the
brewery business: —
In 1807 my father and mother came to reside with me at No. 91 Great
Portland Street, where too Mr. Pohlmann lodged with me and Mr. Edmonds
who was then my apprentice. The latter paid me at the rate of twenty-five
pounds per annum for his rooms.
Madame Catalani's concert took place on Sune 12 th of this year, and it
was I think at this concert that M. de Valabregue, her husband, found fault
with my accompaniment. High words passed between us and a challenge
was expected. Instead of this, however, I received from him the next morning
a snuffbox bearing the inscription uUn gage de paix."
At end of 1810, aged 44, he went over to Dublin to conduct some
concerts, and was knighted. It is said as the result of a convivial meet-
ing. He never lost an opportunity 1). This title was invaluable to Smart.
Here is what he says about 1811: —
1) For resume of musical knighthoods, see Zeit. IX 221, March 1908.
20*
298 Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist.
On January 1st, 1811, I received the honour of knighthood from the
Duke of Richmond, in Dublin Castle, the fees for which amounted to £66. 13s.
This month my assistant, Edmonds, died, and I obtained the services of Mr.
J. Clarke, who gave lessons for me at various schools when I was unable
to attend, receiving half fees.
During this year my first professional visit to Hamilton Palace took place.
I met there amongst others the Earl and Countess of Dunmore, Lady Prim-
rose, Lord Kinnaird, who is very found of thorough-bass, Mr. Dugald Stewart,
professor of philosophy at Edinburgh, the Marquis of Queensberry and Mr.
Jeffrey, the editor of the Edinburgh Review.
This year I took thirteen lessons on the scales of wind instruments from
Mr. Eley, a violoncello player and master of the Duke of York's regimental
band, at seven shillings per lesson.
The Duke of Sussex1) presented me with a snuffbox and I purchased
his portrait from Mr. Harlow, the painter of some historical scenes from
Shakespeare, for fifteen guineas. I had previously recommended Mr. Harlow
to the Duke, who employed him to paint the portrait of Mrs. Billington,
which was afterwards in the possession of Mr. John Sawyer.
In August of this year I paid a visit to Mr. James Broadwood, at Lyne
Farm, near Worthing.
Mr. Joshua Smith was Lord Mayor this year and employed me to conduct
at some parties at the Mansion House and also at a water party in July.
This gentleman offered through me to give or sell to the Duke of Hamilton
some papers belonging to the late Lady Hamilton, but the Duke declined
the offer. Mr. Smith had shown great kindness to Lady Hamilton, paying
her debts and buying her a house at Richmond. She came to great poverty,
and I recollect subscribing for her when she was in the King's Bench Prison
or in the Rules of the Bench.
Signor Siboni, the well-known tenor, was one of the singers at Braham
and Naldi's concerts in this year, and he left London without my having
had the opportunity of paying him a sum of sixty-three pounds, which was
due to him. As I obtained no reply from him, the late Samuel James
Arnold, the dramatist and composer, offered to undertake if I paid him four
shillings and sixpence down to pay me sixty-three pounds if ever I were
called upon to produce it. I accepted his offer on the 26th of June. The
sum was never demanded • but it remained with me by desire of Mrs. Billing-
ton, Braham and Naldi, until feeling I had no right to keep it, I eventually
found out through Mr. J. B. Heath, the founder of the famous City Con-
certs in 1818, and governor of the Bank of England, the place where Siboni's
family resided and paid the money in July, 1843, to his widow.
In 1813 he became one of the 30 original members of the Philharm-
onic, started 8th March 1813 at Argyll Rooms; W. Ayrton treasurer,
H. Dance secretary. Between then and 1844 he conducted 49 Philharm-
onic concerts. From 1813 to 1825 he conducted the Lent Oratorios
1; Augustus Frederick (1773— 1843, sixth son of George III, was born at Bucking-
ham Palace and educated at G&ttingen. Created Duke of Sussex in 1801. Support-
ed progressive political policy. Was Grand Master of Freemasons ; also President
of the Society of Arts and of the Royal Society.
Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist. 299
at Drury Lane and other theatres; at one of which (Drury Lane,
14 March 1814) he brought out Arnold's English version of Beethoven's
Mount of Olives (Christus am Oelberg, written 1301, published 1811).
Here is his entry for 1814 and 1815: —
Early in 1814 (January 13th) I went with P. Meyer to Mr. Samuel
Whitbread's house, where I acted "Fustian" with the late S. J. Arnold in
Silvester Doggerwood. Richard Brinsley Sheridan was one of the guests.
On July 4 th of this year I went through Cambridge for theatricals there
at the house of Barham Livius, of Trinity College, the amateur composer
of operetta, etc., who altered Der Freischutz from the German original for
its first performance on October 14th, 1824. Miss Sarah Booth, of the
Surrey theatre and later of Covent Garden, was one of the actresses.
In September I paid a professional visit to Hamilton Palace, journeying
by the sea. Among the guests were the sixth Duke of Devonshire, the Earl
and Countess of Dunmore, Lord Luccuth and Lord Alloway (Scotch judges),
Sir "William and Lady Maxwell, the Earl of Rosslyn, Professors Jardine and
Young, both learned in Greek and of Glasgow, besides Miller, Milne and
many others.
On October 12th, 1815, I took my memorable journey with J. C. Cameron
to Weymouth to visit the Princess Charlotte. I saw her on the evening of
the 14 th. I had the honour of giving lessons to Her Royal Highness at
Weymouth in both 1814 and 1815, and of presiding at her musical parties
there and also at Claremont in 1817.
He does not mention that on 10 Feb. 1815 he gave at Drury Lane
the first performance in England of Beethoven's Battle Symphony (Welling-
ton's Sieg, oder die Schlacht bei Vittoria, op. 91, commemorating battle
of 21 June 1813) of which he had specially procured a copy from Vienna.
This was to London of 93 years ago what Tschaikoff sky's "1812" is to
today's "Promenades", and had a great run. Whether "intelligent medio-
crity" is the proper description of Smart in his totality1) will be dis-
cussed when handling his relations with great composers. There was
nothing mediocre in his activities at any rate, which were begotten of a
good constitution and Wessex shrewdness. The clever schoolboy, zealous
language-student, indefatigable teacher, and self-advancing freemason,
liveryman and musical knight, here shows himself as active public-caterer.
In fact he introduced Beethoven to England, as much as Salomon had
Haydn.
Beethoven read of the above in "Wiener Zeitung" of 2 March 1815,
so took himself to his friend the English-speaking Vienna banker and
amateur violinist John Haring, to prosecute matters with Smart. The
Harings (recte Harenc or "herring") were a Breton family, much scattered.
Best known member is the later author Wilhelm Haring (1797 — 1871);
began career as novelist in 1823 by passing off two novels of his own
lj See Zeit. IX, 195, Feb. 1908, and "Times" of 16 Jan. 1908.
300 Charles Maclean, Sir George Smart, Musician- Diarist.
as German translations from Sir Walter Scott, with pseudonym Wilibald
Alexis; edited "Berliner Conversationsblatt", etc.; his Gesammelte Werke
in 20 vols. (Berlin). John Haring of Vienna had been much in England,
and known Smart. Here is the original English letter shown in Alexan-
der Wheelock Thayer's "Ludwig van Beethoven's Leben"1) in German.
So also printed by Kalischer, at ii, 267. Haring wrote out the English
enclosure of 16th March on Beethoven's instruction, and took Beethoven's
signature thereon. Smart received the letter on 9th April 1815. It has
not prior to this book been printed in English. Thayer points out that
all the outside-England rights of the works mentioned had already been
sold to Steiner of Vienna: —
My dear Sir George,
I see by the papers that you have brought forth in the theatre Beet-
hoven's Battle and that it was received with considerable applause; I was
very happy to find that your partiality to Mr. B.'s compositions is not dim-
inished, and therefore I take the liberty in his name, to thank you 'for the
assistance you afforded in the performance of that uncommon piece of musick.
He has arranged it for the pianoforte, but having offered the original to his
B,.H. the Prince Regent, he durst not venture to sell that arrangement to
any editor, until he knew the Prince's pleasure not only with respect to the
dedication but in general. Having waited so many months without receiving
the least acknowledgment, he begged me to apply to you for advice. His
idea is to dispose of this arrangement and of several other original composi-
tions to an editor in London, or perhaps to several united, if they would
make a handsome offer; they would besides engage to let him know the day
of the appearance for sale of the respective pieces, in order that the Editor
here may not publish one copy before the day to be mentioned. At the end
of this letter follows the list of such compositions with the price which the
author expects. I am persuaded, Sir George, you will exert yourself to
benefit this great genius. He talks continually of going to England, but I
am afraid that his deafness, seemingly increasing, does not allow him the
execution of this favourite idea. You are informed without doubt that his
opera Fidclio has had the most brilliant success here, but the execution is
so difficult that it would not suit any of the English houses. I submit here
his list with prices. None of the following pieces have ever been published,
but N. 2, 4 and 9 have been performed with the greatest applause: —
1. Serious Quartetts for 2 Violins, tenor and bass 40 Guineas
2. "Battle of Vittoria"— Score 70 „
3. "Battle of Vittoria," arranged for pianoforte . 30 ,,
4. A Grand Symphony— Score 70 „
5. A Grand Symphony arranged for the P.F. . . 30 ,,
6. A Symphony key f score 40 ,,
7. A Symphony arranged 20 ,,
8. Grand Trio for the Pianoforte Violin Violoncello 40 ,,
9. Three Overtures for a full orchestra — each . . 30 „
1; Vol. iii, 335 (1879 Berlin, W. Weber issue.
Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist. 301
10. The three arrangements — each 15 Guineas
11. A Grand Sonata for the Pianoforte and Violin 25 „
The above is the produce of four years' labour.
"Our friend Neate has not yet made his appearance here, nor is it at
all known where he is roving about. TVe — I mean mostly amateurs — are
now rehearsing Handel's Messiah — I am to be leader of the second violins;
there will be this time 144 violins — first and second together, and the singers
and remainder in proportion. I have been so unfortunate as not to receive
a single line of answer from England since my stay in Vienna which is near
three months; this discourages me very much from writing, for I have
dispatched immediately after my arrival several letters and have been con-
tinuing to send letters, but all in vain. Amongst those to whom I wrote
about two mouths ago is our friend Disi — pray if you meet him give him and
his very respectable family my best regards. I have passed so many happy
hours in his house, it would be highly ungrateful for me to forget such an
amiable family.
Beethoven happening to call on me just now, he wishes to address a
few lines to you, which you find at the bottom of this. My direction is:
Monsieur Jean de Haring
Nr. 298 Kohlmarkt
Vienne.
Poor B. is very anxious to hear something of the English Editors, aa
he hardly can keep those of this city from him, who tease him for his works.
"Give me leave to thank you for the trouble you have taken several times,
as I understand, in taking my works under your protection, by which I don't doubt
all justice has been done. I hope you will not find it indiscreet if I solicit you
to answer Mr. H&ring's letter as soon as possible. I should feel myself highly
flattered, if you would express your wishes, that I may meet them, in which you
will always find me ready as an acknowledgment for the favours you have heap-
ed upon my children.
Yours gratefully,
16 th March 1815 Ludwig van Beethoven."
And now I shall beg, my dear Sir George, not to take this long letter
amiss, and to believe that I am always, with the greatest regard,
Your most humble and obedient servant,
19 th March 1815 John Haring.
1 Here is another characteristic English-written letter received next year
on 25th 1816 over Beethoven's signature; in all probability written by
Haring as above. This cannot be traced in German collections: —
Dear Sir (ieorge,
Mr. Haring told me often that you directed and kindly arranged that
my compositions wero performed with vigour and success. This induces me
to hope that you will also take some trouble with the artist and assist him
in a perplexity quite as unexpected as it is unmerited. I gave to Mr. Neate
in great confidence in his honour and his views the following works. His
intention was, as he said, to hand them all to the Philharmonic Society in
my name, which Society would in lieu of any Honorarium or gift arrange
302 Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist
a benefit concert for me. He mentioned this plan whenever he came here,
adding that the execution would be the easier as he would come again into
the direction of that society on his return. However I heard nothing more
of him or my works for many months. With astonishment I read in the
papers an account taken from the Morning Chronical mentioning with enthusi-
asm the effect which one of my new symphonies had produced, and I suppose
it was that in A, but I heard nothing from Mr. Neate. At last after many
applications he wrote me a letter, which I am sorry to say, throws his cha-
racter in my eyes in a very bad light. He pretends to be in love with a
young lady to distraction — he is to be refused if he continues to follow his
profession, etc. Before he ends, he very dryly says, that having given my
three overtures to the above Society, they have spoilt all to such a point,
that he lost all courage to undertake something for me. He on account of
that young lady is prevented from playing my Sonatas in public, etc. I
own that the three overtures do not belong to my best and great works,
they being all occasional pieces composed for the Theatre. The one in C
did not displease when performed on the 4 th of October last year in the
presence of Mr. N. The one in E flat was composed for the opening of the
Theatre in Pesth in Hungary and pleased. The 3rd in G is the overture
of a little afterpiece, of course the style could not be great — it was often
performed here and always with applause. It is calculated not to begin a
concert, but to be performed in the middle. Mr. Neate had in his possession
other more essential works, he chose those three and it is very unfortunate
that on account of them according to his judgment my musical name is all
at once sunk to nothing. He paid twenty-five guineas for each of these
overtures as his property according to a formal writing I gave him, but for
all the other manuscript works which I gave him, he returned nothing at
all, not even a complimentary letter of acknowledgment or thanks. These
works are:
Score of a Symphony in A. First movement in A, second in A minor,
third in F, fourth in F.
Score of a great Cantata, consisting of a Chorus in A No. 1, No. 2, Bee.
in B with Chorus in F. No. 3, Bee. in B and air with chorus.
No. 5 Bee. in A and Quartett in A, No. 6. Chorus in C.
Score of a Grand Opera: Fidelio.
Do. of a great Chorus in D. "Words of Gothe: Tiefe Stille.
Do. of a Quartett in F minor for 2 Viol., ten. and Bass.
Do. of a Sonata in C Piano and Violoncello.
Do. do. do. do.
N.B. The Quartett is written for a small circle of connoisseurs and is
never to be performed in public. Should you wish for some Quartette for
public performance I would compose them to this purpose occasionally. I
mention here that I should like to receive regular orders from England for
great compositions. All the above compositions were delivered to Mr. Neate
in confidence and with the power to dispose of them for my sole benefit in
London. I still am the right owner of them. The 5 guineas, which he has
paid for copying them, and for which I thought he would think himself
sufficiently repaid by performing them at his leisure, may be restituted to
him on delivering the works to you.
I therefore take the liberty to empower you herewith to receive of Mr.
Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist. 303
Neate the above cited 7 works and I hope to his honour he will have no
objection of delivering them into your hands. My view is that you should
first select some of them, and arrange a concert for my benefit. After that
you are welcome to give one or two nights for yourself — I hope it will be
with success. Finally you'll please to offer these works of which some at
least will easily enough find purchasers, for sale, I leave it entirely to the
high sense of honour and love for the art, which Mr. Hiiring repeatedly
assured me none possessed more than yourself. At least I am thoroughly
persuaded that the two Englishmen, who have treated me very ill — very
meanly — are very rare exceptions of the general character of your great
nation. These two are the Prince Regent and Mr. Neate — enough of them!
All I beg you is to favour me with an answer as soon as possible. The
season in your great city is soon coming, and I should wish to know my
fate, and am very anxious to publish most of the above works here, which
I will not do before your answer. Mr. N. wished I should dedicate the two
Sonatas to him and I promised it — if he does not desist himself let it be
so. (I hope my signature is sufficient to effectuate the delivery of the music
to you as is my will and wish. Should anything be wanting, I am ready
to perform it.)
(Signed) Ludwig van Beethoven.
My direction is: M. Louis Van Beethoven,
Sailerstette 3 Stock,
No. 1055 and 1056 a Vienne.
In 1817 Smart became an original member of the revived Concen-
tores Sodales; glee-club for composers of glees (ran till 1847). In Beet-
hoven's letter to Ferdinand Ries in London of 9 July 1817, half closing
with the Philharmonic for a visit, he says that he shall be delighted to
meet "den braven Sir George Smart'"1).
In 1818 Smart began conducting Baron Heath's City Concerts above-
mentioned (City of London Tavern). The same year, through Cipriani
Potter (1792—1871) then studying at Vienna under Emanuel Aloys
Forster (1748—1823) and acquainted with Beethoven, he made proposals
to latter for a "new oratorio"; nothing more is known of this; many
others were in the field2).
His own record for 1821 — 1824 cannot, as far as it goes, be impro-
ved upon. But it may be added that he was constantly conducting in
the provinces. In 1823, a Liverpool Festival; 1824 ditto at Bath, New-
castle, Norwich and Edinburgh. Conducting then meant a vast amount
of preliminary detailed labour in connection with manuscript parts; also
much personal organization which nowadays falls to committees and se-
cretaries. Also in 1823 he became one of the four in the original "Board
of Professors" at Royal Academy of Music, opened in March of that
year (Crotch principal): —
1) Thayer-Deiter8-Riemann, iv, 33, Breitkopf and Hartel, 1907.
2) Cf. Thayer-Deiters-Riemann iv, 98.
304 Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist.
In March, 1821, 1 conducted a concert, at the Egyptian Hall at the
Mansion House at which Queen Caroline was present, in aid of the fund for
the erection of schools for one thousand boys and five hundred girls, in
North Street, City Road. The late Lord Mayor, the great friend of Queen
Caroline, Alderman Wood, was there, with whom I dined twice this year.
On February 10th, 1822, remarks appeared in the John Bull newspaper upon
my conducting at this concert, which might have been destrimental to my
position as I was that year appointed one of the organists at the Chapel
Royal, but an apology was made in the paper on March 17th. At this
concert a gentleman insisted upon forcing his way into a reserve place not
far from where the Queen was seated near the orchestra. He was imme-
diately arrested by order of thfc Lord Mayor and taken to the Poultry Compter
Prisori and nothing more was thought about him until the time when the
principal performers, etc. were c'it supper in Wilkes's Parlour at the Mansion
House, when some one said to the Lord Mayor, "I think you have been too
hard on this person in sending him to prison for attempting to get a seat
for which he had paid." uOh, send for him," said the Lord Mayor, and
in due time the gentleman arrived and was highly indignant and talked of
prosecuting for false imprisonment, etc. The Lord Mayor desired him to
sit next him at the head of the supper table and made him take three or
four glasses of wine, which, with a little blarney from his lordship, so
pleased him that he was perfectly satisfied with the apology made to him.
I conducted three Royal concerts at Brighton on the 19th, 20th, and
21st of April. At one of them King George IV remarked to me, **A
crowded room at the Mansion House?" alluding to the concert just mentioned,
from which remark 1 understood that the part I had taken upon that oc-
casion had produced no ill effects in the mind of His Majesty. At one of
these three concerts, which took place at the Pavilion, the King abused Miss
Stephens'1) singing and said to me, "You conductors force a performer upon
the public, whether capable or not. Now, Sir George, you know that Miss
Stephens is not a great singer— give us your candid opinion." I saw that
many of the performers were listening for my answer, so 1 replied, k'lt would
be presumptuous in me to offer an opinion to your Majesty, who is so good
a judge in musical affairs." "Well done," said the King, "that is the sort
of answer which will carry you safely through every Court in Europe!" I
was not so fortunate in my reply to his next question, which was why the
Italian Opera House band did not go well together. Not wishing to con-
demn the band, I said, "The building of the orchestra is not in a straight
line, but being circular " "Come, come," said the King, "you have made
one hit to-night and that will suffice. 1 did not ask how the orchestra was
built but why it did not go well."
At one of these concerts I asked Christian Kramer, the Master of King
George IV s famous band, how it was that the King was so perfectly satis-
tied with the tempi taken of all Haydn's Sinfonias, His Majesty being so
fastidious. "Why," said Kramer, "His Majesty always beats time to every
movement. I watch him and beat the same time to the orchestra."
On July 19th, 1821, occurred the coronation of George 1Y at West-
minster Abbey. 1 was appointed a deputy for Mr. Salmon, the father-in-
1; In 1838 Kitty Stephens (1791—1882) became second wife of the octogenarian
fifth Earl of Essex.
Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist. 305
law of Mrs. Salmon — the great soprano vocalist — and gentleman of the
Chapel Royal, by the Rev. "William Holmes, Sub-Dean of the Chapels Royal,
and after the banquet in Westminster Hall I brought home a figure taken
off the table. We had great difficulty in finding the dining-room appro-
priated to members of the Chapel Royal, and the Chapel Royal boys rushed
into a room which was not intended for us at all. We followed and had
a good cold dinner, from which we were called down to sing "God save the
King'' at the top of the Hall near the Royal table. It was a fine sight to
see the champion on horseback riding up the Hall.
At the coronation the orchestra in the Abbey was erected over the com-
munion-table and an organ was erected for the occasion in a gallery. Mr.
Charles Knyvett, as organist of the Chapel Royal, presided. Orders were
given that Queen Caroline was not to be admitted, but she came and got
out of the carriage at the cloister door in Dean's Yard, near which we, the
choir, were waiting to enter the Abbey. I told Lady Anne Hamilton, her
lady-in-waiting who was with her, that the Queen would not be allowed to
enter, but she passed on and soon returned, being refused admittance, and
departed in her carriage.
On January 25th, 1822, I was appointed organist of the Chapel Royal,
St. James's, by the Very Rev. Dr. William Howley, then Bishop of London,
and performed my duties as such for the first time on February 17th, at
both morning and evening services. I received my warrant on April 1st,
and on June 5th in the following year I was given my first quarter's pay-
ment as organist, namely, fourteen pounds, nine shillings and sixpence. Mr.
Cooper senior1), assistant organist at St. Paul's, acted for me as my deputy.
As I have previously stated, Dr. Dupuis gave me some lessons on the
organ in the Chapel Royal after I left it as a boy. He was rather a sharp
master and would sometimes rap my fingers with his watch-chain, holding
the watch in his hand. It was from him that I learnt my organ-playing.
My knowledge of sacred music I acquired at the Chapel Royal, and my
knowledge of Handel and the ancient masters when I turned over the leaves
for Joah Bates , who conducted the organ at the "Antient Concerts" then
held in Tottenham Street. Most fortunately too for me, my father, with
the most excellent judgment, engaged the justly celebrated pianist, Johann
Baptist Cramer, to give me pianoforte lessons at ten and sixpence each,
and it is to him that J am indebted for my knowledge of modern music and
the style of performing it.
It may be worth while to enumerate the fees and expenses which I in-
curred upon my appointment as organist of the Chapel Royal. They were
as follows: —
£ s. d.
Present to W. Hall, my servant, for taking my letter of thanks
to the Bishop of London 100
Fee to Mr. Bonder (at Mr. Hodgson's) Feb. 1st, the Bishop's secre-
tary, paid at his office, 27 Parliament Street, for making out the
warrant for the Bishop's signature 2 20
Paid Mr. Cameron for stamp on parchment for the Sub-Dean
(Mr. Holmes] to make out my appointment as organist 4 4 0
1) His son George Cooper junior 1820— 1876j on the death of John Bernard
Sale succeeded latter as one of the organists of Chapel Royal.
306 Charles Maclean, Sir George Smart, Musician-Diarist.
Fee to the Sub-Dean (Feb. 8th) when he swore me in at General M s d
Bell's house 1 1 0
Present of a diamond and ruby ring to Mr. Latour 5 0 0
Cost of a dinner-party at my house to Messrs. Latour, Dance,
etc., exclusive of wine 5 0 0
Dinner at my house to the Sub-Dean and T. Marsh, Esq., ex-
clusive of wine 6 8 0
Fee to the Chapel Royal Fund as Organist 5 00
Present to the Chapel Royal boys the first time I did duty as
organist, say 1 0 0
Present to the old deputy organ-blower 0 50
Mr. Martin, at Lord Chamberlain's office, for signing my warrant 0 6 8
The Board of Green Cloth (Lord Steward's office) 0 18 8
Paid to Mr. Howse, Sergeant of the Vestry (at Lord Cholmon-
deley's), for sending me the cheque book to have my Warrant
signed therein 0 10 6
My expenses as steward of the Chapel Royal feast 3 3 0
Ditto as explained below _A_M_P
=£40 12 10
"With regard to the Chapel Royal Fejist, which was held at Freemasons'
Hall and for which Mr. Cuffs bill came to £48. 12s., tbe Rev. W. Holmes,
the Sub-Dean, sent the two stewards (Mr. Roberts and myself) thirty pounds,
which he obtained from the Lord Steward's office, desiring us after paying
Mr. Cuffs bill to pay the residue to the Rev. Dr. Vivian, minor canon of
St. Paul's, for the Chapel Royal Fund. There was no residue, and Mr.
Roberts and 1 found ourselves obliged to pay four pounds fourteen shillings
each towards making good the deficiency. The Chapel Royal Feast has since
been very properly discontinued, and the annual sum coming from the
Lord Steward's office is paid into the Chapel Royal Fund. Most of the
clerks from the offices of the Lord Chamberlain and the Lord Steward were
invited to this dinner, and the Chapel Royal boys attended in their laced
coats to sing in the glees.
In June, 1823, we, the choirmen and organist of the Chapel Royal, were
summoned by the Bishop of London (Dr. Howley) to a Chapter meeting held
at London House , on account of our irregular attendance at chapel. One
of our number, Mr. Thomas Welsh1), boldly opened the meeting by saying,
"We presume your lordship has sent for us to raise our salaries." This
took the mild and good bishop by surprise and he replied, "Why not ex-
actly. Mr. Welsh, but if the gentlemen are not satisfied they have the re-
medy in their own hands, for they can resign." To this no answer was
made, but the result of these preliminary proceedings upon the bishop was
that he dismissed us with a mild request that we should be more attentive
to our duty, and we were glad to get off so easily.
On July 21st, 1824, I dined in the City at Mr. Salomons' to meet Ros-
sini, who made himself most agreeable. He had been paid by Salomons
fifty pounds to compose a duet to be played by Salomons and Dragonetti,
the great double-bass player.
There was another interesting party which I attended on March 1st, on
1) Welsh (1770—1848) taught Kitty Stephens and married his pupil Mary Anne
Wilson (1802—1867). Their daughter married Alfredo Tiatti in 1856; an unfortu-
nate match.
Lucian Kamieneki, Mannheim and Italien. 307
hoard Captain Parry's ship, the Hecla1 moored at Deptford alongside Captain-
Lyon's ship the Fury. "When Captain Lyon returned from his voyage he
brought me some native music to arrange for publication in his book of
travels which duly appeared. The music was probably very little in the native
style.
This year I conducted the Norwich Festival for the first time. I was
made a Freeman of the city and presented with a gold snuffbox and taken
in the Mayor's carriage in a procession through the streets, a proceeding
which seemed to me more like going to be punished than to be honoured.
The year 1825 was memorable for the first trial of Beethoven's Choral
Kinfonie on February 1st. Of the twenty-six private concerts I conducted
this year one wras for Lady Copley, in George Street, Hanover Square. She
told me she had been recommended to have a foreigner to conduct it and
asked me what I thought about it — a curious question. I answered, UI
think your Ladyship should determine for yourself." On which she replied,
"Then so I will. You shall conduct it.''
In the days of Smart's memoir-jottings here given, the spirit of music-
composition had left these shores, and was engaged on a visit to the
continent; the English professional musician was as a rule sadly ill-edu-
cated ; musical journalism, if it is worth talking about, showed an impu-
dent ignorance. On the other hand the English amateur greatly to his
honour still kept the torch burning, and the concert-life was far from
despicable. Enough has been said to show how a thoroughly able man
like Smart profited by the excellent teaching of the Chapel Royal, and
built on it in such times a distinguished and exceedingly profitable career.
The succeeding notice will, as above said, deal in full with Smart as
an observer of continental musical life, and as a diarist proper.
Mannheim und Italien.
Von
Lucian Kamienski.
(Charlottenburg.)
Kunstgeschichtliche Fortschritte und "Wandlungen vollziehen sich nicht
ruckweise. Auch da, wo ein uberragender Genius scheinbar autonom, nur
aus sich selbst heraus und auf sich selbst gestiitzt, am Werke war, uberzeugt
man sich bei genauerer Betrachtung, dali auch er nur ein Glied einer fest-
geschlossenen, langen und allmahlichen Entwickelungsreihe ist, daB er seine
Strahlen von eben derselben Sonne geliehen hat, die seine Neben-, Vorder-
und Hintermanner leuchten lafit: kurz, daB die Meister eben nicht vom
Himmel fallen, wie es der Yolksverstand langst richtig erkannt und aue-
gesprochen hat. Auch der Fall "Wagner, der infolge seiner Aktualitat noch
immer nicht unbefangen beurteilt wird, macht davon keine Ausnahme.
Johann Stamitz ist freilich kein uberragender Genius, ganz gewiB
308 Lucian Kamienski, Mannheim and Italien.
aber ein starkes Talent gewesen. Das beweisen seine von Hugo Riemann
neu heransgegebenen Sinfonieen zur Genuge. Auch daran darf nicht mehr
gezweifelt werden, dafi die sinfonischen Werke Stamitzens und seiner Mann-
heimer Nebenmanner sich bei den Zeitgenossen grofier Beliebtheit erfreuten.
Irrtumlich ist jedoch die Meinung, als waren Stil und >Manierenc der
Mannheimer, denen Riemann im 2. Bande des 7. Jahrganges der Denkmaler
der Tonknnst in Bayern eine ausfiihrliche Abhandlung gewidmet bat, ein
neuea von Stamitz in die musikhistorische Entwickelung bineingetragenes
Element. Der Riemann 'schen Ansicht ist bereits Alfred Heufi im 8. Heft
des 9. Jahrganges der Zeitschrift der International en Musikgesellschaft ent-
gegengetreten. Die Notenbeispiele, mit denen er seine Ausfuhrungen belegt,
sind, vielleicht mit Absicht, aus verschiedenen Landern zusammengetragen,
und sollen beweisen, daB die von Riemann als Mannheimer Eigentiimlichkeit
angesprochene >Seufzer-Manier« (der » Mannheimer Yorhalt« fa l^*"T — n* *•)
ein » Internationales Ausdrucksmittel * sei, das zu alien Zeiten und an alien
Orten vorkommen konne. Das ist auch gewifi richtig, dennoch bleibt aber
die Tatsache bestehen, daB im Vergleich zu Heufiens Vor-Mannheimischen
Gewahrsmannern dieses > Internationale Ausdrucksmittel « bei der Mannheimer
Schule ungewohnlich oft zur Anwendung kommt. Nur bei einem der
von Heufi zitierten Tonsetzer wird der >Seufzer« als Manier verwendet, der
aber ist kein Yorganger, sondern ein Zeitgenosse der Mannheimer: es ist
Ph. Em. Bach. Die von Bach ruckwartsftihrende Spur hatte Heufi auf
Italien fiihren mussen, die Heimat der »Seufzermanier«. Statt ihr indessen
zu folgen, kam er auf Gedanken iiber den » Mannheimer gout«, die zwar
von den Riemaun'schen verschieden, aber keinesfalls richtiger sind. Riemann
selbst erkennt in dem Italiener Pergolesi einen vereinzelten Vordermonn
der Mannheimer, doch auch er hat die gegebene Spur nicht weiter verfolgt.
Ich habe im folgen den versucht festzustellen, inwieweit der Stil der Mann-
heimer Sinfonieen dem zu Anfang und Mitte des 18. Jahrhunderts in Deutach-
land herrschenden italienischen Geschmack gegeniiber auf Neuheit Anspruch
haben kann. Die von mir beigebrachten Notenbeispiele sind fast durchweg
denjenigen Meistern entnommen, die die italienische Musik nach Deutschland
hineingetragen haben, da sie als direkte Vorganger und Anreger Mannheims
vor alien Andern in Betracht kommen. Auf die in den Denkmalern der
Tonkunst in Osterreich neu herausgegebenen Wiener Vorklassiker ist hier
nicht eingegangen worden, da sie als ihre Zeitgenossen doch schwerlich
die Vorliiufer der Mannheimer sein konnen. Die innere Verwandtschaft
der beiden siiddeutschen Sinfonieschulen ist wohl eher auf ihren gemeinsamen
italienischen Ursprung zuruckzufuhren : ist es doch eine Naturnotwendigkeit,
daB zwei Ableger derselben Pflanze, auf gleichartige fremde Boden versetzt,
auch ahnliche Veriinderungen durchmachen mussen.
AVenn Riemann sagt, daB das »schnelle Umschlagen des Ausdrucks
in Johann Stamitzens leidenschaftbewegten Satzen* mit Leopold Mozarts
>vermaniriertem Mannheimer gout< nicht gemeint sein konne, so wird er trotz
Heufiens Yermutungen Recht behalten. Plotzliche , motivierte und unmoti-
vierte dynamische Kontraste weisen die Italiener in der ersten Halfte des
18. Jahrhunderts die Hiille und Fiille auf. Jeden falls hat die alt italienische
Echomanier das ihrige zur Forderung dynamischen Kontrastierens getan, das
dann auf dem gewohnlichen AVege aller kiinstlerischen Entwickelung nahe am
Lucian Kamienski, Mannheim und Italien.
309
Absurden vorbei zu einer innerlich begriindeten Dynamik herangereift ist.
DaB gerade die Italiener die Haupttrager dieser Entwickeluog gewesen sind,
ist bei der Beschaffenheit des italienischeu Temperaments ohne weiteres ver-
standlich-. Wir fin den da die Kontraste Fp, pF, auf guten und schlechten
Taktteilen, meistens ohne besonderen Grand, ferner berechtigte jo-Stauungen
vor der Kadenz, die darauf ini F herabfallt, Steigerungen in Sequenzen, wo
ein crescendo gedacht ist, auch wenn es nicht ausdrucklich bemerkt wird, rin-
forznndi, decrescendi, kurz alle denkbaren dynamischen Schattierungen. Z. B. :
1. Caldara, S. Elena al Calvario.
Aria >Sacri orrori«.
pta. r
pta.
2. Porsile, Giuseppe riconosciuto.
fon"
pta.
wm
pia
forte
4. Leo, S. Elena al Calvario.
tr - Sinfonia.
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-p — *
forte
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p-
6. ibidem.
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■_* fir.
G. ib., Aria »Sacri orrori«.
£
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(/■■)
f. p.
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-**-
■j£guL£*r-3^
g^gSQ
^=*,— -t^-nrS£
^^=^,
i
- — - — w /: p.
7. Hasse. Danielo.
Aria >Piu di Leon ferocec
pm :
pia: /or:
7>/a: /or:
8. Hasse, Flotenkonzert //-moll.
310
Lucian Kamienski, Mannheim und Italien.
SI
tr tr
tr tr
tr tr
f. p. f.
9. Jommelli, Sinfonia D-dur.
P. f.
10. ibidem.
P^hhfB
EfiYT^VtraaEa
11. ib. 2. Satz.
f: p:
iife^tea
¥f
e^pf^
12. Jommelli, Sinfonia i^-dur.
jwa
jpta
Auch die ausdruckliche Notierung des >cresc.« kommt b ere its bei
Hasse uud Jommelli vor (bei letzterem bekanntlich sehr oft, u. a. auch
in deu hier ofters zitierten Sinfouieeu der k. Bibliothek Berlin, bei ersterem
in der >S. Elena al Calvario« und in der >Religione trionfante«). Beide
Meister macben auch vom >rinforzando« Gebrauch1), Hasse in der »Religione«
ofters vom >decres.< Doch wird man auf diese Prioritaten nicbt allzuviel
Gewicht legen durfen, hat doch die ausdruckliche Notierung des > crescendo*
nichts mit der Manier zu tun. Eine groBere Genauigkeit in der Vortraga-
bezeichnung war ja bei den diskursiver veranlagten Deutschen ohne weiteres
geboten. Venn dagegen die Italiener das >cres.« auch nur ausnahmsweise
notieren, so sprechen doch schon psychologische Grunde dafiir, daB sie, die
in der Komposition so prachtige Steigerungen aufbauten, diese auch dynamisch
auszupragen wuBten. Vie unertraglich hatte auf die Dauer eines Abends
der fortwiihrende Vechsel zwischen den F. und p. wirken mussen, die die
italienischen Partituren aufweisen! Aber keine von den vielen Streitschriften
iiber franzosische und italienische Musik, die sich liber jede Kleinigkeit auf-
hielten, erwiihnt etwas davon. Und wir niuBten allerdings die Italiener des
18. Jahrhunderts furMenschen ohne Nerven, fur vollkommene Banausen halt en,
wenn sie all die ruck- und stoBweisen Vortragszeichen ohne verbindende
crescendi und decrescendi ausgefiihrt hiitten: dazu aber haben wir, gerade
fiir diese Zeit, kein Recht. Wen jedoch diese SchluBkette nicht uberzeugen
sollte, fur den sei noch das mitgeteilt, was im Jahre 1739 der President
de Brosses in seinen »Lettres familieres«2) iiber die italienischen Duette
1) cf. Mennicke, Hasse und die Bruder Graun als Svmphoniker, Leipzig 1906,
S. 321.
2 Le President de Brosses en Italic Lettres familieres ... ed. M. R Colomb,
Paris 1868, II. p. 382.
Lucian Kamienski, Mannheim und Italien.
311
schrieb : » Ccst [soil, dans les duos) surtout que les toix, ainsi que les violons,
cmploient ce clair-obscur, cc renflement insensible du son, qui augmente de force de
note en note, jusqu ]au plus haut dcgre^puis revient u une nuance exiremenient douce
et attmdrissante*. Danach haben wir anzunehmen, daB die fixierten Zeichen
nur ein Skelett, ein dynamischer GeneralbaB sind, den der intuitive Italiener
obne weiteres imstande war auszufullen. Natiirlich bleiben dann immer noch
viele wortlich wiederzugebende dynamische Kaprizen iibrig, wie unsere Bei-
spiele 1, 2, 4, 7 — 13 zeigen. Der moderne Musiker wird bei diesen AuBe-
rungen siidlichen Temperaments nicht vergessen durfen, daB dabei mit einem
viel leicbteren und flacberen Klange der Singstimme und der Streichinstru-
mente gereebnet ist, als wir ibn beute gewohnt sind.
Zu den >Mannbeimer Raketen«, wie Riemann die Themenbildungen
durch Auf- und Absteigen im Akkorde nennt, sei es mir gestattet, seine
eignen Worte zu zitieren: »Naturlicb kann man solcbe Anwendungen an sich
selbstverst'andlicher und musikaliscb nabeliegender Bildungen nicht als spezi-
fiscb mannheimerisch in Anspruch nebmen.« Es vertragt sich kaum mit
dieser AuBerung, wenn Riemann in seinem Aufsatze > Beethoven und die Mann-
heimer € im 13. und 14. Hefte des 7. Jahrgangs der »Musik« solche »Akkord-
Raketen* wiederholt als >besondere Liebhaberei der Mannheimer< fur Ein-
fliisse dieser Scbule auf Beethoven sprechen laBt. Beispiele akkordischer
Themenbildungen lassen sich selbstverstandlich auch aus der italienischen
Musik zu Hunderten beibringen, es mag indessen geniigen, wenn auf die
vollige Internationalist dieses Kunstmittels hingewiesen wird.
Mit einigem Rechte nimmt dagegen Riemann fur Mannheim in Anspruch
die Verzierung eines Tones durch diatonische Bewegung bis zur
Terz und wieder zuriick. Allerdings ist Stamitz nicht der E Hinder dieser
Floskel, sie findet sich nicht nur sehr oft bei Jommelli, sondern auch bei
alter en Italienern. Trotzdem muB man zugeben, daB sie nicht so allgemein
tiblich ist wie die ubrigen angeblichen Mannheimer Manieren. DaB darum
die Mannheimer Sinfonieen >schnippischer«, »tandelnder« waren als die
italienischen, wird man kaum sagen konnen: grassierten doch in Italien wo-
rn oglich noch mehr »schnippische Tandeleien«, nur eben gerade nicht in
diese melische Formel gebannt. Ich gebe einige Beispiele, in denen diese
Floskel bei Vor-Mannheimern gebraucht wird, doch mit dem ausdrucklichen
Bemerken, daB es sich um keine italienische Manier handelt.
14. Caldara, S. Elena di Calvario.
Aria »A1 fulgor di queata face«.
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15. Galuppi, Berenice.
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16. Jomelli, Sinfonia (7-dur.»
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312
Lucian Kamienski, Mannheim und Italien.
17. ibidem, 2. Thema.
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>Der kurze Doppelschlag (Mordent) mit vorausgeschickter Ober-
sekunde iiber isolierten Notenc gehort wiederum vollig in den Bereich
der Italianismen. Beispiele:
Hasse, II Cantico dei tre fanciulli.
Jommelli, Sinfonia Z>-dur, 3. Satz.
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rt» - /or - - - - /or. assai
Die Stauung und »kiinstliche Hemmungc von Schlussen in
der Art, wie die Riemann'schen Beispiele sie darstellen:
Stamitz, C-dur-Trio, 1. Satz.
Stamitz, ^1-dur-Trio, 2. Satz.
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haben allerdings etwas Eigenttimliches. Die italienische Schluflstauung ist
anders geartet: sie spannt den Dominant- oder einen andern Septimen-Akkord
oft gewaltig weit, bis die Aunoaung in den Quartsextakkord oder die Tonika
erfolgt und den schnellen Abfall zur Kadenz, auslost. Z. B.:
Hasse, Flotenkonzert //-moll, 1. Satz.
In den zitierten Mannheimer Beispielen reicht dagegen die Hemmuug bis
in die Kadenz binein. Doch kommen solcbe Schlusse zu selten vor, am der
gunzen Scbule ein Stigma zu geben. Die meisten Mannheimer Schlusse sind
gut italienisch und konnen auf Neuheit keinen Anspruch machen.
Die in Mannheim ofters vorkommenden, von Biemann betonten Ian gen
Theme nkopfe, denen dann meisthin eine schnelle Bewegung folgt, eine
Lucian Kamienski, Mannheim und Italien.
31?
Spannung and Losung im Thema, sind ein zu alien Zeiten nachweisb&rer
Gemeinplatz, der natttrlich auch in der italienischen Musik des 18. Jahr-
hunderts nicht fehlt. Ich glaube aber sowohl in diesem wie in noch einigen
andern helanglosen Fallen auf Belege verzichten zu dtirfen mit demselben
Hinweis, den ich bei den »Mannheimer Raketen* machte. Nur zu den
Mannheimer Tremolis » mit herausspringenden Funken* seien ein
paar italienische Gegenstticke zitiert:
Hasse, II Cantico dei tre fanciulli.
Aria >Neghittoae « .
ibidem.
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asse, Leucippo. Sinfonia,
Jommelli, Sinfonia G-dur, 1. Satz.
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for.
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p*a.
Jommelli, Sinfonia D-dur, 1. Satz.
Ich komme nunmehr zu derjenigen Manier, die Riemann fur den Kern
des » Mannheimer gout* ansieht, und gegen deren Monopolisierung bereits
Heufi in seinem Aufsatze Stellung genommen hat. Mogen die Noten sagen,
was dazu zu sagen ist. Zuvor sei nur noch bemerkt, da£ weitere Beispiele von
>Mannheimer Vorhalten« in Italien mit vollen Handen geschopft werden
konnen, und daB es sich im wahren Sinne urn eine italienische Manier,
d. h. eine ohne weitere Veranlassung und oft sogar ohne innere Berechtigung,
jedenfalls aber ausgiebig gebrauchte Formel handelt. Uber den italienischen
Ian gen Vorhalt, wie er den weitesten Kreisen durch die Werke Handels
bekannt geworden ist, und uber die damit zusammenhangende Neigung des
Italieners zum Portamento, namentlich in der Kadenz, brauche ich wohl kein
Wort zu verlieren. Der angebliche »Mannheimer Seufzer« aber ist im
Grunde nichts anderes als ein nxiertes Portamento:
21*
314 Lucian Kamienski, Mannheim und Italien.
Vinci, Sinfonia D-dur.
Leo, S. Elena al Calvario.
Aria »In te s'ascosec.
^Sto^n^ f i g f ijgj
Hasse, Danielle
Aria »Trono e scettro*.
Xrhjji Witt?
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ibidem.
Aria >Compiacer e lnsingar«.
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^BV^-j^Tf^
Hasse, Serpentes in deserto.
Aria >Coeli audite*
nrtr e i gd Wri Ptf # i fr 'r ui
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lam pa - ra_
ibidem, Aria > Dolor e pleni*.
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Hasse, II Gantico dei tre fanciulli.
Aria >Tutte all' invito*.
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ib., u. Serpentes
Sinfonia, 1. Satz,
Lucian Kamienski, Mannheim and Italien.
315
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Hasse, S. Elena al Galvario.
Aria »Baggio di luce*.
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Hasse, Flotenkonzert A-moll, 2. Satz.
ibidem.
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ib., 1. Satz.
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ib., 3. Satz.
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Carcani, Trio Z>-dur.
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Jommelli, Sinfonia (7-dur.
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316 Lucian Kamienski, Mannheim und Italien.
Ich glaube, diese wenigen Beispiele gentigen, urn klarzustellen, dafi zwi-
schen dem Stil der Mannheim er Sinfonieen and allem, was vorher komponiert
wurde, namentlich dem vorherrschenden italienischen Geschmacke, durchaus
keine Kluft besteht. Zum Beweise, dafi diese Beispiele nicht etwa sorg-
faltig herausgelesene Einzelfalle sind, sondern wesentliche Stileigentumlich-
keiten darstellen, mache ich darauf aufmerksam, daB schon in so wenigen,
auf gut Gltick herausgegriffenen Exempeln die einzelnen Manieren sich ver-
quicken: verschiedene von diesen Belegen konnen geradezu als typisch fur
zwei und mehr Manieren zugleich bezeichnet werden.
Es bleibt danach wenig vom Mannheimer Stil Ubrig, was* nicht auch
italienischer Stil ware, von > Mannheimer Seufzern*, » Mannheimer Rake ten*
u. dgl. wird man schwerlich mehr reden dttrfen. Die beiden zur Not iibrig-
bleibenden Merkmale (der Terz-Mordent und m. E. die Stamitzische SchluB-
hemmung) sind kaum mehr als lokale und individuelle Besonderheiten , auf
einen historisch bedeutenden >gout< diirfen sie jedenfalls keinen
Anspruch machen. "Wie ist aber dann der Brief Leopold Mozarts zu er-
klaren, an dessen Kompetenz auch Heufi nicht zu rutteln wagt? Ich meine,
wo Noten und Theorie in Kollision kommen, soil man ohne Bedenken den
ersteren glauben, sind sie doch das Urspriingliche , Originare. Es handelt
sich um ein Objekt, liber das ein Zeitgenosse immer leichter falsch als richtig
urteilt, es sei nun Leopold Mozart oder wer sonst. Die gelegentlichen
AuBerungen einiger Zeitgenossen iiber einen » Mannheimer gout* zwingen
ebensowenig zur Annahme eines besonderen, neuen, charakteristisch in sich
geschlossenen Stils wie etwa heute das Gerede einiger schlagwortsiich tiger
Tageskritiker iiber » Berliner Musikstil* zu der Annahme eines wirklicben
aktuellen Berliner Stils berechtigt. Man wird gut tun, hier, wo das Noten-
material so reichlich vorhanden ist und eine so unzweideutige Sprache redet?
die Mozart'sche AuBerung, fur die keine Begriindung zu finden ist, auf sich
beruhen zu lassen.
So wenig der vorstehende Versuch dem Kenner neapolitanischer Musik
Neues sagen kann, hielt ich es doch fur wichtig und notig, die Abhiingig-
keit der Mannheimer Komponisten von Italien aufs nachdriicklichste zu be-
tonen. Denn die Verkennung von Mannheims musikhistorischer Bedeutung
beginnt bereits in weiten Kreisen Verwirrung anzurichten , zumal eine Ka-
pazitat wie Hugo Hiemann ihr Sprecher ist. Es sei fern von Uns, die tat-
sachlichen Verdienste der Mannheimer Schule schmalern zu wollen: Neben
ihrer teilweise hohen kunstlerischen haben die Mannheimer Sinfonieeo
auch ihre historische Bedeutung, sie haben den von den Italienern — die
ja par excellence Vokalkomponisten waren — ubernommenen Stil erst recht
eigentlich ins Instrumental iibertragen, sie haben mehr deutsche Ele-
mente in die Homophonie der italienischen Sinfoniemusik gebracht, vor allem
imitatorisch interessantere Durchfiihrungen und pragnantere zweite Themen,
doch von einschneidenden Neuerungen kann bei ihnen keine Rede sein.
Stilistisch wie auch formal segeln sie vollkommen im neapolitanischen Fahr-
wasser und unterscheiden sich von der zeitgenossischen und voraufgehenden
italienischen Schreibart nur durch solche Merkmale, die den Deutschen dem
Italiener gegenuber immer und notwendig charakterisieren miissen. Wer
einmal in Scheibe's >critischem Musikus« herumgeblattert hat, weiB auch
ohne Kenntnis des Notenmaterials von der Pravalenz des » italienischen Styls<
in Deutschland in der ersten Hiilfte des 18. Jahrhunderts, weiB, daB damals
Max Seiffert, Curt Sachs: Musikgeschichte der Stadt Berlin usw. 317
>die deutsche Musik das meiste yon den Auslandern entlehnet hat, und sich
nur durch eine fleiflige Arbeit, regelmafiige Ausftihrung der Satze und duroh
die Tiefsinnigkeit unterscheidet , die sie in der Harmonie anwendet.« Die
Verzeichnisse der Opern- und Oratorienauffiihrungen in Deutschland belehren
una, dafi bis ins letzte Yiertel des Jahrhunderts hinein Italien auf diesen
Gebieten die vollige Oberhand hatte, Oper und Oratorium aber iibertonten
damals alles, was sonst komponiert wurde, wie das tiberwiegende Interesse
beweist, das ihnen die im Entstehen begriffene musikalische Zeitschriften-
literatur entgegenbringt. Pie Herrschaft des italienischen Stils war um so
grofler, als in erster Keihe gerade deutsche Meister wie Hasse, Graun und
der Hamburger Bach ihn ihren Landsleuten vermittelten. Kein Wunder,
dafi sowohl die Mannheimer wie die Wiener Sinfonieschulen einschliefilich
der »Klassiker< in seinem Banne aufwuchsen.
Es ist natiirlich kein Grund vorhanden, sich der starken italienischen
Einfltisse auf die deutsche Musik des 18. Jahrhunderts und die Wiener
Klassiker zu schiimen, im Gegenteil, wenn an der s wir sie »an ihren Eriichten
erkennen sollen«, sind sie der denkbar beste Samen gewesen, der auf deutschen
Boden fallen konnte, alle deutschen musikalischen Grofimeister, Schtitz, Bach,
Handel, Hasse, Haydn, Mozart, Beethoven, Wagner, sie alle und zahllose
kleinere Meister sind von Italien befruchtet worden. Deutschland sollte
darum vielmehr mit Dankbarkeit nach Italien blicken, dem es so viel Initiative
verdankt, ebenso wie Italien nach Deutschland, das die italienischen Propheten
erfullt hat. Die Aufgabe ktinftiger Eorschung wird es danach sein, mit der
»pars pro toto«, sie heifle nun Mannheim oder Wien, aufzuraumen, und statt
in einer unerquicklichen Guerilla um Einseitigkeiten unnotig Krafte zu ver-
geuden, den Stil der Wiener Klassiker an Italien und sonderlich Deuts ch-
it alien anzuknlipfen.
Curt Sachs; Musikgeschichte der Stadt Berlin bis zum
Jahre 18001).
Besprochen von Max Seiffert (Berlin).
Wer das neue Buch von Sachs zur Hand nimmt, tut gut, von vornherein
seine Erwartungen nicht zu hoch zu spannen. Was der stolze Haupttitel
verheiBt, erfullt der Buchinhalt nicht. Weit entfernt von der Absicht, den
WellenBchlag der allgemeinen Musikgeschichte in der aufstrebenden nord-
deutschen Haupt- und Residenzstadt zu beobachten, die eigenartigen Erschei-
nungen des musikalischen Lebens am Hofe, in Kirche, Schule und Haus
einzeln in ihrer Entwickelung zu verfolgen und historisch zu bewerten, be-
schrankt sich Sachs darauf, das st'adtische Musikwesen Berlins bis 1800
in seiner iiufieren Gliederung zu beschreiben. Seine Darstellung erstreckt
sich nicht weiter, als es der Untertitel besagt: »Stadtpfeifer, Kantoren und
Organisten an den Kirchen stadtischen Fatronats nebst Beitragen zur allge-
meinen Musikgeschichte Berlins >.
Sieht man von der ungerechtfertigten Fratension des Haupttitels ab, so
darf das Buch im ganzen als ein erfreulicher Zuwachs zu den bis jetzt nicht
1) Berlin, Gebriider Paetel, 1908. 225 S. 80, 8 Jt.
318 Max Seiffert, Curt Sachs: Musikgeschichte der Stadt Berlin usw.
allzu reichlich vorhandenen lokalgeschichtlichen Forschungen willkommen ge-
heiBen werden. Es tritt den fruhereri Darstellungen Friedlaender's (Do-
kumente zur Geschichte der kurfurstlichen Kapelle zu Berlin), Schneider's
(Geschichte der Oper und des Kgl. Opernhauses zu Berlin) und v. Le de-
bur's (Tonkiinstler-Lexikon Berlins) erganzend und berichtigend zur Seite,
indem es auf die Organisation des stadtischen Musikwesens den Blick
lenkt. Mit anerkennenswertem FleiBe hat Sachs die archivalischen Quellen
aufgesucht und durchgearbeitet: die stadtischen Rechnungsbucher , die Hats-
protokolle, die Btirgerbticher, die auf Kirch en und Schulen beziiglichen Akten.
Die Darstellung der Ergebnisse ist klar und ubersichtlich angelegt. Die
Dienst- und wirtschafUichen Yerhaltnisse der Stadtpfeifer, Kantoren und
Organisten gehen voran; ihnen folgen biographische Notizen iiber die ein-
zelnen Manner, chronologische Tabellen schlieBen sich an, Nachpriifung alles
Oesagten verstatten die im Anhang vollstandig mitgeteilten Aktenauszuge,
mehrere Register endlich ermoglichen das bequeme Auffinden aller Details.
Des Nutzens, den jede Archivforschung mit sich bringt, erfreuen wir uns
auch in diesem Falle. Es kommt eine Menge unbekannter Namen wieder
ans Tageslicht, bei bekannten vergroBern sich die Spuren ihrer einstigen
Tatigkeit, langst vergessene Yerhaltnisse treten fur die vergleichende For-
schung wieder in einen bestimmten Gesichtswinkel.
Neben diesen Vorztigen fehlt es freilich auch nicht an erheblichen M angel n.
So erscheinen mir die Verhaltnisse der Stadtpfeifer in der ersten Zeit noch
nicht genligend geklart. S. 26 behauptet Sachs, daB der Name » Stadt-
pfeifer « zum ersten Male 1607 vorkomme, wahrend die Regesten Nr. 7 ihn
bereits fur 1590 bezeugen (vgl. auch Nr. 2 von 1573). Der altere Name
war >Hausmann«. Daneben gebraucht Sachs von S. 30 an ohne weitere
Erklarung in gleicher Bedeutung die Bezeichnung »Kunstpfeifer«, die ich
aktenmaBig von 1629 an nachweisen kann. Ich halte es zunachst fur frag-
lich, ob Stadt- und Kunstpfeifer als identisch zu betrachten ist. Neben den
Stadtpfeifern gab es anderwarts, z. B. in Leipzig und Hamburg, noch andere,
gleichfalls organisierte Spielleute, die geringere Rechte und Einkiinfte be-
saBen, aus deren Beihen aber Abgange bei den Stadtpfeifern ersetzt warden.
In Leipzig hieBen diese »Kunstgeiger«. Ahnliches kann sehr wohl auch in
Berlin der Fall gewesen sein.
Bei der Biographic des Kantors M. H. Fuhrmann (S. 193 ff.) hatte
Sachs sich die kleine Muhe nicht verdrieBen lassen sollen, dessen Schriften
etwas genauer anzuschauen. Sie enthalten doch manches, was seiner Dar-
stellung Milieutreue hatte geben konnen. Ich hole diese Yersaumnis nach.
Aus der »Musicalischen Strigel* geht hervor, daB Fuhrmann bereits als
Gymnasiast 1690 in Berlin gewesen ist. Er erzahlt hier S. 22:
>Al8 ich noch 1690 in castris Musanim B. als ein gregarius miles dienete, war
daselbst die bestandige observa?ix, daB wenn einer von uns Commiliiibus veterams
nach Athen an der Pie i Be [Leipzig], oder an der Saal &c. [Halle] zog, die zurQck-
bleibende dem weggehenden zu Ehren einen Bogen Verse drucken liessen, welche
zumahl wenn es Teutsche, mancher von uns Mu6icis in eine Musicalische Arie oder
Synfonie einkleidete, und solche Composition vor dem Druck dem Cantori zur Censur
ubergab, und ward diese Aria alsdenn bey der Oratione Valedictoria des abgehen-
den, praescntibus Collegis superioritms in prima Classe musicirt. Ich habe zu der Zeit
mit meinen CommiUtonibtis Musicis unserm damal. Cantori Mariano, M. P. H. manch
elaborirt Exercitium Musicum zur Censur gebracht, welches er uns (ungeachtet der
seelige Mann instar Midi Mariani den gantzen Tag seine voile Arbeit hatte) auch
Max Seiffert, Curt Sachs : Musikgeschichte der Stadt Berlin usw. 319
gerne durchsahe und emendirte, so ihm noch zum Ruhm in der Gruben nach-
schreiben muB.«
Kantor an St. Marien war zu der Zeit Magnus Peter Henningsen. Somit
kann mit der Musenstadt nur Berlin gemeint sein. Weitere Bestatigung
erfahrt diese Tatsache durch eine andere Stelle derselben Schrift (S. 21),
wo Fuhrmann des Nikolaiorganisten Fr. Gottlieb Klingenberg riihmend
gedenkt:
»Ich habe auf solche Art vor andern dem Stettinischen Orpheus an der St.
Jacobi Eirchen (als er noch bey uns in Berlin war) dem theuren Herrn Klingen-
bergen in meinen Schuler-Jahren mein wenig Clavir-Spielen vom blossen Zuhbren
des Sonntags mehr abgeetohlen als abgelernet, weil andere Arbeit mich von dessen
Privat'Information abhielte. Und habe Anno 1695, da ich von meiner Soldinischen
Orgel zum Cantorat wieder in Berlin kam, und ihn zuweilen auf der Orgel httren
konte, mich alsdenn so glticklich geschatzt .... Denn wenn er auf die Orgel kam,
so hOrete man wunder, alles war Geist und Leben, wie bey alien Music- Verstan-
digen hier noch in unvergeftlichen Andencken.<
Diese AuBerung Fuhrmann's durfte bei der Erwahnung Klinge nb erg's
-(Sachs S. 163) ebensowenig iibergangen werden, wie der Nachweis, daB dieser
«in Schuler Buxtehude's war (Fuhrmann, »Satanscapelle«, S. 32).
Von Berlin ging Fuhrmann auf die TJniversitat Halle, wo er 1692 Z a chow
oft in der Kirche spielen horte (»Satanscapelle«, S. 55).
Musikgeschichtlich von Interesse ist endlich Fuhrmann's Bemerkung im
•Musicalischen Trichter*, S. 78:
» . . . wie ich denn an nieinem wenigen Ort gern die 1. Violin zum wenigsten
zweymal besetzt oder mit einer Hautbois zu beseem Nachdruck sccundiren lassen
pflege.«
und seine Erzahlung yon dem Auftreten der Veldischen Schauspielertruppe
in Berlin ( » Satanscapelle « S. 77) und von seiner Beise nach Leipzig, wo er
Seb. Bach horte (ebenda, S. 32).
Das Berliner Magistratsarchiv gewahrt hinsichtlich des 16. und teilweise
auch des 17. Jahrhunderts nur diirftige Ausbeute. So wundert man sich
nicht, wenn die Tabellen da erhebliche Liicken aufweisen, die Zeitgrenzen
nicht immer genau gegeben werden und hinsichtlich der Zugehorigkeit ein-
zelner Personen Bedenken bestehen bleiben. Aber man mufi es Sachs als
eine schwerwiegende Unterlassung anrechnen, daB er die Benutzung der-
jenigen Hilfsmittel 'versaumte, die in alien Fallen solchen Versagens voll-
standige Klarheit verschaffen konnten. Sachs hat die samtlichen Per-
sonallisten der Kirchen, die Tauf-, Trau- und Totenregister
nicht benutzt. An St. Nikolai beginnen die Tauf- und Totenbiicher 1583,
die Traubiicher 1650, an St. Marien die Trau- und Totenbiicher 1583, die
Taufbucher 1598, die Tauf- und Traubiicher der Garnisonkirche 1672, die
Totenbiicher 1708, die Traubiicher der Petrikirche 1680, in der Parochial-
kirche 1703 usw. Man kann aufschlagen, wo man will: uberall sind auch
die Musiker mit Freude und Leid ihres Familienlebens anzutreffen. Die
Xirchenbiicher erzahlen uns alles, was die die Magistratsakten gefuhllos ver-
schweigen. Es kann meine Aufgabe nicht sein, hier das von Sachs Ver-
saumte nachzuholen. Nur an einzelnen Beispielen, die mir bei gelegentlichem
Suchen nach anderen Dingen zufallig gerade in den Weg kamen, mochte ich
zeigen, wie reich an positiven Ergebnissen fur Sachs diese Untersuchung
hatte werden konnen.
320 Fr. Ludwig, Joh. Wolfs Ausgabe der Welti. Werke H. Isaac's
Yor Paul Nieresen fiihre ich zwei nicht genannte Stadtpfeifer an: die
Witwe des sel. Meister Heinichen, des Kunstpfeifers wird am 2. Febr.
1629 begraben, im Jahre 1634 stirbt dem Kunstpfeifer David ein 'Kind
(St. Nikolai).
S. 151 reiht Sachs unter den ersten Nikolaikantoren Andreas Fischer
ein, der 1588 zuerst in den Magistratsakten genannt wird. Die Kirchen-
blicher verzeichnen dagegen eineu Andreas Fischer, Organist an St. Marien,
der am 26. Mai 1623 heiratete. Die Richtigkeit der Angabe bestatigt das
Taufregister von 1639. Bei Anlegung dieses Bandes waren Kirch enbeamte :
der Kantor Christopher Hiibner Latidsbcrgensis und der Organist Andreas
Fischer Berolinensis. Hiibner (Sachs S. 167) starb am 25. Dez. 1646 (Register
von St Marien). Am 28. Dez. 1648 wurde begraben Balthasar Frembken,
Kantor an St. Georg; sein Nachfolger ist ein Buts (Busse) (Register von
St. Nikolai).
Und so geht es fort. Alle fehlenden Personalien sind auf diese einfache
Weise zu erganzen; mancherlei Beziehungen der Musiker untereinander und
nach auswarts (Taufregister) werden dabei noch aufgedeckt. Hatte Sachs
diesen Weg nicht gescheut, diirften wir uns eines Buches erfreuen, daa we-
nigstens die archivalischen Quellen iiber die stiidtischen Musiker Berlins er-
schopfte. So aber ist leider noch ein recht ansehnlicher, ja der wichtigste
Teil dieser Aufgabe zu leisten. Am besten ware es, der Verfasser machte
den Fehler selbst gut; die Sammelbande stehen ihm fur diesen Zweck gern
zur Yerfugung.
JoL Wolf's Ausgabe der Weltlichen Werke H. Isaac's*
Besprochen von Friedrich Ludwig (StraCburg i. E.).
Als 2. Band der im Rahmen der »Denkm'aler der Tonkunst in Osterreich* ge-
plan ten Gesamtausgabe der Werke H. Isaac's liegen jetzt Isaac's Weltliche
Werke (Jahrgang XLV, Teil 1, Wien, Artaria & Co. 1907, XV und 206 Seiten) von
Joh, Wolf sorgfaltig gesammelt und redigiert vor. Waren bisher in moderner Partitur-
ausgabe nur etwa die H'alfte der deutschen mit vollem Text iiberlieferten Lieder und
aus dem Umfang des sonstigen Schaffens Isaac's auf weltlichem Gebiet nur gans
wenige Proben zuganglich, so bringt die Gesamtausgabe der weltlichen Werke jetzt
nicht weniger als 22 Lieder mit deutschen Texten (unter ihnen 3 geistliche Lieder.
die hier mit Recht den iibrigen deutschen Liedern gleich angegliedert sind), 6 mit
franzosischen , 10 mit italienischen und 5 mit lateinischen Texten; ferner 41 Satze,
denen in der tberlieferung nur der Textanfang oder eine sonstige Bezeichnung als
tjberschrift mitgegeben ist, und 17, denen auch diese Uberschrift fehlt, beide von
Wolf als Gruppe der >Instrumentalsatze« Isaac's zusammengefaGt; weiter 7 fragliche
AVerke und endlich 29 Orgel- und Lau ten tabu laturen , mit 2 Ausnahmen von Isaac1-
schen S'atzen, die die bedeutende Rolle zeigen, die Isaac >in der Hausmusik des
16. Jahrhunderts* spielte.
Die Hauptquellen fur die deutschen weltlichen Lieder sind von Druckwerken, wie
bekannt, Ott's Liederbucli von 1544, das auch die Texte unversehrt iiberliefert; von
Handschriften namentlich die Liederbiicher in Basel (F. X., 1—4), in Miinchen (Univ.-
Bibl. 328—331 , in Regensburg (Prosko D XII; und in Wien (cod. 18810; , in denen
leider der groCte Teil der meist vierstimmigen Siitze des vollstandigen Testes er-
mangelt, so daG diese Werke dann als Instrumentalstucke erscheinen, was sie ihrer
Anlage und ihrer urspriinglichen Bestimmung nach in der Kegel nicht sind; somit
Fr. Ludwig, Joh. Wolfs Ausgabe der Welti. Werke H. Isaac's. 321
fcind sie fur uns in ihrer reinen urspriinglichen musikalisclien Form nicht erhalten und
meist nicht mehr herstellbar.
Die wenigen franzosischen Lieder iiberliefert fast alle die schon von Kade zur
Herausgabe einiger Isaac-Stiicke benutzte pracbtige Florentiner Handschrift Magi. 19, 59,
die im ubrigen eine Reihe textloser und 12 auch titellose Xompositionen beisteuert,
von denen bisher nur 2 (in Wolfs Ausgabe E 3 und 26) sich aus anderen Quellen
wenigstens ihrer Uberschrift nach bestimmen lieCen.
Die italienischen Lieder, unter ihnen ein Text von Poliziano und einer von Lo-
renzo M agnifico, stehen meist in der leider durch Wasser stellenweis sehr beschadigten !)
Handschrift Magi. 19, 141, von deren origineller Schriftanordnung (die Sanger muBten
beim Einuben der Lieder einander gegeniiberatehen) E. Levi (Lirica Ital. antica 1906,
S. 219) eine Faksimileprobe gibt. Auf Wolfs bemerkenswerten Nachtrag, besonders
die italienischen Quellen betreffend (Zeitschrift 8, 360 f), brauche ich die Leser dieser
Zeitschrift nur hinzuweisen.
Die lateinischen Ges'ange sind die beiden schonen Trauermotetten auf Lorenzo's
Tod 1492, vor allem im Codex Magi. 19, 68 iiberliefert, der Prachtstucke der* ernsten
Kunst namentlich aus dem Ausgang des 15. Jahrhunderts enth'alt, wie sie in Florenz
gepflegt wurde, freilich fast ausschlieClich Werke von Nicht-Italienern — (Der Text Quis
dabit capiti meo aquam, dessen Anfang sich an Jeremias 9, 1, liturgisch als Respon-
aorium in Dominica Passionis verwendet, und an eine bekannte mittelalterliche Marien-
klage Chevalier, Repert. hymnol. No. 32569 anlehnt, stammt von Polizian; vgl. die
Ausgabe der Prose volgari Polizian's von del Lungo 1867, S. 274 und A. v. Reumont,
Lorenzo de' Medici II2 S. 424. Der Text Quis dabit pacem popido, iiber den die ge-
nannte Handschrift auch eine leider nur textlos aufgezeichnete Komposition de la
Rue's enth'alt, ist bis quiescant Vers 1541 — 1546 und Vers 1580—1686 der Totenklage
des Chors um Herkules in dem unter Seneca's Namen uberlieferten Herkules Oetaeus
entnommen;— ; ferner zwei auf Maximilian bezugliche Werke aus der Baseler Isaac-Hand-
schrift F. IX. 55 ; endlich eine auf bekannte weltliche Motive aufgebaute Motette der
Florentiner und einer St. Galler Handschrift Substinuimus pacem, die besser fur den
Motettenband aufgespart geblieben ware, da ihr Text, der ubrigens mehrfach koxnpo-
niert ist — bis peccafa nostra ist es der Text eines Jeremias 14, 19. 20 entnommenen
Responsoriums — keine historischen Beziehungen voraussetzt.
AuCer den beiden Lorenzo -Motetten, deren Uberlieferung auch in der Hand-
schrift Cortona Wolf S. 171 mit V versieht, steht in Cortona auch eine Komposition
von Substinuimus , hochstwabrscheinlich Isaac's Werk iiber diesen Text. Zu der
Sopran- und Altstimme Cortona 95 und 96 ist, was Wolf uberaieht, auch das Tenor-
heft bekannt. Es ist die Handschrift Paris Bibl. nat., nouv. acq. fran£. 1817; vgl.
O. Grober. >Zu den Liederbiichern von Cortona< in der Zeitschrift tiir romanische
Philologie XI (1887), S. 371 ff., wo der gesamte Text der Pariser Handschrift abge-
druckt ist und in der Einleitung dazu eine Anzahl verwandter Handschriften nach
ihrer inhaltlichen Seite genauer untersucht sind.
Unter den textlos uberlieferten Kompositionen befindet sich eine im Vergleich
znm kleinen Repertoire der franzosischen textlich ganz erhaltenen Lieder auffallig
grofie Zahl von Werken mit franzosischen Textanfangen, mindestens 18 unter 41, die
erg'anzend zu jenen treten und zeigen, wie intensiv sich Isaac auch auf dem Gebiet
der franzosischen Chanson bet'atigte. der altesten und am meist en international ge-
pfiegten weltlichen Kunstform jener Zeit.
*) So fehlt zu den beiden Oberatimmen f. 58 verso Lasso quel cKaltri fugge mit dem
folgenden Blatt der Kontra; die von Wolf S. 187 miteeteilte, mit den Oberatimmen nicht
zu vereinigende Kontrastimme gehort somit nicnt dieser, sondern der folgenden
Komposition an, deren Oberatimmen auf der verso-Seite des verlorenen Blattes standen.
— Was die andere mit der gleichen Bemerkung nur im Anhang S. 179 abgedruckte
Stimme zu Ein frolich wcsent angeht, so ist nur ihre Transposition um eine Quart
nach unten no tig, um sie dem an sich selbst'andigen dreistimmigen Satz einzufiigen.
— Der Tenor von Es wait ein meydlein ist nach J. Richter, Kat. der Musiksamml.
auf der Univ.-Bibl. Basel (1892) S. 63 auch in Basel F. X. 21 f. 67' mit dem Kompo-
nistennamen iiberliefert.
322 Fr. Ludwig, Joh. Wolfs Ausgabe der Welti. Werke H. Isaac's.
Wahrend die feinen gliicklich erfundenen italienischen Lieder in der Regel in
Melodie und Satz ganz Isaac's Eigentum sind, verwenden die deutschen und franzo-
sischen Kompositionen bekanntlich in grofiem Umfang viel benutzte, vielfach altere,
zum Teil volkstiimliche Weisen, iiber die nahere Angaben in einer kritischen Ausgabe
erwiinscht sind. Fur die deutschen Melodien konnte sich Wolf dabei auf den Hin-
weis auf die vortrefflichen Publikationen dariiber (Eitner, Publikationen der Gesell-
schaft fiir Musikforschung IV und Monatsbefte 37; Bohme, Altdeutsches Liederbuch;
Erk-B6hme, Deutscber Liederbort usw.) beschranken. Fiir die franzosischen und die
wenigen italienischen, die in diese Gruppe gehoren, fehlt es an den notigen Vor-
arbeiten leider noch fast ganz. Um so dankenswerter sind die gelegentlichen Hin-
weise. die in Publikationen wie der vorliegenden oder der Ausgabe von Werken aus
den Trienter Codices im AnschluB an einzelne hier edierte Stiicke gegeben werden
und die meines Erachtens in Anbetracht der schweren Zuganglichkeit des Materials,
das in der Hauptsache handschriftlich, namentlich in Florenz und Paris, oder in ebenso
schwer zuganglichen friihen Drucken iiberliefert ist, noch reichlicher h'atten ausfallen
konnen.
Willkommen wird die Einsicht in diese Wechselbeziehungen der Werke verschie-
dener Meister untereinander gefordert durch den im Revisionsbericht gegebenen Ab-
druck yon 3 Liedern aus Paris nouv. acq. franc.. 4379 [J'ay pris amours, Fortuna de-
sperata und Tart ara], deren Beziehungen zu den entsprechenden Isaac'schen Kompo-
sitionen Wolf hier im einzelnen darlegt.
Zur *MarUnella< (nach Wolf S. XII : >H'ammerchen«), iiber die schon gelegentlich
der Herausgabe der gleich betitelten Komposition Martinis aus den Trienter Codices
Denkm. VII, 288) einiges erwahnt ist, bemerke ich, daC die Florentiner Kampfes-
glocke so hiefi (vgl. z. B. R. Davidsohn, Geschichte von Florenz II, 1, 1908, S. 414).
Von Quellen ist fiir diese Gruppe von Kompositionen auCer den schon genannten
namentlich eine romische im Archivio della Cappella Giulia aufbewahrte Handschrift
von Wichtigkeit, die bisher nur aus Notizen HabeiTs und VogeFs, aber mit unge-
nauer Angabe der Aufbewahrungsstelle, bekannt war (Vierteljahrsschr. 3, 252 u. 4, 529).
Ihr Eroffnungsstuck Palle palle gibt Faksimile II wieder. Der von Wolf S. 195 als
>anscheinend nicht erhalten* bezeichnete Text dieses Liedes ist von Al. d'Ancona
wieder aufgefunden und 1878 veroftentlicht (La poesia popolare italiana S. 55 f.) ; es
ist ein Preislied auf die Wahl des Kardinals Giovanni von Medici (Leo's X) zum
Papst 1513.
In der Einrichtung der modernen Partitur, die die Originale philologisch mog-
lichst genau wiedergeben will, schlieCt sich Wolf der in den Denkmalern ublichen
Editionsweise an in der Beibehaltung der originalen Schliissel, in der Wiedergabe in
unverkurzten Notenwerten und in der meist nur sparlichen Zufiigung von Alterations-
zeichen iiber der Zeile; in der Freihaltung offenbar instrumental gedachter Unter-
stimmen von Textunterlage folgt er dagegen mit Recht den Ergebnissen der neueren
Forschung.
Endlich die letzte Abteilung der Ausgabe sammelt besonders aus Kleber's und
Kotter's Orgeltabulaturbiichern und Newsidler's, Heckel's und Ochsenkun's Lauten-
biichern die Tabulaturbearbeitungen Isaac'scher Werke, zu denen eine Reihe weiterer
Orgelintavolaturen und ein selbstandiges Orgelstiick aus der von A. Thiirlings (Denkm.
der Tonkunst inBayern III, 2, S. XXIII, vgl. Anm. 2) entdeckten Handschrift St. Gallen
530 kommen, die Wolf im Anhang des nachsten Isaac-Bandes der osterreichischen
Denkmaler herausgeben will.
Herausgeber: Prof. Dr. Max Seiffert, Berlin AV., Gobenstr. 28.
Les Fondements naturels de la Musique Grecque antique.
Par
Jean Marnold.
(Paris.)
Cette etude est moins un resume d'ambition synthetique que l'expose,
sous forme de notes detachers, de recherches preliminaires prlparant un ou-
vrage homogene. On y suppose chez le lecteur la connaissance des elements
de la theorie musicale des anciens Grecs, telle qu'elle est presentee d' or-
dinaire d'apres les textes qui nous sont parvenus. Avec son principe fonda-
mental de la quarte divisee en titracorde, ses troia modes primordiaux phrygien,
dorien, lydien et la suprSmatie du dorien, ses trois genres diatonique, chro-
matique et enharmonique, son systeme parfait, ses systemes conjoint et disjoint,
sans compter les multiples rebus de see details et de sa terminologie, cette
theorie est faite pour deconcerter toutes nos conceptions ou habitudes. EUe
ne pent nous apparaitre qu'etrange, en sa complexity subtile. Si elle etait,
en outre et en reality, purement arbitraire, un simple fruit du caprice ou
de la convention, elle se rlvelerait impuissante a legitimer le role prepon-
derant de la Musique dans la vie publique et intellectuelle des Hellenes, son
titre et son rang d'Art supreme, et l'interet qui passionnait, pour cette thiorie
meme et ses speculations, des esprits tels que Pythagore, Platon, Aristote ou
Pericles, entre autres. Car tout arbitraire est oiseux. Les notes plus ou
moins sommaires ou incompletes qui suivent, conduisent a des conclusions
fort differentes. Quoiqu'elles se succedent separ^ment et comportent parfois
des digressions, elles fournissent une vue d'ensemble cbronologique et l'ossa-
ture d'une evolution qu'elles devoilent sous un aspect assez imprevu, et propre
a modifier la plupart des idees en cours sur la matiere en meme temps qu'a
elucider bien des enigmes.
Origin 68.
A l'egard de la musique grecque, c'est le probttme des origines qui se pose
avec les elements fondamentaux du systeme. Toute theorie, en effet, ne fut
jamais qu'une codification g^neralement tardive des procedes des artistes
createurs ou une interpretation speculative des combinaisons sonores realisees.
C'est done dans une pratique anterieure a la theorie consideree que nous
devons chercher l'explication de celle-ci. D'autre part, l'existence d'une
theorie implique, avec un art desormais systematise, une epoque eloigned deja
des primes origines. C'est done aux plus lointains essais de systematisation
rudimentaire, qu'il nous faudrait demander le secret de l'empirisme primitif
qui fut le germe, puis la base de la theorie subsequente. Or, c'est juste-
ment la que nous manquons de documents certains. Encore que fort h£texo-
s. d. mo. x. 22
324 Jean Marnold, Lee Fondemente naturels de la Musique etc.
gene, le total des textes que nous possedons sur la musique grecque est ce-
pendant considerable, mais le plus grave defaut de ces sources disseminees
et disparates est que les plus abondantes sont precisement les plus modernes.
La majorite* des auteurs sp^ciaux, dont il nous reste des traites theoriques,
appartient aux debuts de notre ere; le plus ancien et le plus celebre, Axis-
toxene de Tarente, ne remonte pas plus haut que la fin du IV* siecle avant
J.-C. Au dela, nous sommes prives de tout ouvrage nettement technique
et depourvus, a bien peu pres, d'informations contemporaines. Nous en
sommes r£duits aux vagues suggestions des Problemes d'Aristote, au Timet
et a quelques passages de Platon; en fin, pour tout le passe* qui precede, a
des renseignements £pars dans toute la literature antique, parmi les ceuvres
de savants, de philosophes, d'historiens, de poetes ou de compilateurs, ou
nous les trouvons relates quelquefois a pres de mille ans de distance. A
mesure qu'on recule vers les origines, l'histoire se transforme ainsi en legende
de plus en plus confuse ou contradictoire. Les explications qui se rappor-
tent a la pratique ou a la theorie de Tart musical nous semblent de plus
en plus equivoques ou demeurent impen6trables. Ceux qui nous les ont tranq-
mises les transcrivaient parfois sans peut-etre y comprendre grand'chose eux-
memes; ou bien, s'ils savaient de quoi ils parlaient, leurs lecteurs le sa-
vaient aussi, et ils ont neglige des details pour nous essentiels. Leurs com-
mentaires nous sont devenus quasiment lettre morte. Pour les entendre un
peu clairement, il nous faudrait connaitre precisement ce que nous y cher-
chons.
Les ecrits des theoriciens professionels nous sont plus intelligibles, mais
leur modernite relative fait de cet apparent avantage un danger. En effet,
le systeme qu'on y d^couvre, quoiqu'obscur et d6conoertant dans ses details,
peut nous paraitre assez aisement abordable au moins dans ses grandes lignes,
grace aux modes ecclesiastiques qui en derivent et dont la theorie s'est per-
p£tu£e longtemps dans notre musique occidentale. On passe sans effort de
Glareanus a Boece, de Boece a Aristide Quintilien ou Gaudence, on con-
tinue jusqu'a Euclide et Aristoxene, en rcncontrant un peu partout des de-
finitions analogues et des termes identiques. On est ainsi facilement en-
train£ a appliquer indistinctement , aux differentes phases d'un art dont
le developpement remplit plus d'une douzaine de siecles, un systeme com-
posite, fatalement un peu batard, base principalement sur des theories
redigees vers le declin ou apres la disparition de cet art; et on ne peut
guere s'etonner qu'on se heurte bientot, dans les textes, a des impossi-
bilites, a des contradictions ou se doive deployer l'ingeniosite' des paleo-
graphes. Enfin, et ceci est pis encore peut-etre, on en est inconsciemment
induit, y penetrant ainsi a rebours, a concevoir la musique grecque comme
une sorte de prolongement de la notre dans le passe; non pas, certes, qu'on
oublie laquelle a precede ou suivi 1' autre, mais on transporte a son insu
dans l'ancienne, avec notre terminologie courante, nos categories et nos defini-
tions familieres, nos habitudes ou prejuges, et on en est tout dispose a preter
sans le moindre embarras, meme aux plus immemoriaux devanciers, notre
experience et notre sensibilite actuelles. Les meTaits de cette illusion sont
cFautaut plus commodement efficaces, que, nulle autre part peut-etre, la rou-
tine ne fut cultivee avec une aussi opiniatre sollicitude que dans le voca-
bulaire et les enseignements de la theorie musicale. On ne saurait rever
plus infatigable rabacheuse. On retrouve aujourd'hui dans ses manuels des
Jean Marnold, Lea Fon dements naturels de la Musique etc. 325
expressions vingt ou peut-etre trente fois seculaires. Defmis le moyen age,
on y constate immuablement, outre la veneration tetue de regies perimees,
la persistance de definitions plus ou moins defigurees peu a peu, empruntees
a des conventions caduques ou leguees par un art disparu, l'emploi constant
•des memes mots, de termes techniques consacres, herites de la tradition sco-
lastique et adapts aux conceptions ou empirismes consecutifs. Si les pre-
scriptions du contrepoint de nos conservatoires different a peine, au fond, de
celles d'un Jean de Muris, apres comme avant celui-ci, les tradiments pytha-
goriciens de Boece ont survecu si longtemps dans les traites, que ce n'est
guere qu'au XVII* siecle qu'on les voit revetir enfin, chez les exegetes, un
caractere a peu pres historique. Je possede un petit ouvrage purement di-
dactique, reimprime en 1705, ou on peut reconnaitre encore les trois genres
des vieux Grecs sous le travestissement de « trois sortes de Chants', scavoir
le Diatonique, le Ckrotnatique et VEnharmonique*1). Les exemples d'erre-
ments routiniers de cette espece abondent, au surplus, dans la literature
scolastique ou historico-musicographique du XVIII* siecle. De tout temps,
les theoriciens se sont plagies sans vergogne, copies et recopies impertur-
bablement en faisant trop souvent etalage d'une inutile Erudition de cuistre.
Ceux de l'antiquite ne font pas exception a la loi gene>ale. lis s'attestent
les dignes ancetres de la corporation. Chez eux aussi, on lit et on relit
les memes definitions, ressass^es dans les memes phrases, 6noncees par les
memes mots. Seulement, de semblable facon que les mots diatonique y chro-
matique et enharmonique ont acquis d&ormais, dans notre theorie, un
sens precis bien different de celui qu'entendaient les Grecs, pareillement
l'identite de certains termes techniques ne saurait rien prouver ailleurs et,
bien loin de nous renseigner a priori, risque plutot de nous fourvoyer en
des analogies tendancieuses. U antiphonie de Hucbald et les sons anti-
phones des Hellenes trahissent peut-etre, par la denomination commune,
one filiation resile entre les concepts, sans que ceux-ci pourtant en soient
integralement assimilables et que leurs resultats dans la pratique ne puissent
meme avoir ete absolument dissemblables. En admettant que oo|xcptuv(a et
consonantia aient pour equivalent verbal acceptable notre consonnance, il
ne s'ensuit pas que ce mot traduise une notion demeuree durant trois mille
ans intangible, une conception uniformement adequate a notre sensation et
a celle de Boece, aux idees d'Aristoxene ou de Pythagore et aux systema-
tisations semi-legendaires d'un Terpandre. Enfin, rien que chez les Grecs,
dans cette theorie complexe, elaboree progreBsivement, et dont les traites con-
eerves ne vous livrent que l'ultime ou penultieme aspect, il n'y a, pas plus
qu' autre part, de plausible raison pour estimer a priori que les termes tech*
niques aient ineluctablement correspondu a d'identiques contingences , au
cours des neuf ou dix siecles devolution qui separent la compilation d'un
Aristide Quintilien des nomes de Taulete Olympos. En realite, si les theo-
riciens ont obstinement r^pete les memes mots, ces mots ri*ont pas toujours
signifU la meme chose. Or les mots — et tout particulierement les termes
techniques — ne possedent guere d' autre signification certaine que celle a eux
attribuee par celui qui les emploie. Leur sens est expressement subordonne
a Invocation de l'objet auquel on les rattache et qui a pu varier. Car un
mot ne definit pas necessairement ce qu'il design e et, plus il est vieux dans
1} Nouveau txaite des regies pour la composition de la Musique • . . p%x C.
Masson. 9* Ed. Paris, 1706. (p. 15 — chap. IV.)
22*
326 Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc,
l1 usage, plus il a de chances pour etre devenu peu a peu un instrument de
pure convention, une expression inintelligible a qui ignore ce qu'elle exprime,
et devoyee de son application originelle. En outre, dans ces traites de redac-
tion tardive, parmi cette terminologie fatalement ambigue par la diversite des
sources et l'heterogeneite du passe dont les apports success) fs s'y resument
ou s'y coudoient, il se rencontre aussi des mots inconnus, totalement disparus
depuis, que nous devons renoncer a traduire et dont aucune analogie ac-
tuelle ou intermediate ne nous aide a deviner la signifiance. Ici encore,
a tous egards et splcialement a f endroit de la formation primitive du sys-
teme, nous errons dans un labyrinthe. Four pouvoir classer les Stapes evo-
lutives de cette theorie autant que pour y demeler ce qui en determina l'eclo*
sion, il nous faudrait savoir pr^cis^ment ce que nous cherchons; pour com-
prendre les termes techniques perpetuus aussi bien qu'abandonnea par la
tradition scolastique, il nous faudrait connaitre ce que ces termes represen-
taient alors et a tout instant, c'est-a-dire les elements positifs de la theorie
dont nous leur demandons le secret.
Le secours des sources se revelant, non seulement insuffisant pour nous
instruire, mais apte a plutot nous egarer, nous sommes accules a l'hypothese.
Si nous ne savons rien de precis sur les origines, nous avons le droit de
raisonner, quitte a soumettre nos inductions a la critique de la vraisem-
blance et a Tepreuve des textes. II nous reste la ressource et le choix
dun postulat convenable. Nous pouvons dire: Si nous ignorons k peu pres
tout de la pratique et de la theorie musicales chez les Orecs aux epoques
primitives, nous savons n£anmoins que Tart dont il s'agit etait de la fn«-
sique, laquelle ne saurait etre constitute que de sons. Nous en sommes
done autorises a admettre l'existence de quelque relation possible sinon ine-
luctable, entne, la pratique ou la theorie de cet art inconnu. et la nature
et les proprietes essentielles de la matiere sonore. Cette matiere nous ap-
parait aujourd'hui sous les deux especes distinctes d'un effet et de sa
cause] a savoir, du son musical, forme de vibrations periodiques de la
duree desquelles resulte la hauteur ou intonation correlative, et, d'autre
part, du corps vibrant generateur, oil les dimensions determinent la duree
de ces vibrations, autrement dit leur nombre pour un temps donne\ Et, en
effet, les diverses formtdes de Utracorde, que nous ont laissees quelques ce-
lebres theoriciens de V antiquite, sont exprimees, soit en nombres de vibrations,
*oit par des longueurs de corde. Ces temoignages de la derniere heure sem-
blent done corroborer pleinement notre postulat en ses consequences logiques,
et il ne nous resterait plus qu'a reconstittfer la genese d'une pratique em-
pirique ou speculative dont nous constatons ici des manifestations irrecusable*.
Cependant, cette conclusion pent fort bien ne pas nous paraitre 6vidente,
et meme repugner a notre esprit.
Rien n'est plus propre a derouter nos idees que cette representation
numerique des sons et des intervalles. Elle est incompatible avec les habi-
tudes que nous tenons a la fois de notre education musical e et du confor-
table qui nous entoure. De ces habitudes, la plus inconsciente est de con-
siderer la musique comme une sorte d'entite abstraite et immaterielle. Les
jouissances qu'elle nous procure deviennent ce que nous appelons volontiers
«les emotions de VArU, sans que imprecision du mot nous gene. Les
beautes de cet *Art» sont le fruit de «l'inspiration»: ses moyens se trouvent
a notre portee immediate dans les traiUs de nos theoriciens et sur nos ins-
Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc. 327
truments. Nous avons aujourd'hui a notre disposition le son tout fait: on
nous l'apporte a domicile avec nos pianos et nous chargeons un accordeur
d'en determiner la justesse. Nous parlons avec security de quartzes, de quintes,
de septiemes, de toute la collection de nos intervalles, dont notre terminologie
et notre ecriture nous fournissent une denomination ou une figuration con-
ventionnelles ; et s'il nous plait d'en entendre, nous frappons deux notes sur
un clavier. Nous ne connaissons plus, de notre art sonore, que des mots,
des signes et l'effet eprouve. Et cela nous semble si naturel, que nous
imaginons difficilement qu'il n'en ait pas tou jours ete de meme. U ne nous
vient pas a la pensee de nous demander quelle put etre l'origine de ces
intervalles qui nous sont si familiers; comment on en put arriver, avant de
leur donner un nom et de les employer, a les decouvrir, a les distinguer
et a les determiner. Bien des gens seraient stupefaits si on leur insinuait
que ces intervalles n'ont pas exists de tout eternite. Aussi ne sommes-nous
nullement etonnes, meme en presence d'un art musical fort eloigne* de nous
dans les siecles, d'y rencontrer une theorie ou nous pouvons tant bien que
mal appliquer notre terminologie traditionnelle. Le contraire nous surpren-
drait plutot. En fin, parmi tous nos inconscients prejuges, le plus enracine
peut-etre est celui du temperament. La plupart des musiciens ne doutent
pas un instant de l'existence reelle de notre temperament egal, dont l'inven-
tion remonte a peine a deux cents ans, et quoique son absolue irrealite pra-
tique soit evidente. A l'egard des instruments accorded dfapres VoreUle, en
effet, sa justesse est impraticable a priori et, le cas invraisemblable echeant,
n'y pourrait etre qu'ephemere, puisque la moindre variation dans la tempera-
ture ambiante la detruirait aussitot. Dans l'orchestre, les cuivres, les bois
et le quatuor produisent simultanement des sons eventuellement naturels,
pythagoriciens et temperas, ou tout simplement faux. Au fond, toute la
musique que nous en tendons est tou jours fatalement plus ou moins fausse,
mais nous ne nous en apercevons pas. Aussi, grace a ce prejuge du tem-
perament, a l'ignorance, ou notre education nous laisse, de la nature et des
proprietes essentielles du son, matiere premiere de Tart musical, nous sommes
irresistiblement portes a tenir toute representation numerique, analogue a
celle des tetracordes grecs, pour de pures speculations mathematiques n'ayant
rien de commun avec, non seulement *YArU, mais la musique. Le son
musical etant constitue de vibrations, il n'en reste pas moins cependant
que de telles formules, exprimees en nombres de vibrations ou en longueurs
de corde, ne representent rien autre chose que la rSalite du phenomena sonore
objectif enonce vaguement par les mots conventionnels de notre terminologie.
Loin de nous paraitre negligeable, la constatation de ces expressions nume-
riques est done pour retenir notre attention. Comment les Grecs aboutirent-
ils a un usage de ce genre dans leur theorie musicale?
II faut tout l'aveuglement de nos habitudes pour qu'il nous soit besoiii
de reflechir afin de repondre a cette question et d'entrevoir ce que le fait
pent impliquer a propos des origines, — surtout en remarquant que cer-
taines de ces formules expriment des longueurs de corde. De meme que,
chez tous les peuples de l'antiquite, la legende conferait a la musique une
origine divine, pareillement on se plait aujourd'hui volontiers a la proclamer
issue spontanement d'un instinct primordial, d'un don inne et inherent a
la voix humaine. L'hypothese d'un chant naturel a I'homme, et de tout
temps spontane, est un postulat inverifiable et que la rarete, meme encore
328 Jean Marnold, Les Fondements nature] s de la Muaique etc.
en notre modernite heritiere d'un si long passe de culture, des individus
capables instinctivement de quelque justesse d'intonation, ne semble pas
moins dementir que la lente et seculaire evolution de Tart musical. Elle
suggere, en tout cas, les plus fortes objections si on en pretend deduire la
trouvaille et la determination intuitives rien que des trois plus simples *con~
sonnances*\ puis, par-dessus le marche, leur systematisation consecutive en
modes et leur alteration en genres, line conception et sea consequences de
cette espece ne sont peut-etre pensables et admissibles sans embarras que
pour notre esprit accoutume au son tout fait, inconsciemment et depuis des
generations eduque" a l'appr^cier d'apres l'oreille, joue sur un instrument
dont nous ne connaissons guere que le doigter. Mais les Grecs navaieni
pas de piano. En revanche, ils possedaient des instruments que, speciale-
ment aux epoques reculees, les musiciens devaient confectionner eux^mcmes.
lis n'avaient pas le son tout fait; il leur fall ait le fabriquer. La duree et
T importance d'une telle pratique sont demontrees par cette particularity que,
non seulement dans la fable, mais longtemps apres dans lTiistoire, le nom
des musiciens fameux ou plus modestement celebres est presque toujour!
attache, par surcroit, a Tinvention ou au perfectionnement d'un instrument
Or, merae en aeceptant l'hypothese intuitive, pour obtenir ainsi le son ima-
gine, ils etaient obliges de se con former aux lois du ph£nomene sonore, aux
proprietes de la matiere employee, et de decouvrir par la les proportions
n e cess aires a la production du son desire. En tout etat de cause, V existence
ct la pratique artistique dun instrument implique done \a connaissance des
rapports de longueur de corde ou de tuyau propres aux sons ou intervaUes
executes. Enfin, la division mesurSe d'une corde est le principe du mono-
corde dont, sans doute pour le cas qu'il en fit, on attribue abusivement la
decouverte a Pythagore. Selon la tradition, les dernieres paroles du philo-
sophe mourant a ses disciples furent: «Cultivez le monocordeN Cette re-
commandation supreme est soulignee par le role capital de Pythagore dans
le developpement initial et la systematisation de la musique grecque. A
.quelque point de vue que ce soit, specifiquement musical, historique, em-
pirique, theorique on autre, nous sommes done ici legitimement fondta *
employer la division des cordes ou des tuyaux pour nous eclairer eventuelle-
ment sur les origines.
Cependant nous n'en serions guere plus avances s'il fall a it nous contenter
de realiser par ce moyen ce que nous lisons dans les textes. H nous est
loisible aujourd'hui de diviser a notre gre tuyaux ou cordes afin d'en ob-
tenir n'importe quelle echelle, gamme, mode ou genre. Mais nous recherchons
les origines, et la question est de.savoir par quoi commencer pour com-
mencer par le commencement. C'est la pre'eisement ce qui peut nous em-
barrasser le plus, si nous voulons eliminer l'arbitraire. Pour imaginer la
pratique, anterieure a toute theorie, dont l'empirisme en put engendrer vrai-
semblablement le systeme, il faut nous transposer par la pensee dans une
atmosphere adequate, e'est-a-dire avant tout ignorer jusqu'a l'embrion du
systeme ignore par les praticiens primitifs, et nous garder soigneusement
d'accorder a coux-ci , sans justification, le moindre benefice de notre con-
tortable et de notre experience heritee ou acquise. Nous ferons done,
non seulement abstraction de tout ce que nous savons de l'histoire et de
la theorie de Tart grec, mais aussi table rase de toutes nos connaissances,
et nous reculerons par l'hyppthese aussi loin que possible dans le passe.
Jean Marnold, Lee Fondements naturels de la Musique etc. 329*
Nous nous mettrons pour un instant dans la peau dun homme le plus
primitif qui se puisse rever, quelque chose comme un anthropopitheque,
et nous supposerons que cet etre a peine humain ne soit pas done" natu-
rellement de la faculte de chanter, soit prive de toute intuition musicale
innee, et ne puisse eprouver a cet egard et traduire que des impressions
recues du dehors par l'interm^diaire de ses sens obtus.
Dans ces conditions, il ne discern era d'abord du milieu ambiant que des
bruits dHntensitS differente. II est infiniment probable que cela dut se passer
ainsi en realite. Les trente siecles de revolution musicale, depuis Olympos
jusqu'a nous, demontrent combien l'accoutumance de l'oreille humaine aux
combinaisons sonores fut lente et graduelle. II fallut peut-etre tout un
age de notre terre a nos ancetres primitifs pour percevoir, puis distinguer
nettement des sons d'apres leur acuite ou graviU. H leur en fallut peut-etre
autant pour que, par une education sensorielle inconsciente , ils y eprou-
vassent quelque plaisir, grace a la fabrication d'instruments grossiers ou
imparfaits, fournissant des sons d'intonation fortuite, arbitraire et plus ou
moins «fausse». La prime apparition d'un instrument son ore implique 1' in-
tervention du hasard pour l'utilisation des ressources adequate s, et en meme
temps un £tat de civilisation assez avance pour assurer, dans l'existence
humaine, quelque security indispensable a des loisirs. La pratique instru-
mentale entraine, comme consequence, un developpement progressif du dis-
cernement sensoriel. Apres une periode d'empirisme indifferent et de dis-
traction individuelle, il en dut resulter, dans la facture, des perfectionnements
necessaires a l'obtention de sons fixes, identiques, propres a des executions
communes, a la reproduction successive ou a un unisson simultane de me-
lopees rudimentaires. P'autre part, au cours de la cristallisation peut-etre
seculaire de ce stade esth£tique primaire, on doit accepter la probability
d'une evolution parallele de la faculty de chanter. On peut meme attribuer
a cette evolution une certaine autonomie; admettre que l1 instinct musical,
suscite, seconds, cultive ou guide d'abord par l'empirisme instrumental, ait
6te capable bientot d'un essor indlpendant, de s'elever jusqu'a Inspiration
libre et spontanee, — quoique peut-etre incoherente, — sous l'influence
des passions, de l'ivresse ou de l'enthousiasme, et se soit epanoui naturelle-
ment par ailleurs en nai'ves chansons populaires. On aurait certes le droit
de pr£tendre que cet empirisme hybride constituat, en somme, un art veri-
table, encore que primitif; mais un art en pleine anarchie evolutive, un art
tout subjectif ou s'enchevetraient deux facteurs essentiellement antagonizes :
le chant propre a la voix humaine et le melos dicte* par le hasard ou l1 ar-
bitraire de la fabrication instrumentale. II semble que cette evolution sub-
jective et helerogene ait pu se poursuivre et se soit en effet poursuivie long-
temps a l'aventure, voire peut-etre jusqu'en de lointaines civilisations somp-
tueuses, raffinees et barbares, avant qu'on ait ressenti le besoin d'introduire
un peu d'ordre dans ce d£sordre, ou qu'on y fut inconsciemment amene\
L'id6e d'une systematisation des elements d'un art implique un etat
d'esprit objectif accessible seulement a un assez haut degre* de culture, et
de culture plutot intellectuelle; neanmoins, elle peut naitre et s'imposer
empiriquement, — special ement a T egard de Tart musical. Si rien n'est
plus stranger aux elans de la sensibilite instinctive, superflu a 1' inspiration
et au chant spontanes, nulle conception, au contraire, ne saurait plus logi-
quement decouler de l'empirisme et des progres de la facture instrumentale.
330 Jean Marnold, Lea Fondements naturels de la Musique etc.
La confection d'instruments a sons fixes, aptes a l'execution de meloplea
identiques au moyen des sons d'une echelle commune, si rudimentaire fut-
elle, comporte de multiples observations. On ne peut arriver a fabriquer
deux instruments a cordes ou a tuyaux de ce genre, sans y decouvrir pas
a pas les effets, soit de la tension, de la longueur ou du poids de la corde,
soit des longueur et diametre du tuyau, de l'epaisseur de ses parois et des
dimensions de ses trous lateraux eventuels-. Ges connaissances, plus ou moins
precises, r&ultent forc6ment de la pratique. En operant par tatonnements
inevitables, les praticiens primitifs ne tarderent pas sans doute a etre frapp£s
du role capital, en l'espece, de la mesure et des proportion*. Bien que par
les difficulty qu'ils rencontraient pour la reproduction d'une echelle arbi-
traire, ils purent en etre incites a fabriquer un instrument objcctivement, si
j'ose dire, en experimental sur des mesures cons tan tes et suivant les pro-
cedes les plus simples. lis purent doubler, tripler, quadrupler, etc. . . la
longueur d'un tuyau, par exemple; puis, aboutir a comparer les sons ob-
tenus avec ceux produits par des longueurs respectivement egales aux pre-
cedentes, .'prises sur une corde tendue, et remarquer leur difference. Le
developpement du sens musical aidant, ils purent en deduire les corrections
necessities, sur les tuyaux, par le diametre du forage et d'autres causes, et,
constatant la regularity des sons fournis autant que la commodity pratique
de la division de la corde, prendre enfin celle-ci pour etalon de mesure et,
en realite, de systtmatisaUon. Car ils ne possedaient pas seulement ainsi
tous les elements pertinents pour la fabrication d'instruments a sons fixes,
d'intonation determined et commune; mais, avec la coordination, qui s'en-
suivait, des echelles, ils intronisaient inconsciemment dans la musique le
principe d'une systtmatisation , imposee par la pratique et conforme aux
proprietes de la matiere sonore, qui pouvait constituer, pour un art en for-
mation, une base aussi ineluctable que sure et un fondement naturel. Noua
verrons que toute la theorie de la musique grecque en derive.
Incarnee d'abord en des doigters et, bientot, signes ou tablatures chiffrees
peut-etre, une telle systematisation correspondait au fond, des 1' origin e, *
des proportions numeriques exprimables en longueurs de corde. Avant d'eu
rechercher, dans les textes, le processus devolution empirique ou speculative,
nous allons l'effectuer a priori, par la division d'une corde tendue, et en
commencant par les divisions les plus simples.
Et nous procederons ainsi:
Soit une corde tendue, nous pouvons, par exemple, la diviser en deux
parties, puis chacune de ses moities en deux, puis chacun de ses quarts en
deux. En nous arretant la, nous aurions obtenu 8 parties egales et, au
moyen d'un che valet deplace, nous pourrions faire resonner successivement
h h ii £> h t> i e* ennn f de *a corde totale, correspondant respective-
ment a des cordes de longueur 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 et 8, et produisant des
sons adequats. Nous figurerons ce genre d'operation et ses divers resultats
par une ligne droite, ou les nombres places au-dessus de chaque division
representeront les longueurs de cords respectivement considers, et nous ecri-
rons au-dessous les noms des sons correlatifs. Ce qui, pour la division
proposed comme exemple, nous donnerait, en allant de l'aigu au grave:
12345678
I JL J J JL J J J J
mi mi la mi Do la /«Jf mi
«• "• •• ait«ii*»i
2« + SS.*
at
•»« »5 sj^l+a^:* 35 II
^jbJ „-*> "^ll
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2§ +
k.5 «.o 55.5 +
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•i "« '6 »E -S
«5 OO
«5
«S ^'5 »'5 5*5+ •
2§ +
•«*5 «"8 518 +
=*|
-3 S3
-1
'5 w •»
-a
-I •*
»ja fl|52 fl'S c|* «|8» 0\* «\« «\b
332 Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc
La notation graphique, employee ici pour distinguer les differ en tea especes
de sons, est basee sur les regies suivantes:
1° Les sons, produits par le rapport 3 [qtiinics) et ceux produits par le rapport 5
(tierces), sont differences par les initiates majuscules on minuscules de leura noma
imp rimes en italique. Ex.: mi — Do\ lafy — Do.
2o Les sons produits par le rapport 7 sont imprimis en caract&res gras.
Ex.: Do— Si7; /«# — mi.
3° Les sons produits par le rapport 11 sont imprimes en batarde. Ex.: Do —
Fa$; si? — mi.
4° Les sons correspondant aux autres nombres premiers, 13, 17, 19 etc. sont
imprimis indistinctement en caracteres ordinaires.
6° Tous les sons en rapport d'octave, de quinte, de 7«, de lle, de 13®, 17*, 19°.
etc. ont des initiates identiqucs.
Malgre* son imperfection, cette notation graphique a 1' a vantage de souli-
gner la difference d'espece et d'intonation des sons homonymes les plus usites.
A l'egard des rapports de quinte et de tierce, elle ne confond que des sons
fort eloigned; par exemple: la ?, tierce de Do, et to|?, huitieme quinte in-
ferieure de mi. D'ailleurs, le nom des sons est toujours accompagne de la
longueur de corde correspondante ou, plus tard, du nombre de vibrations.
Ceci pose, pour procSder par les operations les plus simples, nous ne
nous servirons que des divisions en ^ et en J- appliqu£es, d'abord a la corde
totale, puis a cbacune des subdivisions consecutivement realisees.
Pour une corde de longueur totale n, nous pourrons obtenir de la sorter
I. — n x ^ x \ x £ x -J x £ x * = Vl
II. — n x J x | x \ x-jxj = ^-
III. -nx}x}x-Jx{xi = »
On aboutit ainsi au tableau ci-contre1).
Et, dans ce tableau, on decouvre aussitot les Elements fondamentaux de
la theorie musicale des anciens Grecs.
On y rencontre:
1° les trois genres:
a) Le genre diatonique, et precisement d'abord sous deux aspects dont Ptolemee
nous a conserve les formules; a savoir, le diatonique igal [^x\^x\\ ™ |)-
9 10 11 12
la sol fa mi
et le diatonique de Didyme (■§■ X -fo X |$ = -J):
24 27 30 32
la sol Fa mi
enfin, le diatonique synton de Ptolemee et, ainsi qu'on verra, d'Aristoxene, dont
la formule de vibrations (V* ><$>< H> = \) est representee ici par les longueurs
de corde correlatives:
1) Pour plus de clarte\ on n'a note, des subdivisions extremes (B^, ^ et T"j)
que les sons necessaires a montrer la concordance des tltracordes dans Toctave
dorienne.
Jean Marnold, Les Fondementa naturels de la Mueique etc. 333
36 40 46 48
la Sol Fa mi
b) Le genre cJiromatique, conforme a la formule ^ x ^-J x |-$ = | , publiee par
M. £. Ruelle
12 14 15 16
la fa§ Fa mi
c) Le genre enharmonique de Didyme (-J X -|^- x jj-£ = J)
24 30 31 32
la Fa mijf mi
2° En combinant les trois divisions de la corde, on obtient les systemes con-
joint et disjoint dans les trois genres'.
a) Par exemple, pour le diatonique egal de Ptol6mee:
I. 9 10 11 12
re Do Bi!? la
I
II.
8
9
10
11
12
si
la
Sol
fa
mi
t
10
11
12
Re
do
si
III. 9
mi
ou les sons de la corde II sont respectivement consonnants a la quartc avec les
sons de la corde I, et a la quinte avec ceux de la corde III.
b) D'autre part, pour le chromatique et V enharmonique:
I.
II.
12
14
15 16
la
M
Fa mi
24
30 31 32
/a
t
18
jF\» mijj m*
12
14
15
16
mi
rfojf
Do
si
la
24
30
31
32
mi
Do
si#
T
12
si
24
si
14
15
30
fib/
31
fax
16
/alt
32
K
III.
ou les sons de la corde II consonnent i la quinte avec les sons de la corde I et
a la quarte avec ceux de la corde III.
3° On s'en explique la suprematie fondamentale de la quarte, seul intervalle
capable de produire, dans les limites de Voctave, les sons convenablement
consonnants d'ou resultent les systemes conjoint et disjoint
4° On constate enfin que cette division de la corde a pour consequence une
gchelle dorienne, propre a r^aliser les trois genres et les deux systemes par
une sorte de generation spontanee et logique. On reconnait ainsi pour-
quoi Voctave dorienne put devenir le noyau central du systeme parfait,
demeurer le prototype g£nerateur des genres, dont elle imposa la formule
et la place aux autres gcbelles modales, et on comprend la primaute du
Dorien, «le mode grec par excellence >, dans un art auquel il fournisaait
334 Jean Marnold, Leg Fondemeats naturels de la Manque etc
des assises naturelles, d'une regularity, coherence, ordre et sym6trie apolli-
niennes.
On en peut done d'ores et deja conclure en toute assurance que la thSorie
de la musique grecque, loin d'etre issue de l'arbitraire ou de la convention,
etait basSe sur la nature, en tant que derivant d'une analyse, empirique
a l'origine, et d'une interpretation bientot plus ou moins speculative d'un
des aspects du ph6nomene sonore object if. Quelque incertaines, an regard
d'une conformity reelle avec les faits, que puis sent apparaitre les hypotheses,
nullement invraisemblables, qui nous ont amends a cette division de la corde;
que cette evolution systematisatrice se soit accomplie parallelement poor lee
cordes et les tuyaux et selon un quelconque processus, les r£sultats qu'on
obtient en l'effectuant ainsi a priori n'en sont pas moins peremptoires. On
peut en tirer quelques enseignements immediate.
Crousis.
Cette division de la corde tendue constituait ce que les Grecs d£nom-
maient crousis , (xpouai;, litteralement •battement de la corde* , ainsi que
traduisait le vieil Amyot). En donnant a ce terme technique, comme on
l'a fait depuis, la signification tendancieuse $* accompagnemmt instrumental,
on aboutit a des non-sens et a des obscurites inextricables. Sa traduction
littoral e , au contraire , exprime fort bien la pratique a quoi correspondait
le terme: apres avoir divise la corde selon telle ou telle longueur consideree,
on mettait cette corde en branle en la frappant (xpouco) pour entendre le
son produit par les battements dont elle frappait l'air. Les Grecs en arri-
verent, bientot sans doute, a repr^senter les r£sultats de la crousis par ce
qu'ils appelaient des diagrammes, et ces r&ultats pouvaient etre d'une ob-
servation tres delicate. On lit, en effet, dans Bacchius1):
« Vn diagramme est une figure geotnetrique employee pour rendre sensible par les
yeiix ce qui serati difficilement disceme par VoreUle>.
Cette definition confirme a la fois la veritable acception du mot crousis,
et justifie la subtilite des nuances constatables entre certains sons de notre
tableau; car ce tableau, en r£alite, est un diagramme ou la reunion de trois
diagrammes superposes.
En outre, ce tableau repr£sente le principe des compositions tricordes
(iptxopoa) des musiciens de l'epoque archai'que, Olympos, Terpandre et leur
£cole, dont Plutarque celebre la simplicity et la beaute. Par une crousis
qui parait avoir ete deja speculative en meme temps qu'inherente a la sys-
tematisation instrumentale, ils en combinaient leurs nomes (vdjxot: his), sortes
d'echelles ou de melopees types qui determinaient les harmonies et ryihmts
qu'on devait observer strictement jusqu'a la fin d'une composition musicale.
Bien que sous l'aspect qu'en offre notre tableau, les combinaisons possibles
etaient nombreuses et suffisantes pour l'eventualite des trois genres et de
plusieurs modes. Elles devenaient innombrables par la subdivision consecu-
tive des intervalles.
On trouve une premiere preuve des allegations qui precedent dans un
passage de Plutarque (irept jxoocjixtjo Wechel. 1137 — 38), ou on rencontre
1) . . . 8taYp4{X{xotTi hk ypefyxefta, ha tA ttq dxoig S6aXf)icra irp6 ^ftaXfid" *°i€ I****
ftdvo*joi cpatvtjxai. [Bacchii Oerontis Isagoge. Mb. 15.)
Jean Marnold, Lea Fondements naturels de la Musiqne etc. 335
aussi une indication sur ce que fut peut-etre le trope spondiaque. Ge trope
semble avoir consists dans l'Schelle suivante, qui se forme dans le diagram-
me II:
6 7 B 9 10 11 12
mi dojff si la Sol fa mi
Plutarque explique, en effet, que ce n'est point par ignorance qu'Olym-
pos, Terpandre et leur 6cole n'ont pas use* d'un grand nombre de cordes et
de la varied interdite a l'egard des nomes. II en prend a t£moin leurs
ouvrages qui, dans leur grande simplicity et Itant «constitu6s des seules
combinaisons fournies par trois cordes* (Tpt/opoot) *), l'emportent cependant
en excellence sur les compositions multicordes et variees, de sorte que per-
sonne ne saurait imiter la maniere d'Olympos ni l'egaler. Et il continue:
«Or, que les anciens ne s'abstenaient pas par ignorance de la trite dans le
trope spondiaque, c'est ce qu'ila montrent bien dans l'usage de la cr oasis. lis n'au-
raient pas employe la trite [Do ou do) en consonnance avec la parkypaie [Fa ou
fa), s'ils ne l'avaient pas connue . . .*)»
j
N.
Pn.
Pm.
M.
L.
Ph,
H.
Trope Spondiaque \
6
7
8
9
10
11
12
1
mi
dofi
si
la
Sol
r
fa
mi
I
1
1 »•
Pn.
Tr.
Pm.
M.
L.
Ph.
H.
Crousis 1
(12x2x2) |
24
mi
27
re
30
Do
x
32
si
36
la
40
Sol
45
Fa
x
48
mi
1
N.
Pn.
Tr.
Pm.
M.
L.
Ph.
H.
Crousis I
(12x3) j
18
mi
20
Re
22
do
X
24
si
27
la
30
Sol
33
fa
X
36
mi
«... Mais il est Evident que ce fut le caractere de la beaute* conferee au
trope spondiaque par l'absence de la trite [Do ou do), qui d£termina leur sentiment
esth£tique a conduire le m£los directement a la parankte («foj})».
«On peut en dire autant a propos de la Nets ...» — (11 faut entendre ici la
Ncte des conjointes, puisque c'est la l'autre son [re) qui manque aussi au trope spon-
diaque) — «... Car ils pratiquaient l'usage du son correspondant (re), dans la
crousis, en dissonance avec la paranete [Be) et en consonnance avec la mese [la) . . .* ,
N. Pn. Tr. Pm. M. L. Ph. H.
Crousis j
(12x2x2) {
24
h
30
32
3b
40
45
48
mi
re
Do
si
la
Sol
*
Fa
mi
36
40
45
48
54
mi
Re
*
Do
si
la
N Crousis f
(12x3x2) {
1) . . . xpiyopfca *)fap oVra xal dt-Xa otaccpgi twv roixiXcuv xat roXyyo'pGajv, cJ>; p/qoiix*
SSvaoftat pufXTjaaaftai xov ' OXyjiirou Tpditov • • •
2) "Oxt Vol raXaiol ou oV aYvotav dnctyovro t^; xptXT,; £v xw orovScidCovxt Tp6rwr
sav-pov roiei yj ev xrj xpousei fevofiivr) ypfjai;* ci y*P *v ~ot> a^"i ~P°» ^v ^apuirdxTj^
xeyp-fjattai ou^f a>vu>« jxt) -yvtuplCovxa; x^v ypfjsiv . . .
3) dWd ofjXov 3xi x6 xoO xdXXou; Tjfto;, o Y^exai £v xw a'ovoeiaxtj) xptatp &wi t^v r?j;
xpiTTj; £;alpeaiv , xoOx ' t4v to xf^v atothjatv auxc&v ir.dfos tizi to fctaPijJdCew *xV yitho; i-nl
xfy rapavT,XT|V. f0 auxo; oe X6fo; xai repi xfjs v/jtt^ * xai -yap xa6x7] ~pO£ pA^ t*\n xpoSaiv
iypdivTO xal rpo; 7:apavr)x?jV ola<fur;a>; xal ftpoc pirrjv <rjcfo(>va>; . . .
336 Jean Marnold, Lea Fondements naturels de la, Musique etc
(Dans le systeme disjoint, que la presence de la paramese implique ici^ la ren-
table paranete serai t Re consonnant par quinte avec la lichanos Sol, et non pas re
consonnant par quarle avec la mese la.)
«... Mais dans le melos, ce son ne leur semblait pas propre au trope span-
diaque.>
«£t non seulement a ceux-la ...» — (C'est-a-dire a ceux qui pratiquaient le
trope spondiaque) — «... main to us agissaient pareillement a regard de la nete des
conjointes (re). Car, en tant que crousis, ils la pratiquaient en dissonance avec la
paranUe [Re), (la paramese) et la lichanos {Sol).* — (Voir l'exemple pr£c£dent.) —
«Mais, en tant que melos, ils auraient eu honte de s'en servir, a cause du caractere
[ethos) qui en requite1).*
Le texte de ce dernier paragraphe semble alte>6 et «... la paramese, . .»
est peut-etre une interpolation de copiste. N£anmoins on peut remarquer
que, dans la corde I de notre tableau, qui fournit pr£cisement la nete des con-
jointes (re) avec le Utracorde conjoint regulier (9 — 10 — 11 — 12, et par crousis
poussSe plus loin 36 — 40 — 45 — 48), on rencontre dans la crousis le tetra-
corde disjoint mi (16) — r6 (18) — Do (20) — si (21), ou, non seulement
le re dissonne en tant que paranete et avec la lichanos reguliere (Sol), mais
ou le si de «la paramise* con son n ante est remplace" par un si dissonant.
Nous trouverons ailleurs une confirmation de notre hypothese sur le trope
spondiaque et aussi une indication sur le sens du mot caractere (ffioq), ap-
plique au melos ou aux echelles, et qui parait avoir 6te* attache a des diffe-
rences d'intonation fort subtiles et ressortir plutot a des conceptions esthl-
tiques bashes sur une sorte de m6tapbysique du nombre.
Enfin, voici une autre preuve de la veritable signification du mot crousis
et de I' exactitude de sa representation dans les diagrammes de notre tableau.
Pree de mille ans apres la pratique archaique rapportee par Plutarque
d'apres un texte perdu d* Aristoxene , Gaudence d^finit les sons paraphones
comme intermldiaires entre les sons symphones et diapkones. Et il ajoute:
«Dans la crousis, les sons paraphones paraissent consonnants, tels ceux qui
limitent Tintervalle de trois tons de la parhypate des moyennes a la paramese, et
Tintervalle de deux tons de la lichanos ou diatonique des moyennes a la paramtse*).*
Or, dans le systeme par'fait dont il s'agit ici, la parhypate des moyennes
correspond a un FA, la lichanos a un SOL et la paramese a un 81 du triple
diagramme dorien de notre tableau. Et, en nous y reportant, nous trouvons,
accompagues de leur longueur de corde, un si (21) de la corde I et un si
(32) de la corde II, dont la difference est -J-J-; un sol (27) de la corde I et
un Sol (40) de la corde II, dont la difference ||; un J^a (15) de la corde
I et un fa (17) de la corde III, dont la difference est |J-£, c'est-a-dire des
sons de tres faible difference d'intonation et repondant en tous points a la
definition de Gaudence. II y avait naturellement bien d'autres sons para-
phones que ceux-ci, que Gaudence d'ailleurs ne cite qu'en maniere d'exemple
et qui nous suffisent a demontrer par le fait ce qu'^tait la crousis, laquelle
1) . . . xard hi to (jiiXo; oix lyawfao auroT; ohtEia ei^at t<» 07rovoeiaxtj» Tp6np. OS
fj.6vov fce toutoi;, dXXd xal ttj cjvTjfipivcDV vtjttq o'jtw xfyp-qvtai 7rdw7£C x*tA jjl&v ^Ap r^v
xpoDaiv a*jr?]v fciecpcuvouv zpfc; xe rapaWjxrjv (xai Trpoi TrapafiioTjv) xai Ttpoc Xtyowiv . . .
2) . . . zapdeparvot hk ol fiiaoi (Jtev o'jp.{pd>vo'j xai oiatpdbvoo, h oe xijj xpotaci <patv<Sjxtvot
o-jptpumr warcep Itz\ xpubv xdvcuv cpctfvexai dro TrapurdxTjc fiiotuv irX rapajiiarp xai iid Wo
T<Jv<«v dr.b pgawv oiaxdyou li:\ Twpatu£ar)v. (Gaudence: Isagoge. Mb. 11 — 12).
Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc. 337
nous revele a son tour a quelle r£alite s'appliquait, a tout le moins au temps
de Gaudence, le terme technique de sons paraphones, dont nous ne possldons
aucun equivalent ou analogue.
Olympos.
Tandis que les noma d'Orphee et d'Amphion, pour la lyre et la citharo-
die primitive, ne se rapportent guere qu'a de vagues legendes, il semble
que les primes indices d'une systematisation de Tart musical doivent etre
reconnus dans les innovations d'une sorte de lignee d'auletes venus de
Phrygie a une epoque incertaine, mais fort eloigned. II est remarquable
que ce soit au Phrygien Olympos, personnage a peu pres mythique, que Plu-
tarque, d'apres Alexandre Polyhistor, attribue < Tintroduction en Grece des
croumata et des ides dactyles*. Le mot xpoGfia (coup, choc) offre precis^-
ment, avec la meme derivation (xpouco), une acception tres analogue a celle
du mot crousis et pouvait exprimer Taction de frapper des cordes tendues.
Ce sens est d'ailleurs implique" par l'emploi qu'en fait Platon et les ecrivains
posterieurs pour designer le jeu d'instruments de ce genre et la pratique
du plektron. D'autre part, ces 'ISaioi Aax~uXoi peuvent d'autant mieux d6-
router la traduction qu'iis se sont transformed dans la legende en g£nies
fabuleux, baptises aussi Dactyles de Vlda ou du mont Ida. Clement d1 Alexan-
dre, dans ses Stromates, les mentionne comme les *inventeurs des lettres dites
d'Ephese et de la maniere de produire les rythmes musicanx, raison pour la-
quelle le doigter chez les musiciens (ot Trap a rot; jxouoixot; oaxtoXoi) en recut
la denomination* 1). L'extraction phrygienne de ces auletes initiateurs 6tablit
une importation d'Asie-Mineure et evoque le voisinage des peuples Semites.
Or, main, en hSbreu, s'Scrit T (id), mot dont les voyelles massorttiques
ont fait H- (iad) pour une prononciation fix^e au VIe siecle de notre ere et
qui ne saurait intervenir en l'espece. L'expression apparait done un doublet
h^breu-grec [id, main — dactyloi, doigts), et devoir representor une tabla-
ture instrumentale primitive ou des signes graphiques correspondaient non
settlement a des doigters, mais subs6quemment a des mesures d'ou s'ensuivait
la position des trous ou des chevalets. La plus ancienne indication technique
rencontrable dans les textes semble ainsi impliquer a la fois une division
systematise^ de la corde (croamata) assimilable a l'usage du monocorde, et
la division correlative de tuyaux perces d'ou vert ures ouvertes ou bouchees
avec les doigts de l'ex£cutant [ides dactyles) et figuree par des lettres; bref,
tons les elements d'une systematisation issue de l'empirisme pratique et con-
tenant le germe d'une theorie bas£e sur la division des cordes et des tuyaux.
La chronologie de ces temps recule's est aussi contradictoire et obscure
que l'ordre des innovations. II semble que 1' Olympos dont il s'agit soit
l'ancetre de la bande. Apres lui viendrait Hyagnis auquel on attribue 1' in-
vention de l'aulos, du tricorde et de Vharmonie diatonique (CI. d'Alex.), de
tharmonie phrygienne (Aristoxene, Athene XTV, 624) et de plusieurs nomes;
ensuite Marsyas le Silene, inventeur de l'aulos double, des Jiarmonies phry-
gienne, mixophrygicnm et mixolydienne (CI. d'Alex.) ; enfin un nouvel Olympos,
e*leve de Marsyas, aulete renomme entre tous, et a qui la creation du genre
enharmonique valut le titre glorieux de «fondateur de la belle musique
1) . . . etc oO; ^ ts Tttiv 'E^£3(tov Xefopivtuv Ypapjidfanv xcti tj t&v xax& tAOoamfy tupt-
ot; pudpaw ava'v£p£Toii (ot ' ^v atiiav oi rapa to?; pouaixol; odxT'j/.ot tt^v TpoaTflOplow elXi-
<past). (Clem. Alex. Stromates. I. 15. p. 781. Migne.)
338 Jean Marnold, Les Fondementa naturels de la Mosique etc
grecque> (Aristox. chez Pint.). C'est settlement avec celui-ci que nous abor-
dons au seuil, encore bien nlbuleux pourtant, de l'bistoire. Essayons ce-
pendant d'appliquer notre m£tbode en datant d'Olympos le Vieux l'intro-
duction en Grece de la division systematise^ des cordes et des tuyaux, et
* oplrons celle-ci en commencant par les proctitis les plus simples.
Nous pouvons diviser une corde en deux, puis chaque moitie" en -J, puis
chaque quart en \\ d'ou les longueurs de cordes et les sons:
a) 12345678
i j i i i i i j_, j
mi mi la mi Do la
En divisant la meme corde ou une corde de longueur egale en 3; puis
en 6 parties, nous obtenons pareillement :
b) 12 3 4 6 6
i J ^ j j j J j^
si si mi si Sol mi
Tous cos son 8 dgsormais a notre disposition par les moyens les plus
simples, nous pouvons les reproduire indistinctement sur des instruments a
cordes ou a tuyau. En les combinant dans les limites d'une octave, ainsi
qu'Aristoxene nous apprend qu'agissaient les barmoniciens arcbaiques, nous
aurons, avec a et b,
a) 4 5 6 7 8
mi Do la fa$ mi
b) 3 4 6 6
mi si Sol mi
les elements d'une echelle correspondant aux longueurs de cordes et aux sons:
12
15
16
18
20
21
24
c)
mi
Do
si
la
Sol
/•#
mi
d)
la
Fa
mi
ri
Do
si
la
e)
re
Si\?
la
sol
Fa
mi
re
Car, pour plus de clart£, nous pourrons employer indifferemment l'une
ou I' autre de ces ecbelles, qui correspondent egalement a ce r£sultat de la
division de la corde.
Sous 1' aspect e, ,
12 16 16 18 20 21 24
re Si 7 la sol Fa mi re
nous obtenons empiriquement, sans arbitraire ni speculations matb^matiques,
au moyen des plus simples divisions de la corde ou des tuyaux
1° Un Heptacorde bas6 sur un tetracorde phrygienj et ou, en mode dorien,
le Si\> amorce un sysUme conjoint', c'est-a-dire une Echelle correspondant
aux deux particularity capitales de la gamme arcbaique traditionnelle.
2° Trois Utracordes correspondant aux trois modes primitifs: le pkrygien
(sol — Fa — mi — rt)j le dorien (la — sol — Fa— mi) et le lydien (Sip— -fo—
sol — Fa).
3° Une nouvelle justification de l'importance de la quarte, seul intervalle qui,
dans cette Echelle arcbaique, fournisse par sa division en Utracordes trois
aspects differents d'un intervalle identique, c'est-a-dire un element pr$-
cieux de contraste ou de varilte* dans un art monodique.
Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Ma si que etc. 339
4° On s'en expliquerait deja le role principiel accords, dans la th£orie sub-
s^quente, an Utracorde qui, des les origines, fournit, avec le susdit 616-
ment de varied, non senlement les trois modes primordiaux, mais aussi
le genre dit depuis diatonique.
H nous serait loisible de rechercher, dans les diverses expressions (c, d, e)
de cette 6chelle et leurs combinaisons, la possibility des innovations attributes
a Hyagnis et a Marsyas. Mais, outre que ces innovations nous sont rap-
portles a dix ou peut-etre douze siecles de distance, cette echelle n'eiait
vraisemblablement pas la seule pratiqu6e par les musiciens archaiques,
et, a l^gard de personnages aussi fabuleux, l'bypotbese serait fastidieuse.
Nous nous contenterons d'inferer de ces textes et d'autres a la rlalite*
d'une systematisation deja fort avancle, (comportant l'usage du diatonique
et du chromatique), ant£rieure au second Olympos, qu'on situe d'ordinaire
dans la premiere moitie" du VJLL6 siecle avant J. C. Enfin, nous remar-
querons que cette 6cbelle, de plausibility evidente, constitue une gamme
incomplete bas£e sur le tltracorde phrygien. Or, selon l'unanimite* des textes,
le phrygien est le mode particulierement propre a l'aulos, et 1' absence de
certaines notes d'une 6cbeUe est pr£cis6ment le principe du genre enharmo-
nique. Nous en sommes done autoris6s a demander a cette e'cbelle la solu-
tion de l'6nigme incarnle par le genre enharmonique et son invention par
Yaulete Olympos1].
1) On pent remarquer, en outre, que cette 6chelle parait corresponds tout
particulierement a la pratique et meme a l'invention de Yaulos double, instrument
favori de Marsyas et de son eleye Olympos. Get aulos double, en effet, avec son
fahelle heptacorde pouvait etre tres naturellement constitue* de deux aulos mono-
ealames, perc6s selon les divisions les plus simples, produisant les 6chelles pri-
maires et ayant respectivement 4 et 3 trous, l'orifice donnant le eon fondamental
grave.
4
5
6 7
8
A
•
•
• •
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la
la
Fa
mi
re si
Do
la
la
0
•
o
©
)
D'autre part, la pratique de Yaulos double, dans un art monodique, serait une
Inigme d£concertante si les deux tuyaux avaient re^onne" simuttanement; — et ce-
la d'autant mieux que, chaque tuyau ayant 4 trous au maximum, (le pouce 6tant
nlcessaire & maintenir l'instrument aux levies,) la pauvret6 des res sources et la
difficult^ d'ex£cution polyphonique ne permettent guere de supposer un r&ultat
artistique en rapport avec la renomm£e d'Olympos. Au contraire, la pratique de
Yaulos double s'explique ais6ment, si on admet que, pour chacun des deux tuyaux,
Y orifice ext&me, oppose1 a l'emboucbure, etait bouche. De cette facon, les sons au-
raient 6t6 produit exclusivement au moyen des trous perc£s sur les parois des tubes,
Vinstrument ne produisant aucun son quand tous les trous 6taient obstruls par
les doigts de 1' executant. Ainsi concu, Yaulos double apparait un instrument mono-
dique aussi commode a jouer que Yaulos monoeatome. On pent meme observer que
cette conformation de Yaulos double 6tait presque dieted par les origines et les
exigences de facture de Yaulos primitif. Celui-ci denvait de la syrinx ou flitte de
s. d. dig. x. 23
340 Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc.
La systematisation , que nous venons d'admettre, est d'ailleurs confirmee
par le passage de Plutarque relatif a la decouverte de ce genre et qui nous
conserve nn texte de'trait d'Aristoxene. Apres avoir specific que, avant
Olympos, tout £tait diatonique ou chromatique, Aristoxene, qui ecrivait au
moins quelques trois cents plus tard, raconte ainsi comment la tradition
presumait qu'Olympos trouva le genre enharmonique1).
«01ympos, s'exercant un jour dans le genre diatonique, conduisait souvent le
melos directement a la parhypaie diatonique a partir, tantot de la paramese, tantdt
de la mese, en passant la lichanos diatonique. II fut frappe* de la beauts de Vetkos
qui en r&ultait et, admirant le systeme construit d'apres cette analogie, il ten
eervit pour composer sur le ton dorien ...»
Ce rScit, — rien moins qu'affirmatif, a la verite, — impliquerait ainsi
le basard d'une improvisation, et on ne s'expliquerait guere qu'une gramme
due a l'arbitraire et a la fantaisie d'un aulete ait pu fournir a la theorie
musicale grecque un de ses elements fondamentaux, et valoir a son fabricant
Pan, dont les tuyaux touches pouvaient inspirer l'id6e d'en transporter les propor-
tions sur un tuyau unique pareiUement boucJd a T orifice et perce" de trous lat6raox.
II n'est nullement invraisemblable que les premiers aulos simples eux-memes aient
Gte" ainsi fabriquSs. Enfin, pour dee tuyaux de faible calibre, comme il semble que
ce fut le cas aiors, les corrections imposees par le diametre de la perce, celui det
trous latlraux et l'gpaisseur des parois tendent toutes a une diminution des lon-
gueurs tbeoriques exactement fournies par les divisions de la corde. Et, en s'aidant
eventuellement des eroumata de la corde tendue, il est fort possible que les auleles
aient realise* empiriquement ces corrections sur un tuyau conforms a ritalon to£-
orique, done trap long et, apres le forage du dernier trou donnant le son grave
fondamental, laissant un exces propre a un bouehage analogue a celui des tuyaux
de syrinx. En employant deux aulos monocalatnes de cette espece pour constitaer
un aulos douhlet il leur 6tait loisible de fermer momentanement avec de la cire,
— ou memo de supprimer, en ne les percant pas, — tele trous prodnisant le meme
son sur les deux tuyaux accoupleV lesquels, en fournissant notre beptacorde, an-
raient offert a peu pres cet aspect:
On voit qu'on aboutirait de cette maniere a un aulos double tres ressemblant
a certains de ceux que l'iconographie nous conserva, et l'bypotbese de deux tuyaux
touches a leur orifice , outre que F antecedent imm6diat de la syrinx la rend dee
plus plausibles, apparait singulierement apte a justifier la pratique d'un instru-
ment de ce genre dans un art monodiquc.
1) . . . dvaoTp£f<5fjitvov t6v "OXupisov dv xui StaT^vip xal StapipdCovxa t& piXoc itoXXdxtc
irX w owkovov irap'jirdTTjv, tote |*ev dro r?js rapafjiarjc, xoxi & * td«i Tifc pittqc, x*i «*p»-
palvovxa t^jv Sidrovov Xiyavov xa-ajxaOeiv t6 xdXXo; toO 4j6o'jc, xal out© rh k* *rfjc £**-
Xoftac aoveanrjx&c avoTTjua Oaufjtdaa^Ta xai droSscdjuvov & to6t<j> iroictv Iki toO topiw*
tovoj. (Plut De Musica. 1134.)
Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc. 341
une renommee immortelle. Quoi que vaille cette tradition tardive, comme
exactitude ou authenticity des details, nous n'avons pas le droit pourtant
de l'ecarter. Aristoxene s'y exprimait naturellement avec la terminologie
de son temps, et il ne faut pas oublier que, justement a l'endroit de l'echelle
heptacorde archa'ique, les denominations etaient fort incertaines, et qu'ou
nsait volontiers du mot paramese pour designer la trite du systeme conjoint
primitif. Nous appliquerons done comme il suit la terminologie employee,
aux sons de notre echelle representee sous l'aspect d:
N.
Pm.
M.
L.
Ph.
H.
12
15
16
18
20
21
24
la
Fa
mi
re
Do
si
la
Et nous admettrons qu' Olympos, improvisant dans cette echelle diato-
nique, ait saute frequemment de la paramese (Fa) ou de la mess (mi) a la
parhypate (Do), en supprimant la lichanos (re). II employait done tons lea
autres sons de F^chelle. Or, pour en constituer une gamme fondle sur un
systeme construit d'apres 1' analogic de cet ethos, il lui fallait necessairement
alterer wi de ces autres sons de l'echelle, a savoir Vhypate dissonante si, in-
capable de rentrer dans la composition d'un systeme (conjoint ou disjoint)
regulierement consonnant.
Le tetracorde obtenu par cette alteration correspondait alors aux lon-
gueurs de corde 24 (mi) — 27 (r6) — 30 (Do) — 32 (si), et fournissait le
si consonnant indispensable a la formation du systime. Et, en transportant
sur une echelle unique les sons et les longueurs succesivement realises, nous
obtenons :
12 15 16 18 20 21 24
24 27 30 32
36454864606364 72
la Fa mi (re) Do si si la
La difference -|-| peut paraitre infinitesimals et d' execution impraticable
avec justesse, surtout sur un aulos simple ou double ou le si (32) devait
etre produit en debouchant incompletement le trou du si (21). On pourrait
repondre que la reputation d'Olympos autorise a lui accorder quelque finesse
d'oreille; que nos violonistes font couramment la difference plus faible
encore du comma |-f : enfin, que, a l'egard des instruments a vent, Taction
des levres et du souffle intervient dans la justesse d'execution pour des nu-
ances fort dedicates. Mais tout cela serait superflu en l'espece, car ce si (63)
n'avait pas besoin d'etre juste, en tant que simple intermediaire iventuel
entre le si (64) et le Do (60) consonnants. Je dis iventuel, car nous igno-
rons absolument si ce son intermediaire etait employe dans le melos, ou y
£tait employe to u jours. Dans ce cas, il est tres possible que la realisation
du pyenon se soit aussitot presque fatalement conformed a la formule qui
nous est restee de Venharmonique de Didyme et, comme on le verra, aussi
d' Aristoxene : 24 — 30 — 31 — 32. Quoi qu'il en fut d'ailleurs d'une pratique
— inevitablement plus ou moins fausse, a l'instar de la notre, — conti-
nuous d'en examiner les consequences theoriques a un point de vue speculatif
absolu correspondant aux subtilites des diagrammes ou formules de tetracorde
qui nous sont parvenus.
En supposant, a certains aulos de l'epoque, la faculte de fournir l'oc-
tave ou harmonique 2, si facile a produire, meme involontairement sur les
23*
342 Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc.
tuyaux ouverts, nous aurions une 6chelle d'une Vendue de deux octaves, que
nous representors par les sons et les longueurs de corde correlatives, en adop-
tant imm6diatement le rapport 30 — 31 — 32 pour le pycnon enharmonique:
N Tr. N. Pn. Tr. Pm. M. Ph. H. L. Ph. H. Pr.
86 46 48 64 60 62 64 72 90 96 108 120 124 128 144
la Fa mi re Do si# si la Fa mi re Do sift si la
Hyperbol. Disjointes Moyennes Hypates JVsi.
Et nous obtenons ainsi:
1° le Systeme par fait des Grecs, avec sea quatre tetracordes des hyper*
boleennes, des disjointes, des moyennes et des hypates et son proslambanomem,
dans le genre enharmonique.
2° Une Schelle enharmonique, ou le demi-ton des moyennes n 'est pas compose
de deux diesis enharmoniques, comme le demi-ton des hypates] c'est-a-dire
une cchette enharmonique conforme d la description £ Aristoxene.
Celui-ci ajoute, en effet, en employant ici pertinemment la terminologie
contemporaine:
«. . . Le pycnon enharmonique du t6tracorde des moyennes, qu'on pratique au-
jourd'hui, ne semble pas provenir de cet artiste (Olympos); ainsi qu'on peut e'en
convaincre en 6coutant un aulete qui joue a la maniere archaYque: car it conserve
alors le demi-ton des moyennes incompose. Tel fut V enharmonique primitdf . . .*».
L'hypothese est done une fois de plus confirmee par les textes et donne
l'explication d'un passage incomprehensible sans la connaissance de la realite
empirique a quoi il correspond. Oe demi-ton des moyennes, en effet, n'avait
pas besoin d'etre alterl, puisque les deux sons (Fa — mi) dont il est forme,
dans l'echelle primitive incomplete, gtaient regulierement consonnants pour
un systeme conjoint ou disjoint, «construit d'apres 1' analogic* de V ethos
realise par Olympos.
Enfin, en divisant ce demi-ton des moyennes, — (pratique qui suivit
peut-etre de pres Olympos), — et en notant toujours selon le pycnon enhar-
monique 30 — 31 — 32, c'est-a-dire ici Do (60) — sift (62) — si (64) et Fa (90)
— mift(93) — ra*(96), cette Schelle nous fournit les six gammes archaiques
qu'Aristide Quintilien nous a transmises assez obscur6ment (Mb. 23), et qu'on
transcrit accompagnees des longueurs de corde correlatives et de leur notation
dite instrumentale, mais, en realite, correspondant d la crousis (xata xpoosiv);
a savoir, d'abord le dorien, le phrygien et le mixolydien:
1 tt
60
62
64
72
90
93
96
108
Dorien < >
3
U
C
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c
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I mi
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mi
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1 re
Do
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si
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Mixolydien {
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mi
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*t
) t6 -yap is Talc piaate dvappuSviov iruxv<5v, ij> stjs xpftvrat, oO fcoxct roS irotTjroy cWau
&' io-zi atmtatv, ids tic dp^aixwc tivoc a&Xovvroc dhto6«iQ • doMrrov ^dp (totZXcrmi
Jean Maraold, Lea Fondement* naturals de la Musique etc. 343
En transposant les proportions generatrices de cette echelle but un aulos
ay ant une longueur des 2/3 du precedent, c'est-a-dire sonnant a la qumte
superieure, on obtient les trois autres gammes arohaiques d'Aristide: le
syntono-lydien et fiastien incomplete, puis, par cr ousts, le lydien qui se
prlsente dans le texte sous la forme d'un hypolydien enharmonique.
Eckelle type I
.Crousis \
72
mi
Lydien
12
16
16
18 20 21
24
30.
31
32
36
mi
Do
St
la Sol fajjf
«•"
Do
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31
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K *
*
c
T
L
1
-»
si
Sol fax
H
flit
Do
-»
Mais cette echelle nous fournit, en outre, l'occasion d'un rapprochement
curieux et significatif a plus d'un titre.
Plus loin, parlant, tou jours d'apres Aristoxene, de Vtthos des rythmes
musicaux, lequel « depend de l'enchafnement ou de la combinaison de ces
rythmes », le meme Plutarque s'exprime ainsi:
c. . . Par exemple, le genre enharmonique d'Olympos place sur le ton phrygien,
combine' avec le p£on epibate. C'est le principe de cette combinaison, en effet,
qui constitue V ethos propre au nome d1 Athena. Or, tandis que rien n'est change
a la meiopee et a la rythmopee, le rythme seulement etant techniquement modifie
en troquant un trochee contre un peon, le genre enharmonique d'Olympos n'est pas
altere et demeure. Mais, quoique le genre enharmonique et le ton phrygien per-
sistent et avec eux le systeme tout entier, il en requite cependant une remarquable
modification dans V ethos. En effet, ce qu'on appelle Barmonie dans le nome
d'Athena differe beaucoup du prelude (dvairelpa) a regard de Vethos>i).
Or nous venons de voir que, sur l'lchelle primitive incomplete, ou Olympos
put trouver empiriquement le principe du genre enharmonique, il lui fallait
changer le si en si pour obtenir un systeme consonnant ; ce qui, precisement
a partir du premier son de la gamme phrygienne , lui donnait ri (27) — Do
(30) — si (32) au lieu de ri (18) — Do (20) — si (21), c'est-a-dire des sons pro-
ducts par des longueurs de corde correspondant a un peon (27 — 30 — 32)
et a un trochee (18 — 20 — 21).
clvat xai tb £v xalc fiioat; tJfAtxdviov. To fxev ouv irp&xci xd>v ivapfAovlrov xotaOxa . . .
(Plut. D. M. 1136.)
1) . . . otov '0X6p;rq> x& Ivappriviov fbtoz ItzX ^pu-ylou xdvou xc8£v Ttaiam iTuftaxip jm^-
8£v • xouxo ?dp Tfjs ipx"?j« t^ rftoz Ifkwrpen ln\ xtji xtj; Athjvdc v<Spq> • itpoaXi^ftsfaQC -y^P
fisXoiroilac xai jtodfAOiioilac xe^vmSis xe fxexaXtjcpflivxos xou j>yfy*oO fidvov a&xoO xai y6V0"
jiivou xpoxatoo dvxl iratavo;, ouv6oxi) x6 'OXujatcou ivappilviov f&voz' dXXd p^v xal xoO
svapptfviou fevooc xal xou <ppi>f(o'j x6vou oia(Mv6vxa>v xal rcp&c xouxoic xou ouaxfytaxo;
iravx6«, jie^oXtjv dXXotaoiv loyTjxc x& ffios. (Pint. De Jfws. 1143.)
344 Jean Marnold, Les Fondements nature! b de la Musique etc
1/ application de la terminologie rythmique a la musique pure, qu'on
rencontre a tout propos dans les sources et qui parait si deroutante a priori,
en est ainsi naturellement expliquee. Elle decoulait spontanement de la
systematisation numerique dictee par rempirisme instrumental a la theorie
speculative. II semble meme infiniment probable que ce soit de cette theorie
purement musicals que proviennent les termes et tous les elements de la
systematisation metrique et rythmique imposee artificiellement a la po£sie
par les grammairiens posterieurs et effective arbitrairement par eux chez
les anciens poetes, grace a 1' alteration des textes originaux dument revus et
corriges. Cette conception d'une rythmique purement musicale, correspondant
a des rapports de longueurs de corde ou, plus tard, de vibrations, etait si
familiere aux Grecs, que sa meconnaissance rend incomprehensibles les trois
quarts de la literature adequate. Elle se perpetua longtemps, au surplus,
parmi les tradiments scolastiques herites de l'antiquite, et on en trouve
encore le principe et la theorie nettement exposes chez Jean de Muris, sous
cet intitule: Comparatio specierum dyatessaron et dyapente metrorum pedibus.
(Speculum musicae. Lib, VI. Gap. XXI1.) Pour Interpretation de cette
rythmique musicale, il faut evidemment se garder d'en reconnaitre a priori
de rigoureux equivalents dans la terminologie elaboree tardivement par les
metriciens de la poesie, et ou, en depit d' in eluc tables analogies fondamen-
tales et essentielles, certaines expressions risquent de n'etre plus que de
purs termes techniques. On a certes le droit de tabler sur la communaute
de vocabulaire et la filiation eventuelle pour des edaircissements reciproquea ;
mais, la rythmique musicale ayant manifestement precede l'autre en tant que
systematisation n£cessairement issue de l'empirisme, il convient, specialement
a l^gard des traditions lointaines, d'y entendre les mots dans leur sens
propre, general ou originel, au lieu ou, pour le moins, avant de les assimiler
aux termes purement techniques dont l'acception desormais conventionnelle
leur echut depuis et parfois bien longtemps plus tard. C'est le cas, par
exemple, de l'epithete epibate, employee par les grammairiens pour denommer
conventionnellement un peon special, mais qui, litterallement, signifie par-
couru ou accessible en montant.
Nous pourrions done interpreter comme il suit le passage de Plutarque-
Aristoxene :
«... Par exemple, le genre enbarmonique d'Olympos place sur le ton phrygiem
re (18) — Do (20) — si (21) — la (24), combine avec le peon realisable en montant . . .»
— (en montant numcriqitement , e'est-a-dire 27 — 30 — 32) — «... C'est le prin-
cipe de cette combinaison qui constitue Yethos propre au nome d' Athena. »
1) Quia volentes musici species dyatessaron et dyapente metrorum pedibus iltorum-
que comparand syUabis, hie idea de hoc apponamus. Sicut, inquiunt, rods articulate
partes sunt litterc ex quibus per compositionem syllabe nominaque constant et verba,
sic ex sonorum copulatione que prima cantus sunt fundamenta mixti nascuntitr son*
qui, si ad certam in numeris rcducibites sunt proportionem , generaliter loquendo eon-
sonantie sortiuntur nomine; et hi quidem si inter ipsos medius nofi eadat sonus, sunt
quasi due similes juncte littere; fitque tunc semitonium vel tonus et semitotrittm pro
brevi syllaba, tonus pro longa sumaiur. Si vero inter illos medius eadat sonus, ut tint
ires soni velut in syllaba litterarum trium, fit tunc vel semidytonus vet dytonus. Semi'
dytonus ex longa et brevi dytonus ex duabus longis et semidytonus quidem difformis.
Si enim longa precedat brevem, trocheus dicitur, sic: re, mi, fa. Si e eonverso, iam-
bus sit: mi, fa, sol. Si dytonus, qui uniformis est, sic est spondeus ... (Cousse-
maker, Script, de Mus. med. eevi. T. II. p. 233.)
Jean Mara old, Les Fondemente naturels de la Musique etc. 345
Si nous repr^sentons sur une ligne les deux octaves de l'Schelle incom-
plete fournie par Taulos ou Olympos put elaborer le genre erdiarrnonique^
nous avons :
^ trochee — ^ ^ peon — ^
12 15 16 18 20 21 24 27 30 32 36 40 42 48
la Fa mi re Do la si Fa mi re Do si la
^—pton — ^
^ peon v (81) (90) ;%)
a) 27 30 (31) 32 36 45 48 54
re Do (si$) si la Fa mi re
^ — trochee — ^ ^- trochee -^
(18) [20) ;21) .18) (20) (21)
b) 36 40 .41) 42 48 (54) 60 63 72
re Do ;do[7) si la Fa mi re
Et, en nous conformant au principe de combinaison indique, nous obtenons
deux gammes phrygiennes enharmoniques, (correspondant precis£ment au schema
du phrygkn archa'ique d'Aristide Quintilien), formers successivement par le
changement d'un trochee en peon et d'un peon en trochee. Sur un instrument
approprie, ces deux gammes pourraient r£sonner 6ventuellement a la quarte
ou a la quinte (la — sol) et fournir les elements suffisants a la composition
d'un nome assez complexe, ou il serait scabreux de vouloir decider ce que
fut le prtlude (dvairaipa) et Vharmonie. Dans toutes ces gammes, le ton phrypien,
le genre enharmonique et le systems tout entier demeureraient inalter£s; la
mdopee resterait immuable, puisque employant, dans le melos} les memes
especes de sons du systeme, consonnants respectivement a la quinte] en fin,
les deux sons intermediaires (31 et 41) mis a part, la rythmopee n'utiliserait
aucun pied numerique (ou rapport dHntervalle) stranger au principe de combi-
naison impost par le schema 18 — 20 — 21 — 24 — 27 — 30 — 32 , quoi-
qu'aboutissant, par la seule modification technique du rythme [peon ou
trochee), a une profondo diversite de caractere ou ithos.
En merae temps qu'il peut s'appliquer plausiblement a un passage obscur
de la compilation de Plutarque, notre resultat apparait done strictement
conforme aux regies rigoureuses de la composition des nomes, au cours des-
quels Staient interdites toutes combinaisons dP harmonies ou de rythmes Stran-
gles a la tension (xaai;) initiale, e'est-a-dire aux rapports d'intervalle
numeriquement determines sur une corde (endue et constituant l'echelle adoptee1).
AssurSment, on no saurait jurer que telles furent, en r£alite, les deux
gammes fondamentales du nome d' Athena; mais, meme en admettant a cet
egard une simple coincidence, elle est accompaguee et prec6d£e de beaucoup
d'autres, et e'est de 1' accumulation de coincidences que peut naitre quelque
certitude par le controle constant de l'hypothese et de ses consequences
logiques.
Empiriquement, sans speculation arbitrairo, math&natique ou autre, par
la division de la corde ou des tuyaux et en proc6dant par les moyens lea
plus simples, cette hypothese nous a donne* jusqu'ici successivement:
1) Oi *fdp £&?jv to iraXai&v oStoj roieiaGat xd; xtGaowofa; d>; vuv, oOoe (&e?at?4pcw Ta;
dppemac xai tou; ^uQpouf £* *ydp xot; vdfiou i%d<rzvp oierVipou^ v)p oixelcrt Tdow . . .
(Pint. De Mus. 1133.)
346 Jean Marnold, Lee Fondements naturels de la Musique etc
1° Lee trots genres diaionique, chromatique et enJiarmonique, bases sur le mode
dorien.
2° Los systemes conjoint et disjoint.
3° L'explication subs£quente de la suprematie th£orique fondamentale du Dorien
et de la quarte,
4° Le sens du mot crousis et la subtilite* des resultate de celle-ci corroboree par
la definition du diagramme.
6o Un Jieptaeorde primitif, ne contenant que trois tetraoordes correepondant aux trois
modes primordiaux phrygien, dorien et lydien.
6° L'6chelle enharmonique cT Olympos conforme a la description d'Aristoxene.
7° Le systeme parfait des Grecs dans le genre enharmonique.
8° Les gammes archaYques d'Aristide Quintilien.
9° L'origine empirique des rythmes musicaux, fondement naturel d'une syst£mati-
sation 6ventuellement speculative.
100 XJne suggestion plausible a propos du nome d' Athena.
Nous pouvons peut-etre nous en expliquer aussi la nature et l'iinportance
de Innovation d'Olympos. En appliquant l'hypothese purement intuitive a
la prime elaboration des echelles autant qu'au r£cit d' Aristoxene , il eut
fallu que, sur Vheptacorde traditionnellement adopte jusqu'ici par les commen-
tateurs modernes:
la — sol — fa — mi — re — do — si
Olympos, un beau jour, ait eu la triple fantaisie: 1° de supp rimer deux
notes (sol et re), 2° de diviser le demi-ton do — si en deux « quarts de tons>,
3° enfin de conserver neanmoins le demi-ton fa — mi tel quel. Et on ne voit
guere en quoi tout cet arbitraire aussi gratuit que complique aurait intro-
duit dans Tart musical un element renovate ur capable d'engendrer desormais
«la musique grecque et belle ». L'hypothese empirique, au contraire, nous
montre le meme Olympos aux prises avec un instrument primitif, fournissant
une echelle heptacorde incomplete et irreguliere:
• la — Fa mi re Do si la
sur laquelle il ne peut rSaliser a la fois symetrie et concordance qu'au moyen
pr£cis6ment du procede" qu'on attribue a son simple caprice; a savoir en y
supprimant un son (re) et en y ajoutant un son nouveau et consonnant [si)*
produit en ouvrant incompletement avec le doigt le trou du son discordant (*f).
Si la celebrity d'Olympos, en tant quaulete, autorise a accorder a son jeu
une remarquable justesse dans ce genre d'exScution artificielle, rien ne nous
permet de reconnaitre en lui le premier inventeur de ce debouchage incom-
plet des trous de l'aulos d'ou pouvait r£sulter, pour un instrument donne* a
sons fixes, une augmentation de ressources par la production de sons inter-
mediates aptes a fournir des nuances melodiques assimilables a ce qui fut
nomme depuis le genre chromatique (jrp»>|xa, couleur). Mais, chez Olympos,
cette alteration nuancSe des sons de 1' Echelle fondamentale avait pour prin-
cipe la symetrie et la concordance (aojicpojvia), c'est-a-dire une syst6matisation
reguliere dont l'apparition dnns la pratique artistique l£gitimerait amplement
la gloire d'Olympos et son titre de «fondatour de la musique grecque et
belle*, grace a un <accroissemont des ressources de Tart musical par l'ex-
ploitation d'un element nouveau et inconnu a ses devanciers» t).
Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Motique etc. 347
Et, en effet, si nous nous 6clairons de l'ltymologie d' deception derivable
du sens propre et originel des mots empiriquement appliques avant de devenir
termes techniques, nous trouvons que dpjxovta signifia d'abord et toujours:
suite, enchainement, et que le vocable plus jeune evapfio'vio; apparait d'embl£e
avec la signification de convenable, concordant1). En appliquant a la r^alite*
vraisemblable le sens propre de mots non encore termes conventionnellement
techniques, nous pouvons done dire :
a) La syst6matisation el£mentaire issue de l'empirisme fournissait aux
musiciens archai'ques des 6chelles diverses formees de sons enchained a la
suite et appelSes harmonies.
b) L'innovation d'Olympos introduisit dans cette systematisation elemen-
taire, bas£e empiriquement sur un enchainement (apfiovia) de sons successifs,
le principe de la symetrie et de la concordance r6alisees par l'emploi de sons
conyenables intervenant dans cet enchainement (harmonie) fundamental.
En fin, si nous repr£sentons l'innovation d'Olympos par la rlalite* du fait
sonore objectif, e'est-a-dire par les longueurs correlatives, nous remarquons
que T^chelle concordante enharmonique derive, au fond, par crousis (nXj)
de l'echelle fondamentale irreguliere, et que, par surcroit, elle correspond en
fin de compte a Tune des plus simples combinaisons , dans l'gtendue de
l'octave, du tricorde figure* par le triple diagramme de notre tableau:
II.
III.
1
2
3
4
5
6
7
8
{la)
la
{re)
(la)
(Fa)
(re)
(*)
(la)
1
2
3
4
5
6
{mi)
(mi)
M
(mi)
[Do)
(la)
1 2
3
4
5
6
7
8
9
(si) {si)
(mi
(si)
(Sol)
i (mi)
(
do#)
>i)
(la)
Echelle irregtdiihr
f 12
e fondamentale \ »
15 16
Fa mi
18
re
20
Do
21
si
24
la
Echelle concordante
crousis (24x3)
par
f 36
[la
45 48
Fa mi
54
re
60
Do
63
si
64
si
72
la
Et nous constatons que tous les sons realisables par la crousis et ses
combinaisons successives (ici 1 X [\)a X (J)n) preexistent virtuellement, en
puissance, dans la plus simple division de la corde et apparaissent au fur
et a mesure de ses subdivisions cons£cutives. lis sont, par consequent,
inhirents par essence a V enchainement elementaire (suite de sons, harmonie)
constituant toute et quelconque echelle empirique eventuelle. L'innovation
d'Olympos, a laquelle est restle attachee la denomination £ enharmonique
(evapaovio;) aboutissait done ainsi, en r^alite, a la formation facultative
d'£chelles r^gulieres par le choix convenable de sons inJierents & Vharmonie
ou « enchainement* correspondant aux divisions de la crousis] e'est-a-dire an
principe d'une systematisation coordonnee, coherente et fcconde des rSsultats
de la crousis, d'ou devait, en efFet, naitre et se developper la th£orie specu-
IjjL-poaftsv tiaa^a^ls, xa). dpyrjo; ^ishbii *r/j; 'EXXijvtxf,; xal xaX*?j; (AO'JOixfj;. (Plut. De
Mus. 1135.)
1) Passow: ap^ovta. Fuge. Verbindung. Odys. 5. 248. 361. Hdt 2. 96. Soph.
fr. 232 etc Diod. 2. 8. Plut. moral, p. 685. C. 619. E. — ivap^to;. «m-
passend, ubereinstimmend. Plut. Arist. u. a.
348 Jean Marnold, Lee Fondements naturels de la Musique etc.
lative, s'engendrer les moyens d expression et gvoluer le concept esth^tique
de Tart musical des Hellenes durant sa plus glorieuse epoque.
Terpandre.
Quoique cette systematisation semble avoir ete* rapide et avoir attaint
presque aussitot son premier epanouissement spgculatif avec Terpandre & Sparte,
cependant elle n'apparait pas tyrannique et confinee exclusivement dans
Sexploitation des formules ou nous la voyons fig£e plus tard. Les harmo-
niciens archa'iques conservaient a leur disposition les 6chelles irregulieres ou
incompletes fournies par la systematisation primitive de la facture instru-
mentale a ses debuts. Ce qui devint le diatonique, le chromatique et tenhar-
nwnique de la theorie, n'6tait alors qu'en genese dans un art empirique, ou
la sym6trie des tetracordes demeurait facultative en meme temps que leura
divisions pouvaient ne pas correspondre a celles adoptees pour ces trois
genres dans la pratique et la th£orie posterieures. C'est ce qui decoule a
la fois de ce que nous avons constate* pour l'echelle invented par Olympos,
(avec son tStracorde des moyennes au demi-ton incompos6, et depourvu par
la de parhypate), et des explications subsidiaires de Plutarque-Aristoxene.
Apres avoir, en effet, relate qu'Olympos se servit de sa gamme nouvelle
«pour composer dans le ton dorien», Aristoxene ajoute: «... mais cela, sans
s'attacher aux caract£ristiques, ni du diatonique, ni du chromatique, ni meme
de Venkarmonique* ; (c'est-a-dire de Veiiliarmoniquc posterieur, theorique,
contemporain d* Aristoxene). Puis, ouvrant une parenthese, il continue1).
«. . . Telle fat d'ailleurs la nature des anciennes compositions enharmoniques ...»
— ou mieux peut-etre «. . . harmoniques . . .», que donne un manuscrit de Paris. —
c. . . On place, en effet, au premier rang de celles-ci le spondiaque, ou nulle divi-
sion ne caract£rise un des genres. A moins que, conside"rant le spondiasme snr-
tendUj on ne pr£tende y reconnaitre 1' image du diatonique. Mais il est Evident
qu'ane telle representation serait a la fois erronSe et non melodique; erronee, car
ce spondiasme est moindre d'un diesis a regard du ton etabli conform£ment aa
principe; non melodique, car, si on attribuait a ce spondiasme la valeur toniee,
il en r6sulterait deux sons diatoniques successifs formant, Tun un intervalle dia-
tonique incompose, et l'autre un intervalle diatonique compost . . .>
L'epithete de «spondiaque», dans les textes, est speciale aux airs archai'ques.
L'Stymologie conduit au sens de «particulier aux libations » — (a priori,
aux libations profanes aussi bien que liturgiques). — Autant que cette
origine primitive, la filiation du terme technique spondee, chez les metriciens
posterieurs, autoriserait a reconnaitre dans le genre, trope ou style «spon-
diaque» les resultats des combinaisons les plus simples correspondant & la
division reguliere empirique des cordes ou des tuyaux en parties egales.
D'apres cette hypothese, il y aurait done eu plus d'une ctehelle <spondiaque»
1) etvat o' chjto) -rd 7rpd>xa xd>v e\apiAOvta>v xotairra. xi6*aat f^p xo'jxwv — ptuxov to
orovoeuw, is tj ou&ep^a xtuv &iaip£aerav x& i&iov dfx^alvet. el [i.-t\ xt; el; x6v ouvtov tore gov
oitovoeiaop.6v jDAiitaw auxi touto oidxovov elvat d7teucdaet. ofjXov &* 2xt %a\ ^eufcoc xai £x-
p-eXes G^)oei 6 xotovxo xt6e(;* ^euoo; piv, oxi &t£aei £Xaxx6v £37ri x6voo xoti repl tov Vflc»
f*ova xetfiivo'j • ixfjteXe; oi, oxi xai et xi; e\ x^j xo?i xcmalou o'jvdpei xi6e(7) x6 xoS «uvxov<d-
xtpou 07rovoetotOfjLoO T&iov, aufxpatvoi av 060 £&fj; xifleoOat &idxova xo piv douvOcxov, xo oi
ouvGexov. (Plut. De Mas. 1136.)
Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc* 349
possible, et l'heptacorde incomplet que nous avons realise apparait la com*
binaison de deux echelles «spondiaques»:
4 5 6 7 8
mi Do la fa§ mi
et
3 4 5 6
mi si Sol mi
Si nous sur tendons, par crousis (nX2), cette derniere echelle, nous
obtenons l'heptacorde que nous avons qualifie* plus haut: trope spondiaquet
6 7 8 9 10 11 12
mi do§ si la Sol fa mi
ou se trouve un tetracorde surtendu reprSsentant le diatonique igal de
Ptolem6e:
9 10 11 12
la Sol fa mi
Et nous remarquons que, dans ce tetracorde, l'intervalle ■}■£, ou Sol (40)
— fa (44), est moindre d'un diesis \% que le ton •$ ou Sol (40) — Fa (45)
propre a la division reguliere du genre diatonique au temps d'Aristoxene.
En attribuant indistinctement «la valeur toniee*, a ce tetracorde 9 — 10 —
11 — 12 et au tetracorde diatonique regulier 36 — 40 — 45 — 48, il s'ensui-
vrait la succession de deux parhypates diatoniques} fa (44) et Fa (45), formant,
l'une un intervalle diatonique incompose* Sol (40) — fa (44) ou W, et l'autre
un intervalle diatonique compose* Sol (40) — Fa (45) ou J-^ X -fj"
M. L. Ph. Ph. H.
9 10 11 12
36 40 44 45 48
la Sol fa Fa mi
H semblerait, d'apres notre interpretation de ce passage, qu'Aristoxene
se soit refuse a considerer comme diatonique la formule de tetracorde que
Ptolemee nous conserva sous le nom de diatonique egal, et qui incarne mani-
festement un des aspects les plus anciens de la systematisation des genres
avec un diatonique obtenu par la division de la corde en parties egales.
Cette echelle, a laquelle, par deux fois, nous avons pu appliquer des'
textes se rapportant au trope ou style «spondiaque» , fut peut-etre, sinon
probablement, le fameux heptacorde de Terpandre:
6 7 8 9 10 11 12
mi dot si la Sol fa mi
Ainsi figure, cet heptacorde correspond en effet aux particularites vrai-
semblables de la systematisation terpandrienne a Sparte et aux innovations
attributes par les sources au citharede lesbien. II est base sur le mode dorien
par son tetracorde grave, et on y rencontre enfin 1' octave divisee en deux
quartes separees par le ton disjonctif selon le logos mousikes de Pythagore:
6 8 9 12
mi si la mi
Cette division de l'octave, de Thypate a la nete doriennes, qui devint l'un
des fondements de la theorie, fut Innovation capitale de Terpandre, et son
heptacorde paraft en avoir supplante d'embiee l'heptacorde anterieur. Deux
350 Jean Marnold, Lee Fondements naturels de la Muaique etc
Problemes d'Aristote, confirmant a cet egard d'autres textes, viennent corro-
borer par surcroit notre hypothese quant a la composition de Tun et 1' autre
heptacordes.
L'un de ces Problemes (XIX, 47) se rapporte a l'heptacorde archaique
dont nous avons dgduit l'enharmonique d'Olympos:
12 15 16 18 20 21 24
re Si2 la sol Fa mi re
Cette echelle, dont nous avons vu driver le systeme parfcrit enhamumique
et les gammes archaiques d'Aristide Quintilien, offre la possibility d'un systeme
conjoint , et d'un seul, constitue* par les quartes ri(\2) — la (16) — mi (21),
dont la seconde est fausse. En operant la correction d'Olympos, on aboutit
a l'heptacorde:
36 45 48 64 60 64 72
re Si\? la Sol Fa mi re
Et, en compliant le tetracorde supSrieur par la division en deux parties
Igales de l'espace 36 — 45, on peut obtenir sur le meme instrument un autre
beptacorde constitue* de deux tetracordes doriens conjoints:
72 81 90 96 108 120 128 (144)
re do Si? la sol Fa mi {re)
Cette derniere gcbelle est presque fatalement d^terminee par l'heptacorde
type et decoule logiquement, par les moyens les plus simples, des divisions
de l'instrument originel. II est interessant de noter, en passant, qu'on arrive
ainsi sans le moindre arbitraire et en dehors de toute hypothese intuitive
hasard£e, a r^aliser empiriquement l'heptacorde traditionnel dont la plausi-
bility devient Svidente; en meme temps que, d' autre part, non moins que
les sept planetes, l'heptacorde primordial et gen£rateur peut expliquer la fortune
musicale, poussSe presque au feticbisme, du nombre 7 chez les anciens Orecs.
C'est sans doute a une transformation de ce genre de l'beptacorde primitif
Tr. M. H.
12 15 16 18 20 21 24
re Si? la sol Fa mi re
que, songeant au mode dorien, faisait assez gauchement allusion le pseudo-
Aristote, en demandant1):
«... Pourquoi les anciens, en formant des harmonies heptacordes, laissaient-
ils subsister Yhypate [mi; et non pas la nHc ...» — c'est-a-dire la ntte doriennt
{mi aigu), — «. . . ou bien 6taient-ils, non pas Yhypate, mais ce que nous appelont
auj ourd'hui paramesc {si) et Tintervalle tonie [to — si)? lis employaient comme
note m£diane la derniere [la) du pycnon aigu {Si1? — la); aussi la nommaient-ils
mdse. N'est-ce pas par ce que celle-ci, etant la fin du t£tracorde aigu et le com-
mencement du t£tracorde grave, se trouvait en rapport moyen avec les extremes?*
(Ps.-Ar. Probl, XIX, 47.)
\id t( oi dpyaioi eTrxaytfp&o'j; itqiojvts; xa; dpp-ovta; t?)v uratrv, d)X oi t^s vVjtt,'*
v; tJ ou rr)v »jr:dlT7)v, dXXd t^v nuv 7rapapiar)v %aXo'jp.^vT^ dcp^pouv xal to Tovtaio*
1) An
mzQakov ;
lidar-qpa. iypamo oe Tfl iaydvQ p-^aiQ tou lizi to 6?u iruxvoO* Sto xal pidoTjv ou^v wpo«j-
v6psuaav. r\ oti rp tou p.ev dtau TtTpoty^poou TsXeuTt), tou he xdtw d$yj\, *ai pi«ov ityt
Ufos tov xd»v dxpwv. (Ps.-Ariet. Probl, XIX. 47.)
Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc. 351
L'autre Problcme (XIX, 32) specific la reTorme de Terpandre1):
«Pourquoi, pour denommer l'octave, dit-on dia pas&n et non df octo conform^-
ment au n ombre de ses notes, comme on dit dia tessaron et dia pente? N'est-ce
pas parce que l'^chelle archai'que avait sept cordes et que Terpandre supprima
la trite (Si)?) pour aj outer la nete [mi), et qu'on disait alors dia pason et non d?
octo? En effet, Texpression exacte aurait ete d? hepta.*
Ces deux textes, r£dig£s trois siecles plus tard et qui nous sont par-
venus plus ou moins alters, correspondent assez nettement a la transfor-
mation de l'heptacorde archai'que
Tr. M.
12 15 16 18 20 21 24
re Sty la sol Fa mi re
en celui ou nous reconnaissons l'heptacorde de Terpandre
N. Pm. M.
6 7 8 9 10 11 12
mi do§ si la Sol fa mi
et dans lequel on constate, avec la nete dorienne, mi (6), la paramese, si (8),
remplac,ant la trite. Si? (15)} et separ£e de la mese, la (9), par le ton disjonctif,
si (8) — la (9).
C'6tait, en r halite, l'heptacorde cithar£dique oppose" a l'heptacorde archai'que
des auletes phrygiens. II semble que chacune de ces echelles ait pu consti-
tuer, pour la composition musicale et l1 elaboration des harmonies ou des
names , une sorte de prototype fondamental et g£n£rateur servant de base
aux combinaisons subsidiaires de la crousis adequate, et, tandis que le mode
phrygien demeurait «particulierement propre a l'aulos», l'heptacorde du citharede
Terpandre intronisait definitivenient 1' octave dorienne dans la pratique melo-
dique et les speculations de la crousis.
Sous sa figure originelle, cet heptacorde offre une £chelle irreguliere apte
It la formation de melodies fort savoureuses. En realisant quelques unes des
consequences possibles de sa crousis} on aboutit au resultat suivant.
Par crousis (n X 3), on en obtient une echelle de 18 intervalles, contenant
les sons n^cessaires pour constituer un octocorde dorien en diatonique igal
(9_10— 11— 12):
18 20 22 24 27 30 33 36
mi Re do si la Sol fa mi
Par crousis (n X 6) , on obtient le Dorien diatonique% chromatique et en-
harmonique, le Phrygien et le Lydien diatoniques. Et on remarque que toutes
ces echelles, y compris l'heptacorde initial, sont executables sur un instrument
accords selon cette crousis , laquelle, effectuee ainsi sur une corde ten due,
diviserait chacune des deuxq uartes de l'octave en six parties egales produisant
sept sons consonnants respectivement a la quinte:
1) Aid tI &id iraowv xaXeixit, dXX1 oi xottd tgv dpiQpiov IC 6xxw, fiap^ep xal oid Tcrcd-
pmv *at 5ia izh-zc, — *H 2ti izxa T4oav otl yopoat to dpycuov, th? £;eXd>v tip xfivrp T£p-
ratvopos t9jv vt,tt)v Ttposlftrjxe xai irzi to'jtou £xX^j6tj Sid raawv, dXX' o'i oi ' tati!*' W iircd
Tdp 7)v. (Ps.-Arist. ProbL XIX. 32.)
Dorien
352 Jean Marnold, Les Fondementa naturels de la Musique etc
Crousis. 36 38 40 42 44 46 48 54 57 60 63 66 69 72
„ J 6 7 8 9 10 11 12
Heptacorde j m{ ^ si la Sol A
, ,1 18 20 22 24 27 30 33 36
dtatomque egal\ m{ & do si la Sol to mi
I 36 4244 4854 6366 72
ehromattque j mi ^ dQ ^ fa /ajj fe
( 36 44 46 48 54 66 69 72
enharmotitque j ^ do do|? ^ fa ^ ^ m{
_, . ( 36 40 42 48 54 60 63 72
PAr^tm j mf. ^ dojj « to So/ /a# m
r . ( 36 38 42 48 54 67 63 72
Wien j mi Wj| do£ ^ fa Sol|| /a£ mf.
Enfin, outre «l'usage melodique de la nete dorienne, ignore de sea devan-
ciers», Plutarque attribue expressement a Terpandre «l'invention da mixo-
lydien complete.
Ce mixolydien nous est fourni par la crcmsis (»X4), qui nous procure
aussi, dans les limites de l'octave, la possibility, d'un dorien diatonique,
chromatique et enkarmonique, d'un phrygien et d'un lydien diatoniques:
Heptacorde
6
7
8
9
10
ii
12
Orousis
24
26
27
28
30
31
32
33
36
38
40
42
44
46
46
48
Mixolydien
I
24
mi
27
re
30
Do
33
36
to
40
Sol
44
fa
48
mi
I
24
27
30
32
36
40
45
48
/ atat.
mi
re
A>
61
to
Sol
2^
mi
j.
chrom.
l
24
mi
28
30
Do
32
si
36
to
42
45
Fa
48
* enharm.
l
24
mi
30
Do
31
32
36
to
45
2^
46
fa>
48
mi
Phrygien
i
24
mi
27
re
28
dog
32
si
36
to
40
Sol
42
48
in*
hyt
lien
I
24
mi
25
28
32
St
36
to
38
lab
42
/4
48
mi
Parmi ces Schelles, il en est de regulieres et d'autres irregulieres quant
a la consonnance des sons composant les systemes. Mais de telles liberies
ne sont rien moins qu'incompatibles avec ce que nouB savons de la pratique
des harmoniciens archaiques. II est meme infiniment probable que leurs
gammes jouissaient d'une licence plus grande encore, ou l'lrregularite £tait
plutot la regie et la sym^trie l'exception. La crousis leur procurait eurtout
les elements de «rythmes musicaux* dont ils confectionnaient des ecbelles
varices, heptacordes ou octocordes, et combinaient des nomes. Dans ces
echelles irregulieres, un tetracorde pouvait suffire a specifier tel des trois
modes fondamentaux, (comme, dans notre heptacorde terpandrien, le tetracorde
grave indique le mode dorien)] la systematisation rigoureuse des genres parait
avoir ete notablement posterieure et, autant que la concordance absolue des
deux tetracordes d'une octave, ressortir a une speculation essentiellement
Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc. 353
theorujue. II semble que les re formes de Terpandre aient eu un caractere
assez different. Les inventions ou perfectionnements qu'on lui prete, dans
le domain e de la facture instrunientale, y trahissent un melange d'empirisme
et de speculation. A la lyre primitive, aux sons peu nombreux et fixes, et
qui, au dela du mythe, ne demeura sans doute guere qu'un embleme deco-
ratif ou hieratique, avait succ£de toute une famille d'instruments plus sonores,
plus etendus, aux ressources multiples. La cithare avait une forme analogue
a celle de notre moderne guitare. Le nom de la magadis dlnonce un instru-
ment a cordes tendues sur des chevalets. La phorminx pourrait avoir ete
un instrument du genre de la Zither actuelle, suspendu horizontalement par
une bretelle au cou de l'ex£cutant dont les mains restaient libres. Tous ces
instruments, a propos desquels Terpandre est cite* par les sources, etaient
en somme indistinctement des instruments a cordes tendues stir une table
dliarmonk supportant, soit des chevalets, soit des sillets encastr£s sur lesquels
la pression du doigt tendait la corde en provoquant ses subdivisions. Le
principe de la crousis des cordes y apparait done applicable dans toutes ses
consequences. Cependant, l'obscurite des textes rend a peu pres impossible
de decider si les «sons antipbones* de la magadis, de la pectis ou du bar-
byton ont quelque rapport avec les innovations d'Arcbiloque. On est porte
a penser plutot le contraire et a considerer les innovations de Terpandre
comme ayant ete d'ordre exclusivement instrumental. Citharede, il detrona
1'aulos au profit de la corde et de ses divisions regulieres. A l'heg&nonie
phrygienne, il substitua la preponderance du dorien, seul generateur des genres.
Si les gammes que nous avons deduites de son heptacorde presume sont, a
la verite, hypotbetiques en leurs details, encore que possibles et entre beau-
coup d'autres, le principe qui s'imposait empiriquement au citbarede autorise
a admettre pour resultats de 1' activity de Terpandre a Sparte et de ses
reform es :
a) une systematisation , a tout le moins eiementaire, des trois genres et de
qnelques modes dans les limites de F octave dorienne {nete dorienne n par la sub-
division en parties egales de cordes tendues et l'utilisation de telles on telles de
ces subdivisions ;
b) la consecration, qui s'ensuivait, de la euprematie theorique du dorien;
c) enfin, l'avenement decisif du logos mousikes de Pythagore (6—8—9 — 12), divi-
sant recbelle heptacorde generatrice en deux quartes separees par le ton disjoncHf.
Archiloque.
II semble bien, malgre l'obscurite des textes, que se soit accomplie, avec
Terpandre, la premiere organisation logique, e'est-a-dire desormais plus ou
moins consciemment theorique, de l'art musical des vieux Hellenes, et que la
systematisation basee sur la ditnsion de la corde fut de venue d'ores et deja
suffisamment familiere pour se preter, non seulement a des speculations rytb-
miques assez subtiles, mais a des combinaisons de toute espece. L'une des
combinaisons dont l'idee pouvait naitre tout naturellement dans l'esprit d'un
musicien, et le seduire a cause de la variete des ressources qu'il en devait
attendre, etait assurement la division de la corde dans le sens oppose.
Soit une corde tendue de longueur n. Si nous la divisons en 8 parties
egales, et que nous fassions resonner successivement ses {-, -j-, $ , J et -|, nous
obtenons une echelle inelodique de longueurs et de sons correspondants :
354 Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc
4 5 6 7 8
mi Do la fa§ mi
Cette Echelle melodique est produite par les rapports de longueurs de
corde £, |, $ et -J-, se succSdant de laigu au grave.
Nous pouvons avoir la fantaisie d' entendre l'6chelle melodique realisee
sur la me me corde n par les meines rapports de longueurs £, \, $ et \ , mais
se succ£dant du grave a Vaigu. Pour cela, nous effectuerons r operation
suivante. Nous diviserons la corde n en 5 parties egales; nous ferons resonner
d'abord la corde entiere ou ses -J-, puis, au moyen d'un chevalet glissant,
ses -£. Nous consid£rerons ces -J de la corde totale comme une corde nou-
velle n\ que nous diviserons en 6 parties Egales et dont nous ferons resonner
les •$. Ces -J nous fournissent une nouvelle corde n dont nous ferons
pareillement resonner les f. Enfin de la nouvelle corde ri" ainsi obtenue,
nous ferons resonner les J. Et nous aboutirons a l'echelle melodique que
voici, qu'il faut lire d V inverse de la prece*dente, c'est-a-dire du grave a
l'aigu, et ou les chiffres representent les rapports respectifs de longueurs
de corde:
6 7 4 5
mi ri si Solfy mi
7 8 5 6
Ce mode de division de la corde constituait, en realite, une crousis d'un
nouveau genre qui apparait evidemment l'une des speculations les plus natu-
relles et les plus* simples que put sugglrer la precedente. Mais, si nous
representons les sons de cette echelle par leurs nombres de vibrations, nous
remarquons que ceux-ci forment, dans le sens oppos6y une sSrie identique a
celle fournie par les longueurs de corde de 1 echelle obtenue par la crousis
ante>ieure; de sorte que, en superposant les deux £chelles, nous aurions:
Longtieur8 de corde:
mi Do la fa\ mi
Nombres de vibrations
Or, c'est precisement cette combinaison des deux crousis qui se revele
le principe de la plupart, sinon de toutes les innovations attributes par
Plutarque a Archiloque, est dont voici les principales l) :
c . . Archiloque inventa la rythmopee des trimetres, le melange en tension
commune (evxaat;) de rythmes d'especes diff£rentes, et la paracataloge, avec la crousis
adequate a ces combinaisons diverses. On lui prete aussi ... la tension commune
de Tiambe et du peon Spibate; la maniere de dire les iambes, soit selon la crousis,
m
->
4 5 6 7
8
mi Do la fa§
mi
8 7 6 5
4
mi r€ si Soljjj
mi
< ■
-4f
1) AXXd fjiev xai Apy IXoyo; -nfjv xu>v xpipixpwv jtaGfxoirotlav rpooeScupe, xal zip eU toy;
ou^ 6|i.OYevelc £>i>6fjLou; ivxaatv, xal t^v TrotpaxaxaXofTjV xal vtp repl xauxa xpouaiv . . . 7:06;
hk xo6xoi; •?) xe toO iap^efou itp&; x&v drcipaxov 7raiar*oi £vxaatc . . . Eft hi x&v lapfUtaiv zb
t6l piev X^eoOat rapd t^v xpoOoiv xd I ' tfi&eoGat, ApyiXoy6v <paoi xaxa&sTEat, et8' o5?w ypf,-
oaaOai xou; xpa-ftxou; itotTjxdc, Kpegov ht XaJJoVra ei; 5i(fop<£pL{ta>v ypfjotv d^^civ. Olovxat
hi xai x^v xpoOoiv rfjv Onrfc x^v ip^v xouxov rcpSxov eupetv, xou; &' dpyatouc itrfvroc ~poa-
^op5a *po6etv. (Plut. De Mus. 1141.)
a)
3 4 5
6
mi si Sol
mi
b)
6 5 4
a
mi Do§ la
mi
Jean Marnold, Lee Fondemente naturels de la Musique etc. 355
8oit eel on le chant, ce dont lea poetee tragiquee adopterent 1'ueage, et Crexoe l'in-
trodnisit dans la pratique dithyrambique. On dit en outre qu' Archiloque trouva
le premier la crousis daprls le chant (6-6 t9)v if>o^v: eubordonn^e au chant), tandie
que tous lee anciene avant lui ne pratiquaient que la crousis (Tapres la cords (icp6s-
XopSa: relative aux divisions de la corde) ...»
En comparant le texte original, on pent voir combien notre conception
du mot crousis, corrobor6e jusqu'ici par tant de coincidences, rend ce passage,
obscur et discute, d'une clarte la plus limpide en sa traduction litter ale.
Nous en obtenons avant tout une explication du terme paracatalogi stricte-
ment derivee de son etymologic transparente. En donnant a logos le sens
qui lui appartient — (et Bp6cialement dans Tart musical grec) — de rapport,
et en nous souvenant de l'antagonisme de tendances exprime" par 1' opposition
de para et de cata, nous aboutissons a la definition: contraire et conforms
au rapport; c'est-a-dire une melopee ou un style impliquant l'emploi alter-
natif ou simultan6 des deux crousis inverses.
Soit, pour prendre un exemple tres simple, l'echelle spondiaque elemen-
taire 3 — 4 — 5 — 6, dont nous superposons les deux aspects selon les crousis
opposees que nous no tons, la premiere en longueurs de corde, la seconde en
nombres de vibrations:
Long. C.
mi si Sol mi
Vibr.
Nous pouvons admettre que la paracatalogi ait exploits 1' opposition de
ces deux echelles melodiques, et nous pouvons supposer aussi qu'on ait
forme, avec tous ces sons divers, une Ichelle unique a l'instar de l'hepta-
corde d'Olympos. Cette echelle correspondrait a la crousis des longueurs
de corde:
c) 30 36 40 45 50 60
mi Dojt si la Sol mi
Et on constate aussitot de quelles ressources nouvelles des combinaisons
de ce genre etaient capables d'enrichir l'elaboration des echelles. Nous
pouvons meme remarqer que, dans ces trois 6chelles, a, b et c, nous venous
d' employer successivement trois combinaisons metriques differentes, ou se
reconnaitrait peut-etre assez plausiblement Innovation qualifiee «rythmop6e
des trimetres». II semble cependant que le principe de la paracataloge' ait
ete* surtout r opposition des gammes ou melopees issues des deux crousis
inverses. C'est ce qui parait decouler du texte de Plutarque qui, par les
autres innovations relates, confirme d'ailleurs surabondamment notre defini-
tion de la paracataloge', en nous devoilant un de ses elements le plus con-
siderable peut-etre pour ses consequences.
Plutarque, en effet, attribue a Archiloque: «... la combinaison en une
tension commune de rythmes d'especes differentes* et en particulier celle
«de Tiambe avec le pion epibate* ; enfin, «la maniere de dire les iambes,
soit selon la crousis, soit selon le chant . . . » .
Essayons de realiser, dans les limites d'une quarte, une analogue com-
binaison de Viambe et du peoti. Nous aurions, .en longueurs de cordis:
8. a. IMG. x. 24
356 Jean Marnold, Les FondemenU naturele de la Musique etc
I
Quarte
3
15
4
20
mi
si
iambe
15 16 18
mi Be§ Dojjj
20
si
peon
Si nous appliquions, a notre Echelle spondiaque (3 — 4 — 5 — 6), la com-
binaison ci-dessus, nous obtiendrions l'6chelle:
3 4 5 6
d; 15 16 18 20 25 30
mi Re§ Do§ si Sol mi
Et la division de la corde dans le sens oppose nous fournirait cetU
echelle inverse, que nous notons en nombres de vibrations:
6 5 4 3
e) 30 25 ' 20 18 16 15
mi Dojjj la Sol Fa mi
Soit, outre un moyen d'elaborer deux echelles nouvelles, un premier
element d'opposition melodique. Maintenant, si nous appliquons la meme
combinaison a la gamme c que nous avons formee plus haut, nous obtiendrions
de nouvelles ressources melodiques, avec Topposition des deux Echelles sui-
vantes, que nous superposons, not£es selon les deux crousis inverses:
f) 30 32 36 40 45 50 60
mi Re§ Do§ si la Sol mi
g) 60 50 45 40 36 32 30
mi Do§ si la Sol Fa mi
Mais nous pouvons aussi, a l'aide de la meme combinaison (15 — 16 —
18 — 20) et dans les limites d'une octave, confectionner une echelle constitute
de deux tetracordes identiques; ce qui nous donnerait, par les crousis inverses:
iambe iambe
h) 30 32 36 40 45 48 54 60
JKfy Do$ si la Sol% Fa§ mi
m%
[Lydien)
p£on peon
i) 60 "" 54 48 46 40 ^ 36 3230 r
mi Re Do si la Sol Fa mi ^Dorten)
iambe iambe
Et nous remarquons deux cboses:
1° que les crousis inverses nous fournissent ici 1' opposition du lydien et du
darien, par deux echelles dont chaque tetracorde est compose1 de la com-
binaison en une tension commune d'un iambe et d'un peon\
2° que, les deux series numeriques £tant identiques, encore qu'opposees, il
• nous en suffirait dune seule pour aboutir au meme et double resultat, en
lisant Vianibc initial de cette unique aerie, soit dans le sens de la crousis
Jean Mara old, Les Fondements naturela de la Musique etc. 357
des cordes (irpda/opoa), c'est-a-dire de Vaigu au grave, soit dans le sens
de la crousis du chant (&rco ttjv 4>oijv), c'est-a-dire du grave a Vaigu:
Lydien = mi R6§ Do% si la Sol§ Fa§ mi [Long, de Cordes)
30 32 36 40 46 48 64 60
Dorien = mi Fa Sol la si Do Re mi [Vibrations)
Linn ovation d'Archiloque consistait done, en somme, dans la lecture in-
verse facultative d'une gamme ou d'une melopEe; autrement dit, dans ce que
nous appellerions aujourd'hui son renversement par mouvement contraire. L'im-
portance de cette innovation est soulignEe par 1' observation qu'ajoute aussitdt
Plutarqne :
«... Les poetes tragiques en adopterent l'usage . . .> — (strophe — antiatrophe)
— «. . . et Crexos l'introduisit dans la pratique dithyrambique.>
En meme temps que nous pouvons nous en expliquer la strophe et
tantistrophe de la tragEdie grecque, ce fat peut-etre la le principe du dithy-
rambe artistique. L'entree procesBionnelle du choeur par deux portes opposees,
qui passa dans la trag£die avec la strophe et Tantistrophe, s'en trouve
elucidee de la facon la plus simple, la plus vraisemblable et la plus logique,
ainsi que la symStrie inverse des Evolutions orchestiques. Oes Evolutions
memes en acquierent une signification artistique plus elevee que celle qui
se dEduirait de l'adjonction purement eventuelle ou arbitraire du geste et
de la danse a la musique. Elles concouraient a la fois a l'unite* de l'oeuvre
d'art, dont elles se manifestaient partie intEgrante essentielle, et, par ailleurs,
a sa clarte" 'en attirant l'attention de l'auditeur sur des oppositions de symEtrie
pr£m6dit£e et essentiellement musicale] a peu pres comme, dans la thSorie,
le diagrarnme aidait a discerner par l'oeil ce qui eut aise*ment 6chappe* a
1'oreille. Enfin le dUhyrambe parait avoir 6te* compose* d'une succession de
cfuewrs antistrophiques , puis monostrophiques , bas£e sur le jnode phrygien
dans lequel il devait naturellement se terminer. Or, si nous superposons
les deux dernieres 6chelles lydienne (h) et dorienne (t), nous voyons qu'elles
contiennent les sons nEcessaires a une Echelle phrygienne, qui en d<§riverait
comme il suit, selon l'une et l'autre crousis les combinant respectivement
en une tension commune:
Lydien =
Dorien «
k)
30
32
36
40
46
48
64
60
[Long.)
mi
mm
H
si
la
Aift
Fal
mi
1)
60
64
48
46
40
36
32
30
(Vib.)
mi
Be
Do
si
la
Sol
Fa
mi
m)
90
100
106
120
136
160
162
180
(Long.)
mi
Be
M
si
la
Sol
Fa$
mi
n)
180
162
160
136
120
108
100
90
(Vib.)
Et nous constatons que les Echelles m et n fournissent une serie numerique
identique, qui, lue dans les deux sens, de l'aigu au grave ou du grave a
l'aigu, produit indistinctement et immuablement le mode phrygien. Issues
successivement de la combinaison principielle de Viambe et du pSon, ces deux
echelles numEriques, l'une variable et l'autre immuable en son renversement,
aboutissent done ainsi naturellement a constituer la substance fondamentale
assignee par les textes au dithyrambe en sa complexity harmonieusement
358 Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc.
symetrique; a savoir, 1' opposition strophique et antistrophique du lydien et da
dorien, et la conclusion monostrophtque du phrygien.
L'invariabilite dans les deux sens y demeurant le monopole et la carac-
teristique du phrygien, on obtient, par les crousis inverses, une analogue opposi-
tion de Chypodorien et de I'hypophrygien , du mixolydien et de Vhypolydien,
et, applique1 a l'opposition ou a 1' elaboration d'echelles irr£gulieres ou libres,
le principe du renversement symetrique apportait dans Tart d'inepuisables
ressources de variety rythmique et de contraste melodique. Mais, par dessus
tout, 1'innovation d'Archiloque intronisait dans la musique artistique un
element nouveau de systematisation dont 1'importance est capitale : la crousis
d'apres le chant, la division de la corde conforme aux intonations naturelles
de la voix chantee. L'expression de Plutarque apparait d'une precision qui
ne prete a aucune equivoque et l'analyse du phenomene son ore est capable
de Texpliquer.
La crousis d'apres la corde (irpda/opSa), en effet, produit des echelles
descendantes ou, a des rapports de longueurs de corde simples, correspondent
des rapports de vibrations de plus en plus complexes. Rien que la quark
(3 — 4), subdivis£e en deux intervalles 6 — 7 — 8, a pour rapports de vibrar
turns correspondants 28 — 24 — 21. L'echelle de longueurs 4 — 5 — 6 — 7 — 8
a pour Equivalent Techelle de vibrations 210 — 168 — 140 — 120 — 105, et
Texpression irr^ductible de l'heptacorde de Terpandre , 6 — 7 — 8 — 9 —
10 — 11 — 12, serait en vibrations 4620 — 3960 — 3465 — 3080 — 2772 —
2520—2310. Dans la crousis inverse, ce serait diametralement le contraire.
Les longueurs precedentes deviendraient les vibrations correspondant a des
longueurs representees par la complexity des series de vibrations pr6c6dentes.
Or, le son musical est fait de vibrations et non de longueurs de corde.
Pour une suite de sons emis par un instrument et entendus, ce ne sont pas
les rapports de longueurs de corde ou de tuyau qui affectent la sensibility
mais leurs r£sultats vibrato ires. Car l'oreille ne pergoit que des vibrations.
Au regard de la simplicity de ses resultats [rapports de vibrations), l'even-
tuelle complexity de la cause (rapports de longueurs) ne saurait gener en
rien la receptivite de l'auditeur. En revanche, I'hypothese d'un trouble
occasionne* par le cas contraire 6ch£ant apparait legitime a priori. D'autre
part, que la voix humaine chante instinctivement , improvise d'inspiration,
ou bien chante a limitation de sons entendus, elle chante en effectuant det
vibrations dont le nombre determine la hauteur et la difference d'intonation
des sons emis. Et e'est tou jours l'oreille seule qui apprScie ou controle cette
hauteur, difference ou justesse; qui guide a son insu l'instinct du chanteur
inspire. Et, l'oreille ne percevant jamais que des vibrations, la conclusion
precedente conserve toute sa valeur et accuse une egale plausibility.
II s'ensuivrait done un antagonisme essentiel entre les sons produits
instinctivement, naturellement ou, pour le moins, commodement par le chant
de la voix humaine, et les sons produits par la crousis bas£e sur la division
et subdivision de la corde en parties egales. On pent remarquer en passant
que cette crousis d'apres la corde aboutit a la s^rie des sons inferieurs de
M. Hugo Hi em an n, tandis que les sons de la crousis d'apres le chant appar-
tiennent a la serie des harmoniques naturels d'un son fondamental. Et la
constatation de cet antagonisme essentiel confere a 1'innovation d'Archiloque
une signification plus profonde, par quoi se justifierait sa gloire et sa popu-
larity qui paraissent avoir Sgale" celles . d'Homere dans l'admiration de ses
Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc. 359
contemporains. La crousis cCapres le chant decoulant fatalement de la divi-
sion de la corde dans le sens oppose" que nous avons r^alisee empiriquement
plus haut, on pourrait se demander si cette innovation d'Archiloque fut
conscionte, ou simplement le fruit de la fantaisie arbitraire ou d'une specu-
lation de chercheur. Quoi qu'il en soit, il semble qu'elle ait repondu d'embiee
a un instinct, et meme a la pratique instinctive d'un chant naturel dont les
origines reculeraient jusque dans un passe mythique. Alors qu'une syste-
matisation logique de fart musical ne pouvait primitivement provenir que
de l'empirisme instrumental et des divisions regulieres de la corde, les plus
lointaines manifestations d'un chant instinctif se reconnaissent dans les fetes
ou mysteres dionysiaques, sous l'influence de l'ivresse ou d'une fr6n£sie
orgiastique, et le meurtre d'Orphee par les Bacchantes en furie se denonce
un primordial et sanglant episode de la lutte entre Inspiration natureUe en
son incoherence instinctive, et la systematisation tyrannique inaugur£e par
les porteurs de lyre. Et on est oblige d'admettre, au moins depuis cette
£poque legendaire, le developpement parallele d'une musique in spire e et libre,
basee sur un chant naturel, et d'un art systematise, issu de l'empirisme
instrumental. Les phases de 1 evolution de ce dernier paraissent pouvoir
correspondre : d'abord, a l'incertaine et inscrutable periode <orpheique» des
praticiens de la lyre primitive; puis, a l'activite regulatrice essentiellement
«apollinienne» des auletes phrygiens, dont Olympos incarne l'apogee carac-
te"rise par la formation d'un repertoire de nomes liturgiques et une reforme
feconde dans l'elaboration des < harmonies »; enfin, a la systematisation plus
complexe du citharede Terpandre, « disciple d'Orphee pour le melos», dit Plu-
tarque, et qui semble avoir assujetti le chant a une crousis d'apres la corde
basee sur le mode d&rien. La recitation des poesies d'Homere par les
rapsodes parait avoir constitue une sorte d'intermediaire entre cet art instru -
mental et I inspiration libre, dont la chanson populaire et les ceremonies du
genre dionysiaque auraient ete" le domaine propre. Avec l'innovation d'Ar-
chiloque, qui semblerait apte a decider de l'anteriorite discutee de Terpandre,
l'emploi des deux crousis inverses r£alisait definitivement dans la musique
hellene l'union des deux principes antagonistes et gen^rateurs de l'art inte-
gral, baptises par Nietzsche Vapollinien et le dionysien. Et la crousis oVapres
le chant, a soi seule , etait capable d'en synthetiser les consequences. Nous
avons repr£sente les r£sultats de cette crousis par les nombres de vibrations
correspondants, et on pourrait estimer cet expedient d'une anticipation teme-
raire en l'espece. Mais, lettres, signes, tabulature numerique ou autre, de
quelque maniere que fussent rSellement figures ces resultats, ils n'en corres-
pondaient pas moins necessairement a des rapports de vibrations. La lec-
ture inverse facultative d'une echelle de rythmes combines en une tension
commune, c'etait, en realite, la lecture des rapports de vibrations remplac,ant
la lecture des rapports de longueurs de corde, et les nombres de vibrations
promuB ainsi a la qualite d'elements eventuellement independants de syste-
matisation speculative. C'etait l'avenement d'un melos nouveau, d'un chant
coordonne" et naturel, procedant a la fois de l'art et de l'instinct.
On ne saurait certes afnrmer que la systematisation derivable de la crousis
d'apres le chant soit devenue immediatement autonome, et que son expression
numerique eventuelle ait ete d'ores et deja expressement rattachee a un
nombre de vibrations correspondantes. On put peut-etre ne considerer d'abord
la lexis inverse que comme un procede simplificateur de representation et
360 Jean Marnold, Les Fon dements natnrels de la Manque etc.
d'usage des resultats de la division de la corde dans le sens opposi. Neanmoins
on avait de puissantes raisons pour etre frappe de l'opposition numeriquenient
proportionnelle qui s'ensuivait, et pour s'en sentir incite a des conclusions
tendancieuses. On savait, par le temoignage des sens et une experience
quotidienne, que le son etait produit par des mouvements de la corde tendue
battant l'air; que les battements d'une corde plus courte on plus mince etaient
plus rapides, done plus nombreux pour le meme temps donne, que les
battements d'une corde plus longue ou plus grosse. On connaissait empiri-
quement, rien qu'en operant par la division d'une corde tendue, Pexisteuce
d'une relation de cause a effet entre les longueurs respectivement obtenues
et la vitesse ou lenteur, done le nombre des battements correlatifs. De la
au pressentiment , puis a l'hypothese d'un rapport proportionnel constant, il
n' y avait qu'un pas, que la crousis inverse s'atteste assurement des plus
propres a faire inconsciemment franchir. Mais, si l'innovation d'Arehiloque
peut marquer un to urn ant capital de Involution de la musique grecqne, par
r apparition empirique des nombres de vibrations a cote des longueurs de corde,
e'est a un autre que devait revenir la gloire de transformer la conception
confusement intuitive de leur plausible opposition proportionnelle, en la decou-
verte d'une loi de la nature, formellement proclamee, elucidee et exploitee
en ses ultimes consequences.
Pythagore.
Ce fut l'oeuvre de Pythagore, avec sa fameuse experience dite *des mar-
teaux*. Nicomaque de Gerase en donne le recit suivant dans son Manuel
harmonique. Apres avoir explique precisSment Yopposition dont il s'agit,
connue et demontree de son temps, apres avoir pari 6 des cavite*s, des lon-
gueurs de corde et de tuyau produisant, selon leurs dimensions, des batte-
ments de l'air lents ou rapides, et ajoute que tout cela est regie numerique-
ment, car *la quantity ne se rattache en propre qu'au nombre >, il continue:
c. . . Un jour que Pythagore se promenait, absorbe dans ses reflexions, cher-
chant a imaginer pour 1'ouYe un sur instrument de contrdle, analogue an compat
pour la vue, a la balance et aux mesures pour le toucher, il passa providentielle*
ment devant un atelier de forgerons et entendit distinctement des marteaux de
fer, frappant sur une enclume, et produisant p^le-mele des sons consonnant entre
eux, sauf un couple1). Et il y reconnut les consonnances de diapason, de dia-
pente et de diatessaron ... 11 p£n£tra tout joyeux dans Tatelier et, par divers
moyens, il trouva que la difference entre les sons entendus provenait exclusife-
ment du poids respectif des marteaux, dans le maniement desquels les ouvrier*
d^ployaient un effort qu'il trouva correspondre a une force d'impulsion absolument
identique . . •>
Rentre chez lui, Pythagore eut fixe une traverse de fer dans 1' angle de
deux murs, y aurait attache quatre cordes exactement semblables a tons
egards et portant un poids suspendu a leur extremite inferieure ; pub, faisant
resonner ces cordes deux a deux, il aurait constate les consonnances <¥ octave
pour le rapport de poids £, de quinte pour le rapport de poids J et de
quarte pour le rapport de poids -\. (Mb. 10. 11.)
1) . . . r.apd Tt ^aXxoturetov zepiTiTCttw &% xtvoc oatfiovlou ouvtu^lac iTct\%0O9t |>«i-
ar/jpwv ol&irjpov ir^ &%p<m {jauSvrwv %at to&$ f)Xou» TrapajjilS ~p£>C dXXTjXouc uujjLcpmvoTobo'ji
i7ro&tWvTcov ttX^v jxia; o->Cuyta; . . . (Nicom. Enchirid. 10. 11. Mb,)
Jean Marnold, Les Fondemente naturels de la Mueique etc. 361
Cette experience, dont j'ai resume la narration de Nicomaque, est rap-
portee par d'innombrables autenrs de toutes les epoques en termes analogues,
avec quelques divergences de detail secondaires. EUe Buggere aussitot pln-
sieurs objections. D'abord, le nombre de vibrations d'une corde tendue n'est
pas directement proportionnel au poids tenseur, mais a sa racine Carrie.
Les trois consonnances consider^es auraient done correspondu, non pas aux
rapports de poids tenseurs -J-, | et |, mais a ceux de -J, -| et ^. En outre,
on ne saisit guere de correlation immidiate evidente entre 1' experience attri-
bute a Pythagore sur des cordes tendues par des poids, et ses observations
dans l'atelier des forgerons. D'autre part, quand on frappe avec un marteau
sur une enclume, ce n'est pas le marteau, mais 1' enclume qui rlsonne et
produit le son entendu , lequelj reBte ton jours le meme, quels que soient les
poids varies des marteaux frappeurs. On en est done accule a ce dilemne:
ou bien d'imputer a Pythagore une double erreur grossiere , dont la publi-
cation ne laiaserait le choix qu'entre 1'imberilite et l'imposture; ou bien
d'admettre que Inexperience soit inexactement rapportee dans les textes qui
nous sont parvenus.
Meme a defaut du retentissement sensationnel que parait avoir provoqu£
la celebre experience, le nom seul de Pythagore rgcuserait a priori la pre-
miere hypothese. Par ailleurs, eu egard au mystere dont s'enveloppait
volontiers l'enseignement du philosophe, il est fort possible que la tradition
ne nous ait transmis, alteree par surcroit peut-Stre, qu'une redaction destines
au vulgaire indigne et denaturant peu ou prou la verite reservee aux adeptes.
Quoiqu'il en soit, puisque nous en sommes reduits a cette redaction incom-
plete ou defiguree, nous devons essayer de l'interpr6ter. Or, pour que le
debut s'en edaire soudain, il suffit de prendre dans leur sens littoral les
mots traduits tendancieusement par son et consonncmce. Si Pythagore ne
pent evidemment pas avoir entendu des «sons» divers et «consonnants» pro-
duits par des marteaux sur une enclume, en revanche, il pouvait percevoir
le bruit (ijxo*) d& coups de marteaux diversement espaces et concordant, par
couples de marteaux, selon les rapports J, f et ^, correspondant aux trois
consonnances muBicales. Pendant un meme espace de temps donne et egal
pour tons, deux quelconques de ces marteaux pouvaient frapper regulierement :
Tun 1 coup et l'autre 2 ; Tun 2 coups et Tautre 3 ; Tun 3 coups et l'autre 4.
Et alors, si la force employee a soulever ces marteaux demeurait indistincte-
merit identique, le nombre des coups frappes, dans un meme temps donne,
devait etre proportionnel au poids des marteaux. Le marteau de poids 2
devait frapper 1 coup pour 2 coups du marteau de poids 1; le marteau de
poids 3 devait frapper 2 coups pour 3 coups du marteau de poids 2; le
marteau de poids 4 devait frapper 3 coups pour 4 coups du marteau de
poids 3.
Dans la pratique, a la verite, l'aventure pourrait etre taxee de quelque
invraisemblance. Ces quatre marteaux impliquent quatre forgerons. II fau-
drait done supposer la rencontre inopinee de quatre individus de robustesse
equivalente, que la routine du metier aurait accoutumes a deployer un effort
machinal identique dans Facte de forger. Bien que, a la rigiieur, cela
n'apparaisse pas d'une impossibilite absolue, la rarete du fait autorifle quel-
ques soupepns. La mesure de longueurs de corde est et fut facilement
realisable de tout temps par quiconque. Au contraire, revaluation materielle
du nombre de vibrations d'un corps sonore constitue meme aujourd'hui une
362 «fo*n Marnold, Lea Fondements naturels de la Manque etc
operation des pins deiicates. La decouverte et la demonstration peremptoire,
dans nne an ti quite si lointaine, d'un rapport num£rique entre ces deux
ph6nomenes, est chose aussi mysterieuse que l'esoterisme pythagoricien. On
peut se demander si Pythagore n'en avait pas recu , des pretres egyptiens,
le secret de revelation interdite par un inviolable serment, et si, cherchant
peut-etre un expedient de vulgarisation profane, il n'avait invente* le prgtexte
des marteaux de ces forgerons exceptionnels. Toutefois, on pourrait egale-
ment admettre qu'une « concordance* simplement approximative des coups de
marteaux entendus selon les rapports approches -J-, \ et -j, ait suffi poor
frapper 1' esprit de Pythagore, hante par la solution da probleme qu'avait
pose" 1'innovation d' Archiloque , et pour lui - inspirer l'idee de comparer le
poids des marteaux. Une stricte exactitude mathematique dans les rapports
ainsi constates n'etait pas indispensable pour fournir a Pythagore les el&nents
de sa decouverte. Quoi qu'il en soit d'ailleurs de ces deux hypotheses, nous
sommes bien forces d'accepter I'enonce des textes et le postulat d'une force
impulsive identique, afin de voir quelles consequences en pouvait deduire
Pythagore.
Remarquons avant tout que, grace a la substitution des coups aux sons
des marteaux, cet enonce* est devenu intelligible, vraisemblable et logique.
La possibility d'un certain rapport entre la vitesse ou lenteur des coups
frapp£s et le poids des marteaux en d£coule necessairement, et les faits ob-
serves evoqueraient assez naturellement 1' analogue vitesse ou lenteur des
battenients d'une corde frappant 1'air pour suggerer un rapprochement. Pytha-
gore pouvait done raisonner comme il suit:
Soient deux marteaux mis en mouvement par une force identique;
Pendant un temps donne t, un marteau de poids 1 frappera 2 coups
pour 1 coup d'un marteau de poids 2:
P. 1 2
C. 2 1
Pendant un temps donne t, un marteau de poids 2 frappera 3 coups
pour 2 coups d'un marteau de poids 3:
P. 2 3
C. 3 2
Pendant un temps donne* t, un marteau de poids 3 frappera 4 coups
pour 3 coups d'un marteau de poids 4:
P. 3 4
C. 4 3
Et si nous r£sumons cette experience avec quatre marteaux, nous aurons,
pour un temps donne* t:
Poids = 6 8 — 9 12
Coups = 12 9 — 8 6
Or, les poids ci-dessus representent pr£cisement les longueurs de corde
produisant les trois consonnances musicales &* octave, de quinie et de quarter
le rapport intermediate de ton § correspondant au couple de marteaux
dissonnants relate par Callimaque:
Long, de Corde = 6 8 9 12
mi si la mi
Jean Marnold, Lea Fondementa naturels de la Musique etc. 363
Mais, pour des cordes de substance et de diametre identiques, ces longueurs
reprisentent aussi le rapport de leurs poids respeotifs. En effet, soit une corde
de longueur 2 et de poids 2; si nous la coupons en deux parties egales,
sa moitie sera de longueur 1 et de poids 1. Pour une corde de longueur
et de poids 3, ses $ seront de longueur et de poids 2. Pour une corde
de longueur et de poids 4, ses $• seront de longueur et.de poids 3. Done:
toutes choses egales d'ailleurs, les poids de cordes de longueurs differentes
sont en raison directe de ces longueurs.
En effectuant les divisions adequates sur une corde tendue dont, au
moyen d'un chevalet glissant, on pouvait faire r£sonner successivement chaque
parti e considered, ou ob ten ait des cordes en rapport de longueurs et de poids:
Long: 6 8 9 12
Poids: 6 8 9 12
Et, en assimilant les coups frapp6s par les marteaux aux battements de la
corde frappant l'air, on pouvait dire:
Pour un temps donne* t, ces quatre cordes de longueur et de poids
6 8 9 12
produiront respectivement
12 9 8 6 battements.
D'ou la conclusion que: le nombre des battements ou vibrations est en raison
inverse de la longueur des cordes et du poids de ces cordes de longueur
difffrente.
Cette conclusion est la seule qui se puisse deduire d'un Snonce" intelligible
et rationnel de la celebre ^Expirience des marteaux de Pythagore*, et qui
s'en deduise logiquement. Une telle solution du probleme pourrait sembler
a premiere vue d'un Bimplisme peu scientifique indigne de Pythagore, en
tant que derivee d'une assimilation tendancieuse arbitraire ou, pour le moins,
insuffisamment justifi^e, et il n'apparait certes nullement invraisemblable que
le texte incomplet, Equivoque et incoherent de la tradition ne nous ait con-
serve* qu'un fragment de vulgarisation exoterique. Neanmoins, par quelques
reflexions qu'ait 6te guide Pythagore, cet 6nonce" nous en livre sans doute
le fil conducteur, avec le principe indispensable a sa decouverte. L'empi-
risme de la facture instrumental avait appris depuis longtemps aux Grecs
l'influence des dimensions du corps sonore sur la hauteur des sons produits.
Mais ces consequences, communes aux qordes et aux tuyauz, ne se tradui-
saient sur ceux-ci qu'en acuiU ou graviti des sons emis, tandis que ces memes
sons, sur les cordes , correspondaient par sucroit a un certain degre de
vitesse ou lenieur des battements. La conception de mouvements vibratoires
numiriquement oonstitutifs du Bon musical ne pouvait done naitre que de
l'observation des battements de la corde frappant l'air et le nombre de ces
mouvements devait, a priori, offrir quelque rapport avec le poids du corps
vibrant. Telle semble avoir ete la genese intuitive du syllogisme pseudo-
experimental qui, des marteaux pythagoriciens et de leurs forgerons auto-
mates, aboutit logiquement a Tune des lois de vibration des cordes.
Le principe de ce rapport numerique inverse admis et tenu pour demontr6
au vulgaire par l'analogie «deB marteaux », Pythagore pouvait et dut tres
vraisemblablement le soumettre au contrdle d'une epreuve plus rigoureuse.
II avait plus d'un moyen de le faire empiriquement ; par exemple, en ope-
rant sur deux cordes de poids et de longueur considerables, produisant des
364 Jean Marnold, Lev Fondements naturels de la Musique etc.
battements, trop lents pour fournir un son perceptible, mais de nombre et
rapport facilement observables a la vue. II lui suffisait de con stater ainsi
qu'une corde de poids et longueur 1 faisait 2 ou 4 battements pendant qu'une
corde voisine de poids et longueur 2 faisait 1 ou 2 battements. Ceci pose,
un g6nie comme celui de Pythagore devait plausiblement en etre induit a
d'autres experiences r et le texte de Nicomaque en t&noigne, puisqu'il parle
aussi de quatre cordes egales et de poids tenseurs.
En r£alite, il semble que Pythagore n'ait pu verifier experimentalement
le principe de sa decouverte sans trouver inconsciemment toutes lea lots de
vibration des cordes tendues. La fabrication des instruments a cordes avait
ndcessairement enseigne aux Orecs les effets de l'homogeneite parfaite d'une
corde sur la qualite du son obtenu, et ils ne pouvaient pas ignorer non plus
l'influence de la grosseur des cordes, c'est-a-dire de leur diametre a l'egard
de la hauteur des sons produits. Ces connaissances empiriques et plus ou
moins precises devenaient pour Pythagore les donnees d'un probleme math£-
matique.
Sa premiere experience lui avait revele, avee les sons (f intonation corre-
lative, le rapport entre le nombre de battements ou vibrations et les poids ou
longueurs de cordes d'un meme diametre, mais de longueurs differences .
Operant main ten ant sur des cordes de meme longueur, mais de diametres
diff events, il aurait trouve que, toutes choses egales par ailleurs,
4 Cordes de Diametres: 6 8 9 12
d'egale Longueur-. Ill 1
produisent 4 sons dans le meme rapport d'intervalle et d'intonation que
4 Cordes d'lgal Diametre: 111 1
et de Longueurs: 6 8 9 12
Ces dernieres ayant fourni, par le nombre de leurs battements respectifs, Is
Rapport de Vibrations: 12 9 8 6
il s'ensuivait que: Pour des cordes de meme longueur, le nombre de battel
ments ou vibrations est en raison inverse des diamitres. En dehors de toute
autre connaissance ou consideration, rien qu'en prenant la peine de peser
successivement ces cordes nouvelles de diametres differents, Pythagore aurait
reconnu que:
Ces 4 cordes de longueur egale:
avaient le rapport d'e poids:
earres des rapports de diametres:
Done: Pour des cordes de meme longueur, le poids est en raison inverse dm
carr6 des vibrations.
Enfin, operant sur une corde unique, tendue successivement par des poids
differents, Pythagore, a moins d' aberration mentale et sensorielle, aurait re-
connu que: Une Corde tendue
sur une longueur egale: 1 111
par des poids tenseurs: 144 81 64 36
produit successivement 4 sons dans le meme rapport d'intervalle et d'into-
nation que
1
1 1
1
36
64 81
144
6
8 9
12
lee 4 Cordes de poids
de longueur
et de diametre
36 64 81 144
1111
6 8 9 12
Jean Marnold, Les Fondements xraturels de la Manque ef c. 365'
Ces dernieres etant, pour le nombre de battements respectifs, dans le
rapport de vibratiom: 12 9 8 (>
il s'ensuivait que: Pour une corde tendue vibrant dans une longueur con-
stante, les poids tenseurs sont en raison directe du carrS des vibrations.
Nous avons suppose ces experiences conseeutives realisees par les moyens
pratiques les plus simples et basees empiriquement sur la comparaison des re-
sultats divers avec les premiers sons obtenus. Le texte de Nicomaque vient
confirmer notre hypothese, car il ajoute un pen plus loin (Mb. 13) que Pytha-
gore, «apres avoir exerce sa main et son oreitte* a ces operations dedicates,
en transports ingenieusement les re&ultats sur la batera (tablette a che valet
glissant, sans doute) d'un instrument baptise cordoU)ne7 ou, par surcroft, fac-
tion des poids tenseurs etait exactement enregistree par les tours des chevilles
ou s'euroulaient les cordes *). Ce «cordotone» apparait ainsi comme un qua-
druple peut-etre ou plus complexe monocorde et, au regard de ce qu'en de-
couvrit Pythagore, on peut assur4ment B'expliquer son exclamation supreme
a ses disciples entourant son lit de mort: «Cultivez toujours le monocorde !»
Pythagore, en effet, en possession de ce critere, de ce « gnomon infai-
llible», selon l'expression de Nicomaque, allait devoir presque aussitot mesurer
Timmense portee de sa decouverte. II avait desormais a sa disposition, pour
les cordes, le rapport entre leurs longueur, poids, diametre, poids tenseurs et
leur nombre de battements, contr6l6 par l'identite d'intonation ou hauteur
absolue ou relative des sons correspondants ; — et de tout cela s'ensuivait
l'existence d'un rapport inversement proportion nel, entre la masse d'un corps
vibrant et ses vibrations. En comparant les sons ainsi produrts par les cordes
avec les sons de concordante hauteur ou intonation sur les tuyaux } il con-
stats naturellement une correlation similaire entre Yacuite ou gravity de ces
intonations et les dimensions des tuyaux respectifs. II en dut reconnaitre et
pouvoir elucider mathematiquement l'influence de la largeur des tuyaux, de
l'epaisseur de leurs parois, du diametre de leurs trous lateraux et de la com-
munication de leur embouchure avec 1'air ambiant, dont resultaient les cor-
rections empiriquement effectu6es jusque la et trouvees par t&tonnements
d'apres 1'oreille. Seulement, iei, ce n'etait evidemment plus le tuyau qui
vibrait, mais Yair mis en mouvement par le souffle de l'executant. Une
assimilation numerique des battements de la corde n'etait possible qu'avec
des mouvements analogues d'une masse aerienne, conclusion que corroboraient
immediatement des experiences sur les cavites mesurees de vases et de ton-
neaux. C'etait done Voir lui-meme enfin demontre corps vibrant periodique-
ment. Ces observations devinrent le pretoxte de theories explicatives que
rapporte assez succinctement le pythagoricien Nicomaque [Mb. 8 et 9). Mais,
en meme temps que la conception de mouvements vibratoires numeriquement
constitutifs du son musical en acquerait une consecration definitive, 1'en-
semble et le detail de ces experiences et de toutes celles du meme genre
qu'on a le droit de preter a un Pythagore, aboutissaient immuablement a
l'identique resultat du rapport inverse precite.
1) ToX<6sac oe %a\ rip yelp* xal rip dxov^v rcpic rd £$apT^fxaxa xal jJe[Jat<{>aas rcpi;
auxd t6v tujv a^daeoov X6fov, fxet^xsv cu^r^/dvaj; t^4v jitjv totv yopfc&v xotvfjN dr^fceatv ri\s
ix tou otafamo'j 7raaoaXou el; tov toO ipfdvov (3aTr)p*, 8v ^op56To^ov cbv6(Ao&, t*\n Vz itooijv
Inlzaaiv dvaX67a>; rote (idpcatv et; t^v t&v xoXXd^cuv dvcuOev o6fxfxexpov irepio*cpo^+|N. (Nico-
machi enchiridion p. 13 Mb.)
366 Jean Marnold, Leu Fon dements naturela de la Mutique etc
H est trop Evident que Pythagore n'avait pas a decouvrir les rapports de
longueurs {, J et -f de V octave, de la quinte et de la quarte. L'existence
meme et 1'usage artistique anterieur d' instruments a cordes ou a tuyaux en
impliquaient la connaissance empirique. On ne s'expliquerait pas la portee
attribute par tous les textes a sa decouverte incarnee dans cette « experience
des marteaux » , ni la gloire et la veneration qu'en recolta Pythagore. A
l'examen des consequences que nous en avons vues decouler, on comprend
fort bien, au contraire, l'admiration de ses disciples, et presque la stupeur
de Pythagore lui-meme, decouvrant pas a pas la loi numerique d'un ph£no-
mene universel. Un evenement de cette importance etait sans precedent chez
les Hellenes et peut-etre dans le monde antique. # Dans ses multiples ex-
periences intervenaient des elements ou facte urs les plus disparates: solides,
fluides, eventuellement liquides; chaleur, dilatation; matieres de toute espece,
cordes, bois, metal, poterie, verre. II y put entrevoir, sinon en fonnuler
deja telles des lois de la density dont une application pratique illustra plus
tard Archimede. Mais il y fut sans doute avant tout prof on dement frappe de
ce rapport inversement proportionnel entre la cause et son effet; de cette
opposition constante et unanime, encore que diverse en son expression. Une
semblable opposition affectait la substance meme des choses, en resultait: elle
etait essentieUe. Et la Nature ainsi se denoncait soumise aux lois du Nornbre.
Outre la justification qui s'ensuit du fameux dogme: cTout est rfgi par
le Nornbre*, on etablirait aisement quelque lien entre cette opposition essen-
tielle et, non seulement «l1harmonie des spheres*, mais aussi une doctrine
speciale de «la metempsychose » dont la tradition gratifie vaguement l'£sote-
risme pythagoricien. On en peut dorenavant concevoir, en tout cas, la place
preponderate de la Musique dans la culture, Tart et la pensee hellenes, et
le role capital de Pythagore dans les speculations de la theorie musicale.
Cette theorie avait desormais a sa disposition lexpression numerique, enfin
respectivement autonome de deux melos distincts et symetriquement opposes.
Mais Pythagore ne se contenta pas de demontrer cette autonomie respective;
il discerna et revela, dans cet antagonisme essentiel, un element generateur
de l'Univers tangible ou intangible cree par le Demiurge, constitutif de Tame
autant que de la matiere ; un principe d'ordre, de concordance et (¥ unite non
moins essentieUe, que le Timee denonce eloquemment comme un fondement
cardinal de ses doctrines speculatives et dont la musique lui fournissait une
incarnation la plus proche et la plus accompli e avec la Consonnance (ooficpoma).
En effet, et c'est probablement de la que naquit la confusion, si Pytha-
gore u'avait pas decouvert les rapports evidemment connus des «conson-
nances* de diapason, de diapente et de diatessaron, en revanche il avait trouve
le principe de *la Consonnance* au sens pythagoricien. A cet egard, le
temoignage des textes est unanime: la consanna?icc pythagoricienne iiaU un
son unique, resultat de la rencontre, coincidence, melange intime par con-
traction ou ci'ase (xpaou) de deux sons d'espece differente amalgames pour
l'oreille en un seul. Une telle conception decoulait du logos mousikis de
Pythagore, que nous avons vu deriver naturellement de son experience des
marteaux et des cordes:
=
6
8
9
12
mi
12
8%
9
la
8
m%
6 =
-4K
Vibrations
Jean Marnold, Lee Fondements nature Is de la Musique etc. 367
En considerant les sons represents ici par les longueurs de cordes et ceux
represents par les nombres de vibrations comme etant d'espece differente et
constitnant deux echelles melodiques opposees, dont Tune (longueurs) com-
mence par des sons aigus et descend vers le grave, tandis que 1' autre (vi-
brations) commence par des sons graves et monte vers l'aigu, on s'explique
aisement la theorie pythagoricienne de la consonnance et sea definitions di-
verses.
Avant tout, un passage du Tiinee (p. 80, a) qui s'y rapporte expressement
et dont on peut resumer comme il suit la substance:
— Une voix melodique aigu'e a un commencement et une fin. Elle devient
plus lente et plus grave a mesure qu'elle va vers son terme. Une voix melodique
grave, inversement. Toutes deux, simultanement emises, coincident en des en droits
precis ou on n'entendra qu'un son unique. —
Et, en completant les £chelles melodiques inverses du logos mousikes, on
constate, en effet, les coincidences annoncees:
Ixmgueurs =6 7 8 I 10 11 12
»— > mi (doty *i l<* ;5W) (&) mi
12 11 10 9 8 7 6 = Vibrations
mi (rejj) (Dojjf) si la [sot) mi -*— *
On comprend alors clairement la definition d'Archytas (Porph. ad PtoL):
«TJn son unique est produit pour l'oui'e par la generation inverse de la con-
sonnance1).*
L'enoncS que voici de Bacchius le Vieux (Mb. 2) en est purg£ de toute
ambiguity 2) :
cQu'est-cc que la consonnancel — La erase de deux sons considers comme
d'esp&ce differente pour Facuite et la gravity, de sorte que la voix melodique
melos) propre an son plus grave d'origine n'apparaisse pas plus que celle du son
pareillement plus aigu et vice versa*. Enonce qui, d'ailleurs, se rencontre nette-
ment formula deja chez Aristote, avec sa concision coutumiere: «La consonnance
est un rapport denombre en acuite etgravite*. (Analyt. post. II. c. 2.) Nous verrons
plus loin que ce « rapport de nombre> etait le principe du «canon>3\
II est tres important de souligner cette acception toute particuliere even-
tuellement attachee, depuis Pythagore, aux termes correspondant aux con-
cepts 6? acuite et de graviti. II semble parfois assez delicat de la determiner
dans tous les textes avec une entiere certitude, mais sa meconnaissance ab-
solue entraine aux Equivoques les plus tendancieuses. On en serait facilement
induit a vouloir reconnaitre, dans l'art exclusivement monodique des Grecs, la
conception naissante ou plus ou moins developpee de notre- consonnance har-
moniquej dont l'avencment ne preceda sans doute que de fort peu (un siecle
ou deux peut-etre), le moyenageux Xe siecle des theoriciens de Vorganum.
C'est, au contraire, grace a loubli, l'ignorance ou l'incomprehension de son
1) fE^6; tpOoYfO'j yzslzbii -/axd xd; oufj-cpcuvta; dvxtX7)6w xt) dxoj. (Porph. ad PtoL
p. 277.)
2) 2ufJtcpo>v'(a hi xi £axi; — Kpdat; fcuo cpB^Ytuv dvofioiiuv iJ'jXTixt xat jtap6TTj?i Xajx-
{iavopivtuv, is r{ obhls xt paXXov xo piXo; cpaivsxai xou papuxlpou ^b6y{WJ fjrep tqu 6£ut£-
pou, o\)hk xoO dgux^po'j ^rep xoO JJap'jxipoy.
3) X'jjxttmvla daxi X^o; dpi6{A(bv is 6£ei 1\ jtapef.
368 Jean Marnold, Les Fondements naturele de la Musique eta
principe originel et a la presque ineluctable Equivoque inherente a cette ac-
ception speciale de Vacuite et de la gravity que la definition pythagoricienne,
reproduite d'abord textuellement et jusque cbez Isidore de Seville, a pu se
perpetuer longtemps dans des traites bien posterieurs au moyen age, pour
s'appliquer, imperceptiblement autant qu'inconsciemment amende*, a la con-
sonnance de certains intervalles dans un art polyphonique.
La speculation pythagoricienne introduisait ainsi dans la theorie musicale
hellene une nouvelle sorte de consonnance. De la, deux significations de ce
terme qu'il importe de soigneusement distinguer.
a) Des sons pouvaient eventuellement consonner (ou mieux, peut-etre,
concorder) a V octave, a la quinie ou a la quarts. Par exemple:
Dans le systtme parfait, les sons de Voctave grave du proslambanomene a la me*
coneonnaient respectirement avec les sons de Voctave aiguS de la mkse a la ncte
hyperboleenne;
dans le system* disjoint, les sons de chacon des deux Uiracordes consonnaient
respectivement a la quinte;
dans le systeme conjoint, les sons de chacun des deux (etracordes consonnaient
respectivement a la quarte.
b) D'autre part, deux sons d'espece differente, (longueurs, vibrations), d'ori-
gine opposee et de generation contraire, pouvaient se rencontrer, colncider,
se contractor par erase en un son unique pour l'oreille, et constituaient alow
la consonnance, au sens pythagoricien.
C'est dans cette derniere acception que Gaudence emploie le mot «con-
sonnants» ou symphones (ouu/pcovoi), — avec a peu pres textuellement la de-
finition de Bacchius le Vieux1) — pour les sons dont il distingue les (Oto-
phones ou « dissonants », tandis qu'il classe entre ces deux extremes les sons
paraphones produits par crousis, lesquels, gr$ce a leur faible difference d'in-
tonation, peuvent donner 1'illusion d'un son unique pour l'oreille et se rap-
procbent ainsi des symphones ou «consonnants». Nous avons controls plus
baut ses exemples.
Mais ce texte de Gaudence (Mb. 11) offre un interet tout parti culier par
l'opposition des termes xpouojjiviov et aoXoofiivcov pour specifier l'origine et
generation contraires des sons 6mis simultanement (d\xa) de cette facon et
consonnants par erase. Les expressions crouomenos et auloumenos se rappor-
tent manifestement a la crousis et a Vaulos. Les sons correspondant a des
longueurs de corde, de terrain 6es par la crousis, ne sauraient Itre plus exacte-
ment et clairement designes. Le mot auloumenos se rattacherait done a la
tion de la s^rie inverse, e'est-a-dire des sons representes par leurs
w de vibrations. Or, nous avons vu que cette serie integrate corres-
k celle des harmoniques naturels d'un son fondamental, et la facilite
aquelle on obtient, voire in volontairement , les premiers harmoniques
i instrument du genre aulos, (flute, flageolet, bautbois), est notoire.
citation de ces harmoniques par les executants pour augmenter Tetendue
ressources des instruments a vent apparait presque inevitable meme
i debuts de la virtuosite artistique. Le terme technique auloumenos,
roque irresistiblement l'expression Flageoletttoene,) semble ainsi avoir
s6(a<p<dvoi 8e, wv Sfjia xpooofjivwv r\ a&Xoi>fi6vaw die t6 fi£Xo; toO papuiipoy trpi; t6
toO d^jtlpou TTp6; t6 papu t6 aut6 . . . (Gaudent. Isagoge. 11. Mb.)
Jean Marnold, Lee Fondements naturels de la Musique etc, 369.
derive1 peu a peu de 1' experience pratique, pour qualifier le genre de sons
correspondant aux nombres de vibrations de la aerie des harmoniques.
Enfin, en meme temps que la consonnance, Pythagore avait trouve le
principe du canon1). En effet, pour tous les sons consonnants d'une gamme,
echelle ou harmonie doublement figured de la sorte, le nombre representant
la longueur de corde multiplie par le nombre de vibrations donne un produit
indistinctement identique.
Pour le logos mousikes, par exemple, le produit de deux termes corres-
pondants de chaque serie est indistinctement 72:
6 8 9 12
12 9 8 6 ' 72
mi si la mi
Pour l'echelle ou harmonie suivante, ce produit est indistinctement 1800:
30 36 40 45 60 60 )
60 60 45 40 36 30 } 180°
mi Do§ si la Sol mi
Le procede est explique tout au long ou realise* chez Boece, Gaudence
(Mb. p. 17) et dans les Trots Canons harmoniques de Florence2). D n'est
pas obligatoire que les nombres extremes de chaque serie inverse soient iden-
tiques. Au contraire, il est souvent necessaire que ces nombres soient diflfe-
rents, pour former une echelle convenable. En appliquant ce procede a la
derniere echelle ou harmonie que nous avons effectuee, on la completerait
peu a peu en obtenant, d'abord avec des facteurs extremes identiques:
60 72 76 80 90 96 100 120
120 100 96 90 80 75 72 60 ( 720°
mi Do§ Do si la Solfy Sol mi
Puis avec des facteurs extremes differents:
120 135 144 150 160 180 200 216 225 240 (otpm,
180 160 150 144 136 120 108 100 % 90 } 2ie00<
mi re Do§ Do si la Sol Fa§ Fa mi
On peut creer, de manieTe analogue, des echelles canoniques a l'infini.
C'est sur cette constatation nouvelle d'une syn these unificatrice issue de crap-
ports de nombre », sur cette sorte de erase numerique en un produit con-
stant, qu'est bas6e la definition de la consonnance par Aristoto citee plus
haut. Et on voit ce qui distingue essentiellement l'innovation d'Archiloque
et l'oeuvre de Pythagore. La lecture inverse des signes ou des rapports r6-
velait, a la verit£, dans Tart musical, un principe d'opposition symetrique,
mais y apportait avant tout un element de variety et de contraste au service
de combinaisons plus ou moins arbitraires. Le Canon pythagoricien appuye"
sur le Nombre irrefutable, devoilait l'harmonie occulte et demontrait la con-
sonnance de ces facteurs antagonistes. La nature ou 1' origin e opposed et la
generation inverse de ces facteurs, l'identite de leur produit constant expli-
quent mot a mot la definition rapportee par Theon de Smyrne, et on. com-
prend que, publiant la parole du Maitre, ceux de Pythagore aient enseigne:
1) ... t6v te xavdva t6n Ix jxta; yop&ijs eupeiv. (Diog. Laertii. Pythagoras. Lib.
VIII. Ed. Henri Etienne, 1593. p. 574.)
2) Ires canones harmonici. Edidit ad Stamm. Berolini. Weidmann, 1881.
370 Jean Marnold, Les Fon dements naturels de la Musi que etc
*La Mustque est V union parfaiie des contraires, V unification du multiple et V accord
de la dualite diseordanie. Gar elle ne regie pas settlement le rythme et le melw:
elle organise tout ensemble et coordonne toot systeme. Sa fin est l'ordre et
l'unite» i).
Et on congoit aussi que la somme de ces constatations et consequences
alors inouYes ait pu fournir la base d'une philosophic du monde, et inspirer
une th^orie de «lrharmonie des spheres*. Que Pythagore ait Ste" amene vrai-
ment a son admirable decouverte par les marteaux des forgerons, ou que
nous n'ayons la qu'un tradiment de vulgarisation profane, c'est le logot
mousikes (6 — 8 — 9 — 12), issu de la fameuse experience, qui parait aToir
constitue\ en tant que Quatemaire sacri, le fondement des speculations meta-
physiques autant que numeriques de Celui que ses disciples v£neraient k
l'ggal des Immortels. En effet, au dire de Jamblique, <de meme quTils eri-
taient par respect d'appeler les Dieux par leurs noms, pareillement ils ne
nommaient point Pythagore ...» et la formule de leur Berment, qui nous
fut conserved par ailleurs, 6tait: «Je jure par Oelui qui transmit a nos ame*
le Quatemaire, principe gen£rateur et source de la Nature 6ternelle!>
Le quatemaire (tetpaxTu;) math£matique est compose' des quatre premiers
nombres 1, 2, 3 et 4. Le sacre* quatemaire pythagoricien en est une deri-
vation realisee par la synthase des rapports •£, f et ■}:
6 8 — 9 12
(1) (2)
12) (3)
(3: — (4)
Ou, exprime' dans l'espace d'une octave en une harmonic canonique:
I (1) ;2;
(2) (3)
(3) (4)
6 8 — 9 12
mi si la mi
12 9-8 6
(4) (Bj
(3) (2)
(2) (1)
Long, de Cordes.
Vibrations.
Le Nombre de Platon.
Ce Logos mousikes ou Canon musical est aussi le principe de ce qu'on
baptisa le Nornbre de Platon et, insensiblement , F analyse logique dea inno-
vations pythagoriciennes reconstitutes nous a conduit, a notre insu, a la so-
i„4.;«« d'une enigme obscure entre toutes. Obscure, a tout le moins et de-
)ien longtemps, pour notre mentality moderae, car les textes de l'anti-
qui se rapportent a ce c&ebre passage de la Bepublique (VJJLL, p. 546 ,
?nt ne manifester nul embarras a son egard, et relater ou commenter
peculation intelligible a priori pour quiconque, — ainsi que l'attestent,
tt)v {jiouaix^N (paatv £>wrla>v auvapixof^v r.a\ tow roXXaw fwuatv xal t6»v Uja ty*
* • ou y^P ^jftfAftv jxo\ov xal piXou; auvcaxTtx^v, dXX' drcX&a Ttavr&c ouarfyxaTos «/•*•
rfj; to ivoOv tc xal auvapfx<$Cetv. (Theon de Smyrne. Ed. Dupuis. Hachettset
892. p. 18.)
Jean Mam old, Les Fondeinents naturels de la Musique etc. 371
entre autres, outre les scolies alexandrines, les objections d'Aristote et l'al-
lusion d'Aristide Quintilien. On n'est pas etonne pourtant que se soit perdu
peu a peu le sens de speculations de ce genre qui abondent, chez les anciens,
dans les ecrits de toute espece. Deja Jamblique avertit, en effet, a propos
des aphorismes py thagoriciens , que chacun etait a l'origine accompagn£ de
son elucidation esoterique, mais que cette exegese purement discursive, con-
fiee a la seule tradition ovale et transmise a des esprits de plus en plus in-
diflferents, finit par s'alterer, se corrompre ou se travestir jusqu'a devenir
aussi incomprehensible qu'incoinprise ou se perdre irremediablement *). Et
on n'est pas surpris non plus que, depuis le III6 siecle de notre ere oil vecut
Jamblique, toutes speculations analogues, basees sur la musique et sur le
n ombre, aient apparu toujours plus obscures ou pueriles a mesure que les
commodates de la pratique, en provoquant l'oubli, puis l'ignorance de la na-
ture et des proprietes constitutives de la matiere sonore, de*veloppaient une
conception bientot exclusivement subjective de Tart musical. H en etait tout
autrement de l'antiquite grecque. En reality, avec cette opposition essen-
tielle d^voilee par le phenomene vibratoire, la Musique est au fond de toute
la pens6e hellene, pour le moins depuis Pythagore. Celui-ci semble meme
n' avoir fait que peut-etre approfondir scientifiquement, grace a la notion de
vibrations acriennes, systematiser par le nombre et g£n£raliser un concept
importe de l'Egypte ou d'Asie, et qu'on reconnait nettement dans certains
textes hebreux. La decouverte du canon reste, quoiqu'il en soit, formelle-
ment attribute par les sources a Pythagore, et la ported d'une semblable
revelation est apte a eclairer singulierement les systematisations physico-meta-
physiques de maint illustre philosophe de ce passe loin tain, et en particulier
d'Heraclite le Tenebreux. Contentons-nous d'en rechercher les effets dans
les speculations platoniciennes , qui procedent avec Evidence express^ment et
directement de Pythagore. Platon ne tient guere de Socrate que le gout du
syllogisme et l'art de la dialectique. L'abstraite ratiocination socratique de-
vient chez lui le vehicule de substantiates pythagoriciennes. La musique,
ignoree de parti pris et m^prisee de Socrate, est pour Platon un domaine
favori et familier. Le temoignage du mathematicien Theon de Smyrne ne
peraiet pas de douter de ses connaissances techniques approfondies en la
matiere, ni de la conception mathematique de Tart musical qui presidait a
ses speculations. Metaphysiques , psychologiques, morales ou meme socio-
logiques, toutes ces speculations dont «le Nombre > est la base occulte, et qui
paraitraient aisement aujourd'hui quelque peu ridicules ou, pour le moins,
specialises a un examen superficiel, non seulement s'expliquent fort logique-
ment, mais se revelent justifiees par un fondement naturel, en tant qu'inter-
pretation legitime, voire en sa teinerite 6ventuelle, subtile et souvent pro-
fonde d'un processus universel incarne par le phenomene sonore.
Si nous considerons des echelles ou harmonies forme es par le procede
canonique analyse, nous constatons que toutes et chacune imaginables sont
constituees de deux elements distincts: l'un, [vibrations,) immateriel, indivi-
sible et progressant de l'unite au multiple jusqu'a l'infini; l'autre, [longueurs
de corde,) materiel, fini et determine a priori, quoique divisible a l'infini en
ses sous -multiples. Ces deux elements sont capables de coi'neider selon des
l! Aidt to TrapaotoosOit ota ttoXXwv xai due dpfOTlpwv, to jxev X6^ov 7r£pr?jpflaftat . . .
{Jambl. De vita pythagorica. 18.)
s. d. imo. x. 25
372 Jt&n Marnold, Lee Fondements naturels de la Musiqne etc
des rapports numeriques, de s'amalgamer sous d'innombrables aspects divers,
pour a chaque fois s'unifier en un organisme concret dont l^iomoglnlite,
I' excellence ou 1' imperfection, la figure et le caractere variables a l'infini, sont
regis par les dits rapports constitutifs et ineluctablement soumis au Nombre.
Pareillement, «l'ame du monde» aussi bien que de tout etre et de toutes
choses, bref le cosmos mltaphysique platonicien est constitue, par le Demiurge
createur, de deux elements: le Mime et F Autre. Le Mime, immateriel, indi-
visible, est divin par essence et par origine; V Autre, materiel et divisible,
ressortit a l'humaine et terrestre realite tangible. C'est au premier que se
rattachent les fameuses <Idees* de Platon, ou git l'essence meme des choses,
la chose en soi s'unissant a la matiere de son apparence selon certains rapports
ineluctables et pr^etablis. L'analogie musicale permet de concevoir l'identite
de substance unique et indistinctement commune conferee par le philosophe
a ces Idees immaterielles, et, en meme temps, a la fois l'incoercible predeter-
mination des combinaisons du Meme et de V Autre et leur infinie diversite
possible. Nul savant, chimiste ou physicien surtout, n'aurait assortment le
droit de sourire, a llieure qu'il est, de l'hypothese essentiellement pythagori-
cienne de rapports numeriques engendrant, d'un principe unique et primordial,
la multiplicity des phenomenes. Mais le plus convaincu deterministe pourrait
se declarer satisfait d'un dualisme, ou l'element ideal est a ce point indis-
solublement lie, sinon subordonne* au materiel, que son role semble se re'duire
a quasiment symboliser l'harmonie, eneore que divine, fatalement preetablie
pourtant du Nombre. Et, quoique y dScouvrant la tare socratique, on concoit
cependant aussi les generalisations d'une logique abstraitement absolue aux-
quelles est entrain^ Platon. Non seulement Tart et la morale, mais l'£tat,
la cite, la famille, l'education etaient regis principiellement par cette loi de
la Nature. Autant que la beaute* et la vertu, l'ordre, la hierarchie, le devoir,
le vrai, l'utile devaient necessairement s'en deduire. Aussi les Merits de Platon
fourmillent-ils de metaphores ou comparaisons musicales a propos des sujets
les plus disparates. Le principe de l'esoterisme aidant, qui reservait aux seuls
adeptes intellectuels les secretes causalites dissimulees au vulgaire, e'est ce
qui nous valut, au milieu d'un ouvrage de sociologie speculative, l'aphorisme
musico-mathematique, aux allures d'oracle, connu sous r appellation de Nombrt
de Platan.
II importe avant tout de remarquer que cette denomination est tendancieuse-
ment erronee. Ainsi que le sp^cifie une scolie qui sy rapporte, il ne s'agit
pas ici d'un nombre realisable comme en comptant sur ses doigts, mais bien
d'une sorte de progression cyclique se developpant periodiquement en se trans-
formant peu a peu, et dont l'ensemble symboliserait a Tesprit le cours perio-
dique evolutif du cosmos *). Le mot dpiOfxrf;, au surplus, n'a pas exclusivement
le sens etroit de nombre. II signifie aussi Enumeration, dSnombrement, et c'est
dans cette acception que nous le traduirons eventuellement par «s£rie numt-
rique*. D'autre part, le texte du lieu ne semble pas nous etre parvenu sans
avoir subi, surtout dans sa derniere partie, certaines alterations delicates a
pi-eciser. II y a la, en particulier, beaucoup de ixatov, dont tel ou tel e«t
peut-etre une correction inspire par le caractere mathematique de l'ensemble.
1) . . . tov ?6Xetov o' apiOixov ou jxtfvov ypTj voeiv Iti oaxTtSXcov ?tG£vra; (outo; 71?
£otw dpibfXTjxov jxdXXov t; dpifyxo;, xai xeXctoJjxevo; xai ooo£-OTe x£X£io; dik ^lyvojicvo^,
dXXd rfjv *Wav toutou voepdv uiv ousav, Treoi^youaav It tov rcrepa8(ji£vov 2pov rijc to>
%69\kvj T.*QTfi Ticpufto-j. {Scholia in Rep. Lib. VIII. p. 646. B.)
Jean Marnold, Lea Fondements naturels de la Musique etc. 373
TJne interpretation du XVI6 siecle, — dans urn Apologia de BenS Herpm,
Paris 1581, — fournit justement a cet egard la variante Sxaotov jjIv dpiftjidv,
que son anciennete permet, sinon de pr£ferer, du moins d' accepter a l'egal
de ixarrfv uiv dptftficov.
La premiere moitie" du passage n'offre aucune difficult^ et se rapporte
avec tine Evidence manifesto au logos mousikis de Pythagore:
(Longueurs) 6 8 9 12
mi s% la mi
12 9 8 6 (Vibrations)
«I1 est, de genese divine, un cycle penodique qu'un nombre parfait embrasse,
— d'humaine generation d'autre part et dans l'autre sens ; — progression primor-
diale ou des accroissements dominants et domines, com pr en ant trois intervalles
et quatre termes, au moyen des semblables et des dissemblables , en s6rie ascen-
dante et d6croissante, pr^sentent entre eux tous des rapports analogues et ration-
nels . . .1)>
Le nombre parfait dont il s'agit est 6, qui, dans la mathematique grecque
etait le premier « nombre parfait », en tant qu'egal a la somine de ses parties
aliquotes Yj» Ys et Ye; (3 + 2 + 1=6). Le reste est d'une clarte qui
dispense de tout commentaire.
La seconde partie est plus compliqu£e et, en admettant qu'elle nous soit
parvenue sans alteration essentielle, prete a certaine Equivoque qu'on verra
qu'Aristote a relevee. Nous la traduisons comme il suit, en adoptant d'abord
la variante de Bene Herpin :
«... Leur principe epitrite, conjoint et conjugue* par 5, donne deux harmonies
par trois accroissements. L'une egalement £gale en ses facteurs et centuple dans
son produit. L'autre, 6 gale ou pareille en longueur, mais in^gale en ses facteurs
(et different dans Tun et l'autre sens): chaque sene num^rique exprim^e par des
termes correspondant a des divisions rationnelles de pempades, dont Tune inex-
primable et manquant dans chacune; deux termes etant irrationnels ; (enfin, pour
produit des facteurs) cent fois le cube de la triade. De la sorte et dans son en-
semble tout entier, ce Nombre geometrique est maitre des generations meilleures
ou pires2)^
D'apres le temoignage tres precis d'Aristide Quintilien, le « Nombre de
Platon» aurait ete suggere au philosophe par les proprietes du triangle rec-
tangle de cotes 3, 4 et 5 ou leurs multiples, dans lequel seul l'hypothenuse
est exprimable par un nombre entier. U s'agit done ici d'une speculation
mathematico-musicale basee sur les rapports 3, 4 et 5. D'autre part, le mot
irepica; peut signifier a la fois le nombre 5 et un ensemble quinaire, une
pempade, et il semble que Plato n se soit plu a une ambigui'te d'oracle del-
phique en jouant sur les deux sens.
1) Eaxi fie 0e(«) ptiv 7£vv7)Ttj> rcepiofio;, *JjV dpiBfxi; 7tepiXapt.pdvei xdXeioc, av6pa>7tetu> fie *
is ip rcpaVrw auS^aei; fiuvdpievafc xe xai Suvaareydfievai xpel; dTrooxofoeic, xexxapac fie fipouc
XaPoOaat, 6(xoio6vtodv Te xai dvouoto-jviarv xai a&S&vrcnv xai <p6iv6vxa>v, irdvxa Trpo^fOpa
xai j>T)xd 7:p6« dXXiqXa ditlyrpvi . . .
2) . . . aiv e^l-pixo; icj6pri}v TtepLirdfii oo^o-fets fitfo dppuviac r.apiyexai xpU au&rjOeU,
x-fjv (leN taiqv ladxt;, exaxov xoaauxdxic, xVjv fie laofr/)XT) fxev, xijj ?rpoptf)X7] fie, exaxov piev
dpiOpuuv {Herpin: £xaaxov |xev dpiOpov) dnl fitap^xpeov Jjtqxcuv 7:epL7rdfioc (Herpin: rcepurd-
fia>v), fieop^vaw evoc exactor* dj^xcov oe fiueiv, exax&v fie x0{3a>v xpidfio;. £6 para; fie ouxo;
dpiftfxo; fcai(UTptx6;, xoio6xou xupto; d[i&w6vmv xe xai ^etp6varv -feveaeaiv.
26*
374 Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc
Suivons done pas a pas le texte, en partant du logos mousikes:
a) 6 8 9 * 12
12 9 8 6 f 72
mi si la mi
Avec ladjonction du rapport 5, son principe ou fond epitrite \ nous donne,
dans l'espace dune octave, les series inverses:
mi si Sol mi
Longueurs =8 4 6 6
6 5 4 3
mi Do§ la mi = Vibrations
Soit, en realisant dans chaque sene les termes correspondants selon la
consonnance pythagoricienne:
h) Longueurs = 30 36 40 46 50 60
60 50 45 40 36 30 = Vibrations
mi Dot si la Sol mi
Et nous pouvons remarquer, subsidiairement, que nous obtenons ainsi,
dans l'espace d'une octave, les deux quartes (•$•) dun systeme disjoint, (J$
et |^), qui semblent reunies par le nombre 5 dans le ton disjonctif (40 — 45
= 5), et qui offrent dans l'ensemble du systeme les rapports nouvellement
engendr<§s |, |, T^ et ||.
C'est la l'echelle fondamentale, forme'e des rapports 3, 4 et 5, que nous
devons augmenter trois fois pour engendrer de nouveaux termes et de nou-
veaux rapports, et en meme temps les «deux harmonies* annoncees. t
En repr^sentant la quarte initiale par f$, pour une premiere augmentation,
nous devrons exprimer comme il suit cette echelle:
c) 60 72 75 80 90 96 100 120
120 100 96 90 80 75 72 60 ' 7200
mi Dot Do si la Soljt Sol mi
Et nous obtenons une echelle fournissant, avec deux termes nouveaux et
les nouveaux rapports -}|, |-J et $-|, les deux quartes enchevetr^es J~| et -fa
formees chacune de cinq termes ; et cette Echelle constitue une harmonie cano-
nique dans laquelle le produit constant des facteurs (7200) est «le oen tuple >
du produit correspondant des facteurs du logos mousikes (72).
Toutefois, les «deux harmonies » de Platon devant etre engendrees par
« trois augmentations*, ne nous hatons pas de conclure avant d' avoir r^alif^
ces augmentations prescrites. Apres avoir represents la quarte initiale par {£,
nous pouvons la representer successivement par -££§ et -{-$-$. Ces deux « aug-
mentations > nouvelles nous donneraient deux luvrmonies canoniques basecs
respectivement sur les systemes disjoints:
et
90
120
135
180
180
135
120
90
mi
81
la
mi
120
160
180
240
240
180
160
120
mi
si
la
mi
16200
28800
Ces nouvelles harmonies etant, comme la precedente, constitutes de deux
series numeriques identiques, le r£suitat demeurerait immuable si on en inter-
Jean Marnold, Lea Fondements naturels de la Musique etc. 375
vertissait le sens, en lisant les longueurs de corde comme des vibrations et
vice versa.
Les «trois accroissements* desormais effectu£s, nous pouvons combiner les
augmentations d et e, et aboutir k une nouvelle harmonic canonique basee
sur le systeme disjoint:
90 120 135 180
180 136 120 90 f 2160°
mi si la mi
Mais, cette derniere harmonie etant constitute de deux series numeriques
differentes, elle donne des resultats differents si on en intervertit le sens,
en lisant les longueurs de corde a la place des vibrations et reciproquement.
II nous faudra done l'exprimer sous ses deux aspects possibles.
Le tableau suivant montre, r^alisee depuis le quaternaire du logos mou-
sikes pytbagoricien jusqu'a son aboutissement, la genese de la periode cyclique
annonc£e par Platon.
6 8 9 12
a) { mi si la mi \ 72
12 9 8 6
'•i
3
4
5
6
6
5
4
3
( 30
36
40
46
50
60
b)
\ mi
I 60
50
si
45
la
40
Sol
36
mi
30
t 60
•J mi
I 120
72
75
80
90
96
100
120
c)
M
Do
si
to
&>/#
Sol
mi
100
96
90
80
75
72
60
t 90
100
108
120
135
150
162
180
d)
| mi
Re
H
si
la
&>/
Fajjj
m*
I 180
162
150
135
120
108
100
90
f 120
128
144
160
160
180
192
200
225
240
e)
I mi
m
H
Do
si
to
Soljjt
Sol
Fa
mi
I 240
225
200
192
180
160
160
144
128
120
| 90
96
100
108
120
135
144
150
160
180
f)
< mi
m
RS
Do$
81
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Sol
M
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I 240
225
216
200
180
160
160
144
135
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i 120
135
144
150
160
180
200
216
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g)
< mi
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Do$
Do
si
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So/
Fa*
-Pa
wtt
I 180
160
160
144
135
120
108
100
96
90
}
}
)
16200
28800
600
600
A l'examen de ce tableau, nous constatons que, *par trots accroissements*
Buccessifs, nous obtenons *deux harmonies* canoniques:
1° Une premiere harmonic («), *6galement egale*, en tant que constitute
de deux series numeriques inverses identiques, et dont le produit constant
des facteurs est 28800.
2° Une seconde harmonic sous deux aspects inverses (f et g)y *£* une part
Cgalc en longueur* & la pr6c6dente, *mais d? autre part inegale en ses facteurs*,
en tant que constitute de deux series numeriques differentes. — Par aineurs,
si nous considerons la quarte comme divisible en cinq intervaUes ^ou rapports
376 J*an Marnold, Lea Fondements naturels de la Musiqne etc
de longueurs de corde ou de vibrations), nous observons que chacane des
quartes de cette harmonie n'est composed que de cinq termes issus de la
gyration inverse et du «croisement» rationnel des facteurs fournissant un
produit constant, au lieu des six termes necessaires a la division de la quarte
en pempade d'intervalles , et que les deux series se completent a cet egard
en produisant le terme qui manque a l'autre; — c'est-a-dire que <chaque
serie numerique est exprirnie par des termes correspondent a des divisions ration-
nelles de pempade* d'intervalles consecutifs, <dont Vune inexprimable et man-
quant dans chacune* des pempades. En outre, cette harmonie prise dans
son ensemble, nous trouvons que <deux termes* de meme rang et de sons
homonymes (ri — Hi et fajt — Fajjfj «sont irrationnels* , en tant que corres-
pondant respectivement a des divisions de pempade, done a des intervaUes
differant du comma |^. Enfin le produit constant des facteurs de cette
harmonie canonique, 21600, est egal a *cent fois le cube de la triade* nu-
menque originelle 3, 4 et 5, puisque 33 + 43 + 5* = 27 + 64 + 126 =
216X100 = 21600.
Et ici, nous remarquons que notre ^premiere harmonie* (e) peut tout
aussi plausiblement correspondre a l'expression « centuple en son produit* que
1' harmonie c du premier accroissement effectuS; car, si 7200, produit de
l'Schelle c est 100 fois 72, en revanche, le produit constant de V harmonie e}
28800, est le centuple de 288, somme de 72, produit du logos mousikes, et
de 216, cube de la triade originelle 3, 4 et 5; c'est-a-dire un produit cen-
tuple contenant tous les elements essentiels du probleme.
Cette interpretation d'un texte obscur, vraisemblablement altere* et rap-
ports diversement, est assur6ment admissible. Nous verrons que d'autres
sources en confirment le principe et la conclusion. N6anmoins, on peut en
discuter certains details interm6diaires. Avec la lecon «fxaarov {jlev api&p.ov>
que nous avons adoptee, il est evidemment legitime de traduire Siapirpo;
par « division mesur€e», d'autant plus que l'expression ex oicruiTpoo, evoquee
par le mot, implique un sens de « diametralement oppose* » ou de «croisement>
qui conviendrait admirablement au processus inverse des series numeriques
et a des divisions rationnelles determiners par la coincidence des facteurs du
produit constant. Mais, en lisant «exorrov uiv aptftficSv airo otapitpov pr^zwt
irsjiTuaoo;*, pn pourrait songer a la theorie des nombres diagonaux que nous
a conservee Theon de Smyrne dans un ouvrage exposant pr£cisement <Us
connaissances mathematiques utiles pour la lecture de Platon*. Et on tradui-
rait alors: <cent fois le carri du nombre diagonal de 5, no?nbre lateral, ce
carre diminue de 1*. On trouve dans Theon que ce carre* est 49, lequel,
diminue de 1 et centuple, donne 4800, nombre dont nous ne saurions que
faire en l'espece. Par contre, nous apprenons au meme endroit que, pour 12,
nombre lateral, le nombre diagonal est 17, dont le carre* est 289 qui, di-
minue* de 1 et centuple, donne 28800. Or 12 est justement la somme de
la triade originelle (3 + 4 + 5 = 12), et 28800 est le produit constant de
notre <premiere harmonie* (e).
On est evidemment gene* par ce ire[A7ra8o; et accule a l'hypothese d'une
lacune peut-etre avant ou apres ce mot, et donnant le sens de *cinq (hypo-
thenuse) ajoute aux cotes 3 et 4> du triangle rectangle en question. A moins
que 7usjA7ra8os ne soit tout simplement une correction de Scuosxo&o;, inspiree
par le debut du passage. On pourrait alors traduire ainsi, en r£servant
l'6quivoque sibylline eventuelle sur les diverses acceptions de 7reji7ra;:
Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc. 377
«. . . Leur principe epitrite (3—4), par conjonction quinaire, donne deux har-
monies par trois accroissements successifs. L'une [karmonie e) egalement egale
{en ses facteurs) et centuple (en son produit). L'autre {harmonie f g) egale en
longueur d'une part, mais d'autre part, in^gale en ses facteurs (et different dans
Tun et l'autre sens). La premiere (ayant pour produit constant) cent fois le carre,
diminue de 1, du nombre diagonal de 12 (5 4-3 4-4) nombre lateral. La seconde
(pr£sentant) dans chacune des series if et g, inversement lues et superposes) deux
termes irrationnels (et ayant pour produit constant des facteurs) 100 fois le cube
de la triade (fondamentale : 3, 4 et 5) . . .>
En comparant Tune ou l'autre interpretation avec notre tableau, ou con-
state enfin que, «dans son ensemble tout entier, ce nombre g6ometrique» l)
de Platon s'offre ainsi sous la forme d'un diagramme ou d'un ensemble de
diagrammes, exprimant une succession de changements piriodiques issus du
logos mousikes par l'adjonction du rapport 5, et produisant une sorte de
progression d'echelles canoniques dont les termes possibles sont rigoureusement
determines par les facteurs initiaux, et qui s'accroissent par generation con-
secutive de rapports de plus en plus nombreux et diflferents en quality de-
puis la perfection des consonnances primordiales jusqu'a l'heterog6neite du
comma, et apparaissant engendres dans cet ordre:
a) b f |. ♦; - b) |, i, f, 4| ; - c) *, -ft- H- «• «; - d' *■ »• *J:
- e) A- «, H'Hi- « «) A. »• «. tt. If
Quelle que soit celle qu on choisisse entre les deux versions proposees,
et quoique certains details demeurent a tout jamais de traduction douteuse
ou discutable, grace a 1' obscurity ou a 1' alteration du texte, cette interpre-
tation de ce fameux passage lui donne pour la premiere fois un sens et lui
confere une signification logiquement conforme a la mentality platonicienne
d£noncee, dans la Bepublique et ailleurs, par Tassimilation systematique de
speculations musico-numeriques a des principes de philosophie, de morale ou
de sociologie. Avec cette interpretation, derived tout naturellement de l'ana-
lyse de la theorie musicale grecque, basee sur la consonnance pythagoricienne
et les proprietes du canon, on concoit aisement, en somme, non seulement
ce que Platon voulut dire en cet endroit, mais comment il put etre amene
spontanement a employer ici une metaphore qui nous parait aujourd'hui si
particulierement speciale. Et, en depit des incertitudes signages pour le
commentaire, on ne peut guere douter que, dans son ensemble, notre dia-
gramme nwmirique fournisse la veritable solution du « Nombre de Platon »,
Itant donne les coincidences observables dans les temoignages qui se rap-
portent au sujet.
En effet, dans sa Politique (V. x. 1.), Aristote cite sommairement ce passage,
en criti quant sa redaction sans doute un peu obscure ou equivoque deja:
•Dans la Bepublique, ecrit-il, Socrate parle des revolutions, mais il n'en parle
pas tres bien ... II estime qu'elles proviennent de ce qu'il n'est rien de durable
et que tout se transforme selon certaine progression periodique, dont le principe
8erait le fond epitrite combine avec 6, qui donne deux harmonies quand le nombre
du diagramme eat devenu solide ...*)» —
1) <gSomeiriqu€», en tant que speculation basee sur les proprietes du triangle
rectangle de cdtes 3, 4 et 5.
2) Ts* Se tq IloXiTelqi Xe^ixac fiev irepi xwv {UTa^oX&v 6n6 too Zwxpohrou;, oO peVroi
378 Jean Marnold, Lea Fon dements naturels de la Musique etc.
II s'agissait done d'un diagramme) correspondant a « certains changements
periodiques», et aboutissant a un nombre produit de trois facteurs, a l'instar
d'un solide de trois dimensions.
D'autre part, nous avons vu que la speculation qui nous occupe est
basee sur le logos mousikes avec le « nombre parfait* 6 fondamental. Or,
le nombre 6 etait aussi baptise nombre nuptial et, dans Sur Isis et Osiris (56),
apres avoir vante" comme «le plus beau des triangles rectangles* celui dont
les cotes sont 3, 4 et 5, Plutarque continue en disant que e'est de ce tri-
angle que « Platon parait s'etre inspire pour composer son diagramme nuptial* l).
Et on peut observer que le nombre «devenu solide* de ce diagramme, 216,
est aussi le cube de 6.
Mais Aristide Quintilien est d'une precision remarquablement explicite
a propos des vertus dudit triangle. «H se trouve, ecrit-il, que le zodiaque
a etc" divise* en 12 parties, nombre egal a celui des tons dans la mas i que
et au pe>imetre du premier triangle rectangle qui puisse Stre construit avec
des cot£s rationnels . . . Aussi dit-on que 5 est le premier nombre incarnant
une diagonale rationnelle. Un semblable triangle 6tant constitu£, comme jai
dit, de 3, 4 et 5, si on additionne arithmetiquement les cote's, on obtient
pour somme le nombre 12 . . . Mais, si nous elevons chacun des cotes au
cube, — (mot a mot: «si nous accroissons chaque c6te d' apres Fepaisseur>,
troisieme dimension impliquant les deux autres, longueur et largeur) — nous
obtenons pour somme le nombre 216, presque egal au nombre des jours de
sept mois . . . Les cotes de Tangle droit sont dans le rapport e*pitrite (\),
d'ou ce que dit Platon du principe £pitrite joint a 5 . . .»*) [De Musiea.
Mb. 151, 152). Ici, avec l'indication du lieu, nous rencontrons la somme
des cot£s du triangle, 12 et la somme de leurs cubes, 216.
L'ensemble de ces coincidences, chez des auteurs aussi divers qu'Aristote,
Plutarque et Aristide, est evidemment significative, et tout en faveur d'une
solution qui apparait bien moins une hypothese qu'une conclusion logiquement
et naturellement dSduite des donnees du probleme acoustico-musico-mathS-
matique. Des speculations ou allusions de ce genre abondent dans Toeuvrd
de Platon, comme aussi bien parmi toute la litterature grecque antique, et
il semble que ce ne soit pas seulement chez les Hellenes que la science
musical e ait constitue* le principe fondamental de toute culture et un element
essentiel d'education pSdagogique.
On trouve, en effet, dans Ath£n<§e Texplication d'un passage du 7C livre
hiftxai xaXu>;, . . . cpyjol -yap aiTtov elvat to jx-?) |x£vetv jxr/Jiv 6)X £v tivi reptoocp jxera-
jidXXetv, dp/^v o' eivat to6to>v d>v eiriTptTo; irjf)|xT|V rcefxrdot au^Y^U O'jo dpjxovta; 7raoi-
yeTat, Xe^uw Stow 6 toO otaYpd|XfxaTo; dptOfxos tovtou Y'V7iTal OTepeo;, . . . [Politico, V,
X, 1.)
1) (u xat nXaTcov £v ttq iloXiTela ooxet to-jtw rposxeypfjsftat to YajxTjXiov oiatYpafifxa
o'jvtcxttwv. (Sur Isis ct Osiris, 56.)
2) t6v -yap otj ^ujotaxov (xeptafjfjvat jxev a'jjxflsfoxEv eU ^Ipt] 0(&&exa, laaplBjxaic toi; tc
is fxo'jaixrj xovoi; xai tt] ?:epi(x£Tp<» toO op^oftovtou TpiYu>vo*j / tojto y*P ix Tiaoaiv fctjTwv
ajv(aTot|xev rptoTov ... oto xat tov e 7tpa>T6v <paat fartf* in&zizni otdfxcTpov, . . . toO hi
toio'jtou Tpif(6vou, auvear&To;, ws l?rjv, tx. y xal o xal e, el Ta; TiXeupd; dptOfxtjT«t»« tjv-
betTjfxev, •/) to)v iff TrX^poSTat roa^c . . . aXX ' el xat tiov rXeuptbv ixdzvry* xaza pdOo; *j~t-
oatfxev (pdfjo; y»P *) <J<VaT0» ?^at*)» 7roi^oat(xev av tov oi;, ladpif)(xov 5vta ouveY^oc Ttji twv
e7trafx-/]vtuv . . . al oe ttjv 6p^TjV Trepte^ODOat 07)XoOot tov dTikpiTov. touto o9) xal nXdrary
tpTjalv dnlTptTOv iru6fx£va trevTclSi Gifyfipm ...
Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc. 379
des Lois j livre oil, presque a chaque page, il est question de musique.
Platon, sur la maniere d'enseigner le calcul aux enfants, y cite un usage
d'Egypte ainsi decrit par Athen^e (Deipnosophistae — Lib. XV. 10. p. 671).
«On donne a des enfants des pommes ou des couronnes, et ils doivent de les
partager de telle sorte que tous en aient toujours chacun un nombre egal. Un
premier enfant (1) recoit 60 couronnes. Arrive un second enfant (2) auquel le
premier donne £ de ce qu'il a. Us en ont done alors chacun 30. Vient un troi-
8idme enfant (3) a qui les deux premiers donnent £ de ce qu'ils ont. lis en posse-
dent alors chacun 20. Un quatrieme (4) recoit le | de ce qu'ont les precedents et
la part de chacun devient 15. Un cinquieme enfant ;5) prend J et la part n'est
plus que de 12. Enfin, un sixieme (6) reduit cette part a 10, en recevarit de cha-
cun des autres £ de ce qu'ils ont.>
Cette petite histoire n'offrirait qu'un mediocre interet si on ne remarquait
que, en superposant le nombre des enfants et le nombre de couronnes sac-'
cessivement obtenus, on aboutit a une echelle canonique, lisible dans les deux
sens, et exprimant en sa dualite la progression primordiale:
Longueurs =12 3 4 6 6
Vibrations = 60 30 20 15 12 10
Sol mi
60
Longueurs = 10
12
15
20
30
60
Vibrations = 6
5
4
3
2
1
Sol
mi
Do
Sol
Do
Do
En meme temps qu'ils apprenaient a compter, les petite Egyptiens appre-
n aient ainsi la musique.
Aristoxene.
Ces analyses successives nous ont devoile pas a pas le processus evolutif
de Tart musical des Hellenes. Nous avons assists a Teclosion graduelle des
divers elements d'une systematisation a la fois empirique et speculative. Nous
nous expliquons desormais, non seulement l'expression numerique des for mules
de tetracordes, mais la presence dans ces formules de rapports de vibrations
et de longueurs de corde1). A partir de Pythagore, la pratique des canoni-
1) On en comprend aussi pourquoi, chez divers auteurs, on rencontre Yhar-
monie celeste (Lune, Mercure, Venus, Soleil, Mars, Jupiter, Saturn e) representee
par une echelle de sons correlative, mais commencant, tantftt du proslambanomene
a la mese ou de Vhypate a la nete, tantdt inversement de la nete a Yhypate. Enfin,
on pent e'en expliquer l'opposition de marche alphabetique constats dans les
notations accouplees dites voeale et instrumentale, mais, en reality, correspondant
respectivement a la lexis d'apres le chant et a la crousis des cordes, d'ou leur lee-*
ture en sens inverse (ava> et xdfrw, termes qui ne sauraient que fort tendancieuse*
ment indiquer une superposition de signes qu'on trouve indistinctement, dans les
manu8crits, isoies, Merits a la file par octaves de chaque espece, ou tout an plus
juxtaposes dans les exemples didactiques). D'autre part, la preponderance gradu-
elle, et probablement definitive aux debuts de notre ere, du principe des vibra-
tions, de nombre croissant du grave a l'aigu, substitue an principe des longueurs
eroissant de l'aigu an grave, devait necessairement amener une sorte de rencerse-
ment du concept quantitatif d'acuite et de gravite par quoi est tres simplement
eiucidee la confusion qui s'ensuivit entre les termes arsis et thesis , lesquels fini-
rent par troquer leurs sens. C'est a une analogue confusion des vibrations et des
380 Jean Marnold, Les Fondements naturels de la Musique etc
ciens vint s'ajouter a celle des Jiarmoniciens. Elles se d£velopperent syste-
matiquement cote a cote, poussees presque fatalement sans doute l'une et
l'autre aux consequences extremes. Les canonicietis devaient aboutir a l'6chelle
(par tons -| et demi-tons ££|) dite pythagoricienne, quoique, sinon peuk-etre
e*trangere i Pythagore, du moins tenue par celui-ci simplement pour une
possibility entre beaucoup d'autres. Les harmonieiens pratiquerent la sub-
division des intervalles sur les fiombres de vibrations comme sur les longueurs
de corde, choisissant parmi ces subdivisions tels ou tels rapports d'intervalle
dont ils confectionnaient plus ou moins arbitrairement leurs tetracordes. lis
pouvaient en arriver ainsi a exprimer les genres ou les modes par une suc-
cession de diesis I — ;r— p) heterogenes. II semble que ce soit ce precede*
qu'Aristoxene leur ait reproche* sous le nom de catapycnose, et qu'on ren-
contre dans certaines formules de tetracordes qui nous sont parvenu es. Par
exemple: £ f& $£ o" H |$£ H, enharmonique et chromatique d'Archytas.
D 'autre part, le principe de la subdivision indefinie des intervalles devait
facilement d^g^nerer, chez les harmonicieiis, a un empirisme indifferent aux
speculations intellectuelles de la theorie pure. II fournissait la matiere d'un
enseignement technique simplifie, apte a s'accommoder aux exigences de la
virtuosite instrumentale, au gout croissant pour la variete modulante, le con-
traste et la multiplicity des metaboles; — enseignement base sur un semblant
de « theorie pratique* analogue a celle actuellement adoptee dans nos Con-
servatoires. II semble que, au temps d'Aristoxene, la pratique musicale ait
decidement commence a se detourner de la theorie speculative, pour s'en se-
parer toujours plus.
Nous venons de voir cette theorie naitre des proprietes du phenomena
sonore, et s'epanouir naturellement pour constituer Tessence d'un art d'une
grande simplicity d'abord, dont la beauts parait avoir ete d'ordre intellectuel
et contemplatif autant, sinon plutot que sensoriel. Durant toute une epoque
qui, depuis Olympos et Terpandre, attend peut-etre au moins jusqu'a Euri-
pide, la musique grecque semble avoir conserve* ce caractere, en depit d'une
Evolution constante et de la complexity progressive des formes et des com-
binaisons. C'etait un caractere artistique le plus eleve\ Dans leur art
musical, les Grecs alors distinguaient profondement Vapparence et la chose
en soi, la pratique et la tlieorie issue pour eux du phenomene naturel. Hs
doublaient la beaute de Tenet de celle de sa cause. Sans doute, ils n'igno-
raient pas rimpossibilite materielle d'une absolue justesse d'execution, d'une
realisation rigoureusement exact© de certaines nuances d'intonation determi-
nes par la crousis et parfois si subtiles que l'oreille eut ete souvent in-
capable de les discerner. Mais ils interpretaient leurs sensations dans la
sens d'une absolue justesse des intervalles ou rapports; ils concevaient Tart
et l'oeuvre d'art selon la synthetique eurythmie inherente a la theorie dieted
par le phenomene objectif, ses proprietes essentielles et constitutives dont It
decouverte et les consequences etaient pour eux une source inepuisable de
surprise, de jouissances et d' admiration. Une « theorie pratique* arbitraire
ou conventionnelle , dans le genre des traites de Bazin, de M. Theodore
Dubois, de Bichter, ou meme de Fetis, n'aurait evidemment pas interest
un Pericles, un Aristote ou un Platon, et un Pythagore eut indubitablement
longueurs qu'est due la metamorphose des modes antiques en ceux de notre moyen
age occidental ou byzantin.
Jean Marnold, Lea Fondementa natureh de la Musique etc. 381
d^daigne d'y collaborer. Au contraire, l'analyse du phenomena sonore de-
chiffre peu a pea, la formation des lwrmonies par l'elaboration de rythmes
derives des combinaisons des deux crousis inverses, une theorie speculative
eman£e directement de la Nature, un art dont la beaute symbolisait quasi-
ment le geste du Demiurge createur par la manifestation harmonieuse d'une
loi numerique universelle regissant le Cosmos divin, ideal et reel, — tout
cela s'attestait certes idoine a captiver les esprits les plus eminents, a troubler
et passionner les penseurs autant qu'a inspirer les etres de g<§nie.
Toutefois, une telle conception de l'art musical impliquait necessairement
une culture malaisement accessible a la foule. Par ailleurs, au fur et a
mesure que, par une evolution fatale, les compositions des musiciens s'ecar-
terent de la simplicity primitive, il devait s'ensuivre une complication de
plus en plus pe*nible de Interpretation speculative conforme a la theorie
pure, en meme temps que s'imposait la tolerance d'un ineluctable a-peu-pres
dans 1' execution instrumentale d'oeuvres surcharge's de modulations et de
nuances. La croissante difficulty ou le defaut d'une culture spSciale, le
plaisir de Toreille, le gout de la virtuosite conduisirent insensiblement a une
conception subjective de l'art musical et a un enseignement vulgarise, avant
tout pratique, ou il semble que les rythmes, superflus ou genants, aient ete
bientot sacrifies a un « metier > fait de routine technique. Le principal etait,
pour les maitres, de former des praticiens professionals et non des theo-
riciens.
C'est contre cette decheance de la conception et de la theorie de Tart
que s'eleve Aristoxene en s'attaquant aux harmoniciens. II oppose le prin-
cipe du ryihme, de la rythmopSe purement musicale, avec l'ordre, la logique,
reurythmie melodique et modale qui en re*sultaient, a la confusion des genres
et des modes, a l'equivoque d'une approximation d'apres l'oreille et l'espece
de temperament arbitraire inconsciemment favorises par l'empirisme desormais
exclusivement pratique des harmoniciens. Aristoxene occupe une place toute
particuliere parmi les theoriciens grecs. Nul, hormis Pythagore, ne parait
avoir egale sa celebrite. Arrivant au dedin de la theorie speculative, il fut
le dernier chef d'ecole et le seul dont l'influence ait contrebalance" 1' ascendant
de ses plus illustres devanciers. Sa doctrine etait aussi distincte de celle
des harmoniciens que de celle des canoniciens. H eut la gloire d'etre sur-
nomme* par ses contemporains Aristoxene le Musickn.
L'examen detaille des theories d' Aristoxene nous entrain er ait trop loin
et pourra faire l'objet d'un travail ulterieur. Cependant il importe de de-
mentir immediate ment la legende immemoriale qui lui attribue 1' invention
ou la preconisation du temperament egal. Dans les fragments qui nous
restent de lui, rien ne saurait confirmer une telle hypothese; au contraire.
Lia cause de cette erreur enracinee est peut-etre autant la nouveaute* de la
terminologie employee par Aristoxene, que la maniere dont Ptoiemee et
Aristide Quintilien nous ont conserve ses formules de tetracordes. Dans
ces formules, la quarte est divisee en 60 parties egales et, comme Aristoxene
parle couramment de tiers, de quarts et meme de douziemes de. ton, on a
pu reconnaitre dans toutes ces divisions un procede assimilable a notre tem-
perament. Pourtant, dans le chapitre ou il traite de la generation des genres
(Mb. 50, 51) et en decrit les nuances correspondant a ses formules de tetra-
corde, Aristoxene ne fait pas la moindre allusion a ces 60 parties de la
quarte ainsi subdivisee. Cela ne prouverait pas, neanmoins, que, dans un
382 Jean If arnold, Leg Fondements naturels de la Musique etc.
autre ouvrage perdu pour nous, il n'ait pas use de cet expedient de repre-
sentation pratique; mais, meme en l'admettant, on n'en saurait tirer argu-
ment en faveur du temperament.
Enonc£es de la sorte, en effet, les formulas de tetracorde dAristoxene
sont les suivantes:
Enharmonique: 6 + 6 + 48 = 60
Chromatique mou : 8 + 8 + 44 = 60
do. hvmiole: 9+ 9 + 42 = 60
do. tonic: 12 + 12 + 36 = 60
Diatonique mou : 12 + 18 + 30 *= 60
do. synton: 12 + 24 + 24 = 60
Or, si nous exprimons la quarte -|, de facon que la difference entre sea
termes soit 60, nous aurons ^|$. En effectuant l'op£ration sur une corde
tendue,
12 3 4
i i j j J
60 120 180 240
mi mi la mi
la quarte -f , la — mi, est produite par les longueurs 180 et 240, et la portion
de corde correspondant a leur difference est constitute de 60 parties egales,
a savoir de -ffo de la corde totale.
Par analogie, il nous est loisible de diviser pareillement une quarte fff
repr£sentant un rapport de vibrations (mi (180) — la (240)). Et si nous
appliquons a cette quarte les divisions attributes a Aristoxene, nous obtenona
le resultat que voici, ou ses formules de tetracordes des genres sont expri-
mees en nombre de vibrations, accompagngs du nom des sons correlatifs:
Enharmoniqtu
•
180
186
192
240
30
31
32
40
mi
mi#
Fa
la
mou:
180
45
mi
188
47
fa
196
49
Solb
'
240
60
la
Chromatique <
hemiole :
tonie:
180
60
mi
180
189
63
Fa
192
198
66
204
240
80
to
840
16
16
17
20
mi
Fa
Sol?
la
( mou:
180
30
mi
192
32
Fa
210
35
80l
240
40
la
Dtatontque: \
1 synton:
180
15
192
16
216
18
240
20
mi
Fa
Sol
la
Sauf peut-etre le chromatique mou, toutes ces formules de tetracordes,
exprim£es en nombres de vibrations, correspondent rigoureusement a la de-
scription d'Aristoxene & l'endroit cite* de ses Elements harmoniques. La cos-
Jean Marnold, Lee Fon dements naturele de la Musique etc.. 383
cordance du diatonique mou, 30 — 32 — 35 — 40, — constitute" d'apres Aristo-
xene «d'un demi-ton> (-J-J-), «de trois diesis enharmoniques» (|-$) et de «cinq
,di£sis> (-|J), — est remarquablement frappante entre toutes par le controle
possible de ses details. En revanche, compare* au texte aristoxenien, le chro-
matique mou, 45 — 47 — 49 — 60, parait etre une corruption de 24—25 — 26 — 32,
avec les differences infinit£simales -J-J : |-J = -|-j~£|- et -|£ : {-| = -J-Jf . Et cette
constatation autoriserait a douter que 1 expedient de la division de la quarte
en 60 parties soit l'ceuvre d' Aristoxene en person ne. On peut supposer qu'elle
ait ete peut-etre imaginee par quelqu'un de ses disciples et adoptee par son 6cole.
Quoi qu'il en soit, dailleurs, cette division aboutit ineluotablement a des rap-
ports de vibrations qui n'ont rien de commun avec notre temperament (gal.
En les exprimant a la maniere des harmonieiens, on aurait les formules:
Enharmonique: -J J- X |-| x -| = J-
Chromatiquc mow. ■}! X {^ X if = i
do. hemiole: |£ x || x £§■ = \
do. tonie: Hxftxtf-i
Diatonique mou : -J-| X -||- X ^ = \
do. synton: fg x $ x V> «= |
Dans ces formules on reconnaitrait le pycnon enharmonique de Didyme
et le diatonique synton de Ptolemee, outre maint rapport communSment usite
en l'espece; mais, le chromatique mou mis a part, rien qui se rapporte de
pres ou de loin, pas plus a notre temperament fyal que meme a une quel-
conque approximation systematique ou eventuelle. Enfin, il est remarquable,
au contraire, qu' Aristoxene soit, avec Didyme, le seul theoricien dont les
formules de tetracorde ne contiennent pas le diatonique ditonti des Pythago-
riciens, (243 — 256 — 288 — 324), avec ses deux tons -| et son limma f-^f ,
lequel diatonique, en n'admettant pour la formation des echelles que les com-
binaisons des rapports 2 et 3, instituait en realite le premier temperament
offert aux praticiens, que Boece fit passer dans notre theorie occidentale et
qui s'y perpetua au moins jusqu'au XTTP siecle indiscute.
Au temoignage unanime des textes, Aristoxene le Musicien fut un nova-
teur. Esprit vigoureux et de haute culture, eleve tour a tour de Lampros,
du pythagoricien Xenophile et d'Aristote, philosophe lui-m§me et diaiecticien
passionne, il semble avoir reve* de refondre toutes les theories existantes en
une esthetique musicale basee exclusivement sur les rapports de vibrations,
un service d'un art libere, a la fois instinctif et logique, s'adressant a la
sensibilite comme a l'intelligence. Celui dont on a voulu faire un adepte ou un
promoteur du temperament defendit la theorie contre l'empirisme indifferent
et ^approximation d'apres l'oreille des harmoniciens professionals, tandis qu'il
defendait la sensation contre la tyrannie systematique du « temperament par
quintes> inherent a la gamme dite pythagoricienne pr6nee par les canoniciens.
En depit du retentissement de ses ouvrages, les idees d' Aristoxene pa-
raissent etre restees sans consequences 'pratiques. II arrivait trop tard pour
exercer une action efficace et surtout durable sur un art desormais de plus
. en plus subjectif et etranger aux virtualites d'ordre. intellectuel elev6, propres
a la theorie speculative; sur des compositeurs de plus en plus refractaires
sans doute a la reflexion indispensable, et peut-etre aussi depourvue bientot
de culture adequate qu'un public plus ou moins grossierement sensuel, avide
384 Jean Marnold, Lea Fondements naturela de la Musique etc
de plaisir facile et de virtuosity. L'enseignement musical devenant peu a
peu toujours #lus Itroitement technique, la theorie speculative devait fatale-
ment finir par constituer un domaine re'serve* aux savants ou aux philosopher
II semble que les intuitions du novateur Aristoxene aient du assez rap i de-
ment se divulguer inaccessihles a d'autres que ceux-la, et que pr£cis6ment
le plus original et sans doute le plus prgcieux de ses doctrines n'ait guere
pu que fournir prltexte a des discussions dor£navant abstraites, acad6miques,
d6nu£es bien probablement de rapport avec Tart pratique^ Ce que fut celui-
ci, durant la longue periode de decadence qui s'6tend jusque dans notre ere,
apparait a bien des egards un enigme plus obscure encore que celle du passe*
archaique et classique. De Tart musical de ce pass£, du moins, si nous ne
poss^dons pas les ceuvres, nous avons retrouve, avec ses fondements naturels,
Fadmirable synthase incarnSe par son harmonieux organisme, reconnu la
symbolique duality et les significations profondes qui le firent sacrer TArt
h£g£mon du Farnasse. Cette «Musique grecque et belle*, instaur£e par l'au-
lete Olympos, ne devait pas survivre au dithyrambe et a la trag£die. Mais,
bien longtemps apres, alors que des residue de sa theorie scolastiquee etaient
sortis nos tons eccl£siastiques et les ekhoi byzantins, des esprits fins et cul-
tiv6s gard aient pieusement son souvenir et, avec une enthousiaste meiancolie,
celSbraient sa beaute perdue.
Aussi, au cours de notre XP siecle, repondant a quelque Cesar, — petit-
etre Michel Parapinace dont il fut prScepteur et conseiller, — P sell us, seca-
teur de Byzance, medecin, mathematicien, theologien et philosophe, pouvait-3
commencer son epitre en ces termes:
«La veritable Musi que, celle dont on a dit: nous tCen eonnaissons que le turn,
et a propos de quoi souvent tu m'interroges , n'est-ce pas rharmonique synthete
du Cosmos? . . .>
Et plus loin, confirmant notre interpretation platonicienne et maintes
conjectures, il poursuit:
«... En toute espece ou chose, cette Musique agrege et organise les contrairet:
quant k la nature, la forme et la substance ; l'ensemble de tons mouvements, quant
& l'espace celeste; . . . enfin, quant & l'essence, le Meme et F Autre, le mouvemest
et le repos, le semblable et le dissemblable, l'unite et la plurality, etc. . . .>
Et pour conclure:
<Tou8 les actes de Tart musical sont analogues aux periodes sid£rales. L*
marche du choeur vers la droite, en effet, imitait la revolution du Meme ; puis, par
une evolution inverse vers la gauche, il retournait pour l'antistrophe , accomplxa-
sant, en sa course vagabonde, le cycle periodique de l'Autre . . . Telle fut, a Tori*
gine et dans l'histoire, cette admirable et admired Musique. Celle que nous cnl-
tivons aujourd'hui n'en est qu'un vague simulacro1).
1) 'II dXrfii^ txousix^ irept ifi etpirjxat xo «t)peT« 6s jxoyatxjj; xX£o; otov dxoOojxcN>, mpi
tJ; roXXrfxie dvaTrjvftdvT) jxou, ou xaft' dpjxov(av daxt xcuv oVriov d^dvxwv a'JaiTjfjio; . . . Ti
6e h to!; 0X015 £vavxta ouvoet xal a»jveyet, Ttepl (xcv x^v cpuotv, xo elooc *ol xfy* CXip, ccpi
oe xov oupav&v, xd; ct:1 navxt xtvf(aeic, . . . rapt oe xtjv oOslav, xauxov, Qdxcpov, x(vi;«v,
cxdatv, ojxotov, dv6poiov, ev, 7rXfj6o«, xal xd aXXa xd xotauxa . . . Eaxi he irdvca xd xf,;
p-ouaixfj; £pfa dvdXoya xa?c xmv doxpaw TtepuSoot;. CH piv ^ap £~l oefcid xdn* ydpoov xivrjat;
}xejjL(|X7jTat xt,v xauxou Trepupopdv • dveXiaaouaa hi eV dpiaxepd, xty dvxlaxpo<pov rfvatxuxXft,
CirjxoDoa xt)V Gaxlpou xat TrXavajfiivTqv TrepioSov • . . . il jxev ouv irpbaxt) xal loxopoufAtvv) fioostx^,
^ ftauaaCofjL^vY] xota6xir) xt; £3xt* T*zp\ t^v Se a::o'JodCop.£v OTjfxepov, a5xr) d^^H1,91 °^ ***«*.»
iaxtv. (Ruelle, Rapports sur une mission littcrairc en Espagne. Paris 1875. p. 124-6-6-7.;
Adolf Cbvbinski, Zur Geschichte des Taktschlagens usw. 385
Zur Geschichte des Taktschlagens und des Kapellmeister-
amtes in der Epoohe der Mensuralmusik.
Von
Adolf Chybinski
(Krakau).
VerfasBer beabsichtigt im folgenden Aufsatze an der Hand des gesam-
melten historischen Materials die in den Sammelbanden (X, 1, S. 73 ff.) er-
schienene Arbeit Gr. Schiinemann's »Zur Frage des Taktschlagens und der
Textbehandlung der Mensuralmusik* zu erganzen. Diese Erganzungen be-
ziehen sich hauptsachlich auf die praktische Seite des Mensural -Kapell-
meistertums und verlangen schon ihrem Inhalt nach, daB man sie im engsten
Zusammenhang mit der genannten Arbeit verfolge.
Zunachst kommt in Betracht der Gebrauch des Taktstocks.
Die alteste bildliche Darstellung des Dirigierens bringt uns der Oenter
Altar von den van Eyks (vollendet etwa 1432), wo wir einen mit der Hand
dirigierenden Engel sehen. Aus derselben Zeit jedoch stammt ein Kantional,
das sich im Krakauer Kapitelarchiv (Wawel) befindet und das eine wunder-
schone Miniatur enthalt, die einen singenden Knabenchor und einen mit
dem Taktstock dirigierenden Kapellmeister darstellt. Das beweist uns, daft
im 15. Jahrh. neben blofler Hand auch der Taktstock gebraucht wurde1).
— In der theoretischen Literatur des 16. Jahrh. fin den wir sonderbarerweise
auBerst selten Bemerkungen, die sich auf das Taktieren mittels des Takt-
stockes beziehen. Diese Art des Taktierens war horbar und erhielt sich —
wie wir wissen — noch bis ins 19. Jahrh. hinein. Es fehlte aber nicht an
Tbeoretikern, die ein gerauschloses Taktieren verlangten, so z. B. Stephanus
Yanneus in seinem Becanetum de musica aurea (Venedig 1533, fol. 54a):
1) DaB zu Ende des 15. bzw. 16. Jahrh. manchmal das Taktieren wahrend der
Aufftihrungen unterblieb, belehrt uns eine Episode aus dem Leben Jo squin's des-
Pres, die ich nach der > Historischen Beschreibung der Edelen Sing- und Kling-
Eunst* (Danzig 1690, S. 117) zitiere : >So offt / als Jusquinus ein Stuck componirt
hatte / gab er dasselbe den Sangern / solches zu versuchen. Indessen aber gieng
er spacieren / und h3rte fleiCig zu. Wenn ihm etwas nicht gefiele; gieng er zu
ihnen / und sagte: Schweiget still e / ich will es andern.« Im 16. Jahrh. betrach-
tete man das Taktieren als etwas Selbstverstandliches. Gioseffo Zarlino be-
grOndet dieses mit folgenden Worten: >. . . Laonde dobbiamo sapere, che % Musioi
vedendo, che per la diuersita dei mouimenli, che fanno canlando insieme Ic Parti delta
cantilena, per esser run piu veloce* 6 piu tarda delV altro, si poteua generar qualche
confusione; ordinarono un eerto Segno, dal quale ciascun Cantante s'hauesse da reggere
nel profertr la noce con misura di tempo ueloce, o tardo, seeotido che dimostra con le
figure diuerse cantahili . . . Et sHmagirono che fusse bene, se cotal segno fusse fatto
con la mano; accioche ogriuno de i Cantori lo potesse vedere, & fusse regolato nel sua
tnouimenio alia guissa ml Polso humano* (vgl. Tutte Vopere, Venedig 1589, I, p. 256).
— Nicola Vicentini sagt geradewegs: >. . . senxa misura non si puo cantare le
compositioni musicalU (vgl. Vantica miisica ridotta alia moderna pratica, (Rom 1555,
lib. IV, cap. VIII).
386 Adolf Chybinski, Zur Geschichte des Taktschlagens new.
*Et hate (sc. mensura) cadem tacite fieri potest, c. sine ulla cuidenti expressaque
alicuius instrumenti pcrcussione, id dictum est, sed animo aique mente obserranda erit.*
Von den Dirigierarten war in der Epoche der Mensuralmusik die mittels
des Fingers oder der Hand am meisten verbreitet ; von ihr ist in den moisten
Musiktraktaten des 16. Jahrh. die Rede. Den Taktstock direkt erwahnen
nur Joh. Vogelsang [Musicae rudimenta) und Andreas Raselius [Hexa-
chordum)\ wahrscheinlich an den Taktstock denkt Pietro Pontio [Ragiomenti
di musica,) Parma 1587, S. 135) und St. Vanneus (a. a. 0.)1).
Andere Arten des horbaren Taktschlagens waren das Handeklatschen und
FuBstampfen. Von ersterem lesen wir in Zarlino's Istitutioni (a. a. 0.,
S. 256):
>. . . alcuni dei Musici chiamarono cotal segno Battuta, alcuni altri Tempo sonoro, <t
alcuni altri; tra i quali e Agostino dottore Santissimo nel Cap. 10 del Secondo Itbro
delta Alusica, lo notninano Pluusum; eke uiene da Plaudo uoce latina, <£ sued dire U
Battimento delle mani.*
Was das Fufldirigieren betrifft, so mtissen wir feststellen, da£ es noch
im 17. Jahrh. Anhanger besafl (z. B. Otto Gibelius), andrerseits aber schon
im 16. Jahrh. dagegen protestiert wurde; vgl. die Stelle aus Musicorum libri
quatuor (AVien 1512, lib. HI, De regimine utriiisque cantos) von Venc. Phi-
lomates:
>. . . Sunt quibus est usus moderari turpibus odas
Qestibus, egregios mores se scire putantes,
Atque exquisitam cantorum conditionem
Mensuram quidam palmis moderantur tUrisque
Eminus expressis, veluti cum in lite duorum
Alter in alterius nequit insultare capillos
Unguibus, externa loetale minntur inervis
Certamen pede signantes calcante . . .« *)
Deswegen scheint mir Schunemann's Meinung, dafi bei dieser Art des
Taktierens »eine mafiige Bewegung des Fufies zu denken< sei, recht opti-
mistisch zu sein; wahrscheinlich war es auch so in der Theorie, Philomates'
Worte jedoch warnen uns vor allzu guter Meinung.
Eine Quelle aus dem friihen 16. Jahrh. belehrt uns, dafl man auch dam&ls
mit dem Taktstock gerauschlos dirigierte. Es ist eine Miniatur aus dem
Pontificate des Erzbischofs Erasmus Ciolek, das sich im Czartoryski-Museum
zu Krakau befindet und zwischen 1504 — 1522 geschrieben und illuminiert
wurde. Die Miniatur stellt einen mit dem Taktstock dirigierenden Kapell-
meister dar; er meistert die Sanger mit seinem langen Stabe, ohne in die
Noten zu schauen. Er dirigiert jeden falls tacite, da kein corpus solidum —
- wie W. C. Printz sich zu auflern pflegte — vor ihm stent, das er mit don
Stab, den er nach oben schwingt, »schlagen< konnte.
1) Emil Vogel meint, daB auch die Papierrolle in der Epoche der Mensural-
musik zum Dirigieren verwendet wurde (vgl. Jahrbuch der Musikbibliothek Peten
fUr 1898, Leipzig 1899, S. 70f). DaB sie erst in der 2. H&lfte des 17. Jahrh. erwfthnt
ist, laGt sich beweisen. Vor dieser Zeit ist kein Beleg, weder in den theoretischeo
Werken noch in bildlichen Darstellungen zu fin den.
2) Von dieser Manier des Taktierens berichten B. Ram is de Pareia, P. Aron.
F.Salinas, Th. de Santa Maria und Pierre Davantes (vgl. Schfinemann
a. a. 0., S. 79;.
Adolf Chybinski, Zur Geschichte des Taktschlagens usw. 387
Zu den interessantesten und schwierigsten Problemen aus dor Geschichte
des Taktschlagens gehort die Frage des Vortrags in der Epoch e der
Mensuralmusik. Die Drucke und Kandschriften der praktischen Musik aus
dieser Zeit lassen uns ganz im Stich. Auch in dieser Beziehung miissen
wir die Musiktheorie zu Hilfe holen. Das, was wir in den theoretischen
Biichern des 16. und teilweise des 17. Jahrh. finden, ist zwar nicht immer
befriedigend, doch immer noch ausreichend, urn zu sicheren Schlussen zu
gelangen, und zwar hauptsachlich deswegen, weil alle Theoretiker darin einig
sind.
Wie aus den von Schunemann zusammengestellten 7Ww$-Definitionen zu
entnehmen, schlug man den Takt im 16. Jahrh. ganz gleichmafiig, ohne Be-
schleunigung oder Verzogerung des Tempos !). Alle das Taktieren betreffen-
den Stellen aus den theoretischen Biichern der genannten Epoche geben uns
die Uberzeugung, dafl damals im Taktieren die aufierste Objektivitat herrschte,
d. h. daB man die subjektive Verzogerung bzw. Beschleunigung des Tempos
nicht nur vermied, sondern auch verdammte und als Fehler betrachtete,
wenn sie im Raume eines mit einer und derselben Tempovorzeichnung sig-
nierten Satzabschnittes gebraucht wurden. Noch zu Ende des 16. und am
Anfange des 17. Jahrh. war diese Anschauung obligatorisch. Fiir die Praxis
dieser Zeit ist die Prattica di Musica Lodovico Zacconi's (Venedig 1596,
I. Bd.) bekanntlich eine reiche Fundgrube. Die Notwendigkeit der Gleich-
mafiigkeit im Taktschlagen begrundet er folgendermafien :
*Ma la Musica parlando della Musica quando la se riduce in afto, non ha altro
fondamento chr la misura, douendoli sempre procedere lordine col quale si guida il
compositore: Per il che v- forxa di dire chc il canto sostentandosi in voce per fonda-
mrnto non habbia altro che un picciolo intervaUo di tempo : cosi la Musica si pone
in essere con le voci mediante una multitudine tfintervalli: i quali tanto durano quanio
dttrano le figure che danno inditio della Musica. Questo intervaUo che io dico non r
altro chr. un picciol moto simile al moto del polso humano, overo al palpitrar del core :
col quale ossercando i cantori il valor delle figure cantano le Musiche figurale. Onde
si come da un contrapeso* il tempo de Orologgio vien retto et governato, dal quale tuttc
Taltre ruotr con ordine sette et contrario ; quale velloci, et quale tardi si movano, et col
moto si reggono\ cosi ancora da una misura detto tempo, tuttc le parte senxa disso-
nanxa alcuna si reggano. et reggendosi si cantano*. {*Prattica* I, fol. 22.)
Er gibt weiter den Chorregenten zwei Mahnungen, die beweisen, welch
grofies Gewicht Zacconi auf die zeitliche Gleichheit der nacheinander folgen-
den Taktschlage legt:
»7J dehito de quelli che lo reggano b di reggerlo chiaro, sicuro, senxa titubationc
pigliando ressempio delT attione del polso d dal moto che fa il tempo delT Orologgio,
et han da fare che si come dal tatto si reggano, et s'informano di suono le figure Mu-
sicali, die cosi ancora i cantori Vhahhiamo a sequire, et esser soggetti*. >. . . ma at-
tendere al officiosus accioche i cantandi vedendo la sicurexxa del fatto sinanimischino,
et prendino ardire, che segli vuole ritardar col tatto fin die il cantore habbia perfetta-
1) Voile tan digkeitshalber sei noch auf die Definition von Stepbanus Vann'eus
in seinem Recanetum de Musica aurea (Rom 1633, fol. 54} bingewiesen: » Cuius sc.
>ligneae machinae* = des Taktstockes] motus aequus qualis horologii motus esse debet,
quod si perpera moueatur, sequiiur temporis confusio, haud secus cantoribus iniquam
agentibus mensuram accidit, fit i. ut modo serius, modo ocyus notulae prcmantur. <&
tmiuersa invertitur cantilena, uidctque non musicorum Concertus, sed Anserum strepitus*
0. d. IMG. x. 2fo
388 Adolf Chybinski, Zur Geechichte des Taktschlagene uaw.
menie. informato le figure di sttono, in ogni taito conurra rilardare; perelie il cantor?
si piglia auUorita sempre di pronuntiar la figura dopo il tatto : per farla sentire con
maggior vaghexxo.* [•Prattica* I, fol. 21.)
>Il tatto dunque non solo] debbe essere sieuro et senxa diffetto di cquatitd . . .«.
(>Prattica< 1, fol. 76.)
Die Kunstanschauungeii der Mensuralmusik wirkten noch tief bis ins
17. Jahrh. hinein. Ihre Gesetze wurden auch auf den konzertierenden Stil
ubertragen; nur das Rezitativ bildete eine Ausnahme, von der wir unten
noch sprechen werden. So bleiben auch die Gesetze des Taktschlagens in
Kraft.
Zunachst komint in Betracht Syntagmatis Musid . . . Tomus fortius von
Michael Praetorius ( Wolff enbuttel 1619). Die theosophische Richtung des
Denkens, welche die Vollkommenheit der Mensuralverhaltnisse im Tempw
perfection erblickte und dieselbe auf die hi. Dreieinigkeit zuruckfiihrte, waltete
auch in den Anschauungen uber das Taktieren. Praetorius sagt (S. 79):
*Mensurae etiam servanda est aequatitas, ne harmonia deformetur vel perturbetur:
Nam sine lege db mensura canere, est Deum ipsum offendere, qui omnia nutnero, pan-
dere db mensura disposuit, id Plato inquit. Sed tamen pro rations Textus interdum
tardiore Tactu interdum celeriore per vices uti, singularem majestatem db gratiam hahet,
db Gantum mirifice exornat.*
Den scheinbaren Widerspruch, den diese Meinung von Praetorius enthalt,
wird man nicht als solchen betrachten, wenn man jene celeritas und tarditas
auf die Veranderung der Mensur, nicht aber auf die subjektive Behandlung
des Tempos zuruckfuhrt. Praetorius sagt selbst (op. c. S. 48), der *t actus*
sei >vel tardior^ vel celerior pro varietate signorum*.
Was Zacconi im ersten Bande seiner Prattica uber die Gleichmafiigkeit
der Taktschlage gesagt hat, wiederholt er im 2. Bande derselben (Venedig
1622) mit fast treuer Genauigkeit. S. 14 schreibt er:
*H tatto Musicalc, communemente detto battuia . . . suol esser la mimtra, con la
quale agiwtamente si minisfrano i valori a tutte le figure Musically e li suol serrir a
modo di perfetta, e giustissima bilamia.*
S. 56 weist er auf die iibermafiige Schnelligkeit und auf das horbare
Taktschlagen als auf die Ursachen des ungleichen Tempos hin. Er meint:
>Questi tali, che eantatw non con giusto. e misurato interuallo, ma can ial pres-
texxa, che generano confusione, hanno da sapere, che Vequalitd del taito, si hd da con-
formare col misurato tempo del polso.* >Hd veduto anco qucsto di piu nel batter east
presto: che gVatti duno interrallo e Valtro, etie sono quelli, che noi communemente
chiamano baitida, non essendo equali, sono alterati di brutta, e mostruosa aUeratione,
essendo sempre piu tempo nella levata, die nella caduta; e pare apunto che quel tale
che batte, nel color delta mono, tocchi sempre cose, che lo punghino 6 scottino. e cost
detti intervaUi non essendo equali, oltrc che fanno i cantori arivarei sempre piu tardi,
fanno anco come hd detto, odiosissimo sentire; perche, non si sente veruna giusta e
buona disposition Musicale. ne armonia, che sia ptmto grata, e diletterole.*
Es entsteht jedoch die Frage, ob das Gesetz der absoluten Gleichheit der
Taktschlage ebenso fur die kirchliche wie fur die weltliche Musik giliig war.
Die strenge Objektivitat der Kirchenmusik war dem Stil der weltlichen nicht
bzw. nicht ganz eigen. Auch in dieser Beziehung sind fur uns die Musik-
traktate von Zacconi und Praetorius sehr wichtig und geradezu entschei-
Adolf Chybinski, Zur Geschichte des Taktschlagens ubw. 389
dend. Zacconi macht einen scharfen Unterschied zwischen dem Vortrage
der kirchlichen und der weltlichen Musik. Seine Darlegung ist zwar sati-
risch, dennoch aber sehr belehrend und klar genug, urn dem Leser eine
#enaue Vorstellung des damaligen Vortrages zu geben. I)aB er im Vortrage
der weltlichen und kirchlichen Musik zwei Verschiedenheiten sieht, beweist
uns ein Satz aus der Prattica II, S. 55, namlich:
>che le Musiche secolari essendo Vilanelle, Canxonette. e Madrigali, si cantano, e
jtossano caniare a comtntm uolere di coloro, che le cantano, e f anno cantare ; ma perche
V Ecclesiastiche sono rfaltra natnra. e con&ideratione . . .c
Dann stellt Zacconi die Bedingungen fur eine richtige Auffiihrung kirch-
licher Musik auf. Eine derselben ist »Vequalitd del tatto, si hd da conformarr
col mmirato tempo del polso* (a. a. 0., S. 56). In deraselben Werke weist
er darauf hin, daB manche Sanger bei der Kirchen musik sich eines Vortrags,
einer Manier bedienen, die nur fur die weltliche Kunst passend ist. Er
beruft sich auf die altere Zeit:
*si doueuano cantare con molta honestd e derotione*; »heute« aber sin gen die
Choreanger *co?i tali lascini affetti, che paiano tanti appassionati amanti* (a. a. 0.
S. 53!. Er warnt sie vor Bolchem MiBbrauch und sagt »che cantando nelle Chiese, si
ricordino di cantar a lode del Signer e, c non a sodisfattione delle loro passioni amorose*.
(a. a. 0. S. 54 }«).
Weniger strenge urteilt Praetorius. Er erblickt eine schone Wirkung
darin, *si inter dum vivaciore, intcrdum remissiore voce Gantilenae concinantur*
(Syntagma III, 79). Man muBte. am Anfange des 17. Jahrh. verschiedene
Meinungen iiber den Vortrag der Kirchenmusik haben, denn Praetorius be-
k amp ft weiter (a. a. 0. S. 80) die einseitigen Anschauungen :
>Ettliche wollen nicht zugeben / daB man in compositione alicujus Cantionis
zugleich Motetti8che vnd Madrigalische Art vntereinander vermischen solle. Dero-
nelben Meynung ich mir aber nicht ge fall en lasse; Sintemahl es den Motecten
vnd Concerten eine besondere lieblich: vnnd anmutigkeit gibt vnnd conciliiret,
wenn im anfang ettliche viel Tempora gar pathetisch vnd langsamb gesetzet seyr.
/ hernach etliche geschwinde Clausulen daruff folgen: Bald wiedervmb langsam
vnd gravitetisch / bald abermahl geschwindere vmbwechslung mit einmischen /
damit es nicht allezeit in einem Tono vnd Sono fortgehe / sondern solche vnd
dergleichen verenderungen mit eim langsamen vnd geschwinden Tact: So wohl
auch mit erhebung der Stimmen / vnnd dann biBweilen mit gar etillem Laut mit
allem fleiC in acht genommen werde / . . .«2)
1) DaB manchmal die Texte der Kirch engesange die Ursache ihres roadrigali-
echen Vortrags waren, beweist uns eine interessante Stelle aus der Prattica II,
S. 53 f. : > Che sc per sonar madrigali & altre cose secolari, alle Messe db i diuini vffiey
e peeeato mortale, quanto piu pot sarh peccato maggiore h sentirui le uoci i cantarvi
i medemi affetti? Anxi lodai sempre il Palestina, che cosi poco s'impiego a far madri-
gali, hauendolo fatto Iddio aecio che ornasse la chiesa de canti soi souai come egli fece :
ma sc io li fossi stato ricino, e gli hauessi potato dire il mio parere, Vhauerci disuaso
anco a piu potere che non si fosse impiegato a comporre, i motetti delta Cantica come
egli compose ; poichc, hoggi giorno molti cantori si compiacciano di cantar soli. Quam
pulcra es arnica mea, quam pttlcra es. Tota pidcra es arnica mea, formosa mca.
Fidcite me Floribus quia amore langueo con altre cose, che Dio sa con qual animo et
intentione loro le cantano.*
2) Dasselbe wiederholt Praetorius mit keinem Vorbehalt in Syntagma III,
112: >0b zwar etliche / dz ich dessen / sonderlich in Kirchen zu gebrauchen nicht
26*
390 Adolf Chybinski, Zur Geschichte dee Taktschlagens usw.
Es unterliegt keinem Zweifel, daB schon zu Ende des 16. Jahrh., nach-
dein Orlando di Lasso und Andere die Freiheiten des madrigalischen Ton-
satzes auf die Motette tibertragen batten, auch in der Kircbenmusik die grofiere
Freiheit des Vortrags herrschte. Die Traditionen der alteren Musikpraxis
blieben immer nocb stark genug. Noch in der ersten Halfte des 17. Jahrh.
begegnen wir strengern Bekennern temporis acH z. B. F. M. Mersenne: in
seinen Harmonicorum libri XII, Paris 1648, 8. 153 verlangt er:
» Lenta admodum constituenda est Temporis acqualis mensura ...» > Nulla . . . tn
tota cantilena fiat mensurae midaiio, nisi ex propriis signis db eharacteribtis prasnotata
fuerit.*
Zweifellos hat die Oper und der rezitativische Stil viel zu dieser Freiheit
des Vortrags ini 17. Jahrh. beigetragen. Glaudio Monteverdi unterscheidet
zwei Ai*ten des Tempos: » tempo della mano* und > tempo dcW affetto delT
ammo*, welch' letzteres *senza battuta* vorgetragen wird. (Vgl. VIII *libro
de Madrigali* 1638) !). Doch fehlte es nicht an Theoretikern noch im
18. Jahrh., die einzig das metronomische Taktschlagen von den Dirigenten
verlangten.
Es handelt sich nun urn die Frage des allgemeinen Tempos bei den
Auffuhrungen in der Zeit der Mensuralmusik. Wie fur das Taktieren als
Zeitmessuug die mittleren No ten (brevis, spater scmibrevis) den integer valor
bildeten, so war auch das uiittlere Tempo ein integer valor der Schnelligkeii
Die Alten verstanden sehr feinsinnig die Schattenseiten einer Auffiihrung,
in der das Tempo zu geschwind oder zu langsam genommen wurde. Zacconi
geht sogar soweit, da£ er die Wirkungen der willkiirlichen Tempi auf den
Horer beschreibt und als erfahrener praktischer Musiker sehr genau auf die
Ursache der verzerrten Tempi eingeht.
Das schleppende Tempo resultierte am haufigsten aus der Schwierigkeit
gut eey / vermeinen: So deuchtet mir doch solch variation vnd ▼mbwechselung
/ wenn sie fein moderate vnd mit einer guten gratia, die affectue zu exprimiren
vnd in den Menschen zu moviren, vorgenommen vnd zu werck gerichtet wird /
nicht all ein nicht vnlieblich oder vnrecht seyn / sondern vielmehr die aures k
animos auditorum af fie ere, vnd dem Concert eine sonderliche Art vnd gratiam
conciliire. Es erfordert aber solches offtermahls die composition, so wol der
Text vnd Vers tad der Wfrter an jhm selbsten: daG man biCweilen / nicht aber
zu offt oder gar zu viel / den Tact bald geschwind ,' bald wiederumb langsam
fuhre; auch den Chor bald stille vnd sanfft / bald starck vnd friech resoniren lasae.
Wiewol in solchen vnd der gleichen vmbwechselungen / in Kirchen viel mehr
alC vor der Taffel eine moderation zugebrauchen vonnOthen sein wil.c Vollstan-
digkeitshalber sei noch eine dritte und ahnliche Stelle aus demselben Werke
(S. 60) zitiert: >. . . das ist einmal gewis und hochndthig / das in Concerten per
Choros ein gar langsamer gravitatischer Tact miisse gebalten werden. Weil aber
in solchen Concerten bald Madrigalische bald Motetten Art unter einander ver-
menget und umbgewechselt befunden wird / mus man sich auch im Tactiren dar-
nach richten.«
1) Die von mir zitierten Stellen aus Praetorius und Monteverdi modifiiieren
teilweise die Meinung von Rudolf Schwartz, welcher >die Erkenntnis von der
Aufgabe des Dirigenten < >an der Hand der Affektenlehre* erst der 1. Halfte des
18. Jahrh. zuschreibt (vgl. >Jahrbuch der Musikbibliothek Peters fQr 1907<vLeipiig
1908, S. 69.)
Adolf Chybinski, Zur Geschichte dee Taktschlagens new. 391
des Tonsatzes und der Haufung der Chromen. Die Schwierigkeit der »Fi-
guren« verureachte das langsame Tempo:
•poiche in molte persons guiditiost ho veduto a di miei essere non solo la insta-
bUitd del tatto, ma anco rna biasmevole sumministraiione non cost da tutti considerata ,
el e che cantandosi cose difficile, per la difficidtd delle figure alargano tanto il tattiper
fadleiarle; che col suo mexxo vengano a commutare una fignra nel altra.* {•Prattica*
I, fol. 76.)
Der im 16. Jahrh. immer mehr wachsende Oebrauch der kleineren und
kleinsten Notenwerte bereitete den Sangern Schwierigkeit im Zahlen der-
selben; deswegen erleichterten ihnen die Kapellmeister die Aufgabe durch
die Verschleppung der Tempi. Die Wirkung solcher Mifibriiuche beschreibt
Zacconi folgendermafien :
*Doue che per esser da tutti inteso, acciochc si tolghi del stato presenie questo si
biasmmole abuso, et si leui a fatto a fatto questo errore dico: che si troiiano alcuni
sumministratori del tatto, che regendolo in alcune cantilene difficile one siano gran copia
di Chrome; per far che i Cantori le contino meglio ct con minor difficidtd; allargano
tanto il sudeito tatto che le fanno pronuntiare per Semiminime, et non si aveggano che
8c il compositore che le compose hauesse voluto che le si fossero per Semiminime can-
tate, non Vhaueria fatte Chrome.* *Si possano ben cantare le figure diuersamente :
perche il Compositore c obligato d comporle secondo Vordine de i segni et le regole del
Tempo cKegli adopera; et il Cantore a cantarle come li pare et piace: perche chi vuol
tener d vno che qttella Semibreue che communemente vale m tatto non la canti per rna
Br cue, 6 per una Longa, dando il vaUore a ciascheduna muUiplicato? ouero diminu-
irle per la mettd et farle gire sotto di esso lotto la metta piil presto et piu reloce?*
Die Verschleppung der Tempos hatte in leichten Werken auch eine bose
Wirkung auf die Sanger und Zuhorer; den ersteren war damit die richtige
Erkenntnis der Werte der langeren Noten, also die Erkenntnis der Rhythmik
erschwert; sie machte die Zuhorer ungeduldig und nahm den Sangern jede
Lust zur kunstlerischen Ausiibung ihrer Aufgabe. In dem schleppenden
Tempo sieht Zacconi noch die Wurzel eines anderen libels: je langsamer
der Takt geschlagen wird, desto weniger sicher und gleichmafiig werden die
Taktschlage (vgl Prattica I, fol. 77 a)1).
1) »...(' pero c bene che da gVascoUanti la sieno conoscinte per Chrome come dal
Compositore le sono state fatte, et tanto piu quelli di biasmo sono degni, quanta che
sol tatto sirusciano et stancheggiano il Cantore, parendoli col stancheggiarlo et strus'
ciarlo, di porgerli mano, tfaiutarlo, o di darli tempo di potersiin quelle difficultd
meglio accomodare, ct non si aueggano che il Cantor sicuro odia quella ritardanxa
come coso disdicevole, et ama solamente Vequalitd de tattU (» Prattica* 1, fol. 76 b).
». . . ma anco con lesser [sc. il tatto j giusto et equate, non dehbe passar il suo
U80 ordine, ciov non si debbe sumministrar tanto adagio ch'eschi fuori del suo costume or-
dinario : perche at cantore r pit) facil cosa di considerare et di portare una figura net
vallor dun altra: che di tenerle per quelle che le uagliano sotto un allargato tempo . .«
{> Prattica* I, fol. 76b).
>. . . troppo lento [sc. tatto], che generi tedio r le languidexxa — € (>Prattica< II,
fol. 66b;. — >. . . quale se vd troppo lento, siimiano, che in breue nhabbi da nascere
qualehe alteratione*. ». . . che se tta troppo tardi e lenta, presto genera tedio, e uerra
d noia . . .« (ebenda).
» Questo voglio che sia d bastanxa per rimouere questa larga sumministraiione di
tatto nelle cose difficile \ sperando che da qui in pox si sentiranno le chrome per Chrome,
et sera two da glaudienti le Semiminime canosciute per Semiminime et non per figure
392 Adolf Chybinski, Zur Geschichte des Taktschlagens usw.
Obwohl sich Zacconi beklagt, dafi die Manier der Tempo verschleppung
in seinen Zeiten immer mebr zunahme, lesen wir dock von ihr ini 2. Bande
seiner Prattica (1622) verschwindend wenig. Dagegen behandelt er darin
im Gegensatz zum 1. Bande des Werkes eine andere und zwar noch gefahr-
lichere Siinde im Bereich der Tempozunahme : namlich die iibertriebene
Schnelligkeit der Tempi, von welcher er im 1. Bande der Prattica nur aufierst
wenig gesprochen hat. Es ist jeden falls bemerkenswert, dafi die Theoretiker
des 17. Jahrh. sich fast nie iiber die Yerschleppung der Tempi, am meisten
aber iiber die ubertrieben schnelle Temponahme der Kapellmeister beklagen.
Praetorius z. B. beschrankt sich nur auf die Feststellung, da£ >tardior
progressus auditorum auribus . . fastidium « bereitet. (Syntagma III, 50.) Er
furchtete, dafi die Schnelligkeit des Tempos die »Harmonie« verderben wird:
> Cantiis non est praecipitandus : fit enim confnsio totius Symphoniae etiam jitcim-
dissimae. Ad Tactum antem productiorem harmonia fit gratior, d- melius percipitm*
(Syntagma III, 79).
T>Prestezza* des Tempos ist nach Zacconi (Prattica II, 56) die TJrsache
der idissonanza*, >dispiacere*, >8chifezza* und xxmfusionc* und birgt in
sich »il pericolo di dissolutions*. Die Ursache eines derartigen Taktschlagens
beschreibt Zacconi folgendermafien, aus seiner Erfahrung schopfend:
*Et io in parties dare mi son preso non picciola marauiglia, in ucdere, che i Can-
tori battendosi eon tanta acceleritd e prestexxa, per non poier loro sequiiar la uelocith
del tatto, andauano sempre mexxo tatto indietro; et vno vrtando con la voce defaltro,
far la piu disorbUante melodia, (se melodia la debbo chiamare) cKaltra simile non si
poieua udire.* *Ho teduto anco qncsto di piu net batter cost presto i che gVaiti duno
interuallo e Valtro, che sono quelli, die fwi communemente chiamano battuta* non a-
sendo equali, sono alterati di brutta, e mostruosa alterations essendo sempre pin tempo
nella leuata, che nelia caduta.*
Tim das zu vermeiden, verlangt Zacconi »un tatto mediocre* (Prattica I,
fol. 77a), ein mittleres Mafi des Tempos, oder wie Praetorius im Syntagma
III, 87 sagt: >einen rechten mittelmafiigen Takt«. Mersenne verlangt
>lentam mensuram* (Harmonicorum libri XII, S. lbSf.)1). — Solche Porde-
rungen werden von alien Musiktheoretikern des 17. Jahrh., die sich mit dem
Dirigieren beschaftigen, wiederholt.
Der einzige, der uns genauer iiber die Temponahme seiner Epoche be-
lehrt, ist Praetorius. Er berechnet, wieviel tempora auf eine Zeiteinheit
en t fallen, und damit auch die Schnelligkeit des Tempos:
>Allhier will ich auch dieses erinnern: Dafi ich in den General -Base en allezeit
am ende eines jeden verzeichnet habe / wie viel Tempora / ein jeder Gesang /
auch ein jeder Theil oder pars Cantionis in sich halte. Denn weil ich nothwendig
di vallor cambiate : che io a molti )w failo toccar con mano che il cantar le cose diffi-
cile sotto vn tatto mediocre, le si dicano meglio con manco pena et fastidio de Cantori
che col dirle si adagio, et di piu ho veduto anco in delta sumministratione per V inter-
uallo grande che casca da vn tatto e Valtro; dislorsi i latti dalla equalitd propria et
cadere in vna sproportionata misura in modo tale che un tatto. dequalitd et misura
non corrispondeua al altro* (ebenda).
1) >Mediocritas« in All em, was das Taktschlagen angeht, wird auch von der
raehr versprechenden als gebenden Musica do-rooyeoiamxr, Joachim Burmeister*
gefordert (Rostock 1601;: » Lenta admodum constituenda est Temporis aequalis mensura*
{S. 153 .> Lenta admodum semper servanda est mensura* (S. 153 f.;.
Adolf Chybinski, Zur Geschichte dee Taktschlagens usw. 393
observiren mttasen / wie viel tempora, wenn man einen rechten mittelmafiigen
Tact halt / zu einer viertel Stunde musiciret werden kdnnen: Als nemlich:
80
160
640 )
tempora in
einer
halben
[ viertel Stunde
gantzen J
haltben | Stunde').
gantzen i
Es ist sehr zweifelhaft, ob man nach solcher Vorschrift die Werke auf-
ftihrte — besonders nach 1600. Die » Geschmackssache « der Kapellmeister
war es, irgend ein Tempo anzuordnen, das dem Geiste des Werkes entsprach.
Ebenso wichtig wie die Vorschriften iiber das Tempo waren die anderen,
namlich diese, welche die Pflichten des Kapellmeisters im allgemeinen be-
treffen. Auch hier bietet uns die Prattica von Zacconi die beste und auch
die einzige Quelle aus dem 16. Jahrh., abgesehen von einigen kleinen Be-
rn erkungen, die wir in der Musica von Cochlaus (1507) finden.
Zacconi sagt, das Dirigieren sei eine leichte Sache (> quest o tatio com-
mune . . . e in se facile* — Prattica I, fol. 21b), aber es verlangt nicht nur
eine praktische, sondern auch eine theoretische Ausbildung des Kapellmeisters :
>cosi anco non ogni Gantore il gouerno di Capella, o di qual si voglia altra
Musica* (Prattica I, fol. 76 a) *). Ist ein Kapellmeister nicht geniigend ge-
bildet, so kann er zwar bemerken, wenn die Sanger einen Fehler machen,
er weiB aber nicht, welche »parte< irrt, und er kann nicht den Fehler be-
seitigen; er wendet sich vielleicht gerade an die Stimme, welche richtig sang,
statt der irrenden zu zeigen, wo sie irrte (Prattica I, fol. 76 a).
Die Kenntnis der Kirchtone war fur den Kapellmeister deswegen wichtig,
weil er mit Hilfe derselben die be quern e Stimmlage fur die Chorsanger finden
konnte. In diesem Sinne sagt Cochlaeus in seiner Musica (fol. 12a):
*Diligenti examine considerare debet cantus arsim ei thesim (quo eerie commodius
fiat, si tonorum autenticorum a plagalibus diferentiam non ignarerit / ne nimis alte
aid basse incipiat: Autentici namque toni cantus non ita alte inieiari debet ut pla-
gaits.*
Zacconi begriindet asthetisch die Notwendigkeit des Singens in der
mittleren Lage der Stimmen:
1) Riemann bemerkt dazu: » Michael Praetorius (1618) bestimmt den integer
valor der Brevis auf etwa Vio Minute, d. h. das Viertel auf 80 Schlage von MalzeTs
Metronom, was fur heute noch ungefahr zutreffend ist« (vgl. Musiklexikon, 6. A.,
S. 607). S. auch Schunemann (a. a. O. S. 88'.
2) »Et non per altro ho detto che debbano hatter e la cognitione de Tuoni: se non
perehe molti fanno questo officio, et non It sanno, et punio non si curano di saperli:
ma si reggano, et gouernano per una lunga prattica: la quale assai gioua et non si
ptoo dire che la non sia buona : ma c molte migliore, et piu gioua Vhaueme cognitione
. . .€ {^Prattica* I, fol. 76b). — ». . . Colui solamente r atto, 6 meriteuole, che oltra la
cognitione de Tuoni, errando una parte conosce Verrore, et sd chi ha bisogno tfesser
rimesso.* >Ho detto ancora cKegli sappia rimettere et conoscere una parte quando erra:
aedoche in cambio di rimetter vno non rimeiti vrt altro: perehe si trouano de quell i
che sono si ignoranii, che oltra H non sentire cosi presto vna parte che dissona per
hauer commesso errore, fanno rtia ruina nel volerja rimettere che disconciano, et guas-
tano tutte Valtre, et quel che e peggio non rimettano chi n'ha bisogno. E ben vero che
vno piu delP altro ha ludiio pronto et acuto, che pero si vede ch" alle volte anco chi non
compone rimette prima di vn compositore; ma quclla tanta grossexxa dudito che si
chiama dnrexxa in chi compone, si parte dal proprio nat urate, et da gVascoltanti piu
tosto vien giudicata ignoranxa* (ebenda.1.
394 Adolf Chybinski, Zur Geschichte des Taktschlagens usw.
*prima nelT incominciarlc, che non siano ne troppo alte, ne troppo basse quasi
mute e sorde. U pigliarle in giusia proportions nasce dalla buona, e perfetta cognition
de Tnoni; che chi non ci auerte, o non li cognosce bene, per to pin fard sempre riuseir
male* [>Prattica< II, S. 55).
Dieses Gebot war allgemein giltig und wurde noch in der zweiten Halfte
des 17. Jahrh. von den Musiktheoretikern besonders betont1).
Die griindliche Kenntnis der Kirchentone war fur den Kapellmeister auch
deswegen unentbehrlich, weil fur seinen Chor ein Werk entweder zu hoch
oder zu tief notiert sein konnte, was ihn zum Transponieren zwang. In
dieser Beziebung ist besonders der dritte Band des Syntagma von Praeto-
rius belebrend (S. 81 If.). Praetorius meint sogar, dafi die Transposition
oft zum Vorteil des Gesanges geschieht:
>. . . So befindet sich docb / daO in etlichen Modis, Als in Mixolydio, Aeolio
vnd Hypoionico, wenn sie per quintam transponiret, eine languidior & pigrior har-
monia propter graviores sonos generiret werde: Darumb es denn vngleich besser
vnd wird aucb der Gesang viel frischer vnd anmutbiger zuhdren / wenn dieie
Modi der quartam ex duro in durum transponiret werden < (S. 81).
Ein Werk, das zu noch »clavieret« war und einem Chor, der iiber keine
Falsetisten bzw. Kastraten verfugte, in der Auffiihrung Schwierigkeiten be-
reitete, mufite entschieden transponiert werden. In dieser Beziehung macht
Praetorius folgenden Vorschlag:
>An denen crthern aber / do man propter voces Cantoruin, aonderlich in der
Kirch en tieff zu singen gewohnet ist / kan man solche Modos recht in die quin-
tain transponiren. Wiewol in etlichen grossen Catholischen Capellen . . . Hypoio-
nicus transposituB seu mollis vmb eine gantze Septima auGm D / vnd Hypodorius
vmb eine Tertzia auGm E, welches aber sonderlich den Discantisten sehr niedrig
vnd vbel zu singen / wenn nicht Eunuchi oder Falsetisten das beste theten / mo-
tiret vnd gesungen wird< (S. 82). »8o ist auch dieses allhier nOthig zu erinnern /
daC Jonicus Modus, wenn er in Natural i vnd Regulari Systemate gesetzet / vmb
einen Thon hOher; Wenn er aber in Systemate transposito befunden / per tertiam
inferiorem auCm d ficte, gar bequemlich / weil er in regulari zu niedrig vnd zu
scblafferig ist / kan Musiciret werden / . . .« (S. 82 f.).
Zuletzt sei noch auf eine Pflicht des Kapellmeisters hingewiesen : es war
die Sorge um die dynamische Gleichheit der Stimnien. Cocblaeus warnt
den Kapellmeister folgendermafien :
» Caveat dehinc quilibet swnma cum industria ne inhonesto ac insolito oris hiatu
aut ridiciUo forte cachinuo voces tnodulando proferat: ne (galli more) os . . aperiai aut
in modum canum uhdat. Voces insnper perstrepentes atone tremebundas reiiciat. Sunt
enim sibi ipsis eadem extensione dissimiles, quare ceteris vocibus Concordes esse non
possunt. Deed auiem altcrum alteri vocem accommodare {puta tenorem can tut he
altc alteribus clamor is excessu profundatur atque succumbat. Postremo itisolens ac
indecorus capitis manuumre molus cantorem declarai insanum. Non enim caput aut
manus concordem sonum efficit sed vox bene modulata* {Musica fol. 12a).
Ahnliches verlangt auch Hanns Haiden in seinem Mwricale Instrument
turn Reformatum (Nurnberg s* a , fol. 9 a):
1; Z. B. von W. C. Print z in der Musica modulatoria vocalis (1678, S. 6f.) und
von Daniel Speer in seinem >Grundrichtigen . . . Unte merit der musikal. Kunst«
1687: S. 21 der Ausgabe aus d. J. 1697.
Earl Nef, Die Stadtpfeiferei und die Instrumentalmusiker in Basel, 395
Die Stimmen sollen >moderirt« und >applicirt« werden, >das keines das ander
iiberschreyet / ja die Stimmen sollen dermassen gegen einander abgewogen sein /
daC der ZuhOrer nicht anderst judiciren kan / ale wann es nur eine eintzige Stimm
were / gleich wie in den Orgeln / da man biGweilen die Principal / verdeckt /
Quint / Oktaf / Quindetz / Zimeln und Mixtur / alles zusammen zeucht / es doch
einen solchen gleichen sonum gibt . . .«.
Um die dynamische Gleichheit zu erreichen, mufite der Dirigent seine
Sanger auf eine passende Weise gruppieren. Man legte das Hauptgewicht
darauf, daB man die Sanger nicht dicht nebeneinander stehen lasse. Zacconi
begriindet dies folgendermafien :
». . . molti cereano dadmontarle [sc. le parte] insieme, parendo a loro, che quanio
piu i cantori stanno uniti, e stretli, la Musica sia meglio per riuscire, e s'ingannano
pur assai; poiche, le parti havendo, troppo vicine laltrui voci, non possano sentir
Vaffetto della loro propria voce; oltra ch^ per superarle, isforxando it sua potere, pin)
piu fosto dissonare senxa avedersene, che risonare*. ». . . amassando troppo i cantori
insieme, dal sorerchio urto, e troppo impeto delle voci, bene spesso non sentendo se stesso,
quel talc, che dinanxi e di dietro se m sente offesoy non pud pronuntiar le uoci sue
com' egli uorebbe, e potrebbe, a facendo forxa di superar Valtre, come dianxi Ito detto,
e farsi sentir e; o bisogna ch'egli dissoni, a che venghi la Musica ad alierare* {Praitica
II, S. 66j.
Bei den Auffuhrungen in der Epoche der Mensuralmusik verfolgten die
Kapellmeister einen Mittelweg in Sachen des Tempos, der Dynamik und der
Tonhohe und duldeten besonders in der Kirche keine Kontraste, die erst
die neuo Zeit mit sich brachte.
Die Stadtpfeiferei und die Instrumentalmusiker
in Basel (1385-1814).
Von
Karl Nef
(Basel.).
Stadtpfeifer werden in Basel zum erstenmal 1375 erwahnt; in den Stadt-
rechnungen findet sich in diesem Jahr der Eintrag >fisttdatoribns nostris pro
bono anno 2 //.« und 1386 »den pfiffern 1 Pfd. 4J31). — Im Eidbuch2),
das dem 15. Jahrhundert angehort, ist der Eid erhalten, den die Stadtmusi-
kanten hei ihrem Antritt zu schworen batten. Er lautet:
»Der pbiffer vnd Trumpeter eyd.
Ir werdent sweren gemeyner Statt getruwelich vnd erberlich ze dienende vnd
ze wartende mit phiffen vnd ouch den luten in der Stat die uwer begeren vnd
uch in solichem fruntlich vnd erberlich ze haltende vnd vch nyemanden uber sinen
willen uffbinden vch ouch von der Stat nit ze tunde oder ze ritende oder yeman-
1} Nach Fechter, > Basel im XIV. Jahrhundert* 1856. S. 119.
2) Diese wie alle im folgenden zitierten Urkunden im Basler Staatsarchiv.
396 Karl Nef, Die Stadtpfeiferei und die Instrumentalmusiker in Basel.
den frimdes uszwendig der Stat ze dienende on vrloub vnd wissen Buxgermeisters
zunftmeisters oder eyns Rats ze Basel vnd sunst der Stat Tnd der iren nuts vnd
ere ze werbend vnd iren 8 chad en ze wendende getruwlich vnd one gewerde nach
uwrem besten Vermogen ouch alle virtage nach Imbisz uff dem Richthuse oder nfl
der Rinbrug zu somer zitt nach dem nachtmol ze phiffen.«
Eine zweite, wie es scheint, etwas altere Fassung, die im wesentlichen
mit der vorstehenden iibereinstimmt , gibt die SchluBbestimmungen etwas
anders und erweitert sie folgendermaften :
>Alle Sonntag nach der predig uff dem Rich thus vnnd nach dem nachtmal
uff der Rinprug vnnd wan man uff der herenstuben mol hatt vs und ab tisch
phiffen.«
Da nach hatten die Stadtpfeifer nicht nur Sonntag nachmittags im Rat-
haus und an Sommerabenden auf der Rheinbrttcke, sondern auch bei fest-
lichen Mahlzeiten auf der Herrenstube aufzuspielen. — "Wohl nicht zu den
Stadtpfeifern gehorte der Lautenschlager Obrecht, der im 14. Jahrhundert
in Basel offentlich sich horen lieB. In spaterer Zeit werden die Stadtpfeifer
meist als Turmblaser bezeichuet. Aus der Mitte des 16. Jahrhuuderts sind
zwei Anstellungsurkuuden vom 19. Februar und 23. Marz 1547 von Turm-
blasern erhalten, die eine bezieht sich auf die Bruder Jakob und Valentin
Wick von Ulm, die andere auf Hans Waldner von Fahingen. Der Wort-
laut ist mutatis mutandis der gleiche ; ich teile die Fassung l) fur die Bruder
Wick mit und luge die Abweichungen bei Waldner in Klammern bei.
>Anno XLVII sampstag den achtzehenden tag februarii sind (ist Hans Waldner
von Fahingen) Jacob unnd Veltin Wick gebrudere von Ulm, die turnblaser, zn
blasern bestetigt unnd angenomenn. Habend der Trumpettern ordnung geschworen
unnd ist inen ir Ion gebessert, allso das man Jacoben hinafur alle wuchen ein
pfund alls dem hochbleser unnd (>unnd« bis »3« fehlt) Veltin Wicken dem znhalter
wuchenlich XVI £ unnd darzu ir jedem (>ir jedem* fehlt) uff pfingsten sin rock-
gellt unnd dann aber inen beden (»ime< statt >inen beden<) alle fro fas ten in ge-
mein (>in gemeinc fehlt) ein pfundt an iren huszzinsz zu stur (»unnd yezt zn an-
fang sines dienstes V ellen tuch zu eim rock<) ze geben zugesagt. Sollend ir
ordnung getruwlich halten unnd wan sy den dienst nit me behalten, den ein
viertel jars zevor absagen unnd ouch dessen vor derselben zit one ein raths sonder
willen nit ledig gelassen werden. <
Besonders bemerkenswert ist die Unterscheidung eines Hochblasers und
eines Zuhalters, wobei der erste besser als der zweite besoldet ist. Man
wird daraus folgern diirfen, dati die Musikanten des 16. Jahrhunderts in der
Kegel zweistimmig bliesen, und die weitere Yermutung liegt nahe, da£ sich
hier schon die akkordische volkstumliche Zweistimmigkeit ausgebildet habe,
fur die aus der Literatur der Zeit noch kaum Belege beizubringen sind.
Ein etwas leichter Patron scheint Hans St re if von Weil in Wurttemberg
gewesen zu sein, welch er » trumpeter von dem Rat uff sin bitten zu turn-
blasern und wachtern angenommen, daruff er uns den 21. Marz 1545 an den
dienst geschworen, hat auch denselben by den XX wuchen versehen«, ist dann
aber von einem erbetenen Urlaub, >unbetrachtet siner eer und eides nit
me widerkommen« 2).
1) Nach dem Basler Urkundonbuch X. hsg. v. R. Thomen S. 336ff.
2) Ebenda S. 337.
Karl Nef, Die Stadtpfeiferei und die Inatrumentalmusiker id Basel. 397
Der Rat besoldete nicht nur seine eignen Musiker, sonderu beschenkte
im 15. und 16. Jahrhundert bei Besuchen durch hohe Gaste in iiblicher
Weise auch die Spielleute, die diese init sich fiihrten. Bei Empfang des
Kaisers Friedrich am 8. September 1473 wurden den zur >cantdye imperii*
gehorenden »p filler en und trumpeteren 10 gulden* , dem »herolt Kilian
4 gulden « gegeben, beim Einzug des romischen Konigs Maximilian am
13. April 1493 >den trumpetern und pfitfern 10 gulden*. 1508 »bei Ab-
holung Bruder Fritschius*, einer Fastnachtpuppe, die im Scherz von den
Baslern den Luzernern gestohlen worden war und von den letztern mit groBem
Pomp zuruckgeholt wurde, findet sicb der Eintrag:
»Item481ib. 12 8 8 d den weyblen, botten, spill utten und narren geechenckt*1).
1601 erfahren wir die Nameu einiger Basler Musiker, die am 13. Mai
-supplicieren, die frombden hie in wurtzheusern baltende spielleute hinweg-
zuschaffen*. Die Supplikanten sind Jobann Dittelbacb und mithaffte,
niimlich Matthias Dittelbach, Jacob Dittelbacher , Bernbardtus G. Gall,
Hans Georg Baumgarttner, Blasius B-eindle und Henricus Harkger2].
Die Klagen iiber die Konkurrenz der Fremden, die ja iiberall, in alien
Stadten erhoben wurden, wiederbolen sicb in spateren Zeiten noch mehrmals.
Am 1. Februar 1738 beschweren sich Melchior Waltz, Keinricb Berr6,
Andreas Seiiil und Friedrich Br audi in beim Kleinen Brat iiber die »8tiimp-
leren Hintersassen < , weil diese den bUrgerlichen den Verdienst wegnahmen,
>die wir uns doch so schulden als willig bei alien sowobl Kirchen-Frohn
unci Doctor-Musiquen zu sagen gratis, auf allerband Instrumenten gebrau-
chen lassen , wie nicht minder der Ehrenden Zugang in das hocblobliche
Collegium musicum haben.< Sio wiinschen, daB » wir Burger zu alien Hoch-
zeithen, Tanze und Musiques verdinget werden.< Zur Erklarung muB bei-
geftigt werden, daB nach der Zunfteinteilung, in die noch im 18. Jahrhundert
jeder Burger eingeordnet sein muBte, die Musiker der akademischen Zunft
zugehorten; wenn sie das akademische Biirgerrecht erhielten, wurden sie dazu
verpflichtet, bei den offentlichen Auffuhrungen, insbesondere bei den » akade-
mischen Musiquen, als bey Einfuhrung des Rectors des Decans Philosophic i
unter der Direktion des Professoris Musices«3) mitzuwirken. Erfolg scheinen
die Klagen der Musiker nie gehabt zu habeii, der Rat war in diesem Punkt
schon immer fiir Gewerbefreiheit.
Bis ins zweite Jahrzehut des 19. Jahrhunderts lassen sich von der Stadt
besoldete Blaser nacbweisen. Sie wurden in der spateren Zeit namentlich
als Turmblaser verwendet, als was sie schon im 16. Jahrhundert bezeichnet
werden. DaB auch in Basel die schon e Sitte des Blasens vom Turin herab
am Morgen und Abend bis ins 18. Jahrhundert hinein sich erhalten hat,
geht aus folgendem, am 6. April 1748 gefaBten BeschluB des Kleinen Rates
der Stadt hervor:
>Sollte von ldbl. Dreieramt der [stadtischen Finanzkommission] sammtlichen
Thurmblaseren, daC sie bei Straf der Inn Behaltung ihres Salarii kunftigs
1) Nach den gedruckten Chronikalien der Ratsbficher, Basler Chroniken, Bd. IV
1890. S. 73, S. 82 u. S. 161.
2) Das ge8amte Material iiber diese Beschwerdeeachen in den Akten: Handel
und Gewerbe KKK 6.—
3) Aus einem Schreiben des Rektors der Universitat De la Chenal vom
25. Juli 1796.
398 Karl Nef, Die Stadtpfeiferei und die Instrumentalmusiker in Basel
ihr Ambt beszer tun, aach gewohnlichen massen, sowohl des Abends als Morgeni
geistliche Lieder blasen, angezeigt werden*1).
Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein scheinen sie aber bei alien offiziellen
Taten mitwirken haben zu miissen, wenigstens ist dies aus dem Jahre 1748 fur
den jahrlichen Bannritt, bei dem die den Namen* >Gescheid« flihrende Grenz-
steinkommission die Grenze abritt, urkundlich belegt2).
Von der zweiten Halfte des 17. Jabrhunderts an wurden die Blaser (wie
an vielen Orten der reformierten Scbweiz) auch zur Unterstiitzung des Kir-
cbengesangs verwendet. 1663 bittet Bernhard Bechler, Trompeter nnd
Musikus aus Magdeburg, um Gehaltserhohung, da er dazu angestellt worden
sei »bei dem Kircbengesang im Munster allbier mitzublasen des Zinkens
umb mehrere Erbaltung des Gesangs willen3).*
1705 wird der Gesang durcb »Posaunisten« untersttttzt im Munster, zu
St. Peter und St. Theodor, und die St. Leonbardtskircbe wiinscht eb en falls
solcbe UnterstUtzung ; als Blaser an der letzteren werden genannt 1706 Se-
bastian Bachler Zinkenist, Moses Lore Posaunist, 1762 Joh. Heinrich
Keller Zinkenist (Kirchenakten J. 14). — Den 6. November 1710 wird
bestimmt, dafi die, wie es scbeint, bis dabin zu St. Martin als Turmblaser
angestellten Waltz und Bachlin »nebst Ha user dem Posaunisten« auf dem
Munster gebraucbt werden sollen. Waltz wird als »Direktor< bezeichnet.
(Kircben Akten J. 3).
Um Erbaltung der Blasmusik und fur Nachwucbs an Blasern scbeint man
ernstlich besorgt gewesen zu sein. Nach dem Kleinen Bats-Protokoll machte
das Musikkollegium, das in alien stadtischen Musikangelegenbeiten die kom-
petente Instanz war, eine Eingabe um Geldunterstutzung fur einen Knaben
uamens Butsch, der wahrend fiinf Jahren bei seinem Lebrer Waltz Posaune
und Zinken lernen solle, wofiir Waltz 200 Pfund forderte. Darauf erfolgte
am 6. April 1748 der Beschlufi, es solle >der junge Butsch under der Di-
rektion eines lobl. Collegii Musici bei dem H. Waltz, umb dehne sowohl in
dem Posaunen- als sonderheitlich auch in dem Zinkenblasen zn unterrichten,
in die Lehr verdungen und von Seiten meiner G. HH. tgnadigen Herren
das Lehrgelt fur ihne bezahlet, dabei aber diesem jungen Butsch,t,dasz er
sich bei Verlust seines Burgerrechts in seiner erlernenden Kunst auf jewei-
ligen Befehl zu obrigkeitl. Gebrauch bereit halte, insinuieret werden.*
1800 zeigte die Verwaltungskammer im Kantonsblatt an, die Besoldung
der Zinkenisten solle mit Ende des Jahres aufhoren. Der Antistes wurde
aber vom Kirchenrat beauftragt, Vorstellungen zu machen, denn die Zinke-
nisten seien sonderlich im Munster zur Uuterstutzung des Gesanges (nebeo
der Orgel) sehr notig. Entgegen der Meinung Biggenbach's, dessen »Kir-
chengesang in Basel*4) wir diese Mitteilung entnehmen, scheint er nochmals
Erfolg gebabt zu haben, denn 1814 wird noch eiue Zurechtweisung der
bei den Blaser im Munster Munziuger und Meyer erwahnt, denen mit
Dienstentlassung gedroht wird. Yielleicht ist sie erfolgt, jeden falls sind die
Kirchenblaser bald nachher verschwunden. Frtiher schon, wahrscheinlich noch
vor AbschluB des 18. Jahrhunderts, scheint die Sitte des Turmblasens den
neuen Anschauungeu zum Opfer gefallen zu sein.
1) Freundl. Mitteil. d. Herrn Dr. Th. Burckhardt-Biedermann.
2) Eatalog der Musikinstrumente im Histor. Museum Basel S. 10.
3) Nach P. Mayer, Basl. Jahrbuch 1884, S. 181. (St. 77. C. 2.
4) Beitrag z. vaterl. Geschichte. IX. S. 471.
A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunstl. usw. 399
Ein Beitrag zur Geschichte des einstimmigen weltlichen
Kunstliedes in Frankreich im 17. Jahrhundert.
Von
Amalie Arnheim.
(Berlin.)
Ebenso wie in Deutschland ist aach in Frankreich der Geschichte des ein-
stimmigen Kunstliedes im 17. Jahrhundert erst in jungster Zeit von den Musik-
historikern mehr Beachtung geschenkt worden. W&hrend sich die franzdsischen
Literarhistoriker schon frflher eingehend mit den Dichtern des 16. und 17. Jahr-
hunderts beschaftigten, ist far den Musikgelehrten noch viel zu tun ubrig geblieben,
und man hat erst in den letzten Jahren begonnen, durch kleine Spezialarbeiten
eine Geschichte des franzdsischen Liedes vorzubereiten. Daher steht an musik-
historischen Werken dem Bearbeiter des einstimmigen franzdsischen Liedes noch
keine reiche Literatur zur Verfugung. Julien Tier sot's: Histoire de la chanson
populaire en France (Paris, 1889) bringt nur in den Eapiteln: >Les chansons dc
danse*, >La chanson a boire*, >La chanson populaire et la monodie francaise* einiges
Wichtige for die Entwicklung des Kunstliedes, stellt aber die Geschichte des Yolks-
liedes selbstverst&ndlich in den Vordergrund. WeckerlinV. Les chansons po-
pulates du Pays de France (Paris, 1903) enthalten auch einige fur das einstimmige
Konstlied in Betracht kommende historische Bemerkungen. Lavoix fils gibt in
seinem Buch: La musique francaise (Paris, 1891) eingehendere Berichte, die an der
Hand der Sammlungen selbst nachgeprfift werden konnten. Michel Brenet's: Les
concerts en France sous Vancien regime (Paris, 1900) ist durch die Aufzeichnung von
weniger bekannten Quellen wichtig, deren Studium fur die Geschichte des Liedes
unerlaBlich sind. Wertvoll ist auch eine holl&ndische Publikation: Musique £
Musiciens au XVII. Steele par W. J. Jonckbloet et J. P. N. Land (Leyden, 1882),
welche den Briefwechsel und die musikalischen Werke des niederl&ndischen
Dichters Constantin Huygens enthftlt und uber die bekanntesten franzdsischen
Liederkomponisten des 17. Jahrhundeits, die mit Huygens in Verbindung standen,
interessante Aufschltlsse gibt.
Eine ausfOhrlichere Mitteilung und Kritik aller Werke, die mit mehr oder
minder eingehenden Bemerkungen fur die Geschichte des franzdsischen Liedes in
Betracht kommen, wurde hier zu weit fQhren. Es seien aber von neueren franzd-
sischen Werken eine Publikation der Societe des anciens textes francais, und zwar
Chansons du XVsieele par Gaston Paris et Auguste Gevaert (Paris, 1876), Van-
derstraeten: La musique aux Pays-Bas [BrUBBel, 1867— 88), Nuitter etThoinan:
Les originesde V opera francais (Paris, 1886), Henri Quittard: Henry Dumont (Paris,
1906) wenigstens erwahnt, von alteren Werken DelaBorde: Essay sur la musique
ancienne et moderne (Paris, 1780), die Vorreden in den Chansonsammlungen des 17. u.
18. Jahrhunderts usw. Namentlich ist hier die Vorrede zu der Anthologie francaise*)
aus dem Jahre 1765 zu nennen. Herausgeber ist Monnet, der bekannte Mitbe-
grtknder der Opera comique als eines selbst&ndigen Theaters. Die Vorrede, von
Meusnier de Qaerlon3), gibt einen guten Oberblick fiber die Entwicklung der
1) Anthologie francoise ou Chansons choisies depuis le 13. Steele jusqu'a present.
Preeedees dun memoire historique sur la chanson par Meusnier de Querlon. (Paris,
1765.) 3 B&nde. 2) Querlon war Redakteur der Oaxette de France und
der Petites affiches de Province.
400 A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunstl. usw.
Chansons vom 13. — 18. Jahrbundert, hauptsachlich freilich vom literarischen Ge-
sichtspunkt. In Deutschland sind ffir die frtiheren Jahrhunderte und fur die Ent-
stehung der Liedformen die rflhmlich bekannten Arbeiten yon F. Wolf1) und
K. Bartsch*) zu nennen, auch ein Werk von Earl Ernst Schneider: >Das musi-
kalische Lied in geschichtlicher Entwicklung« (Leipzig, 1863—65} wenigstens als
Versuch zu erwahnen.
Von literarischen Quellen seien noch Titon du Til let, Le Pamassc frantois
(Paris, 1732), die biographiechen Arbeiten fiber Ron sard3], Malherbe4) usw. hervor-
gehoben, auBerdem ein Aufsatz von Ch. Comte und P. Laumonier in der Revue
(Vhistoire litteraire de la France (1900): *Ronsard et les musiciens du XVI si&cle*.
Von kleineren Spezialarbeiten sind ein Aufsatz von J. Tiers ot: Hansard ct la
musique dc son temps Sammelbande der IMG. 1902—03} eingesehen worden, einige
Arbeiten im Bulletin francais dc la societe Internationale de musique, die erst kfirz-
lich erschienen sind: Vhumanisme musical en France au XVI* Steele von Paul Maria
Masson (1907), Ijcs airs de cour cTAdrienlc Roy von Janet Dodge (1907), La pre-
miere comedie francaise en musique von Henri Quittard (1908., Arbeiten, nach
deren Titel man Aufschlusse fur die Geschichte des einstimmigen Liedes kaum
vermuten konnte. Hauptquelle fur diese Mitteilungen sind aber die Sam ml un gen
selbst mit ihren kulturhistorisch oft wichtigen Vorreden, auBerdem Marin Mer-
senne'e Harmonic universeUe (Paris, 1636—37) und die fur das 18. Jahrbundert
wichtige Gesangschule von B£nigne de Bacilly: Remarques curieuses sur Pari de
bien chanter et pariiculieremeni pour ce qui regarde le chant francois (Paris, 1679
die noch kurzlich von Hugo Goldschmidt in seiner >Lebre von der vokalen
Ornamentik* (Charlottenburg, 1907j herangezogen worden ist.
Es ist bekannt, dafl die ersten einstimmigen Kunstlieder in Frankreich
von den Troubadours und Trouveres gedichtet, komponiert und gesungen
wurden. Ebenso wie bei den deutschen Minnesangern zeigt sich auch hier
das Streben nach eigner Poesie und einer Musik mit starker ausgepragtem.
personlichem Charakter, die sich neben dem Volksliede entwickelt.
Zuerst sind Dichter und Komponist dieselbe Person, nach und nach nndet
aber eine deutliche Trennung zwischen Wort und Vertonung des Wortes
statt, die von Jahrhundert zu Jahrhundert zunimmt. Das 14. Jahrhundert
bringt noch einige Beispiele des Zusammenwirkens. Guillaume de Machault
und Jehan de Lescurel5 sind noch Dichter und Komponisten ihrer ein-
und mehrstimmigen Lieder. Dann werden aber die Aufgaben fur die Kunst
des Dichters immer grotier. Die Regeln vermehren sich, es entstehen neue
Formen, die ballade, das rondeau, der chant royal, der lai usw., alle nur fur
den Gesang, fur eine musikalische Wiedergabe bestimmt.
Durch den Fortschritt der allgemeinen und literarischen Kultur wird eine
Scheidung zwischen Yolks- und Kunstlied immer mehr bemerkbar, und schon
Eustache Deschamps, ein Dichter des 14. Jahrhunderts, sagt:
1) F. Wolf, Ober die Lais, Sequenzen u. Leiche. Heidelberg, 1841.
2; K. Bartsch, Altfranzflsische Eomanzen und Pastourellen. Leipzig, 1870.
3) (Euvres completes dc Ronsard, Edition Blanchemain. (Paris, 1867.) VIII. Band.
Etude sur la vie de P. de Ronsard.
4) Malherbe, (Euvres poetu/ues (Edition Blanchemain;. R a c a n , (Euires.
(Paris, 1875.)
5; Von Jehan de Lescurel ist ein Rondeau: *Plainte de celle qui n'est pas
aimee* in den Chansons de la vieiUe France, vingt melodies et chansons du XUt au
XVIF siecle, herausgegeben von Julien Tiers ot, neugedruckt.
A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunstl. usw. 401
•Est a scavoir que nous avons deux musiques, Vune artificielle et V autre vatu-
relit* * .
Aber bis in das 16. Jahrhundert hinein bleibt der Name dee Monodisten,
des Komponisten einstimmiger Kunstlieder, wie der des Volkslieddichters
ungenannt, und. nur die Arbeit der Dichter wie der Komponisten lebt in
den musikalischen Sammlungen Hirer Zeit weiter2). So findet man z. B.
Dichtungen Bonsard's, Malherbe's, Marot's und anderer Dichter des
16. Jahrhunderts in den Sammlungen von Attaignant, Le Boy und
Ballard, ohne daft ein Name erwahnt ist.
' Bon sard, der prince, des poetes, wie die Akademie der jeux flora ux
von Toulouse ihn nannte, das Haupt einer Dichterschule, der man spatcr
den Namen Pleiade gab, ist vielleicht der einzige, der als Dichter mehr-
stimmiger Sonette und Madrigale neben den bedeutendsten Komponisten
seiner Zeit genannt wird. Aber aus dem 16. Jahrhundert ist uns nur ein
einziger Band mit chansons monodiques erhalten, in dem auch Bonsard als
Dichter vertreten ist, und der bis vor kurzer Zeit in der Bibliotheque royale
in Brussel aufbewahrt wurde , jetzt aber verschwunden sein soil. In dem
Titel dieser Sammlung3) heifit es weiter, daft sie die verschiedensten belieb-
testen Verse alter und moderner Dichter enthalte, denen auf eine neue Art
ihre alte Melodie untergelegt worden sei, damit sie uberall gesungen oder
durch Instrumente vorgetragen werden konnten. Ob diese Sammlung, in der
weder der Name eines Dichters noch eines Komponisten genannt ist, tat-
sachlich Melodien enthalt, die fur eine einzige Stimme komponiert wurden,
ist nicht mehr festzustellen. Jedenfalls gehort diese Sammlung zu den sehr
seltenen Beweisen, daft einstimmige Melodien schon in der ersten Halfte des
16. Jahrhunderts gesungen und gedruckt wurden. Im allgemeinen war fast
aller Kunstgesang in dieser Zeit noch polyphon, die Volksmelodien wurden
im 16. Jahrhundert als Lied mit Text noch nicht einzeln gedruckt. Ein
Sologesang bestand meist aus Entlehnungen der polyphonen Werke. Ge-
wohnlich wurde die obere Stimme gesungen und, je nach dem personlichen
Geschmack des Sangers, durch Verzierungen etwas verandert. Die andern
Stimmen, entweder von einem oder mehreren Instrumenten vorgetragen, bil-
deten die Begleitung. Zu dieser bediente sich der Sanger der Laute oder
der Gitarre, und als eine der ersten Formen des Sololiedes tritt in alien
Land era Europas, auch in Frankreich, fast allgemein eine Bearbeitung der
Madrigale fur Solostimme und Lautentabulatur auf, von denen Sammlungen
erhalten sind.
In den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts beginnt nun eine neue
Liedgattung in Frankreich, die Airs de cour, als Sololied zur Laute, die Be-
ll Art de dictier et fkre chansons, ballades, virelais et rondeaulx. Vgl. J. Tiersot 1
(Histoire etc.): a. a. 0. p. 430. Ober Deschamps: Poesies morales et historiques
(TBustache Deschamps (Edition Crapelet, 1832).
2) J. Tiersot 1: a. a. 0. p. 432.
3) Le Recueil des plus belles et exceUentes cfiansons en forme de Voix-de-Ville, tirces
de divers autheurs tant anciens que modernes, auxquelles a tie nourellement adapter
la musique de leurs chants communs afin que chacun les puisse chanter en quelquc lieu
qu'il se trouvera tant de voix que sur les instruments. Par Jehan Chardavoine de
Beaufort en Anjou. (A Paris, Claude Micart, au clos Bruneau, & Tenseigne de la
Chaise, 1676). Vg). J. Tiersot 1: a. a. 0. p. 228 u. Tiersot 2: (Ronnard etc.) a. a.
0. p. 132.
402 A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Kanstl. osw.
arbeitungen mehrstimmiger Madrigale zu verdrangen 1). Auf diese Airs de
cour, in deren Namen schon das Bestreben ausgedriickt ist, eine mehr kunst-
liche und kiinstlerische Form des Liedes gegeniiber den voix de viUe zu
schaffen, blieb die Volksmusik nicht ohne EinfluB, und bald finden sich unter
der Bezeichnung air de cour die verschiedenen musikalischen Liedformeu
vereinigt. So gab Adrian le Roy2) 1571 ein Livre (Fairs dc cour mix sur
le Luih heraus. In der Vorrede, die Katharina von Clermont, einer com-
tesse de Rctz, gewidmet ist, sagt er, dafi er dieses kleine Werk von leichteren
chansons de la cour — frtther voix de viUc, jetzt aber air de cour genannt
— ihr, als geschickter Lautenspielerin zueigne, und dafi, wenn aucb die musi-
kalischen Harmonien nicht den ersten Meistern an die Seite zu stellen seien,
die Texte wenigstens den bedeutendsten Dichtern — Ronsard, Desportea und
anderen — zugehorten.
Voraussicbtlicb hat sicb Le Roy's Tatigkeit darauf beschrankt, die Be-
gleitung der Lieder auf die Lautentabulatur zu iibertragen und zuweilen die
2. Strophe in der Begleitung etwas zu verandern3). Ob die Melodie dei
Lieder von Le Roy selbst herriihrt oder der Volksmusik entnommen wurde
ist nicht genau festzustellen. Jedenfalls sind einige Melodien nicht volks-
liedmafiig. Versuche eines rezitativischen Stiles usw. zeigen das Bestreben
und den Wunsch, neue Wege zu entdecken und einzuschlagen. Die Samm-
lung besteht aus 22 Nummern, enthalt Gedichte von Ronsard, Bai'f4), Des-
portes5), Sillac, Pasquier6), und es ist hervorzuheben, dafi die Dichter bei
einigen Liedern genannt sind. Auf die Dichtungen selbst hier naher ein-
zugehen, wiirde zu weit fuhren ; dem Inhalte nach sind es vorwiegend Liebes-
lieder und Naturschilderungen. Interessant ist nun ein Vergleich der Kom-
position des Liedes von Ronsard: *quand ce beau printemps je voi* in der
Sammlung bei Le Roy 1571 und in dem schon mehrfach erwahnten JRecutU
einstimmiger Lieder bei Chardavoine 1576. Da sich die Melodie bei Charda-
voine in einer Ausgabe der Chansons de P. de Ronsard, Ph. Desportrs e\
autres, mises en musique par Nicolas de la Grotte, vallet de chambre ct orgamste
1) Schon aus friiherer Zeit haben sich Eompositionen fur Solostimme und Lante
in Spanien erhalten. Ein Beispiel dafQr sind die spanischen Romansen und por-
tugiesischen Villanciros von Luis Milan aus dem Jahre 1536 in Les Luthistes es-
pagnols du XVIe si&cle par 6. Morphy. (Leipzig, 1902.)
2) Adrian Le Roy war Lautenspieler, Komponist und einer der berfihmtesten
Musikdrucker in Paris. Man findet seinen Namen neben dem seines Schwa-
gers Rob. Ballard als Imprimeur du Roy auf alien Liedsammlungen jener Zeit.
Vg].: Michel Brenet: La librairie musicale en France, etc. (Sammelbande der IMG.
VIII. 3. p. 401 ff.)
3) Dieselbe Eigenttimlichkeit, Veranderung der zweiten Strophe, auch bei den
spanischen Romanzen in der schon zitierten Publikation von Morphy.
4) BaTf: (Euvres en rime. Herausgegeben von Marly-Laveaux (Paris. 1881
-91; 5 Biinde.
6) Desportes: Oeuvres, herausgegeben von Michiels. (Paris, 1858.) Desportet
ist bekannt als Verfasser des Gedichtes: Rosette, pour un peu d absence, das sich
bereits, einstiramig gedruckt, in der schon erwahnten Sammlung von Charda-
voine (1576) findet. Zu einer funfstimmigen Komposition ist das Gedicht von
Jan Sweelinck verarbeitet (Neuausgabe von Max Seiftert). Auch Heinrich Albert
hat den Text, in der ftberarbeitung von Simon Dach, in den >Arien* benuttl
Er ist als Nr. 21 in den >Denkmalern deutscher Tonkunst* (Bd. XIII. 1904) mit der
ttberschrift: Rosette, pour un peu <T absence etc. neugedruckt.
6) flber Pasquier: Mersenne: (Seconde partie. Livre cinquieme) pag. 492.
A. Arnheim, Kin Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunstl. usw. 403
du Boy (Paris, Le Roy et Ballard 1575)1) findet, ao ist sie voraussichtlich
zu jener Zeit im Publikum beliebt und verbreitet gewesen und nicht original,
w ah rend Le Roy's Melodie jeden falls Kunstmusik ist und durch die Lauten-
begleitung ganz anders wirkt, obgleich das tonliche Material beider Lieder
fast dasselbe ist. Beide Melodien2) haben den eigentiimlichen Taktwechsel,
der ein Kennzeichen fur die ein- und mehrstimmigen Lieder des 16. und
17. Jahrhunderts ist.
Mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts wird die Vereinigung der poesie
savante mit einer musique savante*) immer enger. Zwar sind schon im 16.
Jahrhundert die (Enivres musicales, die Baif fiir die Sitzungen seiner litera-
rischen Vereinigung schrieb 4), Gesange zur Laute , Chansons , in denen der
Dichter mit den bedeutendsten Komponisten wetteifert. Doch ist es charak-
teristisch in der Geschichte der franzosischen Literatur, dafi die Musik nach
und nach die Poesie und selbst die Dichter fast in den Hintergrund drangt,
gerade das Gegenteil der Vorgange im 18. Jahrhundert, wo z. B. in der
dramatischen Musik, der opira comique, der Musiker oft gegen den Dichter
zurucktritt.
Der Einflufi der chanson populaire, der nach einer Trennung von Lyrik
und Musik abgenommen hatte, macht sich dann in der Zeit der Regierung
Ludwigs XIV. wieder geltend. Die Dichter machen Verse, destines a etre mis
en cW5), Chansons iiber einen bestimmten timbre.*} Damit ist eine der Eigen-
tumlichkeiten der franzosischen Liedkomposition im 17. und 18. Jahrhundert
naher charakterisiert. Dadurch, dafi derselben Melodie verschiedene Texte
untergelegt wurden und es fiir denselben Text die verschiedensten Melodien
gab, ist es sowohl bei den Volksliedern als auch bei den Kunstliedern oft nicht
mehr moglich, die urspriingliche Zugehorigkeit festzustellen. Ein genauer
Einblick in die Chansonniers des 17. und auch des 18. Jahrhunderts, die
als Uberschrift einen solchen timbre bringen 7), durfte dieses bestatigen. Dazu
kommt noch die Sitte des sogenannten Parodierens oder Parolierens, d. h.
Instrumentalstiicken Liedertexte unterzulegen, und es ist kein Zweifel, dafi
ein Teil der Chansons a danser und Chansons a boire in den einstimmigen
Sammlungen des 17. Jahrhunderts aus solchen Instrumentalstiicken besteht,
wie noch spater gezeigt werden soil.
Im Laufe des 17. Jahrhunderts nun, das in Frankreich durch Corneille,
Racine, Moliere usw. literarisch und dramatisch so Bedeutendes schuf, macht
auch die Musik eine grofie Wandlung durch. Infolge der politischen Wirren,
durch die Kampfe der katholischen und protestantischen Kirche ist am Ende
des 16. Jahrhunderts der Einflufi Spaniens grofier als der Italiens. Aber in
Spanien war die Zeit der grofien musikalischen Schulen vo ruber. Daher be-
vorzugte man auch in Frankreich die leichtere Art der Melodie, und es ent-
1) J. Tiersot 2: a. a. 0. p. 135.
2) Melodie bei Chardavoine vgl. Tiersot 2: a. a. 0. p. 136; bei Le Roy vgl.
Bulletin francuis de la S. I. M. Ill ann^e No. 11 pag. 1136.
3) J. Tiersot 1: a. a. 0. p. 440ff.
4) Bekanntlich wurde dieee Vereinigung 1570 durch kdnigliches Patent zu einer
Academic de poesie et de musique umgewandelt.
5) J. Tiersot 1: a. a. 0. p. 440.
6) Pierre Perrin: Les ceuvres de Poesie (Paris, 1661) Au lecteur, p. 111.
7) D. h. Die erste Versreihe eines bekannten Liedes, nach der das neue Gedicht
gesungen werden soil.
8. d. IMG. x. 27
404 A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einttimm. welt]. Knnstl. usw.
stehen die Sammlungen von 2-, 3- und 4-stimmigen Tanz-, Trink- und
Liebesliedern, die uns zum Teil noch erhalten sind 'J. Nach und nach mmcht
sich aber wieder italienischer Einflufi geltend. Der Hauptwert wird auf die
Kuust des Gesanges gelegt, das Interesse wird wieder fur die Musik groBer
ale fur die Dichtungen. Laute, Gitarre, Theorbe, auch das Klavier, das
freilich am Ende des 17. .Tahrhunderts wieder fur ungeeignet gait2), sind die
lnstrumente fur die Begleitung und dienen zur Unterstiitzung der Lieder
fur eine und mehrere Stimmen. Auch der musikalisch kunstlerische Ge-
schmack hat Fortschritte gemacht. In den ersten Jahrzehnten des 17. Jahr-
hunderts bestehen die einstimmigen Liedersammlungen nur aus den airs de
coury spiiter aus den sogenannten brunettes, kleinen Liedern mit pastoralem
Charakter, die gegen das Ende des 17. .Tahrhunderts und in der ersten Halfte
18. Jahrhunderts sehr beliebt waren und ihren Namen yon dem Refrain eines
der altesten Lieder: Le beau berger Tircis herleiten sollen3).
Durch den groiien Einflufl, den das Theater und in der dramatischen
Musik Lully ausiibten, bildete sich nun auch ein kuust verstandigeres Publikum,
das eine kunstlerische Art von Vokalmusik forderte, nicht so schwierig wie
die Opernarien, aber geeignet fur Haus- und Konzertmusik. So entstehen
die Lieder und Komanzen sammlungen, die Kan tat en, die dann aus dem 18.
Jahrhundert in grotier Anzahl erhalten sind.
Die einstimmigen Liedersammlungen mit Lautenbegleitung aus dem 17.
Jahrhundert, von denen einige interessante nusfiihrlich besprochen werden
sollen, sind verhaltnismaGig zahlreich und durchweg vorziiglich erhalten. In
kunstlerischer Weise gedruckt und ausgestattet, zeichnen sie sich durch schwung-
volle Widmungen aus, die fast nur an fiirstliche Personen, an die TJmgebung
des Konigs oder an diesen selbst gerichtet sind. Den Vorreden folgen meist
verschiedene Lobgedichte fur den Komponisten oder Herausgeber, wie sie ja
im 17. Jahrhundert aus den Liedersammlungen und Suitensammlungen in
Deutschland bekannt sind. Diese Sammlungen befinden sich zum grofiten
Teil auf den Bibliotheken in Brilssel und Paris.
Unter den Komponisten dieser airs de cour mis en tablature de Lutii wire
zuerst Antoine Boesset zu erwahnen, dessen Sammlungen aus den Jahren
1620, 1621, 1623, 1624, 1626, 1628, 1632 eingesehen worden sind. Boesset
gait unter seinen Zeitgenossen fur ein en sehr bedeutenden Komponisten.
Wir wissen das durch Mersenne, der denjenigen, qui vetdent apprendre a
/aire de bans airs, den Rat gibt, aVimiter les meilleurs maitres tel qu'est main-
tenant le Sieur Boesset, que toute la France considere comme un Phoenix en cette
matiereA). Auch von dem Dichter Constantin Huygens sind Briefe an
Boesset erhalten, als er diesem die Korrektur seines musikalischen Werkef
Pathodia, tiber das noch ausfUhrlicher zu sprechen ist, anvertraut und ihn in
seiner infinie fertilite de son esprith) begluckwiinscht. In bezug auf das Leben
1) H. Lavoix fils: a. a. 0. p. 180ff.
2} ibidem p. 183.
3) »Le beau berger Tircis* ist mit dem Titel Vilanelle in dem Recueil des plut
beaux vers qui ont ete mis en chant (Paris 1661) gedruckt. Vgl. auch Bourdelot
Histoire de la musique et de ses effets depuis son origine jusqu'a present: en quoi eon-
siste sa braute. Tome III. (Amsterdam, chez M. Charles Le Cene. 1726; p. 96: »Z*
beau berger Tircis attribuc tantot a Camus, tantot a Lambert.
4) Mersenne: a. a. 0. Seconde partie. Livre VI. p. 363.
5) W. J. Jonckbloet et J. P. N. Land: a. a. 0. Correspondance X vom 5. No-
vember 1640.
A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einetimm. weltl. Kunstl. usw. 405
Boesset's ware noch hinzuzufugen. daB, nach einem Briefe au Huygens, Boesset
noch im Mai 1646 lebto, also nicht wie Fetis und nach ihm Eitner meint,
schon 1 643 gestorben ist l). Auf den Titeln der Liedsammlungen nennt sich
Boesset maistre de la musique de la chambre du Roy et de la Reyne. Er schrieb
aber auch eine Reihe von Balletten fur den Hof, die nach F6tis und Eitner
fur verschollen galten. In den Liedsammlungen befindet sich nun ein grofler
Teil dieser Ballette zwischen den Airs de cour eingestreut, fur Gesang und
Lautenbegleitung eingerichtet, sie sind also glucklicherweise wenigstens zum
Teil nicht verloren gegangen.
Die Lieder Boesset's sind im Stile ihrer Zeit geschriebeu. Urspriinglich
wohl meist fur mehrere Stimmen gedacht, ist die Oberstimme der Gesang-
stimme zuerteilt, die ubrigen Stimmen sind auf die Laute zur Begleitung
tibertragen, genau so wie es schon im 16. Jahrhundert bei Le Roy und noch
friiher bei den Spaniern zu finden ist. Dem Inhalt der Texte nach sind die
Lieder vorwiegend Liebeslieder. Auf originale Kompositionen fur eine Solo-
stimmc weisen die Lieder im Rezitativstil hiii, die sich in dieser Zeit, offen-
bar durch den EinfluC dee dramatischen Stiles der Italiener, im Gegensatz
zu der Chansonkompositibn grofler Beliebtheit erfreuten und als kiinstlerischer
galten2). Auch die spater sehr verbreitete Form der Dialoge findet sich
bereits mehrfach und verschiedenartig bei Boesset: unter ihneu fallt besonders
der Dialogue (Sun amant et de ses yeux durch den eigentumlichen Text: Mes
yeux oh sont vos pleurs auf3) In der Sammlung von 1620 begegnet man
dem Nam en Guedrons4), des Schwiegervaters von Antoine Boesset; in denen
von 1626 und 1628 dem Namen Richard als Komponisten von Airs, wohl
Francois Richard, compositeur de la musique du chambre de roy, von dem
1637 eine Sammlung Airs de cour erschienen ist, die noch ausfuhrlich be-
sprochen werden soil. Auch einige wenige Airs von Boesset Fils, dem
Sohne Antoine Boesset's, sind in der Sammlung von 1632 aufgenommen. Jean
Baptiste Boesset, der berUhmteste der Boessets5), war um 1612 geboren, also
im Jahre 1632 noch ein jugendlicher Komponist von 20 Jahren.
Fur die deutsche Liedkomposition ist Antoine Boesset deshalb interes-
sant, weil eines seiner Lieder: du plus doux de ccs traits9) von Heinrich
Albert mit dem Titel: Von der gnadenreichen Menschwerdung zum Text
»Unser Heil ist kommen« benutzt worden ist. Boessets Air befindet sich
in seiner Sammlung von 1632, fur eine Solostimme mit Lautenbeglei-
tung, und die Parodierung Alberts nach 11 Jahren ist je den falls ein
Zeichen fur die Beliebtheit und die Verbreitung von Boesset's Melodie. In
1) W. J. A. Jonckbloet: a. a. 0. p. XXIV; p. CLVII.
2) ibidem: p. LXX; LXXX, Brief von Mersenne an Huygens vom 29. No-
vember 1640.
3) Airs de cour avec la tablature de Luth de Antoyne Boesset, Surintendant
de la musique de la chambre du Roy et de la Reyne. Treizieme Livre. a Paris ....
(1626.) p. 32.
4) Michel Brenet: a. a. 0. p. 43. Vgl. auch: Weckerlin, Musieiana (Paris,
1890) p. 214.
5) Ch. Nuitter et Fr. Thoinan: a. a. 0. p. XXXIX. Vgl. auch Waiiielewski:
Excerpte aus dem >L'estat de la France* bezuglich der Jahre 1661, 1663 u. 1666
(M. f. Musikgesch. XXI. Jahrg. Nr. 8.)
6) Neugedruckt far 5 Stimmen in den »Denkmalern deutscher Tonkunst«
Band XII p. 119. Eitner erw&hnt das Lied in Albert's Arien von 1651. Es findet
sich aber schon in der Ausgabe von 1643.
27*
406 A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. eiftstimm. weltl. Kan*tl. asw.
derselben Sammlung steht auch Boesset's Lied lhvine Amaryllis1) Da£
Mersenne einige Airs von Boesset als Beispiel anfiihrt, zuerst einfach and
dann verziert, wie es in damaliger Zeit iiblich war, ist bekannt.
Die Sammlungen Airs avee la Tablature de Luth de Etienne Moulinie
(auch Moulinier geschrieben) aus den Jahren 1624, 1625, 1629, 1630, 1635
unterscheiden sich von denen Boesset's dadurch, daB sie aoBer Airs, Rezita-
tiven, Dialogen, auch Airs fur Gitarre, Chansons gasconnes, Airs a boirr,
PriereSy Psaumes, Airs italiens, Airs espagnols enthalten. Es sind gemischte
Sammlungen von Kunst- und Volksliedern, auch finden sich Stticke aus
2 Balletten, Le monde renverse und Ballet de Mademoiselle, auBerdem eine Ge-
legenheitskomposition Air fait sur le manage de Monsieur le due de Puillau-
rans darunter. Pierre P err in hat fur seine vers destines d etre mis en
musique oft Etienne Moulinie gewahlt2). Die in den Oeuvres de Poesie de
Mr. Perrm von Moulinie vertonten Gedichte, die sich in dem Kapitel: Di-
verses paroles de. musique pour des Airs de cour, Airs a boire, Dialogues, Noels,
Motets et Chansons de toutc sorte finden, gehoren aber nicht in diese Samm-
lungen, die aus einer friiheren Zeit stammen.
Das 3. Buch der Airs von Moulinil aus dem Jahre 1629 bringt eine
Widmung von M Billy*).
• A Monsuur Moulinie.'* Sur ses Airs' ....
Moulinie c'est trop peu de chanter tes huanges
.... Un seul de tes beaux Airs te met au rang des Anges.
Jjeur merite Vacquiert des hommes immortelx ....
Das 4. Buch, aus dem Jahre 1633, ist Moulinte's Bruder, Antoine Mou-
linie, einem berUhmten Baftsanger, zugeeignet4). Loret, der Herausgeber
der Muxe historiqueb) — einer Art Zeitung, die in Versen alle wichtigsten Tages-
ereignisse brachte und viel iiber Musik und Theater berichtet — schildert den
Tod dieses Antoine Moulinie, und wir erfahren auf diese Weise das Todes-
jahr desselben (1655) 6).
1; Text abgedruckt in dem Becueil des plus beaux vers etc. 1661. p. 127. Die
Worte sind von Desmarets. Neugedruckt in der >Leipziger allgemeinen Zei-
tung* 1831, fur Gesang und Laute; ohne Text bei Oscar Chilesotti: Lautenspieler
des XVI. Jahrhunderts (Leipzig, 1891 1 Eii» Beitrag zur Eenntnis des Ursprungs der
modernen Tonkunet. p. 227.
2} Nuitter et Thoinan: a. a. 0. p. 29. Vgl. aber Moulinil auch Henri Quit-
tard: Un musicien oublil du XVIIe siecle fiancais: G. Bourignac. (Sammelbande
der I. M. G. VI. Heft 3. p. 361.)
3) Wohl l'abbe Mai 11 y , ^secretaire du cardinal Bichy et V excellent compositeur en
musique: Vgl. Henri Quittard: a. a. 0. p. 391.
4) Mich. Brenet: a. a. 0. p. 61.
5} J. Loret: Im muxe historique ou recueil des lettres en vers, contenant les mm-
vclles du temps, ecrite a son Altessc, M» demoiselle de Ijonguerille, depuis Duekesse <fr
Nemours, (1650—1665) nouveUe edition. Revue sur les manuserits et les editions ori-
ginalcs et augmentee (Tune introduction de Notes, <Vun Glossaire et dune table general'
alphabetique des Matieres et des Noms propres, par Ch. L. IAvet. (Paris, 187S.}
6) Vgl. auch J. B. Weckerlin: Musiciana. (Paris, 1890) p. 396.
Mais helas! a propos de musique, Merer edi Moulinie mound.
Par une aventure tragique Qtii possedait par exceUene
Dont le bruit jusqu' a moi courut, Cette harmonieuse science.
A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunstl. usw. 407
Die Art der Liedkomposition Moulinie's ist mit der Boesset's verwandt.
Auch von Moulinte hat Heinrich Albert einen Satz, der fur seinen Stil
charakteristisch ist, in seine Arien aufgenommen, und zwar mit deutschem
Text von Andreas Adersbach: »So ist es denn des Himmels Wille« !;.
Merseune teilt ebenfalls zwei Satze Moulinie's mit2).
Die Sammlung Airs de cour avec la tablature de Lutii von Francois
Richard aus dem Jahre 1637, der schon als Mitarbeiter in Boesset's Samm-
lungen erwahnt wurde , tragt eine "Widmung an Anna von Osterreich ; sie
beginnt folgendermaBen :
*L extreme devoir ou nC attache Vhonneur que fay tfestre a Vostre Maieste, rrCa
fait une secrette violence et rrCa force de presenter a Ses yeux ce qui a eu quelquefois
la gloire d'entretenir Ses oreilles . . . .«
Uber Francois Richard ist bisher wenig bekannt3). Aus dem Titel seines
Werkes geht hervor, daB er compositeur de la musique de la cliambre du roi} und
aus der "Widmung, daB er je den falls ein geschickter Lautenspieler war. Die
Sammlung enthalt Airs, Rezitative, auch 2 Airs, denen eine Sarabande, nur
fur Laute eingerichtet, ohne Text un mitt el bar folgt, und einen Dialog4). Diese
sogenannten Dialogues, die sich, von Boesset an, fast in alien Liedersamm-
lungen, besonders zahlreich bei Moulinie, finden, stellen meist eine kleine
Szene dar, in der die Individuality beider sprechenden Personen durch die
Musik zum Ausdruck kommt. Unter den von Pierre Per r in gedichteten
vers destines a lire mis en musique kommen haufig Dialogues d deux voixb),
sogar ein Dialogue a trots6) pour deux Bergeres et un Berger, von dem noch
spater ausfiihrlich zu erwahnenden Michel Lambert7) vor, ebenso ein Dia-
logue a deux Dessus et un Basse, der Konigin gewidmet. Oft sind aber die
Worte zweier handelnder Personen nur einem Ausfuhrenden anvertraut, der
dann durch den Vortrag beide charakterisieren mufi, so daB man unter den
airs de cour ebenso Dialoge, wie Monologe findet, die mit den airs ordinaires
a voix seule vollkommen ubereinstimmen. In der Faktur unterscheiden sich
die Airs Richard's nicht von den Werken der vorher gen ami ten Komponisten.
Ebenso ist audi die auBere Ausstattung die gleiche. Uberall ist die Sing-
stimme in Mensuralnoten iiber der Lautentabulatur aufgezeichnet.
Es eriibrigt sich, noch mehr Sammlungen dieser Art anzufuhren, da von
ihnen kaum etwas Neues zu sagen ware. DaB aber neben den einstimmigen
Liedern mit Laute nbegleitung auch andere Liedsammlungen fur eine Stimme
vorhanden waren, zeigen die aus der ersten Halfte und der Mitte des 17.
Jahrhunderts erhaltenen chansons pour danser et pour boire fur eine Stimme,
1) Neugedruckt in den Denkmalern D. T. (19031 Bd. I. p. 93 Nr. 16. Zuerst im
4. Teil von Alberts >Arien< 1643, nicht, wie Eitner mitteilt, 1651.
2) Als Beispiele zum Teil abgedruckt bei H. Goldschmidt: a. a. 0. Anhang
G. p. 46.
3] Vgl. M. B re net: Deux comptes de la Chapelle-Mueique des Rois de Fiance,
fSammelbande d. IMG. VI. Heft 1. p. 30,.
4) Neugedruckt im Bulletin francais de la S. I. M. IV. p. 622. — Cloris. attends
un peu. —
6) P. Perrin: a. a. 0. p. 237, 238, 240, 241.
6) ibidem: p. 236.
7) Bulletin francais ... p. 522. Dialog: Philis, farreste en fin won humeur neu
g»;druckt.
408 A. Arnheim, Ein Beitr. s. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunatl. new.
von denen sich die aus dem Jahre 1640 von Mollier1) einer besonderen
Beliebtheit zu erfreuen hatte. Louis de Mollier (auch Molier und Moliere
geschrieben) war - nach Loret's Muze historique — Dichter, Komponist, Tanzer
and Komponist von Balletten 2) und wird unter den grands heros de Vharmome
jener Zeit genannt3). Text und Musik dieser Sammlung lehnen sich an das
Volkslied an, sind aber, was die Musik betrifft, Originalkompositionen und
baben durchweg Tanzcharakter. DaB Mollier auch ein beliebter Komponist
von Airs war, geht aus dem schon erwahnten RecueU des plus beaux vers qui
ont Ste mis en chant hervor, in dem Mollier wiederholt als Dichter und Kom-
ponist vertreten ist4). Zum Teil hat er auch seinen Instrumentalsatzen selbst
Worte untergelegt, wie die Sarabande zu den Worten: Bien qiia vos pitds
sans cesse je soupire*), ein Menuet und andere Stiicke beweisen.
Weniger geruhmt von seinen Zeitgenossen, aber fur die deutsche Lied-
komposition wichtig, ist ein RecueU des chansons von Guillaume Michel,
Audiencier6), aus dem Heinrich Albert die sechs, als aria gallica bezeichneten
Lieder in seinen »Arien« entlehnt hat. Es sind die Lieder: Que Marie est
belle] Lise assise sur les fleurs] Printemps sans ma belle] Lisandre au bard
de nos ruisseaux] f adore le merite de la belle Carite] Ma cJtcre Pkillis les
roses et les lys, bei Heinrich Albert in den >Arien< von 1643 und 1648
dreistimmig, bei Guillaume Michel, als chanson pour danser, einstimmig ge-
druckt. Sie bilden die sechs erst en Nummern des Recueils, sind einfache
Strophenlieder, wie alle Tanzlieder in den Sammlungen jener Zeit, und
musikalisch in keiner Weise unter ihnen hervorragend. Die Widmung, in
ungeschickten Verse n, sei teilweise mitgeteilt, weil sie charakteristisch for
Michel's geringe poetische Begabung ist. Sie kann den Widmungen und
Lobgedichten in den deutschen Lieder- und Suitensammlungen aus der er-
b ten Halfte des 17. Jahrhunderts , die nicht an die LandesfUrsten gerichtet
waren, an die Seite gestellt werden und erscheint uns heute, wie der grofiere
Teil der deutschen Widmungen jener Zeit, geschmacklos.
1) Les chansons pour Danser de L. Mollier. A Paris, par Bob. Ballard, imprimewr
du Roy pour la Musique, demeurant rue St. Jean de Beauvais a Venseigne du moat
Parnasse (1641). Arec Privilege de sa Majeste.
2) Loret: a. a. 0. p. 240, 170.
3 ibidem: Mars 1663. Lettre XII. Vgl. auch Weckerlin: a. a. O. p. 409.
Lully, Ijambert, Hotmann, Moliere,
Chacun rare dans sa maniere,
Qens en musique renommes
Ft qui pourraient itre nommes
(Considcre leur beau genie,
Jjen grands heros de Vharmonie.
4) Reeueil (1661) a. a. 0. p. 34, 35, 38, 94, 116, 127, 130, 140, 142. 143, 166.
5) ibidem : p. 62.
6; Reeueil des Chansons de M. Quill. Michel, Audiencier a Paris, par Pierre Bal-
lard, Imprimeur de la Musique du Roy, demeurant rue St.-Jean de Beauvais a tenseigne
du mont Parnasse. (1636.) Arec Privilege de sa Majeste.
7) Nr. 20, 21, 22, 23, 24, 25 der Neuausgabe in den Denkmalern D. T. a. a. 0.
— Die franzOsische Sammlung als Quelle filr die Lieder ist in der Neuausgabe
noch nicht angegeben.
A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunstl. usw. 409
*A Messieurs , Chancy *), Justice7) et Granionf*
Faroris du plus grand des Roys
Qui par vos Luths, et par vos voix
Gkarmex nostre puissant Monarque:
DApollon Us eliers nourissons,
Je vous dedie mes Chansons.
Pour les garentir de la Parque
Ce ne sont que vos Airs si doux,
Aussi riappartient il quya tons
A titer tfenfer Euridice ....
.... Sur les theatres plus parfaits
Apres de trbs graves effets
I/on verra une farce eomique.
Ainsi faites de mes Chansons
Apres les agreables sons
De vostre divine Musique.
Ballard, dPApoUon farory,
Aidant que des Muses ehery,
Digne professeur de Pamasse:
Me dit dans ce sacre sejour,
A tes chansonettes d1 amour:
Je veux quelque jour donner place.
Mais voyant tes beaux Airs, Chancy,
II demeure froid et transi,
0 dieux! Ballard, que veux tu faire?
Ne les faites voter si fiaut,
Trop pour elle jes crainds le saut
De cet Icare temeraire.
It me dit: chasse ceite pcur,
Elles riauront que du bonheur
Estant a Vabry de Justice:
Ces irois qui peuvent tout charmer,
Sont obliges de les aymer
Si tu leur en fails sacrifice.
Enfin fescoute ses discours.
Et juge que vostre secours
lues garentiroit de naufrage;
Je vous prie de les cherir,
A vos pieds je les viens offrir
Pour vous rendre foy et hommage.
6. Michel.
Die beiden Epigramme: A. M. Quillaume Michel, Avdiencier', Sur ses Chan-
sons a dancer, G. S. u. P. G. unterzeichnet, sind ebenso wie die Widmung
in einem ganz andern Ton als bei den schon vorher angefuhrten Sammlungen
abgefafit. Sie lassen den hofischen Ton vermissen, rich ten sicb an Musiker
und an das grofle Publikum.
Das erste Epigramm lautet:
Michel, tes gaiUardes Chansons
Passeront pour doctes lecons
A Vesprit le plus poetique,
Et tes Airs auront ce bonheur,
Qu'il riest point de maistrc en Musique
Qui n'en voulut estre Vautheur.
Das zweite:
Au Mesme:
Michel, tes chansons si gentilles
Ne sont propres qu1 avec des fillcs ;
(Test trop de chansons pour danser.
A d'autres il te foul penser:
Maintenant, si tu me veux croire,
Fais nous quelque Chanson pour boire.
TJnter den Chansons pour danser ware auch ein Dialogue zu erwahnen,
im II. Lime des chansons aus dem Jahre 1641, 2 Dialoge fur eine Stimme
und ein Dialogue pour boire fur 2 Stimmen. Um zu zeigen, daO auch der
1) Cber Chancy: Vgl. Fetie, Eitner, Nuitter et Thoinan: a. a. 0. p. L,
Mersenne: a. a. 0.: La seconde Industrie consists en V imitation, a la lecture et a la
consideration des Airs et des Chants. De ceux qui ont le mieux reussi en cette ma-
tters tels que sont entre les Francois .... Ouedron, Bo'esset, Chancy, Moulinit . .
2) M. Brenet: a. a. 0. p. 61.
410 A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunstl.
Titel Dialogue filr oin einfaches Stropbenlied angewendet wurde, sei ein
solches Lied mitgeteilt1).
Dialogue.
f^^feJfB^TTTT7^^^
i
>A -min-te, vos beaux yeux, Peu-vent toutsurnion a
me». »Ber-
m^rw ^i •' j~hth -i,j,ij=^
I
ger, tu fe - roismieux,d'e8teindre cet-te fla-metPuisquej'ai-memieuxmou-
E
3^^$
3^=^
rir, Que de pen-ser a te gue-nr.
Das Lied besteht aus 7 Strophen, ist seiuem Cbarakter nach ein Liebes-
lied, eiu Wecbselgesang zwiscben JilDgliug und Madchen, der von einer ein-
zelnen Stimme ausgefiihrt wird. Der Text erfordert eine gewisse Leidenschaft
des Vortrags, z. B. die Stropbe:
»Le temps adoiicira
Vostre rigueur extreme.
Plustot la Settle ira
Contre sa course me* me:
Car faymerois mieux mourir
Que de penser a te guvrir-).*
Unter den Sammlungen der Tanz- und Trinklieder sei nocb ein RecueU
von Jean Boyer3) bervorgehoben, iiber den noch wenig bekannt geworden
ist. Nuitter4) erwabnt Boyer unter denjenigen, die am haufigsten gewablt
wurden, die Musik fur die ballets de cour zu scbreiben. In einer S am m lung:
Airs de different* autheurs 1621 trifft man den Namen Boyer neben Boesset,
Moulinie, Richard usw. 5) — Die Lieder sind Monsieur dc Flotte*}, GentiUiotnmi
1) lie. Livre des Chansons de M. Guill. Michel .... 1641. pag. 17.
2) Ober Guillaume Michel gehen die MitteiluDgen bei F6tis u. Eitner aus-
einander. Die beiden hier benutzten Sammlungen, die sich in Berlin befinden,
der RecueU des chansons (1636) ist bei Eitner ungenau angegeben, das zweite Litre
des chansons 1641 irrtiimlich zu den chansons rtcreatives a voix seule avec la basse
gerechnet. Vgl. Tob. Norlind: Vor 1700 gedruckte Musikalien in den schwedi-
scben Bibliotheken. (Sammelbande d. 1. M. G. IX. Heft 2. p. 211.) Dort ist Livre
1 — 3 des RecueU (Paris 1636, 41, 47) unter Audiencier, G. Michel angegeben.
3) RecueU de chansons a boire et dancer, Par Jean Boyer, de la Musique de la
cliambre du Roy, et de la Reyne A Paris. Par Pierre Ballard* Imprimeur de la mu-
sique du Roy, denieurant rue St. Jean de Beaurais, a Vcnseigne du mont Pamasse. 1636
Arec Privilege de sa Majestv.
II*. Litre des Chansons .... 1642. Nach Eitner finden Rich beide B&nde our
in Briissel und im British Museum. Sie sind aber auch in Berlin Kgl. Bibliothek .
4) Nuitter et Thoinan: a. a. 0. p. XIX.
6) Eitner I. p. 71.
& Loret: a. a. 0. Tome 111. p. 162:
A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunstl. usw. 411
ordinaire de la maison d* Votre Altessc, gewidmet. Die Widmung ist sowohl
flir Boyer, wie fur Flotte und auch kulturhistorisch interessant und wird hier
teilweise mitgeteilt.
> Monsieur, A qui pouvois-je plus a propos dedier ce livre de Chansons joyensrs
qua vous, qui estes lennemi moricl de la melancolie, les del ices des bonnes compagnies
et le roy de. Vhonneste desbauche? Ne serait-ce pas une extravagance digne (Pun mauvais
Musicien, de mettre a la teste (Pun recueil de different^ Airs, le nom de quelqtie veneruble,
qui rteust peu lire une page de mon livre, sans craindre de perdre la gravite et la war-
que qui est deue a la dignite de sa charge? Quand je publieray mes discours de philo-
sophic, auxquelsje travaille, comme tout le monde scayt, avec tani de contention d? esprit;
qua fid je mettray au jour mes meditations politiques, qui me font perdre ordinairement
comme vous scavex le repos et le repas, je mc propose de les adresser a nos magistrals
et aux ministres d'estat: Mais aujourtfhui Pon me pardonnera facilement et le pu-
blic trouvera bon% s'il luy plait, que je desdie des chansons a boire a tin buveur
eternel et des pieces de raillerie a un goinfre de haut appareil, qui leur ttcait donncr
un tcl prix qu'ellcs pourront passer doresnavant pour des pieces d importance ; de vray
U faut advouer que les airs de table ne peuvent trouver leur perfection que dans le mou-
vement que vous leur donnex, ny leur grace que dans les gestes agreables dont rous
scavex accompagner leur cadance: que si fadjouste a cela les embelissemens, dialogues,
recits, apostrophes > et autres secrettes figures de rhetorique symposiaque, dont rous or-
nex et mettcx chaque couplet en son lustre', Pon ne demandera plus, ny pourquoi je
vous desdie ce Kecueil . . . .«
Der erste Band aus dem Jahre 1636 enthalt zu gleichen Teilen chansons
pour boire und chansons pour danser. Die Trinklieder sind samtlich fur
2 Stimmen, Dessus und Basse, gedruckt. In dem 2. Bande aus dem Jahre
1646 iiberwiegt die Zahl der Tanzlieder; auGer sieben Trinkliedern sind noch
in die Sammlung vier Couranten und zwei Sarabanden aufgenommen, denen
Texte untergelegt sind. Die Trinklieder des ersten Bandes haben sehr haufig
einen personlichen Text und sind an De Flotte, an die Prinzen Gaston und
Philippe d'OrlSans usw. gerichtet. In einem der Lieder wird der Deutsche
als gutor Trinker geriihmt:
Mangeons, buvons gayement,
Cc sejour est fort chamuint:
Von y boit en Alternant etc.
Eins der Trinklieder2) sei als Probe von Boyer's Liedern mitgeteilt; Text
und Melodie sind frisch, zuweilen fast derb.
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Puis que ta grandeur le -
Je suis le moindre de
comman-de il fautfaire es-clat-ter mavoix,
ta ban -de, Mais le plus grand lorsque je bois
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Flotte cot insigne chanteiir,
Des bons rins constant amateur,
Qui boit plein et nan gouie-a-goute . .
1; Recueil Boyer 1636 a. a. 0. p. 10.
2, ibidem p. 3.
412 A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Eunstl. asw.
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Et sans 8oucy, Et sans ce-la, Bouteille i - cy,Flaccon de-la Re-veillont
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re - veillons ce ver-re, je n'ayrien aucoeur,Que cet- te li-queur.
m=t=^ttEE£pz p c_eg^y7-^r-iit
Alle diese Tanz- und Trinklieder and ein grofier Teil der hier nicht
naher besprochenen wiirden eigentlich einer besonderen Abhandlung bedurfen,
damit sie eingehend auf ihre Bedeutung and ihren Einflufi auf die deatscbe
Liedkomposition des 17. und 18. Jahrhunderts gepriift werden konnten. Abcr
schon aus diesen wenigen herangezogenen Quellen geht deutlich hervor, dafi
schon in der ersten Halfte des 17. Jahrhunderts das Gesellschaftslied fxir ein
und mehrere Stimmen uberall verbreitet war und daft Tanz- und Trinklied auch
schon einen betrachtlichen Teil der Hausmusik und des Kunstgesangea bil-
deten.
Eine Handschrift der Landesbibliothek in Cassel zeigt nun deutlich, dafi
schon in dem ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts franzosische Lieder fur
Solostimmen mit BaQbegleitung nach Deutschland gekommen, also in Frank-
reich jedenfalls schon viel friiher beliebt war en. Manuskript in quart. 108 ent-
halt ein Livre de tablature de Luths pour Madame Elisabet, pHncesse de Hesse**
commence' par Victor de Monibuysson le dernier Janvier 1611. Zwischen den
LautenstUcken, unter denen sich auch eine >Intrada von Ha filer*, eine
>Gagliarda Ton Daulant* (Dowland) eine >Courente von Victor de Mont-
buysson*, auf die Laute Ubertragene franzosische Chansons, Lieder for Solo-
stimme und Laute, — z. B.: Si je puis une fois desangager mon ante; au paro-
vant qu'icy — usw. finden, sind drei Airs fur Solostimme und Bafi (Airs d to
rayne; Air nouveau; Air de cour) aufgezeichnet. Alle drei Airs sind einfache
Strophenlieder, unterscheiden sich formal kaum voneinander und haben volks-
tiimlichen Charakter. Da weder Dichter noch Komponisten genannt sind and
auch mit Hilfe der zu Oebote stehenden Sammlungen nicht ermittelt werden
konnten, wird hier der Anfang der beiden ersten Airs, das dritte gans mit-
geteilt.
1) Victor de Month uysson war 22 Jahre im Dienate des Landgrafen Monti
von Hessen, fibers etzte spate r seinen Namen ins Deutsche (Bergwald) and ist unter
3 Ausl&ndern in den Jahren 1599—1600 als einziger Fransose aufgefuhrt Er war
Lautenist. Vgl. Ernst Zulauf: Beitrage zur Geschichte der Landgraflich-Hes-
sischen Hofkapelle zu Cassel bis auf die Zeit Moritz des Gelehrten. (Cassel 1908
S. 42. 88 etc .
A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunstl. usw. 413
Air a la Reyne.
gri-TTT j,TE±p=c rrrr
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Pre - nez Nym-phes pour ad - mi - rer et a - do - rer un
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Don - quez a cest hea-reux re - tour des te - neb-res ve-nant an jonr
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nous re - voy - ons
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bon prince etc.
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Hi' *t
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Air de cour.
Dedans ce val plaisant en sombre, Philis qui cbante an bruit del'eau,
^B^^^^:^rr^f~r nTti^E^
Penchant ses yeuxsur un ruisseau, s'a-mu - sa re -gar - der son om-bre
Mit der zweiten Halfte des 17. Jahrhunderts hat sich nnn der Umsohwung
in Frankreich volkogen, der sich, seit dem Ende des 16. Jahrhunderts, durch
spanische und italienische Einfltisse Ian get vorbereitet hatte. Die Form des
414 A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstinim. weltl. KunstL usw.
Rezitativs hat sich als eine Form des Sololiedes eingefuhrt1), der Gesang ist
eine Kunst geworden, die Methode spielt eine Hauptrolle 2) ; man verlangt Kom-
ponisten, die ebenso tuchtige Sanger und Lehrer, wie begabte und geschickte
Komponisten sind. So findet man z. B. in der Gesangschule von Bacilly
diejenigen Anschauungen vertreten, die fast um ein Jahrhnndert spater das
ganze literarische und musikalische Frankreich beherrschten. Bacilly fiihrt den
Unterscbied der franzosischen und italieniscben Spracbe fur den Gesang, den
Sologesang, naher aus. Er kritisiert diejenigen, die schon damals — fast ein
Jahrhundert vor Jean-Jacques Rousseau — sagten, daB man die airs franeais
nicbt gut singen konne, daB die italienischen airs die wabre Musik ent-
hielten3). Er verlangt, daB man fiir die Lieder vor alien Dingen scb5ne
und ausdrucksvolle Texte wable4), besonders fur die airs s6rieuxh). Er spricbt
von der Wichtigkeit der Begleitung gerade fur diejenigen Lieder, die gewohnlich
von einer einzelneh Stimme gesungen werden, und nennt das clavessin,
die Theorbe und die Viola die wichtigsten und geeignetsten Unterstut-
zungsinstrumente fur die Stimme 6;. Gerade das Kapitel IV: S'il est neees-
saire £accompagmr le chant (Tun instrument de musique zeigt ganz deut-
lich, daB sicb das Sololied in Frankreich bereits eingebilrgert hat7), and es
ist wohl zweifellos, daB sich in Handschriften und auch in Drucken noch
eine Anzahl von Liedersammlungen mit einfacher BaBbegleitung finden miissen,
wenn sie nicht der Vernichtung anheim gefallen sind8). Von dem Dichter
Constantin Huygens liegen solche Lieder nach den Handschriften zum ersten
Male gedruckt vor, und zwar in dem Werke Pathodia Sacra et Profana
occupati vom Jahre 1647. Sie sind fur Melodie und BaB gedruckt und zeigen
in ihrer Faktur ganz deutlicb, daB sie fiir eine Solostimme mit begleitendem
BaB bestimmt sind0). Auch in diesen Liedern ist der rezitativische Stil
vorherrschend. Sie zeigen italienischen EinfluB; deutlich sieht man das Be-
streben, den Inhalt der Worte musikalisch wiederzugeben, der begleitende
BaB hat nur ganz geringe Bewegung. Die Lieder bekunden dramatisches
Talent, haben einen ktinstlerischen Aufbau und sind wohl noch hente wir-
kungsvoll ,0).
Aus der zweiten Hal ft e des 17. Jahrhunderts sind nun einige Sammlungeo
ausfiihrlicher zu erwahnen, die fiir die Art der Liedkomposition jener Zeit
1 Jonckbloet et Land: a. a. 0. p. XXV. Einleitung.
2) Ein Beispiel dafiir sind auch die theoretischen Werke v. Mersenne und
Bacilly.
3) Bacilly: a. a. 0. p. 90, 97.
4) ibidem p. 69. A ee propos ie diray que pour un ban Air U ne suffit pas que
Is chant soil beau, ma is il faut encore qtw les paroles soient belles .... p. lllff.
5) ibidem p. 120.
6) ibidem p. 17.
7) ibidem p. 17. Je ne park point icy de Vunion ou Taecompagnement des mix
et des instruments mais setdement de taecompagnement des Airs qui se chanterd
dordinairc a une voix seule.
8 In den M anus k rip tkatalogen der franzdsischen Bibliotheken sind eine Antahl
solcher Liedersammlungen des 17. Jahrhunderts vermerkt, die aber auf ihre Zu-
gehdrigkeit zum begleiteten Sololied erst durchgesehen werden mdftten.
9j Jonckbloet et Land: a. a. 0. p. 28 Brief XXXIV a Mr. de Villiers vom
20. Okt. 1666; Einleitung XXV.
10) ibidem: No. XXXI V. Graves tesmoins de mes dclices; No. XXXV. Vous me rarex
bien dit, visions inquietes. Cl>er Nr. XXXV vgl. p. xxn.
A. Arnheim, Ein Beitr. z. Gexcbichte d. einstimm. weltl. Konstl. usw. 415
besondei'8 interessant sind. So befindet sich zum Beispiel ein Nouvean livrc
d'airs von Michel Lambert, dem Schwiegervater Lully's, aus dem Jahre 1661
in der Brusseler Bibliothek1 ; ein Exemplar von groBer Seltenheit, welches
die Lieder mit den Verzierungen enthalt, wie sie Lambert seine Schuler zu
lehren pflegte. Da Lambert als Sanger und Lehrer den groBten Ruf genoB
und alle Zeitgenossen seine Bedeutung einstimmig anerkannten2), bilden
diese Airs wohl einen Beweis fur den kiinstlerischen Geschmack der dama-
ligen Zeit und sind als Proben der Liedkomposition und Gesangskunst an-
zusehen. Das Biichlein ist der Madame la duvhesse ds Bourgogm gewidmet.
In der schwungvollen Anrede heiBt es unter anderem:
. . . Et puis, Madame j comme je ii ignore pas que vous avex la voix dun ange aussi
bioi que la beautc; que Vart de chanter ne vous est pas moins connu que celuy de
plairc, et que Von riest pas moins charme de vous ou'ir que de vous voir, je me suis
persuade que mon present ne seroit pas desagreable a V. A. R. et qu'EUe me feroit Thon-
neur de le recevoir sans degout et sans tnepris. II est vray (pia dire les ckoses comme
files sont} mon litre a un defaut fort considerable, car au lieu des Airs dont il est
rcmply, ce ne devoit point y aroir de vers qui ne fussent composex a vostre gloirc.
n'y point de chants qui ne servissent a La cclebrer.
Die Anordnung der 22 Nummern ist nun so, dafi der erste Vers jedes
Liedes mit beziffertem Baft versehen ist. Der zweite. ohne BaB, bringt die
Verzierungen und ist gewissermaBen eine Variation der Melodie des ersten
Verses. Fiir diese sogenannten Doubles gilt Lambert als Erfinder3), und es
wird erzahlt, dafl sein Schwiegervater Lully, der diese Variationen nicht
liebte, vor dem Beginn des zweiten Verses seine Schuler zu unterbrechen
pflegte und sie bat. den double fiir seinen Schwiegervater aufzubewahren4).
Diese zweiten Verse — en diminution — der airs de Monsieur Lambert werden
auch in den spateren Ausgaben von Liedsammlungen bei Ballard immer be-
sonders erwahnt, so 1667 am SchluB einer Sammlung5), wo es heifit:
•qtiil y a depuis peu une seconde edition du Livre in quarto de Monsieur Lam-
bert. fseaucoup plus belle que la premiere et corrigee d?un grand nombre de f antes.*
und noch im 2. Buch der Meslanges de Chansons et airs serieux et d boire.
Paris, 16746). Unter den 22 Nummern finden sich auch einige Lieder fur
2 Singstimmen und BaB; der bezifferte BaB ist aber immer mit Text
versehen, so dafi er beim Fehlen eines Begleitinstrumentes gesungen werden
kann. Als Beispiel fiir die airs von Michel Lambert werden hier einige
charakteristische 8tellen mit den doubles mitgeteilt7).
1) BiMiotbeque Roy ale. Druck Nr. 2395. Nouveau IAvre <f Airs. Oravex par
Richer a Paris. Chex Charles de Sercy, au Palais dans la salle Dauphine a la bonne
foy Couronnee. Avec Privilege du Roy. (1661).
2] Nuitter et Thoinan: a. a. 0. p. 29. — Loret: a. a. 0. May 1662 sagt
von Lambert:
En rerenant cette semaine
Uouir une voix plus qWhumaine ....
Vgl. auch Bourdelot: a. a. 0. Tome I p. 226.
3^ M. Brenet: a. a. 0. p. 80.
4) ibidem: garder le double pour son beau-pere. Vgl. auch Bourdelot: a. a. 0.
6) Kgl. Bibliothek Brunei. F. 2398. Druck.
6) ibidem. Nr. 2395. Druck, eingeklebtes Blatt,
7, p. 12.
416 A. Arnheim, Kin Beitr. s. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunttl. utw.
No. 3.
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Mon sort est dig-ne de pi -tie, au - tant qu'il fat dig-ned'en-
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me con - su - ment da - van - ta - ge. j'ay beau son - ger
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qu'il est honteux, qu'un cceur fi-de - le ai - me un vo - la-ge-
No. 20.
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A. Arnheim, Kin Beitr. z. Geschichte d. einstimni. weltl. Kunstl. usw. 417
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1'a-mour vous - deplaist.maisper-met-tez aumoi usque jevous ai - me.
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2. Vers.
Bel-le Phil -lis, vous 6ca - vez bien vous mes - me,qu'en ce
mon - -de tout chan-ge et que vous cnan - ge - rez.
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peut - es - tre qui scait qu' a - lors vous nTai - me
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rez et ce - pen
dant
Fouff- rez que je
ai - me.
Mit Hilfe der bereits erwahnten Sammlung Recueil des plus beaux vers,
qui ont He mis en chant, aus demselben Jabre wie die airs von Lambert,
la fit sich nun feststellen, daB ein grofier Teil der Lieder moglicherweise nicht
von Lambert selbst stammt, sondern daB ihm voraussichtlich nur die zweiten
Verse, die sogenannten Doubles zuzuschreiben sind. Bei 12 von 22 Liedern
ist namlich der Komponist und der Textdichter nachzuweisen , da Bacilly,
der Herausgeber des Recueil x\ bei den meisten Gedichten den Dichter und
Komponisten, freilich ohne die Musik, anfuhrt. Demnach ware das erste der
oben mitgeteilten Lieder pine Sarabande von B. D. B. d. h. von Bacilly
selbst; auch ist er der Dichter des ersten Verses, der zweite ist von Mr.
de Bovillon. Nr. 1. 2, 3. 5, 7, 9, 11, 14, 15. 16, 18, 19 <kr Samm-
lung hatten nacb dem Rcr.uril Bacilly zum Komponisten, 18 und 19 sind als
Gavotte bezeichnet. Die Gedichte sind von Bacilly, Mademoiselle de Scu-
dery, Segrais und anderen. Dichter und Komponist der iibrigen 10 Lieder
waren an der Hand des Recueil nicht nachzuweisen. Sie fin den sich nicht
unter der groflen Anzahl von Liedern Lambert's im Recueil, sind also wohl
zum ersten Male im Nouveau litre avoirs von Lambert selbst veroffentlicht.
Nr. 20, das an zweiter Stelle mitgeteilt wird, gehort zu diesen Liedern.
Die Handschriftensammlung der Berliner Koniglichen Bibliothek besitzt
ein Manuskript 2) das, nach der Schreibweise zu urteilen, aus dem 17. Jahr-
1) Der Titel des Recueil .... ist bei Eitner angegeben, doch fehlt der Fundort
(auch Berlin. Kgl. Bibliothek). Vgl. auch Bourdelot: a. a. 0. Les qucUre tomes du
Recueil des plus beaux vers mis en chant par Bacilly .... fournissetit de petits vers.
2) cod. gall, in quarto 41.
418 A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimra. weltl. Kunstl. nsw.
huDdert stammt und 12 Lieder ohne jede n ah ere Bezeichnung enthalt Bei
der Mehrzahl der Lieder stent die Melodie auf der einen Seite, auf der
gegeniiberliegenden die Bafistimme; bei einigen ist die tiefere Stimme im
Altschltissel notiert. Die Handschrift ist wobl ein Teil der Abschrift eines
Sammelbandes oder eine kleine selbst angelegte Sammlung. Sie ware vieUeicht
an der Hand von franzosischen Handschriften und Drucken auf ihre Prove-
nienz genau zu bestimmen. Mit Hilfe des Recueils lassen sich 3 Texte und
die Komponisten zweier Lieder herausfinden, Michel Lambert als Komponist
des ersten Liedes und Jean de Cambefort1) als der des achten Liedes,
dessen Textdichter Boisrobert ist. Von Cambefort sind bei Fetis Airs dt
cour und Livre (fairs d quatrc parties aus den Jahren 1651 und 1655 mit-
geteilt. Eitner3) ftihrt nur eine einzige erhaltene Stimme der Airs de cour
und zwar Tattle an. VieUeicht bilden die beiden, in dem Berliner Manuskript
befindlichen Stimmen eine willkommene Erganzung zu der bereits vorhandenen
Das erste Lied des Manuskriptes ist in der hier ausfiihrlicher besprocbenen
Sammlung von Michel Lambert nicht nachzuweisen, konnte sich aber wohl
in den bei Eitner3) vermerkten Pariser Sammlungen finden. Es ist ein
einfaches Strophenlied und vieUeicht als Sololied mit Begleitung vorgc-
tragen.
Manuscript: cod. gall, in quarto Nr. 41.
Text im >Recueil etc. 1661c S. 191.
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1) Nuitter et Thoinan: a. a. 0. p. XLII J. B. Boesset% Jean Cambefort ft
Francois Chancy eerivaient le plus souvent la partie vocale, tandis que Louis Molier
etc traitaient la partie symphoniqut et Us airs de danse.
2) Eitner. Bd. II. p. 289.
3) Eitner. Bd. VI. p. 23. — In dem Eatalog Nr. LXVI der librairie aneiamt
von Leo Olschki in Florenz ist auf Seite 54 eine als fort rare et non die par Eitner
et Fetis bezeichnete Sammlung Michel Lamberts angektlndigt: >Les Airs de
Monster Lambert. Maistrc de la Musique de la chambre du Roy. Oravex par Richer,
corrigex de nouveau de plusieurs fautes de grarure a Paris, Rue des petits Champs
vis a vis la Croix. Chez un chandelier 1669, in 4 obi. Avec un joli frontisp. historic
et la musique note.* — Die Sammlung ist Monsieur de Niert, •premier void de
chambre du roi* gewidmet u. enthalt eine Vorrede und ein Sonnet Perrin's an
Lambert. Ober Nyert findet sich bei Bourdelot: a. a. 0. p. 128 *Nou* chorions
mieux que ne faisoient Nyert et la petite Varenne et nous chantons encore amee am-
tant d? agreement que du regne de Iximbert et de Bodily.*
Da die Sammlung, wie der kdniglichen Bibliothek zu Berlin raitgeteilt warde.
A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunstl. usw. 419
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ler ma dou-leur, ma dou-leur fait bien voir que j'ay - me.
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2. Vera. Tayme de si beaux yeux
Qiiil rien est pas de mesme;
Et je croy que les Dieux
Serviroient la BeauU que faymc. —
Benigne de Bacilly, der fur die Geschichte des franzosischen Liedes im
17. Jahrhundert bereits als Yerfasser einer Gesangschule und des Becueil dts
plus beaux vers, qui out iU mis en chant wichtig war, ist auch noch als
Herausgeber einer Anzahl Hires de chansons pour danser et pour boire ausfuhr-
licher zu erwahnen. Die Sammlung1) enthalt in ihren verschiedenen Teilen
aus den Jahren 1663, 64, 65, 66, 67 ungefahr 170 Lieder, die mit wenigen
Ausnahmen sich wohl hier zum ersten Male finden. Widmungen und Vor-
reden an den Leser machen mit den Flanen der Herausgeber bekannt.
Nach dem Tode des scbon mebrfacb erwahnten M. de Chancy2) bat Bacilly,
auf BaUard's Wunsch, die Herausgabe des Becueil ubernommen, ohne seinen
Namen zu nennen. Ballard meint:
syU aoulait permettre que Yon y mist son nom , le livre en serait sans doute plus
considtre.
Bacilly wird mehrfach ausdriicklich als Komponist und Dichter genannt.
Auch wird mitgeteilt, dafi *sous le mot de chansons a danser Von comprend
aussi les chamomiles, qui ne sont pas de veritables *Airs serieux* on >Airs de
cour< [pour parler en termes iwlgaires) et qui approchent du mouvement de la
gavotte* 4). Ausfuhrlich wird dariiber gehandelt, dafi in diesen Sammlungen
nicht die jetzt modern e Art von Liedern zu finden sei , welche die Lehrer
bevorzugten, um sie ihre Schuler lehren zu konnen5), auch gabe es keine
grands airs} ou toutes les voix ne peuvent pas atteindre. In der Ausgabe von
1665 wird den Wunschen und dem allgemeinen Geschmack des Publikums
schon mehr Rechnung getragen, indem Ballard mitteilt: >Tai adjoustS de
petits croix, pour marquer Us tremblements, qui donnent beaucoup d' intelligence
sofort nach Anktindigung im Eatalog in franz&sischen Privatbesitz iibergegangen
war, konnte sie hier nicht benutzt werden.
1) Becueil des huit lures de chansons pour boire ci pour danser par M. de Bacilly,
a Paris chex Christoph Ballard, seal imprimeur du Boy pour la Musique, rue Saint
Jean de Beauvais, au Mont-Parnasse [1699). Avee Privilege de sa Majeste.
XXII* Livre de Chansons pour danser et pour boire. B. D. B. a Paris. Par
Bob. Ballard, seul imprimeur du Boy pour la Musique, rue Saint Jean de Beauvais.
Au mont Pamasse [1663). Avee Privilege de sa Majeste.
2) ibidem (1663). Au lecteur. — Von Chancy heiCt es dort: U a eu un talent
particulier pour ces sortes de chansons, mats comme dans la plupart .it y avait de
V Equivoque, les Dames, qui donnent le cours aux choses galantes, rty ont pas trouve
leur compte.
3; Becueil (Bacilly) (1664) Au lecteur!
4) ibidem.
5) ibidem (1663) Eine Anspielung auf die sehr verbreiteten doubles.
s. d. IMG. X. 28
420 A. Arnheim, Ein Beitr. z. Geschichte d. einstimm. weltl. Kunstl. uaw.
dans la maniere. de chanter, lesquelles marques je n'ay pu meUre sur les twites
qu-elles precedent comme on a de coustume de faire dans les Airs icrits d la
mainy mais seukmeni a coste, parceque Vimpression ne permet pas qu'on en
use autrement* 1).
Die Liedersammlungen Bacillys unterscheiden sich in ihrer aufieren Form
nicht von den schon besprochenen Tanz- und Trinkliedern aus frfiheren Jahr-
zehnten. Sie sind auch als Melodie mit Text gedruckt, die Chansons d botre
und einige airs a deux zweistimmig. Namen der Dichter und Komponisten
Hind nicht angegeben , Text und Melodie sind fast durebweg volkstfimlich.
Ein Vergleich mit den Melodien und Texten fruherer Chansonniers und dem
Cle du caveau2) zeigen aber, daB es sich bei Bacilly vorwiegend um Kunst-
dichtung und Kunstmusik handelt. Nur ein einziger Text z. B. findet sich
in dem Cle du eaveau*), dort aber mit einer anderen Melodie. Die Brunettes*)
aus dem Jahre 1703 enthalten eine Anzahl derselben Texte, zum Teil mit andern
Melodien5). Einige derLieder sind inbezug auf Text und Melodie festzustellen,
so z. B. Tantost je suvs sous F empire. Der Text ist von Bovillon, die
Melodie eine Gavotte von B. D. B. 6), Tircis, au bord d?un ruisseau wird als
Villanelle de Mile des Vaux in der schon erwahnten Textsammlung aus dem
Jahre 1661 bezeichnet 7) ; le Printemps est de retour ist eine Gavotte de Mr. de
Chancy % Ein Text: Maman} vous n'estes pas sage, stent schon in dem
XL Livre dc chansons pour danser (1618) p. 39), ein anderer *V autre jour je
rencontray in dem Parnasse des muses ou Becueil des plus beUes chansons a
danser (Paris 1633) als > Chanson 51 « usw. 10). Ein Chanson sei hier mitge-
teilt, weil es textlich und musikalisch ein Bild von der Liedkomposition in
den Sammlungen Bacilly's gibt11).
1} ibidem (1665) Au lecteur!
2) La cU du caveau. A V usage de Urns les Ohansonniers francais etc* Troineme
edition. (A Paris, chez Janet et Cotelle).
3; Assis dessus la fougere im Becueil (Bacilly) 1663 p. 33, im cle du caveau
Nr. 1217 zu dem Text: ce riest que dans la retraite.
4) Brunettes ou petite Airs tendres avec les doubles et la Be. RecueiUies par Chr.
Ballard (Paris, 1703).
5) z. B. im Recueil (1663) p. 9. Que faits-tu, Bergere? Der Text findet sich
auch in den Chansons nouvelles et Airs de cour. Nouveau recueil. Tome II. A Paris
chex Antoine Rafle. Marchand Libraire. [1688). — Die Melodie bei Bacilly wird
hier mitgeteilt, weil der Neudruck von J. B. Weckerlin: Pastourelles, Romance*
et Chansons du XVIIIe siecle. No. VII. p. 17 eine andere Melodie bringt.
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Quefais-tu, Ber-ge - re, dans ce beau ver-ger?
Tu ne son-ges gue-re, a me sou - la - ger.
Tu
connaif ma
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pei-ne,tu vois ma ]angueur,Prens,belle in humai-ne,Pi-ti - 6 de moncceur.
6) Recueil (Bacilly) 1663) p. 16.
7) ibidem p. 28.
8) ibidem (1667) p. 13.
9) ibidem (1664) p. 17.
10) ibidem (1665) p. 23. llj ibidem p. 5.
W. H. Cummings, Dr. John Blow.
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Bos - Big - nol, trop heu-reux a - mant Ros - sig - nol trop heu-
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reux a - mant He - las! tu chan - tee li - bre-ment,Nuitet jour
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ton mar - ty - re.
Et moy, je souffre a tout mo-ment,
JEm-p
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Et je n'oee en rien di - re.
2. Vers. Tu peux en mille lieux divers
Par le doux charme de tes airs
Faire entendre ta peine.
Et moi, je languis dans mes fers,
Sans le dire a Climene.
Da der Umfang dieser Abhandlung nur ein beschrankter sein konnte,
muflte ein grofier Teil der vorhandenen und bereits durchgesehenen Quellen
unberucksichtigt bleiben. Auch diese Ausfiihrungen sind als skizzenbaft an-
zusehen und konnten noch inbezug anf jede einzelne Sammlung betrachtlich
erweitert werden. Das 17. Jahrhundert, das fiir die Entwicklung der Musik-
gescbicbtscbreibung, der Musiktbeorie , der Gesangskunst , der dramatiscben
and Instramentalmusik so wicbtig ist, bringt aucb auf dem Gebiete der Lied-
komposition als Kunstlied mancbes Neue und bedarf bei einer geschicht-
licben Darstellung dieser Kunstform eingehenden Studiums.
Dr. John Blow.
By
William H. Cummings.
(London.)
Two bundred years ago, or to be precise, a little more than two hundred
years, lived an eminent musician highly esteemed for his artistic gifts, and
for his honourable life. Dr. Blow was a prosperous man, and in addition
to his town residence in the Broad Sanctuary, Westminster, he possessed a
small country estate at Hampton-on-Tbames, where he was wont occasionally
to retire to recuperate his energies; he was there in the beginning of 1708,
28*
422 W. H. Cnmmings, Dr. John Blow.
his health being considerably disordered, and as a prudent man he made
his will, and set his worldly affairs in order; subsequently he returned to
the Broad Sanctuary, and died there on 1st of October of the same year,
1708. He was honourably buried in a grave in the North Aisle of West-
minster Abbey, near to the organ, and adjacent to the resting place of his
former pupil, Henry Purcell. A tablet to his memory was speedily erected
by his friends and admirers, on which was engraved a Gloria Patri in
Canon, taken from his Jubilate Deo in the Key of G. By the way Grove
erroneously says C. This Canon was sang on occasions in St. Peters Church
in Rome, and obtained world-wide fame. Only a few years ago, the Emperor
of Brazil, being on a visit to London, went to Westminster Abbey, and was
conducted through the ancient building by Dean Stanley; after the latter
had called the Emperor's attention to the salient features of the edifice, and
its most important monuments, he suggested a return to the Deanery, when
the Emperor said, "there is one monument, I much wish to see, which you
have missed*1 ; the Dean in surprise enquired what it was, and the Emperor
replied, "I want to see the celebrated Canon which is engraved on Dr. Blow's
monument". The incident is equally creditable to Blow's fame and to the
Emperor's intelligence.
I have taken the unusual course of commencing my narrative with the
death of my hero; but now must perforce go back to his birth and origin.
This is the more necessary because all the biographies of Blow hitherto
published are erroneous. The author of one mis-statement appears to have
been Dr. Benjamin Rogers, the well known organist and composer, who died
in 1698. he told Wood, the Oxford antiquary, that Blow was born in
London. Other authorities, and tradition, gave North Collingham in Not-
tinghamshire, as his birth-place: neither of these localities is entitled to that
honour, as I shall shew. Those persons who favoured the London theory
very pertinently reminded enquirers that the register books in the Parish of
North Collingham contain no entries of the name of Blow. Blow's mother
had been a widow Katherine Langworth, she married Henry Blow in 1646
in the Church of Newark-on-Trent. The married couple resided in Newark,
and in due time John Blow was born, and baptized in Newark Church on
the 23 rd of February 1649. It was customary at that time to christen a
child the day after birth, or at most within three days, and there appears to
be no reason to suspect any deviation from the usual routine in the case
of Blow; we are therefore justified in assuming that he was born on the
21st or 22nd February 1649. I may note in passing that the registers of the
Church at Newark record the baptisms of two other Blow children, a brother
and a sister of our composer.
One naturally asks how it is known that the John Blow, who was baptized
in Newark Church, was the same person who attained fame as Dr. John
Blow; presently I shall give undeniable proof. Newark-on-Trent possessed
an important Song- School which had been founded in 1530 by Thomas Magnus.
Archdeacon of the East Riding of Yorkshire ; its teaching commenced in the
following year 1531. and has continued uninterruptedly from that time to
the present day. The Song-School was attached to the glorious Parish Church,
and the names of the various Song-Masters of that Song-School are in exist-
ence. The post was held from 1641 to 1668. a period which includes the
Commonwealth and the Protectorate, by Thomas Hinton. How natural
W. H. CummingB, Dr. John Blow. 423
it would be for Blow's parents, who must have recognized their son's native
talent for music, to send him to the Song-School to receive the benefit of
expert tuition. Blow's father died and was buried in Newark in 1655, and
five years later, in 1660, the boy, John Blow, was admitted as a chorister
in the Chapel Royal, London. He was then twelve years of age, and we
may be sure that it could only have been his advanced skill in music which
obtained for him such distinction. Had he been ignorant of music and singing,
he would have been of little or no use. It is to be remembered also, that
the Crown possessed a right of pressing into the service of the Chapel Royal
singing boys from other Churches, Chapels and Cathedrals, with or without
the consent of parents and guardians. This exceptional privilege had been
exercised in the reign of Richard the Third, and was re-enacted in 1626.
We know what extreme difficulty was experienced in all Choral establish-
ments at the Restoration in 1660, when the attempt was made to restore
Musical Services and Choirs. Even at "Westminster Abbey, for a time, the
boys' voice-parts could not be adequately rendered, and had to be sup-
plemented by wind instruments. — King Charles the Second would not
hesitate to follow the example of his predecessors, and capture capable boy-
singers wherever they could be found; and naturally a song-school, which
had never ceased its excellent work, would be the place to look for singers;
what more probable than the transference of Blow's skill from Newark to
London? Perhaps other youths were selected from the same school; further
investigations may someday elucidate the fact. Blow must have been some-
thing more than a mere singer when he entered the Chapel Royal in 1660;
for only three years later the Rev. James Clifford published a book of the
words of an them 8 in which are to be found three composed by "John Blow,
one of the children of his Majesty's Chapel Royal". The boy was then
fifteen years old.
Some writers have stated that when Blow became a child of the chapel,
he received instruction from John Hingston, but that is doubtless an error.
Hingston had been organist to Cromwell, at whose death his appointment
ceased, and it is not likely that he would have found favour or employment
from Charles the second. If we remember that the name of the Newark Song-
School Master in Blow s childhood was Hinton, we can easily understand how
gossip and rumour would transfer the credit from Hinton to Hingston.
When Blow joined the Chapel Royal, the master of the children was
Captain Henry Cooke, a man in high favour at Court, not only on account
of his musical ability, but also in regard to his faithful services as a soldier
fighting on behalf of King Charles the First. Possibly during Cooke's military
service, he may have been quartered -at Newark-on-Trent, and so become
acquainted with the Blow family. Captain Cooke hold the appointment of
-Composer of the King's private music for voices", and was also Marshal
of the ^Corporation of Musicians" of Westminster — he composed numerous
anthems, and also special music for the Coronation of Charles the Second
in April 1661. Cooke and Blow were therefore associated as master and
pupil from 1660; subsequently Blow received instruction from Christopher
Gibbons, as is recorded on Blow's monument, where we read "he was scholar
to the excellent musician Dr. Christopher Gibbons". Captain Cooke was
no organist; Gibbons was an expert; we may be certain that it was organ-
playing Blow learnt from the latter.
424 W. H. Cummings, Dr. John Blow.
I have referred to the three anthems by Blow which are contained in the
Rev. James Clifford's book published in 1663. Shortly afterward, in 1665,
we find Blow collaborating with his fellow choristers Pelham Humphries and
Turner in the composition of an anthem UI will always give thanks". This
probably was intended as a solemn recognition of their happy association
as choristers: the music afterward came to be known as the "Club An-
them".
Under the date August the 21st 1667, we find in "Pepys's Diary" an
amusing note which must have had reference to Blow. Pepys wrote "This
morning came two of Captain Cooke's boys, whose voices are broke, and
are gone from the Chapel, but have extraordinary skill: and they and my
boy, with his broken voice, did sing three parts: their names were Blaew
and Loggings: but notwithstanding their skill, yet to hear them sing with
their broken voices, which they could not command to keep in tune, would
make a man mad, so bad it was". There cannot be much doubt that this
reference was to John Blow, although Pepys has mis-spelt the name; we know
that spelling was not a strong point with seventeenth century folk, and Pepys
was no better than his neighbours in regard to that matter. Blow would
then have been 19 years of age, and had doubtless used his treble voice
with vigour and en thus i am, probably longer than was good for it — the effect
of three broken voices in concert must indeed have been somewhat trying,
and we can well appreciate Pepys's approach to madness. A good many years
later, at the Coronation of James the Second in 1685, Blow is recorded to
have been included amongst the basses of the choir, but we cannot be sure
that even then he possessed «n angelic voice. Child and Purcell were associated
with him at that ceremony, they also were organists, — whether Child could
sing we do not know, but Purcell is known to have made his mark as an
expert alto or counter-tenor vocalist.
In 1669, Albertus Bryne, the organist of Westminster Abbey, died, and
was succeeded by Blow. In March 1674 Pelham Humphries died, and Blow
was sworn in his place as a Gentleman of the Chapel B-oyal, and in July
following he was appointed "Master of the children of the Chapel". These
advancements in his professional career emboldened him to enter the state
of matrimony, and in September 1674 he was married at St. Paul's Church,
Co vent Garden, to Elizabeth Brad dock, whose father was Clerk of the Cheque
of the Chapel Royal and a Lay-vicar of Westminster Abbey. The marriage
license reads thus: — "Blow, John of St. Margaret Westminster. Gent. Bachelor.
about 26, and Elizabeth Braddocke of the same, Spinster about 20. Consent
of father Edward Braddocke Gent."; dated 23 Sept. 1674.
We now come to a matter which has excited much discussion, but in
regard to which no decisive evidence has been produced; I refer to Blow's
degree of Doctor in Mumc. Hawkins, Burney and others have asserted
that the distinction was conferred on Blow by the archbishop of Canterbury,
Sancroft. But that is a mistake! — the true facts are to be found in the
"Faculty Book" in I.ambeth Palace, in which are recorded the Lambeth
degrees; — there we find an entry dated the 10th of December 1677 which
reads, "John Blow, of Newark, Mus. Doc.'' This record is of double value
as it not only establishes the origin of Blow's degree, but it also proves
that Dr. John Blow came from Newark. It is somewhat remarkable that
the place of Blow's origin should have been mentioned, I think it was quite
W. H. Cummings, Dr. John Blow. 425
an exceptional entry to make. The degree was not conferred by the Arch-
bishop of Canterbury ; that was not possible, for the See was vacant; Sheldon
the late Archbishop had died on the 9th of November 1677, and as a suc-
cessor had not been appointed, it fell to the lot of the Dean of Canterbury,
Tillotson, to act — the "Faculty Book" notes the fact "Sede vacante". It
is further interesting to observe that the Rev. James Clifford, the author of
the Anthem word-book, previously mentioned received a degree from Dean
Tillotson the day after Blow had been made a Doctor in music. In the "Faculty
Book" Clifford is described as "Succentor of St. Paul's Cathedral"; this I
think has not been otherwise recorded.
Blow appears by this time to have been in an excellent position as
regards wordly goods; the Act book of Westminster Abbey under the date
November 23 rd 1678 has a minute, "Ordered that two leases be made to
Dr. Blow, of Tenements in Atkins Alley in the Sanctuary, for the residue
of the term therein to come, of a lease lately made to Mr. Rashleigh".
Nine years later on April 30 th 1687 another lease was granted him of "Tene-
ments in the Sanctuary for forty years". We may note Blow's generous and
unselfish nature which induced him to act in an unprecedented manner in
1680, — when he resigned the appointment of organist of Westminster
Abbey in favour of his gifted pupil Henry Furcell; and again some thirteen
years later when he vacated the honourable post of "Almoner and master
of the boys of St. Paul's Cathedral" in order that another pupil, Jeremiah
Clarke, might receive the preferment. No wonder Blow was beloved by his
pupils and respected by all who knew him.
In 1684 we find Blow engaged by Father Smith the organ builder to
perform on his new organ in the Temple Church; his colleague was Henry
Pur cell, and doubtless it was owing to their advanced methods of modulation
in composition that Smith was induced to make two extra notes in each
octave of the key board — thereby making D sharp and E flat distinct sounds,
and G sharp and A flat also separate sounds. It will be remembered that
Baptiste Draghi, the organist of the Queen, was engaged by Harris to play
on his competing organ, and that finally by the fiat of the notorious Judge
Jeffries, Smith's organ was accepted and Harris's rejected. Blow was also
associated with the construction and approval of the Smith organ made for
the New Cathedral of St. Paul, London.
Of Blow's appearance, Hawkins in his 'History of music' says "he was a
very handsome man in his person, and remarkable for a gravity and decency
in his deportment, suited to his station, though he seems by some of his
compositions to have been not altogether invincible to the delights of a con-
vivial hour. He was a man of blameless morals, and of a benevolent temper ;
but was not so insensible of his own worth to be totally free from the
imputation of pride; among Church composers he has few equals, and scarce
any superior". To this favourable testimony we can add that he must have
been a careful business man; various official documents prove this, and his
will, made and signed on the 3rd of January 1707, bequeathed to his children
and others a considerable estate in money, houses and lands. His wife had
pre-deceased him. One notable bequest is that of £ 100, with an additional
£ 10 for mourning apparel, together with rings, clothes, gowns and linen, to
his faithful servant Elizabeth Luddington.
The Bodleian library, Oxford, contains a paper dated 1685 which sets forth
426 w- H- Cummings, Dr. John Blow.
the "arrears due to Dr. John Blow, one of the musicians of Charles the 2nd:
For his Livery, due at the several feasts of St. Andrew from 1664 to 1684
each Livery X 16 20 making a total of £> 193- lO^ — ateo -more for keeping
and teaching two boys for six years JC 240 — together X, 433- 10". The last
item £ 240 for keeping two boys, requires some explanation. Blow had
already in 1674 been appointed Master of the Children, who were ten in
number, and they would of course be paid for in one account: — but
occasionally when a Chapel Royal boy's voice failed him, in consequence of
advancing years, he was retained in the establishment for a time, in order
that he might make further progress in his musical studies. Probably this
payment of £ 240 for keeping 2 boys 6 years, is an instance of the wise
and liberal provision referred to. It is unfortunate that the names of the
boys are not disclosed.
Here is an original document dated August 1686, ordering the upaymeut
to Doctor John Blow of the sum of £ 1933-6 8, being the arrears formerly
payable to Thomas Purcell, to Christmas 1684, the amount to be distributed
by him the said Dr. Blow amongst 20 of his late Majee tie's musicians who
attended in the Chapel RoyaP. — His late Majesty Charles the 2nd was not-
oriously impecunious, and it appears from this document that his successor,
James, took special care to reduce the payments of his brother's debts to
the lowest possible minimum: — here is a clause which provides for "making
bach a deduction throughout as His Majesty hath commanded in cases of
arrears''. By this arrangement Blow was paid £ 483 6-8 instead of the
amount due, £ 1933-6-8. Blow's autograph receipt for the money appears
on the document.
Here is another warrant, dated February 1691, ordering the payment of
£ 248-17-8 to Dr. John Blow, in further part payment of £ 3400 due at
Xmas 1684, upon the allowance of £ 400 p. ann. which is by him to be paid
over to the 20 musicians of the Chapel of the late king Charles the 2 ndu : —
Blow's autograph receipt is also appended to this warrant. Here is a more
interesting document signed by Charles Sackville, Earl of Dorset, who was
Lord Chamberlain of the Household, and whose memory is deservedly famous
as the author of the words of the stirring song uTo all you ladies now on
land". The paper bears a two shilling and sixpenny stamp and recites,
"These are to signifie unto yr Lordship His Majestie's pleasure that you
provide and deliver unto Dr. .John Blow, Master of the Children of his MatiM
Chapell Royal, being Tenn in number, These perticulars following for their
Liveries for this present Yeare 1696, (viz.) for each of them one Coate and
Breeches of Scarlett Cloath not exceeding y* price of King Charles y* 2d Reigne,
the coat to be Lined with Taffata, to each of them Three whole shirts, Three
halfe Shirt 8, Two Laced Bands and Cuffs and Foure plaine Bands and Cuffs,
to each of them Three pockett Hankershiifs Three paire of Gloves. Two
pieces and a halfe of Ribbon to trime each of Their Liveries and to make
Garters and Shoe strings, To each of them Two paire of Wosted Stocking
and one paire of Silke Stockins and Six paire of Shooes, and Two hatte
and hattbands. And also to each of them a Coate of Ordinary Red C -loath
Lined with Sky Coloured Shattoone to come over Theire Cloaths in Case
it should raine and all other perticulars to be provided as it was in the
Reigne of King diaries y1' 2d. And this shall be yore Lordshipps Warr1.
Given under my hand this 9 th day of October 1696 in the Eighth year of
W. H. Cummings, Dr. John Blow. 427
His Ma11*8 Rcigne. — (signed) Dorset To the Rl Honble Earle of Montagu,
Master of His Ma11**8 Great Wardrobe and to his Deputy there.
I have one other record, which shews conclusively the prosperous condition
of Blow. It is dated the 4th of August 1698 and reads thus "Received by
me John Blow by Virtue of 3 orders bearing date the 4th and 27th days
of April 1693 of Mr. Palmer, one of the Tellers of His Majesty's Receipt
of Exchequer, the Sum of Sixteen pounds four shillings and ten pence half
penny in full of all former directions of the said Order, and for half a yeare,
due Midsummer past, of Three hundred pounds by me paid into the said
receipt of Exchequer, the day of the date of the said order, upon an Act
of Parliament, (Intituled, an Act for granting to their Majesties certain rates
and duties upon Beer Ale and other liquors. — for securing certain recompenses
and advantage, in the said Act, to such Persons as shall voluntarily advance
the Sum of ten Hundred Thousand Pounds towards carrying on a Vigorous
War against France:)'' — This document is also signed by Blow.
On the death of Purcell, in November 1695, Blow was again appointed
organist of Westminster Abbey. He also succeeded him in a somewhat singular
capacity. The Bodleian Library possesses a warrant dated the 30th of
November 1695, only nine days after Purcell's death, which reads "These are
to require you to swear and admit Dr. John Blow and Mr. Bernard Smith
into the Places and Quality of Tuners of the Regal, Organs, Virginals,
Flutes and Recorders, and all other Kind of Wind instruments, in ordinary
to His Maty in the place and upon the decease of Mr. Henry Purcell, to
enjoy the said Place equally between them, and ye Longer Liver of them
to enjoy ye whole Place with all Salaries, Wages and all other Rights,
Profits, Privileges and advantages thereunto belonging in as full and ample
manner as Mr. Henry Purcell did enjoy the same, and for doing so, this
shall be your warrant. Given under my hand this 30 th day of November
1695 in y° seventh year of His MaUcs Reign, (signed.) Dorset. To ye Gent-
lemen Ushers, Dailey Waiters in Ordinary to His Matie or one of them."
I have said enough concerning Blow's career, and turn to consideration
of his claims as a composer. First I would note that on the death of his
friend and former pupil, Henry Purcell, Blow composed an Ode to his me-
mory, the words of which were written by Dryden. The work was published
in 1696, and it is difficult to say which is worse the music or the poetry,
neither is worthy of the subject or creditable to the author. Blow's music
is scored for two alto voices, two flutes, and harpsichord. A combination
sufficiently melancholy and curious. Notwithstanding the existence of this
unhappy composition we can claim for Blow exceptional honour as a com-
poser.
I am aware that Burney disparaged Blow's music, but I have for some
time past regarded the opinions set down by Burney in his history of music
with great suspicion and some want of faith. He frequently criticised music
and musicians , particularly English musicians , without adequate knowledge
of the matters he ventured to pronounce an Opinion upon. Sometimes he
misquotes examples and facts, notably in connection with Lawes, Morley,
Blow and others. Burney was born at Shrewsbury, and had not the ad-
vantage of a Cathedral training, and I suspect had heard but little of Blow's
music — when Burney migrated to London he became a pupil of Dr. Arne
who was a composer of secular and theatre music, and wholly unsympa-
428 w- H. Cummings, Dr. John Blow.
thetic to Church music. Burney for some unknown cause appears to have
nursed a grudge against Blow; for instance he cavils at the statement on
Blow 8 monument that he was master to the famous Mr. Henry Purcell, he
calls it "petty larceny" notwithstanding its absolute truth. He devotes some
six or seven pages to the abuse of Blow, although he admits, he was "an
artist celebrated and honoured by his contemporaries". Here are a few ot
Burney's accusations: he says Blow was guilty of Unwarrantable licences: —
confusion and concrudities of counterpoint — barbarous harmony — unaccount-
able millions of faults" and wonders how Dr. Boyce an excellent judge, of
known probity, could have ventured to speak of Blow's "success in cultivat-
ing an uncommon talent for modulation". — To justify .his sweeping criti-
cisms he prints four pages of specimens of Dr. Blow's crudities in music.
Those who are familiar with the state of music- printing at the end of the
17 th Century will scarce need to be reminded of the general inaccuracy of
the published page. Some of his examples are evidently misprints, one is
an error of Burney's not to be found in Blow, others regarded in the light
of modern methods of composition need no apology.
Blow's compositions are very numerous, including more than one hundred
anthems, fourteen services, and a variety of secular pieces, both vocal and
instrumental. In his music he seems to have attempted to rival his pupil
Purcell, no wonder therefore that his harmonies and progressions are not
always quite of the domestic order. The bulk of Blow's music still remains
in MS., unfortunately scattered in various collections I possess much, in-
cluding Acts, Songs, and Motetts, some with Latin Words, and in these is
to be found grand eight-part writing for voices and instruments. Naturally
in reviewing the music of Blow we turn first of all to his Anthems. There
is one which should be familiar to all frequenters of Cathedral Services.
I refer to "I beheld and Lo a great multitude", which contains one of the
most pathetic soul-moving solos ever written. The words are "These are
they which came out of great tribulation, and have washed their robes in
the blood of the Lamb". The whole anthem presents a combination of
solemn harmony and appropriate melody. It was composed about 1687 for
King James the 2nd. He had been greatly impressed and pleased with an
anthem he had heard in the Chapel Royal, which was the composition of
an Italian Master, and after hearing it the King asked Blow, if he thought
"he could make one as good". Blow very confidently replied yes!, and he
would have it ready by the following Sunday — he proved as good as his
word by producing fc,I beheld and lo". When the service was concluded,
the King sent Father Petre to tell Blow that his Majesty was greatly pleased
with the anthem, but added Father Petre, UI think it too long". Blow was
rettled by the gratuitous criticism, and instantly retorted, "that is the opinion
of one fool and I heed it not". Possibly Hawkins was thinking of this
story when he said "Blow was not so insensible of his own worth to be
totally free from the imputation of pride".
I think I have discovered the Anthem by the Italian composer which
excited the Kings admiration, and which made him challenge Blow's powers
It was "Give thanks unto the Lord" composed by Pierre Antoine Fiocco,
who was born at Venice about 1650 and became Organist of Notre Dame,
Brussels. He published some music at Antwerp in 1691. "Give thanks unto
the Lord" is for four voices with string and organ accompaniment. The copy
W. H. Cummings, Dr. John Blow. 429
I possess is in Pur cell's handwriting. If I am correct in my belief that I
have identified the anthem I can vouch for the fact that Blow's composition
is so superior that comparison is absolutely ridiculous.
The Anthem "I beheld*7 as printed in Boyce's Cathedral music provides
much food for reflection, and 1 am bound to confess, that whilst giving
Dr. Boyce credit for the great labour he must have gone through in pre-
paring manuscripts for the engraver, I cannot but regret that without note
or comment he should have dared to mutilate the compositions of disting-
uished church composers, who being dead should have been permitted to speak
in their own fashion. I have known for many years that Boyce treated
Purcell's music in a merciless fashion, but I did not suspect that he had
mis-used Blow in a like manner. I possess a very fine volume of anthems
by various composers, entirely in the handwriting of Henry Purcell; in that
volume is this anthem "I beheld and lo" ; looking at it I detected so many
readings which differ from Boyce's version that I took a copy printed by
Novello from Boyce's Cathedral music and have noted in red ink some of
the inaccuracies — I might quote the words of the anthem and say ua great
multitude". Blow composed the anthem for the Chapel Royal where there
was a string band in addition to the organ. The band had chiefly to play
ntornelli or short symphonies; — these Boyce deleted — and if that had
been all, perhaps he might have been excused; — but, in addition, he some-
times changed the notation — he altered the phrasing, and worse than all
removed a bold harmonic progression, substituting for it one with no distinct-
ive feature. It would be quite impossible for any one to appreciate what
a piece of vandalism Boyce perpetrated unless he saw it with his own eyes.
It is impossible to allow this anthem to remain in the mutilated form as at
present published. I hope therefore to get a new edition printed. It is de-
voutly to be wished that some competent musician, with time and means,
and above all a conscience, would take up the work of examining the music
to be found in Boyce's Cathedral Music, and make public the result of his
investigations. I fear the story would not redound to the credit of past
editors.
I need say no more of Blow's Sacred Music than that it is so excellent
and masterly as to deserve publication; the larger part still remains in
manuscript.
Blow only once essayed his powers in a work for the stage — that was
a masque "Venus and Adonis*" written for the entertainment of the King
Charles the 2nd. From a manuscript copy of the work in the British Museum
we learn that the King's mistress, Mary Davies, performed the part of
Venus, and that her daughter Lady Mary Tudor played and sang the part
of Cupid, — as she was created Lady Mary on the 10 Dec. 1680 the masque
must have been composed after that date; and before 1687 for then the
Lady Mary was married to Lord Derwentwater. and of course took his name.
This interesting work has been edited and published by 6. E. P. Arkwright.
There is one song in it called Cupid's lesson in which the words are spelt
letter by letter in a very humorous manner. Modern instances of similar
character will readily recur. Blow composed numerous Odes for the New
Year and also for St. Cecilia's day. In 1700 he published a collection of
Songs and Duetts under the title "Amphion Anglicus" — no doubt he made
this essay in consequence of the great success of Purcell's u Orpheus Britan-
430 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's »Entfflhning« usw.
nicus", first published in 1698 and of which three editions were issued, the
last in 1721. Blow's Amphion only ran through one edition, and is now
somewhat scarce. In the "Amphion Anglicus", Blow very ingenuously says in
the dedicatory preface "to Her Royal Highness the Princess Ann of Denmark",
"lest a work of this nature, tho' perhaps not blameable in itself, either for
the matter, or the manner of it should however seem to fall below what is
due to Your Royal Highnesses Greatness of Mind, and consummate Vertue:
Give me leave Madame, to tell you, I am preparing, as fast as I can, to
make some amends for this, by a Second Musical Present, upon Arguments
incomparably better. I mean my Church Services, and Divine Compositions^.
He was quite correct in his own estimation of his works, nevertheless
amongst the very many songs he composed, there are some gems which are
worthy of resuscitation and performance.
Much of Blow's secular music appears to have been made to display his
contrapuntal skill. A specimen of the kind is the Duet "Go perjur'd man1",
which became very famous immediately after its production. Hawkins gives
the history of its composition. He says Charles the 2nd "admired very much
a little duet of Carissimi to the words k I lite o del? and asked of Blow, if
he could imitate it. Blow modestly answered he would try, and composed
in the same measure, and the same key of D with a minor third, that fine
song Go perjured man, known to very Englishman conversant in music".
A comparison of the two compositions by Carissimi and Blow compels one
to say that Blow surpassed his model. The earliest printed copy of this
duet which I know of is to be found in the u Theater of Music" 1687. There
it appears for two voices, alto and bass, with a cembalo bass accompani-
ment. Blow afterward published it in the "Amphion Anglicus" with in depen-
dant violin parts added; but although these are very ingenious I do not
think them an improvement.
Quellenstudien zu Mozart's >Entfiihrimg aus dem Serailc
Ein Beitrag zu der Geschichte der Tiirkenoper.
Von
Walter Preibisch
(Halle a. S.).
Ober Mozart's »Pigaro<, »Don Giovanni*, >Zauberfl6te< beeitzen wir langst
eingehende Quellenuntersuchungen. Sie stellen das Verhaltnis des Komponisten
zu seinen V organ gem dar und geben una Nachrichten fiber den Anschauungskreis.
dem die Werke entstammen. Dagegen fehlen noch Untersuchungen fiber den
St off der >Entffihrung«. Die Mozartbiographen vermogen darfiber keine Auskunft
zu geben, selbst Otto Jahn, von dem man am ehesten Aufklarung erwarten sollte.
versagt an dieser Stelle. Er verbreitet sich nur ganz im allgemeinen fiber das
deutsche Singspiel und geht dann, ohne sich auf Stficke von ahnlichem Charakter
wie die >Entftlhrung« einzulaseen, auf diese selbst ein.
- Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfuhrung« usw. 431
Die Gluckbiographie von Marx1) gibt uds wenigstens beilaufige Andeutungcn
iiber die Existenz anderer Tiirkenopern gelegentlich der Besprechung von La
Rencontre imprevue, aber iiber Gluck hinaus hat niemand die Frage verfolgt. Und
doch liegt die Frage sehr nahe: Wie kam Bretzner zu seinem Tezte? Er war ja
durchau8 kein Originalgenie und auCerdem keineswegs gesonnen, seinem Publi-
kum etwas vdllig Neues zu bieten. Seine Absicht war vielmehr nur, einen Sing-
spieltext zu liefern, der fur sein Publikum leicht verstandlich war und der es in
be re its bekannte Spharen fiihrte.
Die Wahl eines ttirkischen Sujets beweist, daC Bretzner sein Publikum und
dessen Geschmack kannte. Denn die Turkenoper hat sich Beit Alters her seiner
besonderen Gunst zu erfreuen gehabt. Wenn im folgenden auf die Geschichte
dieser Gattung etwas naher eingegangen wird, so geschieht dies nicht etwa in
der Absicht, ein vollstandiges Verzeichnis aller Tiirkenopern zu geben, sondern
es sollen nur diejenigen herausgegriffen werden, die der Bretznerschen Dichtung
den einen oder anderen Zug geliehen haben. Dabei wird es denn am Anfang
notwendig sein, den Rahmen der Operngeschichte zu verlassen und auf das Ge-
biet der Literaturgeschichte uberzugreifen. Denn hier lauft, wie z. B. Goldoni
beweist, eine parallele Bewegung her, die die Opernlibretti6tik zu Zeiten sehr
nachbaltig beeinfluBt hat.
Es unterliegt keinem Zweifel, dafl die Kreuzziige uns die ersten ttirki-
schen Stoffe vermittelt haben. Eine weitere Zufuhr erfolgte durch die um-
fangreichen Handelsbeziehungen der groBen italienischen Stadte wie Venedig
und Neapel mit dem Orient. Die Tiirken machten im Verkehr mit den
Italienern diese auch mit ihren Gebrauchen und Verhaltnissen bekannt, und
die Manner im hohen Turban, in ihrer eigentumlichen Kleidung, mit ihren
merkwiirdigen Sitten, die von den europaischen so ganz abweichen, mogen den
spottlustigen Italienern Grund genug gegeben haben, sich iiber sie lustig zu
machen. (lefahrlich wurden die Osmanen erst, als ihre seerauberischen
Scharen die italienischen Kiisten heimsuchten 2). Nichts war naturlicher,
als daft sich diese Verhaltnisse auch in der Literatur der damaligen Zeit
widerspiegelten.
Italienisches Schauspiel und Opera seria.
Schon im Jahre 1619, also nur 25 Jahre nach der Begriindung der
florentinischen Oper, schrieb Prospero Bonarelli3) einen Bolivian 7 ein
Drama mit den fur die damalige Zeit charakteristischen Grundzugen, eine
mit lntrigen reichlich durchsetzte Staatsaktion mit der beliebten Erkennungs-
8zene :
Eine Sultanin will ihren Stiefsohn vernichten, urn ihrem naturlicben Sohne
das Reich zu erhalten, aber im letzten Augenblick erkennt sie, daft man ihren
leiblichen Sohn zu Tode fiihrt, worauf sie sich durch Gift totet.
Das Hauptmotiv, das Streben der Stiefmutter, dem natiirlichen Sohne
die Thronfolge zu retten, fin den wir spater in dem beruhmten Soliman von
Migliavacca-Hasse wieder.
lj A. B. Marx, Gluck und die Oper, 1863, 1, S. 272.
2) Kretz8chmar in Vierteljahrsschrift fur Musikwissenschaft, Band 8.
3) Wieae, Gesch. der ital. Literatur 1898—99, S. 426 und Napoti-Signo-
relli, Krit. Geschichte dee Theaters, deutsch ubersetzt, Bern 1783. II, S. 62.
432 Walter Preibisch, Quellenstndien zu Mozart's >Entffihrung« ntw.
Von dem Bonarelli'schen Solitnan existiert ein Faksimile des Titelblattes,
welches die Widmung des "Werkes an den Grofiherzog von Toskana enthalt,
ferner eine An sich t von der Szenerie des ersten Aktes1'.
Die funiziger Jahre des 18. Jahrhunderts bescheren nns drei orientaliscbe
Stucke ans der Feder Goldoni's. Der Schauplatz der Handlung ist eigent-
lich Persien, indessen machte man in der damaligen Zeit zwischen Persern
nnd Turken anf dem Theater keinen Unterschied. Das zeigt die haufige
Verwendung derselben Namen fur die Angehorigen beider Nationen nnd
die IJbertragnng turkischer Yerhaltnisse auf die peroischen.
Die drei Goldonistucke sind eine Art von Trilogie, da sie das Schicksal
einer und derselben Person weiter verfolgen, doch war von dem Dichter
keine Trilogie beabsichtigt, sondern der Beifali, den das Publikum der Heldin
des ersten Stuckes gezollt hatte, veranlafite ihn, sie znm Mittelpunkte
weiterer Dramen zu machen2).
Das erste der Stucke ist betitelt La Sposa Persiana. Die Datierung
der drei Komodien bei Wiese3) stimmt nicht zu Goldoni's eigenen Angaben.
Nach "Wiese stammt die Sposa Persiana ans dem Jahre 1753, Ircana m Julfa
aus dem Jahre 1756 und Ircana in Ispahan ans demselben Jahre. Gol-
doni4) sagt selbst:
>Dieses dritte persische Lustspiel (Jreana in Ispahan erschien erst ein Jahr
nach dem zweiten und drei Jahre nach dem ersten auf der Buhne«.
Die Sposa Persiana ist nach Riemann5) anch im Jahre 1775 als Oper
von Fel. Alessandri in London behandelt worden. In demselben Jahre
wnrde die Oper auch in Yenedig im Teatro San Samuele mit Balletten von
Onorato Vigano aufgefuhrt6).
Der Inhalt der Sposa Persiana ist folgender:
Thamas, der Sohn des reichen Machmut, hat eine Geliebte Ircana oder Hir-
cana, eine zirkassische Sklavin, sein Vater hat ihn aber einem ihm noch unbe-
kannten Madchen Fatima, der Tochter eines hohen Offiziers, zum Gemahl bestimmt.
Die stolze Ircana will sich auf keinen Fall mit einem anderen Madchen in dea
Besitz dee Thamas teilen, so entstehen durch Ircanas Eifersucht die schlimmstea
Verwicklungen. Fatima ist ein edles, selbstloses Madchen, das Thamas zwar nicht
liebt, der er aber wegen ihres Edelmutes seine Achtung nicht versagen kasn.
Als Fatimas Vater Osman wegen der Yernachlassigung. die seine Tochter fort-
gee etzt in Machmuts Hause erfahrt, mit Thamas in Streit gerat. stfirst *ich Fatima
zwischen die E&mpfenden und verpflichtet sich Thamas anfs neue. dem der Eampf
sicher das Leben gekostet hatte.
Die eifersfichtige Ircana will den Geliebten tSten , wiederum wird der tot-
bringende Streich durch Fatima aufgehalten. Ircana fallt als Sklavin in Fatima!
Hande. Diese schenkt ihr in ihrer GroOmut die Freiheit, aber in diesem Augen-
blick fflhlt Ircana die gauze Oberlegenheit der Nebenbuhlerin, stdfit einen Scbrei
der Wut aus und entfernt sich, als wolle sie sich ein Leid antun. Thamas. fiber-
waltigt von Fatimas Gfite, umarmt seine Braut — das Stuck schlieGt.
1) Wotquenne, Catalogue de la Bibliotheque dn Conservatoire etc. S. 132.
2; Goldoni fiber sich selbst, fibers, v. G. Schatz 1788. II. S. 171 ff.
3 Wiese, a. a. 0. S. 479.
4) Goldoni fiber sich selbst, a. a. 0. II, S. 191.
5. Riemann, Opernhandbuch 1887.
6; T. Wiel, / teatri musicali tenexiani . . . 1897, S. 313.
Walter Pre ibiech, Quellenstudien zu Mozart's »Entfubrung« usw. 433
Wir haben einen hochdramatischen StofF vor uns, der Abschlufi vermag
freilich nicht zu befriedigen, da wir uber das Geschick der Heldin keine
Klarheit bekommen. Das orientalische Kolorit ist gut getroffen. Es ist von
Interesse, dafi Goldoni das Werk nennt, aus dem er seine Kenntnis der
orientalische n Yerhaltnisse bezogen hat. Wahrscheinlich haben es auch
andere Yerfasser von Turkenstiicken benutzt. Goldoni *) sagt :
>Ich hatte Salmons aus dem Engliscben in das Italieniscbe ubersetzte Geschichte
der neueren Nationen durchlaufen. Hier fand ich freilich nicht die Fabel, die
den Inhalt des Stuckes, das ich verfertigen wollte, ausmacht: allein dieses unter-
richtende, genaue und interessante Bach unterrichtete mich doch von den Gesetzen,
Sitten und Gebr&uchen der Perser, und nach diesen Nachrichten des engliscben
Schriftstellers richtete ich mein Stuck ein, das den Tit el: La Sposa Persiana, die
persische Braut. erhielt*.
Dieses Stiick ist fiir uns deshalb von Interesse, weil es mit dem spater
zu behandelnden engliscben Stucke The Sultan or a Peep into the Seraglio
nahe verwandt ist, dessen Osminfigur uns direkt in das deutscbe Singspiel
weist.
Die erste Fortsetzung des Stuckes, Ircana in Julfa, laflt das Madchen
in dieser Stadt die merkwiirdigsten Schicksale erleiden.
Noch gehttrt ihm in Wirklichkeit das Herz des Thamas. Fatima ist trostlos
darfiber, daft es ihr nicht gelungen ist, des Gatten Herz zu gewinnen und sehnt
sich nach dem Tode. AH, der Vertraute des Thaman, findet eine Befreiung aus
diesen unglucklichen Verhaltnissen. Man will beide Frauen zufriedenstellen. Die
Ehe zwischen Fatima und Thamas soil gelttst werden, Thamas soil die Zirkassierin
heirateo. er selbst will Fatima zum Weibe nehmen. Man geht auf seinen Vor-
schlag ein; beide Teile sind befriedigt.
Die Handlung dieses Stuckes mufi in Yerbindung mit dem dritten Gol-
donischen Stiick: Ircana m Ispahan betrachtet werden.
Machmut hat seinen undankbaren Sohn Thamas enterbt, der ihm so viele Un-
gelegenheiten bereitet hat. Dieser ist mit Ircana verbannt worden. Machmut
tritt den Weg in das Exil seines Sohnes an, um diesen zu zuchtigen. Der empOrte
Vater trifft auf Ircana, die den Geliebten vor Machmut versteckt. Sie erzahlt dem
Alten, dafi Thamas, weil sein Yater ihn verstofien hatte, sein Leben freiwillig ge-
endet habe. Das Madchen geht mit diplomatischer Schlauheit zu Werke, und als
sie in Machmut Mitleid fur das Schicksal seines Sohnes erregt hat, erklart sie,
dafi dieser noch lebe und fuhrt ihm den Totgeglaubten vor. Der Vater ist so
geruhrt, dafi er gern Verzeihung gewahrt. Als Herrin in des Thamas Haus fuhrt
Ircana mit dem Geliebten ein gluckliches Leben, auch Osman, der die Ehe Fatima's
nicht gebilligt hatte, wird zur Zustimmung gezwungen. So endigt alles glucklich.
Die Bedeutung dieses Stuckes fiir uns liegt in seiner nahen Beziehung
zu dem erst ein paar Jahre vorher erschienenen Migliavacca-Hasse'schen
Soliman. In dem Yerhalten des machtigen Fersers Machmut zu sein em
Sonne Thamas erkennen wir die Stellung des Sultans Soliman zu seinem
Sohne Selim wieder. Wie bei Migliavacca-Hasse tritt auch hier der Yater
emport auf gegen den undankbaren Sohn; als es aber heifit, dafi dieser tot
sei, wird der Yater von heftigen Gewissensbissen geplagt und mufl sich von
1} Goldoni uber sich selbst, a. a. 0. II, S. 171.
434 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart'H »Entfuhruiig« usw.
der Geliebteu seines Kindes harte Vorwiirfe gefallen lasaen, ganz genau wie
bei Hasse, wo N arse a dem grausamen Vater wegen seiner Unmenechlicbkeit
Vorstellungen macht.
Unter die zeitlicb friihesten Turkenopern gebort ein Stoff, in dessen
Mittelpunkt der Tiirkenkaiser Bajazet (1347 — 1403) stebt. Zwei im Cha-
rakter einander entgegengesetzte Helden stehen sich gegenuber, der AVfiterich
Tamerlan und der Dulder Bajazet. Aucb bier tritt der weibliche Teil dei
Liebespaares, wie bei Goldoni and bei Migliavacca-Hasse, dem Tyrannen
iiberlegen gegenuber.
Das Libretto bat den Grafen Agostino 1'jovene zum Verfasser. £•
liegt eine ganze Anzabl von musikaliscben Bearbeitungen dieses Stoffes vor,
welcbe das Interesse fur die Tiirkenstucke deutlich bekunden. Zum ersten
Male taucbt das Stuck in Yenedig mit der Musik von Marc Antonio Ziani
1689 auf. 1m Jabre 1706 wurde das Werk in der Kompositiou von Ales-
sandro Scarlatti1) unter dem Titel II gran Tamerlano in Pratolino bei
Florenz aufgefiihrt. Scbon nacb vier Jahren betrat ein nener Komponist
des Stoffes den Schauplatz, Francesco Gasparini3), der das Stiick als
Tamerlano ^ Tragedia per musica, 1710 im Tcutro San Cassiano zu Venedig
zur Darstellung bracbte. Riemann3) gibt ferner noch Auffuhrungen des
Gasparini'schen Bajazet aus den Jabren 1716 in Udine, 1717 in Mass*,
1719 und 1723 in Venedig an. Die Auffiihrung von 1723 verzeichnet auch
Wiel4, damals wurde das Stiick im Teatro San Samude gespielt. In dem
Personenverzeichnis fehlt diesmal die Figur des Leone.
Jm Jahre 1722 wurde der Bajaxette o Tamerlano mit der Musik von
Leonardo Leo* aufgefiihrt. Das Stiick wurde nacb der Umarbeitung des
Librettos durcb Bernardo Sabdumene von Leonardo Leo in Musik gesetzt.
Giacomo Leo'1: schildert die textlicbe Umarbeitung des Sabdumrnc und die
inusikalische Bebandlnng des Leonardo Leo naher.
Er ziebt das Libretto, das in Neapel und Bologna liegt, heran und kon-
statiert:
1. Che il SaMumene, diminuendo molie case, aceomodo i rccilativi, ri feet U
seme buffe c tutU fe arie di nuovo ad eceexione di cinque* otic quali per comodiA
degli artisti fu consercata la musica dei cotnpositori anterior i Oasparini?)
2. Che il Leo musico tutti i rccitativi1 le scene buffe e le arie segnaie nei libretto.
Non r'e dubbio percio che i primi saggi del Leo nel yenerc buffo, in cui tanto teppe
eccellere, si trovano nelle scene buffo del Bajaxette \ 13a del I atto, 2a del II e 7a del III,
le quali, applaud lie nrt 1722 prima a Palatxo Reale e poscia al S. Bartolomeo, furom
forieri dei piu splendid i trioyifi, che seppr con-seguirc nelle sue comtnedie e special men**
nell Amor vuol sofferrnz*.
Hier baben wir also eiue Durcbsetzung des Bajazetstoffes mit komischeo
Elementen.
Nacb Leo ist der Bajazetstoff 1724 von keinem geringeren als Handel
1) Sammelbande der IMG. IV, S. 152.
2; Wiel, a. a. 0., S. 26.
3} Opernhandbuch.
4; Wiel, a. a. 0., S. 7G
o Giac. Leo, Leonardo l^eo, tnusicista del tfcc*i" VI 7//, 1905, S. 50.
H Giac. Leo, a. a. 0., S. 50 und 51.
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfahrung« asw. 435
bearbeitet worden. Als besondere Glanznummern fuhrt Chrysander1) das
Duett im 3. Akt zwischen Bajazets Tochter Asteria und ihrem Geliebten
Andronico an, ferner das Terzett zwischen Asteria, Tamerlan und Bajazet
gegen Ende des zweiten Aktes, das als »musikalisch wie deklamatorisch gleich
schon und bedeutend, ein vollkommenes Muster seiner Art« bezeichnet wird.
Vor allem macht Chrysander auf die tragische SchluGszene aufmerksam, die
er >eins der groBten Meisterstiicke in Handels Opera* nennt, und von der
er erkl'art, daC sie an dramatischer Gewalt die Gluck'scheu Rezitative uberrage.
Mit der Musik von Andrea Bernasconi2) erlebte der Tamerlan 1742
im Teatro Grisostomo in Venedig eine Auffiihrung in Verbindung mit Balletten
von Gius. Salamon aus Wien. Das Fersonenverzeichnis ist um einige
Namen vermehrt, auBer Bajazet, Tamerlan, Irene, Andronico treten Clearco
und Mirteno auf.
Den Bajazetstoff hat in dem fur die Ttirkenopern durch Erscheinen des
Hasse'schen Soliman so wichtigen Jahre 1753 auch Jo mm ell i?) behandelt.
Er verfaBte ihn fiir Turin. Die Person en sind Bajazet, Tamerlano, Andro-
nico, Leone, Asteria, Irene. Das beste Stuck ist wie bei Handel die
SchluGszene.
Auch das folgende Jahr brachte wieder eine Neubehandlung des Stoffes
und zwar durch Gioachino Cocchi4), die Musik des dritten Aktes ist von
Pescetti. In dieser Fassung ist der Bajazette 1754 im Teatro San Samuele
mit Balletten von Andrea Cattaneo iiber die Bretter gegangen. # An Stelle
des Clearco und Mirteno erscheint in dem Yerzeichnis der Personen ein
Rusteno. Zehn Jahre spater, also im Jahre 1764, brachte Sarti6) einen
Bajazette auf die Buhne, der in Kopenhagen in Szene ging. 1765, also
ein Jahr spater, fand der Stoff einen Bearbeiter in Pietro Guglielmi6).
Diese Auffiihrung erfolgte im Teatro San Salvatore, das erste eingelegte Bal-
lett La forza dell1 amove riihrt von J. B. Martin her.
Riemann'8 Opemhandbuch macht noch Bearbeitungen des Stoffes durch fol-
gende Komponisten nam haft: Fort. Chelleri in Treviso 1720, Giov. Ant. Nini,
Turin ca. 1728, Nic. Ant. Porpora, Dresden 1730, Ant. Vivaldi, Verona 1735,
Scolari, Mai land ca. 1764, Ant. Maria Gasp. Sacchini, London 1773.
Zu den fruhesten Tiirkenopern in Italien gehort ein im Jahre 1730 auf-
gefiihrtes Stiick, das Selim gran signor dei Turchi1) betitelt ist. Der Kom-
ponist ist unbekannt, der Dichter ist Antonio Lu echini. Die Auffiihrung
fand im Teatro San Margherita in Venedig statt. Zusammen mit diesem
Stiick wurde das Intermezzo Ircano innamorato zur Darstellung gebracht.
Das fur die folgende Produktion von Tiirkenstiicken bedeutendste und
einfluBreichste Werk ist der schon wiederholt genannte Soliman9) 1753, Text
von Migliavacca, Musik von Johann Adolf Hasse.
Hasse's Oper gehort einer Zeit an, da sein Ruf als des ftihrenden Mannes
1) Chrysander, G.F.Handel, Leipzig 1860, II, 124ff.
2) Wiel, a. a. 0., S. 138.
3) H. Abert, Nic. Jommelli als Opernkomponist 1908, S. 3.
4 Wiel, a. a. 0., S. 197.
5) Sammelbande der IMG. Ill, 533.
6) Wiel, a. a. 0., S. 258.
7) Wiel, a. a. 0., S. 102.
8) Benutzt: Partitur aus der konigl. Bibl. za Dresden.
8. d. IMG. X. 29
436 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's »Entfuhrungc usw.
auf dem Gebiete der Oper bereits langst feststand. Er hat aufier dem > Soli-
man* keinen tiirkischen Stoff mehr komponiert, doch genugte diese eine
Schopfung, um der Entwicklung der Tiirkenoper eine neue Wendung zu
gebeu. Ja, seine Behandlung ist fur die spateren Werke geradezu typisch
geworden. Das Snjet bringt die Idee zur Darstellung, daft treue, aufopfe-
rungs voile Liebe ihres endlichen Lohnes gewiB sein kann. Es ist eine der
Lieblingsideen der neapolitanischen Libretti, die besonders bei Metastasio,
z. B. im Demofontc, ofters wiederkehrt.
Die HauptbandluDg des Stuckes gruppiert sich um das Liebespaar Selim and
Narsea. Selim, der Sohn Solimans aus erster Ehe, ist ausgeschickt, um den Per-
serkdnig Tacmante gefangenzunehmen und inn und sein Reich zu vernichten.
Die persischen Kttnigstttchter, Narsea und Elmira, sind ale Geiseln in turkische
Hande gekommen. Die Liebe zu Narsea hat Selim veranlaBt, den Perserkonig
der schon in seiner Gewalt war, freizugeben. In diesem Ungehorsam gegenllber
Soliman oder mit andern Worten, in seiner Liebe zu Narsea, liegt Selims Ver-
brechen. Gegen den ungehorsamen Prinzen intrigiert am tGrkischen Hofe der
GroBvezier Rusteno im Bunde mit Selims Stief mutter Roxelana, die alles aufbietet
um ihrem natfirlichen Sohne Osmin die Thronfolge zu sichern. In der Umgebung
des Sultans ist nur Selims Stiefbruder Osmin und der Feldherr Acomate Selims
Freund. Als es der Gegenpartei gelungen ist, bei Soliman das Todesurteil gegen
Selim zu erwirken, l&Bt sich Acomate unter dem 'Vor wand, die Bestrafung Selims
vornehmen zu wollen, nach dem Lager schicken, in Wirklichkeit betreibt er Selims
Rettung. Ein Selim ergebener Sklave hat darum gebeten, an seines Herren Stelle
den Tod erleiden zu durfen. Der Hof wird benachrichtigt, daB Selim getdtet
worden sei. Der Vater wird nunmehr yon den qualendsten Gewissensbissen, viel-
leicht zu streng gegen den Sohn verfabren zu sein, geplagt. Narsea uberhauft
ihn mit den heftigsten Anklagen. Osmin hat schon vorher in groBer Selbstlosig-
keit erklart, daB er keinesfalls den Thron annehmen werde, der seinem Brader
gebuhre. Es stellt sich heraus, daB das Schriftsttick, dessen sich Rusteno bedient
hat, um den Yerrat Selims zu beweisen, von dem GroBvezier selbst gefalscht ist
Da kommt aus dem Lager die Eunde, daB Selim noch am Leben sei. Das Heer
habe sich zu seinen Gunsten empOrt, um seine Straflosigkeit durchzusetzen. Ge-
ruhrt zieht Soliman den vor ihm erscheinenden Selim an sein Herz and bedauert
aufs tiefste, so grausam gegen ihn verfahren zu sein. Die ubergroBe hingebende
Liebe Narseas und Selims macht auf alle Anwesenden groBen Eindruck. Der Sal-
tan gibt zu der Hocbzeit der Liebenden freudig seine Einwilligung. Der Scharke
Rusteno erhalt unverdientermaBen die Freibeit.
Dank der unbestrittenen Fiihrerstellung Basse's auf dem Gebiete der
Oper ist dieses "Werk das Prototyp fur alle spateren Turkenopern geworden.
Seine uberragende Stellung den friiheren Yersuchen gegen liber besteht darin,
daB in den ernsten Turkenopern von jetzt an nicht mehr bloB auf den Effekt,
auf den rein sinnlichen Reiz des Exotischen, hingearbeitet wird, sondern auf
dramatische Charakteristik. Dem "Werke ein auBeres exotisches Gewand xn
geben, hat sich auch Hasse nicht entgehen lassen, aber er ordnet es jenem
hoheren Prinzip unter. Mag der Text auch alle jene Mangel aufweisen,
die das Zeitalter Metastases im allgemeinen an sich tragt, vor allem die
IJbertreibung in der Charakterschilderung, so groB waren die Fehler doch
nicht, daB sie nicht dem Komponisten Gelegenheit zur Schopfung echt dra-
matischer Charaktere gegeben hatten. Gestalten wie Soliman, Rusteno und
das Paar Narsea und Selim lassen sich durch die ganzen folgenden Turkeo-
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfuhrung« usw. 437
opern verfolgen: Der groBmtitige Soliman wirkt noch im Bassa Selim, der
fanatisch wilde Rusteno im Osmin der >Entfuhrung« nach. Auch der
Wettstreit der Liebenden, fur einander sterben zu wollen, findet sich spater
da und dort wieder.
Die Mittel, dereu sich Hasse bedient, sind die Ublichen der neapolitani-
Bchen Oper, Arieu, Reeitativo secco und accompagnato, dazu noch ein Chor,
der deshalb wichtig ist, weil er den Meister auf franzosischen Spuren zeigt
1, 6) und weil er einen ganz ausgesprochenen Zweck, den der tiirkischen
Milieuschilderung, verfolgt.
Diesem Zwecke dient auch die Instrumentation. Wir fin den Bias- und
Schlaginstrumente, sogenannte Timpani turchesi, wie sie fur die Tiirkenstucke
oft besonders angefertigt wurden.
Das Hauptmotiv des Janitscharenchores bei Hasse lautet:
mws=i=^m3EEi=<£i--u i r j - n
Zwei Orchester stehen sich gegeniiber, das eine das richtige Theaterorchester
vor der Biihne, das andere auf derselben von den Janitscharen gebildet.
Dazu kommt der vierstimmige Chor, in welchem die Stimmen mit einer ge-
wissen Freiheit gefuhrt werden.
Die dramatischen Hohepunkte des Soliman liegen im Reeitativo accompag-
nato (II, 3, 4, 7, 8, 10 und III, 6, 7). Die Charakteristik fallt den Arien
zu. Die musikalischen Figuren, mit denen Hasse die leidenschaftliche Auf-
wallung Osmin s bei den Yerleumdungen Rustenos begleitet, haben Ahnlichkeit
mit den Figuren, mit welchen Stegmann in seinem Kaufmann von Smyrna
den Sklavenhandler Kaled charakterisiert.
Der Meister in der Kunst musikalischer Seelenmalerei tritt uns auf Schritt
und Tritt entgegen. Am besten ist textlich und musikalisch der Bosewicht
Rusteno geschildert. Er hat nur eine Arie (I, 5), aber sie ist von zwingen-
der Charakterisierungskunst. Gleich bei dem Hauptmotiv stent das Bild des
fanatischen Tlirken vor uns:
ii^^^^i^^^^
Dieser grausame, hinterlistige Schurke, zu dessen Charakteristik Hasse
die allerschwarzesten Farben aufgetragen hat, ohne ihm irgendwelche mil-
dernden Ziige zu geben, erschien den spottlustigen Italienern die zur Kari-
katur geeignete Person. Hier fanden die Komponisten der opera buffa eine
vortreffliche Gelegenheit, die IJbertreibungen der opera seria lacherlich zti
machen und sich in bewuBten Gegensatz zu dieser Gattung zu stellen. Man
gab dem wild fanatischen Orientalen zu seiner Grausamkeit und Hinterlist
noch Ziige, die ihn zur komischen Person stempeln, und hat so einen Ver-
treter des GroGtiirken herausgestaltet, der bald Gripon, Omar, Albumazar,
meistens aber Osmin genannt wird.
Unter den zahlreichen Bearbeitungen des Soliman stofifes, die der Hasse -
schen Komposition folgten, ist noch aus demselben Jahre die Komposition
29*
438 Walter Preibiech, Qnellenstudien zu Mozart's »Entfuhnmg«
yon Fischietti1 zu Deunen. Dieses TTerk ist in Venedig im Theater San
Moist in Szene gegangen, die eingelegten Ballette ruhrten von Francesco
Nadi her.
Im Jahre 1762 erschien ein Soli man von dem Kapellmeister Schwan-
berger3) in Braunschweig3;. Die Komposition halt sich ganz in den italie-
nischen Form en, die Musik ist seicht nnd farblos. auch wird kein Wert
darauf gelegt, das Lokalkolorit musik alisch zu treffen.
Das Jahr 1766 bringt einen Soliman von Greg. Sciroli4 in Venedig.
Die AuffUhrung fand im Teatro San Cassiano statt, von den eingelegten
Balletten war das erste von Bartol. Combi, das zweite von Onorato Vigano
komponiert. Eine Bemerkung Wiel's5) weist darauf hin, dafi man diesen
Soliman nicht mit dem des Fischietti verwechseln durfe.
An den Komposition en des Solimanstoffes ist 1773 auch der Deutsch-
Italiener Johann Gottlieb Naumann beteiligt. Sein Soliman^ der von
Riemann6) in das Jahr 1772 verlegt wird? ist in Venedig 1773 im Teatro
San Benedetto zur Darstellung gebracht worden ). Eingelegt waren die Bal-
lette II re alia caccia und Scene episodiche von Gasparo Angiolini.
Fur die Beliebtheit des Solimanstoffes spricht der Umstand, dafi man
ihm auch im Ausland begegnet. Im Jahre 1768 erschien ein Soliman yob
David Perez8), 1770 ein Singspiel Soliman II von Sarti9 in Kopennagen,
von dem berichtet wird: »Der Beifall war auBerordentlich. man drangte sich
das Stuck zu sehen<-.
Die opera buffa.
Vor dem Eindringen des Tiirkenmotivs in diese Gattung kann man es
bereits in dem italienischen Lustspiel nachweisen. In erster Linie kommt
die Commedia delV arte dafur in Betracht. Diese in Italien so beliebte
Stegreifkomodie, die bereits zahlreiche typische Vertreter wie den Doktor.
den Pantalone, den Miles gloriosus und andere in ihrer Mitte zahlte, wurde
bald um die Person des Grofitiirken bereichert, der nach kurzer Zeit eine
der beliebtesten Figuren dieser Gattung wurde Napoli-Signorelli >•) fohrt
als Gegenstand dieser Volkspossen auch Entfuhrungen an, womit vermutlich
neben andern Entfuhrungsgeschichten auch die Tiirkenstiicke , in denen es
sich meistens um eine Entfuhrung handelte, gemeint sind. Dazu pafit auch,
was Florimo11) iiber den Stand der damaligen italienischen Komodien and
1) T. Wiel, a. a. 0.
2) Benutzte Partitur aus der K5nigl. Bibl. zu Berlin.
3) Die Cberschrift fiber der Partitur gibt Metastasio al« Librettisten an.
Das ist jed en falls nnrichtig und ist nur aus der dominierenden Stellung des grota
italienischen Librettiaten zu erkl&ren. Wotquenne'a Verseichnis der Werke Zeno1*
Metastasio's und ftoldoni's fQhrt unter den dramatischen Werken Metaatatio'i
keinen Soliman auf.
4) Wiel, a. a. 0.. S. 261.
6) Wiel, a. a. 0., S. 262.
6) Riemann, Opernbandbuch.
7} Wiel, a. a. 0., S. 294.
8) Eiemann, Opernhandbuch.
9) Sammelbande der IMG. Ill, 532.
10) Napoli-Signorelli, a. a. 0. II, S. 70.
11) Florimo, La seuo/a muneale di Napoti . . . 1880-84 IV, S. 584.
Walter Pre ibis cb, Quellenstudien zu Mozart's »Entf(ihrung« usw. 439
Buffoopern sagt. Er fiihrt als Beispiel fur die beliebten Wiedererkennungs-
8zenen den Inhalt eines Librettos an:
>Im ersten Akt sieht man einen alten Mann daruber seine Klage anstimmen,
daB ibm ein Sobn als Kind Ton den Turken geranbt worden ist. Inzwischen
finden wir auf der Szene einen jungen Menschen, den niemand kennt. Er gewinnt
die Herzen von zwei oder drei Heldinnen des Stilckes, am Ende erfolgt dann durch
einen Ring oder durch irgend ein anderes Zeichen die Wiedererkennung von Vater
und Sohn, eine der Heldinnen ist dessen Schwester. £s ist auBerordentlich be-
merkenswert, daB in den Libretti der ersten beiden Perioden (scil. der opera bnffa
die Entfiihrung fast nie fehlt, weil damals alle Gestade durch fortwahrende Ein-
falle verheert wurden*.
Zu den italienischen Komodien, welche tiirkische Stoffe behandeln, gehort
die Komodie Goldoni's Impresario di Smirna 1775.
Ein TQrke Ali aus Smyrna will ein Theater nach europ&ischem Vorbild nach
seiner Heimat verpflanzen und engagiert sich in I tali en die dazu nOtigen Sanger
und Sangerinnen. Aber sie 8 tell en alle UbermaBige Anforderungen, wollen nur
gegen hohe Gagen singen und nur in ersten Rollen auftreten. Bei der Abfahrt
des Schiffes, das sie nach der Tilrkei brio gen soil, erscheint ein Mann mit einem
groBen Geldbeutel, der im Namen des hochherzigen Turken den Sangern ein
Vierteljahr von ihrer Gage auszahlt, anstatt sie, wie sie es verdient h&tten, fiir
ihre Unverschamtheit zu bestrafen.
Wie Goldoni1) uns berichtet, wollte er in diesem Stiick die Ungezogen-
heiten und die Eitelkeit der Sanger an den Pranger stellen und die Theater-
direktoren warnen, solche Elemente zu engagieren. Das Interesse ftir alles,
was mit der Buhne zusammenhing, war auBerordentlich rege, vor allem war
das Motiv beliebt, das Theater im Theater darzustellen. Das zeigen uns
u. a. zwei Jommelli'sche Opern: La Oritica 1766 und Semiramide in
bernesoo (11 cacciator deluso) 1767 2).
Unter den TUrkenstiicken der opera buffa erscheint im Teatro San Angela
zu Venedig La Finta Schiava*) 1744. Der Dichter ist vermutlich Francesco
Silvani, die Musik hat Maccari mit andern Komponisten zusammen ge-
liefert. Die Personen sind Amurat, Fatime, Climenet Rusteno, Rodrigo,
Ismene. Die Ballette stammen von Giuseppe Sacchi.
Eine richtige opera semiseria ist die Schiava liber ata, ein Stoff der uns
direkt in die Bretzner'sche > Entfiihrung* hiniiberleitet.
Der Textdichter ist Mar tine Hi, der erste Komponist des Stoffes ist
Jommelli. Seine Komposition datiert aus dem Jahre 17684).
Dorimene, eine Spanierin, ist mit ihrer Zofe Giulietta und deren Geliebten
Pall o tin o in die Hande der Ttirken ge fall en. Pallotino hat wegen guter Ftthrung
bei dem Sultan die Stelle eines Gartners bekommen. Des Sultans Sohn, Selim,
verliebt sich Hals fiber Eopf in die scbOne Abendlanderin, zum groOen VerdruG
seines Vater a, der von der Heirat seines Sohnes mit einer Christin natiirlich nichts
wissen will. Don Garcia, ein vornehmer Spanier, der Geliebte Dorimene's, ist zu
Schiff gekommen, um seine Verlobte loszukaufen. Der Sultan Soliman ist nicht
abgeneigt, das Madchen gegen ein Lose geld freizugeben, da sein Sohn Selim die
1) Goldoni flber sich selbst, a. a. 0., II, S. 294.
2) H. Abert, Nic. Jommelli als Opernkomponist 1906, S. 426.
3) Wiel, a. a. 0., S. 151.
4) Vgl. H. Abert, a. a. 0., S. 436.
440 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfuhrung«
Geliebte so am ehesten vergessen werde. Solimans Yertrauter, Albnmaur, bit
sich in die hftbsche Zofe Giulietta verliebt and sie yon Soli man sum Oetehak
erhalten. Kflstliche Komik zeigen die Szenen zwischen dem gerissenen PaDotino.
dem Giuliettas Herz gehOrt, und dem sich eifrigst urn ihre Gunst bewerbenden.
lflsternen Albumazar. Als sie hflren, dafi der Sultan der Loskanfung Dorimera
durch Don Garcia zustimmt, verkleiden sich beide in franzo'sische Gew&nder, der
eine als Geheimrat, der andere als Konsul, urn ihrerseits anch Ginlietta in ihre
Gewalt zu bekommen. Sie werden naturlich erkannt, und man droht ihnen, §i*
furchterlich verprtigeln zu wollen. Der Sultan bietet alles auf, nm seinem Sobs
Selini fur Dorimene, Albumazar for Giulietta Ersatz zu verscbaffen.
Er gew&hrt Dorimene, Giulietta und Pallotimo die Freiheit. und will ihrcr
Rilckkehr nacb Spanien nicbts in den Weg legen. Selim will nicht von Dorima?.
Albumazar nicbt von Giulietta lassen. Die Abreise wird beschleunigt, die 8tnwk
der Abfabrt wird Selim verbeimlicbt. Er erfahrt sie nocb im letzten AugenbHct
8ttlrzt den scbon zum Scbiffe eilenden Abendlandern nach and will Dorimn*
tO ten. Als er ibr aber ins Auge schaut, entsinkt der Dolcb seiner Hand, es er-
folgt voile tan dige Yersflhnung, und die Abendl&nder stecben unter dem Gtmz
der herbeieilenden Tflrken bei einem allgemeinen »Addio« in See.
Seriose und buffomafiige Nummern sind in der Jommelli'schen Oper etn
zu gleichen Teilen vertreten. Unter den seriosen Nummern wird besonders
die Gmoll-Arie Dorimene's (I, 7) geriibmt *), nocb gelungener sind die Buffo-
satze (I, 4, 5, HI, 3, 4). Eine ricbtige Buffoarie mit dem in der italieni-
8cben Oper beliebten scbnellen Parian do ist Albumazar's Arie I, 13. D»
Ensembles und Finales bilden den HSbepunkt der Jommelli'scben Oper.
In der zweiten Bearbeitung der Schiava liberate, die yon Giusepj*
Schuster2) aus dem Jabre 1777 stammt, liegt der Scbwerpunkt weniger «f
den Ensembles als vielmebr auf den Arien. In den Ensembles findet sick
nur vereinzelt eine freie Stimmfubrung. An Arien sind besonders die beides
ersten Akte reicb. Die musikaliscbe Zeicbnung der Erotik ist die Hanpt-
starke der neapolitaniscben Oper. Unter den Arien zeichnen sich besonders
I, 4, 5, 7, 12 und II, 6, 7, 9, 11, 12 aus.
I, 4 ist eine Arie der Zofe Giulietta, dem Geliebten ruffc sie ein Lebewobl «.
Wenn sie mit ihrem Herzen rede, glaube sie immer ihren Geliebten tot sich n
baben. Gelungen ist besonders das >Addiot addio, mia dolce amor*,
I, 5, eine Arie Pallotino's, zeicbnet sich durch schttne Instrumentierung m*
Znr Yerst&rkung des Streichquartetts sind Oboen, Horner, Fagott Terwendet
Den Vorzug wirkungsvoller Instrumentierung bat auch I, 7, eine Arie Dor.-
mene's. Ergreifend sind die Klagen des Madchens : Sforhmata non ritroro ne p**
ne compassione, da man ihr zu Unrecht den Vorwurf macht, in dem Hause d*
Sultan 8 Yerwirrung augerichtet zu haben. Wir baben bier eiuen Nacbhall der
alten Picmti vor uns.
Aus den Synkopen 1, 12 hebt sich gewicbtig Albumazar 8 *Sono il grand* J**
bwnazar, son Circasso di naxione . . .« beraus.
II, 6 erinnert im Rhjthmus an Mozart's Arie des Osmin: >Wer ein Liebcte
hat gefunden<; zur Charakteristik der schwarmerisch verliebten Dorimene sind n
dem gedampften Spiel der Yiolinen auch FlGten herangezogen. Dorimene kl*g*
fern von dem Geliebten in der Gefan gen rc haft schmachten zu mflssen.
1) H. Abert, »die dramat. Musik« in der Sammlung: Herzog Karl Eugeo rt»
Wttrttemberg und seine Zeit. 1906, S. 673.
2) Benutzte Partitur aus der KGnigl. Bibliothek zu Dresden, Man u strip t.
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfuhrung« usw. 441
Der TQrke Selim wird II, 7 durch die bekannten Schleiferfignren charakteri-
siert, die zwar italienischen Ursp rungs sind, an dieser S telle aber offenbar tfirki-
scbes Wesen wiedergeben sollen.
In II, 9 gibt Elmira den Gewissensqualen, die sie plage n, Ausdruck, das
mehrmalige Crescendo und Decreecendo in der Violin en begleitung ist hier von
grofier Wirknng.
II, 11 enth< Pallotino's Standcben: Reveillez-tous belle endormie, reveiUez-vous,
car il est jour, mettex la t4te & la fcn&re, vous entendex parler d' amour . . das Stand-
chen entspricht dem des Pedrillo bei Mozart.
In II, 12 seben wir den in Giuletta verliebten Albumazar vor uns: > Qiuletta
e troppo amabile, Qiuletta fa per me. Quel volio suo adorabile, scolpita porto qui, ee
alcuno avesse ardire, la bella mia invaghire, di rabbia c di furore di lui ford cost:
per li capeUi lo prenderei, can le mani lo graf/ierei, ne mat contento di strappaxarlo
di maltrattarlo, di fracassarlo ferei che in polvere volasse ancor. Bada che U simile
fard di te, Qiuletta e troppo amabile*.
In ganz ahnlichen Worten macbt Osmin in der >Entfuhrung« seinem Unmut
dber die Abendlander Luft.
Zu den beiden dramatischen Bearbeitungen der Schiava liberata durcb
Jo m me Hi und Schuster gesellt sich nocb eine dritte Bebandlung des Stoffes
in Form eines Balletts, das von dem Stuttgarter Ballettkomponisten Florian
Deller1) komponiert worden ist. Wir wissen, daB es Deller, dem Scbiiler
Noverre's, keineswegs darauf ankam, bloBe Tanz-Divertissements zu schreiben,
sondern daB es ibm um dramatische Charakteristik zu tun war. Seine
Ballette tragen Frogrammcbarakter.
Durch eine (iberaus zarte, einscbmeicbelnde Melodie zeicbnet sich das Adagio
(Nr. 10) mit seiner diskreten FlOtenbegleitung aus, offenbar soil es uns einen Ein-
blick in das Seelenleben der verlassenen Dorimene geben.
Die Marcia (3.) charakterisiert mit ibren energiscb einberechreitenden Akkor-
den den Fan at is mug der Turkenschar. Der auf das Adagio (10) folgende Marsch
in D-dur atmet ein triumph atorisches Gefuhl, wahrscbeinlich dazu bestimmt, die
GrttOe sultaniscber Macht zu verberrlichen.
Von der Bretzner'schen »Entfuhrung« unterscheidet sich der Stoff der
Schiava liberata dadurch, daB die Befreiung der Abendlander nicht gewalt-
sam herbeigeftthrt, sondern durcb friedlicbes Verhandeln mit dem Sultan,
durch einen Kauf, in die Wege geleitet wird, wie es im deutschen Sing-
spiel Der Kaufmann von Smyrna geschieht. Man kann also bei der Schiava
liberata eigentlich nicht von einer Entfuhrung reden, hochstens in so weit,
als die Abreise hinter Selim's Riick en beschleunigt wird. Das "Werk zeigt
zwar eine ganze Anzahl von Abweichungen von dem Stoff der Bretzner'schen
^ Entfuhrung*, dennoch machen es viele, beiden "Werken gemeinsame Zuge
hochst wahrscheinlich, daB der Text der > Entfuhrung* unter Benutzung der
Schiava liberata en ts tan den ist.
Jede Person der >Entfiihrung aus dem Serail* hat ihr Pendant in der
Schiava liberata: Konstanze entspricht der Dorimene, Blonde der Giulietta,
Belmonte dem Don Garcia, Pedrillo dem Pallotino, Osmin dem Albumazar,
der Bassa Selim dem Sultan. Nur der Selim der Schiava liberata hat kein
direktes Abbild in der > Entfuhrung*, wohl aber kann man sagen, daB seine
1) Benutzt: Partitur aus der GroBherzogl. Hess. Hofbibliothek , Darmstadt,
Manuskript.
442 Walter Preibisoh, Quellenstudien zu Mozart's >Entfnhrung« nsw.
besonders hervorstechenden Eigenschaften , seine leidenschaftliche Liiebe zu
dem abendlandischen Madchen, seine verzeihende GroBmut auf den Bassa
Selim ttbergegangeh ist. Dazu gesellen sich textlich grofle Aimlichkeiten,
die bei einer Vergleichung von II, 12 der Schiava liberate and I, 3 der
»Entfuhrung« ganz auffallig werden.
Zahlreiche Szenen der Schiava liberata sind in ihrem Gedankengang mit
Szenen der »£ntfuhrung« nahe verwandt. Man vergleiche z. B. den Dialog
Don Garcia's und Pallotino's (II, 1) mit dem Dialog yon Pe drill o und Bel-
monte nach Osmin's Arie im ersten Akt der »Entftihrung«, oder die Cavatine
Dorimene's mit ihrem Schmerzensausbruch : Che barbaro tormento (II, 6) mit
Constanze's Arie: »Ach ich liebte, war so glticklich ! « Ferner hat die Szene
II, 8 der Schiava liberata, wo Don Garcia und Dorimene sich in Gegenwart
Pallotino's begegnen und der Freude des Wiedersehens Ausdruck geben, ihr
Gegenbild in dem Quartett der >Entfuhrung«.
Auch die Daten des Erscheinens der Stiicke legen die Annahme nahe,
dafi der Entftihrungstext eine Umbildung der Schiava liberata darstellt. Beide
Bearbeitungen der Schiava liberata, 1768 die von Jommelli und 1777 die
von Schuster liegen zeitlich vor der »Entfuhrung< (1781).
Es ist sehr wahrscheinlich, dafi Bretzner, der vorzugsweise in Leipzig
wohnte. in dem benachbarten Dresden eine Auffuhrung der Schiava liberata
in der Schuster'schen Komposition gesehen und im Anschlufi daran die Um-
bildung des Stoffes vollzogen hat.
Frankreich.
Auch Iyer lafit sich das Tiirkenmotiv wiederholt nachweisen. Schon
Moliere hat den Ttirken 1670 in seinem Ttirkenballett des Bourgeois gen&-
homvie als komische Person behandelt, wobei Lully1) in der Rolle des
Muphti auftrat.
Der Bajazetstoff ist in Frankreich vertreten durch Duni2).
Mehrfache Beispiele fiir das Auftreten des Ttirken gibt die opera comique.
Die Tendenz dieser Gattung ist dieselbe wie bei der opera buffa in Italien.
Auch in Frankreich richtete man seinen Spott gegen die ernste Oper mit
ihren Gottern und Hero en.
Es erscheint im Jahre 1761 Le Cadi dupe, opera bouffe en 1 acte. Der
Text stammt von Lemonnier nach einer Erzahlung aus >Tausend und eine
Nacht*. Das Singspiel, von Andre aus dem Franzosischen ubersetst, ist
unter dem Titel »Der betrogene Cadi« 1783 sehr oft in Berlin zur Auf-
fuhrung gekommen3).
Das franzosische Stuck ist von Gluck und von Monsigny in Musik
gesetzt worden.
Zelmire, eine echOne Turkin, will sich an dem Kadi, der eine Art Don Joan
ist, dafur rachen, da6 er schon mehrere Vertreterinnen des schGnen Geschlechtes
unglucklich gemacht hat. Sie stellt sich, als ob sie ihn liebe, und gibt sich als
Tochter des Farbers Omar aus. Der lusterne Kadi beginnt sogleich mit dem
Farber zu verhandeln, der in Wirklichkeit eine haCliche und mifigestaltete Toohter
1) Nuitter et Thoinan, Les origines de Fopera fran^ais, 8. LXY.
2) Riemann, Opernhandbuch. ,
3) Anton Schmid, Christ W. Ritter v. Gluck . . . 1854, S. 78, deegl. Wot-
quenne, Themat. Verzeichnis der Werke von Chr. W. v. Gluck 1904. S. 202.
Walter Preibisch, QueUenstudien zu Mozart's >Entfuhrung« usw. 443
hat. Sofort wird der Heiratskontrakt aufgesetzt, Omar erhalt von dem Kadi eine
betr&chtliche Geldsumme. Wie die wirkliche F&rberstochter hereingeffihrt wird,
ist der Kadi entrflstet. Man hat ihn am sein Geld geprellt, denn das M&dchen
gleioht durchaus sicht der Schdnen, die eich als die Tochter des Farbere auege-
geben hat. Die schlimmen Erfabrungen, die der Kadi bei diesem Liebesabenteuer
gemacht hat, bringen ihn zu innerer Einkehr, er wendet eich wieder seinem recht-
maCigen Weibe Fatime zu, die er nun doppelt schdn findet. Man yereinigt eich
zu einem Gesang auf Allah: »Aus Nacht nnd Dunkel bricht das Licht der neuen
Liebe. Alles sei vergeben nnd vergessen, wie es der Prophet gebot«. Der SchluC
ist ein Vaudeville, wie es in der franzdsiscben opera comique fiblich war.
Yon Bedeutnng ist, dafl znr Schilderung des Lokalkolorits in der Kom-
position von Gluck1) mehrere ungewohnliche Instrumente eingefuhrt sind2).
Wir finden das Geklingel der Triangel in der Arie des Kadi in D-dur, ferner
in einem Liede Omar's das Basseln der kleinen Trommel, eine Arie Fatime's
hat obligates Glockenspiel unisono mit der Singstimme.
In der Komposition von Monsigny*) ist besonders die Figur des Kadi fein
gezeichnet. Es gelingt der lieblichen Zelmire, den lfisternen Kadi anf das hfichste
anznreizen (vor allem in Szene 8, Duett). Schon das Yorspiel des Duetts deutet,
allerdings noch versteckt, auf die Yerliebtheit des Kadi hin, der die schone Tfirkin
um jeden Preis besitzen mOchte. Bei den Worten »quel plaisir* wird das Or*
Chester schon deutlicher. Die Figuren der Yiolinen nnd die anfsteigenden Basse
lassen fiber die Absichten des Kadi keinen Zweifel anfkommen. Cber dem Duett
herrscht eine ahnlich schwfile Stimmung wie bei Mozart in Osmins Lied: >Wer
ein Liebchen hat gefunden*. An Sinnlichkeit und TClpelhaftigkeit gibt der Kadi
tibrigens Osmin nichts nach, nur an Grausamkeit wird er von diesem fibertroffen.
In dem folgenden Duett versagt das Orchester, von dem man hier konsequent ein
Fes thai ten an der Stimmung des vorigen Duetts und eine Steigerung erwarten
tollte.
Zelmire mit ihrer Anmnt und Schalkhaftigkeit ist eine Art Blondchen. Auch
musikalisch wird sie ahnlich wie Blonde bei Mozart gezeichnet, z. B. in Sc. 2, wo
sie mit ihrem II faut songer a se venger immerfort geschwatzig in Sechzehnteln
singt gegenfiber Nuradin, der gegen sie nicht anfkommen kann, vgl. in der »Ent~
fuhrung« das Duett zwischen Blonde und Osmin.
Den typischen Yertreter des GroBtfirken findet man auch hier, und zwar in
der Person des Kadi selbst Er sieht stellenweise dem Osmin recht ahnlich, wenn
er, erbittert fiber den Betrug, seinem Gegner alle mOglichen Martern in Aussicht
stellt und erklftrt, daB er gehenkt, massakriert nnd stranguliert werden solle.
Auch der Soli manst off ist in Frankreich vertreten. Gibert4) hat in dem
Jahre des Erscheinens des Cadi dupS ein en Soliman IL = Les trots sultanes
znr AuffUhrung gebracht.
Unter die franzosischen Tiirkenstiicke kann man auch das nach franzosischem
Yorbild bearbeitete, von Glnck komponierte Singspiel La Rencontre imprevue
ou les Pelerins de Mecque rechnen.
Nach "Wotquenne1) wurde das Werk 1763 in Wien gedruckt, die erste
Auffiihrung fand erst 1764 ini Januar statt.
1) Klavierauszug von Barth. Senff, Leipzig.
2} Han slick, Aus dem Opernleben der Gegen wart 1889, S. 135.
3) Benutzt: Part. Ms. aus der KGnigl. Bibliothek zu Dresden.
4) Riemann, Opernhandbuch.
444 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's »Entfu tuning « usw.
Das franzosische Vorbild ist ein von Lesage und d'Orneval verfafltes
Stuck gleichen N aniens , welches schon 1726 auf dem Theatre de la Foire
St Laurent und im Palais Royal aufgefuhrt wurde. Der Komiker Dan-
court arbeitete das Stttck um, die Komposition wurde Gluck vom Grafen
Dorazzo in Wien iibertragen.
Dieser berichtet darQber an Favart1): >Je tiens de faire arranger >Les pelcrim
de la Mecque* de feu M. Le-Sage ; fen ai fait supprimer le licencient et nen ai eon-
serve que le noble et le comique qui a pu s'y oilier. Je ne doute pas que ce potmt,
arrange de eette sorte an gout aetuel de la nation, ne fasse son effet, surtout etant
appuye d*une musique de la composition du sieur Gluck, homme sans contredit unique
dans son genre*.
Die Prinzessin Rezia aus Persien, die Geliebte des Prinzen Ali, ist durch See-
rauber in turkische Hande gefallen. Ali hat die Geliebte uberall gesucht. In der
Ttirkei, wohin er auf seiner Fahrt kommt, verlieben sich zahlreiche M&dchen is
ihn, selbst das Herz der Sultanin erringt er. Doch er erklart alien Antragen der
tiirkischen M&dchen gegenfiber, daO sein Herz bereits entschieden habe. Uner-
wartet trifft Ali hier seine Geliebte Rezia. Der von der Jagd zuruckkehrende
Sultan uberrascht das Liebespaar, das nicht mehr rechtzeitig entwischen kann. and
will ein hartes Strafgericht walten lassen. Da tritt aber das Gcfolge dea Sultans
entschieden fur Ali und Rezia ein und weist auf ihre gegenseitige Liebe his.
Beide sind entschlossen, fQr einander zu sterben. Ein Gnadenakt des Sultans
schenkt ihnen das Leben; das Stuck endigt mit einem Chor, der Liebe und Treoe
verherrlicht.
Dem Stiicke fehlt die einheitliche Handlung. Die Fiille der Personen,
die nur nebensachlich beschaftigt sind, verdunkelt die Haupthandlung. Diese
zahlreichen Personen sollen uns jed en falls Gelegenheit bieten, uns ein an-
schauliches Bild von dem Leben und Treiben am tlirkischen Hofe zu machen.
Der Text ist oft albern und geschmacklos. Die Bedeutung des Stoffee
liegt fur uns darin, daG wir es wieder mit einer Art Entfiihrungsstoff za
tun haben. Das Motiv der Seerauberei, der Wettstreit der Liebenden. fur
einander in den Tod zu gehen, und der Begnadigungsakt fehlt auch hier nicht
Wir haben hier die liedmafiigen Formen der franzosischen opera comique
vor uns. Naturlich fehlt auch ein Weinlied nicht, wie es in zahlreichen
Tiirkenstucken vorkommt. Der demselben zugrunde liegende Gedanke ent-
spricht dem des Weinliedes im »Grab des Mufti «.
Die Musik ist an vielen Stellen bemuht, den tiirkischen Cbarakter des
Milieus zu treffen. Am meisten zeigt sich das in der Ouvertttre (A dor).
Sie verwendet aufier dem Streichquartett noch Piccolofloten, Oboen, Horner.
Fagotts und Schlagzeug. Wahrscheinlich fehlte zur Erganzung auch der
Tamburo grands nicht. Die Ouvertiire mit ihrem feurigen Allegro:
limp
m
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TT ttffff . f ^ f *f . ffi
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1) Wotquenne, Themat. Yerzeichnis, a. a. 0., S. 204.
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's »Entfflhrung« usw. 445
tragt ein ausgesprochen orientalisches Kleid. Der Gluckbiograph Schmid1)
ist der festen TJberzeugung, dafi diese Ouvertiire Mozart beim Komponieren
der Ouvertiire zu seiner »Entfuhrung« vorgeschwebt habe. Die Gluck'sche
Ouvertiire hat ebensowenig einen SchluB wie die Mozart'sche. Sie endet
auf der Dominante und geht unmittelbar in die erste Arie tiber, mit der
sie auch die Tonart gemein hat.
Das Urteil Schmid's beziiglich der Abhangigkeit der Mozart'schen Ouver-
tiire von Gluck muB auf AuBerlichkeiten wie die turkische Instrumentation
beschrankt werden, es sei denn, daB man in der Sechzehntelfigur (Takt 4
und 5 des Beispiels) das Vorbild einer Figur des Tiirkenchors bei Mozart3)
(I, 5 und III SchluB) erblicken will.
Die Stellung der Mozart'schen Ouvertiire zur Oper wird spater zu er-
ortern sein, soviel aber sei schon jetzt bemerkt, daB das exotische Lokal-
kolorit fur ihn nur die Bedeutung eines pikanten Ingrediens hat.
In Frankreich scheint das Interesse fur turkische Siijets ziemlich rege
gewesen zu sein. Aldndor und Zaidey ein nachgelassenes Werk von GrStry,
behandelt einen tiirkischen Stoff, dasselbe ist iiber das ebenfalls von Gretry
komponierte Les deux avares = Le tombeau du Muphti zu sagen, ein Stoff,
dem wir noch im deutschen Singspiel begegnen werden.
England.
Unter die altesten Tiirkenstucke in England gehort ein Mahomet*), a play
acted by Henstowe's company. Die erste Nachricht dariiber findet sich in dem
Tagebuch Henslowe's, August 1594. Dieser » Mahomet* ist moglicherweise
die Quelle zu Jakob Ayrer's Drama: »Schrockliche Tragedi: Vom B«gi-
ment und schandlichen Sterben des turkischen Keisers Mahumetis des andern
dis Namens usw.«4).
The Turkeh) betitelt sich ein Stuck von John Mason aus dem Jahre
1610, es wird in der Ausgabe von 1632 »An ecceUent tragedy of Muleasses
The Turk and Borgis governor of Florence* genannt. Das Stuck wurde zu
verschiedenen Malen unter allgemeinem Beifall von The Children of His
Majesty's Revels aufgefuhrt. In fast derselben Zeit wird uns auch von
Deutschland berichtet, daB eine englische Komodiantentruppe in Niirnberg
unter Leitung eines gewissen John Spencer auch den Tiirken auf die
Biihne brachte6).
Ein nie veroffentlichtes Tiirkenstuck in England heiBt: The Turkish Ma-
homet and Hiren the Faire Greek. Halliwell7) schreibt es dem George Peel e
zu. In dessen Merry conceited Jests 1627 wird auf das Stuck angespielt.
Im 18. Jahrhundert errang in England wie in den andern Landern auf
musikalisch-dramatischem Gebiete die italienische opera seria die Yorherrschaft.
1) A. Schmid, a. a. 0., S. 108 und 109.
2) Vgl. Klavierauezug Peters, S. 36, System 2, Takt 1 und S. 160, System 1,
Takt 8.
3) Halliwell, A Dictionary of old englisli plays, 1860, S. 160.
4) J. Tittmann, Schauspiele a. d. 16. Jahrhdt, 2. Teil, S. 129.
6) Halliwell, a. a. 0., S. 267.
6) J. Tittmann, a. a. 0. II, S. XIV ff.
7) Halliwell, a. a. 0., S. 268.
446 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfflhrung« usw.
Sie sagte mit ihren griechischen Gottern und Heroen, mit ihrem hochtraben-
den Pathos, ihrer TJnnatiirlichkeit, die sich vor allem in dem Kostratenun-
wesen darstellte, dem britischen Volke bald nicht mehr zu, and es wurde
als eine Erlosung yon der Fremdherrschaft der Italiener empfunden, als John
Gay mit seiner 1728 in Lincoln's Inn aufgefuhrten Beggar's opera gegen
die italienische Oper energisch Front machte und ihr ein national-englischet
Werk gegentiberstellte.
Dieses hatte einen enormen Zulauf und brachte dem Verfasser und dem
Theaterdirektor grofle Einnahmen1). PaC man die Bedeutung dieses natdo-
nalen Singspiels richtig einzuschatzen wufite, zeigt neben andern Zeugnissen
von Zeitgenossen vor allem ein v n Chrysander2) angefUhrtes Gedicht, in
dem es heiflt:
Of all the Belles, thai tread the Stage,
Tfiere's non like pretty Polly,
And all the Musick of the age.
Except her voice, is folly.
Compared tcitJi her, liow flat appears
Cuzxoni or Faustina?
And irhen the sings, J shut my ears
To warbling Senesino.
Der Beggar's opera folgten bald zahlreiche Stticke ahnlichen Charakters,
zu ihnen gehbrte auch Caffey's The devil to pay (der Teufel ist los) mit
seiner Fortsetzung The merry cobbler, die in der deutschen Fassung >Der
lustige Schuster* mit der StandfuB-Hiller'schen Musik den Anfang der
deutschen Singspielperiode im 18. Jahrhundert darstellt.
Bald dringt auch der Tiirke, wahrscheinlich durch italienische Vermitt-
lung, wieder iu die englische Literatur ein.
1735 wurde im Drury Lane-Theater die Tragodie: The Christian Hero,
written by Lillo8), aufgefuhrt, worin Tiirken und Christen einander gegen-
ubergesteUt werden.
Yiel wichtiger fur uns ist ein anderes Stuck, in dem der Tiirke als
komische Person aufgefafit ist: The Sultan or a Peep into the Seraglio. Es
ist als Komodie bezeichnet und stammt von Isaac Bickerstaffe, dem Libret-
tisten von Dr. Thomas Arne. Das Stiick ist im Covent-Garden-Theater
zur Auffuhrung gelangt4).
Der Sultan Soliman liebt die in 8 ein em Harem gefangene Elmira und hat ihr
zahlreiche Beweise seiner Gunst gegeben, ist sich aber nicht recht klar daruber,
ob seine Liebe nicht etwa nur aus Rficksicht auf Yorteil erwidert wird. Elmira
bekommt eine gefahrliche Rivalin in der kdrzlich in den Harem gebrachten jungen
Englanderin Roxelana, einem bildhtibschen, uberaus kecken Madchen, die das In-
teresse des Sultans erregt. An die Freiheit ihres Yaterlandes gewdhnt, behagt
1) Chrysander, G. F. Handel I860, II, S. 200ff.
2) Chrysander, a. a. 0. II, S. 201.
3) Oxford, Bodleian Library in einer Sammlung von Farcen und anderen After-
pieces, die in den Theatern Drury Lane, Covent Garden und Haymarket aufge-
fuhrt wurden.
4) De8gl. im Brit. Museum in »A Collection of the most esteemed farces and
entertainments performed on the British Stage* 1786, 1. Bd.
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfuhrung« new. 447
es ihr gar nicht, von dem unangenehmen, spionierenden Haremsw&chter Osmin auf
Schritt und Tritt beobachtet zu werden. Sie wirft ihm die schlixnmsten Schimpf-
wOrter an den Kopf, sodaB Osmin, der fur seine Stellung furchtet, sich beim
Saltan beschwert. Roxelana muB vor dem Sultan erscbeinen und verantwortet
sich hier in recht UbermUtiger Weise. Dem Sultan gefallt aber gerade diese Art,
und er fordert Roxelana auf mit ihm zu speisen. Roxelana, die von der Neigung
Solimans zu Elmira gehOrt hat, wuDscht von der Nebenbuhlerin recht beneidet zu
werden und l&Bt Elmira ohne Wissen des Sultans zu dem Mahle mit einladen.
Die gereizte Elmira intrigiert gegen Roxelana. Der Sultan iet gekrankt, als er
auch Elmira am Abend anwesend sieht, da er doch mit Roxelana allein sein wollte.
Wahrend er Roxelana bei dem Gesange der persischen Sklavin lsmene beobachtet,
entbrennt seine Leidenschaft fflr die junge Englanderin so heftig, daB er ihr zum
Zeichen seiner Gunst nach ttirkischer Sitte mit dem Taschentuch winkt, damit sie
ihm nach seinen Gemachern folge. Roxelana weist das zurtick und beleidigt da-
durch den Sultan auf das heftigste. Er degradiert sie zur untersten Sklavin und
erklart, fiir ihre verschmahte Liebe sich bei Elmira entschadigen zu wollen. In-
dessen ist Roxelana viel zu schlau, um nicht zu merken, daB ihr selbst das Herz
des Sultans nach wie vor gebOre, und durch Versicherungen ibrer Liebe weiB sie
den Sultan ganz fiir sich zu gewinnen, so daft er Elmira wieder aufgibt. Roxelana
werden die Fesseln abgenommen. Ihr EinfluB auf den Sultan ist so groB, daB sie
alles von ihm verlangen kann. In ihrer Eitelkeit geht sie soweit von ihm zu
fordern, zu seiner rechtmaBigen Gemahlin erhoben zu werden. Das gelingt ihr
denn auch schlieBlich entgegen alien Einwanden des Sultans. Roxelana wird
Raise rin des tflrkischen Reiches.
Die Handlung des Stuckes ist ganz unwahrscheinlich, es erscheint vollig
ausgeschlossen, daB eine Christin zur Kaiserin iiber die fanatischen Ttirken
gesetzt werden kann. Trotzdem ist der Stoff geeignet, die heftigsten mensch-
lichen Leidenschaften wie Liebe, HaB, Eifersucht in Bewegung zu setzen.
Der Aufbau des Stiickes, fiir das der Name >Komddie« jedenfalls nicht
besonders glucklich gewahlt ist, ist auBerst geschickt, die Charakteristik der
einzelnen Personen und der turkischen Verhaltnisse ist trefflich gelungen.
Der Hohepunkt der Handlung liegt in II, 2, in der Begegnung der beiden
Hivalinnen. Wir haben hier eine hochdramatische Szene vor uns, fur die
mit groBer Wahrscheinlichkeit Goldoni mit seinen Ircanastiicken das Vor-
bild abgegeben hat. Jedenfalls weisen Elmira und Roxelana groCe Ahn-
lichkeit auf mit Fatime und Ircana. In dem englischen Stiicke wird gerade
so wie bei Goldoni durch die Verwegenheit, Eitelkeit und Herrschsucht der
ganze Harem auf den Kopf gestellt. Daneben ist Roxelana auch der Typus
einer auf ihre Nation eingebildeten englischen Lady, indem sie dem Saltan
gegenuber die Vorziige ihrer Heimat erklart:
> There reigns ease, content and liberty ; every citizen is himself a king, where the
king is himself a citizen*.
In ihrem burschikosen, dreisten Wesen hat sie viele Zuge des Blond-
chens der >Entfuhrung«, auch die Nation alit at hat sie mit ihr gemein.
Manche Szenen, in denen sie auf tritt, zeigen eine ganz auff alien de Ahnlich-
keit mit Szenen der »Entfuhrung«, z. B. der Auftritt, in dem sie sich iiber
Osmin beschwert. Die Manner, erklart sie, seien nur da, das schone Ge-
schlecht zu vergniigen. Osmin gegenuber lobt sie die Sitten des Abend-
landes, wo man viel galanter gegen die Frauen sei, als in der Ttirkei. In
ganz ahnlicher Weise macht Blonde Osmin gegenuber klar, wie man sich
448 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's »Entf&hrung« uaw.
dem weiblichen Geschlecht gegeniiber zu benehmen habe. Der Osmin des
englischen Stuckes gleicht durchaus seinem Namensvetter in der Bretzner-
schen »Entfuhrung«.
Er gibt diesem an Hinterlist und Polterei, an Lusternheit und Eifersucht
nichts nach, auch seine aufiere Stellung ist dieselbe wie die des Osmin in
der »Entfuhrung«. Beide haben im Harem auf die Madchen aufzupassen
und Spionendienste bei einem tiirkischen GroBen zu leisten.
Das Datum des Erscheinens dieses Stuckes ist nicht genau festzustellen.
Die Oxforder Sammlung, in der es stent, ist im Jahre 1815 gedruckt, jedoch
mufl das Stuck viel alter sein, da die andere Sammlung, die es auffuhri
das Jahr 1786 tragt. Aber das Stuck fallt wahrscheinlich noch einige Jahre
friiher, da in der damaligen Zeit sich ein Werk erst auf dem Theater be-
wahrt haben muBte, ehe es gedruckt wurde.
Noch nahere Beziehung zu der »Entfiihrung« hat >The Captive1)*, a comic
opera, as it is performed at the Theatre Royal in the Haymarket, London 1769.
Nach einer Vorrede des Theaterdirektors folgt ein 8 Tabelle der Gesange
mit den Namen der Komponisten; es sind vertreten mit sechs Gesangen
Dibdin, mit einem Gesang Galuppi, mit zweien Vinci, mit zweien
Cocchi, mit einem Oiampi, mit einem Perez, mit einem Vente, mit
einem Duni, also haben wir einen Pasticcio vor uns. Besondera fur das
yorliegende Stiick komponiert sind nur die sechs Gesange von Dibdin.
Ein junger Spanier, Ferdinand, fallt in die Gewalt eines turkischen Admirals
Dieser schickt ihn, nachdem sich Ferdinand l&ngere Zeit gut gefQhrt hat, dem
Kadi, damit er ihn bei Gelegenheit nach seiner Heimat zurftckschicke. Der Kadi
stellt den jungen Mann als Huter seiner Garten in seinen Dienst. Der junge
Gartner hat sich unterdes in des Kadis reizendes Tdchterchen Zorayde verliebt
und Gegenliebe gefunden. Da keine Aussicht vorhanden ist, daB der Kadi seine
Genehmigung zur Vereinigung der Liebenden gibt, so bleibt nur Entftihrung ubrig
Ein Schiff mit den Getreuen des Entfflhrers, die aus Spanien gekommen sind, wird
hinten am Garten, der an das Meer grenzt, warten, urn sie abzuholen. Alles ist
zur Flucht bereit, da werden die Fluchtlinge von dem auf seine Gattin eifersnch-
tigen Kadi, der unter ihren Fenstern umherschleicht, erwischt. Ferdinand droht
groCes Unheil, da stellt sich ein Deus ex machina ein in Gestalt der kaiserlichei
Offiziere, die nach dem Kadi fahnden, dessen Erpressungsversuche bei Hofe be-
kannt geworden sind. So ist der Kadi gezwungen, gute Miene zum bdsen Spie
zu machen, und segelt, froh, seinen Verfolgern entrinneu zu kdnnen, mit seinem
Tdchterchen und ihrem Geliebten nach Spanien ab.
Das Stiick e nth alt eine Fulle ergotzlicher Komik. Die gelungenste Figm*
ist der Kadi selbst mit seiner ihn fast verzehrenden Eifersucht auf seine
Gattin und seiner Angstlichkeit, als ihm die Bestrafung fur seine Erpressungen
droht. Auf die Charakteiistik der ubrigen Personen ist nicht viel Wert
gelegt. Das Stiick enthalt in erster Linie Situationskomik. Zu den amo-
santesten Szenen gehort die Entdeckung des Fluchtversuchs durch den Kadi.
Ferdinand wartet im Dunkeln auf Zorayde, hat aber das Ungluck, ihrer Hotter
Fatime, die ihn ebenfalls liebt, in die Arme zu fallen. Der Kadi kommt unglfick-
Hcherweise noch hinzu, und als Ferdinand kein Wort der Entechuldigung findet
hilft ihm Fatime selbst auf die Beine damit, dafi er wahrscheinlich eine Sklavia
erwartet habe, was Ferdinand natiirlich sofort als passende Ausrede autnimmt.
1) Benutzter Text: Bodleian Library, Oxford; Musik im Brit. Museum.
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's > Entfuhrung* usw. 449
In II, 3 sehen wir den Kadi in Sklavenkleidung im Garten unter dem
Fenster seiner Gattin umherschleichen. Er trifft dabei auf seine Tochter,
die gerade Perlen und Edelsteine zum Schiffe Ferdinands hintragt. Das
Madchen erklart in seiner Geistesgegenwart, daB es im Begriff sei, die un-
rechtmaBig erworbenen Schatze des Yaters ins Meer zu werfen, and macht
dem noch nichts ahnenden Vater Yorhaltungen iiber seine Erpressungen, worauf
er vor der Tochter eingeschiichtert in die Knie sinkt und Entschuldigungen
stammelt:
You should consider, child, if 1
Have in my office grip'd too nigh,
"1 was to the end, that you might have
My wealth, when I was in tfie grave,
My failings then no longer press,
We have all errors, more or less.
Yon ganz vortrefflicbem Humor ist auch die letzte Szene, wo der Kadi
bei dem Gedanken aufgeh'angt zu werden, zitternd und bebend in die Worte
ausbricht :
With pleasure I this land forego,
My fame will sure be mangled,
But what care I, let it be so,
If I escape being strangled;
Nay pr'ythee let's make liaste away,
I really tremble while I stay,
0 dreadful thing,
In a bow siring
To have one's neck intangledf
Es bleibt noch tibrig, auf die nahe Yerwandtschaft dieses Stoffes mit der
» Entfuhrung* hinzuweisen. In beiden Opern finden wir den Spanier, der
in die Gewalt der Tiirken gekommen ist. Die Geliebte ist hier allerdings
keine Abendlanderin , sondern eine Tiirkin, doch in ihrer Gesinnung ist sie
den Abendlandern verwandt, da ihr "Wunsch schon lange dahin geht, Christin
zu werden. Die Art und Weise, wie die Entfuhrung bewerkstelligt wird,
ist dieselbe wie bei Bretzner. Ein spanisches Schiff mit den Getreuen des
Entfuhrers ist angekommen, um die Liebenden abzuholen. Auch erfolgt die
Entdeckung des Fluchtversuchs in einer ganz ahnlichen Weise wie in der
> Entfuhrung c. Der in den Garten umherschleichende Tiirke stoBt auf die
Fliichtigen. Es ist nicht bedeutungslos, daft auch die BUhnenbilder (II. Akt
von Tfie Captive und III. Akt der » Entfuhrung*) sich auBerordentlich
ahneln.
Yon bemerkenswerten einzelnen Zugen, die beide Stoffe gemeinsam auf-
weisen, sei noch erwahnt, daB Ferdinand seine Geliebte durch ein Standchen
erfreut, wie Pedrillo Blondchen durch seinen Gesang von dem im Mohren-
land gefangenen Madchen. IJberhaupt hat Ferdinand mehrere Ziige Pedrillos
an sich, wie Zorayde in ihrer Lebhaftigkeit und Schlagfertigkeit Blondchen
recht ahnlich sieht. Auch ist es auffallend, daB Ferdinand bei dem Kadi
gerade als Gartner angestellt wird, wie Pedrillo bei dem Bassa Selim.
Es ist angesichts so vieler Ahulichkeiten ein innerer Zusammenhang
zwischen den beiden Stoffen anzunehmen. Man kann etwa vermuten, daB
englische Komodianten The Captive in Deutschland gespielt haben und daB
450 Walter Preibisch, Quell ens tudien zu Mozart's »Entfahrnng« usw.
Bretzner bei der TJmbildung der Schiava liberate auch einzelne Zuge aus
dem englischen Stiick in seinen Entftihrungstext ubernommen hat.
Die Tlirkenstiicke in England bescbliefit Hie Seraglio1) 1776. Text und
Musik sind yon Dibdin, die Gesange stammen von Dr. Arnold, eine
Melodie von A. Fisher, dazu kommt nocb je eine irische und eine scbottucbe
Melodie.
Der vorliegende Druck enthalt den Dialog nicbt, und es ist daber scbwer,
den Inbalt genau anzugeben. Nacb dem Quintett im ersten Akt zu urteilen,
bandelt es sicb um eine EntfUbrung, die von den Tiirken eutdeckt wird,
alles lauft schlieBlich gliicklicb ab.
Nach der musikalischen Seite hin wird auf Cbarakteristik kein Wert ge-
legt. Wie ware auch eine einheitlicbe Charakteristik moglicb, wo so ver-
scbiedene Komponisten ibr Scberflein beigetragen haben? In dem Finale,
das von Dr. Arnold herriihrt, wird der Versuch gemacht, die Herrscbaft des
von seinem Yolke geliebten Konigs der des Tyrannen gegenuberzustellen.
Die Dibdin'scben Melodien sind uberaus schlicbt und einfach, zum Teil recht
gefallig, oft versucht er Vorg&nge aus dem Leben der Natur, wie z. B. das
Geschnatter der Vogel, nachzuahmen.
Das dents che Singspiel.
Deutschland, das neben Italien von der Turkcngefahr am meisten be-
drohte Land, hat die alleraltesten Tlirkenstiicke aufzuweisen. Scbon in den
Niirnberger Fastnachtsspielen von Johannes Rosenblut2) bat der Turke
seinen Einzug gehalten. Eins seiner Stticke ist Der Turke betitelt.
Der Sultan erecheint, um mit den Christen Frieden zu machen; zu ihnen ge-
sellt sich ein Atigesandter vom Papst, um seinem Auftrag gemaC den Sultan wegea
seiner Religion tflchtig herunterzukanzeln.
Es ist sehr interessant, einen Vergleicb zwischen diesem frUhen Stiick
und den Tiirkenstiicken im deutscben Singspiel zu zieben. Seben wir in
dem vorliegenden Stuck noch die Intoleranz der Christen, die dnrcbass
keinen anderen Glauben als den ibrigen anerkennen wollen, so sucben die
deutschen Turkensingspiele , die von Gedanken der Aufklarungspbilozophie
stark durchsetzt sind, nachzuweisen , dafi auch der Mohammedaner ein edler
Mensch sein konne, oft wird er sogar uber die Christen gestellt nnd eine
Religion edler Menscblichkeit auf den Schild erhoben. Johann Roaenbht
oder Rosenbliit (in Wirklichkeit Hans Schneppersj hat nach Schiitae5) 1450
>sechs klagliche Fastnachtsspiele* im Druck herausgegeben.
Nach langerer Pause in der sich keine Turkenstttcke nachweisen lasten,
erscheint 1682 ein Kara Mustapha*). Das Stiick wird von Schletterer*) ii
das Jahr 1686 verlegt.
Es treten Mahomet, der tiirkische Sultan, tiirkische Offiziere. Janitscbaren-
chore usw. auf. Das Libretto stammt von Dr. Lucas v. Bostel, Syndikv
1) Benutzt im Brit. Museum: The Overture, Songs etc. in the Seraglio, as per*
formed at the Tlieatre Royal Govent Garden.
2) Napoli-Signorelli, a. a. 0. 1. S. 366.
3) Joh. Fr. Schtitze. Hamburg. Theaterffescbichte 1794, 8.9.
4) Sammelbde. der IMG. Ill, S. 279 u. 282.
5) Schletterer, Das deutschfl Singnpiel . . . 1863, S. 89 u. 203.
Walter Preibisch, Quellenstudien zn Mozart's >Entfuhrung« usw. 451
und zuletzt Btirgermeister der Republik Hamburg. Schletterer {) spricht von
dem Werk als von einem >durchaus witz- und geistlosen, erbarmlichen poe-
ti8chen Machwerk, voll der allerplumpsten Reden«. Es kamen 48 besonderc
Dekorationen und Maschinen darin vor. Die Seitenszenen konnte man 39,
die Mittelvorstellungen mehrere hundert Male verandern. Auch Schiitze2)
bestatigt, daB das Stuck an niedrigen Scherzen und Unanstandigkeiten roich
sei. Der Stoff selbst war durchaus aktuell, denn er behandelte die Expedi-
tion des Veziers Kara Mustapha gegen Wien und den Entsatz dieser Stadt
im Jahre 1683.
Wir stehen mit dem Kara Mustapha kurz vor der ErofFnung des Ham-
burger Opernunternehmens von Reinhard Keiser. Dieser Komponist ver-
stand sich darauf, wahrscbeinlich durch den Erfolg des Kara Mustapha an-
geregt, auf den Geschmack des Volkes einzugehen, und hat selbst ein
Tiirkenstiick komponiert: Muhamed I/.3), 1696, zu dem Hinscb einen
schlechten Text geliefert hatte. Die Musik Keisers ist nicbt erhalten.
Im Jahre 1749 wird unter den in Hamburg aufgefiihrten Stucken eine
*tiirkischr. Lustbarkeit4)* erwahnt, die am 10. Februar des genannten Jahres
in Szene ging.
Damit sind wir bereits in die Sphare des deutschen Singspiels geriickt.
Hier wie in den anderen Jjandern wird die Reaktion gegen die italienische
Oper vollzogen. Das Rationale Element ist auch in Deutschland erwacht,
und aus dem Streben heraus, die italienische Oper zu verdrangen, ihr oft
hohles Pathos zu verspotten, den Olymp durch volkstumliche Gestalten zu
ersetzen, Frische und Natiirlichkeit in die dramatische Musik einzufuhren.
entstand das deutsche Singspiel.
Von der italienischen opera buffa her empfing Deutschland im 2. Drittel
des 18. Jahrhunderts eine neue Zufuhr von Tiirkenstoffen. Gelegenheit zu
standiger Vermittlung war durch die zahlreichen Italiener gegeben, die sicli
damals noch in groBer Anzahl als Orchestermusiker oder Kapellmeister in
den deu,tschen Hofkapellen befanden.
Auch die englischen Schauspielergesellschaften und die franzbsische opera
nomique haben an der Verbreitung der Turkenstiicke in Deutschland grofien
Anteil.
Einer der beliebtesten Tiirkenstoffe, der wahrend eines Zeitraums von
funf Jahren nicht weniger als drei Bearbeitungen aufzuweisen hat, ist Der
Kaufmann von Smyrna.
Die crate Bearbeitung riihrt her von dem Abt Vogler5) und stammt
aus dem Jahre 1771. Wir lernen durch Schafhautl als Librettisten den
Herrn von Champ fort kennen, der deutsche IJbersetzer ist C. F. Schwan.
Das Vogler'sche Stiick hat zwei Ouvertiiren und wurde 1771 in Mann-
heim bei dem kurfurstlichen Hofbuchhandler Schwan gedruckt.
Der Franzose Dorval ist durch einen Oberfall auf der See mit seiner Geliebten
Amalie in die Hande der Osmanen ge fall en. Der boshafte Ski aven handler Ealed
hat sie ganz in seiner Gewalt. Das junge Liebespaar fQblt sich in der Gefangen-
gchaft hdchsb unglucklich, zumal da die Be hand lung durch die Turken sehr schlecht
1) Schletterer, a. a. 0. S. 89.
2) Schutze, a. a. 0. S. 160.
3) Vierteljahrsschrift f. M.-W. VI, S. 168.
4) 3chfltze, a. a. 0. S. 82.
5) Schafhautl, Abt Georg Jos. Vogler . . . 1888. S. 248.
s. d IMG. x. 30
452 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfuhrung« uaw.
ist. Da bietet sich fQr Dorval eine Gelegenheit, seine Freiheit wiedersuerlangen.
Er rettet Hassan, einem vomehmen, begflterten TUrken, das Leben. Dieter be-
weist ihm seine Dankbarkeit dadurch, daft er Dorval und seiner Geliebten die
Freiheit erkauft So l5st sich alles zu allgemeiner Zufriedenheit.
Im Jahre 1773 erschien das Stuck mit der Musik von K. Day. Stegmann1).
Die musikalische Behandlung ist tiberaus geschickt, vor allem hat sicb
Stegmann bemiiht, in den tiirkischen Charakter des Stiickes einzudringen.
Schon die dreisatzige Einleitungssinfonie, die er Alia Turca uberschrieben hat
mit ihren charakteristischen Themen zeigt dieses Bestreben:
Satz 1, Thema 1.
Satz 1, Thema 2.
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EZlJgglgl^g^^
Satz 2.
Satz 3, Thema 1.
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SaU 3, Thema 2.
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Am besten gelungen ist die musikalische Charakteristik des rohen Sklaven*
handlers Kaled, der mit folgenden zwei Motiven lebhaft Tor unser Auge tritt:
1. Motiv Kaleds.
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2. Motiv Kaleds.
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Sein bramarbasierendes Wesen, seine erbitterte Feindschaft gegen alles,
was Christ heifit, hat er mit dem Osmin des Entfuhrungsstoffes gemein
Besondere Beachtung verdient das Finale wegen der darin zum Ausdruck
gebrachten Gedanken. £s ist ein nach franzosischem Vorbilde verfafitet
Vaudeville.
1) Benutzt: Klavier-Auszug aus der Kgl. Biol, zu Berlin.
Walter Preibipch, Quellenstudien zu Mozart's >Entruhrung« usw. 453
Porval, Amalie, Hassan, Zaide stimmen ein in das Hohelied der N&chstenliebe.
Es sei erhaben, der Menschen Pflichten zu tiben, alien Menschen aufricbtige Liebe
entgegenzubringen. Heiden wie Christen vereinigen sich zu diesem Gesang und
proklamieren die allgemeine menschliche Religion, die fiber den Einzelreligionen
stehe.
Die dritte Bearbeitung des Stoffes riihrt von Andreas Franz Holly1) aus
dem Jahre 1775 her.
Aucb Holly ist bemtiht, das tttrkische Milieu musikaliscb zu treffen. Die
Ouverture steht in engerem Zusam men hang mit der Handlung und soil wahr-
scheinlich auf das Ungliick, das die Liebenden getroffen hat, hinweisen. Be-
merkenswert wegen seiner eigenartigen Harmonik ist das Motiv:
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j£e^
±e^
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**
k=3
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Die Holly'sche Behandlung enthalt eine Arie mehr als die Stegmann'sche.
Es ist die Arie Amalias: »So mufi ich denn mit bangem Schmerze von
meinem Freund geschieden sein«. Die Arie ist gerade fur Holly charakte-
ristisch. Ihm gelingt es, das zarte Empfinden des Weibes, den Trennungs-
schmerz Amalias darzustellen, iiberhaupt versteht er sich gut auf musikalische
Stimmungsmalerei. Er hat manchmal etwas Mozart' sches an sich, wahrend
cr anderseits von Stegmann in der Darstellung mannlicher Charaktere, rauher
Naturen, wie besonders in der Charakteristik des Sklavenhandlers Kaled iiber-
trofFen wird.
Von Holly haben wir noch ein zweites Tiirkensingspiel , das Der Bassa
von Tunis oder Julie*) betitelt ist und aus dem Jahre 1775 stammt. Der
Text stammt von Henisch.
Da der Dialog fehlt, ist es wiederum schwer, die Handlung genau zu
verfolgen. Eine als Bassa bezeichnete Person komrat in dem musikalischen
Teil nicht vor, wir haben daher wahrscheinlich eine Sprechpartie, wie sie der
Bassa Selim bei Mozart hat, vor uns.
Julie wird von Alcindor geliebt. Sie ist gefangen, der Geliebte sucht sie zu
befreien. Dabei gerat er in grofie Gefahr, Hassan und Gripos, wahrscheinlich Be-
amte des Bassa, weigern sich, Alcindor Schutz zu gewahren. SchlieOlich gelingt
es ihm aber, die Befreiung der von ihm angebeteten Julie zu erwirken.
Die Ouvortiire stellt eine Art Janitscharenmarsch dar mit folgendem
Hauptmotiv :
1) Benutzt: Klavier-Auszug aus der Grofiherzogl. Bibl. zu Darmstadt.
2) Benutzt: Partitur aus der GroGherzogl. Hofbibl. Darmstadt.
30*
454 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entffthrung« nsw.
das mit dem zweiten Thema des ersten Satzes der Sinfonia tod Stegmann's
Kaufmann von Smyrna und mit dem Anfang von Mozart's » Kleiner Nacht-
musikc verwandt ist.
Zur Schilderung des ttirkischen Milieus wird das Orchester durch Klari-
netten, Horner, Pikkolofloten und Schlagzeug verstarkt.
Yon den Bearbeitungen des Eremit von Formentera kommt fur uns nur
die von E. W. Wolf1), Weimar gegen 1775, in Betracht, da die ubrigen
Behandlungen des Stoffes von Peter Bitter, Dieter, Heinz undRungen-
hagen erst nach der »Entfuhrung« erschienen. Der Stoff erinnert in ein-
zclnen Ztigen an die »Entfuhrung«.
Nach franzosischer Vorlage, namlich nach Gr6 try's Les deux avares von
Meifiner gearbeitet ist das Singspiel Das Grab des Mufti.
Das Stuck lag mir in der Komposition von Johann Adam Hiller2) vor.
Es erschien 1777, der Klavierauszug tragt das Datum 1779 3).
Nach einer dreisatzigen Sinfonia spielt sich eine Entfuhrungsgeschichte
vor unsern Augen ab. Der Stoff hat mehrfach Ahnlichkeit mit der Schiata
lihcrata und folglich auch mit dem Bretzner'schen Entfuhrungsstoff. Gripon
mit seinem ewigen Zanken und Krakehlen ist dem Osmin verwandt, aller-
dings ist er nicht so grausam wie dieser, er ist mehr eine Art Albumazar-
natur. Der schmachtende Liebhaber Wilhelm tragt verschiedene Zuge Bel-
monte's an sich.
Die Janitscharen chore sind dem tiirkischen Charakter des Stoffes ange-
messen. Von besonderer Wirkung ist der feierlich klingende Gesang der die
Abendrunde machenden Janitscharen:
>Die Wache kommt, seid alle still,
Es schlafe, wer da schlafen will,
Wer wachen muO, der schweige.
Es weiche Tuck1 und Rauberei,
DaO nicht der Unschuld Elaggeschrei
Zum Ohr des Kadi steige.<
Als die Janitscharen zum zweiten Male auftreten, sind sie betrunken und
stimmen ein feuriges Weinlied an: »Es lebe der Weiu, der Schopfer der
Freude« , dessen In halt ganz zu Osmins Worten iiber den Weingenufi pafil
Es heiBt bei HiUer:
>Wenn auch Mahomet una Madchen, Sang und Tanz verhieC, ohne den edlen
Zjpernwein, was waren die Madchen? Vezir und Saltan trinken dich, trots Mufti
und Gesetzen.*
Das Weinlied hat einen ahnlichen Bhythmus wie Mozart's Janitscharen-
chor im ersten Akte. Das Hiller'sche Singspiel zeigt alle Eigentumlichkeiten
des deutschen Singspiels, die Einfachheit in der melodischen Behandlung,
die naive Chnrakteristik der Personen, ein Weinlied, eine Romanze usw.
Am SchluB wird das Parterre aufgefordert, recht kraftig Beifall zu klatschen.
Das Stiick ist auBer von Hiller noch von Christian Gotthilf von Baum-
1) Riemann, Opernhandbuch.
2) Benutzt: Klavierauszug aus der Kgl. Bibl. zu Berlin.
3) Inhalt bei Calm us, Die ersten deutschen Singepiele v. StandfuB u. Hiller.
1908. S. 87 ff.
Walter Preibiech, Quellenstudien zu Mozart's > Entfuhrung* usw. 455
garten 1778 und von Johann August Halbe (Jabr unbekannt) in Musik
gesetzt worden.
Eine besondere Vorliebe fur Turkenstlicke scheint Joh. Andre gehabt
zu haben. Er hat aufier seiner Entfiihnmg noch zwei andere ttirkische
Stoffe in Musik gesetzt. Der erste davon betitelt sich Der Barbier von
Bagdad*).
Almansor und die schdne Zulima lieben einander. Zulimas Sklavin Fatime
vermittelt den Verkehr der Liebenden. Der Sklavin gegenuber rtihmt Almansor
die Vorzflge des von ihm verg5tterten M&dchens. Osmin, ein gutmfitiger Dumm-
kopf, tritt auf. Man hat ihn f&lschlich beschuldigt, gestohlen zu haben. und er
hat die Tracht Prugel ruhig eingestrichen. In einem Lied ch en macht er sich fiber
die zahlreichen Kflnste des Barbiers von Bagdad lustig, der neben seinem Beruf
noch Astrologie treibe, die Ader lasse und Pflaster streiche*).
Almansor ist im Hause der Geliebten angekommen und halt mit ihr ein
Plauderstflndchen. Als aber der Barbier, der ihn noch kurz vorher belastigt hat,
erscheint, rersteckt sich Almansor in Zulimas Oemach. Der Barbier hat es ge-
merkt und will, da er offenbar selbst in Zulima verliebt ist, mit Almansor Handel
anfangen, wird aber bei Zulima nicht eingelassen.
Das Parcben stimmt in dem Glflck, ungestOrt zusammenzusein, einen Hymnus
auf die Liebe an.
Das ist die recht harmlose Handlung des Stiickes, soweit man sie aus der
Partitur, der wiederum der Dialog fehlt, feststellen kann.
Musikalisch steht das Singspiel tief unter der Entfuhrung desselben Kom-
ponisten. Andre hat sich in dem Barbier von Bagdad nicht sonderlich be-
miiht, das tiirkische Milieu zu schildern; doch gelingt es ihm, warme Tone
anzuscblagen, um der Sehnsucht der Liebenden nach Vereinigung Ausdruck
zu geben. Mit Erfolg malt Andre's Musik auEere Vorgange; so wird uns
eine Priigelszene, bei der man die Stockschlage auf Osmin's Riicken nieder-
sausen hort, mit groBer Realistik vorgefuhrt.
Dem Osmin fehlt hier die Bosheit und Hinterlist, die ihm in den meisten
Tiirkenstucken eigen ist; er ist vielmehr ein dummer Tolpel, der sich alles
gefallen laBt. Das Duett zwischen Zulima's Sklavin Fatime und Osmin, in
welchem sie den Tiirken wegen seiner Wichtigtuerei auslacht, erinnert an
das Duett zwischen Blondchen und Osmin aus der » Entfuhrung «.
Das zweite Turkenstttck Andre's ist Das Tartarische Qesetz*), Berlin, 1779.
Der Stoff scheint viel Anklang gefunden zu haben. Es existiereu noch mehr-
fache Behandlungen auBer der Andre Tschen. Die bekann teste ist wohl die
von Zumsteeg, die zum ersten Male 1780 erw&hnt wird. Sie wird von
Abert eingehend besprochen. Das Stiick kommt fur uns indessen nicht in
Betracht, da seine Handlung weit von der » Entfuhrung* abfdhrt.
Schon vor der »Entfuhrung« hatte Mozart selbst ein tiirkisches Sujet
behandelt und zwar in seiner Operette Za'tdeA), 1780.
1) Benutzt: Partitur im Manuskript aus der Kgl. Bibl. Berlin.
2) Eine Arie ganz ahnlichen Gbarakters hat Knecht (in Anthologie f. Eenner
u. Liebhaber d. Tonkunst I, Speyer 1789) komponiert, die einem Bader Zeisig in
den Mund gelegt wird und die wahrscheinlich in ein Knecht'sches Singspiel ge-
hOrt: >Ihr Leute seht, das ist der Mann, der alien Kranken helfen kann.<
3) Benutzt: Partitur im Manuskript aus der Kgl. Bibl. zu Berlin.
4) Inhalt bei J ah n, W. A. Mozart I, S. 626.
456 Walter Preibiscb, Queilenstudien zu Mozart's >Entfuhrang« nsw.
,Wir haben auch bier einen Entfuhrungsstoff vor uns, der in zahlreichen
Szenen dem spateren Werke inbaltlicb nabe verwandt ist.
Gomatz ist das Seitensttick zu Belmonte, Za'ide entspricht der Konstanze.
AUazim, der Giinstling Solimans, der den Abendlandern bei der Flucbt be-
hilflich ist, bat als aufgeklarter Mubammedaner mebrere Zuge des Bassa
Selim an sich. Auch ein Osmin findet sicb in dem Stuck, doch als bio lie
Nebenperson.
Musikalisch ist von der Zeicbnung des turkischen Milieus, die Mozart
b pater in der »Entfuhrung« so trefflich gegluckt ist, nocb nicbt viel zu merken,
nur in der Szene, wo der Sultan seinen Zorn tiber den Verrat des Gomatz
und der Zaide zum Ausdruck bringt, wird eine dementsprechende Instrumen-
tation mit Trompeten und Pauken eingefuhrt.
Die Einleitung des Quartetts, die durcb einen kurzen Satz der Streich-
instrumente geschieht, ist ein aucb in der »Entfuhrung« in Konstanzes
Arie (10) verwandtes Motiv1).
Zu den Tilrkenstucken baben wir aucb das von GroAmann, ehiem Mit-
gliede der Sevier schen Truppe gedicbtete, von Chr. Gottl. Neefe in Musik
gesetzte Singspiel Adelheit von VeltJieim*), 1780, zu recbnen. Aucb dieses
Stiick bat jeden falls dem Stoffe der »Entfubrung« mebrere Zuge gelieben5).
Das Stiick ist groBtenteils im Stile des Singspiels gebalten, nur gelegent-
licb, wie in I, 9, wo wir einen groBen dramatiscben Monolog, aus Akkom-
pagnato und Sekkorezitativ gemiscbt, vor uns haben, fallt es aus diesem
Rahmen heraus.
Die Einbeitlicbkeit des Werkes leidet unter der Fiille der Personen, die
teilweise nur geringen Anteil an der Handlung baben. Das Stiick ist nacfa
dieser Kicbtung hin mit Gluck's Pilgrimen von Mekka verwandt.
Vortrefflich gezeiebnet ist der Haremswachter Mehmet, der mit dem Osmin
der >Entfubrung« grofie Abnlicbkeit bat.
Das tiirkiscbe Milieu zu zeichnen, gelingt Neefe vor allem in den Or-
chestersatzen. Schon die das Werk einleitende Sinfonia turchesa a due or-
chestre mit Oboen, Klarinetten, Flauti und Timpani gibt davon einen voll-
giiltigen Beweis.
Aucb der Marscb (I, 6) mit seinem gravitatischen Haupttbema:
rrVthS r
und mit den larmenden Figuren:
ist bestimmt, den rauscbenden Cbarakter der tilrkiscben Musik zu malen.
Desgleicben verdienen die Sinfonia di guerra am Anfang des vierten Aktes
und der sich anscblieBende Kriegsmarsch der Janitscbaren, deren Fanatismus
besonders in dem markanten Motiv:
1) Jahn a. a. O. I, S. 632ft.
2 Benutzte Partit. aus Kgl. Bibl. Dresd., Ms.
3) Inbalt b. H. Lewy, Chr. Gottl. Neefe, RoBt. Diss. 1901, S. 67 ff.
£§i
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Eniftthrung« usw. 457
g=g^Fg ;,1[ff
UT3
zum Ausdruck kommt, als Muster ttirkischer Milieuschilderung besondere
Erwiihnung.
Die >Entftthrnng ans dem Serail< in ihren verschiedenen Kompositionen.
Die »Entfuhrung« liegt una in vier Kompositionen vor. Andre und
Mozart haben sie 1781, Dieter hat sie 1784, Knecht 1790 in Musik
gesetzt. Eine weitere musikalische Bearbeitung von Kuzzi wird bei Gerber
erw'ahnt, doch konnte ich den Fundort der Parti tur nicht ermitteln.
Wir haben zwei verschiedene Fassungen des Testes zu unterscheiden ;
einmal das von Bretzner fur Andre* geschriebene Libretto und zweitens
die von Stephanie dem Jungeren ftir Mozart gelieferte Bearbeitung, die
Bretzner offentlich1) als eine Verballhornisierung seines Textes bezeichnete.
Der Hauptunterschied der Fassungen besteht, wie schon Jahn2) gezeigt hat,
darin, daB die eigentliche Entfiihrungsszene sich bei Bretzner in einem En-
semblesatz (Sextett) abspielt, wahrend Stephanie diesen Teil durch gespro-
chenen Dialog ersetzt.
Auch sonst sind auf Mozart's Veranlassung mehrere Anderungen ange-
bracht, wo der Komponist glaubte, daB der Musiker neben dem Dichter
nicht genugend auf seine Rechnung komme. Andere Anderungen wurden
dadurch no tig, dafl Mozart der Individualist einzelner Sanger Rechnung
tragen wollte.
Andre* und Dieter haben den Text in der Originalfassung , Mozart und
Knecht den umgearbeiteten Text in Musik gesetzt. Das Verhaltnis der Kom-
ponisten untereinander stellt sich im allgemeinen folgendermaBen dar:
Dieter ist aus der Schule Jommelli's hervorgegangen und weist infolge-
dessen unter alien die moisten italienischen Ziige auf. Auch die Schule der
Mannheimer Sinfoniker ist auf ihn nicht ohne EinfluB geblieben.
Knecht, der Musikdirektor aus Biberach, gehorte zu dem Freundeskreise
Wieland's und teilte mit diesem seine Vorliebe fiir das deutsche Singspiel.
Da er auch mit Jommelli und den Mannheimern bekaunt wurde, so finden
sich auch bei ihm oft italienische Ziige und Anklange an den Mannheimer
Stil. Yon den norddeutschen Komponisten haben besonders Joh. Christian
Bach und Graun auf ihn EinfluB gehabt.
Bei Dieter und Knecht spielt das Malerische eine groBe Rolle, das be-
sonders seit den Orchestermonologen in den Jommelli'schen Opern aus der
Stuttgarter Zeit sehr beliebt war. Vielleicht haben auch die Deller'schen
Ballette und die Zumsteeg'schen Jugendopern auf Knecht und Dieter gewirkt.
Die Andre'sche Komposition hat ihren Schwerpunkt in volkstumlichen
Elementen. Einfache Singspiellieder sind Andre's eigentliches Gebiet. Seine
Kompositionsweise nahert sich am ehesten der Art Joh. Adam Hiller's.
Fiir Mozart bedeutet die >Entfuhrung« einen wichtigen Abschnitt in
seiner Entwicklung. Italienische Elemente fehlen zwar keineswegs, aber die
1) Berliner Lit. u. Theaterzeitung 1783, II, S. 398ff.
2) 0. Jahn, a. a. 0. I, S. 747ff.
458 Walter Preibisch, Quellenstudien su Mozart's >Entfuhrung« usw.
Grundzlige der Behandluug sind deutsch. Zum ersten Male rtickt er hier
mit voller Absicht innerlich von den Italienern ab. Der Vergleich mit den
andern Komponisten zeigt deutlich, worauf es Mozart in der »Entfiihrung<
eigentlich ankam. Wenn hier tiberhaupt auf die Kompositionen von Dieter,
Knecht und Andre eingegangen wird, so geschieht das nicht wegen der
eigenen Bedeutung dieser Werke, sondern nur, um zu veranschaulichen, wor-
auf es Mozart, ankam, und so die Stellung seines Werkes im deutschen Sing-
spiel sowohl, wie in Mozart's eigenem Schaffen genauer zu bestimmen.
Die Ouverturen.
Dieter eroffnet sein Werk mit einer Sinfonia, Allegro vivace, die die
Form des Sonatensatzes hat. Der Einflufi der Mannheimer Schule zeigt sich
in der Them at ik, vor allem in dem gleich einer Rakete aufschieBenden Haupt-
thema:
^^rptfff^TOTrte^
Fiir die Gegenttberstellung der Themen hat Jommelli ' :, der schon fruher
den thematischen Dualismus in seine Sinfonien eingefuhrt hatte, das Vor-
bild abgegeben. An die italienische Art gemahnt auch ferner die zwar
korrekte, aber nichtssagende Durchfuhrung. Nur der SchluB ist wegen der
Mancandostelle und ihrer eigenartigen Harmonik bemerkenswert. Wahrschein-
lich ist hierin eine Beziehung auf den Konflikt der Handlung zu finden, wie
ja auch Jommelli in seinen Eingangssinfonien ofters darauf hinweist.
In dem Knecht'schen Klavierauszuge fehlt die Ouverture. Andre hat
wie Dieter, zwei kontrastierende Themen:
Thenia 1.
$*tmi¥^pf%mT*&^&
Thema 2.
H3iircg£
^
rnrtrnr
Das zweite Thema, mit dem die Oboe solistisch aus dem Orchester hervor-
tritt, ist ein ausgesprochenes Gesangsthema im Sinne der Mannheimer.
Mozart zeigt schon durch die Wahl seiner Instrumente — Pikkolo-
floten, Klarinetten, Pauken, Trompeten, Becken und der Tamburo grande —
worauf er hinaus will. Im ubrigen verfolgt dieses Orchesterstiick als dai
erste seiner Gattung die Tendenz, die Kretzschmar5) bei Besprechung dn
» Figaro « -Ouverture charakterisiert :
»Diese unscheinbar gewordenen, abgespielten Orchesterstucke sind wunderbare
Prologe, die auf den hohen Standpunkt hinaufheben, von dem aus Mozart auf die
bunte Welt seiner Dramen herabblickt. Da wird denn dieser Figaro gleich mit
der ersten. phantastisch, heimlich und gedampft dahinhuschenden Achtelfigur int
1: Vgl. Abert, N. Jommelli als Opernkomponist, 1908. 8.151.
2) Jahrb. der Musikbibl. Peters 1908. S. 64.
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entftthrung« uew. 459
Reich der Sommernachtstraume versetzt, and dies em Anfang entsprechend eilen
die verfanglichen Szenen, der moralischen Schwere entkleidet vorflber.*
Wie im » Figaro* hat Mozart auch in der »Entfuhrung« mit den schnell
dahingleitenden Figuren der Ouverture in dem Prestosatze tiber das Stuck
eine Art von Marchenstimmung gebreitet.
Nr. 1. Arie des Belmonte: Hier soil ich dich denn sehen . . .
Bei Dieter und Andre" fehlt die Arie. Knecht macht aus ihr ein
harmloses Singspielliedchen ohne rechte Charakteristik :
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S
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Bei Mozart hat diese Arie eine ganz besondere Stellung. Sie gehort
gewissermaBen noch zur Ouverture, die ja ohne rechten SchluB ist. Die
Arie gibt uns die Antwort auf die im Mittelsatz der OuvertUre gestellte
Frage. Dort war die elegische Klage in Cmoll ein fremder Oast in dem
bunten, marchenhaften Treiben gewesen, der wohl andeuten konnte, daB
Mozart mit seiner Komposition eine tiefere Auffassung des ganzen Stoffes
anstrebte, aber diese Absicht war zunachst nur ganz unbestimmt zum Aus-
druck gekommen. Jetzt sehen wir auf einmal klar und deutlich die Grund-
linien der Mozart'schen Auffassung seines Stoffes vor uns. Er will gleich
zu Anfang das ethische Grundmotiv des Ganzen, die Treue des Liebespaares
und seine Gemutstiefe, ins hellste Licht stellen.
Nr. 2 a. Lied Osmins.
"Weder bei Dieter
^mr^mm^trjm^^i
noch bei Knecht
Wm^mmm^m
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460 Walter Preibisch, Quellenstudien zn Mozart's >Entfahrung« uaw.
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noch bei Andre*
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m^
±r
^
findet sich eine Spur der Charakteristik des unheimlichen Gesellen. Was
sie uns geben, sind einfache Singspielliedchen Hiller'schen Stils ohne jede
Charakteristik, die ebensogut jeder beliebigen anderen Person in den Mund
gelegt sein konnten.
Mozart hat uns bereits in Nr. 1 in eine idealere Sphare, als sie in dem
gewohnlichen Singspiel herrschte, hineingefuhrt. Hier geht er konsequent
weiter, indem er nun im scharfsten Kontrast den Gegenspieler des Paares,
Osmin, vor uns stellt. Dafl hier die franzSsische Oper (Duni) und die ita-
lienische Buffooper vorbildlich waren, geht aus Kretzschmar's Ausfuhrungen
hervor. Aber alle Vorbilder treten zuriick gegeniiber der Originalitat und
Geschlossenheit dieser Figur. Auch dafi Mozart als einziger der vier Kom->
ponisten die Moll ton art wahlt, und zwar gerade O moll, das bei ihm stefe
etwas Besonderes zu sagen hat, unterscheidet ihn von den iibrigen Kompo-
nisten. Der Grundcharakter dieser Osmingestalt ist murrisch und schwer-
fallig, aber hinter dieser Schwerfalligkeit lauert eine brutale Sinnlichkeit,
die immer deutlicher in der Sprache des Orchesters zum Ausdruck kommt
Gerade der Vergleich dieses einfachen Strophenliedes mit dem der anderen
Komponisten ruckt Mozart's Kunst in das rechte Licht.
Nr. 2b. Duett: Belmonte und Osmin.
Bei Dieter und Andre* fehlt das Duett.
Knecht ist hier erfolgreich bemttht, den Osmin, dessen Charakteristik
ihm in dem Strophenlied nicht recht gegluckt ist, wenigstens in sein en Grand-
zttgen zu zeichnen, besonders scheint die kraftige BaBfuhrung auf Osmin bin*
zuweisen, der, wenn man ihn reizt, recht wiitend werden kann. Am Ende
verfallt Knecht wieder in einen graziosen, aber durchaus physiognomieloaeD
Allegrettosatz. So ist auch hier die Charakteristik dem leichten Singspiel-
ton aufgeopfert.
Mozart stellt auch hier zunachst noch Osmin in den Vordergrund. Wti
hier geschildert wird, ist die Stufe fur Stufe zum Ausdruck kommende
Brutalitat des finsteren Gesellen. Charakteristisch sind fur ihn auch bier
die Molltonarten, ^4 moll, tfmoll und /J moll. Belmonte gerat im Gegensati
zu Osmiu nur langsam in Wallung, erst bei den kanonischen Einsatzen wird
auch er aufgeregter. Sein mit Schalkhaftigkeit gepaarter Gleichmut, wie er
in der Orchestersprache zum Ausdruck kommt, steigert Osmins Wut, die sick
dann im SchluBsatze (Z)dur) in einer geradezu lapidareh Weise entl&dt, wie
uns die grobkornige Melodik zeigt, die fast planlos auf- und niedergeht
1) Jahrb. der Musikbibl. Peters 1905, S. 61.
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's »Entfahrung« uaw. 461
3. Arie Osmins: »Solche hergelaufnen Laffen«.
Bei Dieter und Andre fehlt die Arie.
Knecht bemiiht sich, die wilde Erregung, die sich Osmins bemachtigt
hat, auszumalen, doch tut er das mit durchaus konventionellen Mitteln, wie
der Anfang des Ritornells
i j- •
m
i
wm
-Mk-
*s
zeigt. Auch das Hauptmotiv
p#Pi^f
Sol - che ber - ge - lauf - nen Laf - fen
stammt aus dem Scbatz der opera buffa.
Auch fur Mozart war die opera buffa vorbildlich, aus ihr stammen vor
allem die in der Melodik enthaltenen groBen Intervallspriinge , die weiten
Skalengange, das Hangenbleiben an einzelnen Motiven, die immer wieder-
holt werden, besonders in dem Allegro assai: >Erst gekopft, dann gehangen • .
In dieser Arie wird die Charakteristik Osmins konsequent weitergeflihrt.
Der Anfang kntipft mit seiner Brutalitat an das Vorhergehende an. Es
zeigt sich uns zuerst mafllose Selbstgefalligkeit, dazu kommt aber noch eine
gehorige Dosis Dummheit bei den Worten: »Ich nab' auch Verstand«, die
das kichernde Orchester bespottelt, zum Schlufi dringt die fanatische Grau-
samkeit des Ttirken deutlich hervor. Erst jetzt ist Osmins Bild yollstandig.
Wie wichtig Mozart diese Zeichnnng war, zeigt das Anhangsel: »Drum beim
Barte des Propheten*, uber das sich Mozart1) selbst des weiteren auslafit.
Nr. 4. Arie Belmontes: »0 wie angstlich, o wie feurig«.
Dieter schreibt eine Koloraturarie nach dem Muster Jommelli's, den er
bis in die Bewegungen der zweiten Yioline hinein kopiert. In derselben
zeigt sich auch seine Vorliebe fiir Blasinstrumente2). Belmonte singt hier
durchaus im Stile der Helden der opera seria, wie denn uberhaupt die Ver-
mischung der beiden Gattungen, des Singspiels mit der opera seria, bei ihm
besonders in die Augen fallt. Freilich war Hiller hier bereits vorangegangen.
Wenn Hiller3) in seinem »Krieg« 1772 die Marketenderin eine Bravourarie
singen laBt, so wird man das bei dem ganz im Italienertum aufgewachsenen
Dieter ganz begreiflich finden.
Knecht steht unter dem EinfiuB des Stimmungsbildes, das Mozart in
dieser Szene entworfen hat. Die Anlehnung an das Mozart'sche Vorbild
zeigt sich sogar bis in Einzelheiten hinein:
1) Vgl. Brief v. 26. Sept. 1781.
2 N&heres daruber vgl. Musik. Realzeitg. v. 19. V1I1. 1789.
3 Calmus, Die ersten deutschen Singspiele von Standfufi und Hiller, 1908,
S. 70.
462
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's »Enttuhrung« asw.
Mozart:
&^T-u g^fw fy § ii i j m
lohnt der Tren - nung ban - gen 8cbmers
^ if £r arlSI^
Wo er Eigenes zu geben bemiiht ist, wie in dem Mittelsatz, wird er
banal. Yon der Orchestermalerei Mozart's findet sich bei ihm keine Spur.
Andre* schreibt wie Dieter eine Koloraturarie, die in mehreren Begleit-
figuren Mozart's Vorbild erkennen laCt.
Mozart zeichnet einen jener ahnungsvollen Gemtttszustande , in deren
Schilderung — man denke nur an die kostliche Pigur des Cherubin, die
Kretzschmar als eine Art »mannlichen Backfisch « gezeichnet hat — er auch
spater Meister ist. Der Grundton ist die Seeligkeit iiber das nahe Liebea-
gliick, die denn auch am SchluB voll hervorbricht. Triibe Schatten Ziehen
durch Belmontes Seele. Die Aufgabe, sie zu zeichnen, fallt in erster Lime
dem Orchester anheim. Die dazu verwendeten Figuren entstammen dem
hierin besonders reichen Arsenal der italienischen Oper, indessen ist die
Tonmalerei durchaus fein und diskret angebracht. Italienisch ist auch die
stockende, seufzerartige Melodik, die in der Oper gem auf Worte wie pal-
jritar usw. vorkommt (vgl. Jommelli, Fetonte, Duett I, 4). Es ist eine
»empfindsame< Arie im Sinne des 18. Jahrhunderts, vom Genie in hochster
Weise verklart und in den Dienst der dramatischen Charakteristik gesteUt
Nr. 5. Der Janitseharenehor.
Dieter glaubt in seinem Janitseharenehor dadurch turkisches Wesen
zum Ausdruck zu bringen, dafi er nach Jommelli'schem Yorbild die Violinen
und Basse Sechzehntel- und Zweiunddreifiigstellaufe auf- und abrennen lafit
Das zu grunde liegende Hauptthema vertritt einen bekannten Typus der
neapolitanischen Opernsinfonia :
Man vergleiche damit das Thema 2 des ersten Satzes der Sinfonie zu 8teg-
mann's Kaufmann von Smyrna, ferner den Anfang der OuvertUre zu Holly 's
Bassa van Tunis, endlich den Anfang von Mozart's » Kleiner Nachtmusik*.
Calmus *) fuhrt auch das Einleitungsmotiv der ersten Leporelloarie auf eineo
uhnlichen TJrsprung zuriick.
Knecht strebt im ersten Janitseharenehor individuelle Fuhrung der eiB-
zelnen Stimmen an. Er stellt die hoheren Stimmlagen den tieferen gege*-
iiber und vereinigt sie dann. Die Melodie ist auBerordentlich feurig:
tr.
p¥W^
^
^t
^m
1) Calmus, a. a. 0. S. 80.
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfahrung« usw. 463
Am beaten gelungen ist Knecht das frische, den Chor abschliefiende, mozar-
tiscb klingende Allegretto, 6/s ^dur: >Weht ihm entgegen, kuhlende Winde«.
Andre's Janitscharenmusik zeichnet sich durch eine jener frischen, an-
mutigen Melodien aus, an denen das deutsche Singspiel so reich ist. Er
hat die einfachste Tonart, (7dur, gewahlt; die Instrumentation, Streichquartett
mit Oboen, Fagotts, Horn em, we ist nichts auf, woraus man auf ein Betonen
des tiirkischen Elementes schlieUen konnte. Der Chor beginnt:
Mozart hat nach dem Vorbild Gluck's (PUgrime von Mekka) seiner Musik
im Rhythmus und in der Instrumentation ein tiirkisches, wenigstens exo-
tisches Geprage zu geben yersucht. Er hat wieder die Pikkolofloten, Klari-
netten, Oboen, Fagotts, Horner, Tromben, Timpani, Triangeln, Piatti und
den Tamburo grande herangezogen , um das Streichorchester zu verstarken.
Der Rhythmus des Chores wirkt eigentiimlich exotisch durch die immer in
den nachsten Takt hiniibergezogenen Tone1) und durch die merkwiirdige,
sich immer wiederholende Figur2), auf deren Verwandtschaft mit einer Figur
in Gluck's Pilgrvmen ich bereits fruher hingewiesen habe.
Nr. 6. Arie Constanies: »Ach ich liebte, war so gliicklich«.
Dieter und Andre* haben beide eine groBe Koloraturarie an dieser
Stelle. Beide geben Virtuosenstiicke im schlechten Sinne. Dieters Arie
klingt besonders bei der Wiederholung yon »Ach ich liebte* an Mozart an.
Auch Mozart hat die Arie als Koloraturarie behandelt. Er war sich,
wie aus einem Brief an Leopold Mozart9) heryorgeht, dessen wohl bewufit,
dafi die Arie der Constanze nicht angemessen sei. Seine Worte »soviel es
eine welsche Bra vour aria zula£t«, sind bezeichnend fur seine allmahliche Ab-
wendung vom Italienertum. DaB der herrische Charakter nicht zum Sing-
spiel pafit, bemerkt schon Jahn4). Bedenklich ist, dafi das StUck gerade
das erste ist, was Constanze zu singen hat. Wir erhalten dadurch ein
schiefes Bild yon ihrem Wesen , das erst in ihrer zweiten Arie richtig ge-
stellt wird. Constanze ist somit entschieden gegen Belmonte im Nachteil,
der gleich in seinen ersten Gesangen mit klaren Strichen gezeichnet ist.
Knecht ist der einzige, der sich innerhalb des Rahmens des Singspiels
halt. Er gibt ein einfaches Lied in (7 moll, das die tiefe Wehmut des M'dd-
chens trefflich zum Ausdruck bringt, so dafi hier seiner Komposition unter
alien yieren der Preis gebuhrt.
Nr. 6. Tersett.
Dieter beginnt mit einem wenig charakteristischen, aus der italienischen
Oper entlehnten Thema:
ife^Sr^^^ijftCtlf 't "■
1) Vgl. Klavierauszug Peters, S. 36, System 1, Takt 1, 2, 3, 5, 6, 7 usw.
2) Ibidem, System 2, Takt 1.
3) 26. September 1781.
4) Jahn, a. a 0. 1, S. 760
464 Walter Prcibisch, Quellenstudien zu Mozart's ȣntfflh range osw.
Dann aber fahrt er in so breiten, behaglichen Strichen fort, dafi seine Musik
zu dein lebhaften Text und der allseitigen Aufregung in keinem Verhaltnis
steht. Es fehlt dem Terzett vor allem die Steigerung.
Knecht leitet mit einigen kraftigen Strichen, die auf Osmiiis Bosheit
hindenten, das Terzett ein:
=t=t
£
tr tr tr
Aber es kommt nicht, wie bei Mozart, zu einem verschlungeneu Gewebe
der einzelnen Stimmen untereinander, sondern diese losen einander in der
Weise ab, dafi entweder Osmin oder Belmonte zugleich mit Pedrillo singt.
Auch Andrews Terzett ist verhaltnismafiig anspruchslos ; was ihn Knecht
gegentiber auszeichnet, ist der Versuch selbstandiger Stimmfuhrung. Ad
mehreren Stellen des Terzetts lafit sich der Einflufi der Mannheimer Schule
erkennen.
Mozart hat das Terzett iu Cmoll koniponiert. Da die Beteiligten ein
fbrmliches Durcheiuandergeschrei zu erheben haben, also die einzelne Stimme
gleichsam unterdruckt wird, so bot sich wenig Gelegenheit, die einzelnen
Personen noch naher zu charakterisieren. Es kam auch Mozart, wie wir
aus dem Brief vom 26. Sept. 1781 an den Vater wissen, hier hauptsachlich
darauf an, einen moglichst ]ebendigen, flotten Aktschlufl zu erhalten. Die
dramatische Situation wird nur in ihren Grundziigen durch den knnstvollen
Satz geschildert, es ist also in erster Linie Situationsschilderung, aber keine
Charakteristik erstrebt. Dies zeigt sich namentlich bei Belmonte, der ebeiiso
aufgeregt singt, wie die andern. Zweifellos sind die italienischen BufFofinale*
fur diesen Satz vorbildlich gewesen.
II. Akt.
Dieter. Nur bei Dieter hat der zweite Akt eine instrumentale Einlei-
tung, eine Sinfonie in einem Satz. Ob ihr energisches, fast trotzig zu
nennendes Motiv:
fe3SFrf#^+^j
^g^g^jJ^^^B
-hr-
LC
* * m
±
mit den Janitscharen und ihrem Fanatismus oder mit dem ewig polternden
Osmin in Yerbindung zu bringen ist, mag dahingestellt sein.
Nr. 8. Arie Blondes: »Durch Zartlichkeit und Schraeicheln « .
Dieter. Das Blondchen, das uns hier von Dieter vor Augen gestelH
wird, ist von grofier Zartheit. Fiir seine Komposition waren die "Worte
» Zartlichkeit und Schmeicheln « ausschliefilich mafigebend. Gerade diese*
Stuck mit seiner innigen Anmut zeigt deutlich, dafi Dieter's Starke auf deo
Gebiet der einfach liedmafiigen Formen lag, wahrend er beim TJbergang nr
grofien Arienform regelmafiig sein Talent uberspannt. Von einer Zeichnun^
des in den Worten » doch murrisches Befehlen « usw. gegebenen Kontrastes bat
er abgesehen. Von Mozart hat Dieter die sich wiegenden Sechzehntelfignrei
^s^rti
Walter Preibiscb, Quellenstudien zu Mozart's >Entfiihrung« usw. 465
entlehnt. Auffallenderweise hat Dieter auch die Taktart 2/^ und die helle
Ton art .4dur mit Mozart gemein.
Auch Knecht's Arie hat dieselbe Tonart und ahnelt der Mozart'schen
im Rhythmus. Besonders die von Knecht verwandte Schlufifigur auf die
Worte »So Lieb1 als Treu' entweicht* erinnert an Mozart.
Andre gleicht Dieter darin, dafi er nur die Zartheit Blondchens zum
Ausdruck bringt, dagegen versagt, wo die Musik ihren Arger iiber die Be-
handlung durch Osmin darstellen miifite.
Mit den wenigen Einleitungstakten fiihrt una Mozart das schelmische,
verliebte Ding in unnachahmlicher Weise vor. Bezeichnend ist hier die
Ahnlichkeit mit dem »Yeilchen«.
In Figuren wie Klavierausz. Peters, S. 55, System 4, Takt 1 ff., die ein-
zelnen Stelleu in Satz 1 der Sinfonia Cdur mit der Schlufifuge ahneln,
zeigt uns Mozart, dafi hinter dieser Heiterkeit und Anmut doch eiu gutes
Stiick zielbewufiter Energie steckt, das dann alsbald in dem Duett mit Os-
min zu recht drastischem Ausdruck kommt.
Nr. 9. Duett.
Bei Dieter und Andre fehlt das Duett.
Fur Mozart ist die Lage folgende: Osmin ist verliebt in Blonde, auf
der andern Seite furchtet er die angedrohten Priigel. Er versucht es zunachst
mit der ihm eigenen Brutalitat, indem er Blonde mit dem Gewicht seiner
Personlichkeit auf die Worte: »Bis du zu gehorchen mir schworst* zu im-
ponieren sucht; aber gegen die Zungenfertigkeit Blondes kommt er nicht
auf, und in seiner Verlegenheit wiederholt er sich andauernd. Als Blonde
ihn immer mehr lacherlich macht, ist er vollig geschlagen. In dem CmoM-
Andante kommt seine Resignation zum Ausdruck, und zwar in derselben
plumpen Weise, die fur ihn charakteristisch ist. Aber auch hier wird er
alsbald von Blonde ubertrumpft, die auf seiner Melodie alsbald einen schnip-
pischen, verzierten Gesang aufbaut. Im Schlufiallegro ist er endgiiltig besiegt.
Blonde ist es, die in dem imitatorischen Spiel den Ton angibt. Schliefilich
bringt es Osmin gar nicht mehr zu eigenen musikalischen Gedanken, sondern
plappert der Blonde alles willenlos nach. Das Ganze ist ein Meisterstuck
der Charakteristik.
Knecht hat offenbar eine ahnliche Entwicklung beabsichtigt. Auch er
zeichnet zuerst den Zorn Osmins :
dann freilich lost sich alles in Wohlgefallen auf. Eine tandelnde Singspiel-
inelodie erscheint, von dramatischen Gegensatzen ist nicht mehr die Rede.
Nr. 10. Rezitativ und Arie Konstanzes: > Welch er Kummer herrscht
in meiner Seele«.
Dieter hat wieder eine ausgebildete Koloraturarie. Nach Mozart's Vor-
bild verwendet er Synkopen und fluchtig abgebrochene Sechzehntelfiguren.
Die Oboe begleitet solo die Klagen Konstanzes.
Bei Knecht finden wir, offenbar nach Mozart's Vorbild, ein ausdrucks-
volles Akkompagnato, dann folgt eine elegische Klage:
466 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfuhruog« tww.
Trau - rig - keit ward mir zum Lo - se, weil ich dir ent-
iffi WfV-
SEE
ris - sen bin.
die freilich in ihrem weiteren Verlaufe wenig individuelle Ziige enthalt.
Die Andre^sche Arie atmet echtes Gefiihl. Am besten gelungen ist der
Mittelsatz in 6' moll. Die Jnstrumentalbegleitung zeichnet sich auch hier
(lurch scbone Floten- und Oboensoli aus.
Die aus der Tiefe langsam heraufsteigende Figur der Yioloncelli und der
Basse, mit der Mozart das Akkompagnato einleitet, yerleiht dem Schmerze
des von der Seite des Geliebten gerissenen Madchens ergreifenden Ausdruck.
Die kurzen Seufzer, die in bedeutsamer Weise an Belmonts Arie Nr. 2 er-
innern, fuhren uns den Kummer des Madchens vor Augen. Charakteristisch
ist auch hier die Wahl der Tonart: (rmoll.
In dieser Arie haben wir Konstanze vor uns, wie sie sich Mozart eigent-
lich gedacht hat. Alles Pathos der opera seria ist geschwundeii , der Aus-
druck der Empfindung ist durchaus natUrlich und wahr. Jahn erblickt hier
ein Tniumeii von entschwundenem Gltick. Das hatte wohl bei Mozart einen
anderen Ausdruck gefunden, hatte hellere Empfindungen hervorgerufen. So
aber beherrscht Konstanze durchaus das Gefiihl des Schmerzes, der menials
zum offenen Ausdruck gelangt, sondern sich in sanfter, resignierter Weise
iiuBert. Die Verwendung der Blasinstrumente wirft einen elegischen Schimmer
uber das Ganze.
Nr. 11. Arie Konstanzes : »Martern aller Arten*.
Bei Dieter und Andre fehlt die Arie. Die Knecht'sche mit dem
Kauptmotiv:
jHozna^BL^x-JUz^
zeigt deutlich, dafi Mozart's Bravourarie das Yorbild Air sie abgegeben hat
Das Vorspiel mit seinen Synkopen und den spitzen Stakkatofiguren soil die
Qualen, die Konstanze bevorstehen, veranschaulichen. In Tonmalereien leistete
Knecht, wie seine zahlreichen Prograinmsinfonien M zeigen, ja iiberhaupt Be-
deutendes.
Jahn weist mit Recht darauf hin, daft bei Mozart eine die Handlung
auf haltende Einlage vorliegt. Wir sehen hier ein Konzertsttick von reinstem
Wasser vor uns, mit vier obligaten Instrumenten. Das Interesse liegt nicht
auf der dramatischen , sondern auf der musikalischen Seite, die denn auch
mit wahrem Raffinement bedacht ist. Freilich uberragt die Arie die be-
doutenden Schopfungen in den gleichzeitigen italienischen Opern keineswegs.
Die Koloraturen sind Ubermaftig ausgedehnt und entsprechen, wie auch in
Mozart's Jugendopern, nicht immer der im Toxte gegebenen Stimmung. Be-
sonders nachteilig ist die nahe Nachbarschaft mit der vorhergehenden Arie
1) Mueik. Realzeitung Nr. 8 vom 24. Febr. 1790.
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Kntftihrung« usw. 467
Konstanzes, deren Charakteristik bier aufs neue zerrissen wird. Gerade diese
Arie hat denu auch neb en den Arien der Konigin der Nacbt in der »Zauber-
flote« dem gerechten 1111611 iiber die Neapolitaner lange hindernd im Wege
gestanden.
Nr. 12a. Arie Blondes: »Welche Wonne, welcbe Lust*.
Knecht's Komposition ist durchaus einfacb und halt sich im Rahinen
des Singspielliedchens. Dafl es wie Mozart's Lied in Crdur ist, ist wohl
nicht rein zufallig.
Bei Mozart baben wir ebenfalls an dieser Stelle ein einfaches, dem Sing-
spiel angemessenes Liedchen. Das hastige, atemlose Tempo, das sich auch
in den Sechzebntelfiguren der 2. Violine zeigt, ist dem Leben glucklich nach-
gebildet.
Nr. 12b. Duett: vHoffnung, Trosterin im Leiden*.
Anstelle der Arie Blondcbens linden wir bei Dieter und Andre ein
Duett zwischen Konstanzo und Blonde: »Hoffnung, Trosterin im Leiden «,
das wegen Mangel an irgendwelchen neuen Gedanken eigentlich iiberfltissig ist.
Dieter bedient sich der volkstumlichen Form des Rondos:
JL
pp^E^T^ppra
:~5=
Hoffnung Tr6-ste - rin im Leiden, du ver-sii-Best al - len Schmerz
das bei ihm sehr beliebt ist.
Die Andre'sche Komposition ist ebenfalls in der volksiniiCigen Lied-
form gehalten, doch wird die hoffnungsfreudige Stimniung des Madchens bier
besser getroften als bei Dieter.
Nr. 13. Arie Pedrillos: »Frisch zum Kampfe, friscb zum Streite*.
Die Dieter'sche Arie weist so wenige fur Pedrillo besonders charakte-
ristische Zuge auf, dafl man sie ebensogut jeder andern Person in den Mund
legen konnte.
Die Knecht'sche Arie ist ein flotter Satz, der zu dem aufgeweckten
Pedrillo vortrefflich paCt.
Andre halt sich auch in dieser Arie wieder durchaus in den liedmafiigen
Fornien des deutschen Singspiels. Mit den verhaltnismaflig einfachen For-
men des Singspiels gelingt es ihm, Pedrillo auCerordentlich treffend zu
zeichnen.
Mozart gibt uns wieder ein Kabinetstuck seiner feiueu Charakterisie-
rungskunst. Der ubertriebene Larm, mit dem Pedrillo den Kampfesruf er-
hebt, ist schou an und fur sich geeignet, Zweifel an seiner Tapferkeit zu
erwecken. Vollends aber die zogernde Melodie bei »Nur ein feiger Tropf
verzagt* laCt uns einen deutlichen Blick in seine Seele tun, in der neben
aller Geriebenheit doch eine gehorige Dosis von Furchtsamkeit vorhan-
den ist.
Nr. 14. Duett: Osmin und Pedrillo.
Dieter, Knecht und Andre begnugen sich bier mit volkstumlichen
Trinkliedern. Ihre Versuche, Situutionen und Charaktere zu schildern,
kommen iiber Ansatze nicht hinaus:
s. d. IMG x. 31
468 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfflhrong« a«w.
Dieter.
Knecht.
$
=P=P=
m
~fr
1
Vi-vat Ba-chus, Ba-chus le - be, Ba-cbus warein bra - ver Mann.
Andre.
£
^z=r-
Die Andre'sche Komposition erzielt schou durch den gewahlten Siziliano-
rhythm us eine gewisse Frische. Der Mittelsatz in Odur enthalt eine wirk-
same Steigerung, da wo Osmin seine Unentschlossenheit iiberwindet und zum
Trunk ansetzt. Hier tritt in den Violinen eine neckische, von Humor
sprudelnde Melodie ein :
♦i£ ****£
In der Komposition des Duetts ist Mozart den drei andern Komponisteo
vollig uberlegen. Mit einem gewissen Baffinement wird die schwiile Stim-
mung durch Einfuhrung der Pikkolofloten von Mozart gezeichnet. Ganz ahn-
lich charakterisiert er den Monostatos in der »Zauberflote< in >Alles fuhlt
der Liebe Freuden«. Der bereits stark angeheiterte Osmin wird gegenuber
dem nuchternen Pedrillo durch groBere Beweglichkeit in der Melodie ge-
zeichnet. Er ist iiberhaupt die Hauptperson des Duetts, sein toller Ubermut
wird l)is zum SchluB andauernd gesteigert.
Nr. 15. Arie Belmontes: >Wenn der Preude Tranen flieBen*.
Bei Dieter und Andr£ fehlt die Arie.
Knecht's Lied, das sich durch eine gefallige Melodie auszeichnet, bringt
wenn auch in wenig individueller "Weise, die Freude des Jtinglings, der sein
Miidchen wieder errungen hat, zum Ausdruck.
Bei Mozart spiegelt sich das Gliicksgefuhl Belmontes nach dem Wieder-
sehen nicht in leidenschaftlichen Ausbriichen der Freude, sondern in stiller
Schwarmerei wieder. Bezeichnend daftir ist das immer wiederkehrende Motix1}.
ein echt deutscher Gemiitszug. DaB die Grundstimmung eine ruhige ist,
zeigt die konstante Festhaltung der Tonart, die nur leicht moduliert. Der
schwarmerische Grundcharakter zeigt sich in der charakteristischen Verwen-
dung der Chromatik in beiden Siitzen.
Nr. 16. Das Quartett.
An den SchluB des zweiten Aktes hatto Mozart den groBen Ensemblt-
satz, die eigentliche Entfuhrungsszene, verlegen wollen. Aus verschiedeoefi
Griiuden aber, in erster Linie , weil die Haupthandlung dam it bis auf den
l; Klavierauezug Peters, Seite 98, Syat. 2, Takt 2ff.
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's »Entfflhrting« uiw.
469
Begnadigungsakt des Bassa beendigt gewesen ware und man daher fill* den
letzten Akt eine neue Intrige hatte er fin den mtissen, wurde yon der Ent-
fiihrungsszene am Ende des 2. Aktes abgesehen, und man brachte sie daher
im 3. Akt in dialogischer Form.
Knecht beginnt sein Quartett mit einem treuherzigen Satz, der an das
Vaudeville bei Mozart anklingt:
Die Beteiligten singen zuerst hintereinander, dann homophon zusammen.
Bei »doch ach« geht Knecht in Dmoll, % Takt, tiber, die StimmfUhrung
ist die gleiche wie vorher, die beiden Liebespaare werden in der Charakte-
ristik voneinander nicht geschieden. Bei den Worten »Ach, Konstanze*
stellt sich das Thema wieder ein, das bei »Es lebe die Liebe«, Vivace, */8 Takt,
wiederkehrt. Rein musikalisch ist das Stuck mit seinem Streben nach Ein-
heitlichkeit von guter Wirkung, freilich dramatische Gegensatze bietet es nicht.
Das Mozart'sche Quartett ist haufig als ein Vorlaufer der spateren
Finales angesehen worden. Ein Finale im Sinne der italienischen opera
bufpi ist es indessen nicht, denn es fehlt der rasche dramatische Situations-
wechsel. Dafur kommen die Probleme, die der Text stellt, der Musik von
selbst entgegen: Wiedersehensfreude, Eifersucht, Versohnung. Der erste Ab-
schnitt, bei dem sich auch die Diktion des Textes auf leidlicher Hohe halt,
beruht bei Mozart auf einem froh aufjubelnden Motiv1), das spiiter in der
Leporelloarie
&±£MM
±
in ironischer Beleuchtuug erscheint. Es ist ein Motiv, das der neapolita-
nischen Oper von jeher sehr gelaufig war2).
Die Harmonik ist, dem heiteren Grundton entsprechend, durchaus eiiifach.
Auf -Ddur folgt ^Idur. Die Erregung liegt hauptsachlich in der hiiufigen
Achtelbewegung der Singstimmen. Nur einmal wirft die drohende Gefahr
ihre Schatten leiso hinein, schliefilich macht sich aber das Glucksgefuhl in
einer flusternden Zwiesprache zwischen Orchester und Singstimme geltend,
dann folgt ein zweimaliger kriiftiger Ausbruch der Freude. Im Andante, in
dem Mozart wieder einmal seine Lieblingstonart, (rmoll, zur Anwendung
gebracht hat, wird die Situation bereits komplizierter. Die Bewegung stockt,
abgerissene Phrasen, Synkopen, scharfe Harmonien und dramatische Akzente
treten auf. Das Andante in Es dur zeigt den Unterschied in der Charak-
teristik zwischen Belmonte und Pedrillo deutlich. Belmonte bleibt auch hier
wiirdig und gefaBt, Pedrillo dagegen, der sich in derselben Lage befindet,
ist in sichtlicher Aufregung. Er schwatzt fast doppelt soviel als Belmonte.
Seine Melodik ist zerfahren und ziellos. Schliefllich nagelt er sich in seiner
Wut zweimal auf der i^dur-Skala fest, in scharfem Gegensatz zu dem herab-
steigenden Seufzer3) der Konstanze.
1) Klavierauszug Peters, S. 102, Syst. 1, Takt 1.
2) Vgl. Jo name Hi's C. Mario u. Paratajo bei Abert, N. JoinmelH ... S. 195
und 416. 3; Klavierausz. Peters, S. 109, Syst. 3, Takt 2 u. 3.
31*
470 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Ent£flhrung« usw.
In dem Allegro assai, 2?moll, hat Blonde das Wort, achtmal wird das-
selbe Motiv in kanonischer Weise wiederholt. In dem Dmoll-Satz mit den
immer wiederkehrenden Schleiferfiguren zittert die allseitige Erregung nach.
In den Adagiotakten kommt alien das Ungeheuerliche des Verdachtes znm
Bewufltsein. In scharfen Riickungen wendet sich die Harmon ik von Dmoll
nach der Dominante von -ddur1).
Die Wahl der Tonarten in dem Quartett ist aufierordentlich charakte-
ristisch. Das Wiedersehen zeigt Ddur, dann folgt die Entzweiung, wobei
es immer tiefer in die jB-Tonarten hineingeht, nach G'moll, Es dur, 2?moll.
Der Umschwung erfolgt uber D moll nach (7 moll.
Im Andante (-ddur) liegt die Erregung des Vorhergehenden weit hinter
uns. Es ist einer jener Satze, die deutlich zeigen, von welchem idealen
Standpunkte aus Mozart seine Texte betrachtete. Eine solche Versohnungs-
szene hatte das Singspiel noch nicht gesehen. Die Tonart ^4dur und der
leise wiegende Sizilianorhythmus geben den Gr und ton echten Seeligkeitsge-
fiihls an, in Melodik und Harmonik spricht sich die hochste Innigkeit, ein
fast religioser Zug aus.
Das Allegretto halt zunachst an der Tonart -4dur fest; inhaltlich lenkt
es wieder in die Stimmung des ersten Satzes (Ddur) zuriick, mit dem es
sogar einzelne Motive2) gemein hat. Die Bewegung gegeniiber dem ersten
Satz ist gesteigert, vor allem durch Blondchens entriistete Geschwatzigkeit;
sie singt in Triolen im 12/8 Takt, wahrend die iibrigen Stimmen A/A haben.
Die letzte Triibung erfolgt, als Belmonte und Pedrillo ihre Madchen urn
Verzeihung bitten. Das letzte Allegro mit seiner energisch aufsteigenden
Melodie enthalt den Ausdruck kraftvollen Jubels, der sich in den Crescendi
und Diminuendi Bahn bricht. Die Eifersucht ist ein fur allem al verbannt
Nr. 16a. Das Quartett: »Mit Pauken und Trompeten* von Dieter
und Andre\
Dieter und Andre haben ein Quartett, dem ein anderer Text zugrunde
liegt als dem Mozart'schen. Es gibt der Hoffnung Ausdruck, dafi der Flucht-
versuch gelingen moge. Dieses Quartett bereitet auf die Entfuhrungsszene
am Anfang des dritten Aktes vor. Dieter sowie Andre sind von demselben
Gedanken geleitet wie Mozart bei der Komposition des Terzetts am Schlusse
des ersten Aktes, da£ namlich ein recht larmender Aktschlufi der beste sei.
Dieter ist auch hier der unbedeutendere. Bei ihm herrscht ein farbloses
Prauflosmusizieren ohne individuelle Tone. Andr6 dagegen schlagt wenig-
atens an einigon Stellen, vor allem bei der S telle: »Fur dich , mein teures
Leben, sollt ich nicht alles wagen?« leidenschaftlichere Tone an.
in. Akt.
Nr. 17. Arie Belmontes: »Ich baue ganz auf deine Starke* .
Pedrillo und ein Schiffer treffen die Vorbereitungen zur Flucht. Es folgt
eine kurze Unterredung Pedrillos mit Belmonte, und darauf setzt Belmonte
mit der Arie ein »Ich baue ganz auf deine Starke*.
Knecht trifft im ganzen den Charakter des durch die Liebe gefestigten
Jiinglings in angemessener Weise. In dem Nachspiel mit den punktierten
Achteln hat der Komponist sogar ein heroisches Element eingefiihrt.
1) Klavierausz. Peters, S. Ill, Syst 2, Takt Iff.
2) Ibid. S. 112, Syst. 1, fakt 4; Syst. 3, Takt 1.
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfuhrung« uew. 471
Mozart's Aric unterscheidet sich von der vorigen dem Beliuonte zuer-
teilten Arie (Nr. 15) dadurch, dafl sie an Stelle sehnsuchtiger Schwarmerei
wieder eine mannlich gefafite, zuversichtliche Stimmung gibt. Jedes Pathos
fehlt, nur die Koloraturen, die mitunter auf recht unbedeutende Textworte
wie »vereint«, »gebracht« fallen, machen sich etwas breit. Die Sorglosig-
keit Mozart's der Koloratur gegeniiber, die aus seinen unter dem Zeichen
der Neuneapolitaner stehenden Jugendopern stammt, wirkt hier noch deut-
lich nach.
Nr. 18. Bomanze Pedrillos: »lm Mohrenland gefangen war*.
Pedrillo erscheint und will den Madchen das Zeichen zur Flucht geben.
Er stimmt sein Lied an von dem im Mohrenland gefangenen Madchen, das
von einem Rittersmann befreit wird. Wir finden also hier die fur das Sing-
spiel charakteristische Romanze, ein meistens strophenmafiiges Liedchen volks-
tiimlichen Charakters, das fast in jedem Singspiel aus der Schule Johann
Adam Hiller's enthalten ist. Im Gegensatz zu den Romanzen anderer Sing-
spiele steht die Romanze in der »Entfuhrung< im organ ischen Zusammenhang
mit der Haupthandlung.
Knecht's melodisch iiberaus einfaches Liedchen:
i
y-rr*:
^tmrn^
Moh-ren-land ge- fan- gen war ein M'a-delhubsch und fein
erinnert schon im Vorspiel an die Hiller'sche Art.
Mozart wahrt schon rein aufierlich den Charakter des Stiindchens am
meisten durch das Pizzikato der Streicher. Wir haben eins der pikan teste n
Stucke vor uns, die Mozart geschrieben hat. Diese Romanze mag das da-
malige Publikum wirklich »sezessionistisch« angemutet haben. Mozart wollte
ein exotisches Stiick schreiben. Charakteristisch dafur ist der fortwahrende
Wechsel der Tonart, der anfanglich chevalereske Aufschwung der Melodie,
dem dann ein fast klagliches Zusammensinken folgt.
Nr. 17 and 18 bei Dieter und Andre\
Dieter hat als einziger unter den vier Komponisten eine kurze Sinfonie
als Einleitung. Sie ist im 12/g Takt abgefafit und geht in 2?dur, der zweite
Teil in i^dur. Eine deutliche Beziehung zu dem In halt des dritten Aktes
ist nicht zu erkennen. In Dieter's grofiem Entfuhrungssextett zeigt sich die
Hilf losigkeit des Komponisten groBeren Formen gegeniiber besonders deutlich.
Er macht auf Schritt und Tritt Anleihen bei den Mannheimern, bei den
Italienern und bei Mozart. Gleich am Anfange des Standchens lafit er eine
Mannheimer >Rakete« in die Hohe schieflen:
i:
£E
^
3==:
472 Walter Preibisch, Quellenstudien za Mozart's »Entfahrung« usw.
Italienische Schleifer begleiten die Befehle, die Osmin der Janitschareniraehe
gibt. Die zweite Violine weist in der Begleitung die Jommelli'schen 8«b-
zehntelfiguren auf. Das Wenige, was an dem Dieter'schen Sextett originefl
ist, ist philistros und anbedeutend. Das Orchester ist hier durch 2 Horner,
2 Oboen, 2 Floten verstarkt, auch die Viola d'amore wird herangezogen.
Freilich bleibt auch hier die Ausfuhrung hinter der guten Absicbt weit
zurtlck. Wichtig ist nur, dafl ein cbarakteristisches Motiv:
in verscbiedenen Tonarten durch die ganze Szene hindurchgeht.
Durch Andre's Sextett weht ein frisoherer Zug. Es zeichnet sich dud
grofieren Reich turn an Melodien und einen flotten Gang der Handlung vor
Dieter aus. Auch hier haben wir ein durchgehendes Motiv:
gpf^sgffpp^^^
Besonderen Wert legt Andre auf die weitere Zeichnung Osmins. Im Oegen-
satz zu der Beweglichkeit in dem Oesange Pedrillos, der den Liebesgott zv
Hilfe angerufen hat und nun frisch und frohlich nach Blondes Fenster hinauf-
Bteigt, tritt bei Osmins Erscheinen ein beh'abiger 4/4 Bhythmus ein, der eincr-
seits seine Betrunkenheit , anderseits seine grenzenlose Faulheit malen soil:
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£
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t=t
:| I I
x=fc
Da h5r-test larmen, vermutlich schw'armen Dieb und Mdrder urn das Hans.
Osmin ist einstweilen noch zu schlafrig, um sich rich tig aufzuregen. «
schwankt noch immer hierhin und dorthin. Nachdem er seine lludigkert
Uberwunden hat, kiindigt uns eine im Forte aufsteigende SechsehntetSgv
seinen Zorn an, wobei er in die Worte ausbricht: »Komm dann bald frieder.
schlag alles tot!«
Is i i , i i
:wjzJ£
i
rt:
m
=1=
=[=
3=
komm dann bald wie - der, schlag al-les tot, schlag al - lea tot
Erst ganz allmahlich vermag er sich aus der Schlafrigkeit, in die ihn dtf
Weingenufi versetzt hat, zu grofierer Lebhaftigkeit aufzuraffen. Seine Auf-
regung zeigt sich in den vier immer aufeinanderfolgenden Achteln auf &■"
selben Tone und den sich anschliefienden Viertelnoten :
Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's »Entfuhrung« usw.
473
TTT
-# # •— #-
ftS
=P=#=ip=
pz:p=5:=p:
=t
V4l-Ul^-J rr
Welch Ge - to" - se, welch Ge-rftusohe _
Hil-fe, Hi!-fe.
Als Osmin ausraft: »Zu HilfeU, da setzt folgendes Motiv ein:
das mit der Papagenofigur :
^0 *"%$ 0 ^Sfejj
grofie Ahnlichkeit hat1).
Als ein selbstandiges Stlick kann man die Romanze aus dem Sextett
von Dieter und Andre* herausnehmen.
Dieter.
^
-fuc
2=«=
S^S^^
1st
Im Mohren-land ge - fan-gen ward ein Ma-delhflbsohund fein
Andre.
* £
?r-
-#-,-*
m
et3B^
-*=
Im Mohren-land ge- fan -gen ward ein Ma-del hubschund fein
Andre* steht wegen seines volkstumlichen Tones dem Hiller'schen Sing-
spiel nahe. Dieter fUhrt auch hier den sinfonischen Stil der Mannheimer
ein and erscheint dadurch gekiinstelt.
Nr. 19. Osmins Lied: >0 wie will ich triumphieren « .
Nachdem der Fluchtversuch entdeckt worden ist und die Fliichtigen ab-
geftihrt worden Bind, stimmt nach dem Stephanie'schen Text der allein zuriick-
gebliebene Osmin sein schadenfrohes und grausames Lied <0 wie will ich
triumphieren c an. In der Bretzner'schen Fassung ist der Text etwas anders
als bei Stephanie. Dieser hat aus den Worten, die bei Bretzner in dem
Sextett vorkommen, eine selbstandige Arie gemacht.
Knecht schickt seiner Gilur-Arie ein langeres Vorspiel voraus. Osmins
Drohungen vermogen uns bei der Knecht'schen Musik nicht zu schrecken.
Seine Freude fiber die Entdeckung dee Fluchtversuchs gleicht einer harm-
losen Kinderfreude:
1) Cbrigen* hat auch Dieter diese Figur in seinem Sextett, als Pedrillo laut
niest. Christoph Rheineck aus Memmingen hat dasselbe Motiv in seinem
»Wiegenlied fur die stifien Herren*. Vgl. Friedlander, Das deutsche Lied, I,
S. 264.
474 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfthrung« uew.
*
sn^^i
$3=£9=
Http - fen will ich, la
chen, 8prin-gen.
Bei Mozart befindet sich Osmin ganz auf der Hohe der Situation. Der
Gipfelpunkt seines Jubels liegt im Hauptthema, dessen primitive Gestalt mit
den Wiederholungen wieder den ganzen rohen Burschen vor Augen fuhrl
Auch fallen hier bezeichnenderweise die Flauti piccoli wieder ein. 8chon
bei den Worten > Hup fen will ich, lachen, springen* geht er in ein Ung-
same8 Schlendern iiber, und bei den Worten »denn nun haV ich vor end
Ruh'« steht der alte, schwerfallige und faule Kerl wieder vor uns.
Ein treffendes Bild gebraucht Jahn1) fUr den Mittelsatz »Schleicht n«r
sauberlich und leise«: »Es ist, als sehe man eine wilde Bestie, wie sie bald
gahnend sich reckt, bald aufspringt. « Die Oktavenmelodik entstammt da
opera buffa, wo sie oft zur Bezeichnung des Unheimlichen, Grausigen Ter-
wendet wird. Die Wiederholung des Hauptsatzes bringt eine Steigerung
Der hochste Ausoruch von Osmins Freude liegt in der Koloratur auf >singen<.
die von trefflicher Wirkung ist. Yon hier an kennt Osmins Jubel kein*
Grenzen mehr. Bezeichnend ist, dafi er hier zu gar keiner geordneten Me-
lodik mehr kommt. Osmin greift vielmehr aus seinem Hauptthema2) einzaliK
Brocken heraus und reitet wie toll in fortwahrender Wiederholung damf
umher. So gibt die Arie gewissermaBen noch das Gesamtportrat des Ge-
sellen, gemischt aus Fanatismus, Schwerfalligkeit und Liisternheit.
Nr. 20. Duett: Belmonte und Konstanze.
Das Verhangnis ist iiber das Liebespaar hereingebrochen. Man hat den
Fluchtversuch entdeckt. Ihre todesmutige Stimmung bringt das Duett zon
Ausdruck. Alle vier Komponisteu haben hier ein Duett, doch Dieter nnd
Andre" auf einen anderen Text.
Dem Dieter'schen Duett fehlt die der Situation angemessene Bewegong.
Der Grundton ist auch hier durchaus philistros. Die Ausdrucksmittel sind
aus der italienischen Oper ubernommen wie die Orchesterbegleitung zeigt:
Andre besitzt die dem Dieter'schen Duett fehlende Beweglichkeit i«
hsten Mafie. Schon in dem Yorspiel sucht er die Erregung der Liebet-
durch Synkopen in den Violinen musikalisch zu treffen. Oboe u»d
;ott haben Soli, und zwar begleitet die Oboe den Gesang des schwam*"
hen Madchens, das Fagott die des ernsten, mannlichen Belmonte. Charak-
stisch ist die Yerwendung der Instrumente an folgender S telle, wo &<
1) Jahn, a a. 0. 1, S. 766.
2) Das Hauptthema kehrt im Finale der Z>dur-Sinfonie Nr. 36; von 1782 wieder
Walter Preibisch, Quellenstudien zn Mozart's >Entfuhrnng« uew. 475
Oboe neben dem Gesange Konstanzes, das Fagott neben dem des Belmonte
einhergeht :
Oboe solo.
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31
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qijpc*J|p=f?^£
Mich
-1 I I ,— \
an
dei - ner
Nach Mozart's Vorbild schickt Knecht der Arie ein Akkompagnato
voran. Urn den Schmerz des Liebespaares auszudriicken , sind auch hier
Synkopen verwendet. Die veranderte Stimmung erheischt einen zweimaligen
Tonartenwechsel; wir kommen aus i^moll tiber Cdur nach JFdur.
Bei Mozart finden wir ein Akkompagnato mit Koloraturarie. Der Hohe-
punkt liegt in dem ersten Satz des Duetts. Hier liegen drei verschiedene
Stimmungselemente zugrunde: der Schmerz liber die verzweifelte Situation,
der feste EntschluB des Liebespaares, miteinander zu sterben, und die Wonne,
mit dem Geliebten auf diese Art yereinigt zu sein. In der ersten Partie der
Konstanze treten die drei Elemente deutlich nebeneinander. Zuerst haben wir
schmerzliche chromatische Akzente, dazu gesellen sich die energischen Oktaven-
schritte , schliefllich der jubelnde Ausbruch: >Wonne ist mir dies Gebot*.
Der i^dur-Satz steigert die Stimmung bis zur Verziickung. Das Allegro
vermag diese Hohe nicht festzuhalten , die Ton spr ache lafit hier die indivi-
duellen Zlige vermissen, auch die Koloraturen storen. Es ist ein schwung-
voll kraftiges Tonstuck, aber ohne die Steigerung zu bringen, auf die der
vorhergehende Satz hinweist.
Nr. 20a. Arie der Konstanze: »Ach mit freudigem Entzticken*.
Nur Dieter und Andre haben diese Arie komponiert. Dieter hat wieder
eine stark instrumentierte Koloraturarie. Er hat zur Begleitung Horner,
Oboen, Floten mit herangezogen.
Auch Andre hat des ofteren Koloraturen, die stellenweise auffallig an
die Mozart'sche Arie: »Ach ich liebte, war so glttcklich* erinnern.
Nr. 21a. Das Finale nach der Bretzner'sohen Origin alfassung.
Es fafit die Moral der Handlung in folgender Weise zusammen. Oft be-
wolke sich der Himmel und erscheine stiirmisch und unheildrohend, doch ein
milder Sonnenstrahl durchbreche das Gewolk und bringe Licht und Freude
zuriick. Damit ist ein neuer Gedanke nicht mehr ausgesprochen. Die Hand-
476 Walter Preibisch, Quellenstudien zu Mozart's >Entfuhrung« usw.
lung des Bretzner'schen Textes ist ja mit der Szene, in der der B&ssa Selim
die Fliichtigen begnadigt hat, eigentlich zu Ende.
Das Dieter'sche Finale hat zwei Teile. Im ersten (Allegro moderate)
fin den sich die landliiufigen italienischen Tonmalereien auf einzelne Worte.
Der zweite Teil (Presto, 2/4 Takt) schlagt mit seinen halben Noten fast feier-
liche Tone an.
Nr. 21b. Das Finale naoh der Stephanie'sohen Bearbeitung.
Knecht hat als Finale ein musikalisch nicht gerade bedeutendes, aber
frisches und lebendiges Vaudeville. Pedrillo und Blonde sin gen in einer
be8onderen Melodie, dann folgt Osmin mit seinem >£rst gekopft, dann ge-
hangen*. £s zeigt eine andere Melodie als im ersten Akte, und zwar ist
sie viel lebendiger und entspricht dem in Wut geratenen Turken weit mehr
als die frtthere Melodie.
Mozart hat in seinem Finale ebenfalls die Form des dem Singspiel
(aber auch z. B. der italienischen Oper gelegentlich) langst vertrauten Rund-
gesangs gewahlt. Eine Person nach der andern tritt mit einer volkstuin-
lichen Melodie vor, die Gesamtheit stimmt in den Refrain ein. Nach einer
Zornesaufwallung wird das Evangelium edler Menschlichkeit, wie es die Auf-
klarung lehrte, verkiindet:
»Nicht8 iet so haBlich wie die Rache,
Hingegen mennchlicb, gutig sein
Und ohne Eigennutz verzeih'n
Ist nur der groCen Seelen Sache.«
Der Gedanke ist derselbe, wie wir ihn bereits friiher in zahlreichen Sing-
spielen angetroffen haben.
Osmins Charakteristik bleibt auch hier die gleiche wie friiher. Er acheint
sich zwar auch hier der Form zu fugen, aber seine Erregung lafit ihn nicht
lange bei der Stange bleiben. Bald »stockt ihm die Zunge im Mund« und
lost sich erst wieder, wie er den Faden des Schlufisatzes seiner ersten Arie
gefunden hat. Durch ihn werden auch die ubrigen von ihrem Rundgesang
zunachst abgelenkt. Auch sie schlagen in dem Andante sosteimto zunachtt
feierliche Tone an.
Im SchluBchor kommt Mozart noch einmal auf das tiirkische Lokalkolorit
zuriick, auch die Figur
kehrt wieder, ebenso die Unisoni. Unterstutzt wird der Chor durch da*
Or chester, das in der wieder aufgenommenen » tiirkische n Instrumentation*
ein geschaftiges Leben entfaltet.
Wilh. Altaians, Aus Gottfried Weber's brieflicbem NachlaG. 477
Aus Gottfried Weber's brieflichem Nachlafs,
Mitgeteilt von
With. Altmann.
(Berlin.)
Auf Veranlassung des Herrn Geheimen Kommerzienrats Dr. Strecker
in Mainz, des Chefs des Musikverlags B. Schott' s Sonne, ist mir der brief-
liche NachlaB des beruhmten Theoretikers Gottfried Weber, des Heraus-
gebers der Zeitscbrift »Caeciliac , der im Hauptamt Jurist war, von dessen
Enkel, Herrn Ministerialrat Dr. A. Weber in Darmstadt, zur wissenschaft-
lichen Ausnutzung anvertraut worden. Dieses Briefmaterial , das die Jabre
1806 — 1837 umfafit, ist ziemlicb umfangreich, doch bietet es in wissenscbaft-
licher Hinsicht keine allzu grofie Ausbente *), da es im wesentlicben aus rein
gescbaftlichen Korrespondenzen bestebt. Aucb hat Gottfried Weber selbst
in der >Caecilia« wert voile, an ihn gericbtete Briefe verdffentlicht ; die inter-
essantesten miissen schon vor Jahren herausgenommen sein, so z. B. ein Brief
Beethoven's, die meisten Briefe Karl Maria von Weber's .
Nachdem ich im 28. Bande (1908) der Halbmonatssehrift »Die Musik«
die eine Gruppe fur sich bildenden Briefe Meyerbeer's und im Oktober-
heft 1908 von »Nord und Slid* zwei kurze Briefe .Ludwig Borno's und
Jean Paul's mitgeteilt habe, veroffentliche ich nunmehr den Best dessen,
was mir beachtenswert erschienen ist, und zwar meist nur in Ausziigen, so-
weit der Inhalt den Musik- und Kulturhistoriker interessieren diirfte. Dar-
unter befinden sich aucb Briefe an andere Personen, die jene zur Kenntnis-
nahme an Gottfried Weber gescbiokt batten.
Ich habe die Briefe alphabetisch nach dem Schreiber geordnet und, falls
mehrere von demselben vorlagen, sie chronologisch aneinander gereiht; in
letzterem Falle habe ich meist einige Bemerkungen vorausgeschickt. Die hier
mitgeteilten Briefe stammen von dem Verlag Breitkopf & Hartel , Professor
Ernst Chladni, Hofkapellmeister Frey, dem Verleger Tobias Haslinger, Joh.
Chr. Lobe , dem Balladenkomponisten Dr. Karl Loewe , Ferdinand Ries , Dr.
A. Schmidt aus Greifswald, Hofrat Joh. Philipp Schmidt aus Berlin, der
Firma B. Schott's Sohne in Mainz, Rob. Schumann, dem Verleger N. Sim-
rock in Bonn, Louis Spohr, bo f kapellmeister Bernhard Anselm Weber, Karl
Maria von Weber und dessen Gattin Lina. Es sind diese Briefschreiber ja
nicht samtlich erste Sterne des musikalischeu Himmels, aber jeder von ihnen
bat in seiner Art etwas geleistet.
1) Meine Hoffnung, da6 sich vielleicht auch Briefe Richard Wagner's, der mit
der Schott'schen Musikhandlung 1830 und 1831 korrespondiert hat, in dem Nach-
laB Qt. Weber's vorfinden wiirden, der fiir Schott vielfach eine Art musikalischer Beirat
gewesen ist, hat sich leider nicht erfiillt. — Dagegen habe ich in einem Konzept-
Schreiben der Firma Schott an Beethoven vom 20. August 1825 erwahnt gefunden,
daC dieser auGer den beiden in dem kiirzlich erschienenen 5. Bande der Kalischer-
■ohen Ausgabe von Beethoven's Briefen abgedruokten Schreiben vom 22. Januar und
13. August auch am 3. Mai 1826 diese Firma mystifiziert hat , indem er ihr nochmals
angelegentlioh empfahl, den Tobias Haslinger urn seine >romantische Lebensbe-
schreibungc zu bitten.
478 Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brief lichem Nachlafi.
I. Aus vier Briefen des Verlags Breitkopf & Hartel an Gottfried Weber.
Diese Ausziige teile ich mit, um zu zeigen, wie nachteilig das Kriegsjahr 1806
auf den Leipziger Musikalienhandel gcwirkt hat. DaB darnals Werke von Mozart fur
Flotenquartett (d. h. fur Flote, Violine, Bratsche und Violoncell) von Gottfried Weber
arrangiert und zum Teil auch von Breitkopf veroffentlicht worden sind, ist ein Beweu
dafur, wie groB damals die Nachfrage fur Werke in dieser Besetzang gewesen ist;
heute wiirde daftir kein Yerleger zu baben sein. Zu den eintraglichen Yerlagsobjekten
hat auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine »masikalische Zeitungc nicht gehort; es
macht dem Yerleger dieses Blattes alle Ehre, daB er es aus idealen Grunden verlegt
hat; iibrigens betont auch die Firma Schott (vgl. unten), die die von Gottfried Weber
begriindete und redigierte Zeitschreift >Caeciliac verlegte, immer und immer wieder,
daB sie dabei keinen Gewinn h'atte, und nur um die Kunst zu fordera, diese Zeit-
scbrift nicht eingehen lasse.
10. Juni 1806.
»Gern nahmen wir auch Ihr gutiges Anerbieten fiir die in Quartetten
arrangierten Mozart'schen Sachen wenn die schwule politische Luft nicht izt
auf den, Musikhandel so erstickend druckte, daB wir una notwendig finden,
unseren Yerlag moglichst einzuschranken und daB wir Ihnen und uberhaupt
Kiinstlern izt keine anstandige Remuneration offerieren konnen. Sollten Sie
indes sich mit einer Anzahl von 26 — 30 • Freiexemplar[en] oder deren Wert
in andern Musikalien un seres Yerlags begniigen wollen, so wollen wir auch
dies Quartett stechen und, wenn wir dabei gute Aufnahme finden, uns auch
andere solcher arrangierter Mozart 'scher Sachen von Ihnen erbitten . . .«
Leipzig, 18. November 1806.
>Bereits vor 6 Wochen haben wir diese Sache zum Stich angewiesen,
und sie wiirde izt ziemlich fertig sein, wenn nicht die bekannten Ereignisse,
durch welche izt Handel und Gewerbe stocken, den Musikhandel auf einmal
ganzlich abgeschnitten und uns genotigt hatten, mit alien neuen Unterneh-
mungen innezuhalten. Da der Zug unserer Geschafte hauptaachlich nach
Norden und Westen geht, wohin izt alle Kommunikation abgeschnitten ist.
so miissen wir allerdings erst abwarten, wie sich die Handlungsverhaltnisse
durch die offentlichen Ereignisse gestalten, ehe wir unsere Tatigkeit wieder
fortsetzen konnen . . .«
Leipzig, 20. Januar 1807.
>Sie scheinen zu glauben, daB wir nur als Neulinge in den Widerwartig-
keiten des Kriegs dieses Ubel zu lebhaft fuhlen; allein in den Yerbaltnisscn
Leipzigs und denen der dortigen Gegend ist der grofie Unterscbied, daiS
Leipzigs Wohlstand, seine Existenz mochte ich sagen, auf dem Verkehr
mit dem nordlichen und ostlichen Auslande beruht, welcher izt schlechter-
dings abgeschnitten ist.
. . . Da ich ohne alle Riicksicht auf merkantilen Vorteil, den ich bei
der ,Musikalischen Zeitung( nie gesucht habe und nach den best eh en den Yer-
hultnissen auch nicht finden kann, dieses Institut liebe und es so gem gt-
deihen sehe, so werde auch ich Ihre Mitwirkung fur dasselbe mit aufricb-
tiger Dankbarkeit erkennen.«
Leipzig, 24. August 1807.
» Indes finden wir in der Erfahrung, die wir mit mehreren arrangiertai
Sachen von Mozart zu machen Gelegenheit haben und beeonders in des
fast allgemeinen schlechten Erfolge aller neuen Yerlagsmnsik , welcher Woi
den Zeitumstiinden zuzuschreiben ist, izt gar zu wenig Ermuntemng, OB
Wilh. Altmann, A us Gottfried Weber's brieflichem NachlaB. 479
mehrere ctergl. arrangierte Sachen zugleich erscheinen zu lassen ; ja wir diirfen
sagen, dafl selbst der Erfolg von neuen Original werken sonst beliebter Autoren
izt fur den Verleger mehr abschreckend als einladend ist. «
II. Aus einem Briefe Chladni's an Gottfried Weber1).
z. Z. Berlin, 8. Jan. 1827.
»Hier in Berlin babe ich micb uber die vortreffliche Wirkung des Ge-
sanges in dem neuerbauten Saale der Singakademie gefreut, wo ich just
zu rechter Zeit angekommen war, urn die erste Probe (denn Einweibung
kann man es nicht fiiglich nennen, da der Saal und das Gebaude noch nicht
ganz vollendet ist) bei einer Yersammlung der tiber 300 Mitglieder starken
Singakademie zu horen, welcbe das 16stimmige Kyrie und Gloria von Fascb2)
auffuhrte. Der Saal und iiberbaupt das Gebaude machen dem Erbauer, dem
Hofbaumeister Ottmer, einem jungen, sehr talentvollen Manne, der auch
das hiesige Konigsstadter Theater gebaut hat, viel Ehre. Die Wirkung war
vollkommen gut und es war ganz einerlei, wohin die Chore gestellt waren
oder wo man sich als Zuhorer befand.*
III. Aus einem Briefe des Hof kapellmeisters Prey3) an
Gottfried Weber.
Mannheim, 22. Juli 1817.
». . . Spohr hat Dich4) besucht, Du wirst Dich recht sehr gefreut haben,
ihn zu sehen. Mir bleibt er ewig unvergefilich. Den Eindruck, den sein
Spiel und seine Kompositionen hier allenthalben machen, kann ich Dir nicht
beschreiben. Den Tag nach seinem Konzert, namlich am Samstag, hatten
wir das Vergniigen, von ihm ein Quartett und ein Quintett zu horen, welches
letztere wunderschon komponiert ist. Einzig ist und bleibt die Art, wie er
seine Kompositionen vortragt. Hier verbindet er mit der hochst vollkommenen
Mechanik ein en hinreifienden Yortrag; uberhaupt kann man mit aller
Wahrhaftigkeit sagen: v . . Gott erhalte den lieben herrlichen Kunstler noch
lange.' Er hat uns alle, wenigstens mich, zum Streben nach dieser Voll-
kommenheit begeistert*
IV. Ans einem Briefe von Tobias Haslinger6) an B. Schott's S6hne
in Mainz.
Wien, 24. Marz 1834.
». . . Im Sortiinentsgeschaft ist heut zu Tage ohnedies kein Gedeihen
mehr, zumal, wie hier bereits der Fall, Antiquaro auslandische Nova mit
1) Ernst Chladni, * 1766, + 3. April 1827; urspriinglich Jurist, sp'ater ein sehr
bedeutender Akustiker, Entdecker der sogen. Chladni'schen Klangfiguren , Erfinder
einer Glasstabharmonika und eines Glasstabklaviers.
2) Karl Friedricb Christian Fasch, der Begrlinder der Berliner Singakademie
(1736—18001, die damals (1827) von Zelter geleitet wurde.
3) f 1832; seine schone Wiirdigung Spohr 's ist um so hoher einzuschatzen, als er
sehr tiich tiger Geiger gewesen ist.
4) In emem Briefe vom 27. Juli lud Spohr Gottfried Weber zu seinem und seiner
Frau zweiten Konzert in Wiesbaden am 28. Juli ein.
6) Diese Klage des Chefs der bekannten Wiener Musikalienhandlung konnte auch
heute noch erhoben werden. Tobias Haslinjrer (1787—1842) trat 1810 in den Wiener
Musikverlag C. Steiner ein, den er von 1826 ab unter eigner Firma weiterfuhrte.
480 Wilh. Altmann, Aug Gottfried Weber's brief lichem Nachlafi.
50°/0 und darunter in offentlichen Blattern ausbieten!! E« ist die* namtut-
lich mit Ihrem Yerlag geschehen, — und die Partie Herz6), die ich air
von Ihnen auf feste Rechnung kommen lieA, liegt noch unanger&hrt auf
ineinem Lager. Ich meinerseits mag mit solchen Schleudereien nichts zu
tun haben und ebensowenig mit solchen Leuten konkurrUren, da ich es unter
der Wttrde meiner Firma und meines eigenen Gefiihls halten mufite. —
Yielleicht kommt es noch dahin, um nur recht viele Geschafte zu machen,
daB man die Musikalien ganz unentgeltlich an das Publikum abreicht.<
V. Aus einem Briefe Joh. Christian Lobe's an Gottfried Weber2).
Weimar, 25. Dez. 1830.
»Fiir einen Deutschen ist die Balm des dramatischen Komponieten eine
so schwere, so dornen voile! und wenn sich seiner nioht Manner annehmen
wie £w. Wohlgeboren, deasen Stimme soviel Grewioht und Kraft hat, so kann
er fur das beharrlichste Streben, fur die gluhendste Liebe au seiner Kuast
doch nur auf ein Martyrertum rechnen. Wie schwer, wie auBerordentlick
schwer ist es fur ihn iiberhaupt, nur sein Werk auf die Btihne zu bringen!
Ohne bedeutende Empfehlungen geht es ja gar nicht. Man soil schwimmen
lernen, ohne ins Wasser zu gehen. In dieser tjberzeugung und weil ich
nach Honing des Werkes [»die Flibustier«] auf der Weimar sc hen Buhne
bei Bearbeitung des Klavierauszuges noch manche Anderung fur notig er*
achtete — ich werde iiberhaupt mit meinen Yersuchen nie ganz fertig —
habe ich die Partitur bis jetzt noch gar keinem Theater angeboten.*
VI. Drei Briefe Dr. Karl Loewe's an Qottfried Weber.
Diese Briefe bilden ein beredtes Zeugnis fur die Wertsch'atzung Gottfried
Weber's durch den erst in uiiserer Zeit beriihmt gewordenen groBen Balladenkom-
ponisten, der sohr gern von Stettin in die Nahe Weber's naoh Mannheim oder
Frankfurt a. M. ubergesiedelt ware. Was er iiber den Text seines Oratorkms »Die
sieben Schlafer«, iiber seine Kompotition von Horaz'ischen Oden und fiber Hegel t
musikasthetische Anschannngen sagt, wird man mit vielem Interesse lesen, wie ubsr-
haupt gerade diese Briefe Lowe's viel Anklang finden durfben. Aus dem letzten Briefe
erfahren wir auch, daB Friedrich Wilhelm IV. als Kronprinz sich von Lowe rwei-
mal Balladen vorsingen lieB und daB dieser auf Erholungsreisen auoh Konzecte zu ver-
anstalten suchte.
Stettin, 11. August 1836.
>Schon langc habe ich mir die Ehre geben wollen, Ihnen einige Worte
des Dankes zu sagen, fur so manche Beweise Ihrer Gewogeaheit, deren 8te
mich gewurdigt haben, denn Ihre Beurteilung der ,Sieben Schlafer' hat
mich ungemein aufgemuntert, indem ich von jeher ein stiller Verehrer Ihrer
ausgezeichneten , genialen Leistungen gewesen bin ; und die Zufriedenheit
eines so begabten und auBerordentlichen Marines, wie Sie sind, erreicht zo
Die Firma Haslinger wurde 1875 von der Schlesinger'schen Musikhandlofif
(Rob. Lienau) in Berlin k'auf lich erworben.
1) Wer spielt heute noch etwas von Henri Herz (1803—1888), der von 1826—53
der gefeiertste Pianist und Klavierkomponist gewesen ist!
2} Auch diese resignierte Klage des damals in der Weimarer Hofkapelk tlr
Flb'tisten wirkenden, sp'ater durch seine theoretischen Werke beruhmt gewordenen
Komponisten Lobe (1797—1881) konnte sehr gut in unseren Tagen geechrieben §eia
Wilh. Altmann, Aug Gottfriod Weber's brief lichem NachlaO. 481
haben, gehort zu meinen schbnsten Belohnungen. Ich bedaure, da£ Ihnen
Giesebrecht's1) Dichtung nicht mehr zugesagt hat. Sie haben es in Be-
ziehung auf das, was die Legende als solche in den ,Acta sanctorum' mit
sich bringt, beinahe ein wenig zu streng genommen 2). Das idyllische Leben
ist darin das vorherrschende und dieses ftihrt neben vielem Vortreff lichen
allerdings manches Naive mit sich daher. Aber Sie selbst werden es aus
eigener Erfahrung eingestehn, wie schwer es halt, bei una Deutschen einen
Dichter zu finden, der etwas Neues und Tiichtiges fur musikalische Zwecke
zu Tage fordert. Sie raten inir, den Giesebrecht zu verlassen, und wen
kann ich an seine Stelle setzen? ,Ich habe keinen zweiten zu versenden!'
Erlauben Sie mir . . ., daB ich Ihnen die Komposition eines Textes ver*-
ehren und widmen darf, gegen den wir alle nichts einzuwenden haben, der
uns schon in zarten Jahren unsres literarischen Lebens als Muttermilch ge-
boten wurde, den wir mit kindlicher Pietat in langen Ziigen andachtig ein-
schlurften, dessen Schale selbst (schon im v or aus von dem sullen Kerne liber-
zeugt) wir dehmutsvoll unserm Gedachtnifie einpragten, etwa wie Feinschmecker
(ut ita dicam) mit der Ananas beim Weine verfahren. Sie werden lachelnd
fragen : ,was ist denn das fur eine Novitat?' Es sind 5 Oden des Horaz:
Liber III Carmen III Justum et tenacem propositi virum, Carmen XII
Miserarum est, Carmen XXIX, v. 29 — 56 Prudens futuri temporis exitum
caliginosa nocte premit Deus, Carmen XIII 0 fons Bandusiae, Liber II
Carmen XVI Otium. Ich habe sie fur 4 Mannerstimmen komponiert und
zwar in den alten Sapphischen, Asklepiadeischen, Alcaischen und Jonischen
Metris des Dichters. An guten Vorbildern fehlte es mir ganzlich, da wir
nur eine Ode des Horaz von Flemming8) komponiert haben: Integer vitae, .
die dieser zwar musikalisch sehr schon, aber metrisch ganz unrichtig kom-
poniert hat. Horaz skandiert im Sapphischen Metrum bekanntlich so:
__ w w__w^__w __ w # __ w w __ w _ w _
Integer vitae scelerisque purus etc und Flemming: Integer vitae sceleris-
w - v
que purus. Mich diinkt, es sei die Pflicht des Komponisten zuvorderst den
Vers, die natiirlichste Musik, richtig zu behandeln. Es wurde uns gewaltig
in die Krone fahren, wenn jemand im Deutschen ein Sapphisches Versmafi
_ o' w _ ^ _ ^ _ ^^
etwa ebenso singen lassen wollte: Buhe fleht von Zeus der vom Sturm Er-
fa£te. Wozu ware im Lateinischen der Vers, rwenn man ihn lase wie
Yokabeln im Lexikon ? Ich habe nun, wo es sich tun liefl, die metrische
Ubersetzung von Vofi4) unter das Lateinische gelegt, damit auch Nichtlateiner
die Sachen singen mogen; indefi war das die grofite Schwierigkeit ftir mich,
indem im Deutschen die Casuren oft anders fielen als im Original. Daher
habe ich oft den Vofi umandern milssen, und Ihre musikalischen Kenner-
augen werden bei einer Vergleichung meiner Ubersetzung mit der Vossi-
schen mein scheinbar vandalisches Verfahren hoffentlich rechtfertigen.
Der etwanige musikalische Wert meiner Kompositionen wird von Ihnen . . .
bei weitem richtiger erkannt werden, als dafi ich etwas andres hinzuzufugen
fttr notig erachtete. Wenn es mir gelungen ist, bei groBen aufierlichen
Schwierigkeiten etwas Gesundes und Tiichtiges zu liefern, so verdanke ich
es dem Yorsatze, Ihnen das Werkchen dedizieren zu wollen. Sollten Sie,
1) Ludwig Giesebrecht, 1792-1873. 2) Caecilia, Bd. 18 (Heft 69. 1836), S. 33 ff.
3) Friedrich Ferdinand Flemming (im Hauptberut Arzt), 1778—1813.
4) Joh. Heinrich Vofi, 1761—1826.
482 Wilt. Altmann, Aus Gottfried Weber's brieflichem NachlaG.
hochgefeierter Mann, diese kleine Huldigung von mir nicht ungern annehmen,
so wtirden Sie inir damit eine groBe Freude bereiten.
Gern denke ich no eh der Tage am Rhein, da es mir vergonnt war,
Ihnen personlich bekannt zu werden; auch macht mich Ihre niedliche Er-
zahlung von M. v. Weber's ,Moloch( noch oft lachen.
Wie ist es mit Mannheim? Sollten Sie einmal fur mich eine passende
Stelle wissen, die nicht unter tausend Thaler Fixum hat, so mochte ich wohl
einen sanfteren Himmelsstrich mit meinem rauheren vertauschen. «
Stettin, 4. November 1836.
»Ihr sehr geliebtes Schreiben vom 18. Oktober, in welchem Sie mir so
gUtig die Annahme meiner Dedikation der ,Horazischen Oden( verheifien, hat
mich sehr begliickt. Hier nahen sie sich denn Ihnen, und ich weiB nicht,
ob das Prinzip des Schonen mit dem Bestreben nach dem Richtigen darin
vor einem Kennerauge, wie dem Ihrigen, bestehen wird. Wenn Sie aof
Ihrem schonen Nier stein schon lange das ,beatus ille* gesungen haben, mochte
da mein ,otium' auch mit anklingen! Wie sehr wunschte auch ich mit einem
in meiner Kunst so hellsehenden Manne, wie Sie sind, so manches durch-
sprechen zu durfen; denn ich liege hier oben auf einer hohen und rauhen
Kante des geliebten Yaterlandes wie ein gefesselter Prometheus und mufi
mir meine eignen Menschen bilden, ohne mit den seligen Gottern des Olympos
verkehren zu konnen.
Ich studiere jetztund den Hegel in Beziehung auf Ktinste und insbeson-
dere auf Musik. Der Mann hat im Abstrakten Ausgezeichnetes intuitiert,
obschon er bekanntlich gar nicht musikalisch war. Ich wufite nicht, daB in
unsern Kunstblattern Hegel's philosophische Untersuchungen iiber Musik
speziell beriihrt waren. Wenn man diese Abstraktionen im Konkreten ver-
folgt, so gestalten sich ganz allerliebste Besultate, die so viele Fragen be-
an tworten, iiber welche hin und her disputiert ist. Wenn ich mein Heftchen
fcrtig habe, werde ich es Ihnen einmal durch Schott1) zur Ansicht zusenden;
vielleicht, daB Sie meine Freude dariiber teilen. Sie glauben nicht, wie klar
und konzis der Mann iiber Tonkunst vorgetragen hat, da man allgemein iiber
seine Unklarheit klagt.
Fur ihre giitigen Mitteilungen in Beziehung auf Frankfurt danke ich
Ihnen verbundenst, vielleicht daB Sie Gelegenheit nehmen, dort in even-
tuellem Fall auf mich aufmerksam zu machen; ich werde auch Schott dar-
um ersuchen. Die Konkurrenz ist heut zu Tage bei ertraglichen Stellen
nur sehr groB, und Konnexionen greifen dabei mehr um sich, als es zur
Ehre der Kunst gut ist. Ich freue mich auf Keferstein's2) Aufsatz. DaB
er es herzlich gut mit mir meint, weiB ich im voraus. Unser inniges Freund-
schaftsverhaltnis mag meinen geringen Leistungen allerdings wohl einigeo
Vorschub leisten, indeB meint er es mit der Kunst zu gut, um mir auch
nicht merken zu lassen, wo meinen Produktionen der Schuh noch druckt
Ich halte iiber meine Sachen jede Meinung in hohen Ehren, sobald sie nicht
kleinliche Absichtlichkeit, iiber die man dann freilich auch hinweg mnfi wie
iiber Leipziger Ebenen. VerdrieBlich allein ist dort die Verstellungakunsi
Die Katzennatur vertragt sich schlecht mit der heitern offenen .Kunst.
Sie aber, hochgefeierter und rUstiger Herr, mogen noch lange in Klar-
heit und Schopferkraft am Kunsthimmel leuchten als Doppelsteru und der
Verehrung und Dankbarkeit spiiterer Geschlechter gewiB sein! . . .c
1 Die bekauutc Mainzer Firma. 2) Caecilia, Bd. 18 vHeft 72\ S. 21»ff
Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brief lichem NachlaC. 483
Stettin, 28. Juni 1837.
Ew. Hochwohlgeboren verfehle nicht die ergebenste Meldung zu machen,
daB ich in diesem Sommer eine groflere Rheinreise, die sich juvante Deo
bis in die Schweiz ausdehnen soil, zu unternehmen beabsichtige. Es wtirde
mich sehr glticklich machen, Ihnen meine ergebenste personliche Aufwartung
machen zu diirfen. Ich kann gestehen, dafl ich mich auf diese Ehre unbe-
schreiblich freue. Ihnen meine ,Balladen' vorsingen zu diirfen, ist fur mich
ein hoher Preis meiner artistischen Bestrebungen. Falls ich vor Ihnen Gnade
finde und Sie es ftir der Mtihe wert erachten, mich zu empfehlen . . ., wiirde
ich nicht anstehn, auch in Darmstadt einen jBalladen-Cyklus* offentlich zu
geben. Vielleicht daB der wackere Herr Kantor Kink es tiber n ah me, dem
Publikum davon eine Anzeige in der Zeitung oder eventuell durch Subskrip-
tion zu machen. Oder vielleicht hatten Sie die Gnade, mich bei Hofe zu
empfehlen; vielleicht daB mir das Gluck zuteil wiirde, der GroBherzoglichen
Familie einige ,Balladen( vorzutragen. Zu meiner Empfehlung durfte viel-
leicht das gereichen, daB ich jedesmal die Ehre habe, Sr. Konigl. Hoheit
unserem Kronprinzen von PreuBen bei hochstdessen zweimaligem kurzen
Aufenthalte hier in Stettin auf seinen Inspektionsreisen ,Balladen' vortragen
zu diirfen. Eine groBe Komposition ,Die Festzeiten, ein geistliches Ora-
torium', hat mich bis jetzt sehr lebhaft beschaftigt, sodaB ich noch nicht an
meine Bearbeitung der Hegel'schen Aesthetik fur die ,Caecilia* (soweit sie
musikalisch ist) gekommen bin . . . Den Text zu den , Festzeiten* mochte
ich Ihnen wohl vorlegen diirfen, um dartiber Ihr Urteil zu hSren. Da dieses
Werk noch nicht einmal ausgeschrieben und aufgeftihrt ist, so wiirde ich es
Ihnen sehr zu Danke wissen, wenn Sie es nicht verschmahten, etwanige Ver-
besserungen vorzuschlagen . . .«
VH. Aus neun Brief en von Ferdinand Hies an Gottfried Weber.
Diese Briefe enthalten viele, nicht uninteressante Einzelheiten. Beinerkenswert
ist vor allem, was Ferd. Ries, der beriihmte Pianist und Komponist (1784 — 1838). tiber
seinen Lehrer Beethoven sagt. Von den Bestrebungen der Komponisten und Ver-
leger am Anfang der dreifiiger Jahre des 19. Jahrhuuderts, gegen den Nachdruck
wirksamc Schritte zu unternehmen, horen wir ziemlich ausfdhrlich. Bemerkenswert
sind auch die Urteile von Ries ttber Spohr's >Pietro v. Abano< und Weber's
»Oberon€, sowie seine Stellungnahme zu der von Gottfried Weber aufgeworfenen
Frage der Echtheit des Mozart'schen »Requiein«.
Godesberg, 2. Okt. 1826.
»Schon langst hegte ich den Wunsch, die Bekanntschaft Euer Wohlge-
boren personlich zu machen, eines Mannes, der so viel Verdienst und Interesse
um unsere Kunst hat, und mit Vergniigen sehe ich diesem Augenblicke bald
entgegen, indem ich eine Kunstreise im November machen werde und eigens
deswegen nach Darmstadt kommen will, wo ich auch hoffe, die Anspruche
auf das so riihmlichst bekannte Orchester realisiert zu horen, welches mich
um so mehr interessieren wird, weil ich uber Frankfurt, Cassel, Leip-
zig, Berlin nach Holland gehen will und also fast alle unsre ersten Or-
chester horen werde.
Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen einen Brief tiber das .Requiem* [von
Mozart] zuzuschicken. Ich kann Ihnen nicht sagen, mit welchem Interesse
ich Ihre vortrenliche Attacke auf dieses Werk, womit Sie die ganze musi-
s. d. iug. x. 32
484 Wilh. Altmann, Aug Gottfried Weber's brieflichem NachlaB.
kalische Welt in Aufruhr gebracht haben, gelesen babe. Ich bin tiberzeugt,
jeder ecbte Musikliebhaber und Kiinstler zollt Ihnen, wenn nicht offentlich,
docb beimlicb seinen warmsten Dank dafUr, und ich hoffe, da£ Hire viele
Mfihe durcb die ganzliche Aufklarung dieses beriihmten Ratsels endlich be*
lobnt werden wird . . .«
Frankfurt a. M., 10. Dez. 1826.
»Sie erhalten bier Weber's ,Oberon' zuriick mit meinem recht hexslichen
Danke — ich kann jetzt nur noch mehr bedauern, diesen aufierordentlichen
Kiinstler so friih verloren zu haben ; es sind ganz vortreffliche Sachen daria
— aber was muii er [in London] Mtihe und Verdrufl mit S&ngern und
Orchester gehabt haben, denn das letztere ist fiirchterlich dort besetzt.<
Frankfurt a. M., 12. Mai 1827.
»Mein sehr geehrter Herr und Freund.
Meinen recht herzlichen Dank ftir Ihre werte Zeitschrift, die mir dop-
pelt Vergniigen machte, indem ich mich in Ihrem Andenken so giitig anf-
genommen finde und indem ich Ihnen zum Sieg inbetreff des [Mozart'schen]
,Requiems', wo Sie sich im ersten Augenblicke mit der ganzen musikalischen
Welt zu uberwerfen schienen, Glttck wiinsche. Wahrlich die Beweise sind
gut und so kraftig, wie sie wohl sein kSnnten. Was macht denn nun die
aufgefundene eigene Handschrift und das Zeugnis? Ihr Beweis scheint so
ganz anspruchslos und natiirlich, dafi es die Herrn verdammt argern mufi.
Die Aufklarung ist wirklich hubsch und, ich mufi gestehen, so — habe ich
sie nicht erwartet. Es wird Ihnen wirklich viele Freude machen: die Lent-
chen miissen gar zu gescheid aussehen, wenn sie [!] dieses Heft der ,CacihV
einer dem andern vorliest. In Dresden existiert eine Partitur des , Requiems',
wo sich das Posaunen-Solo findet: Kapellmeister Morlachi *) sagte mir, er
habe es kiirzlich so aufgefiihrt, und es mache einen furchterlichen Eindmck.
Ich habe mich nun in Ihrer Nahe, wenigstens auf eine Zeit lang (viel-
leicht ganz) etabliert und hoffe, dafi ich dadurch all das Vergniigen haben
werde, Sie mehreremal und ofter zu sehen, welches ich sehr wiinsche: audi
noch um so mehr, da ich jetzt meine Opera arbeite und Ihr Kenner-, Kri-
tiker- so wohl als Freundesurteil dariiber ganz ohne Schonung hdren mochte.
Ich habe so manches Feld in der musikalischen Welt schon betreten, dafi
ich auch daran mufite. Ich hoffe, das Sprichwort wird sich nicht an mir
bewahrt fin den ,Der Esel will aufs Eis gehen.' Ich mufi ilbrigens wenig
aufrichtige und musikalisch gescheite Freunde haben, wenn nicht wenigsteu
etwas Gutes daran sein sollte. Komplimente erhalte ich genug. Ich habe
9 Nummern fertig. Das Sujet [>Die Bauberbraut<] geht iibrigens mit natur-
lichen Sachen um. Verliebt mufi man ex officio schon dabei sein.«
Frankfurt, 26. Okt. 1827.
>Ich war in Cassel uLd sah Spohr's neue Oper ,Pietro von Abano1.
Die Musik ist allerdings sehr schon, manche Sachen ausgezeichnet neu uad
interessant gehalten — auch sind einige sehr muntere Sachen darin — alleii
das Sujet ist schrecklich — man hat von Anfang bis ans Ende fast nur
1) Francesco Mo r lace hi (1784 — 1841), seit 1810 Kapellmeister an der italieniscbti
Oper in Dresden.
2) Vgl. fiber die9c eigenartige Oper auch meinen Aufaatz » Spohr's Beziehnnget
zur Generalintcndantur der Konigl. Schauspiele in Berlin*. Neue Zeitschr. f. Mn&>
Jhrg. 71 1904), Nr. 11.
Wilh. Altmann, Ana Gottfried Weber's brief licbem Nachlafi. 485
mit Toten und Halblebenden zu schaffen, mit zuviel Religion vermischt, wo-
duroh, obschon das Interesse sebr erregt wird, dennoch eine unangenebme
Geisteastimmung entsteht, und ich fiirchte, am bo mehr, wenn der Beiz der
Neuheit des Sajets verloren ist.
Aucb warde [Weber's] ,Oberon' aufgefiihrt — und ich wurde nicht ganz
befriedigt, ich hatte mir vielleioht zu viel versprochen . . . Das Sujet spricht
mich nicht an; sehade, dafi wir Deutsche, die docb gewifi in der Musik
obenan stehen, es mit unsern Opernsujets gegen die Franzosen gar nicht
aufnehmen konnen — sonderbar dafi man bei den Italienern nicht einmal
daran denkt — diese scheinen wirklich ein Privilegium . darin zu haben. «
Frankfurt, 9. Febr. 1828.
»Was soil ich zu Beethoven's Pasquill1) auf Sie sagen? Er hat sich
zu einem dummen Streiche verleiten lassen — und der Herausgeber hat
einen schandlichen daraus gemacht. Es ist iiberbaupt ein elender Mifibrauch
Privatbriefe ohne Beistimmung des Autors dem Publikum zu iibergeben
(das konnte man bei ihm freilich nicht mehr fordern, allein hatte Beet-
hoven es gewollt, so ware dieser Brief doch bei seinen Lebzeiten heraus-
gekommen), besonders von Menschen, die vom Schreiben keinen besonderen
Gebrauch machen — auf seine No ten hat die Welt ein Becht — denn er
hat sich selbst dafur gestempelt — aber [aufj seine Worte nicht. Dafi Sie
es faksimilieren lassen, finde ich excellent: Sie zeigen der Welt, dafi Sie
nichts darnacb fragen. Da er tot ist, konnen Sie nichts mehr von ihm ver-
laogen — lebte er noch, so wiirde ich (Weber) ihm ein Exemplar Ubersendet
haben — und ich glaube, Sie hatten eine Antwort erhalten, welche die
andern nicht so leicht faksimilieren liefien. Beethoven war der recht-
lichste, gutherzigste Mann, den man finden konnte, allein sein aufbrausendes
und mifitrauisches Temperament verfUhrte ihn jeden Augenblick zu Sachen, die
er nachher bereute und mit ganzem Herzen gutzumachen suchte. Man hat diese
kleinliche Rache nicht einmal lassen konnen, obschon er sich am Ende Uber
Stadler's Stand als Abbe moquiert hat. Wollen diese Herren recensieren,
kritisieren, so haben sie ein voiles Becht dazu; sie sollen es aber offen, mit
dem Musiksttick in der Hand tuen, Ursachen, Griinde angeben, und man
mufi es respektieren — aber dazu ware Beethoven der schlecb teste von
alien gewesen — Sie haben keine Idee, wie unbeholfen er darin war, wirk-
lich unglaublich so. Ich habe es manchmal mit meinen eigenen Sachen und
andern mit Erstaunen bemerkt. Er konnte auch nicht eine Ursache oder
Begel angeben : ungeschickter sich zu verdeutlichen konnte man nicht sein. «
Frankfurt a. M., 14. April 1831.
»Verehrter Freund. Es war mein fester Entschlufi, Ihnen [!] bald nach
meiner Ruckkunft von Berlin zu besuchen, allein dies ist nun so lange
verschoben worden und mufi es auch jetzt noch langer bleiben. Ich habe
einen Antrag von Dublin, wo das erste grofie Musikfest im Juli sein soil,
angenommen, mein Oratorium [,Der Sieg des Glaubens'] aufzufiihren — ich
gehe vorher ein paar Monate nach England und durch Brief e meines Bru-
ders dort finde ich mich veranlafit, diese Reise zu beschleunigen und gehe
achon nachsten Dienstag weg.
Ich habe von den Musikverlegern von Leipzig aus mit Ihnen spreohen
1) Vgl. Caecilia, Bd.8 (Heft 29; 1828), S. 60ff.; Beethoven's Briefe, hrsg. v,
Kalischer, V, (1908) 226 f.
32*
486 Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brief lichem NachJaG.
sollen, ob Sie die Schrift und notigen Schritte beim hiesigen Bundestag
ubernehmen wollten inbetreff des Nachdrucks1). Sie mfisaen jemand
tiichtigen and einen Sachkundigen dazu haben — ob jetzt der Augenblick
ist, weiB icb niclit. Ich lasso die Sache fur diesen Augenblick rnhen, denn
diese Eingabe muB sich nicht vertagen , ehe sie zur Sprache kommt, and
vorher muB ich das Ganze mit Ihnen einmal genau uberlegen — so kann
es nicht fortgehen : uberall entsteben kleine Musikhandlungen, die respektable
rainier en, weil sie ihnen, was gang und gebe ist, nachstechen, kein Honorar
geben konnen, weil sie kein Geld und keine Konnection haben und nor
Haubgesindel ist [!]. So horte ich gestern, daB bier in Frankfurt ein ge-
wisser Lohr meine Ouvertiire zur ,Rauberbraut' nachgestochen hat — ich
wohne selbst an diesem kleinen Ort und habe in meinem Leben den Namen
nicht gehort. In Berlin sollen in 2 Jahren 17 Musikhandlungen entstan-
den sein, und da sie keine Komponisten dort haben, mussen sie vom Baube
anderer ehrlicher Leute leben.
Es war mir recht leid, die Blahetka2) nicht kennen gelernt zu haben,
besonders nach Ihrer Empfehlung — meine Frau sagte zwar: ,sieh einmal,
der Alte!!' Da ich auch darunter gehore, ist darin nichts Arges gemeint
Die Belleville3) hat sehr viel Fertigkeit, aber das schien mir audi
alles; das Geflihl war affektiert wie das ganze Person chen. Sie hat hier und
in Berlin wohl mehrere Bewunderer, kein en Freund zuriickgelassen —
na eh re re ziehen die Blahetka vor.«
[Frankfurt a. M., Dez. 1831.]
». . . In England ist es mir wieder gut gegangen, ich habe alte Freunde
wieder gefunden und mich gefreut, dieses schone Land einmal wiederzusehen.
Meine neue Oper hat dort viel Gliick gemacht. "Wir armen deutschen
Kiinstler konnen nur auBer unserm Yaterlande ein ordentliches Stuckchen
Brot und Anerkennung finden. Ich arbeite jetzt an einer dritten, die aber
ernsthaft ist . . . Kommen Sie nicht, den ,Templer4) und die Judin* hier
sehn? Es sind schone Sachen darin, und Sie mochten Ihre Beise nicht be-
reuen.«
Frankfurt a. M., 14. Febr. 1832.
»Ihren Brief hatte ich friiher beantwortet, wenn ich nicht gern mit
einigen Herren vom Bundestag ausfiihrlicher uber die Sache gesprochen
hatte — das ist nun dennoch nicht geschehen, indem ich 4 vergebliche
Gange machte.
Wenn den Herrn Verlegern das Messer wieder einmal etwas scharf an
den Hals kommt, so fangen sie wieder an zu schreien. Wie ich in Leip-
zig war, war alles warm: ich sollte hauptsachlich nur machen, daB Sie die
Sache ubernehmen mochten, hier mit Gesandten reden etc. — aber dabei ist
es geblieben. Auch ich habe weder ein Wort seit der Zeit gehort noch
(wahrscheinlich wollen sie mich encouragieren) eine Note Manuskript ver-
kauft — auBer jetzt ein Quintett an Schott — die Herrn Kollegen, die
Kompositeurs, haben mir auch Briefe und Yollmachten geschickt auBer die
1) In einem Zirkalar vom 1. Januar 1831 hatten J.N. Hummel, Ferd. Riei
und Louis Spohr zu gesetzgeberischen Schritten gegen den Nachdrnck aufgefordert.
2) Marie Leopoldine Blahetka (1811—1887), bedeutende Pianistin u. Komponistio.
3) Emilie Belleville (1808—1880, vermahlt mit dem Geiger Oury), bedeutende
Pianistin. 4^ Die bekannte Oper von Marschner.
Wilh. Altmann, Aug Gottfried Weber's brief lichem NachlaB. 487
Wiener, wovon sich nup einer, namlich Sey fried1) findet — ich glaube
daher, daB die Wiener Yerleger es nicht besser machen werden, und dann
wird die Sache wahrscheinlich hier nicht durchgehen, indem der Oester-
reichische und Badensche Gesandte die vorige Geschichte mit dem Nach-
drucken der Bticher wo nicht hintertrieben , doch das Ganze bedeutend ge-
schwacht haben. Kaine Herr von Nagler an das Presidium, bo hatte ich
mehr Hoffnung, daB er etwas allgemein Gutes untersttitzen wiirde.
Was Ihr Werk verdient, sagt Schott allerdings sehr richtig, aber der
Bundestag unterhalt sich hier mit andern Ehren — klassischen Ehren zwar
auch, doch will hier die bose Welt sagen, das klassischste von allem seien
ihre Diners. Was man Goethe eingestand, hatte man vielleicht seinem
ungeheuren Talente und Genie weniger als seinem Titel Excellenz und
Minister zugestanden. Es laGt sich gewLB nicht leugnen, daB Beethoven
in seiner Art eben ein solches Genie ist — ich glaube nicht, daB er etwas
Ahnliches durchgesetzt hatte — und zweifle auch fur Ihnen.
Schott muBte sich durch seinen Gesandten Herrn von Go eben an den
Bundestag wenden, ich glaube besser aber, ihm erst dariiber privatim
schreiben — ich war gestern noch bei ihm, es waren aber mehrere Besuche
dort, und ich' konnte ihm deswegen davon nicht sprechen. Mit seinem
Sekretar Herrn von Goldner bin ich sehr intim, will ihm auf jeden Fall
gehorig proponieren.
Der Yollmond ware wieder da, aber ich kenne Ihnen [!] : da deren noch
mehrere kommen, wird es wohi wioder verschoben werden, obwohl ich Ihnen
sehr gern liber dieso Sache und manche andere sprechen mochte.
Meine ,Rauberbraut/ kann jetzt gar nicht gegeben werden. tTnsere
Damen sind alle, wie man sagt, auf dem Hund. Gestern wurden ,Die
Bachanten'2) zum ersten Mai gegeben — die Musik (ist die Musik?) hier wird
sie kein Gliick machen; ein sehr versprechendes Madchen mit einer schonen
Stimme trat darin auf. Nachsten Montag reise ich nach Koln, wo meine
neue Oper f,Liska'] gegeben wird. Ende nachsten Monat wird sie hier
gegeben. Nachsten Montag wird hier der ,Liebestrank' von Auber8) gegeben;
es soil nicht viel daran sein.«
Frankfurt a. M., 12. Sept. 1837.
>Um Ihnen zu beweisen, mein werter Freund, daB ich noch nicht unter
den Toten bin, schicke ich Ihnen hier ein neues Quintett und bitte es mit
MuBe durchzusehen und zu recensieren oder recensieren zu lassen. Ich hatte
gewunscht, daB Sie es horen konnten. Gern ware ich mit unsrem Freunde
Meyerbeer heute heruntergekommen , um einmal mit Ihnen wieder etwas
zu plaudern, denn das ist seit Jahren nicht mehr geschehen, allein ich muB
mich heute Abend in einer Gesellschaft ennuyren, die ich nicht ablehnen
kann. Nachstens werde ich Ihnen auch mein neues Oratorium ,Die Konige
in Israel* schicken . . .«.
VII. Aus einem Briefe von Dr. A. Schmidt an Gottfried Weber.
Greifswald, 3. April 1827.
»Am 30. Marz hatte ich die Ehre im hiesigen Konzertsaale zwei Meister-
werke, namlich Ihr ,Requiem* . . . und Michael Haydn's ,Jubel-Messe* . .
1) Igiiaz Hitter von Seyfried 1776-1841.
2) I bacchanti von Ferd. Paer. 3} »Le philtre* 1831).
468 Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's briefliohem NachlaB.
aufzufiihren. Beides fand den ungeteilten Beifall, indem alles mit mdgiichster
Sorgfalt einstudiert war. Die hiesigen Kunstkenner fanden dae , Requiem'
groBartig, erhaben, erschtttternd und iiberall hochst originell ; malerisch, doch
strong gehalten in seiner kirchlichen Form konne man es unbedingt klassisch
nennen. Ich wurde anfgefordert, es doch bald einmal in der Kirche zu geben,
wo der Eindruck unbeschreiblich sein mtisse . . .«
vm, Aus einem Briefe des Hofrats Joh. Ph. Schmidt an
Gottfried Weber.
Betr. seine Oper » Alfred der GroBe*.
Berlin, 24. April 1829.
»Auf Spontini's1) Empfehlung fur einen andern (auBer ihm selbst) ist
dabei schwerlich zu rechnen, so befreundet ich auch mit ihm zu sein be-
ehrt bin . . .
Da ich 50 Jahre alt werde, ist dies mein letztes dramatisches und
erstes groBeres Work, in dem ich die Kunst und Erfahrungen eines viei-
bewegten Lebens niedergelegt und daher eine besondere Yorliebe dafor babe.
Freilich ist jetzt Auber sehr in der Mode, und der deutsche Tonsetzer
hat an dem Zeitgeschmack des groBen Publikums einen siegreichen Gegner.
Doch wird die beabsichtigte Wahrheit des dramatischen Ausdruckes and
das Streben nach Charakteristik nie ganz seinen Zweck verfehlen, wenn es
auch nur von wenigen erkannt wird. «
IX. Aus zwei Brief en der Pirma B. Sohott's Sonne in Mains an
Gottfried Weber.
Der erste Brief brhigt Elagen des Verlags der »Gaecilia< iiber deren auBeren
MiBerfolg, dor zweito beweist, wic sehr im Jahr 1831 das Musikaliengesehaft unter
dem Polen-Aufstand und der Cholera gelitten hat.
27. Jan. 1827.
»Die Zeitschrift Cae cilia haben wir mit groBen Aufopferungen be-
gonnen und zeither fortgesetzt. DaB sowohl Ihre sehr groBe Tatigkeit ab
auch Gelehrsamkeit den Ruhm dieser Zeitschrift begriindet hat, gestehen wir
wohl zu, allein nichts desto weniger werden die Abonnenten mit jedem Bande
geringer an Zahl, besonders aber nach dem Streit mit Stadler2). Ob dieses
wirklich der wahre Grund ist, wollen wir nach unsern Ansichten gern be-
zweifeln, obschon uns solches von vielen Seiten her eroffnet wurde.
Der Grundsatz, mit welchem wir die Herausgabe der Caecilia unter-
nommen, ist heute noch derselbe : in diesem Unternehmen keinen Vor-
teil zu suchen. DaB wir fur den An fang Aufopferungen bringen muBten,
war uns ebenfalls bekannt, und dies haben wir getan so gut wie jeder Unter-
nehmer der Art. Allein daB wir uns fortwahrend dazu verstehen sollen,
konnen wir ebenso wenig wie jeder andere . . .
Von dem Aufgeben des Unternehmens ist uns noch nichts in den Sinn
1) Tatsachlich ist Joh. Ph. Schmidt's > Alfred der GroOec auf Veranlassung Spon-
tini's an der Berliner Oper, freilich nur zweimal, gegeben worden; vgl. Altmann
in: Sammelb. d. IMG. IV, 283.
2) Abt Maximilian Stadler (1748—1833) vertcidigte im Gcgensatz zu Gottfried
Weber lebhaft die Echtheit des Mozart'sehcn » Requiem « in einer eigenen Scbrift
^"y; Naclitrag 1827); vgl. iibrigeiis Beethoven's Briefe hrsg. v Kalischer V, 221.
Wilh. AHmann, Aus Gottfried Weber's brieflichem Nachlafi. 489
gekommen, wir warden die Zeitschrift fortsetsen, auch ganz ohne Vorteil
wie oben bemerkt, und dem Redakteur sowohl all wie den Mitarbeitern
durch Zahlung ihres Ghithaben die Sicherheit steUen, welohe verlangt werden
konnte . . .
Daft in Darmstadt vielleicht mehr als an andern Orten von dem letzten
Seafzer der Caecilia gesprochen wird, glauben wir wohl, denn die Leute
haben dort Zeit zu Klatschereien, allein ee iat doch an dem Gerede etwas,
allein es beziebt sich mebr auf Hire Personality denn es kam uns schon
oft und von vielen zu Ohren, daft Sie die Zeitschrift nicht fortzusetzen im-
stande waren; wie wir dagegen gesprochen und geschrieben haben, mdgen
Sie selbst beurteilen ; Neider und Feinde haben Sie genug!«
Mainz, d. 4. August 1831.
»Aus Ihrem Briefe vom 2. dieses ersehen wir, dafi Sie zweimal 33 Gul-
den in 8 Tagen und 3 Wochen auf uns gezogen haben, und wir werden
hoffentlich die Gelder dazu aufbringen. Obschon diese Bemerkung heut zu
Tage am rechten Ort ist, auch bei so kleinen Summen, so liegt die Ursache
auch ebenso klar, wenn wir Ihnen bekennen, dafi unsere Ladeneinnahme
noch nie so gering gewesen wie diesen Sommer: aller Mut ist den Menschen
benommen, jeder tragt nur Besorgnis und Wttnsche in seiner Brust. Man
wunscht Friede und wUnscht Polen Htilfe und Sieg und die Cholera wie-
der nach Asien zuriick. So wie Polen in Nachteil gerat, so erwacht immer
starker ein grofierer Hafi gegen Preufien und eine Zuneigung zu Frank-
re ich. Wie sich alles dieses noch aufklaren wird und wie die Geschafte
wieder sich erheben oder mehr sinken werden, das verhiillt noch die Zu-
kunft.«
X. Bobert Schumann l) an Gottfried Weber.
Leipzig, am 11, Januar 1834.
»Ew. Hochwohlgeboren
mochte ich lieber mit dem schSnen Namen ,Lehrer und Meister* anreden
durfen, wenn auch eine etwas freie Weltansicht, die sich hier und da in den
beiliegenden Kompositionen ausspricht, Sie verleiten konnte, meine Studien
fur j linger zu halten als mich selbst, namlich nicht viel iiber zwanzig Jahre.
Mit einer gewissen Scheu stelle .ich Ihnen die ersten Kinder vor, aber auch
freudig und dankbar im voraus, nicht weil ich erwarte, dafi Sie iiber den
Mafistab des Alters den der Leistung vergessen und deshalb riicksichtsvoller
urteilen wlirden, sondern weil sie zum ersten Mai einem hochverehrten Geiste
naher geriickt werden, der ihnen das Bild der Schonheit nicht aus mathe-
matischen Linien zusammensetzt.
Meinem schiichternen Wunsch, dafi Sie sie vielleicht der Welt in Ihrer
,Caecilia( mit ein paar Worten selbst vorstellen2) oder vorstellen lassen
mochten, habe ich noch die Bitte um Entschuldigung, dafi ich mich direkt
an Sie wende, hinzuzusetzen, da ich gar wohl weifi, wie sparsam Ihnen die
Stunden zugemessen sind — den ,Papillons(, dafi sie teilweise nach dem
1) Nach dessen mehrfaoh abweichendem »Conceptbuchc gedruckt: Robert Schu-
mann's Briefe. Neue Folge. Hrsg. v. F. Gustav Janaen. 2. Aufl. (1904) S. 46.
2) Im 62. Heft der > Caecilia* (Bd. 16, 1834) hat G. Weber Schumann's Papillona
[op. 2], Theme varie fop. 1], die Intermezii op. 4 und die Impromptus op. 5 im all-
gemeinen recht giinstig besprochen.
490 Wilh. Altmann, Am Gottfried Weber's brieflichem NachlaB.
letzten Kapitel der ,Flegeljahre* *) entstanden, ohne gerade ein korperliches
Bild geben zu wollen, und dafi ich sie dann so gefiigt, dafi man darin etwas
yon Larventanz am Schlufi des Buches merken mochte nnd vielleicht etwas
von Win as Auge hinter der Maske — den ,Paganinischen Capricen', dafi
sie eine herrliche, aber etwas herculische Arbeit fur mich gewesen, da es in
oft inkorrekter, obwohl meist einstimmiger Harmonieflihrung manches aus-
zurotten gab — den samtlichen funfen, dafi Ihnen das Kurze und Bhapso-
dische darinnen nicht unangenehm auffallen mochte, da Sie wissen, wie froh
tiberhaupt junge Autoren sein mussen, wenn nur von ihnen gedruekt wird —
endlich die Versicherung, dafi diesen fleifiigere und grofiere Ausbriiche folgen,
nach welchen der Mensch wie der Vesuv leichter zu beurteilen ale nach so
ausgeworfenen Steinchen.
Herr Wieck, der mein wertester Lehrer und Freund, wie seine
Tochter Klara, die sich immer reicher entwickelt, lassen sich Ihnen in
Hochachtung und Verehrung empfehlen, was ich selbst tue, der ich Ihnen
fur Giite und Nachsicht nichts geben kann als meinen einfachen Namen.*
XI. Aus 14 Brief en yon N. Simrook an Gottfried Weber.
Mit ganz besouderem Vergniigen veroffentliche ich die Ausziige aus den Briefen
des mit einer guten Dosis Humor begabten Musikverlegers Nicolaus Simrock (1732
bis 1834). der, nachdem er als Waldhornist der kurftirstlichen Kapelle in Bonn angehort
hatte, 1790 den heute so beriihmten Musikverlag begrundete. Wie schwer es ihm in
den Ericgsjahren 1806 — 1815 geworden ist, das G-eschaft weiterzufuhren, da die Noten-
stechor meist in den Krieg muBten, erfahren wir, ferner wie er unter der Konkurreni
zu leiden hatte und trotzdem unermiidlich Partituren und Klavierausziige herans-
brachte. Er nimmt far sich das Verdienst in Anspruch, die GroCe Bach's fruhzeitig
erkannt zu haben, will auch dessen >wohltemperiertes Klavierc dem jungen Beet-
hoven gegeben haben. Er mufi cin prachtiger Mann gewesen sein, der das Herz
auf dem rechtcn Fleck hatte und sein Geschaft nicht blofi vom rein kaufmannischen
Gesichtspunkte aus betricb.
Bonn, 4. November 1806.
>. . . Konnen wir mit denFlaut-Sachen 2) gegen Musikalien auf eine
billige Art eins werden, so lassen Sie mich Ihre Konditionen wissen —
gegen bares Geld kann ich mich in diesem Augenblick gar nicht einlassen.
--- In Frankreich liegt aller Handel stille, das mittagige Deutschland
hat sich noch [nicht] erholt, und fur Norden wissen wir nur einstweilen, dafi
fiir diesen Winter alle Musikhaberei darniederliegt. <
Bonn, 5. April 1807.
(will auf das Titelblatt von Weber'schen Ai*rangements fur FlSte auf Wunsch
»arrangiert« setzen.)
». . . obwohl gar viele Musikliebhaber einen Abscheu vor all em haben.
wo nur arrangiert darauf steht. Dies ist freilich nur ein Vorurteil, aber es
ist doch fiir den Yerleger sehr nachteilig. . . . Diesen Sommer gedenke ich
alles herauszugeben , wenn mir nicht eine neue Konskription wieder einen
bald ausgelernten Stecher wegnimmt.c
Bonn, 20. Sept. 1807.
>Konnen [Sie] sich mit Musikalien furs Honorar begntigen, so wird'e mir
sehr lieb sein, denn der Herr ,baar Geld* ist wirklich am Sterben, wenn
1) Von Jean Paul. 2j Vgl. Einleitung Nr. I.
Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brief lichem Nachlafi. 491
er nicht schon tot ist. Welch eine Zeit fur Musik und Musiker, die da-
mit ihr Brot erwerben wollen!<
Bonn, 18. Juni 1811.
>Bei meiner Riickkehr von der Leipziger MeB — der saubern — , wo
ich beinahe mehr verzehret, als ich Geld einnahm, finde ich Ihr Wertes vom
30. April zu beantworten und Ihre 6 Ouitarre-Lieder . . .
Ihre Klaviersonate? Ach, sie liegt still, schlaft 8 an ft nnd fest. Yon all
den Exemplaren, die ich fiber Leipzig an die Bnchhandlnngen gesendet
hatte, sind nur 2 ausgeblieben, die ubrigen sind alle zuruckgekommen. Den
Dilettanten ist so etwas zn hoch und im Ernste zu schwer. Wenn nicht
eine sehr vorteilhafte Rezension diese Menschen neugierig macht, so schlaft
sie Ihnen gut.
Ihre Guitarre-Lieder sind wirklich recht schon. NB. ich hatte solche eher
gehort, als Ihren Brief gelesen. Da ich gar den Preis bestimmen sollte,
ach, da fielen sie herab wie die Wiener Banknoten! Bin ich doch er-
schrocken! Geld! Wollen Sie wirklich Geld haben? Alles, nur kein Geld.
Nun ich will hoffen, Sie habens nicht so bos mit mir gemeint. Bald sinjjl die
Musikverleger' in dem Fall, dafi sie allerhand iible Zulalle bekommen konnen,
wenn man sie auf den Kopf stellt, aber Geld wird ihnen keins aus dem Sack
fallen. Besonders trostlich ist bei dem Musikhandel der Kommissionshandel ;
das ist gar eine hiibsche Sache fur die Commissionaires: keiner will etwas
verkauft haben! Untersuchen kann mans unmoglich; will man sich nicht
argern, so mull mans glauben. Mir kommts in diesen Zeiten trefflich zu
statten, dafi ich katholisch bin!
Hiibsch, sehr hiibsch will ich Ihre Lieder anziehen, auch deutlich. Saper
— bald hatte ich geflucht — nun das kostet nichts — ist das nicht auch
etwas wert?«
Bonn, 22. August 1811.
>. . . Die »Hymnen« sind ohne Zweifel sehr gut von Vogler1) — allein
ich kann dieses Jahr nichts mehr kaufen, und wenns so fort bergab geht, so
hat das Kaufen ganz ein Ende. Meine letzte Reise hat -mich vollig aufge-
klart. Wie kann es auch bei diesen Konskriptionszeiten anders werden: alte
Liebhaber der Kunst sterben nach und nach, und die Jugend spielt mit der
Muskete. «
Bonn, d. 2. Februar 1813.
». . . Ich habe die Partitur der Haydn'schen Messe beigelegt unter der
ausdriicklichen Bedingung, dafi das jHequiem^ nicht eher fur mich ge-
halten werden soil, bis ich wirklich tot bin, und zweitens, dafi die Requiem-
spieler solange damit verziehen, bis die interessante Weltgeschichte eine Ent-
scheidung erhalte, ob ich als En glands oder Frankreichs Sklave aus
dieser Welt gehen soil; daruber mochte ich gar gerne Gewifiheit haben. «
Bonn, 3. Mai 1815.
». . . Wie es geht? Ach, eben wollten die Musen aus ihren Schlupf-
winkeln sich anschliefien, unsere Lander zu besuchen, als Mars den gries-
gramigen Kerl laufen liefi, der dann wie allzeit die lieben Dinger wieder
verjagt! Leider sieht's aus, als war7 die Hoffnung mit fortgelassen.
Mein Geschaft? Meine besten Arbeiter, womit ich mich jahrelang ge-
plagt, um sie brauchbar zu machen, hat die Konskription gefressen, das noch
1) Georg Joseph (Abt) Vogler (1749-1814).
482 Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's briefliohem NacfaJaft
XJbrige nimmt mir nun die Landwehr. Sehr viel ist eben dabei nicht rer-
loren, da gegenwartig alles stille liegt. Aufier der vollstandigen Partitur
von Mozart's Zauberflote mit deutschem und italienischem Text, der Fort-
setzung der Haydn 'schen Sinfonien korrekten Ausgabe, einiges[!] vou [FerdV
Ries habe ich nichts verlegt, das Erwahnung verdiente. Mit was soil ein
Verleger dermal honorieren, wenn fur die Kunst alle Beutel zugeschnurt,
die Glaubiger verderben oder zu Schurken werden! So sieht's im ganzen
aua, und mit dem Debit von 12 Kreuzer bis hochstens zum Gulden kann
man kaum das liebe Brot gewinnen« . . .
Bonn, 17. Mai 1815.
>Ihre schonen Lieder habe ich erhalten und werde sie stechen, sobald es
moglich ist. Auf derselben Seite, wo unser aller Schicksal beschrieben- ist,
stehen diese Lieder mit anbemerkt. Denn alle meine Stecher mussen die
Flinte aufpacken! . . .
Freilich ist eine Mozart 'ache Partitur nicht an der Tagesordnung, eben-
sowenig wie die Haydn'sche korrekte Ausgabe seiner Sinfonien. Voriges
Jahr erst machte ich in der Jubilate-Messe [in Leipzig] die Bekanntsehaft
des Herrn Hofrat Rochlitz und wunderte mich nicht wenig, dafi ihm keine
meiner Mozart'schen Partituren bekannt war, ebensowenig als meine Haydn-
schen Sinfonien. Da es doch offenbar hervorgeht, dafi bei diesen Werken
mehr fur die Kunst als den Beutel spekuliert ist, so versprach mir Hair
Rochlitz (der nebenher gesagt ein sehr liebenswerter Knnstfrennd und edler
Mann ist) in der ,Musikalischen Zeitung( davon zu erwahnen, welches dann
endlich auch geschehen. Wie und mit welcher Behutsamkeit, am ja dem des-
potischen Herausgeber !) der ,Musikali schen Zeitung( zugleich zu schmei-
cheln etc., das ist merkwiirdig zu lesen . . . Wie lange wird diese Gattung
von Despotisme noch geduldet werden mussen ? «
Bonn, 31. Mai 1815.
». . . Meine Original-Partitur von der ,Zauberfldte' wurde von Mozart
selbst dem Kurfttrsten von Coin, Max Franz von Osterreich, geachiokt nnd
ist also ganz echt. Hat Mozart nachher daran geandert oder sind von
anderen zu manchem Stuck vielleicht Trompeten und Pauken hinzugekommen ?
es ist moglich! Der deutsche Text, den ich unterlegt, ist hie and da beim
Hamburger Theater verbessert worden. Herr Stegmann, 20jahriger
Musikdirektor beim Hamburger Theater, persuadierte mich dazu und seigte
mir verschiedene Stellen, die wirklich besser und deutscher waren als der
bsterreichische [Text). Nachher fand ich freilich manches nicht eben sehr
verbessert, jedoch auch nicht schlechter; allein ich hiitte mich doch nicht da-
zu verfiihren lassen sollen, weil der alte [Text] schon einmal allgemein be-
kannt und angenommen war. Dafi ichs besser machen wollte, wird dies woU
bei Ihnen entschuldigen ! Mit der Spekulation ist es freilich ein ander Ding!
Es tat mir sehr wohl, dafi Mozart's Meisterstucke so verhunzt durch Breit-
kopf und Hart el herausgegeben wurden, wie z. B. ,Titu84, der zur Direk-
tion gar nicht branch bar ist, ohne einer Menge Fehler zu erwahnen. Und
dann hoffe ich einige Excmplare Partituren in Frankreich unterzubringen,
was mir bis jetzt leider auch fehlgeschlagen ist. Ich habe nur von enie
25 Exemplare abdrucken lassen, wovon sie neulich das vorletzte Exemplar
erhielten ; nun soil sie wieder abgedruckt werden . . .
1) Gemeint ist der Verlag Breitkopf & H'artel.
Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brief lichem NachlaB. 498
Sie konnten bei etwas Mufie wohl auch so eine Wasserreise hierher
machen. Wenn Sie unsre legend noeh nicht gesehen haben, so ist's wohl
der Muhe wert! Das ist aber alles, was una die Frankreicher von
unserem ebemaligen Wohlstand iibrig gelassen, und die jetzigen Umstande
erlauben der Preufiischen Regierung noch nicht, an unser Wohl zu denken ;
gegriindete Hoffnung aber, dafi wir nach dieser Uberstandenen Krisis gliick-
licher sein werden! . . .«
Bonn, 5. Juli 1815.
»Sie haben recht: 75 centimes ist wirklich zn teuer fur 2 Blatter, be-
so nders for Soldaten. Das Bies Papier ist mir aber in diesem Fruhjahr
auf einmal 1 fl. 36 Kr. aufgeschlagen. Die noch ubrigen Burger hier, die
man zum Arbeiten braucht, mlissen fast 4 f ache Kontribution bezahlen, starke
Einqnartierung bekdstigen! Exercieren, die "Wache aufziehen: hierzn die
grofie Teuerang — Fleisch und Butter noch einmal so hoch im Preis wie
vorig Jahr; und dabei wenig Arbeit — nun endlich ist beinahe kein Lieb-
haber mehr; wenn er ein Blatt Musik kauft, so will er auch Rabatt davon
haben. Endlich muBten die deutschen Verleger den Paris er nachahmen
und ihre Preise erhohen, wenn sie nicht umsonst arbeiten wollten. Wollen
Sie Andr^'sche, Schott'sche und die Leipziger Yerlagsartikel von
einzaln Sachen, ein Bogen grofi, nachsehen? Die Leipziger lioflen sich
schon vor 15 Jahren 4 gute Groschen fur 2 Blatter von gedruckter Musik
bezahlen. Sie werden linden, dafl ich einer der letztern diese kleinen Sachen
erhdht habe . . .<
Bonn, 13. August 1815.
>. . . Ein preufiischer Offizier, der schon 2V2 Monate bei mir im
Quartier liegt, hat mir wahrscheinlich das Nervenfieber (woran er selbst bei
mir noch krank liegt) ins Haus gebracht! Heine jtingste Tochter, welche
mein Geschaft betreibt, liegt schon 14 Tage zu Bett und vorgestern ist
noch eine andere auch liegen geblieben. Herrliche AussichtenU
Bonn, 12. Okt. 1826.
>. . . Hier meine Grunde, warum ich den Originaltext in meinen Klavier-
auszugen oben und die deutsche Ubersetzung unten setze. In den 30
letzten Jahren des verflossenen Jahrhunderts fast bis 1810 ward in den
offentlichen Koncert[en] nur italienisch gesungen mit wenig Ausnahmen.
Alle bis dahin erschienenen Klavierausziige [!] war der Originaltext oben. In
diesem Zeitpunkt habe ich sogar vielfaltig bemerkt, dafi besonders in Sfid-
deutBchland alle Freunde des Gesanges, welche italienisch verstanden,
lieber in dieser Sprache als in der deutschen sangen, in welcher es dem
allergeschicktesten Ubersetzer nicht immer gelingt, an den bedeu tends ten
Musikstellen sich gleich dem Original auszudriicken ; endlich glaubt ich es
schicklich, den Originaltext oben zu lassen und den deutschen mit den notigen
Abanderungen der Noten unten zu setzen; nur muBte dies freilich so deut-
lich wie moglich geschehen, welches leider nicht immer gelingt, da man, wie
bekannt, nicht alles selbst tun kann.«
Bonn, 18. Sept. 1827.
>. . . mit Liedern mache ich kein Gliick, selbst mit denen) die ich ehe-
mals von Ihnen verlegt; [sie] werden bei weitem nicht so gesucht, als sie
es wohl verdienten. Bei der jetzigen grofien Konkurrenz in Deutschland,
wo die MuBik verleger wie Spatzen sich vermehren in alien S tad ten, sogar
494 Wilh. Altmann, Aug Gottfried Weber's brief liehem NachJaB.
zwei in Hannover pp, ist es wohl nicht ratsam, mit Sachen zu erscheinen,
die schon einmal da sind. Hauptsachlich aber kann ich keine Ldeder zu
Weihnachten oder Neujahrstag abliefern, weil, ehe icb Ihre Lieder erhielt,
in Unterbandlung fiber eine Sammlung geistlicher Gesange, welche fur die
PreuAischen Gymnasien bestimmt war, nnd klirzlich dariiber abgeschlossen,
solche fur Weihnachten abzuliefern. Dermal habe ich nur einen Stecher, dem
ich Text anvertrauen kann ; mein bester ist im vorigen Monat zum 3jahrigen
Sol date n gezogen worden!«
Bonn, 23. Marz 1828.
>. . . Schon fiber 50 Jahre schatze ich Seb. Bach als den groflten
Deutschen. Seine Praludien und Fugen besafi ich schon 1776, ebenso
wie seine Studien1) fur die Violin, welche Salmon3) vortrefflich spielte,
von dem ich solche erhielt und nachher zum Stich beforderte. Die Pralu-
dien und Fugen verehrte ich dem jungen Beethoven im neunten Jahr
seines Alters unter der Bedingnis, dafi er mir bald etwas davon spielen
moge, welches auch eben nicht lang wahrte. Er studierte taglich mit ganzer
Seele daran! Yor etwa 20 Jahren gab ich diese Praludien und Fugen her-
aus nach einem Manuskript, welches ich von Kapellmeister Schwenke3)
aus Hamburg erhielt, der auch die Korrektur fibernahm. Nachher gab sie
Naegli in Paris gestochen, sehr elegant und schon, heraus, aber allenthalben
mufi man umwenden, und [sie] sind auch nicht ganz korrekt. Schwenke
korrigierte die meinigen mit der groBten Genauigkeit und Vorliebe fur die
Sache. Die erste Messe Seb. Bach's und ein 5 stimmiges Magnificat gab ich
bald nachher heraus. Die damalige Welt war aber nicht so verliebt in diese
Sachen wie der Herausgeber, und so verblieb ich so ziemlich hart darauf
sitzen. Seit 5 a 6 Jahren besitze ich das Manuskript von der Messe Nr. 2.
Ich glaubte schon in voriger Ostermesse sie bekannt zu machen; mein bester
Stecher, der mir gewohnlich meine Klavierauszfige sticht, hat die 3 hohe
Stimmen im fir Schlfissel fibertragen; ich scheute sie so herauszugeben, be-
Bonders da es unschicklich ist, ein altes Werk auf neue Art herauszugebeo,
da ich aber auch manche alte Gewohnheiten in dem alten Manuskript nach
unserm neuern Gebrauch abandern mufite, wie z. Ex. die Bezeugungen der
$, V und S, die jetzt nur 1 Takt lang gelten, nach altera Gebrauch aber
jedesmal wieder vorgezeichnet wurden, wenn solche nicht bei dem Schlussel
bemerkt waren pp. Es ist mir nicht bekannt, dafi S. Bach's Messen jemal
gedruckt erschienen sind.
In diesem Augenblick bin ich fleifiig mit dem Klavierauszug der vor-
trefflichen solenellen Cherub in i'schen Messe beschaftigt. Sobald sie fertig
ist, erhalten Sie das erste Exemplar.
Es verwundert mich, dafi Sie die 1. Bach'sche Messe, bei mir verlegt,
nicht kannten, so auch das Bstimmige Magnificat. So ist noch manches ii
me in em Verlag unbekannt, wfirde es noch mehr sein, wenn Sie nicht z«-
weilen etwas davon sagten. Die Leipzig er Musik-Zeitung sagte selteB
etwas von meinem Yerlag, und, wenn sie etwas sagte, so war immer eii
1) Gerneint sind die Sonaten und Parti ten fiir Violine solo, wahrend unter d»*u
Praludien und Fugen das »wohltemperierte Klavier* zu verstehen ist.
2) Gemeint ist wohl der 1745 zu Bonn geborene, von 1781 bis zu seinem Todt
(1815; in London wirkende Johann Peter Salomon.
3) Christian Friedr. Gottlieb Schwencke, 1767—1822.
Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brieflichem NacblaC. 495
aber dabei. Beinabe macbt es die Berliner Musik-Zeitung ebenso, so
unparteiiscb aucb Herr Marx1) ist. Das bat alles seine Ursachen2), jedocb
tut es web, wenn man sieht, wie wenig manches Gute anerkannt wird —
"Wer hat zum Beispiel Partituren mit solcbem Fleifi berausgegeben wie die
4 Sinfonien Nr. 1 — 4 von Bee tb oven? ,Figaroc von Mozart? Man irrt
sehr, wenn dies als etwas Leicbtes angeseben wirdU
XII. Aus zwei Briefen Louis Spohr's an Q. Weber.
Der erste die9er beiden Briefe, die ich nur im Auszuge mitteile, ist die Antwort
des grofien Geigenkiinstlers und seinerzeit hochberuhmten Komponisten auf die Auf-
forderung Weber's, an seiner » Caecilia* mitzuarbeiten , der zweite betrifft Mozart's
> Requiem* und enth'alt einige niclit uninteressante Ideen dariiber.
Cassel, d. 17. Juli 1824.
. . . »Recht gern mochte icb, Ibrer giitigen Aufforderung zu geniigen,
Ibnen einen Beitrag fur Ihre Zeitscbrift einsenden, allein teils bin icb jetzt
in meinen von Tbeaterarbeiten freien Stunden so ganz mit der Komposition
einer neuen Oper beschaftigt, dafi ich an nichts anderes zu denken vermag,
teils bin ich ein sehr ungeiibter Schriftsteller, der nur bei ganz besondern
Yeranlassungen laut wurde und aucb dieses Lautwerden schon zu bereuen
bat, und endlich fehlt es mir an Stoff, da ich mich der Kritik, zu der ich
wohl Neigung hatte, enthalten mufi , da sie den Komponisten gar zu leicbt
gemifideutet wird. Finde ich indessen Yeranlassung etwas zu schreiben, so
will icb es gern einsenden, um Ihr Unternehmen. woftir ich mich recht sehr
interessiere, auch tatig zu unterstiitzen. «
Cassel, 6. Juli 1826.
>Ew. Wohlgeboren
geehrte Zuschrift3) nebst der Beilage fand ich vorliegen, als ich ehegestern
nach einer Abwesenheit von 5 Wochen hieher zuruckkehrte. Ich beeile
mich Ihnen fur die gtitige Zusendung der hochst interessanten Sehr if t
meinen ergebensten Dank zu sagen. Ich habe sie mit grofiem Anteil ge-
lesen und verdanke ihr manche Auf klarung in dieser Angelegenheit. Beson-
ders merkwurdig war es mir, zu sehen, dafi Mozart in seiner Fuge, deren
Haupthema ich langst als aus dem ,Messias' entlehnt kannte, auch das Gegen-
thema von Handel erborgt hat, und ich bin Ihrer Meinung, dafi Mozart
ohnmoglich dies Tonstiick zur Bekanntmachung bestimmt haben konnte, es
sei denn, dafi er ganz vergessen gehabt hatte, woher er in friiherer Zeit die
Themen genommen babe. Und doch ist diese Fuge auch wieder meisterhaft
gearbeitet, dafi man ohnmoglich glauben kann, es sei eine ganz friihe Jugend-
arbeit. Ich kann mich uberbaupt noch nicht uberzeugen, dafi Mozart nicht
einiges, was entschieden von seiner Arbeit ist, im letzten Lebensjahre nach
der Bestellung des Uubekannten gescbrieben haben sollte, z. B. gleicb den
Anfang, sowie das Eecordare, weil dies meinem Oefuhle nach nicht blofi das
herrlichste ist, was von Kircheninusik iiberiiaupt existiert, sondern aucb
1) Adolf Bernhard Marx, 1796—1866.
2) Neid des Verlegers Schlesinger.
3) Dieses Schreiben Weber's (Caecilia IV, 285) begleitete die Zusendung von
Weber's beruhmt gewordenem Aufsatz >Uber die Echtbeit des Mozart'schen Re-
quiems* (Caecilia III, 206 ft). Die meisten der ihm darauf zugegangenen Antworten
hat Weber in Caecilia IV veroffentlicht.
496 Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brief lichem Nachlafi.
alles Mozart'sche der Gattung aus friiherer Zeit bei weitem iibertrifft. Die
Ahnlichkeit, die der Anfang des ,Requiem4 nut der Trauerkantate von
Handel hat, ist iibrigens nicht grofl unci kann zufallig sein, aber sie iat
durch eine unbewufite Erinnerung, die Mozart von der Handel 'schen
Musik hatte, entstanden. Aber auch wenn sie absichtlicb ware, ist sie leicfat
zu entschuldigen , da die Mozart'sche Nachbildung so unendlich viel herr-
licher ist als das Handel'sche Vorbild.
Ich bin nun sehr begierig zu sehen, ob Herrn Andres Bekanntmach-
ungen ein helleres Licht iiber die Entstehung des ,Requiem( verbreiten wer-
den, zweifle aber sehr, dafi man je mit GewiBheit wird ausmitteln konnen,
aus welcher Periode die verschiedenen echt Mozart'schen Satze sind, noch
weniger, was Siifimaier bei den seinigen von Mozart 'schen Ideen be-
nutzt hat.
Yerzeihen Sie giitigst, dafi ich hier unberufen einige Ideen niederge-
schrieben habe, die sich mir beim Lesen Ihrer interessanten Schrift auf-
drangten, und entschuldigen Sie es mit dem Interesse, was auch mir dies*
Angelegenheit eingeflofit hat . . .<
XIII. Aus einem Briefe A. F. J. Thibaut's an Gottfried Weber.
Dieser Brief zeigt das groBc Interesse des Verfassero des beruhmten Werkes »Uber
Keinheit der Tonkunstc fur die Kompositionen KasparEtt's (1788 — 1847), die meist
ungedruckt geblieben sind und in der Miinchener Staata- und Hofbibliothek aufbe-
wahrt werden.
Heidelberg, 22. Febr. 1830.
>Herr C. Ett, Organist an der St. Stephanskirche in Munchen, ist einer
der ausgezeichnetsten Kenner der alteren klassischen Kirchenmusik und selbst
ein vortrefflicher Komponist in diesem Fach. Ich kenne mehrere seiner
Kompositionen, welche mir vorzliglich ge fall en haben, und oft hore ich, dafi
das, was er in seiner Kirche mit einem trefflichen Chore leistet, in Munchen
allgemeines Entziicken erregt.
Ktirzlich schreibt mir nun der Hofprediger Hauber in Munchen (welcher
einen reichen Schatz unvergleichlicher Musikalien besitzt), er habe den furcht-
samen und bescheidenen Ett endlich zu dem Entschlufi vermocht, seine
besten Kompositionen durch den Druck bekannt zu machen. Er glanbe, dafi
der Yerleger viel dabei gewinnen konne, da beinah alle Stiicke mit innerem
Wert leichte Produktion vereinten und selbst von schwachen Choren aufge-
fiihrt werden konnten. Es komme also jetzt auf einen Verleger an, welcher
dem (armen) Komponisten auch ein gutes Honorar gebe, und er bitte mich,
ihm einen solchen zu verschaffen.
Dringend bitte ich Sie . . . mir nun in dieser Sache mit Rat und Tat
beizustehen ]), indem ich mit keiner Musikhandlung in Verb in dung stehe.
Ich glaube, dafi der Yerleger um so mehr bei diesem Geschaft gewinnen
wird, da bei der jetzigen Reorganisation der Katholischen Kirche allgemein
an Verbesserung des Kirchengesanges gedacht wird . . .«
1) G.Weber verwandte sich sofort bei N. Simrock in Bonn fur Ett; diaur
Verleger antwortete ihm bereits am 27. Febr. wie folgt : > Wenn ich bestimmt wfifit*
was diese lOHefte I Ett] kosten sollten, wiirde ich niich vielleicnt doch entachlieBen,
aolche herauszugeben , obwohl ich aus der Erfahrnng weiC , daC die Kosten bei der
Kirchenmusik nicht hcrausgebracht werden! wenigstens gekt es mir ao!<
Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brieflichem NachlaC. 497
XIV. Aus awei Briefen Bemhard Anselm Weber's an Gottfried Weber.
Die beiden Briefe Bemhard Anselm Weber's (geb. 1766 zu Mannheim, war 1792
als Musikdirektor in preuBische Dienste getreten und hat als Kapellmeister der Ber-
liner Oper bis kurz vor seinem Tode am 23. M'arz 1821 sehr verdienstvoll gewirkt;
als Komponist war er nicht unbedeutend, seine Musik zur »Jungfrau yon Orleans «,
seine Opern >Deodata< und > Hermann und Thusnelda* wurden sehr geschatzt) inter-
essieren vor allem wegen der Mitteilungen ttber seinen Lehrer Abt Vogler, den er
in hochstem Grade verehrte. B. A. Weber braehte auch den Eompositionen Gottfried
Weber's ein lebhaftes Interesse entgegen. Sehr beachtenswert finde ich, was er am
Schlusse des zweiten Briefes tiber Liederkomposition sagt.
Berlin, 21. Mai 1814.
>Ich danke Ihnen fur die schmerzliche Mitteilung des plotzlichen Hin-
tritts des guten, in jeder Hinsicht so merkwiirdigen Vogler's1). Zwei Tage
zuvor habe ich die Nachricht von Herrn Gem5) schon erhalten. . . . Noch
vor 4 oder 6 Wochen schrieb er [Vogler] mir, dafi er gleich nach dem Frie-
den in Berlin eintreffen wiirde. Ich freute mich kindisch und wurde so
von der Hohe meiner Freude herabgestUrzt. Von ineinem 7. Jahre an hat
er mir schon Unterricht in der Musik gegeben. Er hat mich die Noten auf
dem Klavier gelehrt. In meinem 14. Jahre legte er die ersten Griinde zur
Komposition. Im Jahre 1790 machte ich mit ihm eine grofie Reise durch
Deutschland nach Holland, von Amsterdam tiber Hamburg nach
Danemark, Schweden und Norwegen. In Stockholm hielt ich mich
beinahe ein Jahr bei ihm auf und studierte unter ihm den Kontrapunkt.
tiber 1200 Meilen habe ich mit ihm zu Wasser und zu Land gemacht,
manche Lebensgefahr mit ihm bestanden und grofie Erfahrungen mit ihm
gemacht. Er war mein Lehrer, mein Freund. Ich habe mich zwar in Ham-
burg nicht freundlich von ihm getrennt, indessen war unser freundliches
Vernal tn is in einigen Jahren wiederhergestellt. Sein Andenken und die
Dankbarkeit, die ich ihm schuldig bin, werden auch in meinem Herzen
bleiben. Einen ebenso groGen Verlust, wie seine Freunde, hat auch die
Kunst erlitten. Welch ein grofier Schatz von Kenntnissen wird mit ihm
begraben! Er ruhe sanft, geehrt und bewundert bis in die spatesten Zeiten!
Verzeihen mir Ew. Wohlgeboren, wenn ich noch eine Bitte wage. Ich
weifi, dafi er ein ,Requiem' komponiert hat, welches erst nach seinem Tode
anfgefiihrt werden soil. Ware es nicht moglich, eine Abschrift der Partitur
zu erhalten, um diese gewifi meisterhafte Komposition hier in der katholi-
schen Kirche mit der ganzen Konigl. Kapelle zu seinem Andenken aufzu-
ftihren? . . . Ebenso wtinschte ich die Verbesserungen der Forkel'schen Varia-
tionen tiber ,God save the king* zu haben. Er hat sie auf der Nordsee im
Jahre 1792 im April vollendet. Dieser Umstand macht sie mir ewig unver-
gefilich. Ich habe ihm so oft darura geschrieben. Wird sein Nachlafi nicht
herauskommen ? . . .«
Berlin, 14. Juni 1814.
>Es hat mich sehr geschmerzt, in Ihrem . . . Schreiben vom 29. Mai zu
lesen, dafi Vogler's Leiche nur ein pensionierter Musicus gefolgt ist. Wenn
1) Georg Joseph (Abt) Vogler, dessen beriihmteste Schuler Meyerbeer und
Karl Maria von Weber sind, war am 6. Mai 1814 in Darmstadt gestorben.
2) Wohl Georg Gern, der von 1801—1830 als Bassist an der Berliner Oper
wirkte.
498 Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brieflichem Nachlafr
ich auch des groBen Kiinstlers nicht erwahne, so verdiente er als Mensch
eine groBere Achtung. Er hatte seine Eigenheiten, und in jungeren Jahren
war es schwer, mit ihm auszukommen. Aber er war ein wohltatiger guter
Mensch, und so hart ich auch vor 22 Jahren in Hamburg mit ihm zu-
sammengeraten war, so werde ich seiner bis zu meinem letzten Lebenshauch
ni em als vergessen und mit Lie be und Dankbarkeit mich seiner stets er-
innern. Ich reiche Ihnen daher meine Rechte als Kunstverwandter und
Schiiler Vogler's — wie Sie selbst sagen, da£ er auch Ihr Lehrer gewesen
war — alles zu tun, was sein Andenken ehren und seinen Namen glorreicher
der Nachwelt uberliefern kann. Vor alien Dingen miissen wir trachten, daB
eine treue Biographie seines Kiinstlerlebens und seiner groBen seltenen Reisen
ausgearbeitet werde. Ich hab ihn so oft schriftlich und miindlich gebeten,
mir Notizen iiber seine letzte groBe Reise nach dem mitt Ian disc hen Meere
und Spanien und Portugal [zu] geben , um sie zu einer kunftigen Bio-
graphie zu ordnen. Er versprach's, dabei blieb's aber. Ich bin mit Ge-
schaften zu sehr uberhauft, um ein solches Werk jetzt ubernehmen zu konnen.
Wenn Sie aber einen tiichtigen Mann zu diesem Unternehmen gefunden
haben oder wenn Sie selbst Ihre Feder dazu weihen wollten, so kann ich
manche Data liefern. Vogler hatte ein gedrucktes Buch in Quarto (ich
glaube iiber den Orgelbau in hollandischer Sprache), worin er aufzeichnete, in
welchen Stadten, wann und wie oft er die Orgel spielte. Dieses Buch mufl
sich unter seinem NachlaB fin den und ist zu seiner kunftigen Biographie
sehr wichtig. Es ist ja sehr zu bedauern, daB keine Disposition iiber seine
Kompositionen vorgefunden wird. Raten Sie mir nicht an den Herra GroB-
herzog [von Hessen-Darmstadt] zu schreiben und ihn zu bitten, daB er mir
zu einer groBen hier zu veranstalteten [!] Todesfeier Vogler's ,Requiem{
abschreiben laBt? Sie werden mich namlich verbinden, alles, was auf Vogler
Bezug hat oder was von ihm herauskommt, mir gefalligst gleich zu senden.
So bitte ich vor alien Dingen um den gedruckten Katalog seiner Werke, so-
bald er heraus ist.
Es wird mir sehr erfreulich sein, wenn Sie mich mit der Partitur Ihres
,Te Deum4 (Deutschlands siegreichen Heeren geweiht) beehren wollen. Eine
groGe Anzahl Musikliebhaber, angesehene Manner und Kaufleute, haben mit
mir die Idee gefaflt, bei der Publikation des Friedens ein ,Te Deum' mit
einem Orchester von 800 — 1000 Personen in hiesiger Stadt unter freiem
Himmel unter dem Donner der Kanonen aufzufiihren. Ich habe meinem
verstorbenen Kollegen Kapellmeister Righini1) die Ehre erwiesen und sein
auf den letzten zu Tilsit gemachten Frieden verfertigtes ,Te Deum* ror-
geschlagen, welches angenommen ist und schon ausgeschrieben wird. Indetsen
werde ich das Ihrige bei einer schicklichen Gelegenheit in Konzerten bei
Hof, wenn der Konig da ist, oder in der katholischen Kirche mit der ganzen
Kbnigl. Kapelle, die, wenn sie beisammen ist, aus 68 — 70 Personen bestehet,
so prachtvoll als moglich auffuhren lassen. So habe ich auch von einer
schonen ,Messe* von Ihnen gehort, die in Munch en aufgeflihrt worden ist
Darf ich um die Partitur dieser ,Messe( ebenfalls bitten?
Wenn Sie mit einigen Kleinigkeiten von mir dagegen vorlieb nehmeii
1] Vincenzo Righini war 1793 als Kapellmeister der italienischen Oper nacft
Berlin berufen worden und audi, als diese 1806 aufgelost wurde, als KapeUmeiflUr
ohne rechte Tatigkeit in preuCischen Diensten bis zu seinem Tode (1812) gebbebca.
VVilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brieflichem NachlaB. 499
wollen, so stehen sie Ihnen zu Di ens ten. Bei Zulehner1) in Mainz werden
einige Kompositionen von mir erscheinen, unter denen auch ,8 neue deutsche
Lieder' sind . . . Ich glaube, Sie werden in den Liedern eine ricbtige Dekla-
mation, keinen steifen Gesang und eine einfache Klavierbegleitung fin den.
£8 ist mir nichts unertraglicher als bei Liedern Klavierkonzert sozusagen zu
finden. Der Gesang mufi aufs Herz wirken, nicbt kraftlose Zieraten und
Passagen das Obr betauben . . .<
XV. Drei Briefe Karl Maria von Weber's.
Der erste diescr Briefe macht dem Menschen Karl Maria von Weber alle Ehre;
er bemUht sich durch einen Brief an Roc blitz, der manches interessanto Detail ent-
halt, ein MiBverstandiiis , das zwischen ihm and seinem Jugendfreund Gottfried
Weber entstanden ist, zu beseitigen.
Der zweite Brief gibt Kunde von Weber's erster Wirksamkeit an der Dresdener
Oper und von seinem schonen Verh'altnis zu seinem Freunde Gottfried Weber.
Der dritte Brief beschaftigt sicb mit dem Erfolg und den Anfeindungen der >Eu-
ryanthec und cnthalt Klagen iiber die dienstliche Belastung Weber's an der Dres-
dener Oper.
Karl Maria v. Weber an Joh. Friedrich Rochlitz2).
Prag, d. 13. Mai 1816.
>Sie werden sicb wohl sebr verwundern , mein teurer Freund, dafi Sie
schon wieder einen Brief von mir erhalten, und glauben, dafi ich wie viele
Menschen von einem Extrem ins andere falle, indem ich bald fast gar nicht
schreibe und dann auf einmal mit Briefen uberhaufe. Diesmal aber kommt
der Anstofi nicht von innen, sondern von aufien und zwar unangenehm von
aufien.
Dafi Sie mir eine Zeitlang nicht geschrieben und geantwortet haben, sab
ich bis jetzt fur das an, fur was man es ansehen mufi unter Freunden : Sie
haben keine Zeit und Stimmung dazu gefunden, und wenn beides kommt,
werde ich wieder reichlich entschadigt werden, dachte ich. Nun aber scheint
mir eine andere Ursache zugrunde zu liegen, die wohl gar wie Groll (und
zwar gewifi unverdienter) aussieht, und da mufi alles iibrige bei Seite gelegt,
die Feder ergriffen und der Freund gerade und frisch gefragt werden: wo
sitzt es? wie ist es etc.
Soeben erhielt ich einen Brief von Gottfried Weber, aus dem ich sehe,
dafi eine Konfusion und Mifiverstandnisse von alien Seiten so eingetreten
sind, dafi das Ganze einer recht erbarmlicben Klatschgeschichte gar nicht
unahnlich sieht. Dergleichen basse ich in den Tod und besonders auch deshalb
zehnfach, weil ich weifi, wie schwer so etwas bei der grofien Entfernung der
Parteien auszugleichen und zu verstandigen ist, was mit ein paar W or ten
miindlich getan ware. Ich mufi also zuvorderst die Sache erzablen, wie sie
ist, und dann gibt sich das Resultat wohl von selbst.
1) Dieser Verlag ging spiiter in die H'ande von B. Schott's Sohne in Mainz iiber.
2) Diesen Brief hat Rochlitz (1769—1842), der langj'alirige Redakteur und Mit-
arbeiter der >Allgemeinen musikalischen Zeitung< (Breitkopf & H'artel , Leipzig), der
eben zur Erholung auf Reisen ging, an Karl Maria von Weber mit einer ihm nur zur
Ehre gereichenden langeren Bemerkung iiber sein Verhalten und seine ganze Stellung
zu dieser Angelegenheit am 17. Mai wieder der Einfachheit halber zuriickgeschickt
damit er an Gottfried Weber gelangen sollte.
s. d. img. x. 33
500 Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brief lichem NachlaC.
Gottfried Weber, der mit dem regsten Eifer fur alles, was er fur gut
anerkennt, lebt und wirkt, hat von jeher so viel fur die Verbreitung meiner
Arbeiten, vorzugsweise ohne deshalb fur ihre Mangel blind zu sein, getan,
da£ ich ihm mit dem reinsten herzlichsten Dank verpflichtet bin und natiir-
lich gern jede Gelegenheit ergreife, da ich es ebenfalls meiner Uberzeugung
gemafi tun kann, auf sein Talent die Welt aufmerksam zu machen. Lei-
der hat er als Komponist so wenig offentlich erscheinen lassen, daB ich da-
zu wenig oder gar keine Gelegenheit fand. Unter dem Wenigen dieser Art
war die Anzeige des Frankenhauser l) Konvents von mir, wo beinah alles
Riihmenswerte, was ich von seinen Arbeiten erwahnte, in der ,Musikalischen
Zeitung* weggelassen wurde. Da ich diese nur selteu zu sehen bekomme,
so sah ich dies erst, nachdem ich den 11. Januar einen Brief Wohlbruck's2!
aus Miinchen mit folgender Stelle erhalten hatte : ,PoiBl3) wunscht oino aus-
fiihrliche Bezension Ihrer Kantaten fur die ,Musik.-Zeitung' zu schreiben und
gluubt, daB dieses vielleicht dienlicher sein wiirde, als wenn Gottfried Weber
solchc iibernahme, da man von Seiten der Redaktion der ,Musik.- Zeitung*,
wie Spohr geiiufiert haben soil, das Vorurteil hegt, die Schule Vogler's4)
sorge gegenseitig fur den Aufschwung ihrer Werke. Poifll erwartet hier-
iiber ihre Meinung und ihre Partitur, auch ihren Rat demnachst, ob er die
Bezension unter seinem Namen liefern soil/ Was war naturlicher, als dafi
ich einem so lieben vertrauten Freunde, als Gottfried Weber mir ist, nicht
hatte schreiben sollen: ,Lieber Bruder, ich habe mit Freuden die erste Ge-
legenheit ergriffen von Dir zu sprechen, man hat mir es aber wegge6trichen,
wahrscheinlich wegen jener Idee (wie oben).4 DaB nun mein guter Weber
dies so vcrstanden hat, als hatten Sie mir dies geiiufiert, da ich ihm nicht
mit der diplomatischen Genauigkeit wie hier die Quelle anfuhrte — gehort
zu den 10000 ungliicklichen Mifiverstandnissen in der Welt, die man nicht
schnell genug unter guten Menschen durch die klarste Auseinandersetzung
vertilgen kann. Dafi es ihn, der so manches Treffliche dieser Zeitschrift
geliefert hat, schmerzen mufite, ein paar lobende Ausdrijcke unterdriickt zu
sehen, dafi ich bei einem Aufsatz, unter me in em Namen noch dazu, dasselbe
Gefiihl einen Augenblick hatte, ist uns beiden nicht zu verdenken. Dafi
Sie Ihre gewifi der Sache wohlwollenden Griinde dazu hatten, glaube ich.
Dali aber Gottfried Weber, der immer nur die Redaktion vor Augen hat
und nicht tlas Gliick hat, Sie personlich seinen Freuud nennen zu durfen,
die Sache im ganzen harter und iirger nahm, als er vielleicht sollte, ist auch
verzeihlich.
Und nun, lieber Freund, bitte ich Sie mir offen und ehrlich wie immer
zu- schreiben, diosen Brief in Abschrift an Gottfried Weber zu schicken, da
1) Dieser Berieht Karl Maria v. Weber's iiber das vom Musikdirektor Bischoff
veranstaltetc Musikfest zu Frankenhausen ist jetzt wieder abgedruckt in: K. M.
v. Weber's s'amtl. Schriften, hrsg. v. Georg Kaiser (1908), S. 27 ff.
2) J. G. Wohlbriick, bekannt als Operndichter.
3) Joli. Nep. Frcihcrrv. Poissl (1783-1865), Konigl. Hofmusikintendant in Miin-
chen, auch Komponist von Opern und Oratorien.
4) Dafi tats'achlich die Schiiler Abt Vogler's mehr als recht fur einander eingr-
treten sind, beweiscn z. B. die von mir im 28. Band der Halbinonatsschrift »Die Muiik«
(1908) veroffentlichten Briefe Meyerbeer's aufs klarste. Die Statuten des von den
Schiilern Vogler's zu ihrer gegenseitigen Fbrderuog bejrrundeten »HarmonitcfaaB
Vereinsc sind jetzt abgedruckt in der neuen Ausgabe von K. M. v. Weber's Schriften
(vgl. A. 1) S. llff.
Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brieflichem NachlaB. 601
er zugleich als Antwort und Beichtigung des seinigen an mich vom 5. Mai
diesen Punkt betreffend dienen soil ; und somit, hoffe ich zu Gott, soil dieser
argerlichcn und unniitzen Konfusion ein Ende sein und Sie nach wie vor
una beide als brav und gerade erkennen.
Icb hiitte Ibnen noch so manches andere zu sagen, aber kein Wort soil
dieser Brief sonst entbalten, als dasjenige, den Horizont der Freundscbaft
rein und ungetrubt bervorgehen zu macben.
Nun die herzlichsten Glilckwunscbe an die lieben Ibrigen und die Ver-
sicherung, datt icb gewiB unwandelbar bin und bleibe
Ihre treuer Freund
"Weber. «
Karl Maria von "Weber an Gottfried Weber.
Dresden, d. 2. Mai 1817.
• Lieber Bruder. Deine Briefe vom 28. Marz und 20. April habe ich
ricbtig erbalten. Den 22. Miirz reiste ich von hier ab, um meine gute
Karoline1) in Prag zu tiberraschen, welches mir auch aufs vollstandigste
gelang. Den 28. dirigierte ich die 8. Vorstellung von ,Silvana*2) bei brechend
vollem Hause und wurde mit unbeschreiblicbem Jubel empfangen. Auch
ging alles ganz vortrefflich und machte mir viele Freude. Den 1. April
reiste ich zurtick, hieher, um die notwendigsten Anordnungen zu treffen,
und den 4. ging's scbon wieder fort nach Leipzig, wo ich im groGen Kon-
zert spielte und ,im Kampf um Siog( aufftihrte; das gelang und ging mit
Erfolg. Den 9. war ich scbon wieder hier zur italienischen Oper ,Adelina'3),
in der Herr und Madame Woixelbaum4) debiitierten, die seitdem mehrere
Gastrollen mit Beifall gaben. Den 22. gab ich zum ersten Male Mehul's5)
,Helenec, gefiel sebr, und morgen ist ,Johann von Paris*6) zum 1. Mai. Zu
Milliner's7) Trauerspiel ,Vngurd; habe ich einige Musik geschrieben. Das
Publikum interessiert sich sehr fur die deutscbe Oper, die immer voll ist,
sowie die italienischo desto leerer. Von Deinen empfohlenen Subjekten
wird wohl vielleicht Jul. Miller dran kommen. Deinen Oboist kann ich
nicht brauchen; wir sind vollzahlig, und bei der ersten Vakanz tritt der
treffliche Tburner8) ein.
Du hist ein entsetzlich dummer Kerl, kannst nicht einmal lesen, und ich
1) Weber's Gattin war noch in Prag zuriickgeblieben, ala er nach Dresden tiber-
gesiedelt war.
2) Diese Weber'sche Oper hat sich auch in der Bearbcitung von Ferd. Langer
leider nur an wenigen Ort<*n auf deni Spielplan erhalten.
3) Von PietroGonerali (1783—1832).
4) Georg Weichsolbaum, beriihmter Tenorist (am Miinchener und Mannheimer
Theater) ; seine Frau Josephine geb. Fantozzi, war eine vortroffliche Eoloratursangerin.
6) Vgl. die Einfiihrung in diese Oper, die Weber fur das Dresdener Publikum
geschrieben hat. Schrii'ten. Krit. Ausgabe v. Georg Kaiser (1908), S. 285 f.
6) Auch uber diese Boieldieu'sche Oper hat Weber das Dresdener Publikum
vorher orientiert ; vgl. ib. S. 287 f.
7) Adolf Milliner, geb. 1774, gest. 1829, der durch seine Schicksalsdramen >Die
Schuld< und »Der 29. Februar* bekannte Dichter; vgl. ubrigens Weber's Lied der
Briinhilde aus »Yngurdt und Milliner's Ausstellungen , sowie Weber's Gegenbemer-
kungen dazu in Weber's Schriften (hrsg. v. Kaiser), S. 368 ff.
8) Friedrich Eugen Thurner (1785—1827), der auch als Komponist fur sein In-
strument viel geschrieben hat, zog es vor, nach Amsterdam zu gehen.
88*
502 Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brief lichem NachlaC.
schreibe docb so eine schone fliichtige Hand. Meyerbeer's Adresse ist
Ferma in posta aVenezia, d. h. post restante in Venedig. Verstehst
Du'b nun?
Wenn ich einmal einen guten Gedanken habe, so will icb ihn auf Dein
Stammbuchblatt schreiben.
Also Alexander Dusch1) beuratet? Gott gebe seinen Segen. Wen
denn?
Du bist ja senr fleiBig gewesen, Herr Bruder, hast ein groBes Werk2)
geschrieben; hab's mir schon bestellt und will's gehorig beschnuffeln. Gnade
Dir Gott, wenn Du mir was nicht recht gemacht hast. Im Ernste, ich freue
mich sehr darauf : ist einmal Zeit, daB ein philosophisch und logisch denken-
der Kopf in den musikalischen Wirrwar eingreift und sichtet die Spreu von
dem Weizen.
Sei doch so gut und schicke mir wohl eingepackt alle meine Sachen, die
Du mir so lange treulich bewahrt hast; ich mochte doch endlich einmal
wieder alles beisammen haben. Sobald als sogleich, lieber Bruder, und be-
rechne mir die allenfalsigen Auslagen. Du glaubst, daB ich jetzt nicht an
Beisen denken kann. In diesem Jahr freilich nicht, aber fur das ktinftige
hege ich noch immer groBe Hoffnung Dich zu sehen, wenn es ruir irgend
moglich ist.
Deine Hebe Gustel3) grtifi' mir recht aus Herzens Grund. Die Kinder
miissen recht herangewachsen sein. Gott behute Dich und die Deinigen
gesund und zufrieden, und behaltet lieb Euern alten treuen Freund und
Bruder Weber. «
Karl Maria von Weber an Hofrat Job. Phil. Schmidt in Berlin.
Dresden, den 4. Xb [Dezember] 1823.
» Haben Sie herzlichen Dank, mein verehrter Freund, fur Ihre mir nicht
nur ausgesprochene, sondern sogleich sich wirksam bewiesene Teilnahme. Ich
war und bin darauf gefaBt, daB man scharf iiber die arme ,Euryanthe4 her-
fallen wird; ich sehe aber ruhig zu, selbst wenn erbarmlicher Neid die Luge
nicht scheut und alle Bezensenten Kunste hervorsuchen , urn meine Arbeit
oder deren Erfolg herabzuziehen; wie N. N.4) es in 3 verschiedeuen Bezen-
sionen zugleich getan hat.
Ihren lieben Brief erhielt ich in einem Strudel von Geschaften, da Mor-
lachi5) abwesend und Schubert6) krank ist, daher aller Dienst allein auf
mir liegt. Wie lange ich dies aushalten kann, weiB Gott. Ich konnte vor-
aussetzen, daB alles, was Ihre Freundschaft zu meinem Besten von mir ver-
langt, friiher in Ihren Handen war, als ich es Ihnen hatte senden konnen,
zumal da ich immer am armsten in all em mich Betreffenden bin.
Einige Abktirzungen oder Zusammenziehungen vielmehr, die ich gemadit
1) Alexander von Dusch ,1789—1876), ein bedeutender Jurist, 1842 badischer
Staatsminiater, gehorte audi zu den Griindern des > Harmon ischen Vereinst (vgL S. 500.
A. 4).
2) »Ver8uch einer geordneten Theorie der Tonsetzkunst* , 1817; 3. Aufl. 1830-
1832 in 3 Bdn.
3) Gottfried Weber's Frau.
4) Urspriinglich stand da Th. Kriin [?]
6) Vgl. oben S. 484, A. 1.
6) Franz Anton Schubert (1768 - 1824), Musikdirektor der ital. Oper in Dntdea
Wilh. Altmann, A us Gottfried Weber's brief lichem NachlaC. 503
habe, werden vorteilhaft sein. Es ist wobl nicht moglich, den Enthusiasmus
hoher zu treiben, als er in deu drei Vorstellungen war, die ich dirigierte,
und der vierten, die ich sah und in denen ich 14mal hervorgerufen wurde.
Durch Krankheit der Griinbaum1) konnte die Oper 14 Tage nicht gegeben
werden; die 5. und 6. Vorstellung war aber ebenso erfolgreich als die 4.
Ich bin iiberzeugt, dafi diese Arbeit erst in Berlin2) in alien ihren
Intentionen hervortreteu wird. Wann dies geschieht, weiB ich noch nicht.
Wegen Ihrer Oper :;) habe ich schon ofter erinnert, mein geehrter Chef4)
aber hat sie noch nicht gelesen und also noch nichts entschieden, doch zweifle
ich nicht an der Annahme.
Nochmals den besten Dank und die Versicherung achtungsvoller Freund-
schaft Ihres Ihnen herzlich ergebenen
C. M. v. Weber. «
XVI. Aus drei Briefen Linas von Weber an Gottfried Weber.
Diese Briefe geben in erster Linie ein Bild von der Verzweiflung und der trau-
rigen Lage, in der sich die Witwe Karl Maria von Weber's nach dessen Tode befand.
Interessant ist die Tataache, daG der Mainzer Verlag Schott den ihra angebotenen
Verlag des »Freischutz«, der »Euryanthe« und des »Oberon« abgelelmt hat. Einzel-
heiten ttber diese letztere Oper sind nicht ohne Interesse. Auch wird Spontini's
Neid gegen Weber auch nach dessen Tode erw'ahnt.
Dresden, 30. Juni [1826].
» Schon wieder schreibe ich Ihnen, urn lhnen eine Bitte ans Herz zu
legen. Wollen Sie wohl die Giite haben, deu Musikhandler Schott6) in
meinem Namen oder nur so uuter der Hand zu fragen, ob er wohl die 3
Partituren des ,Freischtitz', der yEuryanthe* und des jOberon* kaufen wollte?
Letztere trete ich ihm daun gleich ab rait dem Recht, ihn im Namen der
Witwo an die Buhnen zu verkaufen — als Weber's letztes Werk hoffe ich
dafur etwas Bedeutendes erhalten zu konnen. Meine Lage ist, den schweren
Kummer um den Verlust des besten Mannes abgerechnet, hochst peinlich:
ich weifl nicht, was aus uns werden wird. Von der Pension von 150 Thalern
konnen wir nicht leben, Vermogen hat Weber fast gar keins hinterlassen ;
die Benefice in England ist ganz schlecht ausgefallen und, was er sonst
dort erspart, wird die Kosten abgerechnet sehr unbedeutend sein. Auf den
Verkauf des ,Oberon* setze ich noch einiges Vertrauen und bitte Sie mir be-
hilflich zu sein. Waren die vielen teilnehmenden Freunde nicht, ich wiirde
meine Lage beklagenswert nennen. Doch Gott wird helfen! ich will noch
nicht verzagen. Stehen Sie mir mit Ihrem Rate bei und sagen Sie mir,
was Sie fur das Beste halten. Mit Sehnsucht sehe ich einem Brief von
Ihnen entgegen. Verzeihen Sie es mir, wenn die hilflose Frau Ihres treuesten
Freundes Sie beliistigt. <
1} IJber diese beriihmte S'angerin Therese Griinbaum (1791 — 187G, eine Tochter
des Singspielkomponisten Wenzel Muller), die erste > Eglantine*, hat sich K. M.
v. Weber sehr enthusiastisch ge'auCert. Schriften (hrsg. v. G. Kaiser), S. 329.
2) Auf Drangen Weber's wurde die Berliner Auffuhrung der »Euryanthe« hinaus-
geschoben; vgl. Schriften, 8. 402 ff.
3) > Alfred der GroBe«.
4) Der Generalintendant der Dresdener Oper.
5) Dieser lehnte ab , weil Weber das Eigentum , d. h. das Auffuhrungsrecht aller
drei Opern bereits mehrfach verkauft hatte. Auch fUrchtete er die Naohdrucker.
604 Wilh. Altmann, Aus Gottfried Weber's brief lichem Nachlafl.
Dresden, 28. Okt. 1826.
»Langst schon hatte ich Ihnen wieder ein Lebenszeichen gegeben, wenn
mich in der letzten Zeit nicht ein Wust der unangenehmsten Geschafte abge-
halten hatte oder wenn wir nacb der genaasten Durchsicht das Liedchen.
welches Sie wunschten, nur hatte n finden konnen.
Hier sende ich Ihnen die Partitur des ,Oberon' nebst deutschem und
englischem Buch und imvoraus schon meinen herzlichen Dank fur die freund-
schaftliche Sorgfalt, die Sie diesem Werke widmen wollen. Der Klavier-
auszug ist leider nicht vollstandig hier, weil Weber den groBten Teil in
Briefen nach Berlin schickte; doch ist er sehr notig, so will ich gern alles
sammeln und Ihnen schicken.
Meine Verb alt nisse hier gestalten sich noch besser, als ich anfangs dachte:
der Konig hat uns 300 Thaler Pension gegeben. Auch ist aus dem Yer-
kauf unserer Sachen und des ,Oberon* noch manche Summe eingegangen,
die mich weniger sorgenvoll flir meine Kinder in die Zukunft blicken lassen [!].
Gott verlaBt uns nicht! Er wird mir auch wieder Mut schenken, ein freuden-
leeres Dasein zu ertragen.
Ich babe Ihnen auch die Arie beigelegt, die Weber in London fur
,Hiion' hat nachkomponieren miissen; auch das Gebet des ,Hiionc im zweiten
Akt wie die Polonaise im dritten ist bestellte Arbeit, die Weber noch hat
in London machen miissen und die vollends seine wenigen Krafte aufge-
rieben haben [!]. Ach, ich wollte, Sie konnten sein Tagebuch lesen, urn zu
wissen, was er gelitten! Und wie geduldig hat er alles verschwiegen , blott
damit die Kunde seines Unwohlseins uns nicht zu Ohren kommen und mich
nicht angstigen solle. Doch Sie haben ihn ja gekannt und wissen, wie gut
er war.
Teh bitte, schreiben Sie mir, geehrter Freund, wenn der ,Oberon* richtig
in Ihre Hande gekommen ist, denn Sie konnen den ken, dafi jede Note meines
geliebten Mannes ein Heiligtum fur uns ist, dem wir mit sorgenvollem Herzen
folgen . . .«
[von G. Weber erhalten 17.| April 1827.
»Hummel ist hier1), wie man hort, als Kapellmeister angestellt mit weit
groBerem Gehalt, als ihn Weber hatte, auch die iibrigen Bedingungen sind
weit vorteilhafter. — Ich gestehe, es hat mich anfangs geschmerzt, das An-
denken Weber's von dem Hof hier so wenig geehrt zu sehen, aber es ist
der Welt Lauf so: wer nur recht groBe Forderungen machen kann, ist der
rechte Mann fur diese Leute. Nun Hummel kann es hierin meinem guten
Mann allerdings zuvortun; das verstand er iiberhaupt nicht.
In Berlin streiten sie auch um den ,Oberon*. Erst wollte die Konigl.
Buhne nur sehr wenig dafiir bezahlen, und es schien ihnen nichts an der
Oper gelegen, und jetzt, da wir sie an das Konigstiidter Theater verkauft
haben, fan gen sie ProzeB mit dem an, weil es eine groBe romantische Oper
ist und sie solche nicht geben durfen. Spontini2) benimmt sich wieder
sehr klein! nicht einmal den Toten kann er aufhoren zu verfolgen.«
1) Joh. Nepomuk Hummel hat seine Weimarer Hof kapellmeisters telle nicht mit
der Dresdener vertauscht.
2) Uber die Eifersucht Spontini's auf Weber's Erfolge vgl. auch meinen Auf-
satz »Spontini an der Berliner Operc : Sammelb'ande d. IMG. IV (1902/3), S. 286.
Herausgeber: Prof. Dr. Max Seiffert, Berlin WM Uobenttr. 28.
Die deutsche Eomantik aus den Beziehungen von Musik
und Dichtung.
W. H. Wackenroder.
Von
Josef Gregor.
Aus dem niusikhistorischen Institut der k. k. Universitat Wien.)
Einleitung.
Schon in den klassischen "Werken, die Haym1) undHettner*) zur Ge-
schichte der alteren deutschen Romantik geliefert haben, macht sich das Be-
streben geltend, an jene Epoche nicht blofl vom literarhistorischen Stand-
punkte, sondern in weit allgemeinerer, umfassenderer Tendenz heranzutreten.
Es lag ja nahe, dafl das Wirken jener Manner, die nicht mude werden
konnten, Universalitat in jeder Hinsicht und Vereinheitlichung des Lebens
in alien seinen Erscheinungsformen zu proklamieren, nur aus der Gesamtheit
der geistigen Interessen ihrer Zeit zu betrachten sein werde. Einzelne ge-
waltige Personlichkeiten , die gleich Goethe oder Beethoven fur sich allein
eine Welt- darstellen, werden leichter vom Standpunkte einer, d. i. ihrer
einzelnen Kunst zu betrachten sein; ein Friedr. Schlegel, den tausend
Faden an die verschiedensten Erscheinungen seiner Zeit kniipfen, ein E. T.
A. Hoffmann, dessen Bedeutung zum Teil eben in der Vielseitigkeit seines
Produzierens liegt, ist vom rein literarischen, bzw. vom rein musikhistorischen
Standpunkte schlechthin unbegreiflich. Gerade die beiden eingangs ange-
fuhrten Werke sind in ihrer Anlage vom groBten Interesse fiir das Problem
der Geschichte der romantischen Zeit. Einerseits das umfassende Buch von
Haym, das sich mit Recht als >Beitrag zur Geschichte des deutschen Geistes«
bezeichnen konnte und das in seiner Universalitat eigentlich ein Stuck all-
gemeiner Geschichte jener Zeit darstellt, wie sie sich im philosophischen
Geiste des Verfassers spiegelte. Und anderseits die kleine, glanzende Schrift
Hettner^s, die sich durch Hervorhebung des Zusammenhangs mit den Klas-
sikern den allgemeinen Gesichtspunkt wahrt, trotz ihrer eigentlich ganz spe-
ziellen, rechtfertigenden Tendenz, trotz ihres leise polemisch gefarbten Tones.
Neuere Darsteller, die sich gleichfalls eine Gesamtbetrachtung der ro-
mantischen Zeit, wenigstens in literarischer Hinsicht, zur Aufgabe macht en,
verlieBen die von Haym bezeichnete literarische Methode, um eine Geschichte
jener Zeit aus der Entwicklung der hervorragendsten Ideen derselben zu
1 Rud. Haym, Die romantische Schule, 2. Aufl. Berlin 1906.
2) H. Hettner, Die romantische Schule in ihrem Zusammenhange mit Goethe
und Schiller. Braunschweig 1850.
s. d. IMG. x. 34
506 Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen usw.
geben. So finden sich im Buche yon Brandes') Abschnitte wie: > Ver-
bal tn is zum Musikalischen und zur Musik* oder » Roman tische Reflexion und
Psychologic*, also Betrachtungen, die sich bei ganz speziellem Gesichtspunkt
doch auf die ganze Epocbe erstrecken und bei denen naturlich der enge
historiscbe Zusammenhang aufgegeben werden muBte. So sucht schlieftlich
das Bucb von Ricarda Huch2) in belletristisch hervorragender Weise ein-
zelne Geistesrichtungen jener Zeit aus den Individualitaten der Scliriftsteller
heraus darzustellen. — Die Methode der beiden letztangefuhrten Werke be-
zeichnet deutlich jenen Punkt der Forschung, an welchem die streDg histo-
rische Betrachtung im Sinne Haym's zur Unmoglicbkeit geworden ist und
die Spezialuntersucbung an ihre Stelle tritt. Und in der nun folgenden
Arbeitsteilung sind zwei Wege deutlich zu unterscheiden. Der eine, dem
auch die beiden letztangefuhrten "Werke angehoren, verfolgt einzelne Geistes-
richtungen, Ideen, Tendenzen in ihrer Entwicklung wahrend des ganzen Zeit-
raumes. Man konnte ihn als den differenzierenden VTeg der Forschung be-
zeichnen. Ein anderer, den man integrierend nennen konnte und der der
romantischen Periode ebensowenig fehlt als jeder anderen, liegt in der Her-
vorhebung einzelner Personlichkeiten in ihrer gesamten Erscheinung, ihrem
gesamten "Wirken. Die denkbar groBte wissenschaftliche Spezialisierung mufi
aber an jenem Punkte stattfinden, in dem die beiden Wege sich kreuzen,
in dem also zur Untersuchung der Stellung einer ganz speziell
hervorgehobenen Individuality innerhalb einer ganz speziell
hervorgehobenen Richtung geschritten wird.
Einem solchen Zwecke dient auch die vorliegende Abhandlung.
Unter den Gesichtspunkt, der als differenzierende Abgrenzung des Stoffes
bezeichnet wurde, fiele hier jene eigenttimliche Erscheinung, daB sich in der
romantischen Dichtung ein zunachst kunstlerisch-theoretisches, bald aber auch
kunstlerisch-praktisches Interesse an musikalischen Dingen fuhlbar macht.
Es ist dies im Grande nur das Korrelat der Forderung, daft die roman-
tische Poesie als werdende Universalpoesie alle Kreise des Lebens und
Schaffens zu umspannen habe. Und wie nun diese Forderung im allge-
meinen durchaus nicht utopistisch geblieben ist, so bleibt auch jene beson-
dere Erscheinung nicht unentwickelt : aus dem anfanglichen Interesse, das
sich allerdings bei einigen bis zum Enthusiasmus steigern konnte, wird schlieC-
Hch ein bedeutender Faktor im geistigen Leben der ganzen Schule. In den
Anfangen der Romantik wurzelnd, wird er durch die Fragmentenpoesie
Xovalis' und Fr. Schlegel's rasch gefordert und erreicht in Ludwig Tieck
nach der schopferischen , in Schelling's Kunstphilosophie nach der abstrakt-
philosophischen Seite hin einen Hohepunkt.
Erhohtes Interesse aber gewinnt die Erscheinung, wenn man gewahr wird,
daft sie kurze Zeit split er durch eine ganz analoge auf Seiten der roman-
tischen Musiker beantwortet wird, die sich hier wieder in dichterischen In-
terossen der letzteren auBert. Es ist jene Linie, die sich von E. T. A. Hoff-
mann iibcr C. M. von Weber, Louis Spohr und andere bis auf Robert Schu-
mann hinzieht, in dessen Schriften deutlich Elemente der dichterischen
Romantik aufzudecken sind. Es braucht jedoch wohl nicht besonders her-
vorgeboben zu werden, daB die sonderbare, soeben aufgest elite Relation:
musikalische Interessen der Dichter — dichterische Interessen der Musiker,
li 0. Brandes, Die romantische Schule in Deutschland. Charlottenburg 1900.
2, Ricarda Huch, Die Blutezeit der Romantik. Leipzig 1905.
Josef Gregor, Die deuteche Romantik aus den Beziehungen usw, 507
— worn it wir freilich unversehens ein Schlagwort echt romantischer Physio-
gnomie gepragt hatten — etwas nur allzu AuBerliches darstellt. Die tieferen,
eigentlich erklarenden Momente werden vielmehr in den jener Zeit eigen-
ttimlichen Individualitaten und deren Produkten zu suchen sein.
Auf diese Weise ergibt sich schon hier, daB unsere Untersuchung vor-
wiegend psychologischer Natur sein wird und daB wir die einzelnen
Ausdrucksformen der oben besprocbenen Erscbeinung stets moglicbst aus dem
ganzen psycbiscben Leben jener Personlichkeiten hervorzuheben baben wer-
den. — Es mag vielleicht befremdend erscheinen, daB so weit ausgegriffen
werden soil; bei der Feinheit eben dieser Ausdrucksformen, bei ibrer Ver-
breitung und sekundaren Wirksamkeit kann eine solcbe Ausfubrlichkeit jedocb
durchaus nicht verfeblt sein.
Wir baben uns also einerseits entscblossen, als Moment differenzierender
Forscbung das »Yerbaltnis< der dicbteriscben Romantik »zum Musikaliscben
und zur Musik«, wie es Brandes1) genannt bat, — die Entwicklung be-
wuBter musikalisch-kunstlerischer Anscbauungen , wie wir prazisierend sagen
wollen, zu studieren, und Psychologie als Vebikel der Forschung dabei an-
erkannt. Um nun andrerseits ein Moment integrierender Forscbung zu finden
und damit jene auBerste wissenscbaftlicbe Spezialisierung zu erreicben, die
oben angedeutet wurde, baben wir bloB unter den Personlichkeiten zu
wahlen, die bier in Frage kommen. Und es ist ganz gerecbtfertigt, wenn
jener Mann unser Augenmerk auf sicb lenkt, von dem die ganze musikaliscbe
Kunstlebre der Romantik ibren Ausgangspunkt nabm : WilhelmHeinrich
Wackenroder (1773 — 1798). Aucb hier ist uns natiirlicb ein hervor-
ragendes psycbologisches Moment garantiert, so daB wir darin ein Bindeglied
zur anderen, differenzierenden Richtung unserer Betrachtung gefunden hatten.
Zu diesen Beobacbtungen, die vornehmlich der Abgrenzung unseres Tbe-
mas dienen, gesellen sicb dann andre, metbodiscber Natur. Sie werden
gerade bier von besonderer Wichtigkeit sein, da wir es mit einem Grenz-
gebiete zu tun haben, also mit Untersuchungen , die die Systeme zweier
Wissenschaften berucksichtigen , sich aber aucb der Kritik zweier Wissen-
schaften darbieten miissen. Dazu sei nun zunachst antizipierend bemerkt,
daB unsere Abhandlung vorzuglich in den Dienst der Musikgeschichte ge-
stellt sein will. Die scheinbare Inkongruenz, die darin liegt, daB fortwabrend
— wie schon eingangs — literarhistorische Mittel herangezogen werden, lost
sich schon im Hinblick auf die Tatsache, daB unser gesamtes Material auf
jener, auf literarhistorischer Seite liegt. Aus dem dort reichlich Gebotenen
wahlen wir — weit ausgreifend, wie angekiindigt wurde — was unserem
speziell musikhistorischen Zwecke dienlich. — Wiirde nach den dichterischen
Leistungen eines Musikers verlangt, wie hier nach den musikalischen eines
Dichters, so ware naturgemaB der entgegengesetzte Weg einzuschlagen. —
Musikhistorisch angewendete Literaturgt»schichte ware also, wenn es erlaubt
ist, sich so auszudrucken, das Diagramm unserer Methode. Hier und dort
baben wir e9 mit eminent psychologischen Systemen zu tun, unseren Aus-
fuhrungen entgegenkommeud, wodurch die Kommunikation zwischen beiden
Gebieten jede Schwierigkeit verliert2).
1) a. a. 0. Kap. 9, S. 117.
2) Die vielleicht pedantisch erscheinende Scheidung von Musik — und Litera-
turgescliichte bedarf einer Erkl&rung. GewiB liegt uns nichts ferner als eine strenge
Kategorisierung lebensvoller historischer Erscheinungen in das eine oder das an-
34*
508 Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziebungen new.
AuBer in den bereitB genannten vier groBen und allgemeinen Werken
hat Wackenroder bis heute in beiden Formen der Forschung lebhafte Be-
riicksichtigung erfahren. TJnd hier ist es charakteristisch fur diese Gestalt,
dafi gerade biograpbische Werke andrer es sind, die Aufschltisse fiber ihn
geben. Gemeint sind die beiden Werke von Kopke1) und Dilthey5),
wahrend die Einleitung zur Ausgabe von Schriften Tieck's und Wackenroder's
von Minor3) hauptsachlich Wackenroder gilt und Tieck hochstens quantita-
tive durch seinen Franz Sternbald, dominiert. Alle diese Werke werden uns
psychologisch Wertvolles bieten*). Eine Biographie Wackenroder's gab
Sulger-Gebing5), der auch die vortreffliche Bemerkung ausspricht, Wacken-
roder's Wirken miisse auch fur die Entwicklung jener Kiinste bedeutungs-
voll gewesen sein, denen seine Begeisterung gait. Sulger-Gebing denkt hier
wohl in erster Linie an Malerei, worin ihn eine bedeutsame Studie Wolff-
lin's6) bestarkt haben mochte. "Wolff lin hat tatsachlich Wackenroder's Be-
deutung fur die bildende Kunst untersucht und sogar ein historisches Er-
eignis als A us flu B der durch die Kunstlehre Wackenroder's angeregten neuen
Gedanken bezeichnet7). Der Gedanke, dafi das durch ihn gegebene Bild
durch Betrachtung der and era Sphare von Wackenroder's Kunstenthusiasmus,
namlich der musikalischen , ein Gegenstiick finden mufite, lag schon hier
auBerordentlich nahe. Bestarkt werden wir aber darin durch die wertvolle
Arbeit Stock er's8), die ihrerseits wieder eine Erganzung der Ansichten
Wolfflin's darstellt. Denn es ist zunachst auch ihre Aufgabe, in ausge-
sprochen differenzierender Hinsicht Wackenroder's Stellung zur bildenden
Kunst zu charakterisieren, wobei aber — und hierin liegt das auch fur uns
Wertvolle ihrer Arbeit — die zur Musik nicht unvergessen bleibt. Anfangs
schien es sogar ihre Absicht gewesen zu sein, die Musikanschauung des
18. Jahrhunderts besonders zu behandeln, wodurch auch das Thema vor-
liegender Studie vorweg genommen ware. Im Vorworte aber macht Yer-
fasserin auf die Schwierigkeiten dieses Beginnens aufmerksam 9), die ihr haupt-
dere Wissensgebiet. Andrerseits konnen wir uns der Erkenntnis nicht verschlieBen,
daB gerade bei der Bearbeitung von Grenzgebieten Gefahren beetehen, die der
Untersuchung leicht den Charakter des Unwissenscbaftlichen geben. Die unge-
heure Rich. Wagner-Literatur zeigt Beispiele, wie leicht sich in solchen Fallen
Unvollstandigkeit dem einen oder dem anderen Gebiet gegeniiber, Zusammen-
stellung oder gar Verwechslung heterogener Faktoren, schlieBlich allzukdhne Ver-
gleiche und Behauptungen einstellen. — Es dQrfte empfehlenswert sein, sich da-
her von vornheroin sehr strikte MaBregeln aufzuerlegen.
1) Rud. K6pke, Ludwig Tieck. Leipzig 1855.
2) Wilh. Dilthey, Leben Schleiermacher's, T. Berlin 1870. (S. 279ff.)
3 Jak. Minor. Tieck und Wackenroder. Bd. lf5 der Dtsch. Nat. Lit, Kursch-
ners (eiehe spater).
4) Um unsere Angaben der Literatur fiber Wackenroder zu vervollstandigen.
seien zwei Arbeiten genannt: Koldewey: Wackenroder und sein Ein flu B auf
Tieck; E. Dessauer: Wackenroder und Vasari. Berlin 1907.
5, Sulger-Gebing, Artikel Wackenroder der A. D. B. Bd. 40. S. 444 ff.
6: Heinr. WDlfflin, Die HerzensergieBungen eines kunstliebenden Kloster-
bruders. In der Festschrift fur Bernay'6 Studien zur Lit. Gesch. 1893. S. 63ff.
7 Gemeint i6t die Opposition Overbeck's und seiner Freunde gegen die Wiener
Akademie, 1810. .'a. a. O. S. 71.)
8; Helene Stocker, Zur Kunstanschauung des XVIII. Jahrhunderts. Von
Winkelniann bis Wackenroder. Dissert. Erech. in d. » Palaestra*, hrsg. v. Brandl
u. Schmidt, XXVI, Berlin 1904. 9) Hinweisend auf Friedl&nder u. Bie.
Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen usw. 509
sachlich in dem noch ungesammolten und schwer zu bebahdelnden Material
zu liegen scheinen. Dies und die Erwagung, dafi das bewufite Tbema vor-
wiegend musikbistoriscbes Interesse babe, ibr Zweck aber, wie bervorgehoben,
auf andrer kunsthistorischer Seite liegt, veranlafite sie wohl, sicb auf eine
kurze, aber pragnante Ubersicht zu beschranken, Kapitel V ibres Bucbes.
Uns will es scheinen, dafi die Schwierigkeiten , die Helene Stocker bier
aufdeckt, scbon in jener Bemerkung Sulger-Gebing's *) ausgedruckt sind, mit
welcber er darauf binweist, daB in Wackenroder's musikalischen Anschau-
ungen das subjektive Element weitaus vorberrscbt, somit diese in erster
Linie fiir die Erkenntnis der Personlichkeit ibres Autors wertvoll seien.
Oewifi wird dieser Ansicbt niemand seine Zustimmung verweigern. Es ist
aber nicbt ausgeschlossen, dafi sicb an diesem Punkte eine Ansicbt entwickeln
konnte, die die musikbistoriscbe Bedeutung "Wackenroder's iiberhaupt in
Frage ziebt. Eine solcbe Ansicbt wiirde namlich die Bemerkungen der vor-
genannten Forscher dabingebend ausnutzen, dafi erklart wurde, die ganz sub-
jektiven Aufierungen (Sulger-Gebing) unseres Dichters verdicbteten sicb
kaum zu fasten, greifbaren Anbaltspunkten, die als Forscbungsmaterial dienen
konnten (Stocker), und setzten so der musikbistoriscben Wertung Schwierig-
keiten entgegen. Hier miifiten wir freilicb ganz andrer Meinung sein. Denn
zunachst sind wir es gewobnt und finden es ganz natiirlicb, wenn in musi-
kaliscben Dingen Subjektivitat vorwaltet. Dann aber diirfen wir nicbt ver-
gessen, dafi es ein Dichter ist, dem unsere Aufmerksamkeit gilt: "Wacken-
roder's Musikbetracbtung ist poetiscbe Exegese. Feste Daten und theore-
tiscbe Anbaltspunkte , deren Seltenbeit Stocker aufwies, werden wir somit
iiberhaupt gar nicbt verlangen konnen, sondern von Anfang an unsere Be-
trachtung anders einricbten miissen. Indem wir namlicb tracbten, Wacken-
roder's Musikanscbauung weniger aus einem System von Daten, Theorien
und Meinungen , als vielmebr aus der vollen Personlichkeit des
Dichters heraus zu entwickeln, kann uns Subjektivitat und der erwahnte
Mangel an n?alem Material unmoglicb zum Hindernisse werden. Denn eben
deshalb haben wir ja Psychologie als Vehikel unserer Untersucbung — und
das in jeder Forscbungsrichtung — anerkannt. Und wir konnen schliefilich
so auf einen Standpunkt gelangen, wo eben dieses Subjektive, welches
andore Betrachtungsmoglichkeiten als Hi n der n is empfinden wiirden, sich fur
uns gerado zum wertvollsten Cbarakteristikum verkehrt und wir
gerade auf diesem Wege das Agens jener Musikbetracbtung finden.
"Weiter ware aber jede Meinung, welcbe die speziell musikbistorische Be-
deutung unseres Tbemas in Frage ziebt, scbon a priori zuriickzuweisen. Es
ist freilicb ricbtig, dafi jene Bemiibungen, die den musikaliscben Interessen
in der Literatur gelten, zunachst der Literaturgeschicbte zugute kommen.
Aber schon insofern wir in den musikaliscben Ansicbten der Dichter (und
Philosophen) die Ansicbten hochster Intellekte unter den Nicbtmusikern sehen,
hatten wir in deren fortlaufender Aufzeicbnung eigentlich eine ideale Ge-
schichte der Musikkritik, richtiger der Musikauffassung vor uns — also be-
reits eine Aufgabe von eminent musikwissenschaftlichem Interesse2).
1) a. a. 0. S. 446. 2) Wir geben stets zu, daB die besondere, poe-
tiscbe (oder pbilosophische) Diktion der Schriftsteller die Untersuchung erschwert,
doch niemals, daB sie dadurch geradezu behindert wfirde. Vielmehr werden wir
in diesen Besondcrheiten doch stets Verfeinerungen erblicken miissen, gegeben
durch die besondere Individualitilt der schriftstellernden Person.
510 Josef Gregor, Die deutsche Roman tik aue den Beziehungen ubw.
Aber noch mehr! Es ist namlich feststehend, daB gerade diejenigen unter
den besagten Anschauungen, denen unsere Aufmerksamkeit hier gilt, fur die
Entwicklung unserer Kunst nicht nur extern von Interesse, Bondern auch
intern von "Wirksamkeit waren. Diese Tatsache, deren eminente Bedeutung
auf diesem gesamten Stoffgebiete einleuchtet, bewies Adler1) durch die
Feststellung der Fortwirkung von Ideen "Wackenroder's in der Kunstlehre
der musikalischen Spatromantik , in der Kunstlehre Richard Wagner's. —
Damit ware die Moglichkeit eines Widerspruchs gegen die musikhistorische
Bedeutung un seres Mannes endgtiltig erledigt.
Zugleich aber ergibt sich eine Reihe neuer Direktiven fur unsere Unter-
suchung. Zunachst die Moglichkeit, sie ganz in den Dienst der Musikge-
schichte zu stellen, das Grenzgebiet zu verlassen, wie angedeutet wurde.
Dann aber konnen auch iiber den hier verfolgten Zweck nunmehr keine
Zweifel bestehen. Das Bild der Personlichkeit Wackenroder's , wie es
sich namlich dem von musikhistorischer Seite Herantretenden zeigt, soil ge-
zeichnet, seine Werke ebenso tiberpruft und BchlieBlich jene Punkte seines
Kunsti deals aufgesucht werden, die Merkpunkte in der Entwicklung un-
serer Kunst darstellen.
Mit diesen Bemerkungen ist das Programm vorliegender Abhandlung voll-
kommen ersch5pft.
Wir haben unsere Aufgabe im weiteren Sinne als der Geschichte der
deutschen musikalischen Romantik zugehorig erkannt und sie hier unter beide
Moglichkeiten der Stoffabgrenzung, der differenzierenden und integrierenden,
gestellt, welcher Absicht der vielleicht etwas befremdende doppelte Titel ent-
spricht. Ebendenselben Gegensatz fanden wir, als wir uns dann dem Thema
auf methodischem Gebiete naherten. Die Notwendigkeit, die ganze Person-
lichkeit heranzuziehen , wurde einer Differenzierung entsprechen, wahrend
unsere Aufgabe, nur eine einzige geistige j^vufierungsreihe zu betrachten,
ein Integrieren darstellen wird. Eine befiirchtete Komplikation , gegeben
durch die Beschaffenheit des Grenzgebietes, loste sich bald, auf methodischem
Gebiete durch Anerkennung einer einzigen Untersuchungsmethode , der psy-
chologischen. Vollends aber, als wir die Moglichkeit erkannten, unsere
Unter8uchung in den Dienst der Musikgeschichte zu stellen. Die Parallele
mit den kunsthistorischen Arbeiten von "Wolfflin und Stocker, deren musik-
historisches Gegenstuck zu geben ware, machten es uns leicht, den hier ver-
folgten Zweck auszusprechen.
Es erubrigt noch, zu betonen, daB wir auf Vollstandigkeit keinerlei An-
spruch machen durfen. Denn einmal ist es ein wesentlich neues Thema,
das hier behandelt wird und daher zunachst einer allgemeinen Einfuhrung
bedarf. Dann aber wurde wiederholt erwahnt, wie weit die Grenzen unserer
Betrachtung gesteckt werden mussen, welcher Umstand schon bei dieser Ein-
leitung cine erhebliche Erweiterung des Umfanges erforderte. Es lag aber
in der Art der Konzeption unserer Untersuchungen , daB wichtige Neben-
themen und Exkurse wenigstens bemerkt und gewurdigt werden konnten.
Die Personlichkeit.
Jenen einseitigen Versuchen, die sich bemuhen, Personlichkeiten von
geistiger Bedeutung aus den Verhaltnissen ihrer Zeit zu konstruieren, konute
1) G. Adler, Richard Wagner. Vorlesungen. Leipzig 1904. S. 11 u. a.
Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen usw. 511
sich kaum ein besseres Beobachtungsgebiet bieten, als das geistige Leben
Berlins zu jener Zeit, der das Leben Wackenroder's angehort. Da die ratio-
nalistiscbe Aufklarung, die uns beute dank den Bemtihungen der Bomantiker
so ungemein diinkelhaft und philistros erscheint, hier jene Zentren geistigen
Adels, die gebildeten Berliner Judenkreise, die Kant und Goethe hochhalten.
Aber Wackenroder geht in wundervoller Anomalie an den sich bekampfen-
den Tendenzen voruber; jede scharfe Parteinahme war ihm fremd. Seine
Jugend verlief ganz in jener Einfachheit und Ordnung, die zu lieben und
zu erhalten ihm sein einfaches aufieres Leben ermoglichte. Hier gab es kein
einziges lebhaft bewegendes Ere ignis. Gymnasialzeit, einige schone Universi-
tatsjahre, Versuche juristischer Praxis. Freilich war dies alles nichtig jenem
inneren Leben gegentiber, in welchem sich sein eigentliches Wesen betatigte.
Hier ist er der zarte, sensible Schwarmer, der vor jeder Bauhigkeit zuriick-
schreckt. Hier ist er der weiche, vertraumte Phantast, der alles mit dem
Dufte einer Stimmung umgibt.
Und damit hatten wir die beiden Ziige seines Lebens bertihrt, die eben
fur uns die wichtigsten Merkpunkte sind. Sensibilitat kennzeichnet ihn im
Bezeptiven, sie l'alit ihn schwarmerisch aufsuchen, was seinem inneren Leben
kongenial ist, andrerseits aber heftig abstofien, was ihm fremd. Im Spon-
tanen aber kennzeichnet ihn weiche, traumerische Phantastik, die nie bis
zur festen Gestaltung vordringt. Hier sprach Minor l) das entscheidende
Wort, der ihn mit Bedeutung >keine eigentlich schopferische Natur* nennt.
"Was fur sein Leben gait, wiederholt sich nochmals auf hoherer Stufe: das
Gefuhlsmoment dominiert so sehr, da£ das nach aufien gerichtete Moment
des praktischen Gestaltens uberhaupt nicht zur Geltung kommt. Wie ihn
im Leben Reflexion als kalt und gefiihllos abstiefi, so fehlte ihm personlich
die gleichfalls nach aufien gerichtete Gestaltungsfahigkeit, die freilich nichts
Reflektierendes , sondern der (schaffenden und gestaltenden) Phantasie zuge-
horig ist. Es mufi aber betont werden, dafi trotzdem die Wertung einer
k uns tier ischen Individualitat wie dieser positiv ausfallen mufi. Durch die
starke Hervorhebung des Gefuhlsmomentes ist ein Beichtum des Gemuts-
lebens gewiihrleistet, der sich nach aufien ungehemmt, naiv betatigt. Dazu
kommt, dafi es ganz gut moglich ist, in den Begriffen » Phantast* und
>phantastisch«, die stets — und nicht mit Unrecht — auf "Wackenroder an-
gewendet werden, einmal vom negativen Nebensinn zu abstrahieren. Wacken-
roder war Dichter, was ihm fehlte, war die Natur des Schriftstellers :
das Zusammenfassen seiner Ansichten unter einem Gesichtspunkt, jede strenge
Systemisierung, allerdings aber auch die Kunst des Aufbaues.
Einfachstes, reales Zeichen all dieser psychologischen Substrate ist die
Freundschaft zwischen Wackenroder und Tieck. Der stille Phantast, der
von der Fulle seiner Gesichte iiberwaltigt wTurde, aber nicht zu gestalten ver-
1) a. a. 0. eingangs. — Von weiter ausgreifenden Charakteristiken Wacken-
roder's, die nicht, wie in uns ere m Fa He, von einem bestimmten Zwecke geleitet
werden, sei diese in erster Reihe genannt. — Interessant sind die Darlegungen
Ricarda Huch's (a. a. 0. S. 143), die Wackenroder's Wesen aus einem Uberquellen
des Unbewufiten ins Bewufite erklart. Besonders wenn dabei an seine Be-
muhungen gedacht wird, sich dem Ausdrucksgehalt der Musik zu nahern, gewinnt
das Wort tiefe Perspektive. — Auf R. Huch's Charakteristik Wackenroder's sei
schon deshalb verwiesen, weil sich hier eine psychologisch wie auch kiinstlerisch
befriedigende Darstellung seines Freundschaftsverhaltnisses mit Tieck vorfindet.
512 Josef Gregor, Die deutsche Romantik aas den Beziehungen usw.
mag, was er erschaut, wird von der weit zielsicherereu , sonst aber geistea-
verwandten Schriftstellernatur angezogen. Was aber Wackenroder Tieck zu
danken hatte, lag nicht auf kunstlerischer Seite; es sei denn, daB er ibn zu
schriftstellerischen Versuchen ermutigte. Aber Tieck's Verdienst ist es, daB
sicb jener nacb beendeter Gymnasialzeit entschiedener dem Leben zuwandte;
bier beginnen seine ersten Aufzeicbnungen, die fur uns von "Wert sind, bier
die AuBerungen seiner speziell musikaliscben Interessen.
Wackenroder kommt mit einer prachtigen Musikernatur in Berubrung, er
nimnit Unterricbt bei Karl Fascb1). Dabei wird, der Eicbtung jener Zeit
gemaB2), der Gesangsunterricbt vor dem instrumentalen gegangen sein, de-
tail] ierte Berichte liegen leider nicbt vor. DaB Wackenroder selbst uns dar-
uber im Unklaren laBt, ware eines der haufigen Zeugnisse, wie sebr bei ibm
passiver MusikgenuB aktive Betatigung iiberwog. Moglicb aber aucb, daB%
Fasch's Vnterricbt vorwiegend tbeoretiscber Natur war, auf welcbe Seite vou
Wackenroders Bestrebungen noch bingewiesen werden wird. Blumner5;
erwabnt ihn unter Fasch's hervorragenden Schtilern nicbt, er hatte es wobl
verdient, wenn aucb seine Bedeutung in andrer Richtung bin gelegen war.
Fascb's groBtes Werk, die Griindung der Berliner Singakademie, nimmt ihii
wenig ein; wahrend ibrer ersten Entwicklung war er daran, seine Vaterstadt
zu verlassen ; aucb an dem groBen musikaliscben Aufscbwunge, der spater folgte,
nimmt er, damals schon zu sebr mit sicb selbst bescbaftigt, wenig Anteil.
AVer seitens eines groBen Musikers, wie es Fascb gewesen ist, einen
starken Eindruck auf unseren durcb und durcb musikalischen Dicbter er-
wartete, stibe sich sebr getauscbt. Er fuhlte sicb in Musikerkreisen nicht
minder unbebaglich als in denen der Literaten: ibre praktiscben Interessen,
die seinen Idealen so wenig entspracben, rissen ibn aus seinen Traumen, ja
beleidigten ihn geradezu. Hierher gebort auch eine kleine Episode, die wir
aus dem Briefwecbsel Tieck's und Wackenroder's herauslesen. Tieck batte
in Gottingen Gelegenbeit, die Vorlesungen Fork el's zu besucben. DaB der
groBe Musikhistoriker ihn nicht anzog, ist nicbt weiter zu verwundern, wenn
man bedenkt, wie ktihl Tieck sicb damals zu jeder Art von Kunstgescbichte,
sogar zur literarischen, verhielt. Aber daB ein Zeugnis*) geniigt, um Wacken-
roder^ Interesse fiir diesen Mann sofort umscblagen zu lassen, beweist uns
seine Gleichgiiltigkeit alien jenen Momenten gegenuber, die ibm Musik auch
von anderer als poetiscber Seite naher gebracht batten.
1) Auch Zelter wird wiederholt, ofFenbar fur spatere Zeit, als Lebrer Wacken-
roders genannt.
2; Es ist jene der Yokalmusik zugewandte Vorliebe, die das aufklarerische
Berlin jener Tage kennzeichnet — vgl. den Ausdruck > Singakademie « — und die
sicb in den Bestrebungen der Caecilianer fruchtbar erhalten hat. Die Roniantiker
verlieBen nattirlich diesen Standpunkt, nicht ohne einiges davon zu bewabren and
den neuen Tendenzen zu assimilieren. So ware auch die musikalische Ungeheuer-
lichkeit Tiecks erklart, der es fiir mSglich halt, in Werken ausgesprochen vokaler
Natur die fiihrende Stimme durch eine Sologeige — neben dem Horn das Instru-
ment der neuen Zeit — zu ersetzen.
3) Martin Blumner, Geschichte der Berliner Singakademie. Berlin 1891
1. Abschnitt.
4; Karl v. Holtei, Dreihnndert Briefe aus zwei Jahrhunderten. 1872. IV.TVil
Briefe Tiecks an Wackenroder. S. 27 ff. Tieck beurteilt Forkel's musikaliscben
Wirken in Gottingen abfallig. S. 69, 79, 90. Wackenroder antwortet: »Forkel'i
Geschmack tut mir leidc. (Briefe an Tieck [siehe spater], Brief XI, S. 236 .
Josef Gregor, Die deutache Romantik au6 den BeziehuDgen usw. 513
Und nicht viel anders stellt sich auch der mit Reichardt und dessen
Familie aufgenommene Verkebr. Da£ Reichardt Wackenroder musikalisch
unterrichtete, ist unwahrscheiulich, ihr Verkehr diirfte sich in allgemein ge-
sellschaftlicher Weise bewegt haben. Wackenroder batte Reicbardt gewifi
mancbes zu danken : er gewann Anregung in dessen ungemein geselligem
Hause und trat bier den neuen Geistesrichtungen naher, er fand bei seinen
spateren scbriftstelleriscben Leistungen Rat und Unterstutzung dieses Mannes.
Aber es diirfte scbwer halten, sicb bier eine tiefergehende Wirkung vorzu-
s telle n. Reicbardt, der Mann von so ungemein vielseitigen Interessen, der
ja wirklicb seine Leistungen durcb die Mannigfaltigkeit seiner Plane zer-
streute, der Mann von iiberlegenem Scharfsinn und geistiger Agilitat, diirfte
dem so ganz anders gearteten Gefublsmenscben Wackenroder innerlicb kaum
nabe gestanden sein. Vollends wird Wackenroder, ein Bewunderer Schiller's
und Mozart's, Reicbardt in seinen ausgebreiteten literariscben Plan en und
der Art ihrer Durchfuhrung nicht mehr gefolgt sein, die wir ja auch heute
nicht durchaus billigen *).
Der einzige, der auf Wackenroder's Entwicklung EinfluB nahm, blieb
also, wenn wir von gleich falls weniger innigen Freundschaftsverbaltnissen zu
Bernhardi2), Rambacb u. a. absehen, sein Jugendfreund Tieck; die scbwer
empfundene Trennung von diesem machte die Fiihlung nur noch lebendiger.
Und damit sind wir dem bedeutendsten Dokument fur die Erkenntnis
der Personlichkeit Wackenroder's nahegeriickt: seinen Briefen an den ab-
wesenden Freund3), diesem fortlaufenden Tagebucb der Trennungszeit. WTir
heben bervor, was fur unser Thema von Bedeutung zu sein scheint.
Da ist zunachst Wackenroder's Stellung im Musikleben seiner Zeit. Er
erweist sich als fleiBiger Besucber des Theaters und der Konzerte, aber nur
iiber das erstere berichtet er genauer, wahrend er letztere charakteristischer-
weise niemals naher als in der Wiedergabe gefuhlsmafiiger Eindrucke be-
st immt. Uber Opern hingegen fin den wir Auskunfb. So h6rt er Paesiello 4),
Reichardt (Erwin und Elmira) mit Begeisterung, mit Andacht sogar, wahrend
er fur die » Berliner Operetten wuth « nur Worte der MiBachtung findet.
Etwas ausfuhrlicher angezeigt wird »eine neue Oper von Righini*, auf
welche Rezension wir noch zuruckgreifen werden5}, kurz angekiindigt eine
Operette von Goldoni (Text) und Gasser (Musik): >Die unruhige Nacht**).
Alle diese Briefstellen vervollstandigen das Bild von Wackenroder's Art,
Musik aufzufassen. Eine ungemein bedeutsame Stelle des zweiten Briefes
spricht von zwei Arten des Musikhorens, deren erste in vollkommen passiver
1) Die Behandlung Reichardt's auf musikhistorischer Seite zieht zumeist die
vielen Interessen auf auBermusikalischem Gebiete, die doch nicht weniger charak-
teristisch fiir den Mann sind, zu wenig in Betracht. (Andeutungen bei Riemann,
Geschichte der Musik seit Beethoven, S. 112ff.) Der Mangel eines abschlieBenden
Werkes Qber Reichardt macht sich auch hier fQhlbar. Von welchem Interesse
ware es beispiels weise, seine temporare Opposition gegen Mozart zu untersuchen
und festzu8telleD, ob und inwieweit er derselben bei seiner Tatigkeit als Kompo-
nist und Dirigent Raum gab.
2) Mit ihm fuhrte Wackenroder in Tieck's Abwesenbeit Diskurse uber Musik;
den regelmilOigen Mittwochskonzerten wohnten sie gemeinsam bei.
3) Karl v. Holtei, Briefe an L. Tieck. Bd. IV, Breslau 1864. S. 169 ff.
4) a. a. 0. Brief X , S. 221 ist wohl dieses Meisters »Barbier von Sevilla« ge-
meint. »In der Musik ist viel Scb6nes«.
6; a. a. 0. Brief XII. S. 243. 6) a. a. 0. Brief XIII. S. 253.
514 Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen new.
Hingabe, deren zweite in gleichzeitiger Betatigung der Phantasie besteht.
Wackeuroder zogert nicht, der ersteren den Vorzug zu geben; schon hier
kiindigt sich seine Apotheose des Musikgenusses an, die wir wiederholt
finden und deren Ausflufi seine musikalischen Schriften sind.
Auf ein rein personliches Moment sei gestattet hier hinzuweisen, dag,
dem Zuge unserer Zeit folgend, von keinem neueren Darsteller dieser Per-
sonlichkeit aufier Acht gelassen wild. Wackenroder war eine Natur von un-
erhorter Sensibilitat ; Jessen1) ist, wohl mit Rucksicht auf sein trauriges
Ende, geneigt, ihn als Neurastheniker zu bezeichnen. Welch grofie Bedeu-
tung dergleichen auch fur Wackenroder's Leben und direkt auf dieses be-
ziigliche Schriften haben mag, so werden wir doch gewifi gut daran tun, bei
Definition seines objektiven kunstlerischen Schaffens davon nach Tunlichkeit
abzusehen. Es wiirde uns kaum als gliicklicher Griff erscheinen, das Patho-
logische als Mitfaktor der kunstlerischen Tatigkeit gerade bei einer Gestalt
demonstrieren zu wollen , die mit der Biedermeierzeit so innig zusammen-
hangt, wie diese. Dagegen lafit sich nicht leugnen, da£ in Wackenroder s
MusikgenuB Momente von einigermaBen pathologischer Farbung aufzudecken
sind. Da ist vor allem die starke psychische Wirkung, die sehr bald auf
eine physische hinauslauft2) :
>Ea ist mir besonders auffallend, wie miide die Musik mich immer macht; ich
fiihle es wirklich sehr, wie die Tdne, wenn man sie mit ganzer Seele aufnimmt,
die Nerven ausdehnen und erschlaffen<9j.
In Wackenroder's Forderungen des Musikhorens, dann in seinem >Paroxis-
mus der Begeisterung* klingen zugehorige Momente wieder.
Gerade die erste Berliner Zeit mit ihren lebhaften Eindrucken, dem
Trennungsschmerze und dem ersten Auftauchen von Konflikten, deren spatere
Entwicklung so verhangnisvoll geworden ist, haben wir uns in dieser Hin-
sicht als kritisch vorzustellen. Mit dem Wiedersehen und der innerlich
ruhigeren Erlanger und Gottinger Zeit (1793 — 1794) betritt Wackenroder
eine neue Periode seines Lebens, die durch mannigfache Studien und Reisen
die an Anregungen reichste seines Lebens geworden ist. Vielleicht ist dar-
um der Beginn seiner schrifts teller ischen Yersuche schon hier anzusetzen4}.
Wackenroder schreibt iiber Musik, nicht etwa, weil er ein festes System
mitzuteilen hat oder gar theoretisch-kritisch sein will, sondern weil in ihm
musikalische Eindriicke die dichterische Betatigung seiner Phantasie ausldsen.
Er will die Stimmungen , die ihn bestiirmen, noch einmal durchleben, aie
durch endgiltige dichterische Wiedergabe abschlieBen und, wie er gesagt haben
wiirde, »aufbewahren«. Ware er Schriftsteller gewesen, so wiirde das lite-
1) Einl. zum Neudruck der »Herzen8ergieCungen< (siehe spater), S. XI.
2} Es kann beobachtet werden, daB Individuen, bei denen dies in ahnlicher
Weise der Fall ist, sich in ihrem sonstigen Verhaltnis zu musikalischen Dingei
nicht charakteristisch von solchen unterscheiden, bei denen diese Wahrnehmunf
nicht gemacht werden kann. Es miiCte also, wenn die Erscheinung Qberhaupt
pathologisch erklart werden sollte, keine durchgreifende Wirkung des krank-
haften Momentes angenommen werden.
3 a. a. 0. (Briefe an Tieck), Brief X, S. 221. Wackenroder's Ansicht, Eonzert«
diirften nicht (iber eine Stunde dauern, gehort ebenhierher.
4) So verwies Jessen (a. a. 0.. S. XV) darauf, daB die Darstellung des musika-
lischen Lebens der bischSf lichen Hesidenzstadt im >Berglinger< sehr wohl aus den
in Bamberg gewonnenen EindrQcken hervorgegangen sein kann.
Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen usw. 515
rarische Element zweifellos so sehr dominieren, daB wir, von musikalischer
Seite herantretend , beim Mangel fester Absichten seitens des Autors iiber-
haupt kein Material fur unsere Betrachtung vorfanden. Nun war aber
Wackenroder — und dies am meisten in musikalischen Dingen — so ganz
Dichter, daB sich seine reinpersonliche Stellung zu unserer Kunst in voll-
kommen unangetasteter Weise aussprechen konnte. Hier liegt einer der
schon beriihrten Punkte, wo das Phantasiereiche , Subjektive seines Stils,
weit entfernt ein Hindemis zu bilden, sich fiir uns zum Vorteil verkehrt.
Erst wahrend des zweiten Berliner Aufenthaltes (ab Sommer 1794} trat
Wackenroder mit seinen Versucben bervor. Diese Zeitstrecke ist au fieri ich
die ruhigste seines Lebens. Er befleiBigt sich strenger Ordnung und Regel-
maBigkeit seiner Studien, der Verkebr mit Tieck ermunterte ihn zu schrift-
stellerischer Tatigkeit. Kicbts laBt erkennen, daB in seinem Innern bestan-
dig jener Widerstreit war, der so verhangnisvoll fiir ibn werden muBte.
Sein Wunsch, die Jurisprudenz zu verlassen und sich ganzlich seiner Lieb-
lingskunst, der Musik zuzuwenden, stammt schon aus fruhester Zeit. Viel-
leicht stehen damit seine musiktheoretischen Bestrebungen in Verbindung,
die wir im Briefwechsel deutlich hervorgehoben finden, wenn sie auch zu-
nachst nur dazu dienen soil ten, sein passives Yerstandnis zu erweitern.
> . . . Es bleibt aber noch immer mein Verlangen, in der praktischen Kompo-
sition noch weiter zu kommen, dann wtird1 ich weit reichere Quellen des Raesonne-
ments darttber haben; — wenn auch nur so weit, daB ich kleine Arien, Duetten,
ChOre usw. komponieren k6nnte« 1).
Die Frage, wie groB "Wackenroder's musikalische Begabung gewesen sein
mochte und wie weit sie ihn gefuhrt hatte, wenn nicht schon auBere Hinder-
nisse die Ausfiihrung seines Lieblingswunsches unmoglich gemacht hatten,
verringert ihre Bedeutung hinsichtlich der Tatsache, daB in dieser Bichtung
keine Selbsttiiuschung stattgefunden hat. Seine bedeutendsten und schmerz-
lichsten Erlebnisse flossen aus anderen Ursachen. Hier gab uns Wackenroder
selbst den Schliissel, indem er bei seiner Idealfigur des Berglinger, die ja
sein eigenes Leben dichterisch widerspiegelt, groBte Begabung und tatsach-
liche Eignung zum musikalischen Berufe annimmt. Dennoch lost eine Reihe
weiterer Erkenntnisse jenen tieferen, bleibenden Konflikt aus, dem er selbst
wie jener zum Opfer fallen muBte.
Wir, die alle Fulle dieses psychischen Geschehens nur aus weiter Feme
beobachten konnen und fur die sich diese subtilsten psychischen Probleme
in weit grobere, typische Formen niederschlagen, haben es nicht leicht, uberall
erklarend zu folgen. Inkommensurable, rein individuelle Faktoren erschweren
unsere Deduktionen fortwahrend und machen es uns nur moglich, das Auf-
falligste vorzubringen. Uns ist Wackenroder als zuruckgezogener stiller
Traumer erschienen, so voll Hingabe an den Eindruck, daB er sich sogar
jede gleichzeitige Betatigung seiner Phantasie verbot. Schon von diesem
Punkte ist es begreiflich, daB er die Energie nicht fand, ja vielleicht selbst
sogar nie ernstlich daran dachte, den auBeren Konflikt zu losen und die
musikalische Laufbahn statt der, die ihm aufgedrangt worden war, zu er-
greifen. Aber den inneren Konflikt hatte er doch nie zu losen vermocht.
Hier st&nden sich seelische Gewalten gegenuber. Die Phantasie, die so ganz
seine Sache war, die sich in seinem ganzen Wesen ausspricht, in seiner Innig-
1) a. a. 0. Brief I. S. 170.
516 Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen oaw.
keit, Einfachheit, seinem Hingebungsbediirfnis, — die Schaffenskraft, die
strenge und groBe Forderung, deren Notwendigkeit er ebenso erkannte wie
ihren Mangel in seinem Wesen1). Es ist aber "Wackenroder's GroBe, dafi
er niemals aufgehort hat, nach dem zu verlangen, von dem er sich sagen
muBte, daB es ibm verschlossen war. Und in jener unglaublich en gen Ver-
bindung, in der bei diesem Menschen Psychisches und Physisches stand,
muBte der Tod die Folge dieses Konfliktes sein.
Wir haben es bei der Betrachtung von "Wackenroder's Personlichkeit ab-
sicbtlicb unterlassen, alle jene Punkte hervorzuheben , durch die er mit der
ubrigen Romantik zusammenhangt und ein Glied derselben darstellt. Es lag
ja freilicb nabe genug, diese Personlichkeit als >romantische« zu bezeichnen
und ihr tiefstes und tragischestes Erlebnis mit der >romantiscben Sehnsucht*
zu identifizieren. Doch wer unter den ubrigen Romantik era erlebte sie so,
diese romantische Sehnsucht, daB er daran starb? Yersuche, psychische Er-
lebnisse fur einen ganzen Kreis zu typisieren, scheitern augenblicklich, wenn
in diesem Kreise ein Mensch auftritt, der sie bis zur auBersten Lebenstragik
erlebt. Hier tritt das Individuelle uber jeden Gedanken der Kollektivitat
erhaben hervor.
Durch die letzten Betrachtungen wurden die Umrisse unserer Aufgabe
zum groBen Teil verlassen , was aber insofern geboten erscbien , als eine
Personlichkeit wie diese, die Betrachtung jener Einzelheiten , welche speziell
in Frage kamen, unter dem Gesichtspunkt ihrer ganzen Erscheinung erheischt
Nur unter den namlichen Yoraussetzungen ist hier auch der Zusammenhang
zwischen Dichter und "Werk zu bestimmen.
Die Werke.
Schon bei der Betrachtung seiner Personlichkeit hatten wir auf das be-
soudere Verhaltnis hinzuweisen, in dem "Wackenroder zu seinen Werken stehi
Sie sind ihm Selbstbekenntnisse freier Art, in die er seine Phantasien formt,
um sie nochmals innig durchzuerleben und sich andrerseits doch wieder von
ihnen zu befreien. Es ergab sich aus dieser ganz allgemeinen Fixierung ihrer
Entstehungsart, daB Wackenroder's literarische AuBerungen unmoglich ein
festes, mit schriftstellerischer Architektur entworfenes Gauzes darstellen konnen;
es sind gelegentliche Aufzeichnungen. die Freiheit der Komposition schon in
den Titeln verratend, Variationen dei*selben Gedankenreihe, nach Stimmung
und innerem Bediirfnis.
Ganz besonders gilt dies wieder von jenen Aufsatzen, die fur unser
Thema in Betracht kommen und den en unsie Aufmerksamkeit daher aus-
schlieBlich gilt. "Wackenroder ist hier am allerwenigsten geneigt, seine iiber-
schwengliche Phantasie zu zugcln: bald ergeht er sich in imposanten und
ubereinandergetUrmten Bildern, bald verweilt er mit zartester und intimster
Kunst bei einzeluen Gefuhlsmomenten. Alle diese Besonderheiten seiner
Diktion, die auf Seite der poetischen "Wertung zu stelleu sind, kommen fiir
uns nicht in Betracht; unsere Aufgabe ist es vielmehr, mit der Kenntnis
der Individualitiit unseres Mannes ausgeriistet, einige hervorstechende und
1) Es entspricht einerseits den oben genannten Schwieriarkeiten, anderpeita
aber unserer fortschreitenden Yertiefung in dieee Individualitiit, wenn wir bier
Bezeichnungen gebrauchen, die Wackenroder's eigener Nomenklatur entlehnt sind.
Ein MiBverstandnis ist durch die am Eingang dieses Abschnittes gegebenen Ein-
schrankungen und Erweiterungen wohl beseitigt.
Josef Gregor, Die deutscbe Romantik aus den Beziehungen usw. 517
wiederkehrende Gedanken innerhalb dieser Schriften aufzudecken, die wir
dann ihrerseits bei der Konstruktion seines Kunstideales verwerten konnten.
Naturlich hat eine Aufgabe, wie diese, Schrifken wie den in Rede stehenden
gegenliber ihre besonderen Schwierigkeiten, wie uberhaupt die Absicht, einen
festen, logischen Gredankenzug in Werken von solcher Intimitat und musi-
kalischer Unbestimratheit aufzudecken, so viel Grausames und Ntichternes
an sich hat. Allein unser Vorsatz, uns stets das Individuelle des Verfassers
vorzuhalten und ihm in aller Subjektivitat getreu zu folgen, mufl schliefilich
zu einer Losung des Widerspruches fiihren.
Ungeachtet der historischen Folge seien hier die funf Aufsatze der >Phan-
tasien iiber die Kunst* x) die fur unser Thema von Belang sind, vor die »Her-
zensergieAungen « gestellt. Denn das einschlagige Kapitel des letzteren Werkes
erscheint in seiner ungewohnten Realistik den Phantasien gegenliber durch-
aus als Klimax, als grofie, tiefpersonliche Zusammenfassung, wahrend die
» Phantasien* viel einzelner und leichter geartet sind.
>In diesen seinen kleinen Aufsatzen ubrigens, welche die Blute einzelner
schoner Stunden sind, wird man mit Freuden diejenige raelodische Harmonie finden,
welche wir leider, wenn wir den ganzen lnbegriff seines wirklichen Lebens flber-
sehen, mit so bitterer Betrtibnis vermissen«2).
Das erste Stuck des bedeutungsvollen zweiten Abschnittes, *Ein tvunder-
bares morgenlandisehes Marchen von einem nackien Heiligcn* 3), zeigt "Wacken-
roder durchaus auf romantischem Boden. Die romantische Forderung, den
lnbegriff aller Erkenntnis im Gewande des Marchens zu symbolisieren, ist
hier erfullt. Mit den bedeutendsten Dichtungen dieser Art, mit den Marchen
Novalis', kann es "Wackenroder's schlicht<? Erzahlung freilich nicht aufnehmen,
dennoch ist sie in allgemeiner poetischer, wie in Hinsicht der Kunstbetrach-
tung von groBter Bedeutung. Die Vorstellung des Weisen, welcher, die
Kichtigkeit des menschlichen Beginnens dem gewaltigen Forteilen der Zeit
gegenliber erkennend, nur auf dieses seine Sinne lenkt und dem Leben ver-
loren ist, hat Wackenroder ergi-itfen. Erleichtert wird die Deutung des Mar-
chens durch die wohl wenig beachtete Tatsache, daB ein anderes Stuck der
Sammlung, »Die Ewigkeit der Kunst* 4), aus der Feder Tiecks ganz iihuliche
Gedanken in anderer Form vortragt8). Was Wackenroder als zartes, phan-
tastisches Marchen empfand, verdichtete sich bei Tieck zu tendenzioser Be-
trachtung von beinahe doktrinarem (ireprage. Sein Gedankengang ist dieser:
Bei Betrachtung von Zeit und Ewigkeit ergreifen uns Schauer vor der Nich-
tigkeit und Yergangliclikeit unseres Handelns. Nur die Kunst vermag uns
zu retten; sie allein ist das Vollendete, Unveriinderliche , Ewige. Diese
Betrachtung. die freilich nocli wenig von der spiiteren Theorio des ewigen
Werdens in der Kunst, wie sie Schelling und Schlegel brachten, an sich hat,
1) »Phanta8ien iiber die Kunst, f&r Freunde der Kunst*, (1799) im Bande >Tieck
und Wackenroder* von Kiirschner's Dtsch. Nat. Lit., hrsgeg. von Jak. Minor, Bd. 146,
Berlin und Stuttgart, W. Spemann.
2) Wackenroder, a. a. 0. S. 51. 3) a. a. 0. S. 51.
4) a. a. 0. I., 10? S. 47.
5) Die Erscheinung entspricht der Tatsache, daB diese Aufsatze vorwiegend
aus gemeinsamen Betrachtungen der Freunde hervorgingen. Doch wird man sich
— am meisten in musikalischen Dingen — huten mussen, an eine Beeinflussung
Wackenroder's durch Tieck zu denken. Vgl. dazu stets Minor, Einleitung a. a. 0.
8. VI, VII.
518 Josef Gregor, Die dentsche Romantik aus den Beziehungen osw.
kehrt mit charakteristischen Yeranderungen in Wackenroder' s March en wieder.
Worte scheinen kaum zu gentigen, urn das Ungliick des Weisen zu schildern,
der einerseits erkennt und verlangt, etwas > Bestimmtes, TJnbekanntes < ersehnt
und andrerseits doch in der Ciewalt des Erkennens zur Unstetigkeit verur-
teilt ist; dann wieder das Ungluck derer, die im gewohnlichen Leben an
>taktlose Geschafte*, wie sich Wackenroder bezeichnend ausdruckt, gebunden
sind. Erst Erfullung der Sehnsucht erlost; Musik ist es, die das Wunder
bewirkt und, in eigentiimlichen Parallelismus mit der Liebe gestellt, apotheo-
tisch erbebt. —
Redet Wackenroder hier durchaus symbolisch, nur in leiser Andeutung des
Gegensatzes, der ihn selber qualt, so ergreift er schon im zweiten Aufcatze
viel bestimmtere Formen1). Wahreud er die bedeutsame Annaherung der
Musik an die Religion vollziebt und damit eine seiner hauptsachlichsten
Ansichten von der bildenden Kunst bierher iibertragt, fallt mancbes mifl-
achtende Wort uber jene anderen, die im weitesten Sinne ohne Musik sind.
Aber gleicb wendet er wieder zurtick:
>Wohl dem, der (mQde des Gewerbes, Gedanken feiner und feiner zu e pal ten.
welches die Seele verkleinert) sich den sanften und machtigen Zugen der Sehn-
sucht ergibt, welche den Geist ausdehnen und zu einem schQnenGlaubener-
heben. Nur ein solcher ist der Weg zu allgemeiner, umfassender Liebe, und nur
durch solche Liebe gelangen wir in die Nahe g5ttlicher Seeligkeit.
Dies ist das herrlichste und wunderbarste Bild, so ich nur von der Tonkunst
entwerfen kann, — obwohl es die meisten fur eitle Schwarmerei halten werden.«
Unmittelbar nach diesem Satze, der vielleicht das Feinste und Charakte-
ristischeste ist, das Wackenroder uber Musik geschrieben hat, greift er zuerst
einen Widerspruch auf, der ihm aus dem Inneren der Kunst selbst zu kom-
men scheint. Es ist die Ernuchterung : reale Gruudlage der Wunder der
Tonkunst ist »ein elendes Gewebe von Zahlenproportionen , handgreiflich
dargestellt auf gebohrtem Holz, auf Gestellen von Darmsaiten und Messing-
draht«. Aber vorlaufig weill er sich zu trosten. Er entwirft rasch eine
ideale Theorie der Musik, welche diese zur Aussprache von Gefuhlen geeignet
und ihre Praxis als Erfindung im Dienste dieses Zwecks erscheinen laBt. Dabei
ergeht er sich im Ijobe uber das Material unserer Kunst, das ihm so sehr
geeignet scheint, mit gleichem, einfachem Mittel ganz verschiedene Wirkungen
zu erreichen2).
Derselben Stimmung, wie die der beiden genannten Aufsatze es isi
kommt auch das •Fra/jment aus einem Brief e Bcrglinyers**) zu, bei dem wir
nach so ausfuhrlicher Behandlung der beiden vorgenannten nicht unbedingt
verweilen mussen. Der Widerstreit von Kunst und Leben einerseits, von
Kunst und zeitlichem Geschehen andrerseits herrscht auch hier vor, in ab-
geschwachter und kontemplativer Fassung.
Weit bemerkenswerter und eigentlich die vorziiglichste Stiitze unserer
1) a. a. 0. S. 55. >Die Wunder der Tonkunst*.
2; Obwohl nicht eigentlich zu unserem Thema gehOrig. sei es gest&ttet. anf
die Theorie des Affektes zu verweisen, die Wackenroder hier entwickelt (S. 57.
Nach ihm durchleben wir alle Gefuhlsregungen in der Jugend unbewuBt; erst das
Alter laCt sie uns subjektiv fiihlen und objektiv nach ihrer >Aufbewahrung« ;Aot-
6prache) in der Musik verlangen. — Von der Entwicklung des Theoriebegriffei
bei Wackenroder wird noch mehrfach die Rede sein.
3) a. a. 0. II. 4, S. 64.
Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen usw. 519
Beobachtungen wird aber das Stiick: > Von den verschiedenen Qattungen in
jeder Kunst, und insbesondere von verschiedenen Gattungen der Kirchenmusik* J).
Hier findet es Wackenroder notwendig, aus seiner poetischen Diktion teil-
weise herauszutreten und uns seine Anschauungen in weniger allegorisieren-
der Form mitzuteilen. Die Hinneigung der Musik zu Religion, die sich
schon in den vorausgegangenen Studien bemerkbar machte, ist hier vollzogen,
— die Prioritat der Kirchenmusik leuchtet eben dort durch, wo er bemiiht
ist, den ganz gleichen Kunstwert aller Musikgattungen darzulegen:
>Doch kann ich nicht leugnen, daB die hervorbringende Kraft meiner Seele
viel mehr nach der ersteren hinneigt und auf dieselbe sich einschrankt. Mit ihr
beschaftige ich mich am meisten und von ihr will ich daher jetzt ausschlieOlich
mit einigen Worten meine Meinung sagen*2).
Und nun folgt jene wundervolle Schilderung der drei Arten der Kirchen-
musik, die mit drei Arten der Andacht parallelisiert wird3). — Da ist zu-
nachst die heitere, unbefangene, die sich in froher TJnschuld und naiver
Dankbarkeit ergeht. Dann die machtige, erschtitternde, die die Herrlichkeit
Gottes zu schildern unternimmt.
>Diese Musik schreitet in starken, langsamen Tttnen einher und versetzt dadurch
uns ere Seele in die erweiterte Spannung, welche von erhabenen Ge dan ken in uns
erzeugt wird und solche wieder erzeugt.*
Und schlieBlich die demiitige, bufifertige, die sich nicht iiber den Ton
des Kyrie zu erheben wagt.
•Dieser gebflrt jene alte choralmaBige Kirchenmusik an, die wie ein ewiges
» miserere mei Dominelc klingt und deren langsame, tiefe T6ne gleich sflnden-
beladenen Pilgrimen in tiefen Talern dahinschleichen.«
Aus der folgenden kurzen Schilderung dieser > choralmaBigen Kirchen-
musik < ist mit vollster Deutlichkeit zu entnehmen, daB Wackenroder augen-
blicklich ein bestimmter Choral vorschweben muBte, den er in wundervoller
"Wiedergabe poetisch umschreibt. Wir vermogen an dieser Stelle, ohne daB
eine bestimmte Angabe gemacht wird, den Gegenstand aus der Dichtung
formlich herauszuschiilen. Es gibt hier Wendungen, von so priizisem Aus-
drucke, daft sie direkt durch gehorte Veranderungen des Tempo, durch ge-
horte Modulation en ausgelost zu sein scheinen. Mit groBer Klarheit ist auch
zu entnehmen, daB ihm am Schlusse ein Orgelpunkt vorschwebte4).
Es liegt hier besonders nahe, sich die Frage vorzulegen, welche bestimm-
ten musikalischen Eindrucke wohl zur Konzeption der drei Arten, und gerade
dieser drei, gefuhrt haben mochten. Natiirlich kann nicht mehr gesagt werden,
1) a. a. 0. II. 3, S. 60.
2; a. a. 0. S. 62.
3< Vgl. StQcker a. a. S. 121.
4) An dieser Stelle, auf deren Bedeutung wir noch zurQckkommen werden,
durfte auch der charakteristische Unterschied von Tiecks und Wackenroders poe-
tischer Musikumscbreibung am deutlichsten zutage treten. (Vgl. Minor a. a. 0.
S. VII, SchluB.) Wahrend Tieck in den Vorspielen seiner M&rchenkomOdien, bei
Darstellung der Instrumente Eftekte aufgreift und sich hier wie an anderen Stellen
vornehmlich auf die Klangfarbe stiitzt, gewinnen wir hier ein ganz anderes Bild.
Wackenroder will vollstandiger sein und vertieft sich daher mehr, er erprobt alle
Mittel seiner bilderreichen Sprache zu moglichst weitgehendem Ausdrucke. Dabei
ist stets zu erkennen, wie klar der musikaliscbe Eindruck ihm selbst gegenwartig
ist — alles Umstiinde, die filr seine bedeutendere musikalische Anlage sprechen.
520 Josef Gregor, Die deuteche Romantik aus den Beziehungen ubtt.
als sich aus der Gegeniiberstellung dieser Charakteristik und jener Kompo-
sitionen, die Wackenroder ungefahr gehort haben konnte, erschliefien laflt
Bei der ersten Art wird naturlich an Mozart's Musik gedacht werden, doch
wird Wackenroder die Salzburger Messen, die bier am meisten entsprachen,
kaum gehort haben, eher das Requiem, das aber wieder kaum herpassen
wiirde. Die zweite Art wird den Gedanken an Haydn nabelegen, bei jenen
Epitheta, die das Kraftvolle und Erbabene dieser Musik betonen, wohl auch
den an J. S. Bach. SchlieBlich wird die dritte Art an Musik pietistiecher
Richtung erinnern, wabrend der prachtig umschriebene Cboral an den groBen
Meister desselben, an J. S. Bach gemahnt. Bei der Seltenheit bestimmter
Angaben uber Wackenroder's musikaliscbe Genusse ist es schwer, sich bei
derlei Hypothesen, deren "Wert ubrigens nicbt uberschatzt werden soil, Tor
allzu weitgebenden Unbestimmtheiten und Vermutungen zu bewabren.
Eine weit weniger klare Spracbe fuhrt der letzte der fur unseren Zweck
wertvollen Aufsiitze: >Das eigentilmliche innere Wesen der Tonkunst und die
Seelenlehre der heutigen In$trumentalmu$ik€x). Aber wir konnen docb einige
der friiher bezeichneten Gedanken auch hier wiederfinden, wenn auch in
reicberem poetiscben Flusse verbullt. Da ist zunachst die Angst, durch
Praxis und Wissenschaft mitten im Entbusiasmus der Kunst erniichtert zu
werden — bier kunstvoll widerlegt durch eine ganz eigentiimliche Theorie
uber das Wesen der Musik. Wackenroder verkennt, seiner Individualist
entsprechend, die Musiktheorie in ibrer einfachen und groBen Aufgabe natur-
lich bestiindig: er muB weit ausgreifen und bis an den magischen Idealismus
Novalis' beranreichen, um sie zu recbtfertigen. Nach ihm ware namlich die
>neue Lehre, aus der die Meister die mannigfaltigsten Tone scbopfen< eine
Yoraussetzung des Schaffens; daB sie auch zeitlich friiher bestanden hatte,
ist nicht direkt ausgesprocben , nach dem Gesagten aber auch nicht unmog-
lich. Geheime Beziebungen walten nun zwischen den »matbematiecben Ton-
verhiiltnissen und den einzelnen Fibern des menschlichen Herzens* vor, der
Berufene vermag es, beide Seiten zu verbinden. Es ist moglich, ja sogar
walirscbeinlicb, daB Wackenroder liter seinen Beg riff von Theorie mit
clem von Scbaffenskraft (im Gegensatze zu Pbantasie) zusammen-
fallen liiBt, wodurch diese Siitze sogleich ein erhohtes MaB von Verstand-
lichkeit batten. Nur so liiBt sich verstehen, wenn er auch' Tonstiicken, die
»wie die Zahleu zu einer Rechnung zusammengesetzt* sind, >wenn sie auf
Instrumenten eingeiibt werden «, Wirkung und Wert zuschreibt.
Durchaus klar sind dagegen einige andere, uber das Schaflfen vorgebrachte
Bemerkungen. Der schaflende Kiinstler ist Dicbter, »Verdichterc der Ge-
fiihle, die auch die Seele des Horers bewegten — hier meldet sich nach
langer Zeit wieder der Gedanke des MusikgenieBens, dem Scbaffen gegen-
uberstehend. Aber den weitaus breitesten Raum des Aufsatzes erfullen
naturgemaB schwungvolle Paraphrasen, die hier kiihner sind als je zuvor.
Der Ton dieses Stuckes, mit dem die Reihe der fiir uns in den Phan-
tasien bedeutsamen abgeschlossen ist, steht weit von dem der > Herzensergie-
pnngrn*'1) ab. Fanden wir erstere wenigstens stellenweise objektiv und all-
gemeine Bedeutung beanspruchend, so sind letztere durchaus von der tief-
persnnlichen Seite zu fassen. Der Ausdrucksreichtum seiner poetiscben
1) a. a. 0. S. 67.
2 »HerzensergieBungen eines kunstliebenden Klosterbruders.* (1797.' Neue
Ausgabe von Jeseen, Jena 1904.
Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehnngen usw. 521
Diktion steigert sich mithin auch bis zu jener Innigkeit, mit der das Eigen-
erlebnis, etwa in den Briefen, spricht. Oberflachliche Substitution en, durch
welche die Beziehungen zu seinem Leben gedeckt werden soil ten, die aber nur
allzu durchsichtig ausgefallen sind, steigern diesen Eindruck noch besonders.
Er selbst ist dieser Kttnstler, dessen Lebensgeschichte hier vor uns liegt
und dem so mannigfache und nicht zu uberwindende Widersprttche in- und
aufierhalb seiner Kunst drohen. Und da das Buch ganz auf diese negative
Voraussetzung gestellt ist, wird der wehmiitige Pessimismus, von dem es
durchzogen wird, leicht verstandlich. Relativ lichter klingt noch das erste
Hauptstiick, in dem der Widerstreit von ktinstlerischem und auBerkunstleri-
schem Lebensberufe, dargestellt im Werdegang des jugendlichen Kunstenthu-
siasten Berglinger, das Hauptmotiv bildet. Sein Schaffensbedurfnis wird als
aus dem Kunstgenufi steigend erlautert — ein fur Wackenroder's Kunst-
anschauung ungemein wichtiges Moment. Dabei bietet sich Gelegenheit zu
poetischen Musikumschreibungen, die hier noch einfacher, als die in den
>Phantasien< gen an n ten, immerhin aber schon mit den una von dort be-
kannten Mitteln gearbeitet sind. In erster Linie ist es Kirchenmusik, die
den jungen Berglinger begeistert. Oratorien, Kantaten, Chore »mit Posaunen-
und Trompetenschallc werden genannt. Die Art, in der diese Eindrficke
umschrieben sind, lafit an Handel's Musik denken. Daneben erregen auch
»vollstimmige Symphonien* sein Entziicken — in ihrer Darstellung, die
zweifellos eine der gelungensten Musikumschreibungen Wackenroder's bildet,
ist das dreiteilige Scherzo oder Menuett von der Form Scherzo- Trio -Wie-
derholung, man mochte sagen, geradezu mit Handen zu greifen1). — Vor-
ziigliche Beachtnng verdient die Feinheit, mit der die Psyche des Junglings
erfafit und geschildert wird, nicht zumindest in den beiden Gedichtchen,
deren eines das VersmaB des gleich falls zitierten Stabat mater beniitzt2).
Kaum hat uns das erste Hauptstiick einigermaften getrostet zurtickgelassen,
so setzt das zweite gleich wieder mit alien Konflikten ein. Zunachst hatte
die Art der musikalischen Studien Enttauschung bereitet3), dann aber war
1) a. a. 0. S. 151. >Bey frohlichen und entzuckenden vollstimmigen Symphonieen,
die er vorziiglich liebte, kam es ihm gar oftmals vor, als san1 er ein munteres
Chor von Jfinglingen und Mftdchen auf einer heiteren Wiese tanzen, wie sie vor-
und rQckwarts hupften, und wie einzelne Paare zuweilen in Pantomimen zueinander
eprachen, und sich dann wieder unter den frohen Haufen mischten.c — Man denke
bei dieser entztlckenden S telle beispielsweise an das Menuett von Mozarts Gmoll
Symphonie, KOch. Verz. Nr. 650.
2) Es sei an dieser Stelle eine Hypothese fiber Wackenroder's musikalisches
Schaffen versucht. Es ist sehr naheliegend, anzunehmen, daO Wackenroder das
soeben bezeichnete Gedicht selbst vertont hat, wie er es von Berglinger berichtet.
— Tieck (»Phantasien« a. a. 0. S. 4) spricht von einer Kantate, die zu den Phan-
tasiestfloken gehOrte, mit der aber Wackenroder »selber unzufrieden ware. Es
handelt sich bei Tieck natflrlich um ein lyrisches Gedicht, die Bezeichnung laCt
aber vermuten, daC es mit Musik innig im Zusammenhange stand. So setzt auch
Berglinger — wie vorher erwahnt — seine Gedichte in Musik, >ohne die Regeln
davon zu kennen*. Bestimmtes t&ber alle diese Dinge kOnnte nur eine Revision
der Aufzeichnungen seiner Lehrer und Freunde, vor allem etwa Fasch's und Rei-
chardVs, ergeben. —
3) In den hier der Theorie geltenden Bemerkungen versteigt sich Wackenroder
su einer ihm ganz ungewohnten Drastik. (a. a. 0. S. 163) >DaO ich, statt frey zu
fliegen, erst lernen muCte, in dem unbehtHflichen Gerust und Kafig der Kunst-
8. d. IMG. x. 35
522 Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen usw.
es der Konflikt zwischen Kunst und Leben, der auf hoherer Stufe wieder-
kehrt. Kunstenthusiasmus des Einzelnen und Verstandnislosigkeit der Massen,
dies sind die Pole einer ergreifenden Klage, welche nur zu sehr an Dinge
gemahnt, die sich sehr haufig im Laufe der Musikgeschichte abspielten.
Bezeichnend ist, daB dieser Konflikt bis in die kunstlerische Tat eelbst hin-
iibergreift, wenn die Aufnahme durch das zeitgenossische Publikum als wich-
tiger Faktor des gesamten kiinstlerischen Wirkens betrachtet wird. Riickkehr
zur Einfachheit wird als das einzige Mittel genannt, sich hier noch zu be-
freien.
Aber nun uberprtift Wackenroder sein ganzes Gebaude nochmals, indem er
den giins tigs ten Fall setzt, d. h. seine Idealfigur ein einziges Mai zum wirk-
lich schaffenden Kunstler erhebt und durch eigene Befriedigung und durch
das Yerst'andnis des Publikums belohnt sein 1'aBt. Aber auch hier iibertont
der letzte und auBerste Konflikt, der Widerstreit von Phantasie und Schaf-
fenskraft, schlieBlich alles. Es ist riihrend, wie Wackenroder nun nach
auBeren Motiven tastet, um seiner Zeit den Untergang Berglingers an diesem
Konflikte glaubhaft zu machen. Seine naive Kunst entwickelt hier einen
(redanken- und Ausdrucksreichtum, der die anderen Schriften bedeutend
ubertrifft und geradezu staunen macht1). Denn auch hier spricht die Gewalt
der Wirklichkeit, ja man ist sogar gezwungen, zu sagen: die Ahnung des
eigenen Schicksals. Er selbst war es ja, der durch seine »hohe Phantasie
aufgerieben* wurde, weil sie ihm nicht geniigte und er sich auch in daa
Leben derer nicht find en konnte, die die Kunst >in ihrem Handeln auf
Erden nicht stortc
Den letzten, hochsten Ausweg, die Forniel Peer Gynts, die ITberwindung
der Phantasie zum Leben, hat Wackenroder nie erreicht. Eben dies aber
macht uns sein Kunstideal so wertvoll, weil es das Ideal eines Suchenden
ist. —
Das Kunstideal.
Hatten wir uns bis jetzt bemiiht, in der Person und den Werken unseres
Mannes das Individuelle zu betonen und den Bezug auf andere Erscheinun-
gen seiner Zeit zu vermeiden, so erwachst hier, wo es sich um die Kon~
struktion von Wackenroder's musikalischem Kunstideale handelt, die entgegen-
gesetzte Forderung. Denn bei einer Personlichkeit von solcher Offenheit
und bei Schriften von bo groBer kiinstlerischer Naivitat werden wir wenig
mehr als eine Zusammenfassung des schon Gesagten geben konnen, die aber
hier in die geschiclitliche Folge angegliedert werden will. Einige noch nicht
vorgebrachte Ergebnisse linden erst hier Erwahnung, wenn durch sie die
historische Position Wackenroder's besser beleuchtet werden kann. —
grammatik herumzuklettern ! Wie ich mich qualen muCte, erst mit dem gemeiuen
wissenschaftlichen Maschinen-Verstande ein regelrechtes Ding heraus ru bring?!,
eh1 ich daran denken konnte, mein Gefiihl mit den TOnen zu handhaben! — £•
war eine ungliickselige Mechaniklc
1) Ahnend spiicht er es aus: (a. a. 0. S. 173) ». . . . muB der Immerbegeisterte
seine hohen Phantasien doch auch vielleicht als einen festen Einschlag kuhn usd
stark in dieses irdische Leben einweben, wenn er ein &chter Kunstler seyn will?«
— Vgl. unseren letzten Abschnitt, am Schlusse. — Und gleich darauf folgt der
vielbesprochene Satz: »— Ja, ist diese unbegreifliche SchOpfungskraft nicht etw»
iiberhaupt ganz etwas anderes, — und wie mir jetzt erscheint — etwas nock
Wundervolleres. noch Gottlicheres als die Kraft der Phantasie ?« —
Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen nsw. 523
Wackenroder's Stellung in musikalischen Dingen ist auf jene strenge
Trennung basiert, die er zwischen Kunst und Leben bestehend erkannte 1).
Es spielen hier natlirlich Ziige seines eigenen Lebens herein, die er, wie es
bei einem jungen Menschen natlirlich ist, bedingungslos fur sein ganzes
Denken akzeptiert. Da es ihn nach Betatigung seines Gemutslebens drangt
und er diese im Leben nicht fin den kann, so vollzieht er mit seiner Hin-
neigung zur Kunst eigentlich eine Weltflucht und bestatigt dies, wenn er,
einmal bei der Kunst angelangt, das Leben als etwas Niedriges, Beschranktes
und Beschrankendes erklart. Dieser naive Pessimismus beruhrt eigentumlich,
um so mehr, wenn man bedenkt, dafi selbst ein Novalis seine ktinstlerische
Betatigung widerspruchslos mit unkunstlerischem Lebensberufe zu verbinden
vermochte. Bis zu dem alle Kreise des Geistes- und Gemutslebens gleich-
maCig umspinnenden Mystizismus, dessen Anzeichen sich gleichwohl bei ihm
nachweisen lassen, war Wackenroder eben noch nicht vorgedrungen. Fiir
ihn bedeutete die Kunst eine Vertiefung, Verinnerlichung, bis zu welcher
das Leben mit seinen gewohnlichen Erscheinungsformen niemals gelangen
kann. Noch bei seinen der bildenden Kunst geltenden Betrachtungen stand
dies nicht so fest. Hier sieht er sich bald von dem poetischen auf das fabu-
listische und doktrinare Gebiet hinausgedrangt, — die Zeit der Gemalde-
sonette war noch nicht angebrochen — mehr oder weniger ist es immer
»das Leben der Mahler «, was er schreibt. Erst bei der Musik genofi er
die vollste Freiheit, hier war es moglich, den fundamentalen Gegensatz bis
zu voller Scharfe zu entwickeln.
Es ist nur eine Folge des in demselben enthaltenen Widerspruchs, wenn
der Begriff der Musik, die in Gegensatz mit dem Leben gestellt werden soil,
eine starke Verschiebung erleidet. Hier ist immerfort Wackenroder's Per-
sonlichkeit maBgebend und die grofie Bedeutung, die die Musik fiir sie hat.
Sein ganzes Wesen spricht sich in ihr aus, in alien Formen; vom Behagen
des Genusses bis zum Ernste tragischen Erlebnisses. Besondere Momente
kommen noch hinzu : die geheime Symbolistik, die er in ihr wirkend dachte,
die tiefsinnige Unbestimmtheit ihres Ausdrucks, die ihn stets zu dichterischen
Ergiissen anregte, nicht zumindest die starke Wirkung, die er von ihr erfuhr.
Alles dies machte einerseits eine bedeutende Erweiterung des Begriffes der
Musik moglich, andrerseits aber eine fortgesetzte, asthetisch hochst bemerkens-
werte Verschiebung vom Kiinstlerischen zum Elementaren. In diesem
Sinne will es aufgefafit sein, wenn er mit solcher Bestimmtheit >das Gefuhl* i
als Gegenstand der Musik bezeichnet. Er spricht in der Form des roman- ;
tischen potenzierenden Genetivs vom >fiihlen des Geftihles«, noch realistischer 1
von der »Aufbewahrung« des Geftihls in derselben. Es betrifft dies die
Aussprache realen Gefiihls und realen Affektes, wenn er dem kiinstlerischen
Menschen die Fiihigkeit gibt, Schmerz und Freude in ein kiinstlerisches Pro-
dukt umzuwandeln2). Andrerseits aber behauptet er bemerkenswerter Weise
nicht, daB die Musik die anregenden Gefuhle eindeutig bestimmen oder
geradezu schildern miisse. Yielmehr scheint ihm immer ein ganz unlos-
1) Fiir Wackenroders Ad sich ten zur bildenden Kunst macht Wttlfflin (a. a. 0.
S. 65) eine ahnliche Beobachtung. Nur formuliert er dieselbe dahin, Wackenroder
habe hier strenge Einheit von Kunst und Leben als heute nicht mehr zu errei-
chende Gepflogenheit der alten Meister angesehen.
2) >Phantasien< a. a. 0. S. 59.
35*
524 Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen usw.
barer Gefiihlskomplex iu ihr ausgedriickt zu sein, woraus sich dann seine
Metapbern >Bild«, > Strom*, »vieldeutige Sprache* u. a. herleiten. Hierher
gehort aucb seine scbone Definition der Musik :
>Zu die8er Aufbewahrung der Gefuble nun sind verschiedene schOne Erfin-
dangen gemacbt worden, und so sind alle schOnen Kilns te entstanden. Die Musik
aber balte ich fQr die wnnderbarste dieser Erflndungen, weil sie menschliche Ge-
fiihle auf eine ubermenschliche Art scnildert, weil sie uns alle Be we gun gen uns e res
GemQtes unkOrperlich, in goldne Wolken luftiger Harmonieen eingekleidet. fiber
unBerm Haupte zeigt, — weil sie eine Sprache redet, die wir im ordentlichen
Leben nicbt kennen, die wir gelernt haben, wir wissen nicbt wo? und wie? und
die man allein fQr die Sprache der Engel halten mOchte.*1}
Auf der Spitze seines Idealismus offenbart sich also die Ruckkehr in
eine asthetisch besser leitende Fahrte. Die Bezeichnung > Sprache « wird
rein metaphorisch, fur das Subjektive und TJnbestimmbare bei Ausdeutungen
der Musik hat er einen scharfen Blick. Es ist ihm stets nur urn Feststellung
des tiefiimeren Zusammenhanges zwischen Musik und Seelenleben zu tun,
die Frage aber, wie dieser Zusammenhang vor sich gehe und sich dokumen-
tiere, beantwortet er nur dichterisch.
Wackenroder's rein asthetische Position wtirdigt Paul Moos3) durch den
Nachweis, wie sehr jener bemuht war, die musikalische Entstehungs- und
Wirkungssphare ins unbewufite Seelenleben zu verlegen. Es entspricht dies
Wackenroder's kiinstlerischer Personlichkeit in alien Stucken, auch mit unse-
ren Bemerkungen tiber das Elementare an Stelle des Kunstlerischen in seiner
Musikauffassung fin den wir es im Einklange. Hier liegen lib er all Bestati-
gungen dafur, daC Wackenroder's hoher Idealismus, trotz des Mangels jeder
wissenschaftlichen Stiitze, nicht in leere Phantasmen, sondern in inhaltlich
bestimmte und wertvolJe Anschauung Ubergeht3).
Als historische Erscheinungen sind diese Z&ge Wackenroder's in seiner
Zeit durchaus nicht singular. Denn diese ist ja uberhaupt durch die Auf-
nahme eines poetischen Elementes in musikalische Ansichten charakterisiert,
man konnte oft geradezu von romantischer Musiktheorie und -kritik reden.
Und hier bietet sich uns Gelegenheit Wackenroder's Verhaltnis zu den
Theoretikern seiner Zeit zu untersuchen, wenn auch nurinjenen Punkten,
wo letztere sich auf asthetisches Gebiet begaben: Wackenroder's Ansichten
zur Theorie im engeren Sinne waren ja teils negativ, teils rein dichterisch.
1) >Phanta8ien€ a. a. 0. S. 59.
2} P. M o o 8 , Moderne Musikasthetik in Deutschland. Berlin und Leipzig. S. 687.
Auf Moos' Darstellung, die auch eine wertvolle Bestatigung unserer Ansichten
iiber Wackenroders musikalische Bedeutung bildet, sei ausdrOcklich verwiesen.
3) Wackenroder halt einzelne Punkte derselben fest, natflrlich nicht ohne weit-
gehende Veranderungen. So wird die gebildete Verschiebung vom KflnstleriBchcn
zum Elementaren zuweilen riicklautig. >Ein an dermal wieder wirkten die T5n«
eine wunderbare Mischung von FrGhlichkeit und Traurigkeit in seinem Henen
so daB Lacheln und Weinen ihm gleich nahe war; eine Empfindung, die una aof
unserem Wege durch das Leben so oft begegnet und die keine Ennst geschickter
ist auszudriicken, als die Musik*. HerzensergieDungen a. a. 0. S. 151) also keine
besondere Gefuhlsdynamik, sondern gerade ein gewisser Nullpunkt in derselbes
als Ausdruck der Musik! Freilich, auch noch eine gewisse Objektivitat und Gt*
lassenheit des kiinstlerischen Schaffens anzunehmen, dazu hfttte sich Wackenroder
nie verstanden.
Joaef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen uew. 525
Der soeben erwahnte poetische Zug findet sich deutlich in Schubart's ^Ideen*1),
dem Werke, welches sich dann der junge Schumann exzerpierte. In Wacken-
roder's Sprache fallt Marpurg2) haufig, selbst Forkel kann eines gewahlteren,
phantasievolleren Ausdrucks nicht entraten, wenn er sich auf asthetisches
Gebiet hinaus begibt. Cramer hingegen ist stets stronger Theoretiker ge-
blieben. Fur den weiteren Verlauf dieser >romantischen Musiktheorie«, ins-
besondere aber fur die romantische Dichtung ist Wackenroder Vermittler
dieses neuen Elementes geworden3).
Hit Wackenroder's asthetischen Ansichten stehen eine Beihe weiterer in
fruchtbarem Zusammenhang. Da ist der weite Begriff, den Wackenroder der
Musik gibt und demgegenuber man die Behauptung wagen konnte, er habe
nie von beatimmter Musik, sondern stets von der Musik gesprochen4). Dafi
er bei Konzerten die Titel der gehorten Musikstucke nicht angibt, wurde
schon erwahnt. Doch iiberwog Wackenroder's praktisch-musikalische Anlage
immerhin noch soweit, daft er nicht, wie beispielsweise Schopenhauer, die
letzten Konsequenzen seines Idealismus zieht. Er unterscheidet wohl zwischen
guter und schlechter Musik, die Operetta ist ihm verhafit. Doch kann man
wohl mit voller Sicherheit sagen, dafi besondere Nuancen, z. B. das natio-
nal Element, ihm entgangen sein werden. Umso auffallender ist daher ein
ablehnender Bezug auf italienische Musik5).
Dem erweiterten Begriffe, den Wackenroder von der Musik bildet, ent-
spricht es auch, dafi er die angewandte Musik nicht kennt. Wenn die
Vokalmusik auch eine grofie Bolle bei ihm spielt, so gerat er doch der Oper
gegeniiber in Yerlegenheit. Da bespricht er den Text oder die Musik,
niemals Text und Musik als zusammengehorigen kiinstlerischen Komplex.
Es mufl ihn, der zugleich ein scharfsinniger literarischer Kritiker gewesen
ist, hau£g genug die Mitwirkung der von ihm ganz anders aufgefafiten Musik
an der Kritik der Dichtung geradezu gehindert haben. Theoretisch hat sich
Wackenroder niemals iiber die Oper geaufiert, dieses Gebiet lag seiner tJber-
1) >Ideen zu einer Asthetik der Tonkunstc, Wien 1806. Den Theoretikem
dieser Zeif waren weitgehende und auch poetische Interessen nicht fremd,. Es ist
kein Zufall, dafi dieser Titel an Herder anklingt.
2) >Eritischer Musikus*, (1749—1750) >Krit. Beytrage*. Er redet von >Bewe-
gangen der Scele«, >Neigungen des Herzens«, die die Musik zu »schildern« habe.
Man konnte es ganz gut als unterscheidendes Merkmal formulieren, dafi Wacken-
roder das reale Gefuhl als Untergrund der Musik fur den Schaffenden annimmt,
w&hrend die genannten Theoretiker meist geradezu vom Bchildem, Abbilden
der Geflihle sprechen.
3) Vgl. auch unsere spatere Darstellung des Verhaltnisses Wackenroder's zu
Heinse, insbesonderc aber zu Hoffmann.
4) Damit steht Wackenroder durchaus auf romantischem Boden. Der Stim-
mungspoesie der Romantiker und der Anwendung der Musik in derselben entsprach
diese Verallgemeinerung durchaus. (Vgl. den Ausdruck »eine Musikc [ertonte,
erschollj bei Tieck haufig.) So konnte es geschehen, dafi in Schilderungen das
Schflne der Musik in das SchOne der Landschaft uberfloB, was unserer
Beobachtung vom Elementaren an Stelle des Kunstlerischen in Wackenroder 8 Musik-
anffasaung entspricht.
6) Wackenroders Briefe a. a. 0. XII S. 273 : »Die neue Oper von Righini . . .
nur sieht zuweilen der Italiener mit seinen sangbaren nnd einfachen Melodien,
wie sie seyn sollten, die aber nur zu sehr an bekannte und gemeine Liederweisen
grenzen und etwae ungew5hnlich sind, durch.c
526 Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen new.
legung ganz fern. In diesem wichtigen Punkte aufiert sich der prinzipielle
Antagonismus Wackenroder's und Heinse's besonders deutlich und es tragt
znr Hervorhebung der Originalitat des ersteren bei, ausfuhrlich darauf zu
verweisen1).
Heinse's lebhaftem, stark auf das Sinnliche gerichtete Temperament ent-
sprach die Zuneigung zur Oper, in der er cbarakteristischerweise immer eine
besondere Steigerung, Akzentuierung des Ausdrucks der Musik sieht3).
Wackenroder's vergeistigtes Ideal, das seinen Gipfelpunkt in der Kirchen-
musik findet, steht dem ebenso gegensatzlich gegeniiber, wie seine in sich
zuriickgezogene, schwarmerisch-stille Natur der Heinse's widersprach. Es darf
aber keineswegs angenommen werden, daQ Wackenroder zum Problem der
Zusammenwirkung von Poesie and Musik nicbt auch etwas beitrug. Seinem
weiten Begriff von Musik entsprach es ja gerade, in echt romantischer Weise
den AnschluB derselben an eine andre Kunst zu ermSglichen. Hier hat
Wackenroder wieder eine ganz individuelle Note, indem er in positiv wert-
voller Weise auf das Musikalische im Verse und Reime hinweist3). Hier
ist stets an Tieck und dessen gleichzeitige Produktion zu erinnern, doch
wurde bereits auf den scbarfen Unterschied verwiesen, der seine und Wacken-
roder's poetische Musikumscbreibung trennt.
Mit Wackenroder's neuem Musikbegriffe steht schliefilich die Aufhebung
der Gattungen in Zusammenhang, die er in derselben erklart. Zunachst
zwar scheinen die Gattungen fur ihn eine Reihe zu bilden, als deren End-
punkte Tanzmusik und Kirchenmusik angesehen werden. Historische Erwi-
gungen sind bei der ersteren mafigebend:
>Wahrlich, so oft ich Tanzmusik hd*re, fallt es mir in den Sinn, daC diese
Art der Musik offenbar die bedeutendste und bestimmteste Sprache fQhrt und da6
sie notwendig die eigentlichste, die alteste undursprdngliche Musik sein muG«4>
Bei der Kirchenmusik aber war — und dies ist einer der hauptsachlichsten
Punkte seiner Kunstanschauung — "Wackenroder's erklarte Wendung zum
Religiosen in kiinstlerischen Dingen entscheidend. Der kaum gegrundete
Gattungsbegriff wird aber sogleich und in echt romantischer Weise dadurch
aufgehoben, daft ihre Gleichwertigkeit betont, ein Hochstwert nor mit dem
augenblicklichen Eindrucke in Zusammenhang gebracht wird5). Dann aber
auch dadurch, daB bei seinem einzigen Yersuch, Gattungen zu bestimmen,
die Unterscheidungsmerkmale darauf hinausgedrangt werden, was wir unge-
fahr als » Ethos * einer Musik bezeichnen wiirden. Seine drei Arten der
Kirchenmusik unterscheiden sich, auBer in ihrem gemiitlichen Gehalte, durch
Merkmale der Dynamik, des figuralen Kolorits und des Tempos; also in
durchaus akzessorischen Bestimmungsstiicken. —
1) Vgl. St&cker a. a. 0. S. 117 f.
2) Vgl. das Zwiegespr&ch zwischen Metastasio und der Prinzestin in seines
•Musikalischen Dialogen* (1805), daruber Moos, a. a. 0. S. 62.
3) A. Ehrenfeld (»Studien zur Theorie des Reimes<) I, Dissert. Zurich 1897.
S. 42 f.) schatzt Wackenroder hoch und stellt eine sehr bemerkenswerte Fortwirkunf
fest: »Jene mystische Einheit von Wesen und Wort, die nach Wackenroder t<«
der Musik erreicht wird, ist dann das Sprachideal Novalis'.c
4) Es ist hdchst beachtenswert, wie diese Meinung im Verlaufe der Romantik
immer wieder auftaucht.
5) >Phantasien« a. a. 0. S. 60, Eingang.
Josef Gregor, Die deutsohe Romantik aus den Beziehungen usw. 527
Bei seinem Begriff von der Kirchenmusik kommt naturgemafi das meiste
auf die Frage an, ob Wackenroder damit nur die Wirkung eines spezifisch
religiosen Momentes in der Musik, oder eine direkt im Dienste einer kirch-
lichen Handlung stehende Musik gemeint hat, wobei offenbar in seiner Stellung
zu angewandter Musik im allgemeinen eine Ausnahme notwendig ware. In-
dessen sprechen fur das Erstere wichtige Griinde. Wackenroder's Fassung
des Religiosen in der Kunst ist so tief fundiert, daB es ihm gewiB moglich
war, das Religiose in weltliche Musik zu projizieren, ganz im Sinne der
Romantik, die schliefilich alles bis zur Religion fuhrte. Wackenroder's Kir-
chenmusik steht aber auch ihrer Idee direkt, nicht durch das Medium einer
kirchlichen Handlung gegeniiber.* sie »schildert« Gott. Dazu kommt schliefi-
lich, daB die innigste Verbindung von kirchlicher Handlung und Musik, die
katholische Messe, ihm, der stets uberzeugter Protestant geblieben ist, durch-
aus nicht so gelauiig war, als vielleicht angenommen werden konnte. Andrer-
seits aber sind Wackenroder's musikalische Begriffe ja weit genug, um auch
der zweiten Auffassung Raum zu geben. Musik in Anlehnung an die Be-
deutsamkeit einer priesterlichen Handlung, unterstiitzt durch die dem Gottes-
hause, besonders dem katholischen, an und fur sich zukommende Stimmung wirkt
auf ihn am starksten. Besonders im »Berglinger«, der ja reich ist an per-
sonlichen Motiven, findet sich dies haufig ausgedriickt, und das vollkommenste
Werk dieses Tonkiinstlers ist denn auch ein Oratorium, von dem es aus-
driicklich heiBt, daB es »im Dome* aufgefiihrt wurde1).
Wackenroder's Stellung zur Theorie der Musik wurde schon mehrmals
herangezogen. Hier ist es immer wieder bemerkenswert, daB sich dieselbe
in sehr charakteristischer Weise entwickelte. Noch im »Berglinger« erfahrt
die Theorie die erwahnte drastische Ablehnung, wahrend die »Phantasien<
ihr ganz im Gegensatze dazu ein bedeutsames mystisches System supponieren.
Zwei Satze, die den gleichen Gegenstand betreffen, mogen diese Wandlung
verdeutlichen. Enttauscht ruft er im >Berglinger« aus:
>DaD alle Melodien, (hatten sie auch die heterogensten und oft wunderbarsten
Empfindungen in mir erzeugt), alle sich nun auf einem einzigen zwingenden mathe-
matischen Gesetze griinde ten I*2)
Wir modernen Menschen waren uber eine derartige Erkenntnis, falls sie
sich namlich ohne weiteres so formulieren lieBe, eher begeistert als unwillig
gemacht. Dagegen heiBt es in den >Phantasien«3):
>Sie (die Musik) ist die einzige Kunst, welche die mannigfaltigsten und wider-
sprechendsten Bewegungen unseres Gemfltee auf dieeelben schOnen Harmonien
zuriickfahrt, die mit Freud1 und Leid, mit Verzweiflung und Verehrung in gleichen
harmonischen Tdnen spielt.«
Hier ist nur das aufiere Phanomen an Stelle des inneren Grundes ge-
treten, aber der Ton, in dem dies gesprochen wird, ist ein ganz anderer.
DaB Wackenroder der Musiktheorie nicht nahestand, beweist schon der ziem-
lich synonyme Gebrauch der Ausdrucke: Ton, Klang, Melodie, Harmonie,
Akkord, Ubergang, Modulation, der bei einem musiktheoretisch geschulten
Musiker selbst in poetischer Sprache kaum moglich ware. Nichtsdesto-
1) a. a. 0. S. 172.
2) a. a. 0. S. 163.
3) a. a. 0. S. 58.
528 Josef Gregor, Die deutoche Romantik aus den Beziebungen usw.
weniger wirkten Wackenroder's Ansichten auch bier fort1), die zweite Auf-
fassung der Musiktheorie klingt in den Fragmenten Novalis' wieder.
Eine sehr bestimmt ablehnende Haltung zeigt Wackenroder zu jeder Art
der Musikkritik. Die Anwendung von Erklarungen und nachfublenden Be-
urteilungen der Musik stoBt ihn ab3J, der Konflikt zwiscben Scbaffendem
und Publikum wurde scbon beriibrt. Fur einen kleinen Xreis von Verstand-
nisvollen will Berglinger schaffen; ist dies nicbt moglicb, so ziebt er die
Musikpflege des Schweizerbirten der der Grofistadt vor. Die Energie, mit
der diese Satze vertreten werden, nimmt wunder bei einem Menscben, der
niemals ausiibender Ktinstler gewesen ist.
Wir nabern uns scbliefilicb der letzten bedeutsamen Position Wacken-
roder's, der von ibm erklarten Trennung von Phantasie und Schaffenskraft.
Die Bestimmtbeit, mit der so die schopferische Phantasie gewissermaBen in
Komponenten zerlegt wird, interessiert uns dabei weniger als die Annahme,
jede derselben kftnne fur sicb allein im kiinstleriscben Menscben besteben.
Und in rubrender Selbsterkenntnis setzt sicb bei Wackenroder die Meinung
fest, er selbst besaBe nur Phantasie, nicbt aber Schaffenskraft. Inwieweit
dies entsprach, gebt aus ungeren Erbrterungen iiber seine Personlicbkeit
hervor, bier ist nur noch die Zuriickbaltung zu erwahnen, die ex aus dem-
selben Grande in seinen dicbteriscben Produkten beobachtete. Wenn wir
aucb den Mangel eines festen schriftstellerischen Systems in seinen Scbriften
wahrnehmen, so scbeint uns dies nur ibren Titeln zu entsprecben, Eigenart
und Wert der Scbreibweise bleibt ibm trotzdem unbestritten. Seine eigene
Zeit dacbte nicht anders, ein Beweis ist Tieck, der Wackenroder's Stil fruh-
zeitig outriert. Vielleicht ist durcb die Beschaftigung mit der Musik und
durch die gesteigerten Forderungen ibrer Komposition jene Erkenntnis be-
festigt worden.
Die erwabnte Trennung wirkt aucb darin waiter, daJB Wackenroder das
musikalische Schaffen und das GenieBen sebr strong auseinander bait. Ersteres
erscheint ibm natiirlicb als das Hochste, was Menscben erreicben konnen;
im Tone Beethoven's ruft er aus3):
>Nur Schaffen bringt uns der Gottheit nftber, und der Kunstler, der Dichter,
ist ScbOpfer! Es lebe die Kunst! Sie allein macht uns unseres Himmels wurdig!<
Dem Schaffen gegeniiber feiert er den MusikgenuB als den der religiosen
Andacht am nachsten kommenden Zustand. Seine Art Musik aufzunehmen,
hat er selbst fixiert4):
>Wenn ich ins Konzert gebe, find1 ich, daC ich immer auf zweyerley Art die
Musik genieBe. Nur die eine Art des Genusses ist die wabre: sie beateht in der
aufmerk earns ten Beobachtung der Tone und ihrer Forts chreitung; in der vdlligea
Hingebung der Seele in diesem fortreiBenden Strom von Empfindungen ; in der
Entfernung und Abgezogenheit von jedem stSrenden Ge dank en und von allea
fremdartigen Eindrticken. Dieses geistige Einschlurfen der Tone ist mit einer
gewissen Anstrengung verbunden, die man nicht zu lange aushalt!« . . . »Die andre
1) Vgl. Adler, a. a. 0. S. 17.
2) Hier liegt ein offenbarer Widerspruch gegen Reichardts gerflhmte concerto
spirituels und deren Form vor. Die Stellen finden sich >Pbantasien« a. a. 0. S. 70
und 71.
3) Briefe a. a. 0. XI, S. 236.
4) Briefe a. a. 0. II, S. 173.
Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen us*. 529
Art, wie die Musik mich ergOtzt, iet gar kein wahrer Genufi derselben, kein pas-
sives Aufnehmen der Toue, sondern eine gewisse Tatigkeit des Geistes, die durch
die Musik angeregt und erhalten wird. Dann h5re ich nicht mehr die Empfindung,
die in dem Stucke herrscht, sondern meine Gedanken und Phantasien werden
gleichsam auf den We 11 en des Gesanges entffihrt und verlieren sich oft in ent-
fernte Schlupfwinkel. £s ist sonderbar, dafi ich, in diese Stimmung versetzt, auch
am besten fiber Musik als Asthetiker nachdenken kann . . . .«
Der Einteilungsgrund, nach welchem diese bedeutaame Dichotomie vor-
genommen wurde, ist ohne weiteres klar, ebensowenig bedarf die zweite Art
einer Interpretation. Da£ Wackenroder die erste unbedingt bevorzugt,
erweist seine Uberlegenheit als Musiker gegeniiber zahlreiohen Erscheinungen
der romantischen Folgezeit. Es enthalt in gewissem Sinne einen leisen
Widerspruch, wenn die Bestimmungsstucke: Beobachtung der Tone und ihrer
Fortschreitung — Hingabe in diesen Strom von Empfindungen , koordiniert
werden. Sollte unter ersterem wirklich ein rein formales Interesse verstan-
den werden, so konnte die Wirkung dieses Momentes bei einem Menschen
von Wackenroder's Eigenart doch nur potenziell gedacht werden. Diese De-
finition zahlt jedenfalls zu dem Bedeutendsten, das Wackenroder iiber Musik
niedergelegt hat1). —
Die angefuhrten Punkte diirften fur eine Wertung von Wackenroder's
musikalischem Kunstideale vollkommen hinreichen. Man konnte sie iiber-
sichtlich in folgende Gruppen verteilen: 1. Der Gegensatz von Kunst und
Leben. 2. Der Gegensatz von Phantasie und Schaffenskraft. 3. Das Reli-
giose in der Kunst. —
Nicht alle Einzelheiten ersch einen uns gleich verstandlich: einige erhielten
sich foxt und sind auch heute noch van Wert, andere durchliefen eine urn-
gestaltende Entwicklung, wieder andere muten uns ganz fremd an uud sind
nur noch durch genaue Kenntnis jener Zeit zu erfassen. Es liegt jedoch
auf der Hand, daft eine historische Wertung der Gesamtleistung eines Mannes
vollig fehl ginge, wiirden in ihr solche Abstufungen wahrgenommen, die nur
die Stellung unseres Augenblicks zu den in Rede stehenden Dingen bezeich-
nen. Bier ist es Zeit, wieder daran zu erinnern, dafi wir jede der Ansichten
Wackenroder's aus der vollen Personlichkeit ihres Urhebers entwickelt sehen
mochten.
Wackenroder schafft in einer Zeit, die an bedeutenden Erscheinungen
uberreich war. Aber er schafft abgeschlossen davon; nur die Kunst war die
Briicke, auf welcher AuJQeres zu ihm gelangen konnte. Geschieht dies ein-
mal, trifft ihn ein Eindruck von besonderer Starke, so wird er lebhaft und
tatig. Mit der ganzen Innigkeit seines Wesens ergreift er ihn, umgibt ihn
verarbeitend mit den Gestalten seiner Phantasie, um schliefilich eine ganz
individuelle Meinung daran zu kniipfen. Doch vollzieht sich dies nicht in
beschaulicher Ruhe: den groBten Wert erhalt seine Kunstbetrachtung durch
die enge Verbindung, die zwischen ihr und den Lebensschicksalen dieses
eigenartigen Mannes bestand.
1) a. a. 0. folgt auf die Darlegung der zwei Arten eine gleichfalls ungemein
wert- und wirkungsvolle Wiedergabe des Eindrucks, den Zwischenaktmusik
auf ihn ausflbte. Der GenuC derselben fallt durchaus in die zweite Art : das Drama,
durch die Musik unterbrochen, wachst nichtsdestoweniger in diese hinein; noch
bei dem Yorspiele ist ihm passives HOren mSglich, in den Zwischenspielen aber
waltet seine Phantasie.
530 Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen new.
Gearbeitet hat aber Wackenroder an seiner Kunstbetrachtung niemals;
er gab alles so,' wie er es fiihlte, wie es vor ihm auftauchte, in >Phantasien«,
in »HerzensergieBungen«. In seinem Kunstideale ruht darum nicht das Ideal
einer geistigen Arbeit, sondern wenn man sich so ausdrucken darf, das
Ideal einer Seelenstimmung. Der TJnterschied beriihrt am scharfsten,
wenn man es versucht, Wackenroder mit den musikalischen Klassikern in
Zusammenhang zu bringen. "Wenn Mozart, wenn Haydn uber Musik spricht,
so horen wir das Resultat einer Erfahrung, einer Arbeit, vollends bei Beet-
hoven, der stets den souveranen Gegenpol zu nnserem Manne bildet. Wacken-
roder ist unerfahren; seine Jugend tritt umso ruhrender hervor, je ernster
und aufrichtiger er wird.
Eine objektive Wertung Wackenroder's von dieser Erkenntnis des Per-
sonlichen aus muB an und fur sich stark positiv ausf alien. Die Bedeutsam-
keit des von ihm Vorgebrachten leuchtet auch der fluchtigen Beobachtung
ein, durch das Individuelle und mit groBter Innerlichkeit Durchlebte stellt
er ohne Zweifel einen positiven Wert im Bilde seiner Zeit dar.
Wesentlich schwieriger wird aber die Wertung, wenn darauf nach der
Wirkung Wackenroder's gefragt, seine Zeit also als Glied in der histori-
schen Folge betrachtet wird. Die Kunstanschauung, welche Ergebnis einer
geistigen Arbeit ist, wirkt direkt, wird fortentwickelt, findet Anhanger und
Gegner. Jene Kunstanschauung hingegen, die auf dichterischer Stimmung
und subjektivem Urteil beruht, wirkt nur indirekt, indem zugleich mit ahn-
lichen Bedingungen auch verwandte AuGerungen bei anderen Person lichkei ten
aufzudecken sind. Wie mit der Mehrzahl seiner Zeitgenossen ist auch der
Zusammenhang Wackenroder's mit der Folge ein ideeller.
Im allgemeinen kann gesagt werden, daB sich die Folgezeit durch Auf-
nahme praktischer Interessen gegen Wackenroder abhebt. Jene Fun-
damente der Kunstanschauung, die wir bei ihm so wesentlich fanden, die
Subjektivitat, die Innerlichkeit, die Hingabe an Eindruck und Stimmung
blieben zwar wirksam, es traten aber andere Momente hinzu, die nach und
nach umgestaltend wirkten. Der Vorliebe fur das Volkstumliche und der
Yorliebe fur die Oper, welche die spatere Romantik kennzeichnen , muBte
Wackenroder's vornehm-singulares Kunstideal und seine Wendung zum Reli-
giosen schlieBlich fallen. TJmso bemerkenswerter, wenn Ziige, die direkt ihm
entlehnt zu sein scheinen, noch in weit spaterer Zeit auftauchen.
Die beruhrte Fortentwicklung ist schon bei Tieck sehr deutlich warzu-
nehmen. Tieck ging aus Wackenroder's Manier, in die er sich anfangs so
gut einzuleben verstand, sehr bald her aus. Der Verkehr mit Musikern durfte
es fiir ihn mit sich gebracht haben, daB sein Urteil uber Musik nach und
nach objektiver wurde. Schon die Rahmengesprache des »Phantasus< reden
von der Kirchenmusik in einem neuen Tone, wie das Interesse fur diese
hier ja auch von anderer Seite her angeregt worden war. Seine spatere
Novellendichtung nahert sich, wenn von musikalischen Dingen gehandelt
wird, bisweilen dem Ausdrucke Wackenroder's, doch tiberwiegen die ange-
fiihrten praktischen und objektiven Interessen1).
1) Tiecks Novelle »Mufiikalische Leiden und Freuden« gemahnt nur noch Ter
einzelt — etwa in einzelnen Aussprttchen des Enthusiasten — an den Freund; der
Graf hingegen, dem Musik und Leben ineinanderflieBen, ist ein starker Gegensiti
zu Wackenroder.
Josef Gregor, Die deutsche Romantik aus den Beziehungen usw. 531
Fiir uns, die wir Wackenroder' s musikhistorische Bedeutung festzustellen
beabsichtigen, wird vor allem sein Verhaltnis zu E. T. A. Hoffmann1) von
besonderem Interesse sein. Denn dieser, eine an und fUr sich verwandte
Natur, vermittelte, obwohl einer relativ spateren Zeit angehorend, Wacken-
roder's Ansichten nach beiden Seiten hin, den Dichtern und den Musikern.
Uberall, wo er frei von jedem praktischen Einschlag spricht, wo er tiber
Musik gewissermafien phantasiert, den Geftihlsgehalt derselben lobt, kurz sich
dem Subjektiven tiberlaBt, nahert sich seine Diktion der Wackenroder's be-
deutend. Aber Hoffmann stand viel zu fest im Leben, war viel zu sehr
selbst Musiker, als daB er bei diesem Standpunkte halt gemacht hatte. Sein
Urteil geht aus der Allgemeinheit und TJnbestimmtheit heraus; er gibt ja
sogar Notenbeispiele in seinen Texten. Einer Trennung von Kunst und
Leben, dann der Reflexion tiber das Schaffen, die Wackenroder's vornehmstes
Gebiet ist, wird Hoffmann gar nicht oder wenigstens lange nicht in dem
MaBe zugestimmt haben.
Einen Standpunkt scheinen die beiden gleichwohl gemeinsam zu haben:
die Vorliebe fur Kirchenmusik. Nichts In teressan teres , als Wackenroder's
drei Arten und Hoffmanns Aufsatz: >Uber alte und neue Kirchenmusik*
dahingehend zu vergleichen. Hoffmann geht sogar einen Schritt we iter und
erklart die religiose Musik fiir die eigentlich ursprtingliche, welche Stellung
jener noch der Tanzmusik zugewiesen wissen wollte. Aber Hoffmann leiten
auch hier eine Menge neu hinzugekommener Momente, es ist nicht zu ver-
gessen, daB seine Hauptstarke auf dem Gebiete der dramatischen Musik lag,
ierner, daB er ein geschickter und scharfsinniger musikalischer Kritiker ge-
wesen ist. Seinem Urteile, das sich nicht lange bei dichterischen Umschrei-
bungen aufhalt, verfallt denn auch, allerdings mit einigen groBen Ausnahmen,
fast die ganze neuere Kirchenmusik2).
Es ist schlieBlich noch unsere Aufgabe, Wackenroder mit den musika-
lischen Personlichkeiten seiner Folge in Zusammenhang zu bringen, wobei
uns wieder jene Erkenntnis leitet, mit der wir seine Wirkung auf die Folge
als indirekte bezeichnet haben. Es muB gentigen, bei jenen Personlichkeiten
Ziige aufzudecken, die wir auch in Wackenroder's kiinstlerischem Naturell
feststellten. Diese Bindeglieder, die gewissermaBen in den Phanomenen jener
ganzen Zeit ihren Grund haben, gehen am besten aus Hettner's3) Darstel-
lung hervor. Hettner hebt die TJnterschiede hervor, welche die romantischen
Dichter von den romantischen Musikern trennen, und erklart lakonisch,
die Dichter hiitten gewuBt, die Musiker (Weber) aber gekonnt, was sie
wollten 4).
Aber wenn auch tatsachlich das positive Schaffen als gewaltiger geistiger
Faktor Wackenroder von diesen Mannern trennt, jene seelischen Stimmungen,
jene feinsten Ziige kunstlerischen Naturells, die wir eben bei ihm so wesent-
lich fan den, sind auch bei ihnen wiederzuerkennen.
1) Vgl. Ellinger, E. T. A. Hoffmann. Leipzig 1894. S. 38 u. a. m.
2) Es ist ungemein bemerkenswert, wie Hoffmann, der ja sonst durch einen
solchen Grad von impulsiver Phantastik hervoreticht, kuhl und kritisch tiber Musik
zu denken versteht. Wackenroder gegentibergehalten erscheinen die Verhaltnisse
hier gerade umgekehrt.
3) EL Hettner, Literaturgeschichte des XVIII. Jahrhunderts, Braunschweig
1870, Dritter Teil, HI, 2.
4) a. a. 0. Kap. 9, S. 512.
532 Karl Nef, Die Musik in Basel.
Carl M. von Weber mag tatsachlich in seiner scharf umgrenzten Person-
lichkeit Hettners Wort im vollsten Sinne rechtfertigen, doch lassen zwei andere
unter den romantischen Musikern, obwohl einer spateren Zeit angehorend,
deutlich den ideellen Zusammenhang mit unserem Dichter erkennen.
Der eine ist Louis Spohr. Bei ihm finden wir Wackenroder s Innig-
keit wieder, auch jene subtile Seelenstimmung kundigt sich bieweilen an.
Seine Memoiren spiegeln eine Natur, die mit der Wackenroder's in manche
Parallele zu stellen ist.
Der andere aber ist Robert Schumann1). Er verkorpert, auch fiber
Hoffmann weit hinausgehend, Wackenroder's Phantasie vom hoheren Stand-
punkte des bewufit gestaltenden Kiinstlers. Seine Personlichkeit ist freilich viel
zu reich, um Ziige vom Geprage Wackenroder's noch als besondere erkennen
zu lassen, wie das bei Spohr noch moglich ist, aber jene subtile romantische
Seelenstimmung ruht auch in ihm. Seine schriftstellerischen Werke in
ihrer wunderbaren Intimitat, vor allem die Jugenddichtungen und -briefe,
legen den Gedanken an die Diktion Wackenroder's auBerordentlich nahe.
Die romantischen Musiker haben Wackenroder's musikalisches Ideal ver-
wirklicht, sie fanden das >Bestimmte, TJnbekannte« seiner Traume, sie loaten
jenen Konflikt, dem er noch zum Opfer fallen muBte.
Wackenroder hat das musikalische Ideal in der Kirchenmusik erblickt,
im Fortschreiten zu einer Musik der Andacht, die die Loslosung vom Leben
bedeuten sollte. Eben dies aber war den romantischen Musikern fremd.
Sie fuhlten Wackenroder s Idealismus in sich, aber jenen pessimistischen Zog
vermochten sie nicht lange zu bewahren.
In der Riickkehr zum Leben fanden die romantischen Musiker Wacken-
roder's Ideal, hoben sie seine Tragik auf, erreichten sie das gottliche Schafien,
nach dem er sich vergeblich hatte sehnen mussen.
Aber in diesem Fortschreiten von halbbewuBter, wehmUtiger Ahnung zu
tiitigem, heiteren Erreichen liegt eine Gewahr fiir die Grofie seiner Erschei-
nung.
Die Musik in Basel.
Yon den Anftingen im 9. bis zur Mitte des 19. Jahrhonderts.
Von
Karl Nef
(Basel).
Nachstehende knappe Geschichte der Musik in Basel ist das Ergebnis
mehrjahrigen Quellenstudiums. Dabei kam es mir nicht darauf an, das
Material vollstandig zu erschopfen, sondern ich bemiihte mich, mSglichtt
1) In eineiu ungemein ansprechenden Bilde nennt Adler (a. a. 0. S. 18} den
jungen Schumann einen ZOgling Berglingers und Kreislere. Furwahr, Wackenroder
ware kein Abler >Eusebiu8«.
Earl Nef, Die Musik in Basel. 533
iibersichtlich und im Zusammenhang die musikalischen Leistungen Basels
darzustellen. Fur eine erschopfende Geschichte scbeint mir die Zeit noch
nicht gekommen zu sein, eiue solche hatte auch das einen neuen Auf-
schwung bringende 19. Jabrbundert eingebend zu beriicksicbtigen, auf das
ich our nocb andeutungsweise eingegangen bin. Aucb werden nocb ver-
scbiedene Einzelheiten besser aufzuhellen sein. Die Lokalgeschichte wird in
der Scbweiz und in Basel besonders eifrig gepflegt, dabei aber die Musik
meist noch als Aschenbrodel behandelt; ich hoffe, durch die nachstehende
Zusammenstellung die Lokalhistoriker dazu anzuregen, der Tonkunst mehr
Beacbtung zu schenken, die doch immer und iiberall im Geistesleben eine
wicbtige Rolle gespielt hat. Im iibrigen wird man, wenn auch in Basel
eigentlich grofte Leistungen fehlen, doch zugeben, daC aucb in diesem Fall
die ErschlieBung der lokalen auch fur die allgemeine Musikgeschichte Wert
hat. Die Arbeit (zuerst als Vortrag bentttzt) mochte natiirlich auch dem
Laien verstandlich sein, und darum wird der Eingeweihte einige zur Yer-
bindung und Orientierung eingefiigte Mitteilungen von Bekanntem entschul-
digen.
Yon Yorarbeiten sind namentlich zu nennen die beiden Geschichten des
Basler Musikerkollegiums von Dr. A. Wolfflin (Basl. Beitrage YII) und
P. Meyer (Basl. Jahrbuch 1884 und 1890), S. C. G. Riggenbach's »Kirchen-
gesang zu Basel* (Beitrage IY) und J. Richter's Katalog der Musiksamm-
lung auf der Universitatsbibliothek in Basel (Beil. zu den Monatshft. f.
Musikgesch. 1892). Die ubrige Literatur findet man in den Anmerkungen
zum Text. Fiir Uberlassung von Aktenausziigen bin ich Herrn Dr. Th.
Burckhardt-Biedermann zu besonderm Dank verpflichtet, der auch in
seiner » Geschichte des Gymnasiums zu Basel* 1889 das Musikalische mit
gleicher Sorgfalt wie das ubrige behandelt. Einige kleine Entlehnungen
aus einem eignen Aufsatz » Basel in der Musikgeschichte* (Sonntagsblatt d.
Allgem. Schweizer Zeitung, 1902, Nr. 21 u. 22), der auf einen lokalen
Leserkreis beschrankt blieb, wird man mir zugute halten.
In der Basler Musikgeschichte kann man folgende Perioden unter-
scheiden: Mittelalter, Bliitezeit unter dem EinfluB des Humanismus,
Ruckschlag durch die Reformation, Erwachen neuen Lebens durch die
Griindung des Musikkollegiums (1692), 19. Jahrhundert (Griindung der
groBen Gesangvereine usw.).
Fiir das Mittelalter flieBen die Quellen nur diirftig; aus kleinen Stein-
chen nur laBt sich ein Mosaikbild herstellen, das wohl oder iibel liicken-
haft bleibt. Die erste Personlichkeit, die in der Geschichte Basels macht-
voll hervortritt, der Bischof Haito (807 — 823) hat sich schon groBe Ver-
dienste um die Musik erworben. Karl der GroBe, in allem Einheit in
seinem groBen Reiche anstrebend, erzwang sie auch im Kirchengesang,
indem er den lateinischen Choralgesang der romischen Kirche zur allge-
meinen Einfuhrung brachte. Unter den Bischofen, die ihn unterstiitzten,
war Haito einer der eifrigsten. Er verlangte in seinen geistlichen Ver-
ordnungen1), daB die Priester, wie die andern liturgischen Schriften, auch
1) Monumcnia Qermaniae. Legum sectio II, Capitularia 1. 362. Deutsch bei
534 Karl Nef, Die Musik in Basel.
das Gesangbuch, das Antiphonar, kennen miiBten; wenn einer es an
diesen Punkten an sich fehlen lasse, werde er schwerlich den Namen eines
Priesters behalten.
Von friihester Zeit an war also in der Basler Kirche auf eine wiir-
dige Pflege des Gesanges Gewicht gelegt. Diese ist spater, fiir das
13. Jh. verbiirgt durch die Statuten des Domstifts vom Jahre 12891,.
Danach hatte der Dekan die Oberaufsicht iiber den Chor. Der Kantor
muBte dafiir sorgen, daB an alien Sonn- und Festtagen die ihnen ent-
sprechenden Gesange zur Ausfuhrung kamen, und in der Domschule war
die Ausbildung im Gesang eine Hauptsache. Beim Examen, das der
Ordination der Priester vorausging, folgte die vom Kantor abgenommene
Priifung im Gesang als zweites Fach unmittelbar nach der Sittenlehre.
Entsprechend behauptete dieser auch an den Schulen zu St. Leonhard
und zu St. Peter eine wichtige Stellung.
Das Amt des Kantors am Peterstift war in den sechziger Jahren
des 13. Jh. von dem Leutpriester Reinher von Haslach gestiftet und be-
gabt worden2). Die Schule zu St. Peter stand in einem gewissen Ab-
hangigkeitsverhaltnis vom Miinster; in der zweiten Halfte des 13. Jh.
wurde bestimmt, daB taglich einer ihrer Schiiler den Gesang im Miinster
unterstiitzen sollte. An St. Peter wurde das Fest der h. Ursula und
ihrer 1100 Jungfrauen mit besonderem Glanz gefeiert, fiir die Einubung
eines neuen Offiziums zu diesem Fest (pro informatione scolatium ad
novam historiam) erhielt der Kantor infolge einer Stiftung 13 Denar'J.
In Urkunden werden folgende Namen von Sangern erwahnt (Hugo, cantor
1245, Erckenfried von Rixheim, cantor Basiliensis 1251, 1273, 1275,
Magister Konrad, Sanger von Zurich, 1273, Magister Heinrich, cantor
sancti Petri Basiliensis 1278, Dietricus, cantor Basiliensis 1283, Bu-
dolphus, cantor 1305, Ludwig von Thierstein, cantor 1318, 1341
und 1361, Rudolff der Munch, der senger 1366 und 1370, Johans
Miliwh von Landskron, senger 1385, Hartmann, Munch von
Miinchenstein, senger (des Basler Domes) 1408 und 1412, Johannes de
Rheno, cantor 1451, Berchthold von Kiienfels und Ludwig von
Ep tin gen, Ministranten und Sanger bei der feierlichen Messe zur In-
tronisation des Abtes Arnold von Rotberg 1491, Bernhard Molitor,
Kantor zu St. Peter 1491 und 1505*).
R. Thommen » Basler Annalen*. Basl. Beitr. N. F. XV. 256. — Vgl. aoch
P. Wagner, Ursprung und Entwicklung der liturgischen Gesangsformen. Frei-
burg 1901. 241.
1) Abgedruckt im Basler Urkundenbuch III. 329 ff.
2) Basler Urkundenbuch III. 339 u. 363 ff..
3) Basel im 14. Jahrhundert. Fechter, Topographie. 1856. 94.
4; Basl. Urkundenbuch II — V. und Tr ouillat, Monument* de Fhistoxre de fcwc**
evtche de Bale.
Karl Nef, Die Musik in Basel. 535
Im 15. Jh. besoldete die Stadt nach dem Zeugnis des Aneas Silvius
von 1430 einen offentlichen Lehrer fiir die fahrenden Schiller, der die
Anfangsgriinde der Grammatik, Logik und der Musik zu lehren hatte.
Die Pflege des Kirchengesanges bekunden ferner in der Universitats-
bibliothek aufbewahrte Choralwerke des 15. Jh. aus dem Kleinbasler
Kartauser und dem Dominikanerkloster, sowie theoretische Traktate, deren
altester ins 13. Jh. zuriickreicht. Die Ordensregel der in Basel ansassigen
Augustiner , Dominikaner und Franziskaner schrieb bekanntlich iiberhaupt
die Gesangspflege nachdriicklich vor. Ein deutscher Traktat aus dem 15. Jh.
liber die Mensuralmusik laBt auf die Pflege der mehrstimmigen Musik
schlieBen. Verschiedene Ubersetzungen lateinischer Kirchenhymnen zeigen,
daB auch bei uns schon vor der Reformation deutscher Kirchengesang
gepflegt wurde1).
Im 15. Jh. hat Basel einen Musiktheoretiker namens Andrechin
hervorgebracht. Er diente unter verschiedenen Fiirsten; Adam von Fulda,
der seiner Erwahnung tut, bemerkt jedoch, er sei nur unter Ignoranten
fiir einen groBen Musiker gehalten worden*).
Schon gegen Ende des Mittelalters ertonte Orgelspiel in den Kirchen
Basels. Die Orgeln sind aus dem Orient in unsere Gegenden gekommen,
die ersten als Geschenke an Pipin und Karl den GroBen. Zuerst wurden
sie als Hausinstrumente in den Palasten der Fiirsten verwendet, erst im
13. Jh. burgern sie sich in den Kirchen ein. An Pfingsten 1303 erklang
zum erstenmal im Basler Minister eine Orgel, bald gab es sogar ihrer
zwei, eine kleinere im Chor und eine groBere im Schiff3). Der Erbauer
der ersten Orgel war wahrscheinlich der als organorum artifex bezeich-
nete Magister Raspo aus Frankfurt, fiir dessen Seelenheil die Chor-
herren jahrlich eine Jahrzeit feierten. Eine Erneuerung der groBen
Orgel nahm im Jahre 1474 Meister Georg Falw aus Ulm vor. Doch
scheint seine Arbeit bald den Bedurfnissen nicht mehr entsprochen zu
haben; um so groBere Befriedigungen gewahrten die Verbesserungen,
welche 1484 Mathias Kern aus StraBburg anbrachte. Seine Arbeit fand
beim Domkapitel so groBen Beifall, daB ihm dieses zu den 138 Pfund,
mit dem es ihm seine Arbeit bezahlte, als Trinkgeld noch 30 Goldgulden
und seiner Frau und seinen Kindern jedem Teil zwei Goldgulden schenkte.
Bei der Erneuerung durch Falw hatte der Maler des Baues Johann
Baldruff den Auftrag erhalten, die Orgelflugel zu malen. Seine Arbeit
wurde kurz vor der Reformation noch ersetzt durch die bekannten Ge-
1) Vgl. den Katalog von Richter, ferner P. A. Schubiger, Die Pflege des
Kirchenge8ang8 u. der Eirchenmusik in d. deutsch. kathol. Schweiz. Einsiedeln
1873. J. Wolf, Anonymi cujusdam Codex Basiliensis. Vierteysch. f. Mw. IX.
2) Gerbert, Scriptorea III. 347.
3) Fechter, D. Baal. Munster. Neujalirsblatt 1850.
536 Karl Nef, Die Musik in Basel.
malde Hans Holbein's, die heute noch restauriert im Basler Museum auf-
bewahrt werden.
DaB die Orgel im Minister beniitzt wurde, wissen wir aus den Be-
schreibungen des Gottesdienstes beim Konzil durch den Chronisten
Wurstisen. So berichtet er z. B., daB nach der Papstwahl im Jahre 1440
ein tfrohlicher Hymnus gesungen und georgelt* worden sei. Das ist so
zu verstehen, daB Gesang und Orgelspiel miteinander abwechselten, die
Begleitung des Gesanges durch die Orgel ist erst in spaterer Zeit auf-
gekommen.
Wie im Miinster stand auch in der Martinskirche schon in friiher
Zeit eine Orgel. Dort wurde 1451 eine neue Orgel samt Werk um den
Preis von 200 Gulden erbaut *). Ebenso sind im 15. Jh. Orgeln bezeugt
im St. Peterstift und im Predigerkloster.
Gegen Ende des 15. Jh. hat Basel einen hervorragenden Orgelbauer
hervorgebracht in Hans Tugi oder Stucki (er ftthrte beide Namen).
Sohn des Basler Buchsenmeisters2). Eine groBe Anzahl Orgeln in und
auBerhalb Basels wurde von ihm erbaut oder erneuert. 1482 verdingte
das Basler St. Peterstift »dem bescheiden meister Hansen Tugy von Basel,
dem orgelen macher«, seine Orgel zu reformieren, wieder zu machen und
zu stimmen fiir den Preis von 21 Pfund. Gegen Ende des Jh. wurde
ihm vom gleichen Stift fiir 80 rheinische Goldgulden der Neubau einer
Orgel ubertragen], und zwar sollte er sie erstellen »nach einem muster
und werck, so (er) meister Hans Tugy yetz nuwlich zu Menntz gemacht*.
Ebenso iibertrug ihm das Predigerkloster um die Summe von 60 Gulden
den Neubau einer Orgel, da die bisherige »brastung halb« abgetan werden
muBte. Nachdem »das werk genugsamlichen durch ersame fromme heren
geistlich und weltlich, ouch burgere versucht und pfobiert, solichs gerecht
geben und finden«, erhielt Tugy vertragsgemaB auBer dem Honorar ein
Geschenk, muBte aber noch vier Jahre Garantie leisten. Fiir eine Orgel,
die er im Kloster Maria Magdalena zu den Steinen in Basel im Jahre
1510 vollendete, erhielt er 70 Gulden.
Ehrenvolle Auftrage wurden dem Basler Meister nach auswarts zuteil.
1489 muBte er im Dom zu Konstanz die Orgel errichten. Bei dieser
Gelegenheit stellte ihm der Bat von Basel das schone Zeugnis aus, daB
man von Stucki anderes »nit vernommen, denn was werck er gemacht,
menglich davon begniigen gehept habe«. 1517 erhielt er den Auftrag,
die Orgel im Miinster zu Bern zu erneuern. Glanzende Geschafte scheint
Tugy aber trotz der zahlreichen Auftrage nicht gemacht zu haben, denn
1) Fechter, B. im 14. Jh. 12.
2) Dr. Ad. Fluri, Orgel u. Organisten in Bern vor der Reformation. Bern
J905. 90 ff.
Earl Nef, Die Musik in Basel. 537
1520 wurde sein Gut »von anrufens wegen siner schuldvorderer* amtlich
inventarisiert.
Ein »in massen geschickter und hochberiimbter* Organist (daneben
auch Orgelbauer) war Kaspar Reuter aus Basel. Als er 1514 am Berner
Miinster angestellt werden sollte, sorgten die Chorlierren, er werde sich
mit der gewohnlichen Besoldung nicht begniigen lassen, und schafften ihm
eine hohere Einnahme. Er war aber ein Kiinstler leichten Blutes und
muBte wegen seines Schuldenmachens schon am 30. Mai 1515 wieder
entlassen werden.
Werfen wir den Blick auf die weltliche Musik, so ist vorauszuschicken,
daB im Mittelalter der Staat fiir Befriedigung musikalischer Bedurfnisse
sorgte. Wie alle Stadte unterhielt auch Basel eine sogenannte Stadt-
pfeiferei, ein standiges kleines Blasorchester *). Dieses war gehalten, an
alien Feiertagen offentlich aufzuspielen. Gewohnlich geschah das »nach
ImbiBc auf dem Rathaus; zur Sommerszeit jedoch nach dem Nachtmahl
auf der Rheinbriicke. Wir erfahren dies aus dem Eid, den die Pfeifer
und Trompeter im 15. Jh. zu schworen batten. Wohl erst spater kam
die Sitte auf, morgens und abends vom Turm herab geistliche Lieder zu
blasen; erhalten hat sie sich lang, bis ins 18. Jh. hinein.
Zum erstenmal erwahnt werden die Stadtpfeifer 1385. Von Anfang
an durften es ihrer vier gewesen sein. Man unterschied zwischen Pfeifern,
die Holzblasinstrumente, Schalmeien oder Floten bliesen, und Trompetern.
Basler Trompeten aus dem 16. Jh. werden im Historischen Museum auf-
bewahrt, eine kleine Relieffigur am Spalentor ist vielleicht das Portrat
eines Basler Stadtpfeifers2).
Aus dem 16. Jh. sind die Anstellungsurkunden einiger Musiker er-
halten, die nun als Turmblaser bezeichnet werden. Besonders interessant
ist, daB von den Briidern Jakob und Valentin Wick aus Ulm der eine
als »Hochblaser<, der andere als >Zuhalter< bezeichnet wird. Ein leichter
Patron war der Trompeter Hans Streif, der 1545 nach bloB zwanzig-
wochigem Dienst von einem erbetenen Urlaub >unbetrachtett siner eer
und eides nit me widerkommen. «
Im 16. Jh. fuhrten die Fiirstlichkeiten auf ihren Reisen ihre Spielleute
mit sich, unci in ublicher Weise bedachte der Rat diese wie das iibrige
Gefolge mit Geldgaben. Beim Empfang Kaiser Friedrichs am 8. Sep-
tember 1473 wurde den pfiffern mid trunqteteren 10 Gulden, bei dem-
jenigen des romischen Konigs Maximilian am 13. April 1493 denselben
ebensoviel gegeben, sogar bei »Abholung des Bruder Fritschius«, der
bekannten Fastnachtspuppe, die die Basler den Luzernern im Scherz ge-
1) Belege zum nachetfolgenden, Sammel-Bande d. I. M. G. X. 395 ff.
2) Abbildung i. d. Festschrift d. Schweiz. Musikzeitung zur 39. Tonkiinstler-
versammlung in Basel 1903.
s. d. IMG. x. 36
538 Karl Nef> Die MuBik in Basel.
stohlen hatten und die letztern mit groBem Pomp zuriickholten, erhielten
die Spielleute mit dem ubrigen Hofstaat des groBen Narrenzuges ihr Teil.
Diese Mitteilungen, wie diejenigen iiber die Orgeln haben uns bereits
ins 16. Jh. hineingefiihrt, namentlich die emsige Tatigkeit auf dem Gebiet
des Orgelbaues im 15. und 16. Jh. lassen auf einen regeren Musikbetrieb
schlieBen. In der Tat brachte die fiihrende Geistesbewegung, der Hu-
manismus, der Tonkunst einen groBen Aufschwung, an dem auch Basel
Anteil hatte. Die im Jahre 1460 gegriindete Universitat und die auf-
bliihende Buchdruckerkunst machten unsre Stadt zu einem Mittelpunkt
der humanistischen Bewegung. An der Universitat selbst war die Musik
ein Lehrfach, wenn auch nur ein untergeordnetes. Unter den Vorlesungen.
die fiir die Erlangung des Magister- Grades an der Artistenf akultat vor-
geschrieben waren, wird an letzter Stelle angefiihrt *ltem musica, si fe-
gantur* J). Auch aus den Gehaltsansatzen fiir die Prof essoren kann man
entnehmen, daB die Musik als untergeordnet betrachtet wurde. Bei einer
Neuordnung, die allerdings erst in das Jahr 1561, also in die Zeit nach
der Reformation fallt, wurden als Gehalt fiir die Professoren der Artisten-
fakultat 70 oder 60 Gulden angesetzt, fiir den Lehrer der Musik jedoeh
nur 16 Gulden, fiir den des Gesanges nur 6 Gulden. Bei der Ein-
fiihrung von FleiBgeldern (Zulagen) 1589 blieb der Lehrer der Musik
(mit dem des Hebraischen) davon ausgenommen 2). Die Musik erscheint
wie manches andere in der Artistenfakultat als ein Uberbleibsel aus dem
Mittelalter. Dieses bezweckte in seinen hoheren Schulen fast ausschlieB-
lich die Ausbildung von Geistlichen, und fiir diese war neben der Kenntnis
der lateinischen Sprache diejenige des Gesanges das Wichtigste. Man
faBte die dem Quadrivium eingereihte Musik als eine Wissenschaft aaf,
lehrte sie aber doch hauptsachlich auch als Kunstfertigkeit. Ahnlich
wird es an der Universitat gewesen sein, Musikwissenschaft im modernen
Sinne gab es noch nicht.
Das Fach scheint immerhin an der Basler Universitat zu einer ge-
wissen Bliite gelangt zu sein. Dafiir sprechen zwei gedruckte Lehr-
biicher, die, wie auf beiden ausdriicklich gesagt ist, zum Gebrauch an
der Universitat veroffentlicht wurden. Es sind das *Lilium Alasice plane*
des Nurnbergers Michael Keinspeck, das in mehreren Auflagen, zum
erstenmal 1496 erschien, und die > Clarissima plane atque choralis musict
interpretation des Daniel Balthasar Praspergius aus Mersburg von 1507.
Beides sind Kompendien der damaligen Musiktheorie mit besonderer Be-
riicksichtigung der Einfiihrung in den gregorianischen Choralgesang.
Im Jahre 1514 kam der groBte deutsche Musiktheoretiker seiner Zeit
\
1} W. Vi8cher, Gesch. d. Universitat Basel von der Grttndung 1460 bis iur
Keformation 1529. Basel 18G0. 153 ff.
2 K. Thorn men, Gesch. d. Universitat Basel 1532-1632. Basel 1889. 49.
Karl Nef, Die Musik in Basel. 539
Glare an, nach Basel. Wenn er auch nicht an der Universitat lehrte,
so stand er doch mit den Gelehrten und Studenten in engster Verbin-
dung und ubermittelte sein Wissen in privaten Vorlesungen. In Basel
veroffentlichte er seine hervorragenden theoretischen Werke: Isagoge in
musicen 1516 bei Frobenius und das Dodecachordon 1547 bei Henric-
petri, ferner eine Druckausgabe der Schriften »De musica* von Boetius
1546. Seine Hauptleistung ist das Dodecachordon, deren Originalitat in
der Verbindung mittelalterlicher Musiktheorie mit dem Geist und der
Bildung des Humanismus ruht. Glarean irrt zwar, wenn er seine neue
Lehre auf die antike Theorie, wie sie bei Boetius zusammengefaBt ist.
zuriickf iihrt ; aber richtig war sie an sich dennoch. Das Wesentliche ist
die Aufstellung von zwolf Tonarten gegeniiber den acht des Mittelalters,
welche zwolf in der Praxis langst im Gebrauch, theoretisch aber noch
nicht anerkannt waren. Die zwei Haupttonarten, die Glarean dem System
neu einfugte, Cdur und jimoll, waren bekanntlich dazu berufen, dem
modernen Tonsystem die Grundlage zu geben. Als Geschichtsquelle er-
halt das Dodecachordon noch einen besonderen Wert durch die zahl-
reichen Kompositionen verschiedener Meister, die Glarean als Beispiele
aufnahm.
Glarean's Biicher waren nicht die einzigen musikalischen, die in Basel
gedruckt wurden; schon lange vor ihm arbeiteten die regsamen Basler
Offizinen im Dienst der Tonkunst. Zuerst waren es Kirchengesangbiicher,
die hier vervielfaltigt wurden1). Von vielen sind vor allem zu nennen
zwei Missalien: Missale Basiliense Oaspari de Bheno episcopi Basiliensis,
gedruckt 1480 von Bernhard Hied el, und ein Missale jussa Ottonis Con-
stantietisis episcopi editum von Peter Koellicker 1485. Dann folgen
das Graduate Basiliense und eine Agenda parochialium ecclesiarum und
noch ein Graduate, die im Jahre 1488 von Michael Wenszler und
Jacob von Kilchen gedruckt wurden; die Agenda entstand auf Ver-
anlassung des Basler Konzils und wurde von Doktoren der Universitat
ediert. Diese ausgezeichnet schonen und genauen Drucke sind fur die
Geschichte des Notendruckes von Wichtigkeit. Sie sind Beispiele des
Druckes mit beweglichen Typen vor Petrucci, der als Erfinder dieser
Druckart gilt, d. h. diese Drucke zeigen, daB Petrucci nicht kurzweg
als Erfinder bezeichnet werden darf, sondern sein Verdienst besteht darin,
daB er fur die Vervielfaltigung der komplizierten mehrstimmigen Figural-
musik den Druck mit beweglichen Typen anwenden lehrte, der fiir den
einfachen einstimmigen Choralgesang schon in Gebrauch war2).
Wenszler und Kilchen lieBen noch ein Antiphonarium folgen. Eine
1; D. Stockmeyer und B. Reber: Beitrage zur Basler Buchdruckergeschichte.
1840.
2) P. A. Schubiger, a. a. 0. 69.
36*
540 Karl Nef> Die Musik in Basel.
Reihe von Kirchengesangbiichern druckte ferner Jacob von Pf ortzheim:
1409 ein Officiton, 1510 je ein Augsburger Missale und Graduate, im
gleichen Jahre noch ein Brixener, ein Verdener und ein Brandenburgisches
Missale. Adam Petri gab ein deutsches Plenarium heraus, das zwei-
mal, 1514 und 1516, aufgelegt wurde.
Von den verschiedenen theoretischen Werken, die in Basel gedruckt
wurden, das wichtigste ist die *Musica getutschU (yerdeutscht) des Se-
bastian Virdung, Priester von Amberg, die 1511 in Basel erschien.
Dieses alteste bekannte Lehrbuch der Instrumentalmusik verbreitet sich
ttber alle Zweige derselben, es ist reichlich mit illustrierenden Holz-
schnitten versehen und darum heute noch eine auBerst wichtige Geschichts-
quelle %
Weiter sind anzufiihren J. Gerson, De canticorum originali ratione
1489, G. Reischius, De principiis musicae 1508 und De musica 1523,
G. Faber, Musiees practicae erotematum 1552. Als ein typographisch
besonders schones Werk aus etwas spaterer Zeit sei noch genannt die
Nora musiees Organicae Tabulatura des Wiirzburger Organisten Johann
Woltz von 1617. Die eigenartige Notenschrift der sog. deutschen Orgel-
tabulatur ist von dem Drucker Joh. Seb. Genath auBerst scharf und
genau wiedergegeben. Endlich seien genannt: J. G. Gross e, Compen-
dium musiees 1620, U. J. J. Wolleb, Rudimen-ta musiees figuralis 1642.
Aus dieser eifrigen Betatigung der Buchdrucker allein konnte man
schon auf ein reges Interesse der Zeit fur die Musik schlieBen. In der
Tat brachten ihr die Humanisten selbst warme Liebe und Verehrung
entgegen. In keiner andern Periode standen Gelehrte und Musiker in
so regem herzlichen Verkehr miteinander wie zur Zeit des Humanismus.
Luther's bekannte Musikliebe war keine Ausnahme, sondern die RegeL
Zwingli spielte die Laute und erfand die Melodien zu seinen geistlichen
Liedern selbst. In der Briefsammlung des St. Galler Reformators Va-
dian finden sich zahlreiche Musikerbriefe, die von nahen Beziehungen
zwischen Humanisten und Tonkunstlern Zeugnis ablegen. Von den deut-
schen Fiihrern der humanistischen Bewegung waren Reuchlin und Celtis
als Forderer musikalischer Bestrebungen zu nennen. Am glanzendsten
verkorperte das Doppelinteresse der schon genannte Glarean. Die Musik-
liebe erwuchs bei den Humanisten als naturliche Frucht aus ihrem Sta-
dium der Antike. Sie wollten das klassische Altertum nicht nur er-
forschen wie der heutige Philologe, sondern neu beleben, weil ihre Vor-
bilder der Musik hochste Verehrung entgegen brachten, entflammten sie
sie in gleicher Begeisterung. DaB die griechische und die Musik ihrer
Zeit nicht die gleiche war, kummerte sie nicht; auf den Geist kam es
ihnen an und nicht auf den Buchstaben.
1) Faksimile-Neudruck von Eitner, 1882. Publ. d. Gesellsch. f. Musikforscbg.
Earl Nef, Die Musik in Basel. 541
Neben Glarean bietet Basel noch andere Beispiele dieses fruchtbaren
Verhaltnisses. Hauptsachlich ist Bonifacius Amerbach (1495 — 1562) zu
nennen. Das glanzendste Zeugnis seiner Musikliebe ist die in der Uni-
versitatsbibliothek aufbewahrte Sammlung seiner Musikalien. Sie umfaBt
in zahlreichen Manuskripten und Drucken mehrstimmige Gesangwerke
und Kompositionen fiir Orgel oder Klavier. Unter den erstern ist haupt-
sachlich vertreten das deutsche mehrstimmige Lied, das damals in seiner
h&chsten Bliite stand. Darunter findet sich eine groBe Anzahl Lieder
von Ludwig Senfl, dem groBten Genius seiner Zeit, der nach Minervius
in Basel, nach Glarean in Zurich geboren wurde. Die Forschung spricht
heute Zurich die Ehre zu, die Vaterstadt Senfl's zu sein, er muB aber
doch auch Beziehungen zu Basel gehabt haben, sonst hatten ihn nicht
Manner, die ihn kannten, einen Basler genannt. Er selbst bezeichnet
sich immer nur als Schyreizer. Jedenfalls sind seine Lieder mit andern
haufig im Hause Amerbach's erklungen; der alte deutsche Liedgesang
war im wesentlichen Mannergesang, hochstens daB fiir die oberste Stimme
Knaben beigezogen wurden.
Manche Lieder wurden fiir Amerbach besonders komponiert, zum Teil
iiber Gedichte von ihm selbst. Einen Einblick in seinen Verkehr mit
Komponisten bieten die Briefe Sixt Dietrich's an ihn, die eine ruhrende
Verehrung des Musikers fiir den Gelehrten an den Tag legen *).
Dietrich schreibt einmal (1517) >Item ich bit euch auch fraintlich,
machen dt mir auch Carmina* und nach dem er ein solches erhalten: >Bitt
ich euch fraintlich, ir wollent fur gut han an meiner schlechten Compositz.
Ich hab aber fiirwar alien fleyss angelegt und hat ichs guldinn miigen
machen, ich hat es auch thun.« Ein an dermal: »Mein lieber Maister Bo.
als ir mich so fast bitten und so hoch ermanedt, das ich euch das euer
liedlin sol machen, ist mein aller groster freyd gewesen, und nach lesung
©wers brief ist ewer lied mit IIII stimmen in einer stund danach gar kom-
poniert gewesen; also gross ist mein begierd, euch zu dienen, und ir solt
mich nicht bitten, sunder gebietten.c
Kompositionen fiir das Klavier oder die Orgel lieferte Amerbach der
Organist in Freiburg i. U. Hans Kotter. Schon 1513, als Amerbach
achtzehnjahrig war, legte Kotter das erste Orgelbuch fiir ihn an. 1515
schreibt Kotter an den in Freiburg i. B. studierenden Amerbach, er habe
auf sein Bewegen einen Tanz und ein Carmen komponiert, und bittet
ihn, ihm fiir seine Miih und Arbeit Tuch zu einem Paar Hosen zu
schaffen, was er zu seinem Gedachtnis tragen wolle2).
Man unterschied damals noch nicht zwischen Klavier- und Orgelsatz,
1) G. His, Briefe von Sixt Dietrich an Bonifacius Amerbach 1534—1544.
Monatshefte f. Mus,-Gesch. VII. 1875. Vgl. auch, L. Sieber, Ein Brief von Jo-
hann Hussler an Bonifacius Amerbach. M. f. M. G. VIII. 1876.
2} M. f. M. G. VIII. 124.
542 Karl Nef, Die Musik in Basel.
sondern verwendete entsprechende Kompositionen nach Belieben auf den
verschiedenen Tasteninstrumenten. Amerbach diirfte die von Kotter ge-
8ammelten Stiicke hauptsachlich auf Klavieren gespielt haben, deren er
verschiedene besaB. Es haben sich zwei Biicher erhalten, die neben zahl-
reichen Kompositionen von Kotter selbst solche von Isaak, Hofheimer,
Sixt Dietrich, Hans Buchner u. a. enthalten. In der Hauptsache be-
stehen sie aus kolorierten tJbertragungen von Gesangswerken, zum kleinem
Teil aus Tanzen. Das Haupt der damals bliihenden Koloristenschule
war der gefeierte Hoforganist des Kaisers Maximilian Paul Hofheimer
in Wien; dieser in instrumentalen Verzierungen sich ergehenden Schule
gehorte auch Kotter an1). Ebenso der Konstanzer Organist Hans Buch-
ner, dessen Orgel-Fundamentbuch, ein groBes Lehr- und Sammelwerk,
Bonifacius Amerbach noch 1551 abschreiben lieB, also als er bereits im
56. Lebensjahre stand2). Das Interesse fiir die Orgelmusik zieht sich
somit durch sein ganzes Leben, vielleicht hat er bei Erwerbung des Buch-
ner'schen Werkes mit an seinen Sohn Basilius gedacht. Wenigstens war
er besorgt gewesen, diesem friihzeitig guten Musikunterricht zukommen
zu lassen. Schon als Siebenjahriger erhielt Basilius in Christophorus
Piperinus einen Musiklehrer (1542)3). Dieser riihmt sich in einem
Brief4) an den Vater einer besonders praktischen Lehrmethode und be-
tont, daB er die Hauptsache, richtiges Singen, zu allererst seinem Schiiler
beibringen wolle. «
Die groBe Musikliebe des Vaters scheint sich aber doch nicht auf
den Sohn vererbt zu haben. Basilius entwickelte sich zu einem fleiBigen
Gelehrten und hervorragen&en Kunstsammler ; aber von intensiver musi-
kalischer Betatigung verlautet nichts mehr. In seinem ersten Inventar,
das vor 1578, aber nach dem Tode des Vaters 1562 angefertigt wurde, ver-
zeichnet er nur wenige Musikalien und allerdings 10 Musikinstrumente,
namlich 7 pfifen (Floten oder Schalmeien), 1 Harp fen und 2 LutUn
(kleine Lauten)6). Bonifacius hat aber noch bedeutend mehr Musik-
instrumente besessen. Es wird berichtet, daB er sich nach seiner Ver-
heiratung bei einem ausgezeichneten >Dischmacher ein schon clavitzym
mit einem schonen f utter « um 2 Gulden gekauft habe6). Und Felix
Platter, der Arzt, f iihrt in seinem Vermogens-Status auf, D. Amerbachius
habe ihm legiert » spinet, clavichordus , luten clavizimb* die zusammen
1) Vgl. M. Seiffert, Gesch. d. Klaviermusik 1899 (mit biographischen Angaben
fiber die Genannten).
2) K. Paesler, Vierteljsch. f. Musikw. V. 1889.
3) Biogr. des Basilius A. von P. Iselin. Basl. Taschenbuch 1863. 165.
4) Abgedruckt auch Zeitschr. d. J. M. G. VII. 23.
5} Ganz und Major, Die Entstehung des Amerbach'scben Eunstkabinetf.
Bas. 1907.
6; Taschenbuch 1863.
Earl Nef, Die Musik in Basel. 543
auf 50 Pfund geschatzt waren. Bei Platter waren sie in die rechten
Hiinde gekommen, denn dieser war ein leidenschaftlicher Liebhaber von
Musikinstrumenten, wie von der Musik iiberhaupt1).
Wenn man die Selbstbiographie Felix Platter's durchgeht, kann
man sich des Eindrucks nicht erwehren, an ihm sei ein Musiker ver-
loren gegangen. Aber er wurde im Jahre 1536 bereits nach der Re-
formation geboren, und da durch diese bei den Reformierten die Musik
als offizielle Kunst vollstandig ausgeschieden worden war, war eine be-
rufliche Ausiibung derselben, selbst auch nur etwa im Sinne eines
Glarean, fiir einen Basler ausgeschlossen. Aber mit groBtem Eifer hat
sich Platter als Liebhaber der Musik gewidmet.
Als kleiner Knabe schon konstruierte er sich aus Schindeln und
Wascheklammern ein Streichinstrument. Als ein Tischganger seines
Vaters im Mondenschein unter dem Fenster einer Schonen die Laute
schlug, hat er sehnlichst gewiinscht, die Kunst ebenfalls zu lernen, »ver-
meinend, es konne ihm nichts herrlicheres werden«. Wie reich die Haus-
musik in seiner Jugend bestellt war, ersehen wir aus seiner Schilderung
des Treibens im Hause seines Vaters, der eine Druckerei und eine Kost-
geberei hatte. Die Drucker schlugen die Maultrommel und das Hack-
brett, »das damals sehr gebrauchlich war«, verschiedene, darunter des
Felix Prazeptor Schaler, spielten die Laute, und etliche geigten. Als
der achtjahrige Felix gemeinsam mit andern Tischgangern bei Peter
Dorn, dem Lautenisten, Unterricht bekam, war er bald der beste. Spater
wurden Thiebold Schoenauer aus StraBburg und Veit Bulling von
Augsburg seine Lautenlehrer. Felix liebte auch sehr das » Spinet* und
die »Orglen*, weshalb er gleichzeitig mit dem Lautenunterricht bei des
Vaters Tischganger D. Peter Hochstetter auf dem »clavichordi« zu
lernen anfing, solches bei Thomann Schoepfius, damals Schulmeister
zu St. Peter, kontinuierte, zu dem er jeden Sonntag und Donnerstag eine
Stunde sich zu ttben ging. Besonders gern horte er in der Jugendzeit
auch den Gesang der »pergknappen«.
Sein ganzes Leben hindurch bleibt Platter der Tonkunst treu ergeben.
Bei der Reise auf die Universitat nach Montpellier werden unterwegs die
Orgeln probiert, in Villeneuve lindert ihm Gesang und Orgelspiel in der
Kirche das Heimweh. In Montpellier wird er nur »l'AUemandt da luU
genannt. Er muB Schonen Standchen bringen, ihnen Unterricht geben,
bei alien moglichen geselligen Anlassen die Laute schlagen. Zuweilen
wird mit drei Lauten musiziert, wobei Friedrich Ryhiner von Basel einer
der Genossen ist. Der Vater zu Hause freut sich iiber seinen Ruf als
Lauten- und Spinettspieler und empfiehlt ihm, auch das Harfenspiel zu
1; H. Boos, Thomas u. Felix Platter. Leipzig 1878.
544 Karl Nef, Die Musik in Basel.
iiben, da er ein schones Instrument habe und die Harfe in Basel noch
ganz unbekannt sei. Felix lernt denn auch bei einem Englander Coi-
tero noch ziemlich die Harfe schlagen. Der Basler Lautenist Schonauer
schickt Saiten und hat aus Italien schone Lauten mitgebracht, von denen
eine cypressene fiir Felix bestimmt ist. Auf der Heimreise von Mont-
pellier hat er musikalische Genossen, und wegen ihrer Kunst werden die
Durchreisenden vielerorts besonders freundlich aufgenommen. Wieder
zu Hause werden zu allererst die cypressene Laute und die Harfe her-
gerichtet, und trotzdem nun das Doktorexamen, die Heirat und dann
eine groBe arztliche Praxis folgen, wird das Musizieren eifrig fortgesetzt
DaB das Brautessen >auBerhalb der Musik « war, schmerzt ihn, mit Ge-
nugtuung dagegen wird erzahlt, daB bei der Hochzeit M. Lorenz Richart
die Laute schlug >und gigt der Christenlin darzu, denn domolen die
violen nit so im bruch wie ietziger zeitc. Beinahe die ganze Einnahme
aus dem ersten Jahr seiner Praxis, 147 Pfund, verwendet Platter auf
die Anschaffung von 5 Lauten1). Die Klavierinstrumente, die er nach
und nach zusammenbrachte, schatzte er zusammen auf 2G0 Kronen. Er
hinterlieB (gest. 28. Juli 1614) : 4 Spinett, 4 Klavichordi, 1 Clavicymbalum,
1 Regal mit 2 Blasbalgen, 7 Violen de la gamba, 6 Lauten, darunter
1 Theorbe, 10 Flauten, 2 Mandolinen, 1 Lobsa, 1 Zittern, 1 Holzingel-
chen, 1 Tenor, 2 Diskant, 1 Trumschen.
Von Platter's Musiklibung sind uns keine direkten Zeugnisse erhalten,
dagegen besitzen wir noch zwei handschriftliche Lautenbiicher eines an-
dern heimischen Lautenspielers, Ludwig Is el in. Auf diesen scheint sich
die Amerbach'sche Musikliebe vererbt zu haben; er war ein Enkel des
Bonifacius und ein Neffe des Basilius Amerbach. Der spater als Pro-
fessor der Jurisprudenz an der Basler Universitat bekannt gewordene hat
sich in munteren Jugendjahren, als etwa Sechzehnjahriger, die zwei Biicher
zusammengeschrieben2). Das eine vom Jahre 1575 tragt die bezeichnende
Uberschrift » Liber Ludovici Isdin et amieorum*\ es stellt sich als ein
Erzeugnis frohlichen geselligen Musizierens dar. Beide Hefte beginnen
mit einer kurzen Anleitung zum Lautenspiel, daran schlieBen sich in
bunter Folge Ubertragungen geistlicher und weltlicher Lieder und Tanze
(im ganzen 72, 40 und 32).
Es reihen sich beispielsweise folgende Stiicke aneinander: »Kungischer
Tanz mit Nachtantz«, >Ach meitlin farh mit mir UberRein«, >Danket dem
herren«, Helena tautz, >Buz, bis mich nitt, ich will dir ein Kreizerl schenken*.
nebst Proportz, ein Hoftanz usw. Von Volksliedern seien hervorgehoben:
>Ach Joseph, lieber Joseph mein«, >Der Tag der ist so freudenreich«. >Es
taget vor dem Walde*, *Mit Lieb bin ich umfangen*. Die meist vorkom-
1, F. Mi esc her, Die 'medizinische Fakultat in Basel. 1860.
2) Basl. Universitatebibl. F. X. 11 u. F. IX. 23.
Earl Nef, Die Musik in Basel. 545
menden Tanztypen sind Passamezzo, Gralliarde and Saltarello. Auch die in
den Lautenbuchern der Zeit haufig erscbeinende Schlacht fehlt nicht, es ist
»Die Schlacht vor Pavia«.
Iselin hat ohne viel Federlesens in die Biicher geschrieben, was ihm
und seinen Freunden gefiel, manches vielleicht selbst arrangiert, anderes
aus andern Lautenbiichem abgeschrieben. Der Kunstwert der Kompo-
sitionen ist nicht allzugroB, aber kulturgeschichtlich sind sie interessant,
da sie zeigen, woran die Jugend in der zweiten Halfte des 16. Jh. sich
ergotzte.
Von weitern Musikfreunden des 16. Jh. ist noch zu erwahnen Oswald
Holzach, von dem eine kleine Orgelschule von 1515 erhalten ist1), die
er sich wahrscheinlich zum eignen Studium angefertigt hat. Ein Oswald
Holzach war 1490 Mitglied des Kleinen Rats2), und ein Mann gleichen
Namens wollte 1524 ein freies Fahnlein nach Mailand fiihren, kehrte
aber nach 8 Tagen wieder um, wie der Chronist Fridolin Ryff berichtet3).
Vielleicht ist der Magistrat, Kriegsmann und Organist ein und dieselbe
Person. Auf Musikalien4) werden noch folgende Nanien teils der Be-
sitzer, teils der Geschenkgeber genannt: Joh. Raps, Organist, Jacobus
Salandronius, ludi magister scolae divi TJieodori, Mathis Brotbeck
in der kleinen Stadt, Ambrosius Ketenacker, alle aus der ersten Halfte
des 16. Jh. Der Pfarrer Jacob Ryter verfaBte Threnodien auf den Tod
des Bonifacius und des Basilius Amerbach, die mehrstimmig komponiert
sind. Von dem Philologen Simon Grynaus schreibt der schon genannte
Sixt Dietrich, daB er Dietrich's acht Magnificat drucken lassen wolle, da
er seinen Gesang lieb habe, »viel lieber als er wert ist«, fiigt der allzeit
bescheidene Dietrich bei.
Aus dieser Fiille kleiner Einzelziige erkennt man ein angeregtes
privates Musikwesen. Auch in der Offentlichkeit tritt damals die Ton-
kunst in eigenartiger Weise hervor, namlich in Begleitung des Schau-
spiels. Es hat sich 'ein 1533 begonnenes handschriftliches Musikbuch
eines Christophorus Alutarius (Gerber) aus Neuenburg erhalten5), das
Chorgesange von in Basel aufgef iihrten Dramen enthalt. Zunachst drei-
stimmige, in der kunstreichen kontrapunktischen Art der Zeit gesetzte
Kompositionen der vier Chore aus Reuchlin's *Scena jwogymnasmata* .
Sie diirften besonders fiir eine Basler Auffiihrung komponiert worden
sein, wenigstens sind sie nicht identisch mit andern bekannt gewordenen.
Nur im Tenor liegen ihnen die einstimmigen Weisen von Daniel Mergel
1) F. VI. 26.
2) M. Lutz, Basl. Bdrgerbuch 1819.
3) Basler Chroniken I. 1872.
4) Vgl. Richter'8 Katalog. — Vgl. zu diesem ganzen Abschnitt auch
A. Thurlinge, D. schweiz. Tonmeister im Zeitalter der Reformation. Bern 1903.
5) F. V. 36.
546 Karl Nef, ^ie Musik in Basel.
zugrunde, die der ersten Ausgabe der Pro&ymnastnata von 1498 bei-
gedruckt sind *). Diese haben auch andern Kompositionen als Grundlage
gedient, die baslerischen sind die kunstvollst ausgefiihrten. Reuchlin's
Progymnasmata bildeten den Ausgang fiir das humanistische lateinische
Schuldrama, das, wie wir aus den Schilderungen Felix Platter's wissen,
auch in Basel eifrig gepflegt wurde.
Alutarius gibt in seinein Musikbuch ferner vierstimmige Kompositionen
zweier Chore aus dem deutschen Drama »DanieU von Sixt Birk, einem
Volksschauspiel, das am 9. Mai 1535 tdurch eine junge Burgerschaft zu
Basel < aufgefiihrt wurde. Besonders interessant ist das Stuck, das
Chorus Asclepiadeum Oliconium uberschrieben ist. Der Text ist im
VersmaB der dritten asklepiadeischen Strophe gehalten und die Musik
notengetreu diejenige, die Tritonius in seinen Kompositionen der Ho-
razischen Oden zu diesem Metrum gesetzt hat2). Den Humanisten gait
es als ausgemacht, daB die Horazischen Oden gesungen worden seien.
Da sie aber die Musik dazu nicht hatten, gab Conrad Celtis dem Mu-
siker Tritonius die Anregung, sie mit Beibehaltung des Metrums zu kom-
ponieren. Die metrische Schwierigkeit wurde einfach in der Weise uber-
wunden. daB jede Lange zwei Zahlzeiten, jede Kiirze eine Zahlzeit be-
kam. Die Melodie wurde nach dem Gebrauch der Zeit in den Tenor
gelegt, die iibrigen Stimmen schritten mit ihr im gleichen Bhythmus fort,
welche einfache homophone Art in jener Zeit etwas AuBergewohnliches
war. Die Tenore von Tritonius wurden spater von den groBen Meistern
Senfl und Hofhaimer von neuem vierstimmig gesetzt, eleganter, fliissiger
in der Harmonie, aber in der gleichen einfachen Homophonie. Diese
Art, die Horazischen Oden zu singen, fand bald allgemeine Aufnahme
und Verbreitung; das Beispiel aus dem Schauspiel von Sixt Birk zeigt,
daB die Art auch auf deutsche Gedichte in antiken Metren iibertragen
wurde, was bis jetzt erst durch ein einziges Beispiel belegt war.
Der zweite von Alutarius mitgeteilte Chor aus dem Daniel ist ein Chor
der Baalspriester. >Glych eim Magnificat quarti toni*, ist er uberschrieben,
was offenbar eine beabsichtigte starke Anspielung des reformierten Dichters
auf den katholischen Gottesdienst war, d. h. die heidnischen Priester singen
wie die katholischen. Musikalisch ist der Chor interessant, weil er drama-
tisch in die Handlung mit eingreift, wahrend sonst die Chore meist nur an
den Aktschlussen vorkommen. Fast wie in Mendelssohn's Elias-Oratorium
rufen die Baalspriester ihren Gott singend an. In dem Drama sind noch
1) Ygl. R. v. Liliencron, Die Chorgesange des lateinisch- deutschen Schul-
dramas. Vierteljsch. f. Musikwiss. VI. 1890.
2) R. Liliencron, Die Horazischen Metren in deutschen Kompositionen des
16. Jhrs. Vierteljsch. f. Musikw. 111. 1887. Die Kompositionen des Tritoniui.
S. 59.
Karl Nef, Die Musik in Basel. 547
mehr Chore vorgeschrieben, deren Musik aber unsre Quelle nicht mehr
mitteilt.
In Basel wurden eine ganze Reihe von Volksschauspielen aufgefuhrt
und alle waren mit Choren verschiedener Art, wohl immer auch mit
Instrumentalmusik ausgestattet1). Der im Jahre 1532 gegebenen •Su-
sanna* von Sixt Birk2) ist ein vierstimmiger Chor vorausgeschickt, die
tfiinferlei Betrachtnisse* von Johannes Kolrosz (1532) 3) enthalten
>tiitsche Saphica* im vierfachen Wechselchor, inBullinger's iLitcretia*
(1533) treten die Sanger »der Pensioners (so wurden die Offiziere in
fremden Kriegsdiensten genannt) auf, die >viel neigens und hofierens«
konnen sollen, in Valentin Bolz' >Pauli Bekelmmg* 1546 diirften geist-
liche Lieder enthalten gewesen sein, wie solche sich finden in desgleichen
» Weltspiegel* (1550) 4). Dies letztgenannte Stuck und der *Saul* von
Mathias Holzwart (1571) waren besonders groBe Aktionen, deren Auf-
fiihrung sogar zwei Tage in Anspruch nahm. Ln »£awZ« kommen wiederum
antike Metren in dramatischem Wechselchor vor. Nachdem Goliath er-
schlagen, treten sechs Weiber von Sacho mit Gesang und Saitenspielen
auf, nachher von der andern Seite sechs Weiber von Asteka ebenfalls
mit ihren Saitenspielen, schlieBlich vereinigen sic sich zum Gesamtchor.
Sie sollen singen in der Melodie *Jam satis terris*. Es treten ferner
auf Trompeter, Tubalblaser und Trommelschlager.
In den Zwischenakten wird Musica verlangt. DaB diese bei den
Volksschauspielen sehr reichhaltig zu sein pflegte und nicht nur in den
Pausen ertonte, sondern auch dem Gang der Handlung sich eng an-
schloB, wissen wir aus den Regiebuchern (Rodeln) zu den Luzerner Oster-
spielen5). Fur traurige Szenen wurden dort die elegischen Schalmeien
verwendet, fiir festliche und kriegerische Trompeten, fiir feierliche Po-
saunen, in ganz ernsten Situationen ertonte eine Orgel, deren man da-
mals tragbare hatte. Den Hofstaat von Konigen begleiten ganze Or-
Chester usw. Wir diirfen mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daB bei
den Basler Auffiihrungen, zum mindesten bei den groBern, von denen
einige zwei Tage in Anspruch nahmen, ein ahnlich reicher Musikapparat
mit eingriff.
Dieser rege Musikbetrieb reicht mehrere Jahrzehnte in die reformierte
Zeit hinein. Durch das Festsetzen und sich Einleben des reformierten
Glaubens wurde ilim aber der Boden entzogen; die Einfuhrung der
1) L. August Burckhardt, Geschichte d. dramat. Eunst z. Basel. Bael. Beitr. I.
2) Neuausg. von J. Bolte. Berlin 1893.
3) Neuausg. von Th. Odinga. Zarich 1890.
4) Neuausg. von A. Gessler. Zarich 1891.
6) Brandstetter, Geschichtsfreund. Bd. 40. Einsiedeln 1885. — Vgl. auch
Nag el, D. Musik in den schweiz. Dramen des 16. Jhrs. Monatsh. f. Musikgesch.
XXII, 67 ff.
548 Karl Nef, Die Musik in Basel.
Reformation in der Schweiz hat die verheiBungsvollen musikalischen
Keiine fast ganz ertotet. Fiir Jahrhunderte wurde durch das neue Be-
kenntnis die Entwicklung der Musik unterbunden. Zwingli lieB in der
Kirche nur noch das gesprochene Wort gelten und verbannte alle Musik;
Oekolampad in Basel fuhrte wenigstens den einstimmigen, zunachst un-
begleiteten Psalmengesang ein. So wertvoll der Gemeindegesang an sich
sein mag, so bot er musikalisch doch keinen Ersatz fiir das, was die alte
Kirche besessen. Der vorherrschend niichterne und verstandesmafiige
Sinn des schweizerischen Volkes scheint es seinen Reformatoren zur Not-
wendigkeit gemacht zu haben, alle Kunst aus dem Gottesdienst auszu-
schlieBen; die haufig gegebene Erklarung ihres Vorgehens dadurch, daB
der Kirchengesang damals iiberhaupt ganz verderbt und unbrauchbar ge-
wesen sei, ist nicht zureichend, auch fiir Basel nicht. Unmittelbar vor
der Reformation wirkte hier der tiefangelegte Bischof von Uttenheim,
dessen ernsthafte Bestrebungen, die Kirche von innen heraus zu refor-
mieren, nur zu spat kamen. In seinen Synodalstatuten von 1503 !) findet
sich die Bestimmung: »In den Messen soil das niciinische Symbolum un-
verkiirzt bis ans Ende gesungen werden und mit ganzlicher Auslassung
jener Melodie, welche nach baurischer und weltlicher Singweise vorge-
tragen wird und deren sich die Bankelsanger bedienen, die nach dem
h. Jakobus von Kompostella wallfahrten. « Ein kurz vor der Reformation
geschriebenes Ceremoniale fiir das Basler Miinster2) zeigt eine reiche
musikalische Ausstattung des Gottesdienstes, eine sinngemaBe ortliche
Ausiibung und Ausschmuckung des erhabenen Kunstwerks der romischen
Liturgie.
Der Sturm der Reformation lief in Basel verhaltnismaBig glimpflich
ab, wahrend in alien andern Schweizerstadten die Orgeln zerstort wurden,
blieben sie hier erhalten. So konnte es dem heimlich lutherisch ge-
sinnten Antistes Simon Sulzer im Jahre 1561 gelingen, das Orgelspiel
im Miinster wieder einzufiihren. Er hatte damals um so bessere Ge-
legenheit dazu, als, wie der Chronist Wurstisen sich ausdriickt3): >Gre-
gorius Meyer, ein geurlaubter Organist von Solothurn, doch von Sackiu-
gen biirtig, ein gar biiptischer Mann, eben damals hie wohnet, welcher
mit den burgern hinder dem Wein gut Mann war und gern etwas Dienst's
bekommen hatte. « »Dergestalt ist diese unerbauliche Bapstleier in ein
wohlreformierte Kirchen eingeschlichen*, schlieBt der streng reformiert
gesinnte Wurstisen seine Mitteilung.
Gregor Meier war nicht nur Organist, sondern auch ein tiichtiger Kom-
1) Mitg. von J. J. Herzog, Basl. Beitrage I.
2) Alb. Burkhardt, Basl. Jahrbuch. 1887.
3; In einer Beschreibung des Basler Munsters, hrsg. von R. MTackernagel,
Basl. Beitrage XII. 1888.
Karl Nef, Die Mueik in Base]. 549
ponist; er hatte Glarean einige Kompositionen in den ungewohnlicheren
Tonarten als Beispiele ins Dodechacfiordon liefern miissen. Er starb im
November 1576; an seine Stelle trat Samuel Mareschall aus Tournai in
Flandern. Dieser wurde zugleich, unter dem Rektorat Felix Platter's, als
^Professor Musices* an der Universitat angestellt (mit 84 Pfund jahrlichem
Gehalt, dazu spater noch Korn). Man darf wohl annehmen, daB der
musikverstiindige Platter bei der Berufung dieses tiichtigen Musikers mit-
gewirkt hat. Mareschall ist im Mai 1554 geboren; als 86jahriger Greis
war er noch kiinstlerisch tatig, wie handschriftliche Orgelkompositionen
von 1640 beweisen. Im nachsten oder im nachstfolgenden Jahre muB er
gestorben sein. Neben seinen musikalischen Titeln legte er sich auch
den eines Xotarius publicus bei1).
Mareschall hat vier Biicher handschriftlicher Orgelkompositionen hinter-
lassen. Es sind teils freie Satze, teils Bearbeitungen von Psalmweisen
und Liedmotiven. Der Komponist erweist sich darin als ein tiichtiger,
spater Vertreter der vorhin schon genannten Koloristenschule, doch haben
diese Orgelstiicke vorwiegend nur noch historischen Wert. Einen mehr
auf das Neue gerichteten Sinn zeigt Mareschall in seinem vierstimmigen
Psalter, der 1606 in Basel erschien. Entgegen dem bis dahin zumeist
herrschenden Brauch, die Melodie dem Tenor zu iibergeben, verlegt er
sie in den Sopran, dies sovvohl in den Goudimel-Lobwasser'schen Psalmen,
als den deutsch-lutherischen Kirchenliedern, die in einem besondern
zweiten Teil zusammengefaBt sind. Da er als Organist den einstimmigen
Gesang der Gemeinde zu begleiten hatte, muBte ihm eine solche Be-
arbeitung nahe liegen; er sagt selbst in der Vorrede, er habe »das Choral
durchaus herauff in Diskant gesetzt und die Komposition also danach
gerichtet, daB nicht allein, was man singet, von jedermenglichen also bald
vernommen wird, sondern auch eine jede Manns oder Weibsperson, jung
oder alt, hoch oder niedrig . . . das Choral kann mitsingen*. Sein zeit-
gemaBes Vorgehen fand die Zustimmung der Mitlebenden, und in der
Geschichte des Kirchengesangs werden die vierstimmigen, kraftvollen Satze
Mareschall's allgemein als tiichtige Leistung anerkannt und geschatzt2).
Soeben erst wieder aufgefunden wurde die 1589 bei Seb. Henric-
petri in Basel erschienene »Parta musices* uberschriebene >Einfiihrung
zu der edlen Kunst Musica, mit einem kurzen Bericht und Anleitung zu
der Violen3)*. Aktuell war in diesem fur die Schule bestimmten Ele-
1) Vgl. M. Seiffert, Gesch. d. Klaviermusik. — Walther, Mus. Lexikon.
1735. Fetis, Biographie des Musicicns. — Th. Burckhardt-Biedermann, Ge-
schichte des Gymnasiums zu Basel 1889. Riggenbach, D. Kirchengesang zu Basel,
Basl. Beitrage 1870. Staatsarchiv, Kirchenakten I. 3.
2) Winterfeld, D. evang. Kirchengesang I.
3) Dem Rektor der Basler Universitat Sam. Grynaeus gewidmet. Exemplar in
d. Basl. Universitat8bibl.
550 Karl Nef» Die Musik in Basel.
mentarlehrbuche die freilich nur ganz knapp gehaltene Anleitung zum
Violenspiel, das, wie auch Platter mehrfach hervorhebt, damals immer
mehr in Aufnahme kam und die friiher vorherrscbende Laute bald ganz
verdrangte.
Ebenfalls instruktive Zwecke verfolgte eine andere Publikation Mare-
schalTs, die zum Gebrauch in der achten und neunten Klasse des Gym-
nasiums komponierten *Melodiae suaves et concinnae Psalmorum aliquot
atqiie Hymnorum spiritualium* von 1622. In einem Anbang enthalt
das Biichlein noch die Anfangsgriinde der Musiktbeorie in lateinischer
Spracbe. Die Psalmen und Lieder, zwolf an der Zahl, sind vierstimmig
gesetzt, aber in der Frauenchorlage. Der Komponist hat also auf den
Stimmumfang der jugendlichen Sanger Riicksicht genommen. Es diirfte
sich wohl lohnen, den einen oder andern dieser einfachen klangvollen
Satze gelegentUch wieder zu beleben.
Marescball war nicht nur Professor der Musik an der Universitat, son-
dern auch Gesanglehrer am Gymnasium, und in letzterer Eigenschaft schuf
er natiirlich das letztgenannte Werk. Wenn in der Kirche die Musik zu-
rucktrat, so wollte man sie doch nicht aus der Schule verbannen. Schon
Oekolampad hat in seinem Judicium sdholae (wahrsch. 1529), das auf Uni-
versitat und Lateinschule sich bezieht, als letztes Fach fur die vierte
Fakultat Musik verlangt. In der von 1578 bis 1589 bestehenden Latein-
schule des Vincentus Prallus war wenigstens eine Stunde in der Woche
dem Psalmensingen gewidmet. Im 1589 gegriindeten Gymnasium wurden
taglich zu Anfang und zum SchluB der Schule Psalmen und Hymnen ge-
sungen. Wie Luther es tat, schatzte man den Gesang wohl auch nebenbei
als TJbungsmittel im Latein. Es wurden besondere Gesang- und Musik-
stunden mit praktischen Ubungen und theoretischer Lehre eingerichtet,
an den meisten Klassen wochentlich zwei; der erste Lehrer war eben
Marescball. Am Eifer fur den Gesangunterricht lieB man es auch in
der Zukunft zumeist nicht fehlen, aber immer und immer wieder bis ins
19. Jh. hinein wiederholen sich die Klagen iiber seinen ganz mangel-
haften Erfolg1). Der tiefere Grund fiir diese Fruchtlosigkeit wird darin
zu suchen sein, daB die Musik im offentlichen Leben gar keine Stellung
hatte, daB es Anregungen, begeisternde Vorbilder fiir die Schuler gar
nicht gab, die sie zum Eifer spornen und die Musikliebe in die jungen
Herzen hatten pflanzen konnen. Vor allem der Mangel wirklicher Kirchen-
musik ist fiir die noch ganz kirchlich gesinnte Zeit ausschlaggebend. Man
versuchte zwar verschiedentlich wenigstens die Festgottesdienste durch
Musik etwas auszuschmucken, aber diese Versuche erscheinen doch nur
als ganz diirftig, wenn man damit vergleicht, was in lutherischen oder
katholischen Stadten geleistet wurde. Auch hatte man, wenigstens im
1) Th. Burckhardt- Biedermann, Gesch. d. Gymnasiums.
Earl Nef, Die Musik in Basel. 551
17. Jh. noch, erne iibertriebene Angst davor, die Musik konnte in katho-
lischer Weise zu iippig werden, so daB etwas Rechtes so wie so nicht
entstehen konnte. So erfahren wir aus einer Konventsverhandlung vom
2. August 1672 '), daB der Organist am Minister bei der Hochzeit des
Stadtschreibers sich in einer Weise produziert habe, die mehr kiinstlich
als erbaulich schien. Deshalb wurde er ernstlich ermahnt, sich der-
gleichen Argernisse nicht mehr zu gestatten, sondern einen Gesang zu
pflegen, zu dem das Volk Amen sagen konne. Man empfahl ihm dazu
die vierstimmigen Psalmen mit bescheidener Orgelbegleitung. Wo die
Kunst aus religiosen Griinden so eng beschriinkt wurde, konnte sie un-
moglich gedeihen.
Wenn Basel also vor andern Schweizerstadten zwar den Vorzug hatte,
Orgeln zu besitzen, so ist dieser doch nicht allzu hoch einzuschatzen.
Ein Wort uber die damaligen Basler Orgeln mag hier eingeschaltet werden.
Mareschall fand die Miinsterorgel bei seinem Antritt »presthaft und sehr
iibel gestimmtc ; er lieB das Werk zerlegen, verbessern und stimmen, was
500 oder 600 Gulden gekostet habe2). Die Orgel wurde wiederum er-
neuert 1639, ferner 1711 von Andreas Silbermann aus StraBburg.
1757 fiihrte der Basler Instrumentenmacher Jakob Brosy eine Re-
novation durch. Das Werk hatte nun 26 Register, 2 Tremblants,
1431 Pfeifen. (Die Miinsterorgel kam 1857 in die Martinskirche, wo
wenigstens noch das Gehause erhalten ist.)
1642 wurde zu St. Leonhard eine Orgel erstellt; es ist das wahr-
scheinlich das schone billardformige Positiv, das jetzt im Basler histo-
rischen Museum steht3).
Eine neue Orgel erhielt 1692 die Peterskirche; sie scheint aber nicht
lange gedient zu haben, 1712 erstellte hier der hervorragende Orgelbauer
Andreas Silb er m ann aus StraBburg, der im Jahr zuvor schon die Miinster-
orgel repariert hatte, ein neues Werk.
Der Gesang wurde in den Kirchen von Vorsangern gefiihrt und seit
dem 17. Jh. auch durch Zinken- und Posaunenbliiser untersiitzt. Diese
wurden von der Stadt besoldet und bilden gewissermaBen ein Uber-
bleibsel der alten Stadtpfeiferei. Vier von ihnen waren auch Turm-
blaser und noch 1748 wurde diesen vom Dreiramt befohlen, ihr Amt
bess^r zu tun und gewohntermaBen des Morgens und des Abends geist-
liche Lieder zu blasen. Wie schon angedeutet, hat sich also diese schone
Sitte bis ins 18. Jh. hinein erhalten.
1) Riggenbach a. a. 0. 420.
2) Wtirstisen, a. a. 0. — Zum folgenden vgl. Riggenbach a. a. 0.; Be-
schreibung der Mflnsterkirche 1787; P. Ochs, Geschichte der Stadt Basel V11I.
S. 24.
3] Katalog der Musikinstrumente Nr. 95; wit Abbildung.
552 Karl Nef, Die Musik in Basel.
Im Jahre 1618 nahm man einen besondern Anlauf, die »Sing- und
Tonkunst* zu verbessern1). Der Gesangunterricht am Gymnasium wird
neu geregelt, das Kompendium yon Mareschall, wahrscheinlich das oben
genannte 1622 erschienene Biichlein, soil >im Druck verfertiges werden*.
In diesem Jahre diirften die Blaser zum erstenmal zur Mitwirkung beim
Kirchengesang herangezogen worden sein; sie muBten sogar bei den Ge-
sangstunden im Gymnasium mit exerzieren. (Sie erhielten wochentlich
9 Batzen und frohnfastenlich 1 Vzl. Korn). »Personen so Lust zur Music*
wurden der Ehre teilhaftig, in der Kirche »wo die Praeceptores sitzen*
einen besonderen Stuhl angewiesen zu erhalten, was ebenfalls auf Ver>
besserung des Kirchengesangs abzielte.
Diese Verbesserungsversuche diirften zusammenhangen mit einer allge-
meinen, damals die reformierte Schweiz durchziehenden Bewegung.
1613 war in Zurich, 1620 in St. Gallen, 1629 in Winterthur ein CWfe-
gium mitsicum gegriindet worden. Diese Kollegien bildeten in alien
Stadten, wo sie entstanden, einen wichtigen Mittelpunkt des gesamten
Musiktreibens. Dafi Basel erst 1692 mit der Grundung eines Musik-
kollegiums nachfolgte, diirfte seinen innern und seinen iiuBern Grund
haben. Unsre Stadt wurde vom 30jahrigen Kriege viel mehr in Mit-
leidenschaft gezogen, als die iibrigen Schweizerstadte, natiirlicherweise
miissen die musikahschen Bestrebungen darunter gelitten haben. Zweitens
fehlte es hier in Basel an der Triebkraft, die vor allem den ostschweize-
rischen Kollegien zum Leben verhalf. Dort war der Kirchengesang lange
Zeit ganz verstummt und die Orgeln zerstort worden; als dann zu An-
fang des 17. Jli. die schonen vierstimmigen Goudimerschen Psalmen, zu-
nachst ohne jegliche Begleitung, eingefiihrt wurden, da fiel den Musik-
kollegien die wichtige Aufgabe zu, sie einzubiirgern, was ihnen im Lauf
der Zeiten auch gelang. In Basel hatte man seit langem die Orgel; die
Gemeinde sang bis ins 19. Jh. einstimmig. Deshalb waren hier beson-
dere Anstrengungen, war ein geschulter vierstimmiger Chor nicht so un-
bedingt notwendig; — weil das zwingende Bediirfnis fehlte, diirfte sich
die Grundung des Musikkollegiums verzogert haben.
Im Jahre 1692 nach der blutigen Unterdriickung der demokratischen
Bewegung des »Einundneunziger Wesens«, wurde auch in Basel ein
Musikkollegium errichtet, das den Keim zur modernen Entwicklung abgab
und heute noch in der Allgemeinen Musikgesellschaft weiter lebt2). Wie
alle diese Vereinigungen pflegte es Vokal- und Instrumentalmusik neben-
einander und hatte den Doppelzweck gemeinsamen Musizierens haupt-
siichlich zu eigner Lust und Freude und der Verschonerung des Gottes-
dienstes. In der Kirche muBten die Alumnen der Universitat und Gym-
1 Bruckner, Fortsetzung der Chronik von Wurstisen.
2} Vgl. z. Folg. Wdlfflin u. Meyer a. a. 0.
Karl Kef, Die Musik in Basel. 553
nasiasten mitwirken. Der allgemeine Aufschwung der Musik in dieser
Zeit hangt mit dem Einundneunziger Wesen zusammen. Es war ge-
wiin8cht word en >die Cantores und Organisten besser zu betrachten, doch
daB sie die liebe Jugend in der Musik instruieren, damit also in unsrer so
schonen Stadt dies so schonste anstandige Stiick des Gottesdienstes mehr
betrachtetwerde*. Die Universitat, die dieKantoren- und Organistenstellen
zu besetzen hatte, antwortete auf diesen Wunsch, wenn man die Salaria
besserte, wiirden sich auch bessere Subjekta hervortun. 1692 wurde Jakob
Pfaff als Lehreram Gymnasium und Vorsinger an St. Peter angestellt,
der nicht nur Griechisch und Lateiniscb unterrichten konnte, sondern auch
>ein guter Musiker* war. Es scheint, daB unter Leitung von diesem noch
ein zweites besonderes Musikkollegium der Alumnen und Gymnasiasten ge-
grundet wurde mit betrachtlicher Gelduntersttitzung durch die Regenz. Dieses
muBte sich in der Kirche mit dem biirgerlichen Kollegium, das von dem
Organisten Dietrich Schwab geleitet wurde, vereinigen. Bald wollten
aber die Alumnen nicht mehr mittun, weil ein anfanglich von der Re-
gierung gespendeter Trunk ausblieb, und die ganze Sache zerfiel wieder.
Im Jahre 1708 wurde das biirgerliche Musikkollegium wieder erneuert
und behielt nun, wenn auch mit mannigfachen Wechselfallen, dauernden
Bestand. 1722 wurden >solenne Kirchenmusiken* eingerichtet, die nicht
nur im Miinster, sondern abwechselnd auch in andern Kirchen abgehalten
wurden. Was dabei aufgefiihrt wurde, ist nicht bekannt; Vermutungen
erlaubt ein Gutachten des 1730 an Stelle des verstorbenen Dietrich
Schwab neu angestellten Direktors Emanuel Pfaff, das den Wunsch
nach Anschaffung von Motetten von Campra, Telemann, Bernier und
Morin ausspricht1).
Zu hoherer Bliite entwickelt sich das Musikkollegium zum erstenmal
in den fiinfziger Jahren. Die Musikabende nehmen den Namen » Con-
cert « an, die Zuhorer miissen sich (seit 1752) mit einem Jahresbeitrag
als >honoraires< abonnieren. Damit ist der Anfang gemacht zu den
heute noch bestehenden Abonnementskonzerten. Mit diesem Ubergang
zum modernen Konzertwesen schlieBt sich Basel einer allgemeinen Be-
wegung an. Die 1725 in Paris gegriindeten > Concerts spirituels* waren
das erste unabhangige Konzertunternehmen moderner Art. Ihm folgten
1749 in Berlin die »Musikubende Gesellschaft«, 1763 in Leipzig die
wochentlichen Abonnementskonzerte unter Hiller und manche andere.
Und wie in Basel haben auch andernorts bereits bestehende Gesellschaften
um die Mitte des Jahrhunderts in Konzertinstitute sich umgewandelt, so,
um das nachstliegende Beispiel anzufuhren, das Musikkollegium auf dem
Musiksaal in Ziirich.
1) Staatsarch., Deputaten-Akten.
s. d. mo. x. 37
554 Karl Nef' Die Masik in Basel.
Der innere Grand fur diese Entwicklung war das machtige Aufbluhen
der Instrumentalmusik. In der ersten Halfte des Jahrhunderts war es
namentlich das Instrumentalkonzert, das mit seinem reichen Wechsel von
Soli und Tutti und seiner hoher entwickelten Technik das Entziicken
der Musikfreunde bildete. Spater wurde es abgelost durch die von der
italienischen Oper in den Konzertsaal iibertragene Sinfonie, die massen-
haft, von jedem Komponisten dutzendweise, produziert wurde und die,
leicbter ausfiihrbar als das Konzert, den immer nocb stark mit Dilettan-
ten durchsetzten Gesellschaften besonders erwiinscht sein muBte. Ein
Konzertbericht aus Basel selbst belehrt uns, daB die Konzerte den Di-
lettanten in der Tat schwer wurden. Ein freilich sarkastisch ange-
hauchter Berichterstatter vergleicht das Violinspiel eines schon geputzten
jungen Herrchens mit dem Batzen und Scbreien einer Maus und meint,
er habe manchmal so rein gemacht, daB es ihm in den Ohren wehe tat;
begeistert dagegen ist der gleiche Berichterstatter von dem Konzertspiel
eines fachmannischen Violinisten. Mit diesem diirfte Johann Christoph
Kachel gemeint sein, der unter der Direktion von Pfaff engagiert wurde
und als Solist und Lehrer, spater auch als Dirigent hochgeschatzt war.
Dieser Stammvater des baslerischen Violinspiels starb 1793 !).
1752 besoldete das Kollegium bereits 18 Musiker (einschlieBlich den
Direktor), ungefahr gleichviel Dilettanten diirften mitgewirkt haben. Die
Blechinstrumente (Trompete und Horn) wurden meist durch von der
Huninger Garnison requirierte Militarmusiker besetzt. Im Verlauf des
18. Jh. waren durchschnittlich wenigstens 10 — 12 Fachmusiker im Or-
chester.
Neben der Instrumentalmusik wollte man iiberall soviel wie moglich
von dem damals im hochsten Glanz stehenden italienischen Operngesang
genieBen. Die deutschen Fiirsten hielten sich ganze italienische Opera,
die Burger engagierten in ihren Konzertgesellschaften wenigstens dauernd
einen Sanger oder eine Sangerin, die in jedem Konzert Arien singen
muBten. So wurde 1750 der Freiburger Studiosus Joseph Dorsch als
Singmeister und Gesangsolist nach Basel berufen (die Studenten spielten
beilaufig in der Musik des 17. und 18. Jh. eine groBe Rolle und selbst
zur Oper sind solche als Sanger haufig iibergetreten). Die Tenorsoli von
Dorsch wurden sehr geschatzt. Spater, von 1771 bis in die Mitte des
19. Jh., wurde regelmaBig eine Sangerin fiir die ganze Saison gewonnen.
Die Basler diirften iibrigens auch ab und zu Gelegenheit gehabt haben,
ganze italienische Opern zu horen, wenigstens gastierte hier schon in den
50 er Jahren des 18. Jh. eine italienische Operngesellschaft.
Der Singmeister Dorsch wurde vom Staate salariert, weil er gratis
1) Biograpbie Rachel's bei C. Chr. Bernoulli, >Aus Basele Musikleben im
18. Jhrh. Schweiz. Musikzeitung 1905. 131 ff.
Karl Nef, Die Musik in Basel. 555
Gesangstunden an begabte Schuler und Schulerinnen geben muBte. Das
Musikkollegium stand in einer nahen Yerbindung mit der stadtischen
Regierung, es funktionierte fiir alle offentlichen musikalischen Angelegen-
heiten als Sachverstandigenkollegium. Die Anstellung der Organisten
z. B. hing von einer Prufung vor dem Musikkollegium ab. Da diese .
wiederum von alters her von der Universitat gewahlt wurden, gab es
ofters bei den Wahlen ein langes BGn und Her zwischen den drei In-
stanzen; der Grundton war aber bei der Regenz wie bei der Regierung
meistens warmes Interesse fiir die Musik. Die Universitat diirfte deshalb
ein Wort mitzusprechen gehabt haben, weil die Musiker der akademischen
Zunft angehorten. Noch 1795 heiBt es in einem Schreiben des Rektors,
den Musikanten werde bei der Annahme in das akademische Burgerrecht
angezeigt, daB sie sich bei den offentlichen akademischen Musiquen als
bei Einfuhrung des Rektors, des Decani phUosopkici sich unter der Di-
rektion des Professoris musices einzufinden hatten1). Die Universitat
hielt auf eine wiirdige musikalische Ausstattung ihrer feierlichen Akte,
fiir die dreihundertjahrige Jubilaumsfeier 1760 beispielsweise muBte der
oben genannte Kachel eine groBe Festmusik komponieren, die beim offi-
ziellen Akt im Miinster aufgefiihrt wurde2;.
Der Staat bewilligte gelegentlich Stipendien an junge Leute, die sich
als Instrumental musiker ausbilden wollten, und bezahlte alljahrlich
100 Neutaler fiir die Kosten der festlichen Kirchenmusikauffiihrungen
am Schwortag (um St. JohanniJ ; neben dieser groBartigsten Veranstaltung
wurden die >solennen Kirchenmusiken* fortgesetzt, die nach einigen we-
nigen erhalten gebliebenen Textdrucken aus Arien und Gesangsensembles,
zuweilen auch einem Chor bestanden. Sie wurden von dem leitenden
Singmeister Dorsch und seinen Schulerinnen, wie der Holzachin, Gey-
miillerin, Oswaldin ausgefiihrt. Von der Auffiihrung groBerer Werke
horen wir zum erstenmal unter dem Nachfolger von Dorsch, dem Wiener
Graf, der 1766 ein Te Deum, 1767 Graun's Passionsoratorium »Der
Tod Jesu«, 1768 eine deutsche Musik »Die Verherrlichung Gottes« zu
Gehor brachte. Spater leitete die Kirchenmusiken der oben genannte
Kachel.
Der Direktor der Konzerte Em. Pfaff starb 1756, sein. Nachfolger
wurde der Organist an der franzosischen Kirche Rudolf Dommelin.
Seine Vortrage eigner Kompositionen auf dem Klavier wurden geschatzt,
als tiichtiger Musiker scheint er seine Vorganger iiberragt zu haben, von
seiner gediegenen musikalischen Bildung legen heute noch die in seinem
Besitz befindlich gewesenen Biicher Zeugnis ab, die er der offentlichen
Bibliothek vermachte.
1) Staatsarchiv. Handel u. Gewerbe. KKKb.
2, R. Wackernagel, Basler Jahrbuch 1887. 20. .
37*
556 K&rl Nef, Die Musik in Basel.
Fur das wachsende musikalische Interesse in der zweiten Halfte des
18. Jh. spricht die splendide Pflege, die ein vornehmer Basler, Lucas
Sarasin, der Tonkunst widmete1). In dem von ihm erbauten
Reichensteiner Hof, dem sog. Blauen Haus am Rheinsprung, lieB er
einen schonen, mit einer Orgel ausgestatteten Musiksaal erstellen. Seine
in einem thematischen Katalog iibersichtlich verzeichnete Musikalien-
Bibliothek umfaBte Uber 1200 Nummem (meist Manuskripte), Sinfonien,
Ouverturen, Kammermusik, Soli, Arien, Duette, Terzette usw. aus Opera
und Oratorien von italienischen, deutschen und franzosisehen Meistern7;.
Sarasin's Hausmusikus war der mehrfach genannte Kachel. Von
diesem geschrieben finden sich im Sarasin'schen NachlaB aucb zwei Bande
meist eigener Kompositionen. Sie bestehen zumeist aus Liedern ernster
und beiterer Art, die, zum Teil sogar von Kachel selbst gedichtet, oft
Bezug haben auf Familienereignisse im Hause Sarasin. Rachel's Kom-
positionen sind nicht hedeutend, aber sie stellen doch ein anmutiges
und charakteristisches Zeugnis friilierer Kunstiibung dar. Sie gestatten
einen Blick in das Tun und Treiben einer Generation, der Musik und
Poesie noch Herzensbediirfnis war und die die Kunst mit den Wechsel-
fallen des Lebens poetisch und innig zu verbinden verstand.
Die ganze splendide Musikpflege im Sarasin'schen Hause ist charak-
teristisch fiir die zweite Halfte des 18. Jh. In jener Periods haben be-
kanntlich namentlich die osterreichischen Adligen die Musik in groB-
artiger Weise durch Haltung ganzer Orchester gehegt und gefordert
Mit seinen Kraften und in seinem ja ungleich bescheidenern muaikalischen
Milieu leistete der Basler Handelsherr relativ Ahnliches. Typisch ill
endlich fiir die Zeit iiberhaupt, dafi die Musikpflege von Vornehmen
ausgeht, es war eine bevorzugte Menschenklasse, die der Kunst in dieaer
Weise huldigen konnte.
Auch das Musikkollegium war damals noch eine exklusiv vornehme
Gesellschaft; erst nach den Sturmen der Revolution wurde das Musik*
wesen auf eine breitere Basis gestellt. 1783 nahmen die Konzerte des
Musikkollegiums nochmals einen schonen Aufschwung, da zwei Spitzen
der Gesellschaft, Daniel Le grand und Ratsschreiber Ochs, die Fiihrung
iibernahmen. Die kriegerischen Jahre urn die Wende des Jahrhunderts
beeintrachtigten natiirlich die Musik, man verband mit den Abonnementa-
konzerten Balle, um sie liber Bord zu halten, von 1799 bis 1803 mufita
sie ganz eingestellt werden. Dann kamen sie wieder in Gang, und sack
dem Frieden von 1815 folgte eine dauernde Periode stetiger Entwick-
lung. GroBe Verdienste erwarb sich der 1804 aus dem Mannheimer Or-
1) Vgl. Bernoulli a. a. 0. u. E. Nef, »Eine Basler Musikbibliothak aas dar
zweiten Halfte des 18. Jhrh. Zeitsehr. d. IMG. IV. 386 ff.
2) Kin erhaltener Rest, etwa ein Dritttl, jetit in der Baai UaivtiaitfttsbiVl.
Earl Nef, Die Musik in Basel. 557
Chester als Direktor nach Basel berufene Johann Tollmann (1775
bis 1829). In einem Nekrolog wird er zutreffend als der Schopfer einer
»neuen musikalischen Ara« bezeichnet. Er hat Haydn, Mozart und
Beethoven in Basel eingefiihrt; dafi in deren Sinfonien zuweilen Striche
angebracht warden, muB man der Zeit and den noch immer beschrankten
Yerhaltnissen zugute halten. Tollmann war Geiger, als solcher ein
Schiiler des Mannheimer Ignaz Franzl. Wurde er »an Fertigkeit von
andern iibertroffen, an Zartheit des Ausdrucks und Nettigkeit der Aus-
f iihrung der Passagen and daher auch in der Kunst der Begleitung wich
er keinem. Sein Spiel wuBte sich dem Herzen einzuschmeicheln, daher
Tonstticke wie die Haydn'schen Quartette ganz fiir Tollmann's Geige be-
rechnet schienen*1). Seine Kunst und sein Direktionstalent wurden iiber
die Mauern Basels hinaus geschatzt, er muBte mehrmals die Musikfeste
der Schweizerischen Musikgesellschaft dirigieren. Er verstand es na-
mentlich, die Dilettanten zu gewinnen und ihnen Lust und Liebe zur
Sache beizubringen. Als Mensch war er eine hannlos heitere und iiber-
aus liebenswiirdige Natur. >Wir konnten riihrende Ziige von aufopfern-
der GroBmut erzahlen, die manchen Reichen beschamen mochten«, sagt
der Nekrolog.
Die selbstlose Aufopferungsfahigkeit ruhrnen denn namentlich auch
alle durchreisenden Kunstler, deren es zu seiner Zeit mehr wurden, was
eine wesentliche Bereicherung des Musiklebens bedeutete. Friiher schon
waren einige Beruhmtheiten nach Basel gekommen, 1751 der Cellist
Lancetti aus Turin, der Fagottist della Valle nebst Tochter, 1779
der Violinist Esser, 1783 der Cellist Jansen, 1784 die blinde Pianistin
Fraulein von Paradies aus Wien und der glanzendste Stern unter den
deutschen S&ngerinnen ihrer Zeit Mad. Mara, 1787 der Violinist
Ig. Franzl und 1790 der Violinist Jarnowitz.
Unter Tollmann kamen der Violinist Karl Franzl (Sohn), der Kom-
ponist Winter, C. M. von Weber, L. Spohr, Mozart, der Sohn des
GroBen, der Organist Martin Vogt, der eine Zeitlang im benachbarten
Arlesheiin wohnte.
C. M. von Weber war von seiner Mannheimer Studienzeit her ein
Freund Tollmann's und daher enttauscht, daB dieser, als Weber am
9. Oktober 1811 nach Basel kam, am folgenden Tage nach Luzern ab-
reiste, um zu heiratenJ). Trotzdem fiel das Konzert Weber's kunstlerisch
nnd finanziell brillant aus; vorher noch schrieb Weber an einen Freund,
>die Leute sind ganz toll und wollen mich mit Teufels Gewalt da be-
halten«. Um Weber einen »Beweis ihrer Verehrung und Bewunderung
zu geben«, hatte die Konzertdirektion die Kosten fiir das Konzert iiber-
1] Baslerische Mitteilungen. 1829. 523.
2: M. M. v. Weber? Biog. C. M. v. W. I. 303.
558 Karl Nef, Die Musik in Basel.
nommen. Uberhaupt wurde er in Basel vom Prasidenten Burckhardt,
den Herren Merian-Forkhard, Prafekt Gysendorfer usw. sehr wohl auf-
genommen und verlebte angenehme Tage liebenswiirdigster Geselligkeit
in den Familien Faesch-Passavant, Burckhardt und bei Christoph Ber-
noulli, der eben nach Vollendung seines Lehrbuchs der Physik ange-
nehmer MuBe pflegte. Zum Konzert lieh Weber eine der reizendsten
Frauen der Stadt, Madame Burckhardt, ihr schones Piano.
Weber's Feuergeist plante in den Jahren seiner Konzertreisen eine
>musikalische Topographie*, ein Konzerthandbuch, wie wir heute sagen
wiirden, in dem fiir die reisenden Kiinstler genaue. Angaben iiber die
musikalischen Verhaltnisse jeder einzelnen Stadt enthalten sein sollten.
Wie alle literarischen Plane Weber's ist auch dieser nicht zur Aus-
fiihrung gekommen; aber unter seinen Schriften1) finden sich »Notizen
iiber Basel zur musikalischen Topographie« (neben solchen iiber Mann-
heim die einzigen zu dem geplanten Werke). Darin hat. natiirlich nicht
Weber selbst, sondern ein Basler Gewahrsmann in alle Kleinigkeiten
gehende Mitteilungen iiber den Musikzustand von Basel gemacht. Wir
erfahren, daB im Orchester alle Instrumente, bis auf die Oboe, die
meisten >zu unserer Zufriedenheit* besetzt waren. Fiir Soloklavierspiel
mangelte es an einem guten Fliigel. AuBer Instrumentalkiinstlern aller
Art wird namentlich guten Sangern und Sangerinnen, »die bei uns rar
sind«, empfohlen, nach Basel zum Konzertieren zu kommen.
Spohr, der im April 1816 hier ein Konzert gab, spricht den Baslern
groBe Freude an der Musik zu2), schildert aber das Orchester als recht
dilettantisch und den Geschmack als riickstandig; Tollmann dagegen stellt
er als Mensch und Kiinstler ein sehr gutes Zeugnis aus. Man mag
immerhin in Betracht ziehen, daB Spohr gerade nach den schlimmsten
Kriegsjahren in Basel war.
Zu erwahnen ist noch, daB Tollmann eine Musikalienhandlung und
Leihanstalt begriindete. Er war dazu wahrscheinlich angeregt worden
durch das Vorbild Nageli's in Zurich. Es zeigt sich darin, daB Kiinstler
auch durch geschaftliche Unternehmungen ihre Kunst zu verbreiten suchen,
der praktische und tatige Sinn des Auflarungszeitalters, denn vielmebr
als bloBe Erwerbsabsichten diirften ideale Gesichtspunkte die Triebfeder
gebildet haben. Das Geschaft Tollmann's scheint nicht ganz unbedeutend
gewesen zu sein; er hat im Jahre 1812 fiir 1200 Franken Musikalien
von dem Leipziger Haus Kiihnel erhalten3), und 1829 gab er ein
96 Seiten umfassendes Verzeichnis seiner Leihanstalt heraus. Eine tob
1 In der neuen Gesamtausg. der Weber'schen Schriften von G. Kaiser. 19W.
S. 14.
2 Selbstbiographie. I. 950.
3) Nach einem Brief im Besitz von Frau Masarey-Tollmann in Basel.
Karl Nef, Die Musik in Basel. 559
Knop 1829 gegriindete Musikalienhandlung diirfte die Fortsetzung der-
jenigen von Tollmann gewesen sein, der in diesem Jahre starb. Toll-
mann's Geschaft war das erste seiner Art in Basel, dagegen gab es hier
friiher schon Instrumentenmacher, die noch kurz angefiihrt seien.
Eine Laute in der Sammlung alter Musikinstrumente in Berlin (aus
der Sammlung Snoeck) tragt die Inschrift: > Johann Ambrosius WeiB in
Basel 1621 « *). Von diesem sagt Leu in seinem Lexikon2), er sei 1585
von Fuessen in Basel eingewandert und habe das Biirgerrecht erhalten.
Mehr ist von dem wie es scheint tiichtigen Lautenmacher nicht bekannt.
Nur ein grober Handwerker war Jakob Huber, von dem zwei roh ge-
zimmerte Zithern (eine von 1767) im Basler historischen Museum auf-
bewahrt werden3). Sehr Gutes dagegen leisteten die beiden Schlegel,
Vater und Sohn. Der Vater Christian kam 1712 aus Neigung zum re-
formierten Glauben aus dem Sargansischen nach Basel; der Sohn erwarb
1763 das Biirgerrech^. Ihr Beruf ernahrte sie vollauf, der Sohn brachte
es zu einem ansehnlichen Vermogen. Eine groBere Anzahl ihrer schonen
Schalmeien, Oboen und Floten befinden sich im Basler historischen Mu-
seum4).
1745 wird der einzige Orgelmacher der Stadt, Peter Friedrich Brosi
aus Schwabisch-Hall, ins Biirgerrecht aufgenommen. Nach seinem Tode
1765 wird sein funfzehnjahriger Sohn auf Kosten des Staates und einiger
Musikfreunde bei einem auswartigen Meister im gleichen Beruf ausge-
bildet, »weil doch die allhiesigen Orgeln und Clavecins jemand zur Unter-
haltung derselben notig haben5)«. DaB der Sohn Brosi 1787 die Miinster-
orgel reparierte, wurde schon erwahnt, kiirzlich erst wurde ein von ihm
gebautes Spinett entdeckt und fur das Historische Museum erworben.
Ein Zeichen des neuen Geistes im 19. Jh. fanden wir bereits in der
Grundung einer Musikalienhandlung durch Tollmann. Das Aufklarungs-
zeitalter mit seinem Ideal der Humanitat bemuhte sich, die Kunst, die
bisher ein Vorrecht der Begiiterten war, dem ganzen Volke zu vermitteln,
und ging dabei, wenigstens was die Musik betrifft, sehr verstandig und
zielbewuBt vor. In richtiger Erkenntnis der Briicke, die zum Volke fiihrt,
sah man es hauptsachlich auf Verbreitung des Gesanges ab und dachte
1) W. L. v. Lii tge n do rff, Die Geigen- und Lautenmacher. Vom Mittelalter
bis zur Gegenwart. Frankfurt 1904.
2) Leu, Schweiz. Lexikon 1764: Weiss. >Ein Geschlecht in Basel, welches
Johannes Ambrosius (dessen Vater Marcus von Kaiser Ferdinando I A. 1561 einen
Wappenbrief, nebst der Freyheit alle hohe und niedere Aemter zu besitzen, Geist-
und Weltliche Lehen zu tragen nnd zu erhalten:) von FueCen in dem Bistum
Augspurg an den Tyrolischen Granzen A. 1685 dahin gebracht, und das Burger-
recbt allda erhalten und einen Sohn Marcus hinterlassen.*
3) Nr. 131 u. 132.
4; Vgl. Katalog der Musikinstr. 13 ff.
5; Staatsarchiv. Handel und Gewerbe. K K K b.
560 Karl Nef, Die Muik in Basel.
dabei zugleich an die Popularisierung der neu entstandenen Schatze der
Poesie.
Dem Bestreben, nicht nur wie bisher einige wenige, sondern eine
groBere Zahl von Preunden des Gesanges in Choren zusammenzufuhren,
kamen die Haydn 'schen Oratorien entgegen. Unter Tollmann wurde
in Basel die »Schopfung« schon 1806 zu Ehren der schweirerischen Tag-
satzung aufgefiihrt. 1820 iibernahm Basel das Musikfest der (1808 in
Luzern gegriindeten) schweizerischen Musikgesellschaft, bei dem unter
zahlreicher Beteiligung aus der ganzen Schweiz von einem 120kopfigen
Chor als Hauptwerk »die Jahreszeiten* aufgefiihrt wurden. (Das Or-
Chester zahlte 130 Mitglieder und spielte u. a. den ersten Satz aus Beet-
hovens D-Dur Sinfonie}. Die Eindriicke der grofien Auffiihrung in der
Leonhardskirche waren so machtig, daB man ihre Nachwirkung noch
lange verspiirte. Tollmann griindete 1821 einen >musikalischen tlbungs-
Terein«, mit dem er das Finale aus dem Don Juan auffiihrte. 1824 rief
der seit 1817 als Gesanglehrer in Basel wirkende Ferd. Laur den heute
noch bliihenden >Gresangverein« ins Leben. Eine Zeitlang bestanden
beide Vereine nebeneinander, dann lieB Tollmann den seinigen eingehen.
Der Gresangverein1) war anfanglich nicht darauf bedacht, Konzerte
zu geben, sondern wollte ahnlich wie der Tollmann'sche ein Ubungsverein
sein, in dem die Mitglieder zu ihrer eignen Lust und Freude sangen.
Die ersten Auffiihrungen fanden vor geladenen Gasten statt, nach und
nach entwickelten sie sich aber naturgemaB zu eigentlichen Konzerten.
Laur brachte zur Auffiihrung die Glocke von Romberg, die Sundfiut,
Bruchstucke aus dem Weltgericht von Schneider, den Tod Jesu von Graun,
die sieben letxten Worte und die Schbpfung von Haydn, das Requiem
Ton Mozart, Ostermorgen von Neukomm. Einen neuen starken Impuls
gab die gliickliche Auffiihrung des Samson von Handel bei einem 1840
wiederum in Basel gefeierten schweizerischen Musikfest. Zum grofien
modernen Konzertinstitut hat dann Ernst Beiter, der 1848 der Nach-
folger Laur's wurde, den Gesangverein herausgebildet. Die Mendels-
8ohn'schen Oratorien boten in den ersten Jahren seiner Tatigkeit mach-
tige Impulse, er fiihrte ferner u. a. auf die Johannes- und die Matthaus-
passion, das Magnificat und verschiedene Kantaten von Bach, Beethoven's
neunte Sinfonie, Parodies und Peri von Schumann, ein deutsches Re-
quiem von Bralims, auch ein Oratoriurn eigner Komposition »Das new
Parodies*.
Eine noch demokratischere Kunstgattung als der gemischte ist der
Mannerchorgesang, wenigstens tritt er in der Schweiz und in Basel ganz
1) {(J. Eglinger,, Der Basler Gesangverein. Festschrift zu dessen funfzig-
jahrigem Jubilaum. 1876. — (E. Probst. Der Basler Gesangverein 1824—1899.
Jubilaumsschrift. 1899.
Karl Nef, Die Musik in Basel. 561
besonders mit extrem demokratischer Geberde auf den Plan. Die An-
zeige, in der Friedrich Wagner am 27. September 1827 im Avisblatt
zur Griindung eines Basler Singvereins fiir den Mannerchor auffordert,
ist in jedem Wort so charakteristisch, daB es sich verlohnt sie hier voll-
standig mitzuteilen *) :
Anseige.
Seit mehreren Jahren haben sich in verschiedenen Stadten Deutschlands Ge-
sangvereine gebildet, die meistenteils der groBen Singakademie in Berlin im
kleinen nachgeahmt, und mehr ein Zirkel fttr Gesangfreunde aas dem hOheren
vornehmen Stande sind, wozu oft Personen aus dem Mittelstande keinen oder mit
seltener Ausnahme Zutritt haben.
In diesen Vereinen wird nun auch vornehm gesungen, d. h. man singt Kan-
taten, Oratorien, oder Sachen, die so gerade an der Tagesordnung sind, und zwar
nur mit Begleitung eines Flttgels, obgleich der ganze Kraftaufwand eines Orchesters
dazu gefordert wird. Kompositionen fQr den reinen Vokalgesang, bei welehen auf
das schttne Wort und den Wortausdruck gesehen wird, werden grdBtenteils fiber-
gangen, weil solche Sachen nun einmal — nicht vornehm genug sind.
Solche Gesangvereine sind rein aristokratisch, denn auch in der Eunst gibt es
eine Arietokratie, und als solche sind sie dem wahren, innern Wes,en des Gesanges
nicht nur entgegengesetzt, sondern oft hinderlich; denn derselbe ist demokratisch,
d. h. er ist Sache des Volkes aus alien St&nden.
Und es ist au&erst merkwflrdig, daB gerade in unserm Yaterlande, der freien
Schweiz, sich dies auf die uberzeugendste Weise bestatigt.
Schon seit einem Dezennium haben sich in Stadten und grflBern Flecken Ge-
sangvereine von beiden Geschlechtern aus alien Standen vereinigt, in welehen das
religiose und moralisch-gesellige Wort und der reine Vokalgesang (ohne irgend
▼on einem Instrument als dem Elavier oder der Orgel unterstutzt) ganz ausschlieG-
lich flauptsache wurde, und unglaublich viel wurde dadurch auf Yerbesserung des
Eirchengesanges, sowohl als auch auf Yeredlung des Geistes und Herzens gewirkt!
Eine ganz eigene Erscheinung aber, die aufs klarste beweist, daO Gesang Yolks-
sache ist, sind die in unserm Yaterlande seit einiger Zeit entstandenen Yereine
fur den Mannerchor; sie haben sich zuerst im Yolke auf dem Lande gebildet und
verbreitet und durch das Grofiartige, was sie leisteten, sind auch solche Yereine
in Stadten gebildet worden. (So besteht gegenwartig ein solcher Yerein in Zurich,
der fiber 200 Mitglieder aus alien Standen zahlt.)
AeuBerst erfreulich ist es auch, daB sich der Beweis dafQr in Basel findet;
denn seit einem Jahr haben sich mehrere kleinere Yereine fiir den Mannerchor
und zwar ungesucht und von selbst gebildet, denen ich Unterricht erteilte.
Da nun der Wunsch von mehreren dieser Yereine sowohl, als auch von ver-
schiedenen Freunden des veredelten Yolksgesanges geauBert wurde, daB eine all-
gemeine Singanstalt errichtet werden mttge unter dem Namen:
Der Baseler Singverein fflr den Mannerchor;
so entspreche ich diesen Wflnschen gem.
Die Einrichtung soil so getroffen werden, daB jeder, in ftkonomischer Hinsicht
sowohl, als auch der erforderlichen Eunstleistungen wegen, daran teilnehmen
kann; denn mit vorzflglicher Berilcksichtigung der letztern wird die Anstalt in
Vor- und Fortbildung zerfallen.
1) H. Giirtler, Denkschrift zur Feier des 75jahrigen Bestandes des Basler
Mannerchor 1825-1901.
562 Karl Nef, Die Musik in Basel.
Alle Freunde des Gesanges, die an dem Baseler Singverein far den M&nner-
chor Anteil nehmen wollen, sind hflfllichst eingeladen, den 3. Oktober zwischen
6 und 8 Uhr sich auf der Znnft zum Himmel in der Freien StraBe neben dem
Wilden Mann einzufinden, wo das Notige deswegen femer beraten und bestimmt
werden wird.
Fr. Wagner,
Lehrer an der Realschule und Organist zu St. Peter.
Dieser » Basler Singverein < ist der heute noch bliihende Easier Manner-
chor, der ubrigens bald von den Nageli'schen Chorliedern zu groBern
Aufgaben fortschritt, wie Bruchstiicke aus der Zatiberfiote^ Riitliszene
aus Rossini's Tell, »die eherne Schlange*, Oratorium von Loewe.
Den Kreisen des Basler Mannerchors gehorte der blinde Lehrer
Heinrich Brunner an, der in der Art Silcher's und des Schweizers
Ferd. Huber eng an den Volksgesang sich anlehnend, das frische Berg-
lied >Ihr Berge lebt wohl« sang, das selbst wieder zum Volksgut
wurde l).
Im Jahre 1853 loste sich zunachst als kleiner Siingerkreis von dem
Basler Mannerchor die Basler Liedertafel ab, welcher in den ersten
Jahren die geistige Elite der Stadt angehorte, in deren geselligen Kreisen
es ein Jakob Burckhardt nicht verschmahte, Vortrage zu halten. Bald
nach der Griindung entwickelte sie sich aber zu einem groBen Verein,
der auch in bezug auf gesangliche Leistungsfahigkeit die erste Stelle sich
errang.
Sehen wir zum SchluB noch, wie das Musikkollegium mit der neuen
Zeit sich abfand. Es tat einen herzhaften Schritt in diese hinein im
Jahre 1826 dadurch, daB es im neuen Stadtkasino einen groBeren Saal
bezog und nun unter dem Namen »Konzertgesellschaft« seine Auffiih-
rungen einem weit groBeren Kreise zuganglich machte. Dadurch war,
nicht ohne daB ein starker Widerstand hatte iiberwunden werden miissen,
ein RiB in die friihere aristokratische Abgeschlossenheit gemacht und der
Weg zur Entwicklung eines Konzertinstitutes moderner Art geoffnet.
Der Nachfolger Tollmann's als Leiter der Konzerte war der hochbegabte
Violinist H. J. Wassermann, der aber (lurch eine nervose Unruhe friih
seine Krafte verbrauchte. 1839 trat Ernst Reiter2), nachdem schun
seit drei Jahren Laur die Konzerte stellvertretend geleitet, an seinen
Posten. Reiter war im besten Sinne ein Vertreter der romantiscben
Periode, wie die Eiihrer, ein Weber, Schumann und Mendelssohn, knupften
sich ihm an die rein musikalischen starke geistige Interessen, und er er-
wies sich als der rechte Mann, der aufstrebenden, mit alien ideellen Be-
1) Schweiz. Musikzeitung 1906. S. 2. Das Lied wurde u. a. auch in das
deutsche Kaiserliederbuch aufgenommen.
2 Sonntagsblatt der Basler Nacbrichten. 1907. Nr. 41—44.
W. H. Grattan Flood, The English Chapel Royal under Henry V etc. 563
strebungen der Stadt in enger Fuhlung stehenden Musik den Weg zu
weisen1).
Aus dieser Zeit ware noch. urn wenigstens das Wichtigste gestreift
zu haben, an die Griindung eines standigen Theaters im Jahre 1834 zu
erinnern, in dem die Oper eine sehr starke Vorherrschaft ausubte2), end-
lich die Errichtung der Allgemeinen Musikschule im Jahre 1867 zu
nennen, durch die den musikalischen Instituten noch ein wichtiges Glied
angereiht wurde3). Seit der Mitte des 19. Jh. nimmt die Musik in Basel
einen erf reulichen , stetigen Aufschwung, den darzustellen aber einer
spateren Zeit vorbehalten bleiben muB.
The English Chapel Royal under Henry V and Henry VI.
By
W. H. Grattan Flood.
(Enniscorthy.)
Hitherto the utmost obscurity attached to the early history of the
Chapel Royal of England. All our musical historians are pleased to
begin definitely with the year 1461, the first year of King Edward IV.
But now, thanks to the recent issues of the Calendars of Patent Rolls
and of Papal Registers, we are enabled to identify its beginnings as from
the reign of Henry IV. Going farther back, the Chapel Royal was
founded by Edward III in 1349, and was largely indulgenced by Pope
Innocent VI in January 1384, at which date we find William Mugge
as Custos or Warden, with 24 Canons. In 1393 Thomas Butler was
Warden, under King Richard II, and he was subsequently Prior of the
Knights Hospitallers of Ireland, dying at Rouen on August 10, 1419.
However there is reason to believe that Henry IV in his last years had
a Chapel Royal, with singers and composers of merit. He amplified the
previous arrangements for choral celebrations, and got the name of
Custos or Warden changed to that of Dean. Certain it is that in 1412
Richard Kingston appears in a Papal document as "Dean of the Chapel
Royal in Windsor in the diocese of Salisbury". He was also Archdea-
con of Hereford, and held canonries in Wells and Salisbury. Early in
1 Reiter blieb im Amt bis zu seinem Tode 1875, seine Nachfolger waren
Alfred Volkland 1875—1902, seither Hermann Suter.
2) Ernst Jenny. D. alte Basler Theater auf dem BlQmlein. Basl. Jahrb. 1908.
3) Erster Direktor Selmar Bagge 1868—1896, seither Dr. Hans Huber.
564 W. H. Grattan Flood, The English Chapel Royal under Henry V etc.
1413 he was permitted to continue to observe the Use of Hereford in
singing the Canonical Hours, "as he had been doing for about twenty
years, and not to be obliged to observe the Use of Sarum"1).
Henry V was crowned on April 3, 1413, and under him Robert
Gilbert was appointed Dean of the Chapel Royal. Gilbert accompanied
the King to France in 1417, and was present at several battles, as is
evident from his petition to the Pope in the Papal Registers. To add
to the splendour of the ceremonial on Easter Sunday in the year 1418,
the English monarch had picked singers from the Chapel Royal, as well
as an English orchestra. English singers had previously, after the me-
morable day of Agincourt (October 25, 1415), displayed their vocal
powers, as we read that Henry V, after the battle, ordered his Chapel
to sing the psalm uIn exitu Israel*', and, as Holinshed writes, "command-
ed every man to kneel down on the ground at the verse: Non nobis,
Domine, non nobis, sed nomini Tuo da gloriam, which done, he caused
Te Deum, with certain anthems to be sung". Among the singers of the
Chapel, Thomas Woodford and Gerard Hesyll were paid handsomely
for their services, as is recorded on the Exchequer Rolls.
When Rouen surrendered on January 19, 1419, the English monarch
entered in triumph, and at once proceeded to the Cathedral, where his
Chapel Royal choir had been waiting his arrival, with the Dean, Robert
Gilbert, at their head. When the King reached the Cathedral, John
Page tells us: —
uHi8 Chapelle met him at the door
And went before him on the floore
And songe a respond e gloryus
That ye nameyd, Quis est magnus?"
No doubt the chapel assisted at the King's marriage to Princess
Katherine of Valois, at Troyes Cathedral on Trinity Sunday, June 2,
1420. The King's musical tastes may be guaged from the fact that in
the following October he sent over to England for a harp for Queen
Katherine2); and there is an entry in the Exchequer Rolls of £ 8.13.4,
being the amount paid to John Bore of London, harp-maker, for two
new harps.
But it was under King Henry VI that the Chapel Royal was placed
n a strong position as to its musical services. Robert Gilbert the Dean
was promoted to the Archdeaconry of Durham in 1426, and was suc-
ceeded by Richard Praty, Warden of the Collegiate Church of Stratford-
1) Cal. Pap. Keg. VI. p. 377.
2) At the close of January 1434, Pope Eugenius IV granted special faculties
to the Dean of Queen ^Catherine's Chapel. (Cal. Pap. Reg. VIII, p. 486. j
W. H. Grattan Flood, The English Chapel Royal under Henry V etc. 565
on- Avon. Here it is only pertinent to add that Gilbert was subsequently
Dean of York, and finally, in 1436, Bishop of London.
Humphrey, Duke of Gloucester proved a generous patron of music,
during the minority of Henry VI, and kept a chapel of his own with
Richard Wyott as Dean. In 1427 we find John Snell as Canon of the
Chapel Royal, whose successor was Thomas Damett, on February 10,
1430-1. Dean Praty got unusual faculties from Pope Martin V in 1426,
and under his rule the Chapel Royal choir assisted at the coronation of
Henry VI on November 6, 1429.
It is well known that King Henry was a good musician, and his three
beautiful compositions in the Old Hall MS. sufficiently prove his ability
in part-writing. For this valuable MS. of XV century music, now at
St. Edmund's College, Ware, see the complete account by W. Barclay
Squire at II, 342, 719 (1900—1901). Dean Praty had due recognition
of his services, and we find him Chancellor of Salisbury in 1430. At
the close of August, 1433, he was dispensed by Pope Eugenius IV "to
hold for life with his chancellorship (including the annexed canonry and
prebend of Bryklesnorth), deanery of the Chapel Royal, and wardenship
of Holy Trinity, Stratford-on-Avon, any benefice with cure or otherwise
incompatible, and to resign both, simply or for exchange, as often as he
pleases" 1). Seven years later he was appointed Bishop of Chichester.
An important indult in favour of the Chapel Royal was issued by
Pope Eugenius IV in September, 1435, and it is addressed to the Warden
and Canons of the Chapel of St. George's, Windsor. The word "decano"
is cancelled and is replaced by "custodi", from which it may be inferred
that Dean Praty had resigned on promotion. From this indult it appears
that the Dean and each of the Canons had been allowed forty shillings
a year, whether resident or not, but were only permitted to receive twelve
pence a day by way of daily distributions, in consequence of which many
of the canons had betaken themselves to other benefices. Therefore the
Pope in answer to their petition granted that the Dean and Canons
"shall not be bound, whilst in residence at the Chapel Royal, to reside
in any other of their benefices, with or without cure, present or future,
and that they may take the fruits thereof as if resident therein, except
only the daily distributions9.
John Arundel was Dean2) in 1439, under whom the musical services
were made worthy of a Chapel Royal. Hitherto the position of Master
of the Song had been undertaken by one of the clerks of the King's
Chapel in turn. But in 1440 Dean Arundel appointed John Plummer,
clerk, to take sole charge of the musical arrangements, and on April 12,
1) Cal. Pap. Reg. VIII, pp. 458, 469.
2} Dean Praty was appointed Bishop of Chioheater, aa aboYt stated, in 1440.
566 W. H. Grattan Flood, The English Chapel Royal under Henry V etc.
1441, King Henry VI gave a grant of £ 10 to this choirmaster for his
zeal in training the boys of the chapel. However this recognition of a
separate official was only of a temporary character; and hence the King,
who was very musical, created the post of "Master of the Song", by
privy seal dated Westminster, November 4, 1444 — which post was to
date as if from Michaelmas1), 1443.
Thus, the position of Master of the Song of the Chapel Royal may
be officially regarded as dating from September 29, 1443. The royal
grant to John Plummer entitled this clerical choirmaster to the sum of
40 marks annually, for the training of eight boys of the chapel, uso long
as he may have the keeping of the said boys or others in their place".
This grant was confirmed on February 24th, 1445, when John Plummer
s described as "sergeant and clerk in the King's Chapel", and the posi-
tion at the salary above stated was to be "during good behaviour" , for
his i; daily labours in the teaching, rule and governance" of said boys.
At this period, four members of the Chapel Royal were noted musi-
cians, namely Gerard Hassell, Nicholas Sturgeon, William Boston and
Thomas Woodford2). It has previously been observed that Gerard Hassell,
clerk and singer, was one of those who sang in 1418, and received the sum
of £ 5 on November 22 of that year. He got preferment in 1445, when on
July 6 he was presented by King Henry to the Church of JJottesford in
the diocese of Lincoln, he being then described as "King's clerk, one of
the priests in the King's Chapel". Nicholas Sturgeon was Rector of Ful-
ham in 1436, and was Canon of Bath and Wells, Exeter, Hastings and
Westminster. In 1440 he was given the prebend of Reculverland in
St. Paul's Cathedral , and on February 1442 was appointed Canon of
St. George's, Windsor (resigned by William Bontemps), becoming five
months later Precentor of St. Paul's, but still residing in the Chapel
Royal. Sturgeon is one of the composers whose works are in the Old
Hall MS. above mentioned. The third distinguished musician, William
Boston, was given the prebend of Wingham in Kent on June 3, 1443,
vacant by the death of John Bold. Four years later William Boston
is found as clerk of the upper choir and master of the choristers at
Bang's College, Cambridge (Easter 1448).
Queen Margaret of Anjou, wife of Henry VI was crowned on May 30,
1445, at Westminster, and it is to be presumed that the Chapel Royal
choir under John Plummer contributed the music. Exactly a year later,
namely on May 30, 1446, King Henry made a new grant to Plummer
for the education of the eight boys of the chapel3).
1 Cal. Pat. Rolls, 1441-1446 — p. 311.
2) Cal. Pap. Reg. IX, pp. 257, 360.
3; Cal. Pat. Rolls, 1441-1446 — p. 456
W. H. Grattan Flood, The English Chapel Royal under Henry V etc. 567
The reader may naturally ask for some particulars as to the life work
of Master John Plummer. Alas! no details are forthcoming beyond the
entries quoted, and we can only assume that he was a talented musician.
His life indeed is as mysterious as that of John Dunstable, the greatest
English composer of the 15th century, of whom nothing is known with
much certainty save his compositions, and the date of his death, De-
cember 24, 14531).
In 1456 a commission was appointed to impress youths to supply
vacancies in the King's band of music, and the Master of the Song was
subsequently empowered to impress children for the Chapel Royal.
Plummer's successor was Henry Abington (variously written Habynton
and Abyngdon), who graduated Bachelor of Music at Cambridge on
February 22, 1463. He had been succentor of Wells since the year
1447, and was confirmed in his Chapel Royal mastership in May, 1465.
Meantime the Dean John Arundel was promoted to the bishopric of
Chichester in 1459.
Henry VI was taken prisoner after the battle of Northampton (July 10,
1460), and though the second battle of St. Albans (February 17, 1461)
turned the tide for a spell, Edward IV was proclaimed King, and ruled
with a brief interval till 1483. However it is of interest to note that
Henry VI during his short period of restoration confirmed by privy seal,
on February 14, 1471, the position of Henry Abington as Master of the
Song of the Chapel Royal2).
The constitution of the Chapel Royal in 1461, at the dethronement
of Henry VI, was as follows: — A Dean; a Confessor to the Household;
24 chaplains or clerks, nominated by the Dean, skilled in discant, good
singers, eloquent in reading, and competent to play the organ, all board-
ing together in the Deanery, and lodging within the court, at a daily
wage of sevenpence each; two Epistlers (chosen from the older boys of
the chapel in order of seniority); eight children to be boarded, lodged,
and taught singing and organ playing by the Master of the children; a
Master of the Grammar School; and the Master of the Song or Master
of the children.
1) See Sammelbande II, 1, 1900- (Cecie Stainer), Zeitschrift V, 488 et seq. Aug.
1904) Charles W. Pearce and W. Barclay Squire).
2) Cal. Pat. Rolls 1467—1477 — p. 243. Abington was succeeded by Gilbert
Banaster. Sept. 29, 1478.
568 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
Das Leben Christoph Graupner's.
Von
Wilibald Nagel.
[Darmstadt.)
Zur Lebensgeschichte des vortreil'lichen Ktinstlers, dessen Familie auch
heute noch in ihrer alten Heimat lebt, liegt nur weniges an gedrucktem
Quellenmaterial vor. Graupner selbst hat eine kurze Beschreibung seines
Lebensganges fur Mat the 8 oil's >Ehrenforte« *) verfaBt, die in den bisherigen
knappen Berichten Uber sein Wirken, neben einer spater zu erwahnenden Ar-
beit Ernst Pas qu^'s, in der Allgemeinen Deutschen Biographie«, Eitners
Quellenlexikon , Kiemann's und Grove's lexikogruphischen Artikeln "be-
nutzt worden ist. Ein von einem unbekannten Zeitgenossen Graupner's, der
ihm oder den Seinen nahe gestanden haben muB, verfaBter Aufsatz iiber
den Meister findet sich im Jahrgang 1781 des >Hochfurstlich Hessen-Darm-
stadter Staats- und A dress Kalenders* 2). Die aus warmem , freundschaft-
lichem Geflihle fur Graupner geschriebene Abhandlung hat Wert einmal als
ein zeitgenb'ssisches TJrteil aus Tagen, in denen er im iibrigen Deutschland
schon vollig vergessen war, und sodann auch deshalb, weil sie die wenigen
Ziige, die uns andere Quellen iiber des Mannes personliche Art mitteilen,
in erwiinschter Weise ergiinzt und erweitert. Ein erschopfendes Bild seines
Wesens freilich erhalten wir durch alle diese gelegentlichen Bemerkungen
nicht. Briefe von Graupner's Hand, die gerade nach dieser Richtung bin
belehren konnten, sind nur in iiberaus kleiner Anzahl vorhanden and be-
riihren vcrwiegend berufliche Dinge oder damit zusammenhangendes. Ge-
legentlicher Urteile iiber den Meister wird an Ort und Stelle gedacht warden.
An handschriftlichem Material zur Biographie liegen vor: Aktenstiicke des
Gr. Haus- und Staatsarchives Darmstadt :i) , des Gr. Kons is to rial- Archives
Darmstadt4) und des Rats- Archives zu Leipzig5). Die Fundorte werden im
Texte angegeben werden.
DaB noch keine zusammenfassende Arbeit iiber Graupner geschrieben
worden ist6), mufi in Erstaunen setzen: hat doch der Meister durch. seine
1) Grundlage einer Ehrenpforte. Hamburg 1740.
2) Verlag der Invaliden-Anstalt Darmstadt. Ich verdanke die Kenntnit de*
nicht unterzeichneten Atrfsatses dem freundlichen Anteile des Herrn Staattarchi-
vars Dr. J. R. Dieter ich -Darmstadt an meiner Arbeit.
3) Herrn Archivdirektor Dr. Frhr. Schenk zu Schweinsberg bin ich fttr die Ge-
nehmigung ihrer Benutzung verpflichtet.
4) Herrn Pfr. Dr. Diehl verdanke ich den Hinweis auf sie, Herrn Xonsittorial-
prasidenten D. Nebel die Erlaubnis ihrer Benutzung.
5) Den Herren Prof. Dr. Wustmann, Prof. Dr. R. Schwartz, Privatdoxent Dr.
A. Schering und Dr. W. Niemann in Leipzig muB ich fflr freundlich gew&hrte HihV
leistungen auch an dieser Stelle herzlichsten Dank sagen. — Hamburg scheint an
Archivalien iiber Graupner nichts mehr zu besitzen. Personliche Nachfrage auf
dem dortigen Staatsarchive war vergeblich.
6) Allerdings hat E. Pasque in der von L. Dr&xler-Manfred herausgegebenen
/Zeitschrift >Die Muse«, Darmstadt 1864 (S. 629ff.), Graupner einen Abschnitt seiner
>Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe von Darmstadt* gewidmet
Unter die ernsthaft zu nehmenden Quellenschriften l&Bt sich die vorwiegend
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner'*. 569
Tatigkeit in Darmstadt die Augen der ersten seiner Kunstgenossen auf die
kleine landgrafliche Residenzstadt gelenkt, ist der Euhm seines Namens doch
auch an entfernten Orten erklungen. Wer noch immer mit Werken Graup-
ner's Bekanntschaft gemacht hat, wie Riemann l) oder Engelke2), hat Worte
hoher Anerkennung fiir den Komponisten gefunden. In der Tat ist die
menschliche und kiinstlerische Personlichkeit Graupner's eingehender Be-
trachtung und Schatzung wert. Aus bescheidenen Verhiiltnissen hat er sich
heraufgearbeitet, hat einer heiBen Jugend seinen Tribut bezahlt und hat
dann in harter Pflichterfullung und durch beispiellos fleifliges Afrbeiten den
Weg auch zu einer gediegenen burgerlichen Lebensfuhrung gefunden. Schatze
zu sammeln war ihm nicht vergonnt, aber er hat mit seinem guten Namen
eine Fiille von Tonwerken hinterlassen , die, auch wenn man nur ihre Zahl
erwagt, in Erstaunen setzen mufl. Dies Erstaunen wird warmer Bewunde-
rung weichen, wenn der priifende Blick in Graupner's Opern, Kantaten,
Siufonien, Konzerten, Ouvertiiren, Kiavierstiicken usw. Werke erkennen niufl,
die, wenn sich auch minderwertiges unter ihnen findet, doch nach ihrer Mehr-
zahl den Komponisten als zu den beaten Tonsetzern seiner Zeit gehorend
erscheinen lassen. , Die in Aussicht genommenen Neuausgaben einzelner
Werke werden weiter dartun, daQ Graupner auch fur die Kunstiibung der
Gegenwart noch eine nicht geringe Bedeutung heanspruchen darf.
Jngendjahre and Uuterricht. Leipzig.
Christoph Graupner3) (Graubner) war derSohn eines Schneidermeisters
gleichen Namens zu Kirchberg in Sachsen, der seinerseits als Sohn des
dasselbe Gewerbe treibenden Michael Graupner aus Barenwalde stammte
und 1694 mit Christoph Kandler geschworener Meister der Innung in der
Stadt Kirchberg war. Am 24. Nov. 1673 hatte er sich mit Jungfrau
Maria, des Kirchbergers Burgers und Tuchmachers Hans Hohmuth
Tochter4), verheiratet. Leider lassen sich, da die Tauf register in Verlust
geraten sind, die Kinder dieser Ehe nicht feststellen. Des Komponisten
Geburtstag kann durch die Angabe des Darmstadter Totenregisters be-
feuilletonistisch geratene, die Quellen-Grundlagen eigenmachtig verwertende Arbeit
nicht einreihen. Wie Pasque bedarf auch W. Kleefeld in seiner Arbeit >Land-
graf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt und die deutsche Oper« (Berlin 1904)
aufmerksamster NachprUfung. Kleefeld gibt nur im allgemeinen die Fundorte an,
laCt seine >GewahrsmaDner« sprechen, ohne sic im einzelnen zu nennen, und er-
geht sich in einer geradezu peinlich berilhrenden Weise dem Landgrafen gegen-
uber, dem er Verdienste einraumt, die ihm ohne jede Frage nicht gehuhren.
I: Vgl. GroCe Kompositionslehre (Berlin u. Stuttgart 1902), I, S. 431ff.
%m Sammelbande der IMG. Leipzig 1^Q9. S. 294 f.
3} Das von mir in den Monatsh. f. Musikgesch. XXXII (1900) S. 41, Anm. mit-
geteilte Datum der Geburt bezieht sich nicht auf den Komponisten. Eine Nach-
prttfung der mir damals ohne jede weitere Bemerkung ubermittelten Notiz konnte
ich seinerzeit nicht vornehmen.
4} Sie war das al teste von zehn Kindern aus der am 22. Nov. 1652 geschlossenen
Ehe von H. Hohmuth und Anna, Tochter des Richters Wohlrab. Getauft wurde
sie am 2. September 1653. Christoph Graupner's Urgrofivater von mutterlicher
Seite her war der Tuchmacher Georg Hohmuth, der 1640 »in die 80 Jahre alt*
starb.
s. d. IMG. x. 38
570 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
stimmt werden. Da Graupner am 10. Mai 1760 starb, 77 Jahre 4 Monate
weniger 3 Tage alt, so fallt sein Geburtstag auf den 13. Januar 1683.
Die Familie bliihte schon damals in dem kleinen Tuchmacher- und Acker-
stadtchen in mehreren Zweigen; auch heute ist sie, wie schon bemerkt,
noch nicht erloschen.
Wieviel an Liebe zur Musik dem Knaben durch Familienmitglieder
fmitgeteilt worden ist, laBt sich nicht sagen; Qmmerhin aber konnen wir
aus der Tatsache, daB drei Angehorige der Familie Hohmuth1), Onkel
Christoph Graupner's, Thomaner gewesen sind, Schliisse ziehen. J
^ Von seinen ersten Lehrern erzahlt Graupner einiges in seiner Selbst-
biographie. Der Kantor Wolfg. Michael Mylius2) unterrichtete ihn
BOweit im Gesange, »daB ich wenigstens, was mir vorgelegt wurde, ziem-
licher maBen treffen konnte.« Er leitet mit Recht auf diese Fertigkeit
die schneHen Fortschritte zuriick, die er im Klavierspiele schon als Knabe
machte. »Den Anfang zur Musik machte ich in meinem siebenden oder
achten Jahr, vermittelst des Claviers, bey dem Organisten N. Kiister zn
Kirchberg, als an meinem Geburtsort* Nikolaus Kiister trat dem Knaben
besonders nahe. Er war 1670 in Breitenbach in Thuringen geboren, wo
T sein Vater Nicolaus das Schneidergewerbe betrieben hatte. [Als ein
»junger Gesell«, der als »teutzscher Schulmeister und Organist* Dienst
in Kirchberg tat, verheiratete er sich am 6. Februar 1693 mit Johanna
Rosina, »Herrn Adam Marttin Pliturij Weyl. Organistens und Steuer-
u einnehmers zu Zeitz nachgel. ehel. Tochter«j wie das Kirchenbuch aus-
weist. Im folgenden Jahre wurde Kiister als Organist (an die kleinere"
der beiden Kirchen?) nach Reichenbach i. V. berufen. Hier wurden ihm
bis zum Jahre 1699 drei Kinder geboren. Die Stelle des Organisten an
der Hauptkirche besaB der Notarius Publicus und Metz'sche Vice-Bichter
Geo. Mart. Nagelein, der am 15. Juni 1700 im Alter von 87 Jahren
starb. . Kiister folgte ihm in dieser Stellung, nachdem er dem alten Herrn
schon eine Zeitlang als Substitut zugeordnet gewesen war. Kur wenige
Monate hat er dies Amt innegehabt; der erst 30jahrige starb schon am
7. November desselben Jahres.
[Graupner erbat und erhielt nach vielen Bitten von seinen Eltern die
Eriaubnis, mit seinem geliebten Lehrer nach Reichenbach zieh^n zu
1) Vgl. Alt-Kirchberg, Mitteilungen d. Altertumevereins Kirchberg, S. 109—112.
Nathanael und Egidius H. wurden Pfarrer, Cornelius (von) Hohmuth Generalleutoant
und Vizegouverneur von Riga.
2) Scheibe (Ein Ruhmeeblatt a. d. Gesch. des Chorus Musicus zu Kirchberg.
In: Der Kirchenchor, 1902, S. 43 ff.) teilt einiges iiber ihn mit. Er stammte au8
Reichenbach. war seit 1681 Secundus an der Kirch bergerSchule und wurde spater
Organist. Seine Frau hieB Dorothea; dem Paare wurden zwischen 1688 und 93 in
Kirchberg drei Kinder geboren. Mylius ist in Gotha 1712 oder 13 gestorben. Vgl.
Eitner a. a. 0.
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's. 571
diirfen. fDas laBt auf einen gewissen, wenn auch bescheidenen Wohl-
stand des Vaters schlieBen1).}
Zwei Jahre hat der Knabe in Reichenbach noch die Schule besucht
und sicherlich in Kiister's bescheidenem Hause gelebt2), eifrig auch semen
musikalischen Studien hier obliegend. Wir werden Graupner als einen
seine Muttersprache Uberraschend gut beherrschenden Mann kennen lernen;
es war dies sicherlich auch die Frucht der Arbeit Kiister's, dem Graupner,
wie die Selbstbiographie beweist, zeitlebens eine dankbare Erinnerung
bewahrte.
Reichenbach?) war urns Jahr 1700 ein Ort von etwa 2500 Ein-
wohnern, die Landwirtschaft trieben oder einen guten Ruf als Tuch-
macher und Schonfarber genossen und ihre Waren selbst nach der
Schweiz, Italien und Frankreich verschickten. Drei Burgermeister be-
sorgten das weltliche Regiment der kleinen Stadt, die auch das »Hoch-
Adel. Metzsch'sche Gericht« barg; ihm stand ein Gerichtsdirektor mit
einem Stadt- und Landrichter vor. Ein »Ordensrichter« war der letzte
Zeuge der Niederlassung des deutschen Herrn-Ordens. Er saB mit dem
>teutzschen Schreiber* im Rathause. 1693 wurde diesem die Unter-
haltung einer Schreib- und Rechenschule au^efrlegt. Von 1682 ab hatte
auch das »neuaufgerichtete Cfiurfiirstl. Amt im Vogtlande* seinen Sitz
in Reichenbach J Die Stadt besaB zwei Kirchen; die Geschichte der
Pfarrkirche geht bis hinter 1080 zuruck, die Gottesackerkirche St. Trini-
tatis wurde 1621 erbaut. Als Pfarrer wirkte 1698 bis 1702 M. Jac.
Friedr. Miiller, Archidiakonus war in derselben Zeit M. Dan. Wegener
aus Reichenbach, der als Orientalist einen Namen besaB. Diakon war
1686—1700 Christian Klaubert, der in der Gemeinde viel Liebe und
Vertrauen genoB. Dem Unterrichte der Knaben diente das in der Mitte
des Jahres 1700 ungeniigend erweiterte Schulhaus der Kirchschule, deren
Leiter zu Graupner's Zeit Johann George Geyer war; das Kantorat
versah 1686—1710 Geo. Val. Kohler. Tertius (Baccalaureus, Con-Rector)
war 1693—1709 Geo. Martini, Quartus 1694-1709 Gottfried Mylius.
DieseLehrer unterrichteten *in studio pietatis, linguarum, artium et mili-
tate morum*. Lehrplane aus dieser Zeit sind bis jetzt nicht gefunden
1) Herr Pfarrer Scheibe berichtet, daB nach alten Nachrichten die Familie
Graupner angesehen und vermOgend war.
2) Vgl. dazu weiter unten die Ausfuhrungen im Teste. tTber die Besoldung
der damaligen .Organisten in Reichenbach 1st wenig bekannt. Die Akten sind 1720
verbrannt. 1650 erhielt der Organist 6 Gulden Gebalt und ebensoviel an gut-
williger Zulage. Kflster wurden am 8. April 1699 etwas fiber 4 G. als eine »guth-
willige Verehrung« bewilligt, seine Wit we wurde im Jahre darauf wegen ihrer
Armut bedacht, ihres Mannes Leiche ohne Entgelt des Pfarrers beerdigt.
3) Herrn Pastor Limbach in Reichenbach verdanke ich eine Reihe zusammen-
fassender Notizen fiber den Ort, fur die ich herzlich danke.
38*
572 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
worden. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde iiber zu viel Latein und
zu wenig Rechenunterricht geklagt. Das war offenbar eine schon alte
Klage, der auch, wie oben erwahnt, der »teutzsche Schreiber* hatte ab-
helfen sollen. Die Besoldung der Lehrkrafte war eine iiberaus geringe.
Not und Raummangel in der Schule trieben zu Privatunterricht in der
Hauslichkeit. Hier konnten, wenn auch nur bei einzelnen Lehrern, auch
Madchen Unterweisung in den ntitigen Schulfachern erhalten. Bedenk-
lich war, daB auch der Kirchner ein Recht besaB, in seiner Wohnung
zu unterrichten. DaB unter diesen Verhaltnissen im allgemeinen an eine
griindliche Ausbildung der Jugend nicht zu denken war, liegt auf der
Hand. Urn so schwerer wiegt das dankbare Gefiihl, das Graupner dem
armen Lehrer seiner Jugendtage bewahrte. Insbesondere mag die tiich-
tige Schuiung seiner Stimme ihm schon in Kirchberg geholfen haben,
allerlei Verbindungen anzukniipfen, die sich spaterhin bei der Ubersiede-
lung nach Leipzig nutzbringend erwiesen.
Wenn also auch die Verhaltnisse, die der Knabe in Reichenbach an-
traf, nicht gerade glanzende waren, so umgab ihn doch hier ein anderes
Leben als zu Hause. Viel lebhafter wirkte die Welt drauBen auf ihn
ein ; eine groBe VerkehrsstraBe f iihrte seit alter Zeit durch das Stadtchen,
Leipzig und das altberuhmte Niirnberg mit einander verbindend; die
Handelsbeziehungen der Stadt lieBen den Knaben von fremden Dingen
und Menschen horen.
Von Reichenbach »begab ich mich nach Leipzig, und verharrete allda
iiber neun Jahre auf der Thomasschule* *), berichtet die Autobiographie.
Die Ubersiedelung wird in das Jahr 1696 gefallen sein. Uber die Ver-
haltnisse, die der junge Mann in Leipzig antraf, braucht hier im einzelnen
nicht berichtet zu werden, da sie aus mancherlei monographischen Arbeiten
geniigend bekannt sind. Ein reges musikalisches Leben zog Graupner,
soweit es die ernst betriebenen Studien gestatteten, bald in seine Kreise:
schwang er sich auch nicht, wie der seit 1701 in Leipzig studierende
Telemann, zu einem Fiihrer der jungen Kunstlergeneration auf, so
sammelte er doch eine Fiille kiinstlerischer Eindriicke, wie die Folgezeit
bewies, und auch in Leipzig erinnerte man sich spater des begabten
jungen Mannes und suchte ihn fiir die Stadt zu gewinnen. Graupner
berichtet selbst, die Summe seiner Leipziger Zeit ziehend, folgendes:
>Der Cantor, Johann Schelle, hatte viele Liebe fiir mich, und weil er
meinen natiirlichen Trieb zur Musik vermerckte, gab er mir selbst auf
dem Clavier, auch zu einer besseren Art im Singen, noch weitere und
griindlichere Anleitung.
l! Vgl. dazu B. Fr. Richter, Stadtpfeifer u. Alumnen der ThomasscHole in
Leipzig zu Bach's Zeit (Bach-Jahrtmch, Leipzig 1907).
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph GraupnerV 573
Inmittelst hatte ich bei dem nachherigen Capellmeister in Dresden,
Johann David Heinichen, auch den Anfang zur Composition gemacht,
worin es mir ziemlich gerieth, indem ich den Vortheil des Singens und
Claviers schon vor mir hatte. Da hiernachst Johann Kuhnau, vormahls
Organist an der Thomas-Kirche, zum Cantorat befordert wurde, genossen
wir beide mit einander, Heinichen und ich, seiner Anweisung, sowohl
auf dem Clavier, als in der Setzkunst. Weil ich mich auch bey Kuhnau,
als Notist, von selbsten anbot und eine gute Zeit fiir ihn schrieb, gab
mir solches gewiinschte Gelegenheit, viel Gutes zu sehen, und wo etwa
ein Zweifel entstund, um miindlichen Bericht zu bitten, wie dieses oder
jenes zu verstehen. Durch den taglichen FleiB gerieth es also nach und
nach dahin, daB ich mich weder in Kirchen- noch theatralischen Sachen *)
nicht sonderlich mehr zu flirchten hatte, sondern fest ging.
Die Schulzeit war nunmehr aus. Doch blieb ich noch 2 Jahr in
Leipzig, auf der dasigen Dniversitat, und war Willens, mich auf die Rechts-
gelehrsamkeit zu legen2); hielte auch meine Collegia, so viel mein Ver-
mogen zulies: biss endlich 1706 die Schweden in Sachsen kamen, und
mir mein Concept ziemlich verriickten.*
Die Hamburger Zeit.
Das Ereignis, das Graupner von Leipzig vertrieb, war der Anmarsch
der von dem exzentrischen und groBenwahnsinnigen Konige Karl XII.
gjefiihrten schwedischen Truppen, die Danen, Russen, Polen und Sachsen
besiegt hatten und in dem genannten Jahre am 24. September den Frieden
zu Altranstadt erzwangen, der August den Starken zum Kurf iirsten von
Sachsen degradierte. Ob Graupner fiirchtete, Werbern in die Hande
fallen zu konneh oder sonstwie zum Soldatendienste gepreBt zu werden,
ob er aus der Hofhaltung des Schwedenkonigs in Leipzig andere Nach-
teile fiir sich und seine Kunstiibung herleitete, lafit sich ohne weiteres
nicht sagen3). Kurz, er entschloB sich, auf einige Zeit nach Hamburg
1) Nach (Blttmner) Geschichte des Theaters in Leipzig, Leipzig, F. A. Brock-
haus, 1818, erhielt 1692 Nic. A. Strungk (vgl. Eitner a. a. 0. unter Strunck,
woselbst weitere Quellenangaben) ein Patent zur Auffthrung von Operetten. 1710
wird Samuel Erich DObricht als Operieten-Prinzipal , wie der Auedruck der Zeit
lautete, in Leipzig genannt. Er fehlt bei Eitner, mag aber vielleicht mit der
S&ngerin verwandt gewesen sein, die zu Beginn von Graupner1 8 Tatigkeit nach
Darmstadt gezogen wurde. (s. u.)
2) Dies Bekenntnis entbehrt nicht des Interesses. Obwohl eine ganze Anzahl
von deutechen Musikern des 18. Jahrhts. eine Zeitlang Jurisprudenz studiert hat^
laCt sich wohl nur bei den wenigeten die feste Absicht, die Juristerei auch prak-
tisch auszuttben, annehmen. Yerzeichnet steht Graupner in der Leipziger Matrikel
in folgendem Eintrage: > Unter dem Rectore Magnifico Dn. D. Johanne Oleario,
P. P. ist Ao. 1705 der Christoph Graubner Eirchbergensis immatriculieret wordenc
3) Der Aufsatz des Darmst&dter Ealenders kennt die Veranlassung von Graup-
ner's tibereiedlung nach Hamburg nicht
574 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
iiberzusiedeln. An eine dauernde Niederlassung ddselbst dachte er vor
der Hand nicht.
Die Wahl der Stadt laBt sich leicht begreifen. Man kennt die da-
maligen Verhaitnisse Hamburgs durch Chrysander's glanzende Schilde-
rung1). Die Musik fand reichste Pflege. Seit 1678 bestand die Biihne
am Gansemarkte, deren Auffuhrungen Gaste aus aller Herren Landern
herbeilockte. Die Hindernisse, die geistlicher Ubereifer ihr in den "Weg
gelegt hatte, waren wenigstens in der Offentlichkeit iiberwunden, der Poet
Christian Postel und der Musiker Reinhard Reiser schufen Werke von
allgemein anerkannter Bedeutung. Reiser's Opern, Zeugnisse eines mit
genialer, aber fast allzu leicht spendender Kraft ausgestatteten Kiinstlers,
fanden ihren Weg auch auf andere angesehene nord- und mitteldeutsche
Biihnen. Ob Graupner etwas von ihnen gesehen hat, ist nicht bekannt,
aber hochst wahrscheinlich ; jedenfalls blieb ihm Reiser's Ruhm in Leipzig
nicht verborgen. Eine Oper von Griinewald, *Germanicus*y hatte ein
Jahr vor ihrer Auffiihrung in Hamburg/ den Leipzigern Veranlassung
gegeben, den Komponisten, Schwiegersohn J. Phil. Krieger's, als Sanger
zu horen2). Auch von Handel's Wirken (er war seit 1703 in Hamburg,
von Mattheson und den anderen Hamburger Kunstlern muB Graupner
in Leipzig vernommen haben : was Wunder, daB er jetzt die Gelegenheit
benutzte, die gefeierten Meister und daneben das bunte Leben der gliin-
zenden Stadt aus eigener Anschauung kennen zu lernen. DaB es sich
nur um die Absicht eines kurzen Besuches handelte, geht aus Graupner's
eigener Mitteilung hervor: er gab sein Leipziger Zimmer nicht auf und
lieB seine Biicher und Musikalien zuriick. Mit zwei Talern in der Tasche
kam er in Hamburg an. Ein Brief an die Eltern verschaffte ihm keine
Unterstiitzung. Rasch pochte die Not an seine Ture.
Ein gliicklicher Zufall fiigte es, daB der Komponist und Cembalist
der Hamburger Oper, Joh. Christ. Schieferdecker aus Zeitz, damals
einen Ruf als Organist an die Marienkirche in Lubeck erhielt. Graupner
bewarb sich um den frei gewordenen Posten und erhielt ihn.
Das Datum von Schieferdecker's Liibecker Dienstantritt ist der
23. Juni 1701 3); Graupner muB demnach etwa *jA Jahre ohne festeBe-
ziige in Hamburg geweilt haben. Er wird bei den fiihrenden Musikern
gewesen sein, durch ihre Hilfe Dnterrichtsstunden bekommen und allerlei
Kopiaturen angefertigt haben.
In Hamburg »schlug« Graupner, wie er selbst erzahlt, 3 Jahre lung
1) G. Fr. Handel. Leipzig 1858. I. S. 72 ff.
2) Vgl. Eitner a. a. 0., IV, 396 und weiter unten.
3) Nach Eitner a. a. 0. Gerber (im N. Lezikon) 6agt, Schieferdecker sei am
Tage vor Graupner's Erscheinen nach Liibeck berufen worden.
Wilibald Nagel, Das Leben Chriatoph Graupner's. 575
im Theater den Fliigel1) und lernte immer mehr in der »Theatralischen
Schreibart*. Der leider geringe Rest seiner Opern ist dessen ein voll-
giiltiger Beweis. Handel's Hamburger Tage gingen fast zur gleichen
Zeit zu Ende, als Graupner FuB zu fassen begann. Von seinen "Werken
hat Graupner die Eraftauffiihrung von Florindo und Daphne im Februar
1708 in Hamburg erlebt, etwaige Wiederholungen friiherer Opern abge-
rechnet. Die Hamburger Blihne, den »Schmuck des deutschen Reichs,
Schmuck der polierten Welt«, wie Barth. Feind sagt, beherrschte Keiser.
Wer den Gebildeten zugezahlt werden wollte, durfte im Theater nicht
fehlen. Es herrschte in Hamburg ohne Zweifel neben dem »galanten«
ein asthetisches Interesse an der Blihne, und es ist durchaus nicht ohne
weiteres abzuweisen, daB Mattheson's theoretische Untersuchungen des
Singspiels am letzten Ende auf allerlei asthetische Expektoratiotien in
Hamburger Theaterkreisen zuriickgehen.
Wer zu Graupner's besonderen Hamburger Freunden gehorte, wissen
wir nicht. Auf alle Falle trat ihm Griinewald, der ihm nach Darm-
stadt folgte, nahe. Auch sein Textdichter Hinsch, der Poet Feind,
Mattheson und Keiser selbst haben wohl naheren Umgang mit ihm ge-
habt. Man erinnert sich dessen, was Chrysander iiber einen Teil dieser
Manner, yon denen Handel sich fern gehalten hatte, sagt: sie verpraBten
ihre Einnahmen und lebten in einem fortwahrenden Sinnentaumel ihre Tage
hin. Die Zukunft kummerte sie nicht. Dabei vernachlassigten sie jedoch
keineswegs ihre beruf lichen Pflichten; aber ihr Schaffen geschah wie im
Fieber, hastig, ohne kunstlerische Besonnenheit. Ware Keiser nicht ein
echtes Genie gewesen, dem sich jeder Vers sofort in Musik umsetzte, er
hatte kaum Bedeutendes zustande bringen konnen. In diesen Kreis
geriet Graupner. * Es ist interessant, seine Handschrif t aus den Ham-
burger Tagen m;t der spateren, sicheren, ruhigen und schonen zu ver-
gleichen: man sieht aus der Originalpartitur seiner Oper Dido, wie die
Feder in fliegender Eile iiber das Papier gleitet, Fehler sind nicht selten,
allerlei Zeichen werden ausgelassen, die Notenwerte oft mit hochster
Fliichtigkeit hingeworfen. Der Gl^nz des Scheinlebens hat ihn geblendet,
der Ehrgeiz ihn gefaBt, in dieser Welt des Scheines zu rascher Aner-
kennung zu gelangen, und so stiirzt er sich mit Feuereifer in Arbeit und
sinnliche Geniisse bedenklicher Art.
_- Der AdreBkalender-Aufsatz fiihrt als Opern Graupner's aus der Ham-
burger Zeit an: Dido (1707); Hercules und Theseus, Antiochus und Stra-
tonica, Bellerophon (1708) (Text nach Corneille, Fontenelle und Boileau
1) Die Angabe ist offenbar ein Irrtum, da Graupner's Beatallung in Darmstadt
mit dem Januar 1709 begann. Vielleicht hat er Schieferdecker schon einige Monate
lang als Cembalist vertreten; man kommt dann ungefahr auf eine zweijahrige
Hamburger Wirkungszeit.
576 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
von Feind) und Siymon (1709). Von den in Darmstadt entstandenen
Opera ist dem Verfasser des Aufsatzes bezeichnender Weise nichts be-
kannt geworden: sie waren Produkte der Hofkunst, die das »Volk« nichts
anging. Von den Angaben des Kalenders weicht die handschriftliche
Liste, die den Hamburger Operndrucken l) voraufgeht, wesentlich ab.
Sie verzeichnet: Dido (1707), Text von Hinsch2), Antiochus und Stratonica
(1708), Text nach Assarini und Corneille von Feind, Werke, die in der
Originalpartitur erhalten sind. Mit Keiser soil Graupner (1707) den
Carneval von Venedig*), Text von Meister und Kuno, 1708 Die lustige
Hochxeit, eine satirische Posse, und 1709 Olympia geschrieben haben.
Allein hat Graupner nach dem Hamburger Verzeichnisse noch BeUeropkon
und Shnson, beides Texte von Feind, in Musik ges^tzt. Seiner Opera,
iiber die sich bislang nur Winterfeld in oberflachlich-anerkennender Weise
geauBert hat4), wird spater ausfuhrlich zu gedenken sein. C. Monckberg
sagt in seiner Geschichte der Freien und Hansastadt Hamburg5), wohl
auf Chrysander8) fuBend, 1693 sei die bis dahin noch gepflegte biblische
Grundlage der Hamburger Oper vollig geschwunden. Das ist nach der
oben gegebenen Liste doch nicht ganz richtig; das letzte Opernwerk
Graupner's aus der Hamburger Zeit heiBt in seinem vollstandigen Titel:
»Der Fall des groBen Richters in Israel, Simson. Ein Musikalisches Trauer-
spiel*. DaB Graupner in diesem Werke andere Wege als in den friiheren
Opera gegangen sei, ist wenig wahrscheinlich. Der biblische Untergrund
ist fur den Dichter des Textes nur ein Vorwand gewesen; das ganze
Trauerspiel steckt voll von echtem Opern-Spektakel, Maschineneffekten
und Hanswurstereien. Wie hatte Graupner da auf den Gedanken eines
neuen Stiles kommen sollen?
Fiir die Texte7) der Opera Graupner's insgesamt gilt das, was schon
Chrysander iiber andere dahin gehorende Dichtungen gesagt hat; sie
1) Exemplar der Hamburger Stadtbibliothek.
2) Pasque* sagt, die Oper habe nicht gefallen, weshalb die >Unternehmer«,
die sich nicht mehr getrauten, Graupner die Komposition einer Oper zu Qbergeben.
sich an Handel gewandt hatten, der dann »rasch nacheinander* zwei neue Opera.
Der begluckte Flortndo und Die verwandelte Daphne geschrieben hatte! Vgl. dazu
Chrysander a. a. 0.
3) Soil nach Pasque* Graupner's erste Oper sein, zu der er einige altere Arien
Reiner's benutzt habe, die Oper habe auBerordentlich gefallen. Sie ist ein Ge-
mengsel von allerhand Tor- und Tollheiten.
Pasqu^ erwahnt noch: 2/ fido amico oder Der getreue Freund Berkule* uni
Theseus t Text nach dem Ital. von Breymann. So auch Eiemann im Opera-
Handbuch und im Lexikon.
4) Der evangel. Kirchengesang. Leipzig 1847. III. 506.
6) Hamburg 1886.
6) Handel. I. S. 78.
7) Vgl. dazu auch £. 0. Lindner, Die erste stehende Deutsche Oper. Berlin
1866.
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's. 577
sind als solche durchaus schwachliche und erbiirmliche Produkte ohne
jeden sprachlichen oder psychologischen Reiz, entbehren aller tiefer an-
gelegten Konflikte, gehen auf ode Liebesspielereien hinaus, der Art, daB
zur Haupthandlung eine oder auch zwei Nebenhandlungen parallel laufen,
wodurch Gelegenheit zu allerhand MiBverstandnissen und deren triviaier
Losung, zu Seufzern, Klagen und Wutausbriichen gegeben wird, und
mischen in der sattsam bekannten Art deutsche und italienische Arien
unter einander. Eine Prosaiibersetzung sorgt dafiir, daB der tiefsinnige
Text dieser italienischen Arien vom Leser verstanden werde.
In dieser sinnlich-schwiilen, in kiinstlerischer Beziehung eine tiefer an-
gelegte Xatur sicherlich nicht befriedigenden und unerquicklichen Atmos-
pharp ware Graupner vielleicht nicht gerade verkommen. Aber es ist
doch die Frage, ob er sich trotz der Anerkennung, die sein Schaffen
fand1), gegeniiber Reiser auf die Dauer hiitte halten und Geltung ver-
schaffen konnen? Er selbst erzahlt uns, er habe sich bald von Hamburg
weggesehnt; allerlei »VerdrieBlichkeiten« hatten ihn gequalt. Geldnote
mogen ihn bedrangt, galante Affairen ihn bedriickt und verfolgt haben.
Er spricht von einem Hoffnungsstern, der ihm damals im Traume auf-
gegangen sei : als er AnschluB an den Darmstadter Hof und damit eine
gesicherte Lebenslage gefunden hatte, verklarte sich ihm der Traum, den
ihm in angstvollen Stunden Wiinsche und Hoffnungen geboren, zu einem
Himmelsgeschenke, das ihm Erlosung aus seinen Noten verheiBen habe.
Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt war 1678 als Knabe
von 11 Jahren zur Regierung gelangt, die wiihrend seiner Minderjahrig-
keit, 10 Jahre lang, durch seine Mutter, Elisabeth Dorothea von Sachsen-
Gotha, gefiihrt wurde. Der junge Fiirst war ein groBer Liebhaber der
Musik. Buchner2) erzahlt:
>In seinem ganzen Leben hielte Er viel auf die Music, wie Er dann
selbsten viele schone Musicalische Stiicke inventiret, auch in seinen j linger en
Jahren galant auf der Laute gespielet« . . .
Seine Reisen hatten den Fiirsten nach Paris, nach Wien gefiihrt.
Franzosische und italienische Opern waren ihm nicht unbekannt geblieben.
1706 und 1708 hatte er Hamburg besucht und war mit Mattheson und
andem Musikern in irgendwelche Verbindung gekommen. In der Elbe-
stadt fand der prunkliebende Fiirst eine mit allem erdenklichen Luxus
ausgestattete deutsche Oper, die Ernst und Scherz, glanzende Maskeraden
und Aufziige in Hiille und Fiille bot. Was Wunder, daB da der
Wunsch in ihm Wurzel schlug, in seiner eigenen kleinen Residenz eine
1) Das Vorwort zur Lustigen Hochzeit preist Keiser, den berdhmten Monsieur
Hendeln, wie auch den nicht weniger rtthmenswerten Monsieur Graupnern.
2) Buchner'e Cbronik, S. 1165 (1724). Handschriftl. auf dem Gr. H. u. Staats-
archiv Darmstadt. Vgl. auch Kleefeld, Nagel a. a. 0.
578 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
Oper groBen Stiles ins Leben zu rufen? Opern, Schaferspiele mit
Musik, in denen die f urstlichen Personen selbst aufgetreten waren, Schau-
spiel-Auffiihrungen der Truppe des Magister Velthen1), Molifere'sche Ko-
modien, Farcen und mythologische Stucke, Mummereien zur Kamevals-
zeit, bei Familienfesten u. dergl. hatte der Darmstadter Hof ofter
gesehen2), wie denn dergleichen Auffiihrungen ja in groBerem oder ge-
ringerem Umfange je nach den vorhandenen Mitteln an keinem fiirst-
lichen Hoflialte fehlten. Aber eine regelrechte, stehende groBe Oper
war in Darmstadt noch unbekannt. Alle solche Auffiihrungen geschahen
doch nur gelegentlich. Unter ihnen fehlten audi Stucke nicht, die die
geschwollene pathetische Rede des Dramas, mythologisches F^belwesen
mit derben, baurischen Scherzen mengten3). So muBte auch nach dieser,
Richt^ing hin den empfanglichen Landgrafen die Hamburger Oper reizen.
Ob Mattheson, der dem Hessen-Fiirsten sein Werk >Der voll-
kommene Kapellmeister* widmete, Graupner auf <einen geauBerten Wunsch
des Landgrafen nach einer tuchtigen ktinstlerischen Kraft empfohlen, ob
Ernst Ludwig Graupner's Opern selbst in Hamburg gehort hat, wissen
wir nicht. Ersteres ist ziemlich unwahrscheinlich, da Mattheson schwer-
lich verabsaumt haben wiirde, die Welt von seinem Verdienste an der
Sache zu unterrichten4). Genug: Ernst Ludwig versicherte sich der
jungen und aufstrebenden Kraft Graupner's, stellte ihm frei, die Hdhe
seiner Besoldung selbst zu bestimmen (was Graupner ablehnte), und ge-
wann ihn so fur Darmstadt.
Auch weiterhin ist der Landgraf nochmals in Hamburg gewesen und
hat Fiihlung mit dem dortigen kunstlerischen Leben behalten*).
1) Velthen wirkte in Frankfurt. Wie weit eine Einwirkung der 1700 nach
der Mains tadt gekommenen StraBburg-Metzischen Operngesellschaft auf Darmstadt
anzunehmen ist, weiG ich nicht. Vgl. C. Valentin, Gesch. d. Musik in Frankfort
a. M. Frankfurt 1906. S. 220.
2) Vgl. H. Knispel, Das Gr. Hoftheater zu Darmstadt, I. Hlbd. Darmstadt a.
Leipzig 1891. KnispeFs eigentliche Aufgabe liegt jenseits des hier berHhrten Zeit-
raumee ; er behandelt die in Frage kommenden Dinge nur summarisch. Vgl. aach
Pasque und Kleefeld a. a. 0.
3) Die Darmst. Hofbibliothek bewahrt ein derartiges Werk Die triumpkiercndt
Tugend (dat. d. 6. Sept. 1686) auf.
4) In der Zuschrift, die nach der Sitte der Zeit den hessischen FUrsten in
widerlichster Weise anhimmelt, vergiCt Mattheson nicht, den Landgrafen daran
zu erinnern, wie er ihn vor 30 Jahren beim Singen akkompagniert babe. In der-
8elben Zeit, als er dies schrieb, muB er auch Graupner um seine Biographic far
die beabsichtigte >Ehrenp forte « angegangen haben.
5) Unterm 20. Mai 1709 schreibt Triesendorf aus Hannover an ihn (Geh. H. o.
St. Arch. Darmstadt, II. Abtlg. Con vol. 29. Ernst Ludwig):
*Je commence a croire que V. A. S. a ordonne a la Chanteuse de Hambaurg qui
devoit passer par icy, de prendre un autre chemin; je me mis attendu a donner *•
Concert a son occasion, mais Elle na pas paru jusques icy*.
Am 10. April 1710 richtet der Landgraf von Hamburg aus an seinen Minister
Wilibald Nagel, Das Lebon Christoph Graupner's. 579
Darmstadt.
Das neue Dienstverhaltnis Graupner's begann am 1. Januar 1709.
Seine vom 28. Januar datierte Bestallung1) bestimmte:
»Von G. Gn. "Wir Ernst Ludwig . . . Urkunden . . . hiermit, was mass en
"VVir Christoph Graupnern zu unserem Vice-Capellmeister angenommen haben,
. . . daB Er, Graupner, Unser Vice-Capellmeister seye, die Music sowohl in
alsz auszer der Kirchen, nach anleitung des Ihme ertheilten gnadigsten
Special Befehls, dirigiren, besonders aber sich zum accompagniren auf dem
Clavir, so offt es nothig, gebrauchen laszen, wie nicht weniger componiren
. . . solle . . . auch Er seinen Rang immediate nach Unserem Renth Cam-
mem Secretario, Sahlfelden, haben und dabey mainteniret werden solle. «
Als Besoldung wurden 500 Gulden und eine Naturalienverpflegung,
bestehend in 16 Mltr. Korn, 8 M. Gerste, 6 M/Spelzen,' 4 M. Weizen
Darmstadter MaBes, 8 Klafter Holz, 3 Ohm. Kostwein quartaliter gegen
Quittung zu reichen2) festgesetzt. Tatsachlich wird Graupner den Dienst
nicht am 1. Januar angetreten haben. So erklart sich wohl die spatere
Datierung der Anstellung. Er mag das Weihnachtsfest im Kreise der
Seinen verlebt haben und auf der Reise nach Kirchberg auch wieder in
Leipzig gewesen sein, wenigstens erzahlt er, daB er die seinerzeit dort
zuriickgelassenen vielen Manuskripte (eigne Arbeiten und offenbar Kopia-
turen) nicht mehr vorgefunden habe. So lange er in Hamburg dienst-
lich tiitig war und sich eine Stellung zu erwerben hatte, wird er schwer-
lich nach Leipzig haben reisen konnen.
Ein ganz anderer Wirkungskreis wie in Hamburg trat Graupner in
Darmstadt entgegen. Er lernte kleine und bescheidene Verhaltnisse
kennen, aus denen der Landgraf mit seiner Hilfe GroBeres und Glan-
zenderes entwickeln wollte. Die finanzielle Lage des Furstentums hatte
bisher zur groBten Sparsamkeit gezwungen3). Von Osten und Westen
Kametzky ein bewegliches Schreiben, in dem er sich fiber verzOgerte Geldsendungen
beklagt. Es ist auch von Interesse zur Beurteilung der Hamburger Verhaltnisse.
>Ich will hoffen es werde ja einmahl ein schreiben von mir an ihn einlauffen,
woran bishero zweiffeln muse, weilen auf Eeines uoch eine ainige antwort be-
kommen, indessen lebe allhier Gott weiss wie dann ohne geldt wahrhafftig an
einem frembden orth undt sonderlich allhier nicht sich behelffen kann, indessen
lauffen die taglichen depences fort man muss mal a propos schulden machen,
welches aber meiner ehr . . . iibele nachricht macht ich weiss nicht wo ich fast
hinsehen soil, so echame ich mich . . .« 6r. H. A. Abtlg. II. Cony. 274.
1) Gr. Hausarchiv, Abtlg. VIII. H of theater u. Hofmusik. Convol. 22.
2) Von dieser Bestimmung wich die betr. Eassenverwaltung sogleich beim
ersten Male ab. Graupner bezog laut Quittung vom 5. August d. J. dam als seine
erste Gage und z war far eine halbjahrige Dienstleistung.
3) Vgl. meine Darstellung a. a. 0. S. 38 ff. Eine eingehende Darlegung der
Finanzwirtschaft im damaligen Hessen ware von h5chstem kulturgeschichtlichem
Interesse; ohne jede Frage wiirde sie manche Erscheinung im politischen Leben
des Landes bis in die Rheinbundzeit hinein aufhellen und erklaren.
580 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph GraupnerV
her trachteten miichtige Feinde, das alternde heilige romische Reich zu
Y vernichten.^Hessische Truppen batten im Reichsheere gegen den 1683
Wien belagernden Kara Mustafa gekampft und Johann Sobiesky ge-
bolfen, die Turken zu verjagen. Im ersten Jahre von Ernst Ludwigs
Regierung waren die furchtbaren Scharen Ludwigs XIV., der Anspruch
auf die Erbgiiter Karls von der Pfalz erhoben hatte, auf deutschem
r Boden erschienen, die Pfalz, badisches und anderes Land verwiistend
\\j und ausraubend. Worms und Mainz waren aufs schwerste bedroht.
Noch unterhielt sicb der Hof in Darmstadt vortrefflich bei franzosischen
Balletts und anderen Lustbarkeiten , als der Anmarsch der Franzosen
auf Frankfurt und Darmstadt gemeldet wurde. Der junge Landgraf
war fern. Als er 1694 in seine Hauptstadt zuriickkehrte, hatte diese
schwere Zeiten hinter sich: 1691 und 1693 war Darmstadt gebrand-
schatzt worden. Es gait jetzt zunachst, die durch »franzosische Volker*
A zerstorten Hauser neu aufzurichtenT] Da war es kein Wunder, daB den
fiirstlichen Kassen, die von a,llen Seiten in Anspruch genommen wurden,
oft das Geld ausging, daB fallige Gehalter nicht bezahlt werden konnten,
daB z. B. der Witwe eines Musikers eine Abschlagszahlung auf eine
geschuldete Summe in Gestalt eines fetten Schweines gereicht werden
muBte. Unter solchen triiben Verhaltnissen lieBen sich keine groBen
kiinstlerischen Plane verwirklichen. Aber seit dem Frieden von Ryswik
(1697) waren dem Reiche wieder friedlichere Zeiten beschert, es kam
leidliche Ordnung auch in das Finanzwesen Hessens, und der Landgraf
konnte daran denken, seinen Wiinschen Erfiillung zu verschaffen. Aber
das Wollen war groBer als das materielle Vermogeji. So blieben denn
Enttauschungen nicht aus, und die Dinge nahmen im Laufe der Zeiten
eine ganz andere Richtung, als sie der Landgraf urspriinglich geplant
hatte.
DaB der damals noch lebende Darmstadter Kapellmeister Wolfg.
Karl Briegel an der beginnenden Neugestaltung der Dinge beteiligt
gewesen, ist kaum anzunehmen. Graupner brachte schon kurze Zeit
nach seinem Erscheinen eine neue Oper zur Auffuhrung und wurde als
Nachfolger Briegels, der im November 1712 starb1), am 28. Januar 1711
Kapellmeister2). Schon im vorhergehenden Jahre erscheint der Name
1 Briegel's Lebensgang 8. in seinen Umrissen bei Eitner a. a. 0., woeelbst
auch die Literatur liber ihn zu finden. Pasqu^'s Phantastereien Qber Briegels
>Opern« sind Eitner nicht bekannt geworden. Briegel verdiente ohne Zweifel ein-
mal eine monographische Behandlung.
2) Es handelt sich nach Ausweis der Akten nur urn eine Titelanderung; doch
fQgt das Bestellungsdekret bei, daB Graupner »kfLnftighin aber mit Unseren
Cammer- und Kriegs-Secretariis der anciennete nach rouilliren solle*. Graupner
erhielt weder hdheres Gehalt noch grftftere Naturalbezflge angewieeen. Genau so
wurde auch Grunewald (Griinewald) gestellt.
Wilibald Nagel, Das Leben Chris toph Graupner's. 581
Gottfr. Griinewald's, seines Hamburger Freundes, in den Akten.
[|3eine Beziehungen zu Graupner gehen wohl bis in dessen Leipziger Zeit
zuruckjl704 war, wie schon mitgeteilt, Griinewald's Oper Germanicus
in Leipzig mit dem Komponisten als Sanger gegeben worden. Uber des
Mannes Wirken in Darmstadt wissen wir nicht sehr viel J). Seine Freund-
schaft zu Graupner ist allem Anscheine nach sehr innig gewesen; bei
mehreren ihrer Kinder haben die Manner gegenseitig Gevatter ge-
standen.
Noch ein anderer Musiker lebte damals in Darmstadt, den der Land-
graf iiber seine Plane ins Vertrauen zog, E. Chr. Hesse2), der ausge-
zeichnete Gambist und spatere Kriegssekretar. Welch e Rolle er am
Hofe gespielt hat, ist freilich bis jetzt nicht ganz klar.
Das Eesultat der Beratungen iiber die kiinstlerische Ausgestaltung
des Hoflebens in Darmstadt forderte zunachst zwei Plane zu Tage, den
eines neuen Theaters und den anderen der notigen Erganzung des Perso-
nales. Fur den Theaterbau wurde Lafosse gewonnen; Graupner und
besonders Hesse, der im Dienste seines Fursten viel auf Reisen war,
sollten die Kapelle auf eine geniigende Anzahl von Mitgliedern und die
wiinschenswerte kiinstlerische Hohe bringen.// In jener Zeit hat Graupner,
wie aus einer Quittung3) seiner Hand hervorgeht, mit Leipzig, WeiBen-
fels, Hannover und Wolfenbiittel korrespondiert. Wohl des Engage-
ments von Sangern wegen.
Pohl gibt in Grove's Dictionary aus der Darmstadter Zeit folgende
Opern an: Berenice und Lucio (1710); Telemach (1711); Bestiindigkeit be-
1) Vgl. Nagel a. a. 0. Ich werde die wahrend der Vorarbeiten dieser Lebens-
skizze gefundenen Aktenstiicke iiber Griinewald an anderer Stelle in dieser Zeit-
schrift mitteilen.
2) Vgl. iiber ibn Pas que* a. a. 0. Nagel a. a. 0. Aus seinen Brief en und
Berichten an den Landgrafen teile ich unten einiges mit. Sie kommen nur in ge-
ringem MaCe als musikgeschichtliche Quelle in Betracht. Auch der Person Hesse's
einmal literarisch nahzutreten diirfte sich verlohnen.
3) Das Darmstadter Archiv bewahrt den 2. Akt einer Oper Lucius Verus hand-
scbriftlicb auf. Der nachfolgende Zettel mit Graupner's Handschrift gehOrt wohl
hierher:
> Specification was ich wegen Hochf. gn. Herrschaft ausgelegt habe.
Gr. alb
Vor ein und ein Viertel Buch groB Pappier 1 7
Vor ein Reisz Pappier zur Opera 3 20
Vor Zehrung als nach Franckfurt geschickt worden
Cupido und Venus zu probieren 2 28
Vor Briefporto nacher Hannover Leipzig WeiBenfels
Wolfenbiittel _2_ 6_
10 1
Obige Zehn Gulden sind mir von Ihr Gnaden Herrn vom
Kametzki wieder vergniigt worden.
Christoph Graupner. <
582 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
siegt Beting (1719). Erne Oper Lucio Vero e Berenice wurde in Darm-
stadt am 4. Marz 1710 im landgraflichen Schlosse aufgefiihrt. Als Mit-
wirkende werden genannt der Musikus Renner, Grunewald, die
Schoberin1) und die Kaiserin, Sangerinnen. Der Drucker Gottfr.
Haussmann stellte im August 1710 eine fiechnung uber 600 gedruckte
Exemplare des Werkes, d. h. der Dichtung, aus. Der Druckerlohn war
59 Gulden. Ob es sich um Nachdruck der Dichtung von Hinsch han-
delte, die Keiser 1705 in Hamburg komponiert und aufgefiihrt hatte?
DaB Graupner eine neue Musik dazu geschaffen hatte, verraten die Akten
nicht. Inzwischen hatte Lafosse das alte Komodienhaus, das als Inte-
rim sbau zur Aufnahme der Oper gedacht war (denn es bestand der —
nicht verwirklichte — Plan, ein neues groBes Haus zu errichten), umge-
baut. Die Arbeit wurde im Januar 1711 fertig. Als erste Oper wurde
am 16. Februar2) Telemach gegeben. Die Tradition nennt Graupner als
Komponisten. Auch hier lassen uns die sehr mangelhaft erhaltenen
Akten im Stiche. Fur die Auffiihrung waren Joh. Geo. Pisendel, der seit
1709 in Leipzig weilte3), Joh. Mich. Bohme, Johanna Elis. Dobrichtin4;,
(Venus), in deren Gesellschaft ihre Mutter kam, Konst. Knochel und
ein Knabe Blank gewonnen worden. Auch Frau Kaiser und die
Schoberin waren wohl in der Oper beschaftigt; ebenso einige Herren
vom Adel. Die Texte wurden in GieBen gedruckt. Die Oper begann
um 4 Dhr nachmittags und erlebte eine Reihe von Wiederholungen.
Den Mitwirkenden wurden ansehnliche Summen und GeVdhenke ausge-
handigt5). Auch im Herbst des Jahres 1711 wurden wieder Opernauf-
fiihrungen veranstaltet. Am 7. August schrieb der Landgraf an seinen
1) Maria Schobert (!) (nach Pas que* a. a. O.) verlieB Hamburg fast zugleich
mit Graupner.
2) Das Datum stent nicht ganz fest. Man kann gegen den 16. Februar gel tend
machen, da6 dieser Tag ein Sonntag und daft der 17. der Beginn des Karnevalu
war. Die Geistlichkeit war, wie wir bOren werden, dem Landgraf en gram, weil
er Sonntags Lustbarkeiten nicht vermieden hatte. Die Akten en thai ten aber die
Angabe, daft am 16. Februar die Herrschaften, die >Dantzer« und die Sangerin
mit >Schukelade«, Thee und Kaffee im Theater bewirtet worden.
3; Eitner a. a. 0.
4) Sie kam wohl aus WeiBenfels: hier wird um 1691 ein Dan. D. als Mitglied
der W.-Querfurter Hofkapelle erwahnt. Vgl. Eitner a. a. 0. und weiter oben.
6) Minister Kametzky schrieb an den Verwalter Rohr unterm 11. Marx 1711.
er so lie >auff Befehl J. H. D. die Mile. Ddbrichtin nebst Ihrer Mutter ingleichen
M. Kntfchel, Hrn. Graupner (den Vater?), Mr. Bishandel und Mr. Bdhm im Darni-
stadter Hoff logieren, und weil Sie auf den Donnerstag und Freytag von Franck-
furt abreisen, sollen sambtl. Personen defrayrt werden. Der H. Verwalter gelibe
mir das Conto zu schicken.« — Was ein Joh. H. Freetz, fQr den Graupner
200 Gulden auslegte, die ihm die fQrstl. Easse am 5. April 1711 zuruckzahlte, fQr
das Spiel bedeutete, weiB ich nicht zu sagen. Die Ausstattung fflr Telemach wurde
zum groOen Teil aus Paris bezogen. Ober diese Dinge liegt allerlei Material vor.
das indessen fiir unsere Zwecke bedeutungslos ist.
Wilibald Nagel, Das Leben Chris toph Graupner's. 583
Minister Kametzky, er moge bei den jetzt beginnenden Proben anwesend
sein und aufpassen, daB alles recht zugehe. Niemand, wess StanSes er
sei, diirfe den Proben auBer den ira Spiele Beschiiftigten beiwohnen —
auch ein Bild aus der alten Zeit des Patriarchal- Staates: der Minister
als Aufsichtsperson bei der Opernprobe!
Die Einfiihrung regelmaBiger Opern-Darstellungen in Darmstadt1) ge-
schah nicht, ohne daB ein Teil der Geistlichkeit lebhaften Widerstand
leistete. Es wiederholte sich die Erscheinung, die einige Zeit zuvor in
Hamburg gespielt und dort wie auch anderswo ihre Erledigung zugunsten
der Oper gefunden hatte. Per Pietismus war nach teilweise verniinftigen
Anfangen auf bedenkliche Abwege ins Schwarmerische hinein und in
aufdringlich-dreisten Bekehrungseifer geraten. In maBlos iibertriebener
Einschatzung seiner eignen Wiirdigkeit erklarte er allem weltliehen Wesen
den Krieg. Heitere Geselligkeit war ihm ein Greuel, Spazierengehen er-
klarte er fiir eine schwere Siinde, Kartenspiel, Tanz und Theater, kurz
jede Art »galanten« Zeitvertreibs stempelte er zum Greuel und Ver-
brechen vor Gott. Dem Landgrafen wurden seine weltliehen Neigungen
keineswegs nachgesehen. Wird man den fanatischen Ubereifer der Pie-
tisten belacheln miissen, so darf man doch auch nicht den Mut zu riihmen
vergessen, mit dem pietistische Prediger ihrem Landesherrn entgegen
traten. Unter ihnen nahm Oberhofprediger Bielefeld2) eine hervor-
ragende Stelle ein. Er hatte dem Fiirsten Vorhaltungen gemacht3), daB
er seinen Kindern an Sonntagen einen Tanz gestattet hatte, und war
bereits 1698 in einem ausfiihrlichen Schreiben4) vorstellig geworden, das
hier mitgeteilt sei: ^
»Was E. H. D. . . . mich von einigen sowol auf Seiten des Hrn. Hof-
predigers als Inspectoris vorgegangenen Bestraffungen wegen derer biszhero
gehaltenen assemblSen gnadigst berichten wollen, Solches babe . . . verlesen
. . . Nun ist nicht ohne, dasz sowol von Wetzlar aus anhero schriftlich, als
auch von einem hier durchreysenden Grafen der Bericht mundlich geschehen,
Es siihe zu Darmstadt gantz anders wiederum aus, und wurden wochentlich
offentliche Ballet gehalten, wobey man sich in allerhand Lustbarkeiten tiver-
tirete: Ich konnte aber solches nicht glauben, bisz mir . . . durch ein Schreiben
vom Hrn. Hofprediger . . . gemeldet wurde, dasz man einige assembleen
wochentlich bey Hofe hatte veranstaltet . . . Ich kann aber die Arth iiber
diese Sache sich zu moviren und , . . zu eyfern . . ., nicht eben approbiren :
1) Genaue Nachrichten fehlen. Einige Plane, Szenarien usw. haben sich er-
halten. Das einzelne hier aufzufflhren ware zwecklos.
2) Er 8tammte aus Wernigerode und war vom Landgrafen nach Darmstadt be-
rufen worden. Seit 1693 war er auch Professor in GieCen. Er starb 1727. Vgl,
Strieder a. a. 0. Ferner: W. KShler, Die Anfange des Pietismus. (Die Uni-
versitat GieBen von 1607 — 1907, Festschrift zur 3. Jahrhundertfeier. II, 203 ff.
Giefien 1907.)
3j Geh. H. Arch. Ernst Ludwig. Korr. Konv. 23.
4) Geh. H. Arch. Abt. VIII. Konv. 270.
584 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner'«.
weil sie es ja mit einer solchen Herrschafft zu thun haben, die nicht gantz
frembde von Gott und semen Wegen feind ist, sondern ihre Hertzen daza
beqvehmet ... In dessen . . . Ich setze dieses ausser alien Zweiffel, dasz
E. H. D. ... wenigstens in der vesten Meynung ihres Hertzens stehen, Sie
begiengen in diesen Stiicken nichts, was den heiligen Gott beleidigen mogte,
dahero Sie solches vermeyndlich gantz innocenten tivertissements halber keinen
Scheu vor jemanden dorfften tragen: Ich bin auch dieses von Dero Liebe
zu Gott persvadiret, dasz Sie keinen Gefallen daran haben, wo fern andere
bey solcher Gelegenheit ihr eitles Hertz und Sinn lassen ausschweiffen, und
denen siindlichen Lusten Platz geben.«
Bielefeld gibt nun zu bedenken, daB »durch diese Dinge* die Heiligung
der Seelen nicht befordert werde, daB Gott vielleicht eine in solcbem
» Divertissement* abgerufene Seele schwerlich »wachend« finden werde;
dann seien «>die gedriiueten Zeiten der gottlichen Gerichte taglich niiher
fur der Thiir*: so lasse sich also nicht sagen, ob nicht von der »Gemein-
schaft derer iippigen und eitlen Welt-Geister einige Befleckung auf Sie
falle« . . . Dazu komme das groBe Argernis, welches bei anderen erweckt
werde, die »ihre schandlichsten Verschwendungen, operen, und dergleichen,
hirmit zu justificiren vermeynen* . . . Bei herannahender Weihnachtszeit
moge der Landgraf das Spiel ausstellen und »kiinftighin keine ordinaire
noch mit allerleiGemeinschafft befleckte Anstalt wiederum hinaus lassen* . . .
Die Angntte gegen das weltliche Wesen waren damit nicht zu Ende;
in den niichsten Jahren wurden sie im Gegenteil noch immer heftiger.
Der Pietist Joh. Christ. L an ge verfaBte1) 1704 eine ergotzliche Schrift
'- gegen das Tanzen der »heutigen galanten Welt«.j[Sie lfeBi dem »Volke«
7>um seines >ungebrochenen Wesens* willen einige Tanze]| der Gebildete
aber sollte sich, das war die Quintessenz, von derlei »Rekreation< ab-
wenden und edlere Geniisse aufsuchen. Im Tanze liegt — die Weise
erklingt ja wohl auch heute noch zuweilen — Reiz zu boser Lust, eitle
Ostentation, Versuchung zu Pracht und Verschwendung. »( jDer Tanz ist
gauklerisch unniitze, hochst unanstandige Gestikulation des Weltgeistes,
i >fiir deren Begriindung hochstens eine weltpolitische Raison, in lege
x consuetudinis fundirt, iibrig bleibt«j Das war die bleliebte und allezeit
offen gehaltene Hintertiire der weltlichen Gewalt gegeniiber .... Aufs
schilrfste wurde der Landgraf personlich durch den Prediger PhiL
Bindewald angegriffen. In einem langen, Darmstadt den 20. April
1715 datierten Schreiben2) geht er unbarmherzig mit ihm ins Gericht
Gegenstiinde der Anklage waren des Fiirsten Liebe zu schonen Frauen,
Jagden und der Oper. »Es streitet auch . . . gegen E. H. D. theuerste
Seele ... die allzu groBe Beliebung an den operen und Comoedien . . .«
1; Vgl. W. Diehl. Aus den Akten des GieCener Tanzstreites. (Lndoviciana.
Feetzeitung der 3. Jahrhundertfeier der Universitfit GieBen. GieBen 1907, S. 5a
2; Gr. H. u. St. Arch. Darmstadt. Abtlg. VIII, 270.
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph GraupnerV 585
Auch das war ein altes und an gar mancher Stelle gesungenes
Lied.
Sicherlich sind derlei Angriffe am Landgrafen nicht spurlos voriiber-
gegangen. DaB sie ihn aber bestimmt hatten, seine Neigung fiir kost-
bare Opernauffiihrungen zu unterdriicken, wird man nicht behaupten
diirfen. CDas brachten andere Dinge innerhalb weniger Jahre, wie wir
horen werden, fertigf)
Die Opern Lucio Vero und Tdemach (falls sie uberhaupt von Graupner
herriihren1), seine anderen Kompositionen, ' sein Ruf als Klavierspieler
batten den jungen sachsischen Meister in Darmstadt gut eingefuhrt. Zwar
war seine Stellung nach auBen hin keine glanzende, aber in den be- 4
scheidenen Verhaltnissen der Stadt wurde sein Name bald bekannt. Im
guten iurfii im schlechten Sinne. Die Dinge liegen nicht ganz klar. Es
war schon davon die Rede, daB Hesse als Agent Ernst Ludwigs wirkte2).
Der Landgraf hatte ihm am 22. September 1711 von Amsterdam aus
verschiedene Auftrage erteilt, auf die ihm Hesse unter anderem ant-
wortete :
>Je croirois done que Paisible3) s 'acquitteroit de la Coinmission dont il
1) Aus Pasqug's Darstellung ergibt sicb, daB die Partituren zu seiner Zeit
nocb im Besitze der Darmstiidter Hofbibliothek gewesen sind {!). Jede Spur von
ibnen scheint verloren.
2) Ich bringe bier aucb einen aus Wien am 7. Nov. 1710 von Hesse an den
Landgrafen gerichteten Brief bruchstfickweise zum Abdruck, der allerlei interes-
santes entbalt. Mit Kaiser ist offenbar nicbt R. Reiser, sondern Johann, der
Gatte der oben als Sangerin genannten Kai serin gemeint. Cber Scot schoff sky
und Burkhard vgl. Nagel a. a. 0. Hesse war seit dem 25. Oktober 1710 in
Wien >ou je ne laisse pas de frequenter tout ce qtiil y a dT habile gens au Service de
Sa Majt* Imperiale, parmi les quels Fux et Bononcini sont du premier Rang, et e'est
imme avec le premier que je traite journellem* dans la sublime de la Composition. Je
fais encore compte de porter avec moy une bonne partie de Musiques Excellentes, tant
vocales qu* Instrumentales moyennant la Seule copiature et le papier, dont il faut satis-
fairc au Copistes. S'il est toujours vray, que Kaiser selon son inquietude ordinaire
et precipitante veut quitter le Service, il y a moyen de dedommager V. a. s. de ce cote
la, memes avec bien de Vavantage, a Vheure qu'il plaira a V. A. S. de m'en donner
les Ordres necessaires pour remplir ces deux places.
Tag en attendant decouvert icy, mats non pas sans peine, un Excellent Trompete,
il syappcUe Scottschofsky, Hongrois de nation, encore Gar con, qui a Servi pendant deux
ans le Comte Staremberg en Espagne, Franc et par fait en Musiqut, jouani en meme
terns du Violon et qui en un mot Vemporte de fort loin sur les autres Trompetes a
Darmstatt, fay cru bien faire, ^engager cet home sur les memes conditions les quelles
V. A. S. a accordc a Bourckhard ainsi que je supplie V. A, S. . . . de m'octroyer sa
Ratification Id dessus, oil $ autres ordres, avec le premier ordinaire, ou que je Serois
fort fache que V. A. S. perdit cet abile homme. Toucliant la bande de Hautbois que
V. A. S. a dessein de faire venir de Berlin, je la Supplie de me faire Savoir ses
ordres la dessus, afin que fen puisse donner part a Tromp, et, en cas que V. A. S. le
jugeroit a propos, de prendre mon Retour par Berlin, pour y entendre moy mime
rhabilite de cette nouvellr bande . . .c (Akten des Geh. Hausarcbivs. II. Abt. Korresp.
E. Ludwigs. Con vol. 273.)
3) Hesse korrespondierte auch mit dem seit 1710 in England befindlichen Han-
s. d IMG. x. 39
586 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
s'est charge, Si je ne le connoissois pas de longue main, de sorte queje cretins
quUl riait oublii le lendemain ce qtCil a pramis la veitte, car e'est en quoy
que consists Son veritable Garaciere.
Je prends au reste la libertf, Monseigneur, d'exposer a Yotre Altessc Ser9"6
les besains les plus pressants du departement de la Musique, dont voicy les
points les plus essentielles dans t inclose, en suppliant Y. A. S. . . . de faire la
grace a ceux qui y Sont InteressS et de les consoler au premier ordinaire de
Sa gracieusc Resolution. Vater1) sur tout est fort presse; Je n'ai, outre ce
que fai debourse a Yienne, pas seulem1 touche pour cette annee un Seul Sou
de mes gages, Sans cela favancerois du meilleur de mon Coeur a cet honite
komme ce quUl Lui est du. Mais V article de Griinewald ne presse pas,
puisque il a toucM de quoy faire Son voyage2). Graupner etoit Sur le preci-
pice de perdre Sa Reputation, Sans le pas qu'il vient de faire, dont fauray
rhonneur tfexposcr les raisons a V. A. S. dabord qu'Elle Sera de retour icy.
Tout le monde convient quHl a tres bien fait, ayant choisi une fillc egalm1 belle
et sage. II n\j a que la maniere dont il S^est Servi de Lui declarer Sa passion 3)
qui est particuliere, et qui merite d'etre ecoutee. . . .<
Der SchluB des mitgeteilten Schreibens laBt nur die Annahme zu,
daB Graupner die Torheiten der Hamburger Tage in Darmstadt, sicher-
lich dem hierzu ungeeignetsten Orte, fortzusetzen versucht hatte. Es
mag ihm schwer genug geworden sein, sich und sein Wunschen zu be-
scheiden! Seine Verlobung war das beste und wohl einzige Mittel, die
briichig gewordene Reputation wieder herzustellen. Seine Braut hieB
Sophie Elisabeth Eckard4) (Eckhard, Eckert).
Die Hochzeit fand im September 1711 statt5). Aus der Ehe gingeo
folgende Kinder hervor: Maria Elisabeth, geb. 9. Aug. 1713; Christoph*)
del. Am 18. Okt. schreibt er dem Landgrafen aue Darmstadt. (Geh. H. Archiv E. L.
Privatkorr. Convol 273). *Hendel, qui rrCa ecrit depuis deux fois de Londres, m'a
toujours charge d assurer V. A. S. de la Continuation de ses tres humbles Respects,
e'est de quoy fay Phonneur de m'acquiter si bien que de Lui faire les memes assurances
de ma part...* Er mag auch Beziehungen zu James Paisible, der vielleicht
hier gemeint ist, einem Operetten-Komponisten der Zeit und spater als Vorsteher
der Kgl. Kapelle bekannten Musiker, gebabt haben. Vgl. Eitner a. a. 0.
1} Christian Vater aus Hannover hatte 1711 je ein Klavier fur das Theater
und Graupner geliefert. Vgl. Kleefeld a. a. 0.
2] Bezieht sich wohl auf das Griinewald ausgeworfene Reisegeld, urn von
Hamburg nach Darmstadt zu fab r en, und auf seine erste Besoldung.
3) Pasque a. a. 0. S. 676 f. eagt, Graupner habe das 18jfihrige Madchen ent-
iflhrt.
4) Nach Pasque a. a. 0. S. 676 war der Vater Eckart Hofbildhauer zu Darm-
stadt. Die Familie scheint aus Oberhessen zu stammen, wenigstens wird (Kirchen-
buch) die GroBmutter der Braut mdtterlicherseits, Frau des weil. Ratsverwandten
und (Kirchen)-Kastenpflegers in Nidda als Patin des altesten Eindes Graupner's er-
wahnt. W. Diehl (Stipendiatenbuch der hess.-darmst. Universitaten . . . Hirsch-
horn 1907, S. 41) erw&hnt einen Joh. Pet. Eckhard von Nidda, Sohn des Gust. Eckert.
Er war 1689 — 1702 Pfarrer zu Bischofsheim. Vgl. auch weiter unten.
5) Pasque" a. a. 0. Offenbar nicht in Darmstadt, da die kirchlichen Register
keinen entsprechenden Eintrag enthalten.
6} »wegen der confusion ausz dem entstandenen groGen Brand im F&rstl.
SchloG im Hausze getauft.c (Kirchenbuch.)
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's. 587
geb. 19. Mai 1715, gest. 19. Mai 1760; Joh. Christoph i), geb. 28. Nov. 1719;
Georg Christoph, geb. den 27. Juli 1722, gest. 28. Juli 1722; Ludwig
Christoph, geb. 2. Juni 1725. Heinrich Christoph, geb. 5. Oktober 1726;
Christoph Gottlieb, geb. 23. Juni 1732, gest. 24. Juli (?) 1806. Aus den
Verzeichnissen der Paten dieser Kinder gewinnen wir auch einen leider
nur bescheidenen Einblick in die freundschaftlichen Beziehungen Graupner's.
Genannt werden der Pfarrer Gg. Schott von Auerbach, ein Pfarrer
Zickwolf 2) und Frau zu Auerbach, Kaufmann Ludwig Eckard zu Frank-
furt, vielleicht Frau Graupner's Bruder, Pfr. Lichtenberg und Frau zu
Neunkirchen i. 0. und spater zu Oberfamstadt, [der Vater des Physikers v 7
und trefflichen satyrischen Schriftstellers^J Diese Beziehungen Graupner's .
zu hessischen Theologen sind hochst interessant. Auch mit der Familie
Dippel, deren Mitgliecf, der Pfarrer Joh. Philipp, »im Zeitalter des Pietis-N
mus zu den fiihrenden Geistern ganz Deutschlands gehorte, und fiir die
deutsche Aufklarung bahnbrechender gewirkt hat als irgend einer seiner
hessischen Zeitgenossen*, hat Graupner in freundschaftlichen Beziehungen^
gestanden: 1713 war er Pate des Christoph, Sohnes von Joh. Alb.
Dippel in Nieder-Rammstatt4).
Am 13. Mai 1713 verlor Graupner seine Mutter Marie, die dem Sohne
in die neue Heimat gefolgt war.
Wir haben schon gehort, daB die Zahl der Opera aus Graupner's
Darmstadter Zeit sehr klein ist. Nach 1719 hort man nicht von der-
gleichen Arbeiten mehr. Wenn der Landgraf die Pflege der Oper
schweren Herzens, wie wir ant^nmen diirfen (denn ihr galten seine Nei-f / '
gungen nicht zum wenigsten), preisgab, so konnen darai nur die schlech-
ten finanziellen Verhaltnisse seines Landes und Hofes die Schuld getrSgetx
haben. Die Akten sind voll von Klagen iiber hochst mangelhafte Ein-
lauf e der feezuge der Hof angestellten ; der unbezweif elbar redliche Wunsch
des Landgrafen, die Aftspruche seiner *Dieher zu blf$ecligen, die Ver-
hiiltnisse zu ordnen und sie, wie er einmal (19. Sept. 1715) an Kametzky
schreibt, »wiedet auf einen gewissen und fermen FuB« zu bringen, »denn
1) Er heiratete eine Johanette Charlotte Blanck; dem Paare wurde am 9. Fe-
bruar 1758 der erste Sohn, Joh. Christoph, geboren. Graupner stand bei seinem
Enkel Gevatter. Weitere Kinder sind: Geo. Wilh., geb. 4. Oktober 1759. Frieder.
Sophie geb. 10. Juli 1761. Christian Martin, geb. 5. Juli 1763. Eleonore, geb.
29. Mai 1767. Der Vater, vormals F. Reg.-Sekretarius, war damals Kammer-Rat.
Endlich: Wilh. Remigius Christoph, geb. 9. Nov. 1770.
Der Name Graupner scheint von da ab aus den Kirch enbflchern zu verschwinden.
2, Christ. He(i nr. Zickwolf von Sulzbach, 1713 — 27 Adjunkt, bis 1743 Pfarrer
in Auerbach, bis 1729 ft) Pfarrer in Re in born. Vgl. W. Die hi, Ordinations- und
Introduktionsbuch des Darmst. Definitoriums. Beitr. z. Hess. Kirchengesch. 4. Iff.
3) Ich gebe weiter unten einige Daten zu seiner Lebensgeschichte.
4 Vgl. W. Die hi in der »Wochenbeilage der Darmst. Ztg. 4. Jahrg. Nr. 6.
1909*
39*
588 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph GraupnerV
die Leuthe liegen mir sonst auf dem Halss und ist des anlauffens kein
ende< — erfiillte sich nicht Allerlei Yorschlage wurden dem Fiirsten
gemacht; solche bedenklicher Art fehlten nicht, wie der eines Mainzer
*,*? Juden beweist, der 1717 ein Projekt wegen der Salz-Admodiation (Pacht)
im Lande Hessen ausgearbeiteL-hatte1), gegen das Kametzky erne scharf
ablehnende Stellung einnahm.lt (Da muBten denn wohl oder iibel Erspar-
nisse an allerlei entbehrlichem gemacht werdenj Auch die Oper fiel, und
der Hof muBte 8ich mit den Auffiihrungen kirchlicher und kleiner welt-
licher, vorwiegend instrumentaler Werke begniigen.
DaB freilich die theatralischen Auffiihrungen ganz aufhorten, ist durch-
aus nicht anzunehmen. Auch ohne auBergewohnliche Kosten lieBen sich
mit Hilfe der Hofgesellschaft, der Musiker und der Kirchensanger aller-
lei Opernwerke geben. Leider besitzen wir keine Dokumente, die iiber
diese Dinge erschopfenden AufschluB gaben. DaB der Landgraf, seitdem
er die Hamburger Oper kennen gelernt, das Interesse an Werken fremder
Zunge verloren habe, wie erzahlt wird, ist nicht wahr. Am 13. Marz
1715 schickte ihm Joh. Fr. von Stain2) die Oper Telemach (gemeint ist
offenbar das 1714 in Paris aufgeftihrte Werk des Abbe Pellegrin mit
der Musik des A. C. Destouches) aus Paris mit den Worten zu3i:
Jay donne (!) un paquet a (!) notre Banquier contiend (!) V Opera d* 7>fe-
inaque (!) en Musiqw La Tragcdie (!) de Caton celh de Muhametx {!) et plu-
sieures esta?npes par ksquelles Vostre Altesse verra le gout (!) des Francois (!)
Auch franzosische Schauspielauffuhrungen, deren Abstellung Kametzki
1718 aus okonomischen Griinden eindringlich forderte, fanden noch statt;
<? ^inzelne Rollen zu ihnen haben sich erhalten. Mit ihnen wechselten
1) Geh. H. Archiv, Abtlg. II. Conv. 274.
2) Vgl. fiber ihn Strieder a. a. 0. IV, S. 269.
3} Geh. H. A. Abt. II. Conv. 278. Ohne schlechtes Franz5sisch ging es nan
einmal nicht. Gegen die Art, in der Kleefeld a. a. 0. den Landgrafen Ernst
Ludwig zu einem in zielbewuBter Weiee deutsche Kunet und deutschen Sinm
pflegenden Fiirsten macht, muB auf das entschiedenste Stellung genommen werden.
Zu ihr berechtigt nicht ein einziger Zug im Wesen des F firs ten, dem ganz im
Gegenteil nicht zum wenigsten die Verwelschung des Tones seiner Zeit zu ver-
danken ist. Objektive Geschichtschreibung und byzantisch-liebedienerische Schrift-
stellerei schaffen verschiedenartiges ; das Bjld des Fiirsten, das heute noch in den
Schulbfichern usw. im hellsten Lichte strahlt, wird, sobald wir einmal eine vor-
urteilslose Monographic fiber ihn besitzen werden, starker Schatten nicht ent-
behren, die durch seine maOlose Verschwendungssucht und Unfahigkeit, sich selbst
zu beurteilen, durch die von der Not gebotene Steuerverweigerung der Bauern,
die in ihrer grenzenlosen Krbitterung selbst Hand an die Steuerboten zn legen
sich nicht scheuten, durch die starke hessische Auswanderung nach Ungarn u. a. m.
gegeben werden. Ihnen stehen freilich sympathische Zfige gegenfiber: Versucbe
zur Verbesserung von Rechts- und Schulpflege, durch die Ansiedelung von Wal-
densern bekundete politische Klugheit. DaC er sich Graupner's annahm, verdient
besondern Dank. Aber der Landgraf hat doch schwerlich in der Oper tiberhaopt
ein Stfick deutscher Kultur gesehen: sie war ihm wegen des mit ihr verbundenen
Glanzes lieb. aus keinem andern Grunde.
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's. 589
Maskeraden zur Karnevalszeit und sonstige Unterhaltungen. DaB Graupner's
und der Hofmusik Dienste bei solchen Gelegenheiten begehrt wurden, ^
versteht sich von selbst; es geht das ubrigens auch daraus hervor, daB
bei den Szenarien von Festziigen u. a. regelmaBig die Rede von Musikern
ist, die die einzelnen Gruppen kostiimiert zu begleiten hatten.j <^
Auch schon bevor der Landgraf die Oper preisgab, war Graupner's
hauptsachlichstes Arbeitsgebiet die Musik fiir Kirche und Kammer ge-
wesen. Wir werden spater sehen, welch erstaunliche Fruchtbarkeit der
Meister auf diesen Gebfeten entwickelte. Die kiinstlerischen Verhaltnisse
der Hofmusik von Grand aus umzugestalten und zu neben, muB ihm
schon kurze Zeit nach seiner Anlnintt in Darmstadt gegliickt sein. 1712
suchte ihn und Griinewald Joh. Friedr. Fasch auf, um tiefer in die Ge-
heimnisse der musikalischen Komposition einzudringen. Graupner war
auf der Thomasschule sein Prafektus gewesen1). Beide nahmen sich seiner
mit Liebe an und informierten ihn »aufs treulichste*, ohne »das ge-
ringste . . . zu nehmen*. Der erwahnte Aufsatz des Darmstadter Kalen-
ders berichtet:
»Zum Vergnugen seines Furs ten, der Freund und Kenner der Musik
war, brachte er (Graupner) in kurzer Zeit die hiesige Kirchen- und Theater-
musik sowohl durch seine Compositionen, als auch durch Herbeyziehung
mehrerer Virtuosen in ejn solches Aufnehmen, dass sie damals fur eine der vor- •
ziiglichsten in Teutscnland gehalten wurde. Selbst der beriihmte Telemann
ftihrt zur Empfehlung einer seiner Serenaden an, dass sie vor ihrer Bekannt-
machung der unvergleichlichen Execution des Darmstadtischen Orchesters
gewiirdigt worden*2). *
Diesen guten Ruf hat Graupner im Laufe seines weiteren, eifrigster
Arbeit3) gewidmeten Lebens immer mehr befestigt. iGanz gewiB hat es ?
ihm auch an Anerkennung durch seinen Herrn nicht gefehlt, und doch
konnte er sich in Darmstadt nicht wohl fuhleu,j Wie die anderen Hof-
bediensteten, hatte auch er unter der fortwahrenden Geldnot der fiirst-
lichen Kassen zu leiden, durch die ihm z. B. 1717 die erbetene Ver-
mehrung der Zahl der Kapellmitglieder unmoglich gemacht wurde. Die
iible Lage wirkte schiidigend auf den Verkehr zwischen Ernst-Ludwig 7
und seinen Dienern ein, so daB Kametzky am 21. Juli 1722 sein — spater
1) Lebenslauf des Hochf. Anhalt-Zerbstschen Capellmeisters, Herrn J. F. Fasch
'Zusatz zu Walther's Lex. S. 240). Vgl. Marpurg Hist. krit. Beytr. III. S. 126 f.
Berlin 1757.
2} Vgl. fiber das Ansehen Graupner's in Deutschland auch die Schlufibemer-
kungen fiber seinen NachlaC.
3) Graupner schrieb alle seine Partituren selbst. Die Belege fiber den Bezug
an Papier und Federn liefera erg3tzliche Beispiele des Bfirokratismus. Laut De-
kret vom 5. Dez. 1721 sollte er fttr die kirchl. Komposition 3 Reiss an gutem
Notenpapier beziehen. Gemeint war der jahrliche Bezug dieses Quantums. Weil
dies aber nicht ausdrucklich angegeben war, muCte er gegen die Weigerung der
Herausgabe durch den Kammerschreiber lang und breit petitionieren.
590 Wilibald Nagel, Das Leben Christopb Granpner's.
zuriickgezogene8 — Entiassungsgesuch einreichte. Mit beweglichen Worten
klagte er, daB der Landgraf seine Rate als Lakaien und Sklaven behan-
dele und seinen Vorschlag, zur Verbesserung der finanziellen Lage die
Parforcejagden, zu denen sich zahlreiche fiirstliche Besucher einzustellen
pflegten, und die franzosische Komodie abzuschaffen, abgewiesen habe.
z Das >Mecontentement der meisten Bedienten* nahm zu. Kametzky, ein
} achtunggebietender Charakter, stellte selbst dem Landgraf en ein friiher
^erhaltenes Geschenk von 10000 Gulden zur Verfiigung! Unter diesen
Verhaltnissen muBte Graupner, zumal da seine Famiiie schon recht zahl-
reich war, bekiimmert in die Zukunft blicken. In dieser Zeit schwerer
Sorgen traf ihn die Nachricht von der Erledigung des Thomas-Kantorats
in Leipzig. Damit kamen Tage groBer seelischer Aufregungen fur ihn.
Am 25. Juni 1722 war der Thomas-Kantor Joh. Kuhnau gestorben.
Mitte Juli begannen in Leipzig die Ratsverhandlungen !) wegen der
Wiederbesetzung seiner Stelle.
J. F. Fasch, Geo. Balth. Schott, G. Phil. Telemann u. a. wurden
als die ersten in Betracht gezogen. Anfangs August legte Telemann
Probe ab. Er gefiel, aber eine Schwierigkeit wegen der mit dem Kanto-
rate verbundenen Schulstunden, die Telemann nicht in der Lage war zu
erteilen, blieb zu beheben. J)er Sorge, Presentation und Gratulation des
Gewiihlten musse in lateinischer Sprache geschehen, entschlug sich der
Ratleicht: ein Vorschlag, die deutsche Sprache zu gebrauchen, was >nach
beschaffenheit ieziger Zeiten ohne bedenken . . . geschehen konnec, blieb
unwidersprochen. Man sieht, wie das Beispiel des Christian Thomasius,
des Sohnes des ehemaligen Rektors der Thomasschule, nachwirkte; er
hatte 1687 begonnen, an der Universitat in deutscher Sprache zu lesen,
und gab seit dem folgenden Jahre die dem Gelehrtendunkel gar iibel
mitspielende Monatsschrift »Freimiithige . . . Gedanken* heraus; all- dies
hatte zwar, verbunden mit seinem Eintreten fiir den Pietisten Francke,
1690 seinen Wegzug nach Halle zur Folge, blieb aber doch, wie erziihlt,
audi weiterhin fiir Leipzig von Bedeutung.']
Gegen Ende November wurde im Rate der Stadt bekannt, daB
Telemann auf das Amt verzichtet hiitte; zu den alteren. Bewerhgrn trat
jetzt u. a. noch Joh. Christ. Rolle aus Magdeburg.
Fasch, >ein geschickter Mensch*, schien die meiste Aussicht zu
' haben, erkliirte jedoch, er konne die vei4arigte Information nicht
erteilen.
Am 21. Dezember wurden im Rate Mitteilungen iiber weitere Meldungen
gemacht: »als der Kapellmeister Graupner in Darmstadt und Bach
in Kothen.*
1 Protokolle in <lie Knge. (1700—25., Leipzig, Rats-Archiv.
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's. 5U L
Zur Probeleistung, »insonderheit zuiii informieren* wurden Rolle,
Kauffmann aus Merseburg und Schotte zugelassen.
Graupner kam zur Zeit der Neujahrsmesse 1722 nach Leipzig und
lieB sich auf Begehren des Rates mit eigenen Kompositionen in der
Kirche horen. Er hatte dann wohl die Seinen in Kirchberg feesucht und
spielte auf der Ruckreise am 24. Januar (Sonntags) nochmals vor dem
Rate. Das Sitzungsprotokoll vom 19. Januar berichtet:
Biirgermeister Lange proponirte — es habe sich . . . Graupner gemeldet
und vverde Sonntag die Probe machen, »der habe nun alien dhalben ein gutes
Lob, wie unterschiedene Briefe auswiesen, nur ware praecaution zu nehmen,
dass er bey seinem Hoffe dimittiret vverden konne, welches man ihm ver-
meldet; welcher iedoch, dass er nicht fest verbunden Bey, und was ihn zur
mutation bewege, sich erklaret; Eame es nur darauf air, ob wenn es mit
der probe wohl ablieffe, ihm das Cantorat aufgetragen werden auch ob man
vorher an den Herrn Landgrafen schreiben solle.«
Burgermeister Plaz erklarte, er kenne Graupner zwar nicht speziell,
»iedoch mache er eine gute Gestalt und schiene ein feiner Mann zu
seyn«.
Von anderer Seite wurde auf das Graupner lobende Urteil des Kapell-
meisters von Dresden1) verwiesen, auch darauf, daB Kauffmann ihn fiir
besser als sich selbst halte. Auch Telemann wurde wieder erwahnt, der
geringer als Rolle sein solle.
Ein Ratsmitglied meinte, Rolle und Bach sollten auch zur Probe bei-
gezogen werden.
Der Verhandlung folgte sofort das amtliche Schreiben an den Land-
grafen von Hessen, onne daB erst die verlarigie zweite Probe abgewartet
worden ware.
>Durchlauchtigster Ftirst, Gnadigster Herr, Ew. H. D. geruhen gn. sich
in unterthanigkeit vortragen zu lassen, welch ergestalt wir bey wieder Ersetzung
der iezt vacirenden Stelle eines Directoris Musices alhier unser meistes ab-
sehen auf H. Christoph Graupnern gerichtet, welcher die Gnade und das
Gltick genuszet in E. H. D. Diensten als Capellmeister sich zubefiuden,
Zuvor aber in der Schulen zu St. Thomas hiesigen Orthes viel Jahre nach
einander als ein Alumnus erzogen, unterhalten, und informiret worden: wir
haben ihm au,ch dieserwegen unsere intention, als er in lezt abgewichener
Neujahrs Messe die seinigen zubesuchen hieher gekommen, und sich auff
unser begehren mit seiner composition in der Kirchen horen laszen, bereits
eroffnet, und an ihm wahr genommen, dasz, dafern E. H. D. Sich wolten
bewegen laszen, solches gnadigst zu agreircn, er weiter wohl kein Bedencken
haben durffte obberuhrte Direction der Music, und, was dieser anhangig, zur
1) Gemeint ist Joh. David Heinicben, der seit 1717 auf Lebenszeit als Leiter
der Sachs. Hofkapelle vorgesetzt war. Vorher hatte er fiir Leipzig, wohin er von
WeiOenfels aus auf DSbricht's Rat gegangen war, mehrere Opern komponiert, die
Graupner wohl auch kennen gelernt hat. Cber seine ersten Beziehungen zu ihm
vgl. oben.
592 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
Danckbarkeit des alhier in seiner Jugend genossenen Unterhalts anzunehmen.
Wann dann aller Welt zur Qniige bekandt, dasz E. H. D. nicht allein mit
Virtuosen seines gleichen, daran sich dermahlen bey una Mangel ereignen
will, im tiberflusze versehen sind, sondern auch taglich von andern neu an-
kommenden am Beforderung angelanget werden: Als leben wir des unter-
thanigsten Vertrauens . . . dasz gedachter Herr Graupner nach vorgehender
gnadigster Erlaszung seiner biszherigen Dienste, die ihm yon uns zugeeignete
Function annehmen moge .. . Leipzigk den 20. Januarij 1723. «
Uber den Fortgang der Angelegenheit erfahren wir zunachst aus
einem Brief e Graupner's an den Burgermeister Lang in Leipzig naheres.
»HochEdelgebohrner Herr Hoher Patron.
Ew. Excellenz berichte hierdurch schuldigst dasz nach, Gott lob, gliik-
lich zuriick gelegter Reisze nunmehr schon vor 8 Tagen so wohl das Schreiben
Eines Edlen Hochweisen Baths zu Leipzig als auch ein memorial meiner
dimissian wegen Ihr. Hochfiirstl. Durchl. meinem gnadigsten Herrn ubergeben.
Erwarte alszo alle Tage resolution', solte solche nicht bald folgen, so werde
noch weitere Erinnerung deszentwegen thun. Es wird zwar meine Verande-
rung von hier von meiner gnadigsten Herrschafft gar ungerne gesehen, habe
aber dennoch Hofnung mit aller Ehre und Gttte wegzukommen, da zumahl
auch noch nichts ungnadiges verspuhret. Es haben sich zwar einige meines
Decrets, davon Ew. Excellenz schon Meldung gethan, erkundiget und ge-
meynet, ich seye ad dies vitae verbunden, haben aber aus solchen gantz das
Gegentheil und meine vollige Freyheit ersehen. Zweiffele also keines weges
gesuchte dimission zu erlangen; wiirde mir auch sehr lieb seyn, wenn kunff-
tige Ostern D. V. da seyn konte, um diesze Sache vollends zu guten Ende
zu bringen ; Solte mich aber die spathe resolution meines gnadigsten Herri),
wie ich doch nicht hoffe, hieran verhindern, so miiste es solchen Fals aul
etl. Wochen nicht ankommen; "Werde aber so bald solche erfolget, Ew. Ex-
cellenz so gleich davon Nachricht iiberschreiben. Mein Hausz ist auch aus-
gebothen, geben sich auch etl. an, die darzu Lust haben, dorffte aber, wie
es scheinet, groBen Verlust leiden miiszen, indem sich solche, dasz ich weg
gehe, zu Nutz machen. "Wenn ich mich nun zu bloszer Vermiethung nicht
verstehen will, so werde wohl alles eingehen miiszen. Nach empfangener
dimission wird alsden meine hieszige Besoldung cessiren; Konte nun durch
Ew. Excell. Vermittelung geschehen /: doch ohne einige Maszgebung :/ dasz
dortige Besoldung eine Zeitlang vorher, etwa von meiner Probe an mir
zugerechnet wiirde, so wiirde mein groszer Verlust, den ich wegen desz
Hauszes, Hausz-Rathes und dergleichen leiden musz nicht so gar grosz und
einiger massen ersetzet. Ich habe an Ew. Excell. viel Liebe /: die ich zwar
noch nicht verdienet :/ vor mich verspuhret, werde aber ins kiinfftige durch
Fleisz und Gefalligkeit suchen, solcher mich wiirdiger zu machen. Haben
Ew. Excell. einige Befehle an mich, so wird Herr Protonotarius Peterman
mir alles wiszend machen.
Der ich im ubrigen mit allem Respect u. aestimation verharre
Ew. Excellenz Meines hohen Patroni
gantz gehorsamst und ergebenster treuer Diener
Darmstat d. 7. Febr. 1723. Christoph Graupner. «
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's. 593
Die Bemiihungen Graupner's waren umsonst; der Landgraf weigerte
ihm die Entlassung. Uber die Vorgange besitzen wir ein uberaus inte-
ressantes Schriftstiick von Kametzky's Hand.
»Mit dem Capellmeister Graupner habe gesprochen, und Jhm gesagt,
das Se. Hochf. Dchlt. an den Leipziger Stadt Rant schreiben wiirden und
verlangen, dasz Sie Jemand anderst suchen soil ten, ich mercke soviel, dasz
Er die Vorgeschlagnen Conditiones mit denen 200 bisz 300 G addition, und
Bezahlung der Schulden acceptiren wiirde, allein die Leute trauen nimmer,
Er antwort mir dasz dergl. schon offt versprochen aber niemahls gehalten
worden, mann horete ja wie es andern ergienge, und wie Jedermann lanien-
tierte) item er hatte gesehen, wie mann dem alten Priigel (Briegel) im alter
die gage genommen, u. Ibn hunger lejden lassen, wann Se. Hochf. Dchlt. mit
todt abgehen sollte, oder Er unvermogend wiirde und neue besser gefallen,
wiirde mann es Ihm wieder abziehen, Er, allegirte auch, wie Sie offt horen
miisten, dasz die Begs, und Cammer Bathe, Ihme Ihre besoldung vorwerf-
feten. wann Er nun mehr bekame, wiirde die Jalousie noch grbfier seyn,
mann sehe es nur mit der frucht bestallung, die man Ihnen nicht zu rechter
Zeit gebe und allezeit daran schuldig bleibe. Er verlangt selbst, dasz wann
Se. Hochf. Dchlt. an die Stadt Leipzig schreiben wurden, Sie Jhn nicht an-
nehmen, Er miiste aber Zu Gott seuffzen, wann Er anstatt gliicklich sich
zu sehen, hier mit Weib u. Kindern ins Elend gerahten miiste. Mir gehen
dergl. TVorte sehr zu hertzen, und weil Ich von zukiinfftigen dingen nichts
sprechen kann, vielmehr grossere confusion, mangel und ungliick vor mir
sehe, so habe weiter nichts sagen mogen, sondern S. Hochf. Dchlt. was die-
selben hierauff gndst. resolviren wollen, anheim stellen wollen. falsz Se. H.
D. an die Stadt Leipzig schreiben wollten, so bitte unthgst, dasz S. H. D.
die sache vorhero wohl iiberleg, ob Sie den Graupner sogleich bezahlen, und
von nun an einen sichern fond zu Ihrer besoldung auszmachen konnen, dann
auff das blose sagen und Versprechen traut Niemand mehr, es hat schon zu
lang gewiihrt, und ist immer arger geworden, wollte auch rath en, dass S.
H. D. die sache bald mit Ihm etwa durch Hn. von Miltiz, der sehr chargrin
ohne dem ist und wann Er. horete, dasz dergl. affaire durch mich tractirt
wiirde, es nur mehr werde(n) dorffe, zu rede bringe(n) lassen mogten.«
Eine Marginal-Notiz dazu besagt:
»Der Graupner bleibet und ist die sache mit ihme endtlich ausgemachet.
ist demnach das schreiben ad Magistr. Lips, zu fertigen.*
In einem Brief e, dem die seelische Erregnng des Schreibers anzu-
merken ist, berichtet Graupner den Ausgang der Angelegenheit an Biirger-
meister Lang.
»Hoch Edelgebohrner Herr Hoher Patron
Ew. ExcelP vom 12 ten an mich ergangene, habe wohl erhalten, auch
so gleich die Inlage an Ihr. Excell* Herrn geheimdten Bath von Kameytsky
wohl bestellet, und damit endliche Resolution erfolgen moge, selbigen Ihr.
Hochwfurstl. Durchl. m. gn. H. selbst iiberschickt. Es ist aber alle ange-
wendete Miihe meine dimission zu erhalten vergeblich gewesen, und musz
ich nun alien Vorstellung ungeachtet hier verbleiben. Der Zulage meiner
Besoldung werde in den letzten an Ew. Excell* schon gedacht haben, auch
594 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
zugleich, dasz dennoch meine resolution nicht andern wiirde, nachdem mir
aber noch weitere addition geschehen, ist mir dabey expresse angedeutet
worden, ich mochte nun solches annehmen oder nicht, bo wiirden Ihr. Hochfurstl.
Durchl. es dennoch zu machen wiszen , dasz ich miiste hier verbleiben, und
wolten wenn ich meine Resolution nicht anderte, selbst an den Magistrat zu
Leipzig und an Ih. May. den Konig meinetwegen schreiben. Habe fber
dennoch am vergangenen Sonnabend noch ein Memorial dieszer Sachen wegeo
iibergeben, und darinne alles vorhergegangene repetirt, die resolution aber,
dasz ich nicht zu entbehren, war einerley. "Wurde hernach selbst zu kom-
men abends um 9 Uhr zu Ihr. Hochf. Durchl. meinem gnadigsten Herrn ge-
ruffen, da mir denn gar viele und gnadige Vorstellung gemacbt worden,
Wozu ich nicht im Standte war Nein zu sagen: zumahl ich in bestandiger
Furcht gestanden, wenn I. H. D. an E. E. H. Rath zu Leipzig dieszerwegen
selbst schreiben solten, der Magistrat I. H. D. nicht wiirden entgegen ge-
wesen seyn, sonsten ich alles gantz an der 8 hatte anfangen konnen. Da nun
solches sowohl niiindl. als schrifftlich von Ew. Excell* verei chert war, dasz
auszer den Consen-s meines gn. Herrn wohl schwerlich etwas zu thun seyn
dorffte, so habe um Oefahr zu vermeiden mich zwischen zwey Stiihle nieder-
zusetzen., meine resolution andern miiszen. E. E. werden hieraus gnugsam
erkennen, dasz ich das meinige redlich gethan, und ich gnugsamen Ernst
gewieszen meine di mission zu erhalten, aber obige Umstande zu verandern
ist nicht in meiner Macht gewesen. Hatte ich dieszen alien entgegen bey
meiner Resolution bleiben wollen, so ware in Ungnaden weggekommen, und
hernach die grosze Gefahr und Frage gewesen, ob ich von E. Edl. u. H. Hath
zu Leipzig admittiert worden. Meine Kauffer zum Hausz da sie solchen
Ernst gesehen, sind audi ausz Furcht, zurtick gegangen. Der Heir g. R.
von Kameytsky wird Ew. ExcelP wiederum antworten, habe zugleich ver-
nommen, dasz Ihr. H. D. nechstens auch an den Magistrat schreiben wurdeii.
Ich dancke inzwischen Ew. Excell' vor alle verspUhrte Liebe und affection
gegen mich, hatte auch wohl wlinschen mogen, dasz mein Zwek hatte konnen
erreichet werden. Yerbleibe ubrigens mit grostem Respect und Veneration
Ew. Excellenz Meines hoben Patron i
gantz gehorsamst ergebenster Diener
Darmstat d. 22. Mart. 1723. Christoph Graupner.c
Auch von Kamet^ky's Hand ging, am 23. Marz 1723, ein Schreiben1:
an den Rat der Stadt Leipzig ab. Der Landgraf sei sehr * chagrin*
iiber Graupner's Entlassungsgesuch gewesen; er konne ihn nicht ent-
lassen, da er in Graupner nicht nur den Directorem Musice$7 sondern
auch einen »stadtlichen« Komponisten verlieren wiirde, wodurch die
»hiesige Capell sehr in Abgang kommen wriirde*. Der Landgraf ha1>e
deshalb Graupner's Gage vermehrt, ihn zu sich gerufen und ihm gut
zugeredet. Am 9. April beriet der Rat weiter, und Bach in Kothec
Kauffmann zu Merseburg, sowie Schott aus Leipzig kamen als Nach-
folger Kuhnaurs in Yorscklag. W. Kleefeld2) erzahlt, Graupner selbst
1 Schuldiener-Akten. Vol. II. B. 117. Ratsarchiv Leipzig.
2 Graupner und Bach. .Jahrbuch d. Musikbibl. Peters. 1897. S. 70. Unt«5r
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's. 595
habe auf Bach, der, wie mitgeteilt, gleichzeitig mit Graupner unter den
Bewerbern um das Kantorat erschien, hinge wiesen; er sei »ein Musicus,
eben so starck auf der Orgel, wie erfahren in Kirchensachen und Capell-
Stiicken, der honeste und gebiihrlich die zugeeignete Function versehen«
werde. . . .
Die Neubestallung Graupner's lief vom 1. Juni 1723 ab. Er erhielt
die Zusage einer einmaligen Zahlung von 3100 G. zur Begleichung seiner
Schulden, die Naturalverpflegung wie fruher und ein jahrliches Fixum
von 900 G. nebst der hochst notigen Anweisung zu regelmiiBigera Bezuge
dieses Geldes; ferner wurde Frau Graupner fur den Fall von ihres
Mannes Ableben »etwas« ausgeworfen. Auch versprach der Landgraf,
sich der Sohne, wenn sie »zu convenablen Diensten tiichtig« geworden,
anzuneiimen und im Falle der Verrainderung der Kapelle unter seiner
oder seines Nachfolgers Regierung Graupner's Stellung niemals einzu-
ziehen: »sondern derselbe, ob Er auch schon kranck, baufallig, oder
wegen zustoBenden Fallen seine Dienste ferner Versehen zu konnen, un-
tiichtig wiirde, diese Ihrae unterm heutigen Data Verordnete Besoldung
bisz an seines Lebens Ende /: es seye dann dasz Er von selbsten ab-
dancken wiirde :/ behalten soll.« Das neue Dekret unterzeichnete der
Landgraf zugleich mit dem Erbprinzen am 3. Mai 1723. Zugleich er-
folgte die Anweisung auf Bezahlung des > Douceurs*, in dessen Besitz
Graupner innerhalb dreier Monate kommen sollte.l
Trotz alien guten Vorsatzen ging es mit der Aushiindigung der ver-
sprochenen Summe nicht ganz schnell; Kametzky niahnte, Graupner drang,
wie der Minister am 20. April schrieb, . »sehr stark* auff die ihm ver-
sprochene Bezahlung seiner Schulden. [und erwahnte gleichzeitig einen
trefflichen Violinisten in Leipzig, der dem Landgrafen um 400 G. dienen
wiirde: »Se. H. D. batten einen nothig*. Der Landgraf war willens, alles
zu erfiillen, aber — der Jude Baer in Frankfurt wollte, wie der Fiirst
am 25. Juni an Kametzky berichtete, das Geld noch nicht hergeben . . .
SchlieBlich wurde die Angelegenheit in befriedigender Weise er-
ledigt.
Mit dem geschehenen Schritte hatte Graupner uberhaupt darauf ver-
zichtet, auBerhalb Darmstadts eine ihm zusagende Stellung zu finden;
die neuen Anstellungsbedingungen banden ihn fiir den Rest seines Lebens
an den hessischen Hof. Sein weiteres Leben vollzog sich in engen und ?
in der Hauptsache auch ruhigen Bahnen. Der immerhin recht kompli-
zierte Apparat der Hofmusik brachte hier und da Streitigkeiten, die ihn
selbstredend in Mitleidenschaft zogen. Wenig befriedigend scheint sein
Verkehr mit den Hesses gewesen zu sein. Eifersiichteleien zwischen '?)
den von Kleefeld als Quelle angegebenen Personal-Akten des Landgrafen Ernst
Ludwig habe ich das betreffende Dokument nicht gefunden.
\
o
596 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
den Sangerinnen Kaiser und Hesse mogen die erste Ursache abge-
geben haben. Schon am 28. Mai 1714 hatte der Gambist und Kriegs-
sekretar Hesse sich an den Fiirsten gewendet, um fiir seine Prau Ver-
zeihung in einer Streitsache zu erbitten, gleichzeitig aber ersucht, £den
Capellmeistern ahbefehlen zu laszen, dasz sie sich hinfiiro in compo-
nirung der Parthien vor die beeden Frauen aller Passion (Bevorzugung)
enthalten mogen. J) Hesse vfe'rfolgte alle »Fremden«, die Nutzen vom
Hofe hatten, mit recht nei3fsc&en Blicken1). Auch seine zweite Frau
klagte liber Hintansetzung. Das der Zeit um 1730 angehorende Schrift-
stiick sei mitgeteilt, da es ein offenbar ungerechtfertdgtes Urteil iiber
Graupner enthalt Frau Hesse schuldete damals die Fiirstliche Kasse
seit 3 l/j Jahren 4000 G. Die mit vollem Rechte besorgte Frau klagte
nun, der Landgraf habe den beiden Kapellmeistern und andern
Mu8ikern ihre Gagen bezahlt, sie aber, die den meisten Dienst tue,
habe seit langer Zeit nichts erhalten. Auch ihr Mann habe Riickstande
zu fordern.
»Nun ist es gar nicht fein vom Capellmeister, Graupner, dasz er so
heimlich und hinter den andern her, nur allein vor sich und einige ihme
besonders affectionirte, Keineswegs aber, wie einem rechtschaffenen Capell-
meister Zukombt, vor die ganze Capell sollicitiret, da er doch wohl bedencken
solte, dasz er durcb die gnadigst geschenckt bekommene 3150 G. und bis
auf 900 G. erhohete Bestallung vor seine wenige Arbeit (!) gegen mir und
andere ein grosses Voraus hat, indem sonst noch an k einem Hoff ein Capell-
meister mehr als eine rechte cantatrice hat, sondern durchgehends noch viel
geringer stehen.« . . . Sie fugt bei, sie habe auch Graupner, Gr&newald,
Bohm(en) und Kuhfuess(en) »in ihren Nothen* bei 500 G. an Geld und
"Wein vorgestreckt.
Es erscheint angezeigt, schon an dieser Stelle der gedruckten Werke
Graupner's zu gedenken, soweit wenigstens sie Bezug auf seine Biographic
haben. Im Jahre 1718 veroffentlichte der Meister »Partien auf das
Clavier bestehend in Allemanden, Couranten, Sarabanden, Giguen. Erster
Theil«. Das Werk erschien in Darmstadt im Selbstverlage des Autors
und wurde dem Landgrafen als das erste der > gedruckten Musikalischen
Clavier Arbeit* gewidmet. Die Veroffentlichung der von Graupner selbst
radierten Klavierstiicke geschah >auf perstumon guter Freunde und Lieb-
haber«. Der »schwachere<, wie der »starckere« Spieler sollte etwas Zu-
sagendes darin finden. Als seine » Intention* bei Schaffung der in der
Mehrzahl hiibschen und uberaus gefalligen Stiicke gibt Graupner das
»Vergniigen« des Spielers, > nicht prahlenden Ruhm« an. Die Arbeit
wurde laut Vor wort am 28. Marz 1718 abgeschlossen.
1) So schreibt er eiDinal: »F. a. S. a tant de bonte que daccomoder des sujfis
etranyers sur des Recommendations ctrangeres, fespere qu* EUe jettera aussi un oeU
gracicux sur un vieux Serviteur affide de Oinquante cinq ans de service*.
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's. 597
Nach Gerber1) erschien ein zweiter Teil des Werkes 1726. Nach
Pasqu^*) handelt es sich nur urn eine Neuauflage des ersten Teiles. 1722
gab Graupner ein anderes Klavierwerk heraus8): »Monatliche Clavir-
Friichte bestehend in Praeludien, Allemanden . . . meistentheils vor Anf anger
heraus gegeben von Chr. Graupnern Hochfiirstl. Darmstatt. Capellmeister.
Januarius. Darmstadtt in Verlegung des Autoris Anno 1722 c. Den Kom-
positionen ist eine Vorrede nicht beigegeben. Den 13, an kiinstlerischer~
Wirlrapg dem Inhalte des erst genannten Werkes nachstehenden kleinen j
Schopfungen liegt das Schema der Suiten-Form zu Grunde. Auch die
tonale Einheit ist gewahrt worden.
1728 folgte »Neu vermehrtes Darmstadtisches Choral-Buch, In welchen
nicht alleine bishero gewohnliche so wohl alt als neue Lieder enthalten,
sondern auch noch beydentheils aus mehrern Gesang-Biichern ein Zusatz
geschehen, zum Nutzen und Gebrauch vor Kirchen und Schulen hiesziger
Hoch-Fiirstl-Landen. Mit hoher Approbation und vieler Verlangen ver-
fertiget von Chr. Graupnern* etc.
Da ich in dem zweiten Teile dieser Arbeit auf das Werk nicht mehr
zuriick zu kommen gedenke, so teile ich an dieser Stelle alles auf seine
Geschichte Beziigliche mit. Graupner begann die Arbeit wahrschemlich
auf die direkte Veranlassung des Landgrafen4) etwa 1726; in diese Zeit
gehort sein folgendes Schreiben5) an den Fiirsten:
»Auf E. H. D. gnadigsten Befehl habe bewusstes Choral Buch nochmahls
ins reine gebracht, und fehlet daran nichts als was etwa E. H. D. Selbsten
1) Auch Rie ma nil's Musik-Lexikon enth< die gleiche Angabe.
2) A. a. 0. S. 694. Eitner a. a. 0. verzeichnet nur die Ausgabe von 1718, die
tibrigens auch, was ihm entgangen, auf der Darmstadter Hofblibliothek vor-
banden ist.
3) Der »Januarius« ist, als der einzige vorhandene Rest des Werkes, auf der
Universit&tsbibliothek zu Rostock erhalten. — Von Graupner's Klavierstiicken
denke ich demnachst einige Proben in ein em fur den praktischen Gebrauch zu-
8ammengestellten Hefte mitzuteilen.
4) Landgraf Ernst Ludwig zeigte in seinen spateren Jahren dauerndes Inter-
esse an derartigen Arbeiten. Im Geh. H. A. Abtlg. II Conv. 277 ist ein Schreiben
des D. Job. Jac. Rambach, datiert GieOen den 6. Oktober 1733, an den Land-
grafen erhalten, das besagt, dieser habe ihm unterm 22. Dezember 1731 befohlen,
ein neues Gesangbuch fiir die Fflrstl. Lande zusammenzustellen. Er habe den
Auftrag vollendet und 500 Lieder zusammengestellt, die nach bekannten Melodien
zu singen seien, >darunter Keines ist, das nicht schon etwa im Criigerischen oder
anderen bewahrten GesangbOchern stehen solte, und habe denselben theils kurtze
Anmerkungen zur firleuterung dunckler Redens-Arten, theils die Stellen der
heiligen Schrift, daraus die Ausdriicke der Lieder genommen sind, beygefttgt*.
Das Geh. Rats-Kollegium habe die Arbeit gepriift; sie sei jetzt schon dem Drucke
flbergeben, der aber durch Krankheit des Druckers verzSgert worden sei. Jetzt
sei er jedoch fertig; es solle bald eine Ausgabe mit grQOerem Drucke folgen.
t) bersendet Dedikations- Exemplar und hofft, es werde dem Fiirsten >als einem
groOen Eenner und Liebhaber guter Lieder* gefallen.
5) Original auf dem Archive des Gr. Oberkonsistoriums zu Darmstadt.
598 ^YilibalJ Nagel, Das Leben Christoph Graupners.
nach gnadigem Belieben dabey zu erinnern hatten. Nechst diessen ist nothig,
dass dem Herrn Superintendent Gebhardt E. H. D. gnadigste Meynung dies-
zerwegeu moge wiszend gemacht werden, damit, was den Vorschusz betrifffc,
Verorduung und Eintheilung kan gemacht werden. Die Unkosten an Kupfer,
Pappier, Farbe und was mehrers darzu erfordert wird, belauffen sich fiber
500 R. An welchen 300 R. zum Vorschusz nothig habe. Die ubrige Un-
kosten, weil solche nicht auf einmahl sondern nach und nach dazu kommen,
hoffe selbst bestreiten zu ko. nen. Verbleibe fibrigens E. H. D. unterthanig-
ster treuer Diener Christoph Graupner «
Der Erfolg einer vom Landgrafen am 14. Februar 1727 festgesetzten
Entnahme von zwei Gulden aus jedem Kirchenkasten war ein negativer,
so daB Graupner sich zu einer »unterthanigstenErinnerung« veranlaBtsah:
>Xachdeme von den en Kirchen Kasten desz ober Furstenthums, die, zu
Verfertignng eines neuen Choral Buchs, erforderliche Kosten bisz dato —
d. i. Endc Mai 1727 — noch nicht eingelauffen, iminittelst aber die beste
Zeit zur Arbeit voruber streichet, zu geschweigen dasz hernachmahls bey
ktirtzern Tagen mehrere Kosten verursachet werden; Alsz habe urn excitir-
und Beforderung gehorsambst bitten wollen.*
Der friiher erwiihnte Superintendent Bielefeld hatte unternommen,
den Landgrafen iiber die Lage im Oberfiirstentume zu unterrichten, die
es diesera unmoglich machte, dem Verlangen nachzukommen, war aber
durch Krankheit und Tod daran gehindert worden. Aus den verschie-
denen Berichten und Gutachten geht weiter das folgende hervor: Ins-
besondere die Kirchenkasten der Amter Alsfeld, Kirtdorff, Blankenstein
und Biedenkopf waren arm und unvermogend, die allerwenigsten hatten
audi nur 1 Taler Gelcl in Bereitschaft, so daB die Kastenmeister auszu-
zahlende Gelder erst um Martini Batzen- und Kreutzerweise einsammeln
konnten. Dazu kamen vorher auferlegte und geleistete Kosten. All das
veranlaBte das Kirchenregiment zu dem Vorschlage, das erforderbche
Geld in zwei Terminen zusammen bringen zu lassen, die ganz unver-
mogenden Kirchenkasten aber, von der Beisteuer zu befreien.
Am 24. Juli 1727 erging ein Befehl des Landgrafen in dem ange-
gebenen Sinne, doch sollten die armen Kirchenkasten, wenn irgend mog-
. lich, auch herangezogen werden! Graupner's Werk wurde nun gedruckt
und brachte auf 146 Seiten (ohne Register und Vorwort gezahlt) 260
Melodien mit hinzugefiigtem Basse, dessen Bejzitterung eine iiberaus ein-
fache ist. Die Vorrede ist fiir Graupner's damaligen kiinstlerischen
Standpunkt so bezeichnend, daB sie hier abgedruckt werden muB:
>Geehrter Leser.
Geistreiche liebliche Lieder sind ohnstreitig eines der wichtigsten Stflcke des
Cftentlichen Gottesdienstes, und mag also die Sorgfalt und Mflhe nicht Tergeblich
geachtet werden, welche auf eine genaue Einrichtung, derer zu denenselben er-
forderlichen Melodien gewendet wird. Erbanliche Worte eineB Gesang8t haben
einen desto tiefern Eindruck in die Gemuther, wo mit wohl bedachten und aus-
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's. 599
gesuchten Expressionen, der Sinn und Nachdruck des Textes, durch die Music
gleichsam lebendig vorgestellet wird; Und ist dieses bey jeder Composition, da
ein gewisser Text und Worte vorgeschrieben sind, das vornehmste. Denn so
lange als in der Distinction: Punctum, Comma, Semicomma, Colon, Interrogate,
exclamatio, parmihesis, und sofort, nicht einerley sind, so lange folgt, daB jedwedes
von diesen auch in der Music seine eigene Expressiones haben lnflsse. Auch ist
sonderlich in acht zu nehmen, jedem Wort seine gebiihrliche und erforderliche
Emphasin zu geben, und wo sich der Sensus im Paragrapho endet, muB sich sol-
cher gleichergestalt in der Harnionie enden, welches in alien Compositionen, und
sonderlich im Stylo recitativo, gar viel zu sagen hat, und laBt sich hieraus vor
alien andern das Judicium eines Componisten am allerraeisten prtifen, ob er dem
Text, den er vor sich hat, gewachsen oder nicht. Auch ein Orator findet hierinne
das seine, und wird ohne dieses genau zu observieren, bey verstandigen eben so
wenig ausrichten, als der Musicus. Bey eineni Ltede aber, da viele Verse unter
eiuander stehen, hat dieses zwar einige Schwurigkeit, indem ein Vers sich immer
anders terminiret als der andre; daraus von sich selbsten folgt, daB, wo die Poesie,
so feme solche der Music gewiedmet, hierinne unordentlich, auch der Componist
vielraals widerwillens in solchen Fallen anstossen muB. Das Mctrum hat in-
gleichen seine SchwQrigkeit den intcndirten Zweck zu erreichen; denn da finden
sich einige derer neuen Lieder, da das Genus dactylicum bey BuB-Liedern gar
iibel appliciret ist, welches sich zu frShlichen Materien viel besser schicken wtlrde.
Nicht daB solches etwa nicht moglich sey, es erfordert aber doch schon einige
Ubung, den von sich selbst mit folgenden Sprung und Scansion zu vermeiden, und
wenn die iible und altvatrische Methode zum Singen noch dberdisz darzu kommt,
hat es ein um so viel schlechteres Aussehen, welcher Ubelstand, was disz betrifft,
nicht so sehr zu besorgen war, wenn der gewOhnliche Stylus zum Choral beybe-
halten wQrde, der dergleichen Veranderungon nicht unterworffen, und allezeit in
seinem aestim bleibet. Auch erstreckt sich in theils neuen Liedern der Ambitus
bis in Duodecimam, welches mancher gute Sanger vielmahls nicht vermag, und
kan solches eine gantze Gemeine, die mehrentheils aus rohen Stimmen bestehet,
noch vielweniger, welches denn eine Ursach mit ist, dasz viele Melodien so un-
gleich zerzerret werden. Die Alten sind nicht ohne Ursach in diesem Stack so
behutsam gewesen. Wenn man dergleichen Lieder, als e. g. Wenn wir in hQchsten
N5then seyn. Auf meinen lieben Gott. Ach Gott und Herr etc. und viele der-
gleichen ansiehet, so kan solche fast jedweder Mensch ohne Schwurigkeit und
Zwang mit singen, welches in obigen nicht mOglich. Die Nachlassigkeit derer,
die den Offentlichen Gesang zu besorgen haben, wie nicht weniger die iiberleye
vermeynte Kunst einiger Organisten unter wehrenden Choral, ist auch an vieler
Verwirrung der Melodien mit Schuld, und der hierinne aus denen rechten Prin-
cipiis Geschicklichkeit besitzet, laszt solche viel besser zum Praeludio vor dem
Choral, als in selben, hOren, und ist wohl das allerbeste, wenn der Choral gantz
simpel und schlecht gespielet wird, daB die Gemeine die Melodie fein deutlich
hQren kan. Doch ist dieses auch nicht so simpel und schlecht zu verstehen; Es
hat die Simplicitaet in der Music gar ein groBes zu sagen, und wenn die Inventiones
und allerhand Manieren noch so bund und krausz aussehen, und lassen sich nicht
ad pritnum fontem nemlich zur Simplicit&t reduciren, so ist es ein gewisses Merk-
mahl, daB das Fundament nicht zum besten gelegt worden. Damit nun kunfftig-
hin einmahl eingefuhrte Melodien in ihrer Ordnung verbleiben, und sonderlich
eine durchgehende Gleichheit in dem Gesang in hieszigen Hoch-Fflrstl. Landen
m5ge erhalten werden, ist unter hoher Approbation gegenwartiges Choral-Buch,
600 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
mit nicht geringer Miih und Unkosten ausgefertiget worden. Die Einrichtung i
nach dem bisher gew3hnlichen Darmstadtischen Gesang-Buch, doch so wohl i
alten als neuen Liedern um vieles vermehret. Einigen Liedern, denen es an H
lodien gefehlet, sind solche neu beygesetzt worden, und wo doppelte jedoch g
wohnte Melodien sind, stehn solche gleich darneben, auCer etlichen, deren mz
sich zu der Zeit nicht erinnert, welche man derentwegen zuletzt angebracht. Ds
Register ist mit FleiC etwas weitlaufftig eingerichtet, indem viele Gesftnge at
dem Crugerischen, Paul Gerhards Liedern, so viel deren in einem a parten G<
sang-Buch befindlich, dem Zulischem und noch mehr an deren Gesang-Bucheri
die ehedessen hiesziger Landen gewtthnlich gewesen, darzu gethan worden. Un
wo sich hie und da unbrauchbare oder auch unbekandte Melodien gefunden habei
sind solche unter bekandte gebracht worden, daC jeder, deme gemeldete Gesang
Bucher annoch in H&nden, sich deren bedienen kan. Denen Clavier Liebhaben
sonderlich der Jugend, wird es zu einem kleinen Exerciiio im General-Baft ga
wohl dienen, um durch dieses zugleich die Melodien zum Singen unvermerckt z
gewohnen. Der Vorsatz war erstlich eine kurtze Einleitung zum General-Baft, s
viel hierzu ndthig, mit anzuhengen, ist aber Weitlaufftigkeit und Mangels derer hiei
zu dienlichen Noten unterblieben. Ist auch bey diesem Choral-Buch auCer etlichei
wenigen Haupt-Regeln nicht viel zu obserriren, und alles genugsam in des seel
Hn. Werkmeisters kleinen Tractatlein vom General-Baft1}, anzutreffen, und bestebe
aus einigen wenigen Blattern. Wer aber weiter verlanget, erkundige sich nacl
Hrn. Cape/Z-Meister Heinichens Tractat vom Qeneral-Bafl% da er nicht alleij
zu diesen, sondern auch zu alien an dem vollkommene Nachricht und Satisfaction
antreffen wird. Ubrigens wie man sich des intendirten Nutzens von der ange
wandten Miih, wie auch einer guten Aufnahme gewiO versichert; also ist schlie&
lich hertzlich zu wQnschen, dasz aller Gesang und Klang solcher Art sey, aucl
Gott mit solchem wohlgefallig zu seyn. Darmstadt, den 18. Mart 1728c.
19 Jahre darauf entschloB sich Graupner zu einer zweiten Auflagc
des Werkes; der Landgraf Ludwig VIII. billigte den Plan^Allein eine
'•viermaiige Anzeige im >Darmstadter Frag- und Anzeigungs-Blattgen* 3j
hatte keinen rechten JErfolg und so sah sich Graupner zu einer Eingabe
an das Konsistorium gezwimgen: *'*
1) Gemeint ist >Die nothwendigsten Anmerkungen . . . , wie der Bass us con-
tinuus . . . konne tractiret werden . . .« Ascherleben 1698. 3. Aufl. 1716. (Eitner,
Quellen-Lexikon.)
2) >Neu erfundene . . . Anweisung . . .« Hamburg 1711. Im gleichen Jahre
mit Graupner's Choralbuch erschien die groOe Umarbeitung dieses Werkes Heini-
chen's: >Der GeneralbaC . . .« (Titel bei Eitner.)
3) Sie erfolgte am 17. und 24. August, 7. und 14. September 1747 und lantete:
*Avertiasement. Nachdeme sich der Fttrstl. Capellmeister Graupner auf riel-
faltiges Begehren, entschlossen, das seit einigen Jahren abgangig gewordene
Furstl. Hessen-Darmstattische Choral-Buch, aufs neue wiederum abdrncken zu
lassen, und in dem bishcro gewShnlichen PreiC a 1 fl. jedoch, da der Druck der-
mahlen mit groOen Kosten auOerhalb besorget werden muO, gegen Pracnumeration*
zu lieffem; So wird solches hierdurch zu dem Ende bekandt gemachet, bey dem-
selben langstens innerhalb zwey Monathen, anmelden und die Praenumeration mit
1 fl. gegen Schein thun mogen, indeme nicht mehrere als vorhero bestellet worden.
gedruckt, und die etwa tibrig bleibende wenige Exemplaria nachgehends nicht
anderst als vor 1 Rthlr. gelassen werden konnen.«
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Gratipner's. 601
>Unterthanig gehorsamste Anzeige
das neu aufzulegende Fiirstl. Hessen Darmstattische Choral-Buch betreffend,
Auf vielfaltiges Nachfragen und Verlangen, habe mich endlich entschlossen,
einen neuen Abdruck von dem, seit vielen Jabren ber, rar und abgangig
gewordenen Fiirstl. Hessen Darmstattischen Choral-Buch, gegen Friinumeration,
zu besorgen, und zu dem Ende aucb die offentlicbe notification in dem hie-
sigen Frag- und Anzeigungs-Blattgen, zu verscbiedenen mablen tbun lassen.
Nacb deme sicb aber gleichwohlen die Anzabl derer von privatis, bisz anbero
eingegangenen und etwa nocb eingebenden praenumerationen, so bocb nicbt
belauffet, dass deren Ertrag die, zu der neuen vorhabenden Auflage erforder-
licbe grosse Kosten auswerfen kondte, zumablen da selbige anietzo ausser-
balb, mit hin mit weit mebrerm Auffwandt als sonsten, besorget werden
muss; Als habe ein solches hierdurcb geziemend anzeigen und zugleich ge-
borsamst bitten sollen, ein Hochfiirstl. Consistorium geruhe, die hohe Ver-
fiigung nothigen Orts, fordersamst dabin ergeben zu lassen, dass, da doch
denen Kirchen hieran hauptsacblich mit gelegen ist, von einer jeden, so wohl
zu facilitirang des Verlags, als aucb weilen an einen weitern Abdruck, nacb
diesem, in vielen Jabren, nicbt wieder zu dencken seyn dorffte, wo nicht,
wie bey der ersten Auflage geschehen, zwey, doch zum wenigsten ein Exem-
plar angenommen — mithin der, Zeither gewohnliche und von mir, derer
dermahlen habenden weit grossern Unkosten ohngeachtet, dieses mahl noch
bey behaltene geringen Preiss a. 1. Gk aus denen Kirchen Casten bezablet,
auch ie eher je besser und etwa innerhalb einen Monath, eingelieffert werden
solle. Darmstatt d. 20. Septem. 1747. «
^Nocnmals war i. U . 1780 von Graupner's Werk die Rede, als es sich
urn die Herausgabe eines neuen Gesangbuches handelte. Das eine oder
andere an des alten Meisters Arbeit erschien der damab'gen Generation
veraltet, und es terfsclite die Meinung, mancher Akkord konne »zier-
licher* gesfaltet werden; aber alle Instanzen, die der neue Plan zu durcK-
laufen hatte, waren der Meinung, daB an der Graupner'schen »Simpli-
zitat« des Stiles, fiir die der Meister so nachhaltig eingetreten war, nicht
geriittelt werden diirfte. Hieriiber solle derBiarfeeiter, KantorPortmann *),
ein Urteil (Georg) Benda's2) zu Gotha oder (Ernst Wilb.) Wolff's3)
zu Weimar einholen. Auch wurde in Vorschlag gebracht, nicht die Boss-
lerische Methode beim Drucken zu verwenden, >weil die Noten nicht nur
sehr unansehnlich erscheinen, sondern auch ... die letztren wregen Ab-
schleifiing der Platten ganz unleserlich ausfallen wiirden. Es diirfte also
am besten seyn . . . den Abdruck durch die in ganz Deutschland be-
riihmte und sich so vortheilhaft auszeichnende Breitkopfische Druckerei
zu Leipzig besorgen zu lassen4).*
1) Vgl. ilber inn Nagel a. a. 0.
2) Er hatte, wie wir noch hSren werden, zu der Familie Graupner Beziehungen
gehabt.
3) Vgl. uber ihn Eitner a. a. 0.
4, Ob Verhandlungen init Breitkopf erfolgten, ist nnbekannt; auf jeden Fall
ge8chah die Drucklegung durch die Firma nicht.
s. d. mo. x. 40
602 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner 8.
Der unbekannte Verfasser des Aufsatzes im Darmstadter Kalem
redete 1781 einer neuen Ausgabe des Graupner'schen Choralbuches <
Wort:
»Sein Choral-Buch, welches unter vielen Choralbtlchern unstreitig den Vor
hat, v&rdiente mit Recht einer neuen Auflage, wenn man nur das jj an gehflrij
Orten einschalten, den oft vorkommenden Gang der groBen Terz zur rein en Qui
e /
in der Gegenbewegung z. B. , ab&ndern, die (verroutlich in der 2. Aufla
c ~~~- o
eingeschlichene Druckfehler wegraumen und die schon vorhandene Melodien
den neu eingefuhrten Liedern nebst einer leichten Vorschrift zum Praia dire n t
hangen wollte. Nach seinem Plan zog er den leichtesten und natiirlichsten B
dem schwerern nnd gekflnsteltern vor, erleichterte dadurch den schwachen Spiele
deren man viele unter den Schulmeistern antrift, die Arbeit und schenkte unse:
Lande ein recht nfltzliches Werk, welches seinen Namen in unvergeBlichem A
denken erhalt.<
Als letztes im Druck erschienene Werk gibt Pasqu^1) an:
»Vier Partien auf das Clavier, unter der Benennung der Vier Jahre
zeiten Winter, Friihling, Sommer und Herbst. Bestehend aus Praeludie
Allemanden, Couranten, Sarabanden, Menuetten, Giguen, etc. Denen Lie
habern des Claviers zur Yergniigung und Exercitio herausgegeben. Dan
stadt 1733. In Verlegung des Authoris (In) Frankfurt zu finden bey J. ]
Gerhard in der Maintzer Gasse.«
Das in »Neben-Stunden« gearbeitete Werk war dem Erbprinzen, nacl
maligen Landgrafen Ludwig VIII., gewidmet. Die Vorrede an den Les<
entbehrt nicht des biographischen Interesses und ist fiir die Wertui
der kiinstlerischen Afeschfcuung von Bedeutung. Sie lautet2):
>Obgleich diesze Kupfer- Arbeit, wenn (wem?) solche bekandt, ebenso sonde
liches aniockendes nichts an sich hat, da man wegen vieler anzuwendender Ze;
Miihen und manchen Beechwerlichkeiten ihrer gar leicht flberdrflssig werden ka
so hat mich dennoch der ziemlich starcke Abgang meiner Monatl. Clavier-Frflcht
wie auch das Offtere Anhalten guter Freunde und Liebhaber desz Claviers dahi
bewogen, es noch weiteres zu versuchen, und Vier Partien auf solches unter dei
Tittel der Vier Jahreszeiten heraus zu geben; doch nicht der Meinung, als unb
solchem eine sonderliche Expression oder Invention gesucht zu haben, weilen to
dergleichen weit hergeholten Dingen eben kein sonderlicher Freund, sondern bloi
zu deren Benennungen Unterschied. Die Application ist mit vorigen eins, und w<
6ich die Monatl. Friichte wohl wird bekandt gemacht haben, wird auch in diesze
weiters keine SchwQrigkeit finden. Zumahlen dieszes judicium, da man viele iibe:
einander, wie auch drei und mehr geschwantzte Noten, unter solche begreifft:
will, mehrentheils irrig, wogegen sich das Contrarium an einer simplen Saraband
oder Menuette und dergl. soil es propre und nett seyn, sattsam legiiimiret Lasz<
sich theils hier sehr wohl appliciren, was der Kayserl. Capellmeister Herr Fux, i
l; F.benso Riemann. Eitner verzeichnet es nicht. Der Aufsatz des Darms
Kal. erwahnt die Arbeit ohne das Jahr ihres Erscheinens.
2j Das Zitat aus F u x' Qradiis ist nach dem Originale revidiert wiedergegebei
da Pasque's Abdruck — Pasque kommt hier als einzige Quelle in Betracht -
von unglaublichen Fehlern wimmelt. Es ist anzunehmen, daB auch der deutscb
Teil des Vorwortes mit dem leider verschollenen Originale nicht strong ubereinstimrai
Wilibald Nagel, Das Leben Chris toph Graupner's. 603
seinem Qrado ad Pamassum1 p. 241 de Oustu schreibt: Dictum est porro1), moni-
tumque, ne Compositor coneeptus humiles, ordinariosque assumat, loco oblectamenii,
trivialitate fastidium allaturos; sed sublimitatem spectans, novitati studeat Contra ne
novitatis studio seductus, ideas concipiat, naturam, rerumque ordinem excedentes, cantu,
hisuque extra modum difficiles, quibus nequc Musicis exequentibus, nee Auditoribus
satis factum esset. Non Musicis: ob exequendi diffieultatem; non auditoribus: quia e-
jusmodi Compositiones naturalem raiionem excedentes, in auribus quidem hacrentes
nunquam in animum usque penetrant.
Und ferner nach angefuhrtem Proverbio: Facile difficile est. Der Raum leidet
nicht, auch noch andere ebenfals wichtige Autores von gleicher Meinung anzu-
fuhren. Da aber meine ordentliche Beruffs-Arbeit nicht zulaszet, obiges auf ein-
mahl zu bestreiten, 60 werden die Herren Liebhaber einsweilen mit der Helfte zu-
frieden seyn, bisz die andere Messe, wenn Gott Leben und Gesundheit giebt,
auch das ubrige wird vollens darzu gelieffert werden kOnnen. Darmstadt den
20. Mertz 1733.*
Der Zusammenhang laBt keinen anderen Sinn der Vorrede zu, als
daB Graupner mit diesen Stiicken keinerlei programmatischen Ausdruck
habe verbinden wollen. Er nennt derlei weit hergeholt, von dem er kein
Freund sei. Das gilt aber nur der Instrumentalmusik, denn Graupner's
friihere Opern lassen an mehr als einer Stelle eine bemerkenswerte Liebe
des Komponisten fiir das Landschaftliche in der Musik erkennen. An
anderer Stelle wird ausfuhrlich davon zu sprechen sein. Pasqu£ beschreibt
die »Vier Jahreszeiten* als auf 32 Folioseiten von Graupner selbst radiert.
Sie waren, wie die >Clavier-Friichte«, ftir Anf anger berechnet und ent-
hielten nicht, wie die 1718 erschienenen »Partien«, — nach dem Ausspruch
eines Zeitgenossen Graupner's — die voile Starke des Instruments2).
Nach Pasqu£ hat sich ferner noch 1854 in Darmstadt ein Band
Graupner'scher Klavierkompositionen (Autograph) befunden, der auf un-
gefahr 160 Seiten 25 Parthien, Praludien, Ouverturen usw. enthielt. Dem
Werk waren die Verse vorgesetzt:
»Ibr, die die Tadelsucht so sehr hat eingenommen,
DaC ihr vor Wahn und Witz nicht zu Verstand kOnt kommen,
Was hat euch die Music, die Unschuld selbst, getban,
DaB die auch nicht vor Euch in Ruhe bleiben kan?
Ihr aber, die ihr sie nach Wurden wifit zu schatzen,
Benutzet fernerhin dies unschulds-voll ergStzen,
Und glaubt, daB keiner nicht derselben Anmuth werth,
Der nicht, wie sie verdient, sie innig liebt und ehrt.«
Nachforschungen nach dem Verbleib des Werkes — Pasque hat den
damaligen Besitzer angegeben — waren bisher vergeblich. Es ist im
1) Die Akzente und Apostrophe des Originales z. B. porro rerurriquc habe ich
weggelassen.
2 Pasque hat, wie aus mehreren Stellon seiner Arbeit hervorgeht, auch den
Aufsatz des Darmst. Kalenders genannt und benutzt. Dieser enthalt jedenfalls das
mitgeteilte Urteil nicht. Es muB also noch eine bis jetzt freilich nicht wiedei er-
Offnete Quelle zu Graupner's Biographie bestehen.
40*
604 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
hochsten MaBe auffallend, daB ein groBer Teil der von Pasque angeb-
lich benutzten Quellenwerke, so Graupner's Darmstadter Opern, spurlos
verschwunden ist.
Dem Klavierspieler Graupner widmet der mehrfach angezogene Auf-
satz des Darmst. Kalenders die Worte:
> Graupner war gewiB einer der vorzttglichsten Componisten seiner Zeit, ein
Eenner; die ihn in seinem mittleren Alter noch gehOrt haben, bezeugen, daB er
zugleich eine Bewunderungswtlrdige Feriigkeit auf deia Klavier beeeseen habe;
diese verlohr sich aber wieder in seinen alteren Jahren, bei mehreren Geschaften
und weniger Uebung.«
Nach summarischer Aufzahlung der anderen Kompositionen Graupner's
macht der unbekannte Verfasser des Aufsatzes uns noch mit einem un-
vollendeten Plane des Meisters bekannt. Es handelte sich um ein theo-
retisch-praktisches Werk, » welches mittelst eines willkiirlichen Satzes die
Mannigfaltigkeit der Harmonie, durch Versetzung der Tone, Veranderung
der Punkten, Tactarten, Ruckungen u. dgl. zeigen sollte; allein er liefi
es nachher liegen, weil er unter der Arbeit so haufige Abanderungen
fand, daB er nicht glaubte in seinem Leben mit dieser Materie fertig
zu werden, und endlich an der Moglichkeit dieses Unternehmens selbst
zu zweifeln anfieng.«
An dieser Stelle auch nur zusammenfassend der Manuskript ge-
bliebenen Kirchenmusiken, zu denen der Fiirstl. Superintendent J. C.
Lichtenberg die Texte herstellte *), der Sinfonien, Ouverturen, Sonaten,
Konzerte usw. Graupner's zu gedenken, ware zwecklos. Ihre RubrizieruBg
und Wiirdigung muB einer besonderen Darstellung vorbehalten bleiben.
Als ein zeitgenossisches Urteil sei der Abschnitt des Aufsatzes aus
dem Darmst. Kalender mitgeteilt:
>Aber Schalen sind dieses (die gedruckten Elavierkompositionen) gegen seinen
kornigten Kirchenstil. Er dachte sich die Kirchenmusik so hoch, ehrwflrdig and
heilig, daC er sie von dera Opern- und Kammerstil himmelweit unt«rschied^;
der Fremde, der ihn zum ersten Mai hQrte, staunte und wahnte in eine andere
Welt versetzt zu seyn. In dieser Musikart arbeitete er mit FleiB, Punktlichkeit
1) Joh. Conr. Lichtenberg, geb. 1689 zu Darmstadt ; Vicar in Neunkirchen 1712,
Prediger daselbst 1716, 1729 nach Oberramstadt als Prediger, 1745 1. Stadtpredi^tf
in Darmstadt. 1717 verh. er sich mit Henrike, Cath. Eckhard f^ltester Sohn, Gottl.
Christoph. gcb. 25. Aug. 1724). Als Superintendent wirkte L. 1749 — 1751. Er scbrieb
nebcn theologischen Arbeiten: Texte zur Kirchenmusik Darmstadt 1719. 8. ll1.* Be.
Texte zur Kirchenmusik fiber dio Epistolischen Texte. Darmstadt 1720. 8. 10 bs.
Erbaulicher Gottesdienst in andachtiger Kirchenmusik 1727. 8. 11 Bg. Zur
Kirchenmusik gewidmete Texte. 1739. 8. 11 Bgn. Heilsame Worte der Wahr*
heit, in poet. Text en zur Kirchenmusik 1742. 8. 11 l/* Bg.
Alio Texte zur Kirchen- und Tafelmusik an den Fiirstl. Geburtstagen, Leichen*
begilngnissen usw. Vgl. Strieder a. a. 0. Uber weitere Beziehungen zu Graupner
vgl. oben. Auf die Texte werde ich spiiter zurttckkoxnmen.
2 Auch Winterfeld a. a. 0. macht diese Bemerkung.
Wilibald Nagel, Das Leben Chris toph Graupner's. 605
stiller Heiterkeit und sanfter Freude des Herzens. Verband Kunst mit Natur,
Pracht mit Einfalt, Eeitz mit SchCnheit und bewurkte Erbauung und Vergntigen;
war kein sklavischer Nachbeter gleichzeitiger Componisten, sondern selbst Genie
mit eigenem Geprage. Sonderbar ist es, was man bemerkt haben will, daC seine
neure Stiicke, die er in seinem Alter kurz vor seiner Blindheit verfertigte, mit
mehrerem Feuer und mit vorzttglicher Starke gearbeitet sind.c
Wir verfolgen Graupner's Leben bis zu seinem Ausgange weiter. Das
Jahr 1739 brachte ihm zwei herbe Verluste. Landgraf Ernst Ludwig
starb in diesem Jahre. Sein Nachfolger war Ludwig VIH (1739 — 68),
der des Vaters kiinstlerische Neigungen geerbt hatte. Ware er jiinger
gewesen, als er zur Regierung kam, und das Land weniger durch Schul-
den bedriickt, so wiirde vielleicht auch die Oper eine Wiederbelebung
erfahren haben. So blieb es in Darmstadt in bezug auf die Kunstpflege
im ganzen so, wie es zuletzt unter Ernst Ludwig gewesen war. Wann
Opera aufgefiihrt wurden, lilBt sick im einzelnen bis jetzt nicht bestimmen;
es wird erzahjt, daB der Landgraf ofter von Kranichstein aus, seinem
Lieblingssitze. in einem mit sechs weiBen Hirschen bespannten Wagen
nach Darmstadt gefahren sei, eine Oper zu horen. Ein festes Opern-
personal gab es jedenfalls damals in der Stadt nicht. Die Besoldungs-
rechnung fiir 1740 z. B. erwahnt neben 20 Hofmusikern nur die beiden
Sangerinnen, Frau Hesse und die Schetky, von denen erstere ein
Gjiadengehalt von 200 G. bezog. Sie war also damals nicht mehr aktiv.
Die Unterhaltung der Hofmusik verschlang noch iiber 7000 G. jahrlich.
Ein ohne Zweifel groBerer Verlust traf Graupner durch den Tod seines
alten Freundes Griinewald, dessen Leiche am 22. Dez. 1739 bestattet
wurde. Griinewald war 66 Jahre alt geworden1).
Wir gewinnen mit dieser jlngabe den uiigefahren Zeitpunkt fiir die
Niederschrift von Graupner's Selbstbiographie, die er an Mattheson fiir
die >Ehrenpforte« schickte: Graupner selbst berichtet iiber diese Zeit:
»Itzund (also 1740) habe das Gliick und die Gnade, solange es Gott
gefallt, des nunmehro regierenden Herrn Landgrafens H. D., als Capell-
meister zu dienen, wobey mir die gantze Arbeit allein zugewachsen, nach-
dem der gute Griinewald vor einem halben Jahr verstorben ist. Er bat
mich noch auf seinem Todbette, wenn ich schriebe, an E. H. E. (Mattheson)
seinen Abschiedsgruss zu vermelden. Ich bin also mit Geschafften dermaassen
uberhauffet, dasz ich fast gar nichts anders verrichten kan, und nur immer
sorgen muss, mit meiner Composition fertig zu werden, indem ein Sonn-
oder Fest-Tag dem andern die Hand bietet, auch noch offters andere Vor-
falle dazwischen kommen.c
i
Der Aufsatz des Darmstadter Kalenders meldet, Graupner habe bei-
nahe 10 Jahre vor seinem Tode, also um 1750, sein Augenlicht verloren;
die unfreiwillige MuBe habe wenig mit seinem Charakter ubereingestimmt —
1) Totenregister Darmstadt.
606 Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
eine Bemerkung, die schwerlich anzufechten sein diirfte. Aber c
der wohl durch tlberarbeitung herbeigefiihrten Erblindung det
ist aller Wahrscheinlichkeit nach zu friihe angesetzt1). Da de
21 Jahre nach Graupner's Tode verfaBt wurde, ist ein Irrti
erklarlich. Zu der Annahme eines solchen Irrtumes notigt der
daB aus den Jahren 1756 und 1758 Schriftstiicke von Graupn
vorliegen: sie zeigen die Schrift nur insofern verandert, als sie
friiherer Zeit etwas kleiner erscheint; den energischen Zug, d
heit, Schonheit und Deutlichkeit der Buchstaben haben die Scl
jedoch mit der alteren Schrift gemein. Freilich stand es dz
Graupner's geistige und korperliche Krafte wohl nicht mehr zi
Wir horen von Rangstreitigkeiten unter den Kapellmitgliedern,
unregelmaBiger Erf iillung dienstlicher Pflichten — Dingen, die
nicht geschehen waren, hatte Graupner noch die alte Kraft un
besessen. Die Streitereien entbehren des Interesses nicht. Das
marschallamt forderte unterm 30. Marz 1758 Bericht vom l£onz
Enderle2), der schon damals Graupner cum iuresuccedendi beigeg
»D. F. Concertmeister Enderle ist bekandt, was vor unordnungc
bey der Fiirstl. Hoff Capelle eingerissen, so gar, dass auch Hochf.
schafft ein nicht geringes Miszvergnugen verspiiren laszen. Nach
die Nothdurfft erfordert, dasz hierinnen in Zeiten remcdiret werde
besagter Concertmeister Enderle seine gutfindenden Gedancken
maszgebl. Bedencken, wie alles pro futuro in ordnung gebracht, uu
und Frieden erhalten werden konne, zu erstatten und einzuschickt
statt den 30. Martij 1758. «
Enderle bemerkt in seinem Gutachten, daB die Direktion d
mentalmusik >in Ermangelung eines Adelichen Directoris, billig
vom Conzert-Meister dependiren solle.« Graupner, der Krfp
wird nicht genannt. In der Sache hat er jedoch das Wort {
und einen Punkt des Enderle'schen > Sentiments* berichtigt:
»Wir wissen hier nichts von sogenannten Hoff Musicis] alle
der hiesigen Fiirstl. Hoff Capelle vom ersten bis auf den letatc
jeher das praedkatum eines Cammer-Musici beygeleget worden, n
keinem unter alien, blosz einer so unbegrundeten Benennung halt
Vorrecht fiir dem anderen hier aus erwachsen.* Er beruft sich
auf die GepHogenheit unter der vorigen Kegierung, allein die A
gelten zu lassen; jeder Virtuose aber sei den andern gleich zu a
Der Entscheid des Landgrafen lautete dementsprechend.
Das mitgeteilte Schriftstiick ist- das letzte, das von Graupn*
erhalten ist. Am 10. Mai 1760 schlossen sich die Augen des
Mannes und tfefflichen Kiinstlers fiir immer. Zwei Tage darns
1; Pasque* erziihlt von einer schon 1746 beffinnenden » Augen schw
Z Vgl. Nag el a. a. 0. H. u. St. Archiv. Ludwig VIII. Pr. Corr. C<
Wilibald Nigel, Das Leben Christoph Graupner's. 607
er »mit Christlichen Gebrauchen bey gehaltener Leichenpredigt offentlich
begraben.« Eine Woche darauf folgte ihm sein Sohn Christoph, ge-
wesener Akzessist beim Sekretariate der F. Regierung, in den Tod nach.
Wo Graupner's Grab auf dem alten Friedhof, dem jetzigen Kapell-
platze, gelegen, ist unbekannt. Sein Wohnhaus hat nach Pasqu^ im
oberen Teile der jetzigen LouisenstraBe gestanden. Wie die im Darm-
st&dter Archive la'gernden Grundbiicher ausweisen, handelt es sich aller
Wahrscheinlichkeit nach um ein Haus, das in der damals >Die neue
Vorstadt* geheiBenen StraBe gelegen war1). Es gehorte 1772 dem Kammer-
rat Wachter, Graupner's Schwiegersohn, dem wir weiter unten begegnen /
werden. \/>-'
(jfekrologe auf Graupner sind ebenso wenig erhalten wie die Leichen- \
predigt. Das Zeftungswesen stand erst in den AnU&ngen, und die Not- -7
wendigkeit musikalischer Fachblatter stellte sich, nachdem Mattheson,
Scheibe, Mitzler und Marpurg vdrgearbeitet hatten, erst nach Graupner's
Tode heraus^ Jene alteren Manner haben, wie wir schon gehort haben,
zum Teil dem Meister personlich nahe gestanden. Insbesondere Mattheson
erwahnt ihn ofter; im »Vpllkommenen Capellmeister* spricht er davon,
wie sich Graupner, >eliema!ls s^h3erlich in Arietten hervorgetifian«, und
c*ra^ inan konne allerlei Laufe.und Passagen >in dreygeschwanzten Noten* '
>absonderlich aua des Herrn Capellmeisters Graupners Clavierstiicken und
Parthien, worin sonst nobh viel schOnes enthalten ist,« studieren. DaB
diese Art von Passagen in Graupner's Klaviermusik auffaUeiider Art
ist, werden wir spater sehen. "Weiter heiBt es a. a. 0. S. 481 :
»Hier muC ich den H. C. Graupner zu Darmstadt /Toilli^ rtlhmen, dessen
Partituren so rein geschrieben sind, dasz sie mit einem Kupfferstiche kampflen. »
Er hat mir emige derselben, worin sonst viele wesentliche SchOnheiten stecken,
unl&ngst zugesandt, und scbreibt dabey Ich babe mir scnon Iange ange-
wehnet, auch theils gemust, meine Partituren so deutlicb, als mOglich ist, zu
scbreiben, und andre nicbt gerne etwas, um dem Notisten behttlfflich, und
des gar zu verdrieClichen taglichen Corrigirens Uberboben zu seyn. Es kostet
zwar etwas mebr Milne; scbreibe aber selten eher, bis in Gedancken fertig bin.«
Ein Aufsatz in Joh. Ad. Scheibe's »Crit. Musicus*)« behandelt in
der Form eines Traumbildes ein Kjericht, das vor der EwigVeit iiber
allerlei Musiker gehalten wird. Alle verdienten Manner werden vor den
Rictterstuhl geleitet, Tugeiicl, Wahrheit und Vernunft reichen ihnen die
Hande und tragen ihre Namen zu ehrendem GedachWs in ein Buch
ein: Fux, Hasse, Handel, Telemann, Bach, Graun, Schmidt, Heinichen,
Stolzel, Graupner, Bokemeyer3).
1) Jetzt LouisenstraBe 30. Mit voller Bestimmtheit kann das Haus nicbt als
einst Graupner gebOrend angesprocben werden, da direkte Belege nicbt zu fin-
den sind. 2) 2 Tl. Hamburg 1740. S. 66ff.
3) Die neue Aufl. des Cr. Mus. von 1745 scbafft die ndtige alpbabetische Ord-
nung in diese Aufzahlung!!
(
608 Wilibald Nagel, Das Leben Christopb Graupner's. <r"~
1766 gedachten(Hiller's >W6chentl. Nachrichten und Anmerkun^
die Musik betreffend *)« Graupner's auf Grund der Angaben der »Ehr
pforte«; 1781 erschien der Aufsatz des Dannst. Kalenders. /' Er widi
dem Menschen Graupner folgende Zeilen:-*
>Er war ein Mann von unbeschoitenem Character. Sein aufteres Aussel
war zwar ein wenig finster, doch muOte man sich dadurch nicht von seinem I
gange abschrecken lassen, denn er besaC ein freundschaftliches Herz. Durch se
Arbeit8amkeit hat er sich vielleicht unter alien Tonkttnstlern seiner Zeit aus
zeichnet und nach Masgabe derselben wtirde die 5tfenge seiner iluslkali en ge^
noch weit ansehnlicher seyn, wenn er minder solid und mit mehr Fluchtigkeit j
arbeitet hatte. Er saO zuweilen ganze Tage und N&chte an seinem Pulte i
sein unerhCrter FleiG bat vermutlich zur Abnahme seines Gesichtes viel beyj
tragen. Er ging in demselben so weit, daC ^r seine Compositionen nicht nur
Partitur verfertigte, sondern auch inehrenthetts mit eigener Hand ausschr
- und verschiedene seiner Werke z. B. sein Choralbuch selbst in Kupfer radii
Wahrend seiner Blindheit bewieB er eine bewundrungswflrdige Geduld, nur :
weilen auCerte er einige Unriihen daruber, daB er die Compositionen, die er
Kopf hatte, nicht zu Papiere bringen konnte, und wunschte, daft es mdglich wS
sie jemand zu dictiren. Sonst hatte er auch, wie man bey jedem groften Max
schon zu vermuthen pflegt, seine S6nderbarkeiten; er wollte durchaus nicht :
geben, daB er gemahlt wtirde, und als man es wahrend seiner Blindheit ol
sein Vorwissen thun wollte, ward er unwillig, als er es merkte; auch verlangte
vor seinem Tode, daB man alle seine Musikalien verbrennen sollte, welcher Bef
aber freylich zum Besten der musikalischen Welt unbefolgt blieb. Er wtirde si
auch vielleicht gegenwartige Biographie verbeten haben, wenn er sie vermutl
hatte, doch halten wir es nicht vor Pflicht, der ein wenig ubertriebenen Bescheid<
heit eines verdienten Mannes hierinnen nachzugeben.«
Sogleich nach Graupner's Tode suchte2) Oberhofmarschall von AVal
brunn seinen kiinstlerischen NachlaB fur den Hof in Besitz zu nehmc
Aber die Rechtsnachfolger des >geschickten und beriihmten Mannes «, d
Advokat Graupner, sein altester Sohn, und des Kapellmeisters Schwiege
sohn, Kammer-Referendar Wachter, waren zur Herausgabe des Nachlass
nur gegen eine Entschadigungssumme bereit. Sicherlich leiteten AVallbrui
die besten Absichten : er wollte den seiner >Natur nach werthen Schatzc nic
verzettelt wissen, und so schlug er dem Landgrafen vor, fur die Herausga
des >grosten Capitals* von Graupner's Hinterlassenschaft (in Frage kam
fur ihn nur des Meisters Kirchenkompositionen) den Erben aus der vaka
gewordenen Besoldung »pro acqnitate* einen Teil zu bewilligen. Ludwig YE
entschied, daB, damit von der Hinterlassenschaft >nichts nicht jemahls* er
wendet werden konnte, die genau zu verzeichnenden Musikalien unter fest
VerschluB genommen werden sollten ; er, der Landgraf, sei Erbe von Graupnei
Gage ; da die Zeiten sehr schlecht seien, solle keinem der Kapellisten dav
etwas ausgehiindigt werden; (!) die gestochenen Musikalien gehorten d
1) S. 212 f.
2) Die Akten der Verliandlungen sind bis zum Jahre 1765 erhalten. Ton d
spateren Dokuraenten, die Pas que offenbar benutzt hat (s. u.), habe ich nichts
Gesichte bekommen.
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's. 609
Familie Graupner's, » Kirch- und Taffell Musikalien NB davon abgesondert,
denn der hoch beriimbte Capell Meister Graupner Gage Leben lang gebabt
aucb behalten; so kan Niemand nicht mit Recht und Fug jetzo wollen Seine
gemacbte arbeit verkauffen, denn Solche im Dienst gemacht, auch Eo ipso
mir gehoren.* Diesen EntschluB gab der Landgraf am 28. Mai 1760 kund.
Selbstredend waren die Erben damit nicht einverstanden, und so begann ein
in seinen Einzelheiten und wegen der prinzipiellen Bedeutung der Frage
nicht uninteressanter Rechtsstreit, der freilich nicht bis zum letzten Ent-
scheide durchgefochten wurde. Man mag iiber die juristische Seite der
Angelegenheit denken wie man will (erst in unseren Tagen beginnt man
ernstlich an der Losung der Frage zu arbeiten, die ja heute in jedem Fabrik-
betriebe eine wichtige Rolle spielt): daC vom Standpunkte einfacher biirger-
licher Moral-Begrifle der Landgraf zu seinem Vorgehen nicht berechtigt war,
kann keinem Zweifel unterliegen. Aber im Zeitalter des Absolutismus litten
die Fiirsten im allgemeinen weniger denn je an moralischen Anwandlungen.
Allein auch die Erben blieben fest und waren voll froher Erwartung einer
» erklecklichen bonifieirung*) auf die sie in Anbetracht des Umstandes, daC
ihr Vater »in der That mehr als gewohnlichen Fleisz« bewiesen habe, und
auch deshalb Anspruch zu haben meinten, weil »sich unter uns noch einige
(namlich Kinder) be fin den, die noch gar gering versorget, und zum Theil,
kranklichen Leibes Umstande halber, gantzlich ausser Stande sind, zu ihr e in
Unterhalt etwas erwerben zu konnen, und iiberdeme der, von unserem ver-
storbenen Vater hinterbliebene Musicalische Reichthum, auszer leyder! der
sich in der Welt erworbenen renommee, beynahe das eintzige Erbschaffts
Stuck ist, das uns nach seinen, in die Ein und Fiinfzig Jahre lang, mit
gantz auszerordentlichem Fleisz, Eiffer und Devotion, geleisteten unterthanig-
sten Diensten, verbleibet« . . . Eine Antwort erfolgte nicht, so daC die
Erben am 19. November sich zu einer zweiten Bittschrift genotigt sahen.
Das Rats-Kollegium beschaftigte sich zwar mit der Frage, der Entscheid
des Fiirsten aber wurde nicht eingeholt. Noch im Januar 1761 war kein
BeschluB gefaJJt; so petitionierten die Kinder Graupner's abermals. Die
Meinungen im Geheimen Bate waren geteilt. Ganz auf Seiten des Fiirsten
stand Herr von Biedesel, der aber gleichwohl den Erben gonnte, wenn
*Princeps elementissimus ex intra gratia etwan 400 fl. gnadigst resolviren
wolte.« (!) Am 12. Februar machte der Geheime Rat endlich eine Eingabe
an den Landgrafen: die Majoritat sage, die Musikwerke Graupner's und be-
sonders die Partituren konnten den Erben nicht vorenthalten werden, und
es sei demnach eine Entschadigung zu zahlen, die sie mit 400 G. ansetze.
Der Landgraf entschied am 28. Marz, das Oberhofmarschallamt solle die
Erben vor sich fordern, samtliche Kirchen- und Tafelmusiken an sich nehmen
und die Abfindung »so gut als moglich zu tractiren« suchen. Man sieht,
da£ auch in diesem Falle wieder einmal von dem Grundsatze des Noblesse
oblige abgewichen wurde. Wie der Landgraf blieben auch jetzt die Erben
hart; sie erklarten es fur notorisch. daJB Graupner's Kompositionen der Art
seien, >dasz wohl ein dergleichen Vorrath schwerlich bey einem Capellmeister
vorzufinden seyn wiirde, und dadurch der Dienst sowohl in der Kirche als
bey der Tafel und andern Yorfallenheiten gleichsam auf ewige Zeiten hinaus
festgesetzt werden konnte.« SchlieBlich riickten sie mit schwererem Ge-
schutze auf und erinnerten den Fiirsten an sein und seines Vaters Wort, fiir
Graupner's Familie sorgen zu wollen. Sie hofften also, >dasz . . . vor sehr
610 Wilibald Nagel, Das Leben Chrietoph Graupner'i.
billig angesehen werden wttrde, wenn sie sich vor den grosser* Musicsliscl
Reichthum, welcher zumahlen, ohne Ruhmredigkeit zu melden, iiberall eii
ganz besonderen ap])Iausum fande und zum Theil, was nemlich die Tai
and andere Musiquen anbetreffe, ausser (d. h. aufierhalb) seiner (Graupne
Obliegenheit, mit sehr schweren und grossen Kosten aus alien Orten <
Welt, mit Anwendung seines eignen Yermogens, waren angeschafft worden [!
sich Yier noch lebenden Kinder, und so lang eines von ihnen am JLeb
vom Ablauf des ohne dem zu geniefien gehabten Sterb- und Gnaden-Qu
tals an zu rechnen, eine jiihrliche Pension von 450 G. und zwar in 350
baar Geld aus der vacanten Besoldung ihres Vaters sodann in 100 G.
denen darvon zu geniessen gehabten naturalien unterthanigst ausbathei
Sie bezogen sich dabei, ohne anderer Beispiele zu gedenken, auf den Chi
sachs. Kapellmeister Heinichen, dessen Kinder mit einer jahrlichen Pensi
von 500 Gulden abgefunden worden seien, >obgleich deren Vater, wie we
kundig, dasjenige weder in Ansehung der lange der Zeit noch in Ansehu
der Arbeitsamkeit bey weitem nicht praestiret hatte, was von ihrem v<
storbenen Yater wiirklich vor Augen liege. « SchlieGlich erklarten sie, i
einer Bewilligung ihrer Forderung fUr 10 Jahre zufrieden zu sein. No
immer kam die Sache nicht in FluB; verauflern durften die Erben la
einem strengen Befehle des Landgrafen vom Nachlasse Graupner's nich
So kam das Jahr 1765 heran. Es brachte abermals eine Petition an d
Landesvater: Die Erben hiitten bis jetzt den Befehl, nichts von der Musi
Hinterlassenschaft zu verkaufen, in der Hoffnung befolgt, >dass fur die A
trettung so betrachtlicher Musicalien, um so ehender in h. Gn. uns ein gewiss
werde gereichet werden, als unser Yatter bey seinen Lebzeiten davon kein
eintzigen Sontag, vielweuiger einen gantzen Jahrgang an frembde, gegen <
Ihm ofters dafur an gebothene starcke Bezahlung gelangen lassen, mitt
nach dem Beyspiele anderer beriihmten Capell Meister mit seiner Arb
weder einen Handel getrieben, noch dafur wie diese eine doppelte Besoldu
gezogen, sondern jene lediglich seiner gn. Herrschaft geweyhet hat.
U nter diesen Umstanden kan es uns also nicht anders als zu einer hod
wehmuthigen Emph'ndung gereichen, wenn wir auszerlich vernehmen mussc
als solten gedachte Compositionen nicht mehr fur unser Eigeothum, sonde
als eine Sache angesehen werden, die unserm Yatter durch seine Besoldur
schon bey dessen Lebzeiten seye bezahlt worden.* Sie berufen sich weil
auf die Gepflogenheit anderer Hofe (vgl. u.): dort seien die Arbeiten eii
Capellmeisters, sobald sie aufgefuhrt seien, dessen volliges Eigenthum.
Sie biiten um so mehr, ihnen eine geniigende Entschadigung fur c
Hinterlassenschaft zu bewilligen, >als wir uns noch nicht erkiihnt, der G
wohnheit nach bios auf die Verdienste eines Yatters, voreiliger weise i
eine Gnade anzusuchen, und wir ausserdeme einen Bruder zu verpfleg
haben, dessen kranckliche Umstande alleine hinreichend seyn konten, a
zu dieser unterthanigst demiithigsten Bitte zu bestimmen.*
Ein amtlicher Bericht aus Anspach, der bekundete, dafi >der Wittib c
letztvorigen Capell-Meisters vor die ausgeliefferte Compositiones ihres v<
storbenen Mannes ein proportionirtes Geld-(3?/a^wm« von Herrschafts weg
gereicht worden sei, und ein Schreiben Ben da's (beglaubigte Copie) ux\U
stutzten das Gesuch. Der Brief lautet:
>Es is t mir von des Capellmeisters Herrn Chris toph Graupne
hinterlassenen Erben folgende Frage zu be ant wort en vorgelegt worden: ob d
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupners. 611
Herrn LaDgrafen Hochfurstl. Durchlaucbt die von dem seeligen Herrn Capell-
meister verfertigte Kirchen-Stiicke ohnentgeltlich zuriick bebalten, oder ob sie
von dessen Erben als eine ihme eigenthiimlich zu stehende Sache angeeehen und
damit nach ibrem Gut befinden verfabren werden kftnnen.
Diese Frage richtiger zu beantworten 6ind nachstehende drey Punckte zu er-
wagen angegeben worden. Erstlich seye bey der Annabme des Herrn Capell-
meisters bievon nicbt das mindeste gedacbt worden.
Zweytens Seye von Ihm Eein einziges Stuck fiir Auswartige abgeschrieben
worden.
Drittens Ware dem Herrn Capellmeister von Sr. Hochfiirstl. Durcblt. dem
Herrn Landgraffen ein Copiste gebalten (?j und das nSthige Papier bergegeben
worden.
Was den ersten Punckt betrifft, so liegt klar am Tage, dasz man ein solcbes
An mu then 6ich gar nicht in den Sinn kommen laszen, jemals von Seiten des
Hofes auf die verfertigte Musick nur den miindesten Anspruch zu machen, maDen
dieses als eine Ausnahme, da an andern Hdfen fiber diesen Punckt gar kein
zweiffel entstehet ausdruklich hatte miissen erwehnet und fescgesezt werden.
Der zweyte Punkt, welcher zur Entscheidung nichts beytragen kann, zeigt
vielmehr von einer groBen Gefalligkeit des seeligen Herrn Capellmeisters, indem
es demeelben allemal frey gestanden seine Music, als eine vOllig eigenthtimliche
Sache, an ausw&rtige Liebhaber zu communiciren.
Was endlich den Dritten Punckt anlangt, so genie6e ich von Sr. Herzogl.
Durchlt. allhier gleiche Vortheile, nur noch mit dem Unterschied, daB mir statt
einem Copisten deren zwey gehalten werden. Dessen allem ohngeachtet verbleiben
meine in hiesigen Diensten verfertigte Musicalien nach meinem Absterben meinen
Erben als ein v&lliges Eigenthum, und stehet denenselben frey, damit zu verfahren,
wie sie es fiir gut befinden. So sind auch die Erben meines Vorfahren des Herrn
Capellmeister StOlzels die von Ihm verfertigte Jahrgange, von Sr. H. D. ffir
eine betrachtiche Summe erkaufft worden. Da dieses nicht allein hier sondern so
viel ich weisz auch an anderen Httfen auf gleiche Art gehalten wird, so bin ich
der Meynung, dasz denen Graupnerischen Erben ihre Freyheit mit denen vor-
handenen Musicalien, bios nach ihrem Guth finden zu handeln im mindesten nicht
eingeschranckt werden kdnne. Dasz es an hiesigem Hofe wircklich so gehalten
und alles auf verlangen weiter bestarcket werden kflnne, bezeuge ich durch meine
eigenhandige Unterschrifft u. bey gedrucktes Pettschaft.
Gotha d. 27 ten Aug. 1766 Georg Benda
Fiir8tl. Sachs. Capellmeister. «
Die Antwort des Landgrafen erfolgte am 29. Oktober 1766 und bestand
— in der Feststellung der Tatsache, daB der eingeforderte Bericht noch
nicht eingetroffen sei! Dagegen wehrten sich die Rate auf ihre Art in
ziemlich energischer Form, doch wurde vorsichtshalber der springende Punkt
nochmals beruhrt und von ihm aus — der Hoflingsweg, der zur ersten
MeinungsauBerung des Fiirsten zuruckkehrte, angetreten. Es heiBt in dem
Berichte nach Erwahnung der 450 G., die die Erben als eine Jahrespension
erbeten hatten:
>Nachdem man aber nicht nur unter.dem 12 ten Febr. d. a. (?) bey dem Ge-
heimen Rats Collegio der Meinung gewesen, dasz die Graupnerischen Erben es als
eine Gnade zu erkennen haben wiirden, wenn Serenissimus denenselben etwa 400 fl.
flberhaupt zu schenken gndst geruhen wollten, sondern bereits vorhero auch Ihre
612
Wilibald Nagel, Das Leben Christoph Graupner's.
Hochfiirstl. Durchl. in dem von HDchstdemselben eigenhandig abgefaOten gndsti
Decret vom 28. May 1760, so den 28. Mart. A. 1761 nochmals beetatiget word*
ausdrflcklich zu erkennen gegeben haben, daC, da der Gapellmeister Graupner <]
Capellmeistergage lebenslang gehabt und behalten, niemand mit Recht und Fi
seine gemachte Arbeit abermahl verkauffen mOge, denn solche i
Dienst gemacht auch eo ipso Hflchstdemselben zu gehflren.*
Bei dieser Sachlage habe der Geheime Rath die Angelegenheit als erledij
angesehen, aber es Serenissimi bekannter Milde anheimgegeben, ex mi
gratia 400 G. zu bewilligen »ein vor allemahl*. Zuletzt wurde noch d
Rent-Kammer um ihr Votum angegangen (es erfolgte unterm 19. Nov. 1766
und dann beschloB der Geheime Rath der Herren v. Biedesel, v. Gemmingc
und von Buri , es bei der mitgeteilten Entschliefiung vom 5. November 2
belassen. Was der Landgraf zu diesem Ausgange der Sache (26. Nov. 176'
gesagt hat, ist nicht bekannt geworden. Nach Pasque's Angaben l} zogc
sich die Verhandlungen bis in die Regierungszeit Ludwigs IX. hin. Ta
sache ist, da£ der Schreiber des mehrfach erwiihnten Aufsatzes im H. 1
Kalender 1781 uber die Absicht der Graupner'schen Erben, den Nachlf
zu verkaufen, spricht. Erst 1819 gelangten die Kompositionen in den B
sitz des Gr. Hauses. Yon da aus gingen sie in den Bestand der Bil
liothek der Hofmusik, spater in den der Gr. Hofbibliothek in Darmsta<
ilber.
Es versteht sich von selbst, daB die hartnackig gefuhrten Kampfe u
den Besitz des musikalischen Nachlasses Graupner's nicht gerade giinstig a
die Verhaltnisse der Kapelle einwirkten. Balth. Hertzberger2}, der dama
die Kirchenmusik in Darmstadt leitete, klagte im Februar 1766, wie schw<
es ihm falle, die passenden Musikstiicke aus dem Besitze von Graupner
Erben zu >choisiren«, und gleichsam heraus pressen zu miissen. Schwer<
sei jedoch noch, die Auffuhrungen selbst zu Stande zu bringen: er, d<
Bassist, miisse gar oft auch noch den Tenor- und Sopran-Part >wo es thui
lich< ubernehmen. Werde das nicht besser, so miisse die Musik an d€
Sountag-Nachmittagen unterbleiben ; sollte ein Bassist stets die Sopranstimn
ersetzen, »da ware die Metamorphosis allzu gross. Die eine Sangeri
(Schetky) stehe in der Abnahme, die andere (Lepri) wolle sich mit d<
deutschen Sprache nicht befreunden. »Da aber nun dieses Manquemei
offenbahr vor Augen liegt, so hielte davor, wenn ein F. 0. H. Marschal
Amt es dahin brachte, dass ratione der Graupner'schen Kirch en Musiqut
die qiiaestio an? decidiret, ein richtiger Catalogus dariiber formiret, und deo
jenigen, so solche dirigiret, zur Verwahrung ubergeben wurde. « . . .
Ein traurigeres Postludium ist schwerlich jemals dem Andenken eiir
bedeutenden Kiinstlers erklungen.
1) A. a. 0. S. 725 f.
2) Vgl. Nagel a.a.0. S. 64 ff.
Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre. 613
Zur Verzierungslehre1).
Von
Hugo Leichtentritt.
(Berlin.)
Hugo Goldschmidt, Die Lehre von der vokalen Ornamentik.
Erster Band: Das 17. u. 18. Jahrhundert bis in die Zeit Gluck's. Charlottenburg,
Paul Lehsten. 1907.
Adolf Beyschlag, Die Ornamentik der Musik. Leipzig, Breitkopf & Bartel. 1908.
Je mehr man sich in neueren Zeiten mit der Musik fruherer Jahrhunderte
beschiiftigt hat, desto dringender wurde das Bediirfnis nach einer deutlichen
Erklarung jener zahlreichen Abkiirzungen, die man sowohl im instrumen-
tal wie auch vokalen Stil fiir gewisse Tonformeln angewendet hat. Be-
sonders im 17. und 18. Jahrhundert ist die Zahl und Mannigfaltigkeit dieser
Verzierungszeichen so groB, die Bedeutung selbst der gleichen und ahnlichen
Zeichen oft so verschieden bei verschiedenen Meistern, sogar bei einem und
demselben Meister zu verschiedenen Zeiten, daB selbst Kenner nur zu oft
durchaus in Yerlegenheit geraten wegen der richtigen Ausfuhrung. Eine
Zeitlang halfen sich viele Herausgeber alterer Werke in etwas naiver Weise,
indem sie einfach alle Verzierungen oder den groBten Teil davon auslieBen,
mit der Begriindung, alle diese Schnorkel seien ein alter Zopf, der in unserer
Zeit ganz uberflussig geworden sei, sich hochstens durch die fruheren ton-
armen Instrumente rechtfertigen lieBe. Indes die letzte Stunde dieser be-
quemen Ausflucht hat schon geschlagen. Die Forderung nach einem stil-
vollen Vortrag alterer Meisterwerke wird immer dringlicher, und man erkennt
immer mehr, daB auch genaue Kenntnis der Ornamentik einen nicht un-
wesentlichen Teil der Stilerkenntnis ausmacht. Es gehort dazu auch eine
Kliirung der sogenannten »willkurlichen«, d. h. improvisierten Verzierungen
in der Arie und im Instrumentaladagio. Dieses richtig erkannte Bediirfnis
hat AnlaB gegeben zum Erscheinen der beiden oben angezeigten umfang-
reichen Biicher iiber den Gegenstand. Beide behandeln das Thema so um-
fassend, wie keiner der fruheren Versuche, die mehr kleine, orientierende
Skizzen waren, als erschopfende Abhandlungen. Es kommen von alteren
Versuchen jetzt noch in Betracht: Dannreuther's > Musical ornamentation*,
Hugo Gold Schmidt's »Die italienische Gesangsmethode im 17. Jahr-
hundert*, einige Abschnitte aus Seiffert-Weitzmann's »Geschichte der
1} Der Verfasser der vorliegenden Besprechung war im Auftrage der Redak-
tion der Sammelbande mit dem Beyschlag'schen Buche schon seit Wochen be-
schaftigt, als in der Zeitschrift der IMG. fiir ihn ganz iiberraschend das Referat
von Ettler erschien. Da seine Besprechung erheblichen Raum in Anspruch nimmt
und die Sammelbande nur einmal im Vierteljahr erscheinen, muBte mit dem Ab-
druck langer gewartet werden, als es ihm lieb war. Da er aber zur Sache viel
mehr zu sagen hatte, als der Ettlersche Bericht enthalt, so wollte er, im Einver-
standnis mit der Redaktion der Sammelbande, seine mit erheblichem Aufwand an
Zeit und Mtihe geschriebene Besprechung nicht zuruckziehen. Wenn sie, wie er
glaubt, zur Kliirung des Sachverhalts in dieser fur die Musikwissenschaft sehr
wichtigen Frage mancherlei beitrilgt, so ist ihr Erscheinen von selbst gerecht-
fertigt.
614
Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre.
Klaviermusik* und zwei Dissertationen von Fr. Kuhlo »Uber melodis*
Verzierungen in der Tonkunst* (1896) und M. Kuhn »Die Verzieron
kunst in der Gesangsmusik des 16. — 17. Jahrhunderts* (1902). Kein Zwei:
daft eine Lehre der Ornamentik, die wissenschaftlichen Anspriichen genu);
soil, recht bedeutende Schwierigkeiten zu iiberwinden hat. Wer aber di<
Arbeit erfolgreich bewaltigt, der hat ein Buch von dauerndem Wert {
schrieben. Sehen wir zu, wie die beiden vorliegenden Biicher ihre Aufga
gel 08 1 haben.
Goldscbmidt's Buch (228 Seiten Text, dazu Anhang von 92 Seit
Musikbeispielen) beschrankt sich auf die Gesangsmusik des 17. und 18. Jal
hunderts bis zu Gluck, behandelt aber diesen Ausschnitt so grundlich, k]
und verstandig, daB man hier wohl von einer erschopfenden Darstellu
reden darf, die strengen wissenschaftlichen Anforderungen durchaus stan
halt. Der Verfasser begniigt sich nicht mit einer Interpretation der a
kiirzenden Zeichen, sondern er gibt eine regelrechte Geschichte eines jed
einzelnen Ornaments, verfolgt sein Auftreten, seine Weiter- oder Umbildu:
durch die verschiedenen Jahrzehnte und Schulen hindurch. Bei dieser B
handlung kommen eine Menge interessanter Dinge zur Erorterung, die a
das Wesen des alten Sologesanges ein sehr erwunschtes Licht werfen. I!
improvisierten Verzierungen, eingelegten Kadenzen, die fur das ganze 18. Jal
hundert eine groBe Bedeutung haben, erfahren eine sehr dankenswerte ei
gehende Behandlung; gerade dieser schwierigste Teil der Ornamentik w
bisher durchaus vernachlassigt worden, wenn man von Kuhn 'a und Chr
Sander's Studien (iiber Zacconi) absieht, die sich aber nur auf das 17. Jal
hundert erstrecken. Fiir Handel- und Bach-Aufluhrungen, die ja fur uns
offentliches Musikleben vor allem anderen in Betracht kommen, ist dur
diese Untersuchungen ein fester Boden gefunden, was den Umfang und d
Art der Ornamentik betrifft. Es seien diese Kapitel deswegen der genaui
Priifung empfohlen seitens der Dirigenten, Sanger, Musiker, die iiber d<
herkommlichen Schlendrian in Sachen Handel-Bach hinausstreben. Gol
schmidt bietet hier nicht nur abstrakte, wissenschaftliche, geschichtliche E
orterungen, sondern er macht praktische Vorschlage bis in Einzelheiten hii
ein. S. 157 — 222 seines Bucbes bieten eingehende Analysen der Solog
siinge aus Handel's > Samson « und »Josua«, aus Bach's >Matthauspassioi
und »Johannespassion«, aus Gluck's » Orpheus. « Diese Vorschlage zur sti
gemaBen Auszierung verdienen die sorgfaltigste Priifung, weil hinter ihn<
die Autoritat eiues wirklichen Kenners dieser Dinge steht. Sie wollen nici
als verbindliche Vorschriften gelten, sondern eben nur als Vorschlage, w
die Aufgabe etwa gelost werden konnte. Besonderen Wert erhalten sie dun
die eingehende geschichtliche und asthetische Begrundung, die Abwesenhc
jeglicher willkiirlicheu Zutat. Das Geschichtliche ist so fest fuudiert, dt
ich nur ganz wenige Urteile finde, denen ich nicht beistimmen kann. L
vermisse eine Berucksichtigung von Graun und Hasse, die sicherlich nicl
ergebnislos gewesen ware. Manche Abschnitte erheben sich iiber die E
orterung des engeren Themas hinaus zu wertvollen Skizzen, wie z. B. dj
Kapitel Alessandro Scarlatti (S. 35 — 45), meines Erachtens die beste Oriei
tierung iiber diesen Meister, die gegenwartig iiberhaupt zu finden ist; auc
der Abschnitt iiber Reinhard Keiser bringt mancherlei Neues von Belan
Von hervorrag(jii(lem AVert sind die zusammenfassenden Kapitel iiber d
Geschichte einzelner Verzierungen, des Trillers in der franzosischen Musi
Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre. 615
(S. 67—73), des Trillers im 18. Jahrhundert (S. 119—126), tiber Passagen
und Kadenzen (S. 130—153), die Vorschlage (S. 101 — 114). Uber alles
dies und ahnliches kann ich mich hier kurz fassen, da diese Kapitel bei
Besprechung des Beyschlag'schen Buches weiter uDten vergleichsweise ooch
haufig herangezogen sind. Mit der Ansicht, daB Heinrich Albert *uber die
Monodien der Italiener weit hinaus geht« (S. 87), bin ich nicht einverstan-
den. Ich glaube vielmehr, daB die deutsche Monodie des 17. Jahrhunderts
hinter den italienischen Mustern betrachtlich zuriickbleibt. Die Belege dafur
findet man in meiner soeben erschienenen Bearbeitung des 4. Bandes der
Ambros'schen Musikgeschichte , in dem Kapitel: >Monodische Kammermusik
bis gegen 1650«.
Der gewichtigste Einwand, den ich gegen das Goldschmidt'sche Buch
zu machen habe, richtet sich gegen die Tendenz des Verfassers. Einerseits
bestrebt er sich mit dem besten Erfolge, die verwickelten Fragen der Or-
namentik zu Ibsen, andererseits verkleinert er das Ergebnis seiner Unter-
suchungen durch die Ansicht, die nun wieder gefundene echte Ornamentik
habe praktischen Wert »nur insoweit sie sich auch dem musikalischen
Empfinden des modernen Horers eignet.« (S. 3.) Damit ist der Willkur
wiederum ein breiter Weg geoffnet. Wer ist denn eigentlich der >moderne
Hbrer?« Und auch das musikalische Empfinden andert sich bestandig,
sowohl beim Einzelnen, wie auch in dem, was man den herrschenden Ge-
schmack einer Epoche nennt. Ganz im Gegenteil, wenn die Forschung die
Stileigentumlichkeiten alterer Kunstwerke gliicklich gefunden hat, so muB
das Bestreben der praktischen Ausfuhrung sein, dem stilvollen Vortrag sich
soweit als irgendwie moglich zu nahern. Fiir die Vortragsweise miissen
feste Normen gegeben werden ; erst innerhalb dieser soil die Personlichkeit
des Vortragenden sich geltend machen. Gerade darin liegt der Unterschied
zwischen Stil und verwildertem Naturalismus. Uber diesen Punkt herrschen
iiberhaupt so verworrene Anschauungen , daB eine eingehende Behandlung
unserer Stellungnahme alteren Stilprinzipen gegeniiber durchaus notwendig
ware. Die Puristen stellen die Forderung, man miisse ein Kunstwerk so
aufflihren, wie es der Schopfer seinerzeit unter den giinstigsten Umstanden
htitte tun konnen. Andere behaupten, es wTare gar nicht moglich sich in die
Anschauungen und Empfindungen einer lange vergangenen Epoche zuruck-
zuversetzen, daB jede Epoche sich die Werke der Vergangenheit nur unter
ihrem eigenen Gesichtswinkel zurechtlegen konne und auch durfe. Es wird
sogar die Meinung verfochten: >wir vermogen die Kunstwerke der Ver-
gangenheit nur noch entwicklungsgeschichtlich , nicht mehr asthetisch zu er-
fassen.« Wie weit zuriick erstreckt sich wohl diese Vergangenheit? Ver-
mogen wir Bach noch zu erfassen, Heinrich Schiitz dagegen nicht mehr? Oder
konnen wir nur die Werke der Gegenwart erfassen? Auch diese vielleicht
nicht? — sind doch so viele groBe Meister erst von der Nachwelt gewiirdigt
worden! Oder konnen wir gar nichts asthetisch erfassen? Man sieht, zu
welchen Absurditaten diese Anschauung fuhrt. Ich halte diese Meinung fiir eine
durchaus unzulangliche. Was echte Kunst ist, d. h. was kunstgemaBer Ausdruck
einer starken, reinen Empfindung ist, das ist dem Kunstverstiindigen immer
einleuchtend, so alt es auch sein mag, — wohlgemerkt dem Kunstverstiindigen,
nicht dem » modernen Horer« oder >uns« schlechthin. Die chinesische und
japauische Mai- und Zeichenkunst ist dem Kenner durchaus verstandlich
und sympathise!!, und den Geist eines Madrigals von Marenzio, einer Mo-
616 Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre.
tette von Palestrina, einer Arie von Scarlatti, sollte ein Kenner der Musik
nicht erfassen konnen? "Ware es nicht Barbarei, wenn man versuchte in
die chinesische Malerei Perspektive hineinzubringen , um diese uralte, uns
fremdartige Kunst leichter verstandlich zu machen? Nicht weniger Bar-
bare i ist es, ein musikalisches Kunst werk mit allerlei modemen Retouchen
aufzufuhren, unter AuBerachtlassung wesentlicher Erfordernisse , nur um es
>uns« angeblich leichter verstandlich zu machen. Der vielzitierte Satz, »jede
Epoche hat das Recht auf ihre Auffassung*, bezieht sich nur zu haufig auf die
Irrtiimer, die jede Epoche aus Unwissenheit macht, und ist zumeist nur eine
Beschonigung dieser Unwissenheit. In anderen Kunsten ist diese Irrlehre
schon liingst tiberwunden, in der Musik spukt sie noch immer. Wie hat
man im 17. u. 18. Jahrhundert die antiken Skulpturen restauriert, der
> Auffassung* des Zeitalters entsprechend ! Heute, wo die Kenntnis des
antiken Stils wesentliche Fortschritte gemacht hat, erkennt man wenigstens,
wie verfehlt eine solche Bestauration auf Glatte und Gefalligkeit hin ist
Ahnlich in der Baukunst. Nur in der Musik ist es anders. Da redet man
noch immer von einem reinen Bach- und Handel-Stil, obschon man in
Orchesterbehandlung, in GeneralbaBausfiihrung, in Vortragsweise und auch
in AuBzierungen ganz ungeniert phantasievoll verfahrt, seine > Auffassung*
betatigt, indem man hier hinzufugt, dort hinweglaBt, nach der MaBgabe des
eigenen »musikalischen Empfindens*, des angeblich angeborenen >Stilgefuhls<.
Gliicklicherweise setzt diese seltsame Anschauung Goldschmidts den
Wert seines Buches nicht herab. Man kann sie ruhig streichen, ohne dafl
davon seine Untersuchungen betroffen wiirden. Zudem befolgt er seine eigene
Maxime gar nicht; die praktischen Vorschlage, die er betreffend die Aus-
zierung Bach'scher und Handel'scher Gesange macht, entsprechen durchaus
den Ergebnissen seiner Untersuchungen iiber den Stil dieser Meister. Es
muB dieser Punkt besonders betont werden, weil bei minder sachkundigen
Musikern MiBverstiindnisse leicht eintreten konnten. Goldschmidt ist zwar
ein Gegner der Chrysander-Seiflert'schen Auszierungstheorie, aber vertritt
durchaus die Meinung, daB Auszierungen der Sologesange an der richtigen
Stelle als etwas Wesentliches zum Handelstil gehoren; nur wunscht er diese
Auszierungen nach einem anderen System als Chrysander-Seiffert. Der Streit
geht nicht um das >was«, sondern um das >wie«. Beyschlag dagegen will
allc Verzierungen aus Handel's Oratorien durchaus verbannt sehen. Schon
ist der Fall eingetreten, daB Anhiinger Beyschlag's in dieser Frage Gold-
schmidt als einen Parteiganger Beyschlag's bezeichnen. Diese Annahme ist
nicht im mindesten zutreflend. Goldschmidt verlangt sogar bisweilen auch
bei Bach eingelegte Kadenzen, obschon Bach die Kadenzen meistens selbst
ausschreibt.
Eine bequeme Lektiire ist Goldschmidt's Buch durchaus nicht; es verlangt
ein regelrechtes Studium. Ich glaube aber, daB der ungemein verwickelte Ge-
genstand eine grundliche Darstellung in einfacher, leicht ubersichtlicher Form
kaum zuliiBt. Zur Erleichterung des Studiums hiitte ein ausfuhrliches Re-
gister wohl gute Dienste geleistet. Auch die Anordnung der Notenbeispiele
nach Buchstaben, anstatt nach fortlaufenden Ziffern oder mit Hinweisung auf
Seitenzahlen, ist unpraktisch; sie verursacht dem Leser Muhe und Zeitver-
lust. Den groBen Wert des Werkes beriihren jedoch diese Ausstellungen
nicht. Ich halte Goldschmidt fiir den berufenen Fachmann auf dem Gebiete
der Ornamentik und wiinsche ein baldiges Erscheinen des angekundigten
Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre. 617
zweiten Bandes der Verzierungslehre, der sich in it der neapolitanischen Schule,
mit Mozart und der klassischen Epoche beschiiftigen soil.
Adolph Beysohlag's »Die Ornamentik der Musik« tritt mit ge-
wichtiger Unterstutzung in die Oftentlichkeit. Das 285 Seiten GroB-Oktav
umfassende Buch ist bezeichnet als Supplementband der Sainmlung: TJrtext
klassischer Musikwerke, herausgegeben »auf Veranlassung und unter Ver-
antwortuug der Koniglichen Akademie der Kiinste zu Berlin «. Um ohne
weitere Tfmschweife zur Sache zu kommen: Ich glaube, die Akademie hat
mehr veranlaBt, als sie verantworten kann. Alles in all em erweist sich das
Beyschlag'sche Buch, einige Teile ausgenommen, als eine durchaus unge-
niigende Losung der Aufgabe. Die Begrundung dieser Behauptung folge hier.
Die Anlage zeigt meines Erachtens einen empfindlichen Fehler, indem
das Buch vollgepfropft ist von tausenden von Musikbeispielen, der erlauternde
Text aber viel zu kurz und bundig ist. Es ist sehr schwer, sich in dieser Fiille
von Beispielen ohne die Fiihrung eines erlauternden Textes zurechtzufinden.
Vergebens fragt sich der Leser, was diese Menge Beispiele beweisen soil.
Dabei geht alles bunt durcheinander; Vokal-, Instrumental-, Solo-, Ensemble-
musik sind durcheinander gemengt, als ob diese TJnterschiede fur die Aus-
fuhrung ganz gleichgiiltig waren. Man bleibt ganz im unklaren dariiber,
womit sich der Autor eigentlich beschaftigen will. Die erste Sorge hatte
sein mussen, den Begriff > Ornamentik* zu definieren und abzugrenzen. Da-
von keine Spur. Nun kann > Ornamentik* vielerlei bedeuten: 1. abkurzende
Zeichen fur gewisse Tonformeln auszierender Art. 2. ausgeschriebene Ver-
zierungen im engeren Sinne, wie die sogenannten Koloristen des 16. Jahr-
hunderts sie z. B. in ihren Diminutionen an wen den. 3. ausgeschriebene
Melismen, Fiorituren, Tonmalereien , wie sie die Motetten-, Madrigal-, Kan-
tatenliteratur als einen wesentlichen Bestandteil enthalt. 4. improvisierte
Auszierungen, Kadenzen. Von diesen 4 Klassen sind die erste und vierte die
8chwierigston und fur den vorliegenden Zweck wichtigsten, die beiden an-
deren geben keine Batsel auf, da es sich bei ihnen ja um vollstandig in
Noten ausgeschriebene Verzierungen handelt. Sie konnen aber als An-
schauungsmaterial . als Beweismittel fur die Gepflogenheiteu einer gewissen
Stilepoche von groCem Nutzen sein und sind deswegen bei passender Ge-
legenheit wohl heranzuziehen.
Von einer Einsicht in das Wesen seines Themas verrat Beyschlag in-
dessen gar nichts. Er springt ganz willkiirlich von einer Art Ornamentik auf
die andere iiber, keine erschopfend, wohl aber den Leser durchaus verwirrend.
Entweder man behandelt die eigentliche Ornamentik, die erste und vierte Gattung,
mit Benutzung der beiden anderen Gattungen als gelegentliche Beweismittel,
oder aber man behandelt alle Gattungen ausfuhrlich. Beyschlag tut weder
das eine noch das andere, vermischt vielmehr die Gebiete in einer unklaren,
unwissenschaftlichen AVeise. Gem mochte er weite Ausblicke iiber das ganze
Gebiet geben, mit der Autoritat des Kenners festgegrundete Urteile aus-
sprechen, allein seine sehr bescheidenen , durchaus mangelhaften Kenntnisse
der gesamten iilteren Musik bis spat ins 18. Jahrhundert hinein verhelfen
seinen Bemuhungen gar zu oft zu einem fur den Sachkundigen fast erheitern-
den Erfolg. Der Widerspruch zwischen dem siegesgewissen Ton des Vortrags
und der schwachen sachlichen Begrundung ist eben zu groB. Ich konnte
mich mit einer kurz gefafiten Ablehnung seines Buches begniigen. Allein
der Umstand, daB es sich der weitestgehenden Empfehlung von Seiten der
s. d. IMG. x. 41
618 Hugo Leichtentritt, Zur Yersierungslehre.
Koniglichen Akademie erfreut, lafit befiirchten , dafi es in der Schatzung
minder sachkundiger Leser einen Hang einnehmen wird, der ihm nicht ge-
biihrt. Aus diesem Grunde , und damit anderen Yersuchen , das - Thema zu
behandeln, das Zustandekommen nicht unnotig erschwert werde, habe ich die
muhevolle Arbeit auf mich genommen, die Anachauungen Beyschlag-s za
widerlegen, wo sie zum Widerspruch auffordern. Dies geschieht leider so
oft, dafi ich mich bei der Auswahl der zu beanstandenden Stellen beschranken
mufite, um nicht mit ungebuhrlich langen Ausfiihrungen die Geduld des Lesers
zu erschopfen. Es soil gezeigt werden: 1. dafi es Herrn Beyschlag an ge-
niigend festem geschichtlichen Untergrund fehlt, 2. dafi seine Interpretation
der Quellen zu liickenhaft, ungenau ist, zu oft in wesentlichen Dingen dag
Ziel verfehlt.
Nun zum Einzelnen. Zu bemangeln ist schon der Titel: >Die Orna-
mentik der Musik« soil wohl bedeuten die »Ornamentik in der Musik«.
Das erste Kapitel liber die Ornamentik bis ins 16. Jahrhundert ist von
einer fur ein umfassendes Spezialwerk unentschuldbaren summarischen Kurze.
Auf S. 3 hatte wohl auch der durchaus auf abktirzenden Zeichen beruhen-
de jiidische Thoravortrag erwahnt werden konnen, der aus sehr friiher Zeit
stammend sich durch Tradition bis zum heutigen Tage erhalten hat
Auf S. 4 »vermeidet« Herr Beyschlag durchaus mit Unrecht, > auf die alte,
noch unbestimmte Neumenschrift naher einzugehen.« Varum mit einem
kiihueii Sprung iiber einen durchaus zur Sache gehorigen Gegenst&nd sich
hinwegsetzen ? Die >noch unbestimmte « Neumenschrift ist. was die Inter-
pretation der einzelnen Tonzeichen angeht, durchaus zuverlassig bestimmt
Mit leichter Muhe hatte der Yerfasser hier an Stelle seiner nichts beweisen-
den, iiberfliissigen Notenbeispiele (S. 4, 5) eine sehr interessante , lehrreiche
Tabelle von Neumen-Ornamentzeichen samt deren Auflosung geben konnen,
die er z. B. in der schonen kleinen Solesmer Ausgabe des >Paroissien Bo-
main contenant la messe et Foffice* (Rome, Tournai 1903, Desclee , Lefe-
bure & Ciej ganz gebrauchsfertig findet, aber auch schon in einem popularen
kleinen Handbuche des gregorianischen Gesanges, wie etwa Haberl's »Magister
Choralis« (Regensburg, Pustetj, ganz zu schweigen von den eingehenden
fachwissenschaftlichen Werken, zu denen er als Herausgeber unbedingt hatte
Stellung nehmen miissen. Man >vermeidet< ein wichtiges Thema und ist
salviert !
In der Anmerkung 5) zu S. 4 findet sich eine Bemerkung, die auf
die Kenntnisse des Yerfassers die bedenklichsten Schliisse ziehen lafit. Da
heiBt es: »Man priife z. B. den »motetus« des trouvere Adam de la Hale
(zirka 1240 — 1287) der sich aus dessen oeuvres completes ofters abgedruckt
findet. « Ob wohl der Yerfasser eine Yorstellung von diesem >motetus« hat,
was er sich wohl unter den oeuvres completes denkt? Diese sind nam-
lich erst 1872 zusammengestellt worden, und der >motetus« ist im obigen
Zusammenhang ein LInsinn, indem er eben nicht eine bestimmte Komposi-
tion des Adam ist, sondern soviel bedeutet, wie Gegenstimme. Kontrapunkt
S. 9 heiBt es von Josquin de Pres, er sei in Diensten des Kaiaers Maxi-
milian in Wien gewesen. Gemeint ist wohl Heinrich Isaak, Josquin ist,
soviel jetzt bekannt, niemals in Wien gewesen. In der Anmerkung zu S. 10
wird Schlick's >Tabulaturbuch« von J. 1512 eines der friihesten Dokumente
der Buchdruckerkunst genannt. Dies stimmt nur sehr ungefahr ; schon 1476
arbeitete der deutsche Notendrucker Ulrich Hahn in Bom, Dutzende yob
Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre. 619
gedruckten MeBbiichern sind vor 1500 bekannt, die Petrucci-Presse stand
schon gegen 1500 im Flor, yon 1501 — 9 kennt man Dutzende ihrer Drucke,
1507 druckte Oglin in Augsburg die Oden des Tritonius; also kommt Schliok
wohl ein bischen zu spat, um unter den ersten genannt zu werden. Auf
S. 12 wird nach Morphy's Ausgabe ein Stiick des spanischen Meisters Milan
mitgeteilt; es beweist aber gar nichts, denn von Yerzierung ist gar keine
Rede, es handelt sich um eine typische Lautenbegleitung zu einem
schlicbten Gesangssolo; die Laute spielt dazu teils Akkorde, teils Passagen, nach
Lautenart, die aber durchaus nicht Yerzierungen der Melodie sind. Auch hier
sind ganz verschiedenartige Dinge mit einander verwechselt, namlich instru-
mentale Liedbearbeitung, die einen Yokalsatz ersetzen soil und sich der Aus-
zierungen, Kolorierungen bedient, und Liedbegleitung, die zu einer gesungenen
Melodie gespielt wird.
Das zweite Kapitel »Die Bliitezeit der Diminution* (S. 14 — 70) ist
wiederum voll von hochst anfechtbaren Behauptungen. Schon der erste
Abschnitt belehrt uns (S. 14), »daB die diminuierte Form (ob Yokal- oder
Instrumentalmusik gemeint ist, dariiber schweigt sich der Autor aus) als die
h oh ere, vollendetere auftrat und daB nur diese kiinstliche Umschreibung, nie
aber das einfache Thema zum Yortrag gelangt.* Herr Beyschlag war wohl
dabei und muB es also wissen. Weiterer Beweis fur diese interessante ,
ganz neue uberraschende Tatsache wird wiederum »vermieden*. Ein Blick
in das Lochheimer Liederbuch, in die Forster'schen und Ott'schen Lieder-
sammlungen geniigt, um zu zeigen, daB es eine ganze Klasse schlichter,
mehrstimmiger Lieder gibt, die in der Melodiefiihrung auf Koloratur so gut
wie ganz verzichten. Ich nenne z. B.1) Heinrich Fink's »Ach herzigHerz«,
SenfTs >0 Elslein, liebes Elslein*, >Mit Lust tritt ich an diesen Tanz«, Leon-
hard de Langenau's »Drei Laub auf einer Linden « (Tenor). Auf Yillanellen,
Kanzonetten sei in aller Kiirze verwiesen. Ebenso unhaltbar ist der folgende
Satz: »Da ferner zu jener Zeit« — die nahere Bestimmung »jener« Zeit ist
wiederum vermieden, sie schwankt zwischen 1300 und 1600, als ob ein Jahr-
hundert mehr oder weniger ganz gleichgultig ware — »alle Yokalkompositionen,
wenn auch nicht immer fur Chor, so doch stets fur Mehrstimmigkeit berechnet
waren, so suchte man Solovortrage dadurch zu ermoglichen, daB der be-
treffende Kiinstler die ihm zusagende Partie (eventuell die Mittelstimme
eines Madrigals) reichverziert vortrug, wahrend die iibrigen Stimmen einfach
oder doch weniger verschnorkelt ausgefuhrt wurden.« Welch griindliche
Kenntnis der Materie zeigt sich darin, daB der Yerfasser hier das Yorhanden-
sein eigentlicher Soli in » jener < Zeit ganz bestimmt verneint, dagegen zwei
Seiten vorher (S. 12) ein unverfalschtes Solo aus eben jener Zeit als Bei-
spiel abdruckt! (Milan's schon genannte Romanze, S. 12). Der Yerfasser
hat offenbar keine Ahnung von der in den letzten Jahren bewiesenen Tat-
sache, daB der kunstvolle Sologesang vom 13. Jahrhundert an mindestens
sich nachweisen laBt; die Forschungen Riemann's, Wolfs, die Menge alter
bildlicher Darstellungen bieten die Belege. Auf S. 15 wird mit derselben
Sicherheit und Zuversicht, die alle Erklarungen des Yerfassers auszeichnet,
die Behauptung aufgestellt, in den mehr als >2000 Werken« Lasso's sei
> nichts enthalten, was einer Diminution oder einer Diminutionsformel im
1) Aus der von mir bei Breitkopf & Hiirtel herausgegebenen Sammlung >Mehr-
8timmige Lieder alter deutscher Meister*.
41*
620 Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre.
entfemtesten ahnelt. « Herr Beyschlag hat naturlich die 2000 Werke Lasso's
alle genau durchgesehen und weiB Bescheid. Ein paar Kleinigkeiten hal
er iibersehen, das kann ja leicht vorkommen, z. B. Nr. 596 des magnum
opus, das folgenderniaBen beginnt:
(die Notenwerte genau nach dem Original, nicht verkleinert) , ahnlich ge-
halten ist Nr. 600 In hora ultima. Ahnlicher Beispiele aus Lasso's AVerken
lieBe sich unschwer eine ganzo Reihe bringen. Auf S. 16 findet sich das
erste wirklich Brauchbare, namlich die Zusammenstellung der Diminutioni?-
maximen aus den Werken verschiedener Sckriftsteller. Nur gegen Ahsatz i*
mochte ich Einspruch erheben: »Man darf selbst im Chor kolorieren, ob-
schon dies nicht ohne MiBklange abgehen kann.« Aus Hermann Fink's Text,
der dieser Vorschrift zu Grunde liegt (S. 26 , geht im Gegenteil hervor, »dal>
Koloraturen in Choren nicht ohne MiBtone eingeflocbten werden konnen.-
ausdrucklich wird zudem noch gesagt, daB zwar >alle Stimmen niit Kolora-
turen versehen werden konnen*, aber die Koloraturen » nicht in alien Stimmen
zugleich* klingen sollen: d. h. man darf nach Fink im Chor nicht kolorieren,
nur einzelne Stimmen werden ausgeschmuckt. Auf S. 16, Fuflnote, hatte
wohl auch erwahnt werden konnen, daB die umfangreiche Liste der Ver-
zierungsliteratur erst durch die Forschungen von Hugo Goldschmidt und
Max Kuhn ermbglicht worden ist. Der unerfahrene Leser kbnnte sie sonst
Herrn Beyschlag zu Gute rechnen; dieser ist daran aber ganz unbeteiligt und
macht sofort Fehler, sowie er sich einen Schritt von den bewahrteu Fuhreru
trennt, indem er die Diminutionskunst als eine > italienische < bezeichnet
(S. 16, FuBnote), wahrend doch auch Niederliinder, Deutsche (H. Finck, Co-
clicus), Spanier (Ortiz) stark daran beteiligt sind. Es folgen 10 Seiten Musik-
beispiele. Aus der ziemlich zusammenhanglosen Anhaufung der Beispiele
ist allerdings kaum klug zu werden, auch die textlichen Erlauterungen (S. 26
bis 30) geben von der Sache keinen genugenden Begriff. Es ist eben alle:*
nur Rohmaterial, das rich tig zu verarbeiten der Verfasser nicht imstande ge-
wesen ist. Man vergleiche z. B. mit dieser ganz oberflachlichen, ungenugenden
Darstellung dor italienischen Gesangsmanieren gegen 1600 Goldschmidt's ein-
gehende, klare Darstellung, in seinem Buch: »Die italienische Gesangs-
methode des 17. Jahrhunderts < . Dieses Buch scheint Beyschlag ganz unbekannt
zu sein, er erwahnt es nie, obschon er viel daraus hiitte lernen konnen.
Auch in den Notenbeispielon S. 33 — 50 finden sich ganz uberrasehende Merk-
wiirdigkeiten. Kompositionen von Merulo, Palestrina, Gabrieli, Caccini,
Monteverdi u. a. werden hier teilweise oder ganz verbffentlicht. Quellen-
angaben, die Beyschlag uberhaupt als einen iiberflussigen Luxus zu betrachten
scheint, fehlen auch hier ganz. S. 41 ff. wird eine Arie aus Caccini's >U
rapimento di Cefalo « mitgeteilt mit den Verzierungen der Sanger Pallon-
trotti, Peri, Rasi. Vergleicht man die Originalausgabe v. J. 1607 mit diesem
Abdruck, so findet man, daB Herr Beyschlag zwei ganz verschiedene Stucke
als eine Arie mitteilt; infolge dieses ganz groben MiBgriffs fallen natur-
lich alle seine Folgerungen ins Wasser. Er weifl auch nichts davon, dafi
Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre. 621
eine der beliebtesten monodischen Formen die melodische Variation tiber
feststehendem oder nur geringfugig verandertem BaB war, daft es sich hier
eben urn diese Art der Variation handelt, durchaus nicht urn Verzierungen
derselben Melodie. S. 44 wird ein Bruchstiick aus einer Messe des G. Ga-
brieli niitgeteilt, als Solo mit vierstimmiger Instrumentalbegleitung. Natiir-
lich feblt Quellenangabe , bo daB es scbwer wird zu kontrollieren , wie es
sich mit dieser bei Gabrieli durchaus iiberraschenden Solobehandlung ver-
halt. Ich vennute auch hier ein MiBverstiindnis Beyschlag's, es handelt sich
wohl urn einen ftinf- oder sechsstimmigen Vokalsatz mit einer ausgezierten
Stimme. Die Anmerkung zu S. 50 bringt fett gedruckt als besonders wichtige
Mitteilung den Satz: »doch ist es dem Ziergesang zu keiner Zeit gelungen,
die schlichte, notengetreue Ausfiihrung giinzlich aus der Musikpraxis zu ver-
drangen.* Wie vertnigt sich da mit die Behauptung (S. 14), daB >samtliche
Kompositionen, weltliche, wie geistliche der Diminution unterworfen waren,«
daB »nur diese kunstliche ITmschreibung, nie aber das einfache Thema zum
Vortrag gelangte ? «
Das erste Kapitel des zweiten Abschnitts (S. 58 — 61) ist fur jeden, der
mit dem Gegenstand der Untersuchung einigermaBen vertraut ist, eine reine
Karikatur. Auf vier Seiten (von denen die Halfte durch Notenbeispiele
eingenommen wird) ist die gesamte Vokalmusik aller Nationen, Kantate,
Lied, Motette, Oper, Oratorium von 1600 bis zu Bach und Handel erledigt!
Man vergleiche wiederum damit die gewissenhafte, systematische grtindliche
Darsteliung Goldschmidt's, der fur den namlichen Gegenstand gegen 90 Druck-
seiten keinerlei uberfliissiger Erklarungen zu machen hat, zu denen noch
73 Seiten wohlgewahlter, interessanter und lehrreicher Musikbeispiele kommen !
Dazu bei Beyschlag wiederum die Fiille schiefer Anschauungen. Klassisch
geradezu mutet der Ausspruch uber Carissimi an (S. 59): >Koloraturen ver-
wendet er angemessen und vorzugsweise um Jubel- oder Zornesausbriiche
zu illustrieren, andererseits bedient er sich ihrer auch um Salomo's Weisheit
leuchten zu lassen und um Jephta auf den Tod vorzubereiten.« Hier leuchtet
wenigstens Salomo's Weisheit, wenn schon nicht die des Verfassers. Nach
Beyschlag ist Carissimi der > erste bedeutende Komponist und Theoretiker,
welcher uns auf unserem Wege entgegentritt. « Auf diesem Holzwege sind
allerdings die Monteverdi, Cavalli, Cesti nicht sichtbar geworden. Auch das
wird stillschweigend ubergangen, daB schon seit Jahrhunderten in Motette
und Madrigal die Koloratur ein sehr bedeutsames Ausdrucksmittel gewesen
ist, daB die Tonmalerei in uppigem Flor stand: (carissimi brauchte nicht
erst eine Erbschaft zu entdecken, die seit vielleicht 300 Jahren von seinen
Vorfahren war angehauft worden. Ein ganzes, reichhaltiges Kapitel hatte
der Koloratur Jils Ausdrucksmittel gewidmet sein miissen, so wichtig und
reich ist das Thcma. Eur Beyschlag kommen aber als Koloraturen nur
Schnorkel, »Diminutionen« in Betracht. Ein echt dilettantisches Urteil ziert
die folgende S. 60: »Viel innerlicher als seine Zeitgenossen verwendet Heinrich
Schiitz, ein Schuler Gabrieli's die Koloratur.* Der Verfasser kennt natur-
lich alle Zeitgenossen mindestens so gut wie seinen Schiitz, von dem er
ein Beispiel von 8 Takten als einzigen Beweis seiner Behauptung beibringt.
Dieses Beispiel stammt von Seite 1 des ersten Bandes der Gesamtausgabe!
Wie sorgsam gewahlt! Vier Zeilen Text uber Keiser und Leonardo Leo
schlieBen diese groBartige Ubersicht uber die Verzierungen in der Gesangs-
musik von etwa 1600 — 1740 ab. Mit 11 Takten von Carissimi, 8 Takten
622 Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre.
von Schfitz, 10 Takten von Keiser, 4 Takten von Leo ist diese Zeit d
glanzendsten Gesangs virtu ositat ilir Herrn Beyschlag geniigend geklart.
Etwas brauchbarer ist das zweite Kapitel liber die Organ is ten und Kl
vieristen des 17. Jahrhunderts (S. 61 — 70), weil es wenigstens frei ist v<
groben Fehlern. Ein typisches Beispiel fur Beyschlag's Behandlung d
Thema's bieten die sieben Zeilen Text iiber Froberger (S. 63 j ; hier werdi
die folgenden Man i ere n bei Froberger angegeben: f, h\ -**? ~~, <%;, / , x , |
Angenommen es spielte ein Organist Stficke von Froberger: er findet d
angegebenen Verzierungen , schlagt bei Beyschlag nach und iindet nach einig
Mtihe (Register, das eigentlich unentbehrlich ware, fehlt) auf S. 61 unt
Froberger dieselben Zeichen, lugt aber vergeblich nach einer Erklarung ai
und ist so klug als wie zuvor. Wer sich die Mtihe nicht verdriefien la£
in dem ganz unfibersichtlichen Buch dennoch weiter herumzutappen , wii
an ganz verschiedencn Stellen wiederum dieselben Zeichen finden, manchm
ohne, manchmal mit ausgeschriebener Auflosung, die aber je nach Zeit ui
Schule fUr dasselbe Zeichen oft verschiedeu ist. Endresultat gleich Nu
Das Buch lafit hier wie an vielen andereu Stellen durchaus im Stich. ]
ware so einfach gewesen, durch eine kurze Fufinote auf die Seite des Buch
zu verweisen, die eine brauchbare Erklarung bringt. Solcher orientierend
Fufinoten mit Seitenzahlen enthalt das ganze Buch vier, auf S. 7, S. 3
S. 72, S. 249. Ihrer zweihundert waxen kaum zu viel gewesen, um die notij
Klarheit zu verbreiten. An dem Kapitel iiber die franzosischen Klavieristi
war nicht viel zu verderben , da fast alle diese Meister ihren Werkeu sei
genaue Verzierungstabellen mit Auflosungen beigaben, die man nur abi
drucken brauchte (S. 70 — 84). Auch hier jedoch ist Vorsicht am Plate
sowie Beyschlag mit eigenen Urteilen auftritt. S. 76 z. B. heifit es fib
Lully: >Da dieser aber sein Hauptaugenmerk auf sinnvolle Deklamati<
richtete, trat die Ornamentik demgegeniiber zuruck.* Wiederum vergleid
man Goldschmidt's Buch, der ttber » Lully 's Ornamentik « ein sehr lesenswert
kleines Kapitel schreibt (S. 76—78, Musikbeispiele S. 47—49), aus de
hervorgeht, dafi Beyschlag's Annahme durchaus nicht zutreffend ist. Es folj
ein kurzer Abschnitt tiber die Italiener des 18 .Jahrhunderts, wiederum vc
summarischer Kttrze (S. 84 — 87). Uber Vorschlage bei Domenico Scarlat
heifit es (S. 84): »Der Ausfuhrende behandele die Vorschlage uberwiegei
als kurze. « Auf die Frage: warum? bleibt der Verfasser jede Antwo
schuldig. Es ist aber in einem wissenschaftlichen Werk nicht zulassig, eii
fach Vorschriften zu erlassen, ohne sie zu begrtinden. In die Verurteilui
der sogenannten > acciaccature « (S. 85) mochte ich nicht einstimmen; k
sind manchmal von recht pikanter harmonischer Wirkung, es kommt nur a
die geschickte Ausfuhrung an. Sehr leicht macht sich Beyschlag die Arb*
bei der Besprechung des wichtigen Buches von Tosi: >0pinioni de cantori . .
(8. 86 f.) Obschon er es »klassisches AVerk fiber die alt^italienische Gesang
kunst« nennt, obschon darin » eine ausftihrliche Abhandlung fiber die Vo
schlage zum erstenmal vorkommt*, findet Herr Beyschlag es fur richtig, fib
alle diese Dingo einfach hinwegzugehen : »doch beruhen Tosi's Untersuchung<
(wo Vorschlage anzubringen seien und wo nicht) auf so veralteten Ai
Hchauungen, dali wir sie ohne Bedenken iibergehen konnen«. Dies mufi d
Leser Herrn Beyschlag aufs Wort glauben, Beweis daffir wird nicht i
mindesten erbracht. Gerade dies ist der Kernpunkt der ganzen Frage: >i
die Vorschluge anzubringen seien, wo nicht*, gerade hier ware ausfuhrlicl
Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre. 623
Mitteilung und Kritik von Tosi's Darlegungen unbedingt erforderlich. Auch
hier vergleiche man Goldschmidt's sorgsame Behandlung der Vorschlagsfrage
(S. 95 ff., besonders S. 101 — 115 seines Buches, samt zahlreichen Noten-
beispielen im Anhang) mit Beyschlags 4 Zeilen (S. 86) wozu dann weiter-
hin verstreut Bemerkungen fiber den Vorhalt kommen, (S. 103 — 105, 145,
152, 154, 162 und an einigen anderen Stellen): anstatt dies alles zu einer er-
schopfenden Abhandlung iiber den Vorschlag zu vereinigen, zerstreut Bey-
schlag seine Notizen an zwanzig Stellen, mit dem Ergebnis, daB es fur den
Leser iiberhaupt unmoglich wird (zumal beim Fehlen von Register und Hin-
weisungen auf zusammengehoriges), vom Wesen und der richtigen Verwendung
der Vorschlage eine klare Anschauung zu gewinnen. Zudem wird hier wie-
derum vokaler und instrumentaler Stil in einen Topf geworf en, obschon >der
vokale Stil dem instrumentalen gegeniiber gerade hier besonders selbstandig
ist« (Goldschmidt S. 115). Kapitel 5 iiber die deutschen Theoretiker ist eine
oberflachliche, ganzlich kritiklose Zusammenstellung einiger Zitate ohne Be-
weiskraft (S. 87—92). Die 6 Zeilen iiber Heinrich Fuhrmann (S. 87) be-
richten, daB Fuhrmann »den Trilleranfang mit der Hauptnote lehrt*. Gold-
schmidt beweist ausfuhrlich in seinen zwei Seiten iiber Fuhrmann (S. 83 — 85),
daB dieser Schriftsteller in der »Gestaltung seiner Triller eine vollstandige
Verkennung aller in der Praxis und Theorie getibten Gesetze bezeugt*, daB
seine Anschauungen verworren, unklar, darum fur uns von sehr zweifel-
hafter Bedeutung sind. Solche kritische Untersuchungen sind doch wichtig,
sie geben der Behandlung erst Wert. Beyschlag vermeidet sie grundsatz-
lich und begnugt sich zumeist mit dem blofien Ausschreiben alter Autoren.
Janowska's »Clavis ad thesaurum magnae artis musicae« e nth alt nach Bey-
schlag »viel Beherzigenswertes « (S. 95). Dariiber Naheres zu erfahren, hatte
also den Leser interessieren miissen: aber Beyschlag erledigt diesen Schrift-
steller in 9 Zeilen; Goldschmidt's IV2 Seiten iiber Janowska geben einen
guten Begriff seiner Lehre (S. 81—83). Auf S. 98, 99 folgt endlich die
erste Zusammenfassung, die zu praktischem Ergebnis fuhrt: »der Stand der
Ornamentik unmittelbar vor dem Auftreten Bach's und Handel's « betitelt
sich dieser Abschnitt. Er ist leider durchaus ungeniigend, enthalt aber
wenigstens, soweit er in den Gegenstand eindringt, keine groben Fehler. Man
vergleiche auch hier Beyschlag' s 15 Zeilen iiber den Triller (S. 98 f.) mit
Goldschmidt's IOV2 Seiten (S. 69—72, 119—126), die eine ziemlich er-
schopfende IJbersicht geben.
Der zweite Hauptteil : >Die neuere Ornamentik « beginnt mit einer Ein-
leitung: » Spezialgeschichte der Vorschlage «. Sehr richtig heifit es hier
(S. 103): >TJm einige Klarung in die verfahrene Angelegenheit zu bringen,
sehen wir uns genotigt, den Werdegang des Ornaments im Zusammenhang
zu beleuchten*. — H&tte der Verfasser diesen Satz doch nur als Leitsatz
beherzigt, sein ganzes Buch daraufhin angelegt, so hatte diese leider ganz
» verfahrene Angelegenheit « einige » Klarung* erfahren konnen! Gerade auf
die >Beleuchtung der Dinge im Zusammenhang « kommt es an; er braucht
sich nicht erst quasi zu entschuldigen dafiir, daB er » genotigt* ist, die
Sache richtig zu behandeln. Welch naive Auffassung des wissenschaftlichen
Problems! Zu den fiir uns wichtigsten Teilen der Verzierungslehre gehort
das Kapitel > Handel* (S. 106—118). Bald zu Anfang findet sich der
lapidare Satz: »Die vorhergehenden Kapitel haben uns dariiber aufgeklart,
daB Vorschlage zu jener Zeit iiberwiegend als kurze galten, und selbst*
624 Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre.
verstandlich bilden die Appoggiaturen Handel's fund Bach's) hiervon keine
Ausnahme*. Ich bedaure, auch hier nicht mit einstimmeu zu konnen. Die
vorhergehenden Kapitel haben uns durcbaus nicbt >aufgeklart«, sondern im
hochsten Ma Be verwirrt, und selbst wenn sie uns aufgeklart hatten, so ist
dies nocb kein Beweis fur das »selbstverstandlich« bei Handel und Bach.
Die Sache ist durchaus nicht so kurz und biindig erledigt, sondern selbst
bei Bach, der, was die Verzierungen angeht, ganz ungewohnlich genau
schreibt, ergeben sich noch recbt viele zweifelhafte Falle, von denen jeder
fur sich eine wohliiberlegte Entscheidung verlangt, vgl. daruber GolcLschmidt's
eingehende Analyse der Matthaus- und Johannespassion S. 182 — 206, die
sowohl lange als auch kurze Vorschlage bei Bach anerkennt: ebenso bei
Handel, s. Analyse des Samson und Josua, S. 157 — 180. Auch Schweitzer
laBl, bei Bach wenigstens, lange wie kurze Vorschlage gelten und verlangt
fur jeden einzelnen Fall besondere Entscheidung 1).
Eine Frage, die gegenwartig viel umstritten wird, ist die nach improvisierten
Verzierungen bei Handel. Das Thema verlangt so grundliche Erorterung, daB
es hier nur gestreift werden kann. Beyschlag stellt sich durchaus gegen die
Chrysander-Seiffert'scbe Methode der Auszierung. Diese Stellungnahme will
ich ihm keineswegs veriibeln : wenn ihm Handel ohne Verzierungen besser ge-
fallt, so ist das sein Privatvergntigen. Wohl aber protestiere ich aufs sch'arf-
ste gegen die Art und Weise, wie er seine Ansicht dem Leser aufzwingen
will. Von stichhaltigen Beweisen bringt er nicht einen Schatten bei, desto
kiihner sind seine Behauptungen. Welch anmaBender Ton liegt in Sateen
wie (S. 118): »Ohne Handel die puristische Anschauungsweise unserer Zeit
unterschieben zu wollen, behaupten wir, daB er in seiner Oratorienperiode
nennenswerte willkiirliche Auszierungen hochstens in Zwangslagen geduldet
hat«. »Uns gilt die Fassung als maBgebend, in welcher der Meister seine
Werke .... der Nach welt hinterlassen hat«. Die Stutze dieser Behaup-
tungen bildet derSatz: >Man sang, wie zu alien Zeiten, auch dam als nicht
selten schlicht, notengetreu ! « Wie iiberraschend ! Ein Zitat aus Beerrs
musikalischen Diskursen v. J. 1719, das sich gegen die Verbramungen
ausspricht, hat keine Beweiskraft, weil Beer sich in diesem ganzen Kapitel
so unklar ausdriickt, daB man nicht weiB, ob er von Chor- oder Sologesang
redet, sich gegen die Komponisten oder gegen die Sanger wendet. Ebenso
lahm ist die Ausfiucht zu den asthetischen Griinden: gleich der von Bassano
durch Diminutionen verdorbenen Motette Palestrina's (ganz meine Ansicht) sei
auch die Verzierung Handel'scner Stiicke verwerflich. DaB es einen kleineu
Unterschied ausmacht, ob ein polyphones oder ein Solostiick verziert wird,
ignoriert oder verschweigt Beyschlag. Wenn Tosi-Agricola jedoch von deu
Verzierungen der Solostucke als etwas ganz selbstverstandlicheni , allgemein
geiibtem redet, so druckt Beyschlag ohne jeden Kommentar ganz unbefangen
diese wichtige Stelle ab (S. 87), ohne zu merken, daB er die starkste Waffe
gegen seine eigenen so zuversichtlichen Behauptungen in Sachen Handel's
dadurch seinem Kritiker in die Hand legt.
Wie ungereimt ist iiberhaupt dieser leidenschaftliche Protest gegen die
Kadenzen in Handel'schen Arien. Zu den Instrumentalkonzerten von Beet-
hoven und Mozart z. B. haben Hummel, Beethoven, Reinecke, Bulow, Jon-
chim und viele andere Kadenzen geschrieben. Warum entsetzt sich Herr
Beyschlag nicht iiber diese Kadenzen? Oder ist es etwas minder Verwerf-
l: Joh. Seb. Bach von Schweitzer. S. 322f.
Hugo Leichtentritt, Zur Yerzierungslehre. 625
Hches, wen n eiu Virtuose, und sei es selbst ein Joachim, cinem Beethoven
ins Wort redet, als wenn ein Sanger an Handel seine Kiinste versucht?
Wer das eine gelten laBt, darf ohne besonderen Grund nicht das andere
verwerfen. Zugegeben, dafl manch ein Gesangsvirtuos eine Handel'sche Arie
geschmacklos mag behandelt haben, aber hat es nicht auch Gesangskiinstler
gegeben , die in ihrem Fache sich einem Joachim zur Seite stellen lassen ?
Was berechtigt uns denn zu der Annahme, dafi alle Sanger und Sangerinnen
des 18. Jahrhunderts eine Horde von ungebildeten, unkiinstlerisch empfin-
denden, geist- und geschmacklosen, aufgeblasenen Virtuosen waren? Es ist
bis jetzt von niemand ein stichhaltiger Grund gegen die Zulassigkeit von
Kadenzen bei Handel vorgebracht worden, wohl aber ist sicher bewiesen,
daB die italienische Praxis, an die Handel sein ganzes Leben hindurch sich
gehalten hat, auf solche eingelegte Kadenzen ebenso rechnet, wie das In-
strumentalkonzert der Wiener Klassiker. Man liebte eben damals das ab-
gekiirzte Verfahren; es zieht sich durch die gesamte Kompositionstechnik
des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Orchesterpartituren sind, was die In-
8trumentierung angeht, nicht entfernt so sorgfaltig ausgearbeitet wie die
unsrigen — man rechnete eben mit einer feststehenden Praxis der Orchester-
behandlung, fur die ein paar Andeutungen genugten, deren Sinn wir jetzt
nach dem Erloschen der Tradition miihsam wieder erforschen miissen. Die In-
strumentalbegleitungen sind nicht annahernd so genau wie die unsrigen, in
denen jede Note festgelegt ist; damals schrieb man einfach einen General-
baB, den der gebildete Organist oder Cembalist gemaB seiner praktischen
Erfahrung zu einer vollstimmigen Begleitung auszuarbeiten verstand. Man
begniigte sich mit sehr wenigen Vortragszeichen, entgegen der Unmenge,
mit der unsre Komponisten das Papier bedecken , weil man eben auch in
betreff der dynamischen Schattierungen auf bestimmte Normen rechnete —
man moge sie nach Belieben Manieren nennen. Ganz ahnlich verlieB die
italienische Schule sich auch in betreff der Auszierungen auf die praktische
Erfahrung des Siiugers, von dem nicht erwartet wurde, daft er sich in
wilden Phantasien erging, sondern daft er nach einem im groBen und
ganzen bestimmten Herkommen sich betatige. Warum sollte Handel dem
Sanger verweigeru, was er dem Dirigenten, dem Organisten und Cemba-
listen erlaubte ? Warum brauchen wir Handel'scher zu sein als Handel?
Es gibt freilich eine gauze Klasse von Musikern — Herr Beyschlag scheint
zu ihr zu gehoren — die alle diese Dinge ablehnt. die sich nur an das
geschriebeue Notenbild halt, weder von stilgemaBer Instrumentierung , noch
von stilgemaBer GeneralbaBbehandlung, von stilvollem Vortrag in der Nuan-
cierung etwas wissen will. Selbstverstandlich werfen diese Kenner die Ver-
zierungen und Kadenzen auch mit zur Tiir hinaus. Ihnen gilt eben als
»stilvoll*, was ohne Muhe zu bewiiltigen ist; geistige Tragheit spricht hier
viel mit. Wie viel einfacher und leichter eine Handel'sche Partitur glatt
herunterzuspielen, als sich mit allerhand gelehrtem Kram zu plagen, den wirk-
lich zu bewiiltigen allerdings nicht jedermanns Sache ist! Wer sich nie die
Muhe gegeben hat, in diese Dinge einzudringen, der protestiert einfach und
hat auf seiner Seite alle diejenigen, die von der Sache ebensowenig ver-
stehen. Mit solchen Gegnern ist nicht zu streiten. Schlieftlich gibt es
noch Leute, die zwar anerkennen, daB die oben genannten Dinge in der
italienischen Praxis gang und gabe waren, auch die Verzierungen, die aber
trotzdem sagen : wir lehnen sie ab, weil sie uns nicht gefallen. Wer diesen
g26 Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre.
Standpunkt einnimmt, bekennt sick als einen Dilettanten , der sich Handel
nach seinem personlichen Geschmack zubereitet, gleichsam mit bloOem
Wasser gekocht, wie englisches Gemiise; aber zu einem Yerteidiger des
Handelstils darf er sich nicht aufwerfen. Um in Kiirze die meiner Uber-
zeugung nach einzige baltbare Stellungnahme festzulegen : Einspruch zu
erheben ist nicht gegen die Auszierungen uberhaupt, soudeni nur gegen
die schlechten. Es ist unlogisch eine Sache zu verbieten , weil Unverstan-
dige mit ihr Unfug treiben konnten. Man konnte mit demselben Becht
das Feuer verbieten, oder das Klavier, weil so viele Stumper sich in Kon-
zerten horen lassen.
Eine etwas verungluckte Beweismethode Beyschlag's besteht auch dar-
in, daB er emsig nach Ausspruchen von Komponisten sucht, die sich
gegen willkurliche Yerzierungen ausgesprochen haben. Er bringt schlieB-
lich an verschiedenen Stellen seines Buches eine groBartige Auslese von
acht Namen zusammen, die sich auf die Zeit von 1500 — 1750 verteilen
sollen, namlich Josquin, Caccini, M. da Gagliano, E. de Cavalieri, BardiT
Yiadana, Hammerschmidt, Buxtehude, (Handel ist wohl zu seinem Bedauern
nicht darunter) ; indes, recht besehen, beweisen alle diese Stellen nicht mehr,
als daB eben die Komponisten nicht alle einer Meinung waren betreffend
das, was man den Sangern und Spielern zumuten durfte, wohl gemaB den
zufalligen Erfahrungen des einzelnen. Die meisten der angefuhrten Aus-
spriiche scheiden uberhaupt aus, wie Gagliano (S. 58), der Auszierungen nur
da unterlassen haben will, »wo das Stuck es nicht verlangt« , der also zu-
gesteht, daB manche Stellen eine Auszierung verlangen; Josquin und Bardi
beziehen sich nur auf die mehrstimmige Ensemblemusik, nicht auf den Solo-
gesan^. Beyschlag's Zitat aus Caccini's »nuove musiche* (S. 27) ist durch-
aus ungenau, sogar falsch, weil er Satze zusammenstellt, die bei Caccini
durch weite Strecken getrennt sind, weil er die Reihenfolge veranderi
Uberdie8 versteht Beyschlag gar nicht, was Caccini sagt, denn Caccini spricht
sich durchaus nicht gegen die passagi uberhaupt aus, sondern nur gegen
die Passagen im pathetischen Stil, dagegen gestattet er sie »in quelle mu-
siche meno affettuose« , d. h. bei weniger affektvollen Stellen. Welch Zu-
trauen kann der sachkundige Leser zu einem Schriftsteller haben, der solche
Proben von Quellenverdrehung bietet, wie Beyschlag hier und noch an
manch anderer Stello ! ! Die Mitteilung betreffend Cavalieri zu kontrollieren,
fehlen mir im Augeblick die notigen Quellen. Buxtehude's Verwahrung
richtet sich nur gegen die Orchestermusiker. Hammerschmidt verbittet sich
ausgedehnte Verzierungen, laBt aber wenigstens >einige liebliche Triller zu*.
Die oben genannten Namen schrumpfen also im besten Falle auf zwei nnbe-
dingte Gegner der Yerzierung zusammen ; Yiadana und Cavalieri (vielleicht ^
eine etwas schwache Stiitze fur die Behauptung, zu Handel's Zeiten habe
>die Befehdung der Diminutionspraxis durch die Komponisten* >bereits ein
Jahrhundert gewahrt*. Dieser Beweis von der Uberfliissigkeit der Kolora-
turen, der sich auf Proteste der Komponisten griindet, ist aber noch in
anderer Hinsicht verfehlt. Herr Beyschlag weiB namlich nichts davon^oder
verschweigt es, dafi man auch eine ganze Keihe von gegenteiligen Aufie-
rungen anfuhren kann. Ich nenne ihm hier nur J. H. Schein, der in der
Yorrede zu seinen > diletti pastorali* es als seine Gewohnheit angibt^ »je
bisweilen ein klein Leufflein oder Schleifflein zu inHerieren«. DaJJ er diese
Auszierungen selbst notiert. geschieht > nicht ... als ob ich nicht
Hugo Leichtentritt, Zur Yerzierungslehre. 627
wtifite, dafl einem Compositor den Gesang zu komponieren, einem
cantor aber denselben zierlich zu passagionieren eigentlich zu-
stande: Sondern weil die jetzo gebrauchliche anmuthige manier
zu singen ingemein noch nicht sonderlich bekannt*. Auch in
den Vorreden vieler Liedersaromlungen des 17. Jahrhunderts wird die Hin-
zufugung von Manieren uud Verzierungen direkt verlangt; ausgenommen sind
nur zwei Falle a) wenn das Lied sehr schlicht ist, b) wenn der Komponist
Manieren und Verzierungen selbst ausgeschrieben hat, wie z. B. Schein in
dera obengenannten Werke. Als angeblicben Beweis fur die >bescheidene«
Yerzierung8weise Handera selbst in einer italienischen Kan tat e teilt Bey-
schlag (S. 117) Handera autographe Verzierungen zur Kantate > Dolce pur
d'amor "affanno« mit. Da er aber selbst bei dieser »gro£en Seltenheit«
jegliche Quellenangabe vermeidet, so ist eine Kontrolle sehr erschwert; ohne
Kontrolle hat jedoch fur mich keine wesentliche Versicherung Beyschlag's
Gewicht, nach den merkwiirdigen Erfahrungen, die ich mit seiner Quellen-
behandlung gemacht habe.
Man kann wohl streiten iiber die Art und Weise, wie Auszierungen
und Kadenzen bei Handel zu behandeln seien, jedoch sie, wie Beyschlag
tut, als unwesentlich bei Seite zu schieben, geht nach dem heutigen Stande
des Wissens nicht mehr an. Wer es tut, zeichnet sich selbst als einen
TJnwissenden in diesen Dingen, dessen Ausfuhrungen kein Gewicht haben,
mogen sie noch so pathetisch sein. Ich empfehle Herrn Beyschlag zur
Vermehrung seiner hochst mangelhaften Kenntnisse zunachst ein wirklich
grundliches Stadium von Tosi, dann Partitnren von Opern des 17. und
18. Jahrhunderts, Scarlatti, Keiser, Telemann, Handel, auGerdem Lekture von
Goldschmidt's Buch, das sich an Dutzenden von Stellen sehr eingehend
mit der Geschichte der ornamentalen Kadenzen abgibt und die Quellen
nachweist, schliefilich eine ganze Reihe von Artikeln zur Sache in den Pu-
blikationen der Internationalen Musikgesellschaft von Seiffert, Goldschmidt,
Wustmann. XJberhaupt ignoriert Beyschlag eines der wichtigsten
Kapitel der Ornamentik, die verzierte Kadenz in seinem Bach so gut
wie ganz — ein schwerwiegender, unentschuldbarer Mangel.
Recht kurios mutet (S. 116) die Bemerkung an, Handel habe die »Ge-
sangspartieen in der italienischen Manier aufnotiert, wie diese uns durch
Telemann uberliefert ist!« Wo? mochte der minder erfahrene Leser wohl
gern erfahren. Um die italienische Manier kennen zu lernen, wird man
wohl erst zu den maBgebenden ltalienern gehen, nicht zu Telemann. Schliefi-
lich beweist (S. 117) der Ausfall gegen die Verzierungen in Chrysander-
Seiffert's Messias-Klavierauszug gar nichts. Selbst wenn Beyschlag Recht
haben sollte mit der Bemerkung, die angefuhrten Verzierungen stammen
nicht von Handel selbst, so schlieBt dies gar nicht aus, dafi unter Handel
selbst andere Verzierungen gesungen wurden. Die ganze Beweisfuhrung in
diesem Hiindel-Kapitel ist sachlich unhaltbar, zudem unlogisch, schriftstelle-
risch ungeschickt. Sie hatte gar nicht schlimmer ausfallen konnen.
Das n achate Kapitel iiber J. S. Bach beginnt mit dem Satze: »Wah-
rend mit Handel die Diminutionsperiode abstarb . . . .« (S. 119). Mit
nichten. Hasse, Graun, Jomelli, Traetta, die ganze neapolitanische Schule
rechnen stark mit improvisierten Verzierungen, noch Jahrzehnte nach Han-
del's Tode, sogar Gluck verschmahte sie selbst in seinen Reformopern an
manchen Stellen nicht. Dafi Beyschlag in betreif der vorwiegend kurzen
g28 Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre.
Vorschlage bei Bach nicht ganz das Bichtige trifft, ist schon erwahnt wor-
den. Auch seine Ansicht, Bach's Rezitativ sei »buchstablich zu nehmen,
d. h. ohne Telemann'sche Lizenzen* (S. 143), wird von Kennern, wie Spitta,
Goldschmidt, Schweitzer1) nicht bestatigt. Beyschlag bringt fur seine gegen-
teilige Ansicht keinerlei Beweis, auBer der Tatsache, daft Bach seine Re-
zitative ungewohnlich genau notiert. Dies schlieBt aber durchaus nicht aus,
daB bei den SchluBf alien der Rezitative die iiblichen Appoggiaturen einzu-
fligen seien. Den sehr plausiblen Grund fur diese Lizenz gibt Schweitzer:
>Es handelt sich . . . einfach um die drei bei einer vokalen Kadenz in Frage
kommenden Vorschlage. Man notierte sie nicht, wie die gewohnlichen, son-
dern lieB sie ganz aus, damit der Organist oder Cembalist, der die Sing-
stimme ganz oder teilweise liber seiner Bezifferung stehen hatte, beim An-
schlagen des SchluBakkordes durch den Vorhalt nicht irre gemacht wnrde«.
Es ist neuerdings darauf hingewiesen worden, daB sogar Bach'schen Orgel-
werken bisweilen improvisierte Verzierungen zukommen2).
In der Ansicht, daB Bach'sche Werke keinerlei hinzugefugte Verzie-
rungen vertragen, geht Beyschlag entschieden zu weit. Spitta (II 7 152)
und Goldschmidt (S. 153) vertreten die Ansicht, daB Bach Zierkadenzen zu-
laflt an jenen Schliissen, wo die Instrumente pausieren und der continuo
allein verwendet wird.
Bei dem Abschnitt iiber Tartini (S. 145 — 147) laBt sich Beyschlag die
wertvollen Mitteilungen A. Schering's3) entgehen, die ein anderes, sehr wich-
tiges Thema beruhren, das Beyschlag in seinem Buch ganzlich auBer acht
laBt. Insbesondere die Geiger und Cellisten hatte es interessiert, zuverlaasige
Belehrung zu erhalten iiber die Art, wie man in Stiicken von Handel,
Corelli, Vivaldi, Nardini, Tartini, Porpora u. v. a. die Auszierungen , Um-
spielungen der Melodie, Kadenzen anzubringen habe, auf die nun einmal
der Komponist gerechnet hat. Wenn Beyschlag auch (S. 146, 147) zwei
Notenbeispiele mil- Kadenz- und Melodieumspielung von Tartini abdruckt, so
scheint er von der "Wichtigkeit des Gegenstandes keine Vorstellung zu haben,
denn im ganzen Buche sucht man vergeblich nach einer Erklarung dieaer
Kunstiibung, die zum Verstandnis der italienischen Instrumentalmusik des
18. Jahrhunderts durchaus unerlaBlich ist. Auch sucht man in diesem Kapitel
vergeblich ein Wort iiber die »Affektenlehre«, die fur die Vortragsweise und
auch die Ornamentik im ganzen 18. Jahrhundert von grundlegender Be-
deutung und von Schriftstellern jener Zeit in ein richtiges System gebracht
worden ist. Alles terra incognita fur Beyschlag. Er druckt zwar einmal
(8. 93) Beispiele ab aus den von Chrysander herausgegebenen Corelli'schen
Sonaten, mit Corelli's authentischen Verzierungen, ohne aber aus diesem
hochst lehrreichen Werk irgendwelche Belehrung zu ziehen: sein ganzer
Kommentar zu dieser Frage lautet: >aus dieser Ausgabe laBt sich deutlich
erkennen, daB der Komponist nur die langsamen Satze so verschnorkelte,
die allegri aber intakt HeB« (S. 93). Freilich hat noch Mozart die lang-
samen Satze seiner Klavierkonzerte »so verschnorkelt< — daruber ein Wort
zu verlieren, hiilt Beyschlag in seinem Kapitel iiber Mozart fur ganz uberflussig.
1) Vgl. Spitta, Bach II, 141 ff., Goldschmidt, Ornamentik, S. 182, Schweitzer.
J. S. Bach, S. 771.
1) S. Jahrbuch Peters f. 1904, S. 22 »Neue Bachfundec von M. Seiffert.
2} »Zur instrumentalen Verzierungskunst im 18. Jahrh.c Sammelb. d. IMG.
1906, S. 365 ff.
Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre, 629
Um nun das Fazit aus alien diesen Bemerkungen zu ziehen: Fur den
Sinn, den Geist, Stil der Verzierungspraxis im 18. Jahrhundert hat Bey-
schlag durchaus kein Verstiindnis, und darum haben alle seine Ansichten
kein Gewicht. Er verrichtet nur Handlangerdienste, schreibt Theoretiker
aus, notiert sich tausend Vorschlage, Triller, Scbneller, Schleifer, aber vom
Zusammenhang der Dinge, dem Geist dieser Zierkunst erfahrt man nicbts.
Niiheres Eingehen auf die sehr anfecbtbare Bebandlung der Vorscblagsfrage
erspare ich mir, Ettler bat daruber in seinem Referat scbon sacblicb berichtet,
die LektUre von Goldschmidt's Bucb zeigt Beyschlag's Mangel noch viel
deutlicher.
Etwas besser werden Beyschlag's Darlegungen, je mebr er sicb dem 19. Jahr-
hundert nabert. Tiber diesen letzten Teil seines Bucbes kann ich mich kiirzer
fassen. Icb erkenne gern an, daB seino Mitteilungen uber die Ornamentik
der Wiener Klassiker und des 19. Jabrhunderts brauchbar sind. Die Ka-
pitel Haydn und Mozart sind zwar in seiner Darstellung noch lango nicbt
abgeschlossen ; die im Erscheinen begriffene Haydn-Gesamtausgabe wird wohl
zum ersten Male Licht verbreiten uber die bisher so gut wie ganz unbe-
kannten Werke des jungen Haydn, und dann erst wird man die geschicht-
licbe Stellung dieses Vermittlers zwischen alterer und neuerer Weise klar
bestimmen konnen; aucb der Gebrauch, den Haydn von Verzierungen machte,
wird sicb erst dann genau ubersehen lassen. Aucb uber die Mannheimer '
Meister, die neapolitanische Schule, die erst das geschicbtliche Yerstandnis
fur Mozart vermittelt, schweigt sich das Beyschlag'sche Buch vollstandig aus.
Indessen diese Miingel wtirde ich als weniger empfindlich mit in den Kauf
nehmen, wenn der Rest nur gehaltreicher ware. Nur den kleinsten und
leichtesten Teil der Aufgabe lost Beyschlag's "Werk einigermaBen zufrieden-
stellend, die Ornamentik von etwa 1780 an, wo die eigentlichen Probleme
fur die Forscbung schon fast ganz aufgehort baben, wo nur noch Detail-
fragen der Erledigung barren.
Gern sei Herrn Beyscblag auch noch zugestanden, daB er auf seine
Arbeit einen ungemein groBen FleiB verwendet hat. Leider gentigt zur
Losung so schwerer Aufgaben FleiB allein nicht, es geboren dazu aucb Schule
und Metbode, eindringende geschicbtliche Kenntnisse und ein bedeutendes
kritisches Vermogen: daran fehlt es Beyscblag.
Der Leser wird vielleicbt fragen: Gibt es denn in Beyschlag's Buch
sonst gar nichts Anerkennenswertes? Verschweigt der Kritiker nicht das
Lobenswerte , wendet er sicb nicht ausschlieBlich gegen die Schwachen des
Buches? Herrn Beyscblag soil kein Unrecht geschehen durch Verschweigen
etwaiger Vorziige seines "Werkes. Er selbst, gewiB ein einwandfreier Ge-
wahrsmann, hat erklart, was in seinem Buche neu und bedeutsam ist (in
einer Erwiderung auf eine absprechende Kritik, Zeitschr. d. I. M. G. April
1909, S. 215, 216). Danach legt Heir Beyschlag besonderes Gewicht auf
die folgenden Errungenschaften :
1. Proteste alter Komponisten gegen willkurliche Ausschmuckung.
2. Darstellung der durch die Neuklassiker hervorgerufenen Umwalzung.
3. Erste zusammenfassende Darstellung der Ornamentik.
4. Die Vorschlagsfrage.
5. Seine Verdienste um die Wiederherstellung des echten Handel-Stils.
6. Seine Verdienste um die "Wiederherstellung des echten Bach-Stils.
Also sechs Punkte, die in der Tat zu Beyschlag's Gansten stark ins Ge-
630 Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungilehre.
wicht fallen wiirden, wenn sie sich als stichhaltig erweisen. Yertragen diese
Punkte eine scharfe kritische Beleuchtung? Sehen wir naher zu:
ad 1. Beyschlag nimmt das Verdienst fur sich in Anspruch, daC er »als
erster die Proteste der alten Komponisten gegen die willkurlichen Aus-
schmuckungen ihrer Werke von Seiten der Sanger aofgedeckt habe«. Urn
Herrn Beyschlag in dieser Frage Recht zu geben, milBte man Hchon so un-
belesen sein in der Fachliteratur wie er selbst. Er scheint alles, was er
noch nicht irgendwo gelesen hat, fur seine eigene Entdeckung zu halten.
Was er tiber Josquin (S. 15), Caccini (S. 27), Gagliano (S. 58;, Emilio de'
Cavalieri (nicht einfach »Cavaliere« wie dieser Meister 8. 100 oder Emilio
del Cavaliere, wie er S. 32 ff. genannt wird) sagt, sind »oUe Kamellen<,
jedem jungen Studenten der Musikgeschichte bekannte Einzelheiten. Urn
Entdeckungen auf diesem Gebiete zu machen, hatte Herr Beyschlag schon
minder am Wege Liegendes, nicht fur jedermann Zugangliches anflihren mussen.
Ich mache ihm einige bis jetzt wirklich unbekannte Protest* gegen ttber-
mafiige Auszierung namhaft, auCer den oben genannten, iibrigens ohne mir
auf diese » Entdeckung « sonderlich viel einzubilden. Monteverdi z. B. schreibt
in der Yorrede zu »I1 combattimento di Tancredi e di Clorinda«, der Sanger
solle keinerlei >gorghe< oder »trilli« machen, ausgenommen in der Strophe
die mit >notte« beginnt. Auch Caccini hat an einer wenig bekannten
Stelle in einer spateren Monodiensammlung v. J. 1614: »Nuove musiche e
nuova maniera di scriverle< (nicht zu verwechseln mit dem haufig zitierten
Werk v. J. 1602) einer sparsamen Yerwendung der Verzierungen (»sparsa-
mente«) durch cromata und semicromata das Wort geredet. Paolo Quagliati
scharft in der Yorrede zu seiner >sfera armoniosa< v. J. 1623 den Vortra-
genden ein, dafi sie sich an die gedruckten Noten zu halten haben, »pas-
8agi< nicht anzubringen seien. Im iibrigen vergleiche man hierzu die Aus-
fuhrungen auf S. 626 oben.
ad 2. Mit der » durch die Neuklassiker hervorgerufenen Umwalzung*
meint Herr Beyschlag laut eigener Angabe die Mitteilung auf S. 176, 177
seines Buches, dafi nach J. S. Bach in der Ornamentik die Antizipation
sich immer mehr festsetzte, wahrend fruher »das Subtraktionsprinzip vorge-
waltet hatte*; d. h. man spielte p I == S | J wahrend die Ausfuhrurg
fruher gemeinhin lautete : f |# Dies sind nun allerdings die elementarsten
Dinge der Ornamentik, die jeder bessere Klavierlehrer seinen Schulem bei-
bringt. >Dinge die nicht nur neu, sondern von hervorragender
Bedeutung sind* (Ztschr. d. I. M. G. S. 215) nennt Herr Beyschlag
seine Darstellung dieser Umwalzung! Es halt schwer bei solchem Prahlen
ernst zu bleiben !
ad 3. Wie konnten wir uns freuen, wenn Herrn Beyschlag's recht hobe
Selbsteinschiitzung seines Werkes zutrefifend ware! Er schreibt: >Zum
ersten Male erhiilt der WiBbegierige aus meinem (breitgedruckt!)
Werk einen Begriff von der Entwicklung der Ornamentik von
den altesten Zeiten bis zur Gegenwart«. Mit den »<esten
Zeiten* stent es wohl etwas wacklig, wie die vorstehende Abhandlung
gezeigt hat, und im iibrigen darf man wohl sagen: aber was fur einen
Begriflf erhalt der Wifibegierige ! Wie ein Witz mutet Herrn Beyschlag's
Satz an: »Dabei ist Sorge getragen, durch gelegentliche Ruck-
blicke und Spezi alabhan dlungen so wie durch das Schlufikapitel
Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre. 631
die libers ich t zu erleichtern «. »Sehr schlechte Sorge« soil es wohl
heiBen. Register fehlt, die »Ruckblicke« und »Spezialabhandlungen« aind
von der groBten Diirftigkeit, das SchluBkapitel ist eine Zusammenstellung
platter Selbstverstandlichkeiten (S. 282 — 285), kann wohl auf seinen 3*/i
Seiten aucb nicht viel mehr bieten. Was darin steht, weiB jeder Musiker
auswendig.
ad 4. Zur Frage der Vorschlage stellt Herr Beyschlag seine eigene GroBe
mit den folgenden Worten ins Licht: »Keiner meiner Vorganger hat
diesem Problem soviel Aufmerksamkeit zugewandt wie ich«.
Aber lange nocb nicht genug Aufmerksamkeit! rufe ich Herrn Beyschlag
zu. Auch die »wichtige Spezialabhandlung auf S. 168 — 169 tiber den Vor-
schlage ist in ihrer Wichtigkeit oben schon beleuchtet worden, samt den
Liicken, die Herrn Beyschlag's aufmerksame Behandlung der Vorschlage sonst
noch aufzuweisen bat.
ad 5. Seine Verdienste um die Wiederhestellung des echten Handel-Stils
schlagt Herr Beyschlag nicht zu gering an. Er schreibt daniber: »Und
d och wiirde ich meine Abhandlung iiber Handel fur eine hochst
wertvolle halten, hatte sie weiter nichts als den Nachweis er-
bracht, daB Chrysander-Seiffert's vielgepriesener »Klavieraus-
zug fur praktischen Gebrauch* vom >Messias« eine grobe Ent-
stellung des Originals bedeutet*. tlber den Euphemismus > Abhandlung*
(sie besteht aus etwa 3 Seiten Text) sei ' hinweggegangen. Worin der
» Nachweis « besteht, habe ich nicht ergriinden konnen. Mit emphatischen
Erklarungen : »Wir behaupten, daB Handel in seiner Oratorienperiode
nennenswerte willkiirliche Auszierungen hochstens in Zwangslagen geduldet
habe* und: >TJns gilt die Fassung als maBgebend, in welcher der Meister
seine "Werke der Nachwelt hinterlassen hat* ist doch nichts bewiesen,
selbst wenn hinter diesen >Behauptungen< eine andere Autoritat stiinde, als
die des Herrn Beyschlag, der sich auf keinerlei friihere Leistungen berufen
kann. Man vergleiche auch iiber diesen Funkt die obigen Ausfuhrungen
(s. S. 624).
ad 6. Betreffend Bach meint Herr Beyschlag: »Hinsichtlich Bach's wird
meine Stellung dadurch noch mehr gefestigt, daB die groBten Bachkenner,
W. B-ust und Fh. Spitta in den Vorschlagsfragen auf meiner Seite stehen*.
Wer's glauben will, der glaube es. Wo die Belege dafur sich bei Spitta
iinden , verrat Herr Beyschlag mit keinem Wort. Ich habe sie auch trots
eifrigen Suchens bei Spitta nicht finden konnen. Im Gegenteil, oben ist
nachgewiesen worden, daB in den Vorschlagsfragen betreffend das Rezitativ
Spitta durchaus anderer Ansicht ist als Beyschlag. Woher Herr Beyschlag die
Berechtigung nimmt, Spitta als einen Gewahrsmann in diesen Dingen fur
sich anzusehen ist, unerfindlich.
Was bleibt da also iibrig an Vorziigen? — — —
Diesem in seinem groBten Teil dilettantischen, von Fehlern, Ungenauig-
keiten, Unzulanglichkeiten strotzenden Buch hat Herr Frof. Ernst B-udorff,
zweifellos im Namen der Koniglichen Akademie der Kiinste zu Berlin, eine
empfehlende Vorrede vorangeschickt, die gar kuhne Sprache fuhrt. Obschon
Herr Frof. Rudorfif sich niemals als eine Autoritat in musikwissenschaftlichen
Dingen erwiesen hat, maBt er sich doch iiber Beyschlag's Werk ein Urteil an,
das zweifellos ehrlich gemeint ist, in der Vorrede eines neuen Werkes jedoch
632 Hugo Leichtentritt, Zur Verzierungslehre.
der fachkundigen Kritik zum mindesten stark vorgreift. Es ist docfa soust
in der vornehmen Literatur nicht iiblicb, daB ein Verfasser sich selbst in
der Vorrede mit hohen Worten preist oder es zulaflt, von andern dort iiber-
schwanglich gepriesen zu werden. Herr Prof. Rudorff schreibt iiber d^s
Buch: >Mit der vollkommensten Beherrschung des gesamten Materials,
mit der peinlichsten Gewissenhaftigkeit des Historikers verbindet
der Verfasser angeborenen kiinstlerischen Sinn. Er steht iiberall mit festen
FuBen auf dem Boden der geschichtlichen Uberlieferu ng und be-
wahrt doch zugleich einen offenen Blick fur die heillosen Geschmacklosig-
keiten, die ein Halbwissen veranlassen kann. So ehrt die Aka-
demie nur sich selbst, indem sie ein so vorzugliches Werk der Offent-
lichkeit iibergibt « .
Wie es mit der » vollkommensten Beherrschung «, der » peinlichsten Ge-
wissenhaftigkeit, dem festen Boden der geschichtlichen Uberlieferung* in
dem Beyschlag'schen Buche steht, haben die oben stehenden Ausfuhrungeu
wohl zur Gentige erwiesen. Aber die Vorrede des Herrn Prof. Rudortf
bringt noch stiirkere I'berraschungen. Obschon kein Fachmann in inusik-
wissenschaftlichen Dingen, empfiehlt er dennoch der Akademie eine >geeig-
nete Personlichkeit« fur die Bearbeitung des schwierigen Gegenstandes. Er
erziihlt auch, waram er gerade auf Herrn Beyscblag verfiel: »Herr Adolf
Beyschlag war mir durch eine kleinere, von Einsicht und Erfahrung zeu-
gende Arbeit auf diesem Gebiet, sowie durch personlichen Austausch fiber
den Gegenstand niiher bekannt geworden*. Diese » kleinere*, iibrigens in
den weitesten Kroisen unbekannte Arbeit und die Empfehlung des Herrn
Prof. Rudorff genugten der Koniglichen Akademie, Herrn Beyschlag, der sich
bisher durch andere musikwissenschaftliche Arbeiten in keiner Weise hervor-
getan hat, mit der schwierigen und verantwortungsvollen Aufgabe zu be-
trauen. Man faftt sich an den Kopf. — Sitzt denn in der Koniglichen
Akademie kein Mann, der das Naive und Unwiirdige einer solchen Ent-
schlieBung versteht, der genug Achtung vor der Wissenschaft hat, um in
einer solchen Angelegenheit das sorgsamste Vorgehen zu veranlassen? War-
um wurden die anerkannten Fachleute nicht befragt? Warum erbat man
z. B. nicht den Bat der Professoren und Dozenten fur Musikgeschichte an
der Berliner TJniversitiit? Wie kommt die Akademie dazu, in tonenden
Worten die Verantwortung fur eine Sache zu libera ehm en, von der sie oflfen-
bar recht wenig versteht? Wird auf diese Weise das »Halbwissen« be-
kampft, von dem oben so schon die Rede war, »ehrt die Akademie sich
selbstc, indem sie ein so wenig vorzugliches Werk der Offentlichkeit iiber-
gibt?
Hatte man sich beschieden eine kleine Broschure herauszugeben mit
Anmerkungen zur Ornamentik bei den Klassikern Haydn, Mozart, Beet-
hoven, so hiitte Herr Beyschlag eine niitzliche kleine Schrift verfassen
konnen, deren Gegenstand er beherrscht. Seine Arbeit ware alien Musi-
kern zu nutze gekommen, er hiitte sich ein wirkliches Verdienst erworben.
Eine solche kleinere Behandlung des Themas hatte auch vor der Hand
vollkommen fur die Konigliche Akademie geniigt. Laut Titelangabe ist
Beyschlag's Werk gedacht als »Supplementband« zu dem von der Konig-
lichen Akademie herausgegebenen >Urtext klassischer Musikwerke*. Da
dieser »Urtext< — den ich iibrigens als eine ausgezeichnete Arbeit nach
Gebuhr schatze — fast nur die Klavierwerke der klassischen Meister
H. Wftschke, Eine noch unbekannte Komposition J. S. Bach's. 633
Joh. Seb. Bach, Phil. Em. Bach, Mozart, Beethoven, Chopin umfafit, so
hatte man sich wohl auf eine Betrachtung der Ornaraentik dieser Meister
vorlaufig beschranken konnen. Die Schwierigkeit einer Behandlung des
ganzen, sehr weitlaufigen Gegenstandes ist von der Akademie durchaus unter-
schatzt worden. Jedenfalls ist das Werk, zu dem die Akademie Herrn Bey-
schlag »veranla£t« hat, in seinem groBeren Teil wissenschaftlich und prak-
tisch wertlos und darum durchaus abzulehnen.
Eine noch unbekannte Komposition J.S.Bach's.
Von
H. Waschke.
(Zerbst.)
Im zweiten Hefte dieses Jahrga'nga hat Bernh. Engelke eine Biographic
des Musikers Johann Friedr. Fasch veroffentlicht und diese zum Teil auf
die Angaben gesttitzt, die ich aus bisher unbenutzten Quellen tiber Fasch's
Tatigkeit in Zerbst gewonnen und im Zerbster Jahrbuch II, S. 47 — 63
mitgeteilt hatte.
Unter den dort gemachten Angaben habe ich auch die verzeichnet, da£
J. S. Bach dem Fiirsten von Anhalt-Zerbst eine Komposition zu dessen
Geburtstage gewidmet habe; aber eben diese Angabe halt Bernh. Engelke
in dem erwahnten Aufsatz (S. 278) fur einen Irrtum meinerseits; er schreibt
dariiber:
>Ferner ist die Geburtstagskomposition fQr den Zerbster Fdrsten sehr rfttflel-
haft: Spitta erwahnt sie nicht, und wie ich glaube, beruht ihre Erwahnung bei
Waschke auf einem Irrtum. Bach fiberreichte 1726 dem Prinzen Emanuel Ludwig
von COthen eine Abschrift seines Op. I mit folgender Widmung (Spitta II, 703):
>Dem Durchlauchtig8ten Ftlrsten und Herrn / Herrn Emanuel Ludwig,
Erb-Printzen zu Anhalt, Hertzogen zu Sachssen / Engern und Westphalen,
Graf en zu Ascanien / Herrn zu Bernburg und Zerbst usw. . . .
Das fragliche Werk ist die 2?dur Partita fQr Klavier (! !).«
Nun gebe ich von vornherein bereitwillig zu, daC man sich gelegentlich
auch irren kann, ich gebe ferner bereitwillig zu, daC ich mich gerade in
dem betreffenden Aufsatz vielfach irren konnte, weil ja oft Erweiterung der
Quellen angaben durch Deutung ihrer Beziehungen notig war; daC ich mich
aber darin geirrt haben sollte, dafi J. S. Bach dem Fiirsten von Anhalt-
Zerbst eine Komposition zum Geburtstag gewidmet habe, das kann ich nicht
zugeben, denn die Quelle, auf welche ich meine Behauptung stiitze, die
9. d mo. x. 42
634 Wilibald Nagcl, Zu Nikolaus Erich.
Hochfiirsfcl. Anhalt- Zerbster Kammer-Rechnung v. J. 1722/28 sagt auf
S. 148 ausdrttcklich:
»10 Thlr. dem H. Capellmeister Back zu Cothen ror eine
Composition an Unsers gnad. Landes-Fiirsten Hohen geburhts
Tag..
Es steht also fest, daC J. S. Bach dem Zerbster FtLrsten zu dessen Ge-
burtstag eine Komposition gewidmet hat, und da des Fiirsten Johann August,
der hier allein in Betracht kommt, Geburtstag auf den 29. Juli fiel, die
betr. Kammerrechnung aber vom 1. Juli 1722 bis 30. Juni 1723 sich er-
streckt, so mufl man annehmen, daC die Widmung zum 29. Juli 1722 er-
folgt war.
Damit ist denn auch die Vermutung Engelke's und der Versuch ihrer
Begriindung erledigt. Denn da£ 1722 eine Beziehung auf das Ereignis von
1726 moglich sein konnte, fallt dahin, und im ubrigen durfte er wohl nicht
annehmen, daB man im anhaltischen Archiv einen anhaltischen Fiirsten der
Zerbster Linie mit einem andern der Cothner Linie verwechselt, blofi weil
beide in dem bekannten grofien Titel die gemeinsame Beaeichnung >Herren
zu Bernburg und Zerbst« fiihren.
Nachdem also Engelke's Zweifel an der Berechtigung meiner Behaup-
tung widerlegt ist, durfte nunmehr einzig die Frage sein: > Welches war
wohl die Komposition, die J. S. Bach am 29. Juli 1722 dem Zerbster Fiirsten
Johann August zum Geburtstag schenkte?«
Zu Nikolaus Erich,
Von
Wilibald Nagel.
(Darmstadt.)
In Convol. 171, Abtlg. II der Akten des Geh. Haus- Archives Darmstadt
stiefl ich auf drei sonderhare Blattchen, die als Kuriosum hier mitgeteilt
seien. Es handelt sich um einen Bettelversuch des in der Uberschrift ge-
nannten , nur wenig bekannten Komponisten wahrscheinlich bei dem Sohne
Georg's II. und Bruder Ludwig's VI. von Hesseu, dem Landgrafen Oeorg III.
zu Volil in ltter (Oberhessen). Der Landgraf ist schwerlich in der Lage ge-
wesen, eine grSBere Hofhaltung zu fiihren; er lebte etwa wie ein mittierer
Gutsbesitzer unserer Zeit. Um einen Musikdienst wird es sich bei Erich's
Gesuoh um Anstellung demnach wohl nicht gehandelt haben: der »Ver-
bannte* wird vielleicht eher auf die Posten eines Fechtmeisters and Vor-
schneiders spekuliert haben und die ubrigen Fahigkeiten nur wie eine Art von
Wilibald Nagel, Zu Nikolaua Erich.
635
Brillantfeuerwerk haben wirken lassen wollen, ein altes, selten seine "VYirkung
verfehlendes Kunststiick.
Eitner (Quellenlexikon) laBt den bei ihm nicht adligen Erich aus Audis-
leben bei Erfurt stammen und urn 1622 Kantor in Jena sein. Beruhen die
Angaben der unten mitgeteilten Zettel auf Wahrheit, so war Erich spater
Fiirstl. Holsteinischer Kapellmeister. Er mag den Titel gehabt haben; ob
ein nennenswertes Amt damit verbunden war, erscheint mir zum mindesten
fraglich. Hat Erich zu dem Vohlner Landgrafen schon fruher irgend eine
Beziehung gehabt, so ist anzunehmen, daB diese erfolgte, als Georg III. sich
seine erste Frau, Dorothea Auguste (geb. 1636, gest. 5. Marz 1661), Tochter
des Herzogs J oh. Christian von Holstein-Sonderburg , aus Franzhagen holte.
Franzhagen liegt im Lauenburgischen und wird schwerlich je mehr als ein
bescheidener fiirstlicher Outssitz gewesen sein. Erich mag dort als eine Art
Yon Faktotum tatig gewesen sein, gedichtet, gesungen, gespielt, komponiert
nnd bei Tafel vorgeschnitten haben, bis er (vielleicht durch des Herzogs Tod)
seine Stelle verlor und sich, wie so mancher andere in der furchtbaren Zeit
wahrend und nach dem 30jahrigen Kriege, als alternder Mann, der kein
Brot fin den konnte, auf der LandstraBe fand. 1663 — die Jahreszahl er-
geben die drei mitgeteilten Chronogramme der Handschrift — befand er sich
in Vohl oder auch in Darmstadt, wo moglicherweise der Vbhler Landgraf
gerade anwesend war. Vielleicht laBt sich in Jenaer oder in Holstei-
nischen Archiven noch etwas uber den Mann fin den. DaB es mit seiner
Kunst weit her gewesen sei, mochte ich nach der nicht sonderlichen Probe
seines Konnens — von den bei Eitner aufgefuhrten Arbeiten kenne ich
nichts — bezweifeln. Aber vielleicht verdient es Erich doch, daB man ihm
einmal nachgehe: ein merkwiirdiges Schick sal scheint der Mann, der allerlei
gelernt hatte (er schreibt eine vortreffliche Handschrift, lateinisch und grie-
chisch waren ihm gelaufig und in der Musik verstand er zum mindesten das
handwerksmaBige), gehabt zu haben. Vielleicht war er eine der vielen tra-
gischen Erscheinungen der Kunstgeschichte, die schlimme Zeiten zu Grunde
gerichtet haben.
Darmstadt, Geh. H.-Archiv. Abt. II. Conv. 171.
1. Blatt. Rttckseite. Vflblner-Poetisch-Honorarium und Musicalisches Symbolum
ad Philomuso8. AugustinuB. Ut sol inter Planetas — , ita Musica in medio
inter Artes liberales radiat. Anno. SaLVator MVnDI plos Coronablt.
Vorderseite. Symbolum hujus Arcis per Can on em 2. voc. sett Bicinium,
ubi comes Ducem sequitur post semitactum e suspirium e Cornetto setl
Tromboun.
1. Clarin.
^=i=F
^H*-
^eg5^^
ae
r-r-t-
-**-
E^
2. Clarin.
10m.
Efe
3=t
^z=^=
0 V5hlen! deine spitzen schOn bey den Sternen sitzen.
Die Fama drauff dein Tugend sieht glantzen bey der Jugend,
Die Tugend und die Erbarkeit, die Bind dz allerbeste Kleid.
42*
636 Wilibald Nagel, Zu Nikolaus Erich.
Wenn ich soil recht bekennen, and alle Kiinste nennen,
So thustu mir gefallen, 6 Musical fQr alien.
Mit Orgelspiel und Singen, kan ich mein Zeit hinbringen,
Zue 6ott68 Ehr, und mir Zur Freud, Spiel ich weg manche traurigkeit.
Hansz Niclaus von Erich. Jehnensis. Fflrstl. Holstein. Capellmeister, musicalischer
componist, Kays, gekrttnter Po§t, figural Cantor und Organist, approbierter Trin-
ciant und fechtmeister. Exul begehret wieder condition, und pp (propter) Deum
eine discretion, inmea. (= manu mea).
2. Blatt. Rflckseite. Vflhlener — Poetisch — Honorarium und Musicalisches Sym-
bolum ad Philomusos. Augustinus. etc. mit dem anderen Chronogramme :
Char It ate del LangVeo, atqVe ea Morlar
Vorderseite: Symbolum hujus Arcis per Canonem Tetraphonicum seu
Fugam 4 voc. ubi comites Ducem sequuntur in fj~b o»a tt^vte, diri oid nasdr*
xat urrep otd xeaoapiov.
Text w. o. Dann: Wer lernen will auff Instrument, Schneid ab die nagl' und
wasch die Hand.
Anno. MVsICVs a PoSta, Iste DoLet fuTget.
Unter8chr. w. o.
3. Blatt. Rflckseite w. o., dann das Chronogramm: Pes In MVnDo, apes Vero In
CoeLIs.
Vorderseite w. o. ... sequuntur in unisono post Transpositionem Bassus
Dorij et Cantus Hypomixolydij.
fg3sz3n-7nrj=^^=k=^e=p-Mj
Die L6sung dee Kanons ist mir nicht gegliickt. Das mittlere Blatt lese ich :
J* P s
Mr
*££*;
" ^ ' ETSTff
Herauageber: Prof. Dr. Max Seiffert, Berlin W., Gobenatr. 28.
Inhaltsverzeichnis
des
zehnten Jahrgangs von Zeitschrift unci Sammelbanden
der Internationalen Musikgesellschaft.
Zusammengeatellt von Max Sehnelder.
Vorbemerkung.
1. Krklarnng der Schrlftielchen:
a) MuHikgettcfcichtliche Begriffe: fetter Drtck (Violine, Falestrina)
b) Autoren der Zeitschrift, der Sammelbande , der Kritischen
Bacherschaa gewohnliche Scbrift.
c) Autoren, die berichtigt oder kritiaiert werden: Sperrdruck (Ambros).
d) Orts- und Lander-Nam en : Kapital Scbrift (Pakiuj.
e) Die Zahlen bedenten die Steiten, and swar gelten die &chragliegenden |Ctir««r| for die Bammclbande,
die gewdhnlichen far die Ztfitschrift Eingeklammerte Zahlen and nolche mit nebenttehenden
kle nen Buchstaben gelten nur for das "International Magical Supplement".
f) f bedeatet: gestorben.
t. Bezuglich C and K sehe man in zweifelhaften Fallen bei btiden Buchstaben nach. Analog C and Z.
3. Die „ZeItichrifteiiieftia" blieb unberftcksichtigt.
Aaron, Pietro 259, 78, 386.
dall'Abaco, E. F. 116, 219, 355.
Aboard, Simon 225.
Abend roth, Joh. Christian 285.
Abort, music to Greek play lb.
Abert, Hermann 50, 116, 238 1., 257, 282,
435, 4391, 458, 469.
Abingdon, Earl of 296.
Acat, Lienhardus 153.
Accents, Greek lb.
Accompaniments, organ 53.
Adam v. Fulda 75 U 80 U 535.
Aderer, A. 242.
Adersbach, Andreas 407.
A d 1 e r , Guido 260b (Vienna Congress),
260c (on Haydn).
Adler, Guido 51, 90, 239, 259, 304, 312,
510, 528, 532.
Adlung 263 i.
Aeneas 313.
Aeschylus 12.
Agazzari, Agostino 116.
Agricola, J. F. 146.
Agricola, Martin 77, 79 U, 86 it
Ahle 355.
d'Aigrefeuille, Charles 185.
Albeniz 49.
d' Albert, Eugen 46.
Albert, Heinrieli 355, 402, 405, 407 f.
X..
Alberti, G. Matteo 352.
d'Aldeguier 180.
Alessandri, Fel. 432.
Alexander Polyhistor 337.
Alexis, Willibald 66.
Alfantz, Martinus 153.
Alkan, Ch. V. 204.
Alletsee, Paulus 333.
Allmenroder 287.
de Almeida, Alvaro Fernandez 47.
Alphexan, Marguerite 160.
Alta Trinita beata (anon. Chor) 355.
Altmann, Wilhelm. Aus Gottfried Weber's
brieflichem NachlaB 477.
Briefe v. Breitkopf & Hartel, Chladni,
Frey, (Has linger), Lobe, Lowe, Ries,
A. Schmidt, J. Ph. Schmidt, Schumann,
Simrock, Spohr, Thibaut, B. A. Weber,
C. M. v. Weber, L. v. Weber an Gottfr.
Weber.
Altmann, Wilh. 488 (Anm.).
Alutarius, Christophorus 545.
v. Alvensleben, G. 27.
Amaduzzi, Crist of ano 172.
Amalarius 131.
Ambros, August Wilhelm 108 f., 83, 107.
Ambrosius 15 i.
Amelang, Maria Agnes 277.
Amelot 198.
Inhaiteverzeichnis.
A me r bach, Basilius 542, 544 f.
A me r bach, Bonifacius 541 f., 544 f.
American folk music 159.
"Amis de la Musique" (Paris) 332c.
Amman, Jost 98, 100.
Amphion 337.
Amphion Anglicus 241, 430.
Amravati 103, 117.
Amyot 334.
dc Anagnia, Joannes Verulus 84, 88.
d'Ancona, Al. 322.
Andre 442, 455. 457 ft., 493, 496.
Andre, Jean (Notar) 159.
Andrechin 535.
Andree, Lazarus (Verleger) 296.
Anerio 96a.
"Angelus" opera by Naylor 271.
Anger, Johannes 153.
Angiolini, Gasparo 438.
Anglo-saxon institutiones 276.
"Annunciation" by Alick Maclean 273.
Anonymus (De signis musicalibus) 78, 89,
94 f.
Anonymity in journalism 251.
Antcliffe 97.
Antequara, Jos6 Juan Jimenez 355.
Anthoni 155, (Anthoni v. Mantua) 156.
Anthoni von Padua, Peter 155 f.
Anton, Konig v. Sachsen 355.
Apollo, hymn to lc.
Arbor, Ann. 160.
Arcadelt, Jachet 115, 223, 355, 106.
Archer on national theatre 21.
Arend, Max 320.
Arensky 364.
Archilochos 353 ft., 362, 369.
Archimedes 366.
Archytas 367, 380.
Aria, f Elizabeth, on stage-costume 21.
Arion zither 346.
Ariosti, Attilio 205, 355.
Aristides Quintilianus 324, 342 f., 345 f.,
350, 371, 373. 378, 381.
Aristoteles 73, 323 i., 369, 373, 380, 383,
s, a. Pseudo-Aristoteles. * *
Aristoxenos v. Tarent 324 f„ 336 ft.,
343 L, 346, 348, 379 ft.
Armand, Jean Baptiste 175.
Armature (score) 142.
d'Arnalle, Vernon 352.
Arne 353, 355.
Arnheim, Amalie. Ein Beitrag zur Ge-
schichte des einstimmigen weltlichen
Kunstliedes in Frankreich im 17. Jahrh.
399.
Bedeutung der Airs de oour und
anderer franzosischer Liedkompositionen
fur das deutsche Lied.
Arnim, Bettina 1.
Arnold 265, 450.
Arnold, Samuel 292.
;Arnoldt von Prigkh (Bruck) 156. 15
rd'Arpajon 191.
1 Artaria 296.
d'Arve, Stephen 161.
Ashton Ellis, see Ellis.
Asola, Giov. Matteo 355.
; Aster, Balthaaar 153.
1 Astorga, G. 353.
1 Astruc, G. 282.
I Attaignant, Pierre 401.
| Auban 161.
Auber 487.
I Aubert 179.
Aubry, Pierre 128, 129, 158. 101.
Aude 159.
Audencier s. Michel. Guillaume.
Audibert, 160, 161. 207.
Augier 160.
I August der Starke 5 73.
! August, H. R. 165.
! August Ludwig v. Cothen 279.
I Aurich, P. 359.
I Authors' Club (Stanford) 133.
i Avella 203.
Avison, 137 f.
Avril, Balthasar 225.
Ayrer, Jacob 445.
Ayrton (Edmund) 291.
B., B..D. 419 f.
Babtista, Johann 155.
Bacchius 334.
I Bacchius (le Vieux) 367 f.
i Bach, Carl Phil. Emanuel 16, 40, 85, 143 f.,
, 355, 94, 277 i., 283, 308, 317.
Bach, Heinnch 265.
Bach, Joh. Christian 36, 39 ff., 457.
Bach, Joh. Christoph 47, 355 (»Der Gt»-
rechte, ob er gleich« und »Lieber Herr
Gott, wecke uns auf«; irrtumlich unter
Joh. Christoph Friedr. Bach angefuhrtl
Bach, Joh. Christoph Friedrich 355.
Bach, Joh. Ernst 265.
Bach, Joh. Michael 47, 355, 96.
Bach, Johann Ssb., HeuB, Cber A.
Schweitzer's J. S. B. 7; Bachportrat,
bisher unbekannt 17; HeuB, Das vierte
deutsche B.fest in Chemnitz 45. HO:
Spanisches Bachfest in Barcelona 83;
85, 116, 118, 128, 143, 147, 149, 159, 189;
Bachfest in Dortmund 205; 219, 223 L
232, 237, 238, 240. 278 ff.; Wurttem-
bergischer Bachverein 282; 303, 308!..
316 f., 331, 349 ff., 352, 355 f., 359.
363 f., 12, 15. 18, 27 i., 35, 46, 60, 62
(Marx'sche Ausgaben), 69 ff., 94, 13S.
229, 232, 238, 255, 267, 276 ff., 317, 319.
490 (Simrock uber den Druck ▼. B.'schen
Werken), 494, 520, 560, 607; Waachke.
Eine noch unbekannte Kom position J. S.
B.'s 633.
Inhaltoverzeichnis.
Bach's Matthew Passion, at Sheffield 44,
89; Heuss handbook 208, 260a.
Bach, W. Friedemann 351.
Bachrich 358. «
de Bacilly, B. 400, 414, 411 ff.
Bader (Sanger) 57.
Bachler, Sebastian 398.
Bar, Joseph 258.
Baif 402 i.
Baladier 183.
Balakirew, M. 194.
Baldruff, Joh. 535
Ballads (Gum mere) 24.
Ballard 401 ii., 415, 4191
Balon 203.
"Banda" part 142.
Barcewicz, St. 206.
Barnett's Mountain Sylph 82.
Baron 84.
Barral(is) 162.
de Barri, Gerald 266 (Anm.).
Bart 193.
Barth 67.
Barth'sche Madrigalvereinigung 350, 355ff.
Bartmayr, Georg 156.
Bartsch, K. 400.
Basel. Nef, Die Stadtpfeiferei u. die
Instrumentalmusiker in B. (1385 — 1814)
395; Nef, Die Musik in B. Von den
Anfangen im 9. bis zur Mitte des 19. Jahr-
hunderte 532. *
S. a. Notizen, Ortsgruppenberichte.
Bassani, Giovanni Bat t is t a 228, 231, 240,
254.
Bassitz, Georgius 153.
Bass-strings (zither) 343.
Bates, Toah 293.
Bateson, Thomas 356.
Batka, Richard 311.
Battle symphony of Beethoven 299.
Baughan, E. A., on Paderewski 21.
Baumfelder, G. 358.
v. Baumgarten, Christian Gotthilf 454.
Baumgarttner, Hans Georg 397.
Bavarian organs 323, zither 341.
Bay lie, the voice in education 22.
Bayon, Gilles 160.
Bayrbuth. Engelke, Einige Bemerkungen
zu L. Schiedermair's >B.er Festspiele im
Zeitalter des Absolutismus 14.
Bazin 380.
Beatrice and Benedict (Berlioz) 313.
de Beaujoyeux, B. 259.
Bechler, Bernhard 398.
Beck's Troubadour melodies 32b, 53.
Beck, Heinr. Val. 356.
Beck, J. B. 129.
Becker, Elisabeth 351.
Beckmann, Gustav 384.
Becs- Vienna 224c.
Beda 131.
Beer 271.
van Beethoven, Ludwig, 10, 50, 51, 84,
85, 113, 115, 146, 148, 205, 222 ff.,
238 ff., 259, 280 ff, 318 (Bonner Kammer-
musikfest), 351 f., 362, 364, 1, 35 ft.,
40, 42, 53, 61, 65 f., 311, 317, 477, 483,
485, 488, 490, 494 i., 505, 557, 560.
Beethoven, his "immortal love" 160b,
180; English biographies 245; relations
with Sir George Smart 300.
Behrend, William (Ortsgruppenbericht
Kopenhagen) 192.
Beihefte der IMG., August 1909.
Bellairs on limits of artistic expression 95.
Bellardi 223.
Belleau, Remi 204.
de Bellefontaine 191.
Bellenot 177.
Bel lerm arm's editions of Greek music Lb.
Bellermann, H. 73, 86.
Belleville, Emilie 486.
Bells in orchestral scores 142.
Benda 280.
Benda, Georg 16, 356, 601, 610.
Benevoli, Orazio 307 f., 356.
Benndorf, Kurt 268 (Anm.).
Bennet, John 356.
Benvenuto Cellini of Berlioz 312.
Benzinger, A. 282.
Berchthold von Kuenfels 534.
Berglinger (Wackenroder) 518, 521 f., 527,
532.
de Beriot, Ch. 198.
Beringer, Oscar, reminiscences 22.
Berlin. Leichtentritt, Auffiihrungen &1-
terer Kompositionen in B. wahrend des
Winters 1908/9 349; Seiffert, C. Sachs:
Musikgeschichte der Stadt B. bis 1800
(Bespr.) 317; Royal High School 332d,
363.
S. a. Notizen, Ortsgruppenberichte.
Berlioz Trojans; see Trojans.
Berlioz, Hector 84, 206, 238, 307; the
"Trojans" of B. 312, 317.
. Bernasconi, Andrea 435.
Bernhardi 513.
Bernier 228, 243, 553.
Berno 131.
Bernoulli, C. Chr. 258, 554, 556.
Bernoulli, Chr. 558. ,
Bernoulli, Eduard 51, 129, 239.
Bernsdorf, Ed. 2.
Berrl, Heinrich 397.
i de Bertha, A. 204, 319.
■ Bertholet, A. 258.
! Bertling 220.
Bert rand, Aloysius 198.
. Bessel 147.
, Betz, Franz 222.
van Bever 204.
.Beyle, Henri 319. {
Inhalteverzeichnis.
B c y s c h 1 a g , Adolf, Die Ornamentik
der Musik (besprochen von C. Ettler)-
143, 222; Leichtentritt, Zur Verzierungs-
lehre (Ausfuhrliche Kritik iiber: Die
Ornamentik der Musik) 613.
Beyschlag, Adolf, Entgegnung auf d.
Referat v. C. Ettler iiber die »Ornamentik
der Musik* 215.
Beyschlag, Adolf 137.
Biber, H. F. 219.
Bibliothek, Mnsikbibliothek. Proske'sche
Musikbibliothek in Regensburg 90; Kata-
logisierung italienischer Bibliotheken 148.
Katalogisierung der Bibliotheken u.
Archive in Krakau 282.
Bickerstaffe, Isaac 446.
Bickham 259.
Bie, Oscar 508.
Bielefeld 583.
Bierey, G. B. 55.
Biernath, Ernst. Koczirz, (Bespr. von
Biernath's:) Die Gitarre seit dem
III. Jahrtausend vor Christus 107, 190.
Bils 148.
Birk, Sixt 546 f. .
Birnbaum 8.
Bischoff 500.
Bishop, H. P. 353.
Bisson, Alexandre 364.
Bitter, Carl 3.
Bitterfeld. Notiz (Werner) 17.
Bizet, Georges 84.
Blackburn on Mendelssohn 175.
Blahetka, Marie Leopoldine 486.
Blahoszlav (a Jan Josquin), Jan 78.
Blainville 251.
Blanche main 400.
Blank 582.
de Blois 218.
Blondeau, Andr6 225.
Blow, John, Article by W. H. Oummings
421.
Blow (1649—1708) traced to the Song-
school (1530 to date) of Newark-on-
Trent. Probably Capt. Cooke "pressed"
him thence into Chapel Royal (1660).
Particulars of his Canterbury degree.
Contributions to his biography. Dis-
cussion of his compositions, the origina-
lity of which stood in his way with
critics (e. g. Burney). "Amphion An-
glicus".
Blow, John, summary of biog. authorities
240.
Blumner 573.
Bluthner, Julius 331.
Blume (Sanger) 57.
Blumner, Martin 512.
Boccherini, Luigi 351 f.
do Boche 178.
Bockshorn (Capricornus), Samuel 255%
Bode, K. 362.
Bohm, Georg 47, 356.
Bohme, F. Magnus 265, 268, 34, 322.
Bdhme, Joh. Mich. 582.
Borne, Ludwig. 477.
Boesset 226.
Boesset, Antoine 404 ft, 409.
Boesset, Jean Baptiste 405, 418.
Boethius 219, 340, 324 f., 369, 539.
Bogentantz, Bernardin 76, 82.
Bonn, Emil 50, 148, 238, 363 (t), 332d\ 368.
Boieldieu 501.
Boileau 575.
Boismortier 262.
Boisrobert 418.
Bokemeyer 607.
Bokken-Lasson 353.
Bolen, Henrik 353.
Boiler, Max 258.
Bolte, Johannes 547.
Bolz, Valentin 547.
Bombet, Cesar 319.
Bomoliere 278.
Bonfils 160.
Bonk. Scheibler, Das IX. Kammermusik-
fest in B. 318. Beethovenfest (Notiz) 281.
Bonarelli, Proepero 431 f.
Bonnat, Joseph 351.
Bononcini 219, 356, 227, 254, 261.
de Bonzy 185.
Books on music, summary of latest 128a
(41), s. a. Bucherschau.
Boos, H. 543.
Borchers, Gustav 17, 240, 295, 364, 384.
Borchers, Hedwig 295.
Borkhet 286.
Borodine, A. 194.
Borsa on modern English stage 22.
Boschot 128.
Bossi, Enrico 268.
Both mar, Graf 174.
Botstiber, Hugo 160.
Botetiber, See Vienna Congress 260c.
Botter 15.
Botticelli, Sandro 75.
Boucher, Pierre 225.
Bouffons Italiens 224d.
Bougerel, P. 162.
Boullet, Joseph 173.
Bourdelot 227, 237, 404, 415, 417 f.
Bourdon, A. 171.
Bourgoin, Pierre Jean Baptiste 225.
Bournemonth as orchestral centre 141.
Bousignac 226.
Boutelou 203.
de Bovillon 417, 420.
B o w e n , York 42.
Boyer 202, 410 i.
Brandlin, Friedrich 397.
Brandes, G. 506 f.
Brandstetter-547.
Inhaltsverzeichnis.
Brahms, Johannes 50, 51, 84, 239, 309, 318,
■ 351, 364, 42, 560; monograph (Colles) 22.
Bramins and Tews 323.
Brandt on St. Cecilia 236, 241.
Brassac, Hugues 180 f.
Brauendorffer, Hanns 156 i.
Brehat, Ary 49.
Breitkopf, J. 3, 16, 275.
Brcitkopf & Hartel 259, 477 (., 492;
> Novelly List 128a.
Brendel, Franz 71.
Brenet, Michel 319, 159, 187, 223, 227,
399, 402, 405 ii., 409, 415.
Bbeslau s. Notizen.
Bretzner 431, 4451., 450, 454, 457, 473, 476.
Breymann 576.
Brighton Musical Festival. Article by Ch.
Maclean 140.
General sketch of English festivals.
In north, development of village con-
tests. In certain places, of clerical
origin. Now for first time in S. counties,
and arising from orchestral activities, of
which pioneer was Bournemouth.
Briegel, Wolfgang Carl 265, 580.
Broadley on violin-repaising 22.
Broadwoods and Smart 295.
Brode 50, 239.
Brodersen, L. 357.
Brosi, Peter Friedrich 559.
Brosy, Jacob 551.
Brossard 227 1, 240 i., 243.
de Brasses 310.
Brotbeck, Mathis 545. \
Brown, J. Duff, shelf-classification for !
libraries 22.
Browning and music (Stanford) 135.
Bruch,Max 2.
Bruckner 552.
Bruckner, Anton 302.
Bruhl, Graf 56.
Brusssl s. Notizen, Ortsgruppenberichte. '.
Brunei, R. 84.
Brunner, Heinrich 562.
Brunswick, Terese 160h, 180.
Brussel, Robert 204.
de Bry, Theodor 98 f.
Buchh&ndlerkataloge. Breitkopf & Har-
tcl 126, 160, 189; Geibel 381; Gerschel
257; Harrwitz 189; Kerler 126; Liep-
mannssohn 126, 189, 257; Reeves 126,
189, 257, 331, 381; St. Goar 331, Weigel
381.*
Buchmayer, Richard 45 ff., 236 f., 257,
331, 356, 360, 384.
Buchmayer, Richard, Zur Cembalofrage
279 (s. auch Nef. Karl).
Buchner 577.
Buchner, Hans 88, 542.
Buchta 272.
Buddhist topes (funeral tumuli) 103, 117.
Bucherschau, Ubersicht fiber dieselbe
siehe S. 35 ff. dieses Verzeichnisses.
Bummler, Georg Heinrich 16, 275.
Buff-Hedinger, Emilie 46.
Buhle, Edward 1217, 383.
Bull, John 351.
Bulletin of French Section 32c, 332c.
Bulling, Veit 543.
Bullinger 547.
Bumke, Gustav 359.
Burckhardt 558.
Burckhardt, Albert 548.
Burckhardt, Jacob 562.
Burckhardt, L. August 547.
Burckhardt, -Biedermann, Th. 398, 533,
549 f.
Burckher, Caspar 153.
Burger, Benedict 156, (Purger) 155, 157.
Burkert, 0. 356, 359 ff.
Burkhard 585.
Burkhardt (Lehrer) 264.
Burkhardt, Max 115.
Burle, Jean Louys 160.
Burney on Blow's music 427.
Burtius, Nicolas 258.
Busch, Ernst 86.
Buss-Dross, K. 352.
Busse s. Buts 320.
Bute (Busse) 320.
Butsch 398.
Buxtehude, Dietrich 116, 351, 356, 363,
98, 319.
Byelaws for English Section 32d.
Byzantine church -music lc.
Cabassol 161 f., 176, 223, 225.
Cabay, Hanns 153.
Caccini, Giulio 352.
Cady 159.
Caesar 384.
Cahier 310.
Cahusac 247.
Cajanus, E. 353.
Caix d'Hervelois 356.
Caldara, Antonio 352, 356, 309, 311.
Caletzky 282.
Calier 159, 162.
de Callieres, Francois 244.
Calmus, Georgy 220, 384, 454, 461 f.
Calogera, Angelo 172.
Caluschus, Bernardinus 108.
Calvisius, Sethus 268.
Calvocores8i, M.-D. M. Maurice Ravel 192b,
193.
Calvocoressi, M.-D. 85, 147, 204.
de Cambefort, Jean 418.
de Camoens, Luis 48.
Campra, Jean Francois 159, 161, 553.
Campra, Andre, de la Laurencie, Notes
sur la jeunease d'A. C. 159. 261.
Campra, Joseph 161.
6
Inhaltsverzeichnis.
Campra le Cadet, Joseph 204 ff., 214 ff.,
219.
Cannabich 18.
Cannabich, Mile. 19.
Cannon" in orchestral scores 142.
Canudo, R. 17.
Capitan, Prof. Dr. 4.
Capricornus 255.
Carcani 315.
Cabelia suite 128a (8).
Carissimi, G. 352, 356, 209, 227, 2S7.
Carl Rosa English opera company 81.
Carmen Sylva 114.
Carolina Catharina zu Birkenfeld 285.
Caroline v. Oranien 285.
Garo-Lucas 84.
Carolus von Padua 155.
Carpani 319.
de Carpi, Jheronimus 156.
Carre 203.
Casenave, Martin 225.
Casciolini, Claudio 356.
de la Cassaigne, Raymond 194.
Cassandra 313.
Casskl s. Notizen.
C a s s o n (Thomas) and organ-contral 97,
323.
Castella, Bartolome 155.
de Castillejo, Cristobal 48.
Castillo, Bartolome 154.
Castra Regina, see Ratisbon.
de Catel 182.
de Catelan, J. B. 182.
Cattaneo, Andrea 435.
Catton 268.
Cavalli, Francesco 352, 227.
Cavens, Louis 175.
de Cays 178.
Cecilia as musical saint. Article by R. E.
Brandt 236.
Mosaic A. D. 570. French statuette
XIII century the first with musical
instrument. With organ about 1500.
Cf. also pages 241, 278.
Celani, E. 96.
Celtic, Goadhelic 80.
Celtis, Conrad 101, 540, 546.
Certani, Alessandro 351 f.
Cesti, Marcantonio 356.
Chabran 150.
Chabrier, Emmanuel 194, 204.
Chadwick 159.
Chailon 159, 177.
Challier 21.
de Chambonnieres 351.
Champfort 451.
Chancy, Francois 409, 418 it.
Chantavoine, J. 362.
Chapel Royal (English) under Henry V
and VI. Article by W. H. Grattan
Flood. 563.
English Chapel Royals traced back
hitherto only to 1461, first year of
Edward IV (House of York). From
recently issued Calendars of Patent
Rolls and of Papal Registers, same
I now traced back to its fonndationjby
Edward III (Plantagenet) in 1349 the
| year of arrival in London of Plague or
Black Death.
1 Chapel Royal and G. Smart 307.
Chapelet 203.
| Charbonnel 84.
Chardavoine, Jehan 401 ff.
Charpentier 195, 227, 251.
Chartier, F. L. 194, 199, 225, 240 f.
de Chartres, Due 200, 217.
jChastelain, Claude 195 f., 225, 240 f.
| de Chateaurenard 178.
: Chelleri, F. 435.
Chemnitz. Heufi, Das vierte deutache
I Bachfest in Ch. 45.
' Chtron 198, 225.
Cherubini, Luigi 240, 356, 494.
Chevalier 321.
Chevallier, Pierre 225.
Chevillard, Camille 84.
Chilesotti, O. 406.
Chimes (Starmer) 95.
Chladni, E. 477, 479.
Choalcho s. Suasso.
Choirs, French 89.
Chopin, Frederic 189, 194, 206 f., 281, 362,
364.
Chorales, performance of 89.
Chouquet 219.
Christelin 544.
Christina Charlotte Friedertca v. Solms-
Braunfels 285.
Chrysander, Friedrich 19, 228 ff., 265 ff.t
310, 316, 350, 357, 261., 435, 446, 5 74, 576.
Chrysander, Friedrich. Heufi, Hin-
ders Samson in der Bearbeitung von
Fr. Chr. 110, 127.
Chrysothemis 200.
Chuno 285.
Chybinski, Adolf, Zur Erklarung des
♦Concerto. (Notiz) 115, 177; M.
Karlowicz 206; Umfrage (fiber Samotu-
linus u. Felstin) 296; Erwiderung gegen
Jachimecki 381.
Chybinski, Adolf 281 f.
Ciampi 30.
City Companies 278.
Clark on Esperanto 22.
Claudius, Matthias 53.
Clausius 276.
Clay (Felix) on musical aesthetics 64b.
Clemens v. Alexandria 337.
Clement 202.
Clerambault, L. Nic. 351, 356.
Clerical origin of certain Festivals 140.
Inhalteveraichnis.
t. Clermont, Katharina 402.
Clerval 171.
Closson, Ernest 158.
Clytemnaestra (Strauss) 200.
Cocchi, Gioachino 435, 448.
Cochlaus s. Oocleus.
Cocleus, Joh. 76, 79, 393 f.
Coclicus, Adrian Petit 88, 93, 99, 102.
CftLp. Notiz (Pratorius) 85.
Coffey 446.
Coitero 544.
Colasse 201 I, 243 f., 251, 261.
Colberg on harmony 22.
Colbert, Jean-Baptiste-Michel 191.
Coler(us), Martin 15.
Colles on Brahms 22.
Collet, Henri 49.
Collette, A. 171.
Colonna 227.
Colonne, Edouard 84.
Combi, B. 438.
Combination-pistons (organ) 322.
Com6die larmoyante lb.
de Comere 182.
Companies, City 278.
Competions, village 140.
Comte, Ch. 400.
de Comynihan 182, 189.
Concentores Sodales 303.
Concertqoers' club 116.
Confraternities 276.
Congress, see Vienna Congress.
Conservatorium of Vienna 224c.
Console, see Organ.
Constitutional history of IMG. lc.
Conrad 534.
Contents, see Journal, Magazine.
Conti, Prince de 37, 147, 202, 217 if.
Contin, Graf Francesco (de Castel Seprio
Venedig) 353.
Conversi, Girolamo 356.
Cooke (Henry) of the Chapel Royal 423.
Copenhagen. Music-museum 332b, 333.
Copyright and music (Stanford) 137.
Corbach, A. (C.) 358.
Corder's operas 82; at Brighton 141 ;
on Mendelssohn 175.
Corelli, Archangelo 116, 219, 351 f., 356,
236, 240, 262.
Corneille 403, 575.
Cornelius, Peter 9, 24.
Cornet 115.
Cornwall 80.
Coronation march (Hungarian) by Haydn
260b.
Corporations (Town) 276.
Corresponding Members of IMG. lc.
Cortner 50, 239.
Cortona (Handschrift) 321.
Cossmann, Sophie 8.
Couperin, Francois 159, 351, 356, 383, 262.
de Courcelles, Pierre 204.
Coussemaker 73 L, 136, 344.
Co vent Garden and Berlioz 315.
C o w e n * 8 operas 82.
Cox (Hugh Bertram) on G. Smart 287.
I Craft-guilds of England 276.
I Cramer 525.
| Cramer and Smart 292.
Cranach, Lucas 100.
Crews, C. T. D. 241.
Crexos 355.
Croatian music (Hadow) 323.
Croce, Giovanni 356.
Crousis (KqoCgis) 334 ff. (Marnold).
Croze, J. L. 177, 242.
de Cruce, Petrus 73, 84.
Culp, Julia 352, 359.
C u m m i n g 8 , W. H., Pres. of Mus.
Association 95; on John Blow 240.
C u r w e n diet, of music 245.
Cyclopaedic dictionary, Curwen's 245.
Czervenka 6.
I Dach, Simon 402.
: Daffner, Hugo 115, 175.
Dagobas 103, 117.
; D a 1 c r o z e , action-songs 128a (74).
' Dalphe'ran, Marguerite 159.
i Damrosch, Frank, Vice president Amen-
I can Section 160.
Damtico, Jhan 156.
Danchet, Antoine 217, 224.
Dancourt 444.
Dandrien, J. F. 356.
i Dangeau 173, 202, 218 f.
Danielis 237.
.Danish folkmusic 192c.
Dannreuther, Edward 143.
1 Daquin, Claude 351, 356.
i Dasent, life of J. Th. Delane 22.
1 Daspe 182.
I Davidson, Gladys, opera-plots 23.
I Daubresse, M. 319.
, Daumer, Georg Friedrich 50.
Dauphin 285.
Dauriac, L. 127 f.
Daussonne 182, 192 i.
Davantes, Pierre 77, 79, 88, 386.
David 224.
David (Kunstpfeifer) 320.
David, Felicfen 149.
Davidsohn, R. 322.
Day, C. Russell, on Indian instruments 86.
Debogis, M. L. 352.
Debussy, Claude 193 f.
Decorus, Volupius (Schonsleder) 233.
Dedekind, Henningus 80.
Deiters, Hermann 19, 362.
Delane, "Times" editor, life of 22.
Delauny (de Launv), Jacques 207.
Inhaltsverzeiohnis.
Delegates (Governmental) to Vienna Con-
gress 260b.
Delius, life and works 48*
Deller, Florian 441, 457.
Del mas 84.
Dennkh, Oistof 156.
Dentzer 281.
Deppe and touch 22.
Deschamps, Eustache 400.
Desert 149.
Desforges 262.
Desius, X. 356.
Deslyons 241.
Desmarets 202, 261, 406.
Des matins 203.
Despaigne 182.
Desportes, Ph. 402.
Dessauer, E. 508.
D e s s o f f , Albert. Ortsgruppenbericht
Frankfurt a. M. 258.
Dessoir, Susanne 355, 358, 361.
Destouches 2131
Desvoyes 202.
Deurains, Niclas 155.
Deuteromelia of Ravenscroft 117.
Devrient, Eduard 69.
Diamant, F. 362.
Dibdin 448 i.
Dido and Aeneas, see Trojaas.
Didymos 341, 383.
Didot, F. 217.
Dieckmann 264 i.
Dieffenbach 287.
Diehl 568.
Diehl (Alice), life of Beethoven 245.
Diemer 84.
Dieter 167, 455, 457 it
Dieterich, J. R. 568.
Dietrich, Sixt 541 f., 545.
Dietricus 534.
Dietz 51, 239.
Diez (Sanger) 67.
Dilthey, W. 260, 508.
Diogenes Laertius 369.
Directory, election of lc, 32d.
Diruta 267 (Anm.).
Dittelbach(er) 397.
v. Dittersdorf, Carl Dittera 356, 106.
Dodge, Janet 400.
Dodge (Janet) on lute music 95.
Dobricht 271 ff., 573, 582.
Do m me 1 in, Rudolf 555.
Dotl, Michael 155.
Dolmetsch, Arnold 158.
Dominicus, Jhann 155.
Domino, meaning of 21.
v. Dommer, Arrey 8.
Don«a, Karl 89.
Dorant-Dressler 294.
Dorn, Peter 543.
Dorsch, Joseph 554 f.
Dobtmund. Bachfest (Notiz) 205.
Dowland 412.
Draxler- Manfred, L. 568.
Dresden new Local Branch 220, 260*.
S. a. Notizen, Ortsgruppenberichte.
Dressier, Gallus 76, 81, 83, 87.
Drieberg 51.
Drosendorfer, Martin 155, (Dressntorffer)
156 f .
Drury, Lane for English opera 83.
du Bois, Marie-Rose 147.
Dubois, Theodore 84, 380.
Du Bos 234.
Du Buisson 238.
Duclos 84.
Dufay, Guillaume 75.
Dufort 203.
Du Fraigne 283.
Dulichius, Philippus 356.
Du Liz 260, (de Liz) 261, 262.
Du Mege 180.
Du Mesny 203.
Dumeynet 197, 221.
Du Mont, Henry 204, 165, 224, 226 f., 229,
234, 239, 254.
Dunhill on melody 95.
Duni 442, 460.
Dupuis 370, 448.
Dunstan, Diet, of music 245.
Dunstaple, Joh. 85, 106.
Duperier 160.
Duphly 351.
Dupin, Paul 147.
Dupuis 292.
Durante, Francesco 357.
von Dusch, Alexander 502.
Duton 192.
Eccard, Johann 223, 269, 71.
Echo vom Gebirge (newspaper) 349.
Eckard, Jean Godefroid 38, 139, (586).
! Eckert 223, 586.
Ecorcheville, Jules 17, 49, 128, 281. 362,
206, 218, 220.
Ecorcheville ( Tules) and the French
Section 332c.
; Edelmann 37.
Eder 285.
I Eglinger, G. 560.
i Editors of the IMG. since 1899 lc.
I Ehrenfeld, A. 526.
Ehrlich, Heinrich 143.
Eichberg, Rich. J. 240.
v. Eichendorff, Joseph 11, 44.
E ins IE del, church of Marie 64a.
Einstein, Alfred. Notiz uber den NachUfl
Agostino Steffani's im Propaganda-
Arohiv zu Rom 172.
Eisenach. Bachportrat (Notiz) 17.
Eisenhert, Melchior 153.
Eisenstadt 64a, 224c, 2Q0b.
Inhaltsverzeichnis.
■9
Eitner, Robert 69, 1 ff., 34, 44,60, 86, 237 ',
272, 322, 405, 407, 409 L, 418, 540, 568, 1
570, 573 fi., 597, 602.
Eitz, Carl 17, 363, 364.
Election of Presidiums- Voratand lc, 32d.
Elegie zither 346.
"Elegy" by Corder 271.
Elektra, see Strauss (Kalisch); also 260b.
Elgar's Wand of Youth 47, Symphony
in Aflat 64a, 274.
Elisabeth von Hessen 412.
Ellger, H. 361.
Ellinger 531.
Ellis, Ashton, life of Wagner 23.
Elssler (Sangerin) 67.
Emanuel Ludwig, Prinz v. Cothen 278.
Embry (Ann.) and Smart family 288.
En saga of Sibelius 128a (9).
Enderle 606.
Endowed opera-house 21.
Engelke, B3rnhard, Einige Bemerkungen
zu L. Schiedermair's »Bayreuther Fest-
spiele im Zeitalter des Absolutismus* 14;
Johann Friedrioh Fasch 263; I. Vor-
fahren, Jugend- u. Universitatejahre
263; II. Bis zur Bdrufung nach Zerbst
271; III. In Zerbst 276.
Engelke, Barnhard 205, 569, 633 f.
England. New Works in E. (V) 271; The
London "Worshipful Company of Musi-
cians",276.
English Chapel Royal, see Chapel Royal.
English ^Committee of IMG. 32c.
English "national opera" 18, 21, 82, 83,
116 (Webb), ?52, 272.
English Section of IMG., report 32c. !
English text to Wagner 18.
Epistola Nuncupatoria 87. ,
iTuroixovn? of Menander lb. |
Erasmus v. Rotterdam 99.
Erckenfried von Rixheim 534.
Erich, Nicolaus. Nagel, Zu N. E. 634.
Erk, Ludwig 322.
Erlebach 277.
Ermisch 220, 294, 384.
Ernst, H. W. 351.
Ernst Ludwig von Hessen, Landgraf 569.
Erwiderungen. Biernath-Koczirz 189;
Schnerich-P. W(agner) 191; Gandillot-
v. Hornbostel 191; Beyschlag-Ettler
245; Niemann-L. Riemann 331; Jachi-
mecki-Chybinski 381.
Escriva 47.
Essen. Lowe's" „Drei Wiinsche" (Notiz)
240.
Esser 557.
Esperanto as vehicle for opera 18, 22.
EstkbhXz 64a, 192b, 224c, 260b.
Esterhazy, Fiirst Nicolaus 305.
Estienne, J. B. Francois 225.
Etienne 163, 369.
Ett, C. 496.
Ettler, Carl, Ortegruppenbericht 95; die
Ornamentik der Musik (Bespr. des Beyr
schlag'schen Werkes) 143; Er widening
gegen Beyschlag 216; Ortegruppen-
bericht 294.
Ettler, Carl 222, 257.
Euklides 324.
Eulenburg scores 142.
Euripides 380.
Evelyn, J. 239.
"Everyman", by Davies 42.
Expert, Henri 242.
Extraits de Bulletin francais de la
SIM. 17: VIII. Ecorcheville, Gandiliot,
Leblond, Reboul. 49: IX. Collet,
Lichtenberger, Brehat, Masson, Ecor-
cheville. 85: X. Quittard, Landowska,
Kling, Calvocoressi. 114: XI. Carmen
Sylva, Pirro, Ritter, Vallas (Prin).
147: XII. Roujou, Holland, de la
Laurencie, Hautstont, Calvocoressi, Bils.
204: I. Brussel, van Bever, de la Lau-
rencie. II. Brussel, Stievenard, de
Bartha, Calvocoressi, Quittard. 238:
IIL R. Strauss, d'Indy, Brunieres et de
la Laurencie, Stievenard. 281 : IV. Bru-
nieres et de la Laurencie, Thibaut
(Ecorcheville-Wagner), Knosp. 319:
V. Laloy et Malherbe, Brenet. de Bertha,
Tchalan, Daubresse. 362: VI. Rolland.
Servieres, Chantavoine. 362: VII. (Rou-
jon -Ecorcheville), Rolland, d'Udine,
Griveau.
van Eyk 75, 99, 385.
Eymin, Arnaud 179 i.
Faber, G. 540.
Faber, Henricus 76, 79U 84, 87, 89, 93, 154.
Faber, Sigmundt 156 f.
de Fabre (Fabry), Louyae 159 ff.
Fabri, Niclas 154 i.
Fabry, Charles 160.
Fabry, Claude 160.
Faesch-Passavant 558.
Falconieri, Andrea 352, 357.
Falla 49.
Falw, Georg 535.
Farinelli 184, 223.
Farmer, John 357.
Farnsworth 159.
Farrenc, Aristide 143, 149.
Farrenc, Louise 143.
Farwell, Arthur 159.
Fasch, Aug. Heinrich 263; Fasch, Christoph
263; Fasch, Joh. Chriatoph 263; Fasch,
Martin 264; Fasch, Thomas Melchior
264; Fasch, Maria Magdalene, Friedrioh
Georg, Anna Sophia 264; Georg Friedrioh
265. — Fasch, Aug. Friedrich Christian,
10
Inhaltsrerzeichnis.
Christian Friedrich Carl 279; Carl 281,
283.
Fasch, Carl Friedrich Christian 479, 512,
521.
Fasch, Job. Friedrich 16, 223, 589 L;
Engelke, J. Fr. F., Versuch einer Bio-
graphic 263.
Fasche, Giinther Heinrich 263.
Fasch(ius), Augustin 263 i.
Fasolo, G. B. 357.
Fauconet 179.
Faurt, Gabriel 108.
Favart 444.
Feart, Rose 84.
Fechter 395, 534 ii.
Fedeli, Ruggiero 15, 174.
Feind, Barthold 575.
Fellner, Th. 151, 156, 158.
de Felstin, Sebastian 296, 98.
Ferdinand (Erzherzog) 153.
Ferdinand I., Hirzel, Dienstinstruktion
und Personals tatujs der Hofkapelle Ferdi-
nands I. aus dem Jahre 1527 151, 559.
Ferdinand II. 158.
Ferdinand Wilhelm Ernst v. Solms-
Braunfels 284, 287.
Fergusson's "Tree and Serpent Worship'*
103.
Ferrari, G. 177.
Ferrier, Paul 364.
Festivals, full list of English 140.
F6tis, Fr. J. 102, 206. 281, 1, 175 I, 195,
2061, 380, 409 i.
Feuersnot (Strauss) 199.
Ferrier, Henri 149.
Fidelio and "Troyens" 314.
Finck, Heinrich (Fungkh) 154, 157.
Fink, Hermann 269, 77, 83, 87 if., 93 f.,
102, 106.
Finnish music 128* (7).
Firnhaber, F. 156.
"First subject" and "Introduction" 275.
Fischer, Andreas 320.
Fischer, Erich 5.
Fischer, J. C. F., of Baden lb.
Fischer, Johann 15.
Fischer, Joh. Christoph 357.
Fischer, Joh. Georg Christian 285.
Fischer, Walter 350.
Fischer, Wilhelm 35.
Fisher, A. 450.
Fischietti 438.
Fitelberg, Gregor 206 f.
Flament, E. 84.
Flaviand Castra (Vienna) 224c.
Fleischer, Oscar 49, 206, 238.
Flemming, Friedr. Ferd. 481.
Flesch, Karl 352.
Flonzaley-Quartett 352, 360.
Flood, W. H. Grattan; see Chapel Royal. |
Florinz. Vortr&ge (Notiz) 240. I
Florimo 438.
de Flotte 182, 411.
Fluri, Ad. 536.
Flute, evolution of (Soothgate) 95.
Flying Dutchman, a new 271.
Fock, Dirk 384.
Folk music, American 159; connected
with Lanner 192a.
Fontaine 243.
de Fontenay 161, 204.
Fontenelle 575.
Foote 159.
Forkel, Joh. Nik. 3, 9, 279. 497, 512, 526.
Form in music (Stanford) 134.
Forqueray, Antoine 147, 204.
Forqueray, Jean Baptist e Antoine 147,
204.
Forst, Grete 353.
Forster 265, 269.
Fdrster, Caspar 15.
Fdrster, Eleonora 353.
Fdrster, Emanuel Aloys. Ludwig, Zwei
Briefe E. A. F.'s. 353.
Fouqut, L. M. 10.
Fournel, V. 245.
Fournier 159.
Franzl, Ignaz 557, (Carl) 557.
Franchetti, 177.
Francishkus, Jhann 155, (Francisco) 156.
Franck, Cesar 84.
Franck, Joh. Wolfg. 357.
Franck, Melchior 220.
Franco (v. Coin) 219, 73 f.
Francoeur 262.
Frank (Ernst), German librettist for
Stanford and Mackenzie 252.
Franke, F. W. 316.
Frankenstein, Ludwig 320.
Fbankpubt a. M. a. Notieen, Ortagruppen*
herir.hto
Fbankbsich. Arnheim, Ein Beitrag zur
Geachichte des einstimmigen weltlichen
Kunstliedes in Frankreich im 17. Jahrh.
399.
Franquefort, Francois 197.
Franz, Robert 357, 42.
Free combination (organ) 322.
Freislich, J. C. 277.
Frembken, Balthasar 320.
Fbench, "Bulletin" 32c, 332c; choir.
singing 89.
Frescobaldi, Girolamo 115, 351, 357, 122,
137.
Fret-strings (zither) 342.
Frey 477, 479.
Frey, M. 55.
Fric, Alberto 5.
Fricke, R. 223.
Friederici (Klavierbauer) 205.
Friedlaender, Max 49, 127, 148, 238, 384,
318, 473, 508.
Inhattoveraeichnia.
11
Fricdrich, Kaiser 537.
Friedrich d. Grosse 283.
Friedrich IV. v. d. Pfalz, Kurfurst 286.
Friedrich Wilhelm v. Solms-Braunfels
284 i.
Friedrich Wilhelm II. v. Preuflen 147.
Friedrich Wilhelm III v. Preufien 14, 61.
Friesenberger, HeinricuB 153.
v. Frimmel, Theodor 240.
Frobenius 539.
Froberger, Johann Jacob 159, 310, 351,
367.
Fuchs, Richard 300.
Frueaufy Rupertus 153.
Ffingkh, Heinrich, s. Finck.
de Furstenberg (Cardinal) 217.
Fuhrmann, M. H. 318 i.
Fuller-Maitland 138, 237, 279.
Fux, Joh. Jos. 306, 357, 602. 607.
Gabrieli, Giovanni 357.
Gacon 201.
Gade, Niels W. 192.
Gafurius 258, 88, 94.
de Gageron 178.
da Gagliano, M. 352.
de Gaillon, Roger 197.
Gal 162.
Gall 84.
Gall, Bernhardtus G. 397.
Galliard, J. £. 174.
Gallini, Sir John 296.
Galuppi, Baldassare 37, 357, 311, 448.
Ganassi 99.
Gandillot, M. 17, 191 f.
Ganz 542.
Garcia, Manuel, life by Mackinlay 23.
Gardano 106 i.
de Garlandia, Joannes 219, 73.
Gamier 253.
Gaspar de Rheno 539.
Gasparini 353, 434.
Gasperini, Guido 149.
Gasser 513.
Gassmann, A. L. 165.
Gastoldi, G. 357.
Gastoue, A. 187.
Gatty, Nicholas 81.
Gaudens La Forgue 190, 192.
Gaudentius 324, 336 f., 368 i.
Gaultier, Pierre 173 f., 206, 238.
Gay, John 446.
Gedalge, A. 198.
Gehrmann, Hermann 17.
Geibel, Emanuel 46, 51 f.
Geisler, Chr. 192.
Geitner, M. 223.
Geminiani 137, 262.
Genath, Joh. Seb. 540.
General meeting of English members lc,
32c.
Generati9 Pietro 501.
Genet-Carpentras, Eleazar 83.
Gennrich 238.
Georg, Grofiherzog v. Mecklenburg 42.
Gerando 362.
Gerbais 220.
Gerber, Ernst Ludwig 15, 241, 272, 467,
545, 574.
Gerbert, M. 267, 75 L, 80, 535.
Gerbig, Nic. 265.
Gerhardt, Paul 356.
Gerhardt, R. 223.
Gerle, Hans 82, 84, 90 1, 93.
German's (Edward) operas 82.
Germer and touch 22.
Germer, Heinrich 20.
Gern 497.
Gerson 258, 540.
Gervais 202.
Gervinus 113.
Gevaert, Francois Auguste, Riemann, F.
A. G. 102, 148, 360, 89, 399.
Geyer, Friedr. Wilh. Ludwig 61.
Geyer, Joh. George 571.
Gianotti 262.
Giardini, Felice 150.
Gibelius, Otto 386.
Gibert 49, 443.
Giesebrecht, Ludwig 481.
Giffon 178 1, 204.
Gigault 115.
Gilbert 195.
Gille, Gaspard 173.
1 Gilles 161 if., 176, 223.
; Gilly 84.
Giner 49.
Giordani 353.
Giorgi, Angelica 352.
Gitarre. Koczirz [Bespr. von: Biernath],
Die G. seit dem III. Jahrtausend vor
Christus 107.
Gitterhofer, Ludovicus 153.
Given, on newspapers 24.
Glarean 258, 267; Willfort, Gl.s Er-
widerung 337, 84, 324, 539 it, 549.
Glasenapp, Karl Friedrich 35.
Glasenapp, life of Wagner 23.
de Glatans 182.
Gleim 283.
Glinka, M. 364.
v. Gluck, Ghristoph Willibald 85, 312;
Grundung einer G.-Gesellschaft 320, 350,
353, 357, 1, 19, 31, 53, 71, 106, 431,
442 L, 445, 456, 463.
Gmelin, G. 282.
Gnecchi and Strauss 332b.
Goadelic Celtic 80. ,
Gobert, Thomas 227.
Godowski, Leopold 360.
Gohler (Georg) on Sibelius 128a (7).
Gorner, J. V. 205, 357.
12
Inhal to verzeichnis.
v. Goethe, Joh. Wolfg. 114, 115, 205, 221,
224, 240, 259, 280, 294, 1, 9 t, 12, 18 ff.,
35, 45, 53 it, 58, 66, 487, 505, 511.
Gogol 147.4
Goldner 487.
Goldoni, Carlo 432 i., 4381, 447, 513.
Go Id schmidt, Hugo 49, 147 (Anm.),
232 (Anm.), 400, 407.
Goldschmidt, Hugo, Leichtentritt,
Zur Verzierungaiehre (L3hre v. d. vokalen
Ornamentik) 613.
Gollitz, Peter 156 t
Golther, Wolfgang 85.
Gombert, Nicolaus 106.
Gomme, folklore 24.
Gon (Vassas College) 159.
v. Gottschall, Rudolf 177.
Gottscher, 16, 271 273.
Goudimel, CI. 15, 549, 552.
Go ui rand, Andre 174.
de Gouvenin, Louis 206, 246.
Governmental delegates to Vienna Con-
gress 260b.
Gow 159.
Graf 555.
Graf, Jacob 155.
Grahmann 276.
Garma, Hindu 87.
Grandjean, Louise 84.
Granouillet, Jean 186.
Grasset 319.
de Gratz, Clemens 155.
Grauendorffer, Hans 157.
Graun, C. Gottlieb 16.
Graun, Carl Heinrich 16, 278, 317, 457,
560, 607.
Graupner, Christoph 274 i., 278; Nagel,
Das Leben Chr. Gr.'s 568.
Greek accents lb.
Greek music, remains of lb.
Greek -tragedy competitions 271.
Green, Alice, XV century life 24.
Gregor, Josef, Die deutsche Romantik aus
den Beziehungen von Musik u. Dichtung.
W. H. Wackenroder 505.
Die Personlichkeit 510; die Werke 516;
das Kunstideal 522.
Gregor, Josef 259.
Grenet 261.
Gr£try, A. E. M., 353, 357, 445, 454.
Gretsch, Joh. Conrad 285.
Gretschel 331.
Griechische Musik s. Musik.
Grieg, Edward 206, 268.
de Grille d'Estoublon 177.
Grimaldi 174.
Grimarest 248.
Grimm 36.
Grimm, Jakob 222.
Griveau, M. 362.
Grocers' Company 297.
de Grocheo, Joannes 130, 219, 266, 269
Grober, G. 321.
Grosse, J. G. 540.
Gross mann 222, 456.
Grosz, Cunrat 155, (Gross) 156.
Grove 138, 568, 581.
Griienwaldt, Mathias 156.
Griinbaum, Therese 503.
Grunfeld, H. 352.
Griinewald 274, 574 ft
Griitzmacher 264.
Grynaus, Simon 545.
| Gstalter, Sebastianus 153.
\ Gu6dron 405, 409.
Gurtler, H. 561.
Guglielmi, Pietro 435.
Guerber, Myths of Greece and Rome 24
Guicciardi, Giulietta 160b.
Guichard 186.
Guichon 221.
Guido v. Arezzo 131, 268.
Guignard, Pierre 225.
Guignon 219.
Guilds 24; "guild-merchants' * 276.
Guiraman, Andre 159.
de Guise 238.
Gum mere, popular ballads 24.
Gunsbourg, Raoul 177.
Gun tram (Strauss) 199.
Gurlitt 223.
Guynad, Peter 155.
Gysendorfer 558.
Haas, Robert, Ortsgruppenbsricht Wien
259.
Habeneck, Fr. 84.
Haberl, F. X. 96, 322.
H a d o w , on national character in com-
position 321; on Haydn as Croatian
260b, 323.
Handel, Georg Friedrich 50, 78, 89; Heafi,
H.'s Samson in der Bearbeitung v. Fr.
Chrysander 110; 116, 127, 145, 147, 158,
172, 174, 189, 205, 219, 228, 230 ff., 240,
259, 309 f., 315 (Samson in Mainz), 317,
349 ff., 353, 357, 384, 261, 62, 69, 71,
261, 313, 317, 434 1, 4951, 521, 560,
574 it, 585, 607.
Haring (John) and Beethoven 299.
Hafis 50, 52.
Hagen 15.
Haiden, Hanns 394.
Haito 533.
de Haitze, Pierre Joseph 172.
Halbe, Joh. Aug. 455.
Halir, Carl 46, 319.
Halls a. S. s. Notizen.
Halliwell 445.
Halls (London guilds) 24.
Hamm, Adolf 258.
Hammer, Heinrich 159.
Inhalteverzeichnis.
ia
Hammerich, Angul 239, 264 (Anm.),
268 (Anm.), 333, 336 f.
Hammerich and Copenhagen museum
332b.
Hammer schmidt, Andreas 357.
Handl, Jacob 306 ff., 358.
Hanff, Joh. Nic. 358.
Hannemann, Rob. 331 ff.
Hans von Constanz 88.
Hanslick, Ed. 443.
Hapsburg dynasty 224c.
Hardouin 203.
Hardteroth 285.
Harkger, Henricus 397.
de Harlay, Francois 199.
Harmony-strings (zither) 342.
Harp-lute 346.
Harp-sounds (zither) 343.
Hartmann, C. V. 6.
Hartmann v. Munchenstein 534.
von Hase, Hermann 189.
von Hase, Oscar 257.
Haslinger, Tobias 477, 479.
Hass, J. A. 335.
Hasse, Carl 116, 355 f.
Hasse, Johann Adolph 9, 358, 278, 309 f.,
312 ff., 317 ', 431, 433 ff., 607.
Has(s)ler, Hans Leo 127, 202, 269, 350,
358, 78, 412.
Hauber 496.
Hauboys, Joannes 74.
Haupt 70.
Haupt mann, Gerhart 198.
Haupt mann, Moritz 268.
Hauser (Posaunist) 398.
Hauser, Kaspar 50.
Hausmann, Valentin 358.
Hautstont, J. 147.
Hawkins 172.
Haydn, Joseph 41, 51, 64, 90, 146, 160,
189, 205; Auffuhrung der »Riickkehr des
Tobias* (Notiz) 206; 240, 258 f., 281 f.,
294 ff.; HeuB, Die Wiener H.-Zentenar-
feier u. der III. KongreB der IMG. 301 ;
318 f., 350 f., 352, 356, 358, 384, 317, 487,
491 f.. 520, 530. 557. 560.
Haydn; centenary, see Vienna Congress;
connection with Mannheimers 32b;
violin-concertos 128a (2); relations with
Breitkopf and Hartel 128a (4); his
memorial in Vienna 224d; his »Tobias«,
see that head; his operettas 260b; a
Croatian by race 260b; relations with
young George Smart 292.
Haydn, Michael 36, 302 f., 308, 310, 358.
Haym, H. 358.
Haym, Rudolf 505 f.
Heckel, Wolf 322.
ixvQit of Terence lb.
Hegedus 352.
Hegel 480, 482 f.
Heilmann, Marie 224.
Heimerdinger, A., Ortegruppenbericht
Leipzig 223.
Heine, Heinrich 224, 38.
Heinichen (Kunstpfeifer) 320.
Heinichen, Joh. David 272 f., 573, 591%
607 l, 610.
Heinrich 534.
Heinse, Wilh. 525 1.
Heinz 454.
Held, Anna 223.
Heller, Max 239.
Heller, Stephan 362.
Hembel, Joh. Friedrich 284.
Hempel, A. 358.
Henisch 453.
von Henle, Bischof von Regensburg 90.
Hennebains 177.
Hennig, C. R. 282.
Henningsen, Magnus Peter 319.
Hensel, Franz 192, la.
Henricpetri 539, 549.
Hensel, Wilhelm 5.
Henslowe 445.
Heraklit 371.
Herbert, P. 64.
Herbst, Joh. Andreas 358.
Herder 525.
Hering, Alexander 68, 79.
Herluison 198.
Hermann-Hurlett, M. 360.
Herold 2.
Herold (Sangerin) 67.
Herold, A. Ferdinand 198.
Herpin, Rene 373.
Hertel, Joh. Gottfried 280.
Hertnhamer, Lasarus 155.
Hertzberg 281.
Hertzberger, Balthasar 612.
Herve\ Gharles 225.
Herwegh, Georg 48.
Herz, Henri 480.
Herzog, J. J. 548.
Hefi, Ludwig 319.
Hesse, (E. Ch.) 581, 5*5, 595 f., 605.
Hefl-Ruetschi 50, 238.
Hesse (Max) calendar 32b, 53.
Hettner, H. 505, 531.
HeuB, Alfred, ttber A. Schweitzer's J. S,
Bach 7; zu Mozart's MannheimerKlavier-
sonate (Erwiderung gegen Scheibler) 20
(18); das vierte deutsche Bachfest in
Chemnitz 45; die ersten Szenen der
»Zauberflote« (Ortegruppenbericht) 95;
Handel's Samson in der Bearbeitung von
Ft. Cbrysander 110; F. W. Zachow als
dramatischer Kantatenkomponist 228;
die Wiener Haydn-Zentenarfeier u. der
III. KongreB der IMG. 301.
Heuss, Alfred, Mozart's dramatic technique
64a, 95; Bach's Matthew Passion 208,
14
InbalUverzeichnis,
260a; Handel 260c; Emil Bohn of
Brealau 332b, 363. 368.
HeuB, Alfred 19, 127, 222, 224, 267, 308,
313, 316.
Heu taller, Martinus 153.
Hey, Julius f 242.
Heyden, Sebald 78, 87, 89, 91. 94 i.
Hcycr, Wilhelm 51.
Heymann-Engel, Sophie 350.
Hieronymus v. M&hren 74.
Hiersch, Christof 156.
Hill, K. 222.
Hiller, Joh. Adam 16. 446, 454. 457,
460 L, 471, 553, 608.
Hilprecht 108.
Hilteprandt, Philipp 173.
Hindsberg 192.
Hinsch 451, 575 f.
Hindu scale (Strangways) 86.
Hingston, John 423.
Historical concerts at Breslau 332d, 363,
368.
Hirsch, Paul 258, 320.
Hirschberg, Leopold, Der Tondichter A. L.
Marx 1.
Bisherige Urteile iiber Marx 1; I. Im
Druck erschienene Kompositionen 5;
II. Ungedruckte Werke 54; III. Ver-
loren gegangene Werke 66; IV. Geplante
Werke 68; V. Ausgaben u. Bearbeitun-
gen klassischer Werke 69.
Hirschberg, Leopold 51.
Hirschberg, R. 312.
Hirzel, Bruno, Dienstinstruktion und Per-
sonalstatus der Hofkapelle Ferdinands I.
aus dem Jahre 1527 151.
His, G. 541.
Hochbrucker 38. 140.
Hodler, Maria 384.
Hodt (Huet), Thonges 286.
H6chstetter, Peter 543.
Hockh 283.
Hoffmann, E. Th. A. 1, '505 i., 525. 531.
Hoffmann, Eucharius 77, 80, 83, 87, 94 f.
v.lHoffmannswaldau, Chr. H. 355.
Hofhaimer, Paulus 101, 152, 542.
Hofmann, Christof 155 i.
Hofmann, Melchior 272.
Hohenemser, Richard 51, 148.
Hohenemser, Richard, Das groflrussische
Volkslied (Ortsgruppenbericht) 383.
Hohitzer, Clement 156.
Hohmuth 569 i.
Holbein, Hans d. J. 259, 536.
Holly, Andreas Franz 453, 462.
v. Holtei, Karl 512 f.
Holtschneider, G. 205.
Holzach, Oswald 545.
Holzbecher (Sangerin) 67.
Holzwart, Valentin 547.
Homer 109, 358 f.
Homilius, Gottfried 358.
Hon(n)auer 38, 139.
Hoos, M. 360.
Hope (Margaret) and Smart family 288.
Hopkins, E. J 138.
Hoppe 50, 238.
Horaz 4801, 546.
Horn 353.
v. Hornbostel, Erich M., Musikalisches vom
XVI. Internationalen Amerikanisten-
KongreB in Wien 4; Musikleben bei den
Pawnee-Indianern (Ortsgruppenbericht)
63, 192.
Horwitz, Karl 64.
Hostinsky, Otakar 78.
Houdard de Lamotte, Antoine 201; s. a.
La Motte.
Houssu, Henriette Angelique 147.
HHmaly 50.
Huber, Jacob 559.
Huber, Ferd. 562.
Hucbald 325.
Huch, Ricarda 506, 511.
Hueber, Johannes 155.
Hubner, Christopher 320.
Hufiler, Johann 541.
Huet, s. Hodt.
Hugo 534.
Hugo, Victor 84.
J Hugo von Reutlingen 258.
Hulbert, on voice-training 24.
Hullmandel 37.
Hummel, J. N. 486, 504.
; Hunger, Ruepertus 153.
! Hunold 266.
Huray (Sangerin) 67.
Hurka, F. 358.
Huygens, Constantin 399, 404 f., 414.
i Hyagnis 337, 339.
Hymns, greek lb.
Hynel, Gerome 199.
, Iccander 265.
j "Immortal Love", Beethoven's 160b. 180.
; Imprisonment and City companies 277.
i Indian tonality 86; music in sculpture
(Southgate) 103, 117.
d'Indy, Vincent 238.
Ingegneri, Marc. 358.
Instrumente. Thuren, Nordische Musik-
instrumente im musikhistorischen Mu-
seum zu Kopenhagen 333, a. a. Buch-
mayer, Nef.
International Musical Emporium 128a (7).
Internationale Musikgesellschaft s. Musik-
gesellschaft.
"Introduction" and "First Subject" 275.
Iphigenia of Gluck in Esperanto 18.
Irish Ortsgruppe 32c.
Isaac, Heinrich 101; Riemann, Klein*
Studien zu Joh. Wolfs neuem Isaac-
Inhaltsverzeichnis.
15
Band 115; Wolf, Bsmerkungen zu Hugo
Riemann'8 »Isaac-Studien« 147, 152;
Ludwig, J., Wolfs Ausgibe der welt-
lichen Werke H. L's (Baspr.) 320, 542.
Iselin, Ludwig 544 i.
Iselin, P. 542.
Isidorus v. Sevilla 368.
Isori, Ida 352.
Italien. Kamienski, Mannheim und
Italien 307.
Jachimecki, Zdislaw 281, 381.
Jacob 205.
Jacob von Pfortzheim 540.
Jacobi 282.
Jacqmin 159, 174.
Jahn, Otto 19, 430, 455 li., 463, 474.
Jal 195, 198.
Jamblichus 370 f.
Jansen 557.
Jaques-Dalcroze, £. 363.
Jarnowitz 557.
J4ti, Hindu 87.
Jean Paul 477, 490.
Jecta, Raoul 231.
Jehin, Leon 177.
Jenny Lind 150.
Jensen, W. 47.
Jessen, Hermann 357, 514, 520.
Jews and Bramins 323.
Jhann 154.
Joachim, J. 90, 309, 318.
Joachim (Henry) and Smart family 288.
Joaquin 49.
Jocher 263 f.
Jodel (zither) 346.
Johann Albrecht v. Solms-Braunfels 286.
Johann Carl, Pfalzgraf zu Birkenfeld 285.
Johannes de Rheno 534.
Johans von Landskron 534.
Jommelli, Niccolo 353, 358, 310 it, 315,
435, 439, 457 i., 461 i., 469.
Jonas, A. 357.
Jonckbloet, W. J. 399, 404 L, 414.
Josquin dea Pre* 85 i., 91, 94, 99, 102, 109,
385.
Josquin, Jan, s. Blahoszlav.
Journalism, anonymous 251.
Journal contents for 1907—1908 96b.
Joyeuse (de Pezenas) 180.
Don Juan Manuel 47.
de Juign* 199.
de Jul(l)iard 182, 190 it.
Juliobona (Vienna) 224c.
Julius Caesar, Shakespeare's 260b.
Jung, Hans 286 i.
Jung, Joh. Jacob 287.
Juoigos of the Lapps 192c.
Juras, Priamu8 153.
Justice 409.
K. E. 2.
Kachel, Joh. Christoph 554 ii.
Kade 321.
Kandler, Christoph 569.
Kaiser, Georg 257, 500 i., 558.
Kaiser(in) 582, 585, 596.
Kalisch, on Bach's Matthew Passion 89;
on Strauss's Elektra 198.
K a 1 i s c h e r and G. Smart 287, 289.
Kalischer, A. Ch. 362.
Kametzki 594.
Kamienski, Lucian, Mannheim und Italien
307.
Kamienski, Lucian 127.
Kammermusik. Scheibler, Das IX. K.-
fest in Bonn 318.
Kant, Imanuel 9, 511.
Kantate. HeuB, F. W. Zachow als
dramatischer Kantatenkomponist 228.
KfcaoiiEQides 80.
Karl V. 152 i.
Karl XII. 573.
Karl der GroBe 265, 535.
Karlowicz, Jan 206.
Karlowicz, Mieczyslaw 177, * 206 f., 281.
Karlowicz, Polish symphonist 192b,
206.
Kattikas, Hindu 87.
Kauffmann, 591.
Kaufmann, L. 355, 361.
Keferstein 26, 33, 38, 41, 45, 482.
Kehrreim 118.
Ke in speck, Michael 538.
Keiser, Reinhard 358, 451, 574 tl.
Keller, Joh. Heinrich 398.
Kephesias 110.
Kerll, J. H. 351, 359.
Kern, Mathias 535.
Kerner, Justinus 52.
Ketenacker, Ambrosius 545.
Kidson on melody 95.
Kiesewetter, Raphael Georg 108, 107.
von Kilchen, Jacob 539.
King's minstrels 276.
Kinkeldey, Otto 219 f.
Kirchhoff 277.
Kirmis 287.
Kt&figce, zither 341.
Klark, Lars 336.
Klaubert, Christian 571.
Kleber 322.
Kleefeld, W. 569, 577 i.
Kleinpaul 316, 358.
v. Kleist, Heinrich 7.
Klengel, Frl. 294.
Klengel, Julius 46.
Klindworth 222.
Kling, H. 85.
Klingenberg, Fr. Gottlieb 319.
Klinger, Max 259.
Klingler, Carl 319.
16
Inhaltsverzeichnis.
Klitzsch, E. 52 f.
Klofi, Erich 222.
Klotz, Sebastian 86.
Kluge 282.
Knapp 159.
Knapp, Joh. 76, 79.
Khecht 455, 457 H.
Knetsch, Berthold 85, 148, 353.
Knispcl, H. 578.
Knochel, Const antin 582.
Knop 559.
Knosp, Gaston 281.
Kntipfer, Sebastian 80.
Kobbe, Gustav, music-criticism 24.
Koczirz, Adolf, [Bespr. von: Biernath],
Die Gitarre seit dem III. Jahrtausend
vor Christus 107, 190.
Koch, Joh. Wilhelm 287.
Koch, Martha Maria 279.
(Kockeritz) 280.
v. Kochel 19, 157.
Kohler, Geo. Valentin 571.
Koellicker, Peter 539.
Koenig, Rose, Wagner recitals 18.
Konigsfeld 62.
Kopke, Bud. 508.
Korner, Theodor 54.
Kotzschke 220, 294.
Koldewey 508.
Koller, Oswald 130, 265, 268.
Kolrosz, Johannes 547.
KongreB, s. Hornbostel. — Mittcilungen
iiber den III. K. der IMG. in Wien (Mai
1909) 33, 65, 97, 161, 225, 261, 296
(KongreBbericht), 297 (Resolutionen);
HeuB, Die Wiener Haydn -Zentenarfeier
u. der III. K. der IMG. 301.
Konzert (Concert). Chybinski, Zur Er-
klarung des »Concerto« (Notiz) 116;
de Wyzewa et de St. Foix, Les premiers
Concertos de Mozart 139.
Kopenhagen. Thuren, Nordische Musik-
instrumente im musikhistorischen Mu-
seum zu K. 333.
S. a. Ortsgruppenberichte.
Kopfermann, Albert 90, 205,[384.
Koswick, Michael 76, 82.
Kothe, Robert 353.
Kotter, Hans 322, 5411
Krabbe, Wilhelm 384.
Krakau. Katalogisierung (Notiz) 282.
Kratzer, Johannes 155.
Krause 205.
Krebs, Carl 267 (Anm.)!'
Krebs, Joh. Ludwig 3—9.
Kreisler, Fritz 361.
Kremser, Eduard 162 (Anm.).
Kretschmayr, H. 151, 158.
Kretzschmar, Hermann 14, 49, 90, 111,
224, 238, 281, 304, 307, 309. 318, (Er-
nennung zum Direktor der Kgl. Hoch-
schule f. Musik) 363, 384, 123, 491, 460,
462.
Kretzschmar successor to Joachim
332d, 363.
Kreutzer, Conradin 55.
Kreutzner and the Maria Zell mass 260c.
Krieger, Adam 205, 359.J
Krieger, Joh. Philipp 15, 574.
Krieger, Philipp 359, 363.
Kqovoic, s. Crousis.
Kroyer, Theodor 50, 202, 239. 87, 124,
152 f.
'■ Kruse, Georg Richard 240, 321.
Kuch, Joh. Baptist 15, 276 f.
Kuhn, Joh. Adam 286.
Ktihne 276.
\ Kuhnel, A. 359, 558.
I Kuster, N. 570 f.
K u h a c h on Haydn 324.
Kuhe, Wilhelm 141.
Kuhlo, Franz 145.
Kuhls, Karl 383.
Kuhn, Max 96, 99.
Kuhnau, Joh. 145, 266 ft, 573.
Kullak and tonch 22.
Kulwagner, Nicodemus 153.
Kummer, Joh. 164.
Kumtlich, Georg 280.
Kun(t)zen, Joh. Paul 15, 276.
Kussewitzky, Sergei 352.
Kuzzi 457.
Kwast, Jacob, J. Kwast-Chor 350.
de La Barre de Beaumarchais, A. 259,
La Borde 175 i. ,195, 204, 399.
de La Chenal 397.
Lacoste 202.
Lacroix 251.
de La Ferte\ Duchesse 218.
Lafontaine on Spanish music 95.
La Forgue, Gaudens 190, 192.
de La Grotte, Nicolas 402.
del Lago, Giovanni 100.
de Lagrange Triano, 196.
de La Janidre, Henri 225.
de Lajarte 202/206.
Laisn^, Claude 225.
de Lalande 224, 226 L, 240, 243.
Lalo, Charles 49.
Lalouette 225, 227, 243,
Laloy, E. 128, 158, 319, 232.
La Mara 362.
Lambath degrees 241, 425.
Lambert, Michel 238, 281, 238, 407, 415,
417 i.
de La Moignon (de Basville) 190 f.
La Mothe 213 f.
Lamoureux, Charles 84.
Lancet ti 557.
Land, J. P. N. 399, 404 f., 414.
Landino, Francesco 219.
Inhalteverzeichnis.
17
Landowska, Wanda 85, 258, 310, 351, 357,
360.
Landshoff, A. 358.
Landshoff, L. 355.
Lanes, Mathieu 182, 189.
Lanfranco, Giovanni M. 77, 81, 88 f.
Lang 592.
Lang, Joh. Christoph 285.
Langbein, Gertraut 127, 220, 353.
Lange, G. 264.
Langer, Ferd. 501.
de Lange, S. 205, 282.
Language question in opera 82.
Lanner, Josef, Zoder, J. L/s Fortleben
im Volksliede II 161.
Lanner and folksong 192a.
Lanngkusch (Christof) 154 L
Lapeyrette 84.
Lappish folk music 192b.
Laryngoscope 23.
Lasso, Orlando 259, 269, 350, 102, 390.
v. Laufenberg, H. 266, 268.
Laumonier, P. 400.
Laur, Ferdinand 560, 562.
de la Laurencie, Lionel, Notes sur la
jeunesse d' Andre Campra 159.
I. La famille de Campra 159; Enfance
de C. 161; La maitre de C. : Poitevin 162;
La maitrise et la milieu artistique ou
Ie jeune C. devait poursuivre son Edu-
cation musicale 170; Les occasions de'
initier a la musique dramatique 173.
II. Campra maitre de musique a Aries
176; C. a Toulouse 180. IV. C. a Paris
194. V. La musique religieuse de C.,
pendant qu'il £tait un musicien d'eglise
225; Musique dramatique 243.
de la Laurencie, Lionel 128, 147, 204, 238,
281, 259.
Laurent, C. 199.
Laurentius 275, 277.
Laute-Brun 84.
de Lautrec 182.
Lavoix fils 399.
Lazzarin 238.
Le Begue 115.
Leberecht, Peter 41.
Lebert, S. 20.
Leblond, M. A. 17.
Lecerf (de la Vieville) 202, 208 f., (227),
228, 233 ff, 241 it, 246 i., 250 i., 253,
255.
Lechner, Leonh. 359.
Leclair, Jean Marie 351, 359, 198; Scheur-
leer, J. M. L. Taine in Holland 259.
Ledebur 1, 21, 66 f., 318.
Leder, Daniel 286.
Lee, Vernon 128.
Le Grand 38, 140.
Legrand, Daniel 556.
Legrenzi 352, 359, 227.
Lehmann-Nitsche, Dr. 5.
' Leibniz 364, 263.
Leichtentritt, Hugo, Auffuhrungen alterer
Kon positionen in Berlin wahrend des
• Winters 1908/9 349; zur Verzierungs-
lehre. (Ausfiihrliche produktive Kritik
, ttber Goldschmidt: Die Lehre von der
vokalen Ornamentik I und iiber Bey-
J schlag: Die Ornamentik der Musik) 613.
\ Leichtentritt, Hugo 384.
! Lejeune 238.
\ Leinster school of music 32c.
: Leipzig s. Notizen, Ortsgruppenberichte.
Le Jolivet 206.
Le March and (Louis-March and) 208 if.,
213.
Lemetz, Thomas 155.
1 Lemonnier 442.
Lenart, Gita 352 f.
von Lenz, Wilhelm 362.
Leo 309, 314, 434.
Leo X. (Papst) 322.
\ Leoni, Leon 359.
, Leoninus 219.
Lepeintre 207.
, Lesage 444. *
Le Rochois, Marthe 248.
1 Leschetitzky and touch 22.
! de Lescurel, Jehan 400.
> Lespy, Francois 225.
I Lessing, G. E. 1.
I Lettish folk music 192c.
! Leu 559.
Le Vasseur, Nicolas 174.
Levi, E. 321.
Levi, Hermann 222 f.
Lewy, H. 456.
Lexicons of music 246.
Library shelf-arrangement 22.
Lichtenberg, J. C. 604.
Lichtenberger, Henri 49.
Liebeskind, Josef 320.
Liebisch 277.
Lied. Springer, Venezianische Liedmusik
des 1 8. Jahrhunderts (Otsgruppenbericht)
126; Wolf, DieMelodien der Troubadours.
Eine Besprechung der Beck'schen Publi-
kation 129; P. Schoffer's Liederbuch
(Mainz 1513) neu gedruckt 150 (Notiz);
Zoder, Jos. Lanner's Fortleben im
Volksliede II 161; Tovey, a Schubert
song analysed 168; Hohenemser, das
groBrussische Volkslied (Ortsgruppen-
bericht) 383; Arnheim, Ein Beitrag zur
Geschichte des einstimmigen welt lichen
Kunstliedes in Prankreich im 17. Jahrh.
399.
Lieni(g)ke, Christ, Bernh. 277.
Liephardt, Gregor 156 f.
de Li esse, s. Du Liz.
v. Liliencron, Rochus 546.
2
18
Inhaltaverzeichnis.
Lillo 446.
Limbach 571.
Lincker 286.
Lindner, E. O. 576.
Lind, Jenny 150.
Linnemann, Richard 384.
"Lines" of Vienna 224c.
Liseregkher, Laurentz 155, s. a. Riseregkh.
List of member*, August 1909.
Listenius, Nicolaus 79.
Liszt, Franz 50, 194, 281, 309, 317, 362,
33.
Liszt's, complete works Id, 64d.
Lithuanian music 192b.
Littleton, A. H. 241.
Liturgical year (Staley) 26.
Liverymen 278.
Livet, Ch. L. 406.
de Liz 261 f.
Lobe, Joh. Chr. 477, 480.
Lobwasser 549.
Locatelli, Pietro 259.
Locatelli, Sebastian 239.
Lochon 228.
Loder, Martin 155.
Lore, Moses 398.
Lother, Joh. Heinrich 286.
Lowe, Carl 240, 9 f., 12 f., 24, 30, 38, 51 L,
54, 61, 477, 480 (Briefe an G. Weber),
562. %
Lowe, Ferdinand 311.
Lowe, Joh. Jacob 15.
Lowenfeld, H. 148, 320.
Lowenfeld, Hans, Inszenierung der Zauber-
flote (Ortsgruppenbericht) 220.
Lowenstein, Rudolf 52.
Lohse, Otto 177.
London s. Notizen, Ortsgruppenberichte.
de Longueville 406.
Lopez, Francois 259 f.
Lorenzani, Paolo 227 f., 232, 237, 240.
Lorenzo de' Medici 321.
Loret, J. 406, 408, 410. 415.
Lortzing, Albert 321.
Lossius, Lucas 76, 83, 87 f.
Lotti, Antonio 352, 359.
Louin, Julien 192.
Louis 189.
Louis le grand 172, 198.
Louis, P. 356.
Louis XIV. 177, 403.
Lucchini, Antonio 435.
Ludwig, Franz 223.
Ludwig. Franz, Zwei Briefe Emandel Aloys
Formers 353.
Ludwig. Friedrich, Joh. Wolf's Ausgabe der
Welt lichen Werke H. Isaac's (Bespr.)
320.
Ludwig, Friedrich 51, 239.
Ludwig, Joh. Georg 287.
Ludwig von Eptingen 534.
Ludwig von Thier stein 534.
Ludwig II. and Wagner 153.
Lueger, K. 303, 305.
LQnich 276.
v. Liitgendorff, W. L. 559.
Lully, J. Baptiste 238, 259, 281. 352, 159,
165 f., 173, 202 I., 218, 227, 230, 232, 234.
238. 243 f., 246 ff., 254 ff., 258. 261. 415,
442.
del Lungo 321.
Lunn, Kirkby 352.
Luscinius 88 f.
Lusitano, Vincentio 77, 80.
Lute music (Dodge) 95.
Luther 11 f.. 70. 540, 550.
Lutz, M. 545.
MacAlpin, Colin 82.
Maccari 439.
MacCurdy, George Grant 4.
de Machault, Guillauine 400.
de Machy, Thomas 198.
MacKay, Louise 353.
Mackenzie, Alexander 311.
Mackenzie, operas 82, at Vienna
Congress 260b. on Mendelssohn 260c.
Maclean, AJick 82.
Maclean, Ch., Moody- Manners English
Opera Company 80; Sidelight* from
India on genesis of tonality 86; Brighton
musical festival 140; Tschaikoffsky's
"18 12" score 142; London Worshipful
Companv of Musicians 276; "Trojans''
of Berloz 312; the Zither (Bavarian
highlands) 341; New works in England
47. 271; Misc. 18, 31, 88, 95, 117, 149,
156, 175, 241, 322; see Referenten. Sir
George Smart, musician-diarist 287.
| Macmillan, Francis 352.
de Madron 1S8.
M a r z , organ-builder 322.
Maeterlinck, Maurice 149.
Magazine contents for 1907—1908 260c.
Magdalena Sophia v. Solms-BraunfelsiW.
Mahillon, V. C. 333.
! Mahler, Gustav 115.
: Mailand s. Notizen.
| Maillart 265.
|de Maillebois 187.
' Mailly 173, 406.
Mainz. Roth, Vom Mainzer Musikfest 315.
Major 542.
Maitland. F. A. Fuller 153.
Malefette 192.
Malet 186.
Malet d' Avignon 187.
Malherbe (Dichter) 400 i.
Malherbe, Charles 128,158,177,311.319.
Malibran 23.
M a n c i n e 1 1 i a s Wagner-conductor 210.
Mandelli, Fortunato 172.
Inh<everzeichnis.
19
Mandyczewski Eusebius 90, 304.
Mangold, Karl 245.
Manhester 159.
Manners, Charles 80.
Mannheim. Kamienski, Mannheim und
Italien 307.
Manse rgh, see Manners.
Manskopf, Nicolas 259.
Mantuani, Josef 1521., 157.
Mara 557.
Marais, M. 202, 245, 261.
Marbot 159, 161 L, 170 i., 173, 176, 207,
223.
Marcello, Benedetto 172.
Marchand, Louis 359, 208 it, 213, 225.
Marchettus (de Padua) 268.
Marenzio, Luca 350, 359.
Mareschall, Samul 549 li.
Maria Antoinette 359.
Maria Theresa 224c.
Mariat de Mantua 156.
Mariazell mass of Haydn 260c.
(Haydngedenktafel) 282.
Marini, Biagio 122.
Mariotte 362.
Mariotte and Strauss 332b.
Marly-Laveaux 402.
Marnold, Jean, Les fondements nature Is
de la musique Grecque antique 323.
Origines 323; Crousis 334; Olympos
337; Terpandre 348; Archiioque" 353;
Pythagore 360; Le nombre de Platon
370; Aristoxene 379.
Marot, Clement 198, 401,
Marpurg, Friedrich Wilh. 146, 60, 265,
271, 525.
Marschner, Heinrich 14, 486.
Marsyas 337, 339.
Martell, Karl 65.
Martienssen, Karl 220, 384.
Martin, J. B. 435.
Martinelli 439.
Martini 322.
Martini, Geo 571.
Martini, Padre 351, 359.
Marty, Georges 84, 118.
Martyrs, virgin 241.
lit'tQivf and jLtngivi 241.
Marx, Adolph Bernhard, Hirschberg, Der
Tondichter A. L. M. 1, 431, 495.
Marx, Therese 2, 5, 59, 61, 64 it, 68, 72.
Mason, John 445.
Masarey-Tollmann 558.
Masked balls 21.
Massenet, Jules 84, 149, 282, 364.
Massenus, Petrus 156.
Masson, C. 325.
Masson, Claude Ludovic 22 5.
Masson, musical memories 150.
Masson, P. M. 49, 400.
Maszynski, P. 206.
Kaiser Mathias 158.
Mathias, F. X. 51.
Mathelin 185.
Mathieu 227.
Matthei 294.
Mattheson, Joh. 15, 145, 352, 278, 568,
574 L, 607.
Matthew Passion, see Bach.
M a 1 1 h e y and p. f . touch 22.
Maugue, Jules 84.
Maupoint 203, 220.
Maurin, E. F. 171.
Max Franz v. Osterreich 492.
Maximilian 321, (romischer Konig) 537,
(Kaiser) 542.
Maximilian I. 152, 158.
Maximilian II. 158.
Mayer, Dr. Bischof 303.
Mayer, P. 398.
Mayer, Steffan 155.
Mayerhoff, Franz 45.
Mayer-Reinach, Albert 50, 239.
McWhood 159.
v. Medici, Giovanni (Leo X.) 322.
Mehul 350. 501.
Meier (Sanger) 67.
Meissner 454.
Meissonnier 261.
Meistersinger guilds 160a.
Melani, Alessandro 227.
Mell, Gerhardus 153, 157.
Melle (Organist) 154, 157.
Melody (Kidson. Dunhill) 95; melody-
strings on zither 341; "melodie tonic"86.
Melzer, H. 384.
Melzer, Rudolf 219, 355, 361, 384.
Members, list of, August 1909.
Menander play la.
Mendel 1.
Mendelssohn, Arnold 71.
Mendelssohn-Bartholdy, Felix, 84. 150;
Mendelssohniana (London) 175; Mendels-
sohnfeiern (Notiz) 177, 189; Mendels-
sohn-Gedachtnisfeier in Kopenhagen
(Ortegruppenbericht) 192, 205, 223 f.,
239, 318, 7, 28, 30, 33, 39, 60, 69, 546,
562.
Mendelssohn; appreciations 175; his
descendants 176.
Mendes, Ca tulle 282.
Menestrier, P. 173, 244 it
Mennicke, Karl 278, 310.
Mensural musik. Schunemann, Zur Frage
des Taktschlagens u. der Textbehandlung
in der M. 73; Chybiriski, Zur Geschichte
des Taktschlagens u. des Kapellmeister-
amtes in der Epoche der M. 385.
Menter, S. 357.
Mercier, J. B. 206.
"Mercure", French 32c, 332c.
Mereaux, X. 38, 143.
2*
20
inhalteverzeichnis.
Merge 1, Daniel 545.
Merian-Forkhard 558.
Mersenne 390, 400, 402, 404, 466 f., 409,
414.
Mersswanger, Bartholomew 153.
Messchaert, Joh. 311. 316, 318.
Messager, Andre 84, 188.
Metastasio, Pietro 16, 311, 436, 438, 526.
Mctzsch 571.
Meyer ( Blase r im Basler funster) 398.
Meyer, Gregor 548.
Meyer, P. 533, 552.
Meyerbeer, Giacomo 477, 487, 497, 500 i.
Michaelis 206, 253.
Michaud 195.
Michel (Audencier), Guillaume 408 ft.
Michelangelo 307.
Michelmann 263.
Michiels 402.
Mieck, Joh. Jacob Wilhelm 287.
Miescher, F. 544.
Migliavacca 431, 433 ft.
Mignard, Jean Baptiste 160.
Mignon, Jean 194 L, 228.
Milan, Luis 108, 402.
Milandre 359.
Milder-Hauptmann, Anna 68 i.
Miles and Smart family 287.
Military band supplements to orchestral
scores 142.
Miller, Jul. 501.
Millet, Lluis 49, 83.
Miniature scores 142.
Minnesinger 160a.
Minor, Jak. 508, 511, 517, 519.
Minstrels 160b, 276.
Mireur 159, 176.
Mireille of Gounod 26.
Missa Papae Marcelli 96a.
Mistral, his memoirs 26.
Mitteilungen der IMG. s. Musikgesell-
schaft.
Mittexwald. zithers 341.
Mohr, Franz 1 f.
Moliere 403, 442.
de Mollier (Molier, Moliere), L. 408, 418.
Molinier 186.
Molitor, Bernhard 334.
Molitor, Raphael 99, 101.
Mondonville 262.
Mone 62.
Moniuszko, Stanislaus 206.
Monn, C. 304.
Monn, Georg Matthias 64, 308, 359.
Monnet 399.
Monrot d'Arras 219.
Monsigny 442.
Montaigne 254.
de Montbuysson, Victor 412.
Monte Carlo. Oper (Notiz)^177.
Monteil de Grignan 177.
Monteverdi, Claudio 229 f., 308, 352, 359,
390.
de Montigny, Valette 240.
de Montmorency, Anne 180.
Moody-Manners, English Opera Company.
Article by Ch. Maclean 80.
Biographie of Fanny Moody and
Charles Manners. Formation of com-
pany (1897), following Pyne Harrison,
Carl Rosa and Turner. Its fortunes.
The "English National Opera" question
fully analysed. Sketch of English-made
operas since 1834. Importance of the
language question is exaggerated. Re-
duction of prices more important.
Essential point of all is to obtain a
subsidizing governmental authority,
which shall in return for the subsidy
override commercialism, and require
things to be done for sake of indigenous
art, whether immediately profitable or
not. The Manners company has acted
so as to lead up to such a situation.
Moos, Paul 524, 526.
Morambert 213, 258.
Mo ran, Dora 353.
Moreau 186, 203.
Morera 49.
Morin 180, 553.
Moritz von Hessen, Landgraf 412.
Moritz Wilhelm v. Sachsen-Zeitz 271, 276.
Morlacchi, Francesco 484, 502.
Morley, Thomas 359, 100, 106.
Morphy 108, 402.
Morzini, Graf 275.
Moscow, evacuation of 143.
Mosel HI, 113.
Mosewius, Theodor 18, 21, 31, 33.
Mosewius on Bach's Matthew Passion
260a.
M o 1 1 1 and Berlioz 312.
de la Motte, Houdard 204, 214, 217,
247 ft.
de la Motte FouquS, Friedrich 67.
Moussorgsky 147, 194 ff., 319.
Moudenc 159.
Moulinie, Antoine 406.
Moulinie (Moulinier), Etienne 406 i., 409 f.
Moulinier 226.
Mourgue (dit Cousin), Pierre 180 f., 184.
Mozart, Carl 220.
Mozart, Leopold 20, 40, 139 f., 143, 146,
222, 384, 308, 316, 463.
Mozart; influenced by Schobert 32b, 35;
his dramatic technique 64a, 95; as eight-
year-old composer 128a (6), 160c, 181:
his memorial in Vienna 224d.
Mozart, Wolfg. Amadeus, Zu Mozart's
jgMannheimer Klaviersonate (Scheibler-
Heufi) 18; de Wyzewa et de St. Foix,
Un maitre inconnu de M. 35 — 50, 51, 85,
Iimaltsverzeichnis.
21
95, 118; de Wyzewa et de St. Foix, Les
premiers Concertos de M. 139 — 146, 205;
Lowenfeld, Inszenierung der Zauber-
flote (Ortsgruppenbericht) 220, 222 f.,
239, 259, 303 f., 351 f., 359, (Zauberflote
in Paris) 364, 35, 55, 317; Preibisch,
Quelle nstudien zu M.'s »Entfuhrung aus
dem Serail« 430, 478, 483 f., 488, 492,
495 f., 513, 520 f., 530, 557, 560.
Mozart, Wolfg. Amadeus (Sohn) 220.
Miihlbach, L. 37.
Muhlenberg 287.
Muller, Friedrich 571.
Miiller, Walter, Ortsgruppenberichte 127,
222 f., 257, 384.
Muller, Wenzel 503.
Muller, Wilhelm 22, 44.
Muller-Brunow 242.
Milliner, Adolf 501.
Munchen s. Notizen.
Muffat 351.
Muffat, Georg 308, 310 (?), 351 (?),
360 (?).
Muffat, Gottlieb 310. 351 (?), 360 (?).
Muht, Johann 286.
Muller, Conradus 335.
Mundt, Theodor 31, 37, 68.
Munich opera and Ludwig II 154.
Munzingsr 398.
Muraire 203.
de Muris, Joannes 219, 136, 325, 344.
Music-festivals, see Festivals.
Musica divina (Proske) 96a.
Music-lexicons 246.
Musical Association of London 32b. 95.
"Musical Herald" on French choirs 89.
Musical Instruments in Indian Sculpture.
Article by T. Lea Southgate 103.
The Buddhist funeral tumuli (called
Topes) at Sanchi in Bhopal state and at
Araravati in Kistna district, contain an
incredible amount of sculpture, which
has been illustrated in Jas. Fergusson's
"Tree and Serpent Worship" (1873).
Article shows the conclusions to be
drawn from the musical figures in the
sculpture. See also page 117.
Musical sense, its cerebral development 88.
Musicians' Company 276.
Musik. Marnold, Les fondementa naturels
do la musique Grecque antique 323;
Gregor, Die deutsche Romantik aus den
Beziehungen von Musik u. Dichtung.
W. H. Wackenroder 505; Nef, Die Musik
in Basel. Von d. Anfangen im 9. bis zur
Mitte d. 19. Jahrhunderts 522.
Musikberichte. Barcelona [Spanisches
Bachfest] 83; Paris: Prod'homme 84.
Musikbibliothek s. Bibliothek.
Musikfest. HeuB, Das vierte deutsche
Bachfest in Chemnitz 45; Spanisches
Bachfest in Barcelona 83; IV. Posener
M. 282 ; Bachfest in Dortmund 205 ; Roth,
Vom Mainzer M. 315; Scheibler, Das
IX. Kammermusikfe8t in Bonn 318.
Musikfreunde, Gesellschaft der (Vienna)
224c, 332c.
Musikgeschichte. Seiffert, C. Sachs: M.
der Stadt Berlin bis zum Jahre 1800
(Bespr.) 317.
Musikgesellschaft, Internationale.
A m 1 1 i c h e s. An die Mitglieder der
IMG. (Vorstandswahl) 1; Mitteilungen
uber den II. KongreB 33, 65, 67, 161
u. Beilage (vorgeheftet) 225, 261, 296
(KongreBbericht), 297 (Resolutionen).
Landessektion Sachsen(-Thuringen)
257.
HeuB, Die Wiener Haydn-Zentenar*
feier u. der III. KongreB der IMG. 301.
Ortsgruppenberichte.
Basel (Gesamtbericht) 258.
Berlin (7. Nov.) 126; (29. Jan.) 219;
(27. Febr.) 220; (8. Mai, 15. Mai) 383;
(11. Juni, 26. Juni) 384.
Briissel (Jan.?) 158.
Dresden (16. Marz) 220; (29. Apr.) 294;
(2. Juli) 384.
Frankfurt a. M. (16. Jan.) 258.
Kopenhagen (13. Febr.) 192.
Leipzig (26. Okt.) 95; (24. Nov.) f27
(12. Dez.) 220; (19. Jan.) 220;
(16. Febr.) 222; (8. Marz) 223
(23. Apr.) 294; (6. Juli) 384.
London 95.
Paris (19. nov.) 127; (12. janv.) 158.
Washington (dec.) 158.
Wien (10. Apr.) 63; (13. Marz) 259.
Musikunterricht an russischen Schulen
(Notiz) 282.
Musikvereinigungen. Internationale Mu-
sikgesellschaft s.Musikgesellschaf t.Spohr-
Gesellschaft 17; Societa Internationale
. per la diffusione della Musica da Camera
118; Assoziazione dei musicologi italiani
(Verein italienischer Musikforscher) 149;
Gluckgesellschaft.320; Barth'sche Madri-
gal vereinigung350 ; JacobKwast- Chor350 ;
Aachenera cappella-Chor350; Flonzaley-
Quartett 352; Tonwortbund 17, 364.
Musurgia of Ath. Kircrher lc.
Myers 99.
Myers cough and Iish Ortsgrupper
32c.
Mylius, Gottfried 571.
Mylius, Wolfgang 360, (Wolfgang Michael)
570.
Mystery-play, Cornish 22.
Nadal, (Francois) 182. 199,
Nadi, Francesco 438.
liagelein, Geo. Martin 570.
£2
Iiihaltsveraeichnis.
N&geli, H. G. 558, 562.
Nagel, Wiliibald, Das Leben Christbph
Graupner's 568; Jugendjahre u. Unter-
richt, Leipzig 569; die Hamburger Zeit
573; Darmstadt 579; zu Nicolaus Erich
634.
Nagel, Willibald 50, 238, 547.
v. Nagler-4*7.
Nakon vat (Cambodia) 117.
Napoli-Signorelli 431, 438, 450.
Nardini 351 f.
Nares 292.
National character in composition (Hadow)
321.
National opera, see English National
Opera.
Naumann, Joh. Gottlieb 438.
Naumann, Otto 315 ff.
Nay, Egyptian 105.
Naylor, Edward Woodall 149.
Nebel 568.
Neefe, Christian 353, 106, 456.
Nef, Karl 49, 85, 238, 258, 331, 363.
Nef, Karl, Zur Cembalofrage 236 (s. anch
Buchmayer, R); Ortsgruppenbericht
Basel 258; Die Stadtpfeiferei u. die
Instrumentalmusiker in Basel (1385 —
1814) 395; die Musik in Basel. Von den
Anfangen im 9. bis zur Mitte des 19. Jahr-
hunderts 532.
Negro music 159.
"Nelson" mass of Haydn 260b.
Nemeitz 242.
Neuberin 280.
Neukomm 560.
Neuhauser organ at Vienna 224c.
Neumann (Angelo) and Wagner 210.
Neumeister 282.
Neuner, Sigmundt 159 i., (Sigmundt
Paugkher 155).
Neusidler, Hans 90, 322 (Newsidler).
Newark 240, 422.
Newmarch (Rosa) on Sheffield Festival 42.
Newspaper articles 1907—1908 192a.
New Works in England. Works by Fred.
Corder, Friedrich Delius, Ed. Elgar,
Alick Maclean, E. W. Naylor 47, 271.
Nice. Oper (Notiz) 177.
Nicolai, Gustav 56.
Nicolai, Otto 240.
Nicolau 49.
Niecks on the waltz 192a.
Nielsen, Isak 336.
Niemann, Walter, Erwiderung gcgen Ludw.
Riemann 331.
Niemann, Walter 568.
de Niert s. Nyert.
Nieresen, Paul 320.
Nies, Hanns 156.
Nietzsche, Friedrich 359.
Nikomachus v. Gerasa 360 f., 365.
Nin, J. Joachim 351.
Nini, Giov. Ant. 435.
Nivers, G. G. 227, 230.
de Noailles, Due 185, 198 f., (2181),
221 i., 248.
NoBler, E. 356, 359.
Nohl, Ludwig 3.
de Noinville, Durey 203.
Nolson, Jeanne 147.
Nomenclature (Gilbert) 95.
Norlind, Tobias 410.
Noskowski, Z. 206.
Notices to subscribers 64c.
Notizen aus:
Basel (Nef, Historisches Konzert) 85,
(Nef) 363.
Berlin (Theaterausstellung) 148, (Preis-
ausschreiben f. Harmoniumkomposi-
tionen; Einweihung d. Musiklehrsaales
d. KgL Bibliothek) 205, (Bibliothek d.
Tonkunstlervereins) 240, (Kretzschmar
Hochschuldirektor; Akad. Institut f.
Kirchenmusik) 363.
Bitterfeld (Werner) 17.
Bonn (Beethovenfest) 281.
Breslau (Bonn's 70. Geburtstag) 148;
(Bohn t) 363.
Briissel (Gevaert-Trauerfeier. Tinel G.'s
Nachfolger. Snoeck'sche Sammlung)
148, (Snoeck'sches Vermachtnis) 175.
Cassel (Spohr-Gesellschaft) 17, (Spohr-
Konservatorium) 240.
Coin (Praetorius) 85.
Dresden (Daffner) 175, (Hamlet mit alter
Musik) 205, (Schutz-Auffuhrung) 320.
Dortmund (Bachfest) 205.
Eisenach (Bach-Portrat) 17.
Essen (Lowe's »Die drei Wunsche«) 240.
Florenz (Vortrage) 240.
Frankfurt a. M. (Gehrmann) 17.
Halle a. S. (Volksliederabend. Collegium
musicum) 116, (Neuer Schulerchor)
240, (Abert) 282.
Krakau (Katalogisierung) 282.
Leipzig (Tonwortbund) 17, (Sonaten-
abend Porges-Hasse) 115, (II. Musik -
fachausstellung) 320,(Riemann's60.Ge-
burtstag. Universitatsjubilaum, Ton-
wortbund) 363 f.
London (Wagner) 17, (National opera)
116, (Sidelights from India on the
genesis of tonality) 86, (Prize-Opera)
148, (Mendelssohniana) 175, (John
Blow) 240, (National character in
composition) 321.
Mai land (Theaterausstellung) 17, (Spon-
tini) 282.
Mariazell ( Haydn- Gedenktafel) 382.
Monte Carlo (Oper) 177.
Miinchen (Roth: Hey t) 242, (Organ
control systems) 322.
Inhaltsverzeichnis.
Nice (Oper) 177.
Paris (Prod'homme: Opera) 118,(Reycrt.
Opera) 148, (Opera, Malherbe, Henne-
bains) 177, (Opera. Tiersot. Expert)
242, (Opera) 282, (Saison russe.
Opera) 364.
Posen (Musikfest) 282.
Prag (Handel- Jubilauinskonzert) 89,
(Rietsch) 364.
Regensburg (Proske'sche Musikbiblio-
thek) 90.
Rom (Soeieta internazionale per la
differenza della niusica da camera) 118,
(Assoziazione dei musicologi italiani)
148.
Stuttgart (Historisches Konzert) 205,
(Wiirtenibergischer Bachverein) 282.
Weenen (Haydn) 205.
Weimar (Obrist) 148.
Wien (Haydnausgabe. Sandberger) 89,
(Beethoven-Denkmal) 283.
Zakopane (Karlowiez t) 177.
Chybinski, A., Zur ErkJarung des •Con-
certo* 115; M. Kariowicz f 205.
Gluckgesellschaft 320.
Mendelssohn's 100. Gedenktag 148; Men-
delssohnfeiern 177.
Mozart's Mannheimer Klaviersonate
(Scheibler-HeuB) 17.
Musikunterrieht in russischen Schulen
282.
Saint Cecilia 241.
Sch offer's Liederbuch (Xeudruck) 148.
Shedloek's Scarlatti- Ausgabe 148.
Volksgesang, deutecher 205.
Zur Notiz (Cembalo-Klaviehordfrage zwi-
schen Nef und Buchmayer) 331.
Nottebohm, Gust a v 19.
Nougues 177.
Noverre 441.
Novalis 506. 517, 526, 528.
Novelty List, Breitkopf and Hiirtel 128a.
No win ski, J. 206.
NuBle 294.
Nuitter, Ch. 186. 204, 399, 406. 409 f., 415,
418. 442.
Nyert 41S.
O., E. 6"&
Oberleitner, K. 156.
Oboe da caccia 44.
Obrecht (Lautensch lager) 396.
Obrist, Aloys 150, 257.
Ochs 556.
Ochs, P. 551.
Ochs, Siegfried 349 f.
Ochsenkun 322.
Ochsler 50, 238.
Oekolampad 518, 550.
Officers of the IMG. since 1899 1c.
Oldberg, Arsue 159.
Olearius, Johann 573.
Olschki, Leo 418.
Olympos 325. 329. 334 f., 337 H., 348,
355, 359, 380, 384.
Oper. Engelke, »Einige Bemerkungen zu
L. Schiedermair's Bayreuther Fest-
spiele im Zeitalter des Absolutiamus* 14;
Kalisch, Impressions of Strauss 's »Elek-
tra* 198; Verwendung alter Musik bei
Shakespeare's »Hamlet« in Dresden
(Notiz) 205; Lowenfeld, Inszenierung
der Zauberflote (Ortsgruppenbericht)
220; The »Trojans' of Berlioz 312;
Haydn's »Apotheker? 350; Gluck's »Der
betrogene Kadi* 350; Mehul's » Josef in
Agypten* 350; »Zauberflote« in Paris
364; Preibisch, Quellenstudien zu Mo-
zart's »Entfiihrung aus dem Serail* 430.
Opera, in English, see English National
opera; Streatfeild 153; management
(Wagner) 210.
Opienski, Heinrich 281.
1 Opitz, Martin 355.
1 Oratorio style, English 273.
■ Oratorium. Schering, Ein wiederauf-
! gefundenes Werk (Weihnachts-O.) von
Heinrich Schiitz 68; HeuB, Handel's
Samson in der Bearbeitung v. Pr.
Chrysander 110.
Orchester. Hirzel, Dienstinstruktion und
Persona Is tatus der Hofkapelle Ferdi-
nands I. aus dein Jahre 1527 151;
Sachs, Die Hofmusik der Fiirsten Solms-
Braunfels 284; Nef, Die Stadtpfeiferei
u. die Instrumentalmusiker in Basel
(1385—1814) 395; W. H. Grattan Flood,
The english chapel royal under Henri V.
and Henry VI. 563.
Orchestral scores 142.
Organ, organists of Hesse country 32b;
52; organist as adapter 53; organ-
i playing in England 54; standardization
of console 192b, 205; organ-control
systems 322.
Origines 323 ff.
"Orlando Paladino" of Haydn 224d.
d'Orleans, Gaston u. Philippe 411.
Id'Orneval 444.
Ornithoparch, Andr. 77. 79 f., 82, 84, 87.
Orpheus 337. 359.
Ortigue 149.
Ortsgruppenberichte s. Internationale
Musikgesellsch ft.
Ott, Johann 269, 320.
Ottmer 479.
Otto Constantiensis 539.
Oumiroff 356.
Oury 486.
Ouseley and Proske 96a; on Blow 241.
Overbeck 50SL
24
Inhaltsverzeichnis.
Pachelbcl, Joh. 351.
de Padilla, Pedro 48.
Paer, Ferd. 487.
P&sler, Carl, Umfrage (tiber Haydn) 296,
88, 542.
Paisible 585.
Paisiello 353, 513.
Palestrina, Pierluigi 148, 223, 306, 350,
360, 102; Missa Papae Marcelli 96a.
Pallavicini, Stefano 174.
nuuuBxia of Ravenseroft 117.
Pantzer, Johannes 153.
Paolucci, Giuseppe 107.
Paradies, D. 353, 360, 557.
Parapinace, Michel 384.
Parfaict 201, 20411.
Pakis s. Notizen, Ortsgruppenberichte.
Paris, Gaston 399.
Parisot, Dom. J. 281.
Parry, at Mus. Association 95, on Blow
241.
Pasque\ Ernst 568 t
Pasquier 159, 402.
Passow 347.
Paszthory 294, 358.
Paul s. Jean Paul.
Paulin, Hubert 225. i
Paumhackl, Georg 153, (Paumbhackl) '
155, 157.
Paction 226.
Pedrell, Felipe 49.
Peele, George 445.
Peer Gynt 522.
Peigartsamer, Georgius 153.
de PeJauque 182.
Prissier, Leon G. 161, 223.
Pellegrin (Claude Mathieu) 162 t, 207.
Pellegrini, A. 352.
Pembaur, K. 205.
Peraz, David 438, 448.
Pepys's diary 424.
Per;olesi, Giov. Battista 219, 222, 311,
360, 308.
Perjolesi's "Serra Padrona" 224d.
Perignan, Loya 155.
Perikles 323, 380.
Peroso, Loys 156.
Perotinus 219, 73.
Perrin, Pierre 173, 186, 227 i., 235, 403,
4061, 418.
Perti 353.
Perusa, Malatesta 156.
de Pesaro, Fancesco 219.
Pescetti 435.
Pessard 198.
Petersen, A. B. 358.
Petri 319.
Petri, Adam 540.
dei Petrucci, Ottaviano 258, 85, 91, 105,
109, 111, 539.
Petschnikoff, Alexander 352.
Petter von Mantua 155f.
Petzmayer (zither) 346.
Pfaff, Emanuel 553 ii.
Pfaff, Jacob 553.
Pfanndl, Sigmundt 1561
Pfannstiehl, Bernhard 355, 360.
Pfeifer, Johann 16.
Pfeiffer, Carl A. 205.
Pfohl, Ferdinand 281.
v. d. Pfordten, Hermann 50, 239.
Phendl, Sigmund 157.
Philharmonie and George Smart 299.
Philippi, Maria 318.
Philipps 115.
Philo mates, Venceslaus 77, 97, 386.
Photographon 6, 32a.
Pic 201 1, 244.
da Picitono, Angelo 77, 88 f.
Picot, Jean 193.
Pierrot, Petrus 224.
Pindar 109.
Pinturicchio, Bernard. 75.
Piovene, Graf Agostino 434.
Piper inus, Christophorus 542.
Pipin 535.
Pipping 266.
Pirro, Andr6 11, 114, 208 t, 229, 2321,
238, 255.
Pisendel, Joh. Georg 582.
Pistons (organ) 322.
Pitton 171.
Plaser, Mathias 153.
PlaB, Ludwig 205, 220.
Plato 323 t, 337, 370 it, 380.
Platter, Felix 542 it, 546, 549 f.
Plaz 590.
Plectrum (zither) 343.
Pliturius, Adam Martin 570.
Plutarch 334, 336 it, 343 it, 348, 354 U
358 1, 378.
noffiof, see Puy, and 241.
Poe, Edgar 204.
Poetic basis 153, 275.
Poetry and Music. Article by Sir Charles
^Stanford 133.
Three principles common to both,
rhythm, beauty and form. With this
-'last, compare an architect's proportion,
composition in sculpture and painting,
unities in the drama, design in a story.
Practical advice for setting worcfcs.
Poglietti, Alessandro 310, 360.
Pohl, librarian to Gesellschaft der Musik*
freunde 224c.
Pohl, Carl Ferdinand 295, 581.
Pohle, Max 45.
Poir^e, E. 128.
v. Poifll, Joh. Nep. Freiherr 500.
Poitevin, Guillaume 162 it, 230. 234.
Polak 271.
Poliziano 321.
Inhaltsverzeichnia.
25
Pollc 276.
Polyglot opera 18.
Pommer, Job. 161, 165.
Pontio, Pietro 386.
Porges, Fr. W. 116, 355 f.
Porgcs, Heinrich 222 f.
Porphyrius 367.
Porpora 352, 435.
Porsile 309.
Portmann 601.
Posen. Musikfest (Notiz) 282.
Postel, Chr. 574.
Pougin, A. 195, 205 i.
Poulsen 6.
du Pradel 190, 198.
Praetorius, Ernst 51, 81, 86. 94.
Praetorius, Hieronymus 71.
Praetorius, Miehael 115, 360, 233, 3881,
392 ii.
Prao s. Notizen.
Pragmatic sanction 224c.
Prague national opera 210.
Pralleur 138.
Prallus, Vincentus 550.
Praspergius, Daniel Balthasar 258, 538.
de Prato, Giovanni 219.
Pratt, Waldo F. 159.
de Prawreis, Nicklaa 154.
Preibisch, Walter, Quellenstudien zu Mo-
zart's »Entfiihrung aus dem Serail« 430.
ItalienLsches Schauspiel u. Opera seria
431; die opera buff a 438; Frankreich 442;
England 445; das deuteche Singspiel 450;
die »Entfiihrung aus dem Serail* in ibren
verschiedenen Kompositionen 457.
Prelinger, Fritz 362.
PreuB, K. Tb. 5.
Prieger, Ericb 281, 318.
Prin, J. B. 115.
Printz, W. C. 386, 394.
Probst, E. 560.
Prodigal Son of Debussy 43.
Prod'homme, J.-G. 84, 118, 128, 149, 158.
Prod'homme, J.-G. 158.
Prosdocimus de Beldemandis 136.
Proske, Carl 90, 99, 101, 320.
Proske library at Ratisbon 90, 96a,
Prospectus, IMG. 128a, 224a.
Priifer, Arthur 50, 127, 223 f., 239, 257,
320, 384, 107.
P r ii f e r , Arthur, Schwartz, J. H. Schein,
saratl. Werko, Bi. III. Herausg. v. A.
Priifer 202.
Priifer, Arthur, Briefe R. Wagner's an
seine Kunstler. Herausg. v. F. KloB
(Ortsgruppenbericht) 222; Bericht uber
die Grundung dor Landessektion Sachsen-
Thiiringen 257.
P r ii f e r on Schein 192b.
Prunteres, Henri 238, 281, 232.
Psellus 384.
Pseudo-Aris to teles 350 f.
Ptolemaeus 367, 383.
Puechl, Georg 156 f.
Puefi, Jhann 155.
Pujol 49.
Purcell, H. 351, 360.
Purccll and Blow 427.
Purger, Benedict 155, (Burger) 156 f. .
Puy of Normandy 160a, 241. '
Pyne-Harrison opera company 83.
Pythagoras 17, 323, 325, 328, 360 ff., 371,
373, 379 ii.
Quadflieg, Jakob 102.
Quantz, Job. Joachim 16, 146.
"Quarterly Musical Magazine" (1821) of
Bacon 290.
de Quercu, Sim. Brab. 76.
de Querlon 399.
Quinault 247 i.
Quittard, Henri 85, 204, 165, 173, 226 i.
229, 239 i., 255. 399 i., 406.
de R., (Baron) 260.
Raab, Johannes 285.
Racan 400.
Race in music 48.
Racine 403.
Racynski, Boleslaus 282.
Radecke, Ernst 51, 239.
Radespond, see Ratisbon.
Raff, Joachim 33 i.
Ragas (Hindu) and melody 87.
Raguenet 251.
Raison, Andre 115, 360.
Rally, Lola 360.
Rambach 513, 597.
Rambaut de Vaqueiras 219.
Rameau, J. B. 351, 360, 218, 223,7232,
254, 261.
Ramis de Pareia 268, 75, 386.
Ranee, A. J. 177 i.
Randl, Rueprecht 155.
Rank, Jos. 168.
Raps, Joh. 545.
Raselius, Andreas 77, 87, 386.
Raspo 535.
Ratisbon, music-library 90, 96a, 96b,
224c.
Rauber, Mathias 153.
Rauchfufl 276.
Ravel, Maurice, Calvocoressi, M. Maurice
; R. 192b, 193.
' Ravenscroft's Deuteromelia 117.
| Raybaud 159.
Rebel, Jean Ferry 238. 258, 261.
Reber, B. 539.
I Rebikoff 268.
I Reboul, J. 17.
: Reobnsburo, see Ratisbon. Proske'sche
Musikbibliothek (Notiz) 90.
26
Inhal t s verzeichnis.
Reger, Max 14, 239.
Regnard, Jean-Francois 220, 249, 252 f.
Regnart, Jacob 269.
Reichardt, Joh. Friedrich 259, 353, 360,
55 I., 58, 285, 513, 521, 528.
Reichardt, Louise 353.
v. Reichenbach, Margarethe 383.
Reichensperger, Bartholomew 153.
Reichert, Arno, Ortsgruppenbericht
Dresden 384.
Reichhard 280.
Retmann, Heinrich 358.
Reindeer and Lapp music 192c.
Reindle, Blasius 397.
Reineck 264.
Reinecke, Carl 19, 177.
Reinher von Haslach 534.
Reinthaler 2.
Reisacher, Paulus 155.
Reischius, G. 540.
Reiter, Ernst 560, 562.
Reiter, Jos. 357.
Renner 582.
Rentsch-Sauer, Hella 353.
Repertory theatre 21.
Report of English Section 32c.
Residuum scores 142.
Respighi, Ottorino 352, 359.
de Retz 8. v. Clermont, Katharina.
Reuchlin 540, 545 i.
v. Reumont, A. 321.
Reuter, Caspar 537.
von Revellis, Johannes 157.
Reyer, Ernest 149, 177.
Rhaw, Georg 77, 79, 82 if., 87 f.
Rheineck, Chr. 360, 473.
Riaux, Charles Julien 22 5.
Conte Riccati, Giordano 172.
Richard, Francois 405, 407.
Richart, Lorenz 544.
Richardson (Madeley) on organ accompts
53.
Richter (Pauker in Zerbst) 276.
Richter 380.
Richter, Bernhard Friedrich 223.
Richter, Franz Xaver 305.
Richter, J. 321, 533, 535, 545.
Richter, Otto 220, 257, 361.
Riedel, Bernhard 539.
Riedel, Carl 222.
von Riedesel 609.
Riedler 158.
Riemann, Ludwig 164 (Anm.), 166 (Anm.).
Riemann, Ludwig, Per Volksgesang zur
Zeit der Kirchentonarten 263; Erwide-
rung gegen Niemann 332.
Riemann, Hugo, Baron Frederic (lies
Francois) Auguste Gevaert 102; zur Her-
kunft der dynamischen Schwellzeichen
137; kleine Studien zu Joh. Wolfs
neuem Isaac Band 115.
I. Ein verkannter Kanon 115. II. Men*
sur u. Takt 121. Obertragung von
Isaac's Sinfonia »La Morra< 125. Dm
Rondeau »J'ai pris amours « 132.
Riemann, Hugo 20, 50, 129, 131, 132. 143.
239, 257, 266, 320, 337 ff. (Willfort,
Glareans Erwiderung), 361, (00. Geburts-
tag u. Feier) 363, 55, 74 U Wolf, Be-
merkungen zu Hugo Riemanns tlsaac-
Studien* 147, 308 ft., 358, 393, 432, 435,
438, 442 f., 545, 513, 568 f., 597.
R i e m a n n on Troubadour melodies 32b,
53, 160b- sixtieth birthday 332d, 363.
Rienzi, Wagner's 260c.
Riepel, Joseph 116.
Ries, Ferd. 477, (Briefe an G. Weber) 483,
492.
Rietsch, Heinrich 50, 239, 364.
Rietschel, Georg 45, 50.
de Rieux, Serre 195, 227.
Riggenbach 398, 533, 549, 551.
Righini, Vincenzo 498, 513, 525.
R i m s k y Korsakov's "Christmas Eve"
43.
"Ring" in English, Wagner's 18.
Rimsky-Korsakoff 158, 364.
Rings of Vienna 224c.
Rink 483.
Ripolles 49.
Riseregkh, Lorentz 156 s. a. Liscregkher.
Ritorno di Tobia, see Tobias.
Ritter, Christian 360.
Ritter, Peter 454.
"Ritter Roland", see Orlando.
Ritter, William 115.
Rivini 266.
della Robbia, Luca 75.
Roberday 115.
Robert, Konig von Frankreich 360.
Robert, Karl (Halle) lb.
Rochlitz, Joh. Friedrich 492. 499.
Rochois 203.
Rock, Frieda 352 f.
Rodez 183.
Don Roderigo 155.
Roguski, G. 206.
Roellig 276.
I Holland on Strauss 332c.
Rolland, Romain 17, 147, 362.
! Rolle, Joh. Christian 590.
1 Rom s. Notizen*
Romberg 560.
Romler 283.
de Ronsart, P. 400 ft.
Root 159.
Rosa, Salvator 360.
Rose 319.
! Roselli, F. 223, 360.
; Rosellini 110.
i Rosen miiller, Johann 360.
I Rosenplut (Rosenblut), Johannes 450.
i nhaltsverzeichnis.
27
Rossi 351, 122.
Rossi, Francesco 360.
Rossi, Luigi 227.
Rossini, Gioachino 26, 562.
Roswick 8. Koswick.
Rostang, A. 173.
Roth, H., Julius Hey t (ttotiz) 242.
Roth, Herman 257 * vora Mainzer Musikiesl
315.
Roujou, Henri 147, 362.
Rounds, English 117.
Rousseau, J. B. 201 f.
Rousseau, J. -J. 414.
Roussin 207.
Le Roux, F. 261.
Le Roy, Adrian 401 if.
Roux-Alpheran 159.
Royer 261.
de Rozoi 180.
R64ycki 206.
de Rudelle 182, 184. 187, 189.
Rudolff der Munch 534.
Kaiser Rudolph II. 158.
Rudolphus 534.
Rudorff, Ernst 20.
de la Rue, Pierre 105, 321.
Ruelle 384.
Rueprecht 154.
Ruere 159.
de Ruffi, Louis Antoine 172.
Ruffo, Vincenzo 360.
Ruggieri, Costantino 172.
Rules of the Society. August 1909.
R u n g e (Paul) on Troubadour melodies
160b.
Runge, W. 129.
Rungenhagen 454.
Russland. Musikunterricht an russischen
Schulen (Notiz) 282; Hohenemser, Das
groBrussische Volkslied (Ortsgruppen-
bericht) 383.
Rust, Friedr. Wilh. 36.
Rutz, O. 223.
Ryff, Fridolin 545.
Ryhiner, Friedrich 543.
Ryter, Jacob 545.
Saal 358.
Saal, Willem 350.
Sabdumene, Bernardo 433.
Sacchini, A. M. G. 435.
Sachs, Curt. Die Hofmusik der Fiirsten
Solms-Braunfels 284.
S a c h 8 , Curt. Seiffert, C. Sachs: Musik-
geschichte der St&dt Berlin bis zum
Jahre 1800 (Bespr.) 317.
Sachs, Hans 160a.
Sack of Troy, see Trojans.
Sacrati 352.
Saint- Jean 202.
Saint-Saens, Camille 84, 177, 242, 364.
Sainton, Joseph (conductor) 141.
Salamon, Giuseppe 435.
Salandroninus, Jacobus 545.
Salimbene 219.
Salinas, Francesco 79, 82, 100, 386.
Salome (Strauss) 199.
Salomon, Elias 267.
Salomon, Joh. Peter 494.
Salterio pastorale 289.
Salvayre, Gaston 242.
Salx 174.
aafdia of Menander lb.
Sammartini 352, 360.
Samotulinus, Venceslaus 296.
Sanchi 103, 117.
de Sancta Maria, Thomas 77, 791., 89,
95 386
Sandberger, Adolf 50, 90, 239, 78, 153 f.
Sanitsbury's 1824 Diet, of Music 290.
Sannemann, F. 240.
Sappho 50.
Saran, O. 129.
Sarasin, Lucas 556.
Sarti 435, 438.
Sartorius, Thomas 360.
Satie, Erik 194.
Sattler 276.
Satzungen der IMG., August 1909.
Saville, Marshall H. 5.
Saxy, Claude 177.
Scalar tonic 87.
Scapinelli, Antonio 173.
Scaria 223.
Scarlatti, Alessandro 148, 150, 352, 227,
434.
Scarlatti, Domenico 159 (?), 310, 351 f.,
360.
Schacher, Mauricius 156.
Schafhautl 450.
Schaler 543.
Schalk, Franz 306.
Schatz, G. 432.
Schaum 286; Schaum, Joh. Caspar,
Melchior, J.-C. 287.
v. Schaum, J. 55.
Scheckel 276.
Scheele 266.
Scheibe 570 f.
Scheibe, Johann Adolph 8, 316, 607.
Scheibler, Ludwig, Zu Mozart's Mann-
heimer Klaviersonate (Notiz) 115; das
! IX. Kammermusikfest in Bonn 318.
I Scheibler, Ludwig 19.
'Scheibler, L. 20.
Scheidt 192b.
Scheidt, S. 351, 361.
! Scheidtler 285.
Schein, Joh. Hermann 85, 127: Schwartz,
J. H. Schein, samtl. Werke. Bd. III.
Herausg. v. A. Prufer 202, 224, 361, 107.
Schein's works 192b, 202, 224.
I
28
IohalteTerzeiohnis.
1
Schelle, Johann 572.
Schelling 506. 517.
Schelper, Otto 223.
Schemseddin, Mohammed 49, 51.
Schenk 568.
Sobering, Arnold, Ein wiederaufgefundenes
Werk (Weihnaehtsoratorium) von Hem-
rich Schutz 68.
Schering, Arnold 50, 115, 148, 189, 239,
257, 295, 320. 384, 568.
Schettky 605.
Scheuerling 280.
Scheurleer, D. F., Jean Marie Leclair
L'aine in Holland 259.
Schiedermair, Ludwig, Engelke,
»Einige Bemerkungen zu L. Sch.'s
Bayreuther Festspiele im Zeitalter d.
Absolutisms* 14.
Schiedermair, Ludwig 50, 222, 239,
257.
Schieferdecker, Joh. Christian 574.
Schiller, Friedrieli 224, 1, 505, 513.
Schilling 15, 51. 58. 62, 66.
Schilling, Gustav 1.
Schinckho, Nicolaus 153.
Schlagzither 342.
Schlegel, Aug. Willi. 10.
Schlegel, Christian 559.
Schlegel, Friedr. 505 f., 517.
Schleicher 287.
Schleiermacher 508.
Schleissner, Stadtschreiber 2.
Schletterer, H. M. 450 f.
Schloger, M. 64.
Schmicorer's Zodiaeus musicus lb.
Schmid, Anton 442, 445.
Schmidt 276, 607.
Schmidt, A. 477, 487.
Schmidt, Joh. Phil. 477, 488, 502.
Schmidt, Leopold 383.
Schmidt, P. W. 5.
Schmitt, Friedrich 242.
Schmitt, Philipp 285.
Schmitz, Eugen 127, 175, 363.
Schmolck 282.
Schnadahiipfl (improv.) 346.
Schneider, Carl Ludwig 286 f.
Schneider, Friedrich 560.
Schneider, K. E. 400.
Schneider, L. 318.
Schneider, Max 47. 384. 70, 281.
Schnerich, Alfred 191.
Schnerich, Alfred 240. .
Schobert and Mozart 32b, 35.
Schoberin, 582.
Schobert, Johann 36, 139.
Schoffer, Peter (Xeudruck des Lieder-
buchs Mainz 1513) 150.
Schoenauer, Thiebold 543.
von Schonborn, Joh. Phil. Franz 174.
Schonbbttnn (Vienna) 224c.
Schoenemann, auditory atlas 26.
Schonsleder, Wolfgang 233.
Schoepfius, Thomann 543.
Schosser, A. 162.
Schott, B. 477, 479, 482, 487 f., 493, 49i
503.
Schott(e) Joh. Balth. 590 f.
Schreck, Gustav 189, 222, 364.
Schubart, Chr. Fr. Daniel 361, 525.
Schubarth, Georges- Pierre 36.
Schubert, Franz 49, 116, 148; Tovey. A
Sch. song analysed 168, 239, 318 f., 9, 12
22, 24, 26, 137.
Schubert, Franz Anton 502.
Schubert's "Viola" song analysed. Article
by Donald F. Tovey 168.
Its place and importance amoni
Schubert's works. Analysis of con-
junction between words and music.
Schubert memorial (Vienna) 224d.
Schubiger, P. A. 535, 539.
Schuch 280.
Schiiddekopf 283.
Schunemann, Else 352, 361.
Schunemann, Georg, Zur Frage des Takt-
schlagens und der Textbehandlung in dei
Mensuralmusik 73.
Die altesten Taktzeichen 73; Grand -
maB 74; bildliche Darstellungen 75; Art
u. Weise des Taktierens. Takterklarun-
gen des 16. Jahrhunderts 76; *tactus<
nur auBerliches Orientierungsmittel 95;
Dirigent 97; weitere bildliche Dar-
stellungen 97; Deklamation (Textunter-
lage) 99; Vorschlage an Herausgeber 107;
Beilagen 108.
Schunemann, Georg 385 ff.
Schiirmann, Georg Caspar 16, 271.
Schutz, Heinrich, Schering, Ein wieder-
aufgefundenes Werk (Weihnachteora-
torium) von H. Sch. 68; 189, 202, 239,
309, 320, 350, 361, 233, 317, 192b.
Schutze, Joh. F. 450.
[Schulz (Sanger) 57.
Schulz, Joh. Abr. Peter 205. 361.
Schumacher, Fritz 205.
1 Schumacher, Heinrich 86.
Schumann, Clara 114, 490.
Schumann, Georg 17, 46, 356.
Schumann, Robert 50, 206. 239, 281, 319,
351, 362, 364, /, 11, 18, 20. 33. 37 i„ 4<l
46. 48, 137, 477, (Brief an G. Weber) 48$,
532, 560, 562.
Schumann -Heink, Ernestine 360.
Schuster, Giuseppe 440, 442.
Schwab, Dietrich 553.
Schwabach-Kaufmann 240.
Schwan. C. F. 451.
Schwanberger 438.
Schwanitz, Joh. Caspar 284 f.
Schwartz, Johannes 286.
Inhaltsverzeichnis,
29
Schwartz, Rudolf. Joh. Herm. Schein,
samt). Werke, Bd. III. Herausg. v. A.
Priifer 202.
Schwartz, Rudolf 267, 568.
Schwartzo, s. Suasso.
Schweitzer, Albert 7ff., 83, 205.
Schweitzer, Anton 96.
Schwencke, Christian Friedr. Gottlieb 494.
Schwickerath, Eberhardt 350.
Schwickert, £. B. Iff.
Schytte, Anna 192.
Sciroli, Greg. 438.
Scolari 435.
Scores, residuum 142.
Scotschoffsky 585.
Scripta collectanea 251.
de Scudery 417.
de Scudier 185.
"Sea-drift" by Delius 42.
"Seasons", Haydn's 224d.
Seepacher, Petrus 153, 155, 157.
Segrais 417.
Seidel, Arthur 115.
Seidel, F. L. 55 f.
Seidl, Anton 223.
Seidler (Sangerin) 56.
Seiffert, Max. C. Sachs: Musikgeschichte
der Stadt Berlin bis zura Jahre 1800
(Bespr.) 317.
Seiffert, Max 46, 90, 189, 228, 230, 234,
316, 350, 357 1., 384, 402, 542, 549.
(rtixeXo^ inscription at Tralles 1 b.
Sembrich, Marcella 353, 355, 360.
Senatra, Arm id a 352.
Seneca 321.
Senfl, Ludwig 361, 83, 152 i., 541.
Sennstl, s. Senfl.
Sera to, Arrigo 352, 361.
Servais 206.
"Serva Padrona" of Pergolese 224d.
Servieres, G. 362.
Seuil, Andreas 3.97.
Seydel 271.
Seydel, Martin 223, 257. j
Seyffert, Wolffgang 68. I
v. Sey fried, Ignaz 487. I
Shakespeare, W. 113, 205, 280, 10.
Shaw, G. Bernard 22.
Shedlock 148, 150. j
Sheffield Festival 42, 89.
Sibelius orchestral works 128a (7). I
Sidelights from India oh genesis of
tonality. Article by Ch. Maclean 86. I
Analyses and supplements Fox Strang-
ways's article on Hindu scale at Samm. I
IX, 449. Shows immense antiquity of'
tonality-sense, and also urges local study |
of "raga". Hindu music though sub- '
sisting, is more obscure than Greek
music though dead. Reasons. Strang -
ways's, 3 tonics, Melodic, Tetrachordal,
Scalar, Their meaning. The "raga" is
a type, halfway between an abstract
scale of available notes, and an actual
composed melody. This difficult subject
still in embryo.
Sieber, L. 541.
Sievers 224.
Sigmund (Pauker) s. Xeuner.
Silbermann, Andreas 551.
Silbermann, J. H. 85, 205.
Silcher 562. .
Sillac 402.
Sillier, Elie 224 f.
Silvani, Francesco 439.
Silvius, Aeneas $35.
Simers, Carl Friedrich 279.
Simers, Johanna Helena 279.
Simon, Eleanor Cleaver 352.
Simon, James 219, 383.
Simon, Ingo 352 f.
Simony, E. 357, 359.
Simrock 62, 477, (Briefe v. N. Simrock an
G. Weber) 490, 496.
Sinding 268.
Sixfelder, Hanns 156.
v. Slatkonia, Georg (Bischof) 152.
Slauersbach, Sebastianus 153.
Slav influence on Mozart 32b, 35.
Smart, Sir George, Musician-diarist. Arti-
cle by Ch. Maclean 287.
Family tree. Wessex family. Nephew
of Sir G. Smart (1776—1867) was the
composer Henry Smart (1813—1879),
whose daughter married Joachim's elder
brother. Record of the most generally
successful English musician of his day.
The well-written diary a reflex of London
musical life of the time. Letters from
Beethoven written in English through
Haring. Present notice ends 1825, and
further promised.
Smith 159.
Snegassius, Cyriacus 77, S7, 102.
Snoeck, Cesar 149, 175, 559.
Sokolowsky, P. 110.
Sokrates 371. 377.
Solemn Overture (Tsehaikoffsky) 142.
Sollnitz 262.
So mis 150.
So mm aire du Bulletin francais de la SIM.,
s. Extraits.
Sonate. Zu Mozart's Mannheimer Klavier-
sonate (Scheibler-HeuB) 18.
Sondheim, Moriz 259.
Song-school of Newark 240, 422.
Sonneck, O. G., Ortsgruppenbericht
Washington 158.
Sonneck on American Section 158.
Southgate, see Musical instruments in
Indian sculpture ; on evolution of flute 95.
Sp&t, Niclaus 155.
so
tnhaltsverzeichnis.
Spanish music (La fontaine) 95.
Sparr, Thomas 286.
Spataro, Giovanni 89.
Speer, Daniel 233, 394.
Spencer, John 445.
Sperontes 361. 383.
Spiro, Friedrich 118.
Spitta, Friedricn 51, 239.
Spitta, Phiiipp 8, 13, 19, 68 f., 237, 267,
277.
Sporry, Robert 116, 355, 357, 359 ff.
Spohr, Louis 240, /, 26, 477, 479, 483 ff.,
(Briefe an G. Weber) 495, 506, 532, 557 f.
Spontini, G. 149, 282, 30, 314, 488, 503 i.
Springer, Hermann, Venezianische Lied-
musikdes 18. Jahrhunderts (Ortsgruppen-
bericht) 126; Ortsgruppenberichte Berlin
219, 384.
Springer, Hermann 353, 384.
Squire, W. Barelev 101.
Stade, F. 257.
Stage, Borsa on modern English 22.
Staden, Johann 127.
Stader 259.
Stadler, Maximilian 488.
Stainer, Jacob 335.
v. Stamford, (Ramford) H. W. 49.
Stamitz, Joh. 20. 36, 138, 361, 363, 307 f.,
312.
Staley, explanation of liturgical year.
Stanford; opesas 82; "on poetry and
music 133; studies and memories" 251.
StandfuB 361, 446. 454, 461.
Stange, £. 358.
Stanley 159 (Pres. of American Section).
Stapelfeldt, M. 358.
Starck, Willv 51, 148.
Stark 20.
Starmer on chimes 95.
Starzer, A. 152.
Starzer, Joseph 64, 310, 361.
Staudacher, Petrus 153.
Stegmann 437, 452 ft, 462, 492.
Steffani, Agostino. Einstein, Notiz fiber
den Nachlali A. St/s im Propaganda -
archiv zu Rom 172, 106.
Steffani, D. Giacomo Antonio 173.
Stehmann, Johannes 350.
Stein, Heinrich 17, 240.
Steinbach, J. 356.
Steiner, C. 479.
Stein hausen and p. f. touch 22.
Stendhal 319.
Stephanie 457.
St. Stephen's cathedral, Vienna 224.
Stern, Julius 222.
de St. Foix, St. et T. de Wyzewa, Un
maitre inconnu de Mozart 35; Les
premiers Concertos de Mozart 139.
"Sticcado pastrole" 289.
Stieglitz, Charlotte 5, 8. 21.
; Stieglitz, Heinrich 5, 8, 10 f., 13. 22, 2
j 39, 58, 72.
Stiehl, Carl 69.
Stievenard 204, 238.
de St. Martin, Jean 178.
Stobaeus, Johann 361.
Stocker, Helene 508 ff., 519, 526.
Stolzel, Gottfried Heinrich 16, 272 i., 27,
607.
Stormer 279.
: Stockmeyer 539.
I Stolberg 54.
. Stoltz, Georgius 153.
Stolz, Georg 45.
! Storck, Karl 1 f.
• Stradal, August 351.
! Stradella, A. 227.
! Strangways, Fox 86.
-Straube, Karl 114. 315.
' StrauB, Richard 84; Kalisch. Impression
of St.'s "Elektra" 198, 206. 238 f.. 281
362.
Strauss and Mariotte 332b. anc
Tebaldini 332c, and Sibelius 128a (7)
: Strauss's "Elektra". Article bv Alf
Kalisch 198.
Report of Dresden first performance
Style traced through Guntram. Feuero
not and Salome. Analysis of plot and
music.
Streatfeild on Opera 153.
Strecker, L. 477.
Streif, Hans 396, 537.
Strieder 583.
jStrungk 27 2, 573.
I Stucki (Tugi), Hans 536.
1 Sturgkh, Graf Karl 305.
"Studies and memories" (Stanford) 251.
Stumpf, Carl 270 (Anm.), 271, 384.
Stupas, Buddhist 103. 117.
Stuttgart s. Notizen.
Suasso 260.
Subject -classification in libraries 22.
Subligny 203, 243.
Susse, Otto 362.
Sulger-Gebing 508 t.
de Sully, Due 200, 204.
Sulzer, Antistes Simon 548.
Summary of news paper articles 1907—
1908 192a.
Supplement (English) 1. 32. 64. 96. 12$,
160. 192. 224, 260, 332.
' Suriano 96a.
1 Swan as vocal emblem 277.
! Sweelinck, Jan Pieters 115. 402.
Swieten, Van, librettist 224d.
Szymanowski 206.
T., H. 34.
Tabulatur of the Meistersinger 160a.
Taffanel 84, 118, 177.
Inhalteverzoichnia.
31
Takt. Schiinemann, Zur Frage des Takt-
schlagens u. der Textbehandlung in der
Mensuralmusik 73 Chybinski, Zur Ge-
schichte des Taktschlagens u. des Kapell-
meisteramtes in der Epoche der Mensural -
musik 385.
Talcke 277.
Tapper, J. W. 172.
Tartini, Giuseppe 351 f.
Taschinger, Michel 153.
Taubert, Hans 158.
de Tavannes, Comte 206.
Tchaian, Tigrane 319.
Tchouadjian 319.
Tebaldini 362.
T e b a 1 d i n i and Strauss 332b.
Telcmann, Georg Philipp 9, 361, 262, 266,
271, 276/77, 282, 553, 572, 590.
"Telepatia musicale" (Tebaldini) 332b.
Te mperament, English and foreign ( Wabb)
116.
Terence's plays la.
Terpander 325, 334 L, 34811., 3581, 380.
Teschinger, Georgius 153.
Tetrachordal tonic 86.
Texeira 260.
Thalbitzer, William 6.
Thayer, A. W. 362.
Thayer-Deiters-Riemann life of Beethoven
23.
Theile, Johann 69, 273.
Theo v. Smyrna 369 if., 376.
Theory in XVI and XIX century (Gon)
159.
The>enard 203.
Thibaut, P. J. 281.
Thierfelder, Albert 50, 239.
Thoinan, E., 186, 399, 406, 409 f., 415, 418,
442.
Thomas (notaire) 182.
Thomas, Eugen 306.
Thomas (-San Galli), Wolfgang 318.
Thommen, R. 396, 534, 538.
Thomson, Cesar 352.
Thonin 183 f., 187, 190, 192 f.
Thornely, Wilfrid Walter 149.
Threshold of music, Wallace's 88.
Thurlings, A. 322, 545.
Thuren, Hjalmar, Nordische Musikinstru-
mente im musikhistorischen Museum zu
Kopenhagen 333.
Thurner, Friedr. Eugen 501.
Tieck, Ludwig 41, 54, 68. 506, 508, 512 it,
517, 519, 521, 525. 530.
Tielche, Joachim 335.
Tielke, J. 85.
Tiersot, Julien 242, 353, 399 fi.
Tiffer, Johannes 155.
Tigrini, Oratio 78, 80, 100, 102, 105.
du Tillet, Titon 173, 195, 203, 213 f., 400,
Tillger, Lucas 153.
"Times" editors 23.
Tinctoris 124.
Tinel, Edgar 148, 158.
Tischer, Gerhard 50, 238.
Tittmann, J. 445.
Tobler, Bartolome 153.
Topffer 281.
Tollmann, Johann 557 ft., 562.
Tomkins, Thomas 361.
Tomkowicz, Stanislaw 282.
Tonwortbund 364.
Tonality in India 86.
"Tobias" of Haydn 192b, 206, 224d, 260c.
"Tod und Verklarung" main theme 271.
Tonkunstler-Sozietat of Vienna, 192b.
Topes (Buddhist tumuli) 103, 117.
Torelli, G. 262.
Tornow 294.
Torri, Giuseppe 15.
Tortel 176.
Torture machinery 96b.
Totenliste. Bohn, E. 363, Gevaert, F. A.
102, 148, Hey, J. 242, Karlowicz 177,
205, Reyer, E. 148, Snoeck, C. 149.
Touch, pianoforte, analysed 22.
Tovey (Donald, F.), see Schubert.
Trade-guilds 276.
Translated operas 82, 116.
Translators, "authorized" 23.
Ms. Tralage 205.
Trautmann 50, 238.
Travenol 198.
Trebitsch, Rudolf 6.
Treff, Paul 384.
v. Trenkwald, H. 259.
Trichaud 777.
Triads (zither) 344.
Triller, V. 266.
Tritonius 101, 546.
Troubadour melodies 32b, 53, 160a.
Trouche, Francois 777.
Trouillat 534.
"Trojans" of Berlioz. Article by Ch.
Maclean 312.
Written after 18 years' pause in stage-
works. Though his chef d'oeuvre, heard
j only in part during his lifetime. Mottl
I revived it entire at Carlsuhe 21 years
| after his death, and has since played
j it regularly there and at Munich. No
one else. Plot and music. Plea for
\ Covent Garden performance.
■ Trumpet-tones (zither) 342.
v. Triitzschler, Maly 353.
\ Tschaikowsky, Peter J. 206.
• Tschaikoffsky's "1812" score. Article
by Ch. Maclean 142.
Due to echonomy, old full armature
onpage now each dis sappearing from
printed scores. The inconvenience of
these residuum-scores. Sometimes also
32
Inhaits verzeichnis •
the score requires supplementing by
extra for military-band, organ, or
special instrument, which is not shown.
Illustrations from Tschaikoffsky.
Tschudi (Clara), Ludwig II and Wagner
153.
Turk, Daniel Gottlob 142 f., 361, 13.
Tugi (Stucki), Hans 536.
Tumuli, Buddhist 103, 117.
Tunder, Franz 361, 363, 96.
Turner English opera company 81.
de Turgis 217.
Turina 49.
TyBOLESE music 192c.
d'Ubaye 178.
Ubeda 49.
d'Udine, Jean 362.
Uhlig, Theodor 49.
Umfragen. Maurer iiber Anton Schweitzer
96; Vivell iiber Indices zu Gerbert u.
Coussemaker 96; Botstiber iiber Haydn
160; Pasler iiber Haydn 295; Chybftski
iiber Samotulinus und Felstin 296.
Ungcr, G. 222.
Urbach 294.
Urban, H. 206.
Ursinus, Joh. Samuel 263 f.
Uttenhcim 548.
Valentin 578.
Valentin an, Gregorius 153.
Vallas, Leon 115.
del Valle, E. 240.
della Valle 557.
Vanderstraeten 399.
Van Dyck, Ernest 84.
Vanneo, Stephan 89, 100, 385 H.
Varnhagen v. Ense, RaKel 62.
Vasari 508.
Vater, Christian 586.
Vautier, A. 239.
des Vaux 420.
Veillot 239 f.
Veit, M. 13.
Veldi 319.
Velthen 578.
Vengi country 117.
di Vento, Ivo 350, 361.
Vente 448.
Veracini 352, 361.
Verdi, Giuseppe 51, 147.
Vergil 11.
Verzeichnis alterer, seltener aufgefuhrter
Musikwerke 1908/1909 355 (s. auch
Leichtentritt, Hugo).
Viardot-Garcia 23.
Vicentino, Nicolo 85, 100, 102, 104, 385.
Victoria, letters of Queen 27.
Vienna Congress 32a, 33, 64a, 65 (genera
programme), 96b, 97 (papers to be read)
160d, 161 (General Meeting notice), 192a
224b (detailed programme and guide t<
Viennese localities), 225 (notice fo:
change of rules), 226 (further programme
260b (summary report), 261 (officia
report of General Meeting), 262 (encloa
ure, report of the Directory to thi
General Meeting), 291 (announcement o
Congress volume), 297 (Resolution!
passed by different Congress depart
ments), 301 (review of the Congress b]
Alf. Heuss), 332 (English abstract o
Resolutions as abovesaid).
Vienna waltz 192a; zither-stringing systen
348.
Vienne, name distinct from Vienna 224c
Vierling 364.
Vieuxtemps, H. 351.
Vigato, Onorato 432, 438.
Village contests as developing Festival
140.
de Villegas, Antonio 48.
Villette, Pierre 225.
Villoteau 281.
da Vinci, Lionardo /, 314, 448.
Vinds, ancient race of 224c.
Vingtrinier, E. 174.
"Viola" song (Schubert) 168.
Violante Beatrix, Prinzessin v. Toskan*
174.
Virdung, Sebastian 258, 264, 540.
Virgin martyrs 240.
Vischer, Hans 153.
Vischer, Sigmundus 153.
Vischer, W. 538.
Vitali 351 f., 361, 263.
de Vitry, Philipp 73.
Vittoria 306.
Vittoria, A. 361.
Vivaldi, Antonio 351 f., 361, 262, 435.
Vlisse 260.
Volkerling, Kathe 352.
Vogel, Emil 99, 322, 386.
Vogelsang, Joh. 386.
Vogl, Gregorius 153.
Vogler, Georg Joseph (Abt) 450, 491, 497t.t
600.
Vogler, Joh. Kaspar 361.
Vogt, Martin 557.
Voice-trainig 24, 26.
Volapiik 22.
Volbach, Fritz 137, 239, 315.
Volkmann, Robert 206.
Volkner, Robert 320.
Volksgesang. Der V. zur Zeit der Kirchen-
tonarten 263, s. a. Notizen.
Volkslied s. Lied.
Voltaire 201.
Volumier 277.
Inhaltaverzeiohnis.
33
Vorlesungen iiber Musik1):
Augsburg 85.
Basel 49, 238.
Berlin 49 f, 51, 85, 115, 148, 238, 238,
281, 362.
Bern 50, 238.
Bonn 50, 238.
Breslau 50, 238.
Coin 50 f, 238.
Czernowitz 50.
Darmstadt 50, 85, 238.
Dortmund 205.
Erlangen 50, 238.
Freiburg (i. Br.) 50, 238.
Freiburg (Schw.) 50, 238.
GieBen 50, 238.
Greifswald 50, 239.
Halle a. S. 50, 239, 240.
Hamburg 281.
Heidelberg 50, 239.
Jena 363.
Kiel 50, 239.
Konigsberg 50, 239.
Kopenhagen 239.
Krakau 281.
Leipzig 50, 115. 148, 205, 239, 240.
Lemberg 281.
Magdeburg 205.
Marburg 50, 239.
Munchen 50, 175, 239.
Miinster (i. W.) 50, 239.
Prag 50, 239.
Regensburg 175.
Rostock 50, 239.
Starnberg 175, 363.
Straflburg 51, 239.
Stuttgart 363.
Tubingen 239.
Warschau 281.
Wicn 51, 239, 240.
Zurich 51, 239.
Vorstand, election of lc, 32b.
VoB, Joh. Heinrich 11, 53, 481.
Vulpius (Dichter) 221.
Wachter 607.
Wackenroder, Willi. Heinrich. Gregor, Die
deutechc Romantik huh den Bcziehungcn
von Musik u. Dichtung W. H. W. 505.
Wackernagel, R. 548, 555.
Waelrant, Hubert 361.
Waschke, H. 276, 278.
Waschke, H., Einc noch unbekannte
Kompotition J. S. Bach's 633.
Wagenrieder, Lucas 15 3.
Wagner, E. D. 143.
Wagner, Friedrieh 561 f.
Wagner, J. 265.
M Die fettgedruckten /allien bezeichncn Uni-
verait &ts vorlesungen .
X.
I Wagner, Laurentius 153.
i Wagner, Minna 49.
1 Wagner, Peter 50, 191, 238, 534.
Wagner, Richard, 10, 13, 49, 50, 51, 84, 85,
111, 113, 115, 118, 148, 175, 189, 205,
206, 222 if., 238 f., 242, 281, 317, 356,
363 f., /, 4, 261, 33 if., 49, 69, 711,
307, 317, 477, 510.
Wagner, on the pianoforte 18; to English
words 18, 83; life by Ashton Ellis 23,
relations with Ludwig II, 153; relations
with Angelo Neumann 210.
Wahl 277.
Waldauer, R. 353.
Waldersee, Graf 19.
Waldner, Fr. 152.
Waldner, Hans 396.
Wallace's Threshold of music 88.
Wallaschek, Richard 6, 51, 239.
Wallek-Walewski, Boleslaus 282.
Walsh 138.
Walter, Edmund 281.
Walter, George 47, 83, 355 f., 359.
Walter-Choinanus, Iduna 352.
Walther, Joh. Gottfried 361, 275.
Waltz, Melchior 397 f.
v. Wasielewski 405.
Wassermann, H. J. 562.
Washington (American Section) 158.
Wead, Charles K. 4.
Weber, A. 477.
Weber, Bernh. Anselm 477, 497 ( Brief c an
G. Weber), 497.
von Weber, Carl Maria 222, 364, 1, 38, 477,
483 f., 497, 499 ( Brief e an G. Weber,
Fr. Rochlitz u. an J. Ph. Schmidt), 506,
5311, 557 1, 562.
Weber, Gottfried. Altmann, Aus G. W.'s
brieflichem NachlaO 477.
von Weber, Lina 477, (Briefe an G. Weber)
503.
Webb (F. Gilbert) on musical nomenclature
95; on Mendelssohn 176.
Weber, Wilhelm 85.
Weckerlin, J. B. 242, 353, 205, 226, 399,
405 1, 408, 420.
Weenen. Notiz (Haydn) 205.
Weimar. Notiz (Obrist) 148.
Wegener, Dan. 571.
Wegerig 264 i.
Weichselbaum 501.
Weigel, Clara 223.
Weigel, Gertrud 223.
Weigl, Rud. (Bildhaucr) 283.
Weigl (zither) 348.
Weingartner, Felix 189, 305, 311.
Weinhold, C. 264 (Anm.).
Weinmann, Karl 96b.
Weinmann, Karl 90, 175.
Weinreich, Otto 355.
Weinrich, Joh. Michael 265.
3
34
Iiihaltsverzeichnis.
Weifi, Joh. Ambrosius 559, (Marcus) 559.
WeiBmann, Adolf 51.
Wende, £. 383.
Wenszler, Michael 539.
Wensel, G. 383.
Werle, P. 366.
Werner, Arno 17, 277.
de Wert, Giachee 350, 362.
W e s s e 1 y on Greek music-inscription lb.
Westmivsteb Abbey (Blow) 424.
Westphal, Rudolf 102.
de Wette, Christian Heinrich 264.
Wetzler, Hans 355.
White 159.
Whiting, Arthur 159.
Wick 396, 537.
Widor, Charles Maria 7 (Anm.).
Wieck, Friedr. 490.
Wiel, Taddeo 432, 434 i., 438 i.
Wiese 431 f.,
Wibn. Hornbostel, Musikalisches vom
XVI. Internat. Amerikanisten-KongreB
in W. 4; HeuB, Die Wiener Haydn-
Zentenarfeier u. der III. KongreB der
IMG. 301. S. a. Notizen, Ortegruppen-
bench te.
Wieniawski, H. 351.
Wiesinger, Hanns 156.
Wihl, J. 356.
Wilfflingseder, Ambrosius 78, 81, 87.
Wilhelm I., Graf v. Solms 286.
Wilhelmj, August 222.
Wilken 276.
Willfort, E. St.j Glarean's Erwiderung
337.
Winderstein, H. 355.
v. Winter, Peter 55, 557.
v. Winterfeld, Carl 549, 192 b.
Witek, A. 352.
Witte, Weber 49.
Wittgenstein (Princess) and Berlioz
312.
Wolfflin, A. 533, 553.
Wolfflin, Heinrich 508, 510, 523.
Wohlbruck, J. G. 500.
Wohlrab, 569.
Wolf, B. 357.
Wolf, Bodo 361.
Wolf(f), E. W. 454, 601.
Wolf, F. 400.
Wolf, Johannes, Die Melodien der Trou-
badours. Eine Besprechung der Beck-
schen Publikation 129; mittelalterliche
Musikverhaltnisse (Ortsgruppenbericht)
219; Bemerkungen zu Hugo Riemann's
♦Isaac -Studien* 147.
Wolf (Joh.) on Riemann 332d, 363.
Wolf, Johannes. Riemann, Kleine Stu-
dien zu Joh. Wolf's neuem Isaac-Band
115; Ludwig, J. W.'s Ausgabe der Welt-
lichen Werke H. Isaac's (Bespr.) 320.
Wolf, Johannes 50, 126* 127, 238, 2<
(Anm.), 268 (Anm.), 363 73 f., 841., 8
101, 106; 281, 535.
Wolff, Johannes 84.
Wolff, L. 50, 238.
Wolff, Louis 17.
Wolff, Wilhelm 357.
Wolffheim, Werner 127, 384.
Wolffheim, Werner, W. A. Mozart Sohn i
sein handschriftliches Reisetagebuc
(Ortsgruppenbericht) 220.
Wolfrum, Philipp 8, 50, 239.
Wolleb, U. J. J. 540.
Wo Hick de Servilla, Nicolaus 76.
Woltz, Johann 540.
Wood, Henry J. 44.
v. Wolzogen, Hans 223.8
Wotquenne, A. 432, 442 if.
Wotton'8 Diet, of musical terms 24
"Worshipful Company of Musicians'
Article by Ch. Maclean 276.
Immemorial Anglo-Saxon trade -guile
with chartered monopoly from crowi
Later, somewhat analogous minstre
guilds. Later, King's Minstrels predc
minated over the rest, acquiring al
England jurisdiction. Later, London Cit
had its own minstrel-guild, with Roy*
Charter and coat-of-arms. in 1604. Il
powers and subsequent historyjto dab
Wullner, Franz 358.
Wuertzner, Joris 155.
Wurstisen 548, 551 f.
Wustmann, Gustav, Ein Brief C. Ph. I
Bach's 2.
Wustmann, Gustav 568.
Wustmann, Rudolf 205, 220, 257. 384.
Wustmann, Rudolf, Ortsgruppenbericht
Dresden 220, 294.
de Wyzewa, T. et G. de St. Foix, U
maltre inconnu de Mozart 35; Le
premiers Concertos de Mozart 139.
Xenophilos 383.
Xylophone 289.
Y e a t h . Wm. Butler 22.
Ysaye, E. 358.
Zacconi, Lodovko 78 f., 89. 94 i.. 100 f
387 ff.
Zachow, Friedrich Wilhelm. HcuB. F. \\
Z. als dramatischer Kantatonkomponie
228, 362, 363, 319.
Zack, V. 162 f.
Zajic, Florian 352.
Zakopane. Notiz (Karlowicz t) 177.
Zanetta (Sangerin) 15.
Inhalts verzeichnia.
35
Zangius, Nicolaus 362.
Zarlino 100, 102 f., 385 f.
Zedler 15, 265.
Zelenka, Dismas 283.
Zelter, Carl Friedr. 116, 362, 12, 58, 66 L,
479, 512.
Zeno, Apostolo 16.
Ziani, Marc Antonio 433.
Zcitschrift contents for 1907—1908 96b.
Ziegler, Caspar 203.
de Zielinski, Jaroslaw 159.
Zielinski on American folk music 159.
Zihn, Joh. Friedr. 264.
Zingel 50, 239.
Zinkeisen, Eucharius 98.
Zither, The. Article by Ch. Maclean 341.
National instrument in Bavarian,
Tyrolese and Styrian highlands, and
takes place there of pforte. Nowhere
yet properly analysed. History and
description. Two instruments combined.
On one hand, 5 fretted strings (melody-
strings), stopped by left hand, played
by right-hand thumb through plectrum.
On other hand 24 open unstopped
strings (harmony- and bass-strings)
ingeniously distributed on nut (stinging)
by 4ths, so as to give complete stock-set
of major and minor triads, for the 3 middle
fingers of right-hand to twang in ac-
companiment. In this remarkably com-
pressed instrument, not even little-
finger of either hand is used. The
registers of the 2 departments almost
wholly overlap, giving peculiar effect.
Vienna stringing differs somewhat from
Munich. Litterature.
Zoder, Raimund, Josef Lanner's Fortleben
im Volksliede II 161.
Zodiacus musicus of Schmicorer lb.
Zschiesche (Sanger) 67.
Zulauf, Ernst 412.
Zulehner 499.
Zummah, Egyptian 105.1
Zumsteeg, Rudolf 205, 362, 466, 467.
Zwingli 540, 548.
Angezeigte Werke der „Kritischen Bticherschaii" derZeitschrift.
(Die mit * bezeichneten wurden besprochen.)
*Abert, H., Niecolo Jommelli als Opern-
komponist 365.
*Alaleona, D., Studi sulla storia dell*
Oratorio musicale in Italia (51),
178.
Allen, P., Songs of old France 21.
*Altenburg, W., Die Klarinette 372.
Ambros, A. W., Geschichte der Musik.
4. Bd. 3. verbesserte Aufl., durchges.
u. erweitert v. H. Leichtentritt 323.
♦Archer, W. and H. Granville Barker,
»A national theatre* 21.
*Aria, E., Costume, fanciful, historical,
and theatrical 21.
Armin, G., Das Stauprinzip od. die Lehre
v. clem Dualismus d. menschl. Stimme
323.
Artaria, Fr. u. H. Botstiber, Josef Haydn
und das Verlagshaus Artaria 323.
*Aubry, P., Cents Motets du Xllle siecle
publies d'apres le Manuscript Ed. IV. 6
de Bamberg 242.
Auerbach, F., Handbuch der Physik.
2. Aufl. (Hrsg. v. A. Winckelmann).
2. Band: Akustik 283.
♦Bach-Jahrbuch. 4. Jahrg. 1907 118. —
5. Jahrg. 1908 244.
*Barmer Konservatorium der Musik.
Festschrift 119.
Batka, R., Riohard StrauB 51.
Battke, M., Elementarlehre der Musik
(Rhythmus, Melodie, Harmonie). 3. Aufl
207.
*Baugha8, E. A., Ignaz Jan Paderewski
21.
Baylis, B., The voice in education 22.
Beethoven's samtliche Briefe. Krit.
Ausg. v. Kalischer 51.
Beethoven -Briefe an N. Simrock, F. G.
Wegeler u. F. Ries. Hrsg. v. L. Schmidt
119.
Beethovenjahrbuch. II. Band 244.
Bekker, P., Das Musikdrama der Gegen-
wart 283.
Beringer, O., 50 years of Pianoforte
playing 22.
Bernoulli, E., Hektor Berlioz als Asthe-
tiker der Klangfarben 283.
Beutter, A., Volkstiimliche Gestaltung
der Notenschrift 244, 323.
*Beyschlag, A., Die Ornamentik der Musik
143.
BlaB, A., Wegweiser zu J. S.fBach 244.
Blummel, E. K., Beitrage zfdeutschen
Volksdichtung. Quellen u.' Forschun-
gen z. deutschen Volkskunde. Bd. VI.
197.
♦Blflthner, J. u. H. Gretschel, Der
Pianofortebau ... 3. vollst. neubearb.
Aufl. Hag. v. R. Hannemann 244.
3*
36
Inhaltsverzeichnis.
Bohm, A. v., Geschichto d. Singvercins d.
Gesellschaft d. Musikfreunde in Wien
207.
*Bohn, E., Die Nationalhymnen d. euro-
paischen Volker 367.
♦Borsa, M., The English stage oLto-day 22.
Brahms, J., Brief wechsel m. J. Joachim.
Hrsg. v. A. Moser 51.
Brahms-Kalender auf das Jahr 1909 51.
Brenet, M., Haydn 90.
Briefe fiber Musik u. iiber anderes.
Musikal. Korrespondenz an A. v. Gold-
schmidt. Hrsg. v. E. Priedegg 207.
Briefe an einen Komponisten. Musika-
lische Korrespondenz an A. v. Gold-
schmidt. Hrsg. v. E. Priedegg 283.
♦Broadley, A., Repair of violins 22.
Brosel, W., Die Darstellung des Evchen
in d. Meistersingern v. R. Wagner 119.
♦Brown, J. Duff, ^Subject Classifications
22.
Bticher, K., Arbeit u. Rhythmus. Vierte
Aufl. 179.
*Buhnen-Spielplan, Deutscher, 1907/08
179.
Billow, H. v., Briefe u. Schriften VIII.
Hrsg. v. M. v. Billow 51.
Busse, H., tTber kirchlichen Chorgesang
u. Kirchenchore 244.
Cahn-Speier, R., Franz Seydelmann als
dramat. Komponist (Diss.) 323.
*Calmus, G., Die ersten deutschen Sing-
spiele v. SfcindfuB u. Hiller 368.
Cape lien, G., Fortschrittl. Harmonie u.
Melodielehre 52.
Challier, E., GroBer Frauen- u. Kinder-
chor-Katalog, m. einem Anhang: Ter-
zette. 1. Nachtrag 283.
"Chamberlain, H. St., Rich. Wagner an
Ferd. Prager. 2. Aufl. 51.
Chop, M., Jacques Offenbach, Hoffmann's
Erzahlungen. Geschichtl., szenisch u.
musikalisch analysiert 90.
*Chop, M., J. S. Bach, Matthaus-Passion
244.
*Chybinski, A., Das Verhaltnis der
polnischen Musik zur abend land ischen
im XV. u. XVI. Jahrh. 245.
*Clark, W. J., International language, |
past, present and future 22.
Colberg, P., Harmony 22. I
Colles, H. C, On Brahms 22. j
Combarieu, J., La musique et la magie I
179.
Creation of the World. Gwreans An \
Bys. Cornish mystery- play 22. |
Dasent, Arth. L., Life of John Thadeus
Delane 22.
Dauriac, L., Le musicien poete R.
Wagner 90.
Davidson, Gl., Stories from the opera
2nd. series 23.
*Diehl, A. M., »The life of Beethoven* 24
*Diehl, W., Die Orgeln, Organis tens telle
u. Organistenbesoldungen i. d. alte
Obergrafschaftsgemeinden d. Grol
herzogtums Hessen 52.
v. Dittersdorf, C, Lebensbeschreibuni
Neu herausgeg. v. E. Istel 369.
♦Dobrzypski, W. T., Rich. Wagner 28:
Drusovic, H., Methodik d. Gesan$
unterrichtes i. d. Volksschule 179.
♦Duns tan, R., A cyclopaedic dictionary <
music 245.
♦Ehrichs, A., Giulio Caccini (Diss.) 20'
Ellis, W. A., Life of R. Wagner, vor. \
23.
Engelke, B., Joh. Fr. Fasch, Sein Lebe
und seine Tatigkeit als Vokalkomponi
(Diss.) 247.
Ergo, E., Dans les propylees de Pinstn
mentation 119.
Engl, Joh. Ev., Das Glockenspiel i
Salzburg. 2. Aufl. 369.
Engl, Joh. Ev., Das Hornwerk auf Hohei
salzburg. 2. Aufl. 369.
Faldix, G., Die asthetische Wirkung dc
Intervalle 52.
Festschrift zur E. Th. A. Hoffmam
Feier (Bamberg). Hrsg. v. K. Schmic
119.
Fest- u. Program mbuch z. 4. Deutsche
Bachfeste in Chemnitz 52.
Fink, Frdr., Die elektrische Orgeltraktu
119.
Fischer, A., Das deutsche evang. Kircher
lied d. 17. Jahrhunderte. Hrsg. i
W. Tiimpel. 23. u. 24. Heft 52.
Fischer-Planer, Einfiihrung in d. Musi
v. R. StrauB' »Elektra« 283.
♦Franceso lo »Cicero Romano « 52.
Freeh, K., Stoff u. methodische Behand
lung der Elementariibungen i. Gesanp
unterrichte der Volksschule 179.
Garcia, M., s. Mackinley.
GraBmann, A. L., Natur- Jodel des Jose
Felder aus Entlebuch 52.
Gast, K., Die Forderung des Schulge
sanges durch den Grundlehrplan de
Berliner Gemeindeschule 179.
Given, J. L., Making a newspaper 24.
Glasenapp, C. Fr., DasLeben R. Wagner'
4. Ausg. 4. Bd. 52.
v. Gleichen-Rufiwurm, A., Weimai
Bayreuth, Miinchen, ♦drei deutsch
Kunststatten« 283.
*Goehler, G., Uber musikalische Kultur52
Gomme, G. L., Folklore as a historica
science 24.
Graner, G.. Rich StrauC Elektra 208.
Green, A. St., Town life in XV century 24
Inhaltsverzeichnis.
37
Grunsky, K., Musikgeschichte seit Be-
ginn d. 19. Jahrhunderts I. 2. Aufl. 53.
Grunsky, K, Dasselbe II. 2. Aufl. 208.
♦Grunsky, K.t Musikasthetik 180.
de' Guarinoni, E., Gli strumenti musicali
nel museo del conservatorio di Milano
180.
*Guerber, H. A., Myths of Greece and
Rome 24.
Gum mere, F. B., The popular ballad 24.
*Hadow, W. H., »A Croatian composer. «
Notes towards the study of J. Haydn
323.
Halls of London City Guilds 24.
v. Hase, H., Jos. Haydn u. Breitkopf &
Hartel 208.
Hashagen, F., Joh. S. Bach als Sanger
u. Musiker des Evangeliums u. der
lutherischen Reformation 208.
Haydn's handschr. Tagebuch aus d. Zeit
seines zweiten Aufenthaltes in London.
Als Manuskript u. in Druck gelegt v.
Joh. Fr. Engler 283.
Haydn - Zentenarfeier. Programmbuch
324.
v. Hazey, Os., Die wertvollsten Lieder d.
deutschen, frz., ital., russisch -deutschen
u. engl. Gesangs-Literatur 283.
Heeger, G. u. W. Wtist, Volkslieder aus
d. Rheinpfalz 248.
Hennig, K., Die geistliche Kontrafaktur
i. Jahrhundert der Reformation. Ein
Beitrag z. Gesch. des deutschen Volks-
u. Kirchenliedes im XVI. Jahrh. (Diss.)
369.
♦Hesse's Deutscher Musikerkalender 1909
53.
*Heuler, R., Moderne Schulgesangreform
(90) 283.
Heufi, A., Anton Bruckner, Te Deum
(KonzertfUhrer) 90.
Heufl, A., Joh. S. Bach's Matthauspassion
208.
Hoffmann, B., Kunst u. Vogelgesang in
ihren wechselseitigen Beziehungen vom
naturwissenschaftlich-musikalischen
Standpunkte beleuchtet 53.
Hulbert, H. H., Voice training in speech
and song 24.
*Jachimecki, Z., Beethoven in seiner
Korrespondenz (polnisch) 180.
Jahrbuch der Musikbibliothek Peters f.
1908 (15. Jahrg.) 248.
♦Jahrbuch der Zeit- u. Kulturgeschichte
1908 (2. Jahrg.) 370.
* Jahrbuch, Kirchenmusikalisches (XXII.
Jarhg.) (180) 248.
Jahresbericht, 27., der internationalen
Stif tung Mozarteum in Salzburg 1907 90.
Jahresbericht, 19., der Mozart -Ge-
meinde pro 1907 90.
Johner, P., Dom. Cantus Ecclesiastici
juxta Editionem Vaticanam ad usum
Clericorum collecti et illustri 371.
♦Irgang, W., Leitfaden der allg. Musik-
lehre. 5. Aufl. Bearb. v. K. Kirschner
369.
♦Iring, W., Die reine Stimmung in der
Musik (53) 369.
Istel, E., Die Bliitezeit der musikalischen
Romantik in Deutschland 150.
Kalischer, A. Chr., Beethoven u. seine
Zeitgenossen. I. Bd. 119.
Kalischer, A. Chr., Beethoven, Wien u.
Weimar 208.
Kalischer, A. Chr., Beethoven u. die
Frauen 208.
♦Kapp, J., Rich. Wagner u. Fr. Liszt (119)
180.
♦Kienzl, W., Rich. Wagner 53.
Kirchengesangvereinstag, der 21. deut-
sche evangelische, zu Berlin 1908 119.
Klampfl, E., Rich. Wagner's »Parsifal«
u. seine Bayreuther Darsteller 53.
♦Klauwell, O., Geschichte der Sonate v.
ihren Anfangen bis z. Gegenwart 53.
KloB, E., Wagnertum in Vergangenheit
u. Gegenwart 371.
Knudsen, H., Schiller u. die Musik (Diss.)
90.
Kobbe, G., How to appreciate music 24.
Koeckert, G., Rationelle Violintechnik
208.
Kohl, Fr. Friedr., Die Tiroler Bauern-
hochzeit. Lieder, Tanze u. Singweisen.
(III. Bd. v. »Quellen u. Forschungen z.
deutschen Volkskunde*. Hrsg. v. E.
K. Bliiml) 53.
Konservatorium, das, Schule der ge-
samten Musiktheorie. Methode Rustin.
Red v. Prof. C. Ilzig 208.
Kothe-Forchhammer, Fuhrer durch d.
Orgelliteratur. Vollst. neubearb. u.
bedeutend erweitert v. O. Burckert 180.
Kothe-Prochazka, AbriC d. allg. Musik-
geschichte. 8. vollst umgearb. Aufl.
v. E. Frh. Prochazka 180.
v. Kraft, O., Die Liebe in R. Wagner's
Musikdramen 208.
Kratzsch, H., Der Kampf des Munchner
Tonkiinstler-Orchesters u. seine Be-
deutung fiir d. deutschen Musiker 284.
KrauB, R., Das Stuttgarter Hof theater
von d. altesten Zeiten bis z. Gegenwart 90.
Krehl, St., Erlauterung u. Anleitung zur
Kom position der Fuge 150.
Kron, L., Das Wissenwerteste fiir d.
Violinunterricht 119, 208.
Kuhlo, H., CJeschichte der Zelterschen
Liedertafel 1809—1909 180, 284.
*Lalo, Ch., Esquisse d'une esthetique
musicaie scientifique 24.
38
Inhalteverzeichnis.
La Mara s. Liszt.
♦La Mara, Beethoven's unsterbliche Ge-
liebte 180.
Landowska, W., Musique ancienne 181.
*de Lange, D., Expose d'une theorie de
la musique (53) 249.
*Launis, A., Lappische Juigos-Melodien
(120) 208.
*de la Laurencie, L., Rameau 121.
Leichtentritt, H.,' Reger, Sinfonietta,
Serenade Op. 95, Variationen u. Fuge,
Op. 100 (Konzertfuhrer) 53.
♦Liszt, Fr. u. Carl Alexander, Brief-
wechsel. Hrsg. v. La Mara (53) 119.
Litzmann, B., Klara Schumann, III. Bd. :
KL Sch. u. ihre Freunde 1856—1896
53.
Lobe, J. C, Traite pratique de compo-
sition musicale. Traduit de l'allemand
(d'aprea la 5. eel.) par G. Sandre.
3. ed. 53.
Lobmann, H., Die Gesangsbildungslehre
nach Pestalozzi'schen Grundsatzen v.
M. Tr. Pfeiffer u. H. G. Nageli i. ihrem
Zusammenhange mit d. Asthetik, der
Gesch. d. Padagogik u. d. Musik (Diss.)
250.
* Louis, R., Hans Pfitzner, Biographie
sowie vollst. Verzeichnis seiner Werke
209.
Louis, R., Grundrifl der Harmonielehre
250.
*Lubomirski, Gr., Handbuch d. Harmonie
lehre (polnisch) 284.
♦Mackinley, M. St., Manuel Garcia. Life
23.
Marxer, O., Zur spatmittelalterlichen
Choralgeschichte St. Gal lens 181.
*Masson, D., Memoirs of London in the
forties 150.
Mayerhoff, F., Instrumentenlehre 150,
181.
Mayrhofer, R., Die organische Harmonie-
lehre 90.
♦Mendelssohn-Bartholdy's, F., Brief-
wechsel m. Legationsrat K. Klinge-
raann. Hrsg. u. eingeleitet v. K.
Klingemann (150) 209.
Mengewein, C.. Die Ausbildung d.
musikalischcn Gehors 26.
Meyer, R. M., Die Meisterstucke des
deutschen Volks- u. Kirohenliedes 284.
Mistral, F., Memoirs 26.
Mitteilungen f. d. Mozart- Gemeinde in
Berlin. 26. Heft, Nov. 1908 121. —
27. Heft. Miirz 1909 250.
Mohler, A., u. O. GauB, Kompendium der
katholischen Kirchenmusik 181.
Vianna da Motta, J., Nachtrag zu
Studien bei H. v. Bulow von Th. Pfeiffer
210.
Mozart, W. A., Die Dame Kobold
Kom. Oper frei nach d. gleichnam
Lustspiel von Calderon mit der Musil
zu Cosi fan tutte. Bearb. v. K. Scheide
mantel (Textbuch) 324.
* Mozart- Verein zu Dresden. Siebentej
Bericht 1906-1908 150.
♦Muller-Branow, Eine Kritik der Stimm
bildung auf Grundlage des »primareD
Tones, zugleich ein Beitrag z. Lehn
vom »Stouprinzipe« v. G. Armin 251
♦Musikbuch aus Osterreich. Red. v
Dr. H. Botstiber (VI. Jahrg. 19(>9) 251
Musiker-Kalender s. Hesse.
Musikgesellschaft, Internationale. Mu
sikahsche Zeitschriftenschau, Okt. 190'
bis Sept. 1908. Zusammengestellt v
M. Schneider 248.
Nagel, W., Studien zur Geschiehte dei
Meistersanger 284.
Nef, A., Das Lied in der deu tocher
Schweiz Ende des 18. u. . Anfang d
19. Jahrh. 324.
*Ncf, K., Schrif ten iiber Musik u. Volks
gesang 151.
Neitzel, O., u. L. Riemann, Musik
asthetische Betrachtungen. 3. Aufl.
284.
Nelle, W.. Geschiehte des deutochen
evangel. Kirchenliedes. 2. Aufl. 182.
"'Neumann, A., Personal recollections oi
Wagner 210.
*Niederheitmann, Fr., Cremona. Eine
Gharakteristik d. ital. Geigenbauer und
ihrer Instrumente. Neue (Titel) Aufl.
v. E. Vogel (182) 284.
♦Niemann, W., Das Nordlandbuch 371.
Nikel, E., Geschiehte d. katholischen
Kirchenmusik. Bd. 1 53.
Nin, J.J., Pour Tart 285.
Noskowski, S., Kontrapunkt, Kanons,
Variationen u. Fuge (polnisch) 53.
Perreau, X., La plurality des modes et
la theorie generale de la musique 121.
Pfeifer, Th., Studien bei H. v. Bulow.
6. Aufl. 182.
* v. d. Pfordtcn, H, Mozart (26) 371.
Polinsky, A., Geschiehte d. polnischen
Musik im UmriB (polnisch) 324.
Prosniz, A., Handbuch d. Klavier-
Literatur 145^)— 1830. 2. verb. u. verm.
Aufl. 53.
Pnifer, A., Joh. H. Schein u. das weltl.
deutsche Lied des 17. Jahrh. M. e. An-
hang: Schein's Stellungz. Instrumental-
musik 26.
Prufer, A., Rich. Wagner 211.
Priifer, A., Das Werk von Bayreuth.
Vollst. umgearb. u. stark verm. Aufl.
der Vortraffe uber d. Buhnenfestspiele
in Bayreuth 372.
Inhaltsveraeichnia.
39
Rei chert, A., 60 Jahre Sinfonie-Konzerte
(Kgl. Kapelle Dresden 1858—1908) 151.
♦Reimann, H., Aus H. v. Bulow's Lehrzeit
182.
♦Richardson, A. M.f Modern organ-
accompaniment 53.
Richter, E. F., Traite d'harmonie
theorique et pratique. Trad, par
Ex.-prof. G. Sandre 211.
f Riemann, H., Lehrbuch d. einfachen,
doppelten u. imitierenden Kontra-
punkts.1 2. ganzl/durchg. u. erw. Aufl.
54.
♦Riemann, H., Musiklexikon. 7. ganzl.
umgearb. Aufl. 55.
Riemann-Festschrift. Gesammelte Stu-
dien. H. Riemann z. 60. Geburtstage
iiberreicht v. Freunden u. Schulern
372.
v. Riesemann, O., Die Notationen des
altrussischen Kirchengesanges 372.
*Rutz, O., Neue Entdeckungen von der
menschlichen Stimme 151.
Rychnowsky, E.v Jos. Haydn 324.
Sachs, C, Musikgeschichte der Stadt
Berlin bis zum Jahre 1800 55.
Scheide mantel, K., Stimmbildung.
2. durchg. Aufl. 55.
Scheurleer, D. F., Het Muziekleven in
Nederland 324.
Schilling, A., Aus R. Wagner's Jugend-
zeit 211.
♦Schjelderup, G., u. W. Niemann, Edvard
Grieg (26) 284.
Schindler, A., Beethoven. Neudruck v.
Kalischer 324.
Schmidt, H., und U. Hartmann. Rich.
Wagner in Bayreuth 372.
Schmidt, L., Meister der Tonkunst im
19. Jahrh. 121.
Schmitz, E., Rich. Wagner 372.
Schneider, L., Das franzosische Volksiied
55.
♦Schnerich, A., Messe u. Requiem scit
Haydn u. Mozart (55) 121.
Schoenemann, A., Atlas of the human
auditory apparatus 26.
Schottky, J. M., Paganini's Leben u.
Treiben als Kiinstier u. ais Mensch 324,
372.
Schrader, B., Berlioz 121.
Schropp, H., Deutsche Musik — deutsche
Rasse 285
Schubert-Kalender f. 1909 90.
Schwerin, Josephine, Graf in, Erinne- I
rungen an A. Reiscnauer 121. |
Semester, 100, d. akad. Gesangvereins j
in Wien 1858—1908. "Red. v. Dr. R.
Gerber 55. !
Seydel, M., Grundfragen der Stimmkunde i
324. I
Siebeck, H., Grundfragen z. Psychologie
u. Asthetik d. Tonkunst 285, 324.
Siebert, W., Heinr. Heine's Beziehungen
zu E. Th. A. Hoffmann 90.
Specht, R., Joh. StrauB 285.
Spiro, Ft., Schubert, Messen in As dur
u. Es dur (Konzertfuhrer) 55.
Spranger, E., Beethoven u. die Musik
als Weltanschauungsausdruck 285, 324.
♦Staley, V., The liturgical year 26.
♦Stanford, Sir Ch. Studies and Memories
251.
♦Starke, H., Physikalische Musiklehre
121.
Stauber, P., Vom Kriegsschauplatze der
Wiener Hofoper. Das wahre Erbe
Mahler's 153.
Stefan, P., Gust. Mahler's Erbe 90.
Storck, K., Mozart 55.
StrauB, R., Le traite d'orchestration
d'Hector Berlioz. Commentaires . . .
traduits par E. Closson 285.
♦Streatfeild, R. A., The Opera 153.
♦Succo, R., Rhythmischer Choral, Altar-
weisen u. griech. Rhythmen in ihrem
Wesen dargestellt durch eine Rhythmik
d. einstimmigen Gesanges auf Grund
der Akzente 26, 55.
Tetzel, E., unter Beratung v. X. Schar-
wenka, Das Problem der modernen
Klaviertechnik 372.
Thomas-San-Galli, W. A., Musik und
Kultur 122. .
Thomas-San-Galli, W. A., Die unsterb-
liche Geliebte Beethoven's Amalie
Sebald 324.
♦Thrane, C, Fra Hofviolonernes Tid
252.
Tomicich, H., Fiihrer durch Smareglia's
Istrianische Hochzeit 57.
♦Tschudi, CI., Ludwig II., King of Bavaria
153.
Vallas, L., La musique a Lyon. Tome I.
La musique a 1'Academie 154.
Verzeichnis der i. Jahre 1907 er-
schienenenMusikalien usw. (Hof meister)
(56. Jahrg. od. 2. Reihe, 4. Jahrg.
2 Hefte) 90.
Verzeichnis der i. Jahre 1908 erscli.
Musikalien usw. (Hof meister) (57. Jahrg.
od. 9. Reihe, 5. Jahrg.) 285.
Victoria, Queen, Letters, 1837—1861 27.
Voigt, A., Exkursionsbuch zum Studium
der Vogelstimmen 372.
Volkmanij, L., Zur Neugestaltung d.
UrheberHchutzes gegeniil)er mechani-
schen Musikinstrumenten 211.
*Waghalter, H., Instrumentationslehre
(polnisoh) 57.
Wagner, R., Illustrierte Blatter f. Wagncr-
sche Musik, Kunst u. Litcratur 57.
40
InhalteverzaiohniB.
♦Wagner, R., Oeuvres en Prose. T. II.
Traduites par J.-G. Prod'homme et
Dr. F. Holl 154.
♦Wagner, R., An seine Kiinstler. Herausg.
v. E. KloB 182.
R. Wagner- Jahrbuch, Bd. Ill (1908).
Herausg. v. L. Frankenstein 122.
Wallaschek, R., Geschichte der Wiener
Hofoper 57.
v.Weber, C. M., Samtliche Schriften.
Krit. Ausgabe v. G. Kaiser 57.
Weber, K„ Wie wird man musikalisch? 27.
♦Weber, W., Beethoven's Missa solemnis.
Neue erw. Ausgabe 57.
Weinmann, K.. Karl Proske, Der Restau-
rator der klass. Kirchenmusik 122.
♦Wetzger, P., Die Flote 372.
Weweler, A. Ave Maria. Das Wesen der
Tonkunst u. die modernen Bestrebun
gen 372.
Wolf, H., Verzeichnis seiner Werke. Mil
einer Einfiihrung v. P. Muller 58.
Wolff, Ernst, Felix Mendelssohn
Bartholdy. 2. verm. Aufl. 211.
♦Wolff, Eugen, Mignon. Ein Beitrag zur Ge
schichte des Wilhelm Meister (324) 372
Wust, W., s. Heeger.
Zampa, G., Violini antichi 182.
♦Zauberflote, Die, in der Weimarei
Fassung der Goethe-Zeit. Mit einei
Einleitung von Dr. H. Loewenfeld 183
Zeitschriftenschau, Musikalische s.
Internationale Musikgesellschaft.
Ziehn, B., Harmonic- u. Modulations'
lehre 324.
♦Zschorlich , P. , Was ist moderne Musik? 58,
l
Angezeigte Mnsikalien.
(Die mit * bezeichneten sind besprorhen.)
♦Bauerle, H., Kyrialc sive Ordinarium
Missae, eine Hilfsausgabc in moderner
Choralnotation 285.
Bossi, M. E., Raccolta di composizioni di
antichi autori italiani adattate per
l'organo moderno 184.
Denkmaler deutscher Tonkunst. 28. Bd.
G. Ph.. Tele m an n, Der Tag des Ge-
richts, Ino. herausg. v. M. Schneider
184.
Denkmaler deutscher Tonkunst. 24. Bd.
Newe deutsche geistl. Gesenge f. d.
gemeinen Schulen, herausg. v. J. Wolf
184.
♦Denkmaler deutscher Tonkunst. 31. Bd.
Ph. Dulichius, Prima pars centuriae
octonum et septenum vocum, herausg.
v. R. Schwartz 373.
♦Denkmaler der Tonkunst in Bayern,
Jahrg. VTII2: Sinfonien der pfalz-
bayrischen Schule (Mannheimer Sin-
foniker) II2. herausg. v. H. Ricmann
286.
Denkmaler der Tonkunst in Osterreich,
Jahrg. XVI2: H. Isaac, Choralis
(k)nstantinus II, samt Nachtrag zu d.
welt lichen Liedern, bearb. v. A. v.
Webern. Der Nachtrag bearb. v. J.
Wolf 286.
Denkmaler der Tonkunst in Osterreich.
Jahrg. XVT2: F. G. Albrechtsberger,
Instrumentalwerkc^bearb. 'v.*0. • Kapp
285.
Hausmusik aus alter Zeit. Intime Ge-
siinge mit Instrumentalbegleitung aus
d. 14. b. 15. Jahrh. Herausg. v. H.
Riemann. III. Heft 184.
Madrigale, Ausgewahltc Mehrst. Gesange
beruh rater Meister d. 16. u. 17. Jahrh.
in Part, gebracht v. W. Barclay Squire
184.
Meisterwerke deutscher Tonkunst. Mehr-
stimm. Lieder alter deutscher Meister.
Heft 2—5. Bearb. von H. Leichtentritt
184. — A. Poglietti, Arie mit Varia-
tionen, bearb. von Br. Hinze-Rcinhold
184.
♦Mozart als achtjahriger Komponist. Ein
Notenbuch Wolfgang's. Herausg. v.
G. Schunemann 181.
♦Musikgesellschaft, Internationale. J.
Schobert: Andante a. d. Klaviersonatc
Op. 17 Nr. 2 und W. A. Mozart: An-
dante a. d. Klavierkonzert Nr. 2 (K
V. 39) in Gegenuberstellung 122.
Obrecht, J., Werken. Uitgeven door
Prof. Dr. J. Wolf. Erste Af levering 184.
♦Perlen, alte, in neuer Fassung. Eine
Sam m lung v. Instrumentalsatzen be-
ruhmter Komponisten des 15. bis
18. Jahrh. f. Violine u. Klavicr bearb.
v. H. Schroder 183.
♦Scarlatti, A., Harpsichord and Organ
Music. Edited* by J. S. Shedlock.
Part, t 122.
♦StrauB, R., Don Juan. Macbeth. Tod
u. Verklarung. Till Eulenspiegels
lustige Streiche. Also sprach Zara-
thustra. Don Quixote. (Eulenburgs
Part.-Ausg.) 122.
Inhaltsverzcichnis.
41
Refereuteii der „Kritischen Bttclierschau" der Zeitschrift,
Anonym (Chamberlain) 51, (Gohler) 52,
(Hesse) 53, (Kienzl) 53, (Klauwell) 53,
(Riemann) 55, (Barmer Konservaturium)
119, (Mozart- Verein) 150, (La Mara) 180,
(Mitteilungen d. Mozartgemeinde 27) 250,
(Niemann) 371.
Bchrcnd, W. (Thrane) 252.
Chybinski, A. (Waghalter) 57, (Jachi-
mecki) 180, (Dobrzynski) 283.
Dauriac, L. (Lalo) 24.
Ecorcheville, J. (Valla*) 154, (Wagner) 154.
Einstein, A. (Erichs) 207.
Gaisser, U. (Succo) 26, 55.
Haas, K, (Calmus) 368.
Hammer, H. (Ergo) 247.
Heufl, A. (Weber) 57, (Zschorlich) 58,
(Bach- Jahrbuch 1907) 118, (Btthnen-
Spielplan 1907/08) 179, (Mozart- Sch tine-
mann) 181, (Reimann) 182, (Zauberflote)
183, (Chop) 244, (Musikbuch aus Oster-
reich 1909) 251, (Jahrbuch d. Zeit- u.
Kunstgeschichte 1908) 370, (Wolff) 373.
His, M. (Mendelssohn-Klingemann) 209.
v. Hornbostel, E. (Bohn) 367, (Irgang) 369,
(Iring) 369, (Wetzger) 372, (Altenburg)
372.
Jachimecki, Z. (Chybinski) 245.
Jerichau, Th. (Francesco) 62.
Istel, E. (Kapp) 180, (Wagner) 182, (Louis)
250.
Justus (v. d. Pfordten) 371.
Kaiser, G. (Heuler) 283.
Maclean, Ch. (Archer and Barker, Aria,
Baughan) 21, (Beringer, Bona, Brown,
Clark, Dasent) 22, (Ellis, Garcia) 23,
(Green, Guerber) 24, (Mistral, Staley) 26,
(Richardson) 53, (Masson) 150, (Streat-
feild, Tschudi) 153, (Neumann) 210,
(Diehl, Dunstan) 245, (Stanford) 251,
(Hadow) 323.
Masson, P.M. (de la Laurencie) 21.
Obrist, A. (La Mara) 119.
Riemann, H. (De Lange) 249.
Riemann, L. (Starke) 121, (Bluthner i.
Gretschel) 244.
Roth, H. (Rutz) 151.
Sachs, C, (Niederhcitmann) 284.
Schiedermair (Abert) 365.
Schering, A. (Alaleona) 178, (Grunsky)
180.
Seydel, M. (Muller - Bmnow - Armin)
250.
Thuren, H. (Launis) 208, (Schjelderup u.
Niemann) 284.
W., P. (Schnerich) 121, (Nef) 151.
Wagner, P. (Kirehenmus. Jahrbuch 1909)
248.
Werner, A. (Diehl) 52.
Wolf, J. (Aubry) 242.
Referenten der ..Besprechung von Masikalien4i der Zeitschrift.
Anonym (S^hobert-Mozart) 122, (Scarlatti
122, (StrauB) 122, (Alte Perlen) 183.
Heufl, A. (Sinfonien d. pfalzbayrischen
Schule) 286.
Leichtentritt, H. (Dulichius) 373.
W., P. (Bauerle) 285.
Druck von Breitkopf A Hftrtel in Leipzig.